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Der

Feldzug der Division Lecourbe

im

Schweizerischen Hochgebirge

179»

Von

Reinhold Günther

Dr. phil.

Oberlieutenant im Füsilierbataillon 17

Mit einem ersten Preise bedacht von der Schweizerischen Offiziers-Gesellschaft

zu Basel am 1. Juli 1895 und mit Unterstützung derselben

zum Druck befördert

Mit einer Uebersichtskarte des Gotthardgebietes und vier Skizzen

FRAUENFELD

Verlag von J. Huber

1896

Huber & Co. Buchdruckerei in Frauenfeld

Inhaltsverzeichnis.

Vorwort ........

Seite

1

Einleitung

13

I. Die ersten Kämpfe in Graubünden .

28

II. Die Aufstände ......

75

III. Der Verlust des Gotthard

85

IV. Die Ereignisse während der Waffenruhe

100

V. Die Wiedereroberung des Gotthard

109

VI. Suworoff

127

Anmerkungen .......

181

Vorwort.

Die Kriegsereignisse des Jahres 1799 bergen eine Fülle von Thatsachen, welche zu weitgehenden taktischen Studien und histor- ischen Forschungen anregen. Der Schweizer Wehrmann vornehmlich wird dem Schicksalsjahre, in dem sein Vaterland als der Kampfplatz fremder Heere erscheint, stets die größte Aufmerksamkeit schenken. Ursachen und Wirkungen schildern sich selten so deutlich wie in jener Periode, die wohl die trübste der hehren vaterländischen Ge- schichte genannt werden darf.

In politischer Hinsicht erscheint ein junges Staatsgebilde, das bei aller äußeren Vortrefflichkeit seiner Verfassung doch, von dem ersten Augenblicke des Entstehens an gerechnet, den Keim früh- zeitigen Unterganges in sich trägt. Es fehlt ihm die vorzüglichste Grundlage nationalen Lebens, das freie Selbstbestimmungsrecht. Ohnmächtig nach außen wie nach innen, mußte der helvetische Einheitsstaat einem selbstsüchtigen Bundesgenossen, der vor keinem Gewaltmittel zurückscheute, geradezu Sklavendienste leisten.

Die reichsten und bis dahin durch einen vortrefflichen Land- wirtschaftsbetrieb sowohl wie durch Handel und Gewerbe aller Art an glücklich geordnete Verhältnisse gewöhnten Gegenden bildeten den Tummelplatz der Koalitionsheere und ihrer Gegner. Ja selbst in dem unwirtlichen Hochgebirge, in welchem die Ver- bindungen nur aus schlechten Saumpfaden und den kaum für einzelne Fußgänger tauglichen Steigen bestanden, tobten die er- bittertsten Kämpfe.

Indes die große Taktik auf den Feldern der Hochebene halbe und ganze Erfolge errang, feierte in den Alpen eine Art Detachementskrieg die höchsten Triumphe.

Günther, Feldzug 1799. 1

Die Bedeutung des Besitzes der Hochgebirge ursprünglich von beiden Teilen falsch aufgefaßt und erst im Laufe des Feld- zuges, wenigstens von der französischen Heerführung, einigermaßen auf den richtigen Wert zurückgeführt tritt uns Epigonen in klarer, von idealen Auffassungen nicht getrübter Form entgegen.

Der Soldat erkennt in diesen Operationen den Wert einer energischen Oberführung, welche alle Schwierigkeiten zu über- winden weiß. Dazu verfügt keine der sich bekriegenden Mächte über Truppen, die besonders zum Feldzuge im Hochgebirge aus- gebildet erscheinen. Dennoch wissen sich Führer wie Untergebene in oft geradezu genialer Weise den Verhältnissen anzupassen.

Das wirkliche Ergebnis aller Operationen aber mag nicht befriedigen, sobald sie in ihrer Gesamtheit erfaßt werden. Die Erklärung hierfür ist in der Thatsache zu erkennen, daß die endgültige Entscheidung über den Besitz der Schweizer Hochebene nicht im Alpengebiete unseres Landes zu suchen ist.

Im Hinblick auf die Zahlen, mit welchen die heutige Zeit zu rechnen gewohnt ist, sind es nicht gerade große Massen, die sich im Laufe des Jahres 1799. im Hochgebirge gegenüberstehen. Da- bei bleibt die Frage zu erläutern, ob nicht das Heer, welches dem Befehle des russischen Feldherrn unterstand, schon viel zu groß für die Bewegungen im Alpengebiete erscheint.

Freilich, die Koalition rechnete nicht darauf, daß Suworoff einen eigentlichen Gebirgskrieg zu führen haben werde. Er selbst glaubte durch die Masse und ihren Impuls jeden Widerstand brechen zu können. Nur ein mit den thatsächlichen Verhältnissen völlig Unvertrauter mochte den Plan fassen, die bei Zürich fallende Entscheidung durch eine die Alpen überschreitende Armee beein- flussen zu wollen. Das Warum" des verzweifelten Gewaltmarsches der Russen durch die Schweiz liefert ein die Geschichte der militärischen Reibungen mit politischem Hintergrunde scharf be- leuchtendes Beispiel.

Die Ergründung dieser Frage interessiert wohl mehr den Geschichtsforscher im Soldaten als diesen selbst. Aber es ist nicht möglich, die strenge historische Ergründung aller Ursachen von den Ergebnissen auf dem Gebiete der Taktik und der Strategie zu trennen. Dieser Satz ist jedoch keineswegs in dem Sinne aufzu- fassen, daß die oberflächliche Betrachtung der geschichtlichen That- sachen allein genügen könnte, jeden Fehler, jeden Vorteil zu erfassen. Die Erkenntnis der Gründe muß sich vielmehr bis auf die geringsten

3

Einzelheiten, auf die Intimitäten des militärischen Lebens erstrecken, ohne doch bei einer derartigen Detaillierung in eigentliche Pedan- terie auszuarten.

Eine gewissenhafte Erforschung aller die Handlungen be- gleitenden Umstände wird besonders dort am Platze sein, wo es sich um ein von vielen Köpfen geleitetes Heer handelt, in einem Lager also, das stets nur Kriegsräte " kennt, in welchem die Schlachten zuerst theoretisch und dann unpraktisch entschieden werden. Tritt zu den Figuren eines politisierenden und dem- entsprechend auch intriguierenden Generalstabes noch die Gestalt eines anscheinend unbeugsamen Mannes, der schließlich jeder ge- schickten Einflüsterung Raum gibt, so sind größere militärische Operationen von vorne herein als Mißerfolge aufzufassen. Nur ein nationales, einheitlich durchgebildetes Heer, das von einem durch keinerlei Rücksichten politischer, oder persönlicher Art gefesselten Führer befehligt wird, kann dauernde Erfolge erringen. Ueber den ehrenvollen Frieden mag der Staatsmann, der Diplomat unter- handeln, der General bleibe allein Oberfeldherr im Kriege!

Die französischen Heerführer jener Tage waren keineswegs vollkommen unabhängig von Einflüssen, die hinter der Front, in den Schreibstuben des Kriegsministeriums zu Paris sich abspielten. Der selbständigste unter ihnen ist jedenfalls Claude-Jacques Lecourbe gewesen. Er durfte es auch sein, denn seine kriegerische Thätigkeit hielt ihn weit genug von den Unterströmungen ent- fernt, die nicht einmal Massena ganz unberührt ließen.

Claude- Jacques Lecourbe wurde am 23. Februar 1759 zu Ruffey bei Lons-le-Saunier im heutigen Departement du Jura geboren.1

Sein Vater, ein ehemaliger Infanterie-Offizier und Ludwigs- ritter, zählte sich zu dem alten Adel der Franche-Comte. Er mag seinen Sohn wohl zur Laufbahn eines Richters oder Beamten be- stimmt haben; mehrere Glieder der Familie hatten sich in diesen Stellen ausgezeichnet. Jedenfalls erhielt Lecourbe die hierzu nötige Vorbildung auf dem Colleg von Poligny und dem von Lons-le- Saunier.

Im Jahre 1777 trat er als Füsilier in das 85. Infanterie- Regiment, das damals den Namen d'Aquitaine führte.

Er nahm an der Belagerung von Gibraltar teil (1779 82) und wohnte auch der Einnahme von Minorca bei. Als nach acht- jähriger Dienstzeit im Jahre 1785 der junge Mann den Abschied erhielt, verfügte er nur über die Schnüre eines Korporals.

Am 7. August 1791 ward Lecourbe von seinen Kameraden zum Hauptmann der achten Compagnie des siebenten Bataillons, am 24. November desselben Jahres aber schon zum Bataillons- Chef gewählt.2

Damit trat er unter die Befehle des Generals Houchard, welchem der Auftrag geworden, den Engländern bei Dünkirchen entgegen zu treten. Am 8. September 1798 kam es bei dem Dorfe Hondschoten zum Schlagen. Hier stand der Herzog von York mit vierzigtausend Mann, zumeist Schotten und Hannoveraner. Da Lecourbes Bataillon wohl nicht für allzu zuverlässig gehalten ward, blieb es für den ersten Teil der Schlacht in einer Reserve- stellung. Immerhin fand Lecourbe Gelegenheit sich auszuzeichnen, indem er zwei Schwadronen hannoverscher Reiter sprengte und einen guten Teil von ihnen gefangen nahm. Weitere Aus- zeichnungen wurden auf dem Rückzuge von Menin (15. Sept.) gegen den kaiserlichen General Beaulieu und vornehmlich bei Wattignies (16. Okt.) gewonnen. Dort, beim Sturm auf das vom Prinzen Koburg besetzte Plateau war es, daß ein Augenzeuge der glänzenden That, Moreau, damals schon Divisionär, ausrief: ,, Lecourbe ira loin!"

In das Jahr 1794 fällt eine Anklage, die von Kameraden gegen Lecourbe gerichtet ward und die ihn antirepublikanischer Ansichten beschuldigte. Die Verhandlung vor dem Revolutions- Gerichtshof zu Nantes (13. IV. 1794) ergab jedoch seine völlige Freisprechung, und am 12. Juni des nämlichen Jahres erhielt er den Grad eines General de brigade provisoire. Er befehligte nun in der Rhein-Mosel- Armee eine Reiter-Brigade und zeichnete sich bei Sprimont und Esneux aus. Nachdem er 1795 an der Belagerung von Luxemburg teil genommen, erhielt er durch Moreau im August 1796 eine Division. Schon damals, besonders aber infolge seiner rühmlichen Tbätigkeit in dem belagerten Kehl, wurde sein Name in weiteren Kreisen bekannt.

Am 5. Februar 1799 zum Divisions-General befördert, über- nahm er den Befehl jener Truppe, deren Schicksale die vorliegende Arbeit schildert. Bekannt ist seine große Thätigkeit im Feldzuge von 1800, den er als Lieutenant -general in der Rhein -Donau- Armee unter Moreau mitmachte.

Infolge seiner Parteinahme für diesen, ihm nahestehenden Freund, fiel er im Herbste 1804 beim Kaiser in Ungnade; zu- nächst in RufFey lebend, mußte er 1818 einen Zwangswohnsitz

in Bourges aufschlagen. Die Restauration gewährte ihm das große Band der Ehrenlegion und ernannte ihn zum General-Inspektor der Infanterie der 6. Militär-Division.

Während der hundert Tage diente er dem Kaiser als Komman- dant des bei Beifort gegen die Oestreicher aufgestellten Corps. Die Folge war, daß er am 31. August 1815 in den Ruhestand versetzt ward. Eine weitere Maßregelung unterblieb jedoch, da der Tod den General bereits am 23. Oktober 1815 zu Beifort überraschte.

Dieser kurze Blick auf das Leben von Claude-Jacques Lecourbe mag eine Vervollständigung erfahren, welche die Gerechtigkeit des Geschichtsschreibers erfordert. Es gilt, das Andenken des Generals auch in rein moralischer Hinsicht von der Beschuldigung zu reinigen, einer jener Räuber gewesen zu sein, wie sie leider nur zu oft das französische Wehrkleid mißbrauchten.

Zunächst sei darauf verwiesen, daß Lecourbe sehr viel für die Armen that. Hierüber liegen Zeugnisse vor.3 Daß Dr. Lusser schlecht von dem General spricht, erklärt sich wohl zum guten Teile aus seiner unverhohlenen, öfters hervorklingenden Abneigung gegen die Franzosen und den Einheitsstaat. Uebrigens erzählt er auch an anderen Stellen seines Werkes, daß die Kaiserlichen und die Russen eigentlich noch viel schlimmer hausten als die Franzosen.4 Das üppige Leben, von dem Lusser berichtet, gehörte sonst nicht zu den Gewohnheiten des Generals. Ganz abgesehen davon, daß es von Menschlichkeit zeugte, wenn Lecourbe die „Leckerbissen" für seine Tafel aus Luzern bezog, anstatt sie von seinen Quartiergebern in Altdorf zu fordern, war die Auswahl an feinen materiellen Genüssen, welche Luzern damals zu bieten ver- mochte, jedenfalls nicht groß. Den Tagesbefehl anbetreffend, den Lecourbe auf Drängen Zschokkes, des damaligen Regierungs- Statthalters für den Kanton Waldstätten, erlassen haben soll, mag auf die aus Schwyz im Dezember 1798 und Januar 1799 datierten Briefe und Anordnungen des Generals verwiesen werden.5 Sie beweisen deutlich, daß es Lecourbe wohl ernst war, die Mannszucht aufrecht zu erhalten. Daß er dabei selbst hoch- gestellte Kameraden angriff, wenn sie ihre Autorität nicht ge- nügend zu wahren wußten, zeigt der im April im Engadin sich abspielende Vorfall mit dem General Dessolles.6 In Zürich wird noch heute eines Geschehnisses Erwähnung gethan, das Lecourbe als energischen Unterdrücker einer beginnenden Meuterei zeigt.

6

Es mag auch nicht vergessen werden, daß die Bevölkerung in den kleinen Kantonen sich zunächst fast ausnahmslos feindselig gegen die Franzosen zeigte. So schreibt Lecourbe selbst zu ver- schiedenen Malen von Mißhandlungen, welchen einzelne Soldaten ausgesetzt waren.7 Daß unter solchen Umständen die Reibungen beiderseits zu Ausschreitungen führten, darf nicht auf die Rechnung des Generals gesetzt werden. Die ebenfalls als „Befreier" auf- tretenden Verbündeten führten schließlich ein ganz ähnliches Regiment, das von den Bewohnern des Reußthales sogar noch härter als jenes der Franzosen empfunden wurde.8

Massena selbst sah die Lage für ernst genug an, um zu wiederholten Malen drohende Warnungen den Militärbehörden auszusprechen.

Selbst die Bildung, die Kennerschaft des Generals bezüglich alter Druckwerke, von Gegenständen der Kunst und des Kunst- gewerbes, sind zu Anklagen gegen ihn ausgenützt worden. Die offiziellen Akten weisen aber nirgends Klagen auf, als habe Lecourbe die Bibliothek des Schlosses zu Ruffey in unrecht- mäßiger Weise vergrößert. Dagegen ist ein bezügliches Schreiben eines Barons Karl Ehrenbert von Roz aufbewahrt geblieben, das geradezu das Gegenteil der wider den General so freigebig er- hobenen Anschuldigungen beweist.9

Genug, ein Mann, der solche Uneigennützigkeit bewies wie Lecourbe gegenüber seinem schwer beschuldigten Freunde Moreau ein Mann, welcher selbstlos niemals seinen eigenen Vorteil, sondern einzig den Ruhm und die Größe des Vaterlandes im Auge hatte, der unbestochen durch den Glanz der aufsteigenden Kaisersonne den republikanischen Grundsätzen treu blieb ein Lecourbe konnte kein gemeiner Dieb sein und niemals auf der Stufe der Massena und Vandamme stehen.

Unter den Gegnern Lecourbes im Jahre 1799 nimmt nur eine Persönlichkeit das Interesse des Historikers in höherem Maß- stabe in Anspruch: Graf Alexander Wassilje witsch Snworoff Rimiiikski. Er hat mehrfach Biographen gefunden und sein Leben ist aus diesem Grunde auch weit bekannter geworden, als das von Lecourbe.1" Nichtsdestoweniger sollen hier der Vollständigkeit halber die Haupt-Daten der Laufbahn des russischen Feldmar- schalls aufgeführt werden.

Geboren zu Moskau am 13. November 1729 als der Sohn des späteren Ingenieur-Generals Wassilij Iwanowitsch S. (1699 bis

1786) und aus einer ursprünglich schwedischen Familie, ward er vom Vater keineswegs zum Militärdienste bestimmt. Er empfing vielmehr eine sorgfältig durchgeführte und für jene Zeit umfang- reiche Bildung, die ihn wohl für die höchsten Stellen in der Civil- Verwaltung geeignet hätte erscheinen lassen. Immerhin trat er mit dem siebenzehnten Lebensjahre in das Semenoffsche Infanterie-Regiment ein und 1754 wurde er als Lieutenant breve- tiert. Das fernere Aufsteigen ging rasch vorwärts. 1759 am 1. August kämpfte er schon mit dem Grade eines Oberstlieutenants unter Soltikoff in der für Preußen so unglücklichen Schlacht von Kunnersdorf. Das folgende Jahr nahm er an der Totlebenschen Expedition gegen Berlin teil, um dann für einige Zeit zur leichten Kavallerie überzutreten. Seit 1762 Oberst, erhielt er den Befehl über das zu Neu-Ladoga stehende Susdalsche Infanterie-Regiment. Hier scheinen zuerst die Wunderlichkeiten in seiner Lebens- führung hervorgetreten zu sein, welche ihn nachmals nicht selten als geistig gestört erscheinen ließen. Im Winter von 1768 auf 1769 nach Polen gesendet, besetzte er Warschau und unterwarf Lithauen. Katharina IL, welche Zeit ihres Lebens seine Gönnerin blieb, ernannte ihn dafür am Neujahrstage 1770 zum General- major. In dem kleinen Kriege in Polen, den er noch bis 1772 gegen die Konföderierten zu führen hatte, soll er viel Mensch- lichkeit gezeigt haben. Seit 1773 beteiligte sich Suworoff an dem Feldzuge gegen die Türken. Wider den ausdrücklichen Befehl des Ober-Generals Rumjanzoff eroberte er die kleine Festung Turtukai. Im Jahre 1774 wurde er zum Generallieutenant befördert.

Am 10. August 1787 übernahm er, zu Beginn des neuer- dings von Rußland unternommenen Türken-Krieges, in Cherson den Befehl eines Corps von dreißigtausend Mann. Doch schon nach wenigen Monaten zog er sich die Ungnade des allmächtigen Tauriers zu. So erhielt er, der unterdessen schwer verwundet worden, im Herbste 1788 seine Entlassung.

Das folgende Jahr bereits brachte ihm die vollkommene Rechtfertigung. Er erhielt wieder den Befehl über ein Corps. Bei Rimnik siegte er am 11. September 1789, unterstützt von den vom Prinzen Koburg befehligten Oestreichern, in entscheidender Weise über den Vezier. Noch wichtiger erschien der Sturm, welchen die Russen unter seiner Führung auf die starke Türken- Festung Ismail am 3. Dezember 1790 unternahmen. Katharina betraute dann 1793 Suworoff mit dem Oberbefehl über die in

Podolien stehenden Truppen. Dieser erkannte sogleich, daß nur die Einnahme von Warschau den Krieg bald beenden werde. Am 24. Oktober 1794 erstürmte er mit zweiundzwanzigtausend Mann die Weichsel-Vorstadt von Warschau, den Brückenkopf Praga. Fünf Tage darauf zog Suworoff in die besiegte Haupt- stadt selbst ein.

Der neue Selbstherrscher aller Reussen, Paul L, war eifrig bemüht, sogleich nach seiner Thronbesteigung jede Erinnerung an die Regierung seiner Mutter zu beseitigen. Die Wunderlich- keiten Suworoifs und ein gewisser starrer Trotz, mit welchem sich dieser den Anordnungen des Zaren widersetzte, gaben den Grund für seine Verabschiedung, welche einer vollkommenen Un- gnade gleich kam. Aus Moskau, wo er bei seinem Schwieger- sohne Zuflucht gefunden, vertrieb ihn der strenge Befehl, seinen künftigen Wohnsitz unter polizeilicher Aufsicht (!) im weltent- legenen Dorfe Kochanskoje (Nowgorodsches Gouvernement) zu nehmen. Hier brachte er die Jahre 1797 und 1798 in stiller Vergessenheit bei den mannigfachsten Geschäften zu. Der Zar schien sich des alten Kriegsmannes nicht mehr erinnern zu wollen.

Im Februar 1799 wurde Suworoff wieder nach Petersburg berufen.11 Für den beginnenden Feldzug erhielt er völlige Macht- vollkommenheit vom Zaren. Alle Welt, die Wiener Burg nicht zum wenigsten, betrachtete ihn damals als den einzigen Retter vor den heranrollenden Wogen der Revolution. Am 15. März in Wien eingetroffen, wurde Suworoff sogleich zum kaiserlichen Feldmarschall ernannt; zwei Wochen später trat er an die Spitze der nach Italien entsendeten russischen Truppen. Der Marsch durch die Lombardei glich einem Triumphzuge. Am 29. April schon zog er in Mailand ein. Zugleich begann aber jenes Intriguen- spiel des kaiserlichen Hofkriegsrates, dessen Opfer Suworoff schließlich in dem von vorne herein aussichtslosen Alpenfeldzuge werden sollte.

Am 17., 18. und 19. Juni besiegte der Feldmarschall den General Macdonald in der blutigen Schlacht an der Trebbia. Schon am 15. August errang er neue, den Feldzug entscheidende Erfolge über Joubert, der an diesem Tage bei Novi fiel. Einen Monat später trat Suworoff den verhängnisvollen Marsch in die Schweiz an, mit den Worten: „Wehe denen, die es mir gebieten! Diese Bösgesinnten werden es zu spät bereuen ! Denn ich habe zwar die Franzosen geschlagen, doch nicht vernichtet."

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Unter keinen Umständen trägt Suworoff die Schuld an dem tollkühnen Wagestücke des Marsches durch die Alpen. Er mußte vielmehr dem ganz bestimmten Befehle Pauls nachgeben, der völlig für diesen Plan des vom Minister Thugut geleiteten Hof- kriegsrates gewonnen worden war.12

Die Kränkung über seine Niederlagen, vielleicht auch die Nachwirkung der Strapazen, welche der siebenzigjährige Greis ausgehalten, verschlimmerten seine nun plötzlich fühlbar werden- den Leiden. Bereits völlig gebrochen, betrat er wieder den Boden Rußlands. Sterbend erreichte er Petersburg, und hier erlag er nach hartem Kampfe dem Tode um die Mittagsstunde des 6. Mai 1800, dem Tage der Abreise des ersten Konsuls zur Reserve- Armee nach Dijon, die auf der Ebene von Marengo alle Errungen- schaften Suworoffs in Italien wieder vernichten sollte.

Die Quellen, welche für die Bearbeitung des Gebirgs-Krieges von 1799 benützt werden können, sind ihrem weitaus größten Teile nach bereits gedruckt worden.

Es war dem Verfasser aber möglich, einige ungedruckte Akten zur Bearbeitung dieser Aufgabe heranziehen zu können.

Hierher gehören vornehmlich:

Schriftstücke (Schreiben, Befehle u. s w.), welche dem Archive der Familie Lecourbe entstammen. Ferner das im Archive des französischen Kriegs-Ministeriums aufbewahrte Bulletin Historique Decadaire. Campagne du general de division Lecourbe. 7eme Annee de la Republique une et indivisible. Es erklärt sich von selbst, wenn gerade diesem amtlichen Aktenstücke bei der Erzählung der Thatsachen eine hervorragende Stellung eingeräumt wurde.

Folgende gedruckte Werke erscheinen weniger als prag- matische Darstellungen des Feldzugs, denn als eigentliche Samm- lungen und Bearbeitungen von Aktenstücken und Notizen.

1. Bousson de Mairet, E., Eloge historique du Lieutenant- General Comte Lecourbe, etc. Paris, 1854. Die Pieces Justifica- tives enthalten viel Brauchbares, meist die Berichterstattungen des Generals an Massena.

2. Memoires de Massena, rediges d'apres les documents etc. par le general Koch. Tome III. Paris, 1848.

10

3. Soult, duc de Dalmatie, Memoires, publies par son fils. Tome IL Paris, 1854.

4. Memoires de Roverea. Edit. Tavel. Tome IL Berne, etc. 1848.

5. Politisch-Militärische Geschichte des merkwürdigen Feld- zugs vom Jahr 1799 von Frh. F. E. Seida und Landenberg. Ulm, 1801. Darum bemerkenswert, weil es die zeitgenössischen Berichte der Amtstellen und der Tagesblätter verarbeitet.

6. Geschichte des Feldzuges von 1799 in Deutschland und der Schweiz. Wien, 1819. Verfasser: EHZ. Karl.

7. Oestreichische Militärische Zeitschrift. Wien 1812. Enthält : St(utterheim, FML.), Geschichte des Feldzugs der k. k. Armee in Italien im Jahre 1799. Gibt manche Einzelheiten für den Zug von Suworoff.

8. Miliutin, Geschichte des Krieges u. s. w. im Jahre 1799. Uebersetzt von Chr. Schmitt. München, 1857. Ganz unentbehrlich wegen der darin enthaltenen amtlichen Aktenstücke aller Art.

9. D'Izarny-Gargas, Deux campagnes ä Tarmee d'Helvetie, 1798 1799. Paris, 1890. Eine chauvinistische Ueberarbeitung des Feldtagebuches der 38. Halbbrigade.

Als Hülfswerke wurden selbstverständlich benützt: Jomini (Histoire critique etc.), Clausewitz (Geschichte u. s. w.), wie anderes mehr. Das benötigte Material und die Kartenblätter der Dufour- Karte und des Siegfried-Atlas sind im Texte und den Anmerkungen jeweilen erwähnt.

Um die nötige Uebersicht zu gewähren, ohne große Blätter entfalten zu müssen, wurden die Kärtlein und Skizzen beigelegt.* Die Ermittelung der Einzelheiten in den Geschehnissen an der Hand der verschiedenen Schilderungen und Berichte ward nicht selten, und besonders im VI. Abschnitte (Suworoff), kritisch be- leuchtet.

Hierzu wurden besonders die ungedruckten Materialien heran- gezogen.

* In der russischen Ursprungsausgabe des Werkes von Miliutin soll eine von einem Augenzeugen verfertigte Ansicht des Gefechtes an der Teufelsbrücke (25. September) beigelegt sein. Der Verfasser hätte auch hiervon gerne eine Kopie der Arbeit beigelegt, doch vermochte er nirgends das Blatt zu erhalten. Selbst die russische Gesandtschaft in Bern besitzt nicht einmal das Werk von Miliutin.

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Das vorliegende Werk verdankt sein Entstehen einer von der Schweizerischen Offiziers-Gesellschaft für 1895 ausgeschriebenen Preisaufgabe : „Die Operationen Lecourbes im schweizerischen Hochgebirge 1799 mit besonderer Berücksichtigung der Rolle, die der Gotthard dabei gespielt hat."

Das Preisgericht, bestehend aus den Herren Oberst-Divisionär Ed. Müller (Kommandant der III. Division), Oberst Th. Sprecher von Bernegg (Stabschef des IV. Armeecorps), Oberst-Divisionär U. Meister (Kommandant der VI. Division), Oberst Conrad Bleuler (Oberst der Artillerie des IV. Armeecorps), Oberst U. Wille (Waffenchef der Kavallerie), Oberst Albert Sarasin (Kommandant der IL Infanterie-Brigade) und Oberstlieutenant Fr. von Tscharner (Generalstabs-Offizier des IV. Armeecorps) gelangte (Ölten, am 23. Juni 1895) zu folgendem Beschlüsse:

„Auf diese Arbeit hat der Verfasser augenscheinlich sehr viel Fleiß, Zeit und Mühe verwendet. Ein reichhaltiges Quellen- material ist in derselben mit großer Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt verwertet. Ein großes Verdienst des Autors besteht unstreitig in der Erschließung einer reichen ungedruckten Litteratur, wovon wir nur erwähnen wollen das Bulletin historique decadaire de la campagne du general Lecourbe, an VII, aus den Archiven des französischen Kriegsministeriunis und Briefe aus dem Archive der Familie Lecourbe. Die Arbeit enthält wohl die eingehendste Behandlung, welche dem Lecourbeschen Feldzuge bisher zu teil geworden ist. Sie bietet auch durch Beilage vieler Karten und Skizzen eine sehr anschauliche Darstellung der einzelnen Momente. Immerhin würde die Arbeit bedeutend gewonnen haben, wenn die großen Züge, die strategischen Momente schärfer hervorgehoben und mehr für sich behandelt worden wären und wenn der Ver- fasser auch etwas mehr Gewicht gelegt hätte auf die Schluß- folgerungen, welche sich aus diesen Ereignissen speziell für den Krieg im Gebirge ergeben. Auch die Bedeutung des Gotthard, auf deren Beleuchtung in der Aufgabe besonderes Gewicht gelegt wird, hätte schärfer hervorgehoben werden dürfen. Diese Aus- setzungen hindern aber nicht, daß dieser Arbeit ein großer, bleibender Wert zukommt.

„Das Preisgericht ist der Ansicht, daß dieselbe nach einiger Umarbeitung, worüber es dem Verfasser gerne direkt noch weitere Mitteilungen machen wird, sich zum Drucke eignen würde und daß es angezeigt wäre, wenn die Schweizerische Offiziers-Gesell-

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schaft die Druckkosten übernehmen könnte. Es beantragt für diese Arbeit die Zuerkennung eines ersten Preises von 1000 Fr."

Herr Oberst-Divisionär Ulrich Meister war in der That so freundlich, mir die nötige Anleitung zur Verbesserung der be- anstandeten Stellen im Werke zu geben. Ich gestatte mir dafür meinen Dank hier auszudrücken.

Ebenso verpflichtet bin ich Herrn Georges Le Courbe, Capitaine im 12. Alpenjägerbataillon zu Grenoble (Frankreich), der mir in freigebigster Weise Akten, Tagebücher, Briefe und Notizen zur Verfügung stellte. Ohne seine Unterstützung wäre es mir niemals möglich gewesen, die Arbeit in diesem Umfange zu vollenden.

Die Schweizerische Offiziers-Gesellschaft hat den Verfasser nun zum dritten Male mit einem Preise ausgezeichnet.* Ihre Aus- schreibungen regten mich überhaupt erst an zu kriegsgeschicht- lichen Studien. Ich darf deshalb das Vorwort nicht schließen, ohne auch diese Vereinigung dafür meines herzlichen Dankes zu versichern.

Der Verfasser.

* Luzern, 6. Juli 1886, ein Aufmunterungspreis (Fr. 150) für: „Die Schweiz als Kampfplatz fremder Armeen, 1799"; Genf, 1. August 1892, ein zweiter Preis (Fr. 300) für : „Der Feldzug von 1800, speziell soweit er die Schweiz und die ihr zunächst gelegenen Länder betrifft." Letztere Arbeit wurde ebenfalls mit Unterstützung der Schweizerischen Offiziers-Gesellschaft im Druck herausgegeben und ist auch im Verlage von J. Huber in Frauenfeld erschienen.

Einleitung.

Das Gebiet, welches die Schweiz einnimmt, bildet den eigent- lichen Mittelpunkt Europas. Es beherrscht die verschiedenen Hauptkriegsschauplätze in dem Sinne, daß jeder Gegner flankiert werden kann.

Die älteren Strategen, selbst noch jene der Uebergangsperiode des achtzehnten zum neunzehnten Jahrhundert, haben dem Besitze der Alpen eine fast zu hohe Bedeutung beigelegt. Der Grundsatz von der Ueberhöhung gilt aber nur im taktischen Sinne auf dem einzelnen Schlachtfelde und im Angesichte der gegnerischen Waffen- wirkung. In Rücksicht auf die ungehinderte rasche Bewegung der Truppen, ihre regelmäßige Verpflegung, erweist sich das Hoch- gebirge stets als ein nicht zu unterschätzendes Hindernis. Nur von wenigen Fahrstraßen überquert, sehr arm an den notwendigsten Mitteln für die Ernährung und die Unterkunft selbst kleinerer Heereskörper, setzen die Alpen allen militärischen Handlungen die größten Schwierigkeiten entgegen.

Die Führung findet sich im Hochgebirge eingeengt; ihre Ent- schlüsse in die That umzusetzen ist oft recht schwer. Den Truppen fehlt die Freiheit der Entwickelung ; die Uebermacht auszuspielen gelingt selten ; denn alles hängt von dem wirklichen Eintreffen vorher berechneter Umstände ab. So wird das Hochgebirge einzig eine Art kleinen Krieges gestatten; im übrigen kann es lediglich als Durchgangsgebiet angesehen werden.

Mit der Schweiz gewannen die Franzosen scheinbar ein Boll- werk, das mit weit ausspringenden Facen die strategischen Linien des Donau-Thales wie der Po-Ebene bis zum Fuße der Savoyer- Alpen beherrschte. Dieses Ausfallsthor verwies die Heere Frankreichs auf den strategischen Angriff. Nicht nur, daß die Donau- wie die italienische Armee in steter Verbindung mit einander blieben ; die Koalition wurde auch genötigt, den gesamten Oberlauf des Rheines für die Verteidigung der österreichischen Erbstaaten wie der schwäbisch- bairischen Hochebene in Betracht zu ziehen.

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Gegen Süden gestattet das Gebirge weniger einen Ausfall in die Lombardei, als die Abwehr gegen jene Kräfte, welche von hier aus einen Vorstoß versuchen. Die Alpen fallen steil zu der weiten, von einem nur schwer zu überschreitenden Strome durchflosseneu Ebene ab. Wenige Pässe stehen als Ausfallsthore zur Verfügung. Gelingt es nicht, von vorne herein durch eine rasche Bewegung die Linie des Ticino, oder besser noch die des Mincio mit genügenden Kräften zu sichern, so wird der Besitz der Schweiz den Gang der Ereignisse in Oberitalien wenig beeinflussen.

In Rücksicht auf den Angriff aus der Lombardei erscheint der südliche Abfall der Alpen von mehr als untergeordneter Bedeutung. Die Verteidigung wird vorzüglich suchen müssen, die Pässe über den Splügen, den Bernardino, Lukmanier, den Gotthard und in gewisser Beziehung auch den Simplon zu beherrschen. Mit dem Gotthardstocke aber, dem Angelpunkte aller Handlungen, steht und fällt die Verteidigung. In diesem Falle könnte also wirklich der Besitz des Hochgebirges einigermaßen den Verlauf eines Feldzuges in der Hochebene beeinflussen.

Wird die Schweiz zur Grundlinie eines strategischen Angriffes benützt, so gilt es gleich, nach welcher ihrer Fronten hin er an- gesetzt wird: überall muß der Feldherr über bedeutende Kräfte verfügen. Ein einziger Fehlschlag jenseits der Grenzen, welcher den Rückzug bedingt, birgt auch die größte Gefahr für den allzu Kühnen in sich.

Das Schweizerland erscheint nichts weniger als geeignet für eine absolute, strikt durchzuführende strategische Verteidigung. In eine solche drängen aber die Umstände unerbittlich jeden, der aus fester Stellung vorbrechend, eine entscheidende Nieder- lage erleidet.

Das Gebirge, sagt Clausewitz anlehnend an die von Erzherzog Karl aufgestellten Sätze (Feldzug von 1796) ist dem Verteidiger nachteilig, in sofern eine große Entscheidung gesucht wird oder zu befürchten steht.

Die Defensive in einem Hocbgebirge, dessen Thäler bis zur Schneegrenze aufsteigen und die von hohen, schroffen, meist un- zugänglichen Wänden eingeschlossen werden, bietet eigentlich gar keine Vorteile dar. Alle Operationen fallen dort in die Thalsohlen, und hier wie bei dem Kampfe um die Pässe, welche nicht künstlich gesichert und genügend besetzt worden sind findet der Angreifer ebensogut seine Rechnung für den Bezug günstiger Stellungen wie der Verteidiger. Lecourbe hatte diese Thatsachen auch richtig erkannt. Wo es nur immer anging, verteidigte er sich durch die Offensive ; sehr selten nahm er seine Zuflucht zur reinen Defensive.

Geht das in der Hochebene operierende Heer zurück, so werden alle in den Alpen kämpfenden Abteilungen diesem Beispiele folgen

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müssen. Sie laufen sonst augenscheinlich Gefahr, vollkommen ab- geschnitten zu werden. Ein solches Ereignis ist gerade im Hoch- gebirge weit eher als in einem Mittelgebirge vom Feldherrn zu fürchten und dies hauptsächlich aus Gründen der Verpflegung. Die in den Alpen kämpfenden Abteilungen sind vom Nachschübe aus den Magazinen der Ebene abhängig, sofern hierfür nicht längst geeignete Vorkehrungen getroffen wurden. Wer im Hochgebirge eingeschlossen wird, den zwingt der Hunger bald zur Uebergabe.

Im weitern ist die Sicherung der Alpen nur unter ganz be- sondern und wirklich günstigen Umständen zu erreichen. Es bedarf einer tüchtigen, leicht beweglichen Gebirgsartillerie, um die be- herrschenden Stellungen mit Geschützen bedenken zu können. Daß dagegen die Tragweite des Schusses aus großen und kleinen Feuer- waffen allzu überhöhende Stellungen verbietet, fällt wohl für 1799, aber nicht mehr für unsere Zeit in Betracht.

Die Aufstellung hinter einem Wasserlaufe wird im allgemeinen nicht allzu stark sein. Die meisten Gebirgsbäche können in Zeiten gewöhnlicher Wasserstände durchwatet werden. Ihre steilen Ufer bieten dem Angreifer sogar nicht selten die willkommenste Deckung in Form von toten Winkeln dar. In ihren Fronten sind dagegen die meisten Thalsperren sehr stark. Sie bilden für gewöhnlich Eng- pässe, durch welche Fluß und Straße sich kaum hindurch zu zwängen vermögen. Ihre Umgehung kostet Zeit; der Gewinn an Zeit be- deutet aber viel, wenn nicht alles im Gebirgskriege. Versäumt es der Verteidiger, rechtzeitig Raum zu geben, übersieht er gar die gegnerische Umgehung, so muß er in den meisten Fällen die Waffen strecken. Der Verlust steht alsdann in gar keinem Verhältnisse zum möglichen Gewinne.

Ein von Osten her gegen die Schweiz gerichteter Angriff muß zunächst den Besitz des Rheinthaies oder das Engadin ins Auge fassen. Die Linie Innsbruck-Bozen erscheint hierbei als Grundlinie, Landeck als Ausgangspunkt der nötigen Bewegungen. Entweder dringen die Kolonnen über den Arlberg nach Feldkirch und weiter vor oder sie steigen das Innthal bis Süß hinauf, um über den Flüela-Paß Davos und das Prättigau zu erreichen. Beide Linien werden aber durch die feste Stellung an der Luziensteig bedroht, welche jede Verbindung zwischen ihnen aufhebt.

Die zuerst genannte Straße über den Arlberg muß als die wichtigste gelten. Sie stellte die kürzeste Verbindung zwischen dem Hinterlande und dem Rheinthale dar. Länger, ausgreifender ist bereits die zweite Straße über den rauhen Flüela. Die dritte Verbindung gehört noch mehr dem Hochgebirge an. Sie kann über- haupt nur noch bedingungsweise für die Bewegung von größeren, aus allen Waffen gemischten Truppenkörpern in Betracht fallen.

Das ist die von Glurns im oberen Vintschgau und von Bozen

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her durch das Miinsterthal über den Ofen-Paß nach Zernetz im Engadin führende Straße. Sie mag vom zuletzt bezeichneten Punkte ab entweder wiederum über den Flüela, oder sonst über den nicht viel niedrigeren Albula die Fortsetzung nach Chur finden.

Es erklärt sich daher von selbst, wenn der Hauptstoß gegen das Rheinthal aus den Ill-Deboucheen erfolgen wird, indes Nebeu- angriffe auf den beiden erwähnten, nach Graubünden führenden Linien geschehen müssen.

Wer aber die Thalschaften Alt-Fry-Rhätiens unbestritten vor einem von Westen heranrückenden Gegner sichern will, muß den Gotthard beherrschen !

Der Gotthardstock, der Mittelpunkt der Centralalpen, weist vornehmlich drei Einsenkungen auf, den Gotthard selbst, den San- Bernardino und den Splügen, deren Pässe den Kamm der Alpen nur einmal überschreiten. In zweiter Linie bleibt der das Vorder- rhein- mit dem Tessinthal direkt verbindende Lukmanier wohl zu beachten. Auf dem Gotthard, besser gesagt im Ursernthaie kreuzen sich die große westöstliche Thalspalte des Rhone- und Rheinstromes Furka und Oberalp-Paß mit jener, welche Tessin und Reuß bilden. Die Grundlinie für die Verteidigung der schweizerischen Südfront ist im Wallis und im Bündner Oberland zu suchen. Als ihr Mittelpunkt muß der Gotthard selbst angesehen werden.

So öffnen sich vom Gotthardstocke aus, welcher auch in hydro- graphischer wie in ethnologischer Hinsicht als eine der wichtigsten Centralen Europas erscheint, vier nach den Weltgegenden gerichtete Ausfallsthore, welche direkt zum Lac Leman, in die Riviera von Bellinzona an den Lago maggiore, ins Rheinthal und in die Hoch- ebene weisen.

An und für sich bietet der Gotthard eine starke Verteidigungs- stellung, aber keinen Zufluchtsort dar für die von Fehlschlägen in der Hochebene betroffene Armee. Der Gotthard muß selbst- ständig verteidigt werden und die von ihm ausgehenden Operationen dürfen nicht über ein gewisses Maß, die starke Beunruhigung der gegnerischen Flanken, hinausgehen.

Auf solche Betrachtungen werden Angreifer wie Verteidiger stets alle ihre Handlungen stützen müssen. Nur wenn sie klar erkennen, wrelche Aufgaben sie wirklich zu lösen vermögen, winkt ihnen ein Erfolg. Uebertriebene Hoffnungsfreudigkeit im Kriege aber trägt leicht den Keim zu schweren Niederlagen in sich.

Der Plan der Koalitionsmächte zur Durchführung des Feld- zuges von 1799 entsprach keineswegs dem einzig zu erstrebenden Ziele: durch gemeinsames Handeln und energisches Vorstoßen gegen den Oberrhein und gegen Bern hin die weitaus schwächeren französischen Kräfte in die Eis- und Schnee wüsten der Alpen ab- zudrängen, sie dort unschädlich zu machen.

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In Deutschland ward lediglich ein angriffsweiser Verteidigungs- krieg beabsichtigt, der, wie Clause witz sagt, gelegentlich auch zur Eroberung der Schweiz fuhren konnte." Vorarlberg und Tirol nebst Bünden und dem Val Teilina wurden einzig als die Ver- bindungsglieder zwischen dem nördlichen und dem südlichen Kriegs- schauplatze angesehen. Zu ihrer passiven Verteidigung bestimmte man aber doch 73000 Mann unter den FML. Hotze und Belle- garde. — In Italien dagegen sollten Suworoff und Melas die reine Offensive ergreifen, um die cisalpinische Republik wiederum als lombardisch-venetianisches Königreich unter das Scepter Habs- burgs zu beugen.

Dieser von einer selbstsüchtigen und wenig weit blickenden Diplomatie diktierte Feldzugsplan mußte versagen, obwohl dem Gegner nur unzureichende Kräfte zur Verfügung standen. Als eine gewisse Entschuldigung führt Erzherzog Karl an, daß man den Ausbruch des Krieges in den letzten Februartagen seitens Oesterreichs nicht erwartet habe. Jedenfalls „hatte man keinen Operationsplan endgiltig festgesetzt."13

Die Wiener Burg wurde demnach überrascht und mußte bei Beginn wie inmitten des Krieges Verfügungen treffen, welche längst hätten erledigt werden sollen. Das erscheint um so merk- würdiger und weniger entschuldbar, als die Verhandlungen mit Paul I. bereits Monate hindurch gepflogen worden waren.

Auch in Paris fand man sich keineswegs im Besitze eines den Umständen angemessenen Feldzugsplanes. Aber das Direk- torium wußte wenigstens ganz genau, daß ein Krieg mit der Koalition unvermeidlich sei. Es beschloß daher, von sich aus zum strategischen Angriffe überzugehen, und dies um so mehr, als man in den Bureaux des Kriegsministers Scherer den Besitz der Schweiz als das vorzüglichste Werkzeug zum Erringen eines endlichen Sieges erachtete.

Den Plan Scherers nennt Clausewitz (S. 57) mit Recht „unver- ständlich" und einen namenlosen Unsinn. Für das vorliegende Thema fällt nur die Instruktion in Betracht, welche die „Armee d'Helve'tie" betrifft.14 Sie lautet:

„Die Schweizer Armee ist aus Feldtruppen aller Waffen in ungefährer Stärke von 30000 Mann zusammengesetzt. Hierzu stoßen in feldtüchtigem Zustande sich befindende helvetische Halb- brigaden. Die Armee hat die Bestimmung, sich Graubündens und Tirols zu bemächtigen.

Der linke Flügel und die Mitte der Armee werden den Rhein zwischen Bregenz und Mayenfeld überschreiten, um zum Teil gegen Chur, zum Teil auf Bregenz vorzugehen, das zu be- setzen ist.

Der rechte Flügel der Schweizer Armee besteht aus den in

Günther, Feldzug 1799. 2

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Bellinzona liegenden Halbbrigaden. Unterstützt von einer ent- sprechenden durch die italienische Armee entsendeten Truppenzahl marschiert sie durch das Val Tellina auf Glurns und von da nach Bozen und Brixen.

Der linke Flügel und die Mitte dieser Armee besetzen Bregenz und Chur mit genügenden Kräften. Darauf gewinnen sie vereinigt die Quellen des Inns und dringen auf allen Wegen gegen Inns- bruck vor, dessen sie sich bemächtigen werden.

Sobald der rechte Flügel der Armee in Brixen eingetroffen ist, darf die italienische Armee ihre Truppen je nach Umständen zurückziehen ; nämlich, wenn sie von einem zu zahlreichen Feinde bedrängt würde oder soferne es für ihre weiteren Handlungen als zweckdienlich erschiene.

Nachdem die Schweizer Armee Bregenz genommen hat, er- hält sie den Namen: „armee du Tirol." Sie steht unter dem Be- fehle des Generals Massena, ist aber für die großen Bewegungen, taktischen Handlungen u. s. w. dem Oberbefehlshaber der Armee von Mainz untergeordnet (d. h. : Jourdan).

Aus dieser Verfügung folgt, daß der Oberbefehlshaber dieser letzteren Armee, je nach den Umständen, einen Teil der Schweizer Armee gegen seinen rechten Flügel heranziehen und dort ver- wenden kann. Dabei darf er aber niemals außer Acht lassen, daß der Erfolg des Feldzuges einzig davon abhängt, daß diese Armee sich des Innthales bemächtige."

Kein Wort verlautet von der Aufstellung der gegnerischen Kräfte, den möglichen Absichten des Feindes. Das Direktorium setzte sich über den doch jedenfalls zu erwartenden Widerstand mit leichtfertigen Reden hinweg, in welchen kriegsvertraute Leute, wie es Massena und Jourdan waren, gewiß nichts anderes als hohle Phrasen erkannten.15 Auf die stark befestigte Stellung von Feldkirch, wo thatsächlich der Vorstoß der Schweizer Armee zum Stehen kam, nahm Scherer in diesem Entwürfe gar keine Rück- sicht. Das Hochgebirge der Alpen und in diesen besonders die Thalfurche des Engadins erschien den damaligen Strategen Frankreichs als die ganz West- und Mittel-Europa ohne allen Zweifel beherrschende Stellung. Auf die Eroberung von Grau- bünden und Tirol allein richtete sich lediglich ihr Augenmerk. Die Operationen in Italien und Deutschland sollten diesen Zweck nur unterstützen. Zugleich mutete man Jourdan zu, mit unge- nügenden Kräften einen siegreichen Schlag gegen Erzherzog Karl zu führen.

Es muß einer besonderen Untersuchung vorbehalten bleiben, zu ergründen, wie man im Kriegsministerium zu Paris auf diese Ideen von der strategischen Wichtigkeit Graubündens gekommen ist. Der Hinweis mag hier genügen, daß es nicht unwahrschein-

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lieh bleibt, eine falsche Auffassung der einst vom Herzoge Rohan erzielten Erfolge trage hieran die Schuld.

Unklar, verworren, verkehrt gedacht, wenn die Logik hier überhaupt in Frage kommen darf, so stellt sich der französische Kriegsplan von 1799 dar. Es ist zugleich ein merkwürdiges Gegenstück zu den Bestimmungen des ersten Konsuls vom Früh- linge des folgenden Jahres. Welches Vertrauen aber das gegen ehrliche Republikaner stets mißtrauische Direktorium in Lecourbe setzte, ergibt sich daraus, daß ihm, dem neuernannten Divisionär, die in Paris als die wichtigste geltende Aufgabe die Eroberung des Engadins und Tirols übertragen wurde. Freilich unter- stand er den Befehlen Massenas, aber seine thatsächliche Selb- ständigkeit ergibt sich schon aus der räumlichen Trennung der Hauptkräfte des rechten Flügels von der übrigen Armee.

Frankreich hatte freilich einige Erfahrung über die Talente seiner oberen Führer gewonnen. Aus ihren Stellen waren alle diejenigen beseitigt worden, welche ihre Unfähigkeit in den letzten Feldzügen gar zu deutlich dargethan hatten. Dagegen unterstand die sachliche Vorbereitung der Heeresaufstellung noch immer einer räuberischen und betrügerischen Verwaltung. So zeigt sich auch hier ein scharfer Gegensatz zwischen dem Direktorium und den ersten Tagen unter dem Konsulate.

Die völlig aus militärischen Laien zusammengesetzte aus- führende Behörde, deren Mitglieder als ihre vorzüglichste Auf- gabe es betrachteten, die Staatsmittel zu selbstsüchtigen Zwecken auszunützen, vernachlässigte das Kriegswesen in unverantwort- licher Weise seit dem Frieden von Campo-Formio (17. X. 1797). Der Ehrgeiz des jungen Generals Bonaparte und der Wunsch des Direktoriums, ihn ferne von Frankreich zu wissen, entführte dem republikanischen Heere 36000 erprobter Kämpfer der .einstigen italienischen Armee. Diese Einbuße zu ergänzen, entwarf der General Jourdan ein passendes Aushebungs-System (Konskription). Der Entwurf fand die Genehmigung der gesetzgebenden Räte am 5. September 1798. Die männliche Jugend, welche das zwanzigste Lebensjahr überschritten, zerfiel in fünf Altersklassen, deren höchste fünfundzwanzig zählte. Die Aushebung begann jährlich mit der jüngsten Klasse. Die Dienstzeit war im Kriege von unbestimmter Dauer, im Frieden sollte sie dagegen fünf Jahre nicht übersteigen.

Zum ersten Male erfolgte die Rekrutierung in dieser drücken- den Form nach dem Gesetze vom 2. Vendemiaire VII. (23. IX. 1798). Eine gleichzeitig vorgenommene außerordentliche Be- steuerung in der Höhe von 125 Millionen Franken erregte mit der Aushebung zusammen allgemeine Unzufriedenheit. Es war ein Ersatz von wenigstens 200000 Mann nötig geworden. Bis zum Februar 1799 waren aber kaum 40000 Rekruten zu den

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Fahnen eingerückt. Die Ergänzung des Heeres, welche das Direk- torium auch dadurch anstrebte, daß es diesbezügliche Verträge mit den „Töchter "-Republiken abschloß, wollte bei dem allgemeinen Widerstände der Bevölkerungen nicht zu Ende kommen.

So wurde am 19. August 1798 ein Bündnis- und Verteidi- gungsvertrag „ä perpetuite" mit dem helvetischen Einheitsstaate von Talleyrand, P. A. Zeltner und A. Jenner unterzeichnet. Am 30. November des nämlichen Jahres fertigten der Bevollmächtigte Frankreichs Perrochel und der helvetische Minister des Auswärtigen Begos ein Abkommen hinsichtlich der sogenannten helvetischen Hülisbrigaden, den „Auxiliaren."16

Am 21. November waren die ehemals dem Könige von Sardinien dienenden Schweizerregimenter in die französische Armee eingestellt worden. Den 1. Dezember erließen die Be- hörden einen in warmem Tone gehaltenen Werbeaufruf für die Hülfsbrigaden. Aber schon drei Tage später beschlossen sie ein mit Blut geschriebenes Gesetz gegen die Fahnenflüchtigen. Zu- gleich erfolgte die Rückberufung aller Milizen aus dem Auslande. Nachdem die Räte am 13. und 17. Dezember eine neue Wehr- ordnung mit ausdrücklicher Anerkennung des Grundsatzes der allgemeinen Dienstpflicht geschaffen, gaben sie am 20. dem Volke die Erklärung, daß man Frankreich unter allen Umständen die drückende Blutsteuer entrichten müsse. Die Jungmannschaft aber fand den französischen Dienst, für welchen die Bevölkerung nur Hohn und Spott hatte, durchaus nicht nach ihrem Geschmacke. Der Dienst gewährte keineswegs die Vorteile, wie man sie früher gefunden hatte.

Aehnliche Erfahrungen wie in der Schweiz machte das Direktorium in Cis-Alpinien, in Ligurien und Etrurien ; gar keine Unterstützung vermochte die römische und parthenopäische Re- publik zu leihen. Im Gegenteile forderten gerade diese Erober- ungen einen unverhältnismäßigen Aufwand an Kräften.

So kam es, daß die französische Armee zu Beginn des zweiten Koalitions-Krieges über höchstens 190 000 Kämpfer verfügte. Seit vielen Monaten hatten diese noch dazu keinen Sold empfangen, wie sie denn selbst einer geregelten Verpflegung, einer genügenden Bekleidung sogar ermangelten. Unbotmäßigkeit wenn nicht geradezu Meuterei herrschten in ihren Reihen. (Rom 1798.) An der Spitze der Truppen erschienen Generale wie Scherer, die bei Offizieren wie Mannschaften wenig Achtung genossen, von politischen Rücksichten aber in ihren Stellungen gehalten wurden.

Die französische Tnfanterie-Halbbrigade bestand aus drei Ba- taillonen zu neun Compagnien, von denen eine als Grenadier-, eine andere als Schützen-Compagnie bezeichnet wurde. Letzteres galt freilich zumeist nur für die leichten Halbbrigaden. Gesetzlich

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zählten die Compagnien 120 Mann (die Grenadier-Compagnien = 92 Mann). Das Bataillon hätte demnach 1067, die Halbbrigade 3220 Mann unter ihren Fahnen stehen haben sollen. Während des ganzen Krieges aber wie überhaupt im Zeitalter der Revolution ist der gesetzliche Stand der Einheiten niemals erreicht worden. Gewöhnlich zählten die stärksten Halbbrigaden damals zwischen 1800 bis 2200 Kämpfer. Die Grenadiere wurden auch in der fran- zösischen Armee divisionsweise zusammengezogen, um eine stete Gefechtsreserve zu bilden. Als Regimentsartillerie blieb den Halb- brigaden gewöhnlich je ein Geschütz zu vier und sechs Pfund. Die Achtpfünder sind neben der sechszölligen Haubitze die Geschütze der Feldartillerie der ersten Republik gewesen.

Eine eigentliche Gebirgsartillerie wie bei den Oesterreichern scheint nicht bestanden zu haben. Wie in so vielen Dingen, mußte auch für diesen Dienst seitens der Franzosen zu Stegreifschöpfungen Zuflucht genommen werden.

Von den Koalitions-Mächten verfügte Oesterreich allein bereits über 255000 Kämpfer. Hierzu stießen im Laufe des Feldzuges noch (55000 Russen, darunter die 7000 Mann des Corps Conde. Hatten die Franzosen in ihren Reihen einen Jourdan, einen Massena und Lecourbe, einen Macdonald und Moreau dieser diente zwar in der untergeordneten Stellung eines General-Inspektors der Infanterie auf italienischem Boden so verfügte die Koalition über Führer wie Erzherzog Karl, Suworoff, Hotze, Kray und Melas.

Freilich trug gerade die Koalition an sich schon vom ersten Augenblicke ihres Bestehens an die Möglichkeit einer baldigen Veruneinigung der Verbündeten in sich. Es war nicht möglich, daß ein Suworoff auf die Länge der Zeit mit dem schleppenden Verfahren des Hof-Kriegsrates, den Krieg zu führen, einverstanden sein konnte.

Oesterreich hatte seine Wehrordnung nur in einzelnen Kleinig- keiten seit dem Friedensschlüsse von Campo-Formio abgeändert.17 Die Infanterie zählte in ihren Regimentern drei Bataillone zu sechs Compagnien auf dem Kriegsfuße, sowie ein Depot-Bataillon im Werbebezirke. Die Grenadierbataillone waren 1798 aufgelöst worden, aber schon im Beginne des neuen Feldzuges bildeten sich wieder diese altberühmten Heerhaufen, deren Compagnien eine Erhöhung ihrer Stärke auf 120 Mann erfuhren. Jedes Infanterie-Regiment erhielt nun wieder von der Artillerie 6 Geschütze, welche in der Folge vielfach den Dienst eigentlicher Gebirgskanonen übernehmen mußten. Die Bekleidung des Mannes wurde etwas vereinfacht, von , stehenden Kragen" aber sah man, trotz des Vorschlages der Militärverbesserungskommission, wieder ab weil sie nach „fran- zösischem, auf die ohnehin irregeleitete Menge stark wirkendem Geschmack" waren. Das neue, 1798 aufgestellte Muster eines

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Infanteriegewehres näherte sich in seinen Einzelheiten dem Kaliber und Gewichte der seit 1777 so bewährten französischen Handfeuer- waffe. Nur die Unteroffiziere und die Grenadiere behielten den Säbel, alle übrigen Mannschaften vertauschten diese wenig kriegs- brauchbare Zierde mit dem dreikantigen Stichbajonette.

Die leichte Infanterie erhielt keine besondere Bewaffnung und den Jägern verblieb das eigentümliche Doppelzeug von 1787, dessen unterer glatter Lauf für den Schuß auf kurze Distanz bestimmt war, während das obere gezogene Rohr den zur Pflasterladung- eingerichteten Stutzer darstellte.18 Auch die Franzosen verfügten über derartige Waffen. Ihre verschiedenen Jägercorps führten bis zum Jahre 1803 die ebenfalls Drangladungsgeschosse verwendende „carabine de Versailles", M/1794, welche zwar bis auf 200 m gute Trefferergebnisse lieferte, aber nur sehr geringe Schußgeschwindig- keit besaß. Vornehmlich aus diesem Grunde beseitigte sie der erste Konsul. Den eigentlichen Dienst der Scharfschützen leisteten den Franzosen in der Schweiz verschiedene Compagnien aus dem Aargau und aus Zürich. (Döttingen! 17. VIII. 99.) Zwar haben diese Braven wenig Anerkennung bei ihren französischen Kameraden gefunden. Wichtiger fast noch für den beginnenden Krieg im Hochge- birge als die Bewaffnung der Truppen erschienen die Kenntnisse, welche die Führer von dem Gebiete ihrer demnach stigen Thätigkeit besaßen. Auf Seiten der Oesterreicher und der mit ihnen verbün- deten Russen wurden gar keine Vorbereitungen für die Erkundung der Schweizer Alpen getroffen. Im Stabe von Suworoff befand sich keine Person, die das Gelände längs des Vierwaldstättersees auch nur annähernd richtig hätte beschreiben können. Alles deutet darauf hin, daß man im österreichischen Generalstabe die bereits vorhandenen Karten und Reisebeschreibungen keineswegs gekannt habe. Damit stimmt das harte, vom Erzherzog Karl über die Thätigkeit des kaiserlichen Generalstabes gefällte Urteil völlig überein. Bei den Franzosen hat man wenigstens die Landesteile der Schweiz, welche zunächst in Betracht fielen, jedenfalls gut und ausreichend gekannt. Lecourbe gab für den Felclzug des folgenden Jahres eine geradezu klassisch zu nennende Beschreibung unseres Vaterlandes. Ob sein Divisionsstab aber zu Beginn des Krieges mit genügendem Vorrate an Karten ausgerüstet war, erscheint dagegen sehr fraglich.19

Der geworbene Soldat des Kaisers diente lebenslänglich ohne eine andere Aussicht als die, im besten Falle Unteroffizier werden oder schließlich eine magere Versorgung im Invalidenhause finden zu können. Dann regierten der Stock und andere grausame Straf- mittel die von der bürgerlichen Bevölkerung verachteten Massen der Krieger.20

Wie anders der Franzose, welcher in dieser Zeit doch nicht

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geradezu für den Dienst gepreßt erschien, wie nachmals unter dem Kaiserreiche, vielmehr noch freiwillig diente oder für einen wohl- habenden Konskribierten einstand. Der französische Soldat sah in seiner Laufbahn den Weg, der zum Ruhme führte. Von seinem Handwerke hatte er selbst die höchste Meinung und sein Erscheinen in bürgerlichen Kreisen erregte stets den Ausdruck freudigen Stolzes. Die Mannszucht ward im französischen Heere oft in etwas zu gelinder Weise gehandhabt, die Vorgesetzten kümmerten sich wenig im Ganzen darum, ob die bürgerliche Bevölkerung der besetzten Gebiete Mißhandlungen zu erdulden habe. Die historischen „Fünfundzwanzig" im östreichischen Heere vermochten aber die grausamste Bedrückung der Einwohner ebenfalls nicht zu hindern.

Beide Gegner verfügten über eine vorzüglich zum Soldaten geeignete Masse. Die Oesterreicher bildeten ihre Rekruten durch ein jahrelanges stumpfes Drillen zu eigentlichen menschlichen Maschinen. Die Franzosen mußten sich darauf beschränken, ihre frisch eingestellten Leute notdürftig in den Griffen und den ein- fachsten Bewegungen (Pelotonsschule !) zu unterweisen. Die Führung war bei den Franzosen unstreitig auf einen höheren Standpunkt gelangt, als dies bei den Oesterreichern der Fall war und das gilt nicht nur für die Generalität, sondern auch ganz besonders für die untere Führung. Der kaiserliche Soldat betrachtete den Offizier als seinen unumschränkten Herrn. Der Franzose dagegen sah in dem Vorgesetzten aller Grade lediglich den Kameraden, welchen eigener Wert, Tapferkeit, höhere Kenntnisse und das Glück auf dem Schlachtfelde über die anderen erhoben hatten.21

Die russische Armee endlich war seit ihrer Schulung durch Weißmann und Suworoff zu einer beachteten Größe und Tüchtig- keit angewachsen. Bereits unter Katharina II. wurde dem Kriegs- kollegium die Leitung des Heerwesens aus der Hand genommen. Pauli., dessen Ideal der Preußenkönig Friedrich IL bildete, befahl auch in diesen Dingen durchaus unumschränkt, doch nicht eben glücklich. Die Armee mußte vor allem die bis dahin gebrauchte bequeme Kleidung aufgeben. An ihrer Stelle führte der Zar die knappe preußische Uniform ein, welche keine Mäntel kannte (!). Dagegen errichtete er andererseits für die Offiziere seiner nächsten Umgebung im Winterpalais zu St. Petersburg einen taktischen Lehrgang, aus welchem später die wichtige Kriegsakademie entstand.

Die Regimenter der russischen Linien infanterie zählten in ihren Reihen Grenadiere, Musketiere und Jäger. Das Bataillon setzte sich gewöhnlich aus fünf Compagnien zusammen ; zwei Bataillone bildeten ein Regiment. Auch Rußland kannte die Grenadierbataillone als „die Kraft und nie wankende Stütze des Heeres." Jedes Gre- nadier- und Musketierregiment führte vier, die Jägerregimenter und die zusammengesetzten Grenadierbataillone dagegen zwei Ge-

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schütze mit sich.22 Der russische Soldat wurde zwangsweise aus- gehoben und diente fünfundzwanzig Jahre. Ueber sein Leben und Treiben in dieser Zeit haben wir wohl Berichte, aber sie berühren nicht den eigentlichen Kern der Dinge. Der Mann scheint im allgemeinen eine geringe geistige Regsamkeit besessen zu haben ; Mißhandlungen durch die rohen Vorgesetzten mußte auch er er- tragen. Besonders gerühmt wurde schon damals die große Genüg- samkeit der Leute ; sonderbarerweise auch die Sauberkeit derselben. So schreibt ein kaiserlicher Offizier 1790 von ihnen: „Wenn die russische Armee gegen den Feind ausrückt, ist sie eleganter ge- kleidet als die kaiserlichen Truppen auf dem Paradeplatze ; jeder Gemeine hat sein Kräusel, seine Manchette weiß gewaschen, und ist so in allen Stücken wie ein Petit-maitre hergestellt." Die Be- waffnung dagegen stand weit hinter der französischen zurück. Auch sie entsprach der fridericianischen Zeit.

Die Taktik der Oesterreicher blieb, und zwar nicht nur in for- meller Hinsicht, bei den 1769, also in der Höhezeit der Linear- bewegungen aufgestellten Vorschriften. In Rußland war 1798 ein neues Dienstreglement erschienen, aber es enthielt nicht viel mehr als eine Abschrift der vierzig Jahre zuvor von Friedrich IL er- lassenen Bestimmungen. Uebrigens kannte auch das französische Reglement vom Jahre 1791 nichts anderes. Nur kam es niemals zur Anwendung; denn die Kolonnentaktik entwickelte sich aus der Praxis. Von den Verbündeten verstand einzig Suworoff die Vorteile der französischen Fechtweise, aber er wendete sie auch nur selten an. Die Tirailleur- und Kolonnentaktik der Franzosen begünstigte das selbständige Handeln des Einzelnen und gab der unbeholfenen Masse die möglichste Kraft zum Angriffe mit der blanken Waffe. Ihre Gegner blieben der starren Regelmäßigkeit, welche die Feldzüge des achtzehnten Jahrhunderts auszeichnet, getreu. Trotzdem findet sich in der österreichischen Armee das Streben, die Grundsätze der Linear- und Kolonnentaktik miteinander zu vereinigen; aber nur wenige Führer außer Erzherzog Karl verstanden es, von solchen Neuerungen Gebrauch zu machen.

„Die vorzüglichste Veränderung in der Art Krieg zu führen", sagt dieser Theoretiker in seiner Schrift: „Grundzüge der höheren Kriegskunst", „welche die letztverflossenen Kriege Frankreichs zur Folge hatten, gründet sich auf eine größere Mobilität der Truppen und folglich der Armeen, welche ihresteils durch das Bedürfnis, anderenteils durch den Nationalcharakter des französ- ischen Volkes hervorgebracht wurde. Der Revolutionskrieg entstand plötzlich, ohne daß die gehörigen Vorbereitungen zur Aufstellung und Verpflegung der Armeen vorausgehen konnten, daher das Requisitionssystem im eigenen sowohl als in fremden Ländern und aus diesem die Möglichkeit von schnelleren, rascheren und uner-

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warteten Bewegungen, weil nicht mehr so beträchtliche Magazine erforderlich waren und daher das einer Armee bei jeder Bewegung so hinderliche Proviantwesen vermindert werden konnte. . . . Die Folgen davon waren die so schnell aufeinander folgenden Märsche ; daher der Einfluß von entfernten feindlichen Bewegungen auf die Aufstellung der Armeen und die Kombinierung von Manövern auf größere Distanzen, welches alles bisher noch unbekannt war. Die größere Mobilität der Truppen, vereinigt mit der Art zerstreut zu fechten, veränderte die Stellungskunst auch und erschwerte den Verteidigungskrieg, da Gegenden, welche nach der bisherigen For- mierung der Armeen und ihre Art zu fechten unzugänglich und unzudringlich waren, folglich als Appui der Flügel benützt oder gar nicht besetzt wurden, nun keine Hindernisse mehr darbieten und nicht durch einzelne Truppen, sondern durch ganze Corps durchzogen wurden. Diese Veränderung erregte bei Vielen den Wahn, sich nie sicher zu glauben, als wenn sie Alles besetzt, indessen Andere, als erklärte Feinde von jeder Neuerung, auch die geringste Verteilung ihrer Truppen während eines Gefechts als schädlich und unzweckmäßig tadeln. Nachdenken sowohl als Er- fahrung wird jeden Soldaten immer mehr in dem Grundsatz be- stärken, seine Streitkräfte nicht zu verteilen, wo entschieden werden muß; ihm die Notwendigkeit beweisen, seine Truppen beisammen zu halten, um manövrieren zu können. ..."

Auch während des zweiten Koalitionskrieges erhielten sich auf Seiten der Oesterreicher die bedächtigen Bewegungen, das streng innegehaltene Kordon-System. Nur Suworoff vermochte es eine Zeit lang, den Anordnungen des Hofkriegsrates entgegen wirkend, die kaiserlichen Waffenbrüder zu einem etwas schnelleren Handeln mit fortzureißen. Die Stellung des russischen Generalissimus war für beide Teile, von Beginn der gemeinsamen Unternehmungen angefangen, eine peinliche zu nennen. Die Uebertragung des Ober- befehls an den Sieger von Rimnik zeigte deutlich, daß man in Wien die beschämende Ansicht hegte, unter der kaiserlichen Generalität keine dafür geeignete Kraft zu besitzen. Das wurde in den betroffenen Kreisen bitter genug empfunden. Die Sonderbar- keiten Suworoffs, seine nicht selten hervorgekehrte Schroffheit mußten ihm natürlich ebenfalls viele Feinde erwerben. Seine gewaltige, vor nichts zurückschreckende Thatkraft paßte nicht für die damalige österreichische Armee.

Auf den Wunsch des Zaren hatte Suworoff bereits im Jahre 1798 seine Ansichten über die gegen Frankreich nötige Krieg- führung in folgenden kurzen Sätzen niedergelegt: „Bloß angriffs- weise verfahren. Schnelle Märsche, ungestümer Angriff, blanke Waffen. Kein Methodismus, nur ein richtiger militärischer Blick. Dem Feldherrn unumschränkte Macht. Den Feind im offenen

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Felde angreifen und schlagen. Mit Belagerungen keine Zeit ver- lieren. Nie durch Besetzung einzelner Punkte seine Kräfte zer- splittern ; versucht der Feind eine Umgehung, desto besser, dann geht er um so sicherer seiner Niederlage selbst entgegen."23

Daß Suworoff mit solchen Ansichten keine Freunde in einer Armee gewann, die „abergläubisch dem Defensiv-Sy stein ergeben war" wird nicht Wunder nehmen. Der greise Marschall mußte die verbündete Armee aber geradezu beleidigen, als er in seinem Eifer für die gute Sache so weit ging, den kaiserlichen Regimentern Instruktoren zuzuteilen, welche sie im Angriffe mit dem Bajonette unterweisen sollten. Schon in Valeggio, also gleich bei seiner Ankunft auf italienischem Boden, machten sich die großen Gegensätze zwischen ihm und den Ansichten des kaiserlichen General-Quartier- meisterstabes geltend.24

Suworoff lobte zwar in dem Lindauer Gespräche mit Wikham (Oktober 1799) die „militärische Geschicklichkeit und die mili- tärischen Kenntnisse" der östreichischen Stabsoffiziere das geschah aber doch wohl nur im Hinblick auf die Unfähigkeit seiner Russen und auf die beiden gelehrtesten Männer in der kaiserlichen Armee, den Marquis Chasteler und den Baron Weyrother.25

Von den Streitkräften, welche sich zu Beginn des Feldzugs gegenüberstanden, befanden sich

in Italien 90 918 Franzosen, 117 064 Verbündete,

in Deutschland 36994 78 500 (d. h. Oestr.).26

Die Armee in der Schweiz zählte nach dem Standesausweise des Kriegsministers Scherer gegen Ende Februar 1799 unter den Befehlen von Massena:

13 Halbbrigaden Infanterie 29 416 Mann

4 Regimenter Kavallerie 2 383 10 Compagnien Fußartillerie J ZUBammen i380 Mann.

5 reitender Artillerie J

Demnach in Summe 33179 Mann mit 105 Geschützen.

Hierzu kamen nun noch die helvetischen Truppen, zusammen nicht 10 000 Kampffähige. Die Verteilung der Kräfte zeigt die in den Erinnerungen von Massena gegebene Tafel. (III, 75/6.)

Nach Angabe des Erzherzog Karl standen ihm gegenüber unter FML. Hotze etwa 26000 Mann.26

Den rechten Flügel der Donau- bezw. der Schweizer Armee d. h. die III. Division befehligte mit zusammen 5500 Kampffähigen der seit Ende Februar in Bellinzona sich befindende Divisions- general Lecourbe.

Das Feldtagebuch der Division gibt folgenden Etat de Situation de la 3eme Division au 16 Ventose an 7 (6. März 1799).

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36'

38'

44 76 12

Brigade Loison, Demi-brisade 23 officiers, 1371 sous-off. et soldats = 1394 . 82 . . 1214 , = 1246

Brigade Maynoni, Demi-brigade 48 officiers, 1477 sous-off. et soldats = 1525 23 . 1003 , . = 1026

regt, de chasseurs, 3eme escadron = 4 Officiers 112 hommes 2e regt, d'art. ä pied, 4e u. 16e comp. =3 133

XJ2 compagnie de sapeurs =1 50

Zusammen die Division demnach : 134 Offiziere, 5360 Unter- offiziere und Soldaten. Verpflegungsstand: 5490 Mann. ARMEE DU DANUBE 3*me Division.

Etat-major : Le citoyen Lecourbe, General de divisicm, Commandant.

Adjudants : Le citoyen Gauthler, chef de bataillon ä la 94eme, Le citoyen Montfort. capitaine ä la 44eme.

G-4n6raux de Brigade: Loison

Maynoni,

prisonnier de guerre

le 27 vent. an 7.

Demont, arrive le

2 Germinal en rem-

placement du general

Maynoni.

Aides de camp :

Cougeon, chef de

bat. a la 76.

Eobin, capitaine ii. d.-b.

Leroux, capitaine 21. d.-b.

Adjudants-giniraux :

Porson, chef d'esc.

au 14. regiment de dragons faisant fonc-

tions d'adjudant- general, chef de Vetat

major de la division.

Adjoints.

Laforet,

capitaine au 8.

de dragons.

Forgues, capt. au 12. de chass. faisant fonctions d'adjoint ä l'etat- major de la division.

Genie :

Pierrard,

capitaine.

Commissaires des guerres: Souvestre pere, Vidal.

Der unmittelbare Gegner von Lecourbe, der Feldmarschall- Lieutenant Graf C. Bellegarde verfügte, wie Erzherzog Karl angibt, über 50 Bataillone, 13 Schwadronen, d. h. etwa 46000 Mann.27

Hierzu kam noch eine verhältnismäßig sehr bedeutende Auf- stellung von Miliztruppen. Sie wurden von damals erscheinenden Zeitungen auf nicht weniger als 18 000 Mann, darunter 24 Com- pagnien Scharfschützen, berechnet. Immerhin dürfen diese Kräfte doch lediglich für die Landesverteidigung des Tirol und von Vorarl- berg in Betracht gezogen werden.28

I.

Die ersten Kämpfe in Graubünden.

Am 17. Oktober 1798, dem Jahrestage des Friedensschlusses von Campo-Formio, kam zwischen den Häuptern und Kriegsräten der drei Bünde einerseits wie den den Kaiser andererseits ver- tretenden FML. Grafen Bellegarde und Generalmajor Freiherrn von Auffenberg eine Uebereinkunft zu Stande. Darnach entsendete der Kaiser ein von ihm zu verpflegendes und zu besoldendes Hülfs- corps als Kern für die Verteidigungsanstalten des Landsturmes nach Graubünden. Der eigentliche Zweck dieses Verkommnisses aber ging dahin, den gefürchteten Anschluß von Alt-Fry-Rhätien an die Helvetik und damit an Frankreich zu verhindern.29

Zur Ausführung des Vertrages rückte der Generalmajor Auffen- berg bereits am 18. Oktober mit drei Bataillonen und einer Schwadron, zusammen mit 6000 Mann, in Graubünden ein. Da der Kaiser mit dem Freistaate im Bündnisse stand, so verletzte dieses Vorgehen keineswegs die Neutralität, welche bis dahin von allen Beteiligten beobachtet worden. Der in der Schweiz befehligende Divisions- general Schauenburg bestätigte dies ebenfalls mit der ausdrück- lichen Erklärung, der Einmarsch der Oesterreicher in Graubünden störe keineswegs den Frieden der Mächte.

Der Kriegsrat erließ nun die nötigen Verordnungen für die Aufstellung und Ausbildung des Landsturmes.30 Beeinflußt aber durch die den Franzosen günstig gesinnte Partei der Patrioten, welche offen von Verrat und Verkauf des Landes an Oesterreich sprach, befolgte der größere Teil der Kreise nur sehr lau die Befehle der Obrigkeit. Einzig das surselvische Oberland machte hierin eine ehrenvolle Ausnahme.31 Die herrschende Geldnot, die Unbotmäßigkeit und der Mangel an Bewaffnung bei den Milizen aber ließ es für angemessen erscheinen, den Oesterreichern schon jetzt die Sicherung der bedrohten Punkte zu übertragen. Ebenso erhielt Auffenberg den Oberbefehl, da kein angesehener Bündner, selbst der Generallieutenant Anton von Salis-Marschlins nicht, diese Verantwortung tragen wollte.

29

Wahrscheinlich infolge der Erkundung des Oberalp-Passes, welche der im Urserenthale befehligende Brigadegeneral Loison unternehmen ließ, entstand am 17. Oktober 1798 bereits im Hoch- gerichte Dissentis ein falscher Lärm.32 Obwohl Loison einer an ihn gesandten Abordnung das Ehrenwort gab, die Bürger des Kreises rechtzeitig von seinem Einmärsche in den Freistaat in Kenntnis setzen zu wollen, beruhigte man sich damit keineswegs.

Am 21. Oktober rückte die Compagnie des Hauptmanns Soll- heim vom Regimente Braichenville in Dissentis ein. Eine andere wurde nach Ilanz verlegt. Dazu entließ der Kriegsrat den seines Dienstes bereits überdrüssig gewordenen Landsturm. Nur das Jägercorps verblieb im Dienste.33 Um für den Ernstfall hier einige Artillerie zur Verfügung zu haben, entsendete Auffenberg eine dreipfündige Regimentskanone in das Hochgericht. Ein beigegebener Kanonier diente den Landsturmartilleristen als Instruktor.

Der Frieden von Campo-Formio wurde von den Franzosen ohne weitere Förmlichkeiten bereits am 24. Januar 1799 dadurch gebrochen, daß sie die Feste Ehrenbreitenstein gegenüber Koblenz im Rheinlande besetzten. Immerhin vergingen noch fünf Wochen, ehe Jourdan und Bernadotte am 1. März den Rhein überschritten.

In der Schweiz sollten die ersten Flintenschüsse gewechselt werden.

Für den allgemeinen Angriff hatte Massena den 6. März be- zeichnet. In der That begann auch an diesem Tage der Vormarsch gegen Graubünden. FML. Bellegarde verfügte in diesem Augen- blicke auf den zunächst bedrohten Punkten über die Brigade Auffenberg (in Chur), die mit 2 Bataillonen und 2 Schwadronen (2350 Mann) im Rheinthale, mit einem weiteren Bataillone die Feste Luzisteig verteidigen sollte.34 Die Brigade Laudon konnte vorläufig gar nicht in Betracht fallen.

Wie groß die Verzettelung erschien, zeigt die Angabe des Erzherzogs Karl über die damalige Verteilung der Truppen des Corps Bellegarde:

Es waren dies zusammen wenigstens 50 Bataillone und 13 Schwadronen, nämlich:

15 Bataill., 5 Schwadr. auf dem Marsche ins Vorarlberg,

14

»

im Innthal,

1

!)

in Innsbruck,

1

Tt

in Landeck,

3

»

3^2

71

im Vintschgau,

3

S

Vi

n

im Val di Sole und Val di Xon,

10

n

2

n

im Pusterthale,

2

71

1

n

in der Bregaglia und dem Poschiavo,

1

n

1

n

in Chur.

Das Hauptquartier befand sich in Bozen.

30

Unmittelbar vor Beginn des Feldzuges scheint die Brigade Auffenberg den direkten Verfügungen des FML. Bellegarde ent- zogen und dem Corps des FML. Hotze (Vorarlberg) zugeteilt worden zu sein.

Von verschiedenen Seiten ist die Frage aufgeworfen worden, warum Bellegarde die so sehr bedrohten Gebiete mit gar nicht ausreichenden Kräften besetzte. Man war aber im Tirol keines- wegs auf einen so schnellen Angriff gefaßt. Dies sagt wenigstens der Erzherzog Karl zu wiederholten Malen (I, 78). Er gibt auch an anderer Stelle in einer gelegentlichen Aeußerung den wahren Grund für diese augenscheinliche Vernachlässigung an. Er schreibt nämlich (I, 117):

Bellegarde, dem die Verteidigung Tirols anvertraut war, und der den Wert kannte, welchen man in Wien auf die Erhaltung dieser Provinz setzte, glaubte sich dadurch gegen Verantwortung sichern zu müssen, daß er unmittelbar von der bedrohten Grenze, und in der Richtung, auf welcher sie es wurde, ausging."

Der Feldmarschall-Lieuteuant hatte also keinen Grund. Grau- bünden zu besetzen. Dem Corps Hotze, d. h. der Brigade Auffen- berg Unterstützung zu leisten, lag ganz außerhalb seines Gesichts- kreises, da dies ihm ja nicht ausdrücklich vom Hofkriegsrate anbefohlen worden war. Daß die Truppen so weit zerstreute Aufstellungen erhielten, entsprach sowohl der ganzen Art, wie Oesterreich die Verteidigung- wissen wollte, als dem an sich an- erkennensw erten Willen, die Bewohner des Tirols durch die Kriegs- lasten nicht allzu sehr zu bedrücken. Tirol sollte nur örtlich gesichert werden. Es bedurfte demnach überall eines Kernes von kaiserlichen Truppen, um den Aufgeboten von Landesschützen und Landsturm den notwendigen Rückhalt zu gewähren. Unter diesen Umständen und abgesehen auch davon, daß Bellegarde den Beginn der gegnerischen Bewegungen nicht vor dem 8. März erfuhr, war an ein schnelles Zusammenfassen aller verfügbaren Kräfte nicht zu denken. Die Unabhängigkeit der drei Bünde stützte sich allein auf die Tapferkeit seiner Bürger.

Bereits am 4. März hatte Loison nach Dissentis gemeldet, er habe den Befehl zum Einmärsche erhalten. In der That setzte er seine Kolonnen in der Nacht zum 6. in Bewegung.30 Eine Abteilung in der Stärke von etwa 300 Mann marschierte durch das Val Piora und über den Piano dei Porci, um bei Sta. Maria das Lukmaniersträßchen zu erreichen.36 Loison selbst ging mit den ihm verbleibenden 1290 Mann über die Oberalp.37 Bei Dissentis sollten beide Kolonnen, von denen die kleinere ersicht- lich den Charakter eines Streifcorps trug, wieder vereint werden.

Um Mitternacht am 6. März wurde die aus 12 Landstürmern bestehende Feldwache, die jedenfalls keine aufmerksame Schild-

31

wache besaß, bei Sta. Maria nördlich der Paßhöhe des Lukmanier von den Franzosen überfallen.38 Die schnell zersprengten Mann- schaften warnten die Bewohner der Gemeinden des Thaies bis Platta herunter. Alles floh in die Berge.39 Natürlich machten sich auch hier die gewöhnlichen Folgen einer solch kopflosen Flucht der Bevölkerung geltend. Der Feind plünderte und zerstörte überdies aus Mutwillen die Gegenstände, welche er nicht gebrauchen konnte.

Auch Loison war auf der Paßhöhe der Oberalp mit den Gegnern zusammen getroffen. Hier standen 300 Mann, teils zur Compagnie Sollheim, teils zum Jägercorps und dem Landsturme gehörend. Diese Abteilung wich langsam in der Richtung auf Dissentis bis zum Fuße des Berges bei Sursassi zwischen Tschamut und Rueras zurück.40 Längerer Widerstand wurde nicht geleistet und die Franzosen plünderten die menschenleeren Weiler im Tavetsch, sowie im Vorbeigehen auch die Gemeinde Sedrun. Hier- bei erlaubten sich Einzelne, welche gar keine Veranlassung hatten, feige Grausamkeiten.41 Bei der Brücke inmitten des Dorfes Sedrun, sowie am Eingange des Seitenthaies Bugnei sind jedenfalls noch einige Schüsse mit dem in guter Ordnung abziehenden Gegner gewechselt worden. Zu einem eigentlichen Kampfe war es bis- her also keineswegs gekommen. Um so weniger lassen sich die unnötigen Tötungen schwacher Greise, die schrecklichen Miß- handlungen der zufällig Gefangenen erklären.

An diesem Tage kam Loison nur bis Mompe-Tavetsch, Segnas und Buretsch, Gemeinden, welche an der jetzigen alten Straße etwa drei Kilometer von Dissentis entfernt liegen. Während die Franzosen ruhten, bereiteten sich die Bewohner des Hoch- gerichtes zur ernsthaften Verteidigung vor.42

Es sammelte sich der Landsturm der Tavetscher und Medelser Dörfer, sowie der Gemeinden Somvix, Trons, Brigels, Walten- burg und Valendas. Die Mannschaften führten meistens schnell geschaffene Schlagwaffen, nur wenige von ihnen waren im Be- sitze eines Feuergewehres.

Die örtliche Beschreibung von Dissentis gibt Genelin auf Seite 21 seiner Abhandlung wie folgt: „Dissentis liegt ganz auf der linken Thalseite des Rheins ganz an den Bergabhang gelehnt (1150 Meter Seehöhe). Ob dem Dorfe erheben sich majestätisch die länglichen Gebäude der Benediktiner-Abtei. Etwa 200 Schritte thalaufwärts vom Flecken entfernt liegt die Pfarrkirche mit dem Gottesacker in der Ebene „Cons". Zwischen dem Flecken und dem Rhein, der hart am rechten Bergabhang vorüber fließt, erstreckt sich gegen Südwest die etwa eine Viertelstunde breite Thalebene aus. Dieselbe ist jedoch von der etwa 10 Meter tiefen Thalrunse des Wildbaches Magriel unterbrochen, der 200 Schritt vom Flecken entfernt durch das Dorf Raveras fließt."

32

Der 7. März brach als ein düsterer, kalter, stark nebliger Wintertag an ; der Schnee soll etwa 70 cm hoch gelegen sein. Die Bedeckung der Gegend durch die dichten Dünste erschwerte natürlich sehr die Uebersicht und kam derart dem Landsturme ganz vortrefflich zu statten.

Schon vor 6 Uhr morgens erklang die Sturmglocke des Fleckens. Die Streiter begaben sich zu einem Gottesdienste in die Klosterkirche. Beim Heraustreten aus derselben wurde jedem Einzelnen durch Handschlag der Treueid abgenommen.

Nach den Verfügungen für das zu erwartende Gefecht, welche die Obersten Jakob Ant. v. Castelberg und Ludwig Caprez beide hatten in fremden Diensten gestanden entworfen, stellte sich eine Abteilung der nun durch die von Banz herangezogene Compagnie verstärkten Oesterreicher samt den mit Feuerwaffen bewehrten Bündnern am südwestlichen Ende des Fleckens, in der Ebene von Cons auf. Dieser Mannschaft waren auch die beiden zur Verfügung stehenden Dreipfünderkanonen anvertraut worden. Der Rest der Oesterreicher besetzte die jenseits des Magriel- Bächleins liegende Ebene Silvaplana, um derart die Franzosen an der etwa beabsichtigten Umzingelung des Ortes zu hindern. Die nur mit Schlagwaffen ausgerüsteten Landstürmer, deren Anzahl auf 3 bis 4000 Mann geschätzt wurde, standen auf der Höhe ob dem Dorfe und der Ebene Cons („Turtengia und Marietta"). Sie sollten dem Gegner im entscheidenden Augenblicke in die Flanke fallen. Das Jägercorps dagegen besetzte die etwa zehn Minuten vom Flecken entfernt liegenden Crest-Montatsch-Hügel, um die Fran- zosen im Rücken zu bedrohen.

Die Linie der Vorposten zog sich längs dem Segnasbache hin ; ihre eigentliche Gefechtsstellung bildete die Friedhofsmauer von Cuoz-Buretsch. Als Rückzugsrichlung für das Ganze sollte natur- gemäß die Straße in das Rheinthal hinunter angesehen werden. Die Mannschaften waren kampflustig; immerhin scheint einiges Mißtrauen in den guten Willen der Führer unter ihnen vertreten gewesen zu sein.

Gegen 8 Uhr morgens erschien bei der Feldwache in Cuoz- Buretsch ein französischer Parlamentär, der nach Dissentis zu den Befehlshabenden geleitet zu werden wünschte. Er fragte denversam- melten Kriegsrat, als er vor diesem erschien, ob man sich schlagen wTolle, oder nicht. Ihm wurde die feste, mannhafte Antwort: „Wir werden uns verteidigen bis zum letzten Blutstropfen."

Etwa ein und eine halbe Stunde später setzten sich die Fran- zosen in Bewegung. Beim Dorfe Raveras schlug die Kolonne den ob der Pfarrkirche und dem Friedhofe sich hinziehenden Pfad ein. Die gegnerischen Vorposten wurden nach kurzem Widerstände geworfen.43 Die Zeitgenossen berichten, dieser Rückzug sei plan-

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mäßig geschehen. Man habe die Franzosen schnell in die engen Gassen von Dissentis locken wollen, um dort den mit Schlagwaffen versehenen Landsturm gegen sie mit Nutzen ver- wenden zu können.

Die Franzosen scheinen übrigens einen Hinterhalt gefürchtet zu haben. Anstatt „mit ihrer gewöhnlichen neufränkischen Wild- heit" überstürzt und ohne viele Sicherung vorzugehen, drangen sie nur langsam und zögernd in Dissentis ein. In der Mitte der Ort- schaft trafen sie in der That mit einer übermächtigen Zahl Land- stürmer zusammen, welche wild an die Gegner herandrängten. Die Franzosen dachten sogleich an einen Rückzug mit nachfolgendem Sammeln in der Ebene, doch gelang es ihnen nicht, die Züge zu bilden. Von allen Seiten, so besonders von der Höhe herab, mit Wucht angegriffen, wurden sie schnell wieder bis Raveras gedrängt.44 Schon in Dissentis hatte unter ihnen ein furchtbares, erbarmungs- loses Morden begonnen. Dies setzte sich fort, als die Franzosen nach einem kurzen Versuche, die Brücke bei Raveras zu halten, gegen Silvaplana weichen mußten und hier in zwei Abteilungen gespalten wurden. Jene, welche die Thalschlucht des Rheines hinunterflohen, um Medels und den Lukmanier zu erreichen, fielen fast ausnahmslos unter den Streichen der wütenden Bauern. Ein Peloton, das ob Silvaplana bei Rieven in einer Aufnahmestellung sich befand, ging ebenso, wie die bei Crest de Sax stehenden, mit den übrigen in voller Unordnung gegen die Oberalp zurück. Immerhin versuchte Loison noch einmal bei Mompe-Tavetsch einen letzten Widerstand zu leisten. Da er aber durch einen Urner, welcher ihm als Führer diente, darauf aufmerksam gemacht ward, daß die hier bezogene Stellung leicht in der Höhe umgangen werden könne, ließ der General bald wieder aufbrechen.

Die vom Lukmanier vorgedrungene Kolonne erfuhr noch im Medelser Thal die Niederlage ihrer Waffengefährten. Daraufhin trat sie sogleich den Rückmarsch nach Olivone an.

Erst auf der Höhe des Oberalppasses, gegen 5 Uhr abends, hörte die unablässig nachdrängende Verfolgung auf. Die Franzosen hatten wenigstens 400 Mann an Toten neben nur 100 Gefangenen und 30 Verwundeten eingebüßt.45 Der Verlust der Oesterreicher beziffert sich auf 20 Mann, der der Bauern auf 13 Tote.46

Die beschämende Niederlage, welche zwar vorzüglich auf ein glückliches Zusammentreffen aller für die Franzosen ungünstigen Umstände zurückzuführen ist, war doch von diesen zum anderen Teile selbst verschuldet. Die Oberführung hatte den Gegner, die mit dem Mute der Verzweiflung kämpfenden Landleute unterschätzt, die mangelnde Mannszucht den Widerstand durch das Schauspiel furchtbarer Ausschreitungen gestählt. Jene, über den Lukmanier gehende Kolonne endlich hätte dem Kampfe in und um Dissentis

Günther, Feldzug 1799. 3

34

einen wesentlich anderen Ausgang verleihen können, wäre sie recht- zeitig dort eingetroffen. Daran hinderte sie aber das fortgesetzte Plündern, und so trafen sie in Mompe-Medels, etwa 2,5 km von Dissentis, erst in dem Augenblicke ein, da alles zu Ungunsten der Ihrigen bereits entschieden war.4'

Der Landsturm sollte sich nicht lange seines leicht errungenen Sieges freuen. Bereits in der Nacht vom 8. auf den 9. März kam die Nachricht, daß die Brigade Demont von Reichenau, welches sie am 7. März erreicht habe, gegen das Oberland marschiere, und daß Chur von Massena besetzt worden sei. Diese Kunde verbreitete allgemeine Mutlosigkeit. Die Thatsache, daß derartige, zusammen- geraffte, durch keinerlei Band eigentlicher soldatischer Ehre und Kameradschaft an einander gefesselte Massen ebenso schnell an ihrer Kraft verzweifeln, wie sie an den Verrat der Führer glauben, machte sich auch hier geltend. Es blieb dem Kriegsrate nichts anderes übrig, als mit Demont zu unterhandeln, der nach einigem Widerstreben dann auch annehmbare Bedingungen gewährte.48 Die genannte Brigade rückte am 10. März in Dissentis ein und die dort befindlichen Oesterreicher mußten sich kriegsgefangen ergeben. Bereits am 13. aber wurde Demont von Loison abgelöst, der seinerseits am 17. ebenfalls nach Chur abging. Ein aus beiden Brigaden gemischtes Besatzungscorps, unter den Befehlen von Capitaine Salomon, blieb in der Stärke von 4 Compagnien (103. Halbbrigade) in Dissentis und den übrigen Gemeinden des Ober- landes zurück.

Während Loison den Auftrag gehabt hatte, den Angriff von Demont zu unterstützen, sollte Lecourbe selbst mit der ihm direkt zur Verfügung stehenden Brigade Maynoni das Engadin erobern und die Eingänge zum Vintschgau besetzen.49

Am 27. Februar hatte der General von Altdorf das Hauptquartier der Division über den Gotthard verlegt. Den 2. März erreichte es Bellinzona. Wohl mag es beabsichtigt gewesen sein, die Division schon am folgenden Tage in Bewegung zu setzen. Der empfindliche Mangel an Lebensmitteln zwang jedoch vorläufig noch die Waffen- ruhe zu beobachten.50 So wurden die Tage vom 2. bis 6. März dazu benützt, die in ziemlich weitläufiger Unterkunft zerstreuten Truppen aus der Leventina und dem Blegno in Bellinzona und am Eingange der Mesolcina, in den Gemeinden Arbedo, Castione, und Lumino zu vereinigen.

Die zur italienischen Armee gehörende Division Dessoles trat mit Ende Februar ebenfalls unter die Befehle von Lecourbe. Diese Truppen, deren Stärke zu 5091 Mann angegeben wird, und die bis dahin in den Gemeinden am Nordostufer des Comersees und dem Ausgange der Val Tellina gestanden hatten, empfingen nun die nötigen Anweisungen.51

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Uebersicht der Division nach Jomini (III, 399).

Kommandant: Dessoles, general de brigade.

Generaladjutant : Fressinet.

Stabschef: Petrigoni, capitaine cisalpin.

Brigade Dessoles.

12. 1. Halbbrigade, 39. Linienhalbbrigade, zusammen ca. 40ÜU M.

Brigade Lecchi (cisalpin). 2 Bat. Detachement d'expedition 500 M., 1 Bat. cisalpin 200 M. Kavallerie 48 M. Artill. u. Sap. 343 M.

Diese Zahlen erscheinen etwas gar zu genau abgezirkelt, um völlig glaubwürdig zu sein. Am 1. März hatte Dessoles ganz sicher kaum 3500 Kampffähige bei einander.51

Dessoles wurde von Lecourbe am 12. und 14. Ventöse(2./4.März) aus Bellinzona benachrichtigt, daß am 6. März die Armee auf Schweizerboden den Vormarsch antreten werde, und daß die Divi- sion Lecourbe in der Folge sich in Silvaplan a im Ober-Engadin wieder vereinigen solle. Dessoles erhielt Befehl, durch das Val Tellina nach Sta. Maria zu marschieren und am 6. März aufzu- brechen.52

Die Befehle und Mitteilungen an Maynoni erfolgten unter dem 3. März. Die Kolonne Loison ward als diejenige des linken, Maynoni als die des rechten Flügels bezeichnet. Lecourbe selbst wollte die Mittelkolonne, bestehend aus der 36. Halbbrigade, 1 Bataillon der 38. Halbbrigade, inbegriffen die 12 Grenadiercompagnien, führen. Als seinen Weg bezeichnet er den Pfad über den San Bernardino auf Splügen, Thusis, Tiefenkasten, Bergün nach Silvaplana und Martins- bruck. Maynoni dagegen erhielt den Befehl, mit der 44. und 11/38. Halbbrigade am 6. mit Tagesanbruch sich in Bewegung zu setzen. „Meine Kolonne" - heißt es in dem Schreiben »folgt der Ihrigen bis Mesocco. Dort gehen Sie über die Forcola nach Chia- venna und Splügen, woselbst sich beide Kolonnen wieder vereinigen und zusammen weiter marschieren. Sollten Sie auf der Forcola zu vielen Schwierigkeiten begegnen, so folgen Sie meiner Kolonne."53

Dieser ziemlich unbestimmt gehaltene Befehl an Maynoni er- klärt sich aus der Thatsache, daß Lecourbe daran Zweifel hegte, ob die Forcola schon zu überschreiten möglich sei.54 Es entsprach sonst nicht den Gewohnheiten des Generals, den Unterführern so viele Freiheit in der Ausführung erhaltener Aufträge zu gewähren. Die Entsendung der Kolonne Maynoni über Chiavenna nach Splügen fiel überdies nicht stark ins Gewicht. Lecourbe konnte ganz gut annehmen, daß Dessoles genügende Kräfte besäße, um gegen den Splügen hin die etwa aufgebotenen Landsturmabteilungen in Schach zu halten. Daß die wenigen Oesterreicher , welche südlich und nördlich von Campodolcino standen, nicht Aveiter in Betracht kamen, erschien als selbstverständlich.

36

Da Lecourbe erst am 6. und Dessoles sogar weitere zehn Tage später den Vormarsch antrat, so war an ein Zusammenhandeln mit der Mitte und dem linken Flügel der helvetischen Armee nicht zu denken. Weil nun aber Graubünden so gut wie gar nicht vom Gegner besetzt erschien, fand Lecourbe bis zum 11. Ankunft in Bergün fast keinen Widerstand, es sei denn von den Natur- gewalten.

Da man nicht hoffen durfte, in den Gemeinden jenseits des San Bernardino genügende Lebensmittel aufzutreiben, so nahm jeder Mann einen viertägigen (bis zum 9. März inbegriffen) Mund- vorrat in den Tornister. Die Taschenmunition betrug 60 Patronen wie gewohnt. Alle sonstigen Vorräte sollten auf Saumtieren nach- geführt werden.

Jede Halbbrigade bildete im Laufe des 5. März aus taug- lichen Leuten und den sich meldenden Freiwilligen eine Compagnie Ausspäher („Eclaireurs"). Jede Kolonne erhielt im weiteren die nötige Artillerie und eine Anzahl Sapeure, sowie einige als Ordon- nanzen dienende Chasseurs ä cheval.

Früh 4 Uhr ^m 6. März standen die Truppen marschbereit auf der Landstraße swischen Bellinzona und Arbedo. Ein Divisions- befehl hatte ihnen Tags zuvor die Wiederaufnahme der Feind- seligkeiten angezeigt und jeden einzelnen ganz besonders darauf hingewiesen, daß Unordnungen, Räubereien und Plünderung aller Art aufs strengste geahndet werden würden.55 In den grauenden naßkalten Morgen hinein schritten die beiden Kolonnen in der festgesetzten Ordnung. Die Vorhut einer jeden wurde von den Eclaireurs gebildet.

Bei Soazza traf man auf den Feind. Die Stellung der Ver- teidiger lag wohl vor dem Orte, dort wo die Steigung der Straße beginnt. Ein kurzes Feuergefecht entspann sich, dann wichen die wenigen österreichischen Füsiliere vom Regimente Braichainville, nachdem sie wahrscheinlich auf ihrem rechten Flügel umgangen worden. Die Franzosen machten dabei 15 Gefangene.

Maynoni war unterdessen nach der Forcola abgebogen. Auf den Alpi di Castera (1401 m, Thaleingang bei Ascona 533 m) mußte er sich jedoch überzeugen, daß ein weiteres Vordringen, der Schneeverhältnisse halber, unmöglich sei. So erreichte denn die von ihm befehligte Abteilung bei Dunkelwerden den Hauptort des Thaies Mesocco, woselbst auch das Divisionsquartier für die Nacht aufgeschlagen wurde. Die Vorhut der Kolonne Lecourbe gelangte jedoch bis San Bernardino. Hier vertrieb sie den Feind und nahm ihm 35 Mann als Gefangene ab.

Die Witterung gestaltete sich am 7. März noch schlimmer. Ein heftiger Schneesturm brauste von den Höhen herab, die den Paß von San Bernardino einschließen. Dennoch gingen die Truppen

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rüstig ans Werk, den 2063 m hohen Uebergang zu erzwingen. Den Eclaireurs und jeder einzelnen Compagnie waren Führer zu- geteilt worden, ohne die wahrscheinlich der endliche Erfolg nicht möglich gewesen wäre. Die Mannschaften sanken bis zum Gürtel im Schnee ein und ein Korporal, sowie ein Grenadier der 38. und zwei Soldaten der 36. Halbbrigade kamen in der schneidenden Kälte um, die nach dem Aufhören des Sturmes einfiel. Mehreren Offizieren und Mannschaften erfroren Nasen, Ohren und Hände.56 Der von San Bernardino bis zum Moesola-See sich erstreckende Engpaß ward in der Marschkolonne zu einem überschritten.57 Leicht hätte der Gegner hier die Division aufhalten können, doch trat er ihr erst in der Stärke von etwa 100 Oesterreichern und 5 600 Landstürmern jenseits der Paßhöhe entgegen. Schnell ge- worfen, wich er nach Hinterrhein zurück. Auch dieser Ort wie ferner Nufenen, Medels und Splügen mußten von den Oesterreichern nach kurzem Widerstände aufgegeben werden, wobei sie einige Mann an Toten und Verwundeten einbüßten. Der Verlust der Franzosen bezifferte sich auf 2 Tote und 3 Verwundete; sie er- beuteten von den Landstürmern 3 Genieindefahnen und machten an 60 Gefangene.58

Die Division kantonnierte an diesem Abend in der Weise, daß Lecourbe mit dem Gros Nufenen, mit den Vorposten Medels besetzt hielt, indes Maynoni in Hinterrhein blieb.

Der Bericht, welchen Lecourbe über den Marsch an Massena sandte, datiert aus Nufenen vom 19. Ventose (9. März).59 Er stellte fest, daß ein empfindlicher Mangel an Lebensmitteln herrsche und daß der 8. März als Ruhetag gehalten werden müsse, weil die Transporte mit Mundvorrat nicht so schnell zu folgen vermöchten. „Ich kann Ihnen nicht verhehlen" heißt es weiter „daß mein Eclaireurs die größte Unordnung in den Orten anrichteten, durch welche sie vorgingen ; sie zeigen vielen Mut, aber es sind Plünderer. Ich werde mich vielleicht veranlaßt sehen, sie wieder aufzulösen." Im Anschluß daran vernimmt man auch, daß es nötig sei, ein Kriegsgericht einzusetzen, um ein abschreckendes Beispiel zu geben.

Dessoles, welcher in steter Verbindung mit Lecourbe sich hielt, wurde nun beauftragt, die Ausgänge der Bregaglia, des Val Malenco, des Poschiavo, des Val Camonica bis zum Oglio-Engpaß und das Wormser Joch zu bewachen. Als es sich herausstellte, dass die Forcola für Truppenbewegungen unzugänglich sei, sendete Lecourbe an Dessoles den Befehl für den 7. März, 1 Bataillon der 121. Halbbrigade durch das Val San Giacomo gegen Splügen zu entsenden. Nachrichten, die von Landesbewohnern eingingen, besagten nämlich, daß dieses Dorf durch flüchtige Befestigungen und einige Artillerie gesichert sei. Die Meldung ward zwar als eine falsche erkannt; immerhin hätte ein rechtzeitiges Eintreffen

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des Bataillons die Oesterreicher vollkommen von ihrer einzigen Rückzugslinie abgeschnitten.

Dessoles empfing den Befehl jedenfalls zu spät; denn die Entsendung erreichte erst am Morgen des 8. März das Dorf Splügen. Lecourbe, der ihrer nicht mehr bedurfte, ließ sie sogleich nach Chiavenna zurück marschieren.

Dessoles hatte in den ersten Tagen des März wohl einige Verstärkungen für seine Division empfangen, aber jedenfalls nicht 2000 Mann, wie Lecourbe an Massena meldete. Für seinen Vor- marsch gegen Glurns mochte er, um in der rechten Flanke ge- sichert zu sein, nur 2 3000 Mann verwenden. Sehr schmerzlich empfand es der General, daß ihm nur 3 Dreipfünder als Berg- geschütze und noch dazu ohne Bespannung zur Verfügung standen. Ueberdies hatte auch er wie Lecourbe stetsfort mit dem Hunger zu kämpfen.

Am 9. März gelangte das Gros der Division Lecourbe bis xindeer und Tiefenkasten. Ihre Vortruppen standen in Brienz an der Straße über den Albulapaß und am Eingange zum Oberhalb- steinthal. In Thusis erfuhr Lecourbe die Erfolge, welche Massena errungen, die Besetzung von Chur durch die Franzosen, aber auch die Niederlage von Dissentis. Wahrscheinlich aus Gründen der Verpflegungsordnung mußte die Division am 10. abermals einen Ruhetag in die Folge ihrer Bewegungen einschalten.

Erst mit dem 11. März beginnt der eigentliche Feldzug der Division Lecourbe. Bis dahin hatte man lediglich einige Züge Oesterreicher und schwache, gar nicht geordnete Landsturin- abteilungen als Gegner begrüßen können. Nun aber erschienen größere Truppenkörper, geführt vom Generalmajor Freiherrn von Laudon, einem Brigadier des Corps Bellegarde, auf dem Kampfplatze. Als die Nachricht von den ersten Erfolgen der Franzosen im Rheinthale nach Bozen gelangte, wurde Generalmajor Laudon beordert, die in der Bregaglia und dem Poschiavo stehenden 2 Bataillone und 1 Schwadron in das Unterengadin zurückzuziehen. Dies durchzuführen gelang aber nicht mehr. Weitere 8 Bataillone und 1 Schwadron, welche bis dahin im westlichen Tirol gestanden hatten, sollten die Uebergänge des Flüela-, Albula-, Scaletta- und des Ofen-Passes, sowie das Wormser Joch sichern. Hierzu kamen noch 8 Compagnien, welche, ursprünglich zur Brigade Auffenberg gehörend, der Gefangennahme bei Chur durch einen rechtzeitigen Rückzug ins Schanfigg und über den Strela-Paß entgangen waren. Die weiter zurück befindlichen Truppen erreichten, in drei Marsch- säulen abgeteilt, folgende Punkte: (5 Bataillone das Montafun, 9 Bataillone Bozen, die noch im Innthale sich befindenden Imst. Dieser letztere Ort durfte jedoch lediglich als vorläufiges Marsch- ziel gelten.

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Am 10. März verfügte Laudon über eine Macht von 3 Bataillonen, 1 Schwadron bei Nauders, 5 Bataillonen, 1 Schwadron zwischen Tauffers und Sta. Maria im Münsterthal. Mit weiteren 4 Bataillonen, welche Oberst Baron St. Julien soeben von Ried nach Xauders entsendet hatte, trat der General den Vormarsch gegen Zernetz an, welchen Ort er in der Nacht vom lü. zum 11. erreichte. Zugleich ging 1 Bataillon als Sicherung der linken Flanke dieser Kolonne vou Sta. Maria nach Bormio über das Wormser Joch. Nachdem es einen sorglosen Posten der Cisalpiner gefangen ge- nommen, besetzte es die Bäder von Premaglio und Trepal. Ein anderes Bataillon sicherte die kürzeste Verbindung zwischen Zernetz und dem Münsterthal, den Ofen-Paß.

Jene geringen Reste der Brigade Auffenberg, die wie schon erwähnt in Süs eingetroffen waren, besetzten ebenfalls die Paßhöhen des Flüela und des Scaletta. Augenscheinlich fürchtete man seitens der Oesterreicher, daß die Franzosen auf die rechte Flanke und den Rücken der in Zernetz stehenden Abteilung wirken könnten. Dennoch ließ man, während der Albula-Paß eine scharfe Beobachtung erfuhr, den von Bergün durch das Val Tuora über den Sertig-Paß (2385 m) und das Val Sulsanna auf die Hauptstraße des Unter- engadins abzweigenden Saumpfad völlig außer Augen. Dieses Uebersehen einer zwar wenig begangenen, aber nicht unwichtigen Verbindung zwischen den Flußgebieten des Rheines und des Inns sollte sich bald empfindlich genug rächen.

In der That, nichts ist schwieriger, als das Hochgebirge in der Weise zu verteidigen, daß jeder Pfad benützt und besetzt, daß jede Höhe gedeckt wird.60

Wie leicht tritt nicht in solchen Fällen eine Verzettelung der Kräfte auf, welche dann gerade in dem Augenblicke mangeln, wo man ihrer hauptsächlich bedarf. Das Schicksal Laudons zeigt deutlich, wie durchaus notwendig es ist, im Gebirge von dem Grund- satze der „passiven Defensive* abzugehen. Wird eine derartige Verteidigung in den meisten Fällen selbst schon in der Ebene versagen, um wieviel mehr im Gebirge, das einer offenen Festung gleicht. Hier wie dort kann nur die größte Thätigkeit, welche rücksichtslos und blitzschnell kräftige Stöße nach bestimmtem Plane und nach allen Seiten hin richtet, den Erfolg herbeiführen.

Diese Art, den Krieg im Gebirge zu führen, durften aber die kaiserlichen Generale nicht anwenden, da der Hofkriegsrat strenge die rein örtliche Verteidigung vorgeschrieben hatte. Ein ein- sichtiger Feldherr wäre nun freilich dennoch zu der entgegen- gesetzten Handlungsweise gekommen, ohne sich viel um die hundert Stunden von ihm entfernte Behörde zu kümmern. Der Geist jedoch, welcher damals im österreichischen Beere herrschte: der völlige Mangel an Selbständigkeit bei allen Führern, die Gewißheit, stets-

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fort von Spionen Thuguts umgeben zu sein, und daraus hervor- gehend eine oft geradezu stumpf fatalistische Gleichgültigkeit gegen alle Fehlschläge: dieser Geist hinderte jede kräftige That.

Auch Laudon blieb bei den einmal erhaltenen Befehlen und befolgte sie, ohne nach der Veränderung der Lage zu fragen, in ihrer ursprünglichen Form.

Lecourbe mochte wohl von den Landesbewohnern die Maß- nahmen der Gegner erfahren haben. Darauf deuten seine An- ordnungen für den Marsch am 11. März. Es wurden nämlich wiederum zwei Kolonnen, zu 3 Bataillonen jede gebildet. Die eine derselben, unter dem Befehle des Divisionärs, nahm die Straße über den Albula-Paß. Die andere, befehligt von dem General Maynoni, ging über den Julier nach Silvaplana und den Septimer nach Casaccia.

Um 3 Uhr nachmittags erreichte die Kolonne Lecourbe Bergün. Einige hundert Meter vom Ostausgange des Dorfes trafen die vom Capitaine Vrigny der 38. Halbbrigade geführten Eclaireurs auf den Gegner. Ein lebhaftes, aber nur kurz an- dauerndes Feuergefecht genügte, die österreichischen Schützen zum Weichen zu bringen. Lecourbe trat selbst an die Spitze seiner Vorhut und frischen Mutes klomm man zur Paßhöhe heran (2315 m). Da kein weiterer Widerstand geleistet wurde, so be- fanden sich wenigstens die drei Eclaireur-Compagnien nachts 11 Uhr vor dem Westeingange von Ponte. Eine ganz unerwartete Begegnung mit weit überlegenen Kräften zwang zu raschem Ab- bruche des schon begonnenen Nachtgefechtes. Die Vorhut ging bis zu der Alpe d? Albula zurück. Das Gros der Division blieb bei der Häusergruppe Weißenstein (2080 m) im Biwak. Der Tag hatte beiden Teilen einige Tote und Verwundete gekostet, darunter den oben genannten Capitaine Vrigny.

Maynoni mit 2 Bataillonen der 44. und II 38. Halbbrigade erreichte durch das Oberhalbstein Bivio a Stalla. Den weiteren Vormarsch nahm er wie das Gros seiner Kolonne über den Julier (2287 m). Drei Compagnien Freiwilliger erreichten über den Septimer (2311 m) Casaccia. Bereits um 3 Uhr nachmittags wurde dieser Ort besetzt. Das Feldtagebuch meldet dabei, daß der Gegner nach siebenstündigem Gefechte gegen den Malojapaß hin geworfen wurde und Maynoni ebenfalls noch an diesem 11. März Silvaplana erreicht habe. Sind diese Angaben richtig, so hatten alle Teile der Division thatsächlich einen Gewaltmarsch durchgeführt, der einen bedeutenden Aufwand an Willenskraft verrät.61

Am 12. März erneuerte Lecourbe seinen Angriff auf Ponte mit den 2 Bataillonen der 36. Halbbrigade.62 Das III. Bataillon der 38. Halbbrigade ward von Bergün über den Sertigpaß nach Sulsanna, beziehungsweise nach Zutz und Madulein entsendet.63

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Generalmajor Laudon schien entschlossen, die Stellung bei Ponte um jeden Preis halten zu wollen. Er verfugte hier über die Regi- menter Devins, Braichainville und ein Kroatenbataillon (Benoiski). Gegen 9 Uhr morgens begann das Gefecht. Die Ungeduld Lecourbes mochte die Ankunft des in den Rücken des Gregners entsendeten Bataillons nicht erwarten. Er versuchte mehrere Male das Bajonett über den Besitz von Ponte entscheiden zu lassen, aber vergebens. Erst, als um 2 Uhr nachmittags die Ausspäher vom 111/38. am Thalrande oberhalb Madulein erschienen, entschloß sich Laudon zu schnellem Rückzuge nach Zernetz. Es war die höchste Zeit! Laudon selbst konnte nur mit genauer Not noch entkommen und verlor jetzt eine große Anzahl seiner Mannschaften als Gefangene. Lecourbe bemerkte nicht so bald diese Bewegung des Gegners, als er Ponte durch einen Angriff der Grenadierreserve in seine Gewalt brachte.64 Fortgesetzt nachdrängend machten die Franzosen, welche die Verfolgung bis Brail durchführten, 2 Majore, 12 Haupt- leute, 36 Lieutenants und 1200 Un verwundete zu Gefangenen. Die Oesterreicher verloren überdies 200 Tote und Verwundete. Um 5 Uhr nachmittags fielen vor Brail die letzten Schüsse und hier wurde auch eine Vorpostenstellnng bezogen. Die Division, welche etwa 60 Mann an Toten und Verwundeten zählte darunter 2 Capitains tot kantonnierte in dieser Nacht mit dem Gros in Zutz und Scanfs. Eigentlich waren französischer- seits am 12. März bei Ponte nur 2 Bataillone ernstlich im Feuer gewesen. Die Umgehung über den Sertig-Paß entschied demnach den Tag!

Die Eclaireurs der Kolonne Maynoni, welche vom 11. zum 12. März in Casaccia kantonnierten, wurden um 9 Uhr morgens in dem Augenblicke, da sie aus dem Südausgange des Dorfes herausmarschierten, von dem etwa 500 Mann starken Gegner angegriffen. Wahrscheinlich gelang es auch hier wieder den Fran- zosen, eine Umgehung durchzuführen Sie machten an 100 Ge- fangene und nahmen 2 Kanonen nebst ihren Caissons. Der Rest dieses österreichischen Bataillons, in die Bregaglia zurückgeworfen, fiel bei seinem weiteren Rückzuge durch das Val Tellina der nunmehr in Tirano stehenden cisalpinischen Brigade Lecchi in die Hände.

Die Eclaireurs überstiegen nach dem glücklichen Ausgange ihres Gefechtes den Maloja-Paß (1811 m) und wechselten noch bei St. Moritz einige Schüsse mit den wenigen hier umherirren- den österreichischen Versprengten. Vorwärts Silvaplana erreichten sie dann die Hauptkolonne.

Vereint weiter marschierend, traf die Kolonne Maynoni abends in Samaden mit 2 Compagnien der 36. Halbbrigade zusammen, welche Lecourbe von Ponte aus zur Verfolgung des das Thal auf-

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Generalmajor Laudon schien entschlossen, die Stellung bei Ponte um jeden Preis halten zu wollen. Er verfügte hier über die Regi- menter Devins, Braichainville und ein Kroatenbataillon (Benoiski). Gegen 9 Uhr morgens begann das Gefecht. Die Ungeduld Lecourbes mochte die Ankunft des in den Rücken des Gegners entsendeten Bataillons nicht erwarten. Er versuchte mehrere Male das Bajonett über den Besitz von Ponte entscheiden zu lassen, aber vergebens. Erst, als um 2 Uhr nachmittags die Ausspäher vom 111/ 38. am Thalrande oberhalb Madulein erschienen, entschloß sich Laudon zu schnellem Rückzuge nach Zernetz. Es war die höchste Zeit! Laudon selbst konnte nur mit genauer Not noch entkommen und verlor jetzt eine große Anzahl seiner Mannschaften als Gefangene. Lecourbe bemerkte nicht so bald diese Bewegung des Gegners, als er Ponte durch einen Angriff der Grenadierreserve in seine Gewalt brachte.64 Fortgesetzt nachdrängend machten die Franzosen, welche die Verfolgung bis Brail durchführten, 2 Majore, 12 Haupt- leute, 36 Lieutenants und 1200 Unverwundete zu Gefangenen. Die Oesterreicher verloren überdies 200 Tote und Verwundete. Um 5 Uhr nachmittags fielen vor Brail die letzten Schüsse und hier wurde auch eine Vorpostenstellnng bezogen. Die Division, Avelche etwa 60 Mann an Toten und Verwundeten zählte darunter 2 Capitains tot kantonnierte in dieser Nacht mit dem Gros in Zutz und Scanfs. Eigentlich waren französischer- seits am 12. März bei Ponte nur 2 Bataillone ernstlich im Feuer gewesen. Die Umgehung über den Sertig-Paß entschied demnach den Tag !

Die Eclaireurs der Kolonne Maynoni, welche vom 11. zum 12. März in Casaccia kantonnierten, wurden um 9 Uhr morgens in dem Augenblicke, da sie aus dem Südausgange des Dorfes herausmarschierten, von dem etwa 500 Mann starken Gegner angegriffen. Wahrscheinlich gelang es auch hier wieder den Fran- zosen, eine Umgehung durchzuführen Sie machten an 100 Ge- fangene und nahmen 2 Kanonen nebst ihren Caissons. Der Rest dieses österreichischen Bataillons, in die Bregaglia zurückgeworfen, fiel bei seinem weiteren Rückzuge durch das Val Tellina der nunmehr in Tirano stehenden cisalpinischen Brigade Lecchi in die Hände.

Die Eclaireurs überstiegen nach dem glücklichen Ausgange ihres Gefechtes den Maloja-Paß (1811 m) und wechselten noch bei St. Moritz einige Schüsse mit den wenigen hier umherirren- den österreichischen Versprengten. Vorwärts Silvaplana erreichten sie dann die Hauptkolonne.

Vereint weiter marschierend, traf die Kolonne Maynoni abends in Samaden mit 2 Compagnien der 36. Halbbrigade zusammen, welche Lecourbe von Ponte aus zur Verfolgung des das Thal auf-

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wärts geflohenen Gegners entsendet hatte. Es gelang auch hier, mehrere hundert Gefangene zu machen. Wohl nur wenige Flüchtige entkamen über den Bernina-Paß zu dem in Poschiavo stehenden österreichischen Bataillon. Dieses, das sich über das Wormser Joch der Gefangennahme rechtzeitig zu entziehen hoffte, fiel dennoch der Division Dessoles in die Hände und mußte vor ihr die Waffen strecken.

Generalmajor Laudon hatte noch in der Nacht vom 12. auf den 13. März Zernetz geräumt. Das dortige Magazin vermochte nicht vollständig geleert zu Averden. Die Franzosen machten an den zurückgelassenen Vorräten 30 Säcke Mehl, 500 Säcke Hafer und 30 Kisten Infanteriemunition eine willkommene Beute.

Während Laudon über den Ofenpaß nach Sta. Maria marschierte, ging ein anderer Teil der ihm unterstehenden Truppen unter Major Munkatsy den Fluß abwärts nach Martinsbruck zurück, welcher Ort in der Naoht vor dem 14. erreicht wurde. Auch diese Be- wegung muß mit ziemlicher Ueberstürzung vor sich gegangen sein. In Guarda blieben ebenfalls 100 Säcke Hafer, im Schlosse Tarasp ein Vorrat an Munition zurück. Bei Schuls dagegen hielt sich das leichte Bataillon Munkatsy von 3 bis 8 Uhr nachmittags. Dann mußte es sich, von allen Seiten bedrängt, mit einem Verluste von 24 Mann an Gefangenen und Öti Toten und Verwundeten nach Remüs und in der folgenden Nacht auf Martinsbruck zurückziehen.

Die Stellung von Martinsbruck wurde von den österreichischen Vorposten vorwärts von Schieins, jene in Sta. Maria auf der Höhe der „Fuorn" („Ofen" 2155 m) und des Cierfser Joches (2251 m) gesichert. Der zuletzt genannte Uebergang verbindet die Thäler des Rombaches und von Scarl. (Val da Scarl.) Er bildet die kürzeste Verbindung zwischen Schuls und Münster.

Die Hauptmasse der Division Lecourbe erreichte noch am 13. abends die Ortschaft Schuls. Ein Bataillon der 44. Halbbrigade blieb in Zernetz zurück, um die Ausgänge des zum Ofen-Paß hinauf- führenden Thaies des Spölflusses zu beobachten. Die Vorposten bezogen eine Stellung vorwärts Sent.65 In diesen beiden letzten Tagen machte die Division etwa 3400 Gefangene. Sie setzte dem Gegner überdies 400 Mann außer Gefecht. Der eigene Verlust bezifferte sich dabei nach amtlicher Angabe auf 80 Tote und Verwundete.05

In der Nacht zündeten die Oesterreicher die über den Ruinains- bach (zwischen Remüs und Strada) führende Straßenbrücke an. Der Vormarsch, den Lecourbe persönlich leitete, verzögerte sich dadurch um einige Zeit. Ein Kilometer vorwärts der Ortschaft Strada tritt der Fluß in scharf geschwungenem Bogen an den ziemlich steilen Bergabhang heran. Hier leistete eine aus 1 Offizier und 20 Mann bestehende Feldwache, welche sich in ein steinernes

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Haus geworfen, für kurze Zeit Widerstand. Nachdem diese kleine Truppe gefangen genommen worden, setzte die aus 3 Bataillonen be- stehende Kolonne ihren Marsch auf Martinsbruck fort. Das 111/38. war bereits von Remüs aus über fast ungangbare Pfade gegen Schieins entsendet worden. Die genannte Ortschaft wurde denn auch rechtzeitig besetzt.67 Die Vorposten der Oesterreicher scheinen schnell und ohne viel mehr zu thun, als einige Schüsse abzugeben, in die Hauptstellung zurückgewichen zu sein.

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Ueber diese Stellung und ihre Einrichtung zur Verteidigung macht Erzherzog Karl (I, 85) folgende Beschreibung:

„Die Heerstraße längs dem Inn zieht durch das Dorf Martins- bruck über eine Brücke von dem linken auf das rechte Ufer: schlängelnd führt dieser Weg über den Berg von Nauders, und geht dann meist auf dem Abfall schroffer Felsen nach Finstermünz, wo man wieder über eine Brücke das linke Ufer gewinnt. Bei Nauders vereinigt sich die Straße über Burgeis nach Glurns, das Innthal mit jenem der Etsch. Vor dem Orte Martinsbruck ist

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die Straße durch Abfälle hoher Berge, welche sich fast bis au den Fluß herabsenken, sehr beschränkt. Ein Bach stürzt in einer tiefen Schlucht von dem Gebirge in den Inn ; und der Fuß des Berges, von dem er herabläuft, bildet gegen den oberen Inn einen hervor- springenden Riegel, von welchem es möglich wird, sowohl die Schlucht als das Thal des Flusses und die Heerstraße zu bestreichen. Auf einer zweiten Abdachung des Gebirges, welche sich über die erste erhebt, vereinigen sich zwei Fußsteige, deren einer oberhalb über die Schlucht führt und unter dem Fuße des am Ausgange befindlichen Riegels liegt ; der andere umgeht sie zwar, ist aber leichter zu verteidigen. Aber auf dem Kamm des Gebirges läuft von Schieins aus ein Fußweg in paralleler Richtung mit der Heer- straße , umgeht Martinsbruck, seukt sich über den Spißberg gegen die Brücke von Finstermünz herab und führt dann als Fußweg unter dem Namen Novellasteig am linken Ufer des Inn nach Martinsbruck und in den Rücken der Position. Auf dem rechten Ufer sind die Steige gegen Nauders wegen des steilen Gebirges äußerst beschwerlich. Die Oesterreicher hatten Verstärkungen erhalten und mit 3 Bataillons und 3 Kanonen ihre Stellung bei Martinsbruck auf den Höhen genommen, vor deren Front die erst beschriebene Schlucht liegt. Die Landschützen aus der ganzen Gegend waren aufgeboten. Die bei den früheren Gefechten ver- sprengten Posten hatten sich großenteils dort gesammelt, und Truppen aus dem Innern von Tirol zogen gegen Finstermünz und Nauders."

Bis hierher hatte die Division nur Erfolge davongetragen. Es darf nicht Wunder nehmen, daß Lecourbe selbst die Größe der Gefahr nicht ermaß, in der er schwebte.

Schon Clausewitz (I, 76) hat darauf hingewiesen, daß nirgends die Frage berührt wird, warum die Division Lecourbe, um in das Engadin zu gelangen, den weiten Umweg durch die Mesolcina und das Thal des Hinterrheines nahm. Auch die Memoiren von Massena geben über den Zweck dieser Anordnung keinen Aufschluß. Clause- witz meint: „Dagegen kann man sich kaum des Gedankens er- wehren, daß Lecourbe die Bestimmung gehabt habe, zuerst der Stellung Auffenbergs im Rheinthale in den Rücken zu kommen." Immerhin bleibt hier eine Unklarheit. Die Bedrohung Auffenbergs wäre doch weit leichter über die Oberalp durchzuführen gewesen. Die Annahme liegt dagegen nahe, daß die Franzosen keine genaue Kenntnis von den Stellungen des Gegners in Tirol zu Beginne des Feldzuges gehabt hätten. Einzelne Andeutungen in den Be- richten von Lecourbe zeigen, daß man sich eines ernstlichen Wider- standes versah und größeren Truppenkörpern zu begegnen glaubte.68 Man vermutete aber diese Ereignisse in der Richtung des that- sächlichen Vormarsches der Division. Dies geht deutlich aus dem

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Briefwechsel des Generals hervor und ferner aus der Thatsache, daß die Division Dessoles, obwohl zur italienischen Armee gehörend, dem Befehle von Lecourbe unterstellt wurde. Loison besaß dagegen den Auftrag, der Stellung Auffenbergs vom Bündner Oberlande her in den Rücken zu stoßen, um den Marsch der Brigade Demont über den Kunkels-Paß zu verdecken.

Die Division Lecourbe stand jetzt völlig vereinsamt im Inn- thale. Massena wirkte mit allen verfügbaren Kräften gegen die feste Stellung von Feldkirch. Dessoles, welcher sogar einen Gegen- befehl erhalten, befand sich am 15. März erst in Tirano.69 Die Division Lecourbe wurde demnach von überlegenen gegnerischen Kräften und zwar auf beiden Seiten flankiert. Dennoch erschien ihre Lage nicht so gefahrvoll, wie sie Erzherzog Karl wissen will (I, 82 ff.). Die Schnelligkeit und Kraft, mit welcher Lecourbe zu handeln wußte, ersetzten manches von dem, das ihm hier zu einer geordneten Kriegführung fehlte. In der Lage, in der Lecourbe sich befand, mußte ihm alles daran liegen, schnell in den Besitz von Martinsbruck und Nauders zu gelangen. Die bisher geübte laue Verteidigung des Gegners ermunterte recht eigentlich zu rücksichtslosem Vorstoßen.70

So griff Lecourbe noch an diesem 14. März Mittags 12 Uhr die Stellung von Martinsbruck mit 3 Bataillonen in der Front anr ohne eine Umgehung zu versuchen. Wider Erwarten wurde jeder Versuch, stürmend in die Ortschaft einzudringen, durch das wohl- gezielte Feuer der 2600 Oesterreicher unter Oberst Freiherr von Knesewicz vom Warasdiner St. Georger Infanterieregiment vereitelt. 71 Als um 6 Uhr abends die Dämmerung einfiel, mußte der General endlich Rücksicht auf die ermüdeten und von Hunger gequälten Truppen nehmen. Die Linie der Feldwachen wurde vorwärts- Schleins und Strada eingerichtet; das Hauptquartier der Division kam nach Remüs.

Den 15. März hatte Lecourbe, mit Rücksicht darauf, daß die Lebensmitteltransporte noch nicht heran waren, zu einem Ruhetage bestimmt. Die Brigade Maynoni sollte in Remüs eintreffen, um folgenden Tages an einem neuerlichen Sturmangriffe gegen Martins- bruck teilnehmen zu können.

Generalmajor Laudon war zu der Ueberzeugung gelangt, daß. ein rascher Vorstoß gegen die Flanke der schwachen Division von Erfolg gekrönt sein werde. Im Münsterthal hatte er an 7000 Mann der Tiroler Landesschützen besammelt. Nachdem in Sta. Maria noch 3 Compagnien Grenadiere eingetroffen, glaubte er sich stark genug für das auf den 15. März angesetzte Unternehmen.

Bei dem zusammengesetzten Angriffe fiel einer Kolonne von 3 Compagnien wahrscheinlich unter Zuzug einer schwachen Abteilung Landesschützen die Aufgabe zu, von Sta. Maria

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durch das Scarlthal gegen Schills vorzugehen. Eine zweite Ko- lonne, ebenfalls aus 3 Compagnien bestehend, dagegen mit der Masse des zur Verfügung stehenden Landsturms verstärkt, wendete sich über den Ofen-Paß gegen Zernetz. Der Generalmajor selbst scheint sich man sieht nicht recht ein, warum bei der zu- erst erwähnten Abteilung befunden zu haben. Sonderbarerweise ließ er den Rest der im Münsterthale befindlichen Truppen, die zusammen 4 Bataillone betrugen, zur Sicherung des von der Division Dessoles durchaus nicht bedrohten Sta. Maria zurück.

Anderseits sollte die Besatzung von Martinsbruck am 15. des Morgens einen Ausfall machen, um die Aufmerksamkeit des Gregners von seinen Flügeln und seinem Rücken abzulenken.

Die vom Ofenpaß heruntersteigende Kolonne fand am Aus- gange des Spölthales lebhaften Widerstand. Der Kampf begann hier um 2 Uhr morgens

Das in Zernetz stehende I. Bataillon 44. Halbbrigade ver- mochte nicht nur die Ortschaft zu halten, sondern auch die geg- nerische Kolonne zurückzuwerfen. Der Landsturm, obwohl un- zweifelhaft von gutem Geiste und besten Willen erfüllt, suchte bald sein Heil in der Flucht.'2 Er bewies durch diese Handlungs- weise wieder einmal, daß unorganisierte Abteilungen, soferne nicht außergewöhnliche Umstände mit ins Spiel kommen, nicht daran denken können, wirkliche Erfolge zu erringen. Jene, gegen Schuls vorgehende Kolonne, gewann immerhin einige Lorbeeren.

Der General Maynoni hatte aller Wahrscheinlichkeit nach, auf seinem Marsche nach Remüs und Martinsbruck, den Sicherungs- dienst vernachlässigt. Nicht nur, daß er gar keine Patrouillen ins Scarlthal entsendete, deckte er auch keineswegs die Innbrücke bei Schuls, über welche der Weg von Sta. Maria her in die Ortschaft führt, durch eine Feldwache.73 Ein Ueberfall seitens der Oester- reicher konnte deshalb ohne andere Schwierigkeiten als diejenigen, welche das Gebirge bot, durchgeführt werden. Der General Maynoni selbst, sein bei dieser Gelegenheit schwer verwundeter Adjutant, Capitaine Robin, ferner der Capitaine Sevin, Bataillonschef der 44. Halbbrigade, 12 Lieutenants, 60 Grenadiere der eben durch Schuls marschierenden Reserve und die 11 Mann Chasseurs (12. Regiment) der Stabswache wurden von den plötzlich in die Gassen des Ortes eindringenden Oesterreichern gefangen.'4

Lecourbe mag durch das Gefecht, da wohl auch der Ausfall der Besatzung von Martinsbruck vor Tagesanbruch um 5 Uhr morgens begann, in seinem Hauptquartier Remüs aus dem Schlafe gestört worden sein. Zunächst richtete er sein Augenmerk auf die vor ihm liegende, bei der österreichischen Lauheit freilich nicht zu bedrohlicher Höhe anschwellende Gefahr. Hier war er dem Gegner überlegen, welcher nur 6 Compagnien unter Major Munkatsy

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auf der Landstraße ins Feuer führte. Eine andere, aber nur 240 Mann starke Abteilung sollte den Gegner in Schieins beschäftigen. Zur Lösung dieser Aufgabe war sie jedoch zu schwach. Als Lecourbe daher, bereits in der Nähe des Ortes sich befindend, die Schüsse des Gefechtes in Schuls vernahm und die Sachlage überblickte, wendete er sich sogleich gegen den bedrohten Punkt. Sein Bericht meldet, daß ein Bataillon der 38. Halbbrigade es war das IL , welches in diesem Augenblicke von Remüs zur Verstärkung der bei Schieins und Strada fechtenden Vorposten abmarschierte, im Laufschritte (?) nach Schuls (8 km von Remüs bei sanft steigender Straße) geeilt sei.75

Jedenfalls waren 3 österreichische Grenadiercompagnien, welche den sonderbaren Auftrag hatten, gegen Zernetz zu marschieren, von dem Rückwege ins Scarlthal abgeschnitten und etwa 300 Mann stark zum Strecken der Waffen gezwungen. Diese Umzingelung erklärt sich dadurch, daß die vorher der Gefangennahme entgangenen Franzosen von Fettan her zurückkehrten. Die Kameraden aber, welche den Kaiserlichen in die Hände gefallen waren, konnten nicht mehr befreit werden, da sich Generalmajor Laudon mit ihnen rechtzeitig in die Berge zurückgezogen hatte.76 Die Gesamtzahl der den Oesterreichern gemachten Gefangenen berechnete Lecourbe auf 10 Offiziere und 600 Mann. Trotz des errungenen Vorteils aber fühlte er sich keineswegs sicher. Es war ihm wohl bekannt, daß die in Glurns und Tauffers befindlichen Truppen stetig ver- mehrt würden.77

„Der Grundsatz: der mich umgeht, ist auch umgangen, hat sich nie auffallender bewährt," so urteilt Erzherzog Karl über das Ergebnis des Gefechtes vom 15. März (I, 89, 91). „Wenn eine Truppe," fährt er fort, „von dieser Wahrheit durchdrungen ist, so wird sie in mancher kritischen Lage mit ihrer Besonnenheit auch ihre Brauchbarkeit beibehalten und die übertriebene Meinung von der Gefahr der Umgehung verlieren, die nur zu oft Zaghaftig- keit und die größten Unfälle hervorbringt. Es sollte daher eine wesentliche Bemühung der Vorgesetzten sein, das Vorurteil von dieser Gefahr in dem Herzen des Mannes mit aller Kraft auszu- rotten und zwar um so mehr, als öfter der Fall gerade in einem geringeren Wirkungskreise eintritt, daß kleine Abteilungen, einzelne Posten, detachierte Seitenkolonnen auf einige Augenblicke ihre Kommunikationen verlieren, oder wohl gar absichtlich Preis geben müssen, um größere Resultate zu begünstigen. ... In dem Ge- birgskriege imponiert eine Umgehung weit mehr als in jedem andern; weil der Gesichtskreis und folglich die natürliche Beurteilung be- schränkter ist; und weil es einem ungeübten Auge schwerer wird, sich in der Gestalt des Terrains und in der Verbindung der Thäler und Schluchten zu orientieren. Dennoch sind die Umgehungen im

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Gebirge am leichtesten unschädlich zu machen, weil sie nur von kleinen Kolonnen oder einzelnen Detachements auf beschwerlichen Seitenwegen ausgeführt werden können, wo jeder einzelne mit den Hindernissen des Terrains zu kämpfen hat, und wo wenige Kräfte vermögend sind, den Feind auf einem Punkte aufzuhalten, indessen mau sich mit Ueberlegenheit gegen einen anderen wendet. . . . Wer umgeht, bildet einen Kreis : der Umgangene hingegen steht mit vereinter Kraft in der Mitte und kann also auf jedem Punkt überlegen sein, auf den er sich wirft."

Eine strenge Beurteilung wird auch Lecourbe tadeln müssen. Nur die zwingende Notlage, in welcher er sich befand, entschuldigt ihn. Es ist doch wohl als sicher anzunehmen, daß er sonst die ihm unterstehenden Truppen nicht derart verzettelt hätte. Er sollte jedoch ein lang gestrecktes Thal sichern und zugleich mit un- genügenden Kräften den stärksten taktischen und wichtigsten strategischen Punkt desselben gewinnen. Yon einem überlegenen Gegner angegriffen, hätten die wenigen Bataillone aber überall unterliegen müssen. Die tollkühn eingesetzte Division wäre unter allen Umständen verloren gewesen. Der Mangel an Einsicht und Entschlossenheit im kaiserlichen Hauptquartiere zu Sta. Maria allein rettete Lecourbe vor dem Untergange.

In Nauders befehligte der Generalmajor Alcaini, der nach seiner Ablösung -von diesem Posten unter Suworoff in Italien Gelegenheit fand, sich auszuzeichnen. Seine Brigade empfing in diesen Tagen aus dem Innern von Tirol einige Verstärkungen. So verfügte er über etwa 6000 Mann. Hierbei sind aber die Landes- schützen der nächsten Bezirke einzurechnen.78

Obgleich Lecourbe über den Vormarsch der Division Dessoles noch immer im Unklaren war und nur ganz allgemein annehmen konnte, daß sie Bormio wahrscheinlich schon erreicht habe, ent- schloß er sich dennoch, den Sturm auf Martinsbruck am 17. März zu erneuern. Hierfür bestimmte er, daß 1/44. in Zernetz, 11/38. in Schuls zu bleiben habe, um die dort mündenden Ausgänge der Thäler zu sichern. Capitaine Dumas, Chef der 44. Halbbrigade, sollte mit seinem IL und 2 Bataillonen von 36. unterstützt werden. Ein Bataillon der 38. Halbbrigade (es ist nicht ganz klar, ob I oder II) ließ seine Grenadier - Compagnie und 150 Füsiliere als Reserve bei dem zweiten verfügbaren Geschütze zurück.79 Im übrigen hatte das Bataillon den Auftrag, eine Umgehung der gegnerischen Stellung über den Spißberg nach Finstermünz durchzuführen. Von hier aus hätte diese Truppe es versuchen sollen, über den Novellasteig den bei Martinsbruck beschäftigten Oesterreichern in den Rücken zu kommen. Als Be- rater wurde dem Bataillon ein mit den Absichten des Generals völlig vertrauter Offizier des Stabes beigegeben. Trotzdem trug

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das Bataillon einen entschiedenen Mißerfolg davon. Gleich zu Beginn des Marsches ward der in dem unübersichtlichen Gelände hinter Schieins doppelt scharf zu handhabende Sicherungsdienst völlig vernachlässigt. Damit begingen die Compagnien einen jener Fehler, wie er bis in die jüngste Zeit zu den „Erbsünden" des französischen Heeres gerechnet werden muß. Im weiteren regelte das Bataillon, wie es scheint, weder die Zeit für ein gemeinsames Handeln mit der auf der Straße vorgehenden Kolonne, noch wurde in Ordnung und mit der nötigen Beschleunigung marschiert. Oberhalb des Noveller-Hofes entsendete der Capitaine Braun die von Capitaine S. Tavernier befehligte 5. Compagnie, um vom oberen Novellasteig gegen die Verschanzungen von Finstermünz vorzugehen. Die übrigen Compagnien, es waren ihrer 7, hatten den Angriff in der Front dieser Werke durchzuführen. Die Com- pagnie Tavernier soll sich verirrt haben.80 Thatsächlich fanden die noch im Gottesdienst sich befindenden Verteidiger (es war nämlich Palmsonntag) Zeit, ihre Stellungen zu beziehen. Tavernier verlor den Kopf. Anstatt sogleich den Rückzug anzutreten, ver- wickelte sich die Compagnie in ein Feuergefecht. Unterdessen war Oberst Knesewicz von den Vorfällen im Rücken seiner Stellung benachrichtigt worden. Er entsendete eine Compagnie unter Haupt- mann Kneyel, welcher im Vereine mit der Compagnie Sterndahl von Großherzog von Toscana und den Landesschützen-Compagnien Pfunds, Laudeck und Landeck die derart eingeschlossenen Gegner gefangen nahm.81

Den unterdessen stattgefundenen vergeblichen Sturm auf Martinsbruck beschreibt Lecourbe in seinem Berichte an Massena aus Schuls vom 27. Vent. (17. März) wie folgt: „Die drei Bataillone waren bereits Herren des Dorfes und 300 400 Oesterreicher, welche im Kirchhofe Stellung genommen, schienen nicht übel Lust zu haben, die Waffen vor ihnen zu strecken. Plötzlich bemächtigte sich der Truppen ein Schrecken. Wie ich glaube, wurde dieser von vier Reitern hervorgebracht, welche sich kühn in das Gehölz geworfen hatten. Unsere Leute vergaßen ganz den bereits er- rungenen Erfolg und ergriffen die Flucht. Mit vieler Mühe nur konnte ich sie wieder sammeln."82 Den an diesem Tage erlittenen Verlust beziffert Lecourbe auf etwa 12 Tote, 130 Verwundete und 286 Gefangene, unter welchen auch 10 Offiziere.

Von den Verteidigern waren Hauptmann Graf Khevenhüller und Lieutenant Wallowicz tödlich verwundet worden. Das Gefecht dauerte von 6 11 Uhr morgens.

Zugleich gestaltete sich die Lage der Division immer pein- licher. Erschöpft durch die unausgesetzten Anstrengungen und den Hunger, litten die Truppen auch an Kleidung und Schuhwerk Mangel. Seit einer Woche hatte man eigentlich nur die im Thale

Günther Feldzng 1799. *

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vorgefundenen Brotvorräte der Einwohner zur Verfügung. Lecourbe sah endlich ein, daß nur ein Zusammenwirken mit der sehnlichst erwarteten Division Dessoles zum Ziele führen werde. Während er sich darauf beschränken mußte, vor Martinsbruck ruhig aus- zuharren, besetzte er neben Schuls und Zernetz auch das am öst- lichen Ausgange des Flüela-Passes gelegene Süs, um gegen etwaige Ueberraschungen aus dem Montafun gesichert zu sein.

Massena gewährte die Bitte um Verstärkungen. Am 21. März trafen die Brigadegenerale Loison und Demont im Hauptquartiere der Division ein. Die dem ersteren unterstehenden Truppen er- reichten die Division in den Tagen vom 22. bis 24. März. Demont trat an die Stelle von Maynoni.

Die nun neu eingeteilte Division bezog folgende Stellungen: Hauptquartier in Schuls.

Vorpostenbrigade Demont in Schieins (auch Schleunis genannt in den zeitgenössichen Berichten), 44. Halbbrigade in Schieins, I/III von 38. in Strada.

Brigade der Mitte Loison in Remüs, 36. Halbbrigade in Remüs, 76. in Süs, 1/38. in Zernetz.

Reserve in Schuls : 5 Compagnien Grenadiere von 76. und 103. Halbbrigade. Dazu an Hülfstruppen : etwas Kavallerie (Chasseurs), Artillerie und Genie in Schuls.

Dem gegenüber gruppierten sich die österreichischen Kräfte im Tirol wie folgt:

Hauptquartier : Bis zum 22. März in Bozen, dann in Schlanders ; 4 Bat., IV2 Schwadr. am Monte Tonale, Vortruppen in

Mad. di Campiglio, am Montoz und bei Pejo, 91/a IV2 (zusammen 7000 Mann) Reserve, im

Vintschgau zwischen Eyers und Latsch, 8 lVa (Brigade Laudon, zus. 6179 Mann)

in den Werken vor Tauffers ; dazu 13 Landesschützen-Compagnien, 7 1 (Brigade-General-Major De Briey) ;

davon 2600M. unt. OberstKnesewicz in Martinsbruck (9 Geschütze), 4 in Nauders (Reserve der Brigade

De Briey), 2 in Finstermünz,

6 im Klosterthal und Montafun. Vor-

truppen in Galthür und Ischgl. Weitere 10000 Mann unter FML. Nobili in Landeck. Ebenso 14000 Mann (Brgd.-FML. Hadik) zwischen Tauffers und Bozen. Diese Abteilung erschien als ein buntes Gemisch der

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Regimenter Anton Esterhazy, Michael Wallis, Anton Starray, Ligne, Clerfait, Murrai, Devins, Württemberg u. s. w. Dazu die 2 Frei- bataillone Traubenberg und Otto. Ferner das über 1000 Mann starke Bataillon Leloup- Jäger. An Kavallerie 21!* Schwadronen Erdödy- Husaren und x/a Schwadron Erzherzog- Johann-Dragoner, zusammen etwa 550 Mann.

In der Nauderer „Maiß", der Stellung, welche die Umgehung von Martinsbruck in seiner linken Flanke hindert, standen die Landesschützen -Cornpagnien des Gerichtes Hörtenberg und die 4 Landsturm-Compagnien Nauders, Graun und Imst.

Endlich hatte auch Lecourbe am 19. März die Nachricht er- halten, daß die Division Dessoles an diesem Tage Sta. Maria er- reicht und eine Vorpostenstellung gegen Tauffers bezogen habe.83 Ueber den Marsch dieser Truppen läßt sich noch nachtragen, daß sie am 17. März Bormio besetzt und bereits Tags zuvor die bis dahin im Poschiavo stehenden Oesterreicher in der Stärke von etwa 700 Mann gefangen nahmen. Auch die befestigten Bagni di Bormio wurden am 18. März erstürmt. Dabei fiel die ganze, 300 Mann starke feindliche Besatzung mit einziger Ausnahme von 3 Grenadieren, welche entkommen konnten, in die Hände der Franzosen.84 Gleichen Tages, sowie am folgenden Morgen über- schritt die Division das Wormser Joch (2755 m). Der Paß war damals noch nicht fahrbar, vielmehr lediglich ein schlechter Saumweg. Es gelang auch keineswegs, die Geschütze über den Paß zu führen. Am 19. März um 2 Uhr nachmittags besetzten die Vortruppen Sta. Maria. Die Division zählte 6 Bataillone nebst einigen cisalpinischen Cornpagnien, zusammen etwa 4500 Mann. Von Lecourbe traf der Befehl ein, ungesäumt gegen Glurns vorzugehen. Von dort sollte dann der gemeinsame Vorstoß gegen Martinsbruck und Nauders fortgesetzt werden.80

Die Division befand sich in der allertraurigsten Lage. Es fehlte an Lebensmitteln, selbst Saumtiere waren nicht über den Paß gelangt. Lecourbe gab Dessoles den Rat, den Uebergang durch die Landes be wohner öffnen zu lassen.86 Auf dringendes An- suchen erhielt Dessoles von Lecourbe, welcher selbst den größten Schwierigkeiten gegenüberstand, 2 Kanonen, 40000 Patronen und 7 Säcke Reis.87 Lecourbe, der stets Unverzagte, scheint nicht alle Klagen von Dessoles ernst genommen zu haben. Es ist auch wohl möglich, daß Dessoles es an der nötigen Entschiedenheit fehlen ließ.88 Die späteren Ereignisse in Glurns und nach dem zweiten Gefechte von Tauffers sprechen für diese Annahme.

Für den 25. März entschloß sich Lecourbe zu einem neuer- lichen Angriffe auf Martinsbruck. Ueber die Vorbereitungen dazu

O ^ CT

berichtete er aus seinem Hauptquartiere Fettan am 2. Germinal (22. März) dem Ober-Generale nach Chur.89 „General Dessoles

empfing eine Anleitung zu rascher Vorwärtsbewegung gegen Glurns und zur Verfolgung des Generals Laudon, der, um die Straße nach Feldkirch zu decken, über Nauders und Innsbruck zurück- gehen dürfte. In diesem Falle besetzt General Dessoles Glurns, um eng auf mich aufgeschlossen meinen rechten Flügel zu decken. Gienge General Laudon dagegen nach Bozen zurück, so wäre dies ein Grund mehr, die Stellung von Glurns zu halten. Da ich den Stier nicht bei den Hörnern packen kann und weil ich annehme, daß die Innbrücke von Martinsbruck abgebrochen werde, lasse ich eine Brigade über Sclamisott nach Nauders gehen. Der Weg ist etwa 2 Lieues lang. Eine andere kleinere Kolonne wird über das Gruberjoch (2387 m) die Stellung von Martinsbruck umgehen und sich, wenn möglich, mit den Truppen von Dessoles oder der Brigade des Generals Loison vereinigen, welcher mit der Durchführung des Angriffes auf meinem rechten Flügel betraut ist. Der General Demont, mit der Brigade links, steht auf dem Plateau von Schieins. Er hat sogleich und in aller Eile gegen Finstermünz vorzugehen, sobald Martinsbruck genommen worden. Zu dieser Einnahme soll er durch Umgehungen über die Höhen beitragen. Ich selbst werde mit starken Reserven den Angriff von der Mitte aus leiten."

Fast wäre es hier gar nicht zum Schlagen gekommen. Da Massena die Bestürmung von Feldkirch hatte aufgeben müssen und nun darnach trachtete, seine Kräfte möglichst zusammen zu fassen, so entschloß er sich, die Divisionen Lecourbe und Dessoles aus ihren gefahrvollen Stellungen zu ziehen. Am 24. März ritt der Adjutant des Ober-Generals aus Chur fort. Er sollte die vor Martinsbruck bereits eingetroffenen Verstärkungen anweisen, ihre bisherigen Divisionen wieder zu erreichen. Der entsendete Offizier erreichte Lecourbe jedoch erst in dem Augenblicke, da dieser eben alles glücklich entschieden hatte.90

Am Ostermontage, dem 25. März, vor Tagesgrauen, setzte sich Loison mit der 36. Halbbrigade und 1/76. in Marsch. Die Hauptkolonne ging bei der Säge von Remüs über den Inn. Nach vierstündigem Klettern erreichte sie durch das sogenannte „krumme Thal" über steile und mit Schnee bedeckte Felsen die vom Gegner völlig unbeachtete Höhe „Motters".91 Von dort setzten die Bataillone den Marsch neben dem „grünen See" vorbei und gegen die „Maiß" fort. Die hier stehenden Schützencompagnien leisteten zwar von 8 Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags kräftigen Widerstand, mußten dann aber, da keine Verstärkung eintraf, die Stellung aufgeben. Unter- dessen waren die Grenadiere der 36. und 37. Halbbrigade auf dem von Sclamisott über die Norbertshöhe verlaufenden Steige gegen Nauders aufgebrochen. Sie erreichten, ohne viel mehr als einige Patronen verfeuern zu müssen, den Südwesteingang von Nauders.92^

Um 3 Uhr nachmittags griff Lecourbe selbst mit den Grena-

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dieren der 38. Halbbrigade die Stellung von Martinsbruck in der Front an. Die Sturmkolonne führte der Capitaine Gauthier (nach- mals General und Schwager von Lecourbe). In ihr zeichneten sich aus : Lieutenant Bertry, Feldwebel Colin und Fourier Colinet von der 3. Grenadier-Compagnie der 38. Halbbrigade. Während die Infanterie nach einem halbstündigen Gefechte zum größeren Teile die Waifen streckte, ließen sich die Kanoniere auf ihren Stücken niederhauen. Bis zuletzt hatten sie fortgesetzt Kartätsch- feuer abgegeben. Der Rest der Besatzung machte noch den Ver- such, die Brücke über den Inn zu verteidigen. Bereits waren 2 Geschütze in Stellung gebracht worden, als der General Demont über den Inn her mit der 44. eingriff. Unter Zurücklassung von 7 Geschützen eilten die Oesterreicher nach Kauders.

Demont war von Schieins mehrere Stunden später in Be- wegung gesetzt worden als Loison von Remüs, nämlich zwischen 7 und 8 Uhr vormittags. Das Feldtagebuch sagt, dies sei geschehen, um den Gegner hier nicht zu früh zu beunruhigen. Da die Wege überdies in sehr schlechtem Zustande waren, trat Demont that- sächlich erst am folgendem Tage in Finstermünz ein.93

Dies ermöglichte es auch, daß der General de Briey mit den während des Kampfes völlig unthätig in Reserve gehaltenen vier Bataillonen aus Nauders, woselbst Loison gegen 6 Uhr abends ein- drang, zu entkommen vermochte. Die Franzosen plünderten übrigens das Dorf Nauders und zerstörten zugleich alles, was ihnen des Mitnehmens für unwürdig erschien.

Die Oesterreicher verloren hier an Toten 200, an Ver- wundeten 800, an Gefangenen 2500 Mann. Unter den letzteren befanden sich der Oberst Knesewicz, der Major Munkatsy und 6 weitere Offiziere. Dazu erbeuteten die Franzosen 12 Geschütze mit ihren Caissons, die Ambulanz der Toscana-Dragoner und einige wohlgefüllte Magazine. Die Franzosen hatten einen Verlust von 40 Toten und 250 Verwundeten. Unter den Gefallenen be- fanden sich der Grenadier-Hauptmann Lagrue von der 44. und der Unterlieutenant Romain von der 38. Halbbrigade.94

Auch Dessoles hatte unterdessen große Erfolge davongetragen.

„Von Meran führt die Heerstraße in allmähliger Steigung in nordwestlicher Richtung nach dem oberen Etschthale. Sieben Stunden oberhalb Meran lehnt sich am Fuße einer mächtigen Moräne, der sogenannten Laaser Höhe, in fruchtreicher Ebene das stattliche Dorf Schlanders an. Am Fuße der nördlichen Senkung liegt Laas, wo sich die Etsch Bahn gebrochen hat, und wo das Terrain derart beschaffen ist, daß die Passage nach dem untern Etschthale nicht unschwer gesperrt werden kann. Daher hat man diesem Punkte im Jahre 1700, wie 1850 in übertriebener Vorsicht so große Bedeutung beigelegt, daß man in beiden

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Kriegsjahren hier die Hauptmasse der Truppen postierte und sie in beiden Kriegsjahren den zu fernen Kampfplätzen in den Stunden der Entscheidung entzog. Von Laas an breitet sich eine weite, früher moosige Thalfläche in "westlicher Richtung aus. Von Laas bis Schluderns umsäumt die Straße zwei Stunden lang den sanft ansteigenden und ins Thal hineinragenden Tanaser Berg. Die Mittelstation bildet das unansehnliche Dorf Eyrs, und etwas höher, wo das Thal eine mehr nördliche Richtung nimmt und wo die bekannte Kunststraße in das Trafoierthal und über das Wormser Joch führt, lehnt sich die kleine Häusergruppe von Spondinig an den Bergrand. In Schluderns teilt sich die Straße ; ein fahrbarer Feldweg (jetzt Straße) führt quer durch das Thal in halbstündiger Entfernung nach Glurns, und von da am steilen Saume des Glurnser- berges in das Münsterthal; die Hauptstraße aber zieht sich in ziemlich steiler Erhebung zum Tartscher Bichl hinauf, ein frei- stehender, die weite Thalfläche überschauender Hügel, gegenüber dem das anmutige, abgeschlossene Münsterthal sich öffnet. Von

diesem Hügel

Wofu/ui Ruine

aus wird die Landstraße, Schluderns, Glurns und Mals be- herrscht. Im Rücken der Hügel liegen die sanft auf- steigenden Aecker von Tartsch und die zwei höher

stehenden, vereinsamten Höfe Lechtel und Monte- tschinig, über welche ein Weg in das Thal Matsch

führt. Von Tartsch leitet die Straße in einer Viertelstunde nach dem ansehnlichen und ausgedehnten Markte Mals und von da über Burgeis, Haid, Graun, Reschen in 6 Stunden nach Nauders. Von Mals führt ein Feldweg in einer halben Stunde nach Glurns und in kürzerer Zeit nach Laatsch, welche Ortschaften am Eingange des Münsterthaies liegen und gleichsam die zwei Thürangeln des

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Münsterthaies sind. Unmittelbar hinter Laatsch beginnt das Münster- thal, ein Querthal des Vintschgaus. Zu beiden Seiten des Thaies er- heben sich steile, massige, ungegliederte Gebirgsstöcke. Der Eingang des Thaies beginnt mit einer anmutigen, ebenen Wiesenfläche. Eine Viertelstunde hinter Laatsch vereinigt sich bei der Mareng- brücke der Glurnser mit dem Laatscher Feldwege ; die Berge rücken zusammen und das Thal verengt sich bis zur Calvabrücke, bis wohin die Entfernung eine halbe Stunde beträgt. Hinter dieser Brücke und dem Calvawalde erweitert sich das Thal und frucht- bare Felder wechseln mit grasreichen Wiesen. Die stark aufsteigende Thalwölbung ist von einer mächtigen Moräne gebildet, an deren Fuße sich der Rambach in tiefem Bette Bahn gebrochen hat. Der fahrbare Feldweg läuft zuerst am schwindelnden Ufer des Ram- baches ; in einiger Entfernung teilt sich der Weg , ein Seitenpfad zieht in der früheren Richtung nach Rifair, das in schattiger Niederung unterhalb Tauffers liegt; der andere Weg führt quer über die Bodenwölbung von der unteren Thalseite gegen die obere nach Tauffers, das langgestreckt auf dem Höhepunkt einer zweiten Moräne sich hinzieht. Hoch über Tauffers blicken ernst die Ruinen der einst festen Burgen Rotund und Reichenberg in das Thal herab. Eine halbe Viertelstunde hinter Tauffers stürzt in selbstgegrabenem Bette der Valtarolabach vom Scharljoch durch das Avignathal in den Rambach hinab, der bis Rifair hinaus in einer tiefen Schlucht, links mit hohem, steilem Uferrande, fließt. Einige Minuten hinter dem Valtarolabache sind die Grenzmarken zwischen dem Tiroler und dem Schweizer Gebiet. Unter dem Wege und hart an der Schweizer Grenze und am Eingange in das tiefe Bett der Ram- schlucht liegt der Weiler Pundweil (eigentlich Pontweil, Pontwill) versteckt und jenseits des Rambaches in erhöhtem Thaleinschnitte die sogenannte Einsiedelei. Hinter der Grenze verliert sich allmählig die Thalhöhe und man steigt in wenig Minuten in die erste schwei- zerische Ortschaft, nach Münster hinab. . . .

Bei Tauffers stand der General Laudon mit 8 Bataillonen und 16 Kanonen; in seiner Fronte lief der Valtarola, ein unbedeutender Bach mit ziemlich steilen Ufern, dem es aber, sowie dem etwas größeren Rambache, in der damaligen Jahreszeit an Wasser fehlte. Etwa 150 Schritte hinter dem Valtarola, südwestlich von Tauffers ä cheval der Straße von Münster war eine Linie aufgeworfen und mit Redouten begrenzt, deren links stehende sich an die steilen Ufer des Rambaches lehnte. Eine dritte Redoute unterbrach diese Verschanzung links der erwähnten Straße, diese sichernd. Drei- hundert Schritte hinter dem rechten Flügel der ersten, parallel mit ihr, lief hinter einem unbedeutenden Graben eine zweite, eben- falls an Redouten geschützte Verschanzungslinie, welche der ersten als Flankendeckung: diente. Auf der Straße war über den Valtarola

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zur Verbindung mit den Vortruppen eine hölzerne Brücke ge- schlagen, hinter ihr rechts eine Fleche aufgeworfen. Die Ver- schanzungen waren mit 16 Stück Kanonen und der nötigen Be- satzung versehen; hinter der ersten Linie stand ein Bataillon in Reserve, 4 andere standen rückwärts der zweiten, rechts von Tauffers, Auf den Bergen am rechten Flügel standen 4 Compagnien, 3 Com- pagnien hatten jene am linken Flügel jenseits des Rambaches besetzt. Die Vorposten standen ungefähr 1500 Schritte vor dem Valtarola zwischen Pundweil und Münster. Endlich waren noch 4 Compagnien im Trafoierthale zur Versicherung des Bergpfades aufgestellt, der durch jenes in das Etschthal führt. Die beiden Flügel waren noch durch 13 Landesschützencompagnien, beiläufig 1500 Mann stark, geschützt." (Stampfer, 57 60).

FML. Bellegarde hatte am Ostersonntage, dem 24. März, die Stellung bei Tauffers besucht. Sonderbarerweise änderte er die von Laudon getroffenen Verfügungen in der Weise, daß er zu Gunsten des rechten Flügels den linken der Stellung, welcher an den Rambach lehnte, schwächte. Vielleicht geschah das aus Besorgnis vor einer Umgehung, wie sie thatsächlich 1499 dort durch den Taufferer und Laatscher Wald stattgefunden hatte. Immerhin hätten zu dieser Sicherung die am Platze befindlichen Landesschützen ausgereicht. Ein weiterer und höchst bedenklicher Fehler war es, daß man im Angesichte des scharf beobachtenden Gegners die Stellungen durch die Truppen beziehen ließ. Man wiegte sich überhaupt in dem sicheren Gefühle, daß die Franzosen es nicht wagen würden, die für so fest erachtete Stellung anzu- greifen oder daß sie dieselbe sogar nehmen könnten.

Früh 5 Uhr, den 25. März, griff Dessoles auf der ganzen Linie längs dem Valtarolabache an. Zugleich gingen 6 Bataillone in zwei Treffen gegen den linken Flügel der österreichischen Stellung vor. Die vordere Staffel dieser Kolonne bildete die 12. leichte Halbbrigade; bei Puntweil warf sie sich in das trockene Bett des Rambaches. Dem gedeckten Wege folgend, erreichte sie ohne Verlust an Zeit und Leuten das Dorf Tauffers. In dem nämlichen Augenblicke setzte Dessoles zum Sturme in der Front an. Die 39. Halbbrigade im Vortreffen, die cisalpinischen Bataillone im Rück- halte, nahm der General beim ersten Anlaufe die Brücke über den Valtarolabach. Ebenso wurden die Schanzen ohne Zögern erstiegen. Nach kurzem Handgemenge floh ihre Besatzung in regelloser Flucht. Als die Oesterreicher bemerkten, daß bereits der Engpaß von Rifair und die Calvabrücke von Teilen der 12. leichten Halbbrigade besetzt seien, ergaben sie sich fast augenblicklich. Nur 409 Mann vom äußersten rechten Flügel, geführt vom Generalmajor Laudon selbst und beschützt durch das wohlgezielte Feuer der Landes- schützen, welche bei dem bisherigen Durcheinander keine Gelegen-

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heit gefunden hatten, ihre Stutzen zu gebrauchen, entkamen über den Tauffersberg. Weiter ging die eilige Flucht über Schlinig und Mareinberg nach Burgeis. Hier befanden sich bereits Fran- zosen, und Laudon entkam nur in der schnell angenommenen Ver- kleidung eines Landbewohners. Bei Reschen erfuhr er von einer abgeschnittenen Abteilung Kavallerie die Ereignisse bei Nauders. So nahm er seinen Weg durch das Langtaufferser Thal nach Hinter- kirchen und über den Gebatsch-Ferner ; nach vielen Fährlichkeiten wie Mühsalen ward aber glücklich Pruz und Landeck erreicht. Die Großzahl der Landesschützen entkam ebenfalls über den Tauffersberg und die Lichtenbergeralp gegen Laatsch.

Der Kampf hatte kaum eine halbe Stunde gedauert. Nach dem Berichte hätten die Oesterreicher hier nach kaum einstündigem Verfolgen an Gefangenen 4 Obersten, 150 andere Offiziere und 4500 Mann verloren. Weitere 600 blieben tot und verwundet auf dem Schlachtfelde. Ferner erbeuteten die Franzosen 17 Kanonen und 1 Haubitze. Ihr eigener Verlust betrug 60 Tote und 200 Ver- wundete.95

Die größere Masse der in Tauffers eingedrungener] Truppen überließ sich dem Geschäfte des Plünderns. Immerhin gelang es Dessoles, den Brigadegeneral Lecchi mit einigen noch zusammen- gehaltenen Truppen an den Vereinigungspunkt der Wege von Laatsch und Glurns zu entsenden. In der Enge der Marengbrücke, auf der Walstatt von Calva (1499), versuchten versprengte Reiter und einiger Landsturm von Glurns vergebens Widerstand zu leisten. Eine durch Dessoles selbst herangeführte Verstärkung öffnete den Weg. Unaufhaltsam ging es weiter über Laatsch nach Mals. Lecchi dagegen eilte geradezu auf Glurns. Unter stetigem Feuer der Landstürmer verlor diese Abteilung während der folgenden vier Stunden eine Anzahl Leute. Daraus und weil die französischen Truppen die Landstürmer nicht als uniformierte Gegner erkannten sie wußten nichts von der eigentümlichen Wehrordnung im Tirol erklärt sich auch die Wut der Leute zur Genüge. Um Mittag ward das Städtchen Glurns erreicht. „Die wütenden Feinde raubten und plünderten soviel sie konnten, schändeten die Frauen und entheiligten die beiden Gotteshäuser." Mals wurde bereits um 10 Uhr vormittags erreicht. „In dessen Besitz gelangt, begann der Feind aucb hier zu morden und zu rauben und verschonte weder Alter noch Geschlecht." Bei Tartsch trafen Dessoles und Lecchi wieder zusammen. Auf dem Hügel bei diesem Orte wurde ein verschanztes Lager bezogen und am gleichen Tage noch Schlu- derns, Schleiß und Burgeis von den Cisalpinern besetzt. Diese letzteren scheinen ganz besonders raubsüchtig, unbotsam und voller schlimmer Begierden gewesen zu sein.96

Im Verlaufe von zwölf Stunden hatten demnach die Franzosen

gegen weit überlegene Kräfte die denkbar festesten Stellungen genommen. Die Haupteingänge, welche aus dem Veltlin und dem Engadin ins Tirol führen, waren nunmehr in den Händen von Lecourbe. .Daß dieses glänzende Resultat hier noch weniger als im Rheinthale den strategischen Kombinationen gehört, springt in die Augen ; es ist wieder die Energie der französischen Feldherren, die Bravour der Soldaten und ihre Unermüdlichkeit, die über die Verkehrtheit der österreichischen Generale und den schlechten Geist ihrer Truppen den Sieg davon trägt. In der That, wie viel Mühe man sich auch gibt, dieses beständige Abschneiden und Gefangen- nehmen ganzer Bataillone und dieses Vernichten ganzer Corps erklärlich zu machen, welches Bedürfnis man auch hat, die Ehre der österreichischen Fahne aufrecht zu erhalten und auf allen Punkten zu retten, es ist nicht möglich, ohne die Voraussetzung ungewöhnlicher Fehler und Schlaffheit fertig zu werden."97

Die Art und Weise, wie Oesterreich die Verteidigung von Graubünden und Tirol bisher geführt, war ganz falsch gewesen. Tirol besaß eine starke landsturmartige Volksbewehrung, es blieb dennoch vom Heere besetzt. Die Unternehmungen gegen die Division Lecourbe wurden stets viel zu zaghaft und mit zu geringer Umsicht durchgeführt. Das Uebersehen der Rambach -Schlucht bei der Einrichtung der Stellung von Tauffers war ein schwerer Fehler, und selbst mehr als das, eine bedenkliche Vernachlässigung der Pflicht. Nach heutigen Begriffen trägt Generalmajor Laudon die Verantwortung dafür. Zu seiner Entschuldigung wird freilich angeführt, daß FML. Bellegarde in seinen Befehlsbereich eingriff. Die Tiroler glaubten geradezu, der letztere sei ein Verräter ge- wesen. Bellegarde deckte alles mit Reserven, drei Wochen nach Beginn des Feldzuges hatte er seine Truppen noch immer nicht vereinigt. Seine Thatkraft in diesen Tagen schien wie gelähmt. Er vermochte sich keineswegs zu der einfachen Ansicht, die doch gewiß nahe genug lag, aufzuschwingen, daß ein Hauptschlag Tirol und selbst Bünden vollkommen säubern werde. Bei dieser Gelegen- heit mag auch das Urteil Napoleons I. erwähnt werden, das er über den ersten Teil des Feldzuges der Division Lecourbe fällte:98

„Der Uebergang Lecourbes über den Bernhardin, wie alle Operationen im Engadin und Veltlin sind zwecklos. Der rechte Flügel der Armee konnte keine bessere Stellung finden, als die des Gotthard und des Splügen. Hatte man die Absicht, Tirol zu erobern ? Das war mit 5000 Mann unausführbar, während die übrigen Divisionen 30 Lieues zurück blieben, getrennt durch hohe Gebirge. Wenn Lecourbe das L'nglück gehabt hätte, bis Innsbruck vorzudringen, so wäre er rings eingeschlossen gewesen. Dieser Krieg im Engadin war von unerfahrenen Leuten in Paris ausgeheckt worden, die nur sehr dunkle Begriffe und irrige Vorstellungen

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von der Kriegskunst hatten. Die Gebirgsländer sind von den Ebenen abhängig, die ihnen Nahrung geben, und sie haben auf diese nur insoferne Einfluß, als dieselben in ihrem Schußbereiche liegen. Die Grenzen der Reiche bestehen aus Ebenen, Hügel- landschaften oder Gebirgen. Wenn eine Armee sie überschreiten will und ist an Kavallerie überlegen, so wird sie gut thun, ihre Operationslinie durch die Ebene zu nehmen ; hat sie weniger Kavallerie, so wird sie hügelige Gegenden vorziehen. Die Gebirgs- landschaften muß sie in jedem Falle beobachten und umgehen. Eine Operationslinie darf nicht durch ein Gebirge gehen: 1. weil es daselbst nichts zu leben gibt; 2. weil man bei jedem Schritte dort Defileen trifft, welche man mit Befestigungen bedecken müßte; 3. weil der Marsch daselbst beschwerlich und langsam ist; 4. weil die tapfersten Kolonnen dort durch gerade vom Pflug fortgenommene armselige Bauern aufgehalten, besiegt und vertrieben werden können; 5. weil der wahre Geist des Gebirgskrieges darin besteht,- niemals anzugreifen oder zurück zu gehen ; 6. endlich, weil eine Operationslinie auch für den Rückzug dienen soll. Wie soll man aber daran durch die Engpässe und Schluchten denken ? Es ist vorgekommen, daß große Armeen, wenn sie nicht anders konntenr Gebirgsländer passiert haben, um in fruchtbare Ebenen und schöne Länder zu gelangen. So muß man z. B. die Alpen übersteigen, um nach Italien zu kommen. Aber übernatürliche Anstrengungen zu machen, um unersteigliche Berge zu überschreiten und sich inmitten von Abgründen, Felsen, Defileen zu befinden, ohne andere Perspektive, als längere Zeit hindurch bei jedem Schritte durch den Gedanken beunruhigt zu werden, daß rückwärts eben so viele Schwierigkeiten und Punkte liegen, mit jedem Tage mehr in Gefahr zu geraten, Hungers zu sterben, und das alles, wenn man es anders haben kann, das heißt an Strapazen Vergnügen finden, gegen Riesen kämpfen, das heißt der gesunden Vernunft und folglich dem Geiste der Kriegsführung ins Gesicht schlagen. Der Feind hat große Städte, schöne Provinzen, Hauptstädte zu schützen, dahin marschiere man durch Ebenen. Die Kriegskunst ist einfach, sie liegt in der Ausführung, in ihr gibt es nichts Unbestimmtes, alles ist vielmehr gesunde Vernunft, keine bloße Ideologie."

Selbstverständlich machte Lecourbe keine weitere Anstreng- ung, in das Tirol vorzudringen, nachdem er die Entschlüsse von Massena erfahren. Immerhin suchte er seine nunmehrige Stellung zu sichern. Am 26. März drang Loison bis Graun vor und stellte derart die Verbindung mit Dessoles her. Graun hatte in vier Tagen 9358 Gulden Verlust, und Pfunds, welches Demont am 26./7. für vierundzwanzig Stunden besetzte, mußte 1500 Gulden Brandschatzung zahlen. Demont benahm sich übrigens wirklich menschlich. Er verhinderte die von den Cisalpinern beabsichtigte

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Brandlegung von Burgeis. Auf die Fürsprache des hier lebenden Schloßhauptmanns Peter Anton von Mont zu Fürstenberg stellte er sogar Schutzbriefe für die Einwohner aus.

„Während aber der österreichische Feldherr unthätig in Laas saß, setzten die Franzosen ihre schreckliche Wirtschaft in den occupierten Gebieten fort. Große Drangsale hatten die Bewohner von Glurns zu ertragen. Die Hälfte der Stadt, die Gasse vom Gerichtshause bis zum Thore, das nach Schluderns führt, wurde am 26. in Asche gelegt. Die Bevölkerung hatte nichts mehr zu essen als Erdäpfel, geräuchertes Fleisch und Kommisbrot, welche Lebensmittel erst aus den Kellern der verbrannten Häuser hervor- geholt werden mußten. Unter Mißhandlungen und Todesgefahren verbrachte sie die Tage bis zum 31. März. Ein ähnliches trauriges Los traf den schönen Marktflecken Mals; von diesem wurden in der Nacht vom 27. auf den 28. März 108 der schönsten Häuser samt ihren Scheunen in Trümmer und Asche gelegt. Das Dorf Schluderns setzten die Feinde am 30. nachts in Brand. Ungeheuer war der Schaden, den sie bis zu ihrem Abzüge anrichteten. Bei der Erhebung der vom Feinde durch Plünderung und Feuer ver- heerten Beschädigungen ergab es sich, daß der Schaden der Stadt Glurns auf 177 639 Gulden, jener des Marktes Mals auf 251001 Gulden, des Dorfes Schluderns auf 24 000 Gulden, des Dorfes Laatsch auf 14 710 Gulden, des Dorfes Tartsch auf 33 239 Gulden, der Gemeinde Tauffers auf 22 962 Gulden, des Dorfes Burgeis auf 3863 Gulden, der Schaden des Stiftes Marienberg auf 9775 Gulden sich belaufe. Weit milder und menschlicher verfuhren die Scharen Lecourbes." (Egger III, 241/2.)

Auf Befehl von Massena mußte Lecourbe am 27. das 1/76. Halbbataillon und 5 Grenadiercompagnien wieder nach Chur zurück schicken. Die Entschließungen des Generals erfahren wir durch sein aus Nauders am 7. Germ. (27. März) datiertes und an Dessoles gerichtetes Schreiben."

Unsere Lage", heißt es dort, verlangt es, daß Sie sich in das Veltlin zurückziehen und Sta. Maria wie Tauffers unein- nehmbar gestalten. Senden Sie deshalb Ihre Artillerie, Ihre Muni- tion u. s. w. zurück. Ich rechne, mich in Zernetz einzurichten und das nach Sta. Maria führende Thal besetzen zu können. Sichern Sie dagegen über Cierfs unsere Verbindungen. Suchen Sie über alle Bewegungen des Gegners in Italien Nachrichten einzuziehen und lassen Sie mir dieselben zukommen, damit wir den Feind an etwaigen Versuchen im Rücken der italienischen Armee zu hindern vermögen. Diese Bewegungen sind durch die Lage geboten, in welcher sich die Armee in der Schweiz befindet. Ihr linker Flügel ist nämlich bei Konstanz eutblößt und der Gegner scheint dort einen Einbruch versuchen zu wollen. Bis jetzt ist übrigens nichts

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verloren ! Vereinigen wir unsere Truppen und ziehen wir uns still und vorsichtig so lange zurück, bis wir den Angriff wieder auf- zunehmen vermögen. Im Notfalle soll sich der größere Teil der Truppen über den Splügen zurückziehen."

Die Division Lecourbe zählte weniger als 4000 Mann, als sie den Rückzug auf das linke Innufer antrat. Der Uebergang bei Martinsbruck wurde am 30. März zerstört, der Ort selbst blieb nur durch die französischen Vorposten gedeckt. Die Division kehrte in ihre alten Kantonnemente zurück. Tags zuvor hatte man in Nauders wegen Mangels an Transportmitteln 3000 Säcke Frucht und 2000 Gewehre verbrennen müssen. Hunger und Entbehrungen plagten die Division, deren Unmut über den angeordneten Rückzug nicht zu stillen war.100 Noch weit fragwürdiger gestaltete sich die Lage der Division Dessoles. Am 1. April meldete dieser General, daß er sich ohne Lebensmittel unmöglich länger in Sta. Maria halten könne, vielmehr den Rückzug nach Bormio anzutreten gedenke.

Trotzdem bedurfte der FML. Bellegarde voller zehn Tage, ehe er einen entscheidenden Schlag auf seinen linken Flügel unternahm.

Schon am 27. März hatte Generalmajor Nobili bei Ried am St. Christinabache 13537 Mann bisheriger Reserven und 28 Landes- schützencompagnien mit 3508 Mann beieinander. Bellegarde glaubte sich aber jedenfalls nicht stark genug. Nach und nach zog er bei Laatsch noch 12 Bataillone und 3 Schwadronen zusammen, indes sich sein Hauptquartier seit dem 31. in Schluderns, jenes von Nobili in Pfunds befand. Am 1. April waren Glurns und Nauders wieder von den österreichischen Vorposten besetzt.

„Die Kaiserlichen fanden in den neu besetzten Gebieten viel Not und Elend, weil die abziehenden Feinde den unglücklichen Bewohnern wenig mehr als das Leben gelassen. Aber anstatt es lindern zu können, sahen sie sich, da für ihre Verpflegung sehr schlecht gesorgt wurde, sogar genötigt, dem Beispiel der Feinde nachzuahmen und den Leuten noch den letzten Rest von Lebens- mitteln abzunehmen." (Egger III, 243/4.)

In diesen schweren Tagen bewährte sich der Opfermut der Tiroler in glänzender Weise. Nicht nur, daß überall Unter- stützungen für ihre verarmten Landsleute gesammelt wurden, auch die Landesschützen eilten freiwillig von allen Seiten herbei zur Verstärkung der Armee ihres Kaisers. In Laatsch erschienen noch vor Ende des Monats die Compagnien Meran, Schönna, Mais, Allgund, Lana und Laatsch, sowie die Landstürmer der Gerichte Schlauders, Montani, Castellbell und Passeir. Unter den Letzt- genannten diente auch als Hauptmann der nachmals so berühmt gewordene Sandwirt Andreas Hofer.

FML. Bellegarde war jedoch durchaus nicht der Mann, diese

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Volksbewaffnung richtig zu schätzen und zu verwenden. Bald brach zwischen ihm und den Landesschützen ein offener Zwie- spalt aus. „Voll Mißtrauen gegen ihn, wollten diese ihm nicht gehorchen, bis auf Vermittlung des herbeigereisten Grafen von Welsberg, der die Seele der südlichen Landesschutz-Deputation war, die Oberleitung der Landesverteidigung dem General Laudon über- tragen wurde." (Egger j II, 242.)

Endlich entschloß sich FML. Bellegarde, die Franzosen in ihrer Stellung bei Tauffers anzugreifen. Diese Bewegung wurde auf den 4. April angesetzt und die dazu bestimmten Truppen sammelten sich um 2 Uhr früh vorwärts Laatsch. Schon Tags zuvor waren 2 Compagnien Leloup-Jäger über Stilfs ins Trafoier- thal abgegangen, um über das Wormserjoch dem Gegner bei Sta. Maria in den Rücken zu gelangen.

Dessoles hatte seine Stellung im Thale so gut besetzt, als es bei seinen schwachen Kräften (etwa 3400 Mann) anging. Eine Pfeilschanze bei Rifair und vor dem Nordausgange von Tauffers, sowie der ummauerte Friedhof des Ortes dienten als Befestigungen. Rechts des Rambaches stand sonst nur eine schwache Feld- wache mit ihrer Unterstützung. Auf dem linken Thalrande wurde die Sicherung in die Schlösser Rodund und Reichenberg gelegt. An Artillerie verfügte Dessoles über 2 Kanonen und und 1 Hau- bitze, für welche er allein die vollständigen Bespannungen besaß.

Nach der Anordnung des FML. Bellegarde führte dieser selbst die auf der Thalstraße vorgehende Hauptkolonne in der Stärke von 4 Bataillonen und 4 Schwadronen (1 Division Clairfayt, 1 Bataillon Anton Esterhazy, 1 Bataillon Michael Wallis, 1 Grena- diere Wouvermann, 2 Divisionen Ligne, 1 Schwadron Erdödy- Husaren). Rechts und links derselben in der Höhe bewegten sich zwei Kolonnen, aus leichter Infanterie bestehend (Leloup-Jäger, 3 Compagnien Trautenberg, 1 Division Clairfayt, 1 Division Ligne und 1 Compagnie Michael Wallis). Unter Führung von FML. Hadik blieben 3lJ2 Bataillone in Reserve (3 Grenadierbataillone, 1 Division Württemberg, 1 Division Erdödy-Husaren).

Am 4. April früh 3 Uhr wurde der Vormarsch angetreten, bald nach 5 Uhr fielen die ersten Schüsse.101 Die Kolonne links warf die Franzosen zwar aus Rifair zurück, vermochte aber sonst nicht viel auszurichten. Der Angriff der Mitte kam sogar am Friedhof und an der Pfeilschanze ins Stocken. Erst, als die rechts vorgehende Kolonne die Gegner aus den oben genannten Schlössern vertrieben, vermochten die Oesterreicher eine bessere Wirkung zu erzielen. Zwischen dem Valtarola- und Valatschabache versuchten die Franzosen neuerdings eine Verteidigungsstellung zu beziehen. Das fortgesetzte Feuer von den Flügeln her, sowie der Versuch der Husaren, Münster vor ihnen zu erreichen, zwang die Franzosen

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schleunigst bis zu dem Friedhofe dieses Ortes zurück zu gehen. Hier stand eine cisalpinische Halbbrigade in der seit zwei Tagen bereits eingerichteten Aufnahmestellung. Anfänglich gelang es den Franzosen, die Sturmkolonnen in einiger Entfernung zu halten. Als dann aber die über das Wormserjoch entsendete Abteilung im Rücken der französischen Aufstellung bei Sta. Maria erschien, gingen die Franzosen bis zu dem Uebergange des Rambaches an der »Säge" und endlich zum Hofe „Sielva" zurück. An diesen Orten tobte das Gefecht mit derartiger Hartnäckigkeit, daß der Bach sich mit dem Blute der Gefallenen färbte. Der Chef des Generalstabes der Division Dessoles, General-Adjutant Petrigoni, vermochte es jedoch noch einmal, die Oesterreicher durch einen sie überraschenden Gegenstoß zurück zu drängen. Da nun aber der FML. Hadik mit frischen Truppen heran kam und zugleich die Rückzugslinie überaus gefährdet erschien, löste sich alles in eiligst flüchtende Haufen auf.

Noch war jedoch der Weg auf den Ofen-Paß frei geblieben. Dessoles erreichte über diesen Paß, bis Fuldera von den Leloup- Jägern verfolgt, noch gleichen Tages Zernetz. Von dort kam er über den Bernina-Paß nach Tirano und Bormio.

Der Verlust der Division Dessoles am 4. April betrug nach eigenen Angaben allein 400 Mann an Gefangenen. Dazu erbeuteten die Oesterreicher 3 Kanonen, 14 gefüllte Caissons und mehrere tausend Gewehre. Generaladjutant Petrigoni und ein Bataillonschef fielen tödlich verwundet ebenfalls in die Hände des Gegners. Dieser befreite endlich noch ein Lazaret mit 150 österreichischen Ver- wundeten aus der Gefangenschaft. Ueber die Größe der eigenen Einbuße verlautet keine Angabe; es heißt lediglich, „daß er wegen des hartnäckigen Widerstandes der Franzosen nicht unbeträchtlich gewesen sei." Jedenfalls betrug er nicht weniger als 200 Mann.

Ganz unbegreiflich erscheint es, daß FML. Bellegarde nach diesem Erfolge nicht sogleich daran ging, die Franzosen völlig aus dem Engadin zu verdrängen. Diese schreiben die Unthätigkeit des etwa 20000 Mann starken Gegners dem vermutlich auch in Tauffers herrschenden Mangel an Lebensmitteln zu. In Wahrheit ist dies jedoch keineswegs der Fall gewesen. (Egger III, 244.) Die Schuld daran tragen vielmehr die endlosen Schreibereien der Generale untereinander und die peinliche Rücksicht, welche Belle- garde darauf nahm, nichts ohne Anweisung seines Gönners Thugut auszuführen.

Auch Lecourbe hatte mit mannigfachen Aergernissen in diesen Tagen zu kämpfen.

Anfang April erhielt die 38. Halbbrigade eine sehr nötig gewordene Verstärkung durch 600 junge Konskribierte. Zugleich wurde die Errichtung von Werken bei Remüs, Schuls-Vulpera und

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Zernetz-Sta. Maria begonnen und bis zum 19. April durchgeführt. Das Hauptquartier von Lecourbe befand sich während dieser Zeit teils in Fettan, teils in Zernetz.

Der Mangel an Lebensmitteln stieg dabei aufs Aeußerste. Das mit der Verpflegung betraute Haus Bodin hatte bisher nur 25 000 Brotportionen geliefert. Jetzt kamen die Unternehmer überhaupt nicht mehr ihren Verpflichtungen nach. Als Lecourbe den Com- missaire-Ordonnateur ins Mailändische entsendete, um Vorräte anzukaufen, vermochte dieser dort nur einige hundert Zentner Biscuit und Mehl aufzutreiben.

Zu solchen Widerwärtigkeiten gesellte sich der Streit mit Dessoles. Lecourbe hatte mit Unwillen die Nachricht von der erzwungenen Räumung der Stellung bei Tauffers erfahren. Die von Zernetz her das Engadin Hinaufziehenden begingen in allen Orten, welche sie durchschritten, die ärgsten Gewaltthaten. Darüber empört, schrieb Lecourbe an Dessoles unter dem 18. Germ. (7. April) aus Zernetz einen scharfen Brief. Ebenso sendete er eine Anzeige an Massena. Dessoles antwortete in gereiztem Tone und obwohl ihm Lecourbe maßvoll erwiederte, übermittelte jener dennoch sein Entlassungsgesuch an Scherer.102

Der ganze Handel gewann schließlich eine solche Ausdehnung, daß Massena gezwungen war, seinen Vertrauten, den bekannten Mares, damals Brigadechef im Geniecorps, zur Untersuchung der beidseitigen Klagen abzuordnen. Ehe dieser jedoch eine Versöhnung zu erzielen vermochte, legte Dessoles den Befehl nieder, um an die Spitze des Generalstabes der Armee in Italien zu treten.103

Er wurde durch Loison ersetzt, welcher am 21. April mit der 76. Halbbrigade in Tirano eintraf, woselbst die Lage bereits gefahr- voll für die Franzosen erschien. In diesem Augenblicke (20. April) zählte die Division Lecourbe 6284 Mann unter den Waffen. Die Gesamtzahl der Abwesenden (Kranke, Kriegsgefangene) betrug 2083 Mann.

„Wir kommen nun zur eigentlichen Periode des österreichischen Handelns, aber dieses Handeln ist nicht, wie man es bei Bonaparte gewohnt ist, wenn er auf eine Entscheidung ausgeht, eine gleich- zeitige Anstrengung aller Kräfte zu einem gemeinschaftlichen Ziele, sondern es sind Unternehmungen auf einzelnen Punkten, und auch dann nur mit einem Teile der Kräfte, als käme es nur darauf an, sich in einer Lage, mit der man im Ganzen wohl zufrieden ist, in diesem oder in jenem Stücke etwas besser einzurichten oder zurechtzurücken, kurz ein Handeln, wie es in der Natur der Dinge liegt, wenn keine Entscheidung vorliegt. Aber kam es den Oester- reichern auch wirklich auf eine solche an? " (Clausewitz I, 255).

FML. Bellegarde war wirklich ungebührlich lange thatenlos geblieben. Jetzt erhielt er von dem ungeduldigen Suworoff den

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gemessenen Befehl, auch seinerseits gegen die Franzosen vorzu- gehen. An Erklärungen für die sonderbare Thatenlosigkeit der Oesterreicher fehlt es nicht. FML. Bellegarde wollte nichts auf eigene Verantwortung hin unternehmen, sondern zunächst über jede Maßnahme das Gutachten des Hofkriegsrates einholen. Die schwerfällige Art der Verpflegungseinrichtungen verhinderte über- dies jede angreifende, nicht von langer Hand vorbereitete Be- wegung. Die Verwaltung war völlig selbständig und getrennt von der Oberleitung der österreichischen Heere. Häufig mußte der Feldherr auf durchaus nötige Handlungen verzichten, weil die Verpflegung, die noch immer aus Magazinen stattfand, nicht gehörig geregelt worden. So begegnete es dem Erzherzog Karl unmittelbar nach der Schlacht von Stockach, daß er den Ein- marsch in die Schweiz verschieben mußte, weil der oberste Ver- pflegsbeamte seiner Armee dagegen Einsprache erhob.

Endlich entschloß sich FML. Bellegarde, für den 22. April die Vorwärtsbewegung aufzunehmen. In der Nacht zu diesem festgesetzten Tage fiel jedoch tiefer Schnee. So wurden denn die nötigen Gegenbefehle erlassen. Nur die von Major Schmiedt be- fehligte Seitenkolonne empfing nicht rechtzeitig die Nachricht von der Aenderung der Verfügungen. Die (1 Bataillon des Landwehr- regiments Neugebaur und 6 Landesschützen-Compagnien, zusammen etwa 1800 Mann starke) Abteilung brach am 21. abends von Ischgl im Paznaun auf. Ueber den Fimber-Paß (2605 m) stieg sie gegen Manas und Remüs hinab. Um 4 Uhr früh überfielen die Oesterreicher das schlecht bewachte Manas und nötigten die hier befindlichen 3 Compagnien von 11/44. zu schleunigem Rück- zug. In raschem Anlaufe wurde sogar Remüs genommen und die Verancabrücke gleichfalls. Hier erhoben sich aber jene von Lecourbe seit Beginn des Monats errichteten Werke. Das Kartätsch- feuer warf die tapferen Leute zurück, in deren Rücken nun auch der Rest der 44. Halbbrigade erschien. Von allen Seiten einge- schlossen, mußte sich fast die ganze Abteilung ergeben. Die Franzosen nahmen den Major Schmiedt, 6 Hauptleute und elf Lieutenants, also alle Offiziere der Kolonne neben 460 Mann, gefangen. Ueberdies verloren die Oesterreicher 100 Mann an Toten neben 120 an Verwundeten; 7 Landesschützen und eine Anzahl Soldaten waren durch Lawinen bereits auf dem Marsche umgekommen. Der Verlust der Franzosen betrug nach ihrer An- gabe 2 Tote, 23 Verwundete und 1 kriegsgefangenen Offizier. Dieser müßte demnach gleich zu Beginn des Gefechtes von den Landesschützen über den Paß zurückgebracht worden sein. Ver- mutlich war es der Führer der Feldwache in Manas.

Suworoff ermunterte FML. Bellegarde von neuem, die an Stärke so weit zurückstehende Division Lecourbe aus dem Engadin

Günther, Feldzug 1799. 5

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zu vertreiben. In der That verfügte FML. Bellegarde in diesem Augenblicke über 26 Bataillone und 8 Schwadronen. In diese Zeit fiel auch die Verständigung des Oberbefehlshabers im Tirol mit FML. Hotze zum Zwecke eines Angriffs auf die Luzisteig. FML. Hotze erhielt von den in Tirol stehenden Truppen die fünf Bataillone starke Brigade St. Julien zugewiesen. Weitere zehn Bataillone sammelte FML. Bellegarde bei Nauders, um mit diesen Kräften ins Engadin einzudringen. Eine dritte ebenfalls zehn Bataillone starke Kolonne unter FML. Hadik stand im Münster- thale, um die Rückzugslinien der Division Lecourbe zu bedrohen. Ueber die Stellungen von Lecourbe berichtet Erzherzog Karl wie folgt (I, 271/2):

„In dem finsteren Innthal eingeengt, an einer einzigen Opera- tions- und Communicationslinie aufgestellt, in beiden Flanken und im Rücken bedroht, hatte Lecourbe das Mögliche zur Behauptung und Verstärkung seiner Position gethan und hierzu einen Fuß des Fimpengebirges gewählt, welcher hinter dem Varana (in der Landessprache Ramoschbach genannt) gegen den Inn herabfällt. Die Dörfer Manas und Remüs lagen vor der Front so wie der Bach, dessen Bett von steilen Ufern eingefaßt ist. Auf dem rechten Flügel befand sich eine pallisadierte Redoute, die von einer dominierenden Höhe die jenseitige Gegend am Inn bestrich. Die rechte Flanke, sowie die Front waren durch einige andere minder bedeutende Werke verstärkt. Bei Manas konnte der ge- wöhnliche Fehler aller Gebirgsstellungen nicht vermieden werden ; hier lehnte sich nämlich der linke Flügel an höhere, aber nicht ganz unzugängliche Berge ; und die Tiefe des Varanabettes, über welches oberhalb Manas ein Fußsteig führt, vermindert sich nach Maß, als man seinem Ursprung näher kommt. Die Truppen standen staffelweise im Thal und hielten die höchsten Punkte auf beiden Ufern des Inns in den Flanken der Stellung besetzt."

Clausewitz (I, 256/7) bemerkt über die nämliche Stellung: „Gegen die in solchen Fällen nie fehlenden Umgehungen waren die auf den beiden Rändern des Innthales liegenden nächsten Pässe verhauen oder sonst unzugänglich gemacht und mit etwas Infanterie besetzt; außerdem waren im Innthale selbst rückwärts einige Reserven aufgestellt, d. h. Lecourbe hatte sich, wie die Franzosen dies nennen, echeloniert.

Es scheint dies so ziemlich die Normalstellung gewesen zu sein, welche die Franzosen in solchen Fällen nahmen, und in der That ist eine bessere nicht anzugeben. Die sehr kurze Fronte der Stellung konnte auf diese Weise ziemlich stark sein, das Um- gehen über die Pässe wurde zeitig genug entdeckt und lange genug aufgehalten, um im Thale seine Maßregeln danach zu nehmen, und die zurückgestellten Reserven (Echelons) gaben das beste

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Mittel, dem Umgehenden früh etwas entgegenzustellen oder ihn selbst in ein doppeltes Feuer zu bringen."

FML. Bellegarde glaubte seinen Zweck dadurch sicher zu erreichen, daß er fast über jeden Paß, der das Unter-Engadin mit dem Etschgebiete verbindet, eine Abteilung entsendete. Die von ihm befehligte Hauptkolonne, 6 Bataillone stark, marschierte auf der Straße gegen Martinsbruck. Ihre Sicherung auf dem linken Innufer übernahmen l2js Bataillone (1200 Mann). Diese benützten den oberen und unteren Novellasteig. Die Führung ihrer Vortrupps hatten die Oberlieutenants Dietrich und Werweck von Großherzog von Toscana- und Kinsky-Infanterie mit je einer Compagnie übernommen. Auf dem rechten Innufer bewegte sich eine von Major Marcaud befehligte ebenso starke Abteilung über die „Maiß" gegen Sclamisott und die Brücke von Strada. Eine dritte Kolonne, aus 1 Bataillon und den Landesschützen der Ge- richte Sonnenburg, Innsbruck und Hörtenberg bestehend, stieg durch das Rajenthal hinauf. Sie sollte über den Rosenkopf durch das Val d'Urna die Brücke von Sur-En erreichen.

FML. Hadik bildete im Avignathal eine zweite, 4^2 Bataillone starke Hauptkolonne. Mit derselben erreichte er um 11 Uhr nachts am 29. April das Scharljoch (La Cruschetta, 2316 m). Bis 3 Uhr morgens des folgenden Tages wurde hier geruht. Dann stieg die Kolonne mit ihrer Vorhut Leloup-Jäger und Landes- schützen unter Oberst Rousseau in das Val de Scarl hinab, um sich des Ortes Schuls zu bemächtigen. Links von dieser Kolonne marschierte eine l1/3 Bataillon und einige Landesschützen starke Abteilung über den Ofen-Paß (2155 m), um gegen Zernetz selbst vorzugehen. Weitere 3 Bataillone blieben vorläufig in Sta. Maria zurück. Ihr Auftrag ging dahin, zunächst das Wormserjoch zu beobachten und dann ebenfalls nach Zernetz zu marschieren.

Die Vorhut der Kolonne Bellegarde, geführt von den Haupt- leuten Rebrowicz und Raglowicz der Warasdiner Grenzer, traf um 3 Uhr vormittags auf starken Widerstand seitens der in Martinsbruck stehenden Gegner. Nach einem längeren Feuer- gefechte versuchten es 4 Compagnien von 11/38., die Oesterreicher mit dem Bajonette zu werfen. Nachdem sie sich in der That Luft gemacht, gelangten die Compagnien nach St. Nicolas und Strada, welche Orte von den beiden anderen Bataillonen der Halbbrigade besetzt waren. Selbst die Kanone wurde von ihnen gerettet. Nach französischem Berichte (Feldtagebuch) blieben vor der Kapelle von Martinsbruck 400 Oesterreicher. Der eigene Verlust habe dagegen nur 15 Tote, 60 Verwundete, 20 Gefangene betragen.

Unter fortgesetzter Ueberwältigung des gegnerischen Wider- standes erreichten' die Oesterreicher die Verschanzungen von Strada. Hier gelang es erst dann , die Franzosen zurückzuwerfen , als

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einige von den Hauptleuten, Botta von Starray- und Bernkopf von Kinsky-Infanterie (dieser im Jahre 1800 der thatkräftige Verteidiger von Fort Bardo), vom rechten auf das linke Innufer übersetzten und in das Gefecht eingriffen. Durch solche Umgehung wurde eine Anzahl Verteidiger am rechtzeitigen Rückzuge ver- hindert. So fielen auch der Capitaine Parnajeon, welcher das Bataillon befehligte, der Major-Adjutant Beaupied und der Unter- lieutenant Grenier in die Kriegsgefangenschaft. Dem Lieutenant Plazanet gelang es, obwohl verwundet, den Rest des Bataillons geordnet hinter die Veranca zurück zu führen. Gegen Mittag, nach einem Marsche, der für einzelne der beteiligten Truppen 15 bis 20 Stunden gedauert, erreichte die Kolonne Bellegarde das Dorf Remüs. Ehe jedoch die hier angelegte Hauptstellung der Franzosen berannt werden konnte, mußte das Eingreifen einer gegen Manas hinabsteigenden Kolonne abgewartet werden. Diese vom Oberlieutenant im General-Quartiermeisterstabe Odelga ge- führte Abteilung, bestehend aus 1 Bataillon und 6 Landesschützen- Compagnien, zusammen 1500 Mann, überschritt wiederum den Fimber-Paß.

Bei Griosch ließ sie eine übermäßig starke Reserve zurück und nur 3 Compagnien erreichten ob den Mineralquellen den rechten Thalrand des Val Sinestra. Während die 3 bereits stark ermüdeten Compagnien den Gegner bis in die Hauptschanze zurückdrängten, machte FML. Bellegarde auf der Thalstraße vier vergebliche Ver- suche, über die Verancabrücke (Varana-Ramoschbach, Palanca- brücke) vorzudringen. Den Franzosen ging jetzt der Schießbedarf aus. Zuletzt sollen sie sich nur noch mit Steinwürfen verteidigt haben.104 Als abends 8 Uhr die Dunkelheit dem Kampfe ein Ende bereitete, standen die Oesterreicher am Fuße der Höhen, aufweichen die Verschanzungen lagen. Die Kolonne des FML. Hadik traf hinter dem Dorfe Scarl bei einer Wegenge auf Franzosen. Das Gefecht blieb für länger als eine Stunde ohne Entscheidung. Nach- dem jedoch Oberlieutenant Giurtschack vom Generalquartiermeister- Stabe mit einer Compagnie die gegnerische Stellung umgangen hatte, gelang es, die Franzosen zu vertreiben. Einige hundert Schritte weiter fand sich ein ähnliches Hindernis. Diesmal erklet- terten Hauptmann Enyeter und l*/2 Compagnien Anton Esterhazy- Infanterie, sowie der Oberjäger Mathieu von den Leloup-Jägern eine beherrschende Höhe. „Diese Mannschaft, die mit Steigeisen ausgerüstet war, erkletterte unbemerkt vom Feinde die höchsten Felsenspitzen, und während er in der Front durch das Feuer der Gebirgskanonen beschäftigt wurde, ließ sich die ganze Abteilung auf der harten Kruste einer Schneelawine in den Rücken der feind- lichen Verschanzungen herab, welches Wagestück den Feind aus der Fassung brachte und der Avantgarde Zeit und Gelegenheit

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verschaffte, auf dem* schmalen Fußsteige vorzudringen." (Stampfer 124. Seida 142.)

Das französische Bataillon (IL/44.) setzte jedoch seinen hart- näckigen Widerstand in jeder dazu geeigneten Stellung fort. Erst um 2 Uhr nachmittags, nach etwa zehnstündigem Gefechte und nach- dem eine hölzerne Brücke über den Cleingiabach von ihnen abge- brochen worden, verließen die Franzosen das Thal. Die Wiederher- stellung des Ueberganges kostete etwa ein und eine halbe Stunde Zeit. Als die Kolonne sich endlich abends 6 Uhr gegenüber von Schuls befand, war auch die dortige Innbrücke abgebrochen. Die einzig brauchbare Furt lag unter dem wirksamsten Geschützfeuer des Gegners. So wurde FML. Hadik dazu gezwungen, seine Truppen auf dem rechten Ufer des Flußes ein Biwak beziehen zu lassen. Lecourbe selbst hatte vergebens versucht, die Stellung im Val di Scarl wieder zu gewinnen. Die Uebermacht des Gegners war zu groß. Die Kolonne, welche über den Ofen-Paß vorgegangen war, führte der Oberstlieutenant im Regiment Michael Wallis, Graf Weißenwolf. In dem Engwege, 2 km aufwärts von Chassuras, standen hinter einem Verhau 3 Compagnien der 36. Halbbrigade, welche bald durch 8 weitere Compagnien der nämlichen Halbbrigade verstärkt wurden. Der wiederholte Angriff erfolgte durch 4 Com- pagnien Leloup-Jäger, 1 Bataillon Giulay, das Regiment Prinz Ligne und 2 Grenadierbataillone, führte aber keineswegs zum Ziele. Als die Franzosen ihrerseits einen Gegenstoß führten, gelang es ihnen sogar, das Gehöft „Ofenhof" zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit fielen 11 Offiziere und 400 Soldaten in Kriegsgefangenschaft. Unter den ersteren befand sich der junge Major Prinz Ligne, der Sohn des Regimentsinhabers.

Das Feldtagebuch berechnet den französischen Gesamtverlust des Tages wie folgt: 2 Offiziere, 50 Mann tot, 13 Offiziere und 358 Mann verwundet, darunter General Demont, den 7 Kugeln leicht getroffen hatten, und Brigadechef d'Aumas ; 4 Offiziere und 83 Mann gefangen. Der Gegner habe wenigstens 600 Mann an Toten, 1500 an Verwundeten und 600 an Gefangenen eingebüßt.

Die Division Lecourbe hatte an diesem Tage alle über sie errungenen Vorteile durch die zäheste Gegenwehr teuer genug verkauft. Ohne die allgemein hervortretende Ueberlegenheit in der Zahl wäre es den Oesterreichern sicher nicht gelungen, die Stellungen zu erreichen, welche sie am 30. April abends einnahmen. Sonderbarerweise wurde aber diese Stärke gerade dort nicht ein- gesetzt, wo sie zu einem vollkommenen Erfolge hätte führen können, nämlich im Val Sinestra. Die ängstliche Befolgung wenig passender Regeln ließ, wie sich zeigte, eine für die kleine Kolonne viel zu große Reserve an einem Punkte zurück (Griosch), wo sie durchaus nichts zu nützen vermochte. FML. Hadik endlich war. obwohl

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er bereits die vorhergehende Nacht zum Marsche benützt hatte, doch nicht mehr rechtzeitig eingetroffen, um an dem Angriffe gegen die Stellung im Val Sinestra noch teilnehmen zu können. Wie so häufig im Gebirgskriege, verlief auch hier wieder einmal, infolge eines stets unberechenbaren Zeitverlustes, den der hart- näckige Widerstand des Gregners hervorgebracht, der zusammen- gesetzte Angriff recht eigentlich ergebnislos.

Dennoch ließ das Erscheinen der Oesterreicher im Rücken der Verancastellung Lecourbe, wollte er die Division dem fran- zösischen Heere erhalten, keine andere Wahl, als so schnell wie möglich zurückzugehen. Das einzige noch brauchbare Geschütz wurde vernagelt und nachts 12 Uhr am 30. April bis 1. Mai verließen die Truppen jene Werke. Die 44. Halbbrigade stand nun rittlings des Inn vorwärts Lavin, die 38. in Süs, die 36. in Zernetz.100

Die Kolonnen der FML. Bellegarde und Hadik vereinigten .sich am 1. Mai zwischen Schuls und Fettan miteinander. Der letztere Ort wurde besetzt, indes die Vorposten auf dem linken Ufer des Tasnabaches (2 km von Ardetz) stehen blieben. Dieser Ruhetag war für beide Teile sehr erwünscht, für Lecourbe umsomehr, als er auch aus dem Vertun schlechte Nachrichten empfing. Loison meldete nämlich, daß ihm die Rückzugslinie über Morbegno und den Splügen verlegt sei, da die Gegner bereits am Nordufer des Comersees ständen. Diese Nachricht war jedoch fälsch. Die Abteilungen des Obersten Strauch befanden sich vor- läufig noch im Val Camonica, beziehungsweise in Varese. Am 2. Mai hatten sie dagegen das obere Brembathal, beziehungsweise Como erreicht. Eine dringende Gefahr bestand demnach keines- wegs für die französischen Truppen im Veltlin. Immerhin meldete Loison, daß er über Tirano, Poschiavo, den Bernina-Paß, Casaccia und den Septimer nach Tiefenkasten und Splügen zurückzugehen gedenke.

Den 2. Mai gegen Mittag nahm FML. Bellegarde seine Vor- wärtsbewegung wieder auf. Die Hauptmasse benützte die Straße längs dem Flusse. Rechts von ihr über Boselnua und Guarda mar- schierte eine Seitendeckung unter dem Befehle von Oberst Zeegradt des Regiments Beaulieu. Die Brücke von Unterguarda war vom Gegner abgebrochen worden. Die Errichtung eines Laufsteges zog sich bis um 4 Uhr nachmittags hin. Unterdessen marschierten die österreichischen Truppen hinter Guarda in einer Bereitschafts- stellung auf. Die rechte Seitendeckung wurde durch 2 Bataillone verstärkt und ihre Führung unternahm Generalmajor Nobili. FML. Hadik rückte gleichzeitig mit dieser Kolonne auf der Straße gegen Lavin vor. Die französischen Vorposten wurden schnell zurück- gedrängt und das Dorf genommen. Hinter demselben, etwa 2 km

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vor Süs, breitet sich eine kleine Ebene aus. Vorwärts derselben hielten sich die Franzosen noch einige Zeit, gingen dann aber, in Gefahr von der Kolonne Nobili überflügelt zu werden , schnell zurück. FML. Bellegarde ließ die Verfolgung des Gegners durch die Erdödy-Husaren unternehmen. Bei dieser Gelegenheit fielen der General Demont, sein Stab und dessen Wache in österreichische Kriegsgefangenschaft. FML. Hadik drang nun auch mit stürmender Hand in Süs ein, welches die Franzosen in ziemlicher Unordnuno- verließen, während sie zugleich das Flüelathal preisgaben.

In diesem Augenblicke traf Lecourbe auf dem Gefechtsfelde ein. Mit 35 Chasseurs vom 12. Regiment, welche Capitaine Aubertin befehligte, griff er den aus Süs in Kolonne herausmarschierenden Gegner an. An der Spitze der 44. Halbbrigade, welcher die 38. folgte, drang der Lieutenant Bogues als Erster in das Dorf ein. Die Beförderung zum Hauptmann wurde ihm dafür auf dem Schlacht- felde zu teil. Der Gegner, an dessen Spitze das Grenadierbataillon Görschen und das III. Bataillon von Anton Esterhazy traten, trieb jedoch die Franzosen aus dem Orte. Ohne diese Verzögerung wären aber die vom Ofen-Paß heruntersteigenden Truppen (4 Compagnien) sicher abgeschnitten und gefangen worden. Bei dem folgenden Rückzuge in die Ebene von Zernetz wurde Lecourbe selbst leicht am linken Arme durch eine Gewehrkugel verwundet. Der Escadron- chef Porson, Chef des Generalstabes der Division, übernahm den Befehl der den Rückzug deckenden 3 Eclaireurscompagnien. In der Klüse zwischen Süs und Zernetz, etwa 3 km von dem zuletzt genannten Orte entfernt, bezogen sie eine Vorpostenstellung. Die Franzosen hatten an Toten 3 Offiziere und 17 Mann, 172 Verwun- dete, 56 Gefangene. Der Verlust der Oesterreicher wird vom Feldtage- buch als gering bezeichnet. Jedenfalls hatte die Division Lecourbe trotz der empfindlichsten Verluste der Auflösung zu widerstehen verstanden. In der 44. Halbbrigade war überhaupt nur noch ein unverwundeter Offizier zur Verfügung. Die anderen Halbbrigaden wurden von Hauptleuten geführt.106

Vor Tagesanbruch am 3. brach die Division wieder auf. Die Nachhut, gebildet von der 36. Halbbrigade und befehligt vom Capitaine Perrier, legte Feuer an die Brücken von Zernetz. Es konnte aber lediglich die untere von ihnen derart unbrauchbar gemacht werden. Unbelästigt erreichte die Division Ponte. Nachdem von hier aus IL/38, über den Maloja-Paß und durch die Bregaglia nach Chiavenna entsendet worden, um den Rückzug der Brigade Loison (2 Bataillone Corps d'expedition, 2 Bataillone 12. leichte Halbbrigade, 2 Bataillone 76. und 2 Bataillone 6. leichte Halb- brigade) zu decken, welche nun doch über Morbegno marschierte, ließ Lecourbe die Innbrücken gründlich zerstören.

Diese wieder herzustellen brauchten die Kaiserlichen volle

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12 Stunden. Die 36. besetzte vorläufig noch Madulein, die 44. den Ausgang des Albula-Passes bei Ponte, der Rest der 38. Halb- brigade die Häusergruppe Weißenstein. In diesen Stellungen ward die Nacht vom 3. auf den 4. Mai zugebracht. Die Oester- reicher bezogen unterdessen Kantonnemente in den Ortschaften des Innthales von Cinuschel bis Süs. FML. Bellegarde verlegte sein Quartier erst am 6. von dem zuletzt genannten Orte nach Zernetz.

Am 4. Mai setzte die Division Lecourbe ihren Rückzug über den Albula-Paß weiter fort. Die 3 Grenadiercompagnien der 44. Halbbrigade gingen mit dem Reservepark und der Ambulance, welche nicht über den Albula zu gelangen vermochten, nach Silvaplana. Die Verwundeten wurden von hier aus über den Julier nach Lenz und von dort nach Chur verbracht. In Oberhalbstein von Aufständischen angefallen, hatte die aus 20 Grenadieren unter Lieutenant Leroux stehende Begleitmannschaft ein ziemlich heftiges Gefecht zu bestehen. Die dabei gefangenen Aufständischen, drei an der Zahl, wurden wenige Tage später in Chur standrechtlich erschossen.

Von der 38. Halbbrigade ward das I. Bataillon nach Thusis und Andeer entsendet, um die dort drohenden Unruhen zu verhindern.

Am 4. Mai abends erreichte die Division den Ort Lenz und Thusis. Ihre Vorposten hielten Weißenstein und die Paßhöhe des Flüela besetzt. Auf dem Marsche über den Albula hatte man die Geschütze in der Weise zu retten versucht, daß die Lafetten in Ponte verbrannt, die Rohre auf Schlitten über den Berg gezogen wurden. Immerhin blieben einige Feuerschlünde auf dem östlichen Abfalle des Passes zurück.

Die Verteilung der Division Lecourbe nach der Einstellung ihrer Rückwärtsbewegung ergibt sich aus einem, Massena über- reichten ungedruckten Berichte vom 17. Floreal (7. Mai):

Hauptquartier in Thusis. Dazu die aus den Grenadieren ge- bildete Reserve.

36. Halbbrigade in Bergün, 44. in Tiefenkasten und Bivio, 38. in Alvaschein, Obervatz, Andeer und Lenz, 109. in den Orten zwischen Andeer und Splügen.

Park der Brigade, ehemals Demont, in Surava.

Park der Division in Fürstenau.

Die Pässe über den Splügen, den Septimer, den Julier, den Albula und den Flüela deckten demnach die Vorposten der Division. Loison, in steter Besorgnis um eine gesicherte Rückzugslinie, eilte, das Veltlin zu verlassen. Vom Gegner standen einzelne zum Corps Bellegarde gehörende Abteilungen bereits in Poschiavo und der Bregaglia. Der Oberst Strauch, dessen Kolonne aus 5 Bat. und 1/2 Schwadron bestand, war am 28. April vom Monte Tonale über Ponte di legno (Val Camonica) nach Lovere marschiert. Nach

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dem Uebergange über die Adda entsendete Suworoff diese Ab- teilung von Lovere über Ponte di nossein in das Val Bretnbana. Zugleich ließ FML. Bellegarde am 5. Mai die am Monte Tonale zurückgebliebene Unterstützung der Kolonne Strauch, 4 vom Oberst Carneville geführte Bataillone von Vezza über Mortarollo nach Tirano ins Veltlin vorrücken.

Loison, dem am 5. Mai das I. Bataillon der 38. Halbbrigade bis Splügen entgegen gekommen war, räumte am 6. das San Giacomo- thal. Am 8. abends traf in Chiavenna Oberstlieutenant Leloup mit seinem Jägercorps, das die Vorhut von der Abteilung des Obersten Strauch bildete, ein. Die Oesterreicher befreiten in Chia- venna 176 Kranke und 47 gefangene Kameraden. Ebenso fielen hier 36 Geschützrohre, welche fortzuschaffen Loison nicht mehr Zeit und Gelegenheit gefunden hatte, in ihre Hände. FML. Belle- garde sah demnach durch die Bregaglia und über den Comersee hin die kürzeste Verbindungslinie mit der Armee der Verbündeten in Italien vor sich liegen.

Am 7. Mai war bei der Division Lecourbe die etwa 900 Mann starke 109. Halbbrigade eingetroffen. Sie erhielt die Bestimmung, das Dorf Splügen zu besetzen, indes 2 ihrer Compagnien das Wirts- haus (Osteria) 3 km südlich der Paßhöhe ständig durch eine Feld- wache deckten. Dagegen mußte die 44. Halbbrigade zur Division Soult stoßen.

Am 9. Mai traf die Brigade Loison in Roveredo, Tags darauf in Bellinzona ein. Lecourbe hatte diesen Marsch angeordnet, weil das Corps des Prinzen Rohan bereits bei Lugano stand, wohin er über den See von Porlezza gekommen, demnach das eigentliche Tessinthal bedrohte. Die Stadt Bellinzona hatte sich in ziemlicher Bedrängnis durch die Aufständischen der verschiedenen Thalschaften befunden. Ohne entsprechende Verhandlungen anzuknüpfen, schloß die Stadt ihre Thore und bewahrte derart der Division die s. Z. hier zurück gelassenen Fuhrwerke der 36., 38. und 44. Halbbrigade.

Am 11. Mai entsendete Loison zur Erkundung der Absichten des Gegners 2 Bataillone (I./12. L, I. des corps d'exp.) auf den Monte Ceneri unter Bataillonschef Forgues. Oberhalb Cadenazzo fand der Zusammenstoß mit dem Gegner, welcher von Bironico heran kam und aus Jägern bestand, statt. Nach einiger Zeit, während der Forgues selbst in Gefahr kam abgeschnitten zu werden, konnte der Rückzug in guter Ordnung erfolgen. Er ward durch einen gelungenen Angriff gedeckt, den der Bataillonschef Coste von der 12. leichten Halbbrigade mit 30 cisalpinischen Husaren gegen die an- dringenden Kaiserlichen richtete. Da der Chef der 12. leichten Halb- brigade schon vorher gefangen worden war, übernahm nunmehr Coste den Befehl dieser Truppen. Uebrigens verloren die Franzosen 38 Mann an Toten, 49 an Verwundeten, 47 an Gefangenen. Vom

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Gegner blieben 30 Mann tot, 100 verwundet und 285, darunter 4 Offiziere, wurden gefangen.107

Lecourbe ward unterdessen die Aufgabe, die Gotthardstellung, solange es nur irgend angienge, zu halten. Von Bünden drohte den Franzosen im Augenblick wenig Gefahr. Die Unternehmung von FML. Hotze gegen die Luzisteig war mißlungen, FML. Bellegarde zögerte, entscheidende Schritte zu thun. Daß von Süden her, gegen Bellinzona und die Leventina, unter gleichzeitiger Ausnützung des Aufstandes der dortigen Unzufriedenen, eine Unternehmung be- absichtigt sei, darauf deutete die Entsendung der Abteilungen Strauch und Rohan.108

Lecourbe ließ also nur IL/109, zur Beobachtung des Splügens in diesem Dorfe und in Hinterrhein stehen. Zugleich trat er mit allen übrigen verfügbaren Truppen den Marsch nach Bellinzona an. Am 11. Mai erreichte der General wieder Nufenen (Novenna), am 12. über San Bernardino das Dorf Mesocco. Hier traf der Brigadegeneral Ney mit ihm zusammen, welcher an die Stelle von Demont treten sollte, der erst später ausgewechselt wurde. Ney übernahm sogleich den Befehl über die Vortruppen der Division. Unterdessen war es bei Soazza zu einem unwichtigen Gefechte gekommen. Da sich nämlich der Weg über den Gotthard in Händen der urnerischen Aufständischen befand, wollte General Loison die Tags zuvor gemachten Gefangenen über den San Bernardino nach Thusis und Chur senden. Eine stärkere von der Forcola herunter- steigende kaiserliche, zur Brigade des Obersten Strauch gehörende, mehrere hundert Mann starke Abteilung befreite nicht nur die Gefangenen (332 Mann), sondern nahm auch ihrerseits die von 2 Offizieren befehligte 50 Soldaten starke Begleitmannschaft der- selben gefangen.

Mit dem 13. Mai, dem Tage der Ankunft des Generals Lecourbe in Bellinzona, hatten die Kämpfe seiner Division in Grau- bünden ihr Ende erreicht. Da der gesamte Freistaat auch gerade zu dieser Zeit durch die kaiserlichen Truppen in allen seinen Teilen besetzt ward, so nahm der Feldzug überhaupt eine andere, vorläufig unglückliche Wendung für die französischen Waffen an.

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IL

Die Aufstände.

Die Aufstände, welche im Bündner Oberlande und den kleinen Kantonen während der ersten Maitage ausbrachen, berühren im ganzen nur wenig die Thätigkeit der Division Lecourbe. Trotzdem dürfen sie mit Rücksicht auf das Verständnis der allgemeinen Lage und die Rolle, welche der Gotthard in ihnen spielt, nicht mit Stillschweigen übergangen werden. Die Geschehnisse enthalten zudem mancherlei, das auf die Verwendung eines nicht geregelten Landsturmes das hellste Licht zu werfen imstande ist.

Die Reibereien zwischen dem französisch-helvetischen Militär und der bürgerlichen Bevölkerung der Urkantone hatten niemals aufgehört. Sie nahmen bereits, durch äußere Umstände vermehrt, gegen Ende März einen solch' bedrohlichen Ausdruck an, daß Massena sich genötigt sah, eine scharfe Kundgebung zu erlassen.109

Der kaiserliche FML. Johann Konrad Freiherr von Hotze (I739 1799) stand den Vorbereitungen zum Aufstande nicht ferne.110 Die Empörer in den kleinen Kantonen hatten dabei einen etwas sonderbaren Plan entworfen. Als die Hauptsache scheint ihnen die völlige Abschließung der Innerschweiz nach erfolgter Vertreibung der Franzosen vorgeschwebt zu haben. So sollten die Teufelsbrücke zwischen Göschenen und Andermatt, die Straßen über den untern und den obern Hauenstein, durch die Reuchenette im Val St. Irnier und von les Roches im Moutier-Grandval zerstört werden. Ebenso dachten sie das Schloß Lenzburg mittelst eines Handstreiches zu gewinnen, da sich dort Schießbedarf und Geschütze ohne Bewachung befinden sollten. Eine weitere Unternehmung galt der Besetzung des nur von 44 französischen Soldaten gedeckten helvetischen Staatsgefängnisses , der Festung Aarburg. Luzern endlich, den Sitz der Behörden, wollte man von allen Seiten her überfallen, um derart dem verhaßten Einheitsstaate ein für alle Mal ein unrühmliches Ende zu bereiten.

Wenn auch FML. Hotze um die Pläne der Unzufriedenen wußte und ihre Abmachungen mit dem Haupte der Ausgewanderten,

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dem in Augsburg lebenden alt-Schultheißen F. von Steiger aus Bern, wohl bekannt waren, die österreichische Regierung blieb den Unternehmungen doch im allgemeinen fremd. Immerhin deuten die Bewegungen der Oesterreicher in Bünden und der gleichzeitige Ausbruch der verschiedenen Aufstände darauf hin, daß eine gewisse Uebereinstimmung bestanden hat. Auch der Chef eines der Schweizer- regimenter in englischem Solde, der Oberst Ferdinand von Roverea, weiß Verschiedenes über die geistigen Vorbereitungen zu berichten.111 Darnach wollte man Massena dazu zwingen, die Schweiz Hals über Kopf zu verlassen. Eine Rücksicht irgend welcher Art auf den doch sicher zu erwartenden Widerstand nahm man keineswegs. Um so merkwürdiger muß es erscheinen, daß ein Führer wie Hotze diese Pläne für ernst erachtete und sie sogar ausdrücklich billigte. Ist es wahr der Zweifel sei gestattet daß Hotze an Roverea alle Machtvollkommenheit in diesen Dingen übertrug, so zeigt das deutlich genug, wie blind sich der Haß des Feldmarschall-Lieutenants gegen die Franzosen und die Helvetik äußerte. Er raubte ihm voll- kommen die klare Einsicht und ließ ihn geheime Versprechungen geben, welche von vorne herein viel zu ausgreifend waren, um in die Wirklichkeit umgesetzt werden zu können.

Bereits am 8. März traf die Nachricht von der Schlappe, welche die Brigade Loison in Dissentis erlitten, im Urnerlande ein.112 Ueberall äußerte sich der lebhafteste Beifall darüber. Bereits gegen Ende desselben Monats liefen dunkle Gerüchte um, welche von einer Brandlegung des Hauptfleckens Altdorf redeten. Die Be- völkerung dieses Ortes galt nämlich für franzosenfreundlich. In der That brach aus bis heute unbekannten Ursachen am Nach- mittage des 5. April jene schreckliche Feuersbrunst aus, welche in sechs Stunden dreihundertundneunzig Firsten verzehrte. Die aus dem Thale herbeigeströmten Landleute sahen dabei dem schreck- lichen Schauspiele halb gleichgültig, halb frohlockend zu. Sie zeigten sich wenig hülfsbereit bei den Löscharbeiten, an denen vorzüglich die 4 im Orte liegenden französischen Compagnien teil- nahmen.

Am 26. April fand in der Klus bei Erstfeld eine Landsgemeinde statt, auf der es recht stürmisch zuging. Nachdem der halb wahn- sinnige ehemalige Landschreiber und Landmajor Vinzenz Schmied eine überschwängliche Ansprache gehalten, beschloß die Versamm- lung, „da die Franzosen verlumpt und entnervt seien, ein Urner aber es mit zehn von ihnen aufnehme", den Aufstand zu beginnen. Auch hierin zeigt sich deutlich", wie häufig ein Landsturm, dem jede militärische Einsicht abgeht, durch hochtönende Worte gereizt, seine Kräfte überschätzt.

Sogleich zogen die Scharen von Erstfeld zum „Rhinacht Seeli" (?) und hier wurden 7 französische Fouriere, welche ihnen

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zufällig begegneten, ermordet. Auf der Bären Matte (?) und im „Schächenwäldchen" kam es zum Kampf. Die an der Zahl be- deutend schwächeren Franzosen mußten getrennt den Rückzug antreten. Einzelne, die gegen Bürglen hinauf flohen, wurden bei der Loretto-Kapelle erschossen. Abends fielen verschiedene andere beim Uebergange der Reußbrücke unweit Seedorf. Auch einige Gefangene wurden von den Aufständischen gemacht, darunter der Grenadierhauptmann Dupin. Vinzenz Schmied, der ganz in der Art eines Freischarengenerals auftrat, zog folgenden Tages triumph- ierend mit den Seinen in Altdorf ein. Auch besetzte er Flüelen und entsendete Boten nach Schwyz, Unterwaiden, Faido, wie ins Wallis mit der Meldung: „Uraniens Harste sind sieghaft vorge- drungen." Bereits loderte überall das Feuer des Aufstandes. So in Schwyz, im Zugerland, in der Leventina, dem Ceresio und Mendrisiotto. Im Bündner Oberland und dem Oberhalbstein dagegen zögerten die Empörten bis zum Abend des 1. Mai. Diese That- sache beweist, daß die Aufstände wohl verabredet, aber ohne Ueber- einstimmung und bei einem plötzlichen Anstoße ausbrachen. Sie waren also von vorne herein fruchtlose Bemühungen, das Joch der Franzosen abzuschütteln.

Dennoch nahm man die Vorfälle in Luzern und Zürich, dem Sitze des helvetischen Direktoriums und des Hauptquartiers von Massena, sehr ernst. Der Obergeneral ordnete zugleich den Divi- sionär Soult mit den nötigen Truppen ab, um den Kanton Wald- stätten zu beruhigen. Von Einsiedeln aus erließ Soult eine Kund- gebung an die Bewohner, welche bei sofortiger Unterwerfung völliges Vergessen des Geschehenen zusicherte.113

Soult erzählt in seinen Erinnerungen :1U

„Ich wurde mit der heikein Aufgabe betraut, die Aufständ- ischen zu entwaffnen und den Frieden in ihren Bergen wieder herzustellen. Die Erregung der Geister war zum Gipfel gestiegen und die Empörung breitete sich mit äußerster Schnelligkeit aus. Eine Menge österreichischer Sendlinge streute Versprechungen unter diese einfache Bevölkerung aus und stellte ihnen die nahende Unterstützung in Aussicht. Bei dieser Lage der Dinge konnte die Nachsicht so gut wie die Strenge meine Unternehmung zum Scheitern bringen. Erstere wäre vielleicht als ein Zeichen der Schwäche aufgefaßt worden und die Straflosigkeit hätte weitere Erhebungen hervorgerufen. . . . Die Strenge dagegen besaß eben- falls ihre Unzukömmlichkeiten ... sie vermochte die Aufständischen zu weiterm Widerstände zu reizen . . . uns dergestalt in einen neuen Krieg zu verwickeln, der nicht nur einen Teil unserer Kräfte in Anspruch nahm, sondern sie auch zu einer dem Feinde sehr günstigen Ablenkung zwang. Diese letzte Betrachtung erschien mir als die entscheidende. . . . Ich nahm das allgemeine Vergessen

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und Vergeben, womit ich meine Maßnahmen gegen die Empörer beginnen wollte, auf meine eigene Verantwortung. Den 2. Mai (12. Floreal) erschien ich vor ihrem ersten Lager zu Rothenthurm. Sie zeigten sich erschüttert und schickten mir Abgeordnete, um über ihre Unterwerfung zu unterhandeln. Einige Stunden verweilte ich in Rothenthurm . . . dann marschierte ich mit meiner Division nach Schwyz. Auf dem Wege nahm ich mit Befriedigung wahr, daß die Landleute scharenweise herbeieilten, um ihre Waffen an der Straße niederzulegen, meiner Truppe Erfrischungen anzubieten und uns ihre Erkenntlichkeit zu beweisen. . . . (In Schwyz waren 4 Compagnien der 76. Halbbrigade beim Beginne des Aufstandes durch Landammann Reding vor dem sonst sicheren Tode bewahrt geblieben). Ich kam als Befreier und brachte Frieden, Sicherheit, das Vergessen des Geschehenen, und das in einem Orte, wo noch einige Stunden zuvor Aufregung, Angst und bittere Sorge vor der Zukunft geherrscht hatten. . . . Der Kanton Schwyz fand sich derart völlig beruhigt. . . . Aber es blieben noch die Kantone Uri und Unterwaiden zu unterwerfen und diese Aufgabe erwies sich als die bei weitem schwierigere. . . .

Um das Land in der Unterwerfung zu erhalten und um die helvetische Verwaltung zu schützen, ließ der Obergeneral in dem Maße, wie ich vorrückte,' meine Truppen durch schweizerische Halbbrigaden ablösen, deren meist aus dem Zürich stammende Soldaten nicht übel Lust zeigten, alte Feindseligkeiten zu erneuern und Rache am Kanton Schwyz zu üben. In der Folge kamen die von der Regierung gesendeten Agenten. Diese versuchten wohl, um ihren Einfluß zu vergrößern und vielleicht auch, um ihren persönlichen Geschäften zu dienen, jene als Widersetzliche zu behandeln und zu verfolgen, die auf meine Versprechungen hin sich unterworfen hatten. Alles wäre verloren gewesen, hätte ich solche gehässige Art der Gegenwirkung walten lassen, und wäre ich nicht zugleich dazu gelangt, die Schweizer Soldaten entfernen zu können. . . . Die Vorstellungen, welche ich an den Obergeneral richtete, wurden glücklicherweise gehört. Er rief augenblicklich die helvetischen Halbbrigaden zurück."

Aus dem „Hirten-Hemdli-Krieg", welche Bezeichnung der Aufstand in Schwyz erhielt, bekamen die empörten Urner einige Verstärkung. Als die Kundgebung von Soult im Lande Uri be- kannt wurde, widersetzten sich die Kantonsfremden gerade am meisten der Unterwerfung.

„Die tobenden Rotten der nach Uri geflüchteten Schwyzer und Zuger erzählt Lusser (S. 125) schrieen am lautesten dagegen und vermehrten die Wildheit der kampflustigen Urner, welche sich, von den Wellen eines unsichern Sees und himmel- hohen, schroffen Gebirgen umgeben, für unüberwindlich hielten,

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und Vincenz Schmied, benebelt von der Hoffnung hohen Ruhms, wollte nicht abtreten von der nun einmal betretenen Bahn, ob- wohl schon früh die Zwietracht im Innern seiner Armee, deren Glieder weder Gehorsam noch Ordnung kannten, ihn an dem Ge- lingen des Wagstückes mit Grund zweifeln ließen. Schon in den ersten Tagen hatte die kriegerische Hitze unter einem großen Teil des Landvolkes bedeutend nachgelassen, so daß nur die Drohungen der jetzt herrschenden Partei einerseits und das täg- liche Erscheinen des Direktorialschiffes und einer kleinen Flotille andererseits die kriegerische Teilnahme erhalten konnte."

Soult, der die Gefahr wohl beachtete, welche darin verborgen lag, daß der Weg über den Gotthard durch das Reuß- und das Tessinthal in den Händen der Aufständischen sich befand, ging geschickt zu Werke.

„Im Sommer hätte ich eine Kolonne aus dem Muotta- oder Bisithal über die Berge nach Spiringen und von dort nach Bürglen und Altdorf in den Rücken der gegnerischen Aufstellung ent- senden können. Ich gab bereits diese Richtung der 53. Halb- brigade, da man mich versicherte, daß die steilen Pfade für Landesbewohner schon gangbar seien. Aber während der Nacht fiel eine solche Menge Schnee, daß die Halbbrigade umkehren mußte und an dem Folgenden überhaupt nicht teil nahm." (Memoires II, 73).

Am 9. Mai morgens 3 Uhr schifften sich die französischen Truppen in Brunnen mit 3 Geschützen ein. Es waren dies die erste leichte Halbbrigade, 30 Chasseurs vom 1. Regiment und 1 Sapeurcompagnie. Um 7 Uhr erschienen die Schiffe an der Reußmündung. Das I./l. schiffte sich in Seedorf aus und folgte den beiden Ufern des Flusses nach Attinghausen und Amsteg; das IL/1, landete bei Rüti, stieg durch das Grünthal über den Eggberg und den Grünwald nach Altdorf hinunter. Von dort zog sich das Bataillon nach Bürglen und ins Schächenthal hinein. Das III. Bataillon und die übrigen Truppen erzwangen die Aus- schiffung etwas oberhalb Flüelen. Von Bauen her rückte endlich noch eine Reserve an, die von M/103. Halbbrigade gebildet wurde.

Die Aufständischen, 2000 Mann stark und durch Verschanz- ungen geschützt, in welchen 4 Kanonen standen, wehrten sich mit verzweifelten Mute. Bei Bolzbach gaben 40 Scharfschützen aus Erstfeld und Seedorf so gut gezielte Schüsse ab, „daß die Franzosen das Blut mit Schuhen aus den Schiffen schöpften und aus zwei Nauen nur noch wenige ans Land zu steigen vermochten. " Auch Vinzenz Schmied sühnte hier seinen Leichtsinn und die ihn beseelende vermessene Ruhmsucht durch einen wirklichen Helden- tod. Die Landleute gingen Schritt für Schritt fechtend bis Wasen zurück. Hier erhielten sie eine Verstärkung durch 100 Leute aus

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der Leveritina, welche Camossi, Gastwirt aus Airolo, ihnen zu- führte, sowie durch einige Walliser.

Am 11. Mai vor Tagesanbruch griff Soult die verschanzte Stellung bei Wasen mit Erfolg an. Auf dem Marsche zwischen Göschenen und Andermatt verloren die Truppen eine ganze Anzahl Mannschaften durch die von den Aufständischen herabgerollten Steine. Nur unter den größten Anstrengungen gelang es, die Ordnung in der Kolonne notdürftig aufrecht zu erhalten. Als dann eine Abteilung Eclaireurs die Landstürmer aus der Höhe vertrieb, war es wenigstens möglich, die bereits zur Zerstörung bestimmte Teufelsbrücke zu retten und den Durchgang des Urnerloches wieder zu öffnen. Nach diesem Erfolge zogen sich auch die Walliser in ihre Thalschaften zurück. Die Urner und Airoleser dagegen ver- schanzten die Paßhöhe ,, hinter Baumwollen- und Seidenballen, die sie in der Niederlage des Hospizes gefunden oder von Airolo hatten kommen lassen."115

Bei dem Mättelischutzhause erwarteten die Aufständischen die vom General Bontems geführte 1. Halbbrigade. Sie gingen erst dann zur Paßhöhe zurück, als sie sich von 5 Compagnien an den Abhängen von Furkaegg fast umgangen sahen. Immerhin gestaltete sich die Lage der Franzosen ziemlich peinlich durch die zunehmende Lawinengefahr und das den Truppen völlig ungewohnte Gelände. Auch die Stellung hinter den Baumwollenschanzen wurde durch 3 Compagnien über die Abhänge des Blauberges hin in den Rücken gefaßt und nun flohen die Aufständischen durch das Val Tremola hinunter. In diesem Augenblicke fiel reichlich Schnee und die Vereinigung der einzelnen Teile der 1. Halbbrigade verzögerte sich dadurch einige Zeit hindurch. Als es möglich Avurde. den Weg ohne allzu große Gefährdung fortzusetzen, erhielt Bontems Befehl, den fliehenden Gegner bis Airolo zu verfolgen. Dieser Ort wurde abends 5 Uhr besetzt. Bontems eilte jedoch weiter. Bei Ambri fiel noch in später Nacht ein lebhaftes Gefecht vor. Am 16. Mai vereinigten sich die Truppen der Division Soult mit jenen der Division Lecourbe vorwärts Faido, nachdem diese die noch bei Giornico stehenden letzten Aufständischen zerstreut hatten.

In Uri allein hatten 120 Bürger den tollkühnen Versuch mit dem Leben bezahlen müssen. Rechnet man die Verluste der Leventina zu dieser Zahl, so dürfte die Gesamtsumme wohl auf 200 Tote anschwellen.

In Bünden hatten sich die Franzosen die schwersten Be- drückungen zu Schulden kommen lassen.116 Ein Unterschreiber des berüchtigten Rapinat forderte zum Beispiel vom Kloster Dissentis im Namen des Obergenerals Massena einen Beitrag an die Kriegs- kosten in der Höhe von 100 000 Franken. Jener Schutzbrief, den General Loison für die gute Behandlung der am 6. März Gefangenen

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und Verwundeten ausgestellt, wurde nicht geachtet.117 Alle Kost- barkeiten mußten herausgegeben werden. Sogar die auf 40000 Tranken gewertete Steinsammlung des gelehrten Paters Placidus a Spescha verfiel diesem Schicksale. Im ganzen genommen und nach niedrigster Schätzung, nämlich französischer, leistete das Kloster eine Brandschatzung von wenigstens 80000 Franken. In Dissentis hauste der Armeelieferant Hardeville, „ein Mann ohne Barmherzigkeit und Ehrenhaftigkeit und dem Raube ergeben." Er wie sein Schreiber Trommage trieben durch Erpressungen aller Art das Volk zur Ver- zweiflung. Es waren also auch hier wieder die Zivilbeamten und nicht die Soldaten der französischen Armee, welche diese mit Schande bedeckten. Jedenfalls trug die damalige Verwaltung des Oberlandes die Hauptschuld an den nachfolgenden Ereignissen.118

Am 1. Mai brach der Aufstand in der Gemeinde Rueras aus. Dort wurde der Lieutenant Jakob Seytel im Hause des Kaplans gefangen genommen. In Dissentis geschah abends 7 Uhr das nämliche mit der Person des Hauptmanns Salomon. Dieser, ein tapferer Offizier, weigerte sich, unähnlich dem Lieutenant Seytel, seinen Leuten den Befehl zur Uebergabe zu erteilen. So traf ihn alsbald das Schicksal, erschossen zu werden. Hardeville, welcher sich im Kamine des Hauses Kastelberg verborgen, erhielt folgenden Tages ebenfalls die tödliche Kugel.

Die Mannschaften zogen sich in das Kloster zurück. Hier verteidigten sie sich tapfer, bis der Pförtner den Bauern die Hinter- thüre öffnete. Nur 13 Soldaten wurden zu Gefangenen gemacht, 11 dagegen vermochten zu entkommen. Besonders unmenschlich waren die trunkenen Medelser. Als am 2. Mai von den nach Truns geführten Gefangenen einige zu entkommen suchten, wurden ihrer 81 erbarmungslos getötet. Selbst Frauen und Kinder suchten der- artige Grausamkeiten auszuführen.119 Aus allen unterhalb Ilanz gelegenen Gemeinden wie auch in Truns konnten die rechtzeitig gewarnten Garnisonen nach Chur abziehen, das bereits in der Nacht vom 1. zum 2. die Nachricht erfuhr. Der Landsturm „stürzte in schrecklicher Unordnung thalabwärts.

In Reichenau angekommen, begingen die gar nicht geordneten Scharen wüste Auftritte der Trunkenheit. Aber schon näherten sich nun von Chur her die ersten, zur Brigade Menard gehörenden Franzosen. Früh um 3 Uhr am 3. Mai begann der Kampf. Gegen 6000 Aufständische, die geradezu in Raserei versetzt waren, konnten die 800 900 Franzosen natürlich nichts ausrichten.120 Bis Ems und selbst bis Plankis auf 3 km vor Chur zurückgeworfen, erhielten sie in der höchsten Not einige Verstärkungen.

Hier erschien Menard persönlich mit der letzten verfügbaren, von der Steig herangekommenen Reserve. Es waren dies 3 Com- pagnien des IL/ 103. Bataillons, etwa 500 Mann und 1 Schwadron.

Günther, Feldzug 1799. 6

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Die Halbbrigade hatte ihre im Oberlande ermordeten Kameraden zu rächen. Es ist aber wohl nicht berechnete Grausamkeit, sondern vielmehr die höchste Not gewesen, daß Menard gerade diese Truppen zur Unterdrückung des Aufstandes verwendete.

Der Landsturm wehrte sich heldenmütig, aber ohne Ordnung und Mannszucht. Ein Angriff der Reiterei warf ihn endlich in die Flucht. Verfolgt wurde er kräftig durch 2 Compagnien unter Kommandant Ragettli (gefallen als Oberst 1812 an der Beresina), der selbst ein Bündner war. In Reichenau betranken sich die flüchtigen Bauern wiederum in viehischer Art; halb oder ganz trunken wurden die meisten von ihnen zusammengehauen. Sie verloren 638 Mann außer jenen, die, beim Zusammenflüsse des Rheines in den Fluß gedrängt, dort ertranken.

Am 4. Mai marschierte Menard ins Oberland. Tamins ging in Flammen auf, die Kreise Grub, Lugnetz und Obersachsen, sowie Somvix das Dorf mußten Brandschatzungen leisten, Brigels z. B. 10 Schlachtkühe und 2500 Franken. Truns ward geplündert. Dissentis erhielt zuerst das Versprechen der Schonung gegen 10 000 Franken Brandschatzung. Als aber die Franzosen dort am 5. Mai erschienen, hielt Menard das Wort nicht, weil die Soldaten es nicht achteten, und er wohl zu schwach war, der Plünderung zu wehren. Die Leute fanden im Kloster die Uniformen ihrer ge- mordeten Waffenbrüder. Jetzt kannte ihre Wut keine Grenzen mehr. Am 6. ermordeten sie 22 Personen und zündeten das Kloster, 3 Kirchen, 115 Häuser, 102 Ställe mit 112 Stück Rind- und 204 Stück Kleinvieh an. Sieben Personen kamen in den Flammen um, 15 der angesehensten wurden gefangen nach Chur verbracht. Sie sollten hier prozessiert werden, wurden aber durch Hotze noch rechtzeitig befreit. Der Schaden kann nach heutiger Währung auf etwa P/2 Millionen Franken geschätzt werden. Mit dem Kloster verbrannten das reichhaltige Archiv, die alte Bibliothek und alle Kunstschätze in der Kirche. Die Medelser und das Tavetsch dagegen kamen mit Zahlung einer Brandschatzung von zusammen 10000 Franken davon.

Im Wallis ereigneten sich ähnliche Vorfälle. Zur Nieder- werfung des Aufstandes, der seinen Mittelpunkt in Brieg und Leuk fand, wurde die Division Xaintrailles bestimmt. Die Truppen, 6 Halbbrigaden, 3 Kavallerieregimenter waren auf Befehl des Direktoriums von Massena zur Armee in Italien entsendet worden. Sie marschierten in 3 Kolonnen, welche einander mit zwei Tagen Zwischenraum folgten. Am 12. Mai erreichte die erste Abteilung Lausanne und hier erhielt General Xaintrailles den Befehl, zuerst die Ruhe im Wallis wieder herzustellen und dann über den Simplon nach Novara und Turin weiter zu marschieren, um dort zur Ver- fügung von Moreau zu stehen.

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Die Empörer im oberen Wallis standen mit dem Berner Ober- land über die Griinsel, mit der bereits im Piemont eingerückten russisch-österreichischen Armee über den Simplon in Verbindung. Diese Aufständischen, etwa 6000 an der Zahl und im Besitze von 7 Geschützen, waren jedenfalls am besten geordnet. Sie wurden auch durch kriegskundige Führer befehligt, welche ehemals in französischen und piemontesischen Diensten gestanden waren.121 Für die Niederwerfung bestimmte Xaintrailles den dem Wallis selbst entstammenden Generaladjutanten Schinner. Er stellte ihm zur Lösung seiner Aufgabe die 110. Halbbrigade (Kommandant Lollier), das IL Freiburger Bataillon, das freilich nicht sehr starke 7. Husarenregiment und 6 Geschütze zur Verfügung. Schinner, dem es angeblich an Schießbedarf mangelte, kam nur bis Martigny. Die Freiburger wurden dabei auf das große Hospiz des Großen St. Bernhard und nach Martigny verlegt. Ein von der 110. Halb- brigade gegen die Stellung der Aufständischen im Walde von Pfyn (Finge) bei Leuk gerichteter Vorstoß erlitt von diesen eine kräftige, mit ziemlichem Verluste verbundene Abweisung. Unterdessen traf Xaintrailles am 15. Mai im Lager von Sierre ein. Aber noch ver- flossen volle zehn Tage, bis er eine Unternehmung wagte. Die Auf- ständischen hatten in der Nacht zum 24. Mai Sierre fast über- rumpelt. Am 25. morgens schritt Xaintrailles selbst zum Angriffe. Die Kolonne auf dem linken Rhoneufer, geführt von Komman- dant Barbier, 2 Bataillone und 1 Schwadron stark, säuberte den Pfynwald bis nach Leuk hin. Auf dem Wege über Salgetsch marschierte Xaintrailles geradezu gegen die Hauptstellung der Auf- ständischen hinter dem tief eingeschnittenen Thale des Dalafiusses. Er verfügte über 2 Bataillone der 89., über die 110. Halbbrigade und die Grenadierreserve sowie über 7 Geschütze. Eine von Varen aus nach Albinen und Gottet in den Rücken des Gegners entsendete Abteilung Flanqueurs brachte diesen bald zum Weichen. Die Auf- ständischen flohen dann mit Verlust ihrer Artillerie nach Raron. Bei der Besetzung der von den Empörern verlassenen Orte begingen die Franzosen die größten Grausamkeiten an den wehrlosen Ein- wohnern. Auch Brieg mußte von den Empörern folgenden Tages verlassen werden, als 2 Bataillone vom rechten Ufer des Saltineflusses her in den Ort eindrangen.122 Während ein Theil der Franzosen nun gegen den Simplon-Paß hinauf stieg, erreichte der andere Naters und von hier aus auch das am Wege gegen die Furka hin gelegene Dorf Morel. Noch hielten die von einem entschlossenen Manne aus dem Bezirke Coms, namens Prigg, befehligten Gegner die Stellung bei der Rhonebrücke gegenüber Grengiols besetzt. Xaintrailles wagte hier keinen Angriff, sondern erwartete erst die Ankunft der von Lausanne und Vevey heranmarschierenden 28. nnd 104. Halbbrigfade. Unterdessen erhielten die bereits stark

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gelichteten Reihen der Aufständischen eine wenigstens moralische Unterstützung durch 2 Bataillone der Brigade Strauch, von dem Regiment Banat und Michael Wallis, welche aber lediglich bei Oberwald eine durchaus unnütze Aufnahmestellung bezogen. So kam es, daß Xaintrailles am 1. Juni, als er mit seiner ganzen Macht die oben erwähnte Stellung vorwärts Lax angriff, nach 8 stündigem Kampfe, welcher von den Aufständischen mit der größten Erbitterung geführt wurde, Sieger blieb. Die zögernd herankommenden Oesterreicher mußten abends 8 Uhr ebenfalls, nach Zurücklassung von 200 Gefangenen, worunter sich mehrere Offiziere befanden, das Feld räumen. Die Franzosen wollen an diesem Tage einen Abgang von nur 30 Mann an Toten und Ver- wundeten gehabt haben.

Xaintrailles verlegte alsbald die Grenadiere der 110. auf die Paßhöhe des Simplon, eine andere Compagnie der nämlichen Halb- brigade in das Hospiz des Großen St. Bernhard, um derart die Zugänge von Piemont her ins Rhonethal zu sichern. Er selbst schlug sein Hauptquartier in Brieg auf und beobachtete von Lax aus die Grimsel, die Furka und die ins Bedretto und das Val Formazza führenden Uebergänge. Die helvetischen Truppen da- gegen, welche zumeist dem Kanton Freiburg entstammten und deren Befehl bald der Generaladjutant Franz Peter Felix von der Weid übernahm (1766 1810), bezogen Rückhaltstellungen. Im Monate Juli wurde dann der General Xaintrailles durch den General Turreau abgelöst.

Ueberall hatten demnach die Franzosen die Aufstandsversuche niedergeworfen, nirgends bewährten sich die seitens der Verbündeten gemachten Versprechen. Einem Strohfeuer gleichend, das zwar im Augenblick große Hitze entwickelt, dem es jedoch auf die Dauer an Kraft wegen des Mangels an Nahrung fehlt, so kennzeichnen sich diese kriegerischen Unternehmungen als nur für kurze Zeit bedenkliche Gefahren bergende Ereignisse.

Völlig umsonst floß das Blut vieler tapferen Männer, welche fielen, ohne ihrem Vaterlande durch den Opfertod zu nützen.

-~5>-e-

III.

Der Verlust des GottliarcL

Kaum in Bellinzona eingetroffen, ordnete Lecourbe die ihm unterstellte Division von neuem. Die Brigade Loison (12. leichte, Ueberrest der 6. und 76. Halbbrigade), die cisalpinischen Husaren und Guiden besetzten unter der Bezeichnung „rechter Flügel" die Stadt Bellinzona. Die Linie ihrer Vorposten zog sich aus dem Val Marobbia über die Paßhöhe des Monte Cenere durch den nörd- lichen Teil des sumpfigen Ticino-Delta (Piano di Magadino) hinüber zum Monte Carasso und der Sementina-Schlucht. Diese Stellung entspricht demnach genau derjenigen, welche heute die 1853 unter der Leitung des Generals Dufour angelegten Verschanzungen ein- nehmen. — General Ney deckte mit der Brigade des linken Flügels (109., I./38. Halbbrigade, 2 Bataillone des Corps d'expedition, 1 Schwadron des 12. Chasseurregiments) die Mesolcina und beob- achtete die Forcola. Im weitern sollten diese Truppen es versuchen, die durch die aufständischen Bewohner der Leventina unterbrochene Verbindung mit dem Gotthard wiederherzustellen.

Am 13. Mai entsendete Lecourbe in der nämlichen Absicht Bataillon II der 38. Halbbrigade unter dem Befehle von Capitaine Montfort nach Giornico. Hier fand sich ein Bataillon der 103. Halb- brigade eingeschlossen von den Aufständischen. Diese Truppe, zur Division Soult gehörig, hätte eigentlich die Verbindung zwischen Altdorf und Bellinzona sichern sollen. Sie erschien aber als viel zu schwach für einen solchen Dienst unter der empörten Bevölkerung.

Unterdessen hatte Generalmajor Prinz Rohan am 16. Mai den General Loison zur Ergebung binnen 24 Stunden aufgefordert. Es versteht sich von selbst, daß Lecourbe auf dieses sonderbare Schreiben eine gebührende Antwort erteilte.123 Zugleich setzte sich die Brigade gegen Taverne in Marsch. Generalmajor Prinz Rohan wartete jedoch die weiteren Ereignisse nicht ab, sondern ging eiligst durch den Mal Cantone und über Ponte-Tresa hinter diese Flußlinie zurück. Das Corps des Prinzen Victor Rohan bestand aus 2 Bataillonen und 3 Compagnien (1 Bataillon Erzherzog Anton,

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1 Bataillon Louis Rohan, 3 Compagnien Jäger Leloup), zusammen 1794 Mann. Es war also in der That zu schwach, einen Angriff des Gegners auszuhalten, geschweige denn selbst dazu überzugehen. So kam es auch gar nicht zu einem Gefechte bei Taverne, wie Clausewitz (I, 268) für den 13. Mai angibt. Es entstand auch kein „strategischer Schrecken" bei der Armee Suworoffs. Der alte Marschall ließ vielmehr den Grafen Hohenzollern mit der Hälfte der vor dem Schlosse von Mailand stehenden Belagerungstruppen (5 Bataillone Isch) nach Ponte-Tresa und Chiavenna abgehen, weil er dort gesichert sein wollte. Zunächst handelte es sich für Su- woroff darum, in der rechten Flanke gedeckt zu sein, um unbesorgt vor etwaigen Angriffen der Division Lecourbe in Piemont ein- dringen zu können. Erst in zweiter Linie sollten Generalmajor Prinz Rohan und Oberst Strauch es versuchen, gemeinsam mit FML. Bellegarde handelnd, die Gotthardstellung in ihre Gewalt zu bringen.

Lecourbe verlegte nun 2 Compagnien der 76. Halbbrigade nach Taverne, II./12. lcht. und I./76. blieben in Bellinzona, IL/76, in Cadenazzo und Magadino am Nordufer des Lago maggiore. Gegen Lugano wurde ein kleiner Kundschaftsritt unternommen, und Lecourbe entschloß sich, diese Stadt folgenden Tages anzugreifen. In diesem Augenblick traf jedoch die Nachricht von der Einnahme der Luzisteig und der Zersprengung der Division Menard durch die Corps der FML. Hotze und Bellegarde ein. So mußte Lecourbe zunächst daran denken, die eigene Rückzugslinie zu decken. Capi- taine Montfort kam mit IL/38, als Ablösung der Brigade Bontems von der Division Soult ins Ursernthai. In Airolo wurde er wiederum durch I./109. ersetzt. Das IL Bataillon der nämlichen Halbbrigade marschierte dagegen nach Olivone im Val di Blegno, um den Lukmanier-Uebergang zu beobachten.

Die Not der Division stieg in diesen Tagen aufs höchste. In den bereits in gewöhnlichen Tagen nicht allzu wohlhabenden Thalschaften hatte der Aufstand die letzten Vorräte beseitigt. Von der Kornkammer des Tessins aber, dem Mendrisiotto, stand man durch die österreichischen Bajonette getrennt. Lecourbe half sich so gut es ging. Während sechs Tagen konnte nur der vierte Teil der gewöhnlichen Brotmenge, in zwei Tagen überhaupt nur 60 g Reis auf den Mann verteilt werden. Zum Glück fand die Division in Magadino geringe, Händlern gehörende Vorräte; aber es fehlte an Mitteln, sie fortzuschaffen. Obgleich die Geschütz- bespannungen bei Tage wegen der Nähe des Gegners angeschirrt blieben, mußten sie doch nachts, so oft es ihnen nur möglich warr den Weg von Magadino nach Bellinzona (15 km) zurücklegen.

Am 17. Mai bestanden die Vorposten der Brigade Ney ein kleines Gefecht mit stärkeren, vom Obersten Strauch entsendeten

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Abteilungen. Ebenso griffen die Oesterreicher den Posten von Taverne an, welchen I./12. leichte Halbbrigade decken sollte, aber durch ihren vollkommen ungenügend gehandhabten Wachtdienst verlor. Die soeben abgelösten beiden Compagnien der 76. Halb- brigade hielten nur mit größter Mühe den Stoß aus. Jedenfalls drangen die Gegner in die Ortschaft ein, bei welcher Gelegenheit 168 Franzosen in Kriegsgefangenschaft fielen.124 Das Corps Rohan war nämlich unterdessen durch die von Mailand heranmarschierenden Truppen des Generalmajors Grafen Hohenzollern auf 6000 Mann angewachsen. Solche Uebermacht mußte natürlich einen Erfolg erzielen, ward aber wie gewöhnlich keineswegs ausgenützt.

Bei der nun folgenden Verlegung der französischen Truppen nach rückwärts übernahm 1.76. den Dienst der Vorposten bei Giubiasco, der Rest der 6. Halbbrigade stand dagegen im Val Marobbia.

Am 19. Mai ließ Lecourbe drei Häupter des Aufstandes in der Leventina zu Bellinzona vor der Porta Tedesca auf Grund eines standrechtlichen Urteils erschießen.

Während einzig zwei Compagnien die Stellung hinter der Sementina-Schlucht noch hielten, trat die Division den Marsch das Thal aufwärts nach Biasca an.

Am 20./ 21. Mai befand sich das Divisions-Hauptcpiartier in Giornico, die Kachhut stand auf dem rechten Ufer der Moesa. Am 22. hatten die vordersten Truppenteile, welche unter den Be- fehlen des Generals Xev sich befanden, Amsteg erreicht, indes General Loison mit der 76. Halbbrigade und einer aus 24 Mann bestehenden Reiterabteilung Giornico deckte. Diese große räum- liche Trennung der einzelnen Glieder der Marschsäule erklärt sich aus den auf die Verpflegungsverhältnisse zu nehmenden Rücksichten und im weiteren durch den großen Troß. (Dieser erhielt seine vorzüglichste Verstärkung durch die Wagen und das Gepäck der aus den Provinzen Como und Varese geflüchteten cisalpinischen Zivilbeamten.) Sie konnte aber nur deshalb ungestraft durch- geführt werden, weil der Gegner durchaus keine Verfolgung ansetzte.

Prinz Rohan und Oberst Strauch, welche zusammen über 8600 Mann (10 Bataillone, 4 Compagnien, 3,i Schwadronen) ver- fügten, blieben nämlich bis zum 26. Mai unbeweglich in Bellinzona stehen. Graf Hohenzollern, der noch dem Prinzen Rohan 1 russ- isches (Förster) und 1 österreichisches (Thurn) Bataillon überlassen hatte (zusammen 1500 Mann), kehrte am 20. Mai wieder nach Mailand zurück, um die dortigen Belagerungsarbeiten weiter zu führen. Oberst Strauch befehligte 5025 Mann oder 6 Bataillone (2 Wallis, 1 Grenadier W'eißenwolff, 1 Banat, 1 Carneville, 1 Siegen- feld), 1 Compagnie Leloup-Jäger und 3U Schwadronen Erdödy- Husaren.

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Am 23. überschritt der Divisionsstab die Paßhöhe des Gott- hard, der, wie das Feldtagebuch ausdrücklich erwähnt, noch voll Schnee lag. Loison hatte an diesem Tage Airolo und Quinto besetzt.

Am 24./25. Mai nahm die Division folgende Stellungen ein: General Loison mit IL; 38., I. und IL/76, in Airolo. Ferner in Urseren I./109., IL/ 109. in Wasen, 2 Bataillone Corps d'expedition in Am- steg, I., III. 38. Halbbrigade in Altdorf und Bürglen. In Atting- hausen und Seedorf stand ferner das IL Lemaner-Bataillon, welches der Division zugeteilt worden war. Das Hauptquartier von Lecourbe lag in Altdorf. Nach Schwyz, woselbst General Ruby stand mit dem Auftrage, das Muottathal und den Sattel zu decken, entsendete Lecourbe die 12. leichte und den Rest der 6. Halbbrigade, sowie überdies die bisherige Besatzung von Altdorf, das Bataillon de garnison der 44. Halbbrigade. Diese Truppen trafen in Schwyz zusammen mit dem Bataillon de garnison der 37. Halbbrigade, 5 Compagnien des I. Lemaner-Bataillons und 2 Compagnien aus dem Thurgau.

Der Rückzug aus der Leventina erscheint als eine Folge der stetigen Fortschritte, welche die verschiedenen Corps der Oester- reicher seit der Mitte des Maimonats in Graubünden und der Nord- schweiz gemacht hatten.

Der Sieg, den Erzherzog Karl über Jourdan bei Stockach am 25. März errang, ist der Ausgang aller jener Erfolge der Kaiser- lichen in Deutschland und der Schweiz gewesen, welche in der ersten Schlacht von Zürich (3./4. Juni) ihren Höhepunkt erreichten. Der strategische Angriff der Franzosen mußte jetzt erlahmen, das Mißlingen der gegen die Stellung von Feldkirch gerichteten Hand- lungen beschleunigte ihren Rückzug in die Schweiz. Zugleich aber ward Jourdan durch Massena ersetzt, welcher dergestalt mit geringen Ausnahmen alle Streitkräfte des nördlichen Kriegsschauplatzes in seiner Hand vereinigte.

Die Oesterreicher ließen, ihrem gewöhnlichen bedächtigen Wesen entsprechend, dem Gegner volle Zeit, das notwendige Zu- sammenschließen seiner Kämpfer zu vollenden. Erst gegen den Beginn des Maimonats begann die neuerliche Vorwärtsschiebung der einzelnen österreichischen Corps. Lecourbe mußte das Engadin räumen ; dagegen scheiterte der Angriff des Corps Hotze gegen die Stellung auf der Luzisteig. Wiederum trat bei dem Haupt- heere ein Waffenstillstand von zweiwöchiger Dauer ein. Nur die Division Lecourbe hatte auch während dieser Zeit ihren vornehmsten Auftrag, die Sicherung des Gotthardstockes, zu erfüllen.

Der Rückzug der Division Lecourbe aus dem Thale des Ticino ward jedoch unvermeidlich, als das Corps Bellegarde nach der mit FML. Hotze gemeinsam durchgeführten Besetzung von Graubünden zu weiteren Unternehmungen herangezogen wurde. Zwar gelangte

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in diesen Tagen (19. Mai) der Befehl von Suworoff an den FML. Bellegarde zu Lenz, wo er seit fünf Tagen unbeweglich stand, augenblicklich nach Italien abzumarschieren ; aber der Generalissimus der Verbündeten faßte auch zugleich den Plan, sich der Pässe über den Gotthard, den Simplon und den Großen St. Bernhard zu bemächtigen.

Immerhin rettete nur die Unthätigkeit des FML. Bellegarde die Division Lecourbe vor der vollkommenen Einschließung. Sie allein ließ die nötige Zeit, den Gotthard und damit die sichere Rückzugslinie zu gewinnen. Es ist selbstverständlich, daß das Benehmen des FML. Bellegarde in diesem Falle scharf und von den verschiedensten Gesichtspunkten aus beurteilt worden ist. Aber auch er war nicht so schuldig an der Gestaltung der Sachlage, wie es wohl scheinen mag. Unter den Befehlen Suworoffs nur dem Namen nach stehend, gehorchte er in der That den geheimen Anordnungen des Hofkriegsrats. Das führte nicht nur zu Miß- verständnissen, sondern geradezu zur Lähmung der Kräfte. Dem Einflüsse Thuguts jedoch durfte sich keiner der damaligen kaiser- lichen Generale entziehen, sofern ihm eine geebnete Laufbahn winken sollte. FML. Bellegarde endlich ist niemals der Mann gewesen, welcher seinen persönlichen Vorteil der allgemeinen Wohl- fahrt unterordnete.

Aehnlich behutsam handelte der FML. Hadik, unter dessen Befehl die Truppen des Generalmajors Prinz Rohan und des Oberst Strauch getreten waren.

Erst am 25. Mai kam es zwischen den Feldwachen der zwei Compagnien des in Piotta stehenden IL/ 76. und der die Spitze des heranrückenden österreichischen Corps bildenden Erdödy-Husaren zu einem unwichtigen Gefecht. Früh 3 Uhr am 26. erfolgte der eigentliche Angriff der Oesterreicher mit 4 Bataillonen (je 1 von Siegenfeld, Wallis, Rohan und Banat). Nach einigem Widerstände gingen die Franzosen nach Airolo zurück. Hier befehligte der Bataillonschef Lovisi vom IL/76., nachdem Loison am 25. früh mit I./76. gegen den Oberalp-Pass abgegangen war und IL/38, in Hospenthal gelassen hatte. Mit 20 Chasseurs und unterstützt durch die Grenadiercompagnie stieß Lovisi so stark auf den anrückenden Gegner, daß dieser mit einem Verluste von 60 Mann an Gefangenen nach Piotta zurückwich. Einzelne österreichische Schützen gewannen aber das bei Madrano sich öffnende Val Canaria. Dies hatte die Folge, daß die Kaiserlichen die Flußenge des Stalvedro nunmehr beherrschten und überdies in der Lage waren, die Stellung bei Airolo über den Passo della Sella (2744 m) zu umgehen.

Lovisi deckte den Aufstieg zum St. Gotthard-Paß in der Weise, daß er bis zum nördlichen Ausgange des Val Tremola zurückging. Der rechte Flügel seiner schwachen Kräfte lehnte dabei an den

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Abfluß der Hospiz-Seen, der linke an die steil herabstürzenden Felsen westlich der Alpe di Sonescia (Punkt 2042, 6, Blatt 491 des Topogr. Atlas der Schweiz). Die Brücke vorwärts dieser Stellung wurde natürlich zerstört. Die Grenadiercompagnie stand als Reserve im Hospiz, zugleich mit dem Auftrage betraut, die Ausmündung des Passes della Sella zu beobachten.

Die Oesterreicher verhielten sich jedoch an diesem wie in der Frühe des folgenden Tages (27. Mai) vollkommen ruhig. Erst als gegen Mittag Generalmajor Prinz Rohan mit der Hauptmacht der Division herangekommen war, schritten sie zögernd zum Angriff. Lovisi hatte unterdessen aus Hospenthal Verstärkung durch fünf Compagnien vom IL/38, erhalten. Eine derselben ließ er beim Hospiz stehen, 2 andere bezogen ebenfalls die erwähnte Gefechtsstellung, die zwei letzten endlich suchten Airolo in der Weise zu decken, daß sie oberhalb des heutigen Tunneleinganges die Straße in auf- gelöster Ordnung besetzten. Der Gegner bandelte sehr behutsam. Ein Bataillon Banater suchte vom linken Flußufer aus Airolo zu umgehen, während 4 Kanonen gegen 6 Uhr nachmittags ihr Feuer eröffneten. Als die Umgehung fast durchgeführt worden, bei einbrechender Nacht (7 Uhr 30 nachmittags schreibt das Feldtage- buch), traten die Franzosen den Rückzug an. Da jedoch die sichere Meldung einlief, daß die Oesterreicher (Leloup- Jäger) bereits die Höhe des Sella-Passes gewonnen hätten, derart überlegenen Kräften aber auf die Dauer keinerlei Widerstand geleistet werden konnte, so setzte Lovisi noch in der Nacht zum 28. den Marsch bis nach Hospenthal fort, woselbst er sich dem General Loison zur Verfügung stellte. In Airolo blieben jedoch 400 Säcke Reisy 100 Eimer Wein, einige Eimer Branntwein und andere Lebens- mittel nebst einer vierpfündigen Kanone und ziemlichen Mengen für die Infanterie verfertigten Schießbedarfes zurück. An Mann- schaften büßten die Franzosen hier und im Muottathale am 27. /28. Mai zusammen 27 Tote, 218 Verwundete und 142 Gefangene ein. Dagegen machte die Division 130 Gefangene.

Unterdessen waren jedoch weitere ernste Ereignisse im Muotta- thale vorgefallen.

Der Oberst Cavasini des Corps von FML. Hotze hatte den Auftrag erhalten, mit 5 Bataillonen und 1 Schwadron von Glarus und Näfels aus die Linthufer und den oberen Zürichsee zu besetzen. Seine Unternehmung richtete sich demnach eigentlich gegen die Division Menard, welche diese Punkte vorläufig deckte. Da eine gewaltsame Erkundung am 25. Mai bei Reichenburg unglücklich für die Oesterreicher verlief, so beschloß Oberst Cavasini, die Stellung von Menard durch das Klön- und Muottathal über Ein- siedeln zu umgehen.

Zu den Truppen des Obersten Cavasini gehörte auch die Legion

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Roverea in der Stärke von etwa 800 Schweizern.125 Da Roverea wohl selbst darauf drang, daß ihm der Befehl der Abteilung zu übertragen sei, ward er wirklich an die Spitze derselben gestellt. Am 27°Mai in der Frühe setzten sich 600 Legionäre, 600 Kroaten vom Broder Regiment, 30 Ulanen, 300 Glarner und 20 Schwyzer- Landsturm-Schützen, sowie 14 Artilleristen mit 2 von Maultieren getragenen Gebirgsgeschützen nebst 100 Pionieren und 20 Saum- pferden, welche die Munition schleppten, unter Führung von 20 des Weges kundigen Männern gegen den Pragel-Paß (1547 m) in Bewegung. Von Glarus bis zur Paßhöhe rechnet man 6*/a Stunden, bis Muotta weitere 2 Stunden Marschzeit. Die Kolonne Roverea erreichte den erstgenannten Punkt bei bereits eingefallener Nacht. Auf der Paßhöhe stand eine Feldwache von 40 Franzosen, welche, wie gewöhnlich, keinerlei Vorsichtsmaßregeln getroffen hatte. Als jedoch Lieutenant Ledergerwer zu ihrer Gefangennahme schritt, tötete ein Kroat den Bauern, welchem das Haus gehörte, in dem die Gegner ruhten. Durch den entstehenden Lärm noch recht- zeitig gewarnt, vermochten die Mannschaften sich ins Muottathal zu retten. Ohne Aufenthalt und trotz des tiefen Schneas, welcher dazu zwang, die Einerkolonne für den Marsch anzuwenden, erfolgte sogleich der Abstieg. Gegen 3 Uhr früh traf man auf den Gegner, der, von General Rubv befehligt (im Feldtagebuch schreibt Lecourbe von ihm, er habe „soi disant" an diesem Tage weder zu Pferde steigen noch auch gehen können) und bei 3000 Mann stark, in größter Unordnung das Gefecht aufnahm. Die 12. leichte Halb- brigade trat in völliger Ueberstürzung den Rückzug an. Roverea dagegen ließ sich durch den leicht errungenen Erfolg verleiten, die gute Stellung von Muottathal zu verlassen, ehe die nötigen Verstärkungen eintrafen. So erreichte ihn das Schicksal.

Als nämlich Lecourbe von diesen Ereignissen Nachricht er- hielt, setzte er sogleich mit 3 Compagnien Grenadieren und zwei Geschützen von Flüelen nach Brunnen über den See. Trotz des heftigen Föhns, der ihn bis zum späteren Nachmittage am Landen verhinderte, erreichte er noch am 27. Schwyz, wohin I./38. als Unterstützung folgte.

Am 29. bei Tagesanbruch griff Lecourbe den Gegner bei der Brücke über das Klingen -Tobel an. Hierzu wurden die 12. leichte Halbbrigade, der Rest der 6. und die 3 Grenadier- compagnien der 38., 76. und 109. Halbbrigade verwendet. Trotz des Kartätschfeuers der beiden Gebirgsgeschütze erstürmte doch die vom tapferen Bataillonschef Coste befehligte 12. leichte Halb- brigade den Uebergang in der Front. Lecourbe erwähnt bei dieser Gelegenheit, daß die junge, im Jahre 1798 ausgehobene Mann- schaft (Konskribierte) hier in glänzender Weise ihre Aufgabe er- füllte. Unter ihr zeichnete sich besonders aus der im März wegen

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der von ihm bewiesenen Entschlossenheit zum Korporal beförderte Masset von der 6. Halbbrigade.

Der Gegner, zum Teil abgeschnitten, verlor etwa einen Drittel seiner Mannschaft, nämlich 50 Tote, 200 Verwundete und 200 Gefangene. Unter den letzteren befanden sich auch 2 Offiziere der Legion, die Lieutenants Haller und Imthurn.126 Natürlich vermochten die Oesterreicher nicht die beiden Gebirgsgeschütze zu retten.

Nach Altdorf zurückgekehrt, traf Lecourbe dort mit dem General Loison zusammen, welcher unterdessen unglücklich ge- kämpft hatte.

Am 29. erreichte nämlich FML. Hadik das Hospiz auf dem St. Gotthard-Paß (2095 m) und zugleich erschien Oberst St. Julien im Ursernthai. Seine Brigade zählte 4292 Mann, die sich in drei Bataillone Kinsky (2222 Mann), IV2 Bataillone Neugebauer (887 Mann), 1 Bataillon de Yins (849 Mann) und \ 2 Bataillon Munkacy (384 Mann) verteilten. Von Selva im Tavetsch den 29. Mai um 1 Uhr 30 Min. vormittags aufgebrochen, überschritt die Kolonne den schwach besetzten und kaum verteidigten Oberalp-Paß (2048 m), um am gleichen Tage Andermatt zu erreichen. Ein Bataillon blieb als Reserve auf der Paßhöhe zurück. In Hospenthal befand sich noch das vom Bataillonschef Lenud befehligte I. Bataillon der 76. Halbbrigade. Hinter Andermatt, bei der Teufelsbrücke, traf diese Truppe auf den Gegner und ohne Zögern wurde der Versuch gemacht, sich mit dem Bajonette durchzuschlagen. Die kühne That gelang, nur 2 Compagnien der Nachhut mußten, von allen Seiten umringt, das Gewehr strecken. Unaufhaltsam drängten die Oesterreicher vorwärts gegen den See hinunter. Erst in Amsteg gelang es den Bataillonen vom Corps d'expedition, etwelchen Widerstand zu leisten. Immerhin mußten auch sie bald hinter den Kärstelenbach zurückgehen. Bei dieser Bewegung fielen weitere 80 Mann dem Gegner als Gefangene in die Hände.

In dem Augenblicke der höchsten Gefahr erschien Lecourbe, begleitet von Loison und den Stäben, an der Spitze von 50 Chas- seurs und 6 Grenadiercompagnien, Avie den verfügbaren Teilen der 109. Halbbrigade auf dem Kampfplatze. Da die Bachbrücke abge- brochen worden, entspann sich nur ein Schützengetecht von einem Vier zum andern, das aber bis zur Nacht andauerte. Der Tag kostete den Franzosen 29 Tote. 168 Verwundete und 467 Ge- fangene. Unter den letzteren befand sich auch der Bataillonschef Ducasson von der 109. Halbbrigade und mehrere andere Offiziere.

Der 30. Mai brachte im Ganzen wenig Bewegung für beide Teile. Bei Aesch im Schächenthal erschien eine vom Klausenpaß herabsteigende gegnerische Patrouille, welche sich aber bald wieder in das Lager auf dem ITrnerboden zurückzog.127

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Oberst St. Julien, der ebenfalls zu den übertrieben vor- sichtigen Führern gehörte, ging noch in der Nacht vom 29. zum 30. wieder nach Wasen zurück. Hinter der Meien-Reuß bezog er eine gesicherte Stellung. An Nachzüglern (!) verlor dabei die Kolonne 15 Mann. General Loison ließ das Maderanerthal er- kunden und hierbei wurden ebenfalls einige erschöpfte Leute, darunter 12 Verwundete nebst einem Oberfeldscher, gefangen.

Lecourbe hatte sich freilich für den 30. Mai (13. Prairial) zum Angriffe entschlossen gehabt. Wirklich entsendete er den General Loison zu diesem Zwecke mit dem Corps d'expedition und I./109. Halbbrigade. Das eingefallene schlechte Wetter hinderte jedoch selbst ein lebhafteres Feuergefecht und so mußte die Unternehmung auf den folgenden Tag verschoben werden.

Am 31. Mai in der Frühe begann der Kampf von neuem. Während 1 Bataillon Corps d'expedition oberhalb der Straße auf dem rechten Ufer der Reuß am Thalrande sich vorschob, er- reichte das andere Bataillon längs des Osthanges des Schynberges ob dem Pfaffensprung das Meienthal. Die 109. Halbbrigade blieb auf dem großen Wege. Ihr folgten als Reserve 3 Grenadier- compagnien (38., 76., 109. Halbbrigade). Die Kolonne links um- ging den Gegner, der, in der Front ebenfalls überraschend ange- griffen, Wasen mit einem Verluste von 300 Mann an Gefangenen aufgab. Immerhin gelang es den Oesterreichern, sich wieder zu sammeln. Ein heftiger Vorstoß erfolgte gegen 11 Uhr morgens, und nun war es an den Franzosen, in fluchtartiger Eile die kaum besetzte Ortschaft zu räumen. Um 4 Uhr nachmittags erschien Lecourbe mit den Grenadieren. Das Gewehr eines Gefallenen er- greifend, stürzte er sich an der Spitze der Mutigen auf den Feind. Dieser vermochte es nicht, Stand zu halten, sondern wich eben so schnell, wie er gekommen. Während des Gefechtes und der bis zur Teufelsbrücke ausgedehnten Verfolgung verloren die Oesterreicher 1 Major vom Regiment Neugebauer, 8 Hauptleute, 9 Lieutenants, 1340 Mann an Gefangenen, 120 Tote und 650 Verwundete. Der Kampf dauerte bis in die sinkende Nacht.128

Einzig der Umstand, daß die Kaiserlichen den Straßenbogen der Brückenauffahrt teilweise zu zerstören vermochten, hinderte die völlige Auflösung auch des letzten Truppenrestes. FML. Hadik entsendete zwar am späteren Nachmittage eiligst ein Bataillon zur Verstärkung nach Göschenen ; doch ist dasselbe wohl zu spät gekommen, um noch entscheidend eingreifen zu können.129

Die Zersprengung der Streitkräfte des Obersten St. Julien war eine vollständige. Noch folgenden Tages machten die Fran- zosen in den Bergen ob Göschenen an 250 Versprengte zu Ge- fangenen, darunter 1 Hauptmann und 24 Jäger vom Corps Le- loup. Die Franzosen wollen (F. T. B.) am 30./31. nur 10 Tote,

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darunter den Chef der 109. Halbbrigade, und 167 Verwundete verloren haben. Auch General Loison wurde leicht am Arme verwundet.

Lecourbe gedachte am 3. Juni den Kampf zu erneuern, eben hatte er die nötigen Verfügungen dazu getroffen, als der Adjutant des Obergenerals Massena eintraf. Dieser überbrachte den Befehl, sogleich den Kanton Waldstätten zu räumen, da Erzherzog Karl bereits Zürich bedrohe. Unter diesen Umständen mußte Lecourbe von der Wiedereroberung des Gotthard absehen.

Am 4. Juni zogen sich die in und um Schwyz stehenden Truppen, die Brigade Rheinwald (ehemals Ney, dann Ruby) nach Gersau und Rothenthurm zurück. Die Brigade Loison bewerk- stelligte die nötig gewordenen Bewegungen in der Weise, daß die 38. Halbbrigade noch am 3. Juni von Bürglen nach Flüelen marschierte und von dort über den See nach Beckenried und Stans gesetzt ward. Am 4. ging dann das Corps d'expedition von Amsteg nach Arth, die 109. Halbbrigade von Göschenen und das II. Lemanerbataillon von Bauen nach Seelisberg. Den Rückzug deckte Lecourbe durch fortgesetzte Vorstöße in Form von Er- kundungen. Während 11/76. Halbbrigade von Spiringen nach Seedorf marschierte, bewegte sich 1/76. von Amsteg nach Atting- hausen und Seedorf. Die Grenadierreserve blieb noch die Nacht zum 5. Juni in Altdorf. Ueber Brunnen und Arth wurden unter- dessen die Artillerie, der Schießbedarf und die Kavalleristen (1 Schwadron, 12. Chasseursregiment) nach Luzern entsendet. Endlich, am 5. Juni morgens 3 Uhr, schiffte sich Lecourbe als letzter mit den noch im Reußthal verbliebenen Truppen bei See- dorf ein. Ueber Beckenried und Stans erreichte er sein neues Hauptquartier in Luzern.

Dagegen nahmen die Oesterreicher die verlassenen Stellungen in den Kantonen Uri und Schwyz ein, so daß die Bevölkerung keineswegs zum Aufatmen unter ihrer schweren Last kam.

Wie sehr besonders Suworoff die Besetzung des Gotthard- stockes durch FML. Hadik zu schätzen wußte, geht daraus her- vor, daß er diesem „für die von ihm angewendete Angriffsweise mit der blanken Waffe" (?) seinen Dank aussprach und zugleich einen Tagesbefehl an die Truppen erließ, in welchem folgende Stelle vorkam:

„Es ist bei dieser Gelegenheit allen Truppen bekanntzugeben, daß sie bei dem Angriffe immer so zu Werke gehen sollen wie General Hadik : die Infanterie soll sich nie mit zu vielem Feuern abgeben, sondern sich mit dem Bajonette auf den Feind stürzen, die Kavallerie mit dem Säbel die'' Reihen der Infanterie und Ka- vallerie durchbrechen."

FML. Hadik war jedoch außer Stande, nach der Besetzung

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des Gotthard noch weitere Fortschritte zu machen. Seine Division löste sich gleichsam stückweise auf. Generalmajor Prinz Rohan marschierte auf den früher gegebenen Befehl von Suworoff hin wieder nach Bellinzona und von da über Locarno und durch das Centovalli-Thal nach Domo d' Ossola.

Zur Verfügung von FML. Hadik verblieben die Brigade St. Julien muß natürlich abgerechnet werden nur 6 Bataillone und 1 Jägercompagnie Leloup. Und selbst von dieser geringen Truppen menge mußte er 12 Compagnien ins Oberwallis gegen die anrückende Division Xaintrailles, 3 Compagnien auf die Grimsel und die Furka, 5 Compagnien zur Verstärkung der geworfenen Brigade St. Julien entsenden.

Schon war FML. Hadik fest entschlossen, am 3. Juni die Gott- hardstellung wieder zu räumen, als jene unerwartete Wendung der Dinge beim Gegner eintrat. Zugleich erfuhr er, daß Generalmajor Herbert aus dem Bündner-Oberlande mit Verstärkungen heran- rücke. Nur durch dieses Zusammentreffen glücklicher Umstände blieb der Gotthard den Verbündeten erhalten. Suworoff dagegen befahl dem FML. Bellegarde, 3000 Mann zur Verstärkung des Corps Hadik sogleich abgehen zu lassen, damit dieser zum Angriff gegen Xaintrailles schreiten könne. Prinz Rohan erhielt Befehl, dem Walliser Landsturm den nötigen Schießbedarf und 4 Gebirgs- geschütze über den Simplon zugehen zu lassen.

An FML. Hadik selbst schrieb der alte Marschall ermutigend: ,Der tapfere FML. Hadik schlug mit Ruhm die beiden Divisionen Lecourbe und Loison und trieb dieselben in die Schweiz zurück; jetzt wäre es für denselben noch von größerer Wichtigkeit, mit seinem Corps auch den feindlichen General Xaintrailles zu schlagen." Und ferner: „Der St. Gotthard ist der wichtigste Punkt auf dem ganzen Kriegsschauplatze und dies sowohl für Italien als für die Schweiz. Um ihn zu halten, müssen alle Mittel angewendet werden, oder besser gesagt es muß der Feind angegriffen und in die Flucht geschlagen werden." An Erzherzog Karl meldete Suworoff: „Um nach Maßgabe meiner Kräfte zu den glänzenden Erfolgen Ew. Hoheit mitzuwirken, habe ich befohlen, das Corps Hadiks bis zu 12 000 Mann zu verstärken, damit derselbe über den Simplon und den St. Bernhard ins Wallis und dann gegen Martigny, St. Maurice, Aigle, Villeneuve und Vevey vordringen könne."

In einem von FML. Hadik selbst gefertigten Standesausweise vom 9. Juni (Miliutin II, 454, Nr. 198) verfügte er über 15 Ba- taillone, 271/2 Compagnien und 1 Schwadron mit zusammen 12 597 Mann. Diese Truppen verteilten sich wie folgt :

9(5

Brigade Strauch. Brigade St. Julien.

1 Bataill. Banat 976 M. 2 Bataill. Xeugebauer 518 U.

2 Wallis 1701 1 de Vins 423 1 Grenad.AYeißenwolf 1714 1 ., Kinsky 687 6 Comp. Siegenfeld 683 3 Comp. Munkacy 170 6 Carneville 392

1 Scnwadr. Erdödy-Husaren 174

Brigade de Briev. Brigade de Xobili.

3 Bataill. Großh. Toscana 2119 M. 2 Bataill. Oranien 1706 M. 1 St. Georgen 932 ., 3 Comp. Trautenberg 281

6 ., Greth 634

3 Jäger Leloup 325

1 2 Pioniere 71

Suworoff entsendete sogar den Obersten Weyrother zu FML. Hadik, um diesen zum Handeln zu bewegen. Alles ohne Erfolg ; der österreichische General blieb unbeweglich in Airolo und dem Urserenthale stehen, ohne Xaintrailles weiter zu beunruhigen oder Lecourbe im Reußgebiete zu verfolgen.

So erklärt sich auch der scharfe Verweis, den diese Unthätig- keit ihm von Seiten Suworoffs zuzog:

„Trotzdem Sie Sieger gewesen, machten Sie dennoch Halt und blieben wieder bei Ihrem „Unterkunft und Unbestimmt gesagt" stehen. Sie hätten, nachdem Sie den Feind geschlagen, denselben verfolgen sollen ; im Falle eines Sieges kann man den Feind auch durch eine kleine Abteilung abschneiden. Statt dessen fiel Oberst St. Julien zum Opfer; derselbe wurde angegriffen und erlitt das Schicksal, das eigentlich den Feind hätte treffen sollen. ... Sie haben ein hübsches Corps, dessen Stärke sich fast auf lOOüO Mann belief; wegen Ihrer planlosen Anordnungen mußte ich in aller Eile mehr als den dritten Teil des Beilegardeschen Corps Ihnen zusenden, obgleich dasselbe doch gegen den Feind, der aus Toscana heranrückt, hätte verwendet werden sollen; die Ihnen gesendete Verstärkung brachte auch nicht den geringsten Nutzen. " (Miliutin II, 126.)

In der That befand sich aber Lecourbe seit dem Erscheinen größerer gegnerischer Streitkräfte im Muottathal und auf dem Klausenpasse ohne eigentliche Rückzugslinie. Als vollends die Entscheidung bei Zürich bevorstand, welche, wie Massena wohl im voraus wissen konnte, mit einem Rückzuge für ihn enden mußte, da war es nur ein Gebot der Klugheit, daß er die Division Lecourbe aus dem Reuß- und Muottathale so nahe als möglich an sich zog.

Clausewitz (I, 330 333) faßt die Ergebnisse der von der Division Lecourbe im Laufe des Monats Mai gelieferten Kämpfe und die Bedeutung des Besitzes der Gotthardstellung in folgenden Sätzen zusammen:

„Wir sehen also den General Lecourbe in den vier Wochen

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des Mai eine fünffache Bewegung machen, von Ponte über Lenz, den Bernhardin, Bellinzona, den St. Gotthard nach Altdorf, ohne daß diese Bewegung ein eigentliches strategisches Objekt erreicht hätte, denn der kleine Sieg über den Prinzen Rohan war zu un- bedeutend und zu ungewiß, als daß er dafür gelten konnte. Kaum ist er bei Loison eingetroffen, so muß er nach dem St. Gotthard ; kaum auf dem St. Gotthard angekommen, ruft ihn der Befehl Massenas nach Altdorf. Freilich haben wir für Lecourbes Be- wegung nach Bellinzona einen Grund angegeben , nämlich die Zugänge zum St. Gotthard zu decken. Hier fragen wir aber nicht nach den Motiven, die der General Massena hatte, sondern nach dem Nutzen, den die Bewegung wirklich gestiftet, und kommen erst durch diesen auf die Zulässigkeit des Motivs. Die Bewegung Lecourbes zeigt, daß Massena den St. Gotthard nicht halten, noch viel weniger die Gegend von Bellinzona behaupten konnte, und doch war Beliegarde abmarschiert und hatte von seiner Armee nur etwa 15000 Mann gegen die Schweizer Armee gelassen; wie viel weniger konnte also die Absicht Massenas zulässig sein, da er gar nichts von diesem Abmärsche Bellegardes wußte !

Wenn wir gleichwohl den General Lecourbe in diesen vier Wochen drei kleine, aber sehr verschiedene Siege, den 13. Mai auf dem Monte Cenere, südlich von Bellinzona, gegen Rohan, den 28. im Muottathal am Yierwaldstättersee gegen Cavasini, den 31. aber im Thale der Reuß gegen St. Julien erfechten sehen, so ist das wieder nur der unnachahmlichen Thätigkeit und großen Ent- schlossenheit dieses Generals zuzuschreiben. Der Weg, welchen er vom 4. bis 31. Mai zurücklegt, beträgt etwa 40 Meilen, dreimal übersteigt er die Kette der hohen Alpen und zweimal überschifft er den südlichen Teil des Vierwaldstättersees. Die französischen Fahnen allerdings müssen es dem General Massena Dank wissen, dem General Lecourbe Gelegenheit zu diesem bewunderungswürdigen, höchst glänzenden Abschnitte des Feldzugs gegeben zu haben.

Hier ist die Frage an ihrem Orte, welchen Wert der Besitz des St. Gotthard für beide Teile haben konnte. Wir sind so dreist zu behaupten: einen sehr unbedeutenden, so anstößig dies auch dem Generalstabe aller Armeen sein mag.

Daß er in seiner geologischen Bedeutung als der höchste Punkt der Schweiz, als der Teilungspunkt des großen europäischen Wasserzuges einen Wert haben könne, leugnen wir ganz, ohne uns darüber auszuweisen, weil wir der Meinung sind, daß es gerade jenen Männern, die dem Begriffe des Dominierens diese illusorische, größtenteils figürliche Bedeutung gegeben haben, obliegt, den Beweis für die Realität derselben zu führen, den sie immer noch schuldig sind.

Es hat sich nämlich diese ganze Ansicht bis jetzt immer nur

Günther, Feldzug 1799. 7

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noch in Phraseologie geäußert. Daß es unthunlich oder auch nur merklich schwieriger wäre, sich bei Dissentis oder Amsteg in einem Posten zu halten, als auf dem St. Gotthard, und bloß deswegen, weil dieser 3000 4000 Fuß höher liegt als jene Punkte, ist auch durch nichts erwiesen, sondern wird vielmehr selbst durch Beispiele aus dieser Kriegsgeschichte widerlegt. Aber freilich ist der St. Gott- hard auch ein Teilungspunkt für die Straßen, da er für Pferde und Lasttiere brauchbar ist. Auf der einen Seite sendet er Wege nach Chur und Altdorf, auf der anderen nach Brieg im Wallis, Domo d? Ossola und Bellinzona. Nun kann ein Straßenknoten in der Strategie allerdings von großer Bedeutung sein, aber nur wenn diese Straßen selbst eine Bedeutung haben, also wenn sie zu einem Gegenstande führen, der eine starke Beziehung zu dem kriegerischen Akte hat, und wenn eine Armee da ist, welche sie in dem einen oder anderen Fall benützen will. Die Straßen nach Domo d' Ossola und Bellinzona hatten für die Franzosen als Verbindung zwischen ihren beiden Armeen keinen Wert mehr, da die italienische sich nach den Apenninen zurückgezogen hatte; sie hätten also nur Wert haben können, wenn die Franzosen darauf bedacht gewesen wären, den Rücken der verbündeten Armee in Italien zu bedrohen ; das konnte aber vernünftigerweise in dem Augenblicke nicht ihr Zweck sein, wo die Armee Massenas in der Schweiz selbst so unmittelbar bedroht war. Der Weg durch das Walliser Thal war in den Händen der Insurgenten, und wenn er auch frei gewesen wäre, so gab es ja zum Paß über den großen Bernhard, welcher in dem Augenblicke der einzige Verbindungsweg von Wert war, noch andere Wege, als über den St. Gotthard. Der Weg über den Crispalt nach Chur fährte ins Rheinthal zu den Oesterreichern, der Weg nach Altdorf zur Armee Massenas. Aber erstlich setzt der Besitz des St. Gotthard keineswegs den des Crispalt voraus, wenn er ihn auch erleichtert; zweitens ist es ebenso übertrieben zu sagen, daß der Crispalt eine Herrschaft über das Rheinthal übt, denn wir müssen darauf zurückkommen zu behaupten, daß man sich, abgesehen von der Zufälligkeit der Lokalität, in einem Posten bei Dissentis oder irgendwo sonst ebenso gut halten könne, als auf dem St. Gotthard, und ebenso konnten die Franzosen den Weg zu Massena gegen die Oesterreicher decken, ohne auf dem St. Gotthard zu stehen. Wir meinen daher, daß der St. Gotthard, sobald Moreau die Lombardei nicht hatte, als Verbindungspunkt beider Armeen keinen Wert haben konnte ; wollte man aber sagen, er hätte ihn mittelbar gehabt, um die Verbindung der beiden österreichischen Armeen zu erschweren, so antworten wir, daß über den Julierberg, den Splügen und Bernhardin Pässe genug mit geringem Umwege nach Italien führten, so daß eine ganze Armee, wie die von Bellegarde, ohne Hindernis dahin zog.

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Wir glauben also, daß in der Lage der Dinge, welche im Mai und Juni stattfand, der Besitz des St. Gotthard von keiner sonderlichen Bedeutung sein konnte , und daß , wenn er auch in der Behauptung des Gebirges einige Vorteile gewährt hätte, diese es nicht wert waren, sich darum mehr auszudehnen, als ratsam war. Wirklich sehen wir auch Massena am Ende des Abschnitts, in welchem wir uns hier befinden, den St. Grotthard samt dem hohen Gebirge aufgeben und den General Lecourbe mit seiner Hauptmacht nördlich vom Vierwaldstättersee sich stellen, ohne daß er sich dabei übler befunden hätte."

Wohl verstanden, gelten diese Ausführungen lediglich für die Feldzugslage während des Monats Mai 1799 und als Erläuterung der falschen Ansicht, welche noch in den Tagen, da Clausewitz schrieb (1819/20), den Meinungen vieler rücksichtlich der „beherr- schenden Gebirgsstellungen" gebot. In jenem Augenblicke, da die Franzosen vorzüglich daran denken mußten, ihre Kräfte in der Schweiz von neuem zu sammeln und zu ordnen, durften sie des Gotthard wohl entbehren. Sobald es sich aber darum handelte, die Verbindung mit ihren auf Italiens Boden kämpfenden Kameraden wieder herzustellen, mußten sie auch an die Wiedereroberung des gewaltigen Gebirgsstockes denken.

Für die Verbündeten kommen freilich die entgegengesetzten Beweggründe zur Geltung. Ihnen mußte vor allem daran liegen, Frankreichs Heere getrennt von einander zu besiegen und sich durch die Schweiz einen Weg nach Mittel-Frankreich zu sichern. Dieses Ziel zu erreichen, glaubten sie des Besitzes der Gotthard- stellung keineswegs entraten zu können.130

->-<3~-

IV.

Die Ereignisse während der Waffenruhe.

Nach der ersten Schlacht von Zürich trat ein längerer, zwar keineswegs erzwungener, noch auch durch die Kriegführenden be- stimmter Waffenstillstand ein. Erzherzog Karl hatte den FML. Sztarray nach Schwaben entsendet, behielt aber doch in der Schweiz nicht weniger als 65 000 Mann zur Verfügung. Die Aufstellung derselben ward in folgender Weise geordnet : 45 000 Mann (44 Bataill., 68 Schwadr.) an der Limmatlinie unter Erzherzog Karl, 7 000 Mann (6 Bataill., S Schwadr.) bei Stühlingen und Walds- hut unter FML. Nauendorf, 8000 Mann (12 Bataill., 5 Schwadr.) zwischen dem Zürcher und

Luzerner See unter Generalmajor Jellacic, 4800 Mann (7 Bataill., 1 Schwadr.) im Reufithai unter General- major Bay. Die Verbindung mit der in Italien kämpfenden Armee der Verbündeten sicherte das Corps des FML. Hadik, das vorläufig noch in Hospenthal, Airolo und den Orten der Leventina stand. Im ganzen verfügten demnach die Verbündeten, d. h. in diesem Falle die Oesterreicher, über 82 000 Mann, welche sich zerstreut auf der weiten Bogenlinie vom Simplon, dem Gotthard, Schwyz und Zürich bis in den Schwarzwald befanden. Zusammengefaßt hätte diese Macht gewiß völlig hingereicht, um Massena, welcher lediglich 65 000 Kämpfer befehligte, aus der Schweiz zu vertreiben.

Die Franzosen deckten das von ihnen beherrschte Gebiet des Einheitsstaates in einer ebenfalls sehr zersplitterten Form: 25 600 Mann standen Zürich gegenüber und längs der Limmat

unter Massena. 16000 Mann deckten unter Souham und Ney das Frickthal von der Aaremündung bis nach Basel. 6 500 Mann standen vom Zugersee an bis jenseits der Sihlbrücke unter Chabran (IL Division).

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9 000 10 000 Mann befanden sich zwischen und längs dem Zuger- und Vierwaldstättersee, sowie im Haslethal (Di- vision Lecourbe). 6 700 Mann hielten unter Xaintrailles, später Turreau das Wallis.

Trotz seiner hervorragenden Ueberlegenheit an Streitkräften beschränkte sich Erzherzog Karl bei Zürich darauf, einzelne nicht einmal vervollständigte Maßregeln zur Verteidigung zu treffen. Massena dagegen war viel zu schwach, in dieser Zeit zum Angriff schreiten zu können. Vielmehr mußte er sich glücklich schätzen, nicht in Kämpfe um seine feste Albis-Stellung verwickelt zu werden.

Dagegen ruhten auch während der Waffenruhe die Unter- nehmungen im Gebirge keineswegs. Vielmehr bewies Lecourbe dort von neuem seine Thatkraft, von dem weisen Grundsätze aus- gehend, daß unbeschäftigte Truppen bald wenig leistungsfähig erscheinen.

In Italien begann sich die Abneigung der kaiserlichen Gene- ralität gegen die Art, wie Suworoff Krieg führte, deutlich fühlbar zu machen. Es kam so weit, daß der Marschall seinen Zaren um sofortige Abberufung anging und Paul dem Grafen Rasumowsky den Auftrag erteilte, von Kaiser Franz selbst die nötige Auskunft zu verlangen. Die Angelegenheit des von Suworoff befohlenen Marsches des Corps Hadik, das zu diesem Zwecke, nämlich um ins Wallis einzudringen, ansehnlich verstärkt wurde, liefert hiefür die hervorragende Erläuterung.

Prinz Charles Rohan, der nicht mit Prinz Viktor zu ver- wechseln ist, stand im Val d' Aosta. Von hier aus wollte er es versuchen, sich der Pässe über den Simplon und den Großen St. Bernhard, welche durch Teile der Division Xaintrailles besetzt waren, zu bemächtigen.

Am 17. Juni, morgens 6 Uhr, griff er die Stellung auf dem zuletzt genannten Bergsattel mit drei Kolonnen an. Beim Hospiz hatte die französische Mannschaft eine Schanze errichtet, welche von 2 Geschützen gedeckt ward. Trotz eines mehrstündigen Ge- fechtes blieben alle Anstrengungen, das Ziel zu erreichen, völlig umsonst. „Der Felsen, auf welchem die Franzosen ihre Redoute errichtet hatten, war mit Eis und Schnee bedeckt ; die angreifenden Truppen mußten gegen denselben auf einem engen Gebirgssteige paarweise und unter dem Feuer des Feindes heranklimmen. " (Miliutin II, 556/7, Nr. 182.)

Unter dem 12./13. Juni erhielt FML. Hadik den Befehl, die Brigaden Nobili und Rohan sogleich nach Turin abgehen zu lassen und für dieselben sich den nötigen Ersatz zu verschaffen. Tags darauf ward er jedoch wiederum und zwar ebenfalls von Suworoff angewiesen, im Vereine mit den Generalmajors Bay und

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Jellacic zu handeln, um sich des Wallis zu bemächtigen. Der Erzherzog, von diesem Auftrage benachrichtigt, empfing am 16. Juni den neuerlichen Ausdruck des Wunsches von Suworoff, die Ablösung der Truppen des FML. Hadik zu beschleunigen. Diesem sollte derart die Möglichkeit geboten werden, schnell nach Turin abzumarschieren. Suworoff ist hier nicht zu ent- schuldigen, jedenfalls wußte FML. Hadik durchaus nicht, woran er sich eigentlich zu halten habe. Erzherzog Karl dagegen glaubte an die größte Gefahr, soferne er die ausgedehnte Stellung auf dem einen oder anderen Punkte schwächen müsse. Er entsendete aus diesem Grunde keine Ablösung für FML. Hadik und Suworoff ward demnach gezwungen, die bereits in der Po-Ebene eingetroffenen Teile des Corps wieder in ihre alten Stellungen zurückzuschicken.

FML. Hadik befehligte gegen Ende Juni 10 990 Mann (181/* Bataillone) ; von diesen standen 8 Bataillone unter Oberst Strauch im Oberwallis, 21k Bataillone unter Prinz Victor Rohan hielten denSimplon, 8 weitere Bataillone hatte der Feldmarschall-Lieutenant selbst bei sich in den Orten des Val d'Aosta. Noch am 30. Juni erhielt er von Suworoff Befehl, das Corps auf die Stärke von 13 000 Mann zu bringen und nun endlich von der Furka, dem Simplon und dem Großen St. Bernhard her ins Wallis einzudringen.

In dem aus Alessandria den 29. Juni gefertigten Berichte des Verlaufes der Schlacht an der Trebbia meldet der Marschall (Miliutin II, 273): „. . . Außerdem stehet Feldmarschall-Lieutenant Hadik, welcher bereits bis 7000 Mann im oberen Walliserland zwischen dem Gotthards-Furcule- und Simple-Berge stehen hat. Er wird mit andere 6000 Mann über den großen Bernardberg ins Unterland einbrechen, um den Feind in Leuk und Brig zwischen zwei Feuer zu bringen und das ganze Thal zu reinigen und zu behaupten, bis nicht S. K. H. (Erzherzog Karl) die von Ew. Majestät anbefohlene Ablösung dieses Corps in Erfüllung zu bringen vermag/

Darauf antwortete Kaiser Franz als getreuestes Echo seines Ministers Thugut (Miliutin II, 275): . . . Daß das Hadiksche Corps mit sämtlichen dazugehörigen Truppen dermalen einen Teil Meiner unter Ihren Befehlen stehenden italienischen Armee aus- machet, folglich von Ihnen, sowie Sie es an Zeit und Umständen nützlich und dienlich finden werden, zu den Operationen in Italien verwendet werden kann, und es bloß darauf ankommen wird, daß an dem Gotthardberge jene Anzahl von Truppen aufgestellt gelassen w7erde, die Sie für nötig erachten dürften, um gegen einen allenfälligen feindlichen Einbruch von dorther zu sorgen, welches ohnehin nicht sehr zu befürchten sein dürfte, weil Massena nicht wohl seine Armee in der Schweiz durch Detachements nach Italien schwächen kann, ohne sich gegen Meinen Bruder, den Erzherzog Karl, bloßzugeben. "

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Daraufhin mußte Suworoff natürlich von einem Angriffe gegen das Wallis abstehen, wollte er sich rieht einen erneuerten Verweis vom Kaiser „wegen Nichterfüllung der Befehle" zuziehen. Dem österreichischen Hofe lag einzig und allein daran, die Festung Mantua wieder in kaiserlichem Besitze zu wissen. Alle übrigen Unternehmungen mußten vor der Belagerung dieses Platzes zurück stehen.

Am 7. Juni erreichte die Division Lecourbe ihre neuen Stand- orte. Der Ausweis über die Stärkenverhältnisse vom 19. Juli gestaltet sich wie folgt:

Hauptquartier der Division in Luzern.

106 Chasseurs vom 12. Regiment, 219 Artilleristen, 130 Pontoniere,

108 Genie-Sappeure.

Brigade Loison: Brigade Boivin:

38. u. 67. Halbbrigade = 3340 M. 76., 84. und 87. Halbbrigade =

109. Halbbrigade, IL Lemaner- 3849 M.

bataillon = 2708 M.

Demnach zählte die Division zusammen: 13 Bataillone (9403 M.), 1 Schwadron (106 M.) und verfügte über: 4 Achtpfünder, 2 Vier-, 1 Zwölf- und 1 Sechzehnpfünder. Die Zahlen entsprechen etwa zwei Dritteln des gesetzlichen Bestandes. Zur Vergegenwärtigung des Abganges an Mannschaft mag das Beispiel der 38. Halbbrigade angeführt werden. Diese zählte an jenem Zeitpunkte : 47 anwesende, 31 abwesende Offiziere ; 1454 Mann unter dem Gewehr, 313 in den Spitälern, 331 in Kriegsgefangenschaft.

Die Truppen des Generals Loison deckten Bauen, Beckenried und den übrigen Teil des Kantons Unterwaiden. Der General Rheinwald, welcher die Geschäfte eines zweiten Chefs des Stabes von Massen a übernahm, ward durch General Boivin ersetzt. Die diesem unterstehende Brigade des rechten Flügels deckte den Kanton Zug und den nordwestlichen Teil von Inner-Schwyz.

Am 12. Juni erhielt Lecourbe für wenige Tage und wohl in Vertretung des Generals Chabran den Befehl über die IL Division, deren Stellungen er enger aneinander schloß. Die IL Division zog nämlich ihre Vorpostenlinie von der Sihl zurück und räumte Schindellegi. Rückwärts des kleinen Dörfchens Finstersee stützte sie nun ihren rechten Flügel auf die Höhe des Gubel. Der linke Flügel besetzte dagegen die Sihlbrücke, um dergestalt die Haupt- straße von Wädensweil nach Zug zu decken. Zugleich erhielt die Division Lecourbe am 13. Juni eine Verstärkung durch III./37., die 44. Halbbrigade und 6. Compagnie des I. Lemaner-Bataillons, welche Truppen aber sogleich der IL Division einverleibt wurden.

Am 14. Juni bezog auch die Brigade Boivin ihre neuen Stellungen. Sie räumte Rothenthurm, Sattel und Altmatt am

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Biberbache. Der rechte Flügel lehnte an der Rigi, der linke am Roßberg. Die Vorpostenlinie im Thale des Lowerzer Sees er- streckte sich von Steinerberg nach Lowerz, durch das heutige Trümmerfeld des Bergsturzes vom 2. September 1806. Der Rest der 6. Halbbrigade und das Corps d'expedition kamen nach Goldau, die 12. leichte Halbbrigade verlegte eines ihrer Bataillone in ein Bivouac, „das an ein kleines Wäldchen längs dem Wege nach Steinen und unterhalb des Ortes Steinerberg " sich erstreckte. Die Oertlichkeit läßt sich jetzt natürlich nicht mehr genauer be- stimmen. Das andere Bataillon bezog dagegen ein Hüttenlager hinter dem Vereinigungspunkte der Straße von Lowerz und des Querweges, welcher von Steinen gegen diesen Ort hin führt. Die Stellung lag vermutlich auf der kleinen Ebene unterhalb der Häusergruppe Busingen, am nordöstlichen Fuße der Rigi-Scheideck.

Auch die 87. Halbbrigade trat jetzt unter die Befehle von Lecourbe. Sie stand im oberen Aarethale und trieb am 16. Juni eine Erkundung bis zum Spitale auf die Grimsel hinauf. Der dortige österreichische Posten, 1 Unteroffizier mit 8 Mann, ließ sich überraschen und ward kriegsgefangen. Immerhin besetzte Oberst Strauch den genannten Uebergang sogleich wieder und zwar sonderbarerweise mit einer gleich starken Abteilung.

Am 23. Juni (4. Thermidor) trieben die Oesterreicher ihre Patrouillen bis ins Dorf Steinen vor, um den Marsch einer Abteilung über den Sattel nach Rappers wyl zu decken. Unter dem 24. Juni erwähnt das Feldtagebuch, daß ein der Division zugeteiltes Halb- bataillon aus dem Aargau fast völlig durch Fahnenflucht aufgelöst worden sei. Da es nur noch 75 Mann unter dem Gewehre hatte, so wurden auch diese entlassen. Die Grenadier-Reserve (3 Com- pagnien der 38., 76. und 109. Halbbrigade) kam von Luzern nach Arth, die zur Division gehörende Schwadron des 12. Chasseur- Regiments neben 4 Compagnien der 76. Halbbrigade von Seelis- berg nach Gersau. Am 3. Juli (14. Thermidor) ward auf Befehl von Massena eine Erkundung gegen Schwyz unternommen, das nur von l1/g Bataillonen, 900 bewaffneten Landleuten, einer Ab- teilung Kavallerie (und 4 Geschützen) gedeckt ward. Man glaubte nämlich, daß die Division Jellacic durch Entsendung von Ver- stärkungen für die verbündete Armee in Italien sehr geschwächt wäre. So mußte auch gleichzeitig die Division Chabran an dem Unternehmen sich beteiligen.

Für Lecourbe lag es überdies im Plane, den Artilleriepark der Oesterreicher in Schwyz fortzunehmen und die für den Bau und die Ausrüstung von Schiffen bei Brunnen errichtete Werft zu zerstören.

Zu diesem Zwecke ging der General Boivin mit 2 Bataillonen Corps d'expedition, 30 Chasseurs vom 12. Regiment und den

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3 Grenadier-Compagnien als Reserve um 6 Uhr vormittags von Goldau über Steinerberg und Steinen gegen Schwyz vor. Der Gegner aber ließ sich nicht überraschen, sondern erwartete die Franzosen festen Fußes, welche nach dem Feldtagebuch „hier durchaus nicht alles das leisteten, was man füglich von ihnen erwarten konnte." Immerhin machte die Kolonne 1 Offizier und etwa 30 Mann zu Gefangenen. Eine zweite Abteilung unter den Befehlen des Bataillonschefs Gauthier mit 2 Bataillonen der 12. leichten Halbbrigade und 12 Chasseurs brach zu gleicher Zeit wie General Boivin ebenfalls von Goldau auf, um über Lowerz und längs dem See Schwyz zu erreichen. Aber ehe sie noch in Seewen einzudringen vermochte, trat der Kolonne die ganze kleine Macht des in Schwyz befehligenden Majors Eötvös entgegen. In der Unordnung, in der sich die Franzosen befanden, konnten sie den Stoß nicht aushalten, sondern wurden zur Umkehr ge- zwungen. Dabei verloren sie 7 Offiziere und 43 Mann an Gefangenen.

Eine dritte Abteilung, geführt von dem Escadronchef Porson und bestehend aus 4 Compagnien der 76. und 1 Compagnie der 109. Halbbrigade, überschritt von Lowerz aus die Einsattelung zwischen der Scheideck und der Hochfluh (1195 m, Steigung etwa 732 m), um von Gersau aus Brunnen längs dem Vierwaldstättersee zu erreichen. An der Muottabrücke im „Schroten" traf die Kolonne auf die österreichischen Vorposten. Es entspann sich ein lebhaftes Feuergefecht, an welchem auch die als „Länder-Bauwi" (das Direktorialschiff) bekannte Kanonierschaluppe teilnahm.131 Auf dem Fahrzeuge und der dasselbe begleitenden Flotille sollen sich an diesem Tage Lecourbe und 500 Grenadiere befunden haben. (Dedon 23; dlzarny 77. Das Feldtagebuch weiß nichts davon.) Diese hätten sich ausgeschifft und in glänzender Weise am Gefechte beteiligt. Nach und nach brachte der Gegner 2 Compagnien vom Regiment Stain und 1 Bataillon „Suisses revoltes", nämlich Glarner und Schwyzer Milizen, in die Feuerlinie. Die Milizen hielten sich sehr brav. Lieutenant Knobel und 5 Füsiliere wurden getötet, Hauptmann Schindler und 11 Mann verwundet. Es gelang jedoch den Franzosen, die Brücke mit Sturm zu nehmen. Eine Compagnie verfolgte den weichenden Gegner bis Ingenbohl. Zwei andere Com- pagnien eilten im Laufschritte nach Brunnen hinein und säuberten den Ort von den wenigen dort noch anwesenden Feinden, die sich nach Morschach zurückzogen. Hierbei wurden 6 (nach öster- reichischer Angabe nur 2) Kanonen, einiger Schießbedarf, mehrere Boote, einiges Handwerkszeug und Stricke erbeutet. Ebenso fielen 2 Offiziere, 100 Mann vom Regiment Stain neben 12 Kanonieren und einem Oberfeldscher in die Kriegsgefangenschaft. An Toten und Verwundeten büßten die Oesterreicher etwa 200 Mann ein.

Eine vierte Compagnie der französischen Kolonne trieb auf

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dem rechten Muottaufer den Gegner über Wylen vor sich her, die letzte Coinpagnie sicherte die Rückzugslinie an der „Schroten."

Dann ward langsam der Rückweg angetreten. Nach Gersau eilte eine Compagnie voraus, um eine etwaige Umgehung von Lowerz her zu verhindern. Der Feind drängte unter der that- kräftigen Führung des Majors Eötvös heftig nach, gab dann aber jede Verfolgung auf.

Am 11. Juli (21. Thermidor) trat I./87. Halbbrigade einen Marsch zur Erkundung der Grimsel-Paßhöhe an. Vier Leute des Bataillons waren, durch zwei Bürger verführt, dorthin entflohen. Der Spital wurde besetzt und die Fahnenflüchtigen samt den Verführern gefangen. Letztere traf einige Tage später das Schicksal, in Luzern erschossen zu werden.

Mitte Juli stellte sich General Gudin bei der Division ein.132 Er übernahm den Befehl auf dem rechten Flügel der Division. Der Rest der 6. leichten Halbbrigade, die beiden Bataillone der 12. leichten Halbbrigade, das Corps d'expedition und die aus ihm gebildeten cisalpinischen Grenadiere verließen die Division. Sie wurden in ihren Stellungen durch IL/84., 1. 1II./76. Halbbrigade ersetzt. Die ebenfalls neu hinzugekommene 67. Halbbrigade ward dagegen nach Meiringen unter die Befehle des Generals Gudin gelegt.133 Die 3. Schwadron des 12. Chasseurregimentes endlich erhielt den Befehl, den Wachtdienst in Bern zu übernehmen. Sie wurde bei der Division durch die 4. Schwadron des 1. Chasseur- regimentes ersetzt.

Im Reußthale stand der österreichische General Bay (oder Bey) mit sieben schwachen Bataillonen (4500 Mann) und 1 Schwadron (175 Säbel) der Regimenter Gradisca, Kerpen und Modena. Zu Altdorf war das im Schächengrund liegende Vorratshaus als Kaserne eingerichtet worden. Um die schwache Abteilung des Generalmajors Bay wenigstens etwas zu verstärken, versuchten englische Sendlinge ein „Frei-Corps" durch Werbung zusammenzubringen. Obwohl aber 6 Kronenthaler Handgeld gegeben und ein täglicher Sold von 12 Kreuzern versprochen wurde, meldeten sich nur wenige. Von angesehenen Leuten nahm niemand derlei Dienste.

Seit dem 10. Juli beunruhigten die gegnerischen Kanonenboote von Bauen aus unaufhörlich die Oesterreicher, deren Verbindung über den Urnersee von Flüelen nach Brunnen derart völlig unter- brochen erschien.

Bay faßte dementsprechend den Plan, die Franzosen vom West- ufer des Sees zu vertreiben. Er bestimmte zu diesem Vorhaben 21U Bataillone, etwa zusammen 2000 Mann.

In der Nacht zum 29. Juli um 2 Uhr vormittags begann der Angriff. Eine kleine Umgehungskolonne von 2 Compagnien sollte über den Urirotstock den Franzosen in den Rücken gelangen.

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Die Abteilung verirrte sich jedoch und fiel dann im Isenthal voll- kommen erschöpft den Gegnern in die Hände. Eine zweite Kolonne ging aufwärts über die „Geige" hin vor; die Hauptmacht blieb auf der Straße oder vielmehr dem notdürftig gebahnten Wege längs des Seeufers. Die kleinen Posten, welche in Isenthal und Isleten standen, mußten bald weichen. Bauen ward um 10 Uhr vormittags besetzt und Generalmajor Graf Bay gestattete nun seinen Truppen die notwendig gewordene Erholung, ehe er den Vor- marsch gegen Treib fortsetzte. Unterdessen vernahm General Loison von den Ereignissen. Sogleich warf er 4 Compagnien von 11/76. Halbbrigade, welche in Beckenried und Emmeten standen, nach Seelisberg, das von 1 Compagnie des nämlichen Bataillons besetzt war. Weitere 5 Compagnien des IL Lemaner-Bataillons blieben zu Beckenried in Reserve. Die in Emmeten vereinigten Truppen setzten sich sogleich gegen Seelisberg in Marsch. Dieser Ort, den die Einwohner selbst gegen die Oesterreicher verteidigten, war bereits in den Händen von 2 Compagnien Oesterreichern, indes größere Abteilungen gegen Treib hin aufklärten. Solche Zer- splitterung der Kräfte sollte sich empfindlich rächen.

Unterstützt von den Kanonierschaluppen, die nach dem Berichte des Generals Loison viel zum glücklichen Ausgange des Gefechtes beitrugen, griffen die Franzosen den Gegner so überraschend an, daß dieser schnell und ohne Ordnung zurückwich. Zugleich fiel ein heftiger Gewitterregen, während dem die Batterieschlösser der Gewehre natürlich ihren Dienst versagten und nur das Bajonett als Waffe diente. Die Oesterreicher verloren 452 Mann an Ge- fangenen, darunter Generalmajor Bay selbst, welcher sich den Fuß verstaucht hatte, nebst 2 Hauptleuten, 5 Lieutenants, ebenso 100 Tote und 150 Verwundete.134 An dem unglücklichen Ausgange des Gefechtes scheint die Unthätigkeit und Unlust der Leute, über welche sich ihr Führer offen gegen die Franzosen beklagte (!), die vornehmste Schuld getragen zu haben.

Weitere Ereignisse sind während dieser Zeit bis zur Mitte August hier nicht vorgefallen.

Es mag dabei auf die Thatsache hingewiesen werden, daß damals das Zerreißen der taktischen Verbände keineswegs gefürchtet wurde. Im Gegenteil, es scheint fast, eine möglichst bunte Mischung der Einheiten, ein stetes Verschieben derselben sei gerade für durchaus notwendig erachtet worden. So berichtet das Feldtagebuch noch unter dem 11. August (22.Messidor), daß dieChasseurschwadron4/l. zur VI. Division Ney abgehen mußte, indes die 1. und 4. Schwadron des 1. Dragonerregiments an ihre Stelle traten. Auch erreichte III./38. Halbbrigade die Division und erhielt seinen Marschbefehl nach Samen.

Der Vollständigkeit halber müssen endlich die völlig un-

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wichtigen Gefechte erwähnt werden, welche um die Mitte Juli im Wallis vorfielen.

Am 16. abends 8 Uhr erschienen die von einigem Landsturme begleiteten Oesterreicher bei einer von ihnen auf beiden Ufern der Rhone veranstalteten Erkundung vorwärts Brieg und Naters. Am 17. morgens nahm Oberst Strauch persönlich das Gefecht wieder auf und es gelang ihm sogar zeitweilig 2 Gebirgsgeschütze in seine Hand zu bringen. Als aber die Franzosen einige Ver- stärkungen erhielten, drangen sie auch wieder vor. Die Oester- reicher mußten mit einigem Verluste, darunter 80 Gefangene, auf die Furka zurückweichen.

^-<£«-

V.

Die Wiedereroberung des Gotthard.

Unstreitig zählen die Ereignisse, welche sich um die Mitte August im Gotthardgebiete abspielten und mit der Eroberung des- selben durch die Franzosen ihren Abschluß fanden, zu den wich- tigsten des ganzen Feldzuges.130 Sie bereiteten die große Ent- scheidungsschlacht von Zürich in glücklichster Weise vor und stellten das Gleichgewicht der entgegenstehenden Kräfte wieder her.

Zu Ende Juli hielten die Schweiz 75 941 Franzosen und 77 912 Oesterreicher besetzt. Deckten jene das Gebiet auf einer Linie, welche von Hüningen im Elsaß über den Albis zum Vierwald- stättersee, ins Haslethal und bis zum Fuße des Simplon und des Großen St. Bernhard verlief, so sicherten diese mit ihren Kräften die Landesteile von der Wiese und der Wutach angefangen längs der Limmatlinie bis in die ehemaligen kleinen Kantone, den Gott- hard, die Grimsel und das Oberwallis, sowie endlich einige Thal- schaften von Graubünden.

Diese Aufstellung der Gegner glich demnach völlig derjenigen zu Beginn der Waffenruhe. Ueber die Gründe, welche die Oester- reicher zur Beobachtung der letztern zwangen, verbreitet sich Erz- herzog Karl weitläufig im ersten Kapitel des zweiten Teils seines Werkes. Seite 6/7 sagt er u. a. :

„Ihre Mehrzahl war nicht so übermäßig und nach der Schlacht von Zürich um so weniger bedeutend, als die französische Armee zwar zurückgedrückt, aber nicht geschlagen wurde. Die natürliche Beschaffenheit des Landes machte selbst bei geringem Widerstände jede rasche Vorrückung unmöglich; Massenas Stellung auf dem Uetli war stärker als jene vor Zürich ; die Schweiz denn weiter konnten die Oesterreicher wohl damals nicht vordringen wollen lieferte dem Feinde keine so großen Hülfsquellen, daß deren Verlust ein empfindliches Uebergewicht in der Wagschale der gegenseitigen Hülfsmittel hervorgebracht hätte. In Frankreich herrschte noch immer die nämliche Stimmung, die sich schon im vorigen Kriege erprobte: Mißvergnügen über die Regierung, aber noch größerer

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Abscheu und Furcht vor jedem fremden Joch, folglich keine Hoff- nung, daß die innere Gärung je zum Vorteil fremder Völker aus- brechen werde. Da nun der Erzherzog nach Massenas Rückzug von Zürich weder eine dauerhafte, noch zu momentanen Resultaten führende Operation unternehmen konnte, so blieb ihm keine Wahl mehr übrig : er mußte sich in eine möglichst vorteilhafte defensive Verfassung setzen."

Bei Massena lagen ähnliche Betrachtungen vor. Er war dem Gegner an Kräften nicht überlegen. Auf größere Verstärkungen seiner Streitmacht mit aus Frankreich gesendeten Rekruten konnte er aber nicht rechnen. Die verzweifelte Lage, in der die franzö- sische Armee sich nach der verlorenen Schlacht an der Trebbia (19. Juni) befand, zwang dazu, alle namhafteren Entsendungen dorthin abzuordnen. Für Massena gab es nur ein Warten bis zu jenem Augenblicke, da Erzherzog Karl sich durch die Aufstellung einer eigenen Rheinarmee schwächen werde. Was hätte auch eine vereinzelte Handlung in der Schweiz, wäre sie selbst von Erfolg gekrönt gewesen, der Allgemeinheit zu nützen vermocht? Wenig genug, denn obwohl die Schweiz Oberitalien in der Flanke zu bedrohen vermag, so ist eine schwache Armee doch nicht im stände, von den Alpen her entscheidend gegen die Po-Ebene vorzustoßen, sobald dort ein übermächtiger Gegner Wache hält.

Freilich wurde Massena von Paris aus durch das Direktorium und den Kriegsminister Bernadotte, welche ihrerseits keine klare Ansicht von der Lage hatten, stetsfort auf das dringendste zum Handeln angespornt.

Bereits am 18. Juni (30. Prairial) hatte in Paris eine Art parlamentarischer Revolution stattgefunden, durch welche die Direk- toren La Reveillere-Lepoux und Merlin beseitigt, an ihrer Stelle aber Roger Ducos und General Moulin in die oberste Behörde gewählt wurden. Die neuen Herrscher, unterstützt von einem Landesverteidigungsausschusse, suchten die Thatkraft der Feldherrn durch alle zweckdienlichen Mittel aufs höchste zu spannen. Ver- sprechungen wurden ihnen gemacht, Aufforderungen, zum Angriffe vorzugehen, kamen ihnen täglich zu. So entschloß sich Massena endlich, für die Mitte August eine Veränderung seiner Lage, wenigstens so weit es den rechten Flügel der Schweizer Armee betraf, zu versuchen.

Zwei neuerliche Ereignisse, ein politisches wie ein militärisches, trugen wohl wesentlich zu diesem Entschlüsse bei. Die Not in der Schweiz war bei dem Aufenthalte zweier so großer Heere auf das Höchste gestiegen. Der Sturz jener beiden als Erpresser wohlbekannten Direktoren ließ die unglückliche Helvetik hoffen, daß man in Paris ihren Leiden wenigstens Auge und Ohr öffnen werde. So ging der alt-Direktor Glayre als außerordentlicher

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Gesandter nach der französischen Hauptstadt ab, um über die Lage Bericht zu erstatten. Zugleich erließ Laharpe am 25. Juli ein Schreiben, das unverhüllt die Wahrheit bekannte und in dem der drohende Satz vorkam: „Wir erklären, daß wir bereit sind, uns eher für die verzweifeltsten Mittel zu entscheiden, als länger die Werkzeuge zu bilden zur Vernichtung und zur Verzweiflung unserer Mitbürger. "

Das französische Direktorium griff auf dieses hin zwar keines- wegs ein, aber es forderte noch einmal und des bestimmtesten von Massena, daß er den Angriff wieder aufnehme. Die Ereignisse am Gotthard kamen freilich dem sonderbaren Feldzugsplane von Bernadotte zuvor, welcher ein vereinzeltes Corps in der Stärke von 20000 Mann durch Graubünden bis Glurns vordringen lassen wollte.136 (!)

Es hätte übrigens dieses neuerlichen Drängens nicht bedurft, um Massena zu dem notwendigen Entschlüsse zu zwingen. Es näherte sich nämlich den Grenzen der Schweiz und also auch der Stellung an der Limniat das Corps des Generallieutenants Rimski- Korsakoff. Die Ankunft der 27355 Russen, welche thatsächlich am 14./ 15. August nach Schaffhausen gelangten, mußte Massena natürlich in die größte Sorge versetzen. Er konnte ja keineswegs wissen, daß Erzherzog Karl den gemessenen Befehl aus Wien in der Tasche habe, sogleich nach Ankunft der Verbündeten mit seiner gesamten Macht abzumarschieren, und daß sich der Erzherzog nur nach langer Unterhandlung bestimmen ließ, wenigstens das Corps des FML. Hotze (22000 Oesterreicher, 3000 Schweizer, zu- sammen 20 Bataillone, 34 Schwadronen) zur Deckung des Linth- gebietes von dem Abzüge auszunehmen.

Die Absicht Massenas war es, durch den von ihm angeord- neten Angriff die Oesterreicher aus den Urkantonen, vom Gotthard und aus dem Oberwallis zu vertreiben, sowie durch eine Besetzung des Gotthardstockes die damals schon zu erwartende Vereinigung der Armeen Suworoffs und des Erzherzogs Karl zu hindern.

Um diesen Zweck zu erreichen, erhielten die an der Limmat und am Albis stehenden Divisionen Soult und Lorges Befehl, die Hauptmacht der Oesterreicher längs ihrer ganzen Aufstellung zu beschäftigen, indes die Divisionen Chabran, Lecourbe und Turreau gleichzeitig den eigentlichen Angriff durchführen sollten.

Die vom Obergenerale erlassenen Verfügungen sind nur ganz allgemein gefaßt, in den Einzelheiten der Ausführung der Aufgabe blieb den verschiedenen Führern vollkommen freie Hand. Dies gilt besonders für den General Lecourbe, dem noch am 13. August I. ÜI./84. Halbbrigade (der Brigade Boivin zugeteilt) und das zeit- weilig entfernt gewesene IL/76. (Brigade Loison) abgegeben wurden, so daß seine Streitmacht rund etwa 12000 Mann betragen mochte.

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Die Division Chabran stand am Aegerisee und an der Sihl. In zwei Kolonnen geteilt sollte sie gegen die Truppen des General- majors Jellacic vorgehen, welche mit dem Gros die Etzelstellung und die Verbindung nach Schwyz sicherten, woselbst sich eben- falls Teile dieses Corps und das Quartier seines Befehlshabers befanden. Die Division Lecourbe hatte auf ihrem linken Flügel im Ganzen genommen lediglich die Bewegungen, welche am 3. Juli vorgefallen, zu wiederholen. Lecourbe selbst wollte dabei mit den Grenadieren von Brunnen und später von Flüelen aus in das Gefecht eingreifen. Hierbei ward auch der Flotille eine Rolle zugedacht. Die Brigade Loison erhielt andererseits den Auftrag, in mehreren Kolonnen längs dem See, über den Surenen- und den Susten-Paß ins Reußthal hinunter zu steigen, woselbst seit Anfang August Generalmajor Simbschen als Nachfolger des gefangenen Bay be- fehligte. Gudin fiel der schwierige Auftrag zu, den Posten, den Oberst Strauch auf die Grimselhöhe gestellt, zu beseitigen, um darauf ins Oberwallis einzudringen. Hier endlich sollte die Division Turreau nicht nur den Generalmajor Prinzen Victor Rohan vom Simplon vertreiben, sondern auch zugleich mit Gudin gegen Oberst Strauch vorgehen. Damit General Turreau diesem doppelten Auftrage genügen könne, mußten seine Bewegungen bereits am 13. August beginnen, indessen die übrigen Kolonnen sich erst mit dem 14. morgens in Marsch zu setzen hatten.

Am 12. August begannen die Vorbereitungen zum Angriffe bei der Division Lecourbe. General Gudin, der bis dahin die Truppen seiner Brigade in Unterseen und Brienz untergebracht hatte, verlegte dieselben nach Innertkirchen-Bottigen und Guttannen im oberen Haslethal. Hierher kam auch das IL Lemaner-Bataillon, von welchem einzig die Jägercompagnie in Samen bei der Brigade Loison zurückblieb, die ihre Teile bis zum 13. in Engelberg und Bauen vereinigte.

Mittwoch den 14. August begann in der That die allgemeine Vorwärtsbewegung, scheinbar zwischen der Mündung der Limmat und dem Zürichersee, in Wirklichkeit im Gebiete der oberen Reuß und Aare. Vom Zuger Gebiet her drang die Division Chabran (12 Bataillone, 6 Schwadronen) im ganzen siegreich gegen Hütten und die Schindellegi vor, obgleich der Gegner für diesen Tag noch Stand hielt. Eine zweite, zu der nämlichen Division gehörende Abteilung erreichte vom Aegerisee aus Sattel und Rothenthurm. Ueber St. Jost und am Morgarten vorbeimarschierend, warf sie die hier stehenden schwachen österreichischen Kräfte nach Einsiedeln zurück.

In der Frühe desselben Tages griff auch die Brigade Boivin den Gegner in Schwyz mit Erfolg von Steinen und Seewen her an.136 Die 3 Compagnien der 76. Halbbrigade, welche längs dem

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See von Gersau nach Brunnen vorgingen, erhielten von der Muotta- brücke im „Schroten" aus 2 Geschützen heftiges Kartätschfeuer. Zweimal ward der Angriff abgeschlagen. Unterdessen gelangte jedoch die aus 6 Schaluppen bestehende Flotille mit den 8 Coni- pagnien Grenadierreserve bei Brunnen ans Ufer. General Lecourbe ließ 5 Compagnien unter dem Befehle seines Adjutanten, des Bataillonschefs Montfort, ausschiffen. Zugleich feuerten die Ge- schütze von den Booten her dem Gegner in die Flanke. Dieser scheint aber die Sache vorerst noch nicht verloren gegeben zu haben. Mehrere Schiffe wurden nämlich durch Schüsse beschädigt und auch einige von den Kanonieren und Pontonieren verwundet.

Montfort vermochte es, den Verteidigern des Ueberganges in den Rücken zu gelangen, wodurch zwei Feld- und drei bei Brunnen stehende Positionsgeschütze genommen und 200 300 Gefangene gemacht wurden.

Bei der Ibacher Brücke machte der Feind einen Versuch sich festzusetzen. Unterdessen war aber die Hauptmacht der Brigade Boivin herangekommen. Ein Bataillon der 86. Halbbrigade, ge- führt vom Bataillonschef Margotti, stieg längs des Engeberges nach Ried hinab und drohte derart den Oesterreichern in den Rücken zu gelangen. Das Regiment Stain, welches, vom Major Eötvös befehligt, von 700 800 Aufständischen unterstützt wurde, mußte jetzt schleunigst nach Iberg weichen. Ein Major, 12 Offi- ziere und 600 Mann fielen hier in Kriegsgefangenschaft; zugleich verloren die Oesterreicher 45 Tote und 310 Verwundete.

Die Franzosen büßten dagegen nur 8 Mann an Toten, 60 an Verwundeten ein und erbeuteten 3 Regimentsgeschütze, sowie 1 Schweizer Fahne. Nachmittags 1 Uhr drangen sie in den Flecken Schwyz ein, der vollkommen ausgeplündert und zerstört wurde. Als am 15. der Brigadechef Sancey mit der 84. Halbbrigade ins Muottathal gelangte, fielen noch 300 Mann Oesterreicher und die Ambulancen in die Gefangenschaft.

Der Escadronchef Porson erreichte um 11 Uhr vormittags des 14. August, ohne viel Widerstand zu finden, über Isenthal das linke Ufer der Reuß bei der Seedorferbrücke. Diesen Erfolg verdankte Porson wohl hauptsächlich der Klugheit, daß er 6 Compagnien vom IL/38, unter Bataillonschef Juillet und Stabshauptmann Forgues von Isenthal durch das Kleinthal über die Hänge des Urirotstock, Gitschen und die Alpen von Honegg dem Gegner bei Seedorf in den Rücken sandte. Dort mußte aber vorläufig Halt gemacht werden, da der Gegner die Laufbahn der Brücken von Seedorf und Attinghausen abgeworfen hatte. Gegen 2 Uhr nachmittags erschien auch in letzterem Orte die Kolonne d'Aumas. Sie war um 3 Uhr früh von Engelberg aufgebrochen und hatte den Surenen- Paß (2301 m) überschritten. Sogleich entspann sich mit den gegen-

Günther, Feldzug 1799. 8

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überstehenden Teilen des Regiments Kerpen ein lebhaftes Feuer- gefecht, das zwar bis 8 Uhr abends anhielt, aber ebensowenig zum Ziele führte, wie die Anstrengungen der Kolonne Porson bei Seedorf. Trotz der Kartätschen, welche dort eine Kanone spie, versuchte der Genielieutenant Doncieux mit einigen Freiwilligen auf einer Leiter über die Brückenpfeiler zu gelangen. Es war vergebens, der Steg konnte nicht gangbar gemacht werden, weil es an Brettern und Balken mangelte.

Endlich, bei einfallender Nacht, zog sich der Gegner zurück. Lecourbe war nämlich um 5 Uhr abends in Sisikon gelandet. Die Compagnien .überstiegen auf engen, stellenweise schauerlichen Pfaden den untern Axen" (Lusser 161). Sogleich schritt er zum Angriff gegen das. Flüelen mit 2 Geschützen verteidigende Bataillon des 62. Regiments. Wiederum beteiligten sich die Kanonen der Flotille an dem Gefechte ; die Grenadiere griffen lebhaft an und der Feind verlor 150 Mann Tote, 300 Verwundete und 400 Ge- fangene nebst seinen 2 Geschützen. Die Franzosen zählten 20 Tote und 80 Verwundete (Feldtagebuch; Bousson S. 217 spricht von 4 Toten und einigen Verwundeten). Zunächst gingen die Oester- reicher in guter Ordnung bis zur St. Jakobs-Kapelle zurück. Sie wichen aber, sobald die von Lecourbe durch den Wald entsendete L mgehung in ihrer Flanke erschien. „Nun begann gegen 6 Uhr abends wilde Flucht, wobei viele die Gewehre zerschlugen und wegwarfen. Die einen wendeten sich nach dem Schächenthale und die anderen nach dem Reußthale. Die ersteren, wobei auch die Freiwilligen waren, hielten die Verfolgung etwas zurück, indem sie die Schächenbrücke bei Bürglen verbrannten. Lecourbe ging noch bis Amsteg vor und machte 400 zum größten Teil verwundete Gefangene. Der größte Teil der männlichen Bevölkerung und auch viele Weiber waren mit den Oesterreichern geflohen oder hatten sich in W'älder und auf Alpen zurückgezogen, um der Rache der Franzosen zu entgehen, welche diesmal ärger plünderten und die Leute mißhandelten, als selbst nach dem Bauernkrieg; denn sie wußten, daß die provisorische Regierung als letzten Akt ihrer Thätigkeit zu Gunsten der Oesterreicher und für Behauptung der wieder errungenen Freiheit einen wohldurchdachten Organisations- plan für den Landsturm entworfen hatte, der jedoch am Tage der Gefahr, als die Franzosen von allen Seiten her eindrangen, nicht befolgt worden."

Noch um 10 Uhr nachmittags landete IL/76, in Flüelen, um. gefolgt von 11/38., den Feind zunächst nach Bürglen und dann bis Amsteo- zu verfolgen. Es scheint hier an der Kärstelenbach- Brücke noch in der Nacht zu einem für die Oesterreicher un- glücklichen Gefechte gekommen zu sein. Das Feldtagebuch be- richtet, sie hätten ihr letztes Geschütz in das Tobel gestürzt und

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230 Mann an Gefangenen, darunter 12 Dragoner vom Regiment Modena, die Franzosen dagegen lediglich einige Verwundete ein- gebüßt.

General Loison stieg in einem Marsche von 22 Stunden Dauer (!) über den Joch-Paß (2215 m) und durch das Gadmenthal hinauf über den Susten (2262 m) noch bis ins Meienthal hinunter. Ueber- fallen von einem heftigen Unwetter, das sogar Schnee mit sich brachte, erreichte er am späten Nachmittag die kleine, am hintern Ende des Thaies gelegene Gemeinde Färnigen. Die übergroße Erschöpfung der Truppen ließ es nicht zu, den Vormarsch weiter durchzuführen, um so mehr, als der Ausgang des bei Wasen mündenden Thaies durch die aus der Zeit der ersten Religions- kriege stammende sogenannte „Meienschanze" gesperrt wurde.

Es war dies ein mit Mauerwerk ausgestattetes Achteck, dessen Ueberreste noch heute etwa 25 Minuten von Wasen (Blatt 394 des Topogr. Atlasses und XIII der Topogr. Karte bei Punkt 1097) deutlich zu erkennen sind. Der Weg führt hier an den bezeichnend genug „Wilde Lauenen" genannten schroffen Felsen auf dem linken steilrandigen Ufer der Meien-Reuß dahin. Die Schanze war von 300 Mann besetzt, denen 3 Geschütze zur Verfügung standen.

Am 15. bei Tagesanbruch schritt Loison zum Angriff. Er selbst stellte sich mit Capitaine Langlais an die Spitze des ersten, aus den 4 Grenadiercompagnien (38., 7b\, 109. Halbbrigade) gebildeten Treffens, dem die 109. Halbbrigade unter den Befehlen des Brigade- chefs Hotpert als Reserve folgte. Die Jägercompagnie des IL Le- maner-Bataillons erkletterte zugleich die die Schanze beherrschenden Felsen. Sie feuerte dabei so gut, daß der bereits mehrfach ab- gewiesene Sturm endlich gelang.138 Die Grenadiere kletterten auf Leitern zu den hoch gelegenen Schießscharten heran und stürzten sich mit dem Bajonett auf die den hartnäckigsten Widerstand leistenden Oesterreicher. Fast alle Kanoniere wurden auf ihren Stücken getötet, überhaupt mögen nur einzelne Mann entkommen sein ; denn 200 der Verteidiger fielen als Gefangene in die Hände der Sieger. Nach Lusser (S. 163) kamen 3 Compagnien der Be- satzung zu Hülfe ; diese litt aber Mangel an Schießbedarf.

In dem Augenblicke, da die Vortruppen der Brigade Loison, ein Bataillon der 109. Halbbrigade, bei Gurtnellen eintrafen, be- gegnete ihnen Lecourbe, welcher an der Spitze von 2 Bataillonen und 8 Grenadiercompagnien herankam. Er ließ das Bataillon sogleich wieder umkehren. Bei Amsteg hatte der General das Bataillon 11/76. unter Bataillonschef Lovisi zur Verfolgung des flüchtenden Gegners ins Maderanerthal entsendet. Um 4 Uhr nach- mittags wurde Göschenen erreicht, das die Oesterreicher eiligst verließen, um sich hinter die mit spanischen Reitern verschanzte Teufelsbrücke zurückzuziehen. Da die Straßenauffahrt des Bau-

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werkes auf die Länge von 9 10 m zerstört worden war, konnte ein Angriff in der Front nicht mehr vorgenommen werden.

Schon hatte Lecourbe am 16. August die nötigen Verfügungen getroffen, den Gegner zu umgehen, als die Brigade Grudin, von der seit dem 14. jede Nachricht fehlte, um 7 Uhr vormittags am Ausgange des Urnerloches erschien und derart ihre Vereinigung mit der Division vollzog. Die Brigade Gudin hatte bei der Lösung ihrer Aufgabe eine glückliche List zu Hülfe genommen und zu- gleich die vorher kaum erwartete Unterstützung in der That eines Bürgers von Guttannen gefunden.139

Die Stärke der Brigade Gudin kann auf etwa 4000 Mann veranschlagt werden. Darunter befanden sich einige Chasseurs als Ordonnanzreiter und mit Pflasterbüchsen ausgerüstete Carabiniers. " Während die Franzosen unter einer ihnen meist freundlich gesinnten, weil von den Soldaten nicht bedrückten Bevölkerung ziemlich bequem lebten, ward der auf der Paßhöhe der Grimsel stehende, je 1 Bataillon Banat und Neugebauer (1430 Mann) und 40 Walliser Scharfschützen starke österreichische Posten schlecht verpflegt, da alle Lebensmittel für diese Mannschaft aus Italien herbeigeschafft werden mußten. Die Leute fanden ihr Unterkommen in Baracken, „die sie notdürftig unter die großen Gneisblöcke und an die Fluh- wände bauten." Die Truppe scheint sogar geradezu Hunger gelitten zu haben, da ihr an Lebware nur einige elende Ziegen zur Ver- fügung standen. Das Holz lieferte längere Zeit hindurch das Spitalgebäude, welches schließlich nur noch aus den leeren Mauern bestand.

Die Aufstellung der Oesterreicher war einfach genug. Sie sperrte lediglich den schmalen Saumpfad, den zudem die Walliser Scharfschützen unter dem Feuer ihrer Stutzer behielten. Ein Ba- taillon entwickelte die Feuerlinie vom „Kehrentürmli", dem etwas hervortretenden, links über dem Spital gelegenen Steingipfel, bis hinüber auf die andere Seite des Weges und des Baches. Der rechte Flügel stand etwa über der Mitte des Spitalsees. Die Linie hatte bei 1500 Schritt Länge. Die Reserve, das andere Bataillon, lagerte auf dem Grimsel-Sattel. An eine Umgehung dachten die Oesterreicher keinenfalls, denn ihre des Gebirges wohl ungeübten Augen nahmen nirgends eine solche Möglichkeit wahr.

Gudin, dem es, wie seine ganze Laufbahn zeigt, kaum an Entschlossenheit fehlte, konnte doch nach einer genauen Erkundung des Geländes zu keinem festen Angriffsplane kommen. „Am 12. oder 13. war eine stärkere Patrouille, die er über den Räterichs- Boden hinaus gegen die Brücke geschickt, mit blutigen Köpfen wieder heimgekommen. tf Ein Vorstoß in der Front versprach dem- nach keinen Erfolg ; aber es mußte dem Befehl des Divisionärs entsprechend gehandelt werden.

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Am 13. wurden alle Truppen der Brigade in Guttannen zu- sammengezogen. Am Abend saßen die Offiziere in der kleinen Stube des Guttanner Bürgers und Wirts Fahner zusammen. „Das Gespräch neben der Haupt -Wirtsstube wurde lebhaft, und man konnte in der letztern wohl hören, um was es sich handelte. Da äußerte Fahner gegen einige Bekannte, die bei ihm saßen: „Er wollte wohl die Franzosen aus ihrer Verlegenheit reißen und ihnen einen Weg zeigen, daß sie ohne Verlust hinter die Oesterreicher kommen und ihnen den Rücken brechen könnten", und halb lächelnd nickten ihm die anderen zu. Fahner war ein guter, unüberlegter und dabei eher schüchterner als dreister Mann. Er scheute sich wie jeder Ruhigere damals vor nichts so sehr als vor dem Prädikat „Verräter", worunter überhaupt einer verstanden wurde, der es mit der einen oder andern Partei hielt. WTas er aus Eitelkeit und Mangel an Ueberlegung nicht leise genug gesprochen, kam dem französischen General zu Ohren. Auf der Stelle ließ dieser den Mann vor sich kommen. Fahner, erschrocken, wollte anfangs nicht zu seinen Worten stehen, aber ernstliche Drohungen zwangen ihn bald, sich zu der widerlichen Rolle eines Verräters zu bequemen.140 Da er nun aber drin war, so wollte er jetzt auch aus den Um- ständen soviel als möglich Nutzen ziehen, und als er Gudin seine Führerdienste zusagte, bedung er sich als Belohnung den Räterichs- Boden aus." (Lohbauer S. 26/27.)

Früh um 3 Uhr trat die Brigade auf dem Räterichsboden an. Der Frontalangriff gegen den Spital erfolgte jedoch nicht vor 10 Uhr, da der kleinen Umgehungskolonne Zeit gelassen werden mußte, ihre Aufgabe bis zum letzten entscheidenden Stücke zu erfüllen. Lohbauer (40 ff.) erzählt hierüber:

„Etwa ein halbes Bataillon, 300 400 Mann Chasseurs (d. h. Carabiniers), mit kurzen Stutzern bewaffnet, wurde zu diesem Manöver bestimmt, das, so kühn es war, doch allerdings, wie wir gezeigt haben, gar nicht an der Peripherie des Kreises menschlicher Kräfte und menschlichen Vermögens lag, was die Schwierigkeit des Terrains anbelangt. An der oberen Bögelein sbrücke angelangt, ließ Gudin halten und links abmarschierten nun die Jäger, Fahner an ihrer Spitze. Der Morgen dämmerte. Die übrige Kolonne setzte ihren Weg auf dem Saumpfade fort. Anfangs ging es nahe der unten brausenden Aare über moosiges Felsgestein noch durch einzelnes niederes Gestrüppe weg hinter einem Felskopf vorbei, dann wieder abwärts in eine Schlucht, durch welche ein Bach niederfällt. Hier stieg man das erste Viertel des Weges unter hartem Klettern zum Teil über Schneeschlipfe hinweg oder mühvoll an ihrem Rand hin weiter, immer den drohend oben hereinhängenden Gletschermassen zu, und endlich bis unmittelbar an dieselben hin, wo dann Fahner rechts wendete. Nun ging's in vielen Krümmungen, da man oft

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den Gletscherspitzen und senkrechten Felsenmauern ausweichen mußte, hin und her, langsam und beschwerlich, aber im Ganzen nun doch immer in ebener Richtung, und schon jetzt hoch über der höchsten Stellung des Feindes auf dem Sattel der Grimsel, jetzt schon, wenn gleich noch über 4000 Schritt von ihm entfernt, in seinem Rücken, jetzt schon an der äußersten Grenze einer möglichen Umgehung. Aber der wilde, fremdartig grauenhafte Anblick der Gegend, mehr noch als die Angst beim Stolpern und Klimmen überwältigte doch dreimal den Mut der französischen Soldaten. Dreimal standen sie und wollten nicht weiter und waren in Zorn ausgebrochen, wollten den alten Fahner, der sie ins Verderben führe, niederschießen. Auf den Knieen bat er um sein Leben (deutsch), bat, daß sie ihm folgen sollten, versicherte in seiner Redlichkeit, daß keiner verunglücken sollte. Doch bedurfte es aller Anstrengung der Offiziere, die Soldaten weiter zu bringen. Doch mutiger und froher, je freier die Bergluft sie auf besseren Wegen stärkte, bis nach fünfstündiger Arbeit die Kolonne am kleinen See vorbei fast über den Köpfen der Oesterreicher ankam, und nun sich vorsichtig in zwei, später in drei Richtungen verteilte. Die mittlere Spitze mag 200, die andere etwa 100 Schützen gezählt haben." (Lohb. S. 40/41.)

Indes die Oesterreicher und ihre Walliser Bundesgenossen ein langsames Schützenfeuer gegen die ganz allmählig und zu zweien auf dem steinigen Saumpfade heran rückenden Franzosen eröffneten, erhielten sie plötzlich wohlgezielte Salven in den Rücken ihrer Stellung und aus unmittelbarer Nähe. Zugleich erschallte nun vor ihnen das anfeuernde: „En avant, camarades! Avancez, avancez!" der ohne Schuß unter dem Wirbeln der Trommeln aufwärts stürmenden Hauptkolonne. Immerhin hielten sich noch der linke Flügel und die Mitte der österreichischen Aufstellung, während der rechte Flügel bald zu weichen begann. „Herz und Sinne waren geteilt; Unentschlossenheit bannte sie an die Stelle." Als Rückzugs- linie war der Saumpfad über die Meienwang nach Gletsch bezeichnet worden. Dieser Weg konnte jetzt, nachdem die französische Umgehungskolonne bereits beim Totensee stand, nicht mehr benützt werden. Die Fliehenden wandten sich, nachdem sie die Unmöglichkeit erkannten, dort durchzubrechen, gegen das kleine Siedelhorn und auf den nach Obergestelen führenden Pfad. „Die letzten wurden, weil nun die Abteilungen, welche von der Höhe des Nägelisgrätli herabgekommen waren, auch rasch vordrangen, selbst über diesen Weg hinaus und am Fuß des Silberhorns hinaufgedrängt, wo sich Einzelne, vielleicht Blessierte verstiegen, deren Gerippe noch in neuester Zeit unter Steinblöcken, unter welchen sie sich verkrochen hatten, gefunden sind." (Lohbauer S. 37.)

Damit war der Tag zu Gunsten der Franzosen entschieden; denn auch Strauch, welcher überhaupt keine Hülfe von dem 4 Stunden

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weit entfernten Münster hätte bringen können, mußte an den eigenen schleimigen Rückzug denken. Trotzdem entsendete er (Erzherzog Karl II, jjj) einen Teil seiner Reserven nach Obergestelen zur Aufnahme der wenigen von der Grimsel herab Flüchtenden.

Das Gefecht endete gegen Mittag. Die Kaiserlichen büßten 400 Mann an Toten und 500 an Gefangenen ein. Unter diesen befand sich auch der Sohn des Feldzeugmeisters und Regiments- inhabers Neugebauer. Die Franzosen verloren 60 Tote und Ver- wundete, welche Zahl beweist, daß der Widerstand des Gegners selbst nach gelungener Umgehung durchaus nicht schwach war. Welche Ereignisse unterdessen sich im Rhonenthale abgespielt hatten, erzählt anschaulich FML. Stutterheim in der Oesterreichischen Militärzeitschrift 11/1812:

„Zu beiden Seiten der Rhone zwischen Roswald und Ried standen auf Vorposten 1 CompagnieLeloup-Jäger, 1 Bataillon Siegen- feld, 1 Bataillon Warasdiner. Zur Unterstützung des rechten Flügels dieser auf dem Theisberg: 1 Bataillon Carneville, 2\% Bataillon Michel Wallis, 1 Detachement Husaren. Zu Ernen und im Binnen- thal zur Unterstützung des linken Flügels 1 Bataillon Wallis. Zur Verteidigung des Grimselberges standen auf demselben 1 Bataillon Bannalisten, 1 Bataillon Neugebauer. Bei Münster in der Reserve standen 1 Bataillon Wallis und 1 Detachement Husaren, um sowohl den Grimselberg, als auch die Truppen gegen Morel unterstützen zu können.

Zwei'Compagnien Wallis waren zur Transportierung der Lebens- mittel bis Airolo und Lugano verteilt. Man sieht, wie viel der Oberst Strauch gewagt hatte, sich mit seinen 10 Bataillonen auf eine Strecke von mehr als 6 deutschen Meilen auszudehnen, und zwar in dem höchsten Gebirge, wo er sowohl den General Xaintraille im unteren Walliserland, als den General Lecourbe aus der Schweiz gegen sich hatte : allein nur der Mangel an Lebensmitteln konnte ihn dazu bewegen.

Xaintraille machte schon am 8. August starke Vorstöße und verstärkte sich sehr bei Brieg. Zugleich erhielt Strauch aus der Schweiz bestimmte Nachrichten, die ihm über einen nahen Angriff keinen Zweifel ließen; allein mit dem Vorsatz, dem Feind keine Hand breit Boden zu lassen, beschloß er, sich auf seinem Posten zu behaupten. Den 13. August früh griffen die Franzosen mit 4000 Mann auf vier Wegen das bei Roswald aufgestellte Warasdiner Bataillon an, versprengten den größten Teil davon und drängten gegen das Binnenthal vor. Das Bataillon Wallis rückte ihnen bis dahin entgegen; sie machten Halt, nahmen auf den Safnitzer Alpen eine Stellung und zogen sich am Abend gegen Roswald zurück. Um dieselbe Zeit rückten die Franzosen auf dem Simplon vor und vertrieben die von Rohan auf demselben aufgestellten Posten.

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Der Oberst Strauch schickte den Major Richter vom Generalstab mit 4 Compagnien vom Regiment Wallis und dem Befehl nach Binna ab, den Feind anzugreifen und von Roswald zu vertreiben, weil er seine vorgerückten Posten gegen Morel behaupten wolle; diese Maßregel war sehr unheilbringend. Die Franzosen, deren Attacke auf Roswald nur ein Scheinangriff gewesen zu sein scheint, kamen am 14. aus dem Aarthal herauf und griffen mit 6000 Mann die auf der Grimsel postierten 2 Bataillone an. Der Oberst Strauch, von der Festigkeit des Postens auf der Grimsel überzeugt, konnte darauf Rechnung machen, daß die dort postierten 2 Bataillone sich gegen jede Macht behaupten würden. Wirklich mußten auch die Franzosen einzeln, Mann für Mann, die höchsten Felsenspitzen erklettern und sich erst sammeln, ehe sie einen Angriff wagen konnten. Indessen war der Zeitpunkt, sie selbst anzugreifen, ver- säumt. Der Oberst Strauch eilte auf die erste Nachricht selbst mit zwei Compagnien Wallis zur Unterstützung auf die Grimsel, allein er kam zu spät, der Feind war ihm schon überlegen. Drei Angriffe machten die Franzosen vergebens, er schlug sie mutvoll zurück, der vierte gelang ihnen aber, sie eroberten den Grimselberg, und Oberst Strauch, dem der bequemere Weg über die Furka nach dem Gotthard jetzt abgeschnitten war, sammelte seine Truppen bei Obergestelen, besetzte mit ihnen die Gorge von Zumloch, um sich seinen Rückzug über den Nufenen zu sichern, und schickte zugleich einen Befehl an den Major Richter, mit allen bei Morel stehenden Truppen zu ihm zu stoßen. Durch diesen glücklich ausgeführten Angriff der Franzosen wurde Strauch von seinen meisten Truppen, die er über Münster hinaus gegen Morel detachiert hatte, abgeschnitten. Diese waren an demselben Tage von den Franzosen, welche mit 3000 Mann und 5 Kanonen von Brieg heran- kamen, auf ihrem rechten Flügel angegriffen, die Vorposten zogen sich anfangs nach dem Theisberg zurück : dort leisteten aber die beiden Bataillone Carneville und Siegenfeld Widerstand, sodaß die Franzosen gezwungen wurden, sich wieder bis Morel zurückzuziehen. Major Richter hatte indessen bis 3 Uhr nachmittags das Binnen- tbal passiert, die Safeizer Alpen besetzt und ging mit 10 Compagnien Wallis auf Roswald zu, wo die Franzosen jedoch den Angriff nicht abwarteten. Während der Vorrückung der genannten 10 Compagnien kam der Bote mit dem Befehl vom Obersten Strauch an ihn, nach Zumloch zu ziehen ; allein das war unter gegenwärtigen Umständen nicht mehr möglich, denn einenteils hatten jetzt schon jene Franzosen, die den Grimselberg herunter kamen, sich bei Münster festgesetzt und unterbrachen die Verbindung zwischen Morel und Zumloch, andernteils wurden jene Truppen, die auf dem Theisberg am rechten Rhoneufer so lange Widerstand geleistet hatten, von frischen Truppen neuerdings angegriffen und zum Rückzug genötigt. Hätten

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sie diesen durch das Rhonethal genommen, so wären sie zwischen zwei Feuer geraten und schwerlich im stände gewesen, sich zu retten. Sie schlugen also den Weg durch das Binnenthal ein, wo sich Oberst Carneville mit dem Major Richter vereinigte, und nahmen einen höchst beschwerlichen Rückzug auf Steigen, die nur von Hirten und Jägern betreten werden, über den Alberaberg in das Dererthal.

Der Oberst Strauch, welcher vom General Simbschen den 15. die Nachricht erhalten hatte, daß er Hospenthal am Gotthard habe verlassen müssen und sich auf die Höhen hinter Urseren gezogen habe, mußte nun auch seine Stellung beim Zumloch räumen und zog sich mit etwa 500 Mann, die er noch bei sich hatte, über den Nufenen nach Airolo und von da nach Faido zurück. Von dort ging er am 16., weil er durch das Val Blennio im Rücken gepackt zu werden befürchtete, über Biasca nach Beilin zona. Oberst Carneville konnte nun nicht mehr den Weg durch das Versascathal (?) einschlagen, um sich mit Strauch bei Airolo zu vereinigen, welches die Franzosen schon besetzt hatten. Er wandte sich am 16. durch das äußerst beschwerliche Gebirg Furca del Bosco in das Val Maggia und traf am 29. nach vielen ausgestandenen Mühseligkeiten nahe bei Locarno ein, wo er mit 2584 Mann sich wieder mit dem Obersten Strauch vereinigte, welcher indessen durch 1 Bataillon Kheul und 1 Bataillon Belgioso aus dem Mailändischen verstärkt worden war. Den 23. poussierte Oberst Strauch wieder einen Teil seines Corps nach Biasca, um den bei Airolo stehenden Feind leichter beobachten zu können. Oberst Rohan stand bei Domo d' Ossola und der äußerste linke Flügel der österreichischen Armee in der Schweiz bei Dissentis. Die Franzosen waren im Besitz aller Zugänge zum Gotthardsberg ; und so blieb es bis zur Ankunft der Russen unter Suworow.

Als Kray erfahren hatte, daß Lecourbe sich wieder nach dem Gotthard zurückgezogen, so ließ er nur die Brigade Loudon bei Novara stehen, er selbst aber ging am 27. August mit dem Rest seines Corps nach Mortara zurück."

Zu diesem Berichte muß noch bemerkt werden, daß General Turreau bereits seit drei bis vier Wochen den General Xaintrailles im Befehle abgelöst hatte und daß die Erzählung über das Gefecht auf der Grimsel nicht nur der Wahrheit, sondern auch der Wahrscheinlichkeit entbehrt. Im übrigen können die Angaben wohl als richtig angesehen werden.

Das Nachtlager fand die Brigade Gudin am Abend des 15. in Realp, worauf sie am 16. früh, wie schon beschrieben, die Ver- einigung mit der Division vollzog.

Generalmajor Simbschen hatte jedenfalls während der Nacht vom 15./16. August das Eintreffen gegnerischer Streitkräfte her-

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wärts der Furka erfahren und die schützende Dunkelheit (wie das so oft in diesem Gebirgsfeldzuge geschah) dazu benützt, unverfolgt abzuziehen.

Lecourbe hingegen suchte sich auch der Stellung bei den Seen auf der Oberalp, d. h. der Paßhöhe zu bemächtigen. Zu diesem Zwecke entsendete er einen Teil der Grenadierreserve und diesen folgend das eben mit General Gudin ankommende I./67. durch das Fellithal über die beschwerliche Fellilücke (2490 m ). die zwischen dem Schneehühnerstock und dem Pizzo Tiarms ge- legene Einsattlung. General Gudin hatte von sich aus am Morgen beim Aufbruche von Realp bereits ein anderes Bataillon der 67. Halbbrigade über den Gotthard-Paß nach Airolo entsendet. Dies geschah zu dem Zwecke, um den Kaiserlichen sowohl den Weg in die Leventina zu verlegen, wie ferner, soweit die Abteilung des Obersten Strauch in Betracht fiel, jedes Eingreifen vom Bedretto her zu hindern.

Der Rest der Division ging unter der Leitung ihres Befehls- habers gegen die Oberalp vor. Das Feldtagebucb berichtet hier- über: „Der Feind krönte mit zwei Bataillonen des Regiments von Kerpen und in enger Aufstellung die Uebergänge nach Tschamut und San Giacomo in Graubünden. (Gemeint sind damit die durch „Calmot" getrennten Wege, der Paß da Tiarms (2154 m) und jener durch das Val Surpalix (2048 m), den die heutige Poststraße einnimmt.)

Mehrfach versuchte es der Gegner uns zu umgehen, aber die staffellörmig aufgestellten Reserven hinderten ihn daran/' Die Kaiserlichen leisteten den verzweifeltsten Widerstand. Die fran- zösische Umgehung war noch nicht durchgeführt und die wieder- holten Frontalangriffe mit der blanken Waffe mißlangen vollständig. Erst als die drei anwesenden Generale die Säbel zogen und sich persönlich an die Spitze der 7 noch übrigen Grenadiercompagnien stellten, gelang es, den Gegner ins Val Tavetsch hineinzudrängen. Er verlor dabei eine Fahne, 20 Offiziere und 1000 Mann an Ge- fangenen, dazu 200 Tote, 300 Verwundete und zehn Kanonen.

Diese Niederlage brachte den Generalmajor Simbschen zu dem Entschlüsse, seinen Rückzug unaufhaltsam bis Chur fortzusetzen, welchen Ort er mit dem ihm noch bleibenden Truppenreste am 20. August unverfolgt erreichte.

Die Division Lecourbe hatte ihre Aufgabe in den drei Tagen vom 14. zum 16. August erfüllt. Sie stand jetzt mit dem rechten Flügel in Altdorf und Flüelen. Das Hauptquartier befand sich vorerst in Altdorf.141 Es blieb noch die Durchführung der Be- setzung des Klausen-Passes (1952 m). Die auf dem ürnerboden lagernde gegnerische Abteilung, bestehend aus 800 Oesterreichern, 300 400 Glarner-Landstürmern und 200 Timern unter Arnold

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und Martin, leisteten den am 18. August (1. Fructidor) auf sie stoßenden L, IL/38. Halbbrigade einigen Widerstand, wurden dann aber ins Linththal geworfen und bis zu dem Orte gleichen Namens verfolgt. Die Urner hatten am 14. am Grundbühl gestanden, waren aber nach der Landung der Franzosen durch den Grunwald und über die Alpen nach Bürglen und Spiringen zurückgegangen. Lusser (S. 164) erzählt, die Franzosen seien von einem Schächen- thaler längs der steilen Balmwand geführt worden. Eine Flatter- mine sprang dicht vor der Kolonne, aber von dem eingefallenen Nebel begünstigt, umging sie die Stellung in glücklicher Weise. Dabei verlor der Gegner 40 Tote, 180 Verwundete und 152 Ge- fangene, unter welchen sich ein Hauptmann befand. Die Franzosen büßten 2 Mann an Toten, 15 an Verwundeten, 3 an Gefangenen ein. Sie bezogen Stellung auf der Fritternalp, an der Grenze von Uri und Glarus gelegen.

Die Stärkenverhältnisse der in den drei erwähnten August- tagen miteinander Ringenden sind fast die gleichen. Die Oester- reicher waren durch die lange Waffenruhe und die Schwierigkeit der Verpflegung ihrer Truppen dazu gezwungen, eine lang ausge- dehnte Stellung (Cordon) einzunehmen, welche an mehreren Stellen zu durchbrechen nicht schwierig war. Die Aufstellung in lang- gestreckten Thälern bedingt aber noch keine Niederlage, die mit größeren Verlusten verknüpft ist. (Lecourbe im Engadin 30. April bis 3. Mai.) Diese müssen im vorliegenden Falle vielmehr einzig und allein der Unfähigkeit des Feldherrn oder der geringen Leistungsfähigkeit der Truppen zugeschrieben werden. Beides ist leicht zu erkennen in dem Verhalten der Kaiserlichen bei diesen Ereignissen. Die österreichischen Führer trifft zudem die Schuld der ganz unerklärlichen Versäumnisse, die besetzten Stellungen nicht befestigt und in der Flanke sowie im Rücken gesichert zu haben. Außer der Meienschanze, und diese wurde nicht durch kaiserliche Sappeure errichtet, findet sich nirgend eine Spur auch nur der flüchtigsten Befestigung. Es fehlte der österreichischen Aufstellung eine richtige Anordnung der Reserven. Diese standen durchgängig zu weit von dem kämpfenden Treffen entfernt und wurden über- dies zu schwach gebildet. Der Weg, den die Angreifer nehmen mußten, führte, soweit die Kolonnen d'Aumas (Susten), Loison (Surenen) und Gudin (Grimsel) in Betracht fallen, über unwegsame, leicht zu verteidigende und zu sichernde Pässe. Nur die Grimsel wurde mit genügenden Kräften bedacht, die aber ihrer Aufgabe, bei der ihnen mangelnden Gabe des Erkundens, nicht gewachsen blieben. Generalmajor Simbschen vergaß es ganz, die Surenen und den Susten zu besetzen, obgleich das von Lecourbe im März und April gegebene Beispiel (Cierfser-Joch, Ofen-Paß) als Vorbild nahe genug lag. Die große Zahl der Gefangenen endlich, welche die

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Franzosen machten, läßt darauf schließen, daß die untere Führung bei den Oesterreichern ebenfalls der Thatkraft ermangelte und die Truppen selbst sich in übler seelischer Verfassung befanden.

Der französische Angriff gelang aus diesem Grunde, obwohl er sich als ein nicht wenig künstlich zusammengesetzter zeigte. Er wäre gewiß an einer oder der anderen Stelle mißlungen, wenn nicht die Verteidigung die oben berührten Fehler aufgewiesen hätte. Wie wenig Verlaß auf Berechnungen von Marschzeiten für Gebirgs- strecken ist, ergibt sich aus der Bewegung der Kolonne Loison. Sie sollte bereits am 14. abends Wasen erreichen, um die Oester- reicher völlig einzuschließen. Das unvorhergesehene Ereignis, ein Gewittersturm mit Schnee winden, verhinderte ihr Eintreffen zur bestimmten Frist.

Lecourbe fühlte wohl selbst die Mängel des von ihm in seinen Einzelheiten festgesetzten Angriffsplanes. Um entscheidend auf- treten zu können, behielt er die Grenadierreserve in der Hand, mit welcher er selbst den eigentlichen Frontalangriff durchführte.

Der General muß jedoch damit entschuldigt werden, daß er die ihm gestellte Aufgabe nur so lösen konnte, wie er es that. Der gut verteidigte Gotthard konnte gar nicht fallen und höchstens ernstlich von der Furka und der Leventina her bedroht werden. Er mußte in die Hände der Franzosen übergehen, weil sie den festen Willen dazu hatten, diese Stellung einem untüchtigen, stets ratenden aber niemals thatkräftig sich beweisenden Gegner zu entreißen.

Am 28. August wurde das IL Lemaner-Bataillon und IL/25. Halbbrigade von der Division abberufen. Zugleich erhielt General Molitor,142 der an die Stelle von General Boivin getreten war, den Befehl des Obergenerals Massena, am 29. gegen den Pragel-Paß (1547 m) und Glarus vorzugehen, um die Oesterreicher aus dem Muotta- und Klönthal zu vertreiben.

Den 29. August aufgebrochen, erreichte Molitor mit dem bisher in Ober-Iberg stehenden L/84. in raschem Marsche den östlichen Ausgang des Klönthaies. Der Gegner, von dem sich nur ein -schwacher Posten Glarner Milizen auf der Paßhöhe des Prageis befand, wich unaufhaltsam bis zu diesem Punkte. Da aber unterdessen IL/84. Halbbrigade herankam und über die Hänge des Sackberges eine Umgehung durchführte, trat der Feind nicht nur endgültig den Rückzug an, sondern räumte auch Glarus und bezog dann eine Stellung vorwärts Netstall. Molitor teilte nun seine Kolonne, eine Hälfte eilte nach Netstall, die andere nach Glarus. Zugleich erschien aber Major Eötvös mit 2 Bataillonen kaiserlicher Infanterie auf der Straße von Schwanden her und 1500 Schweizer-, meist Glarner- Milizen machten den Versuch , über den Ostabhang des Vorder-Glärnisch hin die Franzosen völlig einzuschließen. Das Feldtagebuch bemerkt dazu: „Den Schweizern gelang es, ein

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schwer gangbares Tobel zu durchschreiten, in der Absicht, den rechten Flügel des Generals Molitor zu umgehen. (Gemeint ist der Bach bei der Häusergruppe Wyden, 2 km westlich von Glarus. Dieser ließ sie aber mit dem Bajonette angreifen, wobei sie zurück - und in das Tobel geworfen wurden. Hier ertranken viele (?) und mehrere wurden zu Gefangenen gemacht." Der Tag endete damit, daß Molitor die Ausgänge des Klönthaies gegen Netstall und Glarus besetzte. Nach der Lebensbeschreibung von Hotze (S. 365) verloren die Glarner an diesem Tage 30 Mann. Ihre Schar ging auseinander, welchem Beispiele ein Appenzeller Bataillon in der Stärke von 400 Mann folgte, das beim ersten Kartätschschusse 4 Tote und 6 Verwundete eingebüßt hatte.

Am 30. August erhielt der General aus Schwyz Lebensmittel, Schießbedarf und Verstärkung durch III. / 84. Halbbrigade. Immerhin ereigneten sich an diesem Tage keine Feindseligkeiten, dagegen entschloß sich Molitor, am 31. zum Angriffe überzugehen.

Lecourbe entsendete dagegen am 30. den Capitaine Montfort mit IL/38. Halbbrigade. Sie trafen auf einigen Landsturm, der aber ohne weiteres aus seinen Stellungen wich. Trotzdem scheint sich Loison mit der Besetzung von Linththal begnügt zu haben.

Molitor entsendete zur gleichen Zeit einige Compagnien nach Glarus hinein, freilich nur für wenige Viertelstunden und wohl einzig zum Zwecke der Erkundung der gegnerischen Absichten. Um 5 Uhr früh begann das Gefecht bei Riedern, in welches FML. Hotze mit 2 frisch von Niederurnen herankommenden Bataillonen eingriff. Da den französischen Vortruppen ob Riedern der Schieß- bedarf ausging, rollten sie Steine auf die eindringenden Gegner hinab. Endlich trafen 4 Compagnien von 1/76. als Verstärkung ein und nun schritt Molitor seinerseits zum Angriff. Der Gegner wurde bei dem schnellen Vorstoße aus Glarus und selbst aus Netstall geworfen und verlor 400 Mann Gefangene neben 800 an Verwundeten und Toten. Unter den letzteren befand sich General- major E weich. Die Franzosen verloren 19 Tote, 139 Verwundete und 85 Gefangene.

Besonders ausgezeichnet hatten sich in dem Gefechte, nach welchem die Kaiserlichen unter dem Schutze der Dunkelheit in ihre Stellungen hinter der Linth zurückgingen, die vom Bataillons- chef Saucey geführten Teile der 84. Halbbrigade.

Die Franzosen behielten ihre Stellung im Klönthale. Am 1. September besetzte Molitor Mollis und das Sernftthal. Der Kerenzerberg blieb im Besitze der Kaiserlichen.

Der Angriff der zuletzt etwa 3000 Mann starken Brigade Molitor hing mit der Bewegung der Division Soult (ehemals Chabran) gegen Uznach und dem Versuche von Massena zusammen, während dieser Ereignisse im Vogelsang bei Turgi- Windisch über

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die Limmat zu gehen. ' Der Brückenschlag mißlang jedoch dort, und gewonnen für die Franzosen wurde eigentlich nichts durch die Vorfälle an der Linthlinie. Die Oesterreicher (FML. Hotze) nahmen ihren linken Flügel hinter die Seez bei Wallenstadt und Sargans zurück; das Rheinthal wurde bis Ilanz durch streifende Abteilungen beobachtet.

Es mag noch erwähnt werden, daß in dem am 31. August gegen die Division Soult vorgefallenen Gefechte der tapfere Major Eötvös blieb. FML. Hotze selbst geriet in Lebensgefahr und fiel fast in Gefangenschaft. Sein Adjutant Nestorowicz ward verwundet und auch der aus Zürich stammende Lieutenant im 60. Infanterier- egiment, Felix von Orelli, starb den Heldentod.

Für die verbündete Armee in der Schweiz aber bildeten die Ereignisse vom 29. bis 31. August ein Vorspiel mit wenig glück- lichem Ausgange zu der vier Wochen später stattfindenden zweiten Schlacht von Zürich.

VI.

Suworoff.

Uni die Mitte des Septembers 1709 verteilten sich die Streit- kräfte der Gegner in der Schweiz wie folgt:

Russen. Generallieutenant Korsakoff mit 24000 Mann (29 Bataillone, 25 Schwadronen, 4 Kosakenregimenter u. s. w.) bei Zürich, an der Limmat und der untern Aare.

Oester reicher (und Schweizer in englischem Solde).

Generalmajor Prinz von Württemberg mit 2500 Mann (1 öster- reichisches Dragonerregiment und 2 Bataillone Legion Bachmann und Roverea), unterstützt von der Flottille des englischen Obersten Williams auf dem rechten Zürichsee- Ufer.

Feldmarschall-Lieutenant Hotze mit 8000 Mann (11 Bataillone und 10 Schwadronen) an der Linth und dem obern Zürichsee.

Generalmajor Jellacic mit 5000 Mann (8 Bataillone, 3 Sclrwadronen) bei Sargans.

Feldmarschall-Lieutenant Linken mit den Brigaden Auffenberg und Simbschen, zusammen 6500 Mann (10 Bataillone, 8 Schwa- dronen), im Bündner Oberlande.

Oberst Strauch mit 4500 Mann (8 Bataillone, */a Schwadron) in Bellinzona und Locarno ; die Vortruppen in Biasca und zeitweilig bis zum Dazio grande vorgeschoben.

Franzosen (Angaben nach Koch, Massena III, 486):

1. Division, Turreau 9462 Mann in den Thalschaften des Wallis.

2. Lecourbe 11752 im oberen Reufi- und Linth-

gebiete.

3. Soult 12670 n auf dem linken Zürichsee- Ufer

und längs der untern Linth.

4. Mortier 11167

5. B Lorges 8565 , gegenüber den Russen.

9017 Mann

3696 j,

im Frickthale.

9310 ,

am rechten Rheinufer hei

Basel.

; 3430 ,

im Freiamte.

2524 ,

im Bernbiet,Freiburguncl

im Kanton Leman.

128

6. Division, Menard

7. Klein

8. Chabran

Grenadier-Reserve Humbert Montchoisy

Hülfsdienste 1166

Demnach zählten die Verbündeten (27 000 Russen und etwa 25000 Oesterreicher) zusammen 52 000 Streiter, die Franzosen dagegen 82 759 Mann. Dieses für die letzteren so günstige Verhältnis tritt noch mehr hervor, wenn die weitläufige Aufstellung ihrer Gegner in Betracht fällt.

Das alles mußte den zum Angriff entschlossenen Oberbefehls- haber Massena dazu drängen, seinen Plan mit größter Beschleunigung durchzuführen. Der Grund, warum die Franzosen nicht sogleich nach dem Abzüge des Erzherzogs aus der Schweiz losschlugen, ist unschwer zu erkennen. Die Vorbereitungen zum Uebergange bei Dietikon und Schanis bedurften einer gewissen Zeit zur geheim- zuhaltenden Ausführung. An ersterem Orte wurde man damit nicht vor dem 20., an letzterem gar erst gegen den 25. September fertig.

Massena hatte ursprünglich den allgemeinen Angriff auf den 26. September festgesetzt. Am 23. des nämlichen Monats aber erhielt er durch den General Suchet, den damaligen Stabschef der französischen Armee in Italien, die Nachricht, Suworoff sei in die Schweiz abmarschiert. So entschloß sich der Obergeneral, die Fluß- übergänge am 25. und 26. September zu erzwingen.

Nach einer vorgängigen Festsetzung sollte die französische Hauptmacht die Kräfte des Generallieutenants Korsakoff angreifen, die Division Soult dagegen in Gemeinschaft mit der Brigade Molitor von der Division Lecourbe den FML. Hotze derart beschäftigen, daß dieser den Russen keine Hülfe leisten dürfte.

Die Division Lecourbe endlich hätte dann den FML. Linken in Bünden bedroht.

Dieser Plan ward aber durch ganz unvorhergesehene Maß- nahmen der Gegner und zwar, wie bereits angedeutet, in Italien durchkreuzt.

Einen Monat vor der zweiten Schlacht von Zürich, am 27. August, wurde Suworoff nämlich durch Kaiser Franz der neue Feldzugs- plan der Verbündeten mitgeteilt.143

Die Vorgeschichte dieses Entwurfes muß hier kurz wieder- gegeben werden.

Am 22. Juni schlössen England und Rußland den Vertrag zur Ausführung einer gemeinsamen Landung an den Küsten der bata- vischen Republik. Lord Grenville drückte bei dieser Gelegenheit

129

den Wunsch seiner Regierung aus, daß Suworoff gemeinsam mit Korsakoff die Franzosen aus der Schweiz vertreiben, Erzherzog- Karl ins Oberelsaß eindringen, Melas von Savoyen aus den Angriff der Russen unterstützen solle. In der That entsprach dieser Ge- danke einem wirklichen Bedürfnisse. Die Verbündeten durften nicht" länger gemeinsam auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen han- deln, sollten nicht ewige Eifersüchteleien die errungenen Erfolge wieder vernichten. Paul sowohl wie Thugut waren hiemit ein- verstanden, der Minister Franz' IL freilich wie immer nur unter Bedingungen. Er wünschte, daß der eigentliche Angriff gegen Frankreich auf das Jahr 1800 verschoben werde und daß das Heer des Erzherzogs die ehemals österreichischen Niederlande besetzen solle. Zugleich bewirkte der Allmächtige, entgegen seinen öffent- lichen Versprechungen, den Abmarsch von Erzherzog Karl aus der Schweiz.

Suworoff nahm die ihm aus Wien gewordene Mitteilung mit sichtlichem Mißfallen auf. Sein scharfer Verstand, seine Einsicht ließen ihn nur zu gut erkennen, daß der achtzigjährige bequeme Melas, sich selbst überlassen, Italien ganz sicher verlieren werde. Die Ereignisse von 1800 haben ja Suworoff auch wirklich Recht gegeben. Der greise Marschall wünschte Ligurien und Piemont den Franzosen vollends zu entreißen, um in guten Winterquartieren die Vorbereitungen für den Feldzug auf Frankreichs eigenem Boden zu betreiben.

. „Ich bin der Ueberzeugung", schrieb Suworoff an Kaiser Franz, „daß man, um die Schweiz zu erobern, Italien deshalb nicht ver- lieren dürfe." So bestand er darauf, erst Tortona, Coni, Nizza u. s.w. zu erobern, was etwa zwei Monate in Anspruch genommen und demnach den Alpenmarsch überhaupt verunmöglicht haben würde.

In demselben Berichte machte Suworoff den Kaiser Franz aufmerksam, „daß man die für die Schweiz bestimmten Truppen mit den unentbehrlichsten Ausrüstungsgegenständen, mit Munition, Gebirgsgeschützen und Pontons versehen und denselben außerdem noch eine gewisse Anzahl mit den Eigentümlichkeiten des Landes vertrauter Generalstabsoffiziere zuteilen möge." „Es sollte mir unendlich leid thun", fügte Suworoff am Schlüsse seiner Meldung bei, „wenn der Mangel an den vorbezeichneten Mitteln trotz all' meines Eifers mich dennoch an der Erreichung des mir vorge- steckten großen Zieles verhindern würde."

Nun erhielt Suworoff aber den Befehl seines Zaren, in die Schweiz abzumarschieren; zugleich jedoch die Nachricht von den Vorgängen zwischen Erzherzog Karl und Korsakoff.

So mußte er ohne weiteres gehorchen.

Am 8. September traten die Corps Derfelden von Asti und Rosenberg von Rivaita aus den Marsch nach Varese an. Suworoff

Günther, Feldzug 1799. 9

130

ward auf seinen Wunsch von den Obersten Weyrother und dem Major Eckart nebst einigen anderen Offizieren des österreichischen Generalstabes begleitet, da diese die Schweiz angeblich genau kannten. Wie ungern Suworoff aus Italien schied, bezeugt die Aeußerung: „Nachdem man mir das für Italien nötige Blut aus- gepreßt, wirft man mich hinter die Alpen zurück."

Nach einigem Aufenthalte, der dadurch nötig geworden, daß die Franzosen von der Riviera her es versuchten, die Zitadelle von Tortona zu entsetzen, langten die Russen am Abend des 15. September in Taverne, dem Straßenknoten südlich des Monte Cenere an.

Nach der Verfügung vom 6. desselben Monats (Miliutin III, 393, Nr. 281) mußten sämtliche Regiments- und Feldgeschütze über Mailand und Como zu Wasser nach Colico, über den Maloja, das Engadin und den Arlberg nach Maienfeld entsendet werden. Dafür erhielt das Corps Derfelden 15, das Corps Rosenberg 10 Gebirgs- kanonen. In Bellinzona und Airolo sollten Mundvorräte für 12 Tage aufgestapelt, sowie 1429 Maultiere für die Fortbewegung desselben wie des Reserve-Schießbedarfes, besammelt werden.

„Die in Airolo und Umgebung (!) stehende Abteilung des Obersten Strauch wird im Verein mit den russischen Truppen den St. Gotthard angreifen, während Prinz Victor Rohan und FML. Hadik Demonstrationen über den Simplon und großen St. Bernhard gegen Wallis ausführen. Nachdem sich die Kolonne am 17. September dem Fuße des St. Gotthards nähert, so können am 18. die nötigen Vorbereitungen hiezu getroffen und am 19. sowohl der Angriff auf den St. Gotthard, als der allgemeine Angriff auf die ganze Linie der feindlichen Aufstellung von den in der Schweiz befind- lichen Truppen der beiden kaiserlichen Armeen ausgeführt werden.

Sobald die den Eingang in die Schweiz verteidigenden feind- lichen Posten zurückgeworfen sind, haben die Truppen des Obersten Strauch die Grenze zu besetzen und ohne jedoch in das Innere der Schweiz einzudringen, das weitere Vordringen der russischen Kolonne zu decken. Sobald der St. Gotthard genommen, sucht die kaiserliche russische Kolonne in derselben Richtung in den Rücken des Feindes vorzurücken, in welcher letzterer selbst den linken Flügel der österreichischen Armee in der Schweiz ange- griffen und denselben zurückgedrängt hat d. i. durch das Reuß- und Linththal und womöglich zugleich auch durch das Rheinthal.

Wie bereits oben erwähnt, haben die beiden kaiserlichen Armeen den Angriff auf die Front des Feindes zu gleicher Zeit auszuführen; es hat deshalb der den linken Flügel der öster- reichischen Truppen in der Schweiz kommandierende FML. Linken alles anzuwenden, um sich mit den aus Italien heranziehenden russischen Truppen zu vereinigen, was ihm zweifelsohne leicht

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gelingen wird, worauf der ausgedehnte rechte Flügel des Feindes, in Front und Rücken angegriffen, völlig geschlagen werden wird. Alsdann muß man sich möglichst schnell mit dem Corps des FML. Hotze im Kanton Glarus vereinigen und die von der öster- reichischen Armee in der Schweiz früher innegehabte Position wieder zu gewinnen suchen. Doch darf man sich nicht hierauf allein beschränken. Nachdem die russischen Truppen von Italien her in die Schweiz eingedrungen sind, werden dieselben mit aller Entschiedenheit längs des linken und rechten Ufers des Luzerner- sees bis Luzern selbst vordringen und dann in Verbindung mit den Generalen Linken und Hotze die rechte Flanke des zwischen dem Züricher und Zugersee stehenden Feindes angreifen und zurückwerfen, sowie in Verbindung mit dem Corps des General- lieutenants Rimski-Korsakoff, ohne hiebei irgend ein Opfer zu scheuen, alles anwenden, um eine Position auf dem rechten Ufer der unteren Reuß und der Aar zu gewinnen. Nachdem der linke Flügel der aus Italien anrückenden russischen Armee sich des St. Gotthards sowie der Grimsel und Furka bemächtigt haben wird, wird derselbe die linke Flanke der in der Schweiz stehenden ver- bündeten Armee völlig decken. " (Aus der Disposition für die Offensiv- bewegung der kaiserlichen russischen Truppen von Piemont nach der Schweiz, entworfen zu Asti den 6. September 1799. Abgedruckt bei Miliutin III, Nr. 281, S. 393.)

Die Vorschrift, daß die „russischen Truppen mit aller Ent- schiedenheit längs des linken und rechten Ufers des Luzernersees bis Luzern selbst vordringen" sollen, zeigt deutlicher als alles übrige, daß weder Suworoff, noch irgend sonst jemand in seinem Stabe etwas von den thatsächlichen Verhältnissen der berührten Gegend kannte.

Für den Marsch in die Schweiz verfügten die Russen über vier Wege. Der erste, Asti zunächst gelegene, führte über den Großen St. Bernhard, der zweite hätte den Simplon benützt, der dritte verlief eben über den Gotthard, der vierte und am weitesten ausgreifende dagegen leitete über den Splügen.

Einige Stimmen haben sich für den Marsch über den Großen St. Bernhard erhoben. Sie meinten, daß es möglich sei, auf diese Art dem Gegner in den Rücken zu fallen. Clausewitz (II, 191 ff.) hat den Vorschlag, der, wie sicher angenommen werden kann, zu Asti behandelt wurde, in einem besondern Abschnitte besprochen (Nr. 82). Seine Ausführungen gipfeln in den Sätzen:

„Der Weg über den St. Bernhard war eine strategische Um- gehung, d. h. eine solche, die entweder gar nicht zu einer Gefechts- entscheidung führen, sondern durch das Unterbrechen der Ver- bindungslinien wirken soll, oder die die Entscheidung nicht mit den vor der feindlichen Fronte befindlichen Streitkräften gemein-

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schaftlich giebt. Denn was das Letztere betrifft, wie hätte General Suworow daran denken können, mit Korsakoff und Hotze gemein- schaftlich zu schlagen, da er von dem Augenblicke an, wo seine Richtung auf den Bernhard sich aussprach, wenigstens 4 bis 5 Tage brauchte, um nach Vevey zu kommen, Vevey aber 25 Meilen von Zürich ist, es also nur von dem französischen Feldherrn abhing, auf welchem Punkte der letzten 10 oder 15 Meilen dieses Weges er mit Suworow schlagen wollte."

Der Simplon vollends konnte gar nicht in Frage kommen; denn in diesem Falle wäre das russische Heer zwischen zwei Feuern (Division Turreau und Lecourbe) gestanden und gezwungen gewesen entweder den 150 km langen Engpaß des Wallis oder aber einen Marsch über gänzlich unwegsame Gebirgspfade zurückzulegen. Ueberdies war der Simplon-Paß selbst ein weit schlechterer Weg als jener über den Gotthard. Nicht einmal Karren vermochten ihn damals zu befahren.

Suworoff war wohl von vorneherein für den Gotthard einge- nommen. Er hat auch die getroffene Wahl in einer Auseinander- setzung verteidigt. (Miliutin VI, 210 211.)

„Disposition für den Angriff auf den St. Gotthard. Bellinzona, den (?) September 1799. Ton der ganzen feindlichen Position von der Mündung der Aar durch die Kantone Zürich, Glarus, Schwyz, TTri und Unterwaiden ist der stärkste Teil der linke Flügel, und zwar nicht allein wegen der Zahl der Truppen, sondern auch wegen der natürlichen Schwierigkeiten, welche den Vordringenden von dem Terrain entgegengesetzt werden. Es halten dort 30 000 Mann einen Gebirgsrücken besetzt, welcher sich in einer Länge von 3 4 Meilen erstreckt ; dieser Rücken ist an manchen Stellen un- angreifbar, während die wenigen Zugänge von dem Feuer der feindlichen Batterien bestrichen werden. Zudem lehnt sich der linke Flügel an die Aar an; der LTebergang über die Limmat stellt dem Angreifenden, welcher nicht von verschiedenen Punkten, sondern nur allein von Zürich her vordringen kann, gleichfalls Hindernisse entgegeu. Auch dort hat derselbe die Höhen unter dem Feuer des Feindes zu ersteigen, oder muß gleich anfangs von einem Punkte mehrere Kolonnen abrücken lassen. Dies alles zeigt, daß man nur den rechten Flügel der feindlichen Position mit Erfolg angreifen könne. Obgleich hier das Terrain sehr bergig ist, so sind doch auch die Vorteile auf beiden Seiten gleich, und man kann bei einem Angriffe zwischen dem Luzerner- und dem Zuger- see dem Feinde sogar eine ausgedehntere Front entgegen stellen. Dieser Vorteil bietet sich auch in dem Falle dar, wenn die Streit- kräfte, welche jetzt in den Kantonen Schwyz und Glarus zerstreut sind, sich mit jenen 30 000 Mann, welche auf dem Albis stehen, vereinigen, wodurch dann eine Stärke von 40 000 Mann erreicht

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wird. Hiebei darf nicht vergessen werden, daß sich uns in diesem Falle ein doppelter Vorteil bieten wird; wir werden nämlich ur- sprünglich es nur mit einem 20000 Mann starken Feind zu thun haben, welchem wir mehr als 35 000 Mann entgegenstellen können ; dieser Teil der feindlichen Streitkräfte wird selbstverständlich ge- schlagen und in die Flucht gejagt werden, wobei uns einige tausend Gefangene in die Hände fallen können ; wir werden alsdann siegreich über die übrigen Abteilungen des feindlichen rechten Flügels herfallen ^ und dieselben in Verwirrung und Unordnung bringen; ein hartnäckiger Widerstand wird, unmöglich, die Folge aber ein entscheidender Sieg sein. Es entsteht jetzt nur noch die Frage: Auf welche Weise kann man am schnellsten und leichtesten die erwähnten 20 000 Mann des feindlichen rechten Flügels über den Haufen werfen? Wenn wir zu diesem Zwecke uns vorerst mit dem linken österreichischen Flügel, welcher bei Dissentis steht, zu vereinigen suchen würden, so müßten wir wenigstens vier ver- schiedene, äußerst unzugängliche Bergrücken ersteigen und hierauf so viele und vielleicht noch mehrere Tage verwenden als gerade zur Erreichung Luzerns nötig wären. Wir würden die ganze Division Lecourbe in unserer linken Flanke haben und müßten, um dieselbe zurückzuwerfen, wieder das Reußthal aufwärts vor- dringen ; ferner müßte, um nicht an der Teufelsbrücke aufgehalten zu werden, immerhin ein Teil unserer Truppen von Bellinzona her operieren, sich des Gotthards bemächtigen und von dort in den Rücken des die Teufelsbrücke verteidigenden Feindes vordringen. Der einzige Weg ist daher, den St. Gotthard von Bellinzona °her anzugreifen. Durch diesen Angriff allein werden wir das erreichen, was wir nach dem im erörterten ersten Vorschlage erst nach Verlauf von 6 Tagen und dazu nicht anders als durch Mitwirkung eines besonderen Corps, welches immer wieder von Bellinzona her zu operieren hätte, erreichön würden."

Dabei mag nun gleich bemerkt werden, daß der Marsch über den Gotthard selbst keineswegs mit außerordentlichen Schwierig- keiten hinsichtlich des Weges zu kämpfen hatte. Ebel sagt m seiner „Anleitung die Schweiz zu bereisen" (2. Auflage II, 391, Zürich 1804): „Diese Straße beginnt bey Hospital im Urserenthal und endigt auf der Südseite bey Airolo nach 5 Stunden ; sie hat 10 12 Fuß Breite und ist mit großen Granitstücken belegt." Wöchentlich gingen 300 Packpferde, jährlich 14 000-15 000 Reisende über den Berg. Der Weg gestattete es sogar, unter Umständen und bei Opfern an Zeit und Geld, Kutschwagen zur Reise zu be- nützen. Die einzige Unbequemlichkeit äußerte sich in der Steilheit des Abfalles durch das Val Tremola.

Den Marsch über den Gotthard nennt Clausewitz (II, 205) einen „riesenhaften Mißgriff." Suworoff hatte sich vorgenommen

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oder es war ihm durch die in seinem Stabe befindlichen Oester- reicher die Meinung aufgedrängt worden, er müsse unter allen Umständen die geplante Vereinigung mit dem Corps des FML. Hotze zwischen Schwyz und Einsiedeln vollziehen. Dabei übersah man gänzlich, daß ein ungewöhnlich entschiedener Gegner, Lecourbe nämlich, sich auf dem Gotthard befinde und daß die Verbindung zwischen dem Reuß- und Muotathale lediglich aus fast ungangbaren Pfaden bestehe. Suworoff forderte übrigens in jenen Tagen ein Gutachten ein von den österreichischen Führern über die Möglichkeit eines Angriffes auf den Gotthard. -In der That liegen derartige Schriftstücke von dem Obersten Strauch und dem FML. Hotze vor. (Miliutin IV, 203 206.) Ersterer spricht von der Bemeisteruug der Stellung auf der Hauptwasserscheide selbst. Hotze erklärte unter dem 10. September: „Meine Offensivbewegungen werden durch die Kantone Glarus und Schwyz gerichtet sein, um so schnell als möglich gegen Meilingen, in den Rücken der feindlichen Position auf dem Albis vordringen und über Egeri an den Zugersee gelangen zu können. Oberst Strauch nahm in seinem Vorschlage auch die Division des FML. Linken auf, während außerdem noch 8000 Russen zum Angriffe des LTrserenthales bestimmt sind; eine solche Truppen- masse kann in einem ähnlichen Gebirgsdefilee nicht wohl verwendet werden, und würde ich selbst ohne die Division Linken für die Bewegung über die Linth in den Kanton Glarus zu schwach sein: würde diese Division erst nach dem Uebergang über den St. Gotthard nach großem Umwege zu mir stoßen, so könnte meine Mitwirkung nicht gleichzeitig geschehen.

Mein Vorschlag besteht demnach darin, daß an demselben Tage, an welchem 8000 Mann russischer Truppen in Dissentis anlangen, FML. Linken über Sargans sich mit mir vereinigen möge, während General Auffenberg mit 4 Bataillonen in .einer Stärke von 2000 Mann in Dissentis zurückbleiben würde, um am

18. den Gebirgspaß gegen das Maderanerthal zu ersteigen und am

19. (d. i. an demselben Tage, an welchem der Angriff von Airolo und Urseren aus gegen den St. Gotthard ausgeführt wird) in das- selbe Thal bei Amsteg, im Rücken der Position auf dem St. Gott- hard zu debouchieren. Hierdurch würde der Vorteil erreicht werden, daß der Feind, sobald er die Bewegung Auffenbergs erfahren, sich gezwungen sieht, von einer hartnäckigen Verteidigung des St. Gott- hard abzustehen und sich zurückzuziehen, um nicht der Rückzugs- linie über Amsteg nach Altdorf beraubt zu werden. Sollte der Feind trotzdem sich entschließen, den Angriff am 19. zu erwarten und seine Verbindung mit Altdorf zu opfern, so bleibt ihm nur die einzige Rückzugslinie über Engelberg in den Kanton Unter- waiden übrig. Von Amsteg gelangt General Auffenberg über Altdorf auf einem Fußsteig in den Kanton Schwyz, um

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sich mit mir zu vereinigen, während Ew. Durchlaucht Ihr Vordringen gegen den Luzernersee fortsetzen."

Der gesperrt gedruckte Satz erweist deutlich, daß FML. Hotze annahm, Suworoff werde von Altdorf mit seiner Hauptmacht längs des Sees, also über Sisikon und Morschach nach Brunnen marschieren und den Weg über den Kinzig-Paß von dem als Seitendeckung dienenden Corps Auffenberg allein machen lassen. Eine andere Meinung über den Vorschlag von Hotze besagt: „Man könnte daraus, daß nachher nochmals das Vordringen gegen den Luzerner- see erwähnt wird, fast schließen, Hotze habe geglaubt, Suworoff werde erst in Altdorf ankommen oder dort so lange stehen bleiben, bis er selbst den Kanton Schwyz vom Feinde gesäubert habe." (Hartmann 77.)

FML. Stutterheim hat in der Oesterreichischen Militärischen Zeitschrift (XI, 1812) ausdrücklich die Erklärung abgegeben, daß die Suworoff begleitenden kaiserlichen Offiziere das Hochgebirge der Schweiz so wenig gekannt hätten, wie der Marschall selbst. Ein solch beschämendes Geständnis lügt man nicht zusammen ! Von dem Kinzig-Paß wußten gewiß nur die nächsten Landesbe- wohner. Ebel (IV, 70) schreibt ausdrücklich, daß der Pfad erst seit dem Zuge der Russen bekannt geworden sei. Es ist demnach wohl anzunehmen, daß FML. Hotze lediglich den Fußsteig meinte, der damals an der Stelle der heutigen Axenstraße dahinführte.

Dagegen will Roverea (II, 239) den in Zürich anwesenden Fürsten Gortschakoff, einen Neffen des Marschalls, auf die Schwierig- keiten eines Ueberganges vom Schächen- ins Muottathal aufmerksam gemacht haben.

Ein sogleich nach Tortona entsendeter Eilbote überbrachte angeblich diese Warnung an Suworoff. Es ist höchst verdächtig, daß Roverea Tortona" für „Asti" setzt und kein Datum für die Depesche u. s. w. angibt. Bei der Sucht des Schreibers, sich überall als Hauptperson hinzustellen und der vollendete Truppenführer zu sein, liegt die Annahme nahe, daß Roverea diese Warnung nach- träglich erfunden hat. Wie wenig er selbst sonst die in Frage fallenden Teile des Hochgebirges kannte, geht aus seiner eigenen Unternehmung gegen General Ruby (über den Pragel) deutlich hervor.

Miliutin ist völlig im Recht, wenn er sagt (IV, 14): „Niemand lenkte jedoch die Aufmerksamkeit des Feldmarschalls dahin, daß die Straße ihn nicht weiter, als bis zum Luzernersee führen könne."

Dagegen wird man nach den Ausführungen des Dr. 0. Hart- mann (85 ff.) gerne annehmen, daß nicht Weyrother allein, sondern Suworoff in eigener Person den Plan entwarf, die Vereinigung mit dem verbündeten Heere in der Schweiz über den Gotthard anzu- strengen. Es entsprach ganz dem Wesen des Marschalls, das Ziel auf dem kürzesten Wege zu erreichen. Diese Vermutung findet

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ihre Bestätigung in dem Schreiben Suworoffs an Hotze vom 18. Sept. (Miliutiu IV, 13), worin es heißt: „Der wahre Grundsatz der Kriegs- kunst ist, geraden Weges auf den Feind loszugehen und zwar von der für ihn empfindlichsten Seite, nicht aber furchtsam auf Umwegen sich durchzuwinden, wodurch der Angriff selbst aller Einheit beraubt wird, während die Sache nur durch ein gerades und kräftiges Vorgehen entschieden werden kann."

In der bereits auf Seite 133 wiedergegebenen Stelle der Ver- fügung zum Angriff auf den Gotthard wird der Marsch durch Bünden verworfen und es heißt ausdrücklich: „Der einzige Weg ist daher, den St. Gotthard von Bellinzona her anzugreifen." (Hart- man» S. 93.) „Gerade aufsein Ziel loszugehen, ohne irgend welche Rücksicht auf Schwierigkeiten, das war seine Art und sie ver- leugnete sich auch hier nicht. Es kam hinzu, daß sich Suworoff trotz seiner fortwährenden Klagen damals auf dem Gipfel seines Ruhmes befand. Von der Standeserhöhung durch den König von Sardinien war schon die Rede. Kurz darauf sandte ihm Kaiser Paul mit einem kurzen, aber sehr schmeichelhaften Schreiben sein Bildnis, wofür Suworoff unterm 28. August dankt (Fuchs II, Nr. 323 und 325, S. 96 und 97) und ernannte ihn endlich zum Fürsten Italiisky (19. August), eine Ernennung, die Suworoff wohl auf dem Marsche nach der Schweiz zugekommen ist, da das Dankschreiben vom 13. September aus Novara datiert. Er mochte sieb also, so geehrt und in seinem Selbstgefühl gehoben, auch das scheinbar Unmögliche zutrauen."

Es bleibt noch zu erörtern, ob der Marsch über den Gotthard dem gewünschten Zwecke in der That entsprach, oder ob Suworoff nicht besser gethan hätte, über den San Bernardino bezw. den Splügen vorzugehen. Clausewitz sagt darüber (II, 200/201):

„Suwarows Marsch über den St. Gotthard hat zwei verschiedene Bedeutungen uud ist fast als eine doppelte Maßregel zu betrachten, was die Schwierigkeit der Aufgabe vermehren mußte.

Einmal ist es ein Verteidigungsmarsch zweier durch den Feind getrennter Massen. Ein solcher strategischer Akt hat immer seine eigenen Schwierigkeiten und seine Krisis tritt gewöhnlich in dem letzten Augenblicke ein. Früher hat der zwischen beiden stehende Feind entweder keinen der beiden Teile erreichen können, oder der, welcher schon in der Nähe war, ist ausgewichen oder hat sich in einer unangreifbaren Stellung befunden u. s. w. Sowie beide Corps einander bis auf einen gewissen Punkt nahe gekommen sind und damit auch dem Gegner, dürfen sie sich nicht mehr zu weit ausweichen, wenn sie die Vereinigung nicht verfehlen wollen, und nun ist die Gefahr vorhanden, daß der Gegner sich gegen das eine wendet und es durch Ueberlegenheit schlägt, ehe dieses sich mit dem andern zum gemeinschaftlichem Schlagen hat einrichten können.

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Wir finden dies in der Kriegsgeschichte überall wieder und die Menge der einzelnen Maßregeln, welche dann von beiden Teilen genommen werden, der Aufwand von taktischen und strategischen Anordnungen, sowie die umständlichen Nachrichten der Schrift- steller bei solchen Gelegenheiten zeigen dies deutlich genug.

Die andere Bedeutung, welche in Suwarows Marsch lag, war ein Angriff auf die strategische Flanke der französischen Aufstellung.

Daß ein solcher Angriff etwas anderes ist, wie der Angriff, welcher durch einen Marsch über den St. Bernhard im Rücken der französischen Stellung stattfinden konnte, ist einleuchtend. Dort war an die Beabsichtigung eines gemeinschaftlichen Schiagens nicht zu denken, sie war aber auch nicht notwendig, weil die Massen der Verbündeten zu weit von einander entfernt waren, um dem Gegner zu erlauben, sich mit ungeteilter Macht jetzt gegen die eine und dann gegen die andere zu wenden. Bei dem Flanken- angriff war das gemeinschaftliche Schlagen mit dem General Hotze unerläßlich, weil es in der Natur eines Flankenangriffs liegt, daß die feindliche Stellung wenigstens auf diesem Flügel auch in der Fronte angegriffen werde. Es kommt also bei einem strategischen Flankenangriff auf eine viel genauere Berechnung der Momente, viel größere Präzision der Bewegungen an."

Nach diesen Ausführungen braucht nicht weiter erwähnt zu werden, daß die einzige Straße in die Schweiz für Suworoff über den San Bernardino oder besser noch über den Splügen nach Chur geführt hätte. Freilich durfte man aber dann nicht so viele Zeit verlieren, wie das vor Tortona und besonders in Taverne geschah, sonst wären die Russen auch auf diesem Wege zu spät für die Entscheidung bei Zürich nach Chur und in das Linthgebiet gelangt.

Eingehend über diesen Punkt spricht die sehr beachtenswerte Relation raisonnee de la marche de Tarmee de Suwarow, d'Italie en Suisse. Das Schriftstück, abgedruckt in den Pieces Justificatives zum XV. Buche des Werkes von Jomini, rührt nach Miliutin von einem Major Venancon her. Die einschlägige Stelle lautet:

„Die Oesterreicher brachten den Marschall zu dem Entschlüsse, über den Gotthard zu gehen. Sein Corps mochte in Wirklichkeit 16000 Mann Infanterie, 3000 Kosaken betragen, zu denen die un- nützen Mäuler hinzugerechnet werden müssen, so daß der ganze Verpflegungsstand wohl auf 22000 24000 Mann anstieg.

In der Nacht vom 13. auf den 14. Sept. setzte sich das ganze Corps gegen Novara in Bewegung. Hätte man eine mehr nach rechts verlaufende Richtung eingeschlagen, so wäre man am 14. in Galarate, am 15. in Como eingetroffen. Seit dem Entwürfe des Planes hätte man aus dem Mailändischen nach Como und Lecco allen notwendigen Schießbedarf senden, an den beiden Punkten die für einen Teil der fortzuschaffenden Vorräte nötigen Schiffe

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zusammenbringen, den Rest aber, auf Maultiere verladen, nach Chiavenna in Bewegung setzen können. Das Heer wäre in den Tagen vom 16. bis zum 18. nach Chiavenna gelangt, auf schlechten Wegen zwar, aber in befreundetem Lande und in der Mitte Sep- tember unter dem Himmel Italiens, über weit niedrigere Berge als diejenigen, welche man später angesichts des Feindes im Oktober und im Schweizerklima erklettern mußte. Die Armee hätte am 19. geruht. Am 20. wäre die Vorhut und ein Teil des Trains in Bewegung gesetzt worden, am 22. war Chur auf gutem Bergwege und ohne besondere Hindernisse zu erreichen. Die Nachhut und der Rest des Trains wären hier am 23. angelangt und es hätte nicht eines einzigen Mannes bedurft, um Rücken und Seiten zu decken. Die leichte Artillerie wäre auf dem See bis Chiavenna fortgeschafft worden und nicht 16 bis 17 Tage auf dem Rücken der Maultiere verblieben. Der Splügenw^eg würde es sogar gestattet haben, Stücke von 6 Pfund und nicht nur von 2 Pfund, wie über den Gotthard, mitzuführen. Endlich in Chur angekommen, fand man Lebensmittel und Heerstraßen.

Das Heer mußte in diesem Falle nur 6 Tage voller Ermüdung auf sich nehmen (von Como nach Chur), unter denen einer mit Ruhe zwischen zwei andere fiel. Es waren für 7 Tage Lebensmittel fortzuschaffen ; vier davon konnten auf dem See zurückgelegt werden. Von Chur nach Sargans und Weesen sind es zwei Marschtage, die Vorhut hätte sich demnach am 24. mit Hotze vereinigt, die ganze Armee am 25. Nur in Galarate (zwischen Novara und Como) konnte die Richtung, welche das Heer nehmen mußte, ent- schieden werden. Vom 15. bis 24. zählt man lediglich 9 Tage und der Feind, ungewiß über den Weg, den Suwarow genommen, hätte keine Zeit gehabt, seinen Angriffsplan gut zu entwerfen. . . . Hotze hätte die Corps der Generale Linken und Auffenberg nicht Suworow entgegen senden müssen, sondern wäre in der Lage gewesen, mit 6000 Mann mehr seine Stellung bei Weesen und Uznach zu ver- teidigen."

In Taverne zeigte sich wieder die Unordnung, welche im Kommissariatswesen der kaiserlichen Armee herrschte. General- major Daller, welchem der Auftrag geworden, die nötige Anzahl Saumtiere zu beschaffen, stellte den Russen kein einziges zur Ver- fügung. Mit vieler Mühe und nachdem fünf kostbare Tage in Taverne verloren gegangen, trafen 400 Maulesel dort ein. Um die noch fehlende Zahl aufzubringen, schlug der den Zug begleitende Sohn des Zaren, Großfürst Constantin Pawlowitsch vor, Kosaken- pferde zu benützen, da diese Art Kavallerie doch schwerlich im Gebirge zur Verwendung gelangen Averde. Zugleich wurden 5000 Säcke für die Lebensmittel aufgetrieben. Die abgesessenen Kosaken ließ Suworoff in der Art der leichten Infanterie bewaffnen. Oberst

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Strauch hatte übrigens in seinem oben erwähnten „Vorschlage" ausdrücklich darauf hingewiesen, daß man nicht mehr als 500 Reiter werde nötig haben.

Die Zusammensetzung des von Suworolf befehligten Heeres und die „Verhaltungsregeln bei Operationen im Gebirge sind von Miliutin (VI, 221, Nr. 35) wiedergegeben. Die Zahlen wurden nach dem Standesausweise vom 1. September der besseren Uebersicht halber hier beigefügt.

„Verhaltungsregeln bei Operationen im Gebirge. Größtenteils sind die Straßen im Gebirge so enge, daß sich kaum ein unbepacktes Pferd, viel weniger bepackte Maultiere auf denselben zu wenden vermögen ; es stellen sich dadurch dem Marsche große Schwierig- keiten entgegen, und müssen deshalb die Kolonnen derart gebildet werden, daß ihre Bewegung durch nichts gehindert werden kann. Obgleich an der Tete der Kolonne einige Kosaken notwendig sind, damit man durch sie von den Terrain Verhältnissen, bequemen Ueber- gängen und selbst von den Bewegungen des Feindes rechtzeitig in Kenntnis gesetzt werde und damit man sich durch ihre Patrouillen auf den Seitenwegen sichere, so können dieselben doch im Gebirge wegen der oben erwähnten Schwierigkeiten nicht von gleichem Nutzen sein ; deswegen hat der die Kolonne führende Offizier nach seiner eigenen Kenntnisnahme des Terrains oder nach von glaub- würdigen Wegweisern erhaltenen Nachrichten, ehe man noch den schwierigen Weg betritt, den die Tete der Kolonne kommandierenden General oder Stabsoffizier in Kenntnis zu setzen. In diesem Falle bleibt die gesamte Kavallerie zurück, während einige ausgerüstete Pioniere unter Bedeckung von Infanterie der Avantgarde den Weg bahnen. Die Geschütze mit allem Zubehör dürfen sich weder an der Tete noch rückwärts der Kolonne befinden; vorwärts würden dieselben den Marsch stören, rückwärts aber im Falle des Bedürf- nisses nicht schnell genug durch die Kolonne kommen ; da man aber alle Maßregeln ergreifen muß, um dem Feind den größt- möglichen Schaden zuzufügen, so muß man alles, was hieran hindern könnte, zu entfernen suchen.

Ehe man zu weiteren Bestimmungen bezüglich der Operationen schreitet, muß man vorerst die Geschütze in die Kolonnen auf folgende Weise verteilen :

Avantgarde des Fürsten Bagration. Jägerregt. Bagration, 2 Bat., 2 Geschütze, 506 Mann,

Miller, 2 1 Geschütz, 496

komb. Grenadierbat. Lomonosoff, 1 380 ,,

Dendrygin, 1 339

Sanajeff, 1 326

Kalemin, 1 397

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für jede der beiden Hälften dieser letzteren Truppen, 2 Bataillone, je 1 Geschütz.

Summa: S Bataillone und 5 Geschütze = 2394 Mann.

Division des Generallieutenant Schweikowski.

Grenadierregt. Rosenberg, 2 Bat., 1 Geschütz, 911 Mann,

Musketierregt. Schweikowski, 2 1 921

Baranowski, 2 1 8 1479

Kamenski, 2 1 li)49 Reservegeschütze 2.

Summa: 8 Bataillone und 6 Geschütze = 4360 Mann.

Division des Generallieuteuant Förster.

Musketierregt. Förster, 2 Bat., 1 Geschütz. 1134 Mann,

Tyrtoff, 2 , 1 891

Miloradowitsch, 2 1 lu34

Welezki, 2 1 957 Reservegeschütze 2.

Summa: S Bataillone und 6 Geschütze = 4025 Mann.

Division des Generallieutenant Rosenberg-.

Jägerregt. Kaschkin.

2 Bat..

1 Geschütz.

1697 Mann,

Musketierregt. Rehbinder,

2 B

1

1428

Mansuroff,

9

1

1401

, Feilsch,

9

1

1467 .

Reservegeschütze 2. Summa: 8 Bataillone und 6 Geschütze = 4993 Mann. Reservegeschütze für das ganze Corps 2.

Zusammen das ganze Corps 32 Bataillone, 25 Geschütze, d. h. 15 772 Kampffähige. (Für die Verpflegung sind aber die Personen im Hauptquartier, die als leichte Infanterie dienenden Kosaken, die übrige Troßmannschaft, die Geschützbedienung u.s.w. hinzuzurechnen. So erklärt es sich, wenn Oberst Miliutin auf 20 000 Mann kommt, die mit SmvorofF in Taverne eintrafen. Am 1. September betrug dagegen der Verpflegungsstand der russischen Armee in Italien 27 286 Mann. Der Unterschied zwischen beiden Angaben mag sich dadurch erklären, daß der durch das Engadin marschierenden Artillerie eine ansehnliche Bedeckung mitgegeben werden mußte. Anm. d. Verf.).

Außer der oben angeführten Geschützzahl und der hiezu ge- hörigen Ausrüstung erhält noch jede Division 10 Maultiere zum Transporte der Infanteriemunition. Nachdem nur ein einziges Kosakenregiment mit den Truppen marschiert, so werden hievon jeder Division 50 Mann zugewiesen, während die übrigen 300 Mann in Reserve bleiben. Eine jede Division bildet eine besondere Kolonne.

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Sollten dieselben jedoch alle auf einer und derselben Straße mar- schieren müssen, so wird aus diesen vier Kolonnen eine einzige gebildet. Eine jede Divisionskolonne bildet sich in folgender Weise : An der Tete der Kolonne, wenn es die Terrainverhältnisse gestatten, als Avantgarde:

25 Kosaken, 20 Pioniere, 1 Bataillon Jäger oder Grenadiere, 1 Geschütz mit vollständiger Ausrüstung, 3 Bataillone,

1 Geschütz,

2 Bataillone,

1 Geschütz,

2 Bataillone,

1 Geschütz,

2 Reservegeschütze.

Nach diesen 10 Maultiere mit der Infanteriemunition.

In dieser Ordnung marschieren alle übrigen Kolonnen ; am Schlüsse des Ganzen die Maultiere und Kosakenpferde mit dem Proviant, dann die Lasttiere der Offiziere, welche von einem Bataillon Infanterie und 100 Mann Kosaken, welche sich vor- und rückwärts, sowie in der Mitte verteilen, gedeckt werden.

Sobald der Führer anzeigt, daß die Truppen eine enge Straße zu betreten haben, so haben die an der Tete befindlichen Kosaken die Kolonne zu schließen. Die Divisionskolonnen haben sich so viel wie möglich geschlossen zu halten und jede Ausdehnung zu vermeiden. Zwischen den einzelnen Kolonnen sind 200 Schritte Abstand zu halten. Um sich eines von dem Feinde besetzten Berges zu bemächtigen, muß je nach dessen Breite ein Zug, eine Compagnie oder eine noch größere Abteilung sich auflösen und die Höhe des Berges ersteigen; die übrigen Bataillone folgen in einer Entfernung von 100 Schritten. An den Krümmungen der Berge, wo das feindliche Feuer keinen Schaden zufügt, kann ge- rastet werden, worauf man wieder vordringt. Die einzige feste und unerschütterliche Stütze der Kolonne besteht in der Tapferkeit und Kühnheit der nach allen Seiten zerstreuten Schützen ; sobald letztere auf kräftigen Widerstand des Feindes stoßen und nicht mehr im stände sind weiter vorzudringen, so hat die Kolonne, ohne auch nur einen einzigen Schuß zu thun, mit großem Ungestüm den Gipfel des Berges zu ersteigen und den Feind mit dem Bajonett anzugreifen. Dieser, in Furcht versetzt, wird einen so tapferen AngrhT nicht auszuhalten vermögen und gewiß einen sehr schwachen Widerstand leisten. Durch Feuern allein kann man sich keiner Höhe bemächtigen, und wird dem auf derselben stehenden Feinde hiedurch nur wenig Schaden zugefügt werden. Die Schüsse er-

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reichen größtenteils den Gipfel gar nicht oder gehen darüber hinaus, während das Feuern von der Höhe herab bedeutend sicherer ist, weshalb man den Gipfel sobald als möglich zu erreichen hat, um nicht lange dem Feuer ausgesetzt und dadurch um so weniger gefährdet zu sein. Es versteht sich von selbst, daß man einen Berg nicht in der Fronte angreift, wenn man denselben auf beiden Seiten umgehen kann. Wenn der Feind der Höhen eines Berges sich zu bemächtigen zögert, so muß man dieselben so schnell als möglich ersteigen und den Feind durch Bajonett und Kleingewehr- feuer von oben herab bekämpfen."

Die Division Lecourbe benützte die seit Beginn des Septembers eingetretene Muße zur Wiederherstellung ihrer Kräfte. Um die Schwierigkeiten der Verbindung zwischen Seedorf und Bauen zu heben, legte der General dort längs dem See eine Art Kolonnen- weges an. Erst zwei bis drei Tage vor dem Anmärsche der Russen ward der Bau vollendet, der sehr viel Sprengpulver verbraucht haben soll. Die Straße diente im Notfalle zur Bewegung von Fuhrwerken und die Soldaten sahen sie mit großem Vertrauen entstehen; denn auf ihr beruhte die Sicherheit eines geordneten Rückzuges, welchen man schwerlich mit den wenigen zur Ver- fügung stehenden Schiffen über diesen so leicht von Föhnwinden bedrohten See bewerkstelligen mochte.

Aus Altdorf vom 29. Fructidor (15. September) berichtet Lecourbe dem Obergeneral Massena: „Eine Erkundung, verein- tester Herr General, ward bis nach Faido vorgetrieben. Von Dazio an ist der Feind heftig verfolgt worden; es standen dort 300 Mann und einige Husaren. Trotzdem konnte man lediglich 5 Mann von der Banater- und Warasdiner-Infanterie zu Gefangenen machen. Oberstbrigadier Strauch befehligt in diesem Thale zwei Bataillone Lascy, 2 Bataillone Michael Wallis, 1 Bataillon Banat und 1 Schwadron Erdödy-Husaren. Ein Teil davon lagert in Polleggio (bei Biasca), der andere bei der Moesabrücke. Vom General Turreau sind mir keine Nachrichten zugekommen. Im Bündner Oberland hat es keine Aenderung gegeben seit dem Ihnen neulich erstatteten Berichte. Niemals werde ich Ihre Bewegungen hindern. Ich bin stets bereit, obgleich ich mancherlei Entbehr- ungen erdulde; doch das allgemeine Wohl steht mir immer über dem eigenen. Wenn, anstatt große Vorbereitungen zum Linth- übergange zu machen, der General Soult nächtlicher Weile mit seiner Hauptmacht über Glarus und Mollis auf Weesen marschieren würde, hätte er, meine ich, mehr Aussicht auf Erfolg. Auf alle Fälle muß er die Weesener Brücke in seine Gewalt bringen. Teilen Sie mir gütigst mit, welche Absichten Sie für Ihren linken Flügel haben. Beauftragen Sie mich ferner damit, dem General Molitor die nötigen Befehle zu erteilen, daß die von ihm ins Rheinthal

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zu entsendende kleine Kolonne mit mir zusammen gegen Ilanz wirke. Ich glaube, je früher das geschieht, desto besser ist es." (Bousson 221/222, Nr. 50.)

Im Feldtagebuch beschreibt ferner der General den Angriffs- plan der französischen Heeresleitung in folgenden Worten :

„Für den 3. Vendemiaire VIII (25. September 1799) wurde ein allgemeiner Angriff in Aussicht genommen. Der General Lecourbe sollte durch das Bündner Oberland nach Ilanz, Reichenau und Chur vorrücken und selbst den Versuch machen, Splügen durch das Medelser Thal (Hinterrheinthal) zu besetzen. Sein (Lecourbes) Vorschlag ging dahin, soweit als möglich ausgedehnte Erkundungen bis auf die Südseite des Gebirges vorzutreiben, um die Oesterreicher in Italien zu bedrohen und die ihm durchaus nötigen Verstärkungen an sich zu ziehen. Es lag dem General auch daran, sich in Grau- bünden nicht eher in etwas einzulassen, als bis eine genügende Zahl französischer Truppen im Rheinthale stände. Im Ursernthaie und auf dem Gotthard sollte General Gudin zurückbleiben, während General Loison über die Oberalp nach Dissentis zu marschieren hätte."

Am 22./ 23. besammelte sich in der That die Brigade Loison in Wasen und Göschenen, um am 25. /26. über die Ober-Alp gegen das Bündner Oberland vorzugehen. Gudin erhielt zugleich den Befehl, mit einem Teile seiner Truppen eine starke Erkundung in der Leventina gegen Oberst Strauch durchzuführen. Die Brigade Molitor sollte der Division Soult bei dem Linthübergange behülflich sein und 12 Compagnien der 7ö. Halbbrigade über Engi und den Panixer-Paß (2407 m) nach Ilanz marschieren lassen, wo diese mit der Brigade Loison zusammengetroffen wären. Molitor scheint jedoch, mit einem Hinweis auf die geringe Zahl der ihm zur Ver- fügung stehenden Streitkräfte, Einwendungen gemacht zu haben. Lecourbe schrieb ihm unter anderem aus Altdorf am 30. Fructidor (16. September): „Sie haben, sagen Sie, 9000 Mann vor Ihnen und 12000, wenn Sie jene mitrechnen, welche sich gegenüber von General Soult befinden. Man berechnet nicht die Zahl der Kämpfer, wenn man wie Sie und der General Soult im stände ist, mit Einsicht eine taktische Handlung durchzuführen. Schaffen Sie sich die nötigen Mittel. Man gelangt stets über einen Fluß ; sind auch alle Brücken zerstört, so bleiben doch immer einige Furten. . . . Ob- gleich ich halb so stark bin wie der Gegner, hoffe ich dennoch ans Ziel zu gelangen." (Bousson 222/223, Nr. 51.)

Das Schächen- und Maderanerthal, sowie den Weg von Ander- matt nach Flüelen bewachte III./38. Halbbrigade.

Kaum hatten die angedeuteten Bewegungen begonnen, als die Brigade Gudin von Suworoff angegriffen wurde. Man war einiger- maßen ahnungslos der großen Gefahr gegenüber gestanden und

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Lecourbe empfing die Nachricht von dem Erscheinen der Russen in der Leventina überhaupt erst am 24. September gegen 3 Uhr abends. Noch am 1. Vendeniiaire VIII (23. September 1799) schreibt Lecourbe an Massena aus Altdorf:

,Auf die Nachricht hin, sei sie nun wahr oder falsch, die ich von der Ankunft der Russen in der Leventina erhielt, trieb ich sogleich eine Erkundung bis Dazio vor. Man erfuhr dadurch, daß der Gegner noch immer auf den nämlichen Punkten steht und eher etwas schwächer ist als früher. Obgleich man aber seit längerer Zeit schon die Russen ankündigt, sind sie noch nicht da; der Feind hält, wie ich Ihnen bereits schrieb, an dem Plane fest, uns aus Italien zu vertreiben. Er weiß sehr wohl, daß wir den Gotthard nicht überschreiten und auf der anderen Seite desselben Stellungen beziehen können, wollen wir uns nicht der Gefahr des Verhungerns aussetzen, der wir in diesem Falle nur dann entgehen, wenn wir mit einer staunenswerten Macht Herren von Mailand würden. Der Feind hatte seine Kräfte auch bei Dissentis ver- mindert. Sicherlich macht er eine Bewegung auf seinem rechten Flügel. Ich erwarte die Rückkehr von Spionen, um genaue Nach- richten zu haben. Aber geben Sie acht auf Ihrem linken Flügel. Ich lade Sie ferner ein, Herr General, den General Loison nicht vergessen zu wollen, wenn Sie für irgend jemanden die Beförderung nachsuchen. Er ist ein alter und zugleich fähiger Brigadegeneral. Im Verlaufe dieses Feldzuges zeigte er sich stets als äußerst thätig und genau. Weit eher als viele andere, verdiente er den Grad eines Divisionsgenerals. "

Und am 24. September, also wohl sogleich nach dem Eintreffen der neuesten Nachrichten:

„In der That, verehrter Herr General, es ist wahr, daß be- trächtliche, aus Russen und Oesterreichern zusammengesetzte Ver- stärkungen vorgestern im Tessinthale angelangt sind. 3000 oder 4000 Mann gelangten gestern bis Dazio. Das Gerücht erhält sich beharrlich, General Suworoff sei in Bellinzona, ein anderer sehr bejahrter General befehligt in Giornico man konnte mir aber nicht sagen, ob es ein Russe oder ein Oesterreicher wäre. Ein zahlreiches Corps ging nach Graubünden ab. Ich erfahre soeben, daß der Feind uns bei Airolo angreift, doch glaube ich nur an ein einfaches Erkundungsgefecht. Ich gehe sofort ins Urserenthal ab und gedenke mich von dort aus nach Dissentis zu begeben. Diese Verstärkungen des Gegners fordern gebieterisch, daß ich ein hinreichendes Corps auf dem Gotthard lasse. Dort verbleibt nach meinen Befehlen der General Gudin mit zwei oder drei Bataillonen. Ich kann demnach lediglich mit vier oder fünf anderen im Rhein- thale handelnd auftreten. Uebrigens wäre ich nicht ruhig, wüßte ich meinen Rücken, meinen rechten Flügel vom Gegner angegriffen

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und bewältigt. General Turreau, der bis jetzt ein Beobachtungs- corps im Bedretto stehen hatte, zieht soeben dasselbe zurück. Morgen werde ich dem Gegner von zwei Seiten zu Leibe gehen; aber denken Sie an meine Lage!"

Die Aufstellung der Division Lecourbe ist demnach für den 24. September mittags die folgende (zusammengestellt nach dem Peldtagebuch und den Angaben von Jomini, Koch und Massena) :

Divisions-Hauptquartier in Altdorf. 67 Dragoner vom 1. Regiment. 506 Artilleristen und Geniesoldaten. Brigade Gudin: 109. Halbbrigade = 1959 Mann, in Andermatt und auf der Oberalp; 67. Halbbrigade 1871 Mann, in Airolo, im Gotthard-Hospiz und in Hospenthal. Brigade Molitor: 84. Halbbrigade = 2599 Mann; I./25. leichte Halbbrigade = etwa 500 Mann, in Glarus, Ennenda, Netstall und Mitlödi. Brigade Loison: 76. Halbbrigade 2407 Mann, in Wasen und Göschenen, 12 Compagnien dagegen in das Sernfthal ent- sendet, um nach Banz vorzugehen ; 38. Halbbrigade = 2423 Mann, I./II. Bat. in Göschenen, das III. Bat. im Reuß-, im Maderanerthal und auf dem Urnerboden. Es standen demnach am Gotthard gegen Suworoff zur Ver- fügung rund 9000 Gewehre.

Die russische Armee, welche aus Italien heran zog, zählte dagegen rund 15000 Kämpfer, die bei Dissentis stehende öster- reichische Brigade überdies etwa 2000 Mann.

Nachdem Tags zuvor alle Vorbereitungen vollendet worden, brachen am 21. Sept. die russischen Truppen von Taverne auf. Generallieutenant Korsakoff und FML. Hotze erhielten Meldungen von dem Abmärsche und die unten (S. 147 149) wiedergegebene Verfügung über den Angriff auf den Gotthard.

Das Corps Rosenberg war bereits nach Bellinzona voraus- gesandt worden.144 Von hier aus nahm es über Biasca, woselbst die Hauptmacht der Brigade Strauch stand, seinen Weg ins Val di Blegno, um über den Lukmanier und Dissentis, sowie über den Oberalp-Paß gegen das Urserenthal vorzudringen.

Das Corps Derfelden erreichte am 21. September das 25 km von Taverne gelegene Bellinzona. Am 22. gelangte das Corps nach Giornico. Voraus befand sich die Brigade Bagration, dann folgten die Divisionen Förster und Schweikowski. Die Brigade Strauch gelangte nach Faido.

„Während dieser beiden Tage fiel der Regen in Strömen herab ; ein schneidender Wind wehte von dem Gebirge her, wobei die Truppen in den kalten und feuchten Nächten in ihren Bivouacs durch die Kälte ungemein litten. Nach Suworoffs Gewohnheit

Günther, Feldzug 1799. 10

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brach die Kolonne jedesmal vor Tagesanbruch, gegen 4 Uhr morgens auf. Großfürst Konstantin befand sich beständig bei der Avant- garde Bagrations und ertrug geduldig alle Unannehmlichkeiten und Entbehrungen des Marsches , welcher bei dem stürmischen Herbstwetter doppelt erschöpfend war. Munter ritt der Feldmar- schall in seiner gewöhnlichen leichten Kleidung auf einem Kosaken- pferde dahin ; sein Anzug bestand aus einem weißen Kamisol und weißen Beinkleidern, leinene Socken und Halbstiefel schützten die Füße, über die Schultern war ein dünner, alter, ungefütterter Mantel, das sogenannte Vatermäntelchen geworfen, auf dem Kopfe saß ein runder Hut mit breitem Rande. Handschuhe trug der Feldmarschall nie. An der Seite Suworoffs ritt auf einem Kosakenpferde ein alter Mann, den er von Taverne mitgenommen ; es war dies Antonio Gamba, der Wirt des Hauses, in welchem Suworoff während seines dortigen Aufenthaltes gewohnt hatte. Dem Feldmarschall gefiel der Alte, welcher für Suworoff so sehr begeistert war, daß er seine Jahre und seine Familie vergaß und unserem Feldherrn versprach, ihm an seiner Seite über die Alpen zu folgen. Ungeachtet der Thränen und Bitten seiner Familie hielt Antonio das gegebene Wort; während des ganzen Zuges durch die Schweiz ritt er an Suworoffs Seite, diente den Truppen als zuverlässiger Führer und war der russischen Armee von unschätzbarem Nutzen." (Miliutin VI, 24/25.)

Ist die Erzählung wahr, in Taverne besteht keine Ueber- lieferung mehr, so war Gamba einer jener sogenannten „Mailänder", welche regelmäßig als Viehhändler heute noch in die Urkantone kommen. Unter dem alten General aber, von dessen gemeldeter Anwesenheit in Giornico Lecourbe berichtet, ist wohl Suworoff selbst zu verstehen. Am 23. erreichte Derfelden den Dazio grande (11 km von Airolo und den französischen Vorposten) und bezog hier mit Strauchs Truppen zusammen die hervorragend feste Stellung. Diese langsamen Märsche, welche gegen die sonstige GeAvohnheit des greisen Marschalls waren, erklären sich dadurch, daß Rosen- berg einen ungleich längeren Weg zurücklegen mußte, ehe er auf dem Gotthard in das Gefecht einzugreifen vermochte.

An der Spitze des Corps Rosenberg marschierte die von Miloradowitsch befehligte Vorhut, das Regiment Aptscheron, das Jägerbataillon Kaschkin und die Kosakensotnie Posjädeff. (Sotnia heißt soviel wie 100 Mann.) Das Gros unterstand dem General Rehbinder. Am 21. wurde Dongio, am 22. bereits Casaccia (die Häusergruppe am Südabfalle des Lukmanier-Passes) erreicht. Trotz der Höhe von 1819 m, dem Mangel an Holz und der sehr schlechten Witterung mußte hier bivouakiert werden. Am 23. erreichten die Russen Dissentis, woselbst die kaiserliche Brigade Auffenberg ihre Ankunft erwartete, um dann über den Kreuzli-Paß ins Maderaner-

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thal, bezw. ins Reußthal einzudringen. Auf der Ebene zwischen Segnes, Buretsch und Mompe Tuietsch, am linken Rheinufer, wurde die Nacht vom 23. zum 24. wieder bivouakiert.

Für den Angriff auf den Gotthard hatte Suworoff, welcher die Nacht in Faido zubrachte, folgende Verfügungen getroffen (Miliutin IV, S. 225 bis 228, Nr. 40):

„Disposition für den Angriff auf den Gotthard. Bellmzona den 21. Sept. 1799 (n. St.). Das Corps des Generals der Kavallerie Derfelden bricht am 22. früh 5 Uhr von Bellinzona auf, rastet eine Stunde auf der Hälfte des Weges bei Osogna, legt dann drei deutsche Meilen bis nach Giornico zurück, wo Lieutenant Giurczak den Lagerplatz bestimmt. An demselben Tage marschiert die Brigade des Obersten Strauch von Biasca nach Faido.

° Am 23. wird der Marsch von Giornico nach Piotta (lVs deutsche Meilen) fortgesetzt, im Falle bis dorthin nicht irgend eine Aenderung in der Aufstellung des Feindes eingetreten ist. Von Piotta aus wird am 24. der Angriff auf Airolo und den St. Gotthard in folgender Weise ausgeführt:

Die Avantgarde des Fürsten Bagration, sowie die Division Schweikowski gehen morgens 3 Uhr vorwärts Piotta über den Ticino und wenden sich, nachdem sie die Hälfte des Berges rechts von Madrano und Valle in einer Entfernung von IV2 deutschen Meilen erstiegen, von hier aus noch eine deutsche Meile weiter rechts, um Airolo und alle Positionen, welche der Feind zwischen Airolo und Piotta besetzen kann, zu umgehen. Die Kolonne wird von Lieutenant Giurczak des österreichischen Generalstabs geführt.

Um 4 Uhr morgens bricht die zweite Kolonne, welche aus zwei leichten oder Grenzbataillonen des Obersten Strauch und einem russischen Bataillon der Division Förster besteht, von Piotta auf und nimmt, nachdem sie links die Höhe des Gebirges bis zur Hälfte erstiegen, die Richtung nach der Brücke über den Ticino. über welche die Straße von Airolo in das Bedrettothal führt. Die Kolonne führt Lieutenant Bellicky.

Die weiteren zur Brigade Strauch gehörenden Truppen mit den übrigen sieben Bataillonen der Division Förster bleiben auf der Straße nach Airolo und gehen auf derselben in dem Maße vor, als die beiden Flankenkolonnen ihnen das Vorrücken erleichtern. Diese Kolonne wird von Lieutenant Gatterburg des österreichischen Generalstabs geführt.

Sobald die Tete der mittleren Kolonne Airolo erreicht hat. wendet sich Oberst Strauch links auf der Straße nach dem Bedretto- thale gegen die über den Ticino führende Brücke, wo sich bereits zwei seiner Bataillone, welche von der linken Kolonne dorthin detachiert werden, befinden werden ; das russische Bataillon kehrt auf derselben Straße zu der mittleren Kolonne nach Airolo zurück.

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Sollte die Brücke über den Ticino zerstört sein, so kann man dort den Fluß bei einer Furt überschreiten.

Die mittlere Kolonne durcheilt Airolo, um sich mit der rechten Kolonne, welche bereits auf dem Wege nach dem Hospiz voraus- gesendet worden, in Verbindung zu setzen, vereint mit derselben auf den Gipfel des Berges, d. h. bis zum Hospiz vorzudringen, und dann auf der anderen Seite eine halbe Meile gegen Urseren hinabzusteigen.

Sollte der Feind die Absicht zeigen, das Hospiz zu verteidigen, so hat sich die rechte Kolonne noch mehr rechts zu wenden und die linke Flanke der feindlichen Position zu umgehen.

Um den Gipfel des St. Gotthard oder das Hospiz zu erreichen, muß man je nach der Stärke der feindlichen Truppen, welche sich gegen die Furka und nach Wallis zurückziehen, ein oder zwei Bataillone der Division Schweikowski links gegen Realp detachieren ; diese Bataillone entsenden Patrouillen bis nach Realp selbst, warten den Uebergang des ganzen Corps ab und folgen dann an der Queue der Kolonne nach Urseren.

Sämtliche Kosaken marschieren an der Queue der mittleren Kolonne; an der Tete derselben marschieren nur 100 Kosaken und zwar bis zu jenem Defilee, welches sich vorwärts Airolo und links von Madrano befindet. Vor dem Eingange in dieses Defilee nehmen die Kosaken rechts Stellung und warten dort, bis die Infanterie dasselbe passiert hat.

Sämtliche Geschütze folgen mit der mittleren Kolonne und zwar hinter dem ersten Bataillone nur zwei Geschütze, die übrigen an der Queue der ganzen Ko]onne.

Sollte der Feind vom heutigen Tage bis zum 24. noch weiter im Ticinothale vordringen, so beginnt der oben beschriebene Angriff mit den drei Kolonnen an demselben Punkte, wo man auf den Feind stößt, in welchem Falle der Kampf vielleicht schon am 23. beginnen würde.

Die rechte Kolonne nimmt 30, die linke 20 Pioniere mit sich, die übrigen Pioniere folgen der mittleren Kolonne."

Ergänzungsdisposition für den Angriff auf den St. Gotthard, Faido, den 23. September neuen Stils:

„Die am 21. September in Bellinzona gegebene Disposition erleidet nur in soferne eine Aenderung, als am 24. die erste oder rechte Kolonne, welche aus der Avantgarde Bagrations und aus der Division Schweikowski besteht, um 3 Uhr morgens aufbricht, auf der Hauptstraße bis Stalvedro vordringt, von dort aber schon rechts gegen Madrano wendet und über Valle die feindliche Position bei Bosco in der Flanke angreift. Da sich vielleicht in dieser Position nicht mehr als 3 feindliche Bataillone befinden, so hat erwähnte Kolonne auf der Hälfte des Weges nach Bosco vier

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Bataillone noch weiter rechts, gerade gegen das Hospiz, auf den Gipfel des St. Gotthard zu dirigieren, um die Rückzugslinie des Feindes aus seiner Stellung bei Bosco völlig abzuschneiden.

Lieutenant Giurczak vom österreichischen Generalstabe hat vorher noch in Faido die nötige Anzahl Wegweiser aufzutreiben, um die Kolonne zu führen ; ebenso ist ein Führer jenen 4 Bataillonen, welche nach rechts detachiert wurden, beizugeben.

Die linke Kolonne, aus sämtlichen Bataillonen des Obersten Strauch und einem russischen der Division Förster bestehend, hat zugleich mit der ersten Kolonne vom Lager aufzubrechen und schlägt, sobald sie in Piotta angekommen, auf dem oben angedeuteten Wege die Richtung nach links ein. Diese Kolonne wird von Lieutenant Bellicky des österreichischen Generalstabs geführt, welcher an demselben Tage die hiezu erforderlichen Wegweiser gleichfalls herbeizuschaffen hat.

Die mittlere oder dritte Kolonne, aus 2 Bataillonen des Regi- ments Wallis, (der Abteilung Strauchs) und 7 russischen Bataillonen der Division Förster bestehend, geht auf der Straße zwischen den beiden Flankenkolonnen vor und sucht hiebei sich etwas hinter den Spitzen dieser Kolonnen zu halten, damit durch einen zu früh- zeitigen Angriff auf die Front der feindlichen Position bei Bosco oder bei dem Ausgange von Airolo nicht unnützer Verlust ver- ursacht werde. Diese Kolonne führt Lieutenant Gatterburg vom österreichischen Generalstabe.

Oberst Strauch schiebt heute Abend noch seine Vorposten über Piotta gegen die Brücke Sordo vor und stellt rückwärts die nötigen Unterstützungen auf, um diese Brücke bis zu unserer Ankunft zu halten. Falls der Feind während der Nacht sich der Brücke bemächtigen wollte, so ist alle Kraft anzuwenden, um sich in deren Besitz zu behaupten.

Sämtliche Kolonnen haben sich bis 2 Uhr nach Mitternacht zu sammeln; während der Dauer des Marsches ist möglichst ge- schlossen zu marschieren, damit sich die Kolonne nicht zu sehr ziehe und dadurch der Marsch selbst nicht verzögert werde.

Sämtliche Kolonnen haben ihre Vorräte an Brot und Zwieback hinter Faido zurückzulassen ; diese gehen erst morgen weiter.

Es wird noch einmal in Erinnerung gebracht, daß mit Aus- nahme des oben Angedeuteten alles übrige, das in der früheren unter dem 21. September erlassenen Disposition enthalten ist, ohne alle Aenderung in Kraft bleibt."

Morgens 3 Uhr den 24. September begannen die Russen vom Dazio aus den Vormarsch gegen Airolo. Nachdem Piotta durch- schritten worden, teilten sich, der Verfügung entsprechend, die Kolonnen. „Nach einer stürmischen und regnerischen Nacht hörte der Regen auf; doch war das Wetter feucht und neblig; dichte dunkle

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Wolken bedeckten das Thal und stiegen allmälig gegen den Gipfel des Berges auf." (Miliutin.)

Der Marsch muß über Erwarten langsam vor sich gegangen sein. Erst um 2 Uhr nachmittags wechselte die Vorhut des Fürsten Bagration die das Gefecht einleitenden Schüsse mit dem Gegner, einer Compagnie der 67. Halbbrigade. Diese wurde durch die Jägerabteilung des Lieutenants Lutowinoif verfolgt und ging bis in die Hauptgefechtsstellung oberhalb des heutigen Tunneleinganges zurück. Bei der Verfolgung fiel der genannte kühne Offizier, von einer Kugel tödlich getroffen. Indessen trafen Verstärkungen unter Oberst Schuwaloff und Oberstlieutenant Zukato ein. Der Feuer- kampf entbrannte lebhaft! Generalmajor Bagration versuchte eine Umgehung der von 600—1200 Franzosen besetzten Stellung längs des Berghanges und auch die Kolonne, welche bis dahin auf dem rechten Ufer des Ticino vorgegangen, griff jetzt ein. Generalmajor Baranowski erstieg mit dem Nisow-Musketierregiment, dem Jäger- regiment Miller, sowie einigen Kosakenabteilungen zu Fuß von Valle aus die Alpe Pontino in der Richtung zum Sellasee. Die Franzosen dagegen, in Gefahr, vollkommen abgeschnitten zu werden, gingen bis zum südlichen Ausgange des Val Tremola zurück und bezogen dort eine neue Stellung bei der „Casa di ricovero" (Pkt. 1702).

Suworoff zog jetzt die das Gros der Divisionen Schweikowski und Förster bildenden Truppen durch Airolo zum Frontalangriffe heran. Die Franzosen verteidigten sich hartnäckig mit wohlgezieltem Feuer und erst die neuerlich drohende Gefahr der Umgehung ihrer Stellung von den Truppen Bagrations zwang sie Schritt für Schritt fechtend bis zu der Stelle zurückzugehen, welche der Bataillonschef Lovisi bereits im Mai eingerichtet hatte. (Zu vergleichen S. 89 dieser Arbeit.) Die Franzosen setzten dort den zähen Widerstand fort, die Russen unternahmen, den Tod nicht scheuend, zwei Angriffe, wobei sie wenigstens 1200 Mann einbüßten. An einen weiteren Fortschritt war aber nicht zu denken, bevor Bagration auf die Alpe di Sonescia zu gelangen vermochte.

In diesen Augenblicken gespanntester Erwartung soll sich jener oft erzählte Auftritt ereignet haben, daß Suworoff, unwillig über das Murren der Truppen, eine Grube ausheben ließ (wo?) und die Worte aussprach: „Ihr seid nicht mehr meine Kinder, ich will auch nicht mehr euer Vater sein; es bleibt mir jetzt nichts mehr übrig, als zu sterben, begrabt mich hier!" Miliutin (IV, 31, Anmerkung und Beilage Nr. 44) gibt sich viele Mühe, diese Geschichte zu widerlegen.

Um 4 Uhr, in dem nämlichen Augenblicke, da das von General Loison gesendete I./38. Halbbrigade bei seinen kämpfenden Kame- raden eintraf, erschienen die ersten Abteilungen der Kolonne Bagration bei Grasso di Mezzo (2158 m) und zugleich griff die

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Hauptmacht in der Front noch einmal an. Nun mußten die Franzosen gegen Hospenthal zu endgültig weichen.

Am nämlichen Tage wurde auch die andere Hälfte der Brigade Gudin auf der Oberalp angegriffen.

Das Corps Rosenberg brach mit dem grauenden Morgen aus seinem Bivouac auf. Vorwärts der Häusergruppe „Scharmas" am Nordabfalle des Calmot trafen die Kosaken der Vorhut Miloradowitschs mit einer Patrouille der 109. Halbbrigade zusammen. Das Regiment Mansuroff wurde nun gegen Hinterfelli ob dem Oberalpsee entsendet und Miloradowitsch griff längs des Weges die auf dem Passe befindlichen Erdwerke mit dem Jägerbataillon Sabanjäjeff an.

In der Schanze stand I./1Ö9. Halbbrigade; das Bataillon wich nach einigem Widerstände in eine neue Stellung am Oberalpsee zurück.

Jetzt griffen Mansuroff von der Hinterfelli, Rosenberg auf dem Wege', Miloradowitsch links davon an. „Trotz der bedeutend größeren^ Ueberlegenheit setzte man den Russen einen äußerst hartnäckigen Widerstand entgegen ; eine dichte Kette französischer Schützen, welche sich hinter Felsstücken zu decken suchte, empfing die anstürmenden Russen mit einem wohlgezielten Feuer. Nebenbei wurde das Vorgehen der beiden Kolonnen Rehbmders und Mansuroffs durch das sumpfige Terrain zu beiden Seiten des Sees bedeutend erschwert. Dennoch gelang es Miloradowitsch, den rechten Flügel der feindlichen Abteilung bald von den Höhen zu vertreiben, worauf sich dann die übrigen französischen Truppen nicht länger mehr auf der linken Seite des Sees zu halten wagten und in Eile den Rückzug antraten." (Miliutin IV, 34.) _

Mehrere Male versuchten es die Franzosen, sich wieder fest- zusetzen ; es gelang ihnen nicht, denn die Russen drängten kräftig nach bis auf die Höhe ob Andermatt. Hier trafen die Franzosen das in aller Eile aus dem untern Reußthale her kommende I./38. Halbbrigade, welches vom Kommandanten Juillet befehligt wurde. General Loison muß sich ebenfalls bei demselben befunden haben ; das Bataillon hielt sich aber kaum lange auf, da es schon um 4 Uhr nachmittags beim Hospize eintraf. (Vergleiche S. 150 dieses Werkes.) Die Stellung, welche Rosenberg hier einnahm, lag wohl bei der Häusergruppe Näfschen ob der Altkirche (171<> in), üfe Truppen waren durch die Verfolgung, welche den Franzosen angeblich 100 Mann an Toten kostete, sehr durcheinander gekommen. Rosenberg verlor jedoch über dem Sammeln zu viele Zeit. Vielleicht zögerte er auch mit der Fortführung des Angriffes aus dem Grunde, weil er noch keine Nachrichten von der Hauptkolonne erhielt, indessen Suworoff anderseits erwartungsvoll nach Rosenberg aus- schaute. Jedenfalls hätte dieser die auf dem Gotthard stehenden Truppen durch ein schnelleres Eingreifen in die größte Bedrängnis zu bringen vermocht.140

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Das Sammeln der Russen suchten die Franzosen dadurch zu verhindern, daß sie vom Thale herauf aus Haubitzen Granaten gegen die Höhe (der Unterschied beträgt etwa 270 m) zu werfen suchten. Das mißlang natürlich, die Dunkelheit brach jedoch herein, ehe die Russen endlich an den Abstieg dachten. „Das ganze russische Corps erhielt den Befehl, in größter Stille und ohne allen Lärm den Berg hinabzusteigen und sich dann in möglichster Schnelligkeit am Fuße desselben in Schlachtordnung aufzustellen. Der Abhang war so steil, daß die Truppen sozusagen hinabrutschten und in einem Augenblicke sich in der Ebene formiert hatten."

Nach einer Salve warf sich die schnell geordnete Linie mit dem Bajonette auf den zwar überraschten, aber unerschrockenen Gegner. „Beaucoup de solclats des deux partis se prirent aux cheveux", sagt das Feldtagebuch der Division Lecourbe.

Nach derselben Quelle zu urteilen, entsendete Rosenberg bereits früher über den Gütsch (Petersstock?) eine Abteilung gegen die von den Franzosen unbesetzte Häusergruppe Altkirche. " General Loison hatte dabei große Mühe, von Hospenthal, wo er mit Gudin gesprochen, nach Göschenen zu gelangen. Hier angekommen, schickte er sogleich die dort noch befindlichen 2 Compagnien der 76. Halbbrigade gegen die Teufelsbrücke, um diese wenigstens zu decken.

Rosenberg mußte sich, angesichts der großen Ermüdung seiner Truppen, damit begnügen, Andermatt zu besetzen. „In dem Dorfe fand man 370 000 Patronen sowie Proviantvorräte, welche für das ganze Corps ausreichten." u6

Bei Hospenthal kam es noch bei Einbruch der Dunkelheit, also gegen 6 Uhr, zu einem neuerlichen Feuergefechte. Das Feid- tagebuch behauptet, es sei überhaupt an diesem Tage von 6 Uhr früh bis 10 Uhr nachts gekämpft worden; doch ist diese Angabe gewiß übertrieben. Jedenfalls ging die größere Anzahl der noch zwischen Hospenthal und Andermatt befindlichen französischen Truppen unter Führung von General Gudin nach Realp, also gegen die Furka zurück.

Das Feldtagebuch gibt die Verluste dieses Tages wohl zu niedrig auf 20 Tote, 102 Verwundete, 30 Gefangene an. Die Russen hatten freilich unter allen Umständen eine weit größere Einbuße. Sie berechneten bei beiden Corps zusammen gegen 2000 Kampfunfähige. (Miliutin IV, 38.)

Suworoff bivouakierte mit den Seinen bei Hospenthal. Eine Verbindung zwischen ihm und Rosenberg bestand nur insoferne, als man gegenseitig die Wachtfeuer sah. Suworoff glaubte noch für den folgenden Tag an Kämpfe um das Dorf Andermatt. In dieser Annahme schrieb er aus Hospenthal an Hotze und an Korsakoff :

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„Die Schwierigkeiten, mit welchen wir bei Umgehung der feindlichen Position auf dem St. Gotthard zu kämpfen hatten, verzögerten unser Vorrücken derart, daß wir erst in diesem Augen- blicke hier ankamen; morgen, den 14. (25.), werden wir früh 6 Uhr nach Ursern aufbrechen und den Feind, wenn er uns erwarten sollte, von dort vertreiben; dennoch werden wir gegen Abend Altdorf zu erreichen trachten, wie dies in der Disposition ursprüng- lich festgesetzt worden." Auf den Umschlag der Weisung an Hotze hatte Suworoff eigenhändig folgende Verse geschrieben:

„Am 20. sind Tragtiere bereit,

Den 21. zieht Rosenberg zum Streit,

Den 22. folgt Thierfeld (Derfelden!) zur Schlacht,

Den 24. ist Gotthardsberg erobert durch Macht,

Dann haben wir durch Säbl und Bajonett

Die Schweiz von ihrem Untergang gerett't."

(Nach der Oesterr. Militär-Zeitschrift 1818, I, 183.)

Diese Knittelverse sind bezeichnend für die geistige Stimmung des russischen Oberfeldherrn, der nun schon die Hauptarbeit gethan zu haben glaubte.

Es bleibt noch die Aufgabe, die vielfach widersprechenden Lesearten über die Ereignisse dieses Tages zu besprechen, sowie die oben gegebene Darstellung der Geschehnisse zu verteidigen.

Es ist keineswegs schwierig zu erklären, warum die Kolonne Bagration nicht durch das Val Canaria über den Unteralp-Paß und den Passo della Sella gegen das Hospiz hin die Stellung der Franzosen in der Tremolaschlucht umging. Sie hätte jedenfalls weniger Mühsale gefunden als an den Hängen der Sonescia. Wenn Miliutin (IV, 234, Nr. 45) meint, der Unteralp-Paß sei nicht gang- bar gewesen, so irrt er jedenfalls. Andererseits ist nicht recht einzusehen, warum Dr. Hartmann (S. 102) annimmt, die Umgehung hätte sich im Falle eines Marsches über die Unteralp nur gegen Andermatt richten können. Die Gotthardtruppen überschreiten doch öfters den Passo della Sella, welcher zum Hospiz hinunterführt.

Nein, Bagration kletterte längs der Sonescia-Hänge, weil er von dort aus schneller zum Ziele gelangte als über die freilich weniger mühsamen Pässe der Unteralp und der Sella. Rasch die Umgehung durchzuführen, war aber des Oberfeldherrn dringendster Befehl.

Von den meisten Schriftstellern wird behauptet, und das ist nur ein neuer Beweis dafür, wie oft ein Verfasser ohne viel Nach- denken den Angaben anderer folgt, daß Lecourbe bei den Gefechten am 24. auf dem Gotthard anwesend gewesen sei. Der damalige Stabsmajor im eidg. Generalstabe Dr. R. von Beding hat zuerst in einem vor der Offiziersgesellschaft Zürich gehaltenen Vortrage

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(November 1891) darauf hingewiesen, daß Lecourbe vermutlich erst am 25. von Altdorf aus bei der Teufelsbrücke eingetroffen, am 24. aber im Hauptflecken von Uri gewesen sei.

Dem ist in der That so. Zunächst spricht keiner der Berichte des Generals davon, daß er am Gefechte an der einen oder der andern Stelle teilgenommen habe. Das Feldtagebuch hebt endlich jeden Zweifel. Es erzählt, daß General Lecourbe am 3. Vendemiaire (25. September) bei Tagesanbruch von Altdorf aus an der Teufels- brücke eingetroffen sei, und zwar in der Absicht, gegen dasUrseren- thal vorzudringen. Wäre er selbst am Tage zuvor dort gewesen, er hätte diese Hoffnung, trotz aller Kühnheit seines Charakters, gewiß nicht gehegt. Endlich, wie konnte Lecourbe am Nach- mittage des 24. aus Altdorf an Massena berichten und zwei Stunden später etwa in Andermatt sein? Auch das von d'Izarny benutzte Feldtagebuch der 38. Halbbrigade sagt ausdrücklich, daß Lecourbe einen Teil der Nacht vom 24.; 25. September dazu benützte, mit IL/38. Halbbrigade und dem noch übrigen Reste der 76. von Altdorf zur Teufelsbrücke zu marschieren.

Damit fällt aber auch die immer wiederholte, noch von Dr. Hart- mann (S. 198) angenommene Erzählung der nächtlicheu Ueber- kletterung des Bäzberges durch Lecourbe. Es wäre dies freilich für den General keine unmögliche Leistung gewesen : denn die Be- steigung jener Höhen ist nicht so schwierig, wie sie Miliutin wissen will. (IV, 38.) Lusser kennt dieses Ereignis auch nicht, das er sicher in seinem Werklein erwähnt haben würde, wäre es eben geschehen. Mit welchen Truppen hätte auch Lecourbe den nächt- lichen Marsch durchführen sollen? Das Tagebuch gibt an, daß am 24. nur 6 schwache Bataillone den Gotthard besetzt hielten ; der Bericht aus Altdorf vom 3. Vend. (25. September) nachmittags 9 Lxhr 30 Minuten an Massena sagt ausdrücklich: .Die letzte Nacht begann General Gudin seinen Rückzug auf die Furka. Er nahm mir die 67., ein Grenadierbataillon, die ganze 109. und ein Bataillon der 38. mit, welche der General Loison in die Ebene von ITrseren vorgehen ließ, um ihn zu unterstützen und denen der Rückzug durch das L'rnerloch verlegt ward." Diese Truppen bildeten zu- sammen gerade 6 Bataillone (die 109. Halbbrigade zählte 2 Ba- taillone) und keines von ihnen wäre doch bei Gudin geblieben, wenn Lecourbe nächtlicherweile das Urnerloch über den Bäzberg hin umgangen hätte.

Für das Bivouac der Kolonne Rosenberg wird kurzweg „Tavetsch" als Ortsname angegeben. (Bernhardi I, 84 spricht von Monrpe-Tavetsch.) Tavetsch ist jedoch die Bezeichnung für das ganze Thal. Dr. Hartmann (S. 103) nimmt Sedrun als Lagerplatz an. Dort ist jedoch kaum so viel Raum, 6000—8000 Mann (mit der Brigade Auffenberg?) und einem großen Trosse unter-

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bringen zu können. In dieser Hinsicht entspricht die Ebene am Ausgange des Yal Segnes weit eher den Anforderungen, zumal sich dort auch in unmittelbarer Nähe des Bivouacs auf dem linken Rheinufer ein kleiner Wald befindet, der das nötige Brennholz zu liefern vermag. Es wäre ein Fehler gewesen, das Bivouac derart anzuordnen, daß es sich wie bei Sedrun (wo der Kreuzli-Paß ab- zweigt) ungeschützt zeigte vor einem etwaigen gegnerischen An- falle in die rechte Flanke.

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Die Gefechtserzählung vom Oberalpsee bei Miliutin (IV, 33 ff.) stimmt freilich nicht ganz mit der dem großen Werke beigelegten Karte des Gotthard (Nr. 40), wohl aber mit der Gegend selbst vollkommen überein. Dr. Hartmann (S. 104/105), der die Dar- stellung kritisiert, übersieht, daß das Gefecht in zwei Teile zer- fällt (vergl. S. 15 1) und daß erst hinter der Paßhöhe die Vorhut unter Miloradowitsch von der Kolonne Rosenberg, dem Gros ab- schwenkte, um gegen den rechten Flügel der Franzosen vorzugehen.

Dies die kurze Beurteilung der noch streitigen Punkte.

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In der Nacht vom 24. zum 25. September begab sich General Lecourbe von Altdorf nach Göschenen und zur Teufelsbrücke, woselbst er gegen Tagesanbruch eintraf. Trotz der ungünstigen Lage, in welcher er sich befand, scheint er, wie gesagt, für einen Augenblick an die Wiedervereinigung mit Gudin gedacht zu haben und darum unterblieb auch wohl die völlige Zerstörung der Teufelsbrücke.

Nach Lusser (S. 184) war bereits am 24. abends der über den gesprengten kleinen Bogen des Bauwerkes gelegte hölzerne Ver- bindungssteg beseitigt worden. Er schreibt: „Die Brücke war nicht abgebrochen, wie vielfältig irrig berichtet, sondern bloß eines jener Gewölbe, über welche die Straße der Felswand entlang kletterte." Vom Nordausgange von Andermatt bis zum Urnerloche sind es wenig mehr denn 1500m Weges; der Tunnel selbst war nach Ebel 80 Schritte lang, 3 bis 4 m breit und etwa ebenso hoch. Sogleich hinter der nördlichen Mündung des damals so bewunderten „Loches" fiel die alte Straße steil gegen die Vorbögen der Brücke ab. Diese wieder bildete im rechten Winkel zu dem Wegstücke eine gemauerte Spannung von nahe an 20 m Länge bei 2*/a bis 3 m Breite über der wild schäumenden Reuß.

Die Stellung der Franzosen ist wohl in der Weise zu denken, daß eine Schützenlinie den Teufelsstein besetzte, d. h. den oberen Rand der Felsen am linken Reußufer. Von dort sind es bis zu dem nächsten Straßenstück oberhalb des Urnerloches genau 280 m, bis zum unteren der Brücke zugewandten Ausgange des Tunnels dagegen 230 m, in der Luftlinie gemessen. Beide Entfernungen gewähren noch die Möglichkeit, mit dem französischen Infanterie- Gewehre Mod. 1777 einige Treffer zu erzielen.1*7 Diese für die damalige Waffe große Schußweite stimmt auch mit den Erinne- rungen von Toll überein, der mit unter den Vordersten der An- greifer (Bernhardi I, 88) war, die nur „einen schwachen Hagel von Flintenkugeln " erhielten. Das Urnerloch dagegen wurde gewiß nicht besetzt, bot es doch gar keinen Raum zur Entwickelung einer Schützenlinie, ja nicht einmal zur Bedienung eines Geschützes. Das schließt nicht aus, daß ein solches zur Stelle gewesen, obgleich dies nicht wahrscheinlich ist, trotz gegenteiliger Erzählungen. Das Feldtagebuch und Lusser z. B. wissen nichts von Kanonenfeuer. Letzterer meldet einzig (S. 185): „Die Stelle dieses schauerlichen Felsenschlundes verteidigte nur eine geringe Anzahl Franzosen, die aber vorteilhaft auf und über der Straße aufgestellt waren." Sonderbarerweise machten die Franzosen keine Anstalten, das Urner- loch zu verrammeln. Es gelang ihnen, wie gesagt, nur, vor den heftig andringenden Russen den kleinen Bogen abzuwerfen.148

Die Erzählung, welche Miliutin (IV, 42) von dem Uebergange der Teufelsbrücke gibt, ist ungenau und sichtlich in dem Bestreben

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geschrieben, die Tapferkeit der Russen in das hellste Licht zu stellen. Der österreichische Darsteller wiederum (Stutterheim) ist ängstlich bemüht, die Einsicht seiner Kameraden vom kaiserlichen Generalstabe im Gegensatze zu der kopflosen Tollkühnheit der Russen zu zeigen.

Lusser (S. 185), dem doch noch Erinnerungen von Augenzeugen zur Verfügung standen, schreibt über den Beginn des Gefechtes: „Mit wildem Mute drangen die Russen durch das finstere 200 Schuh lange Ursenerloch vor und wurden bei dessen Ausgang mit mörderischem Kugelregen empfangen, und da die Kugeln auch über die Reuß durch die Felsenlücke durchpfiffen auf die Nach- rückenden, so drängten diese nur um so stärker dem natürlichen Gewölbe zu."

Die Spitze der russischen Angriffssäule bildete eines der Ba- taillone Mansuroffs vom Corps Rosenberg, welches die Nacht bei der Altkirche von Andermatt bivouakiert hatte. Die russischen Berichte erwähnen wohl großer Verluste, welche die Stürmenden erlitten, erzählen aber doch nichts davon, daß die Vordersten unter den Angreifern von den heftig Nachdrängenden in die Reuß gestürzt worden seien, und daß dabei das ganze Bataillon erlag. Dies ist eine österreichische Erzählung (Stutterheim S. 30/31 ; Erzherzog Karl II, 244 ff.), sichtlich gemacht, um den Rat Weyrothers, welcher Suworoff drängte, eine Umgehung zu versuchen, hervorzuheben. Dem folgend schreibt auch Lusser: „Hätte Suwarow sich zuvor über die Gegend genau unterrichtet und wären die Ursener ihm dabei hülfreich entgegengekommen, wie manches Menschenleben hätte da erhalten bleiben können." Er sagt aber ferner, daß eine über den Bäzberg, eine andere über den Kilcherberg und das Kloserli er meint ersichtlich damit den Weg von der Altkirche aufwärts über den Gütsch nach der Klauserlialp (2014 m) durch das Rienthal hinab nach Göschenen gesandte Abteilung jeden ferneren Widerstand der Franzosen an der Teufelsbrücke aufgehoben haben würde.

Diesen Behauptungen ist wohl zu trauen und sie entsprechen ja auch ganz der Starrköpfigkeit von Suworoff, der als Nichtkenner des Gebirges gewiß nicht glaubte, daß solche Umgehungen über- haupt möglich seien. Damit fallen aber auch die Erzählungen der Russen dahin, welche davon sprechen, daß „General Kamenski (Nicolai Michailowitsch) mit seinem Regimente vom Corps Derfelden detachiert worden war, um in der Nähe von Urseren ebenfalls über die Reuß zu gehen und den hohen Rücken des Bäzberges zu ersteigen." (Miliutin IV, 42/43.)

Dagegen läßt sich sehr wohl annehmen, daß die Russen nach ziemlicher Einbuße an Mannschaften in der Nähe der Brücke selbst Umgehungen versuchten. Etwa 300 Freiwillige vom Regiment

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Mansuroff unter Oberst Trubnikoff suchten in der Bachrunse un- mittelbar vor dem Urnerloche in die Höhe zu gelangen, um durch das hintere Teufelsthal den Franzosen in die linke Flanke zu stoßen. Viel hätte diese Bewegung keinenfalls genützt und sie mag vielleicht auch angesichts des schwierigen Geländes später wieder aufgegeben worden sein.

„Dagegen warf sich Major Trewogin mit 200 Jägern vom Regimente Kaschkin in das Defilee der Reuß selbst, überschritt unter unglaublichen Schwierigkeiten, bis an den Gürtel im Wasser, den wilden Fluß und begann dann die Gebirgs wände des linken Ufers zu ersteigen." (Miliutin VI, 41.) Ihnen folgte ein ganzes Bataillon vom Regimente Rehbinder, das der Oberst Swischtschoff befehligte.

Die österreichischen Berichte verlegen die Stelle des Abstieges in die Reuß auf die Strecke zwischen dem Urnerloche und der Teufelsbrücke. Dort durch den Fluß zu gelangen, ist aber selbst Russen, und seien sie auch von einem Suworoff geführt und be- geistert, schlechterdings unmöglich. Solches kann nur 200 300 m ob dem Südausgange des Urnerloches versucht werden und unter glücklichen Umständen gelingen.

Nun, bei fast gelungener Umgehung, sollen die Franzosen den kleinen Bogen der Brücke zerstört haben. Dadurch seien eine Anzahl ihrer Kameraden abgeschnitten und von den erbitterten Russen der Hauptkolonne in die Reuß gestürzt worden. Da jeden- ialls keine Franzosen im Urnerloche oder gar auf der von dem- selben überhöhten Straße selbst standen einen solchen Fehler begeht gewiß kein Kriegserfahrener so ist diese Erzählung eben- falls in das Reich der Fabeln zu verweisen.

Die auf dem Teufelssteine und an der Brücke stehenden Franzosen es war nach dem Feldtagebuch der Rest der 88. Halbbrigade, befehligt von Loison, dem Brigadechef d'Aumas und dem Kommandanten Simon hielten sich, so lange es ihnen nur irgend möglich war.

Die Russen wollen noch unter dem Feuer der Verteidiger den Brückenbogen in der Weise flüchtig gangbar gemacht haben, daß Bretter und Balken „aus einem in der Xähe stehenden Schupfen" herbeigebracht und auf Vorschlag von Major Meschtscherski mit Offiziersschärpen zusammen gebunden wrorden seien. Meschtscherski wäre dann als Erster hinüber, aber tödlich getroffen worden, wobei er den Kameraden zurief: „Vergesset mich in eurer Relation nicht!" Diese Angaben klingen sehr romantisch und sehr unglaubwürdig; sie sind jedenfalls nur mit größter Vorsicht aufzunehmen. Ebenso übertrieben erscheint die Verlustziffer der Franzosen, welche nach russischen Angaben 280 Mann betrug.

Oesterreichische und russische Pioniere besserten die Brücke

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wieder so weit aus, daß die folgenden Bataillone sie gegen 5 Uhr nachmittags zu überschreiten vermochten. „Einige kleinere Brücken, welche vom Feinde zerstört worden waren, hielten den Marsch der Russen ungemein lange auf, so daß das Groß des Corps erst spät in der Nacht bei Wasen eintraf. Die Avantgarde Miloradowitschs nahm etwas weiter vorwärts, bei dem Dorfe Weiler (Wyler-Gurt- nellen), ungefähr eine Stunde von Anisteg, Stellung."

Suworoff hatte von Andermatt aus 2 zur Brigade Strauch gehörende Bataillone gegen Realp zur Beobachtung der Brigade Gudin entsendet. Oberst Strauch war in Albinasco am Eingange des Bedretto stehen geblieben, um einen etwaigen Vorstoß der Division Turreau über den Nufenen zu verhindern.

Es ist zweifellos, daß Lecourbe die Teufelsbrücke weit kräftiger verteidigt haben würde, wäre er nicht zugleich auch im Rücken, bei Amsteg, durch die österreichische Brigade Auffenberg bedroht worden. Hier lag die höchste Gefahr vor, daß er von Altdorf und der Flotille abgeschnitten werde, und so entschloß er sich, selbst dort einzugreifen.

Die Brigade Auffenberg, bestehend aus 4 Bataillonen (2 Kerpen, 2 Gradiscanern) und in der Stärke von ungefähr 2000 Mann, war am 24. September von Dissentis aus über den Kreuzli-Paß (den manche Berichte fortgesetzt fälschlich als „Crispalt" bezeichnen) an den Eingang des Maderanerthales gelangt. Bei Bristen über- schritten die Vortruppen der Brigade am Morgen des 25. den Kärstelenbach und trafen nun (Feldtagebuch) auf die dort am rechten Ufer („Dächli") stehende 2. Compagnie von 111/38. Halb- brigade und 1 Sappeurcompagnie , welche von dem Lieutenant Perruchot und dem Unterlieutenant Gautrot befehligt wurden. (d'Izarny S. 102.) Als Lecourbe von dem beginnenden Gefechte Nachricht erhielt, entsendete er sogleich IL/76. Halbbrigade von der Teufelsbrücke nach Amsteg. Eine zweite Meldung besagte, die ganze Brigade Auffenberg bedrohe diesen Ort. Nun schickte Lecourbe den Escadronchef im Generalstabe, Noizet, an das mar- schierende Bataillon ab, um die Bewegungen zu beschleunigen. Zugleich folgte er eiligst mit dem noch übrigen Rest seiner Gre- nadierreserve, 4 schwachen Compagnien, Loison den Befehl hinter- lassend, Schritt für Schritt auf Wasen zurückzugehen und hier bis aufs äußerste Stand zu halten.

Die zwei am „Dächli" stehenden Compagnien hatten unterdessen während voller vier Stunden heldenmütig alle Angriffe der Brigade Auffenberg abgeschlagen. Endlich nahezu umgangen, mußten sie an den Rückzug (nach ,Zwing-Uri") denken. Von den Kaiser- lichen besetzten die 2 Bataillone Gradiscaner-Infanterie die steilen Höhen ob Amsteg, 1 Bataillon Kerpen machte sich daran, die Kärstelenbachbrücke zu zerstören, das andere Bataillon drang in

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den Ort selbst ein. Jetzt erschien aber IL/ 7 6. am Südausgange von Amsteg. Es ließ zwei Compagnien in der Reservestellung zurück und ging mit dem Bajonette gegen die Oesterreicher vor, die mit Verlust zurückgeworfen wurden. Doch die Kaiserlichen sammelten sich wieder und versuchten neuerdings einen Erfolg zu erringen. Unterdessen waren Lecourbe und seine Grenadiere heran- gekommen. Der General ließ diese angreifen und als an der Brücke, die bereits halb zerstört worden, Verwirrung entstand, zog er selbst den Säbel. Mit einem ernsten Worte: „Grenadiers, qu'alliez vous faire? En avant, suivez-moi!" wußte Lecourbe die Ordnung wieder herzustellen. Der Uebergang blieb in den Händen der Franzosen, welche zugleich 200 Mann, darunter 4 bis 5 Offiziere, gefangen nahmen. (Feldtagebuch.)

Der Bericht von Lecourbe aus Altdorf vom 25. September abends 9\'2 Uhr erzählt weiter (Bousson 225) : „Nachdem meine Verbindung mit Altdorf wieder gesichert erschien, ließ ich von dort meine gesamte Artillerie fortschaffen. Ich komme jetzt von Amsteg her, wohin sich das I. Bataillon der 38. von Stellung zu Stellung zurückzog und wo die Truppen vereinigt wurden. Für morgen erwarte ich heftige Angriffe und es ist ganz außer allem Zweifel, daß ich überwältigt werde, da ich nur drei schwache Bataillone und einige Grenadiercompagnien zur Verfügung habe. (Also gewiß nicht 6000 Mann, wie die gegnerischen Berichte schreiben. Das Feldtagebuch gibt unter dem 26. September die Zahl der Kampffähigen auf 2400 Mann an.) Ich will es versuchen, durch Vorposten die Stellungen bei Amsteg und Bürglen zu halten. Letztere ist aber nichts wert. Indem ich alle Reußbrücken ab- breche, halte ich meine Verfolgung durch den Feind etwas auf. Durch das Gadmenthal entsendete ich Patrouillen zum General Gudin. Ich empfahl ihm, mir wenigstens 2 Bataillone zu schicken und das Oberwallis, wie die Grimsel zu decken. . . . Werde ich überwältigt, so werfe ich zwei Bataillone nach Engelberg und zwei ins Isenthal und nach Bauen, bis ich Verstärkungen erhalten habe. Für mich persönlich war es ein glücklicher Tag; mit 3 oder 4 Bataillonen mehr (er meint gegnerische Bataillone und wohl die Ereignisse bei Amsteg) wäre ich gefangen. Ich nehme an, daß Suworoff die Absicht hat, sich mit dem Corps Hotze zu vereinigen, und dann auf Luzern oder Glarus zu marschieren. Werfen Sie demnach alles nach Glarus, mindestens 8000 Mann, und Suworoff ist verloren."

Am 26. September, morgens 5 Uhr, drang Milorado witsch in Amsteg ein. Die Vorhut, befehligt vom Obersten Tiefenhausen, eilte, mit dem Bajonett vorwärts stürmend, über die brennende Brücke.149 Die Franzosen gingen gegen Altdorf zurück. „Lecourbe deckte in eigener Person mit ca. 1600 Tapferen (es war aber nur

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IL/76. Halbbrigade laut Feldtagebuch) diesen kühneu Rückzug und hielt an jeder passenden Stelle, z. B. am Rhinacht und bei der Schächenbrücke zu Schattdorf, die Russen wieder eine Zeit lang auf, um seinen Truppen Zeit zu lassen, sich über die Brücken zu Attinghausen und Seedorf hinter die Reufi zu ziehen und alle Schiffe von Flüelen wegzuführen. Als dies geschehen, wurde die Brücke in Attinghausen zerstört, und gegen Mittag zog der kühne General, von wenigen hundert Grenadieren umgeben und mit zwei leichten Kanonen und ein paar Maultieren, welche Munition trugen, bei Altdorf vorüber ; russische Plänkler folgten ihm auf dem Fuße. Aber so oft dieselben zu nahe kamen, ließ er einen Kartätschen- hagel gegen sie abfeuern und ging dann langsam, als einer der letzten, hinein in den neu aufgeworfenen Brückenkopf zu Seedorf. "

Auch die Schächenbrücke wurde abgebrochen. Auf die Straße stellte Lecourbe zwei Geschütze. Loison stand noch mit dem Reste der 38. Halbbrigade an den Brücken von Erstfeld und Attinghausen, „mit dem Auftrage, deren Uebergänge zu verteidigen und dann mit einem Bataillon über den Surenen-Paß nach Engelberg zu gehen, einige Compagnien jedoch auf der Altdorf zugewandten Bergseite zu lassen, um nötigenfalls jene zu unterstützen, welche mit der Verteidigung der Reußbrücken beauftragt waren." (Feldtagebuch.)

Um 9 Ühr morgens erschienen die Vortruppen der Russen am Xordausgange von Schattdorf. Lecourbe und 4 Grenadiercompagnien verteidigten den Uebergang des Schächenbaches, während IL / 7 6. Halb- brigade durch Altdorf nach Seedorf ging. Milorado witsch wendete sich mit seinem Reginiente und dem Jägerbataillon Kaschkin gegen Attinghausen, Rehbinder mit seinen Regimentern gegen das Schächen- wäldchen. Sechsmal gaben die französischen Kanonen ihr Kartätschen- feuer ab, dann konnten die Jäger bei Bürglen über den Bach gelangen. Es mochte kurz nach Mittag sein, als Lecourbe, nicht gar stark verfolgt, die Brücke von Seedorf überschritt und diese hinter sich abwarf. Die Stellung war bereits seit einiger Zeit mit Verschanzungen bedacht worden, in welche dann um 1 Uhr mittags drei russische Geschütze einige Kugeln warfen.

Lecourbe fürchtete hauptsächlich für Gudin, dessen Rücken er nicht mehr zu decken vermochte. „Schicken Sie", schrieb er ferner am 26. September aus dem Bivouac bei der Seedorfer Brücke an Massena, „so schnell wie möglich Truppen nach Schwyz. Der Feind steht im Schächenthal und geht vielleicht ins Muotathal hinüber. Der General Loison marschiert nach Engelberg . . . ich werde wohl nach Stanz gehen. . . . Der Feind hat 6 Geschütze vor mir aufgefahren, der See ist stürmisch, keine Barken."150 Das Feldtagebuch berichtet dazu, die Truppen hätten starke Entbeh- rungen ertragen müssen.

Den Russen scheint es nicht besser gegangen zu sein. „Sie

Günther, Feldzug 1799. 11

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litten Ungeheuern Mangel bei entsetzlichen Strapazen: seihst Offiziere des Generalstabes riefen im Vorbeireiten in die Häuser (von Altdorf) hinauf nach Brod." (Lusser S. 188.)

Nachdem der Flecken besetzt worden, lagerte Rosenberg zwischen Flüelen, dem See und der Reuß. Derfelden bivouakierte hinter Rosenberg, Bagration blieb in Bürglen, Auffenberg in Schattdorf.

„Um sechs Uhr abends desselben Tages hielt Suwarow. von mehreren hundert Kosaken und vielem Fußvolk begleitet, in phan- tastischer Kleidung seinen Einzug in Altdorf. Er war im Hemde, mit offenem schwarzem Kamisol und an den Seiten offenen Hosen, in der einen Hand hielt er eine Karbatsche, mit der anderen gab er im Vorüberreiten gleich einem Bischof den Segen und verlangte von dem ihm vor das Haus entgegengehenden Landammann Schmid den Friedenskuß, und von dem denselben begleitenden ehrwürdigen Pfarrer und Kommissär Ringold den Segen, den er in andächtiger Verbeugung empfing. Sodann hielt er eine Anrede in ziemlich gebrochenem Deutsch, worin er sich als Heiland und Erlöser der Schweiz verkündete, indem er gekommen, dieselbe von den Un- gläubigen und der Tyrannei zu befreien. Er stieg im Hause des Altlandammann Stephan Jauch ab. Seine Bewachung lagerte sich indessen, von Hunger mächtig gequält, sodaß die Soldaten die ekelhaftesten Dinge nicht verschmähten, sogar Felle aus Loh- gruben zogen, zerschnitten und aßen, auf den Brandstätten Alf- dorfs. " (Lusser S. 189.)

Mit großer Bestürzung erfuhr Suworoff seine Lage. Aber schnell entschlossen dachte er nur an das Vorwärts", an die Vereinigung mit Hotze: denn schon liefen dunkle Gerüchte in Altdorf um von hartnäckigen Gefechten längs der Linth. Clausewitz (II, 163) meint sehr richtig, Suworoff hätte angesichts der geringen Streitkräfte, welche ihm gegenüberstanden, den erschöpften Truppen einige Erholung gönnen dürfen. In diesem Falle erfuhr er sicher die unglücklichen Ereignisse an der Limmat und von der Linth. woselbst an diesem 26. September FML. Hotze durch eine schweize- rische Kugel gefallen war. Dann wäre es ihm auch ein Leichtes gewesen, über den Kreuzli-Paß das sichere Bündner-Oberland, oder wenigstens doch über den Klausen in gerader Richtung in den Kanton Glarus zu marschieren. Der thatkräftige russische Feld- herr wollte aber nichts von alledem hören, selbst Lecourbe beun- ruhigte er wenig, wohl um keinen Augenblick der kostbaren Zeit zu verlieren,

Das Feldtagebuch berichtet vom 2Z^ September, daß in der Frühe einige russische Generalstabsoffiziere die Stellung bei Seedorf und die Gangbarkeit der Reuß-Furten erkundeten. Lecourbe ließ 1 Compagnie Grenadiere im Bivouac zurück und griff die Russen

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mit 3 Grenadiercompagnien und IL/ 7(5. Halbbrigade in der Weise an, daß zwei der ersteren Altdorf umgingen und sogar Verwirrung ins russische Lager trugen. Die Franzosen verloren in dem Kampfe, welcher bis um 7 Uhr abends anhielt, angeblich nur 2 Tote und 6 Verwundete, die Russen 100 Tote.151 „Suworoff, der unterdessen gegen Erstfeld vorgegangen war, eilte von dorther, nachdem er den Angriff aufgegeben, den Seinen zu Hülfe." Lecourbe erfuhr seine Berichte zeigen es deutlich bis zum 28. September keineswegs, daß Suworoff den Marsch über den Kinzig-Paß ange- treten habe. Lusser (S. 192) erzählt sogar, der General sei bei seinem Wiedereintreffen in Altdorf sehr zornig darüber gewesen, daß die Einwohner des Fleckens ihn mit Nachrichten über die Maßnahmen des Gegners gänzlich im Stiche gelassen hätten. Er ließ in jenem Augenblicke sogar die Drohung fallen, den halb zerstörten Ort seinen Soldaten preiszugeben.

Ueber die Ereignisse, welche sich im Reußthale am 27. September abspielten, berichtete Lecourbe auch an Massena den 5. Vendemiaire (27. September) abends 10 Uhr aus dem Bivouac bei der Seedorfer- brücke:152

„Ich bin noch immer am linken Reußufer. . . . Der General Loison steht auf dem Surenen-Paß, da ich für das Engelbergerthal fürchtete und um jeden Preis Nachrichten vom General Grudin haben wollte. . . . Davon unterrichtet, daß der Feind mit Artillerie und 3 Bataillonen bei Erstfeld sei, um dort mit Benützung einer Furt über den Fluß zu gehen oder eine Brücke zu schlagen, unternahm ich einen heftigen Angriff gegen Altdorf, das ich für kurze Zeit besetzte. (Das im Feldtagebuch und oben ebenfalls erwähnte Gefecht.) . . . Mein Zweck war erfüllt. Ich zwang sie, (von Erstfeld) nach Altdorf zurückzugehen und hinderte sie, über Erstfeld die Surenen zu gewinnen und damit in meine rechte Flanke zu kommen. (Lecourbe glaubte also an eine ernstliche Absicht der Russen, durch das Engelbergerthal gegen Luzern hin den Weitermarsch zu unternehmen.) Ich habe keine Vorräte mehr, weder hier noch in Luzern, das Meiste, was ich besaß, ward mir

in Andermatt genommen Suworoff will sich mit den Oester-

reichern in Glarus vereinigen. Senden Sie beträchtliche Ver- stärkungen an diesen Ort und treffen Sie Ihre Maßregeln, damit Molitor und ich entlastet werden. Es muß aber ohne Verzug gehandelt werden."

Besser als eine langatmige Betrachtung zeigt dieses Schreiben, in welch vollkommener Ungewißheit Lecourbe sich am 27. September befand. Der Scheinangriff an der zerstörten Erstfelder Brücke erweckte ihm die große Besorgnis, der Gegner wolle zuerst die Stellung bei Seedorf gewinnen und dann wohl mit einem Teile seiner Kräfte nach Engelberg und Luzern gelangen. Dann wird

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Lecourbe die Kunde, Suworoff gedenke mit seiner Hauptmacht nach Glarus abzumarschieren. Genaueres über die Pläne des Gegners ist zwar vorerst nicht zu erfahren, doch schien es den Franzosen, als ob die Russen nach Vereitelung ihres Versuches bei Erstfeld wirklich durch das Schächenthal weiter giengen. Es ist sicher, daß Lecourbe an den Klausen-Uebergang dachte, sonst hätte er mehr Truppen ins Muotathal geworfen, als er thatsächlich dorthin abordnete.

Am 28. September vormittags 8 Uhr schreibt Lecourbe an Massena: „Diese Xacht ist der Gegner ins Muotathal gedrungen. So ist es Zeit, Truppen nach Schwyz zu senden, obwohl Suworoff bei ihren Erfolgen dort nicht mehr durchzubrechen vermag. Ich entsendete nach Schwyz einen meiner Adjutanten mit vier bis fünf Conlpagnien, um die Verteidigung dieses Punktes zu übernehmen. (Darunter befanden sich nach dTzarny S. 104 3 Compagnien vom III.. 88. Halbbrigade, welche der Adjutantmajor Vautrin führte. Die anderen werden vermutlich vom IL, 76. Halbbrigade gestellt worden sein.) In der Erwartung von Verstärkungen soll er, sobald die 84. eintrifft, den Gegner ins Muotathal zurückwerfen und durch das Bisithal ins Schächenthal hinübergehen."

Dieses Schreiben enthält auch den Hauptgrund, warum Lecourbe nicht stetig auf die Nachhut der Russen drückte. rIch darf Ihnen nicht verhehlen, daß es durchaus nötig erscheint, die Truppen meiner Division durch andere abzulösen, immerhin nachdem wir unsere Stellungen wieder eingenommen haben. Obgleich sehr tapfer und sieggewohnt, bemerkte ich doch schon einige Male, daß sie es überdrüssig sind, solch' traurige Stellungen, entblößt von allen Hülfsquellen, zu halten, wo sie nichts anderes als Tod und Elend finden. Der Gegner läßt mich in Frieden. Trotzdem wage ich es nicht, die Seedorfer Brücke zu verlassen; denn meine Truppen würden vielleicht doch nicht die nämliche Zuversicht haben. "

An Gudin meldet der General (Nr. 59, S. 233), er sei am 27. mit 900 Mann in Altdorf eingedrungen. Mit einer so geringen Macht jedoch, deren Gemütsstimmung noch dazu nicht die beste war, konnte der General so gut wie nichts unternehmen.

Von Altdorf ins Thal der Muota führten bereits im Jahre 1799 drei Wege. Der eine, oft begangen und teilweise auch von Soult und Lecourbe schon benützt, geht von Flüelen über Sisikon nach Morschach und Brunnen, also längs des Sees, der zweite von Witterschwanden im Schächenthal über den Kinzig-Paß und durch das Wängithal, der dritte endlich über Heitmannsegg (ob Unter- schächen) und den Kulm-Paß (2172 m) durch den Hohlweg des Löchli-Passes (1515 m) ins Bisithal. Es ist unerfindlich, warum Suworoff nicht den zuerst genannten Pfad benützte. Selbst wenn

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Lecourbe dann den Abmarsch und seine Richtung schneller erfahren hätte, wäre dieser Nachteil doch durch die größere Beschleunigung und Bequemlichkeit der Bewegung aufgehoben worden. Es ist aber wahrscheinlich, daß landeskundige Leute in Altdorf gar nicht oder dann in einer Weise befragt wurden, daß die endgültige Wahl nur auf den schon von Hotze erwähnten Fußsteig aus dem Schächenthal ins Muotathal fallen mußte. Bei der Wertabschätzung zwischen dem Kinzig- und dem Kulm-Passe ist es nicht schwer, den ersteren höher zu stellen. Der Kinzig-Paß zeigt sich ebenso beschwerlich und dabei nur um 100 m niedriger als der östlicher gelegene Kulm, aber er führt weit eher zum Ziele als dieser, üeberdies wurde der Kinzig stets mehr begangen als der eigentliche Kulm-Löchli-Paß. Auf der Kinzeralp und im oberen Wängithal liegt eine ganze Reihe von Sommerwohnstätten, während man von Heitmannsegg bis zur Einmündung des Bätschthales in das Bisithal lediglich Alphütten antrifft, welche Ende September nicht mehr bezogen sind. Ueber den Kinzig-Paß schreibt Ebel unter dem Artikel „Muttathai" (III, 234/235):

„Merkwürdiger Marsch der Russen. Südwärts vom Dorfe sieht man die Oeffhung eines engen Thaies, welches sich nach dem Schächenthale hinaufzieht, durch hohe Felsen aber davon getrennt ist und mit dem engen Bisisthai parallel fortläuft. Dieses unbewohnte Thal, durch welches sonst kein Reisender wanderte, ist dadurch so merkwürdig geworden, daß die russische Armee unter dem General Suworow am 27. und 28. September 1799 von Altdorf und aus dem Schächenthal die Felsen nach demselben überstieg, und bei Muotta herauskam, wo sie sehr heftige Gefechte gegen die Franzosen liefern mußte." Und ferner (VI, S. 70): „Von Altdorf führt eine Straße durchs Schächenthal über die Balmwand etc., dann ein bloßer Hirtenweg aus dem Schächenthal ins Bisisthai des Kantons Schwyz ; und ein noch steilerer Weg von der Schächenbrücke über den Kinzig-Kulm gerade auf Mutter herab; welcher letztere seitdem, daß die ganze russische Armee unter General Suworow im Herbst d. J. 1799 hier übermarschierte, erst bekannt und merkwürdig geworden ist." „Anmerkung. In dem Artikel Altdorf ist dieser Marsch noch unrichtig, in dem Artikel Muttathai hingegen zwar berichtigt, aber ohne Benennung des Kinzig-Kulms angegeben, über welches dieser Marsch ohne seines- gleichen gethan wurde. Dieses zur genauem Belehrung für Reisende, da uns nicht unbekannt ist, wie im verstrichenen Sommer mehrere derselben von unwissenden (teuer bezahlten) Führern irre geleitet wurden."

In der Gegend war der Kinzig-Paß nicht unbekannt. Er wurde viel zum Viehtreiben benützt und muß demnach um 1799 in besserem Zustande hinsichtlich der Wegverhältnisse gewesen sein als heute.

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Der Kinzig-Paß (2070 m) ist eine Einsattelung im steilen nördlichen Schächenthalrande, dessen höchster Punkt die zerklüftete „Windgälle" bildet. Von dem sich ob Bürglen erhebenden Roß- stocke zieht nach Osten hin der steil abfallende Kinzerberg, über dessen Alpe der Pfad führt. Vom Schächenthal aus verlaufen mehrere Fußwege bis zur Paßhöhe hinauf. Von Spiringen (926 m) zweigt der gangbarste Pfad ab. Er steigt über die Ratzimatt (1484), die Obfluh (1683 m), die Oberalp (1828 in) und über Geröll-Halden zur Paßhöhe (2070 m). Der Weg zieht sich längs dem Hüribach hin, der auf der Sohle des Wängithales strömt. Die Steigung ist auf dieser, der nördlichen Seite des Passes, eine allmähligere. Das Gefäll beträgt etwa 200 m im Durchschnitte auf je 1500 m Weg- länge. Das Wängithal selbst bildet Absätze. Auf dem obersten liegt die Kinzeralp (1832 m), auf dem mittleren der Weiler Wängi (1443 m), auf dem unteren die Häusergruppe von Lipplisbühl (1 196 m). Bei Hürithal (623 m) mündet der Bach in den Muotafluß und damit auch in die bis 1 km breite Thalebeue bei dem Orte Muotathal.

Einzelne gute Fußgänger mögen, günstige Witterung voraus- gesetzt, von Altdorf in 8 bis 9 Stunden nach Muotathal über den Paß gelangen. Unter gleichen Umständen wird eine Truppe zur Zurücklegung des Weges 10 bis 12 Stunden nötig haben.153

Am 27. September, morgens 5 Uhr, brach die vom Fürsten Bagration geführte Vorhut aus Bürglen gegen den Kinzigpaß auf. Die Witterung war regnerisch und trübe. Es fehlte den Leuten au Lebens- wie an den bei ihnen beliebten Stärkungsmitteln. Die meisten Teilnehmer am Zuge hatten eine schon zerrissene Fuß- bekleidung. Trotz all1 dieser ungünstigen Umstände ward die Paßhöhe gegen Mittag, Muotathal selbst etwa um 5 Uhr abends erreicht. Diese schnelle Bewegung läßt vermuten, daß die Ab- stürze von Leuten, Tieren und Material sich weniger bei den ersten Kolonnen ereignet hätten als bei den am 28./ 29. nachfolgenden und dem Troß, welcher nach einzelnen nicht ganz abzuweisenden Angaben der Zeit bis zum 1. Oktober bedurfte, um wenigstens diesen ersten Leberg-ang zu erzwingen. Wie bereits bemerkt,

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war der Kinzig-Paß doch wohl verhältnismäßig öfters von Landes- einwohnern gebraucht worden, um eine rasche Verbindung zwischen den beiden Thälern zu haben. Darum will es fast scheinen, als wäre der Uebergang des Panixer-Passes mit weit größeren Opfern verknüpft gewesen.

In Muotathal standen die zwei Compagnien der 38. Halbbrigade, welche Lecourbe am nämlichen Tage über den See und durch

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Brunnen dorthin entsendet hatte, um den Rücken der Brigade Molitor wenigstens durch Beobachtung zu sichern. Natürlich dachte niemand an ein plötzliches Erscheinen der Russen im

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abgelegenen Muotathale. Die französischen Compagnien lagerten sorglos, wie dies die allgemeine Gewohnheit war, und wurden deshalb recht eigentlich von den Kosaken zu Fuß überfallen. Rove'rea (II, 278/279) berichtet sogar, die Franzosen hätten die Steppensöhne anfangs für Kapuziner gehalten und die langen Barte hätten diese Täuschung neben den langen erdbraunen Kaftanen hervorgebracht. Diese Anekdote klingt aber doch etwas gar zu unglaublich. Genug, nach einem vergeblichen Fluchtversuche ward die 7. Compagnie vom IL/38. Halbbrigade umzingelt, 57 Mann getötet, 87 mit ihren Offizieren gefangen. (d'Izarny S. 112.)

Clausewitz (II, 166/167) und nach ihm auch Hartmann (S. 130) tadeln Massena, daß er an diesem Abende nicht in Schwyz ge- wesen sei. Aber der französische Obergeneral erhielt die Berichte von Lecourbe erst während der Schlacht vom 26. September. Er konnte demnach nicht vor dem 27. mit der Division Mortier nach Schwyz aufbrechen und dort, 10 Stunden von Zürich (nach Angabe von Ebel), sicherlich keinenfalls vor dem 28. anlangen. Eine zweitägige Schlacht ermüdet in hohem Maße ! Der entschlossenste, thatkräftigste Feldherr, die abgehärtetste Truppe bedürfen nach solchen Anstrengungen zunächst der wohlverdienten Ruhe ; das ist ja der Grund, warum die Verfolgung des Gegners in der ersten Nacht, welche dem Siege folgt, gewöhnlich unterbleibt. Massena kann für diese Verspätung nicht getadelt werden: im Gegenteile, er that den Umständen entsprechend das Möglichste. Es bleibt auch zu beachten, daß er vor dem 28. oder gar dem 29. sichere Nachrichten nicht besaß über die Richtung, in welcher Suworoff weitermarsc&ert sei. Nicht Mangel an Thatkraft war es bei Massena, wie Hartmann das beurteilt wissen will, sondern wirkliche Unmöglichkeit für ihn, am 27. September bei Schwyz in die Ge- schicke des russischen Heeres einzugreifen.

Nachdem das Muotathal besetzt worden, ließ Bagration die erschöpften Leute zwar ruhen, dabei aber in völliger Kriegsbereit- schaft bleiben. Diese Maßnahme unterstützt keineswegs den Tadel gegen Massena, wie Hartmann meint, sondern entspricht doch nur dem Gebote, sich genügend gegen Ueberfalle zu sichern, wenn man in einer derartigen Stellung steht, wo allein auf die gerade zur Hand befindlichen Truppen zu rechnen ist.

Suworoff lagerte an diesem Tage wohl mit der Hauptmasse seines Heeres, dessen letzte Truppen sich noch in Altdorf befanden, im Wängithal. „Brennende Gaden und Alphütten bezeichneten den Weg des durch Hunger und Anstrengungen nicht ohne Ursache mißmutigen Heeres." (Lusser S. 191.)

Clausewitz (II, S. 165/166) gibt die Beschreibung des denk- würdigen Zuges mit den Worten:

„Der Zug des ganzen Heeres aber dauerte in ununterbrochener

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Folge vom 27. morgens bis 29. abends, also 60 Stunden. Während dieser ganzen Zeit müssen wir uns also die nach der Vereinigung mit Auffenberg doch auf 25 000 Individuen zu zählende russische Armee denken, wie sie in einer raupenartigen Bewegung langsam über den Ungeheuern Bergrücken hinkriecht. Im Thale von Muota erwarten die ersten sehnlichst die Ankunft der folgenden, um in die freiere Gregend hinauseilen zu können ; im Schächenthal stehen am Fuße des Berges die ineinandergeschobenen Bataillone, unge- duldig, den Zug anzutreten und die Bergwand hinter sich zu be- kommen, denn schon schallt von Altdorf her das Rasseln eines wohlgenährten Flintenfeuers, mit welchem die Arrieregarde gegen Lecourbes Angriff den Abzug deckt: auf den Abhängen selbst keucht der arme, schwer belastete Soldat abgehungert und mit entblößten Füßen die steilen, vom Regen und von Wasserfällen schlüpfrigen Felsenflächen hinauf und dringt mit einer bis zum letzten Lebenshauch o-esteio-erten Anstrengung nur weiter, weil er das Gefühl hat, nur so den Armen des Todes zu entgehen, die sich hinter ihm aufthun. In allen Klüften zerstreut liegen Ab- teilungen, um Atem zu schöpfen, erkrankte und erschöpfte Menschen, ermüdete und erlahmte Lasttiere. Wie viele hier dem Tode ein Opfer geworden sind, weil der letzte Funke der Willenskraft aus- ging, ehe sie das Ziel erreichten, oder weil ein falscher Tritt sie zerschmetternd in Abgründe stürzte, sagt uns kein Bericht. Aber noch zu dieser Stunde gedenkt das Landvolk jener Thäler dieses beispiellosen Zuges mit Teilnahme und Bewunderung."

Als Suworoff am 28. September im Muotathal eintraf, erfuhr er zu seinem Staunen, daß von FML. Linken, den er eigentlich hier erwartete, keine Nachricht vorliege. Sogleich entsendete er den Oberst Sytschoff mit einer Sotnie Kosaken gegen den Pragel- Paß, um die Verbindung mit den in Glarus vermuteten Oester- reichern zu suchen. Sytschoff kam mit der Meldung zurück, daß der Feind im Klönthale stehe und von FML. Linken nichts zu hören sei. Fast gleichzeitig erfuhr Suworoff von Bürgern die Ereignisse bei Zürich und an der Linth.

Ehe die weiteren Vorfälle im Muotathale beschrieben werden können, ist es nötig, die Thätigkeit der Brigaden Linken und Jellacic während der Tage vom 25. bis 28. September zu schildern.

Der FML. Linken hatte den Auftrag, den Marsch des russischen Heeres unter Suworoff in der Weise zu erleichtern, daß er am 23. September aus Graubünden in die Thäler des Linthgebietes vordrang und von dort die Franzosen vertrieb. In der That setzte sich FML. Linken an dem genannten Tage von Chur und Ems nach Flims in Bewegung. Von hier entsendete er 1 Bataillon über den Segnes-Paß (2626 m) in das Sernfthal. Dagegen nahm er selbst am 25. mit 21/s Bataillonen und 1 Schwadron den Wreg

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über den Panixer-Paß (2194 m). Er erreichte gleichen Tages das am Fuße des Hausstockes im oberen Sernfthale gelegene Wichler Bad. Eine dritte Kolonne erreichte von Brigels über den Kisten-Paß (2590 m) die Pantenbrücke im oberen Linththale. Um die nämliche Zeit brach Generalmajor Jellacic von Sargans und Wallenstadt gegen Näfels und Mollis vor. Er schickte 8 Bataillone über die Mürtschen- und Frohnalp (1848 m) und nahm für seine Person mit 3 Bataillonen und 3 Schwadronen den Weg über Murg, Mühlehorn und den Kerenzerberg nach Mollis. Weitere 2 Com- pagnien unterhielten durch das Weißtannenthal und den Foo-Paß (2235 m) die Verbindung mit den Truppen des FML. Linken im Sernfthal.

Am Wichler Bad traf FML. Linken mit einer französischen Abteilung zusammen. Es waren jene 12 Compagnien der 76. Halb- brigade, welche Lecourbe in das Sernfthal entsendet hatte, um über den Panixer gegen llanz und das Bündner Oberland vorzu- gehen. Auf beiden Seiten plötzlich und von überlegenen Kräften eingeschlossen, streckte das Bataillon die Waffen.104

Zur Verfügung des Generals Molitor standen, um sich dieser Angriffsversuche des Gegners zu erwehren, lediglich die 84. und I./25. leichten Halbbrigade, zusammen etwa 3000 Mann. Er hatte die Linthbrücke bei Netstall abgeworfen und erwartete den Gegner. Der Erzherzog erzählt über das Gefecht, welches Molitor mit den Truppen des Generalmajors Jellacic bestand (II, 221/222):

„Die Franzosen hatten die Brücke bei Netstall abgebrochen: zwei ihrer Bataillons standen auf den Höhen von Beglingen, ein drittes machte Front gegen Wesen. Diese wurden über den Haufen geworfen und Mollis genommen, aber drei andere Bataillone mit 4 Kanonen behaupteten die Brücke bei Näfels. Während man sich am 26. um den Besitz derselben schlug, kam ein Teil der ver- sprengten Oesterreicher aus Wesen an und hinter ihnen der ver- folgende Feind, der das eroberte Geschütz benutzte und die Flanke von Jellachich kräftig beschoß. Besorgt für seine Rückzuglinie an dem Wallenstädter See und von den Unfällen bei Bilten und Kaltbrunn unterrichtet, entschloß sich Jellachich zum Rückzug. Eine Kolonne ging gerade von der abgeworfenen Brücke bei Netstall auf Murg, er selbst durch den Engweg von Kerenzen, wo er die Nachrückenden bis zur einbrechenden Nacht zurückhielt, dann ungestört auf Wallenstadt, am 28. nach Ragatz marschierte und endlich gar über den Rhein setzte."

Das Feldtagebuch enthält die Angabe, daß zwischen Näfels und Mollis 500 Gefangene gemacht worden seien.

Am 29. ging Molitor, der von der Division Soult 2 Bataillone der 44. Halbbrigade als Verstärkung erhalten hatte, sogleich gegen FML. Linken vor. Dieser vereinigte zwar am 26. September bei

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Schwanden die verschiedenen Kolonnen seines Corps, beschränkte sich aber drei Tage hindurch auf unbedeutende Vorpostengefechte in der Nähe von Mitlödi. Es kam dabei wohl zu einigen Um- gehungen, doch zu keinerlei größerem Ereignisse. Da General Molitor nämlich benachrichtigt wurde, daß die Spitze des russischen Heeres gegen den Pragel-Paß heransteige, vermochte er den über FML. Linken schon errungenen Erfolg nicht weiter auszunützen. FML. Linken, der in den Tagen vom 27. bis zum 29. September ersichtlich mit Suworoff in Verbindung gestanden war, zog sich unverfolgt und ganz gemächlich zurück.155 Am gleichen Tage erreichte er das Wichler Bad, am 30. überschritt er mit zwei Kolonnen den Segnes- und den Panixer-Paß. Jellacic bewies eine ebenso strafwürdige Gleichgültigkeit gegen das Schicksal der Ver- bündeten seines Kaisers. Schon am 26., sogleich nachdem er durch FML. Petrasch den Tod Hotzes und die für die Franzosen so günstigen Ereignisse bei Schanis erfahren, kehrte er nach Wallen- stadt zurück. Am 29. September hatte er sogar bereits den Rhein zwischen sich und die Franzosen gebracht.

General Molitor dagegen ließ nur die beiden Bataillone der 44. Halbbrigade zur Beobachtung des abziehenden Gegners in Schwanden stehen. Er selbst eilte, die Stellungen im Klönthale zu besetzen, um den Marsch der Russen über den Pragel soviel wie möglich zu hindern.

Die gewaltig niederschmetternde Nachricht von den umfassenden Siegen der Franzosen erschütterten für einen Augenblick selbst die Entschlossenheit Suworoffs. Die Meldung der zum Pragel ent- sendeten Kosaken überzeugte ihn endlich, daß er völlig vom Gegner im Muotathale eingeschlossen sei.

„Die Lage der russischen Truppen im Muotathale war in der That fürchterlich; durch den fast unglaublich scheinenden Marsch entkräftet, halb barfuß, ohne alle warme Bekleidung, litten dieselben seit einigen Tagen auch an Lebensmitteln Mangel. Suworoff hatte von Bellinzona nur Proviant auf sieben Tage mitgenommen, in der Meinung, dieser Vorrat werde bis Schwyz reichen, wo er neue Verbindungen sich zu eröffnen und Lebensmittel von Hotze und Korsakoff in Ueberfluß zu erhalten hoffte. Jetzt hatten alle Berechnungen fehlgeschlagen; sogar von den Vorräten, welche dem Corps nachgeführt wurden, war vieles auf dem Marsche zu Grunde gegangen ; die Maultiere, welche noch übrig waren, hatten den schneebedeckten Gebirgsrücken noch nicht überschritten. Die Soldaten hatten auch nicht ein Stückchen Zwieback mehr in der Tasche. Glücklich waren diejenigen, welchen es gelang, irgendwo noch einige Kartoffeln aufzufinden. Die Offiziere und Generale gaben freudig ihre Goldstücke für ein Stücklein Brot oder Käse hin. Trotz dieser armseligen Lage rührten die russischen Truppen

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dennoch nicht das Geringste von dem Eigentume der Bewohner des Dörfchens Muten an. Großfürst Konstantin ließ alles, was sich bei denselben an Lebensmitteln vorfand, zusammenkaufen und unter die Soldaten verteilen ; diese Freigebigkeit des Großfürsten vermochte leider nur für einen Tag die schwierige Lage der Truppen zu erleichtern. Die Einwohner, an die gewaltsamen Requisitionen der Republikaner gewohnt, waren über die Großmut der Russen höchlich erstaunt/ (Miliutin IV, S. 97/98.)

Suworoff war auf das höchste empört über die unverantwort- liche Handlungsweise der Kaiserlichen.156 In seiner Erbitterung berief er einen Kriegsrat ein, zu dem alle russischen Führer, keines- Avegs aber Generalmajor Auffenberg befohlen wurde. Die Lage im Muotathale mit jener vergleichend, in welcher sich einst (1711) Peter I. gegenüber den Türken und Schweden am Pruth befunden, erklärte er den Generalen:

„Zurückgehen ist schimpflich; ich bin noch nie zurück- gewichen. Vorwärts nach Schwyz gehen ist unmöglich : Massena hat über 60 000 Mann Truppen, wir haben deren kaum 20 000 mehr. Zudem sind wir ohne Proviant, ohne Munition, ohne Artillerie. . . . Von niemand können wir Hülfe erwarten. . . . Wir stehen am Rande des Verderbens!" (Miliutin IV, 101.)

Es soll der Großfürst Konstantin gewesen sein, welcher zuerst den Vorschlag machte es zu versuchen, nach Glarus durchzubrechen. Seine Ansicht beliebte, alle anwesenden Generale unterzeichneten den im Kriegsrate gefaßten Entschluß, der sich für den Abmarsch nach Glarus und Sargans aussprach.

Generalmajor Auffetiberg erhielt Befehl, noch am 29. so weit als möglich auf den Pragel vorzudringen ; ihm sollten am 30. Sep- tember und 1. Oktober die Abteilungen, bezw. Divisionen der Generale Bagration, Schweikowski und Förster, sowie der gesamte Troß folgen. „Rosenberg erhielt den Befehl, sich mit der größten Hartnäckigkeit zu halten, keinen Sclmtt zurückzuweichen, den Feind ohne Schonung niederzumachen und ihn bis Schwyz jedoch keineswegs weiter zu verfolgen."

In der That erreichte die Brigade Auffenberg und ein kleiner Teil des Trosses das Klönthal noch am 29. September, obwohl sie einen Zusammenstoß mit dem Gegner bestehen mußten. Ihm folgten am 30. September die Vorhut (Fürst Bagration) und die Division Schweikowski, zusammen 6000 Mann (16 Bataillone und 2 unberittene Kosakenregimenter). Gegen 3 Uhr nachmittags er- reichten sie das Klönthal, eben rechtzeitig, um Auffenberg zu unter- stützen. Die österreichische Brigade war von Molitor aufgefordert worden, sich zu ergeben. Wirklich begann Generalmajor Auffen- berg diesbezügliche Unterhandlungen, wohl weniger in der Absicht, Molitor zu willfahren, als um Zeit zu gewinnen. Bagration ordnete

172

seine Kräfte in der Weise, daß zwei Grenadierbataillone (Dendrygin und Sanajeff) auf dem Wege, die beiden übrigen (Lomonosoff und Kalemin) links desselben vorgingen. Oberstlieutenant Zukato erstieg mit dem Jägerregiment Miller den nördlichen, Fürst Bagration selbst mit seinem Jägerregiment den südlichen Thalrand.

„Auffenberg, durch die Annäherung der Russen ermutigt, brach die Unterhandlungen mit dem Feinde ab und begann seine Brigade zurückzuführen. Molitor warf sich nun von neuem auf die Oesterreicher wie auf eine sichere Beute. Unterdessen war Bagration mit seinem Regiment unbemerkt längs des sumpfigen Gehölzes vorgedrungen und fiel, nachdem er die Franzosen weit genug hatte vorgehen lassen, denselben plötzlich mit einem donnern- den Hurrah in die Flanke. In dem nämlichen Momente wirbelten die Trommeln und die russischen Grenadiere warfen sich, ohne auch nur einen einzigen Schuß zu thun, mit dem Bajonett gerade auf die Front der Franzosen. Unerwartet auf zwei Seiten an- gegriffen, machten dieselben Halt und traten, fortwährend feuernd, den Rückzug an. Ohne den Feind zur Besinnung kommen zu lassen, griff Fürst Bagration wiederholt an und Verfolgte ihn bis hart an den See. Hier fanden sich nun die französischen Truppen auf dem engen Wege zwischen dem Ufer und den steil abfallen- den Bergen zusammengedrängt. Um ihnen nicht Zeit zu lassen, sich in das Defilee zurückzuziehen, griff Bagration zum dritten- male an. Bei diesem furchtbaren Gedränge fanden gegen 200 Franzosen ihren Tod in den Fluten des Sees; mehr als 70 fielen durch das Bajonett, 162 Mann mit 3 Offizieren wurden gefangen genommen." (Miliutin VI, S. 105/106.)

Der Schauplatz dieses Gefechtes ist ersichtlich zwischen Yor- auen und dem Westufer des Klönthalsees zu suchen. Der Rückzug der Franzosen ging dagegen bis nach Seerüti. Miliutin (VI, 106) schreibt: „Der enge Durchgang zwischen dem Ufer und dem Fuße des Gebirges war durch die niedrige, steinerne Umfassungsmauer eines Kirchleins gesperrt." Diese Angabe ist jedoch nicht recht wahrscheinlich, weil in der dortigen Gegend nie einer Kapelle Erwähnung gethan wird und selbst Ruinen einer solchen nicht zu entdecken sind. Es wurde noch am 30. September abends mehrfach durch die Oesterreicher sowohl wie auch die Russen der Versuch gemacht, die Truppen Molitors hier zu werfen. Diese wegen der vorgerückten Stunde bald abgebrochenen Anstrengungen zeitigten jedoch einige Verluste, selbst an Offizieren. Unterdessen langte auch die Division Schweikowski im Klönthale an. Ihre letzten Truppen erreichten das Bivouac, in welchem nicht einmal überall Feuer angezündet werden durften, erst während der Nacht. Suworoff und Großfürst Konstantin schliefen in einer Schäferhütte.

Der 1. Oktober brach unter fortwährenden Regengüssen an.

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Bagration nutzte die vor Sicht deckenden Nebel und ließ sein Jägerregiment, sowie 4 Grenadierbataillone in aller Frühe den steilen Bergrücken gegen „Rinderband'' zu erklimmen. Oberst- lieutenant Zukato mit dem Jägerregiment Miller, 4 österreichischen Compagnien und 2 Sotnien unberittener Kosaken drang in der nämlichen Richtung sogar weiter, bis fast in den Rücken der französischen Stellung vor. Aus einigen Zusammenstößen von Patrouillen entwickelte sich noch während der Nacht ein heftiges Gewehrfeuer, dem bald der russische Angriff folgte. Das Jäger- regiment Miller bedrohte die Rückzugslinie der Franzosen, das Regiment Bagration ihre rechte Flanke, während das Regiment Baranowski des Corps Derfelden in der Front stürmte. Molitor mußte also und zwar mit ziemlichem Verlust bis Netstall weichen, nachdem er die Löntschbrücke im Dorfe Riedern verbrannt hatte.157 Dann hielt er so lange die Stellung vorwärts von Netstall, wohl in der sogenannten „Durschen", bis die beiden Bataillone der 44. Halbbrigade aus Schwanden wieder zur Brigade zu stoßen vermochten. Auch diese beiden Bataillone, unterstützt von zwei Bataillonen der 84. Halbbrigade und geführt von General Molitor, bestanden in der Frühe des 30. Septembers (die Angabe des Feld- tagebuchs „9. Vendemiaire", 1. Oktober, ist sicherlich ein Irrtum) ein Gefecht mit der von Generalmajor geführten Nachhut der Division Linken, wobei diese 360 Gefangene, darunter 7 Offiziere verlor. Molitor war dann mit den beiden Bataillonen der 84. Halbbrigade schnell ins Klönthal geeilt und noch rechtzeitig dort angelangt. Schwanden konnte jetzt um so eher verlassen werden, als General Loison mit IL/76. Halbbrigade am 30. September aus dem Schächen- thal bis auf den Urnerboden und am 1. Oktober nach Luchsingen gelangte. Der Bericht von Molitor über die Ereignisse bei Net- stall lautet dahin, daß er 1 Bataillon mit 3 Kanonen über die Netstallerbrücke auf das rechte Linthufer schickte und den hölzernen Uebergang verbrannte. Darauf habe er sich mit dem Reste seiner Truppen am linken Linthufer hinter Netstall in Staffeln aufgestellt. Es ist nun anzunehmen, da Miliutin und auch der Augenzeuge Pfarrer Freuler von Glarus von Gefechten vor und hinter Netstall berichten, daß Molitor in diesen beiden Stellungen gekämpft habe.158 Es bleibt aber wenig wahrscheinlich, daß eine von russischen Grenadieren gebildete Sturmkolonne ihm an der „Durschen" 1 Fahne, 1 Geschütz und 300 Gefangene abgenommen habe. Immerhin mußte Molitor dann endlich vor der Ueber- macht auf Näfels zurückweichen. In Näfels erhielten die Franzosen eine Verstärkung durch die von General Gazan (der an die Stelle von Soult getreten war) herangeführte IL helvetische Halbbrigade. So konnte Molitor seinerseits zum Angriffe übergehen. Viermal drängten die Franzosen den Gegner wieder bei Netstall zurück,

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mußten aber schließlich die Stellung bei der Näfelser Brücke zu behaupten suchen, da eine feindliche Abteilung auf einem Lauf- stege über die Linth setzte und von Mollis her drohende Be- wegungen unternahm. Das Feldtagebuch schreibt über den Kampf an der Näfelserbrücke :

„Jeder war Herr eines gleichen Teiles der Brücke, als ein russischer Major dem Kommandanten eines Bataillons der 84. Halb- brigade an deu Hals sprang und ihm zuschrie : < Ergeben Sie sich ! Dieser brave Chef befreite sich durch eine heftige Bewegung und stieß dem Gegner seinen Degen durch den Leib, so daß er tot zu Boden sank. Der Verlust dieses russischen Offiziers machte auf die Seinen solchen Eindruck, daß die Kolonne plötzlich un- beweglich blieb. Zugleich kam die IL helvetische Hülfshalbbrigade heran, um die 84. zu unterstützen. Sie stürzte auf die feindliche Masse mit der Schnelligkeit des Blitzes, ohne einen Schuß zu thun. Das Bajonett vollbrachte eine schreckliche Blutarbeit, die Zahl der in die Linth geworfenen Leichname war so beträchtlich, daß sie sich an den Brückenpfeilern anhäuften und den Fluß zurück- stauten. Die braven Helveter schienen sich in ihrer Unerschrocken- heit daran zu erinnern, daß ihre Vorfahren (auf dem nämlichen Flecke) in der 138(3 (soll heißen 1388) vorgefallenen Schlacht von Näfels den höchsten Ruhm errungen hatten. Dieser Halbbrigade wurden mehr als 20 Offiziere und 100 Soldaten durch die aus nächster Nähe abgegebenen Salven außer Gefecht gesetzt."

Nach der gleichen Quelle verloren die Russen in den Kämpfen vom 30. September und 1. Oktober im ganzen 1 Oberst, 3 Majore, 18 Hauptleute und 20 Lieutenants neben 2500 gefangenen und 2500 toten und verwundeten Mann. Dazu wollen die Franzosen 4 Fahnen, 10 Kanonen und 300 Pferde erobert, bezw. weggenommen, hingegen nur 140 Mann an Toten, neben 180 Verwundeten und 200 Gefangenen eingebüßt haben. (Nach der Aufstellung des Feld- tagebuchs und der von Koch, Massena III, 389.) Die Unwahr- scheinlichkeit der Angaben, soweit sie sich auf den französischen Verlust beziehen, liegt auf der Hand. Freuler (30/31) gibt keine genauen Zahlen, schätzt aber, daß beide Teile zusammen etwa 2000 Mann verloren hätten. Unter den Verwundeten wären an 500 Franzosen und 1500 Russen gewesen. Miliutin (IV, 128) be- rechnet, daß Suworoff mehr als 1600 Mann Tote durch die Waffen, das Abstürzen in den Bergen und die Kälte verlor, indes die Zahl der Verwundeten über 3500 Mann betrug. Die Russen führten aus der Schweiz an 1400 gefangene Franzosen mit, welche sie in Chur an die Oesterreicher auslieferten.

Die schöne Waffenthat der IL helvetischen Halbbrigade, welche das Feldtagebuch in sonderbarem Irrtume unter dem 13. Vendemiaire (5. Oktober) aufführt, ist aber nicht zu bezweifeln, denn auch

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Molitor erwähnt derselben ausdrücklich in seinem Berichte.159 Daß dieses tapfere Auftreten unserer Landsleute den Franzosen sehr zu statten kam, geht aus der ehrenvollen Erwähnung deutlich hervor. Es ist sonst selten genug vorgekommen, daß das letztere geschah. Diese Halbbrigade trug ein gut Stück dazu bei, daß Molitor seiner schwierigen Aufgabe, gerecht zu werden ver- mochte und das Durchbrechen der Russen über den Kerenzerberg verhinderte.

An diesem Abend des 1. Oktobers lagerten die Russen unter Suworoff bei Riedern, Netstall und Glarus, die Franzosen unter Molitor bei Näfels und Mollis. Ueber den Pragel aber ging an General Rosenberg der Befehl, so eilig wie möglich ins Linththal zu gelangen. Um die Ereignisse vom 30. September und 1. Oktober im Muotathale zu schildern, müssen jedoch auch die Vorgänge vom 29. September im Reußthale erwähnt werden.

Am 29. September in der Morgenfrühe war der General Lecourbe wieder in Altdorf erschienen. Dort erfuhr er die Richtung des Rückzuges der Russen und schon um 8 Uhr morgens berichtete er u. a. an Massena:

„Treffen Sie ihre Maßregeln, um des Gegners Vorhaben gegen den bei Glarus stehenden rechten Flügel der Division Soult zu hindern. . . . Ich verfolge den Feind mit Vorsicht, weil ich nicht mehr als 700 800 Mann habe, mit denen ich den Gegner auf dem rechten Reußufer festhielt. Seien Sie aufmerksam in der Gegend von Schwyz. Wenn der General Soult von Glarus her, der General Mortier im Muotathal und ich im Schächenthal zusammen handeln, so lassen wir Suworoff in den Bergen um- kommen. Ich fürchte zu weit vorzugehen, bevor Sie mir Ihre Pläne mitteilen können."

Und an den General Mortier: . . . Sie könnten den Gegner im Muotathale mit vier oder fünf Bataillonen angreifen und den Rest auf den Höhen von Illgau und Steinerberg lassen. Im Falle eines Rückzuges lassen Sie die Rigi, den Lowerzersee und die Höhen von Iberg nicht außer Acht. Sollte der Feind dazu gelangen, zwischen Ihnen und dem General Soult, welcher sich in der Richtung nach Glarus befindet, durchzubrechen, was mir nicht für wahr- scheinlich gilt, so wäre es nötig, daß ein Teil Ihrer Truppen Rothenthurm festhielte und daß Sie Ihren rechten Flügel auf Gersau unter Anlehnung an die Rigi, Sattel, Steinerberg und Roßberg stützen würden. Sie müßten Ihre Reserven in Arth aufstellen, um den Zuger- und Luzernersee zu decken. Im Falle eines Fehlschlages gegen Schwyz dürfte es nicht unnütz sein, mit einigen Truppen den rechten Flügel des Generals Soult zu unter- stützen. Die Stellung zwischen der Rigi und dem Roßberg ist leicht zu halten. . . .." 160

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Es mag gleich erwähnt werden, daß Lecourbes Truppen unter den russischen Nachzüglern 150 Gefangene machten, den Gegner aber sonst nicht weiter verfolgten, vielmehr ihre Vorposten bei Bürglen ausstellten.

Nicht selten findet sich die Angabe, z. B. auch bei Miliutin (IV, 97), Massena sei an diesem 29. September mit Lecourbe zu- sammen gewesen und beide Generale hätten eine gemeinsame Er- kundung ins Schächenthal unternommen, dort die schrecklichen Spuren des Marsches der Russen entdeckt u. s. w. ; Clausewitz spottet darüber als über einen Spazierritt. Es ist wohl sicher, daß Lecourbe jenes oben angeführte Schreiben nicht verfaßt haben würde, wäre der Obergeneral an diesem Tage in Altdorf gewesen oder dort erwartet worden.

Massena befand sich am 29. September vermutlich in Schwyz oder aut dem Wege dorthin. Hier stand schon seit dem 28. der General Mortier mit 8 Bataillonen, 2 Compagnien reitender (leichter) Artillerie sowTie dem 8. Chasseursregiment. Die ihm zunächst befindliche Unterstützung bildete die Grenadierreserve des Generals Humbert, welche jedenfalls bis Richterswyl und wahrscheinlich sogar bereits an die Schindellegi gelangt war.161

Als Suworoff mit den Truppen von Auffenberg, Bagration und Derfelden den Pragel erstieg, blieb Rosenberg im Muotathale zurück.162

Dieser General verlegte das Regiment Miloradowitsch und 2 Regimenter der Division Förster in und neben das Dorf Muotathal. Jenseits dieses Ortes standen das Regiment Rehbinder, 1 Bataillon der Kaschkin-Jäger und 2 unberittene Kosakenregimenter. Vor ihnen, also ebenfalls auf dem linken Ufer des Flusses und zwar wahrscheinlich hinter dem Laufe des Bettbaches hielten sich als Vorposten das IL Bataillon der Kaschkin-Jäger und berittene Kosaken. Die Angabe Miliutins, daß ein Teil des Trosses wie der Nachhut, die Regimenter Fertsch, Mansuroff u. s. w., noch nicht durch das Wängithal hinunter gelangt waren, widerspricht keineswegs der Möglichkeit. So schreibt Waldburga Mohr in ihrem Tagebuche unter dem 1. Oktober: „Das Gefecht war heftig, während dessen noch immer Russen vom Berg herab strömten." (Vergleiche Anmerkung 163.)

Unter dem „Berge" ist gewiß der Kinzig-Paß zu verstehen.

Am 30. September, nachmittags gegen 2 Uhr, wurden die russischen Vorposten durch die von Schwyz herankommenden Franzosen angegriffen und nach kurzem Feuergefechte geworfen. Die von General Rehbinder befehligten Truppen nahmen die langsam Zurückgehenden auf. Beide Teile scheinen nun für weitere zwei Stunden ausschließlich die Handfeuerwaffe gebraucht zu haben. Dann gewannen jedoch die Franzosen, durch nachrückende Truppen

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verstärkt, etwas Boden. Erst jetzt griff auch General Rosenberg selbst in das Gefecht ein. Die auffällige Verspätung ist ganz wohl durch die bei Miliutin (IV, 271/272, Nr. 121, 122) erwähnte Reibung zwischen den beiden Führern zu erklären.

Kosaken setzten über den Fluß und fielen dem Gegner in die Flanke, worauf dieser bald zurückging und wahrscheinlich auch verfolgt wurde. Der Verlust der Franzosen, welchen der russische Bericht auf 1600 1700 Mann beniißt, ist sicher ganz ansehnlich, aber keinenfalls so groß gewesen. Das Tagebuch von WaldburgaMohr erzählt: „daß ein französicher Grenadierlieutenant und etwa 80 Gemeine als Gefangene eingebracht, fünf russische Offiziere und viele Gemeine" verwundet worden seien. Das Gefecht entstand sicherlich aus einer von den Franzosen unternommenen Erkundung. Der Schauplatz desselben lag nach den Angaben des Tagebuchs Mohr zwischen „Ried", 4 km westlich vom Dorfe Muotathal, und der „steinernen Brücke" am Ausgange des „Klingen- tobeis."

Das Gefecht stärkte die seelische Haltung der russischen Truppen, hatte aber anderseits den Nachteil, daß sie glaubten, vorerst keine weitern Angriffe der Franzosen besorgen zu müssen. Dies geht deutlich aus der Schilderung von Toll (v. Bernhardi I, 99) hervor, welcher beschreibt, wie man am 1. Oktober bei Tische gesessen wäre, als plötzlich General Rosenberg ins Zimmer trat und den einem Ueberfalle gleichenden Angriff der Franzosen meldete. Diese wurden (das Feldtagebuch bezeugt das ebenfalls) vom Obergeneral Massena selbst geführt und um 1 Uhr mittags bei stürmischer, regnerischer Witterung fielen die ersten Schüsse.

Massena hatte seitwärts der auf der Straße vorgehenden Hauptkolonne längs der Thalränder Abteilungen entsendet. Das auf Vorposten befindliche Regiment Welezki zog sich eilig zurück. Nach den Angaben des Klostertagebuchs, dem von allen Bericht- erstattern wohl am ersten zu trauen ist, standen die russischen Vorposten „hinter der steinernen Brücke in des Geisers Mattli."163 Hierunter ist natürlich das Bauerngut „Mattli" an der Brücke, auf dem rechten Ufer des Flusses zwischen diesem und der Land- straße zu verstehen. (Punkt 530, Topogr. Altlas Bl. 399.) Immerhin fand Rosenberg Zeit, seine Truppen in der Thalebene in zwei Treffen zu ordnen. Die „Großmatt", auf welcher nach dem Kloster- tagebuch der Aufmarsch stattfand, liegt nach Dr. Hartmanns Vermutung (S. 148) am rechten Ufer der Muota bei der Häuser- gruppe Ried und entspricht der heutigen Kapellmatt. Toll (Bernhardi I./100) sagt darüber: „Rosenberg führte seine acht Bataillone einige hundert Schritte vorwärts, auf einen Punkt, wo sie in zwei Treffen die ganze Breite des Thaies einnahmen." Diese Beschreibung paßt in der That auf die ..Kapellmatt."

Günther, Feldzug ]799. 12

178

Die Franzosen begannen ein heftiges Feuergefecht, woran sich auch ihre Artillerie beteiligte. Die Vorposten der Russen wichen zunächst bis zur Häusergruppe „Hesigen" zurück, um dann die Front der von General Rosenberg befehligten Truppen abzudecken. Getreu den Vorschriften Suworoffs und den Er- mahnungen ihres Befehlshabers gehorchend, hielten sich diese nicht lange mit Feuern auf, sondern stürzten mit dem Bajonette auf den Gegner, der vermutlich in ziemlicher Unordnung herankam. Toll schilderte nachmals den Sieg der Russen (Bernhardi I, 100) in folgender Weise:

„Als der Feind sich bis auf einige hundert Schritte genähert hatte, ließ Rosenberg drei Bataillone des ersten Treffens, denen die fünf anderen als Reserve folgten, antreten, und ohne einen Schuß zu thun, raschen Schrittes mit gefälltem Bajonett auf die französischen Scharen losstürmen, die in drei Kolonnen vorrückten. Der Erfolg war glänzend, wie man ihn kaum erwarten durfte ; die mittlere feindliche Kolonne wendete sich vor dem entschlossenen Angriffe bald zu wilder Flucht ; auch die schwächeren, aus Tirailleur- schwärmen bestehenden Seitenkolonnen wurden mit fortgerissen, ein umgestürzter Munitionskarren versperrte den Fahrweg im Thal, auf dem die Artillerie fliehen wollte, und fünf Geschütze fielen den Russen in die Hände. Toll äußerte, es sei schwer sich einen Begriff davon zu machen, bis zu welchem Grade die Franzosen von wildem Schrecken ergriffen waren, bis zu welchem Grade sie alle Haltung verloren hatten; er selbst war erstaunt zu sehen, daß ein so einfaches Manöver einen solchen Erfolg haben konnte. Die Russen machten 1020 Gefangene, unter denen der General Legouvie und ein Generaladjutant waren, und verfolgten bisSchwyz."

Nach dem Klostertagebuche wurden die fliehenden Franzosen von den Kosaken bis über Ibach hinaus verfolgt. Hier mußten sich jedoch die Steppenreiter wieder zurückziehen, da ihnen ein vom General Lecourbe entsendetes Bataillon der 67. Halbbrigade in fester Stellung entgegentrat.164 Unter den gefangenen Franzosen sollen sich auch ein General und ein Generaladjutant befunden haben. In Wahrheit handelt es sich hierbei allein um den General- adjutanten Lacour der 4. Division (Mortier).165

Wollte man Koch-Massena (III, 387) glauben, so hätten die Franzosen weder Kanonen noch auch Gefangene verloren. Aber die Angaben der Memoiren sind stets nur mit Vorsicht aufzufassen. Gerade in diesem Falle zeigen sie, wie wenig Verlaß sie der wahrheitsgetreuen Darstellung bieten.

Die weiteren Ereignisse auf dem Rückzuge der Armee Suworoffs aus der Schweiz berühren das Thema dieser Arbeit nicht mehr.

Am 3. Oktober erschien auch die Brigade Gudin von der Furka her wieder in Andermatt. Dort war der russische General

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Kaulamon (?) (Feldtagebuch) mit einem Teile des Trosses zurück- geblieben. Er wurde nebst vier Hauptleuten und 300 Soldaten gefangen. Ueberdies fielen den Franzosen ein großer Vorrat an Zwieback. 400 Mäntel und 500 Gewehre in die Hände.166

General Gudin besetzte jetzt wieder die Stellung auf der Oberalp sowie beim Hospiz und verlegte dann sein Hauptquartier nach Faido.

Genera] Lecourbe dagegen nahm am gleichen Tage (3. Oktober) Abschied von seinen Truppen, die so heldenmütig sieben Monate hindurch mit ihm gegen Menschen sowohl wie gegen Naturgewalten gekämpft hatten. Der General begab sich nach Strasburg, um dort den Oberbefehl der Rheinarmee zu übernehmen.

An den Schluß des Feldtagebuches seiner Division schrieb er: „Le resultat de la campagne du general Lecourbe, reduction faite de notre perte en tues, blesses, et prisonniers de guerre, celle des Austro-Russes a excede 2727 tues, 7231 blesses, 22411 prisonniers de guerre, 69 canons, 8 drapeaux, 721 chevaux ou mulets."

Aus dieser Zusammenstellung leuchtet das stolze Gefühl hervor, mit gar geringen Mitteln wirklich Großes vollbracht zu haben.167 Die Division Lecourbe und ihre Führer zeigten in ihrem Feldzuge des Jahres 1799 in deutlichster Form, daß für sie vornehmlich der Grundsatz gegolten hatte :

-Im Kriege gebieten nur die Umstände!1*

->H£-<-

Anmerkungen.

Zum Vorwort.

1 (S. 3). Nicht selten findet sich unrichtigerweise die Zahl 1760 als Ge- burtsjahr und Lons-le-Saunier als Geburtsort angegeben. Die Gemeinde Ruffey liegt 10 km nördlich von Lons-le-Saunier, im Canton de Bletterans. an der Seille, einem Nebenflüßchen der Saöne. Der Ort zählt etwa 1400 Einwohner. Heute befinden sich Mairie und Schule in dem ehemaligen Schlosse der Familie Le- courbe. Der General und sein Schwager (General) Gauthier haben in der Kirche des Fleckens ihre einfachen Grabdenkmäler. Seit 1857 schmückt den Hauptplatz von Lons-le-Saunier eine Bildsäule Lecourbes aus Bronze, gefertigt von Etex.

2 (S. 4). Die Bataillone zählten 10 Compagnien zu 71 Offizieren und 715 bis 730 Gewehrtragenden. Diese Verhältniszahlen änderten sich aber bald. Bereits die ersten Märsche brachten den Bestand auf eine erheblich geringere Zahl Kampffähiger herab. Später wurde das VII. Jurassier-Bataillon das III. der 124. Halbbrigade, die ihre Nunmier auch nach dem Jahre 1803 als Regi- ment beibehielt. Im Jahre 1814 wurde daraus das 79. Linienregiment. Dieses garnisonierte 1894 in Nancy (Depot in Neufchäteau) ; es wird vom Obersten Veau de la Nouvelle befehligt und gehört zum VI. Armeecorps.

3 (S. 5). Ein Teilnehmer an diesem kurzen Feldzuge hat ihn unter dem Titel „Challe, M., La campagne des frontieres du Jura en 1815, par le general Lecourbe. Souvenirs d'un jeune volontaire" beschrieben. Enthalten im V. Bande, II. Serie (1879) der Memoires de la societe d'emulation du Jura. Lons-le-Saunier, imprimerie J. Declume, 1880.

* (S. 5). Lusser, Dr. F., Leiden und Schicksale der Urner, Altdorf 1845. „In diesem hochgelegenen Thale (Urseren), das von Holz fast entblößt war, lagerten oft ganze Armeen, die, um sich wärmen zu können, oft in einer Nacht für 1000 Gulden Holz von Häusern und Stallungen abrissen und verbrannten. Der Soldat litt dabei doch noch Kälte und Mangel. Das machte ihn roh und unmenschlich ; er plünderte, was er habhaft werden konnte, und mißhandelte dabei die Eigen- tümer. Während die fränkischen Krieger so ohne alle Einschränkung lebten, die Leute plagten, mißhandelten und alle Winkel aussuchten, lebte General Lecourbe in einem vom Brande verschont gebliebenen Hause in der Herren- gasse zu Altdorf, mitten unter den Ruinen und umgeben von Bildern des all- gemeinen Elendes, in üppiger Pracht. Luzern mußte seiner reich besetzten Tafel die fremden Weine und Leckerbissen nachsenden, welche das erschöpfte Uri nicht mehr geben konnte. Zschokke gelang es endlich, diesen tapfern aber rohen General zu einem Tagesbefehle zu bewegen, der den Unfugen ein Ende machte und wieder bessere Mannszucht herstellte."

5 (S. 5). Bousson 111. 115. 120; 30. 31. 32. (16. Dezember 1798.) An den Chef der 24. Halbbrigade : „D'apres la conduite que tiennent vos deux com- pagnies de grenadiers ä Amsteg, vous leur donnerez l'ordre de se rendre ä

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Altdorf, oü, jusqu'ä nouvel ordre, elles seront consignees et feront le Service en entier. Les officiers sont corapris dans la consigne." (19. Dezember.) An den Kommandanten von Zug: „II a ete porte, citoyen, par le Directoire helvetique, des plaintes graves sur plusieurs exces et violences commis par les troupes eantonnees ä Zoug et aux environs. II est question menie de vols, de viols et d"autres violences commis ä main armee ... je vous prie ä me fah'e connaitre les demarches que vous avez faites pour les faire arreter." (6. Januar 1799.) An den Compagniekommandanten der 84. Halbbrigade in Küßnacht: „Des plaintes, citoyen, me sont portees par l'administration de K. contre les chasseurs . . . Vous voudrez bien veiller sur la conduite des dits chasseurs, et les rappeler ä l'ordre et ä leur devoir. Vous ferez arreter celui d'entre eux qui ne se con- duira pas comme il doit le faire, et vous me l'enverrez avec les plaintes, afin que je le fasse punir exemplairement." (14. Januar.) An Brigadechef Quetard : „Recommandez plus que jamais la tenue et la discipline parmi la troupe . . . faites-les punir lorsqu'ils auront tort ..." (22. Januar.) An Lieutenant Thuble- mont in Gersau : „Je vous engage ä vivre en concorde avec les habitants ; agissez toujours de concert lorsqu'il s'elevera des rixes entre les bourgeois et des militaires, et surtout maintenez l'ordre et la discipline, le respect des per- sonnes, des proprietes, et principalement des opinions religieuses."

Diesen Zeugnissen mag ein bisher ungedrucktes, dem Familienarchive ent- stammendes Aktenstück beigefügt werden. Es lautet : „Muthathal d. 12t. T.bris 1799. An den Bürger General Lecourbe, Command. General 2ter Division Militaire zu Altdorf. Die wohlEhrwürdige Frau Mutter des Klosters Mutathal Maria Josepha Waldburga Mohr. (Es ist dies die Verfasserin des bekannten Tagebuches.) Bürger general ! Ich nemme mir die Freiheit an Bürger general mich zu atressieren aus billich und tringendem gründe. Es ward mir eine Requisition von 60 Louis d'or geld sammt 2 schönen pferdten gemacht von einem Commandanten der 12t. Halbbrigade Infanterie Leger Koste (i. e. Coste !), welcher Commandant sich hier den 30t. May einfand und dieses geld im Nahmen des generalen auf wenige stunden mit herben Trohungen abforderte. Bürger general ! Wir unternemmeu ein freyheitvolle Einfrag : ob dises geld im Nahmen des generalen wirklich abgefordert und es so für die Fränkische Republic ver- wendet worden, war es nicht gantz mit Unwillen von uns abgegeben und erlassen. Der gleiche Comendant wäre mit ermelter Summa von unserem kloster Wirth zufrieden, auch 100 Louis d'or von der armen gemeind Mutathal musten ihm innert 12 stunden unter angekündter todesstraf der Municipalität eingelifert werden. Unser kloster verlangte von ihm eine quittung für dieses geld: Er erwiderte aber, Er habe dises geld an schuh für das regiment zu verwenden, da anwesende Truppen vihle 100 paar schuh und eben so viel Leder in der gemeind raubten. Er sagte zugleich, wir brauchen keine quittung, dises geld sey eine straf; da wir doch stehs ruhig waren. Nach diser Requisition blib er 8 Tag noch hier und lies sich wohl bedienen ; wie bis auf dise stund unser gar nicht vermögliches kloster sehr beträngt, auf gleichsam unmögliches bestehn könne, mitgenommen worden. Bürger general ! Wir empfehlen uns dero gnad und berüchtigten (will heißen : bekannten) menschenlieb, und erbitten die gütige auskunft, wie diesfählige Rechnung bei der Verwaltungskammer vorzuweisen. Republikanischer grüß und Hochachtung Maria Josepha Waldburga Mohr Mutter."

Lecourbe bemerkte dazu am Rande des Schreibens: „Le citoyen Coste ayant abuse de mon nom, pour demander de l'argent, je demande qu"il soit traduit au Conseil de guerre. Le general de division Lecourbe."

8 (S. 5). Siehe Seite 64 dieser Arbeit.

7 (S. 6). Vergleiche : Meyer von Knonau, Die kritischen Tage des Gebirgs- kampfes im Coalitionskriege 1799, Neujahrsblatt der Zürcher Feuerwerksgesell- schaft 1887. Briefe an den Regierungsstatthalter des Kantons Waldstätten vom 14. Januar 1799, an Massena vom gleichen Datum und vom 22. Januar, an den

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Statthalter vom 20. Januar, an das Helvetische Direktorium vom 1. Februar, an Massena vom 2. Februar ; abgedruckt bei Bousson a. a. 0. (Pieces justiticatives) S. 110. 113. 115. 116. 117. 119. Ueberall die nämliche Klage : „Plusieurs soldats ont ete maltraites ; les habitants de ce canton fanatique nous detestent" u. s. w.

8 (S. 6). Lusser a. a. 0. S. 178 : „Das Volk betrachtete den Krieg nicht mehr als einen Kampf für Freiheit und Vaterland, es war ihm fast gleichgültig, wer siege, denn von allen Parteien hatte es doch nur Druck zu gewärtigen, und das „Ihr Hunde" der Kaiserlichen war dem Ohr des urnerischen Land- mannes so unangenehm als das „Bougre" und „Malin" der Franzosen, weil der Sinn besser verstanden wurde."

9 (S. 6). Bousson a. a. 0. S. 157.

10 (S. 6). Smitt, Friedr., Suworows Leben und Feldzüge, AVilna 1833. Croix, de la, I. Geschichte des Fürsten Italiiski Grafen S.-Rimnikski (nach dem Russischen von N. A. Polewoi), Mitau 1851.

11 (S. 8). Die Thatsache, daß der greise Feldherr die zur Reise notwen- dige Summe von zweihundertfünfzig Rubeln beim Ortsvorsteher von Kochans- koje entlehnen mußte, zeugt von der spartanischen Einfachheit des Siegers am Rimnik.

12 (S. 9). Miliutin a. a. 0. S. 124, Th. III, und III, 342 und Nr. 211.

Zur Einleitung.

13 (S. 17). Feldzug von 1799, 1,41/42: „Die Operationen, welche isoliert keinen Erfolg mehr versprachen, mußten im engsten Zusammenhang nach ge- meinschaftlichem Ziel geleitet werden." Clausewitz a.a.O. I, 27 ff. bespricht ausführlich die Feldzugspläne beider Gegner. S. 38 sagt er: „Die Einleitungen mußten so getroffen werden, daß die Armee Ende Februar die hier bestimmte vorläufige Aufstellung erhielt."

14 (S. 17). Abgedruckt mit dem gesamten Feldzugsplane der Republik für 1799 im „Precis des Operations de l'arniee du Danube sous les ordres du general Jourdan. Extrait des memoires manuscrits de ce general. Paris, an VIII." Ferner bei Clausewitz I, 45 ff.

15 (S. 18). Scherer an Jourdan, 22. Ventose (10. Februar): „La vengeance nationale ä exercer contre les gouvernements perfides ; Tinteret toujours crois- sant de la paix qui ne pourra plus s'obtenir, si nous rentrons en campagne, que par des triomphes decisifs; tous ces motifs enflammant l'ardeur de nos troupes et secondes par la sagesse et le talent de vos dispositions militaires, doivent vous inspirer une securite fondee. Les Autrichiens sont nombreux, mais sans parier de la superiorite d'audace et d'activite que nous avons sur eux, il faut observer qu'ils ont un terrain immense k couvrir, qu'en s'avan^ant vers vous, ils sont obliges de laisser beaucoup de troupes derriere eux, soit pour occuper la Baviere, soit pour defendre la Boheme, soit pour garder les points intermediaires ; et qu'etant ainsi disseminee, l'armee principale qui agira contre vous, ne parait pas devoir vous eti*e beaucoup superieure en force numerique." Jourdan 97 ff. Clausewitz I. 54.

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16 (S. 20). Art. I : „II y aura, ä perpetuite, entre la republique fran^aise et la republique helvetique, paix, amitie et bonne intelligence." Art. II: „II y a, des ce moment, entre les deux republiques alliance offensive et defensive." Art. III bestimmt, daß die aus den Schweizer Zeughäusern geplünderten Waffen und Kanonen, um die helvetische Armee auf einen „etat militaire sur le pied le plus imposant" zu bringen, auf Kosten der Schweiz wieder aus Frankreich zurückgeführt werden sollten.

Vertrag bezüglich der Hülfsbrigaden: „Art. I. Immediatement apres la ratification de la presente Convention, il y aura un corps de troupes helvetiques qui agira de concert et comme auxiliaires des troupes francaises contre Pennend qui sera designe par le gouvernement helvetique aux termes de l'art. II du traite d'alliances. Art. IL Ce corps sera forme de recrues volontaires, librement en- rolees en Suisse, et ne pourra exceder le nombre de 18 000 hommes ; l'engage- ment sera de deux ou de quatre ans, au choix de la recrue ; les depöts seront en Helvetie."

Die männliche Bevölkerung der damaligen XVIII Kantone zählte 348 688 Seelen. Die Kantone sollten folgende Stärken stellen : Bellinzona 360 Mann, Zürich 2370, AValdstätten 820, Basel 500, Oberland 510, Baden 580, Leman 1750, Solothurn 460, Freiburg 940, Bern 1970, Aargau 670, Luzern 950, Schaff- hausen 310, Linth 1050, Lugano 780, Wallis 460, Thurgau 820, Sentis 1330, Graubünden 1370 Manu.

Das helvetische Direktorium ernannte die Offiziere, einschließlich der sechs Brigadechefs. Frankreich zahlte den angeworbenen Unteroffizieren und Soldaten das Handgeld von 24 Livres und überdies den Sold, welcher nach französischen Vorschriften berechnet wurde. Vom französischen Staate empfingen die Mann- schaften die Bekleidung, von dem helvetischen die Bewaffnung. Für die Aus- bildung dienten ebenfalls die französischen Vorschriften von 1791 mit den ent- sprechenden praktischen Abänderungen (20. Dez. 1798), dagegen ward deutsch kommandiert. Die Truppen erhielten überdies Uniformen nach helvetischer Ordonnanz. Zum Generalinspektor der helvetischen Infanterie wurde der satt- sam bekannte Divisionsgeneral Schauenburg ernannt.

Jedes Bataillon, deren die Auxiliar-Halbbrigaden je drei hatten, zerfiel in den Stab und 1 Grenadier-, sowie 8 Füsiliercompagnien ; letztere gesetzmäßig zu : 1 Hauptmann, 1 Lieutenant, 2 Unterlieutenants u. s. w. Thatsächlich zählten die Auxiliaren am 19. Mai 1799:

I. Halbbrigade . . 98 Offiziere, IL . . 92

III. . . 64

IV. 87 V. . . 89

VI. . . 79

demnach zusammen nur 509 Offiziere und 3587 Mann, an Stelle von 775 Offi- zieren und 17 225 Mann des von Frankreich geforderten Standes.

17 (S. 21). Meynert, Dr. Hermann, Geschichte des Kriegswesens und der Heeresverfassungen in Europa, Wien 1868, Bd. III, 298 : „Nach dem Frieden von Campo Formio blieb keine Zeit zu durchgreifenden Verbesserungen ; doch verbesserte man im einzelnen. Der Soldat wurde zu mehr Selbständigkeit an- gewiesen und im Scheibenschießen geübt. Man dachte nicht mehr daran, der Fechtart in offener Ordnung eine unbegrenzte Ausdehnung zu geben ; aber man erkannte, daß man eine verhältnismäßige Anzahl in dieser Fechtart geübter Truppen haben müsse und daß in gehöriger Verbindung der offenen und ge- schlossenen Ordnung die eigentliche Stärke des Fußvolkes liege. Auf die Aus- bildung der leichten Truppen wurde die größte Sorgfalt verwendet. Die Armee erhielt bessere Gewehre ; sie wurde leichter und beweglicher gemacht und ihr Geist durch zweckmäßige Anordnungen gehoben."

935

Mann,

643

»

500

)j

367

»

617

j)

567

»

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18 (S. 22). Der helvetische Generaladjutant Weber wurde hei Frauenfeld am 25. Mai 1799 durch eine derartige "Waffe getötet.

19 (S. 22). Lecourbe schreibt aus Nauders am 7. Germinal (27. März) an Massena : „Je ne demande pour moi qu'une bonne carte du Tyrol ; le gouverne- nient devrait bien m'envoyer une." Der Direktor Merlin antwortete ihm darauf am 26. Germinal (15. April): „J'ecris au ministre de la guerre pour Tinviter ä vous faire parvenir les cartes geographiques dont vous avez besoin." Bousson 198 und 212, Nr. 30 und 45.

Nach dem Memorial topographique et militaire, redige au depöt general de la guerre, imprime par ordre du ministre, Nr. 3 Topographie, 1. Frimaire de l'an XI (1803), bestanden folgende für den Feldzug der Division Lecourbe in Betracht fallende Kartenwerke :

Robert de Vaugondi, Carte de la Suisse, sont les treize cantons, leurs allies et leurs sujets, dressee sur les meilleurs auteurs et d'apres les obser- vations faites par Grasset; une feuille.

Carte nouvelle de la Suisse, avec les routes des voyages faits en 1776, 1779, 1785, 1786: une feuille. Es ist dies die im vorigen Jahrhundert viel benützte Reisekarte des bekannten Engländers William Coxe.

Mallet, 1779, Carte de la Suisse: deux feuilles. „La carte ne manque ni de clarte ni de precision."

Nouvelle carte hydrographique et routiere de la Suisse. Ein Uebersichtsblatt und die später erscheinenden 16 Einzelblätter. Es ist dies das von dem Geniecapitaine Weiß aus dem Elsasse im Auftrage des Aarauer Kauf- mannes J. R. Meyer im Maßstabe von „3/* Linien auf 100 Toisen'- er- stellte Werk. Die Karte erschien gut gezeichnet, aber in geometrischer Hinsicht mit unvollständigen, wiewohl sicheren Grundlagen ausgestattet. Jedenfalls bezeichnet diese Karte einen Markstein in der Entwicklung der schweizerischen Kartographie. Die weniger wichtigen Wegverbind- ungen sind auf der Karte nicht eingezeichnet.

Für das Tirol kommt in Frage der von Anich und Huber bis 1774 unter der Leitung von Weinhard gefertigte „Atlas tyroliensis", auch wegen seiner beiden dem Bauernstande entsprossenen Schöpfer kurzweg „Bauern- Karte" (!) genannt. „Cette carte est un des plus beaux ouvrages topo- graphiques de ce siecle." „La guerre de la revolution ayant appris ä la maison d'Autriche les dangers auxquels eile s'exposait, eile retira les cuivres.'1 Die Karte enthielt nämlich auch die Einzelheiten der ver- schiedenen landwirtschaftlichen Betriebe, der Landesverwaltung u. s. w. „La carte devenue tres rare, se vendait jusqu*ä 800 francs. Le depöt de la guerre l'a fait graver sous un format en six feuilles, et l*a niise en commerce." Außer der genauen und viel benützten Reisebeschreibung des W. Coxe stand auch bereits die erste Auflage des Werkes von Ebel zur Verfügung. Da es vorerst in deutscher Sprache vorlag, so bleibt es fraglich, ob es benützt ward.

20 (S. 22). Johann, Erzherzog, Geschichte des k. k. Linien-Infanterie-Regi- ments Erzherzog Wilhelm Nr. 12, Wien 1877, S. 393 ff. „Als ich zum Regimente Stain (Nr. 50) eintrat, hatte sich zwar vieles von dem alten Wesen längst ver- loren, seit Kasernen, Monturkommissionen und Yerpflegsmagazine eine neue Ordnung der Dinge hervorgerufen hatten; aber nach dem Friedensschluß von Teschen (13. Mai 1779) war bei der Armee das mechanische Puppenspiel und die so verschriene und verschrobene Kamaschenparade mehr als jemals in Schwung gekommen, daher denn niemand auf den Namen eines braven Soldaten Anspruch machen konnte, der nicht wenigstens 20 Stunden des Tags mit Rechts und Links, mit Stock und Zopf, mit Kleie und Trippel und Ziegelmehl wacker umging. Bei dem Regimente, dem ich nun angehörte, blieb man von dem

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allgemeinen Vorurteile, daß das Heil der Truppe einzig und allein vom ewigen Schulmeistern abhänge, um kein Haar zurück. Putzen, Visitieren und Exerzieren vom frühesten Morgen bis spät in die Nacht hinein, Füllung von Exerzier- patronen mit Kleie oder Sand, Bürsten, Zopfmachen, Klopfen, Anstreichen und Wichsen war das immerwährende Schlagwort der geheiligten Tagesordnung für alles, was nicht auf Wache war. Alle Sonn- und Feiertage große Kirchen- parade mit Sack und Pack, der vom ersten Hahnenkrähen an zehnfache Visitierung mit geschlossenen und geöffneten Gliedern, Hebung der Handgriffe, Zopfmessen und Mustern vom Gefreiten, vom Korporal, vom Feldwebel und vom Offizier voranging. Nachdem alles dies glücklich überstanden war, rückten die Compagnien zusammen, und nach Beendigung der allgemeinen Visitierung wurde zur Messe abmarschiert. Nach dem Gottesdienste war Vorführung, und wenige Minuten nach dem Einrücken, als kaum das Mahl verschlungen war, schlug der Tambour schon wieder „Wach heraus!" Um den Mann aber auch in die nötige Geduld zu diesen Schulfuchsereien einzuexerzieren, durfte er niemals ohne Ordonnanz aus der Kaserne gehen, wenn er nicht wenigstens vier oder fünf Jahre diesen Jammer straffrei durchgemacht hatte, was jedoch schlechter- dings unmöglich war, weil der geringste Fehler beim Exerzieren, am Zopfe oder in der Adjustierung mit dem Haselstocke oder, wenn es gnädig abging, mit 24 Stunden Kurzschließen bestraft wurde. Auf Märschen ging es bald nach Mitternacht mit der Kirche ums Kreuz herum, das heißt: man zog links und rechts, nach Höfen und Weilern in die Station des Zugskorporalen, des Haupt- manns, des Majors, wo überall verlesen wurde, visitiert, Handgriff exerziert und dann erst in die Regimentsstation abgerückt ward, um den Marsch anzutreten. Nach dem Einrücken in die neue Stabsstation ging's wieder in der nämlichen Bunde in die Zugsstation, wo die Quartierzettel ausgegeben, die neuen Leute aber, d. h. jene, die noch keine vier oder fünf Jahre dienten, zu 30 bis 50 Köpfen in Scheunen und Stallungen eingesperrt und von ihren älteren Kameraden mit geladenen Gewehren umstellt und bewacht wurden." Aus: Das Schicksal oder dreißig Jahre im Garnisonsdienst u. s. w., Graz 1843, S. 21 ff.

21 (S. 23). Hierüber zu vergleichen die weil gleich nach dem deutschen Kriege von 1866 verfaßten freilich nicht ganz unparteiisch gehaltenen Bei- träge zur Beurteilung des innern Zustandes der französischen und österreich- ischen Armee um das Jahr 1800. Beiheft VI, 1867 zum Militärwochenblatt, Berlin 1867, S. 231 ff.

22 (S. 24). Die Kegimentsartillerie bestand aus Zwölf- und Achtpfündern, sog. Einhörnern, und Sechs- und Dreipfünder-Kanonen. Miliutin I, 61.

23 (S. 26). Ausführliches über die von Suworoff empfohlene Taktik bei Miliutin I, 220 ff. und 556. 558 ff. Das berühmte Wort „Die Kugel ist eine Thörin, das Bajonett ein ganzer Mann" fiel während einer Vorstellung der Generale in Verona am 14. April 1799.

24 (S. 26). Der Generalquartiermeister Chasteler wollte diese Zeit benützen und machte dem Feldmarschall den Vorschlag, eine Rekognoszierung vornehmen zu lassen. Solche Vorschläge waren aber durchaus nicht nach dem Geschmacke des russischen Heerführers. „Was? Rekognoszierungen?" antwortete er Chasteler unwillig. „Ich mag sie nicht; nur die Furchtsamen rekognoszieren, um den Gegner zu warnen; wer Lust hat, weiß auch ohne sie den Feind immer auf- zufinden; Kolonnen, Bajonett, blanke Waffe, Angriff, Einhauen das sind meine Rekognoszierungen."

Ueber die Gegensätze im Heere der Verbündeten berichtet auch Soult S. 336. Schreiben an Massena aus St. Gallen, 26. Vendemiaire (18. Oktober) : „La plus complete desunion existe entre les Russes et les Autrichiens : un officier que j'avais envoye en parlamentaire a ete ä meme de s'en assurer. Des officiers

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autrichiens lui ont dit qu'ils avaient souri de bon coeur ä la defaite des Russes. «Ceux-ci se flattaient», ajoutaient ces officiers, «desubjuger la France en une annee. Nous sommes charmes que vous les ayez forces ä devenir plus modestes. » Des officiers allemands ont dit aux Russes avec aigreur : « Vous pretendiez, messieurs, que nous nous etions amuses ä jouer la comedie avec les Frangais ; mais vous autres qui n'aimez pas ä plaisanter, vous avez represente une tragedie en trois actes. »"

25 (S. 26). Der Marquis Chasteler wurde am 22. Januar 1763 zu Melbai bei Mons im Hainault geboren. Seit 1776 stand er im Dienste des Kaisers und bis 1780 besuchte er die Wiener Ingenieurschule. Als Lieutenant im Geniecorps und Bauleiter der Werke von Josephstadt und Theresienstadt in Böhmen nahm er später auch im Stabe des Prinzen Koburg am Kriege gegen die Türken (1788 1790) teil. Bei Chotin wurde er verwundet; bei Fokschan bewies er große Kaltblütigkeit und erhielt in der Folge den Maria-Theresien-Orden. Zum Major befördert, diente er im Stabe des Feldmarschalls Laudon und ward bereits 1793 Oberstlieutenant, 1795 Oberst. Das folgende Jahr leitete er die Aufnahme von Galizien. Von 1706 an Generalmajor, diente er als Diplomat in Warschau und St. Petersburg. Dann wieder erkundete er als Topograph in Venetien 1798 Oberitalien und Tirol. Zum General-Quartiermeister der Armee in Italien er- nannt, trat Chasteler in enge Beziehungen zu Suworoff, der ihn wiederholt aus- zeichnete. Natürlich brachte ihn das in Ungnade bei Thugut. Bei Feldzeug- meister Kray mußte sich Chasteler 1800 mit der Stelle eines zweiten Chefs des Generalstabes begnügen. Immerhin erfolgte doch bereits im Jahre 1801 seine Beförderung zum Feldmarschall-Lieutenant. Chasteler übernahm nun den Befehl im Tirol, woselbst er auch 1805 und 1809 mit Hormayr thätig war. Nach dem Rücktritte des Feldzeugmeisters Klenau, im Jahre 1813, befehligte Chasteler dessen Corps. Von 1815 an Gouverneur von Venedig, erweiterte er die dortigen Befestigungen und starb daselbst am 10. Mai 1825.

26 (S. 26). Davon das Corps des Felclmarschall-Lieutenants Hotze in Bregenz :

24 Bataillone (23 793 Mann) und 8 Schwadronen (1448 Mann), also zusammen

25 241 Mann. Oesterr. Milit. Zeitschrift 1836, I.

27 (S. 27). Nach der Oesterr. Milit. Zeitschrift 1836, 1 waren es 48 Bataillone (52436 Mann) und 14 Schwadronen (2664 Mann), also zusammen 54900 Mann.

28 (S. 27). „Die tirolische Landesverteidigung der Jahre 1796 und 1797 hatte bereits die Keime der Verteidigung für den Feldzug 1799 in sich getragen, denn von den in den beiden erstgenannten Jahren an die tirolische Aufgebots- mannschaft verteilten Feuergewehren waren, wie in der Vorahnung bald sich erneuernder Kämpfe, nur 864 Stück an das Innsbrucker Zeughaus zurückgestellt, die übrigen aber den Landleuten in den Händen gelassen worden. Seit dem Herbste 1798 erfolgten weitere Vorkehrungen. Die Mannschaft der vier Zuzüge sollte in organisierte Compagnien, in der Regel zu 130, jedenfalls nie aber unter 100, noch über 160 Mann stark sein. Jede Compagnie mußte sechs Wochen lang auf ihrem Feld- und Verteidigungsposten ausharren. (Patent vom 22. März 1799.) Einige Schützencompagnien in Tirol erboten sich, über die Grenze mit- ziehen zu wollen, und ihnen schlössen sich jetzt noch viele andere an." Dr. H. Meynert III, 299.

Zu diesem Abschnitte benützte Karten : Uebersichtskarte der Schweiz mit ihren Grenzgebieten, 1 : 1 000 000.

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I. Die ersten Kämpfe in Graubünden.

29 (S. 28). Dr. PI. Genelin gibt in seiner Abhandlung : Die Kämpfe gegen die Franzosen in Graubünden im Jahre 1799, im Vorwort S. 1 3 eine Beurteilung der betreffenden Quellen für die Darstellung der Ereignisse im Oberlande.

30 (S. 28). „An Sonn- und Feiertagen sollen regelmäßige Waffenübungen abgehalten werden. Bei Ehre und Eid haben alle Männer vom 16. bis zum 60. Jahre auf den Sammelplätzen zu erscheinen, sobald die große Glocke der Gemeinde, die von nun an nur zu diesem Zwecke geläutet werden soll, sie zum Kampfe ruft. Die Mannschaft einer jeden Gemeinde wird in drei Abteilungen geteilt werden, deren zwei erste, aus Männern bestehend, welche bereits gedient haben oder einigermaßen eingeübt sind, an die gefährdeten Punkte rücken, während die dritte Abteilung für die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit in der Gemeinde sorgt." Selbst die Aeltesten und die Frauen sollten im Notfalle zum Dienste herangezogen werden.

31 (S. 28). Im Hochgerichte Dissentis hatte sich bereits im Sommer 1798 ein freiwilliges Jägercorps gebildet, das von Bannerherr Balotta und Hauptmann Conrad Castelberg eingeübt, vom Kriegsrat aber besoldet ward.

32 (S. 29). Francois Loison entstammte dem französischen Beamtenadel und wurde 1771 zu Damvilliers (Meuse) geboren. Als Sohn eines Parlamentsrates von Metz erhielt er eine gute Erziehung, ließ sich aber aus Neigung anwerben ; 1787 trat er in ein Kolonialregiment. Durch die Revolution nach Frankreich zurückgeführt, wurde er zum Unterlieutenant des Freiwilligenbataillons gewählt, aus dem nachmals das 29. Linienregiment entstand. Das Jahr darauf erscheint er als Capitaine der Husaren der Legion du Nord, 1793 als Generaladjutant. Durch seine Maßnahmen an der Luxemburger Grenze ward er den Machthabern verdächtig und darum abgesetzt. Erst 1795 bei den Vendemiaire-Ereignissen trat er unter Bonaparte wieder in den Dienst und erhielt für seinen Eifer den Grad eines Brigadegenerals ; 1796 erschien er dagegen zu spät bei der italieni- schen Armee und wurde deswegen auf Halbsold gesetzt. Erst 1799 erscheint er wieder mit einem Befehl betraut, Ende des Jahres ward er zum Divisionär befördert und nahm als solcher am Winterfeldzuge unter Brune 1800/1801 teil. Auch bei Austerlitz (2. Dezember 1805) kämpfte er mit Auszeichnung, und in Portugal stand er 1807 an der Spitze der 2. Division. Durch seine Härten zog er sich den tödlichen Haß der Bevölkerung zu. „Le general «Maneta» (il avait perdu un bras dans un accident de chasse) jouissait de la plus belle impopu- larite. II aurait ete mis en petits morceaux, voluptueusement, s'il etait tombe au pouvoir des Portugals. Longtemps apres notre depart, il resta dans le peuple comme une sorte de croquemitaine dont on effrayait les petits Portugals. « Si tu n'est pas sage», disaient les meres, «gare au general Maneta!»" (Vergl. Guillon, Dr. es letties, Les complots militaires sous le consulat et Tempire, Paris 1894, p. 83.)

In Portugal scheint er übrigens der Auftraggeber des Capitaine Argenton gewesen zu sein, der mit Wellington über die Kapitulation der französischen Armee und den Sturz von Napoleon einigemale unterhandelt hatte. Trotzdem ward er dem Kaiser so wenig verdächtig, daß dieser Loison 1807 in den Grafen- stand erhob und 1812 mit nach Rußland nahm. Freilich mußte er dort bald den Befehl niederlegen.

Während der hundert Tage diente er noch einmal dem Kaiser, um schon 1820 in völliger Vergessenheit zu sterben.

33 (S. 29). Diese kosteten den Kreis unverhältnismäßig bedeutende Summen, nämlich in drei Monaten über 6000 Gulden. „Der Landsturm von Lugnez, der

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in Trons stationiert war, hatte so viel -Wein konsumiert, daß die später zur Berechnung der Unkosten eingesetzte Kommission den getrunkenen Wein nicht ohne die Häupter des Bundes zu befragen in die Rechnung aufnehmen zu dürfen glaubte." Genelin S. 14.

34 (S. 29). Graf Heinrich Bellegarde, geboren den 28. August 1756 zu Dresden, entstammte einer alten Familie von Savoyen. P'rüh Offizier geworden, zeichnete er sich von 1793 bis 1795 in den Niederlanden aus, bei Valenciennes, Maubeuge und Landrecy. Bereits im Jahre 1796 außer der Reihe zum Feld- marschall-Lieutenant befördert, trat er auch als beratendes Mitglied in den Hof-Kriegsrat. Mit Bonaparte vereinbarte er 1797 zu Leoben die Friedens- bedingungen, zwei Jahre später führte er die Unterhandlungen mit Suworoff und Lord Minto wegen der Verpflegung der russischen Truppen in Italien. Moreau schlug ihn 1799 bei Marengo, nachdem Bellegarde den Oberbefehl im Tirol niedergelegt hatte. In der Grafschaft war Bellegarde ob seines herrischen und doch wenig thatkräftigen Wesens bitter gehaßt ; man bezeichnete ihn sogar öffentlich als einen Verräter. Später kurze Zeit bei den diplomatischen Ver- handlungen in Berlin thätig, erschien er 1800 in Italien als Oberfeldherr. Hier bewies er, der treueste Sklave Thuguts, die vollkommenste Unfähigkeit. Suworoff drückte sich öfters in scharfer Form über Bellegarde aus. So nannte er ihn bezeichnend „den klugen Bellegarde, der unter anderem auch daran gewöhnt ist, Leute zu verlieren." (Schreiben an Rasumowski vom 27. Juni 1799.) Mit dem Friedensschluß trat Bellegarde wieder in den Hof-Kriegsrat zurück, dessen Präsident er 1805 wurde. Im nämlichen Jahre befehligte er bei Caldiero den rechten Flügel der kaiserlichen Armee. Seit 1806 Feldzeugmeister und Gou- verneur von Galizien, kämpfte er 1809 an der Spitze des I. Corps bei Wagram. Den Feldzug von 1813/14/15 gegen Eugen und Murat machte er ebenfalls mit. 1820 an Stelle Schwarzenbergs wiederum zum Präsidenten des Hof-Kriegsrates ernannt und zum Konferenzminister erhoben, blieb er in dieser Stellung bis 1825, wo er in den Ruhestand trat. Er starb am 22. Juli 1845 zu Wien.

_ 35 (S. 30). Der letzte Befehl, den Loison vor dem Aufbruche von Lecourbe erhielt, datiert vom 15. Ventose (5. März) aus Bellinzona. Als Rückzugslinie wurde ihm darin das Blegnothal bezeichnet. Bousson 173, Nr. 12.

36 (S. 30). Seit 1795 führte eine kleine Fahrstraße über diesen Paß von Dissentis bis Olivone. Auch die Oberalp war schon damals für leichte Wagen zu benützen. Ebel II, 245.

37 (S. 30). Das Feldtagebuch meldet unter dem 14. Ventose (4. März) : „La colonne aux ordres du general Loison, composee du Ier bataillon de la 76e, des grenadiers et deux compagnies d'eclaireurs de la 36e cantonnees le meme jour (14.) ä Airolo et Urseren ils avaient ordre de rester." Die Stärke der Kolonne Loison schwankt in den verschiedenen Berichten ; v. Seida und Landen- berg (S. 44), der das Bataillon ausdrücklich bezeichnet, sprechen von 600 Mann. Massena III, 107 gibt 800 an. Genelin 19, Anm., berechnet nach einiger Kritik 1500 Kampffähige.

Lecourbe selbst schreibt am 13. Ventose (3. März) aus Bellinzona: „Comme il parait par son contenu, que vous gardez les compagnies d'eclaireurs et les trois compagnies de grenadiers de la 36e, je vous prie de relire vos Instructions. Vous verrez que vous ne devez garder que deux compagnies de grenadiers de cette demi-brigade. La route que vous avez ä tenir ne necessite pas un grand deploiement de forces. Le bataillon et les deux compagnies de grenadiers vous fönt ä peu pres 1200 hommes. Les points que je dois attaquer demandent beaucoup plus de forces, etant occupes et retranches avec art. Je vous engage donc ä me renvoyer les eclaireurs et une compagnie de grenadiers, sans perdre de temps, et de maniere ä les faire arriver ä Bellinzona le 15 au soir." Bousson 170, 7.

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Nach der oben angeführten Stelle, des Feldtagebuches folgte Loison aber keineswegs diesem Befehle. Vielmehr entsendete er die zwei Eclaireur- und eine Grenadiercompagnie durch das Val Piora und das Medelserthal, so daß ihm etwa 1200 Mann zu eigener Verfügung blieben.

In einem Schreiben aus Nufenen (Novena) vom 18. Ventöse (8. März) von Lecourbe an Massena heißt es sonderbarerweise : „Je suis arrive hier, mon general, dans le Val-de-Eheno par un temps affreux, avec les dix mille hommes que vous m'avez confies. Je n'ai pas encore de nouvelles du general Loison qui avec trois mille hommes a passe par Dissentis." Bousson 175, 14. Es liegt auf der Hand, daß hier Uebertreibungen vorliegen. Vielleicht sollte diese Meldung dem Gegner in die Hände gespielt und er dadurch getäuscht werden.

Es ist ein Irrtum Genelins, wenn er angibt, die Seitenkolonne habe den Lukmanier überschritten. Hiergegen sprechen alle Angaben. Es wäre doch wohl auch ein gar zu großer Umweg von Airolo über Biasca und Olivone nach Sta. Maria gewesen. Daß aber Lecourbe keine der im Blegno stehenden Truppen abgeben konnte und wollte, geht aus dem oben mitgeteilten Schreiben deut- lich hervor.

38 (S. 31). In der Nacht, welche Regen und Schnee brachte, haben wohl die meisten geschlafen.

39 (S. 31). „Nur ein Weib, das bei der Leiche eines Angehörigen wachte, war nicht zur Flucht zu bewegen. Die Franzosen ehrten ihre Pietät und ihren Mut, thaten ihr kein Leides und ließen ihre Wohnung unangetastet." Genelin S. 18.

40 (S. 31). Karten: Topogr. Atlas der Schweiz Bl. 497. 411. 412. Topogr. Karte Bl. XV.

41 (S. 31). „Nachdem sie die Wohnung des Pfarrers geplündert, schleppten sie den Kaplan Jakob Anton Condrau und den Bruder des Ortspfarrers Venzin bis zum nahegelegenen Gute Miras. Dort stachen sie ihnen die Augen aus, schnitten ihnen Nasen und Ohren ab und schössen dann beide nieder." Genelin nach zeitgenössischen Berichten S. 20.

42 (S. 31). „Selbst Frauen bewaffneten sich mit Morgensternen und traten in die Reihe der Kämpfer. Darunter thaten sich am folgenden Tage namentlich zwei Tavetscherinnen, Scolastica Riedi und Katharina Beer, durch ihren Helden- mut hervor." Genelin S. 21.

43 (S. 32). Nach Conradin von Moor, Geschichte von Currätien S. 1298, liefen die Kaiserlichen rheinabwärts bis S. Placidus und nahmen erst hier wahr, daß ihnen niemand auf den Fersen sei. Der Vorwurf dieser kopflosen Flucht trifft doch wohl nur einzelne Leute.

44 (S. 33). Massena III, 107 erklärt diesen plötzlichen Schrecken wie folgt: „Malheureusement une panique, occasionnee par le bruit de sa mort et de l'echec de sa colonne, s'empara de son arriere-garde et de ses flanqueurs de droite; l'ennemi debouchant alors sur tous les points, l'attaqua avec impetuosite et le chassa du bourg avec grandes pertes. Cependant une petite piece de canon, place dans la gorge s'avancait le gros de l'ennemi, protegea efficacement sa retraite." Die Kanone stand demnach südöstlich des Weilers Funsi.

45 (S. 33). Nach der Berechnung von Moor und Genelin. Einzelne Zeit- genossen sprechen von 800 Toten. Das ist eine sicher übertriebene Schätzung. Nach Massena III, 108 blieben Loison noch 500 Kampffähige.

46 (S. 33). „Als die Franzosen Loisons durch Tavetsch zogen, lag die Leiche des ermordeten Priesters noch auf der Straße. « Das sind die Heldenthaten der

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großen Nation», rief der General aus, «gestern wurden arme wehrlose Männer erschlagen und heute müssen wir, geschlagen und besiegt, mit Schmach und Schande uns zurückziehen.*" Genelin S. 25.

47 (S. 34). Moor S. 1298. Das Feldtagebuch der Division berichtet unter dem 16. Ventöse (B.März): „La brigade de gauche, commandee par le general Loison, marcha en deux colonnes, la premiere d'Airolo ä St-Marie (demnach nicht über den Lukmanier, sondern durch das Val Piora über den Piano dei Porci) et la seconde d*Urseren ä Dissentis; apres plusieurs combats les plus opiniätres et des succes marquants, la premiere colonne fut obligee de se retirer, ne pouvant faire tete ä la masse d'ennemis quelle avait k combattre. Le general Loison prit le sage parti de la reunir k la seconde colonne sur Dissentis, le corps de troupe ä l'aide du mouvement du general Demont venant de Reichenau repoussa l'ennemi et tint position k Dissentis sous le nom de corps detache."

Lecourbe selbst hat hier hinzugesetzt : „Le general Loison fut force de se retirer ä Urseren jusqira l'arrivee des renforts envoyes par Reichenau. L'in- surrection des paysans en fut le motif et nous tit perdre une cinquantaine d'hommes."

Ein Zeitungsblatt jener Tage gab über die Niederlage, welche Loison er- litten, folgendes zum besten: „Am 7. früh morgens rückten die Franken gegen Dissentis vor. Hier waren zwei Compagnien des österreichischen Regimentes Brechainville, welche zusammen ungefähr 400 Mann betrugen, postiert, welche zu ihrer Verteidigung zwei Kanonen aufgepflanzt hatten. Ungeachtet die frän- kische Kolonne, welche aus dem Polenzerthal über den St. Mariaberg herkommen und den Angriff unterstützen sollte, ausgeblieben war, wurde der Angriff doch unternommen, und sogar war man im Begriff, mit gefälltem Bajonett einzu- dringen und die Kanonen mit Sturm zu nehmen, als einige tausend Bündner Bauern den Franken in den Rücken und in die Flanken fielen und sie beinahe umringten, ein Umstand, der um so bedenklicher wurde, da den Franken durch die ungestüme Witterung die meisten Patronen naß und unbrauchbar geworden waren. Es blieb ihnen kein anderes Mittel als schleunige Flucht auf die Grenzen von Urseren zurück, allein ein Schwärm Bauern hatte ihnen den Weg abgelaufen und war vor ihnen an den Oberalpsee gekommen; mehrere Franken wurden daher daselbst abgeschnitten, nach Bünden zurückgetrieben oder erschlagen, so daß sie auf diese Art beinahe die Hälfte ihrer Leute verloren."

Massena a.a.O. 111,107: „On croyait les Autrichiens faibles dans cette partie des Grisons, mais la levee en masse des habitants de la vallee les avait renforces de plusieurs milliers d'hommes determines." Vergl. auch das Schreiben von Lecourbe an Loison vom 3. März. Die Schlappe wurde jedenfalls für sehr bedenklich angesehen: denn das helvetische Direktorium bot Loison die zur Bedeckung der gesetzgebenden Gewalten gehörende Legion als Verstärkung an.

48 (S. 34). Eine Abordnung, zu der J. A. v. Castelberg, Ludwig Caprez und Pater P. a Spescha gehörten, traf Demont in Banz. Der General wollte zunächst keinerlei Bedingungen gewähren. „Da sprach Spescha, der dem General an- empfohlen war, und es gelang ihm, Demont. dessen Großmutter ja eine Dissen- tiserin, dessen Bildungsstätte Dissentis gewesen war, zur Annahme der Kapitu- lation zu bewegen." Demont stammte in der That aus dem Lugnez; er bewies auch sonst viel Menschlichkeit.

i3 (S. 34). Clausewitz I, 74 75 bemerkt hiezu : „Man sah dies als eine Art von strategischem Alignement an, eine Vorstellungsart, die bei den Franzosen damals sehr Mode war. Drang nämlich Massena bis an den Rhein oberhalb des Bodensees vor, so lief die französische Aufstellungslinie entweder durch das Thal Montafun (falls man Feldkirch bekam) oder durch das Prättigau nach dem untern Engadra auf Nauders und von da ins Etschthal und den Vintschgau.

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In dieser Aufstellung glaubten die Franzosen sich halten zu können oder sie als eine Station zu weitern Fortschritten betrachten zu dürfen. Durch diese Verschiebung des rechten Flügels von der Schweizerarraee bedrohten sie, wie sie meinten, die rechte Flanke der italienisch-österreichischen Armee durch das Etschthal und hoben die nächste Verbindung derselben mit der deutschen Armee, nämlich durch das Vintschgau, auf, indem sie solche auf die über den Brenner gehende beschränkten. Gelang es ihnen aber gar bis Botzen vorzu- dringen, so ging auch die Verbindung über den Brenner für die Oesterreicher verloren. Dabei war es den französischen Strategen der damaligen Zeit eine besonders angenehme Vorstellung, daß sie in den Besitz der höchsten Punkte kamen und nun vom Wormser Joch aus unaufhörlich von oben nach unten zu wirken hatten."

50 (S. 34). Lecourbe an Massena, 9. Ventöse (27. Februar) aus Altdorf, bei Bousson 167, 6 : „Quoique vous m'ayez assure, ainsi que l'ordonnateur, que les approvisionnements en tout genre etaient assures dans cette partie, je vous dirai qu'ä peine il y existe 200 k 300 quintaux de farine, etc. . . . Tant que vous n'aurez pas le pouvoir de faire pendre quelques-uns de ces vampires, qui, pour s'enrichir, speculent sur la subsistance des armees, nous serons toujours dans la misere." Leider war Massena selbst der ärgste dieser den Galgen verdienenden Blutsauger.

51 (S. 34). Dessoles, Jean-Josephe-Paul- Augustin, Marquis, geboren am 3. Oktober 1767 zu Auch. Von 1792 an Hauptmann einer Freiwilligencompagnie in den AVestpyrenäen, 1795 Generaladjutant in Italien und dort sehr beliebt bei Bonaparte. Nach dem Zerwürfnisse mit Lecourbe diente er als Chef des Generalstabes in Italien. Moreau verwendete ihn 1800 in gleicher Eigenschaft in Deutschland. Als Vertrauter des Siegers von Hohenlinden mußte Dessoles zeitweilig aus dem Heere ausscheiden. Aber bereits 1804 erhielt er das Kreuz eines Großoffiziers der Ehrenlegion und 1805 die wichtige Stellung eines Kom- mandanten von Versailles. Von 1808 an Divisionär in Spanien, trat er 1812 an die Spitze von Eugens Stabe, um schon in der Mitte des Augusts nach Frankreich zurückzukehren. Zur Kestauration übergetreten, ward er von dieser in jeder Weise geehrt. Kriegsminister im Kabinet Decazes, Pair, General- lieutenant und Kommandant der Nationalgarden, diente er nun ebenso treu den Bourbonen wie früher der Republik und dem Kaiser. Er starb zu Paris am 3. November 1828.

Koch, Massena 111,118/119 schreibt über ihn: „Dessoles, esprit fin et cultive, offrait des traits caracteristiques d'une originalite rare et charmante. D'une Instruction soignee, il s'etait nourri de la fleur des auteurs anciens. Familier avec leurs chef-d'ceuvres, il connaissait Columelle aussi bien que Cesar. Doue d'une Observation penetrante, il etudiait avec un soin particulier les Instructions de ses chefs, s'identifiait en quelque sorte avec elles et s*efforcait completement pour n'etre que leur interprete consciencieux et intelligent. Ses ordres etaient clairs et precis, detailles et donnes avec une elegance de forme qui en doublait le prix. Ses rapports sont cites comme modeles du genre. D'un calme qui ne se dementait jamais, il suivait les Operations et les diverses phases d'une bataille en artiste, ne concourant ä l'action directement de sa personne, que dans les moments decisifs. Ahne du soldat, il imposait aux chefs par sa superiorite intellectuelle et la haute portee de son esprit."

52 (S. 35). Bousson 168,7 und 172,10. Karten: Generalkarte der Schweiz Bl. II und IV. Topogr. Karte der Schweiz Bl. XIX. XX. XV. Topogr. Atlas der Schweiz Bl. 421. 424. 425. 429 und 429bis.

53 (S. 35). Bousson 169, 8. Die Forcola, ein Paß von 2217 m Höhe zwischen Pizzo Forcola und Pizzo di Padion. verbindet Soazza und Chiavenna.

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54 (S. 85). An Massena, 15.Vent. (5. März) aus Bellinzona. Bousson 172, 11.

55 (S. 36). Bousson 174, 13.

56 (S. 37). Das Feldtagebuch schreibt : „au milieu de la colonne sans pou- voir les secourir."

57 (S. 37). Die Straße über den Paß wurde erst 1818 erbaut.

58 (S. 37). Im März 1890 ging die Guidenkompagnie Nr. 8 über den San Bernardino. Der Bericht dieses Marsches in Nr. 16 der „Allgemeinen Schweizer Militärzeitung" Jahrgang 1890.

59 (S. 37). Bousson 175, 15.

60 (S. 39). Memoires et lettres de Henri, Duc de Rohan, sur la guerre de la Valtelline. Edition Zurlauben, Paris 1763, I, 159. . . . C'est bien alors que l'on reconnut veritable que les montagnes sont comme plaines et qu'elles n'ont pas seulement les chemins accoutumes et frequentes, mais plusieurs autres, lesquels, bien qu'ils ne soient pas connus aux etrangers, le sont aux gens du pays, par le moyen desquels on sera toujours mene au lieu qu'on desire, en depit de ceux qui voudront s'y opposer, de sorte qu'un sage capitaine ne se hätera jamais h garder des passages, mais bien se resoudra-t-il plutöt ä attendre l'ennemi en campagne pour combattre, ce qui peut sembler etrange ä qui n'en a pas vu le succes par experience. Ainsi en la presente occasion drohender Angriff gegen das Veltlin und Graubünden durch die Kaiserlichen on croyait etre assure des montagnes, comme autant de forteresses ; il se trouva qu'on etait ouvert de tous cötes, et qu'ä mesure qu'on bouchait un trou, on en decouvrait dix, de sorte qu'il n'eüt fallu une bonne armee, mais plusieurs pour garder le pays."

61 (S. 40). Von Tiefenkasten nach Ponte (40 km) hatten sie 10 Stunden, von Tiefenkasten nach Bivio a Stalla (25 km) 6 Stunden, von Stalla nach Silva- plana (18 km) 8 Stunden, von Stalla nach Casaccia (14 km) 7 Stunden gebraucht. Die Truppen hatten demnach 10 15 stündige Märsche geleistet und zwar bei ungünstigen Witterungsverhältnissen (Schnee) wie auf schlechten Wegen. Immer- hin wurde damals der Septimer-Paß weit häufiger begangen als heute.

62 (S. 40). Lecourbe an Massena am 23. Ventöse (13. März) aus Zutz. Bousson 178, 17.

63 (S. 40). Sonderbarerweise schreibt der Erzherzog Karl (I, 71) : „Lecourbe . . . ließ ein Detachement durch das Davoserthal abgehen, um den österreich- ischen Posten von Scaletta in Rücken und Flanke anzugreifen." Dieser Irrtum ist von allen übrigen Schriftstellern ohne weiteres aufgenommen worden. Man blicke jedoch einmal auf die Karte und vergegenwärtige sich, daß Lecourbe in der Nacht vom 11. zum 12. bei Weißenstein lagerte. Clausewitz (I, 77) läßt sogar die Franzosen über den Flüela ins Engadin hinuntersteigen. Das brave Bataillon hat demnach zwei starke Tagmärsche in einem Vormittage zurück- gelegt !

6i (S. 41). Lecourbe schreibt im Feldtagebuch : „L'ennemi avait dejä cou- ronne les hauteurs, on se battait sur les montagnes couvertes de neige qui entourent le seul defile qui arrive au pont, mais le general Lecourbe, voyant que pour avoir les hauteurs il fallait battre le gros des ennemis qui etaient au pont et dans la plaine, ordonna des charges sans trop s'inquieter de ses

flancs La deroute de l'ennemi fut complete et alors tout ce qui se trouvait

dans les montagnes, ralenti d'ailleurs par une quantite de neige qu'on ne pouvait traverser qu'avec precaution, fut pris."

Gflnther, Feldzug 1799. 13

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65 (S. 42). Lecourbe datiert am 23. Ventöse (13. März) zwei Schreiben an Massena, das eine morgens aus Zutz, das andere abends aus Schuls. Bousson 178 ff., 17/18.

Erzherzog Karl (I, 82) läßt die Franzosen am 13. nur bis zur Brücke von Zernetz kommen. Da, wie deutlich aus den Akten hervorgeht, an diesem Tage keinerlei Gefechte von irgend welcher Bedeutung vorfielen, so hat es keinen Grund, die Ortsangabe von Lecourbe zu bezweifeln, die auch mit dem Feld- tagebuch übereinstimmt. Ein Marsch von annähernd 50 km ward durch diese Division sicher bezwungen.

66 (S. 42). Massena an das Direktorium aus Chur am 25. Vent. (15. März). Mares 20 ff. und Bousson 181, 19.

67 (S. 43). „Le bataillon partit de Remy (Remüs) par un sentier escarpe, difficile et impraticable pour la saison et arriva ä Schieins, position importante pour s'emparer du Pont-Martin" (Martinsbruck). Lecourbe im Feldtagebuch.

68 (S. 44). Schreiben an Loison vom S.März: „Les points quejedois atta- quer..." u.s.w. Vergl. Nr. 41 an Massena vom 5. März: „D'apres les ren- seignements que j'ai pris, il parait que les Autrichiens se portent en force sur la Valtelline et la Haute-Engadine." An denselben vom 9. März: „Les Au- trichiens n'ont pu tenir sur aucun point; celui du Sf lugen que les rapports nous disaient retranche et defendu avec l'artillerie, ne l'a jamais ete." Bousson 170, 3—6.

69 (S. 45). Schreiben aus Thusis vom 19. Ventöse (9. März) an Massena : „D'apres votre deuxieme lettre d'hier, que je regois ä l'instant, j'ai retire l'ordre au general Dessoles, de se porter sur Glurentz." Warum dieser Gegenbefehl erfolgte, ist nicht klar.

70 (S. 45). Erzherzog Karl (I, 82) weist darauf hin, daß das Montafun, in der linken Flanke der Division gelegen, von den Oesterreichern besetzt war, „welche bei Gallthür einen Posten hielten, von wo ein Steig nach Ardetz ins Engadin führt." Der Futschöl-Paß, der hier in Frage kommt, hat eine Höhe von 2767 m und kann im März keineswegs von Truppen benützt werden.

71 (S. 45). Dazu die Schützencompagnien der Gerichte Glurns, Nauders und Mals.

72 (S. 46). Geschichte der Kriege in Europa seit dem Jahre 1792, V.Teil, Berlin u.s.w. 1833, S. 105.

73 (S. 46). Massena 111,115. Dlzarny-Gargas, Deux campagnes k l'armee d'Helvetie S. 43, Anm. 1, versucht das unentschuldbare Benehmen des Generals Maynoni zu erklären. „Les troupes du general Menoni marchaient par echelons, ce qui explique qu'il se soit trouve isole au moment d'attaque. Le 2e bataillon de la 38e avait dejä traverse Schuls, dans la journee du 14 et etait arrive ä Remüs." Lecourbe widersetzte sich später geradezu dem Vorschlage von Massena, Schritte zur Auswechslung des Generals thun zu wollen. „Mainoni avait le tort ä ses veux de s'etre laisse enlever faute d'une garde de 4 hommes et un caporal." Massena III, 120.

74 (S. 46). Stampfer, Pater Cölestin, Professor, Geschichte der Kriegsereig- nisse im Vinstgau; 2. Auflage, Innsbruck 1893, erzählt auf S. 50/51, daß zwei Schützencompagnien der Gerichte Glurns über das Schliniger-Joch hin gegen das sogenannte „weiße Haus" zwischen Remüs und Schuls die Franzosen be- unruhigt hätten. „Während nun der feindliche General Mainoni seine ganze Aufmerksamkeit den Schützen zuwandte, überraschte ihn unvermutet Laudon vom Scharl-Joch her."

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75 (S. 47). Bousson 182—184, 20. Aus Schills vom 25. Ventöse (15. März).

76 (S 47) Joseph Anton Maynoni ward 1756 zu Valesio, einem Dorfe der Tremezzina, geboren: sein Vater Bernardo, Herr von Intigone, pflegte dort den Sommer zuzubringen. Die erste Erziehung erhielt Maynom bei den Jesuiten in Como und kam dann als junger Mann nach Straßburg i. E , um die dort in der Nähe liegenden Familiengüter zu bewirtschaften. Um 1780 vermahlte er sich mit Franziska Klara Schweitzer de Cauville aus Frankfurt a. M. Zwölf Jahre später trat Maynoni zunächst in den Zivildienst der Republik und dann, nachdem er mit Mühe der Guillotine entgangen, in die Armee Bald ward er zum General befördert. Nach der fünfmonatlichen Gefangenschaft 1799 erschien Maynoni wieder bei der helvetischen Armee, um kurz darauf an der zweiten Schlacht von Zürich teilzunehmen. Hierauf wurde er nach Bern gesendet, um mit dem Direktorium über die von Massena der Schweiz auferlegten Kriegs- lasten zu verhandeln. Im Winter 1799/1800 beteiligte er sich mit Marescot an der Erforschung der Alpenübergänge. Bei Marengo schwer verwundet, erholte er sich niemals vollkommen und starb als Kommandant von Mantua.

Zu vergleichen Cav. Major Majnoni, in Rivista militare italiana, Serie 111, Anno XXVII, Tomo II, Dispensa 5/6, Maggio/Giugno, Roma 1882.

77 (S. 47). Bousson 184, 21. Schuls, 26. Ventöse (16. März).

78 (S. 48). Massena III, 117.

79 (S. 48). Im Feldtagebuch wird das I., im Werke von d'Izarny-Gargas (44) das IL bezeichnet. Letztere Angabe ist wahrscheinlich richtig. Sie stützt sich auf das Feldtagebuch der 38. Halbbrigade.

80 (S 49) Nach Stampfer (52) diente der Schafhirte vom Dorfe Schieins als gezwungener Führer. Der Unglückliche wurde von den Oesterreichern ge- fangen. „Sein unfreiwilliges Verbrechen wurde auf eine grausame Weise geahndet. Zuerst erhielt er 100 Stockstreiche (!), hierauf wurde er mit einer Kugel, die ihm durch den Kopf gejagt wurde, begnadigt." (sie !)

81 (S 49) Nach österreichischer Angabe wurden 3 Hauptleute, 5 Lieute- nants, 237 Unteroffiziere und Soldaten gefangen. Dieser Verlust deutet jedoch auf 2 Compagnien.

82 (S. 49). Bousson 184, 22.

83 (S. 51). Berichte von Massena an das helvetische Direktorium in : Amt- liche Sammlung der Akten aus der Zeit der helvetischen Republik (1798—1803), III, Bern 1889, herausgegeben von Joh. Strickler, Nr. 423 vom 15. März.

84 (S 51). Rohan nahm dieses kleine Festungswerk ebenfalls mit Sturm am 19. Juli 1635. Zwei Drittel der damaligen kaiserlichen Besatzung, etwa 200 Mann, wurden dabei getötet.

85 (S. 51). Bousson 188, 24.

86 (S. 51). Bousson 191, 26.

87 (S 51) Lecourbe an Massena aus Fetan am 2./3. Germinal (22./23. März) : „Quant ä moi, mes troupes n'ont pas eu, ni hier, ni aujourd'hui, une once de pain." . . . „Mon plus cruel ennemi, c'est la faim; je n'ai encore re?u que 4000 rations de pain ä donner ä mes troupes depuis hier : je viens de faire enlever dans quelques communes quelques centaines de livres de pain, le seul qui leur restait; je vis aussi de requisitions pour la viande qui ne manque pas, mais cela diminue nos moyens de transport." Bousson 192/194, 27/28.

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88 (S. 51). Lecourbe an Massena aus Fetan am 2. Germmal (22. März) : „Le general Dessoles . . . me peignait la force de l'ennemi superieure ä la sienne, et ne se souciait pas meme de l'attaquer en m'offrant, si je le voulais m'en charger, de m'envoyer 2000 hommes. Cette proposition tendait, vous le sentez, en cas de succes, ä recueillir les avantages sans courir les chances du combat ; il pretend n'avoir pu passer ni ses subsistances, ni ses munitions, cependant je sais que la montagne de Bormio ä Sainte-Marie est praticable, surtout en faisant im petit detour par Friel." An denselben am 3. Germinal (23. März): „Malgre les ordres imperatifs que j'ai donnes au general Dessoles pour le concert de nos Operations, je crains qu'il ne laisse porter toutes les forces de l'ennemi sur moi." Bousson 192 195, 27/28.

Alle diese Ausführungen zeigen deutlich, daß der einen Monat später aus- brechende offene Zusammenstoß zwischen Dessoles und Lecourbe eine lange Vorgeschichte hatte. Nur die verzweifeltsten Umstände rechtfertigen es, strate- gische und taktische Verbände derart zu zerreißen, wie dies seitens der franzö- sischen Heeresleitung damals geschah. Eine Einbuße an der Gesamtwirkung mußte jedoch die unausbleibliche Folge sein.

Bei Massena (III, 118) heißt es über die Angelegenheit: „II (Lecourbe) rendit compte de sa Situation & Massena en lui demandant des subsistances et des renforts, et porta plainte contre Dessoles, auquel il reprochait de n'avoir pas fait tout ce qu'il aurait pu pour arriver ä St-Marie en temps opportun. Sans doute ce retard arreta les succes de Lecourbe et causa l'echec de Martins- bruck, mais comme nous venons de le dire, Dessoles recut trop tard l'ordre de marcher en avant, et d'ailleurs le manque de vivres avait ete im second empechement. Lecourbe l'ayant accuse aupres du general en chef d'avoir eu l'intention de le faire battre, celui-ci se justifia pleinement, mais meme temps il se montra vivement offense de l'injure et de la hauteur de Lecourbe et offrit sa demission."

89 (S. 51). Bousson 193.

90 (S. 52). Massena III, 137.

91 (S. 52). Ein Bauer namens Joseph Federspiel aus der „Motters" erblickte den Gegner. Er eilte nach Nauders, um Generalmajor de Briey zu benach- richtigen. Dieser wollte nichts hören und drohte dem unbequemen Warner mit Prügeln. Stampfer 70/71.

92 (S. 52). Lecourbe im Feldtagebuch: „Lobjet de la marche du general Loison dans cette montagne etait d'arriver sur les derrieres de l'ennemi par Nauders pour tourner la ligne de retranchement qui avait l'ennemi au dessus du Pont Martin, ligne qui etait appuye ä deux roches ä pic et dans laquelle le chemin passait. Cet obstacle paraissait insurmontable. Le general Derby (de Briey) commandait ä Nauders, le major Punkalti (Munkatsy), officier dis- tingue, commandait l'avant-garde ä Pont Martin."

93 (S. 53). „Si Demont eut mis dans l'execution de ses Instructions la meme energie que Loison, c'en etait fait des 4 bataillons de la garnison de Nauders, pas im homme n'eut echappe." Massena III, 140.

94 (S. 53). Diese Angaben nach dem Feldtagebuch. Die Berichte von Le- courbe an Massena aus Martinsbruck vom 6. Germinal (26. März) und aus Nauders vom 7. Germinal (27. März) sprechen von 2000 Gefangenen, 12 Ge- schützen und 1 Haubitze. Bousson 195 199, Nr. 29 und 30. Erzherzog Karl (I, 143) gibt neun eroberte Kanonen an, dagegen keine Zahl der Gefangenen.

95 (S. 57). Der ausführliche Bericht, welchen Dessoles aus Mals am 6. Germinal (26. März) an Scherer richtete, findet sich bei Mares S. 30 ff.

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96 (S. 57). Ueber diese Kämpfe noch : Moriggl, Alois, Einfall der Franzosen in Tirol bei Martinsbruck und Nauders im Jahre 1799, Innsbruck 1855. Ferner: Egger, Dr. Joseph, Geschichte Tirols von den ältesten Zeiten bis in die Neu- zeit, Innsbruck 1871—1880, Bd. III.

Den Verlust von Tauffers erklärte die Bevölkerung damit, daß FML. Belle- garde von den Franzosen erkauft worden sei. (!) Stampfer (S. 64) berichtet ausführlich über diesen Gegenstand und gibt dabei interessante Erläuterungen. So schrieb FML. Bellegarde an de Briey : „Der Herr General Laudon ist bei Tauffers vom Feinde ganz tourniert und fällt vermutlich demselben in die Hände ; ich muß mich gegen Meran halten und avisiere Eure Hochgeboren, daß Sie in Nauders auf Ihren Rücken bedacht sind, indem ich von hier keine Truppen detachieren kann. Bei Laas bleibe ich mit der Haupttruppe. Avisieren Sie den General Nobili. Glurns, 25. März, 10 Uhr vormittags." Solche Schreiben streifen freilich hart an Verräterei. Sie sind ein Zeugnis für die ganz unglaubliche Gleichgültigkeit, mit welcher auf Seiten der Kaiserlichen Krieg geführt wurde.

97 (S. 58). Clausewitz I, 87.

98 (S. 58). Bertrand, Memoires de St-Helene T. II.

99 (S. 60). Bousson 199, 31.

100 (S. 61). Bousson 204/205, 37. An Massena aus Fettan, den 13. Germinal (2. April) : . . . Mes troupes sont sans souliers, les marches continuelles qu'elles ont faites et qu'elles fönt tous les jours dans les neiges, en sont cause. Voyez ä leur en fournir preferablement ä toutes autres. . . . Mais j'ai un ennemi plus cruel ä combattre, la faim ; je n'ai encore vu aucun employe de la compagnie Bodin; j'ai fait des marches ä son compte ; j'ai vecu et je vis encore de requisi- tions, ce qui ne peut durer longtemps, car je ne trouve plus de ressources. . . . Vous ne sauriez croire combien ce mouvement retrograde a coüte ä tout le monde ; les soldats pleuraient de rage. « Qu'on nous envoit dans cette armee ! » disaient-ils dans leur langage ordinaire."

101 (S. 62). Als Zeitgenosse und auch sehr ausführlich berichtet hierüber v. Seida und Landenberg 124.

102 (S. 64). Bousson 207—212, Nr. 40—44.

103 (S. 64). Massena (III, 119/120) charakterisiert Lecourbe wie folgt : „Les qualites de Lecourbe, qu'on peut appeler un general d'intuition, offraient peut- etre l'opposition la plus tranchee avec celle de Dessoles. Grand, fort, robuste, son corps se pretait ä toute l'impetuosite de son esprit. Son coup d'oeil etait excellent sur le champ de bataille. Cette promptitude de conception le portait quelquefois ä modifier les Instructions de ses chefs sans que ceux-ci aient jamais eu ä lui reprocher des fautes dans ses rectifications. Les qualites princi- pales de Lecourbe etaient la spontanite, la vivacite et l'energie, les ressources qui lui offraient ä toute heure ses talents, en faisaient un excellent general pour la guerre des montagnes. Si la fortune lui fut moins favorable en plaine, peut-etre faut-il l'attribuer ä quelques-unes de ces causes fatales qui arretent souvent l'essor des intelligences les plus eminentes."

104 (S. 68). Massena III, 171.

105 (S. 70). Der Bericht von Massena über diese Ereignisse bei Bousson 212—214, Nr. 46/47.

106 (S. 71). In den ungedruckten Akten der Armee de Danube, aile droite, finden sich folgende Schreiben: „Au Quartier general de Zernetz le 13 floreal an 7. Le general de division Lecourbe au general de division Menard. Je

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tiens encore ma position sur Zernetz et l'ennemi ne parait (pas) vouloir m'in- quieter sur mon front de retraite. Hier soir je n'avais encore aucun Autrichien devant moi, ce qui me prouve qu'il fait quelques mouvements sur mes derrieres et mes ailes. Les troupes de la vallee du Lanquart ont ete attaquees hier. Un capitaine qui s'est retire ä Davos m'a donne des informations vagues ä ce sujet ; je lui ai ecrit de se retirer sur Bergun, s'il est force ä Davos et de vous en prevenir ou de se retirer sur moi s'il ne peut faire autrement. Je serai oblige de me retirer demain sur Pont, mais comme il n'y a point de position militaire, j'ai prefere rester ici pour attendre le general Loison. J'ai provi- soirement un bataillon ä Chiavenne pour eclairer le lac de Come. Je n'ai point eu hier de nouvelles de l'armee d'Italie. La securite Ton me laisse m'est de mauvais augure, je ne doute pas que dans peu vous soyez attaque, si dejä vous ne l'etes. Lecourbe."

Genanntes Schreiben ist von 10 Uhr vormittags datiert. Ihm folgte ein zweites mit dem Wortlaute : „Je viens d'etre malheureux ; force de tenir position hier et aujourd'hui pour attendre le mouvement du general Loison, l'ennemi vient de m'attaquer avec des forces triples. J'ai eu beaucoup de peine de me retirer sur Zernetz, cependant je suis parvenu ä couvrir ma retraite sur Zernetz. Je l'effectue cette nuit, partie par l'Albula, partie par Casaccia; le general Loison se retire sur Morbegno ; rien n'est egal aux desordres qui se commettent sur le lac de Como, l'insurrection est complete. Le general Demont est pri- sonnier, tous les chefs de Corps et une partie des officiers sont blesses ou tues. Je ne peux pas savoir combien j'ai des blesses, j'en ai ä peu pres autant qu'avant-hier. Voilä la Situation ou je me trouve; malgre mes reclamations, on m'a fait echiner (sie !) apres avoir eu constamment des succes ; je n'ai pas lieu d'etre fort content. Prenez vos mesures pour couvrir l'Albula et le Davos. Je vous previens que le general Demont a ete pris avec la serie des mots d'ordre; il importe de les changer. Signe Lecourbe. Pour copie conforme: signe Menard."

107 (S. 74). Die Oesterr. Militär. Zeitschrift II, 1812 gibt den Verlust der Franzosen an Gefangenen auf 7 Offiziere, 800 Mann an.

108 (S. 74). „Au quartier general de Filisur, le 16 floreal an 7. Le general de division Lecourbe au general en chef Massena. Vous avez vu par ma lettre du 14, mon eher general, ä quels partis j'ai eu affaire. Ces Messieurs m'ont fait l'honneur de me combattre avec 12000 ä 15 000 hommes et quatre generaux. Vous voyez que si je n'ai pas pu me maintenir en Engadine, il n'y a pas de ma faute ; il fallait m'envoyer les secours que je demandais depuis longtemps. Les insurrections eclatent de toutes parts. Mes blesses ayant ete arretes, il est necessaire, d'apres Vavis du general Menard, que je couvre l'Albula et le Jidiensberg. Comme vous me dites, qu'il tnarche des troupes sur BeJlinzona, je ne passerai point le Bernardin, je tiendrai ma gauche ä Bergun et je serai etahli ä Tusis. Vous voyez combien ma ligne est etendue, mais ayant mes grenadiers en reserve avec moi, je pourrai les porter aussi promptement que possible sur les points attaques. II est necessaire que j'aie un general de brigade, sur mon point de gauche surtout ; car je suis oblige de faire tous les details de corps, et encore je n'ai qu'un seul chef de bataillon dans la division. Faites donc envoyer un chef de brigade ä la 36e. Le capitaine Perrier qui la com- mande est un officier recommandable et qui remplit exaetement son devoir. Je vous rappeile, mon general, de m'envoyer la confirmation des quatre nomina- tions que j'ai faites. Le general Loison se trouve ä Chiavenne avec la 76e, deux bataillons d'expedition et deux de la 12e legere qui n'a pu passer pour rejoindre la division Grenier ainsi qu"elle en avait l'ordre. Je tiendrai ä Splugen la 109e pour la lui envoyer au besoin. Je le Charge de garder Carach (Casaccia) et Melozza (Maloja) par l'ennemi peut venir sur lui de l'Engadine ainsi que

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de la basse Valteline. Si le general Soult etait arrive ä Bellinzone et Lugano, ils pourraient l'icn et l'autre faire des efforts pour retablir la communication du lac de Come, seid point par lequel le general Loison peut tirer des vivres, car dans sept ou huit jours probablement il n'en aura plus. Je continue ä lui donner des ordres en attendant que vous fassiez une Organisation nouvelle de larmee; veuillez me faire part de vos disjjositions ä cet egard et si vous ap- prouvez les miennes. Le general Demont merite que vous vous employiez pour lui procurer son echange. Quoique ma blessure me gene un peu, je n'en con- tinuerai pas moins mes devoirs avec la plus grande activite. Mais quand nous retournerons, vous ne me laisserez plus en l'air avec 4000 contre 12 000 ä 15 000, dont je ne pouvais empecher le rassemblement. Je ne serai pas fache que d'autres parcourussent un peu les montagnes ä ma place ; j'ai perdu un cheval, mes equipages sont je ne sais oü, enfin n'importe je recommencerai quand on voudra. Mais l'armee d'Italie est bien loin. Je voudrais que les Grisons soient au diable. Ne m'oubliez pas pour les vivres ; il me sera bien difficile d'avoir des nouoelles sur les mouvements de l'ennemi, cependant je crois qu'il manceuvre encore sur nos flancs, ou peut-etre tentera-t-il une entreprise sur Chiavenna pour faire sa jonction sur le lac de Come, mais auparavant il faudrait qu'il nous chassät de Davos et Bergun. J'espere d'ailleurs que dans peu vous lui taillerez des croupieres. Salut respectueux et amical. Signe : Lecourbe."

„Au quartier general de Zizers, 4 mai 1799, 15 floreal an 7. Menard, general de division, commandant des deux premieres divisions de l'aile droite de l'armee du Danube, au general en chef Massena. Vous m'avez ordonne, general, de faire partir la 309e pour Splwjen; eile est partie. Vouz m'avez annonce la 37e et la 17e, je n'ai encore regu que 9 compagnies de la 37e, je n'ai aucune nouvelle des autres, ni de la 17e, et voici ma position : La l4e ä Luzisteig et Flesch, le Ier bataillon de la 103e ä la poursuite de l'ennemi ä Dissentis, le IIe bataillon de cette demi-brigade dans la Landquart, et voilä tout. Bien au Schollberg. Bien ä Davos, et Coire se trouve entierement ä decouvert par la retraite du general Lecourbe, et ce dernier me marque que l'ennemi se porte en force sur Davos pour tomber sur Coire. Voilä ma position critique; je n'ai donc pu faire autrement que d'arreter la mar che de la 37 e, ä qui j'avais donne ordre de se porter ä Splugen pour la porter sur la route de Davos, mais ces 9 compagnies de la 37" ne sufflsent pas pour garantir Coire par cette route, et puis rien en reserve pour porter au besoin ; vous avouerez que c'est desesperant. Si le reste de la 37e et la 57e ne m'arrivent pas cette nuit, je ne puis repondre de rien si j'etais attaque demain. Je recois une lettre du general Lecourbe datee de Bergun ä 11 heures du matin aujourd'hui ; il occupe dans ce moment Alvaschein, Alveneu, Tiefenkasten, Surava, Fillisur et Bergun. II doit tenir la tout demain, 16, en attendant de mes nouvelles, et il doit continuer sa route sur Splugen, s'ü n'en regoit pas. Je pense que l'envoi de la 109e le tranquillisera, car il se desespere de l'etat on le laisse. On assassine tous les blesses sur toutes les routes, et bientöt toutes les ordonnances le seront aussi, on se souleve de tous les cötes ä ce qu'il me marque. II a renforce d'un bataillon le general Loison qui se trouve avoir ä present de 500 ä 600 hommes, il occupe toujours Chiavenna. Le general Lecourbe couvre l'Albula avec 2 bataillons. Voilä l'extrait de sa lettre qu'il termine en faisant des vceux pour l'evacuation des Grisons. General, jettez les yeux sur ce pays ci et ne m'abandonnez pas ä l'ennemi sans secours. J'aurais bien voulu que vous fussiez venu comme vous l'aviez dit ä mon aide de camp. Je ne serai tranquille que quand j'aurai recu le reste de la 37L et la 57e. Je vous pre- viens que je ne puis plus envoyer la 37e au general Lecourbe. I\ faut qu'elle me couvre par Davos, et la 57e me servira ä garder le Schollberg et Sargans et ä avoir une reserve. Je vous salue, votre ami, signe: Menard."

„Au quartier general de Zizers, (6 mai) 17 floreal an 7, 9 heures du soir. Gautier, aide de camp, au general Massena. J'ai l'honneur de vous informer

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qu'hier ä midi, nos depeches furent remises aux generaux Menard et Chabran. Je n'ai rien autre chose ä vous inander relativeinent au general Lecourbe que ce que le general Menard vous a fait connaitre, en vous envoyant ce matin copie d'une de ses lettres, vous avez vu qu:il va s'etablir de sa personne ä Thusis, en appuvant sa gauche ä Bergun qui sera d*ailleurs fortement sou- tenue par les troupes de la 37e que le general Menard a envoyees ä Davos. Vous avez vu aussi que le general Loison occupe Cbiavenna et couvre le Maloja et la basse Valtelline avec la 12e legere, la 76e, deux bataillons d'expedition et un bataillon de la 88e que le general Lecourbe y a envoyes. Splugen, point intermediaire, est occupe par la 109e et la comniunication se trouve etablie entre les generaux Lecourbe et Loison. Rien de nouveau jusqu*ä present. Puisque je ne suis point utile ici, j'irai demain chez le general Lecourbe. Je comptais prendre avec moi les dispositions pour reattaquer Ponte comme vous Vavez wände au general Chabran par la. lettre que vous m'avez Charge de lui re- mettre, mais les generaux Suchet et Marcs qui viennent d'arriver annoncaut que votre Intention n'est point de faire cette expedition pour le moment, je me bornerai ä voir autant que possible la position des troupes et ä donner au general Lecourbe celle de la division Menard. Je serai de retour ici apres- demain et j'attendrai vos ordres. Maintenant vous pouvez etre tranquille sur la partie que nous oecupons dans les Grisons. Les troupes que vous y avez envoyees doivent suffire pour que nous nous y maintenions, en attendant que nous reprenions l'offensive. Le general Menard a donne Vordre de faire filer 300 000 rations de biseuits sur la division Lecourbe. Je joins ä cette lettre une note que j'ai faite pour placer des postes de correspondance d'ici ä Zürich par Wallenstadt ; je crois que ces etablissements seraient avantageux pendant que votre quartier-general resterait ä Zürich; et si vous le jugez k propos, vous pourrez donner vos ordres en rectifiant ce qui sera necessaire. Salut et respect. Signe: Gauthier."

Alle diese Schreiben enthalten die noch ungedruckten Akten des Feld- zuges. Sie werfen ein gewisses Licht auf die Frage, warum Lecourbe so schnell den Marsch nach Bellinzona antrat. Erzherzog Karl (I, 292) vermutet : „Zum Glück durfte sich Massena an dem Rheine nicht schwächen, um seinen rechten Flügel in dem Maße zu verstärken, daß er dem von Chiavenna aus den Gott- hard und die Straße durch das Rhonethal bedrohenden Feind die Spitze bieten oder wohl gar ihn angreifen konnte. Der französische Obergeneral war vielmehr gezwungen, auf den Vorteil selbst Verzicht zu leisten, den ihm der Marsch des Lecourbe nach Lenz und die dadurch bezweckte Möglichkeit einer hartnäckigen Verteidigung Bündens darboten. Auf seinen Befehl brach Lecourbe von Lenz auf, gewann bei Thusis die Viamala, vereinigte sich mit Loison (dies ist Irrtum !) und zog durch das Thal des Hinterrheins aufwärts über Splügen."

Jomini III, 332, Anm. 1 schreibt: „L"archiduc Charles attribue, au contraire, ä Lecourbe le projet de se retirer de TEngadine sur Lenz, pour se rallier ä Massena, et pense que ce fut le general en cbef qui prescrivit le mouvement sur Bellinzona. Une troisieme version afhrme que Lecourbe, instruit de la revolution des paysans et des efforts sur le Luziensteig, prefera se retirer par le Tessin, plutöt que de s'exposer ä etre prevenu ä Dissentis." Diese letztere Angabe ist natürlich ganz falsch. Als Lecourbe in Lenz ankam, war der Auf- stand im Oberlande bereits niedergeschlagen, der Angriff von Hotze auf die Steig gescheitert. Im Texte berichtet Jomini dagegen: ..Quoiqu'il n"eut pas d*ordre du general en chef, l'actif Lecourbe se determina ä marcher sur le champ vers Bellinzona."

Die für die Entscheidung der Frage in Betracht fallenden Stellen in den oben mitgeteilten ungedruckten Schreiben sind in Kursiv gedruckt. Sie sind zwar nicht geeignet, ganz klare Auskunft zu geben, wohl aber mit einigen Vermutungen zusammen.

Es war natürlich Lecourbe, der den Gedanken hegte, wieder nach Ponte

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und damit ins Engadin vorzugehen. Massena mag eine Zeit lang diesen Gedanken wohl auch gehegt haben, dann aber mußte es ihm klar werden, daß er sich höchstens auf die Verteidigung von Bünden, bei einer Wiederholung der An- griffe von Hotze und Bellegarde, beschränken könne. Die Ruhestörungen in den kleinen Kantonen erforderten die Entsendung der Division Soult gegen den Gotthard. Dieser mußte überdies mit wenigstens einigermaßen ausreichenden Kräften besetzt werden, angesichts der Erfolge der Verbündeten in Italien. Diese Aufgabe wäre zunächst der Division Soult zugefallen, indes Menard das Prättigau, Lecourbe die Albula und das Oberhalbstein gesichert hätte. Als jedoch Erzherzog Karl endlich Miene machte, gegen die eigentliche Schweiz vorzudringen, kam es für Lecourbe darauf an, die Stellung von Zürich möglichst mit Truppen zu versehen. So wurde die Division Lecourbe vom Gotthard heran- gezogen, ihre Aufgabe an die Division Menard übergetragen. Die Division Menard vermochte natürlich nicht, Graubünden gegen einen an Kräften dreifach über- legenen Feind zu halten. Der Besitz des Freistaates fiel jedoch für Massena eigentlich nicht mehr in Betracht, als Erzherzog Karl thatsächlich den Rhein- übergang sich erzwungen hatte.

II. Die Aufstände.

109 (S. 75). Proklamation von General Massena behufs Warnung vor Un- ruhen und Angriffen auf das französische Militär vom 3. April. Abgedruckt in der Amtlichen Sammlung der Akten der helvetischen Republik IV, Nr. 14. Massena erklärt darin: „Je vous declare en consequence que des ce moment je rends responsables les communes des evenements de quelque nature qu'ils soient, qui se passeront sur leur territoire contre les Francis. Je vous declare en outre que des colonnes frangaises marcheront avec rapidite sur les cantons des mouvements d'insurrection se manifestent, et qu'ils seront detruits par le feu et le fer."

110 (S. 75). Joh. Konrad Hotze, von Wm. Meyer, a. Stadtrat von Zürich. Zürich 1853, S. 255 ff.

111 (S. 76). Roverea, F. de, Colonel, Memoires, edition C. de Tavel. Berne, Zürich, Paris 1848, tome II, 131.

112 (S. 76). Ueber den Aufstand in Uri berichtet ausführlich der bereits im Vorworte angeführte Dr. F. Lusser.

113 (S. 77). Soult an die Schwyzer, aus Einsiedeln den 2. Mai. In der Amt- lichen Aktensammlung der Helvetik IV, Nr. 165.

114 (S. 77). Memoires du Marechal-General Soult, Duc de Dalmatie. Publies par son fils. Tome II, 65 ff. Paris 1854.

115 (S. 80). Bericht von Soult an Massena aus „Ursern" vom 24. Floreal, abgedruckt in den Memoires II, 80. Die Ehre, solche Verschanzungen zuerst errichtet zu haben, gebührt demnach nicht den Nordamerikanern des Bürger- krieges von 1861/65, sondern diesen von Camossi befehligten Aufständischen!

116 (S. 80). Genelin 30 ff. Wie man seitens der Franzosen den Aufstand erfaßte, darüber gibt ein Schreiben von Menard an Massena vom 3. Mai aus Zizers Auskunft. Dasselbe ist bisher ungedruckt und lautet : „Mon general. Je

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vous fais passer copie des deux lettres que je viens de recevoir du general Lecourbe. Vous y verrez sa position. (Diese Schreiben stehen oben Anm. 106.) Je ne suis pas moins embarasse que lui dans le moment. J'ai toute ma troupe apres les insurges, qui comme je Tai marque ce matin au general Ferino, sont venus jusqu*aux portes de Coire, ils ont massaere une compagnie de la 103e demi-brigade qui etait ä Dissentis et se sont servis de leurs armes, ils ont aussi pris une piece de canon que j'avais envoyee au pont de Reichenau. Ils sont au moins au nombre de 6000 hommes, armes de fusils, carabines, fourches et faux. A l'arrivee du renfort que j'ai envoye, ils ont ete repousses jusqu'au pont de Reichenau et j'ai donne l'ordre qu'ils soient suivis jusqu'ä ce qu'ils fussent tous detruits. Ils sont commandes par des anciens militaires et des pretres, tous ä cheval et ä leur tete, j'espere ce soir recevoir la nouvelle qu'il n'en existe plus. Le chef de la 109e demi-brigade commande les troupes que j*ai envoyes ä leurs trousses (?). Ils ont aussi porte 300 ä 400 hommes ä Vättis, ahn de descendre sur Ragatz pour me prendre par derriere, mais j'ai fait passer une compagnie en avant et sur la hauteur de Pfeffers pour leur barrer le passage. Je ne puis en ce moment executer les mouvements que vous m'ordonnez, attendu que toute la troupe que j'ai de disponible est employee h reduire les insurges. J'ignore meine peut s'etre retire le general Lecourbe, j*attends des nouvelles de ce general et aussitöt qu'elles me seront parvenus, je remplirai vos vceux ä l'arrivee des troupes que vous m'annoncez. II ne me reste qua peine les troupes indispensables pour garder le point indispensable de Fläsch, le fort de Luzisteig et la gorge inter- essante de la Landquart, qui est attaquee tous les jours de grand matin et avec des forces superieures."

117 (S. 81). Das Schreiben lautet : „Armee Francaise en Helvetie, 3e division. Liberte Egalite. Au quartier -general de Dissentis, le 23 ventöse l'an YII de la republique francaise une et indivisible. Le general de brigade Loison ordonne ä tous militaires sous ses ordres de respecter les personnes et les proprietes de l'abbaye de Dissentis, dont les peres ont traite avec egard nos blesses et nos prisonniers ; il invite ses camarades les officiers generaux ä donner les memes ordres."

118 (S. 81). „Hardeville bemächtigte sich der Kornkammer des Klosters. Ja er wollte sogar das zur Aussaat bestimmte Korn mit Beschlag belegen, und nur durch die Intervention des Kommandanten von Dissentis, Salomon, konnte das Kloster die Aecker besäen." Genelin S. 33.

119 (S. 81). „Eine eigentümliche Episode . . . ereignete sich in Somvix. Nach- dem der Landsturm vorübergezogen war, sammelten sich dort einige flüchtige Franzosen. Da bewaffneten sich die Mädchen und die Knaben unter 14 Jahren mit Prügeln und Heugabeln, trieben die Franzosen, 11 an der Zahl, in das Thal Rabiusa, umringten sie und hätten sie totgeschlagen, wenn nicht ein alter Mann dazu gekommen wäre und sie davon abgehalten hätte. Sie machten die Franzosen zu Gefangenen und führten sie ins Dorf Somvix ein, wo sie erst noch von den ergrimmten Weibern getötet worden wären, wenn sich nicht der Pfarrer ins Mittel gelegt hätte." Genelin S. 40.

120 (S. 81). „Die Bauern hielten trotz des heftigen Kanonenfeuers stand. Da, mitten im Kampfe, stürzte ein Mädchen, Marie Bühler. mit einem Prügel bewaffnet, aus ihrem Hause, schlug mit dem ersten Streich einen Artilleristen vom Pferde und hieb wuchtig auf die verblüfften nächststehenden Soldaten ein. Die Pferde wurden scheu, es entstand Unordnung unter den Franzosen, die Bauern drangen mit erneuerter Wut auf sie ein, warfen sie aus Ems und ver- folgten die Fliehenden aus Plankis, eine halbe Stunde von Chur entfernt." Genelin S. 44.

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121 (S. 83). Die Berichte hierüber bei Koch, Massena III, S. 241 ff. und bei Mares.

122 (S. 83). „Ein Einwohner von Inda (Inden), Heinrich Camenzind, von Gersau gebürtig, wurde auf einer Schlachtbank gemordet, weil er den Weg nicht anzeigen wollte, durch den die Walliser jenen nächtlichen Ueberfall (ob Inda) unternommen hatten. Die helvetische Regierung mußte durch einige hundert Berner die Ernte im Wallis besorgen lassen, weil die Einwohner sich vor ihren grausamen Besiegern geflüchtet hatten." Ebel III, 88.

Karten: Topogr. Karte Bl. XIV. XV. XVII. XVIII. XIX. Topogr. Atlas Bl. 398. 411.491. 503.

III. Der Verlust des Gotthard.

123 (S. 85). Die beiden miteinander gewechselten Schreiben lauten nach dem Feldtagebuch : „Le Prince Rohan, general-major, commandant de l'ayant- garde de l'armee de sa majeste l'empereur et roy, ä monsieur le general Loison, commandant des troupes frangaises, ä Bellinzona. Vous n'ignorez pas, monsieur le general, que vous etes entoure de toutes parts, que non seulement les troupes de sa majeste l'empereur ont force la pluspart des places d'Italie ä se rendre,. mais qu'elles sont aux portes de Turin; que partout les peuples se levent en armes contre l'armee fran^aise. Voulant epargner l'effusion du sang qui ne pourrait changer la position vous vous trouvez, je vous somme de vous- rendre prisonnier de guerre avec les troupes que vous commandez. Je vous- accorde im delai de 48 heures, vous pouvez m'envoyer un officier de confiance avec lequel je puisse traiter. Je vous observe cependant que cette capitulation n'aura lieu qu'autant que le general de division Lecourbe partagera votre sort avec les troupes ä ses ordres. Recevez, monsieur le general, l'assurance de ma consideration distinguee. Signe: Le Prince Rohan."

„Du quartier -general ä Bellinzona, le 24 floreal an 7 de la republique francaise (13 mai 1799). Le general de division Lecourbe au prince de Rohan, general-major, commandant de l'avantgarde de l'armee autrichienne. Le general Loison m'a communique votre lettre, monsieur le general, par laquelle vous lui donnez un delai de 48 heures pour se rendre votre prisonnier avec les troupes qu'il commande, pourvu toutefois que je partage son sort. Tour vous eviter la peine de venir me chercher, je vous previens, monsieur le general,. que je vais me rapprocher de vous. Veuillez vous dispenser ä l'avenir de m'en- voyer des sommations aussi ridicules. Signe: Lecourbe."

124 (S. 87). Miliutin II, 78, Nr. 413. Die österreichischen Quellen geben 460—500, das Feldtagebuch nur 168 Gefangene an.

125 (S. 91). Wichtig für die Beurteilung der Charaktere von Hotze wie von Roverea sind die Erinnerungen eines bernischen Offiziers aus dem Feldzuge von 1799. Nach dem Tagebuche des Georg Friedrich von Werdt zu Toffen (1780—1826) abgedruckt im Berner Taschenbuch von 1863. Bern 1863. Edition L. Lauterburg. Der Verfasser trat Anfang 1799 (März) in die Compagnie Courten des Regiments Roverea ein, welche damals in Feldkirch lag. Trotz seiner nur achtzehn Jahre wurde er doch sogleich Oberlieutenant. Er schreibt u. a. : „Ich fand sie in einem sehr traurigen Zustande ; es waren 80—90 zusammengeraffte Bauern, deren jeder 30 Kreuzer Bezahlung hatte, ohne Disziplin und Kenntnis

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des Kriegsdienstes. Der Hauptmann war ein junger Mensch, der sich gar nicht getraute, die Kerls zu formieren. Ich formierte sie zuerst, teilte die Compagnie in Plotons, ernannte Unteroffiziere und führte aufs wenigste soviel Suhordination ein, daß dieselben als Milizsoldaten betrachtet werden konnten. . . . Den 25. (Mai) marschierte die Kolonne ins Klönthal. (Die Datierung ist hier irrig !) Sie bestand aus 800 Mann Schweizern, 400 Kaiserlichen und einiger Landmiliz von Glarus und der umliegenden Gegend. (Roverea zählt je 600 Schweizer und Kroaten auf.) Oberst von Roverea kommandierte die Operation. Dieser Mann hatte durch die Bravour seiner Truppen das Glück gehabt, sich die Reputation eines braven Kriegers zu erwerben, wobei ihm seine Intriguen mithalfen. Er vereinigte mit vielem Witz einen unbeschränkten Ehrgeiz. Da er in Frankreich im Regiment Ernst als Subalternoffizier nur zwei Jahre gedient und sich sonst mit dem Militärdienst nicht abgegeben hatte, so war es nicht möglich, in einem so kurzen Zeiträume die Pflichten eines Befehlshabers in Kriegszeiten zu er- lernen. Zur Zeit der helvetischen Revolution spielte er, obschon nach seinem eigenen Geständnisse seine Grundsätze sehr in einem Doppellichte erschienen, die Rolle eines Chefs ausgewanderter Waadtländer und stieß dadurch die neue helvetische Regierung vor den Kopf, der er, als sie noch ein Komite in Lausanne gewesen, seine Dienste angeboten hatte ; er ward dann genötigt auszuwandern. Beim Anfange des Krieges erhielt er, indem er sich beim Schultheißen von Steiger einzuschmeicheln wußte, die Stelle des Chefs des Emigrantencorps. Als solcher ward ihm die Führung der nach dem Pragel vordringenden Kolonne zu teil. Man kann sich leicht denken, daß er, der dazu noch sehr von sich ein- genommen war, nichts anderes als Fehler beging und seine Leute aufopferte. Daß diese Operation unglücklich endete, erklärt sich daher von selbst. Er entwarf einen Plan, die Franzosen im Muotathal anzugreifen, ohne sich im geringsten mit den anderen Generalen zu verständigen, ohne Kenntnis des Landes, ohne Vorsichtsmaßregeln, falls wir uns retirieren müßten, und ohne Anstalt zur Versorgung der Truppe mit Lebensmitteln im Falle einer starken Vorrückung. Wir marschierten den 25. über Klönthal nach dem Pragel und kamen in der Nacht nach einem zehnstündigen Marsche oben auf dem Berge an, von wo wir, ohne zu rasten, im tiefen Schnee, auf einem Fußpfade, den nur einer nach dem andern passieren konnte, nach dem Muotathale hinunter marschierten, um mit Tagesanbruch die Feinde daselbst anzugreifen. Wir langten daselbst 3 Uhr morgens den 26. an, attaquierten, ohne vorherige Rast und ohne uns zu formieren, den Feind in der größten Unordnung, warfen ihn, machten 150 Gefangene und jagten ihn, obwohl er bei 3000 Mann stark war, bis zwei Stunden vor Schwyz. Mit diesem Vorteile hätte sich Roverea begnügen und in Muota, welches eine gute Lage hat, und auf den Anhöhen hinter dem Dorfe aufstellen sollen, da 5 Bataillone Franzosen in Schwyz lagen, die Feinde sich somit verstärken und uns jede Stunde mit größter Uebermacbt angreifen konnten ; allein ungeachtet der Räte seiner Offiziere befiehlt er anzugreifen und trifft seine Dispositionen auf eine so ungeschickte Art, daß unsere Vorposten nebst einer Abteilung, welche die Avantgarde bildete, so im Thale zu stehen kamen, daß die Feinde die Anhöhen hinter uns besetzen und uns von Muota abschneiden konnten. Der Feind, seinen Vorteil benützend, kommt uns zuvor, attaquiert uns den 27. in der Frühe mit aller Macht, nimmt uns das detachierte, 400 Mann starke Corps gefangen und schlägt uns so zurück, daß unsere Retirade eine Flucht und keine militärische Bewegung war. Der Oberst, welcher seinen begangenen Fehler zu spät einsah und über welchen die Offiziere aufs äußerste erbittert waren, verlor ganz den Kopf und war der erste, welcher die Flucht ergriff. Im Klönthal erst sammelten wir uns wieder und nahmen eine Stellung, um Glarus zu decken."

Aehnliches berichtet Oberstlieut. v. Kirchberger, Beiträge zum Feldzuge von 1 799, in der Eidg.Ztg. 1862, Nr. 96. 103. 108, und C. F. v. Tscharner, Die Schweizer- Legion Roverea und deren erste Gefechte, im Berner Tagbl. 1894, Nr. 248. 250. 253

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126 (S. 92). Nämlich Karl Ludwig von Haller -Königsfelden, der spätere Geschichtsforscher (vergl. die Biographie Hallers im Schweiz. Geschichtsforscher Bd. X, S. 466), und Imthurn von Schaff hausen. Roverea (II, 140) gibt die Zahl von 140 gefangenen Kroaten und 14 Schweizern an.

127 (S. 92). Roverea (II, 147) erzählt, er habe am 2. Juni eine Erkundung auf dem Urnerboden vorgenommen. Von den angeblich hier befindlichen 2000 Glarner Milizen (besser gesagt Landstürmern) sei die Hälfte überhaupt abwesend gewesen, die anderen „chacun bon semblait." (II, 148.) „J'exhortai leurs superieurs qui la plupart avaient ete officiers dans les Services etrangers, ä user de severite pour le maintien de l'ordre; ils me repondirent ingenüment qu'ils n'oseraient, dans la crainte d'etre assommes en rentrant chez eux."

128 (S. 93). Lecourbe schreibt im Feldtagebuche: „Les trois compagnies marcherent au pas de course, sans tirer un seul coup de fusil et sans considerer qu'ils attaquaient une masse de 3000 ä 4000 hommes et qui, entasses dans un chemin creux et deconcertes d'une teile audace, tournerent le dos."

Bei dieser Gelegenheit zeigte der Grenadier Mesnard von der 4. Compagnie I./109. Halbbrigade die höchste Aufopferung. Er tötete einen Offizier und nahm einen andern gefangen. „Le general Lecourbe, pour lui temoigner sa satis- faction, ne pouvant l'elever en grade, parce qu'il etait analphabete, lui donna une gratification." (Aus dem Feldtagebuch.)

Die amtlichen Berichte über dieses Gefecht findet man bei Mares und in der Oesterr. Milit. Zeitschrift 1812, II.

129 (S. 93). „Als Hadik von der Niederlage St. Juliens hörte, verlor er in dem Grade den Kopf, daß er das erste ihm zu Gesicht kommende Kommando von 30 Husaren seiner Avantgarde zu Hülfe schickte, um den Gebirgspaß zu verteidigen." Miliutin II, 123.

130 (S. 99). Hier mögen noch einige Zeitungsnachrichten jener Tage folgen, die deutlich die Sachlage schildern:

Beilenz, 19. Mai. Gegen den 16. sammelten sich 16 000 Franken bei Giubiasco und zur nämlichen Zeit vermehrten sich auch die Oesterreicher in Lauis. Den 17. griffen die Franken bei Taverne mit einer Halbbrigade an, machten bei 400 Gefangene, töteten oder verwundeten viele, verloren aber ebenso viele Gefangene. Den 18. war auf dem Monte Cenere ein zweites Gefecht mit großem Verlust von beiden Seiten. Auch im Misoxerthal soll ein Treffen vorgefallen sein, bei welchem die Kaiserlichen 900 Gefangene gemacht haben. Folgendes ist das Gemälde vom gegenwärtigen Zustande der Schweiz : „Der Zustand unseres Landes ist erbärmlich. Erpressungen, Plünderungen, Räubereien, Grausamkeiten, Gewalttaten, Verwüstung der Weinberge und Felder, Wegtreibung des Viehes, Beraubung des Geflügels, Erbrechung der Keller und Vorratsräume, die Entweichung der meisten Einwohner in die Ge- birge, Familien in Verzweiflung herumirrend, ohne Brot, ohne Lebensmittel, die Häuser voll Soldaten, für die kaum Unterhalt aufzutreiben ist."

Augsburg, 10. Juni. Ein Amtsbericht von General Bellegarde liefert folgende Umstände über die Einnahme vom Gotthard und der Teufelsbrücke. Der Feind verstärkte sich nach dem am 27. Mai erlittenen Verlust den folgenden Tag mit frischen Truppen und schien den wichtigen Posten von Airolo und vom Gotthard behalten zu wollen. Ihn aus seinen Stellungen zu sprengen fand der Generallieutenant von Hadik es für gut, noch denselben Tag ihn anzugreifen. Er führte den Angriff gegen Abend mit drei Kolonnen aus und verdrängte den Mittelpunkt des Feindes mit dem Bajonette und etwelcher Reuterei, daß die Feinde mit einem beträchtlichen Verluste von Toten, Verwundeten und Ge- fangenen fliehen mußten. Ungeachtet der anbrechenden Nacht verfolgte man sie bis zum Spital, und der Rückzug würde ihnen bei Airolo abgeschnitten

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worden sein, wenn die linke Kolonne unter dem Befehl des Prinzen von Rohan nicht durch die vom Feinde abgeworfenen Brücken gehindert worden wäre, zur rechten Zeit einzutreffen. Zu Airolo fanden die Oesterreicher ein beträcht- liches Magazin von Reis und anderen Lebensmitteln und eine Menge von Kauf- mannswaren, welche der Feind teils in Beschlag genommen, teils an anderen Orten geraubt hatte. Indessen rückte bei Anbruch des folgenden Tages der Graf von St. Julien mit seiner Brigade gegen die Teufelsbrücke, nahm sie weg und machte viele Gefangene. Der Feind mag innert den drei Tagen bei 600 Tote und Verwundete und bei 4000 Gefangene verloren haben.

Luzern, 13. August. Lecourbe soll die Oesterreicher, die im Kanton Uri liegen, über einen Teil der Gletscher umgehen, bei Ursern vordringen und sie samt und sonders in dem Rücken packen; dazu werden 200 Schlitten zurecht gemacht und schlittförmige Lafetten verarbeitet. Bis man bei Ursern vorge- drungen ist, werden zur See falsche Angriffe gemacht werden; vor einigen Tagen haben die Franken den Flecken Flüelen vom See her in einen Aschen- haufen verwandelt.

Haslithal, 15. August. Anfangs dieser Woche vermehrten sich die Franken bei uns bis auf ungefähr 6000. Vorgestern Abend verreiseten sie nach Gadmen und Guttannen, um die Kaiserlichen gestern im Wallis und gegen Uri anzu- greifen und soeben erhalten wir den bestimmten Bericht, daß sie in Schwyz und Uri eingerückt seien. Am letzteren Orte seien viele bewaffnete Bauern gefangen und niedergemacht worden. Auf der Grimsel währte gestern das Gefecht neun Stunden lang. Endlich erstiegen die Franken den Berg im Sturm- marsch. Tote und Blessierte auf beiden Seiten etwa 100 Mann. Nach heutigen Berichten soll das Wallis nun von den Kaiserlichen geräumt sein und die Franken sollen sich von unten und oben vereinigt haben.

Die Franken haben am 13. die Verschanzungen am Simplonberge erobert. Seither schlug man sich ohne Aufhören, bis es den 15. nach einem harten Widerstand den Franken gelang, den Berg zu umringen, sich desselben zu bemächtigen und die kaiserlichen Truppen, welche ihn besetzt hielten, gefangen zu nehmen. 180 der letztern sind bereits eingetroffen.

Luzern, 16. August. Am 13. abends schiffte Lecourbe noch zehn Grenadier- Compagnien mit vielem Kriegsgeräte ein; er selbst verreiste um Mitternacht. Die zehn Compagnien fuhren auf die Höhe von Gersau, ein Teil wurde dort ans Land gesetzt, der andere schiffte nach Brunnen, und Lecourbe an die Treib. Mittwochs, schon bei anbrechendem Tage, hörte man fürchterlich die Kanonen donnern rings um den Waldstättersee, von Kindlismord bis auf Flüelen. Den ganzen Morgen dauerte dieses infernale Gebrüll, als ob Himmel und Erde darüber hätten einstürzen können. Gegen nachmittags 3 Uhr brachte man über Wasser einige verwundete Franzosen, eine Stunde nachher mehrere und späterhin ein ganzes Schiff voll. Xun endlich vernahmen wir mit Gewißheit, daß auf allen Punkten angegriffen worden und das Gefecht bei Brunnen weit am hart- näckigsten gewesen. Die Oesterreicher hatten dort zwei Batterien angebracht, die erbärmlich auf die französischen Schaluppen, Flötze feuerten. Eine Kolonne, die sie über Land in der Flanke angriff, brachte sie endlich zum Schweigen. Die Truppen landeten und halfen noch ihren Kameraden das vor etwa fünf Wochen geplünderte Brunnen plündern. Oesterreicher waren sehr wenig im Gefecht, aber desto mehr Bauern, und die haben aufs hartnäckigste drei Stunden lang gestritten ; es sollen viele von ihnen geblieben sein. Sie erhielten keinen Pardon. So viel gefangen wurden, so viel wurden erschossen. Auch die Franken haben stark gelitten. Unser Spital ist von blessierten Soldaten angepfropft und im Jesuitenkollegium liegen die Offiziere. Tote zählen sie eine Menge, General Oudinot und ein anderer sind hart verwundet. Die Einwohner von Schwyz haben sich mit ihrer Habe in die Berge geflüchtet, selbst im Flecken Schwyz blieb der Rößliwirt einzig zurück. Bei Rapperswyl und in derselben Gegend ward bis abends 1 0 Uhr gefachten. Lecourbes Plan war dieser : General Gudin

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drang über Brienz und Guttannen gegen Wasen vor, Loison marschierte von Stanz und Seelisberg nach Altdorf, Boisvin von Arth aus auf Brunnen und Schwyz, unterstützt von dem See her von Lecourhe. Chabran zog von Zug nach Einsiedeln und von da über den Etzel nach dem Zürichsee. Auf allen Punkten siegten die Franken. Lecourbe hat sein Hauptquartier von Luzern nach Altdorf verlegt.

Luzern, 23. August. Heute soll der Freiheitsbaum im Flecken Schwyz wieder aufgerichtet werden. Von ungefähr 3500 Aktivbürgern, die zu diesem Distrikt gehören, sind 10—15 Individuen anwesend; die übrigen, Greise, Männer samt Weibem und Kindern, haben sich beim Anrücken der Franken über den Pragel nach Glarus und von da nach Wallenstadt geflüchtet.

2. Oktober. Vorige Woche sind die Franken auf dem Gotthard von den Russen angefallen und nach einem fürchterlichen Gefecht, das bis in die Nacht dauerte, verjagt worden. Viele Franken haben bis 80 Patronen verschossen. Noch stunden sie zum Steg und bei Wasen, so daß das Passage durch Uri den Russen noch nicht offen war. Aber gleich darauf sollen die von allen Seiten andringenden Russen die Franken von allen ihren Posten verjagt haben und Meister von Uri, vielleicht auch von Glarus geworden sein. Die Franken zogen sich über die Furka ins Wallis zurück, wo nach neueren Berichten die Kaiser- lichen bis Siders vorrückten.

Schwyz, 23. November. Welch ein Elend herrscht noch am Gotthard überall ! Im Dorf Hospenthal liegen noch 20 Personen krank, einige sind seit kurzem wieder gestorben. In Realp greift die Krankheit ebenfalls wieder um sich. In Göschenen liegen 25 Personen darnieder. In Realp, das 15 kleine Häuser hat, die ungefähr von 180 Menschen bewohnt sind, stehen zwei Compagnien Soldaten. Tote, Kranke, Gesunde, Soldaten wohnen in einer sehr kleinen Stube beisammen, und oft liegen die Kranken in eiskalten Kammern, damit die Soldaten warme Wohnstuben haben. Hospenthal hat 35 Häuser und sechs Compagnien zur Einquartierung. Urseren mit 70 Häusern muß fünf Compagnien halten und außerdem noch Bäckerei, Metzge, Ambulance und einen Troß von Eseltreibern.

Altdorf, 1. Dezember. Im Thale von Urseren liegen noch immer 13 Com- pagnien, die nun, was das Aergste ist, schon seit drei Tagen ohne Fleisch und Brot sind. Die armen Einwohner müssen die Soldaten ernähren. Diese Unglücklichen, welche zwei Drittel ihres Viehes verloren haben, besitzen nur noch wenige gute Milchkühe. Sollten sie diese noch liefern müssen oder durch den Raub verlieren, so bleibt den Elenden wahrhaftig nichts als Verzweif- lung übrig.

Peri, Pietro, Storia della Svizzera Italiana, II. ediz., Lugano 1866, S. 144 ff. erzählt, daß Bürger der Gemeinde Quinto (Leventina) am Sonntag den 28. April die Fuhrwerke der Division Lecourbe auf der Straße zwischen Fiesso und Ambri infer. angegriffen hätten. Ein Stabsschreiber, die Wagenwachen und eine kleine Abteilung Kanoniere wurden gefangen und mißhandelt. Die Gemeinde Quinto zeigte derjenigen von Faido sogar das Geschehnis mit triumphierenden Ausdrücken an. Hierauf zogen 400 Aufständische aus der ganzen Leventina unter Euhrung des noch nicht zwanzig Jahre alten Giuseppe Antonio Camossi den Urnern zu Hülfe. Bei dem Gefechte auf der Höhe des Gotthard-Passes verloren die Leventiner 34 Mann an Toten, von denen 28 aus Airolo selbst waren. Quinto, Faido und Giornico erlitten dann am 18. Mai durch die Division Lecourbe eine Brandschatzung von je 5000 Franken.

Die Brigade Rohan, welche am 10. Mai abends in Lugano einzog, wurde dort allgemein mit den Rufen: „Viva Francesco IL! Vivano i nostri liberatori!" empfangen. Zuerst fiel der Freiheitsbaum, welcher 3000 Lire gekostet hatte. Dann forderten und erhielten die neuen „Befreier" in 4 Tagen 15 800 Rationen ohne das Pferdefutter; die Kosten betrugen überhaupt bis zum 21. Mai über 40 000 Lire. Zudem mußten sämtliche Seebarken bis auf fünf nach Capolago

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geliefert werden. Der seit der Gegenrevolution vom 28. /29. April im Stadt- gefängnis sitzende helvetische Militärinspektor Major Mayer von Trimmis (Grau- bünden) kam am 15. Mai nach Ungarn auf die Festung.

An dem Gefechte vom 17. Mai auf dem Monte Cenere nahm auch, als Reserve der Brigade Strauch, das von dem bekannten altgesinnten Posthalter Rossi befehligte „Corpo scelto" teil.

Karten : Topogr. Karte Bl. XIII. XIV. XVIII. XIX. XXIV. Topogr. Atlas Bl. 263. 394. 398. 399. 407.

IV. Die Ereignisse während der Waffenruhe.

131 (S. 105). Xach Dedon (S. 22) ließ Luzern eine Art von Kanonierflößen, erstellen und durch schiffartsgeübte Bürger bemannen. Dazu trat das große Schiff, die „Länder-Baue" genannt, dessen Ausrüstung nebst sechs weiteren Schaluppen das helvetische Direktorium durchführte. Lecourbe wird auch noch andere Xauen und Schiffe der Ufergemeinden genommen und für seine Zwecke dienstbar gemacht haben. Befehlshaber der Flottille auf dem Vierwaldstättersee im Sommer 1799 waren der französische Geniehauptmann Henri Chapel und der Infanteriehauptmann Schumacher aus Luzern.

Das Feldtagebuch schreibt über diese Angelegenheit unterm 21. Thermidor (11. Juli) : . . . Du moment de son arrivee ä Lucerne (Lecourbe), sentant la necessite d'etre maitre du lac, il mit tout en usage pour faire construire des chaloupes canonieres qui du moment qu'elles furent jetees ä l*eau, allaient croiser pres de Fluelen. Cette invention rendit les plus grands Services au general Lecourbe, en ce que par les croisieres continuelles sur le haut lac toute communication entre Fluelen et Bauen etait interceptee."

132 (S. 106). Gudin entstammte dem kleinen Provinzadel. Geboren 1768 zu Montargis, war er Mitschüler von Xapoleon, 1784 Unterlieutenant im Infanterie- regiment Artois, 1791 Lieutenant. Xach dem Feldzuge auf St. Domingo Adjutant, forderte er 1793 enttäuscht seinen Abschied. Der bekannte Gerard hielt den jungen Mann von diesem Schritte zurück und wirklich erfolgte schon 1794 die Ernennung zum Generaladjutanten, 1795 die zum Brigadechef und Chef des Generalstabes im Corps des Generals Gouvion St. Cyr. Im Februar 1799 Brigade- general, 1800 Divisionär, wird er auch rühmlich in den FelcLzügen von 1806/1807 und 1809 (Wagram) genannt. Bei Volutina-Gora tödlich verwundet, starb Gudin tief betrauert vom Kaiser am 22. August 1812 zu Smolensk.

133 (S. 106). Zu diesen Aenderungen bemerkt Lecourbe im Feldtagebuch : „Par la position qu'avait pris le general Lecourbe sur les hauteurs de Bauen et de Seelisberg et en occupant tous les sommets des montagnes sur la rive gauche de la Reuss et du lac de Waldstetten, il s'etait conserve la facilite de deboucher quand il le voudrait dans la vallee de la Reuss. . . ."

134 (S. 107). Lecourbe bemerkt im Feldtagebuche: „Le succes de cette journee est du ä l'intrepidite et au courage du capitaine Duchet qui, avec 40 hommes, arreta l'ennemi pendant 4 heures sur les hauteurs de Bauen et donna le temps aux 4 compagnies d'arriver ; le brave officier prit alors le commande- ment et enfonga l'ennemi de toute part. Le general Lecourbe l'a nomme chef de bataillon sur le champ de bataille."

Karten : Topogr. Karte Bl. XIII.

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V. Die Wiedereroberung des Gotthard.

135 (S. 109). Die in diesem Abschnitte behandelten Ereignisse beleuchtet ausführlich Prof. Dr. Meyer v. Knonau, Die kritischen Tage des Gebirgskampfes im Koalitionskriege 1799, abgedruckt im VII. Bande der Neuen Alpenpost, Zürich 1878, S. 78. 89. 99. 109. 118 ; sowie im Neujahrsblatt der Zürcher Feuer- werkergesellschaft von 1887. Diese Arbeit stützt sich auf die vornehmsten gedruckten Quellen.

136 (S. 111). Dieser Feldzugsplan, datiert vom 27. Thermidor (14. August), findet sich bei Jomini (Pieces justificatives Nr. 2, im IV. Bande der belgischen Ausgabe) und bei Clausewitz (II, 56).

137 (S. 113). Einzelne Ausgaben behaupten, die Brigade Boivin sei in diesen Tagen von General Molitor befehligt worden. Das Feldtagebuch weiß jedoch nichts von der Aenderung in der Person des Führers, es erwähnt Molitor erst unter dem 28. August. So darf also wohl angenommen werden, daß Boivin an jenem Tage die Brigade des linken Flügels wirklich führte.

138 (S. 115). Nach einer im Thale erhaltenen Ueberlieferung wäre der Sturm erst beim dritten Anlaufe gelungen und nicht ohne erhebliche Verluste geglückt.

139 (S. 116). Hierüber besonders: Lohbauer, R., Prof., Der Kampf auf der Grimsel am 14. August 1799, Bern 1838. Die kleine Arbeit ist darum von Wichtigkeit für die Darstellung der Ereignisse, weil Lohbauer noch die Er- zählungen von Augenzeugen zu verwerten vermochte und es auch wirklich that, freilich in der denkbar schwülstigsten Sprache, welche jene romantische Zeit „bilderreich" nannte.

140 (S. 117). Warum nennt Lohbauer den Fahner einen Verräter ? Er ge- hörte keinem der kriegführenden Staaten an, war dagegen ein Günstling der Franzosen und mußte diesen unfreiwillig Führerdienste thun. Fahner scheint ein mindestens recht kindlich denkender Mensch gewesen zu sein, sonst hätte er doch wohl die Bitte in Bezug auf den Räterichsboden nicht gestellt.

U1 (S. 122). Der Bericht von Lecourbe über die Ereignisse der drei Tage bei Bousson 214 ff., Nr. 48. Er ist an Massena gerichtet und vom 30. Thermidor (17. August) aus Altdorf datiert.

142 (S. 124). Gabriel-Jean-Joseph, Graf Molitor wurde am 7. März 1770 zu Hayange im Mosel-Departement geboren. Er war also ein Welschlothringer. Für die Revolution begeistert, begann er seine militärische Laufbahn als Capi- taine eines Freiwilligenbataillons (1792). Anfang 1799 erstieg er den Grad des Brigadegenerals. Im Jahre 1800 befehligte Molitor eine Division im Corps Lecourbe, die, als „Flanqueurs de droite" bezeichnet, gegen Vorarlberg handelte und die Besetzung von Bünden durchführte. Molitor trat 1805 in Dalmatien, 1807 in schwedischen Gebietsteilen mit vieler Auszeichnung auf. Der Kaiser belohnte ihn auch mit dem Grafentitel. Am 19. Mai 1809 säuberte er die Lobau von den Kaiserlichen und leistete erfolgreichen Widerstand bei Aspern. In den folgenden Jahren, als Gouverneur in Hamburg wie in Holland, sorgte er sehr für seinen eigenen Nutzen. An den hundert Tagen nahm er nicht teil, dagegen beendete er 1823 den spanischen Krieg und empfing vom Könige die Pairs- würde und den Marschallstab. Ein eigentliches Amt übernahm er damit nicht, sondern lebte ziemlich zurückgezogen schriftstellerischen Arbeiten, welche im Spectateur militaire nach und nach erschienen. Erst 1847, zum Gouverneur des Invalidenhauses und 1848 zum Großkanzler der Ehrenlegion ernannt, trat

Günther, Feldzug 1799. 14

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er wieder mehr in die Oeffentlichkeit, starb jedoch bereits am 28. Juli 1849 zu Paris. Im Jahre 1815 war es Molitor, welcher seinen alten Vorgesetzten, den Generallieutenant Lecourbe, dem Kaiser vorstellte.

Karten: Topogr. Karte Bl. XIII. XIV. XVIII. Topogr. Atlas Bl. 393. 394. 397. 398. 403. 407. 411. 490. 494.

VI. Suworoff.

143 (S. 128). Einen Beitrag zur Geschichte dieses Feldzuges und zur Kritik seiner Geschichtsschreiber gibt Dr. Otto Hartmann in : Der Anteil der Russen am Feldzuge von 1799 in der Schweiz, Zürich 1892.

144 (S. 145). Hier einige Lebensbilder der Gehülfen. von Suworoff: Andrej Grigorewitsch Rosenberg wurde 1740 geboren und entstammte dem

Adel Kurlands. Seit 1753 Soldat, stieg er 1757 infolge seines Verhaltens in der Schlacht von Groß- Jägerndorf zum Fähnrich auf, bei Kunersdorf 1759 erhielt er den Grad eines Unterlieutenants. Bei Tscheme im ersten Türken- kriege Capitainelieutenant in der Garde, 1775 Oberst, 1782 Generalmajor, 1790 Generallieutenant, 1797 General der Infanterie, 1800 Gouverneur von Kamenz- Podolski, 1803 von Cherson, 1805 verabschiedet, gestorben 1813.

Otto Wilhelm Christorowitsch Derfelden (eigentlich von der Felden) ent- stammte dem esthländischen deutschen Adel und ward 1735 geboren. Von Kor- poral (1754) im Leibgarde-Kavallerieregiment stieg er 1775 zum Oberst, 1777 zum Generalmajor, 1784 zum Generallieutenant auf. Suworoff zeichnete ihn nach der Schlacht am Rimnik ganz besonders aus und nahm ihn 1794 nach Polen mit, worauf Derfelden 1795 General der Kavallerie ward. Er galt als der eigentliche Nachfolger und Stellvertreter des Oberfeldherrn im Kriege von 1799. Schon 1800 verabschiedet, starb er im Oktober 1819.

Maxim "Wassiljewitsch Rehbinder, geboren 1730, war noch 1750 gemeiner Soldat, er fand aber in den Türkenkriegen Gelegenheit sich auszuzeichnen. Plötzlich erlangte er auch die Gunst des allmächtigen Potemkin, wurde 1787 Oberst, das Jahr darauf Generalmajor, 1799 Generallieutenant. Rehbinder fand bei seinen Truppen eine schwärmerische Verehrung und hieß bei ihnen „Vater."

Fürst Peter Iwanowitsch Bagration aus Grusien, geboren 1765. Von 1782 an in russischen Diensten und zwar als Sergeant im kaukasischen Musketier- regiment. Bereits 1793 Major, nach dem Sturme auf Praga Oberstlieutenant, 1798 Oberst, 1799 Generalmajor, gestorben 1812. Der Liebling von Suworoff.

Michael Andrejewitsch Miloradöwitsch stammte aus Serbien und wurde 1770 geboren. Mit 18 Jahren im Garderegiment Ismailow Sergeant, erhielt er doch gelehrte Bildung auf den Universitäten Königsberg, Göttingen und Straßburg. Darauf besuchte er die Artillerieschule in Metz und nahm 1788 als Lieutenant am Feldzuge gegen Schweden teil. Erst 1796 wurde er Hauptmann, dann auch als ganz besonderer Günstling Pauls, dessen Launen er vorzüglich zu ertragen wußte, Major, 1797 Oberst, 1798 Generalmajor, 1799 in der Schweiz „Dujour- General der Armee" (Generaladjutant). Ein steter Begleiter Suworoffs, wußte er diesen völlig zu gewinnen. Miloradöwitsch war sonst ein ganz gewöhnlicher Streber und Intriguant ohne höhere Einsicht. Er fiel im Feldzuge 1812.

U5 (S. 151). Zu vergleichen: v. Bernhardi, Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Grafen Toll, 2. Aufl., Leipzig 1865, Bd. I. Toll war damals Stabscapitaine im Corps Miloradöwitsch.

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146 (S. 152). Damit stimmt die Anekdote, welche Ebel (II, 51) gibt, schlecht überein : „Als die Russen unter General Suwarow den 25. September liier an- kamen, waren sie dergestalt ausgehungert, daß sie aus Mangel anderer Lebens- mittel ein ungeheures Stück Seife, welches sich in der Vorratskammer des einen Wirtshauses fand, verzehrten und die auf den Böden hängenden ge- trockneten Tierfelle zerschnitten, kochten und aßen." (Damals hatte Andermatt als Gasthäuser die „Drei Könige" und die „Sonne.")

147 (S. 156). Das französische Infanteriegewehr Mod. 1777 besaß ein Kaliber von 18 mm. Von 200 Schüssen trafen bei Friedensübungen auf 75 m 145, auf 150 m 97, 225 m 56, 300 m 32, 375 m 10 Schüsse eine große Kolonnenscheibe.

148 (S. 156). Das Feldtagebuch enthält folgenden Eintrag von der Hand Lecourbes: „Nos troupes furent obligees d'abandonner le trou d'Ury et d'abattre le chemin adosse ä la montagne d'Joch pres le Pont du Diable pour contenir la masse de Tennemi, ses tirailleurs se porterent apres avoir passe la Reuss, sur le sommet de cette montagne le combat s'engagea vivement." Diese allgemein gehaltene Beschreibung besagt nicht viel. Daß um das Urnerloch in der von Miliutin angenommenen Weise gekämpft worden sei, läßt sich aus dieser Angabe sicher nicht entnehmen. Was Lecourbe unter „Joch-Berg" ver- steht, ist wohl der stufenartige Abfall des Gütsch bei der Brücke, also das rechte Reußufer. Von dort kann man nämlich auf 120— 200 m Entfernung die Stellung auf dem Teufelssteine unter eine Art von Flankenfeuer nehmen. Ein Teil der Russen hat ganz sicher diesen Vorteil benutzt, nachdem die Kameraden den Fluß überschritten. Ein Gefecht entspann sich hier, aber es war lediglich ein Feuergefecht und zwar immer auf größere Entfernung für die damalige Infanteriebewaffnung. Entscheidend wirkte demnach auch diese Bewegung keinenfalls.

Der „zähe Widerstand" der Franzosen an der Teufelsbrücke, auf ' den mehrfach bei der Besprechung jener Vorfälle verwiesen wird, wurde weit weniger durch die „taktische Umgehung" der Russen als durch die „strategische Um- gehung" der Oesterreicher unter Auffenberg, welche zu Entsendungen nötigte, gebrochen.

149 (S. 160). Oberst Tiesenhausen beschrieb in seinem späteren Alter die Erlebnisse aus diesem Feldzuge. Vergl. Archiv des historischen Vereins des Kantons Bern S. 536.

150 (S. 161). Bousson 228, Nr. 56.

151 (S. 163). Das Feldtagebuch erklärt den großen Verlust der Russen mit den Worten: „Aucun Russe n'ayant voulu se rendre, plusieurs furent tues ä coup de bajonette."

15! (S. 163). Bousson 228 ff., Nr. 57—60.

153 (S. 166). Am 6. September 1894 wiederholte die kombinierte XV. Brigade bei sehr schlechter Witterung den Marsch der Russen über den Kinzig-Paß. Die Spitze dieser Truppen gelangte, einschließlich der für die Gefechtsübung dienenden Zeit, in 11 Stunden von Spiringen nach Muotathal.

154 (S. 169). Bousson S. 222, Nr. 50/51 ; S. 229/230, Nr. 57. Lecourbe an Massena aus dem Bivouac an der Seedorfer Brücke vom 5. Vend. (27. Sept.) : „Je reeois ä l'instant une depeche du general Molitor qui m'annonce la triste nouvelle qu'un bataillon et demi de la 76e a ete pris en entier, avant-hier, dans le Klönthal (Sernfthal). D'apres mes ordres, le general Molitor l'avait envoye sur Flims; il devait arriver le trois sur Wichlen, et me joindre le lende- main sur Ilanz." Boillot 195, Anm. 1 gibt das Schreiben von Lecourbe aus

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Altdorf an Molitor, vom 1. Vendemiaire, welches die näheren Anordnungen fin- den Marsch gibt.

Erzherzog Karl behauptet, daß die Oesterreicher am Wichler Bad 2 Ba- taillone gefangen genommen hätten. Es waren aber nur l'/a, wenn die Angabe von Lecourbe richtig ist. Im Texte dieser Arbeit ward kurz von „1 Bataillon" gesprochen, da die Truppe gewiß nicht stärker war.

155 (S. 170). Am 29. September sendete Suworoff aus Muotathal einen Bericht über die Ereignisse an Kaiser Franz. Darin heißt es ausdrücklich : „Am 29. erhielt ich vom General Linken die unangenehme Nachricht u. s. w." Beide Führer unterhielten demnach für ein paar Tage wenigstens Nachrichten- verbindung. Der erwähnte Bericht ist abgedruckt bei Fuchs III, 348.

156 (S. 171). Auf die Stimmung des Marschalls in dieser Stunde wirft die Erzählung von Bagration (Miliutin IV, 99/100) ein grelles Licht.

157 (S. 173). Aus: Wieland, Kriegsbegebenheiten in Helvetien und Bhätien II, 163.

158 (S. 173). Freuler, Kurze Geschichte des veränderten Schicksals und kriegerischen Auftritten, welche den alten Kanton Glarus vom Jahr 1798 bis 1801 betroffen haben. Glarus 1801.

159 (S. 175). In Molitors Bericht heißt es: „...La troisieme demi-brigade helvetique qui a combattu dans nos rangs, electrisee par les Souvenirs de Näfels, a rivalise de valeur avec nos braves." Koch, Massena III, 389 spricht ebenfalls von der III. Halbbrigade : dTzarny (116), ganz im Sinne der neuern französischen Geschichtschreibung, weiß von der tapfern That der Schweizer überhaupt nichts. Dies möchte ja sonst dem Buhme der Franzosen Abbruch thun!

160 (S. 175). Bousson 234—236, Nr. 61/62.

161 (S. 176). Sehr willkommen für die Darstellung dieser Ereignisse ist das Tagebuch der Waldburga Mohr aus den Jahren 1798/1799, abgedruckt im Geschichtsfreund, Mitteilungen des historischen Vereins der fünf Orte, VI, Einsiedeln 1849.

162 (S. 176). Dr. Hartmann S. 135, Anm. 1 findet in den zwei Schreiben von Lecourbe, d. d. 29. morgens 8 Uhr, einen merkwürdigen Widerspruch. In dem einen fordert er Mortier auf, schleunigst Schwyz zu decken, in dem andern, an Soult, sagt er, die 4. Division, eben diejenige Mortiers, sei schon in Schwyz angekommen. Die Briefstelle an Mortier (Bousson 235) lautet nun : „Vous n'avez pas de temps ä perdre pour prendre des dispositions et couvrir Schwitz." Das heißt doch ganz einfach: Beeilen Sie sich mit Ihren Anordnungen und halten Sie Schwyz (wo Sie sich bereits befinden).

163 (S. 177). „Am 1. griffen die Franzosen; bei 10 000 Mann, wie man gesagt, zum Mittag hinter der steinernen Brücke in des Geisers Mattli wieder an; sie schössen erstaunlich viel und das Gefecht war heftig, während dessen noch immer Bussen vom Berg herabströmten. Die, welche um die Brücke schlugen, zogen sich besser in das Thal hinein in die riesigen und stürmten hier auf die Franken ; dann zogen sie sich weiter zurück auf unsere Großmatt, verfolgt von dem beständigen Feuer des fränkischen groben und kleinen Ge- schützes. Endlich liefen die Bussen Sturm auf die Franzosen, etwa 800 Keiter auf den beiden Bergseiten, in der Mitte des Thals das Fußvolk. Die Franzosen wurden geschlagen, sie retirierten über Hals und Kopf, durch die engen Wege, über die steinerne Brücke, wo viele hinabstürzten, teils im Gedränge sich gegenseitig hinabrissen. Das Fußvolk der Bussen verfolgte sie nicht weiter als bis Schönenbuch, die Beiterei aber bis Ibach und darüber hinaus. Da wurden

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11 französische Offiziere, darunter ein General, sein Adjutant, ein Bataillons- kommandant, und 1500 1600 gemeine Gefangene eingebracht u. s. w." Dies die Erzählung von Waldburga Mohr.

„Am 1. Oktober wagte der General Massena mit der Division Mortier und der 67. Halbbrigade von der Division Lecourbe einen zweiten, aber heftigen Angriff auf den General Rosenberg, um Suworows Marsch aufzuhalten und den Kolonnen, die er von allen Seiten gegen ihn heranziehen ließ, Zeit zu ver- schaffen, bei ihren verschiedenen Posten anzukommen. Er besetzte die Höhen links und rechts von diesem engen Thale mit Corps, die seine Bewegung, die er mit einer starken Kolonne machte, die über die Landstraße in den Mittel- punkt des Thaies vorrückte, unterstützen und vornehmlich den Russen in den Rücken zu kommen trachten sollten. Da General Rosenberg diese Absicht wahrnahm, ließ er 5 Bataillone als Reserve, und mit dreien (indem die Breite des Thaies keine größere Fronte zuließ) griff er, von 2 Regimentern Kosaken unterstützt, den Mittelpunkt der Franzosen an. Diesen gab ihr schweres Ge- schütz, welches eine allzu schreckliche Verwüstung anrichtete, anfänglich den Vorteil, nichts konnte aber der Nachdrücklichkeit des russischen Angriffes widerstehen. Drei Kanonen wurden sogleich von den Russen genommen und das Centrum der Franzosen durchbrochen, worauf auch die Seitenkolonneu flohen ; die 67. Halbbrigade war durch ein Mißverständnis aufgehalten worden und hätte um 4 Stunden früher auf dem Schlachtfelde eintreffen sollen. Der General Rosenberg benützte die Verwirrung der Franzosen und verfolgte sie über Schwyz hinaus. Von ihnen wurden an 300 getötet, von den in den Fluß Mutten Gejagten ertranken mehr als 100 Mann, gefangen genommen wurden 70 und verwundet über 1000. Die Nacht unterbrach den Kampf, und die Truppen nahmen ihre vorige Stellung wieder ein." Seida und Landenberg 365.

„Le 1er octobre, Massena fit recommencer l'attaque. Les Russes opposerent encore une grande resistance ; deux fois le general Rosenberg se mit ä la tete de ses grenadiers, mais deux fois il fut culbute avec de grandes pertes. Ce- pendant, comme le general Mortier recevait des renforts et que le general Lecourbe arrivait par le Schächenthal, les Russes reculerent jusqu'au village Muota, ils furent soutenus par quelques bataillons amenes par Souvarow lui-meme." Diese Schilderung voll Phantasie entstammt dem Büchlein von d'Izarny (S. 117). Es zeigt das deutlich, wie flüchtig der Verfasser arbeitete.

164 (S. 178). Das Feldtagebuch berichtet unterm 30. September: „Souwarow se decida enfin ä deboucher le 9 de la vallee de Mutheii pour se porter sur Schwitz. (Darnach hätte also Rosenberg und keineswegs Massena am 30. Sep- tember angegriffen. Schon diese unrichtige Angabe beweist deutlich, daß Lecourbe dem Gefechte nicht beigewohnt hat, sondern nur nach Beschreibungen desselben diesen Eintrag machte.) Soit que son attaque eüt ete des plus vives, ou que l'apparition premiere des grenadiers russes en ait impose ä nos troupes, elles se replierent en desordre sans se defendre, quoi qu'ait pu employer le general en chef Massena. TJn bataillon de la 67e demi-brigade envoye par le general Lecourbe (diese Stelle zeigt doch ganz deutlich, daß Lecourbe nicht zugegen war) sur Brunnen arriva si ä propos que la colonne russe, qui croyait dejä obtenir un succes, fut prise de flanc et obligee de se retirer principalement dans la vallee d'oü eile venait ; la division du general Mortier revint alors sur ses pas et reprit une piece de canon qu'elle avait perdue "

Diese Stelle des Tagebuches macht auch dem Schwanken ein Ende, das Dr. Hartmann zeigt (S. 148/149), welcher ebenfalls anzunehmen scheint, Lecourbe habe dem Gefechte vom 9. Vendemiaire (I.Oktober) beigewohnt. Daß die zur Brigade Gudin gehörende 67. Halbbrigade hier einzugreifen vermochte, ist doch nicht zu bestreiten. Lecourbe hatte Gudin dringende Aufforderungen gesendet, ihm Verstärkungen zukommen zu lassen. Der Untergebene gehorchte natürlich und schickte die 67. Halbbrigade.

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165 (S. 178). Dr. Hartmann (S. 149) bespricht ausführlich die Gefangennahme des oder der Generale, aus denen die verschiedenen Schriftsteller einen Legovic, Lacour, Lagourier, Lacourg und sogar Lecourbe machen. Letzterem soll nach Fuchs (Miliutin IV, 414) Suworoff für die „trostlose" Gemahlin in Frankreich eine Rose verehrt haben, welche der General noch 1814 dankbar vorzuzeigen vermochte. Schade nur, daß es gar nicht einen gefangenen Lecourbe, eine Gattin und Rosen (Oktober und Muotathal!) gab.

Dr. Hartmann meint, der betreffende Gefangene sei ein General „ohne spezielles Kommando in der Schweiz" gewesen. Das Rätsel löst sich, wenn man das Feldtagebuch der Division Mortier durchgeht. Dort heißt es nämlich: „Le 9 vendemiaire (1er octobre) toute la division s'est battue depuis midi jusqu'ä 7 heures du soir. Elle eprouva un petit echec (sie"!) et ä 5 heures de l'apres- midi eile commencait ä se retirer sur Schwitz, lorsqu'un bataillon de la 67e venant de Zug (soll natürlich heißen: Flüelen!) par le lac de Lucerne battit la Charge, eulbuta l'ennemi et le forca ä reprendre ses positions de la veille. Notre perte fut d'environ 80 morts, 800 blesses et 400 prisonniers de guerre. Parmi ces derniers s'est trouve l'adjudant-general Lacour qui s'etait illustre dans la journee par des prodiges de valeur." (Lacour befehligte im Winter von 180(1/1801 eine Reiterbrigade der Division d'IIautpoul in der Armee von Moreau.) Ebenfalls wird hier wiederum ausdrücklich die 67. Halbbrigade er- wähnt, aber keineswegs der Name Lecourbe.

Um die Anwesenheit jener Truppe noch mehr zu bekräftigen, möge noch Soult (Memoires II, 319) erwähnt werden. Ihm schrieb der Stabschef von Massena, der General Rheinwald, unter dem 11. Vendemiaire (3. Oktober) aus Zürich u.a.: „Votre division, citoyen general, sera compose comme suit: i>7e demi-brigade, etc." Damit sind wohl auch diese streitigen Punkte erledigt; denn Rheinwald konnte nicht am 3. Oktober über eine Truppe verfügen, von der er nicht wußte, daß sie am 1. schon bei der Hand gewesen.

166 (S. 179). Obwohl Miliutin des Geschehnisses nicht gedenkt, kann daran nicht gezweifelt werden. Auch Soult (II, S. 333) schreibt am 24. Vendemiaire (16. Oktober) aus St. Gallen an Massena : „Le general Loison m'a rendu compte, par une depeche du 14 vendemiaire, que le general Gudin, en s'emparant de la vallee dTJrseren, y a fait deux cent prisonniers russes, parmi lesquels se trouvent un general-major et plusieurs capitaines."

167 (S. 179). Das folgende Urteil von Soult (Mem. II, Anmerkung zu S. 267) mag des Interesses für den Leser kaum entbehren: „Quelques ecrivains ont fait honneur au general Lecoux-be de la defaite du marechal Souwarow et des pertes considerables que les Russes subirent, dans leur retraite. Leur legerete ä adopter des recits inexaets, et quelquefois interesses, sans prendre la peine de les verifier, peut-etre meine d'autres motifs que je ne veux pas appretier, sont cause de cette erreur, que j'ai pu contribuer ä aecrediter, par mon silence. Mais je n'ai jamais ahne ä entretenir le public de mes Services, et j'ai meme plusieurs fois refuse les demandes de renseignements personnels, qui m'ont ete faites par des compilateurs de biographies. . . . J'ajoute, pour la memoire du general Lecourbe, que sa carriere si brillante et si prematurement terminee n'a pas hesoin qu'on lui attribue ce qui ne lui appartient pas. Le general Lecourbe, si bien seconde par les generaux sous ses ordres et notamment par les generaux Gudin et Loison, rendit h l'armee francaise l'eminent Service de retarder la marche de Tarmee russe dans la vallee de la Reuss, depuis le Saint-Gotthard jusqu'au lac des Quatre-Cantons, en lui disputant le terrain pas ä pas, et en ne cedant qu*ä des forces qui devaient l'ecraser. II deploya au- tant d"habilete que de courage et de tenacite. ... La part exclusive qu'on a essaye de faire au general Molitor, d'avoir fait echouer le second projet d u general SouwaroAV, n'est pas plus exaete. Ce general s'est brillamment conduit

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il a pris une belle part ä nos succes, et je lui rends toute justice ; mais il etait sous mes ordres (sie !), et il n'etait guide que par mes instruetions. . . . Dans les Operations contre le marechal Souwarow, coniine au passage de la Linth, . . . j'agissais avec une entiere independance."

Erst nachdem der Druck des Werkes begonnen hatte, gelang es mir, die folgenden Tessiner Erinnerungen an den Zug Suworoffs zu sammeln. Ich ver- danke sie der freundlichen Vermittlung des hochwürdigen Weltpriesters Pro- fessor B. Mercolli, Direktor des Erziehungsinstitutes Elvetia in Locarno.

Wenn der Wirt in Taverne, welcher voll Begeisterung den russischen Marschall hegleitete, Gamba genannt wird, so ist dies ein Irrtum. Er hieß Gamma und war einer der Anstifter der Luganeser Gegenrevolution von Ende April 1799. (Vergl. Peri, Pietro, Storia della Svizzera Italiana, Il.ediz., Lugano 1866, pag. 128/129.)

Von dem Zuge Suworoffs erhielt die provisorische Regierung des Kantons Lugano am 8. September Nachricht in einem Schreiben des kaiserlichen Proviant- meisters Paul von Lang. Dieser forderte für 30 000 Russen die Anlage eines Magazins (in Agno) mit 16 000 Broten zu 30 Unzen mailänd. Gewichts, 18 000 bis 20 000 Rationen Heu zu 10 Mailänder Pfunden, Branntwein, Holz, Stroh und 1200 Säcke Hafer. Thatsächlich bescheinigte ein kaiserlicher Quartier- meister Gunzenberg am 12. September der Behörde, daß er 9221 Brote, 10071 Rationen Reis, 146 Hafer, 860 Mehl, 5193 Hafer und 7135 Heu empfangen habe.

Sonntag den 15. September kamen die Russen nach Agno und Bironico. Großfürst Konstantin und Fürst Bagration suchten und fanden viel Vergnügen in Lugano, wobei sie sich sehr freigebig zeigten. Dagegen verwüsteten die Truppen das bebaute Land in sclilimmster Weise. Die noch unreifen Trauben wurden von ihnen gekocht (!), der in den Kellern lagernde Wein ausgetrunken, das Vieh geraubt und geschlachtet. Frauen und Männern riß man die von der Bevölkerung beliebten Ohrringe ab und nahm ihnen auch sonst jede Wert- sache. Jedenfalls war man im Ceresio sehr froh, als diese „Befreier" endlich abzogen.

Von dem furchtbaren Unwetter, das alle diese Septembertage andauerte, wissen die Zeitgenossen viel zu berichten. Im Val Pontirone einem Seiten- thale des Blegno ward die Pfarrkirche durch Steinschläge zerstört, auch verheerte die Calancasca das Dorf Grono in der Mesolcina.

In Bellinzona ließ Suworoff zwei Pistolen zurück, die an der Landes- ausstellung in Genf (1896) zu sehen waren. (Auch die Soldaten haben manches Seitengewehr auf den Feldern um Lugano liegen lassen, mit dem sie Früchte ausgegraben hatten.)

Die Beitreibungen für das Heer erstreckten sich natürlich ebenfalls auf die Gebiete von Locarno und Val Maggia. In Locarno erschienen die ersten Russen am 16. September und ein Teil von ihnen blieb dort bis zum 27., worauf sie nach Bellinzona u. s. w. abzogen. AValnscheinlich war dies die nämliche Ab- teilung, welche später in Andermatt gefangen wurde. Seit dem August schon mußten die Barken der Ortschaften am Nordende des Lago maggiore Fahr- dienst für die Russen thun. Die Leute erhielten zwar 40 Soldi Taglohn, aber auch nicht selten Stockprügel von den sie überwachenden kaiserlichen Proviant- meistern. Der Schaden, den die Durchziehenden im Locarneser Gebiet und im Val Maggia anrichteten, betrug für das ganze Jahr 1799 berechnet über 20U 000 Lire. (Vergl. Compendio delle Rivoluzioni in Italia e nella Svizzera fatto dal Cittadino Leopoldo Cerri d' Ascona, Rettore di Minusio. Abgedruckt im Bolletino Storico della Svizzera Italiana 1892, Nr. 7/8, S. 154 ff.)

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Ueber den Schaden, welchen die Leventina erlitt, berichtet die „Nemesis" VII, 1816, S. 516 ff. („Was das Liviner Thal in den Jahren 1798—1801 zu erdulden hatte.")

Der Kampf um die Teufelsbrücke ward auch schon szenisch dargestellt. Am 23. Dezember 1885 führte das Cbätelet-Theater in Paris das bekannte Ausstattungsstück „Guerre" von Erckmann-Chatrian auf, in welchem u. a. auch dieses Bild vorkommt.

Das Russendenkmal an der Teufelsbrücke ist im Mai 1896 endgültig noch nicht fertig erstellt worden.