Sehmeil,

Lehrbuch der Botanik

Stuttgart xmd Ldpzig Verlag vim Erwin Nägele.

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S350 1903

THIS BOOK IS DUE ON THE DATE INDICATED BELOW AND IS SUB- JECT TO AN OVERDUE FINE AS POSTED AT THE CIRCULATION DESK.

Lehrbuch der Botanik

für

höhere Lehranstalten und die Hand des Lehrers.

Von biologischen Gesichtspunkten aus bearbeitet von

Dr. Otto Schmeil.

Mit 38 farbigen Tafeln und zahlreichen Textbildern von Kunstmaler W. Heubach-München.

3. unveränderte Auflage

(16 20000).

Stuttgart und Leipzig.

Verlag von Erwin Nägele. 1903.

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung vorbehalten.

Druck von A. Bonz' Erben in Stuttgart.

Vorbemerkung zur zweiten Auflage,

Dank der außerordentlich freundlichen Aufnahme waren die beiden ersten Hefte des Buches bereits vergriffen, bevor noch der Schluß teil her ausge- geben werden konnte. Daß ich bei dieser Sachlage keine Veranlassung hatte, umfassende Änderungen vorzunehmen, liegt auf der Hand. Von Kleinigkeiten abgesehen, ist die zweite Auflage daher ein unveränderter Abdruck der ersten. Der Schlußteil ist in beiden Auflagen sogar ein Abzug von den- selben Platten.

.Magdeburg, den 20. März 1903.

Der Verfasser.

Vorwort zur ersten Auflage,

Die Arbeit, die ich hiermit der Schule und ihren Lehrern übergebe, ist ein Seitenstück zu meinem „Lehrbuch der Zoologie". Bei der Abfassung beider Bücher sind daher auch die gleichen Erwägungen maßgebend gewesen. Da ich nun meine Ansichten über die notwendige Um- und Ausgestaltung des natur- geschichtlichen Unterrichts in einer Broschüre* ausführlich entwickelt habe, kann ich hier von einer erneuten Darlegung absehen. Ich vermag dies umso eher, als die Schulen aller Gattungen sich immer mehr einem Unterrichte zu- wenden, wie er durch den gegenwärtigen Stand der Naturwissen- schaften und der Pädagogik gefordert wird, einem Unterrichte, der dem Schüler ein seiner Fassungskraft entsprechendes Verständnis der Natur zu eröffnen vermag, der ferner den Natursinn der Jugend kräftig und nachhaltig zu beeinflussen imstande ist, und der sich endlich an Bildungswert getrost mit jedem anderen Unterrichtszweige messen kann.

Da sich meine Arbeit nun in den Dienst eines solchen Unterrichts stellen möchte, mußte ich wie in dem „Lehrbuche der Zoologie" (und seinen gekürzten Ausgaben) mit der veralteten Weise trockenen Beschreibens, die für Schüler wie Lehrer eine gleich große Qual ist, brechen und den morphologischen Stoffen durch Hinzufügung physiologischer Momente einen erhöhten Wert verleihen. Ich mußte, um dies ganz kurz auszudrücken,

* Über die Refornibestrebungen auf dem Gebiete des natnrgescMchtlichen Unter- richts. 4. Aufl. Stuttgart. Verl. von E. Nägele.

IV Vorwort.

die Pflanzen wie die Tiere als lebende Wesen darzustellen versuchen.* Da die Lebenstätigkeiten der Pflanzen aber weit weniger augenfällig sind als die der Tiere ein Umstand, der im botanischen Unter- richte außerordentlich zur Geltung kommt so war dies auch z. T. ein sehr schwieriges Unternehmen.

Auch in dem allgemeinen Teile habe ich, um ein möglichst greifbares Bild „vom Bau und Leben der Pflanze" zu schaffen, Morphologie und Physiologie aufs engste zu verschmelzenversucht. Allerdings setzt diese Art der Darstellung auch einen größeren Raum voraus, als diesem Stoffe in Schulbüchern gewöhnlich eingeräumt zu werden pflegt. Daß ich zu diesem „Bilde" auch den reichen morphologischen und biologischen Stoff zu- sammenfassend verwendet habe, der in den Einzelbetrachtungen gewonnen worden ist, dürfte allgemeine Zustimmung finden.

Im allgemeinen, wie im speziellen Teile des Buches hoffe ich von neuem dargetan zu haben , daß die gebührende Betonung des Lebens auch ohne Vernachlässigung der Morphologie möglich ist. Be- sonders die Einzelbetrachtungen enthalten so genaue „Beschreibungen" der Pflanzen, wie sie in Werken rein beschreibenden Inhalts nur selten zu finden sind. Die „biologische Betrachtungsweise" zwingt Lehrer und Schüler gerade- zu, wie ich hier wiederholt betone, erst sorgfältig das Tatsächliche festzu- stellen, bevor an die Frage nach seiner Bedeutung herangetreten werden kann. Werden über der Erklärung der Tatsachen diese selbst vernachlässigt, dann artet der Unterricht wie in allen anderen F ä c h er n (z. B. in Geographie oder Geschichte) allerdings in ein leeres Geschwätz aus. Dann werden die Bahnen sicheren Wissens verlassen, und eine hohle Phantasterei, eine Sucht, alles erklären zu wollen, macht sich breit. Gerade bei der Beurteilung biologischer Verhältnisse ist in der Schule die größte Vorsicht geboten. Ist eine Erklärung nicht über jeden Zweifel erhaben, so ist sie ausdrücklich als das zu bezeichnen, was sie ist: als eine Vermutung oder dgl. Mehrere neuere Forschungsergebnisse habe ich aus diesem Grunde gänzlich unberücksichtigt gelassen, was man mir wohl kaum zum Vorwurfe machen dürfte.

Die Systematik, die früher einen der Hanptangelpunkte des botani- schen Unterrichts bildete, hoffe ich auf das ihr gebührende Maß beschränkt zu haben. Daß sie keineswegs vernachlässigt ist, geht schon aus der systematischen Anordnung des Stoffes, sowie daraus hervor, daß ich bei jeder sich irgendwie nur bietenden Gelegenheit das Charakteristische der größeren Abteilungen heraus- gestellt und die natürliche Einteilung der Pflanzen planmäßig aus ihrem Bau abgeleitet habe (s. besonders den allgemeinen Teil!). Allerdings auf „Vollständig-

* Meine im Jahr 1896 erschienene, aber längst vergriffene, kleine Arbeit : ;.Pflan- zen der Heimat, biologisch betrachtet* dürfte der erste Versuch gewesen sein, unsere bekanntesten Pflanzen in dieser Weise ,.der Schule und dem Hause" vorzuführen.

Vorwort. V

keit" habe ich weder hier, noch in einem anderen Stoffgebiete irgend welchen Wert gelegt: denn der Schüler soll durch den Unterricht ja nicht zu einein wandelnden Lexikon gemacht, sondern gründlich und allseitig gebildet werden. Auch sonst hat sich das System im Interesse möglichster Verein- fachung mancherlei Eingriffe gefallen lassen müssen, wie dies für ein Schulbuch ja nicht anders sein kann. Im übrigen ist es dem Lehrer gänzlich unbenommen, wie viel er seinen Schülern von dem System bieten will.

Neben den trockenen, geistlosen Beschreibungen und einem Übermaße von Systematik war es die Terminologie, die früher den Unterricht viel- fach gänzlich beherrschte und dem Schüler die Natur oft geradezu verleidete. Durch zahlreiche neuere Schulbücher, die sich auch in anderer Hinsicht wesent- liche Verdienste um die Fortbildung der Methode erworben haben, ist es aller- dings besser geworden ; aber immer noch trifft man in vielen von ihnen „Be- schreibungen" , die sich in der Tat nur als eine Anhäufung botanischer Kunstausdrücke darstellen. Durch die Beschränkung der Terminologie auf das Notwendigste hoffe ich auch hier gangbare Bahnen betreten zu haben. Im all- gemeinen Teile ist der aus diesem Gebiete früher erarbeitete Stoff gleichfalls zusammengestellt worden. An mehreren Stellen hat auch eine Erweiterung des Stoffes, sowie eine schärfere Fassung der Begriffe stattgefunden; denn der Schüler, für den dieser Abschnitt des Buches bestimmt ist, muß unbedingt auch imstande sein, ein leichtes Bestimmungswerk* mit Vorteil zu gebrauchen. Be- tonen möchte ich bei dieser Gelegenheit, daß den Bestimmungsübungen, die nicht selten als etwas sehr Überflüssiges betrachtet werden, nicht nur ein ziemlich hoher formalbildender Wert zukommt, sondern daß eine gewisse Arten- kenntnis ohne Zweifel auch die Grundbedingung für eine erfolgreiche Beschäfti- gung mit der Pflanzenwelt ist.

Wie in dem „Lehrbuche der Zoologie" bin ich auch hier bezüglich der Abbildungen** eigene Wege gegangen. Bei näherem Zusehen wird man leicht finden, daß die Bilder weit mehr sind als ein Mittel, das Buch ansehnlicher zu machen, sondern daß sie einen integrierenden Bestandteil des Buches selbst bilden. Es gibt unter den vielen Bildern allerdings mehrere, durch die der Schüler den Naturgegenstand einfach kennen lernen soll in dieser Hinsicht dürften besonders die Abbildungen der schwierig zu bestimmenden Gräser dem

* Da es außerordentlich wünschenswert ist, daß das dem Unterrichte zugrunde liegende „Lehrbuch" mit der vom Schüler gebrauchten „Flora" hinsichtlich des Systems und der Nomenklatur übereinstimmt, so bin ich in Gemeinschaft mit einem hervorragen- den Kenner unserer Pflanzenwelt, meinem Freunde J. Fitschen-Altona, z. '/.. damit be- schäftigt, ein solches Büchlein herauszugeben. Es soll das Bestimmen der Pflanzen in einfachster und 1 eich te st e r Weise ermöglichen und in einigen Monaten erscheinen.

** Einige Abbildungen, die für das 1. und 2. Heft bestimmt waren, konnten leider erst nach der Herausgabe beider Hefte fertiggestellt werden. Sie wurden daher dem allgemeinen Teile beigefügt, was ich freundlichst zu beachten bitte.

VI Vorwort.

Lehrer nicht unwillkommen sein! , in der Mehrzahl der Fälle bringen sie aber bestimmte, im Texte berührte Erscheinungen zur Darstellung. So habe ich z. B. durch die dem Bliebe beigegebenen Tafeln versucht, die in Worten aus- gedrückte Schilderung der betreffenden Objekte gleichsam in eindringlicher „Bilderschrift" zu wiederholen; ich bin um dies ganz kurz auszudrücken aufs eifrigste bestrebt gewesen, die Abbildungen in halt reich zu ge- stalten und sie mit dem Texte in engste Verbindung zu bringen. Daher darf ich wobl mit Zuversicht annehmen, über dem Verdachte er- haben zu sein, als wollte ich mich an dem kindlichen Wettstreite beteiligen, der mit großer Heftigkeit zwischen den Verlegern und Verfassern der ver- schiedenen naturgeschichtlichen Leitfäden entbrannt ist, und der darin besteht, ihren Büchern durch möglichst viele Bilder und in jüngster Zeit noch durch ,,bunte" Tafeln einen erhöhten Wert zu verleihen. Diese schmückenden Bei- gaben können wohl das Auge des Unkundigen bestechen, irgendwelchen metho- dischen Wert kann man ihnen aber wegen der auffallenden Inhaltlosigkeit mit dem besten Willen nicht zuerkennen.

Bilder der Art, wie ich sie meinem Buche gegeben habe, sind von einigen wenigen, die aus anderen Werken erworben oder nach solchen gezeichnet worden sind selbstverständlich nur Originale, deren untrügliche Vorbilder nicht in den „Autoren", sondern in der Natur selbst gesucht wurden. Die Herstellung solcher Abbildungen ist allerdings nicht nur viel mühsamer und zeitraubender als die bekannte „erbliche" Übernahme von einem Buche in das andere man braucht oft nur ein neues Buch aufzuschlagen, um darin lauter alte Bekannte zu ünden! sondern stellt auch an die Opferwilligkeit des. Verlegers ganz andere Anforderungen.

Endlich sind die Bilder wie ich zu meiner großen Freude sagen kann von einem wirklichen Künstler entworfen. Sie dürften daher wohl auch imstande sein, das künstlerische Empfinden der Schüler anregen zu helfen.

Und somit entlasse ich denn das Buch mit den Segenswünschen, mit denen nur ein Vater sein eigen Kind in die Welt senden kann ! Möge es Gutes stiften in Schule und Familie! Möge es dem Lehrer die Arbeit leicht machen, der Jugend Sinn und Herz für das Verständnis und die Schönheit der Natur zu öffnen, und möge es alle, die Kleinen und die Großen, hinführen zu dem ewig frischen Quelle der Natur, aus dem es selbst geschöpft ist!

Magdeburg, den 20. März 1903.

Der Verfasser.

Inhaltsverzeichnis,

zugleich

eine Übersieht über das dem Buche zugrunde liegende System.

Seite

I. Hauptabt. Blüten- (Hier Samenpfl. (Phanerogamae).

PH., die deutlich sichtbare Blüten besitzen uml sich durch »Samen fortpflanzen 1 I. Gruppe. Bedecktsam. Pft. (Angiospermae).

PH., deren Samenknospen in einem Fruchtknoten eingeschlossen sind .... 1 J. Klasse. Zweikeimbl. Pfl. oder Blattkeimer (Dicotyleae).

Keimling mit 2 Keimbl. ; Laubbl. mit fiederig oder fingerig angeordneten

Hauptnerven ; Blütenteile meist in der 5- oder 4-Zahl vorhanden ... 1 1. l'nterkl. Getrenntblumenhl. Pfl. (Choripetalae).

PH. in der Regel mit doppelter Blutenhülle (Kelch und Blumenblätter

Blumenblätter nicht miteinander verwachsen 1

1. Familie. Hahnenfußgew. (Ranunculaceae) 1

2. .. Sauerdorngew. (Berberideae) 11

3. .. Seerosen (Nymphaeaceae) 12

4. .. Kreuzbl. (Cruciferae) 16

5. .. Molingew. (Papaveraceae) 23

G. S. .. Erdrauchgew. (Fumariaceae), Resedagew. (Resedaceae) und

Hartheugew. (Hypericaceae). I.A.: chines. Teestrauch 27

9. ,. Veilchengew. (Violaceae) 2!)

10. . Sonnentaugew. (Droseraeeae) und einige andere ..insekten-

fressende" Pfl 33

11. Nelkengew. (Caryophyllaeeae) 36

12. Roßkastaniengew. (Sapindaceae) . 41

13. Ahorngew. (Aceraceae) 48

14. Orangengew. (Rataceae) 49

15. .. Lindengew. (Tiliaceae) u. nächste Verwandte 50

16. .. Malvengew. (Malvaceae). I. A. : Kakaobaum 52

17. Storchschnabelgew. (Geraniaceae) 54

18. ,. Sauerkleegew. (Oxalidaceae) 57

19. Leingew. (Linaeeae) 58

20. .. Weinrebengew. (Vitaceae) 60

21. ,. Wolfsmilchgew. (Euphorbiaceae) 66

22. ,. Doldengew. (Umbelliferae) 69

23. Efeugew. (Araliaceae) 75

24. .. Dickblattgew. (Crassulaceae) 78

25. .. Kaktusgew. (Gactaceae) 80

26. .. Steinbrechgew. (Saxifragaceae) 81

27. 29. Nachtkerzengew. (Onagraceae), Weiderichgew. (Lythra-

ceae) u. Myrtengew. (Myrtaceae). I.A.: Mapgrovebäume 83

VIII Inhalt.

Seite

30. Familie. Rosenartige Gew. (Bosaceae) 85

31. . Schmetterlingsblütl. (Papilionaceae) u. nächste Verwandte 99 2. Unterkl. Verwachsenblnmenbl. Pfl. (Sympetalae).

Pfl. mit doppelter Blutenhülle, bei denen die Blumenbl. miteinander verwachsen sind 113

32. Familie. Heidekraotgew. (Ericaceae) 113

33. Schlüsselblumenge u. (Primulaceae) 120

34. ., Grasnelkengew. (Plnmbaginaceae) 124

35. n. 36. Ölbaumgew. (Oleaceae) , Enziangew. (Gentianaceae) und

nächste Verwandte 124

37. Windengew. (Convolvnlaceae) 127

38. - Rauhblättr. Gew. (Asperifoliaceae) 13o

39. _ Nachtschattengew. (Solanaceae) 135

40. .. Lippenbl. (Labiatae) u. nächste Verwandte 146

41. . Rachenbl. (Serophulariaceae) u. nächste Verwandte . . 153

42. .. Wegerichgew. (Plantaginaceae) 159

43. .. Glockenblnmengew. (Campanulaceae) 160

44. Kürbisgew. (Cucurbitaceae) . . 162

45. .. Labkrautgew. (Rubiaceae) 168

46. Geißblattgew. (Caprifoliaceae) 171

47. n. 48. . Baldriangew. (Valerianaeeae) u. Kardengew. (Dipsaceae) 173

49. _ Korbblütler (Compositae) 174

3. Unterkl. Blumenblattlose Pfl. (Apetalae)

Pfl. mit einfacher oder fehlender Blütenhülle 190

50. Familie. Becherfrüchtl. (Cupuliferae) 190

51. n. 52. Birkengew. (Betulaceae) u. Walnußgew. (Juglandaceae) . 198

53. Weidengew. (Salicaceae) 199

54. _ Nesselgew. (Urticaceae) 205

55. .. Hanfgew. (Cannabinaceae) 207

56. u. 57. _ Maulbeergew. (Moraceae), Ulmengew. (Ulmaceae) u. nächste

Verwandte 208

58. Mistelgew. (Loranthaceae) 210

59. _ Osterluzeigew. (Aristolochiaceae) 212

60. u 61. Seidelhastgew. iThymclaeaccae). Lorbeerii'ew. (Lauraceae).

I. A.: Muskatnußbaum 213

62. Knöterichgew. (Polygonaceae). I.A.: Pfefferstrauch . . 214

63. Gänsefußgew. (Chcnopodiaceae) 216

2. Klasse. Einkeimbl. I'/l. oder Spitzkeimer (MonocotyUae).

Keimling mit nur einem Keimbl. ; Lanbbl. in der Regel mit parallel ver- laufenden Hanptnerven ; Blütenteile meist in der 3-Zahl vorhanden . . 218

64. Familie. Liliengew. (Liliaceae) 218

<>5. Binsengew. (Jnncaceae) 229

66. _ Narzissengew. (Amaryllidaceae) a. nächste Verwandte . 230

67. . Schwertliliengew. (Iridaceae) 235

68. Palmen (Palmae). I.A.: Banane u. nächste Verwandte 238

69. Arongew. (Aracea;) 244

Inhalt. IX

Seite

70. u. 71. Familie. Rohrkolbengew. (Typhaceae), Laichkrantgew. i Najadaceae) 246

72. Gräser (Gramineae) 248

73. Riedgräser (Cyperaceae) 271

74. Knabenkrautgew. (Orchidaceae) 272

75. u. 76. , Froschlöffelgewächse (Alismaeeae) u. Froschbißgewächse

(Hydrocharidaceae) 278-

IL Gruppe. Nacktsamige Pfl. (Gymnospermae).

Pfl., deren Samenknospen nicht in einem Fruchtknoten eingeschlossen sind.

sondern sich auf dem offenen Frnchtblatte linden 280

77. Familie. Nadelhölzer (Coniferae). I.A.: Palmfarne 28<>

2. Haiiptabt. Blütenlose- oder Sporenpfl. (Kryptogamae).

Pfl., die keine Blüten besitzen, u. .leren Vermehrung (vorwieg.) durch Sporen erfolgt 294

1. Gruppe. Farnart. PH. oder Gefäß-Sporenpfl. (Pteridophyta).

Pfl., die in Stengel, Blätter u. Wurzeln gegliedert sind u. Gefäßbündel enthalten 294

1. Klasse. Farne (Filicinae) 294

2. Klasse. Schachtelhalme (Equhetinac) 304

3. Klasse. Bärlappgew. (Lycopodinae) 309-

II. Gruppe. Moose (Bryophyta).

Pfl., die in Stengel und Blätter gegliedert sind oder ein laubartiges Gebilde

darstellen, denen echte Wurzeln und Gefäßbündel fehlen 30!>

1. Klasse. Laubmoose (Musci) 309

2. Klasse. Lebermoose (Hepaticae) .... 320

III. Gruppe. Lagerpfl. (Thallophyta).

Pfl., die nicht in Stengel und Blätter gegliedert sind, also ein sog. Lager

darstellen 321

1. Kreis. Algen (Algae).

Lagerpfl., die meist im Wasser leben und Blattgrün enthalten 321

1. Klasse. Grünalgen ( Chlor ophgeeae) 321

2. u. 3. Klasse. Braunalgen (Phaeophyceae) u. Rotalgen (Rhodophgceac) . . 326

4. Klasse. Kieselalgen (Diatomaceae) 328

2. Kreis. Pilze (Fungi).

Lagerpfl. ohne Blattgrün; Schmarotzer oder Fäulnisbewohner 330

1. Klasse. Fadenpilze (Hyphomycetes) 330

1. Unterkl. Ständerpilze (Basidiomycetes) 330

2. .. Schlauchpilze (Ascomycetes) 338

3. n. 4. ., Rostpilze (Uredinaceae) u. Brandpilze (Ustilaginaceae) . . 34 J

5. Algenpilze (Phycomycetes) 345

2. Klasse. Spaltpilze (Schizomycetes) 346

3. Klasse. Schltimpilze (Myxomycetes) 352"

3. Kreis. Flechten (Lichenes).

Lagerpfl., die aus Fadenpilzen u. Algen bestehen 353-

X Inhalt.

Vom Bau und Leben der Pflanze (Morphologie und Physiologie).

1. Abschnitt. Seite

Vom Bau und Leben der Zelle 357

A. Vom Wesen u. von der Bedeutung der Zelle 357

B. Das Protoplasma u. seine Teile 359

C. Die Zellhaut 363

D. Der ..Zellstaat- 366

2. Alischnitt. Vom Bau und Lehen der einzelnen Pflanzenteile.

Die Grundformen der Pflanzen 367

I. Vom Bau u. Leben des Blattes 368

1. Blattarten u. Blattstellung 368

2. Das Blatt als "Werkzeug der Aneignung oder Assimilation der Nährstoffe 371

A. Die Aneignung oder Assimilation der Nährstoft'e 371

B. Nur grüne Pflanzen u. Pflanzenteile assimilieren 376

C. Die Assimilation erfolgt nur im Lichte 377

D. Die Assimilation u. der feinere Bau des Laubblattes 379

E. Welche organischen Körper werden bei der Assimilation gebildet? . . 385

F. Die Wanderung, Verwendung u. Aufspeicherung der gebildeten Stoffe 387

3. Das Blatt als Werkzeug der Atmung u. d. Atmung der Pflanzen i. allgemeinen 390

4. Das Blatt als Werkzeug der Verdunstung des Wassers (od. der Transpiration) 393 II. Vom Bau u. Leben der Wurzel.

A. Die Aufgaben u. Hauptformen der Wurzel 400

B. Die Aufgaben u. der feinere Bau der Wurzel 401

III. Vom Bau u. Leben des Stammes.

A. Aufgabe, Wachstum u. Formen des Stammes 408

B. Die Richtung der Stämme u. Zweige 411

C. Der Bau des Stammes in seinen Grundzügen 414

D. Die Gefäßbündel 417

E. Leitungsbahnen im Stamme 422

F. Bekleidung der Stämme 425

G. Festigkeit der Stämme 427

IV. Vom Bau u. Leben der Blüte.

A. Die Fortpflanzung u. die Blüte 429

B. Die Teile der Blüte 431

C. Die Blütenstände 436

. D. Die Bestäubung der Blüte 438

E. Die Befruchtung der Blüte 444

V. Vom Banu. Leben der Frucht u. des Samens . 445

Anhang.

1. Über Pflanzensj-steine 454

2. Über die geographische Verbreitung der Pfl 457

Schmeil, Lehrbuch der Botanik

Tafel 1.

Scharbockskraut (Ficaria venia).

1. Hauptabteilung. Blüten- oder Samenpflanzen (Phanerögamae).

Pflanzen, die deutlich sichtbare Blüten besitzen und sich durch Samen fortpflanzen.

I. Gruppe. Bedecktsamige Pflanzen (Angiospermae).

Pflanzen, deren Samenknospen in einen Fruchtknoten eingeschlossen sind.

1. Klasse. Zweikeimblättrige Pflanzen oder Blattkeimer

(Dicotyleae).

Keimling mit zwei Keimblättern (s. Bohne). Laubblätter mit fiederig oder fingerig an- geordneten Hauptnerven. Blütenteile meist in der 5- oder 4-Zahl vorhanden.

1. Unterklasse. Getrenntblumenblättrige Pflanzen (Choripetalae).

Pflanzen in der Regel mit doppelter Blütenhülle (mit Kelch und Blumenblättern). Blumenblätter sind nicht miteinander verwachsen.

1. Familie. Hahnenfußg-ewächse (Rammculäceae).

Blüten mit zahlreichen Staubblättern, mit einfacher oder doppelter Blütenhülle und meist zahlreichen Fruchtknoten, die von je einem Fruchtblatte gebildet werden (s. Abb. S. 10).

1. Das Scharbockskraut (Ficäria verna). Taf. 1.*) A. Blütezeit und Standort. 1. Kaum hat die höhersteigende Sonne den Wintersclmee geschmolzen, so sprießt auf nassen Wiesen, besonders aber unter dem Gebüsch, als erster Frühlingsbote das Scharbockskraut hervor. Oft schon im März bildet es saftig grüne Teppiche. Im Mai aber ist für die Pflanze be- reits — der Herbst gekommen: Die Blätter vergilben, vertrocknen und sind bald gänzlich verschwunden. Das Scharbockskraut ist also eine Pflanze des Vorfrühlings, die unter Gebüsch und im Grase gedeiht.

2. Die jungen Pflanzen kommen (zu allermeist) aus kleinen Knollen (s. Absch. C.) hervor, die den Winter überdauert haben. Genau wie die junge Kartoffelpflanze (s. das.) baut sich auch das junge Scharbockskraut vor allen Dingen aus den Vorratsstoffen auf, die in der Knolle aufgespeichert sind. Es braucht

*) Die im Text eingeklammerten Ziffern beziehen sich hier und in allen folgenden Betrachtungen auf die Figuren der beigefügten Tafel.

Sclimeil. Lehrbuch der Botanik. 1

2 Taf. 1. 1. Fam. Hahnenfußgewächse.

sich also nicht erst Baustoffe zu erwerben, sondern findet solche fertig vor. Da zudem die Knöllchen bereits im Herbst anfangen zu „treiben", so vermag das Scharbockskraut eben so früh im Jahre zu erscheinen. (Vgl. mit anderen Frühlingspflanzen und solchen Pflanzen, die erst im Friihlinge aus Samen hervorgehen !)

3. Im März und April steht das Gebüsch noch kahl da. Die Sonnen- strahlen, ohne die keine grüne Pflanze gedeihen kann, vermögen also bis zum Erdboden und zum Scharbockskraute zu gelangen. Im Mai dagegen bilden die Blätter der Büsche ein so dichtes Dach, daß kaum noch ein Lichtstrahl den Boden erreicht. Auf der Wiese ergeht es dem Pflänzchen ganz ähnlich: die benachbarten, vordem niederen Gräser und Kräuter sind emporgeschossen und rauben ihm das Licht. Darum muß das Scharbockskraut so zeitig im Jahre erscheinen und so zeitig auch seine Lebensarbeit beendigt haben. (Vgl. mit anderen zeitigen Frühlingspflanzen! Beachte, wie an der- selben Örtlichkeit dichtbeschattete Pflanzen des Scharbockskrautes früher ver- gilben als freistellende!)

B. Stengel und Blüten. 1. Der junge Sproß (6. u. 7.), der bereits im Herbst aus den Knollen hervorgeht, hat die Form eines Keils und ist somit wohl befähigt, den Boden zu durchbrechen. Da er einen Mantel aus häutigen farb- losen (weil im Dunkeln wachsenden) Hüllblättern besitzt, so sind die zarten Teile im Innern gegen Verletzungen, die beim Durchbohren der Erde ja unvermeidlich wären, wohl geschützt. Hat der Sproß die Erdoberfläche erreicht, dann stellen die Hüllblättchen ihr "Wachstum ein (1 u. 8). Je tiefer die Knollen liegen, desto länger sind daher auch die Hüllblätter. (Stelle entsprechende Versuche an!)

2. Neben dem Scharbockskraut wächst bis zu beendeter Blütezeit keine andere Pflanze, die ihm das Licht streitig machen könnte. Der fleischige, hohle Stengel erhebt sich daher vielfach nur an der Spitze vom Boden. Trotzdem sind aber alle

3. Blätter dem Lichte ausgesetzt; denn sie besitzen sehr verschiedene Größe.

a) Die unteren, langen Blattstiele rücken ihre großen Blattflächen weit vom Stengel ab, so daß die kurzgestielten und kleinen oberen Blätter in der Nähe des Stengels genügenden Platz finden. Der untere, scheidenartige Ab- schnitt der Blattstiele umgibt schützend die jungen, noch zusammengefalteten Blättchen (öffne auch einen jungen, keilförmigen Sproß!) und später die in den Blattwinkeln sich bildenden Knollen (s. Absch. C. 2 b).

b) Die herzförmigen und meist gekerbten Blatt flächen sind fleischig und gänzlich unbehaart. Schutzmittel gegen eine zu starke Verdunstung finden wir bei ihnen ebensowenig wie z. B. bei den Blättern des Windröschens (s. S. 7, c); denn der Boden, dem das Scharbockskraut entsprießt, ist im Frühjahre stets feucht. Zudem findet sich die Pflanze immer truppweis: sie beschattet den Boden und schützt ihn infolgedessen vor Austrocknung.

Scharbockskraut. .'!

c) Die saftigen Blätter müßten so sollte man meinen für Tiere eine vortreffliche Nahrung bilden. Dem ist jedoch nicht so. Selbst die ge- fräßigen Schnecken, die mit dem Scharbockskraute oft in großer Zahl dieselbe Örtlichkeit bewohnen, verschmähen sie. Die Blätter sowohl, wie alle übrigen Teile der Pflanzen sind nämlich durch einen scharfen (schwach giftigen) Stoff geschützt (kaue ein Stück der Pflanze!), wie folgender Versuch lehrt: Legt man hungernden Schnecken frische Blätter vor und solche, die in Alkohol aus- gelaugt, getrocknet und dann wieder in Wasser ausgewaschen und aufgeweicht wurden, so findet man, daß die Tiere letztere verzehren, erstere aber gänzlich anberührt lassen oder doch nur wenig benagen. Früher wurden die Blätter als Heilmittel gegen den Skorbut oder Scharbock benutzt, d. i. eine Krankheit, die besonders durch andauernden Genuß von Pökelfleisch bei langen Seereisen die Schiffer ergreift (Name!). „Feigwurz" heißt die Pflanze, weil sie als Heil- mittel gegen Feigwarzen diente, das sind eiternde Geschwüre bei gewissen, schlimmen Erkrankungen.

C. Blüte und Knollen. 1. Blüte (2.) Ein meist dreiblätteriger Kelch, sowie 8 oder mehr Blumenblätter umgeben die zahlreichen Staubblätter und die gleichfalls zahlreichen Stempel. Jeder Stempel besteht (s. Frucht des Bittersporns S. 10!) aus einem einzigen Fruchtblatte (Hahnenfnßblüte). Die einsamige Frucht (5 a u. b) öffnet sich bei der Keife nicht (Schließfrucht) ; erst durch den hervorbrechenden Keim wird ihre Hülle gesprengt.

a) Die goldgelben, außen zum größten Teil firnis- glänzenden Blumenblätter (3.) lassen die Blüte, die sich stets ein Stück über das dunkelgrüne Blattwerk erhebt Grundriß (Dia- (warum?), wie einen leuchtenden Stern („Sternblümchen'-) gramm) einer Hahnen- erscheinen, der die wiedererwachten Insekten zum fujjblüte.*) Besuch einladet. Die Stempel bilden meist den Anflugs- platz, Blütenstaub (zahlreiche Staubblätter!) und Honig die Kost der Gäste. Der Honig findet sich am Grunde der Blumenblätter in je einer kleinen Grube, die von einer Schuppe bedeckt ist (Bedeutung der Schuppe?).

b) Mit Beginn der Dunkelheit schließt sich die Blüte (4): Kelch und Blumenblätter neigen sich zusammen und überdecken die inneren Blütenteile wie ein Dach. Auf diese Weise wird die Blüte gegen zu großen Wärmeverlust und das Bliiteninnere gegen Befeuchtung durch nächtlichen Tau geschützt. Wenn

*) Für das Verständnis der Blütengrundrisse sei folgendes bemerkt: Der Blüten- grundritö besteht wie z. B. in dem Diagramm der Rapsblüte (S. 18) deutlich zu sehen in der Regel aus 5 konzentrischen Kreisen. Auf dem 1. Kreise liegen die Kelchblätter (schraffiert), auf dem 2. die Blumenblätter (schwarz), auf dem 3. und 4. die Staub- blätter (an der Form kenntlich) und auf dem 5. der Fruchtknoten mit den Samenanlagen. (In der EahnenfuIJblüte sind die Staubblätter in einer Spirale angeordnet und mehrere Fruchtknoten vorhanden.)

4 1. Farn. Hahnenfußgewäehse.

wir bedenken, daß es ohne Wärme kein Pflanzenleben gibt (Beweis!), daß die Blüten sehr zarte Gebilde sind, daß es nachts jetzt oft noch empfindlich kalt ist, und daß der Blütenstaub durch Befeuchtung- leicht verdirbt: so wird uns die Wichtigkeit dieser Einrichtung wohl verständlich. Da die Kelchblätter auf der Rückseite grünlich und die Blumenblätter daselbst ohne Glanz sind, erscheint die Blüte jetzt ganz unauffällig! Und das ist durchaus kein Nachteil für dir Pflanze; denn die wärmeliebenden Insekten haben sich in sicherem Schlupfwinkel gleichfalls zur Ruhe begeben. Bei unfreundlichem Wetter bleiben die Blüten auch tagsüber geschlossen.

2. Knollen. Die Anzahl der blütenbesuchenden Insekten ist im März und April weit geringer als in den wärmeren Monaten. Daher unterbleibt beim Scharbockskraut auch vielfach die Bestäubung. Aber auch wenn die Blüten von zahlreichen Insekten besucht werden, setzen sie doch nur selten Früchte an: Die Pflanze rettet sich meist wie wir bereits oben gesehen haben mit Hilfe von Knollen in das nächste Jahr hinüber.

a) Die keulenförmigen Wurzelknollen sind verdickte Wurzelfasern, die zumeist in einem Büschelchen vereinigt bleuten. Wie aus der „alten" Kartoffel (s. das.) baut sich aus den Vorratsstoffen, die in den Wurzelknollen aufgespeichert sind, die junge Pflanze auf. Infolgedessen schrumpfen die „alten" Knollen immer mehr zusammen, bis sie endlich gänzlich verschwinden. Unterdes aber haben die Blätter neuen Baustoff bereitet. Er wandert nach abwärts und wird in neuen Wurzelkuollcn aufgesammelt, die sich am unteren Ende des Stengels bilden.

b) Die Vorratsstoffe lagert die Pflanze noch an einer anderen Stelle ab: In den Blattwinkeln entstehen schmutziggelbe Knospen, die gleichfalls die Form von Knollen haben und Weizenkörnern entfernt ähnlich sind (1). Da aus ihnen im nächsten Jahre auch Pflänzchen hervorgehen, werden sie als Brutknospen oder Brutknollen bezeichnet. Nach dem Absterben der Pflanze findet man sie oft in großen Mengen am Boden liegen („Himmelsgerste", Sage vom Ge- treideregen). Durch Regengüsse werden sie oft weithin verschwemmt, dienen daher auch der Verbreitung der Pflanze.

Die nächsten Verwandten des Scharbockskrautes haben im wesentlichen den gleichen Blüten- und Fruchtbau. Sie besitzen aber 5 Kelch- nnd Blumenblätter. In sehr wechselvoller Gestalt und als Bewohnerin der verschiedensten Ortlichkeiten tritt uns die Gattung Hahnenfug (Ranünculus) entgegen. Mit Tausenden gelber, leuchtender Blüten überstreut der scharfe Hahnenfug (R. acer) im Frühjahre unsere Wiesen. Bei Eintritt der Dunkelheit sind die Blüten aber wie verschwunden : sie haben sich nicht nur wie die des Scharbockskrautes geschlossen, sondern sind auch infolge der Krümmung ihrer Stiele mehr oder weniger nickend geworden. (Beachte dar- aufhin auch die anderen Hahnenfußarten!) Durch einen scharfen, giftigen Stoff (Name!) ist die Pflanze gleich den meisten anderen Hahnenfußgewächsen gegen Tierfraß geschützt. Im Heu dagegen wird sie von den Weidetieren verzehrt, weil der Giftstoff durch Trock- nen verloren geht. Durch den runden (ungefurchten, Blütenstiel unterscheidet sich der scharfe Hahnenfuß leicht von den beiden sehr ähnlichen und gleichfalls überall häufigen

Scharbockskraut und seine nächsten Verwandten.

Arten, dem knolligen und dem kriechenden Hahnenfug (lt. bulbösus und repens), die

beide gefurchte Blütenstiele besitzen. Wie schon die Namen andeuten, ist erster» an der knolligen Anschwellung des Stengelgrundes (Vorratsspeicher!) und letztere an den langen Ausläufern leicht zu erkennen. An Gewässern and auf feuchten Wiesen findet sieh die giftigste Art, der Gifthalnienfnfj (R. scelerätus), eine bis 1 m hohe, stark verzweigte und saftige Pflanze mi1 vielen kleinen Blüten. Mehrere Hahnenfuß- arten sind auch die Stammeltern der als Gartenzierpflanze bekannten „Goldknöpfchcn". Der Wasser-Hahnenfuß (Baträehium aquätile) ist ein bekannter Bewohner unserer stehenden und langsam fließenden Gewässer. Durch zahlreiche Wurzeln ist er im schlam- migen Grunde verankert, und den Wasserspiegel überstreut er oft auf weite Strecken hin mit zarten, weißen Blütensternen. Seine Stengel, die gleich den Blättern außerhalb

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Wasser-Hahnenfnß L dessen „Landform" (lj2 nat, Gr.).

des Wassers kraftlos zusammenfallen, sind wie die Blattstiele der Seerose (vgl. beide Pflanzen auch nach anderen Punkten!) von Luftkanälen durchzogen, so daß sie vom Wasser getragen werden (darum können sie auch so lange Seitenzweige treiben!), und auf der Wasseroberfläche breitet er meist zarte Schwimmblätter aus, die alle Eigenschaften der Seerosenblätter besitzen. Durch die haarförmig zerteilten, untergetauchten Blätter, die sich bei zahlreichen anderen Wasserpflanzen wiederfinden (Beweis!), unterscheidet sich der Hahnenfuß aber wesentlich von der Seerose. Welche Bedeutung diese eigen- tümliche Blattform hat, ist leicht einzusehen, wenn man folgendes beachtet: Schneidet man einen Zweig der Pflanze ab, so wächst er weiter, auch wenn er keine Wurzeln be- sitzt, ein Zeichen, daß die Nahrungsaufnahme nicht durch die Wurzeln stattfindet. Sie erfolgt vielmehr durch die zarte Oberhaut der Stengel und Blätter und wird um so erfolgreicher sein, je größer die Oberfläche dieser Teile ist. Ferner: im Wasser herrscht ein gedämpftes Licht, und in ihm ist nur eine geringe Menge von atmosphärischer Luft gelöst, deren Sauerstoff von der Pflanze eingeatmet wird. Je größer aber die

6 Taf. 2. 1. Farn. Hahnenfoßgewächse.

Oberfläche der Pflanze ist, desto erfolgreicher kann auf sie das Licht wirken, und desto lebhafter wird auch die Atmung; sein. Da nun stark zerteilte Blätter eine größere Ober- fläche besitzen als ungeteilte von gleicher Blattmasse (schneide ein scheibenförmiges Stück einer Kartoffelknolle in Streifen und beachte, wie sich die Oberfläche vergrößert!), so leuchtet die Bedeutung dieser Blattform für untergetauchte Blätter ohne weiteres ein. Endlich wird auch ein solches Blatt durch die Bewegungen des Wassers bei weitem nicht so Leicht zerrissen, wie ein ungeteiltes. Die schwimmenden Blätter dagegen, die mit jeder Welle auf und niedersteigen, bedürfen wie die Seurosenblätter eines solches Schutzmittels nicht. In fließendem Wasser nimmt die Pflanze oft ein verändertes Aussehen an: sie bildet gewöhnlich keine Schwimmblätter; die Stengel sind lang und riemenförmig und die Blattzipfel stark verlängert und fast parallel laufend. (Erkläre diese „An- passungserseheinungen'' !) Versiegt das Gewässer, so stirbt der Wasser- Hahnenfuß nicht: Die zarten Blätter gehen freilich zu Grunde; aus den Blattwinkeln aber wachsen kurze, kräftige Stengel hervor, an denen zwar auch zerteilte, jedoch weit dickere und steifere Blätter hervorsprossen. Eine gleiche Veränderung ist auch an solchen Teilen der Pflanze zu beobachten, die über das Wasser ragen oder auf das Trockene geraten. Diese „Landforrn" wird von der Winterkälte getötet, während die „Wasserform" über- wintert (s. Seerose).

2. Das Busch -Windröschen (Anemone nemorosa). Taf. 2.

1. Standort und Blütezeit. Die Pflanze bewohnt den laubbedeckten Boden in Busch (Name!) und Wald. Sie blüht daher wie das Scharbocks- kraut zeitig- im Jahre (April und Mai „Osterblume") und stirbt mit Eintritt des Sommers ab. Da sie aber das dichteste Gebüsch, also den tiefsten Waldes- schatten meidet, so kann sie auch etwas später als jene Pflanze erscheinen und auch später wieder vom Schauplatze abtreten; denn an ihren Standorten dringen die Lichtstrahlen auch später im Jahre noch bis zum Boden hinab. Das früh- zeitige Erscheinen wird wie bei dem Scharbockskraut durch das Vorhandensein eines Vorratsspeichers bedingt. Es ist dies

2. der unterirdische Stamm, der Wurzelstock, der von der Laubdecke wohl geschützt den Winter überdauerte. Er ist federkieldick, von brauner Farbe und liegt wagerecht im Boden, in den er zahlreiche Wurzeln sendet. Gräbt man ihn im Herbst aus, so findet man an einem seiner beiden Enden bereits den jungen Trieb, an dem alle oberirdischen Teile schon zu erkennen sind (s. w. u.), eine Tatsache, die das frühzeitige Erscheinen der Pflanze noch mehr erklärlich macht. An der Stelle, an der sich der Trieb erhebt, findet sich außerdem eine von weißen Blättchen umgebene Endknospe. Untersucht man den Wurzelstock zu oder noch besser nach der Blütezeit wieder, dann sieht man, wie diese Knospe durch fortgesetztes Wachstum den Wurzelstock über jenen Punkt hinaus verlängert hat (genau, wie dies an wachsenden oberirdischen Stämmen geschieht): der Wurzel- stock verjüngt sich beständig in dem Maße, in dem er am Hinterende abstirbt. Die Pflanze wandert also langsam weiter und gelangt somit fortgesetzt in einen Boden, dem sie die nährenden Bestandteile noch nicht entzogen hat. Die weißen Hüll- blättchen schützen die im Boden allmählich vordringende Knospe vor Verletzungen.

Schmal, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 2.

Busch -Windröschen (Anemone nemorosa).

Busch -Windröschen. 7

Haben sie ihre Aufgabe erfüllt, dann sterben sie ab, Narben am Wurzolstorke zurücklassend. Durch seitliche Knospen entstehen am Wurzelstocke Zweige (genau wie an den oberirdischen Stämmen). Stirbt der Wurzelstock an der Verzwei- gungsstelle ab, so wird der Zweig selbständig. Die Verzweigung ist hier also ein Mittel der Vermehrung, und zwar ein außerordentlich wichtiges, weil die Pflanze wie das Scharbockskraut nur selten Früchte hervorbringt.

3. Die zarte Blüte, die fast das Aussehen eines Röschens hat, und schon beim leisesten Winde hin und herschaukelt („Windröschen"), stellt am Ende eines langen Stieles. Wir finden an ihr, sowie an der Frucht (3.) die Verhält- nisse des Scharbockskrautes wieder (Beweis!). Sie hat aber eine einfache Bluten- hülle, die aus sechs weißen und außen oft rötlich angehauchten (1. und 2.) Blättern besteht. Da ihr der Honig fehlt, sind die besuchenden Insekten allein auf den Blütenstaub angewiesen (zahlreiche Staubblätter! vgl. auch mit Klatsch- mohn!) Nachts und bei regnerischem Wetter schließt sich die Blüte wie die des Scharbockskrautes. Durch Krümmung des Blütenstiels neigt sie sich aber seitwärts. An dem Blütenstiele ünden sich stets drei mehrfach geteilte, grüne

4. Blätter. Untersucht man die Pflanze im Herbst, so sieht man, wie diese noch sehr kleinen und blassen Gebilde die winzige Blüte schützend um- hüllen. Man bezeichnet sie daher als Hüllblätter. Das einzige, den Hüll- blättern sehr ähnliche eigentliche Blatt entspringt mit einem langen Stiele neben dem Blütenstiele oder an einer Verzweigung des WTurzelstockes oder fehlt auch gänzlich. Es ist im Herbste gleichfalls schon in der Anlage vorhanden.

a) Sind denn aber so muß man sich fragen die zarten , zerteilten Blattflächen und die noch zarteren Blüten imstande, den Erdboden zu durch- brechen, ohne sich dabei stark zu verletzen? Sie wären es sicher nicht, wenn ihnen hierbei nicht eine Einrichtung zu Hilfe käme, die wir beim Bohnen- keimling wiederfinden : Die Stiele krümmen sich stark nach oben, so daß sie gleichsam Erdbrecher darstellen. Bei fortgesetztem Wachstum heben sie infolge- dessen die Erde empor, so daß dieselbe schließlich auseinanderbricht.

b) Zum Windröschen können zumal wenn die Bäume belaubt sind Lichtstrahlen nur in beschränktem Maße gelangen. Je größer aber die Blätter sind, desto mehr Lichtstrahlen vermögen sie aufzufangen, und je dünner sie sind, desto besser können sie durchleuchtet werden. Das Windröschen besitzt darum verhältnismäßig große und dünne Blätter.

c) Pflückt man Windröschen zum Strauße, so welken sie viel schneller als Pflanzen, die auf dem Felde oder gar an öden Stellen wachsen. Wie er- klärt sich diese Erscheinung? Da der Boden des Laubwaldes stets reich an Feuchtigkeit ist, braucht das Windröschen mit dem Wasser nicht haushälterisch umzugehen. Es bedarf daher auch aller der Ausrüstungen nicht, die zahlreiche andere Pflanzen besitzen , um die Verdunstung einzuschränken : es seien nur genannt die Behaarung, die starke Oberhaut und die Kleinheit der Blattflächen (s. z. B. Königskerze und Mauerpfeffer). Das Windröschen besitzt daher nicht nur. wie erwähnt, verhältnismäßig große Blätter, sondern diese

Fam. Halmen fußgewächse.

1

Kuhsehelle (wenig verkl.). Die oberirdischen Teile der abgebildeten Pflanze waren 7 cm boch; die (bier des Raumes wegen abgescbnittene)Wurzel dagegen maß 48 cm. Daneben: Frucbtstand.

sind auch wie alle anderen Teile derPflanze nur sehr ge- ring behaart und außer- ordentlich z a r t, (Ganz ähnliche Blätter haben darum auch Lerchen- sporn, Einbeere, Frühlingsplatt- erbse und zahl- reiche andere Waldpflanzen.)

Die nächsten Verwandten des Windröschens.

In der Gesellschaft des Busch-Windröschens findet sich viel- fach das ganz ähnliche gelbblühende Windröschen (A. ranuncu- loides). Trockenere Laubwälder als beide bewohnt die freundliche Leberblume (Hepätica triloba). Die Hüllblätter der prächtig blauen Blüten haben ganz die Stellung und das Aussehen eines wirk- lichen Kelches. (Beweis ! Beachte, wie die Blumenblätter mit den Staubblättern wachsen und wie sich die Blüte abends schließt und nickend wird ! Bedeutung dieser Erscheinungen ?) Während des Blüliens kommen auch die eingerollten und stark behaarten jungen Blätter zum Vorschein (Bedeutung dieser Eigenschaften ?). Da die Blätter erst im nächsten Frühjahre absterben, sind sie lederartig wie bei dem Epheu (s. das). Früher wurden sie, weil sie die Form einer Leber haben, als Heilmittel gegen Leberleiden benutzt (Name!). Eine Bewohnerin sonniger Hügel und lichter Kiefernwälder ist die Kuhschelle (Pulsatilla pratensis), die ihres giftigen Saftes wegen (Schutzmittel gegen Weidetiere I) in der Medizin verwendet wird. Infolge der außerordentlich tiefgehenden Wurzel, der seidenartigen Behaarung und der Zerteilung der Blattflächen vermag sie der Wasserarmut ihrer Standorte zu trotzen. Die hängende, dunkelviolette Blüte gleicht einem Glöckchen (Name ! Aus Kühchenschelle ist Küchenschelle geworden !). ' Die Früchte besitzen je einen langen, federigen Anhang (der verlängerte Griffel) und können infolge- dessen durch den Wind leicht verweht werden. Dieselbe Flug- ausrüstung finden wir bei den Früchten der Waldrebe (Clematis vitälba). Die Pflanze ist eine der wenigen Lianen unserer heimat- lichen Wälder (fehlt aber im Norden und Osten Deutschlands). Als Kletterwerkzeug dienen die Stiele der gefiederten Blätter. Sie werden

Nächste Verwandte des "Windröschens. Sumpfdotterblume. 9

wie Ranken um andere Gegenstände geschlungen, und verholzen und verdicken an der betreffenden Stelle (vgl. mit Weinstock!). Des Klettervermögens wegen benutzt man die Pflanze, obgleich sie nur kleine, weiße Blüten besitzt, gern zur Bekleidung von Lauben und dergl. Die vielfach angepflanzten großblumigen Waldreben sind süd- europäische Arten.

Ü. Die Sumpfdotterblume (Caltha palustris).

A. Wie sie grünt. Im Sumpfe (Name!), auf feuchten Wiesen, an den Rändern von Gräben und Bächen, kurz an wasserreichen Ortlichkeiten ist die allbekannte Dotterblume anzutreffen. Diese Stellen fliehen die meisten Pflanzen. Man wird daher bei der Dotterblume sicher zahlreiche Einrichtungen finden, die dem Leben im Sumpfe entsprechen.

1. Da ihr Wasser stets im Überfluß zur Verfügung steht, braucht sie wie Pflanzen trockener Standorte (z. B. Kuhschelle) die Wurzeln nicht tief in die Erde zu senken. Die Wurzeln breiten sich daher nur in der obersten Boden- schicht aus. Um in dem oft sehr weichen Grunde aber Halt zu gewinnen, muß die Pflanze stark verankert sein. Daher strahlen von dem kurzen, unterirdischen Stamme (Wurzelstocke) auch zahlreiche, strangartige Wurzeln nach allen Seiten aus.

2. Im Gegensatz zu vielen „dürren" Pflanzen trockener Standorte (s. aber Mauerpfeffer) sind bei der Dotterblume ferner alle grünen Teile saftstrotzend, fleischig. Und von den zahlreichen Mitteln, durch die sich diese Pflanzen gegen eine zu starke Ausdünstung des eingesogenen Wassers schützen , finden wir hier (wie beim Windröschen; s. S. 7, c) nichts. So ist die Dotterblume z. B. an allen ihren Teilen völlig unbehaart und im Besitz

3. sehr großer Blätter. Die nierenförmigen und meist schwach ge- kerbten Blattflächen werden (wie beim Scharbockskraute) von sehr verschieden langen Stielen getragen; je weiter oben sie an dem hohlen Stengel stehen, desto kürzer sind sie gestielt. Die längsten Stiele besitzen die großen Blätter, die direkt aus dem Wurzelstocke entspringen. Infolge dieser Einrichtung beschatten die oberen Blätter die unteren nicht, so daß alle der belebenden Sonnenstrahlen teilhaftig werden. Die rinnigen Blattstiele sind nach dem Stengel zu stark ver- breitert und umfassen ihn wie eine Scheide. Betrachtet man die Pflanze in ihrer Entwicklung, so sieht man, daß die scheidenförmigen Abschnitte der Blatt- stiele Schutzhüllen für die zarten, jungen Teile sind. (Vgl. nach den angegebenen Punkten die anderen dir bekannten Pflanzen feuchter Stellen und des Sumpfes ! )

B. Wie sie blüht. 1. Zur Frühlingszeit entfalten sich an der Pflanze zahlreiche „Hahnenfußblüte n", die gleich der des Windröschens eine einfache Blutenhülle besitzen. Infolge der Größe und dottergelben Farbe der 5 Blätter (Name! Daher auch Butterblume!) leuchten die Blüten weithin und locken zahlreiche Insekten zur Bestäubung herbei. Der Honig wird in je einer Ver- tiefung zu beiden Seiten der zahlreichen Fruchknoten abgeschieden.

2. Solange sich die Blüte im Knospe nzustan de befand, Stempel und Staubblätter also noch nicht völlig entwickelt waren, solange konnten auch die

10

1. Fam. Hahnenfußgewächse. 2. Fatn. Sauerdorngewächse.

Insekten der Pflanze jenen wichtigen Dienst nicht erweisen. Darum war bis dahin in der Blüte kein Honig zu rinden, und die Blütenhülle, welche die zarten, inneren Organe noch schützend umgab, war unscheinbar grün gefärbt. Die ge- schlossenen Blütenknospen werden in Essig eingelegt und als „deutsche Kapern" verspeist. (Die „echten" Kapern sind die Blütenknospen des Kapernstrauchs [Cäpparis spinösa], der in Südeuropa und Nordafrika gedeiht.)

3. Ist die Bestäubung vollzogen, so versiegt der Honigquell und die nutz- los gewordenen Blumenblätter fallen ab. Die nunmehr sich ausbildenden Früchte besitzen gleich denen der nächsten Verwandten (s. w. u.) zahlreiche Samen. Würden die Samen sämtlich in der Fruchthülle zu keimen beginnen, wie dies bei den bisher betrachteten Halmenfnßarten geschieht, so würden die jungen Pflänzchen auf einem Trupp zusammenstehen und sich gegenseitig Licht, Nah- rung und Platz streitig machen. Die Früchte können daher nicht Schließ- früchte sein wie die jener Arten: sie müssen sich öffnen, so daß die Samen verstreut werden können (Springfrüchte). Das Öffnen geschieht beim Austrocknen der Fruchthülle durch einen Längsriß.

Die nächsten Verwandten der Sumpfdotterblume. Der Feld-Rittersporn (Delphinium consülida) zählt zu den bekanntesten Acker- unkräutern, seine azurblaue Blüte aber zu den schönsten Feldblumen. Während zur Erntezeit die Sense alle größeren Ackerpflanzen tötet, bleibt der Rittersporn am Leben:

er treibt aus dem Stumpfe des Stengels von neuem Seitenzweige und blüht bis in den Herbst hinein. Vermöge der langen Pfahl- wurzel und der winzigen, verteilten Blatt- flächen vermag er diese trockenste Zeit des Jahres leicht zu überstehen (vgl. mit an- deren Trockenlandpfianzen). Die Blumen- blätter (B.) sind zu einem kleinen, helm- artigen Gebilde verwachsen, das den Blüten- staub gegen Tau und Regen schützt und am Hinterende einen Honigsporn (Name!) trägt. Die Anlockung der Insekten ist in erster Linie dem weit größeren Kelche (K.) übertragen, der daher gleichfalls gefärbt ist. Sein oberes Blatt ist in einen langen Sporn ausgezogen, der den Honigsporn wie eine Scheide schützend umgiebt. Da der Honig tief geborgen ist, so vermögen nur langrüsselige Insekten his zu ihm vorzudringen. In jüngeren Blüten, in denen die Staubblätter den einzig vorhandenen Stempel noch gänzlich umhüllen, stehen die Staubbeutel vor der Öffnung des Sporns. In älteren Blüten dagegen nimmt die nunmehr reife und freistehende Narbe diese Stelle ein. Es kann daher nicht ausbleiben , daß das

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Feld-Rittersporn: 1. Blüte mit reifen Staubblättern. K. Kelchblätter. B. Die verwachsenen Blumenblätter. 2. Blüte mit reifer Narbe. Fr. Frucht ; der "Wind hat einige Samen ausgeschüttelt, (nat. Gr.).

Sumpfdotterblume und seine nächsten Verwandten. Sauerdorn.

II

saugende Insekt Blütenstaub jüngerer Blüten zur Narbe älterer trägt, also Fremdbestäubung herbeiführt. Vor allen Dingen ist es die Gartenhummel, die der Pflanze diesen Dienst erweist. Ganz ähnlich erfolgt die Bestäubung, und zwar gleichfalls ausschließlich durch Hammeln, bei zwei bekannten Gartenpflanzen, der Akelei (Auuilegia vulgaris) und dem Sturmhat (Aconitum napellas). Die Akelei oder „falsche Glockenblume" (warum?) kommt wild hier und da auch in Wäldern vor. Die Heimat des Sturmhuts, dessen sehr scharfes Gift in der Heilkunde Verwendung findet, sind die Alpen, sowie die Gebirge Süd- und Mitteldeutschlands. Von dorther stammt auch die vielfach in Gärten angepflanzte schwarze Nieswurz (Helleboras niger), so genannt, weil ihre schwarze Wurzel im gepulverten Zustande Niesen erregt. Mitten im Winter entfaltet die Pflanze ihre präch- tigen, schneeweißen Blüten („Schnee- oder Christrose"), in denen sich ein Kranz zier- lichster, tütenförmiger Honigbehälter (d. s. die umgewandelten Blumenblätter) findet. (Reschreibe die interessanten Blüten der letztgenannten Pflanzen näher und verfolge ihre Bestäubung!) Auch die in unsern Gärten meist mit gefüllten Blüten gezogenen Pfingstrosen (Paeönia) sind Hahnenfußgewächse (Name!).

Als weitläufige Verwandte der betrachteten Pflanzen wären der Tulpen- baum (Liriodendron tulipifera) und die prächtige Magnolie (Magnölia grandiflöra) zu nennen, die beide aus Amerika stammen und bei uns in Parks gepflegt werden.

2. Familie. Sauerdorn- oder Berberitzen-Gewächse (Berberid

eae

Der Sauerdorn oder die Berberitze (Berberis vulgaris).

1. Der Sauerdorn findet sich wild in Hecken und Gebüschen und ist einer unserer beliebtesten Ziersträucher. In der Nähe von Getreidefeldern sollte man ihn aber nicht dulden. Auf der Unterseite der

2. Blätter kommen näm- lich häufig rostfarbene Flecke vor, die Sporenlager des Ber- beritzenrostes, dessen Ge- fährlichkeit wir bei der Be- trachtung des Getreiderostes noch kennen lernen werden. Neben den gewöhnlichen, scharf- gezähnten Blättern finden sich an den jüngeren Zweigen noch Blätter, die in drei- bis sieben- teilige, scharfe Stacheln um- gewandelt sind. (Sache Über- gänge zwischen beiden!) Sie fallen im Herbste nicht ab und stehen am Grunde der "Winter- knospen. Wenn sich nun im Frühjahre aus den Knospen Zweige entwickeln, so bilden

Sauerdorn.

Links: Zweigstück mit Knospe und jungen Blättern.

(nat. Gr.) Rechts: Blüte (nach Ent- fernung der vorderen Blüten- teile). Das zum rechten (halben) Blumenblatte gehörige Staub- blatt hat sich infolge eines Reizes der Narbe angelegt. II. Honigdrüsen. (4 mal nat. Gr.)

12 Taf. 3. 2. Fam. Sauerdorngewftchse. 3. Fam. Soerosen.

die Dornen für sie eine vortreffliche Schlitzwehr gegen Weidetiere, sowie gegen Raupen und Schnecken, welch letztere, nach dem zarten Lauhe lüstern, am Stengel emporsteigen.

3. Die eigentümlich duftenden Blüten stehen in Trauben, werden also trotz ihrer Kleinheit auffällig, und dies umsomehr, als nicht nur die sechs Blütenblätter, sondern auch die Kelchblätter an der Innenseite gelb gefärbt sind. Die anfänglich aufrecht stehenden Trauben werden später hängend, so daß die Blüten wagerecht oder schräg abwärts zu stehen kommen. Da zudem die Staub- beutel von den umgebogenen Zipfeln der Blütenblätter überdeckt werden, so ist der Blütenstaub gegen Regen vollkommen geschützt. Die Weise, in der die Blüten bestäubt werden, ist höchst wunderbar. Berührt man mit einem spitzen Hölzchen den Grund eines Staubblattes, so sieht man, wie es plötzlich nach innen schnellt. Genau dasselbe erfolgt natürlich, wenn das Staubblatt an jener Stelle von einem Insekt berührt wird. Diese Berührung erfolgt nun zufällig, oder was die Regel ist beim Saugen des Honigs; denn der süße Saft wird von zwei orangefarbenen Anschwellungen jedes Blütenblattes abgeschieden, die unter dem reizbaren Grunde des Staubblattes liegen. Dabei kann es natür- lich nicht ausbleiben, daß das Insekt mit Blütenstaub beladen wird. Fliegt das Tier darauf zu anderen Blüten, dann werden sicher einige Staubkörnchen an der Narbe dieser oder jener Blüte abgestreift.

4. Der Fruchtknoten entwickelt sich zu einer eßbaren Beere, die mit leuchtendem Rot Vögel zum Verzehren des saftigen, säuerlichen Fruchtfleisches (Sauerdorn!) einladet (s. Weinstock).

Eine nahe Verwandte ist die Mahonie (Mahonia aquiföliuni), die wegen ihrer immergrünen Blätter und goldgelben Blütentrauben häufig in Parkanlagen zu finden ist. Sie stammt aus Nordamerika und ist gleichfalls ein Träger des Berberitzenrostes.

3. Familie. Seerosen (Nymphaeäceae). Die weiße Seerose (Nympti&a alba). Taf. 3.

Der stille Weiher, der schilfumkränzte Teich, der blinkende See, alle erhalten erst durch die Seerose ihre schönste Zier. Die riesigen Blätter, die sich gleich schwimmenden Schilden auf dem Wasserspiegel ausbreiten, und die wunderbar zarten Blüten, die gefüllten Rosen ähneln (See-, Teich- und Wasserrose), erhöhen mächtig den geheimnisvollen Zauber, den das Wasser auf den Menschen ausübt (vgl. Goethes „Fischer"!). Darum ist auch die prächtige Pflanze schon seit uralten Zeiten durch Sage und Märchen verklärt : Auf den Blättern schaukeln sich im Mondenscheine die Elfen und Nymphen (Nymphaea!), und unter ihnen lauert die Nixe, um denjenigen zu sich in die Tiefe zu ziehen, der die herr- liche Blüte brechen will („Nixblume" Die Nixe heißt auch „Wassermuhme", die Pflanze daher „Hummel").

Während die meisten Pflanzen (Beispiele!) bald zu Grunde gehen, wenn sie längere Zeit überflutet werden, spielt sich das Leben der Seerose (mit Aus- nahme des Blühens!) im Wasser ab: sie ist eine Wasserpflanze.

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 3.

Weiße Seerose (Nymphaea alba).

Sauerdorn. Mahonie. Weiße Seerose. 13

1. Ihr Stamm ist ein armdickes Gebilde, das mit vielen Blattnarben be- deckt und im schlammigen Grunde der Gewässer eingebettet ist. Da er durch zahlreiche Wurzeln, die sich tief in den Boden senken, verankert wird, vermag die Pflanze nur Gewässer mit lockerem Untergrunde und im Gegensatz zu den nichtwurzelnden Wasserpflanzen (z. B. der Wasserprimel) auch langsam fließende Gewässer zu bewohnen. Da die Wurzeln aber auch Werkzeuge der Nahrungs- aufnahme sind, kann die Seerose nur auf schlammigem Untergrunde gedeihen, nicht etwa auch auf nahrungsarmem Sand- oder Geröllboden. Am Ende des Stammes erheben sich die Stiele der Blüten und

2. Blätter. So lange sich die wachsenden Blätter unter Wasser beflnden, sind ihre jetzt noch sehr zarten Blattflächen so von beiden Seiten nach innen gerollt, daß man die Unterseite sehen kann. Wären sie ausgebreitet, so würden sie sicher in noch weit höherem Grade der Gefahr ausgesetzt sein, durch Wellen und Strömung zerrissen zu werden, als sie es jetzt schon sind. Sobald die Blätter die Wasseroberfläche erreicht haben, stellt der Stiel das Wachstum ein, und die großen, am Grunde tief herzförmigen Blattflächen breiten sieh auf dem Wasserspiegel aus, in vollem Genüsse von Licht und Luft. Je nach der Tiefe des Wassers sind daher die Stiele von sehr verschiedener Länge. Ins Ungemessene können sie natürlich nicht wachsen; denn der Pflanze steht ja nur eine gewisse Menge von Baustoffen zur Verfügung. Diese Tatsache macht es verständlich, daß die Seerose nur in verhältnismäßig flachen Gewässern oder in der Uferzone tiefer Gewässer lebt. Hat das Wasser seinen höchsten Stand inne, so stehen die Stiele fast senkrecht; sinkt es, so rücken die Blattflächen weiter auseinander, und die Stiele bewegen sich nach außen (etwa wie Stäbe eines Schirmes, den man mit der Spitze auf den Erdboden stellt

und öffnet).

a) Reißt man einen Blattstiel vom Stamme los, so schwimmt er samt seiner Blattfläche auf dem Wasser. Dies ist eine Folge zahl- reicher, großer, luftgefüllter Zwischen- zellräume, die auf zarten Querschnitten schon mit bloßem Auge deutlich zu sehen sind. (Vgl. mit einem Schwimmgürtel!) Der schwimmenden Blätter wegen zählt die Seerose zu den „Schwimmpflanzen".

Auf den Querschnitten bemerkt mau, falls ,„ .... „. ,

_ . , , , , ' Querschnitt aus dem Blattstiele

mau sie gegen das Licht hält, wie von den . .„ « .. R

° ö der weißen Seerose mit groben

Zellwänden der Lufträume sternförmige Lufträumen und sternförmigen Haa- Haare ausstrahlen, die mit körnigen Rauheiten ren (etwa 5omai nat. Gr.)

versehen sind. In diesen Gebilden glaubt man

ein Schutzmittel der Pflanze besonders gegen Schnecken zu erkennen; denn wenn den gefräßigen Tieren beim Benagen der Stiele beständig jene scharfen Spitzen

14 3. Farn. Seerosen.

iu den weichen Körper dringen und das ist unausbleiblich! so werden sie das Zerstörungswerk wohl bald aufgeben müssen.

b) Da das Blatt in (Stiel) oder auf dem Wasser (Blattfläche) schwimmt, also von ihm getragen wird, so wird uns die auffallende Schlaffheit und Bieg- samkeit des Stieles (der bei den Lnftpflanzen bekanntlich die Blattfläche und sein eigenes Gewicht zu tragen hat) wohl verständlich. Und solch ein seil- artiger Stiel ist andererseits durchaus notwendig; denn er ist allein imstande, den Bewegungen der Blattfläche (Wellen, Wind!) leicht und schnell zu folgen. (Was würde im anderen Falle geschehen?)

Versiegt das Gewässer, dann sinken freilich die langgestielten Blätter in den Schlamm und gehen bald zu Grunde. Die Seerose stirbt aber nicht, falls nur der Boden feucht bleibt. Sie treibt kleinere Blätter, deren (kurze) kräftige Stiele die (kleinere) Blattfläche wohl zu tragen vermögen; man sagt: sie wird zur Landform. (Häutiger als die Landform der weißen Seerose ist die der gelben Teichrose zu beobachten. Warum kann man diese Pflanzen als „amphi- bische" Gewächse bezeichnen?)

c) Schwimmende Blattflächen haben durch die auf- und absteigenden Wellen mehr oder minder heftige Erschütterungen auszuhalten, und niederfallende Begen- tropfen treffen sie mit voller Kraft. (Durch welche Mittel geht bei den Luft- pflanzen ein Teil der Kraft des Wxindes und der Regentropfen verloren ? Vgl. z. B. Birnbaum.) Zarte Blätter würden daher bald von den Wellen zerrissen und von größeren Regentropfen durchlöchert sein: Die starke, lederartige Be- schaffenheit der Blätter erscheint uns daher als ein wichtiges Schutzmittel gegen jene Kräfte.

d) Hält man ein abgeschnittenes Seerosenblatt unter Wasser und bläst durch den Stiel kräftig Luft ein, so sieht man, wie sie von der Oberseite der Blattfläche in Form glänzender Perlen wieder emporsteigt (vgl. Absch. 2 a). Im Gegensatz zu den Blättern der Landpflanzen, bei denen die Spaltöffnungen zumeist an der Unterseite liegen, finden sich die S p a 1 1 ö f f n u n g e n hier also an der Oberseite, die ja allein von Luft umspült wird. Da der Seerose Wasser im Überfluß zur Verfügung steht, so finden wir bei ihr auch keines der Mittel, die bei zahlreichen Landpflanzen eine allzu starke Ausscheidung von Wasserdampf verhindern ('s. z. B. S. 7, 4 c). Im Gegenteil, je mehr Wasser durch die Blätter verdampft, desto besser ist es für die Pflanze; denn desto mehr Nahrungs- stoffe werden ja mit dem Wasser durch die Wurzeln eingesaugt. Daher be- sitzt das Seerosenblatt nicht nur eine sehr große Menge von Spaltöffnungen (etwa zehn Millionen), sondern auch mehrere Einrichtungen, die ein Verstopfen dieser Öffnungen durch Wasser verhindern:

c) Die Oberseite ist mit einem Wachsüberzuge versehen. Ein Versuch zeigt, daß Wasser von ihr abrollt wie von dem eingefetteten Gefieder der Ente oder Gans. Und dies geschieht um so leichter, als

f) die Blattfläche an der Verwachsungsstelle mit dem Stiele meist etwas erhöht ist, und als

Weiße Seerose. 15

g) der Blattrand wellenartige Krümmungen zeigt, also zahlreiche Rinnen für das abfließende Wasser bildet.

h) Im Gegensatz zu der grünen Oberseite ist die Unterseite des Blattes meist violett gefärbt. Das Licht, welches die Blattmasse durchleuchtet, würde, wenn der violette Farbstoff fehlte, durch das Blatt hindurch nutzlos in das Wasser fallen. Durch ihn aber wird es wie von jedem dunklen Farbstoffe aufgefangen und wie wir aus Erfahrung wissen in Wärme umgesetzt (so sind z. B. dunkle Kleider im Sommer wärmer als helle). Eine Erhöhung der Temperatur hat aber stets auch eine Erhöhung der Verdunstung im Gefolge. Die violette Färbung, die sich zumeist auch an dem Blattstiele findet, gibt sich demnach als ein Förderungsmittel der Wasserdampfausscheidung zu erkennen.

o. Überwinterung. Auch die Weise, in der die Seerose den Winter übersteht, hängt mit ihrer Natur als Schwimmpflanze innig zusammen. Die auf dem Wasserspiegel schwimmenden Blätter würden durch die Winterkälte umso sicherer zerstört werden, als sich ja das Wasser mit einer Eisdecke überzieht. Die Blätter sterben daher im Herbste ab. Am Grunde der Gewässer dagegen sinkt selbst im kältesten Winter die Temperatur nicht bis auf den Nullpunkt, also so tief, daß sie das dort herrschende Pflanzenleben vernichtete. Dort können demnach Gewächse überwintern, und dort vermag auch der Stamm der Seerose seinen „Winterschlaf" zu halten. Die Seerose zählt daher wie alle Wasserpflanzen (mit Ausnahme einiger Uferbewohner) zu den ausdauernden Gewächsen.

4. Die Blüte steht am Ende eines langen S ti eis, der alle Eigenschaften der Blattstiele besitzt (wieso? warum nötig?). So lange sich die Blüte unter Wasser befindet, bilden die 4 Kelchblätter für das Blüteninnere einen fest- schließenden Mantel; an der geöffneten Blüte dagegen stellen sie gleichsam kleine, auf dem Wasser schwimmende Boote dar (Bedeutung?). Da sie innen weiß gefärbt sind, helfen sie die Augenfälligkeit der Blüte (Insekten !) erhöhen. Die zahlreichen, schneeweißen Blumenblätter werden nach innen zu beständig kleiner (Bedeutung?) und gehen allmählich in Staubblätter über (2), ein Zeichen, daß auch diese Blütenteile nichts weiter wie (umgewandelte) Blätter sind. Der Fruchtknoten, der oben die strahlig-schildförmige Narbe trägt, ist einer Mohnkapsel sehr ähnlich. Seiner Außenwand sind die Blumen- und Staubblätter in einer Spirale angeheftet (Fruchtwand daher mit zahlreichen Blattnarben).

Wenn die Morgensoune goldig am Himmel steht, öffnen sich die weithin leuchtenden, schwach duftenden Blüten. Fliegen und Käfer, die sich aber mit Blütenstaub (zahlreiche Staubblätter!) begnügen müssen, kommen bei ihnen zum Mahle. Gegen Abend schließen sich die Blumen wieder, so daß der leicht ver- derbende Blütenstaub gegen den Tau der Nacht und die aus den Gewässern aufsteigenden Nebel wohl geschützt ist.

5. Die Frucht reift im Schutze des Wassers. Sie ist ein beerenartiges Gebilde, das im Innern mehrere Fächer mit zahlreichen Samen enthält. Jeder Same ist von einer weißen, schleimigen Hülle, einem Samenmantel, umgeben (4).

16 3. Farn. Seerosen, 4. Farn. Kreuzblütler.

Platzt die Frucht bei der Reife, so werden die Samen frei. Da sich aber unter ihrem Mantel je eine große Luftblase bildet, so steigen sie zur Oberfläche empor, schwimmen dort umher und werden von der Strömung oder von Wind und Wellen oft weithin verschlagen. Entweicht die Luft, so sinken die Samen zu Boden und können an einer anderen Stelle des Wohngewässers eine neue Pflanze ins Dasein rufen. Da die Hülle klebrig ist, so kann es ferner auch nicht aus- bleiben, daß die Samen am Schnabel oder Gefieder der Wasservögel haften und zu anderen Gewässern getragen werden : die Seerose gibt sich also auch durch die Verbreitung ihrer Samen als eine echte Wasserpflanze zu erkennen.

Andere Seerosen.

Gleich der weißen Seerose ist die gelbe Teichrose (Nuphar luteum) eine bekannte Zierde unserer Gewässer. Sie stimmt mit ihrer weiß-blumigen Schwester in Bau und Lebensweise fast vollkommen überein ; nur in der Bildung von Blüte und Frucht (be- schreibe beide!) zeigen sich einige Abweichungen. An Schönheit werden beide noch von den Seerosen der warmen Gegenden übertroffen. Unter diesen ist wieder der ameri- kanischen Seerose (Victoria regia) der Preis zuzuerkennen. Sie bewohnt die großsn Ströme des warmen Südamerika. Ihre kreisrunden Blätter, die mit einem erhöhten Rande versehen sind, haben einen Durchmesser bis zu 2 m, und die wohlriechenden, anfangs weißen, später rosafarbenen Blüten einen solchen bis zu 40 cm. Hohe Berühmtheit hat die ägyptische Seerose oder die Lotosblume (Nymphsea lotus) erlangt. Wenn der Nil das Land überschwemmt, so grünt und blüht die herrliche Pflanze bald in allen Gräben und Kanälen ; wenn aber das Wasser wieder in seine Ufer zurückkehrt, so ver- schwindet auch sie wieder. Nur der im Boden eingebettete Stamm vermag die lange Zeit der Trocknis zu überdauern. Gleich dem heiligen Strome selbst galt die Lotos- blume als ein Sinnbild der Fruchtbarkeit und war den hohen Göttern geweiht. Ihr mehlreicher Stamm und ihre Samen wurden besonders früher von den Bewohnern des Landes verzehrt. Häufiger allerdings bautem an zu diesem Zwecke die indische See- rose (Nelümbo nucifera) an, die heut noch einem großen Teile Südasiens eine wertvolle Nahrungspflanze ist. Die trichterförmigen Blätter und roten Blüten hebt die herrliche, von den Indern heilig gehaltene Pflanze über den Wasserspiegel empor.

4. Familie. Kreuzblütler (Cruciferae).

Blüten mit 4 Kelchblättern , 4 kreuzweis gestellten Blumenblättern , 2 kürzeren und 4 längeren Staubblättern und einem Fruchtknoten, der aus 2 durch eine häutige Scheide- wand verbundenen Fruchtblättern besteht; Frucht eine Schote oder ein Schötchen.

Der Raps (Brassica napus).

A. Bedeutung. Zerdrückt man einige Samenkörner des Rapses, die als Futter für Stubenvögel allgemein bekannt sind, zwischen Papier, so entsteht ein bleibender Fettfleck. Das Öl, das diesen Fleck verursacht, bezeichnet man (im Gegensatz zu dem flüchtigen Öle; s. Rose) daher als fettes Öl. Dieses sog. „Rüböl" war bis zur Entdeckung des Steinöls das wichtigste Mittel zur Beleuchtung der Wohn- und Arbeitsräume, der Straßen und dgl. Darum war

Andere Seerosen. Raps. 17

auch der Raps (samt dem gleichfalls Öl liefernden Rübsen; s. S. 20) für den Menschen bis dahin eine überaus wichtige Pflanze. Heutzutage wird das „Rüböl" vorwiegend nur noch zum Schmieren von Maschinen, zur Bereitung von Seife und zu anderen gewerblichen Zwecken verwendet. Es wird in Ölmühlen durch Zerstampfen oder Zerquetschen der Samen gewonnen. Die zurückbleiben- den festen Bestandteile preßt man zu „Ölkuchen", die als Viehfutter geschätzt werden. In einigen Gegenden verspeist man auch die jungen Rapsblätter als das erste Gemüse, das der Frühling liefert.

B. Anbau. Je nachdem der Landmann Winter- oder Sommerraps baut, sät er die Samen im Spätsommer oder Frühling aus. Da ohne Wärme ein Wachstum der Pflanzen nicht möglich ist (Beweis!), so sind die Pflanzen der ersteren Form zu einer Winterruhe genötigt. Ihre Stengelglieder bleiben so kurz, daß die Blätter fast in derselben Höhe stehen. Da nun an der hoch aufstrebenden Rapspflanze die Blätter am Stengel in einer Spirale angeordnet sind, so müssen sie auch an dem verkürzten Stengel nach allen Seiten aus- strahlen, also eine Rosette bilden. (Denke dir den Stengel von oben nach unten in sich zusammengedrückt!) Wenn man bedenkt, daß die ausgebildete Raps- pflanze nur ein schwaches Gewächs ist, das im Winter durch die auf ihm lastende Schneemasse unbedingt zerknickt und vernichtet werden müßte, so wird man die Bedeutung dieser Erscheinung leicht einsehen. (Bestimme, welche Unkräuter die zierlichen Rosetten bilden, die du im Herbst oder Winter auf dem Felde findest !) Sobald aber im Frühlinge die höhersteigende Sonne die Erde zu neuem Leben erweckt, setzt auch die Rapspflanze das unterbrochene Wachstum fort: sie treibt gleich dem Sommerraps, der jetzt erst aus Samen hervorgeht, einen

C. Stengel, der eine Höhe von 1,50 m erreicht und im oberen Teile et- was verzweigt ist. Seine

D. 1. Blätter nehmen von unten nach oben beständig an Größe ab. Infolgedessen rauben sie sich gegenseitig nicht das zum Leben notwendige Son- nenlicht. Die oberen Blätter sind ganzrandig, die unteren dagegen stark ein- gebuchtet. (Da sich die Ausschnitte wie die Blättchen der Fiederblätter gegen- überstehen, nennt man solche Blätter „fiederspaltig".)

2. Taucht man eine Rapspflanze in das Wasser, so bleibt sie auffallender Weise vollkommen trocken. Die Wassertropfen rollen von ihr ab wie von dem eingefetteten Federkleide der Ente oder Gans. Dasselbe ist bei einem Regen zu beobachten. Wischt man aber mit dem Finger auf einem Blatte oder Stengel einigemale hin und her und taucht die Pflanze von neuem ins Wasser, so findet man, daß die abgewischte Stelle feucht geworden ist. Durch das Wischen ist nämlich der blaugrüne Anflug entfernt worden, der dem Raps eigen ist und von einer dünnen Wachsschicht herrührt. Der Wachsüberzug ist also ein Schutzmittel gegen Befeuchtung: er verwehrt dem Wasser, die Spaltöffnungen zu verstopfen, die sich auf beiden Seiten der Blätter und am Stengel finden, und mithin den Luftwechsel aufzuheben (s. das.), der durch diese Öffnungen vermittelt wird. Wie genaue Untersuchungen ergeben haben, ist der Wachs-

Schmeil, Lehrbuch der Botanik. o

IS

4. Farn. Kreuzblütler.

Überzug zugleich ein Schutzmittel gegen zu starke Verdunstung des in den Blättern enthaltenen Wassers.

3. Träufelt man Wasser auf die Blätter, so sieht man, wie es zum Stengel abfließt und schließlich zur Wurzel geleitet wird. Genau dasselbe geschieht mit den Regentropfen, die auf die Blätter fallen. Die Pflanze „begießt" sich also selbst. Diese Arbeit vermögen die Blätter vortrefflich zu leisten; denn sie

a) stehen am Stengel schräg aufwärts und

b) bilden (zumeist) flache) Rinnen;

c) die oberen umfassen den Stengel mit herzförmigem Grunde etwa zur Hälfte, und

d) bei den unteren Blättern zieht sich die Blattfläche in kleinen Lappen beiderseits bis zum Stengel herab (sie sind undeutlich gestielt).

E. Wurzel. Die Rapspflanze leitet also das auf sie fallende Regenwasser nach innen (zentripetal), nach der Mitte zu ab. Dort müssen darum auch die feinen Saugwurzeln liegen, durch welche die Pflanze das Wasser aufnimmt. Wir finden daher beim Raps kein weitverzweigtes Wurzelgeflecht wie z. B. bei ei- nem Baume, sondern eine möhrenförmige Haupt- wurzel, von der sich die Nebenwurzeln niemals weit entfernen. (Vgl. dag. Birnbaum!)

F. Blüte. 1. Blütezeit. Das Rapsfeld gleicht im April und Mai (Winterraps) oder im Juli und Au- gust (Sommerraps) einem gelben Blütenmeere.

2. Blüten bau. Mit den 4 schmalen, aufrecht- stehenden Kelchblättern wechseln die 4 sich kreuz- weis gegenüberstehenden Blumenblätter ab (Name der Familie!). Die unteren, schmalen Abschnitte der Blumenblätter bilden mit dem Kelche eine Röhre: die oberen, breiten Abschnitte sind rechtwinklig ab- gebogen. Von den 6 Staubblättern sind 2 (äuße- rer Kreis) kürzer als die 4 anderen (innerer Kreis). Der langgestreckte Fruchtknoten ist von 2 Frucht- blättern gebildet, deren verwachsene Ränder je eine Reihe Samen tragen (im ganzen also 4 Reiheu) und durch eine häutige Scheidewand verbunden sind. Oben trägt der Fruchtknoten die knopfförmige Narbe.

3. Bestäubung. An warmen, sonnigen Tagen ist das blühende Rapsfeld von vielen Tausenden von Insekten besucht. Ganz besonders zahlreich stellt sich die Honigbiene ein. Den hochwillkommenen Gästen macht sich die Blüte weithin bemerklich:

a) Die Blumenblätter sind von leuchtend goldgelber Farbe.

b) Solange der Kelch die anderen Blütenteile noch schützend umhüllte,

Blüte und Blütengrund-

riß vom Raps. Von der

Blüte sind ein Kelchblatt und

zwei Blumenblätter entfernt

(etwa 3 mal nat. Gr.).

Raps. Gattung Kohl.

war er unscheinbar grün; jetzt aber ist er gelb oder wenigstens gelbgrün ge- färbt. Er tritt also mit in den Dienst der Insektenanlockung.

c) Die einzelnen Blüten sind verhältnismäßig klein. Da sie aber am Ende des Stengels und seiner Zweige zahlreich beieinander stehen, sind sie doch weithin sichtbar. Sie stehen auf gleichlangen Stielen, die am Haupt- blütenstiele oder der Achse des Blütenstandes in verschiedener Höhe entspringen. Die unteren, weil älteren Blüten öffnen sich zuerst, die oberen zuletzt. Einen solchen Blütenstand bezeichnet man als Traube.

d) Die Blüten machen sich den (kurzsichtigen) Insekten um so bemerk- barer, als sie einen weithin vernehmbaren Duft aushauchen.

e) Außer Blütenstaub bieten sie den Gästen Honig zum Mahle, der von 4 grünen Drüsen am Grunde der Staubblätter abgeschieden wird. Senkt aber ein Insekt den Rüssel in die Blütenröhre, um den süßen Saft zu trinken, so muß es auch eine Bestäubung der Pflanze herbeiführen; denn vor und in dem Eingange der Röhre haben ja Staubbeutel und Narbe ihren Platz. Da der Honig am Grunde einer Röhre geborgen ist, können kurzrüsselige Insekten (Käfer, die meisten Fliegen u. a.), die eine Bestäubung nicht vermitteln würden, auch nicht zu ihm gelangen. (Des Honigreichtums wegen ist der Raps für den Bienenzüchter eine der wichtigsten Pflanzen.)

G. Frucht. 1. Der Fruchtknoten entwickelt sich zu einer sogen. Schote, deren Bau wir bereits kennen gelernt haben (s. Absch. F. 2). Bei der Reife lösen sich die Fruchtblätter wie Klappen von unten nach oben ab, so daß die häutige Scheidewand mit den Samen auf dem Fruchtstiele stehen bleibt. Die Samen sitzen aber so locker auf ihren Stielchen, daß sie schon von einem leisen Winde abgeschüttelt werden. Darum schneidet der Landmann den Raps auch vor völliger Reife der Früchte. Das fette Öl, das die Samen enthalten (s. Absch. A), dient dem Keimling als Baustoff.

Die Gattung „Kohl" (Brassica).

1. Wie heutzutage mußten sich auch in grauer Vorzeit die umherschwei- fenden Völker mit dem begnügen, was ihnen die Natur zur Nahrung gerade bot. Genau wie heute floß diese Quelle aber sehr verschieden stark, und es gab sicher auch Zeiten, in denen sie gänzlich versiegte. Der Mensch suchte sich daher von den zufälligen Gaben der Natur unabhängig zu machen : er wurde Viehzüchter und baute die Pflanzen an, die ihm Nahrung lieferten. Auf diese Weise sind auch die Kohlarten in die Pflege des Menschen gekommen.

2. Nach und nach lernte der Mensch die Verhältnisse kennen, unter denen die Pflanzen am besten gedeihen : er pflanzte sie auf den geeignetsten Boden, den er zu bearbeiten, zu düngen, von Unkraut reinzuhalten lernte imd dgl. mehr. Infolgedessen erhielten seine Kohlpflanzen dickere und saftreichere Wur- zeln und Stengel oder zartere und wohlschmeckendere Blätter oder ölreichere Samen, kurz: es fand eine allmähliche Veredlung der Pflanzen statt.

3. Je nachdem der Mensch nun Wurzel, Stengel, Blätter oder Samen be-

20 4. Farn. Kreuzblütler.

nutzte, je nachdem verfuhr er auch bei der Fortzucht seiner Pfleglinge: er suchte diejenigen Pflanzen zu vermehren, die ihm die dicksten und saftreichsten Wurzeln und Stengel, die zartesten und wohlschmeckendsten Blätter oder die ölreichsten Samen lieferten. Aus deren Nachkommen wählte er immer wieder die geeignetsten Pflanzen zur Nachzucht aus: und so sind die zahlreichen Spiel- arten und Sorten des Kohls entstanden, die wir heute bauen. Immerfort noch arbeitet der Gärtner planmäßig an ihrer Veredlung, und immer neue Sorten ent- stehen unter seiner kunstgeübten Hand. Genau auf dieselbe Weise ist auch die Veredlung aller anderen Kulturpflanzen erfolgt, und durch dieselbe planmäßige und beständige Auslese der geeignetsten Pflan- zen zur Nachzucht sind die vielen Sorten und Spielarten ent- standen, die wir heu te besitzen.

4. Die zahlreichen Spielarten des Kohls (beschreibe sie näher!), die wir im Garten und auf dem Felde bauen, und die in den einzelnen Gegenden oft recht verschieden be- nannt werden, lassen sich auf 4 Stammformen zurückführen:

a) Der Rapskohl (B. napus) ist wie die beiden folgenden Arten wahrscheinlich aus Südeuropa zu uns gekommen und tritt in 2 Formen auf: Die eine Form,

den Raps, haben wir oben ausführlich besprochen; die andere Form ist die Kohlrübe, die eine fleischige, eßbare Rübenwurzel besitzt. Dem Raps- kohl zum Verwechseln ähnlich ist

b) der Rübenkohl (B. rapa). (Bei ihm stehen die entfalteten Blüten mit den Blütenknospen in gleicher Höhe oder überragen dieselben noch ; seine unteren Blätter sind grasgrün und steifhaarig. Beim Rapskohl dagegen werden die geöffneten Blüten von den Blütenknospen überragt; alle Blätter sind blaugrün, und nur die unteren besitzen ein- zelne Haare.)

Er tritt uns in 3 Formen entgegen :

als Rübsen (Sommer- und Winterrübsen) der als Ölfrucht gebaut wird ; als weiße Rübe, die als Viehfutter dient, und

als Teltower- oder märkisches Rübchen, eine Gemüsepflanze, die ihren Namen nach der in der „Mark" Brandenburg gelegenen Stadt Teltow hat.

c) Den Gemüsekohl (B. oleräcea) bauen wir in besonders zahlreichen Spielarten; die wichtigsten sind :

Der Kopfkohl mit gewölbten, glatten, grünweißen oder roten Blättern (Grün- und Rotkohl), die einen festen Kopf bilden;

der "Welsch- oder Wirsingkohl mit blasigen Blättern, die sich zu einem lockeren Kopfe vereinigen ;

der Rosenkohl, dessen Seitenknospen rosenartige Köpfchen bilden;

der Braunkohl mit krausen, fiederspaltigen Blättern;

der Kohlrabi, dessen Stengel über dem Boden stark verdickt ist, und

der Blumenkohl, dessen Blütenstiele und obere Blätter zu einer weißen, fleischigen Masse umgebildet und dessen Blüten verkümmert sind.

d) Der Senfkohl oder schwarze Senf (B. nigra) ist ein Glied der heimischen Flora. Wild kommt er hie und da an Flußufern vor; häufiger aber wird er seiner Samen wegen angebaut (s. weißer Senf). Von den anderen Kohlarten ist er leicht da- durch zu unterscheiden, daß seine Blätter sämtlich gestielt sind, während bei jenen dies nur für die unteren Blätter gilt.

Gattung Kohl. Andere Kreuzblütler.

21

Andere Kreuzblütler

A. Kreuzblütler mit Schoten (s. S. 19, G).

Eine dem schwarzen Senf sehr ähnliche und gleichfalls vielfach angebaute Pflanze ist der weiße Senf (Sinäpis alba). Beide enthalten in ihren Samen ein scharfes Öl, dessen Geruch zu Tränen reizt (Schutzmittel gegen körnerfressende Vögel). Dieses Öles wegen werden die Samen vielfach zu Heil- und Gewürzzwecken benutzt. Die sehr scharfen, schwarzen Samen der ersteren Art (Name!) dienen besonders zur Bereitung von Senfpflaster und Senfspiritus, die milderen, gelblich weißen der letzteren Art (Name!) vorwiegend als Küchengewürz und zur Herstellung von Tafelsenf oder Mostrich. Der nächste Verwandte des weißen Senfs ist der Ackersenf (S. arvensis), das allbekannte Unkraut, das oft ganze Felder gelb färbt. Fälschlicherweise wird die Pflanze zumeist „Hederich" genannt. Der Hederich oder Ackerrettich (Raphanistrum lämpsana) ist dem Ackersenf zwar sehr ähnlich und gleichfalls ein lästiges Ackerunkraut, unterscheidet sich von ihm aber leicht durch die hellere Blütenfarbe, durch den der Blumenkronenröhre anliegenden Kelch und die Schote, die perlschnurartig ein- geschnürt ist und bei der Reife in soviel Glieder zerfällt, als „Perlen" vorhanden sind (Ackersenf: Kelch abstehend, ohne „Gliederschote"). Eine ähnliche Schote besitzt der Garten-Rettich (Räphanus sativus), der aus China stammt und in mehreren Spielarten (Winter- und Sommer- rettich, Radieschen) als beliebte Gemüse- pflanze gebaut wird.

Gleichfalls Fremdlinge in unsern Gärten sind Goldlack (Cheiränthus cheiri), sowie Sommer- und Winterlevkoje (Matthiola ännua und incäna). Beide stam- men aus Südeuropa.Ihre meist gefüllten und sehr mannigfach gefärbten Blüten hauchen

einen angenehmen Veilchenduft aus. Darum nannte der Volksmund den Goldlack früher auch treffend „Gelbveigelein", und Levkoje heißt in Übersetzung: weißes Veilchen. Ganz ähnlich ist der Duft, der besonders am Abend (Name!) den lilafarbenen Blüten der Nachtviole (Hesperis matronälis) entströmt. Die Heimat der bekannten Zierpflanze ist Südeuropa, Österreich und das südliche Deutschland.

Einen prächtigen Schmuck nasser Wiesen bilden zur Frühjahrszeit die Blüten- trauben des Wiesen-Schaumkrauts (Cardämine pratensis). Bei Regenwetter und mit Anbruch des Abends aber verschwindet der Schmuck : die Blütenachsen krümmen sich, so daß die sich gleichzeitig schließenden, lilafarbenen Blüten nickend werden (Schutz gegen Nässe und Kälte). Ans einer Rosette gefiederter Blätter erhebt sich der Stengel, dessen Blätter und Fiederblättchen nach oben hin immer kleiner werden (Bedeutung für die Belichtung?). Alle Blätter sind wie die der Sumpfdotterblume (s. das.), die gleich-

Blatt vom Wiesen- Schaumkraut, aus dem drei junge Pflanzen her- vorsprossen, (nat. Gr.)

Frucht vom Hederich, in

einzelne Glie- der zerfallend, (nat, Gr.)

22

4. Fam. Kreuzblütler. 5. Farn. Mohngewächs

falls nur auf feuchtem Boden gedeiht, saftstrotzend und völlig unbehaart. Mit dem Stand- orte hängt auch die eigentümliche Vermehrungsweise des zierlichen Pflänzchens innig zusammen, die man häutig beobachten kann: kommen die grundständigen Blätter auf "Wasser oder feuchtem Boden zu liegen, so bilden sich an den Ansatzstellen der Fieder- blättchen bald Knospen, die sich zu neuen Pflanzen entwickeln (Versuch!). Die Schaum- klümpchen, die man vielfach am Stengel findet, und in denen sich die Larve der Schaum- zirpe versteckt halt (s. Lehrbuch d. Zoologie!), haben der Pflanze mit zu ihrem Namen

verholfen ! Die Brunnenkresse (Nastürtium ofticinäle) gedeiht in Quellen und Wassergräben. Sie ist daher in allen ihren Teilen noch saft- strotzender als das Wiesen -Schaumkraut und gleichfalls völlig kahl und glatt. Da ihre Blätter einen schmackhaften Salat liefern , wird die Pflanze hier und da (besonders bei der Blumen- stadt Erfurt) im Großen angebaut. Wie die Brunnenkresse als Wasserpflanze, so gibt sich die Knoblauchsrauke (Alliäria ofticinälis) durch die großen, zarten Blätter sofort als Schatten- pflanze zu erkennen (s. S. 7 c). Sie gedeiht überall häufig unter Gebüsch und unter dem Unterholze des Laubwalds und ist durch einen scharfen Knoblauchsgeruch (Name!) gegen Weide- tiere geschützt. Gerade das Gegenteil in der Belaubung zeigen die zahlreichen Kreuzblütler, die trockene Stellen (Schutthaufen, Wegränder, Mauern und dergl.) bewohnen. Sie müssen, um nicht zu verdorren, mit der geringen Wassermenge, die ihnen der oft ausgedörrte Boden liefert, sehr sparsam umgehen. Darum finden wir bei ihnen zumeist ein gering entwickeltes Blattwerk und oft noch eine starke Behaarung. Als Beispiel für diese unschönen, sparrigen, aber ihrem Standorte vortrefflich angepaßten Pflanzen sei hier nur die Besen- oder Schuttkresse (Sisymbrium söphia) genannt, die ein vielfach zerteiltes Laub besitzt. Weitere Beispiele finden wir unter den B. Kreuzblütlern mit Schötchen (d. s. Schoten, die nicht oder wenig länger als breit sind). Da ist zunächst die Graukresse (Berteroa incäna). Sie ist an allen Teilen so dicht mit sternförmigen Haaren bedeckt, daß sie graufilzig erscheint. Ein anderes Beispiel ist das niedliche Hungerblümchen (Eröphila venia), das selbst mit „hungrigstem1' Boden fürlieb nimmt. Kaum ist der Schnee geschmolzen, so entfaltet es seine winzigen Blüten, reift schnell Früchte und Samen, und wenn der Sommer kommt, der es infolge seiner Trocknis vernichten würde, hat es seine Lebensarbeit bereits abgeschlossen. Seine Blätter sind mehr oder weniger dicht mit gegabelten Haaren bedeckt und zu einer zier- lichen Rosette geordnet. Ein solches „Hungergewächs" ist auch das Hirtentäschel- kraut (Capsella bursa pastöris Name!), wenn es auf trockenem Boden wächst. Findet

Hungerblümchen (1.) und Knob- lauchsrauke (2.) (nat. Gr.).

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 4.

Klatschmohn (Papaver rhoeas).

Andere Kreuzblütler. Klatschmohn.

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es sich aber auf feuchtem, frachtbarem Ackerlande, so ist es üppig ist es „in das Kraut geschossen". Einen ähnlichen zeigt auch das Heller- oder Pfennigkraut (Thläspi arven.se), kraut zu unsern bekanntesten und lästigsten Unkräutern zählt. Seine Früchte (Name!) bilden infolge breiter Flügelränder flache Scheiben, die durch den Wind weithin verweht werden können (Verbreitung der Art).

Zu der Gruppe der „Schötchenfrüchtler" gehören auch mehrere Nutzpflanzen: Der Meerrettich (Cochleäria armoräcia) liefert uns in seinem scharfschmeckenden Wurzelstocke ein beliebtes Gemüse und Küchengewürz. Er stammt aus Süd- europa, findet sich bei uns aber an Flußufern und dgl. häufig verwildert. Richtiger sollte man ihn wohl Mähr- d.i. Pferde- Rettich nennen; denn der Volksmund verknüpfte gern den Namen einer Pflanze, die einer andern ähnlich, aber minder- wertiger als diese ist (hier also „Rettich"), mit einem Tier- namen (Beispiel!). Als Salatpflanze wird an vielen Orten die Gartenkresse (Lepidium sativum) angebaut, deren Samen sehr schnell keimen. Der Leindotter (Camelina sativa) liefert ein geschätztes Brenn- und Speiseöl. In Thüringen flechtet man aus den getrockneten Stengeln kleine Besen.

kaum wiederzuerkennen, so Unterschied im AVachstum das mit dem Hirtentäschel-

Schötchen vom Heller- kraut. 1. geschlossen. 2. Klappen sich ablösend, (wenig vergr.)

5. Familie. Mohng-ewächse (Papaveräceae).

Blüten mit 2-blättrigem, abfallendem Kelche, 4 kreuzweis gegenüberstehenden Blumen- blättern, zahlreichen Staubblättern, einem Fruchtknoten, der aus 2 bis vielen Frucht- blättern gebildet ist und zu einer mit Löchern aufspringenden Kapsel oder zu einer Schote auswächst.

Der Klatschmohn (Papäver rhceas). Tat'. 4.

1. Pflanze und Mensch, a) Herrlich leuchten die Blüten des Klatsch- nu i zwischen den hohen Halmen des Roggens hervor, und das grüne Klee- feld abergießen sie oft wie mit feuerrotem Schein! Die Kinder pflücken die prächtigen Blumen gern zum Strauße, machen sich aus den Blütenknospen Puppen zum Spiel und legen die zarten Blütenblätter auf den durch Daumen und Zeigefinger gebildeten Ring, schlagen darauf und erfreuen sich an dem klatschenden Schall (Klatschmohn, Klatschrose, Klatschblume). Auch der Gärtner hat sich der schönen Feldblume angenommen. Seine Kunst schuf ge- füllte Blumen von mannigfachster Färbung, die eine bekannte Zierde unserer Gärten bilden.

b) Für den Landmann dagegen ist die Pflanze nichts weiter als ein lästiges Unkraut; denn sie nimmt ja den angebauten Gewächsen Nahrung, Licht und Platz weg. Obgleich der Kampf zwischen ihr und dem Menschen sicher schon so lange währt, so lange überhaupt Getreidebau getrieben wird: so vermochte sie der Mensch doch noch nicht auszurotten; denn ihr Leben hält mit dem des

24 Taf. 4. 5. Farn. Mohngewächse.

Getreides, zwischen dem sie wächst, gleichen Schritt. Mit dem Getreide sprießt der Mohn im Herbst oder Frühjahr aus dem Boden hervor, und mit dem Keifen des Getreides reifen auch seine Samen. Wenn nicht schon vorher, so werden sicher bei der Getreideernte Tausende von Mohnkörnern über den Acker ver- streut, und andere Tausende nimmt der Mensch mit in die Scheuer. Die Mehr- zahl der letzteren geht freilich beim Reinigen oder Verbrauch der Getreidesamen zu Grunde; es bleiben aber immer noch genug übrig, die bei der Aussaat wieder auf den Acker zurückgelangen. So muß der Mensch das Unkraut selbst erhalten und ausbreiten helfen! (Von welchen anderen Unkräutern gilt dasselbe?)

2. Wurzel, Stengel, Blatt, a) Die jungen Molinpflanzen, die im Herbst aus Samen hervorgehen, bilden vor Eintritt des Winters je eine zierliche, dem Boden aufliegende Blattrosette, deren Bedeutung wir beim Raps (s. S. 17) bereits erkannt haben. Wenn aber im Frühjahre die Saat zu sprießen beginnt, dann strecken sie sich auch zum Lichte empor (warum notwendig?;: sie treiben je einen bis 1 m hohen Stengel, dessen fiederspaltige, gezähnte Blätter nach oben zu immer kleiner werden (s. S. 17, D 1). Die Mohnpflanzen dagegen, die erst im Frühlinge aus Samen entstehen, also keine Winterruhe durchzumachen haben, sprießen sofort empor.

b) Eine kräftige Pfahlwurzel gibt der Pflanze im Boden festen Halt. Je nachdem aber der Boden für Wasser durchlässig ist, je nachdem ist auch die Wurzel ausgebildet: Auf durchlässigem Sandboden senkt sich die WTurzel fast unverzweigt tief in den Grund; auf undurchlässigem Lehmboden dagegen breitet sie sich stark verzweigt in der obersten Erdschicht aus. (Versuch: Fülle Blumentöpfe mit beiden Bodenarten und beobachte, wie sich letztere gegen Wasser verhalten !)

c) Stengel, Blütenstiele und Blätter sind mehr oder weniger dicht mit stacheligen Haaren besetzt. An den jüngsten Blättern findet sich stets eine sehr dichte Behaarung, ein Mittel, durch das die zarten Gebilde wie die jungen Blätter der Roßkastanie (s. das.) gegen eine zu starke Wasserabgabe und so- mit gegen das Vertrocknen geschützt sind. (Beachte auch, wie die jungen Blätter zusammengefaltet sind und vergleiche deshalb gleichfalls die Roßkastanie!) Hier sowohl, wie bei den ausgebildeten Pflanzenteileu, sind die Haare zweitens aber noch ein Schutzmittel gegen Pflanzenfresser, die wie die Erfahrung lehrt rauhhaarige Gewächse gern meiden (s. Schwarzwurz). Ein anderes und zwar weit wirksameres Schutzmittel gegen diese Zerstörer besitzt die Pflanze in

d) dem weißen, giftigen Milchsäfte (s. Schlafmohn), der bei Verletzungen aus der Wundstelle hervordringt. Er verleiht der Pflanze einen bitteren Ge- schmack und einen widerlichen Geruch, durch den sich sicher manches Tier zurückschrecken läßt.

3. Die Blüten stehen am Ende je eines langen Stieles, der die Fortsetzung des Stengels bildet oder aus den Blattwinkeln entspringt. So lange sich die Blüte im

Klatschmohn.

25

Blütengrundrig vom Klatschmohn.

a) Knospenzustaiide befindet, ist sie von 2 kahnartigen Kelchblättern schützend umhüllt und infolge der Krümmung des Stieles abwärts geneigt (1.). Öffnet sie sich, so streckt sich der Stiel, die nutzlos gewordenen Kelchblätter fallen ab, und die Blumenblätter, die in dem engen Räume nur dadurch Platz fanden, daß sie wie ein Stück Papier zusammengeknittert waren, breiten sich aus.

b) Die entfaltete Blüte ist durch die 4 großen, feuerroten, kreuzweis gestellten Blumenblätter, die im Grunde oft noch einen schwarzen Fleck mit weißem Rande besitzen (Erhöhung der Auffälligkeit!), weithin sichtbar. Sie bietet den besuchenden Insekten nur Blütenstaub zur Nahrung dar. Darum be- sitzt sie auch so zahlreiche Staubblätter, und diese erzeugen eine so große Menge von Blütenstaub, daß die Insekten ohne Schaden für die Pflanze davon speisen könnnen. Der bei dem Mahle verstreute Staub wird von den muschelförmigen Blumenblättern aufgefangen und bis zum Abholen durch andere Insekten aufbewahrt, ein Umstand, der die auf- rechte Stellung, sowie die Schalenform der Blüte als sehr zweckmäßig erscheinen läßt. Vergleicht man die Molinblüten mit Blüten, die Honig enthalten (z. B. mit denen des Veilchens, der Erbse u. v. a.), so findet man sie höchst einfach gebaut; denn sie bedarf ja keiner der vielfachen Einrichtungen, die wir bei jenen Blüten zur

Aufbewahrung und zum Schutze des Honigs antreffen.

(Nenne andere Pflanzen mit honiglosen Blüten ähnlicher Form!)

Die Blumenblätter sind von solcher Zartheit, daß sie schwere Insekten, die sich auf die Blüte niederlassen, nicht zu tragen vermögen. Als Anflugsplatz dient den Besuchern daher ein anderer Blütenteil : der Stempel, und zwar dessen schildförmige Narbe, die dem Fruchtknoten aufsitzt (2.). Lassen sich nun Insekten, die von anderen Mohnblüten kommen und oft gänzlich mit Blütenstaub eingepudert sind, auf dem Stempel nieder, so kann es nicht ausbleiben, daß einige Blütenstaubkörnchen an den strahlenförmigen Haarleisten der Narbe haften bleiben und Fremdbestäubung verursachen. An einem Querschnitte der

4. a) Frucht (3.) ist leicht zu erkennen, daß der Fruchtknoten aus mehreren Blättern besteht, die an ihren Rändern so mit einander verwachsen sind, daß sie kulissenartig in die Fruchtknotenhöhle ragen. Die Höhle wird dadurch in mehrere Kammern geteilt, die jedoch unvollkommen voneinander getrennt sind. An den kulissenartigen Wänden sitzen die Samen. Sie lösen sich zur Zeit der Reife von ihren Stielchen und harren der Ausstreuung. Um diese zu ermög- lichen, haben sich unter dem gelappten Narbenrande, der sich etwas in die Höhe gebogen hat, unterdes mehrere kleine Löcher gebildet, so daß der „Mohnkopf" einer Streusandbüchse ähnlich geworden ist (3. u. 4.). Biegen wir jetzt einen Frucht- stiel nach der Seite und lassen ihn zurückschnellen, so sehen wir, wie Samen aus den Öft'nungen herausgeschleudert werden (4.). Genau dasselbe geschieht bei heftigen Windstößen. Jetzt verstehen wir auch, warum die Pflanze so auffallend lange

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5.-8. Farn. Mohn-, Erdrauch-, Reseda- und Hartheugewächse.

Blüten-(Frucht-)stiele besitzt, und warum diese bei der Eeife der Samen so elastisch werden. Und da alle Samen über einen möglichst großen Raum ver- streut werden müssen, falls sich die jungen Pflanzen gegenseitig nicht Licht, Nahrung und Platz wegnehmen solleu, so wird uns auch klar, warum sich die Offnungen gerade oben an der aufrechtstehenden Fruchtkapsel bilden. Anderer- seits sind aber auch die

b) Samen (5.) für diese Art der Ausstreuung geeignet; denn es sind kleine und leichte Gebilde, die daher weit fortgeschleudert werden können. Zu Boden gefallen, werden die Samen bald vom Regen verschwemmt. Da sie nun an der Oberfläche zahlreiche Vertiefungen besitzen, in denen sich Erdteilchen festsetzen, so verkitten sie gleichsam mit dem Boden und vermögen ungestört zu keimen. Und wenn auch Tausende von Samen verloren gingen: schon eine Pflanze er- zeugt deren soviele, daß ihre Nachkommen bald ein ganzes Feld rot färben könnten !

Andere Mohngewächse. Der Schlafmohn (P. somniferum), der in unsern Gärten mit gefüllten und sehr mannigfach gefärbten Blüten häuüg als Zierpflanze gezogen wird, enstammt dem Orient.

Im großen baut man ihn bei uns nur seiner Samen wegen, die das wertvolle Mohnöl liefern und !zu mancherlei Gebäck verwendet werden. In süd- lichen Ländern dagegen, besonders in Vorder-, Süd- und Ostasien, ist er eine der wichtigsten Kultur- pflanzen , denn er liefert das wertvolle Opium. Um diesen kostbaren Stoff zu gewinnen, ritzt man die halbreifen Molinköpfe mit feinen Messern und schabt nach einiger Zeit den ausgeflossenen und eingetrockneten Milchsaft ab. Das Opium ist gleich dem Morphium, das aus ihm gewonnen wird, ein wichtiges Arzneimittel, das selbst die unerträg- lichsten Schmerzen stillt und dem Kranken den ersehnten Schlaf bringt. Dieser "Wirkungen wegen dient es aber auch im Orient als ein Mittel, sich zu berauschen. Der Opiumesser oder -raucher sinkt bald in eine angenehme Betäubung : er glaubt sich den Sorgen und Leiden der Zeit entrückt, und süße Träume umgaukeln seinen Geist. Dem Erwachen folgt jedoch ein unerträgliches Übelbefinden, das meist durch erneuten Opiumgenuß beseitigt wird. Langsam aber sicher untergräbt der dem Laster Verfallene seine Gesundheit, bis er endlich, an Geist und Körper zerrüttet, vorzeitig in das Grab sinkt. An Mauern, sowie unter Hecken und Zäunen, findet sich häufig das Sehellkraut (Chelidonium majus), das seines gelben Milchsaftes wegen allgemein bekannt ist. Es blüht gelb und hat schotenförmige Früchte. Die schwarzen Samen besitzen einen kamm- artigen, weißen, fleischigen Anhang. Dieses Gebilde wird von Ameisen gern verzehrt,

Blatt vom Sehellkraut (*/i nat. Gr.).

Andere Mohnge wachse. Lerchensporn. Erdrauch. Fl. Herz. Reseda. Wau,

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welche die Samen daher oft weit verschleppen und somit die Pflanze verbreiten. (Vgl. mit Veilchen.) Beachte, wie die mittleren Abschnitte der fiederteiligen Blätter nahe der Mittelrippe einen Lappen tragen, an der entgegengesetzten Seite dagegen einen Ausschnitt besitzen und erkläre diese Erscheinung!

6., 7. und 8. Familie. Erdrauch-, Reseda- und Hartheug-ewäehse (Fumariäceae, Resedäceae und Hypericäceae).

1. Erdrauchge wachse. Der Lerchensporn (Corydalis cava) ist wie das Windröschen (s. das.) eine Pflanze des Laubwaldes. Kein Wunder darum, daß sich zwischen beiden zahlreiche Übereinstimmungen finden: Der Lerchen- sporn blüht wie das Windröschen im zeitigen Frühjahr; er überwintert mit Hilfe eines Wurzelstocks, der freilich die Form einer Knolle besitzt und zur Blütezeit hohl ist („Hohlwurz"), und besitzt gleichfalls große, mehr- fach geteilte, dünne und leicht welkende Blätter. Die purpurroten oder weißen, seitlich symme- trischen Blüten dagegen sind viel kleiner als die des Windröschens. Da sie aber in einer großen Traube beieinander stehen und einen zarten Duft aushauchen, werden sie den Insekten wohl bemerk- lich. Der Honig wird in einem Sporne geborgen (Name !), der von dem oberen der beiden äußeren Blumenblätter gebildet wird. Die beiden inneren Blätter bilden eine kapuzenförmige Schutzhülle für den Blütenstaub, der auf der noch unreifen Narbe abgelagert wird. Läßt sich aber auf der Blüte ein Insekt (Biene) nieder, dann klappt die Kapuze nach unten, so daß das Tier mit dem

Blütenstäube in Berührung kommen muß. Beim Saugen an einer älteren Blüte wird der Staub an der (später reifenden) Narbe abgestrichen und die Be- stäubung ist erfolgt.

. Denselben Blütenbau und infolgedessen auch dieselbe Art der Bestäubung (Be- weis!) finden wir bei einem allbekannten Unkraute unserer Gärten und Felder, dem Erdrauch (Fumäria offieinälis), wieder. Da die zierliche, einjährige Pflanze aber auf stärker besonntem Boden gedeiht, so besitzt sie auch weit kleinere und derbere Blatt- flächen als der Lerchensporn. Auch die aus China zu uns gekommene Zierpflanze, die man ihrer schönen Blüten wegen „flammendes Herz" (Dicentra speetäbilis) nennt, zeigt im wesentlichen dieselbe Blüteneinrichtung (Beweis !).

2. Ein allbekanntes Glied der Reseda- oder Waugewächse ist die wohl- riechende Reseda (Reseda odoräta), die zu unseren geschätztesten Gartenpflanzen zählt. Das anscheinbare Gewächs stammt aus Nordafrika. Statt einer leuchtenden Blumenkrone übernimmt es weithin wahrnehmbarer Duft, die Insekten anzulocken. Eine ganz ähn- liche, nur größere und kräftigere Pflanze ist der gelbe Wau (R. lutea), der an Wegen und ähnlichen trockenen Orten gedeiht.

Blüte vom Lerchensporn

1. in der Ruhe. 2. „Kapuze"

herabgedrückt, (l'/omal

nat. Gr.)

28 8. Fani. Hartheugewächse. 9. Farn. Veilchengewächse.

3. Hartheugewächse. Das Tüpfel-Hartheu (Hypericum perforätum) wächst an Wegen und anderen trockenen Stellen. Die hohe, sparrige Pflanze hat ihrem Stand- orte entsprechend (Beweis!) trockene Stengel und kleine Blätter (Gattungsname!). Zahl- reiche helle Öldrüsen lassen die Blätter, gegen das Licht gehalten, wie durchlöchert er- scheinen (Artname!). An den Blättern sowohl, wie an den 5 Kelch- und Blumenblättern, finden sich viele schwarze Punkte und Striche, die beim Zerreiben einen roten Farbstoff liefern. Das ist das Johannisblut", dem man früher wie der ganzen Pflanze, dem „Johanniskraute", besondere Zauberkräfte zuschrieb. Die gelben Blüten enthalten zahl- reiche Staubblätter, deren Fäden am Grunde zu 3 Bündeln verwachsen sind. Die drei- fächerige Kapsel verhält sich gegen Trockenheit und Feuchtigkeit wie die Frucht der Stein-Nelke (Versuch !). Zu den Hartheugewächsen steht in näherer Verwandtschaft

Der chinesische Teestrauch (Thea sinensis).

Von dem Teestrauche können wir uns durch die Betrachtung der Kamelie (Th. oder Camellia japönica), die der prächtigen (gefüllten) Blüten wegen zu unsern beliebtesten Topfpflanzen zählt , leicht eine Vorstellung verschaffen : er ist wie sie eine Pflanze mit elliptischen, immergrünen, lederartigen Blättern (vgl. mit Orange) und weißen, rosenähnlichen Blüten. In seiner Heimat, dem südlichen Asien, wächst er zu einem stattlichen Baume empor. In den Ländern dagegen, in denen er angebaut wird, in China, Japan, dem ganzen südlichen Asien und auf den vorgelagerten Inseln, sowie am Südabhange des Kaukasus, wird er nur als kaum 1 2 m hoher Strauch gehalten.

Wenn man von dem Tee, wie er zu uns in den Handel kommt, etwas im "Wasser aufweicht und vorsichtig auseinander breitet, so sieht man, daß er aus getrockneten und zusammengerollten Blättern besteht. Das Laub, das den Knospen entnommen ist oder sich soeben entfaltet, liefert die wertvollste Ware; denn es ist am reichsten an dem flüchtigen Öle (s. Rose), das dem Tee den bekannten Wohlgeruch verleiht, und an dem Stoffe (The'in) , der mit dem Öle die belebende Wirkung des Teeaufgusses bedingt.

Die Verarbeitung der Blätter ist in den einzelnen Ländern sehr ver- schieden. In China, dem wichtigsten Teelande der Welt, verfährt man in der Regel in folgender Weise: Man nimmt dem Strauche im Jahre gewöhnlich drei- mal das junge Laub. Die eingesammelten Blätter werden an der Luft getrocknet und erhalten dadurch eine braune, fast schwarze Färbung (schwarzer Tee). Alsdann werden sie in Pfannen über einem Feuer geröstet, zwischen den flachen Händen gerollt, nochmals geröstet und schließlich langsam getrocknet. Setzt man die eingeernteten Blätter der Einwirkung heißer Wasserdämpfe aus, so bleibt die grüne Färbung mehr oder weniger erhalten, und man gewinnt so den „grünen Tee". Von diesen beiden Teearten unterscheidet man wieder eine große Menge Sorten, deren wertvollste nur im Hofhalte des chinesischen Kaiser- hauses verwendet und darum Kaisertee (Imperial) genannt wird.

SchmeiL Lehrbuch der Botanik.

Tafel 5.

Wohlriechendes Veilchen (Viola odorata).

Hartheu. Teestrauch. Wohlriechendes Veilchen. 29

9. Familie. Veileheng-ewäehse (Violäceae).

Blüten seitlich symmetrisch, mit 5 Kelchhlättern, 5 Blumenblättern, von denen das

unterste gespornt ist, und 5 Staubblättern. Frucht eine einfächerige Kapsel ; Samen in

der Mitte der 3 Fruchtblätter.

Das wohlriechende Veilchen (Viola odoräta). Taf. 5.

A. Das Veilchen, eine Lieblingspflanze des Menschen. Keine Blume unserer Heimat begrüßen wir mit so großer Freude wie das erste Veilchen, das wir im jungen Grase des Gartens oder draußen auf dem Wiesenplane, an der Hecke oder am Waldesrande finden: erblicken wir doch in ihm einen un- trüglichen Boten des langersehnten Lenzes. Dichter haben das „kleine Blau- Veilchen" darum besungen, und in zahlreichen Frühlingsliedern ist es verherr- licht (Beispiele!). Obgleich durch die zarte Farbe und den köstlichen Duft der Blüte mit hohen Gaben ausgestattet, blüht es doch still im Verborgenen. Darum gilt es uns auch als ein Sinnbild der Demut und Bescheidenheit. Jener Gaben

Agen ist es auch seit altersher eine der beliebtesten Gartenblumen, und fort- gesetzt arbeitet man daran (s. S. 19), immer größere, schönere und duftendere Blüten zu erzielen, die sich je nach der Spielart zu jeder gewünschten Jahres- zeit entfalten. Der köstliche Duft der Blüte wird auch zur Herstellung wohl- riechender Wässer, Salben, Seifen u. dgl. benutzt.

B. Das Veilchen, eine Pflanze des Frühlings. 1. Ginge das Veilchen in jedem Frühjahr aus Samen hervor, so könnte es unmöglich so zeitig im Jahre grünen und blühen. Es ist aber eine ausdauernde Pflanze, die der Lenz bereits fertig vorfindet.

2. Die Baustoffe für Blätter und Blüten sind in dem Stengel auf- gespeichert. Er ist zum größten Teil im Erdboden verborgen und treibt hier zahlreiche feine Wurzeln. Unrichtigerweise wird er meist selbst als Wurzel, und zwar als die stärkste, angesehen. Da er aber zahlreiche Blattnarben be- sitzt, früher also mit Blättern besetzt gewesen sein muß, kann er keine Wurzel sein ; denn eine solche trägt niemals Blätter. Der kleinere Teil des Stengels ragt aus dem Boden hervor und trägt an seinem Ende einen Büschel von Blättern.

Die vorjährigen Blätter, die sich meist bis zum Frühjahre erhalten, sterben jetzt ab, und über ihnen bildet sich ein Büschel neuer. Der Stengel wächst also in jedem Frühjahre ein Stück nach oben. Am entgegengesetzten Ende dagegen stirbt er beständig ab (genau wie wir dies am unterirdischen Stamme des Windröschens gesehen haben). Und wenn das Fortwachsen und Absterben noch so langsam erfolgte, so müßte sich der Stengel doch wohl schließlich aus dem Boden hervorschieben, so daß er auf ihm zu liegen käme? Dies geschieht jedoch nicht! In demselben Maße nämlich, wie er unten abstirbt, wird er von den Wurzeln in den Boden gezogen.

3. Blätter, a) Die hervorsprießenden jungen Blätter sind von beiden Seiten her tütenförmig zusammengerollt (1.). Welche Bedeutung dies hat,

30 Taf. 5. 9. Fam. Veilchengewächsc.

wird uns folgender Versuch lehren. Wir nehmen 2 gleich große Blätter, die jene Zusammenrollung zeigen, legen beide, nachdem aber das eine ausgebreitet und vielleicht durch eine Stricknadel oder dgl. beschwert worden ist, an irgend eine Stelle, so daß sie von den Sonnenstrahlen getroffen werden. Nach einiger Zeit werden wir beobachten, daß das zusammengerollte Blatt noch ziemlich „frisch" aussieht, während das andere schon stark verwelkt ist. Wie durch einen anderen einfachen Versuch festzustellen ist (lege beblätterte Zweige irgend eines Strauches oder Baumes unter eine Glasglocke und beobachte, wie die Glaswand beschlägt, während die Pflanzenteile verwelken!), beruht das Ver- welken auf zu starker Abgabe des in den Blättern enthaltenen Wassers. Die Tütenform des jungen Blattes ist also ein Schutzmittel gegen zu starke \V a s s e r a b g a b e.

Der erste Versuch zeigt uns auch, warum gerade das junge Blatt eines solchen Schutzmittels bedarf: an dem künstlich ausgebreiteten Blatte welken und vertrocknen die Teile, die sonst eingerollt waren, zuerst. Sie sind sehr zart, geben darum am meisten Wasser in Dampfform ab, gehen daher auch am ersten zu Grunde und bedürfen deshalb eines besonderen Schutzmittels.

b) Nach und nach breitet das junge Blatt seine herzförmige, gekerbte Fläche aus. Je nachdem das Veilchen in kurzem oder langem Grase wächst, je nachdem sind auch die Blattstiele von verschiedener Länge: stets aber sind sie so lang, um die Blattfläche in den vollen Genuß des Sonnenlichtes zu setzen (Bedeutung?). Am Grunde jedes Blattstieles sitzen 2 kleine, lanzettliche Nebenblätter.

C. Das Veilchen, eine Pflanze mit mehrfacher Vermehrung. 1. Aus- läufer. Aus den Winkeln der unteren Blätter wachsen Zweige hervor, die an den Stengelknoten Wurzeln schlagen. Die Zweige bleiben aber auf dem Erdboden liegen und treiben im Gegensatze zu dem kurzgliedrigen Stengel (kurz- gliedrig; denn die Blätter, die ja stets an Stengelknoten entspringen, stehen dicht beieinander!) sehr lange Glieder (Kurz- und Langtriebe). Infolgedessen entfernt sich die Spitze des „Ausläufers" weit von der Mutterpflanze. Am Ende desselben bildet sich bald ein Blattbüschel, aus dem im nächsten Jahre Blüten hervorbrechen: es ist eine neue Pflanze entstanden, die allerdings mit der Mutterpflanze noch lange im Zusammenhang bleiben kann (1.)

2. Frühlingsblüte. So prächtig die Blüte des Veilchens ist, so wunder- bar ist auch ihr

a) Bau. Wie der Körper des Menschen und zahlreicher Tiere (Bei- spiele !) kann die Blüte nur durch einen Schnitt (führe ihn !) in 2 spiegel- bildlich gleiche Teile zerlegt werden: sie ist seitlich symmetrisch. Ein langer Stiel, der in der Mitte 2 schuppenartige Blättchen trägt, hebt sie aus dem Grase empor. (Bedeutung? Beachte hier wie bei den Blattstielen die ver- schiedene Länge!) Die 5 Kelchblätter umschließen anfänglich die inneren Blütenteile gänzlich (Bedeutung?). Später werden sie von den violetten (selten weißen) Blumenblättern auseinandergedrängt, von denen an der entfalteten

Wohlriechendes Veilchen. 31

Blüte je 2 nach oben und nach der Seite gerichtet sind und eins nach unten steht, Das untere Blumenblatt verlängert sich in einen Sporn (3.), in den die beiden unteren der 5 Staubblätter (4.) je einen langen, grünen Fortsatz I II.) senden. Wie man sich durch den Geschmack leicht überzeugen kann, sondern diese Fortsätze Honig ab. Der süße Saft fließt in den Sporn, den man darum treffend auch als „Safthalter" bezeichnet. Die sehr kurzen Staubblätter umstehen den Fruchtknoten und besitzen am Vorderrande je einen orangefarbenen Fort- satz (4. F.). Die Fortsätze greifen etwas übereinander und bilden einen kegelförmigen Hohlraum, dessen Spitze von dem fadenförmigen Griffel durchbrochen wird. Das Ende des Griffels ist die hakenförmig nach unten ge- krümmte Narbe. Öffnen sich die Staubbeutel (4 B.), so fällt der trockene, mehlartige Blütenstaub in diesen Bliitengrundrig vom Hohlraum. Nicht weniger wunderbar als der Bau, Veilchen.

ist auch die

b) Bestäubung der Blüte (3.). Durch die Färbung der Blumenblätter (vio- lett, Blütenmitte weißlich, unteres Blatt mit dunkelblauem Streifen; selten ganz weiß) und den weithin wahrnehmbaren Duft werden die Bestäuber angelockt. Da der Honig im Sporn verborgen ist, können kurzrüsselige Insekten nicht bis zu ihm gelangen. Bienen und Hummeln sind die Hauptbestäuber. Sie lassen sich entweder auf dem unteren Blumenblatte nieder oder hängen sich an die beiden oberen Blätter, wobei sie sich an den Härchen der seitlichen Blätter festhalten.

Wie die Bestäubung erfolgt, läßt sich leicht durch folgenden Versuch feststellen: Man halte eine (junge) Blüte in ihrer natürlichen Stellung so hoch, daß man bequem hineinschauen kann, und führe mit der andern Hand ein zu- gespitztes Hölzchen (Insektenrüssel!) in den Sporn. Sobald nun die Narbe, die den Eingang versperrt, vom Hölzchen getroffen wird, bewegt sich der Griffel ein wenig nach oben. Dadurch weichen die orangefarbenen Fortsätze der Staub- blätter auseinander, d. h. der von ihnen gebildete kegelförmige Hohlraum öffnet sich, so daß etwas von dem mehlartigen Blütenstäube herausfallen muß. Ge- nau dasselbe erfolgt, wenn ein Insektenrüssel in die Blüte eindringt: ein Teil des Blütenstaubes fällt dem Tiere auf Eüssel und Kopf. Fliegt das Insekt nun zu einer zweiten Blüte, so kann es nicht ausbleiben, daß einige Körnchen davon an der Narbe, die gerade im Wege zum Honig steht, abgestrichen werden, daß also Fremdbestäubung erfolgt. Jetzt wird uns auch verständlich, warum das Veilchen trockenen Blütenstaub besitzt, während wir bei „insektenblütigen Pflanzen" der Regel nach klebrigen Staub (warum?) antreffen, weshalb die Blüte nicht aufrecht stehen oder senkrecht nach unten hängen darf (wohin würde der Blütenstaub fallen?), sondern schräg nach unten geneigt sein muß, warum also mit anderen Worten ausgedrückt der Blütenstiel an seinem oberen Ende die eigentümliche Krümmung macht.

32 9. Fam. Veilchengewächse. 10. Farn. Sonnentaugewächse.

3. Sommerblüten. Außer den prächtigen Frühlingsblüten bringt das Veilchen später im Jahre noch andere, aber sehr unscheinbare Blüten hervor (2 S.). Ihr Kelch bleibt geschlossen; die Blumenblätter färben sich nicht bunt; die Staubblätter und der Stempel aber sind wohl entwickelt, so daß regelmäßig Früchte entstehen. Da die Bestäubung dieser „Sommerblüten" ohne Hilfe der Insekten erfolgt (Selbstbestäubung), so fehlen ihnen selbstverständlich auch die Anlockungsmittel der Frühlingsblüten: die bunte Färbung, der Duft und der Honig.

4. Frucht, a) Der Fruchtknoten ist aus 3 Fruchtblättern gebildet, die an ihren Rändern zahlreiche Samen tragen. Die unreifen Fruchtkapseln hängen an gekrümmten Stielen nach unten oder liegen gar auf dem Boden. Sobald sie aber reif sind, richten sich die Stiele empor. Die 3 Klappen (d. s. die verwachsenen Hälften je zweier benachbarter Fruchtblätter), durch die sich die Frucht öffnet, schrumpfen von der Seite her nach und nach zusammen. Infolgedessen geraten die Samen zwischen die Klappen und werden durch den Druck, der durch das fortgesetzte Eintrocknen erzeugt wird, fortgeschnellt, ähn- lich wie Kirschkerne, die wir mit den Fingern „fortschnippen". Darum müssen sich auch die Fruchtstiele bei der Reife der Samen aufwärts bewegen. Und wenn man bedenkt, daß das Veilchen an geschützten Orten wächst, an denen ein Aussäen der Samen durch den Wind (wie z. B. bei der Steinnelke) kaum mög- lich ist, wird man leicht erkennen, daß diese Verbreitungsweise außerordentlich zweckentsprechend ist. Gleich wie sich aber nur glatte Körperchen „fort- schnippen" lassen (Kirschkerne sind feucht!), sind auch

b) die Samen außerordentlich glatte Gebilde. Sie besitzen je einen weißen, fleischigen Anhang, der ohne Schaden für die Keimung entfernt werden kann. Man hat nun beobachtet, daß gewisse Ameisenarten den Anhang gern verzehren und deshalb die Samen in ihre Baue tragen oder verschleppen. Und das ist für die Pflanze ein Vorteil; denn viele Samen gelangen auf diese Weise an einen Ort, an dein sie keimen können: gewiß eine noch eigentümlichere Art der Verbreitung!

Andere Veilchen.

Im schattigen Walde, wie auf ödem Sandboden, auf nassen, wie trockenen Wiesen, in der Ebene, wie im Gebirge : überall treten uns Veilchen entgegen, die weil ge- ruchlos — der Volksmund gewöhnlich als „wilde Veilchen" bezeichnet. Sie gehören sehr verschiedenen Arten an, die schwer voneinander zu unterscheiden sind. Am häu- figsten ist das Hunds-Veilchen (V. canina) mit seinem langgliedrigen Stengel und den hellblauen, weißgespornten Blüten. Am bekanntesten jedoch ist das Stiefmütterchen (V. tricolor), das auf Feldern und Triften überall zu finden ist. (Wie ist es der Sage nach zu seinem Namen gekommen ?) Unter den Stiefmütterchen macht sich aber ein be- merkenswerter Unterschied geltend : die einen besitzen große, prächtig blau oder blau und weiß (gelb) gefärbte Blüten ; die anderen dagegen haben kleine, unscheinbare, meist gelb- lichweiße oder auch blaue und gelbe Blumenblätter. Mit dieser Verschiedenheit steht die Art der Bestäubung in innigstem Einklang! Die großen, auffallenden Blüten sind nur durch Fremdbestäubung zu befruchten; die kleinen, unscheinbaren dagegen be- stäuben sich selbst! Untersuche den Bau ihrer Griffel und führe dies näher aus! Die

Andere Veilchen. Rundblättriger Sonnentau.

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großblumige Form des Feldstiefmütterchens und einige verwandte Arten sind die Stamm- eltern der Gartenstiefmütterchen (Pensees). Eine planmäßige Veredlung (s. S. 19) dieser herrlichen Gartenpflanze hat erst zu Anfang des 19. Jahrhundorts begonnen, und welchen Erfolg diese Arbeit gehabt hat, davon legen die erstaunliche Größe und wechsel- volle Farbenpracht der samtenen Blumen beredtes Zeugnis ab.

10. Familie. Sonnentaugewächse (Droseräceae). Der rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifölia)

und einige andere ^insektenfressende Pflanzen".

Die zierlichen Blattrosetten des dem feuchten Boden des Moores oder

1. Ein Bewohner des Moores.

eigentümlichen Pflänzchens finden sich den weichen Polstern des Torfmooses (Sphagnum) aufgelagert, oder auch in dem niedrigen Grase, das den schwankenden Grund bedeckt. Zur Sommerzeit erheben sich aus der Mitte der Rosette einige kaum spannenlange Blüten schaffe. Die weißen, unscheinbaren Blüten entfalten sich aber nur im warmen Sonnenschein und zwar je nur auf einige Stunden. Die grünen Blätter tragen auf langen Stie- len kreisrunde, etwas ausgehöhlte Blatt- flächen, die an der Oberseite mit zahl- reichen roten Haaren bedeckt sind. Die Haare nehmen vom Rande nach der Mitte zu beständig an Größe ab und sind von je einem roten Köpfchen ge- krönt. (Vgl. die Blätter mit Löffelchen, die Haare mit Stecknadeln und die Blattflächen mit Nadelkissen!) Da die Köpfchen von einer farblosen Flüssig- keit umhüllt sind, glänzen und glitzern sie im Sonnenscheine wie der Tau in

der Morgenfrühe (Name!) oder wie der Honig in zahlreichen Blüten (z. B. der Doldenpflanzen). Die Flüssigkeit verdunstet aber selbst an warmen Tagen nicht und schmeckt auch nicht süß: sie kann also weder Tau, noch Honig sein. Berühren wie sie, so gibt sie sich als eine klebrige, fadenziehende Masse zu erkennen, die von den Köpfchen ausgeschieden wird. Die Köpfchen sind also Drüsen, die auf langen Stielen stehen. Sehr häufig findet man auf den Blättern Panzer von Insekten oder Teile davon. Wie sind diese Körper dorthin gelangt?

Schm eil, Lehrbuch der Botanik. 3

Blatt vom Sonnentau

5 mal nat. Gr.).

34

10. Fam. Sonnentaugewächse.

2. Eine „insektenfressende" Pflanze, a) Wie die Beute gefangen wird. Durch die rote Färbung der Haare und die klebrige, wie Honigsaft glänzende Masse der Drüsenköpfchen werden Insekten angelockt. Sobald sich aber ein Tierchen niederläßt, den vermeintlichen Nektar zu trinken, fühlt es sich gefangen und sucht zu entfliehen. Einem kleinen Insekt ist dies aber nicht mehr möglich: es wird von den Drüsen, die es berührt, wie von Leim- ruten festgehalten. Die Köpfchen nehmen jetzt eine dunkelrote Farbe an und scheiden eine größere Menge Flüssigkeit aus; ihre Stiele krümmen sich wie Finger der Mitte der Blattfläche zu; die be- nachbarten Haare krümmen sich gleichfalls und drücken ihre Köpfchen auf die Beute; dasselbe tun die entfernteren Haare: und nicht lange währt es (bestimme die Zeit bei deinen Ver- suchen !), so ist das Insekt wie von hundert und mehr Saugnäpfen eines Polypen gepackt, zur Mitte des Blattes befördert und in der ausgeschiedenen Flüssigkeit ertränkt (erstickt).

b) Wie die Beute „verzehrt" wird. Nach ein paar Tagen finden wir auf dem Sonnen- taublatte, dessen Drüsenhaare sich unterdes wie- der aufgerichtet haben, nur noch den Hautpanzer des gefangenen Insekts. WTo sind aber die WTeich- teile des Tieres so schnell hingekommen? Die Flüssigkeit, die nach dem Fange des Insekts von den Drüsen ausgeschieden wurde, enthält einen Stoff, der wie unser Magensaft imstande ist, ei- weißhaltige Körper (Fleisch und dgl.) aufzulösen. Durch seine Einwirkung wurden in der Höhlung der Blätter die Weichteile verflüssigt, und indem die ausgeschiedene Flüssigkeit von den Drüsen wieder zurückgesogen wurde, wurden auch die eiweißhaltigen Stoffe des Insektenleibes mit aufgenommen. Mit Becht nennt man daher den Sonnentau eine „insektenfressend e" Pflanze. Genau wie gegen lebende Tiere verhält sich die Pflanze auch gegen andere stickstoffhaltige Körper (Fleischstückchen, gekochtes Hühner- eiweiß, geronnenes Blut und dgl.). Bringt man dagegen stickstoffreie Körper (Sandkörnchen, Holz, Zucker und dgl.) auf die Blätter, so stellen sich jene Veränderungen zwar auch ein, aber in einem viel schwächeren Grade und ohne daß diese Körper irgendwie verändert oder gar aufgesogen würden. (Stelle entsprechende Versuche an! Wie verhält sich das Blatt, wenn man ihm zwei Speisebrocken gibt? Inwiefern sind die ausgehöhlte Blattfläche und die An- ordnung der Blätter zu einer Rosette für die Pflanze von Vorteil?)

Dienen dem Sonnentau die aufgesogenen Tierstoffe aber auch wirklich zur Ernährung? Daß dies der Fall ist, haben zahlreiche Versuche bewiesen: die

Blatt vom Sonnentau: Die

gestielten Drüsen haben sich

z. T. über einem Stückchen

Fleisch nach innen gebogen.

(etwa 5 mal nat. Gr.)

Rundblättriger Sonnentau und andere „insektenfressende" Pflanzen. 35

mit tierischer Kost „gefütterten" Pflanzen waren stets kräftiger und erzeugten größere Samen und Winterknospen als die Pflanzen, denen man eiweißhaltige Stoffe vorenthielt. (Stelle solche Versuche an !) Wir können hiernach auch ver- stehen, wie die Pflanze mit so dürftig entwickelten Wurzeln auskommt. Und wenn wir erfahren, daß der Moorboden sehr arm an Stickstoff ist, ohne den sich in den grünen Blättern kein Eiweiß bilden kann, so werden wir auch die Wichtigkeit des Insektenfanges für die Pflanze als für einen Moor- bewohner verstehen.

3. Andere „insektenfressende" Pflanzen. Auf sumpfigen Wiesen und in der Gesellschaft des Sonnentaus findet sich häufig das niedliche Fettkraut (Pingaicula vulgaris). Wie die violette Blüte deutlich zeigt, ist das Pflänzchen gleich dem w. u. erwähnten Wasserschlauch den Lippenblütlern nahe verwandt. Da beide aber Tierfänger sind, sollen sie trotzdem hier kurz betrachtet werden. Die hellgrünen, fleischigen Blätter des Fettkrautes (Name!) bilden eine dem Boden aufliegende Rosette. Sie sind an den Seitenrändern etwas aufgebogen und an der Oberfläche mit zahlreichen Drüsen bedeckt, die einen klebrigen Saft ausscheiden. Kleine Insekten, die auf das Blatt geraten und in den Saft einsinken, suchen zu entfliehen. Sobald sie aber den Blattrand berühren, „bekommt das Blatt Leben": der Blattrand überdeckt das Tier und schiebt es nach der Mitte des Blattes, von den Drüsen wird ein Verdauungssaft ausgeschieden, und bald ist die Beute getötet und verzehrt.

Aus dem Wasser der Teiche, Tümpel und Gräben ragen in den Sommermonaten nicht selten die prächtigen, gelben Lippenblüten des Wasserschlanchs (Utriculäria vulgaris) hervor. Die Pflanze schwebt ohne Wurzeln frei im Wasser, bewohnt daher nur stehende Gewässer (warum?) und besitzt wie der Wasserhahnenfuß (s. das.) fein zer- teilte Blätter. Einzelne Blattzipfel sind aber zu eigentümlichen Blasen oder kurzen Schläuchen (Name!) umgewandelt, die etwa die Größe von Pfefferkörnern besitzen und Tierfallen darstellen. In das Innere jeder Blase führt eine Öffnung, die von mehreren kleinen und 2 verzweigten, größeren Borsten umstellt und durch eine Klappe verschlossen ist. Schon durch den Anstoß eines Wasserinsekts, eines Ruder-, Blattfuß- oder Muschel- krebschens öffnet sich die Klappe nach innen. Die Tierchen dringen auch zahlreich in die Blase ein, sind aber alsbald gefangen ; denn die Klappe öffnet sich nicht nach außen. Nach einigen Tagen verenden sie ; die Verwesungsstoffe aber werden von der Pflanze aufgesogen und zum Aufbau ihres Körpers verwendet.

In wärmeren Ländern gibt es eine Reihe von Pflanzen, die den Tierfang mit Hilfe sehr verschieden gestalteter Fallgruben betreiben. Unter diesen sind wieder die bei uns häufig in Gewächshäusern gezogenen Kannensträucher (Nepenthes) am seltsamsten. Sie gedeihen auf dem Sumpfboden der Urwälder oder klettern auch in dem niedrigen Buschwerk empor. Ihre Blattstiele sind im ersten Abschnitt blattartig verbreitert, im mittleren strangartig, im Endteile aber zu der kannenförmigen Fangvorrichtung um- gewandelt, deren Deckel durch die kleine Blattfläche gebildet wird. Wie die Blumen, so bedient sich auch die Kanne besonderer Mittel, die Insekten anzulocken : der Deckel und besonders der gewulstete Rand sind oft mit Honig bedeckt, und die Buntfärbung des ganzen Gebildes zeigt den Tieren an, daß hier eine Nahrungsquelle fließt. Der Kannen- rand ist aber an der Innenseite abschüssig und durch einen Wachsüberzug geglättet. Es kann daher nicht ausbleiben, daß zahlreiche Näseher in die Kanne stürzen, die oft bis zur Hälfte mit Flüssigkeit gefüllt ist. Da die Innenwand der Kanne durch einen

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11. Fam. Nelkengewächse.

"Wacksüberzng gleichsam poliert ist und vom Rande oft noch große Zähne nach innen starren, so giebt es für die Gefangenen kein Entkommen. Sie ertrinken; ihre "Weichteile

werden von dem ausgeschiedenenVerdauungs- safte aufgelöst und von der Pflanze aufge-

ll. Familie. Nelkengewäehse

(Caryophyllaceae). Blüten: 4 oder 5 freie oder verwachsene Kelchblätter; 4 oder 5 Blumenblätter; Staub- blätter in 2 Kreisen, meist 10 ; Früchte ein- fächerig; mit meist vielen Samen an einer

mittelständigen Säule.

1. Unterfamilie. Eigentliche Nelken

(Sileneae). Kelchblätter zu einer Röhre verwachsen.

Die Stein-Nelke (Diänthus carthusianörum).

Die allbekannte*, auch Karthäuser**- Nelke genannte Pflanze findet sich, wie schon der Name andeutet auf stei- nigem Untergrunde, grasigen Bergab- hängen, in Straßengräben und an ähn- lichen trockenen und dem Sonnenbrande voll ausgesetzten Stellen. Sie ist also A. eine Odlanrtpflanze. 1) Unter- sucht man den Boden ihres Standorts im Sommer, wenn es längere Zeit nicht geregnet hat, so wundert man sich, dali auf einem (nach unserer Meinung) so „völlig" ausgetrockneten Grunde noch nicht alles Pflanzenleben erloschen ist; die Nelke dringt aber mit ihrer starken Hauptwurzel, in die sich der verzweigte unter- irdische Stamm (s. Absch. 2) fortsetzt, bis zu den tieferen Erdschichten hinab, die selbst während der trockensten Jahreszeit etwas Feuchtigkeit besitzen. Auf Felsuntergrund freilich, der nur mit einer dünnen Schicht Erde überzogen ist, können die "Wurzeln

* An den wenigen Orten, an denen sie fehlt, kann die Heidenelke (s. w. u.) an ihre Stelle treten.

** Nach den beiden Naturforschern Karthauser, die im 18. Jahrhundert lebten.

Stein-Nelke. 37

nicht tief hinabsteigen. Dort müssen sich die Pflanzen, die darum auch außer- ordentlich dürftig sind, dann mit dem nächtlichen Tau begnügen, der von den oberflächlich liegenden Wurzeln aufgesogen wird. Und die geringe Menge von Feuchtigkeit genügt der Pflanze, wie der Augenschein lehrt, das Leben zu erhalten.

2) Andererseits werden wir aber nicht fehl gehen, wenn wir annehmen, daß die Pflanze an allen Orten mit der geringen Wassermenge, die ihr zur Verfügung steht, sehr sparsam umgehen wird. Wir finden bei ihr keine großen Blattflächen, wie sie die Schatten- oder Wasserpflanzen (s. Windröschen und Sumpf-Dotterblume) besitzen, sondern schmale, grasartige Blätter. Und diese Blätter sind wieder im Gegensatz zu jenen Pflanzen sehr derb; selbst wenn wir einen Strauß Stein-Nelken stundenlang in der Hand tragen, so bringen wir ihn doch „frisch" mit nach Hause, ein Zeichen, wie gering die Wasserverdunstung durch die Blätter sein muß. Die Blätter stehen sich paarweis gegenüber und sind am Grunde zu einer kurzen Röhre verwachsen, die den Stengel umschließt (vgl. mit Roggen). Neben solchen Zweigen, die sich in einem hohen, Blüten tragenden Stengel fortsetzen, bildet der unterirdische Stamm (Wurzelstock) stets auch einige Äste mit sehr kurzen Gliedern, die erst im nächsen Jahre blühen (d. s. bei der Gartennelke die sog. Absenker oder Ableger).

B. Eine Tagfalterblume. Bunte Tagfalter und träge Widderchen (Zygsena) besuchen häufig die Blüte der Steinnelke. (Bestimme die beobachteten Schmetterlingsarten !)

1. Wie sie die Falter anlockt, a) Die blütentragenden Stengel erheben sich wie wir schon gesehen haben hoch über die niederen Pflanzen der Umgebung. (Beachte an verschiedenen Örtlichkeiten, wie die Länge der Stengel stets zu der Höhe der umgebenden Pflanzen im Verhältnis steht \)

b) Die oberen, breiten und am Rande ausgezackten Abschnitte der 5 Blum en- blätter sind von leuchtend karminroter Färbung. (Wie sind die unteren schmalen Abschnitte gefärbt?)

c) Die Blüten stehen in Büscheln beisammen, und zwar sind fast stets einige zugleich entfaltet, so daß die Auffälligkeit erhöht wird.

2. Was sie den Faltern bietet, a) Die 10 Staubblätter sind an ihrem untersten Teile zu einem Ringe verwachsen, der in reichem Maße Honig ab- sondert.

b) Wie in der bekannten Curtmannschen Er- zählung vom „Storch und Fuchs" der Fuchs allein von flachen Tellern, der Storch aber aus langhalsigen Fla- schen speisen konnte, so vermögen die kurzrüsseligen In- sekten (Fliegen, Käfer) den Honig nur aus flachen Schalen (Beispiele !) zu lecken , während die langrüsse- ligen ihn am liebsten aus tiefen Gefäßen entnehmen. Riste <>• u irifl 1-- Die Schmetterlinge besitzen nun aber unter allen In- Stein-Nelke

38 11. Farn. Nelkengewächse.

sekten den längsten Rüssel. Sie saugen daher den Honig bequem aus langen Blumenrohren, wie wir eine solche auch bei der Nelke finden. Die Röhre wird hier aus den sehr schmalen unteren Abschnitten (den sog. Nägeln) der Blumenblätter gebildet. Diese Blütenteile sind aber (schlitze den Kelch auf!) von so großer Zartheit, daß sie sich ohne fremde Hilfe nicht aufrecht erhalten können. Sie wird ihnen von dem fünfzipfligen Kelche gewährt, dessen Blätter zu einer steifen Röhre verwachsen sind. Die an sich schon enge Blütenröhre wird durch die Staubblätter und Stempel noch mehr verengt. Darum kann nur ein Schmetterlingsrüssel in ihr vordringen. Unnützen Näschern aber ist durch diese Einrichtung der Weg zum Honig von oben versperrt.

c) Und von unten vermögen die beißkräftigen Hummeln und Bienen, die bei zahlreichen Blumen (bei Taubnessel, Leinkraut u. v. a.) Einbruch verüben, nicht zum Honig vorzudringen; denn die Blüten sind am Grunde von festen, lederartigen (braunen) Schuppen umgeben.

3. Wie die Bestäubung erfolgt, a) Die 10, zu 2 Kreisen geordneten Staubblätter und die beiden Narben reifen (wie bei fast allen Gliedern der Unterfamilie) in einer bestimmten Reihenfolge: Zuerst strecken die 5 äußeren Staubblätter die Beutel aus der Blütenröhre hervor, bieten den grünblauen Blüten- staub aus und verschrumpfen bald. Ihnen folgen die Staubblätter des inneren Kreises, und erst nachdem sie verblüht sind, kommen die Narben hervor.

b) Da die Staubbeutel und Narben vor dem Zugange zum Honig stehen, müssen sie erstlich von den saugenden Schmetterlingen gestreift werden. Und da beide Blütenteile ungleichzeitig reifen, kann es zweitens nicht ausbleiben, daß die Tiere beim Flug von Blume zu Blume Blütenstaub von jüngeren Blüten zu den Narben älterer Blüten tragen. Kurz: die Besucher müssen unfrei- willig Fremdbestäubung vermitteln. (Warum ist Selbstbestäubung völlig ausgeschlossen?)

C. Frucht und Same. 1. a) Der Anzahl der Narben entsprechend, ist der Fruchtknoten (die Frucht) aus 2 Fruchtblättern gebildet. In seine Höh- lung ragt eine Verlängerung des Blütenstiels, die zahlreiche Samenanlagen trägt.

b) Da sich die reife Kapsel an der Spitze mit 4 Zähnen öffnet, so können die Samen allein nicht ausfallen. Die Pflanze bedarf hierzu wie der Klatsch- mohn der Hilfe des Windes. Dieser Ausstreuungsweise entsprechend finden wir (s. a. B. 1. a.) bei der Nelke auch einen hohen und elastischen Stengel, der leicht vom Winde erschüttert werden kann.

c) Legt man Samen von Landpflanzen (Versuch !) längere Zeit ins Wasser, so gehen sie durch Fäulnis zu Grunde. Daher erscheint es für die Nelke doch sehr unvorteilhaft zu sein, daß ihre Fruchtkapseln nach oben geöffnet sind! Denn es kann doch wohl nicht ausbleiben, daß die Samen bei jedem Regen vollkommen durchnäßt werden? Das ist jedoch nicht der Fall. Betrachtet man nämlich Kapseln, die gestern bereits geöffnet waren, nach Eintritt eines Regenwetters, so findet man sie sämtlich wieder geschlossen: ihre Zähnchen haben sich (weil sehr hygroskopisch) wieder nach innen gekrümmt, so daß dem

Stein-Nelke. Andere Nelken. 39

Wasser der Eintritt in das Fruchtinnere verwehrt wird. (Durch Eintauchen der Kapseln in Wasser und nachheriges Trocknen kann man den Vorgang im Zimmer beliebig oft wiederholen. Beobachte daraufhin auch andere Nelken!)

2. Da die kleinen Samen rings von je einer trockenen Haut umgeben sind, so bilden sie flache Scheiben. Sie bieten dem Winde somit eine große Angriffsfläche dar und können infolgedessen weit verweht werden.

Andere Nelken.

Schon von alters her ist die vielgestaltige Gartennelke (D. caryophyllus), die aus Südeuropa stammt, ein Liebling des Mensehen. Wegen des herrlichen Duftes ihrer Blüten, der lebhaft an den der Gewürz-Nelken oder Gewürz-Nägelein (so genannt nach der Ähnlichkeit mit einem Nagel) erinnert, erhielt die Pflanze (samt ihren nächsten Ver- wandten) den Namen „Nägelein", aus dem durch Verkürzung das "Wort „Nelke" ent- standen ist. An ähnlichen Örtlichkeiten wie die Steinnelke findet sich die zierliche Heidenelke (D. deltoides). Ihre einzeln stehenden Blüten sind aber in ein helleres Rot gekleidet, mit weißen Punkten überstreut und oft noch durch einen purpurnen Ring verziert. Unter der Saat findet sich als schöne Feldblume, aber auch als lästiges Unkraut die Kornrade (Agrostenima githägo). Ihre schwarzen Samen sind schwach giftig. Finden sie sich daher in Menge unter dem Getreide, so machen sie das Mehl für den menschlichen Genuß unbrauchbar. Ein prächtiger Schmuck feuchter Wiesen sind im Frühlinge die rosafarbenen Blüten der Kuckucksnelke (Coronäria flos cüculi). Den Artnamen führt die Pflanze von dem „Kuckucksspeichel", den man häufig an ihren Stengeln findet, der aber nicht vom Kuckuck, sondern von der Larve der Schaumzirpe herrührt (s. S. 22). Die zarten Blüten besitzen zerschlitzte Blumenblätter. Da die Blütenröhre verhältnismäßig kurz ist, vermögen auch langrüsselige Bienen und Fliegen bis zum Honig vorzudringen. Noch mehr gilt dies von dem bekannten Taubenkropt' (Silene vulgaris), der auf trockenen Wiesen, an Wegrändern und dgl. häufig anzutreffen ist. Da sein netzadriger Kelch kropfartig (Name!) aufgeblasen ist, können nur ausnahmsweise sehr langrüsselige Hummeln durch Einbruch bis zum Honig vordringen. Das Seifen- kraut (Saponäria officinälis) dagegen, das an Flußufern, zwischen Gebüsch und dgl. wächst, hat eine so lange Blütenröhre, daß es nur von den langrüsseligsten Schmetter- lingen, den Schwärmern, bestäubt werden kann. Die Wurzel der Pflanze, die beim Reiben im Wasser wie Seife schäumt (Name !), ist durch einen giftigen Bitterstoff gegen Mäuse und andere Nager geschützt.

Eine häufige, aber sehr interessante Pflanze sonniger Hügel und trockener Wälder ist das nickende Leimkraut (Silene nutans). Wenn der Abend anbricht, macht es sich zum Empfang seiner Bestäuber, der Nachtschmetterlinge, bereit: es entfaltet die weißen Blütensterne, streckt wie die Steinnelke 5 seiner Staubblätter oder die 3 Narben aus der Blütenröhre hervor und sendet einen köstlichen Duft aus. Da in der Nacht alle Blumen bis auf die hellsten den Blicken entschwinden (beobachte dies!), so wird uns die weiße Farbe der tiefgeteilten Blumenblätter wohl verständlich. Wer ferner jemials Nachtschmetterlinge „geködert" hat (bestreiche in einer Sommernacht Baumstämme am Waldesrande mit etwas Apfeläther oder einer ähnlichen stark duftenden Flüssigkeit und beobachte den Anflug der Nachtinsekten!), der kennt auch die Bedeutung des weithin wahrnehmbaren Duftes. Und wer endlich weiß, daß zahlreiche Schmetterlinge (Schwärmer) beim Saugen des Honigs nur mit schnellem Flügelschlage vor der Blüte schweben, der versteht auch, warum sich die anfänglich aufrechtstehenden Blüten beim Entfalten

40 11. Fam. Nelkengewächse. 12. Farn. Roßkastaniengewächse.

nach der Seite richten (Artname!). Sobald es Tag wird, gehen mit den Blüten in der Regel merkwürdige Yercänderungen vor: sie hören auf zu duften; die Blumen- blätter schrumpfen zusammen und rollen sich so ein, daß sie die grünliche Rückseite nach außen kehren; kurz, die Blüten erscheinen jetzt wie verwelkt und werden in diesem Zustande von keinem Insekt besucht. Erst wenn die Nachtfalter wieder erwachen, „er- wachen" auch die Blüten wieder. Gleich den fliegenden Taginsekten verwehrt die Pflanze auch den am Stengel emporkriechenden Kerbtieren den Zutritt zur Honigquelle. Und zwar bedient sie sich hierzu eines Mittels, das auch der Mensch anwendet, um seine "Wald- und Obstbäume gegen ankriechende Schädlinge zu schützen, der Teer- oder Leim, ringe. Von der Stelle an, an welcher der erste Blutenzweig entspringt, ist nämlich der Stengel mit einer stark klebenden Masse überzogen (daher: Leimkraut!). An dieser „Leimrute" kleben die emporkriechenden Insekten fest, so daß sie bald zu Grunde gehen. Ist das Blühen vorbei, so verschwindet auch der nunmehr überflüssige Klebstoif. Einen noch weit stärkeren Leimüberzug finden wir an den Stengeln der (darum so genannten) Pechnelke (Viscäria vulgaris). Sie wächst an denselben Örtlichkeiten wie das nickende Leimkraut und ist wegen ihrer zahlreichen, purpurroten Blüten schon von alters her eine beliebte Gartenzierpflanze. Eine Nachtfalterblume, die (wenn auch meist nicht mit gleicher Deutlichkeit) alle jene Veränderungen zeigt, die wir beim Leim- kraut gesehen haben, ist die weißblühende Nachtlichtnelke (Meländryum album), die als oft meterhohe Pflanze an Wegrändern und dgl. wächst. Ihre nächste Verwandte dagegen, die Tagliehtnelke (M. rubrum), ist wie alle rotblühenden Nelken (warum?) eine Tagfalterblume. Sie bewohnt feuchte Gebüsche und Wälder und zählt gleichfalls zu unsern gemeinsten Pflanzen.

2. Unterfamilie. Mieren (Alsineae). Kelchblätter nicht verwachsen (frei).

Die Vogelmiere (Stelläria media) ist das gemeinste Unkraut unserer Gärten und Felder. Da sich die schwachen und darum zum Teil niederliegenden Stengel darmartig verschlingen, so daß meist große Rasen entstehen, führt sie auch die Namen „Hühner- oder Mäuse- darm". „Vogel"-Miere heißt sie, weil ihre jungen Triebe gern von Stuben- vögeln verzehrt werden. Im März entfaltet die einjährige Pflanze bereits ihre unscheinbaren Blüten, und im Spätherbst, ja selbst unter dem Schnee findet man sie oft immer noch blühend. Die Blüten und Früchte sind im wesent- lichen wie bei der Steinnelke gebaut (Beweis!); der getrenntblättrige Kelch aber erlaubt den kleinen, weißen, tiefgespaltenen Blumenblättern, sich aus- zubreiten. Infolgedessen ist der Honig selbst den kurzrüsseligsten Insekten zu- gänglich. Die rinnenförmigen Stiele der kleinen Blätter sind seitlich mit Haaren besetzt. Ähnliche, nur weit längere Haar leisten ziehen sich (in der Ein- oder Zweizahl) von einem Stengelknoten zum andern herab. Läßt man von oben Wasser auf einen Zweig der Pflanze tropfen, so sieht man, wie sich die Haar- leisten voll Wasser saugen, und wie das Wasser, das nicht mehr festgehalten werden kann, an ihnen wie an Dochten herab und zur Wurzel fließt. Ein Teil des Wassers wird auch von den Haaren selbst aufgesogen; kurz, wir haben es hier mit einem jener mannigfachen Mittel zu thun, durch das die Pflanze den

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel ö.

Roßkastanie (Aesculus hippocastanum).

Mieren. Roßkastanie. 41

Regen und Tau, der sie benetzt, auf das sorgfältigste verwendet. Diese Ein- richtung macht uns auch das Vorkommen der Pflanze an ganz trockenen Orten verständlich.

Ihre nächste Verwandte, die Sternmiere (St. holöstea), besitzt nicht allein weit größere Blüten, sondern als Bewohnerin lichter Wälder und Gebüsche auch viel größere Blätter (Bedeutung ?). Hinsichtlich der Blüten ähnelt die schöne Frühlings- pflanze im hohen Grade dem allbekannten Acker-Hornkraut (Cerästium arvense), das aber 5 Griffel und seinem Standorte entsprechend (Wegränder und dgl.) weit kleinere Blätter besitzt. Auf ödestem Sandboden (Blätter fast nadeiförmig!) gedeiht der Acker- Spark (Spergula arvensis), der hier und da auch als Futterpflanze angebaut wird.

12. Familie. Roßkastanieng-ewächse (Sapindäceae). Die Roßkastanie (Aesculus kippoeästanum). Taf. 6.

A. Die Roßkastanie und der Mensch, Obgleich die Roßkastanie erst vor etwa 300 Jahren ihren Einzug in Europa gehalten hat, weiß man doch nicht genau, woher sie stammt. Die Gebirge Nord-Griechenlands, in denen man sie in großen Beständen antrifft, können kaum ihre Heimat sein; denn dann wäre sie dem kunstsinnigen Volke der alten Hellenen sicher nicht unbekannt ge- blieben. Heutzutage findet man den prächtigen Baum, der eine Höhe von mehr als 20 m erreichen kann, bei uns fast überall da, wo Menschen wohnen. Wegen des schnellen Wachstums, des dichten Schattens der mächtigen Krone und der herrlichen Blütensträuße, die wie Weilmachtskerzen in die Frühlingspracht leuchten, pflanzt man ihn hier in Alleen, dort in Gärten und Anlagen, hier auf öffentlichen Plätzen und dort auf den stillen Friedhof.

Da sein Holz sehr weich ist (schneide einen Zweig ab !), kann es wie das Lindenholz fast nur zu Schnitzarbeiten verwendet werden, und die bitteren Samen (Kastanien) dienen zumeist nur als Winterfutter für die hungernden Hirsche, Rehe und Wildschweine.

R. Die Knospen. 1. Wenn im Herbste die Blätter fallen, stehen bereits die Knospen da (1.). Sie müssen sich also (beobachte dies!) schon während des Sommers und zwar in den Blattwinkeln gebildet haben. Öffnet man eine Knospe, so hat man zuerst eine Anzahl schuppen förmig er Blätter zu entfernen, von denen die äußeren pergamentartig hart und braun sind. Dasselbe gilt auch von den inneren Blättern, soweit sie sich nicht decken. Alle sind durch eine harzige Masse ver- klebt und halten umso fester zusammen, als sie zum großen Teil mit zottigen Härchen bedeckt sind. (Bestimme die Verteilung der Haare genauer!) Durch- schneidet man eine Knospe, so sieht man mit Verwunderung, eine wie starke und feste Hülle diese „Knospenschuppen" um den jungen Trieb im Innern der Knospe bilden. Die einzelnen Teile des Triebes sind in dem engen Räume fest zusammengelegt. Bei einiger Vorsicht (und mit Hilfe einer Nadel!) gelingt es aber, sie voneinander zu trennen. Wir sehen dann einen winzigen Zweig mit Blättern (Laubknospen) oder mit Blättern und Blüten (Blutenknospen) vor uns, dessen einzelne Teile von seidenartigen Haaren umhüllt sind. Die Natur

42 Taf. C. 12. Fam. Roßkastaniengewächse.

hat also den jungen Trieb so fest und sicher verpackt, wie wir es mit zer- brechlichen Gegenständen thun. (Führe den Vergleich näher aus!) Welche Bedeutung hat nun dieses sorgfältige „Verpacken"?

a) Der junge Trieb ist ein ungemein zartes Gebilde. Da er aber von einer festen Hülle umgeben ist, deren Schuppen zudem noch verklebt sind, so können ihn die Winterstürme nicht zerzausen, und es vermag kein Wasser (Regen, Tau, Reif, Schnee) bis zu ihm vorzudringen oder sich gar zwischen seinen Teilen anzusammeln. Gefrierendes Wasser würde den zarten Trieb aber unbedingt zerstören.

b) Um Rosen- und Weinstöcke oder andere Pflanzen gegen das Er- frieren zu schützen, biegen wir sie zum Erdboden herab und bedecken sie mit schlechten Wärmeleitern (Erde, Stroh, Laub u. dgl.), oder wir tun nur das letztere. Da in einem strengen Winter der Erdboden selbst in unsern Breiten l/a m tief oder noch tiefer fest gefriert, so kühlen sich auch die „eingeschlagenen" Pflanzen oft weit unter 0 ° ab. Trotzdem erfrieren sie aber wie die Er- fahrung lehrt weit seltener als nicht umhüllte Pflanzen. Den weniger strengen und anhaltenden Frösten des zeitigen Frühjahrs dagegen vermögen die Hüllen zu trotzen, und das ist umso wichtiger, als zu dieser Zeit der Saft be- reits in die Bäume gestiegen (wie man an jedem Weidenzweige sehen kann) und infolgedessen die Gefahr des Erfrierens besonders groß ist. Wenden wir dies auf die Knospen der Roßkastanie an, so müssen wir sagen, daß der in ihnen eingeschlossene junge Trieb bei strenger Kälte trotz Schuppenhülle und Haarkleid sicher unter 0 o abgekühlt wird, daß diese Mittel aber wohl imstande sind, die schwachen Frühjahrsfröste abzuhalten. Und dieser Schutz ist von umso größerer Bedeutung, weil zu dieser Zeit das Erfrieren des saftreichen, aus dem „Winterschlafe erwachten" Triebes leicht möglich wäre.

c) Welche dritte Bedeutung endlich noch die Hülle hat, lehrt folgender einfache Versuch: Man schneide 2 noch festgeschlossene, gleich große Knospen an der Ansatzstelle ab, entferne von der einen sämtliche Knospenschuppen und lege beide in ein Zimmer. Ist das Zimmer geheizt, so wird man schon nach wenigen Tagen die Knospe ohne Schuppen vollkommen vertrocknet, die andere aber noch ganz „frisch" finden. Dies ist ein deutlicher Beweis dafür, ein wie wichtiges Schutzmittel gegen das Vertrocknen (Wasserabgabe) die Hülle ist. Da die Schuppen verklebt und die Außenschuppen zudem pergamentartig sind, so ist der Abschluß des jungen Triebes fast luftdicht. Und dies ist durchaus nötig; denn während der Wintermonate vermögen die Wurzeln des Baumes aus dem stark abgekühlten oder sogar gefrorenen Boden kein Wasser aufzusaugen (s. Kirschbaum).

2. Ende April oder Anfang Mai im Süden früher, im Norden später (warum?) beginnt die Knospe nach langer Winterruhe sich zu öffnen. Schon vorher ist sie stark angeschwollen und trieft von Harz. Die inneren, grünen Knospenschuppen haben sich mit dem wachsenden Triebe, um ihn weiter gegen die Unbilden der Witterung schützen zu können, stark in die Länge ge-

Roßkastanie. 43

streckt; endlich brechen sie auseinander, und wie der Schmetterling aus der Puppenhülle drängt sich der junge Trieb zum Lichte empor (2).

a) Der Umstand, daß jetzt die harzige Masse in großer Menge abge- schieden wird, deutet darauf hin, daß sie nicht nur wie bisher angenommen ein Klebmittel ist. Sie überzieht das Ganze wie ein Firnis, schließt den jungen Trieb somit von der Außenwelt ab und schützt ihn infolgedessen gegen eine zu starke und zu schnelle Abgabe des Wassers oder kurz: gegen Vertrocknen.

b) Auch wenn sich die Knospe bereits zu öffnen beginnt, sind die stark vergrößerten Knospenschuppen noch nicht bedeutungslos. Sie halten von dem jungen Triebe den Anprall des Windes und die austrocknenden Sonnenstrahlen ab; sie sind also für das überaus zarte Gebilde Wind- und Sonnenschirm zugleich.

Ist der junge Trieb den Schuppen aber „über den Kopf gewachsen", so haben sie keine Bedeutung mehr: sie fallen ab und lassen am Grunde des Jahrestriebes eine ringförmige Narbe zurück.

C. Die Blätter. 1. Das junge Blatt weicht von dem völlig entwickelten seinem Aussehen nach erheblich ab : es ist wie bereits erwähnt mit weißen oder gelblichen Haaren bedeckt ; seine Einzelblättchen (s. Absch. C 2, b) sind in der Mittelrippe zusammengefaltet und treten senkrecht aus der Knospe her- vor (3.); dann breiten sie sich aus, hängen aber noch eine Zeitlang senkrecht nach unten (4.). Endlich nimmt das Blatt die Lage der ausgebildeten Blätter ein, und kurze Zeit darauf sind von dem Haarkleide nur noch in den Ader- winkeln an der Unterseite Spuren zu finden. Welche Bedeutung diese Erschei- nungen haben, ist leicht einzusehen :

a) Feuchtet man 2 gleichgroße Schwämme gleichstark an, umwickelt so- dann einen mit einem Tuche und legt beide endlich an dieselbe Stelle in das Freie oder das Zimmer, so findet man, daß der in das Tuch geschlagene weit länger feucht bleibt als der andere. Wie geht dies zu? Aus beiden Schwäm- men entweicht Wasser in Dampfform, so daß beide bald von einer feuchten Luftschicht umgeben sind. Bei dem eingehüllten Schwämme wird die feuchte Luftschicht zwischen den Fäden des Tuches und den einzelnen Teilen der Fäden gleichsam festgehalten, erneuert sich also nur sehr langsam. Bei dem anderen Schwämme dagegen entweicht der Wasserdampf ungehindert ins Freie ; infolge^ dessen muß die eingesogene Wassermasse auch viel schneller verdunsten als die des eingehüllten Schwammes. Genau dasselbe findet auch bei 2 (sonst gleichen) Blättern statt, von denen das eine kahl und das andere von einem Haarkleide umgeben ist. In der Behaarung der jungen Kastanienblätter haben wir also ein Schutzmittel gegen zu starke Wasser abgäbe vor uns.

b) Wie die tütenförmig zusammengerollten Veilchenblätter (s. das.) bieten auch die gefalteten jungen Einzelblätter der Koßkastanie dem Winde eine viel kleinere Verdunstungsfläche dar, als wenn sie ausgebreitet wären.

c) Die Sonnenstrahlen (S) treffen zur Mittagszeit also wenn sie am kräftigsten wirken das senkrecht aus der Knospe tretende (a b) oder Bpätei

44 12. Farn. Roßkastanie.

senkrecht nach unten hängende Blatt (a c) unter viel spitzerem Winkel als das vollkommen ausgebildete Blatt, das zu den einfallenden Sonnenstrahlen schräg gestellt ist (a d). Nun wissen wir aber, daß die Sonnenstrahlen einen Körper umso stärker erwärmen, je „senkrechter" sie ihn treffen. (So schmilzt z. B. der Schnee auf dem schrägen Dache in der Mittagssonne, wäh- rend dieselben Sonnenstrahlen den Schnee auf dem wagerechten Erdboden nicht zu schmelzen vermögen.) Ein senkrecht gestelltes Blatt kann zur Mittagszeit also nicht in dem Grade erwärmt werden wie ein wagerecht oder schräg gestelltes, folglich auch nicht soviel Wasser verdun- sten als jenes. (Pflanzenteile welken in einem kühleren Zimmer oder im Schatten langsamer als in einem wärmeren Zimmer oder im Sonnenscheine. Von wieviel Strahlen werden die beiden senk- recht gestellten Blätter [a b und a c] und das schräg gestellte Blatt [ad] getroffen?) Also : alle drei Einrichtungen laufen darauf hinaus, die Wasserdampfabgabe des jungen Blattes möglichst zu beschränken. Wenn wir bedenken, wie leicht junge Blätter welken, werden wir auch die Bedeutung dieser Schutzeinrichtungen verstehen; denn verwelken bedeutet für das Blatt den Tod! Je mehr die jungen Blätter erstarken, desto mehr sehen wir dann auch die nunmehr über- flüssig werdenden Schutzmittel verschwinden.

2. Das ausgebildete Blatt, In unserer Heimat finden wir, abgesehen von dem Walnußbaum, neben der Roßkastanie keinen zweiten Baum mit so auffallend großen Blättern. Daher wirft die Krone auch einen so tiefen Schatten, daß unter älteren Bäumen nicht einmal mehr das genügsame Gras gedeiht (vgl. dag. z. B. den grasbewachsenen Obstgarten!).

a) Ein Baum mit solchen Blättern kann keine hohe, pyramidenförmige Krone bilden etwa wie die „lichte", locker belaubte, kleinblättrige Birke ; denn die oberen Blätter würden ja dann den unteren das zum Leben durchaus not- wendige Licht rauben (Beweis!). Die meist nur am Ende beblätterten Zweige „drängen" sich im Gegenteil nach außen, so daß eine breite, weit aus- greifende Krone entsteht.

b) Jedes Blatt ist aus meist 7, am Kande gezähnten Einzelblättern zusammengesetzt, durch deren Lücken selbst auf tiefer gestellte Blätter noch ab und zu Lichtstrahlen fallen. Die Einzelblätter stehen am Ende eines langen Stiels wie die Finger an der Hand (gefingertes Blatt) ; sie sind meist etwas schräg nach unten geneigt und stets so geordnet, daß keins das andere ver- deckt. Darum sind sie auch nach dem Grunde zu keilförmig verschmälert.

c) Auch die Blätter als Ganzes betrachtet, nehmen sich trotz ihrer Größe gegenseitig nich da Licht weg ; je 2 stehen sich am Zweige gegenüber ;

Roßkastanie.

IT.

jedes Blattpaar bildet mit dem vorhergehenden und nachfolgenden ein Kreuz; die einzelnen Blattpaare sind meist weit auseinandergerückt (lange Stengelglieder), und die Endblätter der Zweige sind stets viel kleiner und viel kürzer gestielt als die weiter unten am Zweige stehenden, großen und Langgestielten Blätter. Infolge dieser Anordnung werden an s e n k r e c h t e n Z w e i g e n wie man leicht beobachten kann sämtliche Blätter belichtet. An wagerechten Zweigen (s. Abb. S. 46)

Senkrechter Zweig der Roßkastanie, von der Seite gesehen (verkl.).

ist die Blattstellung natürlich genau dieselbe. Biegt man aber einen senkrechten Zweig soweit herab, daß er wagerecht zu liegen kommt, so stellen die nach oben gerichteten Blätter die unteren in den Schatten. Eine solch ungünstige Blatt= Stellung bedarf hier darum gleichsam einer Korrektur, die in der Tat auch ein- tritt: Die Blätter legen sich oft vollkommen in die Ebene, in die man sich den Zweig gelegt denken kann; die von der Zweigspitze entfernteren Blatter rücken ihre Blattflächen auf sehr langen Stielen aus dem Schattenbereiche in das Licht, und alle Blätter des Zweiges ordnen sich oft überaus regelmäßig so an, daß

46 12- Fam. Roßkastaniengewächse.

keins von dem anderen beschattet wird. Die Blätter schräggestellter Zweige nehmen zwischen denen an senkrechten und wagerechten Ästen die mannigfachsten Zwischenstellungen ein; kurz: überall sehen wir, wie sich die Blätter zum Lichte drängen und stets dorthin stellen, wo sie am meisten von den belebenden Sonnenstrahlen getroffen werden. (Sehr deutlich und leicht sind diese Erscheinungen an Zweigen zu beobachten, die aus einem Baumstumpfe hervorgehen, an sog. „Stockausschlag''. Beobachte daraufhin auch Ahorn, Schneebeere und andere Pflanzen!)

Waagerechter Zweig der Roßkastanie, von oben gesehen (verkl.).

3. Beim herbstlichen Laubfalle (s. Kirschbaum) lösen sich die Einzel- blätter von den Stielen und diese von den Zweigen. Die Narben, welche die Blätter an den Zweigen zurücklassen, haben die Form eines Pferdehufes. Und die Narben der Gefäßbündel (s. das.), die sich in die Adern der Einzelblätter fortsetzen, kann man als die Nägel des kleinen Hufes deuten. (Daher vielleicht Roßkastanie! Vgl. auch Absch. E. 3.)

D. Die Blüte. 1. Blütezeit. Da an dem jungen, in der Knospe liegen- den Triebe die Blüten bereits ausgebildet sind, so wundert es uns gar nicht, daß die Roßkastanie kurz nach dem Entfalten ihrer Blätter bereits in voller Blütenpracht dasteht. (Vgl. dag. Linde.)

2. Die jungen Blüten verlieren wie die Blätter bald das schützende

Roßkastanie. 47

Haarkleid. Nur an den Blütenstielen bleiben Überreste davon zurück. Auch der fünfzipflige Kelch, der anfänglich die Blüte ganz umschloß, bei ihrem Öffnen aber seine Aufgabe (welche?) erfüllt hat, fallt meist ab.

3. a) Die entfaltete Blüte (6. u. 7.) macht sich durch die 5 ungleich großen, weißen Blumenblätter, die mit einem anfänglich gelben, später roten Fleck geziert sind, weithin kenntlich (Anlockung der Insekten). Und dies ge- schieht umso mehr, als die Blüten große, pyramidenförmige Sträuße bilden (5.). die stets an der Außenseite der Krone stehen und sich prächtig von dem grünen Hintergrunde abheben.

b) Zwitter- und Staubblüten. Untersucht man die einzelnen Blüten eines Blütenstraußes, so findet man, daß nur wenige von ihnen neben (meist) 7 Staubblättern einen wohl ausgebildeten Stempel besitzen (Zwitterblüten) Bei allen anderen Blüten ist der Stempel verkümmert (Staubblüten). Wenn man bedenkt, wie groß und schwer die Früchte der Roßkastanie sind, wird man diese Erscheinung leicht verstehen: würde jede Blüte eine Frucht liefern, so müßten die Zweige unter der Last brechen. Darum finden sich die fruchtbaren Blüten auch nur im unteren Teile der Blütenstände. Die unfruchtbaren Blüten sind aber nicht etwa ohne Bedeutung: sie helfen den Blütenstand vergrößern (s. Absch. 3 a) und liefern, da sie sich stets zuerst entfalten, Blütenstaub für die

c) (Bestäubung) zuerst reifenden Narben der fruchtbaren Blüten. Die Narbe ist das zugespitzte Ende des langen Griffels, der weit aus der Blüte hervorragt. Die später reifenden Staubbeutel sind jetzt (6.) noch nach unten ge- schlagen, lieben sich aber später bis zur Höhe der Narbe empor (7). Da die Narbe und die geöffneten Staubbeutel weit von der Blütenöffnung abstehen, so können sie auch nur von größeren Insekten beim Saugen des Honigs berührt werden. Hummeln, welche Griffel und Staubblätter als. bequeme „Sitzstange" benutzen (vgl. mit dem Anflugbrett am Taubenschlag!), vermitteln daher besonders die Bestäubung (8j. Da nun wie erwähnt Narbe und Staubbeutel nacheinander reifen, so müssen die Hummeln auch den Blütenstaub (an der Unterseite des Hinterleibs) von einer Blüte zur andern tragen (Fremdbestäubung). Alle kleinen Insekten sind unnütze Näscher. Der Honig wird im oberen Teile des Blütengrundes abgeschieden. Er ist durch die wagerechte Stellung der Blüte und durch Haarbesatz, der sich an Blumen- und Staubblättern findet, gegen Regen geschützt.

E. Die Frucht. 1. Der Fruchtknoten zeigt im Querschnitt 3 Fächer mit je 2 Samenanlagen, von welchen sich aber nur 1 2 zu Samen entwickeln.

2. Die Fruchthülle (9.) ist mit spitzen Stacheln bedeckt. Diese Gebilde stellen nach ähnlichen Erscheinungen der heimatlichen Pflanzenwelt zu schließen (Beispiele!) in der (unbekannten) Heimat des Baumes sicher Schutz- mittel der unreifen Frucht gegen Tiere dar. Bei der Reife löst sich die Frucht vom Stiele, die Hülle zerspringt in 3 Stücke, und

3. die großen, dunkelbraunen und glänzenden Samen werden frei. Der helle Fleck kennzeichnet die Stelle an, an welcher die Samen mit der Fruchthülle

IS

13. Fam. Ahorngewächse. 14. Farn. Orangengewächse.

verwachsen waren. Wegen der Ähnlichkeit der Samen mit denen der edlen Kastanie heißt unser Baum „Kastanie"; „Roßkastanie" nennt man ihn wahr- scheinlich, weil seine Samen für uns ungenießbar sind (s. auch Meerrettich).

Eine nahe Verwandte ist die rote Kastanie (Pavia rubra), die gleichfalls häufig als Zierbaum angepflanzt wird. Sie stammt aus Nordamerika, hat schmutzig-rote Blüten und unbestacholte Früchte.

13. Familie. Ahorngrewächse (Aceräceae).

Der Spitz-Ahorn (Acer platanoides) kommt vereinzelt in den Waldungen der Ebenen und Mittelgebirge vor und ist seines festen, zähen Holzes wegen, besonders aber als Alleebanm überall hoch geschätzt. Den Artnamen führt er von den schön geformten Blättern, deren

5 7 Lappen in feine Spitzen aus- gezogen, und die denen der Platane sehr ähnlich sind. (Beobachte das Auf- brechen der großen, klebrigen Knospen, die Entfaltung der Blätter und ihre Stellung an senk- rechten und wage- rechten Zweigen ! Vgl. mit Roßka- stanie!) Die Blü- ten (beschreibe sie!) sind trotz der unscheinbaren, gelbgrünen Färbung doch auffällig; denn sie öffnen sich vor der Entfaltung des Laubes und stehen in großen, aufrechten Sträußen beieinander. An dem Fruchtknoten bilden sich nach dem Verblühen 2 kleine Erhebungen, die allmählich zu großen Flügeln aus wachsen. Bei der Reife zerfällt die Frucht (ähnlich wie die der Möhre; s. das.) in 2 Teile, die in dem inneren, angeschwollenen Abschnitte je einen Samen enthalten. Fallen die Teilfrüchte von dem Baume herab (laß einige aus größerer Höhe fallen!), so geraten sie gleich Windmühlenflügeln in kreisende Bewegung und sinken infolgedessen viel langsamer (etwa 4mal so langsam) zum Erdboden herab, als ein gleichgroßer und gleichschwerer ungeflügelter Körper. Sie erhalten sich also infolge der Flugausrüstung lange in der Luft schwebend. Werden sie nun dabei von einem Winde ergriffen, so werden sie weit verweht. Infolge dieser Einrichtung vermag der Ahorn also seine verhältnismäßig schweren Samen, die sonst sämtlich unter den Baum fallen würden, über einen großen Bezirk auszustreuen. (Warum ist das für die Pflanze von Vorteil? Warum besitzen nur Bäume solche Früchte?) Bei näherer Betrachtung findet

Frucht vom Spitz - Ahorn. Teilfrüchtchen von einander ge- trennt, aber noch an den Stielchen hängend. Fruchtfach des linken Früchtchens geöffnet, um den Samen S zu zeigen.

Spitz-, Berg- und Feld-Ahorn. Kreuzblume. Zitronen-, Orangen-, Mahagonibaum. 49

man auch, daß die Flügel ihrer Aufgabe entsprechend äußerst „zweckmäßig" gebaut sind: sie sind sehr groß, bieten der Luft also eine große Angriffsfläche dar, auffallend leicht, können folglich vom Winde getragen werden (vgl. mit Flugtieren !) , und trotzdem sehr fest, so daß sie dem Angriffe des "Windes wider- stehen können. Letzteres wird besonders durch eine verstärkte Randleiste er- reicht, mit der die schraubenförmig sich drehende Frucht die Luft durchschneidet (vgl. mit Vogel-, Insekten- und Windmühlenflügel !).

Der Berg- Ahorn (A. pseudoplätanus) ist, wie schon sein Name sagt, ein Gebirgs- baum. Er bildet in den Alpen größere Bestände, ist aber in Parkanlagen überall häufig anzutreffen. Sein weißes, festes Holz wird besonders hoch geschätzt. Die 5 Lappen der Blätter sind grob gesägt und enden in stumpfe Spitzen. Die stark duftenden Blüten stehen in hängenden Trauben und öffnen sich erst nach der Baubentfaltung. Der Feld- Ahorn (A. campestre) kommt in Feldgehölzen (Name !), in Wald und Gebüsch als Strauch und Baum vor. Seine verhältnismäßig kleinen, 4-lappigen Blätter sind ganzrandig.

Eine entfernte Verwandte ist die zierliche, blau, rot oder weiß blühende Kreuzblume (Polygala vulgaris), die häufig an trockenen Stellen gedeiht. (Wie ist sie der Örtlichkeit „angepaßt" ?) Da die kleine Blumenkrone als Schutzmittel des Stempels und der Staubblätter dient , haben zwei große , buntgefärbte Kelchblätter die Aufgabe übernommen, Insekten anzulocken.

14. Familie. Orang-enge wachse (Rutäceae).

Aus den Küstenländern und von den Inseln des Mittelmeers kommen in jedem Jahre riesige Mengen von Zitronen und Orangen zu uns. Die geschätzten Früchte ent- stammen niedrigen Bäumen oder Sträuchern, die sich von dem östlichen Asien aus über alle wärmeren Erdstriche verbreitet haben. Die Pflanzen besitzen immergrüne Blätter, die wie die des Epheus von lederartiger Beschaffenheit sind. Gleich wie der Epheu (s. das.), vermöge dieser eigenartigen Blätter der „Winterdürre" unserer Breiten zu trotzen vermag, so vermögen diese Pflanzen die Trocknis auszuhalten, die im Mittelmeergebiete fast die ganze warme Jahreszeit hindurch ununterbrochen anhält. Die Zitrone (beschreibe sie !) ist die Frucht des meist strauchig gehaltenen Zitronen- baums (Citrus medica). Das flüchtige Öl (s. Rose) der Schale dient besonders als Gewürz. Die gleiche Verwendung findet auch das saure Fruchtfleisch, dessen durststillender Saft namentlich zur Herstellung von Limonade gebraucht wird (die Zitrone heißt italie- nisch „Limone"). Die kopfgroßen Früchte einer Spielart geben, mit Zucker zubereitet, das Zitronat (Verwendung?). Der Orangenbaum (C. auräntium) wird besonders in zwei Spielarten angebaut. Die eine liefert die Pomeranze oder bittere Orange, die andere die Apfelsine oder süße Orange. Die Pomeranze wird besonders zur Herstellung von Likören und eines wertvollen Öls benutzt, das in der Parfümerie verwendet wird. Die Apfelsine (d. i. Apfel aus China oder Sina, weil von dort der Baum nach Europa ge- kommen ist) wird als wohlschmeckendes Obst überall hoch geschätzt (beschreibe die Frucht!). Aus den weißen, stark duftenden Blüten beider Spielarten gewinnt man in großen Mengen ein wertvolles Öl, das gleichfalls in der Parfümerie Verwendung findet. Orangen- und Zitronenbäume werden bei uns vielfach in Treibhäusern (Orangerien) ge- halten.

Von den entfernteren Verwandten der Orangengewächse seien nur folgende genannt : Der Mahagonibaum (Swiotenia), der das bekannte wertvolle Holz liefert und Schmeil, Lehrbuch der Botanik. ^

50 Tat'. 7. 14. Fam. Orangengewächse. 15. Fam. Lindengewächse.

sich in den Urwäldern des heißen Amerika findet ; der Cedrelabaum (Cedrela) Brasiliens, aus dessen wohlriechendem Holze man die Cigarrenkisten herstellt; der Götterbaum (Aihinthus glandulosa) aus China und Japan, der in unsere Parks eingewandert ist, sowie die Essigbäuiue (Rhus), die in mehreren Arten gleichfalls häulig in Anlagen zu finden sind.

15. Familie. Lindeng-ewächse (Tiliäceae). Die Sommer- und Winterlinde (Tilia platyphyllos und ulmifölia). Taf. 7.

A. Die Linde, unser Lieblingsbaum. Während die Linde in Osteuropa große Wälder bildet, treffen wir sie bei uns fast nur in der Nähe des Menschen. Sie ist der Lieblingsbaum des deutschen Volkes. Der schnelle Wuchs in der Jugend, das ehrwürdige Alter und die gewaltige Höhe, die sie erreichen kann (1000 Jahre; 30 m und mehr), die dichte Krone, das zarte Laub und die vielen Tausende von Blüten, die weithin die Luft mit süßem Duft erfüllen, haben ihr diese Stellung in unsern Herzen erobert. Deshalb pflanzen wir sie als Schatten- spenderin an Straßen, als Schmuckbaum auf freie Plätze und vor das Wohnhaus, sowie auf die Gräber unserer Toten. Deshalb knüpfen sich an sie auch so zahl- reiche Sagen und Lieder (z. B. Siegfried „Am Brunnen vor dem Tore"), und deshalb pflanzen wir sie (neben der Eiche) als Gedenkbaum an große Ereignisse (Beispiele!). Unsern Altvordern war die Linde ein heiliger Baum. Unter der ehrwürdigen Dorflinde berieten die Alten der Gemeinde, und noch heute versammelt sich unter ihr in vielen Gegenden die Jugend zu Lust und Freude.

Das weiche H o 1 z des Baumes wird vornehmlich zu Schnitzarbeiten verwendet; seine Kohle dient zum Zeichnen und früher besonders zur Bereitung des Schieß- pulvers. Aus dem Bast (s. Lein) bereitet man, namentlich in Rußland, Decken und andere Flechtwerke. Die Blüten sind für die Bienen eine reiche Honig- quelle; getrocknet liefern sie einen schweißtreibenden Tee.

B. Die beiden einheimischen Lindenarten. Die Gattung „Linde" ist bei uns durch 2 Arten vertreten: Die Sommerlinde entfaltet ihr Laub bereits anfangs Mai (Frühlinde) und hat unterseits kurzbehaarte, große Blätter (groß- blättrige Linde); die andere Art, die Winterlinde, schlägt erst Mitte Mai aus (Spätlinde), und ihre beiderseits kahlen Blätter sind viel kleiner als die der anderen Form (kleinblättrige Linde). Sonst aber stimmen beide in allen Stücken fast völlig überein.

C. Aon den Blättern der Linde. 1. Wenn im Frühjahre der junge Trieb in der Knospe zu wachsen beginnt, drängt er die beiden braunen Knospenschuppen auseinander (1.). (Beachte ihre verschiedene Größe und dem- entsprechend ihre Stellung zu einander!) Statt des Triebes werden jetzt aber erst grüne oder rötlich angehauchte, schuppenförmige Blätter sichtbar, die sich stark in die Länge strecken und den umhüllten Trieb gegen die Unbilden der Witterung schützen (2.). Endlich tun auch sie sich auseinander, und die jungen Blätter treten zwischen ihnen hervor (3.). Nunmehr erkennt man deutlich

Schmeil. Lehrbuch der Botanik

Tafel 7.

Winterlinde (Tilia ulmifolia)

Cedrela-, Götter- und Essigbaum. Sommer- und Winterlinde. 51

(noch deutlicher, wenn sich die jungen Stengelglieder bereits gestreckl haben), daß je 2 dieser „Schuppen" am Grunde der Blattstiele stehen. Wir haben es in ihnen also nicht mit Knospenschuppen zu tun, die den Trieb von außen umhüllen, sondern mit Nebenblättern, wie wir solche bei zahlreichen anderen Pflanzen (Beispiele!) linden. Ihrer Aufgabe entsprechend (Schutzmitteil) haben sie hier aber die Gestalt von Knospenschuppen. Ist der junge Trieb genügend erstarkt, dann fallen die Knospenschuppen und Nebenblätter, weil nunmehr über- flüssig geworden, ab. Die jungen Blätter sind mit langen, seidenartigen Haaren bedeckt, senkrecht gestellt und in der Mitte zusammengefaltet: wir treffen hier also fast alle die Schutzeinrichtungen wieder, die wir bei den Knospen und jungen Blättern der Roßkastanie (s. das.) kennen und verstehen gelernt haben. (Offne auch eine Knospe im Winter und beachte, wie zwischen den großen Nebenblättern die winzigen Laubblätter, die fast wie kleine Haarbüschel aussehen, „verpackt" sind!)

2. Die Blätter stehen abwechselnd links und rechts, zu zwei „Zeilen" geordnet, an den Zweigen, so daß die Blattflächen wie an den wagerechten Zweigen der Roßkastanie (s. S. 45) in eine Ebene fallen (4.). Bei dieser Anordnung wäre es aber sehr leicht möglich, daß sich die Blätter gegenseitig teilweise bedeckten und somit des Sonnenlichts beraubten. Dies geschieht jedoch nicht: die herzförmigen Blattflächen sind nicht nur wie bei jenem Baume un- gleich groß und ungleich lang gestielt, sondern ihre „Hälften" sind auch von ungleicher Größe. Die Blätter sind also unsymmetrisch. Wenn man sich das fehlende Stück ergänzt denkt, dann erst würde jener Fall eintreten. Die Natur würde dann aber etwas Unnützes oder Überflüssiges gebildet haben.

D. Von den Blüten der Linde. 1. Blütezeit. In den Winterknospen der Linde werden wir trotz eifrigsten Suchens keine Blütenanlage linden. Die Blüten bilden sich nämlich erst an dem jungen Triebe, der aus der Knospe hervorgeht, und zwar sprießen sie aus den Blattwinkeln neben den Knospen hervor, die den nächstjährigen Trieb enthalten und sich jetzt bereits bilden. Diese Tatsache erklärt uns die verhältnismäßig späte Blütezeit der Linde zur Genüge. (Wann blühen Sommer- und Winterlinde in deiner Heimat?)

2. Hlüte. a) Von einem Hauptstiele strahlen bei der Sommerlinde ge- wöhnlich 2 oder 3, bei der Winterlinde dagegen 5 7 Nebenstiele aus, die je eine Ülüte tragen (5.). Der Hauptstiel ist zum Teil mit einem bandförmigen, perga- mentartigen, bleichen „Deckblatte" verwachsen, dessen Bedeutung wir später (s. Absch. E) kenneu lernen werden.

b) Da die Blüten zumeist nach unten hängen und von den Laubblättern oft völlig überdacht werden (4.), sind sie (Honig, Blütenstaub!) vortrefflich gegen Regen geschützt. Diesem Vorteil steht jedoch der Nachteil gegenüber, daß die I Hüten in ihrem „Verstecke" den Blicken der Insekten entzogen sind. Sie besitzen daher auch keine prächtige Blütenfarbe, die ja doch nicht zur Geltung kommen könnte. Kelch und Blumenkrone, die aus je 5 kleinen, gelblichen Blättern bestehen, sind im Gregenteil ganz unscheinbar. Da aber die I Hüten

52 15. Fam. Lindengewächse. 16. Farn. Malvengewachse.

einen weithin wahrnehmbaren Duft aushauchen, wird dieser Nachteil völlig wieder ausgeglichen.

c) Die zahlreichen, langen Staubblätter stehen in dichtem Kranze um den Stempel. Sie sind sämtlich nach außen gerichtet, überragen die kleine Blütenhülle und überdecken den Honig, der in großer Menge von den mulden- förmigen Kelcbblättern abgeschieden wird. Infolgedessen müssen sich die zahl- reichen Insekten (Bienen und Fliegen), die auf der hängenden Blüte Fuß fassen wollen, an ihnen und dem Stempel festklammern. Da nun die Staubbeutel vor der Narbe reifen, kann es kaum ausbleiben, daß Blütenstaub von den jüngeren Blüten auf die Narbe der älteren übertragen, also Fremdbestäubung herbei- geführt wird.

E. Von den Früchten der Linde (6.). Der Fruchtknoten (stelle einen Querschnitt her!) enthält 5 Fächer mit je 2 Samenanlagen. Von diesen 10 An- lagen entwickelt sich jedoch gewöhnlich nur eine; die übrigen verkümmern. Die nußartige Frucht (Lindennüßchen) braucht sich bei der Reife daher nicht zu öffnen (s. S. 10, 3). Die lederartige Fruchthülle wird durch Verwesen zerstört.

Im Herbste löst sich der Fruchtstand mit dem flügelartigen Hüllblatte vom Zweige und fällt wie die Ahornfrucht (s. das.) langsam herab. Wird er dabei vom Winde erfaßt, so gelangt er oft erst in großer Entfernung vom Baume zum Erdboden. Das Hüllblatt ist also gleich dem Flügel der Ahorn- frucht ein Mittel zur Ausbreitung der Samen und damit zur Weiterverbreitung der ganzen Pflanze.

16. Familie. Malvengewächse (Malväceae).

Die Weg-Malve (Malva neglecta) findet sich wie schon der Name andeutet als eine unserer gemeinsten Pflanzen an Wegen und in der Nähe der menschlichen Wohnungen. Vermöge einer sehr tiefgehenden Wurzel kann sie auf dem festen, dürren Boden wohl gedeihen. Macht ihr keine andere Pflanze das Licht streitig, so liegen die schwachen Stengel fast völlig dem Untergründe auf; im anderen Falle aber sind sie genötigt, sich emporzurichten. Die rundlichen 5 71appigen Blätter sind gleich den Stengeln mehr oder weniger dicht mit sternförmigen Haaren bedeckt (Verdunstungsschutz!). In den Blattwinkeln stehen stets mehrere lang- gestielte Blüten, die unter dem fünfzipfligen Kelch noch je 3 Nebenblättchen besitzen. Die 5 rosafarbenen Blumenblätter sind am Grunde mit den zahl- reichen Staubblättern verschmolzen, deren Fäden wieder zu einer die Griffel umschließenden Röhre (zu einem „Bündel") verwachsen sind. (Beweise, daß die Bestäubung in derselben Weise wie beim Rittersporn erfolgt!) Die Frucht reift, vom Kelche bedeckt, zurückgebogen im Schutze der Blätter und ist einem kleinen Käse nicht unähnlich („Käsepappel"). Sie besteht aus einer mittel- ständigen Scheibe (einer Verlängerung des Fruchtstiels), die von zahlreichen

Sommer- und Winterlinde. Weg-Malve. Baumwolle. Affenbrotbaum. 53

Fruciitknotenfächern umgeben ist. Die einzelnen Fächer umschließen je einen Samen und lösen sich bei der Eeife ab. Sie werden vom Regen verschlämmt und von Menschen oder Tieren mit dem aufgeweichten Boden leicht verschleppt. Diese Tatsache erklärt uns auch das Vorkommen der Pflanze (s. oben).

Auf feuchten Wiesen, besonders auf Salzboden, findet sich der Eibisch (Altha-a officinalis) als eine mehr denn meterhohe Pflanze, deren grüne Teile mit weißem Filz überzogen sind („Sammetpappel"). Blätter, Blüten, besonders aber die Wurzeln sind von alters her wegen des Schleimes, den sie beim Kochen liefern, ein wichtiges Heil- mittel. Deshalb baut man die stattliche Pflanze auch im großen an. Gleiche Heil- wirkung besitzen auch die Blüten der Stockrose (A. rösea), die aus dem Morgenlande zu uns gekommen und eine bekannte Zierpflanze ist. Ein Malvengewächs ist auch

Die Baumwolle (Gossypium).

1. Die artenreiche Gattung umfaßt eine Anzahl kraut-, Strauch- und baum- artiger Pflanzen, die in den heißen Gegenden der alten und neuen Well heimisch sind. Die Formen, deren Samenhaare wir als wichtigsten Spinnstoff verwenden kleidet sich doch die Mehrzahl der Menschen in baumwollene Gewebe! haben sich weit über ihr ursprüngliches Gebiet verbreitet und selbst einen großen Teil der wärmeren gemäßigten Zonen erobert (z. B. Süd- europa und Nordamerika).

2. Die Pflanzen werden in Strauchform gezogen (warum nicht als Bäume V), haben große, 3 ölappige Blätter und (bis auf eine weißblühende Art) gelbe Malvenblüten. Die Frucht ist eine Kapsel, aus der bei der Reife ein mächtiger Haarschopf hervorquillt. Die Haare haben eine Länge bis zu 5 cm, sitzen an der Oberfläche der erbsengroßen Samen und dienen der Verbreitung der Pflanze durch den Wind (vgl. mit Löwenzahn, Weide u. a.).

3. Verwendung. Sobald sich die Kapseln zu öffnen beginnen, werden sie eingesammelt, und sofort trennt man mit Hilfe von Maschinen die Haare von den Samen. Der größte Teil der gewonnenen Haare wird gesponnen und entweder als Garn verwendet (Strick-, Häkelgarn und dgl.) oder zu Zeugen verwebt (Kattun, Barchent, Musselin u. s. w.). Auch zur Herstellung von Watte, Schießbaumwolle und anderen gewerblichen Erzeugnissen finden die wertvollen Haare Verwendung. Aus den Samen, die man nicht zur Aussaat benutzt, wird Öl gepreßt (Baumwollsaatöl), und die Rückstände dienen noch als nahrhaftes Viehfutter.

Zu den Malvengewächsen zählt auch der Affenbrotbaum oder Baobab (Adan- sönia digitäta), der in den Steppen des heißen Afrika heimisch ist. Er bildet im Alter eine riesige Krone und dementsprechend einen sehr starken Stamm. In der trockenen Jahreszeit verliert er das Laub (vgl. mit Kirschbaum, Absch. 3 c), und dann hängen die bis 40 cm langen, spindelförmigen Früchte gespenstig von den gewaltigen Zweigen herab. Die Früchte sind nicht nur für die Affen (Name!), sondern auch für die Menschen ein wichtiges Nahrungsmittel. Ein entfernterer Verwandter der Malven ist

54

Taf. 8 17. Fam. Storchschnabelgewächse.

Der Kakaobauni iTheobröma cacäo). Der Kakaobaum hat in den Urwäldern des tropischen Amerika seine Heimat, wird jetzt aber in fast allen heißen Ländern angebaut. Seine gurken- ähnlichen, bis 20 cm langen Früchte enthalten in einem säuerlichen Frucht- fleische zahlreiche, sehr bittere Samen, die sog. Kakaobohnen. Die ein- geernteten Früchte legt man auf Haufen oder schüttet sie in Gruben und läßt sie hier einige Tage liegen. Dadurch erhalten die Bohnen, die sodann von dem Fruchtfleische getrennt werden, einen angenehmeren, milderen Geschmack, so daß sie nunmehr zur Herstellung von Schokolade tauglich sind. Zu diesem Zwecke werden sie geröstet, von den Schalen befreit, zerrieben und mit Hilfe hy- draulischer Pressen entölt. Der zurückbleibende „Press- kuchen" wird gepulvert und liefert das Kakaopulver; mit Zucker vermischt und gewürzt (durch Vanille oder andere Stoffe) gibt er die Schokolade. Wie Kaffee und Tee enthält auch der Kakao einen Stoff (Theo- b romin), der auf den Menschen eine belebende Wirkung ausübt. Da man aber vom Kakao nicht nur einen Aufguß trinkt, sondern ihn als Ganzes genießt, so ist er zugleich ein Nahrungsmittel.

Frucht des Kakao- bauines, geöffnet, um die Samen,, die Kakaobohnen", zu zeigen ('/3 nat. Gr.).

17. Familie. Storehsehnabelg'ewächse

(Geraniäceae).

Blüten : je 5 freie Kelch- und Blumenblätter ; 10 am Grunde verwachsene Staubblätter; Fruchtknoten aus 5 verwachsenen Fruchtblättern zusammengesetzt; die ge- schnäbelte Frucht spaltet sich bei der Reife in 5 „be- grannte" Teilfrüchte, die sich von der stehenbleibenden Verlängerung des Blütenstieles (Mittelsäule) lösen.

Der Reiherschnabel (Erödium cicutärium). Taf. 8.

1. Standort. Der Reiherschnabel ist auf Äckern, an Wegen und Rainen, besonders auf Sandboden, häufig anzutreffen.

2. Wurzel. Obgleich die oberen Bodenschichten dieser Örtlichkeiten während der Sommermonate fast völlig austrocknen, geht die Pflanze doch nicht zu Grunde; denn sie sendet eine sehr lange Pfahlwurzel bis in die Boden- schichten hinab, die stets etwas feucht bleiben. Ein weiteres Schutzmittel gegen das Vertrocknen ist die sehr dichte, graue

3. Behaarung aller grünen Teile bei denjenigen Pflanzen, die auf sehr sonnigem und dürrem Boden stehen (s. S. 43, C a). Wachsen die Pflanzen unter günstigeren Bedingungen, so sind sie stets viel geringer, oft nur ganz wenig

Schmeil. Lehrbuch der Botanik.

Tafel

Reiherschnabel (Erodium cicutarium).

Kakaobaum. Reiherschnabel. 55

behaart. Einen ähnlichen unterschied finden wir meist auch bezüglich der zierlich gefiederten

4. Blätter, deren Fiedern wieder mehr oder weniger tief eingeschnitten sind. In den kleinen Blattflächen, die natürlich weniger Wasser verdunsten als sonst gleiche, aber größere, besitzt der Reiherschnabel an welchen Orten er auch wachsen mag ein drittes Schutzmittel, l'nd dieses Mittel muß umso wirksamer sein, je kleiner die Blattflächen sind. Die kleinsten Flächen finden wir nun abermals bei den Pflanzen der sonnigsten Stellen: die Fiederblätter sind bis auf den Grund geteilt, so daß jedes abermals gefiedert ist. (Vgl. bezüglich dieser Punkte andere Pflanzen trockener Standorte!)

Im Herbste und Winter bilden die Blätter des veränderlichen Pflänzchens oft außerordentlich regelmäßige, dem Boden aufliegende Rosetten (2). In- folge dieser Lage kann kein Blatt dem andern auch nur einen Lichtstrahl rauben, und so allein vermag die winterliche Schneelast dem schwachen Gewächse keinen Schaden zuzufügen (Beweis! s. S. 17, B; s. auch Löwenzahn!). Im Frühjahr setzt die Pflanze das Leben fort, das durch die Kälte zum Stillstand gebracht wurde : sie treibt langgliedrige, meist rot angelaufene, beblätterte

5. Stengel (1.) Wächst der Reiherschnabel zwischen anderen Pflanzen, die ihm das Licht streitig machen, dann richten sich die Stengel hoch empor; im anderen Falle dagegen bleiben sie meist dem Boden angedrückt. Über Stengel und Blätter ragen, dem Insektenvolke sichtbar (Bedeutung?), die

6. Blüten empor. Neben Pflanzen mit kleinen Blüten findet man solche, die weit größere Blüten tragen. Während erstere von Insekten wenig beachtet werden und darum in der Regel auf Selbstbestäubung angewiesen sind, erfreuen sich die anderen eines regen Insektenbesuchs. (Untersuche die Blüten auf Fremd- und Selbstbestäubung genauer! Vgl. auch mit Stiefmütterchen!) Mehrere der kurz gestielten Blüten (3) stehen auf einem langen, ge- nieinsamen Stiele. Schon wenige Stunden nach dem Auf- blühen verlieren sie die 5 rosafarbenen, oft dunkler ge- streiften oder gefleckten und verschieden großen Blu- menblätter, die am Grunde je einen Büschel seitlich gerichteter Härchen tragen. Diese Haare überdecken die 5 Honigdrüsen am Grunde der Staubblätter und ver- wehren somit den Insekten , von unten her zum Honig

vorzudringen (Bedeutung ?). Die 10 am Grunde mitein- Blütengrundril vom ander verwachsenen Staubblätter sind nur zur Hälfte mit Staubbeuteln ausgerüstet. Sie umschließen den

Stempel, dessen merkwürdigen Bau uns die reifende Frucht (1 a c) deutlich erkennen läßt. Wir sehen, wie der Fruchtknoten nach und nach in 5 Teilfrüchte zerfällt , die um eine Verlängerung des Fruchtstiels , eine Mittelsäule, geordnet sind. Lösen wir die noch unreifen, einsamigen Teilfrüchte (eine £. Samenanlage gelangt nicht zur Entwicklung!) ab, so sehen wir weiter, wie ihre Hüllen (die 5 Fruchtblätter) in je einen langen Fortsatz, eine „Granne", ausgezogen sind.

56 17. Fam. Storchschnabelgewächse. 18. Fam. Sauerkleegewächse.

Jede Teilfrucht besteht also aus 2 deutlich geschiedenen Abschnitten: aus dem Fruchtfache mit dem Samen (4 a) und der Granne (4 b und c). Die 5 Grannen bilden mit dem oberen Teile der Mittelsäule den Griffel, und ihre obersten Ab- schnitte stellen die 5 Narben dar. Nach dem Verblühen wächst der Griffel weiter, so daß er samt der Frucht schließlich einem langgeschnäbelten Vogel- kopfe ähnelt (Reiherschnabel Storchschnabel). Auch der 5-blättrige Kelch vergrößert sich noch nach dem Verblühen und umhüllt schützend die sich aus- bildende

7. Frucht, a) Bringt man einen reifen Fruchtstand (vgl. die Stellung von Blüte und Frucht!) in das geheizte Zimmer, auf den warmen Ofen, oder sorgt man sonstwie dafür, daß er schnell austrocknet, so beobachtet man, wie sich die Teilfrüchte von der Mittelsäule ablösen (1 b), wie sich der untere Teil der Granne korkzieherartig aufrollt (1 c und 4), und wie das ganze Gebilde ein Stück fortgeschleudert wird. Dasselbe erfolgt natürlich auch im Freien, bei warmem, trockenem Wetter. In dem eigentümlichen Bau der Frucht erkennen wir erstens also ein Mittel zur Verbreitung der Samen.

b) Befeuchtet man eine Teilfrucht, so streckt sich die Granne: die Win- dungen werden immer weiter und verschwinden schließlich vollständig. Läßt man die Granne wieder austrocknen, so rollt sie sich wieder auf. (Die gegen Feuchtigkeit sehr empfindlichen [hygroskopischen] Teilfrüchte werden darum auch zur Herstellung von Feuchtigkeitsmessern oder Hygrometern benutzt.) Wiederholt man denselben Versuch in der Weise, daß man den rechtwinklig abgebogenen, geraden Endteil der Granne festhält, so wird das Fruchtfach in drehende Bewegung versetzt. Stellt man nun endlich eine angefeuchtete Teil- frucht mit der Spitze des Fruchtfaches in Sand oder lockere Erde und dicht da- neben ein Stäbchen, das den Endteil der Granne hindert, sich beim Strecken des korkzieherartigen Abschnittes zu drehen, so muß dasselbe erfolgen, d. h. das Fruchtfach in den Sand oder die Erde gebohrt werden. Dasselbe erfolgt natür- lich auch im Freien, wenn der Endteil der Granne durch Pflanzen oder Uneben- heiten des Erdbodens festgehalten wird (stelle einen entsprechenden Versuch an !), und wenn Tau- oder Regentropfen die Granne strecken, und der Sonnenschein sie wieder trocknet (5 a d). Man findet daher in der Umgebung der Pflanze zur Zeit der Fruchtreife meist auch einige eingebohrte Früchte. Der eigentümliche Bau der Frucht und ihre große Empfindlichkeit gegen Befeuchtung sind also zweitens ein Mittel , die Samen in den Erdboden, also an den Ort zu bringen, an dem sie zu keimen vermögen.

Diese Erkenntnis macht uns weitere Einzelheiten im Bau der Teilfrucht verständlich: 1) der gerade End teil der Granne bewirkt, daß die Spitze des Fruchtfaches stets schräg gegen den Erdboden gerichtet ist (5 a). 2) Die als Erd- bohrer dienende Spitze des Fruchtfaches ist scharf (4 a). 3) Das Frucht- fach ist mit kurzen, steifen Haaren besetzt, die wie Widerhaken wirken. Rollt sich nämlich die austrocknende Granne auf, so verhindern sie, daß das Fruch- fach wieder aus dem Boden gedreht werde. Durch abwechselnde Befeuchtung

Reiherschnabel und seine nächsten Verwandten. Sauerklee. 57

und Austrocknung muß das Fruchtfach (Same) also immer tiefer in die Erde eindringen (5 b— d). 4) Die kurzen und langen Haare an dem korkzieher- artigen Grannenteile (4 und 5) verhindern ein Abspringen der Regentropfen. 5) Das Fruchtfach ist vollkommen geschlossen, so daß ein Herausfallen des Samens verhindert wird (vgl. dag. Wiesen-Storchschnabel). Kurz : wir haben es hier mit einem wahren Wunderwerke der Natur zu tun!

Die nächsten Verwandten des interessanten Pflänzchens sind die Storch- SChnabelarten (Geränium), die Wald und Feld, trockene und feuchte Örtlichkeiten be- wohnen. Wie bei ihnen die Samenverbreitung erfolgt, mag uns der Wiesen-Storchschnabel (G. pratense) lehren, der mit seinen großen, blauen Blumen Wiesen und lichte Gebüsche schmückt. (Durch welche Einrichtung wird Selbstbestäubung verhindert? Beachte den klebrigen Stengel! Vgl. mit Leimkraut!) Die sich ablösenden Teilfrüchte schnellen an der sich bogenförmig krümmenden Granne mit ziemlicher Gewalt nach oben, bleiben aber an dem oberen Grannenteile mit der Mittelsäule verbunden. Dadurch werden sie in ihrer Bewegung aufgehalten, so daß ein heftiger Ruck entsteht. Da nun die Frucht- fächer auf der Innenseite einen großen Spalt besitzen, so werden die Samen in weitem Bogen fortgeschleudert, etwa wie ein Stein, den man aus der hohlen Hand mit einem kurzen Ruck des Annes fortwirft. Dieselbe Verbreitung finden wir bei allen groß- blumigen Storchschnabelarten. Bei den kleinblumigen Arten dagegen lösen sich die Grannen vollständig ab, so daß die Teilfrüchte fortschnellen. Um das Herausfallen der Samen zu verhindern, sind bei ihnen die Fruchtfächer wie beim Reiherschnabel völlig geschlossen. Als bekanntestes Beispiel dieser Formen sei das Ruprechtskraut (G. robertiänum) ge- nannt, das an feuchten, schattigen Orten überall vorkommt. Durch den widerlichen Geruch (Schutz gegen Tiere!) und die tiefgeteilten, fiederspaltigen Blätter unterscheidet es sich leicht von dem sonst sehr ähnlichen Reiherschnabel. Zahlreiche ausländische, meist aus dem Kaplande stammende „Geranien" (Pelargönium) zählen zu unsern beliebtesten Topfpflanzen.

18. Familie. Sauerkleege wachse (Oxalidäceae).

Den Sauerklee (Öxalis acetosella) kennzeichnet die große Zartheit aller Teile schon als einen Bewohner schattiger, feuchter Wälder und Gebüsche (s. S. 7, c). Von den kleeartigen Blättern und dem Reichtum an sauerschmeckendem, giftigem Kleesalz (Schutz- mittel gegen Tiere !) hat er seinen Namen. An sonnigen Tagen kann man leicht beobachten, wie dicht beieinanderstehende Pflanzen ein sehr verschiedenes Aus- sehen haben: die beschatteten breiten ihre Blätter so aus, daß die drei herz- förmigen Einzel-Blättchen in einer Ebene liegen; die von den warmen Sonnen- strahlen getroffenen dagegen haben die Blättchen senkrecht nach unten ge- schlagen und falten sie dabei (des Platzes wegen!) in der Mittellinie etwas ein. Die Blätter dieser Pflanzen werden infolgedessen weniger besonnt und mithin auch weniger erwärmt, daher werden sie auch weniger Wasser verdunsten, als wenn sie ausgebreitet wären (s. S. 43, C c). (Vgl. auch die jungen Blätter nach Stellung und Faltung mit denen der Roßkastanie!) Nachts nehmen die Blätter die gleiche „Schlafstellung" ein (s. Gemüsebohne). Auch die weißen,

58 Taf. 9. 18. Farn. Sauerkleegewächse. 19. Faru. Leingewächse.

rot geäderten Blüten (beschreibe sie!) schließen sich und werden nickend, so- bald es Abend wird. Bei Eintritt eines Regenwetters tun sie dasselbe, und bei kaltem, unfreundlichem Wetter öffnen sie sich gar nicht (s. S. 3, b). Drückt man eine ziemlich reife Frucht ein wenig, so werden die Samen mit großer Heftigkeit ausgeschleudert, Dasselbe geschieht bei völliger Reife von selbst: die äußere Schicht der Samenschale reißt an der Außenseite auf und rollt blitzschnell zurück : dadurch erhalten die glatten Samen einen so heftigen Stoß, daß sie durch die Spalten der Kapsel ins Freie geschleudert werden. Diese Ausstreuungsweise der Samen macht uns auch verständlich, warum sich der ge- krümmte Fruchtstiel zur Zeit der Fruchtreife emporrichtet.

Eine nahverwandte Pflanze ist das Springkraut oder das Kräutchen „Rühr mich nicht an" (Impätiens noli tängere), das an Waldbächen und anderen feuchten Waldstellen gedeiht. Es ist, seinem Standorte entsprechend (s. S. 7, c), ein überaus saftreiches, zartes Gewächs, dessen hellgrüne Teile von einer bläulichen Wachs- schicht überzogen sind (s. S. 17, 2). Die gelben, trompetenähnlichen Blüten stehen unter den Blättern wie unter einem schützenden Regendache. Berührt man die schotenähn- lichen Früchte, so lösen sich die 5 Klappen von der Mittelsäule ab, rollen sich spiralig zusammen und schleudern die Samen nach allen Seiten. Dasselbe geschieht, wenn der Wind die Pflanzen schüttelt, oder wenn ein vorbeistreifendes Tier die Kapseln berührt (Namen!). Eine gleiche Samen Verbreitung findet man bei der Garten-Balsaniine (J. balsamina), die aus Ostasien stammt. Gespornte Blüten besitzen auch die Kapu- zinerkressen (Tropteolum), die zu unseren beliebtesten Zierpflanzen zählen. Ihre Heimat ist Peru. Sie besitzen meist schildförmige Blätter. Die Blütenknospen und jungen Früchte werden wie Kapern verwendet (s. S. 10).

19. Familie. Leing-ewächse (Linäceae).

Der Lein oder Flachs (Linum usitatissimum). Taf. 9. A. Die Pflanze selbst.

„Auf, kommt in die Felder und blühenden Au'n, Das liebliche Pflänzchen der Mädchen zu schau'n!" Einen so prächtigen Anblick das blühende Flachsfeld gewährt, einen so bescheidenen Eindruck macht die einzelne Pflanze (1.). Der schwache, aber sehr elastische

1. Stengel, der im oberen Teile mehrfach verzweigt ist, wird bis zu 1 m hoch.

2. Die Blätter sind klein und schmal. Infolgedessen beschatten sie sich gegenseitig bei weitem nicht so stark wie große Blätter und sind daher in ver- hältnismäßig großer Anzahl vorhanden. (Vgl. mit anderen klein- und groß- blättrigen Pflanzen!)

3. Die Blüten stehen an den Zweigenden oder auf langen Stielen und sind aus 5 Kelchblättern, ebensovielen himmelblauen Blumen- und Staubblättern und einem Stempel zusammengesetzt. Da auch die am Grunde verwachsenen Staubblätter und die 5 Griffel (2.) mit den Narben prächtig blau gefärbt sind

Schmeil. Lehrbuch der Botanik.

Tafel 9.

Lein oder Flachs (Linum usitatissimum).

Lein oder Flachs. 59

aber nur soweit, als sie von außen gesehen werden können so treten sie mit in den Dienst der Insektenanlockung. Selbst wenn sich kein Insekt ein- stellt, bleibt die Pflanze doch nicht unfruchtbar: die Blüten, die sich bei den ersten Strahlen der Morgensonne öffnen, schließen sich bereits am Nachmittage wieder, indem die Blumenblätter die zusammengedrehte Haltung wie in der Knospe einnehmen (3.); dadurch kommen aber Narben und Staubbeutel in innige Beruh- rang, so daß Selbstbestäubung eintritt. An naßkalten Tagen und bei Regen- wetter öffnen sich die Blüten gar nicht (s. S. 3, b).

4. a) Die Frucht (4.) ist bis zur Reife schützend vom Kelche umhüllt. Sie ist eine kugelige Kapsel („Flachsknoten"), die in jedem der 5 Fruchtfächer 2 Samen enthält (5.). Die Fächer sind aber durch eine unvollständige Scheidewand nochmals geteilt, so daß scheinbar 10 einsamige Fächer vorhanden sind. Bei der Reife öffnen (6.) sich die Kapseln entweder mit einem knackenden Geräusch oder sie bleiben geschlossen, so daß die Samen durch Ausschlagen gewonnen werden müssen. Ersteres ist bei dem kleineren „Klang- oder Springlein", letzteres beim größeren „Schließ- oder Dreschlein" der Fall. Da wildwachsende Pflanzen ihre Samen verstreuen müssen (warum?), ist die zweite Spielart ohne Zweifel eine vom Menschen noch mehr veränderte Form als die erste.

b) Befeuchtet man die glatten, bräunlichen Samen (6.), so wird die Ober- fläche bald im hohen Grade klebrig. Bei der Aussaat verkittet infolgedessen der Same mit dem Boden, so daß das Keimen sicher von statten gehen kann (vgl. mit Kürbis). Des Schleimes wegen benutzt man die Samen auch in der Heilkunde (zu Tee und Umschlägen). Besondere Bedeutung erhalten sie aber durch den großen Reichtum an dem fetten Leinöl, das ausgepreßt zur Her- stellung von Ölfarben, Druckerschwärze, Seife und dgl. mehr verwendet wird.

B. Der Lein als (iespinstpflanze. 1. Die Flachsfasern. Zerreißt man einen Flachsstengel, so schauen aus den Rißstellen (ähnlich wie beim Durchreißen der Blattstiele des Wegerichs) dünne Fäden hervor. Betrachtet man einen solchen Faden unter dem Mikroskope, so giebt er sich als aus zahl- reichen Zellen bestehend zu erkennen (7.). Die Zellen sind sehr lang (bis 4 cm), mit den zugespitzten Enden gleichsam ineinander gekeilt und so dickwandig, daß ihr Innenraum nur noch als eine dunkle Linie erscheint. Sie bilden daher nicht nur sehr lange, sondern auch sehr feste Stränge, die man als Flachs- fasern oder da sie in dem (zwischen Rinde und Holz befindlichen) Bast eingelagert sind Bastfasern bezeichnet. Infolge der Länge und Festigkeit eignen sich die Fasern vortrefflich zur Herstellung von Geweben und machen den Lein zu einer der wichtigsten Gespinstpflanzen. Soll die Pflanze diesem Zwecke dienen, so müssen die Flachsfasern von den umgebenden Geweben selbst- verständlich befreit werden.

2. Die Gewinnung der Flachsfasern geschieht nun von alters her in folgender Weise: Sobald die Stengel anfangen gelb zu werden, rauft man die Pflanzen aus dem Boden und beseitigt („riffelt") die Samenkapseln mit Hilfe eiserner Kämme. Bündelweis legt mau die Pflanzen sodann in stehendes oder

60 19. Fam. Leingewächse. 20. Farn. Weinrebengewächse.

langsam fließendes Wasser, oder man breitet sie auf Feldern und Wiesen aus und überläßt sie einige Wochen dem Regen und Tau. In den durchfeuchteten I'tlanzenteilen tritt (unter Einwirkung von Spaltpilzen; s. das.) bald eine Gärung ein : die Rinde und die weichen Bastteile werden zerstört, so daß sich die Flachs- fasern leicht abziehen lassen. Nachdem dieser Vorgang, der als das „Rösten" . des Flachses bezeichnet wird („Wasser- und Tauröste"), beendigt ist, kommt es noch darauf an, den Holzkörper zu beseitigen. Zu diesem Zwecke werden die Stengel zunächst getrocknet („gedörrt") und sodann gebrecht, d. h. das mürbe gewordene Holz wird durch besondere Vorrichtungen (Flachsbreche) in kleine Stücke zerbrochen. Die somit freigewordenen Flachsfasern, die aber noch miteinander netzförmig verbunden sind, werden nunmehr durch Schlagen mit einem schwertförmigen Holze („Schwingen") von den anhängenden Holz- und Rindeteilchen befreit und endlich durch die Zähne einer Hechel gezogen. Hierdurch wird das Netzwerk in einzelne Stränge zerrissen; die langen Fasern erhalten eine gleichmäßige Lage und werden von den kurzen Fasern, dem Werg oder der Hede, getrennt.

3. Die Verwendung von Flachsfasern. Schon seit undenklichen Zeiten hat der Mensch verstanden, die Bastfasern des wahrscheinlich aus dem Mittelmeergebiete stammenden Leins (und seiner nächsten Verwandten) zu Garn zu spinnen und Leinwand daraus zu verfertigen. Jahrtausende hindurch be- diente man sich zum Spinnen der Handspindel. Sie mußte dem um das Jahr 1530 erfundenen Spinnrade weichen, das in der Gegenwart wieder von sinnreich konstruierten Spinnmaschinen fast völlig verdrängt worden ist. Wie diese Maschinen ein billigeres Garn liefern, als dies mit Hilfe des Spinnrads möglich ist, so vermag auch der alte Handwebstuhl nicht mehr gegen die mechanischen Webstühle der Fabriken den Wettbewerb aufzunehmen. Da die Leinwand im- mer mehr von der billigeren Baumwolle verdrängt wird, so ist auch der Flachs- bau stark zurückgegangen, und jetzt schon giebt es weite Bezirke, in denen das schnurrende Spinnrad und das blaue Flachsfeld nur noch von Hörensagen bekannt sind. Von den zahlreichen Leinwandsorten, die man herstellt, seien nur genannt: der Zwillich und der Drillich oder Drell, das sind wie schon der Name sagt Zeuge, die mit 2 bezw. 3 schräg verlaufenden Fäden gewebt sind; sehr feines Leinen nennt man Batist; das stärkste ist das Segeltuch.

Das minderwertige Werg verwendet man zur Füllung von Polstern, so- wie zur Herstellung von Stricken und Packleinwand. Aus unbrauchbar ge- wordenen Leinengeweben (Lumpen) bereitet man bekanntlich das Papier.

20. Familie. Weinrebeng-ewächse (Vitäceae). Der Weinstock (Vitis vinifera).

1. Heimat und Verbreitung. Die Heimat des Weinstockes glaubt man in den Ländern um das Mittelmeer gefunden zu haben. Vollkommen wild soll er heutzutage noch in den Wäldern von Westasien vorkommen, in denen er als

Lein oder Flachs. Weinstock. 61

üppig wuchernde Schlingpflanze bis zu den Kronen der höchsten Bäume empor- steigt. Auch die Weinstöcke, die man in den Uferwäldern der Donau und des Rheins antrifft, sollen wirklich wilde Pflanzen sein. Verwildert kommt die Rebe in allen Ländern vor, in denen Weinbau getrieben wird.

Der köstlichen Früchte wegen hat der Mensch den Weinstock schon seit uralten Zeiten (Noah) in Pflege genommen und über einen großen Teil der Erde verbreitet. Als eine Pflanze wärmerer Gegenden meidet er sowohl den kalten Norden, als auch die heiße Zone. Etwa der 52. Breitengrad bildet in Deutschland die Grenze seines Gedeihens, und zwar vermag er bis zum 51. Grad herab meist nur an der Wand der Häuser, die von den Sonnenstrahlen stark erwärmt wird, seine Trauben zu reifen. Südlich von dieser Linie dagegen, am rebenumkränzten Rhein, an der Mosel und Ahr, am Main und Neckar, in Franken und Baden und an vielen anderen Orten, bewohnt er das freie Feld oder den sonnigen Bergeshang. Dort, wo die Sonne kräftiger wirkt, wie in Südtirol, zieht man ihn in Laubengängen ; in der lombardischen Tiefebene umschlingt er den Maulbeerbaum, und noch weiter südlich klettert er an Ulme und Pappel empor. Und wie in Deutschland und dem alten Weinlande Italien, reift er seine köstlichen Früchte auch (gib die Gegenden näher an !) in Frankreich, in Spanien und Portugal, in der Schweiz, in Österreich und Ungarn, in Griechenland und auf den Inseln des Mittelmeeres, in Rumänien und dem südlichen Rußland, in ganz Vorderasien, auf Madeira und im Kaplande, in Nordamerika und an vielen anderen Orten der Erde.

Ein so weit verbreitetes Gewächs lebt natürlich unter den verschiedensten Verhältnissen (Boden, Wärme, Feuchtigkeit, Pflege und dgl.). Er tritt daher auch in einer großen Zahl von Spielarten oder Sorten auf, die sich be- sonders durch die Form, Größe und Behaarung der Blätter, sowie durch die Form und Färbung der Beeren und die Größe der Trauben voneinander unter- scheiden.

2. Wurzel. In den wärmeren Ländern fällt während eines großen Teiles des Jahres und zwar in der Zeit, in der der AVeinstock Blüten trägt und Früchte reift, meist kein Regen. Auch in unsern Weinbergen sind in den Spätsommer- und ersten Herbstmonaten die oberflächlichen Erdschichten oft im hohen Grade ausgetrocknet. Da aber die Wurzeln des Weinstockes tief in den Boden dringen, so vermögen sie selbst während dieser Zeit genügend Wasser zu beschaffen.

3. Stamm uud Äste (Reben) sind von einer graubraunen Borke bedeckt, deren abgestorbene Lagen in bandartigen Streifen abgestoßen werden. Wohl kann der Stamm bei hohem Alter baumartige Stärke erreichen, die Reben aber bleiben stets verhältnismäßig schwach. Besonders gilt dies für die jüngsten Reben („Lotten"), die im Frühjahre aus braunbeschuppten Knospen hervor- brechen (vgl. mit Roßkastanie!). Da es nun für den wildwachsenden oder verwilderten AVeinstock ein ATorteil ist, möglichst bald den besonnten Gipfel des Baumes zu erreichen, an dem er emporklettert, so wächst der Jahrestrieb den ganzen Sommer hindurch fort (vgl. dag. mit Roßkastanie, Linde und andern

62 20. Farn. Weinrebengewäcbse.

Bäumen !). Der angebaute Weinstock hat diese Eigenschaft beibehalten und bildet nicht selten Jahrestriebe von 4 und mehr Meter Länge. Diese Triebe sind aber so schwach, daß sie weder die eigene Last, noch die der Früchte zu tragen vermögen. Wir geben daher den baumartigen Stöcken, die wir an WTänden ziehen, ein Spalier, und den strauchartigen der Weinberge Stäbe, an denen sie Halt und Stütze finden. Außerdem ist der Weingärtner das ganze Jahr hin- durch aufs eifrigste bemüht, jeden Weinstock in den Vollgenuß von Licht und Luft zu setzen, die zu gutem Gedeihen nötig sind : er schneidet zu dem Zwecke die überflüssigen Eeben ab, bindet die fruchttragenden fest und dgl. mehr. Dem wildwachsenden oder verwilderten Weinstocke dagegen läßt niemand eine solche Pflege angedeihen. Er müßte am Boden liegen bleiben und würde bald von den benachbarten Pflanzen überwuchert und erstickt sein, wenn er nicht in den

4. Ranken ein Hilfsmittel besäße, sich an anderen, stärkeren Pflanzen (Bäumen) anzuklammern und zum Lichte emporzudringen. Die Eanken sind fadenförmige Gebilde, die den Blättern gegenüberstehen. In der Mitte besitzen sie ein Blättchen, aus dessen Achsel ein kleiner Ast hervorsproßt, so daß sie wie gegabelt erscheinen. Da die Trauben gleichfalls den Blättern gegenüber- stehen und dieselbe Gliederung wie die Ranken zeigen, so ist dies ein Zeichen, daß wir es in den Ranken mit umgewandelten Blütenstielen zu tun haben ( S tengelranken " ).

a) Betrachtet man ein Weinspalier, so findet man, daß alle Ranken sich nach der Wand, also dorthin wenden, wo eine Stütze zu finden ist. Dasselbe beobachtet man auch an jedem Stocke im WTeinberge. Ihrer Aufgabe entsprechend ist also die Ranke im Gegensatz zu den lichtliebenden Blättern ein licht- scheues Gebilde.

b) Die Rankenäste bewegen sich wie der Uhrzeiger langsam, aber stetig im Kreise. Je mehr sie in die Länge wachsen, desto größer werden die Kreise, und desto größer wird auch die Möglichkeit, eine Stütze zu finden. Die Zeit, in der ein solcher Umlauf vollendet wird, ist je nach der Temperatur verschieden. (Wie lange brauchte der von dir beobachtete Ranken- ast dazu?)

c) Bringen wir der kreisenden Ranke ein Holzstäbchen in den Weg, so beobachten wir folgendes: Einige Stunden, nachdem die hakenartige Spitze oder eine andere Stelle des Astes den Stab berührt hat, hat ihn die Ranke in einer Schlinge umwunden. Einige Stunden, oder auch einen Tag später (stelle die Zeit bei deinem Versuche genauer fest!) hat sich der Endteil des Astes in weiteren, sehr engen Windungen um die Stütze gelegt. Dasselbe er- folgt, wenn die Ranke einen anderen Gegenstand, einen Zweig, einen Blattstiel oder dgl. erfaßt.

d) Nach Verlauf einiger Tage hat sich der zwischen Stütze und Pflanze ausgespannte Rankenteil korkzieherartig zusammengezogen. Infolgedessen wird die Pflanze enger und fester an die Stützen gefesselt, und

Weinstock. 63

da die korkzieherartigen Ranken federn, so vermag der Wind den Weinstock bei weitem nicht so leicht von seinen Stützen loszureißen als im anderen Falle. Dies ist umso weniger möglich, als die

e) anfangs sehr zarten Rauken nicht nur stärker werden, sondern auch verholzen. Dadurch erhalten sie fast die Festigkeit von Eisendraht. Die Ranken aber, die keine Stütze ergreifen konnten, vertrocknen und fallen ab. Dies ist für die Pflanze kein sonderlicher Verlust; denn

f) an jeder Rebe werden eine größere Anzahl von Ranken ge- bildet. Dem unteren Rebenteile aber fehlen die Ranken; denn er vermag sich ja ohne Hilfe dieser „Hände" dem Lichte entgegen zu strecken.

5. a) Das Blatt ist von prächtiger Form, so daß es in der Kunst viel- fache Verwendung findet (Beispiele!). Durch 2 tiefere und 2 flachere Einschnitte ist es in 5 Lappen geteilt, in die je eine Hauptrippe vom Blattgrunde aus ein- tritt. Der Blattrand ist gesägt. (Welche Eigenschaften des jungen Blattes der Roßkastanie finden wir am Weinblatt wieder?)

b) Obgleich die Blätter verhältnismäßig groß sind, rauben sie sich doch nicht gegenseitig das Licht: Sie stehen abwechselnd an der Rebe und sind in 2 Zeilen angeordnet. Außerdem nehmen sie

c) eine ganz bestimmte Stellung zu den Sonnenstrahlen ein. Dies ist deutlich zu sehen, wenn die Reben angebunden werden. Durch diesen Ein- griff wird das gesamte Blattwerk in „Unordnung" gebracht, so daß der Stock struppig und unschön aussieht. Nach einigen Tagen aber schon ist die alte „Ordnung" wieder hergestellt: Die Blätter haben sich so gedreht, daß die Stiele wieder schräg aufwärts gerichtet und die Blattflächen schräg abwärts geneigt sind. Infolgedessen werden sie von den Sonnenstrahlen senkrecht getroffen, also unter einem Winkel, unter dem die Strahlen ihre größte Wirkung ausüben (Beweis!). In den Blattwinkeln bildet sich je eine Knospe, aus der noch in demselben Sommer ein Trieb, die sogenannte

<i. Geize, hervorgeht. Da dieser Trieb im Herbst zum Teil abstirbt und bei uns fast niemals „reifes" Holz entwickelt, das der Winterkälte widerstehen könnte, so entfernt ihn der Gärtner („geizen"), um für die anderen Reben („Lotten") Platz zu schaffen. Am Grunde der Geize entsteht die Winterknospe, aus der im nächsten Jahre eine neue Rebe hervorgeht.

7. Die Blüten sind sehr klein und zu aufrecht stehenden Rispen (im ge- wöhnlichen Leben „Trauben", in den Weingegenden „Gescheine" genannt) ver- einigt. So lange sie sich im Knospenzustande befinden, erhebt sich über dem iiapf förmigen, fiinfzipfligen Kelche je eine kleine Kappe oder Haube. Sie wird von den verwachsenen Blumenblättern gebildet und überdeckt schützend die 5 noch eingebogenen Staubblätter und den flaschenförmigen Stempel, an dessen Grunde sich 5 gelbe Honigdrüsen vorfinden. Während sich bei den allermeisten Pflanzen die Blumenblätter beim Aufblühen auseinander tun, um den Zugang zum Blütengrunde freizugeben, bleiben sie hier an dem oberen Teile fest miteinander verbunden. Dadurch würde aber die

64

20. Farn. Weinrebengewächse.

2. 3.

Blüte des Weinstocks (vergr.) 1. geschlossen, 2 Die Blumenblätter werden abgeworfen, 3. ent- faltet.

Bestäubung- erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht werden! Als Gebilde, die ihre Aufgabe erfüllt haben, lösen sich die Blumenblätter daher beim Auf- blühen an der Ursprungsstelle los und werden als flache Hauben von den sich

streckenden Staubblättern em- porgehoben und schließlich ab- geworfen. Da die Blumenblätter grün gefärbt sind und mithin die Aufmerksamkeit der Insek- ten nicht erregen können, so ist es auch aus diesem Grunde kein Verlust für die Pflanze, daß sie abfallen. Wie bei der gleich- falls unscheinbaren Lindenblüte besorgt ein köstlicher Duft die Anlockung der Bestäuber (Käfer, Fliegen und Bienen). Vielfach fällt auch der Blütenstaub auf die Narbe derselben Blüte, und es ist selbst be- obachtet worden, daß sich die Staubblätter strecken und krümmen und infolge- dessen mit Narben benachbarter Blüten in Berührung kommen.

8. Die Frucht des Weinstocks ist eine Beere von gelber, grüner, roter oder blauer Färbung. Sie ist mit einem abwischbaren Wachsüberzuge wie mit einem Reif versehen (Schutz gegen Befeuchtung und damit verbundener Fäulnis, sowie gegen Verdunstung der Fruchtsäfte; (Beweis!) und enthält 1 4 Samen. Durch das Gewicht der Beeren wird der anfänglich aufrechte Traubenstiel abwärts gezogen, a) Verbreitung. Die Pflanzen und somit auch der Weinstock erzeugen Samen, damit daraus neue Pflanzen (derselben Art) entstehen. Werden die Weintrauben vom Menschen verspeist oder sonstwie verwendet, so gehen die Samen zu Grunde, ohne ihre Aufgabe erfüllt zu haben. Anders aber, wenn die Beeren von Staren, Sperlingen, Drosseln oder anderen Vögeln verzehrt werden : während das saftige Fruchtfleisch verdaut wird, können die Samen infolge der steinharten Hülle von den scharfen Verdaungssäften nicht zerstört werden; sie gehen unverletzt durch den Körper des Vogels und werden mit dem Kote wieder ausgeschieden. Geschieht dies nun an einem Orte, an dem die Samen keimen und sich zu neuen Weinstöcken entwickeln können, so ist nicht nur eine Vermehrung, sondern auch eine Weiterverbreitung der Pflanze eingetreten. Durch Hilfe der Vögel werden die Samen der wildwachsenden Weinstöcke allein ver- breitet, und die verwilderten sind nur durch Vögel ausgesät. (Warum sind aber die Wespen, die gleichfalls den Beeren eifrig nachstellen, unnütze Näscher? Die angebauten Reben vermehrt man ausschließlich durch Stecklinge.)

Einer Pflanze aber, die nichts zu bieten vermag, werden die Vögel einen solchen Dienst nicht erweisen. Wie die Insekten die Blumen nur besuchen, weil sie hier Nahrung finden, so besuchen auch die Vögel den Weinstock allein, um die süßen, saftigen und wohlschmeckenden Beeren zu verzehren.

Weinstock. 65

Und wie die Blumen ihre Bestäuber durch (Duft und) leuchtende Farben anlocken, so lockt der Weinstock seine Verbreiter dadurch zum süßen Mahle, daß seine Früchte eine Färbung' besitzen, die von der des Laubes mehr oder weniger absticht

Würden die Vögel die Beeren bereits verzehren, ehe die Samen reif, d. h. keimfähig wären, so würde das für den (wildwachsenden) Weinstock ein großer Nachteil sein (warum?). Wir sehen daher, daß die Früchte erst zur Reife- zeit wohlschmeckend werden und „Lockfarben" annehmen. Vor- dem sind sie zusammenziehend sauer, ungenießbar und heben sich der grünen Färbung wegen von dem Blattwerke nicht ab. (Vgl. in diesen Punkten andere Pflanzen mit fleischigen Früchten, sowie die Pflanzen, die sich zur »Samen- verbreitung nicht der Hilfe der Vögel bedienen!)

b) Verwendung der Trauben. Die Trauben preisen wir mit Recht als das vornehmste Erzeugnis der Pflanzenwelt. Frisch genießen wir sie als schmackhaftes Obst, getrocknet als Rosinen und Korinthen. In dieser Form kommen sie besonders aus dem weinreichen Griechenland und Kleinasien. Die Korinthen haben ihren Namen nach der Stadt Korinth, in deren Nähe die kernlose Spielart zuerst gebaut wurde. Ihre Hauptbedeutung erhalten die Trauben jedoch erst dadurch, daß aus ihnen das edelste Getränk, der Wein, gewonnen wird, der in kleinen Mengen genossen den Gesunden erfreut und den Kranken labt, der den „niedergesunkenen Mut emporhebt und den Be- trübten erquickt". Unmäßiges Weintrinken ist aber wie der übermäßige Genuß aller anderen alkoholischen Getränke der Gesundheit des Menschen in hohem Grade nachteilig und eine Quelle vielen Elendes (führe dies näher aus!). Für Kinder ist sogar der beste Wein schädlich, selbst wenn er in kleinsten Mengen genossen wird.

Zum Zwecke der Weinbereitung werden die Trauben ausgepreßt. Der hierdurch erhaltene süße Saft (Most) beginnt schon nach einigen Stunden sich zu trüben. Unzählige mikroskopische Weinliefepilze (s. Bierhefe) beginnen nämlich ihre Arbeit. Die Keime dieser Pfiänzchen ruhen im Boden des Wein- berges, werden durch den Wind verweht, fallen u. a. auch auf die Schalen und Stiele der Beeren, werden durch Insekten von Frucht zu Frucht verschleppt und gelangen somit beim Auspressen in den Most. Dort vermehren sie sich außer- ordentlich schnell und bringen eine wichtige Änderung hervor, die man bekannt- lich als Gärung bezeichnet. Sie zerspalten nämlich den Traubenzucker in Alkohol (Weingeist!) und Kohlensäure, die unter Brausen und Schäumen entweicht. Durch diesen Vorgang verwandelt sich der süße Saft allmählich in klaren, alko- holreichen Wein. Will man Rotwein bereiten, so läßt man die Schalen blauer und roter Beeren eine Zeitlang mitgären. (Warum ist die übliche Bezeichnung „Weißwein" ungenau?)

9. Die Feinde, die dem edlen Weinstocke Schaden zufügen oder ihn gar vernichten, sind außerordentlich zahlreich. Ein Pilz, der Rebenmehltau (Oidinm tückeri), überzieht wie ein weißer Schimmel Blätter und Früchte, denen er durch eingesenkte Fortsätze Nahrung entzieht. Die Blätter verdorren schließ-

Schmeil, Lehrbuch der üotanik. 5

66 Taf. 10. 20. Farn. Weinrebengewächse. 22. Fam. "Wolfsmilchgewächse.

lieh, die Beeren zerplatzen und verfaulen, und oft schon hat der winzige Schma- rotzer die Weinernte weiter Bezirke gänzlich vernichtet. Man tötet ihn durch Bestreuen mit Schwefelpulver. Ein ähnlicher Verwüster ist der sog. falsche Rebenmehltau (Peronospora viticola), der im Innern der Blätter lebt. Gegen ihn ist nur aufzukommen, wenn man seine Sporen vernichtet, die durch den Wind auf die Blätter getragen werden. Das wirksamste Mittel hat man in dem Be- sprengen der Reben mit einer Lösung von Kupfervitriol gefunden. Von den tierischen Feinden seien nur genannt der Traubenwickler (Heu- und Sauerwurm) und das schlimmste Übel von allen: die Reblaus (s. „Lehrbuch der Zoologie").

Ein naher Verwandter der edlen Rebe ist der sog. wilde Wein (Ampelöpsis quinquefölia). Er stammt aus Nordamerika und wird zur Bekleidung von Mauern, Lauben und dgl. allgemein verwendet. Da er selbst an glatten Wänden emporklettern kann, müssen seine Ranken wesentlich anders als die des Weinstocks gebaut sein. Sie sind mehrfach verästelt und an den Enden hakig gekrümmt. Kommen sie mit der Wand in Berührung, so spreizen die Rankenäste weit voneinander, und ihre Enden schwellen zu kleinen „Haftballen" an, die einen klebrigen Stoff ausscheiden (vgl. mit dem Laub- frosch!). Die schwarzen, für uns ungenießbaren Beeren fallen bei der Reife umso mehr auf, als sich die „gefingerten" Blätter im Herbst in ein leuchtendes Rot kleiden.

Entferntere Verwandte. Ein weit verbreiteter Strauch der Gebüsche und Hecken ist das Pfaffenhütlein (Evönymus europseus). Der Name rührt von den rosa- farbenen Fruchtkapseln her, die geöffnet einige Ähnlichkeit mit den viereckigen Hüten der katholischen Geistlichen haben. Die Auffälligkeit der an sich schon auffälligen Früchte (Färbung!) wird noch dadurch erhöht, daß die orangefarbenen Samen, an kleinen Fäden hängend, aus den Kapseln hervortreten. Die breiige Hülle des Samens, der Samenmantel, ist für das Rotkehlchen eine beliebte Speise („Rotkehlchenbrot"). Ja, es steht sogar fest, daß die Verbreitung der Pflanze mit der des Vogels genau überein- stimmt. — In Gebüschen feuchter Stellen findet sich häufig der Faulbaum (Frängula alnus), an den erst grünen, dann roten und endlich schwarzen Beeren leicht kenntlich. Der Genuß der Beeren bewirkt beim Menschen Durchfall (daher als Abführmittel ver- wendet) ; Drosseln und andere Vögel verspeisen sie aber ohne Schaden. Die Stech- palme (Hex aquifölia) ist ein beliebter Zierstrauch der Anlagen, der in den Wäldern an der Ost- und Nordseeküste und im Rheingebiete wild wächst. Die immergrünen, lederartigen Blätter (s. Efeu) sind in stachelige Spitzen ausgezogen. Da sie in den Alpenländern am Palmsonntage statt wirklicher Palmen benutzt werden, ist der Name „Stechpalme" voll- kommen gerechtfertigt. Die leuchtend roten Beeren heben sich im Herbst von dem dunklen Laube prächtig ab (vgl. mit „wildem Wein"). Eine andere Art der Gattung liefert den Paraguay-Tee oder Mate, der in einem großen Teile von Südamerika Volksgetränk ist.

21. Familie. Wolfsmilchgewächse (Eupliorbiäceae.)

Meist Milchsaft enthaltende Pflanzen. Blüten in der Regel einhäusig. Meist mehrere Staubblüten (die nur aus je einem gestielten Staubblatte bestehen) und eine Stempel- blüte (die von einem gestielten Stempel dargestellt wird) zu einem blütenähnlichen Blütenstande vereinigt und von einer gemeinsamen Hülle umgeben. Fruchtknoten ü-fächerig; bei der Reife lösen sich die Kapselwände von einer stehen bleibenden Mittelsäule ab.

Die Sonnen-Wolfsmilch (Euphorbia helioscopia). Taf. 10. 1. Vorkommen. Die einjährige Pflanze ist eines der gemeinsten und lästigsten Unkräuter in Garten und Feld. Verletzt man sie an irgend einem

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 10.

Sonnen -Wolfsmilch (Euphorbia helioscopia).

Verwandte des Weinstocks. Sonnen -Wolfsmilch. 67

Teile, so dringt aus der Wunde sofort ein weißer Saft hervor, der wegen der Ähnlichkeit mit Tiermilch als

2. Milchsaft bezeichnet wird. Er ist aber ätzend und giftig. Daher wird die Pflanze „Wolfsmilch" genannl und gleich ihren Verwandten von den Weidetieren sorgsam gemieden. Da der Milchsaft etwas Federharz oder Kaut- schuk (s. w. u.) enthält, so ist er sehr klebrig und gerinnt schnell. Infolge- dessen verschließt er die Wunde, aus der er hervorquillt, und verwehrt den Fäulnis erregenden Spaltpilzen (s. das.), in das Innere der Pflanze zu dringen. (Vgl. mit dem Blute, das aus der Wunde fließt und gerinnt.) i

3. Aussehen. Der etwa spannenhohe Stengel besitzt nur im unteren Teile 1 oder 2 Ästchen, die zumeist blütenlos bleiben (1). Beide, Stengel und Äste, tragen einige Blätter, die sich nach dem Grunde zu keilartig ver- schmälern und am abgerundeten oberen Teile fein gezähnt sind. An der Spitze des Stengels erheben sich in gleicher Höhe 5 Blütenzweige, zwischen denen sich eine einzelne „Blüte" befindet. Jeder Zweig teilt sich in der Weise des Stengels abermals, und diese Teilung kann sich je nachdem die Pflanze kräftig ist noch ein oder mehrere Male wiederholen. Am Ende der feinsten Verzweigungen steht wie zwischen den Zweigen je eine „Blüte". Der Blütenstand ist also einer zusammengesetzten Dolde (s. Möhre) sehr ähnlich (wodurch unterscheidet er sich aber von ihr?), und wie dort finden wir auch hier unter jeder Teilung eine Hülle, die aus mehreren Blättern (gib die Anzahl genau an!) gebildet wird. Da die Pflanze gleich vielen anderen Gewächsen den Blütenstand der Sonne zu- wendet, führt* sie den Namen Sonnen-Wolfsmilch.

4. a) „Blüte". Betrachten wir jetzt das Gebilde, das wir bisher als „Blüte" bezeichnet haben, genauer! Auf dem Boden einer becherförmigen Hülle (3) erhebt sich um einen langgestielten Stempel eine Anzahl von Staubblättern, die auffallenderweise gleichfalls gestielt sind. Da nun obendrein am Grunde der (meisten) Staubblätter noch je ein zerschlitztes Blättchen zu finden ist, so faßt man jedes Staubblatt als Staubblüte und den Stempel als Stempelblüte auf. Die „Blüte" der Wolfsmilch ist demnach ein Blütenstand, der aus zahlreichen Staubblüten und einer Stempelblüte zusammengesetzt und von einer krugförmigen Hülle umgeben ist. (Zu dieser Auffassung drängt auch der Ver- gleich mit verwandten Gattungen, bei denen die sonst gleich gebauten Einzelblüten je eine einfache Blütenhülle besitzen. Untersuche z. B. die Blüten des Bingelkrauts!)

b) Aus der Hülle wird zuerst der Stempel hervorgestreckt (2.). Er be- steht aus einem dreiteiligen Fruchtknoten und 3 Griffeln mit je 2 Narben. Nach kurzer Zeit vertrocknen die Narben; der Stiel des Stempels streckt sich stark in die Länge, und der Fruchtknoten neigt sich nach unten. 1 »adnrch wird für die jetzt reifenden Staublätter Platz geschaffen (3.). Eins nach dem anderen erhebt sich über die Öffnung der Hülle, und die getrennten Stanbbentelfächer bieten den Blütenstaub aus. Selbstbestäubung ist demnach ausgeschlossen (führe dies näher aus!).

Die unscheinbar gelbgrüne Färbung der Hülle lälit Bchon vermuten, daß Insekten, die bunte Farben lieben (Schmetterlinge und Bienen), die Blüten-

68 21. Farn. "Wolfsmilchgewächse. 22. Farn. Doldengewächse.

stände meiden. Fliegen sind daher besonders die Vermittler der Bestäubung:. Den kurzrüsseligen Gästen erreichbar liegt der Honig offen zu Tage. Er wird von 4 rundlichen Honigdrüsen ausgeschieden, die den Rand der Hülle krönen. Infolge der Lage dieser Drüsen kann es nun wieder nicht ausbleiben, daß die Besucher in jüngeren Blüten die Narben oder in älteren Blüten die Staubbeutel berühren, also beim Besuch mehrerer Blüten Fremdbestäubung herbeiführen müssen.

5. Frucht. Bei beginnender Fruchtreife streckt sich der Stiel der Stempel- blüte wieder senkrecht (s. die älteste Blüte in Abb. 1). Bringt man zu dieser Zeit einige Pflanzen (in einem Glase mit Wasser) in das Zimmer, so kann man den Vorgang der Samenausstreuung leicht beobachten : Von der stehenbleibenden Mittelsäule (4.) lösen sich die 3 Fächer des Fruchtknotens mit solcher Kraft los, daß sie oft mehr als V* m weit fortgeschleudert werden (5; a von außen, b von innen dargestellt). Dabei reißt die Kapselwand in 2 Stücke, so daß der eingeschlossene Same frei wird (6.). Soll das Ausstreuen der Samen aber un- behindert von statten gehen, so muß die Frucht völlig frei stehen, der Stiel also die oben erwähnte Bewegung ausführen.

Der Same ist ein kleines, schwarzes Körnchen, dessen Oberfläche zahl- reiche Vertiefungen zeigt (s. S. 26, b).

Andere Wolfsmilchgewächse.

An denselben Stellen, an denen die Sonnen-Wolfsmilch gedeiht, findet sich als gleich lästiges Unkraut die sehr ähnliche Garten- W. (Eu. peplns). Durch die halbmondförmigen Drüsen der Hülle und die 3 Doldenstrahlen ist sie aber leicht von jener zu unterscheiden. Auf Sandboden , an "Wegrändern und dgl. wächst oft in großen Beständen die Cypressen-W. (Eu. cyparissias), auf der die bunten Raupen des schmucken Wolfsmilch- Schwärmers leben. Wie zahlreiche andere Pflanzen der Ödung (vgl. mit Steinnelke, Heidekraut, Kiefer u. a.) besitzt sie viele, fast nadeiförmige Blätter (Name!). Im Frühjahre findet man nicht selten Pflanzen, die ein völlig verändertes Aussehen haben : sie sind blütenlos, unverzweigt und besitzen dicke, rundliche Blätter mit bräunlichen Flecken auf der Unterseite. Diese Veränderungen hat ein Pilz, der Erbsenrost (s. das.), hervorgebracht , der seine Entwicklung zum Teil auf der Cypressen-"W. durchmacht. In Norddeutschland wird die Pflanze durch die größere Esels-W. (Eu. esula) vertreten, die etwas breitere Blätter besitzt. Auf Schutthaufen und als Unkraut in Gärten findet sich häufig das einjährige Schutt-Bingelkraut (Mercuriälis ännua), das keinen Milchsaft enthält. Bei ihm sind Staub- und Stempelblüten auf verschiedene Pflanzen verteilt und besitzen wie bereits erwähnt je eine einfache Blütenhülle.

Im Gegensatz zu den meist niedrigen Arten unserer Breiten beherbergen die heißen Länder zahlreiche strauch- und baumartige Formen von außerordentlicher Vielgestaltig- keit. Diejenigen unter ihnen, die in den Steppen und "Wüsten besonders von Afrika leben und mit der größten Trocknis zu kämpfen haben, besitzen völlig das Aussehen der ausgeprägtesten Trockenlandpflanzen, der Kaktusgewächse (s. das.). Afrika gilt auch als das Vaterland des weit verbreiteten Wunderbauines (Ricinus communis), der seiner prächtigen Blätter wegen vielfach als einjährige Zierpflanze gezogen wird. Bei uns bleibt er strauchartig, während er in den Tropen schnell zu einem stattlichen Baume emporwächst („ Wunderbaum" wegen seines schnellen "Wuchses!). Aus den Samen preßt man das Ricinusöl, das als wichtigstes Abführmittel allgemein bekannt ist. Ein anderes

Sonnen -Wolfsmilch und andere Wolfsmilehgewächse. Möhre. 69

Glied der großen Familie, der Maniok- oder Cassavcsf nuicli (Manihot utilissima), wird seiner stärkemehlreichen Knollen wegen in allen heißen Ländern als wichtige Nahrungs- pflanze angebaut. In den Wäldern des tropischen Südamerika finden sich mehrere Wolfsmilch-Bäume, die unter dem Sammelnamen Federharz- oder KautscliukhiimiM- zusammengefaßt werden , und von welchen der wichtigste (Hevea brasiliensis) nur im Überschwemmungsgebiete des Amazonenstromes vorkommt. Der Milchsaft dieser Bäume enthält in großer Menge das bereits erwähnte Federharz oder den Kautschuk, ein Harz, das wegen seiner großen Elastizität außerordentliche Bedeutung erlangt hat. Der wert- volle Stoff, der den Eingebornen bereits vor ihrer Berührung mit Europäern bekannt war, wird in sehr verschiedener Weise gewonnen. Die älteste, aber immer noch vielfach angewendete Art ist folgende : Man macht Einschnitte in den Baumstamm, fängt den aus- tretenden Milchsaft in Gefäßen auf und bestreicht damit Bretter oder Formen aus un- gebranntem Ton. Werden diese Gegenstände sodann über ein rauchendes Feuer gehalten, so trocknet die Flüssigkeit nicht nur sehr schnell, sondern der Kautschuk gerinnt auch und bleibt als dünne Schicht zurück. Durch fortgesetztes Eintauchen und Trocknen wird die Lage immer dicker. Schließlich werden die wertlosen Tongefäße zertrümmert und entfernt. Letzteres geschieht auch mit den Brettern, die man aus der aufgeschnittenen Kautschukschicht leicht hervorziehen kann. Lange Zeit diente der Kautschuk nur als Radiergummi, zur Anfertigung von Gummibällen u. dgl. Seitdem man aber durch Zu- satz von Schwefel (Vulkanisieren) verstanden hat, ihn auch unter elastisch zu er- halten und gegen hohe Temperaturen widerstandsfähig zu machen, ist seine Verwendung ungemein mannigfaltig geworden ; man benutzt ihn zur Herstellung von Schläuchen, Gummischuhen, wasserdichten Überzügen und hundert anderen Sachen. Vermengt man ihn bis zur Hälfte seines Gewichts innig mit Schwefel, so erhält er fast die Härte von Hörn und Fischbein. Man verwendet diesen Hartgummi oder „Ebonit" daher zur An- fertigung von Kämmen , Knöpfen und vielen anderen Gegenständen. (Außer , wie angegeben, von mehreren Wolfsmilcharten wird der Kautschuk auch noch von zahl- reichen anderen Pflanzen gewonnen. Von diesen seien hier nur die meist kletternden Landolphia-Sträucher Afrikas und der Gummibaum Ostindiens [Ficus elastica; s. das.] genannt. Ein ähnlicher Stoff wie der Kautschuk ist die Guttapercha, die aus dem Milchsafte mehrerer ostindischer Bäume gewonnen wird. Sie läßt sich gleichfalls härten und wird daher ganz ähnlich wie Kautschuk verwendet. Vor allen Dingen dient sie als ein schlechter Leiter der Elektrizität zur Umhüllung von Kabeln u. dgl.)

Ein entfernter Verwandter der Wolfsmilchgewächse ist der in allen Teilen giftige Buchsbaum (Buxus sempervirens), der aus dem Orient stammt. Eine Zwergform dient zur Einfassung von Gartenbeeten u. dgl. Sein außerordentlich hartes, gelbes Holz wird besonders zur Herstellung von Holzschnitten verwendet.

22. Familie. Doldengewächse (Umbelliferae).

Pflanzen mit meist mehrfach zerteilten Blättern. Blüten in der Regel in zusammen- gesetzten Dolden. Je 5 Kelch-, Blumen- und Staubblätter. Fruchtknoten unterständig, auf der Oberfläche mit einer fleischigen Scheibe und aus 2 Fruchtblättern gebildet, die je einen kurzen Griffel tragen. Bei der Reife trennen sich die beiden Fruchtblätter: es entstehen 2 einsamige Teilfrüchtchen.

Die 3Iühre oder Mohrrübe (Daucus caröta). Taf. 11. 1. Standort. Wildwachsend findet sich die Möhre auf Wiesen, an Weg- rändern und ähnlichen Stellen. Vermöge der sehr tiefgehenden

70 Taf. 11. 22. Farn. Doldengewächse.

2. a) Wurzel vermag sie die heißen Sommermonate zu überdauern, in denen die oberen Bodenschichten dieser Örtlichkeiten ineist gänzlich austrocknen. Die Wurzel (Fig. 6 ist ein Querschnitt der Wurzel) ist holzig, gelb und rübenförmig (daher „gelbe Rübe, gelbe Wurzel" oder auch nur „Wurzel" genannt). Sät man Samen (Teilfrüchte) wildwachsender Pflanzen in gutbearbeiteten Garten- oder Ackerboden, so verliert sich die holzige Beschaffenheit der Wurzel etwas. Streut man den von diesen Pflanzen gewonnenen Samen wieder aus, und fährt man mit dieser planmäßigen Veredlung (s. S. 19) fort, so hat man schon nach wenigen Jahren eine fleischige, wohlschmeckende Wurzel geschaffen, die für den menschlichen Genuß tauglich ist: Auf diese Weise ist aus der wildwachsenden Möhre die wichtige Gemüse- und Futterpflanze entstanden, die sie jetzt ist. (In einigen Gegenden wird der Möhrensaft zu Syrup eingedickt. Die Spielart mit kurzen, dicken und sehr zarten Wurzeln nennt man Karotte.)

b. Pflanzt man im Frühjahre eine angebaute Wurzel, die man an einem frostfreien Orte überwintert hat, so treibt sie einen hohen, beblätterten und blütentragenden Stengel. Untersucht man sie nach einigen Wochen wieder, so ist sie wie ausgesogen: sie ist dünner, holzig und zäh geworden. Die ihr entnommenen Stoffe sind nämlich zum Aufbau der oberirdischen Teile verwendet worden. Dieselbe Erscheinung ist auch bei den wildwachsenden Pflanzen zu beobachten. Die Wurzel ist demnach ein Nahrungs- speicher, und die Möhre eine zweijährige Pflanze: Im 1. Jahre ihres Lebens treibt sie nur einen kurzen Stengel mit einer Blattrosette und speichert die in den Blättern bereiteten Vorratsstoffe in der Wurzel auf, die sich darum verdickt; im 2. Jahre setzt sie das Leben fort, das durch die Winter- kälte unterbrochen wurde und in der Erzeugung von Samen (Nachkommen!) seinen Abschluß findet: die Pflanze stirbt samt der ausgesogenen Wurzel ab.

3. Der Stengel wird oft mehr als l/z m hoch; er ist gefurcht, mit steifen Haaren besetzt und hohl (s. Roggen).

4. Die Blätter sind auffallend groß. Trotzdem werden die unteren von den oberen nicht in den Schatten gestellt; denn

a) Die Blattflächen sind in viele, kleine Abschnitte geteilt, zwischen denen das Sonnenlicht einen Weg findet: Die Blätter sind doppelt-gefiedert und die Blättchen meist nochmals tief gespalten. (Durch welche Mittel wird bei ungeteilten Blättern eine Besonnung aller Blätter herbeigeführt? Vgl. Scharbockskraut, Linde, Weinstock und andere Pflanzen!)

b) Die Blattstiele sind im unteren Teile zu Scheiden verbreitert. Wie sich leicht beobachten läßt, umhüllen diese Gebilde den weiterwachsenden Stengel mit seinen Blättern und Blütenständen. Sie schützen somit die zarten Teile gegen Verletzung, Wärmeverlust und zu große Wasserabgabe (vgl. mit Roßkastanie).

5. Die Blüten sind sehr klein. Ständen sie wie die großen Blüten zahl- reicher anderer Pflanzen (Klatschmohn u. v. a.) einzeln, so würden sie die Auf- merksamkeit der Insekten wohl kaum erregen können. Da sie aber in großen

a) Blütengemeinschaften beieinander stehen, wird dieser Übelstand

Schmeil. Lehrbuch der Botanik.

Tafel 1 1

W.ftndacJ,,

Möhre oder Mohrrübe (Daucus carota).

Möhre oder Mohrrübe. 7.1

vollkommen ausgeglichen. Der Stengel und seine Zweige enden je in einer Verdickung, von der eine Anzahl Blütenstiele ausstrahlen. Einen solchen Blüten- stand nennt man eine Dolde („Doldengewächse" vgl. mit einem Schirm! daher auch „Schirniblütler"). Jeder Doldenstrahl trägt nochmals eine Dolde, die man zum Unterschiede von dem Hauptblütenstande als „Döldchen" be- zeichnet. Die Möhre hat daher (wie die meisten anderen Doldenpflanzen) eine zusammengesetzte Dolde.

Die Auffälligkeit des Blütenstandes wird noch dadurch erhöht, daß die Blüten am Rande der Dolde (4.) und besonders deren äußere Blumen- blätter stark vergrößert siud. (Solchen Blütenstand nennt man „strahlend".)

Unter der Dolde findet sich eine Anzahl geteilter Blätter, die man als Hülle bezeichnet. Unter jedem Döldchen steht ein ähnliches „Hüllchen". Wenn man die noch unentwickelten Blütenstände betrachtet, wie sie von diesen Blättern schützend umhüllt werden (1 a), so erkennt man, daß diese Bezeich- nungen wohl berechtigt sind.

Junge Blütendolden werden durch Krümmung der Blütenstiele mit Beginn der Dunkelheit nickend (2.). Dadurch werden die Blüten gegen Begen ge- schützt und vor zu großem Wärmeverlust bewahrt (warum ist beides von Wich- tigkeit?). Nach erfolgter Bestäubung nehmen die Dolden diese Schutzstellung nicht mehr ein (warum ist dies auch nicht mehr nötig?).

b) Die einzelne Blüte (3. und 4.): Der Kelch ist nur durch 5 Zähn- chen angedeutet und gleich den 5 weißen, etwas eingefalteten oder geteilten Blumenblättern dem oberen Rande des Fruchtknotens eingefügt. (Den Fruchtknoten bezeichnet man daher als „unterständig", d. h. unter den anderen Blütenteilen stehend. Wann nennt man ihn wohl oberständig? Beispiele!) Mit den Blumenblättern wechseln die 5 Staubblätter ab. Der Frucht- knoten trägt oben eine fleischige Scheibe, die eine glänzende Lage von Honig absondert. Über die Scheibe erheben sich die beiden Griffel mit den Narben. Der offenen Lage des Honigs entsprechend (s.S. 37, B2b) werden die Blüten besonders von kurzrüsseligen Insekten besuch^ (Fliegen, Käfern und manchen Bienen). Da alle Blüten in einer Ebene liegen (Dolde!), vermögen die Tiere leicht von Blüte zu Blüte zu schreiten. Hierbei müssen sie un- Blütengrundri{$ bedingt Staubbeutel und Narben streifen und somit unfrei- der Möhre.

willig Bestäubung vermitteln.

Die mittelste Blüte der Dolde ist oft stark vergrößert und von purpur- roter Farbe (1.). Welche Bedeutung diese nicht überall auftretende Erscheinung für die Pflanze hat, vermochten die Naturforscher bisher nicht zu ergründen.

6. Frucht, a) Fruchtstand. Sind die Blüten mit Erfolg ausgeboten (Bestäubung!), dann neigen sich die Doldenstrahlen wie zu einem Vogelnest e zusammen. Auf diese Weise werden die noch nicht keimfähigen Samen ge- schützt, von der Mutterpflanze getrennt zu werden. Die reifen Samen da-

I

72

22. Fam. Doldengewächse.

gegen müssen verbreitet werden (warum?). Zur Zeit der Fruchtreife breiten sich die Strahlen darum wieder aus, wenn auch nicht so weit wie -während des Blühens. Dies geschieht jedoch nur bei trockenem Wetter; bei feuchtem schließt sich das „Vogelnest" wieder. (Durch Befeuchten des Fruchtstandes und nachheriges Trocknen kann man diesen Vorgang beliebig oft wiederholen.)

b) Die beiden Fruchtblätter verwachsen nach und nach fest mit dem Samen, den sie umschließen, und trennen sich bei der Reife voneinander (Spaltfrucht). Die Trennung erstreckt sich auch auf die Verlängerung des Fruchtstiels, den fadenförmigen Fruchtträger, an dem die beiden „Teilfrüchtchen" gleichsam aufgehängt sind (5.). Die Oberfläche der Teilfrüchtchen ist mit 5 Reihen kurzer und 4 Reihen langer Stacheln besetzt, die oft in einfache oder doppelte oder gar dreifache Widerhäkchen enden. Infolge dieser Aus- rüstung haften die Früchtchen wie Kletten leicht in dem Haarkleide der Tiere (Hasen, Kaninchen u. a.) und können so weithin verbreitet werden (Bedeutung?). Die keimenden Samen werden durch die Stacheln am Boden gleichsam verankert (Bedeutung?).

Betrachtet man feine Querschnitte der Teil- früchtchen bei geringer Vergrößerung, so bemerkt man in der Fruchthülle dunkle Stellen, d. s. Kanälchen, die mit einem flüchtigen Öle (s. Rose) gefüllt sind. Dieses Ol flndet sich auch in allen anderen Teilen der Pflanze, die darum beim Zerreiben einen eigentümlichen, würzigen Geruch hat.

Andere Doldengewächse.

Gleich der Möhre liefert die angebaute Pastinake (Pastinäca sativa) in ihren weißen Wurzeln ein geschätztes Gemüse. Wild findet sich die meterhohe Pflanze, die nur einfach-gefiederte Blätter besitzt, häufig auf Wiesen und an Wegen. Die Teilfrüchte bilden flache, große Scheiben, die von einem häutigen Saum umgeben sind und daher leicht vom Winde verbreitet werden können. Sie entbehren daher auch der Stacheln. Aus der fleischigen Wurzel des Sellerie (Apium graveolens) bereitet man einen schmack- haften Salat. Wild wächst die Pflanze auf salzhaltigem, feuchtem Boden und am Meeres- strande. Sie hat daher (vgl. mit Sumpfdotterblume !) saftige Blätter (Verwendung?), und die angebaute Pflanze bedarf deshalb zum Gedeihen auch hinreichender Boden- feuchtigkeit. Der Sellerie besitzt wie die Möhre einen eigentümlichen Geruch, der gleich- falls von einem flüchtigen Öle herrührt. Diese Erscheinung ist auch an fast allen anderen Doldengewächsen zu beobachten. Wie die Erfahrung lehrt, ist das Öl bei einigen dieser Pflanzen ein wirksames Schutzmittel gegen Tierfraß (welche der angeführten Formen werden z. B. von Weidetieren nicht angerührt?). Andererseits aber werden durch den Ölreichtum zahlreiche Arten für uns zu wichtigen Gewürzpflanzen. Als solche seien zuerst Dill (Anethuni graveolens) und Fenchel (Foeniculum capilläceum) genannt. Beide entstammen dem Mittelmeergebiete und zeichnen sich durch haarförmig feine Blattzipfel

Teilfrüchtchen der Möhre

(etwa 10 mal nat. Gr.) Vgl. auch den Blütengrundriß.

Möhre- und andere Doldengewächse. 73

und gelbliche Blüten aus. Das Kraut sowohl, wie die Blutendolden und reifen Früchto finden besonders beim Einmachen von Gurken Verwendung. Der Fenchel wird auch zu Heilzwecken benutzt. Dieselbe Heimat haben auch Anis (Pimpinella anisum) und Coriander (Coriändrtun sativum), deren Samen besonders in der Bäckerei Verwendung finden. Anisduft hat auch der Gartenkerbel (Antbriscus cerefölimn), der gleichfalls aus dem Süden stammt und als Gewürzpflanze bei uns angebaut wird. Der Kämme! (Carum carvi) dagegen scheint in Mitteleuropa heimisch zu sein. Er wird zwar seiner gewürzhaften Samen wegen (Verwendung?) im Großen angebaut, kommt aber auch häufig wild oder verwildert auf Wiesen vor. Leicht zu erkennen ist er daran, daß die fieder- teiligen Blättehen an der Hauptrippe des Blattes ein Kreuz bilden. Die Petersilie ( Petroselinum sativum) ist wieder aus Südeuropa eingeführt. Diese wichtige Gewürz- pflanze (Verwendung?) wird leicht mit dem sehr giftigen Gartenschierling oder der Bundspetersilie (Aethüsa cynäpinm) verweehselt, die gern zwischen jener (und dem Kerbel) wächst, und deren Genuß sogar den Tod herbeiführen kann (s. Abb. S. 74). Darum sollte man nur die krausblättrige Spielart der Petersilie anbauen, die mit dem Giftkraut nicht verwechselt werden kann! Sicher zu unterscheiden ist die Hundspetersilie von der Petersilie durch den unangenehmen, knoblauchartigen Geruch, der beim Zerreiben der Blätter entsteht, durch die glänzenden (daher auch „Gleiße") und viel schmaleren Blättehen, durch die 2 oder 3 langen und einseitig herabhängenden Blätter der Hüllchen, sowie durch die weit dünneren Wurzeln (einjährige Pflanze, die in den Wurzeln keine Vorräte für das nächste Jahr aufspeichert!). An Zäunen und Gräben, sowie auf Schutt- haufen und Gemüseland befindet sich der gefleckte Schierling (Conium maculätum). Alle Teile sind für den Menschen ein fürchterliches Gift (Schutzmittel gegen Pflanzen- fresser!), das aber in der Hand des Arztes zu einer wirksamen Medizin wird. Der Giftbecher, den Sokrates trinken mußte, war mit dem Safte des Schierlings gefüllt. Zu er- kennen ist die Pflanze an den hohlen Blattstielen, dem braun gefleckten Stengel (Name!), dem mäuseartigen Geruch und den welligen Rippen der Früchte. Die giftigste aller Doldenpflanzen ist der Wasserschierling (Cicüta virösa), der an Wassergräben und ähnlichen feuchten Stellen gedeiht. Der giftigste Teil, der quer-gefächerte, sellerie- ähnliche Wurzelstock, ist zugleich das sicherste Erkennnngsmerkmal der mehr als meter- hohen Pflanze. Durch geringere Giftigkeit ist der betäubende Kälberkropf oder Taumelkerbel (Chaerophyllum temulum) gegen Tierfraß geschützt. Die kerbelartige Pflanze (Name!) wächst in Gebüschen, Hecken, an Mauern u. dgl. und hat sehr lang- gestreckte Früchte.

Von den zahlreichen Gliedern der großen Familie, die für den Menschen geringe Bedeutung haben, seien nur folgende genannt: Der Giersch (Aegopodium podagräria), eine stattliche Pflanze (Höhe bis 1 m) an Hecken und auf Wiesen, die an den dreizähligen Blättern leicht zu erkennen ist. Da sie unterirdische Ausläufer treibt (Vermehrung!), ist sie von bebautem Boden nur schwer zu entfernen. Die Bärenklau (Heracleum sphondylium) ist eine unserer größten Doldenpflanzen (bis 1 1/2 m hoch). Sie wächst auf Wiesen und an lichten Waldstellen und hat einfach gefiederte Blätter mit großen, mehr- lappigen Blättchen. An dürren, sandigen Orten und Wegrändern findet sich häufig die Feld-Männertreu (Eryngium campestre), die einer Distel viel ähnlicher ist als einer Doldenpflanze. In den dornigen Blättern besitzt sie eine so vortreffliche Schutz wehr gegen Pflanzenfresser, daß sie auf Viehweiden oft die Oberhand über die nützlichen Gräser gewinnt. Da die Blüten ungestielt und von breiten Hüllblättern umgeben sind, haben die Dolden ganz das Aussehen kleiner Blütenköpfchen.

74

22. Fam. Doldengewächse. 23. Fam. Efeuge wachse.

>-w; . ,.,

Hundspetersilie (1.) und Petersilie (2.). Rechts unten neben letzterer ein Blättchen der krausblättrigen Spielart.

Efeu.

75

23. Familie. Efeug-ewächse (Araliäceae). Der Efeu (Hedera helix). A. Die Pflanze im Schalten. 1. Stamm. Abgesehen von sehr alten Pflanzen , wie man sie nicht selten an Burgruinen und ähnlichen Bauwerken findet, ist der vielfach verzweigte Stamm des Efeus so schwach, daß er sich selbst nicht zu tragen vermag. Er liegt darum auf dem Waldboden, auf dem man die Pflanze nicht selten wildwachsend antrifft. Sobald er jedoch einen Baum- staram, eine Felswand oder dgl. erreicht, klettert er daran empor, dem Lichte entgegen. Hierzu wird er durch zahlreiche, kleine

2. Wurzeln befähigt, die wie die Zweigenden das Licht fliehen und sich daher stets dem Stamme oder Felsen zuwenden. Sie schmiegen sich allen Un- ebenheiten der Unterlage gleich einer wachsartigen Masse an, so daß die Pflanze wie mit tausenden von Fingern festgeheftet wird. (Daher die Verwendung des Efeus zur Bekleidung von Mauern und dgl.) Da diese Klammer- oder Luftwurzeln nicht in die Unterlage eindringen, der zumeist auch keine Nah- rung entzogen werden könnte, (wieso?), so ist der Efeu kein Schmarotzer wie z. B. die Flachsseide (s. das.). Er entnimmt vielmehr wie die meisten Pflan- zen seine Nahrung dem Boden durch weit längere Saugwurzeln. Schneidet man eine kletternde Efeupflanze dicht über der Erde ab, so geht sie daher zu Grunde; sie müßte denn auf ihrem Wege zum Lichte nährendes Erdreich ge- troffen und in dasselbe Saugwurzeln gesandt haben.

3. Blätter, a) Im Gegensatz zu den meisten unserer Pflanzen hat der Efeu immergrüne, „winterharte" Blätter. Wenn man bedenkt, daß er im Schatten des Waldes gedeiht, so wird man leicht einsehen, daß dies für ihn von größtem Vorteile ist: so lange die Bäume belaubt sind, dringt nur wenig Licht zu ihm hinab; dafürkann er aber auch während der kälteren und kalten Jahreszeit jeden Lichtstrahl ausnützen, der ihn trifft, und dies ist jetzt in be- sonders reichem Maße möglich, weil die Waldbäume ja entlaubt sind. Daher kann er seine Früchte sogar während des Winters reifen, und daher meidet er auch den immergrünen Nadelwald.

b) Wie wir bei der Betrachtung des Kirschbaums sehen werden, stellen die Saugwurzeln der Pflanzen bei Eintritt der Kälte ihre Arbeit ein. Die Efeu- wurzeln vermögen daher im Winter dem Boden nur sehr wenig oder wenn er gefroren ist gar kein Wasser zu ent- nehmen. Soll der Efeu in dieser Zeit nicht vertrocknen, so müssen seine Blätter die Abgabe von Wasserdampf möglichst einschränken. Dies geschieht nun in- folge der sehr starken Oberhaut, die für Wasserdampf fast undurchlässig und den Blättern eine le derartige Beschaffenheit verleiht.

Teil vom Querschnitt durch ein Efeu- blatt, die verdickte Oberhaut 0. zeigend (240 mal vergr.).

76

23. Fam. Efeugewächse.

c) Die Blattfläche ist fünf läpp ig, und die Lappen stoßen meist unter scharfen Winkeln zusammen. (Wegen der edlen Form findet das Efeublatt in der Kunst mannigfache Verwendung ! Beispiele!) Betrachtet man die am Wald- boden hinkriechenden Pflanzen, so siebt man, -wie die Lappen des einen Blattes in die Buchten der benachbarten Blätter gestellt sind. Diese Anordnung ist oft so genau wie bei den Tausenden von Steinchen, die zu einem kunstvollen Mo- saikbilde zusammengefügt sind. Darum redet man hier treffend von einer „Blattmosaik". Infolge dieser Anordnung raubt einerseits kein Blatt dem an- deren das belebende Sonnenlicht, und andererseits wird die gesamte, spärlich be-

^

Efeu: Schattentriebe, dem Waldboden aufliegend; Blätter bilden eine Mosaik.

leuchtete Fläche aufs vollkommenste ausgenützt. (Die Blattmosaik ist oft auch sehr gut auf Friedhöfen zu beobachten; denn mit immergrünem Efeu, dem Sinnbilde der Hoffnung, überkleiden wir gern die Grabhügel unserer Toten. Beachte auch die Stellung der Blätter an mehr einzeln stehenden Zweigen, die an Mauern oder dgl. emporklimmen!)

d) Eine solche Stellung ist aber nur bei langgestielten Blättern mög- lich (wieso?). Betrachtet man die Stiele genauer, so sieht man, welche viel- fachen Drehungen, Wendungen und Streckungen nötig waren, um aus den in 2 Zeilen angeordneten Blättern ein solch kleines Kunstwerk zu schaffen.

B. Die Pflanze im Lichte. 1. Sobald die Pflanze die Höhe der Mauer oder des Felsens erklommen hat oder sich vom Baumstamme abwendet und nun allseitig vom Lichte umflutet wird, nimmt sie ein ganz fremdartiges Aus- sehen an: Die Zweige sind so kräftig, daß sie sich ohne Stütze zu halten

Efen uinl Beine nächsten Verwandten.

77

vermögen. Sie erzeugen darum auch keine Luftwurzeln. Die Blätter sind allseitig um den Stengel geordnet, haben kurze Stiele und ganzrandige, eiförmige Blattflächen. Diese „Lichttriebe" sind es auch, die allein

2. Blüten tragen. Die unscheinbaren Blüten stehen in Dolden, sind denen der Doldengewächse sehr ähnlich gebaut (Beweis!) und entfalten sich erst in den Monaten August bis November. Da von ihnen ein weithin wahrnehm-

Efen, der die Höhe einer Wand erklommen und einen „Lichttrieb* gebildet hat. Am

unteren Teile des Stengels noch zwei gelappte Blätter und Klamm er wurzeln. Daneben

in nat. Gr. eine Blüte und eine Frucht.

barer, fast fauliger Geruch ausgeht, stellen sich besonders Fliegen ein, die sich gern auf Strohdünger und ähnlichen faulenden Stoffen aufhalten. Da wir nun wissen, daß diese Blumengäste die Bestäuber der Pflanzen sind, erkennen wir auch, daß es für den Efeu höchst vorteilhaft ist, nur an den Enden der Licht- triebe Blüten zu tragen; denn von dort aus allein vermag sich der Duft nach allen Seiten auszubreiten, und dort können die Blüten von den Insekten, die der Duft anlockt, weit besser gesehen werden, als wenn sie an den „Schattentrieben" ständen. Letzteres gilt auch für die

3. Früchte, kleine, schwarze Beeren, deren Samen durch Vögel ver- breitet werden (vgl. mit Weinstock!). Sie reifen, wie bereits erwähnt, während des Winters und sind für den Menschen giftig.

Nahe verwandt sind die Hartriegelgewächse oder Hornsträucher (Cornäceae), so nach ihrem außerordentlich harten Holze genannt. Die eine Art, die Kornelkirsche (Cornus mas), ist ein bekannter Strauch unserer Anlagen, kommt jedoch auch wild in Bergwäldern vor. Die gelben Blüten sind zu kleinen Dolden gehäuft, die

78 Taf. 21. 24. Fam. Dickblattgewächse.

sehr dicht an den Zweigen stehen. Da sie sich aber vor den Blättern entfalten, kommen sie trotzdem genügend zur Geltung (Insekten!). Die eßbaren, kirschenartigen Früchte sind scharlachrot und leuchten infolgedessen vortrefflich aus dem Grün des Laubes (Vögel!). Die andere Form, der rote Hartriegel (C. sanguinea), ist gleichfalls häufig in Anlagen, aber auch in Laubwäldern und Gebüschen zu finden. Sie blüht nach dem Ausbruche des Laubes. Die kleinen, weißen Blüten sind dementsprechend zu weit größeren, doldenartigen Blütenständen vereinigt, und diese finden sich an den Enden der Zweige. Im Herbste färbt sich das Laub rot und gelb, so daß sich die schwarzen Früchte deutlich von ihm abheben. Während des "Winters sind die Zweige gleichfalls von lebhaft roter Färbung (Name!).

24. Familie. Dickblattgewäehse (Crassulaceae). Der scharfe Mauerpfeffer (Sedimi acre). Taf. 12.

1. Standort. Das Pflänzchen wächst auf Mauern (Name!) und ähnlichen dürren, unfruchtbaren Stellen: in engen Felsspalten, an trockenen Abhängen und auf ödem Sandboden. Es hat in den meisten Fällen also einen sehr ungünstigen Standort; denn von den Mauern und Felsen läuft das Regenwasser schnell ab, und in den Sandboden sickert es fast ebenso schnell ein. Schon wenn eine kurze Zeit kein Regen fällt und die Sonne heiß auf die dürstende Erde herab- scheint, brütet über der Pflanze eine heiße, trockene Luft, welche die Ver- dunstung stark befördert (Beweis!). Dem Mauerpfeffer steht Wasser aber kaum noch zur Verfügung; denn die geringe Erdmenge, welche die Mauer- und Felsenritzen ausfüllt, oder die oberste Schicht des Sandbodens ist gänzlich aus- getrocknet. Auf trockenem Untergrunde könnte sich der Mauerpfeffer wie andere Ödlandpflanzen (Beispiele!) wenigstens noch durch lange

2. Wurzeln helfen, welche die belebende Feuchtigkeit aus tiefen Boden- schichten heraufbeförderten. Jedoch solche Wurzeln suchen wir vergeblich. Sie sind im Gegenteil verhältnismäßig kurz und fadenförmig. Trotzdem übersteht das zarte Gewächs wochenlange Trocknis mit Leichtigkeit. Selbst aus dem Boden gerissen vermag es weiter zu grünen, ja sogar Blüten zu treiben. (Be- obachte dies an Pflanzen, die du in das Zimmer legst! Suche die Pflanze zu pressen und beobachte ihre Widerstandsfähigkeit!) Diese außerordentliche Lebenszähigkeit verdankt die Pflanze in erster Linie den eigentümlich gebauten

3. a) Blättern. Da sie sehr kleine Gebilde sind, geben sie auch weniger Wasser in Dampfform ab, als dies vonseiten großer Blätter geschehen würde.

b) Sie liegen dem Stengel meist dicht an und decken sich sogar zum Teil gegenseitig. Infolgedessen können sie von der Luft nicht in dem Maße bestrichen werden, als wenn sie weit und frei vom Stengel abständen. Je mehr aber ein Körper, der Wasser durch Verdunstung abgibt (z. B. trock- nende Wäsche), von der Luft bestrichen wird, desto öfter wird die durch die Verdunstung feucht gewordene Luftschicht, die den Körper umgibt, erneuert, desto mehr also die Verdunstung befördert.

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 12.

Scharfer Mauerpfeffer (Sedum acre).

Mauerpfeffer. 79

c) Die Blätter sind dicke, fleischige Körper, die als Wasserspeicher dienen: sobald Regen fällt, nehmen sie (durch Vermittlung der Wurzeln) soviel als möglich Wasser auf, das während der Trockenzeit allmählich verbraucht wird. Die Blätter eignen sich aber nicht nur vortrefflich zur Aufnahme großer Wassermengen, sondern in der eigentümlichen Blattform besitzt die Pflanze auch ein wichtiges Schutzmittel gegen zu schnelle Wasserabgabe. Ein einfacher Versuch wird uns dies leicht verständlich machen: Formt man aus einer knetbaren Masse (Teig, Ton oder dgl.) eine kleine, dünne Platte, die man sodann zu einem festen Stabe von gleicher Länge umformt, so sieht man deutlich, daß dieser Körper eine weit geringere Oberfläche hat als vordem die Platte. So hat auch ein dünnes, „flächenförmiges" Blatt (Beispiele!) eiue verhältnismäßig größere Oberfläche als ein dickes, mehr „körperliches". (Denke dir auch ein dickes Blatt durch Längsschnitte in eine Anzahl dünner Blätter zerlegt!) Da nun bei sonst gleichem Bau das Blatt umso mehr Wasser verdunstet, je größer seine Oberfläche ist, so werden wir die Richtigkeit obiger Behauptung wohl bestätigt finden. Pflanzen mit solchen Blättern be- zeichnet man als Fettpflanzen, Saftpflanzen oder Succulenten. Trotz des Saft- reichtums wird der Mauerpfeffer von Tieren nicht berührt; denn die grünen Teile besitzen einen pfefferartig scharfen Geschmack (Name!).

d) Zerschneidet man ein Blatt vorsichtig, so sieht man nicht selten, wie sich der Zellsaft in Fäden auszieht. Dies rührt von dem Reichtum an Schleim her. Pflanzenschleime geben das Wasser aber nur sehr langsam ab. Hiervon kann man sich leicht überzeugen, wenn man einen „blattartigen" Kaktus oder das Blatt einer anderen größeren Fettpflanze, z. B. einer Aloe oder Agave, zerbricht. Als weiteres Mittel, die Verdunstung einzuschränken, kommen in Betracht :

e) die verhältnismäßig dicke Oberhaut (vgl. mit Efeu),

f) die auffallend geringe Zahl der Spaltöffnungen, durch die mit der austretenden Luft Wasser in Dampfform entweicht, sowie der Umstand, daß die

4. Stengel sehr niedrig bleiben und die Pflanze einen dichten Rasen bildet; denn eine Pflanze, die sich dem Boden anschmiegt, wird (s. Absch. 2 b) bei weitem nicht so stark vom Winde umspült als eine höhere Pflanze, und die Luftschicht, die sich zwischen den Stengeln und Blättern des Rasens findet und durch die Wasserabgabe der Pflanze feucht geworden ist, wird infolgedessen nicht so oft erneuert, als dies bei einer höheren Pflanze der Fall sein würde. Die einzelnen (wurzelschlagenden) Triebe der Pflanze haben ein zweijähriges Leben; im ersten Jahre bleiben sie kurz, sind dicht beblättert und tragen keine Blüten; im zweiten dagegen strecken sie sich, so daß die Blätter weiter aus- einanderrücken, blühen und sterben ab, sobald die Samen gereift sind. Durch die sich streckenden Triebe werden die

5. Blüten über den Rasen emporgehoben und mithin den Insekten sicht- bar gemacht. Da sich nun viele Blüten (Rasen !) zugleich entfalten, so werden sie, obgleich verhältnismäßig klein , doch weithin sichtbar. Sie bestehen (2)

80 24. Fam. Dickblattgewächse. 25. Fam. Die Fackeldisteln oder Kaktusgewächse.

aus einem 5-teiligen Kelche, 5 goldgelben Blumenblättern, 10 Staubblättern, die zu 2 Kreisen geordnet sind, und 5 Stempeln. Die großen Fruchtknoten werden aus je einem Fruchtblatte gebildet (vgl. mit Hahnenfußgewächsen) und en- digen in je eine kleine Narbe. Zwischen den Blumenblättern und den Staub- blättern des inneren Kreises finden sich die kleinen Honigdrüsen.

6. Frucht. Nach dem Verblühen spreizen die sich vergrößernden Frucht- knoten auseinander und bilden einen 5-strahligen Stern (3.). Bei trockenem Wetter bleiben die Fruchtfächer geschlossen. Bei Regenwetter dagegen (tauche einige reife Früchte ins Wasser!) öffnen sie sich so weit (4), daß die kleinen, braunen Samen von den Kegentropfen leicht ausgespült werden können. Auf diese Weise werden die Samen in Spalten des Bodens, Mauerritzen und dgl. geschwemmt, also au Orte, an denen sie sich zu neuen Pflanzen entwickeln können. (Daher auch das Auftreten des Mauerpfeffers an senkrechten Wänden!) Hat der Regenguß noch nicht alle Samen ausgewaschen, dann schließen sich die Fruchtfächer wieder, um sich bei einem zweiten oder dritten Regen aber- mals zu öffnen. (Versuch! Warum wäre die Verbreitung der Samen durch den Wind für die Pflanze viel unvorteilhafter? Könnte wohl der Wind bei dem niedrigen Pflänzchen mit den kurzgestielten Früchten diese Arbeit über- haupt verrichten?)

Verwandte. Auf sonnigen Hügeln und Felsen, sowie in trockenen Wäldern wächst häufig die weit größere Fetthenne (S. maximum). Sie besitzt breite und flache, aber gleichfalls sehr fleischige Blätter (Name !), und ihre kleinen, grüngelben Blüten sind zu großen Blütenständen gehäuft. Auf Dächern und Mauern findet man vielfach die Hauswurz (Sempervivum tectörum) angepflanzt ; denn das zarte Pflänzchen galt in alten Zeiten für ein sicheres Mittel, allerlei Unglück, besonders aber den Blitzstrahl von dem Hause abzuhalten („Donnerkraut"). Wild kommt es auf Alpenfelsen, sowie am Rhein und an der Mosel vor. Die ungestielten Blätter sind an den „Furztrieben" so dicht und regelmäßig gestellt, daß sie zierliche Rosetten bilden. Aus den ältesten Rosetten erhebt sich je ein „Langtrieb", der zahlreiche, rosafarbene Blüten trägt und nach der Frucht- reife abstirbt. Die Pflanze vermehrt sich auch durch Ausläufer, die aus den unteren Blattwinkeln der Rosetten hervorkommen, und an denen sich wieder Rosetten bilden.

25. Familie. Die Fackeldisteln oder Kaktusg-ewächse (Cactäceae)

sind bis auf wenige Ausnahmen im warmen Amerika heimisch. Und zwar bewohnen sie daselbst die weiten Wüsten und Steppen, in denen nur während weniger Monate des Jahres Regen fällt. Sie gedeihen also an ganz ähnlichen Orten wie der Mauerpfeffer und seine Verwandten, und es ist darum vollkommen erklärlich, daß sie gleichfalls „Fettpflanzen" (Succulenten) sind. Da sie aber mit einer noch weit größeren Dürre zu kämpfen haben als diese, so müssen sie auch in erhöhtem Grade gegen zu starke Ver- dunstung des aufgenommenen Wassers geschützt sein. Betrachten wir daraufhin z. B. die Kaktusformen, die wir in Blumentöpfen ziehen, so finden wir wie beim Mauer- pfeffer einen schleimigen Saft und verhältnismäßig wenig Spaltöffnungen, eine stark verdickte, fast wasserdichte Oberhaut und nicht selten ein dichtes Haar- kleid, das die ganze Pflanze umhüllt (vgl. mit Turban und Burnus der Beduinen!). Das wichtigste Schutzmittel liegt bei allen aber in dem Verluste der Teile, die das

Mauerpfeffer und Verwandte. Fackeldisteln. Stachelbeerstrauch. 81

meiste Wasser verdunsten, nämlich der Blätter, die zu dürren Dornen umgewandelt sind. (Vgl. mit den Bäumen, die mit Eintritt der trockenen Jahreszeit ihr Laub ab- werfen! s. Kirschbaum.) Als Wasserspeicher dient daher der Stamm, der zumeist Kugel-, Säulen- oder Cylinderform besitzt (geringe Oberfläche !), oder in scheibenförmige, blattartige Teile (s. u.) gegliedert ist und den Pflanzen das eigentümliche Aussehen verleiht. Und dieser Speicher vermag so viel Wasser zu fassen, daß die Pflanze lustig weiter grünt, wenn um sie her alles Leben bereits in Staub zerfallen ist. Die Kaktusgewächse sind daher auch die „Quellen der Wüste", an denen die lechzenden Tiere den brennenden Durst zu stillen suchen. Doch die „Quelle" ist durch die „Stachelblätter" wohl geschützt; denn aus Verletzungen, die sich ein Tier an diesen nadelspitzen und oft noch mit Widerhaken versehenen Gebilden zuzieht, entstehen oft gefährliche Wunden. Da der Stamm die Arbeit der „verkümmerten" Blätter übernehmen muß, ist er mit Blattgrün ausgerüstet. Während der Regenzeit entfalten die Pflanzen ihre herrlichen, trichter- förmigen Blüten, die oft einen köstlichen Duft aushauchen.

Der seltsamen, wechselvollen Gestalt und der herrlichen Blüten wegen gehören die Kaktusgewächse zu unsern beliebtesten Gewächshaus- und Topfpflanzen. Von Wichtig- keit für den Menschen sind aber nur wenige Formen. Dies gilt besonders für einige Arten der Gattung der Fackeldisteln (Opüntia), die einen aus ovalen, flachgedrückten Gliedern zusammengesetzten Stamm haben. Auf ihnen leben die Cochenille-Schildläuse, die getrocknet das wertvolle Karmin liefern. Den Namen tragen die Pflanzen von dem Reichtum an Stacheln und von der Verwendung, den die getrockneten, mit Öl getränkten Stämme in früheren Zeiten in Amerika gefunden haben sollen. Die feigenartigen Früchte („Feigendistel") werden gegessen. In Südeuropa und Nordafrika, wohin die Pflanzen eingeführt wurden, dienen sie wie in ihrer Heimat zur Cochenille-Zucht und zur Her- stellung von Hecken und Umzäunungen. Der Riesen-Kaktus (Cereus gigänteus) hat einen nur wenig verzweigten Stamm , der eine Höhe von 20 m erreichen kann. Durch wunderbare Blüten, die nur während der Nacht geöffnet sind , zeichnet sich die Königin der Nacht (C. grandiflörus) aus, und an Schlangen und Melonen erinnern die Stämme anderer Arten (Schlangen- und Melonen-K.), die bei uns gleichfalls häutig gezogen werden.

26. Familie. Steinbrechgewächse (Saxifragäceae).

1. Der Stachelbeerstrauch (Ribes grossuläria) wird seiner wohl- schmeckenden Früchte wegen (Verwendung?) überall angebaut, kommt aber auch verwildert (oder wild?) in Wäldern und Gebüschen vor. Im Schutze scharfer Stacheln (Name!) entfaltet er bereits im Vorfrühlinge die gelappten und eingekerbten Blätter (beobachte, wie dies erfolgt!). Gleichzeitig kommen auch die unscheinbaren Blüten zum Vorschein. Sie gleichen hängenden Glöckcken (Schutz des Blütenstaubes!). Fruchtknoten und Kelch sind mit gestielten, klebrigen Drüsen dicht besetzt, die ankriechenden Insekten (Honignäschern !) den Zutritt zum Blüteninnern erschweren. Die 5 kleinen, weißen Blumen- blätter stehen am Rande des glockenförmigen Kelches, dessen zurückgeschlagene 5 Zipfel innen meist rötlich angehaucht sind und daher mit in den Dienst der Insektenanlockung treten. Da im zeitigen Frühjahre erst wenige Blumen Honig ausbieten, stellen sich zahlreiche Gäste ein (welche Insektenordnung ist am zahl-

Schmeil, Lehrbuch der Botanik. ß

82 22. 26. Farn. Steinbrech-, Nachtkerzen- und Weiderichgewächse.

reichsten vertreten?). Wollen aber die Besucher den süßen Saft im Kelch- grunde lecken, so müssen sie die Narbe oder eines der 5 Staubblätter streifen (Bestäubung!). Die grüne oder rote Frucht ist eine saftige Beere, die gern von Vögeln verzehrt wird (s. Weinstock !). Daher findet man den Stachelbeer- strauch auch häufig verwildert auf altem Gemäuer, in der Gabelung hohler Bäume und an ähnlichen Orten.

Mit der Stachelbeere wird stets auch die Johannisbeere (R. rubrum) ihrer saftigen, roten oder weißen Früchte wegen angebaut (warum Johannisbeere?). Seltener trifft man in Gärten die schwarze Johannisbeere (R. nigrum), deren Blätter und Beeren einen wanzenartigen Geruch haben. Ein beliebter Zierstrauch ist die gelbe Johannisbeere (R. aureum), deren Heimat Nordamerika ist.

2 Auf sonnigen Hügeln, "Wiesen u. dgl. wächst häufig der Körner-Steinbrech Saxifraga granuläta). „Steinbrech" heißt die zierliche Pflanze, weil viele ihrer nächsten Verwandten Gebirgsbewohner sind, und diesen sagt man irrtümlicherweise nach, sie hätten sich die Felsenspalten, in denen sie wurzeln, selbst gebrochen. Den Artnamen hat sie von den rötlichen Brutzwiebeln , die sich in den Winkeln der untersten (zur Blütezeit meist schon abgestorbenen) Blätter entwickeln und der Erhaltung und Verbreitung der Art dienen (vgl. mit Scharbockskraut). Im unteren Teile ist die Pflanze zottig behaart und im oberen wie die Blüte der Stachelbeere (s. das.) mit gestielten, roten Drüsen dicht besetzt. Die Blätter sind etwas fleischig (vgl. mit Mauerpfeffer) und nehmen von unten nach oben an Größe ab (vgl. mit Raps). Aus den zarten, weißen Blüten (beschreibe sie!) entwickelt sich eine Kapselfrucht, die mit einem Loche zwischen den bleibenden , hörnerartigen Griffeln aufspringt (Verbreitung der Samen durch den Wind!).

3. Im Spätsommer und Herbst (vgl. mit Herbstzeitlose) erhalten die nassen Wiesen durch das Herzblatt (Parnässia palustris) nicht selten einen letzten Schmuck. Auf schwanken Stengeln, die in der Mitte je ein herzförmiges, saftstrotzendes Blatt tragen (Name ! vgl. mit Sumpfdotterblume) , erheben sich wunderbar zarte Blütensterne. Innerhalb der weißen Blumenblätter stehen 5 grüngelbe Blättchen, die in mehrere lang- gestielte Drüsen ausgezogen sind (vgl. mit dem Fuße des Laubfrosches!). Die Drüsen- köpfchen locken durch ihren Glanz Insekten herbei, für die sich an der Innenseite der Blättchen etwas Honig vorfindet. Kleine Insekten sind meist unnütze Näscher, größere aber durchaus notwendige Vermittler der Bestäubung. Betrachtet man eine Blüte genauer so findet man in der soeben entfalteten, daß die Beutel der 5 Staubblätter auf den noch unentwickelten Narben liegen. Am nächsten Tage öffnet sich ein Beutel und bietet den Staub aus. Am folgenden Tage biegt sich das Staubblatt zurück, und ein zweiter Beutel öffnet sich, und so kommen nach und nach alle Beutel an die Reihe. Dann erst reifen die Narben. Da diese nun genau an der Stelle stehen, an der vordem die Beutel standen, so muß ein größeres Insekt, das die Blütenmitte als Sitzplatz benutzt, Fremdbestäubung herbeiführen.

4. Der Pfeifenstrauch (Philadelphias coronärius), so genannt, weil man die schlanken Schosse zq Pfeifenrohren verwendet, findet sich häufig in unsern Anlagen. Er stammt aus Südeuropa. Der stark duftenden weißen Blüten wegen nennt man ihn auch fälschlich wilden Jasmin". (Der echte Jasmin [Jasminum grandiflörum] ist eine südasiatische Pflanze, die bei uns nicht im Freien wächst.)

Arten der Steinbrech.-, Nachtkerzen- und Weideriebgewächse. SS

27.-29. Familie. Nachtkerzen-, Weiderich- und Myrteng-ewächse (Oaagräceae, Lythräceae und Myrtäceae). 1. Nachtkerzen-Gewächse. Das Wald-Weidenröschen (Epilöbium angustifölium) findet sich wie schon der Artname sagt auf Waldblößen und an Waldrändern als eine mehr denn meterhohe prächtige Pflanze. Von den weidenartig-schmalen und daher zahlreichen Blättern (s. S. 58,2) und den herr- lichen, purpurroten Blüten ist der Gattungsname abgeleitet. Da stets mehrere Blüten der langen Traube zugleich entfaltet sind, und da auch der Kelch, der unterständige Fruchtknoten, der Blütenstiel und der Stengel wenigstens soweit, als er mit Blüten besetzt ist, meist lebhaft rot gefärbt sind, so wird die Pflanze auf große Entfernung sichtbar. (Bedeutung? Beschreibe die Blüte und beobachte, wie an die Stelle der zuerst reifenden Staubblätter die sternförmige Narbe tritt ! Vgl. mit Rittersporn!) Die Früchte sind schotenförmige Kapseln. Sobald sich ihre 4 Klappen von der Mittelsäule ablösen, werden die zahlreichen Samen frei. Sie breiten ihre Federkrönchen schnell aus und werden bald ein Spiel der Lüfte. Daher braucht nur irgendwo ein Stück Wald niedergeschlagen zu sein , so stellt sich auch das Weidenröschen sofort ein. Wenn aber die jungen Bäume emporschießen und die Pflanze beschatten, und wenn infolgedessen die licht- liebenden Hummeln und Bienen sich immer seltener einstellen, dann verkümmern die Blüten. Dafür treibt das -Weidenröschen jetzt aber weit längere unterirdische Ausläufer als vordem: ein Mittel, durch das es sich aus dem Schatten an eine besonnte Stelle „zu retten sucht".

Die Nachtkerze (Oenothera biennis) ist eine unserer bekanntesten Zierpflanzen. Sie stammt aus Nordamerika, hat sich bei uns aber so vollkommen eingebürgert, daß man sie nicht selten, besonders auf Sandboden, verwildert antrifft. Im ersten Jahre treibt sie eine Blattrosette (s. S. 17), im zweiten dagegen einen hohen Stengel mit zahlreichen, großen Blüten, um nach erfolgter Fruchtreife abzusterben. Gleich dem nickenden Leim- kraut (s. das.) ist sie eine Nachtfalterblnme (Name!). Dementsprechend sind die Blüten auch nur während der Nacht geöffnet (wie oft öffnet und schließt sich die einzelne Blüte?), seitlich gerichtet und stark duftend; die Blumenblätter sind hell (blaßgelb) gefärbt, nnd der Honig ist im Grunde einer sehr langen Röhre geborgen. Zu den Nachtkerzengewächsen gehört auch die Wassernuß (Trapa natans) , die in Seen und klaren Teichen wächst. Gleich dem Wasserhahnenfuß (s. das.) hat sie stark zerteilte untergetauchte und große , ungeteilte schwimmende Blätter. Letztere haben einen langen, aufgeblasenen Stiel, der als Schwimmwerkzeug dient. Die Früchte der immer mehr verschwindenden, weißblühenden Pflanze sind mit 4 „Hörnern" (umgewandelte Kelchzipfel) ausgerüstet, durch die sie im Schlamme verankert werden (Bedeutung?). Die nußartigen Samen sind eßbar. Auch die Fuchsien (Füchsia), die aus Südamerika stammen und wegen ihrer prächtigen Blüten zu unsern beliebtesten Topfpflanzen zählen, sind Nachtkerzengewächse.

2) Weiderich-Gewächse. Zwischen Weidengebüsch (Name!) und an anderen feuchten Stellen ist häufig der Weiderich (Lythrum salicäria) zu finden. An den ungestielten Blättern und den zahlreichen roten Blüten, die beide quirlartig um den Stengel gestellt sind, ist die mehr als meterhohe Pflanze leicht zu erkennen. Betrachtet

84

Fam. Myrtengewächse. 30. Farn. Rosengewächse.

man die Blüten genau, so findet man, daß wie hei der Schlüsselblume ein erheblicher Unterschied in der Länge der Stempel und Staubblätter obwaltet. Hier sind jedoch diese Organe in 3 Höhen angeordnet. Und wie bei der Schlüsselblume ist die Bestäubung auch hier nur von günstigem Erfolg, wenn Blütenstaub auf eine Narbe gelangt, die mit den betreffenden Staubbeuteln in gleicher Höhe steht.

3. Die Myrten-Gewächse sind Bewohner der warmen und wärmeren Länder. Ein Glied der großen Gruppe ist in der „bräutlichen " Myrte (Myrtus communis) , mit der geschmückt die Jungfrau vor den Traualtar tritt, allgemein bekannt. Die Pflanze ist ein immergrüner Strauch oder Baum der Mittelmeerländer (vgl. mit Orange). Hier ist auch die Heimat des Granatbaunis (Pünica granätum), der wegen des dunkel- grünen Laubes und der prächtigen, scharlachroten Blüten bei uns gleichfalls in Töpfen gezogen wii'd. Die Früchte (Granatäpfel) waren schon im alten Israel ein beliebtes Obst.

Der Gewürznelkenbaum (Caryophyllus aromäticus) liefert uns in den getrockneten Blütenknospen die be- kannten Gewürz-Nelken oder -Nägelein (s. Gartennelke), die wegen des Reichtums an Nelkenöl als vielverwen- detes Gewürz dienen. (Beim Durchschneiden einer auf- geweichten „Nelke" kann man die einzelnen Blütenteile erkennen.) Die Heimat des Baumes sind die Molukken; jetzt ist er über alle Tropenländer verbreitet. Die erbsengroßen , nelkenartig riechenden Früchte des Nelkenpfefferbaums Westindiens (Pimenta officinälis) sind als Nelkenpfeffer-- Piment oder Neugewürz (weil erst nach der Entdeckung Amerikas bekannt geworden!) im Gebrauch. Zu den Myrtengewächsen gehören auch die riesigen (bis 1 50 m hoch) Eukalyptusbäume (Eucalyptus) Australiens und der benachbarten Inseln. Da sie einem außerordentlich trockenen Klima ausge- setzt und zudem immergrün sind, treffen wir bei ihnen zahlreiche Einrichtungen , die wir bei heimischen Pflanzen als Schutzmittel gegen zu starke Wasser- abgabe finden; sie besitzen lederartig steife, sehr schmale, stielrunde oder senkrecht gestellte Blätter (vgl. mit Efeu, Kiefer und Stachel-Lattich), die oft noch mit einer bläulichen Wachsschicht überzogen sind (daher auch „neuholländische Gummibäume"). Infolge der Form und Stellung der Blätter geben die Bäume nur sehr wenig Schatten, so daß man mit gewissem Recht von den „schattenlosen" "Wäldern des trockenen Australiens redet. Da die Bäume in der trockenen Zeit blühen, so fehlen ihnen auch die mannigfachen Ein- richtungen (Beispiele!), durch die bei unsern Pflanzen der Blütenstaub gegen Befeuchtung und damit vor Verderben geschützt ist. Bei ihnen ragen vielmehr die Staubblätter weit über die winzigen Blumenblätter hinaus. Auf sumpfigem Boden wachsen die seltsamen Bäume außerordentlich schnell. Darum wird auch eine Art, der blaue Gummibaum (Eu. glöbulus), in den Sumpf- und Fiebergegenden Südeuropas häufig angepflanzt.

4. Einer anderen verwandten Familie gehören die Mangrovebäunie (Rhizöphora) an, die mit anderen sehr ähnlich gebauten Bäumen (woher diese Übereinstimmung?) die durch ihre Fieberluft berüchtigten Mangrovewälder bilden. Diese Wälder erheben sich über dem salzigen oder brackigen Wasser an tropischen Küsten , die sie oft auf viele

Blütenknospe vom Gewürz- nelkenbaum. Bb. Blütenboden. F. Fruchtknoten mit Samen- anlagen. G. Griffel. Sb. Staub- blätter. B. Blumenblätter. K. Kelch, (etwa 5 mal nat. Gr.).

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 13.

Birnbaum (Pirus communis'

Myrten-Arten. Mangrovebäume. Birnbaum. 85

Meilen hin wie eine grüne Mauer umzäunen. Vorbedingung für ihr Auftreten sind ein verhältnismäßig ruhiges Wasser und ein lockerer, schlammiger Boden (warum?). Daher trifft man sie auch besonders in Buchten und an Flußmündungen an. Auf dem weichen Untergrunde finden die Bäume aber nur dadurch Halt, daß sie aus dem Stamme oder auch noch ans den Ästen zahlreiche "Wurzeln in den Boden senken. Bei der Ebbe erhebt sich darum der Wald, wie auf unzähligen Stelzen stehend, über das Wasser oder den schwankenden Sumpfboden. Bei der Flut dagegen sind die Stütz- wurzeln zumeist vom Wasser bedeckt. Als eine weitere Anpassung an das Leben auf diesem sonderbaren Boden sind die eigentümlichen Früchte zu erwähnen. Während sie noch am Baume hängen, keimt bereits der Same, den sie einschließen. Er entwickelt sich zu einem dolchartigen Gebilde, das sich schließlich ablöst und infolge seiner Schwere wie ein Pfahl in den Boden dringt.

30. Familie. Rosenartige Gewächse (Rosäceae).

Pflanzen mit Nebenblättern. Blütenboden scheibenförmig, stielförmig verlängert, becher- oder krugförmig; auf seinem Rande stehen (meist) 5 Kelch-, 5 Blumen- und zahlreiche

Staubblätter.

1. Unterfamilie. Kernobstgewächse (Pömeae). Der mehrfächerige Fruchtknoten ist aus 2 5 Fruchtblättern gebildet und mit dem Blüten - boden verwachsen. Fruchtknoten und Blütenboden bilden bei der Reife zusammen eine

Scheinfrucht.

Der Birnbaum (Pirus communis). Taf. 13.

1. Arorkommen und Bedeutung. Der Birnbaum ist eine einheimische Pflanze, die wild in Laubwäldern und Feldgehölzen vorkommt. Die kleinen und herben Früchte (1. zeigt eine Frucht in nat. Gr.), die reich an steinigen Ein- schlüssen sind und daher „Holzbirnen" genannt wer- den, dienten in alten Zeiten dem Menschen zur Nah- rung. (Die Einschlüsse bestehen wie man sich mit Hilfe des Mikroskops leicht überzeugen kann aus sehr dickwandigen Zellen.) Daher ist der Baum auch schon außerordentlich früh in menschliche Pflege über- gegangen, und durch jahrtausendelange Zucht (s. S. 19) ist schließlich unser „edler" Birnbaum mit seinen großen, saftig-süßen und zartfleischigen Früchten entstanden, die zu unserm wichtigsten Obste zählen. (Gib an, wie die Birnen verwendet werden!) Wahr- Ein „Stein" aus dem scheinlich haben bei dieser Fruchtfleische der Birne,

2. Veredlung die Reiser anderer, aus Asien aus sehr dickwandigen Zellen stammender Arten mit eine Rolle gespielt. Darauf bestehend (270 mal vergr.l deutet u. a. die Tatsache hin, daß aus dem Samen

selbst der edelsten Sorte stets Bäume hervorgehen, deren Früchte mehr oder weniger die Gestalt und den Geschmack der „Holzbirnen" haben. Alle unsere zahlreichen Sorten (nenne solche und beschreibe ihre Früchte!) lassen sich nur

86

Taf. 13. 30. Farn. Rosenartige Gewächse.

dadurch erhalten, daß man Reiser von ihnen , d. s. kleine Zweige oder Teile solcher, auf Bäume überträgt, die aus Samen gezogen sind. Hierzu bedient man sich zahlreicher Verfahren, von denen nur die wichtigsten hier kurz erwähnt werden sollen.

a) Haben Wildling und Edelreis nahezu gleiche Stärke (I.), so bedient sich der Gärtner meist des Kopulierens (kopulieren = vereinigen, verbinden) : er schneidet Wildling (W.) und Edelreis (E.), mit einem scharfen Messer glatt und schräg (warum?) durch und setzt sie so aufeinander, daß die Schnittflächen genau aufeinander passen. Indem er die Verbindungsstelle fest mit Bast oder dgl. umwickelt, sucht er das Edelreis in der Lage zu erhalten, die er ihm gegeben hat, und indem er die Wundstelle sorg- fältig mit Baumwachs überstreicht, will er das Verdunsten des aufsteigenden Saftes (Vertrocknen des Edelreises!) und das Eindringen von Pilzsporen verhindern. Wildling und Edelreis verwachsen dann bald fest miteinander.

b) Das Pfropfen (unter die Rinde) wendet der Gärtner an, wenn der Wild- ling stärker als das Edelreis ist (H.). Zu diesem Zwecke stutzt (schneidet oder sägt) er den Wildling (W.) wagerecht, spaltet und löst die Rinde auf eine kurze Strecke und fügt das Reis (E.), das er zuvor so zugeschnitten hat, wie es die Abbildung zeigt, in den Spalt ein. Sodann legt er wie beim Kopulieren einen Verband um die Pfropf- stelle und bestreicht endlich die Schnittfläche des Wildlings mit Baumwachs.

c) Beim Okulieren (HI.) schneidet man eine Knospe oder ein „Auge" (daher: Okulieren) mit einem schildförmigen Stück Rinde (A.) aus dem Edelreise (E.), macht am Wildling (W.) einen T- förmigen Schnitt, hebt die Rinde etwas empor, schiebt I. Kopulieren. II. Pfropfen (unter die das „Auge" darunter und ver- Rinde). III. Okulieren. Die Bezeich- , . , , ■,. „7 , , .,

nungen sind im Text erklärt. bindet die Wundstelle sorg-

A.

Birnbaum. 87

fältig. Ist das „Auge" angewachsen, dann schneidet man den Wildling dar- über ab.

3. Dornen. So lange der wilde Birnbaum jung ist und einen kleinen Strauch bildet, enden die holzigen Zweige in scharfe, stechende Dornen, die eine vortreffliche Schutzwehr gegen Weidetiere bilden. Auch wenn sich der Strauch höher über den Boden erhebt, sind die Zweige etwa so weit, als die größten Weidetiere, die Rinder, reichen können, stark bedornt. Darüber hinaus aber werden die Dornen immer seltener, bis sie endlich ganz verschwinden. Ebenso fehlen sie an dem Baume, in den der Strauch allmählich übergeht: der Stamm ist durch die harte, rissige Rinde wohl geschützt, und bis zur Krone vermögen die Weidetiere nicht emporzureichen. Auch der angebaute Birnbaum, der ja im Schutze des Menschen steht, ist meist völlig dornenlos. Der Birnbaum ver- hält sich eben wie der Mensch, der „in der Wildnis die Waffen nicht aus der Hand gibt, im sicheren Schirm der Städte dagegen sie ablegt".

4. Knospen. Im Frühjahre lassen sich an dem Birnbäume deutlich zweier- lei Knospen erkennen (4.): kurze, spitze, aus denen lange, beblätterte Zweige (Blattknospen, 4 a.) und größere, dickere, aus denen kurze, blätter- und blüten- tragende Zweige hervorgehen (Blüten- oder Tragknospen, 4 b.). Wie bei der Roß- kastanie (s. das.) sind die Knospen von schuppenartigen Blättern umhüllt, die entweder ganz oder teilweise pergamentartig sind und später abfallen. Blüten- knospen treten jedoch erst auf, wenn der Baum ein gewisses Alter erreicht hat.

5. Die Äste sind steil aufwärts gerichtet. Infolgedessen hat die Krone, die bei alten Bäumen einen mächtigen Umfang erreicht, meist die Form einer Pyramide.

6. Blätter. Das junge Blatt (2. und 3.) tritt senkrecht zwischen den Knospenschuppen hervor. Es ist nach dem Hauptnerv zu zusammengerollt, an der Unterseite mit seidenartigen Härchen bedeckt und am Grunde des Stieles mit 2 fadenförmigen Nebenblättern versehen, alles Erscheinungen, die wir be- reits früher (s. Veilchen, Roßkastanie und Linde) kennen und verstehen gelernt haben. Am ausgebildeten Blatte sind Nebenblättchen und Härchen ver- schwunden: es hat sich aufgerollt und

a) schräg gestellt, so wie es von den Sonnenstrahlen am besten durchleuchtet werden kann (s. S. 63, c). Diese günstige Stellung einzunehmen wird ihm besonders durch den langen Blattstiel ermöglicht ; denn er erlaubt der (eiförmigen, am Rande gesägten) Blattfläche, sich zu heben oder zu senken, zu wenden oder zu drehen, ganz wie die Belichtungsverhältnisse es erfordern.

b) Wenn ein heftiger Wind weht, zeigt sich, daß der Blattstiel noch eine zweite, wichtige Bedeutung hat. Obgleich der Wind Ziegel von den Dächern reißt und anderes Unheil anrichtet, spotten die zarten Blätter des Birnbaums (wie die aller anderen größeren Pflanzen) zumeist seinem Toben : Sobald sie von einem Windstoße getroffen werden, stellen sie sich vermöge der biegsamen Stiele wie eine Wetterfahne in die Richtung des Windes, so daß der Anprall ohne Wir- kung1 bleibt. Ist der Windstoß vorüber , so kehren sie , da der Stiel zugleich

88 30. Fam. Rosenartige Gewächse.

elastisch ist, in die ursprüngliche Lage zurück. (Beurteile hiernach die Elastizität der Stämme und Äste.) Ein ebenso wichtiges Schutzmittel sind die elastischen Stiele gegen den Anprall schwerer Eegentropfen. (Führe dies näher aus ! Beachte, wie leicht der Sturm Birnen und Äpfel, die auf kurzen und unelastischen Stielen sitzen, vom Baume wirft! Vgl. dag. die langgestielten Kirschen und Pflaumen! Warum können niedrige Pflanzen oder solche mit kleinen Blättern der Blattstiele entbehren? Beispiele!)

Das Blatt weicht also den beiden feindlichen Kräften, dem Winde und den aufschlagenden Eegentropfen, aus. Trotzdem bedarf es aber einer gewissen Festigkeit, um von ihnen nicht zerrissen oder durchschlagen zu werden. Diese erlangt es (wie die Blätter aller anderen Landpflanzen) durch das Gerüst der Adern oder Nerven, von dem die Blattfläche durchzogen wird. (Beschreibe den Verlauf der Adern im Blatte des Birnbaums und anderer bekannten Pflan- zen! Vgl. die Adern mit den Stäben eines aufgespannten Schirms! Gegen welche Gewalten erweisen sich die erwähnten Schutzmittel als unzureichend! Beobachte, wie die zarten, jungen Blätter vom Winde zerzaust werden!)

c) Die oben (Absch. a) erwähnte Schrägstellung der Blätter ist für den Baum auch noch aus einem anderen Grunde vorteilhaft. Werden schräg nach außen gerichtete Blätter vom Begen getroffen, so fließt das Wasser nach außen ab, so daß es auf tiefer stehende Blätter fallen muß. Diese leiten es weiter nach außen, und so geht es fort, bis am Umfange der Krone alles Wasser, das den Baum trifft, wie von einem Dache oder aufgespannten Schirme zur Erde tropft. Erst ein heftiger oder anhaltender Regen vermag durch die Krone zu dringen und die Erde unter ihr zu nässen. (Darum flüchten wir, wenn wir im Freien vom Begen überrascht werden, unter einen Baum.) Gräbt man nun an der Stelle vorsichtig nach, an der die Traufe niedergeht, so f i n d e t man dort stets die feinen Saugwurzeln, die allein imstande sind, Feuch- tigkeit aus dem Boden aufzunehmen, während die stärkeren Wurzeln durch die dicke Rinde daran gehindert werden. Diese Art der Wasserableitung bezeichnet man im Gegensatz zu der nach innen gerichteten, der „centripetalen", wie wir sie beim Raps kennen gelernt haben, als „centrifugale". Wir finden sie bei allen Bäumen wieder, und sie erscheint uns um so zweckentsprechender, wenn wir bedenken, daß nur ein weit ausgebreitetes Wurzelwerk imstande ist, den Angriffen der Winde auf die schwere Krone zu widerstehen. (Bei was für Pflanzen ist die Ableitung centripetal? Wo finden sich bei ihnen die Saug- wurzeln ? Warum bedürfen Wasser- und Sumpfpflanzen dieser Einrichtung nicht ? Warum gibt der Gärtner der Laub- und Wurzelkrone von Bäumen, die er pflanzen will, gleichen Umfang?)

7. a) Die Blüten (2.) stehen in kleinen Sträußen an kurzen Zweigen. (Das „Beschneiden" der Bäume bezweckt, sie zu zwingen, solche „Kurztriebe" oder wie der Obstzüchter sagt „kurzes oder Frucht-Holz" zu bilden.) Von den Blättern, die gleichzeitig aus den Knospen hervorbrechen, sich aber viel langsamer entwickeln, werden sie nicht verdeckt. Infolgedessen erscheint

Birnbaum. 89

der blühende Birnbaum wie ein wahres Blütenmeer (vgl. mit anderen Obst- bäumen!). Da die Blüten zudem duften und honigreich sind (wo findet sich der Honig?), ist der blühende Baum oft von Hunderten naschender Insekten um- schwärmt. (Vgl. W. Müllers „Frühlingsmahl" : Wer hat die weißen Tücher ge- breitet über das Land etc. !) Wie notwendig den Blüten der Besuch dieser Gäste ist, beweist folgende Tatsache: In Australien wollten die Obstbäume trotz aller Mühe der Ansiedler keine Früchte tragen (weil die zur Bestäubung nötigen In- sekten fehlten). Da wurden von einem deutschen Iraker Bienen eingeführt und in demselben Jahre zeigten die Obstbäume jener Gegend reichen Fruchtansatz.

b) Durchschneiden wir eine einzelne Blüte der Länge nach (5.), so sehen wir, wie der oberste Teil des Blütenstiels, der Blütenboden, an den Seiten em- porgewachsen ist, so daß er einen kleinen Becher bildet. Der Becherrand trägt 5 kleine Kelchblätter, etwas weiter nach innen 5 große, weiße Blumenblätter und hinter diesen wieder etwa 20 Staubblätter mit roten Staubbeuteln. (Man sagt da- her auch ungenauer Weise, die [Blumen- und] Staub- blätter ständen auf dem Kelchrande.) Aus der Öffnung des Bechers ragen 5 Griffel hervor, die zu dem Frucht- knoten im Grunde des Bechers führen. An einem Querschnitte (s. Diagramm) ist deutlich zu erkennen, Bliitengrundriß des daß der 5-fächerige Fruchtknoten aus 5 Fruchtblättern Birnbaums.

gebildet wird, und daß er mit dem becherförmigen

Blütenboden verschmolzen ist. Aus beiden Teilen, aus Fruchtknoten und Blüten- boden, geht die

8. a) Frucht hervor: Der Fruchtknoten wird zu dem „Kernhause", dessen 5 Fächer je 2 braune Samen enthalten, und der Blütenboden zu dem Frucht- fleische. Am oberen Ende der Frucht finden wir daher selbst noch zur Reife- zeit den vertrockneten Kelch. Da an der Bildung der Frucht also noch ein anderer Blütenteil als der Fruchtknoten beteiligt ist, bezeichnet man sie als „Scheinfrucht". (Warum schneidet der Obstzüchter einen Teil der Früchte ab, wenn der Fruchtansatz zu reich ist?)

b) Verbreitung der Samen. Sollen sich die Samen (Obst kerne Kern- obst!) zu einer neuen Pflanze entwickeln, so muß das Fruchtfleisch samt der pergamentartigen Hülle der Fruchtfächer verfaulen, oder ein Vogel muß das Fleisch verzehren, das Kernhaus öffnen oder die mitverzehrten Kerne wieder von sich geben. Und dabei leiden die Kerne durchaus keinen Schaden; denn sie sind gegen die Verdauungssäfte durch eine pergamentartige Hülle geschützt. Gleich dem Weinstocke (s. das.) erzeugt der Birnbaum das saftige Frucht- fleisch allein seiner Verbreiter wegen, die er durch leuchtende Färbung (gelb, an der Außenseite oft noch mit roten „Backen") und angenehmen Duft der Früchte anzulocken sucht. So lange die Samen noch unreif sind, schützen wieder wie beim Weinstocke! saure, zusammenziehende Säfte die unschein- bar grünen Früchte, vorzeitig verspeist zu werden.

90 30. Farn. Rosenartige Gewächse.

9. Feinde. Der Birnbaum ist gleich seinem nächsten Verwandten, dem Apfelbaume, von einem Heer von Feinden bedroht. Der Maikäfer, sowie die Raupen von Frostspanner, Baumweißling, Goldafter, Ringelspinner zehren von den Blättern ; der Apfelblütenstecher vernichtet die Blüten ; der Weidenbohrer durch- wühlt den Stamm und der Apfelwickler die saftigen Früchte (6. u. 7.). Von den schädlichen Pflanzenläusen sei nur die schädlichste, die Blutlaus, genannt, die in einigen Gegenden an Apfelbäumen große Verheerungen angerichtet hat. (S. „Lehrbuch der Zoologie".) Pilze (s. das.) bilden auf Blättern und Früchten „Rostflecke" und Schorfe und erzeugen in Wundstellen krebsartige Bildungen.

Andere Kernobstgewächse.

Eine noch weit größere Bedeutung als der Birnbaum hat für uns der Apfelbaum (P. malus). Beweis! Er ist gleichfalls ein einheimisches Gewächs (Holzäpfel!) und wird in vielen Sorten angebaut (beschreibe die Früchte der dir bekannten Sorten !). Im Gegen- satz zum Birnbäume hat er eine breite, niedrige Krone, und die prächtigen Blüten zeigen außen einen roten Anfing. Quitte (üydönia vulgaris) und Mispel (Mespilus germanica), von denen letztere ab und zu auch verwildert in "Wäldern vorkommt , entstammen den Mittelmeerländern. Sie haben große Blüten, die (s. Rose) darum auch einzelnstehend die Aufmerksamkeit der Insekten erregen. Die gelben, duftenden Quitten sind nur eingemacht und die Mispeln nur bei beginnender Fäulnis (wenn sie „teigig" werden) genießbar. Bei Weißdorn (Crataegus oxyacäntha) und Eberesche (Sorbus aucupäria) sind die Blüten verhältnismäßig am kleinsten. Wir finden sie daher gleich den leuchtend roten Früchten auch zu großen , doldenartigen Ständen gehäuft. Der Weiß- oder Hagedorn (erkläre die Namen! vgl. mit „Schwarzdorn" !) wird gern zur Anlage von Hecken benutzt. Seine rotblühende Abart, der Rotdorn, ist in Baum- oder Strauchform eine bekannte Zierpflanze. Die Eberesche (d. i. After-Esche, wegen der eschenartigen Blätter) oder der Vogelbeerbaum (warum wohl?) steigt in den Gebirgen bis zur Baumgrenze empor.

2. Unterfamilie. Steinobstgewächse (Prüneae).

Der einfächerige Fruchtknoten ist aus einem Fruchtblatte gebildet und nicht mit dem

Blütenboden verwachsen. Frucht eine Steinfrucht.

Der Süßkirschbaum (Prunus avium).

1. Heimat und Bedeutung. Gleich Birn- und Apfelbaum hat der Süß- kirschbaum im mittleren Europa seine Heimat. Er findet sich hier und da in Waldungen und ist der Stammvater der zahlreichen Spielarten, die wir in Gärten, an Straßen und Bergabhängen der veredelten (d. h. größeren, fleischigeren und wohlschmeckenderen) Früchte wegen anbauen. (Welche Spielarten sind dir be- kannt? Wie verwendet man die Früchte?) Sowohl die wilde, als auch die an- gebaute Pflanze wächst zu einem stattlichen Baume heran. (Stelle Stamm- umfang und -durchmesser einiger größerer Bäume fest!) Die kugelige Krone wird von einem entsprechend starken

2. Stamme getragen, der mit einer glatten, graubraunen Rinde bedeckt ist. Bei Verletzungen lösen sich die oberen Rindenschichten in ringförmigen, lederartig-biegsamen Streifen ab. Häufig fließt aus dem Stamme ein klebriger Stoff, das Kirsch gummi, das in Wasser leicht löslich ist und darum

Andere Kernobstgewächse. Süßkirschbaum. 91

wie das arabische Gummi (s. das.) als Klebmittel verwendet werden kann. (Der Ausfluß von Gummi ist bei allen Steinobstgewächsen zu beobachten und zumeist wohl als Krankheitserscheinung zu deuten.)

3. Blatt, a) Die jungen Blätter treten (gleich den Blüten, die sich in blattlosen Knospen entwickeln vgl. dag. Sauerkirsche!) aus Knospen her- vor, die von Schuppen umhüllt sind (Schutzmittel; vgl. mit Roßkastanie). Zwischen den Schuppen und den Laubblättern, die am Grunde mit 2 später ab- fallenden, kleinen Nebenblättern versehen sind, findet ein vollständiger Übergang statt: ein Zeichen, daß wir es in ersteren gleichfalls nur mit Blättern zu tun haben. Die Flächen der jungen Blätter sind in der Mittelader gefaltet, senkrecht gestellt und mit einem firnisartigen Überzuge versehen : Einrichtungen, in denen wir bereits früher (s. Roßkastanie) Schutzmittel der zarten Gebilde erkannt haben.

b) Die entwickelten Blätter sind eiförmig und am Rande gesägt. Am oberen Ende des langen Blattstiels finden sich 2 meist rote Drüsen, die eine zuckerhaltige Flüssigkeit ausscheiden. (Welche Bedeutung diesen Gebilden zu- kommt, ist bisher nicht sicher erwiesen; s. dag. Wicke. Wo finden sich die Drüsen am Blatte des Sauerkirschbaums?)

b) Laubfall. Sobald der Herbst in das Land zieht, verändern sich die Blätter des Kirschbaumes wesentlich: alle wertvollen Stoffe, die sie enthalten, werden in den Stamm und die Aste geleitet, um im nächsten Frühjahre zum Aufbau der jungen Zweige, Blätter und Blüten wieder verwendet zu werden. Infolge dieses Verlustes erscheinen die Blätter wie ausgetrocknet; sie färben sich gelb und rot und lösen sich schließlich vom Baume. Die Trennung erfolgt in einer Korkschicht, von welcher der Blattstiel am Grunde quer durchsetzt wird. Da diese Schicht sehr leicht reißt, wird das Blatt schon durch einen leisen Windstoß oder die eigene Schwere zu Fall gebracht. (Dieselben Erschei- nungen sind an allen unsern Laubbäumen und den meisten Sträuchern s. aber Efeu und andere immergrüne Gewächse zu beobachten. Die Stauden Beispiele! sterben bis auf die unterirdischen Teile ab.)

Durch das Abfallen der Blätter verliert der Baum eine Menge von Stoffen, die er sich aus dem Boden oder der Luft (Kohlenstoff) erworben hat. Es scheint daher, als ob der herbstliche Laubfall für ihn von großem Nachteil wäre. Daß dies jedoch nicht der Fall ist, werden wir einsehen, wenn wir die Ur- sachen des Laubfalls kennen gelernt haben. Leicht anzustellende Beobach- tungen sollen uns dabei leiten.

Die Blätter von Goldlackpflanzen, die wir während des Winters im Garten belassen, werden, sobald Kälte eintritt, welk, runzelig und hängen schlaff herab. Dasselbe beobachten wir an Goldlackpflanzen, die wir im Zimmer halten, sobald wir ihnen nicht genügend Wasser zuführen. Tritt wieder milde Witterung ein, oder begießen wir die dürstenden Zimmerpflanzen, so werden die Blätter auch wieder straff und richten sich empor. Bohnen- und Tabakpflanzen vertrocknen sogar, sobald sich die Luft auf einige Grad über Null abkühlt. (Man sairt ungenauer Weise warum? sie seien ., erfroren".) Nun wissen wir.

92

30. Farn. Eosenartige Gewächse.

daß die Blätter dann welk werden, wenn sie mehr Wasser verdunsten, als die Wurzeln aufnehmen können (Zimmerpflanzen!). Wasser stand aber den Gold- lackpflanzen im Freien, sowie den Bohnen und dem Tabak genügend zur Ver- fügung. Daß sie dennoch welkten, ist ein Zeichen dafür daß ihre Wurzeln doch nicht soviel Wasser aufnahmen, wie nötig war, um den Verlust zu ersetzen. Wie unsere Lebenstätigkeiten stocken und schließlich ganz aufhören, sobald die Blutwärme unter 37 ° C. sinkt ; wie Eidechsen und Lurche bei eintretender Kälte in Erstarrung verfallen : so stellen nämlich auch die Wurzeln ihre Arbeit ein, sobald sich der Erdboden stark abkühlt. Das kann bei der einen Pflanze (Bohne, Tabak) früher, bei der anderen (Goldlack) später geschehen, genau wie dies bei den verschiedenen Tieren der Fall ist. Entzieht man nun einer Pflanze längere Zeit das Wasser (Versuch!), so vertrocknet sie schließlich, d. h. sie geht an Wassermangel zu Grunde. So würde es dem Kirschbaum und anderen Bäumen auch ergehen, wenn sie nicht im Herbste ihr Laub verlören: die Blätter würden immerfort Wasser verdunsten; da die Wurzel aber aus dem Boden, der sich schon im August und September (kurze Tage, lange Nächte!) stark abzukühlen beginnt, keinen Ersatz schaffen kann, so würden die Pflan- zen schließlich vertrocknen, absterben. Infolge des herbstlichen Laub- falls verlieren die Pflanzen zwar, wie oben erwähnt, eine Menge von Stoffen; aber dieser Verlust ist bei weitem nicht so schlimm, als wenn sie ihr Leben verlieren würden! (Vgl. aber unsere Nadelhölzer; s. Kiefer. Wie bei uns die kalte Jahreszeit, ist in sehr trockenen Tropen- gegenden die heiße Jahreszeit die ungünstige für die Pflanzen. Dort werfen daher die Bäume das Laub mit dem beginnenden Sommer ab.)

Selbst wenn die Wurzeln ihre Tätigkeit in der kalten Jahreszeit nicht einstellen würden, könnten die Bäume unserer Gegenden mit dem Laube den Winter nicht überdauern. Schon bei geringem Schneefall würden die Kronen so stark belastet werden, daß Zweige und Stamm brechen müßten. (Vgl. dag. die Kiefer! S. auch S. 17, B.)

4. Blüte. Die rein weißen, langgestielten Blüten besitzen einen angenehmen Duft und sind wie die des Birnbaums gebaut (Beweis!). Nur bezüglich des flaschenförmigen Fruchtknotens macht sich ein Unterschied geltend: er ist aus nur einem Frucht- blatte gebildet und steht vollkommen frei im Grunde des kelcbförmigen Blütenbodens. Nach erfolgter Be- stäubung (welche Insekten vermitteln sie?) löst sich der Blütenboden samt den Blütenteilen, die er trägt, am Grunde ab, so daß der Fruchtknoten allein auf dem Blütenstiele zurückbleibt.

Blüte und Blütengrund- riß vom Kirschbaum.

Die Blüte ist halb durch- schnitten. Bb. Blütenboden K. Kelch (etwa 2mal nat. Gr.)

Süßkirschbaum. Andere Steinobstgewächse. 93

5. Frucht. Die Verbreitung- der Pflanze erfolgt wie die des Weinstockes und Birnbaumes (s. das.) durch Vögel, besonders durch Drosseln („Vogelkirsche"). Zu diesem Zwecke erfährt die von dem Fruchtblatte gebildete Wand des reifen- den Fruchtknotens eine eigentümliche Ausbildung. Sie spaltet sich in 3 deutlich voneinander getrennte Schichten: eine äußere, abziehbare Haut von auffallender Färbung (gelblich mit roten Backen, heller oder dunkler rot bis fast schwarz), eine saftige, süße, fleischige Mittelschicht und eine steinharte Hülle, die den Samen umschließt. (Steinfrucht; Steinobst. Welche Aufgaben haben die einzelnen Teile zu erfüllen? Vgl. auch die unreife Frucht mit Weinbeere und Birne!) In der Regel entwickelt sich von den beiden Samenanlagen nur eine. (Beachte daraufhin Aprikose und Mandel!)

Die Vögel, die nur das süße Fruchtfleisch naschen (Sperlinge, Stare u. a.) oder wie der Kirschkernbeißer gar die Kerne zertrümmern und der Samen be- rauben, sind Feinde des Baumes. Die Made der Kirschfliege, die in dem Fruchtfleische lebt, macht die wohlschmeckenden Früchte für den Menschen oft ungenießbar.

Andere Steinobstgewächse.

Die meisten und wichtigsten Steinobstgewächse sind aus Asien zu uns gekommen. Aus Vorderasien stammen die Sauerkirsche (P. cerasus), die der Sage nach Lukullus aus Kerasunt (daher „Kirsche") zuerst nach Europa gebracht haben soll, und die echte Pflaume oder Zwetsche (P. domestica). Die Aprikose (P. armeniaca) und Pfirsiche (Amygdalus persica) haben in Ostasien oder auch worauf die Namen hin- weisen — in Armenien, bezw. Persien ihre Heimat. Alle diese Bäume zählen zu unseren wichtigsten Obstarten und werden in zahlreichen Sorten gebaut. (Beschreibe die Bäume, besonders deren Früchte! Verwendung?) In Süd- und Mitteleuropa ist wahrscheinlich die Kriechenpfiaume (P. insititia) heimisch , die bei uns besonders in 2 Spielarten gezogen wird: mit gelben, kleinen (Mirabelle) oder grünen, großen Früchten (Reine-claude). Der Mandelbaum (Amygdalus communis) wird bei uns zumeist nur der prächtigen Blüten wegen als Ziergehölz angepflanzt. Für die Länder um das Mittelmeer dagegen bilden seine großen, eßbaren Samen, die Mandeln, eins der wichtigsten Erzeugnisse (Verwendung?). Der bei anderen Steinobstgewächsen fleischige Teil der Frucht ist bei ihm lederartig und ungenießbar. Die Mandeln sind entweder von süßem oder bitterem Geschmack. Die bitteren Mandeln sind infolge ihres Gehaltes an blausäurereichem Bitter- mandelöl giftig. Diese Eigenschaft, die auch den Samen der anderen Steinobstgewächse in geringem Grade zukommt, geht aber durch Kochen, Rösten und Backen verloren. Bei den „Krach- oder Knackmandeln" ist die Steinschale dünn und zerbrechlich.

An Waldrändern und trockenen Orten bildet die Schlehe (P. spinösa) oft undurch- dringliche Hecken. Wegen der schwarzen Rinde (im Gegensatz zum „Weißdorn") und der dornigen Äste (s. Birnbaum) führt die sehr zeitig im Frühjahr blühende Pflanze auch den Namen „Schwarzdorn". Ihr zähes Holz benutzt man zur Anfertigung von Spazier- stöcken. Die schwarzen, herben Früchte werden erst nach einem Froste genießbar. In Anlagen findet man häufig die duftende Weichselkirsche (P. mähaleb), aus deren Schößlingen man besonders Pfeifenrohre anfertigt, und die Traubenkirsche (P. padus), deren Blüten in großen Trauben stehen. Letztere Pflanze wird hier und da unrechtmäßig auch „Faulbaum" (s. das.) genannt. Die schwarzen Früchte beider sind für den Menschen nicht genießbar, werden aber von Vögeln gern verzehrt.

94 30. Farn. Rosenartige Gewächse.

3. Unterfamilie. Rosengewächse (Röseae).

Mehrere einfächerige Fruchtknoten, die aas je einem Fruchtblatte gebildet sind und frei

auf dem Blütenboden stehen.

Die Rose (Rosa). A. Die Hundsrose (R. canina).

1. Rosenhecke. Au Waldrändern, in Gebüschen, an Wegen und ähn- lichen Orten findet sich die wilde oder Hunds-Rose (Gegensatz zur „edlen" Rose), oft große, undurchdringliche Hecken bildend. Wie kommt eine solche Hecke zustande? Die jungen, weichen Sprosse kommen senkrecht aus dem Boden her- vor. Bald aber verholzen sie und neigen sich in großem Bogen mit der Spitze zur Erde herab. Von der oberen Seite der Bogen erheben sich im nächsten Jahre kurze, blütentragende Zweige und sehr lange, aufrechte Triebe, die sich wieder bogenförmig herabkrümmen und meist an den Enden vertrocknen. Die jungen Bogen legen sich auf die alten und treiben wieder senkrechte Zweige, die sich abermals herabbiegen. So baut sich die Hecke immer höher auf, und so geben sich die sehr langen, aber verhältnismäßig schwachen Stämme gegenseitig Halt und Stütze. Auch an Umfang und Dichte nimmt die Hecke stetig zu ; denn aus dem Boden kommen alljährlich neue Sprosse hervor, die, weil unverzweigt, sich leicht durch das Gewirr der Stämme und Äste hindurcharbeiten können. (Märchen von „Dornröschen".) Die Undurchdringlichkeit der Hecke wird wesentlich durch die

2. Stacheln erhöht, die sich in besonders großer Anzahl an den jungen Trieben, aber auch an der Mittelrippe der Blätter und an den Blütenstielen finden. Im Gegensatz zu den Dornen, die kurze, stechende Zweige darstellen (s. Birnbaum), sind die Stacheln Auswüchse der Rinde und daher leicht abzu- brechen. (Beurteile hiernach das bekannte Sprichwort: „Keine Rose ohne Dorn"!) Sie sind scharf stechend, hakenförmig herabgebogen und stellen somit vortreff. liehe Schutzwaffen dar: sie verwehren den Weide tieren und anderen Pflanzen- fressern von den grünen Teilen zu naschen, sowie den gefräßigen Schnecken zu den saftigen Blättern und den Mäusen zu den wohlschmeckenden Hagebutten empor- zukriechen. (Goethes „Heideröschen"!) Älteren Stämmen fehlt die Schutzwehr; sie sind durch die harte, trockene Rinde genügend geschützt (vgl. mit Birnbaum).

3. Das Blatt ist unpaarig gefiedert, d. h. es besteht aus einer langen Mittelrippe und 5 7 einzelnen Blättchen, von denen sich je 2 und 2 gegenüber stehen, während das einzelne oder unpaare Blättchen das Ende der Mittelrippe einnimmt (vgl. mit einer Feder!). Die Fiederblättchen sind eirund und am Rande scharf gezähnt. Am Grunde des Blattes finden sich 2 Nebenblätter, die mit der Mittelrippe der ganzen Länge nach verwachsen sind. Welche Be- deutung diese Gebilde haben, ist an wachsenden Zweigen (besonders wenn sie aus der Knospe hervortreten) deutlich zu sehen: die Nebenblätter des äußersten, ältesten Blattes umfassen wie eine Scheide das nächst jüngere Blatt; zwischen dessen Nebenblättern ist wieder das nächst jüngere Blatt geborgen u. s. f. Auf diese Weise sind alle Blätter des jungen Zweiges gleichsam ineinander geschachtelt

und die innersten, sehr zarten Blätter durch die äußeren, schon mehr erstarkten geschützt. Die jungen Fiederblätter sind, wie wir dies bereits bei der Roß- kastanie (s. das.) kennen und verstehen gelernt haben, in der Mittelrippe gefaltet und wie die Blätter eines Buches eng zusammengelegt. An den Zweigspitzen finden sich häufig die wie mit Moos umkleideten Rosen- oder Schlafäpfel. Sie sind durch den Stich der Rosengallwespe entstanden und beherbergen in mehreren Höhlen die Larven des Insekts (s. „Lehrbuch der Zoologie").

4. a) Blüte. An den Blüten erkennen wir den Bau der Birnblüte mit geringen Abweichungen deutlich wieder (Vergleich!). Wir finden einen krugförmigen Blütenboden, der mit einem gelben, fleischigen Ringe abschließt und 5 Kelchblätter, 5 rosa- farbene Blumenblätter und sehr zahlreiche Staubblätter trägt. (Beobachte an der Knospe, wie die zum Teil fiederspaltigen Kelchblätter, sowie die Blumenblätter an den Rändern über- einandergreifen und somit das Blüteninnere gegen Nässe und andere Schädigungen schützen!) In der Höhlung des Blütenbodens finden sich zahlreiche, freie Fruchtknoten, deren Griffel durch die Öffnung des „Kruges" ins Freie treten und dort zu hellgelben Narben anschwellen. Jeder Fruchtknoten besteht aus einem Fruchtblatte und enthält eine Samenanlage.

b) Wie beim Birn- und Kirschbaume stehen auch hier meist mehrere Blüten bei- einander. Sie entfalten sich aber stets nach- einander; denn da sie von beträcht- licher Größe sind, vermögen sie auch einzeln die Aufmerksamkeit der Insekten zu erregen. (Vgl. mit anderen großblumigen

Pflanzen!) Mit der prächtigen Blütenfarbe wirkt der köstliche Duft als An- lockungsmittel (s. S. 97, 3).

Die zarten Blumenblätter können wie die der Klatschmohnblüte (s. S. 25, b) großen Insekten nicht als Anflugsplatz dienen. Ein solcher wird vielmehr von den zahlreichen Narben und dem fleischigen Ringe gebildet. (Inwiefern wird durch diese Einrichtung die Möglichkeit der Fremdbestäubung erhöht?)

Den Bestäubern gewährt die Rose nur Blütenstaub als Gegengabe (welche Insekten hast du in ihr beobachtet '?). Wir finden daher bei ihr auch viel mehr Staubblätter als in den honigreichen Blüten des Birn- und Kirschbaums und wie bei der Mohnblüte große, muschel förmige Blumenblätter, die den verstreuten Staub auffangen.

Blüte und Blüteiigrundriß der Hundsrose. Die Blüte ist halb durch- schnitten. Bb. Blütenboden. K. Kelch. (Vi nat. Gr.).

96 30. Farn. Rosenartige Gewächse.

"Wenn irgend möglich, folgt die geöffnete Blüte dem Laufe der Sonne. Gegen Abend schließt sie sich. Die Blumenblätter neigen sich zusammen und bilden ein schützendes Dach für den Blütenstaub, den der nächtliche Tau leicht verderben könnte.

5. Frucht. Wie die Frucht vom Birn- und Kirschbaume wird auch die der Rose durch Vögel verbreitet. Dementsprechend färbt sich der schwellende Blütenboden scharlachrot (Anlockung der Vögel) und wird fleischig und wohl- schmeckend (Nahrung der Verbreiter). Im Innern des fleischigen „Kruges" finden sich die zahlreichen, behaarten Früchte, die je ein kleines, hartschaliges Nüßchen darstellen (Schutz gegen Verdauungssäfte). Die „Hagebutte" ist also eine Scheinfrucht wie die Birne und zugleich eine „Sammelfrucht". (Gib weitere Unterschiede zwischen Birne und Hagebutte an !) Nach Entfernung der steif- haarigen Früchte wird die Hagebutte auch vom Menschen genossen.

B. Die edle Rose.

1. Die edle Rose gilt schon seit dem grauen Altertume als die Königin unter den Blumen. Der zarte Bau, die Farbenpracht und der köstliche Duft der Blüten haben ihr diesen Rang erobert. Sie gilt daher als das Sinnbild der Jugend („Rosenzeit des Lebens"), der Unschuld und Schönheit, und in zahllosen Liedern ist sie gefeiert. Mit Rosen schmücken wir uns und unser Heim bei fröhlichem Feste, und Rosen legen wir unsern Lieben auf den stillen Grabhügel.

2. In fast unendlicher Mannigfaltigkeit findet sich die Rose in den Gärten. Von den zahlreichen Sorten man zählt deren mehr als 6000 seien nur die beiden bekanntesten genannt, die rote Gartenrose oder Centifolie (d. h. die Hundertblättrige) und die allbekannte „weiße Rose". Von den meisten Sorten kennen wir weder Heimat, noch Herkunft. Nur soviel ist sicher, daß die edle Rose viel mehr ein Erzeugnis menschlicher Kunst als eine „Schöpfung der Natur" ist. Das beweist schon die Tatsache, daß es keine wilde Rosen- art gibt, die wie unsere edle Rose gefüllte Blüten besitzt. Solche Blüten sind entweder dadurch zustande gekommen, daß Staubblätter in Blumenblätter umgewandelt sind, oder daß eine Vermehrung der Blumenblätter über die Fünf- zahl der wilden Formen hinaus erfolgt ist. Für ersteres sprechen die Übergänge, die sich vielfach zwischen Blumen- und Staubblättern finden, für das zweite, daß es zahlreiche Sorten gibt, die wohl eine erhöhte Zahl von Blumenblättern besitzen, zugleich aber die Staubblätter wohl ausgebildet und vollzählig er- halten haben.

Die Züchtung der zahllosen Sorten ist einesteils in derselben Weise wie die aller anderen Kulturpflanzen erfolgt (s. S. 19): man pflanzte wilde Rosen- arten (unsere heimatliche Pflanzenwelt weist deren schon eine ganze Anzahl auf, die sich aber sehr stark ähneln) in besseren Boden, ließ ihnen eine sorg- same Pflege angedeihen und wählte stets nur die Pflanzen zur Fortzucht aus, bei denen eine Vermehrung der Blumenblätter eingetreten war. Anderenteils suchte man die Arten unter einander zu „kreuzen" : man brachte Blütenstaub einer Art auf die Narben einer anderen, und aus den dadurch entstehenden Samen

Edle Rose. Ändere Rosengewäehse. 97

gingen Pflanzen hervor, welche die Eigenschaften beider „Eltern" zeigten. Mit diesen Mischlingen, Hybriden oder Bastarden verfuhr man nun weiter in der zuerst angedeuteten Weise, und noch heutzutage werden bei der Zucht neuer Sorten genau dieselben Wege eingeschlagen. Die Vermehrung der edlen Sorten erfolgt stets durch „Augen", die man wilden Rosenstämmen mit Hilfe des Okulierens (s. S. 86) einpflanzt.

3. Der Duft sowohl der wilden, als auch der edlen Rosen rührt von einem Öle her, das sich leicht verflüchtigt und auf Papier keinen bleibenden Fettfleck zurückläßt (flüchtiges Öl im Gegensatz zu den fetten Ölen; s. S. 16, A.). Dieses „Rosenöl" wird (durch Destillation mit Wasser) als ein überaus teurer und wertvoller Stoff besonders in der Türkei und Persien, aber auch in zahlreichen ande- ren Ländern aus den Blüten bestimmter Sorten gewonnen und zur Herstellung wohlriechender W^ässer, zum Parfümieren von Seifen, Salben und dgl. benutzt. Andere Rosengewächse.

In sonnigen Wäldern und Gebüschen, an Bergabhängen und ähnlichen Orten findet sich die Wald-Erdbeere (Fragäria vesca) als eine unserer gemeinsten Pflanzen. Aus den Achseln der dreizähligen Blätter (beobachte, wie sie sich entfalten !) entspringen lange Ausläufer, die wie beim Veilchen zahlreiche junge Pflanzen ins Dasein rufen. Die weißen Blüten sind nachts und bei Regenwetter nickend (Bedeutung!). Nach erfolgter Bestäubung richten sie sich nicht wieder empor (warum ist dies auch nicht nötig?), so daß die reifende „Frucht" von dem Kelche, zu dem noch ein 5-blättriger „Außenkelch" tritt, wie von einem Dache überdeckt ist. Der stielförmig verlängerte Blütenboden ver- größert sich jetzt immer mehr, indem er zugleich fleischig und saftig wird. In ihm sind die zahlreichen Früchte, die je ein winziges Nüßehen darstellen, zur Hälfte eingesenkt. Das so entstehende Gebilde nennen wir bekanntlich „Erdbeere". In ihr haben wir also wie in der Hagebutte eine Schein- und Sammelfrucht vor uns. Die scharlachroten, duftenden Beeren erscheinen für uns viel- / \

fach zwischen dem Laube versteckt ; nicht so aber für die

Vögel (Drosseln u. a.), die sich gern am Waldboden aufhalten J ) -JZ

und die Verbreitung der Pflanze besorgen. (Wie ist die Erd- (Jf v'ish

beere im einzelnen dieser Verbreitung „angepaßt"?) Die ^: '■' 1

Erdbeeren, die wir im Garten bauen (Verwendung?), ent- stammen zumeist ausländischen Arten. Sie zeichnen sich durch . ■■ fl """ *J besondere Größe aus, stehen aber an Duft und Wohlgeschmack ( iSa^ („Aroma") weit hinter den Walderdbeeren zurück. An 7 j feuchten Waldstellen und besonders gern auf Waldblößen bildet " die Himbeere (Rubus idabus) oft ausgedehnte Bestände (Aus- Schein- und Sammel- läufer 1). Die Stämme sind dicht mit Stacheln besetzt (vgl. frucht der Erdbeere. mit Rose), tragen erst im 2. Jahre Blüten und sterben nach Bb der fleischig gewor- der Fruchtreife ab. (Warum kommen die Blüten später als dene Blütenboden. Fr. bei der Stachel- und Johannisbeere zum Vorschein ?) Die Blät- Eine Einzelfrucht, ter sind wie bei der Salweide (s. das.) auf der Unterseite

weißfilzig. Aus jedem der zahlreichen Fruchtknoten, die auf dem stielförmig verlängerten Blütenboden stehen, bildet sich bei der Reife eine kleine Steinfrucht (s. Kirsche). Die Gesamtheit der Früchtchen bildet die „Himbeere", die also eine Sammelfrucht ist (warum nicht auch eine Scheinfrucht?). Der wohlschmeckenden Früchte wegen (Verbreitung Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 7

98

30. Fani. Rosenartige Gewächse. 31. Farn. Schmetterlingsblütler.

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durch Vögel!) zählt die Pflanze zu unseren wichtigsten Beerenobstarten. Sie gehört mit der Brombeere (R. fruticösus), die von den Botanikern in zahlreiche, schwer zu unter- scheidende Arten gespalten ist, zu derselben Gattung (weise dies aus dem Bau der Frucht nach !).

Im Gegensatz zu den besprochenen Pflanzen haben die folgenden Arten saft- und schinacklose Früchte. Daher werden sie auch nicht durch Vögel verbreitet. Dies sehen wir z. B. deutlich an den Fingerkräutern (Potentilla), deren Sammelfriichte genau wie die der Erdbeere gebaut sind, aber vollkommen trocken bleiben. Von den zahlreichen Arten seien nur genannt : das gelbblühende Frühlings-F. (P. venia"), das an trockenen Stellen wächst und zu unsern ersten Frühlingsblumen zählt, und das Gänse -F. (P. anserina), das sich häufig in der Nähe der Menschen findet (auf Gänseweiden Name !) und zierlich gefiederte , unterseits silberweiße Blätter, sowie gleichfalls gelbe Blüten hat. Eine unserer bekanntesten Pflanzen, die geineine Nelkenwurz (Geum urbänum), wird wie die Möhre durch vorbeistrei- fende Tiere verbreitet. Dies geschieht vermittelst des Griffels, der nach dem Ver- blühen weiter wächst und schließlich ver- holzt. Indem sich sein oberer Teil ablöst (a, b), gestaltet sich der untere zu einem kräftigen Haken um (c). Die Pflanze fin- det sich unter Gebüsch (große , zarte Blätter! beachte die Form der Fieder- blättchen besonders an den herbstlichen Rosetten!). Die nelkenartig riechende Wurzel (Name !) wird vom Volke gegen allerlei Krankheiten angewendet („Heil aller Welt"). Ihre nächste Verwandte, die Bach-Nelkenwurz (G. riväle), hat nickende Blüten (Bedeutung?). Da sie einen großen, abwärts geschlagenen Kelch besitzt, der die gelben Blumenblätter zum großen Teil verdeckt, so ist auch dieser farbig (rotbraun) entwickelt. Der obere Abschnitt des Griffels fällt bei der Fruchtreife nicht ab. Er dient vielmehr, da er mit langen Haaren dicht besetzt ist, der Verbreitung durch den Wind. Der gelbblühende Odermennig (Agrirnönia eupatöria), der sich häufig an Hecken und Wegrändern findet, häkelt seine Früchte gleichfalls Tieren an. Hier ist es der Blütenboden, der zahlreiche, widerhakige Stacheln trägt. Mehrere Rosengewächse haben sehr kleine Blüten. Da letztere aber zu großen Blütenständen gehäuft sind, werden sie den Insekten doch auf- fällig. Das sehen wir z B an den prächtigen Blütensträußen der allbekannten Sumpf- Spierstaude oder des Mädesüß (Ulmäria pentapetala). Gleich zahlreichen anderen Ge- wächsen feuchter Standorte (Beispiele !) hat die stattliche Pflanze Blätter mit weiß- filziger Unterseite (s. Salweide). Unterseits helleres Laub hat auch der Wiesenknopf (Sanguisörba officinälis), der gleichfalls auf nassen Wiesen häufig vorkommt, und dessen sehr kleine, rotbraune Blüten zu Köpfchen vereinigt sind (Name!). Beim Frauen- mantel (Alchemilla vulgaris) werden die unscheinbaren Blüten trotz der Häufung (für uns!) wenig auffällig. Am Morgen findet man im Grunde der Blätter, die einem ausge- breitetem Mantel nicht unähnlich sind (Name !), je eine große, glänzende Wasserperle, die aus den zusammengeflossenen Tautröpfchen entstanden ist („Taubecher").

Fruchtstand und Einzelfrüchte der meinen Nelkenwurz.

Bezeichnungen sind im Texte erklärt

Andere Rosengewächse. Gemüsebohne. 99

31. Familie. Schmetterlingsblütler (Papilionäa

Pflanzen, die „Schmetterlingsblüten" besitzen (s. S. 105) und deren Frucht eine „Hälse"

ist (s. S. 108).

1. Die Geiniisebohne (Phaseolus vulgaris).

1. Heimat und Bedeutung. Die Geinüsebohne hat gleich der Feuer- bohne (Ph. multiflörus), die meist als Schlingpflanze an Lauben und dgl. ge- zogen wird, ihre Heimat im tropischen Amerika. Wie schon ihr Art-Name an- deutet, ist sie eine wertvolle Gemüsepflanze: sowohl die grünen Früchte, als auch die reifen Samen („Bohnen") dienen uns als nahrhafte Speise. Wie von allen anderen wichtigen Nutzpflanzen hat man auch von ihr eine große Menge von Sorten gezogen (s. S. 19). Einige derselben, die Zwerg- oder Busch- bohnen (Gegensatz: Kletter- oder Staugenbohnen), haben unter der zwingenden Hand des Menschen sogar eine wichtige Eigenschaft der Art, das Emporklettern an Stützen, abgelegt.

2. Same. Legen wir einige „Bohnen" (oder „Feuerbohnen") etwa 12 Stun- den in das Wasser, so läßt sich die verschieden gefärbte, lederartige Haut, die Samenhaut, von der die Bohnen rings umgeben sind, leicht abziehen. Ander Stelle, an der die Bohnen zumeist etwas eingebuchtet sind, besitzt die Samen- haut einen matten Fleck, den sog. Nabel, d. i. die Stelle, an der die Bohnen durch je ein Stielchen an der Fruchtwand festsaßen. Nach Entfernung der Samenhaut erblicken wir 2 große, halbnierenförmige Körper, die Keimblätter (Kotyledonen Zweikeimblättrige Pflanzen, Blattkeimer oder Dikotylen; s. dag. Roggen!). Beseitigen wir eins derselben, so sehen wir deutlich das zukünftige Pflänz- chen: wir erblicken einen winzigen Stiel, aus dessen unterem Ende, dem Würzel- chen, die Wurzel der Pflanze hervorgeht, der in der Mitte die beiden großen Keimblätter und am oberen Ende eine Knospe trägt, an der die ersten Laub- blätter bereits deutlich zu erkennen sind. Der Same der Bohne ist also die von der Samenhaut umschlossene Anlage oder der Keim der jungen Pflanze. Wenn wir bedenken, wie zart die einzelnen Keimteile sind, so wird uns die Bedeutung der lederartigen Samenhaut als einer Schutzhülle wohl verständlich. Der zarteste Keimteil, die Knospe, ist wieder zwischen den derberen Keimblättern geborgen. Um die weitere Entwicklung des Keims zum jungen Pflänzchen oder

3. die Keimung- zu verfolgen, legen wir abermals einige Bohnen in das Wasser. Schon nach einiger Zeit haben sie sich so voll Wasser gesogen, daß sie an Umfang und Gewicht (Beweis durch WTiegen!) stark zugenommen haben. Schließlich sprengt der sich immer mehr ausdehnende Keim die Samenhaut, und das Würzelchen kommt zum Vorschein.

Legen wir die Bohnen jetzt in lockere Gartenerde (oder gut durchfeuchtete Sägespäne), so sehen wir, wie die Wurzel abwärts in den Boden dringt und bald nach allen Seiten Nebenwurzeln ausschickt. Der Stengelteil unter den Keim- blättern beginnt sodann stark in die Länge zu wachsen. Er krümmt sich

100 31. Farn. Schmetterlingsblütler.

hakenförmig, durchbricht den Boden und zieht sich immer mehr streckend schließlich die nach unten gerichteten Keimblätter samt der Knospe, die sich unterdes stark vergrößert hat, aus der Erde hervor. Die Keimblätter tun sich jetzt auseinander; das Stengelstück über ihnen wächst in die Länge und streckt sich gerade; das erste Blattpaar entfaltet sich; alle oberirdischen Teile ergrünen: und die junge Pflanze steht fertig da. Während der Stengel kräftig weiter wächst und Blatt um Blatt treibt, verschrumpfen die Keimblätter nach und nach und fallen schließlich vom Stengel ab. (Bei der Feuerbohne, der Erbse und zahlreichen anderen zweikeimblättrigen Pflanzen bleiben die Keim- blätter unter der Erde).

Diese Vorgänge geben uns mancherlei zu denken:

a) Legen wir Bohnen (oder irgend welche andere Samen) an einen trockenen Ort, so keimen sie niemals. Erst nachdem sie befeuchtet (in feuchte Erde ge- legt) werden, geschieht dies. Warum versorgt aber die Mutterpflanze den Keimling nicht gleich mit dem zum Keimen notwendigen Wasser? Die Ant- wort auf diese Frage gibt uns leicht folgender Versuch: wir legen an einem kalten Wintertage einige trockene und einige aufgequollene Bohnen mehrere Stunden ins Freie. Bringen wir die Bohnen darauf in Blumentöpfe, die wir in das erwärmte Zimmer stellen, so werden die trockenen Samen bald, die aufge- quollenen aber niemals keimen. Letztere sind durch die Kälte zerstört, sie sind erfroren. Dasselbe Schicksal hätten selbstverständlich auch die Samen, wenn sie das Wasser von der Mutterpflanze erhalten hätten. Beide Versuche zeigen uns ferner, daß Wasser und Wärme es sind, welche die im Samen schlafende Pflanzenanlage erwecken.

b) Das Würzelchen kommt zuerst aus der Samenhaut hervor; denn die junge Pflanze muß bereits im Boden befestigt sein, wenn sie die Erde durchbricht. Da nun die Verlängerung des Würzelchens, die „Hauptwurzel", nach allen Seiten fast rechtwinklig abgehende Nebenwurzeln aussendet, so ist die Verankerung um so sicherer: der Wind kann wehen, aus welcher Richtung er will, er wirft das Pflänzchen nicht um. (Denke, die Nebenwurzeln strahlten nur nach einer oder nach 2 oder 3 Seiten aus oder stiegen senkrecht in den Boden hinab! Vgl. mit einem Fahnenmaste, der durch Taue be- festigt ist!)

Die Wurzel hat aber noch die zweite Aufgabe, dem Boden im Wasser gelöste Nährstoffe zu entnehmen, die in den grünen Blättern weiter ver- arbeitet werden (s. den letzten Absch. des Buches!). Da sich die Wurzel nun zuerst entwickelt, kann sie den Blättern auch sofort Nährstoffe zuführen, so- bald sich die Blätter über den Boden erhoben haben und ergraut sind. Und da von der Hauptwurzel nach allen Seiten Nebenwurzeln ausstrahlen, so ver- mag die Pflanze auch einer weit größeren Bodenmenge Wasser und Nährstoffe zu entziehen, als wenn die Neben wurzeln mit der Hauptwurzel nach unten wüchsen.

c) Die Knospe ist ein ungemein zartes Gebilde. Wenn sie ihrer Stel-

Gemüsebohne. 101

lung entsprechend und wie später oberirdisch beim Durchbrechen der Erde vorangehen würde, müßte sie unbedingt verletzt werden. Diese Arbeit ist daher dem weit festeren Stengel übertragen, der darum hakenartig gebogen ist. Hat er aber die Erde gespalten und die Keimblätter samt der zwischen ihnen geborgenen Knospe aus dem Boden hervorgezogen, so streckt er sich auch sofort gerade. (Welcher Stengelteil krümmt sich beim Keimen der Feuer- bohne und Erbse?)

d) Alle Teile des Keimes sind, solange sie von der Samenhaut umhüllt oder von Erde umgeben werden, vollkommen farblos. Die Teile der jungen Pflanze dagegen, die sich über den Boden erheben, ergrünen. Lassen wir aber Bohnen im Finstern keimen (in Blumentöpfen, die wir in einen Schrank stellen), so bleiben die oberirdischen Teile blaß. Stellen wir diese Pflanzen darauf ins Licht, so ergrünen sie alsbald. Das Licht bewirkt also das Ergrünen der Pflanzen. (Andere Beispiele!)

e) Die wachsende Pflanze baut sich aus den Stoffen immer weiter auf, die in den grünen Blättern bereitet werden (s. den letzten Absch. des Buches !). Woher nimmt aber der Keim die zum Wachstum nötigen Stoffe, da er ja noch keine solchen Blätter besitzt? Die Antwort auf diese Frage erhalten wir, wenn wir die Keimblätter genauer beobachten. Die anfangs festen, prallen Gebilde werden immer weicher und schlaffer, bis sie schließlich gänzlich verschrumpft vom Stengel abfallen : die wachsenden Teile haben sich auf Kosten der in den Keimblättern aufgespeicherten Stoffe gebildet. Die Mutter- pflanze gibt nämlich den Samen, auf daß sie die „ersten Ausgaben" bestreiten können, Vorratsstoffe mit, die bei der Bohne (wie bei allen Schmetterlings- blütlern, den Kreuzblütlern u. a.) in den Keimblättern eingelagert sind. (Bei zahlreichen anderen Pflanzen sind die Vorratsstoffe vom Keimlinge gesondert, also nicht in das Keimblatt oder die Keimblätter eingelagert; s. z. B. Roggen. Man nennt diese Masse „Eiweiß", weil sie der jungen Pflanze zum Aufbau dient, wie das Eiweiß im Vogelei dem sich bildenden Tiere.) Läßt man Bohnen in Sägespänen oder besser (warum?) in ausgeglühtem Sande keimen, und be- gießt man die jungen Pflanzen nur mit destilliertem W'asser, so können sie dem Boden keine Nährstoffe entnehmen. Trotzdem wachsen sie aber zu beträcht- licher Höhe empor, ehe sie „an Hunger" zu Grunde gehen: ein Zeichen, daß in den Keimblättern große Mengen von Vorratsstoffen enthalten sind. Lassen wir Samen der Erbse, Linse oder eines anderen Schmetterlingsblütlers ebenso keimen, so sehen wir dasselbe: eine Tatsache, die uns den großen Nährwert der „Hülsenfrüchte" hinreichend erklärt.

4. Stengel, a) Bei den Zwerg- oder Buschbohnen (s. Absch. 1) ist der Stengel so niedrig und kräftig, daß er sich selbst, sowie die ihm ansitzenden Blätter, Blüten und Früchte zu tragen vermag. Die Kletter- und Stangenbohnen dagegen besitzen einen so langen und schwachen Stengel, daß sie wie der Weinstock (s. S. 61, 3) genötigt sind, andere Gegenstände als Stützen zu benutzen. Dieses Empor- steigen geschieht bei der Bohne aber in ganz anderer Weise als bei dieser

102 31. Fam. Schmetterlingsblütler.

Pflanze. Um es genau verfolgen zu können, lassen wir Samen in Blumentöpfen keimen und stecken neben jede junge Pflanze einen dünnen Stab in den Boden. Anfangs wächst der Stengel gerade empor ; dann aber neigt sich die Stengel- spitze zur Seite und beginnt langsam kreisende Bewegungen auszuführen. In etwa 1V> 2 Stunden ist ein Umzug beendet. (Bestimme die Zeit an den Versuchspflanzen bei verschiedener Temperatur!) Der Stengel „sucht" wie die Ranke der Weinrebe eine Stütze. Hat er sie gefunden, so wird er an der Berührungsstelle festgehalten. Da die Stengelspitze aber weiter kreist, so ist die Stütze bald ein- oder mehrfach locker umwunden. Der Richtung der kreisenden Stengelspitze entsprechend verlaufen die Windungen fast wagerecht und zwar in der entgegengesetzten Richtung, in der sich der Uhrzeiger bewegt. Man sagt daher: die Bohne ist links w in den d (vgl. dag. Hopfen).

Betupft man den Stengel in den wagerechten Windungen an beliebiger Stelle mit Tusche oder Tinte und merkt die Stelle an der Stütze gleichfalls durch ein Zeichen an, so wird man bald finden, daß das Zeichen am Stengel über das am Stabe gerückt ist: ein Beweis, daß sich der Stengel in den wagerechten Windungen etwas emporgerichtet hat. Er hat nämlich wie jeder wachsende Stengel das Bestreben, sich gerade nach oben zu strecken. Was die Folge dieses Streckens ist, wird uns ein anderer Versuch lehren: Avil* winden einen Faden locker um einen Stab, halten das untere Fadenende fest und ziehen das andere kräftig nach oben ; dann werden die Windungen des Fadens steiler, und der Faden legt sich fester um den Stab. So werden auch die Windungen des sich streckenden Bohnenstengels immer steiler, und die Pflanze schlingt sich immer fester um die Stütze.

b) Als Hilfsmittel beim Festhalten dienen die kurzen, steifen Haare, mit denen der Stengel dicht besetzt ist (vgl. mit anderen windenden Pflanzen).

c) Erleichtert wird den Pflanzen das Winden um die Stütze dadurch, daß die Blätter an dem kreisenden Stengelabschnitte auffallend klein sind ihn also nur unwesentlich beschweren (vgl. mit anderen windenden und mit nicht windenden Pflanzen, z. B. mit der Erbse!).

5. Blätter, a) Die beiden ersten Blätter, die am Stengel der jungen Bohnen- pflanze entspringen, sind sehr groß und „einfach" ; alle folgenden dagegen sind aus 3 Blättchen zusammengesetzt (dreizählige Blätter). Im Gegensatz zu dem Endblättchen sind die beiden seitlichen ähnlich wie das Lindenblatt (s. S. 51) unsymmetrisch, und zwar findet sich die größere „Hälfte" auf der dem Endblättchen abgekehrten Seite. Wären die „Hälften" gleich, so würden sich die Blättchen (ihre jetzige Größe und Stellung vorausgesetzt) zum Teil gegenseitig bedecken das wäre aber für die Pflanze durchaus ungünstig, wie wir bereits bei der Betrachtung des Lindenblattes gesehen haben.

Am Grunde des langen, gemeinsamen Blattstiels und der kurzen Stiele der Einzelblättchen finden sich winzige Nebenblättchen. Wenn man sieht, wie in der Gipfelknospe des Stengels die Nebenblätter des ganzen Blattes die zarten, noch zusammengefalteten Blättchen umhüllen, so wird man selbst diesen

Gemüsebolinc Erbse. 103

scheinbar wertlosen Gebilden jegliche Bedeutung für die Pflanze nicht absprechen können. (Vgl. mit der Knospe der Roßkastanie. Bei anderen Schmetterlings- blütlern, z. B. bei Erbse und Wiesenklee, sind die Nebenblätter viel größer.)

b) Am Tage sind die dreizähligen Blätter, wenn sie nicht direkt von den Sonnenstrahlen getroffen werden (im „zerstreuten" Lichte stehen), meist wage- rechl ausgebreitet. Bei anbrechender Dunkelheit aber richtet sich der gemein- same Blattstiel empor, so daß der Winkel, den er mit dem Stengel bildet, kleiner wird (stelle dies mit Hilfe des Transporteurs fest!), und die 3 Blättchen senken sich, so daß sie fast senkrecht herabhängen. Indem man diese Erscheinung mit dem Schlafe der Menschen und Tiere vergleicht, sagt man: die Blätter schlafen, Diese Stellung der Blätter bezeichnet man daher als Nacht- oder Schlaf stellung. Am Morgen senkt sich der Blattstiel, und die Blättchen richten sieh wieder empor: das Blatt nimmt die Tagstellung ein. Diese regelmäßig sich wieder- holenden Bewegungen erfolgen in dem angeschwollenen Grunde des gemeinsamen Blattstiels und in den gleichfalls verdickten Stielchen der Einzelblätter, in den sogen. Gelenken des Blattes.

Welche Bedeutung hat diese seltsame Erscheinung? Wir wissen, daß die Pflanze dem Boden Nährstoffe entnimmt, die, in Wasser gelöst, zu den Blättern emporgehoben werden. Je mehr Wasser also von den Blättern verdunstet wird, desto mehr Nährstoffe müssen auch in die Blätter gelangen und hier verar- beitet werden. Jede Hemmung des Stroms ist für die Pflanze demnach ein Nachteil. Eine solche Hemmung tritt aber ein, wenn die Blätter stark betaut sind. Nun betauen aber wie die Erfahrung lehrt senkrecht gestellte Blätter viel weniger als wagerecht gestellte. Bei ersteren ist demnach am Morgen die Verdunstung nicht in dem Grade gehemmt wie bei letzteren.

c) Werden die Pflanzen aber an warmen Tagen direkt von den Son- nenstrahlen getroffen, so könnten sie leicht mehr Wasser verdunsten, als die Wurzeln aufzusaugen vermöchten. (Was wäre die Folge?) Dann drehen sich die Blättchen besonders die beiden seitlichen meist so, daß ihre Flächen senkrecht zu stehen kommen. Infolgedessen werden sie wie wir S. 44 gesellen haben von den Sonnenstrahlen unter spitzerem Winkel ge- troffen, nicht so stark erwärmt und demnach auch weniger Wasser durch Verdunstung verlieren, als wenn sie die eigentliche Tagstellnng innebehalten hätten.

6. Die Blüte ist bei den einzelnen Sorten von sehr verschiedener Färbung. Sie ist eine Schmetterlingsblüte, die bis auf geringe Abweichungen (stelle sie fest!) ganz wie die der Erbse gebaut ist (s. das.). Ein Gleiches gilt auch von der Frucht.

2. Die Erbse (Pisuni sativum).

1. Die Erbse, eine Nutzpflanze. Die Erbse entstammt den Mittelmeer- Ländern und dient dem Menschen schon seit undenklichen Zeiten als wichtige Gemüsepflanze. Wir verspeisen ihre reifen und halbreifen Samen; von einigen

104 31. Farn. Schmetterlingsblütler.

der zahlreichen Sorten werden hier und da auch die noch weichschaligen Früchte ganz verzehrt.

2. Die Erbse, eine rankende Pflanze, a) Der hohe, vielfach verzweigte, hohle, schwache und saftige Stengel kann sich bei fortschreitendem Wachs- tum nicht aufrecht erhalten. Um

b) die Blätter dem Lichte und der Luft, sowie die Blüten den Blicken der Insekten darzubieten, bedient sich die Pflanze wie der Weinstock (s. das.) der Hilfe von Banken. Diese Gebilde finden sich an den Enden der gefiederten Blätter und umschlingen benachbarte Pflanzen oder Reiser, die wir dem schwachen Gewächs als Stütze darbieten. Da sie an der Mittelrippe des Blattes genau wie die Fiederblättehen angeordnet sind (mitunter stehen sich sogar ein Fieder- blättchen und eine Ranke gegenüber!), und da sich an Stelle des Endblättchens gleichfalls eine Ranke findet, so faßt man sie als Fiederblättchen auf, deren Blattfläche bis auf die Mittelrippe geschwunden ist. Im Gegensatz zu den „Stengelranken" des Weinstocks sind die Ranken der Erbse (wie aller anderen Schmetterlingsblütler) also „Blattranken".

Als Ersatz für die in Ranken umgewandelten Fiederblätter treten sehr große Nebenblätter auf, die den Stengel meist umfassen. Anfangs sind sie senkrecht gestellt und umgeben schützend die jungen Blätter, Zweige und Blüten ; dann tun sie sich auseinander, bieten ihre ganze Fläche dem Sonnenlichte dar und verrichten die Arbeiten der eigentlichen Blätter. (Beachte die Faltung der jungen Blätter und den Wachsüberzug aller grünen Teile; vgl. mit Roß- kastanie und Raps!)

3. Die Erbse, ein Stickstoffsamniler. Zieht man eine kräftige Erbsen- oder andere schmetterlingsblütige Pflanze (Bohne, Lupine und dgl.) aus dem Boden, so erblickt man an den Wurzeln zahlreiche Knöllchen sehr verschie- dener Größe (bei der Lupine werden sie bis haselnußgroß), deren Wesen und Be- deutung man erst in jüngerer Zeit erkannt hat: In jedem Krümchen Ackererde sind Tausende von Spaltpilzen (s. das.) vorhanden. Gewisse Formen dieser winzigen Lebewesen, die sog. Wurzelbakterien, haben die Gewohnheit, in die feinsten Wurzeln der Schmetterlingsblütler einzudringen, der „Wirtspflanze" nährende Stoffe zu entziehen und sich stark zu vermehren. Ähnlich wie an dem Eichblatte, in das die Eichgallwespe ein Ei gelegt hat (s. „Lehrbuch der Zoologie'-'), infolge des Reizes eine Wucherung, eine Galle, entsteht, so entstehen hier durch den von den Spaltpilzen verursachten Reiz jene Knöllchen. Die Wurzelspaltpilze entnehmen der „Wirtspflanze" aber nicht sämtliche Stoffe, die zum Aufbau ihres Körpers dienen. Sie besitzen nämlich die wunderbare Kraft, Stickstoff aus der atmosphärischen Luft aufzunehmen und in Stickstoffverbindungen (Eiweiß) überzuführen, eine Fähigkeit, die allen anderen Pflanzen abgeht. Nach einiger Zeit sterben die Spaltpilze ab, die Knöllchen verwesen, und die stick- stoffhaltigen Verwesungsprodukte werden von der Pflanze aufgesogen. Unter- des haben sich wieder neue Knöllchen gebildet, die abermals zu Grunde gehen : so wird den schmetterlingsblü tigen Pflanzen durch Vermitt-

Erbse.

105

lung der Spaltpilze fortgesetzt Stickstoff der Luft zugeführt. Die Pflanze hat also durch deu Spaltpilz, den sie in den Knöllchen beherbergt und zum Teil ernährt, einen großen Vorteil. Beide, Pflanze und Spaltpilz, sind nehmend und gebend zu gleicher Zeit. Sie haben sich zu gegenseitigem Nutzen vergesellschaftet; sie bilden eine .. P I la nzengenossenschaft" und führen ein „Genossenschaftsleben" (Symbiose), ähnlich wie wir es zwi- schen gewissen Tieren, sowie zwischen einigen Tier- und Pflanzenformen fin- den (s. „Lehrbuch der Zoologie").

Die Tatsache der Stickstoffauf- nahme aus der atmosphärischen Luft hat nun für die Landwirtschaft eine ganz außerordentliche Bedeutung. Mit jeder Ernte entnimmt der Land- mann dem Felde eine große Menge stickstoffhaltiger Verbindungen (beson ders in der Form von Eiweiß.) Soll das Feld im nächsten Jahre wieder eine gute Ernte bringen, so muß er dem Acker neue Stickstoffverbindungen zuführen. Dies geschieht bekanntlich durch Düngung mit tierischen Auswurf- stoffen und verwesenden Pflanzenteilen. Baut der Landmann aber schmetter- lingsblütige Pflanzen, die er nicht ab- erntet, sondern unterpflügt, so be- sorgen diese durch Vermitt- lung der Wurzelbakterien die Düngung des Bodens. Als der beste „Stickstoffsammler" hat sich die Lupine bewährt. Da sie eine sehr „ge- nügsame" Pflanze ist, vermag der Land- mann mit ihrer Hilfe selbst dem san- digsten Acker noch einen Ertrag abzuringen: er baut sie als Viehfutter oder pflügt sie als Dünger für „anspruchsvollere" Gewächse (Getreide, Rüben u. s. w.) in den Boden. Finden sich in dem Ackerlande keine Wurzelbakterien, so vermögen die Hülsenfrüchte hier auch nicht ihre segensreiche Tätigkeit zu entfalten.

I. Die Erbse, ein Schmetterlingsblütler. Die seitlich symmetrische Blüte (s. 30, a) hat einige Ähnlichkeit mit einem Schmetterlinge (Familienname 1).

Wurzel der Erbse mit Wurzelknöll- chen (nat. Gr.). Daneben: Z. Zelle aus einem Wurzelknöllchen, dicht mit Spalt- pilzen erfüllt. (120mal vergr.). B. Spalt- pilze bei starker (etwa 800 maliger) Ver- größerung.

106

31. Fam. Schmetterlingsblütler.

Der becherförmige Kelch (der Kopf des Schmetterlings!) ist in 5 Zipfel aus- gezogen, ein Zeichen, daß er durch Verwachsung ebenso vieler Blättchen ent- standen ist. Die Blumenblätter sind meist sämtlich weiß gefärbt und unter sich an Größe und Gestalt sehr verschieden. Das obere, aufgerichtete Blatt wird als Fahne bezeichnet; die beiden seitlichen Blätter heißen Flügel,.

Blüte der Erbse, in die einzelnen Teile zerlegt (P/2 mal nat. Gr.). Fa. Fahne. Fl. Flügel. Seh. Schiffchen. K. Kelch, von dem der vordere Teil entfernt ist.

JHS6.

Schiffchen der Erbsenblüte, 3 mal nat. Gr. und durch Beseitigung der rechten Hälfte geöffnet. Gr. Griffel mit Narbe und Griffelbürste. RSb. die ans den 9 ver- wachsenen Staubblättern gebildete Röhre. (Von den Staubblättern sind nur 4 zu sehen.) f.Sb. freies Staubblatt. H. Zu- gang zum Honig.

und die unteren sind zu einem kahnförmigen Gebilde, dem Schiffchen, ver- wachsen. Das Schiffchen umschließt schützend (Regen, Tau, Näscher!) den Stempel und die Staubblätter. Der langgestreckte Fruchtknoten, über dessen Bau uns am besten die Frucht belehrt (s. das.), setzt sich in einen langen Griffel fort. Unter der Narbe am Griffelende findet sich ein einseitiger Haarbesatz, den man treffend als Grif felbürste bezeichnet. Staub- blätter sind 10 vorhanden. Die Fäden von 9 derselben sind miteinander zu einer oben offenen Bohre verwachsen, die den Frucht- knoten wie eine Scheide umschließt. Der Spalt zwi- schen den Rändern der Röhre wird von dem Faden des 10. (freien) Staubblattes bedeckt. Der Honig wird von der Innenseite der Staubblätter am Grunde der Röhre abgesondert.

Der verwickelte Blütenban der Erbse, von dem wir in folgendem noch weitere Einzelheiten kennen lernen werden, ist (wie der Blütenbau der Schmetterlingsblütler überhaupt) nur zu verstehen, wenn wir die Be- stäubung genau verfolgen :

, Insektenblütlern" werden auch hier die Bestäuber durch die bunten Blumenblätter angelockt. Und zwar ist es besonders die Fahne, welche die Blüte auffällig macht: sie ist groß, breit und senkrecht empor-

Blütengrundrig der Erbse.

a) Wie bei allen

Erbse. 107

gerichtet, ein wirkliches „Aushängeschild". An Blüten, die sich noch nicht geöffnet haben, umhüllt die Fahne die übrigen Teile wie eine schützende Decke; sie setzt also die Arbeit fort, die zuerst der Kelch verrichtete.

1)) Die Flügel, die das Schiffchen vollkommen überdecken, dienen dem saugenden Insekt als „Sitzbrett". Sie besitzen von anderen Unebenheiten abgesehen da, wo sie sich zu verbreitern beginnen, eine tiefe, nach innen gerichtete Einbuchtung, die genau in eine entsprechende Vertiefung

c) des Schiffchens eingreift. Hierdurch werden Kahne und Schiff- chen fest miteinander verbunden, gleichsam verankert. Drückt man daher mit einem Stäbchen die Flügel etwas herab, so wird auch das Schiffchen nach unten bewegt. Dasselbe geschieht aber auch, wenn sich ein kräftiges Insekt auf den Flügeln niederläßt, den Kopf in den Blütengrund drängt und zu saugen beginnt. Sobald aber das Schiffchen herabgedrückt wird, tritt aus der Öffnung an seiner Spitze

d) der Griffel hervor. Zuerst berührt die Narbe die Unterseite des Insekts. Bringt das Tier vom Besuch einer anderen Erbsenblüte an jener Kör- perstelle bereits Blütenstaub mit, so ist die Bestäubung vollzogen. Dann kommt auch die Griffelbürste mit dem Insekt in Berührung. Da nun die Bürste mit Blütenstaub bedeckt ist, so kann es nicht ausbleiben, daß ein Teil desselben im Haarkleide des Tieres hängen bleibt. Vor Entfaltung der Blüte haben sich . nämlich

e) die Beutel der Staubblätter bereits geöffnet und ihren Staub in den kegelförmigen Hohlraum der Schiffchenspitze entleert, so daß Narbe und Griffelbürste damit bedeckt sind. (Daher ist auch Selbstbestäubung möglich ; s. Absch. g. Öffnet man Blüten, die sich noch im Knospenzustande befinden, so findet man die Beutel noch prall mit Staub gefüllt ; in völlig entfalteten Blüten dagegen sind sie leer und verschrumpft.) Fliegt das Insekt wieder von dannen, so bewegen sich Flügel und Schiffchen auch wieder aufwärts (warum ?), und der Griffel kehrt in seine Schutzhülle, das Schiffchen, zimick. Bei jedem folgen- den Insektenbesuche fegt er stets von neuem Blütenstaub aus dem Schiffchen hervor, bis der Vorrat schließlich erschöpft ist.

Da die Staubfäden miteinander verwachsen sind , werden die Staub- blätter in ganz bestimmter Lage gehalten, so daß sämtliche Beutel ihren Inhalt in den vorderen Abschnitt des Schiffchens entleeren müssen. (Welche Bedeutung hat das Verwachsensein der Staubblätter bei den 3 anderen Arten der Bestäu- bung, die wir S. 109 bis 111 noch kennen lernen werden?)

f) Da sich der Honig im hintersten Teile der Staubfadenröhre findet, darf die Röhre nicht völlig geschlossen sein. Das Insekt würde ja sonst nicht zu dem süßen Safte gelangen können! Dieser notwendige Zugang zum Honig ist nun dadurch geschaffen, daß ein Staubblatt wie oben bemerkt nicht mit in den Verband der anderen eintritt. Am Grunde dieses „freien- Staub- blattes finden sich rechts und links je eine Öffnung, die zu dem Honig führt. (Eine gleiche Einrichtung treffen wir auch bei allen anderen honighaltigen

108 31. Farn. Schmetterlingsblütler.

Schmetterlingsblüten. Bei denjenigen Blüten aber, die des Honigs entbehren z. B. beim Besenginster, bei den Ginsterarten, bei Lupine und Hauhechel sind stets alle Staubblätter verwachsen; die Staubfadenröhre ist also ge- schlossen.)

g) Der „hinterste Winkel" der Blüte ist auch der rechte Ort für den Honig. Diejenigen Insekten, die sich auf der Blüte nicht niederlassen, (Schwär- mer), oder die zu schwach sind (Fliegen, Tagfalter, kleine Käfer u. a.), das Schiffchen niederzudrücken, wären unnütze Näscher. Ihnen ist darum der Weg zum Honig versperrt. Nur die Bienen vermögen den Verschluß der Schmet- terlingsblüte zu öffaen und eine Bestäubung zu vermitteln. Für diese mit mittel- langem Rüssel ausgerüsteten Insekten liegt der Honig an jener Stelle aber ge- rade recht. Kurz, man kann die Schmetterlingsblüte betrachten, wie man will : sie ist in allen Stücken so recht eine „Bienenblume". Da bei der Erbse Flügel und Schiffchen sehr fest zusammenhalten, so kann hier der Verschluß nur durch kräftige Bienen geöffnet werden. Solche Bienenarten gibt es wohl in der Heimat der Pflanze; bei uns aber selten. Daher ist die Erbse in nörd- licheren Gegenden zumeist auf Selbstbestäubung angewiesen. (Leicht nach- zuweisen, indem man einige Blüten mit Gaze umhüllt und somit den Insekten den Zutritt verwehrt.) Manche Bienen suchen den Honig auch auf unrecht- . mäßige Weise durch Anbeißen der Blüte zu erlangen.

h) Soll eine Bestäubung wirklich herbeigeführt werden, so ist nötig, daß die einzelnen Blütenteile ihre Lage zueinander genau innehalten. (Denke z. B. die „Verankerung" zwischen Flügel und Schiffchen wäre gelöst!) Es ist daher von Wichtigkeit, daß die 5 Blättchen, aus denen der Kelch besteht, mit- einander verwachsen sind. (Spalte den Kelch vorsichtig an mehreren Stellen und untersuche, ob der Verband der Blumenblätter nicht gelockert ist!)

i) Das Insekt vermag den notwendigen Druck auf das Schiffchen umso eher auszuüben, als die Blüte wagerecht gestellt ist. (Denke, sie wäre senkrecht auf- oder abwärts gerichtet! Beobachte daraufhin andere Schmetter- lingsblütler! Wie stehen die Ei'bsenblüten vor dem Blühen? wie die Fruchtstiele?) 5. Die Erbse, ein Hülsenfrüchtler. Wie man an der reifenden Frucht (Fruchtknoten!) deutlich sehen kann, besteht sie aus einem langen Blatte, das in der Mittelrippe derartig „geknifft" ist, daß die Bänder zusammenstoßen. An den Rändern sitzen in je einer Reihe die Samen, die sogen. Erbsen. Eine so gebildete Frucht nennt man „Hülse" (in einigen Gegenden ungenau „Schote"; s. Raps). Bei der Reife spaltet sich das Fruchtblatt sowohl an der Ver- wachsungsstelle, wie an der Mittelrippe, so daß die Hülse mit 2 Klappen auf- springt. — Die „Maden", die häufig die Samen zerstören, sind meist die Raupen des Erbsenwicklers (s. „Lehrbuch der Zoologie").

Andere Schmetterlingsblütler.

Um vielfache Wiederholungen zu vermeiden, seien die Schmetterlingsblütler, denen wir noch kurz unsere Aufmerksamkeit schenken wollen, nach der besonderen Weise, in der bei ihnen die Bestäubung erfolgt, zusammengestellt.

Erbse. Andere Schmetterlingsblütler. I u '. »

1. Bluten mit Bürsteneinrichtung (Griffelbürste wie bei Erbse und Bohne).

Als wichtige Futterkräuter bauen wir die Saatwieke und die Pferd«- oder Sau- bohne ("Vicia sativa und faba) an. Die großen, grünen Hülsen der letzteren werden hier und da wie die der Gemüsebohne verspeist. Die Blüten beider sind infolge greller Farbenzusammenstellungen besonders auffällig (Bedeutung?). Von den zahlreichen wild- wachsenden Wickenarten seien nur die beiden häutigsten, die Vogel- und Zaunw iok<- (V. cräcca und sepium), genannt. Erstere tritt auf Äckern oft als lästiges Unkraut (Ranken!) auf. Ihre prächtig blauen Blüten sind zu großen Trauben angeordnet, und ihre Samen werden besonders gern von der Feldtauhe verzehrt (Name !). Letztere wächst auf Wiesen, in Gebüsch und an Hecken (Name!). Ihre Blutenstände bestehen nur aus wenigen rötlich-violetten Blüten. Betrachtet man die Pflanze genauer, so findet man vielfach kaum ein Exemplar, das nicht von Ameisen bevölkert wäre. Die Tiere stellen, wie man sich leicht überzeugen kann, dem süßen Safte nach, der von braunen Honig- drüsen auf der Rückseite der Nebenblätter oft in großen, glänzenden Tropfen abge- schieden wird. Bisher fanden wir den Honig stets in der Blüte und erkannten in ihm eine Gegengabe der Pllanze an ihre Bestäuber. Warum scheidet aber die Zaunwicke gleich der Saatwicke, der Pferdebohne und mehreren anderen Wicken außerhalb der Blüte Honig ab? Ist das nicht eine zwecklose Verschwendung? Die Naturforscher, die sich diese Fragen lange vergeblich vorlegten, glauben jetzt eine Antwort darauf ge- funden zu haben : die Ameisen sind den Forstleuten als eifrige Vertilger blattfressender Insekten und deren Larven (Raupen u. a.) längst bekannt. Die Pflanzen, die fleißig von Ameisen besucht werden, sind daher vor anderen, die nicht besucht werden, im Vor- teil: sobald sich auf ihnen ein Verwüster ansiedelt, wird er meist alsbald eine Beute der bissigen Tiere. Die Ameisen sind daher für die Wicken gleichsam eine „Schutzgarde", und der Honig das Anlockungsmittel derselben. In der heißen Zone giebt es sehr viele solcher „Ameisenpflanzen". Einige derselben liefern ihren Beschützern nicht nur Honig, sondern erzeugen sogar besondere Futterkörperchen und Wohnräume für sie.

Eine gleichfalls sehr häufige Pflanze unserer Wiesen ist die gelbblühende Wiesen- Platterbse (Läthyrus pratensis). Ihre nächste Verwandte, die rankenlose Frühlings- Platterbse (L. vernus), giebt sich durch die breiten, zarten Fiederblätter ohne weiteres als Waldpflanze zu erkennen (vgl. mit Windröschen). Aus den Mittelmeerländern ist die Linse (Lens esenlenta) zu uns gekommen (Verwendung?). Aus Nordamerika stammt die Robinie (Robinia pseud-acäcia), die fälschlich allgemein „Akazie" genannt wird und wegen der zarten Fiederblätter („Kugelakazien") und der weißen, duftenden Blüten ein allbekannter Zierbaum geworden ist. Am Grunde der Blattstiele ein Zeichen, daß wir es hier mit umgewandelten Nebenblättern zu thun haben ! finden sich je 2 scharfe Stacheln, die wie eine Schntzwehr die Knospe und das junge Blatt um- schließen. Erreicht die Pflanze eine gewisse Höhe, so bilden sich keine Stacheln mehr (vgl. mit den Dornen des Birnbaums). Die Fiederblätter senken sich nachts herab; in den heißen Mittagsstunden dagegen richten sie sich senkrecht empor, während sie in südlichen Ländern meist vom Morgen bis zum Abend in dieser Stellung verharren (Be- deutung? s. Bohne!). Der Blasenstraucb (Colütea arborescens), gleichfalls eine be- kannte Parkpflanze, stammt aus Südeuropa. Die blasig aufgetriebene Hülse (Name!) dient als „Flugausrüstung" zur Verbreitung der kleinen Samen. 2. Blüten mit einfacher Klappvorrichtung.

Diese einfachste Weise der Bestäubung wollen wir am Wiesenklee (Trifolium patense) kennen lernen (Taf. 14): Drücken wir das Schiffchen nieder (4.), so treten

HO Taf. 14. 31. Farn. Schmetterlingsblütler.

Stempel und Staubblätter hervor; hört der Druck auf, so kehren beide wieder in ihre Schutzhülle zurück (3.). Die roten, duftenden Blüten dieser unserer wich- tigsten Futterpflanze sind wie bei allen anderen Kleearten verhältnismäßig klein. Da sie aber zu „Köpfchen" zusammengestellt sind, werden sie doch weitbin sichtbar (Bedeutung?). Die hinteren Teile der Blumenblätter sind sowohl unter sich, als auch mit den 9 unteren Staubfäden zu einer etwa 9 mm langen Röhre verschmolzen (3. und 4.). Daher sind die laugrüsseligen Hummeln die ausschließ- lichen Bestäuber der Pflanze. Vielfach findet man die Blumenröhre von der kurzrüsseligen Erdhummel und der Honigbiene angebissen (3.), die beide also „Einbruch verüben". Da die Hülse von der vertrockneten Blnmenkrone um- hüllt bleibt, bietet sie dem Winde eine große Angriffsfläche dar und kann so- mit leicht verweht werden (5. und 6.). Die dreizähligen Blätter („Kleeblatt") nehmen wie die Bohnenblätter abends Schlafstellung ein (2.), richten sich dabei aber (wie bei allen anderen Kleearten, sowie beim Stein-, Schnecken- und Hornklee, beim Goldregen, Ginster und zahlreichen anderen Schmetterlingsblütlern) senk- recht empor. Wie man in dieser Einrichtung ein Förderungsmittel der Ver- dunstung erkannt hat, so auch in den weißen Bändern, die sich über die Blatt- flächen hinwegziehen (1.). Da sich dunkle Gegenstände schneller abkühlen als helle (Versuch!), so werden weißgefleckte Blätter die Wärme auch eine längere Zeit zurückhalten als gleichmäßig grüne Blätter. Erstere werden daher bei Eintritt der nächtlichen Kühle noch längere Zeit stark verdunsten. Hiermit steht auch im Zusammenhange, daß man bei Kleepflanzen, die auf beschattetem oder feuchtem Grunde wachsen, breitere Bandzeichnungen findet als bei solchen auf sonnigem, trockenem Boden. Die Nebenblätter (2. und 7.) sind mit- einander verwachsen und können daher die Aufgabe, als Schutzhülle der jungen Blätter zu dienen, vortrefflich erfüllen.

Von den zahlreichen anderen Kleearten sei nur noch der Weifjklee (T. repens) erwähnt. Da er eine weit kürzere Blütenröhre besitzt als der Wiesenklee, so kann sein Honigreichtum auch von der Honigbiene ausgebeutet werden. Die kriechende, sehr ver- änderliche Pflanze (vgl. mit Reiherschnabel u. a. !) hat daher für die Bienenzucht besondere Bedeutung. Dasselbe gilt für die rotblühende Esparsette (Onöbrychis sativa), die gleichfalls eine wichtige Futterpflanze ist. An Wegen und auf Wiesen findet sich häufig der Steinklee (Melilötus), dessen weiße oder gelbe, duftende Blüten in langen Trauben beieinander stehen. Der Goldregen (Cytisus labürnum) ist wegen seiner prächtigen, goldgelben Blütentrauben (Name !) ein allgemein beliebter, aber in allen Teilen giftiger Zierstrauch. Die anfangs aufrechten Trauben werden später hängend, so daß bei der Entfaltung der Blüten die Fahne nach unten gerichtet sein würde. Der Blütenstiel macht daher eine Drehung und bringt die Blüte wieder in die „richtige" Lage (s. S. 108, i). Die Blüten sind scheinbar honiglos (s. S. 107, f), und freien Honig besitzen sie auch in der Tat nicht. Trotzdem sieht man an ihnen aber Insekten saugen. Die Tiere bohren nämlich das zarte Gewebe am Grunde der Fahne an und saugen den erbohrten Saft.

3. Blüten mit Schnell -Vorrichtung.

Drückt man in den Blüten des weit verbreiteten Besenginsters (Sarothämnus scoparius) die Flügel und das Schiffchen nieder, so schnellen Staubblätter und Stempel, die in ihrer Hülle zum Teil wie gespannte Uhrfedern liegen, hervor und streuen den

Schmal, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 14.

hC/ieuba

Wiesenklee (Trifolium pratense).

Andere Schmetterlingsblütler.

111

Blütenstaub aus. Dasselbe geschieht natürlich auch, wenn eine Hummel oder Biene den „Verschluß" der Blüte öffnet. Hierbei wird das Tier mit Blütenstaub förmlich über- schüttet. Flügel und Schiffchen kehren darauf aber nicht wieder in ihre ursprüngliche Stellung zurück. Die prächtigen, gelben Blüten der Pflanze sind honiglos, dafür aber be- sitzen sie der Art der Bestäubung entsprechend sehr viel und zwar mehlartig trockenen Blütenstaub. Da der mannshohe Strauch in sandigen Wäldern und an ähn- lichen Orten gedeiht, besitzt er wie zahlreiche andere Ödlandpflanzen (Beispiele!) nur kleine Blätter. Als Ersatz dafür treffen wir aber in der Rinde der kantigen, ruten- förmigen Stengel, die zur Herstellung von Besen (Name!) benutzt werden, Blattgrün an. Die Hülsen drehen sich im Augenblicke des Öffnens schraubig zusammen, so daß die Samen fortgeschleudert werden. (Bedeutung? Beobachte auch diese Erscheinung bei Platterbse, Hornklee und Lupine!) Wie schon die Bezeichnung „Ginster" andeutet, ist die Pflanze mit den Ginsterarten (Grenista) nahe verwandt. Die zum Teil dornigen Sträucher gedeihen an denselben Örtlichkeiten und besitzen daher gleichfalls sehr kleine Blätter und grüne Stengel. - Gleiche Blüteneinrichtung zeigen auch die zahlreichen kleeartigen Gewächse, die nach den schneckenartig (oder sichelartig) gewundenen Hülsen Schneckenklee (Medicägo) genannt werden. Eine Art, die aus Südeuropa stammende, blaublühende Luzerne (M. sativa), wird als Futterpflanze im großen angebaut.

4. Blüten mit P u m pen-Einrichtun g.

Diese Art der Bestäubung zeigt sehr deutlich der Hornklee (Lotus corniculätus), der allenthalben auf Wiesen und Grasplätzen seine gelben, meist rötlich angehauchten Blüten entfaltet. Die Staubbeutel entleeren wie bei der Erbse bereits in der Knospe ihren In- halt in den vorderen Abschnitt des Schiffchens, worauf sie verschrumpfen. Fünf Staubfäden da- gegen wachsen mit der Blüte weiter und schwel- len keulenförmig an. Wird nun das Schiffchen niedergedrückt, so pressen sie wie der Kolben einer Pumpe einen Teil des Staubes als band- artige Masse aus der Schitl'chenspitze hervor. Ist die Biene an der Bauchseite mit dem klebrigen Staube beladen, so kehren die Blütenteile wieder in ihre ursprüngliche Lage zurück. Ganz ähnlich erfolgt die Bestäubung bei der Lupine (Lupinus lüteus), die aus Südeuropa stammt, und deren Bedeutung für die Landwirtschaft bereits früher kurz gekennzeichnet worden ist; des- gleichen bei den Hauhechelarten (Onönis), jenen allbekannten, zum Teil stark dornigen Pflanzen, die an Wegrändern und ähnlichen Orten wachsen.

Schiffehen ans der Blüte des Horn- klees. 1. In der Ruhe; 2 herab- gedrückt. Der von oben wirkende Druck ist durch einen Pfeil ange- deutet. Die einzelnen Blütenteile wie bei der Erbsenblüte.

Von den zahlreichen ausländischen Schmetterlingsblütlern seien kurz fol- gende erwähnt: Das Süßholz (Glycyrrhiza glabra) ist ein Strauch der Mittelmeer- länder, der aber auch in einigen Gegenden von Mitteleuropa angebaut wird. Der ein- gedickte Saft der süßschmeckenden Wurzeln (Name?) ist als Lakritze allgemein be- kannt. — Die Indigopflanzen (Indigöfera) sind Sträucher und Kräuter der Tropen, aus

112 31. Farn. Schmetterlingsblütler.

deren Blättern man den Indigo gewinnt. Man bringt die abgeschnittenen Pflanzen za diesem Zwecke in Bassins, die mit "Wasser gefüllt sind. Nachdem das Wasser eine grün- liche Färbung angenommen hat, leitet man es in ein zweites Bassin und bringt es durch Räder und Schaufeln mit dem Sauerstoff der Luft in innige Berührung. Infolgedessen geht die grünliche Färbung- bald in eine blaue über: es ist der Indigo entstanden, der sich, weil im Wasser unlöslich, bald als tiefblauer Schlamm absetzt. Dieser für die Zeug- färberei überaus wichtige Farbstoff wird jetzt auch künstlich hergestellt.

Verwandte der Schmetterlingsblütler: In den Ländern um das Mittelmeer wächst der Johannisbrotbaum (Ceratönia siliqua), dessen große Hülsen bei uns fast nur als Leckerei für Kinder, in der Heimat der Pflanze dagegen als Nahrung für Men- schen und Vieh dienen. In Gewächshäusern trifft man oft merkwürdige Pflanzen, die von ihrer Empfindlichkeit gegen Berührung den bezeichnenden Namen Sinnpflanzen (Mimösa) erhalten haben. Die Steppengegenden der heißen Zone sind die Heimat der Akazien (Acäcia), von denen besonders afrikanische Arten das wertvolle Gummi arabi- cum liefern (Verwendung?). Es sind Bäume und Sträucher, die mit unserer Robinie (s. das.) große Ähnlichkeit haben. Gleich dieser Pflanze besitzen sie die Fähigkeit, die Fiederblättchen senkrecht zu stellen, eine Tatsache, deren Wichtigkeit wir ermessen können, wenn wir an die große Trockenheit ihres Wohngebiets denken. Wir linden bei ihnen auch wie bei den Eukalyptusarten (s. das.) winzige Blütenhüllen, aber zahlreiche, freistehende und buntgefärbte Staubblätter.

Schmal, Lehrbuch der Botanik,

Tafel 15.

Heidekraut (Calluna vulgaris).

2. Unterklasse. Verwachsenblumenblättrige Pflanzen (SympStalae).

Pflanzen mit doppelter Blutenhülle (mit Kelch und Blunienkrone), bei denen die Blumen- blätter (wenigstens am Grunde) miteinander verwachsen sind.

32. Familie. Heidekraut-Gewächse (Ericäceae).

1. Unterfamilie. Eigentliche Heidekräuter (Ericeae).

Das Heidekraut (Callüna vulgaris). Taf. 15.

A. Verbreitung-. Auf trockenem Sandboden, wie auf schwankendem

Torfmoor, auf sonniger Ebene, wie im Schutze des Kiefernwaldes, auf niedrigem Hügel, wie auf sturmumbrauster Höhe findet sich das anspruchslose Heidekraut. Es ist über ganz Europa und darüber hinaus verbreitet und bildet stets kleinere oder größere Bestände. In Norddeutschland besonders bedeckt es zahlreiche, oft viele Quadratmeilen große Gebiete, „Heiden" genannt, von denen auch die Pflanze ihren Namen erhalten hat. (Gib die Verbreitung der Heiden genauer an!) Soweit das Auge reicht, erblickt man dort fast nichts weiter als Heidekraut. Nur hier und da wird das Einerlei unterbrochen von einer verkrüppelten Kiefer, von Wacholder- und Ginsterbüschen, von Weidengestrüpp, das sich nur wenig über den Boden erhebt, von stechenden Gräsern, von Flechten- und Moospolstern, vom gelbblühenden Mauerpfeffer und duftenden Thymian, von Preiselbeere und Johanniskraut oder von anderen „Heidepflanzen". Das „gesellige" Heidekraut aber ist stets das „herrschende" Gewächs. Hieraus ergibt sich auch die

B. Bedeutung, welche die Pflanze für den Menschen hat. Kurz gesagt, sie macht jene öden, unfruchtbaren Gegenden erst bewohnbar. Wenn die sengenden Strahlen der Sommersonne die Heide fast ausgedörrt haben, brennt der Heidebauer den Pflanzenwuchs auf einem Teile seines Besitz- tums nieder („Höhenrauch!".) In den Boden, der durch die untergepflügte Asche einige Fruchtbarkeit gewonnen hat, sät er im nächsten Frühjahre dann das „Heidekorn", den Buchweizen, dessen mehlreiche Samen das Hauptnahrungs- mittel der Heidebewohner bilden. Die jungen Triebe des Heidekrautes liefern ferner ein dürftiges Futter für Rinder und Schafe (Heidschnucken der Lüneburger Heide!), und wenn sich im Spätsommer die Heide mit Millionen honigreicher Blüten wie mit einem „rosenroten Schimmer" überzieht, dann finden endlich die Bienen der Bauern einen reichgedeckten Tisch. (Daher in Heidegegenden zumeist starke Bienenzucht.) Heidekraut streut der Heidebewohner auch dem Vieh in die Ställe und dann als nährenden Dünger auf den sandigen Acker: mit Heidekraut deckl er das Dach seiner Hütte, und mit Heidetorf erwärmt er im Winter die ärm- liche WTohnung.

Dieser Torf verdankt gleichfalls der unscheinbaren Pflanze seine Ent- stehung: Zwischen den dünnen, stark verzweigten Wurzeln, die nahe der Erd-

S chm eil, Lehrbuch der Botanik. g

114 Taf. 15. 2. Unterkl. Verwauhsenblumenblätt. Plianz. 32. Farn. Heidekraut-Gewächse.

Oberfläche liegen, sowie zwischen den Stämmen nnd Zweigen, die sich dem Boden vielfach eng anschmiegen, sammeln sich allerlei Pflanzenreste, so daß bald ein dichter Filz entsteht. Sterben die Wurzeln und unteren Stengelteile ab, und wächst die Pflanze auf diesen Resten dann weiter, so wird der „Filz" immer mehr von der Luft abgeschlossen. Was die Folge dieses Luftabschlusses ist, lehrt ein einfacher Versuch: Erhitzt man Sägespäne in einer Eetorte, so verkohlen sie wie das Holz in dem Kohlenmeiler. Durch den Luftabschluß geht nämlich die Zersetzung der Holzteile (d. i. Verbrennung im chemischen Sinne) nur un- vollständig vor sich. Es wird infolgedessen Kohlenstoff angehäuft, oder kurz, es entsteht „Holzkohle". So geht auch die Zersetzung der Pflanzenreste unter der lebenden Heidekrautdecke nur unvollkommen vor sich: es erfolgt gleichfalls eine Anhäufung von Kohlenstoff und zwar in der Form von (Heide-) Torf, der eben wegen seines Reichtums an Kohlenstoff ein wertvolles Brennmaterial liefert. (Vgl. mit Moostorf; s. Moose.)

C. Troekenlaiidpflanze. So verschieden auch der Boden ist, auf dem das Heidekraut wächst, eins zeichnet ihn stets aus: die auffallend große Trockenheit. Wie aber oben erwähnt, gedeiht die Pflanze auch auf Torfboden, der sich oft wie ein Schwamm voll Wasser saugt. Einen solchen Boden kann man aber doch unmöglich als trocken bezeichnen wollen, und doch ist er es für die Pflanze! Dieser Widerspruch klärt sich leicht auf, wenn man sich folgendes klar macht: Setzt man z. B. einen feuchten Körperteil etwa die schweißbedeckte Stirn der Luft aus, so kühlt er sich bald stark ab; denn überall da, wo Wasser verdunstet, wird Wärme verbraucht (andere Beispiele!). Nasse Erde gibt nun sehr viel Wasser in Dampfform an die Luft ab; dies zeigen z. B. die Nebel, die von feuchten Wiesen, aus Mooren u. dgl. emporsteigen. Durch die Verdunstung dieses Wassers wird also dem Boden viel Wärme entzogen: nasser Boden ist darum kalter Boden. Da wir nun aus der Betrachtung des Kirschbaums (s. S. 91) wissen, daß kalter Boden ebenso auf die Pflanzen einwirkt wie trockener Boden, so ist jener Widerspruch vollkommen gelöst: Wir können daher das Heidekraut mit Recht für eine Trockenlandpflanze erklären.

Trockenheit des Bodens ist für eine Pflanze aber stets sehr ungünstig (warum?). Das Heidekraut besitzt daher besondere Einrichtungen, die ihm eine Existenz unter diesen ungünstigen Umständen erlauben:

1. Alle seine Teile sind auffallend dürr und trocken, geben daher an die umgebende Luft auch nur wenig Wasser in Dampfform ab. (Die Sumpfdotterblume und zahlreiche Pflanzen trockener Standorte haben aber dicke, fleischige Stengel und Blätter, ein Zeichen, daß die Natur mit ver- schiedenen Mitteln dasselbe erreicht.)

2. Das Heidekraut ist ein Strauch, der wie bereits oben bemerkt in dichten Beständen auftritt und sich

3. meist nur wenig über den Boden erhebt. Infolgedessen wird er wie wir dies schon beim Mauerpfeffer gesehen haben auch weit weniger unter

Seidekraut.

115

den austrocknenden Winden zu leiden haben, als wenn jede Pflanze einzeln stände und sich hoch über die Erde erhöbe. Es kann uns daher auch nicht wunder nehmen, wenn das Heidekraut auf stürmischem Bergesrücken oft nur handhoch wird, im Schutze von Kiefernschonungen dagegen eine Höhe von l/a m und mehr erreicht.

4. Das wichtigste Mittel gegen zu starke Verdunstung ist aber wie beim Mauerpfeffer in dem eigentümlichen Bau der Blätter (2.) zu erblicken. Es sind dies

a) sehr kleine Gebilde (s. S. 78, 3 a), die in 4 Längsreihen an den Zweigen stehen und hinten in 2 Spitzen ausgezogen sind (besonders deutlich an den Blättern zu sehen, aus deren Achseln junge Zweige hervorgehen).

b) Da sie ungestielt und an der den Zweigen zugekehrten (Ober-) Seite so gebogen sind, daß sie wie ausgehöhlt erscheinen, vermögen sie sich den Zweigen eng anzuschmiegen und z. T. gegenseitig zu decken (s. S. 78, 3 b). An Pflanzen dagegen, die im Schatten des windstillen Kiefernwaldes wachsen, flndet man meist weit größere und rechtwinkelig von den Zweigen ab- stehende Blätter. Da diese Pflanzen wegen der geringen Besonnung zudem keine Blüten tragen, sehen sie dem Heidekraut nur noch wenig ähnlich.

c) Stellt man durch ein Blatt dünne Querschnitte her, so sieht man die Ränder nach der Unterseite zu so umgebogen, daß sie zusammenstoßen. Ein solches

„Rollblatt" bietet der Luft nur die Fläche der Oberseite dar, wird dar- um auch weit weniger Wasser verdunsten, als wennesausgebreitetwäre. Bei Anwendung mikro- skopischer Vergrößerung sieht man weiter, daß das Blatt nur auf der Unter- seite Spaltöffnungen be- sitzt, und daß der Zu- gang zu ihnen durch haar- artige Bildungen versperrt ist. Die Spaltöffnungen, durch die besonders der Wasserdampf aus der Pflanze entweicht, münden hier also nicht direkt ins Freie, sondern in einen fast geschlossenen, „windstillen Raum": eine Ein- richtung, durch welche die Verdunstung gleichfalls stark herabgesetzt wird.

Wie schon mehrfach erwähnt, steigen die von der Wurzel aufgesogenen Nährstoffe in einem Wasserstrome zu den Blättern empor, woselbst eine Ver-

Querschnitt aus dem Blatte

des Heidekrautes (250 mal

vergr.). In dem „windstillen

Räume" 2 Spaltöffnungen

„Schattenform" des Heidekrautes aus

einem Kiefernhochwalde (nat. Gr.).

l|(i 32. Fam. Heidekraut-Gewächse.

dunstung des Wassers erfolgt. Jede Unterbrechung dieses Stromes ist für die Pflanze daher von Nachteil. Eine solche würde aber eintreten, wenn Tau- oder Regentropfen die Spaltöffnungen verschlössen. Da nun bei den Blättern des Heidekrautes die Feuchtigkeit nicht bis zu den Spaltöffnungen vordringen kann, so gibt sich das Rollblatt auch als ein Mittel zu erkennen, die Bahn für den Wasser dampf frei zu halten. Wenn wir weiter bedenken, daß die Moore regenreiche Örtlichkeiten sind, daß es auf ihnen fast allnächtlich stark taut, und daß ihnen selbst an klaren Sommerabenden dichte Nebel ent- steigen, so werden wir die Bedeutung dieser Einrichtung für die hier wachsen- den Heidekrautsträucker wohl ermessen. Für diese Pflanzen ist es auch von großer Wichtigkeit, daß sie

d) immergrüne Blätter besitzen: Auf dem kalten Moorboden zieht der Frühling später ein als in den umliegenden Feldern und Wäldern. Wollte das Heidekraut jetzt erst Blätter treiben, so könnte es in den wenigen Monaten, die zwischen diesem Zeitpunkte und dem Herbste liegen, unmöglich Blüten bilden und Früchte zur Reife bringen. Vermöge der immergrünen Blätter dagegen ist es beim Eintritt des Frühlings sofort imstande, die Arbeit aufzunehmen, und selbst während der kälteren und kalten Jahreszeit vermag es jeden Sonnen- blick auszunützen.

Für das Heidekraut, das auf trockenen Stellen wächst, sind solche Blätter gleichfalls von Vorteil. Dort erwärmt sich der Boden im Hochsommer außer- ordentlich stark und wird so trocken, daß er zu Staub zerfällt. Da heißt es für das Heidekraut, mit der geringen Wassermenge, die es der Erde entnehmen kann, sparsam umzugehen. Je weniger aber wie oben bemerkt die Pflanzen Wasser aufsaugen, desto weniger Nährstoff nehmen sie auch auf. Dafür dehnen sich aber beim Heidekraut, weil es eben immergrüne Blätter besitzt, die Arbeiten der Nährstoffaufnahme und -Verarbeitung über einen viel größeren Teil des Jahres aus als z. B. bei den Bäumen und Sträuchern, die im Herbst das Laub abwerfen.

D. Blüte. 1. Im August verschwindet das Grün der Blätter fast vor dem zarten Rosenrot der Blüten (2. und 3.). Die 4 kleinen Blumenblätter, die in der unteren Hälfte miteinander verwachsen sind, werden von den 4 größeren Kelchblättern fast verdeckt. Das ist für die Pflanze aber ein großer Nach- teil (warum?), der darum wieder ausgeglichen werden muß. Dies geschieht dadurch, daß der Kelch gleichfalls bunt gefärbt ist. Die Stelle des Kelches wird wieder durch 2 Blattpaare ausgefüllt, die sich von den gewöhnlichen Laub- blättern durch beträchtlichere Größe und meist auch durch eiuen Anflug von Buntfärbung unterscheiden.

Aus der Blütenmitte ragt der Griffel mit der Narbe hervor (3). Er ist von den Beuteln der 8 Staubblätter umgeben, die zusammen einen kleinen , braunroten Kegel bilden und sich an der Spitze mit je 2 Löchern öffnen. Jeder Staubbeutel besitzt am Grunde 2 Anhängsel, die den Weg zum Honig im Blütengrunde versperren und daher von dem saugenden Insekt be-

Heidekraut. Glocken-Heide.

117

rührt werden müssen. Sobald dies aber geschieht, werden auch die Staub- beutel erschüttert, so daß aus ihnen der Blütenstaub wie aus einer Streu- sandbüchse auf das Insekt herabrieselt (5.). Stößt das mit Blütenstaub beladene Tier beim Besuche einer zweiten Blüte an die im Blüteneingange stehende Narbe, so hat es die von der Pflanze „gewünschte" Fremdbestäubung vollzogen. Mit dieser Art der Bestäubung hängt es innig zusammen, daß das Heidekraut im Gegensatz zu den meisten anderen „Insektenblütlern" trockenen Blütenstaub besitzt, und daß die Staubfäden eine schwanenhalsartige Krümmung zeigen. Infolge dieser Einrichtung werden die Staubfäden nämlich zu federnden Ge- bilden, so daß die von ihnen getragenen Staubbeutel bereits bei der geringsten Erschütterung ins Schwanken geraten.

2. Obgleich die Blüten verhältnismäßig klein sind, ist das blühende Heide- kraut doch weithin sichtbar, so daß es sich eines außerordentlich regen Besuchs zu erfreuen hat:

a) Jeder Zweig der Pflanze trägt zahlreiche Blüten, die sämtlich nach einer Seite gerichtet sind.

b) Das Heidekraut wächst wie oben erwähnt in mehr oder weniger großen Beständen, so daß die blühende Pflanze schon auf eine größere Entfernung hin sichtbar wird.

c) Die Blüten werden im Gegensatz zu denen der meisten anderen Pflanzen nach dem Verblühen nicht unscheinbar (1. und 4.). Ein Besuch dieser Blüten wäre für das Heidekraut aber nicht allein voll- ständig wertlos, sondern sogar von Nachteil; denn die Insekten würden so zu sagen damit die kostbare Zeit nur vertrödeln. Durch Einwärtskrümmen der (etwas verblauten) Kelchblätter wird daher der Eingang zum Blüteninnern verschlossen, so daß die Insekten genötigt sind, nur den geöffneten Blüten zu dienen. Im Schutze des Kelches reift auch die

E. Frucht. Sie ist eine kleine Kapsel, die zur Zeit der Keife mit 4 Klappen (Fruchtblätter!) aufspringt, so daß der Wind die winzigen Samen leicht verstreuen kann (6.).

Andere Heidekraut-Gewächse.

Von den nächsten Verwandten des Heidekrauts sei nur die Glocken-Heide (Erica tütralix) erwähnt, die auf Torf- and Moorboden gedeiht (daher auch Sumpf-H.). Ihre immer- grünen Blätter sind nur an den Rändern zurückgerollt, dafür aber sind sie wie alle jungen (diesjährigen) Teile mit Ausnahme der Blumenkrone dicht von kurzen einfachen, sowie von langen Drüsenhaaren (s. S. 33) bedeckt. Am Ende der Stengel stehen wie zierliche Glöekchen (Name!) die fleischfarbigen Blüten in einem

Glocken-Heide

fnat. Gr.)

118

32. Familie. Heidekraut-Gewächse.

Büschel. Die zahlreichen Heidearten, die bei uns als Topfpflanzen gezogen werden, entstammen zumeist dem trockenen Kaplande.

2. Unterfamilie. Heddelbeergewächse (Vaccinieae). In lichten Wäldern, aber auch auf Heiden (Name!) und Mooren bedeckt die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) den Boden oft auf weite Strecken. Gegen die Trockenheit des Standorts ist sie durch die starke Oberhaut der Blätter, die infolgedessen lederartig hart erscheinen, im Winter aber abfallen, wohl geschützt (s. S. 75). Zudem leitet die Pflanze wie folgender einfache Versuch zeigt fast jeden Regentropfen, der sie trifft, zur Hauptwurzel herab. Taucht man einen abgeschnittenen Heidelbeerstrauch in das Wasser und hält ihn sodann senkrecht frei hin, so wird man bemerken, daß von wenigen Tropfen abgesehen das Wasser in einem starken Strome am Stamme abläuft: Die schräg stehenden, rinnigen Blätter leiten es über den kurzen, gleichfalls rinnenförmigen Blattstiel zu dem Zweige, dem sie ansitzen; in einer tiefen Furche, die sich von Blatt zu Blatt zieht, fließt es an diesem

hinab und sammelt sich von sämtlichen Zweigen am Hauptstamme, der es schließlich der Wurzel zuführt. Die rot angehauchten Blüten, die denen des Heidekrauts sehr ähnlich gebaut sind (Beweis!), gleichen hängenden Glückeken (Schutz des Blüten- staubes gegen Befeuchtung!). Die blauschwarzen Früchte („Blaubeeren") dienen dem Menschen als willkommene Speise, so daß das Sammeln der wohl- schmeckenden Beeren für viele Gegenden eine wich- tige Erwerbsquelle bildet. Bestimmt jedoch sind die Früchte, die sich von dem herbstlich roten Laube scharf abheben, für die Verbreiter der Pflanze, für Drosseln und andere Waldvögel (s. S. 64, 8). Die Preigelbeere (V. vitis idäa) teilt mit der Heidelbeere Bedeutung (Beweis!) und Standort. Viel- fach überdeckt sie jedoch auch Bergrücken. Ferner besitzt sie im Gegensatz zu jener Pflanze immer- grünes Laub, aus dem die roten Beeren prächtig hervorleuchten (Bedeutung?). Letz- teres gilt auch für die zierliche Moosbeere (V. oxycöccus), deren schwache Stämme besonders zwischen Torfmoos dahinkriechen.

3. Unterfamilie. Wintergrüngewächse (Piröleae). Im Moder des Wald- bodens wurzeln die zahlreichen Arten des Wintergrüns (Pirola). Die zierlichen Pflanzen besitzen zarte, nickende Blüten (verfolge die interessante Bestäubung!) und immergrüne Blätter (Name), die dementsprechend von lederartiger Beschaffenheit sind. In der Gesellschaft der Wintergrünarten findet sich zumeist auch der nahe verwandte, seltsame Fichtenspargel (Monötropa hypöpitys). Da er kein Blattgrün besitzt, erscheint er in allen Teilen blaß, wachsgelb, so daß die jungen Triebe hervorbrechenden Spargel- sprossen nicht unähnlich sind (Name!). Infolgedessen vermag er einerseits selbst im dunkelsten Waldesdickicht zu gedeihen, das von allen grünen Pflanzen gemieden wird, ist aber andererseits auch genötigt, wie z. B. die Hopfenseide (s. das.) seine Nahrung in „fertiger Form" aufzunehmen. Gräbt man jedoch nach, so findet man, daß der korallen- förmige, brüchige Wurzelstock der Wurzel anderer Pflanzen nicht aufsitzt. Dagegen zeigt das Mikroskop, daß er mit Pilzfäden, die den Waldboden durchwuchern, in innigster Verbindung steht: ihnen entzieht der Fichtenspargel alle zum Aufbau seines Körpers

Zweig der Preigelbeere

mit Früchten (nat. Gr.)

Andere Heidekraut-Gewächse.

119

notwendigen Stoffe. Wir haben es hier also mit einer Blutenpflanze zu thun, die auf Pilzen schmarotzt , ein Fall , der in der heimischen Natur einzig dasteht. Der saftige Stengel des seltsamen Gewächses, der sehuppenförmige, auf- rechtstehende Blätter trägt, ist zur Blütezeit am oberen Ende abwärts geneigt, so daß die Blüten nach unten gerichtet sind (Bedeutung?) Da sich die blasse Pflanze von dem dunklen Waldboden genügend abhebt, so wird uns auch der Mangel einer leuchtenden Blütenfarlie ver- ständlich. Nach erfolgter Bestäubung richtet sich der Stengel empor und streckt sich (be- sonders in dem blütentragenden Abschnitte) stark in die Länge. Dadurch werden die Fruchtkapseln nicht allein senkrecht gestellt (warum nötig?), sondern auch höher über den Boden gehoben, so daß dem Winde leichter Gelegenheit ge- geben ist, die staubförmigen Samen aus den sich öffnenden Kapseln zu blasen. Diese Aus- streuungsweise setzt aber einen widerstands- fähigen Stengel voraus ; daher wird der anfangs saftige und brüchige Stengel nach der Bestäubung hart, steif und elastisch.

4. Unterfamilie. Alpenrosengewächse (Rhodöreae). Eine herrliche Zier der Alpenberge bilden die vielbesungenen Alpenrosen (Rhododendron), die mit ihren prächtigen Blüten oft weite Flächen mit leuchtendem Rot überkleiden. Vermöge der außer- ordentlich biegsamen Zweige , die sich dem Boden dicht anschmiegen, können die Sträucher den Druck der mächtigen Schneemassen, die alljährlich monate- lang auf ihnen lasten, wohl ertragen. Und da sie (wie Heidekraut, Preißelbeere u. a.) immergrüne Blätter besitzen , deren Spaltöffnungen infolge be- sonderer Einrichtungen gegen Verschluß durch Feuch- tigkeit geschützt sind, können sie selbst unter den außerordentlich ungünstigen Verhältnissen leben, die auf den Alpenbergen herrschen (kurzer Sommer, in dem die Früchte nicht einmal reifen ; regenreiche Orte; selbst im Sommer oft in Wolken gehüllt und allnächt- lich mit Tau oder Reif beschlagen). Zahlreiche ausländische Alpenrosen zählen gleich den farben- prächtigen Azaleen (Azälea) zu unseren beliebtesten Topfpflanzen.

Fichtenspargel.

1. blühende Pflan- ze mit Wurzel- stock und jünge- ren Trieben.

2. oberirdischer Teil des Stengels z. Z. der Frucht- reife. Der Wind bläst die Samen aus den Kapseln.

120 Taf. 16. 33. Familie. Schlüsselblumen-Gewächse.

33. Familie. Schlüsselblumen-Gewächse (Primuläceae).

Alle Blütenteile 5-zählig. Fruchtknoten 1 -fächerig mit mittelständigem Samenträger und einfachem Griffel. Frucht eine Kapsel.

Die duftende Schlüsselblume (Primula officinalis).*). Taf. 16.

A. Eine Frühlingspflanze. Wenn die Schlüsselblume draußen auf der Wiese oder im Walde wieder blüht, so ist der Frühling endlich da. Die freund- liche Blume ist gleichsam der Schlüssel, der den Himmel des Frühlings mit all' seiner Herrlichkeit öffnet. Daher wird sie auch treffend Schlüsselblume oder Himmelschlüsselchen genannt. „Primel" heißt sie, weil sie ein Erstling unter den Blumen ist (primula ist die Verkleinerung von prima, die erste).

Gleich zahlreichen anderen Pflanzen (Beispiele!) vermag die Schlüsselblume so früh im Jahre zu erscheinen; denn sie ist

1. eine ausdauernde Pflanze, die während des Vorjahres in dem

2. unterirdischen Stamme oder Wurzelstocke (1.) reichlich Baustoffe aufgespeichert hat. Es ist dies ein kurzes, dickes, mit zahlreichen Wurzeln und Blattresten besetztes Gebilde, das sich in jedem Jahre am oberen Ende um ein Stück verlängert und am entgegengesetzten Ende allmählich abstirbt (s. S. 29, 2). Aus den Vorratsstoffen bestreitet die Pflanze die ersten Ausgaben zur Bildung der Blüten und

3. Blätter. Die jungen Blätter (2. und 3.) stehen senkrecht, und ihre Flächen, die an den Blattstielen als Säume herablaufen, sind nach der Unter- seite zu beiderseits eingerollt: Eigentümlichkeiten, in denen wir bereits Schutzmittel gegen das Vertrocknen kennen gelernt haben (s. Roßkastanie und Veilchen).

Eine gleiche Bedeutung hat auch die Runzelung der Blattfläche. WTollen wir Wäsche trocknen, so legen wir sie nicht etwa zusammengeknittert an irgend einen Ort, sondern hängen sie auf, d. h. wir setzen sie vollkommen ausgebreitet den Sonnenstrahlen und der bewegten Luft aus; denn ein feuchter Körper ver- liert umso mehr Wasser durch Verdunstung, je mehr er von der Sonne be- schienen (erwärmt) und von bewegter Luft umspült wird. Da ein gerunzeltes Blatt den Sonnenstrahlen und dem Winde nun eine geringere Fläche darbietet als ein gleich großes, aber vollkommen ausgebreitetes, so wird es unter den- selben Verhältnissen auch weniger Wasser verdunsten als dieses.

Größer geworden breiten sich die eiförmigen Blattfiächen immer mehr aus, die Runzelung verschwindet und die Blätter ordnen sich je nach der Höhe der umgebenden Pflanzen zu einer mehr oder weniger deutlichen Rosette (vgl. mit Reiherschnabel, Wegerich und Löwenzahn!).

B. Von der Blüte. 1. Blütenstand. Aus der Mitte der Blattrosette erhebt sich ein blattloser Stengel (ein sog. Schaft), der am Ende eine Dolde

*) An feuchteren Stellen wächst die ganz ähnliche hohe Schlüsselblume (*. w. n.), die an Stelle der betrachteten Art treten kann.

Schmcil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 16.

Duftende Schlüsselblume (Primula officinalis).

Duftende Schlüsselblume. 121

(s. s. 71) gestielter Blüten trägt. Die Blüten entspringen aus den Achseln winziger Blättchen und sind meist seitwärts oder schräg abwärts geneigt, bo daß Blütenstaub und Honig gegen Regen geschützt sind.

2. Einzelblüte (4. -7.). Der röhrenförmige Kelch endet in 5 Zipfel. In der jungen Blütenanlage waren diese 5 Zipfel zuerst vorhanden; später wurden sie von einem röhrenförmigen Walle emporgehoben, der sich am oberen Kode des Blütenstiels, auf dem sog. lilütenboden, bildete, so daß der Kelch in Beiner jetzigen Form entstand. In derselben Weise bildete sich auch die dottergelbe Blumen- krone. (Solche Gebilde bezeichnet man kurz, aber ungenau als „verwachsen- blättrig". „Verwachsenbluinenblättrige Pflanzen"!) Sie hat die Form einer Langen Röhre, die sich oben glockenförmig erweitert

und in 5 Zipfel gespalten ist. Durch eine kleine, bald in der Mitte, bald im oberen Teile der Röhre liegende Erweiterung ist den 5 Staubblättern, die der Innen- wand der Röhre zu entspringen scheinen, Platz geschaffen. I >a wir nun wissen (s. Seerose und edle Rose), daß die Staubblätter Blattgebilde sind, die stets aus einem Stengel hervorgehen, so können sie an der Blütenröhre auch nicht ihre Entstehung haben. Sie bildeten sich wie Blüfcenffrundrifi der dies von allen Staubblättern gilt auch in der Tat Schlüsselblume.

auf dem Blütenboden, wurden aber von dem röhren- förmigen Abschnitte der Blumenkrone mit emporgetragen,

so daß sie dieser eingefügt erscheinen. Der Stempel besteht aus einem kuge- ligen Fruchtknoten (s. Absch. C), an dessen Grunde der Honig abgesondert wird, einem mehr oder minder langen Griffel und einer knopfförmigen Narbe.

3. Bestäubung, a) Die Bestäuber werden durch den Duft und die leuchtende Färbung der Blüten angelockt. Auf der Innenseite des glocken- förmigen Abschnittes der Blumenkrone finden sich 5 orangefarbene Streifen, die sich nach dem Eingange zur Blütenröhre hinziehen. Ähnliche Zeichnungen finden sich bei zahlreichen anderen Blüten (Beispiele!). Ob sie aber wirklich den Insekten den Weg zum Honig zeigen, wie vielfach angenommen wird, und ob sie daher mit Recht als „Honig- oder Saftmale" bezeichnet werden, ist eine kaum zu entscheidende Frage (warum?).

b) Da der Honig am Grunde einer langen, engen Blütenröhre ab- geschieden wird, sind auch nur die langrüsseligen Hummeln und Falter im- stande, bis zu ihm vorzudringen (vgl. mit Stein-Nelke).

c) In den Weg, der zum Honig führt, sind die Staubblätter und die Narbe gestellt. Sie müssen daher beim Saugen gestreift werden. Die Insekten, denen der Honig zugängig ist, sind infolgedessen auch die Bestäuber der Pflanze. Damit sie sich mit Blütenstaub beladen, öffnen sich die Staubbeutel nach innen.

d) Wie bereits oben erwähnt, sind in den einzelnen Blüten die Griffel von verschiedener Länge und die Staubblätter in verschiedener Höhe der Blüten- röhre eingefügt. In diesen Verhältnissen herrscht nun nicht etwa der Zufall.

122 33. Familie. Schlüsselblumen- Gewächse.

sondern eine bestimmte Gesetzmäßigkeit: Neben solchen Pflanzen, deren sämt- liche Blüten lange Griffel besitzen, und bei denen die Staubblätter in der Mitte der Blumenröhre eingefügt sind (4. und 6.), trifft man andere, bei denen die Griffel kurz sind, die Staubblätter dagegen am oberen Ende der Blütenröhre stehen (5. und 7.). Man unterscheidet daher eine langgriffelige und eine kurzgrif feiige Form der Schlüsselblume.

Um die Folgen dieser „Verschiedengrifflichkeit" (Heterostj'lie) zu erkennen, brauchen wir nur ein Insekt, z. B. eine Hummel, auf dem Fluge von Blüte zu Blüte etwas genauer zu verfolgen. Saugt die Hummel zuerst an einer langgriffeligen Blüte (6.), so muß sie mit dem Kopfe die gerade im Eingang zur Blütenröhre stehende Narbe, mit der Mitte des Rüssels dagegen die Staub- beutel berühren und sich daselbst mit Blütenstaub behaften. Hält die Hummel darauf bei einer kurzgriffeligen Blüte Einkehr (7.), so berührt sie hier umgekehrt mit dem Kopfe die Staubblätter, mit der Rüsselmitte dagegen die Narbe. Da sie nun von der ersten Pflanze an derselben Rüsselstelle Blütenstaub mitgebracht hat, so muß sie eine Bestäubung der 2. Blüte herbeiführen. Fliegt darauf die Hummel, am Kopfe mit Blütenstaub beladen, wieder zu einer langgriffeligen Blüte (6.)j so muß sie diese gleichfalls bestäuben: kurz, sie wird bei fortge- setztem Besuche der Schlüsselblume den Staub von der langgriffeligen Form zur kurzgriffeligen und umgekehrt tragen und damit eine Fremd- (Wechsel-) Bestäubung beider Formen herbeiführen (in der Abb. 4. und 5. durch punk- tierte Linien angedeutet).

Welche Bedeutung hat nun diese seltsame Einrichtung'? Naturforscher haben durch sorgfältige Versuche die Antwort auf diese Frage gefunden: brachten sie Blütenstaub auf die Narbe derselben Blütenform (führe dies näher aus!), so entwickelten sich nur wenige Samen, aus denen (ausgesät) schwächliche Pflanzen hervorgingen; ahmten sie aber die Tätigkeit der Insekten nach, d. h. brachten sie Staub der langgriffeligen Form auf die Narbe der kurzgriffeligen und umge- kehrt, so bildeten sich zahlreiche Samen, aus denen sich kräftige Pflanzen ent- wickelten. Die Verschiedengrifflichkeit ist also eines jener mannig- faltigen Mittel (gib andere an!), deren sich die Natur bedient, die für die Samenbildung günstige Fremd- (Wechsel-) Bestäubung her- beizuführen. (Warum ist bei den Blüten der Schlüsselblume Selbstbestäubung nicht völlig ausgeschlossen? Wann kann sie leicht bei der langgriffeligen Form, wann bei der kurzgriffeligen eintreten?)

Daß Fremd- (Wechsel-) Bestäubung der von der Natur „gewollte" Vor- gang ist, geht auch noch aus einer anderen interessanten Tatsache hervor: Wie das Mikroskop zeigt, ist der Blütenstaub der langgriffeligen Form kleiner als der der kurzgriffeligen; umgekehrt aber hat die Narbe der ersteren Form größere Rauhigkeiten (Narbenhaare) als die der letzteren. Wenn man einer- seits bedenkt, daß die kleinen Staubkörner nur einen verhältnismäßig kurzen, die großen dagegen einen langen Keimschlauch bis zu den Samenanlagen im Fruchtknoten zu treiben haben (s. den letzten Absch. des Buches), so wird

Duftende and hohe Schlüsselblume. Chinesische Primel. Wasserfeder.

123

man es wohl verstehen, daß ihnen die Natur auch eine verschiedene Menge von Baustoff' für diese Schläuche gegeben hat. Und wenn man anderer- seits erwägt, daß die Narbenrauhigkeiten der langgriffeligen Form große Staubkörner, die der kurzgriffeligen dagegen kleine Körner festzuhalten haben, so wird man auch die Bedeutung dieser Verschiedenheit leicht einsehen.

C. Von der Frucht. 1. Die Frucht (Frucht- knoten) ist eine Kapsel (8.), deren Wand aus 5 Fruchtblättern gebildet ist. Durchschneidet man sie senkrecht (5.), so sieht man, daß der ver- längerte Fruchtstiel in den Hohlraum ragt, da- selbst kugelig angeschwollen ist und zahlreiche Samen trägt.

2. Im Schutze des Kelches, der hart und derb wird, reift die Frucht heran. Schließlich öffnet sie sich an der Spitze mit 10 Zähnen und über- läßt es dem Winde, die Samen auszustreuen (9.). Damit letzteres mit Erfolg geschehen kann,

haben sich die Blüten- (Frucht-) Stiele bereits nach dem Verblühen senkrecht emporgerichtet (was würde geschehen, wenn sie ihre ursprüngliche Stellung bei- behielten?), und sie sowohl, als auch der Schaft sind zu festen, elastischen Ge- bilden herangereift: der Fruchtstand ist also eine Schleuder einfachster Alt geworden (vgl. mit Klatschmohn). Die nach oben geöffneten Fruchtkapseln schließen sich bei Eintritt feuchter Witterung, indem sich die Zähne einwärts krümmen (vgl. mit Stein -Nelke). Die kleinen Samen haben gleich denen des Klatschmohns (s. das.) eine rauhe Oberfläche.

Narben und Blütenstaub der Schlüsselblume: kg. F. von der

kurzgriffeligen, lg. F. von der

langgriffeligen Form. (Narben

etwa 20 mal, Blütenstaub

300 mal vergr.)

Andere Schlüsselbluinen-<j!ewächse.

Mit der duftenden Schlüsselblume stimmt die hohe Seh. (P. elätior) in allen Stücken überein. Sie wächst jedoch auf feuchterem Grunde, ist etwas größer als jene und besitzt geruchlose, schwefelgelbe Blüten, deren Blumenkronen im vorderen Abschnitte nach ausgebreitet sind. Von ihr stammt die buntblütige Garten -Primel ab. Die dickblättrige G a r t e n - A u r i k e 1 , die in einer noch viel größeren Anzahl von Farbenspielarten gezogen wird, ist der Abkömmling eines Bastards (s. S. 97), der durch Kreuzung zweier Alpen-Primeln entstanden ist. Eine allgemein bekannte Topfpflanze ist die chinesische Primel (P. sinensis). Über den Spiegel stehender Gewässer hebt die Wasserfeder (Hottönia palustris) ihre weißen, oft rosenrot angehauchten Blüten empor, die zn weithin sichtbaren Trauben gehäuft und wie die erwähnten Schlüssel- blumen-Arten „verschieden-grifflig" sind. Da die prächtige Pflanze unter denselben Be- dingungen wie der Wasser-Hahnenfuß (s. S. 5) wächst, so finden wir bei ihr auch einen schwachen Stengel mit großen Lufträumen und tiefzerteilte Blätter (Name!). Sobald die kalte Jahreszeit eintritt, sinkt das zarte Gewächs in die frostfreie Tiefe; versiegt

124 34. Farn. Grasnelken. 35. u. 36. Fam. Ölbaum- und Enziangewächse,

das Wohngewässer, so bildet es eine Landform mit kurzen Stengelgliedern und steiferen Blättern. Unter der Saat und auf Brachäckern wächst, der Vogelmiere sehr ähnlich (ri-ote Miere"), der Ackergauchheil (Anagällis arvensis). Seine kleinen, meist ziegel- roten Blüten schließen sich nachts und werden zugleich nickend (Bedeutung V). Die Pracht ist eine zierliche, kugelförmige Kapsel, deren obere Hälfte sich bei der Reife wie ein Deckel ablöst. Auf feuchten Wiesen, in Straßengräben und an ähnlichen Orten entfaltet das Pfennigkraut (Lysimachia nummuläria) seine großen, gelben Blüten. Die Blätter stehen sich zu je 2 gegenüber, und je 2 aufeinander folgende Paare bilden ein Kreuz. Da nun der schwache Stengel dem Boden (zumeist) dicht aufliegt, so müßte stets eines von je 4 Blättern abwärts gerichtet sein. Das ist jedoch nicht der Fall. Das betreffende Stengelglied macht nämlich eine halbe Drehung um seine Längsachse, so daß auch dieses Blatt emporgehoben wird. Übrigens stellen sich auch alle Blatt- stiele senkrecht zum liegenden Stengel, und die rundlichen Blattrlächen (Name!) sind wagerecht gelagert : alles Einrichtungen, die eine möglichst vollkommene Ausnützung des belebenden Sonnenlichts ermöglichen. Der nächste Verwandte des Pflänzchens ist der oft mehr als meterhohe Gilbweiderich (L. vulgaris), der an Flußufern, in Weidenbe- ständen (Name!) und an anderen nassen Stellen gedeiht. Einen prächtigen Schmuck feuchter Wälder und schattiger Matten der Voralpen bildet das Alpenveilchen (Cyclämen europ&um), das mit anderen Arten seines Geschlechts eine unserer beliebtesten Topf- pflanzen geworden ist. Aus dem scheibenförmigen Knollenstamme („Erdscheibe") er- heben sich schöngeformte, weißgefleckte und unterseits rote Blätter (vgl. mit Wiesenklee und Seerose), sowie zahlreiche nickende, rote Blüten von zierlichem Bau und lieb- lichem Duft.

Ein Glied der nahe verwandten

34. Familie der Grasnelken (Plumbaginaceae)

ist die gemeine Grasnelke (Armeria vulgaris), eine allbekannte Pflanze trockener Gras- plätze und anderer derartiger Orte. Daher finden wir bei ihr wie bei der überaus äbnlichen Steinnelke (Name!) eine sehr tiefgehende Wurzel (beobachte daraufhin besonders Pflanzen, die in trockenstem Sande wachsen !) und schmale, grasartige Blätter. Die kleinen, rosa- farbenen Blüten (beschreibe sie!) sind zu ansehnlichen Köpfen gehäuft, die von je einem hohen Blütenschafte über die Umgebung emporgehoben werden (Bedeutung?). Unterhalb des Köpfchens stehen einige Hüllblättchen, deren obere Abschnitte die Blüten vor dem Entfalten wie ein Kelch schützend umgeben und deren untere Abschnitte zu einer häutigen Scheide verwachsen sind. Untersucht man einen jungen Blütenschaft, so findet man, daß er allein unter der Scheide noch weich und zart ist, hier also fortgesetzt wachsen, und somit den Blütenkopf emporheben kann: die Scheide giebt sich demnach als ein Schutzgebilde ohne weiteres zu erkennen. Der trichterförmige Kelch bleibt an der Frucht sitzen und bildet einen kleinen Fallschirm, der die Verbreitung der Pflanze durch den Wind (hoher, elastischer Schaft !) befördert.

35. und 36. Familie. Ölbaum- und Enziang-ewächse. (Oleaceae

und Gentianäceae.)

1. Ölbaumge wachse. Der Flieder (Syringa vulgaris), hier und da

fälschlich auch Holunder genannt (s. das.), hat sich als überall beliebter

Schmuckbaum vom südöstlichen Europa aus über alle wärmereu und

Andere Schlüsselblumen-Gewächse. Grasnelke. Flieder. Liguster. Esche. Ölbaum. 125

gemäßigten Länder unseres Erdteils verbreitet. Irn warmen Süden stellen die Saugwurzeln mit Beginn der kälteren Jahreszeit ihre Tätigkeit nicht ein, so daß der Baum dort das ganze Jahr hindurch seine großen, herzförmigen Blätter behält (vgl. S. 91). Die lilafarbenen, rötlichen oder weißen Blüten (beschreibe sie!) sind an sich zwar klein; da sie aber zu großen Sträußen ge- häuft sind, einen angenehmen Duft aushauchen und im unteren Teile der engen Bliitenröhre oft mehrere Millimeter hoch mit Honig aD gefüllt sind, werden sie fleißig von Insekten besucht. An dem durch das Saugen klebrig werdenden Kassel tragen die Besucher den Blütenstaub von Blüte zu Blüte (Staubbeutel und Narbe stehen im Zugange zum Honig). Bleibt Insektenbesuch aus, dann fällt der Staub auf die unter den Beuteln stehende Narbe, so daß Selbst- bestäubung eintrit. Die Frucht ist eine Kapsel. Sie öffnet sich bei der Reife mit 2 Klappen, so daß der Wind die Samen ausstreuen und verwehen kann. Letzteres geschieht umso eher, als die Samen sehr leichte, flachgedrückte Gebilde darstellen, die zudem noch von einem Flügelrande umgeben sind (vgl. mit Spitzahorn). Häufiger jedoch als durch Samen pflanzt sich der Baum durch Schößlinge fort, die sich meist in großer Zahl aus dem Wurzelstocke erheben und ein dichtes Gebüsch bilden.

Noch stärker tritt diese Art der Vermehrung beim Liguster oder der Kaimveide (Ligiistrum vulgare) in die Erscheinung, so daß sich die Pflanze vortrefflich zur Anlage ^lebender Hecken" eignet. Die weidenartigen Blätter (Name!) sind etwas lederartig. Infolgedessen überdauert an jedem Strauche stets eine Anzahl von ihnen selbst den kältesten Winter (vgl. mit Efeu). Aus den weißen Blüten, die nach Bau und Häutung denen des Flieders gleichen, entwickeln sich schwarze Beeren, die für zahlreiche Vögel in der kalten Jahreszeit eine willkommene Speise bilden (vgl. mit Weinheere).

Die Esche (Fräxinus excelsior) findet sich in Wäldern und Anlagen oft als ein mehr denn 30 m hoher Baum mit mächtiger Krone. Sie besitzt unpaarig gefiederte Blätter, deren Hauptstiel auf der Oberseite eine deutliche Rinne bildet. Nur da, wo die Fiederblätter ontspringen, ist die Rinne geöffnet. Hier tritt das von den Fiederblättern aufgefangene Regenwasser in die Rinne, woselbst es von haar- und schildförmigen Zell- gruppen aufgesogen wird. Die Bestäubung der Pflanze wird wie bei den meisten Wald- bäumen durch den AVind vermittelt (s. Haselnuß). Daher blüht die Esche auch vor der Entfaltung des Laubes und besitzt sehr einfach gebaute Blüten (beschreibe sie!), die entweder nur einen Stempel oder 2 Staubblätter oder beide Blütenteile zugleich ent- halten. Der Wind besorgt auch die Verbreitung der flachen, geflügelten Früchte. Eine Spielart der Esche ist die bekannte Traueresche, die wir als ein Sinnbild der Trauer (hängende Zweige!) gern auf die Ruhestätten der Toten pflanzen.

Eines der wichtigsten Gewächse der Mittelmeerländer ist der Öl- oder Oliven- batUD (Olea europiea), der besonders in den Küstengegenden oft weite Strecken bedeckt, Er erreicht ein außergewöhnlich hohes Alter und ähnelt mit seinem oft hohlen Stamme, den sparrigen Asten und schmalen Blättern einem Weidenbaume im hohen Grade. Da er aber alljährlich eine lange Sommerdürre zu überstehen hat, ist sein immergrünes Laub lederartig (s. Orange) und ein zweites wichtiges Schutzmittel gegen zu starke Wasserdampfabgabe besonders unterseits dicht mit schuppent'örinigen Haaren bedeckt. Gleich der Ölweide (Eheägnus), die bei uns vielfach als Ziergehölz angepflanzt wird.

126 35. u. 36. Pam, Ölbaum- u. Enzian-Gewäcl

37. Farn. Windengewächse.

erscheint der Ölbaum daher grau belaubt, so daß den Olivenhainen das belebende Grün unserer Wälder fehlt. Die Blüten gleichen nach Färbung, Bau und Häufung ganz denen

des Ligusters. Die pflau- menähnlichen Steinfrüch- te sind in allen Teilen außerordentlich ölreich. Sie liefern das wertvolle Oliven- oder Baumöl. Die besseren Ölsorten, unter denen wieder das Pro- venceröl hervorragt (so genannt, weil besonders in der Provence gewon- nen), erhält man durch gelindes Pressen der ent- steinten Früchte. Sie dienen besonders als Speiseöle. Die geringe- ren Sorten, die man durch Auspressen der ganzen Früchte gewinnt, werden zur Herstellung von Seifen oder als Brenn- und Schmieröle verwen- det. Auch das feste, schön geäderte und poli- turfähige Olivenholz wird hoch geschätzt (Spazier- stöcke und andere Drechslerarbeiten). Es ist daher nicht zu ver- wundern , daß ein so wichtiger Baum in den Mittelmeerländern be- reits seit dem grauen Altertume (Juden, Grie- chen) in hohem Ansehen steht. Ein aus seinen

Zweigen geflochtener

Kranz war der Lohn

des Siegers in den Olym-

Sinnbild des Friedens

Blühender Zweig vom Ölbaume. Daneben eine geöffnete Frucht (nat. Gr.)

;ilt der Ölzweig als ein

pischen Spielen , und noch heute (Taube Noahs).

2. Enziangewächse. Die zahlreichen Enzianarten (Gentiäna), die zumeist prächtig blaue Röhrenblüten besitzen, sind vorwiegend Gebirgspflanzen. Besonders für die Alpenmatten bilden sie eine herrliche Zier. Die Wurzeln der Arten, die einen wirksamen Bitterstoff enthalten, werden in der Heilkunde und zur Bereitung des Enzian-

Enzian. Tausendgüldenkraut. Immergrün. Oleander. Brcchnnßhanm. Ackerwinde. 127

Branntweins verwendet. Auf sonnigen, sandigen Triften und an ähnlichen Orten ent- faltet das Tausendgüldenkraut (Krythrsea centaurium) seine zierlichen, rosafarbenen Blüten, die sich abends zum „Schlafe" schließen (Bedeutung?). Da alle Teile der Pflanze stark bitter schmecken (Schutzmittel gegen Weidetiere), finden sie eine ahnliche Ver- wendung wie die Enzianwurzeln.

3. Glieder nahe verwandter Familien. Am Boden lichter Wälder kriecht das Immergrün (Vinca minor) dahin. Das blaublühende Pflänzchen, das auch häufig an schattigen Stellen der Gärten angepflanzt wird, hat wie der Efeu (s. das.) immergrünes (Name !), lederartiges Laub. Gleiche Blätter (s. Orange) hat auch der Oleander (Neriuni Oleander). Dieser aus Südeuropa stammende, rotblühende Zierstrauch enthält in allen Teilen ein scharfes Gift. Weit stärker allerdings ist das Gift, das aus den Samen des ostindischen Brechnnjbaums (Strychnos nux vömiea) gewonnen wird. In größeren Gaben dient das „Strychnin" zur Vertilgung von Raubtieren, Mäusen und anderen Schädlingen, in kleinen Gaben dagegen ist es ein wichtiges Heilmittel.

37. Familie. Windengewächse (Convolvuläceae).

1. Die Ackerwinde (Convülvulus arvensis).

1. Ein windendes Unkraut, a) Die Ackerwinde findet sich als lästiges Unkraut überall auf Äckern (Name!) und in Gärten, wächst ebenso gern aber auch an Wegen, auf Schutthalden und an ähnlichen Stellen.

b) Dir dünner, weitverzweigter unterirdischer Stamm (Wurzelstock) durchzieht den Boden sehr tief und sendet in noch tiefere Erdschichten lange Wurzeln hinab. Infolgedessen vermag die zarte Pflanze selbst auf dürrem Grunde zu leben und ist außerordentlich schwer auszurotten.

c) Aus dem Wurzelstocke erheben sich zahlreiche Stengel. Da sie sehr lang und schwach sind, vermögen sie weder die eigene Last, geschweige denn die der Blätter, Blüten und Früchte zu tragen. So lange die Winde von Nachbargewächsen nicht beschattet wird (an Wegen und ähnlichen Orten), bleibt der Stengel daher ohne Nachteil für die Pflanze am Boden liegen. Sobald dies aber geschieht, sucht sie genau wie die Bohne (s. S. 101) durch Umwinden (Name!) fremder Gegenstände zum Lichte emporzudringen. Dann entfaltet sie auf an- gebautem Boden ihre ganze Schädlichkeit: sie umstrickt die Nutzpflanzen, zieht das Getreide zum Boden herab und verhindert die Halme, die sich infolge eines heftigen Regengusses „gelagert" haben, sich wieder aufzurichten. (Diwiefern bedingt dies eine Schädigung der angebauten Pflanzen?)

d) Bei gleichmäßiger Belichtung sind die pfeilförmigen Blätter auch gleichmäßig um den windenden Stengel geordnet; bei ungleichmäßiger dagegen ist die Blattstellung mannigfach gestört. Dasselbe gilt auch für die Blätter an solchen Stengeln, die wagerecht am Boden liegen. Da sie nur von oben belichtet werden, haben sich die langen Blattstiele alle senkrecht gestellt, so daß die Blattflächen in einer Ebene liegen (vgl. S. 44, c). (Bringe den Stengel aus der ein- genommenen Lage und beobachte, wie auch die Blätter ihre Stellung ändern!)

2. Von der Blüte und der Frucht, a) Die langen Blütenstiele, die aus

12*

Taf.

37. Familie. Windengewächse.

den Blattwinkeln entspringen, machen oft merkwürdige Krümmungen, um die Blüten aus dem Blattgewirr herauszuheben (Bedeutung?). Sie tragen deren 1—3 und ebensoviele Paare winziger Nebenblättchen, die weit unter dem kurzen,

fünfzipfeligen Kelche stehen (vgl. dag. Zaunwinde). Die große, trichter- förmige Blumenkrone, die im Knospenzustande in Falten gelegt und zusammengedreht ist,lockt durch bunte Färbung (gib sie näher an !) und zarten Duft zahlreiche Insekten her- bei. Den Besuchern ist jedoch der Honig, der von einem orangefarbenen Polster unter dein Fruchtknoten abgeschieden wird, nicht ohne weiteres zugängig. Die Fäden der 5 Staub- blätter sind nämlich am unteren Teile, da wo sie mit der Blumenkrone verwachsen sind, so stark verbreitert und legen sich weiter oben so dicht an den Griffel, daß nur 5 enge Zugänge zum Honig vorhanden sind. An den zusammenstoßenden Seiten- wäuden sind sie aber mit kleinen Stacheln besetzt, vor denen die Insekten ihren empfindlichen Rüssel wohl in acht nehmen. Wollen die Tiere Honig saugen, so müssen sie mithin den Rüssel durch eine jener Öifnungen stecken. Dabei muß sich aber wenigstens jedes größere Insekt mit Blütenstaub beladen; denn die violetten Staubbeutel öffnen sich nach außen. Streift das Tier den anhaftenden Staub beim Verlassen der Blüte an einem der beiden großen und weit ge- spreizten Narbenäste ab, so muß Selbstbestäubung erfolgen. Geschieht dies erst beim Besuch einer zweiten Blüte, so tritt Fremdbestäubung ein.

b) Gegen Abend (bestimme die Zeit für deinen Wohnort näher!) begibt

Blüte der Ackerwinde (2

1 vergr.)

wieder die Knospenlage einnimmt, und, da sie jetzt keinen Besuch mehr „wünscht'', hört sie auch auf zu duften. Bei Regenwetter öffnet sich die Blüte gar nicht (Bedeutung?).

c) Die Frucht ist eine Kapsel, die sich bei der Reife mit 2 Klappen öffnet. Der Wind schüttelt die Samen aus.

Verw a nute. Die Zaunwinde (C. sepinni) umspinnt besonders an feuchten Orten Büsche und Zäune in dichtem Gewirr. Sie ähnelt der Ackerwinde in allen Stücken, ist von ihr u. a. aber leicht durch die großen Nebenblätter zu unterscheiden, die unmittelbar unter dem Kelche stehen. Ihr Hauptbestäuber ist der schmucke Winden- schwärmer. Daher ist wie bei allen Falterblumen (s. Steinnelke) auch bei ihr der Honig in einer tiefen Blütenröhre geborgen, die Blüte also weit größer als bei jener Art.

Schmal, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 17.

Hopfenseide (Cuscuta europaea).

Acker-, Zaun- und Purpurwindo. Batate. Hopfenseide. 121*

Da der Windenschwärmer erst mit Eintritt der Dämmerung zu fliegen beginnt, besitzt die Blüte wie alle Nachtfalterblumen (vgl. mit Leimkraut) eine Färbung (schneeweiß), die selbst im Dunkeln auffällig ist, und sie schließt sich auch von ganz finsteren Nächten abgesehen im Gegensatz zu der der Ackerwinde nicht. Die Winde, die wir gern zur Bekleidung von Lauben u. dgl. verwenden, und die uns durch prächtige, wechselvolle Blütenfarbe erfreut, ist die Purpurwinde (C. oder Ipomüsa purp Urea). Sie stammt aus Nordamerika. Ein Windengewächs ist auch die Batate oder süße Kar- toffel (Ipomüea batätas), deren stärkemehlhaltige Wurzelknollen in allen Tropenländern ein wichtiges Nahrungsmittel bilden.

2. Die Hopfenseide (Cüscuta europäVa). Tafel 17.

Das Dickicht, das vom Hopfen, von Weiden und Brennesseln (1.) gebildet wird, findet man nicht selten wie mit zahlreichen, unentwirrbaren, blaßroten Fäden (,,Seide") umsponnen. Bei näherem Zusehen erkennt man, daß diese Fäden Pflanzenstengel sind, die zahlreiche Knäuel kleiner Blüten (2.) tragen (vgl. die Blüten mit denen der Winde!), aber der Blätter und selbst des Blatt- grüns (bis auf geringe Spuren) entbehren. Das ist die seltsame Hopfenseide, die im Volksmunde treffend auch „Teufelszwirn" genannt wird. Nun ist aber das Blattgrün derjenige Körper (s. den letzten Absch. des Buches), in dem unter Einwirkung des Sonnenlichts aus Wasser, den aus dem Boden entnommenen Salzen und der Kohlensäure der Luft alle die Stoffe (Stärke, Zucker, Zellstoff u. s. w.) bereitet werden, aus denen sich die Pflanze aufbaut. Da die Hopfen- seide — wie erwähnt des Blattgrüns entbehrt, so ist sie auch nicht imstande, die zum Aufbau und Leben nötigen Stoffe selbst herzustellen. Sie ist daher genötigt, sie anderswo herzunehmen. Zu dem Zwecke bilden sich an dem fadenförmigen Stengel zahlreiche kleine Anschwellungen, die sich dem Stengel der Wirtspflanze eng anschmiegen. (In Fig. 3 einem Brennessel-, in 4 einem Hopfenstengel; 4 etwa 10 mal vergr.) Aus der Mitte dieser Gebilde erhebt sich je ein kleiner Zapfen, der die Rinde der Wirtspflanze durchbricht und bis zum Holzkörper derselben vordringt. Mit Hilfe dieser „Saugwärzchen" entzieht die Hopfenseide wie mit ebensovielen Schröpfköpfchen den befallenen Pflanzen alle zum Leben und Wachstum nötigen Stoffe: sie nährt sich also auf Kosten anderer Wesen; sie ist ein Schmarotzer (Parasit). Dieser Lebensweise ent- sprechend entbehrt sie auch der Wurzeln, wie sie andere Pflanzen besitzen, und fügt den befallenen Gewächsen großen Schaden zu. Ja, es ist nichts Seltenes, daß sie die Ernte von Hopfen- und Hanffeldern ganz oder teilweise vernichtet. Hat der Schmarotzer bis zum Herbst auf Kosten seines Wirtes ge- lebt, dann stirbt er ab.

Wie aber kommt er im nächsten Jahre wieder auf andere Pflanzen? Die Antwort auf diese Frage erhalten wir leicht, wenn wir im Frühjahre einige im Herbst gesammelte Samen auf feuchtgehaltener Erde aussäen. Schon nach einigen Tagen sehen wir, wie aus der zersprengten, braunen Samenhülle der faden- förmige Keimling hervortritt und ein kleines Stück in den Boden wächst (5 a.). (Der Hopfenseide fehlen also die bei allen Pflanzen der Klasse vorhandenen

Schmeil, Lehrbuch der Botanik. o

130 Taf. IS. 38. Familie. Rauhblättrige Gewächse,

beiden Keimblätter. Dasselbe gilt auch für die anderen Arten der Gattung.) Nach wieder ein paar Tagen (b. und c.) hat der Keimling bereits die Samenhülle abgeworfen und sich zu einem fadenförmigen Körper entwickelt, dessen oberes Ende sich wie die Ranke des Weinstocks (s. das.) langsam im Kreise bewegt: der Keimling „sucht" eine Wirtspflanze. Hat er sie gefunden (d.), so ist sie auch alsbald umschlungen. Indem sein unterer Teil nunmehr abstirbt, entwickelt sich der obere zum Schmarotzer, wie wir ihn kennen gelernt haben. Gelingt es dem Keimling nicht, eine Wirtspflanze zu ergreifen, dann geht er da er nicht selbst Blätter treibt und Baustoffe bereitet nach einiger Zeit zu Grunde. Da dieser Fall sicher nun sehr oft eintritt, so wird uns auch die außerordentlich große Anzahl der Blüten und die noch weit größere Menge der Samen ver- ständlich, welche die Hopfenseide hervorbringt; denn je größer die Anzahl der Samen ist, desto größer ist für die Pflanze auch die Möglichkeit, ihre Art zu erhalten (vgl. mit tierischen Schmarotzern, z. B. dem Bandwurm!).

Die nächsten Verwandten der Hopfenseide sind ihr überaus ähnliche Schmarotzer. In Klee- und Luzernefeldern richtet die Kleeseide (C. epithymum) oft großen Schaden an, und Flachsfelder werden von der Flachsseide (C. epilinum) nicht selten gänzlich verwüstet, Durch Abbrennen oder Abmähen der befallenen Pflanzen, bevor der Schmarotzer noch Samen angesetzt hat, läßt sich dem Übel allein Einhalt tun.

38. Familie. Rauhblättrig-e Gewächse (Asperifoliäceae).

Meist rauhhaarige Pflanzen. Kelch, Blumenkrone und Staubblätter 5 -zählig. Frucht eine in 4 Teilfrüchtchen zerfallende Spaltfrucht.

Die Schwarzwurz (Symphytum ofücinäle). Tafel 18.

A. Standort und Wurzel. Die Schwarzwurz ist auf nassen Wiesen, sowie an den Ufern der Gräben und Bäche überall häufig anzutreffen. Da die Pflanze also auf lockerem Boden wächst und zudem nicht selten die Höhe von 1 m erreicht, so muß sie im Untergrunde sicher „verankert" sein. Darum setzt sich auch der kurze, unterirdische Stamm oder Wurzelstock (d. i. der mit Blättern und Blattresten besetzte obere Teil des im gewöhnlichen Leben ungenau als „Wurzel" bezeichneten Gebildes) in eine tiefgehende, spindel- förmige Wurzel fort. Bei älteren, großen Pflanzen strahlen an der Stelle, an der der Stamm in die Wurzel übergeht, meist noch starke Seitenwurzeln aus, die gleichfalls ziemlich senkrecht in den Boden hinabsteigen (vgl. mit einem Fahnenmaste, der im Boden steckt und noch durch Taue gehalten wird!). Die unterirdischen Teile sind außen schwarz gefärbt (Schwarzwurz!) und wurden früher für ein Heilmittel bei Knochenbrüchen gehalten. Dieser Verwendung verdankt die Pflanze auch den Namen „Beinwurz".

B. Stengel und Blätter. Aus dem unterirdischen Stamme erheben sich ein Büschel (grundständiger) Blätter und ein oder mehrere verzweigte Stengel, die gleichfalls Blätter tragen (1.).

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 18.

n

Schwarzwurz (Symphytum officinale).

Klee- um] Flachsseide. Schwarzwurz. 131

I. Belichtung. Obgleich die Stengelglieder nach oben bin immer kürzer werden, die Blätter also Daher beieinander stehen als am unteren Stengelabschnitte, werden doch sämtliche Blätter des zum Leben notwendigen Sonnenlichts teil- haftig; denn

a) sie nehmen von unten nach oben an Größe (Länge, Breite! gib die Blattform näher an!) allmählich ab.

li) Die grundständigen- und unteren Stengelblätter sind gestielt. Die oberen Stengelblätter dagegen entbehren der Stiele: sie sind „sitzend'-.

c) Bindet man um den Stiel eines der unteren Stengelblätter einen Faden, den man zum zweiten, dritten Blatt u. s. w. führt, BO sieht man, dal) die Blätter in einer Schraubenlinie am Stengel stehen.

•2. Wasser abl ei tnng. Träufelt man auf die Blätter eines abgeschnit- tenen Stengels Wasser, so fließt es von wenigen Tropfen abgesehen am unteren Stengelende in einem starken Strome ab. Die Wasserableitung ist also wie beim Raps eine nach innen gerichtete, eine „centripetale", und entspricht der Richtung der mit Saugwurzeln besetzten Wurzel (s. S. 88, c). Bedingt wird diese Art des Wasserabflusses durch folgende Einrichtungen:

a) Die Blätter stehen am Stengel schräg aufwärts.

b) Sie besitzen gleich den Blattstielen (soweit solche vorhanden sind) die Form von Rinnen. Bei den grundständigen und unteren Stengelblättern ist die äußere Hälfte der Blattfläche meist abwärts gebogen. Die auf diesen Abschnitt der Blätter fallenden Regentropfen werden daher nicht der Wurzel zugeführt.

c) Die Blattflächen setzen sich in die Blattstiele fort und laufen wie bei den sitzenden Blättern in Form zweier Säume an dem Stengel herab, so daß dieser „geflügelt" erscheint. Die Säume verhindern ein Abspringen der Wassertropfen und leiten sie am Stengel herab.

3. Behaarung. Alle grünen Teile sind dicht mit stacheligen Borsten- haaren bedeckt, so daß sich die Pflanze sehr rauh anfühlt („Rauhblättrige Ge- wächse-'). Wie sich leicht feststellen läßt, sind die Borsten mehr oder weniger rückwärts dem Boden zu) gerichtet und wie schwache mikroskopische Ver- größerung zeigt von doppelter Form: neben sehr großen, mehr geraden finden sich kleinere von der Gestalt eines Gemskorns (Fig. 2: Stück aus der Oberhaut des Stengels bei etwa 70facher Vergr.). Da die Wände aller Borsten reichlich Kieselerde enthalten, sind sie sehr hart und ihre Spitzen scharf und stechend.

Hieraus läßt sich schon erkennen, welche Bedeutung die Borsten für die Pflanze haben: wenn die größeren von ihnen selbst in die Haut unserer Hände einzudringen vermögen, wie viel mehr müssen sie die zarte und empfindliche Mund- schleimhaut der Tiere verletzen, die das rauhe Gewächs verzehren wollen! Unsere größten Pflanzenfresser, Rind und Pferd, lassen sich durch den Borsten- besatz freilich nicht zurückschrecken ; anders jedoch die gefräßigen Schnecken. Setzt man eine Garten- oder Weinbergschnecke auf den Stengel der Pflanze, so

132 38. Familie. Raubblättrige Gewäcbse.

dringen die langen, scharfen Borsten, die infolge ihrer Sichtung dem Tiere wie Lanzenspitzen entgegenstanden, in die weiche „Kriechsohle", und die gemshorn- artigen mögen nicht unempfindliche Wunden reißen! Das Tier bewegt sich daher sehr unbeholfen fort, zieht bei jeder Berührung mit einer Borste die Fühler ein und verläßt den gefahrvollen Boden, sobald sich ihm die Möglichkeit dazu bietet. Ganz ähnlich verhalten sich die Schnecken, wenn man ihnen die Pflanze als Futter vorsetzt: sie vermögen dem stacheligen Gewächs nicht recht beizukommen. Schneidet man aber von einem sonst unverletzten Blatte ein Stück ab, so wird es sofort verzehrt, weil man den Tieren einen Angriffspunkt geschaffen hat. Dasselbe ist an Blatt- oder Stengelteilen zu beobachten, die vorher in einem Mörser zerrieben wurden : ein deutlicher Beweis, daß nur die Borstenhaare es sind, welche die Schnecke abhalten, an der Pflanze emporzukriechen und sie zu ver- zehren. In den Borstenhaaren haben wir also wichtige Sc hu tzw äffen der Pflanze vor uns. (Stelle mit anderen rauhblättrigen Gewächsen dieselben Ver- suche an!)

C. Blüte und Frucht. 1. Blütenstand (1.). Die zahlreichen kurzge- stielten Blüten stehen in einer Traube, die anfänglich etwas spiralig eingerollt ist („Wickeltraube"). Daher müssen die Blüten auch alle nach einer Seite des Hauptblütenstiels (nach welcher?) gerichtet sein. In dem Maße, in dem sich die Blüten entfalten, rollt sich auch die Traube auf. Da immer nur einige Blüten geöffnet sind, währt das Blühen eine lange Zeit. Infolgedessen werden selbst bei ungünstigster Witterung sicher einige Blüten von Insekten besucht und bestäubt, so daß die oberirdischen Teile der Pflanze im Herbste nicht ab- sterben, ohne eine Anzahl von Samen (Nachkommen !) gebildet zu haben.

2. Einzelblüte (3.). a) Die geöffnete Blüte ist nach unten geneigt, so daß der leicht verderbende Blütenstaub gegen Befeuchtung wohl geschützt ist. Ein kurzer, fünfzipfeliger und rauhhaariger Kelch umschließt die glockenförmige Blumenkrone, die sich im vorderen Abschnitte etwas erweitert, in 5 zurück- gebogene, kleine Zipfel endigt und bald gelblich-weiß (4.), bald rosa bis fast violett gefärbt ist. Und zwar findet sich die purpurne Färbung nur an der sichtbaren Außenseite, soweit sie nicht vom Kelche verdeckt ist (Bedeutung? vgl. mit Blüten, bei denen die Innenseite der Blumenkrone sichtbar ist!).

b)Von der Unterlage des Fruchtknotens (s.Absch. 3) wird der Honig abgeschieden. Da der Griffel sehr lang ist, ragt die Narbe weit aus dem Eingange der Blütenglocke hervor. Sie wird daher von einem anfliegen-

„.... -, .0 1 den Insekt zuerst berührt (Fremdbestäubung). DieöStaub-

Blutengrundriß der , ' , .,_, _

Schwarzwurz. blattet sind mit der Blumenkrone verwachsen (s. S. 121, 2). Ihre Beutel sind nach innen geneigt und bilden einen Kegel, dessen Spitze von dem Griffel durchbrochen wird. Sie öffnen sich bereits in der Knospe, und zwar nach innen, so daß ein Teil des Blütenstaubes in die Spitze des Kegels fällt.

Schwarzwurz. Lungenkraut. 133

c) Würde ein Insekt den Rüssel zwischen den Staubfäden hindurch zum Honig senken, so könnte es sich nicht mit Staub beladen ; der Honig würde also nutzlos verloren gehen. Um dies zu verhindern, ist eine sehr interessante Einrichtung getroffen : An der Stelle, an der sich die Blumenglocke erweitert, springt ihre Wand in Form von 5 Hohlschuppen nach innen vor, die sich wie eine Kuppel als ein zweiter Kegel über die Staubbeutel legen. (Vgl. die Schuppen mit Handschuhfingern! Die Öffnungen der „Handschuhfinger" sind außen an der Blütenröhre als Eindrücke sichtbar.) Da nun die Schuppen- wilnde mit harten, stacheligen Spitzen besetzt sind (streiche an ihnen mit einer Nadel entlang!), hüten sich die Insekten wohl, diese gefährlichen Gebilde zu berühren, also zwischen den Staubfäden hindurch zum Honig vorzudringen. Sic führen den Rüssel vielmehr an der Spitze der Kuppel ein. Dabei müssen sie aber die Staubbeutel auseinanderdrängen, so daß ihnen etwas von dem Blüten- stäube auf den Kopf fällt. (Ahme die Tätigkeit der Insekten mit Hilfe eines spitzen Hölzchens nach!) Infolge der Anwesenheit der Schuppen wird also nur langrüsseligen Insekten (gewissen Hummeln und Bienen), die den Pflanzen einen Gegendienst (welchen?) leisten können, der Honig zugänglich. Mit der Art der Bestäubung hängt es auch innig zusammen (Beweis!), daß die Pflanze trockenen, mehlartigen Blütenstaub und hängende Blüten besitzt.

d) Sehr häufig findet man die Blumenkrone von der kurzrüsseligen Erd- hummel angebissen, die- den süßen Saft auf „ungesetzlichem" Wege zu erreichen sucht. Diese Löcher benutzt auch die Honigbiene, um zu saugen (4.).

3. Frucht, a) Nach einiger Zeit fällt die Blumenkrone ab. Da sich nun wie oben bemerkt der Hauptblütenstiel weiter aufrollt, so wird der übrig bleibende Kelch mit emporgehoben. Ist die Blüte aber vorher bestäubt worden, so wird der Kelch durch Krümmung seines Stielchens wieder nickend. Gleichzeitig wächst er kräftig weiter und seine Zipfel legen sich zusammen, so daß er zu einem Schutzdache für die sich entwickelnde Frucht wird (5.). Ist die Frucht gereift, so daß sie sich von der Mutterpflanze trennen muß, so biegen sich auch die Kelchzipfel wieder auseinander (6. im Durchschnitt gez.).

b) Der Fruchtknoten ist bereits während des Blühens durch tiefe Spalten in 4 Teile geschieden, aus deren Mitte sich der Griffel erhebt. Indem die Teilung immer vollkommener wird, entwickelt sich die Frucht, die also eine Spaltfrucht darstellt, zu 4 Teilfrüchtchen. Diese enthalten je einen Samen, sind also Schließfrüchte oder Nüßchen (s. S. 10, 3). Die glänzend schwarzen Gebilde sind am Grunde ausgehöhlt und besitzen daselbst einen weißen, fleischigen Anhang (7.). Ob der Anhang wie der am Samen des Veilchens (s. das.) von Ameisen verzehrt wird, also der Verbreitung der Pflanze dient, ist mit Sicher- heit nicht erwiesen.

Andere rauhblättrige Gewächse.

Im schattigen Laubwalde erschließt das Lungenkraut (Pulmonäria officinälis) als eine der ersten Frühlingspflanzen seine anfänglich roten, später blauen Blüten, die gleich denen der Schlüsselblume (s. das.) verschieden lange Griffel besitzen. Wie zahl-

134 Taf. 19. 38. Fam. Rauhblättrige Gewächse. 39. Farn. Nachtschattengewächse.

reiche andere Waldpflanzen (s. S. 7, b. und c.) ist das Lungenkraut ein zartes Gewächs mit großen Blättern und im Gegensatz zu den Trockenlandpflanzen der Familie (s. w. u.) nur gering behaart. Die Blätter, die früher für ein Heilmittel gegen Lungenkrankheiten galten (Name!), sind meist weißfleckig, eine Erscheinung, in der wir bereits beim Wiesenklee (s. das.) ein Förderungsmittel der Verdunstung kennen gelernt haben. Deshalb finden sich solche Blätter auch besonders an Pflanzen, die an sehr schattigen und daher feuchten Orten wachsen. Von ähnlicher Zartheit ist das Sumpf -Vergißmeinnicht (Myosötis palustris), das Uferränder und andere nasse Stellen bewohnt. Durch die prächtig- blauen, mit gelbem Stern geschmückten Blüten hat es sich schon von alters her die Zuneigung der Menschen erworben, die in ihm ein Sinnbild der Treue und Liebe er- blicken (Name!). Der „Stern", der die Auffälligkeit der „tellerförmigen" Blumenkrone erhöht (Bedeutung?), wird durch Hohlschuppen gebildet. Da diese Gebilde den Eingang der kurzen Blütenröhre stark verengen, so verwehren sie (Blüte nach oben geöffnet!) den Regentropfen, zu Blütenstaub und Honig vorzudringen und diese wichtigen Stoffe zu verderben. Zugleich nötigen sie auch die saugenden Insekten, Narbe und Staubbeutel zu berühren. Die zahlreichen Vergißmeinnicht -Arten, die an trockenen oder gar sandigen Orten wachsen, haben weit kleinere Blätter (s. S. 22) und sind viel stärker behaart, als die Schatten und Feuchtigkeit liebenden Formen, ein Zeichen, daß bei ihnen die Behaarung nicht nur ein Schutzmittel gegen Tierfraß, sondern auch gegen zu starke Wasserdampfabgabe ist (s. S. 43, C 1 a). Dasselbe gilt auch von anderen Trockenland- bewohnern der Familie. Von ihnen seien nur Ochsenzunge, Natterkopf und Hundszunge genannt, die an Wegen und ähnlichen trockenen Orten häufig anzutreffen sind. Es sind ausdauernde oder 2-jährige, hohe Pflanzen, die darum auch sehr tiefgehende Wurzeln be- sitzen. Die Ochsenzunge (Anchüsa officinälis) weiß sich den Verhältnissen ihres Standortes insofern innig anzuschmiegen, als sie auf trockenem Sandboden schmälere und stärker behaarte Blätter treibt als z. B. im feuchten Thalgrunde. Die prächtig blauen Blüten haben in der Mitte einen aus Hohlschuppen gebildeten, weißen Stern (Bedeutung?). Der allbekannte, stachelhaarige Natter- kopf (Echium vulgäre) hat gleichfalls blaue Blüten. Sie entbehren aber der Schuppen und haben mit dem Kopfe einer Schlange entfernte Ähnlichkeit (Name!). Die weit aus der Blütenröhre hervorragenden Staubgefäße dienen gleich dem Griffel den saugenden Insekten als „Sitz- stangen" (Bestäubung?). Die braunroten Blüten der Hundszunge (Cynoglössum officinäle) sind wieder mit Hohlschuppen ausgerüstet. Im Gegensatz zu den honig- duftenden Blüten riechen die grünen Teile ekelhaft nach Mäusen (Schutzmittel gegen Tierfraß). Da die großen Teilfrüchtchen, deren Oberseite mit ankerartigen Stacheln dicht besetzt ist, vorbeistreifenden Tieren angeheftet werden, drängt die wachsende Frucht den Kelch auseinander. In- folgedessen stehen die Teilfrüchtchen schließlich voll- Frucht der Hundszunge, kommen frei da (wie dag. bei den anderen erwähnten in 4 Teilfrüchtchen zer- Arten der Familie?). Und wie fest die Früchtchen haften, fallen (etwa 3 mal vergr.). kann man leicht an den eigenen Kleidern beobachten. Daneben 2 ankerartige Sta- Als bekannte Feldunkräuter sind noch zu erwähnen der cheln (stärker vergr.). Ackersteinsaine (Lithosperruum arvense) mit kleinen,

Schineil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 19.

Kartoffel (Solanum tuberosum).

Amlcre rauhblättrige Gewächse. Kartoffel, 135

weißen Blüten und steinähnlichen Samen, sowie der Ackerkrummhala (Anchüsa

arvensis), dessen blaue Blüten wie die der Ochsenzange gebaut sind, aber eine ge- bogene Blütenröhre besitzen (Namen!). Der Boretsch (Borägo oflieinälis) wird wegen der gurkenartig schmeckenden Blätter (Terwendung?) und der prächtigen blauen Blütensterne vielfach in Gärten angebaut. Er stammt aus dem Mittelmeergebiete.

39. Familie. Nachtschattengewächse (Solanaci-nn.

Kelch 4- oder 5-spaltig. Blumenkrone rühren- oder trichterförmig, 4- oder 5-zipfelig

5 Staubblätter. Fruchtknoten aus 2 Fruchtblättern gebildet, mit dickem Samenträger

und zahlreichen Samenknospen. Frucht eine Beere oder Kapsel.

Die Kartoffel (Solanum tuberosum). Taf. t9.

A. Von eleu Knollen und der Bedeutung' der Kartoffel. Die Knollen der Kartoffeln zählt man mit den Rüben, Möhren, Zwiebeln u. s. w. zu den „Feldfrüchten" ; oft werden sie sogar als die „Früchte" der Kartoffel selbst bezeichnet. Daß wir es hier aber nicht mit „Früchten" im botanischen Sinuc zu tun haben, zeigt schon ihre Entstehung: sie gehen im Gegensatz zu wirklichen Früchten nicht aus dem Fruchtknoten der Pflanze hervor. Fragen wir uns daher:

1. Was ist die Knolle? Eine Antwort auf diese Frage erhalten wir. wenn wir verfolgen, wie sich die Knollen bilden (1.).

a) Im Frühjahre fangen die Knollen, die wir im Keller aufbewahren, an zu „keimen", d. h. aus den „Augen" gehen beblätterte Stengel hervor. (Warum ist der Ausdruck „keimen" ungenau?). Die Stengel suchen das spärliche Licht auf, das durch das Kellerfenster einfällt, und sind, weil im Dunkeln wachsend, blasse und zarte Gebilde. Genau so gehen wie wir uns leicht überzeugen können auch aus den „Augen" der Knollen, die wir (etwa einen Spatenstich tief) in die Erde legen, Stengel hervor. Nehmen wir eine solche junge Pflanze, nachdem sie einige Blätter entwickelt hat, aus dem Boden, so sehen wir, wie an dem unterirdischen Stengelteile (Abb. S. 136, St) schuppenartige Blättchen (B) sitzen, und wie aus deren Achseln fadenförmige Seitenzweige (A) hervorgehen, die sich niemals über den Boden erheben. (Warum sind alle diese unterirdischen Teile farblos?). Diese „Ausläufer" tragen hier und da gleich- falls wieder schuppenförmige Blättchen und am Ende eine Knospe (E), ge- nau wie die oberirdischen Stengel und Zweige solche Endknospen besitzen. Beides sind Zeichen dafür, daß wir es hier wirklich mit Stengelteilen und nicht mit Wurzeln zu tun haben; denn diese sind stets unbeblättert. In den Achseln der schuppenförniigen Blätter finden sich ferner ebenso wie an ober- irdischen Stengeln Seitenknospen, die zumeist wieder zu Zweigen auswachsen. Und an der Stelle endlich, an der die Blätter dem Stengelteile ansitzen (Stengelknoten), brechen Wurzeln hervor, wie dies gleichfalls vielfach an oberirdischen Stengeln zu beobachten ist (besonders an solchen, die man eben- falls als Ausläufer bezeichnet; Beispiele!). Die schuppenförniigen Blätter gehen, weil für die Pflanze wertlos, nieist bald zu (irunde.

136

89. Familie. Nachtschattengewächse.

b) An den Ausläufern und ihren Seitenzweigen bemerkt man nun am freien Ende je eine kleine Anschwellung (vor E). Nimmt man einige Zeit darauf eine zweite „gleichalterige" Pflanze aus der Erde, so sieht man, wie die Anschwellungen größer ge- worden sind und sich zu je einer jungen Knolle (K) ausgebildet haben. (Die Anschwellung kann sich auch etwas entfernt vom Ende des Ausläufers bilden. Ebenso kann der kurze

Bildung der

Kartoffel-

knollcn.

(Bezeichnungen

sind im Texte

erklärt.)

&

Stengelteil der Seitenknospen, ohne zu einem Zweige auszu- wachsen, sich zu einer Knolle (SK.) verdicken.) Die Kar- toffelknol- le ist also ein ver- kürzter und stark angeschwollener Stengelteil. („Stengel- knolle" im Gegensatz zur „Wurzelknolle" ; s. Schar- bockskraut.) Diese Erkenntnis zeigt uns auch, daß der Landmann wohl tut, die jungen Kartoffelpflanzen zu „behäufeln", d. h. Erde um die unteren Teile der oberirdischen Stengel anzuhäufen; denn die Zweige, die sich in den mit Erde bedeckten Blattachseln bilden, entwickeln sich gleichfalls zu (unterirdisch bleibenden) Ausläufern, so daß eine erhöhte Knollenbildung eintreten muß. (Warum werden die Kartoffeln „gehackt", d. h. warum wird der Boden mit Hilfe der Hacke gelockert und von Unkraut gereinigt?)

c) Die unterirdischen Stengel tragen, wie wir soeben gesehen haben, Seitenknospen in den Achseln der schuppenförmigen Blätter. Da nun die Knollen nichts anderes als Stengelteile sind, so müssen wir an ihnen diese Gebilde wiederfinden : es sind die „Augen" der Knolle, die wohlgeschützt gegen Verletzung in einer Vertiefung der Knolle liegen. Somit wird es uns voll- kommen verständlich, wie aus einer Knolle und sogar aus einem Teile einer solchen (was muß ein solcher Teil aber besitzen?) eine neue Pflanze hervor- gehen kann. Die schuppenförmigen Blättchen sind an ganz jungen Knollen noch deutlich sichtbar, an älteren verschrumpfen sie wie an den sich nicht verdickenden Stengelteilen gleichfalls bald.

d) Im Herbst geh endieAusläuferzuGrunde, so daß bei Pflanzen, deren oberirdische Teile gänzlich abgestorben sind, die Knollen getrennt im Boden liegen.

2. Welche Bedeutung hat die Knolle für die Pflanze? a) Schon wenn in einer Frühjahrsnacht das Thermometer auf einige Grad unter Null sinkt, sind am nächsten Morgen die grünen Teile der Kartoffeln gänzlich er-

Kartoffel.

137

froren. Die viel niedrigeren Temperaturen unseres Winters könnte die Pflanze demnach noch viel weniger ertragen. Sie stirbt daher im Herbste ab, hinterläßt aber (von den Samen abgesehen; s. Absch. B, 3) zahlreiche Knollen. Werden diese von dem Menschen vor Kälte bewahrt denn durch Kälte werden sie oft selbst im Keller vernichtet und im nächsten Frühjahre wieder gepflanzt, so geht aus ihnen je eine neue Pflanze hervor. Etwas ganz Ähnliches findet natürlich auch bei der wild wachsenden Kartoffel statt (führe dies näher aus!). Die Knollenbildung ist also eine Veranstaltung der Pflanze, durch die sie die ungünstige Jahreszeit übersteh t, und zugleich ein Mittel der Vermehrung.

b) Bei der wildwachsenden Kartoffel gehen aus den Knollen im nächsten Jahre also zahlreiche junge Pflanzen hervor. Wenn diese auf einem Trupp ständen, so würden sie sich gegenseitig Nahrung, Licht und Luft streitig machen. Es ist daher von größter Wichtigkeit für die Pflanze, daß sich die Knollen (meist) am Ende langer Ausläufer bilden.

c) Wenn man die Bedeutung der Knolle im Auge behält, wird man auch leicht ihren Bau verstehen. Nimmt man 2 gleich große Knollen (derselben Sorte) und legt sie, nachdem man eine davon geschält hat, an einen warmen Ort, so findet man die geschälte nach einiger Zeit gänzlich verschrumpft, während die andere fast unverändert geblieben ist. Die erstere hat wie die Wage zeigt sehr viel, die andere dagegen nur wenig von der Flüssig- keit verloren, von der die Knollen durchtränkt sind. Pflanzt man eine solche geschälte, vertrocknete Knolle, die aber alle ihre Augen behalten hat, so geht daraus keine neue Pflanze hervor; denn die Augen sind mit vertrocknet. (Vgl. mit den Knospen eines abgeschnittenen oberirdischen Zweiges, der längere Zeit trocken gelegen hat!) Die „Scha- le" der Knolle ist also ein Schutzmittel-gegen das Ver- trocknen. Und wenn man be- denkt, daß die Knolle bei uns etwa 7 Monate im Jahr außerhalb der Erde zubringt, so wird man die Wichtig- keit eines solchen Mittels leicht er- messen. (Warum bedarf die Pflanze im wilden Zustande gleichfalls dieses Schutzmittels?)

Wie uns das Mikroskop an einem

Mikroskopischer Schnitt aus einer Kartoffelknolle.

K. Korkzellen. St. Stärkehaltige Zellen (140 mal vergr.) Die

würfelförmigen Gebilde sind Eiweißkristalle. Links daneben

ein Stärkekorn in 500 facker Vergr.

138 39. Familie. Nachtschattengewächse.

feinen Schnitte zeigt, ist die Schale aus mehreren Schichten von Zellen zu- sammengesetzt, deren Wände aus Kork bestehen. Nun kennen wir diesen Stoff (Flaschenkorke!) aber als ein vortreffliches Mittel, Flüssigkeiten, die wir in Flaschen und Büchsen aufbewahren, gegen Verdunstung zu schützen. Die Natur hat der Knolle also eine Hülle aus einem sehr geeigneten Stoffe gegeben. (Da aber die Knollen während des Winters, auch wenn sie noch keine Stengel getrieben haben, etwas einschrumpfen, so ist dies ein Zeichen, daß sie trotz der Korkhülle einiges Wasser durch Verdunstung verlieren.) Auch gegen Verletzungen, sowie gegen das Eindringen von Pilzsporen und Spaltpilzen ist der blaue, rote oder weiße „Korkmantel" der Knolle ein wichtiges Schutzmittel (vgl. mit der Schale saftiger Früchte; Beispiele!).

d) Die Stengel, die aus der im Keller keimenden Knolle hervorgehen, können die Stoffe, aus denen sie sich aufbauen, nirgends anders hernehmen als aus der Knolle. Dasselbe gilt auch für die Stengel, die aus einer in die Erde gelegten Knolle hervorbrechen; denn erst nachdem sie grüne Blätter gebildet und Wurzeln geschlagen haben, sind sie imstande, sich selbst zu ernähren. Bis dahin sind sie auf die Knolle angewiesen. Mit dieser beständigen Abgabe von Baustoffen steht im Einklänge, daß die „alte" Knolle schließlich wie aus- gesogen erscheint. Hat sie endlich nichts mehr abzugeben, so ist sie für die junge Pflanze, die sich jetzt selbst ernähren kann, wertlos geworden, und ihre Beste gehen durch Fäulnis zu Grunde (vgl. mit Samen und Keimling! s. S. 101, e). Welcher Art sind nun die Bau- und Vorratsstoffe, die in der Knolle aufgespeichert liegen?

Schneidet man eine Knolle durch und betupft die Schnittfläche mit Jod- lösung, so tritt sofort starke Blaufärbung ein, ein Zeichen, daß die Knolle sehr reich an Stärke ist (vgl. den letzten Absch. des Buches). WTenn wir ferner einen sehr dünnen Schnitt aus der Knolle durch das Mikroskop betrachten, können wir uns leicht davon überzeugen, daß in der Tat fast alle Zellen mit Stärkekörnchen gleichsam vollgestopft sind (s. Abb. S. 137). Und wenn wir endlich einige rohe Knollen zerreiben und den Brei wiederholt im Wasser auswaschen, so bleibt die Stärke als ein weißes Pulver zurück. Der Stärkegehalt der Knollen beträgt durchschnittlich etwa 20°/o. Nur 2°/o sind Eiweiß (in den Zellen unter der Korkhaut); alles übrige ist von den Stoffen abgesehen, die in noch geringerer Menge vorhanden sind Wasser (etwa 75°/o). (Wiege eine ge- schälte Knolle, lege sie auf den warmen Ofen, bis sie gänzlich eingetrocknet ist, und bestimme den Gewichtsverlust!) Aus diesen Tatsachen geht nun ohne weiteres hervor,

3. welche Bedeutung die Kartoffel für den Menschen hat. a) Wie bekannt, ist die Stärke ein wichtiger Nährstoff, der uns außer von der Kartoffel besonders vom Getreide und von den Hülsenfrüchten geliefert wird. Da nun die Knollen sehr reich an Stärke sind, so ist die Kartoffel eine unserer wichtigsten Nährpflanzen. Damit ist aber ihre Bedeutung bei weitem noch nicht erschöpft! Da wir nämlich mit ihrer Hilfe von einer Ackerfläche erheblich

Kartoffel. 139

mehr Nährstoffe gewinnen, als von einer gleich großen, selbst mit Getreide bestellten Fläche; da sie selbst noch auf magerstem Sandboden und in Höhen (Gebirge!) gedeiht, auf denen kein Getreide mehr wächst; da sie fast alljähr- lich eine reiche Ernte liefert; da die eingeernteten Knollen verhältnismäßig leicht und lange haltbar sind und selbst bei täglichem Genuß gleich dem Brote eine Speise bilden, die uns nie zum Ekel wird: so ist die Kartoffel nächst dem Getreide unsere wichtigste Volksnahrungspflanze. So lange sie auf unseren Feldern gedeiht, hat eine Hungersnot wie vordem unser Land nicht wieder verwüsten können.

Wenn wir uns nun noch vergegenwärtigen, welches wichtige Futtermittel die Knollen für die Haustiere sind, wie sie zur Herstellung von Stärke (Kartoffel- stärke oder Kartoffelmehl) dienen, und wie die Stärke zu Stärkezucker und in den Brennereien weiter zu Spiritus (Alkohol) verarbeitet wird: dann haben wrir etwa ein Bild von der außerordentlichen Bedeutung der unschein- baren Pflanze. Darum arbeitet man auch unablässig an ihrer Veredlung weiter (s. S. 19), und fort und fort züchtet man Sorten, deren Knollen einen immer höheren Stärkegehalt aufweisen.

Da aber die Knollen sehr arm an Eiweiß sind und gar kein Fett enthalten, so können sie uns als einzige Nahrungsquelle nicht dienen; denn diese beiden Stoffe sind neben der Stärke (oder einem anderen Kohlenhj'drat, z. B. dem Zucker) für die Erhaltung unseres Körpers unbedingt notwendig (Näheres hierüber s. „Der Mensch", Absch. über die Verdauung). Dasselbe gilt auch für die Tiere. Da die Stärke besonders fettbildend wirkt, so wird uns auch die Verwendung der Kartoffel beim Mästen der Haustiere verständlich.

B. Von den übrigen Teilen der Kartoffel (2.). 1. Stengel und Blätter, a) Die kantigen Stengel tragen zahlreiche, große, rauhhaarige Blätter, deren Flächen so tief geteilt sind, daß sie sich an der Mittelrippe nur noch als schmale Säume entlang ziehen. Wir haben es hier also nicht mit gefiederten, sondern wie beim Raps mit fiederspaltigen Blättern zu tun. Zwischen den größeren fiederartigen Abschnitten sind, soweit Platz vorhanden ist (das heißt?), kleinere eingefügt, so daß der Raum, welcher der Pflanze für die Besonnung zur Verfügung steht, nach Möglichkeit ausgenützt ist. Andererseits werden die Lücken zwischen den großen Abschnitten doch nicht so ausgefüllt, daß nicht noch genug Licht zu den tiefer stehenden Blättern gelangen könnte. Nach dem Blattgrunde zu werden die größeren Abschnitte allmählich kleiner; denn in der Nähe der Stengel werden ja Licht und Raum von mehreren Blättern beansprucht. Sollen sich die (tief geteilten) Blattflächen daselbst nun nicht gegenseitig decken (Nachteil?), so muß eben eine Verschmälerung eintreten.

b) Stengel und Blätter enthalten ein Gift (Solanin), so daß sie von einigen w-enigen Insekten abgesehen (s. Absch. D.) kaum von einem Pflanzen- fresser berührt werden. Wahrscheinlich merken die Tiere, daß sie es hier mit etwas Ungenießbarem zu tun haben, schon an dem eigentümlichen Geruch, der den grünen Teilen entströmt. In noch größerer Menge findet sich das Gift

140 39. Familie. Nachtschattengewächse.

in deii Früchten, in den „Keimen" und in denjenigen Knollen, die vom Sonnen- licht getroffen wurden und (wie andere Stengelteile) ergrünt sind. (Wie hat man sich daher gegen gekeimte und ergrünte Knollen zu verhalten ?)

2. Blüte (3.). Die Blüte besteht aus einem 5-zipfeligen Kelch, einer rad- förmigen Blumenkroue, deren Rand in 5 Ecken ausgezogen ist, 5 Staub- blättern, deren große Beutel einen Kegel bilden, und einem Stempel, dessen Griffel den Staubbeutelkegel an der Spitze durchbricht. Obgleich die Blüte durch das Weiß oder Blaß violett der Blumenkrone, sowie durch das leuchtende Gelb der Staubbeutel ziemlich auf- fällig ist, wird sie doch nur selten von Insekten (Fliegen) besucht; denn sie besitzt keinen Honig und nur wenig Blütenstaub. Bei mehreren Spielarten der

Blütengrundril der Pflanze tritt regelmäßig Selbstbestäubung ein: der Staub rieselt aus 2 Löchern an der Spitze der Beutel hervor und fällt, da die Blüten meist schräg oder gar senk- recht nach unten gerichtet sind, auf die darunter befindliche Narbe. Bei anderen Kartoffelsorten findet überhaupt keine Bestäubung statt, und bei wieder anderen fallen die Blüten sogar ab, bevor sie sich noch geöffnet haben: die Pflanzen sind unter der Hand des Menschen, für den die Blüten und Früchte völlig wertlos sind, entartet. (Vgl. mit ähnlichen Erscheinungen an Haustieren!)

3. Frucht (4. und 5.). Stellt man durch die Frucht einen Querschnitt her, so sieht man, daß ihre Wand aus 2 Fruchtblättern gebildet ist, die an den Rändern miteinander verwachsen sind und sich als eine Scheidewand quer durch das Fruchtinnere erstrecken. Die Scheidewand ist an beiden Seiten zu halbkugeligen Samenträgern angeschwollen, die dicht mit Samenknospen besetzt sind. Zur Zeit der Reife werden Fruchtblätter und Samenträger fleischig, so daß die Frucht eine vielsamige, 2 fächerige Beere darstellt. Sie ist von grüner Färbung und, weil giftig (s. Absch. 1 b), ungenießbar. Auch die Samen haben für uns keine Bedeutung. Die aus ihnen hervorgehenden Pflänzchen bringen zwar gleichfalls Knollen hervor; doch sie sind so klein, daß diese Art der Vermehrung durch- aus unwirtschaftlich wäre.

C. Von der Heimat und Verbreitung- der Kartoffel. Schon die oben erwähnten Tatsachen, daß die grünen Teile der Kartoffel bereits durch einen gelinden Frost getötet werden, und daß die Knollen selbst im Keller oft er- frieren, weisen darauf hin, daß die überaus wichtige Pflanze kein Glied der heimatlichen Natur, sondern ein Kind wärmerer Gegenden ist. Erst etwa in der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde sie aus ihrer südamerikanischen Heimat durch Spanier nach Europa gebracht und anfänglich nur als Zierpflanze ange- baut. Von Spanien kam sie bald nach Italien und erhielt hier wegen der Ähnlichkeit der Knollen mit den Trüffeln den Namen „Tartuffoli", woraus unsere Bezeichnung „Kartoffel" entstanden ist. Langsam verbreitete sie sich weiter; ihre Knollen galten aber geraume Zeit hindurch nur für einen Lecker-

Kartoffel. Schwarzer und bittersüßer Nachtschatten. Tollkirsche. 1 1 1

bissen. Erst als im 18. Jahrhundert große Teile von Deutschland durch Miß- ernten heimgesucht wurden, denen Hungersnot und Teuerung folgten, erkannte man allmählich den Wert der Pflanze. Ihr Anbau wurde jetzt allgemeiner. Vorher aber galt es, in einem langen, hartnäckigen Kampfe den Widerstand zu brechen, der von seiten der Landbevölkerung der Einführung des neuen Ge- wächses entgegengesetzt wurde. Es war ein Kampf, der vielfach nur durch Anwendung von Gewaltmitteln entschieden werden konnte, und in dem sich be- sonders die beiden Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große unsterbliche Verdienste erworben haben. Heutzutage ist die Kartoffel über den größten Teil der Erde in zahllosen Spielarten verbreitet (nenne die dir bekannten und beschreibe ihre Knollen!). Nur in den wärmsten Ländern ver- mag sie nicht zu gedeihen.

I). Von den Krankheiten und Feinden der Kartoffel, Wie auf allen anderen Pflanzen schmarotzen auch auf der Kartoffel zahlreiche niedere Pilze, die verschiedenartige Krankheiten hervorrufen. Die gefürchtetste unter ihnen ist der Pilz der eigentlichen Kartoffelkrankheit (s. das.). Er tritt besonders in nassen Jahren auf, bewirkt ein Schwarzwerden des Laubes und durchwnchert die Knollen, so daß sie sich schließlich in eine jauchige oder bröcklige Masse verwandeln (nasse und trockene Fäule).

Von den tierischen Feinden seien nur der Engerling und die Erd- raupen, die an den Knollen nagen, sowie der Kolorado -Kartoffelkäfer genannt (s. Lehrb. d. Zoologie). Der schmucke Käfer (6 a.) ist in Nordamerika heimisch und nährt sich gleich seiner Larve (6 b.) von den Blättern, an die er auch seine Eier legt (6 c). Das Auftreten des überaus gefährlichen Schädlings in Europa war glücklicherweise stets nur von kurzer Dauer.

Andere Nachtschattengewächse.

A.Nachtschattengewächse mit Beeren fr ächten.

Wie die Kartoffel enthalten zahlreiche andere Glieder der Familie in allen oder vielen ihrer Teile ein scharfes Gift (Schutzmittel gegen Pflanzenfresser), das auf den Menschen je nach seiner Art und je nach der Menge, in der es genossen wird, sehr ver- schieden einwirkt. Solche Giftgewächse sind die beiden nächsten Verwandten der nützlichen Kartoffel, der schwarze und der bittersüße Nachtschatten (Solanum nigrum und dulcamära). Ersterer kommt auf Schutt, sowie als lästiges Unkraut in Gärten und Feldern häutig vor, ist einjährig (schwache Wurzel!), hat weiße Blüten und schwarze, giftige Beeren; letzterer wächst in Gebüschen, besonders an Flußufern, ist eine aus- dauernde Kletterpflanze (tiefgehende, holzige Wurzel!), hat meist sehr verschiedengestaltete Blätter, violette Blüten und rote, aber nicht giftige Beeren, die anfangs bitter und nach- her süßlich schmecken („Bittersüß"). Als das gefährlichste Gewächs, das die heimatliche Pflanzenwelt überhaupt besitzt, ist die Tollkirsche (Atropa belladonna) zu nennen. Die meterhohe Pflanze wächst in schattigen Bergwüldern und besitzt dem- entsprechend (s. S. 7, b. u. c.) große und verhältnismäßig zarte Blätter. Die Blüten bilden bräunliche, hängende Glocken (Bedeutung?). Die Frucht ist eine glänzend schwarze Beere, die aber in dem bleibenden Kelche sitzt. Da sie einer Herzkirsche (Name!)

142

39. Familie. Nachtschattengewächse.

ähnelt, wird sie besonders von Kindern leicht dafür gehalten. Sie ist aber mit der Wurzel der giftigste Teil der ganzen Pflanze. Ihr Genuß bewirkt Sehwindel, Betäubung

und oft den Tod (Gegenmittel: Brechmittel und starker Kaffee!). Da sich bei Vergifteten regel- mäßig auch die Pupille stark erweitert, hat das Gift der Pflanze (Atropin) in der Augen- heilkunde eine überaus wichtige Verwendung gefunden: in allen den Fällen, in denen es auf eine Erweiterung der Pupille ankommt, wird es den Kranken in das Auge geträufelt. Früchte von solcher Giftigkeit sollte man meinen müßten auch den Tieren schädlich sein. Das ist auch meist der Fall. Drosseln und Amseln jedoch ver- speisen sie mit sichtlichemWohlbehagen und besorgen dadurch unfreiwillig die Aussaat der Samen (s. S. 64, 8). Darum besitzen auch diese Früchte, so giftig sie für uns sind, auf- fällige Färbung, so- wie süßes, saftiges Fruchtfleisch. Früher benutzte man in Ita- lien die Beeren zum daher „bella donna", d. h. schone Frau.

Neben diesen Nachtschatten- irten gibt es aber auch mehrere andere, die kaum giftig sind und deren Beeren z. T. sogar vom Men- schen genossen werden. Als die wich- tigste wäre zuerst der Liebesapfel oder die Tomate (Solanum lyco- persicum) zu nennen. Die Pflanze ist der Kartoffel überaus ähnlich, stammt aus Südamerika und wird der prächtig roten Früchte wegen (Name! Verwendung?) bei uns immer mehr angebaut. Eßbar sind auch die Früchte der bei uns heimischen Judenkirsche (Physalisalkekengi),die zumeist aber nur als Zierpflanze bekannt ist. Zur Zeit der Reife sind die roten, kirschen- großen Beeren von dem aufgeblasenen, gleichfalls roten Kelche umhüllt, welcher der Kopfbedeckung ähnelt, wie sie im Mittelalter die Judenfrauen trugen (Name!). Die roten, schotenähnlichen Früchte der Paprikapiianze oder des spanischen Pfeffers, (Capsicum) sind von sehr scharfem Geschmack und werden wie die Früchte des Pfefferstrauchs als Gewürz verwendet. Die Pflanze entstammt dem tropischen Amerika und wird u. a. in großer Menge bei Cayenne („wo der Pfeffer wächst1'), aber auch in Südeuropa und

Schminken

Schwarzer Nachtschatten. (Nat. Gr.)

Liebesapfel. Judenkirsche. Span. Pfeffer. Teufelszwirn. Tabak.

143

besonders in Ungarn angebaut. Der Teufelszwirn (Lycium bärbarum), der vielfach zur Bildung von Hecken (Name!) angepflanzt ist, aber auch oft verwildert vorkommt, hat im Mittelmeergebiete seine Heimat.

B. Nachtschattengewächse mit Kapsel fr ächten. Nächst der Kartoffel hat kein Nachtschattengewächs ••ine so große Be- deutung für den Menschen erlangt wie der Tabak (Nicotiäna). Von seinen zahlreichen Arten werden bei uns besonders zwei angepflanzt: am häutigsten der 1—2 in hohe virginische T. (N. täbacnm), seltener der kleinere (Höhe nur bis 1 in), aber breitblättrigere Bauern -T. (N. rüstica). Beide sind einjährige Pflanzen, die in Amerika ihre Heimat haben. Alle grünen 'Feile sind dicht mit klebrigen Drü- senhaaren besetzt (Schutz gegen Pflanzenfresser). Die sehr großen Blätter nehmen nach oben hin all- mählich an Größe ab, eine Einrich- tung, die wir als vorteilhaft für die Belichtung bereits kennen gelernt haben. Da sie sich von den obersten abgesehen mit der Spitze zum Erdboden herabneigen, so leiten sie das Regenwasser, von dem sie getroffen werden, nach außen (centrifngal). Denientsprecheiu verlaufen auch die Seitenwur- zeln, die meist am oberen Teile der tiefgehenden Pfahlwurzel entspringen, wagerecht im Boden und gehen samt ihren Ver- zweigungen nicht über den Um- kreis der Pflanze hinaus (s. S. 88, c). Der Stengel und seine Zweige tragen am Ende große Sträuße von Röhrenblüten, die beim virginischen T. lang und von roter, beim Bauern -T. wesentlich kürzer und von gelb -grüner Färbung sind. Die Frucht ist eine Kapsel, die sich im Schutze des Kelches entwickelt, in 2 Klappen aufspringt und zahlreiche, sehr kleine Samen enthält.

Haben die Pflanzen ihre volle Größe erreicht, so werden die Blätter ab- gebrochen, auf Schnüre gereiht und unter einem Dache zum Trocknen aufgehängt. In der Fabrik werden sie wieder angefeuchtet und zu großen Hauten aufge- schichtet, in denen sich, durch Spaltpilze veranlaßt, unter Entwicklung hoher

Virginischer Tabak. Blüten and

Früchte. (Nat. Gr.)

144

39. Familie. Nachtschattengewächse.

Wärme (vgl. mit feuchtem Heu!) bald eine Gärung einstellt. Sind die Haufen einigemal umgeschichtet, dann sind die Blätter zum Gebrauch fertig, so daß sie nunmehr als Rauch-, Kau- und Schnupftabak verwendet werden können. Als die Spanier zuerst mit den Eingeborenen von Amerika in Berührung kamen, war unter diesen die Sitte des Tabakrauchens bereits üblich. Es währte nicht lange, so fand sie auch in Europa Eingang. Obgleich der Genuß des Tabaks in mehreren Ländern selbst mit den schwersten Strafen bedroht wurde, breitete er sich doch unaufhaltsam immer weiter aus, und jetzt gibt es wohl

kaum noch ein Land, in dem ihm nicht ge- huldigt würde. Hand in Hand hiermit ging auch die Verbreitung der Pflanze selbst, deren Anbau heutzu- tage in fast allen war- men und gemäßigten Gegenden des Erdballs erfolgt. (Welche Län- der liefern den besten Tabak? In welchen deutschen Landschaf- ten wird besonders Tabakbau getrieben?) Der Tabak enthält ein Gift, das Nikotin, von dem schon ein einziger Tropfen ge- nügt, einen Hund zu tö- ten. Fortge- setzter star- ker Genuß von Tabak ganz gleich in welcher Form ruft daher nicht selten Darm- und Herzerkrankungen hervor, ja er kann sogar eine gänzliche Zerrüttung des Körpers herbeiführen. Für Kinder ist der Tabak selbst in kleinen Mengen ein gefährliches Gift.

Tabak. Bilsenkraut. Stechapfel. Petunie.

1 l:

Auf Schutthaufen und an Wegen findet sich das Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), eine allbekannte, sehr giftige Pflanze mit klebrigen Blättern und von ekelkaftem Geruch. Die schmutzig-gelben, violett geäderten Blüten sind alle nach einer Seite gerichtet. Die vom stachelspitzigen Kelch umhüllte Kapsel springt mit einem Deckel auf. An den- selben örtlichkeiten wächst auch der gleichfalls sehr giftige Stechapfel (Datlira stramönium). Er wird bis 1 m hoch und ist ein übelriechendes Kraut mit gabeligen Verzweigungen. Die ausgebuch- teten Blätter sind von sehr ver- schiedener Größe und bilden meist eine regelmäßige Mosaik. (Vgl. mit Roßkastanie und Efeu. Die Mosaik ist in der

Abbildung nicht zu sehen, weil um alle Teile sichtbar zu machen die Pflanze von der Seite gezeichnet ist.) Die Blüte wird von Nacht- faltern bestäubt, besitzt daher, wie die des Leimkrautes (s. das.) eine lange

Blütenröhre und weiße Färbung, öti'- net sich mit beginnen- der Dunkelheit und haucht besonders während der Nacht einen starken Duft aus. Die Fruchtkapseln, die mit 4 Klappen aufspringen, sind außen mit vielen spitzen Stacheln besetzt (Name!), ein Schutzmittel der zahlreichen Samen, die. so giftig sie für uns sind, von mehreren körnerfressenden Vögeln ohne Schaden verzehrt werden. Als letztes Glied der Familie sei endlich die Petunie (Petiinia) erwähnt, die in zahlreichen Spielarten unsere Gärten schmückt. Ihre Heimat ist Südamerika.

Zweig vom Stechapfel. (Daneben eine aufgesprungene Frucht.) (Nat. Gr.)

Solimeil, Lehrbncti clor Botanik.

10

146 Taf. 20. 40. Familie. Lippenblütler.

40. Familie. Lippenblütler (Labiatae).

Pflanzen mit 4-kantigem Stengel, gegenständigen Blattern und Lippenblüten. Die Blüten

besitzen (in der Regel) 2 lange und 2 kurze Staubblätter, sowie einen Fruchtknoten, der

bei der Reife in 4 Teilfrüchtchen zerfällt.

Die weiße Taubnessel (Lamium älbum). Tafel 20. Die Taubnessel, die sich an Zäunen und Hecken, an Wegen, Gräben und ähnlichen Orten findet, zählt zu unseren bekanntesten Pflanzen. Gibt es doch wohl kaum ein Kind, das aus ihren weißen Blüten mit den Hummeln und Bienen nicht schon den süßen Honig genascht hätte („weißer Bienensaug")! Und jedermann ist auch genötigt, sich die Pflanze genauer anzusehen; denn sie gleicht täuschend der Brennessel, vor deren Brennhaaren (s. das.) sich jeder wohl in acht nimmt. Ihr fehlen aber diese giftigen Waffen („Taubnessel") und darum wird sie auch von den meisten Weidetieren gern verzehrt. Der unangenehme Geruch, der ihr entströmt, und die kurze, rauhe Behaarung aller grünen Teile sind ihr wenigstens gegen diese Zerstörer kein genügendes Schutzmittel (vgl. mit Schwarzwurz). Die Ähnlichkeit mit der Brennessel beruht vor allen Dingen in der Form und Stellung der

A. Blätter: sie sind gestielt, eiförmig, am Rande sägezähnig eingeschnitten, stehen sich paarweise gegenüber, und jedes Paar bildet mit dem vorhergehenden oder nachfolgenden Paare ein Kreuz (1.). Infolge dieser Anordnung der Blätter ist einerseits der Stengel gleichmäßig belastet (Vorteil?), und andererseits können die Blätter trotz der verhältnismäßig großen Breite doch alle von den Sonnen- strahlen getroffen werden. Aus den Achseln besonders der unteren Blätter gehen vielfach Seitenzweige hervor. Wie wir w. u. sehen werden, sind die Wurzeln weit im Boden verstreut; wir linden daher an den Blättern auch keine besonderen Einrichtungen, die eine Ableitung des Regenwassers zu den Wurzeln bewirken könnten (vgl. dag. z. B. mit Raps, Birnbaum und Schwarzwurz!).

Vergleicht man Taubnesseln, die an schattigen und feuchten Standorten wachsen, mit solchen trockener und sonniger Stellen, so findet man, daß jene stets größere und viel zartere Blätter besitzen als diese. Diese Verschieden- heit in der Belaubung wird uns sofort erklärlich, wenn wir bedenken, daß ersteren wie den Pflanzen des feuchten Waldbodens (s. S. 7, b. u. c.) genügende Feuchtigkeit, aber schwaches Licht, letzteren dagegen wie allen „Sonnenpflanzen" wenig Feuchtigkeit, aber ungeschwächtes Licht zur Verfügung stehen. Daß wirklich die derberen und meist etwas gerunzelten Blätter der letzteren weit weniger Feuchtigkeit an die umgebende Luft abgeben als die Blätter der ersteren, läßt sich leicht nachweisen. Man braucht nur je eine dieser Pflanzen ab- zuschneiden, dann wird man finden, daß die Schattenpflanze viel früher welk wird als die „Sonnenpflanze".

B. Stengel. 1 a) Der oberirdische Stengel hat nicht nur die eigene Last und die der Blätter zu tragen, sondern muß auch gegen den Wind, der die Blätter zur Seite weht und ihn daher selbst biegt, widerstandsfähig sein:

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 20.

Weiße Taubnessel (Lamium album).

Weiße Taubnessel. 147

er muß Trag-- und Biegungsfestigkeit besitzen. Bei einer Biegung werden die Zellen an der konkaven Seite stark zusammengedrückt, die an der konvexen dagegen ausgedehnt. Die zwischen den beiden Seiten liegenden Zellen haben unter der Biegung umso weniger zu leiden, je mehr sie der Mitte des Stengels genähert sind. Daher müssen die festesten Teile in der äußersten Stengel- schicht liegen. Stellt man nun durch den Stengel einen sehr dünnen Querschnitt her, so sieht man b°i schwacher mikroskopischer Vergrößerung, daß dies auch der Fall ist: man erblickt am Umfange des Stengels 4 Stränge, die aus Zellen mit (besonders in den Ecken) stark verdickten Wänden bestehen. Da diese Zellstränge über den Umfang des Stengels etwas hervortreten, so erscheint der letztere vierkantig und zwischen den Kanten rinnig vertieft.

b) Wie jeder Baumeister mit möglichst wenig Material die größte Festig- keit seines Bauwerks zu erreichen sucht man braucht nur an den Bau von eisernen Brücken zu denken! , so auch die Natur. Sie vermeidet sorgfältig alles Entbehrliche oder gar Überflüssige. Nun haben wir gesehen, daß bei der Biegung des Stengels die im Innern liegenden Teile umso weniger auszuhalten haben, je weiter sie von den Seiten entfernt sind. Die in der Mitte liegenden haben überhaupt nichts mehr auszuhalten; sie tragen demnach auch nichts zur Festigung des Ganzen bei und können daher fehlen. Der Stengel ist also un- beschadet seiner Festigkeit hohl.

c) Wie ein einfacher Versuch zeigt, ist eine lange (Glas-) Röhre weit leichter zu zerbrechen als eine kurze. Dasselbe gilt natürlich auch für röhren- förmige Stengel. Wir sehen daher den Stengel der Taubnessel durch Querwände in mehrere kleine Röhren geteilt. Diese Querwände liegen in den Knoten der Stengel, an denen die Blätter entspringen.

d) Vielfach besonders bei hohen Pflanzen liegt der untere Stengel- teil dem Boden auf. Dann brechen aus den Knoten dieses Abschnittes zumeist Wurzeln hervor, die das schwankende Gewächs am Boden gleichsam verankern.

2. Gräbt man eine Taubnessel aus der Erde, so sieht man, daß die oberirdischen Stengel aus einem Wurzelstocke hervorgehen. Da dieses Gebilde nichts anderes als ein unterirdischer Stengel ist, so linden wir an ihm auch dieselbe Blattstellung und Verzweigung wie am oberirdischen Stengel (7.).

a) Die Zweige des unterirdischen Stengels erheben sich entweder über den Boden (oberirdische St.) oder kriechen wie der Stengel selbst, von dem sie entspringen, wagerecht in der Erde dahin, bilden also unterirdische Ausläufer. Stirbt der Mutterstock ab, so werden die Ausläufer selbständig. Die Bildung von Ausläufern ist also mit einer Vermehrung der Pflanze gleichbedeutend. Da sich nun die Ausläufer wieder verzweigen, so wird uns das truppweise Auftreten der Taubnessel wohl verständlich.

b) Die Blätter der unterirdischen Stengel sind, weil im Dunkeln wachsend, schuppenförmig und wie alle unterirdischen Teile der Pflanze farblos. Sie schützen die im Boden vordringenden Enden der Ausläufer und die in ihren Achseln sich bildenden Knospen der Zweige gegen Verletzung. Haben sie diese

148 40. Familie. Lippenblütler.

Aufgabe erfüllt, dann sind sie für die Pflanze ohne Bedeutung und verschruinpfen. Darum findet man sie auch nur an den jüngsten Ausläufern.

c) Von den Knoten, aber auch von anderen Stellen der unterirdischen Stengel entspringen zahlreiche fadenförmige Wurzeln (Bedeutung?).

C. Blüte». 1. Blütenstand (1.). In den Achseln der oberen Blätter stehen je 3 7 Blüten, an deren Grunde sich meist noch einige borstenförmige Blättchen finden. Da die Blüten auch die Stengelseiten, an denen keine Blätter entspringen, meist gänzlich verdecken, so sieht es aus, als ob sie in einem „Quirle" rings um den Stengel ständen.

2. L i p p e n b 1 ü t e (2. 4.). Ein glockenförmiger, fünfzipfeliger Kelch umschließt die weiße, seitlich symmetrische Blumen- krone (s. S. 30, a). Ihr unterer Teil ist eine knie- förinig gebogene Röhre, deren Seitenwände oben zwei in je ein Zähnchen ausgezogene Lappen bilden. Die Hinterwand der Röhre, deren Öffnung man mit dem Maule eines Tieres vergleichen kann, setzt sich in die helmartige „Oberlippe", die Vorderwand in die herz- förmig ausgeschnittene „Unterlippe" fort („Lippen-

Bliitengrundrig der blöte« . Familienname I). Unter der Oberlippe finden sich Taubnessel. die Beutel der 4 Staubblätter, deren Fäden mit

der Röhre z. T. verwachsen sind. Zwischen den Staub- beuteln hat die zweigespaltene Narbe ihren Platz. Der Fruchtknoten (s. Absch. D) findet sich im Blütengrunde und ist z. T. von der gelappten, helleren Honigdrüse umgeben.

3. Hummelblume. Da sich der Honig am Grunde einer langen Röhre findet, ist er nur langrüsseligen Insekten erreichbar. Die Schmetterlinge jedoch sind, obgleich sie den längsten Rüssel besitzen, wieder ausgeschlossen: schon die großen und steifen Flügel hindern sie, soweit in die Blüte einzudringen, als zum Saugen notwendig wäre. Es bleiben daher nur die großen Hummel- arten übrig, die auch leicht als die ausschließlichen Besucher der Taub- nesselblüte festzustellen sind. Und wenn man das Verhältnis, das hier zwischen Tier und Pflanze besteht, näher verfolgt, dann wird man auch zahlreiche Einzel- heiten im Bau der Blüte verstehen und die Blüte selbst als eine vollendete „Hummelblume" erkennen lernen.

a) Die blaßgelbe Unterlippe bildet die „Anflugstange" und das „Sitz- brett" der Hummel. Daher ist dieser Blütenteil auch wagerecht gestellt. Grün- liche Punkte und Striche, die sich auf ihm und im Eingange zur Blütenröhre finden, werden als „Honigmale" gedeutet (s. S. 121, 3).

b) Die beiden Seitenlappen der Blütenröhre sind genau so weit von- einander entfernt, daß Kopf und Brust der saugenden Hummel zwischen ihnen Platz haben.

c) Hat die Hummel die zum Saugen notwendige Stellung eingenommen, so füllt sie mit der Rückenseite gerade die Höhlung der Oberlippe aus, oder

Weiße Taubnessel. 149

anders ausgedrückt: die Entfernung- zwischen Unter- und Oberlippe entspricht erstlich genau der Größe der Bestäuber, und zweitens, die Oberlippe ist gleich- sam nach dem Hummelrücken „modelliert". Da die saugende Hummel den Rücken an die Unterseite der Oberlippe drücken muß, so ist diese Stelle auch der geeignetste Ort für die Narbe und die Staubbeutel; denn diese Blüten- teile müssen von dem Insekt berührt werden, falls dessen Besuch für die Pflanze nicht wertlos sein soll.*) Zugleich ist auch die Oberlippe ein vortreffliches Regendach für den leicht verderbenden Blütenstaub. Am Rande ist sie mit wimperartigen Haaren besetzt, eine Einrichtung, durch welche die auffallenden Regentropfen verhindert werden, auf die Unterseite überzutreten (Versuch!).

d) Soll die Hummel die zur Bestäubung durchaus notwendige Stellung ein- nehmen, so muß der Blüteneingang seitwärts gerichtet sein.

e) Um die von den Pflanzen „gewünschte" Fremdbestäubung herbeizuführen. muß das mit fremdem Blütenstaub behaftete Insekt zuerst die Narbe berühren (führe dies näher aus!). Daher ist hier einer der beiden Narbenäste senkrecht nach unten gerichtet, so daß er früher als die Staubbeutel vom Hummelrücken berührt werden muß.

f) Damit sich die saugende Hummel wirklich mit Blütenstaub belade, öffnen sich erstlich die Staubbeutel nach unten. Alle Beutel „wollen" aber vom Rücken des Insekts berührt sein: sie liegen daher zweitens in einer Ebene. Der geeignetste Ort für eine solche Berührung ist nun aber ohne Zweifel die Mitte der Oberlippe. Um dort jedoch Platz zu finden, können die Beutel nicht neben-, sondern müssen hintereinander liegen: 2 Staubblätter be- sitzen längere, 2 kürzere Fäden (eine Eigentümlichkeit der ganzen Familie!).

g) Wie oben erwähnt, ist der Honig wegen der Länge der Blütenröhre nur langrüsseligen Hummeln zugängig ; kurzrüsselige (darunter auch die Honigbiene) suchen ihn wie z. B. aus der Blüte der Schwarzwurz durch Einbruch zu erlangen.

h) Nicht weit von ihrem Unterende ist die Blütenröhre plötzlich verengt und innen (öffne sie!) mit einem schräg verlaufenden Ringe feiner Haare ausgerüstet. Schneidet man sie dicht über dieser Stelle quer durch, so sieht man, daß der Haarring gleichsam eine Reuse darstellt, die den untersten, honig-, gefüllten Teil der Röhre abschließt. Kleine Insekten, die in der Röhre hinab- gekrochen sind, können den Haarzaun nicht durchdringen: für den Rüssel der kräftigen Hummel dagegen bildet diese „Saftdecke" kein Hindernis.

Kurz: man kann die Taubnesselblüte betrachten wie man will, sie ist in allen Stücken ihren Bestäubern aufs innigste „angepaßt".

D. Frucht. Der Fruchtknoten ist genau wie bei der Schwarzwurz (s. das.)

*) Die in Fig. 4 dargestellte Hummel hat sich soeben auf der Unterlippe nieder- gelassen und ist im Begriff, zum Honig vorzudringen. Erst wenn sie den Kopf noch tiefer in die Blütenröhre senkt, füllt sie die Höhlung der Oberlippe aus. Sie hat von einer andern Blüte Blütenstaub mitgebracht (beachte die Rückenseite des Hinterleibs!), kann hier also Fremdbestäubung vermitteln.

150 40. Familie. Lippenblütler.

gebaut und zerfällt bei der Reife gleichfalls in 4 Teilfrüchtchen (5.). Da sie vom bleibenden Kelche fest umschlossen werden, platten sie sich gegenseitig ab und steigen, wenn sie sich bei der Reife vom Blütenboden lockern, in der Kelchröhre gleichsam empor. Dann genügt schon ein leiser Wind, sie aus ihrem Behältnis zu schütteln. Es sind olivenfarbene Gebilde (6.) mit einem weißen, fleischigen Anhange, über dessen Bedeutung aber wie bei den Nüßchen der Schwarzwurz keine sicheren Beobachtungen vorliegen. (Man bekommt die Früchte am leich- testen zu Gesicht, wenn man verblühte Pflanzen in ein Glas mit Wasser steckt.)

Andere Lippenblütler.

Die Gattung Taubnessel (Lämium) wird bei uns noch durch 3 rotblühende Arten vertreten. Eine überaus stattliche Pflanze ist die gefleckte T. (L. maculätum), die der weißblühenden Form sehr ähnlich ist. Sie wächst in Laubwäldern und feuchten Gebüschen und hat dementsprechend große und zarte Blätter, die zudem häufig noch weiß gefleckt sind (Name! vgl. mit Wiesenklee und Lungenkraut). Die beiden anderen rotblühenden Arten sind weit kleiner und kommen auf bebautem Lande als Unkräuter, sowie an Wegen und Hecken überall häufig vor. Sie lassen sich leicht dadurch von- einander unterscheiden, daß die eine Form, die stengelumfassende T. (L. amplexicäüle), am oberen Teile stengelumfassende Blätter besitzt, während bei der anderen Art, der roten T. (L. purpureum), sämtliche Blätter gestielt sind. An der stengelumfassenden Taubnessel finden sich häufig unscheinbare Blüten, die sich ähnlich wie die Sommerblüten des Veilchens nie öffnen. Eine prächtige Frühlingspflanze ist die gelbblühende (Name!) Goldnessel (Galeöbdolon luteum). Da sie dieselben Örtlichkeiten wie die gefleckte Taubnessel bewohnt, so ist sie gleichfalls ein überaus zartes Gewächs. Auch ihre Blätter sind oft weiß gefleckt.

Bereits im April entfaltet der überall häufige Gundermann (Glechoma hederäcea) seine zarten, blauen Lippenblüten. Nur die blütentragenden Triebe sind kräftig genug, sich senkrecht vom Boden zu erheben; sonst liegt das Pflänzchen, aus allen Knoten Wurzeln schlagend, der Erde auf. Diese Lage ist aber für ein Gewächs, dessen Blätter wie bei allen Lippenblütlern kreuzweis gestellt sind, sehr ungünstig. Hier muß ein Ausgleich geschaffen werden, und das ist auch der Fall : die langen Blattstiele stellen sich senkrecht naoh oben; die Blattflächen nehmen die wagerechte Lage ein, und die Blätter, die der Blattstellung entsprechend nach unten wachsen würden, sind durch eine Drehung der Stengelglieder zur Seite gerückt, so daß sie gleichfalls das Licht aufsuchen können. Wie sehr sich die Pflanze den Verhältnissen, unter denen sie gedeiht, an- zuschmiegen „versteht", ist auch aus folgender Tatsache ersichtlich: an schattigen Orten sind die Blätter (oft auffallend) groß und zart, an sonnigen dagegen viel kleiner und derber (s. S. 146, 2). Eine andere bekannte Frühlingspflanze unserer Wiesen und Laubwälder ist der kriechende Günsel (Ajüga reptans). Seine leuchtend blauen Blüten besitzen eine so kurze Oberlippe, daß Staubblätter und Narbe weit aus der Röhre hervorragen. Dafür stehen sie aber so dicht zusammen, daß sie durch die darüber befindlichen Blätter vor Regen geschützt sind. Am unteren Teile des aufrechten Stengels brechen lange Ausläufer hervor (Artname!), an denen dieselbe „Korrektur" der Blätter wie beim Gundermann zu beobachten ist. Am Ende der Ausläufer, die im Herbste absterben, bilden sich Blattrosetten, aus denen im nächsten Frühjahre neue Pflanzen hervorgehen (Vermehrung!). Später im Jahre entfaltet an denselben Örtlichkeiten die Brunelle

Taubnesseln und andere Lippenblütler. 151

(Brunella vulgaris) ihre violetten Blüten. Sie stehen dicht übereinander, werden aber von den Blättern, aus deren Achseln sie entspringen, nicht verdeckt; denn diese bleiben nicht nur klein, sondern sind gleich den Kelchen meist sogar bunt (rotbraun) gefärbt (Bedeutung ?).

An Wegen, auf Schutt und an ähnlichen Orten macht sich häufig die Schwarz- nessel (Ballöta nigra) breit. Die der weißen Taubnessel sehr ähnliche Pflanze hat aber schmutzig rote Blüten. An denselben Stellen, wie auch als Unkraut unter der Saat findet sich der (gemeine) Hohlzahn (Galeopsis tetrahit). Die Unterlippe der roten Blüten besitzt 2 zahnartige Ausstülpungen (Name!), durch welche die Hummeln genötigt werden, den Kopf so in die ßlütenöffnung einzuführen, daß die Staubbeutel unbedingt berührt werden müssen. Über Wald und Heide, über Feld und Sumpf, über Berg und Tal sind die zahlreichen Ziestarten (Stachys) verbreitet. Die formenreiche Gattung der Minzen (Mentha) liebt das Wasser (Ufer der Bäche und Flüsse, Sümpfe, feuchte Äcker u. dgl.). Alle Arten haben einen eigentümlichen Geruch, der wie bei der Rose von einem flüchtigen Öle herrührt. Das Öl (Verwendung?) wird besonders von der Pfefferminze gewonnen (M. piperita), die wahrscheinlich aus dem Mittelmeergebiete stammt und hier und da, vorwiegend aber in England und Nordamerika im Großen an- gebaut wird. Sehr reich an flüchtigen Ölen und daher wertvolle Gewürz- oder Arznei- pflanzen sind ferner das Bohnenkraut (Satureja hortensis), der Majoran (Origanum majoräna), der Garten-Thymian (Thymus vulgaris) und der Garten-Salbei (Sälvia offlcinalis). Die Heimat dieser allgemein bekannten Pflanzen sind die Länder um das Mittelmeer. Das vielfach als Topfgewächs gezogene Basilienkraut (Ocimum basilicnm) dagegen stammt aus Ostindien.

Indem wir uns fragen, welche Bedeutung der große Ölreichtum für die Pflanzen selbst hat, wollen wir uns wieder der Heimat und damit den beiden letzten Gliedern der großen und wichtigen Familie zuwenden : dem Feld-Thymian oder Feld -Quendel (Thymus serpyllum) und dem Wiesen-Salbei (Sälvia pra- tensis). Beide sind stark duftende, ausdauernde Pflanzen, die an kahlen Berg- lehnen, auf sandigen Triften, kurz an trockenen Stellen im heißesten Sonnen- brande wachsen. Der rotblühende Thymian ist daher auch nur ein niedriges, rasenbildendes Pflänzchen mit winzigen Blättchen (vgl. mit Heidekraut!), und der stattliche Salbei besitzt tiefgehende Wurzeln und stark gerunzelte Blätter (s. S. 120, 3). Gleiche wasserarme Örtlichkeiten bewohnen nun in ihrer Heimat die oben erwähnten Gewürz- und Arzneipflanzen (mit Ausnahme der Minzen), eine Tatsache, die für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage nicht un- wichtig zu sein scheint. Es ist nämlich sicher nachgewiesen, daß Luft, die reich an flüchtigen Ölen in Dampfform ist, weit weniger Wärmestrahlen durchgehen läßt, als reine Luft. Da nun die Pflanzen von einer solchen Dufthülle beständig umgeben werden, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß wir es in dem sich stetig verflüchtenden Öle mit einem Schutzmittel der Gewächse gegen zu hohe Erwärmung und damit gegen zu starke Wasserdampfabgabe zu tun haben.

Der Wiesen-Salbei verdient noch wegen seiner interessanten Bestänbungs- weise unsere Beachtung. Von den 4 Staubblättern, wie wir sie bei den Lippen- blütlern regelmäßig finden, sind bei ihm (wie bei allen Salbeiarten und einigen anderen Familiengliedern) nur die beiden vorderen vorhanden, die zudem eine

152

Taf. 21. 40. Familie. Lippenblütler. 41. Familie, Rachenblütler.

sehr merkwürdige Ausbildung erfahren haben : bei den meisten Pflanzen ist der Teil des Staubblattes, der die beiden Staubbeutellacher verbindet, sehr kurz. Bei anderen, wie bei dem soeben erwähnten Feld-Thymian, ist dieses sog. Mittelband schon breiter, und beim Salbei endlich übertrifft die eine Hälfte desselben den Staub- faden sogar an Länge. Die andere Hälfte des Mittel- bandes dagegen, der zudem das Staubbeutelfach fehlt, bleibt verhältnismäßig kurz und ist am Ende zu einer löffelartigen Platte verbreitert, die mit der Platte des anderen Staubblattes den Eingang zur Blütenröhre versperrt. Der lange Ab- schnitt des Mittelbandes mit seinem Staubbeutelfache dagegen ist ;n der Oberlippe der azurblauen Blüte ge- borgen. Schickt sich nun eine Hummel an, die sich auf der Unterlippe einer jungen Blüte niedergelassen hat, Honig zu saugen, so stößt sie mit dem Kopfe oder Rüssel gegen die beiden erwähnten Platten. Da aber die Mittelbänder mit den Staubfäden gelenkig verbun- den sind, so werden die Platten durch das Tier zugleich nach hinten ge- drückt: infolgedessen senkt sich aber der lange Arm des ungleicharmigen Hebels herab, und die geöffneten Staub- beutelfächer schlagen auf dem Rücken der Hummel auf. (Ahme die Tätig- keit des Insekts mit Hilfe eines zu- gespitzten Bleistifts nach!) Fliegt das Tier, mit Blütenstaub beladen, nun zu einer älteren Blüte, in der die Staubblätter zwar schon verstäubt haben, die zweigespaltene Narbe sich aber gerade in den Eingang zur Blüte gestellt hat, so muß es die Narbe gleichfalls mit dem Rücken berühren, also Fremdbestäubung her- beiführen. Diese eigentümliche Art der Bestäubung macht uns auch die verhältnismäßig große Entfernung zwischen Unter- und Oberlippe (mehr

Bestäubung des Wiesen-Salbei.

1. ZweiBlüten, die von je einerHum- rael besucht werden: a. jüngere Blüte; die Staubbeutelfächer berühren den Rücken des Tieres, b. ältere Blüte; die anfliegende Hammel streift mit der blütenstaubbehafteten Stelle des Rückens die Narbe. 2. Ein Staub- blatt, von der Seite, 3. beide Staub- blätter, von vorn gesehen. 4. Staub- blatt des Feld-Thymians zum Vergleich. F. Staubfaden. M. Mittelband. B. Staub- beutelfächer.

Schineil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 21.

h'M/tM,

Leinkraut oder Frauenflachs (Linaria vulgaris).

Andere Lippenblütler. Leinkraut. 153

als Hummelgröße!), sowie die auffallende Schmalheit der Oberlippe verständlich (vgl. mit Taubnessel).

Ein Glied einer nahe verwandten Familie ist das Eisenkraut (Verbena ofiicinälis), das an Wegrändern und ähnlichen Orten gedeiht. Es trägt kleine, blaue Blüten und ist, seinem Standorte entsprechend (Beweis!), ein sparriges, rutenförmiges Gewächs mit schmalen, eingeschnittenen Blättern und tiefgehender Wurzel. Im Altertum schrieb man der unscheinbaren Pflanze Wunderkraft zu; so sollte z. B. Eisen darch nichts so gut gehärtet werden können als durch sie (Name!). Die prächtigen Ver- benen unserer Gärten sind Abkömmlinge einer südamerikanischen Art. -Eine andere, mit den Lippenblütlern nahe verwandte Pflanze ist die echte Bärenklane (Acänthus), die in Südeuropa heimisch ist, bei uns aber öfter als Zierpflanze angebaut wird. Die tief eingebuchteten, malerischen Blätter finden seit den Zeiten der alten Griechen be- sonders in der Bildhauerkunst reiche Verwendung.

41. Familie. Rachenblütler (Scrophulariäceae).

Blüten wie bei den Lippenblütlern (s. das.); Frucht aber eine zweifächerige Kapsel. Das Leinkraut oder der Frauenflachs (Linäria vulgaris). Tafel 21.

Auf Sandboden und an anderen unfruchtbaren Örtlichkeiten ist die zierliche Pflanze (1.) fast überall häufig anzutreffen. Je nachdem sie unter größerem oder geringerem Wassermangel zu leiden hat,, senkt sie den vielverzweigten unterirdischen Stengel (Wurzelstock) samt den Wurzeln, die von ihm ausgehen, mehr oder weniger tief in den Boden. Auch in den schmalen, mit einer Wachsschicht überzogenen Blättern (tauche einen Stengel ins Wasser!) besitzt sie ein wichtiges Schutzmittel gegen zu starken Wasserverlust (vgl. S. 22, bezw. 17, 2). Da sich schmale Blätter gegenseitig nur wenig beschatten, sind die aufrechten Stengel auch sehr dicht mit solchen besetzt. Durch diese zahlreichen, schmalen und langen Blätter erhält die (noch nicht blühende) Pflanze eine große Ähnlichkeit mit dem Lein oder Flachs, eine Tatsache, welche die oben angegebenen Namen hinreichend erklärt.

Aus den Achseln der oberen, kleinen (Bedeutung?) Blätter entspringen die kurz gestielten, zierlichen, gelben Blüten (2. 5.), die zusammen eine weithin sichtbare Traube bilden (Bedeutung ?). Sie sind denen der Taubnessel außerordent- lich ähnlich und gleichfalls vollendete Hummelblumen (beweise beides !). Der mittlere Abschnitt der dreigespaltenen Unterlippe, dessen Orangefarbe als „Saft- mal" gedeutet wird, ist aber kissenförmig angeschwollen und legt sich dicht und fest an die zweispaltige Oberlippe. Während kleinere Insekten diesen Verschluß nicht zu öffnen vermögen (Bedeutung?), ist dies den großen, kräftigen Hummelarten ein leichtes : sie lassen sich auf der Unterlippe nieder (beachte die Richtung der Zipfel!) und kriechen soweit als möglich in den sich öffnenden „Blüten- rachen" (2.). („Rachenblütler". Die Pflanze heißt sehr Blütengruttdrif} bezeichnend auch „Feld-Löwenmaul".) Da die Hummeln vom Leinkraut

154 Taf. 22. 41. Familie. Rachenblütler.

infolge ihrer Größe hierbei die Blütenröhre vollkommen ausfüllen, so sind sie auch die gewiesenen Bestäubungsvermittler (Beweis!). Ihnen ist daher auch allein der Honig zugänglich. Er wird von der Unterlage des Frucht- knotens abgeschieden, fließt aber in einen langen Sporn hinab (3.), zu dem der untere Teil der Blütenröhre ausgezogen, und der oft bis zur Hälfte mit dem süßen Safte gefüllt ist (halte die Blüten gegen das Licht!). Die vom Honiggenuß ausgeschlossenen kurzrüsseligen Hautflügler verüben allerdings sehr häufig Einbruch (4. u. 5.).

Hinsichtlich der Frucht dagegen unterscheidet sich das Leinkraut wesent- lich von der Taubnessel: sie ist eine Kapsel, die sich bei der Eeife im oberen Teile mit 6 unregelmäßigen Zähnen öffnet (6). Der Wind schüttelt dann die zahlreichen Samen aus (8.). Da sie rings von einem Hautrande umgeben sind, können sie weit verweht werden (Bedeutung?). Bei Eintritt feuchter Witterung schließt sich, wie wir dies bereits bei zahlreichen anderen Pflanzen kennen gelernt haben (Beispiele! Bedeutung?), die Kapsel wieder (7.).

Andere Rachenblütler.

1. An Felsen und altem Mauerwerk siedelt sich gern das efeublättrige Lein- kraut (L. cymbaläria) an, das aus Südeuropa eingewandert ist. Das überaus zierliche Pflänzchen hat schwache, kriechende Stengel, fünf lappige Blätter wie der Efeu (Name!) und violette Blüten, die von langen Stielen in das Licht gerückt werden (Bedeutung?). Nach dem Verblühen aber krümmen sich die Blütenstiele zurück, so daß die reifenden Kapseln der Unterlage zugewendet werden. Infolgedessen gelangen die ausfallenden Samen in Felsenspalten und Mauerritzen, also an Orte, an denen der Keimling und die junge Pflanze die zum Leben notwendige Erdmenge finden. Gleichfalls aus Süd- europa ist das Löwenmaul (Antirrhinum majus) zu uns gekommen, das in fast zahl- losen Farbenspielarten eine unserer bekanntesten Zierpflanzen ist. Kurze Röhren- blüten mit kleinen Lippen besitzt die knotige Braun würz (Scrophuläria nodosa), die ihren Namen nach dem knotigen, dunkelgefärbten Wurzelstocke trägt. Die allbekannte Pflanze findet sich in feuchten Wäldern und Gebüschen und hat den Standorten ent- sprechend (s. S. 7, b und c) große und zarte Blätter. Die braunen Blüten werden vor- wiegend von Wespen besucht und bestäubt.

Der rote Fingerhut (Digitalis purpürea) bewohnt Gebirgsgegenden. Dort schmückt er besonders Waldblößen mit seinen prächtigen, einseits-wendigen Blütentrauben. Die großen, purpurroten Blüten stellen hängende Glocken dar (Name, Schutz gegen Regen!). Nachdem die Blütenkrone abgefallen ist, richten sich die Blütenstiele wieder empor, so daß die am oberen Teile sich öffnenden Früchte aufrecht gestellt sind. Infolgedessen fallen die zahlreichen kleinen Samen nicht wie es sonst der Fall sein würde sämt- lich in nächster Nähe der Pflanze zu Boden, sondern können durch Windstöße leicht über einen großen Umkreis verstreut werden (Bedeutung?). Alle Teile des stolzen Ge- wächses enthalten ein sehr heftiges Gift (Digitalin), das Weidetiere vom Verzehren der grünen Teile abhält, uns aber als wirksames Heilmittel , vorzüglich bei Herzkrank- heiten, dient.

2. Zahlreiche andere Glieder der formenreichen Familie besitzen Blüten, die einige Ähnlichkeit mit einem Bade haben : die kurze Blütenröhre (Nabe des

Schmeil. Lehrbuch der Botanik.

Tafel 22.

Echte Königskerze (Verbascum thapsus).

Leinkraut und andere Rachenblütler. 155

Rades!) breitet sich in einen Saum aus, der in 4 oder 5 Abschnitte (Speichen des Rades!) gespalten ist. Blüten dieser Art linden wir z. B. bei den Königs- kerzen (Verbäscum), die in zahlreichen Arten zumeist steinige, sonnige Orte bewohnen. Eine der am häutigsten vorkommenden Formen ist die echte K. (V. thapsus), die nicht selten die Höhe von 1'/-' m erreicht und zumeist die Ge- stalt einer regelmäßigen Pyramide aufweist (Belichtung! Auf Tafel 22, 1 ist die Pflanze bei einem heftigen Regen dargestellt). Die Spitze der Pyramide wird von dem kerzenartigen Blutenstände gebildet (Name!), der aus zahlreichen, leuchtend gelben Blüten (2. u. 3.) zusammengesetzt ist. Da sich die braunen Fruchtkapseln bei der Reife im oberen Teile öffnen (4.), so vermag der Wind, der den hohen, elastischen Stengel erschüttert (Schleuder!), die zahl- reichen, kleinen und gefurchten Samen (5.) leicht über einen weiten Bezirk zu verstreuen. Die grünen Teile der stattlichen Pflanze sind so dicht mit Haaren bedeckt, daß sie sich wie Filz anfühlen (darum auch ., Wollkraut" genannt). Auf der Schleimhaut des Mundes verursachen die Haare ein lästiges Jucken und Kratzen. Darum hüten sich Weidetiere auch, die Pflanze zu berühren. Bei mikroskopischer Betrachtung geben sich die Haare als Gebilde zu erkennen, die wie Tannenbäumchen verzweigt sind (6. Haarfilz bei 50facher Vergr.). Sie verhindern daher auch in vortrefflicher Weise eine zu schnelle Erneuerung der Luftschicht, von der die Pflanze umgeben wird, und damit eine zu starke Verdunstung des Wassers durch die Blätter (s. S. 43. C a). Dieser Schutz ist um so wichtiger, als ja die Pflanze auf sehr trockenem Boden wächst. Dar- um finden wir auch erstlich den Haar Überzug an jungen Teilen besonders ent- wickelt; daher erscheint ferner die Blattrosette, welche die Königskerze im ersten Jahre bildet, und die den trockenen Winter zu überstehen hat (s. S. 92), wie aus Filz geschnitten, und darum kann endlich die Pflanze im Gegensatz zu zahlreichen kleinblättrigen Gewächsen derselben Standorte (Beispiele!) auch so große, weil wohlgeschützte Blätter tragen. Die Blätter sind infolge ihrer Größe andererseits auch wieder imstande, eine verhältnismäßig große Menge von Regenwasser aufzufangen und der Wurzel zuzuleiten, die sich fast unver- zweigt tief (Bedeutung!) in den Boden senkt. Der Ableitung des W'assers nach der Mitte der Pflanze scheint aber die Haltung der Blätter nur teilweise zu entsprechen. Zwei Drittel jeder Blattfläche sind allerdings zum Stengel schräg aufwärts gestellt. Das andere Drittel dagegen ist schräg nach unten gerichtet, so daß das Wasser yon ihm auch nach außen abfließen muß. Trotz- dem geht es für die Pflanze nicht verloren: wie leicht zu beobachten ist (1.), tropft es nämlich auf ein darunter stehendes Blatt und zwar stets an eine Stelle desselben, von der aus es dem Stengel und damit der Wurzel zugeführt werden muß.

Gleichfalls radförmige Blüten, aber nur mit 2 Staubblättern, besitzen die zahl- reichen Arten der Gattung Ehrenpreis (Verönica), von denen hier nur die verbreitetsten erwähnt werden können. Auf Wiesen und an ähnlichen Orten wächst der Gamander- E. (V. chaniiedrys), der an den zweireihig behaarten Stengeln leicht kenntlich ist. Die

156

41. Familie. Rachenblütler.

prächtig blatten Blüten sind zu Trauben gehäuft, werden daher trotz der Kleinheit weithin sichtbar. Besonders zahlreich stellen sich zierliche Schwebfliegen ein, die zu- meist den unteren Zipfel des Blumenkronensaumes als Anflugsplatz benutzen. Dabei

drücken sie denGriffel her- ab und ergrei- fen die dreh- baren Staub- fäden, so daß auch deren Beutel mit der Unterseite des Körpers in Be- rührung kom- men (Bedeu- tung?). Da die Blumenkronen sehr leicht ab- fallen, hat das Volk dem zier- Im Frühjahre findet sich mit einzelnstehenden blaß-

Bliiten vom Gamander -Ehrenpreis. Bei 2 hat sich eine Schweb- fliege an dem unteren Zipfel des Blumenkronsaums festgeklammert, so daß die Blüte bestäubt wird. (Etwa 4 mal nat. Gr.)

liehen Pflänzlein den Spottnamen „Männertreu" beigelegt. -

besonders unter der Saat der Efeu-E. (V. hederifölia)

blauen Blüten und efeuähnlichen Blättern Ein Bewohner von Bächen und Gräben

dagegen ist der Bachbungen-E. (V. beccabünga), der seinem Standorte entsprechend

dicke, saftstrotzende Blätter wie die Sumpf-Dotterblume besitzt (s. das.).

3. Die folgenden Rachenblütler haben wieder deutlich zweilippige Blüten wie das Leinkraut und seine nächsten Verwandten, unterscheiden sich von diesen u. a. aber wesentlich dadurch, daß sie sämtlich „Wurzelschmarotzer" sind. Nimmt man z. B. den großen Klappertopf (Alectorölophus major) vorsichtig aus dem Boden, so staunt man, wie eine Pflanze, die bis zu 1h m hoch wird, mit so gering entwickeltem Wurzelwerk „auskommen" kann. Bei näherem Zu- sehen findet man aber an den Wurzeln zahlreiche, 2—3 mm große Wärzchen, die sich an den Wurzeln der Nachbarpflanzen anlegen und diesen Nahrungsstoffe entziehen (vgl. mit Hopfenseide!). Daher sieht man auch häufig auf Wiesen, auf denen der Klappertopf in großen Trupps auftritt, wie die Gräser um ihn absterben. Da er aber grüne Blätter besitzt, vermag er einen großen Teil der zum Leben und Wachstum nötigen Stoffe selbst zu bereiten : er ist nur ein „Halbschmarotzer". Die gelbe Blüte, deren Oberlippe zwei blaue Zähnchen besitzt, ist von einem blasigen Kelche umgeben (verfolge die interessante Be- stäubung!). Er umhüllt auch die Frucht und dient in erster Linie als ein Windfang: indem er nämlich leicht vom Winde geschüttelt wird, werden auch die Kapseln hin und her bewegt. Dadurch werden aber die Samen, die in den Kapseln bei Erschütterungen klappern (Name!), herausgeschleudert und, weil von einer Flughaut umgeben, leicht weithin verweht (Bedeutung?).

Mit dem Klappertopf tritt auf den Wiesen und Matten zumeist auch der Augen-

Andere Rachenblütler.

157

fcrosl (Euphrasia) in großen Mengen auf. Er fügt aber dem Landmann, der ihn hier und da als „Milchdieb " bezeichnet, gleich den anderen Halb- schmarotzern sicher nur geringen Schaden zu. Von der zierlichen, weißblühenden Art, dein gemeinen Au. (Eu. ofüeinälis), der früher als Heilmittel gegen Augenleiden galt, führt die Gattung den Namen. Der größere rote Au. (Eu. odontites) kommt als Unkraut häufig auch auf feuchten Äckern vor. Auf toriigen Wiesen wächst in mehreren Arten das Läusekraut (Pedicularis) mit zierlich zerteilten Blättern und nieist roten Rachenblüten. Die niedliche Pflanze ist zu dem unschönen Namen gekommen, weil man eine Abkochung von ihr früher gegen das Ungeziefer der Haustiere anwendete. Im Schatten der Wälder findet sich der Hain- Wachtelweizen (Melampyrum nemorösum). Da die Blätter, in deren Achseln die gelben Blüten stehen, wie Blumenblätter bunt und zwar prächtig

Groger Klappertopf. 1. Wurzeln mit Saugwärzchen. 2. Blühender und Früchte tragender Stengel. 3. Same. (Nat. Gr.).

blau gefärbt sind, wird die zarte Schattenpflanze sehr auffällig (Bedeutung?). Beim Wiesen -W. (M. pratense), der ein häufiger Schmuck der Waldwiesen ist, findet sich diese Doppelfärbung nicht. Die Samen beider Pflanzen werden gern von Ameisen ver- schleppt; die weizenkornähnlichen Gebilde (Name!) besitzen nämlich einen sackartigen Anhang, der diesen Tieren als willkommene Speise dient.

158 Taf. 23. 41. Familie. Rachenblütler. 42. Familie. Wegerich-Gewächse.

Eine Sommerwurz auf der Wurzel der Pferde- oder Saubohne schmarotzend. (Wenig verkl.)

4. Im Gegensatz zu diesen „Halb- schmarotzern" be- sitzt die Seh uppen- wurz (Lathrsea squamäria) kein Blattgrün. Daher ist sie wie die Hopfenseide (s. das.) genötigt, sich voll- kommen von anderen Pflan- zen ernähren zu lassen. Sie lebt unterirdisch auf den Wurzeln der Laubbäume, denen sie durch Saugwarzen die zum Leben und Aufbau Stoffe entzieht. Der unter- farblose und fleischige Stamm ist dicht mit schupp enförniigen Blät- tern (Name!) besetzt, die wie man auf einem Durchschnitt sehen kann innen je einen Hohlraum besitzen. Da dieser Raum mit der Außenwelt in Verbindung steht, und da man in ihm Eeste sehr kleiner Tiere findet, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß das seltsame Gewächs nicht nur ein Schmarotzer, sondern auch eine tierfressende Pflanze ist (s. Sonnentau !). Im Frühjahre erhebt die Schuppenwurz die mit röt- lichen Blättern und einseitswendigen , rachen- förmigen Blüten dicht besetzten Stengel über den Boden. Hat der Wind die sehr zahlreichen, staubförmigen Samen ausgestreut, so stirbt der oberirdische Stengel ab, und die Pflanze zieht sich wieder gänzlich in den Boden zurück. Wenn wir be- denken, wie geringe Aussicht die keimenden Samen haben, eine ge- eignete Wurzel zu treffen, so wird uns ihre große Anzahl wohl ver- ständlich. Und wenn wir weiter bedenken, daß die Samen über ein umso größeres Gebiet ver-

Schmal, Lehrbuch der Botanik,

Tafel 23.

Mit. lerer Wegerich (Plantago media).

Schlippen- und Sommerwurz. Fettkraut. Wasserschlauch. Wegerich, 159

sie sind, so werden wir auch ihre staubförmige Feinheit als wichtige oder gar notwendige Eigenschaft erkennen.

Eine in allen Stücken ganz ähnliche Lebensweise führt ein Glied einer nahe verwandten Familie, die Sommerwurz (Orobänche), die in zahlreichen, schwer zu unterscheidenden Arten auf den "Wurzeln der verschiedensten Pflanzen schmarotzt (z. B. auf Klee, Hanf, Gerste u. v. a.). Von dem unteren, knollenförmigen Teile des unterirdischen Stammes, der mit schuppenformigen Blättern besetzt ist, gehen zahlreiche Wurzeln aus, die mit denen der Nährpflanze in Verbindung stehen. Mit Beginn oder während des Sommers (Name!) wächst die Gipfelknospe des Stammes zu einem Stengel aus, der sich über den Boden erhebt und zahlreiche, meist bunt gefärbte Rachenblüten trägt. Gleichfalls nahe Verwandte der Rachenblütler sind das Fettkraut (Pinguicula) und der Wassersohlauoh (Utriculäria), die bei den „insektenfressenden Pflanzen" be- reits erwähnt worden sind.

42. Familie. Wegerich-Gewächse (Plantaginäceae). Der Wegerich (Plantago). Tafel 23.

1. Die verbreitetsten Arten. Schon bei einiger Aufmerksamkeit merkt man, daß der Wegerich in mehreren, wohl unterschiedenen Arten auf- tritt, von denen die 3 folgenden überall häufig anzutreffen sind: der Spitz- wegerich (P. laneeoläta) ist leicht an den lanzettlichen Blättern zu erkennen: der große und der mittlere W. (P. major und media) dagegen besitzen viel breitere Blätter, die jedoch wieder voneinander verschieden sind. Während sie bei ersterein deutlich gestielt sind, verschmälern sich bei letzterem die Blattflächen nur in je einen kurzen, breiten, undeutlichen Blattstiel. (Erkläre die Artnamen!)

•2. Standort. Diese drei Wegericharten bewohnen Wiesen, Triften und ähnliche Orte. Vor allen Dingen sind sie regelmäßige Begleiter der Wege (Gat- tungsname!); ja sie siedeln sich sogar zwischen dem Pflaster wenig betretener Straßen an. An allen diesen Orten findet sich auch der allbekannte Löwen- zahn, und es ist daher durchaus nicht zu verwundern, daß zwischen diesen Pflanzen hinsichtlich der

.'). Wurzeln und Blätter eine so große Übereinstimmung herrscht. Wie der Löwenzahn (s. das.) haben die Wegericharten sehr t i e f g e h e n d e Wurzeln (dem „großen Wegerich" fehlt aber die Pfahlwurzel der beiden anderen Arten!), sowie Blätter, die oberseits mit Rinnen versehen und an trockenen Standorten zu regelmäßigen Rosetten geordnet sind (1.). An Stellen dagegen, an denen die Pflanzen mit anderen um das Licht ringen (Wiese), sind auch die ganzrandigen Blätter mehr oder weniger aufwärts gerichtet.

4. Blüte, a) Auf einem langen Stiele, der aus der Achsel eines Blattes entspringt, stehen dicht gehäuft zahlreiche Blüten (Ähre). Sie bestehen (2. u. 3.) aus einem vierteiligen Kelche, einer kleinen Blumenkrone mit vierteiligem Saume, vier Staubblättern und einem Stempel.

b) In der Regel ragt der Griffel mit der behaarten, einem < ylinderputzer ähnlichen Narbe bereits aus der Blüte hervor (2.), wenn die Staubblatter noch zu-

160 Taf. 24. 42. Fam. Wegerich-Gewächse. 43. Farn. Glockenblumen-Gewächse.

rückgebogen sind (s. S. 161). Später strecken sich auch diese hervor (3.). Ob- gleich die Staubbeutel dann vollkommen frei stehen, ist der Blütenstaub doch nicht ohne jeden Schutz: die bereits geöffneten Beutel (4.) schließen sich nämlich in taureichen Nächten und beim Eintritt feuchter Witterung wieder (5.; Versuch!) Erschüttert man den Blütenstand bei trockenem Wetter, so entweichen aus den Beuteln Wölkchen trockenen Staubes. Dasselbe geschieht natürlich auch beim Wehen des Windes (langer, beweglicher Stiel!), und es kann daher nicht ausbleiben, daß auf diesem Wege Staub zu den freistehenden Narben gelangt, der Wind also die Bestäubung vermittelt. Andererseits sieht man aber auch, wie die Blüten von Insekten besucht werden, die Blütenstaub ver- zehren oder „einernten". Besonders häufig hat sich der „mittlere Wegerich" eines solchen Besuchs zu erfreuen. Seinen Blüten entströmt aber auch ein sehr zarter Duft, und die violetten Staubblätter machen die unscheinbaren Blüten doch weithin bemerkbar. Die beiden anderen Arten dagegen haben duftlose Blüten und nur gelbliche oder weiße Staubblätter. Der Wegerich stellt also einen Übergang von den insektenblütigen zu den windblütigen Pflanzen dar, von welch letzeren wir in der Haselnuß (s. das.) einen ausge- prägten Vertreter kennen lernen werden. (Stelle auch fest, in welchen anderen Punkten die Wegerichblüte Eigentümlichkeiten dieser beiden Pflanzengruppen zeigt, und wie sich dies bei den einzelnen Arten entweder zu Gunsten der Wind- oder der Insektenblütigkeit verschiebt!)

5. Die Frucht (6.) ist eine Kapsel, deren oberer Teil sich bei der Reife ablöst (7.). Jndem der Wind den Fruchtstand hin- und herbewegt, werden die kleinen Samen herausgeschleudert. Befeuchtet man die Samen, so wird die Oberhaut schleimig und klebrig, eine Eigentümlichkeit, deren Bedeutung wir beim Kürbis noch kennen lernen werden.

43. Familie. Glockenblumen-Gewächse (Campanuläceae).

Die rundblättrige Glockenblume (Cainpänula rotundifolia). Tafel 24.

A. Wie sie grünt. Die zierliche, sehr veränderliche Pflanze (1.) liebt sonnige Standorte: trockene Wiesen, Wegränder, Bergabhänge, lichte Waldstellen u. dgl. Sie senkt daher gleich anderen Trockenlandpflanzen (Beispiele!) den langen unterirdischen Stamm (Wurzelstock) und die von ihm ausgehenden Wurzeln bis in die tieferen, feuchten Bodenschichten hinab und besitzt ferner sehr kleine Blätter, die auch nur geringe Mengen von Wasser verdampfen (vgl. dag. Windröschen und andere Schattenpflanzen). An den „Kurz trieben", d. i. an den kurzen Zweigen des unterirdischen Stammes, die erst im nächsten Jahre Blüten tragen, sind die Blätter gestielt, rundlich (Artname!) und am Rande meist gekerbt. Ebenso sind sie am unteren Teile der blütentragenden Zweige gestaltet, die weil sie die Blüten den Bestäubern ja sichtbar machen müssen stark in die Länge gestreckt sind. Nach oben hin verschmälern sich

Schm eil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 24.

Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifoli

Wegerich. Glockenblume. 161

die Blätter dieser „Langtriebe" aber immer mehr, bis sie endlich fast linien- förmig und ganzrandig werden.

B. Wie sie blüht. 1. Wenn sich die anfangs aufrecht stehenden Blüten öffnen, neigen sie sich durch Krümmung ihrer Stiele herab, so daß Blütenstaub und Honig vortrefflich gegen Regen geschützt sind (1. 5. u. 6.). Die meist himmelblaue Blumenkrone stellt ein zierliches Glöckchen dar (Gattungsname!), das sich in 5 zurückgebogene Zipfel spaltet. Da es seine Außenseite den Blicken der Insekten darbietet, ist es auch hier viel lebhafter als an der Innenseite ge- färbt. (Vgl. dag. die Blüten, bei denen die Innenfläche der Blumenkrone be- sonders sichtbar ist!) Der Kelch ist im unteren Teile mit dem Fruchtknoten innig verwachsen, im oberen dagegen in 5 fadenförmige Zipfel gespalten (warum wären breite Zipfel hier durchaus unvorteilhaft?). Der Oberfläche des Frucht- knotens ist die scheibenförmige, gelbe Honigdrüse aufgelagert. Sie umgibt den Griffel und ist von den stark verbreiterten unteren Abschnitten der 5 Staubblätter (3. 5mal vergr.) wie von einem Gewölbe überdacht, so daß nur 5 spaltenförmige Zugänge zum Honig vorhanden sind. Da die Spalten zudem durch Härchen, die von den Rändern der Staubblätter ausstrahlen, ver- sperrt sind, so ist kleinen und daher (Beweis!) unnützen Blütengästen der Zu- tritt zum süßen Safte verwehrt. Größere Insekten dagegen können die Haar- reusen mit Hilfe des Rüssels leicht durchdringen und bis zum Honig herabreichen. Um zu erkennen, wie die von diesen Gästen vermittelte

2. Bestäubung erfolgt, muß man die Entwicklung der Blüte genauer verfolgen.

a) Öffnet man eine noch aufrechtstehende Blutenknospe, deren Blumen- krone sich blau zu färben beginnt (2. 3 mal vergr.), so sieht man, wie der obere Teil des Griffels (4. 5 mal vergr.) rings mit Haaren besetzt ist, so daß er einem Cylinderputzer ähnelt. Die Staubbeutel sind noch mit Blütenstaub gefüllt und liegen dem Griffel dicht an.

b) Bei einer etwas älteren, aber gleichfalls noch geschlossenen Blüte be- merkt man, wie sich die Staubbeutel nach innen öffnen und den grünblauen Blütenstaub auf der „Griffelbürste" ablagern. Weil nunmehr für die Blüte ohne Bedeutung, verschrumpfen sie bis auf die stark verbreiterten unteren Abschnitte („Saftdecke"!); der Griffel dagegen streckt sich in die Länge. Jetzt öffnet sich die nickend gewordene Blüte (5. 2 mal vergr.), und der Blütenstaub wird von größeren Insekten, die zum Honig vordringen, leicht abgestreift.

c) Nach einiger Zeit (6. 2 mal vergr.) vertrocknen die Haare der „Griffel- bürste"; die 3 Narbenäste dagegen, die bisher eng aneinander lagen, spreizen auseinander, so daß jetzt erst eine Befruchtung erfolgen kann. Da nun die Narbenäste in der Blüte dieselbe Stelle einnehmen wie der (abgelagerte) Blüten- staub, so müssen beide, Blütenstaub und Narben, von den Besuchern auch mit demselben Körperteile gestreift werden (führe dies näher aus!). Und zwar müssen die Insekten Blütenstaub jüngerer Blüten auf die Narben älterer tragen,

Schmeil, Lehrbuch der Botanik. ij

162 43. Familie. Glockenblumen-Gewächse. 44. Familie. Kürbis-Gewächse.

also Fremdbestäubung vermitteln, die wie wir schon mehrfach gesehen haben stets von erhöhter Fruchtbarkeit begleitet ist.

C. Wie sie Früchte trägt. Der Fruchtknoten, von dem sich die ver- trocknete Blumenkrone nicht ablöst, entwickelt sich zu einer dreifächerigen Kapsel (stelle einen Querschnitt her und beschreibe den Bau!). Da die Frucht wie die Blüte nach unten hängt (8. u. 9. 5 mal vergr.), so kann sie sich wie z. B. die Kapseln der Schlüsselblume oder des Leinkrautes unmöglich am oberen Teile öffnen. Die Samen würden ja sonst alle in unmittelbarer Nähe der Mutterpflanze auf den Boden fallen, so daß die jungen Pflänzchen gegenseitig um Licht, Nahrung und Raum kämpfen müßten. Die Kapsel öffnet sich darum nahe dem Grunde : aus der Fruchtwand lösen sich drei scharf umgrenzte Stücke, die wie Klappfenster nach unten schlagen (8.). Aus den so entstandenen Öff- nungen vermag nun der Wind die sehr kleinen Samen herauszuschütteln und über einen großen Umkreis zu verstreuen. Sobald aber feuchte Witterung ein- tritt, die den Samen verderblich werden könnte (s. S. 38, C, c), schließen sich die „Fensterchen" wieder (9.).

Andere Glockenblumen-Gewächse.

Von den zahlreichen anderen Glockenblumen , deren blaue Blüten unsere Fluren schmücken, sei nur die häufigste, die Wiesen-G. (C. pätula) erwähnt. Ihre rotblauen Blüten stehen im Gegensatz zu denen der eingehend betrachteten Art aufrecht, werden aber beim Beginn der Dämmerung und beim Eintritt feuchter Witterung nickend : so finden Blütenstaub und Honig, wenn sie am meisten gefährdet sind, doch den Schutz, den sie in hängenden Blüten stets genießen. Auch die Früchte stehen aufrecht. Im Gegensatz zu den Arten mit hängenden Früchten bilden sich dementsprechend auch hier die „Fensterchen" am oberen Teile der Fruchtkapseln, eine Erscheinung, die auch bei allen anderen Formen mit aufrecht stehenden Früchten zu beobachten ist. Die großblumige, blau oder weiß blühende Garten - Glockenblume oder Marienglocke (C. medium), die häufig als Zierpflanze gezogen wird, stammt aus Südeuropa.

Neben den Glockenblumen gehören zu der Familie auch einige Pflanzen, die man leicht für Korbblütler halten könnte: sie besitzen so kleine Blüten, daß diese erst in großer Anzahl auffällig werden und daher zu ansehnlichen Köpfchen gehäuft sind. Von diesen Gewächsen seien genannt die zierliche, blau blühende Schaf-Skabiose (Iasione montäna), die auf sonnigen und sandigen Stellen wächst, sowie die weiß oder violett blühende Teufelskralle (Phyteüma spicätum), die im Schatten des "Waldes gedeiht. (Beweise, daß beide Pflanzen ihrem Standorte vortrefflich „angepaßt" sind, und erkläre ihre Namen !)

44. Famile. Kürbis-Gewächse (Cucurbitaceae).

Der Kürbis (Cucurbita pepo).

A. Frucht und Verwendung1. Den Kürbis baut man in zahlreichen

Spielarten vorwiegend seiner Früchte wegen an, die von sehr verschiedener,

oft riesiger Größe und grün, weiß oder bunt gefärbt sind. Sie werden vom

Menschen verspeist („Speisekürbisse") oder den Haustieren als Futter vorge-

Andere Glockenblumen-Gewächse. Kürbis.

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legt. Andere Spielarten dagegen pflanzt man nur zur Zierde („Zierkürbisse"): man erfreut sich an den oft seltsamen Formen der Früchte (beschreibe und zeichne solche!) oder benutzt die kletternde, großblättrige Pflanze zur Bekleidung von Lauben u. dgl.

»Stellt man durch die unreife Frucht einen Querschnitt her, so sieht man, wie von der ringförmigen Wand meist 3, seltener 4 oder 5 „Zapfen" in das Innere vorspringen, und wie in diese Zapfen am Grunde mehrere Reihen von Samen eingebettet sind. An der reifen Frucht ist die Wand bis auf die harte Außen- schicht („Rinde"; Bedeutung?) von fleischiger Beschaffenheit, während sich die Zapfen in eine faserige, klebrige Masse verwandelt haben. Welche Bedeutung diese eigentümliche „Zweiteilung" der Fruchtwände für die Pflanze hat, wird uns klar, wenn wir

B. Samen und Keimung näher betrachten. 1. a) Legen wir einige Samen („Kürbiskerne"), die noch mit Teilchen des klebrigen Fruchtfleisches oder mit dem Safte desselben behaftet sind, auf feuchten Boden (Blumentopf), so verkleben sie bald mit der Erde. Sorgen wir weiter für die nötige Feuchtig- keit, so fangen sie an zu keimen: Aus einem kleinen Loche am zugespitzten

Ende (1.) 3.

tritt zuerst die Haupt- wurzel her- vor. Sie senkt sich sofort in den Boden

und ver- zweigt sich daselbst sehr

bald (2.): alles Erschei- nungen, wie wir sie bereits bei der keimenden Bohne kennen und verstehen gelernt haben. Nunmehr beginnt sich der Stengel- teil, der mit der Wurzel ins Freie getreten ist und sich gleichfalls nach unten gewendet hat, stark in die Länge zu strecken. Da aber die Wurzel im Boden befestigt und die Samenschale mit der Erde verklebt ist, so bildet sich an dem wachsenden Stengel ein kleiner, nach oben gerichteter Bogen (3.). Infolge fort- gesetzten Wachstums wird dieser Bogen immer straffer gespannt, bis endlich die Keimblätter aus der Samenschale herausgezogen werden. Bei dieser Arbeit kommt dem Stengel noch ein kleiner Wulst zu statten, der sich an ihm bildet. Er drückt die untere Hälfte der Schale nach unten und verschwindet wieder, so- bald die Keimblätter aus ihrer Hülle befreit sind.

Legen wir neben diese Samen einige andere aus, von denen wir jede Spur des Fruchtfleisches und seines Saftes sorgfältig entfernt haben, so keimen diese gleich- falls bald. Da sie aber mit der Erde nicht verkleben, so wird dabei die Samen-

Keimung des Kürbis. Zittern im Texte erklärt

164 44. Familie. Kürbisgewächse.

schale wie eine Mütze mit emporgehoben. Die Keimblätter vermögen sich daraus nicht oder nur schwer zu befreien, so daß die junge Pflanze verkümmert oder wohl gar zu Grunde geht. Diese Tatsache zeigt, wie wichtig es für den Kürbis ist, daß die Samenschalen mit dem Erdboden verkleben, oder anders ausgedrückt, daß sich Teile der Fruchtwand, die „Zapfen", bei der Reife in eine klebrige Masse verwandeln.

Legen wir nun drittens auch einige Samen in den Boden, so hält die obere Erdschicht die Fruchtschale fest und die Keimung kann ungestört erfolgen, ganz gleichgültig, ob noch Fruchtfleisch an den Samen haftet oder nicht. Dieser Fall wird beim wildwachsenden Kürbis aber wohl kaum eintreten. Die Samen werden wohl stets auf dem Erdboden zu liegen kommen, und dort bedürfen sie, wie wir gesehen haben, einer besonderen Befestigung an das „Keimbett".

b) Hierbei kommt den Samen die Form wesentlich zu statten: Da sie flache, breitgedrückte Gebilde sind, müssen sie den Boden stets mit einer Breit- seite berühren, oder mit anderen Worten, ihm stets eine große Befestigungs- oder Klebfläche darbieten.

c) Die Frucht des Kürbis springt, um die Samen zu entlassen und zu verstreuen, von selbst nicht auf. Bei den angebauten Pflanzen ist hierzu die Hilfe des Menschen, bei wildwachsenden die von Tieren (Wildschweinen, Hirschen u. a.) nötig. Gleich zahlreichen anderen Gewächsen, deren Samen durch Tiere verbreitet werden (s. S. 64, 8), besitzt daher auch der Kürbis ein Anlockungs- mittel für seine Verbreiter: die Wandschicht der Frucht bildet zur Zeit der Reife eine wohlschmeckende, fleischige Masse.

Wenn etwa ein Wildschwein eine Frucht verzehrt, so wird es sicher auch zahlreiche Samen mit verspeisen. Bei der großen Menge der Samen ist dies für die Pflanze aber kein besonderer Verlust. Andererseits werden aber auch zahlreiche Samen dem Tiere an Maul und Füßen kleben bleiben, so daß auf diese Weise die Pflanze über ein weites Gebiet verbreitet werden kann.

2. Hat der Stengel die Keimblätter aus der Samenschale befreit, so streckt er sich gerade, und die ergrünenden Keimblätter biegen sich auseinander, so daß sie von den Sonnenstrahlen durchleuchtet und durchwärmt werden können (Bedeutung?). Mit Eintritt der Dunkelheit dagegen klappen sie wieder zusam- men: sie nehmen Nacht- oder Schlaf Stellung ein, eine Erscheinung, deren Bedeutung wir bereits früher (S. 103) kennen gelernt haben. Durch die zu- sammengeneigten Keimblätter wird zugleich die zarte Knospe zugedeckt und somit gegen zu starken Wärmeverlust geschützt. Da es nun ohne Wärme kein Wachstum gibt (Beispiel!), so ist also auch in dieser Hinsicht die Schlafstellung der Keimblätter für die Pflanze von Vorteil. Und ein solcher Schutz ist für die Knospe um so wichtiger, als

3. der Kürbis gegen Wärmeverlust außerordentlich empfindlich ist. Schon der geringste Frost tötet ihn, und seine Samen keimen erst bei einer Wärme von wenigstens 11 16° C. Diese Tatsachen zeigen deutlich an, daß die Heimat der Pflanze nicht in unseren Gegenden zu suchen ist.

Kürbis. 165

Wahrscheinlich ist sie das tropische Amerika. Die Empfindlichkeit des Kürbis gegen Kälte veranlaßt uns auch, seine Samen (sowie die der Gurke) erst dann ins freie Land zu legen, wenn wir keine Nachtfröste mehr zu befürchten haben, also etwa Mitte Mai.

C. 1. Stengel, Ranken und Blätter sind mit größeren oder kleineren Stacheln bedeckt, die z. B. gleich den Haaren der Schwarzwurz Schutzmittel der (wildwachsenden) Pflanze gegen Tiere darstellen. An den Blattstielen sind sie besonders stechend.

2. Der fünfeckige, hohle Stengel ist saftreich und nicht imstande, sich empor zu richten oder gar die Last der Blätter und Früchte zu tragen. Er liegt darum entweder dem Boden auf oder klettert mit Hilfe von

3. Ranken, die neben den Blättern entspringen, an fremden Gegenständen empor. Jede Ranke besteht aus einem gemeinsamen Stiele, der am Ende meist 3—5 Äste trägt. Vergleicht man die Ranke mit den Blättern, so ergibt sich, daß wir es in ihr wie bei der Erbse (s. das.) mit einem umgewandelten Blatte, mit einer „Blattranke" zu tun haben: der gemeinsame Stiel entspricht dem Blatt- stiele, und die Äste stellen die von einem Punkte ausstrahlenden Hauptrippen der Blattfläche dar. Ja, die Übereinstimmung geht noch weiter: wie nämlich an der Blattfläche die Mittelrippe die anderen Hauptrippen an Länge und Stärke über- trifft, so ist auch hier der Ast, der die Verlängerung des Stieles bildet, stets weit länger und stärker als die anderen Äste. (Beobachte, wie die Rankenäste gleich den Ranken des Weinstocks kreisen, die Stütze umschlingen und sich korkzieherartig zusammenziehen! An abgeschnittenen Zweigstücken, die man in ein Gefäß mit Wasser stellt, läßt sich der Vorgang sehr bequem verfolgen.)

4. a) Die Blätter sind um den Stengel in einer Spirale angeordnet (s. S. 131, 1 c). Da eine am Boden liegende oder kletternde Pflanze aber nur von einer Seite belichtet wird, so müssen sämtliche Blätter auch dorthin gerichtet sein. Zu diesem Zwecke machen die langen, hohlen Blattstiele die mannig- fachsten Krümmungen: sie heben die Blattflächen erstlich von der Unterlage (Erdboden, Stütze) ab und stellen sie zweitens abwechselnd rechts und links vom Stengel, so daß alle von den Sonnenstrahlen getroffen werden können. Und da die Blattflächen zudem noch eine solche Richtung zu den Sonnenstrahlen ein- nehmen, in der sie am besten durchleuchtet werden können (wie bei liegenden und wie bei kletternden Pflanzen?), so ist die ungünstige Spiralstellung in allen Stücken aufs vollkommenste „korrigiert".

b) Die Blattflächen sind sehr groß, herzförmig und besitzen je nach der Spielart 5- oder 7 mehr oder weniger tief eingeschnittene Lappen. Wenn wir bedenken, wie saftreich alle Teile des Kürbis sind, wie groß demnach sein Bedürfnis nach Wasser ist, werden wir in der Größe der Blätter leicht einen Vorteil für die Pflanze erkennen: große Blätter beschatten den Boden mehr, schützen ihn also auch in höherem Maße gegen Austrocknung als gleich viele, aber kleinere Blätter. (Beachte hierauf vor allen Dingen auch die Gurke!)

c) Große Blätter sind andererseits aber der Gefahr, vom Winde zerrissen

166 44. Familie. Kürbis-Gewächse.

zu werden, viel stärker «ausgesetzt als kleine Blätter. Bei herzförmigen, großen Blättern ist nun wieder der Blattgrund am meisten gefährdet. Darum hat diese Stelle auch eine besondere Festigung erfahren: Die beiden äußersten großen Seiten nerven sind bis zu ihrer ersten Verzweigung nicht nur sehr stark, sondern bilden auf dieser Strecke auch den Rand der Blattfläche. (Vgl. mit dem Saum der Tücher und Kleider! Wie sichern wir Knopflöcher gegen das Einreißen?)

D. Blüte und Bestäubung. 1. Die sehr großen Blüten erheben sich auf kurzen Stielen einzeln aus den Blattwinkeln (vgl. mit S. 95, b). Der Kelch ist bis auf 5 Zähne vollkommen mit dem unteren Teile der gelben, trichter- förmigen und gleichfalls 5 zipfeligen Blumen kröne verwachsen, deren Innen- seite dicht mit feinen Härchen bedeckt ist. Der Grund der Blüte ist mit einer gelben, fleischigen Masse ausgekleidet, in der wir wie schon der Geschmack lehrt die Honigdrüse vor uns haben. Soweit stimmen sämtliche Blüten miteinander überein. Hinsichtlich der Befruchtungswerkzeuge macht sich aber ein sehr bemerkenswerter Unterschied geltend:

2. In der Mehrzahl der Blüten finden wir nur Staubblätter. Diese „Staubblüten" bringen selbstverständlich auch keine Früchte hervor und werden darum im Volksmunde als „taub" bezeichnet. Die Staubbeutel sind mit- einander zu einer kurzen Säule verwachsen, die auf 3 „Trägern" ruht, so daß sich das ganze Gebilde wie ein Dreifuß über der napfförmigen Honigdrüse er- hebt. Wie der Augenschein lehrt, haben wir in den „Trägern", zwischen denen nur je eine Lücke zum Honig offen bleibt (Bedeutung?), die Staubfäden vor uns. Da zwei „Träger" den dritten an Stärke aber weit übertreffen, so ist dies ein Zeichen, daß wir es in ihnen nicht mit einfachen Staubfäden zu tun haben, sondern daß sie durch Verschmelzung je zweier entstanden sind. In der Blüte sind also, den übrigen „fünfzähligen" Blüten teilen entsprechend, auch 5 Staubblätter vorhanden. (So sind auch die meist 3 Fruchtfächer s. Absch. A durch Verschmelzung aus 5 hervorgegangen.)

3. Im Gegensatz zu den Staubblüten, besitzen die anderen Blüten nur einen wohl ausgebildeten Stempel ; man bezeichnet sie daher als Stempel- oder Fruchtblüten. Der unterständige Fruchtknoten (s. S. 71, b), dessen Bau wir in Absch. A bereits kennen gelernt haben, ist in einen säulenförmigen Griffel verlängert, der eine große, 5-lappige Narbe trägt.

4. a) Beim Kürbis sind also Staubblätter und Stempel auf verschiedene Blüten verteilt, die sich aber an ein und derselben Pflanze finden oder, bildlich ausgedrückt, die ein Haus bewohnen („einhäusige" Pflanzen im Gegensatz zu „zweihäusigen", s. z. B. Weide). Um die Bedeutung dieser Einrichtung zu ver- stehen, brauchen wir uns bloß daran zu erinnern (s. z. B. 122), daß Selbst- bestäubung stets geringere Fruchtbarkeit im Gefolge hat als die von den Pflanzen „herbeigewünschte" Fremdbestäubung: bei einhäusigen Pflanzen ist aber die minderwertigere Selbstbestäubung völlig ausgeschlossen.

b) Die Überträger des Blütenstaubes sind beim Kürbis stets Insekten.

Kürbis.

167

(Woraus ist dies schon zu schließen? Welche Insekten hast du in den Blüten beobachtet? Vgl. dag. die gleichfalls „einhäusige" Haselnuß!) Sollen die Tiere beim Besuch der Blüten aber wirklich Bestäubung vermitteln, so müssen sie Staubbeutel und Narbe streifen. Und hierzu werden sie von der Pflanze gleichsam genötigt; die Innenseite der Blumenkrone, auf der ja die Insekten zum Honig hinab kriechen könnten, ist wie wir bereits gesehen haben dicht mit feinen Haaren besetzt. In dem Haardickicht verstricken sich aber die Insekten leicht mit den Fußklauen, so daß sie auf diesem Wege nur mit

Staubblüte vom Kürbis (etwas verkl.).

großer Mühe zum Honig vorzudringen vermöchten. Ganz anders aber, wenn sie die natürlichen ., Anflugsstangen" der Blüten benutzen, die Staubbeutelsäule oder die große Narbe, von denen glatte Wege (Staubfäden und Griffel sind un- behaart!) in den Blütengrund zum Büßen Mahle führen.

Andere Kürbisgewächse.

Eine weit höhere Bedeutung als der Kürbis hat die ihm in allen Stücken ähnliche Gurke (Cucumis sativus), die aus Ostindien zu uns gekommen ist. Sie besitzt aber einfache Ranken und langgestreckte Früchte (Verwendung?). Ostindien ist auch die

168

44. Familie. Kürbis-Gewächse. 45. Familie. Labkraut-Gewächse.

Heimat der Zuckermelone (C. melo), auch kurz „Melone" genannt. Das gelbliche, würzhafte Fleisch der kürbisähnlichen Früchte wird als wohlschmeckendes und er- frischendes Obst überall hoch geschätzt. Deshalb hat sich die Pflanze auch über fast alle warmen und wärmeren Länder verbreitet. Bei uns gedeiht sie nur in Treibhäusern. Eine ähnliche Bedeutung und Verbreitung hat die Wassermelone (C. citrüllus). Sie stammt aus dem heißen Afrika. Ihre hochgeschätzten Früchte besitzen ein rötliches und sehr saftiges (Name!) Fleisch und schwarze Samen. Das tropische Asien und Afrika ist auch die Heimat der Luffapflanze (Luffa cylindrica), die in neuerer Zeit eine große Bedeutung erhalten hat. Das feste Gefäßbündelnetz der gurkenartigen Früchte wird zu den bekannten Luffaschwämmen, sowie zu leichten Hüten, Schuhen u. dgl. verarbeitet.

An Zäunen und Gebüschen klettert mit Hilfe einfacher, empfindlicher Ranken (berühre sie und beobachte, wie schnell sie sich an dieser Stelle krümmen!) die Zaun- rübe (Bryönia) empor. Sie besitzt eine sehr giftige, rübenförmige Wurzel (Name !) und wird durch Vögel verbreitet, denen die saftigen, schwarzen oder roten Früchte zur Nahrung dienen (vgl. S. 64, 8). An der Färbung der Früchte lassen sich auch leicht die beiden Arten, die schwarzbeerige und die rotbeerige Z. (B. alba und diöica), erkennen. Eine Pflanze mit sehr merkwürdiger Samenverbreitung ist die Spritzgurke (Ecbällium elaterium), die in den Mittelmeerländern heimisch ist und bei uns der eigentümlichen Früchte wegen ab und zu in Gärten gezogen wird. Die etwa 4 cm langen gurkenähnlichen Gebilde lösen sich bei der Reife von den Stielen, und in dem- selben Augenblicke spritzt aus der ent- standenen Öffnung der schleimige Inhalt samt den Samen in kräftigem Strahle hervor. Infolgedessen werden die Samen weit über das Gebiet der Mutterpflanze hinaus verbreitet. Werden nun gar Tiere, die durch Anstreifen die Frucht von den Stielen lösen, von dem „Geschosse" getroffen, so kann die Pflanze infolge dieser Einrichtung sogar über größere Bezirke ausgesät werden.

45. Familie. Labkraut-Gewächse

(Rubiäceae).

Das Klebkraut (Gälium aparine)

ist eine unserer gemeinsten Pflanzen. Es bewohnt vorwiegend Hecken und Gebüsche und ist wie alle Schattenpflanzen (s. S. 7, b und c) ein über- aus zartes Gewächs. Die bis 2 m hohen Stengel sind so schwach, dass sie sich allein nicht aufzu- richten vermögen. Die Pflanze häkelt sich darum meist an den Stämmen und Zweigen der Sträucher an, unter denen sie dem Boden entsprießt, und

Spritzgurke. Ein Zweig mit Blatt und Frucht. Die Frucht hat sich vom Stiele abgelöst, so daß die Samen daraus her- vorspritzen. (Nat. Gr.)

Kürbis-Gewächse. Klebkraut und andere Labkraut-Gewächse. 169

klettert so zum Lichte empor. Befähigt wird sie hierzu durch rückwärts gerichtete Stacheln, die infolge ihrer Kleinheit und großen Zahl das ganze Gewächs klebrig erscheinen lassen. (Name ! Beobachte, wie leicht Zweige z. B. an deinen Kleidern haften!) Die Stacheln finden sich an den 4 Kanten des Stengels, sowie an den Rändern und der Mittelrippe der quirlförmig gestellten Blätter. Fehlen dem Klebkraut fremde Gegenstände zum Anhäkeln, so halten sich die einzelnen Stengel der in großen Trupps wachsenden Pflanze gegen- seitig: vereinigt werden eben selbst die Schwachen mächtig. (Entferne von einem solchen Trupp einen Stengel nach dem andern und beobachte, wie die letzten kraftlos umsinken!) Aus den kleinen weißen Blüten (beschreibe sie!) entwickeln sich je 2 Teilfrüchtchen, die dicht mit widerhakigen Stacheln bedeckt sind. Infolgedessen haften sie leicht an den Haaren vorbeistreifender Tiere und werden auf diese Weise oft über große Bezirke verbreitet (Bedeutung?). Von den zahlreichen anderen Labkrautarten (Gälium) seien hier nur das gelb- blühende echte und das weißblühende gemeine L. (G. verum und mollügo) genannt. Sie bewohnen trockene, rasige Orte und zeigen dementsprechend auch alle Eigenschaften der Trockenlandpflanzen (Beweis!). „Labkräuter" heißen sie, weil der Saft mehrerer Arten die Milch wie das Lab des Kälbermagens schnell zum Gerinnen bringt. Dies gilt besonders von der ersteren Form (darum „echt" !), die bei den alten Germanen der Freya geweiht war und von der eine später entstandene Sage erzählt, daß sie das Lager des Christuskindes gebildet habe. Darum heißt sie auch noch heute in gewissen Gegenden „Unserer lieben Frauen Bettstroh" oder ähnlich. Besonders in Buchen- wäldern befindet sich der zierliche Waldmeister (Asperula odoräta), der wie sein „Nach- bar", das Windröschen, eine in allen Stücken ausgeprägte Schattenpflanze darstellt (Beweis!). Er enthält in allen Teilen einen scharfriechenden Stoff (Cumarin), durch den Weidetiere abgeschreckt werden, der aber auch die Verwendung der duftenden Pflanze als würzende Zutat zum Wein bedingt („Maitrank"). Die Früchte sind „Kletten" wie die des Klebkrautes. Reibt man die unterirdischen Stengel (Wurzelstöcke) der Labkraut- und Waldmeisterarten zwischen den Fingern, so sieht man, daß die meisten gelb oder rot färben. In weit höherem Maße gilt dies von dem Wurzelstocke der Färberröte oder des Krapp (Rübia tinctörum). Die Pflanze stammt aus dem Mittel- meergebiete und ähnelt vollkommen einem Labkraute. Seitdem man versteht, den wert- vollen, roten Farbstoff, den sie früher allein lieferte, billiger künstlich herzustellen, ist ihr Anbau aber stark zurückgegangen. Zu den Labkrautgewächsen gehört auch eine unserer wichtigsten ausländischen Kulturpflanzen :

Der Kaffee (Coffea aräbica).

1. Die Kaffeepflanze ist ein kleiner Baum oder Strauch, dessen gegen- ständige, immergrüne Blätter etwa die Form und Größe der Lorbeerblätter besitzen. In den Blattwinkeln stehen Knäuel weißer, kurzgestielter Röhren- blüten, aus denen die anfangs grünen, dann roten und zuletzt violetten Früchte hervorgehen. Sie haben die Form und Größe kleiner Kirschen und sind auch wie diese gebaut. Das saftige, süße Fruchtfleisch umschließt aber 2 horn- artige Samen, die als „Kaffeebohnen" allgemein bekannt sind, und die nach der Ernte vom Fruchtfleisch getrennt werden. (Beweise aus der Färbung und

170 Taf. 25. 45. Familie. Labkraut-Gewächse. 46. Familie. Geißblatt-Gewächse.

dem Bau der Frucht, daß die ursprünglich wilde Pflanze auf die Verbreitung

durch Vögel angewiesen war! Vgl. S. 64, 8a und b.)

2. Das aus den ge- rösteten und gemahlenen Kaffeebohnen bereitete duftende Getränk, der Kaffee, übt auf uns be- kanntlich eine belebende Wirkung aus: Gehirn und Nerven werden erregt, das Gefühl der Nüchternheit und des Hungers wird be- seitigt und der Schlaf verscheucht. Diese Wir- kung ist in erster Linie einem Stoffe, dem C o f f ein, zuzuschreiben, der in den Bohnen enthalten ist und in den Kaffeeaufguß über- geht (darum werden die

Bohnen gemahlen!). Schon in etwas größerer Menge genossen, ist dieser Stoff aber ein heftiges Gift. Daher erzeugt sehr starker Kaffee Herz- klopfen, Blutandrang nach dem Kopfe, Angstgefühl, Muskelzittern und bei fortgesetztem Genuß so- gar schwere Nervenlei- den. Irgend welche näh- renden Bestandteile ent- hält der Kaffee nicht : er ist nur ein Beiz- oder Genußmittel wie der Alkohol. Den Kaffee-Ersatzmitteln (Surrogaten), unter denen Cichorie und

Gerste am gebräuchlichsten sind, fehlt das Coffein und daher auch die Wirkung,

die der Genuß dieses Stoffes im Gefolge hat.

3. Die Heimat des Kaffeebaums ist wahrscheinlich der gebirgige, östliche

Teil des heißen Afrika. Sicher ist nur, daß er zuerst in Süd-Arabien angebaut

wurde („Mocca" -Kaffee nach der gleichnamigen Hafenstadt) und am Ende des

Zweig vom Kaffeebauin mit Blüten und jungen Früchten.

Daneben eine reife Frucht, von der der obere Teil des

Fruchtfleisches abgelöst ist. F. Fruchtfleisch. S. Samen.

(Nat. Gr.)

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 25.

Wald -Geißblatt (Lonicera perielymenum).

Kaffee. Chinabäume. Wald-Geißblatt. 171

17. Jahrhunderts in Java eine neue Heimat fand. In der Folgezeit verbreitete sich der Anbau der wichtigen Pflanze über fast ganz Ostindien, ging auf Amerika (besonders Brasilien) über und hat jüngst auch im deutschen Schutzgebiete von Ostafrika Eingang gefunden. Der Kaffeegenuß ist in Europa erst seit etwa der Mitte des 17. Jahrhunderts bekannt.

Nahe Verwandte der Kaffeepflanze sind die China- oder Fieberrindenbäume (Cinchona) der südamerikanischen Anden. Ans den Rinden dieser immergrünen Gew«ächse bereitet man das wichtigste Fiebermittel, das Chinin.

46. Familie. Geißblatt-Gewächse (Caprifoliäceae). Das Wald-Geißblatt (Lonicera periclymenum). Tafel 25.

1. Eine Nachtfalter bin nie. Laubwald und Gebüsch sind im Hoch- sommer oft von dem köstlichen Dufte erfüllt, der den Blüten des Wald- Geißblattes entströmt. Besonders abends und nachts ist der Duft sehr stark; am Tage dagegen verschwindet er oft fast gänzlich (stelle einen Strauß in das Zimmer!). Wenn wir nun noch die lange Röhre der 2 lippigen Blüte (beschreibe sie näher!) betrachten, bis zu deren Grunde nur die längsten Insektenrüssel hinabreichen, so steht es für uns außer Zweifel, daß wir es hier wie bei dem nickenden Leimkraut (s. das.) mit einer Nachtfalterblume zu tun haben. Darum öffnen sich auch wie bei jener Pflanze die Blüten mit Anbruch des Abends, darum haben sie eine helle Farbe (gelblich weiß ; außen | warum hier nicht schädlich?] wie die Knospen oft mit rötlichem Anflug), und darum stellen sie sich wagerecht, sobald sie zum Empfang der Besucher bereit sind (1. S. dag. die Stellung der Knospen!). Am ersten Abend (1 a) stehen die 5 Staubblätter vor dem Blüteneingange, wäln;end der Griffel mit der Narbe abwärts gebogen ist. Die vor der Blüte schwebenden Schwärmer (in der Abb. ist es ein Kiefernschwärmer) müssen mit der Unterseite also die Staubbeutel berühren. Am nächsten Abend (2) ist an der Blüte eine merkliche Veränderung eingetreten: Die Staubblätter sind herabgebogen und ihre Beutel verschrumpft, während der Griffel mit der Narbe nunmehr ihre Stellung einnimmt. Infolgedessen muß jetzt auch die Narbe von dem saugenden Schmetterling gestreift werden. Das Tier muß also beim Besuch jüngerer und älterer Blüten unbedingt Fremdbestäubung vermitteln. Die Blüte zeigt am zweiten Abend (2) auch noch andere Veränderungen: sie ist gedunkelt, hellgelb geworden, und die beiden Lippen haben sich etwas nach hinten aufgerollt. An den folgenden Tagen (3) verfärbt und rollt sich die Blumen- krone immer mehr auf, bis sie schließlich abfallt. Wenn wir bedenken, daß durch diese Veränderungen die Blüte immer unauffälliger wird (Beweis!), so werden wir die Bedeutung dieser Erscheinung leicht einsehen: die anfliegenden Schwärmer werden die hellen, auffälligen jungen Blüten zuerst bemerken. Bie also auch zuerst besuchen: darnach erst werden sie sich den weniger auffälligen älteren Blüten zuwenden. Die Tiere werden beim Besuch der Blüten also (in

172 46. Fam. Geißblatt-Gewächse. 47. u. 48 Fam. Baldrian- und Karden-Gewächse.

der Regel) wohl die Reihenfolge innehalten, in der wie wir oben gesehen haben eine Bestäubung der Pflanze nur möglich ist.

2. Eine Schlingpflanze. Das Wald- Geißblatt findet man nicht nur seiner duftenden Blüten wegen, sondern weil es sich auch vortrefflich zur Be- kleidung von Lauben eignet, vielfach in Gärten angepflanzt. Es ist nämlich eine Schlingpflanze, eine Liane, die in ihrer Waldheimat mit Hilfe des schwachen, windenden Stammes (vgl. mit Bohne) das Unterholz umschlingt und an niedrigen Bäumen bis in die Kronen emporsteigt. Im Vollgenusse des Lichts breitet sie dort die mit einer bläulichen Wachsschicht (s. S. 17, 2) überzogenen, elliptischen Blätter aus. Wie im Sommer die Schwärmer, so lockt das Geißblatt im Herbste die Waldvögel herbei: sie sollen die roten, saftigen Beeren (4.) ver- speisen und deren Samen aussäen (s. S. 64, a). Nach den Früchten führt die Pflanze wie ihre nächsten

V er wandten, von denen zahlreiche, meist ausländische Arten in Parkanlagen angepflanzt werden, auch den Namen „Heckenkirsche". Eine solche außerdeutsche Form ist der bekannte Jelängerjelieber (L. caprifölium), der in Südeuropa heimisch, bei uns aber vielfach verwildert ist. Wir lieben ihn besonders an der Geißblattlaube u, die er mit Grün bekleidet und mit dem herrlichen Duft seiner Blüten erfüllt. Er ähnelt dem Wald-Geißblatt, das darum auch „Wald- oder deutscher Jelängerjelieber" genannt wird, in allen Stücken. Als bemerkenswerter Unterschied sei nur hervorgehoben, daß bei ihm die oberen Blätter am Grunde verwachsen sind, so daß der Stengel durch sie hindurch zu wachsen scheint. Die in Laubwäldern und Gebüschen häufigste ein- heimische Art ist die gemeine Heckenkirsche (L. xylösteum). Sie ist im Gegensatz zu den beiden vorigen Formen keine Schlingpflanze (Stengel verhältnismäßig kräftig!). Da sie weit kürzere Blüten besitzt, wird sie vorwiegend von Hummeln bestäubt und ist eine „Tagblume". Die leuchtend roten Beeren stehen stets zu zweien dicht bei- einander und sind am Grunde verwachsen. Der Holunder (Sambücus nigra) war bei den alten Germanen der hohen Göttin Freya oder Holla geweiht, deren Name in dem Worte Holunder (aus Holla und tar, der „Baum") wahrscheinlich bis heute erhalten ist. Darum findet sich der Holunder auch noch jetzt fast ausschließlich in der Nähe menschlicher Wohnungen, und tausend Sagen, Märchen und Volksbräuche, die bis in die heidnische Vorzeit zurückreichen, knüpfen sich an ihn. Die Zweige, die jung ein sehr dickes Mark haben (Verwendung?), tragen unpaarig gefiederte Blätter und enden in großen Blütenständen, die sog. Trugdolden darstellen (erkläre den Namen !). Infolge der beträchtlichen Häufung werden die weißen und stark duftenden Blüten (Verwendung?) trotz ihrer Kleinheit weithin auffällig (Bedeutung?). Dasselbe gilt von den schwarzen Beeren (Verwendung?), die sich von den roten Fruchtstielen und den grünen Blättern deutlich abheben und von zahlreichen Vögeln mit Vorliebe verzehrt werden. Diesen Verbreitern verdanken die Holundersträuche, die man nicht selten auf Mauern und an anderen unzugänglichen Orten findet, ihre Entstehung. Als Unterholz in Laubwäldern findet sich nicht selten der Schneeball (Vibürnum öpulus), der an den 3— 5 lappigen Blättern, an den leuchtend roten Früchten und den eigentlichen Blütenständen leicht zu erkennen ist. Während die inneren Blüten der „Trugdolde" nämlich klein und un- scheinbar sind, haben die äußeren stark vergrößerte Blumenkronen, besitzen aber weder Stempel noch Staubblätter und bringen demnach auch keine Früchte hervor. Sie sind aber für die Pflanze durchaus nicht bedeutungslos: machen sie doch die von ihnen ein-

Geißblatt-, Baldrian- und Karden-Gewächse.

173

geschlossenen, unscheinbaren, fruchttragenden Blüten für die Besucher auffällig. Die kugeligen Blütenstände (Name!) des Schneeballs, den wir als Zierstrauch pflegen, be- stehen nur aus solchen „tauben" Blüten. (Wie kann diese Spielart demnach auch nur vermehrt werden?) Sehr häufig ist in Parkanlagen auch die Schneebeere (Sym- phorieärpus racemösus) angepflanzt, die aus Nordamerika stammt. Ihre Früchte bleiben noch lange nach dem Laubfall an den Zweigen hängen, und wie deutlich sie sich in- folge der weißen Färbung (Name !) von dem dunklen Hintergrunde abheben, ist leicht zu beobachten (Bedeutung?). (Beachte auch die bei der Roßkastanie erörterte, verschiedene Blattstellung an senkrechten, wagerechten und hängenden Zweigen!)

47. und 48. Familie. Baldrian- und Karden-Gewächse (Valerianäceae und Dipsäceae).

1. Der echte Baldrian (Valeriana officinälis) liefert uns in seinem Wurzelstocke, dessen Geruch die Katzen lieben („Katzenkraut"), ein wichtiges Heilmittel. Die Pflanze, die fast Manneshöhe erreichen kann, wächst in feuchten Wäldern, auf Wiesen und an Flußufern, hat gefiederte Blätter und kleine, rötliche Blüten, die aber zu ansehn- lichen, doldenartigen Blütenständen gehäuft sind. Die einsamigen Schließfrüchtchen besitzen je eine „Federkrone" (s. Löwenzahn), die der Verbreitung der Pflanze dient. (Stelle aber die Unterschiede fest, die im Blütenbau zwischen Baldrian und Korbblütlern obwalten!). Ein handhohes Gewächs ist das Rapünzchen (Valerianella olitöria), das gern als Salatpflanze („Feldsalat") angebaut wird. Es entstammt dem mittel- ländischen Pflanzengebiete, ist aber bei uns vollständig heimisch geworden.

2. Die Familie der Kardengewächse nähert sich den Korbblütern in noch höherem Maße. Wie uns z. B. die Tauben -Skabiose (Scabiösa columbäria) zeigt, die auf trockenen Wiesen und an ähnlichen Orten vielfach

vorkommt, sind die kleinen, lilafarbenen oder weißen Blüten zu ansehnlichen, „strahlenden* Köpfchen ge- häuft; sie stehen in den Achseln von „Spreublättern'' ; ihre Gesamtheit ist von einem „Hüllkelche" umgeben, und der Kelch, der die Schließfrüchtchen wie ein häutiger Saum krönt, tritt wie bei zahlreichen Korb- blütlern als Fallschirm in den Dienst der Windver- breitung. (In welchen Punkten unterscheiden sich beide Familien aber wesentlich voneinander?) Ganz ähn- lich gebaut sind die meist roten Köpfchen der Acker- Skabiose (Knautia arvensis), die auf Feldern, Rainen und trockenen Wiesen sehr häufig anzutreffen ist Die Kardendiestel (Dipsacus silvestris) dagegen, die sich an Waldrändern und unbebauten Orten findet, hat langgestreckte Blütenköpfe, an denen die stachel- spitzigen Spreublätter die rötlichen Blüten und später die Früchte überragen. Da zudem auch die Blätter des Hüllkelchs dicht mit Stacheln besetzt sind, so stellt das Köpfchen zur Zeit der Fruchtreife ein überaus stacheliges Gebilde dar. Auch die Mittelrippen der Fruchtstand der Karden- Blätter, sowie besonders die Stengel und Zweige sind distel (' '■> nat. Gr.).

174 49. Familie. Korbblütler.

dicht mit Stacheln bewehrt. (Eine andere, aber noch stärker bestachelte Art wurde früher zum Aufkratzen oder „Karden" des Tuches benutzt. Name!) Zu diesem Schutz- mittel (gegen Tierfraß) tritt noch ein anderes und zwar sehr eigentümliches. Indem die unteren Abschnitte der gegenständigen Blätter miteinander verwachsen, entstehen Becken, die durch das von den Blättern ablaufende Regenwasser gefüllt werden. Kriechen nun Insekten, die dem Honig in den Blüten einen Besuch abstatten wollen, an dem Stengel empor, so fallen sie in diese Becken und müssen ertrinken. Und welche Mengen von Insekten hierdurch oft ums Leben kommen, ist erstaunlich. Das Wasser erhält infolgedessen eine jaucheartige Beschaffenheit. Ob aber die Pflanze einen Teil dieser „düngenden" Flüssigkeit aufsaugt, ist noch nicht sicher festgestellt.

49. Familie. Korbblütler (Compösitae).

Zahlreiche kleine Blüten sind zu einem köpfchenartigen Blütenstande gehäuft und werden von einer gemeinsamen Hülle umgeben, so daß das Ganze das Aussehen einer einfachen Blume erhält (Blütenkorb). Einzelblüte: Kelch wenig ausgebildet oder in eine Haarkrone (Pappus) umgewandelt; Blumenkrone entweder röhren- oder zungenförmig; Beutel der 5 Staubblätter zu einer Röhre verwachsen, die den Griffel umschließt; der unterständige Fruchtknoten entwickelt sich zu einer einsamigen Schließfrucht.

1. Die Sonnenrose oder Sonnenblume (Heliäntlms ännuus).

A. Bedeutung-. Die Sonnenrose oder Sonnenblume ist eine riesenhafte Sommerpflanze (verfolge sie vom Keimen bis zum Tode!), die aus dem heißen Amerika zu uns gekommen ist. Sie ist bei uns wegen der mächtigen, leuchtenden „Blumen", die sich mit strahlenden Sonnen vergleichen lassen (Name! s. auch Absch. E, 1), eine allgemein beliebte Zierde der Gärten. In einigen Gegenden, namentlich in Süd-Rußland und den Balkanstaaten, wird sie aber auch der Samen wegen angebaut. Man schlägt daraus ein wertvolles fettes Öl (s. S. 16, A), das als Speise- und Brennöl, sowie zur Bereitung feiner Seifen und in der Öl- malerei verwendet wird.

B. Stengel. Die Samen, die man im Frühjahre in die Erde legt, ent- wickeln sich schnell zu kräftigen Pflanzen, die nicht selten eine Höhe von 3 m und darüber erreichen. Ihr oft armdicker Stengel ist nur im oberen Teile verzweigt, fühlt sich wie alle grünen Teile rauh an und bildet eine weite Röhre (s. Roggen), die mit lockerem Mark (Verwendung?) angefüllt ist.

C. Blätter. Eine Pflanze von solcher Höhe ist aber den Einwirkungen des Windes im hohen Grade ausgesetzt, zumal sie sehr große Blätter besitzt.

1. Da die herzförmigen Blattflächen aber von langen, beweglichen Stielen getragen werden, können sie, wie wir bereits bei der Betrachtung des Birn- baums gesehen haben, dem Anprall des Windes leicht ausweichen. Bei einem solchen im Winde flatternden Blatte ist der Blattgrund der Gefahr des Ein- reißens besonders ausgesetzt, zumal wenn die Blattfläche wie bei der Sonnen- rose sehr groß und am Grunde tief herzförmig ausgeschnitten ist. Dort ist das Blatt darum auch besonders gefestigt: wie beim Kürbisblatt bilden

Sonnenrose. 175

die sehr starken Seitennerven bis zu ihrer ersten Verzweigung feste „Säume1-, die selbst heftigen Stürmen widerstehen.

2. Betrachtet man eine (noch niedrige) Pflanze von oben, so macht es den Eindruck, als bildeten die Blätter eine Rosette: so gleichmäßig sind sie um den Stengel geordnet. Und zwar ist dies von den ersten, sich gegenüberstehenden Blättern abgesehen in einer Schraubenlinie erfolgt (wiederhole den S. 131 an- gegebenen Versuch mit dem Faden !). Infolge dieser regelmäßigen Verteiluüg werden sie wie die Blätter einer wirklichen Rosette trotz ihrer Größe von all den Sonnen- strahlen getroffen. Da nun die Sonnenstrahlen dann am wirksamsten sind, wenn sie das Blatt möglichst senkrecht treffen (s. S. 43, c), so verstehen wir auch

3. warum sich das Blatt mit seiner Spitze nach unten neigt. Infolge dieser Haltung muß aber auch das Regenwasser, das auf die Blätter fällt, nach außen geleitet werden (Versuch!). Hiermit stehen wieder die Verhältnisse der

D. Wurzel im innigsten Einklänge. 1. Die Sonnenrose ist wie wir gesehen haben eine hohe Pflanze mit großen Blättern, die infolgedessen dem Winde stark ausgesetzt ist. Man erwartet daher bei ihr eine tiefgehende Haupt wurzel und weit ausgreifende Seitenwurzeln, die das schwere Gewächs sicher im Boden verankern. Gräbt man die Sonnenrose aber aus, so findet man zwar eine Hauptwurzel, die senkrecht in den Boden hinabsteigt; die von ihr nach allen Seiten ausstrahlenden Seitenwurzeln dagegen sind auf- fallend kurz. Dafür sind sie aber in sehr großer Zahl vorhanden und verzweigen sich so stark, daß ein dichtes Wurzelgeflecht, ein „Ballen" entsteht, aus dem die Erde nur schwer (durch Klopfen!) zu entfernen ist. Was den Seiten- wurzeln an Länge abgeht, wird eben durch ihre Zahl und reiche Verzweigung ersetzt.

2. Faßt man die Länge der Seitenwurzeln genau ins Auge, so merkt man, daß sich die entferntesten Wurzelspitzen über den Umfang der Blattkrone (wenn man bei der Sonnenrose überhaupt von einer solchen sprechen kann!) nicht hinaus erstrecken, eine Erscheinung, die wir beim Birnbaum bereits kennen und verstehen gelernt haben (s. S. 88, c) und bei den meisten Pflanzen mit „centri- fugaler" Wasserableitung wiederfinden. Da die Sonnenrose aber nicht eine so dicht geschlossene „Krone" wie z. B. der Birnbaum hat, so tropft das Regen- wasser auch nicht nur am Umfange derselben zum Erdboden herab. Es wird im Gegenteil der ganze Bezirk, der unter den Blättern liegt, durchnäßt. Die Saugwurzeln finden sich daher auch nicht in einer ringförmigen Zone (wie dies z. B. beim Birnbaum der Fall ist), sondern sind über den ganzen Wurzelballen verteilt, oder anders ausgedrückt: die oben erwähnte Auflösung der Seiten- wurzeln in sehr zahlreiche, immer feiner werdende Zweige, deren En dt eile das Wasser aufsaugen, ist also auch noch aus diesem zweiten Grunde notwendig.

Wenn die Saugwurzeln wie beim Birnbäume nur in einer ringförmigen Zone lägen, würden sie übrigens auch gar nicht imstande sein, das notwendige Wasser aufzunehmen. Man braucht nur zu bedenken, erstens, daß die Sonnen-

176

49. Familie. Korbblütlei

rose eine große Pflanze ist und daher auch viel Wasser gebraucht, zweitens, daß die Aufnahme der Wassermenge zahlreiche Saugwurzeln voraussetzt, und drittens, daß diese Wurzeln in einer ringförmigen Zone, die der „Krone" ent- sprechend nur sehr klein sein würde, unmöglich Platz finden könnten.

E. Blutenstand. 1. Stengel und Zweige tragen am Ende je eine große „Blume", die sich bei freistehenden Pflanzen gern der Sonne zukehrt (daher vielleicht „Sonnenblume"). Sie hat oft einen Durchmesser von 25 cm und mehr (Stamm und Zweige kräftig!) und ist infolge der Schwere bald mehr oder

Wmä

Querschnitt durch den Blütenstand der Sonnenrose.

kelch. Bb. Blütenboden.

1. 4. Röhrenblüten (1. noch nicht geöffnet; 2. der Blüten- staub ist ans der Blütenröhre hervorgeschoben; 3. die Narben spreizen auseinander; 4. verblüht (vgl. die Abb. auf S. 178). Z. Zungenblüten. H.K. Hüll- H. Der mit der Höhlung des Stengels in Verbindung stehende Hohlraum im Blütenboden.

weniger nickend. Trotz dieser Haltung wird sie aber den Blicken der Insekten nicht entzogen; denn die Sonnenrose ist eine hohe Pflanze, und die honigsuchen- den Insekten fliegen meist nur in geringer Höhe über dem Erdboden dahin. (Welche Mittel wenden niedrige Pflanzen an, um ihre nickenden Blüten sichtbar zu machen?)

2. Durchschneiden wir eine solche Blume der Länge nach, so sehen wir, daß auf dem scheibenförmig erweiterten Ende des Stengels, dem Blütenboden, sehr viele kleine, ungestielte Blüten sitzen. Wir haben es hier also nicht mit einer einzelnen Blüte, sondern mit einer Blütengenossenschaft oder einem Blüten- stande zu tun, den man seiner Form nach (wie z. B. beim Wiesenklee und der Grasnelke) als Köpfchen bezeichnet.

Sämtliche Blüten werden von mehreren großen, grünen Blättern umgeben. So lange sich das Köpfchen im Knospenzustande befindet, sind die Blüten von diesen Blättern vollkommen überdeckt, und auch noch späterhin lassen die derben Gebilde den zarten Blüten einen wirksamen Schutz, besonders gegen ankriechende Tiere (Ameisen, Schnecken u. dgl.) angedeihen (vgl. auch diejenigen Familien- glieder, deren Blütenköpfchen sich nachts schließen, z. B. Löwenzahn, Wiesen-

Sonnenrose. 177

bocksbart!). Durch diesen sog. Hüllkelch erhält der Blütenstand das Aussehen eines mit vielen Blüten gefüllten Körbchens. Darum bezeichnet man ein so gebildetes Köpfchen treffend auch als Blütenkörbchen („Korbblütler").

3. Die Einzelblüten entspringen in den Achseln kleiner, dreizackiger Blätter, die sich besonders bei der Fruchtreife spreuartig trocken anfühlen und daher Spreu blatte r genannt werden. Entfernt man die reifen Früchte, so erhält der Blütenboden, den man jetzt als Fruchtboden bezeichnet, durch die Spreublätter fast das Aussehen einer Bienenwabe. (Zahlreichen andern Korbblütlern, wie z. B. dem Löwenzahn, fehlen diese Blätter.)

4. Wenn man bedenkt, daß die Einzelblüten nur sehr kleine Gebilde sind, so wird man auch die Bedeutung ihrer Häufung verstehen: ein einzelnes Blütchen wäre so unscheinbar, daß es unmöglich die Blicke der Insekten auf sich lenken könnte, ganz anders aber, wenn es sich mit vielen seinesgleichen vereinigt (vgl. hierzu auch Absch. F., 2).

F. Einzelblüte. Zwischen den Einzelblüten macht sich nun wieder ein großer Unterschied bemerklich: die in der Mitte der Blumenscheibe stehenden haben eine kleine, gelbbraune, röhrenförmige Blumenkrone, während die am Rande des Körbchens befindlichen eine gelbe Blumenkrone besitzen, die zu einem langen Bande oder einer Zunge ausgezogen ist. Nach der Stellung kann man die Blüten also als Scheiben- und R a n d b 1 ü t e n , nach der Form als Röhren- und Zungenblüten unterscheiden.

1. Röhrenblüte (s. Abb. S. 178). Der unterständige (s. S. 71, b) Frucht- knoten trägt oben (meist) 2 Blättchen, in denen wir den Kelch vor uns haben. Wenn wir uns daran erinnern, daß der Hüllkelch für die Gesamtheit der Blüten die Bedeutung eines Kelches besitzt, so wird uns die geringe Ausbildung des wirklichen Kelches leicht verständlich. (Bei anderen Korbblütlern, z. B. bei der Wucherblume, sind vom Kelche noch viel geringere Spuren zu finden, während er bei wieder anderen Arten zu einer „Haarkrone" umgebildet ist; s. S. 182.) Die Blumen- krone ist eine enge Röhre, die etwas über dem Grunde eine kugelförmige Er- weiterung zeigt und in 5 Zipfel endet. Am Grunde der Erweiterung sind die Fäden der 5 Staubblätter eingefügt, deren Beutel zu einer den Griffel umgebenden Röhre verwachsen sind. Der Griffel endet in 2 Narben, die aber erst im letzten Blütenzustande (Fig. 4 der Abb. auf S. 178) auseinanderspreizen. Der Honig wird von einem kleinen WTulst am Grunde des Griffels Blütengrandrig einer abgeschieden, und zwar in so großer Menge, daß der RöhrenMüte der untere Teil der Blütenröhre oft damit gefüllt ist. Sonnenrose.

Um die Art der Bestäubung kennen zu lernen, müssen wir

a) bereits eine Blüte öffnen, wenn sie sich noch im Knospenzustande be- findet (1). Wir sehen, wie die Staubbeutel noch geschlossen sind, wie der Griffel noch nicht bis zu der Staubbeutelröhre empor reicht, und wie die beiden Narben noch eng aneinander liegen. Außen sind die Narbenäste,

Schmeil, Lehrbuch der Botanik. ,g

178

49. Familie. Korbblütler.

sowie ein Stück des Griffels selbst mit zahlreichen feinen Haaren besetzt, so daß der Griffel das Aussehen eines winzigen Cylinderpntzers erhält.

b) Bei einer etwas älteren Blüte finden wir die Beutel nach innen geöffnet, so daß die Bohre mit Blütenstaub ausgefüllt wird. Bei einer wieder älteren, aber immer noch geschlossenen Blüte (2) ist der wachsende Griffel wie ein Kolben in der Staubbeutelröhre vorgedrungen. In- folgedessen schiebt er den Blütenstaub vor sich her und nimmt die etwa zurückbleibenden Körnchen in seinem Haarbesatze mit empor.

c) Nunmehr öffnet sich die Blumen- krone (3). Der sich immer mehr

1.

3.

Röhrenblüte der Sonnenrose in ihrer Entwicklung. Die einzelnen Entwicklungs- zustände sind im Texte erklärt. Die Blütenröhre ist der Länge nach halbiert; von den Staubblättern sind in Fig. 1 u. 2 nur je 3, in Fig. 3 u. 4 nur je 2 zur Darstellung gelangt. Sp. Spreublatt. F. Fruchtknoten. H. Honigabsondernde Stelle des Griffels. K. Kelchblätter. Sf. Staubfäden. G. Griffel. Sb. Staubbeutelröhre (geöffnet). N. Narbe. (Etwa 5 mal vergr.)

streckende Griffel hebt die schwarzbraune Staubbeutelröhre die Staubfäden haben sich gleichzeitig stark verlängert aus der Blüte heraus und drängt zugleich den Blütenstaub in Form eines gelben Häufchens aus der Staubbeutelröhre hervor. Jetzt befindet sich der Staub an der Stelle, an der er von Insekten leicht abgestreift werden kann. Und in welch'

Sonnenrose. 17"**

reichlichem Maße dies geschieht, zeigt die oft ganz gelbe Körperimterseite der saugenden Besucher.

d) Ist der Blütenstaub abgeholt, dann spreizen erst die Narben aus- einander, so daß ihre allein „belegungsfähige" Innenseite oifen daliegt (4.) Gewöhnlich dauert es auch nicht lange, so bringen die Insekten, die von Blüte zu Blüte schreiten, von jüngeren Blüten Staub herbei. Das ungleichzeitige Reifen der Staubbeutel und Narben in derselben Blüte hat also wie bei der Glocken- blume (s. das.) meist Fremdbestäubung im Gefolge.

e) Auch wenn die Insekten von anderen Pflanzen oder von anderen Blütenkörben derselben Pflanze keinen Blütenstaub herbeitragen würden, erfolgt in der Regel doch die „erwünschte" Fremdbestäubung; denn die Blüten eines Köpfchens öffnen sich ja nicht alle zu gleicher Zeit. Abgesehen von den ersten und letzten Tagen des Blühens findet man wie die Abb. auf S. 176 zeigt in jedem Körbchen Blüten in allen Entwicklungszuständen, und zwar erfolgt das Aufblühen reihenweis von außen nach innen (ebenso natürlich auch das Verblühen!).

f) Tritt aber infolge ausbleibenden Insektenbesuchs Fremdbestäubung nicht ein, so „bequemt" sich die Pflanze schließlich zur Selbstbestäubung: die Narbenäste rollen sich so weit zurück, daß ihre Oberseiten die verschrumpften „Fegehaare" berühren, in denen stets noch einige Blütenstaubkörnchen hängen geblieben sind. (Derselbe Vorgang ist auch an der Glockenblume zu beobachten. Ähnlich erfolgt auch bei zahlreichen anderen Pflanzen Selbstbestäubung, wenn Fremdbestäubung nicht eintritt.)

2. Zungenblüten, a) Die am Rande des Köpfchens stehenden Znngen- blüten (s. Abb. S. 176) zeigen im wesentlichen denselben Bau. Ihre sehr kurze Blütenröhre ist jedoch wie bereits erwähnt zu einem langen Bande aus- gezogen, und Staubblätter sowohl, als einen Griffel sucht man bei ihnen ver- geblich. Sie sind demnach unfruchtbar (der Fruchtknoten verschrumpft), aber durchaus nicht ohne Bedeutung für die Pflanze. Indem die bandförmigen Ab- schnitte der Blumenkrone nach außen strahlen, erhöhen sie die Auffällig- keit des Blütenkorbes und helfen dadurch die Bestäuber der Röhren- blüten herbeilocken. Die Randblüten bezeichnet man daher auch als Strahlen- blüten und Blütenköpfe dieser Art als „strahlend" (vgl. mit Möhre und Schnee- ball!). In den Blütenständen der Sonnenrose (und aller jener anderen Korb- blütler mit ähnlichen Blütenkörben) ist also eine „Arbeitsteilung" eingetreten: die Blüten haben sich in Frucht- und „Lockblüten" geschieden.

b) Da Rand- und Scheibenblüten außerdem noch von verschiedener Färbung sind, so werden die Blütenstände umso auffälliger; denn Farben- gegensätze (Farbenkontraste) erhöhen bekanntlich die Auffälligkeit eines Gegen- standes; wir brauchen nur an Plakate, Firmenschilder u. dgl. zu denken. (Ea gibt aber auch eine gärtnerische Spielart der Sonnenrose, bei der Rand- und Scheibenblüten gelb gefärbt sind. Von zahlreichen anderen Korbblütlern, z. B. von Astern, Georginen und Gänseblümchen, hat der Mensch Spielarten

180

49. Familie. Korbblütler.

gezüchtet, bei denen die Blumenkronen der ursprünglich röhrenförmigen Scheiben- blüten zungenförmig geworden sind. Solche Blütenstände bezeichnet man be- kanntlich als „gefüllte" Blumen.)

e) Wie wir oben gesehen haben, blühen die Scheibenblüten nicht alle zu- gleich, sondern nacheinander, und zwar jede nur eine verhältnismäßig kurze Zeit. Da die Randblüten aber allen Scheibenblüten „dienen" müssen, so blühen sie auch während einer viel längeren Zeit, oder bestimmter ausgedrückt: die Blütezeit der Randblüten ist gleich der Gesamtblütezeit der Scheibenblüten.

G. Frucht. Die Fruchthülle sie ist, wie die 2 Narben andeuten, aus 2 Fruchtblättern gebildet F schließt nur einen Samen ein, der sich vom Grunde erhebt. Die schwarzgraue Frucht öffnet sich daher bei der Reife c- nicht: sie ist eine Schließfrucht (s. S. 10, 3). Indem der Wind die hohe Pflanze schüttelt, streut er die glatten Früchte über ein größeres Gebiet aus. (Bei welchen anderen Korbblütlern erfolgt die Verbreitung auf dieselbe Weise? Welche Vögel stellen den Früchten gern nach?)

Fruchtknoten der Sonnenrose , geöff- net. F. Fruchthülle. S.Die gestielteSamen- anlage (8 mal vergr.).

lein („Kettenblume'

2. Der Löwenzahn (Taräxacum officinäle).

1. Bedeutung. Der Löwenzahn ist so recht die Pflanze der Kinder: jubelnd pflücken die Kleinen die leuchtend gelben Blütenköpfe zum Strauß („Butterblume"), „schmieden" die hohlen Blütenstiele zu vergänglichen Kett- , „Ringelblume") und fragen die zierlichen Fruchtstände

(„Lichter", „Lampen"), wie lange sie wohl noch leben („Pustblume").

Die Blätter, die gleich allen anderen Teilen einen weißen, klebrigen Milchsaft enthalten, werden von den Weidetieren gern verzehrt („Kuh- blume"). Den Verlust der Blätter verwindet die Pflanze jedoch gewöhnlich sehr bald; denn der kurze, dicke (oft verzweigte) Stamm (Wurzelstock) ist im Erd- boden geborgen. Er kann daher von den Blatträubern nicht mit verletzt werden und beginnt meist bald darauf von neuem zu treiben. Genau so verhält sich der Löwenzahn der Sichel gegenüber: auf Rasenplätzen ist er wie der Gärtner sagt nicht „tot zu bekommen" und dort daher ein lästiges Un- kraut. Die jüngsten Blätter werden in einigen Gegenden auch als Salat verzehrt.

2. Standort. Der Löwenzahn ist auf Wiesen und Grasplätzen, sowie an Wegen und ähnlichen Stellen überall häufig anzutreffen. Während er hier auf sehr trockenem Boden im stärksten Sonnenbrande wächst, bewohnt er dort feuchte, schattige Orte; während er hier nur mit niederen Gräsern das Gebiet teilt, steht er dort mitten zwischen den hohen Wiesenpflanzen, die ihn fast zu „erdrücken" scheinen. Er gedeiht also unter sehr verschiedenen Verhältnissen ; allen aber ist er wie wir sofort sehen werden vortrefflich „angepaßt".

Sonnenrose. Löwenzahn. 181

3. Wurzel. Da sich der kurze Stamm in eine lange Pfahlwurzel fortsetzt, die bis zu den stets feuchten Bodenschichten hinab steigt, vermag der Löwenzahn selbst der Wasserarmut festgetretener Wege zu trotzen. An diesen Stellen findet man seine

4. a) Blätter stets zu einer Rosette (s. S. 17, 3) geordnet, die dem Boden dicht aufliegt, ihn beschattet und mithin vor zu starker Aastrocknung schützt.

b) Die so geordneten Blätter sind zudem auf der Oberseite mit einer oder mehreren deutlichen Rinnen versehen. Infolgedessen leiten sie jeden Regentropfen, von dem sie getroffen werden, der dürstenden Wurzel zu. (Der Richtung der Wurzel entsprechend, ist die Wasserableitung also centripetal; s. S. 88.)

c) Infolge der Rosettenstellung der Blätter verdrängt der Löwenzahn (wie der Wegerich; s. Taf. 23, auf der diese Erscheinung angedeutet ist) end- lich auch die kleineren, benachbarten Pflanzen, die ihm ja Bodenfeuchtig- keit wegnehmen würden: er bedeckt sie mit seinen Blättern, raubt ihnen also das Licht, und Lichtmangel ist stets der Tod der grünen Gewächse. Darum ist er auch wie sein treuster Genosse, der Wegerich, an Orten mit niedrigem Pfianzenwuchs vielfach die „herrschende" Pflanze. Dieses Verhalten des Löwenzahns gegen andere, schwächere Gewächse ist ein deutliches Beispiel von dem erbitterten und ununterbrochenen Kampfe, der in der scheinbar so fried- lichen Welt der Pflanzen herrscht, von einem Kampfe, der sich um Nahrung, Licht, Luft und Raum dreht ! (Verfolge diesen Kampf auch bei anderen Pflanzen und beobachte, wie stets die stärkere als Siegerin daraus hervorgeht!)

d) Steht der Löwenzahn aber zwischen üppig wachsenden Pflanzen, etwa auf einer wohlgepflegten Wiese, so kommt er häufig in die Gefahr, überwuchert zu werden. Dann verlassen die Blätter mehr oder weniger die zierliche Rosettenstellung: sie richten sich schräg oder gar senkrecht aufwärts, dem belebenden Lichte entgegen.

e) Da sich der Löwenzahn hier, sowie an wirklich schattigen Stellen (gib solche an!) nicht im Vollgenusse des Lichts befindet, sind seine Blätter sehr groß und zart wie die der eigentlichen Schattenpflanzen (s. S. 7, a u. b). (Stelle die verschiedene Größe der Blätter von „Sonnen- und Schattenpflanzen" durch Messungen fest, und beobachte, wie verschieden sich diese Blätter gegen das Vertrocknen verhalten!)

f) Außerdem erhalten hier die Blätter oft ein ganz verändertes Aus- sehen: während sie bei Pflanzen trockener oder mäßig feuchter Standorte mehr oder weniger tief wie eine Schrotsäge eingeschnitten sind („Löwenzahn": Abschnitte meist rückwärts gerichtet, oft nochmals mit kleinen Zähnen), ist hier der Blattrand oft nur noch schwach gezähnelt, eine Erscheinung, die gleich- falls auf eine Vergrößerung der Blattfläche hinaus läuft,

5. Blüte, a) Die Blütenköpfe stehen einzeln am Ende je eines blatt- losen, hohlen Stieles (eines sog. Schaftes), der je nach der Höhe der um- gebenden Pflanzen sehr kurz, aber auch außerordentlich lang sein kann

182 49. Familie. Korbblütler.

(Beweis! Bedeutung?). Im Blütenköpfchen finden sich nur Zungenblüten. Sie entspringen nicht in den Achseln von Spreublättern und unterscheiden sich von denen der Souneorose besonders dadurch, daß sie wie die Röhrenblüten dieser Pflanze wohl ausgebildete Staubblätter und einen ebensolchen Griffel be- sitzen. Auch die Bestäubung erfolgt genau wie bei der Sonnenrose. Hinsicht- lich der Bildung des Kelches dagegen zeigt sich ein wesentlicher Unterschied: der Fruchtknoten setzt sich oben in ein kurzes Stielchen fort, das auf seiner Spitze (außer der Blumenkrone) einen Haarkranz trägt, in dem wir den Kelch vor uns haben. Dieser „Haarkelch" (Pappus) krönt später die reife Frucht und wird daher auch „Haar- oder Federkrone" genannt.

b) Schon lange bevor sich das Köpfchen öffnet, sind die äußeren Blätter des Hüllkelchs herabgeschlagen; die inneren dagegen stehen aufrecht und um- hüllen schützend die zarten Blüten. Dabei schließen sie so eng aneinander, daß es den Eindruck macht, als seien sie in der unteren Hälfte miteinander verwachsen. An einem sonnigen Morgen ist endlich für das Köpfchen die Zeit des Öffnens gekommen. Die Blütchen spreizen weit auseinander, so daß sie eine große, leuchtend gelbe Fläche bilden (Bedeutung?) und die Blätter des Hüllkelchs nach außen drängen. Bereits lange vor Anbruch des Abends schließen sich die Köpfchen wieder : die Blüten kehren in die Knospenlage zurück, werden wieder vom Hüllkelch umgeben, und von der früheren Herrlich- keit ist nichts mehr zu sehen (s. S. 3, b). Dieser Vorgang wiederholt sich täglich, bis das Blühen ein Ende erreicht hat. Bei regnerischem und kaltem Wetter öffnen sich die Köpfchen gar nicht! (Verfolge, zu welchen Tages- stunden das Öffnen und Schließen in deiner Heimat während der einzelnen Monate erfolgt!)

6. Frucht, a) Im Schutze des Hüllkelchs reifen auch die Früchte. Die Blumenkrone ist nach dem Verblühen abgefallen; die stielchenartige Ver- längerung des Fruchtknotens dagegen hat sich gleich den Haaren der Haarkrone stark in die Länge gestreckt. Sind die Früchte reif und somit verbreitungs- fähig geworden, und scheint die Sonne warm herab, dann spreizen die Haare auseinander, während sich die Blätter des Hüllkelchs gleichzeitig nach unten schlagen: es haben sich jene bekannten, kugeligen Fruchtstände gebildet, die an Zierlichkeit ihresgleichen suchen.

b) Jetzt „warten" die Früchte auf einen Windstoß, der sie über ein weites Gebiet aussäen soll (Bedeutung? s. S. 10, 3). Diesen wichtigen Dienst vermag der Wind der Pflanze wohl zu leisten; denn die Haar kröne liefert ihm einerseits eine große Angriffsfläche, so daß er die Frucht leicht vom Frucht- boden ablösen kann, und sie stellt andererseits einen winzigen Fallschirm dar. Wie ein solcher Schirm der Luft einen großen Widerstand entgegensetzt, so daß der an ihm hängende Luftschiffer nur langsam zur Erde herabschwebt, so wird auch durch die Haarkrone ein schnelles Fallen der Früchte verhindert. Sollen die Früchte aber wirklich über ein weites Gebiet verbreitet werden, dann müssen die Fallschirme auch die zum Schweben notwendige Stellung beibehalten

Löwenzahn und andere Korbblütler. 183

(was würde im anderen Falle geschehen?). Audi dafür Ist gesorgt: da sich das „Stielchen" sehr lang gestreckt hat, ist der Schwerpunkt des ganzen, feder- leichten Gebildes verhältnismäßig tief zu liegen gekommen, so daß es wie ein „Stehauf" stets senkrecht stehen muß. Sind die Früchte vom Winde nicht abgeholt, dann legen sich die hygroskopischen) Fallschirme in der feuchten Abendluft wieder zusammen, und die Kelchblätter umgehen sie abermals; denn der Tau der Nacht würde die Haarkrone so durchfeuchten und beschweren, daß an eine Verbreitung durch den Wind nicht mehr zu denken wäre. Am nächsten Tage im warmen Sonnenscheine beginnl das Spiel von neuem. ]->ei feuchter Luft dagegen öffnen sich die Fruchtstände überhaupt nicht.

c) Ist das „Luftschiff" gestrandet, dann löst sich die Haarkrone mit dem Stielchen von der Frucht ab, die durch zahlreiche Zähnchen der Frucht- schale bald sicher im Boden verankert ist (Bedeutung?).

Andere Korbblütler.

Die Korbblütler stellen mit ihren etwa 12 000 Arten die größte aller Pflanzen- familien dar. Sie sind über alle Zonen verbreitet und finden sieh bei uns an den ver- schiedensten Standorten. Nach der Bildung der Blütenköpfchen lassen sie sich leicht in folgende drei Gruppen ordnen:

1. Gruppe. Strahlenblü tige : Die röhrenförmigen Scheiben bluten wer- den (wie bei der Sonnenrose) in der Regel von einem Kranze zungenförmiger Rand- oder Strahlenblüten umgeben.

Mit der Sonnenrose haben zahlreiche andere Korbblütler Einzug in unsere Gärten gehalten. Von diesen seien nur die beiden wichtigsten, die Garten - Aster (Aster chinensis) aus China und die Georgine (Dählia variäbilis) aus Mexico, genannt. Gärt- nerische Kunst hat aus ihnen eine unabsehbare Anzahl von Spielarten gezüchtet (s. S. 19), die hinsichtlich der gesamten Gestalt (z. B. „Zwergastern"), sowie der Größe, Farbe und Form der Blütenköpfe n. dgl. oft beträchtlich voneinander abweichen. Wie man an den wildwachsenden Asterarten unserer Heimat, sowie an einfachen" Georginen sehen kann, haben die Köpfchen dieser Pflanzen wie die der Sonnenrose ursprünglich auch nur einen Kranz von Zungenblüten. Gelegentlich zeigen sich aber auch einige oder mehrere Röhrenblüten der Scheibe zungenförmig umgestaltet. Da dem Menschen solche Blütenköpfe besonders gefielen, suchte er zur Fortzucht stets nur die Pflanzen aus. bei denen solche regelwidrigen (abnormen) Blütenbildungen besonders ausgeprägt waren : auf diese Weise sind im Laufe der Zeit die Formen mit „gefüllten Blüten" ent- standen, die heute fast allgemein angepflanzt werden.

Wie schnell eine solche „Veredlung" erfolgen kann, zeigt deutlich eine allbekannte Wiesenpflanze, das freundliche Gänseblümchen oder Maßliebchen (Bellis perennis). Man braucht es nur in gute Gartenerde zu pflanzen, so tritt auch alsbald eine Ver- mehrung der Strahlenblüten ein, und es entsteht das bekannte, weiß- oder rotblühende Tausendschönchen. Die wildwachsende Pflanze blüht fast das ganze Jahr hindurch. Die Köpfchen, die sich auf mehr oder weniger langen Stielen über die zierlichen Blattrosetten erheben, schließen sich abends nicht nnr wie die des Löwenzahns, sondern werden meist anch nickend. In der Gesellschaft des Gänseblümchens (Standort!) findet sich vielfach die weiße Waoherblame (Chrysanthemum leueanthemum) mit ganz ähnlichen, nur weil größeren Blütenköpfchen (erkläre den Namen!). Eine in Ostasien heimische nahe Verwandte

184

49. Familie. Korbblütler.

der Wucherblume ist die Stammutter der zahlreichen Winterastern (Chrysanthemum- Formen), die in immer größerer Blütenpracht von den Gärtnern gezogen werden. Aus den Blütenköpfen anderer nahe verwandter Arten bereitet man in Persien, den Kaukasusländern und Dalmatien das bekannte Insektenpulver. Einen prächtigen Schmuck der Gebirgs- wiesen bilden die großen, gelben Blütenstände des Wohlverleih oder der Arnica (Arnica montäna). Die stark gewürzhaft riechenden Wurzeln und Blüten (Schutz gegen Weidetiere!) standen früher in der Heilkunde in hohem Ansehen. Sehr kleine, weiße Blütenköpfe besitzt die Schafgarbe (Achillea millefölium). Da sie aber zu ansehnlichen Trugdolden gehäuft sind, werden sie doch weithin sichtbar. Die Pflanze wächst außer auf trockenen Wiesen, besonders an Wegen und ähnlichen Stellen. Dem- entsprechend besitzt sie auch wie zahlreiche andere Gewächse dieser Örtlichkeiten (Be- weis !) sehr tiefgehende unterirdische Teile (Wurzelstock und Wurzeln), überaus zähe Stengel und vielfach zerteilte Blattflächen. Ähnliche Verhältnisse finden wir beim Rainfarn (Tanacetum vulgäre) wieder, der den Namen von seinem Lieblingsstandorte, dem Ackerraine, und den farn wedelartigen Blättern hat. Die gelben Blütenköpfe be- sitzen keine Strahlenblüten.

An feuchten Stellen, in Gräben, an Teichrändern u. dgl., wächst überall häufig der Sumpf-Zweizahn (Bidens tripartjtus). Bei ihm verwandeln sich die 2 4 Kelch- blätter zu starren Fortsätzen der Frucht (Name!). Da diese Gebilde mit zahlreichen Widerhäkchen besetzt sind, bleiben die Früchte („Bettlerläuse") im Fell oder Gefieder vorbeistreifender Tiere oder in den Kleidern des Menschen hängen und werden auf diese Weise oft weit verschleppt (Bedeutung?). An Grabenrändern, auf feuchten Äckern und an ähnlichen Orten entfaltet als eine der ersten Frühlingspflanzen der Huflattich (Tussilägo färfara) seine gelben Blütenkörbe, die sich mit Beginn des Abends schließen und nickend werden (Bedeutung?). Nach be- endeter Blütezeit streckt sich der von schuppigen Blät- tern besetzte Blütenschaft stark in die Länge. Infolge- dessen wird der Fruchtstand über die Pflanzen der Um- gebung, die mit emporgeschossen sind, gehoben, so daß der Wind die mit Haarkronen ausgerüsteten Früchte zu ver- breiten vermag. Erst nachdem dies geschehen ist, wachsen die unterseits weißfilzigen Blätter heran (s. Salweide). Da sie von außerordentlicher Größe sind, würden sie die Blütenköpfe verdecken, die sich darum eben vor ihnen entwickeln. Den Baustoff liefern die mächtigen Wurzelstöcke, die sich weit im Boden ausbreiten. Der willkommene Lenzbote wird dadurch freilich für den Landmann ein lästiges Unkraut.

Von den bekanntesten Ackerunkräutern dieser Gruppe, die aber auch an trockenen Stellen (an Wegen, auf Rainen, auf Schutthaufen u. dgl.) wachsen, wären weiter folgende Arten zu nennen; die echte Kamille (Matricäria chamomilla), deren Blüten in der Heilkunde mannigfache Verwendung finden. Durch den starken Duft, die herabgeschlagenen Randblüten und den kegelförmigen, hohlen Blütenboden ist die Pflanze leicht von der falschen Kamille (M. inodöra) zu unterscheiden, die geruchlos ist und einen halbkugeligen, nicht hohlen Blütenboden hat. Zwei andere sehr häufige Un- kräuter sind das gemeine und das Frühlings-Kreuzkraut (Senecio vulgaris und vernälis).

Früchte vom Sumpf- Zweizahn (etwa 12 mal

vergr.)

Andere Korbblütler.

Die erstere Art ist eine beliebte Nahrung der Stubenvögel und hat kleine Blütenkopfe, denen die Strahlenbliiten fehlen. Die andere Form dagegen besitzt große, gelbe, strahlende Köpfe ; sie ist aus Osteuropa zu uns gekommen und verbreitet sich außerordentlich schnell (zahlreiche Früchte mit wohlausgebildeter Haarkrone!) immer weiter nach Westen. Etwas Ähnliches gilt von dem kana- dischen Berufskraute (Erigeron canadönsis), das wie der Artname angibt aus Kanada stammt und sich bei uns besonders an unbebauten Stellen oft in großen Beständen findet.

Viele andere Formen sind ausgeprägte Ü d - 1 and pflanzen. Als solche wären zuerst die zahlreichen Beit'ugarten (Artemisia) zu nennen, von denen der gemeine B. (A. vulgaris) an unbe- bauten Stellen am häufigsten anzutreffen ist. Dem Standorte entsprechend (vgl. mit Steinnelke und Königskerze) hat die meterhohe, sparrige Pflanze kleine, tiefgeteilte und auf der Unterseite weiß- filzige Blätter. Die zahlreichen winzigen Blüten- köpfchen sind ganz unscheinbar. Da die Blütchen zudem honiglos sind, so werden sie kaum einmal von einem Insekt besucht. Sie sind daher auf die Be- stäubung durch den Wind angewiesen, der den trocke- nen Blütenstaub verweht: daher die große Überein- stimmung mit anderen windblütigen Pflanzen (s. z B. Haselnuß) auch in Punkten, die hier unerwähnt geblieben sind (Beweis!). Die blühenden Zweige werden vielfach als Küchengewürz benutzt. Ein feineres Gewürz liefert der ganz ähnliche Estragon (A. dracünculus), der aus Südrußland stammt. Der Wermut (A. absinthium) dagegen, der an unbebauten Orten wächst, bei uns aber wohl nur verwildert ist, enthält einen sehr scharfen Bitterstoff (der sprichwörtlich gewordene „Wermuttropfen" !). Die Pflanze findet daher in der Heilkunde, aber auch als Zusatz zu Wein und Branntwein vielfache Verwendung. Ein dichtes, weißes Haarkleid, das Blätter und Stengel überzieht, erlaubt der niedlichen Sand-Strohblume (Helichrysum arenarium) selbst auf ödestem Sandboden zu wachsen und in der Hitze des Hochsommers zu blühen. Obgleich die Einzel- blüten ganz unscheinbar sind, werden sie im Gegen- satz zu denen des Beifuß nicht vom Winde bestäubt. Die Aufgabe, die Insekten anzulocken, übernimmt hier der Hüllkelch , dessen zahlreiche Blättchen meist zitronengelb gefärbt sind. Und die Auffälligkeit

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Zweig des gem. Beifuß. (Nat. Gr.)

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Taf. 26. 49. Familie. Korbblütler.

ist umso größer, als die kleinen Köpfchen dicht gehäuft sind. Da der Hüllkelch strohartig trocken ist (Name!), behalten die abgeschnittenen Köpfchen auch nach der Blütezeit ihr Aus- sehen („Immerschön" ; „Immortelle", d. h. die Unsterbliche). Deshalb verwendet man die zierliche Pflanze auch gern zu Kränzen. Dasselbe gilt von mehreren ausländischen Strohblumen-Arten unserer Gärten. Abgesehen von zahlreichen anderen filzig-behaarten Korbblütlern unserer Fluren, sei hier nur noch des herrlichen Edelweig (Gnaphälium leontopodium) gedacht, das jeder rüstige Alpenwanderer zu pflücken bestrebt ist. Es findet sich auf Triften und schmalen, oft nur handbreiten Felsvorsprüngen meist dicht unter der Grenze des ewigen Schnees, also an Stellen, die häufig von Winden umbraust und von den Strahlen der Sommersonne außerordentlich stark erwärmt werden. Obgleich das Pflänzchen oft nur in einer „Hand voll" Erde wurzelt, die durch Verdunstung bald alles Wasser verliert, vermag es hier doch zu gedeihen : das dichte, dicke Haarkleid die Blüten sind wie aus Filz geschnitten ! ist ihm ein wirksames Schutzmittel. In das Tal oder die Ebene ver- pflanzt, verliert das Edelweiß die weiche, zarte Behaarung (Name!) fast gänzlich (Bedeutung?). Obgleich die kleinen Köpfchen doldenartig ge- häuft sind (s. Schafgarbe), er- langen sie die notwendige Auf- fälligkeit (Insekten!) doch erst dadurch, daß sie von einem Kranze weißwolliger Blätter umgeben wer- den : das Ganze bildet die sog. „Blüte" des Edelweiß.

2. Gruppe. Röhrenblütige.

Köpfchen bestehen nur aus Röhrenblüten.

Obgleich die Kornblume (Centaurea cyanus Taf. 26.) nur ein gemeines Ackerun- kraut ist, hat sie doch die größte Zuneigung des Menschen gefunden; denn gar zu herrlich leuchten ihre prächtig blauen Blütenköpfe zwischen den rei- fenden Halmen des wogenden Kornfeldes hervor. Sie darf in ,

keinem „Feldblumen- strauße" fehlen, und wenn die Schnitter die goldenen Ähren zum Edelweiß (etwas verkl.).

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Schmeil. Lehrbuch der Botanik.

Tafel 26.

Kornblume (Centaurea cyanus).

Andere Korbblütler. 187

Erntekränze winden, flechten sie anch „blaue Cyanen" mit ein (cyaneus = dunkeblau). Da die freundliche Pflanze vorwiegend trockene Felder bewohnt, besitzt sie auch nur kleine Blattflächen (1.), die mehr oder weniger dicht be- haart sind: zwei Eigenschaften, in denen wir schon mehrfach Schutzmittel gegen zu starke Verdunstung des aufgenommenen Wassers kennen gelernt haben (Beweis!). An den jungen Teilen, die vor allen Dingen eines solchen Schutzes bedürfen, tritt die Behaarung daher auch stets besonders stark auf. Obgleich die Blütenköpfe nur aus Röhrenblüten zusammengesetzt sind (2.), macht sich zwischen letzteren doch derselbe Unterschied geltend wie zwischen den Blüten der Sonnenrose. Die Randblüten sind nämlich wie bei dieser Pflanze un- fruchtbar und gleichfalls in den Dienst der Insektenanlockung getreten. Und diese Aufgabe können sie umso vollkommener erfüllen, als ihre Blütenröhre im Endteile stark erweitert und nach außen gebogen ist (3). Mit der hierdurch ein- getretenen Vergrößerung der Blütenfläche hängt es auch zusammen, daß die Röhren der Scheibenblüten umso mehr gebogen sind, je näher sie dem Rande stehen. Die Bestäubung, die dem übereinstimmenden Blütenbau entsprechend genau wie bei den anderen Korbblütlern erfolgt, zeigt eine interessante Be- sonderheit: Führen wir in eine junge Scheibenblüte (4.) ein zugespitztes Hölzchen oder dgl. ein, und berühren wir dabei einen der im Wege stehenden Staubfäden, so quillt aus der Staubbeutelröhre alsbald weißer Blütenstaub hervor. Infolge der Berührung verkürzen sich nämlich die reizbaren Staubfäden sofort, so daß die Staubbeutelröhre herabgezogen und der in ihr lagernde Blütenstaub durch den Griffel hervorgedrängt wird (6.). Dasselbe erfolgt natürlich auch, wenn die Staubfäden von einem Insektenrüssel berührt werden. Bis zu diesem Augenblicke lag der Blüten- staub wohl geschützt in der Staubbeutelröhre (5.); sobald er aber hervortritt, wird er auch schon von dem saugenden Insekt mit der Unterseite abgestreift (vgl. den saugenden Falter!). Erst später spreizen die Narben auseinander, unter denen ein Kranz von „Fegeliaaren" sichtbar ist (7.). Die Früchte tragen eine aus kurzen Haaren bestehende Krone (8.), die für die Verbreitung der Pflanze nur wenig in Betracht kommt. In ähnlicher Weise erfolgt die Bestäubung auch bei der nächsten Verwandten der Kornblume, der rotblühenden Wiesen - Flockenblume (C. jacea). Je nachdem sich die Pflanze auf feuchteren Wiesen oder an dürren Berg- lehnen und ähnlichen Orten findet, hat sie große, breite und ziemlich wagerecht gestellte, oder schmale, mehr aufgerichtete Blätter (vgl. mit Stachel-Lattich) von fast grauer Farbe (Bedeutung V). Die Blütenköpfe der Disteln (Carduus) und Kratz- disteln (Cirsium) enthalten gleichfalls nur Röhrenhlüten, die aber nicht in Frucht- und Lockblüten getrennt sind. Beide nahe verwandte Gattungen lassen sich leicht durch die Haarkrone voneinander unterscheiden : bei den Disteln sind die Haare borsten- fürniig, bei den Kratzdisteln dagegen gefiedert. Bei allen sind sowohl die Spitzen der Blattzipfel, als auch die an den Stengeln herablaufenden Blattteile und die Blätter des Hüllkelchs in lange, starre Stacheln ausgezogen, welche die Pflanzen gegen die Angriffe der Tiere schützen. Von den Disteln sei nur die nickende 1). (('. nutans) genannt, die auf Triften, an Wegen und ähnlichen Orten im Herbst und Winter ihre regel- mäßigen Blattrosetten ausbreitet. Im Frühjahre streckt sich der Stengel bis zu Meter-

188 49. Familie. Korbblütler.

höhe empor und trägt zahlreiche große, duftende und nickende Blütenköpfe. Als die gemeinste Art der Kratzdisteln ist die Acker-K. (C. arvense) zu nennen, die auf Feldern ein sehr lästiges Unkraut bildet. Distelartige Blütenköpfe, aber unbestachelte Blätter besitzen die Kletten (Lappa), die an "Wegen und auf wüsten Plätzen wachsen. Da die Blätter des Hüllkelchs in je eine hakenförmig gebogene Spitze endigen, bleiben die Blüten- stände leicht in dem Haarkleide vorbeistreifender Tiere hängen (Verbreitung der Früchte!). 3. Gruppe. Zungenblütige. Köpfchen bestehen (wie beim Löwenzahn nur aus Zungen bluten.

Die Glieder dieser Gruppe lassen sich zumeist nur schwer voneinander unter- scheiden. Sie haben in der Regel gelbe Blüten und in allen Teilen einen weißen Milch- saft (s. Wolfsmilch). Hinsichtlich des erstgenannten Merkmals macht von allen hier er- wähnten Arten allein die Zichorie (Cichorium intybus) eine Ausnahme. Ihrem Stand- orte, den wasserarmen Wegrändern entsprechend („Wegwarte"), besitzt sie wie der Löwenzahn eine tiefgehende Pfahlwurzel, und ihre Blätter sind wie bei jener Pflanze je nach dem Boden, auf dem sie wächst, mehr oder weniger tief eingeschnitten. Im zweiten Jahre baut sich aus den Vorratsstoffen der fleischigen Wurzel (vgl. mit Möhre) ein hoher, sparriger Stengel auf, dessen Blätter nach oben immer kleiner werden. Die großen, blauen Blütenköpfe schließen sich je nach Blütezeit (Sommer oder Herbst) und Witterung früher oder später am Tage (wann durchschnittlich in deiner Heimat?). Da die fleischigen AVurzeln (schneide eine solche in kleine Stücke ; röste und zer- stoße sie sodann!) einen vielbenutzten Kaffee -„Ersatz" liefern, wird die veredelte Pflanze in manchen Gegenden im Großen angebaut. Die nächste Verwandte der Zichorie, die aus den Mittelmeerländern stammende Endivie (C. endivia), wird bei uns als Salat- pflanze angebaut. Sie wird an Bedeutung aber weit von dem Garten-Salat (Lactüca sativa) übertroffen. Er hat gleichfalls im Mittelmeergebiete seine Heimat und wird wie mehrere Kohlarten zumeist in „Kopfform" gezogen (Bedeutung?). Eine unscheinbare, aber überaus merkwürdige Pflanze ist der Stachel-Lattich (L. scariola), der an un- bebauten Orten zumeist häufig anzutreffen ist. Ist sein Standort schattig und feucht, so streckt er die stacheligen, schrotsägeförmigen Blätter wie andere Pflanzen nach allen Seiten. Steht er aber an sehr sonnigen und trockenen Stellen, so hat er ein ganz ver- ändertes Aussehen : die Blätter sind nicht nur alle senkrecht gerichtet, sondern haben sich auch so gedreht, daß sie die Breitseiten nach Osten und Westen, die Kanten da- gegen nach Süden und Norden richten. An dem Lattich kann man daher die Himmels- gegenden ablesen, so daß man ihn mit Recht als eine „Kom p pf 1 a n ze" bezeichnet. („Anklänge" an diese Blattstellung sind nicht selten auch beim Garten-Salat zu beobachten.) Welche Bedeutung hat nun diese sonderbare Erscheinung? Die senkrechte Stellung der Blätter haben wir bereits (s. S. 44) als ein Schutzmittel gegen starke Erwärmung und hohe Wasserdampfabgabe kennen gelernt. Und die Richtung der Blätter nach den Himmelsgegenden läuft auf dasselbe hinaus : morgens und abends werden die Blattflächen von den Sonnenstrahlen senkrecht getroffen; da es zu diesen Zeiten aber verhältnis- mäßig kühl ist, so werden sie weder stark erwärmt, noch übermäßig zur Verdunstung angeregt. Am heißen Mittag dagegen wirken die Sonnenstrahlen viel kräftiger: dann aber bietet ihnen die Pflanze nur die Schmalseite dar, so daß Erwärmung und Ver- dunstung gleichfalls nur gering sein können. Die eigentümliche Blattstellung ist also ein Schutzmittel gegen das Vertrocknen und tritt darum auch nur dann auf, wenn die Pflanze dieser Gefahr ausgesetzt ist, nämlich wenn sie wie oben erwähnt auf trockenem, schattenlosem Boden im heißen Sonnenbrande wächst. (Beachte hiernach auch die senkrecht an den Stengeln herablaufenden Blattteile der Disteln I)

Andere Korbblütler.

189

Von den zahlreichen, schwer unter- scheidbaren Arten der Gattung Ha- bichtskraut (Hieracium) sei nur das gemeine H. (H. pilosella) kurz be- rücksichtigt. Das zierliche Pflänzchen, d.is nach allen Seiten lange Ausläufer aussendet (Vermehrung!), ist auf Sand- boden und trockenen Grasplätzen über- all häufig anzutreffen. Aus einer grund- ständigen Blattrosette erhebt sich auf langem Stiele das gelbe Blütenköpfchen, das sich mit Anbruch des Abends, sowie bei schlechtem Wetter schließt. Wenn es längere Zeit nicht geregnet hat, zeigt die Pflanze eine merkwürdige Verände- rung: Die Blätter haben die mit einem Filzüberzuge versehene Unterseite dem Lichte zugewendet, so daß sie jetzt gleichsam wie von einem Sonnenschirme bedeckt und somit gegen zu starke Be- sonnung, zu hohe Erwärmung und töd- lichen Wasserdampfverlust geschützt sind. (Warum hat bei großer Trocken- heit z. B. die Sand-Strohblume eine Wendung der Blattflächen nicht nötig?). Eine prächtige Pflanze unserer Wiesen ist der Wiesen - Bocksbart (Tragöpogon pratensis) , der seine großen, leuchtenden Blütenköpfe be- reits in den letzten Vormittagsstunden wieder schließt. Die Strahlen der rad- förmigen Federkrone sind durch Fieder- härchen untereinander verbunden. Auf diese Weise finden die verhältnismäßig großen Früchte auch einen größeren Luftwiderstand als z B. die des Löwen- zahns (Bedeutung?). Eine dem Bocks- bart in allen Stücken ähnliche Pflanze ist die Schwarzwurzel (Scorzonera liispäniea). Sie ist aus dem Mittelmeer- gebiete zu uns gekommen und wird ihrer schmackhaften Wurzeln wegen vielfach als Gemüse gebaut. Mit der Erwähnung eines allbekannten Ackerunkrautes, der Acker-Giinsedistel (Sonchus arven- sis), sollen endlich die Korbblütler, von denen hier nur wenige kurz betrachtet werden konnten, abgeschlossen sein.

Stachel-Lattich, der auf trockenem, stark be- sonntem Boden gewachsen ist. 1. von Süden oder Norden gesehen; 2. dieselbe Pflanze, von Osten oder Westen gesehen. (Kleines Expl. in etwaJrj nat.Gr.).

3. Unterklasse, lil innen blattlose Pflanzen (ApetalaeJ.

Pflanzen mit einfacher oder fehlender Blutenhülle.

50. Familie. Beeherfrüehtler (Cupuliferae).

Staubblüten in Kätzchen, ohne oder mit Blütenhülle. Stempelblüten einzeln oder in geringer Anzahl beisammen (nicht in Kätzchen). Frucht eine Nuß in einer Becherhülle. (Diese Familie bildet mit den 3 folgenden Familien die Gruppe Kätzchenblütler.)

Der Haselnußstrauch (Cörylus avelläna). Taf. 27.

A. Der Haselnußstrauch und der Mensch. Der Haselnußstrauch war bei den alten Germanen dem Donar geweiht, und noch lange Zeit, nachdem das Christentum in den deutschen Gauen siegreichen Einzug gehalten hatte, schrieb man ihm Zauber- und Wunderkräfte zu. Vor allen Dingen schnitt man aus seinen Zweigen das „unentbehrliche" Werkzeug der »Schatzgräber, die Wünschel- rute. Mit ihrer Hilfe meinte man unterirdische Schätze lieben, Quellen auf- linden, Hexen und Diebe „bannen" zu können u. dgl. mehr.

Obgleich heutzutage dieser Aberglaube zumeist wohl verschwunden ist, so verknüpfen uns doch noch mancherlei Beziehungen mit dem unscheinbaren Strauche draußen im Walde: Wenn im Februar und März die „Hasel wieder stäubt", so erfüllt Frühlingshoffen unsere Brust:

Mit Eis bedeckt ist noch der See,

Noch herrscht im Walde Winters Schweigen,

Sieh, da fällt Goldstaub auf den Schnee

Von der blühenden Hasel Zweigen. Im Herbste schallt der Wald wieder von den Stimmen Haselnüsse suchender Kinder und im Winter von dem Axtschlag des Holzhauers ; denn wie die süßen Nüsse als schmackhaftes Obst gelten, so werden die biegsamen und zähen Zweige des Strauches vom Korbmacher und Böttcher wohl geschätzt. Verfolgen wir die Pflanze ein Jahr ihres Lebens hindurch!

B. Der Haselnußstrauch im Yorfrühlinge. 1. Staubblüten. An den braunen Zweigen des Strauches (1.) finden wir bereits seit dem Herbste des Vorjahres Knospen, wie sie auch andere Holzgewächse besitzen, und lang- gestreckte Gebilde, die man bekanntlich „Kätzchen" nennt (warum wohl? „Kätzchenblütler"). Sobald die höhersteigende Sonne die Erde etwas mehr erwärmt, und an einigen Tagen wieder lindere Lüfte wehen, erwachen die Kätzchen, die bis jetzt starr und steif nach allen Seiten von den Zweigen abstanden, aus dem Winterschlafe: das dünne, stengelartige Gebilde, von dem sie der Länge nach durchzogen werden, die „Achse", beginnt sich zu strecken; infolgedessen nehmen sie stark an Länge zu, werden weich und biegsam, so daß sie bald wie schwankende Troddeln herabhängen (2.). Reißt man ein Kätzchen quer durch,

Schm eil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 27.

W/Y<°u6<*ct),

Haselnußstrauch (Corylus avellana)

Haselnußstrauch. 191

so sieht man, wie von der Achse nach allen Seiten Blättchen ausstrahlen (3.). Auf der Unterseite jeder dieser .,Kätzchenschuppen" (4.) finden sich noch 2 mit ihnen verwachsene, sehr zarte Blättchen und unter diesen 8 Staubblätter. (Richtiger gesagt sind nur 4 Staubblätter vorhanden, die aber bis zum Grunde geteilt und deren Hälften auseinander gerückt sind. Dies erkennt man daraus, daß erstlich jeder Staubbeutel nur ein Fach besitzt, während sonst deren stets '2 vorkommen, und daß zweitens bei nahe verwandten Arten die Teilung noch deutlich zu sehen ist. Vgl. daraufhin z. B. Weißbuche und Birke!). Da sich Staubblätter stets nur in Blüten linden, so haben wir es hier also gleichfalls mit solchen zu tun. Es fehlen ihnen freilich Kelch und Blumen- blätter. Auch von einem Stempel ist keine Spur zu finden. In den Hasel- nuß kätzchen haben wir also Blütenstände vor uns, die aus zahl- reichen, „nackten" Staubblüten zusammengesetzt sind.

2. Stempel bluten. Hier und da sieht man Knospen, die etwas mehr angeschwollen sind als die anderen, und aus deren Spitzen mehrere purpurrote Fädchen hervorragen (5.). Beseitigt man die Knospenschuppen, so findet man neben gewöhnlichen jungen Blättern (s. Absch. C, 1) in der Mitte einige schuppenartige Blätter und an deren Grunde je 2 Gebilde, in denen wir leicht ebensoviele Stempel erkennen (6.). Jeder von ihnen besteht aus einem kugeligen Frucht- knoten, der von einer kleinen, aus 3 grünen Blättchen gebildeten, zerschlis- senen Hülle umgeben ist und 2 jener purpurroten Fädchen trägt, in denen wir also die Narben vor uns haben. Am oberen Teile des Fruchtknotens findet sich ein winziger, gezähnelter Rand, d. i. der ..Überrest" der Blutenhülle. Jeder Stempel stellt also eine Blüte mit stark verkümmerter Blütenhülle dar.

3. Bestäubung. Beim Haselnußstrauch sind also Staubblätter und Stempel in verschiedene Blüten verteilt, die sich wie beim Kürbis (s. das.) auf derselben Pflanze finden. Wir haben es hier also wie in diesem mit einer sog. einhäusigen Pflanze zu tun. Da bei einer solchen Selbstbestäubung niemals stattfinden kann, so müssen wir uns fragen: wer besorgt beim Haselnußstrauche die Übertragung des Blütenstaubes zur Narbe? Insekten wie beim Kürbis können es nicht sein; denn wenn an einem sonnigen Tage auch wirklich einmal eine Blütenstaub naschende Biene auf einem Kätzchen anzutreffen ist: das Heer der Insekten liegt zu dieser Zeit noch in tiefem Winterschlafe!

Den wirklichen Überträger des Blütenstaubes erkennen wir leicht, wenn wir den blühenden Haselnußstrauch an einem sonnigen, aber etwas windigen Tage besuchen. Dann sehen wir, wie der Wind die Aste und „reifen" Kätzchen schüttelt, wie aus den Kätzchen kleine Wolken gelben Blütenstaubes hervor- gehen (2. u. 3.), wie der Staub verweht wird und sich nach einiger Zeit auf den Erdboden, auf Äste, Zweige und andere Gegenstände herabsenkt. Dabei kann es nun nicht ausbleiben, daß auch die Narben von einigen Staubkörnchen getroffen werden. Der Vermittler der Bestäubung ist also der AVind, und der Haseln u li st ra ach demnach eine „windblfitige" Pf'la uze

192 3. Unterkl. Blumenblattlose Pflanzen. 50. Familie. Becherfrüchtler.

oder kurz: ein Windblütler. Wenn wir dies im Auge behalten, werden uns leicht zahlreiche Einzelheiten im Blütenbau, sowie andere Verhält- nisse klar werden.

a) Da weder die Staub-, noch die Stempelblüten von Insekten besucht werden, so fehlen der Pflanze auch alle die verschiedenen Mittel, deren sich die Insektenblütler bedienen, die Bestäuber anzulocken. Von diesen Mitteln wären besonders zu nennen die leuchtende Blütenfarbe, der Duft und der Honig1, der den Bestäubern als Gegengabe gereicht wird. Die Blüten des Haselnuß- strauchs sind ganz unscheinbar, duft- und honiglos.

b) Kurz vor Beginn des Stäubens streckt sich wie wir oben gesehen haben die Kätzchenachse stark in die Länge, so daß die Schuppen aus- einander rücken und das anfänglich starre Kätzchen außerordentlich biegsam wird. Dadurch wird einerseits dem Winde Zutritt zu den Staubbeuteln geschaffen, und andererseits ist jetzt schon ein leichter Windhauch imstande, das wie eine Troddel herabhängende Kätzchen in Schwankungen zu versetzen und den Blütenstaub herauszuschütteln.

c) Die Kätzchen sind umso leichter zu erschüttern, als sie sich stets an den Enden kurzer Ästchen finden, die wieder nur von dünnen Zweigen abgehen.

d) Außerdem stäubt der Haselnußstrauch zu einer Zeit, in der häufig Winde wehen. Heftige Winde oder gar Stürme sind für die Bestäubung allerdings ungünstig ; denn sie entführen den Blütenstaub nur nach einer Rich- tung, verhindern also eine Verbreitung desselben über einen großen Raum und sind zudem vielfach mit Regen verbunden. Die Regentropfen würden aber den Blütenstaub, der durch Befeuchtung sehr leicht verdirbt, vernichten oder doch aus den Kätzchen spülen und zur Erde führen. Daher öffnen sich die Staubbeutel bei kaltem, regnerischem Wetter nicht. Selbst die Kätzchen, die zum Stäuben „fertig" sind, „warten" damit, bis wieder mildere Witterung eintritt.

e) Rieselt der Blütenstaub bei vollkommener Windstille aus den Beuteln, so fällt er nicht etwa zum Erdboden herab. Er würde dann ja nur selten eine Narbe treffen, in den meisten Fällen also verloren gehen. Da die Kätzchen hängende Stellung einnehmen, wird er vielmehr auf der Rückseite der wagerecht stehenden Kätzchenschuppen abgelagert (3.). Hier bleibt er liegen, bis ihn ein Windhauch „abholt" und ausstreut. (Der Vorgang läßt sich leicht an Kätzchen beobachten, die man im Zimmer „zum Auf- blühen" bringt.)

f) Der Haselnußstrauch blüht in einer Zeit, in der er noch unbelaubt ist. Im anderen Falle würde das Blätterdach dem Winde den Zutritt zu den Kätzchen verwehren und die Narben verdecken, also den niederfallenden Blüten- staub von ihnen abhalten.

g) Bei einzeln stehenden Pflanzen ist die Möglichkeit, durch den Blüten- staub anderer Pflanzen bestäubt zu werden, sehr gering. Der Haselnußstrauch kommt im Walde aber gewöhnlich in großen Beständen vor.

Haselnußstrauch. 193

h) Wie oben erwähnt, gelangt der größte Teil des Blütenstaubes nicht an den Ort seiner Bestimmung. Je mehr Staub vorhanden ist, desto größer ist aber die Möglichkeit, daß er beim Niederfallen eine Narbe trifft. Daher erzeug! der Haselnußstrauch auch eine viel größere Menge von Blütenstaub als jede insektenblütige Pflanze.

i) Während bei dieser der Blütenstaub (zumeist) klebrig ist (warum?), ist er hier staubartig trocken, kann somit leicht verweht werden.

k) Sollen die Narben ein paar Staubkörnchen auffangen, so müssen sie gleichfalls dem Winde frei ausgesetzt sein. Sie durchbrechen daher zur Blüte- zeit die Knospenspitze. Der Fruchtknoten dagegen kann ruhig im Schutze der Knospe verbleiben. Und dies ist umso wichtiger, als die Pflanze ja in dem unbeständigen Vorfruhlinge mit seinen oft noch recht kalten und regnerischen Tagen stäubt, oder umgekehrt: die geschützte Lage des Fruchtknotens erlaubt der Pflanze eine so frühe Blütezeit.

1) Vorteilhaft für die Bestäubung ist es (Beweis!), daß die Narben ver- hältnismäßig sehr groß und dicht mit winzigen Härchen besetzt sind, so daß sie rechte „Staubfänger" darstellen. (Untersuche, wie weit sich alle die angeführten Tatsachen auch bei anderen Windblütlern nachweisen lassen und suche allgemeine Regeln dafür aufzustellen!)

C. Der Haselnußstrauch im Frühlinge und Sommer. Erst einige Wochen nach dem Bestäuben der Kätzchen öffnen sich die schwellenden Knospen. Der zum Vorschein kommende

1. junge Trieb ist anfangs abwärts gerichtet; seine Blättchen sind in der Mittelrippe gefaltet, dicht mit seidenartigen Haaren bedeckt und stehen wie die der Linde im Schutze großer, schuppenartiger Nebenblätter. Je mehr sich die Blätter ausbreiten, desto mehr verschwindet die Haardecke. Kurze Zeit, nachdem der Trieb die bleibende Stellung eingenommen hat, fallen endlich wie bei der Linde auch die nutzlos gewordenen Nebenblätter ab : alles Erscheinungen, deren Bedeutung wir bereits bei der Betrachtung der Roßkastanie verstehen gelernt haben. Die ausgebildeten

2. Blätter (7.) haben fast Herzform, sind mit zerstreuten Haaren bedeckt und am Rande mit großen Sägezähnen versehen, die wiederum fein gezähnelt sind („doppelt gesägte Blätter").

a) Da der Haselnußstrauch mit den wenigen Lichtstrahlen fürlieb nimmt, die durch die Kronen der Waldbäume ihren Weg linden, so sind seine Blätter ähnlich wie die der eigentlichen Schattenpflanzen (s. S. 7, b und c) verhältnis- mäßig zart und groß.

b) Durch die Größe der Blätter wird andererseits auch deren Stellung am Zweige bedingt: sie stehen abwechselnd und sind so in 3 Reihen geordnet, daß sie sich gegenseitig nicht beschatten. Eine solche „dreizeilige" Stellung ist jedoch nur an senkrechten Zweigen zu beobachten. An wagerechten oder Bchräg gerichteten Zweigen werden die Blätter zumeist viel weniger belichtet.

S chm e il , Lehrbuch der Botanik. jg

li'4 50. Familie. Becherfrüchtler.

Darum drehen sich hier die Stengelglieder so, daß die Blätter wie in 2 „Zeilen" angeordnet erscheinen. (Warum sind die Knospen und Zweige eben- so angeordnet?)

D. Der Haselnußstrauch im Herbst und Winter. 1. Frucht. Nach erfolgter Bestäubung beginnt der Fruchtknoten zu schwellen : die Fruchtknoten- wand wird zu der harten, holzigen „Schale" und die Samenanlage zum „Kerne" der Haselnuß (9.). Gleichzeitig vergrößert sich auch die „zerschlissene Hülle", die den Fruchtknoten umgibt (7. u. 8.): sie wird zu dem „Becher", der die reifende Nuß einhüllt („Becherfrüchtler"). Welche Bedeutung haben nun die einzelnen Teile der Frucht für den Haselnußstrauch?

a) Da der Kern aus der Samenanlage hervorgeht, so stellt er den Samen der Pflanze dar. In der Regel enthält die Frucht nur einen Samen. Sie ist daher eine „Schließfrucht" (s. S. 10, 3), deren feste Wand erst durch den keimenden Samen gesprengt wird.

b) Der wohlschmeckende Kern ist reich an Stärkemehl und fettem Öle. Daher bildet er auch ein vielbegehrtes Nahrungsmittel für zahlreiche Waldtiere. Da er aber von einer festen, holzigen Schale umgeben ist, vermögen ihn nur größere Tiere zu erlangen, von denen hier nur Eichhörnchen, Haselmäuse und Häher, sowie das Wildschwein genannt sein mögen. Diese Tiere leisten aber der Pflanze einen wichtigen Gegendienst. Wieso? Die harte Schale ver- hindert die Eichhörnchen, Haselmäuse und Häher, die Kerne beim Auffinden der Früchte sofort zu verzehren; denn zum Öffnen der Nüsse gehört eine gewisse Zeit. Während dieser Zeit verweilen die Tiere aber nicht gern auf dem Erd- boden oder in dem Gezweig des Strauches, weil sie dort allen Gefahren schutz- los ausgesetzt sind. Sie suchen im Gegenteil mit ihrer Beute einen gesicherten Ort zu erreichen, um dort in Ruhe das Mahl zu halten. Bei diesem Verschleppen entfallen den Tieren aber zahlreiche Nüsse, die auf diese Weise über einen weiten Bezirk verbreitet werden können. Ferner ist es bekannt, daß Eich- hörnchen und Haselmäuse Wintervorräte aufspeichern, und daß der Häher die Gewohnheit hat, Nüsse (sowie Bucheckern und Eicheln) in den Erdboden zu verstecken. Ebenso bekannt aber ist es auch, daß diese Tiere sehr häufig die Vorräte vergessen oder nicht wieder aufzufinden vermögen. In den genannten Tieren haben wir also die Verbreiter des Strauches vor uns.

Der Haselnußstrauch muß seinen Verbreitern allerdings große Opfer bringen. Aber tun das die Pflanzen mit saftigen, wohlschmeckenden Früchten nicht auch (s. S. 64, a)? Freilich wird bei diesen Früchten der Same nicht mit vernichtet. Wenn wir aber bedenken, daß die Haselnuß (gleich der Buche und Eiche) eine sehr langlebige Pflanze ist, die alljährlich eine große Anzahl von Früchten erzeugt, so wird uns dieser Verlust nicht gar zu beträchtlich vorkommen! Selbst wenn sich nur die zehn- oder hundert- tausendste Nuß wieder zu einem Strauche entwickeln würde, hätte diese seltsame Art der Verbreitung noch eine Vermehrung der Pflanze im Gefolge.

HaselnuListrauch. L95

Neben den genannten Tieren ist es wie erwähnt besonders das Wildschwein, das die Haselnüsse gern verzehrt. Es verschleppt sie aber nicht, kann also auch nicht als Verbreiter der Pflanze in Betracht kommen. Da es aber den Waldboden mit Rüssel und Hauern gleichsam durchpflügt und somit sicher auch manche Nuß (Buchecker, Eichel) an den zum Keimen günstigen < >rt bringt, so werden wir in ihm nicht einen ausschließlichen Feind des Strauches (der Buche und Eiche) erkennen.

c) Würden Eichhörnchen, Haselmäuse und Häher die Nüsse bereits vor der Reife verzehren, so könnten sie eine Verbreitung der Pflanze nicht bewirken. Wie die unreifen fleischigen Früchte (s. S. 65) sind auch die unreifen Hasel- nüsse durch schlechten Geschmack geschützt, nur mit dem Unterschiede, daß dieser Geschmack nicht den Nüssen selbst, sondern dem zerschlitzten Becher eigen ist, von dem sie umhüllt werden. Erst bei der Reife löst sich die Nuß aus dem Becher und fällt zu Boden. Der matte Fleck an der Schale ist die Ver- wachsungsstelle zwischen der Nuß und dem Becher.

d) Findet man in der Schale der Haselnuß ein kreisrundes Loch (7.), so ist auch stets der Kern zerstört. Beides ist das Werk der Larve des Hasel- nußbohrers (8. u. 9.; s. „Lehrbuch d. Zoologie").

2. Laubfall. Zur Zeit der Fruchtreife beginnt das Laub, sich herbstlich gelb und rot zu färben (7.), und ehe meist noch der Oktober zu Ende gegangen ist, steht der Haselnußstrauch kahl da (vgl. S. 91, c).

* 3. Knospen. Das nächste Frühjahr trifft die Pflanze aber nicht un- vorbereitet an. Bereits im Juli begannen in den Blattwinkeln sich die nächst- jährigen Triebe, sowie die beiderlei Blüten zu bilden. Wenn das Laub ab- gefallen ist, sind auch die Vorbereitungen abgeschlossen, d. h. die Knospen ausgebildet. Während die kurzen jungen Triebe und die winzigen Stempelblüten durch Knospenschuppen gegen die Unbilden des Winters geschützt sind, überwintern die zu Kätzchen gehäuften Staubblüten „frei"; denn infolge der Größe der Kätzchen ist eine solche winterliche Hülle ausgeschlossen (vgl. hierzu auch Birke und Erle, sowie Weide und Pappel!). Die Staubblüten entbehren aber des notwendigen Schutzes gegen eindringendes Wasser und gegen zu starke Wasserdampfabgabe (s. S. 42, a, b und c) durchaus nicht: die Kätzchenschuppen liegen nicht allein eng übereinander, sondern ihr äußerer verdickter Abschnitt ist nach der Spitze des Kätzchens zu so gebogen, daß sie sich z. T. gegenseitig decken. Außerdem sind die Kätzchenschuppen, besonders an ihren nach außen gerichteten Abschnitten, filzig behaart, eine Einrichtung, in der wir schon mehr- fach (Beispiele!) ein wichtiges Schutzmittel gegen das Austrocknen erkannt haben. Die Kätzchen können also einer besonderen winterlichen Hülle voll- kommen entbehren. In Knospenschuppen eingeschlossen wären sie gar nicht imstande, den Winter in fast ausgebildetem Zustande zu überdauern, oder was dasselbe sagen will: so zeitig im Jahre zu stäuben, wie wir es am Anfange der Besprechung gesehen haben. (Vgl. hiermit die Blütezeit der Erle, sowie die der anderen Becherfrüchtler und der Weidengewächse!)

196 50. Familie. Becherfrüchtler.

Andere Beeherfrüchtler.

1 . Die Eiche (Quercus), die in unsern Wäldern in 2 Arten auftritt, steht bei uns unter allen Landbäumen am höchsten im Ansehen. Die häufigere Stiel- oder Sommereiche (Qu. pedunculäta), die besonders in den Auenwäldern der Ebene vor- kommt, ist an den langgestielten Früchten („Stieleiche") und den kurzgestielten Blättern leicht zu erkennen. Während sie sich (im Mai) mit jungem Grün bekleidet, steht die 2. Art, die Stein- oder Wintereiche (Qu. sessiliflöra) noch winterlich kahl da (daher die Unterscheidung „Sommer- und Wintereiche"). Letztere findet sich mehr im Gebirge („Steineiche"), ergrünt erst etwa 14 Tage später und hat kurze Frucht-, aber lange Blattstiele. Beide Pflanzen wachsen zu riesigen Bäumen (Höhe bis 35 m) heran, die durch ein gewaltiges Wurzel werk im Boden ver- ankert sind. Der kurze, von rissiger Borke bedeckte Stamm, der nicht selten einen Durchmesser von mehreren Metern besitzt, löst sich in zahlreiche, knorrige Äste auf, die jeder für sich einen kräftigen Baum abgeben würden. Da die Eiche eine lichtliebende Pflanze ist, tragen nur die äußersten Zweige der Krone die schöngeformten, tiefeingebuchteten Blätter. Daher dringt auch genügend Licht bis zum Boden herab, so daß sich dort eine vielgestaltige Gesellschaft niedriger Pflanzen anzusiedeln vermag (nenne die daselbst gefundenen!). Auf den Blättern, die sich im Herbste besonders an jungen Bäumen nicht alle von den Zweigen lösen, finden sich häufig Galläpfel sehr verschiedener Form (s. „Lehr- buch der Zoologie"). Da die Blüten während des Winters in Knospen ein- geschlossen sind, stäubt die Eiche auch erst, wenn sich das Laub entfaltet (vgl. dag. Haselnußstrauch und Erle). Dies ist für die Pflanze aber von umso geringerem Nachteile, als die Blüten sämtlich an der Außenseite der Krone stehen. Die Staubblüten, die je eine einfache, unscheinbare Blütenhülle besitzen, stehen in langen, beweglichen Kätzchen. Die Stempelblüten finden sich entweder einzeln oder zu mehreren gehäuft an den Enden mehr oder minder langer Stiele (s. oben). Der Fruchtknoten ist von einem Becher umgeben, der aus zahl- reichen Blättchen gebildet ist und sich zum Näpfchen der Frucht, der Eichel, entwickelt. (Beschreibe die Blüten näher, und zeige besonders, wie sie zur Windbestäubung eingerichtet sind! Vergleiche die Bildung und Verbreitung der Frucht mit der der Haselnuß!).

Das Holz der Eiche übertrifft an Festigkeit, Härte und Dauerhaftigkeit jedes andere Holz unserer Wälder. Daher wird es besonders zu Wasserbauten (Brücken u. dgl.) verwendet. Auch als Möbelholz ist es hochgeschätzt. Die an Gerbstoff reiche Rinde liefert die Gerberlohe. Die Früchte dienen in waldreichen Gegenden Schweinen als gutes Mastfutter; geröstet und gemahlen geben sie den sog. Eichelkaffee und mit einem Zusatz von Kakao den Eichelkakao.

Uns ist aber die Eiche noch weit mehr als ein bloßer Nutzbaum. Wegen des hohen Alters (bis 2000 Jahre), das sie erreicht, wegen der ge- waltigen Größe, zu der sie heranwächst, wegen des fast unvergänglichen Holzes ist sie für uns das Sinnbild der Kraft und Stärke. Bei den Griechen und

Eiche und Buche. 197

Römern war sie dem Jupiter, bei den alten Germanen dem Donar geweiht (die heilige, durch Bonifacius gefällte Eiche bei Geismar!), und ein Kranz von Eichen- blättern ist schon seit jenen Zeiten das Zeichen des Siegers.

„Ja, dich nennt man mit Recht des Waldes Königin, Kiche,

Unter den Bäumen ist herrlicher keine als du!" 2. So wenig ein anderer Baum unserer Wälder der Eiche an Macht und Stärke gleichkommt, so sicher wird sie von der Küche oder Rotbuche (Fagus silvätica) an Schönheit übertroffen. Ja, wir halten die Buche für den schönsten Baum des Laubwaldes und bringen daher dem Buchenwalde die größte Zuneigung entgegen. Die hohen, glatten, silbergrauen Stämme alter Bäume gleichen schlanken Säulen, die auf mächtigen Spitzbogen das grüne Laubdach tragen. Wenn wir in eine solche „Säulenhalle" eintreten, dann durchrieseln uns heilige Schauer wie in jenen himmelanstrebenden, gotischen Domen, deren Urbild im Buchen- walde zu suchen ist. (Vgl. Eichendorffs : Wer hat dich, du schöner Wald etc. und andere Waldlieder!) Besonders erhaben ist diese Stimmung, wenn das frische „Buchengrün" hervorsprießt, und wenn die in das Waldesdunkel ein- dringenden Sonnenstrahlen helle Kringel auf Stamm und Boden zeichnen.

Wie die Blätter der Roßkastanie (s. das.) kommen auch die Buchenblätter mit einem Haarkleide bedeckt uud zusammengefaltet aus der Knospe hervor. Die Behaarung tindet sich allerdings nur am Rande und auf der Unterseite des Blattes und zwar dort wieder nur an den Seitenrippen. Da aber die grünen Teile zwischen diesen Rippen so gefaltet sind, daß das junge Blatt einen kleinen Fächer darstellt, so ist die Unterseite von den langen, parallel gerichteten Seiden- haaren vollkommen überdeckt. Je mehr die zweizeilig angeordneten Blätter (s. S. 51, 2) erstarken, desto mehr verschwinden auch die Falten und die Behaarung; nur am Rande bleibt die glatte, eiförmige Blattfläche weiter bewimpert. (In gleicher Weise entfaltet die Weißbuche ihre Blätter. Beobachte es!) Da die Buche auch im Innern der Krone sehr reich belaubt ist (vgl. dag. z. B. die Eiche!) und trockene Standorte liebt, auf denen die abgefallenen Blätter nur schwer verwesen, so bildet sich im Buchenwalde bald eine sehr dicke Laubdecke, die nur wenige Pflanzen zu durchbrechen vermögen. (Welche Pflanzen hast du beobachtet und an welchen Stellen?) Auch Unterholz findet sich nur selten; denn infolge der dichten Belaubung herrscht zumeist ein so stark gedämpftes Licht, wie es den Sträuchern nicht zusagt. Das Blühen erfolgt wie bei der Eiche zur Zeit der Laubentfaltung. Die Staubkätzchen bilden langgestielte, hängende, fast kugelige Blütenbüschel, während die Stempelblüten aufrecht stehen. Je 2 Stempelblüten sind von einer Hülle umgeben, aus der sich der Fiuchtbecher entwickelt. Er ist mit Stacheln bedeckt (Bedeutung?) und öffnet sich bei der Reife in 4 Klappen, so daß die beiden dreikantigen Früchte ins Freie gelangen können. (Beschreibe die Blüten und Früchte genauer!) Die als Bucheckern oder Büchelen bezeichneten Früchte liefern ein wertvolles Speiseöl. Viel wichtiger ist uns aber das harte, feste, rötliche Holz („Rotbuche") der Buche, Jus als Brenn- und Nutzholz gleich hoch geschätzt wird.

198 Taf. 28. 51. u. 52. Farn. Birken- u. Walnußgewächse. 53. Farn. Weidengewächse.

3. Die Weig- oder Hainbuche (Carpinus betulus) ist wie die Rotbuche ein hoher, glattrindiger Waldbaum. Sie ist von dieser jedoch leicht zu unterscheiden durch den mehr oder weniger seilartig gedrehten Stamm und die ebenso gebildeten Äste, durch die elliptischen, zugespitzten und doppelt gesägten Blätter, sowie durch die Fruchtbecher, die blattartige, dreilappige Flügel darstellen (vgl. mit Ahorn!) und am Grunde die kleinen Nüßchen umschließen. Das weiße Holz („Weißbuche") ist sehr fest („Horn- baum") und wird deshalb besonders von Drechslern und Stellmachern verwendet.

4. Die Korkeiche (Quercus suber) ist ein immergrüner Baum der Mittelmeer- länder, dessen Stamm und stärkere Zweige sich mit einer dicken Korkschicht überziehen. Diese Schicht wird etwa alle 6 10 Jahre abgeschält, wobei man sich sorglich in acht nehmen muß, die darunter liegende eigentliche Rinde zu verletzen (warum?). Die los- gelösten Platten liefern den Kork des Handels (Verwendung?). Die edle Kastanie (Castänea vesca) ist in Südeuropa heimisch, kommt scheinbar wild aber auch in der Rheingegend vor und wird hier und da in Parkanlagen gepflegt. Der Baum erreicht ein sehr hohes Alter und dementsprechend oft eine erstaunliche Größe. Er besitzt lange lanzett- liche Blätter, die am Rande" zu Stacbelzähnen ausgezogen sind, und stachelige Frucht- becher mit je 1 3 Früchten. Diese „eßbaren Kastanien" oder Maronen sind den Samen der Roßkastanie sehr ähnlich und gelten besonders in der Heimat der Pflanze als ein wertvolles Nahrungsmittel.

51. und 52. Familie. Birken- und Walnußgewächse (Betuläceae und Juglandäceae).

1. Birken-Gewächse (Staub- und Stempelblüten in Kätzchen ; Frucht ein Nüßchen ohne Becherhülle). Die Weißbirke (Betula alba), gewöhnlich nur Birke genannt, findet sich zumeist im Walde zwischen anderen Baumarten eingestreut; hier und da bildet sie aber selbst größere Wälder. Die weiße Borke, die den Stamm mittelgroßer Bäume bedeckt (vgl. dag. junge Zweige und alte Stämme!) und sich in papierdünnen Fetzen ablöst, sowie die lockere, „duftige" Krone machen sie zu einem beliebten Schmuckbaume des Parkes. Bei jungen Bäumen stehen die Zweige schräg aufwärts; mit zunehmendem Alter aber bilden sich längere, rutenförmige Äste, die infolge ihrer Schwere meist hängend werden. Die jungen Blätter sind durch einen Harzüberzug gegen zu starke Wasserdampfabgabe geschützt (s. S. 91, a). Dieses Harz gibt der Birke zur Frühlingszeit einen angenehmen Duft. Darum bringen wir sie auch am lieblichen Pfingstfeste als duftende „Maie'' in unser Haus. Während die Staub kätzchen wie beim Haselnußstrauche frei überwintern, kommen die weit klei- neren Stempelkätzchen erst mit den meist rautenförmigen Blättern aus den Knospen hervor (beschreibe die Blüten Frucht der Birke näher!). Die Früchte, die mit den dreilappigen Kätzchen- (Etwa 10 mal vergr.) schuppen abfallen, sind federleichte Gebilde, die jederseits zu einem großen Flügel verbreitert sind und daher vom Winde leicht weit verweht werden können (Bedeutung?).

Die Birke liefert uns wertvolles Brenn- und Werkholz. Aus dem Keisig

Weißbuche. Korkeiche. Kastanie. Weißbirke. Erlen. Walnußb. Salweide.

199

stellt man Besen her, und den Birkensaft, den man im Frühjahre durch "das Anbohren des Stammes gewinnt, läßt man hier und da zu Birkenwein vergären.

Die Schwarzerle (Alnus glutinösa) liebt feuchten Untergrand, findet sich daher besonders an den Ufern der Gewässer und bildet im „Erlenbruche* oft ausgedehnte Bestände. Sie tritt als Strauch und Baum auf. Ist sie belaubt, dann bilden die rund- lichen, abgestutzten Blätter ein leichtes Erkennungszeichen, ist sie kahl, die Knospen, die wie bei keinem anderen heimischen Baume gestielt sind. Da sowohl die Staub-, als auch die kleineren Stempelkätzchen frei überwin- tern, so stäubt die Erle mit dem Haselnuß- stranche bereits im Vorfrühlinge. Die Stempel- kätzchen bilden sich durch Verholzung der bleibenden Schuppen zu rundlichen, zapfen- artigen Fruchtständen aus. Im Winter oder Vorfrühlinge spreizen die Schuppen ausein- ander, so daß die Früchte herausfallen können. Obgleich nur wenig geflügelt, werden sie doch leicht ein Spiel des Windes; denn es sind winzig kleine, plattgedrückte Gebilde. Die Grauerle (A. incäna) ist ein Gebirgs- baum, der sich u. a. durch die schräg aufrecht stehenden Zweige und den silbergrauen Stamm von der Schwarzerle leicht unterscheidet.

2. Die Walnuß-Gewächse unter- scheiden sich von den übrigen Kätzchenblüt- lern besonders durch den Bau der Frucht, die vom Walnußbaume (Juglans regia) her jedermann bekannt ist: Der äußere Teil der Fruchtwand bildet die grüne, unan- genehm schmeckende Hülle (Schutzmittel!), während der innere Teil die holzharte, 2 klappige „Nußschale" darstellt. Der Wal- nußbaum, der ein hohes Alter und einen gewaltigen Umfang erreicht, hat im Mittel- meergebiete (in „Welschland" Name!) seine Heimat. Das harte, schön gemaserte Holz wird gleich dem einiger amerikanischer Arten zur Herstellung von Möbeln hoch geschätzt.

Zweig der Sehwarzerle mit Knospen, Stempelblüten (Stp.), stäubenden Staub- blüten (Stb.) und Fruchtständen (Fr.), aus denen soeben die Früchte ausfallen. (Nat. Gr.).

53. Familie. Weideng-ewächse (SaHcäceae).

Zweihäusige Pflanzen, deren Staub- und Stempelblüten keine Blütenhülle besitzen und Kätzchen bilden. Frucht eine zweiklappige Kapsel. Samen mit Haarschopf.

Die Sal- oder Palm weide (Salix cäprea). Taf. 28. (Zugleich ein Blick auf die übrigen Weidenarten.)

A. Standort. Gleich zahlreichen anderen "Weidenarten ist die Salweide eine treue Begleiterin der Bäche und Flüsse, umsäumt Teiche und Seen, rindet

200 53. Familie. Weidengewächse.

sich aber auch in feuchten Gebüschen und Waldungen, ja kommt selbst noch auf ziemlich trockenem Boden vor.

B. Stamm und Zweige. Die Salweide ist ein Strauch oder Baum und wird gleich anderen Arten vorwiegend durch

1. Stecklinge vermehrt. Schneiden wir im Winter oder Frühlinge, bevor sich die Knospen zu entfalten beginnen, einige Zweiglein ab und stecken sie in ein Glas Wasser oder pflanzen sie in einen mit feuchter Erde gefüllten Blumentopf, so sehen wir, wie aus den im Wasser oder in der Erde befindlichen Teilen lange, vielfach verzweigte Wurzeln hervorgehen, die nach einigen Wochen oft das ganze Glas erfüllen oder die Erde nach allen Richtungen durchziehen. Will man Weiden anpflanzen, so verfährt man ganz ähnlich: man schneidet Zweige ab und pflanzt sie in feuchte Erde. Verwendet man hierzu größere Zweige, so gehen daraus oft stattliche Bäume mit mächtigen Kronen hervor.

Da sich die langen Wurzeln nach allen Richtungen im Boden ausbreiten, und vielfach verzweigen, so eignen sich die Weiden vortrefflich, Ufer und Dämme zu befestigen. Die größte Bedeutung erhalten sie aber durch

2. die Zweige, die sich infolge sehr großer Biegsamkeit und Zähigkeit besonders zur Herstellung von Korb- und Stuhlwaren, sowie zu Faßreifen eignen. Hierzu kann man aber nur glatte, astlose Ruten benutzen. Deshalb zieht man die Weiden zumeist als Sträucher, die man alljährlich oder in längeren Zwischenräumen bis zum Boden abschneidet. Die baumartig wachsenden Weiden mit den krummen, ästigen Zweigen und dem weichen, wenig dauerhaften Holze dagegen haben für den Menschen nur eine geringe Bedeutung. Sie werden von dem „Beherrscher der Natur" (beweise, daß seine Herrschaft aber nur eine sehr beschränkte ist!) zumeist arg verstümmelt und treten uns dann als die sog.

3. Kopfweiden entgegen. Diese eigentümliche Baumform kommt da- durch zustande, daß man den jungen Baum stutzt oder „köpft" und ihm alle Seiten- zweige nimmt. Am abgestutzten Ende bildet sich dann eine besenförmige Krone langer Zweige, wie sie der Mensch zu erhalten wünscht. Indem die Zweige nach Verlauf einiger Jahre immer wieder von neuem entfernt werden (Verwendung?), schwillt das obere Ende, der sog. Kopf, unverhältnismäßig an, so daß der Baum oft eine seltsame Gestalt erhält (vgl. Goethes „Erlkönig"!). In die zahlreichen Wunden, die man der Weide auf diese Weise fortgesetzt schlägt, dringen nun aber Wasser und Pilzsporen ein : es entsteht eine Fäulnis, durch die sich das Holz in eine braune, lockere Masse, die Weiden- oder Baumerde (Verwendung?), ver- wandelt. So wird nach und nach fast der ganze Holzkörper zerstört und der Baum schließlich hohl. (Bei welchen Bäumen hast du gleichfalls hohle Stämme angetroffen? Beobachte, wie die hohlen Kopfweiden und die hohlwerdenden Stämme großkroniger Bäume dem Sturme nur geringen Widerstand leisten können ! Für welche Tiere bilden die hohlen Stämme einen willkommenen Schlupfwinkel? Be- obachte die Gänge des Weidenbohrers und die Löcher, die der Specht gehackt hat!)

C. Knospen (1 4). In den Achseln der Blätter bilden sich bereits im Spätsommer die Knospen, die von je einer kapuzenförmigen, lederartigen, braunen

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 28.

Sal- oder Palmweide (Salix eaprea).

Salweide. 201

Schuppe eingehüllt sind (Bedeutung a. S. 11, B). Junge Salweiden tragen nur kleine, spitze Knospen. Sie enthalten, wie eine Untersuchung ergibt oder wie man im Frühlinge leicht beobachten kann, nur je einen jungen, beblätterten Zweig (Laubknospen). Ist die Weide aber älter geworden, so treten neben diesen Knospen dickere und rundere auf. aus denen die Blüten hervorgehen (Blütenknospen). Im März beginnen die Knospen zu schwellen; der junge Trieb (Hier die eingeschlossenen Blüten sprengen die Schuppen, die schließlich, weil nunmehr ebne Bedeutung, abfallen. Zuerst erscheinen die

I). Hliiten. 1. Die jungen Blutenkätzchen sind in ein silberweißes Haarkleid eingehüllt (daher „Kätzchen"; Bedeutung s. S. 43, C a; Fig. 1 Zweig- stiieke mit jungen Staub-, Fig. 2 Zweigstück mit Stempelkätzchen).

Dieser zierlichen Gebilde wegen steht die Salweide in vielen Gegenden in hohem Ansehen: die mit Kätzchen besetzten Zweige gelten als eine Erinnerung an die Palmenzweige , die man Christus beim Einzüge in Jerusalem auf den Weg gestreut hat. Darum nennt man die Pflanze auch „Palmweide". (Das Bestimmungswort „Sal" in „Salweide" ist aus dem lat. salix = Weide hervor- gegangen.)

2. Die anfangs kleinen Kätzchen (sie waren ja in Knospen eingeschlossen!) strecken sich rasch in die Länge, nnd im März oder April blüht die Salweide bereits, bevor die Blätter sich noch entwickelt haben. Da die Kätzchen also viel weniger ausgebildet überwintern als die des Haselnußstrauches, so wird uns auch die spätere Blütezeit der Pflanze vollkommen verständlich.

3. An den blühenden Kätzchen macht sich leicht ein bemerkenswerter Unterschied geltend: neben solchen, die allein aus Staubblüten zusammen- gesetzt sind (3.), finden sich andere, die nur aus Stempelblüten bestehen (4.) Beide Blüten- oder Kätzchenarten trifft man aber nie auf demselben Strauche oder Baume an. Wenn wir den Haselnußstrauch eine einhäusige Pflanze nannten, müssen wir die Salweide dalier als ein „zweihäusiges Gewächs" bezeichnen. (Dasselbe gilt für alle Weidengewächse.)

4. Die Staubkätzchen (3) sind kurze, eiförmige Gebilde, die bei völliger Entfaltung prächtig gelb aussehen. Unter jeder Kätzchensclmppe findet sich eine Blüte (5), die nur aus 2 Staubblättern mit sehr langen Staubfäden und einer kurzen, stäbchenförmigen Honigdrüse besteht (prüfe mit der Zunge!). Die Schuppe ist in ihrem äußeren Teile schwarzbraun, sonst grün und dicht mit jenem Seidenhaar besetzt, das dem jungen Kätzchen das zierliche Aussehen verleiht.

5. Die Stempel kätzchen (4) sind ganz ähnlich gebaut. Unter jeder Schuppe (6) findet sich außer der Honigdrüse ein Stempel, der aus einem bläschen- förmigen, grünen Fruchtknoten und einer gelben Narbe zusammengesetzt ist. Da auch die Schuppe von grüner Färbung ist, sind die langgestreckten Stempel- kätzchen viel unscheinbarer als die Staubkätzchen.

6. Die Bestäubung kann im Gegensatz zu den Blüten des Haselnuß- strauches hier unmöglich der Wind vermitteln; denn wir sehen niemals, daß er wie bei jener Pflanze Blütenstaubwolken entführt. Die Salweide ist

202 53. Familie. Weidengewächse.

gleich allen anderen Weidenarten im Gegenteil ein Insektenblütler. Dafür sprechen schon die zahlreichen Blütengäste besonders sind es Bienen und Hummeln , die sich auf den Kätzchen einstellen. Aus dieser verschiedenen Bestäubungsweise erklären sich auch die zahlreichen Unterschiede, die sich zwischen den Blüten und Blütenständen beider Pflanzen finden:

a) Während die Kätzchen des Haselnußstrauches ganz unscheinbar sind, haben die der Salweide eine auffallende Färbung. An die Stelle der fehlen- den Blütenhülle, die in der Regel die Anlockung der Bestäuber übernimmt, treten die prächtig gelben Staubblätter und die grünen mit einer gelben Narbe gekrönten Stempel. Ein mit Staubkätzchen bedeckter Baum oder Strauch er- regt in dem noch kahlen Walde oder Ufergebüsch schon von weitem die Auf- merksamkeit, ein Stempelkätzchen tragender allerdings weniger. Das vorwiegende Grün der Stempelkätzchen ist aber in dieser Jahreszeit eine immerhin auf- fällige Färbung.

b) Während bei den meisten Insektenblütlern diese Blütenteile von der Blütenhülle meist mehr oder weniger umschlossen und verdeckt werden (Bei- spiele!; gib aber auch Beispiele an, bei denen dies nicht der Fall ist!), und während sie bei dem windblütigen Haselnußstrauche zum größten Teile ver- borgen sind, stehen sie hier ihrer Aufgabe gemäß frei da.

c) Die sehr kleinen Einzelblüten können aber nur dann die Aufmerksamkeit der Insekten erregen, wenn sie in großer Anzahl zusammen stehen. Daher sind hier im Gegensatz zur Haselnuß auch die Stempelblüten stark gehäuft. Sie bilden, wie wir schon oben gesehen haben, gleich den Staubblüten große Kätzchen.

d) Da die Salweide blüht, bevor sich die Blätter entfalten, werden die Kätzchen umso auffälliger.

e) Zudem hat die Salweide, da sie so verhältnismäßig früh im Jahre blüht, auch nur wenige „Konkurrenten", die ihr die Bestäuber abspenstig machen könnten.

f) Im Gegensatz zu den geruch- und honiglosen Blüten der Haselnuß besitzen die der Salweide einen weithin wahrnehmbaren Duft und wie wir schon gesehen haben

g) süßen Honig in ziemlich großer Menge.

h) An schwankenden Kätzchen, wie solcher die Haselnuß bedarf (wieso?), würden die saugenden Insekten einen schlechten Halt finden. Die Kätzchen der Salweide dagegen sind von wenig biegsamen Achsen durchzogen. Sie stellen keine pendelnden Quasten oder Troddeln, sondern steife und schräg aufwärts gerichtete Gebilde dar, auf denen die Bestäuber leicht festen Fuß fassen können (vgl. auch S. 192, e!).

i) Der Blütenstaub ist nicht wie bei der Haselnuß staubförmig trocken, sondern klebrig, zum Haften an dem behaarten Insektenkörper wohl geeignet.

k) Da die Insekten weit sicherere Bestäubungsvermittler sind als der un- gewisse Wind, so wird der Blütenstaub auch in viel geringerer Menge erzeugt als bei den Windblütlern.

Salweide. 203

1) Für die zweihäusigen Weiden ist es von besonderer Wichtigkeit, daß Pflanzen mit Staub- und Stempelblüten möglichst eng beieinander stellen, oder anders ausgedrückt, daß sie größere Bestände bilden.

m) Da in demselben Bezirke meist mehrere Arten vorkommen, so kann es auch nicht ausbleiben, daß die Insekten Blütenstaub auf die Narben anderer Arten tragen. Infolge dieser „Kreuzung'" entstehen zahlreiche „Mischlinge oder Bastarde" (s. S. 96, 2).

E. Blätter. 1. Die jungen Blätter (3 und 4) kommen gleich den Kätzchen ganz mit weißem Flaum umhüllt aus den Knospen hervor (Bedeutung?).

2. Beim ausgebildeten Blatte dagegen (9), das am Grunde des Blatt- stieles 2 nicht abfallende Nebenblatt chen trägt, bleibt die Behaarung nur auf der Unterseite erhalten. Die eiförmige Blattfläche erscheint daher oben dunkel- grün und unten hellgrau gefärbt. Die Haardecke hat für die Pflanze nun eine doppelte Bedeutung:

a) Tauchen wir ein Blatt der Salweide in das Wasser, so erscheint die Unterseite wie von einem silberglänzenden Überzuge bedeckt; denn das Wasser vermag die Luft zwischen den Härchen nicht zu verdrängen. (Stelle denselben Versuch auch mit einer Haarbürste, sowie mit einem Stück Filz oder Samt an!) Dasselbe geschieht natürlich auch im Freien, wenn die Blätter vom nächtlichen Tau benetzt werden : das Wasser vermag nicht bis zu der Blattoberfläche vor- zudringen und die Spaltöffnungen zu verschließen, durch die ein be- ständiger Luftwechsel stattfindet (s. später!). Durch den Verschluß dieser Öffnungen würde um nur eine Seite dieses Gasaustausches zu erwähnen das Atmen gänzlich aufgehoben, die Pflanze also schwer geschädigt werden. Da sich nun die Spaltöffnungen nur auf der Unterseite des Blattes finden, so ist auch sie allein filzig behaart, und da die Salweide an feuchten Orten wächst, an denen die Pflanzen fast allnächtlich vom Tau triefen, so bedarf sie eines solchen Schutzmittels ganz besonders. (Beobachte, wie der Tau sich nicht nur auf der Oberfläche der Blätter „niederschlägt"! „Doppelfarbige" Blätter finden sich auch bei zahlreichen anderen Pflanzen, die mit der Salweide den Standort teilen, wie beim Huflattich, bei der Himbeere, der Sumpf-Spierstaude u. a. Bei vielen anderen Weidenarten ist als Schutzmittel der Spaltöffnungen ein Wachsüberzug vorhanden; s. S. 17, 2).

b) Als ein häufiges Schutzmittel gegen zu starke Abgabe von Wasser in Dampfform (s. S. 43, C a) haben wir vielfach die mehr oder weniger dichte Behaarung der Pflanzenteile kennen gelernt (Beispiele! Gib auch andere Schutzmittel gegen das Vertrocknen an!). Mit einem solchen haben wir es auch hier zu tun. Bei Windstille sind die Blätter der Salweide so gerichtet, daß sie die grüne Oberseite den Sonnenstrahlen zukehren. Wenn man sich nicht gerade unter den Baum stellt, dann ist von dem Grauweiß der Unter- seite nichts zu sehen. Sobald aber schon ein leichter Wind einsetzt, ändert sich dies vollständig: er krümmt die langen Blattstiele und die sehr biegsamen Zweige so, daß die behaarte Unterseite nach oben und außen gekehrt wird.

204 53- Fam. "Weidengewächse. 54. Fam. Nesselgewächse.

Dann streicht der austrocknende Wind über sie hinweg und ist nicht imstande, den Blättern soviel Feuchtigkeit zu entziehen, daß sie unter seiner Einwirkung vertrocknen müßten.

F. Frucht. Der Fruchtknoten bildet sich zu einer Kapsel aus (7), die sich mit 2 Klappen bereits im Mai öffnet (8). Sie umschließt zahlreiche Samen, die rings von Haaren eingehüllt sind. Bei der Reife spreizen die Haare, die am Grunde der Samen entspringen, auseinander. Dadurch werden die Samen emporgehoben (beobachte dies im Zimmer!) und in den Bereich des Windes ge- bracht, der sie bald weithin verweht (s. Löwenzahn!). Die Härchen dienen den Samen aber nicht nur als Verbreitungsmittel, sondern auch zur Befestigung beim Keimen. Gelangen die Samen nämlich auf feuchten Boden, dann verkleben die Härchen alsbald mit ihm, so daß die Keimung sicher vonstatten gehen kann (vgl. mit Lein, Kürbis u. a.). Die Samen aber, die nicht auf diese Weise am ..Keimbettu befestigt sind, gehen zu Grunde.

Andere Weidengewächse.

Unter den zahlreichen Weidenarten der heimatlichen Pflanzenwelt ist wohl die Korbweide (S. viminalis) die wichtigste. Sie ist eine unserer bekanntesten Uferweiden, die sowohl zur Befestigung von Wasserbauten dient, als auch ihrer wertvollen Zweige wegen überall angepflanzt wird. Die linealen Blätter sind unterseits glänzend weiß- haarig. — Die Trauerweide (S. babylönica), die aus dem Morgenlande stammt, pflanzen wir als Sinnbild der Trauer (hängende Zweige!) auf die Gräber unserer Toten.

Im Gegensatz zu den Weiden sind die Pappeln (Pöpulus) windblütige Pflanzen mit allen den Eigenschaften, die wir beim Haselnußstrauche kennen gelernt haben (Beweis!). Die Schwarz. -P. (P. nigra) hat fast rechtwinklig vom Stamm abstehende Äste und daher eine mächtige Krone. Der allbekannte Waldbaum, der gern an Wegen, auf Dorfstraßen u. dgl. angepflanzt wird, ist sehr schnellwüchsig und erreicht einen mächtigen Umfang. Bei der italienischen oder Pyraiuiden-P. (P. pyramidalis) da- gegen bilden Stamm und Zweige sehr spitze Winkel. Der hohe, schlanke Baum stammt aus dem Oriente. Zu uns ist er über Italien gekommen und wird besonders an Land- straßen angepflanzt. Die Silber-P. (P. alba) ist in feuchten Waldungen Mittel- deutschlands heimisch, hat sich aber als beliebter Parkbaum (warum eignet er sich dazu besonders ?) weit über ihr ursprüngliches Gebiet hinaus verbreitet. Die schön geformten Blätter sind anfangs beiderseitig filzig behaart; später findet sich die silberweiße Haar- decke aber nur an der Unterseite. (Erkläre die Namen der angeführten Pflanzen!). Ein häufiger Baum feuchter Laubwälder ist die Zitterpappel oder Espe (P. tremula), die meist rundliche Blätter mit kürzeren und mit längeren Stielen besitzt. Da die langen Stiele zugleich seitlich zusammengedrückt sind, so geraten ihre Blattflächen schon beim geringsten Luftzuge ins Schwanken. Dieser Erscheinung (was erzählt die Sage von ihrer Entstehung?) verdankt der Baum den Namen, und „das Zittern wie Espenlaub" ist sprichwörtlich geworden. Die Blätter mit kürzeren, runden Stielen dagegen er- zittern im Winde nicht. Am Grunde ihrer Blattfläche finden sich aber 2 napfförmige Drüsen, die einen süßlich schmeckenden Stoff ausscheiden. Wrelche Bedeutung diese Drüsen und das Zittern der langgestielten Blätter für den Baum haben, darüber sind die Naturforscher noch geteilter Ansicht.

Korbweide. Trauerweide. Pappelarten. Brennessel.

205

54. Familie. Nesselgewächse (Urticäceae). Die grotte Brennessel (Urtica dioica).

1. Die Brennessel ist anf wüsten Plätzen und Schutthaufen, an Wegen und Hecken überall häufig anzutreffen. Wie bei der früher besprochenen Taubnessel (s. das.) durchziehen zahlreiche unterirdische Stengel den Boden, und wie bei dieser Pflanze sind auch die oberirdischen Stengel, sowie die Blätter (Form und Stellung!) gebildet.

2. Im Gegensatz zu der schutzlosen Taubnessel ist die Brennessel aber stark bewehrt. Alle grünen Teile sind nicht nur wie z. B. bei der Schwarzwurz und anderen rauhblättrigen Pflanzen mit kurzen, stechenden Borsten besetzt, sondern noch mit ganz besonderen Waffen, den sog. Brennhaaren, ausgerüstet. Ein solches Haar stellt eine lange Röhre dar, deren Wand im oberen Teile durch eingelagerte Kieselsäure hart und spröde wie Glas ist. Während es unten stark

(»rolie Brennessel. 1. Brennhaai ■; an seinem Fuße eine Borste B. 2. Oberes Ende des Brennhaars; 3. dasselbe, aber mit abgebrochenem Köpfchen. 4. Oberer Abschnitt der Pflanze mit Staubblüten (stäubend). 5. Staubblüte; das vordere Blatt der Bluten- hülle ist entfernt; die Staubblätter sind noch nach innen gebogen. 6. Staubblüte im Augenblicke des Stäuhens. 7. Drei Stempelblüten. (Fig. 1.— 3. 100- l.e/.w. 150mal vergr. Fig. 4. etwas verkl. Fig. 5.-7. etwa 10 mal vergr.)

206 Taf. 29. 54. Familie. Nesselgewächse. 55. Farn. Hanfgewächse.

angeschwollen und in einen Zellbecher eingesenkt ist, besitzt es am oberen Ende ein seitwärts gerichtetes Köpfchen, unter dem die Wand der Eöhre sehr dünn ist. Infolgedessen bricht das Köpfchen schon bei der leisesten Berührung ab. Da nun die dünne Stelle schräg verläuft, so entsteht gleichzeitig eine scharfe Spitze, aus welcher der giftige Inhalt des Haares hervorquillt. (Vgl. mit dem Giftzahn der Schlangen und mit der „Einstichkanüle", mit deren Hilfe der Arzt dem Kranken Medizin unter die Haut spritzt!). Wird das Köpfchen nun von einem Menschen oder Tiere abgebrochen, so dringt die Spitze leicht in die Haut ein, der giftige Inhalt gelangt in die Wunde, so daß ein brennendes Gefühl (Name!) und eine kleine Entzündung der Haut entsteht. Weidetiere hüten sich daher wohl, die empfindliche Nasen- und Mundschleimhaut mit diesen giftigen Waffen in Berührung zu bringen (Bedeutung für die Pflanze?). (Welche Schmetterlings- raupen leben aber auf der Brennessel? Warum „nesselt" die Pflanze nicht, wenn man sie fest angreift, oder wenn man von unten nach oben über sie hinwegstreift?)

3. Die Brennessel ist eine zweihäusige Pflanze wie die Salweide. Da sie aber ein Windblütler wie der Haselnußstrauch ist (s. d.)7 besitzt sie ganz unscheinbare Blüten (beschreibe sie näher), eine große Menge trockenen Blütenstaubes, sowie freistehende, pinselförmige Narben. Die zu hängenden Rispen gehäuften Staub- und Stempelblüten sind ferner dem Winde frei aus- gesetzt, und die Pflanze wächst endlich in großen Beständen. Das Ausstreuen des Blütenstaubes erfolgt aber in anderer Weise als bei der Haselnuß. Be- trachtet man eine Staubblüte, bevor sie sich öffnet, so sieht man, wie die Fäden der 4 Staubblätter nach innen gebogen sind und von den 4 weiß-rötlichen Blättern der einfachen Blütenhülle in dieser Lage gehalten werden. Biegt man mit einer Nadel eines dieser Blätter nach außen, so schnellt der wie eine Feder gespannte Faden zurück, sein Staubbeutel platzt, und eine kleine Wolke von Blütenstaub steigt in die Luft. Derselbe Vorgang spielt sich ohne unser Zutun am frühen Morgen ab, wenn die Brennessel von den ersten Sonnenstrahlen getroffen wird: bald hier, bald da erfolgt mit hörbarem Knall eine kleine „Explosion", und es steigt ein Wölkchen Blütenstaub empor, den der geschäftige Morgenwind nunmehr leicht zu den Narben verwehen kann. (Sehr bequem läßt sich der Vorgang im Zimmer beobachten, wenn man die in Wasser stehende Pflanze in die Morgensonne stellt.) Die Frucht ist ein kleines einsamiges Nüßchen.

Die kleine Brennessel (U. urens) wächst an denselben Orten wie die größere Art, tritt aber vielfach auch als lästiges Unkraut auf bebautem Boden auf. Sie ist eine einjährige und einhäusige Pflanze mit eirunden, tief gesägten Blättern. Beide Nessel- arten haben gleich dem Lein sehr lange und feste Bastfasern, die zu dauerhaftem Garne versponnen und zu einem leinwandartigen Zeuge, dem Nesseltuche, verwebt werden können. Die größere Art hat man in der Tat früher auch verwendet. Jetzt kommen jedoch nur ausländische Nesselgewächse dafür in Betracht. Besonders gilt dies von der Raniiepflanze (Boehmeria nivea), die namentlich in Ostasien und auf den Sundainseln angebaut wird und sich u. a. durch das Fehlen der Brennhaare von den eigentlichen Nesseln unterscheidet. Der Wurzelstock treibt zahlreiche, 1 2 m hohe Stengel, die im Jahre 2 oder 3 mal geschnitten werden und die wertvolle Ramiefaser liefern.

Schineil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 29.

Hopfen (Humulus lupulus).

Große und kleine Brennessel. Ramiepflanze. Hanf. Hopfen. 207

55. Familie. Hanfg-ewächse (Cannabinädeae).

1. Der Hanf (Cännabis sativa) ist seit uralten Zeiten eine (richtige Gespinst- pflanze, deren lange, feste Bastfasern besonders zu Bindfaden and Seilen, sowie zu Segel- tuch und anderen Geweben verarbeitet werden. Die einjährige und zweihäusige Pflanze (besehreibe die Blüten!) stammt aus Mittelasien. Sie erreicht eine Hohe von 1,5 m und hat wie die Roßkastanie gefingerte Blätter, die aber aus weit schmäleren Einzelblättern zusammengesetzt sind. Den grünen Teilen entströmt ein widerlicher Geruch (Schutz gegen Tiere !), der selbst Betäubung hervorrufen kann. Hierauf beruht auch die Ver- wendung, welche die Blätter in Indien finden: sie werden als „Haschisch" wie Opium gegessen oder geraucht, wirken außerordentlich berauschend und untergraben bald die Gesundheit desjenigen, der dieser Leidenschaft verfallen ist. Die Hanfsamen dienen bei uns besonders als Futter für Stubenvögel, geben aber auch ein wertvolles fettes Ol, das ähnlich wie Riiböl verwendet wird.

2. Der Hopfen (Hüniulus lüpulus Taf. 29) umspinnt Zäune und Hecken und verwandelt das Ufergebüsch, sowie das Unterholz des Waldes nicht selten in ein undurchdringliches Dickicht. Im Frühjahre treiben aus dem Wurzel- stocke zahlreiche Stengel hervor, die außerordentlich lang und dünn und daher genötigt sind, an Holzpflanzen eine Stütze zu suchen. Rechtswindend (s. S. 101, 4) umschlingt der Hopfen Stämme und Äste des Strauchwerkes (1. u. 2.), zwischen dem er wächst, und gelangt so bald bis zu sonniger Höhe empor. Hierbei wird er wesentlich unterstützt durch amboß- oder ankerartige „Klimmhaken", die sich mit den scharfen Spitzen in die Rinde der Bäume und Sträucher einhaken und in 6 Reihen am Stengel entlang ziehen (3.). Am Grunde der herzförmigen oder 3 5 lappigen, schön geformten Blätter, finden sich je 2 Nebenblätter, die zumeist gänzlich miteinander verwachsen sind. An den jungen Trieben sieht man, daß die Nebenblätter Schutzwerkzeuge sind: sie verdecken die noch zarten Blätter, schützen sie also gegen das Ver- trocknen, sowie gegen Verletzungen beim Vordringen der Zweigspitze.

Der Hopfen ist wie die Weide eine zweihäusige Pflanze, zeigt aber alle Merkmale eines echten Windblütlers (Beweis!). Die unscheinbaren Staub- blü t e n bestehen aus einer einfachen, 5 blättrigen Blütenhülle und 5 Staub- blättern (4.). Da sie zu großen, leicht beweglichen Rispen (2.) geordnet und beim Blühen dem Erdboden zugekehrt sind, und da die großen Staubbeutel an dünnen Fäden herabhängen, so vermag schon ein leiser Windstoß den Blütenstaub in ansehnlichen Wolken heraus zu schütteln. Die Stempel- blüten sind ganz unscheinbare Gebilde, die, zu zapfenartigen Blütenständen vereinigt (5.), wie die Rispen an der Außenseite des Hopfendickichts stehen (1. Bedeutung?). Sie finden sich von je einem Deckblatte halb umhüllt, zu zweien am Grunde eines schuppenartigen Blattes (6.). Eine unscheinbare, krug- förmige Blütenhülle umschließt den Fruchtknoten. Die beiden Narben ähneln kleinen Cylinderputzern und ragen über die Schuppen hinaus ins Freie (Be- deutung?). Nach erfolgter Bestäubung vergrößern sich die Fruchtknoten und die umhüllenden Blattgebilde, so daß sich der Blütenstand zu einem gelblichen

208 56. u. 57. Familie. Manlbeer- und Ulmengewächse.

Fruchtzapfen umgestaltet (7.). Am Grunde der Schuppen und Deckblätter (8.), sowie auf der (gleichfalls bleibenden) Blütenhülle (9.) bemerkt man jetzt zahl* reiche gelbe Drüsen. Sie enthalten einen scharf riechenden und sehr bitter schmeckenden Stoff, durch den die körnerfressenden Vögel vom Verzehren der Früchte abgehalten werden. In diesem „Hopfenbitter" liegt aber auch die Bedeutung der Pflanze für den Menschen : er gibt dem Biere die eigentümliche Würze, sowie die große Haltbarkeit. Dieser Verwendung wegen wird der Hopfen in vielen Gegenden auch im Großen angebaut. Bei völliger Reife lösen sich die einsamigen Früchte los (7.), bleiben aber mit dem Deckblatte im Zusammenhange und werden infolgedessen vom Winde leicht weithin ver- weht (Bedeutung?).

56. u. 57. Familie. Maulbeer- und Ulmeng-ewäehse (Moräceae und

Ulmäceae).

1. Maulbeergewächse. Der schwarze Maulbeerbaum (Morus nigra), der aus dem Mittelmeergebiete stammt, rindet sich hier und da der schwarzroten Früchte wegen angepflanzt. Diese „Maulbeeren" sind wie die ähnlich gestalteten Himbeeren Sammelfrüchte. Sie entstehen dadurch, daß die unscheinbaren Blütenhüllen zur Frucht- zeit fleischig und saftig werden. Die ungeteilten oder gelappten Blätter eignen sich weniger gut zum Futter für die Seidenraupe als die des weißen Maulbeerbaums (M. alba), der weiße Beeren trägt und in Ostasien seine Heimat hat

Die wohlschmeckenden, süßen Feigen, die zu uns meist getrocknet, zu- sammengepreßt und auf Bastfäden gereiht in den Handel kommen, entstammen dem Feigenbaum (Ficus cärica). Er ist schon seit den ältesten Zeiten (Bibel, Homer !) einer der wichtigsten Obstbäume der Mittelmeerländer, liefert aber auch in den nach Süden gelegenen Alpentälern eßbare „Früchte" und wird selbst noch in den milderen Teilen Süddeutschlands (z. B. im Rhein- und Neckartale) an- gepflanzt. Der sparrige Baum hat meist 5 lappige, schöngeschnittene Blätter, enthält in allen Teilen einen weißen Milchsaft (s. Wolfsmilch) und trägt das ganze Jahr hindurch unreife oder reife „Feigen". Durchschneidet man eine solche, so lange sie noch grün ist, so sieht man deutlich, daß man es hier mit einem Blütenstande zu tun hat: Auf einem fleischigen Blütenboden stehen ähnlich wie bei der Sonnenrose zahlreiche, kleine Blüten. Der Blüten- boden ist jedoch nicht flach ausgebreitet wie bei dieser Pflanze, sondern so gebogen, daß ein krug- oder urnenförmiges Gebilde entsteht, Stempel und Staubblätter sind auf verschiedene Blüten verteilt, und zwar finden sich in den Blütenständen des wilden Feigenbaumes, der keine eßbaren Feigen trägt, Stempel- und Staubblüten, während der angepflanzte Baum nur Stempelblüten entwickelt. Soll eine Bestäubung dieser Stempelblüten erfolgen, so muß also ein Vermittler vorhanden sein. Als solcher gibt sich ein kleiner Hautflügler, die Fe igengallwespe, zu erkennen. (Die Unansehnlichkeit der Blüten deutet auf Windbestäubung hin. Warum ist eine solche aber ausgeschlossen? Warum wären schön gefärbte Blüten ohne Vorteil für die Pflanze ?) Die

Schwarzer und weißer Maulbeerbaum. Feigenbaum. Brotfruchtbäume. Feldulme. 209

Bestäubung selbst ist ein außerordentlich verwickelter Vorgang. Es sei hier nur bemerkt, daß die Gallwespe in den Feigen des wilden Stockes ihre Ver- wandlung durchläuft und mit Blütenstaub beladen in die Feigen des angebauten Baumes eindringt. Ist die Bestäubung vollzogen, so werden Blütenboden und Blütenhülle weich und saftig, und aus den Fruchtknoten gehen die senfkornähnlichen Früchte her- vor, die als „Kerne" in dem süßen Frucht- fleische eingelagert erscheinen. Durch die jahrtausendlange Pflege ist der Baum aber auch imstande, ohne Vermittlung der Wespen wohlaus- gebildete Feigen hervorzubringen. (Beweise, daß die Feige eine Schein- und Sammelfrucht wie die Erdbeere ist! Inwiefern ist die Pflanze der Verbreitung durch Vögel angepaßt?)

Zahlreiche Verwandte des wich- tigen Baumes , die zumeist auf die heiße Zone beschränkt sind, haben für den Menschen gleichfalls eine große Bedeutung. So liefert der Gummi- baum Ostindiens (F. elästica) , den wir seiner großen, lederartigen Blät- ter wegen gern als Zimmerpflanze pflegen, neben mehreren anderen Arten Federharz oder Kautschuk (s. S. 69). Durch den Stich der Gunnnilack- Schildlaus (s. „Lehrb. d. Zool.") entstehen an den Zweigen wieder anderer Feigenbäume, die gleichfalls Indien bewohnen, Saftausflüsse, aus denen der Schellack gewonnen wird.

Nahe Verwandte der Feigenbäume sind die Brotfruchtbäume (Artocärpus), deren mehlreiche, kopfgroße Scheinfrüchte in allen Tropengegenden ein überaus wich- tiges Nahrungsmittel darstellen. Zwei oder drei dieser riesigen Bäume vermögen einen Menschen das ganze Jahr hindurch zu ernähren.

2. Ulmengewächse. Die Felduline oder Rüster (Ulmus campestris) ist ein stattlicher Baum, der sich in Wäldern und Anlagen häufig findet und in der äußeren Erscheinung der Linde in hohem Maße ähnelt. Eine bekannte Abart von ihm zeichnet sich durch leistenartige Korkbildungen der Zweige aus. Die Blätter sind gleich denen der Linde unsymmetrisch (s. S. 51), und da sie zudem noch von verschiedener Größe sind, bilden sie an wagerechten Zweigen oft die zierlichste Mosaik (Bedeutung V). Die unscheinbaren, kurzgestielten Zwitterblüten (beschreibe sie!) entfalten sich lange vor den Blättern und werden durch den Wind bestäubt. Die Frucht ist ein Nüßchen, das

Blüten des Feigenbaums. 1. Blütenstand (Feige) im Längsschnitt. Der Mündung fliegt eine Feigengallwespe zu. 2. Teil des Blütenbodens mit einer Staubblüte (aus der Feige des wilden Baumes) und 3. einer Stcmpelblüte. Die Stiele der benachbarten Blüten sind angedeutet. (Fig. 1 wenig, Fig. 2 u. 3 etwa 8 mal vergr.)

iclimeil. Lehrbuch der Botanik.

11

210 58. Familie. Mistelgewächse.

durch einen breiten Flügelsaum flugfähig wird (Bedeutung?). Die in allen Stücken ähnliche Flatterrüster (U. effüsa) besitzt langgestielte Blüten und Früchte.

Eine verwandte Pflanze ist unser beliebtester Schattenbaum, die Platane (Plätanus), die sich leicht durch die ahornartigen Blätter, die kugeligen Blüten- und Fruchtstände, sowie besonders durch die abblätternde Borke zu erkennen gibt. Bei der amerikanischen PL (PI. occidentälis), die in Nordamerika ihre Heimat hat, löst sich die Borke in Schuppen, bei der aus dem Orient stammenden morgenländischen PI. (PI. orientälis) dagegen in großen Platten ab.

Anhangsweise seien hier kurz einige weit verbreitete Wassergewächse erwähnt. Da sie unter denselben Verhältnissen leben wie der Wasserhahnenfuß (s. das.), so besitzen sie gleichfalls schwache Stengel und fein zerteilte Blätter. Das einhäusige Hornblatt (Ceratophyllum) schwebt, ohne Wurzeln zu schlagen, frei im Wasser, über dessen Spiegel es sich niemals erhebt. Der Blütenstaub muß daher durch das Wasser zu den Narben getragen werden. Daher fehlen den Blüten auch alle die Mittel, die bei Luftpflanzen zum Schutze des Blütenstaubes u. dgl. vorhanden sind : sie sind höchst einfach gebaute, unscheinbare Körperchen in den Blattwinkeln. Das überaus zarte im Schlamme wurzelnde Tausendblatt (Myriophyllum) dagegen hebt seine Blütenähre über das Wasser und nimmt zur Bestäubung die Hilfe des Windes in Anspruch.

58. Familie. Mistelgewäehse (Lorantbäceae).

Die Mistel (Viscum album).

1. Wenn Schwarzpappel und Apfelbaum ihres grünen Blätterschmuckes beraubt sind, dann findet man hier häufig, dort selten in dem Gezweig die merkwürdigen, grünen Zweige des Mistelstrauches. Die sonderbare Pflanze siedelt sich gleichfalls gern auf der Edeltanne an, nimmt aber auch mit anderen Laub- und Nadelbäumen fürlieb. Die gelbgrünen Stengel entspringen direkt aus den Asten und teilen sich, da die Endknospen der Zweige zu Blütenknospen werden, wieder- holt gabelig. Obgleich sehr brüchig, überstehen sie sogar in belaubtem Zustande die Winterstürme, die durch das kahle Gezweig der Bäume fegen. Die lanzett- lichen Blätter sind nämlich am Grunde etwas gedreht ('s. Abb. S. 212), so daß sie vom Winde nie mit voller Kraft getroffen werden können; denn da die einzelnen Teile des Blattes verschiedene Bichtung einnehmen, wird der Luftstrom gleich- sam in eine Menge einzelner Ströme zerlegt, von denen nur die senkrecht auf- treffenden eine merkliche Wirkung ausüben. Der Wassermangel ist der zweite Feind, mit dem die Mistel während des Winters zu kämpfen hat; denn sie ver- mag das Wasser, das sie verbraucht, nur dem Baume zu entnehmen, auf dem sie lebt; dieser kann aber wie wir früher gesehen haben (s. S. 91, c) aus dem kalten oder gar gefrorenen Erdboden nur wenig Wasser aufsaugen. Da die Blätter jedoch von lederartiger Beschaffenheit sind, so vermag die Mistel wie der Efeu (s. das.) selbst eine monatelange Trocknis leicht auszuhalten. (Beobachte, wie lange ein abgeschnittener Zweig selbst im warmen Zimmer „frisch" bleibt!) Die Blüten der zweihäusigen Pflanze sind sehr unscheinbar. Da sie aber angenehm duften und Honig enthalten, werden sie trotzdem von Insekten besucht, und zwar umso eher, als sie sich bereits Mitte März entfalten,

Flatterriister. Platanen. Hornblatt. Taasendlilatt. Mistel.

Sil

wenn die Bäume noch unbelaubt sind, und wenn in der Natur erst Wenige Honigquellen fließen.

2. Wie aber gelangt die seltsame Pflanze auf den Baum? Gleich dem Stachelbeerstrauche, der Eberesche oder anderen Pflanzen mit fleischigen Früchten, die wir nicht selten auf Mauern, Burg- ruinen oder an ähnlichen

schwer zugänglichen Orten antreffen, ist auch der Mistelstrauch allein durch Vermittelung eines Vogels hierher gekommen. Wieso'? Die Früchte äer Mistel sind erbsen- große Beeren, die sich infolge der weißen Fär- bung leicht von dem Grün der Zweige und Blätter abheben ( Bedeutung ?), und die besonders von

Mistel. Ein Strauch (verkl.) mit einem Teile des gespal- tenen Zweiges, auf dem er schmarotzt. Rindenwurzeln und Senker sind zu sehen.

auch von anderen Dn arten gern verzehrt wer- den. Da nun das Frucht- fleisch außerordentlich klebrig ist, so bleiben

die Samen leicht am Schnabel der Vögel haften. Werden sie verzehrt, so verwandeln sie den Kot der Tiere in eine klebrige Masse, die sich zu langen Fäden auszieht. (Zerdrücke eine Beere zwischen den Fingern! Aus den Beeren bereitet man Vogel- leim.) Streichen die Vögel darauf den Schnabel an einem Aste ab, oder bleibt ihr Kot auf oder an einem Zweige haften, so sind die harten, unverdaulichen Samen dadurch nicht allein an die Stelle gelangt, an der sie keimen und sich zu einer jungen Pflanze entwickeln können, sondern sie sind daselbst auch gleichsam angeleimt (Bedeutung?). Die Keimwurzel, die stets den Ast zu linden „weiß", durchbohrt dessen Rinde, dringt bis zum Holze vor und entsendet nach allen Seiten Wurzeln, die unter der Rinde verlaufen. Aus diesen „Rinden - wurzeln" gehen nunmehr andere Wurzeln, die sog. Senker hervor, die nach und nach immer tiefer in den sich verdickenden Holzkörper des Astes eindringen. 3. Wie schon bemerkt, ist die Mistel genötigt, dem Baume, in dessen Zweigen sie wurzelt, das Wasser zu entnehmen. Mit dem Wasser entzieht sie ihm aber auch alle die Nahrungsstoffe, die andere Pflanzen aus dem Erdboden

212 Taf. 30. 58. Familie. Mistelgewächse. 59. Familie. Osterluzei-Gewächse.

aufsaugen. Sie ist also ein Schmarotzer. Im Gegensatz zu der Hopfenseide (s. das.) besitzt sie jedoch Blattgrün. Sie ist daher auch imstande, mit dem

aufgenommenen Wasser, den in ihm gelösten Salzen und der Kohlensäure der Luft selbst alle die Stoffe zu bereiten, deren sie zum Aufbau ihres Körpers bedarf. (S. den letzten Absch. des Buches. Ob sie dem Baume auch fertige Nahrung entzieht oder nicht, ist unbe- kannt. Vgl. mit Klappertopf!) 4. Die Fähigkeit der Mistel, hoch oben in den Kronen der Bäume zu leben und selbst während des Winters grün zu bleiben, sowie die gabelige Ver- zweigung der Stengel und die eigentümliche Form der Blätter haben der seltsamen Pflanze schon seit undenklichen Zeiten ein hohes Ansehen bei dem Menschen verliehen. In der Götterlehre der alten Völker spielte sie daher eine hervor- ragende Rolle, und die Germanen hielten sie geradezu für ein heiliges Gewächs. Noch heutzutage gilt sie in England am Weihnachtstage, dem alten Feste der Wintersonnenwende, für das Sinnbild des wieder erwachenden Lebens; sie vertritt dort also unsern immer- grünen Tannenbaum.

59. Familie. Osterluzei-Gewächse (Aristolochiäceae).

Die Osterluzei (Aristolöchia clematitis). Taf. 30.

Die Osterluzei ist eine fast meterhohe Pflanze, die mit Hilfe eines weitverzweigten unterirdischen Stammes überwintert. Da sie im Schat- ten der Bäume und Sträucher wächst, besitzt sie gleich zahlreichen anderen Schattenpfianzen (s. S. 7) große, zarte und demnach auch leicht verwelkende Blätter. (Beobachte die Stellung der herzförmigen Blattflächen und die Ab- leitung des Regenwassers ! Wie sind die jüngsten Blätter geschützt?) Allen grünen Teilen entströmt ein widerlicher Geruch, in dem wir es wie in zahlreichen anderen Fällen (Beispiele!) mit einem Schutzmittel gegen Pflanzen- fresser zu tun haben.

Mistel. Zweig mit Früchten, (wenig verkl.)

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 30.

\

Osterluzei (Aristolochia clematitis).

Mistel. Osterluzei. Pfeifenstrauch. Haselwurz. Seidelbast. 213

Die Blüten, die in den Blattachseln entspringen (1»), zeigen einen höchst sonderbaren Bau (2.; etwa 3 mal vergr.). Die gelbe Blutenhülle stellt eine Röhre dar, die am Grunde zu dem sog. Kessel erweitert und im oberen Ab- schnitte zungenförmig verlängert ist. In den Kessel ragt das obere Ende des Fruchtknotens, der wie ein Teil des Blütenstiels aussieht, mit mehreren Narben gekrönt und mit den Staubblättern innig verwachsen ist. Im Innern des röhrenförmigen Abschnittes rinden sich zahlreiche lange Haare, die gleichsam eine kleine Reuse bilden (stelle durch diesen Teil einen Querschnitt her!).

Diese eigentümlich gebaute Blüte ist auch nur auf besondere Art zu bestäuben. Schlitzt man die Hülle einer jüngeren Blüte (2.) auf, so findet man im Kessel häufig zahlreiche, kaum 2 mm große Fliegen und Mücken, die sich auf dem zungenförmigen Abschnitte der Blütenröhre (Anflugstelle!) nieder- gelassen hatten und durch die Röhre eingedrungen sind. Hier sind sie nun für einige Tage gefangen; denn die nach innen gerichteten Reusenhaare erlauben ihnen wohl einzudringen, aber nicht herauszukriechen. Kommen die Tiere mit Blütenstaub beladen bereits aus einer anderen (älteren) Blüte, so werden sie ihn leicht an den Narben abstreifen, die jetzt gerade reifen (3; die Narben und geschlossenen Staubbeutel etwa 10 mal vergr.). Die saftigen Wände des Kessels geben den Gefangenen während dieser Zeit Nahrung zur Genüge. Nach etwa 2 Tagen (4. u. 5.) verschrumpfen die Narben, die Staubbeutel lassen den mehligen Staub fallen, so daß die Tierchen oft wie eingepudert erscheinen. Gleichzeitig schrumpfen die Reusenhaare zusammen, so daß der Ausgang frei wird. Die Insekten kommen nunmehr aus der Blüte hervor, um gewöhnlich bald darauf in einer zweiten Einkehr zu halten. Vor den Eingang der anfangs aufrechten, jetzt aber herabgebogenen Blüten legt sich nun der zungenförmige Teil der Blütenhülle, so daß die Bestäuber genötigt sind, stets nur diejenigen Blüten zu besuchen, in denen sie der Pflanze allein einen Dienst leisten können.

Obgleich man sicher in den meisten Blüten Insekten findet, setzt die Pflanze doch nur selten Früchte an. (Beachte die Erhaltung und Vermehrung der Art durch den unterirdischen Stamm!) Es sind dies Kapseln von der Form kleiner Birnen, die sehr zahlreiche Samen enthalten (6.).

Eine nahe verwandte Pflanze ist der Pfeifenstrauch (A. sipho), den wir seiner mächtigen Blätter wegen gern zur Bekleidung von Lauben verwenden. Der kletternde Strauch, dessen Blüten kleinen Tabakspfeifen ähneln (Name!), stammt aus Nordamerika. Auch die Haselwurz (Asarum europaeum) steht der Osterluzei sehr nahe. Sie findet sich am Boden des Laubwaldes (unter Haselnulisträuchern !), hat derbe, nierenförmige Blätter und bräunliche Blüten, die sich im zeitigen Frühjahre entfalten.

60. u. 61. Familie. Seidelbast- und Lorbeergewächse (Thvmelaecäceae

und Laura ceae).

1. Der Seidelbast oder Kellerhals (Daphne mezereum) ist ein kleiner Strauch

der Gebirgswälder, der bereits im zeitigen Frühjahre blüht. Und zwar entfaltet er seine

ungestielten, rosenroten Blüten vor den lanzettlichen Blattern, die sonst die kleinen

214 60. u. 61. Farn. Seidelbast- und Lorbeergewächse. 62. Farn. Knöterichgewächi

Gebilde den Blicken der Insekten zum größten Teile entziehen würden. Sowohl die roten Früchte, als auch alle anderen Teile des Strauches, der gern als Gartenzierpflanze verwendet wird, enthalten ein starkes Gift (Schutzmittel gegen Tiere!).

2. Der Lorbeerbaum (Lauras nöbilis) ist ein Baum des Mittelmeergebietes, dessen beiderseits zugespitzte, etwas gewellte Blätter lederartig derb sind (s. S. 49). Der Lorbeerkranz gilt schon seit dem Altertume als ein Zeichen erworbenen Ruhmes, und gern legen wir ihn auf die Ruhestätte unserer Verstorbenen. Da sowohl die Blätter, als auch die beerenartigen Früchte ein flüchtiges Öl von angenehmem Dnft enthalten, dienen sie als Gewürz an Speisen. Ein weit wertvolleres Gewürz, den Zimt, liefern uns andere Lorbeergewächse in der Rinde ihrer Stämme und Zweige. Unter diesen Pflanzen nimmt wieder der Ceylon-Zimtbaum (Cinnämomum ceylänicum) die erste Stelle ein. Er kommt wild jetzt noch auf den Gebirgen Ceylons vor, wird aber zum Zwecke der Zimtgewinnung als Strauch in Pflanzungen gezogen. Haben die Stämme eine Stärke von etwa 4 cm erreicht, dann schneidet man sie dicht über dem Boden ab, ent- blättert sie und löst von Stamm und Ästen die Rinde los. Nachdem die äußeren, bitter schmeckenden Teile sorgfältig entfernt sind, werden die Rindenstücke getrocknet. Hierbei rollen sie sich zusammen , nehmen eine rotbraune Farbe an und kommen als Zimt in den Handel.

Einer nahe verwandten Familie gehört der Muskatnugbaum (Myristica fragrans) an , der auf den Molukken heimisch ist, aber auch auf den Antillen angebaut wird. Die walnußgroße Frucht ist eine Beere , deren steinharter Samenkern die besonders früher als Gewürz hoch geschätzte Muskatnuß liefert. Umgeben ist der Same von einem karminroten, zer- schlitzten Gebilde, dem sog. Samenmantel, der als Macis oder Muskatblüte (warum ist diese Bezeichnung un- Frueht d. Muskatnugbaums. richtig ?) in den Handel kommt und gleichfalls ein wert- F. Fruchtfleisch. S. Same. Sm. volles Gewürz bildet. Die harte Fruchthülle dagegen Samenmantel. (Nat. Gr.) dient nur den Eingeborenen als Speise.

■--J -sr

62. Familie. Knöterichgewächse (Polygonäceae).

Eine Pflanze, mit deren Hilfe der Mensch selbst sandigen Äckern (Heidekorn!) noch einen Ertrag abzuringen versteht, ist der Buchweizen oder das Heidekorn (Polygonum fagopyrum). Die zierliche, einjährige Pflanze stammt wahrscheinlich aus Mittelasien, wird etwa 1ji m hoch, hat herzförmige Blätter und kleine Blüten mit einer einfachen, 5 blättrigen Blütenhülle (beschreibe die Pflanze näher!). Da die weißen oder rötlichen Blüten aber dicht gehäuft stehen, sehr honigreich sind und einen angenehmen Dnft aushauchen, so erfreuen sie sich doch eines reichen Insektenbesuchs. Die kleinen, schwarzbraunen Früchte sind dreikantig wie die der Buche und werden wie die Körner der Getreidearten verwendet (Name!). Der Vogel -Knöterich (P. aviculäre) ist eines unserer gemeinsten Unkräuter, das selbst auf hartgetretenen "Wegen und zwischen dem Straßenpflaster noch zu gedeihen vermag. Im Gegensatz zu diesem, dem Boden aufliegenden Pflänzchen klettert der Winden -Knöterich (P. convölvulns) gleich der Winde an den Stengeln anderer Pflanzen empor. Über den Wasserspiegel

Lorbeer-, Zimt- u. Muskatnußb. Buckweizen. Knöteriche. Ampfer. Rhabarb. Pfefferstr. 215

hebt oft der Wasser-Knöterich (P. amphibiuni) seine großen, rosafarbenen Blüten- ähren empor. Er wurzelt im schlammigen Grunde und läßt seine langgestielten, kahlen Blätter auf dem Wasser schwimmen (vgl. mit Seerose!). Versiegt das Gewässer, so bildet er gleich dem Wasserhahnenfuß (s. das.) eine Landform mit kurzgestielten, be- haarten und viel schmaleren Blättern.

Im Gegensatz zum Knöterich sind die zahlreichen Anipfer- arten (Rumex), die an den verschiedensten Örtlichkeiten oft in großen Mengen auftreten, windblutige Pflanzen (inwiefern stimmt hiermit der Blütenbau überein'?). Es sei hier nur der Sauer- ampfer (R. acetösa) genannt, der auf Wiesen und Grasplätzen überaus häufig anzutreffen ist und durch hohen Gehalt an Kleesalz gegen Pflanzenfresser (besonders Schnecken; Versuch!) vortrefflich geschützt ist. Die Blütenhülle wird zur Zeit der Fruchtreife zu Flügeln für di

eingeschlossenen, kleinen, dreieckigen

Früchte (Bedeu- tung?). — Der als Blattpflanze für Ra- senbeete und als Ku- chengewächs (Ver- wendung?) gebaute Rhabarber (Rheum) ist aus Mittelasien zu uns gekommen. Aus den fleischigen Wurzeln einer ande- ren Art, die in Tibet und China heimisch ist , wird ein als Rhabarber bekann- tes, wichtiges Abführ- mittel hergestellt.

Einer nahe ver- wandten Familie gehört der Pfeffer- strauch (Piper nigrum) an , der uns in dem Pfeffer

ein schon seit den ältesten Zeiten gebräuchliches, wertvolles Gewürz liefert. Die wichtige Pflanze wird z. Z. in vielen Tropenländern angebaut, ganz be- sonders in Ostindien und auf den Sundainseln, woselbst auch ihre Heimat zu

W.H.

-h.cL.NxI-

Zweig vom Pfefferstrauche.

Oben 2 Blütenstände, unten ein

Fruchtstand. Aus den Stenge] -

knoten entspringen Kletterwurzeln.

(Nat, Gr.)

216 63. Familie. Gänsefoßgewächse.

suchen ist. Sie klettert gleich dem Efeu mit Hilfe von Wurzeln an Stämmen und Stützen empor, und wird daher meist wie bei uns der Hopfen an Stangen gezogen. Den eiförmigen Blättern gegenüber entspringen die ährenartigen Blütenstände. Aus den unscheinbaren Blüten entwickeln sich rote Beeren, deren Fruchtfleisch je einen hartschaligen Samen umschließt. (Vgl. mit der Kirsche! Weiche ein „Pfefferkorn" in Wasser auf und schneide es durch!) WTerden die Früchte unreif abgepflückt und getrocknet, dann schrumpft das Fruchtfleisch zusammen, und man erhält den „schwarzen Pfeffer". Läßt man sie da- gegen vollkommen reif werden und beseitigt das Fruchtfleisch, dann liefern sie den „weißen Pfeffer".

63. Familie. Gänsefußgewächse (Chenopodiäceae). Die Runkelrübe (Beta vulgaris)

bildet ähnlich wie die Möhre (s. das.) im ersten Jahre eine dicke, fleischige Wurzel und einen Schopf großer Blätter. Aus den in der Wurzel aufgespeicherten Stoffen baut sich im zweiten Jahre ein oft mehr als meterhoher Stengel auf, der nach der Spitze zu mit immer kleiner werdenden Blättern besetzt ist (vgl. mit Raps) und zahlreiche unansehnliche Blüten trägt (beschreibe sie!).

Die Stammform der Runkelrübe ist ein unscheinbares Gewächs, das an den Küsten des Mittelmeeres noch heutzutage wild angetroffen wird und eine zwar verdickte, aber holzige Wurzel besitzt. Gelangt die Pflanze in mensch- liche Pflege, dann wird die Wurzel jedoch bald fleischig. Da man nun viele Jahrhunderte hindurch stets nur die vortrefflichsten Pflanzen zur Nachzucht auswählte (s. S. 19), sind die zahlreichen Spielarten entstanden, die wir auf unseren Feldern bauen.

Die meisten von ihnen sind wichtige Futterpflanzen. Eine rot- fleischige Form dient auch dem Menschen als Speise (Salat). Alle aber werden an Bedeutung weit von der Zuckerrübe übertroffen, die wegen des Reich- tums an Rohrzucker in allen fruchtbaren Gegenden der nördlichen gemäßigten Zone im Großen angebaut wird. Der Gehalt an Zucker ist der Runkelrübe wie zahlreichen anderen Pflanzen von Natur eigen. Durch beständige Auswahl der zuckerreichsten Rüben zur Fortzucht hat es der Mensch aber verstanden, den Zuckergehalt, der ursprünglich 7- 8 °/o betrug, so erheblich zu steigern, daß er heute ungefähr doppelt so groß ist (bis 18 %), und zwar begann diese „Ver- edlung" der Pflanze erst um das Jahr 1850.

Aus dem mittelländischen Pflanzenreiche entstammt auch der Spinat (Spinäcia oleracea), der bei uns als Gemüsepflanze hoch geschätzt wird. Von den vielen bei uns wildwachsenden Verwandten der Runkelrübe seien nur die zahlreichen Gänse- fug- (Chenopodium) und Melden -Arten (Atriplex) genannt, die besonders auf Schutt und in der Nähe des Menschen wachsen und vielfach lästige Unkräuter darstellen. Andere Arten finden sich wieder nur am Meeresstrande und an solchen Stellen des Binnenlandes, deren Boden außerordentlich reich an Salz ist (an Salzquellen, in Salz- steppen und an ähnlichen Orten). Obgleich auch zahlreiche Glieder anderer Pflanzen-

Runkelrübe. Spinat. Melden. Salzkraut. 217

familien zu diesen „Salzpflanzen" zählen, sind dock die allermeisten von ihnen „Fettpflanzen" wie der Mauerpfeffer. Viele dieser unscheinbaren Gewächse haben nun ohne Zweifel mit großer Trockenheit der Luft und des Bodens zu kämpfen, so daß der sonderbare Bau sofort verständlich wird. Die Meerstrandpflanzen dagegen wachsen in feuchter Luft und werden nicht selten sogar zeitweise überflutet. Trotzdem müssen sie aber gleich dem Mauerpfeffer gegen zu starke Verdunstung sorgsam geschützt sein; denn die Pflanzen vermögen aus Salzlösungen nur schwer Wasser zu entnehmen. Das bekannteste dieser seltsamen Gewächse, das Salzkraut (Salicörnia herbäcea), das an den Küsten der Nord- und Ostsee, sowie im Binnenlande oft weite Strecken überzieht, hat es sogar wie die Kaktusgewächse (s. das.) bis zum gänzlichen Verlust der Blätter gebracht.

2. Klasse. Einkeimblättrige Pflanzen oder Spitzkeimer

(Monocotyleae).

Keimling mit nur einem Keimblatt (s. Roggen). Laubblätter in der Regel mit parallel verlaufenden, unverzweigten Hauptnerven. Blütenteile meist in der 3-Zahl vorhanden.

64. Familie. Liliengewächse (Liliäceae).

Blütenhülle blumenblattartig und wie die Staubblätter aus 2 dreiblättrigen Kreisen

bestehend. Fruchtknoten oberständig, dreifächerig. Stauden, deren unterirdische

Stengel vielfach Zwiebeln oder Knollen darstellen.

1. Unterfamilie. Eigentliche Lilien (Lilieae). Die Tulpe (Tülipa gesneriäna).

A. Die Tulpe, eine Zierpflanze. Es gibt wohl kaum einen Blumen- garten, in dem nicht auch einige Tulpen zu finden wären! Denn wenn der Mensch den Pflanzen auch oft gleichgültig gegenübersteht: ein Beet mit Tulpen und Hyazinthen, mit Schneeglöckchen und Crocus oder anderen Frühlings- gewächsen betrachtet jeder mit Wohlgefallen.

Die Tulpe ist in den Steppenländern Westasiens heimisch. Zuerst nahmen sie die Türken in ihre Gärten auf. Von dort aus gelangte sie etwa um die Mitte des 16. Jahrhunderts nach Deutschland, und schon nach einigen Jahrzehnten hatte sich die willkommene Frühlingsgabe über alle europäischen Länder verbreitet. Ganz besonders nahmen sich die blumenliebenden Holländer ihrer Pflege an, und bald entstanden zahlreiche Spielarten (s. S. 19), die während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts z. T. zu ganz unverhältnis- mäßig hohen Preisen verkauft wurden. So zahlte man z. B. für eine einzige Zwiebel einer besonders seltenen Sorte nicht weniger als 13 000 Gulden!

B. Die Tulpe, ein Zwiebelgewächs. 1. a) Das Wesen der Zwiebel wird uns leicht klar werden, wenn wir uns an die Knospe der Boßkastanie erinnern! In diesem Gebilde erkannten wir einen winzigen Zweig, der Blätter und auch oft Blüten trägt, und der von besonders gestalteten Blättern, den Knospenschuppen, umhüllt ist. Durchschneiden wir eine Tulpenzwiebel, bevor sie „ausgetrieben" ist, der Länge nach, so finden wir fast dieselben Verhältnisse vor. Wir sehen erstlich, daß ihr unterster Abschnitt von einem scheibenförmigen Körper gebildet ist. Diese „Zwiebelscheibe" stellt einen kurzen, platt- gedrückten Stamm dar, der unten mit einem Kranze faseriger Wurzeln besetzt ist. Ferner erkennen wir, wie sich dieser Stamm in einen Stengel verlängert, der einige Laubblätter und eine Blüte trägt. (Junge Zwiebeln treiben nur einen kurzen, beblätterten Stengel.) Und endlich finden wir, daß sich auf der Zwiebelscheibe rings um den Stengel noch mehrere Blätter, die sog.

Tulpe.

219

Zwiebelschalen, erheben. Sie machen die Hauptmasse der Zwiebel aus und sind (Querschnitt!) kreisförmig geschlossen, so daß sie etwa die Form von Hohlkegeln haben. Die äußeren Schalen sind trocken, brüchig und von brauner Färbung, die inneren dagegen saftig, fleischig und (wie die meisten im Finstern wachsenden Pflanzenteile ; Beispiel!) farblos. Da die Zwiebel also vor- wiegend aus Blättern besteht, kann sie keine Wurzel darstellen, wofür sie im gewöhnlichen Leben meist gehalten wird; denn eine Wurzel trägt niemals Blätter. Sie ist vielmehr eine unterirdische Knospe oder ein kurzer, unterirdischer ^r'L ' Stamm mit besonders gestalteten Blättern.

b) Daß diese Deutung richtig ist, geht auch daraus hervor, daß die Zwiebel gleich 3. der Knospe in einer Blattachsel ihre Ent- stehung nimmt. Und zwar bilden sich bei der Tulpe die jungen Zwiebeln stets in der Achsel einer Zwiebelschale. (Bei anderen Liliengewächsen entstehen Zwiebeln auch in den Achseln oberirdischer Blätter; s. Knoblauch und Feuerlilie!)

c) Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Knospen, die mit der Mutterpflanze in der Regel im Zusammenhange bleiben, führt die Zwiebel ein selbständiges Leben. Sie ist daher genötigt, Nahrung aus dem Boden zu entnehmen, oder anders ausgedrückt, Wurzeln zu schlagen.

2. Die Bedeutung der Zwiebel. I. Wie oben bemerkt, hat die Tulpe in den Steppenländern Westasiens ihre Heimat. In diesen Gegenden folgt jahr- aus, jahrein auf eine kurze Regenzeit eine 7 8 Monate währende Dürre. Dann vertrocknen alle saftigen Gewächse, und der Boden wird oft steinhart. Nur die mit besonderen Schutzmitteln (nenne solche!) ausgerüsteten Pflanzen oder die- jenigen, deren Pfahlwurzeln bis zu den tieferen, stets feuchten Bodenschichten hiuabreichen, vermögen die Trocknis zu überdauern. Alle anderen Gewächse sind entweder einjährige Pflanzen, die mit Beginn der Regenzeit aus Samen hervor- gehen, schnell Blüten und Früchte treiben und mit Eintritt der Dürre absterben, oder „Stauden", die sich vor den sengenden Strahlen der Sommersonne gleich- sam in den Boden flüchten : ihre oberirdischen Teile sterben ab, während die unterirdischen (Wurzelstock, Knollen oder Zwiebeln) am Leben bleiben. Sd

Tulpenzwiebel, längs durchschnitten.

S. Zwiebelscheibe. St. Stengel. Seh.

Zwiebelschalen. E. Ersatzzwiebel. B.

2 Bratzwiebeln.

220 2. Kl. Einkeimbl. Pflanzen. 64. Fam. Liliengewächse. 1. Unterf. Eigentl. Lilien.

zieht sich auch die Tulpe mit beginnender Trockenheit in den Boden zurück. Wenn endlich nach vielen Wochen wieder heftige Kegengüsse auf die sonnen- verbrannte Steppe herniederrauschen, und das belebende Naß den staubtrockenen Boden erweicht, dann erwacht mit der Tulpe das ganze Heer der Stauden aus dem todähnlichen Schlafe, und schon nach kurzer Zeit sind die weiten Gefilde mit Tausenden und aber Tausenden leuchtender Blüten bedeckt. Die Zwiebel ist also (gleich dem Wurzelstocke und der Knolle) ein Mittel der Pflanzen, die ungünstige Jahreszeit zu überdauern. Die Zwiebelgewächse sind daher die Gepräge- (Charakter-) Pflanzen der Steppe. (Darum werden z. B. in der Bibel auch die „Lilien" so häufig erwähnt, die noch heute den Steppen Palästinas zur Eegenzeit einen wunderbaren Schmuck ver- leihen.)

Auch für die in unsere Gärten eingewanderte Tulpe hat die Zwiebel die gleiche Bedeutung : der trockene Sommer, sowie der trockene (s. S. 92) und kalte Winter würden die Pflanze unbedingt töten, wenn sie sich vor ihnen nicht in die schützende Erde zurückzöge. (Beweise, daß dies auch für die ein- heimischen Zwiebelgewächse, sowie für alle Liliengewächse gilt, die mit Hilfe von Wurzelstöcken oder Knollen überwintern!)

Die Aufgabe, welche die Zwiebel zu erfüllen hat, macht uns nun leicht folgende Tatsachen verständlich:

a) Wir sagten oben, daß sich die Tulpe gleichsam in den Erdboden flüchtet. Ist denn eine solche Flucht gerade dorthin von Bedeutung? Wie wir Pflanzen, deren Wurzeln oder unterirdische Stämme nicht vertrocknen sollen, in die Erde „einschlagen" (Beispiele!), so ist auch die Zwiebel im Erdboden gegen eine tödlich starke Abgabe von Feuchtigkeit wohl geschützt. Welch hohen Grad von Trocknis die Zwiebel übrigens zu ertragen vermag, geht daraus hervor, daß wir unsere Blumenzwiebeln mit Beginn des Sommers meist aus dem Boden nehmen und bis zum Herbste trocken aufbewahren. Wir müssen aber wohl bedenken, daß s.ich die Luft unserer Breiten hinsichtlich der Trocken- heit mit der der Steppenländer nur selten messen kann!

b) Einen weiteren Schutz gegen das Verdorren bilden die trocken- häutigen, äußeren Zwiebelschalen. (Wir hüllen Gegenstände, die wir feucht erhalten wollen, in Papier, trockene Tücher u. dgl. ; Beispiele !) In dieser aus pergamentartigen, ungenießbaren Blättern gebildeten „Kapsel" besitzt die Zwiebel zugleich ein wichtiges Schutzmittel gegen die Angriffe der im Boden lebenden Tiere, namentlich der gefräßigen Nager.

c) Gegen diese Feinde ist die Zwiebel auch noch durch einen Giftstoff geschützt, der Erbrechen erregt.

d) Wie wir gesehen haben, muß die Tulpe in ihrer Heimat bereits wenige Monate nach dem Hervorkommen aus der Erde die Samen gereift haben. Hierzu wäre sie aber ohne den Besitz der Zwiebel sicher außer stände. Gleich der Kartoffelknolle (s. das.) stellt dieses Gebilde nämlich einen Vorratsspeicher dar, aus dem die Pflanze solange die Baustoffe entnimmt, bis die über dem Erd-

Tulpe. 221

boden hervorgeschobenen Laubblätter im Sonnenlichte neue Stoffe bilden können. Daher fühlt sich die anfangs feste Zwiebel zur Zeit der Blüte bereits weich an (vgl. mit der „keimenden" Kartoffelknolle!). Daß hier wirklich ein Stoff- verbrauch stattfindet, beweist deutlich die bekannte Tatsache (Versuch!), daß aus Tulpen- (Küchen-, Hyazinthen- und anderen) Zwiebeln, selbst wenn sie ganz trocken liegen, die grünen Blätter hervorbrechen, die sich doch nur auf Kosten der Zwiebel bilden können. Ja, man ist sogar leicht imstande, Tulpen- (Hya- zinthen-) Zwiebeln in reinem Wasser bis zum Blühen zu bringen.

e) Soll die Zwiebel ihre Aufgabe, die Pflanze über die ungünstige .Jahreszeit „hinüberzuretten", aber wirklich erfüllen, so muß für das absterbende Gebilde Ersatz geschaffen werden: In der Achsel der innersten Zwiebelschale bildet sich eine Knospe, die schnell an Größe zunimmt und zur „Ersatzzwiebel" für das nächste Jahr wird.

Hiermit geht nun ein allmählicher Verfall der „alten" Zwiebel Hand in Hand: ihre Schalen werden von der sich immer mehr dehnenden Ersatz- zwiebel nach außen gedrängt und die anfangs prallen, saftigen Gebilde werden immer welker und trockener. Hat die Ersatzzwiebel endlich ihre volle Aus- bildung erlangt, dann sind die Schalen der alten Zwiebel zu pergamentartigen Häuten verschrumpft, also (s. Absch. b) zur Schutzhülle der jungen Zwiebel ge- worden. Die Zwiebel, die wir im Herbste pflanzen, ist also nicht dieselbe, die im Frühjahre geblüht hat, sondern ein Nachkomme, eine Knospe dieser. (S. dag. die Zwiebel des Schneeglöckchens!)

Öffnet man, nachdem die oberirdischen Teile abgestorben sind, die Ersatz- zwiebel, so findet man in ihr Stengel, Blätter und Blüte für das nächste Jahr bereits vollkommen ausgebildet. (Ja sogar die Ersatzzwiebel für das nächste Jahr ist als winzige Knospe bereits angelegt.) Diese Tatsache erklärt uns nun einerseits, wie die Tulpe der Anforderung zu genügen vermag, die die heimatliche Steppe an sie stellt nämlich schnell zu ergrünen und zu blühen und wie sie andererseits eine unserer ersten Frühlingspflanzen bilden kann. (Vgl. mit anderen Liliengewächsen, sowie mit dem Scharbockskraut und anderen Pflanzen des Frühjahrs.)

IL Löst man die Zwiebelschalen vorsichtig von der Zwiebelscheibe ab, so findet man außer der Ersatzzwiebel in den Achseln anderer Zwiebelschalen zu- meist noch weitere Knospen, die sich gleichfalls nach und nach zu Zwiebeln ausbilden. Mit dem Absterben der Zwiebelschalen wandern sie nach außen, und wenn die Schalen endlich verwesen, dann werden sie frei und geben je einer neuen Pflanze das Dasein. Diese jungen Zwiebeln bezeichnet man daher auch treffend als „Brutzwiebeln". Die Zwiebel ist für die Tulpe (und die anderen Zwiebelgewächse) also nicht nur eine Einrichtung, die ungünstige Jahres- zeit zu überdauern, sondern auch ein Mittel der Vermehrung.

C. Vom Stengel und von den Blättern der Tulpe. 1. Stengel und Blätter, die aus der oft tief im Boden liegenden Zwiebel hervorgehen, müssen eine dicke und nicht selten sogar feste Erdschicht durchbrechen. Wie

222 64. Familie. Liliengewächse. 1. Unterf. Eigentliche Lilien.

aber vermögen die zarten Blätter und der Stengel, der zudem noch von der sehr empfindlichen Blüte gekrönt ist, eine solche Arbeit zu leisten?

a) Die Blätter sind zu einem Kegel zusammengelegt, dessen Spitze den Erdboden wie ein Keil durchbricht. Der Mantel des Kegels wird von dem derberen, untersten Blatte gebildet, das die zarteren, oberen Blätter, sowie den oberen Stengelteil mit der Blüte schützend umhüllt.

b) Die Spitze des äußeren Blattes, die beim Durchbrechen des Bodens vorangeht, ist kapuzenförmig gestaltet und fast stechend hart.

2. Ist die Erdschicht durchbrochen, so entfalten sich alsbald die Blätter, von denen bei blühenden Pflanzen in der Regel 3 vorhanden sind. (Stelle die Verhältnisse bei nicht blühenden Pflanzen fest.) Sie sind ungestielt und umfassen den Stengel scheidenartig. Ihre unverzweigten Nerven laufen dem Rande parallel, ein Merkmal, durch das die einkeimblättrigen Pflanzen (Monocotylen) meist schon auf den ersten Blick von den zweikeimblättrigen (Dicotylen) zu unter- scheiden sind.

a) Stengel und Blätter sind mit einer bläulichen, abwischbaren Wachs- s chi cht bedeckt, wie wir solche bereits beim Raps fanden (s. S. 17, 2).

b) Die grünen Teile sind ferner vollkommen kahl. Es fehlt ihnen also jede Spur einer Behaarung, durch die z. B. so zahlreiche Sommergewächse (Beispiele!) gegen zu starke Wasserdampfabgabe geschützt sind. Wenn wir aber bedenken, daß die Tulpe in der heimatlichen Steppe nur während der feuchten Jahreszeit und in unseren Gärten während des Frühjahrs grünt, hier wie dort also in einer Zeit, in der der Boden feucht und die Luft stark mit Wasser- dampf erfüllt ist, so werden wir diesen scheinbaren Mangel wohl verstehen.

c) Die Blätter stehen am Stengel schräg aufwärts und haben rinnen- förmige Gestalt. Die auf sie fallenden Regentropfen (Versuch!) rollen daher nach der Mitte zu (centripetal) ab und gelangen somit an die Stelle, an der sich die Wurzeln finden (s. S. 88, c).

D. Ton der Blüte der Tulpe. Die Blütenhülle besteht aus 6 Blättern von sehr wechselvoller Färbung (gib sie näher an!). Obwohl diese Blätter zu zwei dreiblätterigen Kreisen geordnet sind, lassen sie sich nicht als Kelch und Blumenkrone voneinander unterscheiden, wie dies bei zahlreichen anderen Pflanzen der Fall ist. Man bezeichnet die Blütenhülle daher als „einfach" (oder als „Perigon"). Daß die Blätter des äußeren Kreises dem Kelche aber vollkommen entsprechen, geht nicht nur aus ihrer Stellung, sondern auch daraus hervor, daß sie im Knospenzustande die inneren Blätter wie ein Kelch um- hüllen, und daß sie bis kurz vor dem Aufblühen grün sind, während jene dann schon eine bunte Färbung zeigen. Die 6 Staubblätter sind gleichfalls zu 2 Kreisen geordnet. Sie umgeben den Stempel, der aus einem drei- Bliitengrundriß fächerigen, säulenartigen Fruchtknoten (Querschnitt!) und der Tulpe. einer in 3 abgerundete Lappen gespaltenen Narbe besteht.

Tulpe. Andere Lilien. 223

Indem sich die Staub- und Fruchtblätter zu blütenblattartigen Gebilden um- wandeln, entstehen die „gefüllten" Tulpen.

1. Die Tulpe bringt alljährlich nur eine einzige Blüte hervor. Da diese aber von auffallender Größe ist, so vermag sie wohl die Aufmerksam- keit der Insekten zu erregen. Immerhin wäre es aber höchst unsicher, wenn der Fortbestand der Pflanze nur auf dieser einen Blüte beruhte. In Wirklichkeit ist sie darauf ja nicht allein angewiesen; denn außer durch Samen erhält und vermehrt sich die Tulpe ja noch wie wir gesehen haben durch die Ersatz- zwiebel und die Brutzwiebeln.

2. Obgleich die Blüte keinen Honig enthält, wird sie doch von zahlreichen Insekten besucht. Die große]n Staubbeutel enthalten soviel Staub, daß die Besucher ohne Schaden für die Pflanze davon speisen können. Der dabei verstreute Blütenstaub wird von den muldenförmig gebogenen Blättern der Blutenhülle aufgefangen und für spätere Gäste aufbewahrt (vgl. mit Klatschmohn und Hundsrose).

3. Im hellen Sonnenscheine breiten sich die Blätter der Blütenhülle zu einem leuchtenden Stern auseinander, so daß die Blüte für die über sie hinwegfliegenden Insekten noch auffälliger wird. Mit Eintritt des Abends aber schließt sie sich wieder. Bei trübem und regnerischem Wetter öffnet sie sich garnicht (s. S. 3, b).

E. Von der Frucht der Tulpe. Der Fruchtknoten bildet sich zu einer Kapsel aus, die in jedem der 3 Fruchtfächer 2 Reihen Samen enthält, und die sich bei der Reife mit 3 Klappen öffnet. Da der anfangs saftige und brüchige Stengel jetzt trocken und elastisch geworden ist, so vermag der Wind die Samen leicht auszuschütteln (Schleuder!), und da diese leichte, elastische Scheiben darstellen, zugleich weit zu verwehen.

Andere Lilien.

1. Mit der Gartentulpe hat eine große Anzahl anderer Liliengewächse, die sich alle durch herrlichen Blutenschmuck auszeichnen, Eingang in unsere Gärten gefunden. Da ist zunächst die wohlriechende, gelbblühende wilde Tulpe (T. silvestris) zu nennen, die aus Südeuropa stammt. Sie hat die Gärten aber vielfach wieder verlassen und sich auf Grasplätzen, in Weinbergen und an ähnlichen Orten angesiedelt. Als schönste Frühlingspflanze gilt neben der Tulpe die Hyazinthe (Hyacinthus orientälisi, die in zahlreichen farbenprächtigen Spielarten gezogen wird, und deren Stammform in Kleinasien, Griechenland und Dalmatien zu finden ist. Sie hat zwar weit kleinere Blüten als die stolze Tulpe; dafür sind diese aber von köstlichem Duft und zu ansehn- lichen Trauben gehäuft, so daß sie sich den Bestäubern doch weithin kenntlich machen. Bei der niedlichen Bisam - Hyazinthe (Muscäri) findet gleichfalls eine Häufung der kleinen Blüten statt („Weinträubcken"). Hier aber dienen die oberen Blüten, die weder Stempel noch Staubblätter enthalten, ganz der Insektenanlockung (vgl. mit Schnee- ball). — Tiefblaue Sterne bilden die Blüten der ebenfalls in unseren Gärten häufig angepflanzten Meerzwiebeln (Scilla). Eine als Topfpflanze allgemein bekannte Form dieser Gattung ist die weißblühende echte 31. (S. maritima), die an den Küsten des

224 64. Familie. Liliengewächse. 1. Unterf. Eigentliche Lilien.

Mittelländischen Meeres und Atlantischen Oceans ihre Heimat hat (Name!). Mittel- asien hat uns die stattliche Kaiserkrone (Fritilläria imperiälis) geliefert. Ihre großen, gelbroten Blüten stellen hängende Glocken dar, so daß der Blütenstaub und der am Grunde der Blütenhüllblätter reichlich abgeschiedene Honig vom Regen nicht erreicht werden können. Die Zwiebel ist durch ein scharfes Gift gegen Tierfraß geschützt. Als ein Sinnbild der Reinheit und Unschuld gilt schon seit den ältesten Zeiten die weiße Lilie (Lilium cändidum). Sie ist in Südeuropa und Westasien heimisch und erfreut uns erst im Hochsommer durch die Pracht ihrer Blüten, mit denen sich nicht einmal „Salomo in aller seiner Herrlichkeit" vergleichen konnte. Die blendend weiße Färbung, der abends stärker werdende Duft, sowie die Größe und Stellung der Blüte lassen darauf schließen, daß wir es hier mit einer Nachtfalterblume zu tun haben (vgl. mit Leim- kraut). Auch der Mangel einer Anflugsstelle für'die Besucher, sowie die Stellung und schaukelartige Befestigung der Staubblätter (vgl. mit Wald-Geißblatt) deuten darauf hin. Die gleichfalls in unseren Gärten häufig zu findende Feuerlilie (L. bulbiferum) mit ihren gelbroten, duftlosen und aufrecht stehenden Blüten ist eine Tagfalterblume wie z. B. die Steinnelke. In den Achseln der oberen Blätter bilden sich nicht selten schwarze Brutzwiebeln , eine Erscheinung, auf die bereits früher hingewiesen wurde. Die stattliche Pflanze, die bei uns heimisch ist, aber nur sehr selten auf Gebirgswiesen angetroffen wird, leitet zu unseren wildwachsenden Liliengewächsen über.

2. Wenn uns im Garten Tulpen und Hyazinthen erfreuen, dann blühen draußen in Feld und Wald die Goldsternarten (Gägea). Mit Beginn des Abends schließen sich ihre gelben Blüten, und bei regnerischem Wetter öffnen sie sich gar nicht (Bedeutung?). Dann ist von den leuchtenden Blütensternen (Name!) kaum noch etwas zu bemerken; denn die Blätter der Blütenhülle sind auf der Rückseite grünlich gefärbt (s. S. 3, b). Dieselbe Erscheinung ist auch an den weißen, zu einer Dolde gehäuften Blüten des Milchsterns (Ornithügalum umbellätum) zu beobachten. Da die zierliche Pflanze wie die Goldsternarten keinen Stengel bildet, so kann sie auch nur an solchen Orten wachsen, an denen sie trotz ihrer Kleinheit zur Geltung kommt, im niedrigen Grase, an Weg- rändern u. dgl. Und will sie von den Nachbarpflanzen nicht überwuchert werden, so muß sie sehr zeitig im Jahre erscheinen. Letzteres gilt auch von der Schachblume (Fritilläria meleägris), die nasse Wiesen mit ihren schachbrettartig gewürfelten, hängenden Blütenglocken schmückt. Der Türkenbund (Lilium märtagon) dagegen entfaltet seine herrlichen Blüten erst im Juni und Juli. Dafür überragt er aber auch (Höhe bis '/a m) die niederen Pflanzen seiner Umgebung. Zu dieser Zeit trifft man an sonnigen Stellen längst kein Liliengewächs mehr. Im Schatten des Laubwaldes dagegen findet der Türkenbund (Blätter derber als bei den Frühlingspflanzen) selbst in den heißen Sommer- tagen noch den notwendigen Schutz. Wie bei der weißen Lilie sind Nachtfalter vor- wiegend die Bestäuber der wie ein Turban geformten Blüten. (In welchen Stücken ist die Blüte ihren Bestäubern „angepaßt"?) Der Bärenlauch (Allium ursinum) dagegen, der häufig in feuchten Laubwäldern anzutreffen ist, sich aber nur wenig über den Boden erhebt (stengellos!), ist wie das Windröschen eine Frühlingspflanze mit großen, zarten Blättern. Eine häutige Scheide umgibt schützend die zu einer Dolde geordneten, weißen Blüten, bevor sie sich entfalten, und allen Teilen entströmt ein starker Knoblauchsgeruch (Schutzmittel gegen Tiere). Beide Merkmale teilt die Pflanze mit den zahlreichen Gattungsgenossen, die wir als wichtige

3. Küchengewürze in Garten und Feld anbauen. Von diesen Laucharten (Ällium) ist an erster Stelle die Küchen- oder Sommerzwiebel (A. cepa) zu nennen,

Andere Lilien.

225

die seit den ältesten Zeiten nicht nur als Würze, sondern auch als Gemüse verwendet wird. Obgleich die langen, fast senkrecht stellenden und unterhall) der Mitte bauchig an- geschwollenen Blätter und Stengel sehr zart sind, vermögen sie doch selbst heftigen Stürmen zu widerstehen: sie stellen Röhren dar, die wie alle Röhren (s. Halm des Roggens) eine verhältnis- mäßig große Biegungsfestigkeit besitzen. Die Zwiebi (verfolge die Keimung des Samens und die Bildung der Zwiebel!) geht schon bei geringer Kälte zugrunde, ein Zeichen, daß die Heimat der wichtigen Pflanze im Süden (wahrscheinlich im Mittelmeergebiete) zu suchen ist. Im Gegensatz zur „Sommerzwiebel" (Name!) vermag die Wintcrzwiebel (A. fistulösum), die nicht selten gleich- falls zum Küchengebrauch angebaut wird, selbst den Winter bei uns im Freien auszuhalten. Ihre Heimat ist aber auch der Südosten von Sibirien. Durch die über die ganze Mitte bauchig erweiterten Blätter und Stengel ist die Pflanze leicht von jener zu unterscheiden. Röhrenförmige Blätter besitzt auch der allbekannte Schnittlauch (A. schoenöprasum) , der bei uns heimisch ist und ein mehrfaches Abschneiden der Blätter leicht verträgt (Name! Verwendung?). Flache Blätter wie der oben erwähnte Bärenlauch hat der stark riechende Knoblauch (A. sativum), dessen Stammpflanze wahrscheinlich in Mittel- asien heimisch ist. Er entwickelt in der Dolde neben wenigen, langgestielten, kleinen Blüten zahlreiche, kugelige Brutzwiebeln, die ausgesät sich zu neuen Pflanzen entwickeln. Mit dem Knoblauch ist wahrscheinlich die Perl- zwiebel (A. ophioseörodon) aus derselben Stamm- pflanze hervorgegangen (Verwendung?) Gleich- falls eine „Kulturform" ist der Porree (A. porrnm), der als Gewürzpflanze hoch geschätzt wird (Ver- wendung?) und im Mittelmeergebiete seine Hei- mat hat.

4. Es sind hier endlich noch einige ausländische Pflanzen zu erwähnen, die bei uns im Gewächshause und Zimmer häufig gehalten werden. Dahin gehören vor allen Dingen die Drachenbäume (Dracama), die am Gipfel des kahlen Stammes einen Büschel schwertförmiger Blätter tragen und daher meist für Palmen gehalten werden. Sic sind in den wärmeren Gegenden der alten Welt heimisch und erreichen zumeist ein außer- ordentlich hohes Alter. Sehr ähnliche Pflanzen sind die Palmlilien (Yucca), die aus dem warmen Amerika stammen. Die öden Steppen und Wüsten Afrikas, besonders des Caplandes, bewohnen die Aloe-Arten (Aloe). Da sie gleich dem Mauerpfeffer und den Kaktusarten (s. das.) ausgeprägte „Fettpflanzen" sind, vermögen sie monatelangc Trocknis leicht zu überdauern. Aus dem bitteren Safte der dicken, fleischigen und derben Blätter gewinnt man eine als Abführmittel viel gebrauchte Medizin. Seh m eil, Lehrbuch der Botanik.

Blutenstand vom Knoblauch.

H. Häutige Schei- de. B. Blüten.

Z. Brut zwiebeln.

IB

22ii Taf. 31 u. 32. 64. Fani. Liliengew. 2. Unterf. Herbstzeitl. 3. Unterf. Spargelart. Pfl.

2. Unterfamilie. Herbstzeitlosen (Colclüceae). Die Herbstzeitlose (Colchicum autuninäle). Taf. 31.

1. Standort und Blütezeit. Wenn der Herbst seinen Einzug in das Land hält, und auf den Fluren nur noch hier und da ein verspätetes Blümchen anzutreffen ist, dann erschließt auf feuchten "Wiesen erst die Herbstzeitlose ihre bläulichroten, zarten Blüten. Die Pflanze blüht also so ganz außer der Zeit (Name!). Da nämlich die Blüten nicht von hohen Stielen über den Boden gehoben werden, sondern direkt aus ihm hervorbrechen, so können sie nur dann zur Geltung kommen (Bedeutung?), wenn das Gras auf der Wiese niedrig ist: und das ist außer im zeitigen Frühjahre (vgl. mit Krokus) eben nur im Herbste der Fall.

2. Knolle und Blüte. Woher nimmt aber die Zeitlose, die schon seit Monaten kein grünes Blatt mehr besitzt, die Stoffe zum Aufbau der Blüte? Wie bei der Tulpe in der Zwiebel, so liegen sie hier in einer Knolle (s. Kar- toffelknolle!) aufgespeichert, die wir beim Nachgraben leicht finden (1.). Löst man die dunkelbraune Hülle (d. i. die Scheide des ersten vorjährigen, jetzt halb verwesten Laubblattes) ab, so sieht man, wie sich die junge Pflanze auf einem kurzen Seitentriebe der Knolle erhebt (2.). Sie ist außer von der genannten braunen Hülle noch von einigen farblosen, scheidenartigen Blättern schützend umgeben und besteht aus einem kurzen Stengelteile, der oben die Blüte trägt, und an dem wir die nächstjährigen Blätter bereits deutlich erkennen.

Da sich die Blüte (1. u. 3.) über dem Erdboden entfalten muß (warum?), sind die Blätter der Blutenhülle im unteren Teile zu einer sehr langen Bohre verwachsen. Sie stellt gleich den drei ebenfalls langen Griffeln die Verbindung zwischen den ober- und unterirdischen Teilen her. In allen anderen Stücken ist die Blüte ganz ähnlich wie die der Tulpe gebaut (Beweis!); auch schließt sie sich nachts (4.) und an kalten, regnerischen Tagen (Bedeutung?), an denen sich ja doch keine Bestäuber einstellen. Sobald die Blütezeit vorüber ist, zieht sich die Zeitlose gleichsam wieder in den Schoß der Erde zurück ; denn dort sind die zarten Samenanlagen allein vor dem tödlichen Froste geschützt. Die Knollen liegen nämlich stets so tief im Boden, daß die Winterkälte nicht bis zu ihnen vorzudringen vermag (je nach der Gegend daher verschieden tief!).

3. Blätter und Früchte. Sollen die Samen der Herbstzeitlose ihre Aufgabe erfüllen nämlich die Pflanze weiter zu verbreiten , so müssen sie oberirdisch ausgestreut werden. Im kommenden Frühjahre streckt sich daher der bisher sehr kurze Stengel stark in die Länge und hebt die Blätter, sowie den schwellenden Fruchtknoten zum Lichte empor (5.). Die drei „tulpen- artigen" Laubblätter bereiten im Sonnenscheine nunmehr Nahrung für die reifende Frucht und neue Vorratsstoffe, die sich in dem kurz bleibenden Stengel- gliede zwischen dem ersten und zweiten Laubblatte anhäufen. Infolgedessen schwillt dieser Stengelteil immer mehr an: es bildet sich die neue Knolle, die im nächsten Herbste Blüten treibt, während die alte vollkommen ausge-

Schmeil, Lehrbuch der Botanik,

Tafel 31.

Herbstzeitlose (Colchicum autumnale).

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 32.

Maiblume oder Maiglöckchen (Convallaria majalis).

Herbstzeitlose. Maiblume. . 'J27

sogen zugrunde geht. (Wir hat. es hier also wie bei der Kartoffelknolle mit einer „Stengelknolle" zu tun.)

Die Frucht stellt eine dreifacherige Kapsel dar. die sich bei der Reife (Juni) mit 3 Klappen öffnet (6.). Die ausfallenden, braunen Sinnen (7. in nat. Gr. und s mal verirr.) besitzen einen weißen Anhang, der bei Befeuchtung klebrig wird. Infolgedessen haften sie an den Hufen der Weidetiere fest, so daß die Pflanze Leicht weithin verbreitet werden kann. Die Samen sind wie alle .indem Teile der Pflanze sehr giftig. Daher hüten sich die Weidetiere auch, die ge- fährliche Zeitlose zu berühren; nur die Schafe scheinen ungestraft von den Blät- tern naschen zu dürfen. In der Hand des Arztes wird das Gift aber zu einem wichtigen Heilmittel.

3. Unterfamilie. Spargelartige Pflanzen (Smiläceae). Die Maiblume oder das Maiglöckchen (Convalläria majalis). Taf. 32.

Wenn sich der Laubwald in junges (irün gekleidet hat, dann ist er nicht selten von dem süßen Dufte des Maiblümchens (Name!) erfüllt. Bereits einige Wochen vorher hatte das Pflänzchen den Waldboden durchbrochen, in dem es mit Hilfe eines unterirdischen Stammes (Wurzelstocks) überwinterte (Frühlingspflanze!). Dieses Gebilde, das ganz ähnlich wie beim Windröschen ge- baut ist (Beweis !), sendet außer dem Blütenstande gewöhnlich nur noch 2 Laub- blätter zum Lichte empor. Einen oberirdischen Stengel, der den Boden spalten könnte, finden wir also nicht. Daher muß das zarte Gewächs besondere Ein- richtungen hierfür treffen: Die Laubblätter sind tütenförmig zusammengerollt, haben den Blutenstand „zwischen sich genommen" und werden von widerstands- fähigen, bläulichroten Hüllblättern schützend umgeben. Der junge, ober- irdische Teil stellt somit einen langgestreckten Kegel dar, der selbst festere Brdschichten leicht zu durchdringen vermag (1 a). Sobald diese Arbeit getan ist. sprengen die wachsenden Laubblätter die Hülle (1 b.), schieben sich immer weiier daraus hervor (1 c) und breiten sich schließlich aus. Die eiförmigen Blattflächen gehen in lange Stiele über, sind mit einem Wachsüberzuge versehen (s. s. 17, 2) und wie die des gleichfalls im Waldesschatten wachsenden Windrös- chens verhältnismäßig groß (s. S. 7, b). Da die Blätter aber weit derber sind als die dieser Pflanze, so vermag die Maiblume selbst dem trockenen Sommer zu trotzen; erst mit beginnendem Herbste sterben die oberirdischen Teile ab. (Beachte, wie der Stiel des untersten Laubblattes den des anderen scheidenartig umschließt!

Neben den Laubblättern erhebt sich der lange, gemeinsame Blüten- stiel (1. u. 2.). Er ist oben scharf dreikantig, unten dagegen an der den Blatt- stielen angedrückten Seite abgerundet (Bedeutung?). Im Endabschnitte trägt er eine Anzahl kleiner, häutiger Blättchen, aus deren Achseln die kurzgestielten Blüten entspringen. Anfangs stehen diese aufrecht und sind von jenen ., 11 üll blättchen" schützend umgeben; später aber neigen sie sich nach uuten und stellen zierliche Glöckchen dar (Name!). Im Einzelnen (3.) sind sie wie

228 6-1- Farn. Liliengewächse. 3. Unterf. Spargelartige Pflanzen. 65. Farn. Binsengew.

die anderer Liliengewächse gebaut (Beweis!); die 6 Blätter der schneeweißen Blutenhülle sind aber zu einem glockenförmigen, 6 zipfeligen Gebilde verwachsen, das für Honig und Blütenstaub ein schützendes Regendach abgibt (Name!). Da die Blüten zu einer Traube gehäuft und alle nach einer Seite (nach welcher?) ge- richtet sind, werden sie trotz ihrer geringen Größe doch auffällig. Vor allen Dingen dürfte es aber der köstliche Duft sein, der die Bestäuber zur Einkehr veranlaßt. Ihm verdankt die Pflanze in erster Linie auch die Zuneigung des Menschen, der sie gern aus dem Waldboden hebt und in seinen Garten verpflanzt. Im Herbste lockt die Maiblume abermals Tiere herbei, nämlich Waldvögel, die die roten, saftigen Beeren (4.) verspeisen und die harten Samen verbreiten sollen (s. S. 64, 8).

Gleichfalls eine Pflanze des schattigen Laubwaldes ist die Weißwurz oder das Salomonssiegel (Polygönatum officinäle). Das stattliche Gewächs trägt diese Namen

nach dem großen, weißen Wurzelstoeke, an dem beim Absterben des oberirdischen Stengels jedesmal eine siegelartige Höhlung zurückbleibt. Aus den Achseln der großen, zweizeilig gestellten Blätter gehen die Blüten hervor , die langge- streckte, hängende Glöckchen darstellen. Eine überall häufige Waldpflanze ist auch die Schatten- blume (Majänthemum bifolium) , die an den beiden herzförmigen Blättern und der aufrecht stehenden Blütentraube am Ende des handhohen Stengels leicht zu erkennen ist. Das Glied, das der Unterfamilie den Namen gegeben hat, ist

der Spargel (Aspäragus officinälis).

Er ist eine einheimische Pflanze, die besonders auf sandigen Triften und im Ufersande der Flüsse noch heutzutage ab und zu wild angetroffen wird. Vor allen Dingen tritt sie uns aber in Garten und Feld auf wohlgepflegten Beeten entgegen; denn schon seit dem Altertume bilden ihre jungen Triebe ein hochgeschätztes Ge- müse. Es sind dies zarte, farblose Gebilde (Lichtmangel!), deren fortwachsende Spitzen (Keil!) beim Durchbrechen des Erdbodens durch schuppenförmige Blättchen gegen Ver- letzung geschützt sind. Die Triebe bilden sich an dem überwinternden, unterirdi- schen Stamme (Wurzelstocke) und werden der Pflanze eine Zeitlang vom Menschen genommen. (Warum muß man das „Stechen"

Spargel. Unterirdischer Stamm (Wur- zelstock) mit jungen Trieben. Der stärkste Trieb rechts ist „gestochen". (Verkl.)

"Weißwurz. Schattenblume. Spargel. Flatter-Binse. 229

des Spargels auf einige Wochen beschranken? Wann sticht man „ein Spargelbeet tot"? Was geschieht, wenn die Triebe zu tief gestochen weiden? Warum sind die Triebe in festem oder gar steinigem Boden hart und holzig?)

Überläßt man die Triebe sich selbst, dann entwickeln sie sich zu meter- hohen, baumartig verzweigten Stengeln, die vermöge großer Festigkeit und Zähigkeit selbst den heftigsten Winden Widerstand leisten können. Statt der Laubblätter gewöhnlicher Form tindet man an den Stengeln und Zweigen un- scheinbare braune Schuppen. Aus ihren Achseln entspringen Büschel nadel- förmiger Gebilde, die gewöhnlich für die Blätter gehalten werden. Da aber bei allen Pflanzen aus den Blattachseln stets Zweige hervorgehen, so können wir hier auch nur solche vor uns haben. Wie der Stengel und die größeren Zweige sind diese Zweiglein mit Blattgrün ausgerüstet. Sie sind demnach auch in der Lage, die Arbeiten zu verrichten, die die Blätter nicht leisten können (warum nicht?) Wir haben es hier also mit einer ähnlichen Er- scheinung zu tun wie bei den Kaktusgewächsen (s. das.), und wie dort werden wir auch hier in dem Fehlen gewöhnlicher Laubblättcr ein wichtiges Schutzmittel gegen das Vertrocknen leicht erkennen; denn der Spargel ist ja wie oben erwähnt eine Pflanze des lockeren Sandbodens, die in ursprüng- lichem Zustande sicher alljährlich mehrere Monate mit starkem Wassermangel zu kämpfen hat. Hiermit steht auch im Einklänge, daß sich der unterirdische Stamm verhältnismäßig tief unter der Erdoberfläche findet, und daß von ihm zahlreiche, sehr lange Wurzeln ausgehen, die den (wasserarmen!) Boden weit- hin durchziehen.

Aus den Achseln der schuppenförmigen Blätter entspringen auch die grüngelben Blüten, die wie die der Maiblume hängende Glöckchen darstellen. Man findet in ihnen entweder die Staubblätter oder den Stempel meist gänzlich verkümmert, eine der vielfachen Einrichtungen der Natur, durch die Selbst- bestäubung verhindert wird. Die Früchte sind rote Beeren, die der Ver- breitung durch Vögel „angepaßt" sind (Beweis!).

65. Familie. Binseng-ewäehse (Juncarea.).

Die Binsengewächse stimmen mit den Liliengewächsen bis auf die unscheinbar grünen oder braunen Blätter der Blütenhülle fast vollkommen überein (Beweis !). An nassen Stellen findet sich als eine der am häufigsten vorkommenden Formen die Flatter- Binse (Juncus effüsus). Aus dem kriechenden, vielfach verzweigten unterirdischen Stamme erheben sich runde, knotenlose, bis etwa l/s m hohe Halme, aus denen seitlich zahlreiche Bluten hervorbrechen. Bei genauerem Zusehen erkennt man jedoch leicht, daü sich der Blütenstand am Ende des Halmes befindet und die eigentümliche Lage nur dadurch erhält, daß sein stielrundes Deckblatt senkrecht aufgerichtet ist. Die Blüten werden, wie schon ihre Unscheinbarkeit andeutet, durch den 'Wind be- stäubt. Außer dem erwähnten Deckblatte und einigen Blattscheiden am Grunde des Halmes ist von grünen Blättern nichts zu finden. Diese sonst nur bei Pflanzen der trockensten Standorte (z. B. bei den Kaktusgewächsen) zu beobachtende Erscheinung wird uns leicht verständlich, wenn wir bedenken, daß nasser Boden auf die Pflanzen

230 65. Familie. Binsengewächse. 66. Familie. Narzissengewächse.

wie kalter Boden einwirkt (s. S. 114), und daß die Binsen im Hochsommer oft mit der größten Trocknis za kämpfen haben. Dann versiegen vielfach die Gewässer, an deren Ufern sie wachsen, und der schlammige Boden trocknet so stark aus, daß er „steinhart" wird und in weiten Rissen auseinander klafft. Ganz wie Gräser erscheinen die Simsen (Lüzula) ; durch die „Lilienblüten" sind sie jedoch leicht von diesen zu unter- scheiden.

66. Familie. Narzissengewäehse (Amaryllidäceae).

Fruchtknoten unterständig; sonst wie die Liliengewächse. Das Schneeglöckchen (Galänthus nivalis).

1. Blütezeit. Bevor meist noch die letzten Reste des Winterschnees von der wieder erwachenden Erde verschwinden, öffnet das liebliche Schnee- glöckchen schon seine weiße Blüte, die einem zierlichen hängenden Glöckchen gleicht (Name !). Wir begrüßen den Boten des ersehnten Frühlings mit lebhafter Freude und räumen ihm daher gern ein Plätzchen im Garten ein.

2. Standort. Im Freien trifft man das Schneeglöckchen nur selten und in vielen Gegenden gar nicht an. Wiesen und Laubwälder sind seine ur- sprünglichen Standorte. Auf der Wiese findet das spannhohe Pflänzchen aber nur so lange das nötige Licht, als Gras und Kräuter noch niedrig sind, und im Walde, so lange sich das Laubdach noch nicht geschlossen hat. Es ist daher, wie z. B. das Scharbockskraut, gleichsam gezwungen, so zeitig im Jahre zu er- scheinen. Darum hat es auch mit beginnendem Sommer seine Lebensarbeit bereits abgeschlossen : die Samen sind gereift und die oberirdischen Triebe ab- gestorben. Andererseits ist das Schneeglöckchen auch imstande, so früh zu erscheinen; denn es besitzt wie die Tulpe (s. das.) in der

3. Zwiebel eine Vorratskammer, aus der es die ersten Ausgaben be- streitet. Die Zwiebel ist genau wie bei jener Pflanze gebaut (Beweis!), dauert aber mehrere Jahre aus. Bereits im Herbste tritt aus ihr der oberirdische Sproß hervor, der aus zwei

4. Blättern und falls wir es mit einer „blühreifen" Pflanze zu tun haben einer Blüte besteht. Er ist von einem farblosen (Lichtmangel!), häu- tigen Blatte wie von einer Scheide umgeben und somit gegen Verletzung beim Durchbrechen des Bodens wohl geschützt. Ist die Erdoberfläche erreicht, so stellt das scheiden förmige Hüllblatt das Wachstum ein, das nunmehr von den sich weiter streckenden Blättern gesprengt wird. Die langen, linealen Blätter liegen bis zu diesem Zeitpunkte eng aneinander, so daß ihre Ober- seiten einander zugekehrt sind. Infolgedessen sind sie trotz ihrer Zartheit wohl imstande, sich zum Lichte emporzudrängen. Und zwar vermögen sie dies umso eher, als die farblosen Blattspitzen verhältnismäßig hart und fest sind. Die Spitze des „Keils", der den Boden spaltet, ist also wie bei der Tulpe gleichsam gehärtet. Die Blüte dagegen ist nicht imstande, diese Arbeit zu fördern. Sie liegt wohl geschützt zwischen den Blättern, die sie weit überragen und ihr

Simsen. Schneeglöckchen. 2ol

somit den Weg bahnen. Um ihr daselbst den nötigen Raum zu schaffen, sind die Blätter rinnig vertieft (Querschnitt!). Bei nicht blühenden Pflanzen da- gegen sind sie flach und liegen eng aneinander.

5. Blüte, a) Der von den Blättern gebildete Hohlraum ist sehr eng, so daß uns die Form des langen Blütenstiels (Schaftes) er ist mehr oder weniger seitlich zusammengedrückt wohl verständlich wird. Auf seiner Spitze trägt er die einzige, anfangs aufrecht stehende Blüte und unter ihr eine häutige Blütenscheide, von der die junge Blüte schützend umhüllt wird. Wie die beiden grünen Rippen andeuten, ist die Scheide aus zwei Blättchen hervor- gegangen, die innig miteinander verwachsen sind und mithin ihre Aufgabe umso vollkommener erfüllen können. Ein solches Schutzmittel (vgl. mit Kimspenschuppen) ist für die zarte Blüte von umso größerer Wichtigkeit, als das Schneeglöckchen ja im Vorfrühlinge blüht, also zu einer Zeit, in der täglich Frost, sowie kalte Regen- und Schneeschauer zu erwarten sind. Sinkt z. B. •las Thermometer wieder einige Grad unter Null, so liegen die Blätter und Blüten des Plläuzchens matt und welk auf dem Boden (s. S. 92). Und wie dann die von der Scheide noch umhüllten Blüten weit weniger dem Verderben aus- gesetzt sind als die von diesem Schutzmittel schon befreiten, ist leichl zu beobachten. Darum bleibt auch die Blüte je nach der Witterung von der Scheide kürzere oder längere Zeit, beim Eintritt schlechten Wetters sogar wochenlang umgeben.

b) Au einem milden Tage endlich wird die Scheide gesprengt, und in schneeiges Weiß gekleidet, tritt die Blüte hervor. Sie neigt sich alsbald zum Erdboden hinab, ist im wesentlichen wie die Tulpenblüte gebaut (Beweis !), besitzt aber einen unterständigen Fruchtknoten (s. S. 71, b). Die 'S großen äußeren Blätter der B 1 ü t e n h ü 1 1 e stehen schräg nach außen; die 3 kleinen inneren dagegen sind fast senkrecht gestellt, so daß sie eine kleine Röhre bilden. Außen besitzen die letzteren je einen halbmondförmigen Fleck und innen mehrere ebenso gefärbte Längsstreifen, zwischen denen der Honig abgeschieden wird. Die großen Beutel der 6 Staubblätter bilden einen Kegel, aus dessen Spitze der Griffel mit der Narbe hervorragt. Sie besitzen je eine borstenartige Ver- längerung und öffnen sich an der Spitze mit 2 Löchern, aus denen bei Berührung der Borste trockener Blütenstaub herausfällt, (Versuch! Gib der Blüte dabei aber die natürliche Stellung!)

c) Wenn wir die erwähnten Einzelheiten näher ins Auge fassen, werden wir leicht finden, daß zwischen ihnen ein inniger Zusammenhang be- stellt, der allein eine erfolgreiche Bestäubung ermöglicht, Erstens: da die Be- stäubung mit Hilfe eines „Streuwerks" erfolgt, muß das Schneeglöckchen trocke- nen, mehlartigen Blütenstaub besitzen. Zweitens: da der Staub nur aus den Beuteln fällt, wenn diese erschüttert werden, so muß das Insekt gleichsam gezwungen werden, eine Erschütterung zu bewirken. Dies geschieht auch; der Honig liegt nämlich nicht offen zu Tage, sondern wird wie erwähnt an der Innenwand der Röhre abgeschieden, die von den inneren Blättern

232 66. Familie. Narzissengewächse.

der Blutenhülle gebildet wird. In diese Röhre muß das Insekt ein Stück eindringen, um zu dem süßen Saft zu gelangen. Dabei muß es aber einige der borstenartigen Fortsätze berühren, die Staubbeutel also erschüttern. Drittens: da die Röhre verhältnismäßig sehr eng ist, kann das Insekt nur dann von dem ausfallenden Staube getroffen werden, wenn deren Öffnung nach unten gerichtet ist. Die Blüte muß also, anders ausgedrückt , hängend sein. (Was würde geschehen, wenn sie schräg oder gar aufrecht stände? Warum brauchen weite Blüten mit einem Streuwerk diese Stellung nicht zu haben? Vgl. z. B. mit Klappertopf!). Viertens: da der Griffel aus dem Staub- beutelkegel hervorragt, muß die Narbe von dem eindringenden Insekt auch zuerst berührt werden. Bringt das Tier nun Blütenstaub von einer anderen Blüte mit, so tritt Fremdbestäubung ein, die wie wir schon mehr- fach gesehen haben stets eine erhöhte Fruchtbarkeit im Gefolge hat. Fünftens: soll die Blüte auffällig werden, so dürfen die Blätter des äuße- ren Kreises nicht mit an der Bildung der Röhre beteiligt sein. Da sie im Gegenteil nach außen gespreizt sind, fällt eine geöffnete Blüte weit mehr ins Auge als eine andere, die zwar vollkommen ausgebildet, aber noch geschlossen ist oder sich wieder geschlossen hat. Kurz: Die unscheinbare Blüte ist ein vollendetes „Kunstwerk", wie es menschlicher Scharfsinn kaum auszudenken vermöchte.

d) Das Schneeglöckchen bringt wie die Tulpe alljährlich nur eine einzige Blüte hervor. Da sie aber sehr lange, bei Eintritt schlechten Wetters (In- sekten verkriechen sich wieder!) sogar wochenlang „frisch" bleibt, so ist die Möglichkeit, bestäubt zu werden, dadurch wesentlich erhöht. Tritt trotzdem keine Bestäubung ein, so ist das für die Pflanze noch bei weitem nicht mit einer Vernichtung gleichbedeutend: das Schneeglöckchen „rettet" sich ja mit Hilfe der Zwiebel stets auf das andere Jahr hinüber und vermehrt sich außer durch Samen noch durch Brutzwiebeln.

e) Wie wir in zahlreichen Fällen gesehen haben (Beispiele!), schließen sich nickende Blüten abends oder beim Eintritt unfreundlicher Witterung nicht; denn bei ihnen sind ja Blütenstaub und Honig wie unter einem Dache gegen Tau und Regen vortrefflich geschützt. Beim Schneeglöckchen jedoch findet man an kühlen Morgen, wie die äußeren Blätter der Blütenhülle, die gestern weit gespreizt waren, sich wieder nach innen bewegt und den Blüten- eingang verschlossen haben. Bei kaltem Wetter behalten sie diese Stellung sogar den ganzen Tag über bei. Wenn wir bedenken, daß die Pflanze sehr früh im Jahre blüht, und daß Wärmeverlust den zarten inneren Blüten- teilen leicht schaden könnte, so wird uns diese Ausnahme von der Regel wohl verständlich. (Bringe abgeschnittene Blüten, die du in ein Gefäß mit Wasser gestellt hast, an einem kühlen Tage aus dem warmen Zimmer in das Freie und umgekehrt !)

(j. Die Frucht ist eine Kapsel, die sich von der Spitze aus mit 3 Klappen öffnet. Würde sie wie die Blüte abwärts gerichtet sein, so müßten sämtliche

Schneeglöckchen. Sommcrtürchen. Narzissen.

233

Amerikanische Agave (<

Samen in unmittelbarer Nähe der Matter- pflanze auf den Erdboden herab fallen, die daraus hervorgehenden Pflänzchen sich also gegenseitig Raum, Nahrang und Liebt streitig machen. Dies maß daher verhindert werden: der Blüten- stiel streckt sich nach erfolgter Be- stäubung wieder gerade, so daß der ge- schäftige Wind die Samen aus der senk- recht stehenden Kapsel einzeln heraus- schleudern und über einen größeren Be- zirk aussäen kann. Die Samen besitzen einen kleinen fleischigen Anhang, den gewisse Ameisenarten gern verzehren. Die Tierchen schleppen die Samen daher in ihre Baue und tragen somit ebenfalls zur Verbreitung der Pflanze bei (vgl. S. 32, b).

Andere Narzissengewächse.

"Wenig später als das Schneeglöckchen erschließt das Sominer- türchen (Leucöiuni ver- num) seine zierlichen, duftenden Blütenglok- ken (Name!). Es be- wohntschattige, feuchte Laubwälder und stimmt mit jener Pflanze in fast allen Stücken über- ein (daher auch „großes oder wildes Schnee- glöckchen"). - Die Narzissen (Narcissus) dagegen entfalten ihre prächtigen Blüten erst. wenn der Frühling wirklich da ist. Am häufigsten ünden sich in unseren Gärten die gelbe X. (X. psendo- narcissns), die hier und da auf Bergwiesen auch wild vorkommt, und die echte X. < N. poöticna),

234 Taf. 33. GG. Farn. Narzissengewächse. 67. Farn. Schwertliliengewächse.

die wahrscheinlich im Mittelmeergebiete heimisch ist. Wie hei allen Narzissen sind auch bei ihnen die Blätter der Blütenbülle im unteren Abschnitte zu einer Röhre ver- wachsen, an deren Mündung sich ein „Saum" erhebt. Während bei der gelben N. dieser Saum sehr groß, die Blütenröhre dagegen kurz ist (Hummelblume!), hat die weiße, stark duftende Blüte der echten N. einen kurzen Saum (mit scharlachrotem Rande) und eine sehr lange und enge Blütenröhre (Falterblume!).

Auch mehrere ausländische Glieder der Familie werden bei uns gern ge- pflegt. So sind die prächtig blühenden Amaryllis-Arten, die aus dem tropischen Süd- amerika stammen, allgemein bekannte Topfgewächse, und nicht selten treten uns, in Kübel gepflanzt, die mächtigen Blattrosetten der Agaven (Agave) entgegen. Wie schon die

S*7

Ananaspflanze mit Fruchtkolben (etwa l/ia nat. Gr.).

dicken, fleischigen, saftigen Blätter erkennen lassen, haben wir es in den Agaven mit voll- endeten „Fettpflanzen" (Succulenten) zu tun, deren Bau wir beim Mauerpfeffer und den Kaktusgewächsen kennen und verstehen gelernt haben. Wir gehen deshalb auch nicht fehl, wenn wir die Heimat der seltsamen Gewächse in einem außerordentlich wasserarmen Gebiete suchen: Sie bewohnen die unabsehbaren Wüsten des heißen Amerika, in denen auch die Kaktusgewächse dem öden Felsboden entsprießen. Gleich diesen zeigen auch die Agaven ein sehr langsames Wachstum. Einige Arten brauchen sogar 100 und mehr Jahre, bis sie ihre volle Ausbildung erlangt haben. Dann schießt aus der Blattrosette schnell ein hoher Blütenschaft empor, der Tausende von Lilienblüten trägt und bei gewissen Arten 6, 10 und mehr Meter hoch wird. Sind die Früchte gereift, dann stirbt die seltsame Pflanze bis auf den mächtigen unterirdischen Stamm ab, aus dem jetzt junge Triebe hervorgehen. Von den wenigen Arten, die für den Menschen eine Bedeutung haben, sei hier nur kurz die sog. amerikanische A. (A. americäna) erwähnt, die in Mexiko heimisch ist. Ihre Blätter, die eine Länge von 3 m erreichen, dienen daselbst

SchmeiL Lehrbuch der Botanik.

Tafel 33.

a. B.

rJ{t>ubuc/i .

Wasser-Schwertlilie (Iris pseudacorus).

Amleic Narzissengewächse. Wasserschwertlilie. 235

als Speise; getrocknet verwendet man sie zum Decken der Dächer; aus den zähen Bast- fasern bereitet man feste Gespinste und aus dem Safte das Nationalgetränk, die L'ulque. Wie in zahlreichen anderen wärmeren Ländern, hat sich die Pflanze auch im liittelmeergehiete vollkommen eingebürgert, woselbst sie wegen der stark bestachelten Blätter gern zur Herstellung undurchdringlicher Zäune angepflanzt wird.

Ein Glied einer nahe verwandten Familie (Bromeliäceae) ist die Ananas (Ananas sativus), die sich von Mittelamerika aus über alle warmen Länder verbreitet hat und bei uns in Treibhäusern gezogen wird. Aus einem rosettenartigen Busche langer, starrer Blätter erhebt sich der zapfenartige Blütenstand, dessen Achse und Deckblätter nach und nach fleischig und saftig werden (vgl. mit Erdbeere !). Auf diese Weise entsteht eine gelbe oder orangefarbene Schein- und Sammelfrucht, die in allen Tropenländern als köstlichstes Obst geschätzt und bei uns namentlich als Zusatz zum Wein verwendet wird. Während der Fruchtbildung wächst die Achso durch das einem riesigen Tannenzapfen ähnliche Gebilde und treibt einen Blätterschopf, der. in die Erde gesetzt, sich zu einer neuen Pflanze entwickelt.

67. Familie. Sehwertliliengewächse (Iridäceae).

Fruchtknoten unterständig, nur 3 Staubblätter; sonst wie die Liliengewächse. Die Wassersclnvertlilie (Iris pseudäcorus). Taf. 33.

1. Standort und Blütezeit. Die Ufer der stehenden und fließenden Gewässer erhalten im Mai und Juni durch die prächtigen „Lilienblüten" (Name!) der stattlichen Pflanze oft einen gar herrlichen Schmuck.

2. Stamm, Stengel und Blatt, a) Aus dem dicken, fleischigen Stamme (Wurzelstocke), der im schlammigen Boden dahin kriecht, erheben sich neben zahlreichen beblätterten „Kurztrieben" einige „Langtriebe" (s. S. 160 A). Da letztere bis meterhoch werden, sind sie wohl imstande, die Blüten über das Pflanzendickicht am Ufer zu heben und somit den Insekten zur Schau zu stellen.

b) Die ungestielten Blätter umfassen mit ihrem Grunde den Stengel ringsum. Während aber bei der überwiegenden Mehrzahl der Pflanzen (Bei- spiele!) beide Hälften der Blattflächen flach ausgebreitet sind, sind sie hier in der Mittellinie so gefaltet, daß sie eine tiefe Kinne bilden. Je weiter nach oben (stelle Querschnitte in verschiedener Höhe her!), desto enger wird die Rinne. Schließlich verschmelzen beide Hälften vollkommen miteinander, so daß das Blatt die Form eines Schwertes erhält (Name!).

Betrachtet man einen Kurztrieb, so sieht man, wie sieh die, Blätter, zu zwei Zeilen geordnet, gegenüberstehen, und wie jedes ältere Blatt das nächst jüngere z. T. umfaßt. (Warum werden solche Blätter wohl „reitende" genannt?) Entfernt man die älteren Blätter, so kommt man endlich zu einem Blatte, in dessen Rinne das folgende noch gänzlich verborgen ist, und das aber- mals das nächst jüngere umhüllt u. s. f. Die Blätter sind also gleichsam ineinander geschachtelt, so daß die älteren den außerordentlich zarten jüngeren als schützende Scheiden dienen.

An den wachsenden Langtrieben sind natürlich dieselben Verhältnisse

236 67. Familie. SchwertLiliengewächse.

zu beobachten. Bei ihnen entfernen sich jedoch die Blätter durch Streckung der Stengelglieder weit voneinander, so daß eben ein „Langtrieb" entsteht. An beiden Arten von Trieben finden sich außerhalb der ältesten Blätter noch einige Hüllblätter, die ihrer Aufgabe entsprechend (Hülle!) nur den unteren scheidenartigen Teil der Laubblätter darstellen.

c) Im Gegensatz zu den meisten anderen Pflanzen sind die Blätter der Schwertlilie ferner so gestellt , daß ihre Kanten senkrecht nach unten und oben gerichtet sind. Sie nehmen also die Stellung ein, die wir bei jungen Blättern (s. S. 43, c), sowie bei Pflanzen sehr trockener Standorte (vgl. z. B. Stachellattich) als wichtiges Schutzmittel gegen zu starke Verdunstung kennen gelernt haben. Da aber die Schwertlilie stets nur an nassen Stellen vor- kommt, woselbst ihr jeder Zeit genügend Wasser zur Verfügung steht, so bedürfte sie sollte man meinen eines solchen Schutzmittels nicht. Wenn wir aber einerseits bedenken, daß nasser Boden stets kalt ist, und daß kalter Boden auf die Pflanzen wie trockener Boden einwirkt (s. S. 114, C), und wenn wir anderer- seits beobachten, wie im Hochsommer die Gewässer, an deren Ufer die Schwert- lilie wächst, oft gänzlich vertrocknen, und der Schlammgrund fast steinhart wird, dann werden wir wohl anderer Meinung werden. Zudem dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, daß uns bei den Pflanzen zahlreiche Eigentümlichkeiten nur dann verständlich werden, wenn wir ihre nächsten Verwandten berück- sichtigen: mehrere andere Schwertlilien sind nun ausgeprägte Felsenpflanzen, und eine von ihnen (s. S. 238) vermag sogar auf Lehmmauern zu gedeihen , auf denen die meisten anderen Gewächse sehr bald vertrocknen würden.

d) Alle grünen Teile sind mit einem abwischbaren Wachsbezuge ver- sehen, dessen Bedeutung wir bereits S. 17, 2 erkannt haben.

3. Blüte und Frucht, a) Aus den Achseln der oberen Blätter der Lang- triebe gehen blütentragende Zweige hervor. Wie diese Blätter seiner Zeit in den Binnen der nächst älteren Schutz fanden, so umhüllen sie selbst die jungen Blütenknospen.

b) Haben die Knospen die Kinne verlassen, so gewähren ihnen je 2 grüne, scheidenartige Hüllblätter den notwendigen Schutz.

c) Ist die Blüte endlich vollkommen ausgebildet, so drängt sie die Blätter auseinander und entfaltet sich. Das überaus zarte Gebilde blüht jedoch nur eine sehr kurze Zeit (stelle die Blütendauer genauer fest !). Dafür bringt die Schwert- lilie aber nacheinander eine sehr große Anzahl von Blüten hervor, so daß sicher einige davon bestäubt werden und Früchte ausbilden (vgl. dag. Schnee- glöckchen!).

d) Obgleich die Talpen- und Schwertlilien-Blüte nach demselben „Plane" gebaut sind (Beweis!), zeigt letztere doch zahlreiche Eigentümlichkeiten. So sind erstlich die 6 leuchtend gelben Blätter der Blütenhülle im unteren Teile zu einer Köhre (3. B.) verwachsen, die dem unterständigen Fruchtknoten (3. Fr.) aufsitzt. Sodann sind die mit einem braunen Fleck (Saftmal !) gezierten Blätter des äußeren Kreises (2. a. B.; in Abb. 3. entfernt) groß und mit dem breiten

WasserBchwertlilie. 237

Endabschnitte schräg nach außen gebogen , während die kleinen Blätter des inneren Kreises (3. i. B.) aufrecht stehen. Ferner ist von den beiden drei- blättrigen Staubblattkreisen der Lilienblüte nur der äußere vorhanden, und end- lich teilt sich der Griffel in 3 blumenblattartige, zweizipfelige Äste (3. G.). Diese Gebilde helfen die Auffälligkeit der Blüte erhöhen und dienen den Staubbeuteln (3. St.) als schützendes Dach. Auf ihrer Unterseite bemerkt man je ein kleines Läppchen, dessen (in der Ruhe angedrückte) Oberseite die Narbe (3. N.) darstellt. Im unteren Teile der Röhre findet sich der Honig. Zu ihm führen unter jedem Griffelaste 2 Kanäle, die für einen dünnen Insektenrüssel gerade weit peinig sind (Querschnitt!).

e) Will das Insekt den Honig erlangen einen anderen Weg gibt es nicht ! so muß es sich auf einem großen Blatte der Blutenhülle nieder- lassen (Anflugstelle!) und so weit als möglich unter den davorstehenden Griffel- ast zwängen (2). Ist das Tier groß genug, so streift es dabei zunächst das Narbenläppchen, biegt es nach unten und belegt es mit fremdem Blüten- stäube, falls es bei einer anderen Blüte bereits Einkehr gehalten hat. Dies kann aber nur dann geschehen, wenn das Tier den Blütenstaub auf seinem Rücken herbeiträgt, oder anders ausgedrückt, wenn der Staubbeutel eine solche Stellung hat, daß ihn das saugende Tier mit dieser Körperstelle berührt. Und das ist, wie wir gesehen haben, der Fall! Nachdem das Tier von dem süßen Safte genossen hat, kriecht es aus dem „Engpaß" wieder hervor. Jetzt aber drückt es das Narbenläppchen an den Griffelast, so daß eine Belegung der Narbe mit dem Staube der eigenen Blüte verhindert wird. Dieser ungünstige Fall (warum ungünstig?) tritt jedoch ein, wenn das Insekt sich nach diesem Besuche dem 2. und 3. „Engpaß" derselben Blüte zuwendet (führe dies näher aus!).

Bei genauem Zusehen wird man nun finden, daß die Entfernung zwischen einem großen Blatte der Blütenhülle und „seinem" Narbenaste bei gewissen Blüten größer ist als bei anderen. In ersterem Falle entspricht diese Ent- fernung der Höhe (Dicke) einer Hummel, im anderen der einer Schweb- fliege. Diese Tiere sind daher auch nur imstande, die Bestäubung „ihrer Blüte" zu vollziehen. (Führe dies näher aus! Warum sind Schmetterlinge und kurzrüsselige Insekten vom Genuß des Honigs ausgeschlossen?)

f) Die Frucht stellt, wie ein Querschnitt zeigt (4.), eine dreifächerige Kapsel dar, in der die braunen, breitgedrückten Samen (G.) gleich Geldstücken in 3 Reihen „übereinander geschichtet" sind. Bei der Reife öffnet sich die Frucht mit 3 Klappen (5.), so daß der Wind die Samen nunmehr heraus- schütteln kann (Kapseln stehen auf hohen, elastischen Stengeln!). Auf einem Durchschnitt (7.) sieht man, daß sich unter der Samenhülle ein luftgefnllter Hohlraum vorfindet. Infolgedessen sind die Samen schwimmfähig, können also durch Wind, Wellen und Strömung leicht weit verschlagen werden, eine Tat- sache, die für die Verbreitung einer am Wasser wachsenden Pflanze von größter Bedeutung ist.

238

67. Familie. Schwertlilieneewächse. 68. Familie. Palmen.

Andere Schwertliliengewächse.

Gleich der Wasser-Schwertlilie er- freuen uns im Garten zahlreiche andere Ar- ten der Gattung durch die Pracht ihrer Blüten. Zar Einfassung von Beeten wird gern die blaublühende Zwerg-Soli. (I. pü- mila) benutzt , die aus Südost-Europa stammt. Da sie in ihrer Heimat dürre Fel- sen bewohnt, so vermag sie selbst mit den geringen Wasser- und Nahrungsmengen für- lieb zu nehmen, die ihr die kahlen Lehm- mauern zu bieten vermögen. Eine statt- liche Pflanze ist die in Gärten am häufigsten anzutreffende deutsche Seh. (I. germanica), die sich durch große, violette Blüten aus- zeichnet. Sie findet sich hier und da auch verwildert und ist wahrscheinlich gleich- falls aus dem südöstlichen Europa zu uns gekommen. Ein prächtiger Frühlings- schmuck wird unseren Gärten durch die Krokus-Arten (Crocus) verliehen, die mit der Herbstzeitlose in zahlreichen Stücken übereinstimmen (Beweis!). Da sie nun in ihrer Heimat (in den Alpen und Gebirgen Süd- deutschlands, sowie besonders im Mittel- meergebiete) gleichfalls Wiesen und Matten bewohnen, so sind sie wie jene Pflanze ge- nötigt, entweder im zeitigen Frühjahre oder (wie andere ausländische Arten) iimHerbste ihre zarten Blüten zu entfalten. Aus den großen, getrockneten Narben des Safran-K. (C. sativus) bereitet man besonders in den Mittelmeerländern den Safran, der vor- wiegend zumFärbenvonBackwaren benutzt wird. Beliebte Gartenzierpflanzen sind auch die zahlreichen Arten der Siegwurz (Gladiolus), deren Blüten zu großen, ein- seitswendigen Trauben gehäuft sind.

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Kokospalmen, z. T. in. Früchten (etwa ^iso nat. Gr.).

68. Familie. Palmen (Palmae). Die Kokospalme (Cocos nueifera).

1. Die Kokospalme hat sich von ihrer Heimat aus, die wahrscheinlich im tropischen Amerika zu suchen ist, über alle heißen Länder des Erdballs

Andere Schwertliliengewächse. Kokospalme.

23<i

verbreitet. Besonders am Strande nnd in der Nähe des Meeres finden sich weit- ausgedehnte Haine des herrlichen Baumes. Auf einem anverzweigten, säulen- artigen Stamme, der eine Höhe von 25 m erreicht, wiegt sich eine Krone mächtiger Fiederblätter. Da der verhältnismäßig dünne Stamm fast die Biegsamkeit des Roggenhalmes besitzt, und da die bis 4 m langen Blattflächen in zahlreiche Abschnitte gespalten sind, die dem Anprall des Windes leicht aus- weichen, so vermag die schlanke Palme selbst dem heftigsten Sturme zu trotzen. Ebenso leicht widerstehen die derben, festen Blätter den Regengüssen, die in den Tropen mit ganz anderer Heftigkeit zur Erde hernieder rauschen als in unseren Breiten und zartes Laub zerfetzen würden. (Nenne andere Tropenpflanzen mit

#FX.<

Bau der Kokosnuß. 1 geöffnet, um die steinharte Ennenschicht der Fruchtschale mit

den Keimlöchern zu zeigen. 2 Der Same von der „Steinschicht " St. umgeben (weniger

als Fig. 1 verkl.). N. Nährgewebe. M. „Milch". K. Keimling.

ähnlichem Blattwerk!) Aus der Achsel eines Blattes entspringt der verzweigte, meterlange Blütenstand, der anfänglich von einer mächtigen Blütenscheide schützend umgeben ist. Am Grunde seiner Äste stehen einige Stempel-, weiter oben zahlreiche Staubblüten. Beides sind unscheinbare Gebilde, die dementsprechend auf die Bestäubung durch den Wind angewiesen sind. (Inwiefern ist die An- ordnung beider Blütenarten und ihre verschiedene Anzahl für den Baum von Vorteil ?)

2. Die allgemein bekannte Frucht ist eine fast kopfgroße Nuß von sehr merkwürdigem Bau (öffne sie!). Die Fruchtschale besteht ähnlich wie bei der Kirsche aus 3 Schichten: einer dünnen Außen-, einer dicken, faserigen Mittel- und einer steinharten Innenschicht. Sprengen wir letztere, so stoßen wir auf den „Kern" der Nuß, den Samen. Er stellt eine fleischige Hohlkugel dar, in

240 68. Familie. Palmen.

deren Wand der winzige Keimling eingelagert , und die mit einer milchigen Flüssigkeit , der Kokosmilch, angefüllt ist. Die Hohlkugel ist das Nährgewebe, von dem die sich entwickelnde Keimpflanze zehrt (s. S. 101, e), und die „Milch", die bei längerem Lagern der Nuß gleichfalls fest wird, dient demselben Zweck.

Die zarte Keimpflanze wäre aber unmöglich imstande, die starke „Stein- schicht" zu sprengen. Darum bleibt die über dem Keimling befindliche Stelle der Schicht so dünn, daß ein Durchbruch leicht erfolgen kann. Da die Nuß 3 Samenanlagen besitzt, von denen sich aber nur eine entwickelt, so finden wir auch 3 „Keimlöcher". Das von der Keimpflanze „benutzte" Loch ist aber stets am größten und mit der dünnsten „Verschlußplatte" versehen. Die beiden anderen Schichten der Schale dagegen kann das junge Pflänzchen leicht durch- bohren: Da der Keimling am oberen Teile der Frucht liegt, muß die Keim- pflanze die beiden Schichten an der Ansatzstelle des Fruchtstieles durchbrechen, d. h. dort, wo sie am wenigsten dicht sind.

Als Baustoff dient, dem Keimpflänzchen vorwiegend ein fettes Öl (siehe S. 16, A), das in dem Nährgewebe aufgespeichert ist, bei Zutritt von Wasser aber leicht ranzig wird. Um nun ein unzeitiges Eindringen von Wasser zu verhindern, bedarf der Keimling jener festen Hülle, wie sie die dreiteilige Fruchtschale liefert. Auch als wichtiges Schutzmittel gegen Feinde, die nach dem süßen Kern lüstern sind, kommt die mächtige Schutzdecke in Betracht.

Da die faserige Mittelschicht der Schale lufthaltig ist (Schwimmgürtel!), bleibt die Nuß, die durch irgend einen Zufall in das Meer gelangt ist, sehr lange schwimmfähig. Infolgedessen wird sie durch Wellen und Meeresströmungen leicht weit verschlagen und oft erst an ferner Küste wieder an das Land gespült. Auf diese Weise sollen die einsamen Koralleninseln in den Besitz der stolzen Pflanze gelangt sein. (Vgl., wie der Golfstrom Treibholz und Samen westindischer Gewächse an der norwegischen Küste anspült !)

3. Die schlanke Kokospalme ist für die Tropenländer sowohl, wie für den Welthandel einer der wichtigsten Bäume. Der Stamm liefert ein wert- volles Bau- und Nutzholz. Die Blätter dienen zum Bedecken der Dächer, sowie zur Anfertigung von allerlei Flechtarbeiten. Die Gipfelknospe junger Pflanzen wird als Gemüse („Palmkohl") verspeist. Durch Abschneiden der Blütenstände ge- winnt man einen Saft, aus dem durch Gärung der berauschende „Palmwein" entstellt (vgl. mit Birke !). Die Mittelschicht der Fruchtschale liefert den Kokos- faserstoff, der zu Decken, Seilen, Bürsten u. dgl. verwendet wird. Aus der harten Steinschale werden in den Tropen Trinkgeschirre u. dgl., bei uns be- sonders Knöpfe hergestellt. Das Nährgewebe ist von haselnußartigem Geschmack; frisch liefert es eine nahrhafte Speise, getrocknet die Copra, die in ganzen Schiffsladungen zu uns kommt. Durch Auspressen gewinnt man aus ihr ein wertvolles Öl, das zur Herstellung von Seifen und Kerzen dient. Die Preß- rückstände werden als Viehfutter hoch geschätzt. Der flüssige Teil des Nähr- gewebes, die Kokosmilch, dient in allen Tropenländern als erfrischendes Ge- tränk. Kurz : es ist kein Teil der Palme, der nicht vom Menschen benutzt würde.

Kokospalme. Dattelpalme.

241

Andere Palmen.

"Was für unsere Heimat der Roggen ist, das ist für den weiten Wüstengürtel, der sich vonden Küsten des AtlantischenOzeans quer durch Afrika und über Westasien hinweg bis zum Indus erstreckt, die Dat- telpalme (Phoenix daetylifera): sie ist die B ro tfruchtpflanz c diesesgc- w altigen L ändergebiete 9. An Ge- stalt ist sie der Kokospalme sehr ähnlich, hat aber einen etwas dickeren, stark mit Blattnarben bedeckten S t a m m und eine kleinere Laubkrone. Ihre "Wurzeln senkt sie bis in die tieferen, wasserfüh- renden Bodenschichten hinab. Infolge- dessen vermag sie selbst mitten in der Wüste zu gedeihen, wo nur ein (|uell den heißen Sand durchdringt. „Sie taucht", wie der arabische Dichter singt, „den Fuß in das Wasser und das Haupt in das Feuer des Himmels". Da sie eine zweihäusige Pflanze ist, findet man in den Dattel- hainen stets nur wenige Bäume mit Staub- blüten. Um aber eine Bestäubung möglichst aller Stempelblüten herbeizuführen, ver- richtet der Mensch die eigentlich dem Winde zukommende Arbeit schon seit ur- alten Zeiten selbst. Er schneidet die aus Staubblüten bestehenden Kolben ab und hängt sie in die Fruchtbäume, und zwar behalten die Blütenstaubkörner außer- ordentlich lange ihre befruchtende Eigen- schaft. Die pflaumenähnliche Frucht ent- hält einen langgestreckten, steinharten Samen (beobachte dessen Keimung!). Das süße, wohlschmeckende Fruchtfleisch ist das Hauptnahrungsmittel für die vielen Millionen Menschen, die jene Wüstenge- biete bewohnen. Während dort aber die Früchte in allen nur möglichen Formen (frisch oder getrocknet, roh oder gekocht u. s. w.) verzehrt werden, gelangen sie zu uns nur in getrocknetem Zustande.

Wie bei der Kokospalme finden neben den Früchten auch alle anderen Teile des herrlichen Baumes nutzbrin- gende Verwendung: die Dattelpalme liefert Sclimeil, Lehrbuch der Botanik.

Dattelpalmen, z. T. mit Fruchtständen (etwa l/ioo nat. Gr.).

16

242 68. Familie. Palmen.

dem Wüstenbewohner alles zum Leben Nötige; sie macht im Verein mit dem Kamele die "Wüste erst bewohnbar. Die mächtigen Blätter („"Wedel") gelten schon seit dem grauen Altertume als ein Zeichen des Sieges und Friedens. Darum legen wir auch gern einen „Palmenzweig" auf die Ruhestätte derer, die den Sieg über das Erdenleben davongetragen und den ewigen Frieden gefunden haben.

"Wenn auch keine andere Palme den beiden kurz geschilderten Arten an Be- deutung gleich kommt, so sind in anderen Erdstrichen andere dieser stolzen Bäume dem Menschen doch von größter Wichtigkeit. An erster Stelle wäre hier die ölpalme (Elans guineensis) zu nennen , die an den feuchtheißen Küsten und Flußläufen West- afrikas gedeiht. Sie trägt pflaumenähnliche , orangefarbene Früchte , deren Frucht- fleisch das ,. Palmöl" und deren Kerne (d. s. die von der harten Innenschicht der Fruchthülle umschlossenen Samen) das feinere „Palmkernöl" liefern. Beide Ölsorten werden wie das Kokosöl verwendet. Wie aus den Knollen der Kartoffel und den Körnern des Getreides gewinnt man aus dem weichen Stamminnern zahlreicher Palmen das aufgespeicherte Stärkemehl. Wird dieser wertvolle Stoff in Pfannen erhitzt, so verkleistert er teilweise und liefert den „Sago" des Handels. Die besten Sorten dieses wichtigen Nahrungsmittels geben die echten Sago-Palmen (Metröxylon rümphii und laeve), die auf den Sunda-lnseln und den Molukken einheimisch sind. Die Wein- palme (Raphia) liefert den Bewohnern von Afrika und den dazu gehörigen Inseln einen beliebten Palmwein. Die Oberhaut und Bastschicht der mächtigen Fiederblätter werden bei uns als „Raphia-Bast" namentlich von Gärtnern verwendet. Man bereitet daraus aber auch Matten und andere Flechtwerke. Die Elfenbeinpalmen (Pkyt- elephas), die im tropischen Amerika heimisch sind, geben uns in ihren steinharten Samen, den Steinnüssen, ein wertvolles Material zur Herstellung von Knöpfen. Die Piassava-Fasern, die namentlich zu Besen verarbeitet werden, sind das Faser- geflecht der Blattscheiden mehrerer anderer amerikanischer Palmen. Das „s panische Rohr", das bei uns namentlich zum Flechten der Stühle verwendet wird, ist der dünne Stamm der Rotangpalmen (Cälamus) , die besonders in Ostindien , dem tropischen Australien und auf den dazwischen liegenden Inseln vorkommen. Es sind Kletterpflanzen der Urwälder, die sich vielfach mit Hilfe bestachelter, peitschenförmiger Fortsätze der Blattstiele an den Stämmen und an den Kronen der Bäume festhalten (vgl. mit Hopfen!). Die einzige Palme, die in Europa ihre Heimat hat, ist die Zwergpalme (Cham&rops) des Mittelmeergebiets. Sie hat im Gegensatz zu allen anderen erwähnten Arten fächer- förmige Blätter (Fieder- und Fächerpalmen!) und wird neben zahlreichen anderen Palmen gern als Zimmerpflanze gezogen.

Im Anschluß an die so überaus wichtigen Palmen sei eine andere nicht minder wichtige Tropenpflanze kurz betrachtet:

Die Banane oder der Pisang (Musa sapientuni und paradisiaca).

Wie es bei uns nur selten einen Garten gibt, in dem nicht ein Birn- oder Apfel- baum stände, so findet sieb überall in allen beißen Ländern die Banane in unmittel- barer Nabe der menschlichen Wohnungen. Aus einem im Boden dabinkrieeben- den Wurzelstocke erhebt sich ein kurzer knolliger Stamm, der zahlreiche, mächtige Blätter trägt. Die scheidenförmigen Teile der Blattstiele schließen so eng zusammen, daß sie einen bis 10 m hohen „Scheinstamm" bilden. Für dieses wenig widerstandsfähige Stammgebilde sind aber so riesige Blätter, wie

Andere Palmen. Banane, Ingwer.

243

sie die Banane besitzt, sicher von Nachteil; denn sie bieten ja dem Winde eine sehr große Angriffs fläche dar. Soll die Pflanze nicht umknicken, so muß eine Korrektur " ein- treten : die Blätter zerreißen so, daß sie wie gefiedert er- scheinen. Die Sei- tenrippen stehen nämlich rechtwink- lig zu der starken Mittelrippe, so daß schon ein mäßig starker Wind die für die Pflanze ganz unschädliche „Fie- derung" bewirken muß. Jetzt aber ver- hält sich das Blatt wie ein wirkliches Fiederblatt, dessen einzelne Teile dem Anprall des Windes leicht ausweichen. Aus der Spitze des Stammes erhebt sich der hängende Blü- tenstand, der bald in eine oft zent- nerschwere Frucht- traube übergeht. Die gurkenähn- lichen Früchte besitzen je nach der Spielart, von der sie stammen, ein saftiges, süßes oder mehlreiches Frucht- fleisch, das Millio- nen von Menschen

zur täglichen Nahrung dient. Andere Bananenarten, die vornehmlich auf den Philippinen gedeihen, liefern in den Gefäßbündeln der Blattstiele den festen Manilahanf, der namentlich zu Seilen verarbeitet wird.

Den Bananen nahe verwandt ist der Ingwer (Zingiber offieinäle), der in zahl-

IJanane

it Fruchtstand (etwa eine junge l'fl

nat. Gr.); dahinter

244 69- Familie. Arongewächse.

reichen Tropenländern angebaut wird. Der Wurzelstock, der dem der Schwertlilie nicht unähnlich ist, liefert ein bekanntes Gewürz, das besonders zur Herstellung von Likören dient. Ein anderes verwandtes Gewächs ist das Blumenrohr (Canna), das in den heißen und wärmeren Teilen von Amerika heimisch ist. Die prächtige Pflanze wird ihrer großen, schönen Blätter wegen bei uns in zahlreichen Arten gern zur Bil- dung von rBlattpflanzen"-Gruppen verwendet.

69. Familie. Arongewächse (Aräceae).

Der Aronstah (Arum maculatum).

1. Der Aronstab ist ein Bewohner schattiger, feuchter Laubwälder. Bereits im Vorfrühli nge, also zu einer Zeit, in der die Bäume noch unbelaubt sind, und die Sonnenstrahlen ungehindert bis zum Boden hinabdringen, sprießt er zum Lichte empor. (Beobachte, wie die zusammengerollten Blätter den Boden durchbrechen !) Hierzu ist er wohl befähigt ; denn er findet ja die nötigen Baustoffe in einem knollenartigen unterirdischen Stamme fertig vor. Wenn sich die Laubkronen geschlossen haben, beginnt er bald zu vergilben : alles Erscheinungen, wie wir sie an dem Scharbockskraute (s. S. 1, A) kennen und verstehen gelernt haben. Die pfeilförmigen Blatt flächen sind zart und groß wie bei zahlreichen Standortgenossen der Pflanze (s. S. 7, b u. c) und meist braun gefleckt wie beim gefleckten Knabenkraut (s. das.). Da sie deutliche Rinnen darstellen (beobachte die Stellung der hinteren Zipfel !) und schräg nach innen geneigt sind, so leiten sie alles Wasser an den langen Blattstielen zur Wurzel hinab. Der Aronstab hat also der Lage seiner Wurzeln entsprechend eine centripetale Wasserableitung (s. S. 88). Stellt man durch ein Stück der Blätter dünne Querschnitte her, so sieht man bei Anwendung des Mikroskops, daß in den Zellen zahlreiche Nadeln eingelagert sind. Kaut man ein Stück des Blattes, so dringen diese Gebilde, die aus oxalsaurem Kalke (Kleesalz) bestehen, in die Schleimhäute des Mundes ein, und man wird zuerst einen süß- lichen Geschmack, dann aber ein äußerst schmerzhaftes Brennen wahr- nehmen. Daher hüten sich die pflanzenfressenden Tiere auch vor der ver- lockend saftigen Speise, oder sie wenden sich nach dem ersten Anbiß mit allen Zeichen des Unbehagens davon ab (stelle entsprechende Versuche an !). Be- sonders wichtig ist der Pflanze dieses Schutzmittel gegen die Schnecken; denn der feuchte Waldgrund ist ja ein Lieblingsaufenthalt dieser überaus gefräßigen Tiere.

2. In dem gewöhnlich als „Blüte" bezeichneten Gebilde erkennen wir bei näherem Zusehen leicht einen Blütenstand, der seiner Form nach als Kolben zu bezeichnen ist. Er ist von einem großen, dütenförmigen und grün- lichweißen Hüllblatte, einer sog. Blütenscheide, umgeben, die unten kessel- artig erweitert und im oberen Teile weit geöffnet ist. Unter dem meist violett gefärbten, keulenförmigen Abschnitte des Kolbens stehen mehrere Reihen starrer Haare, die bis zur Wand der hier stark verengten Blütenscheide reichen. Der untere Abschnitt des Kolbens ist oben von vielen Staubbättern

Aronstab.

245

und unten von zahlreichen Stempeln rings um- geben. Da sich diese Gebilde nur in Blüten finden, so haben wir in ihnen also ebenso viele Staub- oder Steuipelblüten vor uns. Der Kolben bildet also wie oben bemerkt eine Blütengernein- schaft oder einen Blütenstand. Den winzigen Blüten fehlt allerdings wie bei zahlreichen anderen Pflanzen (Beispiele!) die Blutenhülle. Sie wird jedoch durch die Blutenscheide, die im Knospen- zustande vollkommen geschlossen ist, hinreichend ersetzt.

Der Blütenstand des Aronstabs erinnert uns sowohl in seinem Äußern, als auch in den Einzelheiten seines Baues stark an die Blüten der Osterluzei (beweise dies näher!). Wir werden uns daher auch nicht wundern, daß die Be- stäubung wie bei dieser Pflanze durch Mücken vermittelt wird, die eine Zeit lang in der „Kessel- fallenbluiue" gefangen gehalten werden. Und zwar ist der Vorgang im wesentlichen derselbe (verfolge und beschreibe ihn !). Im besonderen muß jedoch noch folgendes bemerkt werden:

a) Als Mittel, die Bestäuber anzulocken, dient dem Aronstabe außer der Färbung der Blutenscheide und des keulenförmigen Kolbenab- schnittes ein starker Geruch, der uns zwar widerlich erscheint, den Mücken dagegen sicher angenehm ist.

b) Die Honigtropfen, die von denver- trockneten Narben ausgeschieden werden, sowie ein Teil des reichlich erzeugten mehligen Blüten- staubes dienen den Mücken zur Nahrung. Außer- dem ist es

c) die (infolge lebhafter Atmung) erzeugte Wärme, die die Insekten veranlaßt, in der „Kesselfalleublume" Unterschlupf zu suchen. Die Tierchen finden dort gleichsam ein geheiztes Zim- mer. Wenn wir den Kolben mit der Zunge be- rühren, so empfinden wir die Wärme, oder führen wir ein kleines, empfindliches Thermometer in den ,,Kesselu ein, so sehen wir, daß die Temperatur dort um mehrere Grad „höher" als außen ist, (Bei ausländischen Arten erhöht sich die Innentemperatur sogai um 10 20° C.)

Blutenstand vom Aronstabe.

H. Haarreuse; Stb. Staubblätter; St. Stempel. Nat. Gr. .

■J\r, 69. Farn. Arongewäclise. 70. u. 71. Farn. Rohrkolben- u. Laichkrautgewächse.

d) Als „Anflugsstange" dient den kleinen Gästen der keulenförmige Kolbenteil.

e) Die „Haarreuse" erlaubt den Gefangenen wohl, das Gefängnis kriechend zu verlassen. Da die Tierchen dem hellen Ausgange aber stets zu- fliegen (vgl. mit den Insekten, die in das brennende Licht fliegen oder die heiße Lampe umflattern!), so bleibt ihnen der Rückweg so lange ge- sperrt, bis sie ihre Arbeit getan haben, d. h. : erst nachdem die Staubbeutel entleert und die Mücken (zum erstenmal oder von neuem) mit Blütenstaub beladen sind, wird der Ausgang durch Verwelken der Haare frei.

3. Die Früchte sind saftige Beeren, die durch leuchtend scharlachrote Färbung die Waldvögel zum Verspeisen einladen (vgl. S. 64, 8).

V o r w and t e : An sumpfigen Stellen und an den Ufern stehender Gewässer wächst das Schlangenkraut (Calla palustris), so genannt nach dem Wnrzelstocke, der wie eine Schlange

über den Boden dahinkriecht. Der

Blütenkolben ist von einer rein

,— g weißen Blütenscheide umgeben.

-^ Ganz ähnliche „Blüten" hat die

prächtige Zimmerpflanze (Richärdia

. aethiöpica), die unter dem Namen

„Calla" allgemein bekannt ist und in Afrika ihre Heimat hat. Eine schilfähnliche Sumpfpflanze ist der Kalmus (Acorus cälamus). Sein gewürzhafter Wurzelstock wird vielfach als Heilmittel verwendet. Zu den Arongewächsen zählt man auch die Wasserlinsen (Lem- na). Die winzigen Pflänzchen be- stehen aus einem blattartigen Stam- me, der durch eine oder mehrere senkrecht ins Wasser reichende Wurzeln in wagerechter Lage ge-

. m ,. ,r . -rs halten wird. Nur selten bringen

Gemeine Wasserlinse (Lemna minor). Das °

Pflänzchen links mit einer Blüte. (Etwa 5 mal d.e Wasserlinsen unscheinbare Blut-

nat. Gr.)

chen hervor. Dafür vermehren sie sich aber stark durch seitlich her- vorwachsende Sprossen, die selbständig werden oder mit der Mutterpflanze im Zusammen- hange bleiben, und zwar geschieht dies oft in einem solchen Maße, daß ganze Gewässer in kurzer Zeit wie mit einem grünen Teppich überzogen werden.

70. u. 71. Farn. Rohrkolben- und Laiehkrautgewächse (Typhäceae und Najadäceae).

1. Rohrkolbengewächse. Der Rohrkolben (Typha) ist ein Bewohner der Sümpfe und Uferränder. Er wächst also dort, wo das Schilf anzutreffen ist. Da- her besitzt er gleichfalls eine besondere Einrichtung gegen die Wirkung des Windes,

Schlangenkraut

Fruchtstaml des schmal- blättrigen Rohrkolbens

(etwa '/. nat. Gr.) Das Ausstreuen der Früchte (liiivhileiiWinil hat soeben begonnen. Unter- halb der verwehten Früchte eine Frucht in etwa5mal. \~ergr. St. Stengelteil, an dem die Staubblüten saßen; n.S. nackt. Stengelteil.

insen. Rohrkolben. Igelskolben. Laichkräuter. 247

dem er ja infolge des freien Standortes und hohen "Wuchses besonders ausgesetzt ist: seine Blätter sind in 2 3 "Win- dungen schraubig gedreht. "Werden sie vom Winde getroffen, so wird der Luftstrom, da die einzelnen Teile des Blattes ja die verschiedensten Richtungen haben, gleichsam in eine Bienge ein- zelner Ströme zerlegt, von denen nur die senkrecht auftreffen- den eine merkliche Wirkung ausüben, nämlich eine Biegung des Blattes verursachen. Zudem verlängern sich die Schrauben- Windungen bei jedem Windstoße, so daß Bich das Blatt etwas streckt: die Pflanze steht daher selbst nach dem heftigsten Sturme unverletzt da. Die Blüten sind zu 2 übereinander stehenden Kolben geordnet, die beim breitblättrigen R. (T. latifölia) zusammenstoßen, beim schmalblättrigen R. (T. an- gustifölia dagegen durch einen nackten Stengelteil vonein- ander getrennt sind. Der untere Kolben enthält nur Stempel-, der obere nur Staubblüten. Beide sind von einfachstem Bau (Beweis!), ein Zeichen, daß die Pflanze bei der Bestäubung auf die Hilfe des Win- des angewiesen ist. Nach dem Ausstreuen des Blütenstaubes vertrocknen die Staub- blüten und fallen ab , so daß nur der Teil des Stengels, an dem sie standen, als Fortsatz des Fruchtkolbens zurückbleibt. Die Früchte werden, da der Fruchtstiel mit langen Haaren besetzt ist, leicht weit durch den Wind ver- breitet. — Eine das "Wasser liebende Pflanze ist auch der Igelskolben (Spargäni um), der von den kugeligen, stacheligen Fruchtständen den Namen trägt. Seine schwimmfähigen Früchte werden durch das Wasser verbreitet.

2. Laichkrautgewächse. Die Laichkräuter (Potamogeton) sind unter- getauchte oder schwimmende Wasserpflan- zen. Da sie vom Wasser getragen werden, sind sie wie der Wasserhahnenfuß überaus zarte Gewächse. Die einfachen, in Ähren stehenden Blüten werden über den Wasser- spiegel emporgehoben und mit Hilfe des Windes bestäubt. In der Strandzone unserer Meere wächst auf schlammigem oder sandigem Boden das Seegras (Zostera). Das grasähnliche Gewächs hat lange, riemen- förmige Blätter, die leicht mit den Wogen hin- und herfluten, und blüht wie das Horn- blatt (s. das.) unserer Teiche und Seen unter Wasser. Getrocknet liefert das Seegras ein wertvolles Material zum Polstern.

248

'2. Familie. Gräser.

72. Familie. Gräser (Gramineae).

Stengel (Halm) knotig nnd meist hohl. Blätter zweizeilig, meist mit je einer gespaltenen Blattscheide und einem Blatthäutchen. Blütenstand eine aus „Ährchen" zusammen- gesetzte Ähre oder Rispe. Blüten im Schutze sog. Spelzen; mit meist 3 Staubblättern und einem Fruchtknoten mit meist 2 Narben. Frucht eine sog. Grasfrucht.

1. Der Roggen (Seeale cereäle).

A. Der Roggen und seine Bedeutung. 1. Von den Getreidearten, die in Mittel- nnd Nordeuropa angebaut werden, hat keine eine so große Wichtigkeit wie der Roggen. Liefert er doch das Schwarzbrot, das für viele Millionen von Menschen einen großen, vielfach sogar den größten Teil der täglichen Nahrung bildet. Dieses Brot ist zwar etwas weniger nahrhaft als

-M

-K

Roggenkorn. 1 von außen; 2 im Längsschnitt (etwa 10 mal vergr.) ; 3 unterer Teil (stärker vergr.). K. Keimling ; N. Nährgewebe ; P.S. die miteinander verwachsene Prncht- u. Samenschale; Seh. Schildchen; Kn. Knospe; St. Stengelchen; W. Würzelchen;

Ws. Wurzelscheide.

das aus Weizenmehl hergestellte Weißbrot, bleibt aber viel länger schmackhaft als jenes und wird uns nie zum Überdruß. Zudem gedeiht der Roggen vielfach auch da, wo kein Weizenbau mehr betrieben werden kann; denn die anspruchs- lose Pflanze nimmt mit einer geringeren Sommerwärme fürlieb als der Weizen und bringt auch auf weniger gutem Boden noch lohnenden Ertrag. Seiner großen Wichtigkeit halber bezeichnet man den Roggen vielfach kurzweg als „das Korn", ein Name, mit dem jedes Volk seine Hauptbrotfrucht belegt. So ist z. B. für die Bewohner Frankreichs der Weizen, für die Südeuropäer neben dem Weizen der Mais und für die meisten Völker Asiens der Reis „das Korn". Diese hohe Bedeutung erlangen die unscheinbaren Getreidegräser bekanntlich durch ihre Frucht. Wie dies möglich ist, wird uns leicht die genauere Betrachtung des Roggenkornes zeigen; denn die Früchte aller an- deren Grasarten sind im wesentlichen genau so gebaut. Um den Roggen ganz zu würdigen, muß vorher noch des wertvollen Strohes gedacht wer- den, das er uns liefert. Es wird als Streu für das Vieh, als Häcksel für die

Roggen.

24!)

Pferde, sowie wegen seiner Länge zur Herstellung von Seilen, Strohmatten u. dgl. verwendet.

2. Das Roggenkorn ist ein kleines, graugelbes Gebilde mit einer Längsfurclie und einer wohl umgrenzten Stelle am zugespitzten (unteren) Ende. Um den inneren Bau kennen zu lernen, führen wir durch ein etwas auf- gequollenes Korn einen Längsschnitt, der genau in der Mitte der Furche ver- läuft. Dann sehen wir, daß es aus 2 deutlich geschiedenen Teilen besteht, die von einer schützenden „Haut" (der miteinander verwachsenen Frucht- und Samenschale, s. S. 258, b) umhüllt sind (F.S.).

a) Nehmen wir eine Lupe zur Hand, so erkennen wir leicht, daß der untere Abschnitt, der äußerlich jene „wohl umgrenzte Stelle" bildet, die Anlage der jungen Pflanze, den Keimling (K.), darstellt: wir sehen die Knospe (Kn.) mit den ersten Blättern, ein kur- zes Stengelstück (St.) und ein W ü r z el c h e n (W.), das von der Wurzel seh ei de (Ws.) umgeben ist. Der Stengel steht mit einem ver- hältnismäßig dicken Körper, der nach seiner Form Schildchen (Seh.) genannt wird und sich an den großen oberen Abschnitt der Frucht anlegt, in Verbindung. (Am besten ist die Form des Schildchens zu erkennen, wenn man von einem gequollenen Korne den ganzen Keimling mit Hilfe einer Nadel ablöst.) Da das Schild- chen au der Stelle des Stengels entspringt, an der sich bei den zweikeimblättrigen Pflanzen die Keimblätter finden (s. S. 99, 2), so betrachtet man es gleichfalls als ein solches („Einkeim- blättrige Pflanzen").

b) Stellt man durch den großen oberen Abschnitt des Roggenkornes zarte Querschnitte

her, so sieht man bei mikroskopischer Vergrößerung, daß unter der umhül- lenden „Haut" eine Schicht kürzerer Zellen liegt, die mit feinen Körnchen angefüllt sind. Der von dieser Schicht umschlossene Raum dagegen wird von längeren Zellen eingenommen, die wesentlich größere Körner führen. Bei Zusatz einer Jodlösung färben sich die kleinen Körner gelbbraun, die größeren blau, ein Zeichen, daß wir es in ersteren mit Eiweiß, in letzteren mit Stärke zu tun haben (s. den letzten Abschn. d. Buches!). Während das Ei- weiß, hier „Kleber" genannt, also in den äußersten Zellen angehäuft ist, flndet sich die Stärke in den Zellen, die von der „Kleberschicht" umschlossen sind. Eiweiß und Stärke sind nun die Stoffe, die der Keimpflanze zum Aufbau und zur Nahrung dienen. Während diese Stoffe bei der Bohne (s. S. 101, e) aber in den Keimblättern eingelagert sind, finden sie sich hier, von dem Keim- linge vollkommen getrennt, in einem besonderen Abschnitte des Samens, den

(Schnitt bei ISO mal. Vergr.).

F. Fruchtschale ; S. Samenschale;

K. Kleberschichl ; St. Zellen, mir

Stärkekörnern aneefülll .

250 72. Familie. Gräser.

man als das Sameneiweiß (Endosperm) oder treffender als das Nährgewebe (N.) bezeichnet.

Da nun das Roggenkorn außerordentlich reich an Eiweiß (ll°/0) und Stärke (60 °/0) ist, und beide Stoffe unentbehrliche Bestandteile der menschlichen Nahrung bilden, so wird uns die Wichtigkeit des Roggens als Brotfrucht ohne weiteres verständlich. Der KeiniliDg, die umhüllende „Haut", sowie die darunter lagernde Kleberschicht werden beim Mahlen des Getreides durch die Rauhigkeiten der Mühlsteine von den Körnern abgerieben. Sie liefern die Kleie (Verwendung?), während das zertrümmerte Nährgewebe ohne die Kleber- schicht das Mehl gibt. Da die Kleberschicht wie wir gesehen haben sehr reich an Eiweiß ist, so ist auch das Brot, das aus „geschrotenem" Korn hergestellt wird (Schrotbrot, Kommißbrot, Pumpernickel u. dgl.), weit nahrhafter, allerdings auch viel schwerer zu verdauen, als ein aus reinem Mehle bereitetes Gebäck. Wenn auch die Stärke nicht wie z. B. die der Kartoffelknolle fabrikmäßig gewonnen wird, so werden die Roggenkörner doch gleichfalls zur Herstellung eines stark alkoholhaltigen Getränkes, des Kornbranntweins, verwendet.

B. Aussaat, Keimung und Bestückung. 1. Der Roggen wird im Herbst oder Frühling gesät (Winter- und Sommerroggen; s. S. 252). (Beschreibe, wie der Landmann den Boden für das Saatkorn zubereitet! Gib an, welche Bedeutung die einzelnen Tätigkeiten haben, und wie die Aussaat erfolgt!)

2. Um die Keimung genau verfolgen zu können, säen wir Roggenkörner in Blumentöpfe, die mit feuchter Erde angefüllt sind. Die Körner quellen bald auf, und im warmen Zimmer sprengt meist schon am nächsten Tage der schwellende Keim die überdeckende Schale (s. S. 100, a). Wie bei der Bohne (s. S. 100, b) kommt zuerst

a) das Würzelchen zum Vorscheine (Fig. 1 auf S. 251). Es durchbricht die Wurzelscheide, die anfänglich mit wächst und das überaus zarte Gebilde gegen Verletzung schützt, und bohrt sich in den Boden ein. Gleichzeitig machen sich an dem Stengelchen 2 kleine Anschwellungen bemerklich, die sich gleichfalls zu Wurzeln ausbilden (Fig. 2) und anfänglich auch von Wurzelscheiden umhüllt sind. Zum Unterschiede von der sich zuerst entwickelnden „Hauptwurzel" bezeichnet man diese als Neben wurzeln. Bald brechen noch weitere Neben- wurzeln aus dem Stengel hervor, und da alle die Hauptwurzel an Größe und Stärke bald erreichen, so entsteht schließlich ein Büschel gleichartiger Wurzeln (Fig. 3).

b) Da die Wurzelscheide mit zahlreichen Härchen besetzt ist, wird das Korn sofort bei Beginn der Keimung im Boden verankert (s. S. 100, b). Diese Befestigung wird umso sicherer, je tiefer sich die Hauptwurzel in die Erde senkt und je mehr Nebenwurzeln, die gleich der Hauptwurzel mit vielen Wurzel- härchen bedeckt sind, sich entwickeln. Fast gleichzeitig mit der Streckung des Würzelchens beginnt auch die Knospe stark in die Länge zu wachsen. Das Stengelchen dagegen bleibt sehr kurz und ist daher auch nicht imstande,

Hüften.

251

M

die Erde zu durchbrechen (s. S. 100, c). Diese Arbeit muß daher die Knospe selbst verrichten, und dazu ist sie trotz ihrer Zartheit auch wohl befähigt. Ihre Blätter bilden nämlich einen Kegel, dessen Mantel von dem scheiden- förmigen ersten Blatte gebildet wird. Diese meist rötlich angelaufene Scheide ist verhältnismäßig fest und widerstandsfähig, so daß sie mit ihrer harten Spitze den Boden wie ein Keil durchbrechen kann (vgl. mit Tulpe, Maiblume). Erst ein Stück über dem Boden öffnet sich die Scheide, um dem zweiten Blatte den Durchtritt zu gestatten.

c) Das ursprünglich harte Roggenkorn wird mit beginnender Keimung weich, und sein Nährgewebe verwandelt sich nach und nach in eine milchige Masse. Da nun der Inhalt des Nährgewebes dem Keimling zur Nahrung und zum Aufbau dient, von diesem aber getrennt ist, so muß ein Vermittler zwischen beiden vorhanden sein. Als solcher gibt sich das Sc bilde hen zu erkennen, das wie wir ge- sehen haben mit seiner ganzen Fläche dem Nährgewebe an- liegt, auf der anderen Seite dagegen mit dem Keimling in Ver- bindung steht. Je mehr sich der Keimling entwickelt, desto mehr leert sich auch der Vorratsspeicher, bis die letzten, für den Keimling wertlosen Reste des Kornes schließlich durch Fäulnis zerfallen.

3. a) Noch bevor sämtliche Vorratsstoffe verbraucht sind, ist die Pflan- ze imstande, sich selbst Nahrung zu erwerben. Sie sendet wie man bei sehr vorsichtigem Nachgraben sehen kann ihre Wur- zeln bis in die tieferen, stets feuch- ten Boden- schichten hin- ab. Daher ver- mag der Rog- genselbstauf Keiimillg tles Roggenkorns. (Fig. 1 u. 2 etwa 10 mal, Fig. 3 5mal dem trocken- vergr.) i„ \rv>, j is, ,ii(. Eauptwurzel noch von der Wurzelscheide sten Sandbo- umhüllt. ILKnospe; Nw. Nebenwurzeln; Ws. Wurzelscheide ; H. Haupt- den zuwachsen. würze! ; Seh. das scheidenförmige erste Blatl ; g.Bl. .las erste grüne Blatt.

252 72. Familie. Gräser.

b) Mit den ersten Wurzeln werden auch die ersten grünen Blätter ge- bildet. Der Sommerroggen „schießt" nun schnell empor, und nicht lange währt es, so hat er seine volle Größe erreicht. Der Winterroggen dagegen bleibt während der kalten Zeit niedrig. Im andern Falle würde die Schneelast, die auf ihm ruht, seine Stengel zerknicken und ihn somit vernichten. Sinkt das Thermometer bis etwa zum Nullpunkt, so stellt der Roggen das Wachstum ganz ein ; denn ohne Wärme gibt es keinen Pflanzenwuchs. Bei mildem Wetter dagegen wächst er langsam weiter: aus den untersten Stengelknoten sprießen zahlreiche Zweige hervor, die oft abermals Zweige treiben. Man sagt: der Boggen bestockt sich. Da nun jeder Zweig (Halm) stets in einer Ähre endigt, so ist eine ergibige Bestückung Vorbedingung einer ertragreichen Ernte. Und da sich nun der Winterroggen reicher als der Sommerroggen bestockt, so wird er auch vorwiegend augebaut.

C. Halm und Blatt. 1. Der Stengel des Roggens (wie der aller Gräser) wird Halm genannt. Obgleich er bis 2 m hoch und nur wenige Millimeter dick wird, vermag er nicht nur die eigene Last, sondern auch die der Blätter und der Ähre zu tragen. Und wie gegen diesen von oben wirkenden Druck ist das schwache Gebilde auch gegen seitlichen Druck außerordentlich widerstands- fähig. Biege den Roggenhalm so stark, daß die Ähre den Boden berührt, und du wirst sehen, wie er losgelassen sofort wieder in seine ursprüngliche Lage zurückkehrt! Oder beobachte, wenn der Wind über das Kornfeld weht, wie das ..Ährenmeer" wogt und wallt, und wie die Halme sich neigen und biegen, ohne daß auch nur ein einziger geknickt würde ! Der Roggenhalm ist also ein Gebilde von großer Trag- und Bieguugsfestigkeit.

a) Wie bei der Taubnessel (s. S. 146, 1 a) hat auch beim Roggen die äußerste Schicht des Stengels unter der Biegung am meisten zu leiden. Dicht unter der Oberfläche des Halmes finden sich daher wie auf dünnen Schnitten bei schwacher mikroskopischer Vergrößerung leicht zu erkennen ist Zellen, die sich durch große Widerstandsfähigkeit auszeichnen. Sie haben stark ver- dickte Wände, sind wie die Bastzellen des Leins (Taf. 9, 7) langgestreckt und mit den zugespitzten Enden fest ineinander gefügt. Während diese „Stützzellen" bei der Taubnessel 4 „Pfeiler" bilden, stellen sie hier eine Röhre dar, die noch durch leistenartige Vorsprünge verstärkt ist. Die Leisten erscheinen auf der Oberfläche des grünen Halmes als helle Längs- streifen.

b) Wie bei der Taubnessel (s. S. 147, b) ist auch beim ausgebildeten Stengel des Roggens das Mark, das bei der Biegung nichts auszuhalten hat, verschwunden: der Halm ist hohl.

c) Nur in den „Knoten" finden sich Querwände (Längsschnitt!), durch die der Halm in eine Anzahl kürzerer Röhren geteilt ist, so daß er eine größere Widerstandsfähigkeit erhält (s. S. 147, c). Und zwar stehen im unteren Halmabschnitte, der am meisten zu tragen und unter dem Winde am stärksten zu leiden hat, die Knoten viel enger beieinander als im oberen. Wie auf einem

Roggen.

253

Längsschnitte deutlich zu sehen ist, gehören die äußerlich sichtbaren Anschwel- lungen an den Knoten nicht dem Stengel, sondern den

2. Blattern an. Jedes Blatt besteht aus 2 deutlich geschiedenen Ab- schnitten, der Blattscheide und der Blattfläche. Da, wo beide zusammenstoßen, erhebt sich ein häutiges Ge- bilde, das Blatthäutchen.

a)DieBlattschei- de entspringt an einem Halmknoten und stellt eine offene Röhre dar, deren Ränder aber fest über- einander greifen. Wie je- der wachsende Halm zeigt, sind die Blätter schon voll- ständig entwickelt, wenn von den darüber befindlichen Stengelgliedern äußerlich noch nichts wahrzuneh- men ist. Stellt man durch diesen Halm einen Längs- schnitt her, so sieht man, wie sich in dem von den Blattscheiden gebildeten Hohlräume die jungen Stengelglieder mit ihren Blättern und der Ähre entwickeln. Diese Gebilde sind aber von außerordent- licher Zartheit. Schon ein leiser Wind würde sie durch Aneinanderschlagen der Halme vernichten, und die Mittagssonne könnte ihnen leicht so viel "Wasser in Dampf- form entziehen, daß sie vertrockneten. Durch die Blattscheiden, die ihnen in der Entwicklung stark „vorauseilen", er- halten sie also den notwendigen Schutz. Erst nachdem sie gehörig erstarkt sind, wachsen sie nacheinander aus der schützen- den Hülle hervor. (Gib an, in welcher Weise der Schutz der jungen Teile bei anderen Pflanzen stattfindet!)

Auch später, wenn die Ähre bereits sichtbar geworden, das Wachstum

Längsschnitt durch

einen Knoten des

Roggenhalms.

■a.W. ausgewachsener, z.H. zarter Teil eines

Ealmgliedes. Hk. Halmknoten. Seh. Blattscheide. v.Seli. deren verdick- te Stelle über dem

Halmknoten.

Junge Roggenpflanze, der Länge nach durchschnitten. Im Schutze der Blattscheiden Seh. bildel sich der Stengel St. mit seinen Blättern und dem Blütenstande 1">. ans. W. Wurzeln; H. Blatthäutchen.

254

72. Familie. Gräser.

aber noch nicht beendigt ist, hat die Blattscheide noch eine große Bedeutung für die Pflanze. Entfernt man die Scheide, so findet man, daß das sonst voll- kommen ausgebildete Halmglied unmittelbar über dem Knoten noch zart und weich ist. Hier ist der Halm noch in Streckung begriffen und ermangelt daher der Festigkeit. Schon ein leichter Windstoß würde ihn knicken (Ver- such!). Von der Scheide umhüllt dagegen, trotzt er, wie wir gesehen haben, selbst heftigen Stürmen. Die Blattscheiden, die die zarten Wachs- turnsstellen wie feste Bohren umschließen, verleihen also zweitens dem Halme die nötige Festigkeit. Im Gegensatz zu den meisten anderen Pflanzen, die nur an der Spitze des Stengels (und der Wurzel) fortwachsen, treffen wir beim Eoggen wie bei allen Gräsern über jedem Knoten eine Wachstumsstelle an, eine Tatsache, die uns das schnelle Emporschießen

der Gräser hinreichend erklärt. (So verlängern sich z. B. die Halme des Bambusrohres während der Zeit des lebhaftesten Wachstums in 24 Stunden nicht selten um 1 m.)

Welche dritte Aufgabe die Blattscheiden zu erfüllen haben, ist leicht zu erkennen, wenn sich die Halme vielleicht infolge eines heftigen Gewitterregens „gelagert" haben, oder wenn sie auf irgend eine Weise geknickt worden sind (Versuch!) Dann wächst die über dem Knoten liegende, verdickte Stelle der Blatt- scheide an der Unterseite so stark, daß der Halm daselbst eine Knickung erfährt, und dies dauert so lange fort, bis der über dem Knoten befindliche Halmabschnitt wieder senkrecht steht. Nunmehr können die Halme wieder ge- nügend von Licht und Luft umspült und die Pflanzen durch den Wind bestäubt werden (s. Absch. D). Die Blattscheide beseitigt also infolge ihres ungleichmäßigen Wachstums die mit der „Lagerung" oder Knickung der Halme verknüpften Gefahren. (Sehr häufig ist dieses Aufrichten der Halme am Bande der Felder zu sehen, wo nicht selten Pflanzen durch Mutwillen oder dgl. geknickt und umgetreten sind.)

b) Die Blattfläche ist bandartig gestreckt und flattert daher wie eine Fahne mit dem Winde. Infolgedessen bietet sie ihm auch nur eine geringe Angriffsfläche dar, ein Umstand, der nicht wenig dazu beiträgt, daß die Pflanze selbst einem Sturme zu trotzen vermag. Mit der bandartigen Form steht auch im innigsten Einklänge, daß (wie dies für die einkeimblättrigen Pflanzen als Eegel gilt) die Nerven des Blattes parallel verlaufen.

c) Das Blatthäutchen liegt dem Halme dicht an. Es verhindert da- her, daß die Begentropfen (Versuch!), die von der Blattfläche nach dem Halme

Im anderen Falle

Teil eines Roggenhalmes , der

sich durch ..Knickung" am Knoten wieder aufgerichtet hat, im Durch- schnitt.

Roggen. 255

müßte dort bald Fäulnis entstehen, die sicher auch die Pflanzenteile selbst er- greifen würde.

3. Es kommt nicht selten vor, daß man sich an den Blättern des Roggens (und anderer Gräser) schneidet, wenn man sie schnell durch die Hand zieht. Dies rührt von der Kieselsäure her, die in großer Menge in den Zellwänden der Oberhaut eingelagert ist. Glüht man Halmteile auf einem Platinbleche, so bleibt das glasartige „Kieselskelctt" zurück. Es dient der Pflanze wie ein Panzer als Schutz gegen äußere Verletzungen, hat aber noch eine andere Be- deutung, wio folgender einfache Versuch lehrt: man lege Garten- oder Wein- bergsschnecken Roggenhalme vor, die sich noch im Wachstume befinden. Von einigen Halmen entferne mau aber vorher die Blattscheiden, so daß die Tiere zu den jungen Stengelteilen gelangen können, die sich im Schutze der Blattscheiden entwickeln, und deren Oberhaut noch nicht verkieselt ist. Dann wird man an den unverletzten Halmen nur geringe, an den von den Blattscheiden befreiten dagegen bald starke Freßspuren bemerken. Die verkieselten Häute erschweren den Tieren also den Angriff. Die eingelagerte Kieselsäure ist demnach ein Schutzmittel des Roggens (der Gräser) gegen die Angriffe der Pflanzenfresser. Freilich Wiederkäuer und Nager werden dadurch nicht abgehalten ; wohl aber ist dies bei anderen Grasarten der Fall, z. B. bei dem scharfschneidenden Schilfe, sowie bei zahlreichen Riedgräsern (s. das.). Ja, in gewissen Gegenden des heißen Afrika ist die Verkieselung der Blätter bei zahlreichen Gräsern so stark, daß sie für unsere Haustiere gänzlich ungenießbar werden.

D. Blüte und Frucht. 1. Ähre. Nachdem immer ein Halmglied nach dem anderen aus der Scheide des vorhergehenden Blattes hervorgekommen ist, tritt endlich auch das letzte ins Freie. Es trägt den Blütenstand, der im ge- wöhnlichen Leben als Ähre bezeichnet wird.

Entfernen wir die Blüten, so sehen wir, daß der Halm daselbst breit ist und 2 Reihen kleiner, treppenförmiger Absätze besitzt. Auf jedem Absätze der „Achse" steht auf einem winzigen Stiele eine kleine Gruppe von Blüten, die ein sog. „Ährchen" bilden. Der Blütenstand des Roggens ist im botanischen Sinne also eine zusammengesetzte Ähre.

2. Ährchen. Biegen wir die Ähre stark, so ist es leicht, ein Ährchen loszulösen. Es besteht aus zwei wohl geschiedenen Teilen (1 u. 2 in der Abb. S. 256), in denen wir unschwer ebensoviele, von grünen, häutigen Blättern oder „Spelzen" umhüllte Blüten erkennen. Zwischen beiden Blüten erhebt sich auf einem faden- förmigen Stielchen ein größeres oder kleineres Gebilde (3), in dem wir den Überrest einer verkümmerten, stets unfruchtbaren Blüte vor uns haben.

3. Blüte. Zu äußerst am Ährchen sehen wir jederseits ein kleines, kahn- förmiges Blatt (K.), das etwa die Stelle des fehlenden Kelches einnimmt und daher als Kelchspelze bezeichnet wird. Darauf folgt je ein größeres Blatt, die sog. äußere Blütenspelze (a. B.). Der Mittelnerv dieses Blattes tritt wie ein Kiel hervor und ist zu einer „Granne" verlängert, die beide mit aufwärts stehenden Stacheln besetzt sind. (Nach welcher Richtung kann man

256

72. Familie. Gräser.

darum die Ähre nur durch die Hand ziehen?) Vor und nach der Blütezeit nimmt die äußere Blütenspelze ein zweites, kleineres Blatt, d. i. die mit 2 Kielen ausgerüstete innere Blütenspelze (i. B.), fast ganz in sich auf. Beide Blätter bilden also gleichsam eine kleine Schachtel, in der die zarten Blüten- teile den notwendigen Schutz finden. (S. besonders den Grundriß des Ährchens !)

hier dargestellt).

Ein Ahrchen des

Roffgens und sein

Grandriß.

1 u. 2 die beiden entwickelten Blüten ; 3 die

verkümmerte Blüte (die Verkümmerung ist

aber nicht immer so weit fortgeschritten, wie

K. Kelchspelzen ; a.B. äußere Blütenspelzen ; i.B. innere Blütenspelzen ;

St. Stiel des Ährchens ; S. Schwellkörperchen.

Sie vertreten also die fehlende Blütenhülle, eine Tatsache, die ihre Benennung zur Genüge rechtfertigt.

Jede Blüte besteht aus 3 Staubblättern und einem Fruchtknoten, der 2 große, federartige Narben trägt.

4. Bestäubung. Geht man an einem sonnigen Junimorgen durch die lachende Flur, so sieht man nicht selten aus den wogenden Roggen- (Getreide-) feldern dampfartige Wolken aufsteigen, die der geschäftige Morgenwind weit-

Roggen.

257

,stäubt". Er ist also ein Windblütler wie z. B.

ganz im soll ein

hin verweht. Der Roggen der Haselnußstrauch.

a) Wie bei jener Pflanze linden wir daher auch hier bare, dnft- und honiglose Blüten (s. S. 192 a).

b) Wahrend des Stänbeus müssen Staub- blätter und Stempel frei daliegen (warum V). Die von den Blütenspelzen gebildete „Schachtel" muß sich daher öffnen. Dies bewirken zwei kleine, farblose Gebilde, die sogen. Schwellkörper chen. Sie liegen zwischen dem Fruchtknoten und der äußeren Blütenspelze, schwellen (Name!) kurz vor dem Stäuben schnell an und drängen infolge- dessen die genannte Spelze nach außen.

c) Während dies geschieht, sind die Staubfäden stark in die Länge gewachsen, so daß schon nach einigen Minuten die Staubbeutel zwischen den Spelzen hervor ins Freie geschoben werden. (Beide Vorgänge sind am besten an abgeschnittenen Ähren im Zimmer zu beobachten. Beschleunigt wird das Aufblühen bekanntlich dadurch, daß man eine „blühreife" Ähre mit ihrem Halmteile in den Mund nimmt.)

d) Die Staubbeutel hängen nunmehr an den langen, dünnen Fäden aus der Blüte. Schon ein leiser Windhauch vermag daher, sie zu bewegen und den Blütenstaub aus ihnen zu schütteln.

e) Von großer Wichtigkeit hierbei ist es, daß die Ähre den höchsten Punkt des Stengels einnimmt, also dem Winde frei ausgesetzt ist, und daß der Stengel schon durch einen leichten Windstoß ins Schwanken versetzt wird.

f) Wie die meisten Windblütler stäubt der Roggen im windreichen Frühling, und zwar geschieht dies nur an trockenen, sonnigen Tagen (vgl. S. 192 d).

g) Die beiden Staubbeutelfächer öffnen sich am oberen, jetzt dem Erdboden zugekehrten Abschnitte mit je einem Längsriß. Dabei krümmen sie sich

so, daß ihre Endteile gleichsam zwei kleine Löffelchen bilden. Infolgedessen wird der Blütenstaub, der sich daselbst ablagert, bei ruhiger Luft so lange zurückgehalten, bis er von einem Windhauche „abgeholt" wird. (Was würde im anderen Falle geschehen? vgl. S. 192 e. Beobachte den Vorgang an abgeschnittenen Ähren im Zimmer!) Ist dies geschehen, dann sickert aus dem

Blüte des Roggens, von außen gesehen und nach Entfernung der (Kelch- u.

äußeren Blütenspelze. i. B. innere Blütenspelze ; N. Narbe; F. Fruchtknoten:

s. Schwellkörperchen.

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

258 72' Familie. Gräser.

nicht klaffenden Abschnitte des Beutels neuer Staub in die „Löffelchen1', der abermals verweht wird u. s. f. Sind die Staubbeutel endlich entleert, so fallen sie, weil wertlos geworden, ab.

h) Wie die meisten anderen "Windblütler wächst der Koggen in großen Beständen, die allerdings vom Menschen geschaffen sind (s. S. 192, g; vgl. hieraufhin auch die anderen Gräser !). Er erzeugt ferner

i) eine große Menge trockenen Blütenstaubes (vgl. S. 1!>3, h und i), und

k) seine Narben stehen endlich zur Zeit des Stäubens frei da. Sie sind große, federartige Gebilde, also vollendete „Staubfänger" (s. S. 193, ku.l).

5. Frucht, a) Sobald das Stäuben beendigt ist, schrumpfen die Schwell- körperchen zusammen; die äußere Blütenspelze legt sich wieder wie ein Schachtel- deckel über die innere, und in ihrem Schutze reift nun die Frucht. Da die Ährchen an der Achse in zwei Reihen stehen, und jedes wieder zwei frucht- bare Blüten enthält, so sind die reifen Körner in der Ähre zu vier Längs- reih e n geordnet.

b) Jede Frucht enthält nur einen Samen, dessen sehr dünne Hülle mit der Fruchtknotenwand verwächst (s. Abb. S. 249). Eine so gebildete Frucht findet sich bei den meisten Gräsern. Sie wird daher Grasfrucht (Karyopse) genannt.

c) Sind die Körner reif, so lösen sie sich aus den Spelzen und fallen, da sie verhältnismäßig schwer sind, in unmittelbarer Nähe der Mutterpflanze zu Boden. Hierzu läßt es der Landmann natürlich nicht kommen. Er mäht den Boggen vorher ab, bringt ihn in die Scheune und schlägt auf harter Tenne die Körner aus den Ähren. (Beschreibe genauer, wie die Ernte und das Dreschen des Getreides erfolgt !) Aus den Körnern, die beim Einernten ausgefallen sind, entstehen zwar neue Pflanzen. Doch deren Nachkommen verschwinden sehr bald wieder, so daß wir trotz des weit ausgedehnten Roggenbaues nirgends verwilderten Roggen antreffen, ein Zeichen, daß wir es in dem wichtigen Ge- wächs (wie in allen anderen unserer Getreidearten) mit einem Fremdling auf unseren Fluren zu tun haben. Die Stammform des Roggens ist vielmehr im mittelländischen Pflanzengebiete heimisch.

Würden auch beim wildwachsenden Roggen die reifen Körner in unmittel- barer Nähe des Halmes zu Boden fallen, so wäre das für die Pflanze sehr nach- teilig (s. S. 10, 3). Er bedarf daher besonderer Einrichtungen, die eine Ver- breitung der Früchte ermöglichen. Solche sind auch vorhanden: Die Ähren - achse zerbricht erstlich bei der Reife, so daß die Ähre in eine große Zahl kleinerer Teile zerfällt. Die Früchte bleiben ferner von den Spelzen umhüllt. Dadurch wird dem Winde eine große Angriffsfläche geschaffen, so daß er die kleinen Körner leicht verwehen kann. Durch die äußere Blüten- spelze bleibt die Frucht aber auch mit der Granne im Zusammenhange. Da nun das stachelige Gebilde leicht in dem Pelze oder Gefieder vorbeistreifender Tiere hängen bleibt, kann das Korn endlich auf diese Weise auch weit ver-

Roggen. Weizen. Spelz. 259

schleppt werden. Zugleich dient die Granne der keimenden Frucht zur Be- festigung an den Erdboden. (Welche Einrichtungen haben wir bei anderen Pflanzen kennen gelernt, die eine gleiche Bedeutung haben?)

Diese „Aussäungsvorrichtungen" sind aber für das Einernten des Kornes sehr nachteilig (wieso?). Darum ist der Mensch bestrebt gewesen, sie zu be- seitigen, und durch viele Jahrhunderte lange, planmäßige Auslese (s. S. L9) ist ihm dies auch gelungen: Die Ähre zerfällt nicht mehr in einzelne Teile; das reife Korn bleibt nicht von den Spelzen umhüllt, und die Granne ist brüchig und bedeutungslos geworden. Hand in Hand mit dieser „Veredelung" ist zugleich eine wesentliche Vergrößerung der Körner er- folgt, kurz: es ist eine von der Stammform in zahlreichen Stücken abweichende „Kulturform" entstanden. (Beweise, daß die angebauten Gewächse, besonders die Getreidearten, nicht nur ein Erzeugnis der Kultur sind, sondern auch die Kultur im Gefolge haben!)

E. Feinde. Von der Aussat bis zur Ernte ist die überaus wichtige Pflanze von einem Heer von Feinden umringt: zahlreiche Unkräuter rauben ihr gleich den anderen Getreidearten unserer Felder Licht, Eaum und Nahrung; Schma- rotzerpilze, von denen besonders der Getreiderost und der Mutterkornpilz genannt sein mögen (s. das.), siedeln sich auf Stengel, Blatt und Blüte an; Engerlinge, Drahtwürmer und andere Insektenlarven zehren an den Wurzeln, und von den Früchten nähren sich Getreidelaufkäfer, Hamster und Feldmaus. Selbst in der sicheren Scheune oder auf dem Kornboden stellen sich oft noch zahlreiche ungebetene Gäste ein, von denen besonders Mäuse, sowie der weiße und schwarze Kornwurm großen Schaden anrichten können (s. Lehrbuch der Zoologie.).

2. Andere Getreidearten, Zuckerrohr und Bambus.

1. Nächst dem Boggen ist der Weizen (Triticum vulgäre) unsere wich- tigste Getreideart. Soweit es Boden und Klima (s. S. 248) nur erlauben, wird er in ganz Europa, sodann aber besonders in Nordamerika und Ostindien angebaut. Er liefert ein sehr feines, weißes Mehl, das, wie bekannt, besonders zu Weißbrot und allerlei feinem Backwerk verwandt wird. Auch gewinnt man aus den Weizenkörnern die Stärke, die u. a. zum Stärken der Wäsche im Ge- brauch ist. Von den zahlreichen Spielarten der wichtigen Pflanze treffen wir auf unsern Feldern am häutigsten den unbegrannten Kolben- und den begrannten Bart weizen. In Süddeutschland und der Schweiz wird hier und da eine andere Weizenart, der Spelt, Spelz oder Dinkel (T. spelta) gebaut, der mit weniger gutem Boden und geringerer Sommerwärme fürlieb nimmt, und bei dem die Ährchen in verhältnismäßig großen Zwischenräumen an der Achse stehen. Wie beim wilden Roggen zerbricht die Ährenachse bei der Reife, und die Körner bleiben von den Spelzen (Name!) umhüllt. Das unreife, gedörrte und von den Spelzen befreite Spelzkorn liefert das „Grünkorn-' oder den „Grünkern" des Handels.

260

72. Familie. Gräser

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Wie der Roggen stellt die Gerste (Hördeum sativum) an die Sommer- wärine nur geringe Ansprüche. Sie dringt daher gleichfalls weit nach Norden vor. Im Gegensatz zu jener Pflanze (und dem Weizen) stehen bei ihr aber auf jedem Absätze der Ährenachse 3 einblütige Ährchen. Daher sind auch die Körner bei der Reife in 6 Zeilen geordnet. Deutlich ausgeprägt ist dies jedoch nur bei der sechszeiligen G. Greifen die Seitenzeilen ineinander, so haben wir die Verhältnisse, wie sie die vierzeilige G. zeigt. Bei der zwei- zeiligen G. dagegen ist nur das mittlere der 3 Ährchen fruchtbar. Diese Spielart besitzt daher sehr große, wohlausgebildete Früchte, die besonders bei der Bierbrauerei zur Gewinnung des Malzes verwendet werden. Ferner dienen die Gerstenkörner, die zumeist von den Blütenspelzen umhüllt aus den Ähren

fallen, zur Herstellung von Graupen und Gries, und endlich werden sie auch als Futter für die Haustiere hochgeschätzt. Der Hafer (Avena sativa) unter- scheidet sich von den anderen Getreide- arten wesentlich durch den Blütenstand, der eine sog. Rispe darstellt. Am oberen Teile des Halmes gehen nämlich von den Knoten zahlreiche Nebenstengel aus, die sich zumeist nochmals verzweigen und an den Enden je ein Ährchen tragen. Die von den Spelzen umhüllt bleibenden Körner dienen besonders als Pferdefutter, werden jedoch auch enthülst und ge- schroten (Hafergrütze) in Breiform vom Menschen verzehrt.

Während die Heimat der genannten Getreidearten wie die des Roggens in den Ländern um das Mittelmeer zu suchen ist, stammt die Hirse (Pänicum miliäceum) wahrscheinlich aus dem mittleren Asien. Ihre Körner sind zwar nur klein; dafür bringt aber die große, einseitig überhängende Rispe deren sehr viele hervor. Sie werden bei uns besonders als Futter für das Hausgeflügel benutzt, finden aber auch als Speise für den Menschen Verwendung.

Der Mais (Zea maj^s) ist im tropischen Amerika heimisch, wird jetzt aber in allen warmen Ländern, sowie in den milderen Gegenden der gemäßigten Zonen angebaut. Da die wenigen, im Erdboden zur Ausbildung gelangenden Wurzeln die oft mehrere Meter hohe Pflanze nicht zu halten vermögen, brechen aus den unteren Knoten des markhaltigen Stengels seilartige Stützwurzeln hervor, dringen in den Boden ein und verzweigen sich daselbst vielfach (vgl. mit einem Fahnenmaste, der durch Taue gehalten wird). Im Gegensatz zu unsern einheimischen und angebauten Gräsern ist der Mais ein einhäusiges Gewächs (s. S. 166, a). Auf dem Gipfel des Stengels erheben sich die zu

n

Unterer Teil des Maisstengels

zahlreichen Stützwurzeln (verkl

Gerste. Hafer. Hirse. Mais. Reis.

2H1

einer großen Rispe geordne- ten Staubblüten, während die Stempelblüten zu dicken Kolben zusammengedrängt sind. Die Kolben entsprin- gen aus den Blattwinkeln und sind von zahlreichen Blättern umhüllt, dieden zar- ten Blüten den nötigen Schutz gewähren. Da aber die Nar- ben dem Winde ausgesezt sein müssen (warum ?) , sind die fadenförmigen Griffel von außerordentlicher Länge. Sie treten an der Spitze der Hülle in Form eines Büschels ins Freie. Die großen, meist gelben Früchte werden als Futter für die Haustiere hoch geschätzt, dienen aber gerö- stet oder gekocht in süd- lichen Ländern auch dem Menschen zur Speise. Aus dem Maismehl bereitet der Italiener seine „Polenta", einen Brei, der den ärmeren Volksschichten zur täg- lichen Nahrung dient. Bei uns kommt das Mehl unter verschiedenen Namen (z. B. als Mondamin) in den Handel und wird vornehmlich zur Herstellung süßer Speisen verwendet. In Mitteleuropa werden die Samen vielfach nicht oder nur ungenügend reif; hier wird die hohe, saftige Pflanze daher be- sonders als Grünfutter an- gebaut.

Der Reis (Oryza sativa) nimmt unter allen Getreidearten insofern den ersten Bang ein, als sich von seinen Früchten bei weitem die meisten Menschen ernähren. Er ist ein Rispengras wie der Hafer, erreicht eine Höhe von 1,50 m

Reispflanzen mit fast reifen Körnern (et\

262

Familie. Gräser.

Zuckerrohr, blühend; (Etwa '/so oat. Gr.

und hat sich von Ostindien und dem tropischen Afrika aus über alle heißen und warmen Länder verbreitet. Auch im südlichen Europa wird er mit Erfolg an- gebaut. Da er eine Sumpfpflanze ist, gedeiht er besonders in Nie- derungen, die regelmäßig über- schwemmt, dadurch aber auch vielfach zu Herden der gefürch- teten Sumpffieber werden. Die zu uns in den Handel kommen- den Körner sind von den Spelzen befreit und durch ein besonderes Mahlverfahren poliert. Wie aus den Kartoffelknollen und Weizen- körnern bereitet man aus ihnen eine wertvolle Stärke; durch Gärung liefern sie ein alkoholi- sches Getränk, den Arak.

2. Im Anschluß an die Getreidearten sind noch 2 Gräser zu erwähnen, die gleichfalls für den Menschen eine hohe Bedeu- tung erlangt haben : das Zucker- und das Bambusrohr. Das Zuckerrohr (Säccharum offici- närum), dessen Heimat wahr- scheinlich in Ostindien zu suchen ist, wird in allen Tropenländern angebaut. Ein Zuckerrohrfeld gleicht einem gewaltigen Schilf- dickicht. Aus dem ausdauernden Wurzelstocke erheben sich zahl- reiche markhaltige Stengel, die bei 2 5 cm Stärke eine Höhe von 6 m erreichen können und je eine endständige Blütenrispe tragen. Da die älteren Blätter abfallen und die Blattscheiden Narben zurücklassen, so erschei- nen die Stengel am unteren Teile deutlich geringelt. Haben

Zuckerrohr. Bambusgräser. Einheimische Gräser. 263

die Pflanzen ihre volle Größe erreicht, so beginnt die Ernte. Arbeiter schlagen mit großen Messern die Pflanzen dicht über dem Boden ab und entfernen die Blätter, sowie die wenig Mark enthaltende Spitze. Die so zubereiteten Stengel werden zur Fabrik gebracht und kommen zwischen schwere, eiserne Walzen, die das Mark zerquetschen. Der Zuckersaft, der bis 20°/o Rohrzucker enthält, fließt in gelblichem Strome in große Gefäße und wird sodann wie der Saft der Zuckerrübe weiter verarbeitet. Aus den zuckerreichen Rückständen gewinnt man durch Gärung den Rum.

3. Die Bambusgräser (Bainbüseae) sind in zahlreichen Arten über die ganze Tropenzone verbreitet. Es sind große, oft riesige, ausdauernde Gewächse, die eine Höhe von 40 m erreichen können und oft weite Landstriche mit dichtem AValde bedecken. Ihre Verwendung ist in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Die dicken Halme dienen zum Bau von Häusern, Hütten und Brücken, zur Herstellung von Wasserleitungen. Flößen u. s. w. Die dünneren Stengel werden als Stützen, Stangen und Mastbäume ver- wendet; man verfertigt aus ihnen Möbel, Musikinstrumente und hunderterlei andere Gegenstände. Schenkelstarke Halmglieder dienen als Wassereimer, kleinere als Becher, Flaschen u. dgl. Aus den knotigen, zähen Ausläufern stellt mau die Spazierstöcke her, die bei uns vielfach im Gebrauch sind; die jungen Triebe liefern ein schmackhaftes Ge- müse: kurz: es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß das Bambusrohr für viele Völker, besonders in Indien und Ostasien, geradezu unentbehrlich ist.

3. Einheimische Gräser.

1. Verbreitung der Gräser. Wo wir uns bei einem Gange durch die heimische Natur auch hinwenden mögen, überall treten uns Gräser entgegen. Sie bedecken als Getreide einen großen Teil des Feldes; sie bilden die weiten Wiesen- und Weideflächen der Niederungen und Berghänge; sie bewohnen den schwankenden Sumpfboden, wie den hartgetretenen Wegrand; sie gedeihen im kühlen Waldesschatten, wie auf sonnverbrannter Heide; sie umkränzen in mäch- tigen Beständen unsere Gewässer und haben auf öder Düne mit Sturm, Sonnen- brand und Dürre einen harten Kampf zu bestehen. Wie bei uns, so ist es auch in allen anderen Ländern der Erde. Soweit das Auge reicht, erblickt man oft fast nichts weiter als Gräser. Man denke nur an die schier unermeßlichen Steppengebiete, wie sie sich in allen Erdteilen linden, an die Pußten Ungarns, an die Pampas und Ljanos Südamerikas, an die Prärien Nordamerikas und wie die „Graswüsten" alle heißen mögen. Kurz: Die Gräser sind diejenigen Ge- wächse, die von allen Pflanzenfamilien den größten Teil der Erd- oberfläche bedecken.

2. Wiesen und Weiden. Abgesehen von den Getreidefeldern treten uns in der heimatlichen Natur die Gräser besonders auf Wiesen und Weiden in großen Beständen entgegen.

a) Während die Getreidegräser nur ein oder zwei Jahre leben, sind die Wiesengräser, die ja bleibende Bestände bilden, ausdauernde Pflanzen.

b) Geht bei den ausdauernden Gräsern die Bestückung so vor sich, wie wir sie beim Roggen kennen gelernt haben, so bilden sich wie dort größere

264 72. Familie. Gräser.

oder kleinere „Grasbüsche", die durch Zwischenräume voneinander getrennt bleiben. Solche Gräser sind also nicht imstande, eine zusammenhängende Gras- fläche zu bilden. Wie sich die AViesengräser bestocken, zeigt uns sehr deutlich die weiter unten erwähnte Quecke. Aus den untersten Halmknoten brechen zwar gleichfalls Zweige hervor. Sie richten sich jedoch nicht sofort auf, wie dies beim Roggen geschieht, sondern kriechen weit unter der Erdoberfläche dahin, verzweigen sich vielfach und nehmen von allen noch freien Räumen im Boden Besitz. Aus den Knoten dieser „Ausläufer" brechen nun zahlreiche oberirdische Zweige hervor, die entweder nur Blätter oder Blätter und Blüten tragen. Auf diese Weise entsteht die sog. Grasnarbe, das „Grundgewebe" des Wiesenteppichs, in das alle anderen Pflanzen der Wiese (nenne solche!) gleichsam eingeflochten sind.

c) Unsere Wiesen werden im Jahre gewöhnlich ein- oder zweimal gemäht, eine Arbeit, die auf den Weiden die Weidetiere gleichsam selbst besorgen (be- schreibe den Verlauf der Heu- und Grummeternte!). Außer den Wiesenpflanzen dürfte es wohl nur noch wenige Gewächse geben, die eine solche beständige Verstümmelung zu ertragen vermöchten. Kaum abgemäht, sprießt das Gras aber von neuem hervor. Ja, es erhält sich zumeist ganz allein durch fortgesetzte Sprossung; denn bevor es noch die Samen reifen kann, fällt es zumeist schon der Sense zum Opfer. Die große Widerstandsfähigkeit gegen Ver- stümmelungen und das hohe Sprossungsvermögen der Gräser sind also weitere Vorbedingungen für das Vorhandensein der Wiesen und Weiden. Wie in unserer Heimat, liefern aber auch in allen anderen Ländern die weiten Grasflächen den Haustieren ausschließlich oder vorwiegend die Nahrung. Auf den unscheinbaren Gräsern ruhen also in erster Linie Ackerbau (Getreidegräser!) und Viehzucht, die beide wieder den Anfang und die Grundlage aller menschlichen Kultur bilden.

3. Die wichtigsten und häufigsten Arten. Gehen wir zur Zeit der Grasblüte durch Wiese, Feld und Wald, so staunen wir über die große Mannigfaltigkeit, die unter den Gräsern herrscht. Wir können daher hier nnr die Formen kurz be- trachten, die uns am häufigsten entgegen treten und als Wiesengräser, Unkräuter u. dgl. für den Menschen von Bedeutung sind. Der Übersichtlichkeit wegen wollen wir sie wieder in 3 Gruppen ordnen :

a) Ährengräser (Ährchen sitzend oder kurz gestielt, eine einfache oder zu- sammengesetzte Ähre bildend). Als eines der bekanntesten, wildwachsenden Gräser sei zuerst die Quecke (Agropyrum repens) erwähnt, die auf Äckern und Feldern ein über- aus lästiges Unkraut bildet, aber auch an Wegen und Hecken überall häufig anzutreffen ist. Die Spitzen der Ausläufer sind durch starre, schuppenartige Blätter geschützt, so daß die Pflanze damit selbst Kartoffelknollen, ja sogar starke Baumwurzeln zu durch- bohren und mithin auch von hartem Boden Besitz zu ergreifen vermag. Die Ährchen stehen an der wellenförmig gebogenen Achse ziemlich entfernt und wenden ihr die Breitseite zu. Durch dieses Merkmal ist die Quecke leicht von dem ziemlich ähnlichen Taumel- Lolch (Lölium temulentum) zu unterscheiden, bei dem die Ährchen der Achse die Schmalseite zukehren. Die Pflanze findet sich gleichfalls unter dem Getreide. Da sie

Ährengräser.

265

es c

26G

72. Familie. Gräser.

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Ährenrispengräser.

26^

aber einjährig ist (keine Aasläufer I), richtet sie nur wenig Schaden an. Beachtenswert ist sie jedoch durch ihre Körner, die beim Menschen Vergiftungs- erscheinungen hervorrufen. (Name!) Der nächste Verwandte des Lolchs ist das englische Ray^ras (L. perenne) mit sehr ähnlichen, aber zierlicheren Ähren. Da es dichte Rasen bildet, ist es ein wertvolles Futtergras, das auch (namentlich in Eng- land . Artname!) gern zur Anlegung von Gras-Beeten verwendet wird. An Wegen und Mauern findet sich häufig ein Gras, das der angebauten Gerste sehr ähnlich ist, die Mäuse-Gerste (Hürdeum murinum). b) Äh r en r ispengr äs er (Ährchen zu meh- reren auf verästelten Stielen, eine ährenförmige Rispe bildend. Dies ist meist erst beim Umbiegen des Blutenstandes zu erkennen!). Der Wiesen- Fuchsschwanz (Alopeeurus pratensis) , der den Gattungsnamen nach dem kurzen, walzenförmigen Blutenstände trägt, ist eines unserer wichtigsten Wiesengräser. Dasselbe gilt von dem Wiesen- Lieschgrase oder Timotheusgrase (Phleum pra- tense). Sein Blutenstand ist dem der vorigen Art fast gleich, aber länger und dünner, einem kleinen Zylinderputzer ganz ähnlich. Das Ruchgras (Anthoxanthum odorätutn) dagegen bildet nur nie- dere Rasen. Es verleiht (Name!) dem Heu den würzigen Duft des Waldmeisters, der aber wie bei dieser Pflanze den Weidetieren zuwider ist- Während des Blühens spreizen die Ährchen von der Ährenachse ab, so daß dem Winde ein besserer Zu- gang zu den Staubbeuteln und Narben geschaffen ist (Bedeutung? Beobachte daraufhin auch andere Gräser!) Durch das Einatmen des Blütenstaubes entsteht bei dafür empfänglichen Leuten das sog. Heufieber. An den kammartigen Ährchen ist leicht das Kammgras (Cynosürns cristätus) zu erkennen. Eine ungemein wichtige Pflanze für die Bewohner unserer Meeresküsten ist der Strandhafer (Am- möphila arenaria), der dem Sande der Dünen Leben verleiht. Obgleich der Boden, dem das Gras ent- sprießt, außerordentlich trocken ist. vermag es ihm doch genügend Nahrung und Wasser zu entziehen; denn es besitzt einen mehrere Meter langen, vielfach verzweigten Wurzelstock , der samt den zahlreichen Wurzeln den Sand nach allen Richtungen durchzieht. Hierdurch erhält die lockere Sandmasse einen festen Halt . so daß sie selbst dem heftigsten Angriffe der Stürme und dem don- nernden Anprall der Wogen zu widerstehen vermag. Die Dünen werden somit

Strandhafer. Strandroggen. i Kleine Exemplare.

268 72. Familie. Gräser.

gleichsam zu Bollwerken, die die Ansiedelungen nnd Felder der Menschen schützen, vom Sande bedeckt und von den Fluten vernichtet zu werden. Darum pflanzt auch der Küstenbewohner die wichtige Pflanze vielfach an und behütet sie wie der Binnenländer das Getreide des Feldes. Die gleiche Bedeutung hat ein zweites, sehr ähnliches Gras, der Strandroggen (Elyinus arenärius), der auch im Binnenlande an sandigen Stellen vorkommt, dessen Blütenstand aber eine Äbre bildet. (Name! Er hätte also eigentlich bei den Ährengräsern erwähnt werden müssen!) Ist der Boden feucht, so breitet so- wohl der Strandroggen seine breiten, hellgrünen, als auch der Strandhafer seine schmaleren, dunkelgrünen Blätter flach aus; ist der Sand aber trocken, dann sind die Blätter beider Pflanzen zu langen Röhren zusammengerollt. Durch tiefe Längsfurchen, wie man solche auch an Blättern mehrerer anderer Gräser antrifft, sind sie hierzu wohl befähigt. Welche Bedeutung diese Erscheinung hat, zeigt uns ein einfacher Versuch. Schneiden wir von beiden Pflanzen einige Blätter ab, so rollen sie sich nach kurzer Zeit ein. Dadurch verkleinern sie ihre Oberfläche sehr stark, so daß sie jetzt auch nicht mehr soviel Wasser verdunsten wie vordem. Da sich ferner sämtliche Spaltöffnungen auf der Unterseite befinden, jetzt also alle in den windstillen Hohlraum der Bohre münden, so wird durch diese Einrichtung die Verdunstung umso mehr eingeschränkt. Steckt man die Blätter darauf ins Wasser, so daß sie jetzt eine solche Ersparnis nicht mehr nötig haben, so breiten sie sich nach kurzer Zeit auch wieder vollkommen aus. Diese Tatsachen erklären uns auch, warum die empfindlichen jungen Blätter beider Pflanzen stets Röhrenform besitzen.

c) Rispengräser (Blütenstand wie beim Hafer). Einen wichtigen Bestandteil unserer Wiesen bildet der Wiesenhafer (Arrhenatherum elätius), der seine „hafer- ähnlichen* Rispen oft mehr als meterhoch über den Boden erhebt. Die äußere Blüten- spelze der unteren Blüte in jedem Ährchen trägt auf dem Rücken eine lange Granne, die wie die Granne des Reiherschnabels knieförmig gebogen und im unteren Teile korkzieherartig aufgerollt ist. Löst sich das Ährchen bei der Reife los, so wird es wie die Teilfrucht jener Pflanze mit Hilfe dieser Einrichtung in den Boden gebohrt. (Ver- such !) Gleichfalls haferähnlich sind die Trespen (Bromus) ; sie besitzen aber dicke, lanzettliche Ährchen, deren Kelchspelzen im Gegensatz zum Hafer nicht abspreizen. Mehrere Arten, wie die (S. 265) abgebildete taube T. (B. sterilis), wachsen an unfruchtbaren Stellen. Durch sehr kleine, meist violett angelaufene Ährchen an haarfeinen Ästen zeichnet sich das Stranggras (Agröstis vulgaris) aus. Es überzieht auf Wiesen und Triften, sowie an Acker- und Waldrändern vielfach große Strecken wie mit einem zarten Schleier. Die oft mehr als meterhohe Rasenschraiele (Aira caespitösa) hat eine ähnliche Rispe. Bei ihr sind die Äste aber zumeist bogenförmig abwärts geneigt. Das Wiesenrispengras (Poa pratensis) bildet infolge seiner zahlreichen Ausläufer eine sehr dichte Grasnarbe. Es ist unser häufigstes Wiesengras, das ein vortreffliches Futter liefert. Aus knäuelartigen Ährchenmassen besteht die einseitige Rispe des Knäuel- grases (Däctylis glomeräta). Auf trockenen Wiesen findet sich häufig das zierliehe Zittergras (Briza media), dessen große, muschelförmige Spelzen wirksame Windfänge für die winzigen Früchte darstellen. Das Honiggras (Holcus lanatus) ist wollig be- haart und hat sehr reiehblütige, meist rötlich oder violett angelaufene Rispen, die wie beim Ruchgras u. a. während des Blühens stark gespreizt sind. Dieselbe Erscheinung beobachten wir auch an der einheitswendigen Rispe des Wiesenschwingels (Festuea elätior), das eines unserer besten Wiesengräser darstellt.

Teiche und Seen sind oft von einem weitausgedehnten , Graswalde" umkränzt,

Äbrenrispengräser. Rispengräser.

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72. Familie. Gräser. 73. Familie. Riedgräsei

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Schilf. Glanzgras. Seggen. Simsen. 271

der von dem Schilfe (Phragmites communis) gebildet wird. Mit Hilfe langer Aus- läufer dringt das Gras vom Ufer aus bis zu jenen Stellen der Gewässer vor, an denen es infolge geringer Tiefe noch zu leben vermag. Weht ein heftiger Wind, so er- scheinen die mächtigen Bestände, als wären sie gekämmt. Da die Innenflächen der Blattscheiden und die Oberseite des Halmes glatt sind, dreht nämlich der Wind die Blätter und stellt sie wie die Wetterfahne auf dem Dache in die Windrichtung. In- folgedessen streift er an ihnen vorbei, so daß der Halm trotz seiner Grüße (bis 3 in) und der langen, breiton Blätter selbst vom heftigsten Sturme nicht geknickt wird. Zur Zeit der Fruchtreife sind die Ährchenstiele mit langen, seidenartigen Haaren bedeckt, so daß der Fruchtstand einem großen Federballen gleicht. Lösen sich die Ährchen von der Mutterpflanze, so werden sie ein Spiel der Winde. Lnfolgedessen werden die Früchte leicht über einen weiten Bezirk ausgesät. Bis zur Blütezeit ist von den Haaren nur wenig zu bemerken; sie würden ja auch der Bestäubung nur hinderlich sein. Die langen und festen Halme werden zur Bekleidung von Wänden, zum Bedecken der Dächer, zur Herstellung von allerlei Flechtwerk und dgl. vielfach verwendet. Ein dem Schilfe sehr ähnliches Gras, das sich gleichfalls häufig am Wasser findet, ist das Glanzgras (Phälaris arnndinäcea). Eine Spielart von ihm mit weiß-grün gestreiften Blättern wird als „Band gras" gern als Zierpflanze gezogen.

73. Familie. Riedgräser (Cyperäceae).

Die Riedgräser sind grasartige Pflanzen („Sehein- oder Halbgräser"), die sich mit den echten Gräsern besonders auf sumpfigem, moorigem oder sog. sauerem Boden („Sauer- gräser") an der Bildung der Wiesen beteiligen. Da sie aber scharfschneidende Blätter besitzen, die von den Weidetieren vielfach verschmäht werden (Schutzmittel der Pflanzen !), so liefern „saure Wiesen" nur ein schlechtes Futter. Zahlreiche andere Riedgräser lieben wieder den wasserarmen Sandboden.

Die Merkmale, durch die sich die Riedgräser von den echten Gräsern unter- scheiden, wollen wir an den Seggen (Carex) kennen lernen, einer Gattung, deren zahl- reiche, schwer nnterscheidbare Arten überall anzutreffen sind. Wir finden bei ihnen meist einen dreikantigen, knotenlosen Stengel, an dem die Blätter in 3 Zeilen ange- ordnet sind. Die Blattscheiden sind geschlossen und ohne Blatthäutchen. Die Ährchen sind aus Staub- oder Stempelblüten oder aus beiden Blütenarten zusammengesetzt. Die Blüten sind unscheinbare Gebilde, die dementsprechend durch Vermittlung des Windes bestäubt werden (weise im einzelnen nach, wie sie hierzu eingerichtet sind!) Die Stempelblüten, die nur aus einem Fruchtknoten und einem Griffel mit 2 oder 3 Narben bestehen, sind gleich der Frucht von einem schlauchförmigen Blatte schützend umgeben. Zahlreiche Seggen treiben Ausläufer und tragen daher auf Sandfeldern und Dünen zur Bindung des Flugsandes bei. Dies zeigt z. B. deutlich die Sand-S. (C. arenaria), deren Wurzelstock meterweit im Boden dahinkriecht. Da er nun hierbei eine gerade Linie einhält, so stehen die aus den Knoten sich erhebenden oberirdischen Triebe so regel- mäßig, als wären sie vom Menschen in eine Reihe gepflanzt.

Die übrigen Glieder der Familie haben im Gegensatz zu den Seggen Blüten, die eines „Schlauches" entbehren und beiderlei Befruchtungswerkzeuge einschließen. Dies zeigen z. B. die Simsen (Scirpus), die in zahlreichen Formen auf sumpfigen, torfigen Wiesen, an den Ufern der Gewässer und anderen feuchten Stellen anzutreffen sind. Sie ähneln bis auf den Bau der Blüte ganz den Binsen, mit denen sie unter gleichen Lebens-

272 Taf. 34. 73. Familie. Riedgräser. 74. Familie. Knabenkrautgewächse.

bedingnngen wachsen (Beweis !). Torfwiesen bewohnt auch das zierliche Wollgras (Eriöphorum). Nach der Bestäubung (warum erst dann ?) verlängert sich die aus seiden- artigen Haaren bestehende Blütenhülle, so daß jedes A lirchen einen kleinen "Woll- büschel darstellt. Zugleich strecken sich auch die Ähr- chenstiele stark in die Länge. Daher werden die reifen, winzigen Früchte vom Winde leicht losgerissen und wie ein Federball ein Spiel der Lüfte (Bedeutung?). Ein ^ä/ , Riedgras ist auch die im

1 w^7 Altertum so hochberühmte

I W -'■■"'*' Papierstande (Gyperas pa-

ff lajr pyrus), die namentlich in

Ägypten angebaut wurde

Frnchtährchen d.-s Wollgrases, von dem der Wind und unserem Papiei. de]1

soeben einige Früchte verweht (nat. Gr.). Namen gegeben hat. Es ist

eine Sumpfpflanze , deren 1 3 m hoher Halm von einem großen, doldenförmigen Blütenstande gekrönt wird. Zum Zwecke der Papierbereitung schlitzte man den Halm auf und klebte die einzelnen Häute und Fasern in noch feuchtem Zustande aneinander.

74. Familie. Knabenkrautg-ewächse oder Orchideen (Orchidäceae.)

Blüte seitlich symmetrisch. Blütenhülle aus 2 gleichen, dreiblättrigen Kreisen. Meist

nur ein Staubblatt, das sich mit der Narbe auf einem Fortsatze des unterständigen

Fruchtknotens, dem sog. Säulchen, befindet. Fruchtknoten meist einfächerig. Frucht

kapselartig mit sehr zahlreichen, äußerst kleinen Samen.

Das gefleckte Knabenkraut oder die FJecken-Orchis (Orchis maculäta).

Taf. 34.

A. Eine Frühlingspflanze feuchter Wiesen. Wenn auf feuchten Wiesen das Gras zu sprießen beginnt, kommt auch das Knabenkraut zum Lichte hervor. Es vermag so zeitig zu erscheinen, weil ihm wie dem Scharbockskraute (s. das.) und anderen Frühlingspflanzen Stoffe zum schnellen Aufbau der oberirdischen Teile zur Verfügung stehen. Diese Stoffe sind in einer

1. Knolle aufgespeichert, einem Gebilde, das infolge seiner eigentümlichen Form von jeher die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich gezogen hat. Weil es allerlei Segen über den Besitzer bringen sollte, bezeichnete man es als .,Christus-, Marien- oder Glückshändchen." Die dunklen Knollen (s. Absch. b) dagegen galten als „Teufelshände und Satansfinger".

a) Die Baustoffe sind in den Knollen besonders als Stärke (Jodprobe; (s. S. 138, d) und Pflanzenschleim aufgespeichert und zwar in so großen Mengen,

Schmeil. Lehrbuch der Botanik.

Tafel 34.

Geflecktes Knabenkraul oder Flecken-Orchis (Orchis maculata).

Wollgras. Papierstande. Geflecktes Knabenkraut. 273

daß man aus ihnen ein nahrhaftes, schleimiges Heilmittel, den Salep, herstellen kann. (Zur Gewinnung dieses Stoffes dienen aber zumeist andere und zwar vor- wiegend auslandische Arten der Familie.)

b) Gräbt man die Pflanze im zeitigen Frühjahre aus dem Boden, so findet man in der Achsel eines der häutigen Hüllblätter, die den jungen, oberirdischen Trieb umgeben, eine Knospe. Sie treibt einige Wurzeln, die das Hüllblatt durchbrechen und zu einer kleinen Knolle von der Form der „alten" an- schwellen. Zur Blütezeit (1) hat sich das Knöllchen schon merklich vergrößert, während die alte Knolle braun geworden und etwas verschrumpft ist. unter- sucht man die Pflanze etwa zur Zeit der Fruchtreife wieder (2), so ist die ,,junge" Knolle zur Größe der alten herangewachsen, die jetzt dunkelbraun und noch mehr verschrumpft ist. Gräbt man nun endlich nochmals nach, wenn der Herbst ins Land zieht, so ist die „alte" Knolle abgestoßen und in Verwesung begriffen. Diese Erscheinungen sind also genau dieselben, wie wir sie an der Kartoffelknolle verstehen gelernt haben, nur daß hier die Bildung der jungen Knolle in unmittelbarer Nähe der alten erfolgt. Wir haben hier also kurz gesagt folgenden Vorgang: während sich aus den Vorratsstoffen, die in der Knolle aufgespeichert sind, die oberirdischen Teile aufbauen, bildet sich an ihr eine „Ersatzknolle" für das nächste Jahr. Als ein für die Pflanze wertloses Gebilde geht die alte Knolle schließlich zu Grunde. An ihre Stelle ist die neue getreten, die prall mit Baustoffen für das kommende Jahr gefüllt ist.

2. Stengel und Blätter, a) In dem Maße, in dem sich die Wur- zeln zu der Ersatzknolle ausbilden, vergrößert sich auch die Knospe, aus der die Wurzeln hervorbrechen (1 und 2). Anfangs ist sie noch von dem Hüll- blatte, in dessen Achsel sie entsteht, schützend bedeckt (in Fig. 1 ist dieses Blatt entfernt, um die Knospe zu zeigen). Mit dein Verwesen der Hüllblätter wird sie aber frei und stellt jetzt

b) einen kegelförmigen Trieb (2) dar, der selbst die Grasdecke der Wiese leicht zu durchbrechen vermag (vgl. mit Tulpe und Maiblume !). Als Schutz- mittel gegen Verletzungen dient ihm eine Scheide

c) farbloser Hüllblätter, die später braun werden und schließlich ver- wesen (1.). Hat der Trieb die Erdoberfläche erreicht, so stellen die Hüllblätter das Wachstum ein und werden von den eingeschlossenen Teilen auseinander gedrängt.

d) Am Ende des massiven Stengels findet sich der Blütenstand, der bisher von den kegelförmig zusammengeneigten Blättern überdeckt war (vgl. mit Tulpe). Da die Blüten den Blicken der Insekten ausgesetzt sein müssen, streckt sich der Stengel so hoch, wie es das mitwachsende Gras erfordert. (Vgl. dag. Scharbockskraut und Herbstzeitlose, die an demselben Standorte wachsen !)

e) Die Blätter ähneln nach Form und Stellung ganz denen der Tulpe. Sie sind auch wie die Tulpenblätter vollkommen kahl; denn da sie von der feuchten Frühlingsluft umflutet werden, und da der nasse Wiesengrund Wasser

Sc hm eil. Lehrbuch der Botanik. ]8

27/

74. Familie. Knabenkrautgewächse.

zur Genüge liefert, können sie z. B. des schützenden Haarkleides entbehren, das wir bei zahlreichen Sommer- und Trockenlandpflanzen finden (Beispiel!).

Sie zeichnen sich aber vor den Tulpenblättern meist durch den Besitz schwarzbrauner Flecken aus (Artname!), eine Erscheinung', die gleichfalls mit dem feuchten Standorte in Beziehung zu stehen scheint. Da sich nämlich dunkel- gefärbte Körper stärker erwärmen als helle wir brauchen nur an unsere sommerliche Kleidung zu denken, so wird sich auch ein von der Sonne be- schienenes, dunkelgeflecktes Blatt stärker erwärmen als ein sonst gleiches, aber ungeflecktes Blatt. Je höher aber die Temperatur in dem Blatte ist, desto leb- hafter wird es auch das von der Wurzel aufgesogene Wasser verdunsten. Da nun mit diesem Wasser beständig Nährstoffe zu den Blüten emporsteigen, so ist eine starke Verdunstung für diejenigen Pflanzen, denen viel Feuchtigkeit zu Gebote steht, sicher von Vorteil. Die Verhältnisse des Standortes machen uns auch die geringe Ausbildung der

3. Wurzeln verständlich, die am unteren Teile des Stengels entspringen und die Hüllblätter durchbrechen : die wenigen kurzen, unverzweigten, strang- artigen Gebilde sind wohl imstande, dem stets feuch- ^s^^^^^ ten Grunde die nötigen Wassermengen zu entnehmen

/wti^K (viil' ^' <lir Trockenlandpflanzen!).

/ \\ B. Eine Pflanze, die allein durch Insekten

OO 1 1 bestäubt werden kann.

1. Blüte. Die Blüten (1.) nehmen den Endteil des Stengels ein. Sie entspringen aus der Achsel je eines Deckblattes, das ihnen im Knospenzustande Blütengrundriß des als Schutz diente. Der Stiel, auf dem sie sich zu er- Knabenkrautes. heben scheinen, ist der unterständige Fruchtknoten.

Die Blütenhülle (3.), die in ihren Farben große Verschiedenheiten (lila bis weißlich) aufweist, ist seitlich-symmetrisch (s. S. 30, a) und besteht aus 2 dreiblätterigen Kreisen. Das große mittlere Blatt des äußeren Kreises und die beiden „oberen" Blätter (s. aber Absch. d) des inneren Kreises neigen sich helmförmig zusammen und bilden ein Regen- dach für die inneren Blütenteile. Die beiden anderen äußeren Blätter sind langgestreckt, während das untere, innere Blatt eine große dreiteilige, pur- pur-gefleckte „Unterlippe" darstellt und in einen langen Sporn ausge- zogen ist. Dicht über dem Eingange zum Sporn findet sich auf einem kurzen Fortsatze des Fruchtknotens, dem sog. Säulchen, die große, glänzende Narbe (N.) und darüber das einzige (ausgebildete) Staubblatt (St.). Der Faden des Staubblattes ist mit dem Säulchen so innig verschmolzen, daß nur der Staubbeutel sichtbar ist. Er besteht aus 2 Fächern, die sich durch einen Längsspalt öffnen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Pflanzen, bei denen der Blütenstaub ein feinkörniges Pulver bildet, sind hier stets mehrere Staub- körnchen miteinander verwachsen. Zahlreiche der auf diese Weise entstehenden Paket chen" sind wieder durch einen Klebstoff zu einem kleinen gestielten

Knabenkraut. 275

Kolben (6.) vereinigt, der in einem „Klebscheibchen" endet. Die Scheiben beider „Staub kölbchen" sind in einer kleinen „Tasche" (T.) geborgen. 2. Bestäubung. Eine so eigentümlich gebaute Blüte wird uns wie in allen anderen ähnlichen Fällen nur dadurch verständlich, daß wir ihre Bestäu- bung genau verfolgen.

a) Die Blüten sind an sich klein. Da aber viele zu einer Ähre ge- häuft sind, werden sie den Insekten wohl auffällig.

b) Die Auffälligkeit wird vielfach noch dadurch erhöht, daß anch die Deckblätter und der obere Teil des Stengels bunt gefärbt sind (1).

c) i»ie aufliegenden Insekten vor allen Dingen sind es Fliegen und Hummeln finden auf der Unterlippe einen bequemen Sitzplatz (4.). Öffnet man jedoch eine Blüte, so lange sie sich noch im Knospenzustande befindet, so sieht man. daß dieses Blatt nach oben gerichtet ist, also eine sehr ungünstige Lage hat, um als Sitzplatz für die Bestäuber zu dienen. Es muß daher eine „Korrektur" eintreten :

d) kurz bevor sich die Blüte öffnet, dreht sich der als Stiel dienende Fruchtknoten um 180° und bringt somit die Blüte in die „richtige'' Lage.

e) Zahlreiche, dunkel-purpurrote Flecke und Striche, die alle nach der Öffnung des Spornes hinweisen, bilden vielleicht das „Saft- mal", das dem Blütengaste zeigt, wo es für ihn etwas zu naschen gibt (s. S. 121, 3).

f) Sobald das Insekt Platz genommen 4Üܧf' '"'"' hat, senkt es den Rüssel in den Sporn, der

auffallenderweise aber keinen freien Honig Staubkölbchen auf der Spitze eines enthält. Der in der fleischigen Sporenwand Bleistiftes. 1 Nacl dem Eervor- enthaltene süße Saft muß von dem Tierchen ziehen: 2 einige Minuten darnach. mit Hilfe der Rüsselspitze erst erbohrt werden.

g) Sobald aber das Insekt die zum Saugen notwendige Stellung einge- nommen hat, berührt es mit dem Kopfe das „Täschchen", das genau die Blüten- mitte einnimmt. Das zarte Häutchen zerreißt infolgedessen, die beiden Kleb- scheiben werden frei und heften sich dem saugenden Insekt an Stirn oder Augen. Verläßt das Tier darauf die Blüte (4.), so zieht es die beiden Staubkölbchen aus den Staubbeutelfächern hervor, und wie mit 2 Hörnchen geschmückt, fliegt es davon. Ahmt man diesen Vor- gang vielleicht mit Hilfe eines zugespitzten Bleistiftes nach, so sieht man,

h) wie sich die anfangs aufrecht stehenden Kölbchen sehr bald nach vorn herabneigen. Dasselbe geschieht natürlich auch, wenn sie an dem Kopfe eines Insekts kleben (5.). Läßt sich das Tier auf einer zweiten Blüte nieder, so müssen infolgedessen die Kölbchen gerade die N arbe berühren, die sich -ja unterhalb des „Täschchens" befindet: einige Staubkorn-Paketchen bleiben an der klebrigen Narbenfläche haften, und die Bestäubung ist erfolgt.

27ß 74. Familie. Knabenkrautgewächse.

C. Eine Pflanze, die durch den Wind verbreitet wird. 1. Durch- schneidet man den Fruchtknoten zur Blütezeit (s. Blütengrundriß), so sieht man, daß er aus 3 miteinander verwachsenen Blättern besteht, die an den Rändern zahlreiche Samenanlagen tragen. Indem sich bei der Reife diese „Samenträger'' von den übrigen Teilen der Fruchtblätter ablösen,

2. öffnet sich die Kapsel mit 6 Klappen (7.). Da diese Klappen aber oben und unten vereinigt bleiben, können die Samen nicht auf einmal herausfallen (warum wäre das für die Pflanze von Nachteil?). Wohl aber vermag der Wind durch die Spalten zu streichen,

3. die Samen in kleinen Wolken herauszublasen und weithin zu ver- wehen. Beides ist umso leichter möglich, als die Samen staubförmig kleine Gebilde sind. Außerdem umschließt die Samenschale den Keimling wie ein weiter Mantel (8.). Sie bietet dem geschäftigen Winde also eine große Angriffs- fläche dar (vgl. mit Löwenzahn).

4. Ein solches Herausblasen der Samen wäre aber bei einer Kapsel, die wie der Fruchtknoten schraubenförmig gedreht ist, nicht möglich (warum nicht?). Wir sehen daher, daß der Fruchtknoten nach erfolgter Bestäubung diese Drehung verliert, sich also wieder gerade streckt (7.).

Andere Knabenkrautgewäclise oder Orchideen.

Die Orchideen gehören wegen des seltsamen Baues der Blüten sicher zu den interessantesten Gliedern der Pflanzenwelt. Viele von ihnen zeichnen sich zudem noch durch Farbenpracht und köstlichen Duft aus. Sie bewohnen die verschiedensten Boden- arten und treten hier in geringerer, dort in größerer Anzahl auf. Gegenden mit Kalk- boden sind besonders reich daran.

1. In der Gesellschaft der soeben betrachteten Pflanze findet sich das ganz ähnliche breitblättrige Knabenkraut (0. latifölia), das an dem hohlen Stengel leicht zu erkennen ist. Auf Triften und trockenen Wiesen ist häufig das kleine Salep-K. (0. mörio) anzutreffen, das runde Knollen besitzt. Eine überaus zarte Schattenpflanze (s. S. 7, b und c) ist die Kuckucksblume (Piatanthera bifölia). Die rein-weiße Blütenfarbe, der besonders bei Nacht stark hervortretende Nelkenduft, sowie der lange, enge Sporn lassen uns in ihr leicht eine Nachtfalterblume erkennen (s. S. 39). An denselben Stellen findet sich auch das Zweiblatt (Listera oväta), dessen unscheinbar grüne, aber sehr honigreiche Blüten besonders durch Schlupfwespen bestäubt werden. Spornlos wie diese Pflanze sind auch die Sumpfwurz- Arten (Epipäctis), die teils sumpfige Wiesen, teils Wälder, teils den trockensten Sandboden bewohnen. Die schönste unserer Orchideen ist unstreitig der Frauenschuh (Cypripedium calceolus), der auf Kalk- boden im Schatten des Laubwaldes gedeiht. Er trägt nur wenige , dafür aber umso größere Bluten, deren gelbe Unterlippe einen zierlichen „Schuh" bildet. Eine überaus sonderbare Form ist die blasse Nestwurz (Neöttia nidus avis), die im Moder des Wald- bodens wurzelt, der Laubblätter entbehrt und nur Spuren von Blattgrün besitzt. Gleich der Hopfenseide (s. S. 129) ist sie daher auch nicht imstande, die für das Leben und den Aufbau ihres Körpers nötigen Stoffe zu bereiten. Gräbt man aber nach, so findet man, daß der eigentümlich nestartige Wurzelstock (Name !) mit keiner anderen Pflanze in Verbindung steht: das seltsame, gelbe oder bräunliche Gewächs nährt sich von den

reitl.- u. Salep-Orchis. Kuckucksbl. Zweiblatt. Sumpfw. Frauensch. Nestwurz. 277

Stoffen, die im Boden schattiger Wälder faulen; es ist also kein Schmarotzer (Parasit) wie die Hopfenseide, sondern ein Fäulnisbewohner (Saprophyt).

2. Wie sich unter dem Einflüsse hoher Wärme und großer Feuchtigkeit die Pflanzenwelt der Tropen zur höchsten Pracht entfaltet, so gilt dies für die Orchideen im besonderen. Die vielgestaltige Pflanzenfamilie ist dort durch Tausende von Arten vertreten, die untereinander in der Schönheit ihrer oft höchst bizarren Blüten wett- eifern. Dies zeigt uns schon ein Gang durch eines jener Warmhäuser, in denen bei uns die kostbaren Pflanzen gepflegt werden. Zahlreiche dieser seltsamen Formen sind

Tropische Orchidee.

Überpflanze auf einem Baumzweige wachsend. (Cattleya-Art aus Brasilien.) (lj2 nat. Gr.)

in ihrer Heimat Bewohner der dichten Urwälder. Die Kronen der Baumriesen hindern aber vielfach die Sonnenstrahlen, bis zum Boden zu dringen, so daß dort ein beständiges Halbdunkel herrscht. Die Orchideen sind daher gezwungen, sich einen Standort zu „suchen", an dem sie des belebenden Sonnenlichtes teilhaftig werden: sie siedeln sich als „Überpflanzen" (Epiphyten) mit zahlreichen Gliedern anderer Pflanzenfamilien auf der Rinde der Stämme und Zweige an. Dort breiten sie ihre Wurzeln aus oder lassen sie frei herabhängen (Luftwurzeln). Sie nähren sich von dem Staube, den der Wind in die Ritzen und Spalten der Rinde weht, sowie von dem Regen und Tau, der auf sie herabfällt. Tritt in der Heimat der Pflanzen die trockene Jahreszeit ein, so ist ein solcher Standort aber höchst ungünstig. Zahlreiche Arten speichern daher gleich den Kaktusgewächsen (s. das.) in dem knollig angeschwollenen Stamme jeden

278 74. Fam. Knabenkrautgewächse. 75. u. 76. Farn. Froschlöffel- u. Froschbißgew.

Wassertropfen auf, den sie erlangen können, am während der Zeit der Trocknis aus diesem „Brunnen zu schöpfen".

Eine dieser Urwaldpflanzen ist die Vanille (Vanilla planifölia), die uns in ihren unreifen, langen, schotenförmigen Früchten das bekannte köstliche Gewürz liefert. Sie ist im tropischen Amerika heimisch, wird gegenwärtig aber in fast allen heißen Ländern angebaut. Gleich dem Efea klettert sie mit Hilfe langer Luftwurzeln zum Lichte empor und hat im Gegensatz zu den zahlreichen, farbenprächtigen Orchideen ihrer Heimat nur unscheinbare, grüngelbe Blüten.

75. u. 76. Familie. Froschlöffel- und Frosehbißg-ewäehse (Alismäceae und Hydrocharidäceae).

1. Froschlöffelgewächse. Diese kleine Familie umfaßt einige Gewächse, die man stets im oder am Wasser antrifft. Von schilfartiger Gestalt ist die stolze Schwanenblume (Bütomus umbellätus), die auch Wasserliesch oder Blumenbinse genannt wird. Auf hohem Schafte trägt sie eine Dolde prächtig rosafarbener Blüten (beschreibe sie!), die im Knospenzustande von zahlreichen Hüllblättern schützend bedeckt ist. Haben diese Blätter ihre Aufgabe erfüllt, so werden sie trockenhäutig. Die Früchte sind durch Lufträume schwimmfähig, eine Einrichtung, die zu dem Standorte der Pflanze in innigster Beziehung steht. Mit der Schwanenblume heben auch der all- bekannte Froschlöffel (Alisma plantägo) und das schmucke Pfeilkraut (Sagittäria sagittifölia) ihre Blätter über den Wasserspiegel empor. Steigt das Wasser aber er- heblich, so nehmen die sonst löffel- bezw. pfeilförmigen Blätter (Namen !) die Form langer Riemen an. Dann vermögen sie der Strömung des Wassers zu folgen, während sie sonst leicht zerrissen werden könnten. Im Gegensatz zu diesen Sumpfpflanzen sind die

2. Froschbißgewächse wirkliche Wasserbe wohner. Das zeigt uns z. B. der zierliche Froschbig (HyJröcharis morsus ranae), der frei im Wasser schwebt und mit- hin auch nur in stehenden oder ganz langsam fließenden Gewässern zu leben vermag. Gleich der Seerose breitet er seine schön geformten Blätter, die daher auch in zahl- reichen Stücken mit denen jener Pflanze übereinstimmen (Beweis!), auf dem Wasser- spiegel aus. (Auf den Herzausschnitt der Blätter bezieht sich der Name der Pflanze.) Die weißen, zarten Blüten (beschreibe sie!) dagegen ragen aus dem Wasser hervor. Als Er- satz für die selten eintretende Fruchtbildung vermehrt sich das zierliche Gewächs sehr stark durch Ausläufer, die sich wagerecht unter der Wasseroberfläche dahinziehen und am Ende je eine neue Pflanze bilden. Während des Winters vermag sich aber der Froschbiß in der obersten Wasserschicht, die ja zu Eis erstarrt, nicht zu halten. Er muß demnach wie die Seerose in die frostfreien Tiefen „fliehen". Dies geschieht in folgender Weise : mit Beginn des Herbstes hört die Bildung von Tochterpflanzen auf. Dann lösen sich die Endknospen der Ausläufer ab und sinken zu Boden. Wenn sich aber das Wasser im Frühjahr wieder erwärmt, dann füllen sich gewisse Zellräume dieser „Winterknospen" mit Luft. Infolgedessen steigen die zarten Gebilde wie ein Luftballon em- por, öffnen sich, und nicht lange währt es, so ist der Wasserspiegel wieder mit den Blättern der interessanten Pflanze bedeckt. (Beobachte dies im Aquarium ! Untersuche daraufhin auch Wasserschlauch und Wasserfeder!) Ein anderes Wassergewächs ist die eigen- tümliche Krebsschere (Stratiötes aloides), die ihren Namen vo^| den stachelig gezähnten, schwertförmigen Blättern trägt. Sie überwintert in frostfreier Tiefe mit Hilfe der

Vanille Schwanenbl. Froschlöffel. Pfeilkraut. Froschbiß. Krebssch. Wasserpest. 279

großen, aloeartigen Blattrosetten, die während der wärmeren Jahreszeit oft die ganze Oberfläche von Teichen und Tümpeln bedecken. Unsere gemeinste Wasserpflanze, die Wasserpest (Elödea canadensis), ist erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aus Nordamerika bei uns eingewandert. Anfänglich vermehrte sie sich in einem solchen Maße (Name!), daß sie an einigen Stellen sogar der Schiffahrt hinderlich wurde. Diese erstaunliche Vermehrung ist. umso merkwürdiger, als die Wasserpest in unsern Ge- wässern niemals Früchte trägt : die mit Staubblüten ausgerüstete Form der einhäusigen Pflanze fehlt nämlich bei uns gänzlich. Dafür ist aber das kleinste Bruchstück des zarten Gewächses (vgl. mit Wasserhahnenfuß und anderen Wasserpflanzen!) imstande. Knospen und Wurzeln zu treiben (Versuch!). Jetzt hall sieh die Vermehrung des Kindringlings in mäßigen Grenzen, so daß von ihm nichts mehr zu befürchten ist. Wohl aber trägt er, da er die Abfallstoffe der Tiere zum Aufbau des eigenen Körpers verwendet, gleich allen anderen Wasserpflanzen wesentlich zum Reinhalten der Gewässer bei ('was folgt daraus für die Besetzung der Aquarien?).

II. Gruppe. Nacktsamige Pflanzen (Gymnospermae).

Pflanzen, deren Samenknospen nicht in einem Fruchtknoten eingeschlossen sind, sondern sich auf dem offenen Fruchtblatte rinden.

77. Familie. Nadelhölzer (Coniferae).

Verzweigte Holzgewächse mit nadel- oder schuppenförmigen Blättern.

Die Kiefer (Pinus silvestris).

Kein Baum bedeckt im mittleren und nördlichen Europa so weite Flächen wie die Kiefer oder Föhre. Obgleich sie auf allen Bodenarten gedeiht, treffen wir sie doch vorwiegend auf Sandboden an. Dort bildet sie oft mächtige Wälder, die nach dem treusten Begleiter des „anspruchslosen" Baumes, dem Heidekraute, vielfach als „Heiden" bezeichnet werden. Ja, sie ist sogar im- stande, den ödesten Sand zu beleben, auf dem kein anderer Baum mehr gedeiht. Wollen wir die merkwürdige Pflanze daher recht verstehen, so müssen wir uns bei ihrer Betrachtung zunächst fragen, wodurch sie befähigt ist, das Ödland zu bewohnen.

A. Wurzel. 1. Nehmen wir eine junge Kiefer und einen anderen gleich- alterigen Baum, die beide auf demselben Grunde gewachsen sind, aus dem Boden, so werden wir finden, daß die Kiefer alle anderen Bäume durch ihr großes und stark verzweigtes W^urzelgeflecht übertrifft. (Sie hat z. B. 12 mal soviel Wurzelfasern als die Fichte.) Diese Tatsache ist schon eine Antwort auf die soeben aufgeworfene Frage: Bäume mit gering ent- wickeltem Wurzelwerk finden in dem lockeren, sowie wasser- und nahrungs- armen Sandboden weder den nötigen Halt gegen den Anprall der Stürme, noch die zum Leben notwendigen Wasser- und Nahrungsmengen. Die Kiefer dagegen hält sich in dem lockeren Grunde wie mit Tausenden und Abertausenden von Armen fest. Und da sie mit ihrem mächtigen Wurzelgeflecht eine sehr große Erdmasse durchzieht, vermag sie selbst aus ödem Sandboden die nötigen WTasser- und Nahrungsmengen herbeizuschaffen. Sie gedeiht noch an Orten, an denen andere Bäume verdursten und verhungern müßten.

2. Ziehen sich die Wurzeln eines Baumes, der auf lockerem Sande wächst, flach unter der Erdoberfläche dahin (wie z. B. die der Fichte), so befindet er sich in steter Gefahr, durch den Sturm entwurzelt zu werden. Die Kiefer dagegen trotzt meist dem heftigsten Anprall. Sie ist nämlich durch eine Pfahlwurzel, die sich tief in den Untergrund senkt, und von der wieder zahlreiche Neben- wurzeln ausstrahlen, sicher im Boden „verankert". Dieser Wurzel wegen ver- mag die Kiefer umgekehrt aber auch nur auf „tiefgründigem" Boden zu gedeihen.

Kiefer.

281

Felsuntergrund bewohnt sie nur dann, wenn sie mit den Wurzeln in Spalten und Klüfte eindringen kann.

3. Die Kiefer ist imstande, selbst die kleinste Menge von Tau und Regen, die den dürren Boden tränkt, sich dienstbar zu machen; denn sie besitzt zahl- reiche, oberflächlich verlaufende Wurzeln. Die feinsten Verzweigungen dieser Wurzeln „trinken" den Tau und Regen, der den Boden feuchtete, und der von der dürftigen Pflanzendecke (Moospolster!) oder von der verwesenden Nadelschicht festgehalten wird. (Beurteile hiernach das Entfernen der ab- gefallenen Nadeln, der sog. „Waldstreu"!) Bei fortgesetztem Wachstum erheben sich die „Tauwurzeln", da sie nach oben weniger Widerstand finden, z. T. oft über die Erde.

4. Die Pflanzen nehmen das Wasser in der Regel durch zahlreiche Wurzelhaare (s. das.) auf, die sich an den Enden der feinsten Wurzeläste flnden. Der Kiefer fehlen aber (gleich den meisten anderen Waldbäumen) diese Gebilde. Wie sich dagegen bei schwacher Vergrößerung (bei der Buche meist schon mit bloßem Auge) erkennen läßt, sind die Würz el- enden von einem dichten Geflecht zarter Pilz- fäden umsponnen (s. Champignon). Von diesem Pilz- mantel gehen zahlreiche Fäden nach außen, durch- wuchern den Waldboden und entnehmen ihm Wasser samt den darin gelösten Nährstoffen. Andererseits legen sich diese Fäden aber so dicht um die Wurzel- enden, daß der Baum im stände ist, ihnen das aufge- nommene Wasser zu entziehen und für sich dienstbar zu machen. Schon aus der Länge der Fäden geht

Wurzelende d. Kiefer

im Längsschnitt , von Pilzfäden umsponnen (etwa 200mal nat. Gr.).

hervor, daß der Baum den Waldboden auf diese Weise weit besser auszunützen vermag, als wenn seine Wurzel- enden wie bei den meisten anderen Pflanzen mit winzig kleinen Wurzelhärchen bedeckt wären. Daß dem wirklich so ist, geht aus sorgfältigen Versuchen hervor, die von Naturforschern angestellt wurden: man säte Kiefernsamen teils in gewöhnliche, teils in solche Walderde, in der man vorher alle Pilzkeime sorgfältig getötet (kurz: die man „sterilisiert") hatte. Während sich die Samen in der pilzhaltigen Walderde schnell zu kräftigen Pflanzen entwickelten, blieben die im pilzfreien Boden erwachsenen stark zurück. Einige der kümmerlichen Pflänzchen goß man nun nachträglich mit Wasser, in das man etwas Walderde gebracht hatte, und das demnach zahlreiche Pilzkeime enthielt, und siehe da, die Kiefern gediehen sofort zusehends; die anderen kränkelnden Pflänzchen dagegen begannen bereits nach 2 Jahren abzusterben. (Versuche, die an Buchen angestellt wurden, führten zu demselben Ergebnis. Im einzelnen sind aber die Beziehungen zwischen Pilz und Wurzel noch ziemlich unbekannt.)

B. I. Stamm und Zweige sind in der Jugend von einer rötlichen Rinde bekleidet, die sich in papierdünnen Häutchen ablöst. Später werden sie von einer

282 77. Familie. Nadelhölzer.

dicken, graubraunen Borke bedeckt, die in ansehnlichen Platten abblättert. * Da diese Hüllen wie wir im letzten Abschnitte des Buches noch ausführlicher kennen lernen werden vorwiegend aus Kork bestehen, Kork (Flaschen- korke!) aber für Wasserdampf fast undurchlässig ist, so haben wir es in den Hüllen mit einem Schutzmittel des Baumes gegen zu starken Wasserverlust zu tun. Ein solcher Schutz ist aber für die Kiefer, die besonders auf Sandboden oft mit dem größten Wassermangel zu kämpfen hat, sicher von höchstem Werte.

2. Stamm und Zweige sind gleich fast allen anderen Teilen des Baumes sehr reich an Harz. Schlägt man der Kiefer eine Wunde, oder schneidet man nur eine ihrer Nadeln durch, so fließt dieser stark klebrige Stoff alsbald her- vor, verschließt die Wundstelle und verwehrt somit den Pilzsporen, die Krank- heit und Fäulnis erregen, den Eintritt. Außerdem dient er aber auch der Pflanze als ein Schutzmittel gegen den Angriff zahlreicher Tiere. Wäre die Kiefer von Harz nicht gleichsam durchtränkt, so würde sie sicher noch weit mehr unter Insekten zu leiden haben, als dies jetzt schon der Fall ist (s. S. 289). Ob sie aber diesen vermehrten Angriffen standhalten könnte, ist mehr als zweifelhaft (vgl. mit Eibe!). (Das Harz mehrerer ausgestorbener Nadelhölzer ist in dem Bernstein erhalten geblieben.)

3. Der Stamm der Kiefer löst sich nicht wie z. B. der der Eiche in mehrere große Aste auf. Er verlängert sich im Gegenteil alljährlich um ein Stück. Auf diese Weise entsteht jener schlanke „Schaft", der eine Höhe von fast 50 m erreichen kann und von dem Menschen so hoch geschätzt wird.

4. Am Ende des Stammes bildet sich außerdem alljährlich eine Anzahl nuirlförinig angeordneter Zweige, so daß der Baum aus soviel „Stock- werken" zusammengesetzt ist, als er Jahre zählt. Diese Zweige verlängern und verzweigen sich in derselben Weise wie der Stamm. Infolgedessen über- treffen die älteren die jüngeren stufenweise an Länge, so daß der Baum die Gestalt einer rege lmäßigen Pyramide annimmt, eine Form, die für die all- seitige Belichtung von größtem Werte ist (beweise dies näher!). (Ein Natur- forscher nennt die Nadelhölzer ein „mathematisches Geschlecht". Mit welchem Rechte tut er dies?)

5. Im Forste stehen die Kiefern so dicht nebeneinander, daß die unteren Zweige der gleichmäßig emporwachsenden Bäume schon nach einigen Jahren in den Schatten gestellt werden. Wie man daselbst aber auch leicht beobachten kann, verkümmert die Kiefer und geht schließlich gänzlich ein, sobald sie von einem Baume beschattet wird. Sie ist im Gegensatz zu den Schatte npflanzen, die mit einer geringen Lichtmenge fürlieb nehmen (Beispiel!), ein „Licht- baum", der nur im vollen Genüsse des Sonnenlichtes gedeiht. Wie dem ganzen Baume, ergeht es aber auch den beschatteten unteren Zweigen: sie sterben ab und lösen sich vom Stamme (der Forstmann sagt: „die Kiefer reinigt sich"). So entstehen die Bäume mit dem hohen, astlosen unteren Stammteile und der kleinen, pyramidenförmigen Krone, wie sie uns im Walde überall entgegentreten.

Im hohen Alter nimmt die Krone dieser Bäume eine andere Form an.

Kiefer.

283

Da der „Zuwachs" am oberen Stammende und an den jüngeren Zweigen geringer als an den unteren ist, so breitet sich die Krone aus und wird schließlich schirmförmig. Solche alten, ehrwürdigen Bäume, die wie Riesen über den Wald emporragen, haben dann fast die Gestalt einer Pinie (s. das.)

Da im dichten Kiefernwalde selbst am teilen Tage ein Halbdunkel herrscht, so finden sich am Boden auch nur wenig lichtbedürftige Pflanzen (welche hast du ange- troffen?). Vor allen Dingen fehlt das Unterholz des Laubwaldes, so daß der Kiefern- bestand etwas Einförmiges und Eintöniges erhält. Mit dem Fehlen der „Waldpflanzen" und des Unterholzes hängt wieder die große Armut an Tieren zusammen, besonders an Vögeln, die sich von »Samen und Beeren nähren und den Laubwald besonders im Frühjahre mit ihrem Gesänge erfüllen. Daher die große Stille im Kiefernwalde und der schwermütige Eindruck, den er auf uns macht. (Welche Vögel sind ständige Bewohner des Kiefern- waldes ? Wie linden sie dort ihre Nahrung ? Beobachte, wie sich an lichten Stellen sofort PÜanzenwuchs einstellt !)

Ist die Kiefer dagegen auf einem freien Stande erwachsen, so sterben die untersten Zweige (wie bei allen Bäumen) infolge Lichtmangels zwar gleichfalls ab. Die Krone aber bleibt groß und zeigt lange Zeit die ursprüngliche Pyramidenform. Später rundet sie sich aber mehr und mehr ab, so daß die Kiefer, aus der Ferne gesehen, oft ganz den Eindruck eines Laub- baumes macht. (Beobachte Kiefern, die am Waldrande stehen, also einseitig beleuchtet werden!)

6. Anfangs Mai lassen die jungen Zweig lein („Maitriebe") die Kiefer wie einen mit zahlreichen Kerzen geschmückten Weihnachtsbaum erscheinen. Ein solcher, sich entwickelnder Zweig (zerbrich ihn!) ist außerordentlich zart und saftreich, und daher auch gegen zu starke Wasserabgabe, sowie gegen die Unbilden der Witterung vortrefflich geschützt: er steht nicht allein wie z. B. die jungen Blätter der Roßkastanie (s. S. 43, c) senkrecht, sondern ist auch von einer besonderen Hülle umgeben, die die Stelle von Knospenschuppen vertritt (s. S. 41, B). Die Hülle ist von zahlreichen, häutigen, rostfarbenen Blättchen gebildet, die am Rande ausgefranst und so untereinander verfilzt

und verklebt sind, daß sie gleichsam einen Mantel für das schutzbedürftige Zweiglein bilden. Streckt sich der Trieb weiter in die Länge, so zerreißt der „Mantel", bis schließlich die häutigen Blättchen bedeutungslos werden und, ein- zeln oder zu Gruppen vereinigt, abfallen. Nach einiger Zeit verlassen die jungen Zw. -ige auch ihre „Schutzstellnng", um immer mein- die Richtung der ausgebildeten anzunehmen.

jungei Kiefer.

Kurztrieb der

Er stein in der Achsel eines rostfarbenen Blättchens (r.B.), .las den Mantel des jungen Lang- i liebes i ..Maitriehes" | bil- di ii hilft und ist \ on einem /weiten Mantel umhüllt. der ans silberweißen Blätt- ehen 's. B. besteht. Der Mantel isi an der Spitze durch die hervorbrechen- den Nadeln N.) bereits ge sprengt. Etwa 8 mal vergr.

284 77. Familie. Nadelhölzer.

Wenn der „Mantel" zerreißt, läßt sich deutlich erkennen, daß jedes häutige Blättchen in seiner Achsel ein winziges Gebilde trägt, aus dem sich später je ein Nadelpaar entwickelt. Nun kommen aber (untersuche darauf jede beliebige Pflanze!) aus den Achseln der Blätter nicht etwa andere Blätter, sondern stets Zweige hervor, ein Zeichen, daß wir es in jenen Gebilden gleich- falls mit Zweigen zu tun haben. Im Gegensatze zu dem ganzen „Maitriebe", der sich stark in die Länge streckt, bleiben diese Zweiglein allerdings sehr kurz. Es sind „Kurztriebe", während der größere Zweig, dem sie aufsitzen, einen „Langtrieb" darstellt (s. S. 160, A). Viel länger als das Zweig- stück des Kurztriebes sind seine beiden Blätter, die nach ihrer Form als

C. Nadeln bezeichnet werden. 1. Jetzt, da der Langtrieb noch im Wachsen begriffen ist, sind die Blätter außerordentlich zarte Gebilde. Ihnen kommen daher außer den erwähnten Schutzmitteln des Langtriebes die häutigen silber- weißen Blättchen sehr wohl zustatten, die am Grunde des Kurztriebes ent- springen und gleichsam einen zweiten Mantel bilden. Wenn sich etwa Ende Mai der Langtrieb stark zu strecken beginnt, durchbrechen die Nadeln ihre Schutzhülle und treten ins Freie. Die silberweißen Blättchen lösen sich nunmehr zu spinngewebartigen Fäden auf und gehen bis auf Beste, die am Grunde der Nadeln zurückbleiben, bald verloren.

2. Stellt man durch ein Nadelpaar, so lange es noch von der Schutz- scheide umhüllt ist, einen Querschnitt her, so sieht man, daß sich die Nadeln in den Raum eines Kreises teilen müssen. Infolgedessen hat der Querschnitt jeder Nadel auch der ausgebildeten die Form eines Halbkreises.

3. Die Blätter sind diejenigen Teile der Pflanzen, die das meiste Wasser verdunsten. Da nun die Kiefer auf sehr trockenem Boden auszuhalten vermag, so werden wir wie bei anderen Trockenlandpflanzen (Beispiel!) auch an ihren Blättern Einrichtungen finden, die auf einen sparsamen Wasser- verbrauch hinweisen :

a) Infolge der Nadelform hat das Blatt eine verhältnismäßig kleine verdunstende Oberfläche (vgl. S. 78, a).

b) Die Außenwand der Oberhautzellen ist wie man bei mikroskopischer Betrachtung dünner Querschnitte sieht stark verdickt. Infolgedessen ist sie für Wasserdampf schwer durchdringbar und läßt die Nadel hart und trocken erscheinen.

c) Spaltöffnungen, durch die die Verdunstung des Wassers am stärksten erfolgt, sind in sehr geringer Zahl vorhanden. Da sie zudem tief in die Oberhaut eingesenkt sind, befindet sich über ihnen ein windstiller Raum, eine Einrichtung, die wir bereits bei dem Heidekraut kennen gelernt haben.

4. Die Kiefer verliert alljährlich im September einen größeren, und im Oktober und November einen kleineren Teil ihrer Blätter. Da die einzelne Nadel aber 2—3 Jahre alt wird, so erscheint die Kiefer immergrün. Sie unterscheidet sich in diesem Punkte also wesentlich von den Laubbäumen unserer Heimat, die sich im Herbste ihrer gesamten Blätter entledigen müssen, um nicht während des Winters zu vertrocknen und unter der Schnee-

Kiefer.

last zusammen zu brechen (s. S. 91, c). Wie wir soeben gesehen haben, ist die Kiefernadel aber so vortrefflich gegen zu starke Wasserdampfabgabe geschützt, daß die erstere Gefahr für den Baum ganz ausgeschlossen ist. Auch der zweiten Gefahr ist die Kiefer in weit geringerem Grade ausgesetzt als ein Laubbaum; denn zwischen den nadeiförmigen Blättern vermögen sich bei weitem nicht so große Schneemassen anzuhäufen als in der dichten Blätter- krone z. B. der Linde oder der Roßkastanie.

Selbstverständlich ist die Schneelast, die die Kiefer zu tragen hat, aber viel größer als die, die auf einem unbelaubten Baume ruht. Daher sind auch

wie hier nachzutragen ist die Kiefernäste auffallend dick und sehr bieg- sam. Trotzdem aber hat der Kiefernwald nicht selten unter beträchtlichem „Schneebruch" zu leiden.

Im Herbst verlieren unsere Laubbäume durch den Blattfall eine große Menge von Stoffen, die im Frühjahr wieder ersetzt werden müssen. Die Kiefer dagegen behält ihre Blätter mehrere Jahre hindurch. Sie braucht daher dem Boden auch nicht eine solche Menge von Nährstoffen zu entziehen als ein Laubbaum mit derselben Blattmasse, eine Tatsache, die bei der Nahrungs- armut des Bodens, auf dem die Kiefer zumeist wächst, wohl zu beachten ist.

Auch insofern befindet sich die Kiefer den Laubbäumen gegenüber im Vor- teil, als sie im Frühjahre sofort die Arbeit beginnnen kann, während jene erst die Blätter, d. h. die Werkstätten bilden müssen, in denen die Verarbeitung der rohen Nährstoffe erfolgt.

Die abgefallenen, harten und harzreichen Nadeln verwesen nur sehr langsam. Infolgedessen hänfen sie sich nach und nach zu einer dicken Schicht an, aus der nur wenige Pflanzen Nahrung zu entnehmen vermögen. Dieser Umstand erklärt uns neben der geringen Belichtung die Pflanzenarmut des Kiefernwaldes hinreichend erklärt. Nach erfolgter Verwesung liefern die Nadeln jedoch dieselbe frachtbare Humuserde wie die Laubblätter. In den modern- den Nadelmassen finden Pilze, Fichten- spargel und andere „Yerwesungspflan- ...';/ zen" gunstige Lebensbedingungen; da- .v."

her auch der auffallende Reichtum des ; . •'

Kiefernwaldes an diesen Gewächsen. . r".'\;

D. Blüten. Bei der Kiefer "'-'• sind Staubblätter und Samenanlagen auf verschiedene Blüten verteilt; sie ist also wie z. B. der Haselnuß- strauch eine einhäusige Pflanze.

1. Die Staubblüten finden sich in größerer Anzahl am Grunde der jungen Triebe und sehen den Kätzchen der Laubbäume ähnlich. Wie die zweinadeligen Kurztriebe, (Fig. 1 etwa lOmal, Fig. 2 a. 3etwa 12 mal vergr.)

50-

Staubblüte der Kiefer.

1 Die stäubende Blüte, am Grunde drei Hüll- blättchen. 2 Ein ge- schlossenes u. 3 ein

entleertes St auhldat t

286

Familie. Nadelhölze]

deren Stelle sie einnehmen, entspringen sie ans der Achsel je eines häutigen Blattes, das ihnen mitsamt 3 weiteren Blättchen in der Jugend als schützende Hülle dient. An der Blütenachse stehen zahlreiche gelbe Staubblätter, die wie man bei Lupenvergrößerung sehen kann auf der Unterseite je 2 große Staubbeutelfächer tragen.

2. Die Samenblüten stehen als kleine, rötliche „Zapfen" an der Spitze der jungen Triebe und sind anfänglich von zahlreichen braunen Schuppen, die dem Stengel ansitzen, schützend umhüllt. Führen wir durch den Zapfen einen Längsschnitt, so sehen wir, indem wir uns wieder der Lupe bedienen, wie an

einer Längsachse zahlreiche fleischige Blätter entspringen, die wieder auf der Unterseite je ein häutiges Blättchen tragen. Auf der Oberseite sind die fleischigen ..Fruchtblätter oder Fruchtschuppen" mit einem vorspringenden Kiele versehen, neben dem am Grunde der Schuppen die beiden Samenknospen oder Samenanlagen zu linden sind. AVährend bei den bis- her betrachteten Pflanzen die Samen- knospen in einem Gehäuse (Fruchtkno- ten) eingeschlossen sind, das aus einem Fruchtblatte oder aus mehreren Frucht- blättern gebildet ist, liegen hier die winzigen Gebilde frei auf dem Frucht- blatte („nacktsamige Pflanzen" oder Gymnospermen im Gegensatz zu den „bedecktsamigen Pflanzen" oder Angios- permen). — Da der gereifte Frucht- knoten die Frucht darstellt, so haben wir es in den gereiften Samenanlagen also nicht mit Früchten, sondern nur mit Samen zu tun. Ebensowenig ist auch der entwickelte Zapfen eine Frucht.

Weitere Einzelheiten über die beiden Blütenarten lernen wir kennen, wenn wir

3. die Bestäubung verfolgen. Sie wird wie z. B. beim Haselnußstrauche durch den Wind vermittelt und kann umso sicherer erfolgen, als die Kiefer wie jene Pflanze zumeist in großen Beständen auftritt (s. S. 192, g).

I. Die Staubblüten sind wie die Blüten aller windblütigen Pflanzen

a) unscheinbare, duft- und honiglose Gebilde (s. S. 192, a).

b) Sie finden sich, wie wir gesehen haben, in größerer Anzahl am Grunde der jungen Triebe. Sie stehen also an der Außenseite der Baumkrone, dem Winde vortrefflich ausgesetzt.

Samenblüte der Kiefer. 1 Die ganze Blüte. An dem Stengel, der sie trägt, unten einige junge Kurztriebe (Nadelpaare) und darüber mehrere braune Schuppen. 2 Fruchtblatt von unten und 3 von oben gesehen. F. Fruchtblatt; K. dessen Kiel; h.B. das häutige Blätt- chen auf der Unterseite; S. Samenknospe. (Fig. 1 etwa 4 mal, Fig. 2 u. 3 etwa 12 mal vergr. i

28;

Blütenstaubkorn der

Kiefer mit den beiden Luftblasen L. (Etwa 200 niiil v,

c) Der Blütenstaub wird in sehr großen Mengen erzeugt (s. S. 193, h). Der Wind, der durch die Zweige der blühenden Kicke streicht, entfährt ihn in ansehnlichen Wolken, und nach einem Gewitterregen sind die Waldgewässer, sowie die Pfützen, die sieh auf den Wegen gebildet haben, davon oft wie mit einer gelben Schicht überzogen. „Es hat Schwefel geregnet", sagen dann die Leute, die sich die Herkunft der gelben Massen nicht erklären können.

d) Schüttelt man einen blühenden Zweig und fängt den Blütenstaub durch ein Blatt Papier auf, so sieht man, daß er ein trockenes Pulver dar- stellt, das von dem Winde leicht verweht werden kann (s. S. 193, i).

e) Zudem trägt jedes Staubkorn jederseits eine luftgefüllte Blase, die als Flugwerkzeug dient. Wie lauge der Blütenstaub durch diese luftballon- artigen Gebilde schwebend erhalten wird, geht daraus

hervor, daß man ihn häufig in stehenden Gewässern lindet, in deren Umkreise oft auf Meilen hin keine Kiefer anzutreffen ist.

f) Bei Windstille wird der aus den Staubbeutel- fächern hervorrieselnde Blütenstaub auf der Ober- seite der darunter stehenden Staubblätter abgelagert (s. S. 192, e).

g) Ist aller Blütenstaub verweht, dann vertrock- nen die Staubblüten, fallen ab und lassen am Zweige eine kahle (nadellose) Stelle zurück.

II. Die Samenblüten sind wie die Staubblüten

a) duft- und honiglos und trotz ihrer roten Färbung ganz unauffällig.

b) Sie nehmen die Spitze der jungen Triebe ein, sind also dem Winde vollkommen frei ausgesetzt.

c) Da die Samenblüten aufrecht stehen, und

d) die Fruchtschuppen sich zur Blütezeit auseinander tun, vermag der trockene Blüten- staub leicht zu den Samenanlagen hinabzurollen. Dies erfolgt nun umso sicherer, als er von

e) den Kielen der Fruchtschuppen gleichsam dem Orte seiner Bestimmung geleitet wird. Dort ge- langt er zwischen

f) die Fortsätze, zu denen die Hülle der Samenanlage ausgezogen ist. AVenn sich diese Furtsätze später einrollen, kommt der Blütenstaub mit der Samenanlage selbst in innigste Berührung, so daß eine Vereinigung beider erfolgen kann. Dieser als „Befruchtung" be- zeichnete Vorgang erfolgt bei der Kiefer aber erst 13 Monate nach der Be- stäubung.

E. Zapfen und Samen. 1. Die zarten Samenanlagen und Blütenstaub- körnchen, sowie die sich ausbildenden Samen dürfen den Unbilden der Witterung

Staubblätter d. Kiefer,

senkrechl durchschnitt. Aus den Staubbeutel- fächern rieselt Blüten- staub hervor, der auf der Oberseite des dar- unter stehenden Blattes abgelageri wird, i Etwa 15 mal vet

288

77. Familie. Nadelhölzer.

aber unmöglich ausgesetzt sein. Die fortwachsenden Fr u entschuppen schließen sich daher nach erfolgter Bestäubung, und ihre Ränder verkleben durch Harz.

2. Im 1. Jahre vergrößert sich der Zapfen nur wenig. Er senkt sich aber langsam, bis seine Spitze schließlich nach unten gerichtet ist. Im 2. Jahre wächst er umso schneller. Die bisher grünen Fruchtschuppen verholzen jetzt und nehmen eine braune Färbung an. Im März oder April des 3. Jahres endlich trocknen die Schuppen so stark ein, daß sie ausein- ander spreizen.

3. Da nun die Zapfen herabhängen, so fallen die ausgereiften Samen sofort heraus. Die federleichten, mit einem flügeiförmigen Anhange aus- gerüsteten Gebilde werden vom Winde ergriffen und wie die Teilfrucht des Ahorns (s. S. 48) oft weithin verweht. Sind sämtliche Samen ausgesät, so

fallen auch die Zapfen herab. (Warum dürfen sie sich nicht vor dem Ausfallen der Samen vom Baume lösen?)

4. Würden die Samen durch anhaftende Regentropfen beschwert, so müßte ihre Verbreitung stark beeinträchtigt werden: Daher öffnet sich der Zapfen auch nur bei trockenem Wetter, und der bereits geöffnete schließt sich wieder, so- bald er befeuchtet wird. Selbst schon entleerte, abgefallene Zapfen haben diese Eigenschaft noch nicht verloren (Versuche!).

5. Die Samen keimen mit 5 oder 6 nadeiförmigen Keim- blättern.

F. Bedeutung:. Da die Kiefer eine überaus „genügsame" Pflanze ist, so vermag der Mensch mit ihrer Hilfe selbst dem unfruchtbarsten Sandboden, auf dem keine andere N u tzp fl anze mehr gedeiht, noch einenEr trag abzuringen. Ohne sie wären die weiten Ebenen, die sie mit dich- tem Walde bedeckt, zum größten Teile öde Wüsten- eien, in denen oft kaum ein Mensch leben könnte. Sie liefert ein wich- tiges Bau-, Werk- und Brennholz. Aus dem gesammelten Harze, das durch Einschnitte in die Rinde zum vermehrten Ausfließen gebracht wird, ge- winnt man durch Destillation das Terpentinöl, das besonders zum Auflösen von Harzen (Lacken) verwendet wird. Der Rückstand bei diesem Verfahren ist das Geigenharz oder Kolophonium. Siedet man das Harz in Kesseln (trockene Destillation), so erhält man das Pech, das als „Faßpech" allgemein bekannt ist. Sehr harzreiches Holz („Kienholz") gibt beim Verbrennen den Kienruß, der zur Herstellung von Druckerschwärza, Stiefelwichse und dgl. Verwendung findet. Die frisch vom Baum gepflückten Nadeln werden zu sog. Wald wolle verwendet,die ein gutes Polstermaterial abgibt. Die abgefallenen Nadeln dienen als Streu für das Vieh und dann als Dünger für den Acker. Indem die Nadelschicht unter den Bäumen verwittert, wird der öde Sandboden nach und nach an nährenden Bestandteilen reicher, so daß im Laufe langer Zeit-

Kiefer. Pichte,

2S0

räume schließlich ein fruchtbares Ackerland daraus hervorgeht. Mit der Kiefer ist also das Wohl und Wehe zahlreicher Menschen aufs innigste verknüpft. Daher sind die zahlreichen

(i. Feinde, die den wichtigen Baum oft in verheerender Weise heimsuchen, auch Feinde des Menschen. Am geringsten ist noch der Schaden, der der Kiefer von den größeren Waldtieren zugefügt wird. Es sei hier nur auf Hirsch, lieh, Wildschwein, Eichhörnchen und andere Nager, sowie auf die Vögel ver- wiesen, die sich von Waldsämereien nähren (nenne solche!). Weit gefährlicher

schmarotzen. Mit ihnen wetteifert ein Heer von Insekten? von denen wieder Kiefernspinner, Nonne, Kiefernspanner und Maikäfer, sowie mehrere Rüssel- käfer, Blattwespen und Borkenkäfer die verderblichsten sind. Treten diese kleinen, aber gefährlichen Feinde in Massen auf, so fallen ihnen selbst ausge- dehnte Wälder zum Opfer. Der Mensch ist gegen diese Zerstörer vielfach gänz- lich machtlos. Desto mehr räumen unter ihnen aber, abgesehen von Krank- heiten und Witterungseinttüssen, die insektenfressenden Vögel (nenne solche!)

und die wichtigen Schlupfwespen auf. der beste —Waldschutz! (Näheres über die erwähnten Tiere s. „Lehr- buch der Zoologie".)

Andere Nadelhölzer.

1 . Gruppe. Fichtenartige Nadelhölzer. Nächst der Kiefer hat nnter allen Nadelbäumen die Fichte ( Picea excelsa) für uns die größte Bedeu- tung (Beweis!). .Sie ist der „Christ-, Weihnachts- oder Tannenbaum", der lich- tergeschmückt das schönste unserer Feste verherrlichen hilft. Besonders im Gebirge bildet sie ausgedehnte Wälder. Mit den oberflächlich verlaufenden Wurzeln um- klammert sie gern die Felsblöcke. So findet sie selbst in einer dünnen Erd- schicht den nötigen Halt. Da ihr aber eine Pfahlwurzel fehlt, wird sie besonders in der Ebene leicht vom Sturm entwurzelt. Bei freiem Stande reichen die untersten Zweige bis zum Boden herab, so daß der stolze Baum eine mächtige Pyramide bil- det. Im (iegensatz zur Kiefer, mit der die Fichte in den meisten Punkten völlig über- einstimmt (Beweis !), sind ihre Zweige sämt- lich „Langtriebe", die rings von Blättern (Nadeln) umgeben sind. Da nun Blätter - c ii raeil, r.clirlnirli der Botanik.

Ein Schutz dieser Tiere ist also

Ein Zweiglein der Fichte mit 4 jungen Trieben: 1 ist noch vollständig von häutigen Blättchen umhüllt ; bei 2 werden die Blatt- eten als Kappen abgeworfen; bei 3 ist dies

bereits geschehen mal. Grl

19

290

77. Familie. Nadelhölzer.

nie aus den Achseln anderer Blätter entspringen, so fehlen den jungen Fichtentrieben auch die häutigen Blättchen, aus deren Achseln die nadeltragenden Knrztriebe der Kiefer hervor- gehen. Die Fichtentriebe bedürfen aber gleichfalls eines „Knospenschutzes. * Ein solcher ist auch vorhanden : er wird von zahlreichen häutigen Blättchen gebildet, die sich am Grunde des Triebes finden, ihn vollständig umhüllen und später in Form einer Kappe abgeworfen werden. Ein ausgesprochener Gebirgsbaum ist die Tanne (Abies pectinäta), die wegen ihres edlen Wuchses und zum Unterschiede von der sehr ähnlichen Fichte allgemein Edel- tanne genannt wird. Von der rotrindigen Fichte, der „Rottanne", unterscheidet sie sich le'cht durch die glatte, weiße Rinde des säulenförmigen Stammes und die zwei-

Zwergkiefer im Hochgebirge.

zeilig gestellten Nadeln, die auf der Unterseite 2 weiße Streifen besitzen (daher auch ..Silber- oder Weißtanne" genannt). Diese Streifen sind mit Wachs ausgefüllte Rinnen, in denen sich die Spaltöffnungen finden. Da Wachs nicht vom Wasser be- netzt wird (Versuch!), können infolgedessen die Spaltöffnungen von anhaftenden Regen- tropfen auch nicht verschlossen werden. Der notwendige Gasaustausch erfährt daher selbst bei Befeuchtung der Nadeln keine Unterbrechung. Im weiteren Gegensatze zur Fichte hat die Tanne aufrecht stehende Zapfen. Würden daher bei der Reife wie bei unsern anderen „zapfenfrüchtigen" Nadelbäumen nur die Fruchtschnppen aus- einander spreizen, so könnten die Samen aus ihren Verstecken nicht herausfallen. Dies ist aber unbedingt nötig, da die geflügelten Gebilde ja durch den Wind verbreitet werden. Die Fruchtschuppen lösen sich daher zur Zeit der Samenreife von der Zapfen- achse ab.

In den Alpen und den höheren Mittelgebirgen Deutschlands findet sich dort, wo kaum noch ein anderer Baum gedeiht, die Zwergkiefer (Pinus montäna). Sie bildet meist niederliegende Büsche und wird daher auch Knieholz, Krummholz, Legföhre oder (in den Alpen) Latsche genannt. Infolge dieser Gestalt wird sie von den riesigen

Tanne. Zwerg- u. Weymouthskiefer. Pinie. Lärche. Ceder. Wacholder.

291

Schneemassen, die sich während des langen Winters in ihrem Wohngebiete anhäufen, voll- ständig zugedeckt, und da ihre Zweige außerordentlich biegsam sind, wird sie zugleich ganz zu Boden gedrückt. Wie ein Rosenstamm, den wir im Herbste „umlegen", wird sie auf diese Weise den austrocknenden Winterstürmen völlig entzogen (s. S. 42 u. 92). In unsern Anlagen findet sich sehr häufig die Weymouthskiefer (P. strobus). Sie stammt aus Nordamerika und ist an den 5 langen, zarten Nadeln leicht zu erkennen. Ein sehr charakteristischer Baum in dem Landschaftsbilde des Mittelmeergebiets ist die Pinie (P. pinea). Sie trägt auf säulenförmigem Stamme eine breite, schirm- förmige Krone.

Gleich der Tanne ist die Lärche (Larix europsea) ein Gebirgsbanm, der aber nur in den Alpen größere Wälder bildet. Wegen des schlanken Wuchses und der zier- lichen Benadelung wird er in Parkanlagen überall gern angepflanzt. Die Nadeln finden sich an den Langtrieben einzeln und an den Kurztrieben in Büscheln. Da sie sehr zarte und weiche Gebilde sind und infolgedessen viel mehr Wasser durch Verdunstung verlieren als z. B. die harten Nadeln der Kiefer, so ist die Lärche genötigt, im Herbste ihre sämtlichen Blätter abzuwerfen und den Winter unbeblättert wie unsere Laubbäume zu überdauern. Dieselbe Verteilung der Nadeln ist der Ceder des Libanon (Cedrus libani) eigen, die nicht nur auf dem Libanon, sondern auch in Kleinasien und auf Cypern anzutreffen ist. Dieser immergrüne, hoch- berühmte Baum, der das ehr- würdige Alter von 3000 Jah- ren erreicht, lieferte der- einst Salomo das Holz zum Tempelbau. Die mächtigen Wälder, die die Abhänge des Libanon früher bedeck- ten, hat menschliche Hab- gier aber fast vernichtet.

2. Gruppe. Zy- pressenartige Nadel- hölzer. Der Wacholder (Juniperus communis) ist ein immergrüner Strauch oder Baum, der selbst mit dem unfruchtbarsten Boden für- lieb nimmt. An freien Stel- len bildet er meist niedrige Büsche, deren Zweige sich nicht selten dem Boden eng anschmiegen. Als Unterholz im Walde dagegen wächst er zu schlanken Pyramiden em- por, die oft mehrere Meter hoch werden. Während er nämlich im Walde unter den austrocknenden Winden kaum zu leiden hat. sich also

Wacholder mit jungen Trieben. 1 Zweig mit Staubblüten. 2 Zweig mit Samenblüten (d.s. die klei- nen Zapfen in den A sein d. nadelartigen Blät ter) und einigen reifen d. h. vorjährigen Beeren (Nat. Gr.)

2!»2

77. Familie. Nadelhölzei

unbeschadet hoch über den Boden erheben kann, ist er auf freien Stellen den Stürmen schutz- los preisgegeben. Darum drückt er sich dort dem Boden möglichst eng an, so daß er dem "Winde auch nur eine verhältnismäßig kleine Angriffsfläche darbietet. Staub- und Samen- blüten finden sich auf verschiedenen Pflanzen. Die 3 obersten Fruchtblätter der Zapfen verwachsen miteinander, werden fleischig und bilden bei der Samenreife je eine schwarz- braune, blaubereifte Beere, die besonders von der Wacholderdrossel oder dem Kram- metsvogel gern verzehrt wird. Da die Samen von einer steinharten Schale umgeben sind, also durch die Verdauungssäfte nicht angegriffen werden, sind die Verzehrer der Beeren zugleich die Verbreiter der Pflanze (s. S. 64, a). Die stark aromatisch riechenden Beeren werden auch in der Heilkunde, sowie als Küchengewürz und Räuchermittel ver- wendet. — Die immergrü- nen Lebensbäume (Thuja) pflanzen wir gern als ein Bild der Hoffnung auf die Ruhestätten der Toten. Ihre prächtigen Pyramiden finden sich aber auch ebenso häu- fig in Anlagen. Der aus Nordamerika stammende abendländische L. (Th. occidentälis) verzweigt sich wiederholt in wagerechter Ebene ; der in Ostasien hei- mische morgenländische ^^M^^>. ~ mit 2 reifen Samen L. (Th. orientälis) dagegen

hat senkrecht gestellte Zwei- ^ ^ s853§|^&j§==^^" cin junge] Zweig ge. Der Friedhofsbaum

/- mit einer Samen- des Mittelmeergebiets ist

die dunkle Zypresse (Cu- pressus sempervirens). Sie gleicht im Wüchse der ita- lienischen Pappel und ist ein Charakterbaum der süd- lichen Landschaft. Zypressenartige Pflanzen sind auch die berühmten Mainmut- bäume Kaliforniens (Sequöia gigantea). Sie erreichen die gewaltige Höhe von mehr als 100 m.

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Zweig der Eibe

mit 2 reifen Sa mm (nat. Gr.) Daneben ein junger Zweig mit einer Samen- blüte: S. dieSamen- ihre Hülle; M. Anlage des Samenmantels (etwa 20mal vergr.

<'

3. Gruppe. Eibenartige Nadelhölzer. Diese Gruppe ist bei uns allein durch die Eibe (Taxus baccäta) vertreten, die früher in den "Wäldern unserer Heimat sehr häufig war, jetzt aber meist nur noch in Gärten und Parkanlagen anzutreffen ist. Sie ist ein immergrüner Strauch oder ein niedriger Baum, der im Gegensatz zu allen anderen Nadelhölzern vollkommen harzlos ist. Dafür enthalten aber die zweizeilig gestellten, breiten Nadeln ein scharfes Gift, das sie gegen die Angriffe der zahlreichen Pflanzen- fresser schützt. Die Samenblüten, die sich von den Staubblüten getrennt auf anderen Pflanzen finden, enthalten nur eine einzige Samenanlage. Während sie sich zum Samen ausbildet, entwickelt sich von ihrem Grunde aus eine fleischige Hülle, ein sog. Samen- mantel, der zur Zeit der Reife fleischig, saftig und von leuchtend scharlachroter Färbung

Lebensbäume. Zypres

Maiiiiiiiitliaiini. Eibe. Palmfi

293

ist. Er dient wie das Frachtfleisch der Wacholderbeeren als Anlockongsmittel für frachtfressende Vögel, die die Pflanze weiter verbreiten.

Andere Familien der nacktsamigen Pflanzen sind in unsenr Eeimat nicht vertreten. Erwähnt seien daher hier nur die Palmfarne (Cycas), die vorwiegend in den Tropen heimisch sind und bei uns vielfach in Gewächshäusern gezogen werden. Ihre prächtigen Fiederblätter sind die bekannten Palmenwedel" oder „Palnienzweige", die wir als ein Zeichen der Trauer gern auf den Sarg der Verstorbenen legen.

al 111 In in (Cycas revolüta) aus Ostindien. (Etwa -/ioo aat. Gr.)

2. Hauptabteilung. Blütenlose- oder Sporenpflanzen

(Kryptögamae).

Pflanzen, die keine Blüten besitzen und deren Vermehrung (vorwiegend) durch Sporen

erfolgt.

I. Gruppe. Farnartige Pflanzen oder Gefäß-Sporenpflanzen

(Pteridöphyta).

Pflanzen, die in Stengel, Blätter und Wurzeln gegliedert sind und Gefäßbündel enthalten.

1. Klasse. Farne (Filicinae).

Stengel einfach oder verzweigt, mit abwechselnd stehenden, meist mehrfach gefiederten

Blättern. Sporenkapseln zumeist zu Häufchen vereinigt auf der Unterseite der Blätter

oder in besonderen Blattabschnitten eingeschlossen.

Der Wurmfarn (Aspidium filix mas). Taf. 35.

A. Vorkommen. Der Wurmfarn ist in schattigen Wäldern tiberall häufig anzutreffen. Auch an den Ufern der Bäche, die dicht mit Buschwerk bestanden sind, an schattigen Abhängen und ähnlichen Orten siedelt er sich gern an. Wird der Wald oder das Gebüsch, das ihn beschattet, niedergeschlagen, so daß er nunmehr den Sonnenstrahlen direkt ausgesetzt ist, dann macht schon mit Beginn des Sommers das tiefe Grün der Blätter einem krankhaften Gelb Platz, und oft schon nach wenigen Jahren ist von den zahlreichen Farnstöcken, die vorher den Ort besiedelten, kaum noch einer mehr zu finden. Dem Wurm- farn ist wie allen Schattengewächsen eine zu starke Beleuchtung eben genau so nachteilig, wie den Sonnenpflanzen (Beispiel!) das Fehlen der direkten Sonnen- strahlen. — Im Boden schräg eingesenkt findet sich der

B. Stamm (Wurzelstock), der meist aus der Erde etwas hervorragt und daselbst einen Büschel prächtiger Blätter trägt (1). Sonst ist er dicht mit den nicht abfallenden Stielresten abgestorbener Blätter, sowie mit vielen schwär; - braunen Schuppen bedeckt. Hierzu kommen noch zahlreiche, faserige Wurzeln die ihn wie mit einem Filze umgeben. Wie deutlich zu erkennen ist, stirbt der Stamm am Hinterende allmählich ab, während er am Vorderende alljährlich ein Stück weiter wächst, eine Tatsache, die schon aus der Anwesenheit der zahl- reichen Blattstielreste zu erkennen ist. (Der von den Blattstielresten be- freite Stamm liefert ein wichtiges Mittel gegen den Bandwurm. Name!)

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 35.

Wurmfarn (Aspidium filix inas).

Tafel 35. Wurmfarn. 295

('. Mütter. 1. Die schöngeforinten Blätter bilden zusammen meist einen regelmäßigen Trichter, so daß alle des belebenden Sonnenlichts teilhaftig werden. Diese Anordnung der Blätter wird uns umso vorteilhafter erscheinen, wenn wir bedenken, daß am Standorte dn Pflanze meist ein stark gedämpftes Licht herrscht.

2. Da die Blattflächen sehr dünn und zart sind, können sie von dem schwachen Lichte doch genügend durchleuchtet werden. Derber, fester oder be- haarter Blätter, die nur wenig Wasser verdunsten, und die wir daher bei zahl- reichen Trockenlandpflanzen antreffen (Beispiele!), bedarf der Wurmfarn nicht. Im feuchten AValdboden findet er stets Ersatz für die Wasser mengen, die er durch Verdunstung an die Luft abgibt. Auch kann er im Gegensatze zu dem Efeu, der mit ihm den Waldgrund bewohnt, der derben Blätter wohl entbehren ; denn er überdauert den Winter ja nicht im grünenden Zustande. Schon dem ersten Froste fallen seine zarten Blätter zum Opfer.

3. Im weiteren Gegensatz zu den meisten Trockenlandpflanzen besitzt der Wurmfarn große Blattf lachen, die ohne jede Gefahr für ihn beträchtliche Wassermengen verdunsten können. Solche Blätter sind aber für die Pflanze nicht nur „zulässig", sondern von größtem Vorteil; denn sie sind infolge ihrer Größe trotz des schwachen Lichtes, das am Waldgrunde herrscht, imstande, eine genügende Anzahl von Lichtstrahlen aufzufangen und sich dienstbar zu machen.

4. Wenn auch der Wurmfarn (zumeist) im Schutze der Bäume wächst, sind seine großen und zudem sehr zarten Blätter doch im hohen Grade der Gefahr aus- gesetzt, vom Winde zerrissen zu werden. Dieser Gefahr ist nun dadurch begegnet, daß die Blattflächen in zahlreiche Abschnitte geteilt sind, die dem Anpralle des Windes leicht ausweichen, und zwischen denen viele Lücken und Durchlässe vorhanden sind. Die Blätter sind gefiedert; jedes Fiederblatt (2.) ist abermals bis nahe oder ganz auf die Mittelrippe in zahlreiche Abschnitte ge- spalten, und jedes dieser „Fiederchen" (3.) am Rande wieder mehr oder weniger tief eingeschnitten (beachte die vielfachen Verschiedenheiten, die hier im ein- zelnen vorkommen!). Da der Blattstiel verhältnismäßig kurz ist, so verschmä- lert sich die ganze Blattfläche stets nach unten; denn sonst würden sich die Fiederblätter daselbst ja gegenseitig das Licht streitig machen.

5. An dem jungen Blatte ist äußerlich von der Teilung der Blatt- fläche nichts zu sehen. Es ist gleich den einzelnen Fiederblättern schnecken- förmig eingerollt und dicht mit braunen, schuppenförmigen Haar- gebilden bedeckt (4.). So bietet der überaus zarte Pflanzenteil der aus- trocknenden Luft nur eine kleine Oberfläche dar, und die Schuppen wirken wie eine Decke, die wir über einen naßzuhaltenden Gegenstand breiten (vgl. mit dem jungen Laube der Roßkastanie). Sind die jungen Blätter genötigt, den Erd- boden oder die Laubschicht des Waldbodens zu durchbrechen, so kommt infolge der spiraligen Einrollung auch nur der Stengel oder seine Fortsetzung, die feste, dicht mit Schuppen bedeckte Mittelrippe, hierbei in Betracht, während die Behr

296 1. Klasse. Farne.

leicht zu verletzenden Fiederblätter bei dieser Arbeit ganz unbeteiligt bleiben In demselben Maße, wie die Fiederblätter erstarken, rollt sich das Blatt auf, und die braunen Schuppen gehen, weil nunmehr ohne Bedeutung, nach und nach verloren. Die Mittelrippe des Blattes zerteilt sich in immer feinere „Nerven", in denen wir später sog. Gefäßbündel kennen lernen werden. Diese Gebilde finden sich bei allen farnartigen Pflanzen, nicht aber auch bei den Moosen, Algen und Pilzen. Daher nennt man diese Pflanzen zum Unterschiede von jenen, den „Zellkryptogamen", auch „Gefäßkryptogamen".

D. Fruchthäufehen. 1. Bereits während sich die Blätter älterer Pflanzen aufrollen, findet man an den meisten von ihnen auf der Unterseite hellgrüne, nierenförmige Häutchen, die als Schleier bezeichnet werden. Sie treten je nach der Breite der Fiederblätter und der Fiederchen in verschiedener Anzahl auf, nehmen später eine bleigraue und schließlich eine rotbraune Färbung an (3).

2. Schon mit bloßem Auge erkennen wir, daß jeder Schleier eine große Anzahl brauner Gebilde von der Größe eines Sandkorns bedeckt. Betrachten wir einen feinen Schnitt durch das Blatt (5) bei schwacher mikroskopischer Vergrößerung, so sehen wir weiter, daß wir es in den Gebilden mit Kapseln zu tun haben, die mit je einem Stielchen einer feinen Blattrippe aufsitzen. Untersuchen wir endlich einige dieser Kapseln bei stärkerer Vergrößerung und fügen wir dem Wasser, in das wir sie zu diesem Zwecke gelegt haben, einen Tropfen Glycerin zu, so sehen wir, wie sie plötzlich aufreißen, und wie aus ihnen eine Menge kleiner Körperchen, sog. Sporen, hervortreten (6.). Diese Erscheinung wird uns leicht verständlich, wenn wir uns durch einen ent- sprechenden Versuch von der wasserentziehenden Eigenschaft des Glycerins überzeugen (lege z. B. ein Stück einer Kartoffel oder eines Apfels in Glycerin und beobachte, wie diese Körper stark schrumpfen!), und wenn wir

3. die „Sporenkapseln" (Sporangien) näher betrachten (Ü. und 7.). Die Wand eines solchen Gebildes besteht aus einer Schicht platter Zellen, "über die sich wie die „Raupe" am Feuerwehrhelm ein aus dunkleren Zellen gebil- deter „Ring" erhebt. Diese Zellen haben sehr starke Innen- und Querwände, aber sehr zarte Außenwände. Entzieht das Glycerin ihnen nun Wasser, so stülpt sich die zarte Außenwand nach innen, der Ring wird infolgedessen so verkürzt, daß die Kapsel aufreißt. Dieser Vorgang wiederholt sich während des Spät- sommers auch im Freien, nur daß hier das Zerreißen durch das Austrocknen der Kapselwand bewirkt wird.

4. Wie wir im weiteren Verlauf unserer Betrachtung noch sehen werden, gehen aus den Sporen junge Pflanzen hervor. Daher bezeichnet man jede von einem Schleier bedeckte Gruppe von Sporenkapseln (ungenau wieso?) als Fruchthänfehen.

5. Die Sporen sind also wie die Samen der Blütenpflanzen Vermehrungs- körper und daher für das Farnkraut sehr wichtige Gebilde, eine Tatsache, die uns eine Anzahl Erscheinungen und Einrichtungen leicht ver- ständlich macht:

2!»7

3.

a) Die Sporen bilden ein staubfeines Pulver. Daher können sie leicht durch den Wind verweht und über einen großen Bezirk ausgestreut werden (Bedeutung!). (Lege ein Farnblatt z. Z. der Sporenreife auf ein Blatt Papier und beobachte, welche Mengen von Sporen erzeugt werden!)

b) Eine solche Aussaat kann aber nur ein „trockener'* Wind besorgen (wieso?), d. h. ein solcher, der zugleich das Öffnen der Sporenkapseln bewirkt, oder anders ausgedrückt: das Aufspringen der Kapseln steht mit der Weise der Sporen Verbreitung im innigsten Einklänge.

c) Die Sporen haben eine rauhe Oberfläche. Infolgedessen werden sie wie die rauhen Samen höherer Pflanzen leicht an den Erdboden gefesselt (s. S. 26, b).

d) Den unteren Fieder blatten en, die dem Winde weniger stark ausgesetzt sind als die oberen, fehlen zumeist die Fruchthäufchen.

e) Die Blattoberseite wird allerdings vom Winde am meisten bestrichen. Ihr fehlen aber die

Fruchthäufchen ; denn die Sporenkapseln sind außerordentlich zarte Gebilde, die gegen Be- feuchtung geschützt werden müssen. Diesen Schutz finden sie auf der B 1 a 1 1 u n t e r- seite und

f) durch den Schleier (Name!), der sie bis zur Zeit der Sporenreife bedeckt. Da die staubförmigen Gebilde aber vom Win- de verweht werden sollen, schrumpft der Schleier kurz vor der Aussaat der Sporen stark zusammen.

E. Vorkeim. 1. Säen wir eine An- zahl Sporen auf durch- feuchtete Walderde, die in einen Blumentopf gebracht worden ist, und bedecken wir die- sen mit einer Glas-

Der Vorkeim des Wurmfarns

und seine Entwicklung. 1. n. 2. Keimende Spore in zwei auf- einander folgenden Entwicklongszn- ständen.S. Spore]; K. Keimschlanch; W. das erste Wurzelhaar (etwa 240 lnal verirr. |. 3. Der aasgebildete Vorkeim, vnn der Unterseite gesehen. m.O. die^kuppel- förmigen Gebilde oder die männlichen Organe; w.O. die flaschenförmigen Gebilde oder die weiblichen Organe (etwa lOraal verirr. \

298

1. Klasse. Farne.

glocke, so zeigt sich auf der Oberfläche der Erde meist schon nach einigen Tagen ein grüner Anflug: die Sporen sind gekeimt, d. h. ihr Inhalt ist in Form eines kurzen Schlauches hervorgetreten. Der „Keimschlauch" wächst zunächst zu einem fadenförmigen und schließlich zu einem blatt- artigen Körper aus, der lebhaft grün gefärbt ist, herzförmige Gestalt und etwa Pfenniggröße hat. Dieser sog. Vorkeim (Prothallium) ist durch zahl- reiche Haare, die am zugespitzten Ende entspringen, am Boden befestigt. (Am bequemsten erhält man Farn -Vorkeime in Gewächshäusern, in denen Farne ge- zogen werden. Sie linden sich dort häufig auf Blumentöpfen, an feuchten Wänden und ähnlichen Stellen.)

2. Neben den „Wurzelhaaren" entstehen auf der Unterseite des Vorkeims noch andere Organe, die schon mit der Lupe zu erkennen sind, deren feineren

Bau uns jedoch erst das Mi- kroskop enthüllt. Zu diesem Zwecke legen wir einen Vor- keim (oder besser: sehr dünne Querschnitte durch einen sol- chen) in etwas Wasser auf eine kleine Glasplatte (Ob- jektträger). In der Nähe des zugespitzten Endes er- blicken wir dann kupp ei- förmige Gebilde, die im reifen Zustande zahl- reiche kugelige Zellen ent- halten. Benutzen wir zu unserer Untersuchung einen Vorkeim, der längere Zeit nicht befeuchtet wurde, so sehen wir sehr bald, wie sich eines dieser Ge- bilde am Scheitel öffnet, und wie die kugeligen Zellen daraus hervortreten. Nach wenigen Sekunden verwandeln sich diese Kugeln in korkzieherförmige Körper, die mit Hilfe schwingender Wimpern wie Aufguß- oder Geißeltier- chen schnell durch das Wasser dahinschwimmen (s. „Lehrbuch der Zoologie"). Ehe wir das Schicksal dieser „Schwärmer" weiter verfolgen, müssen wir uns

3. den anderen Organen des Vorkeims zuwenden, die sich als flaschen- förmige Gebilde in der Nähe des herzförmigen Einschnittes linden. Bei der Reife fließt aus der Mündung ihres krummen Halses ein farbloser Schleim hervor. Kommt ein Schwärmer einer noch geschlossenen „Flasche" zu nahe, so schwimmt er „gleichgültig" weiter. Ist die „Flasche" aber geöffnet, so eilt er der Öffnung schon von einer gewissen Entfernung aus zu, gerät in den Schleim, bohrt sich langsam bis zum Grunde der „Flasche" hinab und verschmilzt dort mit einer Zelle, die schon äußerlich von den benachbarten Zellen abweicht. Derselbe Vorgang spielt sich selbstverständlich auch im Freien ab, wenn Tau- oder

Ein kuppeiförmiges Gebilde oder männliches Organ, hei stärkerer, (etwa 350maliger) Verg. 1 Ge- schlossen; 2 geöffnet; die Schwärmer kommen aus der Öffnung hervor und nehmen korkzieherartige Form an.

Wurmfarn.

29H

Ein flaschenföriniges Gebilde oder weibliches Organ, bei stärkerer (etwa 250 maliger) Vergr. 1 geschlossen ; 2 geöffnet ; E Eizelle.

Regentropfen der Unterseite des Vorkeimes anhaften. Aus der mit dem Schwärmer vereinigten Zelle geht nun im Laufe der Zeit ein junges Farn- kraut hervor, das anfänglich mit dem Vorkeim noch in Verbindung steht, nach dem

1

Absterben dieses Ge- bildes aber eine selb- ständige Pflanze dar- stellt,

4. Die- ser Vorgang erinnert uns lebhaft an die Befruch- tung und

Vermehrung der Samenpflanzen: der Schwärmer ist einem Blütenstaubkorne, die im Grunde des flaschen- f orangen Orerans liegende Zelle der Samenanlage, das kuppeiförmige Gebilde dem Staubblatte und das flaschenförmige dem Fruchtblatte (Stempel) ver- gleichbar. Da nun aus der Zelle, die der Samen- anlage entspricht, eine junge Pflanze hervorgeht wie der Vogel aus dem Ei, so bezeichnet man sie als Eizelle, und da die Ablage der Eier durch die weiblichen Tiere erfolgt, so haben wir in dem flaschenförmigen Gebilde das weibliche Organ (oder das Archegonium) des. Farnes vor uns. Das die Schwärmer liefernde kuppeiförmige Gebilde stellt dementsprechend das männliche Organ (oder An - theridium) dar. Während bei den Samenpflanzen beiderlei Organe (Staubblätter und Fruchtblätter) in Blüten eingeschlossen sind, fehlen den Sporenpflanzen die Blüten. Man bezeichnet sie daher zum Unter- schiede von den „Blütenpflanzen" als„blütenlose Pflanzen".

5. Der Entwicklungsgang des Farnkrautes von der keimenden Spore bis zur Vereinigung von Ei- zelle und Schwärmer (Befruchtung) zeigt nun eine Anzahl von Einzelheiten, die einer näheren Betrachtung wert sind:

a) Die Tatsache, daß aus der keimenden Spore keine junge Farn- pflanze, sondern ein schlauchförmiger Körper hervorgeht, zeigt uns, daß wir in den

Vorkeim vom'jWurmfarn :

;ms der befruchteten Eizelle

i>t eine junge Farnpflanze

hervorgegangen i etwa l<> mal

vergr.).

300 1. Klasse. Farne.

Sporen nicht Samen vor uns haben, wie solche von den Blutenpflanzen erzengt werden. Während nämlich jeder Same einen Keimling1, d. i. die Anlage zu einer neuen Pflanze, enthält (s. S. 99,2) und daher aus zahlreichen Zellen entsteht, ist die Spore ein einzelliges Gebilde, das demnach auch nicht einen mehr- zelligen Keimling enthalten kann (Samen- und Sporenpflanzen). Auch der Um- stand, daß die Sporen nicht in Blüten entstehen, oder anders ausgedrückt, nicht aus Samenanlagen hervorgehen, zeigt, daß sie keine Samen sind.

b) Als einzelliger Körper enthält die Spore auch nur sehr wenig Baustoff für den aus ihr hervorgehenden Keimschlauch. Dieses Gebilde ist daher von Anfang an darauf angewiesen, sich die zum Leben und Wachstum nötigen Stoffe selbst zu erwerben. Ein gleiches gilt natürlich auch für den Vorkeim, zu dem sich der Keimschlauch entwickelt. Beide senden daher „Wurzel- haare" in den Boden, um Nährstoffe daraus zu entnehmen, und sind reich an Blattgrün, durch das die aufgenommenen Rohstoffe in Nahrungs- und Bau- stoffe übergeführt werden. Hierzu ist aber (s. den letzten Abschn. d. Buches!) unbedingt

c) das Sonnenlicht erforderlich. Die Keimung der Farnsporen und die Bildung der Vorkeime findet daher niemals im Dunkeln statt (wie zumeist die Keimung der Samen).

d) Keiinschlauch und Vorkeim sind außerdem überaus zarte Gebilde, die sehr leicht durch Vertrocknen zugrunde gehen. Sie entwickeln sich daher auch nur an feuchten Orten. (Daher müssen wir den Blumentopf mit den ausgesäten Sporen in das Licht stellen und, um die Luft beständig feucht zu erhalten, mit einer Glasglocke überdecken!) Diese Tatsache erklärt uns auch das häufige Vorkommen der Farne an feuchten Orten, besonders im Grunde feuchter Wälder, sowie ihr gänzliches Fehlen in WTüsten und Steppen. Die Verbreitung der Farne wird auch noch durch

e) die Art und Weise bedingt, in der die Befruchtung stattfindet: Da männliche und weibliche Organe voneinander getrennt sind, so muß eine Ver- bindung zwischen ihnen stattfinden. Insekten und Wind, die bei den Samen- pflanzen eine solche zwischen Staubblatt und Stempel schaffen, kommen hier nicht in Betracht (wieso?). Dagegen ist das Wasser, das als Tau oder Begen den Vorkeim netzt, wohl imstande, eine solche „Brücke" zu bilden. Da das Wasser, das dem Vorkeim anhaftet, aber still steht, müssen die „männlichen Zellen" die Eizelle aufsuchen, oder anders ausgedrückt, es müssen freibewegliche Körper, also „Schwärmer" sein.

f) Die Schwärmer können sich wie die Aufguß- und Geißeltierchen aber nur in einer Flüssigkeit bewegen. Daher scheidet das weibliche Organ bei der Reife einen Schleim aus. So wird zwischen dem äußeren Wasser und der Eizelle eine Verbindung hergestellt, wie ihrer der Schwärmer zu seiner Fort- bewegung bedarf.

6. Überblicken wir den Entwicklungsgang des Wurmfarns (der mit dem aller anderen Farne übereinstimmt), so finden wir, kurz gesagt, folgendes: Aus

Warmfarn. Tüpfeifa

301

den Sporen, die auf „ungeschlechtlichem Wege" wie eine Art Ableger am Farn- blatte entstehen, geht ein Vorkeim hervor, der auf „geschlechtlichem Wege" (durch Vereinigung von Eizelle und Schwärmer) wieder eine sporentragende Farnpflanze erzeugt. Die Ent- stehung des Vorkeims aus einem anderen, oder einer sporen- tragenden Farnpflanze aus einer anderen findet nie statt. Das Farnkraut tritt also in zwei streng von einander geschiedenen und unter sich ganz unähnlichen For- men oder Generationen auf: einer ungeschlechtlichen Form, der sporentragenden Farnpflan- ze, und einer geschlechtlichen, dem Vorkeime. Beide Formen wechseln regelmäßig mit- einander ab, ein Vorgang, der darum als Generationswech- sel bezeichnet wird (vgl. die- selbe Erscheinung bei den Qual- len; s. Lehrbuch d. Zoologie).

Andere Farne.

1. Neben dem Wurmfarn zählt der Tüpfelfarn oder das Engelsüß (Polypödium vulgäre) zu unseren bekanntesten Farnkräu- tern. Die zierliche, sehr veränder- liche Pflanze wächst am Fuße alter, mit Moos bewachsener Baum- stämme, sowie an Felsen und ähn- lichen Orten. Da sie weit kleinere und derbere Blätter besitzt als z. B. der Warmfarn, so gibt sie auch viel weniger Wasser durch Ver- dnnstung ab als dieser. Sie ge- deiht daher selbst noch an sehr trockenen Orten (z. B. in Kiefern- wäldern), und ihre Blätter ver- mögen sogar den Winter zu überdauern (s. S. 92). Der geringen Größe ent- sprechend sind die Blätter nur einfach gefiedert (s. S. 295,4). Die runden Fracht- hänfehen sind nicht von einem Schleier bedeckt („Tüpfelfarn"). Der im Boden oder anter dein Moose kriechende Wurzelstock ist von süßem Geschmack. Er galt früher als wichtiges

302

1. Klasse. Farne.

iP*^

Heilmittel, das der Sage nach die Engel der leiden- den Menschheit auf die Erde ge- bracht haben sol- len („Engelsüß").

Eine ausge- prägte "Wald- und

Schattenpflanze dagegen ist der Streifenfarn (Asplenium filix femina). Er ist dem "Wurmfarn sehr ähnlich (da- her auch „fal- scher Wurm- farn" genannt), hat aber zartere und kleinere Blät- ter, sowie streifen- förmige Frucht- häufchen (Name !)

Ein anderes Glied der Gat- tung „ Streifen- farn", die zierliche Mauerraute (A. ruta muräria), da- gegen gibt sich als Trockenpflan- ze leicht zu er- kennen. Sie hat kleine, meist 2 3- fach fiederschnit- tige Blätter von fast lederartiger Beschaffenheit und nimmt mit der ge- ringen Feuchtig- keit fürlieb , die ihr Mauerritzen und Felsenspalten bieten. Gegen

das niedliche Pflänzchen erscheint der Adlerfarn (Pteridium aquilinum) wie ein Riese. Er überzieht den Boden lichter Wälder, Berglehnen und ähnliche Orte oft auf weite Strecken hin mit seinen Blättern, die nicht selten eine Länge von mehreren Metern

Baumfarne (Alsdphila) im tropischen Australien.

Streifenfarn. Mauerraute. A.dlerfarn.

303

Fiederchen vom Blatte des Adlerfarn mit Sporenkapseln i mit. Gr.).

erreichen. Der weit im Boden dahinkriechende , verzweigte Wurzelstock trägt an jedem Zweige alljährlich nur ein dreiteiliges Blatt, das seiner Größe entsprechend wie das des Wurmfarns vielfach gespulten ist. Führt man durch den unteren, schwarzen Teil des Blattstiels einen schrägen Querschnitt, so gibt sich die Anordnung der Gefäßbündel in Form eines Doppeladlers zu erkennen (Name!). Die Sporenkapseln stehen in einer Linie, die dem Rande der Fiederblättchen parallel läuft. Sie sind außer von einem zarten (inneren) Schleier noch von dem um- geschlagenen Blattrande bedeckt.

2. Da, wie wir gesehen haben, das Vorhandensein der Farne an die Anwesenheit von Feuchtigkeit gebunden ist, so erscheint es uns erklärlich, daß die feuchten Urwälder der Tropen weit reicher an den schönen Pflanzengestalten sind als die heimischen Wälder. Gleich dem Adlerfarn bedecken sie dort den Boden oft wie mit einem grünen Teppich oder siedeln sich mit den Orchideen als Überpflanzen auf Stämmen und Zweigen an. Bei zahlreichen Formen erhebt sich der Stengel, der bei den heimischen Arten unterirdisch

bleibt, als säulenartiger Stamm hoch über den Boden. Da diese Baumfarne eine Krone großer, feinzerteilter Blätter tragen, so ähneln sie den Palmen, mit denen sie zu den stolzesten Pflanzengeschlechtern zählen.

3. Viel reicher als in der Gegenwart war die Erde an Farnpflanzen in der Zeit, als sich die Steinkohle bildete. Wie in den Tropen, herrschte damals auch in unserer Heimat ein feuchtheißes Klima, und mächtige Wälder von baumartigen Farnen , riesigen Schachtelhalmen und Bärlappen bedeckten den sumpfigen Boden.

Die umsinken- den Stämme wurden von den Flüssen

zusammen ge- schwemmt, vom Meere überflutet und mit Schlamm und Sand be- deckt. Die von der Luft somit abge- schlossenen

Pflanzenreste verkohlten im Laufe der-

■Tahrmillionen allmählich wie das Holz im Kohlenmeiler: d. h. sie zer-

'^ß^'-fM(zj0k.

Sehwimmblatt (nat. Gr.) Daneben : die am (! runde der Wasserblätter sieb findenden kugelförmigen Gebilde (schwach vergrößert.) Das eine mit wenigen Großsporen-, das ander

mit zahlreichen Kleinsporenkapseln.

304 Taf. 36. 2. Klasse. Schachtelhalme.

setzten sich derart, daß fast nur der Kohlenstoff übrig blieb, der heute als „Steinkohle" zutage gefördert wird.

4. Von den bisher betrachteten Landfarnen ist die Gruppe der Wasser farne scharf unterschieden. Sie wird von wenigen kleinen Gewächsen gebildet, die das Wasser oder den Sumpf bewohnen und zweierlei Sporen bilden. Wahrend die aus den „Klein- sporen" hervorgehenden Vorkeime nur männliche Organe (Antheridien) tragen, entstehen aus den „Großsporen" Vorkeime mit weiblichen Organen (Archegonien). Die verbreitetste Form dieser eigentümlichen Pflänzchen ist das Schwimmblatt (Salvinia nätans), das sich in stehenden und langsam fließenden Gewässern findet. Da es unter fast genau denselben Verhältnissen lebt wie der Wasserhahnenfuß (s. das.), so bildet es wie dieser neben (eiförmigen) Schwimmblättern Wasserblätter, die in fadenförmige, be- haarte Zipfel gespalten sind und die Stelle der fehlenden Wurzeln vertreten. Am Grunde der Wasserblätter bilden die vollkommen geschlossenen Schleier kugelförmige Gebilde, die entweder wenige Großsporen- oder zahlreiche Kleinsporenkapseln enthalten.

2. Klasse. Schachtelhalme (Equisetinae).

Stengel einfach oder quirlig verzweigt, mit quirlig gestellten, schuppenartigen Blättern,

die zu Scheiden verwachsen sind. Sporenkapseln auf der Unterseite schildförmiger

Blätter, die am Ende des Stengels ährenartig gehäuft sind.

Der Ackerschachtelhalin (Equisetum arvense). Taf. 36.

A. Frülijahrstriebe. Auf Ackern (Name!), Grasplätzen und an ähnlichen Orten brechen im März und April zarte, blaß-rotbraune Gebilde, die mit einer ährenartigen Bildung abschließen (1), aus dem Boden hervor. Es sind die Frülijahrstriebe des Ackerschachtelhalms.

1. Der Stengel ist unverzweigt, 'längsgefurcht und aus mehreren Gliedern zusammengesetzt, die nach oben länger und dünner werden. Auf dem Querschnitt zeigt er einen großen, mittleren Hohlraum, der sehr regelmäßig von kleinen Kanälen umgeben ist (vgl. mit Roggen!). An den massiven Stengel- knoten entspringen

2. die Blätter. Sie sind auffallend klein, quirlförmig angeordnet und bis auf die schwarzen Spitzen miteinander zu je einer Scheide verwachsen, die den Stengel rings umgibt. Diese winzigen und zudem nur teilweise schwach grünen Gebilde scheinen für die Pflanze gänzlich bedeutungslos zu sein. Bei näherem Zusehen aber wird man bald eines besseren belehrt:

a) Wie leicht festzustellen ist, durchbrechen die wachsenden Stengel den Boden mit ihrer Spitze (lb). Dabei müßte aber die endständige, zarte „Ähre" unbedingt verletzt, wenn nicht gar zerstört werden. Wie die gleichfalls noch sehr zarten Stengelglieder ist nun die Ähre bei dieser Arbeit von den wider- standsfähigen Blättern vollständig umhüllt (vgl. z. B. mit der Tulpe!).

b) An den unteren Enden bleiben die Stengelglieder lange Zeit wachs- tumsfähig und daher zart und weich. An diesen leicht verletzlichen und aus- trocknenden Stellen sind nun die Stengel von den Blättern wie von

Schmeil. Lehrbuch der Botanik.

Tafel 36.

Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense).

Schwimmblatt. Lckerschachtelhalm. 305

schützen den Scheiden umgeben. Wir treffen hier also fast dieselben Verhältnisse wie beim Roggen an (s. S. 254), mit dem der Schachtelhalm auch das schnelle Wachstum der Stengel gemein hat. Übt man auf einen wachsenden Stengel einen starken Zug aus, so muß er an diesen zarten Stellen selbst- verständlich am leichtesten zerreißen. Dabei- kann man die einzelnen Stengel- glieder leicht aus ihren Scheiden herausziehen, ein Umstand, dem die Pflanze den bezeichnenden Namen „Schachtelhalm" verdankt. (Untersuche daraufhin be- sonders die Sommertriebe und beobachte , wie sich die oberen Stengelglieder anders verhalten als die unteren, schon erstarkten!)

3. Die Sporenähre. Über dem obersten Blattquirle, der die Form eines gelappten Ringes besitzt, erhebt sich eine kegelförmige Ähre, aus der bei der Reife ein blaugrüner Staub hervorkommt. In ihm haben wir die Sporen der Pflanze vor uns (s. Wurmfarn). Wir sind daher wohl berechtigt, die Ähre als „Sporenähre" und die Frühjahrstriebe als sporentragende oder „fruchtbare" Triebe zu bezeichnen. Die Sporenähre besteht aus der Fortsetzung des Stengels, der Achse, und

a) zahlreichen „Sporenblättern", die wie die Stengelblätter in Quirlen angeordnet sind. Jedes Blatt hat die Form eines gestielten Schildchens (4), d. h. es bestellt aus einem Stiele, der rechtwinklig von der Achse absteht, und einer Platte, die dem Stiele in ihrer Mitte aufsitzt. Wie man an der Anlage der Ähre erkennen kann, stellen diese Blätter ursprünglich Höcker der Achse dar, die sich an dem freien Ende nach und nach scheibenförmig verbreitern. Da nun diese Scheiben zusammenstoßen und weiterwachsen, so müssen sie sich gegenseitig abplatten: sie nehmen die Form meist sehr regelmäßiger Sechsecke an, wie wir sie an den ausgebildeten Blättern erkennen.

b) An der Innenseite tragen die Platten je meist sechs häutige Säckchen, in denen sich die Sporen bilden. Wir haben in ihnen also die Sporenkapseln vor uns (vgl. mit Wurmfarn).

c) Wie uns ein Blick durch das Mikroskop zeigt, besitzt jede Spore zwei sich kreuzende Bänder, die in ihrer Mitte mit der Sporenhaut verwachsen sind und sich am Ende spateiförmig erweitern (5 a). Klopfen wir die reife Sporenähre über einem Blatt Papier oder dgl. aus, und hauchen wir die er- haltene Sporenmasse in kurzen Zwischenpausen leicht an, so kommt eine eigen- tümliche Bewegung in sie: nach dem Anhauchen nimmt sie das Aussehen feinster Watte an, um kurze Zeit darauf wieder vollständig in Staub zu zerfallen. Hauchen wir die Sporen an, während wir sie unter dem Mikroskop betrachten, so sehen wir, daß die (hygroskopischen) Bänder es sind, die diese Bewegung verursachen : sie nehmen etwas von dein Wasserdampf auf, der in der Atemluft enthalten ist, und rollen sich infolgedessen schnell eng um die Sporen (5b); ist die geringe Wassermenge wieder verdunstet, so strecken sie sich auch wieder aus (5a).

Welche Bedeutung hat nun diese eigentümliche Einrichtung? Die staub- förmigen Sporen werden wie z. B. die des Wurmfarns durch den Wind ver- breitet. Zur Zeit der Sporenreife schrumpfen daher die Sporenblätter stark

Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 20

306

2. Klasse. Schachtelhalme.

zusammen (le und 3), so daß der Wind zwischen ihnen hindurch streichen kaun. Zugleich öffnen sich die Sporenkapseln nach innen (4 b). Infolge des Wasser- verlustes der Sporenblätter trocknen aber auch die Bänder der Sporen aus, so daß sie sich ausstrecken. Die Sporen nehmen infolgedessen jetzt weit mehr Platz ein als vordem und drängen sich gleichsam gegenseitig aus der Öffnung .. ,££v der Sporenkapsel heraus, so daß

sie nunmehr vom Winde erfaßt und verweht werden können. (Beobachte an abgeschnittenen Stengeln im Zim- mer, wie die Sporen aus den Öffnungen der Kapseln gleichsam hervorquellen !) Eine erfolgreiche Verbreitung der Sporen ist aber nur bei trockener Luft möglich (wieso?). Dann aber strecken sie ihre Bänder aus. Sie bieten dem Winde dann also eine große Angriffsfläche dar, so daß sie leicht verbreitet werden können.

Haben die Sporen einen gün- stigen Platz gefunden, so beginnen sie wie die des Wurmfarns zu keimen und je einen Vor keim zu ent- wickeln. Dieses Gebilde hat beim Schachtelhalm etwa die Form eines kleinen Lebermooses, trägt aber ent- weder nur männliche (Antheridien) oder weibliche Organe (Archegonien). Eine Befruchtung der Eizelle durch einen Schwärmer kann also nur dann eintreten, wenn sich mehrere (männ- liche und weibliche) Vorkeime neben- einander entwickeln. Dies ist nun dadurch leicht möglich, daß mehrere Sporen, durch ihreBänder inein- ander gehakt, zusammen durch den Wind verweht werden und an derselben Stelle keimen. Im übrigen er- folgt die Befruchtung, sowie die Bildung der jungen Pflanze aus der befruchteten Eizelle in derselben Weise wie bei den Farnen. (Führe dies näher aus! Be- weise, daß auch beim Schachtelhalm ein Generationswechsel vorhanden ist!)

4. Lebensdauer und Erscheinungszeit, a) Die Frühjahrs- triebe sind, wie wir gesehen haben, blasse Gebilde, die nur ganz geringe Mengen von Blattgrün besitzen. Sie sind daher gleich allen anderen Pflanzen

Vorkeim vom Ackerschachtelhalm

(etwa 60 mal vergr.). 1. weiblicher Vorkeim ; am Grunde mit (w. 0.) 3 weiblichen Organen i Archegonien). Das mittlere ist befruchtet und beginnt, sich zu einer neuen Pflanze zu ent- wickeln. 2. männlicher Vorkeim ; an der Spitze mit (m. 0.) 3 männlichen Organen (Atheridien) ; das linke hat sich geöffnet, so daß die Schwärmer entweichen. 3. ein Schwärmer (stark vergr.).

Ackerschachtelhalm. 307

und Pflanzenteilen, denen das Blattgrün fehlt, auch nicht im stände, die zur Ernährung und zum Wachstum nötigen Stoffe zu bereiten. Sie sterben daher ab, sobald sie ihre Aufgabe erfüllt, d. h. die Sporen aus- gestreut haben. (Beweise, daß sie im anderen Falle für die Pflanze nur unnütze „Esser" darstellen würden!)

b) Die Verbreitung der Sporen durch den Wind läßt uns auch das Er- scheinen der fruchtbaren Triebe im zeitigen Frühjahre als nicht unwichtig erkennen. Jetzt sind nämlich die Äcker noch kahl oder die ange- bauten Pflanzen (Getreide, Klee, Raps u. dgl.) noch niedrig. Später im Jahre dagegen würden die .Ackerpflanzen die Sporenähren, die ja nur auf verhältnis- mäßig kurzen Stengeln stehen, zum größten Teil überragen, also dem Einflüsse des Windes entziehen. Andererseits ist es den fruchtbaren Trieben auch möglich, so zeitig im Jahre zu erscheinen ; denn sie besitzen in dem

B. 1. unterirdischen Stumme (Wurzelstocke) eine Vorratskammer, in der sie die zum Aufbau notwendigen Stoffe fertig vorfinden. Als besondere Behälter für die aufgespeicherte Nahrung finden sich an dem Stamme viel- fach noch kleine Knollen (1 a), die wie die Kartoffelknollen kurze, stark angeschwollene Stengelstücke darstellen. (Beweise, daß die Vorratsstoffe vor- wiegend aus Stärke bestehen! s. S. 138, d.)

2. Der Stamm ist im wesentlichen wie der oberirdische Stengel gebaut (Beweis!). Er ist federkieldick, schwarzbraun, vielfach verzweigt, kriecht weit im Boden umher und treibt aus den Knoten zahlreiche faserige Wurzeln. Die miteinander verwachsenen Blätter sind aber noch kleiner als die an dem Stengel des fruchtbaren Triebes. Sie haben ja auch keine Sporenähre, sondern nur die dünnen, fortwachsenden Spitzen des verzweigten Stammes gegen Ver- letzung zu schützen. Haben sie diese Aufgabe erfüllt, so sterben sie, weil nunmehr ohne Bedeutung, bald ab.

Da der Stamm meist so tief im Boden liegt, daß ihn der Pflug nicht erreicht, da er ferner nach allen Richtungen Zweige aussendet, so daß sich die Pflanze schnell über einen großen Bezirk ausbreitet, und da er endlich zahlreiche oberirdische Triebe bildet, die den Feldpflanzen Nahrung, Raum und Licht weg- nehmen: so ist der Ackerschachtelhalm eins der lästigsten Unkräuter.

C. Sommertriebe. 1. Nachdem der Schachtelhalm die fruchtbaren Triebe gebildet hat, sind die im unterirdischen Stamme aufgespeicherten Vorräte fast erschöpft. Der „Speicher" muß daher von neuem gefüllt werden: d. h. die Pflanze muß Triebe bilden, die reich an Blattgrün sind, also unter Mitwirkung des Sonnenlichts neue Vorratsstoffe zu bilden vermögen. Diese tannenbaumälin- lichen, lebhaft grünen Triebe kommen erst im Mai oder Juni zum Vor- schein und dauern den ganzen Sommer über aus. (2.)

2. Im wesentlichen sind diese „Sommertriebe" mit den „Frühjahrstrieben" übereinstimmend gebaut. Sie besitzen aber niemals eine Sporenähre („unfruchtbare Triebe") und tragen an den Stengelknoten Quirle von Asten. Diese Gebilde durchbrechen den Grund der verwachsenen Blätter, sind deutlich

308 2. Kl. Schachtelhalme. 3. Kl. Bärlapp-Gewächse. 2. Gr. Moose. 1. Kl. Laubmoose.

gegliedert, tief gefurcht, meist vierkantig und oft nochmals verzweigt. Da die Blätter wie am unterirdischen Stamme nur das wachsende Stengelende zu überdecken haben, so sind hier die von ihnen gebildeten Scheiden auch meist kleiner als an den fruchtbaren Trieben.

3. Glüht man einen Stengel oder Zweig auf einem Platinbleche, so bleibt

Kolben-Bärlapp (etwaj ! /'■/ nat.'Gr.) Daneben 2 Sporenblatter: a mit geschlossener, b mit geöffneter Sporenkapsel (etwa 5 mal vergr.)

ein zartes „Skelett" von Kieselsäure zurück, die der Oberhaut in großen Mengen eingelagert ist. Infolgedessen erscheinen die Sommertriebe hart und fest, so daß sie wie die kieselhaltigen Stengel und Blätter zahlreicher Gräser und Riedgräser (s. das.) vortrefflich gegen Tierfraß geschützt sind. Des Kiesel- gehaltes wegen wird die Pflanze auch hier und da zum Scheuern kupferner und zinnerner Gefäße benutzt („Scheuerkraut").

Wald-, Sumpf-, Schlammschachtelhalm. Kolben-Bärlapp. Schuppen- u. Siegelbäume. 309

Andere Schachtelhalme.

Die wenig Schachtelhalmarten, die wir jetzt noch auf der Erde antreffen, sind die zwerghaften Reste eines untergegangenen Riesengeschlechtes, das wesentlich zur Bildung der Steinkohle beitrug (s. S. 303). Gleich dem Ackerschachtelhalme bildet der Wald-Sch. (lv silväticum), der wie die meisten Waldpflanzen von zartem Bau ist (Be- deutung?), fruchtbare und unfruchtbare Triebe; erstere ergrünen aber nach der Sporen- aussaat und treiben grüne Seitenzweige. Bei anderen Arten dagegen steht die Sporen- ähre an der Spitze der grünen Stengel. Dies ist z. B. beim Sumpf-Sch. (E. palüstre), der auf sumpfigen und torfigen Wiesen ein lästiges Unkraut bildet, und beim Schlamm- Seil. (E. limösum) der Fall, der an denselben Orten, sowie in Sümpfen, Gräben und Teichen seine oft mehr als meterhohen, wenig- oder unverzweigten Stengel treibt.

3. Klasse. Bärlapp-Gewächse (Lycopödinae).

Ein besonders in Nadelwäldern häufiger Vertreter dieser Gruppe blütenloser Pflanzen ist der Kolben-Bärlapp oder das Schlangenmoos (Lycopodium clavätum), ein immergrünes , moosartiges Pfiänzchen , das mit gabelig verzweigtem Stengel weit über den Boden dahinkriecht (Schlangenmoos). Die Sporenblätter, die wie bei den Schachtelhalmen zu kolbenartigen Ähren gehäuft sind, tragen an ihrem Grunde je eine große, nierenförmige Sporenkapsel, die sich bei der Reife durch einen Querspalt öffnet. Da sich die Sporenähren auf langen Stielen über den Boden erheben, vermag der Wind die Sporen leicht auszuschütteln und zu verwehen. Die winzigen Körper, die die Sporen- kapseln als gelbe Wolke verlassen, sind das sog. Hexenmehl, das besonders zum Trocknen wunder Körperstellen dient. Wie bereits S. 303 erwähnt, haben zahlreiche baumartige Bärlappe die Steinkohlenlager mit bilden helfen. Die riesigen, bis 40 m hohen Stämme waren mit siegelartigen Blattnarben bedeckt, die bei den Sehuppeiibäumen (Lepido- dendron) in Schraubenlinien, bei den Siegelbäumen (Sigillaria) in Längsreihen an- geordnet waren.

2. Gruppe. Moose (Bryöphyta).

Pflanzen, die in Stengel und Blätter gegliedert sind oder ein laubartiges Gebilde dar- stellen (s. Lebermoose), denen echte Wurzeln fehlen und die niemals Gefäßbündel

enthalten.

1. Klasse. Laubmoose (Musci).

Pflanzen, die stets deutlich in Stengel und Blätter gegliedert sind. Die Blätter sind in der Regel in einer Schraubenlinie angeordnet, und die Sporenkapsel ist meist mit einer

Haube bedeckt.

Das goldene Frauenhaar oder der Widerton (Polytrichum commune).

A. Das Vorkommen. Das zierliche Moos überzieht besonders in feuchten Wühlern, sowie auf Moorboden und an anderen wasserreichen Stellen oft weite Flächen. Während es hier hohe, schwellende Polster bildet, tritt es uns an trockenen Stelleu nur in Form niedriger Rasen entgegen. Einen prächtigen

310

1. Klasse. Laubmoose.

Schmuck erhalten diese grünen Moosteppiche, wenn sich über ihnen auf

schwankenden Stielen die Sporenkapseln (s. S. 314) erheben. Dann werden

uns auch

B. die Namen verständlich, die das zierliche Pflänzchen trägt. Nach

den goldgelben, filzigen Hauben, von denen die Kapseln bis zur Reife überdeckt

werden, nennt man es „goldenes Frauenhaar, Haarmoos oder Filzmütze". Früher schrieb man dem harmlosen Gewächs geheime Kräfte zu: es galt als sicheres Mittel „wider das Antun" durch böse Geister und Hexen, so daß es heutzutage noch hier und da als „Widerton" bezeichnet wird.

C. Die Moospflanze. 1. Der feste, elastische Stengel erreicht auf feuchtem Untergrunde eine Höhe von 30 cm. Er stirbt wie die unterirdischen Stämme des Windröschens, der Maiblume und anderer Pflanzen vom unteren Ende her allmählich ab, während er oben beständig weiter wächst. Daher ist er meist auch nur am oberen Teile mit grünen, lebenstätigen Blättern besetzt, während sein unterer Abschnitt kahl ist oder braune, d. i. abgestorbene Blätter trägt. Das untere Stengelende ist

2. mit einem braunen Filze bedeckt,

verzweigten Zellreihen zusammengesetzt ist. Diese Gebilde befestigen das Pflänzchen im Boden und nehmen Wasser mit den darin ge- lösten Nährstoffen auf. Sie vertreten also die Stelle der Wurzeln, wie sie die höheren Pflanzen besitzen. Darum werden sie treffend auch als Wurzelhaare bezeichnet. (Wie dem Frauenhaar fehlen auch allen anderen Moosen echte Wurzeln.) In dem Grade, in dem der Stengel von unten her abstirbt, ent- stehen an ihm immer weiter nach oben neue Wurzelhaare.

3. Die Blätter sind in einer Schrau- benlinie am Stengel angeordnet. Sie haben die Form eines langgestreckten, gleichschenk- ligen Dreiecks, sind scharf zugespitzt und am Rande fein gesägt (Lupe !). Am Grunde

Goldenes Frauenhaar (nat. Gr.). 1. Pflanze mit „Moosblüte" ; 2. Pflanze mit endständiger und durchwachsener „Moosblüte1' ; 3. Pflanze mit Sporen- kapsel.

Goldenes Frauenhaar.

311

Blätter des

goldenen

Frauenhaares.

1 ausgebreitet;

2 zusammengelegt

(etwa 200 mal

vergr.).

verbreitern sie sich zu einem häutigen Abschnitte, mit dem sie dem Stengel eng anliegen. (Am be- sten zu sehen, wenn man einen Stengel zerreißt, mit dem oberen Eude nach unten kehrt und nunmehr die Blät- ter mit Hilfe einer Pinzette abhebt.)

a) Legen wir ein Blatt unter das

Mikroskop, so erkennen wir leicht, daß es nur aus Zellen zusammengesetzt ist. Es entbehrt also der Gefäße (s. letzten Abschn. d. Buches), wie wir sie bei den höheren Pflanzen antreffen. In gleich einfacherWeise sind auch alle übrigen Teile des Frauen- haares gebaut, desgleichen alle anderen Moose, sowie die Algen und Pilze. Daher werden diese 3 großen Gruppen der blütenlosen Gewächse den Farnen oder Gefäßkryptogamen als „Zellkryptogamen" gegenüber gestellt (s. S. 296).

An einem Querschnitte des Blattes erkennen wir allerdings, daß eine Art „Mit- telrippe" vorhanden ist. Sie besteht jedoch im Gegensatz zu dem entsprechenden Gebilde höherer Pflanzen gleichfalls nur aus Zellen. Da sie dem Blatte aber Halt und Stütze verleihen soll, sind die Wände ihrer Zellen auch stark verdickt.

b) An diesem Querschnitte erkennen wir ferner, daß sich im mittleren Abschnitte der Blattoberfläche Längsleisten erheben, die aus je einer Zell- schicht aufgebaut sind. (Im Querschnitt erscheinen die Leisten daher als Zellreihen.) Durch diese Gebilde wird die Oberfläche des Blattes wesentlich ver- größert, so daß die Pflanze also auch mehr Sonnenstrahlen auffangen und größere Wassermengen verdunsten kann, als wenn die Blätter nur je eine einfache Zellschicht darstellten. Beides ist aber für das Moos von größtem Vorteil; denn die verdunstenden Wassermassen machen anderen Platz, die vom Boden aufsteigen und Nährstoffe enthalten, und unter dem Einflüsse des Sonnenlichtes allein werden in den grünen Blättern diese Stoffe so umwandelt, daß sie der Pflanze zur Nahrung und zum Aufbau dienen können.

c) Nimmt man ein Pflänzchen aus dem Boden, so sieht man oft schon nach kurzer Zeit, wie sich die Blätter rinnig zusammenlegen: die

312

1. Klasse. Laubmoose.

Seitenteile der Blattflächen schlagen sich nach innen und überdecken die Längs- leisten, so daß diese jetzt weit weniger Wasser verdunsten als vorher. Und zwar ist die Abgabe von Wasserdampf umso geringer, als sich die Blätter gleichzeitig nach oben dicht an den Stengel legen. (Zusammen- gefaltete und aufeinandergelegte Wäsche bleibt viel länger feucht, als wenn man jedes einzelne Wäschestück flach ausbreitet. Warum?) Diese Schutzstellmig nehmen die Blätter, wie leicht zu beobachten ist, bei trockener Witterung auch im Freien an. Eine zu starke Wasserdampfabgabe hat für das Frauenhaar

wie für jedes andere Ge- wächs selbstverständlich

o

.

den Tod im Gefolge. Ge- gen Wasserverlust ist das zarte Moos jedoch außerordentlich wider- standsfähig. Daher kann es auch in dem trocknen Winter (s. S. 02) seine Blätter behalten, oder anders ausgedrückt, eine i m mergrüne P f 1 a n- ze sein.

d) Bietet man einem scheinbar gänzlich ver- trockneten Pflänzchen wieder Wasser dar, so breiten sich die Blät- terauchalsbaldwie- der aus und biegen sich vom Stengel zurück. Stellt man die Pflanze zu diesem Zwecke mit dem unteren Teile in das Wasser, so geht beides viel langsamer von statten als wenn man den mit grünen Blättern besetzten oberen Teil in das Wasser legt oder sonstwie befeuchtet, ein Zeichen, daß die Aufnahme des Wassers besonders durch die Blätter erfolgt. WTie groß die Wassermenge ist, die auf- gesogen wird, läßt sich am besten erkennen, wenn man einen stark ausgetrock- neten Moosrasen anfeuchtet, dessen Gewicht man zu diesem Zwrecke vor und nach der Wasseraufnahme genau feststellt (am besten benutzt man zu diesem Ver- suche Polster des Weiß- oder des Torfmooses). Freilich wird nicht alles Wasser von den Pflanzen selbst aufgenommen. Es wird vielmehr (infolge von Kapilla- rität) zwischen den Blättern und Stämmchen festgehalten wie in den Poren eines Badeschwammes.

D. Die Befruchtung1. 1. Männliche Organe, a) Unter den Pflänz-

,, Moosblüte." 1 senkrecht durchschnitten mit 3 männlichen Organen m.O. (etwa 40 mal nat. Gr.). Danehen eines dieser Or- gane stärker (etwa 200 mal) vergr. Aus der geöffneten Spitze treten soeben die Schwärmer hervor, die z. T. (rechts) schon frei geworden sind.

Goli

313

chen des goldenen Frauenhaars linden sich im Mai und Juni stets mehrere, deren Stengel am Gipfel etwas verdickt und deren Blätter daselbst stark verbreitert und vielfach rötlich gefärbt sind. So entstehen dort körbchenartige Bildungen, die im Volksmuude als „Moosblüten" bezeichnet werden. Nicht selten wächst der Stengel mit gewöhnlichen Blättern weiter, um im nächsten Jahre an seiner Spitze eine neue „Blüte" zu bilden (s. Abb. 2 auf S. 310).

Weibliche Organe eines Mooses (etwa 60 mal vergr.). 1 Zwei dieser flaschen- förmigen Gebilde (w.O.) stehen an der Spitze des längsdurchschnittenen Stengels (St.) und sind von zahlreichen Längsdurchschnittenen Blättern (B.) umgeben. Das vordere

dieser Organe ist im Längsschnitt gezeichnet, um die Eizelle (E.) und den mit Schleim gefüllten langen „Hals der Flasche" zu zeigen. 2 Dieselben Teile, einige Wochen später: Die Eizelle eines der beiden weihlichen Organe wächst zur gestielten Sporenkapsel (Sp.) heran. Das jetzt stabförmige Gebilde, das noch nicht in Stiel und Kapsel gegliedert ist, hat sich in den Stengel der Pflanze gebohrt und ist von dem mitwachsenden weib- lichen Organe, der „Wand der Flasche" (F.), eingeschlossen. Das 2. weibliche Organ ist

abgestorben.

b) Durchschneidet man ein Körbchen senkrecht, so sieht man schon mit Hilfe der Lupe zwischen kleinen, langgestreckten oder spateiförmigen Blättern zahlreiche wasserhelle Schläuche, in denen wir bei Benutzung des Mikroskops leicht die männlichen 0 r g a n e ( Antheridien) erkennen. (Bei völliger Reife genügt schon ein leichter seitlicher Druck, um sie aus dem Körbchen hervor- zupressen.)

c) Bringt man einen reifen Schlauch in das Wasser, so öffnet er sich

314

1. Klasse. Laubmoose.

an der Spitze. Es tritt eine teigige Masse hervor, die aus zahlreichen Zellen mit je einem Schwärmer besteht (s. Abb. S. 312). Bald werden diese Gebilde frei und schwimmen mit 2 langen Haaren am zugespitzten Vorderende durch das Wasser dahin.

2. Bei anderen Pflänzchen sind zu derselben Zeit die obersten Blätter knospenartig zusammengeneigt. In den Achseln dieser Blätter finden sich die weib- lichen Organe (Archegonien; Abb. S. 313). Es sind wie beim Wurmfarn flaschen- förmige Gebilde, die je eine Eizelle einschließen. Sie öffnen sich wie bei jener Pflanze an der Spitze und entlassen einen Schleim, durch den die Schwärmer eindringen, um mit der Eizelle verschmelzen zu können. Den Weg zu dieser Zelle finden die Schwärmer durch das Wasser, das ja bei jedem Eegen

den Moosrasen durchtränkt. Das Frauenhaar ist also wie z. B. die Sal- weide eine zwei- häusige Pflanze. Eine Befruchtung kann daher nur stattfinden , wenn männliche und weib- liche Pflanzen dicht beieinander stehen, oder anders aus- gedrückt — wenn sie einen Rasen oder ein Polster bilden.

3. Von den befruchteten Eizellen entwickelt sich auf jedem Stengel stets nur eine weiter. Sie wächst zu einem langgestreckten Körper aus, der sich nach und nach zu

E. der gestielten Sporenkapsel entwickelt, wie wir sie am Gipfel zahl- reicher Moospflänzchen finden.

1. Der untere Teil des Körpers wird zu dem fast fingerlangen Stiele, der sog. Borste, die unten prächtig rot und oben goldgelb gefärbt ist. Der obere Abschnitt dagegen schwillt stark an und bildet sich zu der Sporen- oder Mooskapsel aus. Indem sich die Borste mit ihrem unteren Ende in das Moosstämmchen einbohrt, bleibt das ganze Gebilde mit der Mutterpflanze in innigstem Zusammenhange.

2. Anfänglich ist die junge „Moosfrucht" von der mitwachsenden Flasche umgeben. Schließlich zerreißt diese Hülle aber: ihr unterer Teil bleibt als die kleine Scheide zurück, die die Borste unten umgibt und inniger mit der Mutterpflanze verbindet; ihr oberer Abschnitt dagegen wird von der Kapsel als goldgelber Filz, die sog. Haube, mit emporgehoben.

Sporenkapselndes goldenen Frauenhaars (etw. 15 mal vergr.). 1 Kapsel mit Haube. 2 Kapsel obne Haube. D. Deckelcben. 3 Deckelchen abgefallen ; der Wind scbüttelt die Sporen heraus.

Goldenes Frauenhaar. 315

3. Die vierkantige Sporenkapsel (Längs- und Querschnitt!) ist von einem Mittelsäulchen durchzogen und von zahlreichen, grünen Sporen erfüllt. Ihr oberer Teil hebt sich bei der Reife in Form eines Deckelchens ab. An dem Rande der Kapsel erblickt man dann (Lupe!) eine große Anzahl feiner Zähnchen, deren Spitzen durch ein trommelfellartiges H ä u t c h e n miteinander verbunden sind.

4. Entstehung und Lau der Sporenkapsel machen uns nun zahlreiche Verhältnisse der interessanten Pflanze verständlich:

a) Wie die Eizelle, so ist auch der aus ihr hervorgehende Körper an- fänglich überaus zart. Für ihn ist es daher von größtem Vorteil, daß er von der mitwachsenden „Flasche" so lange umhüllt wird, bis er den Witterungseinflüssen zu widerstehen vermag (vgl. mit dem Schutze, den die Samenanlagen der höheren Pflanzen im Fruchtknoten finden!).

b) Die Sporenkapsel ist zwar ein grünes Gebilde. Da sie aber von der Filzhaube überdeckt ist, so daß das Sonnenlicht nur geschwächt bis zu ihr vor- zudringen vermag, ist die „Moosfrucht" auch bei weitem nicht im stände, alle zum Wachstum und Leben erforderlichen Stoffe zu bereiten. Sie bleibt daher wie wir gesehen haben mit der Mutterpflanze im Zu- sammenhange.

Diese Verbindung ist jedoch eine ganz andere als z. B. die zwischen der Apfelfrucht und dem Apfelbaume. Zieht man nämlich die Borste vorsichtig aus der Mutterpflanze, so daß ihr Ende aber noch in der Scheide bleibt, und steckt man sie darauf wieder fest in das Moosstämmchen, so wächst die „Moos- frucht" weiter! Man betrachtet daher die Kapsel mit ihrem Stiele als eine besondere Pflanze, die aus dem Moospflänzchen hervorgegangen ist, mit ihm aber im Zusammenhange bleibt und von ihm er- nährt wird.

c) Während die Borste schon ziemlich frühzeitig erstarkt, bleibt die Kapsel lange Zeit sehr zart. Ihr ist daher die Haube ein wichtiges Schutz- mittel, das sich treffend mit einem Strohdache vergleichen läßt: Wie nämlich ein solches Dach die Hausbewohner vor zu großer Wärme und vor Regen be- wahrt, so beschützt auch die Filzhülle die wachsende Kapsel vor zu starker Erwärmung und damit verbundener übermäßiger Wasserdampfabgabe (Ver- trocknen!), sowie vor schädlicher Nässe (Tau, Regen). Sind die Sporen gereift, so daß sie ausgestreut werden müssen, dann ist die Hülle überflüssig geworden. Sie fällt daher ab.

d) Dasselbe gilt für das Verschlußstück der sich jetzt wagerecht stellenden Kapsel, für das Deckelchen. Es wird, indem die Kapselwände ein- trocknen, abgehoben.

e) Für die Sporen ist es wie für die Samen nun von größter Wichtigkeit, nacheinander ausgesät zu werden (s. S. 10, 3). Die Kapsel ist daher wie wir gesehen haben oben nicht einfach offen. Indem sich die Zähnchen

316

1. Klasse. Laubmoose.

am Kapselrande etwas emporrichten, heben sie auch das Häutchen mit empor: es entstehen zahlreiche Löcher, durch die die Sporen allmählich

ausgestreut werden. Die Kapsel hat jetzt also große Ähnlichkeit mit ei- nem Mohnkopfe oder bes- ser mit einer Streusand- büchse.

Eine erfolgreiche Verbreitung der Sporen durch den Wind kann aber nur dann erfolgen, wenn sie trocken sind (wieso?). Darum krüm- men sich die sehr hy- groskopischen Zähn- chen bei feuchtem Wetter wieder herab und ziehen das Häut- chen mit herunter. Infolgedessen ver- schwinden die Öff- nungen wieder, so daß jetzt ein Ausstreuen der Sporen unterbleiben muß. (Durch Befeuch- tung der Kapseloberfläche leicht zu beob- achten!)

f) Obgleich die reife Kapsel wagerecht steht, fallen die Sporen nicht von selbst heraus. Sie muß erst erschüttert werden. Da sie sich nun auf einem langen, sehr elastischen Stiele erhebt, ist hierzu schon ein sanfter Wind im stände.

F. Der Yorkeim. 1. Die Entwick- lung der Sporen läßt sich wie bei den Farnen (s. S. 297, E) durch Aussaat leicht verfolgen. Schon nach wenigen Tagen ist aus jeder Spore ein Keimschlauch hervorgegangen, der sich bald zu dem Vorkeime weiter entwickelt. Dieses Gebilde stellt einen langen, mehrfach verästelten Faden dar, hat also große Ähnlichkeit mit einer verzweigten Fadenalge (s. das.). Da er wie der Vorkeim der Farne sich selbst die zum Leben und Wachstum nötigen Stoffe bereiten muß, so findet auch an ihm eine Arbeits-

Ä

Obere Fläche der Sporenkapsel, die Zähnchen, des Kapselrandes und das trommelfellartige Häufchen (H) zeigend (etwa 30mal vergr.). 1 bei trockenem Wetter, staubend : 2 bei feuchtem Wetter: die Löcher sind wieder geschlossen. Darunter noch stärker vergr. einige Zähnchen und ein Stück des Häntchens (H), gleichfalls bei trockenem und feuchtem Wetter.

Vorkeim eines Mooses (etwa200mal

vergr.). S. Spore, aus der der Vorkeim hervorgegangen ist. K. Knospen.

Goldenes Frauenhaar. Bedeutung der Mooae. :;17

teilung statt: mehrere farblose oder braune Zweige dringen als Wurzelhaare in den Boden und übernehmen die Aufgaben der fehlenden Wurzeln, die anderen sind grün und verarbeiten im Sonnenlichte die aufgenommenen Rohstoffe. (Vor- keime der Moose findet man als grünen Anflug häuflg auf feuchtem Boden, z. B. auf Blumentöpfen.)

2. Am oberen Teile des Yorkeims, der nunmehr bald zugrunde geht, ent- stehen kleine Knospen, die zu je einem Moospflänzchen auswachsen. Keimen an einem Orte viele Moossporen, so bilden sich demnach auch zahlreiche, dicht beieinander stehende Moospflänzchen: es entsteht ein Rasen oder Polster. Hiermit sind wir zum Ausgangspunkte unserer Betrachtung zurückgekehrt,

3. Nunmehr sind wir auch im stände, die Entwicklung der Moose, die im wesentlichen genau wie beim Frauenhaar erfolgt, zu überblicken und mit der der Farne zu vergleichen (s. S. 300,7). Dabei werden wir leicht folgendes linden:

a) Aus der Spore bildet sich der algenartige Vorkeim, aus dem durch Knospung die Moospfläuzchen entstehen. Da die Pflänzchen die männlichen und weiblichen Organe tragen, so bilden sie mit ihrem Vorkeim die ge- schlechtliche Form oder Generation. Aus der Vereinigung von Eizelle und Schwärmer geht

b) die gestielte Sporenkapsel hervor, die auf „ungeschlechtlichem Wege'' Sporen erzeugt. Sie stellt somit die ungeschlechtliche Form oder Gene- ration dar.

c) Da beide Formen regelmäßig abwechseln, haben wir hier wie bei den Farnen einen deutlich ausgeprägten Generationswechsel vor uns. (Welche Unterschiede sind in der Entwicklung der beiden Pflanzengruppen aber vor- handen? Beweise, daß die Sporenkapsel der Moose ihrer Entstehung nach der Farnpflanze entspricht, während andererseits der Yorkeim und die Moospflanze dem Vorkeime der Farne gleich zu setzen ist!)

Die Bedeutung und die verbreitetsten Arten der Laubmoose.

A. Die Bedeutung. Die Laubmoose treten uns in der Natur in größtem Formenreichtum entgegen. Sie sind alle im wesentlichen wie das goldene Frauenhaar gebaut und zeigen infolgedessen auch dieselben Lebenstätigkeiten. Daher eröffnet uns das Verständnis der einen Pflanze zugleich einen Blick auf die Bedeutung aller.

1. Wie das Frauenhaar vermögen die meisten Moose so stark auszutrocknen, daß sie unter unseren Tritten zerbrechen, und wir sie zu Staub zermalmen können. Wochen- lang verharren sie in diesem Zustande: sobald sie aber von einem Regen benetzt werden, erwachen die schlummernden Lebenstätigkeiten von neuem. Daher vermögen sich viele von ihnen auch an Felsen und Baumstämmen, auf Ästen, Mauern und Dächern, kurz an Orten anzusiedeln, an denen sie oft lange Zeit hindurch größter Trocknis ausgesetzt sind. (Warum finden sich Moose [und Flechten] besonders an der „Wetterseite" der Baumstämme?)

Diese Ortlichkeiten sind ferner so arm an Nährstoffen, daß größere Pflanzen hier „verhungern" müßten. Den winzigen Moosen aber genügen die geringen Erdmengen in den Felsenritzen oder der Staub in den Fugen der Dachziegel und in den Rissen der

318 1. Klasse. Laubmoose.

Baumrinde vollkommen. Die größte Menge von Nährstoffen nehmen sie allerdings mit dem Regenwasser auf, das sich auf seinem Laufe über die Felsen, an den Baumstämmen herab oder dgl. damit beladet.

Durch die Fähigkeit, an wasser- und nährstoffarmen Örtlichkeiten zu gedeihen, erlangen die Moose eine außerordentliche Wichtigkeit im Haushalte der Natur. Indem sie nämlich den zwischen den Pflänzchen ihrer Polster herbeigewehten Staub aufsammeln, sowie von unten her beständig absterben und in „Mooserde" zerfallen, vermehren sie fort- gesetzt die geringe Erdmasse, in der sie wurzeln. Sie sind daher (mit den Flechten) die ersten Ansiedler an Felsen und bereichern selbst den ödesten Boden nach und nach an fruchtbaren Bestandteilen. Nach ihnen können sich an diesen Orten Pflanzen ansiedeln, die größere Ansprüche an den Boden stellen, so daß sich im Laufe der Zeit selbst kahle Felsen mit einer grünen Pflanzendecke über- ziehen.

2. Im wasserdurchtränkten Moore dagegen ist der gänzliche Zerfall der ab- gestorbenen Teile nicht möglich. Gleich der Rasen- und Erdschicht, die der Köhler über den Meiler deckt, verhindert nämlich das Wasser eine genügende Durchlüftung des Bodens, so daß nur eine unvollkommene Zersetzung der Pflanzenteile eintritt (s. S. 114). Wie im Meiler häufen sich daher im Boden große Mengen von Kohlenstoff an: es ent- steht der Torf, der zum Unterschiede vom Heidetorf als „Moostorf" bezeichnet wird. Geht die Torfbildung Jahrhunderte oder Jahrtausende hindurch vor sich, so entstehen schließlich mächtige Torflager, wie wir sie z. B. in der norddeutschen Tiefebene und an mehreren Flüssen Bayerns finden.

Der Torf dient dem Menschen nun nicht allein als Brennmaterial, sondern er liefert auch ein (allerdings meist nur dürftiges) Ackerland. Zu diesem Zwecke brennt der Moorbauer die oberste Schicht der Torflager ab („Höhenrauch"), oder er vermengt die schwarze Torferde mit lockerndem Sande. Ohne den Torf und die ihn erzeugenden Moose wären jene Gegenden Sümpfe, die vom Menschen nicht bewohnt, z. T. nicht ein- mal betreten werden könnten. Wenn unter den Torfbildnern auch die Torfmoose (s. w. u.) die erste Stelle einnehmen, so trägt doch neben zahlreichen anderen Moos- arten das zierliche Frauenhaar gleichfalls nicht wenig dazu bei, für den Menschen bewohnbares Land zu schaffen.

3. Wie wir sahen, saugen sich die Moospolster beim Regen wie ein Schwamm voll Wasser. Bedenken wir nun, daß der Boden der Wälder oft auf weite Strecken hin mit einem grünen Moosteppich bedeckt ist, so können wir ungefähr abschätzen , welch' rie- sige Wassermenge schon von den Moosen eines einzigen Waldes aufgesogen und fest- gehalten wird. Schlägt man die Wälder nieder, so gehen auch die schattenliebenden Wald-Moose meist zugrunde. Geschieht dies nun auf einem Gebirge, so stürzen bei heftigem Gewitterregen oder beim Schmelzen des Schnees die Wassermengen wie reißende Ströme zu Tale und verwüsten nicht selten die fruchtbaren Ebenen, die sich längs der Flüsse ausdehnen, mitsamt den Wohnstätten der Menschen. Im Verein mit den anderen Pflanzen, die den Waldgrund bedecken, schützt das unscheinbare Moos also die Bewohner der Täler und Niederungen vor verheerenden Über- schwemmungen.

Von waldlosen Bergrücken fließt das Wasser also in kürzester Zeit ab. Dann ver- siegen Bäche und Flüsse, so daß Feld und Mensch unter dem Wassermangel stark leiden müssen (führe dies näher aus!). Ist das Gebirge aber mit Wald bedeckt, dann gibt das Moos das eingesogene Wasser nur sehr langsam wieder ab. Es speist also das

Bedeutung der Moose. Torfmoos.

319

ganze Jahr hindurch die Quellen und Flüsse und versorgt die Täler und Niederungen jahraus, jahrein mit Wasser.

4. "Wie die Bäume den Moosen, die den Grund des Waldes bekleiden, Schutz ge- währen, so leisten umgekehrt auch die unscheinbaren Pflänzchen ihren Beschützern einen nicht minder wichtigen Dienst: sie bewahren den Boden vor zu starker Austrocknung, so daß die Baum wurzeln beständig das nötige Wasser linden können, und verhindern (besonders an Abhängen) das Wegschwemmen der Erd- schicht, in der die Bäume wurzeln. (Beurteile hiernach das Einsammeln der Moose als Streu für das Vieh !) Die gleiche Bedeutung haben

die Moose auch für die anderen Pflanzen des Waldes, deren Wurzeln, unterirdischen Stämmen, Knollen oder Zwiebeln sie zugleich als schützende Winter- decke dienen (führe dies näher aus!).

5. Wenn wir nan noch bedenken, wie viele niedere Tiere (Insekten, Spinnen, Weichtiere u. s. w.) die Moosrasen beleben oder in ihnen den Winterschlaf halten, wie die „Mooshälmchen" zahl- reichen Vögeln zum Nestbau dienen, wie der Mensch das Moos zum Anfertigen von Kränzen, zum Verpacken von zerbrechlichen Gegenständen, zum Ausfüllen von Kissen und Polstern, zum Ver- stopfen von Lücken und Ritzen, zur Streu für das Vieh und zu zahlreichen anderen Zwecken verwendet: so werden wir die große Bedeutung ermessen können, die die unscheinbaren Pflänzchen im Naturganzen und für den Menschen haben!

6. Wenn das Moos allerdings Wiesen und Äcker überzieht, dann ist es nichts weiter als ein Un- kraut, das den angebauten Pflanzen Licht, Luft, Nahrung und Raum entzieht. Auch von der Rinde der Obstbäume muß es entfernt werden; denn es ge- währt den überwinternden Schädlingen einen Unter- schlupf und hält die Stämme und Zweige zu lange feucht, so daß sie leicht faulen.

ß. Von den verbreitetsten Arten seien die wichtigen Torf- oder Sumpfmoose (Sphag- num) zunächst genannt, die in Sümpfen, morastigen

Wäldern und an ähnlichen feuchten Stellen große, schwammige Polster bilden. Ihr Stengel ist mit peitschenförmigen Ästchen besetzt, die am Gipfel schopfartig gehäuft sind. Wurzel- haare sind nur im jugendlichen Zustande vorhanden, ein Zeichen, daß die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen auf anderem Wege erfolgen muß. Die Hauptmasse der Blätter besteht nämlich aus großen, inhaltsleeren Zellen, die als Wasserspeicher dienen. Aus gleichen Zellen ist auch die Außenschicht der Stengel und Zweige zusammengesetzt, so daß sich die Pflanze wie ein Schwamm voll Wasser zu saugen vermag. Da nun die Außenwände dieser Hohlräume durchlöchert sind, so erfolgt die Wasseraufnahme auch mit großer Schnelligkeit. Durch diese farblosen Zellen kann das Blattgrün, das in anderen Zellen angelagert ist, aber nicht recht zur Geltung kommen; daher hat dio

320 1. Klasse. Laubmoose. 2. Klasse. Lebermoose.

Pflanze ein eigentümlich blaßgrünes Aussehen. Ähnliche "Wasserspeicher und daher auch eine ähnliche Färbung besitzt das Weißmoos (Leucöbryum glancum), das an feuchten Waldstellen die bekannten bläuliebgrünen oder weißlichen (Käme !\ meist kreis- runden Polster bildet. Der Moosteppich, der den "Waldgrund oft meilenweit ununter- brochen überzieht, ist aus zahlreichen Arten gewoben, unter denen sich die Astmoose (Hypnuru und andere Gattungen mit sehr vielen, schwer unterscheidbaren Formen) durch zierlich verästelte Stämme auszeichnen (Name!). In Erdlöchern und Höhlen lebt das merkwürdige Leuchtmoos (Sehistostega osmundacea), dessen Vorkeim ein mildes, sma- ragdenes Licht zurückwirft (Käme!). Gewisse Zellen des zarten Gebildes stellen glashelle Kugeln dar, die gleich Brenngläsern die einfallenden Lichtstrahlen sammeln und nach der dem Lichte abgewendeten Seite leiten. Dort befindet sich das Blattgrün, das also durch die gesammelten Strahlen verhältnismäßig stark beleuchtet wird. Infolge dieser Einrichtung vermag das Moos noch in dem Halbdunkel der Felsenspalten zu gedeihen, also bei einer Lichtmenge, die für keine andere grüne Pflanze mehr genügt. Da nun die gesammelten Strahlen von dem Blattgrün wie von einem Hohlspiegel z. T. zurückgeworfen werden, so erstrahlt das zarte Pflänzchen in einem milden Lichte, das jeden Beschauer entzückt. (Wir haben es hier also mit einer ähnlichen Erscheinung wie beim Leuchten der Katzen- augen zu tun; s. Lehrbuch d. Zoologie.)

2. Klasse. Lebermoose (Hepäticae).

Pflanzen, die blattartige Gebilde darstellen oder in Stengel und zweizeilig angeordnete Blätter gegliedert sind und haubenlose Sporenkapseln besitzen.

In das Wesen dieser weit kleineren Abteilung der Moose soll uns das Brunnen- Lebermoos (Marchäntia polymörpha) einführen, das an Brunnenrändern, feuchten Mauern, Gräben, kurz an nassen Orten häufig anzutreffen ist. Früher wurde es für ein Mittel gegen Leberleiden gehalten, ein Umstand, dem es mit der ganzen Klasse den Namen verdankt. Es ist ein blattartiges, mehrfach gelapptes Gebilde, das durch zahl- reiche Wurzelhaare am Erdboden befestigt ist. Im Juni und Juli entwickelt es eigen- tümliche Äste, die etwa das Aussehen kleiner Hutpilze haben. Bei gewissen Pflänzchen gleicht der „Hut" einem flachen Teller mit gekerbtem Rand, bei anderen dagegen etwa dem

Brunnen-Lebermoos: 1 weibliche, 2 männliche Pflanze; beide mit Brutbechern

(nat. Gr.).

Weißmoos. Astmoos. Leucktmoos. Leben s. Schraubenalge. :\-j\

Gestell eines aufgespannten Regenschirmes. Während sich an der Überseite der „Teller"

die männlichen Organe (Antheridien) finden, tragen die „Schirmstäbe'' an der

Unterseite die weiblichen Organe (Archegonien). Beide

sind wie beim goldenen Frauenhaar gebaut. Daher erfolgt auch

die Befruchtung in derselben Weise. Die aus den Eizellen sich

entwickelnden Sporen kapseln besitzen aber keine Hauben.

Außer dieser geschlechtlichen Fortpflanzung findet auch noch eine

ungeschlechtliche statt. Auf der Oberseite des blattartigen Eaupt- /Mtmmsjßm^

teils erheben sich nämlich vielfach kleine Becher, in deren Brutbecher des

Grunde winzige Teile der Pflanze abgeschnürt werden. Vom Lebern ses im

Regen verschwemmt, wachsen diese Gebilde wie Ableger zu Längsschnitt mit

selbständigen Pflanzen heran. Daher werden die Becher auch Ablegern (etwa

treffend als „Brutbeck er" bezeichnet. 15 mal vergr.).

3 Gruppe. Lagerpflanzen (Thallöphyta).

Pflanzen, deren Körper nicht in Stengel und Blätter gegliedert ist, die also ein sog. Lager darstellen.

1. Kreis. Algen (Algae).

Lagerpflanzen, die im Wasser oder doch an feuchten Stellen leben und Blattgrün enthalten.

1. Klasse. Grünalgen (Chlor ophyceae).

Sehr verschieden gestaltete Pflanzengebilde, die außer Blattgrün keine anderen Farb- stoffe enthalten und daher grün erscheinen.

Die Schraubenalge (Spirogyra).

(Zugleich ein Blick auf die Bedeutung der Algen im allgemeinen.)

A. Vorkommen. Au der Oberfläche von Teichen, Tümpeln und Gräben finden wir während der wärmereu Jahreszeit häufig schlüpfrige, grüne Massen, die wie Watte aus zahlreichen, unentwirrbaren Fäden bestehen. Bei Zuhilfe- nahme des Mikroskops erkennen wir in ihnen leicht Algen, die in ihrem Bau größere oder geringere Verschiedenheiten aufweisen, also verschiedenen Gattungen und Arten angehören. Da diese Pflanzen frei im Wasser schweben, so ver- mögen sie gleich anderen freischwimmenden Gewächsen (Beispiele!) auch um- stehende oder langsam fließende Gewässer zu bewohnen.

Unter diesen Algen ist die zu betrachtende Schraubenalge eine der häutigsten. Wir werden sie leicht herausfinden, wenn wir ihren

B. Bau genügend beachten, wie ihn umstehende Abbildung er- kennen läßt.

1. Das Pflänzchen stellt einen überaus zarten Faden dar. Eine Luft- pflanze von dieser Form müßte kraftlos zusammenfallen oder dem Erdboden

Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 21

:V22

3. Grnppe. 1. Kreis. 1. Klasse. Grünalgen.

anfliegen. Eine Pflanze dagegen, die im Wasser schwebt, von ihm also ge- tragen wird, kann diese Gestalt nnd Zartheit wohl besitzen. (Vgl. hiermit auch die auffallende Größe und Zartheit vieler Wassertiere; s. z. B. Wal und Qualle im „Lehrb. d. Zoologie".)

Im Gegensatz zu allen bisher betrachteten Gewächsen sind an dem Pflänzchen also weder Stamm, noch Blätter zu erkennen. Einen gleich einfachen Bau besitzen auch alle anderen Algen, sowie die Pilze und Flechten. Da man nun einen solchen ungegliederten Pflanzenkörper als „Lager" bezeichnet, stellt man jene Pflanzen den „Stamm-Blatt-Pflanzen" als „Lagerpflanzen" gegenüber. (Beweise, daß die Leber- moose den Übergang zwischen beiden großen Gruppen bilden!) 2. a) Der Faden ist aus zahlreichen, walzenförmigen Zellen zusammengesetzt (s. den letzten Abschn. des Buches!), die sich mit je einem kleinen Zimmer vergleichen lassen. Die „Zimmerwände" sind farblos, durchsichtig und sämtlich mit einer „Tapete" überkleidet, die aus einer schlei- migen und gleichfalls farblosen Masse gebildet wird. In dieser „Tapete" liegt bei der abgebildeten Form ein schraubenförmig gewundenes Band, das durch einen eingelagerten Farbstoff, das sog. Blattgrün, lebhaft grün erscheint. Dieses Band gibt der ganzen Pflanze das grüne Aussehen und läßt den Namen „Schraubenalge" vollkommen gerechtfertigt erscheinen. (Bei anderen Arten der Gattung „Schraubenalge" treten mehrere solcher Bänder auf.) Durch den Innenraum des „Zimmers", der mit einer wässerigen Flüssigkeit angefüllt ist, ziehen sich von den „tapezierten Wänden" aus mehrere Fäden. Sie kreu- zen sich alle in einem Punkte und halten dort ein Körper- chen, den Zellkern, in der Flüssigkeit schwebend.

b) Da die Wände sehr zart sind, so vermag durch sie Wasser und die in ihm gelösten Nährstoffe leicht in das Innere der Zellen zu dringen. Daher kann die Pflanze der Wurzeln (oder der Wurzelhaare, wie sie die Moose be- sitzen) wohl entbehren.

c) Die aufgenommenen Nährstoffe werden wie bei allen anderen grünen Pflanzen aber nur unter dem Einflüsse des Sonnenlichts weiter verarbeitet. Daher ist die stark beleuchtete Wasseroberfläche für die Pflanze auch ein sehr geeigneter

Aufenthaltsort. Wir finden allerdings auch in tieferen Wasserschichten zahl- reiche Algen; jedoch ohne Licht kann keine dieser Pflanzen leben.

C. Vermehrung". 1. Die watteartigen Massen, die die Schraubenalge auf den Gewässern bildet, vergrößern sich sehr schnell. Wie dies erfolgt, zeigt uns wieder das Mikroskop. An dieser oder jener Zelle beginnt der Kern, sowie

Schraubenalge :

drei Zellen eines Fadens, von denen die unterste (3) in Teilung begriffen ist (etwa 600 mal verirr. ).

Schraubenalere.

323

der gesamte Inhalt sich in 2 Teile zn spalten. Gleichzeitig bildet sich etwa in der Mitte der Längswand der Zelle eine ringförmige Verdickung, die sich immer weiter nach innen erstreckt, nnd die schließlich den Zellraum wie eine Querwand durchsetzt. Auf diese Weise wird die Zelle in zwei „Tochter- zellen" geteilt, die bald zur Größe der „Mutterzelle" auswachsen (s. Abb. S. 322). Vielfach kommt es nun auch vor, daß die Fcäden zerreißen, und daß die Teil- stiicke als selbständige Fäden weiter leben. 2. Im Sommer und Herbst trifft man vielfach Schraubenalgen an, die ein eigen- tümlich krauses Aussehen haben, und deren Fäden fest aneinander haften. Bringen wir Teile dieser Fäden in einen größeren "Was- sertropfen, so können wir mit Hilfe des Miskroskops folgendes feststellen: je 2 Fäden haben sich mehr oder weniger parallel zu- einander gelegt und von ihren gegenüber- liegenden Zellen aus zapfenartige Fortsätze getrieben (a), die schließlich aufeinander ge- stoßen (b) und verschmolzen sind (c, d und e). Auf diese Weise ist eine Brücke zwischen je 2 Zellen gebildet, so daß die Fäden bei zahlreichen solcher Verbindungen das Aus- sehen einer kleinen Leiter erhalten. Nachdem sich die Inhalte beider Zellen infolge WTasser- abgabe stark zusammengezogen haben (c), wandert der Inhalt der einen zu dem der andern hinüber (d); beide verschmelzen als- bald zu einer Spore, die sich abrundet und mit einer dicken, widerstandsfähigen Hülle umgibt (e). Indem die Zellwände verwesen, werden die Sporen schließlich frei. Sie sinken zu Boden und treiben erst im nächsten Früh- jahre einen Keimschlauch (s. S. 298), der bald zu einem neuen Algenfaden heranwächst.

Wenn wir bedenken, daß die Schraubenalge in der oberen Wasserschicht lebt, also dort, wo ihre zarten Fäden durch das Wintereis zerstört werden müßten, so erscheint uns die Sporenbildung als eine Einrichtung, durch die sich die Pflanze über die ungünstige Jahreszeit hinüber- rettet. Und wenn wir weiter bedenken, wie viel Sporen sich schon in je 2 Algenfäden bilden, und wie leicht diese winzigen Körper vom Wasser fort- gespült werden können, so werden wir in der Sporenbildung auch leicht ein Mittel zur Vermehrung und Verbreitung der Pflanze erkennen.

Sporenbildun»- bei d. Schrauben- alge (etwa 600 mal vergr.). (S. Text !)

H24 1- Klasse. Grünalgen.

Die Spore entsteht, wie wir soeben gesehen haben, dadurch, daß sich die Inhalte zweier Zellen, d. h. 2 vollkommen gleiche „Wesen" miteinander ver- einigen. Diesen Vorgang, den man auch bei niederen Tieren wiederfindet (s. Pantoffel- tierchen im „Lehrbuche der Zoologie"), bezeichnet man als Verschmelzung (Conjugation). Da er lebhaft an die Befruchtung erinnert, wie wir sie z. B. bei den Farnen und Moosen kennen gelernt haben (Beweis!), so haben wir es hier gleichfalls mit einem Falle „geschlechtlicher" Vermehrung zu tun. Die einfache Zellteilung dagegen (s. Absch. 1) ist nur ein Vorgang „un- geschlechtlicher" Vermehrung.

D. Bedeutung-. 1. Wie wir später sehen werden, dienen den Pflanzen sehr einfach zusammengesetzte Stoffe (Salze , Wasser und Kohlensäure) zur Nahrang. Die Tiere dagegen können nur aus Pflanzen- oder Tierstoffen ihren Leib aufbauen. Sie sind daher in letzter Linie auf Pflanzenstoffe angewiesen. Dies gilt natürlich auch von den Pflanzen und Tieren des Wassers. Da nun die Algen die bei weitem wichtigsten Glieder der Wassergewächse darstellen, so bilden sie auch die wichtigste Nahrungsquelle der Wasser- tier e.

Außerdem liefern sie diesen Tieren auch einen großen Teil der notwendigen Atemluft. Setzen wir z.B. Algen (oder andere unter- getauchte Wasserpflanzen) in einem Gefäße mit Wasser direktem Sonnenlichte aus, so sehen wir von ihnen Gasbläschen emporsteigen. Dieses Gas ist leicht als Sauerstoff zu erkennen, der den Tieren bekanntlich zur Atmung dient.

2. Andererseits liefern aber auch die Tiere den Algen (und den anderen untergetauchten Wasserpflanzen) einen großen Teil der notwendigen Nährstoffe. Bringt man z. B. Schraubenalgen oder eine andere Algenart in ein Gefäß mit Wasser, das durch faulende Tierstoffe übelriechend geworden ist, so wird das Wasser nach und nach klarer, und der üble Geruch verschwindet schließlich vollkommen. Hiermit geht eine starke Vermehrung der Algen Hand in Hand: sie haben die sich zersetzenden Tierstoffe in sich aufgenommen und zum Leben und Aufbau ihres Leibes verwendet. Bedenkt man nun, welche Mengen von Tierstoffen (Abfallstoffen und Leichen) in einem Gewässer täglich in Verwesung übergehen, so ist leicht einzusehen, daß ohne die Tätigkeit der Algen (und der anderen untergetauchten Wasserpflanzen) das Wasser bald verpestet sein würde, alles tierische Leben also zu Grunde gehen müßte.

Die Wasserpflanzen und unter ihnen in erster Linie wieder die in großen Massen auftretenden Algen sind also kurz gesagt die Grundbeding- ung alles Lebens im Wasser. (Welche Erfahrungen macht man mit Aquarien, die richtig oder unrichtig mit Tieren und Pflanzen besetzt sind?) Andere Grünalgen.

1. In der Gesellschaft der Schraubenalge finden sich zahlreiche andere Algen- arten, die längere oder kürzere, einfache oder verzweigte Fäden darstellen, und darum im Volksmundc als Wasserfäden (Confervoideae) bezeichnet werden. Sie schwimmen

Schraubenalge. Wasserfäden. Veilchenalge.

325

entweder frei an der Oberfläche, oder über- ziehen Steine, Brückenpfeiler und andere Gegenstände mit einer grünen Hülle, oder bilden endlich zarte Schleier, die in dem Wasser dahinfluten. Bei den festsitzenden Formen vertritt die unterste, farblose Zelle die Stelle der Wurzel: sie bildet ein Haft- werkzeug, durch das der ganze Faden verankert ist.

Auf ungeschlechtlichem Wege ver- mehren sich diese Algen außer durch Tei- lung durch sog. Schwärmsporon: der Inhalt gewisser oder aller Zellen zerfällt meist in mehrere Teile, die durch einen Riß der Zellwand ins Freie treten und mit Hilfe von Wimpern wie Infusorien durch das Wasser schwärmen". Nach einiger Zeit kommen diese Körperchen zur Ruhe, setzen sich auf einem Gegenstande fest und wach- sen zu je einem neuen Zellfaden aus. Die geschlechtliche Vermehrung erinnert viel- fach stark an den entsprechenden Vor- gang bei Farnen und Moosen, ist im ein- zelnen aber sehr verschieden.

Eine „Fadenalge" ist auch die Veilchenalge (Chroölepus iolithus), die sich als rotbrauner, veilchenduftender Über- zug auf dem Urgestein der Gebirge findet („Veilchenmoos, Veilchenstein"). Sie ist also im Gegensatz zu der Mehrzahl der Algen, deren eigentliche Heimat das Wasser ist, ein Land- bewohner.

2. An der Wetterseite der Bäume, an feuchten Mauern und ähnlichen Orten findet sich häufig ein grüner Anflug. Legen wir ein wenig davon in einem Wassertropfen unter das Mikroskop, so löst sich die grüne Masse in eine Menge kugelförmiger Gebilde auf. Jede Kugel stellt eine Alge dar, die nur aus einer einzigen Zelle besteht (Pleuro- cöccns und andere Ga1 tungen). Ähnliche Pflänz- chen von Kugel-, Zylinder-, Spindel- und an- derer Form beherbergt in weit größerer Menge das Wasser. Mehrere von ihnen sind vielfach durch ausgeschiedene Gallertmassen zu kleinen Kolonien vereinigt.

Von besonderer Zierlichkeit sind gewisse einzellige Formen (Desniidiäceae), die sich häuttg in dem Algendickicht der Süßgewässer, besonders der Torfsümpfe finden. Sie

Einige Zellen einer.Fadenalge, Schwärm- sporen bildend: der Inhalt der Zelle 1 ist noch unverändert, bei 2 und 3 ist er in Schwärmsporen zerfallen ; in 4 schwärmen die Sporen soeben aus, während dies in 5 bereits geschehen ist. (Etwa 500 mal vergr.)

^mr ^p1

Einzellige Grünalgen (Desmidiaceen). I Etwa 200 mal vergr.)

326

1. Klasse. ' Grünalgen.

V

3. Klasse

V

Braun- und Rotalgen.

ßlasentang mit Haftsekeiben an einem Felsen sitzend. S. Schwimm- blasen; V. Stellen, an denen sich die Vermehrungsorganr finden. (Etwa 1/3 nat. Gr.)

bilden wie die abge- bildeten Arten bald ausgezackte Scheiben oder grüne Halbmon- de, bald regelmäßige Sterne, Ketten, Bän- der und dgl.

3. Zu den Grün- algen stellt man auch die Armleuchter- algen (Charäceae), die auf dem Boden von Landseen oft form- liche Wiesen bilden, aber auch in Gräben und Tümpeln anzu- treffen sind. Sie sind wie die Moose durch Wurzelhaare im Boden befestigt, ver- zweigen sich armleuchterartig (Name!) und nehmen aus dem "Wasser oft soviel Kalksalze auf, daß sie brüchig werden. Die Vermehrungsorgane finden sich an den „Zweigen" als eiförmige, grüne oder als kugelige, rote Körper.

und 3. Klasse.

Braun- u. Rotalgen (Phaeophyceae

und Rhodophyceae).

Unter den Algen oder Tangen des Meeres treten die Grünalgen, die im Süß- wasser die Herrschaft führen, stark zurück. Ihre Stelle nehmen stattlichere Formen ein, die neben dem Blattgrün noch einen braunen oder roten Farbstoff in ihren Zellen enthalten. Daher erscheinen sie bald heller, bald dunkler braun oder rot gefärbt. Da sie (fast aus- schließlich) festsitzende Pflanzen sind, so vermögen sie auch nur einen verhältnis- mäßig schmalen Küstenstrich zu bewohnen. In der Eegel reicht dieser Gürtel bis 30 m klarem Wasser etwa bis 50 m Tiefe hinab; denn

und nur bei ganz reinem

in noch tieferem Wasser ist das Licht so stark gedämpft, daß keine mit Blatt

Armleuchteralgen. Blasentang. Beerentang. Blmtang.

.327

grün ausgestattete Pflanze die einfachen Nährstoffe zu Lebens- und Baustoffen umzuwandeln vermöchte.

1. Die Braunalgen sind zumeist größere Pflanzen, die vielfach aus- gedehnte „Tangwiesen" oder wie die größten Arten förmliche „Tang- willder" bilden. Sie bewohnen die flachen Küstengewässer, in denen sie mit Ebbe und Flut, sowie mit den brandenden Wogen einen harten, beständigen Kampf zu führen haben. Daher wachsen sie auch nur auf felsigem Untergrunde, dem sie sich mit kräftigem, wurzelartigem Haftorgane anklammern können, und besitzen einen zähen, lederartigen Körper. Wühlen heftige Stürme das Meer tief auf, so werden sie trotzdem nicht selten losgerissen und in großen Massen an die Küste geworfen. Dann werden sie von den Strandbewohnern als Dünger auf den Acker gebracht oder verbrannt; denn aus ihrer Asche gewinnt man das wertvolle Jod, das sie dem Meerwasser entziehen.

Die häufigste Braunalge der Nord- und Ostseeküste ist der Blasentang (Facus vesienlösus), der eine Länge von 1 m erreicht, mehrfach gabelig geteilt ist und durch zahlreiche, luftgefüllte Blasen schwimmend erhalten wird (vgl. mit Schwimmgürteln!). Die Enden der Lappen zeigen vielfach ein gekörneltes Aussehen. Dies rührt von krug- förmigen Vertiefungen her, in denen sich die Vermehrungsorgane bilden. An den Küsten der tropischen Meere findet sich der Beerentang (Sargässum bacciferum), dessen Schwimmblasen wie gestielte Beeren

aussehen (Name!). Von der Brandung ,

losgerissen treibt er oft in großen Mas- 'j, ." /.

sen an der Oberfläche des Wassers. Solche Massen führt auch der Golfstrom von den Küsten des mexikanischen Meer- busens hinweg in jenen stromlosen Meeresteil, der sich als „Sargassosee" zwischen den Azoren und Amerika aus- dehnt. Dort bedeckt der losgerissene Beerentang mehrere tausend Quadrat- meilen. Nirgends jedoch ist die An- häufung der Tangmassen so stark, daß sie, wie man früher glaubte, der Schifi'- t'ahrt hinderlich würde. Die größte Alge, wie überhaupt die größte aller Pflanzen ist der Birntang (Macrocys- tis pyrifera). Das bis 300 m lange Ge- wächs findet sich an den außertropi- schen Küsten der südlichen Erdhälfte und hält sich durch birnartige Blasen (N'ame!) schwimmend an der Ober- fläche des Ozeans.

2. Die Rotalgen erreichen nie die Größe der Braunalgen, auf denen sie sich gern ansiedeln. Meist

Perltanj

328

4. Klasse. Kieselalgen.

aber bewohnen sie die tieferen Wasserschichten, die selbst von den heftigsten Stürmen nur wenig oder gar nicht erregt werden. Daher wird uns auch die große Zartheit dieser Formen wohl verständlich. Infolge der prächtigen Fär- bung, die zwischen leuchtendem Scharlach und tiefstem Purpurschwarz schwankt, und der wechselvollen Gestalt verwandeln sie im Verein mit den farbenprächtigen Korallentieren die unterseeischen Felsen in lachende Gärten. Bald bilden sie zwar nur einfache Fäden oder blattartige Flächen; bald aber gleichen sie zier- lichen Moosrasen, fein verzweigten Bäumchen, zartblättrigen Farnen und dgl. Kino in der Nordsee lebende Art, der Perltang (Chondrus crispus), wird getrocknet als Karagaheen- oder „irländisches Moos" als Heilmittel gegen Erkrankung der Ateniwege benutzt. Nur wenige, zwerghafte Formen der prächtigen Gewächse finden sich im Süßwasser, und zwar auffallender Weise besonders an den Steinen schnellrließender Gebirgsbäche.

4. Klass

Kino Kieselalge tl. Süßwassers

N;i\ iiulai. lFlächenansicht; 2Kan- tenans. ; 3 Querschn. (Vgr. e1 .91 10m i.

Kieselalgen (Diatomäceae).

Kieselalgen bekommt man leicht in größter Menge zu Gesicht, wenn man mit Hilfe des Mikroskops den braunen, schleimigen Überzug untersucht, der sich im Frühjahre auf Gräben und Pfützen bildet. Auch Algenfäden oder Schlamm wird man danach nur selten vergeb- lich durchmustern. Die winzigen, einzelligen Pflanzen haben die Form eines Stabes, einer Sichel, eines Keils, eines Kreises, einer Ellipse oder dgl. Sie schweben entweder frei im Wasser, oder gleiten wie ein von geheimnisvollen Kräften getriebenes Schifflein auf fester Unterlage lang- sam dahin, oder sitzen endlich auf ausgeschie- denen Gallertstielen anderen Körpern auf. Durch einen braunen F a r b s t o f f , der das Blattgrün verdeckt, erhalten sie ein ledergelbes Aussehen. Die Zellwand besteht aus 2 Schalen, von denen die eine über die andere wie der Deckel über die Schachtel greift. Glüht man die Ptiänzchen auf einem Glimmerblättchen, so bleibt ein Ki e sei skelett zurück, das genau die Form der Schalen aufweist (Kieselalgen!). Jetzt erkennt man auch erst deutlich, wie die zarte Zellwand durch Leisten und Rippen verstärkt ist, so daß oft eine überaus regel- mäßige und zierliche Felderung entsteht.

Vergrößert sich der Inhalt der Zelle, so werden die Schalen auseinander gedrängt. In-

Perltang. Kieselalgcn,

329

dem sich der Inhalt so teilt, daß jede Hälfte eine Schale erhält, ent- stehen 2 Pflänzchen, von denen jede alsbald die zweite, fehlende Schale aus- scheidet. Bleiben die bei fortgesetzter Teilung' immer neu entstehenden Pflänzchen im Zusammenhange, so bilden sich Kolonien, die zierliche Ketten, Bänder, Scheiben u. dgl. darstellen. Da nun aber die verkieselten Zellwände nicht wachstums- fähig sind, müssen die Pflanzen, die die kleinere Schale erhalten, allmählich auch immer kleiner werden. Dies hat jedoch eine Grenze. Ist die Größe nämlich bis auf einen gewissen Punkt herabgesunken, dann legen sich (in der Regel) 2 Pflänzchen aneinander; ihre Schalen klappen auf; der Inhalt beider tritt hervor, vereinigt sich und bildet eine große Spore, aus der eine Pflanze von der ursprüng- lichen Größe hervorgeht.

Die Kieselalgen entfalten ihre Bedeutung als Nähr- stoff quelle der Tiere (s. S. 324) besonders im Meere. Zwar bilden hier wie wir oben schon gesehen haben die Braun- und Rotalgen weite Bestände. Da sich diese „Tang- wiesen" und „Tangwälder" aber nur bis zu einer Tiefe von etwa 50 m erstrecken, so vermögen sie für die ungezählten Tier- scharen der Weltmeere auch bei weitem nicht die nötige Nahrung zu liefern. Es muß daher noch eine andere Nah- rungsquelle vorhanden sein !

Streifen wir mit den feinsten Gazenetzen durch das Meerwasser, und untersuchen wir den „Fang" mit Hilfe des Mikroskops, so haben wir die gesuchte Quelle : neben zahlreichen kleinen Tieren erblicken wir eine erstaunliche Menge winziger, wunderbar geformter Kieselalgen. Sie bewohnen (mit anderen einzelligen Algen) die stark durch- leuchteten oberflächlichen Wasserschichten in ungezählten Myriaden. Während wir glauben, reines, klares Wasser unter dem Kiel unseres Schiffes .zu haben, fahren wir also über eine reiche Pflanzenwiese dahin, auf der die kleinsten Tiergeschlechter jahr- aus, jahrein Nahrung finden. Von diesen Tieren nähren sich wieder die größeren, ja selbst die Riesen der Schöpfung, und von allen hängen endlich auch die Millionen von Menschen ab, die als Fischer, Schiffer, Kaufleute u. s. w. auf den Reichtum des Meeres angewiesen sind. (Führe dies weiter aus und vgl. dabei besonders das, was in dieser Einsicht im „Lehrbuche der Zoologie" über den Hering, den Kabeljau, den Seehund und die Wale mitgeteilt ist!)

Hiermit ist aber die Bedeutung der unscheinbaren Pflänzchen noch bei weitem

Kieselalgen des Süßwassers. 1—4 einzeln lebende

Arten. 5 und 6 freilebende Kolonien. 7 eine Kolonie.

die mit Hilfe eines verzweigten Gallertstieles einem

festen Gegenstande aufsitzt. (Vergr. 200 mal.)

330 Tat". 37. 2. Kreis. 1. Klasse. Fadenpilze. 1. Unterklasse. Ständerpilze.

nicht erschöpft: indem nämlich die abgestorbenen Kieselalgen auf den Grund des Meeres hinabsinken, dienen sie auch den Bewohnern der tieferen und tiefsten Wasserschichten zur Nahrung. Sie ermöglichen also die Bewohnbarkeit der lichtlosen und darum pflanzenleeren Meer es tiefen.

Da nun die verkieselten Schalen fast unvergänglich sind, so häufen sie sich auf dem Boden des Meeres oft zu gewaltigen Massen an. Werden solche Anhäufungen, die sich aber auch in süßen Gewässern bilden können , im Laufe der Jahrtausende über den Wasserspiegel emporgehoben, so entstehen Lager von Diatomeenerde, Kiesel- gur, oder Polier s ch i efe r , die der Mensch zu verschiedenen Zwecken ausbeutet. (Mit Nitroglyzerin getränkte Diatomeenerde gibt das Dynamit.) Solche Lager finden sich z. B. in der Lüneburger Heide, sowie bei Franzensbad und Bilin in Böhmen. Auf einer mächtigen (bis 30 m starken) Schicht von Kieselalgen erheben sich auch einige Teile von Berlin und Königsberg.

2. Kreis. Pilze (Fungi).

Lagerpflanzen ohne Blattgrün, die daher Schmarotzer oder Fäulnisbewohner sind.

1. Klasse. Fadenpilze (Hyphomycetes).

Pilze, die ein Fadengeflecht besitzen. 1. Unterklasse. Ständerpilze (Basidiomycetes).

Fadengeflecht mehrzellig. Sporen entstehen (gewöhnlich in einer Anzahl von je 4) auf verschieden geformten Ständern (Basidien).

Der Feld-Champignon (Psalliöta carnpestris). Tal'. 37, 1.

A. Fruchtkörper. l.Der „Champignon" bricht im Sommer und Herbst auf Wiesen und Feldrainen, an Wegen und ähnlichen Orten aus dem Boden hervor. Wie ein Längsschnitt zeigt, besitzt er ein festes, weißes „Fleisch" von anisartigem Geruch, das als schmackhafte Speise überall hoch geschätzt wird. Für den menschlichen Genuß eignen sich allerdings zumeist nur die juugeu Pilze; denn die alten sind in der Regel von zahlreichen Mücken- und Fliegenmaden durchwühlt. (Welchen Tieren dient der Pilz ferner noch zur Nahrung?) Seiner Schmackhaftigkeit wegen wird der wertvolle Champignon vielfach auch künstlich gezogen (s. S. 334,3).

2. Vollkommen entwickelt gleicht ein solcher Pilz oder Schwamm einem Schirme. Ein bis 8 cm hoher Stiel trägt einen flach gewölbten „Hut", der weiß oder bräunlich gefärbt ist und einen Durchmesser von 15 cm erreichen kann („Hutpilze"). Auf der Unterseite des Hutes linden sich zahlreiche, radien- artig und senkrecht gestellte Blättchen (Lamellen;, die anfangs rosa, später dagegen Schokolade- bis schwarzbraun aussehen, eine Färbung, die als das sicherste und leichteste Erkennungsmerkmal des Champignons gilt. Alle Blättchen stoßen an den Hutrand an, aber nur die längeren erstrecken sich bis zum Stiele, ohne jedoch mit ihm zu verschmelzen.

Schmeil, Lehrbuch der Botanik.

Tafd 37.

1

1. Feld -Champignon (Psalliota campestris).

2. Knollenblätterpilz (Amanita bulbosa).

Feld-Champig i. 331

Durchschneiden wir einen noch ganz jungen Pilz, der wie ein weißes Knöllchen aus dem Boden hervorbricht und sich in Stiel und Hut zu gliedern beginnt, der Länge nach, so sehen wir, daß sich die leistenartigen Blättchen im Innern des Pilzes bilden. Auch wenn der Pilz bald seine endgültige Gestalt erlangt hat, ist von diesen überaus zarten Gebilden noch nichts zu sehen: eine Kaut, der "sog. Schleier, der sich zwischen Hutrand und Stiel ausspannt,

7.

A i

4.

,

;

,

j

Entwicklung des Champignons. Der Boden ist von einem Fadengeflechi durchzogen.

1 3 und 7 von außen gesehen, 4 6 im Längsschnitt. Bei 4 bilden sich die Blättchen

i Lamellen). Bei 5 und 6 ist der Schleier deutlich ausgebildet. Bei 7 löst er sich vom

Hutrände und bleibt als Ring (E.) zurück.

schützt sie vor den Unbilden der Witterung. Erst ganz am Schlüsse der Ent- wicklung werden die Blättchen sichtbar: Der Schleier reißt an dem Bande des sich stark ausdehnenden Hutes ab und bleibt als „Bing" am Stiele zurück.

3. Stellen wir durch einige dieser Blättchen sehr dünne Querschnitte her, so sehen wir mit Hilfe des Mikroskops, daß sie (wie Stiel und Hut) aus zahl- reichen Fäden zusammengesetzt sind, die aus aneinander gereihten Zellen be- stehen. Die Endzellen der Fäden sind keulenförmige Gebilde, die sich senkrecht über die Oberfläche des Blättchens erheben. Mehrere dieser „Keulen" strecken sich etwas stärker als die anderen und erhalten auf ihrem Scheitel je 2 kleine

332

1. Unterklasse. Ständerpilze.

Ausstülpungen, die an der Spitze kugelig anschwellen. Indem sich diese „Kugeln" durch je eine Scheidewand von den stielartigen Ausstülpungen abschließen, entstehen die Sporen. Die keulenförmigen Zellen, auf denen sie sich bilden, nennt man daher „Sporenständer", während die „unfruchtbar" bleibenden als ..Zwischenzellen" bezeichnet werden. Sie bilden zusammen die sog. Fruchtschicht, die also beide Seiten der Blätter überzieht. Wenn man bedenkt, daß die zarten Sporenständer durch die Zwischenzellen gleichsam erst in einen festen Verband eingereiht werden, der ihnen den notwendigen Halt gewährt, so wird man auch die Bedeutung dieser scheinbar nutzlosen Gebilde erkennen. (Da die Sporenständer gleichsam ein Grundgestell, eine Basis der

Feinerer Bau der Blättchen (Lamellen) des Champignons, a, ein Querschnitt

durch ein Blättchen bei etwa 150 maliger Vergr. b. Die Fruchtschicht bei stärkerer

(etwa 800 inaliger) Vergr. , aus größeren Sporenständern und kleineren Zwischenzellen

bestehend. 1 4 die verschiedenen Zustände der Sporenentwicklung.

sich entwickelnden Sporen bilden, werden sie wissenschaftlich „Basidien" ge- nannt. — Ständer- oder Basidienpilze. Im Gegensatz zum Champignon bilden sich bei den meisten dieser Pilze je 4 Sporen auf jedem Ständer.)

4. Die Sporen sehen anfänglich rosa aus, in reifem Zustande aber sind sie von Schokolade- bis schwarzbrauner Färbung. Unter günstigen Verhält- nissen treiben sie je einen Keimschlauch (s. S. 298) und rufen eine neue Pflanze ins Dasein.

a) Wie uns das Mikroskop zeigt, sind die Sporen sehr kleine Gebilde, können also vom Winde leicht verweht werden.

b) Der Wind ist aber ein sehr unsicherer Verbreiter der Pflanzen. Viele Sporen trägt er sicher dorthin, wo sie sich nicht entwickeln können. Da sie sich aber in sehr großer Anzahl bilden, so ist für einige die Möglichkeit, an einen geeigneten Ort zu gelangen, sicher vorhanden. Welche Mengen von

Feld-Champignon. 333

Sporen erzeugt werden, geht daraus hervor, daß die winzigen Körper den farblosen Blättchen der Hutunterseite die ihnen eigene Färbung verleihen. (Legt man den Hut eines ausgebildeten Champignons mit der Unterseite auf ein Blatt Papier, so bilden die ausfallenden Sporen oft schon nach wenigen Stunden eine ,,Zeichnung", die alle Einzelheiten der Hutunterfläche wiederspiegelt,)

c) Die Millionen von Sporen bedürfen zu ihrer Bildung aber auch eines verhältnismäßig großen Platzes. Hierzu würde die Unterseite des Hutes unmög- lich ausreichen, wenn sie durch die Blatt che n nicht eine sehr beträchtliche Vergrößerung erfahren hätte. Diese Tatsache macht uns auch das erwähnte Auftreten kurzer Blättchen in dem äußeren Hutabschnitte verständlich: der hier vorhandene größere Kaum wird durch das „Einschieben" dieser Blättchen erst vollkommen ausgenützt. (Stelle die Größe der Hutunterseite und die der tatsächlich sporenbildenden Fläche ungefähr durch Rechnung fest! Vgl. hiermit die Flächenvergrößerungen, wie sie häufig im Tierkörper vorkommen, z. B. im Bau der Lunge, in der Bildung der Blutkörperchen u. s. w.)

d) Dem Winde muß der Zutritt zu den Sporen offen sein. Wie erwähnt, löst sich daher der schützende Schleier mit beginnender Sporenreife vom Hutrande ab.

e) Da der Hut auf einem Stiele über den Erdboden gehoben wird, können die fallenden oder sich lockernden Sporen vom Winde leicht erfaßt werden.

f) Eine Aussaat der Sporen ist aber nur bei trockenem Wetter möglich (wieso?). Die Unterseite des Hutes, der wie ein Regendach wirkt, ist daher auch als die passendste Bildungsstätte der Sporen zu bezeichnen.

B. Fadengeflecht. Nimmt man einige Champignons mit dem anhaftenden Erdballen aus dem Boden, so sieht man, daß die Erde von zahlreichen, vielfach verzweigten, weißen Fäden (Hyphen) wie von Spinngewebe durchzogen ist. Wäscht man die Erde vorsichtig ab, so sieht man weiter, wie sich die Pilze als kleine Anschwellungen an den Fäden bilden, und wie selbst der vollkommen entwickelte Pilz mit einem Faden oder mit einigen Fäden in Verbindung steht. Die „Champignons" und das Fadengeflecht oder Pilzlager (Mycelium) stehen also im Zusammenhange; es sind Teile der- selben Pflanze. Ja noch mehr!

Wie man besonders deutlich an einer künstlichen Champignonanlage sehen kann, lebt das Fadengeflecht sehr lange im Boden. Hat es eine gewisse Aus- dehnung erlangt, dann bringt es „Pilze" oft in großer Menge hervor. Sobald diese Gebilde die Sporen ausgestreut haben, vergehen sie sehr schnell; andere sprossen hervor, gehen wieder zu Grunde u. s. f.: das Fadengeflecht dagegen, an dem sich die „Pilze" bildeten, wächst weiter. Es gleicht also etwa einem Obstbäume, der zahlreiche Früchte trägt, die er bei der Reife abwirft. In dem Faden- geflechte haben wir also die eigentliche Pflanze, den eigent- lichen Pilz vor uns, während die Gebilde, die wir bisher dem Sprachgebrauche entsprechend als „Champignons, Pilze oder

334 1. Unterklasse. Ständerpilze.

Schwämme" bezeichneten, nur die Sporen- oder Fruchtkörper dieser Pflanze oder dieses Pilzes darstellen. Die Pflanze selbst lebt unterirdisch. Ihre Fruchtkörper dagegen werden, wie dies die Windverbreitung der Sporen bedingt, über den Boden gehoben.

1. Unter dem Mikroskope geben sich die Fäden als Reihen von Zellen zu erkennen. Hier und da haben sich auch mehrere zu dickeren Strängen vereinigt. Stets aber sind sie so zart, daß sie kraftlos zusammensinken, wenn man sie dem Boden entnimmt. Im Gegensatz zu den oberirdischen Pflanzen, die sich selbst zu halten haben, können die unterirdischen Teile des Pilzes eine solche Zartheit wohl besitzen; denn sie werden ja von der Erde allseitig gestützt und getragen (vgl. mit Wasserpflanzen und Wassertieren !). Der Fruchtkörper besteht, wie bereits angedeutet, aus ebensolchen Fäden. Da sie jedoch be- sonders an der Oberfläche („Haut") sehr eng aneinander gedrängt sind, sich vielfach verzweigen und durchflechten, so sind sie trotz ihrer Zartheit im stände, einen Körper zu bilden, der sich über den Boden zu heben und den Unbilden der Witterung (Wind, Begen) standzuhalten vermag.

2. Gleich den Wurzeln der höheren Pflanzen durchzieht das Fadengeflecht den Boden nach allen Richtungen und entnimmt ihm die nährenden Bestand- teile. Wie wir nun schon mehrfach gesehen haben (und im letzten Abschn. des Buches noch genauer sehen werden), nehmen die Wurzeln nur Wasser und Nährsalze auf. Beide steigen in die oberirdischen Teile der Pflanze und werden dort samt der aus der Luft entnommenen Kohlensäure unter Einwirkung des Sonnenlichts von dem Blattgrün zu allen den Stoffen weiter verarbeitet, aus denen sich der Pflanzenkörper aufbaut. Von Blattgrün finden wir aber in keinem Teile des Pilzes auch nur eine Spur. Der Cham- pignon ist daher genötigt, diese Stoffe in fertiger Form aufzunehmen. Er ent- zieht sie dem Boden, in dem er sich mit dem Fadengeflecht ausbreitet, und in dem pflanzliche und tierische Stoffe faulen : er ist ein Fäulnisbewohner (Sapro- phyt) oder eine Verwesungspflanze.

In gleicher Weise nähren sich auch die meisten anderen Hutpilze. Wir treffen sie daher auch besonders an Orten, an denen sich verwesende Stoffe an- häufen. Dies ist nun ganz besonders im Walde der Fall. Sein Boden ist zumeist von einer dicken Schicht modernder, d. i. verwesender Stoffe (Laub, Zweige, ab- gestorbene Teile der Moose u. dgl.) bedeckt, und der ihm oft entsteigende Moder- duft zeigt zur Genüge, daß hier die Verwesung in vollem Gange ist. Der Wald ist daher die eigentliche Heimat der Hutpilze. Da die blassen Gebilde kein Blattgrün besitzen, also auch nicht des Lichtes bedürfen, so treffen wir sie selbst an den dunkelsten Stellen des Waldes an, also an Örtlichkeiten, an denen keine grüne Pflanze mehr gedeihen kann. (Welche höheren Pflanzen sind gleichfalls Verwesungspflanzen?)

3. Wie uns das häutige Auftreten der Champignons in Mistbeeten zeigt, gedeiht er am liebsten in Boden, der reich an Pferdedünger ist. Will man den wertvollen Pilz züchten, so bietet man ihm daher solchen Dünger, den man

Feld-Champignon. 335

zuvor in gewisser Weise zubereitet hat, iu Menge dar. In die Kästen, Ver- schlüge und Gruben, die man mit dem Dünger füllt, bringt man etwas von dem Fadengeflechte („Champignonbrut"), das bald die ganze Düngermasse durch- wuchert und die begehrten Fruchtkörper, die „Champignons", hervorbringt. In der Regel benutzt man zur Zucht des geschätzten Pilzes dunkle Räume, Keller, Schuppen u. dgl. In Frankreich, wo die Champignonzucht ganz besonders in Blüte steht, verwendet man dazu besonders Höhlen, Steinbrüche, nicht mehr „befahrene" Bergwerke und ähnliche Örtlichkeiten.

4. Die tägliche Erfahrung lehrt (stelle entsprechende Versuche an!), daß die Fäulnis durch Wärme und Feuchtigkeit begünstigt wird. Wenn daher im Sommer und Herbst nach Regentagen warme AVitterung eintritt, dann ist die Fäulnis im Boden am lebhaftesten. Dann findet auch der (im Freien wachsende) Champignon die meiste Nahrung. Sein Fadengeflecht zeigt daher jetzt das leb- hafteste Wachstum, und jetzt ist für ihn darum auch die Zeit gekommen, seine Fruchtträger zu bilden, die alsbald „wie Pilze aus der Erde hervor- schießen". Dasselbe gilt auch von den Pilzen des Waldes: Spätsommer und Herbst sind die „Pilz- oder Schwammzeit". Der Champignonzüchter bietet seinen Pflanzen jahraus, jahrein die ihnen zusagende Wärme (13—18" C) und Feuchtigkeit. Er kann daher auch in jeder Jahreszeit „Champignons" ernten.

5. Wie schon erwähnt, gehen die Fruchtkörper des Champignons nach dem Ausstreuen der Sporen alsbald in Fäulnis über, d. h. sie zerfallen in ein- fache Stoffe, aus denen die mit Blattgrün ausgerüsteten Pflanzen ihren Körper aufbauen. Dieser Zerfall geht nun sehr schnell vor sich schon nach wenigen Wochen findet man von Fruchtträgern, die im Freien liegen, meist keine Spur mehr , viel schneller als bei anderen Pflanzenteilen (Blättern, Zweigen u. s.w.). Indem der Champignon „halbzersetzte" Tier- und Pflanzenstoffe aufnimmt und daraus seine schnell vergänglichen Fruchtkörper baut, macht er die in den toten Pflanzen und Tieren aufgespeicherten Stoffe höheren Pflanzen und damit auch den Tieren (Pflanzenfressern; Fleischfressern) bald wieder zugänglich, oder anders ausgedrückt: er beschleunigt den „Kreislauf der Stoffe" in der Natur (der auf die Tätigkeit der niedrigsten Pilze zurückzuführen ist; s. S. 348). Eine gleiche Bedeutung im Naturganzen haben alle anderen Hutpilze (also auch die giftigen !). Ganz besonders groß ist die der Waldpilze, deren schnell vergäng- liche Fruchtkörper in pilzreichen Jahren ja in erstaunlichen Massen aus dem modernden Grunde hervorbrechen. (Vgl. die Pilze nach dieser Hinsicht mit

Andere Ständerpilze.

Ein Gang durch Feld und Flur, besonders aber durch den herbstlichen Wald zeigt uns, welche erstaunliche Mannigfaltigkeit in der Welt der Pilze herrscht. Es können hier daher nur die wenigen Formen berücksichtigt werden, die uns entweder besonders als wohlschmeckende Speise dienen,

336 Taf. 38. 1. Unterklasse. Ständerpilze.

oder deren Genuß dem Menschen schwere Erkrankung-, nicht selten sogar den Tod bringt. Ein Merkmal, durch das sich die giftigen Pilze von den eßbaren unterscheiden, gibt es nicht. Man muß sie kennen lernen, genau wie die Beerenfrüchte unserer Heimat (Tollkirsche, schwarzer Nacht- schatten — Erdbeere u. a.). Auch ist wohl zu beachten, daß ganz harmlose Pilze Vergiftungserscheinungen hervorrufen können, sobald sie in Verwesung übergegangen sind. Darum sollten nur junge Pilze und zwar kurz nach dem Einsammeln verspeist werden. Selbst das Stehenlassen der Pilze bis zum nächsten Tage hat oft schon großes Unheil angerichtet!

Je nach dem Orte, an dem sich die sporenbildende Trägerschicht findet, lassen sich leicht bestimmte Pilzgruppen unterscheiden.

1. Blätterpilze. Die Frachtschicht ü berzi eh t (wie beim Champignon) senkrecht gestellte „Blätter" der Hutunterseite.

An denselben Orten, an denen der Feld-Champignon auftritt, aber auch in Wäldern und Gebüschen findet sich sein nächster Verwandter, der weiße Schaf-Ch. (Ps. arvensis) Er ist gleichfalls eßbar und von jenem durch den hohlen Stiel leicht zu unterscheiden. Diesen beiden Pilzen ist der überaus giftige Knollenblätterpilz (Amanita bulbösa), besonders im Jugendzustande ziemlich ähnlich, (s. Taf. 37, 2). Auf seinen Ge- nuß sind die meisten Pilzvergiftungen zurückzufahren. An den weißen Blättern und dem unten knollenförmig angeschwollenen Stiele ist er jedoch s i che r zu erkennen. Auch fehlt ihm stets der charakteristische Anis- geruch des Champignons. Wie man an jungen Exemplaren sehen kann, sind Hut und Stiel von einer gemeinsamen Hülle schützend umgeben. Bei fortgesetztem Wachs- tum wird die Hülle gesprengt und bleibt auf dem Hute als Fetzen und an dem knolligen Stiele als häutige Scheide zurück, beides Merkmale, die dem Champignon stets fehlen. Beim Fliegenpilz (A. muscäria) bilden die Reste der Hülle weiße Flocken auf dem scharlachroten Hute. Dieser gleichfalls giftige Pilz erscheint in Wäldern oft in großer Menge. Früher legte man ihn in Milch, die man zum Töten der Fliegen verwendete. Noch giftiger (Name !) ist der Speiteufel (Rüssula emetica), der besonders in Wäldern wächst. Er ist meist von dunkelbrauner Färbung, besitzt keinen Ring und riecht sehr widerlich. An Baumstümpfen bricht der gleichfalls giftige Schwefelkopf (Hypho- löma fasciculäre) hervor, ein vorwiegend schwefelgelber Pilz (Name !), der ausgebildet schwarz-grüne Blätter hat. Neben diesen und einigen noch zu nennenden Giftpilzen gibt es aber weit mehr durchaus unschädliche Blätterschwämme, die wie der Champignon z. T. sogar eine vortreffliche Speise für den Menschen bilden. Unter diesen dürfte der Gelbling, Pfifferling oder Eierpilz (Cantharellns cibärius), der im Kiefernwalde oft in großen Trupps anzutreffen ist (Taf. 38, 2), wohl wieder der wichtigste sein. Die dotter- gelbe Färbung und die am Stengel herablaufenden Plätter sind sichere Erkennungs- zeichen. — Der sehr ähnliche falsche Gelbling (C. aurantiacus), den man für giftig hält, unterscheidet sich von ihm leicht durch eine deutliche Orangefärbung. Hochgeschätzt ist ferner der Reizker (Lactäria deliciösa). Er hat einen meist ziegel- roten Hut, der mit orangefarbenen oder grünlichen Ringen geziert ist Bei Verletzungen tropft aus ihm ein rot gelber Milchsaft hervor, während sein sehr giftiger „Doppel- gänger", der Giftreizker (L. torminösa), verwundet eine weiße Milch absondert. Eßbar ist auch der Parasolpilz (Lepiöta procera), so lange er jung ist. Er gleicht anfangs einem Paukenschlägel, breitet dann aber seinen braungeschuppten Hut wie einen

Schineil, Lehrbuch der Botanik.

Tafel 38.

1. Steinpilz (Boletus edulis). 2. Gelbling, Pfifferling oder Eierpilz (Cantharellus eibarius).

Blätterpilze. Röhrenpilze. Stachelpilze.

33/

A

Schirm („ Schinnpilz ••) aus. Die prächtigen, oft '/» m hohen Gebilde brechen an lichten Waldstellen und auf Grasplätzen aus dem Boden hervor.

2. Röhrenpilze. Die Fruchtschicht überzieht die Wandungen von Röhren oder Löchern.

Das Wesen dieser Pilzgruppe können wir leicht am Steinpilze (Boletus edülis; Tat'. 38, 1) erkennen , der in Laub- und Nadelwäldern vorkommt und einer unserer wertvollsten Speiseschwämme ist. Auf der Unterseite des Hutes finden wir eine leicht abtrennbare Schicht zahlreicher Röhren, deren Mündungen als feine Löcher er- scheinen. Die Röhren sind wie ein mikroskopischer Schnitt zeigt mit der Fruchtschicht ausgekleidet. Der dickfleischige Pilz hat einen knolligen, hellbräun- lichen und meist netzaderig gezeichneten Stiel und einen heller oder dunkler matt- braunen Hut. Die anfangs weiße Röhrenschieht wird später gelblich und schließlich grünlich. In der Gesellschaft des Steinpilzes finden sich meist noch zahlreiche andere Glieder seiner Gattung. Von diesen Pilzen sind alle die eßbar, deren Stiel einen Ring besitzt, und von den ringlosen Arten wieder diejenigen, die beim Zerbrechen nicht sofort die Farbe ändern. Aus den ungenießbaren Formen ist der überaus giftige Sa- tanspilz (B. sätanas) hervorzu- heben. Er ist dem Steinpilz sehr ähnlich , hat aber einen gelben, mit netzartigen, blutroten Flecken überdeckten Stiel, und eine gleich- falls blutrote Röhrenschicht. Sein Fleisch wird beim Durchschneiden rot und schließlich dunkelblau.

An Baumstämmen finden sich nicht selten die konsolförmigen Fruchtkörper von Pilzen, deren Fadengeflecht im Holze des Baumes schmarotzt und es nach und nach zerstört. Da diese Fruchtkörper mehrjährig sind, erscheinen sie als feste, widerstands- fähige Gebilde. Sie erhalten alljährlich eine Verdickungsschicht mit einem Röhren- lager, so daß uns ihre eigentümliche Form wohl verständlich wird. Von diesen Pilzen wird besonders der Feuerschwamm (Polyporus fomentärius) zur Herstellung des leicht brennbaren Zunders benutzt (Verwendung?). Zu diesem Zwecke wird die weiche Innen- masse des Fruchtkörpers in Scheiben geschnitten, stark geklopft und mit Salpeterlösung getränkt. Ein Röhrenpilz ist auch der berüchtigte Hausschwamm (Merülius läcry- mans), dessen Fadengeflecht das Holzwerk der Häuser nicht selten gänzlich zerstört und sehr große, lappenförmige und äußerst giftige Fruchtkörper bildet. Da er wie alle Pflanzen ohne Wasser nicht leben kann, so darf nur trockenes Holz zum Bauen ver- wendet und in den Gebäuden eine sorgfältige Lüftung nie verabsäumt werden.

3. Stachelpilze: Die Fruchtschicht überzieht stachelartige Aus- wüchse.

Dies ist leicht am Habichtschwamm (Hydnum imbrieätum) zu sehen, der fast in jedem Nadelwalde vorkommt. Die kleinen Stacheln linden sich auf der Unter- Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 22

Habichtscliwamiu (kleines Exemplar

338

1. Unterklasse. Ständerpilze. 2. "Unterklasse. Schlauchpilze.

seite des schokoladebraunen Hutes, der mit mehreren kreisförmigen Reihen großer Schuppen bedeckt ist. Die Stacheln laufen noch ein Stück an dem weißgrauen Stiele herab und stehen so dicht, daß sie der Hutunterseite das Aussehen eines Rehfelles verleihen (daher auch „Rekpilz"). Auch andere Arten der Gruppe sind eßbar, keine ist giftig.

4. Kenlenpilze : Die Fruchtschicht überkleidet die Oberseite der keulen- oder k or allenf örmigen F ru c h t k ö r pe r.

Die Pilze dieser Gruppe sind jung sämtlich eßbar. Am meisten wird der gelbe Ziegenbart, Korallenpilz oder Hahnenkamm (Claväria flava) geschätzt, der in

Laub- und Nadelwäldern anzu- treffen ist. Seine oft kopfgro- ßen , gelblichen Fruchtkörper spalten sich in zahlreiche Äste, die sich wiederholt in kleinere Zweige teilen. So entstehen prachtvolle, korallenartige Ge- bilde (Namen !) von größter Zartheit und oft beträchtlichem Umfange.

5. Bauchpilze : Die Fruchtschicht überzieht die Wände von Hohlräu- men oder Kammern im Innern der Fruchtkörper. Stellt man durch einen jungen Bovist (Bovista), wie er sich auf Wiesen als weiße Kugel überall findet, dünne Schnitte her, so sieht man bei Anwendung des Mikroskops, daß der Körper gekammert ist, und daß die Wände der Hohlräume („Bauchpilze") dicht mit sporenbildenden Ständern besetzt sind. Bei der Reife werden die Wände aufgelöst. Dann reißt die äußere Hülle an der Spitze auf, so daß der Wind das braune Sporenpulver verwehen kann. Jung sind die Boviste wie zahlreiche andere Bauchpilze eßbar. Giftig ist allein der Kartoffelbovist (Scleroderma vulgäre), der häufig auf Sandboden vorkommt. Die festen Fruchtkörper haben das Aussehen von Kartoffelknollen (Name!), sind innen zuletzt aber ganz schwarz und werden betrüge- rischer Weise daher nicht selten den Trüffeln beigemengt.

Gelber Ziegenbart (kleines Exemplar).

2. Unterklasse. Schlauchpilze (Ascomycetes).

Fadengerlecht mehrzellig. Sporen bilden sich (gewöhnlich in einer Anzahl von 8) im Innern schlauchartiger Zellen.

1. Während der Frühlingsmonate brechen in Wäldern, auf Wiesen und in Gärten Frachtkörper von Pilzen aus dem Boden, die wesentlich anders aus- sehen als die der bisher betrachteten Arten. Es sind die überall hoch ge- schätzten, schmackhaften Morcheln (Morchella). Auf einem Stiele erhebt sich je nach der Art ein kegelförmiger oder abgerundeter Hut von meist grauer

Keulenpilze, Bauchpilze. Morchel. Lorchel. Trüffel

339

bis brauner Färbung. Die Oberfläche des hohlen und sehr brüchigen Hutes ist durch netzartige Rippen in zahlreiche Gruben geteilt.

Stellt man durch die Wand des Hutes dünne Querschnitte her, so sieht man bei Anwendung des Mi- kroskops, daß die grubigen Vertiefungen außen mit einer Fruchtschicht (s. S. 332) überkleidet sind. Die Sporen werden hier aber nicht wie beim Champignon und seinen Verwandten an der Spitze von Ständern, sondern im In- nern langgestreckter, schlauchartiger Zellen gebildet. Zwischen den „Schläuchen", in denen wir je 8 Sporen zählen, beobach- ten wir wie beim Champignon zahlreiche unfruchtbare „Zwi- schenzellen". Bei der Reife schwellen diese Gebilde stark an, so daß sie einen Druck auf die Schläuche ausüben. Da sich diese jetzt nun an der Spitze geöffnet haben, wer- den die Sporen mit einer ge- wissen Gewalt heraus geschleudert und somit dem Winde überantwortet, ihre Verbreitung besorgt.

Als „Morcheln" kommt vielfach ein ganz ähnlich geformter Pilz in den Handel, die Speise-Lorchel (Helvella). Sie wächst in Nadelwäldern und ist an dem unregel- mäßig gelappten Hute zu erkennen, der zahlreiche „darmartige" Auftreibungen zeigt.

2. Viel höher noch als die Morcheln werden die Trüffeln (Tuber) geschätzt, die zu den feinsten Delikatessen und Küchengewürzen zählen. Es sind dies die Fruchf-

Spitz-Morcliel (nat. Gr.) Danehen mehrere Pilz- fäden mit 3 Schläuchen, die je 8 Sporen enthalten, und 3 Zwischenzellen 1 300 mal vergr.).

der

Trüffel. 1

4 Sp

Durchschnitt (nat. Gr.). 3 Drei Schläuche, von denen 2 reu enthalten (Vergr. etwa 450 mal).

340

2. Unterklasse. Schlauchpilze.

körper von Pilzen , deren Fadengeflecht sich im Wald- boden verbreitet. Sie haben das Aussehen von Kartoffel- knollen, sind von einer war- zigen Hülle umkleidet und besitzen im Innern zahlreiche Kammern, deren Wände mit Sporenschläuchen bedeckt sind. Da die Trüfl'eln stets unterirdisch bleiben, kann die Verbreitung der Sporen auch nicht durch den Wind geschehen wie bei den mei- sten anderen Pilzen ; wüh- lende Tiere allein vermögen diese Arbeit zu leisten (Wild- schwein, Dachs, Mäuse, Re- genwürmer u. a.). Hiermit stehen auch folgende Tat- sachen im innigsten Ein- klänge: die Trüffeln finden sich erstlich nur dort, wo sie den Wühlern leicht zu- gänglich sind, nämlich nahe der Erdoberfläche; sie sind zweitens fleischige , saftige Gebilde, die von den Tieren gern verzehrt werden (vgl. mit den Früchten , deren Samen durch Vögel ausge- sät werden!); sie besitzen drittens einen auffallend starken Duft (Verwendung !), wodurch sie den Tieren ihre Anwesenheit gleichsam an- zeigen, und ihre Sporen sind viertens mit stacheligen oder netzförmigen Erhöhungen be- deckt, so daß sie ihren Ver- breitern leicht und sicher anhaften. Um die begehr- ten Fruchtkörper zu ent- decken , bedient sich der „Trüffeljäger " vorwiegend der Hilfe abgerichteter Schweine oder Hunde, die ja bekanntlich mit sehr scharfem Geruch begabt sind. Die wertvollen Trüffelpilze bewohnen vorwiegend Eichen- und Buchenwälder auch

Mutterkornpilz und seine Entwick- lung. 1 Roggenähre mit Mutterkorn (nat. Gr.). 2Pilzfäden, dieSporen abschnüren (Vergr. etwa HOOmal). 3 Mutterkorn mit Fruchtkörpern (wenig vergr).

4 Längsschnitt durch das Köpfchen eines Fruchtkörpers mit zahlreichen Haschenförniigen Höhlen (Vergr. 25 mal).

5 Eine solche Höhle mit Sporenschläuchen (Vergr. 120 mal). 6 Ein Sporenschlauch mit 8 Sporen (Vergr. 700 mal).

Trüffel. Btutterkornpilz. Pinselschimmel.

341

unserer Heimat. Die meisten Trüffeln kommen jedoch ans Südfrankreich und Italien zu uns.

3. In den Ähren verschiedener Gräser, besonders des Roggens, findet mau nicht selten schwärzliche, große Körper, die bekanntlich als Mutterkorn be- zeichnet werden. Sie verdanken ihre Entstehung einem Pilze, dem Mutterkorn- pilze (Cläviceps purpurea), der eine sehr merkwürdige Entwicklung durchläuft. Geht man im Frühlinge auf das Feld, so findet man sicher Roggenähren, in denen ein Fruchtknoten süßen Saft ausscheidet. Dieser „Honigtau" wird wie alle Süßigkeiten von zahlreichen Insekten gern aufgesucht. (Man braucht oft nur dem Fluge der Honigbiene zu folgen, um eine solche Ähre zu entdecken!) Wie die mikroskopische Untersuchung leicht zeigt, ist dieser Frucht- knoten von Pilzfäden durchzogen, die an der Oberfläche zahlreiche kleine Sporen abschnüren. Indem nun die Insekten den süßen Saft lecken und zu anderen Ähren fliegen, nehmen sie sicher auch Sporen mit, die dort dieselbe Erkrankung hervorrufen (vgl. den Honigtau mit den Lockmitteln der Blüten und Früchte höherer Pflanzen!). Zur Zeit der Roggenreife geht mit dem Auf- hören der Saftzufuhr dem Schmarotzer aber die Nahrung aus! Fruchtknoten von anderen Gräsern, in denen er allein leben kann, findet er erst im nächsten Frühjahre wieder. Wie rettet er sich nun auf diese Zeit hinüber? Bevor der Roggen zu reifen beginnt, legen sich die Pilzfäden besonders im unteren Teile des Fruchtknotens eng zusammen und wachsen zu einem fast holzharten Körper aus: das ist das Mutterkorn, das die Unbilden des Winters leicht übersteht. Auf oder in dem Ackerboden liegt es unverändert bis zur Zeit der nächsten Roggenblüte. (Lege es während des Winters in einen Blumentopf mit Erde, der im Freien aufbewahrt wird!). Dann bekommt es scheinbar neues Leben: es treibt eine Anzahl langgestielter, rötlicher Frucht körp er von der Größe eines Stecknadelkopfes, in denen sich in flaschenförmigen Höhlungen zahlreiche Sporenschläuche bilden. Die aus den Schläuchen hervortretenden langgestreckten Sporen werden durch den Wind verweht, und die Erkrankung der Frucht- knoten zeigt sich alsbald von neuem. Der Land- mann bringt mit dem Mutterkorn also einen gefährlichen Feind auf seinen Acker. Da es zu- dem ein heftiges Gift enthält, das, im Brote genossen, schon oft schwere Erkrankungen her- vorgerufen hat, sollte es aus dem eingeernte- ten Getreide sorgfältig entfernt werden. In der Hand des erfahrenen Arztes dagegen ist es ein wichtiges Heilmittel.

4. Brot, eingemachte Früchte, Fleischwaren,

Tinte u. s. w. werden von dem gemeinsten aller Schim- V mrl .,„,- ,,jm,m

melpilze, dem Pinsel- oder Brotsehiininel (Peni- Stück Brot

cillinm ernstäceum), oft wie mit einer dicken, an- w (.Vgl-, et. 120m.

342

2. Unterkl. Schlauchpilze. 3. u. 4. Unterkl. Host- u. Brandpilze.

grünen Decke überzogen. Indem er den Stoffen Sauerstoff zuführt, bedingt er deren Verwesung, die für sein Wachstum notwendig ist (s. S. 334, 2). Untersucht man ein wenig von dem Pilze unter dem Mikroskope , so sieht man ein dichtes Fadengeflecht, aus dem sich zahlreiche senkrechte Fäden erheben. Da sich diese Fäden an der Spitze wiederholt teilen und an den Enden zahlreiche Sporen abschnüren, erscheint das Ganze wie ein kleiner Pinsel (Name !). Dio Sporen, die der Pilzmasse die blaugrüne Färbung verleihen, werden leicht durch den "Wind verweht. Und da es an geeigneten Stoffen für den Pilz nirgends fehlt, ist er auf der ganzen Erde zu finden. Sehr selten erscheinen in dem Fadengeflechte winzige, trüffelartige Körperchen mit sporenbildenden Schläuchen, ein Umstand, der die Einreihung des ungebetenen Gastes in die Gruppe der Schlauchpilze verständlich macht.

Die Blätter der Getreidearten, Hülsenfrüchtler, Rosen und violer anderer Pflanzen findet man nicht selten wie mit Schimmel überzogen : es ist das Faden- geflecht zahlreicher Mehltaupilze (Erysiphe ; Name!). A'on diesen spinnengeweb- artigen Fäden dringen Fortsätze in das Blattinnere, die der Pflanze Nahrung ent- ziehen. Infolgedessen erkranken die Blätter, so daß der ganzen Pflanze oft großer Schaden zugefügt wird. Einer der gefährlichsten dieser Zerstörer ist der S. 65 be- reits erwähnte Rebenmehltau (Oidium tückeri) Auch die als Taschen oder Narren bezeichneten Mißbildungen der Pflaumen werden durch einen Schlauchpilz verursacht (Taphrina pruni).

5. Zerteilt man ein Körnchen Preßhefe in Wasser, und untersucht man darauf einen Tropfen der trüben Flüssigkeit unter dem Mikroskope, so bemerkt

man darin Tausende von farblosen, kuge- ligen Zellen, von denen jede ein „Pflänz- chen" der Bierhefe (Saccharomyces cere- visiae) darstellt. Bringt man etwas Preß- hefe in eine zuckerhaltige Flüssigkeit, so tritt alsbald eine starke Vermehrung der Hefenmasse ein: an den Zellen bilden sich Ausstülpungen, die zur Größe der Mutterzellen heranwachsen und sich schließlich von ihnen trennen. Erfolgt eine solche Abschnürung nicht, und treiben die Tochterzellen abermals Tochter- zellen, so entstehen kleine Zellkolonien. Gleichzeitig geht mit der Flüssigkeit eine starke Veränderung vor sich: ihr entsteigt unter Schäumen und Brausen Kohlensäure (Nachweis durch Kalkwasser!), und der süße Geschmack verliert sich immer mehr. Dafür stellt sich aber bald der bekannte Spiritus- oder Alkoholgeruch ein: die Bierhefe hat den Zucker in Alkohol und Kohlensäure gespalten, ein Vorgang, der bekanntlich als alkoholische Gärung bezeichnet wird. Auf dieser Fähigkeit der Bierhefe beruht das Brauen des Bieres, sowie die Herstellung des Branntweins. Im Großen gezüchtet und möglichst getrock- net, kommt der Pilz als „Preßhefe" in den Handel, die namentlich beim Backen des Kuchens Verwendung findet. Alkohol und Kohlensäure, die hierbei gleich- falls entstehen, treiben die zähen Teigmassen auseinander, so daß ein lockeres, bekömmliches Gebäck entsteht. (Eine andere Hefenart, die in großer Menge im

Bierhefe. 1 Eine Zelle mit einer Aus- stülpung. 2 Eine Kolonie von Zellen. 3 Eine Zelle mit 4 Sporen (1 u. 2 etwa 800 mal. 3 etwa lOOOmal vergr.).

Mehltaupilze. Rebenmehltau. Bicrlicfe. Weinhefe, Getreiderost.

343

Sauerteig enthalten ist, veranlaßt „das Gehen" des Schwarzbrotteiges.) Bringt man eine dünne Schicht Bierhefe auf eine Gipsplatte, die man nur mit reinem Wasser befeuchtet und mit einer Glasglocke überdeckt, so spaltet sich der Inhalt jeder Zelle in meist 4 Sporen (Schlauchpilz!), die, durch dicke Wände geschützt, lange Zeit hindurch Trocknis ertragen und ohne Nahrung weiter leben können. Die Sporenbildung ist also ein Mittel, durch das sich der Pilz vor dem Untergange schützt. Im Freien kommt die Bierhefe nicht vor. Sie ist wie z. B. die meisten Getreidearten eine uralte „Kulturpflanze" von unbe- kannter Herkunft. Und wie die meisten unserer Nutzpflanzen, bildet auch die Hefe zahlreiche „Rassen", von denen jede dem Biere gewisse Eigentümlichkeiten verleiht.

Dasselbe gilt für die Weinhefe (S. ellipsoideus), die aber wie bereits S. 65 erwähnt im Freien vorkommt. Daher gärt der Most von selbst. - Auch die Hefepilze, die die Gärung des „Fruchtweins" verursachen, gelangen mit den Früchten in den ausgepreßten Saft.

3.U.4. Unterklasse. Rost- und Brandpilze (Uredinäceae undUstilaginäceae).

Fadengeflecht mehrzellig. Schmarotzer höherer Pflanzen, deren Sporeninassen an der

Wirtspflanze rostartige Stellen bilden oder gewisse Teile der befallenen Pflanzen wie

verbrannt erscheinen lassen.

1. Rostpilze. An den Getreidearten sowohl, wie auf wildwachsenden Gräsern findet man vom Juni ab nicht selten gelbe, braune oder schwarze Flecken und Streifen, die wie Rostflecke aussehen (Name!). Die mikroskopische Betrachtung dünner Querschnitte zeigt uns, daß Blätter und Stengel dieser Pflanzen von zahlreichen Pilzfäden durchzogen sind, die hier und da die Oberhaut durchbrechen, ins Freie treten und daselbst je eine Spore abschnüren. Die Sporenmassen, die dem un- bewaffneten Auge als jene Rostflecke erscheinen, befinden sich also

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Getreiderost. 1 Sommersporen (Vergr. 200 mal). 2 Wintersporen (Vergr. 200mal). '•) Zwei Wintersporen. Die obere Spore beginnt, einen Pilzfaden zu treiben; an dem vollkommen entwickelten Faden der unteren Spure haben sich 4 Frühjahrs- sporen gebildet (Vergr. 230 mal). 4 Ein Becherchen von der Unterseite des Berberitzen- blattes; mehrere Bechersporen haben sielt bereits abgelöst. (Vergr. 70 mal.)

344 3. u. 4. Unterklasse. Rost- n. Brandpilze. S.Unterklasse. Algenpilze.

im Bereiche ihres Verbreiters, des Windes. Da sich der Pilz auf Kosten seines „Wirtes" ernährt, verkümmern die befallenen Pflanzen oder gehen wohl gar zn gründe. Die Rostkrankheiten des Getreides werden nun von verschiedenen Pilzen hervorgerufen, unter denen als Hauptverwüster der (echte) Getreiderost (Puccinia gräminis) hervorragt. Hat er sich einmal auf einem Felde eingefunden, so verbreiten seine gelben, roten oder hellbraunen Sporen die Krankeit schnell weiter. Wenn das Getreide zu reifen beginnt, treten in den Rostflecken dunkelbraune Sporen auf, die vermöge ihrer dicken Wände leicht zu überwintern vermögen (vgl. mit dem Mutterkornpilze!). Die zuerst erzeugten dünnwandigen Sporen, die hierzu nicht im stände sind, bezeichnet man daher zum Unterschied von diesen „Wintersporen" als „Sommersporen". Im nächsten Frühjahre treiben die Wintersporen, die immer zu zweien vereinigt sind, je einen kurzen Pilzfaden, der wieder 4 farblose „Frühjahrssporen" erzeugt. Gelangen die durch den Wind verwehten winzigen Gebilde auf die Blätter der Berberitze, so keimen sie. Der Keimschlauch dringt in die Blätter ein und erzeugt ein Fadengeflecht, an dem auf der Blattunterseite bald kleine, rotgelbe „Becherchen" entstehen. In ihnen bilden sich am Ende senkrechter Pilzfäden Reihen von „Bechersporen", die wieder durch den WTind davon- getragen werden. Fallen sie auf Getreide ''oder gewisse wildwachsende Gräser), so rufen sie die Krankheit von neuem hervor. Der Pilz durch- läuft also einen Generationswechsel (s. S. 301). Da in seiner Entwicklung die Berberitze eine wichtige Rolle spielt, so darf der Strauch in der Nähe von Getreidefeldern nicht geduldet werden. Bemerkt mag noch sein, daß auch an der Oberfläche der Berberitzenblätter kleine „Becher" entstehen, in denen winzige Sporen von unbekannter Bedeutung gebildet werden.

Auf zahlreichen anderen Pflanzen erzeugen andere Rostpilze ähnliche Er- krankungen. — Ein sehr gefährlicher Schädling ist z. B. der Birnenrost (Gymnospor- ängium sabinae) , der auf den Blättern des Birnbaums die „Becher" und auf dem Sadebaume die anderen Entwicklungszustände bildet. Der Erbsenrost (Uromyces pisi) wandert von der Cypressen-Wolfsmilch (s S. 68) auf die Blätter der Erbsen und anderer Schmetterlingsblütler. Andere Rostpilze vollenden wieder ihre ganze Ent- wicklung auf ein und derselben Pflanze.

2. Die Brandpilze sind gleichfalls Schmarotzer höherer Pflanzen, und zwar vorzugsweise der Gräser. Während das Fadengeflecht die ganze Wirtspflanze durchzieht, erfolgt die Bildung der Sporen jedoch nur an einer bestimmten Stelle, an der Blüte, dem Stengel u. s. w. Die Sporen, die durch den Wind verbreitet werden, bilden dunkle Massen, die die Bezeichnung „Brandpilze" durchaus rechtfertigen. Am häufigsten zu beobachten ist der Flug- oder Staubbrand (Ustilago-Arten), der die Früchte besonders des Ilafers, der Gerste und des Weizens zerstört. Andere Brandpilze verursachen den Schmier- brand (Tilletia-Arten) : die Getreidekörner scheinen äußerlich unversehrt: innen aber sind sie mit einem schwarzen, übelriechenden und schmierigen Sporenpulver (Name!) erfüllt.

Rost- u. Brandpilzarten. Kartoffelpilz, F. Rebenmehltau. Wasser- n. Fliegenschimmel. 345

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5. Unterklasse. Algenpilze (Phycomycetes).

Fadengeflecht besteht (wie der Körper gewisser Algen; Name!) nur aus einer einzigen, meist stark verzweigten und oft sehr umfangreichen Zelle.

In diese große Abteilung der Pilze soll uns der Kartoffelpilz (Peronöspora infestans) einführen, der die gefürchtete Kartoffelfäule hervorruft. Stellt man z. B. durch ein Blatt einer Kartoffelstaude, die von dieser Krankheit befallen ist, dünne Schnitte her, so ist mit Hilfe des Mikroskops leicht zu erkennen, daß es wie die ganze Pflanze von einem viel- fach verzweigten, aber einzelligen Faden- geflechte durchwuchert wird. Einzelne Äste des Geflechtes brechen wie ein zarter Schimmel aus den Spaltöffnungen an der Unterseite der Blätter hervor, verzweigen sich und schnüren eine An- zahl Sporen ab, die, vom Winde ver- weht, schnell die Krankheit über das ganze Feld verbreiten. Da der Pilz der Pflanze die Nahrung entzieht, bekommen die Blätter schwarzbraune Flecke, und schließlich sterben alle oberirdischen Teile ab. Infolgedessen bleiben die Knollen klein, so daß der Ernteertrag meist sehr gering ist. Oft werden aber auch die Knollen selbst von der Krankheit erfaßt: sie erhalten braune Flecke und ver- wandeln sich schießlich in eine jauchige, übelriechende oder in eine trockene, bröck- lige Masse (nasse und trockene Fäule). Will man sich gegen den gefährlichen Feind schützen, so hat man vor allen Dingen zur Aussaat nur vollkommen ge- sunde Knollen zu nehmen, sowie alle erkrankten von dem Felde zu entfernen und sorgfältig zu vernichten.

Ein anderer, gleichfalls sehr gefährlicher Algenpilz ist der sog. falsche Reben- mehltau (P. vitieola), dessen bereits auf S. 65 gedacht worden ist. Wirft man ein totes Insekt in Teich- oder Flußwasser, so bedeckt es sich bald mit den Frachtträgern des Wasserschimmels (Saprolegnia-Arten). Dieser Pilz siedelt sich vielfach auch auf den Kiemen der Fische an. so daß die Tiere schließlich zu Grunde gehen. Der Fliegen- schimmel (Empüsa muscae) tütet im Herbst große Mengen von Stubenfliegen. Man findet die Tiere dann an den Wänden und Fenstern kleben und von einem Kranze fortge- schleuderter Sporen umgeben, durch die die Krankheit schnell weiter verbreitet wird.

Kartoffelpilz: Querschnitt durch ein von dem Pilze befallenes Kartoffelblatt. Aus den Spaltöffnungen der Blattunterseite treten Aste insFreie, an denen sich Sporen bilden. (Yergr. etwa 200mal.)

346

2. Klasse. Spaltpilze.

2. Klasse. Spaltpilze oder Bakterien (Schizomycetes).

Pilze, die kein Fadengeflecht bilden, sondern nur einzellige, sehr kleine "Wesen sind, die sich durch Zweiteilung vermehren.

A. Vom Bau der Spaltpilze. 1. Verteilen wir von dem weißen Belag unserer Zähne ein wenig in einem Wassertropfen, so erblicken wir bei starker mikroskopischer Vergrößerung zahlreiche farblose Gebilde, die man als Spaltpilze oder Bakterien bezeichnet. Es sind die kleinsten Lebewesen, die wir kennen; erreichen doch viele von ihnen noch nicht einmal Viooo mm an Länge. Ihrer Größe nach verhalten sie sich also etwa zum Menschen wie ein Saatkorn zu einem der höchsten Alpenberge.

2. Bei sehr starker Vergrößerung erkennt man, daß der Körper der Spalt- pilze aus je einer einzigen Zelle gebildet ist, die allerdings verschiedene Formen aufweist. So haben die Spaltpilze des Zahnbelags die Gestalt einer

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Spaltpilze. 1 Aus dem Belag der Zahne (Vergr. etwa 750 mal). 2 Mit fadenförmigen, als Bewegungswerkzeuge dienenden Anhängen (Vergr, etwa 1500 mal }.

Kugel oder eines kürzeren oder längeren Stäbchens. Daneben treten in der Regel auch solche auf, die mehr oder weniger gekrümmt oder gar korkzieherartig gewunden sind. Diese Gestalten kehren bei allen Spaltpilzen wieder, so viele man daraufhin auch untersuchen mag. Die kugeligen Formen bezeichnet man als Kokken*), die Kurzstäbchen als Bakterien i. e. S.*) und die Lang- stäbchen als Bazillen**); die gekrümmten und gewundenen führen nach ihrer besonderen Gestalt wieder verschiedene Namen, die aber, weil im gewöhnlichen Leben ungebräuchlich, hier unerwähnt bleiben sollen.

3. Die kleineren Spaltpilze unseres Präparats sind in lebhafter Bewegung. Einige drehen sich um sich selbst, schwimmen dabei gleichzeitig ein Stück vorwärts und, ohne umzukehren, wieder zurück; andere zeigen ein eigentümliches Wackeln und Zittern, und die gewundenen schrauben sich hurtig durch das Wasser.

*) Nach einem gleichlautenden griechischen Worte. **) Bacillum ist die Verkleinerung von baculum, der Stab.

Bau der Spaltpilze. 347

Untersucht man einen Tropfen einer Flüssigkeit, in der tierische oder pflanzliche Stoffe faulen, so sind Tausende und Abertausende von Spaltpilzen in Bewegung: oft flimmert infolgedessen das ganze Gesichtsfeld, und das Wasser scheint lebendig geworden zu sein. Daneben gibt es aber auch zahlreiche Spaltpilze, die sich kaum oder niemals bewegen. Bei sehr starker Vergrößerung erkennt man auch die Werkzeuge der Bewegung: es sind mehr oder weniger zahlreiche, fadenförmige Anhänge der Zellhaut, die wie bei den Infusorien (s. Lehrb. d. Zool.) regelmäßige Schwingungen oder Drehungen ausführen.

4. Steht den Spaltpilzen genügend Nahrung zur Verfügung, und herrscht die für sie eine günstige Temperatur (s. S. 350, 1), so vermehren sie sich, in- dem sie sich teilen. Bleiben die „Teilstücke", von denen also jedes eine selbständige Pflanze darstellt, im Zusammenhange, so entstehen nicht selten kleine Ketten oder längere Stäbe (so bestehen z. B. die Langstäbchen der aus dem Zahnbelag abgebildeten Formen z. T. aus zahlreichen Kurzstäbchen, was jedoch nur bei Anwendung besonderer Mittel zu sehen ist). Die Ver- mehrung erfolgt nun bei günstigen Bedingungen (Nahrung; Wärme!) außerordentlich schnell. Sorgfältige Berechnungen haben z. B. ergeben, daß ein Spaltpilz, der 0,001 mm lang, breit Spaltpilze, die je eine Spore am- und hoch ist und sich in jeder Stunde einmal schließen. (Vergr. etwa 1500 mal.) teilt, in etwa 6 Tagen eine Masse bilden kann,

die den Erdball an Größe übertreffen würde. Selbstverständlich schließt schon die ausgehende Nahrung eine solche Vermehrung aus; sie ist aber immer- hin möglich und für das Verständnis der von den winzigen Lebewesen ver- ursachten Vorgänge von größter Wichtigkeit (s. w. u.).

5. Verdunstet die Flüssigkeit, in der die Spaltpilze leben, oder geht ihnen die Nahrung aus, so haben viele die Fähigkeit, einen Dauerzustand zu bilden: Der Inhalt der Zelle verdichtet sich zumeist und umgibt sich mit einer dicken, widerstandsfähigen Hülle ; es ist eine Spore entstanden. Nach Zerfall der Zellwände werden die Sporen frei. Geraten sie nach Monaten oder Jahren wieder in günstige Lebensbedingungen, so wird die äußere Haut gesprengt, und je ein lebenskräftiger Spaltpilz tritt daraus hervor. Es gibt aber auch zahl- reiche Formen, die ohne Sporen zu bilden ein gänzliches Austrocknen vertragen, also ohne weiteres in einen Dauerzustand übergehen können. Nun sind wie erwähnt die Spaltpilze und demnach auch ihre Sporen außerordentlich kleine (Jebilde. Sie werden daher in trockenem Zustande vom Winde leicht empor- gewirbelt und sicher nicht selten auf Tausende von Meilen verweht. Als unsicht- barer Staub schweben sie überall in der Atmosphäre und kehren mit anderen Staubteilchen bei ruhiger Luft wieder zur Erde zurück. Die „Keime" der Spaltpilze finden sich infolgedessen auf jedem Gegenstande, in jedem Gewässer, kurz: sie sind geradezu „allgegenwärtig".

348 2. Klasse. Spaltpilze.

B. Von der Tätigkeit der Spaltpilze. 1. Die Spaltpilze entbehren wie alle anderen Pilze des Blattgrüns. Sie sind daher ebenfalls auf „fertige" Nah- rung angewiesen, die sie gleich dem Champignon zumeist faulenden Tier- und Pflanzenstoffen entnehmen. Da sich nun ihre Keime fast überall linden, treffen wir sie auch stets da an, wo Fäulnis stattfindet.

a) Ein einfacher Versuch wird uns jedoch zeigen, daß sie weit mehr sind als nur Fäulnisbewohner. Wir nehmen 2 Glaskolben mit etwas Wasser, in das wir irgend einen Tier- oder Pflanzenstoff legen. Während wir den Inhalt des einen Kolbens unverändert lassen, kochen wir den des zweiten längere Zeit hindurch, so daß die Spaltpilze oder deren Keime, die sich an dem verwendeten Stoffe, an den Wänden des Glases oder in dem Wasser befinden, getötet werden; denn die Spaltpilze vermögen ebensowenig wie jedes andere Lebewesen der Siedehitze zu widerstehen. Sobald wir das Kochen einstellen, verschließen wir den Kolben durch einen aus gereinigter Watte gebildeten Pfropf, den wir - - um etwa anhaftende Spaltpilzkeime zu vernichten unmittelbar zuvor über einer Flamme abgesengt haben. Während der Inhalt des ersten Kolbens bald in Fäulnis übergeht, bleibt der des zweiten unverändert. Sobald wir von ihm aber den Pfropf nur kurze Zeit abnehmen, so daß Spaltpilze oder deren Keime aus der Luft hineinfallen können, tritt in ihm gleichfalls Fäulnis ein. Hieraus geht nun unzweifelhaft hervor, daß die Spaltpilze nicht nur Bewohner, sondern auch Erreger der Fäulnis sind, oder anders ausgedrückt, daß es ohne Spaltpilze keine Fäulnis auf der Erde geben würde.

b) Nehmen wir an, letzteres wäre der Fall ! Dann würden ungezählte Millionen von Tier- und Pflanzenleichen den Erdboden bedecken, und alle Gewässer wären mit toten Körpern erfüllt. Kein Fleckchen Erde wäre vorhanden, auf dem noch eine Pflanze wachsen könnte, und mit dem Pflanzenleben wäre das Tier- und Menschen- leben längst erloschen (warum?). Die Spaltpilze sind es, die den Zerfall der abgestorbenen Körper bewirken: sie machen also die Baustoff e, die auf der Erde nur in beschränktem Maße vorhanden sind, für neues Leben immer wieder frei; sie bewirken den ewigen „Kreislauf des Stoffes" in der Natur. (Die eigentlichen Fäulnis bewohn er, wie z. B. der Champignon und viele andere Pilze, können also die S. 335 näher gekenn- zeichnete Arbeit erst beginnen, wenn die Spaltpilze die Verwesung eingeleitet haben.)

c) Im Anschluß an diese wichtige Tatsache sei einer Gruppe von Spalt- pilzen kurz besonders gedacht. Mit jeder Ernte entziehen wir dem Acker eine, große Menge von Stickstoffverbindungen (meist in Form von Eiweiß). Da die Pflanzen nun nicht die Fähigkeit besitzen, der Luft Stickstoff zu entnehmen, so müssen wir ihnen diesen wichtigen Baustoff durch Düngung des Bodens wieder zuführen. Düngt man aber Pflanzen z. B. mit „frischer" Jauche, so sieht man, daß sie kränkeln und schließlich wohl gar absterben. Die in dem „frischen" Dünger enthaltenen Stickstoft'verbindungen müssen nämlich, um von den Pflanzen verwendet werden zu können, erst in salpetersaure Salze übergeführt werden.

Tätigkeit der Spaltpilze 349

(Darum ist der Chili-Salpeter ein so vorzügliches Düngemittel !) Diese Arbeit wird (auf einem hier nicht näher zu verfolgenden, umständlichen Wege) von den Spaltpilzen des Bodens geleistet. Wie auf dem Acker spielt sich dieser Vorgang nun in der ganzen Natur ab: Spaltpilze führen die Stick- sto l'fverbindungen, die von den Tieren ausgeschieden werden, in eine solche Form über, daß sie von den Pflanzen wieder als Baustoffe verwendet werden können.

d) Von der soeben ausgesprochenen Regel, daß die Pflanzen nicht im stände sind, ihren Stickstoffbedarf der atmosphärischen Luft zu entnehmen, bilden, wie wir bereits wissen, gewisse Spaltpilze eine Ausnahme, nämlich die Wurzelbakterien in den Knöllchen der Schmetterlingsblütler (s. S. 104). In jüngster Zeit hat man auch noch andere, frei im Erdboden lebende Spaltpilze (und Schimmelpilze) entdeckt, die diese wunderbare Fähigkeit besitzen und darum als „Stickstoffbakterien" bezeichnet werden.

2. Gewisse Spaltpilze rufen in ihren Nährstoffen Veränderungen hervor, die mau nicht als Fäulnis, sondern (wie die Einwirkung der Bierhefe auf zuckerhaltige Flüssigkeiten ; s. S. 342) als Gärung bezeichnet. Läßt man z. B. Bier oder Wein bei Zimmerwärme einige Tage offen stehen, so werden sie sauer: der Alkohol ist in Essig umgewandelt; es ist „Essiggärung" ein- getreten. Wiederholt man den in S. 348, a geschilderten Versuch statt eines faulenden Stoffes muß man natürlich Bier oder WTein verwenden , so ist leicht zu beweisen, daß die Veränderungen in der Flüssigkeit allein durch Spalt- pilze hervorgerufen werden. Auf der Tätigkeit anderer Gärungs erreger beruht z. B. die Schnellessigfabrikation, sowie das Sauerwerden der Milch, der Gurken, des Sauerkohls, aber auch der eingemachten Früchte und Gemüse. Durch Gärungsbakterien werden die Bastfasern des Flachses und anderer Gespinst- pflanzen aus dem festen Zellverbande gelöst. Durch die Einwirkung von Spalt- pilzen erhalten Tabak, Kakao und chinesischer Thee erst den Duft und Wohl- geschmack, den wir an ihnen so hoch schätzen, und durch ihre Tätigkeit entsteht bei der sog. Nachgärung auch „die Blume" des WTeines.

3. Als eine zweite Quelle, an der Pflanzen ohne Blattgrün die ihnen zusagende Nahrung linden, haben wir schon mehrfach die Körper anderer Lebe- wesen erkannt (Beispiele!). Es ist daher durchaus nicht zu verwundern, daß sich auch unter den Spaltpilzen zahlreiche Schmarotzer finden. Sie oder ihre Sporen dringen in die Körper besonders der Tiere und Menschen ein, ver- mehren sich daselbst oft außerordentlich schnell, erzeugen heftige Gifte und rufen infolgedessen Erkrankungen hervor, die vielfach mit dem Tode endigen. Von diesen Krankheiten seien hier nur die verheerendsten genannt : die Schwindsucht oder Tuberkulose, der etwa V~ aller Menschen zum Opfer fallen, der Unterleibstyphus, die Diphtherie, die Lungenentzün- dung und die Influenza, die gleichfalls alljährlich viele blühende Menschen- leben vernichten, die Cholera und die Pest, die beide von ihrer ostasiatischen Heimat aus schon mehrmals als Würgengel über Europa dahingezogen sind, der

350 2. Klasse. Spaltpilze.

Rotlauf der Schweine und die Pest der Kinder, sowie endlich der Milzbrand, der ganze Herden von Rindern, Schafen, Renntieren und anderen Pflanzenfressern vernichtet und auch den Menschen nicht verschont.

C. Von unserem Verhalten gegen die Spaltpilze. Je nachdem die vielgeschäftigen Spaltpilze für uns unentbehrliche Mitarbeiter und Gehilfen oder Zerstörer und gar wohl Todfeinde sind, je nachdem werden wir uns ihnen gegen- über auch verhalten. Hierbei müssen wir vor allen Dingen zweierlei im Auge behalten: erstlich, daß die Vorgänge der Fäulnis, Gärung oder Krankheit umso schneller und energischer verlaufen, je schneller sich deren Erreger vermehren, und zweitens, daß die Vermehrung der Spaltpilze umso lebhafter erfolgt, je günstiger die Bedingungen sind, unter denen sie leben (zeige an Beispielen, daß sich auch die höheren Pflanzen, sowie die Tiere ähnlich verhalten !).

1. Unsern Mitarbeitern und Gehilfen müssen wir daher die besten Lebensbedingungen schaffen. Vor allen Dingen werden wir dem Stoffe, den sie verändern sollen, die geeignetste Zusammensetzung geben, und ihnen wie allen anderen „Nutzpflanzen" den Grad von Feuch- tigkeit und Wärme bieten, der für sie gerade günstig ist. So gibt man z. B. der Flüssigkeit, die man bei der Schnellessigfabrikation verwendet, den für den Pilz günstigsten Alkoholgehalt; so befeuchtet man den Flachs- stengel, deren Gespinstfasern man gewinnen will; so stellt man die Gurken, wenn sie schnell sauer werden sollen, in einen warmen Raum (auf den warmen Herd) u. s. w. Im allgemeinen sagt den Spaltpilzen eine Wärme von 25 35 ° C. am meisten zu.

2. Unsere Feinde unter den Spaltpilzen dagegen suchen wir von den Stoffen, die sie leicht zersetzen, sowie von unserem Körper und dem unserer Haustiere abzuhalten, und wenn sie eingedrungen sind, so schnell wie möglich zu vernichten.

a) Abgehalten können die fast „allgegenwärtigen" Keime oder Bakterien nur durch die größte Reinlichkeit werden. Dies gilt besonders für die Gefäße, die wir bei der Herstellung und Aufbewahrung der Speisen verwenden, für unsei*e Wohnungen und deren Umgebung (Höfe, Straßen u. s. w.), für unsere Kleider, Wäsche und Speisegeräte (besonders in Gasthäusern!), sowie auch für unsern Körper selbst. Vor allen Dingen hüte man sich, mit den Auswurfstoffen solcher Menschen in nähere Berührung zu kommen, die an einer ansteckenden Krankheit leiden. Wie diese Stoffe, so müssen die Abfälle des menschlichen Haushalts, die vortreffliche „Bakterienherde" bilden, vernichtet oder doch aus der Nähe der Menschen entfernt werden (führe dies näher aus!).

a) Wie der angestellte Versuch (s. S. 348, a) zeigt, gehen die Spaltpilze durch Siedehitze zu Grunde. Dies gibt uns ein Mittel in die Hand, Stoffe, die dem Verderben leicht ausgesetzt sind, Fleisch, Früchte, Gemüse, Milch u. a. doch längere Zeit zu erhalten oder zu „konservieren". Sind in diesen Stoffen, sowie in den zur Aufbewahrung bestimmten Gefäßen alle Keime getötet, so be- zeichnet man sie als sterilisiert (sterilis = unfruchtbar).

Verhalten gegen die Spaltpilze. 351

Es gibt allerdings auch eine Anzahl von Spaltpilzen, deren Sporen durch die Siedehitze nicht getötet werden. Vermutet man sie in einem zu konser- vierenden Stoffe, dann muß dieser über 100 ° C. erhitzt, oder das Kochen stundenlang fortgesetzt oder mehreremale wiederholt werden. Sind in dem letztern Falle die etwa vorhandenen Sporen beim Erkalten gekeimt, so werden die aus ihnen hervorgegangenen Spaltpilze bei der zweiten oder dritten Erhitzung sicher zerstört. Auch zum Töten von Krankheitskeimen in Betten, Klei- dern u. dgl. werden vielfach hohe Hitzegrade angewendet.

c) Wie alle Pflanzen bedürfen die Spaltpilze zum Leben einer gewissen Wärme. Kühlt man einen faulenden oder gärenden Stoff stark ab, so wird man finden, daß die Fäulnis oder Gärung bei einer Wärine von etwa C aufhört. Bei dieser Temperatur stellen die Spaltpilze also ihre Lebenstätigkeiten ein. Daher benutzt man besonders für Fleischwaren (Eisschrank!) schon seit langer Zeit die Kälte als Konservierungsmittel. Das großartigste Beispiel solcher „Konservierung" sind die Leichen der Mamute, die in dem gefrorenen Boden Sibiriens bis auf unsere Tage erhalten sind. Getötet werden jedoch die Bakterien selbst durch die größte Kälte nicht, die wir erzeugen können.

d) Spaltpilze brauchen ferner wie alle Pflanzen Wasser zu ihrem Bestehen. Entzieht man daher Stoffen, die man erhalten will, große Wassermengen, so gehen die in ihnen enthaltenen, oder die ihnen anhaftenden Bakterien zu gründe, und deren Sporen können sich nicht entwickeln. Trocknen und Dörren sind daher andere bekannte Konservierungsmittel (Backobst, Stockfisch, getrocknetes Fleisch u. s. \v.).

e) Bringen wir in eine Flüssigkeit, in der irgend ein Stoff fault, eine stinke Lösung von Kochsalz oder etwas Karbolsäure, so hört die Fäulnis nach kurzer Zeit auf: Kochsalz und Karbolsäure sind für die Spaltpilze tödliche Gifte. Während die Bakterien also fäulniserregend oder (nach einem griechischen Worte) septisch wirken, sind Kochsalz und Karbolsäure, sowie viele andere Stoffe fäulniswidrige oder antiseptische Mittel.

Mehrerer dieser Mittel bedient sich der Mensch schon seit uralter Zeit, z. B. des Kochsalzes zum Pökeln, des Essigs oder Zuckers (in starker Lösung) zum Einkochen der Früchte, des Rauches zum Räuchern der Fleischwaren. Als er aber in den Spaltpilzen auch die Erreger zahlreicher Krankheiten erkannte, lernte er zugleich die durch sie bewirkten Ansteckungen, Vergiftungen oder Infektionen verhüten : er tötete die Keime der Bakterien durch Anwendung von „Desinfektionsmitteln". So behandelt man z.B. heutzutage die Wunden mit Karbolsäure, Jodoform und anderen antiseptischen Stoffen, und die Instrumente der Ärzte, durch die früher die Eitererreger sehr häutig von Wunde zu Wunde getragen wurden, werden jetzt vor jedem Gebrauch sterilisiert oder einer gründ- lichen „Desinfektion" unterworfen. (Wie haben wir uns darnach zu Wunden, Geschwüren u. dgl. an unserem Körper zu verhalten?) Da bei der Fäulnis stets auch gesundheitsschädliche, übelriechende Gase entstehen, so bedienen wir uns der Desinfektionsmittel auch, um Fäulnis und damit verbundene schlechte Ge- rüche zu verhindern oder zu beseitigen (z. B. in Aborten).

352

2. Klasse. Spaltpilze. 3. Klasse. Schleimpilze.

! Naturforscher setzten Kleider, Betten, Möbel und andere Gegenstände, in die sie die verschiedensten Krankheitskeiine gebracht hatten, den Sonnen- strahlen aus, und siehe da, oft schon nach wenigen Stunden ergab sich, daß die Keime zahlreicher Arten vernichtet waren. Indem Sonnenlichte haben wir also ein Desinfektionsmittel von ganz besonderer Wirkung vor uns. Daher sollte man von diesem Mittel recht fleißig Gebrauch machen, und vor allen Dingen den Sonnenstrahlen soviel als möglich Zutritt zu unsern Wohn- und Schlaf räumen verschaffen (führe dies näher aus!).

g) Um zu erkennen, ob Spaltpilze oder deren Sporen abgestorben sind, bedient man sich eines sehr interessanten Verfahrens. Indem man den Spaltpilzen nämlich die zum Leben nötigen Stoffe gibt, kann man sie wie andere Pflanzen züchten oder kultivieren. Zu diesem Zwecke setzt man einer Lösung, die diese Nährstoffe ent- hält, etwas flüssige Gelatine zu, bringt in das Gemisch die zu untersuchenden Bakterien (oder den Stoff, in dem sie enthalten sind) und schüttet alles in eine sterilisierte Glas- schale. Sind die Keime lebensfähig, so beginnen sie sich bald stark zu vermehren : es entstehen auf der erstarrten „Nährgelatine" Bakterien- kolonien. Sind sie dagegen abgestorben, dann tre- ten solche Kolonien selbstverständlich nicht auf. h) Mit Hilfe dieses Verfahrens ist man auch in den Stand gesetzt, unter den Spaltpilzen, die sich wie erwähnt vielfach außerordent- lich ähnlich sind, die Feinde des Menschen von den harmlosen Arten zu unter- scheiden. Will man z. B. wissen, ob Trink- wasser Krankheitserreger enthält oder nicht, so setzt man etwas von dem "Wasser jener Nähr- gelatine zu, schüttelt das Gemisch, so daß die Keime gleichmäßig verteilt werden, und gießt es wieder in eine Glasschale. Auf der erkalteten Gelatine entstehen jetzt soviel Kolonien , als lebenskräftige Keime vorhanden sind. Alle Ko- lonien sind aber auch voneinander getrennt und bestehen nur aus je einer einzigen Bakterienart. Überträgt man nun Teilchen dieser Kolonien in je ein anderes Glas mit „Nährgelatine", so hat man die in dem AVasser enthaltenen Bakterienarten streng voneinander geschieden : man hat „Reinkulturen" von ihnen hergestellt. Da die Spaltpilze in diesen Kulturen ganz bestimmten "Wuchs haben, so ist man vielfach schon hierdurch imstande, die ein- zelnen Arten zu erkennen.

Hakterienkolonien aut'Nährgelatine. Sie sind aus Keimen hervorgegangen, die in einem (der Nährgelatine zuge- set zten ) Tropfen unreinen Trinkwassers enthalten waren ('/j nat. Gr.) (Bern. : Jedes lulle Pünktchen und Fleckchen ist eine Kolonie.)

3. Klasse. Schleimpilze (Myxomycetes).

Pilze, die kein Fadengeneckt bilden, eine schleim- oder rahmartige Masse darstellen und nur z. Z. der Sporenbildung bestimmte Gestalt annehmen. Im "Walde findet man auf faulenden Pflanzenteilen nicht selten lebhaft gefärbte, schleimige oder rahmartige Massen; das sind die merkwürdigen Schleimpilze

Verhalt.

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Wandfli

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(Name!). Der Wahl, der ja an verwesenden Stollen überreich ist, bietet diesen Fäul- nis b e w o h n e r n (besitzen kein Blattgrün!) nielit nur die ihnen zusagende Nahrung, sondern ihrem weichen Körper auch die nötige Feuchtigkeit und den notwendigen Schutz gegen die austrocknenden Sonnenstrahlen. Bei näherem Zusehen wird man leicht linden, daß sich die eigentümlichen Wesen kriechend fortbewegen, wozu sie durch ihren «reichen Leib ja besonders befähigt sind.

Eines dieser seltsamen Geschöpfe, das dein verschütteten gelben Dotter eines Vogeleis gleicht, treffen wir in der Gerberlohe häufig wieder. „Die Lohe blüht", sagt dann der Gerber. Darum bezeichnet man diesen Schleimpilz als Lohblüte (Fuligo värians). Er durchzieht die Loh- Da

häufen netzartig oft metertief, die Sporen durch den Wind ver- breitet werden, kommt er zur Zeit der Sporenbildung zur Oberfläche empor. Die oft tellergroße Masse zieht sich dann stark zusammen und bildet einen widerstandsfähigen Fruchtkörper, der sehr viel schwarz- braune Sporen enthält (1). Bei Befeuchtung entschlüpft jeder Spore ein (iebilde. das wie ein Geißeltierchen (s. Lehrbuch der Zoologie) durch einen schwingenden Faden im Wasser dahinschwimmt (2). Nach einiger Zeit wird die „Geißel" eingezogen, und das winzige Geschöpf nimmt jetzt die Gestalt eines Wechsel- tierchens an (s. ebenda), das sich mit Hilfe ausgestreckter Fortsätze kriechend fort- bewegt und durch Teilung lebhaft vermehrt (3). Indem mehrere solcher Wechseltierchen'- miteinander verschmelzen (4), entsteht wieder eine jener Schleimmassen, von der wir aus- gingen. Das seltsame Wesen gleicht also (wie alle anderen Schleimpilze) in seiner Entwick- lung erst einem Geißel-, dann einem Wechseltierchen, kriecht ausgebildet wie letzteres auf seiner Unterlage dahin, um in der Sporenbildung endlich eine unzweifelhafte Eigen- schaft der Pflanzen zu zeigen. Die Schleim pilze werden daher auch treffend als Pilztiere oder Tier pilze bezeichnet: bilden doch diese niedrigsten aller Pflanzen einen deutlichen Übergang zu dem anderen Reiche der Lebewesen, zu den Tieren.

1 2 3

Entwicklung eines Schleimpilzes

Vergr. etwa G(!0 mal.

3. Kreis. Flechten (Lichenes).

Lagerpflanzen, die aus „genossenschaftlich" lebenden Fadenpilzen und Algen bestehen.

A. Vom Wesen und von der Vermehrung der Flechten. I. In das Wesen dieser Naturkörper soll uns die Wand- oder Schüsselflechte (Xanthöria

parietina) einführen, die an Baumstämmen, Bretterwänden (Name!) und Steinen überall häutig zu finden ist. Sie bildet eine gelbe, laubartige, gelappte Hasse, die meist mit zahlreichen kleinen, orangefarbenen, schüsselartigen Gebilden be- deckt ist (Name!). Stellt man durch den Flechtenkörper außerhalb dieser „Schüsselchen" zarte Querschnitte her, so sieht man bei Anwendung des Mikro- skops, daß er aus einem Geflecht farbloser Fäden besteht, iu dessen leckerer Mittelschicht zahlreiche, lebhaft grün gefärbte, kugelige (iebilde eingelagert S c hmeil. Lehrbuch der Botanik. 23

354

3. Kreis. Flechten,

sind. Die Fäden geben sich leicht als ein Pilzgeflecht und die grünen Kugeln als einzellige Algen zu erkennen. Die gleiche Zusammensetzung aus einem Pilze und zahlreichen Algen zeigen sämtliche Flechten.

Wie alle grünen Pflanzen vermögen die Algen die zum Aufbau ihres Leibes nötigen Stoffe selbst zu bilden (daher leben sie auch außer- halb des Flechtenkörpers an Bauinstäm- Steinen u. dgl.). Der Pilz dagegen - wie wir S. .'}.'>4,2 gesehen haben auf „fertige" Nahrung ange- wiesen: er entzieht sie den Algen, die von seinen Fäden dicht umsponnen werden. Dafür führt er seinen Nah- ruiiiislieferanten aber die rohen Nahrungs- säfte zu (Wasser und die darin gelösten Salze), schützt sie ge- gen Austrocknung' und befestigt mit einigen Fäden das ganze „Doppelwesen" auf der Baumrinde oder dgl. Pilz und Alge haben sich in der Flechte also zu gegenseitigem Vorteile vereinigt, sie bilden eine „Ernährungsgenossenschaft" i Symbiose; s. S. 105).

2. a) An den Lappenrändern der Wandflechte entdeckt man mit der Lupe häutig feine Körnchen, die sich unter dem Mikroskop als je einige von Pilz- fäden dicht umsponnene Algenzellen zu erkennen geben. Diese staubartig kleinen Körper werden leicht durch den WTind verweht und entwickeln sich an einem geeigneten Orte weiter zu Flechten.

randHeehte

Sie werden daher treffend als Brut- körperchen (Soredien) bezeichnet (vgl. mit den Lebermoosen!).

b) An dünnen Schnitten durch eins der „Schüsselchen" sehen wir bei Anwendung des Mikroskops, daß wir es in diesen Gebilden mit den Frucht- körpern des Flechtenpilzes (Apo- thecien) zu tun haben: wir erblicken genau wie bei den Schlauchpilzen eine oberflächlich liegende Fruchtschicht, die aus Sporenschläuchen und zahl- reichen Zwischenzellen zusammenge- setzt ist. Die aus den Schläuchen

"1s*

> I.

Bau des Flechtenkörper!

Schicht des Pilzgeflechts Algen i A | eingelagert. (V<

nneren

sind zahlreiche gr. etwa 350m.)

Wandflechti

iftflechte. Bartflechti

hm.

Mi

l'.et

hervorgehenden Spuren werden durch den Wind verweht, keimen aber nur, wenn

sie eine Alge treffen, mit der sie zusammen eine neue Flechte bilden können.

Aus dem Bau der Fruchtkörper geht hervor, daß der Pilz der Flechte ein

Schlauchpilz ist. (Man ,..

Wy ' niw/jsgp' i Bau des „Schüsselchens".

1 Längsschnitt durch e. Schüs- selchen. F. die Fruchtschichl (etwa 30mal vergr.). 2 Die Fruchtschichi b. stärkerer (etwa 600 mal] Vergr. Sp. Sporen- schlänche. Z. Zwischenzellen.

stellt die Flechten daher auch zu dieser Pilzgruppe. Tu den Tropen gibt es je- doch auch einige Flechten, au deren Entstehung Stän- derpilze beteiligt sind.)

B. Von den wich- tigsten Arten und der Bedeutung der Flechten. 1. Schon unter den Flech- ten der heimatlichen Natur herrscht ein sehr großer F o r m e n r e i c h t u m .

a) Viele von ihnen,

die Krustenflechten, bilden an Bäumen und Felsen, sowie am Erdboden unschein- bare, krustenartige Überzüge. Zu ihnen zählen die Schriftflechten (Graphis), deren schwarze, strichartige Fruchtkörper die Baumrinden wie mit Hieroglyphen bedecken.

b) Einen blattartigen, mehrfach gelappten Körper, wie wir ihn an der Wandtieehte kennen gelernt haben, besitzen die Laubflechten. Sie bedecken mit Arten aus den beiden anderen Gruppen die Stämme und stärkeren Zweige der Bäume oft in dicker Schicht. Von Obstbäumen müssen sie gleich den ansitzenden Moosen (s. S. 319,6) ent- fernt werden.

c) Die Formen mit aufrechtstehendem oder hängendem, meist mehrfach verzweigtem Körper bezeichnet man weil sie oft zierliche Sträuch- lein bilden als Strauchflechten. Von den Zweigen besonders alter Gebirgsbäume hängen in langen bartartigen Strähnen die Bartflechten (üsnea) herab. Die gewimperten Schilde sind die Fruchtkörper. Auf trockenen Heideflächen und dem Boden lichter Gebirgswälder wächst das sog. isländische Moos (Cetraria isländica). Es hat einen vielteilig gelappten, aufrecht stehenden Körper, der am Ende der Lappen die braunen, scheibenförmigen Fruchtkörper bildet. Früher galt die Pflanze als ein wichtiges Mittel gegen Lungenleiden; in Island (Name!) dient sie dem Men- schen vielfach zur Speise. An trockenen Stellen finden sich häufig Flechten, die zierliche Becher oder Trichter bilden. Das sind die ..Fruchtträger- der Becherflechten (Cladönia), und die braunen oder roten Knöpfchen darauf (,Korallenllecktena) sind die Frucht- körper. — Zu diesen Flechten zählt auch die Kenn- tierflechte (C. rangiferina), deren vielfach verzweigte,

Eine Becherflechte. Der dem Boden aufliegende laubartige Körper ist die eigentl. Flechte, Die trichterförmigen Gebilde sind die Fruchtträger, dieknopf- förmigen die Fruchtkörper (nat. Gr. .

356

3. Kreis. Flochten.

bohle „Stämmchen91 auf trockenem Wald- und Heideboden dichte, dicke Polster bilden. Wäh- rend die Pflanze bei uns nicht verwendet wird, ist sie in den Polarländern besonders während des langen Winters die ausschließliche Nahrung des genügsamen Renntiers (Name!). Da nun von diesem Tiere das Wohl und Wehe des Nordländers fast einzig und allein abhängt (s. Lehrbuch d. Zoologie), so ist es also das unscheinbare Pflänzchen, das jene Breiten bewohnbar macht. An den felsigen Gestaden des südlichen Allantischen Ozeans und

Renntierflechte; ein Stück von einem Polster. Di körpern (nat. Gr.

.Stämmchen* links

an den Küsten Ostindiens wächst die Lackmiisflechte (Roccella tinetöria), die uns neben mehreren anderen Flechten in dem Lackmus einen überaus wichtigen blauen und roten Farbstoff liefert (Verwendung?).

2. Im Haushalte der Natur spielen die Flechten fast dieselbe Rolle wie die Moose (s. 8. 317). Da sie lange Zeit hindurch die größte Trocknis ertragen können (Versuch!), vermögen sie sich gleich diesen anspruchslosen Pflanzen an Orten anzu- siedeln, an denen sie wochenlang von keinem Wassertropfen genetzt werden. A n Felsen und vielfach auch auf dürrem Sande bilden sie (mit den Moosen) die ersten Ansiedler.

Gleich jenen treuen Genossen halten sie ferner den herbeigewehten Staub fest, und indem sie abgestorben zu Erde zerfallen, machen sie im Laufe der Zeit selbst den härtesten Fels- und den ödesten Sandboden fähig, höhere Pflanzen zutragen. Da nun von diesen Gewächsen das höhere Tierleben und von beiden wieder der Mensch abhängt (Beweis!), so sind die Flechten uns gleichfalls ein Beweis dafür daß wie wir so oft .-eschen das Kleinste und Unscheinbarste in der Natur oft von größter Bedeutung ist.

Vom Bau und Leben der Pflanze.

(Morphologie und Physologie.) 1. Abschnitt.

Vom Bau und Leben der Zelle.

A. Vom Wesen und von der Bedeutung- der Zelle.

1. Legt man in einen Wassertropfen, der sich auf einer kleinen Glasplatte (Objektträger) befindet, einen Algenfaden oder ein Blatt der Wasserpest, wie sie uns beide jedes Gewässer liefert, oder ein Stück von der Oberhaut eines Blattes, das man mit Hilfe einer jj x.

Pinzette abgezogen hat (s. Abb. S. 381), oder einen dünnen Quer- schnitt, den man durch ein Blatt oder irgend einen anderen Pflanzen - teil hergestellt hat, so sieht man mit Hilfe des Mikroskops, daß die Pflanze nicht etwa wie ein Stück Glas oder Eisen aus einer gleich- artigen Masse besteht. Ähnlich einem Hause, das aus Steinen auf- gebaut ist, ist sie viel- mehr aus Körperchen von ganz bestimmtem Bau zusammengesetzt. Da diese Körper viel- fach wie die Zellen der Bienenwaben ge- formt sind, wurden sie bei ihrer Entdeckung (i. J. 1667) „Zellen" genannt, und so bezeichnet man sie heute noch.

2. Ein Baum oder auch schon ein größerer Pflanzenteil, z. B. ein Blatt, eine Wurzel u. dgl., sind aus einer sehr großen Anzahl von Zellen aufgebaut.

Querschnitt durch ein Blatt (Klee), um den Aufhau aus

Zellen zu zeigen. (Vergr. etwa 320 mal.) (Die Bezeichnungen

sind bei der Wiederholung der Abi., auf S. 380 erklärt.

Bau und Leben der Zelle.

Zahlreiche Pflanzen ans den großen Gruppen der Algen und Pilze (die Kieselalgen, Spaltpilze u. dgl. ; s. das.) dagegen bestehen nur aus je einer Zelle. (Dabei- sind diese Pflanzen zumeist auch sehr klein!). Es gibt also einzellige und mehrzellige Pflanzen.

3. Im allgemeinen beträgt die G r ö ß e der Zellen nur Bruchteile eines Millimeters. Bei den Spaltpilzen geht sie sogar nicht selten unter 0,001 mm herab. Daneben gibt es aber auch Zellen, wie z. B. die der Flachsfasern (s. S. 59, B), die eine Länge von mehreren Zentimetern erreichen können.

4. Ebenso ist auch die Form der Zellen sehr verschieden. Freilebende (d. h. einzeln lebende) oder freiwerdende Zellen, wie z. B. die Hefezellen (s. Abb. S. 342) und die Zellen des Blütenstaubes, haben vielfach die Gestalt einer Kugel (s. 360,3). Zellen dagegen, die sich in festem Verbände befinden,

platten sich wie die Zellen der Bienenwabe gegenseitig zumeist ab ; sie haben die Gestalt eines Würfels, eines Prismas, eines Zylinders oder dgl. Daneben gibt es auch solche von Spindel- oder Sternform : kurz, die Zellen können in fast jeder nur denkbaren Gestalt auftreten. Da Anzahl, Größe und Form beträchtlichen Schwankungen unterliegen, ist in diesen Punk- ten das Wesentliche der Zelle nicht zu finden.

Blütenstaubkorn 5* Die einzelligen Pflanzen nehmen gleich den

vom Kürbis (Vergr. etwa vielzelligen Nahrung auf; sie wachsen und vermehren 480mal). sich wie diese, und viele von ihnen sind sogar imstande,

sich frei zu bewegen. Die Zelle, die den Leib dieser Pflänzchen bildet, ist also ein lebendiger Körper. Ebenso sind wie wir dies im folgenden noch genauer sehen werden an die Zellen, die sich in festen „Zellverbänden", z. B. in einem Blatte, einer Wurzel oder dgl. finden, alle Tätigkeiten des Lebens geknüpft. Die Zellen bilden also nicht nur „die Bausteine", d.h. die Grundbestandteile des Pflanzen- leibes, sondern sie stellen selbst je ein mit Leben aus gerüstet es Ganzes dar.

6. An der lebenden Pflanzenzelle unterscheiden wir in der Begel eine äußere, feste WTandung, die Zell haut, und einen farblosen Inhalt, der als U r b i 1 d u n g s s t o f f oder Protoplasma bezeichnet wird. In den Schwärmsporen der Algen und in gewissen Entwieklungszuständen der Schleimpilze (s. das.) gibt es aber auch Pflanzenzellen, denen (wie den tierischen Zellen) die äußeren Hüllen fehlen. Das Wesentliche an der Zelle kann also nicht die Zellhaut, sondern muß das Protoplasma sein: es ist der Lebensträger der einzelnen Zelle, wie der ganzen Pflanze. Wie für die Schnecke das Haus, so ist auch für den I'rotoplasmakörper die Zellhaut nur das Gebäude, in dem er wohnt.

Bed<

ler Zelle. Das Protoplasma and seine Teile,

B. Das Protoplasma und seine Teile.

1. Das Protoplasma ist ein Körper Von unbekannter chemischer .Zu- sammensetzung-. Sicher wissen wir nur, daß sich an seinem Aufbau in erster Linie Eiweißstoffe beteiligen.

2. Wie die mikroskopische Betrachtung lebender Zellen zeigt, ist das Protoplasma aus mehreren, regelmäßig wiederkehrenden 'Feilen zusammengesetzt. Untersucht man zu- nächst junge Zellen, wie man sie auf dün- nen Schnitten durch wachsende Stengel- oder Wurzelspitzen zu

F

sieht man in jeder ein ß rundes Gebilde, den Zellkern. In seiner Nähe bemerkt man einige kleinere Körper- chen, die sich durch den Besitz eines Farb- stoffes auszeichnen, oder die doch die Fä- higkeit haben , einen solchen zu bilden (s. w. u.). Sie werden da- her als Farbstoff- träger (Chromato- phoren) bezeichnet. Im Gegensatz zu diesen festeren Protoplasma- ballen ist der ganze übrige Kaum der Zelle mit einer zähflüssigen, feingekörnelten Masse, dem Z e 1 1 p 1 a s m a, aus- gefüllt.

In einiger Ent- fernung von der wachsenden Stengel- und Wurzelspitze zeigen die Zellen. die sich durch Wachstum etwas vergrößert haben, zwar dieselben Teile; in dem Zellplasma treten aber kleinere oder größere Hohlräume (Vakuolen) auf, die eine Flüssigkeit, den Zellsaft, enthalten. An noch älteren und daher noch größeren Zellen sieht man, wie die Hohlräume miteinander zu einem

Zellen verschiedenen Alters

wachsenden Stengelspitze (Verg ältere Zelle II. Zellhaul

K. Zellkern; Kk. Kernkörperchen ; I-'. Farbstoffträger,

noch kein Farbstoff eingelagerl ist: B. Blattgrünkörpi

mit Zellsafl gefüllter Hohlraum; S. Saftraum.

L Junge Zelle aus der

etwa GUI) mal). -i etwas

d 3 noch ältere Zellen (Vergr. etwa 500mal).

I'. Protoplasma (und zwar das Zellplasma);

360

Bau uii.l Kcl.cn der Zelle.

großen ..Satt räume" verschmolzen sind. Das Zellplasma, das anch hier die ainlcren Teile des Protoplasmakörpers umgibt, überzieht die Zelhvände nur als dünne Schicht oder streckt sich noch in Form von Strängen durch den mit Zellsaft erfüllten Raum. Eine solche Zelle läßt sich treffend mit einem Zimmer vergleichen, dessen Wände, Decke und Fußboden (Zellhaut!) mit Tapete (Zell- plasma!) überkleidet, und durch dessen lufterfüllten Raum (Saftraum!) Fäden (Zellphismastränge!) gespannt sind. Betrachten wir die einzelnen Teile des Protoplas- mas näher und beginnen wir mit dem

•'!. Zellplasma. Es ist wie schon erwähnt zumeist eine zähflüssige Masse, die daher „gern" Tropfen- form annimmt. Darum haben wie oben bemerkt zablreiche freilebende oder freiwerdende Zellen eben die Gestalt einer Kugel. Bei starkem Wasser verlast kann das Zellplasma aber wie die anderen Teile des Protoplasmas hart und fest werden, ohne jedoch das Leben einzubüßen. Das sehen wir z. B. an zahlreichen Samen, die, scheinbar tot, selbst nach Jahren wieder „er- wachen", sobald man ihnen nur das nötige Wasser und die für das Leben notwendige Wärme zur Verfügung stellt, a) Trennt man von einem Pflänzchen der überall häufigen Wasserpest eines der durchscheinenden Blätt- chen ab und legt es unter das Mikroskop, so sieht man, twie das Zellplasma in lebhafter Strömung begriffen ^.'S J u ist. Es fließt an den Wänden entlang oder auch in Strängen quer durch den Saftraum. Zellkern und Farb- stoffträger, die hier in großer Anzahl vorhanden und lebhaft grün gefärbt sind (s. Absch. 5), gleiten wie Schiffe auf dem Strome dahin. Durch diese Bewegung erfolgt eine beständige Mischung des Zellplasmas an sich, sowie mit den Stoffen, die von außen oder von benachbarten Zellen her in die Zelle eintreten. (Bedeutung ? Wie muß sich dies in Zellen verhalten, in denen eine solche Strö- mung nicht stattfindet?)

b) Wie sorgfältige Untersuchungen bei starken Vergrößerungen gezeigt haben, steht das Zellplasma der einzelnen Zellen vielfach durch zarte Fäden miteinander in Ver- bindung. Die Fäden durchziehen die trennenden Zellwände und vereinigen somit die gleichsam in verschiedenen Kammern (Zellen) wohnenden Protoplasma- körper der Pflanze (oder doch eine große Anzahl dieser Körper) zu einer einr heitlichen Masse.

4. Der Zellkern, der meist noch ein oder einige kleine Gebilde, sog. Kemkörperchen enthält, spielt bei der Bildung neuer Zellen eine wichtige

Strömung des Zell-

plasmas in 2 Zellen ans dem Blatte ,1er Wasser- pest. Die Strömung er- folg! in der Richtung der Pfeile. II. Zellhaut; K. Zellkern: 15. Blattgrün- körper; S. Saftraum. (Vergr. etwa 300 mal.)

36]

Rolle. Dieser Vorgang erfolgt, von Ausnahmen abgesehen, in der Weise, wie man ihn deutlich an den Staub fadenhaaren aus den Blütenknospen einer bekannten

radescantia, verfolgen kann. Bei starker Vergrößerung sieht

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Gartenpflanze, der '

man an den Zellen der Haare, die man in eine schwache Zuckerlösung ge- legt hat, wie der anfänglich runde Zellkern (a) sich in die Länge streckt und in zahlreiche Fäden auflöst; wie diese Fäden sich so- dann teilen und aus- einanderrücken (b); wie sich ferner zwi- schen den Teilstük-

ken des Kernes im Protoplasma eine' Scheidewand bildet (c); wie sich die Teil- stücke endlich zu zwei neuen Kernen vereinigen, und wie die Scheidewand mit den Seitenwänden verschmilzt (d). Im Verlauf von etwa 1 l\i Stunden sind auf diese Weise aus einer Zelle durch Teilung zwei Zellen hervorgegangen.

5. Die als Färbst off träger bezeichneten, kleineren Protoplasmaballen zeigen eine sehr verschiedene Ausbildung. Legen wir ein Blatt der Wasserpest (s. Abb. S. 360) unter das Mikroskop, so sehen wir in den Zellen kleine, lebhaft grün gefärbte Körper und zwar in so großer Anzahl, daß sie das an sich farb- lose Blatt für das unbewaffnete Auge grün erscheinen lassen. Dasselbe gilt auch für alle anderen grünen Pflanzenteile. (Vgl., wie die roten Blutkörperchen die farblose Blutflüssigkeit rot färben!) Da diese Art der Farbstoffträger in den Blättern besonders zahlreich vor- handen sind, bezeichnet man den Farbstoff, dem sie ihr Grün verdanken, als Blattgrün oder Chlorophyll und sie selbst als Blattgrün- oder Chlorophyll- k ö r p e r. Abgesehen von zahlreichen Algen, bei denen sie die Form von Bändern (s. Abb. S.322), Sternen oder Platten haben (s. Abb. S. 325), sind sie in der Regel kleine, abgeflachte Körner. Ihre hohe Bedeutung für

die Pflanze werden wir später kennen lernen.

T j i_i..xx /Tr , „. Zelle mit gelben Farb- in den Blumenblattern (Kapuzinerkresse, Ginster gtoffträffern aus e"

u. a.) und in dem Fleische saftiger Früchte (Rose, Eber- Kelchblatte der Kapn-

esche, Weißdorn u. a.) sind die Farbstoffträger vielfach zinerkresse.

durch einen lebhaft gelben oder roten Farbstoff aus- (Verer. c mal

\

\

a:

362 Bau und Leben der Zelle.

gezeichnet. Sie verleihen daher den Blüten und Früchten dieser Pflanzen die auffällige Färbung, die zum Anlocken der Insekten und Vögel, d. h. der Be- stäubungsvermittler und Samenverbreiter, notwendig ist.

In den tieferen, lichtlosen Pflanzenteilen sind die Farbstoffträger endlich farblose Gebilde.

6. Der Zellsaft ist eine wässerige Flüssigkeit, in der zahlreiche Stoffe gelöst sind. .Ie nach der Art dieser Stoffe hat der Zellsaft auch für die Zelle, sowie für die ganze Pflanze eine verschiedene Bedeutung. Hier seien nur die wichtigsten Punkte hervorgehoben :

a) Am häufigsten finden sich in dem Zellsafte Säuren (z. B. Zitronensäure), Salze (z. B. zitronensaure Salze) und Zucker. Wie eine an solchen Stoffen reiche Flüssigkeit wirkt, soll uns ein einfacher Versuch mit einer „künstlichen Zelle" zeigen. Wir nehmen einen Glaszylinder, binden über die eine Öffnung luftdicht ein Stück angefeuchtetes Pergamentpapier (das fast aus reinem Zellstoff be- steht; s. S. 365,3), füllen ihn darauf mit einer starken Kochsalzlösung und binden die andere Öffnung endlich ebenfalls fest mit Pergamentpapier zu. Den so her- gerichteten Zylinder legen wir in ein Gefäß mit reinem Wasser. Nach etwa 24 Stunden finden wir, daß einerseits das Wasser in dem Gefäße ein wenig salzig geworden ist, und daß andererseits die beiden Verschlüsse des Zylinders straff gespannt und stark vorgewölbt sind. Es ist also durch das Pergamentpapier Salzwasser nach außen und reines Wasser nach innen gedrungen, und zwar ist das Einströmen des reinen Wassers viel stärker gewesen als der Austritt des Salzwassers; denn die Flüssigkeit in dem Zylinder hat sich ja stark vermehrt. Durchstechen wir den Verschluß des Zylinders auf einer Seite, so spritzt die Flüssigkeit daraus in kräftigem Strahle hervor, ein Zeichen, daß die Verschluß- stücke heftig auf den stark vermehrten Inhalt zurückdrücken. Wiederholen wir den Versuch, verwenden wir aber statt des Kochsalzes Zucker oder eine Säure, so werden wir dieselben Erscheinungen beobachten, desgleichen, wenn wir an Stelle verschiedener Flüssigkeiten zwei Gase, z. B. Chlor und atmosphärische Luft, benutzen. Und zwar dauert der Austausch, der als Osmose bezeichnet wird, so lange, bis die Flüssigkeiten oder Luftarten auf beiden Seiten der Scheide- wand die gleiche Zusammensetzung haben. (Statt des Pergamentpapiers läßt sich auch eine tierische Haut, z. B. eine Schweinsblase, verwenden.)

Die Pflanzenzelle ist nun ein solcher osmotischer Apparat im kleinen : die Zellhaut entspricht dem Verschlusse und der Zellsaft der Salzlösung. Tritt an sie von außen eine weniger stark gesättigte Flüssigkeit, so wird sich der Zellsaft vermehren. Ist dagegen die Flüssigkeit, die die Zelle umspült, stärker mit Salzen oder anderen Stoffen gesättigt, so wird der Zellsaft abnehmen. Auf diese AVeise erfolgt in der Pflanze ein beständiger Aus- tausch der Stoffe von. Zelle zu Zelle. (Wann kommt der Austausch zum Stillstande?)

In dem Falle, in dem sich der Zellsaft vermehrt, wird die Zellhaut aus- gedehnt und straff gespannt, so daß sie infolge ihrer Elastizität auf den Zell-

Das Protoplasma and seine Teile. 363

inhalt zurückdrücken muß. Diese Spannung, die der Zelle eine ge- wisse Festigkeit verleiht, bezeichnet man als ihren T u r g o r. 1h diesem Zustande befinden sich z. B. alle wachsenden Pflanzenteile. Daher vermögen z. B. die zarten Keime oder jungen Triebe (Tulpe, Maiglöckchen u. s. w.) die Erde zu durchbrechen. Verlier! die Zelle vielleicht durch zu starke Verdunstung Wasser, so wird der Tnrgor geringer; die bisher gespannte Zellhaut und damit die ganze Zelle wird schlaff und weich. Geschieht dies mit vielen oder allen Zellen, dann sagt man: die Pflanze welkt. Führt man der Pflanze wieder genügend Wasser zu (Begießen, Einstellen in ein Gefäß mit Wasser !), so nimmt sie wieder das frühere Aussehen an, ein Zeichen, daß es nur der in ihren Zellen herrschende Wasserdruck ist, der sie aufrecht hält. (Der Tnrgor ist wie wir später sehen werden für die Pflanze noch in zahlreichen anderen Fällen von größter Bedeutung.)

b) Vielfach sind in dem Zellsafte auch Stoffe aufgespeichert, die später zum Aufbau der Pflanze verwendet werden. Das sehen wir z. B. an der Zuckerrübe, die in dem Zellsafte der Wurzel große Mengen von Zucker als Baustoff für das nächste Jahr anhäuft.

c) Ähnlich wie gewisse Blüten und saftige Früchte durch Farbstoff- körperchen bunt erscheinen, werden andere durch einen im Zellsafte gelös- ten Farbstoff den Bestäubern und Verbreitern der Pflanze auffällig (Blüte von Rose, Rittersporn u. a., Frucht von Kirsche, Heidelbeere u. a.). Als An- lockungsmittel tritt bei den Früchten nocli der Zuckergehalt des Zellsaftes hinzu.

C. Die Zellhaut.

1. Bedeutung. Wir haben gesehen, daß der größte Teil des Proto- plasmakörpers, das Zellplasma, in der Regel eine zähflüssige Masse darstellt. Es wäre daher unmöglich, aus diesem Stoffe eine Pflanze von bestimmter Gestalt, vielleicht gar einen Baum aufzubauen. Das „Bauwerk" würde stets in sich zu- sammensinken und zerfließen (vgl. die Form der Schleimpilze). Umgeben wir aber eiu Klümpchen der zähflüssigen Masse mit einer festen Hülle, oder bieten wir einer größeren Protoplasmamasse ein Stützwerk aus vielen Kammern, in denen sie gleichsam wohnen könnte, dann wäre dies wohl möglich. Wir hätten im ersten Falle eine Zelle oder eine einzellige Pflanze und im zweiten eine Viel- heit von Zellen oder eine vielzellige Pflanze geschaffen. Die Hülle, die der einzelnen Zelle oder der einzelligen Pflanze Form und Ge- stalt gibt, ist die Zell haut, und die Gesamtheit aller Zell- häute bildet das stützende Kammer werk der vielzelligen Pflanzen.

Wie wir gesehen haben wird bei der Bildung neuer Zellen vom Proto- plasma eine Scheidewand zwischen die schon vorhandenen Zell wände einge- schoben. Denken wir uns diesen Vorgang längere Zeit fortgesetzt, so müssen schließlich alle Wände, die den Protoplasmakörper einer Zelle umgeben, von diesem

36-1

Bari u n il LH

der Zell

selbsl gebildet sein. Der lebende Inhalt der Zelle baut sich seine

Hülle also selbst, ähnlich wie sich die Schnecke selbst ihr Haus erbaut.

2. Verdickungen. Anfänglich ist die Zellhaut sehr zart und dünn

is. Al»b. S. 359). In dem Maße aber, in dem sich der Zellinhalt ausdehnt, wächst

auch seine Hülle. Hat die Zelle ihre volle Größe erreicht, so treten an der Zellwand gewöhnlich Ver- dickungen auf.

a) Bei Zellen, die eine freie (oder eine teilweis freie) Oberfläche haben, sind die Verdickungen in Form von Stacheln, Warzen und Leisten gewöhnlich nach außen gerichtet. Dies ist z. B. meist bei den Blütenstaubkörnchen der- jenigen Pflanzen der Fall, die durch Insekten bestäubt werden (s. Abb. S. 358). Infolge der Rauhigkeiten haften die Körnchen fester am Kör- per der Bestäuber, als wenn sie wie die der windblütigen Pflanzen eine glatte Oberfläche besäßen.

b) Stellt man zarte Längs- schnitte durch den Stengel z.B.

der Sonnenrose oder Gi-artenbalsamine her, so treten uns Verdickungen der Zellhaut entgegen, die nach innen gerichtet sind. Die Verdickungen er- strecken sich aber nicht gleichmäßig über die ganze Innenfläche der Zellhaut, sondern treten uns nur in Form von Ringen und Schrauben oder als Netzwerk entgegen. Zwischen den verdickten Stellen bleibt die Zellwand dünn.

Verdickungen der Zellwand (schematisch). 1 Ringförmige, 2 schraubenförmige and 3 netz- förmige Verdickungen.

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Diese Verdickungen haben vor allen Dingen die Aufgabe, die Zelle auszusteifen, ihr eine größere Festig- keit zu geben. Ähnlich wie bei einer Mauer, die wir durch stärkere Pfeiler stützen, genügt hierzu schon eine teilweise Verdickung der Zellwand, und zu diesem Mittel wird die sparsame Natur umso „lieber greifen", als diese Art der Aus- steifung mit der geringsten Menge von Baustoff ausgeführt werden kann. Andererseits sind aber die

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Tüpfelzellen

aus einem ..St

•iip- des Frucht

fleisches der

Birne. (Vergr

etwa SOOmal. 1

Die Zellhant.

unverdickten Stelleu auch für den Stoffverkehr in der Pflanze von großer

Wichtigkeit. Wie wir gesehen haben, stellt jede Zelle einen osmotischen Apparat dar. Es muß daher zwischen den einzelnen Zellen so lange ein Ausgleich stattfinden, so lange ihr Inhalt nicht vollkommen gleich ist. Dieser Austausch der Stoffe geht durch dünne Stellen der Zellhaut nun selbstver- ständlich leichter und schneller von statten als durch verdickte.

c) Wie der Austausch zwischen Zellhäuten erleichtert wird, die gleich- mäßig sehr stark verdickt sind, zeigen uns z. B. die Zellen, die in dem Frucht- fleische der Birne die sog. Steine bilden. Die Wände sind hier von Kanälen durchzogen, die mit denen der benachbarten Zellen genau zusammentreffen. An diesen Stellen sind die Zellen daher nur durch di ursprüngliche Zellhaut getrennt. Die Kanäle be- zeichnet man, da sie von der Fläche gesehen wie rundliche Offnungen erscheinen, als Tüpfel.

Eine besondere Art von Tüpfeln besitzen die Zellen im Holze der Nadelbäume. An dünnen Schnitten z. B. durch Kiefernholz sieht man, wie sich die Verdickungsschicht über der dünnbleiben- den Stelle der Zellhant wölbt, ohne sich aber voll- kommen zu schließen. Die Verdickung hat also die Form eines Uhrglases, das in der Mitte eine Öffnung besitzt. Von der Fläche betrachtet, er- scheint das Gebilde daher wie ein heller Kreis (Öffnung !), der von einem dunkleren „Hofe" (gewölbte Verdickungsschicht !) umgeben ist. Einen solchen Tüpfel bezeichnet man daher als gehöften Tüpfel.

3. Chemische Zusammensetzung, a) In jungen Zellwänden waltet stets, in älteren sehr häufig ein Stoff vor, der den Namen Zell- stoff oder Zellulose führt. Er ist aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff (CeHioOs) gebildet, und zwar finden sich in ihm die beiden letztgenannten Ele- mente in dem gleichen Verhältnisse wie im Wasser (Ha 0). Die Zellulose ge- hört also zu der großen Gruppe chemischer Verbindungen, die man (wegen dieses Verhältnisses!) als Kohlenhydrate bezeichnet. (Fast reine Zellulose ist der als Zelluloid bekannte Körper, aus dem man Bälle, Griffe von Zahnbürsten u. dgl. herstellt.)

Durchtränkt man einige Wattefäden, die aus fast reiner Zellulose bestehen, mit Chlorzinkjodlösung*), so färben sie sich alsbald schön blau. Mit Hilfe dieses

Gehöfte Tüpfel. 1 Teil einer

Zelle aus dem Holze der Kiefer mit drei gehöften Tüpfeln, von der Fläche gesehen (Vergr. etwa 300mal). 2 Ein Tüpfel im Durchschnitt, noch stärker ver- grösserl (schematisch |.

*) Dieses Reagenz, das wie alle anderen, hier erwähnten Reagenzien in Spezral- handlungen käuflich zu haben ist, erhält, man, indem man 20 Teile Chlorzink, 6,6 Teile Jodkalium und 1,3 Teile Jod in 10,5 Teilen Wasser auflöst.

366 Bau und Leben äer Zelle and der einzelnen Pflanzenteile.

Stoffes (Reagenz) sind wir also imstande, Zellulose in Pflanzenzellen nachzuweisen. (Führe diesen Nachweis z. B. an dünnen Schnitten aus Kartoffelknollen!)

Wie uns der Versuch zeigte, durch den wir das Wesen der Osmose keuuen lernten, sind Häute aus Zellulose für Flüssigkeiten (und Gase) sehr durchlässig. Diese Eigenschaft besitzen daher auch die Häute junger Zellen, d. h. also derjenigen Teile des Pflanzenkörpers, die im lebhaften Wachstum be- griffen sind und daher große Mengen von Baustoffen (von außen oder von be- nachbarten Zellen her) aufnehmen müssen.

b) Bringt man dünne Schnitte aus Kiefernholz oder einer anderen Holz- art in Chlorzinkjodlösung, so tritt keine Blau-, sondern eine Gelbfärbung ein, ein Zeichen, daß mit den Zellhäuten eine chemische Veränderung vor sich ge- gangen ist. Sie sind verholzt. WTie schon die Verwendung des Holzes zum Stützen und Tragen (beim Häuserbau u. dgl.) zeigt, besitzen Pflanzenteile mit verholzten Zellhäuten eine große Festigkeit. Daher tritt eine Verholzung der Zellwände auch besonders in den Teilen des Pflanzenkörpers ein, die eine große Festigkeit und Widerstandsfähigkeit besitzen müssen.

c) Schnitte aus Flaschenkork färben sich in Chlorzinkjodlösung gelbbraun : die Zell wände sind durch Einlagerung von Korkstoff verändert; sie sind ver- korkt. Wie die Verwendung des Korkes im täglichen Leben zeigt (Beweis!), ist dieser Körper für Luft und Wasser fast undurchdringlich. Daher wendet wie wir später sehen werden die Pflanze den Kork auch dort an, wo es sich u. a. darum handelt, die Verdunstung stark einzuschränken.

D. Der ,, Zellstaat".

1. Arbeitsteilung. Die einzellige Pflanze, wie sie uns in den Gruppen der Algen und Pilze entgegentritt, ist mit einem Menschen zu vergleichen, der allein in der Wildnis umherschweift. Wie er alles selbst verrichten muß, was zum Leben notwendig ist er hat sich Nahrung zu suchen, eine Hütte zu bauen, die ihn vor den Unbilden der Witterung schützt, sich gegen seine mannigfachen Feinde zu verteidigen u. dgl. mehr, so hat auch die „einzeln lebende Zelle" alle Lebenstätigkeiten zu verrichten. Sie muß um nur einiges anzuführen Nahrungsstoffe aufnehmen und umarbeiten, auf daß sie zum Aufbau des Körpers verwendet werden können ; sie hat sich gegen äußere Ein- flüsse zu wehren, Nachkommen zu erzeugen u. dgl. mehr.

In den mehrzelligen Pflanzen dagegen haben wir es mit großen Gemein- schaften von Zellen zu tun, die sich mit wohlgeordneten Staatswesen vergleichen lassen. Wie dort gewisse Bürger (Ackerbauer, Viehzüchter u. dgl.) für alle die notwendige Nahrung gewinnen, andere (Handwerker u. dgl.) die sonst zum Leben nötigen Gegenstände herstellen, andere (Kaufleute, Schiffer u. dgl.) eine Ver- teilung dieser Gegenstände und der Nahrung besorgen, andere (Heer, Polizei u. dgl.) den Schutz des Ganzen übernehmen: so ist auch in dem „Zellstaate" jedem „Bürger" eine bestimmte Arbeit zuerteilt. Wie ferner nun in einem Staatswesen oder einer Fabrik (Beweis!) infolge dieser „Arbeitsteilung" die

Der Zellstaat. Grundformen der Pflanzen. 3^7

Arbeiten besser und vollkommener ausgeführt werden, als wenn sie alle von jedem einzelnen Bürger oder Arbeiter verrichtet würden, so auch im Zellstaate. Das ist aber in den menschlichen Gemeinwesen nur möglich, wenn nicht jeder gleich dem in der Wildnis Umherschweifenden in schrankenloser Willkür ver- fährt, sondern sich in eine gewisse Ordnung fügt, sich unter bestimmte Ge- setze beugt. So hat sich auch im Zellstaate jedes Glied dem Wohle des Ganzen unterzuordnen.

Wie unter den Menschen der einzeln lebende die tiefste »Stellung einnimmt, so sind auch die einzelligen Pflanzen die „niedrigsten". Und unter den „höheren" Gewächsen haben wieder die eine übergeordnete Stellung, eine höhere Rangordnung, bei denen die Arbeitsteilung am vollkommensten durchgeführt ist. (Führe dies an der Hand der großen Abteilungen des Pflanzensystems näher aus!)

2. Gewebe. Je nach der Arbeit, die der einzelne Bürger des Staates zu erfüllen hat, ist er auch verschieden ausgerüstet: der Landmann z. B. mit Pflug und anderen Ackergeraten, der Soldat mit Waffen u. dgl. So müssen auch die Glieder des Zellstaates, je nachdem sie diese oder jene Arbeiten zu leisten haben, verschieden ausgerüstet oder anders ausgedrückt ver- schieden gebaut sein. Gewöhnlich vereinigen sich im Pflanzenkörper nun mehrere gleich gebaute und gleich tätige Zellen zu größeren oder kleineren Gruppen (s. z. B. Abb. S. 357); sie bilden sog. Gewebe (erkläre den Namen!), von denen wir die wichtigsten Formen in folgendem kennen lernen werden.

3. Zwischenzellräume. Die Zellen, die ein Gewebe bilden, müßten so sollte man denken stets lückenlos aneinanderschließen ; denn wie. wir gesehen haben, wird bei der Zellteilung in der „Mutterzelle" ja nur eine Wand gebildet, die beiden „Tochterzellen" gemeinsam ist. Bei jungen Zellen muß ein enger Zusammenschluß also stets vorhanden sein. Auch bei älteren flndet er sich vielfach. Nicht selten aber spaltet sich bei diesen die gemeinsame Scheidewand der Länge nach. Dann rücken (s. z. B. Abb. S. 357) die Zellen vielfach so weit auseinander, daß sie nur noch an einem Punkte zusammen- stoßen. So entstehen zwischen ihnen oft große, luftgefüllte Lücken, die man als Zwischenzellräume bezeichnet.

2. A b s c h n i t t.

Vom Hau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Die Grundformen der Pflanzen.

1. An den Blutenpflanzen und farnartigen Gewächsen unterscheiden wir eine Menge einzelner Teile, die wir z. B. als Wurzel, Zwiebel, Knolle, Stengel, Halm, Dorn, Blüte, Stempel u. s. w. bezeichnen. Alle diese Teile lassen sich so verschieden sie auch zu sein scheinen auf drei Grundglieder zurückführen: auf Wurzel, Stamm (oder Stengel) und Blatt. Diese drei Hauptteile unterscheiden

;;iis Bau and Leben des Blattes.

sieh ganz kurz gesagt folgendermaljcn voneinander: Wurzel uud Stamm, die sich oft sehr ähnlich sind (unterirdische Stämme!), haben stets ein lang an- dauerndes Wachstum; während der Stamm aber der Träger der Blätter ist, hat die Wurzel niemals die Fähigkeit, solche zu entwickeln. Die Blätter sind sehr verschieden gestaltete Gebilde, die ihr Wachstum sehr bald einstellen und stets am Stamme entspringen.

Diese drei Grundglieder treten uns nun in sehr verschiedener Ausbildung ent- gegen. Ohne ihre Entwicklung zu kennen, ist es vielfach sogar unmöglich zu ent- scheiden ob man in ihnen Wurzel, Stamm oder Blatt vor sich hat. So sind wie wir bei der Betrachtung der betreffenden Pflanzen bereits gesehen haben z. B. die Knollen des Knabenkrautes Wurzelgebilde, die der Kartoffel dagegen Teile des Stammes (Stengels); so haben wir ferner in den Dornen des wilden Birnbaums Stammgebilde, in den Stacheln des Kaktus dagegen Blätter vor uns u. s. w. Die Grundglieder erscheinen also hier ähnlich wie die Jungen zahlreicher Lurche und Insekten (s. Lehrb. d. Zoologie) in einer Verkleidung. Wie bei diesen Tieren redet man daher auch bei ihnen von einer Verwandlung oder Metamorphose.

2. An dem Faden der Schraubenalge oder dem Fadeugeflechte des Cham- pignons ist wie bei allen Algen und Pilzen eine Gliederung in Wurzel, Stamm und Blatt nicht zu entdecken. Einige Algen, wie z. B. der Blasentang (s. S. 326), haben allerdings einige Ähnlichkeit mit den höheren Pflanzen; zur Ausbildung wirklicher Wurzeln, Stämme und Blätter kommt es bei ihnen aber gleichfalls nicht. Einen solchen ungegliederten Pflanzenkörper bezeichnet man als Lager (Thallus). Im Gegensatz zu den höheren Pflanzen, den Stamm-Blatt- Pflanzen (Curiiiophyten), faßt man daher die Algen und Pilze (Flechten) als Lager- pflanzen (Thallophyten) zusammen (s. S. 322).

3. Die Moose, als die einzig übrig bleibende große Abteilung des Pflanzenreichs, lassen sich in keine der beiden Gruppen einfügen. Während sich an dem Laubmoose stets deutlich Stamm und Blatt unterscheiden läßt, entbehren zahlreiche Lebermoose (s. das.) dieser Gliederung mehr oder weniger vollkommen. Die Moose bilden also den Übergang zwischen den beiden großen G r u p p e n.

I. Vom Bau und Leben des Blattes. 1. Blattarten und Blattstellun^. 1. Die Blattarten. Das Blatt tritt uns in sehr verschiedener Gestalt ent- gegen, die mit der zu erfüllenden Aufgabe aber stets in vollendetster Weise übereinstimmt (beweise dies durch die in Abschn. 2 und 3 angeführten Beispiele!). Betrachten wir z. B. eine Pflanze des Knabenkrautes (s. Taf. 34), so sehen wir am unteren Teile des Stengels einige farblose „Hüllblätter", am mittleren die grünen Laubblätter und am oberen zahlreiche „Deckblätter", aus deren Achseln sich die Blüten erheben. Untersuchen wir hierauf andere Pflanzen, so finden wir bei vielen (Beispiele!) unterhalb oder oberhalb der Laubblätter gleichfalls Blätter von abweichendem Bau. Es lassen sich demnach 3 Gruppen von Blättern unterscheiden, die man nach ihrer Stellung am Stamme (Zweige) als Nieder-

Bau und Leben des Blattes. 369

blätter, Mittel- oder Laubblätter und Hochblätter bezeichnet. Zu diesen 3 Gruppen kommen bei den Blutenpflanzen noch 2 weitere hinzu: die Blätter der Blüte (Kelch-, Blumen-, Staub- und Fruchtblätter) und die Keimblätter. Da diese beiden Blattarten später eingehender betrachtet sind, wenden wir uns hier nur den 3 ersteren zu.

2. Die Niederblätter treten uns an unterirdischen Stämmen (Wurzelstöcken) in der Kegel als farblose Schuppen entgegen. Sie dienen dort (Windröschen, Taubnessel n. a.) zumeist der zarten Endknospe des weiterwachsenden Stammes, sowie den in ihren Achseln sich bildenden Zweigknospen als schützende Hüllen (daher „Hüllblätter"!. Eine gleiche Aufgabe haben diejenigen Niederblätter zu erfüllen, die beim Durchbrechen der Erde „voran gehen" (Scharbockskraut, Maiblume u. a.i, oder die als Knospenschuppen den jungen Trieb fest umschließen (s. Roßkastanie). In den Zwiebeln (s. Tulpe) bilden die hier als „Zwiebelschalen" bezeichneten Niederblätter Vo r r atssp ei ch e r. An vielen anderen unterirdischen Stämmen dagegen (Wurzelstöcken, Knollen) sind sie so klein, daß ihnen wohl kaum noch eine Bedeutung zukommt.

3. Die Hochblätter sind in der Regel schützende Decken der jungen Blüten und Blutenstände. Als „Deckblätter" haben wir sie z. B. beim Knabenkraute, als „Hülle and Hiillehen" bei den Doldengewächsen, als „Hüllkelch" bei den Korbblütlern, als „Bluten- scheide" bei Schneeglöckchen und Aronstab, als „Spelzen" bei den Gräsern, als „Schuppe" an den Kiefernzapfen kennen gelernt u. s. w. Beim Windröschen („Hüllblätter") haben sie genau die Gestalt der Laubblätter, und bei der Leberblume täuschen sie fast einen Kelch vor. Bei einigen anderen Pflanzen dagegen treten sie in den Dienst der Insekten- anlockung (Hain- Wachtelweizen), der Bestäubung (Aronstab), der Fruchtbil- dung (Becherfrüchtler) oder der Fruchtverbreitung (Linde, Klette u.a.).

4. Die Laubblätter (Mittelblätter), die gewöhnlich als „Blätter" schlechtweg be- zeichnet werden, wollen wir hier vorwiegend nur nach ihrem Äußeren betrachten Ihre Aufgabe und Bedeutung werden wir in dem nächsten Abschnitte kennen lernen. An den Blättern z. B. des Scharbockskrautes wird die herzförmige Blattfläche (oder Blatt- spreite) von einem langen Blattstiele getragen, der sich unten zu einer Blatt scheide verbreitert. Solche „vollständigen" Blätter treffen wir jedoch nur selten an.

a) Die Blattscheide dient beim Scharbockskraute, der Möhre u.a. als Schutz- mittel für zarte, junge Pflanzenteile; bei den Gräsern (s. Roggen) hat sie außerdem noch die Bedeutung eines Stützorgans. An Stelle der Scheide finden sich bei mehreren Pflanzen (Beispiele!) rechts und links vom Blattgrande kleinere oder größere, bleibende oder abfallende Nebenblätter, die z B. bei der Erbse als Schutzmittel junger Teile dienen. Bei der Robinie u. a. sind die Nebenblätter in schützende Dornen umge- wandelt.

b) Den Blattstiel haben wir mehrfach (s z. B. Roßkastanie und Weinstock | als ein Mittel der Pflanze erkannt, die sonnenbedürftige Blattfläche in die geeignete Stellung zum Lichte zu bringen. Ebenso haben wir gesehen, wie das federnde Gebilde die Blatt- fläche schützt, vom Winde und vom Anprall der Regentropfen zerrissen zu werden (s. S. 87, b).

Fehlt der Blattstiel, so bezeichnet man das Blatt als sitzend (Tulpe u. v. a.). Zieht sich die Blattfläche am Stengel noch ein Stück herab, so nennt man das sitzende Blatt he rablaufend (Eselsdistel, Schwarzwurz u. a.), greift die Blattfläche um den Stengel: stengel um fassend (Schlafmohn), und verschmelzen die Flächen zweier gegenüberstehender Blätter miteinander: verwachsen (Jelängerjelieber). Ist der Schmeil. Lehrburh der Botanik. 24

370 Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Blattstiel in der Mitte der wagerecht stehenden Blattfläche angewachsen wie bei der Kapuzinerkresse. SO entstellt das schildförmige Blatt.

c) Die Blatt fläche zeigt sehr verschiedene Ausbildung, so daß man eine große Anzahl von Blattformen unterscheidet:

I. Nach dem Verlauf der Nerven oder Adern : laufen alle Nerven mit der „Mittelrippe" und untereinander ungefähr parallel, wie dies für die einkeimblättrigen Pflanzen als Regel gilt, so bezeichnet man das Blatt als streifen- oder parallel- nervig: entspringen die Seitennerven abwechselnd oder paarweise in Zwischenräumen von der Mittelrippe, so nennt man das Blatt fiedernervig (z. B. Haselnuß); gehen dagegen mehrere, ungefähr gleichstarke Nerven strahlenförmig vom Ende des Blattstiels aus. so redet man von einem handnervigen Blatte (z. B. Ahorn).

II. Nach dem Gesamtumriß is1 das Blatt: nadeiförmig (Nadelhölzer), linealisch (Gräser), lanzettlich (Weidenröschen), sp at elf örmig (Gänseblümchen), eiförmig (Birnbaum), elliptisch (Kirschbaum), kreisrund (Faulbaum) u. s. w. Alle diese Formen gehen auch ineinander über.

III. Nach der Form des Blattgrundes bezeichnet man das Blatt u. a. als: nier e li- fo rm ig (Sumpfdotterblume), herzförmig (Bohne), pfeilf örmig (Ackerwinde), spießförmig (Melde).

IV. Nach der Beschaffenheit des Randes heißt das Blatt: ganzrandig, wenn ohne Einschnitte (Flieder) ; gesägt, wenn die spitzen Sägezähne in spitzem Winkel zusammenstoßen (Rose); d o p p e 1 t-g e s ä g t, wenn große und kleine Sägezähne ab- wechseln (Erle); s c h r o t s äg e f ö r m i g, wenn die meist nach unten gekehrten Säge- zähne wiederum fein gesägt sind (Löwenzahn); gezähnt, wenn die spitzen Zähne im stumpfem Winkel zusammenstoßen oder durch einen sanften Bogen verbunden sind (kleine Brennessel); gekerbt, wenn die abgerundeten Ausschnitte in einem Winkel zusammen- stoßen (Veilchen): buchtig, wenn Ausschnitte und Einbuchtungen abgerundet sind (Eiche). Gehen die Einschnitte tiefer, so tritt

V. eine Teilung der Blattfläche ein, die sich ganz nach dem Verlauf der Nerven richten muß. Im Gegensatz zum ungeteilten Blatte nennt man ein Blatt fieder- teilig oder fiederspaltig, wenn die Einschnitte zu beiden Seiten der Mittelrippe liegen (Raps), und handförmig geteilt, wenn sie nach dem Grunde des Blattes verlaufen (mehrere Hahnenfußarten). Reichen die Einschnitte so tief, daß die Blatt- fläche in mehrere völlig voneinander getrennte Teile oder „Blättchen" zerlegt wird, so redet man

VI. von einem zusammengesetzten Blatte, zu dem das einfache den Gegensatz bildet. Bestimmend für die Art der Zusammensetzung ist wieder der Verlauf der Ner- ven : das fiedernervige Blatt wird zum gefiederten (Rose) und das handnervige zum band- oder fingerförmigen (Roßkastanie). Besteht das gefiederte Blatt aus mehreren Fiederpaaren und einem Endblättchen, so ist es unpaarig-gefiedert (Rose) : fehlt das Endblättchen, so heißt es paarig-gefiedert (Erbse); sind die Fiederblättchen wieder gefiedert, so entsteht das doppelt-gefiederte und bei fortgesetzter Fiederung das mehrfach-gefiederte Blatt (zahlreiche Doldengewächse und Farnkräuter). Das hand- förmige Blatt heißt nach der Anzahl seiner Blättchen dreizählig ("Wiesenklee), fünf- zählig oder gefingert (Fingerkräuter), siebenzählig (Roßkastanie) u. s. w.

5. Besondere Blattformen. Haben die Blätter eine besondere Aufgabe zu er- füllen, so haben sie auch eine besondere Form.

a) Als Blattdornen dienen sie der Abwehr pflanzenfressender Tiere. Während

Bau and Leben des Blattes. 371

bei dem Sauerdorn und den Kaktusarten das ganze Blatt zu Dornen umgewandelt ist, zeigen wie vor kurzem erwähnt l>ci der Robinie nur die Nebenblätter diese Veränderung.

b) Ist das Blatt ein Mittel, den schwachen Stengel an eine Stütze zu binden, so hat es die Gestalt der Blattranke (vgl. Stengelranke). Beim Kürbis sind von der ganzen Blattfläche nur die Hauptnerven erhalten geblieben; bei der Erbse und vielen anderen Schmetterlingsblütlern dagegen sind allein die obersten Fiederblätter von dieser Ver- änderung betroffen.

c) Bei Sonnentau, Wasserschlauch, Kannenstrauch, Schuppenwurz und anderen „insektenfressenden Pflanzen" sind die veränderten Blätter Mittel zum Tierfang.

6. Die Blattstellung. Die Blätter jeder Pflanze (also aueh Nieder- und Hoch- blätter, sowie die Blätter der Blüte) sind am Stengel stets in ganz bestimmter Weise angeordnet.

a) Stehen sich, wie z. B. bei der Taubnessel, je zwei Blätter in gleicher Höhe des Stengels gegenüber, so nennt man sie gegenständig. Wechseln wie bei dieser Pflanze die Blattpaare so miteinander ab, daß die Blätter über je einer Lücke des vor- hergehenden oder nachfolgenden Paares stehen, so heißt die Blattstellung k reuzständig.

b) Entspringen an einer Stelle rings um den Stengel mehr als zwei Blätter, so bezeichnet man sie als quirlständig. (Bei den Blattkreisen zahlreicher Blüten zu beobachten. Bei den Labkräutern sind die Blätter eigentlich gegenständig; denn jeder Quirl ist aus zwei Laubblättern und den zu ihnen gehörigen Nebenblattpaaren zusammen- gesetzt. Daß diese Deutung richtig ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß nur aus den Achseln je zweier Blätter Zweige hervorgehen.)

c) Bei den meisten Pflanzen stehen die Blätter einzeln in ungleicher Höhe am Stengel. Diese Stellung bezeichnet man als zerstreut oder wechselständig. Wiederholen wir aber bei irgend einer dieser Pflanzen den bei der Schwarzwurz (siehe S. 131, 1 e) ausgeführten Versuch mit dem Faden, so sehen wir deutlich, daß diese scheinbar regellos gestellten Blätter dem Stengel in einer Schraubenlinie angeheftet sind. Mit Hilfe des Fadens kann man auch leicht feststellen, wieviel Umgänge (Schrau- benwindungen) nötig sind, um auf ein Blatt zu stoßen, das genau über dem Anfangs- blatte steht, und das wievielte Blatt es von diesem Blatte an gezählt ist. Stehen z. B. wie beim Kirschbaume auf zwei Umgängen fünf Blätter, so nimmt gleichsam jedes Blatt '-/s-Umgang ein. Diese Blattstellung bezeichnet man daher als 2/ö-Stellung. Von anderen häufigen Stellungen seien genannt : die ^-Stellung bei den Gräsern und vielen Lilien- gewächsen ; die '^-Stellung bei zahlreichen anderen einkeimblättrigen Pflanzen ; die -ja- und 3/8-Stellung bei vielen zweikeimblättrigen Gewächsen.

2. Das Blatt als Werkzeug der Aneignung oder Assimilation der Nährstoffe.

A . Die A n e i g u u n g oder Assimilati o n der N ä h r s t o f f e.

Das grüne Blatt spielt im Leben der Pflanze eine außerordentlich wichtige Rolle : es ist nämlich erstlich vor allen Dingen das Organ, in dem die aufgenommenen Rohstoffe so umgewandelt werden, daß sie zum Leben und Aufbau der Pflanze zu verwenden sind. Bevor wir jedoch diesen Vorgang verfolgen können, haben wir uns zu fragen, welcher einfachsten Stoffe die Pflanze überhaupt bedarf, um daraus jene Baustoffe zu bilden ?

1 . Die Bestandteile und Nährstoffe der Pflanze, a) Wie wir bei der

;;72 Bari und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Betrachtung der Zelle gesehen haben, sind alle Teile der lebenden Pflanze von Wasser durchtränkt. Daher gibt es ohne Wasser kein Pflanzenleben (Ver- trocknen der Pflanzen im Blumentopfe ! Wüsten ! ). In welcher Menge dieser wichtige Stoff im Pflanzenkörper enthalten ist, zeigt schon ein einfacher Ver- such : wir legen irgend einen größeren Pflanzenteil (einen Zweig, eine Kartoffel- knolle, einen Apfel oder dgl.), dessen Gewicht wir festgestellt haben, auf den warmen Ofen und wiegen ihn wieder, nachdem er vollkommen ausgetrocknet ist („Trockengewicht"). Der Gewichtsverlust ist (in erster Linie) auf das ver- dunstete Wasser zurückzuführen.

b) Ein solch ausgetrockneter Pflanzenteil ist, wie wir nun weiter wissen. verbrennbar, d. h. er enthält Kohlenstoff. Verkohlen wir irgend einen Pflanzen- stoff (z. B. Holzteilchen) in einer Retorte, oder vergleichen wir, wieviel ein Stück Holzkohle und ein gleich großes Stück ganz trockenes Holz wiegt, so er- kenuen wir, daß der Kohlenstoff etwa die Hälfte des Trockengewichts der Pflanze ausmacht. Und wie gleichmäßig der Kohlenstoff in der Pflanze verteilt ist, er- gibt sich daraus, daß an der Holzkohle selbst noch der feinste Bau des Holzes zu erkennen ist. In den Steinkohlen- und Braunkohlenlagern sind uns, wie wir bereits früher gesehen haben (s. S. 303), riesige Massen dieses ungemein wichtigen Stoffes aus der Vorzeit erhalten geblieben, und der Torf entsteht noch vor unsern Augen durch ein langsames Verkohlen von Pflanzenteilen (s. S. 113B).

c) Wie wir wissen, ist das Protoplasma ein stark eiweißhaltiger Körper. Die Bildung von Eiweiß geht aber nur beim Vorhandensein von Stickstoff vor sich.

d) Wasser, Kohlenstoff und Stickstoff entweichen beim Verbrennen der Pflanzenstoffe in gasförmigen Verbindungen. Die zurückbleibende Asche ent- hält die mineralischen Bestandteile des Pflanzenkörpers. An der Zusammen- setzung dieser Stoffe sind nun sehr verschiedene chemische Grundstoffe oder Elemente beteiligt. Durch Versuche, die von zahlreichen Naturforschern viele Jahre hindurch angestellt wurden , ist jedoch erwiesen , daß zum Aufbau der Pflanze nicht alle in ihr gefundenen Elemente nötig sind.

e) Gewisser Elemente dagegen bedarf die Pflanze zu ihrem Gedeihen un- bedingt. Diese sog. Nährstoffe sind außer dem Kohlenstoffe, dem Wasser- und Sauerstoffe (d. s. die Elemente des Wassers, H> 0), sowie dem Stickstoffe noch: Schwefel, Phosphor, Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen.

2. Die Assimilation der Nährsalze, a) Daß die (grüne) Pflanze wirk- lich aus den genannten Elementen ihren Körper aufbaut, soll uns ein einfacher Versuch zeigen: Wir bieten einer Pflanze (außer der nötigen Wärme und dem notwendigen Lichte) nichts weiter als diese Stoffe in Form einfacher chemischer Verbindungen dar. Zu diesem Zwecke stellen wir eine „Nährlösung" her, d. h. wir lösen in je einem Liter destillierten Wassers folgende „Nährsalze" in den angegebenen Mengen auf:

1 g salpetersauren Kalk (Ca2NOs), 0,26 g Chlorkalium (KCl),

Bau and Leben des Blattes.

0,25 g schwefelsaure Magnesia (MgSU4J?

0,25 g saures phosphorsaures Kali (KH2PO4).

Nachdem wir der Flüssigkeit noch einige Tropfen verdünnter Eisenchlorid- lösung zugesetzt haben, füllen wir damit ein großes, mehrere Liter fassendes Glasgefäß.

Vorher haben wir bereits in feuchten Sägespänen einige Maiskörner zum Keimen gebracht. Sind die Haupt- wurzeln einige Centimeter lang ge- worden, dann befestigen wir einen Keimling mit Hilfe von etwas Watte so in dem durchbohrten Korke des Ge- fäßes, daß nur die Wurzeln in die Flüssigkeit tauchen. Stellen wir das Gefäß, nachdem wir es mit einem undurchsichtigen Stoffe umwunden haben (Schutz gegen sonst sich bildende Algen), an ein sonniges Fenster, so beginnt das Pflänzchen sich bald zu entwickeln. Bei regelmäßigem Ersatz des verdunsteten und verbrauchten Wassers und öfterem Erneuern der ganzen Flüssigkeit wächst es nach und nach zu einer stattlichen Pflanze her- an, treibt Blüten und falls man für die Bestäubung sorgt schließ- lich auch Früchte.

b) Vergleichen wir die Mais- pflanze mit dem winzigen Maiskorne, aus dem sie hervorgegangen ist, so müssen wir sagen, daß sie eine große Menge von Pflanzenstoffen gebildet hat. Da der Pflanze aber nichts weiter zur Verfügung stand als Wasser und Nährsalze, sowie die Bestandteile der Luft (Sauerstoff, Stickstoff und Koh- lensäure), so muß sie diese Stoffe zum Aufbau ihres Körpers verwendet haben. Uie kohlenstoffhaltigen und zugleich verbrennlichen Stoffe nennt man nun da aus ihnen der Körper der Tiere and Pflanzen, also der der Lebewesen oder Organismen aufgebaut ist

;j7 1 Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

kurz: organische. Die Stoffe dagegen, die den Tier- oder Pflanzenleib niemals bilden können, werden darum als anorganische bezeichnet. Wir können von der Mais- pflanze daher mit anderen, kürzeren Worten auch sagen, daß sie aus anorgani- schen Stoffen organische erzeugt hat. Sie hat diese, ihr fremdartigen Stoffe sich gleichsam ähnlich gemacht oder assimiliert (assimilare = ähnlich machen). Da- her bezeichnet man diese Aneignung anorganischer Stoffe kurz als Assi- milation. Würden wir zu unseren Versuchen andere (grüne) Pflanzen verwenden, so würden wir denselben wichtigen Vorgang beobachten, der in Feld, Wald und Flur sich jahraus, jahrein in größtem Maßstabe vollzieht. An der Maispflanze sehen wir auch, daß die im Wasser gelösten Nährsalze mit Hilfe der AVurzel aufge- nommen werden. Ein Gleiches geschieht wie wir täglich beobachten können bei der Mehrzahl der Pflanzen. (Wie dies geschieht, werden wir jedoch erst später sehen.)

3. Die Assimilation des Kohlenstoffs, a) Unsere Versuchspflanze bildete organische, d. h. kohlenstoffhaltige Verbindungen, ohne daß wir der Nährlösung auch nur eine Spur von Kohlenstoff zugesetzt hatten. Aus der Nährlösung kann sie demnach den verbrauchten Kohlenstoff auch nicht erhalten haben. Da sie außer mit der Nährlösung nur noch mit der atmosphärischen Luft in Be- rührung gekommen ist, so müssen wir in ihr die Quelle des Kohlen- stoffs vor uns haben.

Wie allgemein bekannt, besteht die Luft aus etwa 79 Raumteilen Stick- stoff und 21 Raumteilen Sauerstoff, denen 0,03— 0,04 °,d Kohlensäure (Kohlen- dioxyd, COa) beigemischt ist. Die Kohlensäure ist ein farbloses Gas, das be- kanntlich das Schäumen des Bieres, das Aufbrausen des Champagners und der kohlensauren Wasser (Selters u. s. w.) bewirkt. (Beweise die Gegenwart von Kohlensäure in diesen Getränken und der Luft mit Hilfe von Kalkwasser!)

b) Wie die Aneignung des Kohlenstoffes erfolgt, soll uns wieder ein Ver- such zeigen: wir bringen eine Anzahl Zweige der Wasserpest unter einen Glas- trichter in ein Gefäß mit frischem Brunnenwasser. Über die Mündung des Trichters , die sich unter dem Wasserspiegel befinden muß , stülpen wir sodann ein mit Wasser gefülltes Probierglas und setzen endlich den Apparat dem direkten Sonnenlichte aus. Es währt nicht lange, so steigen von den Pflanzen Luftbläschen empor, die sich in dem Probierglase ansammeln und daraus schließ- lich alles Wasser verdrängen. Ist dies geschehen, so schließen wir das Glas unter Wasser mit dem Daumen, nehmen es aus dem Gefäße und führen einen glimmenden Span hinein. Da der Span sofort mit heller Flamme brennt, so kann das von den Pflanzen ausgeschiedene Gas nichts anderes als Sauerstoff sein.

Wie ist dieser Vorgang nun zu erklären? Lassen wir ein Glas mit Brunnenwasser eine Zeitlang ruhig stehen, so bedecken sich die Wände mit zahlreichen Luftbläschen. Setzen wir dem Wasser ein wenig Kalkwasser zu, so entsteht sofort ein weißer Niederschlag, ein Zeichen, daß die Luft, die dem WTasser beigemischt ist, Kohlensäure enthält. Indem mm die Pflanzen in unserem

Bau iiml Leben des Blatte

Versuche diese kohlensäurehaltige Luft aufnehmen (wie dies geschieht, werden wir später sehen!), zerlegen sie zugleich die Kohlensäure in ihre beiden Ele- mente: der Sauerstoff wird ausgeschieden, der Kohlenstoff dagegen z u r ü c k b ehalte u.

Daß diese Erklärung unzweifelhaft richtig ist, der Sauerstoff also durch Zerlegung der Kohlensäure gewonnen wird, beweisen folgende Tatsachen: Ist in unserem Versuche die Entwicklung des Sauerstoffs eine Zeitlang [fortgegangen, so wird sie allmählich schwächer, bis sie schließlich ganz aufhört (die Koh- lensäure ist verbraucht!). Leitet mau in das Wasser jetzt aber etwas Kohlen- säure (durch Zugiellen von ein wenig Selterswasser!), so beginnt die Sauer- stoffausscheidung alsbald vou neuem. Oder: bringt man Teile der Wasser- pest in destilliertes, d. h. kohlensäure- freies Wasser (Nachweis!), so findet eine Sauerstoffausscheidung überhaupt nicht statt.

c) Wie unsere Versuchspflanze verhalten sich alle (grünen) Gewächse der Erde; sie entziehen den zur Herstellung organischer Kör- per nötigen Kohlenstoff der atmosphärischen Luft und ge- ben ihr den dabei frei wer de n- d e n Sauerstoff zurück. Wenn man bedenkt, welch riesige Menge von Kohlenstoff schon ein einziger Wald in seinen Bäumen aufspeichert, und welche Massen davon täglich sämtliche Pflanzen der Erde der Luft entziehen, so sollte man denken müßte

selbst dieses gewaltige „Kohlenstoff-Lager" schließlich erschöpft werden. I >urch die Atmung und Verwesung der unzähligen Millionen von Tieren (und Pflanzen; s. S. 390), durch das Verbrennen von Holz und Kohlen (Fabriken!) und durch die Tätigkeit der Vulkane wird der Verbrauch jedoch immer wieder ausgeglichen, so dal) der Kohlensäuregehalt der Luft stets derselbe bleibt.

Ebenso verhält es sich mit der Sauerstoffmenge der Luft. Sie müßte in- folge der Assimilation der Pflanzen beständig vermehrt werden, wenn nicht jedes Tier und jeder Mensch mit jedem Atemzuge etwas von dieser „Lebensluft" verbrauchte, und wenn nicht bei jeder Verbrennung und Verwesung Sauerstoff gebunden würde.

Sauerstoffausscheidung diu

Wasserpest.

376 B;1U un,l Leben der einzelnen Pflanzenteüe.

In der Natur findet also ein gewaltiger Kreislauf der bei- den wichtigen Gas arten statt. Beziehen wir ihn auf die Lebewesen, so müssen wir sagen: die Luftart, derer die Pflanze bedarf (Kohlensäure), atmen Tier und Mensch aus, und die, welche die Pflanze bei der Assimilation aus- scheidet (Sauerstoff), ist für Tier und Mensch „Lebensluft". Ohne Pflanzen- leben daher kein Tier- und Menschenleben.

B. Nur grüne Pflanzen und Pflanzenteile assimilieren.

Alle Pflanzen sind jedoch nicht imstande zu assimilieren. Setzen wir z. B. Kartoffelknollen oder Mohrrüben in derselben Weise wie die Wasserpest dem Lichte aus, so tritt keine Sauerstoffausscheidung ein. Es findet also auch keine Assimilation statt. Oder ein anderer Versuch: Setzen wir einen Mais- keimling in eine Nährlösung, der jedoch das Eisen fehlt, so entwickelt sich an- fangs ein gesundes Pflänzchen. Nachdem das dritte oder vierte Blatt entfaltet ist, stellen sich aber Krankheitserscheinungen ein: die sich jetzt bildenden Blätter bleiben vollkommen weiß, und das Pflänzchen wird immer schwächlicher, bis es schließlich eingeht. Wie die mikroskopische Untersuchung zeigt, sind in den bleichen Blättern keine Blattgrünkörper zu finden. Setzen wir aber der Nährlösung einer zweiten „bleichsüchtigen" Versuchspflanze einige Tropfen ver- dünnter Eisenchloridlösung zu, so fangen oft schon nach zwei Tagen die weißen Blätter an, grün zu werden; nach wieder einigen Tagen sind sie bereits von anderen grünen Maisblättern nicht zu unterscheiden, und nunmehr schreitet die Entwicklung der Pflanze ungehindert fort. Auf dünnen Querschnitten durch ein Blatt finden wir jetzt zahlreiche Blattgrünkörper. Diese Versuche beweisen nicht nur, daß zur Bildung des Blattgrüns Eisen notwendig ist, sondern auch, daß die Assimilation an das Vorhandensein des Blattgrüns gebun- den ist.

Alle grünen Teile der Pflanze (nenne solche!) vermögen also diese Ar- beit zu leisten. Da nun die Laubblätter besonders reich an Blattgrün sind, stellen sie auch die bei weitem wichtigsten Ernährungswerkzeuge der Pflanze dar. Diese Erkenntnis macht es uns z. B. verständlich, warum Bäume eingehen („verhungern"), wenn sie durch Raupenfraß wiederholt alles Laub verlieren, oder warum das in vielen Gegenden übliche Abblättern der Rüben die Pflanzen in ihrer Entwicklung hemmt u. s. w.

1. Die Teile der grünen Pflanzen, die des Blattgrüns entbehren, vermögen daher auch nicht, anorganisches Material in organisches überzuführen. Die Wurzeln, die Blumenblätter, die mit dicker Borke umkleideten Stämme u. dgl. müssen daher von den grünen Teilen ernährt und von den dort bereiteten Stoffen aufgebaut werden.

2. In derselben Lage befinden sich auch die blattgrünfreien (oder sehr blattgrünarmen) Pflanzen. Sie sind genötigt, die zum Leben und Auf- bau ihres Körpers notwendigen Stoffe in assimiliertem, fertigem Zustande auf- zunehmen. Daher sind diese Pflanzen Schmarotzer oder Fäulnisbewohner, wie

Bau und Leben de* Blattes. 377

wir das an den Pilzen, sowie an den bleichen Gestalten aus der großen Ab- teilung- der Blutenpflanzen gesehen haben, an der Flachsseide, dem Fichten- spargel, der Nestwurz u. a. Eine Ausnahme von dieser Regel bilden jedoch, wie wir bereits früher bemerkt haben (s. S. 349, d), gewisse Spaltpilze, die, ob- wohl ohne Blattgrün , doch imstande sind zu assimilieren.

3. Dies gilt endlich auch für die zahllosen Tiere und Menschen, die die Erde bevölkern. Keines dieser Wesen ist imstande, sich von Wasser, Nähr- salzen und Kohlensäure zu ernähren. Alle sind auf die organischen Stoffe an- gewiesen, die von der grünen Pflanze bereitet werden. Der Kohlenstoff ist in der Natur also beständig auf einer Wanderung begriffen, die immer wieder nach dem Ausgangspunkte zurückführt: aus der Kohlensäure der Luft geht er zu- erst in die grüne Pflanze über, baut dann den Leib der Menschen oder der pflanzenfressenden Tiere auf, wandert weiter von den Pflanzenfressern in den Körper der Menschen und Fleischfresser und geht endlich in der von Mensch und Tier ausgeatmeten Kohlensäure wieder in die atmosphärische Luft zurück. Ohne Pflanzenleben kann es also auch aus diesem Grunde weder Tier- noch Menschen- leben geben. Diese Tatsachen machen uns auch verständlich, warum Pflanzen- reiche Gebiete stets ein reiches Tierleben haben und vielfach dicht von Men- schen bewohnt sind (Beispiele !), und warum umgekehrt die an Pflanzen ärmsten Gegenden des Erdballs (Wüsten, Polarzonen, Eisregionen der Hochgebirge) am wenigsten bevölkert sind.

C. Die Assimilation erfolgt nur im Lichte.

Die grünen Pflanzen sind jedoch wieder nur unter gewissen Bedingungen imstande zu assimilieren. Verwehren wir den Sonnenstrahlen, zu den Wasser- pestpflanzen zu treten wir brauchen nur die Hand vor das Gefäß zu halten oder es sonstwie zu verdunkeln , so hört die Sauerstoffausscheidung, also die Assimilation, sofort auf. (Weitere Versuche, die diese Tatsache in noch größerer Deutlichkeit zeigen, s. S. 386 u. S. 388.) Ebenso wenig vermögen Pflanzen, die unter normalen Verhältnissen grün sind, diese wichtige Tätigkeit zu ent- falten, wenn sie sich im Dunkeln entwickeln. Folgender Versuch wird uns dies zeigen : Wir lassen einige Maiskörner keimen , die wir zuvor genau gewogen haben, und setzen zwei davon wieder in je ein Glas mit Nährlösuug. Beide Gefäße stellen wir nebeneinander (gleiche Lebensbedingungen !), überdecken aber das eine mit einem Pappkasten, so daß das Pflänzchen ohne Licht heranwächst. Nach einigen Wochen nehmen wir die Pflanzen aus den Gefäßen, trocknen sie (unter den gleichen Bedingungen!) und stellen ihr Trockengewicht fest. Es ergibt sich, daß die im Dunkeln gewachsene Pflanze an Gewicht verloren, die andere dagegen stark gewonnen hat. Demnach findet eine Stoff Vermehrung in der Pflanze, eine Assimilation nur in Gegenwart von Licht statt.

So wenig die Maschinen in den Fabriken selbst klopfen und hämmern, selbst spinnen und weben, selbst pressen und heben so wenig vermögen die Pflanzen also von selbst aus anorganischem Materiale organische Stoffe zu be-

(J78 ß;iu und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

reiten. Wie die Maschinen jene Arbeiten nur leisten können, wenn sie durch die Kraft des Dampfes, des fließenden Wassers oder dgl. in Bewegung versetzt werden, so vermögen die blattgrünführenden Zellen auch nur zu assimilieren, wenn sie von den Strahlen der Sonne durchleuchtet werden: die Zellen sind also die Werkzeuge, derer sich die Sonne bedient, um organische Stoffe zu bereiten. Von der Sonne hängt somit alles Leben ab, das Pflanzenleben sowohl, wie das Tier- und Menschenleben. Mit Recht bezeichnen wir sie daher als die „Lebenserregerin", als die „Mutter des Lebens". Ohne sie wäre die Erde ein in Eis erstarrter, unbelebter Ball.

1. In dunklen Räumen (Höhlen und dgl.) vermögen daher auch keine grünen Pflanzen zu gedeihen, während Schmarotzer und Fäulnisbewohner (Pilze im Holze der Bergwerke und dgl.) dort wohl leben können. Daher ist ferner der Pflanzenwuchs in engen Schluchten , am Grunde dichter Wälder, unter be- laubten Bäumen (im Garten!) und dgl. umso dürftiger, je weniger Lichtstrahlen ihren Weg bis zum Boden herab finden. Daher vermögen endlich auch die Pflanzen in solchen Zimmern nicht zu gedeihen, in denen sie oft kaum einen Sonnenstrahl erhalten (vgl. S. 392).

2. Die Tatsache, daß die blattgrünführende Zelle nur im Lichte organische Stoffe bilden kann, macht uns zahlreiche Einrichtungen im Bau der Pflanze leicht verständlich.

a) Pflanzenteile, die Blattgrün besitzen (Beispiele!), finden sich nur im Lichte. Stamm und Zweige als die Träger der wichtigsten Werkzeuge der Assimilation, der Blätter, erheben sich daher über den Erdboden.

b) Blattgrün bildet sich nur in den äußeren Teilen der Pflanze, in die das Licht eindringen kann (untersuche daraufhin z. B. Stenge], Fruchtknoten, unreife Früchte!).

c) Zellen, die Blattgrün enthalten oder über solchen liegen, haben glas- helle Wände, um dem Lichte den Eintritt in das Innere zu gestatten.

d) Sollen die Zellen der Laubblätter alle durchleuchtet werden, so müssen sie in einer möglichst großen Fläche ausgebreitet sein. Die Blätter sind daher (bis auf wenige Ausnahmen) fläch enförm ige Gebilde, die sich mit Lichtschirmen vergleichen lassen.

e) Schattenpflanzen müssen sich mit stark gedämpftem Lichte be- gnügen. Dieser Nachteil wird zumeist durch große und dünne Blätter aus- geglichen; denn große Blattflächen vermögen auch ein große Anzahl von Licht- strahlen aufzufangen, und dünne Blätter können selbst von schwachem Lichte noch durchleuchtet werden (zahlreiche Waldpflanzen). (Beobachte hierauf auch Pflanzen derselben Art an verschiedenen Standorten, z.B. Gartenbohne und Rotbuche !)

f) Die Blätter fangen die meisten Lichtstrahlen auf, wenn sie sich senk- recht zur Richtung des einfallenden Lichtes stellen (s. Abb. S. 44). Wichtig hierfür ist der Besitz eines langen, beweglichen Blattstiels, der die Blatt- fläche in diese Lage bringt und darin erhält (s. z. B. Weinstock).

Bau und Leben des Blattes. 379

g) Am besten muß die Pflanze gedeihen, wenn alle Blätter die ihnen ob- liegenden Arbeiten erfüllen. Dazu ist aber notwendig, daß aucb alle des Lichtes teilhaftig- werden. Wie wir bei der Betrachtung' der einzelnen Pflanzen bereits gesehen haben, wird dies durch sehr verschiedene Mittel erreicht, die hier übersichtlich zusammengestellt sein mögen:

1. Die unteren Blätter der Zweige (Roßkastanie) oder der ganzen Pflanze (Schar- bockskraut) sind vielfach grüßer oder länger gestielt als die oberen. 2. Die unteren Zweige sind in der Kegel länger als die oberen. Infolgedessen erhalten die Pflanzen eine pyramidenförmige Gestalt oder Krone (Fichte). :!. Blätter, die dem Boden anfliegen, sind zu einer Rosette geordnet (Wegerich). 4. Dasselbe -ilt für die unteren Blätter vieler hochstengeliger Pflanzen; die anderen Blätter dieser Pflanzen richten sich immer steiler auf, je höher sie am Stengel stehen (Königskerze). 5. Ähnliche Richtung besitzen die Zweige vieler Bäume (Schwarzpappel). 6. An wagerechten Zweigen werden die Blätter vielfach in eine Ebene gestellt. Da die Blätter zudem oft noch verschieden groß und ver- schieden langgestielt sind, entsteht oft eine deutliche Mosaik (Rolikastanie). 7. Einige Blatter sind unsymmetrisch, fügen sich daher leichter aneinander (Linde). 8. Bei wagerecht, liegenden Stengeln und Zweigen tritt vielfach eine Drehung der Stengelglieder ein (Gunder- mann). 9. Ebenso sind nicht selten Drehungen der Blattstiele zu beobachten (Weinstock). 10. Große Blätter sind oft tief geteilt, gelappt, aus kleineren Blättchen zusammen- gesetzt u. dgl. (Wurmfarn). Auf diese Weise werden für die unteren Blätter Lichtdurch- lässe geschaffen. 11. Große Blätter sind am Stengel weiter auseinandergerückt als kleine (Kürbis und Gurke). 12. Die Blätter sind am Stengel gegenständig, kreuzständig, quirl- ständig oder in einer Schraubenlinie angeordnet (s. S. 371). In letzterem Falle finden sich auf jeder Schraubenwindung meist umso mehr Blätter, je schmaler sie sind, oder anders ausgedrückt: breite Blätter haben vielfach 1I2- oder ^-Stellung; schmalere -/:,- oder 3/s-Stellung u. s. w. i Weiden), i Gib zu den einzelnen Fällen weitere Beispiele an!)

D. Die Assimilation und der feinere Bau des Laubblattes.

1. Die Zellschichten des Laubblattes. Stellen wir durch ein Laubblatt,

z. IL vom Klee, dünne Querschnitte her, so sehen wir bei mikroskopischer Be- trachtung, daß das Blatt aus mehreren, deutlich voneinander getrennten Zell- schichten aufgebaut ist. An der Oberfläche breiten sich platte Zellen aus, die im Querschnitte rechtwinkelig sind. Sie stellen die sog. Oberhaut (Epidermis) des Blattes dar. Darunter flndet sich eine Schicht langgestreckter Zellen, die wie die Pfähle eines Pfahl- oder Palisadenwerkes dicht nebeneinander stehen und die darum sog. Palisadenschicht bilden. An diese Schicht legen sich Zellen einer dritten Schicht. Sie sind von unregelmäßiger Form und treten soweit aus- einander, daß sich zwischen ihnen große luftgefällte Räume (s. S. 367, 3) wie in einem Badeschwamme finden. Unter dieser „Schwammschicht" folgt als Abschluß des Blattes nach unten endlich wieder eine Oberhaut. (Es gibt aber auch Blätter, bei denen die beiden mittleren Schichten eine andere Ausbildung zeigen. )

2. Das Blattgrün und die Blattgrünkörper, a) Wie wir gesehen haben, ist die Assimilation an das Vorhandensein von Blattgrün oder Chlorophyll ge- bunden. Die Träger dieses wichtigen Farbstoffes, die Blattgrün- oder Chloro-

380

Bau und Lehen der einzelnen Pflanzenteile.

//. K.

phyllkörper (s. S. 361), finden sich in großer Anzahl in den beiden mittleren Zellschichten. Besonders reich daran sind die Zellen der Palisadenschicht. Sie bilden daher das eigentliche „Assimilationsgewebe" und finden sich, ihrer Auf- gabe entsprechend, dort, wo sie dem Licht am meisten ausgesetzt sind, nämlich an der Oberseite des Blattes. Der größere Reichtum an Blattgrün, den diese Zellen besitzen, macht uns auch verständlich, warum die Oberseite des Blattes in der Regel dunkler gefärbt ist als die Unterseite.

b) Säen wir Getreidekörner in einen Blumentopf, den wir mit einem Papp- kasten überdecken, so entwickeln sich zarte, gelb gefärbte Pflänzchen, die auch

bei längerem Verweilen im Dunkeln nicht er- grünen. Beseitigen wir aber den Pappkasten, so daß das Licht freien Zutritt zu den Pflanzen erhält, so ergrünen sie alsbald, ein Zeichen, daß (von einigen Aus- nahmen abgesehen) das Blattgrün unter dem Ein- flüsse des Lichtes entsteht.

c) Das Blattgrün läßt sich leicht ge- winnen, wenn man grüne Blätter (junge Getreidepflanzen) eine Zeit lang in Wasser kocht und sodann in heißen Alkohol legt. Setzt man einen Teil der gewonnenen Flüs- sigkeit, die bei durchfallendem Lichte tiefgrün (bei auffallendem infolge von Fluoreszenz dagegen blutrot) gefärbt ist, dem direkten Sonnenlichte aus, so geht das Grün sehr bald in schmutziges Braun über. Der andere Teil der Lösung dagegen, den wir im Dunkeln aufbewahren, behält die grüne Färbung noch lange Zeit. Das Blattgrün wird also durch die grellen Sonnen- strahlen zerstört.

Dieser Vorgang muß natürlich auch in der Pflanze eintreten. Da sie aber beständig grün erscheint, so muß sich das Blattgrün in dem Maße, in dem es zerstört wird, fortgesetzt neu bilden. Ist die Zerstörung größer als die Neubildung, so beginnt die Pflanze zu kränkeln,

Querschnitt durch ein Laubblatt vom Klee. <>. Oberhaut;

P. Palisadenschicht : S. Schwammschicht ; H. und B. Holz-. bezw. Bastteil eines Getaßbündels (s. später); K. Zellen mit Kristallen von Kleesalz: Sp. Spaltöffnung. (Vergr. 320 mal.)

Bau

m des Blatte

381

bis sie schließlich zugrunde geht; denn ohne Blattgrün gibt es ja keine

Assimilation.

Die grünen Pflanzen müssen daher gegen ein Übermal) von Licht ge- schützt sein. Besonders gilt dies für junge Blätter, die das Blattgrün nicht so schnell wieder ersetzen könnten, wie es zerstört werden würde. Bei ihnen tinden sich daher in den Zellen vielfach (z. B. beim Kirschbaum, beim Rhabarber, bei der Rose und vielen anderen) rote Farbstoffe, die das Licht aufsangen und dessen zerstörende Kraft somit ab- schwächen. Ist das Blatt vollkommen aus- gebildet, so macht die Rotfärbung den Schutzmitteln Platz, die dem Blatte wäh- rend des ganzen Lebens vonnöten sind, und die wir sofort kennen lernen werden.

3. Die Oberhaut, ein Schutz- organ. Ritzt man die Oberhaut eines Blattes (z. B. eines Liliengewächses) mit einer Nadel auf, so lassen sich Teilchen davon mit Hilfe einer Pinzette als zarte Hautstückchen leicht abziehen. Unter dem Mikroskope erkennen wir dann, daß die Oberhautzellen die Form von Platten haben. Sie schließen stets so eng und Ein Stück von der Oberbaut eines fest aneinander, daß sie sich, wie wir Blattes des Alpenveilchens (Flächen- soeben gesehen haben, nur als zusammen- ansieht). S. Schließzellen der Spalt hängende Schicht, als eine feine Haut Öffnungen; s.S. 383. (Vergr. 200malO (Name!) von den darunter liegenden Zellen trennen lassen. Vielfach (z. B. bei der Kartoffel, dem Wurmfarn, dem Alpenveilchen u. v. a.) greifen sie noch durch Vorsprünge und Einschnitte ineinander, so daß sie gleichsam „verzahnt" er- scheinen.

Den Innen räum der Zellen nimmt zum weitaus größten Teile farbloser Zellsaft ein. Daher sind alle Teile, die von der Oberhaut überzogen werden, wie von einem Wassermantel umgeben.

Die Außen-

w ä n d e sind, wie man an jedem Blattquer- schnitte sehen kann, stets verdickt und durch Einlagerung wasserdichter, fett- artiger Stoffe ausge- zeichnet. Die äußerste, an diesen Stoffen be-

„- K.

Querschnitt durch die Oberbaut eines Blattes. 0. Ober- haut : K. Korkhautehen. Unter der Oberhaut Teile von

Zellen mit Blattgrunkörpern, (Vergr. 600 mal.)

::s2 Bau and Lehen der einzelnen Pflanzenteile.

sonders reiche Schicht erscheint als ein dünnes Häutchen (Korkhäutchen oder Kutikula ), das sich ohne Unterbrechung über die ganze Außenfläche der Oberhaut hinwegzieht. Setzt man einem Blattquerschnitte konzentrierte Schwefelsäure zu, so werden alle Teile aufgelöst. Nur das Häutchen bleibt zurück, ein Zeichen für seine außerordentliche Widerstandsfähigkeit.

Die ( »berhaut ist also ein Gewebe von großer Festigkeit, und hierin liegt auch in erster Linie ihre Bedeutung-: ihre Zellen bilden gleichsam eine „lebende Mauer", unter derem Schutze die anderen Bürger des „Zell- staates" ihre friedlichen Arbeiten verrichten können. Untersuchen wir dies näher!

a) Die Assimilationswerkzeuge, d. h. die Zellen der Palisaden- (und Schwamm- ) schiebt, sind außerordentlich zarte, dünnwandige Gebilde. Jeder W i n d s t o ß würde sie zerfetzen, und jeder heftig auf schlagende Regen tropf en vernichten, wenn sie nicht unter der widerstandsfähigen Oberhaut Schutz fänden. Daher besitzen auch zahlreiche Tropenpflanzen, die täglich überaus heftigen Regengüssen ausgesetzt sind, eine so dickwandige Oberhaut, daß die Blätter lederartig erscheinen (z. B. Palmen). (Wie schützen wir dünnwandige, leicht zerbrechliche Gegenstände?)

b) Lägen die zarten Assimilationswerkzeuge frei da, so würden sie in kurzer Zeit soviel Wasser durch Verdunstung verlieren, daß sie vertrocknen, d. h. ihre Tätigkeit bald einstellen müßten. Da sie aber, wie wir gesehen, unter einem Wassermantel liegen, und da die Außenhaut der Oberhautzellen durch Einlagerung fettartiger Stoffe für Wasserdampf nur wenig durchlässig ist, so vermögen zahlreiche Pflanzen selbst an sehr trockenen Orten zu bestehen (Beispiele ! ) Zu diesen beiden Schutzmitteln treten vielfach noch zahlreiche andere, die eine zu starke Verdunstung im allgemeinen zu verhindern haben, und die S. 3D6 zusammen- gestellt sind. (Wie halten wir Gegenstände feucht? Stelle mit Hilfe der Wage fest, wieviel Wasser ein geschälter, d. h. der Oberhaut beraubter und ein un- geschälter Apfel in einer gewissen Zeit durch Verdunstung verlieren!). Pflanzen, die untergetaucht im Wasser leben (Wasserpest, Hornblatt u. a.), sind der Ge- fahr des Vertrocknens nicht ausgesetzt. Sie haben daher auch nur eine sehr zarte Oberhaut. Aus dem Wasser genommen, vertrocknen sie dementsprechend auch in ganz kurzer Zeit.

c) Die Assimilationswerkzeuge müssen wie bereits erwähnt auch gegen zu grelles Licht geschützt sein. Pflanzen, die an sehr sonnigen Orten ge- deihen (z. B. Königskerze, Beifuß, Edelweiß u. v. a.), sind vielfach mit Haar- decken überzogen, die gleich den Fenstervorhängen als Lichtdämpfer wirken. Andere „Sonnenpflanzen" (vor allen Dingen zahlreiche Gewächse des Mittel- meergebietes und der heißen Zone; Beispiele!) haben glatte, glänzende Blätter, d. h. solche, deren Oberhaut viele Lichtstrahlen zurückwirft., (Wie schützen wir Gegenstände, z.B. Möbelbezüge, Decken u. dgl., damit sie nicht bleichen, d. h. damit die Farbstoffe in ihnen nicht durch die Sonnenstrahlen zerstört werden?)

Bau und Üben des Blattes. 383

d) Wie alle Lebenserscheinungeo der Pflanzen (und Tiere!) gehl auch die Assimilation nur bei einer gewissen Wärme vnr sich. Sinkt die Temperatur zu tief, so stellen die Zellen ihre Tätigkeil ein (unsere Pflanzen im Winter!). Steigt sie zu hoch, dann geschieht dasselbe. ( Lege Getreidekörner etwa l."> Minuten lang in Wasser, das auf 60 70° erwärmt ist. Die Körner keimen ausgesät nicht; ihre Keimlinge sind durch die hohe Temperatur getötet.) Da Wasser die Winnie sehr lange zurückhält (Versuch!), so schützt der Wassermantel der Oberhaul die Assimilationswerkzeuge besonders nachts gegen zu starke Abkühlung, und da er zahlreiche Wärmestrahlen einsaugt, an heißen Tagen gegen zu große Erwärmung. (Wie schützen wir Gegenstände gegen zu schnellen Wärmever- lust oder gegen zu starke Erwärmung?)

4. Die Durchlüftung der assimilierenden Pflanzenteile. Wir haben gesehen, daß der gesamte Kohlenstoff des Pflanzenkörpers aus der Kohlensäure der atmosphärischen Luft stammt. Die Luft enthält aber wie gleichfalls schon früher bemerkt wurde nur etwa 0,0.'] 0,()4"/o dieses Gases, d. h. in 10000 1 Luft sind nur 3—4 1 Kohlensäure im Gewichte von etwa 7 g enthalten. Davon entfallen aber wieder nur B/n des Gewichtes auf den Kohlenstoff, d. h. also 2l/n oder noch nicht ganz 2 g. Um diese geringe Menge von Kohlenstoff zu ge- winnen, muß die Pflanze also 10000 1 Luft von ihrer Kohlensäure befreien. Sicher eine gewaltige Arbeit ! Wenn wir nun bedenken, wievielmal 2 g Kohlen- stoff schon in einer mäßig großen Pflanze (Kartoffel!), geschweige denn in einem Waldbaume aufgespeichert sind, so können wir uns ungefähr eine Vorstellung davon machen, welche riesige Luftmenge die Pflanze gleichsam „verarbeiten" muß, um den wichtigen Rohstoff zu gewinnen.

Die Zellen, die diese Arbeit zu leisten haben, können daher nicht eng genug mit der atmosphärischen Luft in Berührung kommen. Da aber wie wir soeben gesehen haben die zarten, leicht verletzlichen Werkzeuge nicht frei daliegen dürfen, so muß die Luft in das Innere der Pflanze eintreten können.

a) Die Oberhaut der grünen Pflanzenteile besitzt zu diesem Zwecke eine große Anzahl feinster Offnungen, die man nach ihrer Form Spaltöffnungen nennt (s. Abb. S. 38 1). Sie werden von je zwei halbmondförmigen Zellen, den sog. Schließ- zellen, gebildet, die meist einige Blattgrünkörper enthalten. (Näheres über diese Zellen und ihre Bedeutung s. S. 399). Da die grünen Blätter die Haupt- nahrungswerkzeuge der Pflanze bilden, so sind sie auch besonders reich an Spaltöffnungen. So besitzt z. B. ein mittelgroßes Kohlblatt etwa 11 Millionen und ein Blatt der Sonnenrose gar 14 Millionen dieser winzigen Öffnungen. (Führe solche Berechnungen aus, indem du feststellst, welchen Flächeninhalt das betreffende Blatt und wieviel Spaltöffnungen es auf jedem Quadratmillimeter hat!)

Werden die Spaltöffnungen verstopft, so muß auch der Luttaustausch zum Stillstande kommen. Sie finden sich daher, gegen Tau und Regen wohl geschützt, in der Regel auf der Blattunterseite. Bei der Seerose und anderen Pflanzen mit Schwimmblättern dagegen sind sie auf die Oberseite angewiesen.

384 Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Einrichtungen, die eine längere Benetzung des Blattes und damit einen Ver- schluß der Spaltöffnungen verhindern, werden wir später noch kennen lernen (s. S. 396, d).

b) Die durch die Spaltöffnungen eintretende Luft verteilt sich in den Zwischenzellräumen, so daß alle Zellen, die an diesen Kanälen liegen, von ihr umflossen werden. Da nun in den Zellen gleichfalls Luft enthalten ist, die aber eine etwas andere Zusammensetzung zeigt (denke an die Zerlegung der Kohlensäure!), so muß nach dem Gesetze der Osmose (s. S. 362) ein Austausch zwischen beiden „Luftarten" stattfinden. Infolge dieses Vorganges wird aber die Luft in den Zwischenzellräumen verändert, und darum muß auch durch die Spaltöffnungen ein beständiger Austausch von Außen- und Innenluft erfolgen.

c) Der Austausch durch die Wände der Assimilationszellen geht nun umso schneller von statten, als sie wie wir schon gesehen haben außerordentlich zart und dünn sind. Die mehrfach erwähnte Schutz- bedürftigkeit dieser Zellen liegt also in ihrer Aufgabe begründet.

d) Je mehr die Blattzellen ausgebreitet sind, eine umso größere Ober- fläche bieten sie auch der Luft dar. (Wiederhole den S. 79, c angegebenen Versuch!) Die „flächenförmige" Gestalt der meisten Blätter ist also nicht nur für die Durchleuchtung (s. S. 378, d), sondern auch für die Durch- lüftung von größter Wichtigkeit.

5. Die Blattnerven. a) Die Zellschichten des Blattes bilden für sich allein einen Körper von größter Zartheit. Sollen sie ausgebreitet sein, wie dies für die Erfüllung ihrer Aufgabe durchaus nötig ist, so bedürfen sie (besonders bei größeren Blättern) wie der Überzug des Regenschirms eines festen Gerüstes, zwischen dessen Teilen (Schirmstäben) sie ausgespannt sind. Dieses Gerüst stellen die Blattnerven oder Blatt- adern dar.

Für die sehr schmalen Blätter der Nadelhölzer genügt schon eine einzige Längsstütze: ein Mittelnerv ohne Verzweigung. Bei den gleichfalls oft recht schmalen Blättern der einkeimblättrigen Pflanzen (Gräser, Lilien u. a.), finden sich wie wir schon S. 370 gesehen haben in der Regel mehrere Längsnerven, die mit dem Hauptnerven, der Mittelrippe, parallel laufen. Bei den zweikeimblättrigen Gewächsen dagegen, die in der Regel breite Blätter be- sitzen, tritt durch den Blattstiel meist nur ein Hauptnerv ein, der sich wie ein Baum in immer feinere Zweige auflöst. Form, Teilung oder Zusammensetzung der Blattfläche stehen nun wieder mit der Art der Verzweigung im innigsten Zusammenhange (führe dies näher aus!).

b) Die grüne Blattmasse kann ihre Aufgabe auch nur dann erfüllen, wenn sie durch den Wind nicht zerrissen wird. Diese Sicherung verleihen ihr gleich- falls die Nerven. Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist im einzelnen sehr verschieden, stets aber so wirksam, daß man selbst nach einem Sturme die Blätter

Bau und Leben des Blattes.

385

meist völlig unverletzt antrifft. (Beachte hierauf besonders die großen und zarten Blätter z. B. des Tabaks, der Walnuß und des Kürbis. Vgl. auch, was über diesen Gegenstand bei der Betrachtung des Birnbaums, des Roggens, des Schilfes, des Wurmfarns und der Banane gesagt ist!)

Wesentlich unterstützt werden die Nerven hierbei durch die Oberhaut, die am Blattrande stets erheblich verdickt ist. Durch diese Einrichtung er- scheinen die Blätter wie ein Tuch oder eine Fahne gleichsam gesäumt. (Über die weitere Bedeutung und den Bau der Nerven s. später!)

E. Welche organischen Körper werden durch die Assimilation

gebildet?

Wie die Assimilation im einzelnen verläuft, ist trotz der unablässigen Arbeit zahlreicher Forscher noch durchaus nicht vollkommen enthüllt. In den meisten Pflanzen ist das erste sichtbare Produkt dieses Vorganges ein Kohlenhydrat (s. S. 365), nämlich

1. die Stärke, a) Die Stärke, wie wir sie im Haushalte und zu gewerblichen Zwecken gebrauchen (führe dies näher aus!), gewinnen wir aus den Samen einiger Getreide- arten (Weizen, Reis), den Knollen der Kartoffel, sowie aus den Stäm- men (Sago-Palme) und den Wurzel- stöcken einiger ausländischer Pflan- zen. Bringen wir ein wenig Stärke in einem Wassertropfen unter das Mikroskop, so erkennen wir, daß sie aus winzigen Körnern zu- sammengesetzt ist, die je nach der Pflanze, aus der sie stammen, eine verschiedene Form zeigen. So be- stehen die Stärkekörner der Kartoffel aus deutlichen Schichten um einen exzentrisch gelagerten

Kern. Die Stärkekörner der Getreidearten und Hülsenfrüchte dagegen (die man leicht zu sehen bekommt, wenn man von den durchschnittenen Früchten oder Samen etwas „Mehl" abschabt) sind konzentrisch gebaut. Zwischen den „einfachen" Körnern der Kartoffelstärke findet man auch zusammengesetzte, wie solche z. B. beim Hafer und Reis allein vorhanden sind.

Betupfen wir einige Stärkekörner mit einer Jodlösung, so färben sie sich alsbald heller oder dunkler blau bis blauschwarz. In der Jodlösung haben

Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 25

Stärkekörner: 1 der Kartoffel; a. einfaches. b. zusammengesetztes Korn. 2 der Bohne; das untere Korn ist wie häufig zu beobachten von Spalten durchsetzt, 3 Zusammengesetztes Korn vom Hafer. (Vergr. etwa 550 mal.)

386 Bau und hellen der einzelnen l'Hnn/.enteile.

wir daher ein vorzügliches Erkennungsmittel der Stärke vor uns. Benutzen wir dieses Reagens, um die Stärkebildung in Blättern nachzuweisen!

b) Zu diesem Zwecke stellen wir eine Kapuzinerkresse, die sich ja leicht im Blumentöpfe ziehen läßt, etwa 24 Stunden ins Dunkle und schneiden von ihr sodann einige Blätter ab. Nachdem wir diese Blätter einige Zeit lang ge- kocht (Protoplasma wird getötet!) und ihnen durch Alkohol das Blattgrün ent- zogen haben, bringen wir sie in eine stark verdünnte Jodlösung: sie bleiben farblos, ein Zeichen , daß sie keine Stärke enthalten. (Dieser Versuch ist zugleich ein Beweis dafür, daß die Blätter im Dunkeln nicht assimilieren.)

Darauf stellen wir die Pflanze ins Freie und untersuchen an einem Nach- mittage wieder einige Blattei- auf dieselbe Weise : sie färben sich tiefblau, ent- halten also reichlich Stärke. Die in das Blatt und deren grüne Zellen eintretende Kohlensäure ist wie wir schon gesehen haben in den Blatt- grünkörpern in ihre Elemente zerlegt worden, und der dabei frei werdende Kohlenstoff hat sich mit den Elementen des Wassers zu Stärke (CgHioOö) vereinigt. Dieser Vorgang, der sich jedoch wahrscheinlich unter vorhergehender Bildung anderer Körper vollzieht, läßt sich durch folgende Formel ausdrücken:

(3 CO, + 5H20 = CcH10O5 -f 12 0

(Kohlensäure -f Wasser = Stärke -f freiwerdender Sauerstofl'j.

Bei mikroskopischer Untersuchung des Blattes sieht man, daß in den Blattgrünkörpern kleine Stärke- körnchen enthalten sind. Blattgrünkörper aus einem Moosblatte, in c) Wie die Formel zeigt, besitzt

denen siel durch Assimilation kleine Stärke- die Stärke genau dieselbe chemische körnchen gebüdet haben. (Sehr stark vergr.) Zusammensetzung wie die Zellulose

(s. S. 365 ), in der wir den wichtigsten Baustoff des festen Pflanzengerüstes, der Zellhäute, kennen gelernt haben. Außer in Zellulose geht die Stärke ebenso leicht noch in zahlreiche andere Stoffe über. Ihre ganze Wichtigkeit lernen wir aber erst recht ermessen, wenn wir erfahren, daß sie auch an der Bildung des Lebendigen in der Pflanze, des Protoplasmas, beteiligt ist,

2. a) Die Eiweißstoffe, aus denen das Protoplasma vorwiegend besteht, enthalten außer Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, noch Stickstoff, Schwefel und häufig auch Phosphor. Diese zuletzt genannten Elemente werden in Form von Nährsalzen dem Boden entnommen und vereinigen sich in einer uns noch unbekannten Weise mit den Bestandteilen der Stärke, nachdem diese vorher in ein anderes (lösliches) Kohlenhydrat übergegangen ist.

b) Daß die Pflanze den Stickstoff, obgleich er 79 °/o der atmosphärischen Luft ausmacht, im Gegensatz zum Kohlenstoff wirklich nur dem Boden zu entnehmen vermag, können wir mit Hilfe einer Maispflanze, die wir wieder in einer Nährlösung ziehen, leicht nachweisen. Setzen wir nämlich der Nährlösung

Bau imkI Leben des Blatt«

387

statt des Salpetersäuren Kalkes (Ca 2N0s) schwefelsauren Kalk («ups: CaSO«)

zu, so entwickelt sich das Pflänzchen sehr kümmerlich, um schon nach einigen Wochen abzusterben.

Einige wenige Pflanzen machen von dieser Regel jedoch eine Ausnahme. Wie wir bereits früher gesehen haben (s. S. 104 u. 349), sind die in den Knöll- chen der Schmetterlingsblütler lebenden Wurzelbakterien, sowie die im Ackerboden sich findenden Stickstoffbakterien imstande, den Stickstoff der Luft aufzunehmen.

3. Andere Stoffe. Außer Stärke und Eiweiß werden in den „Zell-Laboratorien" noch viele andere Stoffe gebildet, von denen hier nur die wichtigsten kurz genannt werden können. In zahlreichen Pflanzen, besonders in der Zuckerrübe und im Zuckerrohr findet sich der Rohrzucker (Name!), als wichtiger Baustoff. Die saftigen Früchte z. B. unserer Obst- arten verdanken dem Traubenzucker (Name!) ihre Süße, wahrend We in-, Apfel- und Zitronensäure ihnen den er- frischenden Geschmack verleihen (Bedeutung für die Verbreitung der Samen!). Oxal- oder Kleesäure, ein wichtiges Schutz- mittel zahlreicher Pflanzen gegen Tierfraß, kommt, an Kalk ge- bunden (Kleesalz), z. B. im Sauerklee und in den Ampferarten vor. Vielfach schlägt sich das giftige Salz in Form von Nadeln oder Kristallen (s. auch Abb. S. 380 ; K.) aus dem Zellsaft nieder (s. Aronstab ! i. Sehr reich an Gerbstoffen ist die Rinde der Eichen. Fette sowohl, als fette Öle (d. s. Fette, die bei gewöhnlicher Temperatur flüssig sind) treffen wir als wichtige Baustoffe in den Samen oder Früchten von Baps, Lein, Mohn, Olive, Ölpalme und vielen anderen Pflanzen an. Flüchtige oder ätherische Öle, die im Gegensatz zu den fetten Ölen auf Papier keinen bleibenden Fettfleck hinterlassen, verleihen zahlreichen Blüten und Früchten ihren Duft (Bedeutung?); aber auch manche Blätter sind reich daran (Thymian, Bohnenkraut u. a.). Nadeln aus Kleesalz Außer diesen Stoßen haben wir noch (in welchen Pflanzen?) ange- in einer Blattzelle des troffen: Gummi, Pflanzenschleime, Farbstoffe, Alkaloide Aronstabes.

(Nikotin, Coffein. Opium u. v. a.), Bitterstoffe u. dgl. mehr. (Vergr. 200 mal.)

M

F. Die Wand

rung, Verwendung und Aufspeicherung der gebildeten Sto f f e.

1. Die Wcanderung. Untersuchen wir einige Blätter z. B. der Kapuziner- kresse an einem warmen Sommertage mit Hilfe der Jodprobe, so finden wir sie sicher reich an Stärke. Darauf nehmen wir zwei gleichgroße Kork- oder Pappscheiben und befestigen sie durch Nadeln so auf beiden Seiten eines an- deren Blattes, daß sie sich genau gegenüber liegen. Auf diese Weise haben wir einen Teil der Blattfläche verdunkelt, so daß diese Stelle nicht zu assimilieren vermag. Unterwerfen wir nach zwei oder drei Tagen dieses Blatt der Jod- probe, so finden wir, daß die verdunkelt gewesene Stelle frei von Stärke ist. Die Blattnerven dagegen, die diese Stelle durchziehen, erscheinen bläulich, ein

388

Hau lind Leben de

inzelnen l'llanzenteile.

Zeichen, daß sie ein wenig Stärke enthalten. Da sich in diesem Teile des Blattes nun keine Stärke bilden konnte, muß sie in die Nerven aus benach- barten Zellen eingewandert sein.

Eine ähnliche Beobachtung machen wir an Blättern (derselben oder irgend einer anderen Pflanze), die bei Sonnenuntergang reich an Stärke waren, wenn wir sie am anderen Morgen bei Sonnenaufgang wieder untersuchen : die Stärke ist ausgewandert. Da nun auch hier die Blattnerven wieder eine geringe Blaurärbung annehmen, so geben sie sich abermals als die Wege zu erkennen, auf denen die Wanderung der Stärke erfolgt.

Blatt der Kapuzinerkresse. 1 Durch Korkscheiben teilweise verdunkelt: Entfernung der Korkscheiben und der Jodprobe.

2 nach

Ein Teil der Stärke und aller anderen Stoffe, die sich in den Blättern gebildet haben, wird sicher dort auch verwendet. Daß aber der größte Teil auswandern muß, geht schon daraus hervor, daß an den Wachstumsstellen (in den Wurzelspitzen, Knospen, Blüten, Früchten u. dgl.) fortgesetzt Baustoffe ver- braucht werden, während die Bildung dieser Stoffe nur in den grünen Teilen und zwar vorwiegend in den Laubblättern stattfinden kann. Die wandernden Stoffe werden denn einen anderen Weg gibt es nicht! durch den Blatt- stiel (wenn vorhanden !) in den Stengel geleitet, in dem sie zu den wachsenden Teilen hinauf oder hinab geführt werden. (In welchen Teilen des Stengels dieses geschieht, werden wir später sehen!) Stellen sich den wandernden Stoffen Zellhäute in den Weg, so müssen sie aufgelöst werden, wie denn in lebenden Pflanzen die organischen Stoffe überhaupt vielfache Veränderungen, Umwand- lungen und Zersetzungen erfahren („Stoffwechsel").

2. Die Aufspeicherung, a) Den Keimling, wie er aus dem Samen hervorgeht, sehen wir wachsen, bevor er noch grüne Blätter entwickelt hat, also ehe er zu assi- milieren vermag. Einen ganz ähnlichen Vorgang beobachten wir im Großen alljähr- lich, wenn die Bäume und Sträucher sich neu belauben und die überwinternden Kräuter (Stauden) aus dem Erdboden hervorbrechen. Dieses Wachstum ohne Assimilation

Bau und Leben des Blattes,

38!)

ist natürlich nur möglich, wenn zur Bildung der jungen Pflanzenteile Baustoffe zur Verfügung stehen. Die assimilierende Pflanze darf daher nicht sämtliche Stoffe für sich verwenden, sondern ist ge- nötigt, einen Teil davon für die Nachkommen oder die nächst- jährigen Triebe aufzuheben, zu reservieren. Dies geschieht, sobald die Pflanze vollkommen ausgebildet / ist; denn da sie jetzt nur noch p wenig Stoffe für das eigene Wachs- 1 tum verbraucht, die Blätter aber ihre assimilierende Tätigkeit fort- gesetzt entfalten, ist sie auch im- stande, diese „Reservestoffe" zu bilden. Jedes Samenkorn wird damit beschickt, und die als Vorratsspei- cher dienenden Wurzeln, Wurzel- stöcke, Knollen oder Zwiebeln, sowie bei den Holzgewächsen die Stämme und Zweige beginnen sich zu füllen, b) Reservestoffe sind uns bei der Betrachtung der einzelnen Pflanzen mehrfach entgegen getreten: Kohlen- hydrate fanden wir als Stärke in den Körnern der Getreidearten und in der Kartoffelknolle, als R o h r z u c k e r in der Wurzel der Zuckerrübe oder, in Fette und Öle umgewandelt, in den Samen von Raps, Lein, Mohn und anderen

Pflanzen; das Eiweiß trafen wir als Kleber in der .äußeren Schicht der (ietreidekörner : sehr reich daran und darum von hohem Nährwert sind vor allen Dingen die Samen der Hülsenfrüchtler (Bohne, Erbse, Linse u. a.). Um als BaustoÖ'e für junge Pflanzen oder ,^5^=;^ junge Pflanzenteile dienen zu können, müssen die Reservestoffe

S. aufgelöst, verändert oder umgewandelt werden. Die Eiweiß-

stoffe dienen ihrer Natur entsprechend zur Bildung // des Protoplasmas, während Stärke, Zucker, Fette und Öle sich

namentlich in die ihnen chemisch nahe verwandte Zellulose ver- wandeln, also den Baustoff für die Zellhäute liefern.

c) Füllt sich ein „Reservestoffbehalter", z. B. eine Kartoffelknolle oder ein Roggenkorn (s. Abb. S. 137 u. 24!»). mit Stärke, so müssen die Stoffe, die in die Zellen der Knolle oder des Kornes eindringen, rückverwandelt werden. Hier-

Alpenveilchen, eine Pflanze mit knollen- förmigem Stamme, der als Vorratsspeicher dient (etwa 1J2 nat. Gr.).

Stärkebildner (B.), dei ein großes, von ihm ge- bildetes Stärkekorn (8.] umschließt. (Vergr. 540mal.)

3!»0

Bau iiml Leben der einzelnen Pflanzenteile

bei sind nun genau, wie bei der Bildung der Stärke in den Blättern Farbstoffträger beteiligt (s. S. 361), kleine farblose Gebilde, die man hier als Stärkebildner be- zeichnet. — Die Stärke, die wir in den Fabriken gewinnen, ist alles „Reservestärke".

:$. Das Blatt als Werkzeug der Atmung und die Atmung der Pflanzen im allgemeinen.

1. Nachweis der Atmung". Wir haben gesellen, daß die grünen Pflanzen im Lichte Kohlensäure zerlegen und Sauerstoff ausscheiden. Findet, so muß man sich fragen, bei diesen Pflanzen im Dunkeln auch ein Gasaustausch statt, und wie verhält es sich mit den Pflanzen und Pflanzenteilen, die des Blattgrüns

entbehren und darum nicht assimilieren ? Die Antwort hierauf soll uns wieder der Versuch geben:

a) Wir nehmen 2 gleich große Glas- zylinder, bringen in den einen eine grüne Pflanze, die in einem kleinen Blumen- topfe wurzelt, verschließen beide luft- dicht und stellen sie ins Dunkle. Nach einigen Stunden öffnen wir das Gefäß ohne Pflanze und senken ein Licht hinein, das wir an einem Drahte befestigt haben. Nachdem aller Sauerstoff der Luft, die das Gefäß erfüllt, verbraucht ist, erlischt die Flamme. (Stelle genau fest, wie lange das Licht brennt!). Wiederholen wir das- selbe bei dem 2. Gefäße, so erlischt die Flamme sofort, ein Zeichen, daß kein Sauerstoff mehr in der Luft vor- handen ist: die grüne Pflanze hat ihn aufgenommen.

Um festzustellen, ob die Pflanze für den aufgenommenen Sauerstoff auch eine Luftart ausscheidet, wiederholen wil- den Versuch, stellen aber auf den Boden jedes Gefäßes ein Schäl clien mit Barytwasser. Nach Verlauf mehrerer Stun- den sehen wir, wie sich das Barytwasser im leeren Gefäße kaum oder nur wenig, im Gefäße mit der Pflanze dagegen stark getrübt oder gar mit einer Haut überzogen hat: durch Aufnahme von Kohlensäure aus der Luft ist kohlen- saures Barium (Ba C ()3) entstanden (Versuch mit ausgeatmeter Luft!). Die größere Menge dieses Salzes im 2. Gefäße konnte sich aber nur bilden, weil die von ihm eingeschlossene Luft mehr Kohlensäure enthielt als die im ersten Gefäße. Es hat in ihm also eine Vermehrung der Kohlensäure statt- gefunden, die allein der Pflanze in Rechnung gesetzt werden kann, b) Füllen wir nunmehr einen Glaszylinder von etwa 1 1 Inhalt zu einem

Vorrichtung, die Atmung nachzuweisen.

der Pflanzen

Bau and Leben des Blattes. 391

Dritteil mit Pflanzenteilen, die des Blattgrüns entbehren (mit keimenden Erbsen, Blutenknospen, sich entfaltenden Blütenköpfen der Wucherblume , jungen Hut- pilzen und dgl.), so können wir mit Hilfe des brennenden Lichtes und des Barytwassers ebenfalls feststellen, wie Sauerstoff aufgenommen und Kohlensäure abgeschieden wird.

Dieser Vorgang ist nun genau derselbe, ohne den weder Mensch noch Tier zu leben vermag, und den wir als Atmung bezeichnen. Also: Die Pflanze sowohl die grüne, als die nichtgrüne atmet gleichfalls.

2. Bedeutung- der Atmung, a) Wir haben gesehen, daß die bereiteten organischen Stoffe vielfach umgebildet, umgesetzt und verarbeitet werden müssen, wenn sie der Pflanze wirklich von Wert sein sollen. Diese Arbeiten gehen aber, wie alle Arbeiten, nicht von selbst vor sich! Wie wir uns z. B. durch Verbrennen von Holz oder Kohle eine Kraft schaffen, die die verschiedensten Arbeiten verrichtet (Beispiele!), müssen auch die Pflanzen fortgesetzt einen Teil der bereiteten organischen Stoffe zu diesem Zwecke „opfern" und Kräfte schaffen, die die „Maschine" ihres Leibes im Gange erhalten. Dies geschieht nun gleichfalls durch eine Verbrennung (Oxydation), d. h. durch eine Verbindung kleinster, kohlenstoffhaltiger Teilchen mit Sauerstoff, der aus der atmosphärischen Luft aufgenommen wird. Wie bei jeder Verbrennung (z. B. der Kohlen) entstehen auch hier Kohlensäure und Wärme. Die Kohlensäure wird ausgeschieden; die Wärme aber ist die treibende Kraft für die chemischen Um- wandlungen der Stoffe.

Unerwähnt soll aber nicht bleiben, daß gewisse Pilze, besonders Spalt- pilze, die in sauerstoffarmer Umgebung (Flüssigkeiten u. dgl.) leben, des Sauer- stoffs nicht bedürfen, für die der Sauerstoff sogar „ein Gift" ist. Sie gewinnen die notwendigen „Betriebskräfte" durch andere chemische Umsetzungen, die sich in ihrem Körper vollziehen.

b) Daß sich infolge der Atmung wirklich Wärme entwickelt, sehen wir z. B. an den Blütenkolben des Aronstabes (s. das.), sowie an der zusammen- gehäuften keimenden Gerste bei der Malzbereitung oder an anderen keimenden Pflanzensamen (Versuch!). In der Eegel ist freilich von einer Wärmeentwick- lung bei den atmenden Pflanzen nichts zu merken : denn erstlich besitzen die Pflanzen ja eine verhältnismäßig große Oberfläche, so daß sie auch viel Wärme an die umgebende Luft abgeben, und zweitens ist mit der Ver- dunstung des Wassers durch die Blätter (s. S. 393) eine große Wärme- abgabe verbunden. (Beweise die Richtigkeit beider Behauptungen durch ein- fache Versuche!)

c) Da in der lebenden Pflanze beständig Umsetzungen der Banstone statt- finden, muß auch die Pflanze Tag und Nacht atmen. Für Pflanzen und Pflanzenteile, die des Blattgrüns entbehren, ist dies, wie wir gesehen haben, leicht nachzuweisen. An grünen Pflanzen dagegen ist am Tage davon nichts zu erkennen; denn da in ihnen weit mehr organische Stoffe gebildet als ver- brannt werden, müssen die Pflanzen auch weit kräftiger assimilieren als atmen.

392 Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Die Atmung wird daher durch den ihr gerade entgegengesetzten Vorgang der Assimilation verdeckt, oder was dasselbe besagt am Tage wird die bei der Atmung entstehende Kohlensäure sofort wieder zur Assimi- lation verwendet, so daß die grüne Pflanze im Lichte statt der Kohlensäure Sauer- stoff „ausatmet".

Hindert man Pflanzen, organische Stoffe zu bereiten oder doch in ge- nügender Menge zu bilden, so müssen sie immer mehr an Gewicht verlieren. Dies beobachteten wir bereits an der Maispflanze, die wir im Dunkeln wachsen ließen (s. S. 377, C). So „veratmen" auch Kartoffelknollen, Rüben und Möhren während des Winters einen Teil der aufgespeicherten Stoffe. (Stelle dies durch wiederholtes Wägen fest!) Aus dem gleichen Grunde sterben auch die Zimmer- pflanzen ab, die infolge zu schwacher Beleuchtung nicht genügend assimilieren können: sie verhungern langsam.

Ebenso nachteilig ist natürlich auch eine behinderte Atmung. So sterben z. B. die Pflanzen genau wie die Tiere den Erstickungstod, wenn man ihnen zu lange die „Lebensluft", den Sauerstoff, entzieht (Versuch mit keimenden Samen!). So sieht man um ein anderes Beispiel anzuführen die Obstbäume nicht selten langsam eingehen, wenn sie zu tief oder in zu festes Erdreich gepflanzt sind, wenn sie öfter unter Überschwemmungen zu leiden haben, oder wenn man den Boden rings um sie hoch aufschüttet; denn in allen diesen Fällen können die Wurzeln der notwendigen Atemluft nicht teilhaftig werden. Umgekehrt ist ein öfteres Lockern des Bodens für das Gedeihen der angebauten Pflanzen (Kar- toffeln, Kuben, Gemüse, Blumen) von Vorteil. Es ist besonders nötig, wenn die Pflanzen bei trockenem Wetter besprengt oder begossen werden müssen, weil dann die oberste Erdschicht leicht zu einer Kruste erhärtet.

3. Wege für die Atemluft. Wie wir gesehen haben, findet in den grünen Pflanzenteilen zum Zwecke der Assimilation ein beständiger Gasaustausch statt, der seinen Weg vornehmlich durch die Spaltöffnungen und Zwischenzell- räume nimmt. Mit der einströmenden atmosphärischen Luft erhalten auch die atmenden Zellen den notwendigen Sauerstoff, und auf dem gleichen Wege strömt nachts die ausgeatmete Kohlensäure ins Freie. Bei Stengeln, die mit einer Korklage bedeckt sind, übernehmen die Rindenporen (s. S. 426) die Aufgabe der Spaltöffnungen, und bei Wurzeln findet der Gasaustausch (in der Regel) durch die Häute der an der Oberfläche liegenden Zellen statt. Bei Wasser- und Sumpf- pflanzen (Beispiele!) ist letzteres aber nicht möglich; denn sie wurzeln ja in einem Boden, der meist vollkommen von Sumpfgas erfüllt ist. Stengel und Blätter dieser Pflanzen besitzen aber so große Zwischenzellräume, daß sie ein schwammiges Gefüge annehmen. Da nun diese Räume Kanäle bilden, die sich durch die ganze Pflanze ziehen, so vermag die Atemluft leicht bis zu den Wurzeln hinabzudringen. (S. Abb. S. 13, und wiederhole den mit der Wasser- rose angestellten Versuch s. S. 14 d auch mit anderen Wasser- und Sumpfpflanzen !)

Bau und Leben des Blattes. 393

4. Das Blatt als Werkzeug der Verdunstung des Wassers (oder der Transpiration).

1. Nachweis der Verdunstung. Legen wir unter eine Glasglocke einige frisch abgeschnittene, beblätterte Pflanzenteile, so beschlagt die Glaswand, besonders wenn wir die Glocke „in die Sonne" stellen, bald mit Wassertropfen. Bei einer zweiten, daneben stehenden Glocke, unter der sich keine Pflanzenteile befinden, ist diese Erscheinung nicht zu beobachten. Das Wasser an der Glas- wand der 1. Glocke muß daher aus den Pflanzenteilen stammen, und da sich auch dort Wassertropfen linden, wo die Pflanzen die Glocke nicht berühren, so kann es nur in Form von Wasser dampf ausgeschieden sein. Wie sich durch weitere Versuche feststellen läßt, findet bei allen lebenden Pflanzen, und zwar zu jeder Zeit eine Ausscheidung von Wasser in Dampf- form, eine Verdunstung oder Transpiration statt.

2. Wie erfolgt die Verdunstung? Um dies nachzuweisen, bedienen wir uns des Kobaltpapiers*), das trocken tiefblau, Wasserdämpfen ausgesetzt (oder mit Wasser befeuchtet) dagegen hell rosa gefärbt erscheint. Nachdem wir uns von dieser Farbenveränderung überzeugt haben, legen wir auf eine trockene Glasplatte ein Stück dieses Papiers,, darauf ein Blatt etwa der Schwarz- pappel oder des Flieders mit seiner Unterfläche, auf dieses wieder ein Stück Kobalt- papier und bedecken alles mit einer zweiten Glasscheibe. Nach einigen Minuten sehen wir schon, wie sich das untere Stück Papier verfärbt, ein Zeichen, daß dem Blatte auf seiner Unterfläche Wasserdampf entströmt. Das der Blattober- fläche anliegende Papier dagegen verfärbt sich nicht.

Untersuchen wir nunmehr die Oberhaut des Blattes (s. S. 381), so sehen wir, daß die Blattoberseite wenig oder gar keine, die Unterseite dagegen sehr viele Spaltöffnungen besitzt, ein Zeichen, daß sie es sind, durch die der Wasserdampf entweicht. Bedenken wir, daß die Zellen, die an die Zwischenzellräume grenzen, zartwandige Gebilde sein müssen, die reich- lich mit Zellsaft angefüllt sind, so werden wir die Erscheinung leicht verstehen : wie bei jedem feuchten Körper, verdunstet auch bei diesen Zellen beständig ein Teil des Wassers, das sie enthalten, oder von dem sie durchtränkt sind. Der sich bildende Dampf mischt sich mit der Luft, mit der er durch die „Tore" der Zwischenzellräume, die Spaltöffnungen, ins Freie entweicht. Da die Außen- wände der Oberhautzellen nicht vollständig „luftdicht" sind, so findet auch durch sie eine, wenn auch viel geringere Verdunstung statt.

3. Bedeutung der A'erdunstung. a) Wir haben gesehen, daß die Pflanze Wasser und darin gelöste Nährsalze dem Boden mit Hilfe der Wurzel ent- nimmt, und daß aus diesen Stoffen und der Kohlensäure der Luft besonders in den grünen Blättern organisches Material (Stärke, Zucker, Eiweiß u. s. w.) erzeugt wird. Es muß daher von den Wurzeln nach den Blättern ein beständiger Wasser-

*) Dieses Papier gewinnt man, indem man Kobaltchlorür in Wasser auflöst (im Verhältnisse von 1 : 20). Streifen von Fließpapier damit tränkt und sie sodann trocknet.

394 ',,au un'' Leben der einzelnen Pflanzenteile.

ström fließen. Welchen Weg- dieser Strom in Wurzel und Stengel einschlägt, wollen wir hier außer acht lassen (s. S. 422). Wohl aber müssen wir feststellen, wie die Wasserleitung in den Blättern erfolgt. Zu diesem Zwecke stellen wir abgeschnittene Stengelteile mit weißen Blüten (z. B. Tulpen) oder weißfleckigen Laubblättern (z. B. die Spielart vom Mais, die vielfach als Zierpflanze benutzt wird) in ein Gefäß mit Wasser, in dem etwas Eosin gelöst ist. Nach einiger Zeit sehen wir, wie die lebhaft rote Farbstofflösung in den Blattnerven emporsteigt und sich in den Seitenzweigen der Hauptnerven immer weiter über die Blattfläche verbreitet. Wie die Röhren einer Wasserleitung jedem Haushalte das nötige Wasser zuführen, so werden durch die immer feiner sich ver- zweigenden Blatt nerven jeder einzelnen Zeil-Werkstatt Wasser und Nährsalze zugeleitet. Das Blatt gleicht also um einen anderen Ver- gleich zu benutzen einer Wiese, die planmäßig bewässert wird. (Stelle nunmehr die dreifache Bedeutung der Blattnerven übersichtlich zusammen! s. S. 384 u. 388!)

b) Das Wasser, das von der Wurzel aufgenommen wird, enthält aber kaum mehr gelöste Bestandteile (Nährsalze) als gutes Trinkwasser. Da nun ein Teil von ihm durch Verdunstung beständig verloren geht, muß die „Nähr- lösung" in denBlätternver stärkt (konzentriert) werden. Gleichzeitig wird hierdurch Platz für neues Wasser geschaffen, so daß ein ununter- brochener „Nahrungsstrom" zu den Blättern emporsteigt und immer neue Rohstoffe emporgehoben werden.

4. Größe der Verdunstung, a) Um festzustellen, welche Wasser- menge ein bestimmter Pflanzenteil in einer gewissen Zeit ver- dunstet, stellen wir z. B. einen beblätterten Baumzweig in ein Glas mit Wasser. Nachdem wir die Oberfläche des Wassers mit einer etwa 1 cm hohen Ölschicht bedeckt haben, bringen wir das Ganze auf eine Wage. Nach einigen Stunden ist bereits ein erheblicher Gewichtsverlust festzustellen. Daß dieser Verlust nur auf die Verdunstung zurückgeführt werden kann, die durch den Zweig erfolgt, beweist deutlich folgender „Kontrollversuch": wir füllen ein zweites Glas mit Wasser und Öl, können aber bei wiederholter Wägung keinen Gewichtsverlust feststellen.

Wissen wir nun, welche Wasserraenge der Zweig in einer gewissen Zeit, z. B. an einem Tage, verdunstet, so läßt sich dies durch Berechnung auch für den ganzen Baum ungefähr feststellen. So hat man z. B. gefunden, daß ein Buchenhochwald von einem Hektar Größe im Durchschnitt täglich etwa 30 000 Liter Wasser an die Atmosphäre zurückgibt, eine Tatsache, die uns den Nutzen der Wälder für die Regenbildung und damit für die Fr uchtbarkeiteines Landes, sowie auch die Folgen der Entwaldung deutlich erkennen läßt. In jeder Pflanze steigt gleichsam ein unsichtbarer Wasserstrom vom Boden empor, um sich in Dampfform in das Luftmeer zu ergießen.

b) Wie im allgemeinen, so wird auch die Verdunstung bei den Pflanzen von mehreren äußeren Umständen stark beinflußt. (Beweise dies für die einzelnen Fälle durch entsprechende Versuche und mit Hilfe der Wage!)

395

M

Erstlich ist hierbei die Temperatur mit bestimmend. Je wärmer die Luft ist, je länger die Pflanze von der Sonne beschienen wird, und je steiler die Sonnenstrahlen auffallen (s. S. 44), desto größer ist auch die Verdunstung und umgekehrt.

Da der W i n d die mit Wasserdampf gesättigte Luft beständig fortführt, so ist zweitens die Verdunstung bei windigem Wetter größer als bei Wind- stille (Trocknen der Wäsche u. dgl.!). Ähnlich wie bei einem Wasserzerstäuber der Luftstrom das WTasser emporsaugt, wirkt auch der Wind, wenn er über die Pflanzen dahinweht, saugend auf den Wasserdampf in den Zwischenzellräumen.

Drittens : wiez. B. Wäsche bei feuchter Witterung lang- samer trocknet als bei trockenem Wetter, so verdunsten auch die Pflanzen umso weniger Wasser, je mehr die Luft mit Wasser- dampf erfüllt ist.

Ist die Luft mit Feuchtig- keit gesättigt, so ist die Ver- dunstung daher ganz oder doch nahezu aufgehoben. Einige Pflanzen (Kapuzinerkresse, Mais, Weizen, Frauenmantel, Erd- beere u. a.) vermögen sich dann dadurch zu helfen, daß sie Wasser in flüssiger Form aus Öffnungen hervorpressen , die den Spaltöffnungen ganz ähn- lich sind. Da diese „Wasser- spalten" in der Regel am

Ende eines großen Blattnerven (Wasserader!) liegen, so treten die ausgeschiedenen Wassertropfen, die gewöhnlich für Tau gehalten werden, meist an den Spitzen, Zähnen oder Rändern der Blätter auf. Stülpt man über eine solche Pflanze eine Glasglocke, so daß die Verdunstung stark herabgesetzt wird, so kann man die Er- scheinung auch am Tage beobachten, ein Zeichen, daß man es hier wirklich mit hervorgepreßtem Wasser zu tun hat.

5. Förderungsmittel der Verdunstung. Wie wir gesehen haben, ist die Verdunstung für die Pflanze von größter Wichtigkeit. Daher haben wir bei vielen der betrachteten Gewächse auch Einrichtungen angetroffen, die im- stande sind, die Verdunstung zu fördern, oder die verhindern, daß sie unter- brochen werde.

a) Pflanzen, die an feuchten, schattigen Orten wachsen, haben in der Regel große Blattflächen mit zahlreichen Spaltöffnungen (viele Sumpf- and Waldpflanzen).

b) Die Blätter dieser Pflanzen sind ferner meist außerordentlich zart. d. h. dir

''/'WJ1

Wassertropfen, aus Wasserspalten hervor- gepreßt, an den Zähnen vom Blatte des Frauen- mantels (nat. Gr.)

396

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Zellen der Oberhaut sind dünnwandig, also für Wasserdampf verhältnismäßig leicht durchlässig.

c) Die Blätter haben weiße Flecke, die die Wärme lange Zeit zurückhalten (Wiesenklee, Lungenkraut), oder braune Flecken, die sich leicht erwärmen (Orchis,

Aronstab),

d) Tau oder Regen sind nicht imstande, die Spalt- öffnungen zu verschließen, weil das Blatt (oder die ganze Pflanze) mit einer Wachs- schi c h t (Raps) oder einer Haardecke (Salweide) überzogen ist, oder weil die Spaltöffnungen inVer- tiefungen eingesenkt sind (Heidekraut).

e) Wie wir bei der Betrachtung der Gemüsebohne kennen gelernt haben, verhindert auch die Schlafstel- lung, die zahlreiche Blätter nachts annehmen, eine starke Befeuchtung durch Tau. Ergänzend sei hier nur noch bemerkt, daß diese Bewegungen in der Regel (Bohne, Klee, Robinie, Sauerklee u. a.) darauf beruhen, daß der Turgor (s. S. 363) der Blattstiele durch den Wechsel der Beleuchtung eine Veränderung erfährt. Wird der Turgor der Zellen, die an der Unter- seite liegen, größer, so richten sich die Blätter empor ; wird dagegen der Turgor an der Oberseite erhöht, so senken sich die Blätter.

6. Schutzmittel gegen zu starke Verdunstung-. Umgekehrt ist eine zu starke Verdunstung für die Pflanzen mit großen Gefahren verknüpft : sie welken oder gehen schließlich durch Vertrocknen zugrunde. Die Gewächse, die auf einem wasserarmen, sonndurchglühten Boden leben oder austrocknenden Winden im hohen Grade ausgesetzt sind, also auf Hoch- gebirgen, Heideflächen und an ähnlichen Stellen wachsen, bedürfen daher ge- wisser Schutzmittel gegen diese Gefahren. Als solche haben wir bereits folgende Einrichtungen erkannt:

a) Die verdunstende Oberfläche ist möglichst beschränkt, d. h. es treten kleine, schmale, stark zerteilte oder wenige Blätter auf (Heidekraut, Leinkraut, Kuh- schelle, Besenginster). Bei dem Heidekraute sind die kleinen Blätter zudem zusammen- gerollt (Rollblatt). Die Kaktusarten sind meist gänzlich unbeblättert.

Blatt der Gemüsebohne

1 in Tagstellung, 2 ir

Nachtstellung. (Näheres s

S. 103.)

Kaktusgewäehse in einer Wüste des nördlichen Mexico. 1 Kiesenkaktus. 2 Faekel- disteln. 3 Mehrere Melonenkaktns-Forraen. 4 Schlangenkaktus. (Näheres s. S. 80.)

398

Bau and Leben der einzelnen Pflanzenteile.

b) Mit der Verkleinerung der Oberfläche steht die geringe Anzahl der Spaltöff- nungen im Einklänge.

c) Die Blätter sind dem Stengel an- gedrückt (Heidekraut).

d) Die Blätter sind senkrecht ge- stellt (junge Blätter der Roßkastanie) oder nehmen dabei wohl gar die Richtung von Süden nach Norden ein (Stachellattich).

e) Die Blätter schlagen sich bei zu starker Erwärmung nach unten (Sauerklee) oder rollen sich der Länge nach z u s a m m e n (Strandhafer).

f) Mehrere Trockenlandpflanzen (Mauer- pfeffer, Kaktus; tropische Orchideen, die auf Baumstämmen wachsen) speichern in den Blättern oder Stämmen "Wasser auf.

g) Die Außenwände der Oberhaut- zellen sind stark verdickt und in so hohem Maße mit fettartigen Stoffen durch- tränkt (s. S. 381), daß sie für Wasserdampf fast undurchlässig sind (Efeu, Kaktusarten).

h) Die Blätter sind mit einem Wachs- überzuge versehen (Raps; auch viele Früchte, z. B. Weinbeere, Pflaume u. a.).

i) Die Blätter besitzen einen firnis- artigen Überzug (junge Blätter des Kirsch- Schuttkresse, eine Trockenpflanze mit baunis; Knospenschuppen der Roßkastanie), vielfach zerteiltem Laube, Oberer Teil k) Die Blätter sind auf einer Seite 0(ler

(etwas verkl.). auf beiden Seiten mit Haaren bedeckt (junge

Blätter der Roßkastanie; Edelweiß u. v. a.). Die Haare sind, wie man auf Querschnitten durch den betreffenden Pflanzenteil sieht, in ihrer einfachsten Form Ausstülpungen je einer Oberhautzelle. Sie haben die Gestalt eines Kegels (Blumenblätter des Stiefmütterchens), Spießes (Goldlack) oder

¥^N

ll.

Zylinders (Samen- haare); sie sind gabelig oder sternförmig ge- teilt (Hungerblüm- chen; Graukresse), am Ende knopfförmig an- geschwollen(Blüte des Löwenmauls) u. dgl.

mehr. Kurze, zuge- j£aar (H.) von einem Blatte des Goldlackes. 0. Oberhaut. spitzte , dickwandige

Haare bezeichnet man als Borsten (Schwarzwurz). Auch die Brennhaare (Brenn- nessel), die in einem aus Oberhautzellen gebildeten Becher sitzen, gehören hier- her. Treten in den Ausstülpungen Teilungen ein, so entstehen mehrzellige Haare,

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Mehrzelliges Drüsen- haar vom Körner-Stein- brech (llOmal vergr.).

die z. B. bei der Künigsker/.e tannenartig verzweigte, bei der sog. Ölweide stein förmige und bei den Farnen blattartige Gebilde darstellen. Sind an der Bildung Auswüchse aueli noch tiefer liegende Gewebe beteiligt, so entstellen Stacheln (Rose) oder Klimmhaken (Hopfen). Seheiden die Haargebilde klebrige oder andere Stoße aus, so be- zeichnet man sie als Drüsen-Haare i Körner-Steinbrech, Sonnen- tau u. v. a. ). Schon aus dieser Zusammenstellung geht her- vor, daß die Haarbildungen den Pflanzen nicht nur als Ver- dnnstungsschutz dienen, sondern eine sehr verschiedene Be- deutung haben können (Beweis!).

1) Zu diesen uns bereits genügend bekannten Min- richtungen tritt bei den meisten Pflanzen noch die Fähigkeil hinzu, die Spaltöffnungen zu verschließen, sobald Wassermangel eintritt. Legt man ein Stück von der Ober- haut z. B. eines Lilienblattes in einen Tropfen Wasser, so sieht man, wie sich zwischen den Sehließzellen (s. S. 383) deutlich wahrnehmbare Spalten befinden. Setzt man aber dem Präparate ein wasserentziehendes Mittel zu; z. B. einen Tropfen Glycerin , so verschwinden die Spalten alsbald. Worauf beruht diese eigentümliche Erscheinung?

Steht der Pflanze genügend Wasser zur Verfügung, so ist der Turgor wie in jeder Zelle auch in den Schießzellen verhältnismäßig groß. Da nun die Wände der Schließzellen ungleich dick sind, so müssen sie durch den Turgor auch ungleichmäßig ausgedehnt werden. Die größte Deh- nung müssen natürlich die in der Abbildung mit a bezeichneten, langen und dünnen

Wandstellen erfahren. Hier werden die Zellen daher höher und nach außen vor- geb achtet, infolgedessen müssen aber die entgegengesetzten Zellseiten (bei b) etwas zurücktreten : der Spalt ist jetzt geöffnet. Sinkt bei starker Verdunstung der Turgor, so werden die Wandstellen bei a wieder kürzer und strecken sich gerade. Die Schließzellen werden infolgedessen flacher : der Spalt wird daher immer enger, bis er schließlieh ganz geschlossen ist. Die Schließzellen, die in der dünnen Wandstelle b gleichsam ein Scharnier besitzen, führen also ganz ähnliche Be- wegungen aus wie ein Blasebalg, den man öfl'net und schließt.

7. Herbstlicher Laubfall. Wenn unsere Holzpflanzen im Herbste nicht mehr imstande sind, dem abgekühlten Boden die nötige WTassermenge zu entnehmen, dann schützen sie sich wie wir bereits S. 91, c gesehen haben dadurch vor dem Vertrocknen, daß sie ihr Laub abwerfen. Den früher gegebenen Mitteilungen sei hier nur noch folgendes hinzugefügt :

Spaltöffnung aus dem Blatte einer Nieswurz

im Querschnitte "schematisiert). 1 geöffnet;

2 geschlossen. Die Bezeichnungen s. Text.

400 Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Stellt man durch ein solch abgefallenes Blatt dünne Querschnitte her, so sieht man, wie die Zellen mit einer Flüssigkeit angefüllt sind, in der sich nur noch einige Öltropfen und Kristalle von oxalsaurem Kalke finden. Die wertvollen Stoffe (Stärke, Eiweiß u. a.) sind in den Stamm gewandert. Es geht also nicht viel mehr als das wertlos gewordene Skelett der Blätter verloren. Wie wir an diesen Querschnitten weiter sehen, beruht die herbstliche Rotfärbung (z. B. beim wilden Wein) auf dem Vorhandensein roten Zellsaftes, die Gelb- färbung (z. B. beim Ahorn) auf den zerstörten, gelbgewordenen Blattgrün- körpern und die Braunfärbung (z. B. bei den Eichen) auf dem Braunwerden der Zellwände und besonders ihres Inhalts.

II. Vom Bau und Leben der Wurzel.

A. Die Aufgaben und Hauptformen der Wurzel.

1. Wie wir wissen, baut sich die grüne Pflanze unter Mithilfe der Sonnen- strahlen aus Stoffen auf, die sie der Luft (Kohlenstoff) und dem Erdboden (Wasser und darin gelöste Nährsalze) entnimmt. Ein Teil ihres Körpers streckt sich daher in die Luft dem Lichte entgegen, während sich ein anderer, d. i. die Wurzel, in die Erde hinabsenkt. Im Gegensatze zum Tiere, das sich seine Nahrung meist umherstreifend sucht, ist die Pflanze also an den Boden gefesselt.

Sollen aber die oberirdischen Teile vom Sturme nicht zu Boden geworfen so muß die Pflanze fest in der Erde verankert sein. Diese Aufgabe wird gleichfalls von der Wurzel erfüllt.

2. Je größer eine Pflanze wird und je mehr Blätter sie bildet, desto mehr Wasser verdunstet sie auch, und desto mehr ist sie den Angriffen der Winde ausgesetzt. Mit dem Wachstum der ganzen Pflanze muß daher auch die Ver- größerung der Wurzel gleichen Schritt halten. Umgekehrt: je weniger Blätter die Pflanze besitzt, desto geringer ist auch immer gleiche Verhältnisse vor- ausgesetzt — ihr Wurzelwerk ausgebildet (Beispiele!). Gleichsam in eine „Nähr- lösung" eingesenkt sind die Pflanzen, die ganz unter WTasser leben (Wasserpest), oder deren Blätter sich doch unter Wasser befinden (Wasserfeder). Sie be- sitzen — wie wir bereits S. 382 gesehen haben eine so zarte Oberhaut, daß sie imstande sind, die Nährstoffe mit ihrer ganzen Außenfläche aufzunehmen. Ihnen fehlen die Wurzeln daher entweder gänzlich (Hornblatt), oder sie dienen ihnen nur zum Festhalten im schlammigen Grunde (Wasserhahnenfuß). Im Gegensatz zu diesen Gewächsen haben die Trockenlandpflanzen meist mit Wasser- mangel zu kämpfen. Sie sind daher genötigt , ihre Wurzeln tief in den Boden zu senken (Kuhschelle, Wüstenpflanzen) oder sie über einen großen Bezirk aus- zubreiten (Kiefer). Diese Pflanzen lösen ihre Wurzeln daher zumeist auch in sehr viele und sehr dünne Zweige auf (Kiefer); denn je mehr dies geschieht, umso größer wird auch die aufsaugende Oberfläche (wiederhole den S. 79, c angegebenen Versuch). Sumpfgewächse dagegen, die gleich den Wasserpflanzen

Bau and Leben der Wurzel. KU

in einer „Nährlösung" stehen, haben meist dicke, strangartige and wenig ver- zweigte Wurzeln (Sumpfdotterblume). Kurz : Die Ausbildung d er Würz el

steht mit dem Alter und der Lebensweise der Pflanze, sowie mit den Bodenverhältnissen im innigsten Einklänge.

3. Wie wir bereits an der keimenden Bohne (s. S. 100) beobachtet haben, senkt sieh die Wurzel, die den Stengel nach unten fortsetzt, die „Hanptwur zelB, wie ein Pfahl in den Boden („Pfahlwurzel"). Von ihr gehen nach allen Seiten Zweige aus, die wagerecht oder schräg nach unten verlaufen. Würden die Zweige mit der Haupt wurzel senkrecht in den Boden wachsen, so könnte die Pflanze nur eine viel kleinere Krdraenge auf die Mährstoffe hin ausbeuten, und sie wäre bei weitem nicht so sicher im Boden befestigt als in diesem Falle. (Vergleiche die Pflanze mit einer Kalme, deren Mast in den Boden gerammt und durch seitliche Taue gehalten wird!) Da sieb die Zweige in immer feinere Äste auflösen, so ist bald die ganze Erdmasse, die im Bereiche der Pflanze liegt, von Tausenden und aber Tausenden feinster Saugwürzelchen durchzogen („Wurzelballen" der Topfgewächse !).

4. Wie wir beim Roggen beobachtet haben und an vielen anderen einkeimblättrigen Pflanzen sehen können, geht die Hauptwurzel vielfach bald zugrunde Neben würze 1 n. die aus dem untersten oder einem der unteren Stengelknoten hervorbrechen, übernehmen dann ihre Aufgaben. Solehe Wurzeln können sich auch je nach Bedürfnis an allen linderen Pflanzenteilen bilden. Dies sehen wir z. B. an unterirdischen Stämmen (Taub- nessel, Maiblume), an Ausläufern (Veilchen, Erdbeere), an Zweigen, die wir als Steck- linge in den Boden pflanzen (Nelke, Weinrebe) u. s. w.

5. Bei zahlreichen, besonders tropischen Pflanzen bilden sich Wurzeln, die nicht oder doch erst sehr spät in den Boden eindringen. Solche „Luftwurzeln" dienen dem Efeu als Werkzeuge zum Anklammern (Klammerw n rzel n); die merkwürdigen Man- grovebäume (s. S. 84) erhalten durch weit längere „S t elz w ur zc 1 n" in dem Sumpf- boden der Küstengewässer den nötigen Halt, und zahlreiche andere Bäume der heißen Zone senden von ihren weitausgreifenden Zweigen „Stützwurzeln" , die oft die Stärke mächtiger Stämme erreichen, zum Boden herab (s. Abb. S. 402).

6. Bei wieder anderen Pflanzen haben die Wurzeln noch eine Nebenaufgabe über- nommen : sie dienen als Vo r r at ss p eic h e r für Baustoffe und schwellen daher meist stark an. Ist die Haupt wurzel die Ablagerungsstätte, so wird sie zur Rübe oder M öhr e (Zuckerrübe, Möhre); sind es die Nebenwurzeln, so entstehen (Wurzel-)Kn ollen (Scharbockskraut, Georgine).

B. Die Aufgaben und der feinere Bau der Wurzel.

1. Das Wachstum der Wurzel. Die wachsende Wurzel dringt, ihren Aufgaben entsprechend, immer weiter im Boden vor. Wie dies geschieht, soll uns folgender Versuch zeigen. Wir lassen einige Samen der Feuerbohne in feuchten Sägespänen keimen. Nachdem die Keimwurzeln etwa 2 cm lang geworden sind, tragen wir mit Tusche auf jeder von der Spitze aus zehn kleine Striche auf, die je 1 mm voneinander entfernt sind. Die Bohnen befestigen wir durch Nadeln auf der Unterseite eines Korkes, der auf eine weithalsige Flasche paßt. Um den Keimlingen die nötige Feuchtigkeit zu geben, haben wir schon vorher etwas Wasser in die Flasche gegossen. Nach etwa 24 Stunden sehen wir, daß Sehmeil. Lehrbuch der Botanik. 26

m±M.ww-

Bau und Leben der Wurzel.

408

die Wurzeln beträchtlich ge- wachsen sind. Die Striche sind aber zum Teil nicht mehr gleichmäßig- voneinander ent- fernt wie vordem: Der erste Strich ist von der Wurzelspitze allerdings nur wenig abge- rückt; zwischen ihm und dem zweiten Striche, sowie zwischen diesem und dem dritten dagegen sind sehr große Zwischen- räume entstanden; dann neh- men die Entfernungen zwischen den einzelnen Strichen wieder stark ab, und die letzten Striche sind an ihrem Platze geblieben. Hieraus geht deutlich hervor, daß erstlich an den wachsen- den Wurzeln sich nur die unteren Teile gestreckt haben, und daß zweitens die Streckung nicht gleichmäßig gewesen, sondern an der Spitze schwach,

*

Wachstum der Wurzel. Di«

keimende Feuerbohne ist durch eine Nadel an einem Kork befestigt. Fig. 1: Wurzel mit aufgetragenen Tuschestrichen, die sieh nach 24 Stunden durch Wachstum der dann stark und endlich wieder Wm'zel so verschoben haben, wie schwächer erfolgt ist. Ein Fi^- 2 «*#■

Gleiches läßt sich an jeder wachsenden Wurzel beobachten: es ist ein nur verhältnismäßig kurzer Abschnitt hinter der Wurzelspitze in

Streckung begriffen, der die Wurzel- spitze gleichsam vor sich her schiebt. 2. Die Wurzelhaube. Die in den Boden gestoßene Wurzelspitze ist überaus zart, so daß sie an den Kanten der Gesteinstrümmerchen bald verletzt sein würde. Sie bedarf daher eines Schützes. Betrachten wir das Wurzel- ende bei schwacher Vergrößerung (am besten im Längsschnitt), so sehen wir, daß die Spitze von einem kappenartigen Gebilde bedeckt ist. Diese W u r z e 1 h a u b e" besteht aus festem -' II- Gewebe und hat etwa die Gestalt eines Finger- hutes, durch den die Näherin die empfindliche Fingerspitze gegen Verletzungen durch die

,r . Nadel bewahrt. Die äußeren Zellen der Baube, Wurzelhaube (H.) einer Mais- .

wurzel (etwa 100 mal vergr.). die von innen her immer wieder ersetzt

KU

Hau iiml Leben der einzelnen Pflanzenteile.

werden, (iiiellen nach und nach gallertartig auf. Infolgedessen ist die Wnrzelspitze glatt und schlüpfrig, wie mit einem Schmiermittel bedeckt. Da sie zudem noch die Form eines Kegels (Nagels!) besitzt, so vermag sie leicht und ohne Schaden in dem Boden vorzudringen.

3. Die Wurzelhaare. a) Lassen wir irgend welche Samen zwischen feuchtem Fließpapier keimen, so sehen wir, daß die Wurzeln, wenn sie eine gewisse Länge erreicht haben, über dem sich streckenden Abschnitte mit vielen, außerordentlich zarten Härchen bedeckt, sind. Stellen wir durch eine

solche "Wurzel dünne Quer- oder Längsschnitte her, so erkennen wir, daß diese „Wur- zelhaare" lange, schlauchförmige Ausstülpungen der Oberhautzellen darstellen.

Nehmen wir sodann irgend eine Keimpflanze, die in einem Blumen- topfe mit Garten- erde gezogen ist, aus dem Boden, so sehen wir , wie die Wurzelhaare dicht mit Erde be- deckt sind. Selbst durch Abspülen in Wasser gelingt es nicht, alle Bodenteilchen zu entfernen; denn die Wurzelhaare sind mit ihnen, wie ein Blick durch das Mikroskop zeigt, fest verklebt, gleichsam v e r w a c h s e n. Diese Tatsache ist

b) nicht nur für das F e s t w u r z e 1 n der Pflanzen im Boden, sondern auch noch in anderer Hinsicht von größter Wichtigkeit: da die Würzelchen durch die Haare im Boden gleichsam verankert sind, kann die Kraft, die der in Streckung begriffene WTurzelabschnitt entwickelt, nur auf die Wurzelspitze wirken, so daß diese vorwärts getrieben werden muß. Der Wurzel- spitze müssen daher auch die Wurzelhaare fehlen.

c) Die Wurzelhaare stehen in hervorragender Weise aber auch im Dienste der anderen Aufgabe der Wurzel : der Aufnahme des Wassers und der Nährsalze. Durch die Wandung des Wurzelhaares sind 2 Flüssigkeiten verschiedener Stärke voneinander getrennt: der Zellsaft, der reich an Salzen

Wurzelhaare. 1. Keimpflanze vom

weißen Senf mit Wurzelhaaren, 2. mit anhaftenden Bodenteilchen (nat. Gr.). 3. Wurzelhaare (Wh.) mit Bodenteilchen verklebt; 0. Oberhautzellen (etwa 200mal vergr.).

Bari and Leben der Wurzel. »5

und Säuren ist, und das Wasser des Bodens, das geringe Mengen von Nähr- salzen gelöst enthält. Zwischen diesen beiden Flüssigkeiten muß daher ein Aus- tausch stattfinden (s. S. 362). Das Protoplasma, das die Flüssigkeiten durch- dringen müssen, ist aber ein lebender Körper mit der Fähigkeit, nur gewissen Stoffen den Durchtritt zu gestatten. Es läßt aus dem Zellsaft nur geringe Stoff-Mengen austreten (s. Absch. g), dafür aber umsomehr Wasser und Nähr- salze eintreten. Hierzu sind die Wurzelhaare nun umso besser geeignet, als sie die Oberfläche der Wurzel um ein Vielfaches vergrößern, mit den Bodenteilchen verkleben, sehr zarte Wandungen und die Form langer, dünner Schläuche besitzen. Sie durchdringen jede Lücke des Bodens und sind imstande, selbst noch die geringste Wassermenge einzusaugen und das kleinste Bodenteilchen auf seine Nährstoffe auszubeuten.

d) Erfolgt die Aufnahme des Wassers und der Nährsalze unter günstigen Be- dingungen, so ist eine Vergrößerung der aufsaugenden Wurzeloberfläche nicht vonnöten. Den Sumpf- und Wasserpflanzen ('Sumpfdotterblume, Wasserlinse u. v. a.) fehlen daher meist die Wurzelhaare. - Wie wir bereits gesehen haben (s. S 281), sind bei den Waldbäumen die Wurzelhaare in der Regel durch Pilzfäden ersetzt, die sich weit in dem lockeren Boden ausbreiten und die Wurzeln mit Wasser und Nährsalzen versorgen. Außer bei zahlreichen anderen Pflanzen findet auch bei den Heidegewächsen und vielen Orchideen ein solcher Ersatz statt. Diese Tatsache erklärt uns vollauf, warum diese Pflanzen trotz der sorgsamsten Pflege in unseren Gärten nicht fortkommen.

e) Nimmt man eine Pflanze aus dem Boden, so fällt von den älteren Wurzelteilen die anhaftende Erde leicht ab, ein Zeichen, daß ihnen die Wurzel- haare fehlen. Diese Gebilde sind, wie man in allen Fällen sieht, stets nur auf einen verhältnismäßig kurzen Abschnitt hinter der wachsenden Wurzelspitze beschränkt. In dem Maße, in dem sie sich hier fortgesetzt neu bilden, sterben sie am entgegengesetzten Ende ab. Auf diese Weise kommt die Wurzel immer mit neuen Bodenteilchen in Berührung, denen sie die Nähr- stoffe noch nicht entzogen hat. Die älteren Teile der Wurzel umkleiden sich mit wasserdichten Korklagen, sind also zur Aufnahme von Wasser und Nährsalzen untauglich. (Erkläre, warum man die Pflanzen möglichst mit dem „Ballen" verpflanzen muß, und warum sie in den ersten Tagen nach dem Ver- pflanzen leicht welken!)

f) Zwischen der A u s b r e i t u ng der Wurzeln und der Art, wie die Pflanzen das Regen wasser ableiten, besteht eine innige Beziehung (s. S. 88, c). Tropft das Wasser am Umfange der Krone nieder, ist die Wasserleitung also nach außen ge- richtet oder zentrifugal, so breiten sich die Wurzeln allseitig so weit aus, daß die mit Wurzelhaaren besetzten feinsten Wurzelzweige im Umkreise der Krone liegen (dicht- belaubte Bäume, Königskerze u. a.). Fließt das Wasser dagegen nach innen oder zentri- petal ab, so sind die Wurzeln mehr oder weniger senkrecht nach unten gerichtet und eng zusammengedrängt (Raps, Tulpe u. a.). Bei dünnbelaubten Bäumen (Birke) sind die Saugwurzeln gleichmäßig unter der ganzen Krone verteilt, Bei der Vogelmiere (s. S. 40) wird das Wasser durch Haarleisten am Stengel zur Wurzel geleil et -. AMi. S. 406). Wasser- und Sumpfpflanzen, sowie viele Gewächse, die gesellig beieinander stehe,

406

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

lassen das Wasser in keiner bestimmten Richtung von den Blättern abtropfen (warum nicht nötig?;.

g) Welcher Art sind nun die Stoffe, die durch die Wände der Wurzelhaare nach außen dringen? Um dies zu erfahren, nehmen wir einen Blumentopf, der mit feuchtem Sande gefüllt ist, und lassen darin eine Bohne keimen. Vorher aber haben wir in den Sand einige Zentimeter tief eine kleine Marmorplatte gelegt, deren polierte Fläche nach oben gerichtet ist. Nach etwa 14 Tagen

Zweig der Vogelmiere mit Haar- eisten zur Ableitung des Regenwassers. (Nat. Gr.)

nehmen wir die Platte aus dem Sande hervor und reinigen sie sorgfältig. Dann erkennen wir, daß die Politur überall dort, wo die Wurzeln die Platte berührt haben, zerstört worden ist. Die Wurzeln haben also eine Säure ausge- schieden, die kohlensauren Kalk (Marmor) zu lösen vermag. Und wie Kalk, so dürften auch andere Bodenteilchen gelöst und zersetzt werden. Die Pflanze hilft also mit, die notwendige „Nährsalzlösung" zu bereiten.

4. Die Düngung. Verwesen die Pflanzen dort, wo sie gewachsen sind, so werden dem Boden auch die Stoffe wieder zugeführt, die ihm von den Gewächsen entzogen worden sind. Anders ist dies aber z. B. auf Feldern und Wiesen, von denen alljährlich ganze Wagen voll organischer Stoffe entfernt werden. Diesem Boden müssen daher die für den Pflanzenwuchs wichtigen Stoffe (besonders stickstoffhaltige Verbindungen) wieder zugeführt werden. Dies geschieht durch die Düngung.

C. Wie das Wachstum der Wurzel von der Schwerkraft beeinflußt wird.

1. Sehen wir von Ausnahmen ab (Beispiele!), so beobachten wir bei allen Pflanzen, daß die Wurzeln, ihren Aufgaben entsprechend, in den Boden dringen. Diese Tatsache erscheint den meisten Menschen als etwas durchaus Selbstver- ständliches, das gar nicht des Nachdenkens wert ist. Daß dem jedoch nicht so

Bau und Leben der Wurzel.

407

ist, zeigt folgender Versuch: Wir legen einen Bohnenkeimling so in die durch- feuchtete Erde eines Blumentopfes, daß die 2—3 cm lange Hauptwurzel genau wagerecht gerichtet ist. Entfernen wir nach etwa 24 Stunden die Erdschicht, die den Keimling bedeckt, so sehen wir, daß das Wurzelende mit den älteren, nicht mehr wachstumsfähigen Teilen der Wurzel fast einen rechten Winkel bildet. Diese Krümmung kann nur dadurch zustande gekommen sein, daß sich der wachsende Wurzelabschnitt an der Oberseite stärker als an der Unterseite gestreckt hat, (Durch Auftragen von Tuschestrichen wie bei dem S. 403 be- schriebenen Versuche noch deutlicher zu sehen!).

Die Wurzelspitze hat also die Richtung, die wir ihr gegeben haben, verlassen und sich wieder dem Mittelpunkte der Erde zugewendet, wie dies für die Erfüllung ihrer Auf- gaben durchaus nötig ist. Dasselbe beobachten wir an jeder anderen Haupt- wurzel: sie dringt mit großer Kraft nicht selten metertief in den Boden und wendet sich immer wieder senkrecht abwärts, wenn sie durch einen Stein, einen Fels- block oder dgl. aus ihrer Richtung verdrängt worden ist.

2. Wodurch wird die Hauptwurzel zu diesem merkwürdigen Verhalten veranlaßt? Schon der Umstand, daß sie stets dem Mittelpunkte der Erde „zu- strebt", läßt vermuten, daß hierbei die Anziehung der Erde, die Schwerkraft, im Spiele ist. WTie das Licht die Zimmerpflanzen oder die „Kartoffelkeime" im Keller „zu sich hinzieht" (s. S. 413), wird die Wurzelspitze durch die Schwer- kraft angeregt oder gereizt, an der Oberseite stärker zu wachsen als an der Unterseite, so daß jene Abwärtskrümmung eintreten muß. Ist diese Erklärung richtig, so muß eine Keimwurzel, die wir der einseitigen Einwirkung der Schwerkraft entziehen, ein anderes Verhalten zeigen, und das ist der Fall, wie folgender Versuch zeigt: Man befestigt auf einem Metallstabe einen durch- feuchteten Torfwürfel und bestreut ihn mit Samen der Gartenkresse. Die Samen bilden bei Befeuchtung einen klebrigen Schleim (Bedeutung?), haften daher an dem Torfstücke fest und keimen sehr schnell. Setzt man den Metallstab durch ein Uhrwerk in drehende Bewegung der Torfwürfel muß in der Stunde etwa 2 senkrechte Umdrehungen machen , so ist die Seite jeder Keimwnrzel, die

Wachstum der WTurzel unter dem Einflüsse der Schwerkraft. Die wagerecht gelegte Keiimvurzel der Feuerbohne (Fig. 1) hat nach 24 Stunden die in Fig. 2 dargestellte Form angenommen. Bez. der Tusckestrieke vgl. Abb. S. 403).

|us Bau and Leben der einzelnen Pflanzenteile.

jetzt nach oben gekehrt ist, nach einer Viertelstunde nach unten gerichtet u. s. f. Die Schwerkraft kann daher nicht auf eine Seite besonders einwirken und sie zu stärkerem Wachstum veranlassen. Die Wurzeln wachsen daher allseitig gleich stark in der Richtung weiter, in der sie zufällig aus dem Samen hervorge- treten sind.

3. Die aus der Hauptwurzel hervorgehenden Seitenwurzeln wachsen, wie wir wissen (s. S. 100, b), stets senkrecht oder schräg abwärts. Bringen wir sie aus dieser Lage (Umdrehen des Blumentopfes!), so nehmen sie die ihrer „inneren Natur" entsprechende Richtung alsbald wieder ein. Ähnliche Beobachtungen werden wir später (s. S. 411) auch an den Stammgebilden machen; kurz: wir sehen, daß zahlreiche wachsenden Fflanzenteile durch die Schwerkraft beeinflußt, gereizt werden. Die Eigenschaft der Pflanze, auf diese Kraft zu antworten, zu reagieren, bezeichnet man als Geotropismus.

4. Legt man Bohnenkeimlinge auf den Boden (ohne sie also mit Erde zu bedecken), so krümmt sich die Wurzelspitze zwar gleichfalls abwärts, ist aber meist nicht imstande, in die Erde einzudringen. Hierzu, sowie zum Herausziehen der Keimblätter aus der Samenschale bedarf der Keimling eines festen Stütz- punktes: der Samen muß am Boden gleichsam verankert werden.

Den angebauten Pflanzen Schäften wir die notwendige Befestigung an „das Keini- bett", indem wir die Samen (Früchte) mit einer Schicht Erde bedecken. Die Früchte vom Reiher- und Storchschnabel haben die Fähigkeit, sich in die Erde zu bohren, und die Keimlinge der seltsamen Mangrovebäume dringen wie zugespizte Pfähle in den schlammigen Untergrund. Viele Samen rollen infolge ihrer Form und Kleinheit in jede Bodenritze; größere Samen oder Früchte wie z. B. Haselnuß und Eichel vermögen meist nur dadurch an einem geeigneten Orte zum Keimen zu gelangen, daß sie von Tieren verschleppt werden. Bei anderen Samen oder Früchten verklebt die Samen- oder Frucht- hülle durch einen zähen Schleim (Lein, Wegerich) oder durch anhaftende Teilchen des Fruchtfleisches (Kürbis) mit dem Boden. Bei wieder anderen dienen haarförmige (Salweide) oder dornige Anhängsel (Möhre), grubige Vertiefungen (Mohn) oder warzenförmige Er- höhungen (Schlüsselblume) der Samen- oder Fruchtschale dem gleichen Zwecke.

III. Tom Bau und Leben des Stammes.

A. Aufgabe, Wachstum und Formen des Stammes.

1. Aufgabe des Stammes. Die Laubblätter haben wir als die Werk- stätten kennen gelernt, in denen aus anorganischen Stoffen organische gebildet werden. Da dies aber nur unter dem Einflüsse des Sonnenlichtes geschieht, und da einer der wichtigsten Nährstoffe, der Kohlenstoff, der Luft entnommen wird, so müssen die Blätter dem Lichte und der Luft möglichst frei ausgesetzt sein. Eine freie Stellung ist auch für die Blüten notwendig, wenn sie von den Insekten oder dem Winde bestäubt werden sollen, desgleichen für die vielen Früchte oder Samen, die zu ihrer Verbreitung auf Vögel oder den Wind an- gewiesen sind (Beispiele !). Genau wie wir die Wäsche frei aufhängen, um sie der Luft und den Sonnenstrahlen auszusetzen, oder wie wir Aufschriften, die

Bau iin.i Leben i

40ft

weithin gesehen werden sollen (Wegweiser, Firmenschilder, Bekanntma- chungen u. dgl.), hochan Häusern oder auf langen Stangen befestigen, so müssen auch Blätter, Blüten und Früchte durch lange Träger möglichst hoch über den Boden gehoben werden. Diese Träger bilden die Stämme, die bei größeren Pflanzen (Beispiele!) zumeist noch verzweigt, bei den größten (Bäumen) in der Regel sogar vielfach verzweigt sind.

2. Wachstum und Verzweigung des Stammes, a) Legt man die äußerste Spitze eines Zweiges der Wasserpest unter das Mikroskop, oder stellt man durch das entsprechende Stück einer Landpflanze dünne Längsschnitte her, so ist zu erkennen, daß ein solches Stamm- oder Zweigende aus protoplasmareichen, zart- wandigen Zellen aufgebaut ist, die eng an- einander schließen. Da sich diese Zellen durch Teilung lebhaft vermehren, wachsen Stamm und Zweige an dieser Stelle fortgesetzt in die Länge. Den meist kegelförmigen Endabschnitt bezeichnet man daher als Wachstums- oder Vege- tationsk egel.

An jenen Pflanzenteilen sehen wir weiter, wie an dem Stamme kleine Höcker und Wülste entstehen, die, je weiter von der Stammspitze entfernt, immer mehr die Gestalt von Blättern annehmen. Die Blätter sind also ihrer Entstehung nach nichts anderes als Her vor- stülp ungen des Stammes. Der Stamm oder Zweig bildet mit seinen Blättern einen sog. Sproß.

Indem sich der jugendliche Stamm in die Länge streckt, werden die Blätter soweit voneinander entfernt, wie dies für jede Pflanze eigentümlich ist.

Die Stellen des Stammes, an der die Blätter entspringen, sind vielfach augeschwollen (Lippenblütler); man bezeichnet sie daher als Stengelknoten. Das zwischen je zwei Stengelknoten liegende Stammstück heißt Stengelglied. Oft bleiben die Stengelglieder so kurz, daß die Blätter fast ohne Zwischen- raum aufeinander folgen. Solche verkürzte (gestauchte) Stämme findet man z. B. bei Pflanzen, deren Blätter eine Rosette bilden (Wegerich, Schlüssel- blume u. a.).

b) Im allgemeinen eilen die jungen Blätter in ihrer Ausbildung dem sich streckenden Stamm- oder Zweigende voraus. Sie legen sich schützend über den sehr zarten Wachstumskegel, decken sich gegenseitig und bilden eine Knospe. Die Wachstumsstelle des Stammes bedarf daher im Gegensatz zur wachsenden Wurzelspitze keines besonderen Schutzorgans (Wurzelhaube!). Soll die Knospe

/;.

B.

Wachstumskegel der Wasserpesl (200 mal vergr.). B. Blattanlagen,

410

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

K.

angünstige Zeiten (Winter, lange Dürre) überstehen, so wird sie meist durch besondere Blätter (Knospenschuppen) und andere Mittel fest abgeschlossen (s. S. 41, B). Bei den unterirdischen Stämmen (Windröschen, Maiblume u. a.), bei denen die Knospe den oft festen Boden durchdringen muß, sind die den Schutz bewirkenden Blätter sehr fest („Hüllblätter").

An dünnen Schnitten durch die Knospe, z. B. der Linde, er- kennt man, daß sich in den Blatt- achseln Anlagen zu beblätterten Seitenzweigen bilden. Entweder wachsen diese Anlagen gleich weiter oder sie verharren im Knospen- zustande. Im Gegensatz zu den „Endknospen", die das "Wachs- tum des Stammes oder Zweiges oft viele Jahre lang fortsetzen, be- zeichnet man diese Knospen als Achselknospen. Da die Zweige aus den Achseln der Blätter ent- springen, stimmt die Stellung der Zweige mit der der Blätter überein (Beispiele!).

c) Bei gewissen Pflanzen be- sitzen aber auch ältere Teile die Fähigkeit, Knospen und damit neue Sprosse zu er- zeugen. Am häufigsten treten uns solche Sprosse als „Stockausschlag" geköpfter Bäume (Weiden, Pappeln, Robinie u. a.) oder als „Wurzel- brut" entgegen (Pflaumenbaum, Weißdorn u. v. a.). Auch aus Blättern (Wiesenschaumkraut) oder Wurzelstücken (Meerrettich, Löwenzahn u. a.) können sie hervorgehen.

d) Je größer die Blätterlast ist, die ein Stamm zu tragen hat, eine umso größere Festigkeit muß er besitzen. Verhältnismäßig kleine Pflanzen von kurzer Lebensdauer (ein- oder zweijährige Gewächse ; Beispiele !), die sog. Kräuter, haben daher nur einen weichen, saftigen und meist grünen Stamm. Er erliegt der Winterkälte und wird in der Regel Stengel genannt. Einen hohlen Stengel, der durch verdickte Knoten und Quer- scheidewände deutlich gegliedert ist, bezeichnet man als Halm (Gräser). Trägt der Stengel nur eine Blüte oder nur einen Blütenstand, so nennt man ihn Schaft (Schnee- glöckchen, Hyazinthe).

Dauert der Stamm mehrere oder viele Jahre aus (ausdauernde Pflanzen), so finden in ihm weitgehende Verholzungen statt (s. später). Er wird zum Holzstamm (kurz

R. G. M. G. R.

Längsschnitt durch eine Endknospe

(schematisch). W. Wachstumskegel; B. Blätter

K. Achselknospen. "Wegen der übrigen Bezeich

nungen vgl. den zweiten Abdruck dieser Abb

auf S. 416.

Bau und Leben des Stammes. 411

nur „Stamm" genannt), der die größten Lasten zu tragen vermag und gegen die Winter- kälte oft außerordentlich unempfindlich ist (Beispiele!). Bei den St räuchern lösen sich die meist zahlreichen Stämme vom Boden aus in Äste auf. Bei den B ä u in e n da- gegen bleibt der untere Stammteil unverzweigt.

3. Abweichende Stammformen. Bei zahlreichen Pflanzen haben der Stamm oder gewisse Zweige andere Aufgaben zu erfüllen, als die Blätter, Blüten und Früchte möglichst frei zu stellen. Diesen Sonderaufgaben entspricht dann auch die Form dieser umgewandelten Stammgebilde :

a) Seitenzweige, die am Grunde von Stämmen entspringen, nehmen häufig die Gestalt sog. Ausläufer an. Sie liegen dem Boden auf (Erdbeere, Veilchen u. a.) oder kriechen unter der Erde fort (zahlreiche Gräser, Riedgräser n. a.), schlagen an den weit auseinander gerückten Stengelknoten meist Wurzeln und bilden oberirdische Sprosse. Löst sich der Zweig später von der Mutterpflanze, so führen die Sprosse von nun ab ein selbständiges Leben (Vermehrung !).

b) Holzige Zweige, die in eine stechende Spitze auslaufen, sind die Dornen. Sie dienen als Schutzwehr gegen größere Pflanzenfresser (wilder Birnbaum, Schwarz- und "Weißdorn u. a.).

c) Stengelranken, wie wir sie beim Weinstock kennen lernten (s. S. 62), dienen der Anheftung schwacher Stämme an eine Stütze.

d) Mit Hilfe unterirdischer Stämme vermögen andere Gewächse, die sog. Stauden, die für sie ungünstige Zeit des Jahres zu überstehen. Für die Pflanzen unserer Heimat (Schlüsselblume, Maiblume u. v. a.) ist diese Zeit der Winter ; für die der warmen oder wärmeren Gegenden der regenlose Sommer (s. Tulpe). Bei Beginn dieser Zeit sind die im Erdboden wohl geborgenen Stämme mit Baustoffen angefüllt, während die ober- irdischen Teile absterben. Nach ihrer Form unterscheidet man diese Stammgebilde als unterirdische Stämme i. e. S. (Wurzelstöcke, Rhizome), Zwiebeln (s. Tulpe) und Knollen (s. Kartoffel).

B. Die Richtung* der Stämme und Zweige.

1. Einwirkung- der Schwerkraft, a) Es gibt zwar einige Pflanzen, deren oberirdische Stämme dem Erdboden aufliegen (Gundermann, Pfennigkraut u. a.), im allgemeinen aber stehen diese Pflanzenteile überall auf der Erdkugel senkrecht. Selbst auf Berglehnen und anderen schrägen Flächen ist dies der Fall. Legen wir einen Samen in die Erde ganz gleich, welche Lage wir dem von der Samenhaut umhüllten Keimlinge gegeben haben ! , sein Stengel wächst in jedem Falle senkrecht nach oben. Sind Baumstämme durch den Wind umgestürzt, aber noch nicht völlig entwurzelt, so stellt sich der wachstumsfähige Teil des Gipfeltriebes nach kurzer Zeit wieder in die Lotrichtung. Hat sich das noch grüne Getreide gelagert, so richten sich die Halme durch einseitiges Wachstum gewisser Knoten wieder empor (s. S. 254). Kurz : solche und ähnliche Beobachtungen können wir tagtäglich machen, wenn wir mit offenen Augen durch die Natur wandern.

Auch künstlich können wir diese Erscheinungen leicht hervorrufen: legen wir z. B. den Blumentopf, in dem wir irgend welche Eeimpflänzchen ge- zogen haben, wagerecht, so krümmen sich die Stengel alsbald sc» stark, daß

412 Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

sie wieder senkrecht zu stehen kommen; dasselbe beobachten wir an jeder Zimmerpflanze, ja sogar an abgeschnittenen Stengelteilen (an jungen Laub- und Blütenzweigen, am Schafte des Löwenzahns u. s. w.), die wir z. B. so in einen mit feuchtem Sande gefüllten Blumentopf stecken, daß sie wagerecht zu liegen kommen.

b) Wiederholen wir jetzt den Versuch, durch den wir die einseitige Wirkung der Schwerkraft auf Pflanzenteile aufheben können (s. S. 407,2), so sehen wir, daß sich die Stengel gleich den Wurzeln nach allen Richtungen des Baumes erstrecken. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, daß die senkrechte Stellung der Stämme, sowie das Zurückkehren wachsender Stengelteile in die Lotrichtung unter dem Einflüsse der Schwerkraft erfolgt, oder kurz: daß wir es hier mit geotropischen Erscheinungen zu tun haben (s. S. 408).

Ein Stengelteil, der aus der senkrechten Stellung gebracht ist, wird wie die wagerecht gelegte Hauptwurzel in unserem Versuche einseitig von der Schwerkraft gereizt. Wie wir nun in jedem Falle beobachten können (besonders deutlich an den Knoten des sich aufrichtenden Grashalms!), wird das Wachs- tum der Unterseite gesteigert, das der Oberseite dagegen gehemmt, so daß ein Aufrichten des Stengels erfolgen muß. Auf senkrecht stehende Stämme wirkt die Schwerkraft wie auf senkrecht gerichtete Hauptwurzeln ringsum gleich: sie wachsen daher auf allen Seiten auch gleich stark, d. h. sie behalten die senkrechte Bichtung bei.

c) Die Schwerkraft wirkt auf die Stämme aber genau umgekehrt wie auf die Hauptwurzel: während diese erdwendig oder positiv-geotropisch ist, sind die (oberirdischen) Stämme erdflüchtig oder negativ-geotropisch. Wie wir das Eindringen der Hauptwurzel in den Boden als durchaus zweck- mäßig erkannten, so steht auch die Erdflüchtigkeit der Stämme mit ihrer Auf- gabe in innigstem Zusammenhange: denn soll der Stamm die Blätter in der Luft und im Lichte ausbreiten, sowie Blüten und Früchte freistellen, so muß er sich möglichst hoch über den Erdboden erheben.

d) Derselben Aufgabe haben auch die Zweige zu dienen. Da aber der Platz senkrecht über dem Boden bereits „vergeben" ist, müssen sie sich schräg aufwärts oder wagerecht stellen. Diese Bichtung behalten sie wie die Seitenwurzeln (s. S. 408, 3) auch mit größter Zähigkeit bei: sucht man sie z. B. durch An- binden senkrecht zu stellen, so schlägt der wachstumsfähige Endteil doch wieder die ursprüngliche Bichtung ein. Gleiche Beobachtungen kann man auch an den unterirdischen Stämmen (Wurzelstöcken) machen, die wagerecht oder schräg im Boden liegen: alles Zeichen, daß diese Pflanzenteile gleichfalls unter dem Einflüsse der Schwerkraft stehen. Während Hauptwurzel und Stämme die Bichtung des Erdradius innehalten, schneiden diese die Lotrichtung. Da man nun eine Linie die eine andere schneidet, eine Transversale (i. w. S.) nennt, so bezeichnet man jene Pflanzenteile als transversal-geotropisch. (Beobachte, wie sich häutig ein Seitenzweig senkrecht richtet, wenn eine Pflanze den Gipfeltrieb verloren bat!)

Hau iiml Leben des Stammes. H n

e) Durch den Einfluß der Schwerkraft vermögen auch die achwachen Stengel der windenden Pflanzen zum Lichte emporzusteigen. Wie dies im einzelnen erfolgt, haben wir bereits bei der Bohne (s. S. 101, 4) kennen gelernt. Ergänzend sei daher hier nur folgendes bemerkt: Wir wissen, dal.; der übergeneigte Stengelteil dieser Pflanze beständig nach links im Kreise schwingt. Wie das oben erwähnte Abwärtskrümmen der «vagerechten Warzelspitze oder das Ä.ufwärtskrümmen des gleichfalls wagerechl gelegten Stengels klimmt diese Bewegung dadurch zustande, daß der schwingende Stengelabsehnitt an der entgegengesetzten, also rechten Seite fortgesetzt im Wachstum gefördert wird. Ahmen wir diese Bewegung mit Hilfe eines Gummischlauches, der am Unterende etwa in einen Schraubstock gespannt ist (unterer, feststehender Stengelabsehnitt !), genau nach, so erkennen wir deutlich, daß der Gipfel eine doppelte Bewegung ausführt : ein- mal dreht er sich wie ein Uhrzeiger im Kreise, sodann aber auch wie der Stift, der die Uhrzeiger trägt, um seine ^eigene) Längsachse. Daher „wandert" ein Tuschestrich, diu wir an dem schwingenden Stengelteile anbringen, mit jeder Kreisbewegung des Gipfelteils auch einmal um den Stengel. Es kommen mithin fortgesetzt andere Stengelteilchen in die Seitenlage, so daß die Bewegung ununterbrochen weiter gehen maß. Ist die Stütze um- schlungen, so tritt wie wir weiter an der Bohne beobachtet, haben eine Streckung des Stengels nach oben ein, eine Erscheinung, in der wir leicht einen negativ geo- tropischen Vorgang erkennen. Wie bei der Bohne erfolgen auch bei den Winden und zahlreichen anderen Kletterpflanzen die Windungen in entgegengesetzter, bei dem Hopfen und Geißblatte dagegen in derselben Richtung, in der sich der Uhrzeiger bewegt : die Pflanzen sind links- bezw. rechtswindend.

2. Einwirkung* des Lichtes, a) Zimmerpflanzen, die am Fenster stehen, neigen sich dem Lichte zu, und die „Kartoffelkeime" im Keller strecken sich den schwachen Lichtrahlen entgegen, die durch das kleine Fenster eindringen. An Bäumen und Sträuchern, die am Waldesrande, an Mauern oder im Schatten höherer Bäume wachsen, lassen sich oft ganz ähnliche Erscheinungen beobachten : ihre Stämme und Zweige sind mehr oder weniger nach der Lichtseite geneigt, sodaß die Kronen oft eine merkwürdige Gestalt annehmen. Diese und viele ähn- liche Tatsachen zeigen, daß die Pflanzen unter dem Einflüsse des Lichtes gewisse Krümmungen ausführen. Diese Eigenschaft der Ge- wächse bezeichnet man als Heliotropismus.

b) Wie wir z. B. an Zimmerpflanzen leicht beobachten können, sind jedoch nur wachsende Pflanzenteile (Zweigenden u. dgl.) imstande, dem Einflüsse des Lichtes Folge zu leisten oder kurz: sich heliotropisch zu krümmen. Tragen wir an wachsenden Stengeln, so lange sie noch ganz gerade gestreckt sind, Querstriche mit Tusche auf, die je 1 mm voneinander entfernt sind, so sehen wir nach erfolgter Krümmung, daß sich die Striche auf der Schattenseite weit voneinander entfernt haben, während sie auf der „Lichtseite" nur wenig oder gar nicht auseinander gerückt sind. Das Licht hat die Pflanzenteile also gereizt, auf der Schattenseite stärker zu wachsen als auf der Lichtseite, so daß jene Krümmungen stattfinden mußten. (Dieser Versuch läßt sich besonders gut mit Keimpflanzen anstellen.)

c) Wie in den beobachteten Füllen suchen fast alle oberirdischen Stämme und Zweige (bei einseitiger Beleuchtung) das Licht auf und wachsen in der

414 Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Richtung des Lichtes weiter. Sie sind lichtwendig oder positiv-helio- tropisch, eine Erscheinung, die mit der Aufgabe dieser Pflanzenteile (s. S. 408, 1) wieder aufs innigste zusammenhängt.

Die meisten Kletter wurzeln (Efeu), Banken (Weinstock) und Erdwurzeln dagegen fliehen das Licht (beweise dies durch entsprechende Versuche!). Sie sind, wie es zur Erfüllung ihrer Aufgabe gleichfalls notwendig ist (Beweis!), lichtscheu oder negativ heliotropisch.

Wie man an den Zimmerpflanzen sehen kann, suchen die Blätter gleich den Stämmen und Zweigen das Licht auf und stellen sich ihm zumeist senk- recht entgegen. (Beobachte, wie sich mit der Richtung des Lichtes auch die Stellung der Blattflächen ändert !) Auf diese Weise fangen sie (s. Abb. S. 44) die größtmögliche Menge von Lichtstrahlen auf, eine Tatsache, die für die Assimilation von höchster Wichtigkeit ist. Die Blätter sind also transversal- heliotropisch.

Kurz: wie zur Schwerkraft, nehmen auch die Pflanzenteile zum Lichte genau die Lage ein, die für ihr Leben notwendig ist. Bringt man sie aus dieser Lage, so suchen sie dieselbe, solange sie noch wachstumsfähig sind, wieder zu erlangen. (Inwiefern ist es für das efeublättrige Leinkraut von Vorteil, daß seine Blütenstiele positiv-, seine Frucht- stiele dagegen negativ-heliotropisch sind?)

3. Einwirkung durch Berührung. Gleich den windenden Pflanzen vermögen auch die rankenden nur dadurch ihre Blätter, Blüten und Früchte in die Luft und das Licht zu erheben, daß sie sich an fremden Gegenständen aufrichten. Sie bedienen sich der Ranken, in denen wir bereits Stengel- (Weinstock) oder Blattgebilde (Erbse) erkannt haben. Bei einigen Pflanzen (Waldrebe, Kapuzinerkresse u. a.) übernehmen es die Stiele der sonst unveränderten Blätter, den schwachen Stamm an die Stützen zu binden.

Wie wir nun bei der Betrachtung des Weinstocks gesehen haben (s. S. 62), gehen mit der Ranke, sobald sie bei ihren kreisenden Schwingungen auf eine Stütze trifft, eine Anzahl wichtiger Veränderungen vor sich: die Berührung der Stütze wirkt anf die Ranke also wie ein Reiz. Durch den Reiz wird das Rankenende veranlaßt, sich zu krümmen, d. h. auf der Außenseite stärker als auf der Innenseite zu wachsen und dadurch die Stütze zu umschlingen. Ist die Befestigung erfolgt, dann rollt sich der freie Rankenteil korkzieherartig ein, und die ganze Ranke verholzt, ein Zeichen, daß der Reiz auch auf Teile fortgepflanzt wird, die mit der Stütze nicht in Berührung gekommen sind. Wir haben es hier also mit einer ähnlichen Reiz- leitung zu tun, wie sie in unseren Nerven stattfindet. (Eine Fortleitung des Reizes können wir deutlich z. B. auch an den Drüsenhaaren des Sonnentaublattes, sowie an den Blättern der Sinnpflanzen beobachten. Wie wirkt der Reiz beim wilden Wein und bei anderen rankenden Kletterpflanzen unserer Fluren und Gärten?)

C. Der Bau des Stammes in seinen Grundzügen.

1. Die „Bausteine" des Stammes. Wie wir gesehen haben, nimmt der Stamm dadurch fortgesetzt an Länge zu, daß sich die Zellen, die den Wachs- tumskegel aufbauen, durch Teilung lebhaft vermehren. Diese Zellen sind aber,

Bau und Leben des Stammes.

415

ihrer Aufgabe entsprechend (Teilung!), außerordentlich zartwandige Gebilde. Die älteren Stammteile, die aus diesen Zellen hervorgehen, können aus einem solchen Bauraateriale jedoch unmöglich bestehen; denn sie haben ja nicht nur ihr eigenes Gewicht, sondern auch das der Zweige, Blätter, 1 Muten und Früchte zu tragen, sowie dem Anpralle des Windes und der Regentropfen Widerstand zu leisten. Die Wände der Zellen müssen daher mit fortschreitendem Alter an Festigkeit und Widerstandsfähigkeit zunehmen.

(>.

Gr.

G.

Ms.

/;.

Querschnitt eines Stammes (schematisch) 1. von einer zweikeimblättrigen Pflanze oder einem Nadelholze, 2. von einer einkeimblättrigen Pflanze. 0. Oberhaut; Gr. Grund- gewebe; Gr. Gefäßbündel. In Fig. 1. ist das Grundgewebe (Gr.) wieder geschieden in: M. Mark; R. Kinde und Ms. Markstrahlen. Die Gefäßbündel sind aus einem Eolzteile II. I und einem Bastteile (B.) zusammengesetzt. Zwischen diese Teile schiebl sieh in Fig. 1. das Kambium (K.).

Außerdem sind, wie wir gleichfalls schon gesehen haben, die Zellen des Wachstumskegels vollkommen gleichartig, so daß jede einzelne alle zum Leben und Wachstum notwendigen Arbeiten verrichten kann. Da die Arbeiten im ., Zellstaate" aber besser und vollkommener ausgeführt werden, wenn sie auf die einzelnen „Bürger" verteilt sind (s. S. 366), so tritt (bei höheren Pflanzen) wie im Blatte und der Wurzel auch im Stamme eine bis ins einzelnste gehende Arbeitsteilung ein.

Sollen die Zellen des Wachstumskegels zu Bausteinen älterer Stamm teile werden, so müssen mit ihnen also tiefgreifende Veränderungen vor sich gehen. Unter dem Wachstumskegel beginnt die Gleichartigkeit der Zellen daher bereits zu schwinden, und die Veränderungen werden umso größer, je tiefer die „lebenden Bausteine" unter dem Stammende zu liegen kommen. In ausgebildeten Stammteilen haben sie ihre Entwicklung beendigt.

2. Der Bauplan des Stammes. Stellen wir durch den ausgewachsenen Stengel einer krautigen Pflanze in verschiedener Höhe dünne Querschnitte

4 IG

Bau und Leben d<

inzelnen Pflanzenteil

her, so ergibt sich überall folgendes: In der äußersten Zellschicht erkennen wir die uns bereits bekannte Oberhaut (s. S. 381) leicht wieder. Die ganze lanenfläche unseres Schnittes \ wird von randlichen Zellen eingenommen. In dieses maschenartige „Grundgewebe" (Name!) sind scharf umgrenzte Zell- gruppen eingelagert, die man als Gefäßbündel bezeichnet. Aus diesen übereinstimmenden Befunden geht hervor, daß der Stengel einen Zylinder von Grundgewebe darstellt, der außen von der Oberhaut bedeckt und in seiner ganzen Länge von zahlreichen Gefäßbündeln durchzogen ist.

Den niederen Pflanzen (Moosen, Algen und Pilzen) fehlen die Gefäßbündel stets. »Sie stellen daher den übrigen Gewächsen, den „Gefäßpflanzen" (Farn- und Blütenpflanzen), als Zellpflanzen " gegenüber.

Untersuchen wir Vertreter der drei großen Gruppen der Blutenpflanzen, so erkennen wir, daß in dem gemeinsamen Bauplane ihrer Stämme ein wichtiger Unterschied vorhanden ist (s. Abb. S. 415):

a) Auf Querschnitten durch einen krautigen Stengel oder jungen Zweig einer

zweikeimblättrigen Pflanze oder eines Nadelholzes sehen wir, daß die Gefäßbündel in einem deut- lichen Kreise um die Längsachse des Stengels (oder den Mittelpunkt des Querschnitts) gelagert sind. Hiedurch wird das Grundgewebe in zwei deutlich voneinander ge- trennte Teile geschieden : in das Mark, das innerhalb, und die Binde, die außerhalb des Ge- fäßbündelringes liegt. Die Teile des Grundgewebes, die die einzelnen Gefäßbündel voneinander trennen und Mark und Binde verbinden, werden als Markstrahlen be- zeichnet. (An jungen Zweigen des Pfeifenstrauches sind alle diese Teile schon mit unbewaffnetem Auge zu erkennen.)

b) An Querschnitten durch den Stengel einkeimblättriger Pflanzen (z. B. vom Mais oder von einem Liliengewächse) erkennen wir, daß die Gefäßbüudel unregel- mäßig in dem Grundgewebe ver- streut sind. Es findet daher hier auch keine deutliche Sonderung

K.

R. G. M. G. R.

Längsschnitt durch den oberen Teil eines Stammes einer zweikeimblättrigen Pflanze (schematisiert). W. Wachstumskegel ; B. Blatter, in deren Achseln sich Knospen (EL.) bilden. Die äbrigen Bezeichnungen wie in der vorhergehen- den Abbildung.

Bau und Leben des Stammes. 417

des Grundgewebes in Mark, Rinde und Markstrahlen statt. Die den zweikeim- blättrigen Pflanzen entsprechenden Teile des Grundgewebes werden jedoch gleich- falls als Mark oder Rinde bezeichnet.

3. Die Verbindung des Stammes mit Blatt und Wurzel, a) Wie

man sich durch Quer- und Längsschnitte, die man durch krautige Stengel oder junge Zweige herstellt, leicht überzeugen kann, biegen in jedes Blatt ein oder mehrere Abzweigungen von Gefäßbündeln ein. Dort bilden sie die Nerven oder Adern des Blattes, die sich aus uns bereits bekannten Gründen (s. S. 394) immer feiner verzweigen. Beim Zerreißen des Wegerich- blattes treten uns die Gefäßbündel als zähe, feste Stränge entgegen. Auch die Nerven in den einzelnen Blütenteilen und in den Früchten sind nichts anderes als Gefäßbündel und deren Verzweigungen.

b) Ebenso stehen auch die Gefäßbündel des Stammes mit dem einzigen Gefäßbündel der Wurzel im Zusammenhang (s. Abb. S. 429). Dieser feste Strang durchzieht die Wurzel der Länge nach. Er ist von einer dicken Rinde umgeben, die wieder von einer Oberhaut bedeckt ist. Im Innern des Gefäß- bündels ist vielfach ein lockeres Mark vorhanden: der Bau der Wurzel stimmt also im wesentlichen mit dem des Stengels überein.

D. Die Gefäßbündel.

Betrachtet man ein Gefäßbündel auf Querschnitten, die man durch den Stengel einer Blütenpflanze hergestellt hat, so läßt sich leicht folgendes fest- stellen: Wie die Anwendung von Chlorzinkjodlösung zeigt (s. S. 365), besitzen die nach innen gerichteten Bestandteile der Gefäßbündel im Gegensatz zu den nach außen liegenden stark verholzte Wände. Das Gefäßbündel besteht also aus zwei Teilen: dem inneren Holzteile und dem äußeren Bastteile. Zwischen beiden liegt jedoch nur bei den zweikeimblättrigen Pflanzen und Nadelhölzern eine Schicht sehr zartwandiger Zellen, das Kambium.

Die Gefäßbündel der Blätter, die Blattnerven, sowie die der Wurzeln bestehen wie hier ergänzend erwähnt sein mag gleichfalls aus Holz- und Bastteil (s. Abb. S. 380). Da sich die Gefäßbündel der Blätter gleichsam aus dem Stengel herausbiegen, muß bei ihnen der Holzteil nach oben, und der Bastteil nach unten gerichtet sein. Das Gefäß- bündel der Wurzel besteht wie die Abb. S. 429 zeigt aus mehreren Holz- und Bastteilen, die so im Kreise gelagert sind, daß sie miteinander abwechseln.

1. Der Holzteil. Schon auf dem Querschnitte erkennen wir, daß der Holzteil aus sehr verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt ist. Auf Längs- schnitten tritt uns dies noch deutlicher entgegen. Zuerst sehen wir lauge, weite Röhren, deren Wände verschiedenartige Verdickungen aufweisen (s. S. 364). Sie sind aus übereinander liegenden, zylindrischen oder prismatischen Zellen dadurch hervorgegangen, daß sich deren Querwände auflösten. Man bezeichnet sie als Holzgefäße oder kurz als Gefäße (daher: Gefäßbündel!), und zwar unter- scheidet man nach der Form der Wandverdickungen Ring-, Schrauben-, Netz-

Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 27

418

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

und Tüpfelgefäße. Sie sind im Durchschnitt etwa 10 ein, in Ausnahmefällen aber (z. B. bei der Eiche und Bobinie) einen oder gar mehrere Meter lang und er- scheinen auf dem Querschnitte oft schon dem unbewaffneten Auge als Löcher oder Poren (s. Abb. S. 421).

Querschnitt eines Gefäfibiimlels aus dem Stengel einer Keimpflanze des Wunder-

baumes (Ricinus). R. Die angrenzenden Zellen der Rinde, (Js. Die Gefäßbündel- sebeide (Zellen mit Stärkekörnern angefüllt). K. Kambium. Zwischen (Is. und K. der Bast teil der Gefäßbündel mit Gruppen dickwandiger Bastfasern. M. Die an- grenzenden Zellen des Markes. Zwischen K. und M. der Holz teil des Gefaßbündels, aus verschieden weiten Gefäßen, dickwandigen Holzfasern und Zellen mit anverdickten Wanden bestehend.

Neben den Gefäßen treten in der Eegel noch ganz ähnliche Gebilde von geringerer Weite auf. Sie sind aber nicht durch Verschmelzung von Zellen entstanden, sondern selbstZellen. Daher werden sie auch „Gefäßzellen" genannt. (In den Gefäßbündeln der Gefäß-Sporenpflanzen finden sich trotz des Namens statt der Gefäße in der Eegel nur Gefäßzellen.)

Zwischen den Gefäßen und Gefäßzellen liegen meist noch Gruppen von

Bau und Leben des Stammes.

419

Zellen gewöhnlicher Form, die entweder stark verdickte oder unverdickte Wände besitzen. Die Zellen der ersteren Art sind langgestreckt, besitzen zugespitzte Enden und werden als Holzfasern bezeichnet. Die anderen Zellen sind kürzer, prismatisch, enthalten Protoplasma und dienen gleich allen anderen lebenden Bestandteilen der Stämme bei ausdauernden Gewächsen während des Winters als Vorratskammer für Baustoffe (Stärke oder Öl). Gefäße, Gefäßzellen und Holz- fasern verlieren, nachdem sie vollständig ausgebildet sind, ihren Inhalt: es sind

B. II.

Längsschnitt durch ein Gefäßbündel einer zweikeimblättrigen Pflanze (schematisch.) R. Die angrenzenden Zellen der Rinde. B. Bast teil und zwar: 1 Bastfasern, 2 zartwandige Bastzellen, 3 Siebröhren. K. Kambium. II. Eolzteil und zwar: 4 Tüpfelgefäß, 5 Holzfasern. 6 Ringgefäß, 7 prismatische Zellen, mit Stärkekörnern an- gefüllt, 8 Gefäßzellen, Netzgefäß, 10 Schraubengefäß. M. Die angrenzenden Zellen

des Mark,-.

dann tote, aber wie wir weiter unten sehen werden nicht etwa wertlose Bestandteile des Stammes. Kocht man Holz mit verdünnter Natronlauge, so zerfällt es in seine Bestandteile. Dieses Verfahren wird im großen angewendet, um aus dem Holze das Material zu gewissen Papiersorten zu gewinnen. Wird das Holz nur zerrieben, so erhält man den „Holzschliff". Dieser findet Verwendung bei der Herstellung geringerer Papiere („Holzpapiere"), die besonders zu Zeitungen u. dgl. gebraucht und nach kurzer Zeit gelb werden.

2. Der Bastteil. Auch der Bastteil besteht aus verschieden geformten Bestandteilen. Stets finden sich lange Zellreihen, deren Scheidewände zwar er- halten geblieben, aber siebartig durchlöchert sind („Siebplatten"). Diese sog. Siebröhren enthalten außer etwas Protoplasma, das die Wände überkleidet,

420

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

eine mehr oder weniger verdünnte Eiweißlösung, die durch die Siebplatten von Zelle zu Zelle wandert.

Neben gleichfalls zartwandigen, aber rundlichen oder prismatischen Zellen treten im Baste noch langgestreckte Zellen mit sehr dicken Wänden auf. Diese zähen und festen Bastfasern sind es, die man vom Flachs, Hanf und einigen Brennesselgewächsen, sowie von der Linde und zahlreichen anderen Pflanzen ge- winnt und zur Herstellung von Gespinsten oder Flechtwerken, zum Anbinden u. dgl. verwendet.

Die Zellen der Rinde, die an den Bastteil grenzen, sind in der Regel von den übrigen Rindenzellen verschieden. Sie enthalten nieist zusammengesetzte Stärkekörner und bilden" die sog. Gefäßbündelscheide.

Dicken Wachstum der Stämme

(s&iematisch). 1. Querschnitt durch einen einjährigen Stamm mit einem geschlossenen Kambium-Zylinder (K.). 2. Querschnitt durch einen dreijährigen Stamm. Zwischen je 2 Gefäßbündel hat sich ein neues Gefäßbündel eingeschoben. Die Holzteile (H.) der Gefäßbündel lassen je 3 Jahres- ringe erkennen: in ihnen haben sieb einige (radienartig verlaufende) Nebenmarkstrahlen gebildet. Die übrigen Bezeichnungen wie in Abb. S. 415.

3. Das Kambium und das Dickenwachstum der Stämme. Die krautigen Stengel einjähriger Pflanzen erleiden in ihrem Bau keine wesentliche Verände- rung. Anders dagegen verhält es sich mit dem (oberirdischen) Stamme derjenigen Pflanzen, deren Leben viele Jahre währt, und deren Krone immer mehr an Umfang zunimmt : Ihr Stamm wächst fortgesetzt in die Dicke und entwickelt sich nach und nach zu einer mächtigen Holzsäule, die die riesige Last der Krone tragen und selbst den stärksten Stürmen trotzen kann. Wie bilden sich nun diese Holzmassen?

a) Die „Holzgewächse" unserer Heimat gehören sämtlich den zweikeim- blättrigen Pflanzen oder den Nadelholzgewächsen an, bei denen wie wir ge- sehen haben die Gefäßbündel zu einem Kreise geordnet, und Holz- und Bastteil dieser Bündel durch eine Kambiumschicht getrennt sind. Indem die Gefäß- bündel größer werden und sich neue zwischen ihnen bilden, verschmelzen die

Bau und Leben des Stammes,

421

Holzteile nach und nach zu einem massiven Holzkörper, der die Reste des Markes umschließt.

Ebenso vereinigen sich auch die Bastteile der Gefäßbündel. Sie bilden mit der Rinde einen hohlen Zylinder, der den Holzkörper umgibt und gemeinhin

Gleichzeitig haben sich in den Markstrahlen die Zellen, die an das Kambium grenzen, durch Teilung ebenfalls in Kambium verwandelt (s. Abb. S. 418 K). So entsteht ein sehr dünner Kambium-Zylinder, der Rinde und Holzkörper voneinander trennt und auf dem Querschnitte des Stammes als Kreis erscheint. (An dünnen Zweigen des Pfeifenstrauches ist dieser Kreis schon mit bloßem Auge deutlich zu erkennen.) Da die Zellen des Kambiums außerordentlich zart sind, so lassen sie sich durch Klopfen leicht zerstören. Daher ver- mögen die Kinder die Rinde z. B. der Weidenzweige vom Holzkörper leicht ab- zulösen , um daraus Pfeifen herzustellen.

b) Die Kambium- zellen sind nun gleich den Zellen des Wachs- tumskegels imstande, sich durch Teilung fort- gesetzt zu vermehren. Die neu entstehenden Zellen bilden sich nach innen zu Gefäßen, Gefäßzellen, Holzfasern und prismatischen Holzzellen, nach außen dagegen zu Siebröhren, Bastfasern und anderen Bestandteilen des Bastes um. Auf diese Weise erhalten Holz und Bast einen Zuwachs: der Stamm wächst in die Dicke. WTie die Erfahrung zeigt, ist die Neubildung des Holzes bei weitem größer als die des Bastes.

Da die Gefaßbündel der einkeimblättrigen Gewächse keine Verdickungsschicht. kein Kambiuni, enthalten, besitzen die Stämme dieser Pflanzen bis auf Ausnahmen (Drachen- bäuuie, Palmlilien und ein Teil der Palmen) auch kein Diekenwaehstum. In dem MalJe. in dem die Stämme dicker werden, nehmen auch die Wurzeln der betreffenden Pflanzen fortgesetzt durch Dickenwachstum y.n (Bedeutung Vi.

M. M.

Querschnitte durch das Holz eines Laub- und eines Nadelbaumes. 1 Holz der Buche (mit zahlreichen Gefäßen). 2 Holz der Fichte (besitzt keine Gefäße). F. Das lockere Frühjahrs-, H. das festere Herbstholz, das die Grenzen der Jahresringe bildet. M. Markstrahlen. N. Nebenmarkstrahlen, die blind im Holze endieen,

422 Bau nn(l Leben der einzelnen Pflanzenteile.

c) Der Zuwachs geht in unseren Breiten (wie in allen außertropischen Gegenden) nur vom Frühjahre bis zum Herbste vor sich. In der Kegel besitzt nun das Holz, das sich im Frühjahre bildet, dünnwandigere Bestandteile von größerer Weite und ist reicher an Gefäßen als das später im Jahre entstehende. Daher läßt sich das lockere, poröse Frühjahrsholz meist leicht von dem festeren und dichteren Herbst holze unterscheiden. So kommt es in der Holzmasse zur Bildung von Jahresringen, deren Anzahl bei normalem Wachstum das Alter der Bäume angibt. Das Holz der Nadelbäume besteht (vom 2. Jahresringe ab) nur aus Gefäßzellen.

Mit dem Holze der älteren Jahresringe geht in der Begel eine wichtige Veränderung vor sich. In die WTände oder Hohlräume der einzelnen Bestand- teile lagert sich Gerbstoff oder Gummi ein, Stoffe, die das Holz gegen den An- griff Fäulnis erregender Pilze schützen. (Wozu verwenden wir die Gerbstoffe?) Hierdurch erhält das Holz eine dunklere Farbe, so daß es sich als Kernholz meist deutlich von dem helleren Holze der jüngsten Jahresringe, dem Splint, abhebt. (Im Kernholze mehrerer Bäume, z. B. der Weiden, lagern sich keine Schutzstoffe ab. Was beobachten wir daher häufig an W'eidenstämmen?)

d) Das Kambium, das sich zwischen den einzelnen Gefäßbündeln ge- bildet hat, besitzt gleichfalls ein fortgesetztes Wachstum. Durch seine Tätigkeit werden die Markstrahlen nach beiden Seiten verlängert. Werden Holz- und Bastteil der Gefäßbündel immer breiter, so beginnt auch das Kambium in den Gefäßbündeln an gewissen Stellen und zu verschiedenen Zeiten Markstrahlen- gewebe zu erzeugen. So entstehen die Nebenmarkstrahlen, die blind im Holze oder Baste endigen (s. Abb. S. 420 u. 421).

E. Leitung-sbahnen im Stamme.

1. Die Leitiingsbahnen für Wasser und Nährsalze, a) Mit Hilfe einer Eosinlösung haben wir früher nachgewiesen (s. S. 394), daß die Gefäßbündel der Blätter, die Blattnerven, die Kanäle sind, die den Blattzellen Wasser und Nähr- salze zuführen. Wiederholen wir den Versuch mit einer Balsamine, die einen möglichst durchscheinenden Stengel besitzt, so sehen wir schon von außen, wie das rotgefärbte Wasser allein in den Gefäßbündeln des Stengels emporsteigt.

Stellen wir nun durch diese oder andere Stengel, in denen wir eine Farb- stofflösung emporsteigen ließen, Querschnitte her, so erkennen wir, daß nur der Holzteil der Gefäßbündel gefärbt ist. Wir dürfen daher auch annehmen, daß in ihm die Leitung des Wassers und der darin gelösten Nähr- salze erfolgt.

b) Benutzen wir zu unseren Versuchen Zweige eines Baumes, so stellt sich heraus, daß sich nur der Holzkörper und zwar besonders in den äußeren Schichten färbt, während Mark und Rinde unverändert bleiben. Also auch hier ist das Holz das wasserleitende Gewebe, und zwar steigt der Wasser- strom nur in den jüngsten Jahresringen, im Splint, empor.

H;iu miil Lehen lies Stanillies.

423

Sehr deutlich erkennen wir dies auch, wenn wir am Grunde eines be- blätterten Astes, der mit dem Baume im Zusammenhange bleibt, einen mehrere Centimeter breiten Rindenring bis auf das Holz entfernen. Da die Blätter des Zweiges nicht vertrocknen, das Mark aber bereits verschrumpft ist, so kann das Wasser nur im Holze emporgestiegen sein. Nun sehen wir nicht selten Bäume lebhaft grünen, in denen alles ältere Holz durch Fäulnis zerstört ist (hohle Weiden u. a.), ein Zeichen, daß die Leitung des Wassers wirklich nur in den jüngsten Jahresringen, also im lebenden Holze, erfolgt.

c) Schwierige Untersuchungen haben nun ergeben, daß das Wasser (meist mit Luftblasen untermischt) in den Hohlräumen der Gefäße und Gefäß- zellen emporsteigt. Diese Tatsache macht uns leicht verständlich, warum diese Gebilde die Form langgestreckter Röhren besitzen, warum sie in der Längsrichtung der Stämme verlaufen (Wasserleitungsröhren!), wie für sie die Beseitigung von Querwänden (Gefäße!) ein Vorteil ist, und warum ihre Wände nur teilweise verdickt sein dürfen.

d) Durch welche Kräfte das Wasser in dem Holze emporgetrieben wird, ist von der Wissen- schaft bisher noch nicht mit voller Sicherheit festgestellt. Wie wir bereits wissen, spielt die Verdunstung hierbei eine wichtige Rolle: Die Blattzelle, die Wasser verloren hat, „sucht" den Verlust zu decken: sie entnimmt es der zweiten, diese der dritten u. s. f. Auf diese Weise wird das Wasser gleichsam von Zelle zu Zelle weitergegeben wie der Eimer, der „durch der Hände lange Kette fliegt".

Eine andere Kraft, die hierbei tätig ist, ist der sog. Wurzeldruck, von dessen Vorhandensein wir uns leicht in folgender Weise überzeugen können: Wir schneiden eine kräftige Pflanze (Sonnenrose oder dgl.), die wir im Blumentopfe gezogen haben, oder eine Weinrebe dicht über dem Boden ab und befestigen auf dem Stengelstumpfe mit Hilfe eines Gummischlauches eine lange, senkrecht stehende Glasröhre. Halten wir den Boden feucht, so steigt in dem Glasrohre bald Wasser empor. Dieses Wasser ist von den Wurzelhaaren aus dem Boden gesogen, durch die Rinden- zellen in das Gefäßbündel der Wurzel und von hier aus in die Gefäßbündel des Stengels geleitet. Da es nun ohne die saugende Wirkung der Blätter in dem Glasrohre hoch emporsteigt, so ist dies ein Zeichen, daß es mit großer Kraft („Wurzeldruck") in den Stengel gepreßt wird. An „blutenden" Weinreben steigt der Saft sogar 10 und mehr Meter hoch empor.

2. Die Lcitungsbahiieii für Baustoffe. Die Ge- fäßbündel des Blattes, die Blattnerven, haben wir auch als

Vorrichtung zum Nachweis des

Wurzeldruckes.

424

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

die Ableitungsbahnen derjenigen organischen Stoffe kennen gelernt, die im Blatte nicht verbraucht werden (s. S. 388). Diese Stoffe gelangen durch den Blattstiel in den Stamm, um dann den Orten des Verbrauchs zugeführt zu werden.

a) Die löslichen Stoffe (Kohlenhydrate, lösliche Eiweißstoffe) wandern auf osmotischem Wege leicht von einer lebenden Zelle des Stammes zur anderen. Sie bedürfen daher keiner besonderen Leitungsbahn.

b) Anders verhält es sich dagegen mit den fertigen Eiweißkörpern, für die die Zellwände ein unüberwindliches Hindernis darstellen. Sie fließen wie wir bereits gesehen haben in den Siebröhren des Bastes auf oder nieder. "Wird ein Stamm oder Zweig in der soeben angegebenen Weise geringelt oder

fest umschnürt, so stauen sich die Nah- rungssäfte meist oberhalb dieser Stelle, so daß eine wulstige Verdickung entsteht. Diese Erscheinung ist z. B. an Spalier- bäumen, deren Zwreige zu fest angebunden wurden, sowie an den Stämmen der Wald- bäume zu sehen, die von dem Geißblatt umwunden sind.

Verzweigte Milchröhren aus einem

Blatte des Lattichs. (Vergr. etwa

250 mal.)

c) Da der Milchsaft zahlreicher Pflanzen (Wolfsmilcharten, Mohn, Schellkraut, Löwen- zahn u. v. a.) Stärkekörner, Eiweiß- und andere wertvolle Stoffe enthält, so ist es sehr wahr- scheinlich, daß auch die Milchröhren Leitungs- bahnen für Baustoffe darstellen. Diese lang- gestreckten, meist vielfach verzweigten Kanäle durchziehen alle Teile der betreffenden Ge- wächse. — Die Bedeutung des Milchsaftes als Schutzmittel gegen Weidetiere und als Verschluß- mittel von Wunden haben wir bereits bei der Betrachtung der Sonnen -Wolfsmilch kennen gelernt.

3. Die Markstrahlen als Leitungsbahnen. Die Leitungsbahnen des Wassers und der fertigen Eiweißstoffe laufen im Stamme also nebeneinander her, und bei den zweikeimblättrigen Pflanzen und den Nadelhölzern schiebt sich zwischen sie sogar noch eine Trennungsschicht, das Kambium, ein. Nun ge- brauchen aber z. B. die wachsenden Bestandteile des Holzes Eiweiß und um- gekehrt die jungen Bastteile Wasser; die sich lebhaft teilenden Kambiumzellen benötigen beider Stoffe u. s. f. An der Außenseite des Stammes geht ferner durch Verdunstung fortgesetzt etwas Wasser verloren, das ersetzt werden muß : kurz, es müssen zwischen den Längsleitungen Querverbindungen vorhanden sein. Diese sind durch die uns bereits bekannten Mark- strahlen geschaffen.

Je dicker ein Stamm wird, desto mehr muß auch der Transport der Stoffe von innen nach außen und umgekehrt anwachsen. Hand in Hand hiermit geht

Hau und Leben des Stammes.

425

daher auch eine Vermehrung der Verkehrswege: es schieben sich wie wir gesehen haben Neben markstrahlen ein.

F. Die Bekleidung- der Stämme.

1. Die Oberhaut. Wie wir gesehen haben, ist der junge Stamm gleich dem Blatte von einer festen Oberhaut überkleidet. Den krautigen Stämmen ein- jähriger Pflanzen genügt dieses wichtige Schutzmittel (s. S. 381) vollkommen. Auch bei einigen mehrjährigen Gewächsen (Mistel, Ginster- und Kaktusarten u. a.) bleibt die Oberhaut während einer längeren Zeit oder gar das ganze Leben hin- durch erhalten. Es müssen sich dann natürlich ihre Zellen durch Teilung fortgesetzt vermehren, so daß das weiter werdende „Kleid" den in die Dicke wachsenden Stämmen folgen kann. Daher behalten diese Stämme (Zweige) auch die grüne Färbung, die auf dem Blattgrünreichtum der obersten Rindenzellen beruht (vgl. mit Laubblatt), und die wir bei den meisten einjährigen Pflanzen antreffen.

Bei der überwiegenden Mehrzahl der ausdauernden Gewächse dagegen be- sitzt die Oberhaut nicht die Fähigkeit, weiter zu wachsen: sie wird von den dicker werdenden Stämmen gesprengt und löst sich schließ- lich in Fetzen ab.

2. Der Kork. Bevor die Oberhaut verloren geht, muß daher eine neue Schutzdecke gebildet werden. Dies geht in der Begel so vor sich, daß die der Oberhaut anliegenden Rinden- zellen sich lebhaft zu teilen beginnen. Während die innerste Schicht dieser Tochterzellen teilungsfähig bleibt, lagern die äußeren Zellen Korkstoff (s. S. 366) in ihre Wände ein und sterben bald ab. Auf diese Weise entsteht ein fast luft- und wasser- dichter Mantel abgestorbener „Korkzellen", der die schützenden Aufgaben der Oberhaut in erhöhtem Maße erfüllt.

Ist die Korklage, die außen fort- gesetzt abschilfert, nur dünn, so er-

HCl Pf

Bildung des Korkmantels. Querschnitt

durch die Kinde eines jungen Erlenzweiges. "Während die Oberhaut (0.) noch vorhanden ist, bilden sich in der Rinde Kork/.idlen i K .). J)ie untere Schicht dieser Zellen (l.K.) be- steht aus lebenden, die obere (a. EL) aus ab- gestorbenen Zellen. R. Rindenzellen mit stark verdickten Wanden. (Vergr. etwa 450 mal.)

hält der Stamm eine glatte Oberfläche, wie wir sie bei der Kot- und Weißbuche, sowie beim Haselnußstrauche finden. Korkeiche und Feldulme dagegen bilden sehr dicke Korkmassen, die alljährlich um eine Schicht verstärkt werden. Die Birke besitzt eine weiße Korkhülle, die in papierdünnen Streifen abblättert.

3. Die Borke. Entsteht die Korkschicht in größerer Entfernung von der Stammoberfläche, so werden den außerhalb von ihr liegenden Geweben Wasser und Nahrung entzogen, so daß sie absterben müssen. Diese toten Massen bilden mit der Korkschicht die Borke.

126

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

4. Die Rindenporen.

von Oberhaut umkleidet sind,

Beim Weinstock und Kirschbaum löst sich die Borke in Form von Bändern und Streifen, bei der Platane und an den Stämmen alter Kiefern als Platten, bei anderen (Fichte, Birnbaum u. a.) als Schuppen los. Bevor dies aber geschieht, ist bereits eine neue Korklage tiefer im Stamme gebildet. Ein Gleiches geschieht auch bei den Bäumen, die ihre Borke als einen nach und nach dicker werdenden Mantel lange Zeit behalten. Da sich nun der Stamm immer mehr ausdehnt, so werden die toten Borkemassen gesprengt: sie erhalten Eisse, wie wir dies bei der Eiche und vielen anderen alten Bäumen sehen.

Wie bei den Blättern, geht auch an den Stämmen, die der Wechsel der Atemluft durch die Spaltöffnungen vor sich (s. S. 392). Wenn aber die Oberhaut durch einen Korkmantel ersetzt wird , so verschwinden auch die Spaltöffnungen. Da nun der Kork ein fast luftdichter Körper ist (Flaschenkork!), ohne Atmung aber keine lebende Zelle bestehen kann, so müssen zwischen Innnen- und Außenluft neue Verbindungen geschaffen werden. Sie finden sich in den sog. Rindenporen, d. s. Haufen locker miteinander verbun- dener Zellen, deren Zwischenzellräume der Luft als Ein- und Ausgangskanäle dienen. Da diese Zellen gleichsam über den Kork- oder Borkenmantel hervorquellen, so erscheinen sie besonders an jungen Stämmen wie von lippenförmigen Verdickungen umgeben. Dort, wo diese Gebilde fehlen , wird die Durchlüftung durch die Markstrahlen vermittelt, die die Rinde bis zur Außenfläche durchsetzen.

5. Die Heilung von Wunden. Schon durch die kleinste Verletzung ist den Sporen der Schmarotzer- pilze ein Eingang in das Innere des Pflanzenkörpers geschaffen. Daher suchen die Pflanzen die Wunden alsbald zu schließen. Ein vortreffliches Mittel hierzu ist der Kork, der sich durch Teilung aller lebenden Zellen an der Wundstelle bildet. Gehen bei Bäumen die Wun- den bis ins Holz hinein, so wuchert das „Wundgewebe" so stark, daß die Verletzung bald vollkommen „über- wallt" ist.

Wunden fügen wir den Stämmen auch beim Ver- edeln zu (s.S. 86). Indem Edelreis und Wildling Wund- erzeugen, findet bald ein Verschluß der Wunde statt. Gleichzeitig verschmelzen auch die wuchernden Kambiumschichten beider, da sie sich innig berühren, miteinander. Die von dieser gemeinsamen Kambiumschicht gebildeten Holz- und Bastschichten ge- hören dann sowohl dem Edelreise, wie dem Wildlinge an, d. h. beide Teile sind vollkommen miteinander verwachsen. Auf gleiche Weise verschmelzen nicht selten ganze Bäume, wenn sich durch gegenseitige Reibung an ihnen Wunden bilden, die bis zum Kambium reichen („zweibeinige Bäume").

Rindenporen an einem ein- jährigen Zweige des Holunders (der zwei Winterknospen trägt). (Nat. Gr.). Daneben eine Rin- denpore b. etwa 10 f acher Vergr.

Bau und Leben dea Stammes,

427

G. Festigkeit der Stämme.

1. Notwendigkeit eines festen Gerüstes. Wie wir früher gesehen haben (s. S. 363), erhalten alle Pflanzenteile durch den Turgor eine gewisse, zum Teil sogar ziemlich große Festigkeit. Die Spannung der Zellhäute nimmt aber sofort ab, wenn die Pflanzen z. B. mehr Wasser verdunsten als sie durch die Wurzeln aufnehmen können. Dann werden die Stengel schlaff, und die Blätter hängen welk herab oder liegen dem Boden auf. Größere Pflanzen oder gar Bäume können daher bezüglich ihrer Festigkeit auf den Turgor allein nicht angewiesen sein. Wie der Baumeister bestimmten Teilen seines Werkes, nämlich den Balken, Pfeilern, Säulen, Bogen u. dgl., die Arbeit des Stutzens und Tragens zuweist, so ist auch bei größeren Pflanzen die Herstellung der notwendigen Festigkeit gewissen Bestandteilen übertragen, die zusammen ein festes Gerüst bilden. (Man vergleicht das Gerüst der Pflanzen auch mit dem Knochengerüst oder Skelett der Wirbeltiere und redet daher von einem „Skelett der Pflanzen". Führe den Vergleich im einzelnen durch!)

2. Bestandteile des Gerüstes, a) In den Holz- und Bastfasern haben wir bereits Bestandteile des Stammes kennen gelernt, die vermöge ihrer stark verdickten Wände der Festigkeit dienen. Stellen wir Längs- und Querschnitte z. B. durch einjährige Zweige des Pfeifenstrauches her, so enthüllt uns das Mikro- skop, daß auch außerhalb der Gefäßbündel ähnliche dickwandige und langgestreckte Zellen vorkommen. Sie bilden hier einen hellen Ring, der die Gefäßbündel umgibt und schon mit der Lupe zu erkennen ist. Wie sorg- fältige Untersuchungen ergeben haben, besitzen alle diese faserförmigen Bestand- teile des Pflanzenkörpers ein Tragvermögen, das im allgemeinen gleich dem des besten Schmiedeeisens, bei einigen Pflanzen sogar dem des Stahls ist. Dabeiist die Dehnbarkeit der Fasern 10— 15mal größer als die des Schmiedeeisens.

b) Fast gleiche Festigkeit besitzen diejenigen Bindenzellen des Pfeifen- strauchs, die der Oberhaut unmittelbar angrenzen, oder die Zellen, die die vier Eckpfeiler des Taubnesselstengels (s. S. 147) aufbauen. Sie haben rundliche Form und sind nur an den Kanten stark verdickt. Im Gegensatz zu den Fasern besitzen sie also dünne Wandstellen, die sich noch durch Wachs- tum vergrößern, und durch die hindurch Stoffe ausgetauscht werden können. Daher verwendet die Natur diese Zellen stets in Pflanzenteilen, die noch in der Ausbildung begriffen sind. Die Fasern dagegen sind tote Zellhautgerüste, die wachsenden Teilen nicht folgen können. Sie finden daher auch nur in ausgebildeten Ge- ZeUen ,ni' verdickten Kanten . TT , unter den Oberhautzellen 0. i eines

weben Verwendung. Blattstieles. (Vergr.*twa 600mal.

428 Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

c) Eundliche Zellen mit gleichmäßig verdickten Wänden, wie wir sie bereits aus dem Fruchtfleische der Birne kennen lernten (s. Abb. S. 364), sind die dritte Art der Bausteine, die die Natur verwendet, um ihren Kindern die notwendige Festigkeit zu geben.

3. Konstruktion des Gerüstes, a) Nun kommt es bei einem Bauwerke nicht nur auf die Art des Baumaterials, sondern ebenso auf dessen richtige Verwendung an. Daß hierbei die Natur genau wie ein Baumeister verfährt, der mit der geringsten Menge des Materials die größte Leistung zu erreichen sucht, haben wir bereits an zwei Beispielen, dem Stengel der Taub- nessel und dem Halm des Roggens gesehen. Wir haben dort auch (s. S. 146, B) gefunden, daß die Stämme Trag- und Biegungsfestigkeit besitzen müssen, daß die äußerste Schicht des Stammes unter der Biegung (Wind!) am meisten zu leiden hat, und daß darum dort nur das festeste Baumaterial verwendet werden kann. Während bei der Taubnessel das Festigkeitsgewebe 4 Stränge bildet, die dem Stengel als ebensoviele Pfeiler dienen, stellt es beim Roggen eine geschlossene Röhre dar. Würden wir die Stengel anderer Pflanzen daraufhin untersuchen, so würden wir zwar finden, daß ihr Bau im einzelnen sehr ver- schieden ist, stets aber den Grundgesetzen der Baukunst entspricht. Querschnitt durch einen Wir staunen vor den himmelanstrebenden

Stengel der weißen Taub- rr,.. , -p,. , .. , ,. . , . , ..,

, ,.■„,„., lurmen, vor den Eisenbrucken, die sich in kühnen

nesseJ, um die Eckpieiler zu , .

,•„, ao i \ Bogen über den Strom spannen: aber wie plump

zeigen, (Etwa 4ümal vergf.J r r r

erscheint doch selbst der schlankste Fabrikschorn- stein gegen den unscheinbaren Grashalm! Oder wo gäbe es ein Bauwerk der Erde, das soweit von der Richtung des Lotes abgebogen werden könnte, wie etwa der Stamm eines jungen Baumes, geschweige denn wie ein Getreidehalm, der sich im Winde bis zum Boden neigt und unbeschädigt in die senkrechte Stellung zurückkehrt? Die Baukunst, die der Mensch in Jahrtausende langem Ringen geschaffen hat, übt die Natur schon seit Anbeginn alles Lebens mit un- vergleichlicher Meisterschaft !

b) Wird die Krone eines Baumes vom Sturme geschüttelt und der Stamm gebogen, so haben die Wurzeln wie die Ankertaue eines Schiffes, das im Hafen liegt und vom Sturme hin- und hergeworfen wird, einen gewaltigen Zug aus- zuhalten. Die Wurzeln müssen also zugfest „konstruiert" sein. Wollte man die Ankertaue aufdrehen und alle Stränge, aus denen sie hergestellt sind, zur Befestigung des Schiffes so verwenden, daß sie etwas voneinander entfernt wären, so würde bald der eine oder andere Strang reißen; denn bei jeder Be- wegung des Schiffes würden einige Stränge besonders in Anspruch genommen werden und den Zug nicht aushalten. Sind die Stränge dagegen fest zum Tau vereinigt, so. wird der Zug auf alle gleichmäßig verteilt, und sie vermögen selbst

Bau und Leben der Blüte.

429

heftigen Angriffen zu widerstehen. Ebenso verhält es sich mit den „Ankertauent; der Bäume, den Wurzeln : sie können nicht wie die biegungsfest gebauten Stämme zahlreiche Gefäßbündel besitzen,

die in einem großen Kreise 17

nahe der Außenfläche ange- ordnet sind; die Holz- und Bast- fasern, die ihnen die Festigkeit verleihen, müssen vielmehr in der Mitte seilartig zu- sammengedrängt sein. Auf diese Weise entsteht ein ein- ziges, aber sehr dickes Gefäß- bündel, das wie wir schon gesehen haben aus meh- reren Holz- und Bastteilen be- steht. Die Leistung, die die Wurzel zu erfüllen hat, erklärt uns also ihren Bau vollkommen! Wie die Wurzeln haben auch zahlreiche unterirdische

i:

Querschnitt durch eine junge Wurzel

Stämme, die Stengel der Kletter- (schematisch). 0. Oberhaut; Wh. Wurzelhaare;

Rinde; G. Gefäßbündel, das ein lockeres Mark ein- schließt. (Die weitesten Bestandteile des Gefäß- bündels sind Gefäße.)

und untergetauchten Wasser- pflanzen (besonders diejenigen schnellfließender Gewässer), so- wie die Blatt- und Fruchtstiele oft einen heftigen Zug auszuhalten (Beweis!). Bei ihnen sind daher die Bestandteile, die die Festigkeit verleihen, gleichfalls mehr oder weniger der Mitte zugedrängt.

IT. Vom Bau und Leben der Blüte. A. Die Fortpflanzung- und die Blüte.

1. Notwendigkeit und Arten der Fortpflanzung. Wie für Mensch und Tier tritt für jede Pflanze und wäre es der ehrwürdigste Baumriese einmal der Tod ein. Soll ihre Art nicht aussterben, so ist sie ge- nötigt, Nachkommen zu erzeugen. Diese Aufgabe ist bei den höchst- stehenden Pflanzen, die uns hier allein beschäftigen sollen, bestimmten Teilen, den Blüten, übertragen. In ihnen werden Fortpflanzungskörper, Samen. gebildet, die sich von der Mutterpflanze trennen, und aus denen sich unter günstigen Verhältnissen Pflanzen derselben Art ent- wickeln. (Über die Fortpflanzung des Sporenpflanzen s. das.)

Viele Pflanzen sind jedoch imstande, sich noch auf andere Weise fortzu- pflanzen, z. B. die Erdbeere durch Ausläufer, die Kartoffel durch Stengelknollen

430

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

das Scharbockskraut durch Wurzelknollen und zu Knöllchen umgewandelte Knospen (Brutknollen in den Blattachseln), die Tulpe und Feuerlilie durch Brutzwiebeln, das Windröschen durch Verzweigung des unterirdischen Stammes, der Weinstock durch einwurzelnde Reben („Stecklinge" der Gärtner!) u. dgl. mehr. Viele dieser Pflanzen haben sogar die Fähigkeit, keimfähige Samen hervorzubringen, gänzlich oder fast gänzlich eingebüßt. So lassen sich z. E. unsere edlen Obstsorten, sowie zahlreiche Spielarten des Weinstocks und der Erdbeere nicht durch Samen fort-

^ pflanzen, oder so bildet das Schar" bockskraut in der Regel keine Samen aus. Diese zweite Art der Fortpflanzung besteht also darin, daß sich ein Teil des Pflanzen- körpers, der sich außerhalb der Blüte gebildet hat, von der Mutterpflanze loslöst und nunmehr ein selbstän- diges Leben führt. Im Gegen- satz zu der sog. geschlecht- lichen Fortpflanzung, wie sie in der Blüte erfolgt, bezeichnet man diese Vermehrungsweise als die ungeschlechtliche (vege- tative).

2. Wesen und Bestandteile der Blüte, a) Die Blüte findet sich stets am Ende des Stammes (Zweiges) und wird in der Regel von einem längeren, blattlosen Stammteile, dem Blütenstiele, getragen. Denken wir uns den sehr kurzen Endabschnitt des Brutzwiebeln in den Blattachseln der Feuerlilie Stammes, dem die dichtgedrängt (nat. Gr.) Die Blätter, in deren Achseln sich stehenden Blütenteile ansitzen, in keine Brutzwiebeln gebildet hatten, sind entfernt, die Länge gestreckt, so erkennen wir leicht, daß die Blüte nichts anderes als ein endständiger Zweig oder Sproß (s. S. 409) ist. Da dieser Sproß aber eine bestimmte Aufgabe zu lösen hat, nämlich Samen hervorzubringen, so kann es nicht Wunder nehmen, daß er z. B. von einem mit Laubblättern besetzten Zweige erheblich abweicht. (Vgl. mit einem solchen Zweige z. B. die Zwiebel, in der wir gleichfalls nur einen Stammteil mit besonders gestalteten Blättern erkannt haben.)

b) Der Stammteil der Blüte ist (ähnlich wie bei der Zwiebel oder bei der Bildung von Blattrosetten) stark verkürzt und wird Blüten- oder später Frucht- boden genannt. Die von ihm entspringenden Blätter sind (bis auf Ausnahmen)

Bau um! Leben der Blüte.

431

in Kreisen angeordnet, von denen man in „vollständigen" Blüten vier unter- scheidet: die Kelch-, Blumen-, Staub- und Fruchtblätter.

c) Fehlt einer der 4 Bhittkreise, dann bezeichnet man die Blüte als unvoll- ständig (Beispiele!). Enthält sie nur Staubblätter, so wird sie Staub- oder männliche Blüte genannt. Sind nur dir Prachtblätter vorhanden, so heißt sie Stempel- oder weibliche Blüte. Je nachdem sich die Staub- and Stempelblüten nun wieder aaf derselben Pflanze (Haselnoßstrauch) oder auf verschiedenen Pflanzen linden (Weide), bezeichnet man die Gewächse als ein- oder z w e i li ä u s i g. Besitzt die Blüte Staub- und Fruchtblätter , so heißt sie Z w i 1 1 e r b 1 ü t e (Mohn, Tulpe u. v. a.).

B. Die Teile der Blüte.

1. Die Kelch- und Blumenblätter, a) Die beiden äußeren Blattkreise bilden für die zarten inneren Blüten- teile ein schützendes Dach: daher werden sie auch als Blutenhüllen bezeichnet. Bei vielen Pflanzen (Bei- spiele!) haben sie diesen Dienst nur so lange zu leisten, als sich die Blüte im Knospenzustande befindet, bei anderen dagegen bis zum Absterben der Blüte (Oberlippe der Taubnessel- und Leinkrautblüte u. a.), und bei noch Blüte, deren Teile weit anderen (z. B. Tulpe, Scharbockskraut) führen sie zum auseinander gerücki sind Zwecke des Schutzes regelmäßig wiederkehrende Be- (Schema).

wegungen aus: die Blüte öffnet und schließt sich; sie „wacht und schläft".

Da das Öffnen und Sehließen zu ganz bestimmten Zeiten des Tages statt findet (Beispiele!), muß hierbei das Licht im Spiele sein. Zahlreiche Blüten (Tulpe. Schar- bockskraut) bleiben aber bei kaltem AVetter den ganzen Tag über geschlossen. Werden sie jedoch in ein warmes Zimmer gebracht, so öffnen sie sich alsbald, ein Zeichen, daß auf sie auch die Wärme einen wichtigen Einfluß ausübt.

Welcher Art ist aber dieser Einfluß ? Wie sich z. B. an der Tulpe durch regelmäßig zu wiederholende Messungen nachweisen läßt, sind ihre Blumenblätter in einem fortgesetzten Wachstum begriffen. Sobald dies aber beendet ist, finden auch keine Schließbewegungen mehr statt. Diese Tatsache läßt schon erkennen, daß beide Erscheinungen in innigem Zusammenhange stellen. Und so ist es auch: die Blumenblätter der Tulpe und jener anderen Pflanzen besitzen nämlich die Eigentümlichkeit, durch Licht- und Wärmeschwan- kungen so liceinflul.it zu werden, daß ihre verschiedenen Seiten ungleichmäßig wachsen. Bei Abnahme des Lichts und der Wärme in der Regel also mit Beginn des Abends wachsen die Blätter an der Unterseite mehr als an der Oberseite, [nfolgedessen bewegen sie sich aufwärts: die Blüte sehließt sich also. Findet der omgekehrte Vorgang statt, so öffnet sich die Blüte. Auf dieselbe Weise geht auch das Schließen und öffnen der Blütenköpfe zahlreicher Korbblütler vor sich (Löwenzahn, Gänseblümchen u. a.).

b) Die beiden Blattkreise der Blutenhülle sind in der Regel (Beispiele!) von verschiedener Beschaffenheit und Färbung. Die Blätter des äußeren Kreises sind meist grün wie die Laubblätter, die des inneren dagegen zum Anlocken der

432

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Bestäuber (s. S. 442) abweichend gefärbt. Dann bezeichnet man die Blütenhülle als „doppelt1" und ihre Kreise bekanntlich als Kelch und Blurnenkrone. Sind beide Kreise von gleicher Beschaffenheit (Tulpe), oder ist nur ein Kreis vorhanden (Windröschen), so redet man von einer einfachen Blütenhülle (oder einem Perigon). c) Die Blätter beider Kreise bleiben unter sich entweder getrennt (Scharbockskraut), oder sie verwachsen mehr oder weniger vollkommen mit- einander (Kartoffel, Schlüsselblume u. a.). Aus den freien Endabschnitten (Zipfeln, Zähnen u. dgl.) läßt sich zumeist noch erkennen, aus wieviel Blättern ein solcher Kelch oder eine solche Blumenkrone hervorgegangen ist. Es findet jedoch keine nachträgliche Verwachsung der Blätter statt, sondern der verwachsene Teil erhebt sich wie wir dies bereits bei der Betrachtung der Schlüsselblume kennen gelernt haben vom Blütenboden als ringförmiger Wall. Verschmelzen die Staubblätter mehr oder weniger mit dem Walle, aus dem die Blumen- krone hervorgeht, so erscheinen sie dieser eingefügt (Schlüsselblume, Schwarz- wurz u. v. a.).

2. a) Die Staubblätter (Staubgefäße) lassen im Gegensatz zu den Bestand- teilen der Blütenhülle nur schwer erkennen, daß sie Blattgebilde sind. Bei mehreren Pflanzen, z. B. bei der Seerose (Taf. 3, 2), findet aber zwischen ihnen

und den Blumenblättern ein deutlicher Übergang statt, und in zahlreichen gefüllten Blüten, z. B. in der Rose, verwandeln sie sich in Blumenblätter zurück, so daß ihre Blattnatur außer Frage steht.

b) Die Staubblätter sind in der Begel aus Staub- faden und Staubbeutel zusammengesetzt. Der Beutel besteht meist wieder aus 2 Staubbeutelfächern, die durch einen Fortsatz des Staubfadens, das sog. Mittelband, zusammengehalten werden. Auf Querschnitten durch den unreifen Beutel sieht man, daß jedes Fach 2 Hohlräume enthält, in denen durch wiederholte Zellteilung der Blütenstaub (Pollen) entsteht. Bei der Reife öffnen sich beide Hohlräume durch einen gemeinsamen Längsriß, aus dem der Blütenstaub hervorquillt. Seltener erfolgt das Offnen durch Löcher (Kartoffel, Heidekraut u. a.) oder durch Klappen (Sauerdorn u. a.).

Meistens stehen die Staubblätter, deren Anzahl in den einzelnen Blüten großen Schwankungen unterliegt, frei da. Es gibt jedoch auch zahlreiche Fälle, in denen die Staubfäden (Schmetterlingsblütler, Hartheu u. a.) oder die Staub- beutel (Korbblütler, Kürbis u. a.) miteinander verwachsen sind. (S. das Linne- sche System.)

Staubblätter. 1 Staubblatt des Feld-Thymians: Staub- faden: B. Staubbeutelfächer ; M. Mittelband (hier sehr groß). 2 und 3 schematische Darstellung vom Bau des

Staubbeutels. Bei 2 sind die Fächer geschlossen, bei 3 geöffnet.

Bau und Lclicn der Blüte.

433

c) Die Blütenstaubkör ner geben sich unter dem Mikroskope in der Regel als einzellige Gebilde von sehr verschiedener Form, Farbe und Größe zu erkennen. Außer von einer zarten Innenhaut sind sie noch von einer festen Außenhaut umgeben, die als Schutzmittel gegen Verletzung und Wasserverlust (Vertrocknen!) dient.

Blütenstaubkörner

deckelartigen Bildung

on der Sonnenrose (Vergr. etwa 900 mal); 2 vom Kürbis mit >r Außenhaut (Vergr. etwa 480mal); 3 von der Narzisse, einen

Keimschlauch (S.) treibend (Vergr. etwa 350 mal).

Bringen wir Blütenstaubkörnchen in Wasser, so saugen sie in der Regel sofort soviel davon ein, daß sie stark aufschwellen und platzen. Dasselbe geschieht natürlich auch, wenn sie durch Regen oder Tau befeuchtet werden. Daher hat die Natur sehr verschiedenartige Einrichtungen getroffen, um die zarten Gebilde gegen Befeuchtung zu schützen:

Zahlreiehe Blüten sind wagerecht gestellt, hängend oder schräg nach unten ge- neigt (Königskerze, Glockenblume, Kartoffel u. a.); ein Blütenteil ist zum Schutzdach umgeformt (Lippenblütler, Knabenkrautgewächse u. a.); Hüllblätter oder gar Laubblätter übernehmen den Schutz (Aronstab u. a. ; Linde); die Blütenröhre ist sehr eng, oft noch durch Schuppen oder Haare versperrt (Vergißmeinnicht, Ehrenpreis) ; die Blüten oder Blütenstände sehließen sich abends und bei Eintritt ungünstiger Witterung (Scharbocks- kraut, Löwenzahn), oder sie werden nickend (Erdbeere, Möhre), oder es tritt beides zugleich ein (Windröschen, Wiesenschaumkraut); die geöffneten Staubbeutel schließen sieh nachts oder bei feuchtem Wetter (Wegerich) u. s.w.

Legen wir Blütenstaubkörnchen in wenig Wasser, dem etwas Zucker und Gelatine zugesetzt sind, so platzen sie nicht. Ihr Inhalt aber stülpt sich, von der zarten Innenhaut umgeben, nach außen und wächst wie bei den keimenden Sporen (s. S. 298) zu je einem langen Keimschlauche (Pollenschlauche) heran. Um dem Schlauche, dessen Be- deutung wir später kennen lernen

werden, leicht den Durchtritt zu ge- Fruchtblatt vom Rittersporn. 1 normal statten, hat die feste Außenhaut viel- ausgebildet, 2 mißgebildet.

Schmeil, Lehrbuch der Botanik. 28

434 Ba« ur>d Leben der einzelnen Pflanzenteile.

fach dünne oder scharf abgegrenzte Stellen, die durchbrochen oder deckelartig abgehoben werden.

3. a) Die Fruchtblätter lassen ihre Blattnatur oft noch recht deutlich erkennen: in zahlreichen Blüten (Rittersporn u. a.) sehen sie fast wie kleine Laubblätter aus, und in mißgebildeten Blüten kann man nicht selten eine Bück- bildung zu wirklichen, grünen Laubblättern beobachten.

b) Bei den Nadelhölzern und ihren nächsten Verwandten hat das Frucht- blatt seine ursprüngliche Blattgestalt bewahrt (s. das.). Bei allen anderen Blüten- pflanzen dagegen hat es sich allein oder mit anderen seinesgleichen zu einem Stempel umgebildet. So ist deutlich zu erkennen, daß der Stempel z. B. der Erbse aus einem Fruchtblatte dadurch entstanden ist, daß dessen Bänder mit- einander verwachsen sind, oder daß der der Schlüsselblume aus 5 Fruchtblättern auf dieselbe Weise gebildet ist. Die Verwachsungsstellen der Fruchtblätter sind meist noch als Nähte sichtbar.

c) Der untere Teil des Stempels, der Fruchtknoten, ist ein Gehäuse oder Behälter für die sehr zarten Samenanlagen oder Samenknospen. Da wie

Bau des Fruchtknotens (schematisch). 1 Der Fruchtknoten besteht aus einem Frucht- blatte (Erbse). 2 Er wird aus 5 Fruchtblättern gebildet; die Samenanlagen sitzen an einem säulenartigen Zapfen, der vom Blütenboden aus in den Hohlraum tritt (Schlüssel- blume). 3 Dreiblätteriger Fruchtknoten (Tulpe), dessen Innenraum durch Scheidewände in 3 Fächer geteilt ist. 4 Vielblätteriger Fruchtknoten (Mohn), dessen Innenraum unvollkommen gefächert ist.

soeben erwähnt die Fruchtblätter der Nadelhölzer und ihrer Verwandten sich nicht zu Stempeln umformen, liegen hier die Samenanlagen frei da, ein Um- stand, auf dem die Scheidung der Blütenpflanzen in „bedecktsamige" und „nacktsamige" beruht.

Verwachsen die Fruchtblätter nur mit ihren Rändern, so stellt das Innere des Fruchtknotens einen einzigen Hohlraum dar (Erbse, Schlüsselblume). Er- strecken sie sich aber mehr oder weniger weit in den Innenraum, so wird dieser wie durch Scheidewände vollkommen oder unvollkommen in Fächer geteilt (Tulpe, Klatschmohn). Zu diesen „wahren" Scheidewänden treten ab und zu noch „falsche", die nur Wucherungen der Fruchtblätter darstellen. Wir treffen sie z. B. bei den Kreuzblütlern (s. Blütengrundriß S. 1H) und beim Flachs an (s. Taf. 9, 5). Mehr-

Bau nml Leben der Rliito.

435

fach (z. B. bei der Schlüsselblume) ragt in den Hohlraum des Fruchtknotens vom Blütenboden aus ein säulenartiger Zapfen.

d) Nach oben setzt sich der Fruchtknoten in einen stielartigen Teil, den Griffel, fort, der in der Narbe endigt. Ist nur ein Fruchtblatt vorhanden, oder sind die Fruchtblätter im oberen Teile völlig miteinander verschmolzen, so tritt auch nur ein Griffel mit einer Narbe auf (Erbse, Schlüsselblume). Ist die Verwachsung der Fruchtblätter dagegen nur auf den Fruchtknoten beschränkt, so sind mehrere Griffel mit ebenso vielen Narben vorhanden (Nelkengewächse u. a.). Bei mehreren Pflanzen (Mohn, Tulpe u. a.) fehlt der Griffel gänzlich.

4. Der Blütenboden. Je nach der Form des Blütenbodens nimmt der Frucht- knoten zu den übrigen Blütenteilen eine verschiedene Stellang ein. Ist der Blütenboden mehr oder weniger emporgewölbt, so steht der Fruchtknoten höher als die anderen Blüten- teile: er ist ober ständig (Scharbockskraut, Raps, Mohn u. v. a.). Vielfach ist der Blütenboden aber napf- oder krngförmig ausge- höhlt. Bann steht der Fruchtknoten tiefer als die übrigen Blütenteile. Verwachsen in diesem Falle Blütenboden und Fruchtknoten miteinan- der (wie bei Apfel, Birne, Möhren, a.), so bezeichnet man das aus beiden ent- stehende Gebilde , das dann die übrigen Blüten- blattkreise trägt, als n n t e r s t ä n d i g e n

Fruchtknoten. Tritt eine solche Verschmelzung nicht ein (wie bei Kirschbaum und Böse), so redet man von einem mittelständigen Fruchtknoten. (Vgl. auch die Abbildungen der erwähnten Blüten !)

5. Blütengrundriß. Stellt man z. B. durch eine Nelkenblüte kurz vor ihrer Ent- faltung dicht über dem Grunde einen Querschnitt her, so werden alle Blütenteile davon getroffen. Man erkennt auf diesem Schnitte leicht die Anzahl der Teile, ihre Verteilung auf die einzelnen Blattkreise und die Stellung, die sie zueinander haben. Eine schema- tische Zeichnung dieses Hildes ist der Grundriß oder das Diagramm der Blüte. Bei den meisten Blüten, z. B. bei denen der Taubnessel "der der Schlüssel- blume, muß man aber, am sämtliche Verhältnisse kennen zu Lernen, mehrere Querschnitte in verschiedener Höhe führen. Trägt man darauf die verschiedenen Bilder, die die Schnitte lieferten, so in eine Zeichnung ein, daß ihre Mittelpunkte zusammenfallen, so erhält man gleichfalls den gewünschten Grundriß. Sind Blütenteile miteinander ver- wachsen, so werden sie im Grundriß als verbunden gezeichnet. (Vgl. auch S. 3, Anm.)

Die Blüte (oder der Blütengrundriß) ■/.. B. der Schlüsselblume läßt sich durch zehn Schnitte, die durch den Mittelpunkt gehen, in je 2 gleiche Teile /.erlegen (führe diese Schnitte!). Hält man den einen dieser Teile an die Fläche eines Spiegels, so wird er durch sein Spiegelbild zu einer ganzen Blüte ergänzt. Die Teile sind also spiegelbildlich

Stellung des Fruchtknotens (schematisch).

ständig, 2 unterständig, 3 mittelständig. De:

ist schraffiert gezeichnet.

1 Er ist ober- Blütenboden

436

Bau und Lehen der einzelnen Pflanzenteile.

gleich oder symmetrisch 1

Blütengrundrisse. 1 Grundriß einer strahligen oder regelmäßigen Blüte (Schlüsselblume). 2 Grund- riß einer zweiseitig-symmetr. Blüte (Taubnessel).

legen. Sie sind also zweiseitig- oder kurz

den Blüten dieser Pflanze sind ferner Kelch-, Blumen-, Staub- oder Fruchtblätter so regel- mäßig um den Mittelpunkt gelagert, als strahlten sie von ihm aus wie die Radien vom Mittelpunkte des Kreises. Blüten dieser Art werden daher als strahlig-symmetrisch oder kurz: als strahlig oder regelmäßig be- zeichnet. Die Blüten (oder die Blüten- grundrisse) der Taubnessel, des Veil- chens und vieler anderer Pflanzen da- gegen lassen sich nur durch einen Schnitt in 2 symmetrische Teile zer- seitlich-symmetrisch.

C. Die Blütenstände.

Es kommt verhältnismäßig selten vor, daß eine Pflanze nur eine einzige Blüte hervorbringt (Tulpe, Schneeglöckchen). Sind, wie in der Begel, mehrere oder zahlreiche Blüten vorhanden, so stehen sie entweder einzeln in den Blatt- winkeln wie bei der Taubnessel, oder sie sind zu Blütengemeinschaften oder Blütenständen gehäuft (Beispiele!).

Den Stengelteil der Blütengemeinschaft, dem die einzelnen blütentragenden Zweige oder die gestielten oder ungestielten Blüten entspringen, bezeichnet man als die Hauptachse des Blütenstandes. Die aus ihm hervorgehenden Zweige werden daher Nebenachsen genannt. Da die Verzweigung nun sehr ver- schieden erfolgt, zeigen die Blütenstände eine große Mannigfaltigkeit. Wie überall in der Natur herrscht aber auch hier eine feste Ordnung, eine bestimmte Gesetzmäßigkeit : die Blütenstände lassen sich so verschieden sie auch gestaltet sein mögen bei näherem Zusehen auf drei Hauptformen zurückführen:

-

. ! 2

Traubige Blütenstände (Schema)

1 Traube; 2 Rispe Ähre: 5 Kolben.

3 Ähre

4 ' 5

4 zusammengesetzte

Bau imil Leben der Blüte.

437

1. Traubige Blutenstände. Die Hauptachse verlängert sich (bis zu einer gewissen Grüße) fortgesetzt durch Wachstum und übertrifft die Nebenachsen an Länge und Stärke. Da die unteren Bluten die älteren sind, so entfalten sie sich zuerst. Das Aufblühen erfolgt also von unten nach oben oder wenn die Blüten gestiell sind von außen

nach innen (Cent ripetal i. (Diese Erscheinung ist in den Abbildungen durch die ver- schiedene Größe der Kreise kenntlich gemacht, durch die die Blüten angedeutet sind.)

a) Trägt die Hauptachse langgestielte Blüten, so nennt man den Blutenstand eine Traube (Maiblume u. a.). Eine Traube, deren Nebenachsen wieder Trauben (oder gar Bispen) bilden, wird Rispe genannt iWYinstoek: Rispengräser; bei letzteren tragen die Rispenäste aber Ähren!)

b) Sind die Blüten ungestielt (oder ganz kurz gestielt), so entstellt eine Ähre (Eisen- und Bingelkraut). Findet sich an Stelle jeder Blüte eine kleine Ähre, ein sog. Ahrchen, so hat man eine zusammengesetzte Ähre vor sich (Roggen und viele andere Gräser). Eine Ähre mit fleischiger Achse ist ein Kolben (Aronstab). Hat die Alue unscheinbare Blüten und fällt sie nach dem Verblühen oder der Fruchtreife als Ganzes ab, so nennt man sie Kätzchen (zahlreiche Laubbäume). Ein Kätzchen, dessen Achse und Deckschuppen bei der Frucht reife holzig werden, wird als Zapfen bezeichne! (die meisten Nadelholzbäume).

Doldige Blutenstände (S

2 13 4

1 Dolde; 2 zusammengesetzte Dolde; 3 Köpfchen; 4 Blütenkörbehen.

II. Doldige Blutenstände. Die Hauptachse „hört plötzlich auf", ist also verkürzt . Die Nebenachsen entspringen an einem Punkte. Das Aufblühen erfolgt gleichfalls von außen nach innen (centripetal).

a) Erheben sieh von der verkürzten Hauptachse gestielte Blüten (die zumeist in einer Ebene liegen i, so heißt der Blütenstand eine D o 1 d e (Schlüsselblume, Efeu). Stellt jede Nebenachse wieder eine kleine Dolde („Döldchen") dar, so entsteht die zusam m e n- ge setzte Dolde (die meisten Doldenpflanzen).

b) Stehen auf der verkürzten Hauptachse dicht gedrängt zahlreiche ungestielte (oder ganz kurz gestielte) Blüten, so hat man ein Köpfehen vor sich (Grasnelke). Ist das Köpfehen von Hüllblättern umgeben, so nennt man es Blütenkörbchen (Korbblütler).

III. Trugdoldige Blutenstände. Die Hauptachse ist durch eine endständige Blüte abgeschlossen, die als die älteste sieh zuerst öffnet. Unterhalb dieser Blüte entspringen ein oiler mehrere Nebenachsen. Sie schließen gleichfalls mit je einer Blüte ab, die sich nun- mehr entfaltet. Auf diese Weise kann sich die Verzweigung mehrfaeh wiederholen. Das

438

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Aufblühen schreitet hier also gleichfalls dem Alter der Blüten entsprechend von innen nach außen fort (centrifugal).

a) Unter der endständigen Blüte der Hauptachse entspringen an einem Punkte 2 oder mehrere Nebenachsen, die sich wiederholt wie die Hauptachse verzweigen können. Da bei diesem Blütenstande die Blüten vielfach ähnlich wie bei der Dolde in einer Ebene liegen, nennt man ihn Trugdolde (Wolfsmilch, s. Taf. 10; Schafgarbe, Ackerhornkraut u. a.).

O^L V

o

O

Trugdoldige Blütenstände (Schema). 1 Trugdolde ; 2 Wickel.

b) Unter der endständigen Blüte der Hauptachse entspringt nur eine Nebenachse, die fortgesetzt abwechselnd rechts und links wieder je einen Nebenzweig treibt. Ein solcher Blütenstand wird Wickel genannt (Schwarzwurz und viele andere Rauhblatt-Gewächse).

D. Die Bestäubung* der Blüte.

1. Es ist eine bekannte Tatsache, daß eine Blüte nur dann Samen hervor- bringt, wenn auf ihre Narbe reifer Blütenstaub von einer Pflanze derselben Art gelangt, oder kurz, wenn die Pflanze bestäubt wird. Der Nachweis hierfür ist leicht zu erbringen. Schneidet man z. B. aus Tulpenblüten die Staub- blätter, bevor sich deren Beutel geöffnet haben, vorsichtig heraus, und umwickelt man die Blüten dann (um die Insekten abzuhalten !) mit engmaschiger Gaze, so bleiben sie unfruchtbar. Überträgt man jedoch auf die Narben anderer, aber ebenso behandelter Blüten mit Hilfe eines feinen Pinsels Blütenstaub, der aus anderen Tulpenblüten stammt, so tritt sicher in den meisten Fällen Samen- bildung ein.

2. Auf ganz ähnliche Weise läßt sich auch dartun und ist von Naturforschern vielfach aufs sorgfältigste festgestellt worden, daß bei der Bestäubung einer Blüte mit ihrem eigenen Blütenstäube oder kurz: bei Selbstbestäubung in der Regel keine oder nur schwächliche Samen entstehen. Stammt der Blüten- staub dagegen von anderen Blüten derselben oder noch besser einer zweiten Pflanze, erfolgt also Fremdbestäubung, so bilden sich zahlreiche und kräftige Samen.

Es gibt allerdings gewisse Blüten, z. B. die sog. „Sommerblüten" des

Bau und Leben der ßliitc.

439

Veilchens und der stengelumfassenden Taubnessel, die, weil sie sich nicht öffnen, auf Selbstbestäubung angewiesen sind. Auch bei zahlreichen offenblütigen Pflanzen tritt, wie wir gesehen haben (s. z. ß. Sonnenrose), dieser Vorgang ein, wenn die Belegung der Narbe mit fremdem Staube aus irgend einem Grunde (Kälte, Mangel an Besuchern u. dgl.) unterblieben ist, und eudlich haben wir in der kleinblütigen Form des Stiefmütterchens auch eine Pflanze kennen gelernt, die sich fortgesetzt nur selbst bestäubt. In der Regel aber ist die Freind-

Stiefmütterchen.

1 großblumige Form, die durch Insekten bestäubt wird blumige Form, die sich selbst bestäubt.

2 klein-

bestäubung der von den Pflanzen „gewünschte" Vorgang. Gewisse Pflanzen (z. B. Roggen) bleiben sogar bei Selbstbestäubung vollkommen un- fruchtbar. Daher hat die Natur auch die mannigfachsten Mittel ausgebildet, um eine Belegung der Narbe durch fremden Blütenstaub herbeizuführen :

a) Staubblätter und Stempel sind auf verschiedene Blüten ver- teilt; die Pflanzen sind also ein- oder zweihäusig (s. Haselnußstraucli und Salweide).

b) Bei Blüten, die Staubblätter und Stempel enthalten, also sog. Zwitterblüten sind, wird Selbstbestäubung vermieden, wenn Staubblätter und Stempel nicht zu gleicher Zeit reifen. Meist (Glockenblume, Sonnenrose u. a.) öffnen sieh die Staubbeate] bereits, wenn die Narben uoch vollkommen unentwickell sind („vorstäubende" Blüten). Der umgekehrte Kall | nachstäubende " Blüten) tritt seltener ein (Sonnen-Wolfs- milch, Wegerich, Osterluzei, Aronstab u. a.).

e) Reifen in Zwitterblüten Staubbeutel und Narben zu gleicher Zeit, so ist

440

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteik

Selbstbestäubung vielfaeh ausgeschlossen oder doch stark behindert, -weil die beiden Blütenteile so gestellt sind, daß sie sich nicht berühren können (Wiesensalbei, Orehis, Schwertlilie u. a.).

d) Zu demselben Ziele führt auch die Verschi ed engrif f ligkeit (s.S. 122), die wir bei Schlüsselblume, Wasserfeder, Lungen- kraut und Weiderich fanden.

3. Soll die „gewünschte" Fremdbestäubung eintreten7 so muß die oft weite Strecke, die zwischen Staubbeutel und Narbe liegt, über- brückt werden. Da die Pflanze hierzu allein nicht imstande ist, muß sie sich fremder Hilfe bedienen. In den meisten Fällen spielen Insekten oder der Wind, in wenigen (s. Hornblatt und Seegras) das Wasser oder Vögel (bei Tropenpflanzen) die Rolle des Vermittlers. Damit die Übertragung des Blütenstaubes zur Narbe nun möglichst glatt und sicher vonstatten geht, sind eine große Zahl von Einrichtungen getroffen, die hier für die allein wichtigen „Insekten- und Wind- blütler" übersichtlich zusammengestellt sein mögen :

/. Insektenblütler.

A. Was die Pflanze ihren Bestäubern bietet. Der Transport des Blütenstaubes von Blüte zu Blüte wird von den Insekten selbstver- ständlich nicht absichtlich oder freiwillig besorgt. Die Tiere kommen stets nur ihres eigenen Vorteils willen zur Pflanze.

a) Sie finden in den Blüten vor allen Dingen einen süßen Saft (Nektar), der gewöhnlich als Honig bezeichnet, im Körper der Biene aber erst in Honig verwandelt wird (s Lehrb. d. Zool.). Diese für die Besucher b e s t i m m t e Flüssigkeit wird von „Honigdrüsen" (Xektarien) abgeschieden, die sich an allen Blütenteilen finden können (vgl. z. B. Linde, Scharbockskraut, Veilchen, Möhre und Weinstock), und mehrfach in besonderen Behältern, den sog. „Saf th alt e r nK, aufbewahrt (Veilchen, Leinkraut u.a.). Je nachdem er mehr oder weniger tief in der Blüte dargeboten wird, je nachdem ist er auch nur Insekten von bestimmter Rüssellänge zugänglich (vgl. z. B. Möhre, Raps, Veilchen, Steinnelke und Geißblatt). Kurzrüsselige Insekten suchen den süßen Saft, den sie in rechtmäßiger " Weise nicht erbeuten können, vielfach durch „Einbruch" zu erlangen (Taubnessel u. a.). Bei gewissen Pflanzen (s. Orehis und Goldregen) muß der süße Saft vom Besucher erst erbohrt werden. Staubbeutel und Narbe stehen stets in dem Wege, der zum Honig führt (Bedeutung?).

Blüten des Weiderichs. (Kelch zur Hälfte und Blumenblätter zum größten Teil entfernt.) a. lang-, b. mittel- und c. kurzgrifflige Form. Die Linien verbinden die Narben mit denjenigen Staubblättern, deren Blütenstaub auf ihnen allein volle Fruchtbarkeit bewirkt.

Hau

Blüte.

441

Blüten des Besenginsters. Die Flügel der

Schmetterlingsblüte dienen der saugenden Hummel

als Sitzplatz. (Näheres s. S. 110.)

Zahlreiche Blüten besitzen für die honigsaugenden Gäste heii u eine Sitzplätze (s. Taubnessel, Roßkastanie u. a.). Es ist auch nicht ganz unwahrscheinlich, daß die dunklen Flecke, Striche "der Punkte, die siel häufig auf t\r]\ Blumenblättern nach dem Honigbehälter hinziehen, den Gästen den Weg zum süßen Mahle zeigen (s. S. 121, 3; Beispiele!). Gestützt wird diese Annahme besonders dadurch, daß man „Honig- oder Salt male-' nur bei Pflanzen mit verstecktem Honig, niemals aber hei Nachtblumen (z. B. beim nickenden Leimkraut oder Wald-Geißblatt) findet, auch wenn deren Honig- in noch so tiefen Röhren geborgen ist.

) Außer Honig liefern zahlreiche Blüten den Insekten Blütenstaub als Nahrungsmittel. Mehrere Blüten besitzen überhaupt keinen Honig, dafür alier umso zahlreichere Staubblätter (s. Mohn und Kose). Diese Blüten stehen aufrecht und haben Schalenforni, so daß der aus den Beuteln lallende Staub nicht verloren gehen kann. - Auch andere zarte Blütenteile werden mehr- fach von den Insekten verzehrt.

Die Blütenstaubkörner der insekten- blütigen Pflanzen sind in der Kegel an ihrer Oberfläche klebrig und vielfach mit Stacheln oder AVarzen bedeckt. Infolge- dessen bleiben sie an den geöffneten Staub- beuteln und später an dem Körper der Tiere leicht hängen. (Beweise, daß bei Veilchen. Heide- kraut, Schneeglöckchen u. a. die Art der Bestäubung trockenen Blütenstaub voraussetzt!)

e) Blüten, die die Form großer, hängender Glocken haben, gewähren ihren Besuchern S c h u t / gegen Kälte und Nässe (Glockenblume, Fingerhut u. a.i. Bei Osterluzei und Aronstab wei- den die Insekten im Blüten- grunde längere Zeit gefangen ge- halten.

d | Heim Feigenbäume bieten die Blüten den Bestäubern B rut- statten für d i e X a c b - k o in m e n .

B. Wie die Pflanze ihre Bestänber anlockt. Gleich dem

442 Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Gastwirte und Kaufmanne, die ihr Geschäft durch Firmenschilder kenntlich machen, muß auch die Pflanze ihren Bestäubern anzeigen, daß bei ihr ein „gedeckter Tisch * zu finden ist. Die Blüten müssen auffällig sein.

a) Sie erheben sich daher (bis auf Ausnahmen) nicht nur über das Laub, sondern

b) besitzen auch eine Färbung, die deutlich vom Grün des Untergrundes ab- sticht (.Blumen-). In der Regel ist diese „Lockfarbe '~ den Blumenblättern eigen. Da, wo diese Blätter verdeckt sind, treffen wir einen bunt gefärbten Kelch an (Heidekraut u. a.). Seltener sind Blumen- und Kelchblätter durch Buntfärbung ausgezeichnet (Tulpe, Ritter- sporn). Die nach außen gekehrte Seite der bunten Blätter ist stets die prächtigere (Scharbockskraut). In Ausnahmefällen sind auch die Staubblätter (Salweide) oder gar die Hüllblätter der Blüte (Hain-Waehtelweizen) in den Dienst der Anlockung der Gäste gestellt. Erhöht wird die Auffälligkeit in seltenen Fällen durch Verwendung verschie- dener Farben (Saubohne, Hain-Wachtelweizen). Blüten, die durch Nachtschmetterlinge bestäubt werden, haben eine helle, weil im Finstern allein noch bemerkbare Färbung (Nachtkerze u. a,).

c) Da kleine Blüten einzeln nicht weithin sichtbar sind, vereinigen sie sich zu Blumengemeinschaften oder Blütenständen (s. S. 436). Häufiger als in Einzelblüten treten hier Farbengegensätze auf (besonders bei den Korbblütlern; Beispiele!). Auch dadurch, daß sich die Randblüten (zahlreiche Korbblütler, Schneeball) oder die nach außen gerichteten Blumenblätter dieser Blüten (Möhre) vergrößern, wird die Auffälligkeit erhöht. Zum Teil „verzichten" diese Blüten sogar auf die Erzeugung von Samen (Schnee- ball, Sonnenrose). In gewissen Fällen werden die Blütengemeinschaften erst durch Blätter auffällig, die nicht zu den Blüten gehören (Sand-Strohblume, Edelweiß).

d) Da die Insekten durchweg kurzsichtige Tiere sind, können von ihnen die Blüten stets nur aus der Nähe wahrgenommen werden. Auf viel weitere Entfernung wirkt der Duft, der den Blüten entströmt, als Anlockungsmittel. Je nach der Insektenart, deren Besuch die Pflanze vorwiegend wünscht, ist auch der Duft ihrer Blüte verschieden. Die wichtigsten Bestäuber (Bienen, Hummeln, Schmetterlinge) lieben Düfte, die auch uns an- genehm sind. Blüten dagegen, die besonders von Fliegen bestäubt werden, riechen (für uns !) oft sehr unangenehm (Weißdorn, Aronstab). Am deutlichsten ist diese Erscheinung an den sog. Aasblumen (Stapelia) zu beobachten, die wegen ihrer Ähnlichkeit mit Kaktus- arten gern in Blumentöpfen gezogen werden : ihre Blüten riechen ekelhaft nach Kot, auf dem sich die Bestäuber gern umhertreiben. Unscheinbare Blüten (Weinstock ; s. dag. wilder Wein) oder solche, die eine versteckte Lage haben (Linde), oder sich in der Nacht entfalten (Geißblatt u. a.), haben meist einen besonders starken Duft.

C. Wie die Pflanze unwillkommene Blütengäste abhält. Alle Tiere, die, ohne eine Bestäubung der Blüton herbeiführen zu können, Honig und Blütenstaub verzehren oder wohl gar die ganze Blüte zerstören (z. B. Schnecken), sucht die Pflanze wie alle sonstigen Feinde (Beispiele !) von sich abzuhalten. Die größte Zahl der unwillkommenen Blütengäste bilden die Tiere, die am Stengel emporkriechen (Ameisen, Schnecken u. a.). Aber auch alle die anfliegenden Tiere, die beim Besuch der Blüte weder Staubbeutel noch Narbe berühren, gehören hierher. Gegen diese unnützen Näscher sind die Pflanzen durch sehr mannigfache Mittel geschützt :

a) Der den Blüten entströmende Duft wirkt nur auf die Vermittler der Bestäubung anziehend, auf andere Insekten abschreckend.

Bau und Leben der Blüte. 443

b) Von der Oberfläche des Stengels (Leimkraut) oder von Drüsenhaaren (Körni r- Steinbrech) werden Klebstoffe abgeschieden.

c) Die Blätter bilden Wasserbecken (Kardendistel).

d) Stengel, Blütenstiel oder andere Teile sind nüt stechenden Horsten oder Stacheln besetzt (Schwarzwurz).

e) Bei einigen Pflanzen wird außerhalb der Blüte Honig abgeschieden (Zaunwicke).

f) Die Blüten bilden hängende Glocken oder dgl., deren Rand kletternde Insekten nicht überwinden können (Glockenblume).

g) Die Blüten sind während der Zeit geschlossen, während der ihre Bestäubet ruhen (Scharbockskraut).

h) Blüten oder Blütenstände sind von festen Hüllen umgeben, die von den Insekten nicht durchbissen werden können (Steinnelke, Sonnenrose).

i) Der Kelch ist aufgebläht, so daß das Insekt beim Durchbeißen nicht bis zum Honig vorzudringen vermag (Taubenkropf).

k) Der Honig ist in langen, engen Kanälen geborgen (Leinkraut) oder durch Haare oder andere Mittel verdeckt (Taubnessel, Glockenblume), also kleinen Tieren un- zugänglich. (Warum fehlen den Wasserpflanzen Mittel gegen ankriechende Insekten?)

//. Windblütler.

Die zahlreichen Einrichtungen, durch die sich die windblütigen Pflanzen auszeichnen, haben wir besonders bei der Betrachtung des Haselnußstrauches, des Boggens und der Kiefer bereits kennen gelernt :

a) Die Blüten sind unscheinbar, duft- und honiglos; sie sind daher auch viel einfacher gebaut als die der Insektenblütler ; die Blütenhüllen sind klein oder fehlen gänzlich.

b) Die Staubbeutel sind dem Winde stets frei ausgesetzt, so daß der Blütenstaub leicht ausgeschüttelt und verweht werden kann. Daher linden sieh die Blüten oder Blütenstände stets am Umfange der Pflanze. Entweder ist die ganze Pflanze (Gräser), oder der Blütenstand (Kätzchen, Rispen), oder das einzelne Staubblatt (Gräser) leicht vom Winde zu bewegen. Bei den Nesseln wird der Blütenstaub durch plötzliches Aufspringen der Beutel in die Luft geschleudert.

c) Vielfach blühen die Pflanzen im wind reichen Frühlinge. Dann sind die Sträucher oder Bäume (Haselnußstrauch, Pappel u. a.) meist noch unbelaubt, so daß der Wind zu den Blüten freien Zutritt hat.

d) Windblütige Pflanzen kommen gewöhnlich in großen Beständen vor.

e) Da der Wind den Blütenstaub planlos verstreut, erzeugen die Pflanzen große Mengen davon.

f) Die Blütenstaubkörner sind trocken, klein und glatt. Infolge- dessen können sie leicht aus den Staubbeuteln geweht und über große Bezirke ausgestreut werden. Bei zahlreichen Nadelbäumen (Kiefer) sind sie noch mit besonderen Flug- ein rieh tu ngen versehen.

g) Die Narben stehen frei, sind zumeist sehr groß und gleichen oft feder- arti ge n Gebilden.

444

Hau und Leben der einzelnen PfLanzenteile.

E. Die Befruchtung der Blüte.

Wie wir gesehen haben, bringt eine Pflanze nur dann Samen hervor, wenn sie bestäubt wird. Die bloße Berührung der Narbe durch den Blüten- staub genügt hierzu aber bei weitern nicht: die Bestäubung ist erst die Ein- leitung zu höchst wunderbaren Vorgängen, die sich im Stempel abspielen. Um diese Vorgänge zu verstehen, müssen wir zuerst den Bau

.r 1. der Samenknospen oder

Samenanlagen näher kennen lernen. Wie mißgebildete Fruchtblätter (s. Abb. S. 433) oft deutlich erkennen lassen, gehen die Samenknospen (in der Regel) aus Randteilen der Fruchtblätter hervor. Sie finden sich, auf kurzen Stielchen sitzend, in dem Frucht- knoten daher zumeist an den Ver- wachsungssteilen der Fruchtblätter oder an den Scheidewänden, die von diesen Blättern gebildet werden. Auch dem Blütenboden oder dem Säulchen, das von ihm in den Hohlraum des Fruchtknotens ragt, können sie ange- heftet sein (Schlüsselblume u. a.).

Den inneren Bau der zarten Ge- bilde enthüllt uns das Mikroskop, wenn wir dünne Querschnitte durch einen Fruchtknoten betrachten.*) Wir er- blicken in der Mitte einen eitörmigen Körper, den Knospenkern, der bis auf eine Stelle, den Knospenmund, von (meist) zwei becherartigen Hüllen bedeckt ist. Unter den Zellen des Knospenkerns fällt eine durch beson- dere Größe auf, die man als Keini- sack bezeichnet. Indem der Kern dieser Zelle in mehrere Stücke zer- fällt, und indem die einzelnen Teil- stücke von Protoplasma umlagert werden, bilden sich im Keimsack mehrere kleine Zellen. Unter diesen Zellen hat wieder eine, die in der Nähe des Knospenmundes liegt, eine besondere Be-

Befruchtung der Blüte (schematisch). In dem Fruchtknoten (F.) findet sich eine auf recht- stehender Samenknospe, die fast den ganzen Hohlraum (Fh.) einnimmt. An der Samen- knospe erkennen wir den Knospenkern (Kk.), dessen Hüllen (H.) und den Knospenmund (Km.) Der Knospenkern schließt den Keimsack (Ks.) mit der Eizelle (E.) ein. Auf der Narbe (N.) mehrere Blütenstaubkörnchen, die z. T. einen Keimschlauch getrieben haben. Der Keim- schlauch des in der Mitte liegenden Kornes (S.) hat den Griffel (G.) durchwachsen und dringt soeben in den Keimsack ein.

*) An den sehr kleinen, durchsichtigen Samenknospen des Fichtenspargels und der Orchideen sind die einzelnen Teile bei mikroskopischer Vergrößerung schon von außen zu sehen ; bei ihnen wird aber der Knospenkern vollständig vom Keimsack eingenommen.

Bau und Leben der Fruchl und des Sinnens. 445

deutung:sie wird Eizelle genannt, weil von ihr die Bildung der neuen Pflanze ihren Ausgang nimmt.

Die Entwicklung der Eizelle zur jungen Pflanze tritt jedoch nie von selbst ein, sondern nur dann, wenn Teile eines Blütenstaubkorns in sie einwandern. Wie ist dies aber möglich, da ja bei der großen Mehrzahl der Samenpflanzen, den bedeckt- sämigen Gewächsen, die Samenknospen in Fruchtknoten eingeschlossen sind ?

2. Djis Blütenstaubkorn, das auf die Narbe gelangt ist, stellt für die Pflanze ein wertvolles Gut dar, das daher festgehalten werden muß. Dieser Auf- gabe dienen die Wärzchen oder H ä r c h e n, die der Narbe meist ein samtartiges Aus- sehen verleihen, sowie die klebrige Flüssigkeit, die von der Narbenoberfläche ausgeschieden wird. (Warum besitzen die Windblütler oft eine federige Narbe?)

Sobald das Blütenstaubkorn aber von der Narbenfeuchtigkeit benetzt wird, beginnt es genau wie in dem früher angestellten Versuche (s. S. 433) zu schwellen und einen Keim schlauch zu treiben. Der Schlauch durchwächst wie ein Pilzfaden das lockere Gewebe des Griffels, dringt in die Höhle des Fruchtknotens ein und gelangt durch den Knospenmund in den Knospenkern der Samenanlage. Indem nun ein Teil vom Inhalte des Keimschlauchs (also des Blütenstaubkorns!) in die Eizelle übertritt, wird diese befruchtet, d. h. befähigt, sich zu einer jungen Pflanze zu entwickeln.

(Bei den nacktsamigen Pflanzen sind die frei auf den Fruchtblättern liegenden Samenknospen etwas abweichend gebaut. Die Blütenstaubkörner rollen, wie wir bei der Betrachtung der Kiefer gesehen haben, zwischen 2 Fortsätze der Hülle, also in den Knospenmund . woselbst sie von einem Flüssigkeitstropfen festgehalten werden und schließlich je einen Keimschlauch treiben.)

V. Vom Bau und Leben der Frucht und des Samens.

1. Wie entstellt die Frucht? Während nach erfolgter Befruchtung die Staubblätter, die Blumenkrone und meist auch der Kelch ,

vertrocknen und abfallen, vergrößert sich der Frucht- knoten fortgesetzt: er entwickelt sich zur Frucht, in der die zarten Samenanlagen, wohlgeborgen gegen nach- teilige Einflüsse von außen, zu Samen heranreifen. Die Fruchtknotenwand bildet sich zur Fruchthülle oder Fruchtschale aus.

Da aus jedem Fruchtknoten eine Frucht hervor- gehen kann, so entstehen in Blüten mit mehreren Frucht- knoten auch mehrere Früchte (z. B. zahlreiche Hahnen- fußgewächse). Stehen diese „Früchtchen" in innigem Zusammenhang, so bilden sie eine Sammelfrncht Sammelfrucht der Hirn-

' beere. im Durehsrhnitt .

(Himbeere, Brombeere). Beteiligen sich an der Bil- ßb. Blüten- (jetzt Frucht-) düng der Frucht noch andere Blütenteile außer dem boden; Fr. Früchtchen. Fruchtknoten, so entsteht eine Scheinfrucht, wie wir dies bei Apfel, Hagebutte und Erdbeere gesehen haben. Feige, Maulbeere und

446

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Ananas stellen sogar ganze Fruchtstände dar. (Welche dieser Früchte sind Schein- und Samrael fruchte zugleich?)

2. Wie entsteht der Same ? a) Mit der Entwicklung der Frucht vollzieht sich gleichzeitig die Ausbildung der Samenknospe zum Samen. Nach der Be-

4f

Fruchttragender Zweig v. Pfaffen- hütchen. Die aus

den (rosafarbenen) Fruchtkapseln her- vorschauenden oder an Fäden heraushän- genden Samen sind von einem (orange- farbenen) Sanienman- tel umgeben.

/

fruchtung beginnt die Eizelle sich alsbald lebhaft zu teilen. Sie wächst im Laufe der Zeit zu dem Keime heran, der wie wir an der Bohne und dem Roggenkorn gesehen haben

aus einem kleinen Stengel, einem Würzelchen,ein oder zwei Keimblät- tern und einer Knospe besteht (s. Abb. S. 452 u. 248) : also alle Teile einer jungen Pflanze erkennen läßt.

Da die Anzahl der Keimblätter bei den bedecktsamigen Pflanzen durchaus fest steht, so stellen

deren beide Hauptab- teilungen, die zwei- keim- und einkeim- blättrigen Pflanzen, durchaus natürliche Gruppen dar.

b) Mit dem Wachs- tum des Keimes geht auch in dem Keimsacke eine lebhafte Vermeh- rung der Zellen vor sich. Indem sich diese Zellen mit Stoffen fül- len (Eiweiß, Stärke, Fett u. dgl.), die dem Keimling in der ersten Zeit des Wachstums zur Nahrung dienen, entsteht das N ä h r g e- webe , das auch als Sameneiweiß (Endosperm) bezeichnet wird. Bei zahlreichen Pflan- zen (z. B. bei d. Schmetterlings- u. Kreuzblütl.) wird das Nährgewebe von dem Keime bald wieder verdrängt. DieNährstoffe finden sich dann in den mächtig angeschwollenen Keimblättern eingelagert, wie dies z. B. die Bohne (s. das.) deutlich erkennen läßt.

c) Während sich die geschilderten Vorgänge abspielen, bilden sich die zarten Hüllen der Samenknospe zur Samenhülle oder Samenschale aus. Löst sich der reife Same von dem Stielchen ab, von dem er getragen wird, so bleibt an der Samenschale ein matter Fleck, eine Narbe, der sog. Nabel zurück.

d) Bei gewissen Pflanzen entsteht aus dem Teile des Knospenkerns, der dem Knospen- munde entgegengesetzt ist, eine saftige Hülle, der Samenmantel (Pfaffenhütchen

Bau und Leben der Fracht und des Samens. 447

Eibe, Muskatnuß) oder ein kleiner fleischiger Anhang (Veilchen, Schöllkraut u.a.).

e) Würden die reifen Samen, deren Anzahl oft viele Tausende beträgt (Distel, Königskerze u. a.), einfach zum Boden herabfallen und im Bereiche der Mutterpflanze keimen, so würden sich die jungen Pflanzen einander Baum, Luft und Nahrung streitig machen und gegenseitig vernichten. Die Samen müssen daher über einen möglichst großen Bezirk ausgestreut werden.

Zu einer solchen Wanderschaft über weite Strecken wäre aber ein junges, ausgebildetes Pflänzchen nicht imstande. Es würde bald so stark ver- letzt sein, durch Verdunstung soviel Wasser verlieren und unter der Kälte des Winters so leiden, daß es sicher zugrunde gehen würde. Das wandernde Pflänzchen muß daher ganz anders gestaltet sein: nämlich so, wie es uns als Keim in dem Samen entgegentritt. Hat sich ler Keim vollkommen entwickelt, so hört er auf zu wachsen, und er sowohl, als die übrigen Teile des Samens verlieren den größten Teil ihres Wassers. So kommen alle Lebenstätigkeiten oft jahrelang fast gänzlich zum Stillstande. Von der festen und wider- standsfähigen Samenschale umhüllt, gleichsam also wohl verpackt, und selbst gegen die größte Trocknis vollkommen unempfindlich tritt das junge Pflänzchen seine Wanderung an. Setzt man Samen, die im Wasser aufgequollen sind, der Kälte aus, so gehen sie zumeist zugrunde (s. S. ICO, a). Dieses Schicksal hätten natürlich auch die Samen, wenn sie von der Mutter- pflanze mit einem reichlichen Wasservorrate versehen wären : die Wasserarmut des Samens ist also auch notwendig, um die auf der Wanderung begriffenen Nachkommen gegen die tödliche Kälte unempfindlich zu machen. Bedenken wir nun noch , wie die Pflanze den wandernden Kindern als erste Ausgabe bei ihrer Ansiedlung am neuen Orte einen Nahrungsvorrat mit auf den Weg gibt, so erscheint uns das unscheinbare Samenkorn als ein wahres Wunderwerk der Natur.

Viele Samen beendigen ihre Wanderung allerdings an einem Orte, der für ihre Entwicklung durchaus ungeeignet ist: ihre Keimpflänzchen finden hier weder einen Boden, der ihnen zusagt, noch die nötige Menge von Wasser, Licht und Wärme, und nicht lange währt es, so sind Tausende und Abertausende der zarten Gebilde von Nachbarpflanzen überwuchert und getötet worden. Daher muß die Pflanze soll ihre Art nicht aussterben eine so große Menge von Samen hervorbringen.

3. Wie gelangen die Samen ins Freie? Erstes Erfordernis für eine erfolgreiche Wanderung ist, daß die Samen aus der Frucht befreit werden. Dies geschieht je nach der Art der Früchte auf sehr verschiedene Weise:

A. Trockene Früchte. Ihre Fruchtscbalen sind bei der Reife trocken; vielfach sogai holzig oder lederartig. (Vgl. zu den in dieser Übersicht angeführten Beispielen die früher gegebenen Abbildungen!)

I. Enthält die Frucht nur einen Samen. SO ist es für ihn sicher von Vorteil, trenn er auf seinei Wanderung von der schützenden Frachtschale umschlossen bleibt.

448

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

Solche Früchte öffnen sich daher in der Regel nicht. Sie werden als Schließfrüchte bezeichnet (Scharbockskraut, Windröschen).

a) Hartschalige Schließfrüchte werden Nüsse genannt (Haselnuß, Eichel).

b) Schließfrüchte mit lederartiger Hülle finden sich bei den Gräsern und Korb- blütlern. Bei den ersteren bezeichnet man sie als Grasfrüchte (Frucht- und Samen- hülle sind verwachsen),

c) bei den letzteren werden sie Achänen (Frucht- und Samenhülle sind nicht verwachsen) genannt.

II. Gewisse mehrsamige Früchte zerfallen in 2 oder mehrere Teile, die je einen Samen enthalten und sich daher genau wie Schließfrüchte verhalten. Früchte dieser

Art bezeichnet man als Spalt fr ächte (Ahorn, Dol- dengewächse, Reiherschnabel, Malve, Wolfsmilch u. a.) III. Die bei weitem meisten mehrsamigen Trockenfrüchte springen auf und entlassen auf diese Weise die Samen. Sie heißen Kapselfrüchte und öffnen sich durch Klappen (Veilchen), Löcher (Mohn) oder Deckel (Bilsenkraut). Bei Regenwetter schließen sich zum Schutze der Samen die Klappen und Löcher vielfach (Schlüsselblume, Glockenblume u. a.). (Die Frucht der Roßkastanie rechnet man trotz ihrer fleischigen Fruchthülle zu den Kapsel- fnichten.) — Besondere Formen von Kapseln sind folgende Früchte :

a) Die Balgfrucht oder Balgkapsel. Sic ist aus einem Fruchtblatte gebildet und öffnet sich nur an der Verwachsungsstelle des Blattes (Rittersporn und die meisten anderen Hahnenfuß- gewächse).

b) Die Hülse. Sie besteht gleichfalls aus einem Fruchtblatte, springt aber an der Verwach- sungsstelle und längs der Mittelrippe auf (Erbse und alle anderen Schmetterlingsblütler).

c) Die Schote. Sie ist aus 2 Fruchtblät- tern hervorgegangen, die sich bei der Reife von

einer bleibenden Scheidewand ablösen (Raps und alle anderen Kreuzblütler).

B. Saftige Früchte. Die zu dieser Gruppe zählenden Früchte zeichnen sich durch saftige und fleischige Fruchthüllen aus. Obgleich sie zumeist mehr- bis vielsamig sind, öffnen sie sich nicht von selbst (es sind also „Schlicßfrüchte"). Ihre Samen können vielmehr nur durch Vermittlung gewisser Tiere, denen das saftige ..Fruchtfleisch" zur Nahrung dient (s. S. 64, a), oder durch Fäulnis der Fruchthülle ins Freie gelangen. (Das- selbe gilt auch von den oben erwähnten saftigen Sammel- und Scheinfrüchten, die in dieser Übersicht unberücksichtigt geblieben sind.)

I. Besteht die Fruchtwand aus einer häutigen Außen- und einer saftigen Innen- schicht, so bezeichnet man die Frucht als Beere (Weinbeere u. v. a.). Auch Kürbis, Apfelsine und Zitrone rechnet man zu den Beeren.

IL Ist die Fruchtwand aus drei Teilen zusammengesetzt: einer äußeren häutigen, einer mittleren fleischigen und einer inneren harten Schicht, so hat man eine Stcin-

Spaltfrucht einer Doldenpflanze

(Pastinake). An der rechten Frucht

ist die Spaltung eingetreten.

(Nat. Gr.)

Bau und Leben der Frucht und des Samens.

449

frucht vor sieh (Kirsche, Pflaume u. a.). Bei der Kokosnuß ist die Mittelschicht faserig. Auch die Walnuß ist eine Steinfrucht.

4. Wie werden die Samen verbreitet? So notwendig es für die Samen ist, aus der (vielsamigen) Frucht herauszufallen, so genügt dies für ihr Fort- kommen aber noch bei weitem nicht. Sie müssen vielmehr wie wir oben gesehen haben über einen möglichst weiten Bezirk verstreut werden. Hierzu ist die Pflanze nur aus- nahmsweise im- stande. Da sie selbst der Ortsbeweguug entbehrt, muß sie sich fremde Kräfte dienstbar machen, mit deren Hilfe sie weite Reisen über Länder und Meere ausführt, nämlich dieKraft des fließen- den oder strömen- den Wassers', des Windes, der Tiere und des Menschen.

I. Die Samen werden mit Gewalt aus den Früchten ge- schleudert, wie wir dies bei Veilchen, Reiher- schnabel (Teilfrüeht- chen !), "Wiesenstorch- schnabel, Sonnen- Wolfsmilch , Besen- ginster und anderen

Schmetterlingsblütlern, Sauerklee, Spritzgurke, Springkraut und Gartenbalsamine kennen gelernt haben (vgl. auch bez. der folgenden Beispiele die früher gemachten Mitteilungen).

II. Fließendes oder strömendes Wasser besorgt die Verbreitung der Sat7ien oder Früchte. Flüsse und Bäche führen, besonders wenn sie aus ihren Ufern treten, zahlreiche Samen und Früchte mit fort, die an oft weit entfernten Orten wieder landen (Gebirgs- pflanzen in der Ebene). Ein Gleiches wird an Meeresströmungen beobachtet (Kokosnuß). Gewisse Pflanzen besitzen für den Wassertransport besondere Einrichtungen:

a) Die Früchte öffnen sich nur bei Regenwetter, so daß die Samen leicht in Ritzen und Lücken des Bodens gespült werden (Mauerpfeffer).

b) Zahlreiche Wasser- und Sumpfpflanzen haben schwimmfähige Samen oder Früch te (See- und Teichrose; Wasser-Schwertlilie, Igelskolben, Schwanenblume, Froschlöffel, Pfeilkraut).

Sc hm eil, Lehrbuch der Botanik. 29

Beerentragender Zweig

des Faulbaums (Text s. S. 66).

450

Bau und Leben der einzelnen Pflanzenteile.

III. Der Wind verweht Samen oder Früchte (Schließfrüchte oder Teile von Spalt- früchten, ausnahmsweise auch ganze Fruchtstände). Die für diese Art der Verbreitung geschaffenen Einrichtungen sind außerordentlich mannigfaltig:

a) Die Samen werden durch den "Wind aus den geöffneten Früchten geschleudert. Die Stengel oder Fruchtstiele der Pflanzen sind feste und elastische Gebilde. Die ganze Einrichtung stellt also eine Schleuder einfachster Art dar (Mohn, Schlüsselblume u. v. a.).

'

Früchte, die durch den Wind verbreitet werden. 1 Fruchtstand der Grasnelke : der bleibende Kelch ist zum Fallschirm ausgebildet. (H. Hüllblättchen, die unten die heutige Scheide S. bilden; s. S. 124). 2 Zwei Fruchtstände der Platane: Früchte sind durch Haarbildungen flugfähig. 3 Nüßchen der Hainbuche : der Fruchtbecher ist zum Flugorgan umgebildet.

b) Die Samen sind staubförmig klein (Orchis; Sporen).

c) Die schwimmfähigen Samen und Früchte werden auf stehen- den Gewässern durch den "Wind wie Schiffe fortgetrieben (s. oben).

d) Die Samen und Früchte sind mit verschiedenartigen Haar- bildungen ausgerüstet. Diese Haare entspringen aus dem Fruchtstiele (Rohr- kolben). Sie entstehen aus der Blüten hülle (Wollgras) oder dem Griff el (Küchen- schelle). Sie finden sich an der Frucht (Löwenzahn und viele andere Korbblütler; Platane) oder am Samen ("Weide, Pappel u. v. a.).

e) Die Samen, Früchte oder Fruchtstände besitzenFlugeinrich- tungen anderer und zwar sehr verschiedener Art. Die Flügel gehen hervor aus dem Hüllblatte (Fruchtstände der Linde; Hopfen), aus dem Fruchtbecher (Hainbuche), aus dem Kelche (Grasnelke) oder aus der Blumenkrone ("Wiesenklee). Sie ent- springen an der Frucht (Ahorn, Birke u. v. a.) oder haften dem Samen an (Kiefer u. v. a. Nadelhölzer).

Bau und Leiten der Frncht und des Samens.

451

Früchte, die durch Tiere und Menschen

verbreitet werden. 1 Fruchttragender Zweig

vom Klebkraute (s. S. 168). 2 Zwei Früchte vom Odermennig (s. S. 98).

der Klette; daneben ein Blatt des Hüllkelches (s. S. 188).

3 Fruchtkopf

IV. Die Verbreitung der Samen und Früchte erfolgt durch Tiere und Menschen.

a) In anhaftenden Erd- und Schlammteilchen (gelegentlich auch in Wassertropfen) werden Samen und Früchte an den Füßen zahlreicher Tiere, besonders der Wasservögel, sowie des Menschen verschleppt.

b) Durch menschliche Verkehrs m i 1 1 e 1 ündet fortgesetzt eine be- absichtigte (Kulturpflanzen) oder unbeabsichtigte Verbreitung statt. In Eafenorten, an Eisenbahndämmen u. dgl. siedeln sich viele ausländische Pflanzen an.

c) D i e Pflanzen bilden Vorrichtungen- aus, durch die ihre Samen oder Früchte Tieren (Menschen) angeheftet werden.

452

Bau und Leben der einzelnen

inzenteile.

Dieses Anheften geschieht entweder durch Klebstoffe (Samen der Herbstzeitlose, der See- und Teichrose ; Mistelbeeren), oder durch hakige oder mit Widerhaken besetzte Borsten. Diese Hakenborsten finden sich am Deckblatt (Granne vieler Gräser), am Blütenboden (Odermennig), am Hüllkelche (Klette), am Griffel (gem. Nelken- wurz) oder an der Fruchthülle (Zweizahn, Klebkraut, Doldenpflanzen, rauhblättrige Gewächse).

d) T i e r e , namentlich Vögel, werden zu Verbreitern der Pflanzen, indem sie die saftigen, fleischigen Frucht- oder S a m e n t e i 1 e verzehren (s. S. 64, a). Durch auffallende Färbung oder angenehmen Duft der Früchte oder durch beide Mittel zugleich werden die Verbreiter vielfach an- gelockt. Da die Samen durch feste Hüllen (Samen- hülle oder bei den Steinfrüchten innere Schicht der Fruchthülle) geschützt sind, werden sie von den Verdauungssäften der Tiere nicht zerstört. (Pflanzen, die nicht auf die Verbreitung durch Tiere an£ wiesen sind, besitzen niemals saftige Früchte.)

Die genießbaren Teile werden geliefert von der Achse und den Deckblättern des Blüten- stand e s (Ananas), vom Blütenboden (Apfel- frucht, Erdbeere, Hagebutte, Feige), von der Blütenhülle (Maulbeere), von der Frucht hülle (Steinfrüchte, Beeren), vom Samenmantel (Pfaffenhütchen, Muskatnuß, Eibe), vom Samenanhange (Veilchen, Schellkraut u. a.). Haselnuß, Buch- ecker, Eichel, Walnuß u. a. werden durch Tiere verschleppt, denen die wohlschmeckenden Kerne als Nahrungsmittel dienen.

Keimung der Geinüsebohne.

1 3 Die Hälfte der Samenhaut und ein Keim- blatt sind entfernt. 4 junge Pflanze. St. Stengel ; W. Wurzel ; K.Knospe; Kb. Keimblatt; N.Nabel; IL. erstes Laubblattpaar. (Über den Vorgang der Keimung s. S. 100.)

Ran und Leben der Fruelil im,l des Samens. 453

5. Wie entwickelt sich aus dein Samen die junge Pflanze ? Hat der

Same seine Wanderung beendet, und findet er an dem Orte, an den ihn der Zufall getragen hat, die nötige Feuchtigkeit, Wärme und Luft (Sauerstoff zur Atmung!), so erwacht er aus dem Ruhezustände: er beginnt zu keimen. Wie dies im einzelnen erfolgt, haben wir bereits bei der Bohne und dem Roggen- korn verfolgt (s. das.). Auch daß es für den Samen von größter Wichtigkeit ist, hierbei am Boden fest verankert zu sein, haben wir gesehen (s. S. 408, 4). Daselbst haben wir uns auch die mannigfachen Mittel ins Gedächtnis zurück- gerufen, durch die die Samen hierzu befähigt sind, und die wir bei der Be- trachtung der einzelnen Pflanzen kennen gelernt haben. Findet nun auch die Keimpflanze die zum Gedeihen notwendigen Bedingungen, und geht sie aus dem Kampfe, den sie mit tierischen und pflanzlichen Feinden (Schmarotzern), beson- ders aber mit den Nachbarn um Boden, Wasser, Luft und Licht führen muß, siegreich hervor, so entwickelt sie sich weiter und ist nach einer gewissen Zeit selbst befähigt, die Erhaltung ihrer Art fortzuführen.

Anhang.

1. Über Pflanzensysteme.

1. Die Art. Es ist eine jedermann bekannte Tatsache, daß die Nach- kommen einer Pflanze (oder eines Tieres) ihrer Mutter im hohen Grade ähnlich sind, wenn sie auch von ihr, ebenso wie untereinander, in gewissen nebensäch- lichen Merkmalen (in der Größe der Blätter, der Färbung der Blüte und dgl.) et- was abweichen. So sind z. B. die Pflanzen, die aus den Samen der Gemüsebohne hervorgehen, stets wieder Gemüsebohnen. Eine gleiche Übereinstimmung wie zwischen der Mutterpflanze und ihren Nachkommen findet man auch zwischen allen Einzelwesen (Individuen) der Gartenbohne, wann und wo man sie auch beobachten mag. Pflanzen, die untereinander so große Übereinstim- mung zeigen wie die Mutterpflanze und ihre Nachkommen, faßt man zu einer „Art" (Spezies) zusammen. Die in unserem Beispiele berück- sichtigten Pflanzen gehören also der Art „Gemüsebohne" (Phaseolus vulgaris) an.

Wie zwischen der Mutterpflanze und ihren Nachkommen keine voll- kommene Übereinstimmung herrscht, so auch zwischen allen zu einer Art gehörigen Gliedern. Die Unterschiede zwischen diesen Pflanzen sind jedoch nicht so groß, daß man sie als verschiedene Arten ansehen könnte. Man redet daher von Abarten, Spielarten (Varietäten), „Formen" und dgl. (s. S. 19).

2. Die Gattung-. Durchmustert man die Pflanzenwelt, so wird man in der Feuerbohne (Phaseolus multiflorus) bald eine zweite Pflanzenart finden, die mit der Gemüsebohne in allen wesentlichen Merkmalen (besonders im Bau der Blüte und der Frucht) übereinstimmt. Beide nahe „verwandte" Arten faßt man zu einer „Gattung" zusammen, die man als „Bohne" (Phaseolus) bezeichnet.

Auf dieser Einteilung in Gattungen und Arten beruhen auch

3. die Doppelnamen, die die Pflanzen (Tiere) in wissenschaftlichen Welken führen. So wird die Gemüsebohne als Phaseolus vulgaris (d. i. gemeine Bohne) und die Feuerbohne als Phaseolus multiflorus (d. i. vielblütige Bohne) bezeichnet. Während das erste Wort des botanischen Namens die Gattung angibt, zu der eine Pflanze zählt (Phaseolus), ist das zweite (vulgaris bezw. multiflorus) die Bezeichnung der Art.

Da nun die Volksnamen der Pflanzen in den verschiedenen Gegenden vielfach verschieden sind) man denke nur an den Löwenzahn, der auch Butter-

Über Pflanzensysteme. 455

blume, Speckblume, Kettenblunie, Pfaffenrührlein, Ringelblume, Pustblume, Sonnen- blume und dgl. genannt wird!), und da mehrere Pflanzen in verschiedenen Landes- teilen denselben Namen führen (welche Pflanzen werden z. B. nicht alle als Kubblume bezeichnet?), so wären bei Anwendung dieser Namen Verwechslungen unausbleiblich. Ganz unmöglich wäre es aber für einen Botaniker, sich die Volksnamen zu merken, die eine Pflanze bei den verschiedenen Völkern führt. Darum hat man den Pflanzen (Tieren) in der Wissenschaft einen ganz bestimmten Namen gegeben, der der lateinischen Sprache entlehnt ist und auf der ganzen Erde Gültigkeit hat.

4. Das System. Mehrere nahe „verwandte" Gattungen werden wieder zu einer Familie, mehrere Familien wieder zu größeren Abteilungen zu- sammengefaßt u. s. f. Auf diese Weise gewinnt man schließlich eine An- ordnung aller Pflanzen nach ihrer Verwandtschaft oder kurz: ein Pflanzensystem.

So bilden nach dem Systeme, das diesem Buche zugrunde gelegt ist,

die Gattungen Bohne, Erbse, Wicke, Klee n. s. w. die Familie der Schmetter- lingsblüter ;

die Familien der Schmetterlings- und Kreuzblütler, der Habnenfuß- und Dolden- gewächse u. s. w. die Unterklasse der getrenntblumenblättrigen Pflanzen ;

die Unterklassen der getrenntblumenblättrigen , verwachsenblumenblättrigen und blumenblattlosen Pflanzen die Klasse der zweikeimblättrigen Pflanzen ;

die Klassen der zweikeim- und einkeimblättrigen Pflanzen die Gruppe der bedeckt- sämigen Pflanzen ;

die Gruppen der bedeckt- und nacktsamigen Pflanzen die Hauptabteilung der Samenpflanzen ;

die Hauptabteilungen der Samen- und Sporenpflanzen das Pflanzenreich.

Pflanzensysteme sind nun in sehr großer Zahl aufgestellt worden. Je nachdem man bei der Gruppierung der Gewächse nur einige Merkmale oder den gesamten i nneren oder äußeren Bau berücksichtigt, je nachdem erhält man Systeme von sehr verschiedenem Werte. Systeme der ersteren Art bezeichnet man als künstliche. Die anderen dagegen sind natürliche; denn sie wollen nicht nur einen bequemen Überblick über den Reichtum der Pflanzen- welt schaffen, sondern zugleich die verwandtschaftlichen Beziehungen, die die Pflanzen untereinander verknüpfen, zum Ausdrucke bringen.

5. Das künstliehe System Linnes. Von den zahlreichen künstlichen Systemen ist das von dem berühmten schwedischen Naturforscher Linne im Jahre 1735 aufgestellte bis in die Gegenwart von einer gewissen Bedeutung geblieben. Es dient nämlich heute noch als das bequemste Mittel, Pflanzen zu „bestimmen", d. h. ihre Stellung im (natürlichen) Systeme aufzufinden. Linne gründete seine Einteilung der Gewächse auf das Vorhandensein, die Anzahl und die Einfügung der Staub- und Fruchtblätter und unterschied in folgender Weise 24 Klassen, die er wieder in Ordnungen einteilte:

456 Anhang.

A. Blütenpflanzen. (Kl. 1—23.)

I. Blüten enthalten Staubblätter und Stempel (Zwitterblüten). (Kl. 1-20.) 1. Staubblätter frei. (Kl. 1-15.)

a) Staubblätter von gleicher Länge. (Kl. 1 13.)

1. Klasse 1 Staubblatt (Tannenwedel).

2. .. 2 Staubblätter (Ehrenpreis, Salbei, Flieder).

3. ,. 3 (die meisten Gräser, Schwertlilie).

4. .. 4 (Wegerich, Pfaffenhütlein, Skabiose).

5. .. 5 (Rauhblatt-, Veilchen-, Doldengewächse). G. .. 6 .. (viele Liliengewächse, Narzissengewächse). 7. .. 7 . (Roßkastanie, rote Kastanie). 8.-8 .. (Heidekräuter, Heidelbeere, Nachtkerze). 9. 9 (Schwanenblume).

lt». 10 (Nelken, Storchschnabel, Steinbreche).

11. .. 11 20 _ (Weiderich, Odermennig, Reseda).

12. .. mehr als 20 Staubblätter, dem oberen Rande des becher- oder

krugförmigen Blütenbodens (scheinbar dem Kelchrande) eingefügt (Rosengewächse).

13. T mehr als 20 Staubblätter, einem Blütenboden eingefügt, der weder

Becher- noch Krugform besitzt (Hahnenfußgewächse).

b) Staubblätter nicht von gleicher Länge. (Kl. 14 und 15.)

14. Klasse 2 längere und 2 kürzere Staubblätter (die meisten Lippen- und

Rachenblütler).

15. 4 längere und 2 kürzere Staubblätter (Kreuzblütler).

2. Staubblätter verwachsen. (Kl. 16—20.)

16. Klasse Staubfäden zu 1 Bündel verwachsen (Storchschnabel- und Malven-

gewächse).

17. ,.2 Bündeln verwachsen (die meisten Schmetterlings-

blütler).

18. ,. _ 3 oder mehr Bündeln verwachsen (Tüpfel-Hartheu).

19. ., Staubbeutel zu einer Röhre verwachsen (Korbblütler).

20. .. Staubblätter und Stempel verwachsen (Knabenkrautgewächse).

i7. Blüten enthalten entweder Staubblätter oder Stempel (sind eingeschlechtlich).

(Kl. 21—24.)

21. Klasse Staub- und Stempelblüten auf derselben Pflanze (einhäusige Pflanzen :

viele Kätzchenblütler, Kürbis).

22. r Staub- und Stempelblüten auf verschiedenen Pflanzen (zweihäusige

Pflanzen: Weiden, Pappeln).

23. . Mit Zwitter- und eingeschlechtlichen Blüten (Esche).

B. Blütenlose Pflanzen:

gehören alle zur 24. Klasse. (Farnpflanzen, Moose, Algen, Pilze, Flechten.)

Über die geographische Verbreitung der Pflanzen. 457

6. Die natürlichen Systeme. Wir haben bei unseren Betrachtungen über den Bau und das Leben der Pflanze (s. S. 357 u. ff.) eine ganze Anzahl natürlicher Gruppen kennen gelernt (Zell- und Gefäßpflanzen ; Samen- und Sporen- pflanzen; bedecktsamige und nacktsamige Pflanzen u. s. w.). Diese Einteilung ist, so einfach, ja selbstverständlich sie uns jetzt erscheint, das Ergebnis einer fast hundertjährigen Arbeit zahlreicher Forscher.

Den ersten Versuch, die Pflanzen nach ihrer natürlichen Verwandtschaft zu ordnen, unternahm der französische Botaniker de Jussieu (1789). Als Haupt- einteilungsgrund diente ihm die Anzahl der Keimblätter (keimblattlose, ein- und zweikeimblättrige Pflanzen). Das schon wesentlich verbesserte System des Genfer Professors Decandolle (1813) gründete sich in seinen Hauptabteilungen bereits auf den inneren Bau (Zell- und Gefäßpflanzen). Nach diesen Männern sind zahl- reiche Forscher bestrebt gewesen, uns einen immer tieferen Einblick in die natürliche Verwandtschaft der Pflanzen zu eröffnen. Das diesem Buche zugrunde gelegte System hat in der „Inhaltsübersicht" eine übersichtliche Darstellung erfahren.

2. Über die geographische Verbreitung der Pflanzen.

A. Auf jedem Gange durch die freie Natur sehen wir, daß andere Pflanzen im Waldesschatten gedeihen als auf offenem Felde, andere am plätschernden Bache als auf sonndurchglühter Heide, andere im stillen Tale als auf sturm- gepeitschter Höhe u. s. w. Die Beschaffenheit des Bodens, sowie Wärme, Licht und Feuchtigkeit bedingen wie wir an zahlreichen Beispielen gesehen haben in erster Linie diese Verschiedenheit.

Durchwandern wir einen größeren Bezirk unseres Vaterlandes, oder treten wir aus der Ebene in das Gebirge ein, so beobachten wir einen noch viel größeren Wechsel. Am deutlichsten tritt er uns entgegen, wenn wir einen hohen Berg, vielleicht gar einen solchen der Alpen, besteigen : am Fuße des Berges reift der Weinstock seine Trauben; weiter oben nimmt uns der Laubwald auf; darüber folgt Nadelwald; die Bäume werden, je höher wir kommen, umso zwerghafter und machen nach und nach dem Krummholze Platz; in noch höherer Lage be- ginnnen die Blütenpflanzen immer mehr zu schwinden, um schließlich Flechten und Moosen die Herrschaft zu überlassen. Die höchste Spitze des Berges (Alpen!) ist jahraus, jahrein mit Schnee und Eis bedeckt, entbehrt daher auch alles Pflanzen- lebens. (Vgl., wie diese Aufeinanderfolge der Pflanzen mit ihrer Verteilung über die Erdoberfläche, oder kurz : wie die senkrechte und wagerechte Verbreitung der Pflanzen übereinstimmen!)

Reisen wir in ein fremdes Land, so tritt uns daselbst meist eine voll- kommen fremdartige Pflanzenwelt entgegen. Je mehr wir uns dem Pole nähern,

458 Anhang.

desto dürftiger wird der Pflanzenwuchs, um wie auf dem Gipfel des Alpenberges endlich ganz aufzuhören. Lenken wir unsere Schritte aber nach Süden, so be- obachten wir das Gegenteil : in den sonnigen Ländern um das Mittelmeer treffen wir auf Orange, Zitrone, Olive und Feige; je näher wir dem Äquator kommen, desto häufiger werden die stolzen Gestalten der Palmen ; tropischer Urwald mit einer Fülle fremder Formen und einem ungeahnten Reichtum von Blüten und Farben bedeckt weithin den Boden, und in den öden Wüsten und Steppen treten uns in der Gesellschaft anderer Trockenlandgewächse seltsame Fettpflanzen (s. S. 79) entgegen; kurz: die Pflanzendecke der Erde zeigt in . den einzelnen Ländern, Erdteilen und Zonen oft außerordentliche Ver- schiedenheit.

B. Wie unsere kurze Betrachtung schon zeigt, ist diese Verschiedenheit in erster Linie durch das Klima, also durch Wärme und Feuchtigkeit be- dingt. Da sich jedoch in Ländern mit demselben oder mit ähnlichem Klima, z. B. im Mittelmeergebiete und Kaplande, durchaus nicht immer dieselben Pflanzen- arten, Gattungen und Familien finden, kann das Klima auch nicht allein ausschlaggebend sein.

Eine wichtige Rolle spielen bei der Verbreitung der Pflanzen über den Erdball die Veränderungen, die das einzelne Gebiet in früheren Zeit- räumen erfahren hat. So sind z. B. aus der Eiszeit, in derein großer Teil Mitteleuropas von gewaltigen Gletschern bedeckt war, zahlreiche Pflanzen er- halten geblieben, die wir heute noch auf den höchsten Erhebungen unserer Mittelgebirge, sowie in den Alpen antreffen.

Ein anderer Umstand, der hierbei beachtet werden muß, ist die Ver- breitungsfähigkeit der Pflanzen. So haben wir z. B. gesehen, daß das kanadische Berufskraut und die Wasserpest sich bei uns vollkommen heimisch gemacht haben, daß das Frühlings-Kreuzkraut infolge der vortrefflichen Flug- ausrüstung seiner Früchte immer weiter nach Westen vordringt, daß die Verbreitung des Pfaffenhütleins mit der des Rotkehlchens vollkommen zusammen- fällt u. s. w.

Endlich ist auch der Einfluß, den der Mensch auf die Natur ausübt, für die Zusammensetzung der Pflanzenwelt in den einzelnen Bezirken von größter Wichtigkeit: Aus fernen Zonen und Ländern führt er zahlreiche Kulturpflanzen ein (Beispiele!), die die heimischen Gewächse vielfach verdrängen. Man denke nur an die riesigen Flächen, die z. B. mit Getreide bestellt, und auf denen die „eingeborenen" Unkräuter nach Kräften unterdrückt werden. Mehrere der angebauten Pflanzen entziehen sich wieder der Pflege der Menschen: sie verwildern und machen genau den Eindruck, als ob sie seit uralten Zeiten Glieder der heimischen Pflanzenwelt wären (Nachtkerze). Durch den Verkehr werden ferner zahlreiche andere Pflanzen von Land zu Land, ja sogar von Erdteil zu Erdteil verschleppt (s. S. 451, b). Am klarsten zeigt sich aber die umgestaltende Rolle, die der „Herr der Erde" spielt, wenn er Wälder ausrodet, Moore entwässert, Sumpfgebiete trocken legt, öde Landstriche bewässert und dgl. mehr.

Über die geographische Verbreitung der Pflanzen. 459

C. Die Gesamtheit der Pflanzen, die einen bestimmten Bezirk (z. B. Deutsch- land oder die Schweiz) bewohnen, bezeichnet man als dessen Flora. Weicht die Pflanzenwelt eines Gebietes von der eines anderen wesentlich ab, so hat man zwei verschiedene Pflanzen- oder Florengebiete vor sich.*

1. Das arktische Gebiet umfaßt alles Land, das ungefähr vom nördlichen Polarkreise umschlossen wird. In Nordamerika reicht es jedoch bis über den 60° nach Süden hinab. Da in diesem Gebiete nur ein etwa dreimonatlicher Sommer herrscht, vermögen einjährige Pflanzen ihre Samen nicht zu reifen ; sie fehlen daher. Die aus- dauernden Gewächse bleiben, da sie in der kurzen Zeit nur wenig Baustoff erzeugen können, niedrig, schmiegen sich als Schutz gegen die eisigen Winde dem Boden an oder ziehen sich (Stauden) während des langen Winters ganz in den Boden zurück. Auf weiten Flächen, den Tundren, sind Flechten und Moose die herrschenden Pflanzen. Kulturgewächse fehlen.

2. Das europäisch-sibirische Waldgebiet erstreckt sich über alle Länder Europas bis fast zum Mittelmeere, sowie über Sibirien mit Ausnahme des nörd- lichen Teiles. Die Sommer sind mäßig warm. Im Winter findet eine Unterbrechung des Pflanzenlebens statt (Laubfall u. s. w.). Im Norden und Osten finden sich besonders Nadelwälder, in den anderen Teilen Laubwälder. Wiesen, Heiden und Torfmoore be- decken weite Flächen. Kulturpflanzen: Getreide, Kartoffel, Obstbäume, z. T. auch der Weinstock.

3. Das Mittelmeergebiet wird von den Ländern gebildet, die an das Mittel- meer grenzen. Lederartiges Laub und dichte Behaarung sind Schutzmittel gegen die Dürre des langen Sommers. Da die Winter mild sind, findet meist kein Laubfall wie in unseren Gegenden statt. Die Laubbäume sind daher vielfach immergrün : Ölbaum, Lorbeer, Oleander, Granatbaum, Johannisbrotbaum, Myrte, immergrüne Eichen. Nadel- hölzer sind Pinie und Zypresse; heimisch ist hier auch die Zwergpalme. Kulturgewächse sind außer den genannten : Zitrone, Orange, Feige, Kastanie, Korkeiche, Maulbeerbaum, Weizen, Mais, z. T. auch der Reis.

4. Das inner asiatische Steppengebiet umfaßt Turkestan, Tibet und die Mongolei. Das Klima ist ausgeprägt kontinental : heiße, trockene Sommer wechseln mit strengen Wintern ab. Daher ist fast das ganze Gebiet Steppen- und Wüstenland. Die Grassteppen ergrünen nach den Frühlingsregen sehr schnell, und zahlreiche Zwiebel- und Knollengewächse (s. Tulpe) brechen aus dem Boden hervor. Die ausdauernden Pflanzen, die sich wie diese Gewächse nicht in die Erde zurückziehen können, haben als Schutz gegen die Sommerdürre starre, feste Blätter, oder sind fast oder gänzlich blatt- los. Salzsteppen überziehen weite Bezirke. An Flüssen und da, wo künstliche Be- wässerung stattfindet (z. B. in Mesopotamien), gedeihen Peis, Weizen, Baumwolle, Dattel- palme, Kürbisgewächse.

5. Im chinesisch- japanischen Gebiete herrschen je nach der mehr südlichen oder nördlichen Lage der einzelnen Landschaften heiße oder warme Som- mer und milde oder strenge Winter. Pflanzen, die den tropischen, mittelländischen und unseren heimischen Gewächsen gleichen, kommen daher vielfach nebeneinander vor. Da

* Angeführt sind in der folgenden Übersicht nur die Pflanzen, die in dem Buche berücksichtigt wurden.

460

Anhang.

die Niederschläge regelmäßig und reichlich erfolgen, ist der Ackerbau hoch entwickelt. Kulturpflanzen : Tee, Reis, Weizen, Zuckerrohr, Baumwolle, Indigo, Orangen, Zitronen, weißer Maulbeerbaum. Palmfarne.

ö. Das indische Gebiet erstreckt sich über Vorder- und Hinterindien, sowie über die dazu gehörige Inselwelt, Das (meist) feuchtheiße Klima hat eine Pflanzenwelt von größter Üppigkeit hervorgerufen. "Weite Strecken sind mit dichtem Urwalde bedeckt, der aus den verschiedensten Baum- arten zusammengesetzt und von Schlinggewächsen (Rotangpal- durchflochten ist, Die Flußläufe undurchdringlichem Sumpfwalde, den Dschungeln , begleitet (Bambusge- wächse u. a.), und die Küsten von Mangrove- wäldern umsäumt. Kulturgewächse (die hier zum größten Teil heimisch sind): Reis, Mais, Weizen, Zuckerrohr, Kaffee, Mohn, Baumwolle, Indigo, Pfeffer, Zimmet, Mus- katnuß, Ingwer, Gewürz - Nelken , Kakao, Sagopalme, Banane, Bambus. Guttapercha u. a.

7. Die Sahara ist sehr heiß und fast regenlos. Weite Flächen sind daher ohne jeden Pflanzenwuchs. Die an anderen Stellen auftretenden Gewächse zeigen alle Merk- male ausgeprägter ödlandpflanzen (tiefgehende Wurzeln, kleine, dichtbehaarte Blätter und dgl.). Nur da, wo ein Quell den Boden durchbricht (Oasen), können Kulturpflanzen angebaut werden, unter denen die hier heimische Dattelpalme die Hauptrolle spielt.

8. Das Sudangebiet ist im Westen vorwiegend heiß und feucht, Daher finden sich hier große Urwähler (Kamerun!). Sonst ist das Land heiß und trocken und dem- entsprechend vorwiegend Steppe. Heimisch sind in dem Gebiete : Kaffee, Ölpalme, Affen- brotbaum, Wunderbaum (Ricinus), Papierstaude, kaktusähnliche Wolfsmilcharten. An- gebaut werden neben der Ölpalme fast alle Kulturgewächse Indiens.

9. Das Kalaharigebiet hat infolge seines trockenen, heißen Klimas Wüsten- charakter. Dornige Sträucher, Akazien und Zwiebelgewächse (s. Absch. 4) sind die vorherrschenden Pflanzen.

10. Das Kapgebiet: Das Land an den Küsten ist warm und feucht. Hier gedeihen daher dieselben Nutzpflanzen wie in Mittel- und Südeuropa. Das Innere des Landes ist regenarm, daher zumeist Steppe. Hier finden sich besonders Heidekräuter, Aloearten, Zwiebelgewächse, kaktusartige Wolfsmilchgewächse und die S. 442 erwähnten Aasblumen.

11. Australien hat am Nordrande tropisches, im Süden Mittelmeerklima. Die

Zweig des chinesischen Teestrauches. (Näheres s. S.

Über die geographische Verbreitung der Pflanzen.

461

Kulturpflanzen sind daher auch die tropischen oder südeuropäischen. Die zwischen beiden Bezirken liegende Hauptmasse des Erdteils ist heiß und trocken, daher vorwiegend Wüste und Steppe. Die lichten „Buschwälder- werden besonders von Eukalyptusbäumen gebildet. Die tropischen Urwälder sind reich an Baumfarnen und Farnpalmen.

12. Das nordamerikanische Waldgebiel reicht von der Grenze des arktischen Gebiets bis nach Florida und zur Mündung des Mississippi. I>;is Klima ent- spricht dem des europäisch-sibirischen Gebiets (s. Absch. 2). Im Norden linden sieh

Zweig der Baumwolle. Daneben eine geöffnete Fruchtkapsel, aus der die langen Samenhaare (Baumwolle!) hervorquellen. (Näheres s. S. 53.)

unermeßliche Nadelwälder, im Süden winterkahle Laubwälder und im südlichsten Teile immergrüne Laubbäume und tropische Pflanzen. Im Norden gedeihen die Kulturpflanzen Europas, im Süden Reis, Mais, Zuckerrohr, Baumwolle, Tabak.

13. Das kalifornische Küstengebiet entspricht etwa dem Mittelmeer- gebiete. Es besitzt gleichfalls zahlreiche immergrüne Laubhölzer. Die Kulturgewächse sind die jenes Gebiets.

14. Das Prä riegebiet breitet sich westlich vom Mississippi aus. Heiße, trockene Sommer wechseln mit strengen Wintern ab. Daher linden sieh hier wie an anderen ähnliehen Stellen der Erde weite, baumlose Grassteppen, die Prärien. [mNord- westen finden sieh zahlreiche Salzwüsten; im Süden bilden Kaktusarten und Agaven wichtige Bestandteile der Pflanzenwelt.

462 Anhang.

15. Im mexikanischen Gebiete herrschen sehr verschiedene Verhältnisse: Am Golfe von Mexiko sind unter dem Einflüsse tropischen Klimas auch Tropen- wälder entstanden. Außer den einheimischen Nutzpflanzen, der Vanille und der Ananas, werden hier alle anderen Kulturpflanzen der Tropen angebaut, Das Hochland ist vielfach wüstenartig. Daher finden sich hier Kaktusarten und Agaven, beides aus- gesprochene Trockenlandpflanzen. Kultiviert werden Agaven, Fackeldisteln, Ölbaum, Weinstock u. a. Am Stillen Ocean sind zahlreiche tropische Urwälder anzutreffen.

16. "Westindien hat ein feuchtheißes Klima und demzufolge überaus üppigen Pflanzenwuchs. Angebaut werden alle tropischen Kulturpflanzen. Der Nelkenpfeffer- baum ist hier heimisch.

17. Das Orinokogebiet zeigt am Rande die Verhältnisse "Westindiens. Das Innere ist heiß und trocken, wird daher vorwiegend von Savannen (Llanos) mit geringem Baumwnchs eingenommen.

18. Das Gebiet des Amazonenstroms ist feuchtheiß und wird an Üppig- keit des Pflanzenwuchses von keinem anderen Bezirke der Erde übertroffen. In den unermeßlichen Urwäldern (und z. T. auch in denen der Nachbargebiete) sind der Kakao-, Mahagoni- und Cedrelabaum, sowie verschiedene Arten der Kautschukbäume heimisch.

19. Das brasilianische Gebiet umfaßt Brasilien südlich des Amazonen- stromgebiets. Der heiße und feuchte östliche Teil ist mit üppigem Urwalde bedeckt, Der "Westen ist trocken und heiß. Daher haben sich hier Savannen gebildet. Hier finden sich auch jene merkwürdigen "Wälder (Catingas), deren Bäume im Sommer das Laub abwerfen (Schutz gegen Vertrocknen !). Angebaut werden zahlreiche Tropen- gewächse, besonders Kaffee.

20. Das Gebiet der tropischen Anden von Südamerika. Der "West- abhang der Anden ist heiß und wasserarm. Hier ist wahrscheinlich die Heimat der Kartoffel und der Bohne zu suchen. Auf den höheren Teilen des Gebirges sind die Fieberrindenbäume zu Hause. Am Ostabhange gedeihen in feuchtheißem Klima alle Kulturpflanzen der Tropen.

21. Das Pampasgebiet ist heiß und trocken, daher vorwiegend Grassteppe mit geringem Baumwuchs.

22. Das Gebiet von Chile. Das Klima ist ähnlich wie das der Mittelmeer- länder. Da die Trockenzeit aber länger als ein halbes Jahr währt, ist Chile ein baum- armes Land. In wohlbewässerten Teilen gedeihen die Kulturgewächse des Mittelmeer- Sebietes. Hier ist auch die Fuchsia heimisch.

23. Das antarktische Gebiet umfaßt Süd-Chile und das Feuerland. Im warmen, nördlichen Teile finden sich immergrüne Laubwälder und gedeihen alle mittel- europäischen Kulturpflanzen; der mittlere Teil ist besonders reich an Buchenwäldern, der südliche dagegen von öden Tundren (s. Absch. 1) bedeckt.

Namen- u. Sachregister.

Abies 290. Acacia 112. Acanthns 153. Acer 48. Acbillea 184- Ackerdistel 188. Ackergänsedistel 189. Ackergauckkeil 124. Ackerkornkraut 41. Ackerkrummkals 135. Ackerrettick 21. Ackersenf 21. Ackerskabiose 173. Ackerspark 41. Ackersteinsame 135. Ackerwinde 127. Aconitum 11. Acorus 246. Adansonia 53. Adlerfarn 302. Aegopodium 73. Aesculus 41. Aetkeriscke Öle 387. Aetkusa 73. Affenbrotbaum 53. Agave 234. Agrimonia 96. Agropyrum 264. Agrostemma 39. Agrostis 268. Akorn 48. Äkrcken 255. Äkre 255. 437. Äkrengräser 264. Äkrenrispengräser

267. Ailantkus 50. Aira 268. Ajuga 150. Akazie, eckte 112.

falscke 109. Akelei 11. Alckemilla 98. Alectorolopkus 156. Algen 321. Algenpilze 345. Alismaceae 278. Alkoloide 387. Alliaria 22.

Allium 224. Alnus 199. Aloe 225. Alopecurus 267. Alpenrosen 119- Alpenveilck. 124.389. Alsineae 40. Altkaea 50. Amanita 336. Amaryllidaceae 230. Amaryllis 234. Ameisenpflanzen 109. Ammopkila 267. Ampelopsis 66. Ampferarten 215. Amygdalus 93. Anagallis 124. Ananas 235. Anckusa 134. Anemone 6. Anetkum 72. Angiospermae 1. Anis 73.

Antkeridium 299. Antkoxantkum 267. Antkriscus 73. Antirrkinum 154. Apetalae 190. Apfelbaum 90. Apfelsäure 387. Apfelsine 49. Apium 72. Aprikose 93. Apotkecium 354. Aquilegia 11. Araceae 244. Arak 262. Araliaceae 75. Arckegonium 299. Aristolockia 219. Armeria 124. Armleucktergew. 326. Anika 184. Aronstab 244. Arrbenatkerum 268. Artemisia 185. Artocarpus 209. Arum 244. Asarum 213.

Ascomycetes 338. Asparagus 228. Asperifoliaceae 130. Asperula 169. Aspidium 294. Asplenium 302. Assimilation des'Kok-

lenstoffes 374. der Näkrsalze 372. Aster 183. Astmoos 320. Atmung 390. Atripelix 216. Atropa 141. Atropin 142. Aufspeickerung der

Näkrstoffe 388. Augentrost 156. Aurikel 123. Ausläufer 401. Avena 260. Azalea 119.

Backbungen-Ekren-

preis 156. Bakterien 346. Baldrian 173. Balgfruckt 448. Ballota 151. Balsamine 58. Bambusgräser 263. Banane 242. Bandgras 271. Baobab 53. Bärenklau 73. Bärenklaue, eckte

153. Bärenlauck 224. Bärlappgew. 309. Bartfleckten 355. Bartweizen 259. Basidienpilze 332. Basidiomycetes 330. Basilienkraut 151. Bast 416. Batate 129. Bauckpilze 338. Baum 411. Baumfarne 303.

Baumwolle 53. Bazillen 346. Beckerfleckten 355. Beckerfrücktler 190. Bedecktsamige Pfl. 1. Beere 448. Beerentang 327. Befrucktung 444. Beifuß 185. Beinwurz 130. Bellis 183. Berberis 11. Berberitze 11. Berufskraut, kanadi-

sckes 185. Berteroa 22. Besenginster 110.441. Besenkresse 22- Bestäubung 438. Beta 216. Bettlerläuse 184. Betula 198. Bidens 184. Bienensaug 146. Bierbefe 342. Bilsenkraut 145. Bingelkraut 68. Binsengewäckse 229. Birke 198. Birnbaum 85. Birnenrost 344. Birntang 327. Bisamkyazintko 223. Bittersüß 141. Blasenstrauck 109. Blasentang 327. Blatt, Bau u. Leben

368. Blätterpilze 336. Blattformen 370. Blattgrün 379. Blattkeimer 1. 99. Blattnerven 384. Blattstellung 371. Blaubeeren 118. Blumenbinse 278. Blumenblätter 431- Blumenblattlose

Pflanzen 190.

464

Namen- u. Sachregister.

Blumenkohl 20. Blüte, Bau u. Leben

429. Blütenboden 430.435. Blütengrundriß 3. Blütenkörbchen 437. Blütenlose Pfl. 294. Blutenpflanzen 1. Blütenstände 436. Blütenstaubkörner

433. 445. Bocksbart 189. Boehmeria 206. Bohne 99. Bohnenkraut 151. Boletus 337. Borago 135. Boretsch 135. Borke 425. Bovist 338. Brandpilze 343. 344. Brassica 16. 19. Braunalgen 326. Braunkohl 20. Braunwurz 154. Brechnußbaum 127. Brennessel 205. Briza 268. Brombeere 98- Bromeliaceae 235. Bromus 268. Brotfruchtbaum 209. Brotschimmel 341. Brunella 151. Brunnenkresse 22. Brunnen-Lebermoos

320. Brutbecher 321. Brutknollen oder

-knospen 4. 430. Brutkörperchen 354. Brutzwiebeln 221.

430. Bryonia 168. Bryophyta 309. Buche 197. Buchsbaum 69. Buchweizen 214. Buschwindröschen 6. Butomus 278. Butterblume 180. Buxus 69.

Cactaceae 80. Calaraus 242. Calla 246. Calluna 113. Caltha 9. Camelina 23.

Camellia 28. Campanula 160. Cannabis 207. Cantharellus 336. Capparis 10. Caprifoliaceae 171. Capsella 22. Cardamine 21. Carduus 187. Carex 271. Carpinus 197. Carum 73. Caryophyllaceae 36. Caryophyllus 84. Cassavestrauch 69. Castanea 198. Catingas 462. Cattleya 277. Ceder d. Libanon 29 1. Cedrelabaum 50. Cedrus 291. Centaurea 186. Centifolie 96. Cerastium 41. Ceratonia 112. Ceratophyllum 210. Cereus 81. Cetraria 355. Ceylon-Zimtbaum

214. Chaerophyllum 73. Chamaerops 242. Champignon 330. 336. Characeae 326. Cheiranthus 21. Chelidonium 26. Chenopodium 216. Chinarindenbm. 171. Chinin 171. Chlorophyceae 321. Chlorophyll 361. Chondrus 328. Choripetalae 1. Christbaum 289. Christrose 11. Chromatophoren 359. Chroolepus 325. Chrysanthemum 183.

184. Cichorium 188. Cicuta 73. Cinchona 171. Cinnamomum 214. Cirsium 187. Citrus 49. Cladonia 355. Ciavaria 338. Claviceps 341. Clematis 8.

Cochlearia 23. Cocos 238. Coffea 169. Coffein 170. Colchicum 226. Colutea 109. Compositae 174. Confervoideae 324. Coniferae 280. Conium 73. Convallaria 227. Convulvulus 127. Copra 240. Coriander 73. Cormophyten 368. Cornus 77. Coronaria 39. Corydalis 27. Corylus 190. Crassulaceae 78. Crataegus 90. Crocus 238. Cruciferae 16. Cucumis 167. Cucurbita 162. Cumarin 169. Cupiliferae 190. Cupressus 292. Cuscuta 129. Cyane 186. Cycas 293. Cyclamen 124. Cydonia 90. Cynoglossum 134. Cynosurus 267. Cyperaceae 271. Cyperus 272. Cytisus 110.

Dactylis 268. Dahlia 183. Daphne 213. Dattelpalme 241. Datura 145. Daucus 69. Delphinium 10. Desmidiaceae 325. Diagramme 3. 435. Dianthus 36. Diatomeae 328. Diatomeenerde 330. Dicentra 27. Dickblattgew. 78. Dickenwachstum 420. Dicotyleae 1. 99. Digitalis 154. Dill 72. Dinkel 259. Dipsacus 173.

Disteln 187. Dolde 437. Doldengewächse 69. Donnerkraut 80. Dornen 411. Dotterblume 9. Dracaena 225. Drachenbäume 225. Drosera 33. Düngung 406.

Eberesche 90.

Ebonit 69.

Ecballium 168.

Echium 134.

Edelkastanie 198.

Edeltanne 290.

Edelweiß 186.

Efeu 75.

Efeu-Ehrenpreis 156.

Ehrenpreis 155.

Eibe 292.

Eibisch 53.

Eiche 196.

Eierpilz 336.

Einkeimblätterige Pflanzen 218.

Eisenkraut 153.

Eiweißstoffe 386.

Elaeagnus 125.

Elaeis 242.

Elfenbeinpalmen 242.

Elodea 279.

Elymus 268.

Empusa 345.

Endivie 188.

Endosperm 446.

Engelsüß 301.

Enziangew. 124.

Epilobium 83.

Epipactis 276.

Epiphyten 277.

Equisetinae 304.

Equisetum 304.

Erbse 103.

Erbsenrost 68. 344.

Erdbeere 97-

Erdrauch 27.

Erdrauchgew. 27.

Erica 117.

Ericaceae 113.

Erigeron 185.

Eriophorum 272.

Erle 199.

Ernährungsgenossen- schaft 105. 354.

Erodium 54.

Eropbila 22.

Eryngium 73.

Namen- u. Sachregister.

465

Erysiphe 342. Erythraea 127. Esche 125. Esparsette 110. Espe 204. Essigbauin 50. Estragon 185. Eukalyptusbäume 84. Euphorbia 66. Euphorbiaceae 66. Euphrasia 157. Evonymus t>t>.

Fackeldistel 80. Fadenalge 825. Fadenpilze 330. Fagus 197. Färberröte 169. Farne 294. Farbstoffträger 359. Faulbaum 66 93.449. Fäulnisbewohner

276. 334. Federharz 69. 209. Feigenbaum 208. Feigendistel 81. Feigwurz 3. Feldchampignon 330. Feldmännertreu 73. Feldquendel 151. Feldrittersporn 10. Feldsalat 173. Feldthymian 151. Feldulme 209. Felicinae 294. Fenchel 72. Festuca 268. Fette Öle 387. Fetthenne 80. Fettkraut 35. Fettpflanzen 80. 225.

234. Feuerbohne 99. Feuerlilie 224. Feuerschwamm 337. Ficaria 1. Fichte 298. Fichtenspargel 118. Ficus 69. 208. Fieberrindenb. 77. Filicinae 204. Filzmütze 310. Fingerhut 154. Fingerkraut 98. Flachs 58. Flachsseide 130. Flammendes Herz 27. Flatterbinse 229. Flatterrüster 210.

Flechten 353. Fleckenorchis 272. Flieder 124. Fliegenpilz 336. Fliegenschimmel 345.

Flockenblume 1S7. Flugbrand 344. Foeniculum 72. Fortpflanzung 429. Föhre 280. Fragaria 97. Frangula 66. Frauenflachs 153. Frauenhaar, goldenes

309. Frauenschuh 276. Fraxinus 125. Fritillaria 223. 224. Froschbißgew. 278. FroschlÖtt'elgew. 278. Frucht, Bau u. Leben

445. Fruchtblätter 434. Fruchtboden 430. Frühlingskreuzkraut

184. Fuchsia 83. Fuchsschwanz 267. Fucus 327. Fuligo 353. Fumariacea 27. Fungi 330.

Gagea 224. Galanthus 230. Galeobdolon 150. Galeopsis 151. Kalium 168. 169. Gamanderehrenpreis

155. Gänseblümchen 183. Gänsedistel 189. Gänsefingerkraut 98. Gänsefußgew. 216. Gartenaster 183. Gartenaurikel 123. Gartenbalsamine 58. Gartenglockenbl. 162. Gartenkerbel 73. Gartenkresse 23. Gartennelke 39. Gartenprimel 123. Gartenrettich 21. Gartenrose 96. Gartensalat 188. Gartensalbei 151. Gartenschierling 73. Gartenstiefmütter-

chen 33.

Gartenthymian 151. Gauchheil 121. Gefäßbändel 417. Gefäßkryptogamen

295. Gefäß-Sporenpfl. 294. Geißblatt 171.

Geißblattgew. 171. Gelbling 336. Gemüsebohne 99. 396.

-152. Gemüsekohl 10. Generationswechsel

301. 317. 344. Genista lll. «M'uossenschaftsleben

105. Gentiana 124. Gentianaceae 124. Georgine 183. Geotropismus 408.

412. Geraniaceae 54. Geranium 57. Gerbstoff 387. Gerste 260. Getreide 248- Getreiderost 344. Getrenntblumen- blättrige Prt. l. Geum 96. Gewebe 367. Gewürznelken! Giersch 73. Giftreizker 336. Gilbweiderich 124 Gladiolus 238. Glanzgras 27 1 . Glechoma 150. Gleiße 73. Glockenblume 160

162. Glockenblume,

falsche 11. Glockenheidc 137. Glycyrrhiza 111. Gnaphalium 186. Goldknöpfchen 5. Goldlack 21. Goldnessel 150. Goldregen 110. Goldstern 224. Gossypium 53. Götterbanm 50. Grainineae 248. Granatbaum 84. Graphis 355. Gräser 248. Grasfrucht 25!).

84.

Grasnelke 124. Graukresse 22. Grünalgen 321. 324. Grünkern 259. Gummi 69. Gummi arabicum 113.

Barsch- 90. Gummibaum 69. 200.

blauer 84. Gummibaum neuhol-

ländischer 84. Gundermann 150. Günsel 15(i. Gurke KIT. Guttapercha 69. Gynmosperniae 280. Gvninosporangium

344.

Haare 398. Haarmoos 310.

Habichtskraut 189. Habicht sschwanim

337. Hafer 260. Hagebutte 06. Hagedorn 90. Hahnenfuß 4. 5. Hahnenfußgew. 1. Hahnenkamm 338. Hainbuche 197. 450. Hainwachtelweiz.157. Halbgräser 271. Hanf 207. Hartgummi 69. Hartheu, Tüpfel- 28. Hartriegel, roter 78. Haschisch 207. Haselnußsl rauch 190. Haselwurz 213. Hauhechel 111. Hausschwamm :>:>7. Hauswurz 80- Heckenkirsche 172. Hedera 75. Hedrich 21. Hefepilze 342. Heidekorn 113. 214. Heidekraut 113. 117. Heidelbeere 218. Heidenelke 39. Helianthus 174. Heliotropismus 413. Helichrysum L85. Helleborus 1 1. Hellerkraut 23. Helvella 339. Bepatica 8. 32". Heracleum 7:>.

466

Namen- u. Sachregister.

Herbstzeitlose 226. Herzblatt 82. Hesperis 21. Heterostylie 122. Hevea 69. Hexenmehl 309. Hieracium 189. Himbeere 97. 445. Himmelsgerste 4. Himmelsschlüssel- chen 120. Hirse 260. Hirtentäschelkr. 22. Hochblätter 369. Hohlwurz 27. Hohlzahn 151. Holcus 268. Holz 417. Holzäpfel 90. Holzbirnen 85. Holunder 172. Honiggras 268. Honigmale 121. 441. Honigtau 341. Hopfen 207. Hopfenseide 129. Hordeum 260. 267. Hornblatt 210. Hornbaum 197. Hornklee 111. Hornkraut 41. Hornsträucher 77. Hottonia 123. Huflattich 184. Hülse 448. Hülsenfrüchte 108. Humulus 207. Hundspetersilie 73. Hundsrose 94. Hundszunge 134. Hungerblümchen 22. Hutpilze 330. Hyazinthe 223. Hybriden 97. Hydnum 337. Hydrocharis 279. Hyosciamus 145. Hypericum 28. Hypholonna 336. Hyphomycetes 330. Hypnum 320.

Jahresringe 422. Jasione 126. Jasmin 82. Jelängerjelieber 172. Igelskolben 247. Hex 66. Immergrün 127.

Immerschön 186. Immortelle 186. Impatiens 58. Indigopflanzen 111. Ingwer 243. Insektenblütler 440. Insektenfressende

Pflanzen 33. 35. Jod 327.

Johannisbeere 82. Johannisblut. 28. Johannisbrotb. 112. Johanniskraut 28. Ipomoea 129. Iris 235.

IrländischesMoos328. IsländischesMoos355. Judenkirsche 142. Juglandaceae 198. Juglans 199. Juncus 229. Juniperus 291.

Kaffee 169.

Kaiserkrone 224.

Kakaobaum 54.

Kaktusgewächse 80. 307.

Kälberkropf 73.

Kalla 246.

Kalmus 246.

Kambium 420.

Kamelie 28. j Kamille 184. [ Kammgras 267.

Kannensträucher 35.

Kapern, deutsche 10.

Kapernstrauch 10.

Kapselfrüchte 448.

Kapuzinerkresse 58.

Karagaheenmoos 328.

Kardendistel 173.

Karotte 70.

Karthäusernelke 36.

Kartoffel 135. süße 129.

Kartoffelbovist 338.

Kartoffelpilz 345.

Karyopse 258.

Käsepappel 52.

Kastanie (Roß-) 41. edle 198. rote 48.

Kätzchen 437.

Kätzchenblütler 190.

Katzenkraut 173.

Kautschukbäume 69.

Keimung 452.

Kelch 431.

Kellerhals 213.

Kerbel 73. Kernholz 422. Kernobstgewächse85 Kesselfallenbl 245. Kettenblume 180. Keulenpilze 338. Kiefer 280. Kieselalgen 328. Kieselgur 330. Kirschbaum 90. 93. Klammerwurzeln 401 Klappertopf 156. Klatschmohn 23. Klatschrose 23. Kleber 389. Klebkraut 168. 451. | Klee 110. Kleesalz 387. Kleesäure 387.. Kleeseide 130. Kletten 188. 451. Knabenkraut 272. ' Knackmandeln 93. Knäuelgras 268. Knautia 173. Knieholz 290. Knoblauch 225. Knoblauchsrauke 22. Knollen 135. 411. Knollenblätterpilz

336. Knospe 409. Knöterich 214. 215. Kohl 19. 20. Kohlrabi 20. Kohlrübe 20. Kokken 346. Kokospalme 238. Kolben 437. Kolbenbärlapp 309. Kolbenweizen 259. Kompaßpflanze 188. Königin der Nacht 81. Königskerze 155. Köpfchen 437. Kopfkohl 20. Kopfweide 200. Kopulieren 86. Korallenflechten 355. Korallenpilz 338. Korbblütler 174. Korbweide 204. Kork 425. Korkeiche 198. Korn 248. Kornblume 186. Kornelkirsche 77. Körnersteinbrech 82. Kornrade 39.

| Kotyledonen 99. I Krachmandeln 93.

Krapp 169.

Krebsschere 278.

Kresse 22. 23.

Kreuzblume 49.

Kreuzblütler 16.

Kreuzkraut 184.

Kriechenpflaumc 93.

Krokus 238. J Krummhals 135.

Krummholz 290.

Krustenflechten 355.

Kryptogamae 294.

Küchenzwiebel 224.

Kuckucksblume 276.

Kuckucksnelke 39.

Kuhschelle 8.

Kümmel 73.

Kürbis 161.

Labiatae 146. Labkraut 109. Lackmusflechte 356. Lactaria 336. Lactuca 188. Lagerpflanzen 321.

368. Laichkräuter 247. Laniium 146. 150. Landolphiastr. 69. Lappa 188. Lärche 291. Larix 291. Lathraea 158. Lathyrus 109. Latschen 290. Lattich 188. Laubblätter 369. Laubfall 93. 399. Laubflechten 355- Laubmoose 309. 319. Laucharten 224. Laurus 214. Läusekraut 157. Lebensbäume 292. Leberblume 8. Lebermoose 320. Legföhre 290. Leimkraut 39. Lein 58. Leindotter 23. Leingewächse 58. Leinkraut 153. 154. Leitungsbahnen im

Stamme 422. Lemna 246. Lens 109. Lepidium 23.

Namen- u. Sachregister.

467

Lepidodendron 309. Lepiota 336. Lerchensporn 27. Leachtmoos 320. Leucobryum 320. Leucoium 233. Levkoje 21. Lichenes :\X\. Lichtnelke 40. Liebesapfel 142. Lieschgras :>07. Liguster 125. Lilie 224.

Liliengewächse 218. Limone 49. Linaceae 58. Linaria L53. L54. Linde 50. Linse 109. Liinun 58. Lippenblütler 140. Liriodendron 11. Listera 276. Lithospennom l:il. Lohblüte 353. Lolch 264. Lolium 264. Lonicera 171. Loranthaceae 2 in. Lorbeerbaum 214. Lorchel 339. Lotosblume 16. Lotus 111. Löwenmaul 154 Löwenzahn 180. Luffapflanze 168. Lungehkrant 133 Lupine 111. Luzerne 111. Luzula 230. Lycium 14:i Lycopodinm 309. Lysimachia 124. Lythrum 83.

Macis 214. Maerocystis 327. Mädesüß 98. Magnolie 11. Mahagonibaum 49. Mahonia 12. Majanthemnm 22is. Maiblume 227. Maiglöckchen 227. Majoran 151. Mais 260. Malvaceae 52. Malvengewächse 52. Mammutbäume 292.

Mandelbaum 93.

Mangroveb. 84. 402.

Manihot 69.

Manilahanf 243.

Maniokstrauch 69.

Mannertreu 73. 156.

Marchantia 320.

Marienglocke 162.

Mark 416.

Markstrahlen 416. 424.

Maronen 198.

Maßliebchen 183.

Mate 66.

Matricaria 184.

Matthiola 21.

Mauerpfeffer 78.

.Mauerraute 302.

Maulbeerbaum 208.

Mausegerste 207.

Medicago 111.

Meerrettich 23.

Meerzwiebeln 223.

Mehltaupilze 342.

Melampyrum 157.

Melandryum 40.

Meldenarten 216.

Melilotus HO.

Mebme 16.

Melonenkaktus 81. 397.

Mentha 151.

Mercurialis 68.

Merulius 337. i Mespilus 90.

Metamorphose 368.

Metroxylon 242.

Mieren 40.

Miere, rote 124.

Milchsaft 424.

Milchstern 224.

Mimosa 112.

Minzen 151.

Mirabelle 93.

Mischlinge !i7.

Mispel 90.

Mistel 210.

Mohngewächse 23. 26.

Möhre 69.

Mohrrübe 69.

Monocotyleae 217. I Monotropa 118.

Moosbeere 118.

Moosblüten 313. j Moose 309.

Moraceae 208.

Morcheln 338.

Morphium 26.

Monis 208.

Mumme! 12. Musa 242. Mnscari 223.

Mllsci 319.

Mnskatblüte 2] 1 Muskatnußbum 21 1. Mntterkornpilz 341. Myosotis 134. Myriophyllum 210. Myristica 21 1. Myrte 84. Myxomycetes 352.

Nachtkerze 83.

Nachtlichtnelken 40.

Nachtschatten 141.

Nachtschattengew. 135.

Nacht viole 21.

Nacktsamige PH. 280.

Nadelhölzer 280.

Näglein 39.

Nährgewebe 446.

Nährstoffe der Pflan- zen 371.

Najadaceae 246.

Narcissus 233.

Narzissengewäclise 230.

Nasturtium 22.

Natterkopf 134.

Navicula 328.

Nebenmarkstrahlen 425.

Nektar 440.

Nelken 30.

Nelkenpfefferb. 84.

Nelkenwurz 96.

Nelumbo 16.

Neottia 276.

Nepenthes 35.

Nerium 127.

Nesselgewäehse 205.

Nestwurz 276.

Neugewürz 84.

Nicotiana 143.

Niederblätter 369.

Nieswurz 11. 399.

Nikotin 144.

Nixblume 12.

Nuphar ](i.

Nußfrucht 448.

Nymphaea 12.

Oberhaut 381. Ochsenzange l:i I. Ocimum 151. Odermennig 98. 451. Oidium 05. 342.

Okulieren 86.

Olea 12Ö.

Oleaceae 124 Oleander 127. Ölbaum L25 Olivenbaum 125. ölpalme 212

Ölweide 1 25

Onagraceae 83. Onobrychis L10. Ononis 111. Oenothera 83. Opium 26. Opuntia 81. Orangenbaum 49. Orchis 272. Origanum 151. Ornithogalum 221. Orobanche L59

Ory/.a 261. Osmose 362.

I Isterblu o

Osterluzei 212. Oxalis 57. ! Oxalsäure 387-

! Palmfarne 293. Palmen 238. Palmlilien 225 Palmweide 199- Panicum 260. Paeonia 11. Papaver 23. 26. Papierstaude 272. Papilionaceae !)!>. Pappeln 204. Pappns 174. 182. Paprikapflanze 1 |2 Paraguay-Tee 00. Parasolpilz 336. Parnassia 82. Pastinake 72. Pavia 48. Pechnelke 40. Pedicnlaris 157. Pelargoniuin 57. Penicillium 341. Pensees 33. Perigon 222. Peiltang 328 Perlzwiebel 225. Peronospoia 66. 345. Petersilie 7:1. Petroselinum 7:>. Petunie 145. Pfaffenhütlein 66. Pfefferminze 151. Pfeiler, spanisch. 142. Pfefferstrauch 215 Pfeifenstrauch 82 213.

468

Namen- u. Sachregister.

Pfeilkraut 278. Pfennigkraut 124. Pferdebohne 109. Pfifferling 336. Pfingstrose 11. Pfirsiche 93. Pflanzengebiete 459. Pflanzensysteme 454. Pflaume 93. Pfropfen 86. Phalaris 271. Phanerogamae 1. Phaeophyceae 326. Pbaseolus 99. Philadelphns 82. Phleum 267. Phoenix 241. Phragmites 271. Pbycomycetes 345. Physalis 142. Phytelephas 242. Phyteuma 162. Piassavafasern 242. Picea 289. Pilze 330. Pilztiere 353. Piment 84. Pimpinella 73. Pinguicula 35. 159. Pinie 291.

Pinselschimmel 341. Pirnas 280. 290. Piper 215. Pirola 118. Pirus 85. Pisang 242. Pisum 103. Plantago 159. Platane 210. 450. Piatanthera 276. Platterbse 109. Pleurococcus 325. Plumbaginaceae 124. Poa 268.

Polierschiefer 330. Polygala 49. Polygonatum 228. Polygonum 214. Polypodium 301. Polyporus 337. Polytrichum 309. Pomeae 85. Pomeranze 49. Populus 204. Porree 225. Potamogeton 247. Potentilla 98. Preißelbeere 118. Primel 120.

Primnlaceae 120.

Prothallium 298.

Protoplasma 358.

Prnneae 90.

Prunus 90. 93.

Psalliota 330.

Pteridium 302.

Pteridophyta 294.

Puccinia 344.

Pulmonaria 133. j Pulsatilla 8.

Punica 84.

Purpurwinde 129. I Pustblume 180.

Pyramidenpappel 204.

({necke 264. Quendel 151. Quercus 196. 198. Quitte 90.

Rachenblütler 153.

Radieschen 21.

Rainfarn 184. ! Rainweide 125.

Ramiepflanze 206. 1 Ranke 22.

Rankende Pfl. 414.

Ranunculaceae 1.

Ranunculus 5.

Raphanistrum 21.

Raphanus 21.

Raphia 242.

Raps 16.

Rapskohl 20.

Rapünzchen 173.

Rasenschmiele 268.

Rauhblättr.Gew.130.

Raygras , engl. 267.

Rebenmehltau 65. 342. falscher 65. 345.

Reblaus 66.

Rehpilz 338.

Reiherschnabel 54.

Reine-claude 93.

Reis 261. | Reizker 326.

Renntierflechte 355. : Reseda 27.

Reservestoffe 389.

Rettich 21.

Rhabarber 215.

Rheum 215.

Rhizome 411.

Rhizophora 84.

Rhododendron 119.

Rhodopbyceae 326.

Rhus 50.

Ribes 81. 82.

Richardia 246-

Ricinus 68.

Riedgräser 271.

Riesenkaktus 81. 397.

Rinde 421.

Rindenporen 426.

Ringelblume 180.

Rispe 437.

Rispengräser 286.

Rittersporn 10.

Robinie 10'.).

Roccella 356.

Roggen 248.

Röhrenpilze 337.

Rohr, spanisches 242.

Rohrkolben 247.

Rohrzucker 387. 389.

Rosaceae 85.

Roseae 94.

Rosen 94.

Rosenäpfel 95.

Rosenartige Gew. 85.

Rosenkohl 20.

Rostpilze 343.

Roßkastanie 41.

Rotalgen 326.

Rotangpalmen 242.

Rotbuche 197.

Rotdorn 90.

Rotkehlchenbrot 66.

Rottanne 290.

Rübe, weiße 20. Teltower oder mär- kische 20.

Rübenkohl 20.

Rnbia 169.

Rüböl 16.

Rübsen 20.

Rubus 97.

Ruchgras 267.

Rühr mich nicht an 58

Rum 263.

Rumex 215.

Runkelrübe 216.

Ruprechtskraut 57.

Russula 336.

Rüster 209.

Rutaceae 49.

Saatwicke 109. Saccharomyces 342. Saccharum 262. Safrankrokus 238. Saftmale 121. 441. Sagittaria 278. Sagopalme 242. Salat 188.

I Salbei 151.

I Salepknabenkr. 273.

1 Salicaceae 199.

Salicornia 217.

Salix 199.

Salomonssiegel 228- i Salvia 151.

Salvinia 304.

Salweide 199.

Salzpflanzen 217.

Salzkraut 217.

Sambucus 172.

Samen, 444-446.

Samenpflanzen 1.

Sammetpappel 53.

Sandsegge 271.

Sandstrohblume 185.

Sanguisorba 98.

Sapindaceae 41.

Saponaria 39.

Saprolegnia 345.

Saprophyt 277. 334.

Sargassum 327. | Sarothamnus HO.

Satanspilz 337.

Satureja 151.

Saubohne 109.

Sauerampfer 215.

Sauerdorn 11.

Sauerkirsche 93.

Sauerklee 57.

Sauerkleegew. 57.

Saxifraga 81.

Saxifragaceae 81.

Scabiosa 173.

Schachblume 224.

Schachtelhalme 304-

Schafchampignon 330-

Schafgarbe 184.

Schafskabiose 162.

Scharbockskraut 1.

Schattenblume 228-

Schaumkraut 21.

Scheingräser 271

Schellack 209.

Schellkraut 26.

Scheuerkraut 308.

Schierling 73.

Schilf 271.

Schimmelpilze 341.

Schirmpilz 337-

Schistostega 320.

Schizophycetes 346.

Schlafäpfel 95.

Schlafmohn 26.

Schlammschachtel- halm 309.

Schlangenkaktus 8J. 397.

Namen- a. Sachregister.

46^

Schlangenkraut 240. Sehlangenmoos 309. Schlauchpilze 338. Schlehe 93. Schleimpilze 352. Schließfrucht 448. Schlüsselblume 120. Schmetterlingsblütler

99. 108. Schmiele 208. Schmierbrand 344' Schneckenklee 111. Schneeball 172. Schneebeere 173. Schneeglöckchen 230. Schneerose 11. Schnittlauch 225. Schötchen 22. Schote 19. 448. Schraubenalge 321. Schriftflechten 355. Schuppenbäume 309. Schuppenwurz 158. Schüsselflechten 353. Schuttkresse 22. 398. S,huttbingelkraut68. Schwanenblnme 278. Schwarzdorn 93. Schwarzerle 199. Schwarznessel 151. Schwarzpappel 204. Schwarzwurz 130. Schwarzwurzel 189. Schwefelkopf 336. Schwertlilie 235. Scbwimmblatt 304. Scilla 223. Scirpus 271. Scleroderma 338. Scorzonera 189. Scrophularia 154- Seeale 248. Sedum 78. Seegras 247. Seerose 12. 16. Seggen 271. Seidelbast 213. Seifenkraut 39. Sellerie 72. Sempervivum 80. Senf 21. Senfkohl 20. Senecio 184. Sequoia 292. Siegelbäume 309. Siegwurz 238. Sigillaria 309. Silberpappel 204. Silbertanne 290.

Silene 39. Sileneac :'><;. Simsen 230. 271. Sinapis 21. Sinnpflanzen 112. Sisynibrium 22. Skabiose 162. Smilaceae 227. Solanaceae 135. Solanum 135. 141. Sommereiche 196. Sommertürchen 233. Sommerwurz 159. Sommerzwiebel 224. Sonchus 189. Sonnenblume 174. Sonnenrose 174. Sonnentau 33: Sonnenwolfsmilch 66. Sorbus 90. Soredien 354. Spalt fruchte 448. Spaltpilze 346- Span. Pfeffer 142. Sparganium 247. Spargel 228. Spark 41. Speiselorchel 339. Speiteufel 336. Spelt 259. Spelz 259. Spergula 41. Sphagnum 319. Spierstaude 98. Spinat 216. Spirogyra 321. Spitzahorn 48. Spitzkeimer 218. Spitzmorchel 339. Spitzwegerich 159. Splint 422. Sporenpflanzen 294. Springkraut 58. Spritzgnrke 168. Stachelbeerstr. 81- Stachellattich 188. Stachelpilze 337. Stachys 151. Stamm , Bau und

Leben 408. Stammblattptl. 368. Ständerpilze 330. Stapelia 442. Stärke 385. Stärkebildner 390. Staubblätter 432. Staubbrand 344. Stechapfel 14."). Stechpalme 66.

Stecklinge 401. 430. Steinbrech 82. Steineiche 196. Steinfrüchte 448. Steinklee HO. Steinnelke 36. Steinnüsse 242. Steinobstgew. 90. Steinpilz 337. Steinsame 135. Stellaria 40. Stelzwurzeln 401. Sternmierc 41. Stiefmütterchen 32. Stockausschlag 410. Stockrose 53. Storchschnabel 54.57. Strandhafer 267. Strandroggen 268. Stratiotes 278. Strauch 411. Strauchflechten 355. Straußgras 268- Streifenfarn 302. Strohblume 185. Strychnos 127. Sturmhut 11. Succulenten 80. 234. Sumpfdotterblume 9. Sumpfheide 117. Sumpfmoos 319. Sumpfspierstaude 98. Sumpfvergißmeinnicht

134. Sumpfwurz 276. Sumpfzweizahn 184. Süßholz 111. Süßkirschbaum 90. Swietenia 49. Symbiose 105. 354. Sympetalae 113. Symphoricarpus 173. Symphytum 130. Syringa 124-

Tabak 143. Taglichtnelke 40. Tanacetum 184. ; Tange 326. Tanne 290. Taphrina 342. Taraxacum 180. Täschelkraut 22. Taubenkropf :'>:». Taubenskabiose 173. Taubnessel 146 150. Taumelkerbel 73. Tanmellolcl 264.

Tausendblatt 210.

Tausendgüldenkr.127.

Tausendschönchen

183. Taxus 292. Teestrauch 28. 460 Teichrose 16. Teufelskralle 162.

Teufelszwirn 129.143. Thallophyta321.368 Thea 28. Theobronia 54. Thlaspi 23. Thuja 292. Thymian 151. Thymus 151. Tierpilze 353. Tilia 50. Tilletia 344. Timotheusgras 207 Tollkirsche 141. Tomate 142. Torfmoos 319. Tragopogon ls'.i. Transpiration 393. Trapa 83. Traube 437. Traubenkirsche 93. Traubenwickler 66. Traubenzucker :i.s~ Traueresche 125. Trauerweide 204- Trespen 268. Trifolium 109. Triticum 259. Tropaeolum 58- Trüffel 339. Trugdolde 438- Tuber 339. Tulpe 218. Tulpenbauin 11. Tüpfelfarn 301. Tüpfelharthen 28- Turgor 363. Türkenbund 224. Tussilago 184. Typha 246.

Überpflanzen 277

303. IHmacea 208. Ulmaria ns. Ulmengewäehse 208 Umbelliferae 69. Uredinaceae 343. Uromyces 344. Urtica 2i »5. 206. ürticularia 35. 159- Usnea 355. üstilago 344

470

Namen- u. Sachregister.

Vaccinium 118.

Valeriana 173

Valcrianella 173.

Vanille 278.

Vegetationskegel409.

Veilchen 29. 32.

Veilchenalge 325.

Yeilchengewächse 29.

Veilchenmoos 325.

Veilchenstein 325.

Verbascum 155-

Verbena 153.

Verdunstung 393.

Veredeln der Obst- bäume 86.

Vergißmeinnicht 134.

Veronica 155.

Verschiedengrifflich- keit 122.

Verwachsenblumen- blättrige Pfl. 113.

Viburnum 172.

Vicia 109.

Victoria 16.

Vinca 210.

Viola 29.

Viscaria 40.

Viscum 210.

Vitis 60.

Vogelbeerbaum 90.

Vogelkirsche 93.

Vogelknöterich 214.

Vogelmiere 40. 406.

Vogelwicke 109.

Vorkeim 298. 316.

Wacholder 291. Wachstumskegel 409. Wachtelweizen 157. Walderdbeere 97. Waldgeißblatt 171. Waldmeister 169. Waldrebe 8. Waldschachtelh. 309. Wald weiden röschen 83.

Walnußbaum 199.

Wanderung d. Nähr- stoffe 387.

Wandflechte 353.

Wasserfäden 324.

Wasserfarne 304.

Wasserfeder 123.

Wasserhahnenfaß 5.

Wasserknöterich 215.

Wasserliesch 278.

Wasserlinse 246.

Wassermelone 168.

Wassernuß 83.

Wasserpest 279.409.

Wasserrose 12.

Wasserschimmel 345.

Wasserschwertlilie 235.

Wasserschlauch 35.

Wasserspalten 395.

Wau 27.

Wegerich 159.

Wegmalve 52.

Wegwarte 188.

Weichselkirsche 93-

Weidengewächse 199.

Weidenröschen 83.

Weiderich 83. 440.

Weihnachtsbaum 289.

Wein, wilder 66.

Weinhefe 343.

Weinpalme 242.

Weinrebengew. 60.

Weinstock 60.

Weinträubchen 223.

Weißbuche 198.

Weißbirke 198.

Weißdorn 90.

Weißklee HO.

Weißmoos 320.

Weißtanne 290.

Weißwurz 228.

Weizen 259.

Welschkohl 20.

Wermut 185.

Weymouthskiefer 291.

Wieke 438. Wicken 109. Widerton 309. Wiesenbocksbart 189. Wiesenflockenbl. 187. Wiesenfuchsschwanz

267. Wiesenglockenblume

162. Wiesenhafer 268. Wiesenklee 109. Wiesenknopf 98- Wiesenlieschgras 267. WiesenplatterbselOO. Wiesenrispengras

268. Wiesensalbei 151. Wiesenschaumkr. 21. Wiesenschwingel 268. Wiesenstorchschn. 57. Wiesenwachtelweizen

157. Windblütler 191. 257. ! Windende Pfl. 413. Windengewächse 127. Windenknöterich214. Windröschen 6. 8. Winterastern 184. Wintereiche 196. Wintergrün 118- Winterzwiebel 225. Wirsingkohl 20. Wohlverleih 184. Wolfsmilch 66. 68. Wollgras 272. Wollkraut 155. Wucherblume 183. Wunderbaum 68. Wurmfarn 294. Wurzel, Bau u. Leben

400. Wurzelbakterien 104. Wurzelbrut 410. Wurzeldruck 423. Wurzelhaare 404. Wurzelhaube 403.

Xanthoma 353.

Yucca 225.

Zaunrübe 168. Zaunwicke 109. Zaunwinde 128. Zea 260. Zelle 357. Zellhaut 363. Zellkern 359. Zellkryptogamen.311. Zellplasma 359. Zellschichten 37!). Zellstaat 386. Zellstoff 365. Zellulose 365. Zellzwischenräume

367. Zichorie 188. Ziegenbart 338. Ziest 151. Zimtbaum 214. Zingiber 243. Zitronenbauni 4!>. Zittergras 268. Zitterpappel 204. Zostera 247. Zuckermelone 168. Zuckerrohr 262. Zuckerrübe 216. Zweiblatt 276. Zweikeimblättrige

Pflanzen 1. 99. Zweizahn 184- Zwergkiefer 290. Zwergpalme 242. Zwergschwertlilie

238. Zwetsche 93. Zwiebel 218. 224. Zwitterblüte 431. Zypresse 292.

>-4 Verlag* von Erwin Nägele in Stuttgart, $-«

Vom Lehrbuch der Botanik werden, wie vom „Lehrbuche der Zoologie" gleicl alls gekürzte Ausgaben erscheinen und zwar :

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2. Heft:

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Über die

Reformbestrebungen

auf dem Gebiete des

naturgeschichtlichen Unterrichts

von

Dr. 0. Schmeil. 4. verbesserte und vermehrte Auflage. -*- Preis 1 Mk. 40 Pf.

Die Broschüre enthält eine kritische Beleuchtung aller Vorschläge, die bezüg- lich einer Umgestaltung des naturgeschichtlichen Unterrichts bisher gemacht worden sind, und legt - wie die Kritik einstimmig ausgesprochen hat in durchaus zwingender Weise dar, welche Richtung die Reform einzuschlagen hat, wenn der Unterricht dem heutigen Stande der Pädagogik und der Naturwissenschaften ent- sprechen soll ; sie stellt sich demnach dar als eine theoretische Begründung der Ge- danken, die der Verfasser in seinen Schulbüchern niedergelegt hat, oder als ein aus- führliches Vorwort zu diesen Werken.

Obgleich d i e A r b e i t erst im Dezember 1 896 e r s c h i e n e n ist, liegt sie jetzt bereits in vierter Auflage vor. Für ihren Wert sprechen zahlreiche Pressstimmen, die auf Wunsch gerne zur Verfügung stehen.

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