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VORLESUNGEN

ÜBER DAS IKOSAEDER

UND DIE

AUFLÖSUNG

GLEICHUNÖEN VOM FÜNFTEN GRADE

VON

FELIX KLEIN,

O. Ö. PKOPESaOK BER OÜOMF.TRIK A. D. UNIVKRSITÄT LKIPZIO.

MIT EINER LITHOGRAPHIRTEN TAFEL.

LEIPZIG, DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.

1884.

HS

Yorrede.

Die Theorie des Ikosaeders hat in den letzten Jahren für fast alle Gebiete der modernen Aualysis eine solche Bedeutung gewonnen, dass es nützlich schien, eine zusammenhängende Darstellung derselben zu veröffentlichen. Erweist sich dieselbe als brauchbar, so denke ich in gleicher Richtung weiter zu gehen und die Lehre von den ellipti- schen Modulfunctionen sowie die allgemeinen Untersuchungen über eindeutige Functionen mit linearen Transformationen in sich, wie sie in neuester Zeit entstanden sind, in ähnlichem Sinne zu bearbeiten. Es würde auf solche Art ein mehrbändiges Werk entstehen, von Avelchem ich eine Förderung der Wissenschaft jedenfalls insofern er- warte, als es Vielen den sZugang zu aussichtsreichen Gebieten der neueren Mathematik eröffnen kann.

Indem ich wegen der Begrenzung des Stoffes, welche ich dieses Mal eingehalten habe, im Allgemeinen auf die folgende Darstellung selbst verweise, möchte ich hier nur besonders auf den zweiten Ab- schnitt, der die Auflösung der Gleichungen fünften Grades behandelt, aufmerksam machen. Es sind jetzt volle 25 Jahre her, dass die Herren Brioschi, Hermite und Kronecker in vereinten Arbeiten die moderne Theorie der Gleichungen fünften Grades geschaffen haben. Aber so oft auch ihre Untersuchungen genannt werden, ein eigent- liches Verstäudniss in weiteren Kreisen des mathematischen Publikums haben dieselben bis jetzt nicht gefunden. Indem ich im Folgenden die Lehre vom Ikosaeder voranstelle und als die eigentliche Grund- lage des Auflösungsprocesses betrachte, entsteht eine Ansicht der Theorie, wie sie einfacher und durchsichtiger wohl nicht mehr ge- wünscht werden kann.

Eine besondere Schwierigkeit, die sich bei der Durchführung meiner Absicht darbot, lag in der Verschiedenartigkeit der in die Iko- saedertheorie eingreifenden mathematischen Disciplinen. Es schien mir diesbezüglich am Zweckmässigsten, nach keiner Seite specifische Vor- kenntnisse vorauszusetzen, sondern überall solche Erläuterungen und Literaturangaben einzuschalten, welche zu einer ersten Orientirung auf dem gerade in Betracht kommenden Gebiete ausreichen dürften. Was ich dagegen vom Leser verlange, ist eine gewisse Reife des mathe- matischen Urtheils, vermöge deren kurzgefasste Schlüsse genügen, um

IV Vorrede.

jedesmal vom Einzelnen zum Allgemeinen aufzusteigen. Es sind dies dieselben Grundsätze, welche ich von jeher in meinen höheren Vorlesungen befolgte (wie ich denn auch in den Einzelheiten der Darstellung meiner Vorlesungspraxis gefolgt bin); in diesem Sinne wolle man den Titel verstehen, den ich meinen Darlegungen gegeben habe.

Ich kann diese kurzen Vorbemerkungen nicht schliessen, ohne meinen verehrten Freunden, den Herren Prof. Lie in Christiana und Prof. Gordan in Erlangen, für vielfache Anregung und Unterstützung meinen besonderen Dank auszusprechen. Meine VerpHichtungen gegen Hrn. Lie gehen in die Jahre 1869 70 zurück, wo wir in engem Verkehre mit einander unsere Studienzeit in Berlin und Paris ab- schlössen. Wir fassten damals gemeinsam den Gedanken, überhaupt solche geometrische oder analytische Gebilde in Betracht zu ziehen, welche durch Gruppen von Aendernngen in sich selbst transformirt werden. Dieser Gedanke ist für unsere beiderseitigen späteren Arbeiten, soweit dieselben auch auseinander zu liegen scheinen, be- stimmend geblieben. Während icli selbst in erster Linie Gruppen discreter Operationen ins Auge fasste und also insbesondere zur Unter- suchung der regulären Körper und ihrer Beziehung zur Gleichungs- theorie geführt wurde, hat Hr. Lie von vorneherein die schwierigere Theorie der continuirlichen Transformationsgruppeu und somit der DifferentialgMcJmngcn in Angriff genommen. Es war im Herbst 1874, dass ich mit Hrn. Gordan nähere Beziehung gewann. Ich hatte da- mals bereits für mich die Theorie des Ikosaeders begonnen (ohne noch die früheren Arbeiten von Hrn. Schwarz zu kennen, auf die in der Folge wiederholt Bezug zu nehmen sein wird), aber ich betrachtete meine ganze Art der Fragestellung nur erst als eine Uebungsaufgabe. Wenn jetzt aus den damaligen Anfängen eine weitreichende Theorie entstanden ist, so verdanke ich dies in erster Linie Hrn. Gordan. Ich gedenke hier nicht besonders seiner eigenen einschlägigen Arbeiten, über welche noch fernerhin ausführlich Bericht erstattet werden soll. Wohl aber muss ich an dieser Stelle anführen, was durch blosse Citate nicht ausgedrückt werden kann: dass Hr. Gordan mich bei meinen Arbeiten immer wieder anspornte, wenn ich ermüdete, und dass er mit der grössten üneigennützigkeit mir über viele Schwierig- keiten hinweghalf, die ich allein nie überwunden hätte. Leipzig, den 24. Mai 1884.

F. Klein.

Inhalts -Verzeichniss.

Abschnitt I. Theorie des Ikosaeders in engerem Sinne.

Kapitel I.

Die regulären Körper und die Gruppentheorie. Seite

§ 1. Die Fragestellung 3

§ 2. Griippentheorctische Vorbegrifto 5

§ 3. Die cyclischen Rotationsgruppen . . . : 8

§ 4. Die Gruppe der Diederdrehungen 9

§ 5, Die Vierergruppe 12

§ 6. Die Gruppe der Tetraederdrehungen 14

§ 7. Die Gruppe der Oktaederdrehungen 15

§ 8. Die Gruppe der Ikosaederdrehuiigon- 16

§ 9. Ueber die Symmetrieebenen unserer Configurationen 19

§10. Allgemeine Pnnktgruppen. Fundaraentalbereiche 21

§ 11. Die erweiterten Gnippen 23

§ 12. Erzeugung der Ikosaedergruppe . 24

§ 13. Erzeugung der anderen Rotationsgruppen 27

Kapitel II.

Einführung von x -\- iij.

§ 1. Erster Ansatz und Uebersicht der Entwickelungen dieses Kapitels. . . 29 § 2. Ueber diejenigen linearen Transformationen von {x -f- iy)t welche den

Drehungen um den Kugelmittelpunkt entsprechen 32

§ 3. Homogene lineare Substitutionen. Zusammensetzung derselben .... 34 § 4. Uebergang zu den Substitutionsgruppen. Die cyclischen Gruppen und

die Diedergruppen 36

§ 5. Die Gruppen des Tetraeders und des Oktaeders 38

§ 6. Die Ikosaedergruppe 39

§ 7. Nichthomogene Substitutionen. Inbetrachtnahme der erweiterten Gruppen 42

§ 8. Holoedrischer Isomorphismus bei homogenen Substitutionsgruppen . . 44 § 9. Invariante Formen, zu einer Gruppe gehörig. Der Formenkreia der

cyclischen und der Diedergrupjjen 47

§ 10. Vorbereitendes über die Tetraeder- und die Oktaeder -Formen .... 50

§ 11. Der Formenkreis des Tetraeders 51

§ 12. Der Formenkreis des Oktaeders 54

§ 13. Der Formenkreis des Ikosaeders 65

§ 14. Die fundamentalen rationalen Functionen 58

§ 15. Bemerkung über die erweiterten Gruppen 61

§

1.

§

2.

§

3.

§

4.

§

5.

§

G.

§

7.

§

8.

§

9.

§

10.

VI Inhalts -Verzeichniss.

Kapitel III.

Formulirung und functionentheoretische Discussion

der Fundamentalaufgaben. Seite

Definition der Fundamentalaufgaben 62

Reduction der Formenprobleme 64

Plan der folgenden Untersuchungen 66

Ueber die conforme Abbildung durch die Function z {Z) 68

Verlauf der Functionen s^yZ^ im Allgemeinen; ßeihenentwickelungen . 71

Uebergang zu den Differentialgleichungen 3. Ordnung 73

Zusammenhang mit den linearen Differentialgleichungen 2. Ordnung . 75

Wirkliche Aufstellung der Difforontialglcichung 3. Ordnung für z{Z). 11

Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung für z^ und z,^ 78

Beziehungen zu Riemann's 2^- Function 80

Kapitel IV.

üeber den algebraischen Charakter unserer Fundamentalaufgaben.

§ 1. Aufgabe des gegenwärtigen Kapitels. . . . ._ 83

§ 2. Ueber die Gruppe einer algebraischen Gleichung 84

§ 3. Allgemeines ü^er Resolventen 86

§ 4. Die Galois'sche Resolvente insbesondere 89

§ 5. Einordnung unserer Fundamentalgleichungen 93

§ 6. Betrachtung der Formenpi-obleme 95

§ 7. Die Auflösung der Gleichungen des Dieders, Tetraeders und Oktaeders 96

§ 8. Die Resolventen fünften Grades der Ikosaedergleichung 98

§ 9. Die Resolvente der r 100

§ 10. Berechnung der Formen t und W 103

§11. Die Resolvente der u 104

§ 12. Die Hauptresolvente der Y 105

§ 13. Zusammenhang der neuen Resolventen mit der Resolveute der r . . . 106

§ 14. Ueber die Differenzenproducte der u und der Y 107

§ 15. Die einfachste Resolvente vom sechsten Grade 109

§ 16. Schlussbemerkung 112

Kapitel V.

Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte. § 1. Würdigung des bisherigen Gedankengangs. Verallgemeinerungen . . 113 § 2. Bestimmung aller endlichen Gruppen linearer Substitutionen e\ner Ver- änderlichen 115

§ 3. Algebraisch integrirbare lineare, homogene Differentialgleichungen

zweiter Ordnung 120

§ 4. Endliche Gruppen linearer Substitutionen bei grösserer Variabclenzahl 123 § 5. Vorausblick auf die Theorie der Gleichungen fünften Grades und For- mulirung eines allgemeinen algebraischen Problems 125

§ 6. Unendliche Gruppen linearer Substitutionen einer Veränderlichen . . . 126 § 7. Auflösung der Tetraeder-, Oktaeder - und Ikotaeder-Gleichung durch

elliptische Modulfunctionen 131

§ 8. Formel zur directen Lösung der einfachsten Resolvente sechsten Gra- des der Ikosaedergleichung 133

§ 9. Bedeutung der transcendenten Lösungen 134

Inhalts- Verzeichnias. VII

Abschnitt 11, Theorie der Gleichnngen fünften Grades.

Kapitel I.

Uebftr die historische Entwickelung der Lehre von den Gleichungen

fünften Grades. Seite

§ 1. Umgrenzung unserer nächsten Aufgabe 139

§ 2. Elementares über Tschirnhaustransfoi-mation. Die Bring'sche Form . 142

§ 3. Angaben, elliptische Functionen betreffend 144

§ 4. Ueber Hermite's Arbeit von 1858 148

§ 6. Die Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades 149

§ 6. Die Kronecker' sehe Methode zur Auflösung der Gleichungen fünften

Grades ' 153

§ 7. Ueber Kronecker's Arbeit von 1861 . . 156

§ 8. Aufgabe unserer ferneren Entwickelungen 169

Kapitel II.

Einführung geometrischer Hülfsmittel.

§ 1. Grundlage der geometrischen Deutung 162

§ 2. Classification der Curven und Flächen ie«4

§ 3. Die einfachsten Specialfälle der Gleichungen fünften Grades 165

§ 4. Gleichungen fünften Grades, welche beim Ikosaeder auftreten .... 167

§ 5. Geometrische Auffassung der Tschirnhaustransformation 169

§ 6. Specielle Anwendungen der Tschimhaustransformation 171

§ 7. Geometrisches über Resolventenbildung 173

§ 8. Ueber Liniencoordinaten im Räume 176

§ 9. Eine Resolvente zwanzigsten Grades der Gleichungen fünften Grades . 178

§ 10. Zur Theorie der Flächen zweiten Grades 179

Kapitel III.

Die Hauptgleichungen vom fünften Grade.

§ 1. Bezeichnungen, der fundamentale Ansatz 182

§ 2. Bestimmung des geeigneten Parameters l 185

§ 3. Bestimmung des Parameters (i 188

§ 4. Die Hauptresolvente der Ikosaedergleichung . 189

§ 5. Auflösung der Hauptgleichungen fünften Grades 191

§ 6. Der Gordan'sche Ansatz 194

§ 7. Substitutionen der X, (i; invariante Formen 197

§ 8. Allgemeines über die von uns auszuführenden Rechnungen 199

§ 9. Neuberechnung der Grösse 7»i 200

§ 10. Geometrische Deutung der Gordan'schen Theorie 201

§ 11. Algebraische Gesichtspunkte (nach Gordan) 203

§ 12. Die Normalgleichung der rv 206

§ 13. Die Bring'sche Transformation 207

§ 14. Die Normalgleichung von Hermite 209

VIII Inhalts-Verzeichniss.

Kapitel IV.

Das Problem der A und die Jacobi'schen Gleichungen sechsten

Grades. Seite

§ 1. Zielpunkt der folgenden Entwickelungen 211

§ 2. Substitutionen der A; invariante Formen 213

§ 3. Geometrische Interpretation; Normirung der invarianten Ausdrücke . 21G

§ 4. Das Problem der A und seine Reduction 219

§ 5. üeber die einfachsten Resolventen des Problems der A 221

§ 6. Die allgemeine Jacobi'sche Gleichung vom sechsten Grade 223

§ 7. Die Brioschi'sche Resolvente 225

§ 8. Vorbemerkungen zur rationalen Transformation unseres Problems . . 227

§ 9. Durchführung der rationalen Transformation 229

§ 10. Gruppentheoretische Bedeutung von Cogredienz und Contragredienz . 232

§ 11. Ansatz zur Auflösung unseres Problems 234

§ 12. Zugehörige Formeln 236

Kapitel V.

Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades.

§ 1. Formulirung zweier Auflösungsmethoden 239

§ 2. Durchführung unserer ersten Methode . 241

§ 3. Kritik der Methoden von Bring und Hermite 244

§ 4. Vorbereitungen zu unserer zweiten Auflösungsmetbode 245

§ 5. Von den Substitutionen der A, A'. Definitive Formulirang 247

§ 6. Die Umkehrformeln der zweiten Methode . 248

§ 7. Beziehungen zu Kronecker und Brioschi 250

§ 8. Vergleich unserer beiden Methoden 253

§ 9. üeber die Nothwendigkeit der accessorischen Quadratwurzel 254

§ 10. Specielle Gleichungen fünften Grades, welche rational auf eine Iko-

saedergleichung zurückgeführt werden köunen 257

§11. Der Kronecker sehe Satz 258

Verzeichniss einiger Druckfehler.

p. 5G: In Formel (57) muss die Determinante ein positives Vorzeichen haben.

p. 70, Z. 14 V. o.: statt Z- Kugel zu lesen ^•-Kivgel.

p. 73, Z. 3 v. 0. : Der Factor ist beim Ikosaeder ebenfalls gleich -f- 1. Da ferner- hin (Z. 13 V. 0.) derselbe Factor noch einmal wiederkehrt, so bleiben die Formeln (21) doch richtig.

p. 79, Z. 3 V. 0.: statt Z zu setzen z.

p. 121, Formel (8): statt 'p'' muss p^ stehen.

Z u

p. 121, Z. 7 V. 0.: statt Kap. II zu lesen Kap. III.

Absclmitt I. Theorie des Ikosaeders in engerem Sinne.

Klein, Oleichongen. 5 Grades.

Kapitel I. Die regulären Körper und die Gruppentlieorie.

§ 1. Die Fragestellung.

Wenn wir im Folgenden von dem Ikosaeder, oder überhaupt einem regulären Körper sprechen, so ist dieser Ausdruck in übertragenem Sinne zu verstehen. Wir operiren nämlich nicht eigentlich mit allge- meinen Raumconstructionen, sondern beschränken uns im Wesentlichen auf die Kugeloherfläche, welche durch die Ecken des regulären Körpers hindurchgelegt ist, und auf die wir die Kanten und Seitenflächen des regulären Körpers durch geradlinige Projection vom Mittelpunkte der Kugel aus übertragen denken. Das nähere Object unserer Betrachtung ist also eine bestimmte Kugeltiieilung, und nur der bequemeren Aus- drucksweise wegen greifen wir auf die Benennungen und zum Theil auch die Constructionen der Raumgeometrie zurück.

Den regulären Körpern, wie sie die Alten kannten, rechnet man in neuerer Zeit gewöhnlich noch die ZepZe?-'schen Körper (deren Seiten- flächen sich wechselseitig durchdringen) hinzu. Wollte man sie in der erwähnten Weise durch Centralprojection auf die Oberfläche der Kugel übertragen, so würde eine mehrfache Ueberdeckung der Kugel ent- stehen. Es ist sogar nicht schwer zu sehen, dass es ähnlicher Ueber- deckungen von regulärem Charakter unendlich viele giebt*). Aber derartige relativ complicirte Verhältnisse sollen in der Folga bei Seite gelassen werden. Wir untersuchen allein jene einfachen Figuren, welche in dem genannten Sinne dem regulären Tetraeder, dem OJctaeder, dem Würfel, dem Ikosaeder und dem Pentagondodekaeder entsprechen. Ihnen werden wir dann noch eine sechste Configuration hinzurechnen, welche dem ebenen regtdären n Eck correspondirt. In der That können wir letzteres, indem wir uns den von den Seiten des regulären n Ecks begrenzten Ebenentheil als doppelt denken, als einen regulären Körper, als Bieder, wie wir sagen wollen, bezeichnen: nur dass dieser Körper, der elemen-

*) Vgl. hierzu das neue Werk von Hess: Einleitung in die Lehre von der Kugeltheilung mit besonderer Berücksichtigung ihrer Anwendung auf die Theorie der gleichflächigen und der gleicheckigen Polyeder. Leipzig 1883.

1*

4 I, 1. Die regulären Körper

taren Vorstellung eines solchen zuwider, keinen Raum einschliesst. Ueber- tragen wir das Dieder durch Centralprojection auf die Oberfläche der umgeschriebenen Kugel, so haben wir zunächst, den w Ecken desselben entsprechend, auf einem grössten Kreise (der fortan als Aequator be- nannt werden soll) n äquidistante Punkte, zwischen ihnen, als Gegen- bild der Kanten des Dieders, die n Stücke, in welche dieser Kreis durch die n Punkte zerlegt wird. Wir setzen dann, wie es naturgemäss ist, den beiden soeben unterschiedenen Begrenzungsebenen des Dieders die beiden vom Aequator umgrenzten Halbkugeln entsprechend.

Es sind nun aber, und dies muss von vornherein hervorgehoben werden, im Folgenden nicht eigentlich die hiermit aufgezählten Figuren selbst, die den Gegenstand unserer Betrachtung ausmachen, vielmehr sind es jene Drehungen, oder auch Spiegelungen, oder kurz gesagt: diejenigen elementargeömetrischen Operationen, durch welche die genannten Figuren mit sich selbst zur Deckung kommen. Die Figuren sind für uns nur das Orientirungsmittel, vermöge dessen wir die Gesammtheit ge- wisser Drehungen oder sonstiger Umänderungen übersehen. Daher wird für uns der einzelne reguläre Körper mit seiner Polarfigur, die bei denselben Operationen ungeändert bleibt, wie er selbst, untrennbar ver- bunden sein. In diesem Sinne gehört das Oktaeder mit dem Würfel zusammen, dessen Ecken den Mittelpunkten der Seitenflächen des Oktaeders entsprechen, das Ikosaeder mit dem Pentagondodekaeder, das analoge Lage hat. Von demselben Princip ausgehend werden wir mit dem Tetraeder zusammen immer das zugehörige Gegentetraeder in Be- tracht ziehen (dessen Ecken den Ecken des ursprünglichen Tetraeders diametral gegenüber stehen), wir werden endlich beim Dieder, den bei- den Seitenflächen desselben entsprechend, die beiden Pole der Kugel markiren*). So sind es also im Grunde viererlei Gestaltungen, die unserer Betrachtung unterliegen. Wir werden dieselben im Folgenden kurz durch die Benennungen Dieder, Tetraeder, Oktaeder und Ikosaeder charakterisiren. Wenn wir den Fall des Ikosaeders in den späteren Entwickelungen vielfach ganz besonders hervorheben, wenn wir, dem- entsprechend, das Ikosaeder allein in der Ueberschrift dieses Ab- schnittes genannt haben, so geschieht es, weil der Fall der Ikosaeder- configuration unter den übrigen Fällen in jeder Beziehung der inter- essanteste ist.

Indem wir uns jetzt die Aufgabe stellen, die in Rede stehenden Drehungen etc. zu studiren, durch welche die genannten Configurationen

*) Die Configuration des Dieders ist also dieselbe, welche sonst wohl als Doppelpyramide bezeichnet wurde.

und die Gruppentheorie. 5

in sich übergehen, gebietet sich von vornherein der Anschluss an jene wich- tige und umfassende Theorie, welche zumal durch Galois' bahnbrechende Arbeiten geschaffen worden ist*) und die man als Gruppentheorie be- zeichnet**). Ursprünglich aus der Gleichungstheorie erwachsen und dementsprechend auf die Vertauschungen irgend welcher Elemente be- züglich, umfasst diese Theorie, wie man seit lange erkannt hat, über- haupt jede Frage, bei der es sich um eine geschlossene Mannigfaltig- keit irgend welcher Operationen handelt. Man sagt von beliebigen Operationen, dass sie eine Gruppe bilden, wenn je zwei der Operationen zusammengesetzt immer wieder eine Operation unter der bereits ge- gebenen erzeugen. In diesem Sinne haben wir sofort den Satz:

Die Drehungen, welche einen regulären Körper mit sich selbst mr Deckung bringen, bilden in ihrer Gesammtheit eine Gruppe.

Denn es ist klar, dass irgend zwei Drehungen dieser Art, hinter einander angewandt, immer wieder eine Drehung derselben Beschaffen- heit erzeugen. Anders ist es mit den Spiegelungen, vermöge deren ein regulärer Körper in sich verwandelt wird. Di^e bilden für sich genommen Iceine Gruppe. Denn zwei Spiegelungen ergeben, hinter ein- ander angewandt, keine Spiegelung, sondern eine Drehung. Wohl aber wird wieder eine Gruppe gebildet, wenn wir diese Spiegelungen mit den eben genannten Drehungen und gewissen anderen, aus ihnen durch Zusammensetzung entstehenden Operationen zusammen nehmen. Wir werden übrigens diese Gruppen in der Folge nur beiläufig betrachten und sie dann als erweiterte Gruppen bezeichnen.

§ 2. Gruppentheoretische Vorbegriffe.

Ehe wir uns den speciellen Gruppen zuwenden, die bei den regu- lären Körpern auftreten, wird es nützlich sein, gewisse allgemeine Begriffe zur Sprache zu bringen, die in der Gruppentheorie anderwärts ihre Ausbildung gefunden haben. Ich bitte den Leser, welcher mit diesen Theorien noch nicht vertraut ist, sich in Verbindung mit der kurzen Darlegung, die hier gegeben werden soll, (und die bei späteren Gelegenheiten noch nach verschiedenen Richtungen vervollständigt wer-

*) 1829; man vgl. Oeuvres de Galois in Liouville's Journal, sär. I, t. 11 (1846). **) Wenn sich die Erläuterungen des Textes fast ganz auf gruppentheoretische Betrachtungen beschränken, so werden den Geometer über diese hinaus die merk- würdigen Lagenverhältnisse interessiren, welche im einzelnen Falle auf Grund der gruppentheoretischen Beziehungen, und von ihnen beherrscht, erwachsen. Ich möchte hier auf die Untersuchungen aufmerksam machen, welche die Herren Beye und Stephanos in diesem Sinne der Theorie des Würfels haben zu Theil werden lassen (Acta Mathematica, t. I (p. 93, 97), Mathem. Annalen XXII (p, 348), 1883).

6 I, 1. Die regulären Körper

den wird) mit einer der ausführlicheren Darstellungen bekannt zu machen, welche die Gruppentheorie neuerdings gefunden hat*).

Wir betrachten im Folgenden, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, * nur endüche Gruppen. Eine solche Gruppe ist zunächst charakterisirt durch die Anzahl, N, der Operationen, welche sie umfasst, wobei man die sogenannte „identische'* Operation immer als eine mitzählt; wir bezeichnen diese Zahl als Grad der Gruppe. Des Weiteren werden wir die Periodicität der einzelnen Operationen angeben, d. h. die Anzahl der Wiederholungen, deren die einzelne Operation bedarf, um zur Identität zurückzuführen, hierüber hinaus aber die Gesammtheit der Untergruppen unserer Gruppe, d. h. alle solche Zusammenstellungen eines Theiles unserer Operationen, welche für sich genommen Gruppen- charakter besitzen. Der Grad einer Untergruppe ist immer ein Theiler des Grades N der Hauptgruppe. Die einfachsten Untergruppen (und überhaupt Gruppen) sind allemal jene, welche aus den Wiederholungen einer einzelnen Operation entstehen, deren Grad also gleich der Periode der betreffenden Operation ist; sie mögen cyclisclie Untergruppen,« bez. Gruppen, genannt werden.

Aber eine blosse Aufzählung der hiermit geforderten Dinge genügt nicht; wir wünschen vielmehr auch über die Stellung der einzelnen Operationen, Untergruppen u. s. w. innerhalb der Gesammtgruppe orientirt zu werden. In dieser Beziehung beachte man die folgenden Definitionen.

Verabreden wir zunächst, dass wir unter dem Producte zweier Operationen 8 und T:

ST

diejenige Operation verstehen wollen, welche entsteht, wenn wir zuerst S und dann T eintreten lassen. Im Allgemeinen ist keineswegs:

ST=TS, tritt dies im besonderen Falle ein, so nennt man die beiden Operationen S und T vertausMar. Man bilde sich nun allgemein:

STS-''==r (wo S~ ^ diejenige Operation bezeichnet, welche mit S verbunden, die 1, d. h. die Identität, erzeugt). Sind S und T nicht vertauschbar, so ist

*) Cf. J. A. Serret, Traite d'algebre superienre (Paris, 4. ed. 1879), deutsch von Wertheim (Leipzig, 2. Aufl., 1878—79); C. Jordan, Traitä des substitutions et des equations algebriques (Paris 1870); E. Netto, Substitutionentheorie und ihre An- wendung auf die Algebra (Leipzig 1882). Insbesondere sei noch auf die Aufsätze verwiesen, welche Hr. DyeJc in den Bänden 20 und 22 der Mathematischen Annalen (1882, 83) als „Gruppentheoretische Studien" hat erscheinen lassen.

und die Gruppentheorie. 7

T' von T verschieden; wir sagen dann, dass T aus T durch Trans- formation Jiervorgehe, und nennen T und T' innerhalb der Gesammt- gruppe gUicliberechtigt In der That wird T' mit T in allen wesentlichen Eingenschaften übereinstimmen, z. B. (wie man sofort sieht*)) dieselbe Periodicität besitzen.

Es durchlaufe jetzt T die Operationen T^, T^,-- T^,--' irgend einer Untergruppe. Dann geschieht (indem wir bei allen T jedesmal das nämliche S verwenden) dasselbe mit dem zugehörigen T', so zwar, dass T'iTk= T'e ist, sobald TiTk mit Tg zusammenfällt**). Die Gruppen der T und der T' nennen wir dann ihrerseits innerhalb der Gesammtgruppe gleicIiberecMigt.

Wir müssen nun insbesondere den Fall betrachten, dass beiderlei Untergruppen (die ursprüngliche und die transformirte) zusammenfallen. Geschieht dies bei sämmtlichen Operationen 5, die wir aus der Ge- sammtgruppe zur Transformation unserer Untergruppe auswählen mögen^ erweist sich unsere Untergruppe somit als nur mit sich selbst gleich- berechtigt, so nennen wir sie eine ausgezeichnete Untergruppe. Jede Gruppe enthält, sofern wir diese Definition ürgiren wollen, zwei aus- gezeichnete Untergruppen: das ist einmal die Gesammtheit aller ihrer Operationen, d. h. die Gruppe selbst, und andererseits jene einfachste Gruppe, die allein aus der identischen Operation besteht. Umfasst eine Gruppe von diesen beiden, uneigentlichen Fällen abgesehen, keinerlei ausgezeichnete Untergruppe, so heisst sie einfach, andernfalls evr sammengesetzt.

Bei den zusammengesetzten Gruppen erforschen wir insbesondere deren Zerlegung. Man zerlegt eine Grujfpe, indem man eine möglichst ausgedehnte***) in ihr enthaltene ausgezeichnete Untergruppe angiebt, dann weiter eine neue, in der so gewonnenen Untergruppe ausgezeichnet enthaltene und dabei möglichst ausgedehnte Untergruppe, etc. und so fortfährt, bis man zur Identität gekommen ist. Es braucht kaum ge- sagt zu werden, dass sich unter Umständen dieser Zerlegungsprocess auf mannigfache Weise abändern lässt.

Ueber diese einfachsten, bei der einzelnen Gruppe in Betracht kommenden Definitionen hinaus muss ich noch derjenigen Beziehung zwischen zwei Gruppen gedenken, die man d\B Isomorphismus bezeichnet.

*)l8tr = -Sr<S-\ so ist (r)^ = /SfT6'-\ STS-^ = ST*S-\ über- haupt {Tf = Sr'S-'^. Wird also T" = 1, so ist auch {T')" = 1, und umge- kehrt, w. z. b. w.

**) Denn es ist wieder T;rj; = Sr./S-^ STj^S-^ = ST^T^S- ^= S T^S-^. ***) D. h. eine solche, welche nicht noch in einer umfassende reu und eben- falls ausgezeichneten Untergruppe enthalten ist.

8 I, 1. Die regulären Körper

Zwei Gruppen heissen isomorph, wenn man ihre Operationen S, S' derart einander zuweisen kann, dass immer SiSk dem S'iS'k entspricht, sofern Si dem S'i, Sk dem Sic entsprechend gesetzt ist.

Die isomorphe Beziehung kann eine wechselseitig eindeutige sein; man spricht dann von holoedrischem Isomorphismus. Es sind in diesem Falle die beiden Gruppen abstract genommen überhaupt identisch, und es ist nur die Bedeutung der beiderseitigen Operationen, in denen eine Ver- schiedenheit liegen kann. Die Untergruppen der einen Gruppe liefern also ohne Weiteres die Untergruppen der anderen Gruppe, etc. etc.

Aber die Zuordnung kann auch eine mehrdeutige sein, worauf man den Isomorphismus als meriedrisch bezeichnet. Auch dann noch ent- spricht jeder Untergruppe der S eine solche der /S", und umgekehrt, nur dass die beiderlei Untergruppen nicht denselben Grad zu besitzen brauchen. Zugleich liefern gleichberechtigte Untergruppen solche der anderen. Es werden sich also auch ausgezeichnete Untergruppen der einen Gruppe in solche der anderen verwandeln. Insbesondere ent- spricht der Identität, wenn wir sie den S zurechnen, innerhalb der S' eine ausgezeichnete Untergruppe, und umgekehrt*).

In der Folge werden wir hauptsächlich mit solchen Beispielen von meriedrischem Isomorphismus zu thun haben, bei denen jedem S nur ein S' entspricht, jedem S' aber zwei S zugeordnet sind (so dass die Anzahl der S doppelt so gross ist, als die Anzahl des S'). Wir wer- den dann schlechtweg von einem hemiedrischen Isomorphismus reden.

§ 3. Die cyclisohen Botationsgruppen.

Indem wir uns nunmehr zur näheren Betrachtung der Gruppen wenden, welche von den Drehungen gebildet werden, die eine der in § 1 genannten Configurationen mit sich zur Deckung bringen, müssen wir die einfachsten Rotationsgruppen, diejenigen, die durch Wiederholung einer einzigen periodischen Rotation erzielt werden, voranstellen. Offenbar bleiben bei einer solchen Gruppe zwei Punkte unserer Kugel, die wir die beiden Fole nennen wollen, ungeändert, und es besteht die Gruppe, wenn sie im Ganzen n Rotationen umfasst, aus den n Drehungen durch einen Winkel

^ 27E in 2{n l)7t

^ n ' n ' n

um die die beiden Pole verbindende Axe.

Constatiren wir zuvörderst, dass je zwei Drehungen dieser Gruppe

*) Vgl. ausser den bereits genannten Publicationen insbesondere: CapelU, sopra risomorfismo .... im 16. Bande des Giornale di Matematiche (1878).

und die Gruppentheorie. 9

mit einander vertauschbar sind. Daher ist jede einzelne Drehung, sowie jede Untergruppe, die man aus einzelnen Drehungen zusammensetzen kann, nur mit sich selber gleichberechtigt. Ob aber solche Unter- gruppen existiren, hängt vom Charakter der Zahl n ab. Ist n Prim- zahl, so ist die Existenz einer eigentlichen Untergruppe von vornherein ausgeschlossen (weil ihr Grad ein Theiler von n sein müsste)-, ist n zusammengesetzt, so giebt es jedem Theiler von n entsprechend eine und nur eine Untergruppe, deren Grad gleich diesem Theiler ist*). Wir werden eine Zerlegung unserer Gruppe erhalten, wenn wir zunächst die Untergruppe aufsuchen, die in diesem Sinne einem möglichst um- fassenden in n enthaltenen Theiler entspricht, und dann die so er- haltene Untergruppe in demselben Sinne weiter behandeln.

Wollen wir gleich hier den Begriff des Isomorphismus einüben, so bemerken wir, dass unsere Gruppe mit dem- Inbegriff der „cyclischen" Vertauschungen von irgend n in bestimmter Reihenfolge genommenen Elementen:

(«Q, «1, «2» <*n l)

holoedrisch isomorph ist. In der That können wir die bezeichneten Vertauschungen den bisher betrachteten Drehungen in einfachster Weise geometrisch zuordnen. Wir haben nur die n PunJcte zu construiren:

die aus einem beliebig gegebenen Punkte a^^ durch unsere Drehungen hervorgehen, und nun zuzusehen, wie diese Punkte ihrerseits sich bei den Drehungen permutiren.

Es ist überflüssig, bei so augenscheinlichen Dingen noch länger zu verweilen. Wir mussten sie anführen, weil die cyclischen Gruppen so zu sagen die Elemente sind, aus denen sich alle anderen aufbauen.

§ 4. Die Gruppe der Diederdrehungen.

Indem ich mich jetzt zur Configuration des Dieders wende, bitte ich den Leser, sich hier und bei den parallellaufenden Entwickelungen der folgenden Paragraphen zugehörige Zeichnungen anfertigen zu wollen oder sich geradezu an einem leicht zu verschaffenden Modelle die in Betracht kommenden Verhältnisse zu überlegen. Denn es handelt sich um durchaus concrete Dinge, welche vermittelst der genannten Hülfs- mittel jedesmal leicht erfasst werden, aber ohne dieselben der Vor- stellung gelegentlich Schwierigkeiten bereiten können. Auch würde

*) Ich gebe diese und ähnliche Behauptungen im Texte ohne Beweis, weil sie dem Leser entweder ohnehin geläufig sein werden oder ihm doch bei ruhigem Nachdenken ohne Weiteres einleuchten müssen.

10 I, 1. Die regulären Körper

ich die betrejftenden Entwickelungen durchweg sehr viel ausführlicher haben anlegen müssen, hätte ich nicht eine Mitwirkung des Lesers in dem erwähnten Sinne voraussetzen wollen. .

Wir benannten bereits jenen grössten Kreis unserer Kugel, welcher die n Eckpunkte des Dieders trägt, als Äequator, haben auch schon die beiden zugehörigen Pole markirt. So ist zuvörderst klar, dass das Dieder bei der cyclischen Gruppe von n Drehungen, bei der diese Pole festbleiben, in sich übergeht. Aber . die Gruppe der zum Dieder ge- hörigen Drehungen ist hiermit noch nicht erschöpft. Wir wollen auf dem Äequator in der Mitte zwischen je zwei aufeinander folgenden Diedereckpunkten einen neuen Punkt markiren; die n so entstehenden Punkte nennen wir die KantenhalbirungspunJäe des Dieders. Wir be- zeichnen dann ferner jeden Durchmesser, der einen Eckpunkt oder einen Kantenhalbirungspunkt des Dieders enthält, als eine Nebenaxe desselben. Es gibt n Nebenaxen des Dieders: ist n ungerade, so ent- hält jede derselben einen Eckpunkt und einen Kantenhalbirungspunkt^ ist n gerade, so verth eilen sich die Nebenaxen auf zwei Kategorien, je nachdem sie zwei Eckpunkte oder zwei Kantenhalbirungspunkte ver- binden. Auf alle Fälle bleibt das Dieder ungeändert, wenn man es um eine beliebige dieser Nebenaxen umklappt, d. h. durch den Winkel n um die Nebenaxe dreht. So stellen sich also neben die schon erwähnte cyclische Gruppe von n Drehungen n weitere Drehungen, jede von der Periode 2.

Ausser den hiermit aufgezählten Drehungen umfasst die Diedergruppe keine anderen. In der That erkennen wir auf folgende Weise (die auch später immer wieder angewandt werden soll), dass die Zahl der Dieder- drehungen gleich 2n sein muss. Wir überlegen zunächst, dass jeder Diedereckpunkt vermöge einer Diederdrehung in jeden anderen ver- wandelt werden kann, was n Möglichkeiten abgiebt, dann aber, dass das Dieder, sofern wir einen Eckpunkt festhalten, nur noch auf zwei Weisen mit sich selbst zur Deckung gebracht werden kann, nämlich durch die Umklappung um die durch den betreffenden Eckpunkt hindurchlaufende Nebenaxe und durch die identische Operation. Jetzt muss die Anzahl der Diederdrehungen offenbar gleich dem Producte der beiden Theil- zahlen sein, sie wird also gleich 2n, w. z. b. w.

Ich will jetzt den Leser nicht durch Aufzählung aller in der Dieder- gruppe enthaltenen Untergruppen ermüden. Vielmehr mögen wir sofort jene erste cyclische Gruppe von n Drehungen betrachten und beweisen, dass diese als Untergruppe innerhalb der Gesammtgruppe des Dieders aus- geseichnet ist. In der That, recurriren wir auf die Definition des § 2. Wir bezeichnen mit T, T' Drehungen um die Hauptaxe des Dieders, mit S irgend eine andere Diederdrehung. Dann verlangt unsere Be-

und die Gruppentheorie. 11

hauptung, zu zeigen, dass STS-'^ == T ist. Aber wenn S selbst eine Drehung um die Hauptaxe bedeutet, so ist diese Relation selbstver- ständlich, — und ist S eine Umklappung um eine der Nebenaxen, so wird der Effect dieser Umklappung, soweit die Hauptaxe in Betracht kommt, durch das folgende S~'^ wieder rückgängig gemacht, worauf in der That abermals unsere Relation resultirt.

Wir können den hiermit geführten Beweis auf ein allgemeines Princip beziehen, das wir hier um so lieber anführen, als es in der Folge noch wiederholt zur Anwendung kommen soll. Vereinbaren wir zunächst, dass wir, bei unseren Configurationen, solche geometrische Gebilde, welche durch eine Operation der zugehörigen Gruppe aus einander hervorgehen, als gleichberechtigt bezeichnen wollen. Wir con- struiren jetzt alle Gebilde, die mit einem gegebenen gleichberechtigt sind. Es seien nun T, diejenigen Operationen unserer Gruppe, welche die Eigenschaft haben, von den so construirten Gebilden jedes einzelne ungeändert zu lassen. Dann bilden die Ti innerhalb der Gesammtgruppe offenbar eine ausgezeichnete Untergruppe. Denn jede Operation STiS~^ gehört selbst zu den Ti, weil das S nur eine Permutatiou der zu Grunde liegenden Gebilde bewirkt, welche durch S~^ wieder rückgängig ge- macht wird. Die Anwendung dieses Principes auf unseren Fall ist tieutlich. Wir haben nur als zu Grunde liegende gleichberechtigte Ge- bilde die beiden Pole des Dieders zu betrachten. Zufällig ist dabei (im Sinne des allgemeinen Princips), dass diejenigen Drehungen, welche den einen dieser Pole ungeändert lassen, von denjenigen, welche beide Pole zugleich in sich überführen, überhaupt nicht unterschieden sind.

Durch ähnliche Ueberlegungen bestimmen wir diejenigen unter den Diederdrehungen , welche miteinander gleichberechtigt sind. Ich sage in dieser Hinsicht, dass jetzt von den Drehungen um die Hauptaxe

die beiden, welcJie um und drehen, gleicJiberechtigt sind,

während die Umklappungen um die Nebenaxen bei ungeradem n alle gleichberechtigt ausfallen, sich aber bei geradem n in zwei Kategorien gleichberechtigter zerlegen. Erstere Behauptung entspricht dem Umstände, dass bei den zwei in Vergleich gezogenen Drehungen um die Hauptaxe die beiden Pole des Dieders resp. in gleicher Weise afficirt werden*), letztere Behauptung der früheren Angabe, dass die Nebenaxen des Dieders entweder alle gleichberechtigt sind, oder, bei geradem n, sich

2]c7t *) Indem nämlich eine Drehung durch um den einen Pol mit einer

n

2 Jen Drehung durch -\ um den anderen Pol zusammenfällt.

12 I, 1- Die regulären Körper '

auf zwei Arten gleichberechtigter Linien vertheilen. Hierüber hinaus bringen wir in beiden Fällen ein allgemeines Princip zur Verwendung, das wir dahin aussprechen können, dass wir sagen: Solche zwei Ope- rationen sind jedesmal gleichberechtigt, welche resp. zwei gleichberechtigte Gebilde in analoger Weise in sich selbst überführen. Ich unterlasse es, des Längeren beim Beweise dieses Princips zu verweilen.

Sollen wir endlich eine Zerlegung der Diedergruppe angeben, so ist eine solche in dem früher Gesagten bereits implicite enthalten. Als umfassendste und zugleich ausgezeichnete Untergruppe wählen wir die Gruppe der n Drehungen um die Hauptaxe. Diese selbst aber be- handeln wir weiter nach den Angaben des vorigen Paragraphen.

Wir definiren noch eine Gruppe von Buchstabenvertauschungeu, die mit der Diedergruppe holoedrisch isomorph ist. Zu dem Zwecke wollen wir jetzt die n Eckpunkte des Dieders in ihrer natürlichen Reihenfolge mit

^0 7 ^1} ^n -^ 1

bezeichnen. So haben wir zunächst, wie im vorigen Paragraphen, den n Drehungen um die Hauptaxe entsprechend, diejenigen cyclischen Ver- tauschungen der üv, welche bez. a^ durch «v + zt ersetzen (die Indices modulo n genommen). Wir finden ferner, dass bei der Umklappung um diejenige Nebenaxe, welche durch den Punkt üq hindurchläuft, ttj, durch an v ersetzt wird. Aus beiden Operationen zusammen er- wächst die metacyclische Gruppe*), welche durch folgende Trans- formation der Indices vorgestellt wird:

v' ^ + V -f- Ä; (mod. w), und diese also ist mit unserer Diedergruppe holoedrisch isomorph, oder, was dasselbe ist, in abstractem Sinne identisch.

§ 5. Die Vierergruppe.

Die Erläuterungen des vorigen Paragraphen, wie schon die De- finition des Dieders in § 1, setzen m>2 voraus. Ist n = 2, so ver- liert die Figur -des Dieders ihre Bestimmtheit, insofern dann die Eck- punkte des Dieders durch unendlich viele grösste Kreise verbunden werden können. Dem entsprechend erhalten wir als zugehörige Ro- tationsgruppe zunächst eine sogenannte continwirliche**) Gruppe. So

*) Allgemein bezeichnet man so nach Kronecker jede Gruppe von Vertauschungen der tto, %, a^j, welche durch v' EE cw -f Tc (mod. w) gegeben ist.

**) Man- vergl. die ausgedehnten Untersuchungen von Lie im norwegischen Archiv (von 1873 an) und in Bd. XVI der Math. Annalen. Neuerdings hat Mr. Poincare in seinen noch öfter zu nennenden Untersuchungen über eindeutige ^untftionen mit

und die Gruppentheorie. 13

interessant und überaus wichtig die Theorie der continuirlichen Gruppen in vielem Betracht ist, so wenig wird dieselbe im Folgenden von Be- deutung werden. Wir wollen daher im Falle n = 2 die Diederfigur dadurch zu einer bestimmten machen, dass wir unter den unendlich vielen durch die beiden Eckpunkte hindurchlaufenden grössten Kreisen einen bestimmten als Aequator auswählen. Die Hauptaxe der Figur bildet dann mit den beiden Nebenaxen ein rechtwinkeliges Äxenkreug und wir erhalten, ganz den Festsetzungen des vorigen Paragraphen entsprechend, eine zugehörige Gruppe von 2w = 4 Drehungen. Treffen wir unter Zugrundelegung dieses Axenkreuzes eine gewöhnliche Co- ordinatenbestimmung, so wird der Punkt x, y, z durch diese Drehungen in die weiteren Punkte:

X, —y, z-,

X, y, —z-,

x,—y, z verwandelt.

Offenbar umfasst unsere neue Gruppe von der Identität abgesehen nur Operationen von der Periode 2, und es ist zufällig, dass wir eine dieser Operationen an die Hauptaxe der Figur, die beiden anderen an die Nebenaxe geknüpft haben. Dementsprechend will ich die Gruppe mit einem besonderen Namen belegen, der nicht mehr an die Dieder- configuration erinnert, und sie als Vierergruppe benennen.

Die Vierergruppe hat die ausgezeichnete Eigenschaft, die man sofort beweist, dass alle ihre Operationen vertausclibar sind*). Dem- entsprechend erscheint jede Operation als nur mit sich selber gleich- berechtigt**). Die Zerlegung der Vierergruppe werden wir in der Weise bewerkstelligen, dass wir zunächst zu einer beliebigen Unter- gruppe von 2 Rotationen hinabsteigen, bei denen eine der drei Axen festbleibt, und dann von dieser zur Identität.

linearep Transformationen in sich das Wort „continnirliche Gruppe" in einem y anderen Sinne gebraucht. Er bezeichnet als solche jede Gruppe von unendlich vielen, ob auch disereten Operationen, bei welcher unendlich kleine Transforma- tionen auftreten. Die hierin liegende Modification des Sprachgebrauchs scheint mir indessen nicht zweckmässig.

*) Man zeigt leicht, dass zwei Drehungen nur dann vertauschbar sind, wenn entweder (wie bei der Vierergruppe) sich ihre Axen rechtwinkelig kreuzen und jede die Periode 2 hat, oder wenn (wie bei der cyclischen Gruppe) ihre Axen zu- sammenholen.

**) Dem widerspricht nicht, wenn innerhalb der sogleich zu studirenden um- fassenderen Gruppen die 3 Drehungen von der Periode 2, welche die Vierergruppe enthält, als gleichberechtigt erscheinen.

14 I, 1. Die regulären Körper

§ 6. Die Gruppe der Tetraederdrehungen.

Wir bemerkten schon oben, dass bei allen Drehungen, welche ein reguläres Tetraeder mit sich zur Deckung bringen, auch dessen Gegentetraeder in sich selbst verwandelt wird. Durch ihre acht Ecken bestimmen diese Tetraeder zusammengenommen einen Würfel. Indem wir sodann diejenigen 6 Kugelpunkte markiren, welche den Mittel- punkten der Seitenflächen dieses Würfels entsprechen, erhalten wir die 6 Ecken eines regulären Oktaeders. Man erkennt hieraus bereits die enge Beziehung, in welcher die Gruppe der Tetraederdrehungen zu der sogleich zu studireuden Oktaedergruppe steht. Wir wollen unsere Figur noch vervollständigen, indem wir das rechtwinkelige Axenkreuz der Oktaederdiagonalen und ebenso die 4 (durch den Mittelpunkt der Kugel laufenden) Würfeldiagonalen hinzufügen.

Indem wir jetzt die in § 4 entwickelten Principien zur Anwendung bringen, finden wir zunächst, dass die Tetraedergruppe 12 Drehungen umfasst. In der That: es gibt 4 gleichberechtigte Tetraedereck- punkte, und jeder dieser Eckpunkte bleibt bei 3 Drehungen ungeändert: bei der identischen Drehung und bei 2 Drehungen von der Periode 3, deren Axe die durch den Tetraedereckpunkt hindurchlaufende Würfel- diagonale ist.

Wir haben mit dem Gesagten zugleich die Einsicht gewonnen, dass 8 von unseren 12 Drehungen die Periode 3 besitzen. Von ihnen sind (wiederum auf Grund der in § 4 dargelegten Principien) je 4 gleichberechtigt, nämlich jedesmal diejenigen 4, welche um den bei ihnen festbleibenden Eckpunkt des gegebenen Tetraeders in gleichem

Sinne durch -3- |oder durch ^) zu drehen scheinen. Zu diesen

8 Drehungen und der Identität treten dann noch 3 gleiehherechtigte Drehungen von der Periode 2. Es sind die Umklappungen um die 3 zu einander rechtwinkeligen Oktaederdiagonalen, welch' letztere jetzt unter einander als gleichberechtigt erscheinen ^ weil sie bei jeder Drehung von der Periode 3 unter einander permutirt werden. Mit der Identität zusammen bilden die 3 in Rede stehenden Drehungen offAi- bar eine Vierergruppe.

Wir schliessen sofort, dass die hiermit gewonnene Vierergruppe inner- halb der Tetraedergruppe ausgezeichnet ist. Denn die 3 unter sich gleichberechtigten Oktaederdiagonalen bleiben alle bei den Drehungen der Vierergruppe, und nur bei ihnen, ungeändert. Wir können also die Tetraedergruppe in der Art zerlegen, dass wir zunächst zur Vierer- gruppe hinabsteigen und dann diese im Sinne des vorigen Paragraphen

and die Gruppentheorie. 15

weiter behandeln. Ich unterlasse es, zu beweisen, dass eine andere Zerlegung der Tetraedergruppe nicht möglich ist, und dass überhaupt ausser der Vierergruppe innerhalb der Tetraedergruppe keine anderen Untergruppen vorhanden sind, als die einfachen cyclischen Gruppen, die durch Wiederholung einer einzelnen Drehung erwachsen*).

Betrachten wir noch die Art und Weise, wie sich, bei den Te- traederdrehungen, die 4 Würfeldiagonalen (die wir kurz als 1, 2, 3, 4 benennen wollen) permutiren. Zunächst haben wir den evidenten Satz, dass bei keiner Tetraederdrehung (von der Identität abgesehen) die 4 Würfeldiagonalen sämmtlich ungeändert bleiben. Es giebt also auch keine 2 Tetraederdrehungen, welche dieselbe Permutation der 4 Würfel- diagonalen erzeugten. Datier ist die Gruppe der Tetraederdrehungen mit der Gruppe der zugehörigen Vertauschungen der Würfeldiagonalen holo- ' edrisch isomorph^*). Insbesondere sehen wir^ dass den Drehungen der ausgezeichneten Vierergruppe die folgenden Anordnungen der 4 Diago- nalen entsprechen:

1,

2,

3,

4;

2,

1,

4,

3;

3,

4,

1,

2;

4,

3,

2,

1.

Zu ihnen treten, wenn wir zu den übrigen Tetraederdrehungen schreiten, noch solche 8 hinzu, die sich jedesmal durch cyclische Vertauschung von 3 der 4 Diagonalen ergeben. Wir haben damit, wie wir sehen, genau diejenigen 12 Vertauschungen der 4 Diagonalen erzielt, welche man als die geraden Vertauschungen zu bezeichnen pflegt.

§ 7. Die Gruppe der Oktaederdrehtingen.

Bei der Gruppe der Oktaederdrehungen haben wir, wie bereits angedeutet, im Wesentlichen dieselbe Configuration zu Grunde zu legen, wie beim Tetraeder. Wir wollen nur noch (auf unserer Kugel) die 12 Punkte markiren, die 'den Kantenhalbirungspunkten des Oktaeders

*) Theoretisch zu reden erzeugt man alle Untergruppen einer gegebenen Gruppe, indem man zunächst die im Texte genannten cyclischen Gruppen alle bildet und nun von diesen der Reihe nach je zwei, je drei etc. mit einander combinirt. In jedem einzelnen Falle kann ein solches Verfahren natürlich durch zweckmässige Ueberlegungen bedeutend abgekürzt werden.

**) Man vergleiche hiermit das Verhalten der 3 Oktaederdiagonaleo. Die- selben werden, weil sie Iffei den Operationen der Vierergruppe ungeändert bleiben, bei den 12 Tetraederdrehungen nur auf 3 Weisen, nämlich cyclisch, vertauscht. Mit der von diesen Vertauschungen gebildeten Gruppe ist dann die Tetraeder- gruppe meriedrisch isomorph.

16 I, 1. Die regulären Körper

entsprechen, und die 6 Durchmesser construiren, welche je 2 dieser Punkte enthalten. Diese 6 Durchmesser nennen wir die Querlinien der Figur.

Natürlich enthält die Oktaedergruppe die 12 Drehungen der Te- traedergruppe in sich, und zwar, wie wir vornherein sagen können, als ausgezeichnete Untergruppe. Denn die 8 Ecken des Würfels lassen sich nur auf eine Weise auf Tetraeder und Gegentetraeder vertheilen, und letztere bleiben gemeinsam bei den 12 in Rede stehenden Drehungen ungeändert. Hierüber hinaus treten dann noch 12 weitere Drehungen hinm, welche Tetraeder und Gegentetraeder mit einander vertauschen, so dass die Oktaedergruppe im Ganzen 24 Drehungen umfasst Es sind dies erstens 6, unter sich gleichberechtigte, Drehungen durch ji um die

6 Querlinien der Figur,* dann 6 Drehungen durch + (also von

der Periode 4) um die 3 Oktaederdiagonal eü. Auch letztere Drehungen erweisen sich als unter einander gleichberechtigt. Denn die 4 Drehungen, bei denen nunmehr di^ einzelne Oktaederdiagonale fest bleibt, partici- piren jetzt als ausgezeichnete Untergruppe je an einer Diedergruppe von 8 Drehungen. Ebenso sind jetzt die beiden Drehungen von der Periode 3 um die einzelne Würfeldiagonale, und also überhaupt alle Drehungen von der Periode 3 gleichberechtigt. Denn jede Würfel- diagonale ist Hauptaxe einer Diedergruppe von 6 Drehungen geworden. Die Drehungen von der Periode 2 dagegen sondern sich in zwei scharf geschiedene Kategorien, je nachdem bei ihnen eine Oktaederdiagonale oder eine Querlinie festbleibt. Die Zerlegung der Oktaedergruppe ge- stalten wir natürlich in der Weise, dass wir zunächst zur Tetraeder- gruppe hinabsteigen, dann weiter zur Vierergruppe etc. etc. Eine andere Art der Zerlegung giebt es nicht, wie wir denn auch vor- stehend alle in der Oktaedergruppe enthaltenen Untergruppen auf- geführt haben.

Wir constatiren endlich, dass sich die Würfeldiagonalen 1, 2, 3, 4 bei den 24 Drehungen der Oktaedergruppe auf 24 Weisen permutiren. Die OMaedergruppe ist also mit der Gesammtheit der Vertauschungen von 4 Elementen holoedrisch isomorph.

§ 8. Die Gnippe der Ikosaederdrehnngen.

Die Gruppe des Ikosaeders, zu der wir uns jetzt wenden, ist für uns unter den anderen zumal auch deshalb die ijjjteressanteste, weil sie, wie wir zeigen werden, im Gegensatze zu den Gruppen des Dieders, Tetraeders und Oktaeders, einfach ist. Sie theilt diese Eigenschaft mit denjenigen cyclischen Rotationsgruppen, deren Grad eine Primzahl ist.

und die Gruppentheorie. 17

Behufs Untersuchung der Ikosaedergruppe denken wir uns auf unserer Kugelfläche zu den 12 Ikosaedereckpunkten, wie wir schon sagten, die 20 Eckpunkte des zugehörigen Pentagondodekaeders (die den Mittelpunkten der Seitenflächen des Ikosaeders entsprechen) hinzu- construirt, übrigens aber auch die 30 Punkte, welche, auf der Kugel, den Kantenhalbirungspunkten des Ikosaeders correspondiren. Die 12 Ikosaedereckpunkte vertheilen sich paarweise auf 6 Durchmesser, welche wir kurz als Diagonalen des Ikosaeders bezeichnen wollen. Ebenso reden wir, den 20 Eckpunkten des Pentagondodekaeders entsprechend, von 10 Diagonalen des Pentagondodekaeders und endlich von 15, die Kantenhalbirungspunkte zu je zwei enthaltenden Querlinien.

Wir überzeugen uns zunächst, dass die Gesantmtzahl der Ucosaeder- drehungm 60 beträgt In der That bleibt jeder der 12, offenbar unter sich gleichberechtigten, Ikosaedereckpunkte im Ganzen bei 5 Drehungen ungeändert. Wir haben damit zugleich (indem wir die identische Drehung natürlich jeweils bei Seite lassen), jeder der 6 Ikosaeder- diagonalen entsprechend, 4 Drehungen von der Periode 5, überhaupt also 24 derartige Drehungen. In demselben Sinne liefern die 10 Dia- gonalen des Petagondodekaeders 10 2 = 20 Drehungen von der Periode 3 und die 15 Querlinien 15 Drehungen von der Periode 2, womit, wenn wir noch die Identität zuzählen, die Gesammtheit der 60 Drehungen erschöpft ist;

24 + 20 + 15 H- 1 = 60.

Von den hiermit aufgezählten Drehungen erweisen sich die 15 der Periode 2, und ebenso die 20 von der Periode 3, beziehungsweise als gleichberechtigt; denn die 15 Querlinien und die 10 Diagonalen des Pentagondodekaeders sind es, und, ob wir um eine dieser Diagonalen

durch -r- oder -r- drehen, kommt insofern für die Gesammtgruppe

auf dasselbe hinaus, als ihre beiden Endpunkte wiederum gleich- berechtigt sind. Auf Grund derselben Ueberlegungen trennen sich die Drehungen von der Periode 5 in zwei Kategorien von je 12 gleich- berechtigten. Die erste Kategorie umfasst alle Rotationen, welche um

eine der Ikosaederdiagonalen durch einen Winkel gleich + -7-^ drehen,

die andere diejenigen, deren Drehwinkel + -r— beträgt.

Mit diesen Angaben haben wir zugleich die cyclischen Untergruppen bestimmt, die in der^ Ikosaedergruppe enthalten sind. Es giebt, wie man sieht, 15 derartige Gruppen w = 2, 10 Gruppen w = 3, 6 Gruppen w = 5; cyclische Gruppen desselben n sind immer gleichberechtigt.

Diese Angaben genügen bereits, um die Einfachheit der Ikosaeder-

Klein, Gleichungen 5. Grades. ' 2

13 I," 1- Die regulären Körper

gruppe zu beweisen. Gäbe es nämlich eine ausgezeichnete Untergruppe, so müsste diese von den cyclischen Gruppen n = 2 (weil diese gleich- berechtigt sind) entweder alle oder keine enthalten, ebenso von den cyclischen Gruppen w = 3 oder n = b alle oder keine. Aber die Gruppen n = 2, 3, 5 bringen beziehungsweise 15, 20, 24 von der Identität verschiedene Operationen mit sich. Bezeichnen wir also mit -j^, rj', 'Y\" drei Zahlen, welche 0 oder 1 bedeuten können, so wird die Anzahl der Operationen innerhalb der vorausgesetzten ausgezeichneten Untergruppe

1 + 15 t? -f 20 »j' + 24 t?"

betragen. Nun muss aber diese Zahl, wie wir früher bemerkten, ein Theiler des Grades der Gesammtgruppe, also von 60 sein. Dies giebt nothwendig entweder:

ii\ = ri = 'Y\" = 0, wodurch unsere Untergruppe mit der Identität zusammenfällt, oder:

was heisst, dass die Untergruppe von der Gesammtgruppe nicht ver- schieden ist. Die Ikosaedergruppe ist also in der That einfach^ w. z. b. w.

Nach den cyclischen Untergruppen finden wir beim Ikosaeder, wie ein Blick auf das Modell lehrt, an weiteren Untergruppen zunächst 6 gleichberechtigte Biedergruppen n = b und 10 gleichberechtigte Dieder- gruppen w == 3. Erstere haben die Diagonalen des Ikosaeders, letztere die des Pentagondodekaeders zu Hauptaxen; die zugehörigen Neben- axen finden sich jeweils unter den 15 Querlinien. Man könnte glauben, dass sich in ähnlicher Weise den 15 Querlinien entsprechend 15 Dieder- gruppen, deren n=2, d. h. Vierergruppen ergeben würden. Hier kommt jedoch der Umstand zur Geltung, dass bei der Vierergruppe die Hauptaxe mit den beiden Nebenaxen gleichwerthig ist. Dem entprechend erhalten wir nur 5, unter sich gleichberechtigte Vierergruppen. Dieselben cor- respondiren einzeln den 5 rechtwinkeligen Tripeln, auf welche man die 15 Querlinien vertheilen kann.

Mit diesen Vierergruppen haben wir diejenige Eigenschaft des Ikosaeders getroffen, die uns in der Folge am allermeisten interessiren wird. Da sich, wie gesagt, aus den 15 Querlinien nur 5 rechtwinkelige Tripel bilden lassen, so muss jedes dieser Tripel nicht nur bei den Drehungen der zugehörigen Vierergruppe, sondern im Ganzen bei 12 Ikosaederdrehungen ungeändert bleiben. Es zeigt sich, dass diese Drehungen je eine Tetraedergruppe bilden. In det That, die 8 Ecken des Würfels, der zu dem einzelnen von uns in Betracht zu ziehenden rechtwinkeligen Tripel gehört, finden sich allemal unter den 20 Ecken

und die Gruppentheorie. * 19

des Pentagondodekaeders*). Es finden sich also innerhalb der Iko-

saedergruppe eo ipso jene 8 Rotationen von der Periode 3 vor, welche, zusammen mit den Drehungen der zu Grunde liegenden Vierergruppe, eine Tetraedergruppe ausmachen. Noch wollen wir ausdrücklich constatiren, dass die 5 so gefundenen Tetraedergruppen gleich- berechtigt sind.

Indem wir wieder den Beweis übergehen, dass es ausser den auf- gezählten keine weiteren Untergruppen der Ikosaedergruppe giebt, gedenken wir nur noch des Isomorphismus, der sich für die Ikosaeder- gruppe aus der Existenz der besprochenen 5 rechtwinkeligen Tripel ergiebt. Es zeigt sich, dass bei jeder Drehung von der Periode 5 diese Tripel je in bestimmter Reihenfolge cyclisch vertauscht werden. Bei jeder Drehung von der Periode 3 dagegen bleiben 2 der Tripel un- geändert, und nur die anderen 3 vertauschen sich im Cyclus. Endlich ergiebt sich, dass bei jeder Drehung von der Periode 2 eins der Tripel ungeändert bleibt, während die anderen 4 sich paarweise vertauschen. Auf solche Art erweist sich die Gruppe der 60 IJcosaederdrehimgen mit der Gruppe der 60 geraden Vertauschungen von 5 Dingen holoedrisch isomorph.

Wir hätten natürlich, hier wie in den früheren Fällen, den jedes- maligen Isomorphismus unserer Gruppen mit gewissen Gruppen von Buchstabenvertauschungen voranstellen und dann die Resultate, welche man betreffs letzterer Gruppen in den Lehrbüchern findet, auf erstere übertragen können. Nun wir unsere Gruppen direct, d. h. an den Figuren selbst, untersucht haben, wird es eine nützliche Uebung sein, die von uns gewonnenen Ergebnisse mit den für die isomorphen Gruppen bekannten Eigenschaften zu vergleichen.

§ 9. Ueber die Symmetrieebenen unserer Configurationen.

Für den weiteren Fortgang unserer Entwicklungen ist es nützlich, die jedesmaligen Symmetrieebenen unserer Configurationen zu construiren, d. h. diejenigen Ebenen, hinsichtlich deren die Configuration ihr eigenes Spiegelbild ist, und dann die Kugeltheilung in Betracht zu ziehen, welche durch diese Ebenen vermittelt wird.

Beim Dieder können wir ausser der Aequatorebene noch n weitere Symmetrieebenen construiren, nämlich diejenigen Ebenen, welche ausser der Hauptaxe noch je eine Nebenaxe enthalten. Durch diese {n -\- 1)

*) Man sieht gelegentlich (in älteren Samminngen) Modelle von 5 Würfeln, die sich derart durchdringen, dass ihre 5 8 = 40 Ecken paarweise zusammen- fallen und die 20 Ecken eines Pentagondodekaeders vorstellen.

2*

20 1- Die regulären Körper

Ebenen wird die Kugel in An congruente, gleiehschenkelige Dreiecke

zerlegt , welche 2 Winkel = und einen Winkel = haben.

Von solchen Dreiecken stossen in jedem Diedereckpunkte, Wie in jedem Kantenhalbirungspunkte 4, in jedem der beiden Pole 2n unter resp. gleichen Winkeln zusammen.

Beim regulären Tetraeder existiren 6 Symmetrieebenen, nämlich diejenigen Ebenen, welche, durch eine Kante des Tetraeders hindurch- laufend, auf der gegenüberstehenden Kante senkrecht sind. Man denke sich einen Augenblick das eigentliche Tetraeder, von 4 Ebenen begrenzt, im Räume gelegen. Offenbar wird jedes der 4 in diesen Ebenen ge- legenen gleichseitigen Dreiecke durch 3 der Symmetrieebenen ver- möge seiner 3 Höhen in 6 abwechselnd congruente und symme- trische Dreiecke zerlegt. Uebertragen wir jetzt diese Eintheilung durch Centralprojection auf die Kugel, so haben wir auf dieser 24 ab- wechselnd congruente und symmetrische Dreiecke, deren jedes die

Winkel y? y? y aufweist, und welche in den Ecken des ursprüng- lichen Tetraeders, wie auch in den Ecken des Gegentetraeders zu je 6, in den Ecken des zugehörigen Oktaeders zu je 4 unter resp. gleichen Winkeln zusammenstossen.

Beim regulären Oktaeder treten den Symmetrieebenen des Tetrae- ders, die als solche erhalten bleiben, noch 3 weitere hinzu: diejenigen Ebenen, welche von den 3 Oktaederdiagonalen 2 enthalten. Durch die so gewonnenen 9 Ebenen wird dann die aus 8 gleichseitigen Drei- ecken bestehende Oberfläche des Oktaeders (das wir uns einen Augen- blick auch als eigentlichen Körper frei im Räume gelegen denken wollen) ganz ähnlich zerlegt, wie soeben die Oberfläche des Tetraeders. Indem wir durch Centralprojection zur Kugelfläche übergehen, erhalten wir auf dieser 48 abwechselnd congruente und symmetrische Dreiecke

mit den Winkeln g- , , ~ ^ welche zu je 6 in den Ecken des zu- gehörigen Würfels, zu je 8 in den Ecken des Oktaeders, zu je 4 in den Endpunkten der Querlinien (den Kantenhalbirungspunkten des Oktaeders) zusammenstossen. Es ist dies diejenige Kugeltheilung, welche in der Krystallographie beim sogenannten Achtundvierzigflächner wohl- bekannt ist.

Beim IJcosaeder endlich haben wir als Symmetrieebenen diejenigen 15 Ebenen, welche 2 der 6 Ikosaederdiagonalen enthalten. Dieselben zerlegen die 20 gleichseitigen Dreiecke, welche in den Begrenzungs- flächen des körperlich gedachten Ikosaeders gelegen sind, genau in der nun schon wiederholt betrachteten Weise. Wir erhalten also auf der

und die Gruppentheorie. 21

Kugel 120 abwechselnd congruente und symmetrische Dreiecke, deren Winkel ^j "t» "5" betragen, und die in den Ecken des Pentagondo- dekaeders zu je 6, in den Ecken des Ikosaeders zu je 10 und in den Endpunkten der Querlinien zu je 4 zusammenstossen.

Man wolle die Aehnlichkeit der viererlei so erhaltenen Resultate beachten. Allemal handelt es sich um eine Zerlegung der Kugel in abwechselnd congruente und symmetrische Dräecke*), welche zu je 2v in denjenigen Punkten der Kugeloberfläche zusammenstossen, die bei einer cyclischen Untergruppe von v Drehungen fest bleiben. Der Zahlen v gibt es, den Ecken des einzelnen Dreiecks entsprechend, in jedem Falle dreierlei. Sie erscheinen, nach ihrer Grösse geordnet, in folgender Tabelle zusammengefasst, welche man bei den späteren Entwicklungen vor Augen halten möge:

"i

"2

»8

Dieder

2

2

n

Tetraeder

2

3

3

Oktaeder

2

3

4

Ikosaeder

2

3

5

Zugleich beachte nian, dass die Anzahl der Dreiecke in jedem Falle doppelt so gross ist als der Grad der zugehörigen Rotationsgruppe (den wir in der Folge N nennen werden); sie beträgt in den vier Fällen resp. 4w, 24, 48, 120.

Wir vervollständigen diese Entwickinngen noch dadurch, dass wir auch bei den cyclischen Gruppen gewisse Ebenen construiren, welche wir ihre Symmetrieebenen nennen. Es sollen dies einfach solche n durch die zugehörigen Pole hindurchlaufende Ebenen sein, die durch die Drehungen der Gruppe auseinander hervorgehen. Diese Ebenen zer- legen die Kugel in 2n congruente (oder, wenn man lieber will, ab- wechselnd congruente und symmetrische) Zweiecke von der Winkel-

öfl&iung ~ , deren jedes sich von dem einen Pole zum anderen hinzieht.

§ 10. Allgemeine Punktgruppen, Pundamentalbereiohe.

Wir verwenden nunmehr die Kugeltheilungen, die wir gerade ge- wonnen haben, zum näheren Studium unserer Operationsgruppen. Wir

*) Wenn wir oben beim Dieder zunächst nur von congruenten Dreiecken sprachen, so ist dies kein Widerspruch, denn wir können auch bei ihm die Drei- ecke als abwechselnd congruent und symmetrisch bezeichnen, insofern es sich ja um gleichschenkelige Dreiecke handelt.

22 I, !• Die regulären Körper

betrachten zunächst die PunMgruppen, welche entstehen, wenn wir einen beliebigen Kugelpunkt den JV^ Drehungen unserer Gruppen unterwerfen, und die wir die mr Operationsgruppe gehörigen PunJctaggregate (oder Punktgruppen) nennen wollen. Dabei wollen wir, um zugleich eine bessere Vorstellung und eine bequemere Bezeichnung zu haben, die auf der Kugel abgegrenzten Gebiete abwechselnd scJirafßrt und nicht schrafßrt denken. Von vornherein ist ersichtlich, dass bei den Drehungen der einzelnen Gruppe jedes schraffirte Gebiet einmal und nur einmal in jedes andere schraffirte Gebiet übergeführt wird, und ebenso jedes nicht schraffirte Gebiet einmal und nur einmal in jedes nicht schraffirte Gebiet. In der That stimmt die Zahl N der Drehungen, wie schon bemerkt, allemal mit der halben Anzahl sämmtlicher Gebiete überein. Ist. jetzt irgend ein Kugelpunkt gegeben (der einem schraffirten oder einem nicht schraffirten Gebiete angehören mag), so köntien wir, dank unserer Gebietseintheilung, ohne weiteres die {N 1) neuen Lagen angeben, die er vermöge der {N 1) von der Identität verschiedenen Drehungen unserer Gruppe annimmt; es sind einfach diejenigen (N 1) Punkte zu markiren, die innerhalb der übrigen {N 1) schraffirten oder nicht schraffirten Gebiete genau so liegen, wie der anfängliche Punkt in dem ursprünglichen Gebiete. Im Allgemeinen sind die iV^ Punkte der so entstehenden Punktgruppe alle verschieden; sie fallen nur dann zum Theil zusammen, wenn der anfängliche Punkt in eine Eche des ihn umschliessenden Gebietes hineinrückt. Stossen in dieser Ecke im Ganzen V schraffirte (und natürlich ebenso viele nicht schraffirte) Gebiete zu- sammen, so wird der Punkt bei v Drehungen der Gruppe ungeändert

bleiben und im Ganzen nur verschiedene Lagen annehmen. Die

solchergestalt entstehenden besonderen Punktgruppen sind keine anderen, als diejenigen, die wir in den vorangehenden Paragraphen bei Unter- suchung der einzelnen Gruppen ohnehin in Betracht gezogen haben*). An die hiermit construirten Punktgruppen knüpft sich eine Be- griffsbildung, welche uns später nützlich wird. Wir beseichnen als Fundamentalbereich einer Gruppe von Punhttransformationen allgemein einen solchen Baumtheil, der von jeder zugehörigen PunJctgruppe einen und nur einen PunM enthält**). Die Randpunkte eines solchen Bereiches

*) Wegen der allgemeinen im Texte besprochenen Punktgruppen vergl. das bereits genannte Werk von Hess, wo selbige für Zwecke der Polyedertbeorie ver- wendet werden.

**) Vergl. wegen anderweitiger Verwendungen dieses bei allen Anwendungen der Gruppentbeorie auf Geometrie wesentlichen Begriffes meine „Neuen Beiträge zur Riemann'schen Functionentheorie" im XXI, Bande der Math. Annalen (1882).

und die Gruppentheorie. ' 23

sind natürlich vermöge der Transformationen der Gruppe paarweise zusammengeordnet und können demselben nur zur Hälfte zugerechnet werden. Ich sage nun, dass wir bei unseren Gruppen als Fundamental- bereich jedesmal die Zusammenstellung eines schraffirten und eines an- grenzenden nicht schraffirten Gebietes betrachten dürfen. In der That, wenn wir einen Punkt einmal über einen so definirten Bereich hin- wandern lassen, so überdecken die zugehörigen Punktgruppen gerade einmal die gesammte Kugelfläche.

§ 11. Die erweiterten Gruppen.,

Anknüpfend an die Andeutungen des § 1 erweitern wir jetzt die bisher von uns betrachteten Gruppen, indem wir mit den Drehungen derselben die Spiegelungen an den Symmetrieebeneti der jedesmaligen Con- figuration verbinden.

Auch hier wieder wird uns die Kugeltheilung des § 10 von Vor- theil. In der That erkennt man unmittelbar, dass das einzelne damals unterschiedene, schraffirte oder nicht schraffirte, Gebiet Fundamentalbereich der erweiterten Gruppe ist, und dass also die erweitsrte Gruppe^ genau 2N Operationen umfasst. Was den Beweis dieser Behauptung angeht, so beachte man erstens, dass eine Combination der bisher betrachteten Drehungen mit der Spiegelung an einer einzigen Symmetrieebene ge- nügt, um aus jedem unserer schraffirten Gebiete jedes nicht schraffirte Gebiet zu machen. Andererseits überlege man, dass eine Umformung der Kugel, von der bekannt ist, dass sie eine Drehung ist, oder dass sie aus Verbindung einer Drehung mit einer Spiegelung erwächst, voll- ständig bestimmt ist, sowie wir wissen, dass sie eines unserer Gebiete in ein bestimmtes anderes überführt.

Die so gewonnenen Fundamentalbereiche haben im Gegensatze zu den im vorigen Paragraphen betrachteten das Besondere, in keiner Weise mehr willkürlich zu sein. In der That sind ihre Randpunkte von vornherein dadurch definirt, dass jeder bei einer bestimmten Ope- ration der erweiterten Gruppe, nämlich bei Spiegelung an einer Sym- metrieebene, ungeändert bleibt. Wir können die erweiterte Gruppe erzeugen, indem wir die anfängliche Rotationsgruppe mit der Spiege- lung gerade an derjenigen Symmetrieebene verbinden, in welcher der eben betrachtete Randpunkt enthalten ist. Daher sind die besonderen Gruppen von nur N Punkten, welche bei Anwendung der erweiterten Gruppe aus den RandpunJcten der Fundamentalbereiche erwachsen, zugleich allge- meine Punktgruppen im Sinne des vorigen Paragraphen. Dabei sind sie unter letzteren Punktgruppen die einzigen, die zugleich bei den Operationen der erweiterten Gruppe ungeändert bleiben. Natürlich

24 I, 1. Die regulären Körper

finden sich unter ihnen, entsprechend den Ecken der Fundamental- bereiche, des Weiteren die speciellen soeben genannten Punktgruppen von Punkten wieder.

V

Wir würden jetzt unsere neuen, die erweiterten Gruppen, in dem- selben Sinne gruppentheoretisch untersuchen können, wie wir dies in den vorhergehenden Paragraphen bei den ursprünglichen Gruppen aus- geführt haben. Ich möchte eine solche Discussion dem Leser als eine geeignete üebungsaufgabe empfehlen und beschränke mich hier in dieser Richtung nur auf folgende Angabe: Selbstverständlich ist innerhalb der erweiterten Gruppe die ursprüngliche Gruppe jedesmal au.sgezeichnet enthalten. Aber ausserdem enthalten die erweiterte Oktaeder- und Iko- saedergruppe, sowie die erweiterte Diedergruppe bei geradem n eine ausgezeichnete Untergruppe von nur 2 Operationen. Dieselbe er- wächst durch zweimalige Anwendung derjenigen Transformation, welche jeden Kugelpunkt durch den diametral gegenüberliegenden ersetzt*).

§ 12. Erzeugung der Ikosaedergruppe.

Bfei unseren bisherigen Gruppenbetrachtungen dachten wir uns die einzelnen Gruppen fertig gegeben und suchten gleichmässigen Ueber- blick über ihre verschiedenen Operationen und deren gegenseitige Stellung zu gewinnen. In der Folge wird aber ein mehr einseitiges Verfahren von praktischer Bedeutung werden. Es wird sich darum handeln, die Gruppen durch geeignete erzeugende Operationen einzuführen, d. h. Operationen anzugeben, aus denen durch Wiederholung und Com- bination die jedesmalige Gruppe entsteht.

Wir behandein in diesem Sinne voran die Gruppe der Ikosaeder- drehungen, indem wir dabei noch einmal die Gebietseintheilung des § 9, bez. die Fundamentalbereiche des § 10 verwerthen. Das Princip, welches wir dabei zu Grunde legen, haben wir implicite. bereits im vorhergehenden Paragraphen verwandt. Da jeder Fundamentalbereich einer Gruppe aus jedem anderen nur je durch eine Operation der Gruppe gewonnen wird, so können wir die verschiedenen Fundamentalbereiche durch die Operationen benennen, vermöge deren sie aus einem beliebigen

*) Als besonders merkwürdig will ich noch anführen, dass die aus 48 Opera- tionen bestehende erweiterte Oktaedergruppe dreierlei ausgezeichnete Untergruppen von 24 Operationen enthält. Es sind dies zunächst, wie selbstverständlich, die ursprüngliche Oktaedergruppe und die erweiterte Tetraedergruppe, dann aber die- jenige Gruppe, welche durch Verbindung der ursprünglichen Tetraedergruppe mit der gerade im Texte genannten Operation entsteht. Nur letztere Gruppe, nicht aber die „erweiterte" Tetraedergruppe, ist Untergruppe der „erweiterten" Iko- saedergruppe.

und die Gruppentheorie. 25

unter ihnen, den wir als Ant'angsbereich mit 1 bezeichnen, hervor- gehen. Indem wir diese Benennung durchführen, gewinnen wir damit von selbst eine Aufzählung aller Operationen der Gruppe*).

Wir wollen uns, der bequemeren Ausdrucks weise halber, das Ikosaeder so gestellt denken, dass eine seiner Diagonalen vertical ver- läuft. Als ersten Fundamentalbereich wählen wir dann eines der 5

gleichschenkeligen Dreiecke, die, mit den Winkeln —— , , -— aus- gestattet, auf der Kugel um den obersten Eckpunkt des Ikosaeders herumgruppirt sind: ein solches Dreieck ist ein Fundamentalbereich der Ikosaedergruppe, weil es aus zwei nebeneinander liegenden Drei- ecken der in § 9 gegebenen Kugeltheilung zusammengesetzt ist. Die 5 in Rede stehenden gleichschenkoligen Dreiecke bilden, wollen wir sagen, ein erstes Fünfeck des zum Ikosaeder gehörigen Pentagondo- dekaeders. Diejenige Dreiecksseite, welche zugleich Fünfecksseite ist, bezeichnen wir als die betr. Grundlinie.

Jetzt benennen wir die in bestimmter Richtung durch einen Winkel

2n = —— erfolgende Drehung um die vertical gestellte Ikosaederdiagonale

mit S. So werden die genannten 5 Fundamentalbereiche in ihrer natür- lichen Reihenfolge aus dem ersten derselben durch die Rotationen:

1, S, S\ S', Ä* hervorgehen, wir werden die Bereiche also mit den Symbolen:

S^, 11 = 0,1, 2, 3, 4, bezeichnen.

Wir nehmen nunmehr eine zweite Ikosaederdrehung, T, von der Periode 2 hinzu. Es soll dies die Umklappung um diejenige Quer- linie des Ikosaeders sein, deren einer Endpunkt der Halbirungspunkt der. Grundlinie von 1 ist. Durch dieses T verwandeln sich unsere 5 Bereiche ä" in die Bereiche /S" T, welche zusammengenommen wieder ein Fünfeck unseres Pentagondodekaeders ausmachen, und zwar das- jenige, welches mit dem ersten soeben betrachteten Fünfecke die Grund linie des ersten Fundamentalbereichs gemein hat. Indem wir nun wieder die Operationen S, S^, S^, /S* in Anwendung bringen, erhalten wir aus dem neuen Fünfecke die übrigen 4 an das erste Fünfeck heran- reichenden. Daher sind die Fundamentalhereiche derjenigen 5 Fünfecke, welcJie das erste umgehen, durch

S^TS% 0, v = 0, 1, 2,3,4), vorgestellt.

*) Man vergleiche hier die bereits genannten „Gruppentheoretischen Studien" von Hrn. Dyck im 20. Bande der Mathem. Annalen. Es wird dort das im Texte ausgesprochene Princip für allgemeine Zwecke der Gruppentheorie verwendet.

26 I) 1- Die regulären Körper

Es soll jetzt mit TJ eine dritte Ikosaederdrehung, ebenfalls von der Periode 2, bezeichnet sein, von der wir allerdings sehen werden, dass sie keine unabhängige Bedeutung besitzt, sich vielmehr aus den beiden 5, T zusammensetzt. Die Axe von TJ soll mit einer der horizontal verlaufenden Querlinien zusammenfallen, und zwar wollen wir, damit Alles bestimmt sei, insbesondere diejenige horizontale Querlinie wählen, welche senkrecht zur Axe von T steht. Offenbar verwandelt die so bestimmte Drehung U die bisher betrachteten 6 oberen Fünf- ecke des Pentagondodekaeders in die 6 noch fehlenden unteren Fünf- ecke desselben. Daher haben wir ohne Weiteres, dass die 30 noch fehlenden Fundamentalhereiche der Ikosaedergruppe durch folgende Be- nennungen gegeben sind:

S^'ü, S^TS'U, iii, v==0, 1, 2, 3, 4).

Von den Fundamentalbereichen gehen wir nunmehr zu den Drehungen zurück. Dann haben wir den Satz, dessen Ableitung bei unserer jetzigen Betrachtung der Zielpunkt war, dass nämlich die 60 Drehungen der Ikosaedergruppe durch folgendes Schema gegeben sind:

Sf", S^^TS% Ä."f7, S^'TS'U, ifi, v = 0, 1, 2, 3, 4).

Hier bilden die Rotationen

die zur verticalen Diagonale des Ikosaeders gehörige Diedergruppe n = 5, und die Drehungen:

T, U, TU

ergeben, mit der Identität zusammengenommen, eine der 5 beim Ikosaeder auftretenden Vierergruppen.

Entwirft man sich, wie es zum vollen Verständnisse der hier ent- wickelten Sätze unerlässlich scheint, eine Figur, oder operirt man, was noch bequemer ist, mit einem Modelle des Ikosaeders, auf welchem man die verschiedenen Fundamentalbereiche abgrenzt und die zu- gehörigen Benennungen einträgt, so kann man natürlich sofort alle Operationen ablesen, welche irgend eine Untergruppe der Ikosaeder- gruppe ausmachen. Man hat nur diejenigen Fundamentalbereiche zu markiren, welche aus dem Bereiche 1 durch die Operationen der Unter- gruppe hervorgehen*).

*) Z. B. finde ich für die Tetraedergruppe, welche die gerade angegebene Vierergruppe umfasst:

1, T, STS^, S-'TS, S^TS\ S*TS\ U, TU, STS^U, S^TSU, S^TS^U, S*TS^U.

und die Gruppentheorie. 27

Es erübrigt noch, dass wir U, wie in Aussicht gestellt, durch eine Qombination von 'S und T erzeugen. Wir unterwerfen zu dem Zwecke etwa den Fundamentalbereich S^TS^ der Operation T. So entsteht ein Fundamentalbereich S'^^TS^T, der einem der Fünfecke der unteren Hälfte angehört. Aber denselben Bereich haben wir bisher (wie ein Blick auf die Figur zeigt) TS'^TJ genannt. Daher ist:

In dieser Gleichung betrachten wir ü als die Unbekannte. Wir lösen die Gleichung, indem wir auf beiden Seiten linker Hand zunächst mit T und dann mit S^- multipliciren, und dabei T^ = 1, S^ = 1 berück- sichtigen. Auf solche Weise kommt:

und dies ist die von uns gewünschte Relation.

§ 13. Erzeugung der anderen Kotationsgruppen.

Was die Erzeugung der anderen Rotationsgruppen angeht, so kann dieselbe ohne Weiteres mit denselben Mitteln erfolgen, die wir jetzt beim Ikosaeder in Anwendung brachten. Aber bei den ersten derselben, den cyclischen und den Dieder-Gruppen, liegt die Sache noch so einfach, dass wir keiner besonderen Methode bedürfen, und bei Tetraeder und Oktaeder ziehen wir in der Folge vor, eine Er- zeugung zu benutzen, die der früher angegebenen Zerlegung dieser Gruppen parallel läuft. Ich stelle die betreffenden Resultate, die leicht zu verificiren sind, hier ohne besondere Ableitung zusammen.

Was zunächst die cyclischen Gruppen angeht, so werden deren Operationen selbstverständlich durch die Symbole:

Ä^ {^ = 0, 1, 2, ..., (w-i)),

gegeben sein, wo S .die Drehung durch den Winkel bedeutet. Wir

erhalten die Gruppe der Dieders, wenn wir irgend eine ümklappung T um eine der Nebenaxen des Dieders hinzunehmen, und also den Opera- tionen S^ die anderen:

Ä^'T, (^ = 0, 1, 2,..., (t^-l)),

hinzufügen. Insbesondere stellen sich jetzt die Operationen der Vierer- gruppe (in üebereinstimmung mit der soeben gemachten Angabe) durch folgendes Schema dar:

1, S, T, ST. Von der Vierergruppe steigen wir nunmehr zur Tetraedergruppe auf, in- dem wir irgend eine der zugehörigen Drehungen von der Periode 3, die

28 I, 1. Die regulären Körper und die Gruppentheorie.

wir JJ nennen wollen, hinzunehmen. Die 12 Drehungen des Tetraeders werden dann durch folgende Tabelle gegeben:

Ij Sj T, STj

U, SU, TU, STÜ,

ü\ SU\ TU\ STÜ\

Endlich bekommen wir die 24 Drehungen der Oktaedergruppe, indem wir den 12 hiermit aufgezählten Drehungen noch die anderen 12 hinzufügen:

V, SV, TV, STV,

UV, SUV, TUV, STUV,

uw, sw'v, imv, sTU'v.

Hier bedeutet V irgend eine Oktaederdrehung, die nicht in der Tetraedergruppe enthalten ist, z. B. eine Drehung von der Periode 4 um eine der Oktaederdiagonalen.

Wir schliessen hiermit diese vorläufigen Betrachtungen. Ihre Auf- gabe war, an relativ elementaren geometrischen Gebilden die Begriffe der Gruppentheorie in solcher Form einzuführen, dass die gruppen- theoretische Ueberlegung und die geometrische Anschauung fortwährend ineinander greifen.

Kapitel 11. Einführung von (x -\- iy).

§ 1. Erster Ansatz und Uebersicht der Entwickelnngen dieses E!apitels.

Das entscheidende Moment für den Fortgang unserer Gedanken- entwickelung ist jetzt dieses, dass wir dieselbe Kugel , welche wir vorhin den Gruppen von Drehungen etc. unterwarfen nnd auf der wir die zugehörigen Punktgrnppen und Fundamentalbereiche studirten, nunmehr als Trägerin der Werthe einer complexen Variabelen z = {x-\- iy) betrachten. Diese von Biemann herrührende Vorstellungsweise, welche zuerst von Hrn. C. Neumann in seinen „Vorlesungen über Riemann's Theorie der AbeFschen Integrale" ausführlich dargelegt wurde*), ist heutzutage bekannt genug, so dass ich unmittelbar von ihr Gebrauch machen kann; übrigens sind die im folgenden Paragraphen mitgetheilten Formeln an sich hinreichend, um in die Theorie einzuführen.

Auf Grund der somit eingeführten Repräsentation erscheint das einzelne bisher von uns betrachtete Punktsystem durch eine algebraische Gleichung- f{z) = 0 definirt, wobei der Grad von /" mit der Zahl der Punkte übereinstimmt, sofern nicht etwa einer dieser Punkte in ^ = cx) hineinrückt, was sich in bekannter Weise durch Erniedrigung des Grades um eine Einheit kund gibt. Wir fragen, welche Eigenschaften diese Gleichungen dem Umstände entsprechend besitzen, dass die durch sie repräsentirten Punktgruppen bei gewissen Drehungen der Kugel, oder auch bei gewissen Spiegelungen etc., in sich übergehen.

In dieser Beziehung haben wir zunächst das fundamentale Theo*m, welches ich sogleich eingehender begründen und präcisiren werde,

*) Leipzig, 1865. Mau vgl wegen der allgemeinen Auffassung Riemann's meine Schiift: lieber Biemann' s Theorie der algebraischen Functionen und ihrer Integrale (Leipzig, 1882), vgl. andererseits, was den Zusammenhaug dieser Ein- führung von (x -j- iy) mit der projectiven Auffassung der Flächen zweiten Grades angeht, meine noch öfter zu nennende Arbeit „üeber binäre Formen mit linearen Transformationen in sich selbst" im 9. Bande der Mathem. Annalen (1875), ins- besondere pag. 189 daselbst.

30 2. Einführung von x -f- *2/-

dass nämlich jede Drehung der (x -\- iy)- Kugel um ihren Mittelpunkt durch eine lineare Substitution von 0:

(1) ^'-^^

repräsentirt wird. In der That sind das 0, welches wir auf der ur- sprünglichen Kugel, und das 0', welches wir in genau derselben Weise auf der gedrehten Kugel mit seinen complexen Werthen ausgebreitet denken können, vermöge der Zusammengehörigkeit der beiderlei Kugel- punkte ausnahmslos ein-eindefiitig , und überdies, da die Beziehung der beiden Kugeln eine conforme ist*), analytisch auf einander bezogen; sie hängen also auf Grund bekannter Sätze**) linear von einander ab. Genau so erkennt man, dass den Spiegelungen und sonstigen inversen Operationen (die aus der Zusammensetzung einer Spiegelung mit be- liebigen Drehungen erwachsen) Formeln der folgenden Art entsprechen:

(2) -'-^f'

y Z -f- o

WO 0 den conjugirt imaginären Werth {x iy) von 0 bedeutet, unsere Gleichungen fiß) = 0 haben also die Eigenschaft ^ bei einer Gruppe linearer Substitutionen (1) oder auch ev. bei einer erweiterten Gruppe, die neben Substitutionen (1) eine entsprechende An0ahl von Substitutionen (2) enthalt, ungeändert 0u bleiben***).

Ich muss nun gleich des analytischen Hülfsmittels gedenken, welches sich bei der Aufstellung der Gleichungen f{0) = 0 und beim Studium ihrer wechselseitigen Beziehungen wie von selber aufdrängt, und das, vermöge seiner grösseren Vielseitigkeit, in mannigfachem Betracht über die bisherigen, geometrisch anschaulichen Ueberlegungen

*) Sie ist sogar eine eongruente, da ja die entsprechenden Punkte beider Kugeln durch Drehung mit einander zur Deckung gebracht werden können.

**) Leider findet man die hier in Betracht kommenden Fundamentalsätze der Functionentheorie in den Lehrbüchern in der Form entwickelt, dass die conforme Ab- bildung, welche durch die Functionen vermittelt wird, immer nur beiläufig in Be- tradjit gezogen ist; es ist also für unsere Zwecke jedesmal eine gewisse Umstellung und Combination der explicite gegebenen Beweise erforderlich, die aber dem Leser nicht schwer fallen kann, da es sich bei uns jedesmal nur um ganz elementare Verhältnisse handelt.

***) Das Gleiche gilt natürlich von den Gleichungen F{z) = 0, welche zu- sammenfassend mehrere der im Texte betrachteten Punktgruppen repräsentiren. Man kann diese Gleichungen F {z) = 0 als Verallgemeinerung der reciproken Gleichungen der niederen Analysis betrachten, insofern letztere ja auch bei einer bestimmten Gruppe linearer Substitutionen, nämlich bei der einfachen Gruppe:

z = z, z' = , ungeändert erhalten bleiben.

I, 2. Einführung von x -f- «?/• 31

hinausführt. Es sind dies die homogenen Variabelen. Indem wir 0 durch ^1 : 02 ersetzen, spaltet sich die Substitution (1) (und analog jede Sub- stitution (2)) in zwei getrennte Operationen:

0/ = a^i + ßz^,

[< = yz, + 00,,

wo nun der absolute Werth der Substitutionsdeterminante (ad ßy) von besonderer Wichtigkeit sein wird. Statt der Gleichungen f(z) = 0

oder f {-^ , 1 ) == 0 werden wir dann, indem wir mit einer geeigneten

Potenz von z^ multipliciren, die Form f{Zi, ^2) ^^ betrachten haben. Diese Form hat immer (was ein erster Vortheil der homogenen Schreib- weise ist) denselben Grad, wie die zugehörige Punktgruppe, indem das Auftreten des Punktes ^ = 00 jetzt durch einen Factor ^2 von f indicirt ist. Wir erkennen zugleich, dass mit dem Uebergange zur Form f eine neue Unterscheidung gesetzt ist. Denn bei den Sub- stitutionen (3) braucht f nicht absolut ungeändert zu bleiben, es kann sich um einen Factor ändern, und es wird sich darum handeln, diesen Factor zu bestimmen. Hierüber hinaus aber gewinnen wir, indem wir die formentheoretischen Betrachtungen voranstellen, den Anschluss an diejenige wichtige Disciplin der modernen Algebra, welche man als Invariantentheorie der binären Formen bezeichnet; dieselbe wird uns in den complicirteren Fällen behülflich sein, um aus einer Form f alle anderen in einfacher Weise abzuleiten. Ich nenne gleich das Resultat, in welchem die hiermit geschilderten Betrachtungen culminiren (siehe den vorletzten Paragraphen dieses Kapitels). Es ist dieses, dass für jede unseren Rotationsgrujppen entsprechende Gruppe von linearen Substitu- tionen (1) eine zugehörige rationale Function: (4) Z=^R{z)

gefunden unrd, welche die verschiedenen zur Gruppe gehörigen Punktgruppen repräsentirt, indem man sie einer wechselnden Constanten gleichsetzt. Aber zugleich gewinnen wir, indem wir jene Substitutionsgruppen etc. wirk- •lich aufstellen, eine Reihe neuer Probleme, an welche später die weiter- gehende Entwicklung anzuknüpfen haben wird*).

*) Man vergleiche durchweg die bereits genannte Arbeit: Ueber binäre Formen mit linearen Transformationen in sich s!tlbst, im 9. Bande der Math. Annalen (1875). Es ist dort zum ersten Male der Gedankengang, der nun in den Entwicklungen des ersten und zweiten Kapitels des Textes zur ausführlichen Darlegung gelangt, in seinen Grundzügen angegeben. Die hauptsächlichen Resultate hatte ich bereits im Juni 1874 der Erlanger physikalisch-medicinischen Gesellschaft mitgetheilt (cf. Sitzungs- berichte derselben).

32 2. Einführung von x -f- iy.

§ 2. Ueber diejenigen linearen Transformationen von {x -\- iy), welche den Drehungen um den Kugelmittelpunkt entsprechen.

Sei die Gleichung unserer Kugel bezogen auf ein rechtwinkliges centrales Coordinatensystem :

(5) ^' + n'-\-i' = 1-

Wir führen dann die complexe Grösse 8 = x -\- iy etwa in der Weise ein, dass wir {x -{- iy) zunächst in gewöhnlicher Weise in der |i^-Ebene (der Aequator ebene) deuten und diese Ebene sodann durch stereographische Projection vom Pole |==0, ri = 0, t, = 1 aus mit der Oberfläche der Kugel in ein-eindeutige Beziehung setzen. Man ge- winnt so die Formeln:

(6)

--.'j

oder auch:

(7) 1 =

2a;

l_|_a;* + ?/2 '

t

X -\- ty ^ ^^—j.

^ 2y ^ ^ - 1 + a;2 -l-y

W 1 _L ^2 _U »i2 ' =

1 + a^"* + 2/' 1 + -^^ + 2/'

Da wir vor allen Dingen jene linearen Substitutionen von z be- stimmen wollen, welche den Drehungen der Kugel entsprechen, so interessiren uns die diametralen Punkte der Kugel als solche (insofern von ihnen immer ein Paar bei jeder Drehung festbleibt). Um bezüg- lich derselben einen vorläufigen Satz abzuleiten, substituiren wir in (6) statt l, f}, ^ deren negative Werthe. Dann kommt für den diame- tralen Punkt:

, . / __ ^ -\- iy

^ '^y 1 -1- ^ '

und also durch Multiplication mit dem Werthe (6) von {x -\- iy), mit Rücksicht auf (5):

(8) {x^iy){x' -iy')=-l, oder auch, indem wir {x -j- iy) = re^'f setzen:

(9) x' -^iy' ==^-e^^v + «).

Diametrale Punkte erhalten also Argumente, deren absolute Beträge reciproh sind, während die Am,plituden um n differiren.

Wir betrachten nun zunächst den Fall, dass um die Axe 0 cx> (welche senkrecht zur Aequatorebehe steht) durch einen Winkel a gedreht wird, und zwar mag diese Drehung, wenn man von aussen auf den Punkt oo (den wir uns oberhalb der Aequatorebene ge- legen denken) hinabblickt, entgegen dem Drehsinne des Uhrzeigers stattfinden. Ein Punkt, der ursprünglich das Argument 0 hatte, wird

I, 2. Einführang von x + iy. 33

nach der Drehung das Argument z' besitzen. Wir fragen, wie z' mit z zusammenhängt. Offenbar in derselben Weise, wie (|' -{- iiq') mit + *i^), wenn wir die ^'»j -Ebene (die Aequatorebene) in der ange- gebenen Weise drehen, denn der Nenner (1 i;) in den Formeln (6) bleibt bei der Drehung ungeändert. Nun haben wir aber für die ge- nannte Drehung der 5?^ -Ebene, wenn wir, wie üblich, die positive |-Axe nach rechts, die positive rj-Axe von uns weg sich erstrecken

lassen :

I' = I cos tt rj ' sin a,

ri' == ^ sin. a -\- 71 cos a, oder

^' -{- iri' = (cos a -j- * si^ ") (i 4" ^V)'

Daher Twmmt in bekannter Weise:

(10) z' = e'« z.

Wollen wir nun analog eine Drehung durch den Winkel a dar- stellen, bei der die Punkte |, -»j, g und ^, ri, i, auf der Kugel fest bleiben, und bei welcher der erstere Punkt dieselbe Rolle spielt, wie vorhin der Punkt oo, so dass also, wenn wir auf |, tj, i; von aussen hinblicken, die Drehung entgegengesetzt dem Sinne des Uhrzeigers ge- schieht — , so haben wir in (10) statt z, resp. z' eine solche lineare Function von z, bez. z' zu setzen, welche in |, if], i, unendlich wird und in |, tj, g verschwindet. Eine solche lineare Function ist allerdings nur bis auf einen Factor bestimmt; sie lautet in allgemeinster Form:

# c- ^+^

z

1 -?

aber es ist unnöthig, diesen Factor noch durch irgend eine Fest- setzung genauer zu bestimmen, weil er aus der aufzustellenden Formel ohnehin herausfallen muss. In der That erhalten wir, indem wir statt z unseren neuen Ausdruck in (10) eintragen, unabhängig von C:

1 + ^ _gi. ' 1 + f

i-\- i'n jj. _ ^ + *^

1 -^ " 1-?

oder nach leichter Umsetzung:

-=^ ^' (1 -f J) -f (H- iri) _J^ ^ (1 + j) 4- (I + in)

Dies also ist die gesuchte allgemeine Formel für eine beliebige Drehung.

Löst man sie nach z' auf, so wird es bequem, folgende Abkürzungen einzuführen:

Klein, Gleichungen 5. Orade«. 3

34 I, 2. Einführung von x -\- iy.

(12) ^ sin Y = «j n sin y = ^; ^ siu = c, cos =dj

wobei ersichtlich:

(13) «2 + 6^ + c' + c?2 = 1. Man erhält dann nämlich die einfache Form:

^^ ^ (& + ia)2 + (d ic)

Wir haben, wie wir von vornherein beachten mögen, auf solche Weise für jede Drehung der Kugel zwei Formeln erhalten. Die Drehung bleibt nämlich ungeändert, wenn wir den Drehwinkel a um 2n ver- mehren. Dies aber hat nach Formel (12) zur Folge, dass alle 4 Grössen a, h, c, d ihr Vorzeichen wechseln. Es entspricht dies dem Umstände, dass die Substitutionsdeterminante von (14) gleich a? -\- 11^ -\- c^ -\- d^, also nach (13) gleich 1 wird, was hinsichtlich der Vorzeichen der a, h, c, d gerade noch eine doppelte Möglichkeit frei lässt.

Zugleich haben wir eine bequeme Regel gewonnen, um den Cosinus des halben Drehwinkels einer Rotation, die in der Gestalt

, _ Az ^B ^ ~ Cz-{-B

gegeben ist, zu berechnen und dadurch die Periodicität dieser Substi- tution (sofern es sich um eine periodische Substitution handelt) zu beurtheilen. Denn augenscheinlich kommt durch Vergleich mit (14):

a A-\-D

(15) cos

2 'i\/AD BC

§ 3. Homogene lineare Substitutionen. Zusammensetzung derselben.

Wir wollen jetzt, wie es in § 1 schon in Aussicht genommen wurde, Formel (14) in zwei homogene lineare Substitutionen spalten, indem wir einfach schreiben:

f^i' = (^ + *^) ^\ (P ~ *^) ^2>

\z^ = (h -\- ia) 2i -\- (d ic) %. Hier bedeuten die a, &, c, d nach Formel (12) zunächst beliebige reelle Grössen, welche der Bedingung

«2 -f &2 -f- c2 -f ^2 _ 1

unterliegen. Inzwischen, können wir bemerken, dass dieselbe Formel unter Aufrechterhaltung dieser Bedingung, sofern wir nur a, b, e, d

*) Man sehe die Notiz von Cayley im 15. Bande der Math. Annalen (1879): On the Correspondenee of homograpMes and rotations, wo diese Formel zum ersten Male explicite aufgestellt ist.

I, 2. Einführung von x -{- iy. 35

beliebiger complexer Werthe fähig denken, zugleich die allgemeinste binäre lineare Substitution von der Determinante 1 vorstellt. Hier- durch gewinnen die Zusammensetzungsformeln, die wir sofort aufstellen werden, eine allgemeinere Bedeutung, die allerdings in den Entwick- lungen, auf die wir uns hier beschränken müssen, nicht weiter zur Geltung kommt.

Um die in Rede stehenden Zusammensetzungsformeln abzu- leiten, sei:

u; = id-\r ic) 01 (b ia) z^,

U/ = (^ + «'«) ^x-\-{d— ic) 02, eine erste Substitution, und ebenso

= {d' + ic') z; (&' - ia') V, = (&' + ia') zl + {d' - ic') V, eine zweite. Wir erhalten die durch Zusammensetzung entstehende Sub- stitution ST, indem wir z^, z^ zwischen beiden FormMsystemen eliminiren. Natürlich setzen wir das Resultat wieder in die Form (16), schreiben also etvea:

/' = (d" + ic") Zi (b" ia") z^,

(17)

^'^ >/' = (6" + ia") z, + id" - ic") z,.

Dann ergiebt die directe Vergleichung das folgende einfache Resultat:

a" == iad' -f- a ä) {bc &'c),

b" = Cbd' + b'd) - {ca c'a),

c" = {cd' + cd) {ab' ab),

d" = aa' bb' cc' -\- dd'.

Wir haben dabei, wie man beachten mag, die symbolische Bezeichnung ST in demselben Sinne verwandt, wie im vorigen Kapitel, indem wir zuerst die Substitution S, dann die Substitution T anwandten.

Die Formeln (14), (16), (17) werden wir sofort bei der Aufstellung der Substitutionsgruppen verwenden, die nunmehr den Rotationsgruppen des vorigen Kapitels entsprechen. Vorher jedoch müssen wir der Be- deutung gedenken, welche dieselben Formeln in allgemeinerem Sinne beanspruchen. Dass es richtig sei, bei der Behandlung der Drehungen um einen festen Punkt die Parameter a, b, o, d des vorigen Para- graphen (oder doch jedenfalls ihre Quotienten -j, -j, -j j einzuführen,

hat Euler bereits gefunden*). Inzwischen scheint es, dass die Zusammen- setzungsformeln (17) noch lange unbekannt blieben, bis sie von Ro-

*) Novae Commentationes Petropolitanae t. 20, pag. 217.

3-=

36 2. Einföhrung von x -\- iy.

drigues*) (1840) entdeckt wurden. Dieselben Formeln hat dann Hamilton seinem Quaternionencalcul zu Grunde gelegt**), ohne zunächst ihre Be- deutung für die Zusammensetzung von Drehungen zu kennen, die bald darauf von Cayley hervorgehoben wurde***). Aber die Beziehung dieser Formeln zur Zusammensetzung binärer linearer Substitutionen blieb da- mals noch unbemerkt; Hrn. Laguerre gebührt das Verdienst, diesen Zu- sammenhang zuerst von der formalen Seite her erkannt zu haben f). Eine reale Bedeutung hat derselbe erst durch die Riemann'sche Interpretation von {x -\- iy) auf der Kugel und insbesondere durch Cayley's Formel (14) erhalten ff).

§ 4. Uebergang zu den Substitutionsgruppen. Die cyclisohen Gruppen und die Diedergruppen.

Wir schreiten nunmehr dazu, die homogenen linearen Substitu- tionen von der Determinante 1 aufzustellenfff), welche im Sinne der Formeln (14), (16) den früher untersuchten Rotationsgruppen ent- sprechen. Natürlich sind die Substitutionen, welche wir in solcher Weise gewinnen, wegen des doppelten Vorzeichens der Parameter a, &, c, d, doppelt so zahlreich als die Rotationen, von denen wir aus- gehen. Die Substitutionsgruppe ist also zuvörderst mit der Rotations- gruppe hemiedrisch isomorph; die Frage, ob wir die Substitutionsgruppe nicht derart einschränken oder modiificiren können, dass holoedrischer Isomorphismus eintritt, soll erst in einem späteren Paragraphen unter- sucht werden.

*) Journal de Liouville , 1. s^rie, tome V. Des lois geometriques qui regissent le deplacement etc.

**) In der That, betrachten wir die Quaternionen q, q':

q = ai -\- bj -\- cic -\- d, q = a' i + h' j -\- c'k -f- d', so ist das Product derselben

qq' = q" == a" i -\- b"j -\- c"k -\- d"

genau durch die Formeln (17) des Textes gegeben. Es ist interessant, hier die

ersten Mittheilungen von Hamilton über seinen Quaternionencalcul, insbesondere

seinen Brief an Graves im Philosophical Magazine 1844, 2, p. 489 zu vergleichen.

***) Philosophical Magazine 1843, I, pag. 141.

t) Journal de l'Ecole polytechnique, cah. 42 (1867) : Sur le caieul des systemes lineaires.

tt) Vgl- namentlich auch Hrn. Stephanos' Abhandlung: Memoire sur la repre- sentation des homographies binaires par des points de l'espace avec application ä l'etude des rotations spheriques, Math, Annalen Bd. XXII (1883), sowie auch dessen Note: Sur la theorie des quaternions (ebenda).

ftt) Oder auch, wie ich im Folgenden kurz sagen werde, wo kein Missver- ständniss zu befürchten ist: die „homogenen Substitutionen" schlechthin.

I, 2. Einführung von x -\- iy. 37

Was die allgemeinen Regeln angeht, deren wir uns bei Aufstellung der Substitutionsgruppen bedienen werden, so werden wir natürlich jeweils dem Coordinatensysteme eine möglichst einfache Lage ertheilen und übrigens auf die Sätze recurriren, die wir in § 12 und 13 des vorigen Kapitels betreffs der Erzeugung der einzelnen Rotationsgruppen aufgestellt haben.

Bei den cyclischen Gruppen und den Diedergruppen ist die Sache noch so einfach, dass wir die Formeln ohne Weiteres hinschreiben können. Es scheint am bequemsten, die beiden bei diesen Gruppen in Betracht kommenden Pole mit den Punkten z = 0 und 0=^00 zu- sammenfallen zu lassen. Dann hat man für die Drehungen der cyclischen Gruppe:

T /-v . « , CK ^hn a = 0 = i), c = sin— , a = co8— , a == ,

' 2 ' 2 ' n '

und also für die 2n homogenen Substitutionen der cyclischen Gruppe:

ihn ikn

(18) z^ = e"^ -z^, z^ = e~^ - z^. (* = 0 1, . (2n - i)).

Sollen wir jetzt zur Diedergruppe übergehen, so werden wir eine der Nebenaxen etwa so wählen, dass sie mit der |-Axe unseres räumlichen Coordinatensystems coi'ncidirt (also die Kugelpunkte -2 = + 1 und z = 1 verbindet). Wir finden für die zugehörige ümklappung:

(19) s; = 1^10^^ 0^' = ip 10^ ^

und also durch Verbindung mit (18) für die 4:n homogenen Substitu- tionen der Diedergruppe:

ikn ihlt

(20)

0' = e ^ . ;s; «' == e \ . 0 '

' ' " = 0, 1,- •(2n-l)).

ikft ikrt

0^ = le ^ z^y z^ -^le "^ ' z^.

Dem doppelten Vorzeichen von (19) ist in diesen Formeln bereits Rechnung getragen, indem wir li nicht bloss von 0 bis (w 1), son- dern von 0 bis (2w 1) laufen lassen.

Insbesondere haben wir, wie wir ausdrücklich angeben wollen, für die Vierergruppe die folgenden 8 homogenen Substitutionen:

2/ = i* . z^ , z^ == (— if z^ ;

(21) . ' , V

{k^O, 1, 2, 3).

38 I, 2. Einführung von x -j- *?/•

§ 5. Die Gruppen des Tetraeders und des Oktaeders.

Beim Tetraeder und Oktaeder werden wir zweierlei Lagen des Coordinatensystems untersclieiden. Das eine Mal lassen wir, was am natürlichsten scheint, die drei Coordinatenaxen |, r}, ^ unseres räum- lichen Coordinatensystems einfach mit den Oktaederdiagonalen zu- sammenfallen. Das zweite Mal drehen wir das so gewonnene Coor- dinatensysten um seine ^-Axe durch 45'', damit nämlich, was später Vortheil bietet, die ^^-Ebene mit einer Symmetrieebene des Tetraeders coincidirt.

Beginnen wir mit der Betrachtung der ersteren Lage. Wir können dann zur Darstellung der Vierergruppe unmittelbar die eben hin- geschriebenen Formeln (21) benutzen. Indem wir uns sodann betreffs der Erzeugung der Tetraeder- und Oktaedergruppe der Angaben er- innern, die wir in § 13 des vorigen Kapitels gemacht haben, werden wir zunächst die homogenen Substitutionen bilden, welche den beiden Drehungen {U und W) von der Periode 3 um eine der Diagonalen des zugehörigen Würfels entsprechen. Offenbar erhalten 2 diametrale Ecken des Würfels die Coordinaten:

. i = v = i = ±^,

und da

^««¥ = Y = -^^^^^ «^^T = -2- = «^^-3- ist, so erhalten wir für die homogenen Substitutionen, bei denen diese beiden Ecken fest bleiben (unter Beiseitelassung des auch hier wieder auftretenden doppelten Vorzeichens):

a =b = c = Azd = Y'

Entsprechend haben wir die beiden Substitutionen:

1 + i) .^1 - (1 - i) ^2 ^ ' _ (1 + i) ^1 + 1 - i) 2, 8x = 2 j ^2 2

Indem wir sie mit den Substitutionen (21) nunmehr in geeigneter Weise combiniren, erhalten wir für die rechten Seiten der M homogenen Tetraedersubstitutionen die folgenden Paare linearer Ausdrücke:

(— iy . ^2 , ** . ^1 ;

(22)

* 2 ' ^—V- 2 '

\~V 2 ' 2

= 0, Ij 2, 3).

I, 2. Einführung von x -\- iy. 39

Wir gehen zur Oktaedergruppe über, wenn wir noch eine Drehung V durch um eine der 3 Coordinatenaxen, etwa um die ^-Axe, hin- zunehmen. Für eine der beiden entsprechenden homogenen Substitu- tionen haben wir augenscheinlich:

(23) ,; = -i-tl.^,, ,;=i-r.

V2 " ' V2 '

Dementsprechend erhalten wir die rechten Seiten der 24 in der Tabelle

(2J2) noch fehlenden homogenen 01ita£dersubstitutionen, indem wir von den 24

in diese Tabelle aufgenommenen linearen Ausdrücken den links stehenden

jedesmM mit ^t__ ^ten rechts stehenden mit 7=- mtdtipliciren.

Es wird unnöthig sein, die neu entstehenden Ausdrücke hier noch besonders hinzuschreiben.

Was jetzt die zweite Lage des Coordinatensystems gegen unsere Configurationen betrifft, so genügt es, um die auf sie bezüglichen Sub- stitutionsformeln zu haben, in den gerade gewonnenen Formeln {2'2\ (23) etc. der Coordinatentransformation Rechnung zu tragen, welche von der ersten Lage zur zweiten hinüberführt. Bei einer solchen

Coordinatentransformation wird das ursprüngliche -^ durch %z

und natürlich gleichzeitig das ursprüngliche -^ durch ^ er-

setzt*). Man beachte noch, dass ^ ;=::r- = 1 ist. Wir erhalten

1/2 vT

so nach kurzer Ueberlegung die Regel:

Wollen wir die Substitutionsformeln Jiaben, welche der neuen Lage des Coordinatensystems entsprechen, so müssen ivir hei den in {22) links

stehenden Ausdrücken das z^ ungeändert lassen und das z.^ durch —^ z^

ersetzen, dagegen in den ebenda rechts stehenden Ausdrücken das z^ durch

j=- z-i^ ersetzen und das z^ ungeändert lassen.

Bei dem ganz elementaren Charakter dieser Operation unterlasse ich es wieder, die entstehenden Ausdrücke explicite anzugeben.

§ 6. Die Ikosaedergruppe.

Es handelt sich jetzt um die homogenen Substitutionen des Iko- saeders. Wir wollen zu dem Zwecke dem Ikosaeder eine solche Lage

*) Indem wir nämlich die Drehung durch 90" um die 0|;-Axe in positivem Sinne vor sich gehend denken.

(24)

S: U:

40 I, 2. Einführung von x -\- iy.

gegen das Coordinatensystem ertheilen, dass jene Drehung durch -v-, welche wir früher (§12 des vorigen Kapitels) mit S bezeichneten, in positivem Sinne um die ^-Axe geschieht, während gleichzeitig die Querlinie, um welche die Umklappung U (siehe ebenda) statt hat, mit der »^-Axe coincidirt. Bann hohen wir den Operationen S, U entsprechend sofort folgende Substitutionen:

^ = + «'^1, ^2 = + s^02 ;

^/ = + ^2 »

■^2' = ± ^1 j

welche zusammengenommen die zur verticalen Ikosaederdiagonale ge- hörige Diedergruppe erzeugen*). Unter e ist dabei, wie immer in der Folge, die fünfte Einheitswurzel:

(25) e = e—

verstanden.

Unsere Festsetzung hinsichtlich der Lage des Coordinatensystems lässt hinsichtlich der ümklappung T, die wir nun noch in Betracht zu ziehen haben, eine doppelte Möglichkeit zu. Die Axe von T kann innerhalb der 1 2;- Ebene noch entweder durch den ersten und dritten Quadranten des Coordinatensystems |^ hindurchlaufen, oder durch den zweiten und vierten. Wir wollen festsetzen, dass das letztere der Fall sein soll. Verstehen wir dann unter y den spitzen Winkel, den besagte Axe mit Ot, einschliesst, so wird einer ihrer beiden Endpunkte die Coordinaten erhalten:

I = sin j/, 1^ = 0 , g = cos y, und es werden also nach (12) (da es sich um eine Drehung durch 180*' handelt) die Parameter der zugehörigen Drehung:

a = + siny, 6 = 0, 6 = + cos y , d == 0, wo, wie immer in diesen Formeln, die oberen und die unteren Vor- zeichen zusammengehören.

Es fragt sich jetzt, wie wir den Winkel y berechnen. Ich will zu dem Zwecke auf die Parameter von S (24):

a' == 6' = 0 , c' = + sin , tZ' = + cos -r-

und auf die Zusammensetzungsformeln (17) zurückgreifen. Auf Grund dieser Formeln findet sich für den Parameter d" der Operation ST:

*) Dieselbe ist hier auf ein etwas anderes Coordinatensystem bezogen, als in Formel (20).

I, 2. Einführung von x -\- iy. 41

d" == aa hb' cc -\- dd'

I . TT

= + COS y sin -=- ö

Nun hat die Operation ST (wie ein Blick auf die Figur des Ikosaeders zeigt) die Periode 3, es muss also d mit + cos -^ == + überein- stimmen. Wir gewinnen somit, wenn wir noch beachten, dass cos y positiv sein soll:

cos j/ . sin y = y ,

oder, wenn wir wiederum die Einheitswurzel « einführen und berück- sichtigen, dass

(«2 s^) (s^ s) = 8 -\- E* ^ s^ = yb ist: ,

und hieraus, wieder unter Annahme des positiven Vorzeichens:

sm y =

Wir tragen nunmehr diese Werthe in die eben gegebenen Ausdrücke a, h, c, d ein und greifen übrigens auf die Formeln (16) zurück. Dann haben wir schliesslich für die beiden homogenen Substitutionen, welche der Drehung T entsprechen:

(26) y ( ^i' == + (^ - ^') ^x + (^^ - ^') ^2,

Aus (24), (26) bilden wir jetzt sofort die gesammten Ikosaeder- substitutionen. Wir brauchen uns nur zu erinnern, dass wir früher die Ikosaederdrehungen in folgende Tabelle gebracht haben: >S.", S^'U, S^^TS% Sf'TS'U, (^, v = 0, 1, 2, 3, 4). Dementsprechend erhalten wir für die 120 homogenen Ikosaedersub- stitutionen:

' \yö.l3,' = ± £2v (-f (£2_ ^3) ^3,< .^^ _|. (g _g4) £2/< .^^);

S^TS^U: |l/5.<===F£2^(+(£2-53)63/'.^, + (5 -s')8^^-,,l

' \yb' 02 '=± «'" (— - «') £''' % + («' - «') «''' ^2)-

(27)

cos y = +

42 I, 2. Einführung von x + *?/•

Ich will noch auf die einfache Regel aufmerksam machen, ver- möge deren sich hier (wie auch schon in den früheren Fällen) die Periodicität der einzelnen Drehung auf Grund von Formel (15) be- stimmt. Wir erhalten vermöge dieser Formel für den Drehwinkel cc einer Drehung Sf'TS":

a _ (5-s*)(63'^ + 3''_s2^ + 2v)

'^'-^---^- '—^yt '

und analog für den Drehwinkel von S^'TS^U:

_~ {s^-s')is^f' + ^'' -eV + av)

Wir haben also hei S^'TS" die Periode 2, wenn (i -\- vs^O, hei S^^TS'' U, wenn 3|[i -f 2v = 0 (mod. 5) ist.

Wir hohen hei S^'TS^ die Periode 3, wenn ^ + v^-hl, hei S^^TS^U, wenn 3^ + 2v = + l (mod. 5) ist

In dm 20 anderen Fällen S^'TS", hes. S^TS^U ist die Periode 5. Hierzu tritt dann noch, wie selbstverständlich, dass alle Sf^U die Periode 2, alle 5*", mit alleiniger Ausnahme von S^ (der Identität), die Periode 5 haben.

§ 7. Nicht-homogene Substitutionen. Inbetrachtnahme der erweiterten

Gruppen.

Von den homogenen Substitutionen steigen wir natürlich ohne alle Rechnung zu den nicht homogenen Substitutionen hinab. Wenn ich trotzdem hier die betreffenden Formeln in tabellarischer Zusammen- stellung gebe, so geschieht es, weil sich dieselben, unter Verzicht auf den bisher festgehaltenen festen Werth der Substitutionsdeterminante, etwas zusammenziehen lassen und dadurch in der That sehr übersicht- lich werden. Wir finden für die nicht-homogenen Substitutionen:

1) bei den cyclischen Gruppen:

(28) / = e "^ -0, (ä; = 0, 1, (w - 1)) ;

2) beim Bieder:

2ik7t 2ik7t ~

(29) / = e " 0, / = -, Qc wie vorhin);

3) beim Tetraeder und erster Annahme hinsichtlich der Lage des Coordinatensy stems :

(30a) ^ = + ^, ±y, +'*'7^' ±*-7+T'±T::r^-' +T+T'

I, 2. Einführung von x -\- iy. 43

sowie bei der anderen Annahme:

^ ^ ' ^r ' 1/2 2 (1 i) (1 + ») ^ + yT '

|/2" 0 (1 + i) ' (1 t) 2 + 1/2 '

4) beim Oktaeder unter analoger Unterscheidung der beiden Fälle:

(31a) / = ^*^, ^, **.^+l,i* '-^ "•* ' + * ■-.•*-^-*

2'" 2-1'" 24-1'" ^-i'" 24-i' sowie:

(31b) ^f =4*.^ 1_ ^*.A_j_j z: r, ^i .'' ^^ _z

^ y2 z (1 —i) (1 4- i) 2 + 1/2 '

., (1 - «•) ^r + yä" •* yä" . 0 - (1 + t) .

1/2 2 (1 + i) ' (1 i) 2 4- >/2 '

Ä hat hier jedesmal die Werthe 0, 1, 2, 3 zu durchlaufen-, 5) beim Ikosaeder:

(32) / = s^, —'- ,.. -(^ -.v^-. + (^'-^'0

' 0 ' (£2 _ £3) j," . 2 4- (f £*) '

,^4v.

(s B^)sf'-z -\- («2 E»)' / Sirt \

(^g = e^"; |(i, »; = 0, 1, 2, 3, 4J.

Von diesen Formeln gehen wir nun auch sofort zu denjenigen über, die den erweiterten Gruppen (wie wir uns in Kap. I ausdrückten) entsprechen. Wenn wir nämlich die einzige Formelgruppe (30 a) aus- nehmen, so ist übrigens durchweg die |^-Ebene unseres Coordinaten- systems eine Symmetrieebene der gerade in Betracht kommenden Con- figuration. Nun können wir die erweiterte Gruppe dadurch erzeugen, dass wir die Spiegelung eben an dieser Symmetrieebene mit den Drehungen der ursprünglichen Gruppe combiniren. Diese Spiegelung ist aber analytisch durch die einfache Formel:

(33) - / = F

gegeben, wo 0 den conjugirten Werth der imaginären Grösse 0 bedeutet. Daher werden wir Formeln für die Operationen der erweiterten Gruppen erhalten, wenn wir neben die Formeln (28) bis (32) (untex alleiniger

44 I, 2. Einführung von x -\- iy.

Ausnahme von (30 a)) immer auch die anderen stellen, in denen z durch z ersetzt ist.

Ich schliesse diesen Paragraphen mit zwei kleinen historischen Bemerkungen. Von den Substitutionsgruppen (28) bis (32) kommen in der älteren Literatur, ausser den cyclischen Gruppen, die natürlich überall auftreten, hauptsächlich nur zwei Fälle vor, nämlich die Dieder- gruppe n = 3 und die Oktaedergruppe (31a). Ersterer Fall erscheint dabei nur deshalb in etwas anderer Form, als in (29), weil auf der ;e;-Kugel ein anderes Coordinatensystem zu Grunde gelegt ist, für welches derjenige grösste Kreis, den wir bisher als Aequator bezeichneten, mit dem Meridiane der reellen Zahlen zusammenfällt und die Ecken des Dieders die Argumente z = 0, 1, oo erhalten. Man findet so die Formeln:

z z 1

1-z,

1 z ' z—1

welche, in der projectiven Geometrie, die 6 zusammengehörigen Werthe des Doppelverhältnisses und, in der Theorie der elliptischen Functionen, (was im Grunde dasselbe ist) die 6 zusammengehörigen Werthe von k^ (dem Quadrate des Legendre'schen Moduls) verbinden. Die Gruppe (31a) findet sich implicite an mehreren Stellen von Äbel's Werken*). Es handelt sich dort darum, die verschiedenen Werthe von k^ an- zugeben, die resultiren, wenn man ein vorgelegtes elliptisches In- tegral erster Gattung durch lineare Substitution in die Legendre'sche

Normalform:

dx

I

l/l a;2 . 1 Jc^x^

transformirt. Abel bemerkt, dass sich diese verschiedeneu Werthe durch einen beliebigen derselben in folgender Weise darstellen:

, j_ /i + y^Y /i-yry /i+y^V (i^zVLX

Zieht man hier überall die vierte Wurzel und ersetzt Yk durch z^ so sind dies offenbar genau die Ausdrücke (31a).

§ 8. Holoedrischer Isoraorphismus bei homogenen Substitutionsgruppen.

Was die Discussion der nunmehr gewonnenen Substitutionsgruppen in gruppentheoretischem Sinne angeht, so wird es genügen, hier auf

*) Man sehe z. B. t. I, pag. 269 (der neuen Ausgabe von Sylow und Lie).

I, 2. Einführung von x -\- iy. 45

die analogen Untersuchungen unseres ersten Kapitels zu verweisen. In der That sind ja unsere nicht-homogenen Substitutionsgruppen mit den damals betrachteten Rotationsgruppen holoedrisch, die homogenen wenigstens hemiedrisch isomorph, wobei noch ausdrücklich bemerkt sei, dass unter den homogenen Substitutionen der „identischen" Rotation allemal die beiden:

\^''\ und '\^~~''\ h=h\ z^ = z^]

entsprechen.

Hierüber hinaus aber wollen wir uns mit einer Frage von aller- dings verwandtem, aber doch nicht rein gruppentheoretischem Charakter beschäftigen, einer Frage, die wir schon oben andeuteten 4), und deren Beantwortung In der Folge für uns von principieller Bedeutung werden wird. Wir haben für eine Gruppe von N Drehungen jedesmal 2^ homogene Substitutionen gefunden. Wir fragen, ob wir unter diesen 2 N Substitutionen nicht derart N, die eine Gruppe bilden, herausgreifen können, dass Jwloedrischer Isomorphismus mit der Ro- tationsgruppe statt hat, oder ob wir einen solchen Isomorphismus nicht wenigstens dadurch erreichen können, dass wir der einzelnen Substitutionsdeterminante, die wir bisher immer gleich -f- 1 genommen haben, irgend einen anderen Werth ertheilen.

Wir beginnen mit den Wiederholungen einer einzigen Drehung, d. h. mit den cyclischen Gruppen, wobei wir, um die Untersuchung auch nicht scheinbar durch Einführung eines kanonischen Coordinaten- systems einzuschränken, ein ganz beliebiges Coordinatensystem zu Grunde legen wollen. Wir nehmen also etwa eine Drehung durch

, bei welcher ein beliebiger Punkt i,jTl,t, unserer Kugel fest bleibt.

Der zugehörigen linearen Substitution (1#):

Zi = (d -^ ic) z-^ (6 ia)Z2 ,

0^' = (6 -j- ia)Zi -{- (d ic)z^

haben wir bislang die Parameter:

a = + |sin'— , & = 4-i?sin , c = -|-§8in , d = -\- cos

beigelegt. Wir wollen statt ihrer, indem wir die Siibstitutionsdeter- minante gleich q^ nehmen, jetzt schreiben:

(34) «1 = qI sin |-, &i = pi; sin-^, Ci = (»5 sin ^, d^=Q cos -^

Indem wir sodann auf die Zusammensetzungsformeln (17) recurriren,

46 I, 2. Einfülirung von x -\- iy.

erhalten wir als Parameter für die Ti,^ Wiederholung unserer Sub- stitution:

. j. . Ten , , . TiTc j, , . Tcic , . Ten

ai=()*-gsm-^, &i = 9^-i^sin^^, c^=p^. ^ sm-^, 4=()*cos-^.

Wir verlangen jetzt damit holoedrischer Isomorphismus mit der zugehörigen Rotationsgruppe stattfindet , dass die n^ Wiederholung unserer Substitution die Identität sei, dass also:

Q/fi Oji Cji U j Clfi i

werde. Offenbar ist hierzu erforderlieh:

(j'' = 1.

Wir werden also dann und nur dann holoedriscJien Isomorphismus zwischen der Suhstitutions- und der Rotationsgruppe erzielen, wenn wir in (34) q als m'* Wurzel aus ( 1) einführen. Hiermit ist aber der Werth der Sub- stitutionsdeterminante Q^ ebenfalls bestimmt oder doch auf wenige Möglichkeiten eingeschränkt. Ist n ungerade, so können wir q = 1 und also die Determinante gleich + 1 nehmen. Ist aber n gerade, so ist der Werth -\-A bei der Substitutionsdeterminante unzulässig. Insbesondere müssen wir, wenn n = 2 ist, die Determinante gleich 1, die Grösse q gleich wählen.

Betrachten wir jetzt die Diedergruppen. Wir haben bei ihnen zunächst die Rotationen S^^ (mit /S" = 1), denen wir, nach dem gerade Gesagten, Substitutionen von der Determinante ^^^ entsprechen lassen müssen, wo (>" = 1. Wir haben ferner die Rotationen S^^T von der Periode 2. Sicher werden wir, damit holoedrischer Isomorphismus statt habe, die Substitution, welche T entspricht, mit der Determinante ( 1) ausstatten. Nun multipliciren sich bekanntlich bei Zusammen- setzung zweier Substitutionen deren Determinanten. Daher erhalten wir für Si^T eine Substitu#>n von der Determinante q^^'. Aber diese selbst soll wieder, weil S^^T die Periode 2 hat, gleich 1 sein. Somit haben wir für q die gleichzeitigen Gleichungen:

()'» = 1, ()2/^=+ 1, (ft = 0, 1, ••• («-!))•

Offenbar sind dieselben nur verträglich, wenn n ungerade ist (worauf Q = 1 resultirt). Daher folgt, dass hei den Biedergruppen der ge- wünschte holoedrische Isomorphisums nur hei ungeradem n, niemals aber hei geradem n eintreten kann.

Wir werden in der Folge auf den negativen Theil dieser Pro- position ganz besonderes Gewicht legen, denn aus ihm erschliessen wir sofort einen analogen Satz für die Gruppen des Tetraeders, Ok- traeders und Ikosaeders. Äiich hei Tetraeder, Oktaeder und Ikosaeder

I, 2. Einführung von x -{• iy. 47

ist holoedrischer Isomorphismus zwischen der Botationsgruppe und der Gruppe der homogenen Substitutionen unmöglich, Sie enthalten nämlich alle als Untergruppe mindestens eine Diedergruppe von geradem n (nämlich eine Vierergruppe); und schon bei dieser liegt, wie wir eben gesehen haben, besagte Unmöglichkeit vor.

§ 9. Invariante Formen, zu einer Gruppe gehörig. Der Formen- kreis der cyclischen und der Dieder-Gruppen.

Getreu dem allgemeinen Gedankengange, den wir in § 1 dieses Kapitels skizzirt haben, fragen wir jetzt, nachdem wir die homogenen Substitutionsgruppen kennen, die den einzelnen Rotationsgruppen ent- sprechen, nach allen solchen Formen F{z^, z^, die bei diesen Sub- stitutionen bis auf einen Factor ungeändert bleiben. Offenbar stellt eine derartige invariante Form (ein Ausdruck, den wir fernerhin fest- halten wollen), gleich Null gesetzt, ein Punktsystem unserer Kugel dar, welches bei allen Rotationen der in Betracht kommenden Gruppe ungeändert erhalten bleibt, ein Satz, den man umkehren kann. Nun muss ein solches Punktsystem nothwendig in lauter Punktgruppen jener Art zerfallen, wie wir sie in § 10 des vorigen Kapitels als zur Gruppe gehörig bezeichnet haben. Die gesuchten invarianten Formen entstehen also dadurch, dass wir von den Formen, die den genannten Punkt- gruppen correspondiren, beliebig viele mit einander multipliciren.

Ueber die Art der hiemach vorhandenen Grundformen können wir von vorneherein noch gewisse, nähere Angaben machen. Ist N die Anzahl der Drehungen einer Gruppe, so bestehen die zugehörigen Punktgruppen im Allgemeinen aus N getrennten Punkten. Die all- gemeine Grundform wird hiernach eine Form vom N^° Grade sein und übrigens der einfach unendlichen Anzahl der erwähnten Punkt- gruppen entsprechend einen wesentlichen (nicht bloss multiplicativen) Parameter enthalten. Aber es gibt unter den allgemeinen Punktgruppen

insbesondere derartige, die nur eine geringere Zahl, sagen wir ,

getrennte Punkte umfassen. Dementsprechend wird es ^ßeddle Grund-

formen, vom Grade , geben, die nur insofern als besonderer Fall

der allgemeinen Grundform betrachtet werden dürfen, als man sie in die v^ Potenz erhebt.

Wollen wir mit diesen allgemeinen Schlüssen noch weiter gehen, so müssen wir den Fall der cyclischen Gruppen nunmehr von den üba-igen Fällen abtrennen.

Bei den cyclischen Gruppe/n gibt es unter den allgemeinen Punkt-

48 I, 2. Einführung von x -\- iy.

gruppen nur zwei besondere, jede allein aus einem Punkte, nämlich aus einem* der beiden Pole, bestehend. Dementsprechend gibt es hei ihnen zwei ausgezeichnete, und zwar lineare Grundformen. Halten wir an dem Coordinatensysteme fest, das in § 4 bei Behandlung der cyclischen Gruppen eingeführt wurde, so sind dies einfach z^ und z^ selbst. Aber auch die allgemeinen Grundformen können wir hier sehr leicht bilden und zwar vermöge einer Schlussweise, die uns auch in den folgenden Fällen äusserst nützlich sein wird. Wir bilden, um zu den allgemeinen Grundformen überzugehen, die v^^ Potenzen von z^ und z^ und überzeugen uns, dass sie bei den einzelnen Substitutionen (18) ']& den gleichen Factor (— 1)* annehmen. Hieraus schliessen wir, dass X^z^ -\- X^^lf unter A^ : Ag einen beliebigen Parameter ver- standen, jedenfalls auch eine invariante Form ist. Weil der Grad der- selben gleich n (gleich der Anzahl der Rotationen der Gruppe) ist, ist sie zugleich eine Grundform. Augenscheinlich ist sie ohne Weiteres die allgemeine Grundform. Denn wir können A^ : A2 so be- stimmen, dass l^z^l -f- ^2^2 f^^ einen beliebigen Kugelpunkt ver- schwindet und also gerade die aus ihm vermöge der Rotationen der cyclischen Gruppe hervorgehende Puuktgruppe darstellt. Somit haben wir bei den cyclischen Gruppen die zunächst vorliegenden Fragen überhaupt erledigt. Wir können das Resultat dahin aussprechen, dass hei den cyclischen Gruppen (18) die allgemeinste invariante Form durch

(35) ;^^';e<^JJ(A«;^;» + AW^»)

t gegeben sei, wo a, ß irgend welche positive ganze Zahlen, A^, A(p irgend- welche Parameter hedeuten.

In den übrigen Fällen gestaltet sich die Theorie nur dadurch etwas abweichend, dass bei ihnen unter den allgemeinen Punktgruppen von jedesmal N getrennten Punkten drei von geringerer Punktezahl auftreten. Wir wollen für die Multiplicitäten, die diesen besonderen Punktgruppen beizulegen sind, sofern wir sie unter die allgemeinen Panktgruppen subsumiren wollen, die Bezeichnungen v^, v^, Vg wieder aufnehmen, die wir in § 9 des vorigen Kapitels verwandten. Besagte

NN N

Punktgruppen enthalten dann nur bezüglich , und getrennte

Punkte und liefern uns dementsprechend 3 ausgezeichnete Grundformen F^, Fa, -F3 resp. von demselben Grade. Wir bilden F\^, F^^, F^k So zeigt sich, dass diese Potenzen bei den jeweils in Betracht kommenden homogenen Substitutionen alle denselben constanten Factor annehmen. Daher ist jede lineare Comhination

k,F\^ + k,F\^ + AgFn

I, 2. Einführung von x -f- iy- 49

eine invariante Form, und zwar, wie ihr Grad zeigt, eine Grundform. Aber die allgemeine Grundform enthält, wie gesagt, nur einen wesent- lichen Parameter, während wir hier in Aj : Ag : Ag deren zwei vor uns haben. Wir schliessen daraus, dass es zur Darstellung aller Grund- formen bereits genügt, die linearen Combinationen

in Betracht zu ziehen, dass also zwischen F^, F^, F^ eine Identität bestdien muss: ,

(36) Af i^J« + AfFj^^ + Af ^3^' = 0.

Indem wir uns immer F^* vermöge dieser Identität eliminirt denken, haben wir schliesslich als Ausdruck der allgemeinsten invarianten Form:

(37) F^'FI'Fr. JJ^ {X^l^Fl^ -{- XfF;-),

i

WO die positiven ganzen Zahlen a, ß, y und die Parameter kf, A^^ durchaus willkürlich sind.

Beim Bieder gestaltet sich die ganze hiermit besprochene Theorie auf Grund der in § 4 festgestellten Lage des Coordinatensystems noch so einfach, dass wir unmittelbar das Resultat hinschreiben können. Wir haben

N==2n,

Vl =

= V2 =

2,

und

finden

dementsprechend :

(38)

TP ^1 ~r ^2 ^1 9 y

F,-

_ ^r

9

F^ = ^i«^2>

JPg = 0 die Ecken des Dieders, F^ = 0 die Kantenhalbirungspujikte, i^g = 0 das Paar der Pole vorstellt. Zwischen F^ F^, F^ besteht dann in üebereinstimmung mit (36) die Identität:

(39) F^^ F^^ - F^ = 0.

Was Tetraeder, Oktaeder und Ikosaeder angeht, so erfordert bei ihnen die Aufstellung der ausgezeichneten Grundformen besondere Ueber- legungen, zu denen wir uns nunmehr hinwenden*).

*) Die bei den einzelnen Fällen in Betracht kommenden Formen F^, F^, F^ zneammen mit den zwischen ihnen stattfindenden Relationen finden sich zum ersten Male bei Hm. Schwarz in dessen Abhandlung: lieber diejenigen Fälle, in denen die Gaussische Beihe F(a, ß, y , x) eine algebraische Function ihres vierten Ele- mentes ist (Borchardt's Journal Bd. 75 (1872), siehe auch vorläufige Mittheilung in der Züricher Vierteljahrschrift von 1871) berechnet. Wenn ich hier diese grund- legende Arbeit nur erst beiläufig citire, so geschieht es, weil die Gesichtspunkte derselben bei Behandlung der Formen F zunächst ganz andere sind, als die unseren, Ihren Ausgangspunkt bilden gewisse Fragen aus der Theorie der con formen Ab- bildung, auf welche wir erst im folgenden Kapitel des Näheren eingehen können. Dagegen hat Hr. Schwarz weder die Gruppen linearer Substitutionen, noch die sogleich bei uns hervortretende Beziehung zur Invariantentheorie.

Klein, Gleichungen 5. Grades. 4

50 jf, 2. Einführung von x -\- iy.

§ 10. Vorbereitendes über die Tetraeder- und Oktaederformen. Bei Tetraeder und Oktaeder haben wir, nach § b, zweierlei Lage des Coordinatensystems zu unterscheiden. Indem wir mit der ersten derselben beginnen, finden wir für die Ecken des Oktaeders (d. h. jetzt die Durchstosspunkte der räumlichen Coordinatenaxen mit der Kugel) die Argumente

2 = 0, oo, +1, -\2_i,

und es ist also das Oktaeder einfach durch folgende Gleichung gegd)en:

(40) 0,2, {2,^ - 2,') = 0.

In ähnlicher Weise bestimmen wir die Gleichungen für die beiden zu- gehörigen Tetraeder, bez. den durch ihre 8 Ecken bestimmten Würfel. Die 8 Würfelecken haben die Coordinaten:

Wir werden die Ecken eines der beiden zugehörigen Tetraeder heraus- greifen, wenn wir unter den 8 hier möglichen Zeichencombinationen diejenigen 4 wählen, bei denen das Product i,rit, positiv ist. Durch Eintragen in die Formeln (6) gewinnen wir so als Argumente der

4 Tetraederecken:

1 4- i 1 i 1 + * 1 i

^ ! ' ,

1/3^-1' 1/3"+ 1 ' 1/3"+ 1 ' ys 1

Sonach erhalten wir (durch Ausmultipliciren der Linearfactoren) die Gleichung des ersten Tetraeders in der Form:

(41) 2,' + 2 |/^^3 . 2,'2,' + ^2' = 0. In derselben Weise finden wir für das Gegentetraeder:

(42) . 2,^ 2 1/— 3 ^i^^a' + ^2' = 0

und endlich für den Würfel, indem wir die linken Seiten von (41) .und

(42) mit einander multipliciren:

(43) 2,' H- 14^/^/ + 2,' = 0.

Ich will die linken Seiten von (40), (41), (42), (43) in der Folge

mit t, <t>,^, W bezeichnen. Drehen wir jetzt das Coordinatensystem, wie

wir es in § 5 zum Schlüsse in Aussicht nahmen, um die ^-Axe durch

45", so verwandeln sich diese Formen in andere mit lauter reellen

Coefficienten. Ich werde diese Formen durch Accente kennzeichnen^

setze also:

t' = 2,2, {2,^ -\- 2,%

ct)' = V + 2l/3.^,V- V,

(44)

r = V 2 V3 ;^, W - ^/

"2

l W' = 2,^ 14^1* V + ^!

Gleich Null gesetzt stellen diese Formen natürlich Oktaeder, Tetraeder

I, 2. Einführung von x -\- iy. . 51

und Gegentetraeder, sowie den Würfel auf das neue Coordinatensystem bezogen dar.

§ 11. Der Formenkreis des Tetraeders. Nach den Erläuterungen des § 9 darf sich unsere ganze Betrach- tung der Tetraederformen nunmehr darauf beschränken: einmal die Constanten Factoren zu bestimmen, welche die Grundformen:

(45) h=^z,'-2y-3- z^H^ + ^/,

oder die entsprechenden 0', Y', t' (44) bei den homogenen Substitu- tionen des Tetraeders erfahren, sodann die lineare Identität anzugeben, welche 0^, y^, ^^ oder O'^, Y'^, t"^ mit einander verbindet.

In ersterer Beziehung erinnern wir an die Erzeugung der Tetraeder- gruppe, wie wir dieselbe in § 13 des vorigeo Kapitels aufgestellt und in § 5 des gegenwärtigen Kapitels bereits benutzt haben. Bei den Substitutionen der Vierergruppe (21) bleiben offenbar 0, Y, t überhaupt ungeändert. Da- gegen erhalten 0 und Y bei jenen Substitutionen, die der Drehung C/ von der

2t7Z 4t7I

Periode 3 entsprechen, Factoren e ^ und e ^ , während t auch bei ihnen in- variant bleibt. Die Folge ist, dass neben 0^ und Y^ auch 0V = T7 fort- während ungeändert bleibt, 0 und V selbst aber nur bei den Substitutionen der Vierergruppe in sich übergehen. Was diesen letzteren Umstand an- geht, so erblicken wir darin die Bestätigung eines Princips, das wir a priori aufstellen können. Dasselbe besagt, dass diejenigen Substitu- tionen einer homogenen Gruppe, welche eine zugehörige invariante Form überhaupt ungeänder^ lassen, innerhalb der Gesammtheit der Substitutionen der Gruppe eine ausgezeichnete Untergruppe bilden müssen. Genau dieselben Bemerkungen finden natürlich bei den Formen 0', V, t\ W ihre Stelle. Indem' durch diese Bemerkungen die Existenz der in Aussicht ge- nommenen Identität zwischen 0^, V^, t^ etc. sichergestellt ist*), werden wir dieselbe in der Weise berechnen können, dass wir in den expliciten Ausdrücken von 0^, Y^, t^ nur die ersten Terme in Betracht ziehen. Auf solche Weise finden wir ohne Mühe:

(46a) 12]/- 3 ^2 0=* + Y^ == 0,

oder auch

(46b) 12 ys 'f^ 0'3 -f r^ = 0.

üeber die hiermit gewonnenen Resultate hinaus mögen hier noch zwei Bemerkungen ihre Stelle finden, welche sich beide auf die In-

*) Da0*, V, <* bei denTetraedersubstitutionen (22) gleichförmig ungeändert bleiben.

4*

52

I, 2. Einführung von x -\- iy.

Variantentheorie binärer Formen beziehen sollen, und von denen die eine die Bedeutung darlegen mag, welche die genannte Theorie für uns in der Folge wiederholt gewinnen wird, die andere aber bestimmt ist, die von uns beim Tetraeder erhaltenen Resultate in sonst bekannte Er- gebnisse der Invariantentheorie einzuordnen.

Gesetzt, wir haben von den Formen (45) nur erst die eine, 0, berechnet, so giebt uns die Invariantentheorie das Mittel, um aus ihr durch blosse Differentiationsprocesse andere Tetraederformen abzuleiten. Wir haben nur irgendwelche Covarianten von O aufzustellen. In der That, geht O durch irgendwelche homogene lineare Substitution bis auf einen Factor in sich über, so gewiss auch jede Covariante; es ist dies ein unmittelbarer Ausfluss aus der Definition der covarianten Formen. Jetzt ist 0 eine binäre Form vierter Ordnung, und die Invariantentheorie zeigt*), dass eine solche Form nur zwei unabhängige Covarianten be- sitzt: die Hesse' sehe Form von 0, und die Functionaldeterminante der- selben mit 0. Erstere ist vom vierten, letztere vom sechsten Grade; ausserdem überzeugen wir uns, dass erstere nicht etwa mit 0 über- einstimmt. Hiernach schliessen wir sofort, dass die Hesse'sche Form von 0, gleich Null gesetzt, das Gegentetraeder darstellt, und ebenso, dass die Functionaldeterminante, gleich Null gesetzt, das zugehörige Oktaeder repräsentirt. Denn beide Formen müssen, gleich Null gesetzt, solche Punktgruppen repräsentiren, welche bei den Tetraederdrehungen un- geändert bleiben, und andere Gruppen von nur 4 oder nur 6 zusammen- geordneten Funkten, als die gerade genannten, existiren nicht oder kommen wenigstens nicht in Betracht (indem die 4 Ecken des ur- sprünglichen Tetraeders, welche ebenfalls eine solche Gruppe bilden, bereits durch 0 = 0 gegeben sind). Wir hätten also von den Formen (45) die beiden Y und t auch, berechnen können, indem wir von 0 die Hesse'sche Form und dann von dieser und 0 die Functionaldeterminante bildeten. In der That kommt durch directe Ausrechnung: .

und:

a^o

a*0

dz,'

dz,dz2

a^o

a^o

dzjdzi

e^2*

ao

ao

dz,

dz^

d'V

av,

dzi

a^a

= 48|/— 3.H^,

= 32|A^^-t

*) Man vergl. z. B. Clebsch, Theorie der binären algebraischen Formen (Leipzig 1872), p. 134 ff., oder auch die anderen Lehrbücher der Invariantentheorie, z. B.

I, 2. Einführung von x -{- iy.

53

Die Invariantentheorie besitzt, wie man sieht, vermöge dieser Bemerkungen die Bedeutung eines Hülfsmittels der Rechnung. Was unsere ferneren invariantentheoretischen Ausführungen angeht, so recur- riren wir auf die allgemeine Theorie der binären biquadratischen Formen. Sei

(47) F = «o^fi* + 4ai0i^z^ + ^a^z^z^ + ^a^z^z^ + a^z^ eine solche Form. So haben wir einmal, wie schon erwähnt, zwei Covarianten, die wir jetzt, unter gehöriger Fixirung der Zahlenfactoren, mit S und T bezeichnen wollen:

dF

d^F d^F

dF

(48)

^= 144

d^F d'F

, T =

1 8

dz, dH

dz^dzi dz^^

dz.

Wir h

aben ferner \

2 Invarianten:

dz^ dH

dz.

«0

«1 «2

«1

«2 «3

«2

«8 «4

(49) j g.^ = «0^4 ^öiOs + 3^2% 9i

(wo ich linker Hand diejenige Bezeichnung angewandt habe, auf die ich später, im Anschluss an Weierstrass' Theorie der elliptischen Functionen, ohnehin zurückkommen muss). Wir haben endlich als ein- zige Relation zwischen diesen Formen die folgende:

(50) 4.H' - g^HF^ + g^F^ + = 0.

Setzen wir jetzt unser 0 an Stelle von F, so kommt vor allen Dingen:

^, = 0.

Das heisst, wenn wir die geometrische Redeweise aufnehmen, welche z. B. bei Clebsch 1. c. pag. 171 erklärt ist:

Die Form <t> stellt, gleich Null gesetzt, eine äquianharmoniscJie Punkt- gruppe vor*).

Wir finden ferner für unser O:

1 ... r^ . . —4

H =

^—3

% T=At, g,=

3)/— 3

Salmon- Fiedler (Algebra der linearen Transformationen, Leipzig, 2. Aufl. 1877), Faä de Bruno-Walter (Einleitung in die Theorie der binären Formen, Leipzig 1881) etc.

*) Zu demselben Ergebnisse kommen wir natürlich, wenn wir das Doppelver- hältniss von 4 complexen Werthen z := x -\- iy allgemein auf der Kugel geometrisch interpretiren, wie die8*Hr. Wedekind in seiner Inauguraldissertation (Erlangen 1874) und in seiner bezüglichen Notiz in den Mathematischen Annalen (Bd. IX, 1876) ausgeführt hat.

54 1,2. Einführung von x -\- iy.

Hiernach subsumirt sich die Identität (46 a) unter die allgemeine Re- lation (50) als besonderer Fall, wie es zu erwarten war. Wir müssen also sagen, dass unsere geometrisch-gruppentheoretischen Ueberlegungen bei den Tetraederformen nicht sowohl zu neuen algebraischen Ergeb- nissen, als vielmehr nur auf neuem Wege zu sonst bekannten Resul- taten hingeleitet haben.

§ 12. Der Formenkreis des Oktaeders.

Indem wir nunmehr zu den Oktaederformen übergehen, kennen wir von den zugehörigen drei ausgezeichneten Grundformen bereits die beiden:

(51a) I ^ = ^i^2(V - ^2*),

lTr=-.,«+14W + ^/, . resp.

^ l Tf ' = ^,« - 14^/0/ 4- z,\

Man verificirt leicht, dass man, unter Vernachlässigung eines auftreten- den Zahlenfactors , TF auch als Hesse'sche Form von t hätte berechnen können. Wir erhalten eine neue Oktaederform, indem wir jetzt die Functionaldeterminante von t und Tf bilden. So entsteht (unter Weg- werfung eines Zahlenfactors):

(52) 1^ ^ ^'^^ ~ ^^^^^''' ~ ^^"^^^^^ + ^2'', oder auch:

Wir beweisen leicht, dass dieses % die dritte ausgezeichnete Grundform des Oktaeders ist, d. h. gleich Null gesetzt die 12 Kantenhalbirungs- punkte des Oktaeders repräsentirt. In der That: %=^^ muss eine Gruppe von nur 12 vermöge der Oktaederdrehungen zusammengeord- neten Punkten darstellen, und da % von t"^ verschieden ist, also (Jie doppelt zählende Gruppe der 6 Oktaedereckpunkte nicht in Betracht kommt, so bleibt in der That keine andere Möglichkeit.

Wir sahen bereits soeben, dass t und TF bei den homogenen Tetraedersubstitutionen {^'2~) völlig ungeändert bleiben. Dasselbe gilt folglich von x- Denn % kann sich als Covariante bei ungeänderter Grundform höchstens um eine Potenz der Substitutionsdeterminante ändern, diese Determinante ist aber in unserem Falle gleich 1. Jetzt erzeugten wir in § 5 die homogenen Oktaedersubstitutionen, indem wir zu den genannten Tetraedersubstitutionen eine einzelne Substitution (23), die einer Drehung F von der Periode 4 entsprach, hinzunahmen. Wir constatiren durch directe Ausrechnung, dass t bei dieser Substitution (und also überhaupt bei allen Oktaedersubstitutionen, die nicht zugleich

1, 2. Einführung von x -\- iy. 55

.Tetraedersubstitutionen sind) sein Zeichen wechselt. Hiernach bleibt W, als Hesse'sehe Form, und weil es sich wieder um Substitutionen von der Determinante 1 handelt, überhaupt ungeändert, % aber alternirt genau wie t im Vorzeichen, so dass das Product x^ ungeändert bleibt. Jedenfalls werden mithin ^, W^, x^ ^^i unseren homogenen Oktaeder- substitutionen überhaupt nicht geändert, und es besteht also zwischen ihnen die oben in Aussicht genommene lineare Relation. Indem wir wieder nur einige Anfangsterme der für diese Formen aus (51), (52) resultirenden expliciten Ausdrücke in Betracht ziehen, ergiebt sich für letztere:

(53) 108i^ VP -\- x^ = 0,

eine Relation, die genau so auch für f, W , % besteht

Die Form t ist in der Invariantentheorie der binären Formen seit lange wohlbekannt, indem sie sich als Covariante 6. Grades der binären p'ormen 4. Ordnung, sofern man letztere in der kanonischen Form:

«(<^/ + V) + 6&^i'^2' voraussetzte, von selber einstellte. Ebenso haben die synthetischen Geometer sich wiederholt und eingehend mit dem Punktsysteme ^ = 0, d. h. nach ihrer Redeweise: mit dem Aggregate dreier, wechselseitig harmonischer Punktepaare beschäftigt. Auch hat Clebsch in seiner Theorie der binären algebraischen Formen die Form t als besonderen Fall der allgemeinen binären Formen 6. Ordnung in Betracht gezogen*). Endlich, was die Relation (53) angeht, so^subsumirt sich diese mit den ihr analogen zusammen unter eine allgemeine Formel der In- variantentheorie, vermöge deren man das Quadrat einer Functional- determinante zweier Covarianten durch ganze Functionen von Formen niederer Grade ausdrückt.

§ 13. Der Formenkreis des Ikosaeders.

Um die Form 12. Grades aufzustellen, welche gleich Null gesetzt die 12 Ecken des Ikosaeders repräsentirt, berechnen wir zuerst im Anschlüsse an unsere früheren Entwickelungen 6) die Argumente der einzelnen Ecken. Eine der Ecken hat das Argument ^ = 0; in- dem wir dasselbe in die 60 nicht homogenen Ikosadersubstitutionen (32) eintragen, erhalten wir für die 12 Ecken:

(54) ^ = 0, OO, £"(£ + £*), a*(s^-^6^), (r = o, 1, 2, 3, 4).

*) Vergl. pag. 447 ff. Man sehe auch Brioschi, Sulla equazione del ottaedro, Transunti della Accademia dei N, Lincei 3, 111 (1879), oder Cayley: Note on the oktahedron function, Quarterly Journal of Mathematics, t. XVI (1879).

56

I, 2. Einführung von x -\- iy.

Daher können wir die gesuchte Form f gleich folgendem Producte nehmen :

^1^2 Tli^i £M£ + e') ^2) Tli^i - £" («' + £') ^2),

oder:

oder endlich:

(55) / = ^,Z, (0,'' + ll^,^;^^^ - ;^2'»).

Wir wollen nun sofort wieder aus dem so gewonnenen f, unter Abtrennung geeigneter Zahlenfactoren, die Äesse'sche Form und von dieser und f die Functionaldeterminante berechnen. So gewinnen wir die beiden Formen:

aY 3Y

~ 121

av

ay

(56) ir^

a^jga;?!

= - (5,2° + ^,2») + 228 {z,'^^,^ - 0,^z,'^)

df df

J_ 20^

494^1^"^/»,

(57)

T =

dzi dH

dz^

dz^

dH

dz^

= (^1'" + ^2"") + 522 {g^^'s^' 0^'0^'^) - 10005 (^i'"-S2^" + ^i'"^2'"),

und ich behaupte betreffs ihrer, (?ass H =0 die 20 Ecken des Penta- gondodekaeders, T == 0 die 30 KantenJialbirungspunkte (die Endpunkte der 15 Querlinien) repräsentirt.

Um diese Behauptung etwas ausführlicher zu beweisen, als dies im analogen Falle bei Tetraeder und Oktaeder geschehen ist, bemerken wir zunächst, dass H und T als Covarianten von /', gleich Null ge- setzt, sicher solche 20 bez. 30 Punkte der Kugeloberfläche repräsen- tiren, deren Gesammtheit bei den 60 Ikosaederdrehungen ungeändert bleibt. Nun ordnen sich aber die Punkte der 0- Kugel bei diesen Drehungen im Allgemeinen zu je 60 zusammen, und die Zahl der zu- sammengehörigen Punkte sinkt dann und nur dann herab, und zwar beziehungsweise auf 12, 20, 30, wenn wir es mit den Eckpunkten des Ikosaeders, des Pentagondodekaeders und den Kantenhalbirungspunkten zu thun haben. Ein Aggregat von Punkten, das bei den 60 Ikosaeder- drehungen ungeändert bleibt, muss eine Zusammenfassung solcher ein- zelner Punktgruppen sein. Die Anzahl der Punkte, die es umfasst, lässt sich also nothwendig in die Gestalt setzen:

a . 60 + ^ 12 + j/ . 20 + d 30,

I, 2. Einführung von x -\- iy. 57

WO tt, ß, y, d ganze Zahlen sind, und ß, y, d die Multiplicitäten an- geben, mit der die Eckpunkte des Ikosaeders, des Pentagondodekaeders und die Kantenhalbirungspunkte an dem Punktaggregate participiren. Soll diese Anzahl nun, wie im Falle von H = 0, gleich 20, oder, wie im Falle von T =0, gleich 30 sein, so ergibt sich beidemal nur eine Möglichkeit der Bestimmung von a, ß, y, d, nämlich im ersten Falle a== ß = d = 0, y = 1, und im zweiten Falle a = ß == y = 0, ö = 1. Dies ist aber, was wir betreffs der Bedeutung von H == 0, T = 0 behauptet hatten.

Wir untersuchen jetzt, wie sich f, H, T den homogenen Ikosaeder- substitutionen gegenüber mit Rücksicht auf etwa vortretende Factoren verhalten. Indem wir nur die erzeugenden Substitutionen (24), (26) in Betracht ziehen, constatiren wir nach kurzer Rechnung, dass f über- haupt ungeändert bleibt. Also gilt dasselbe von H und T. Denn wir haben H und T als Co Varianten von f definirt, und die Determinante jeder einzelnen Substitution (27) ist gleich Eins. Das Verhalten von ff H, T in dieser Beziehung ist also so einfach wie möglich. Es be- steht hiernach gewiss, wie oben in Aussicht genommen wurde, eüie lineare Identität zwischen p, H^ und T^. Indem wir wieder nur auf die Anfangsterme der expliciten Formeln (55), (56), 57) recurriren, finden wir für dieselbe:

(58) r2 = i/34- 1728 /"l

Wir haben so Resultate gefunden, die den beim Tetraeder und Oktaeder entwickelten genau analog sind. Sollen wir nun auch hier wieder Beziehungen zur allgemeinen Invarianten theorie binärer Formen darlegen, so können wir uns allerdings nicht auf ältere Arbeiten be- rufen. Denn die Kenntniss der Formen f, H, T wurde in der That zuerst durch Betrachtung der regulären Körper und der umgeschriebenen {x -f- *f/)-Kugel gewonnen. Erst hieran anknüpfend habe ich in Bd. 9 der Annalen (1. c.) die hauptsächlichen invariantentheoretischen Eigen- scha:%pn der Form /' untersucht. Aber es ist eine Reihe neuerer in- variantentheoretischer Publicationen, deren ich hier zu gedenken habe. Dieselben beziehen sich auf die invariantentheoretische Definition der Form f, bez. der anderen von uns in Betracht gezogenen Formen. In diesem Betracht hatte ich selbst schon im 9. Annalenbande den Satz ausgesprochen, dass f, gleich unseren früheren Formen 0 und t, durch das identische Verschwinden der vierten Ueberschiebung {f, /")* charak- terisirt ist. Diesen Satz hat dann Hr. Wedekind in seiner Habili- tationsschrift dahin vervollständigt, dass es, von trivialen Fällen abgesehen, überhaupt keine anderen binären Formen gibt, deren vierte

58 I> 2. Einführung von x + iy.

Ueberschiebung über sich selbst identisch verschwindet, als <^, t und /"*). Eine andere, analoge Eigenschaft hat Hr. Fuchs bei Aufsuchung dieser Formen herangezogen**): dass nämlich alle Covariantm dieser Formen, welcJie niederen Grades sind, als die Formen selbst, oder auch Potenzen von Formen niederen Grades sind, identisch verschwinden müssen. Hr. Gordan hat sodann gezeigt***), dass die hierin liegende Eigenschaft in der That zur Charakterisirung der Formen <\>, t, f gerade ausreicht. Ich gedenke endlich der neuesten Arbeit von Hrn. Halphenj"). Derselbe geht allgemein von der Forderung dreigliedriger Identitäten (36) aus:

" AfJPn + XfFl- + kfFi* = 0

und zeigt, dass dieselben nicht anders statt haben können, als eben in den von uns untersuchten Fällen. Wir können somit unsere Formen auch als durch diese Identitäten definirt ansehen. Uebrigens sind diese Entwickelungen von Hrn. Halphen mit den anderen enge ver- wandt, die wir noch im fünften Kapitel des gegenwärtigen Abschnitts erbringen werden, wenn es sich darum handeln wird, überhaupt alle endlichen Gruppen binärer homogener Substitutionen aufzustellen.

§ 14. Die fundamentalen rationalen Functionen.

Nachdem. wir jetzt bei den invarianten Formen, die zu den homo- genen Substitutionsgruppen gehören, hinreichend verweilt haben, ist es leicht, den letzten Schritt zu thun und solche rationale Functionen

von ^ = -^ zu bilden, welche bei den nichthomogenen Substitutionen

des § 7 überhaupt ungeändert bleiben. In der That werden wir nur geeignete Quotienten unserer invarianten Formen, von der nullten Dimension in z^ und ^2} aufzustellen haben. Wir behaupteten schon in § 1 , dass sich in allen Fällen ein solcher Quotient Z bilden lässt, der.

*) Studien im binären Werthgebiet, Carlsruhe 1876, siehe auch Brioschi: Sopra una classe di forme hinarie, Annali di Matern. 2, VIII (1877). Neuerdings hat Brioschi auch solche Formen achter Ordnung in Betracht gezogen, welcÄe bis auf einen Zahlenfactor mit ihrer vierten Ueberschiebung übereinstimmen, siehe Comptes Rendus de l'Academie . . . . , t. 96 (1883).

**) Siehe Göttinger Nachrichten vom Dec. 1875, sowie die Abhandlungen in

Borchardt's Journal Bd. 81, 85 (1876, 78). Die „Primformen", welche Hr. Fuchs

daselbst betrachtet, sind genau die von uns im Texte sogenannten „Grundformen".

***) Math. Annalen Bd. XII (1877): Binäre Formen mit verschwindenden Co-

Varianten.

t) Memoires presentes par divers savants ä l'Acadömie etc., T. 28 (1883): Memoire sur la reduction des equations differentielles lineaires aux formes inte- grables (der Pariser Akademie als Pxeisarbeit 1880 eingereicht).

I, 2. Einfuhrung von x + iy- 59

gleich Const. gesetzt, die verschiedenen jedesmal auf der Kugel in Betracht kommenden Punktgruppen einzeln darstellt. Es heisst dies oflPenbar nichts anderes, als dass es eine rationale Function der ge- suchten Art gibt, welche vom N^^^ Grade ist, unter N die Anzahl der in Betracht kommenden nichthomogenen Substitutionen verstanden. Ehe wir diese fundamentalen rationalen Functionen wirklich aufstellen und damit den kürzesten Beweis für ihre Existenz liefern, ist es nütz- lich, dass wir uns über ihre Stellung innerhalb der übrigen ungeändert bleibenden rationalen Functionen von z orientiren.

Ich sage zunächst, dass jede solche rationale Function von z eine rationale Function von Z ist. In der That, sei B, (z) eine solche Function, so wird R(z) für alle Punkte der Kugel, die aus einem durch die JV^ Drehungen der in Betracht kommenden Gruppe hervorgehen, den- selben Werth annehmen. Aber die N in solcher Weise zusammen- geordneten Punkte sind immer, nach Voraussetzung, durch einen Werth von Z charakterisirt. Die Functionen Z und B, welche, durch Ver- mittelung von z, jedenfalls algebraisch von einander abhängen, sind daher so verbunden, dass zu jedem Werthe von Z immer nur ein Werth von R gehört, d. h. R ist eine rationale Function von Z, was zu beweisen war. Dass umgekehrt auch jede rationale Function von Z eine Function R(z) ist, braucht kaum erwähnt zu werden.

Ich sage ferner, dass Z durch die ihm auferlegte Eigenschaft, von linearen Umformungen abgesehen, vollständig bestimmt ist. Sei nämlich Z' eine zweite rationale Function von z, welche gleich Z die Eigen- schaft hat, gleich Const. gesetzt immer nur eine Gruppe zusammen- gehöriger Punkte darzustellen. So schliessen wir genau wie vorhin, dass Z' von Z, aber ebensowohl, dass Z von Z' rational abhängt.

Daher ist Z' eine lineare Function von Z: Z' = ; ^- Dass wir

yZ -j- o

umgekehrt jedes in solcher Weise eingeführte Z' ebenso gut, wie das

ursprüngliche Z, als fundamentale rationale Function würden gebrauchen

können, ist wieder selbstverständlich.

An letztere Bemerkung knüpft sich die weitere, dass ivir unsere

fundamentale rationale Function Z, um sie zu einer völlig bestimmten

zu machen, noch drei unabhängigen Bedingungen unterwerfen können.

Was zunächst die cyclisclien Gruppen angeht, so setzen wir einfach:

m ^=(t)".

wo also Z für den einen Pol der cyclischen Gruppe verschwindet, für den anderen unendlich wird, und längs des Aequators den absoluten Betrag Eins annimmt. In den übrigen Fällen haben wir, wie wir

60 I> 2. Einführung von x -\- iy.

wissen, immer dreierlei ausgezeichnete Punktgruppen zu unterscheiden, welche innerhalb der allgemeinen zugehörigen Punktgruppen resp. mit der Multiplicität Vj, Vg, v^ enthalten sind. Im Anschlüsse an ein viel- fach übliches Verfahren wollen wir nun unser Z jedesmal so normiren, dass es für diese dreierlei Punktgrwppen, 'beziehungsweise die Werthe 1, 0, oo

annimmt Dann wird Z die Gestalt c ^— , Z 1 analog die Form

■^ 3

annehmen, unter F^ F^, F^ die früher so genannten Gründ-

en

^ 3

formen verstanden. Zugleich müssen c und c' so beschaffen sein, dass die Gleichung:

- 1 =c'

F\'

Fl' Fl'

mit der wiederholt besprochenen, zwischen F^, F^, F^ bestehenden Identität zusammenfällt, was c und c' vollkommen bestimmt.

Indem ich jetzt dazu übergehe, die auf solche Weise definirte Function Z in jedem Falle explicite anzugeben, bediene ich mich einer Schreibweise, welche die beiden Ausdrücke von Z und Z 1 gleich- förmig zusammenfasst; ich werde nämlich Z : Z 1 : 1 mit

cF;- '.c'F\- :Fl'

proportional setzen. Wir erhalten solchergestalt die folgende Tabelle, auf welche wir noch oft mrücichommen werden:

1) Bieder:

2) Tetraeder:

(61a) Z:Z- 1:1 = r' :- 12 l/— 3-^^ : <l>\

oder auch:

(61b) Z:Z~ 1:1 =Y': - 12Yd - t'^' : <t>'',

je nachdem wir erste oder zweite Lage des Coordinatensystems an- nehmen wollen;

3) Oktaeder, mit derselben Unterscheidung: (62a) Z:Z-1:\ = W' :f : 108 t\ oder:

(62b) Z:Z— 1:1 = W''':%^:l^^t'S

4) Ikosaeder:

(63) Z:Z— 1:1 = H' :-TM728A

I, 2. Einführung von x -\- iy. ^ 61

Wegen der hier verwendeten Bezeichnungen vergleiche man durchweg die Hauptformebi der Paragraphen 11, 12 und 13.

§ 15. Bemerkung über die erweiterten Gruppen.

Zum Abschlüsse kehren wir noch einmal zu unseren erweiterten Gruppen 7) zurück. Wir wollen wissen, wie sich bei ihnen unsere nunmehr gewonnenen rationalen Fundamentalfunctionen Z verhalten. Von analytischer Seite entstanden die erweiterten Gruppen 1. c, in- dem wir mit den nichthomogenen Substitutionsgruppen die Operation z = z verbanden, wobei wir nur, sofern vom Tetraeder die Rede war, die zweite Lage des Coordinatensystems voraussetzten. Nun haben aber, sofern wir an der genannten Voraussetzung festhalten, alle unsere Grundformen reelle Coefficienten und es wird Z vermöge der vor- stehenden Formeln aus diesen Grundformen jedesmal mit Hülfe reeller Coefficienten abgeleitet. Die Sache ist also einfach die, dass hei allen denjenigen Operationen der erweiterten Gruppen, die nicht schon in den zugehörigen, nichthomogenen Substitutionsgruppen enthalten sind, Z jedesmal in seinen conjugirt imaginären Werth übergeht

Indem wir dieses Ergebniss mit den Sätzen verbinden, die wir in § 11 des vorigen Kapitels abgeleitet haben, erhalten wir noch ein letztes bemerkenswerthes Resultat. Es ist dieses, dass Z für alle solche Punkte der z-Kugel, die in den Symmetrieebenen der jedesmaligen Configuration gelegen sind, aber auch nur für solche Punkte, reelle Werthe annimmt. Es sind also die Punkte der genannten Symmetrieebenen durch die Realität des zugehörigen Z jeweils charakterisirt.

Blicken wir zurück, so haben wir in dem zweiten nunmehr be- endeten Kapitel dieses erreicht, dass wir die geometrisch-gruppen- theoretischen Resultate des ersten Kapitels mit einem bestimmten Gebiete der neueren Mathematik in Verbindung gesetzt haben, näm- lich mit der Algebra der linearen Substitutionen und der zugehörigen Invariantentheorie. In ganz ähnlicher Weise sollen die folgenden beiden Kapitel bestimmt sein, die Verbindung mit zwei anderen modernen Disciplinen herzustellen. Es sind dies die Biemann'sche Functionen- theorie und die Galois'sche Theorie der algebraischen Gleichungen.

Kapitel IH.

«

Formnlirung und functionentheoretische Discussion der Fundamentalaufgaben.

§ 1. Definition der Fundamentalaufgaben.

Die Untersuchungen des vorigen Kapitels haben uns in den Formeln (59) (63) des vorletzten Paragraphen zur Kenntniss gewisser rationaler Functionen Z von z geführt, die bei den jeweils in Betracht kommen- den Gruppen nichtliomogener Substitutionen ungeändert bleiben, und durch welche sich alle anderen ungeändert bleibenden rationalen Functionen von z rational ausdrücken. Wir knüpfen an dieses Ergebniss eine Aufgabenstellung, welche wir als die zur jedesmaligen Gruppe gehörige Gleichung bezeichnen. Wir denken uns nämlich Z seinem Zahlen- werthe nach beliebig gegeben und verlangen, aus ihm das zugehörige z als Unbekannte zu berechnen, oder anders ausgedrückt: wir betrachten nicht mehr Z als Function von z, sondern z als Function von Z. Die Gleichung, welche solchergestalt der cyclischen Gruppe entspricht, ist nach Formel (59) 1. c. keine andere, als die binomische Gleichung:

(1) (^\'= z.

m

Die anderen Gleichungen correspondiren genau so den Formeln (60)— ^63) ; ich will sie hier kurz in der Gestalt

(2)

c ' ^- = Z

zusammenfassen, die wir schon im vorigen Kapitel gelegentlich ge- brauchten. Dabei bedeuten F^, F^ mit F^ zusammen jene drei Haupt- formen, aus denen sich alle anderen invarianten Formen als ganze Functionen zusammensetzen, und v^, Vg sind jeweils der Tabelle zu ent- nehmen, die in § 9 des ersten Kapitels mitgetheilt wurde, und die ich hier der besseren üebersicht halber noch einmal hersetze:

(3)

n

"2

"s

N

Dieder

2

2

n

2n

Tetraeder

2

3

3

12

Oktaeder

2

3

«

4

24

. Ikosaeder

2

3

5

60

I, 3. Die Fundamentalaufgaben, in functionentheoretischem Sinne behandelt. 63

Ich habe dabei eine letzte, mit N überschriebene Columne hinzugefügt, welche den Grad der jeweils in Betracht kommenden Gleichung angibt*).

Aber mit den Gleichungen (1), (2) ist nur erst ein Theil unserer früheren Betrachtungen umgekehrt; wir erhalten eine zweite Art der Problemstellung, indem wir auf die jedesmaligen invarianten Formen selbst zurückgehen. Diese Formen bleiben bei den homogenen Sub- stitutionen von der Determinante 1 im Allgemeinen nur bis auf einen Factor ungeändert. Indess ist es nicht schwer, unter ihnen diejenigen, bei denen dieser Factor gleich 1 ist, und die man die absoluten In- varianten nennen könnte, herauszuheben. Der Erfolg zeigt, dass sich diese absoluten Invarianten jedesmal aus dreien als ganze Functionen zusammensetzen; ich habe diese drei Formen in der nachstehenden Tabelle zusammen mit der zwischen ihnen jeweils bestehenden Identität angegeben.

I. Oydische Gruppen.

(Formen: z^z^, e^^, V"; (Identität: (^-sfg)^" = V" * V-

II. Diedergru^en. Beim Dieder hatten wir:

und die Belation:

F^^ = F^^ + F^. Suchen wir jetzt die absoluten Invarianten, so erhalten wir bei ge- radem n:

(Formen: F,\ F,\ F,F,F,', (Identität: {F.F.F.f = F,^ F,' {F,' ~ F^) ; und bei ungeradem n:

fFormen: F,', F,'F„ F,F,;

(Identität: {F.F.f F,' = {F,'F,) (F,'F, - F^ + ^).

III. Tetraedergruppe**).

jFormen: F, = t, F,F, = W, F,' == O«; ( Identität: W^ = 0^ ^^s _ ^2 y^^^g. t^).

*) Ich werde auch den Grad von (1) im Folgenden gelegentlich mit N be- zeichnen.

**) Bei Tetraeder und Oktaeder gebrauche ich jetzt im Gegensatze zu früher nur noch die nicht accentuirten Buchstaben.

64 I, 3. Die Fundamentalaufgaben,

IV. Oktaedergruppe.

fFormen: F, = TT, F,' = t', F,F, = xt; ildentität: (^0' = f {W^ 108 ^).

F. IJcosaedergruppe.

(Formen: F, = T, F, = H, F,^f; ^ ^ ildentität: T^ + H^ - \12%f = 0.

Wir denken uns jetzt im einzelnen Falle die drei in die Tabelle auf- genommenen Formen, in Uebereinstimmung mit der zwischen ihnen bestehenden Identität, aber sonst beliebig, ihrem Zahlenwerthe nach gegeben und verlangen, die Werthe der beiden Variabein 0^, ^g hieraus zu berechnen. So haben wir, was wir das zugehörige Formenproblem nennen wollen. Die Anzahl der Lösungssysteme eines Formenproblems beträgt immer 2N, unter iV^ den Grad der correspondirenden Gleichung verstanden. Alle diese Lösungssysteme gehen dabei aus einem be- liebigen derselben genau so vermöge der 2N homogenen Substitutionen hervor, wie dies bei den iV^ Lösungen der jedesmaligen Gleichung mit Bezug auf die N nichthomogenen Substitutionen augenscheinlich der Fall ist.

§ 2. Reduction der Pormenprobleme.

Was die Lösung der Formenprobleme angeht, so können wir die- selbe allemal vermöge der entsprechenden Gleichung und einer zu- tretenden Quadratwurzel bewerkstelligen. Nehmen wir z. B. die cyclischen Gruppen. So berechnen wir uns zuvörderst aus den Formen (4) die rechte Seite von (1):

y^ __ (^1 ^2) __ ^1

lösen dann (1), wodurch wir -^ = z erfahren, und gewinnen endlich

2

z^, z^ selber, indem wir diesen Werth von -^ in die angegebene Form

*2

zweiten Grades z^z^ (die wir jetzt X nennen wollen) eintragen, worauf

(9) ^2= ]/f; ^1=^-^2

wird. Im Falle der anderen Gruppen gestaltet sich die Sache ganz entsprechend. Denn nicht nur, dass das jedesmalige Z (2) sich auch bei ihnen rational aus den Formen (5) (8) zusammensetzt, wir können aus diesen Formen auch immer rational einen Ausdruck aufbauen, der vom zweiten Grade in Z-^, z^ ist. Ich wähle als solchen in allen Fällen:

in fanctionentheoretischem Sinne behandelt. 65

F. .F.

(10) Z =

F^

Haben wir dann vermöge (2) den Quotienten -^ = 0 bestimmt, so

ergiebt der Vergleich mit (10):

(11) ^2 = ]/

X{z, 1) '

wo X(0i, ^2) ^iß vorgegebene Grösse (10), X(^;, 1) eine bestimmte rationale Function von z:

F, {z, 1) F, {z, 1) F, (0, 1) bedeutet.

Hiermit haben wir nun zugleich das Mittel, um die bisherige Formulirung unserer Formenprobleme zu vereinfachen, um dieselbe zu reducirm, wie wir sagen wollen*). Vermöge (9) und (11) hängen Zi, z^ nur von X und Z ab, die ihrerseits rationale Functionen der Formen (4) (8) sind. Wir tragen jetzt diese Werthe von z^, z^ in die Formen (4) (8) ein. So werden diese Formen, weil sie alle geraden Grad haben, rational in X. Ztigleidi werden sie aber auch rational in Z. Denn sie stellen jetzt derartige rationale Functionen von z vor, die sich bei den N zugehörigen nicht homogenen Substitutionen nicht ändern. Wir werden also in der Folge, so oft von den Formenproblemen die Rede ist, uns nicht etwa die Formen (4) (8) gegeben denken [wobei wir immer die zwischen ihnen bestehenden Identitäten be- rücksichtigen müssten], sondern lieher gleich von vornherein die Aus- drücke Z und X, und nun z^, z^ als Functionen dieser beiden Grössen betrachten.

Ich theile hier noch die rationalen Functionen von Z und X explicite mit, denen die Formen (4) (8) gleich werden. Man verificirt dieselben leicht, indem man einerseits darauf zurückgeht, wie sich Z und X aus den Formen (4) (8) zusammensetzen, andererseits den zwischen diesen Formen bestehenden Identitäten Rechnung trägt. Ich finde:

I. hei den cycliscJien Gruppen: (12) ^.^,-X, z\^ = Z.X% 4" = 4^ 5

*) Dass eine solche Reduction möglich sei, bemerkte mir gelegentlich Hr. Nöther, welcher dieselbe in ganz anderer Weise aus seinen allgemeinen Untersuchungen über Flächenabbildung ableitete.

Kleiu, Gleichungen 5. Oradea. 5

66 I> 3. Die Fundamentalaufgaben,

IL

hdm Bieder:

für gerades n.

n + S

(13 a)

Fs'

X^- Z - 1

~ z

-, F^'=-

X" (Z 1) 2 n

;

Z^

1

t + 2

. F^F^F, = ~

+ 1 . (Z 1)

n

2 >

und für

ungerades n:

»

, + 3

(13b)

F^ =

x^ z- z

- 1

3

F^F, = -

X- + 1 .(Z— 1)

n+1 Z 2

« + 1

X»* (Z 1) 2

n 1

z *

2

J >

IIJ. heim

Tetraedei

(14)

F,=

X".

{Z- 432 Z

F^'

X* (Z - : ~ 432 Z

(Z

1)' .

51841/— 3

z'

IV.

. heim

Oktaeder:

(15)

F,==

108-

. (Z- Z

F,F, =

= 108^. ^- %-

1)3

J

-ir

V.

heim Ilcosaeder:

(16)

F,=

12«. ^

{Z- Z^

, i'a =

^3 =

12=- ^'(^^r

-1)« 1)»

§ 3. Plan der folgenden Untersucliungen.

Es gilt jetzt, die nunmehr gewonnenen Fundamentalaufgaben in doppelter Hinsicht zu discutiren, nämlich in functionentheoretischem und algebraischem Sinne. Indem wir die Untersuchungen letzterer Art bis zum folgenden Kapitel verschieben, wenden wir uns sofort den functionentheoretischen Betrachtungen zu.

Es ist 0, die Unbekannte der einzelnen Gleichung, Function von Z allein, während die 0i, 0^ ^^^ entsprechenden Formenprohlems ausser- dem von X abhängen. Nun ist aber die Art dieser Abhängigkeit nach

in fonctionentheoretischem Sinne behandelt. 67

den Formeln (9) und (11) so überaus einfach, dass wir nicht länger bei ihr zu verweilen brauchen. Wir werden also auch 0j, 0^ nur in- sofern discutiren, als sie Functionen von Z sind.

Eine solche Untersuchung spaltet sich naturgemäss in zwei Theile. Es gilt zunächst, eine allgemeine UebersicM über die verschiedenen Zweige unserer Functionen zu gewinnen, dann aber Mittel anzugeben, um den einzelnen Fundionszweig durch convergente Processe (also etwa durch Potenzreihen) zu berechnen. Das Erstere erreichen wir in unserem Falle sehr einfach durch die Methode der conformen Abbildung 4, 5). Wir erfahren damit zugleich die Form der Reihenentwicklungen, die für die verschiedenen Zweige unserer Functionen in Betracht kommen 5). Es werden uns sodann die Coefficienten dieser Entwicklungen durch den Nachweis geliefert, dass z in Bezug auf Z einer einfachen Differentialgleichung dritter Ordnung genügt und in Folge dessen die Wurzeln z^, z^ des parallellaufenden Formenprohlems als Lösungen einer homogenen, linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung mit ratio- nalen Coefficienten erscheinen 6 9). Endlich beweisen wir in § 10, dass auf Grund der letztgenannten Differentialgleichung z^, z^ parti- culäre Fälle der i?^ew^aw>^' sehen P-Function sind, womit unsere Unter- suchungen an ein wohlumgrenztes und vielfach untersuchtes Gebiet der modernen Analysis angeschlossen erscheinen.

Was die Resultate angeht, die wir auf solche Weise gewinnen, so sind dieselben der Hauptsache nach bereits alle in der oben ge- nannten Arbeit von Hrn. Schwarz enthalten*); nur dass bei Hrn. Schwarz die Anordnung des Stoffes genau die umgekehrte von der- jenigen ist, die wir hier einhalten. Ausgehend von der Differential- gleichung der hypergeometrischen Reihe construirt Hr. Schwarz zunächst die Differentialgleichung dritter Ordnung, von welcher der Quotient z zweier Particularlösungen z^, z.^ dieser Differentialgleichung abhängt. Er untersucht sodann^ die conforme Abbildung, welche z von den bei- den Halbebenen der unabhängigen Variabein Z entwirft, und steigt efl.dlich durch die Forderung, dass z eine algebraische Function von Z sein soll, zu den von uns betrachteten ^f-Functionen und den sie defi- nirenden Fundamentalgleichungen auf**). Wir, umgekehrt, beginnen mit diesen Gleichungen, construiren aus ihnen die conforme Abbildung, erschliessen dann die Existenz der Differentialgleichung dritter Ordnung,

*) lieber dienigen Fälle, in welchen die Gaitssische hyper geometrische Beihe eine algebraische Function ihres vierten Elementes darstellt. Borchardt's Journal, Bd. 75, p. 292—335 (1872).

**) Ich resumire im Texte von den durch Hrn. Schwarz erhaltenen Resultaten nur diejenigen, welche zu unserer eigenen Darstellung unmittelbaren Bezug haben.

68 I) 3. Die Fundamentalaufgaben,

der z genügt, und gehen von dieser endlich zur Differentialgleichung zweiter Ordnung der P-Function, oder, was im Wesentlichen dasselbe ist, der hypergeometrischen Reihe über. Es sei dabei gleich hier er- wähnt, dass wir bei diesem letzten Schritte einen Gedanken verwerthen, den Hr. Fuchs in seinen schon oben genannten Abhandlungen eingeführt hat*), indem wir nämlich X (%, B^, also eine von z^, z^ abhängige Form, direct durch Z darstellen.

Natürlich würde ich die hiermit bezeichneten Entwickelungen noch sehr viel kürzer haben zusammenziehen können, hätte ich betreffs der Riemann'schen P-Function specielle Kenntnisse voraussetzen oder auch nur die allgemeinen Grundzüge der modernen Theorie der linearen Differentialgleichungen mit rationalen Coefficienten benutzen wollen, wie diese Hr. Fuchs im 66. Bande von Borchardt's Journal entwickelt hat**). Indem ich hierauf verzichte, gewinnt meine Darstellung die Bedeutung, in einen Theil der gerade genannten Untersuchungen auf verhältnissmässig kurzem Wege einzuführen. Ich möchte in diesem Betracht gleich hier auf § 3 des fünften, hier folgenden Kapitels ver- weisen, wo im Anschlüsse an die jetzt gegebene Entwickelung un- mittelbar die allgemeinsten linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnung mit rationalen Coefficienten bestimmt werden, welche durch- aus algebraische Integrale haben.

§ 4. Ueber die conforme Abbildung durch die Function z{Z\

Indem wir uns jetzt zur conformen Abbildung hinwenden, welche durch z (Z) vermittelt wird, deuten wir in früherer Weise die com- plexen Werthe von z = x -\- iy auf der Kugelfläche, während wir Z =^ X -\- iY in einer Ebene interpretiren***). Wir construiren in der Ebene Z die Axe der reellen Zahlen und zerlegen dieselbe so in eine positive und eine negative Halbehene. Wir markiren ausserdem, so lange es sich um die binomischen Gleichungen (1) handelt, die beiden Punkte Z = Oy oo, andernfalls aber die drei Punkte Z = 1, 0, oo.

Ein Blick auf die Gleichungen (1), (2), beziehungsweise auf die ausführlicheren Formeln (59) (63) des vorigen Kapitels belehrt uns, dass bei den binomischen Gleichungen die n in Betracht kommenden

*) Siehe das Citat auf pag, 58. **) Zur Theorie der linearen Differentialgleichung mit veränderlichen Coefficienten (1865).

***) Wer mit der Theorie der conformen Abbildung nicht hinreichend vertraut ist, wird Hrn. Holsmüller's neuerdings erschienenes Werk: Einführung in die Theorie der isogonalen Vencandtschaft und der conformen Abbildungen etc. [Leipzig, 1882] mit Nutzen zu Rathe ziehen können.

in fonctionentheoretischem Sinne behandelt. 69

Functionszweige bei Z = 0 und Z = <x> alle im Cyclus zusammen- hängen, währeDd in den übrigen Fällen von den JV^ vorhandenen Zweigen bei Z=\ je v^, bei Z=0 je Vg, bei Z =00 je Vg cyclisch ver- bunden sind. Nun sage ich, dass die Function z(Z) auch Jceine anderen

Verzweigungen darbietet, als die hiermit angegebenen. Allgemein nämlich,

*

wenn Z als rationale Function von ^ = -^ in der Form gegeben ist:

[wo 9?, ^ ganze homogene Functionen der beigesetzten Argumente vom Grade N sein sollen], so findet man diejenigen Werthe von z und also von Z, für welche Verzweigungen statt haben, indem man die Functionaldeterminante (2N 2)**" Grades:

dq> dip dip dtp

gleich Null setzt; verschwindet dieselbe /»-mal an einer Stelle z = z^, so hängen dementsprechend (ft -|- 1) Zweige der Function z hei Z = Zq im Cyclus zusammen*).

Berechnen wir nun in einem beliebigen unserer Fälle (1), (2) diese Functionaldeterminante, so kommen wir immer auf die Verzweigungs- punkte zurück, die wir schon kennen. Denn im Falle der binomischen Gleichungen erhalten wir einfach:

und bei den übrigen Gleichungen, mit Rücksicht darauf, dass Vj alle- mal = 2 und i^i die Functionaldeterminante von F^ und F^ ist:

-'- 1 -^2 3 }

wo die verschiedenen Wurzeln von F^=0 alle Z =\, diejenigen von F^ = Q Z = 0, endlich die von i^g = 0 Z = 00 ergeben**).

*) Die hiermit formulirte Regel weicht von der in den Lehrbüchern angege- benen durch den Gebrauch der homogenen Variabein z^ , z^ ab. Derselbe ist des- halb vortheilhaft, weil er endliche und unendliche Werthe von z, wie dies die geometrische Interpretation von z auf der Kugel und überhaupt die moderne Auf- fassung des Unendlichen verlangt, in eine Form der Aussage zusammenzufassen gestattet.

**) Zur Begründung unseres Schlusses hätten wir dieser expliciten Berechnung der Functionaldeterminante eigentlich gar nicht bedurft, sondern es hätte genügt, zu bemerken, dass die Gesammtzahl der mit der richtigen Multiplicität gezählten Ver- zweigungspunkte bei Z = 0, 00, bez. bei Z := 1 , 0, <x> mit dem Grad (2JV 2) der Functionaldeterminante übereinstimmt. [Wir müssen dabei jedesmal auf v im Cyclus zusammenhängende Zweige {y 1) Wurzeln der Functionaldeterminante rechnen.]

70 I) 3. Die Fundamentalaufgaben,

Die hiermit gewonnenen Angaben genügen bereits, um die ge- suchte conforme Abbildung der Art nach vollkommen zu charakteri- siren. Bezeichnen wir als w-Eck jede auf der Kugel gelegene, mit der nöthigen Anzahl von Ecken versehene, aber übrigens mit stetig ge- krümmten Curven begrenzte Figur, und beachten wir noch, dass Z in 0 rational ist, und also jedem Z N Werthe von 0, jedem 0 aber nur ein Werth von Z zugehört, so haben wir sofort:

Vermöge der hinomiscJien Gleichung (1) werden die beiden Halhehenen Z alternirend auf 2N Zweiecke der 0- Kugel abgebildet, welche in den

Polen der 0- Kugel (d.h. den PunJcten 0^0^ = 0) mit Winkeln = -^

0usammenstossen und die 0- Kugel vollständig aber nirgends mehrfach überdecken.

Genau so werden in den Fällen (2) die Halbebenen Z abwechselnd auf 2 N Dreiecke der Z- Kugel abgebildet, die mit Winkeln gleich , ,

je an einen Funkt von F^ = 0, einen Funkt von F^ = 0 und einen Funkt von jPg = 0 hinanreichen.

Wir beachten jetzt, dass alle Wurzeln von (1) oder (2) aus einer beliebigen derselben jedesmal durch N lineare Substitutionen, denen Drehungen der ^;-Kugel um den Mittelpunkt entsprechen, aus einander hervorgehen. So schliessen wir unmittelbar:

Die if Zweiecke oder Dreiecke, welche im ein0elnen Falle der posi- tiven Halbebene Z, sowie die N Zweiecke oder Dreiecke, welche der nega- tiven HaTbebene Z entsprechen, sind be0iehungsweise unter einander con- gruent.

Endlich aber erinnern wir uns des Satzes, den wir im Schluss- paragraphen des vorigen Kapitels aus der Existenz der erweiterten Gruppen ableiteten. Wir zeigten dort, dass Z reelle Werthe nur längs derjenigen grössten Kreise der 0- Kugel annimmt, welche von den Symmetrieebenen der jedesmaligen Configuration ausgeschnitten werden. Nun trennen die reellen Werthe von Z innerhalb der Z-Ebene die beiden unterschiedenen Halbebenen. Daher haben wir schliesslich:

Die Begren0ungslinien der Zweiecke und Dreiecke sind keine anderen, als die erwähnten Symmetriekreise, und es fallen also unsere Zweiecke und Dreiecke mit denjenigen Figuren 0usammen, welche wir in § 11 des ersten Kapitels als Fundamentalbereiche der erweiterten Gruppen be- zeichnet haben.

Ich bitte den Leser, sich selbst die hiermit bezeichneten gestalt- lichen Verhältnisse recht anschaulich machen zu wollen; est ist hier nicht

in functionentheoretischem Sinne behandelt. 71

der Ort, um dieselben noch eingehender zu discutiren *). Die Ab- bildung, welche den binomischen Gleichungen entpricht, ist natürlich mannigfach sonst untersucht worden, nur dass man durchweg die ^-Kugel durch eine Ebene ersetzt hat, auf welche wir unsere Kugel vermittelst stereographischer Projection bezogen denken müssen**).

Uebrigens will ich in den Entwickelungen der folgenden Para- graphen die binomischen Gleichungen und überhaupt die cyclischen Gruppen, bei der Sonderstellung, welche sie den anderen Fällen gegen- über einnehmen, bei Seite lassen und nur jedesmal unter dem Texte die auf sie bezüglichen einfachen Resultate angeben.

§ 5. Verlauf der Function ^^1,^2"^ Allgemeinen ; Keihenentwickelungen.

Bei der geometrischen Deutung der Functionen 2{Z), wie wir sie im vorigen Paragraphen gegeben haben, ruht das Charakteristische darin, dass wir nicht etwa über der ^-Ebene eine vielblättrige Fläche, sondern auf der ^;-Kugel eine Gehietseintheilung construirt haben***)^ Handelt es sich jetzt darum, den Verlauf der Functionen z^ {Z\ z^. (-^) ^u überblicken, so verlegen wir dementsprechend die Betrachtung abermals auf die ^-Kugel. Indem wir die cyclischen Gruppen nach Verabredung bei Seite lassen, haben wir auf die Formeln (11) zu recurriren, die wir folgendermassen schreiben wollen:

(17) ^'^-y^'F.iz^lyF^z,!)^ ^1 = ^-^2.

Es erscheinen hier z^, z^ als eindeutige Functionen des Ortes auf einer die ^!- Kugel überdeckenden zweiblättrigen Fläche, welche in allen Punkten i^^ = 0, oder F^ = 0, oder auch i^g = 0 (den Punkt z = 00 nicht ausgeschlossen) Verzweigungspunkte besitzt, also dem Geschlechte :

d«) i' = -i + f(^ + ^ + ^)

angehört. Wir bestimmen für die einzelne Function sofort die Null- und Unendlichkeitspunkte, die natürlich in resp. gleicher Zahl vorhanden sein

*) Was insbesondere die Ikosaedergleichung angeht, so gibt ein Blick auf die Figur den hübschen Satz: dass diese Gleichung für reelles Z allemal 4 und nur 4 reelle Wurzeln besitzt.

**) In seinen „Vorlesungen über mathematische Physi¥^ (Leipzig, 1876) be- zeichnet Hr. Kirchhoff diejenigen ebenen Figuren, welche unseren Zweiecken ent- sprechen, als Sicheln.

***) In ähnlicher Weise kann man den Verlauf jeder eindeutigen Function Z = F{z) zur Anschauung bringen. Man vgl. z. B. 0. Herrmann: Geometrische Untersuchungen über den Verlauf der elliptischen Transcendenten im complexen Gebiete, Schlömilch's Zeitschrift Bd. 28 (1883).

72 I, 3. Die Fundamentalaufgaben,

müssen. Was zunächst s^ betrifft, so verschwindet es, und zwar je einfach*), für alle Punkte von i^^ = 0 und überdies für ^ = oo, im Ganzen also

für i— \-l\ Punkte; dagegen wird es für alle Punkte von F^ = Q

und diejenigen Punkte von F^ = 0, die nicht nach ^ = oo fallen, je einfach unendlich; die Zahl der Unendlichkeitspunkte ist also

( - -\ 1 I , was in der That, vermöge der bei uns in Betracht

kommenden Zahleriwerthe der iV^ und v mit ( \- 1| übereinstimmt.

Ganz ähnlich bei 0^, nur dass die beiden Punkte 2 = 0 und 0 = oo (welche beide zu den Wurzelpunkten von F^ = 0 gehören) ihre Rolle vertauscht haben.

Wir können jetzt die Art der Reihenentwickelungen, welche unsere drei Functionen 2, b^, z.^ in der Nähe der singulären Stellen Z=^ 1, 0, 00 gestatten, mit leichter Mühe angeben. Ich bringe dies hier nur so weit zur Ausführung, als wir es in den folgenden Paragraphen ge- brauchen. Verabreden wir für einen Augenblick (wie es auch sonst

üblich ist), dass Z Z^ für Zq = oo den Werth -y, z Zq ent- sprechend für 0Q = <x> den Werth bedeuten soll. Sei ferner Sq einer

der Werthe von b, welche Z = Z^ zugehören. So haben wir aus der conformen Abbildung des vorigen Paragraphen unmittelbar den fol- genden allgemeinen Satz:

In der Nähe von Z^^^= 1, 0, 00 lässt sich (s 0q) in eine an- steigende Potensreihe entwickeln:

L 1.

(19) ,-,^ = a{z-z,y +h{z-z,y +.-■•,

wo V der Beihe nach die Zahlen v^,v^, v^ bedeuten soll, und der Coefficient a von Null verschieden ist.

Wir betrachten jetzt insbesondere den Fall ^^ == 00, ^^ = 0 und die zugehörigen Entwickelungen von b^, z^. Die Formel (2), auf welche wir hier zurückgreifen müssen:

FX*

*) Man sagt von einer Function, die anfeiner zweiblättrigen Fläche in einem Verzweigungspunkte z^ Null oder unendlich wird, dass sie einfach Null oder un-

endlich werde, wenn sie in erster Annäherang sich wie C {z 2^)^ , bez. wie 1

C{2 Zq) ^ verhält. Ist Zq = <X), so haben wir statt {z Zg) den Ausdruck

in Betraclit zu ziehen.

in functionentlieoretischem Sinne behandelt. 73

enthält linker Hand den Factor mit einer rationalen Function von

z''^ multiplicirt, welche für ^ = 0 den Werth + 1, beziehungsweise beim Ikosaeder den Werth 1 annimmt. Daher haben wir zunächst für z die Entmckelung:

wo das Minuszeichen allein beim Ikosaeder zur Anwendung kommt, und ^ (~v^) eine nach ganzen Potenzen von -y fortschreitende Reihen- entwickelung bedeutet, deren erster Coefficient gleich + 1 ist. Wir betrachten jetzt die Formeln (17). Der in ihnen auftretende Quotient

F, {z, 1) . ^3 (0, 1) zerlegt sich in das Produet von in eine rationale Function von z^\

Z

welche wiederum für ^ = 0 in den übrigen Fällen gleich + 1 , beim Ikosaeder aber gleich 1 ist. Indem wir jetzt für z die Reihen- entwickelung (20) eintragen, zerstören sich offenbar die beiden beim Ikosaeder auftretenden Minuszeichen, insofern Vg beim Ikosaeder eine ungerade Zahl ist. Daher erJuzlten imr atis (17) und (20) für z^, z.^ in allen Fällen folgende ReiJienentivickelung:

(21)

=v^iiy"M-^)

2v,

wo ^j, ^2 Potenzreihen sind, die nach ganzen Potenzen von -y fort- schreiten und mit dem Terme -\- 1 beginnen.

Wir werden erst in § 10 auf die hiermit gewonnenen Formeln zurückkommen. Erinnern wir uns einstweilen, dass c beim Dieder == 1, beim Tetraeder = -f- 1 ist, während es beint. Oktaeder den

Werth -^ und beim Ikosaeder den Werth ——- besitzt.

§ 6. Uebergang zu den Differentialgleichungen dritter Ordnung.

Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung derjenigen Differential- gleichung dritter Ordnung mit rationalen Coefficienten, welcher z, wie oben behauptet wurde, in Bezug auf Z genügt. Dieselbe entsteht da- durch, dass alle N Zweige von z lineare Functionen des einzelnen unter

74 I, 3. Die Fundamentalaufgaben,

ihnen sind, und zwar auf folgende Weise: Unter rj eine beliebige

Function von Z verstanden, eliminire man allgemein zwischen "^ T ^

und seinem ersten, zweiten und dritten DifiFerentialquotienten die 3 Con- stanten a : ß : y : d. So gewinnen wir einen Differentialausdruck dritten Grrades, welcher bei beliebigen linearen Transformationen von rj ungeändert bleibt. Indem wir jetzt für tj unser 0 substituiren, wird dieser Diffe- rentialausdruck, wegen der erwähnten Eigenschaft der N Functions- zweige von ß, unabhängig von dem Zweige, den wir auswählen mögen, einen bestimmten Werth annehmen. Daher ist für rj = 0 besagter Differentialausdruch eine eindeutige Function von Z, und also auch (weil 2 in Z algebraisch ist) eine rationale Function von Z. Indem wir ihn der geeigneten rationalen Function von Z gleich setzen, haben wir die in Aussicht genommene Differentialgleichung dritter Ordnung, der t\ = z als Farticularlösung genügt.

Es handelt sich zunächst darum, den betreffenden Differentialausdruck

dritter Ordnung wirklich zu bilden. Sei %= T a^ ; oder, wie wir

schreiben wollen:

yijg «1^ -f dg /3 == 0,

so folgt durch successives Differentiiren nach Z:

y {^'% + 2vr + ^n - «v + ^r' = o, y (v"e + 3V'r + 3vr' + nD - «v" + ^r' = o.

In den drei so gewonnenen Gleichungen ist /3 von selbst in Wegfall gekommen; die Elimination der anderen Constanten gibt nach leichter Reduction:

0 r n

0= 2vr r n 3V'r + 3^'r r n

oder auch, unter Trennung der Variabelen:

n _ ± i^L>i =2lL i. (3.' \'

Der gesuchte Differentialausdruck ist also:

(22) f-l(f)^

wir werden denselben in der Folge mit [1^], oder auch mit [rf]^ bezeichnen^).

*) Nach einer Mittheilung, welche ich Hrn. Schwarz verdanke, kommt dieser Ausdruck bereits in Lagrange' s Untersuchungen über conforme Abbildung vor (AMT la construction des cartes geographiques , Nouveaux Memoires de l'Academie

in functionentheoretischem Sinne behandelt. 75

Wir wollen hier noch berechnen, wie [rß^ sich ändert, wenn wir statt Z eine neue Variable Z^ einführen. Sei

Z=FiZ,\ Z' = ^etc. ,

so folgt der Keihe nach: drj dr]

z\

dZ^' dZ^ ^ dZ

d^T] d^Ti ys _i_ o ^'^ y y _i_ ^V y'"

~dZ^ 'dZ^ * ^ "T "* dZ^ ' ^ ^ "T" dZ ' ^ ' Daher:

(23) [ri]^ = [ri]^-r'+[Z],^,

was die gesuchte Formel ist. Hängt insbesondere Z von Z^ linear ab:

^_ AZ,-\-B

CZ^-\-D ' so kommt hier [Z]^ noch in Wegfall und wir haben einfach:

(24) M.. = M.-^^Ä:w-

§ 7. Zusammenhang mit den linearen Differentialgleichungen zweiter

Ordnung. Ehe wir weiter gehen, wollen wir den Zusammenhang der be- sprochenen Differentialgleichungen dritter Ordnung mit den homogenen, linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnung darlegen, wie der- selbe sogleich zur Geltung kommen soll. Sei allgemein eine lineare Differentialgleichung mit rationalen Coefficienten gegeben:

(25) y"+P'y' + q'y = o.

Unter y^, y^ irgend zwei Particularlösungen derselben verstanden, setzen wir:

' Vi Wenn wir dann Z in seiner Ebene irgend welche geschlossene Wege beschreiben lassen, so wird dabei r^ immer nur in lineare Functionen

(X 7] -4- p

^ semer selbst übergehen können. Denn nach jedem solchen

de Berlin, 1779). Vergleiche übrigens Hrn. Schwarz' wiederholt genannte Abhand- lung in Bd. 75 von Borchardt's Journal, wo weitere literarische Notizen zusammen- gestellt sind. In den Sitzungsberichten der sächsischen Gesellschaft vom Januar 1883 habe ich darzulegen versucht, welch' innere Bedeutung eine Differential- gleichung dritter Ordnung: [tj] = f{z) erhält, wenn man von der im Text be- sprochenen Entstehung des Ausdrucks [tj] ausgeht.

76 I, 3. Die Fundamentalaufgaben,

Umlaufe haben sich y^, y^ in gewisse lineare Combinationen von Viy ^2 verwandelt. Daher schliessen wir, dass unser rj einer Differential- gleichung dritter Ordnung der gerade hetr achteten Art genügt: i^Q) [r)],= r{Z),

unter r (Z) eine rationale Function von Z verstanden.

Es soll sich jetzt darum handeln, dieses r(^Z) aus den Coefficient^n p, q von (25) zu berechnen. Nach Voraussetzung ist:

y%' + p ^2' + g 2/2 = 0,

also durch Combination beider Gleichungen:

(27) («/i" y^ 2/2" yi)-^p {yi 2/2 2/2' 2/1) = 0.

Wir haben ferner:

(28) "■"''' -/''-^ - V, woraus durch logarithmisches Differentiiren :

2/1 "2/2 y2"yi o 2/2' _ '^"

Vi 2/2 y% Vi y-i V '

oder, vermöge (27):

(29) -V = -i) 2-^-

Durch nochmaliges Differentiiren folgt hieraus:

-C - f-vV = -i)' -2^ + 2 r^Y

und also durch Combination mit (29):

Nun sind die Terme, welche hier rechter Hand das «/g enthalten, ver- möge der für y^ geltenden Diflferentialgleichung zweiter Ordnung gerade gleich 2q. Daher finden wir:

(30) \n\z-H-\f-i9\

was die gewünschte Endformel ist.

Gehört so zu jeder linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung (25) eine bestimmte Differentialgleichung dritter Ordnung (26), so gehören offenbar zu jeder Differentialgleichung (26) unendlich viele Gleichungen (25). Wir haben nur zu setzen:

(31) 2q_-\f-^' =r

und werden dabei das p (als rationale Function von Z, wenn wir darauf Gewicht legen) noch beliebig annehmen können, worauf das g

in functionentheoretischem Sinne behandelt. 77

(und zwar wieder als rationale Function von Zy wenn p und r rational sind) eindeutig bestimmt sein wird.

Offenbar ist (26) vollständig gelöst, wenn das Gleiche von einer der zugehörigen Gleichungen (25) gilt. Ahev auch umgekehrt lassen sich die Lösungen von (25) sehr einfach angeben, wenn man die Lösungen der zugehörigen Gleichung (26) als bekannt ansieht. Man schliesst näm- lich aus (27) durch Integration in bekannter Weise:

(32) 2/1V2 y^y^ ==ke~ ^^^\

unter k die Integrationsconstante verstanden. Verbinden wir dies mit (28), so folgt:

[2/1 = -^ 2/2J

(33)

^2

= 1/4 r 7j

-^/Pd^

Die lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung verlangt also, nach- dem vorher die zugehörige Differentialgleichung dritter Ordnung gelöst ist, zu ihrer Lösung nur noch eine einzige Quadratur.

§ 8. Wirkliche Aufstellung der Differentialgleichung dritter Ordnung

für z (Z).

Um jetzt die Differentialgleichung dritter Ordnung wirklich auf- zustellen:

[n],= r{Z),

der unser z als Particularlösung genügt, benutzen wir, was über die Reihenentwickelungen von (z z,^) nach Potenzen von (Z Z„) in Formel (19) enthalten ist. Wir denken uns diese Reihenentwickelungen explicite hingeschrieben und aus ihnen durch directe Differentiation eine Reihe für [z]^ berechnet. Als Anfangsglied dieser Reihe (die übrigens nach ganzen Potenzen von {Z Z^) fortschreiten muss, weil [z]^ eine rationale Function von Z ist) ergibt sich bei Zq = 1? 0> <^ beziehungsweise:

»1^ 1 v^^ 1 yg^— 1

Nun sage ich ferner, dass [z]^ an einer Stelle Zq, die von 1, 0, cxs

verschieden ist, sicher nicht unendlich wird. An einer solchen Stelle

haben wir nämlich (wie wieder aus der conformen Abbildung folgt):

z-z, = a{Z-Z,)-}-biZ-Z,f + •'•■,

wo a^O, und hieraus für [z]^ eine nach ganzen Potenzen von (Z Z^^) fortschreitende Reihe, welche nur positive Exponenten besitzt. Wir setzen, diesen Resultaten entsprechend:

78 I, 3. Die Fundamentalaufgaben,

^'^^ 2v,^ {Z ly ^ Z—l ^ 2v^^ Z' ^ Z ^^' wo Äf S, C Constante sein werden, und müssen diese nun so be- stimmen, dass die Reihenentwickelung, welche r (Z) in der Nähe von Z = oo nach steigenden Potenzen von -y zulässt, das gerade an-

y * l

gegebene Anfangsglied -^~ ™- besitzt. Der Erfolg zeigt, dass A, B, C

£v^ Zj

durch diese Forderung vollständig bestimmt sind. In der That kommt unmittelbar:

c = o, ^ + :b = o, ^V-T^+ \ , -\-Ä = ^^-

' ' ' 2vi* ' 2V2* ' 2^3*

Indem wir eintragen, wird unsere Differentialgleichung einfach:

J_ + J L_i

(34) \ri\^ = "2V (^ D' "^ 2^2' ^'^ "^ ~^^ 2 (Z 1) Z '

wo nun für v^, v^, Vg die Zahlenwerthe unserer Tabelle (3) gesetzt werden mögen*).

Die drei kritischen Punkte Z == 1, 0, 00 treten in dieser Diffe- rentialgleichung, eben weil der eine dieser Punkte bei Z = 00 liegt, formal nicht mit derjenigen Symmetrie auf, die ihrer eigentlichen Be- deutung entspricht. Wir werden dies sofort verbessern, wenn wir statt Z irgend eine lineare Function von Z, die für Z== 1, 0, 00 irgend drei endliche Werthe %, a^, % annimmt, als neue Veränder- liche einführen. Indem wir die Formel (24) benutzen,* übrigens aber die neue Variable selbst wieder \^ nennen, kommt:

(^5) ^'i^^=Z-a,.Z-a,.Z-a, {^^^JW^ ^""^ ~ ''''^ ^'''~'''^

+ 2vf{Z-a,) <^«2 - «3) («2 - %)

+ 2vf{^-a,) (^3-^1) («3-«2)}, wo nun, wie man sieht, alle wünschenswerthe Symmetrie herrscht.

§ 9. Lineare Differentialgleiclmngen zweiter Ordnung für 0^ und 0^.

Die Entwickelungen des § 7 setzen uns jetzt in die Lage, die allgemeinste lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung mit ratio- nalen Coefficienten anzugeben:

*) Für die binomische Gleichung (1) kommt als entsprechende Differential- gleichung durch directe Differentiation:

w^ - 1 1 2n ^'

in fanctionentheoretischem Sinne behandelt. 79

(36) y-^p.y' + q.y = 0,

welche zwei Particularlösungen y^, y^ tat, deren Quotient gleich un- serem Z ist, wir haben nur noch Formel (31), (34)

2 ■*" ^ ~ 2v^^Z—iy ' 2^2« ^ 2(Z— 1)Z

zu setzen. Ich sage nun, dass unter diesen Differentialgleichungen jedes- mal eine ist, welcher die Wurzeln z^, z^ unseres Formenpröblems genügen. In der That können wir wieder von vornherein erkennen, dass die z^, z^ Particularlösungen einer linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung mit rationalen Coefficienten sein müssen. Seien nämlich Zi^, z<^ zwei zu- sammengehörige Zweige unserer Functionen, so drücken sich beliebige andere Zweige als lineare homogene Functionen dieser z-^ , z^ aus. Sie genügen daher alle der folgenden Differentialgleichung:

f y' y

dZ^ dZ

d^z^° dz^''

0

= 0.

dZ* dZ *2

Hier schliessen wir nun sofort, dass sich die Coefficienten, welche y", y', y bei Ausrechnung dieser Determinante erhalten, wie rationale Functionen von Z verhalten. Sie sind sogar ohne Weiteres selber rationale Functionen. Denn ersetzen wir z^, z^ durch irgend ein anderes Paar zusammen- gehöriger Zweige von z^, z^:

so bleiben diese Coefficienten, weil ad ßy vermöge der Definition der Formenprobleme immer gleich 1 ist, nach dem Determinantenmulti- plicationssatze überhaupt ungeändert.

Es kommt jetzt darauf an, aus der Gesammtheit der Differential- gleichungen (36) die eine auszusuchen, welcher 0^ und z^ genügen. Es

seien t/i, ^2 solche zwei Lösungen von (36), dass = z. So wollen

tdr vorab allgemein

^ ^y^' y^^ = F. (y„ y.)

berechnen. Wir gehen zu dem Zwecke von der Gleichung aus:

^ Fl^ jz, 1) _ ^

Fl* iz, 1)

Indem wir dieselbe differentiiren und, wie oben, beachten, dass allemal

Fl von einem Zahlenfactor abgesehen die Functionaldeterminante von

F^ und F^ ist, erhalten wir, unter c' eine geeignete Constante verstanden :

80 I, 3. Die Fundamentalaufgaben,

, J;"-' (^, 1) F, (», 1) ,_

oder auch, unter Einführung eines anderen geigneten Multiplicators c":

^ ^ F, (^, 1) . F, {z, 1) ^ ^• Hier setzen wir ietzt 0= —' So kommt:

c" ^ ^w-^MHH V (^i>2 - 2/2' 2/i) = 1,

I^ (2/1 » 2/2) F^ (2/1 , 2/s.) ^^^ ^^ ^^ ^^^ '

oder endlich, indem wir die Bezeichnung X und, übrigens die Formel

(32) heranziehen:

(37) X(y„y,) = h-c"-Z-e-/P'^', was die gewünschte Formel ist.

Nun war für die Lösungen 0^, z,^ unserer Formenprobleme nicht

nur -^ = z, sondern es war auch bestimmt, dass X(^j, z.^ von Z

unabhängig sein sollte. Wir werden also den Coefficienten p der ent- sprechenden linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung so» annehmen müssen, dass Z aus der zugehörigen Formel (87) überhaupt herausfallt. Dies gibt, wie man sieht,

e^p^^ = Z oder p=—.

Indem wir diesen Werth in (36) eintragen, haben wir die gesuchte Differentialgleichung gewonnen. Dieselbe lautet nach leichter Umsetzung*):

(38) Z'+i + ilK^Z^- |-?+^(;^- + .T^-^' + l)-?) = <'-

§ 10, Beziehungen zu B-iemann's P-Function.

Z

Wir haben jetzt alle Mittel, um z^, z^ und aus ihnen z = ~ in

•^2

der Umgebung irgend einer Stelle Z == Zq durch Fotenzreihen zu be- rechnen. In der That sahen wir in § 5, wie man im einzelnen Falle die Art dieser Fotenzreihen bestimmen kann, und haben nun einfach, um die noch unbekannten Cofficienten der Reihenentwickelung zu finden, die Reihen selbst in (38) zu substituiren. Wollen wir dies insbesondere für die Umgebung des Punktes Z == 00 ausführen, so können wir un- mittelbar die Formeln (21) benutzen.

*) Für die Lösungen z^ , 2^ des Formenproblems der cyclischen Gruppen findet man in ähnlicher Weise:

in functionentheoretischem Sinne behandelt. 81

Wenn ich den hiermit bezeichneten Schritt nicht mehr explicite ausführe, auch die Convergenz und die analytische Fortsetzung der angedeuteten Entwickelungen nicht näher discutire, so geschieht es, weil wir mittlerweile alle Vorbedingungen gewonnen haben, um die Untersuchung der Functionen z^, z^ an eine fertige und wohlgekannte Theorie anzuschliessen. Es ist die Lehre von den Rieniann' sehen P-Functionen:

P

W ß' v' )

und der Darstellung ihrer verschiedenen Zweige durch Gaussische hyper- geometrische Beihen*).

Ich habe bereits gesagt, dass ich betreffs der P-Functionen keinerlei specifische Vorkenntnisse voraussetzen will. So mögen wir diese Functionen hier in derjenigen Weise definiren, die sich an unsere bis- herigen Entwickelungen am bequemsten anschliesst, nämlich als Lösungen der folgenden linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung:

(39) P" + -^^ ((1 -«-«')- (1 + ^ + ß')x)

(wo tt -\- cc' -\- ß -\- ß' -\- y -\- y' immer gleich 1 genommen ist).**) Offenbar ist (38) ein specieller Fall von (39); wir haben, um (38) zu gewinnen, in (39) nur zu schreiben:

was mit der Bedingung a-\-a'-\-ß-\-ß'-\-y-\-y' = \ verträglich ist, weil Vi in allen unseren Fälleu=2 ist. Pls sind also z^, z^, mit Bilck- sicht auf den besonderen Werth von v^, specielle Fälle der Function:

(40) p| T_YT

2*, 2vo 4

*) Wer in diese Theorie eindringen will, thut wohl noch immer am Besten

neben Gatiss^ Disquisitiones generales circa seriem infinitam etc. (1812, Werke t. III)

und Kummer' s Abhandlungen über die hypergeometrische Reihe (1836, Crelle's

Journal Bd. 15) die Originalarbeit von Riemann zu studiren: Beiträge zur Theorie

der durch die Gauss' sehe Beihe F {a, ß, y, x) darstellbaren Functionen (Bd. 7 der

Göttinger Abhandlungen (1857), oder Werke, p. 62—82).

**) Man gewinnt diese Differentialgleichung durch leichte Umsetzung aus der-

/cc ß 0 \ . ^ ,

jenigen, welche Riemann 1. c. speciell für P ( , , , x ) mittheilt (Werke,

P. 75). , \- ß Y J

Klein, Gleichungen b. Gradei. 6

82 I, 3. Die Fundamentalaufgaben, in functionentheoretischem Sinne behandelt.

Jetzt können wir unsere s^ , z^ innerhalb der allgemeinen mit diesem Symbol bezeichneten Functionen noch näher charakterisiren. Eben zu

diesem Zwecke habe ich die Formeln (21) explicite aufgestellt. Wenn

1 ]_

wir in denselben z-^ mit Z^"», z.^ mit Z 2"' multipliciren, so bleiben die Producte bei Z = oo endlich und von Null verschieden und sind überdies in der Umgebung des Punktes Z = oo einändrig. Es be- zeichnen also die Formeln (21) genau solche BeihenenfwicJcelungen, wie sie Biemann l. c. unter der Benennung P^^\ P^t^"> einführt. Nur dass Riemann den ersten Coefficienten von P^/*) und P^/*^ unbestimmt lässt. Wählen wir denselben insbesondere so, wie es in den Formeln (21) geschehen ist, so können wir schliesslich sagen, dass unsere z^, z^ unter den allgemeinen F-Functionen (40) speciell diejenigen sind, die aus den Beihenentwickelungen P^i^\ P^/*') durch beliebige analytische Fortsetzung erwachsen.

Mit diesem Satze haben wir den Zielpunkt der Entwickelungen des gegenwärtigen Kapitels erreicht. Ich wollte zeigen, dass unsere Functionen z, z^, z.^ zu denjenigen gehören, in welche die moderne Functionentheorie sowohl durch ihre geometrischen Anschauungen als durch ihre analytischen Hülfsmittel eine sozusagen vollständige Einsicht gewährt. Wird Letzteres zugegeben, so haben wir damit zugleich einen Gesichtspunkt gewonnen, der im zweiten Abschnitte unserer Dar- stellung zur Geltung kommen soll: er erscheint dann nämlich rationell, complicirtere algebraische Functionen, sofern es möglich ist, auf unsere jetzigen z, Zy, z^ zurückzuführen.

Uebrigens aber können die hier gegebenen Entwickelungen noch in höherem Grade, als unsere anderen, nur als Einleitung betrachtet werden. In der That hat uns die Absicht, überall die Argumentation möglichst elementar zu gestalten, daran gehindert, den eigentlich inter- essanten Punkt zu erläutern: wie nämlich die linearen Substitutionen, denen wir z, beziehungsweise z^ und Z2, im vorigen Kapitel unter- worfen haben, nunmehr zu Stande kommen, indem wir z, z^, z^ als Functionen von Z auffassen und letztere Variable in ihrer Ebene ge- eignete geschlossene Wege durchlaufen lassen. Auch würden wir, wenn wir den im § 5 gegebenen Ansatz noch ein Weniges weiter verfolgt hätten, den unmittelbaren Uebergang zu Riemann's P-Function haben finden können, ohne vorher die Differentialgleichungen explicite for- mulirt zu haben. Ich überlasse dem Leser, sich hinsichtlich dieser und verwandter Fragen durch eigene Studien und Ueberlegungen zu Orientiren.

Kapitel IV. üeber den algebraischen Charakter unserer Fundanientalaufgaben.

§ 1. Aufgabe des gegenwärtigen Kapitels.

Nachdem wir im vorigen Kapitel unsere Fund amental aufgaben nur erst in functionentheoretischer Hinsicht discutirt haben, behandeln wir sie jetzt unter den Gesichtspunkten der Gleichungstheorie. Ich ver- stehe dabei unter letzterer den Inbegriff der Lehren, welche sich auf die rationalen Hesolvmten beziehen, d. h. auf diejenigen Hülfsgieichungen, denen irgendwelche rationale Functionen der Wurzeln der vorgelegten Gleichungen genügen.

Einen ersten wichtigen Theil dieser Theorie, welche über die Art der überhaupt in Betracht zu ziehenden Resolventen entscheidet, bil- den diejenigen Ueberlegungen, die man nach den grundlegenden Ideen von Galois mit dem Namen des Letzteren zu bezeichnen pflegt, und die darauf hinauslaufen, die einzelne Gleichung, oder auch das einzelne Gleichungssystem, durch eine gewisse Gruppe von Vertauschungen der zu- gehörigen Lösungen zu charaMerisiren (das Wort Gruppe in derselben specifischen Bedeutung genommen, die wir im voraufgehenden ersten Kapitel erklärt haben). Ich werde in den Paragraphen 2 4 des Fol- genden die Grundzüge dieser Theorie so weit zur Sprache bringen, als zum Verständnisse des Späteren durchaus nothwendig scheint, verweise aber übrigens, und zwar nicht nur wegen der näheren Ausführung, sondern namentlich auch wegen der Beweise, auf die schon oben genannten Lehr- bücher*). Anschliessend hieran gelingt es sehr einfach, unsere Fun- damentalaufgaben im Galois'schen Sinne zu charakterisiren 5, 6). Insbesondere folgt, dass sich dieselben sämmtlich durch Wurzelziehen müssen erledigen lassen mit alleiniger Ausnahme der Ikosaeder- gleichung, deren niederste Resolventen vom fünften bez. sechsten Grade sind; ich werde in den Schlussbemerkungen dieses Kapitels 16) noch

*) Siehe oben p. 6, Anmerkung.

84 I, 4. Ueber den algebraischen Charakter

ausführlicher auf die principielle Bedeutung dieses Resultates aufmerk- sam machen.

Inzwischen genügt es nicht, bei irgend welcher gegebenen alge- braischen Aufgabe die Art der Resolventeu zu kennen; wir verlangen darüber hinaus, diese Resolventen wirMich und zwar in einfachster Weise zu herechnen. Hiermit beschäftigt sich der zweite Theil des gegenwärtigen Kapitels, unter strenger Beschränkung auf die bei unseren Fundamental- aufgaben zunächst liegenden Probleme. Ich zeige vor Allem 7), wie man die Hülfsresolventen wirklich bilden kann, vermöge deren die Auflösung der Dieder-, Tetraeder- und Oktaedergleichung zu erfolgen hat. Ich beschäftige mich sodann ausführlich mit den Resolventen fünften und sechsten Grades der Ikosaedergleichung 8 15). Die particulären Gleichungen fünften und sechsten Grades, welche wir so gewinnen, werden für unsere späteren Entwickelungen von wesent- licher Bedeutung werden. Dabei ist es vor allen Dingen die Methode, auf welche ich hier Nachdruck legen möchte: eine Methode, welßhe bald functionentheoretische bald invariantentheoretische Momente benutzt und in beiderlei Richtung einer Ausdehnung auf höhere Probleme fähig scheint.

§ 2. Ueber die Gruppe einer algebraischen Gleichung.

Handelt es sich darum, die Gruppe zu definiren, welche jeder ein- zelnen algebraischen Gleichung im Sinne der Galois'schen Theorie eignet, so wollen wir zuvörderst der Classification gedenken, welche man für die rationalen Functionen von n veränderlichen Grössen:

^0) "^1} w 1

aus ihrem Verhalten gegen die Vertauschungen der x ableiten kann. Es ist a priori klar, dass alle Vertauschungen der x, welche eine solche rationale Function ungeändert lassen, eine Gruppe bilden, die als Untergruppe in der Gesamflitheit aller Vertauschungen enthalten ist (vielleicht auch mit dieser Gesammtheit zusammenfällt). Aber auch das Umgekehrte ist der Fall: Sobald uns irgend eine Gruppe von Ver- tauschungen der X gegeben ist, können wir immer solche rationale Functionen der x bilden, welche bei den Vertauschungen dieser Gruppe, aber bei keinen anderen Vertauschungen, ungeändert bleiben. Wir nennen diese rationalen Functionen der x der Gruppe der Vertauschungen zugehörig und classificiren nun überhaupt alle rationalen Functionen der X, welche es gibt, nach der Gruppe von Vertauschungen, zu der sie gehören.

Wir müssen ferner den sogenannten Satz des Lagrange kennen

unserer Ftmdamentalanfgaben. 85

lernen*). Es seien JR und i?^ zwei rationale Functionen der x, und es bleibe R bei allen Vertauschungen ungeändert, welche die zu It^ gehörige Gruppe ausmachen (womit natürlich noch nicht gesagt ist, dass M zu derselben Gruppe gehören muss). Es seien ferner s^, Sg,"- die elementaren Potenzsummen;

(1) h = 2^7 S, = ^X^, Sn= ^X^.

Dann behauptet der genannte Satz, dass R als rationale Function von jRi und s^, S2, - - Sn dargestellt werden kann. Wir können diesen Satz leicht noch verallgemeinem, indem wir uns statt ii^ eine Anzahl rationaler Functionen: R^, R^ ' ' - gegeben denken und annehmen, dass R bei allen denjenigen Vertauschungen ungeändert bleibt, die gleichzeitig R^, R^ - ' ungeändert lassen. Dann icird R eine rationale Function von R^, R^ und den s^, S2, ' Sn sein. In der That können wir aus den R^, R^, eine rationale Function R' der X rational zusammensetzen, welche nur bei solchen Vertauschungen der X ungeändert bleibt, die R^, R^, simultan ungeändert lassen. Nach der ersten Fassung, die wir dem Satze des Lagrange ertheilten, wird dann R durch dieses R' und übrigens die s^, s.^, - Sn rational dargestellt werden können, womit unsere neue Behauptung eo ipso erwiesen ist.

Jetzt sei die Gleichung n*^ Grades gegeben:

deren Wurzeln die bisher betrachteten Xq, x^, - ' Xn—x sein sollen. So kennen wir jedenfalls die Werthe der s,- (1) und hieraus durch ratio- nale Rechnungsoperationen überhaupt die rationalen, symmetrischen Functionen der x. Aber es kann sein, dass uns irgendwelche unsym- metrische Functionen der X'. R^, R^, gegeben sind. Dann können wir auf Grund des erweiterten Lagrange'schen Satzes überhaupt jede Function R der x in rationaler Weise berechnen, welche bei allen Ver- tauschungen invariant bleibt, die gleichzeitig JRi, R^, .... ungeändert lassen. Es werden also allemal diejenigen rationalen Functionen der x und nur diejenigen, wie wir sagen wollen, rational bekannt sein, welche hei einer bestimmten Grtippe von Vertauschungen der x ungeändert bleiben. Die hiermit skizzirte Theorie gilt zunächst, wie wir sagten, für durchaus variable x. Die Sache ist nun aber die, dass auch in jedem speciellen Falle eine analoge Theorie existirt. Wenn wir in einem solchen Falle von einer Function sagen, dass sie bei gewissen Ver- tauschungen ungeändert bleibt, so verstehen wir darunter, dass sie

*) Befkxions sur la resolution älgebrique des equations, Mömoires de l'Aca- demie de Berlin, t. III (1770—71), oder Oeuvres, t. III 100 der Abhandlung).

86 i) *• Ueber den algebraischen Charakter.

ihren numerischen Werth nicht wechselt. Es gibt dann immer eine solche Gruppe G von Vertauschungen der x, dass alle rationalen Functionen der X, welche hei G ungeändert dleiben, und nur diese, rational bekannt sind. Ueberdies gilt das Gesetz, dass alle Vertauschungen vvn G, die eine irgendwie gegebene rationale Function der x ungeändert lassen, jedesmal eine Gruppe bilden, so dass in Bemg auf die Vertauschungen von G die eben besprochene Classification der rationalen Functionen und auch der Satz von Lo/grange ausnahmslos erhalten bleibt. Die Gruppe G ist dann diejenige, welche Galois als Gruppe der Gleichung bezeichnet*).

Die Schwierigkeiten der Galois'schen Theorie liegen vielleicht weniger in den hiermit formulirten allgemeinen Sätzen, als in dem dabei verwendeten Begriffe des Rational-Bekanntseins. Wann werden wir Functionen mit dieser Bezeichnung belegen? Wir müssen es thun, wenn sie (in Folge besonderer Werthe der Xq, x^, •) ratio- nale Werthe haben, d. h. rationalen Functionen der Si (mit rationalen Zahlencoefficienten) gleich sind. Aber wir können es bei ganz be- liebigen Functionen R^, B,^, thun, indem wir eben annehmen, dass wir die Werthe von iJ^, jRg, bereits irgendwie berechnet haben. Wir adjungiren dann, wie Galois es ausdrückt, diese JR^ , JRg > ' und erweitern dementsprechend, um mit Hrn. Kronecker zu reden**), den Bationalitätsbereich, in welchem wir operiren. In diesem Sinne sind die Aussagen, welche die Galois'sche Theorie betreffs der ein- zelnen Gleichung f(x) = 0 liefert, bis zu einem gewissen Grade von unserem subjectiven Ermessen abhängig. Adjungiren wir sämmtliche Wurzeln von f(x) = 0, so besteht die Gruppe der Gleichung immer nur aus der Identität. Man muss sich also der Vorstellung entwöhnen, als müsse eine Gleichung n^^ Grades, deren Gruppe wir als wenig ausgedehnt bezeichnen, darum nothwendigerweise irgendwie specificirte Coefficienten haben.

§ 3. Allgemeines über Besolventen.

Es sei jetzt wieder G die Gruppe der Gleichung f(x)==0, N der Grad der Gruppe. Die einzige Annahme, der wir G unterwerfen, ist die, transitiv zu sein,d.h. Vertauschungen zu umfassen, vermöge deren die ein- zelne Wurzel Xk von /" = 0 an die Stelle jeder anderen Wurzel Xi treten kann. Es würde anderenfalls f{x) = 0 reducibel sein, d. h. in rationale Factoren zerfallen, und wir würden also statt /"(a;) = 0 zweckmässiger-

*) Man sehe Oeuvres de Galois in Liouville's Journal t. XI, 1846. **) Man vergleiche hier: Kronecker, Grundzüge einer arithmetischen Theorie der algebraischen Grössen (Bd. 92 des Journals für Mathematik, 1881^.

nnserer Fundamentalaufgaben. 87

weise die verschiedenen Gleichungen betrachten können, die durch Nullsetzen der einzelnen Factoren entstehen.

Wir wählen nunmehr irgend eine rationale Function der Wurzeln X, Rq, welche nicht bei allen Vertauschungen von G ungeändert bleibt, also nicht rational bekannt ist, wohl aber bei einigen Vertauschungen ungeändert bleiben kann, deren Anzahl gleich v sei und die eine Gruppe ^0 bilden mögen. Bei den Vertauschungen von G nimmt Rq im Ganzen

= n' verschiedene Werthe an:

V

Rq, Ri} Rn'—l'

Wir bilden sodann die Gleichung, von der diese verschiedenen Werthe abhängen :

{R -Rq){R-R,) {R- i2„-_i) = 0.

So haben wir offenbar eine Gleichung gewonnen, deren Coefficienten rational bekannt sind; denn sie sind symmetrische Functionen der ver- schiedenen R und als solche bei den Vertauschungen von G invariant. Dies ist, was wir als Resolvente der vorgelegten Gleichung fix) == 0 bezeichnen, und zwar, so oft es von Wichtigkeit wird, als rationale Resolvente, insofern von ihr eine rationale Function der x abhängt.

Wir fragen nach der Gesammtheit der verschiedenartigen Resol- venten, welche f(x) = 0 besitzt. In dieser Hinsicht mögen wir vorab Folgendes festsetzen. Hätten wir statt R^^ eine andere rationale Function der Wurzeln gewählt, welche gleichfalls zu ^^ gehört, so würde sich diese nach dem Lagrange'schen Satze durch Rq und die bekannten Grössen rational ausdrücken lassen, die neue Resolvente würde sich also aus der früheren (und ebenso die frühere Resolvente aus der neuen) durch rationale Transformation ergeben. Wir wollen verabreden, dass wir zwei derartige Resolventen bei der allgemeinen hier zu gebenden üeber- sicht überhaupt als identisch erachten werden. Dann gehört also zu jeder Gruppe g^ immer nur eine entsprechende Resolvente.

Aber dieselbe Resolvente erwächst auch, wenn wir statt Qq von ge- wissen anderen Untergruppen ausgehen. In der That, statt mit der Wurzel Rq zu beginnen, können wir beim Aufbau der Resolvente ebensowohl eine der anderen Wurzeln R^, i?2, voranstellen. Dann treten an Stelle von g^ diejenigen Gruppen von Vertauschungen der x, welche bez. jRj, R2, ungeändert lassen, und die wir mit ^j, g^, bezeichnen wollen. Wir fragen, wie diese gi mit dem ursprünglichen ^^ zusaiftmen- hängen. Es sei Si eine derjenigen Vertauschungen der x, durch welche Ri in Rq übergeht; die Gesammtheit derartiger Vertauschungen wird dann durch SiT^^^ gegeben sein, unter T(°) der Reihe nach jede beliebige Vertauschung von gQ verstanden. Nun combiniren wir mit

88 I, 4. üeber den algebraischen Charakter

SiT^^^ die inverse Operation Sr So verwandelt sich R^ wieder rück- wärts in Ri. Daher bleibt Ri bei allen Vertauschungen

ungeändert Nun lässt sich umgekehrt aus jedem T^^\ bei welchem Ri ungeändert bleibt, durch den entsprechenden Ansatz ein T^^^ in der Gestalt:

ableiten. Diese neue Formel ist, wie man sieht, die unmittelbare Auf- lösung* der gerade gegebenen; wir haben also mit letzterer überhaupt alle Vertauschungen, welche jR, ungeändert lassen, d. h. die Gruppe g,-, definirt. Die Gru]ßpe gt erwächst also aus g^ durch Transformation ver- möge Si.

Hier kann nun Si (wenn wir alle Wurzeln Rq, Ri, Rn—i in Betracht ziehen wollen) jede beliebige Vertauschung von G sein. Denn durch S~ muss aus Rq doch immer irgend eines der Ri hervorgehen. Mithin können wir die Gruppen g^, g^, rgn' i als die Gesammtheit derjenigen bezeichnen, die aus ^^ durch Transformation innerhalb G entstehen. Solche Gruppen haben wir früher als gleichberechtigt be- zeichnet. Daher haben wir endlich, als Zusammenfassung des Bisherigen, den präcisen Satz: dass es so viel verschiedenartige Resolventen einer vor- gelegten Gleichung f(x) = 0 gibt, als innerhalb der zugehörigen Gruppe G verschiedene Systeme gleichberechtigter Untergruppen existiren.

Wir bestimmen jetzt die Gruppe f der einzelnen so erhaltenen Resolvente. Ich sage, dass sie von denjenigen Vertauschungen der R gebildet wird, die entstehen, wenn man die x den Vertauschungen von G unterwirft. Denn eine rationale Function der R, welche bei den ge- nannten Vertauschungen der JR invariant bleibt, ist zugleich, als Function der X betrachtet, bei den Vertausch ungen von G unveränderlich, und umgekehrt kann sie das letztere nicht sein, wenn nicht zugleich das erstere der Fall ist. Die Gruppe V ist also auf jeden Fall der Gruppe G isomorph.

Hier müssen wir nun. eine wichtige Unterscheidung machen. Der gefundene Isomorphismus kann holoedrisch oder meriedrisch sein. Das letztere tritt dann und nur dann ein, wenn innerhalb G solche Ver- tauschungen der X existiren, welche sämmtliche Ri ungeändert lassen; diese Yertauschungen werden dann eine Gruppe y bilden, die inner- halb G ausgezeichnet ist. Die Resolvente spielt in beiden Fällen der ursprünglichen Gleichung gegenüber eine ganz verschiedene Rolle.

Im ersteren Falle Jcönnen wir jede rationale Function der x, und insbesondere die x selbst, aus den Ri mit Hülfe der bekannten Grössen

iiuserer Fandamentalaufgaben. 89

rational zusammensetzen. Die ursprüngliche Gleichung ist also selbst eine Resolvente der Resolvente : die Auflösung der einen Gleiehung zieht die der anderen nach sich, und umgekehrt. Indem wir die Gleichung f(x) = 0 durch ihre Resolvente ersetzen, haben wir wohl eine Um- formung der ursprünglichen Aufgabe, aber keinerlei Vereinfachung erreicht.

Ganz anders im zweiten Falle. Die x sind bei ihm keineswegs in den R, rational. Haben wir die Ri berechnet, so ist immer noch die ursprüngliche Gleichung f{x) = 0 zu lösen. Diese Aufgabe ist jetzt nur insofern vereinfacht, als jetzt die Gruppe G (nach Ädjnnction der Ri) durch y ersetzt ist*). Dafür aber ist die Bestimmung der jB, selber leichter auszuführpn, als die Berechnung der x: denn die Gruppe f der zugehörigen Gleichung ist Meiner als G. Wir haben also das ursprüng- liche Problem in zwei Schritte von einfacherem Charakter zerlegt.

Offenbar sind die Resolventen der zweiten Art die wichtigeren. Sie können nur dann auftreten, wenn die Gruppe G der vor- gelegten Gleichung zusammengesetzt ist. Indem wir in einem solchen Falle die Zerlegung von G studiren, haben wir damit zugleich die Mittel, die Gleichung f(x) = 0 durch eine ganze Reihenfolge rcsolviren- der Hülfsgleichiingen schrittweise zu vereinfachen. Eben dies ist die Bedeutung der Resolventeu, welche die gewöhnliche Theorie bei der Auflösung der Gleichungen dritten und vierten Grades benutzt.

§ 4*. Die Galois'sche Kesolvente msbesondere.

Nach dem, was gerade gesagt wurde, repräsentiren alle Resolventen, deren Gruppe f mit der Gruppe G der vorgelegten Gleichung f(x) = 0 holoedrisch isomorph ist, abstract zu reden, äquivalente Probleme. Aber unter ihnen ist eine, welche für Zwecke der algebraischen Dar- stellung ganz besondere Bedeutung besitzt: es ist diejenige, die man mit dem Namen der Galois' sehen Resolvente zu benennen pflegt, und die da- durch definirt ist, dass ihre einzelne Wurzel hei jeder in G enthaltenen Vertauschung der x umgeändert wird. Es reduciren sich dann also die Gruppen g^, g^ •, die wir soeben den R^, üj, entsprechen Hessen, alle auf die Identität, und es wird gleichzeitig der Grad der Resolvente so hoch wie möglich, nämlich gleich N. Dafür aber bietet sie den Vortheil, dass man nur eine ihrer Wurzeln zu berechnen braucht. In der That müssen sich nach dem Lagrange'schen Satze alle ratio-

*) Hierdurch kann f{x) = 0 (wenn eben y, in den x geschrieben, nicht trans- itiv ist) möglicherweise reducibel geworden sein.

90 I> 4. üeber den algebraischen Charakter

nalen Functionen der x durch diese eine Wurzel und übrigens die be- kannten Grössen rational darstellen.

Doch betrachten wir die Eigenschaften der G^a?o«Vschen Resol- vente genauer.

Zuvörderst, was ihre Gruppe angeht, so wird bei jeder von den N Operationen der Gruppe G eine jede der N Wurzeln:

versetzt. Es gibt also auch keine zwei Operationen von G, welche beide dieselbe Wurzel Mi an dieselbe Stelle R^ brächten: die einzelne Operation ist vollkommen bestimmt, wenn wir nur wissen, in welcher Weise sie ein einzelnes JBj beeinflusst. Indem wir den Begriff der Transitivität heranziehen, wie er schon soeben benutzt wurde, können wir sagen:

Die Gruppe V der Gdlois' sehen Resolvente ist genau einfach transitiv.

Wir können also die einzelne Vertauschung von V mit dem Index derjenigen Wurzel Rj^ benennen, welche bei ihr aus Rq hervorgeht. In diesem Sinne werden wir sofort das Symbol 8k gebrauchen.

Wir stellen jetzt vermöge des Lagrange'schen Satzes die ver- schiedenen Wurzeln iJ^, JR^, Rn—x durch die erste derselben rational dar. Auf solche Weise entstehen N Formeln, die wir folgen- dermassen schreiben:

(2) J?o = % (R,), R, = t, (R,), R^^t^tN-i (Ro)'

Hier bedeuten die ^j rationale Functionen des beigesetzten Argumentes, die nur insofern vollkommen bestimmt sind, als wir dieselbe nicht mit Hülfe der Galois'schen Resolvente selbst modificiren wollen, und es ist ^0 (i?o) natürlich nur der Gleichförmigkeit wegen statt R^ selbst ge- schrieben. Wir greifen eine dieser Formeln heraus, schreiben sie unter Beiseitelassung der bisherigen Indices der R:

(3) E' = ^,(E)

und denken uns die Galois'sche Resolvente mit Hülfe dieser Formel transformirt (indem wir zwischen der Resolvente und der Formel (3) das R eliminiren). So entsteht eine Gleichung vom Grade N für R\ welche mit der ursprünglichen Galois'schen Resolvente jedenfalls die Wurzel Ri gemein hat. Nun ist unsere Resolvente nach Voraussetzung irreducibel. Daher haben die beiden Gleichungen vom N^^°- Grade überhaupt alle Wurzeln gemein, d. h. sie sind identisch. Wir haben also den Satz:

Die Galois'sche Resolvente wird durch die N rationalen Transforma- tionen (3) in sich seihst transformirt.

unserer Fundamentalaufgaben. 91

Wenn wir also in Formel (3) statt R irgend eine Wurzel Rk sub- stituiren, so wird R' gleich einer anderen Wurzel Rj werden. Aber statt Rk können wir schreiben -^kiR^, statt Rj ipj{R^. Daher ist:

rl>j{R,) ^ ^itk(R,) und also überhaupt:

sofern wir nämlich von den Veränderungen absehen, die an dem ein- zelnen dieser Ausdrücke mit Hülfe der für die R, geltenden Galois'schen Gleichung angebracht werden können. In diesem Sinne haben wir:

Die N rationalen Transformationen (3) bilden eine Gruppe.

Wir fragen, wie diese Gruppe mit der Galois'schen Gruppe V zu- sammenhängt. Ersetzen wir in den Formeln (2) das R^ rechter Hand der Reihe nach durch jBq, 7?^, R^—x, so erhalten wir linker Hand, dem gerade Gesagten zufolge, die Wurzeln i?, jedesmal in umgeänderter Reihenfolge wieder. Wir bekommen also N verschiedene Anordnungen der R, und nun ist die Behauptung, dass diejenigen N Vertauschungen, durch welche diese Anordnungen aus der ursprünglichen Anordnung her- vorgehen, genau die Gruppe V ausmachen. Wir werden zu dem Zwecke zeigen, dass eine rationale Function der Ri:

F{Rq, 2?i, Rn-i),

welche ungeändert bleibt, wenn man die Aufeinanderfolge R^, jRi,"'i2^_i durch eine beliebige der anderen N in Rede stehenden Anordnungen ersetzt, rational bekannt ist. In der That, jede rationale Function der Ri kann vermöge (2) in die Gestalt zusammengezogen werden: <i> {Rq). Wenn nun F die erwähnten Umstellungen zulässt, so wird es ebensowohl gleich 0 (Ri), gleich 0 (-Rg) etc. sein, unter 0 jedesmal dieselbe ratio- nale Function verstanden. Daher ist auch:

also F gleich einer symmetrischen Function, und daher in der That rational zu berechnen, wie behauptet wurde.

Die somit gefundene Beziehung zwischen f und der Gruppe der Transformationen (3) wollen wir noch näher erforschen. Setzen wir in (2) rechter Hand statt Rq R^, so tritt linker Hand an erster Stelle ebenfalls Rk auf. Wir erhalten also diejenige Reihenfolge der Ri, welche aus der ursprünglichen durch die Operation Sk von f hervor- geht. Indem wir jetzt statt 14 (rechter Hand) durchweg ^a (-Rq) schreiben, können wir folgendermassen sagen:

Die Operation Sk ist diejenige, welche ^.(i^o) (* = Oj 1? * (-^—1)) durch ■^iilfkiRo) ersetzt.

92 I, 4- Ueber den algebraischen Charakter

Ebenso wird die Operation Si diejenige sein, welche ^»(I^o) <lurcli ^^^/(i?o)> oder, was dasselbe ist, welche ipiil'kil^Q) durch ijjiipki^iilio) ersetzt (wo wir beidemal i von 0, 1, bis (JV^ 1) laufen lassen wer- den). Combiniren wir die beiden so erhaltenen Sätze, indem wir zu- erst Sk und dann Si in Anwendung bringen, so folgt:

Bei der Operation Sk Si wird tl)-, {B^ durch i^ »• t/^^ -^t {B^ ersetzt Die Beziehung, welche wir solchergestalt zwischen den Gruppen des S und der -^ finden, ist zunächst kein Isomorphismus. Denn SkSi bedeutet, dass man zuerst Sk und dann Si in Anwendung bringt, während tl^k'fpi (Bq) besagt, dass man zuerst das i/;/ von B^ und dann hiervon das ^i- berechnet. Aber wir können die Beziehung sofort so umändern, dass Isomorphismus resultirt. Wir brauchen zu dem Zwecke Sk nur der inversen Operation ifj/T entsprechend zu setzen. In der

That ist ja {-^ki^if = #*" '^V Daher haben wir:

Die Gruppen der S und der ^ sind holoedrisch isomorph. Die hiermit formulirten Sätze sind um so wichtiger, als man sie ohne Weiteres umkehren kann. In der That finden wir, indem wir das bisher Gesagte in umgeänderter Reihenfolge wiederholen:

Wenn eine irreducible Gleichung iV*"" Grades durch N rationale Transformationen in sich übergeht:

. B' = ip,(B), B' = t,iB), ,

so ist sie ihre eigene Gdlois'sche Besolvente und steht ihre Gruppe V zur Gruppe der tp in der eben geschilderten Beziehung*).

Soll dann bei einer solchen Gleichung eine rationale Function der Wurzeln gebildet werden, die bei den Vertauschungen Sk einer gewissen in der Galois'schen Gruppe enthaltenen Untergruppe un- geändert bleibt und somit als Wurzel einer entsprechenden Resolvente eingeführt werden kann, so genügt es, eine rationale Function der einzelnen Wurzel Bq aufzustellen, welche bei den zugehörigen il^k in sich selbst transformirt wird; denn die Untergruppe der ipk enthält zugleich alle ^r und entspricht also bei der isomorphen Zuordnung der Untergruppe des Sk.

§ 5. Einordming unserer Fundamentalgleichtingen.

Ich habe den vorigen Paragraphen so ausführlich gestaltet, um jetzt unsere Fundamentalgleichungen: die binomischen Gleichungen und

*) Man verwechsele diesen Satz nicht (wie es gelegentlich geschehen ist) mit der Definition der Äbel'schen Gleichungen. Auch bei letzteren gibt es N rationale Transformationen B' = ip^ (M), aber man setzt überdies voraus, dass die ip ver- tauschbar sind, also tp^ i/>^ = t/»^ tp^ ist.

unserer Fundamentalaufgaben. 93

die Gleichungen des Dieders, Tetraeders, Oktaeders und Ihosaeders un- mittelbar in das Schema der Galois'schen Theorie einordnen zu können. Constatiren wir zuvörderst, dass unsere Gleichungen irreducibel sind. Aus der functionentheoretischen Betrachtung des vorigen Kapitels folgt nämlich, dass die N Functionszveeige, welche die einzelne unserer Gleichungen definirt, indem wir jeweils die rechte Seite Z als unab- hängige Variable betrachten, alle unter einander zusammenhängen. -Es sind also genau die Voraussetzungen erfüllt, auf die sich der Schluss- satz des vorigen Paragraphen bezieht. Denn die N Wurzeln, welche die einzelne unserer Gleichungen besitzt, gehen aus einer beliebigen unter ihnen ja in der That jedesmal durch N rationale Transformationen hervor: nämlich durch die iNT uns wohlbekannten linearen Substitutionen.

Wir haben hiermit sofort: Unsere Gleichungen sind ihre eigenen Galois' selben Besolventen, und können nun unmittelbar weitere Schlüsse ziehen, indem wir herannehmen, was früher über die Gruppen der zu- gehörigen (nicht homogenen) linearen Substitutionen gesagt wurde.

Greifen wir zunächst etwa das Oktaeder heraus und erinnern uns, dass die Gruppe der 24 Oktaedersubstitutionen zusammengesetzt war. In ihr war als möglichst ausgedehnte ausgezeichnete Untergruppe die Tetraedergruppe von 12 Substitutionen enthalten, in dieser wieder die Vierergruppe (von 4 Substitutionen), und in letzterer endlich eijie cyclische Gruppe von 2 Substitutionen. Wir schliessen also: dass wir die Oktaedergleichung durch eine Beihenfolge von 4 Hülfsgieichungen er- ledigen können, deren Gruppen beziehungsweise -r^,-^,—, 2, d. h. 2, 3, 2, 2

Vertauschungen umfassen werden. Eine Gruppe von Primzahlgrad ist nothwendig eine cyclisohe Gruppe. Nehmen wir nun noch hinzu, dass man, im Anschlüsse Lagrange, jede cyclische Gleichung vom n^"^ Grade durch eine binomische Gleichung vom n^^ Grade ersetzen kann*), so erkennen wir, dass die Oktaedergleichung gelöst werden kann, indem wir folgeweise eine Quadratwurzel, dann eine Cubikwurzel und endlich noch 2 Quadratwurzeln ziehen. Wir werden dies in § 7 durch explicite Formeln bestätigen.

Was die Tetraedergleichung angeht, so ist sie mit dem, was über die Oktaedergleichung gesagt wurde, selber miterledigt; denn die Tetra- edergruppe ist ja ausgezeichnete Untergruppe der Oktaedergruppe. Für

*) Cyclisch heisst die Gleichung n^^^ Grades, wenn ihre Galois'sche Gruppe cyclisch ist, also etwa nur die cyclischen Vertauschungen von {x^,, x^, x^_^) umfasst. Die Methode besteht dann bekanntlich darin, als Unbekannte die Grösse

äJTT

x^ -\- s x^ -\- f:'^ ~ ^ X _ . einzuführen , wo f = e " .

94 4. Ueber den algebraischen Charakter

die Biedergleichung vom Grade 2n ergibt sich, dass sie sich durch Aus- ziehung einer Quadratwurzel auf eine binomische Gleichung w*^" Grades reduciren lassen muss. Und endlich die Auflösung der binomischen Gleichung selbst kann dann und nur dann in mehrere Schritte zerlegt werden, wenn ihr Grad n eine zusammengesetzte Zahl ist.

So stellt sich neben die binomische Gleichung von Primzahlgrad als einzige unserer Gleichungen, die wir durch Resolventenbildung nicht reduciren können, die Ikosaedergleichung. Wollen wir auch bei ihr Resolventen bilden (wie wir dies § 8 ff. ausführen), so belehren uns die früheren Untersuchungen der Ikosaedergruppe darüber, dass als niederste Resolventen solche vom 5. und 6. Grade in Betracht kommen. Erstere entsprechen dem Umstände, dass die Ikosaedergruppe 5 gleichberechtigte Tetraedergruppen, letztere dem anderen, dass sie 6 gleichberechtigte Diedergruppen von jedesmal 10 Operationen umfasst. Diese Resolventen werden beidemal wieder eine Galois'sche Gruppe von 60 Vertauschungen besitzen. Wir können nach dem Früheren sofort sagen, dass dies bei den Resolventen 5. Grades die 60 geraden Vertauschungen der Wurzeln sind, dass also das Differenzenproduct der Wurzeln rational sein muss. Die Gruppe der Resolventen sechsten Grades werden wir erst später genauer bestimmen 15).

Indem wir so die Ergebnisse unserer früheren Untersuchungen für die Galois'sche Theorie verwerthen, dürfen wir freilich einen wesent- lichen Umstand nicht übersehen. Wir sind nur insofern berechtigt, die linearen Functionen unserer Substitutionsgruppen zu den rationalen Functionen ^ des vorigen Paragraphen zu rechnen, als wir die in den linearen Substitutiousformeln auftretenden Coefficienten für rational bekannt erachten. Es sind dies gewisse Einheitswurzeln. Diese Ein- heitswurgeln also müssen wir adjungirt denken, damit die vorstehend formu- lirten Behauptungen richtig sind. Bei der Ikosaedergleichung z. B. müssen wir die fünften Einheitswurzeln adjungiren, d, h. Zahlenirrationalitäten, welche durch die Gleichung bestimmt sind:

^1^ = 0. X 1

Erläutern wir an diesem Beispiel in etwa die Folgerungen, welche sich anderenfalls einstellen würden. Bekanntlich hat die vorstehende Gleichung vierten Grades eine cyclische Gruppe von 4 Vertauschungen*), also eine Gruppe, die eine ausgezeichnete Untergruppe von 2 Vertauschungen umfasst. Wir schliessen, dass jetzt die Ikosaedergleichung eine Gruppe von 4 60 Vertauschungen besitzt, innerhalb deren eine

") Man sehe z. B. : Bachmann, die Lehre von der Kreistheilwng, Leipzig 1872.

unserer Fundamentalaufgaben. 95

Untergruppe von 2 60 Vertauschungen und dann eine von 60 Ver- tauschungen ausgezeichnet ist. Diese neue Gruppe der Ikosaeder- gleichung braucht sich also keineswegs ungeändert auf die einzelne Resolvente der Ikosaedergleichung zu übertragen. Bei den Resolventen fünften Grades ist dies sogar von vorneherein nicht möglich, da deren Gruppe doch niemals mehr als 5! == 2 60 Vertausch ungen umfassen kann. In der That tritt in den Formeln, welche wir in § 14 für die Differenzenproducte unserer Resolventen fünften Grades aufstellen werden, als numerische Irrationalität nur j/ö auf, sodass keineswegs die Adjunction der einzelnen fünften Einheitswurzel nöthig ist, um die Gruppe der Resolventen auf nur 60 Vertauschungen zu reduciren. Wir verfolgen diesen Gegenstand nicht weiter, da er uns zu sehr in zahlentheoretische Betrachtungen hineinführen würde*).

§ 6. Betrachtung der Formenprobleme.

Wir gedenken noch mit wenigen Worten der Formenprobleme, die unseren Gleichungen parallel laufen. Es sind dies Gleichungs- systeme mit jedesmal 2 Unbekannten z^, z^. Man wird auf solche Gleichungssysteme durchweg die Grundbegriffe der Galois'schen »Theorie übertragen können, indem man überall, wo in letzterer von den Wurzeln einer Gleichung die Rede ist, die einzelnen Lösimgspaare 2^, z^ ^^' stituirt. Insbesondere werden wir dann sagen können, dass unsere Formenprobleme ihre eigenen Galois'schen Resolventen sind. In der That leiten sich alle 2iV^ Lösungssysteme, welche unsere Formenprobleme besitzen, aus dem einzelnen Lösungssysteme durch 2iV^ a priori be- kannte lineare, homogene Substitutionen ab**). Es sind hier also die homogenen linearen Substitutionsgruppen unserer früheren Darstellung, welche die Galois'sche Gruppe des jedesmaligen Problems bestimmen.

Diese homogenen Gruppen waren alle zusammengesetzt, indem sie eine ausgezeichnete Untergruppe umfassten, die aus der Identität und folgender Operation:

^i = ^1, ^2' = ^2 bestand. Wir schliessen daraus, dass sich unsere Formenprobleme

*) Im Texte haben wir die Galois'sche Theorie als im Wesentlichen bekannt vorausgestellt und nun aus ihr Eigenschaften der Ikosaedergleichung etc. deducirt. Im Gegensatze dazu kann es dem Anfänger nicht genugsam empfohlen werden, die ganze Betrachtungsweise umzukehren, und die Eigenschaften der Ikosaeder- gleichung etc. zu benutzen, um sich aus ihnen, als einem einfachen Beispiele, die allgemeinen Ideen der Galois'schen Theorie zu abstrahiren.

**) Die dabei auftretenden Einheitswurzeln gelten im Texte wiederum als ad- jungirt.

96 I, 4. Ueber den algebraischen Charakter

immer müssen erledigen lassen, indem wir zunächst eine Gleichung mit einer Gruppe von N Vertauschungen auflösen und dann eine Quadratwurzel ziehen. Dies ist nun genau, was wir bereits in § 2 des vorigen Kapitels ausgeführt haben, als es sich um die Reduction der Formenprobleme handelte. Es wird überflüssig sein, noch aus- führlicher bei diesem Gegenstande zu verweilen.

§ 7. Die Auflösung der Gleichungen des Dieders, Tetraeders und

Oktaeders.

Indem wir jetzt dazu übergehen, die in Aussicht gestellten Auf- lösungsformeln für Bieder, Tetraeder und Oktaeder mitzutheilen, be- ginnen wir wieder mit der Betrachtung der Ohtaedergleichung. Wir schreiben sie, wie früher:

Als Wurzel der ersten Hülfsgieichung werden wir sodann eine solche rationale Function von z einführen, welche bei den 12 Tetraeder- substitutionen ungeändert bleibt. Offenbar ist es am einfachsten, hier- für die rechte Seite der zugehörigen Tetraedergleichimg zu wählen. Indem wir dieselbe mit Z^ bezeichnen, haben wir:

(5) ^ = Z,.

Wir wählen ferner als Unbekannte der zweiten Hülfsgleichung, der Vierergruppe entsprechend:

(6) - ^%:f = ^^

und endlich als Unbekannte der dritten Hülfsgleichung die rechte Seite der 'binomischen Formel:

(^) . (ty=

z,.

Die vierte Hülfsgleichung wird dann einfach darauf hinauskommen, aus diesem Z. das -^ = 8 selbst zu berechnen.

Um nun die Hülfsgieichungen, von denen Z^, Z^, Z^ und endlich -^ abhängen, wirklich zu bilden, brauchen wir uns nur zu erinnern,

dass alle rationalen Functionen von z, welche bei den Tetraeder- substitutionen ungeändert bleiben, rational in Z^ sind, dass ebenso alle rationalen Functionen von z, welche bei den Substitutionen der Yierergruppe ungeändert bleiben, rational in Z^ sind, etc. etc. Daher ist (wenn wir noch den Grad der in Betracht kommenden Functionen

unserer Fundamentalaufgaben.. 97

beachten) Z eine rationale Function zweiten Grades von Z^, dieses wieder eine rationale Function dritten Grades von Z^, Z.^ seinerseits eine rationale Function zweiten Grades von Z^, und Z^ selbst, wie schon in (7) angegeben ist, eine rationale Function zweiten Grades von z. Ein Blick auf unsere früheren Formeln genügt, um diese ratio- nalen Functionen wirklich zu bilden. Wir finden der Reihe nach:

(») (Z, - 1)^~ "^'

(10) _i^|^*=^,,

und endlich, wie selbstverständlich:

(11) (ty=^-

jE&cw diese Formeln, in denen wir jetzt Z^, Z^, Z^ und z der Beihe nach als UnheJcannte hetrachten , sind die gesuchten Hülfsgleichungen. Man wolle insbesondere beachten, dass die cubische Hülfsgieichung (9), wie wir es in Aussicht genommen hatten, zu ihrer Auflösung nur einer Cubikwurzel bedarf*).

Die Tetraedergleichung ist mit diesen Formeln ohne Weiteres mit- erledigt. In der That brauchen wir, um sie zu behandeln, die Reihen- folge der Hülfsgleichungen nur mit (9) beginnen zu lassen. Aber auch die allgemeine Diedergleichung : «

(12) —^ '-^ = Z

macht keine Schwierigkeiten mehr; wir brauchen nur, um sie auf eine binomische Gleichung zu reduciren, genau so, wie wir es gerade bei der Vierergruppe thaten,

d«) (t)" = ^.

als neue Unbekannte einzuführen. Wir haben dann für Z^ die quadra- tische Gleichung: (14) _iS_^ = 2

und berechnen hernach -^ aus der binomischen Gleichung (14).

*) Wenn in (9), von den anderen Hülfsgleichungen abweichend, die Irratio- nalität a auftritt, so ist dies das Aequivalent dafür, dass man, um eine cyclische Gleichung 3. Grades auf die binomische Form zu reduciren, wie wir schon soeben bemerkten, in der That immer das « zu Hülfe nehmen muss.

Kl« in, Gleichungen 5. Grades. 7

98 I> 4. Ueber den algebraischen Charakter

§ 8. Die Resolventen fünften Grades der Ikosaedergleichung.

Indem wir uns jetzt zur Ikosaedergleichung wenden, untersuchen wir zunächst und ausführlich die Resolventen fünften Grades. Wir benutzen dabei vorab dieselben Grundsätze, die im vorigen Paragraphen zur Anwendung gelangten. Bei der einzelnen in der Ikosaedergruppe enthaltenen Tetraedergruppe bleiben, wie wir früher entwickelten, dreifach unendlich viele rationale Functionen zwölften Grades von z ungeändert, die sich durch eine beliebige derselben, welche wir r nennen, aber erst später völlig definiren wollen, linear ausdrücken. Indem wir dieses r als Unbekannte einführen, erhält die gesuchte Resolvente fünften Grades die Gestalt:

(15) F{t) = Z,

wo F eine rationale Function fünften Grades mit numerischen Coef- ficienten und Z die rechte Seite der Ikosaedergleichung ist. Es wird sich darum handeln, F zu bestimmen. Dies gelingt natürlich sofort, wenn wir r explicite als Function von -^ aufstellen und übrigens die

linke Seite der Ikosaedergleichung heranziehen. Immerhin ist die Sache etwas complicirter, als bei den Hülfsgieichungen des vorigen Paragraphen, und ich ziehe es daher vor, im folgenden Paragraphen eine Methode zu entwickeln, vermöge deren wir den Werth von F if) bestimmen können, ohne überhaupt auf Formeln in z zu recurriren*).

Neben diese erste Methode, die man die functionentheoretische nennen könnte, stellt sich eine zweite, invariantentheoretische. Dieselbe knüpft an die homogenen Substitutionen von z^, z^ und die zugehörigen, un- verändert bleibenden Formen an; sie bezieht sich also zuvörderst auf das Ikosaederproblem, und wir werden erst nachträglich die aus ihr erhaltenen Resultate in Resolventen der Ikosaedergleichung umsetzen.

Wir haben in § 1 des vorigen Kapitels für jede der dort be- sprochenen homogenen Substitutionsgruppen das volle System der zu- gehörigen, durchaus unveränderlichen Formen zusammengestellt. Bei den 120 Substitutionen der homogenen Ikosaedergruppe sind dies die Formen f, H, T selbst. Dagegen sind es bei den 24 Substitutionen der homogenen Tetraedergruppe die zugehörige OMaederform t, der entsprechende Würfel W, und eine Form zwölften Grades, %} für welche wir aber jetzt f setzen können, welches eine lineare Com- bination von f^ und x ist. Die allgemeinste durchaus ungeändert

*) Ich habe diese Methode in Bd. XII der Annalen, pag. 175, und in Bd. XIV daselbst pag. 141,- 416 ff. (1877—78) wiederholt benutzt, um analog definirte Gleichungen aufzustellen.

unserer Fundamentalanfgaben. 99

bleibende Tetraederform ist also eine beliebige (in den s^, z.^ homogene) ganze Function von i, W und f.

Sei G eine solche Form. Indem wir annehmen, dass dieselbe nicht zugleich bei den Ikosaedersubstitutionen ungeändert bleibt, er- halten wir aus ihr eben vermöge der Ikosaedersubstitutionen 5 ver- schiedene Formen, die wir mit Gq, G^, . . . G^ bezeichnen wollen. Wir bilden uns das Product:

YJiG-G;).

Hier sind die Coefficienten der verschiedenen Potenzen von G sym- metrische Functionen der Gy, d. h. Ikosaeder formen. Daher wird G einer Gleichung fünften Grades genügen: (16) G^ + aG"^ + bG^ + cG^A-dG + e = 0,

in welcher die Coefficienten a, h, . . . ganze Functionen der f, H, T sind. Es gelingt sofort, diese Coefficienten zu berechnen. Denn da wir den Grad der Gy in den z^, z^ kennen, so wissen wir von vorneherein, dass sich a, h, c, . . . nur aus bestimmten Combinationen der f H, T in endlicher Zahl linear zusammensetzen können, und es bedarf dann, um die noch unbekannten numerischen Coefficienten zu bestimmen, nur noch des Vergleichs weniger Glieder in den expliciten Formeln für /", H., T und G.

Um jetzt die Gleichung (16) in eine Resolvente der Ikosaeder- gleichung zu verwandeln, werden wir G mit solchen Potenzen von f, H, T multipliciren , beziehungsweise dividiren, dass eine rationale Function nullten Grades von z^, z^, d. h. eine rationale Function von z resultirt. Wir haben dann einfach diese Function in (16) statt G als Unbekannte einzuführen, worauf sich die Coefficienten a,h, c . . . von selbst in rationale Functionen von Z verwandeln werden.

So viel über die invariantentheoretische Methode*). Um dieselbe durchzuführen, berechne ich in § 10 zunächst die expliciten Werthe von t und W.. Sodann gebe ich in § 11, 12 die fertigen Gleichungen, von denen einerseits t, andererseits eine beliebige lineare Combination von W und tW abhängt, Gleichungen, die sich dann sofort in Re- solventen der Ikosaedergleichung umsetzen lassen. Die erstere dieser Gleichungen ist zumal auch dadurch bemerkenswerth , dass sie (bei freilich ganz anderem Ansätze) schon in den anfänglichen Unter- suchungen Brioschi's über die Auflösung der Gleichungen fünften Grades aufgetreten ist**), wie wir später noch ausführlich zu besprechen

*) Ich gab dieselbe in der hier benutzten Form zuerst in Bd. XII der Mathem. Annalen (1877), pag. 617 ff. daselbst.

**) Siehe Annali di Matematica, ser. 1, t. I (1858).

100 I, 4. Ueber den algebraischen Charakter

haben; die andere wird in unserer Theorie der Hauptgleichungen fünften Grades, die wir in Kapitel II des folgenden Abschnittes ent- wickeln werden, eine wichtige Rolle spielen und mag daher gleich hier als Hauptresölvente bezeichnet sein*). In § 13 erläutere ich dann noch, wie diese neuen Resolventen fünften Grades mit der Resolvente der r (die von der functionentheoretischen Methode geliefert wurde) zusammenhängen, und bestimme endlich in § 14 für sie den Werth des jedesmaligen Differenzenproducts, der, wie wir wissen, in Z rational sein muss.

§ 9. Die Resolvente der r.

Um die Resolvente der r{\b) zu berechnen, spalten wir zuvörderst F{r) in Zähler und Nenner, ziehen auch den besonderen Werth Z=l in Betracht und schreiben also statt (15):

(17) q>{r):i,{r)'.x:{r) = Z:Z-l'.\,

wo (p, tf X ^fötw^e Functionen vom fünften Grade sein werden. Indem wir hiermit die ursprüngliche Ikosaedergleichung zusammenstellen:

H' {0) : - T' (^) : 1728 f' (z) = Z: Z - 1 : 1,

bemerken wir, dass qp = 0, ^ = 0, % = 0 beziehungsweise diejenigen Werthe von r ergeben, welche sich für die 20, 30 und 12 Punkte vonjEr=0, T==0,f = 0 einstellen. Die Betrachtung der Figur ergibt uns dementsprechend gewisse Sätze betreffs der Linearfactoren von tp, i), %.

Zuvörderst ist klar, dass die sämmtlichen Funkte von f=0 bei den 12 Drehungen, die r ungeändert lassen (d. h. bei den 12 Drehungen der zugehörigen Tetraedergruppe) unter einander permutirt werden. Es wird also r für alle Punkte von /" == 0 denselben Werth annehmen. Daher ist % (r) nothwendig die fünfte Potenz eines linearen Ausdrucks. Wir betrachten ferner die 30 Punkte T = 0. Unter ihnen finden sich vor allem die 6 Eckpunkte des zur Tetraedergruppe gehörigen Okta- eders (welches wir soeben durch t bezeichneten). Die übrigen 24 Punkte spalten sich (wie am Modelle ersichtlich) den Tetraederdrehungen gegenüber in zweimal 12, zusammengehörige. Wir scJdiessen daraus, dass -^ (r) einen linearen Factor einfach, zwei andere doppeltzählend enthält.

*) Ich habe die Hauptresolvente zuerst, in allerdings etwas weniger einfacher Form, in Bd. XII der Annalen, pag. 525, mitgetheilt. Implicite liegt dieselbe auch den parallellaufenden Untersuchungen Gordan' s zu Grunde, die wir erst im folgenden Abschnitte ausführlich besprechen werden (siehe insbesondere Bd. XIII der Annalen: üeher die Auflösung der Gleichungen 5. Grades, 1878).

unserer Fundamentalaufgaben. 101

Was diese Multiplicitäteu angeht, so bemerke man, dass ^ (r) = 0, dem Terme T^ {z) der Ikosaedergleichung entsprechend, die in Be- tracht kommenden Pmikte sämmtlich doppeltzählend darstellen muss. Der lineare Factor aber, der in den 6 Qktaederecken verschwindet, wird ohnehin doppelt gleich Null : er darf also in ^ (f) nur einfach zählend enthalten sein. Andererseits werden aus demselben Grunde die beiden anderen Linearfactoren, welche je in 12 verschiedenen Punkten und also nur je einfach verschwinden, in tl) doppelt auftreten müssen. Es stimmt dies damit überein, dass der eine in % (r) vorhandene Linear- factor fünffach zu nehmen ist. Wir betrachten endlich die Punkte (p (r) = 0 oder H = 0. Unter ihnen finden sich, wie wir von früher her wissen, die 8 Ecken des zur Tetraedergruppe gehörigen Würfels W. Dieselben zerlegen sich . der Tetraedergruppe gegenüber in zweimal 4 zusammengeordnete Punkte, deren jeder bei 3 Tetraederdrehuugen fest bleibt. Wir haben überdies noch 12 Punkte von H = 0, welche den 12 Tetraeder drehungen gegenüber eine einzige Gruppe bilden. Daher schliessen wir, dass <p (r) nur drei verschiedene Linearfactoren besitzt, von denen die zwei, welclie W =0 entsprechen, je einfach, der dritte aber im Cubus auftritt.

Fassen wir zusammen, so haben wir ein Resultat erreicht, das sich ausdrückt, indem wir Formel (17) durch folgende ersetzen:

(18) Z:Z— 1:1 = c (r af (r^ ßr -{- y)

:c {r - d) {r^ «r + ^f : c" {r rif,

unter cc, ß, y, ... ., c, c , c" noch unbekannte Constante verstanden. Die Bestimmung dieser Constanten ist nur dann ein determinirtes Problem, wenn wir vorher r in unzweideutiger Weise definirt haben. Es sollte r eine der dreifach unendlich vielen rationalen Functionen zwölften Grades sein, welche bei den Drehungen der Tetraedergruppe

ungeändert bleiben. Wir wollen jetzt insbesondere r = -j- setzen, unter t

(wie schon oben) die zur Tetraedergruppe gehörige Oktaederform ver- standen. Dabei soll t so gewählt sein, dass es, nach Potenzen von Z^ , ^2 geordnet, mit dem Terme -\- z^ anhebt und überhaupt reelle Coefficienten hat*). Dann ist die nächste Folge, dass in (18) c" {r rff

*) Beiden Forderungen kann genügt werden, wie ein Blick auf die Figur zeigt. Denn einmal enthält jedes der 6 beim Ikosaeder auftretenden Oktaeder einen Term mit z\, weil keines einen Eckpunkt in ^2 = ^ ^^*'> '^'^^ andererseits befindet sich unter diesen Oktaedern eines, welches den Meridian der reellen Zahlen zum Symmetriekreise hat.

102 I. 4. üeber den algebraischen Charakter

(weil es nur für r = oo verschwinden soll) gleich C, und also c = c' zu setzen ist, während d verschwindet. Des Weiteren ergibt sich, dass

0= 1728 c zu nehmen ist. Denn für sehr grosse Werthe von -^ reducirt sich -7- unserer Verabredung zufolge in erster Annäherung auf , während Z (wegen der Ikosaedergleichung) durch ^ 5 zu er-

setzen ist. Endlich aber folgt, dass alle Coefficienten in (18) reell sein werden. Wir haben also Formel (18) jet0t so vereinfacht, dass wir scJireihen können:

(19) Z:Z—l:l = {r - ccf (r^ ßr + y)

. y^y2 sr -{- ^y

: 1728, unter a, ß, y, £, t reelle Constanten verstanden.

Nun müssen a, ß, 7, e, ^ in Uebereinstimmung mit dieser Formel jedenfalls so bestimmt werden, dass identisch folgende Rela- tion statt hat:

(20) (r af {f -ßr-{-y)-\- 1728 = r (r^ - £r + tf-

Indem wir diese Identität in zweckmässiger Weise behandeln, erkennen wir, dass mit ihrer Hülfe a, ß, y, s, t vollkommen hestimmt sind. Zu- nächst nämlich haben wir, indem wir in (20) r = 0 setzen:

a^y = 4- 1728. Indem wir sodann (20) nach r differentiiren, finden wir weiter: {r^ af {6r^ - (2a + 4/3) r + {aß + dy))

= (r^ - £r + g) (br^ - 3sr + g), oder, da (r^ sr -\- ^) und (r a)^ nothwendig theilerfremd sind: ÖE = 2a +4j3, 10a = 3«, 5g = + 3y, öa' = g, also (durch Elimination von s, g):

lla = 3iS, 64a2 = 9y und durch Zusammenstellung mit der erstgefundenen Relation:

«5 = 3^ Nun soll aber a reell sein. Somit kommt: a = 3 und hieraus /3= 11, y = 64, E = 10, 2; = 45. Die Resolvente des r lautet also einfach:

(21) Z: Z 1 : 1 = (r 3)3 (r^ llr -f 64)

: r{r^ lOr + 45)^ : 1728.

(e*-

-B) ^ + (f«

-B^

(8^-

- s^)z (s*

-S)

1

(.*-

- «*) ^ + (6

-o

unserer Fundamentalaufgaben. 103

§ 10. Berechnung der Formen t und W.

Wir berechnen jetzt nachträglich die Formen t und W, wodurch wir einerseits dazu gelangen, den Zusammenhang der im vorigen Para- graphen benutzten Grösse r mit dem -^ der Ikosaedergleichung ex-

plicite darzulegen, andererseits die nothwendige Grundlage gewinnen für die invariantentheoretische Methode der Resolventenbildung.

Schon in § 12 des ersten Kapitels bemerkten wir, dass zu der Tetraedergruppe, die wir hier zu betrachten haben, die Drehungen

T, U, TU gehören, denen wir sodann in § 7 des zweiten Kapitels die Sub- stitutionen :

z ==

z ==

(b S*) Z (6* E^)

entsprechend setzten. Wir berechnen für die Punktepaare, welche bei diesen Substitutionen fest bleiben, in homogener Form die folgenden Gleichungen:

z,' ~ 2 (e' -{- a') z,z, -z,'==0,

^X^ + ^2^ = 0,

z,'-2(e +s')z,.^, -^2\=0.

Nun tvird aber das Oktaeder t genau von diesen 3 PunJctepaaren gebildet. Indem wir noch berücksichtigen, dass die Form t den Term -{- z^'^ ent- halten soll, ergibt sich hiernach für letztere:

(22) t {z„ z,) = {z,' + ^2^) (^i' - 2 (5 + e') z,z, - z./)

. (^^2 _ 2 (£2 4- a3) ,^,.^ - z,')

= z,' 4- 2z,^z^ - bz.^z.^ 5^,2^/ - 2^1^/ + z,\

Wollen wir jetzt das zugehörige W berechnen, so kann dies nach unseren früheren Entwickelungen geschehen, indem wir die Sesse'sche Form von t (z^ z^) aufstellen. Wir mögen noch festsetzen, was für die spätere Rechnung bequem ist, dass W (z^, z^) den Term Zj^ enthalten soll. Solchergestalt kommt:

(23) W(z,, z,) = - ^1« + z.'z, - lz,%' - lz,W

+ lz,'z,^ Iz^^z^' - z^ z^ z^^, und wir haben hiermit bereits den nächsten Zweck des gegenwärtigen Paragraphen erledigt.

104 I, 4. Ueber den algebraischen Charakter

Wir unterwerfen die t, W jetzt den Operationen

S^ : 0/ ^ + e^^-z„ z^ = + B^'-z^. So entstehen resp. diejenigen fünf Werthe, welche bei unseren Gleichungen fünften Grades immer gleichzeitig in Betracht kommen, und die wir ty, Wv nennen wollen. Wir finden:

(24) ty (z,, z^) = «3v_g^6 _|_ 2£^^z^^z^ öe'z^^z^^

öe^^^i^V Sf^^^i z^^ + s^^z^^, (25) TT. {z„ z,) = s^^'z,' + E^^z.'z^ Ib^'z^^z^ - Ib'z^^z^

+ Ib^'z^^z^ Ib^'z^z^^ - B^^'Z^ Z^ B^'Z^. Dabei wollen wir ausdrücklich untersuchen, wie sich die fünf U oder Wy bei den 120 homogenen Ikosaedersubstitutionen permutiren. Es geht dies allerdings schon aus der Angabe hervor, die wir in § 8 des ersten Kapitels betreffs der entsprechenden geometrischen Figuren gemacht haben. Aber es scheint doch nützlich, die betreffende Regel auch ex- plicite an unsere jetzigen Formeln anzuknüpfen. Wir haben die 120 homogenen Ikosaedersubstitutionen aus folgenden Formeln durch Wie- derholung und Combination erzeugt:

8: z^ = + B^Zi, z^ = + f^^2j

T'. + )/5 . ^; = - - b'^) z, + (£' - «') ^2; + 1/5 . < = + (£2 - 5') 01 + - b') z,. Indem wir jetzt diese Werthe von 0/, z.^ statt Zy, z^ in die Formen ^, (oder auch die TF,,) einführen, entstehen neue Formen K, deren Zu- sammenhang mit den ursprünglichen tv sich nach kurzer Zwischen- rechnung folgeudermassen ergibt:

^ ^ \ T- t' / /' / /' / f t f' t

Dabei sind in der Formel für S die Indices modulo 5 genommen.

§ 11. Die Resolvente der u. Wir berechnen jetzt zunächst die Gleichung fünften Grades, der unsere ty genügen. Schreiben wir, der Formel (16) entsprechend:

so werden a, &, c, -in z^, z^ beziehungsweise vom 6*®"^, 12*®"", 18**"^, ••• Grade sein. Nun sollen sie zugleich ganze Functionen der f, H, T sein. Daher müssen a und c jedenfalls verschwinden, während h, d, e beziehungsweise zu f, /*^, T proportional sein werden. Unsere Gleichung fünften Grades wird also folgende Gestalt haben:

unserer Fundamentalaiifgaben. 105

WO X, A, f* Zahlenfactoren sind. Zu ihrer Bestimmung tragen wir entweder den Werth von t (22) und die Werthe von f, H, T, wie wir sie früher angaben, in diese Gleichung ein, ordnen nach Z{^^, z^^z^, und verlangen, dass die drei höchsten nicht identisch verschwindenden Terme vermöge geeigneter Werthe der x, A, ft zu Null gemacht wer- den. Oder auch, wir bestimmen in den geeigneten symmetrischen Functionen der U (24) jedesmal den höchsten nicht verschwindenden Term und vergleichen denselben mit dem höchsten Term in f, f^, T. Auf beide Weisen kommt übereinstimmend:

X = 10, A = 45, ft = 1, und unsere Gleichung fünften Grades lautet somit*):

(27) ^^ - 10 f t^ + 45/'-' .t—T=0.

Um jetzt zu einer Resolvente der Ikosaedergleichung übergehen, setzen wir etwa:

(28) u = i^^

(wo jetzt u allein von -^ abhängt). So kommt durch einfaches Ein- tragen:

(29) 48w5 (1- zy - 40^3 (1 - Z) + 16u - 12 = 0.

Ich werde diese Gleichung weiterhin als Resolvente der u bezeichnen.

§ 12. Die Hauptresolvente der Y.

In unseren späteren Untersuchungen über Gleichungen fünften Grades werden solche Gleichungen, in denen die vierte und die dritte Potenz der Unbekannten gleichzeitig fehlen, eine besonders wichtige Rolle spielen. Offenbar gehört zu ihnen die Gleichung fünften Grades, der unsere Wv genügen. Denn es ist identisch: Z TFv == 0, TWv=0, indem es keine Ikosaederformen von den Graden 8 oder 16 gibt. Ge- nau so gehört zu ihnen die Gleichung fünften Grades, die man für die nächsthöhere Tetraederform, t W, aufstellen kann. Denn es ist wie- der identisch (und aus dem entsprechenden Grunde) : Z ty Wv = 0, Z(#v WvY == 0. Aber auch Z(Tfv) {tr Wv) wird, vermöge derselben Ueberlegung, identisch Null sein. Daher werden zu unseren Gleichungen fünften Grades überhaupt diejenigen gehören, deren Wurzeln lineare Com- hinationen der Wv und ty Wv mit constanten Coefficienten sind:

(30) Yv = 6- Wv + ftyWv.

*) Dies ist eben jene Gleichung, welche, wie schon erwähnt, bereits in den ersten Arbeiten von Brioschi auftritt.

106 4. Ueber den algebraischen Chaiakter

Wir stellen uns dementsprechend die Aufgabe, für beliebige Wertbe der 6, X die zugehörige Gleichung fünften Grades auszurechnen. Indem die Einzelheiten der Rechnung keinerlei principielles Interesse darbieten, theile ich hier gleich das Resultat mit. Man findet:

(31) r^+5r2( 8/'2 .(?34- T'G'x-^- 12P'0t'+ fT-x^)

+5 Y (—fH (?*+18f iT- 0'x'-{- HT - 6x^-\-21fn- r*)

Um hieraus eine Resolvente der Ikosaedergleichung herzustellen, recur- riren wir einmal auf die Formel (28) und setzen andererseits:

(32) « = ^^-

Dann können wir Formel (30) folgendermassen schreiben:

(33) Yv = m Vy -{- n ' u^Vv,

■wo . G H X H T

12/" ' lUP

gesetzt ist. Indem wir die hieraus resultirenden Werthe von <?, x in (31) eintragen, erhalten wir:

(34) Z . r^ + bY^Um^-\- 12m'n + -^^^^^3^)

+ 16Y 1^- 4m* + -ye^^y- + IfJZTzr)

+ 3 (48m^ - ^; + ^'(7,1+)?) - 0-

Es ist dies diejenige Resolvente fünften Grades der Ikosaedergleichung, welche wir später als Hauptresolvente bezeichnen werden.

§ 13. Zusammenhang der neuen Resolventen mit der Resolvente der r.

Es gilt jetzt, den Zusammenhang unserer neuen Resolventen mit der Resolvente der r 10) darzulegen.

Zunächst, was die Uebereinstimmung der functionentheoretischen und der invariantentheoretischen Methode angeht, so schreiben wir Gleichung (27) etwa folgendermassen:

(35) T = t(t'' - 10 ff + 45 /•2).

Indem wir hier quadriren, beiderseits durch f^ dividiren und endlich für -j- wieder r schreiben, kommt:

1728 {Z— 1) = r(r^ - lOr + 45)^, eine Gleichung, die in der That mit (21) übereinstimmt. Wir werden ferner

12t P j l2W-f

u = jT^— und V = W~~

durch r rational auszudrücken haben.

unserer Fundamentalaufgaben.

107

Was u angeht, so erreichen wir dies sofort, indem wir für T den Werth (35) eintragen. Wir finden so:

12 (3^) ^* = r^ - lOr + 46 '

Um V entsprechend darzustellen, erinnern wir uns, dass nach den Ent- Wickelungen von § 10 die Punkte -^ = 0 zugleich durch r 3 = 0

TT

dargestellt sind. Es wird also -^ mit ^^ df bis auf einen Zahlen- factor übereinstimmen. Der Vergleich eines beliebigen Terms in der Ent Wickelung nach ^j, ^2 zeigt, dass dieser Factor = -j- 1 ist. Daher kommt ohne Weiteres:

(37) " = 7^-

Tragen wir endlich die Werthe von (36), (37) in (33) ein, so ergibt sich:

12 m(r 3) 144n

(38)

Y.=

(r 3) (r* 10 r + 45) Natürlich würden wir jetzt die Resolvente der ii und die Hauptresol- vente auch berechnen können, indem wir zwischen (21) und (36), be- ziehungsweise (38), das r eliminirten*).

§ 14. lieber die Differenzenproducte der ii und der Y.

Ebenfalls mit Rücksicht auf die späteren Anwendungen berechnen wir jetzt noch die, wie wir wissen, in Z^ rationalen Differenzenproducte der u und der Y. Wir betrachten etwa zunächst das folgende Product:

n

wo die dem Productzeichen beigesetzte Bemerkung bedeuten soll, dass nur diejenigen 10 Factoren ausmultiplicirt werden sollen, bei denen V < v' ist (während gleichzeitig v und v' der Werthe 0, 1, 2, 3, 4 fähig sein sollen). Bekanntlich ist dieses Product gleich der Deter- minante:

1 h

t *

*) Dies ist die Art, vermöge deren Hr. Kiepert die Hauptresolvente abgeleitet hat: Auflösung der Gleichungen fünften Grades (Göttinger Nachrichten vom 6. Juli 1878, Borchardt's Journal Bd. 79).

108

I, 4. Ueber den algebraischen Charakter

Wir multipliciren die letztere jetzt nach dem Determinantenmultipli- cationssatze mit:

11111

1 £ S^ £^ £*

1 £2 . .

1 £3 .

1 £* . .

So entsteht eine neue Determinante mit durchaus reellen und ganz- zahligen Zahlencoefficienten:

(2 (• 7i\

X i C Vy y^ ^ C Vy ^, Cy Vy y^ ^ ty

Vif

V.2

^

£ L

2

2r ,2

C J/y

Dieselbe ist in ^j, ^g '^om 60*^° Grade, sie wird also (als Ikosaeder- form) gleich einer linearen Combination von H^ und f^ sein müssen. Indem wir die Terme, welche z^^^ und z^^'^^./ enthalten, wirMich berechnen, constatiren wir, dass dieselbe = 5'^ H^ (z^, z,^ ist. Daher ist unser ur- sprüngliches Differenzenproduct:

Yl (.*r - t,') = 25 . H^ {z„ B,).

V <v

Nun haben wir aber:

L =

IIP

Daher wird das Differenzenproduct der u^: (39) JJ(m,_m,.) = _ 2^1^^

z

144

{Z- If

In ähnlicher Weise berechne ich das Differenzenproduct der Y^. Indem wir zunächst von (30) ausgehen, finden wir:

jrj(r,-lV)=— 25-/5-If{r2.0io +2^-5 ■l-pT-ö't

''^'' +52-/'(2*^.3*-/*5_^3^^8^2_|_26.33.5Y4 2^.^V

-f2-5/2(2ö.3^.7-/"5-31.^3)0'^T* T(25.3*-7.f-f ll-Ä')öV

2-3^-6-f^{2^'3^-l-f''-13-H^)(S't' 2'ö^-fT(2^'^^-f^-H^)6^t'

-S'-6-f\2'''^'-l-f'-U-H')0^T^ —?>^'b-pT{2^-^''-f-H^)0x^

-(2ß.3*'-ll-r«-3*-7-f ^3^1?«)ri») ,

unserer Fundamentalaufgaben. 109

und, indem wir sodann zu (33) übergehen, ergibt sich die definitive Formel:

(40) /7"(j;-r;') = =^^?^)2«-3*(l— Z)m^» + 28-32.5-7-»w»w

1—Z

2^ 3* 5 (3 . 7 31 Z) »i«w* 2^ . 3^ (3 7 + 2 11 Z) m^n^

(1-

-Z)»

23.

5 (3

•7-

13

■Z)m*n'

' + 2*.

3^ 5 (3 -

-2Z)m'n'

(1-

zr

3*

•5(7-

11

■Z)m

i* + 3

3-5(3-

-2*-Z)

mn^

+

(1-zr

(3''-ll 33.7Z+2«-3'»Z=')w^S

2''(1 Zy )*

§ 15. Die einfachste Resolvente vom sechsten Grade.

Zum Abschlüsse dieses Kapitels und namentlich zu dem Zwecke, um später unsere eigenen Entwickelungen mit den früheren Unter- suchungen anderer Mathematiker in einfache Verbindung zu setzen, betrachten wir nun noch die einfachste Resolvente sechsten Grades der Ikosaedergleichung, und zwar wollen wir zu dem Zwecke sofort die invariantentheoretische Methode benutzen*).

Unter den 6 hier in Betracht kommenden Diedergruppen von jedesmal 10 Drehungen greifen wir diejenige heraus, deren Hauptaxe die beiden Punkte ^ = 0, oo verbindet. Die niedrigste bei den ent- sprechenden homogenen Substitutionen völlig ungeändert bleibende Form ist, wie wir von früher wissen, das Quadrat von ^^^^g- Wi^ werden also zuvörderst die Gleichung sechsten Grades berechnen, der dieses Quadrat oder vielmehr die Grösse:

(41) 9^00 = 5.1^^2^

genügt, wo der Zahlenfactor 5 aus Zweckmässigkeitsgründen beigefügt und dem (p der Index oo ertheilt worden ist, um die Benennungen cpv(y = Oj 1, 2, 3, 4 [mod. 5]) für die entsprechenden Ausdrücke übrig zu haben, welche den übrigen 5 Ikosaederdiagonalen entsprechen. Indem wir die homogenen Ikosaedersubstitutionen, welche TS^ ent- sprechen, auf cp^ in Anwendung bringen, finden wir für diese tpyi

(42) tp, = {a^0,' -f 20,2, - B^-z^'f.

Sei jetzt die Gleichung sechsten Grades, der die tp genügen: -f a>^ -f &>* + c>3 -f d'<p^ + e'<p + f = 0,

*) Man vergl etwa wieder Annalen XII, pag. 517, 518.

110 I, 4. Ueber den algebraischen Charakter

so sind «', h', c', . . . Ikosaederforraen beziehungsweise vom 4**^", 8*®**, 12*^", . . . Grade. Daher folgt sofort, dass a' = &' = iZ' = 0, während c', e' , f, von numerischen Factoren abgesehen, beziehungsweise mit f, H und f^ übereinstimmen müssen. Wir bestimmen diese Factoren in be- kannter Weise, indem wir auf die Werthe von f, H und (p in ;Si, z^ zurückgreifen. So finden wir mit leichter Mühe die folgende Gleichung: (43) g)^—\0f-(p^ + H-(p-{-6P = 0.

Beschäftigen wir uns einen Augenblick mit der Gruppe dieser Gleichung. Dieselbe wird, wie aus unseren früheren Entwickelungen hervorgeht, durch diejenigen 60 Vertauschungen der cp gegeben sein, welche den 120 homogenen Ikosaedersubstitutionen entsprechen (wobei wir nicht vergessen dürfen, dass wir ein für allemal s adjungirt haben). Nun setzen sich die letzteren alle aus den Substitutionen S und T zu- sammen, die wir noch in § 10 wieder namhaft machten. Offenbar bleibt bei S das cp^ ungeändert, während cp^ in cpr + 1 übergeht. Wir können dies in die eine Formel zusammenfassen:

v' ^ V -j- 1 (mod. 5), insofern ja für v = oo das so bestimmte v' ebenfalls oo wird. Anderer- seits wird bei T das <p^ mit cpQ, das (p^ mit (p^, das q)^ mit 9)3 wechsel- weise vertauscht, was durch die eine Formel wiedergegeben wird:

v' ^ (mod. 5).

Aus den beiden so gewonnenen Formeln setzen sich nun, bekannten Lehren der Zahlentheorie zufolge, überhaupt alle Formeln:

"■-^-^4 (-od. 6)

zusammen, bei denen a, ß, y, d ganze Zahlen sind, die der Congruenz (ccd ßy) ^1 (mod. 5) genügen. In der That ist die Zahl dieser Formeln, sofern wir alle solche Werthsysteme a, ß, y, d, welche modulo 5 übereinstimmen oder durch einen gleichförmigen Vorzeichen- wechsel zur Uebereinstimmung gebracht werden, immer nur als eines zählen, gleich 60. Also:

Die Gruppe unserer Gleichung sechsten Grades wird von denjenigen 60 Vertauschungen der Wurzeln (p^ gebildet, welche durch die verschieden- artigen Formeln: (44) ,'^^Zil (mod. 5)

geliefert werden.

Dies ist aber gerade, nach den Untersuchungen von Galois, die- jenige Gruppe, welche der Modul argl eich ung sechster Ordnung für Transformation fünften Grades der elliptischen Functionen zukommt.

unserer Fundamenialanfgaben. 111

Und in der That hat Hr. Kronecker, indem er gelegentliche Andeu- tungen Jacöbi's weiter verfolgte, von den elliptischen Functionen aus- gehend, schon vor langer Zeit, in natürlich anderer Bezeichnungsweise, genau die Gleichung (43) abgeleitet*). Wir werden noch wiederholt und ausführlich auf diesen Umstand zurückkommen.

Um jetzt (43) in eine Resolvente der Ikosaedergleichung zu ver- wandeln, setzen wir etwa:

(45) S = ^i wir erhalten so durch einfache Substitution:

(46) 10 Z' ^3 + 12 Z^ e + 5^2 = 0.

Wir wollen dieses Resultat noch dadurch vervollständigen, dass wir aus ihm eine zweite Resolvente ableiten, deren Wurzel eine solche rationale Function zehnten Grades von 0 ist, wfelche sich bei den 10 Substitutionen der in Betracht kommenden Diedergruppe nicht ändert. Eine solche Function ist beispielsweise:

(47) -1 = ^,

indem nämlich Zähler und Nenner dieses Ausdrucks den in z^, z^ quadratischen Factor j/^) gemein haben. Um die zugehörige Resol- vente zu bilden, schreiben wir (43) in folgender Weise:

(48) _^_^'-ior„-+_6r^

cubiren und dividiren beiderseits durch 1728/"^ So kommt:

_ (r - log + 5)^ 1728g '

oder auch (wenn wir den Werth von {Z 1) in geeigneter Weise

umsetzen):

(49) Z: Z - 1 : 1 = (P _ 101 + 5)^

:(r— 4|-l)2(|2_22|-f-125) : - 17281. Dieselbe Gleichung hätten wir wieder ohne jede Benutzung expliciter Formeln durch functionentheoretische Betrachtung ableiten können**). Ich gebe schliesslich noch die Formel, vermöge deren sich t, (45) durch unser jetziges | rational ausdrückt. Nach (48) ist:

und also:

(60) 5=^iliM^l.

*) Man sehe die Citate im ersten und dritten Kapitel des folgenden Ab- schnittes, man vergl. andererseits §. 8 des hier folgenden Kapitels.

**) Vergl. Mathematische Annalen XIV, pag. 143 (Formel (19) daselbst).

112 I, 4. üeber den algebraischen Charakter unserer Fundamentalaufgaben.

§ 16. Schlussbemerkung.

Die Entwickelungen der letzten Paragraphen nehmen mehrfach auf die Anwendungen Bezug, welche von ihnen im zweiten hier folgen- den Abschnitte gemacht werden sollen. Es ist hiermit bereits ange- deutet, dass die Betrachtungen des gegenwärtigen Kapitels für unseren weiteren Gedankengang von der massgebendsten Bedeutung sein wer- den. Sei es gestattet, dies noch genauer zu präcisiren.

Wir sahen bereits im dritten Kapitel des gegenwärtigen Ab- schnitts, dass man die Auflösung unserer Fundamentalgleichungen functionentheoretisch als Verallgemeinerung der elementaren Aufgabe betrachten kann: aus einer Grösse Z die n^ Wurzel m ziehen. Die algebraischen üeberlegungen des gegenwärtigen Kapitels haben uns dann freilich gezeigt, dass die Irrationalitäten, welche durch die Gleichungen des Dieders, Tetraeders und Oktaeders eingeführt werden, durch wiederholtes Wurzelziehen berechnet werden können. Die ITco- saederirrationdlität dagegen hat ihre selbständige Bedeutung behalten. Hier- nach erscheint eine Erweiterung der gewöhnlichen Gleichungstheorie indicirt. Man beschränkt sich in letzterer gewöhnlich darauf, diejenigen Probleme zu untersuchen, welche sich durch wiederholtes Wurzelziehen erledigen lassen. Wir werden jetzt als weitere, durchführbare Operation die Auflösung der Ikosaedergleichung adjungiren und fragen, ob unter den Aufgaben, die sich durch Wurzelziehen allein nicht erledigen lassen, nicht solche sein mögen, bei denen dies mit Hülfe der Ihosaederirrationa- lität gelingt.

In diesem Sinne nun behandelt der zweite Abschnitt unserer Darstellung das allgemeine Problem der Auflösung der Gleichungen fünften Grades. Der Versuch, diese Auflösung mit Hülfe der Iko- saedergleichung zu bewerkstelligen, erscheint um so naturgemässer, als die Gruppe der Gleichungen fünften Grades nach Adjunction der Quadratwurzel aus der Discriminante mit der Gruppe der Ikosaeder- gleichung holoedrisch isomorph ist, und als wir in den vorhin auf- gestellten Resolventen fünften Grades der Ikosaedergleichung ebenso viele specielle Gleichungen fünften Grades haben, deren Beziehung zur Ikosaedergleichung von vorneherein feststeht.

Fünftes Kapitel. Allgemeine Theoreme nnd Gesichtspunkte.

§ 1. Würdigung des bisherigen Gedankengangs, Verallgemeinerungen.

Nachdem wir jetzt im dritten und vierten Kapitel die wesentlichen Eigenschaften unserer Fundamentalaufgaben studirt haben, werden wir fragen, worin die merkwürdige Einfachheit derselben, die sich überall bewährt hat, in letzter Ursache begründet sei. Hierüber kann, wie ich glaube, kein Zweifel sein: es ist die Eigenschaft dieser Probleme, dass immer aus einer ihrer Lösungen alle anderen durch a priori bekannte lineare Substitutioneti hervorgehen. Der geometrische Apparat, von dem wir in den Entwickelungen des ersten und zweiten Kapitels ausgegangen sind, hat gedient, um zu unseren Problemen hinzuführen und ihre ersten Eigenschaften zu veranschaulichen: nun er uns dieses geleistet hat, können wir ihn in der Folge bei Seite lassen*). Indem wir uns diese Auffassung bilden, werden wir naturgemäss fragen, ob nicht auch andere Gleichungen oder Gleichungssysteme existiren mögen, welche in jenem wesentlichsten Punkte mit unseren Fundamentalaufgaben übereinstimmen?

Wir suchen also zuvörderst, so weit es möglich ist, nach neuen endlichen Gruppen linearer Substitutionen einer Veränderlichen 2 (oder zweier homogener Veränderlicher 0^^, z^. Aber wir werden sofort zeigen 2), dass alle solche Gruppen auf die uns bereits bekannten zurückkommen. Wenn wir also unsere Fragestellung in der erwähn- ten, nächstliegenden Weise auffassen, so sind die bisher behandelten Gleichungen und Gleichungssysteme die einzigen ihrer Art. Es ist dies ein Resultat, welches geeignet ist, unseren bisherigen Betrach- tungen, die bei ihrer inductiven Form zuvörderst auf kein fest um- grenztes Ziel loszusteuern schienen, einen gewissen absoluten Werth beizulegen. In der That sehen wir, dass unsere Fundamentalgleichungen bei zahlreichen mathematischen Untersuchungen der letzten Jahre immer

*) Es soll dies nur ad hoc und dann ferner für die Entwickelungen des zweiten hier folgenden Abschnittes gelten. Für die genauere Durchführung der im Texte in Aussicht genommenen Verallgemeinerungen ist eine anschauungsmässige Deutung, jedenfalls sobald es sich um transcendente Functionen handelt, zur Zeit durchaus unentbehrlich, wie wir denn auch in §. 6 des gegenwärtigen Kapitels sozusagen unwillkürlich auf geometrische Erläuterungen zurückfallen.

Klein, Gleichungen 5. Grades. 8

114 I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte.

als eine besonders bemerk enswerthe, geschlossene Gruppe auftreten. In dieser Hinsieht werde ich in § 3 des Folgenden die einfachen Ent- wickelungen erbringen, vermöge deren man zeigt, dass sich mit Hülfe unserer Fundamentalgleichungen alle linearen, homogenen Differential- gleichungen zweiter Ordnung mit rationalen Coefficienten, welche durcJiaus algebraische Integrale haben, mit leichter Mühe aufstellen lassen. Uebrigens aber verweise ich, was die analoge Bedeutung unserer Fundamental- gleichungen für die linearen, homogenen Differentialgleichungen w*" Ordnung mit rationalen Coefficienten angeht, auf die bereits genannte Abhandlung von Halphen*)-^ was ferner die Rolle betrifft, die unsere Fundamentalgleichungen in der Theorie der elliptischen Modulfunctionen und dementsprechend in der zahlentheoretischen Unter- suchung der binären quadratischen Formen spielen, auf meine eigenen Untersuchungen**) und diejenigen von Hrn. Gierster***).

Inzwischen können wir unsere Fragestellung in doppeltem Sinne verallgemeinern.

Einmal werden wir an Stelle der Variabelen 0^, z^ eine grössere Zahl homogener Veränderlicher: z^, b^ Zn in Betracht ziehen und nach den endlichen Gruppen linearer Substitutionen fragen können, die bei ihnen bestehen mögen. Ich will dies sogleich (in § 4, 5) noch näher ausführen und hier nur hervorheben, dass in Folge der dabei zu Tage tretenden Gesichtspunkte die Entwickelungen des zweiten hier folgenden Abschnitts als einzelner Beitrag zu einer allgemeinen Theorie erscheinen, welche die gesammte Gleichungstheorie in sich befasst.

Unsere zweite Verallgemeinerung geht nach anderer Richtung:

wir werden an der einen Veränderlichen z == - festhalten, dafür aber

unendliche Gruppen linearer Substitutionen in Betracht zieJien. Hier öffnet sich jenes grosse Gebiet der eindeutigen transcendenten Functionen mit linearen Transformationen in sich selbst, auf welche neuerdings von ver- schiedenen Seiten her, und insbesondere durch Hrn. Poincare', die all- gemeine Aufmerksamkeit gelenkt worden istf). Ich kann auf die hier

*) Sur la reduction des equations differentielles lineaires aux formes inUgrdbles, Me'moires presentös etc. XXVIII, 1. (1880-83).

**) Vergl. insbesondere Bd. XIV der Mathematischen Annalen, pag. 148—160 (1878).

***) lieber Melationen zwischen Classenzahlen hinärer quadratischer Formen von negativer Determinante , Erste Note (Göttinger Nachrichten vom 4. Juni 1879, oder auch Math. Annalen Bd. XVII, pag. 71 ff.).

f ) Man vergleiche die zahlreichen Mittheilungen von Poincare in den Comptes Rendus de l'Academie des Sciences, sowie seine Abhandlungen in Bd. XIX der Mathem.

I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspmikte. 115

sich ansschliessenden Fragen in den folgenden Paragraphen natürlich in keiner Weise genauer eingehen. Meine Darstellung soll nur so weit führen, dass die Stellung der einfachsten Functionsclasse unter den übrigen, nämlich der elliptischen Modulfunctionen, klar begriffen wird. Es knüpft sich daran der Nachweis 7, 8), dass die Gleichungen des Tetraeders, Oktaeders und Ikosaeders sich in ähnlicher Weise durch elliptische Modulfunctionen lösen lassen, wie etwa eine binomische Gleichung durch Logarithmen, eine cubische Gleichung (und auch die allgemeine Gleichung des Dieders) durch trigonometrische Functionen, und diesen Nachweis wollte ich in seinen allgemeinen Zügen bringen, weil er einen derjenigen Punkte bezeichnet, auf welche sich in der Theorie der Gleichungen, und insbesondere der Gleichungen fünften Grades, das Interesse der Mathematiker nachhaltig con- centrirt hat.

Offenbar können wir die beiden hiermit angedeuteten Verall- gemeinerungen auch verbinden: wir können transcendente Functionen mehrerer Variabler mit unendlich vielen linearen Transformationen in sich selbst studiren*). Aber wichtiger sind für uns hier wohl die Betrachtungen, die ich in § 9 entwickele, denen zufolge zwischen den beiderlei Verallgemeinerungen überhaupt kein durchgreifender Unter- schied besteht. Hierdurch werden die Perspectiven, zu denen in § 5 bereits die Betrachtung der endlichen Gruppen geführt hat, so zu sagen ins Unbegrenzte erweitert.

§ 2. Bestimmung aller endlichen Gruppen linearer Substitutionen

einer Veränderlichen.

Die Aufgabe, alle möglichen endlichen Gruppen linearer Sub- stitutionen einer Veränderlichen zu bestimmen, ist auf verschiedene Weisen behandelt werden. An meine anfängliche geometrische Me- thode**) schliesst sich die analytische des Hrn. Gordan***) , sodann

Aimalen und in den Bänden 1 und 2 der Acta Mathematica (1881 1883). Ueberdies wolle man meinen Aufsatz in Bd. XXI der Mathematischen Annalen (1882) zu Rathe ziehen: Neue Beiträge zur Riemann' sehen Functionentheorie ; es ist dort namentlich auch die Literatur des Gegenstandes ausführlich angegeben und be- sprochen,

*) In dieser Richtung bewegen sich die neuesten Untersuchungen von Hrn. Picard, man vergl. Comptes Rendus . . . 1882, 83, sowie Acta Mathematica Bd. I, II. **) Sitzungsberichte der Erlanger physikalisch-medicinischen Gesellschaft vom Juli 1874, Mathematische Annalen, Bd. 9 (1875).

***) lieber endliche Gruppen linearer Substitutionen einer Veränderlichen, Math. Annalen Bd. XII (1877).

8*

116 I;, 5. Allgemeine Theoreme und Gresichtspunkte.

der allgemeine Ansatz von Hrn. C. Jordan*), vermöge dessen Letzterer in der Lage ist, auch bei grösserer Variablenzahl die entsprechende Fragestellung zu erledigen. Ich werde hier eine functionentheoretische Betrachtungsweise benutzen, welche ich bereits bei Gelegenheit an- deutete**). Dieselbe geht darauf aus, sofort die Gleichungen in Be- tracht zu ziehen, deren Wurzeln durch die Substitutionen der Gruppe in einander transformirt werden, worauf sich mit leichter Mühe zeigen lässt, dass diese Gleichungen im Wesentlichen auf die bisher untersuchten Fundamentalgleichungen zurückkommen. Der Gedanken- gang, den Hr. Halphen neuerdings zu gleichem Zwecke eingeschlagen hat***), ist von dem hier gegebenen nicht wesentlich verschieden. Uebrigens ist eine Bestimmung aller endlichen Gruppen linearer Sub- stitutionen einer Veränderlichen implicite auch in den Untersuchungen von Hrn. Fuchs über algebraisch integrirbare lineare Differential- gleichungen zweiter Ordnung enthaltenf), Untersuchungen, die wir schon mehrfach in Kap. H und HI citirten, und auf welche wir im folgenden Paragraphen wieder Bezug nehmen werden. Man kann sagen, dass diese Arbeiten von Hrn. Fuchs sich dadurch von den meinigen unterscheiden, dass er gleich anfangs den formentheoretischen Stand- punkt hervorkehrt, während ich mit functionentheoretischen Betrach- tungen beginne. Es seien

^0 {X) = X, t^i {X), 11^2 {X), tN- 1 (^)

die N linearen Functionen, welche, gleich x' gesetzt, eine endliche Gruppe von N linearen Substitutionen der Variabelen x vorstellen. Es seien ferner a, h irgend zwei Grössen, in der Art ausgewählt, dass keiner der Ausdrücke ij: (a) gleich &, oder, was dasselbe ist, keiner der Ausdrücke tfj (b) gleich a ist. Wir bilden uns dann die Gleichung:

.So haben wir offenbar eine Gleichung JV*^" Grades, welche bei den N Substitutionen unserer Gruppe ungeändert bleibt, und deren N, einem beliebigen Werth von X entsprechende Wurzeln daher jedesmal aus einer derselben durch unsere iV^ Substitutionen hervorgehen. In der

*) Memoire sur les equations differentielles lineaires ä integrale algebrique, Borchardt's Journal Bd. 84 (1878), sowie: Sur la determination des groupes d' ordre fini contenus dans le groupe lineaire, Atti della Reale Accademia di Napoli (1880). **) Math. Annalen Bd. 14, pag. 149—150 (1878). ***) Siehe das Citat auf p. 114. t) Göttinger Nachrichten vom August 1875, Borchardt's Journal Band 81, 85 (1875, 77).

I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte. 117

That, wenn wir in (1) statt x irgend ein ^ {x) substituiren, so ist, weil die ^ nach Voraussetzung eine Gruppe bilden, der Erfolg nur der, dass die Factoren im Zähler und ebenso die Factoren im Nenner der linken Seite von (1) in gewisser Weise unter einander permutirt werden. Unsere Behauptung soll nun diese sein: dass wir die Gleichung (1) einfdch dadurch in eine der hisher von uns betrachteten Fundamental- gleichungen werden überführen können, dass wir statt x, X geeignete lineare Functionen von x und X substituiren:

^ yx -{- 8 ' cX + d'

Zum Beweise fragen wir zunächst, für welche Werthe von X die Gleichung (1) mehrfache Wurzeln besitzen mag. Sicher ist, dass, wenn für einen Werth von X einmal v Wurzeln x zusammenfallen, dass dann alle zugehörigen Wurzeln x zu je v coincidiren. Es folgt dies aus der Betrachtung der Substitutionen ^ genau so, wie wir dasselbe Theorem im ersten Kapitel hinsichtlich der Rotationsgruppen und solcher Kugelpunkte, die bei einigen Rotationen fest bleiben, bewiesen haben. Wir wollen jetzt annehmen, dass den Wertheu X= Xj, X^, . . . . in dem hiermit erläuterten Sinne lauter v^ -fache, Vg'f^'Che, . . . Wurzeln entsprechen mögen. Nach den Erläuterungen des § 4 unseres dritten Kapitels haben wir dann für die Functionaldeterminante (2 N 2)'^" Grades, welche sich aus Zähler und Nenner der linken Seite von (1) berechnet [nachdem man beide, durch Multipliciren mit den Nennern

N der tlf, in ganze Functionen von x verwandelt hat], Wurzeln von

N der Multiplicität (v^ 1), Wurzeln von der Multiplicität (vg 1), etc.

Daher ist:

^^(v,-l) = 2N-2,

oder, anders geschrieben:

Unsere Methode wird jetzt vorab die sein, dass tvir diese Gleichung als eine diophantische Gleichung für die ganzen Zahleti vi, N betrachten und sämmtliche Lösungssysteme derselben aufsuchen.

Das Letztere geschieht in äusserst einfacher Weise. Wir consta- tiren zunächst, dass die Anzahl der v,- nicht kleiner als 2 und nicht grösser als 3 sein kann (insofern wir N, wie selbstverständlich, > 1 nehmen). Wäre nämlich die Anzahl der v, gleich 1, so wäre die linke Seite von (3) < 1, während die rechte für ^> 1 grösser oder gleich 1 ist. Wäre aber die Anzahl der Vi ^ 4, so würde die linke Seite von

118 I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte.

(2) ^2 sein, weil jeder Summand (l j selber > -^ i^^j ^^^ ^^^

wäre nicht minder ein Widerspruch.

Wir nehmen jetzt erstens die Zahl der Vi gleich 2, schreiben also statt (2) einfach:

oder:

-1 + -L = A,

Nun kann, wie selbstverständlich, keines der Vi'> N sein; es ist also

>-^- Wir schliessen hiernach, dass im vorliegenden Falle

und beide gleich -^f sein müssen. Also kommt:

f2 O iV

(3) v,=v, = N,-

wo N leliehig ist, und dies ist unser erstes Lösungssystem.

Nehmen wir ferner die Zahl der v, gleich 3 und setzen also statt (2) die Gleichung:

w i + i + i=i + 4-

So sage ich zuvörderst: Mindestens eines der Vi muss gleich 2 sein. Wäre nämlich jedes der drei Vi ^ 3, so würde die linke Seite von (4) ^ 1 werden, was unmöglich ist. Wir setzen also etwa v^ = 2. So bleibt:

-L 4- J- = 1 -J- -1-

Es ist nun möglich, dass noch ein zweites v, sagen wir v^, gleich 2 ist. Wir finden dann:

1 2

Hiermit haben wir unser zweites Lösungssystem, das tvir folgendermassen bezeichnen wollen, unier n eine beliebige Zahl verstanden:

- (5) N = 2n, v^ =^2, v^ = 2, Vg == n.

Ist aber keine der beiden Zahlen v^, v^ gleich 2, so muss mindestens

eine derselben gleich 3 sein. Denn anderenfalls wäre 1 "^ .

während es doch > -— sein soll. Demnach setzen wir v.^ = 3. So bleibt:

Es ist also jedenfalls v^ < 6. Dagegen können wir nach Belieben Vg = 3, 4, 5 wählen. Wir bekommen dementsprechend N = 12, 24, 60, womit jedesmal alle unsere Bedingungen befriedigt sind. Es gibt also

I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte. 119

noch drei weitere Lösimgssysteme, die wir in folgender Tabelle zusammen- stellen :

N = 12, Vj = 2, ^2 = 3> ^3 = ^j (6) J^= 24, V, ^2,v, = 3, V, = 4;

N = 60, Vj = 2, Vg = ^7 ^3 = ^* Die fünferlei so gefundenen Lösungssysteme entsprechen, wie man sofort sieht, genau unseren 5 Fundamentalgleichungen: der binomischen Gleichung, der Gleichung des Dieders, Tetraeders, Oktaeders und Iko- saeders. Wir werden jetzt zeigen, dass wir unsere Gleichung (1), je nach dem Lösungssysteme (3) oder (5) oder (6), das wir unserer diophantischen Gleichung heilten wollen, in der That auf dem in Aussicht genommenen Wege in die jedesmal entsprechende Fundamentalgleichung überführen können.

Nehmen wir den Fall (3) vorweg. Statt X mögen wir bei ihm

einführen. Wir haben dann für Z =^ 0 und für Z = oo je eine iV^-fache Wurzel cc. Unsere Gleichung (1) lässt sich also folgendermassen schreiben:

\x x,^) '

und hier haben wir nur noch:

zu setzen, um die binomische Gleichung:

z'' = Z vor uns zu haben.

In den anderen vier Fällen wollen wir

X Xg Xj Xg

z =

Ji. Xo X.

wählen, so dass für Z =0 lauter Vg'f^che, für Z = oo lauter v^-fache, für Z = \ lauter v^-fache, d. h. doppelte Wurzeln sich einstellen. In- dem wir mit <t>j, Og? *^3 geeignete ganze Functionen von x bezeichnen, nimmt unsere Gleichung (1) dann folgende Gestalt an:

Z:Z— 1:1= <t>l^{x): O^« (x) : Oi;» (x),

wo wir für v^, v^, v.^ eines unserer Lösungssysteme eingetragen denken müssen. Hiermit combiniren wir jetzt die entsprechende Fundamental- gleichung, der wir früher die Gestalt ertheilt hatten:

Z:Z- \ :l=cF;-{z): c F\^ {z) : Fl' (z).

120 I> 5- Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte.

Unsere Behauptung wird bewiesen sein, wenn wir zeigen, dass in Folge dieser zweierlei Gleichungen z eine lineare Function von x ist:

aa; + ß

Zu dem Zwecke erinnern wir uns der Differentialgleichung dritter Ord- nung, die wir früher für z als Function von Z aufgestellt haben (siehe § 8 des 3. Kapitels):

L'^J^ 2»'i^(Z—l)'-' ~T~ 21-2 2.2^2 -r 2(Z— 1)Z

Indem wir die Beweisgründe durchgehen, die wir bei Aufstellung dieser Gleichung benutzten, erkennen wir, dass x in Bezug auf Z jeweils der- selben Differentialgleichung genügt. Nun sind, wie wir wissen, alle Lösungen einer solchen Differentialgleichung lineare Functionen einer beliebigen Farticularlösung, Daher ist auch z lineare Function von x, was zu beweisen war.

Wir wollen das hiermit gewonnene Resultat noch genauer zu- sammenfassen. Es handelte sich darum, alle endlichen Gruppen linearer Substitutionen:

x' = ^i{x), *- = 0, 1, . . . . (N-V), aufzusuchen. Wir erkennen jetzt, dass wir dieselben alle gewinnen, indem wir die endlichen Gruppen, die wir in § 7 des zweiten Kapitels zusammenstellten, als Ausgangspunkt wählen und nun in die damals gegebenen Formeln statt z ein beliebiges x durch die Gleichung

z = ^-^ einführen, worauf natürlich z' in entsprechender Weise

durch x' = -, ersetzt werden muss.

yz a

§ 3. Algebraisch integrirbare lineare, homogene Differentialgleichungen

der zweiten Ordnung.

Wie wir in § 1 in Aussicht nahmen, beschäftigen wir uns jetzt, mit Unterbrechung unseres allgemeinen Gedankenganges, mit der Auf- gabe: alle linearen homogenen Differentialgleichungen zweiter Ordnung mit rationalen Coefficienten anzugehen:

welche durchaus algebraische Lösungen besitzen. In der That erledigt sich diese Aufgabe unter Zugrundelegung derjenigen Entwickelungen, die wir im dritten Kapitel hinsichtlich der linearen Differential- gleichungen zweiter Ordnung ohnehin erbracht haben, nunmehr so ein- fach, dass es unrichtig scheinen würde, sie hier bei Seite zu lassen.

1, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte. 121

Wir ersetzen zunächst, wie wir es im dritten Kapitel thaten 7 daselbst), die Differentialgleichung (7) durch diejenige Differential- gleichung dritter Ordnung;

(8) \ri\z = Y~ - T (-?-) = 2^ - |P^ - / = ^ iZ),

von welcher der Quotient ri zweier beliebiger Particularlösungen y^, y^ von (7) abhängt. Offenbar ist i^ algebraisch, wenn y^ und 1/2 ^s sind. Erinnern wir uns nun der Formeln (Kap. II, Glch. (33)):

Y n

jpdZ 2/l = -^ ^21

so sehen wir, dass wir dann, aber auch nur dann den Rückschluss machen können, wenn JpdZ der Logarithmus einer algebraischen Function ist*). Es ist dies eine erste, dem Coefßcienten p aufzuerlegende Bedingung. Indem wir dieselbe in der Folge als erfüllt ansehen, können wir überhaupt die Gleichungen (7) bei Seite lassen und haben nur noch die Aufgabe, alle algebraisch integrirbaren Gleichungen (8) auf- zustellen, wobei r (Z) eine unbekannte, aber jedenfalls rationale Function bezeichnet. Diese Aufgabe behandeln wir dann in der Weise, dass wir zuvörderst alle algebraischen Integralgleichungen angeben, welche differentiirt zu Differentialgleichungen dritter Ordnung der ge- suchten Art hinleiten-, die Aufstellung der Differentialgleichungen selbst wird dann hinterher mit grosser Leichtigkeit erfolgen.

Die Function 1^ {Z) wird als algebraische Function von Z in der Ebene Z eine endliche Anzahl von Verzweigungspunkten besitzen; wir wollen dieselben in der Art durch ein Netz von Querschnitten verbinden, dass die Ebene Z eine einzige zusammenhängende Randcurve bekommt. In der so zerschnittenen Ebene construiren wir uns dann zunächst einen ersten, nothwendig überall eindeutigen Functionszweig rj^, welcher der Differentialgleichung (8) genügt. Der allgemeinste Functionszweig, wel- cher (8) befriedigt, wird, wegen der Grundeigenschaft des Differentialaus- drucks [r}\z, eine lineare Function dieses i^^ sein. So oft wir daher rj^^ über einen der Querschnitte hinüber fortsetzen, erfährt es eine (natür- lich nur von dem Querschnitte abhängige) lineare Substitution. Wir erhalten also, indem wir in irgendwelcher Combination oder Wieder- holung alle möglichen Querschnitte überschreiten, für unser tJq eine Gruppe linearer Substitutionen. Nun soll, verlangen wir, tjq von Z algebraisch abhängen. Daher muss die Anzahl der Functionszweige,

*) Da p rational sein soll, so können wir ebensowohl sagen: j pdZ soll der Logarithmus einer rationalen Function sein.

122 I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte.

welche aus yjq beim üeberschreiten der Querschnitte entstehen, und somit auch die Zahl der linearen Substitutionen, welche -j^^ erfährt, endlich sein. Wir kommen also unmittelbar auf die Fragestellung des vorigen Paragraphen zurück und können das Resultat desselben sofort in folgender Form aussprechen:

Soll rjQ in Z algebraisch sein, so gibt es eine lineare Function z von % ,

für welche entweder 0^ oder eine der anderen Fundamentalfunctionen c -^—

^3 ' beim Üeberschreiten beliebiger Querschnitte der Z-Ebene ungeändert bleibt.

Dieses 2 ist natürlich selbst eine Lösung von (8). Andererseits wird der ungeändert bleibende Ausdruck, weil er eine algebraische Function von Z sein soll, eine rationale Function von Z sein müssen. Daher haben wir:

Soll Gleichung (8) algebraisch integrirbar sein, so muss sich bei geeig- neter Auswahl der Farticularlösung z die Integralgleichung in einer der 5 Formen schreiben:

(10) z-' = R{Z), cSM. = M{Z),

unter B (Z) eine rationale Function von Z verstanden.

Wir leiten nun umgekehrt aus einer beliebigen der Gleichungen (10) den Werth von [z]z ab. Wir schreiben zu dem Zwecke einen Augenblick:

^^=Zi, bez. c^^ = Zi;

so ist nach unseren früheren Untersuchungen:

m^i 2JV''- Zi^' ^^^'~ 2v,^{Z, iy^2v^^-Z,^^ 2iZ, l)Z, Nun fanden wir andererseits in § 6 des dritten Kapitels die allge- meine Formel:

Indem wir hier für Zi seinen Werth R (Z) eintragen, gewinnen wir die folgenden Differentialgleichungen, denen rj = 2 genügt:

( [rih = ^^rR''-\-[R]z,

(11)

( J_ + J__J__i

) ..2 1 -.2 i -. 2 1^ ,. 2 -.2

[nh = R •[^v(^"^i? + 2v^^^ 2iB-i)B J + I^-^J^-

Offenbar subsumiren sich diese Differentialgleichungen unter die Formel (8), indem auch bei ihnen rechter Hand eine rationale Function von Z steht. Daher schliessen wir, dass die in Formel (10) eingeführte ratio- nale Function B is) überhaupt jede beliebige rationale Function sein darf,

I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte, 123

und dass in diesem Sinne die Gleichungen (11), denen als jparticuläre Integrale die Gleichungen (10) entsprechen, die allgemeinsten von uns ge- suchten Differentialgleichungen sind. Hiermit aber ist die Aufgabe, welche wir zu Anfang dieses Paragraphen formulirten, vollständig erledigt*).

§ 4. Endliche Gruppen linearer Substitutionen bei grösserer

Variablenzahl.

Indem ich mich jetzt zu der ersten in § 1 in Aussicht genommenen Verallgemeinerung wende, ist meine Absicht keineswegs, Beispiele von endlichen Gruppen linearer Substitutionen bei grösserer Variablenzahl mitzutheilen**), oder sonst betreffs dieser Gruppen in irgend welche Einzelheiten einzugehen. Vielmehr soll es sich nur darum handeln, in allgemeinen Zügen zu schildern, wie sich einer jeden solchen Gruppe entsprechend Fundamentalaufgaben formuliren lassen.

Sei unsere Gruppe zunächst in homogener Form geschrieben. Dann wird es gewisse gan^e Functionen der Variabelen 0q, 0^, . . . 0n i (Formen) geben, welche bei den Substitutionen der Gruppe sich nicht ändern. Wir werden suchen, das volle System dieser Formen aufzu- stellen, d. h. diejenigen Formen:

Fl, F^, Fp,

durch welche sich alle anderen durchaus invarianten Formen als ganze Functionen ausdrücken lassen. Zwischen denselben werden gewisse Identi- täten bestehen müssen, die wir sämmtlich berechnen. Wir denken uns jetzt

*) Nachdem Hr. Schwarz in der wiederholt genannten Abhandlung im 75. Bande von Borchardt's Journal (1872) für die DiflPerentialgleichung der hypergeometrischen Reihe alle Fälle aufgesucht hatte, welche algebraisch integrirbar sind, wurde die Frage nach den allgemeinsten algebraisch integrirbaren linearen Differential- gleichungen zweiter Ordnung mit rationalen Coefficienten in den soeben genannten Aufsätzen zuerst von Hrn. Fuchs in Angriff genommen (1875—78). Anknüpfend an die erste seiner Mittheilungen gab ich in den Sitzungsberichteji der Erlanger Societät vom Juni 1876 (siehe auch Math. Ann. Bd. 11) das nun im Texte abge- leitete einfache Resultat. Man vergleiche hierzu noch Brioschi: La theorie des formes dans Integration des equations differentielles lineaires du second ordre, im 11. Bande der Math. Ann. (1876), sowie meinen zweiten Aufsatz: lieber lineare Differentialgleichungen, im 12. Bande daselbst (1877). Weitergehende Fragen, die sich ebenfalls auf lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung beziehen, be- handelt mit derselben Methode Hr. Picard (Sur certaines eguations differentielles lineaires, Comptes Rendus de TAcad^mie des Sciences, t. 90 (1880)). Halphen's Untersuchungen über Differentialgleichungen höherer Ordnung wurden bereits soeben genannt.

**) Wegen solcher Beispiele siehe die bereits genannten Arbeiten von C. Jordan, sowie meine Aufsätze in den Mathem. Annalen Bd. 4, pag. 346 ff., Bd. 15, pag. 251 ff'. Ein besonderer Fall wird im dritten Kapitel des folgenden Abschnitts zu behandeln sein.

124 I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte..

die Zahlenwerthe der F, in Uebereinstimmung mit diesen Identitäten, aber sonst irgendwie gegeben. Dann haben wir das Formenprohlem, welches unserer Gruppe entspricht, indem wir verlangen, aus diesen Zahlen- werthen die zugehörigen ^f^? ^i? •• ^n i zu berechnen. Das Formen- problem hat so viele Lösungssysteme, als die vorgegebene Gruppe Operationen umfasst, und gehen alle diese Lösungssysteme aus einem beliebigen derselben durch die Operationen der Gruppe hervor.

Neben diese formentheoretische Auffassung stellt sich die andere, welche nur die Verhältnisse der 0^, 0^, . . . 1 in Betracht zieht, also mit (n 1) absoluten Variablen und gebrochenen linearen Substi- tutionen arbeitet. Statt der Formen F^, F^, - . . werden wir jetzt gewisse rationale Functionen Z^, Z^, . . . in Betracht zu ziehen haben, die sich aus den F oder auch aus solchen Formen, welche sich bei den homogenen Substitutionen um einen Factor ändern als Quo- tienten nullter Dimension zusammensetzen, und die so ausgewählt werden müssen, dass alle anderen ungeändert bleibenden rationalen Functionen sich aus ihnen rational zusammensetzen. Indem wir so- dann noch alle zwischen diesen Z bestehenden Identitäten aufsuchen, denken wir uns die Zahlenwerthe der Z in Uebereinstimmung mit diesen Identitäten, oder sonst irgendwie gegeben. Wir verlangen, aus ihnen die Verhältnisse der 0 zu berechnen. So haben wir, was ich allgemein als das zu der Gruppe gehörige Gleichungssystem benennen will. Das Gleichungssystem hat in Bezug auf die nicht homogenen Substitutionen der Gruppe ganz ähnliche Eigenschaften, wie das For- menproblem in Bezug auf die homogenen.

Beiderlei Aufgaben: das Formenproblem und das Gleichungs- system können wir dann in den Schematismus der Galois'schen Theorie einordnen. OiFenbar dürfen wir sagen, indem wir uns der allgemeinen in § 6 des vorigen Kapitels eingeführten Redeweise bedienen, dass beide ihre eigenen Galois'schen Resolventen sind. Ausserdem liegt auf der Hand, dass die Auflösung des Formenproblems diejenige des Gleichungssystems nach sich zieht, während das Umgekehrte nicht ohne weiteres der Fall zu sein braucht.

Wir wollen bei solchen Allgemeinheiten nicht zu lange verweilen. Dagegen mögen wir uns noch überzeugen, dass in einem gewissen Sinne mit diesen Formulirungen die gesammte gewöhnlich sogenannte Gleichungstheorie umspannt wird. Handelt es sich darum, eine Glei- chung n^^^ Grades f{x) = 0 zu lösen, so können wir die Sache so fassen, als sei uns für die n Variabelen Xq, x^ . . . Xn—i (d. h. die Wurzeln der Gleichung) ein Formenproblem vorgelegt. Die Gruppe der zugehörigen linearen Substitutionen wird einfach von denjenigen

I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte. 125

Vertauschungen der x gebildet, welche die „Galois'sche Gruppe" der Gleichung ausmachen, die Formen F coincidiren mit dem vollen Sy- steme denjenigen ganzen Functionen der x, welche im Sinne der Ga- lois'schen Theorie als „rational bekannt" gelten. Mit diesen Bemer- kungen wird natürlich an dem Inhalte der Gleichungstheorie zuvör- derst nichts geändert. Aber die in ihr zu entwickelnden Sätze erhal- ten eine neue Anordnung. Als einfachste Probleme erscheinen jetzt diejenigen, die sich auf Gruppen binärer Substitutionen beziehen, d. h. eben dieselben Probleme, mit denen wir uns in den vergangenen Ka- piteln beschäftigten. Es folgen ferner die ternären Probleme etc. etc.*)

§ 5. Vorausblick auf die Theorie der Gleichungen fünften Grades und Pormulirung eines allgemeinen algebraischen Problems. Die kurzen Bemerkungen des vorigen Paragraphen genügen, um die Entwickelungen des zweiten hier folgenden Abschnitts unter dem- jenigen Gesichtspunkte erscheinen zu lassen, den ich in § 1 des gegen- wärtigen Kapitels andeutete. Es soll sich in unserm zweiten Ab- schnitte darum handeln, die Auflösung der allgemeinen Gleichung fünften Grades nach Adjunction der Quadratwurzel aus der Discrimi- nante auf die Auflösung der Ikosaedergleichung zurückzuführen. Hier haben wir in der Gleichung fünften Grades zufolge der gerade dar- gelegten Auffassung ein Formenprohlem mit 5 Variabelen und einer Gruppe von 60 linearen Substitutionen vor uns. Andererseits haben wir in der Ikosaedergleichung ein GleicJmngssystem (wenn dieser Aus- druck bei nur einer Variabelen gestattet ist) ebenfalls mit einer Gruppe von 60 Substitutionen, und zwar einer Gruppe, die, wie wir wissen, mit der Gruppe der vorgelegten Gleichung fünften Grades holoedrisch isomorph ist. Indem wir unsere specielle Frage und zwar mit geometrischen Ueberlegungen, die, in dieser Form, nur bei ihr Platz greifen behandeln, gewinnen wir also einen Beitrag zu der allge- meinen Aufgabe, überhaupt zu uniersuchen, inwieweit es gelingt Formen- probleme oder Gleichungssysteme mit resp. isomorphen Gruppen auf ein- ander zu reduciren. Unter Isomorphismus brauchen wir dabei natür- lich nicht nothwendig holoedrischen Isomorphismus zu verstehen.

Die Formulirung dieser Aufgabe hat eine gewisse Tragweite, denn wir erhalten damit zugleich ein allgemeines Programm für die Weiterentwickelung der Gleichungstheorie. Unter den Formen-

*) Die hiermit formulirte Auffassung liegt im Wesentlichen bereits meinem Aufsatze in Bd. 4 der mathematischen Annalen (1871) zu Grunde: lieber eine geo- metrische Bepräsentation der Besolventen algebraischer Gleichungen; man sehe ferner die sogleich zu nennende Abhandlung in Bd. 15 daselbst.

126 T, 5- Allgemeine Theoreme uud Gesichtspunkte.

Problemen oder Grleichungssystemen mit isomorpher Gruppe bezeich- neten wir schon oben dasjenige als das eiüfachste, welches die ge- ringste Zahl von Variabelen besitzt. Ist also irgend eine Gleichung f{x) = 0 gegeben, so werden wir zunächst untersuchen, mit welcher kleinsten Zahl von Variabelen man eine Gruppe linearer Substitutionen construiren kann, die mit der Galois'schen Gruppe von f{x) == 0 iso- morph ist. Dann werden wir das Formenproblem, oder das Gleichungs- system, aufstellen, welches zu dieser Gruppe gehört, und nun ver- suchen, die Auflösung von f{x) = 0 auf dieses Formenproblem bez. Gleichungssystem zurückzuführen.

Die Umgrenzung des Stoffes, welche ich bei der gegenwärtigen Darstellung festhalten möchte, macht es mir unmöglich, auf den hier- mit bezeichneten Gesichtspunkt genauer einzugehen. Ich werde nur, bei der Betrachtung der Gleichungen fünften Grades, zwischendurch immer darauf verweisen, wie man die Gleichungen dritten und vierten Grades in analogem Sinne behandeln kann, indem man erstere mit der Diedergleichung vom Grade 6 und die letztere mit der Oktaeder- gleichung (bez., wenn die Quadratwurzel aus der Discriminante adjun- girt ist, mit der Tetraedergleichung) in Verbindung setzt. Um so mehr sei hier eines Aufsatzes im 15. Bande der Mathemathischen Annalen*) und der anschliessenden Untersuchungen von Gordan**) gedacht. Es sind dort die hier in Betracht kommenden Frincipien so weit ent- wickelt, dass eine befriedigende Theorie der Gleichungen siebenten und achten Grades mit einer Galois'schen Gruppe von 168 Vertau- schungen aufgestellt werden konnte, eine Theorie, welche als natur- gemässe Weiterbildung der im Folgenden gegebenen Theorie der Glei- chungen fünften Grades erscheint ***).

§ 6. Unendliche Gruppen linearer Substitutionen einer Veränderlichen.

Wir schreiten jetzt zur zweiten Verallgemeinerung der früheren Frage- stellung. Nicht die Zahl der Variabelen werden wir vermehren, aber

*) Ueher die Auflösung gewisser Gleichungen vom siebenten und achten Grade (1879).

**) Siehe insbesondere: Ueher Gleichungen siebenten Grades mit einer Gruppe von 168 Substitutionen im 20. Bande der Mathem. Annalen (1882).

***) Wollte man die Oleichungen 6. Grades in analogem Sinne behandeln, so müsste man nach Adjunction der Quadratwurzel aus der Discriminante diejenige Gruppe von 360 linearen Raumtransformationen zu Grunde legen, welche ich in Bd. IV der Mathem. Annalen 1. c. aufgestellt habe und auf welche neuerdings Hr. Veronese von geometrischer Seite zurückgekommen ist {Sui gruppi Psqq, H^q^ della figura di sei complessi lineari di rette etc., Annali di Matematica, ser. 2, t. XI, 1883).

I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte. 127

die Zahl der Substitutionen, indem wir statt endlicher Gruppen unend- liche Gruppen zu Grunde legen. Unter Beiseitelassung des formen- theoretischen Standpunktes will ich hier in functionentheoretiseher Form nur die allereinfachsten Beispiele zur Sprache bringen*). An Stelle der rationalen Functionen von 2 (die bei den Gruppen endlich- vieler Substitutionen ungeändert blieben) haben wir dann transcen- dente, aber eindeutige Functionen.

Gedenken wir in diesem Sinne zunächst der einfach -pet'iodischen und der trigonometrischen Functionen.

Eine periodische Function von z genügt der Functionalgleichung :

(12) f{z + ma)==f(,),

wo m jede beliebige, positive oder negative, ganze Zahl bedeuten darf. Hier haben wir also die Substitutionsgruppe:

(13) 2' = 0 ^ ma,

mit Bezug auf welche sich die ^- Ebene in wohlbekannter Weise in unendlich viele „äquivalente" Parallelstreifen zerlegt, die für die Gruppe in dem früher geschilderten Sinne „Fundamentalbereiche" sind. Die einfachste periodische Function:

2 iitz

(14) e~^ = Z

nimmt innerhalb eines jeden solchen Streifens jeden Werth einmal an; in Folge dessen drücken sich alle anderen periodischen Functionen, welche eine endliche Anzahl von Malen im einzelnen Parallelstreifen jeden Werth erreichen, rational durch Z aus. Man sieht: dieses Z spielt gegenüber der Gruppe (13) dieselbe Rolle, wie früher, bei den endlichen Gruppen, die mit demselben Buchstaben bezeichnete ratio- nale Fundamentalfunction. Wir können auch, wie bei den endlichen Gruppen, von einer „Gleichung" sprechen, die zu unserer Gruppe ge- hört. Es ist dies einfach Formel (14), in dem Sinne aufgefasst, dass wir verlangen, aus gegebenem Z das z zu berechnen. Beachten wir

dabei, dass wir e " als Grenzfall einer Potenz von wachsendem Ex- ponenten und dementsprechend (14) als Grenzfall einer binomischen Gleichung betrachten können. Es genügt zu dem Zwecke, sich der wohlbekannten Definition zu erinnern:

*) Es liegt nahe, im Texte namentlich auch die doppeUperiodischen Func- tionen heranzuziehen. Aber diese haben einen etwas complicirteren Charakter als die anderen Beispiele. Denn es gibt bei ihnen keine einzelne Fundamentalfunc- tion Z, durch welche sich alle anderen Functionen rational ausdrücken, vielmehr muss man durchaus zwei Functionen Z^ , Z^ (zwischen denen dann eine alge- braisch^ Relation vom Geschlechte p = 1 besteht) zu Grunde legen.

128 I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte.

(15) ^=(1+1-):

\ n I lim w = CO

Wir finden den Uebergang zu den trigonometrischen Functionen, indem wir mit (13) die neue Substitution verbinden:

(16) \'=-z,

und dadurch die Zahl der in Betracht zu ziehenden Substitutionen verdoppeln. Um geeignete, zur neuen Gruppe gehörige Fundamental- bereiche zu erhalten, ziehen wir die gerade Linie, welche die Punkte z = ma enthält, und zerlegen dadurch jeden der bislang betrachteten Farallelstreifen in zwei Theile. An Stelle der Exponential Function (14) tritt jetzt die folgende:

%i7tz 2tjr«

(17) e -j- e = 2 cos ;

unsere „Gleichung" verlangt also, aus dem Werthe des Cosinus den Werth des Argumentes zu berechnen. Auch diese Gleichung ist ein Grenzfall der früheren. Schreiben wir nämlich die Diedergleichung:

(2i» Z,^ny

zuvörderst folgendermassen :

= —Z

' zn ' '

substituiren alsdann 1 H für z und lassen n über alle Maassen

wachsen, so verwandelt sich die linke Seite:

in 2 cos ix.

Ueber diese nächstliegenden Beispiele hinaus betrachten wir jetzt noch die elliptischen Modtdfunctionen und gewisse andere mit ihnen ver- wandte Functionen, welche zuerst Hr. Schwarz in seiner wiederholt genannten Abhandlung über die hypergeometrische Reihe (in Bor- chardt's Journal Bd. 75, 1872) in Betracht gezogen hat. In § 8 unseres dritten Kapitels haben wir, wie wir noch eben erwähnten, für die Wurzel z der Dieder-, Tetraeder-, Oktaeder- und Ikosaedergleichung gemeinsam die Differentialgleichung dritter Ordnung aufgestellt:

(18) [z]z = ^^qjzi'r)^ + 2v.,\z-' "I ' 2(2r— i)Z '

wo für v^, ^2, Vg resp. die Zahlenwerthe der folgenden, wiederholt benutzten Tabelle einzutragen waren:

5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte. 129

"i

«'2

"s

Dieder

2

2

W

Tetraeder

2

3

3

Oktaeder

.2

3

4

Ikosaeder

2

3

5

11 Tl

V, ' V.,

und zwar sind dies, wie wir soeben (in § 2) zeigten, die einzigen Zahl- werthe, für welche 1 1 > 1 ist. Die Functionen des Hrn.

' "l "2 "3

Schwarz erwachsen, indem wir in (18) für v^, v^, v^ irgend drei andere ganze Zahlen einsetzen (wobei dann \ -\ <; 1 sein wird).

"l ^2 ''s ,

Um von dem Verlaufe dieser Functionen eine Vorstellung zu geben, sei Folgendes bemerkt. Im dritten Kapitel haben wir gesehen, dass vermöge unserer Fundamentalgleichungen die Halbebene Z auf Kreisbogendreiecke der ^?- Kugel abgebildet wird, deren Winkel bez.

betragen. Genau dasselbe findet bei den jetzt in Rede

stehenden Functionen statt, sobald wir die Parti cularlösung von (18) fixirt haben, die wir in Betracht ziehen wollen, und diese nun analy- tisch fortsetzen. Während aber damals, dem algebraischen Charakter der Fundamentalgleichungen entsprechend, eine endliche Zahl von Kreis- bogendreiecken genügte, um die z - Kugel zu überdecken, so lagert sich jetzt eine unendliclie Zahl solcher Dreiecke (von denen keines mit dem andern collidirt) neben einander. Man muss dabei unterscheiden, ob 1 1 = 1 oder < 1 ist. Im ersteren Falle laufen die Kreis-

"l »'2 "3 .

bogen, welche die Dreiecke begrenzen, verlängert gedacht, sämmtlich durch einen festen Punkt der ^f- Kugel, und diesem festen Punkte strebt man immer mehr zu, je mehr man die aufeinander folgenden Dreiecke vervielfältigt, ohne ihn doch je zu erreichen. Die Function Z{z) hat überall, ausser in diesem Puncte, einen bestimmten Werth.

Im andern Falle haben die begrenzenden Kreislinien einen gemein- samen Orthogonalkreis, und es bildet dieser Kreis die Grenze, der man durch Vermehrung der Kreisbogendreiecke beliebig näher kommt, ohne sie doch jemals zu überschreiten. Die Function Z{z) existirt daher nur auf der einen Seite des Orthogonalkreises, der Orthogonal- kreis ist für sie dasjenige, was man als natürliche Grenze bezeichnet *).

Was die zugehörige Gruppe linearer Substitutionen angeht, so denke man sich die besprochenen Kreisbogendreiecke abwechselnd

*) Vergl. durchweg die citirte Abhandlung von Schwarz, in der auch bezüg- liche Figuren gegeben sind. '

Klein, Gleichungen 5. Grades. 9

130 I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte.

schraffirt und nicht schraffirt. Die Gruppe besteht alsdann aus allen linearen Substitutionen von z^ welche ein schraffirtes Dreieck in ein anderes schraffirtes Dreieck (oder ein nicht schraffirtes in ein nicht schraffirtes) verwandeln.

Unter den hiermit eingeführten Functionen bilden nun die ellip- tischen Modulfimctionen (sofern wir uns auf deren einfachste Art be- schränken wollen) einen besonderen Fall: den Fall v^ = 2, v^ = 3, v^ = oo. Das Kreisbogendreieck der ^- Kugel hat dann, dem Werthe von V3 entsprechend, einen Winkel gleich Null. Indem wir den Grenz- kreis, AenZ{z) auf der ;S-Kugel besitzt, mit dem Meridiane der reellen Zahlen zusammenfallen lassen, vermögen wir zu erreichen, dass die Gesammtheit der zugehörigen linearen Substitutionen durch diejenigen ganzmhligen, reellen Substitutionen

gegeben ist, deren Determinante {ad ßy) = l ist. Es seien g^, g^ die Invarianten einer binären biquadratischen Form F{x^, x^) (s. § 11 des zweiten Kapitels), so ist bekanntlich A = g^ 27^3^ die zuge- hörige Discriminante. Man setze jetzt das in Rede stehende Z gleich

q 3 der absoluten Invariante -- So ist das z (Z) nichts Anderes, als das

VerJiältniss zweier primitiver Perioden des elliptischen Integrals:

also das -jr- der Jacöbi' sehen Bezeichnung *).

Es ist an dieser Stelle unmöglich, auf die verschiedenen hiermit berührten Beziehungen genauer einzugehen. Nur dieses wollen wir noch hervorheben, dass vermöge der entwickelten Auffassung die el- liptischen Modulfunctionen genau so, wie eben die Exponentialfünction und der Cosinus, als letztes Glied einer Reihe von unendlich vielen, analog gebildeten Functionen erscheinen. Man setze in Formel (18) v^ durchweg gleich 2, v^ gleich 3 und lasse nun v^ von 2 beginnend alle ganzzahligen positiven Werthe durchlaufen. Dann hat man für v^ = 2 einen Fall des Dieders **) (nur dass v^ > v^ genommen ist,

*) Man sehe Bedekind in Borchardt's Journal Bd. 83 (1877), sowie meinen Auf- satz: lieber die Transformationen der elliptischen Functionen etc. in Bd. 14 der Mathem. Annalen (1878). Wer sich eingehender für diese Theorie interessirt, möge vor allem die Abhandlung von Hrn. Hurwitz im 18. Bande der Mathem. Annalen (1881) zu Rathe ziehen {Grundlagen einer independenten Theorie der el- liptischen Modulfunctionen etc.).

**) Es ist derselbe Fall, auf welchen, wie in § 7 des zweiten Kapitels er- wähnt, die Berechnung des Doppelverhältnisses von 4 Punkten oder auch des Mo-

I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte. 131

während wir sonst gewöhnlich die v nach ihrer Grösse anordneten), für 1/3 = 3^ 4, 5 der Reihe nach Tetraeder, Oktaeder, Ikosaeder, so- dann für grössere Werthe von 1/3 eine unendliche Reihe transcendenter Functionen, deren Ahschluss für 1/3 = 00 die elliptischen Modulfunc- tionen sind.

§ 7. Auflösung der Tetraeder-, Oktaeder- und Ikosaeder-Gleichung durch elliptische Modulfunctionen.

So kurz die vorstehenden Andeutungen sind, so genügen sie doch, um verständlich zu machen, warum man die Gleichungen des Tetra- eders, Oktaeders, Ikosaeders (oder auch den speciellen, gerade genannten Fall der Diedergleichung) durch elliptische Modulfunctionen lösen kann. Gedenken wir zunächst der logarithmischen Auflösung der binomischen Gleichung:

oder auch, was ganz analog ist, der trigonometrischen Auflösung der Diedergleichung :

-1_ ^r-" = 4Z+2.

Beide Lösungen lassen sich als Grenzfall einer trivialen, algebraischen Lösung ansehen, die darin besteht, dass man, unter m eine beliebige positive ganze Zahl verstanden, zuvörderst ^ aus der Gleichung

g«» = ^^ oder 2;""» -{- g-™» =— 4Z+ 2 berechnet und dann 0 einer rationalen Function von ^ gleich findet:

Die transcendenten Lösungen erwachsen hieraus, indem wir m = 00 nehmen, worauf i;'"" in der eben geschilderten Weise in e^, ^mn^^—mn

in 2 cos i^ übergeht, und 0 == €"■ wird.

Genau dieselbe Bewandtniss hat es nun mit der Darstellung unserer Fundamental - Irrationalitäten durch elliptiscJie Modulfunctionen. Man überzeugt sich zunächst, dass eine jede der Schwarz'schen Functionen Vi, v^, V3 sich durch jede andere v/, Vg', V3' dfcideutig darstellen lässt, deren Exponenten gan0zahlige Midtipla der ursprünglichen v^,v.2,v^ sind. Insbesondere also, wenn wir uns auf jene Serie von Functionen be- schränken, bei denen v^ = 2, Vg = 3 sind, so wird zur eindeutigen Darstellung nur die Bedingung erforderlich sein, dass v.^ durch v^ th eilbar ist. Dies aber ist jedenfalls der Fall, wenn v^ = 00 ist. Alle Functionen unserer Serie lassen sich also durch die elliptische Mo-

duls der elliptischen Functionen führt, und der andererseits in der Folge bei der Auflösung der Gleichungen dritten Grades zu Grunde gelegt werden wird.

9*

132 I, ö. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte.

dulfimdion eindeutig darstellen, und eben dieses ist, was man als Lösung der betreffenden Gleichungen mit Hülfe der elliptischen Modulfunction ie- gdchnet.

Ich theile hier ohne Beweis die einfachsten Formeln mit, welche sieh in dieser Richtung für Tetraeder, Oktaeder, Ikosaeder ergeben*). Wir schreiben die dreierlei Fundamentalgleichungen, wie immer, in folgender Weise:

'o^

^^7 ^KL = 7 ^' = 7

W^ ' lOS/"* ' 1728/'^

Sodann sei Z, wie eben, die absolute Invariante ~ eines elliptischen In-

tegrals erster Gattung, -^ dessen Periodenverhältniss, q = e ^

Dann haben wir zunächst für die Wurzel der OJctaedergleichung die einfache Formel:

(19) 0 = q^

+ 00 '

00

dieselbe entsteht aus der bekannten Gleichung:

Yk

■9-2 (o, «)

^3 {o, q) ' indem wir statt q rechter Hand c^ eintragen**).

Wir finden ferner für die IJcosaeder- Irrationalität:

/ctr\\ 1 —cf> . 2. \ A /

*) Vergl. Bd. 14 der Mathem. Annalen S. 157. 158, sowie den Aufsatz von Hrn. Bianchi: TJeher die Normalformen dritter und fünfter Stufe des elliptischen Integrals erster Gattung und meine eigene Note: Ueher gewisse Theilwerthe der 0- Functionen im 17. Bande ebenda (1880 81).

**) Es entspricht dies aer Bemerkung, die wir oben (S. 44 des Textes) über gewisse Untersuchungen von Abel machten. Um den in dieser Richtung vorlie- genden Zusammenhang völlig zu verstehen, berechne man für die biquadratische

q ^ Form (1 x^) (1 k^x^) die absolute Invariante ~- Man erhält dann:

(1 -I- 14 fe» -I- ^3)3

108^^(1—^)" '

und trägt man hier für Yk den Buchstaben z ein, so hat man genau die linke Seite der Oktaedergleichung. Die Bezeichnungen &2, •S's , sowie fernerhin &i , die ich im Texte verwende, sind die bekannten «7aco&i'schen.

I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte. 133

also einen Ausdruck, der mit

1 + 2^ übereinstimmt, sobald wir Terme mit q^^ vernachlässigen dürfen.

Die Auflösung der Tetraedergleichung gestaltet sich ein wenig com- plicirter. Wir werden bei ihr das bisher gebrauchte z zuvörderst durch eine lineare Function von 0 ersetzen, welche in einer Ecke von W=0 verschwindet, in der gegenüberliegenden Ecke von (P = 0 unendlich wird. In diesem Sinne schreiben wir:

Für das so definirte | haben wir dann zunächst die Gleichung:

(21a) Z = ^ = 64 (^'-*)'

und des Ferneren die transcendente Lösung:

(21b)- ^ = -6q

S(-ir(2x + l)3'''^+''^

7 .

2(-ir(6x+i)23''^+'=

Wir haben hiermit für unsere dreierlei Gleichungen je eine Wurzel bestimmt; wir erhalten die übrigen zugehörigen Wurzeln, wenn wir

K'

in q = e für -^ die unendlich vielen Werthe substituiren :

y-^ + s

wo tt, ß, y, d reelle ganze Zahlen von der Determinante Eins sind. Dabei liefern alle solche Werthsysteme a, ß, y, 8, welche modulo 1/3 über- einstimmen, oder durch einen gleichförmigen Vorgeichenwechsel zur Ueber- einstimmung gebracht werden können, immer dieselbe Wurzel*).

§ 8. Formel zur directen Lösung der einfachsten Resolvente sechsten Grades der Ikosaedergleichung.

Bei der principiellen Bedeutung, die wir der Ikosaedergleichung beilegen, interessirt uns unter den Formeln (19) (21) natürlich am meisten die zweite. Wir erwähnten bereits, dass die einfachste Resol-

*) Vg ist beim Tetraeder = 3, beim Oktaeder = 4, beim Ikosaeder =5. Bei der besonderen hierhergehörigen Diedergleichvmg würde derselbe Satz für v^ == 2 gelten. Man vergl. wegen derselben Math. Annalen XIV, p. 153. 156.

134 I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte.

vente sechsten Grades, welche die Ikosaedergleichung besitzt, durch Hrn. Kronecicer in directe Beziehung zur Modulargleichung sechster Ordnung für Transformation fünfter Ordnung der elliptischen Func- tionen gesetzt worden ist (siehe § 15 des vorigen Kapitels). Die be- treffende Formel ist später von Hrn. Kiepert und mir durch Einfüh- rung der rationalen Invarianten wesentlich vereinfacht worden*). Da bei den Untersuchungen über Gleichungen fünften Grades gerade auf diese Formel vielfach Bezug genommen wird, so mag sie hier unter Beiseitelassung des Beweises und mit Anpassung an die übrigens ge- brauchten Bezeichnungen ebenfalls mitgetheilt werden.

Wir haben in § 15 des vorigen Kapitels (Formel (46) daselbst) der erwähnten Resolvente die folgende Form ertheilt:

Es seien nun g^ , ^ die vorhin schon so bezeichneten Invarianten eines elliptischen Integrals und Z =^ genommen. Es sei ferner z/ der- jenige Werth, der aus ^ durch irgend eine Transformation fünfter Ordnung hervorgeht. Dann ist die Wurzel unserer Resolvente einfach:

(22) i = - "'■^'^

Wollen wir hier Alles durch K, iK', bez. durch q ausdrücken und hierdurch zugleich die sechs verschiedenen Wurzeln (22) auseinander-

12/

halten, so haben wir zunächst für g.^ und y^ die Werthe einzu- tragen:

oo

7^ = {i)-<i*-Ui^-<f'f,

(23)

12J , -r-r-r

und dann für y ^' resp. folgende sechs Werthe zu setzen:

oo

(24)

12/

£2

y. =

= 1

oo

- f^j^"

2x

~YY

*) Vergl. Bd. XIV der Mathem. Annalen S. 147, sowie Bd. XV S. 86 (1878), des Ferneren Kiepert: Auflösung der Gleichungen 5. Grades und: Zur Transfor- mationstheorie der elliptischen Functionen (Borchardt's Journal Bd. 87, 1878 79), endlich die soeben genannte Abhandlung von Hurwits.

I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte. 135

2 in WO V = 0, 1, 2, 3, 4 und e = e ^ zu nehmen ist. Die Indices oo, v sind hier genau so gewählt, wie in § 15 des vorigen Kapitels. Die Formel (23) können wir zugleich benutzen, um die Angaben des vo- rigen Paragraphen zu vervollständigen; aus ihnen ergibt sich nämlich die absolute Invariante des elliptischen Integrals in der Form:

(25)

9,'

(l + 240 2 «'

d 1728 g'' flo

§ 9. Bedeutung der transoendenten Lösungen.

Die Bedeutung der transcendenten Lösungen, welche wir nun haben kennen lernen, ist zuvörderst eine rein praktische. Logarithmen, trigonometrische Functionen und elliptische Modulfunctionen sind bei der Wichtigkeit, welche sie auch anderweitig in der Analysis besitzen, längst tabellirt. Indem wir die Auflösung unserer Gleichungen auf die genannten transcendenten Functionen zurückführen, machen wir uns diese Tabellen dienstbar und sparen die langwierige Rechnung, welche bei Durchführung der in Kap. III gegebenen Methode der Lö- sung durch hypergeometrische Reihen erforderlich sein würde*).

Aber es gibt eine tiefere Auffassung der transcendenten Lösungen, durch welche die letzteren den Charakter der Fremdartigkeit, den sie inmitten unserer sonstigen Untersuchungen zu besitzen scheinen, ver- lieren, vielmehr mit denselben auf das Engste verbunden werden.

Betrachten wir etwa, um die Ideen zu fixiren, die Auflösung der

Ikosaedergleichung, wie sie durch (20) geliefert wird. So oft wir ^-

einer der unendlich vielen zugehörigen linearen ganzzahligen Substi- tutionen unterwerfen, erfährt vermöge dieser Formel das z eine der 60 linearen Ikosaedersubstitutionen. Es erscheint also die Grujype der

iK' Substiüitionen vmt, -^ isomorph auf die Gricppe der 60 Ikosaedersubstitu- tionen bezogen. Der Isomorphismus ist nur, wenn wir uns so aus" drücken, von „unendlich hoher" Meriedrie: der einzelnen Substitution von

iK'

-gr- entspricht immer eine und nur eine Substitution von z, jeder Sub-

*) Hier macht sich, was elliptische Modulfunctionen angeht, der Umstand störend geltend, dass Legendre'a Tabellen zur Berechnung der elliptischen Inte- grale immer noch nicht in einer Weise umgesetzt worden sind, die der Weierstrass' sehen Theorie der elliptischen Functionen entsprechen würde.

136 I, 5. Allgemeine Theoreme und Gesichtspunkte.

stitution von z aber entsprechen unendlich viele Subsitutionen von

iK' . .

-j^ ' Man erinnere sich nun der Betrachtungen des § 5. Indem wir

uns damals auf endliche Gruppen linearer Substitutionen beschränkten, verlangten wir, überhaupt solche Gleichungssysteme (oder Formenpro- bleme), die sich auf isomorphe Gruppen beziehen, mit einander in Ver- bindung zu bringen. Wir d^nen dieses Problem jetzt auf unendliche Gruppen linearer Substitutionen aus, und erkennen, dass unsere trans- cendenten Lösungen specielle Fälle des so verallgemeinerten Problemes rea- lisiren. Man hat diese Lösungen gewonnen, indem man die von anderer Seite entwickelten Theorien gewisser transcend enter Functionen be- nutzte. Offenbar ist dies ein Verfahren, welches im Zusammenhange mit unseren jetzigen Betrachtungen theoretisch nicht befriedigen kann. Wir verlangen vielmehr einen allgemeinen Ansatz, vermöge dessen eben- sowohl die in § 5 geforderten EntwicTcelungen als nun unsere transcen- denten Lösungen geliefert werden. Es führen so unsere üeberlegungen zu einem umfassenden Probleme, welches ebensowohl die Theorie der Gleichungen höheren Grades als das Bildungsgesetz der 'ö'- Function in sich begreifen wird. Indem wir dieses Problem in Aussicht nehmen, haben wir abermals, wie in § 5, die Grenze erreicht, die uns bei unserer jetzigen Darstellung gezogen ist und die wir nicht überschreiten dürfen*).

*) Dabei will ich indess nicht unterlassen, auf gewisse Entwickelungen von Hrn. Poincare (über die allgelneinen , vom ihm mit Z bezeichneten Functionen) aufmerksam zu machen, welche sich genau in dem hiermit gemeinten' Sinne be- wegen; siehe Mathem. Annalen Bd. 19, S. 562, 563 (1881).

Ich habe ferner hier noch folgende Citate nachzutragen, die sich überein- stimmend auf Arbeiten beziehen, in denen, mit grösser oder geringerer Vollstän- digkeit, die in unserm I. Abschnitte dargestellten Theorien ebenfalls im Zusam- menhange behandelt worden sind: 1) Puchta, das Oktaeder und die Gleichung vierten Grades, Denkschriften der Wiener Akademie, math.-phys. Kl, Bd. 91 (1879). Man wolle diese Arbeit auch im folgenden Abschnitte überall da vergleichen, wo von der Auflösung der Gleichungen vierten Grades (vermittelst der Oktaederglei- chung) die Rede ist. 2) Cayley, on the Schwarzian derivative and the polyhedral functions, Transactions of the Cambridge Philosophical Society, Bd. 13 (1880). Unter „Schwarzian derivative" ist dabei der Differentialausdruck 3. Ordnung ver- standen, den wir in § 6 des 3. Kap. aufstellten. 3) Wassilieff, über die ratio- nalen Functionen, welche den doppeltperiodischen analog sind, Kasan 1880 (russ.). Hr. Wassilieif macht dortselbst die interessante Bemerkung, dass bereits Ha- milton die Gruppe der Ikosaederdrehungen mit Rücksicht auf ihre Erzeugung aus 2 Operationen in Betracht gezogen hat (Memorandum respecting a new system of non commutative roots of unity; Philosophical Magazine 1856).

Abschnitt IL Theorie der Gtleichimgen fünften Grades.

Kapitel I.

lieber die historische Entwickelung der Lehre von deu Grleichungen

fünften Grades.

§ 1. Umgrenzung unserer nächsten Aufgabe.

Die Betrachtungen des vorigen Abschnitts haben uns betreffs der Auflösung der Gleichungen fünften Grades ein bestimmtes Problem ergeben: wir wollten versuchen, diese Auflösung mit Hülfe des Iko- saeders zu bewerkstelligen. Nun würde es nicht schwierig sein, die Resultate, welche ich in dieser Hinsicht zu entwickeln habe, als solche an die Spitze zu stellen und in deductiver Form abzuleiten. Inzwi- schen ziehe ich vor, mich auch hier der inductiven Methode zu be- dienen und zwar in der Weise, dass ich einerseits auf die historisch gegebene Entwickelung der Lehre von den Gleichungen fünften Grades Bezug nehme, andererseits in ausgiebiger Weise von geometrischen Constructionen Gebrauch mache. Ich hoffe auf solche Weise dem Leser nicht nur die Richtigkeit bestimmter Resultate, sondern auch den inneren Gedankengang darzulegen, der zu ihnen geführt hat.

Dem Gesagten zufolge muss unsere nächste Aufgabe jedenfalls die sein, uns über die bisherigen Arbeiten, welche die Auflösung der Gleichungen fünften Grades betreffen, soweit diese Arbeiten im Fol- genden benutzt werden, Kenntniss und Uebersicht zu verschaffen. Ich werde dabei alle solchen Entwickelungeu, auf die wir nicht unmittel- bar Bezug nehmen werden, der Kürze halber bei Seite lassen, mögen dieselben unter allgemeineren Gesichtspunkten noch so wichtig und wesentlich erscheinen. Es gehören dahin vor Allem die Beweise von Buffini und Ähel, vermöge deren dargethan wird, dass eine Lösung der allgemeinen Gleichungen fünften Grades durch eine endliche Zahl von Wurzelzeichen unmöglich ist, und die parallellaufenden, ebenfalls von Abel initiirten Arbeiten, in denen alle speciellen Gleichungen fünften Grades bestimmt werden, die in dieser Hinsicht von den all- gemeinen Gleichungen abweichen. Es gehören ferner dahin Hermite's und BrioscMü Bemühungen, die Invariantentheorie der binären Formen

140 II. 1- Historische Einleitung.

fünfter Ordnung für die Auflösung der Gleichungen- fünften Grades zu verwenden: nicht als ob in der Folge die Benutzung invarianten- theoretischer Processe überhaupt vermieden werden sollte, nur dass sich dieselben bei uns, wie schon im vorigen Abschnitte, durchweg auf solche Formen beziehen, die durch bestimmte lineare Substitutionen in sich übergehen, nicht aber auf binäre Formen der fünften Ordnung. Wir lassen endlich die Frage nach der Realität der Wurzeln der Gleichungen fünften Grades bei Seite, insbesondere also die aus- gedehnten Untersuchungen, vermöge deren Sylvester und Her'müe die Realität der Wurzeln von den Invarianten der binären Form fünfter Ordnung abhängig gemacht haben.

Umgrenzen wir unsere Aufgabe in der hiermit bezeichneten Weise, so bleiben noch zweierlei Arbeitsrichtungen, deren wir zu gedenken haben. Bei ihnen handelt es sich gemeinsam darum, die Wurzeln der allgemeinen Gleichungen fünften Grades als Functionen der Gleichungs- coefficienten zu studiren. Beide auch gehen darauf aus, die betreffen- den Functionen dadurch zu vereinfachen, dass statt der unabhängigen fünf Gleichungscoefficienten eine geringere Zahl independenter Grössen eingeführt wird. Nur die Mittel, welche zu diesem Zwecke in An- spruch genommen werden, sind verschieden: das eine Mal ist es die Transformation der Gleichungen, das andere Mal die Besolventenhildung.

Die Methode der Transformation geht bekanntlich bis auf Tschirn- haus zurück*). Sei

(1) x^ -f Äx^- 1 -f Bx""- 2-1 Mx-i- N=0

die vorgelegte Gleichung n^^ Grades, so setzte Tschirnhaus:

(2) y = cc -\- ßx -\- yx^ -}- ft a;"- ^,

worauf er durch Elimination der x zwischen (1) und (2) eine Gleichung für y ebenfalls vom w*®° Grade erhielt, der er durch geeignete Annahme der Coefficienten a, /3, y, irgend welche specielle Eigenschaften zu ertheilen bemüht war. Wir werden sogleich die Resultate bezeichnen, welche, speciell bei den Gleichungen fünften Grades, durch diesen An- satz gefunden worden sind. Constatiren wir hier vorab, dass mit den y zusammen auch die x gefunden sind, so lange wenigstens die Gleichung für die «/, wie wir dies von der Gleichung (1) selbstver- ständlich voraussetzen, verschiedene Wurzeln besitzt. Denn in diesem Falle haben die Gleichungen (1) und (2) [in denen wir jetzt das y als

*) Nova methodus auferendi omnes terminos intermedios ex data aequatione. Acta eruditorum, t. II, p. 204 ff. (Leipzig, 1683). Schon aus dem Titel geht her- vor, dass sich Tschirnhaus (wie später Jerrard) über die Tragweite seiner Methode täuschte.

II, 1. Historische Einleitung. 141

bekannte Grosse betrachten] nur eine Wurzel x gemein, und dieses X kann also nach bekannten Methoden rational berechnet werden.

Auch die Methode der Resolventenbildung ist schon vor langer Zeit zur Auflösung der Gleichungen fünften Grades in Anspruch ge- nommen worden. Bezeichnend in dieser Hinsicht ist das Jahr 1771, in welchem unabhängig von eiuander Lagrange, Malfatti und Vander- monde ihre nahe verwandten Untersuchungen veröffentlichten*). In- zwischen dienten die Resultate, welche dieselben erreichten; mehr dazu, die bestehenden Schwierigkeiten zu bezeichnen, als sie zu besei- tigen. Erst Herrn Kronecker ist es 1858 gelungen, eine Resolvente sechsten Grades der Gleichungen fünften Grades aufzustellen, mit der eine wirkliche Vereinfachung gegeben war**). Wir werden uns in unserem weiteren Berichte, was Resolventenbildung angeht, auf die Darlegung der Kronecker' sehen Methode und der an sie anschliessen- den weiteren Untersuchungen zu beschränl^en haben.

Die zweierlei Arbeitsrichtungen, welche wir solchergestalt ein- ander gegenüberstellten, betreffen für sich genommen rein algebraische Probleme. Indessen hat es die Entwickelung der Analysis so mit sich gebracht, dass beide auf das Innigste mit der weitergehenden Aufgabe: die Lösung der Gleichungen mit Hülfe geeigneter transcen- denter Functionen zu bewerkstelligen, verbunden erscheinen. Wir haben im letzten Kapitel des vorigen Abschnitts gezeigt***), dass eine solche Benutzung transcendenter Functionen zuvörderst nur praktischen Werth besitzt und mit den theoretischen Untersuchungen der Gleichungstheorie nicht untermischt werden soll. Trotzdem wer- den wir in unserem folgenden Berichte nicht unterlassen dürfen, der verschiedenen Methoden zu gedenken, vermöge deren man die Auf- lösung der Gleichungen fünften Grades speciell mit der Theorie der elliptischen Functionen in Verbindung gesetzt hat. Denn es sind, wie schon angedeutet, gerade diese Methoden gewesen, vermöge deren man zur schärferen Erfassung auch der rein algebraischen Probleme gekommen ist.

*) Lagrange: Beflexions sur Ja resölution älgebrique des equations, Memoires de TAcademie de Berlin für 1770 71, oder Oeuvres, t. III;

Malfatti: De aequationibus quadrato-cubicis disquisitio analytica, Atti dell» Accademia dei Fisiocritici di Siena, 1771 (sowie auch: Tentativo per la riso- luzione delle equazioni di quinto grado, ebenda, 1772);

Vandermonde: Memoire sur la resölution des equations, Memoires de l'Aca- demie de Paris, 1771.

**) Vergl. die späteren Citate. ***) Citate auf den vorigen Abschnitt werde ich im Folgenden so bezeichnen, dass ich der römischen Zahl I die Nummer des Kapitels als arabische Zahl folgen lasse; man vergleiche also im vorliegenden Falle I, 5, § 7, 9.

142 n, 1. Historische Einleitung.

üebrigens sei noch hervorgehoben, dass zwischen den zweierlei Arbeitsrichtungen, die wir unterschieden, kein eigentlich principieller Gegensatz besteht. Gelingt es, eine vorgegebene Gleichung n^^ Grades durch Transformation in eine andere zu verwandeln, welche nur eine geringe Zahl von Parametern enthält, so können wir hinterher von letzterer Resolventen ableiten und diese als besonders einfache Resol- venten der ursprünglichen Gleichung betrachten; oder umgekehrt: sind wir durch irgend welche Methoden in den Besitz einer ausge- zeichneten Resolvente der anfänglichen Gleichung gekommen, so können wir von ihr durch erneute Resolventenbildung zu einer Gleichung n^^ Grades zurückgehen, welch' letztere dann sich auch direct durch Transformation aus der vorgegebenen Gleichung wird arbeiten lassen

§ 2. Elementares über TschirnliaTis- Transformation. Die Bring'sche Form.

Um die Gleichung n^^ Grades zu berechnen, der die y der Formel (2) genügen, ist es am bequemsten, die Coefficienten derselben direct als symmetrische Functionen der .y aus den symmetrischen Functionen der x zusammenzusetzen. Man erkennt auf solche Weise sofort: Der Coefficient von y'^~^- ist eine ganze, homogene Function %^^ Grades der unbestimmten Grössen a, ß, y, - v. Hiernach haben wir eine lineare Gleichung mit w Unbekannten zu lösen, wenn wir aus der transformirten Gleichung den Term mit y'^~^ fortschaffen wollen, es tritt eine quadratische Gleichung derselben Art hinzu, wenn auch noch der Term mit y'^~^ verschwinden soll. Wir befriedigen beide Glei- chungen zusammen, indem wir n 2 der Unbekannten als Parameter betrachten und eine der übrigen unter Elimination der letzten Unbe- kannten durch eine quadratische Gleichung bestimmen. Ich werde eine Gleichung, in welcher die Terme mit 2/" "~ S y^~^ fehlen, weiter- hin als Hauptgleichung bezeichnen. Die Tschirnhaustransformation ge- stattet uns also, mit Hülfe einer blossen Quadratwurzel jede Gleichung auf eine Hauptgleichung zu reduciren. Dagegen stossen wir sofort auf Schwierigkeiten, wenn wir das Verschwinden noch weiterer Terme in der Gleichung der y verlangen. In der That kommen wir dann zu Eliminationsgleichungen höheren Grades, die wir mit elementaren Mitteln nicht weiter zu behandeln wissen. Hier ist es nun, wo eine tiefer gehende Untersuchung ein wichtiges, für unsere folgende Dar- stellung fundamentales Ergebniss zu Tage gefördert hat. Die in Rede stehende Eliminationsgleichung wird vom sechsten Grade, wenn wir das simultane Verschwinden der Terme mit y'^~^, y^'~^j yn*-^ verlangen: es Jiat sich gezeigt, dass vermöge zwechnässiger Annahme der

II, 1.^ Historische Einleitung. 143

Transformationscoefßcienten für w > 4 besagte Gleichung sechsten Grades durch Auflösung quadratischer Gleichungen auf eine Gleichung dritten Grades zurückgebracht werden kann.

Man schreibt das hiermit bezeichnete Resultat gewöhnlich dem englischen Mathematiker Jerrard zu, welcher dasselbe im zweiten Theile seiner Mathematical Researches (Bristol und London, 1834, Longman) bekannt machte. Allein dasselbe ist, soweit Gleichungen fünften Grades in Betracht kommen, sehr viel älteren Datums. Wie Hill 1861 in den Verhandlungen der schwedischen Akademie bemerkte, ist dasselbe bereits 1786 von E. S. Bring in einer der Universität Lund unterbreiteten Promotionsschrift publicirt worden*). Ich würde trotzdem im Folgenden an der zur Zeit allgemein verbreiteten, auf Jerrard bezüglichen Bezeichnungsweise festgehalten haben, wenn nicht Jerrard in seinen hierher gehörigen Schriften neben einigen interessanten Re- sultaten eine Menge durchaus falscher Speculationen gebracht hätte: er hat geglaubt (genau wie dies Tschirnhaus that), mit Hülfe seines Ansatzes nicht nur aus den Gleichungen fünften Grades, sondern aus Gleichungen beliebigen Grades durch elementare Processe überhaupt alle intermediären Terme wegschaffen zu können und hat diese An- sicht trotz eingehender Widerlegung von anderer Seite nicht fallen lassen**). Ich werde ^daher im Folgenden von der Bringt sehen Glei- chung sprechen. Schreiben wir die Hauptgleichung fünften Grades, wie es fortan geschehen soll, in folgender Form: (3) f + 6ay' + 6ly + c = 0,

*) Der volle Titel lautet: Meletemata quaedam mathematica circa transfor- mationem aequationum algebraicarum , quae praeside E. S. Bring .... modeste subjicit S. G. Sommelius. Man könnte, diesem Titel zufolge, vielleicht veran- lasst sein, Sommelius für den Verfasser zu halten, aber ich erfahre durch Hrn. ßäcklund in Lund, dass dies jedenfalls unzutreffend sein würde, indem die Pro- motionsschriften damals durchgängig von den Vorsitzenden des Examens verfasst wurden und den Examinanden nur als Substrat der Disputation dienten. Die Hanptstellen der Bring'schen Schrift finden sich wieder abgedruckt in der bereits genannten Mittheilung von Hill an die schwedische Akademie, dann weiter im Quarterly Journal of Mathematics, t. VI, 1863 {Harley, a contribution to the history etc.), endlich in Grunerfs Archiv t. XLI (1864), pag. 105—112 (zusammen mit Bemerkungen des Herausgebers).

**) Jerrard's weitere Publicationen finden sich hauptsächlich im Philoso- phical Magazine: t. 7 (1835), t. 26 (1845), t, 28 (1846), ,t. 3 (neue Serie, 1852), t. 23, 24, 26 (1862, 63) etc. und sind also der Mehrzahl nach später als der ebenso durchsichtige, wie massvolle Bericht, den Hamilton 1836 der British Association for the Advancement of Science über Jerrard's Arbeiten erstattet hat (Reports of the British Association, t. 6, Bristol). Weiterhin sind Cockle und Gayley den Behauptungen Jerrard's wiederholt entgegengetreten (Philosophical Magazine, t. 17—24, 1859 1862).

144 n, 1. Historische Einleitung.

SO wird es zweckmässig sein, auch bei der Bring'schen Form an dem Coefficienten 5 festzuhalten. Indem wir zugleich, der Unterscheidung halber, s statt y substituiren, haben wir:

(4) z^ -\-bhz-{-c = 0.

Die Bring'sche Gleichung enthält, wie man sieht, zunächst noch zwei Coefficienten. Inzwischen können wir einen derselben sofort weg- schaffen, indem wir z = gt setzen und nun q passend bestimmen. Man kann also durch geeignete Tschirnhaustransformation erreichen, dass die fünf Wurzeln der Gleichung fünften Grades nur noch von einer einzigen variabelen Grösse abhängig erscJieinen. Dies Resultat ist darum ausserordentlich wichtig, weil wir die Functionen eines einzelnen Argu- ments sehr viel vollständiger beherrschen, als diejenigen einer grösseren Zahl von Veränderlichen. Schreiben wir (4) z. B. folgendermassen (wie es Hermite in seinen sogleich zu nennenden Untersuchungen gethan hat):

(5) t^ t A = Q,

so ist es sehr leicht, einerseits die Abhängigkeit der fünf Wurzeln t von A durch Riemann'sche Methoden anschaulich zu machen, anderer- seits für beliebige Werthe von A geeignete Fotenzentwickelungen auf- zustellen, welche die fünf Wurzeln t mit beliebiger Annäherung be- rechnen lassen.

Haben wir so das Besultat von Bring kennen gelernt, so mögen wir ein näheres Eingehen auf dessen Begründung, sowie eine Kritik seiner Bedeutung, bis später verschieben, wo wir im Zusammenhange mit unseren eigenen Entwickelungen wiederholten Anlass dazu haben. Auch unterlasse ich, die zahlreichen Bearbeitungen alle aufzuzählen, welche die Untersuchungen von Bring, bez. Jerrard, im Laufe der Jahre gefunden haben. Eine der ersten Darstellungen des Verfahrens, welche zugleich die verbreitetste geworden ist, dürfte diejenige in Serret's Traite d'algebre superieure sein (1. ed. 1849). Auch Hermite hat sich mit' der Bring'schen Transformation beschäftigt*), wobei aber, wie schon angedeutet, der Schwerpunkt in der Verwendung der Inva- rianten der binären Form fünfter Ordnung liegt ; wir müssen hervorheben, dass Hermite die bei der Transformation nöthig werdenden Irrationalitäten sehr viel ausführlicher bestimmt hat, als sonst zu geschehen pflegt.

§ 3. Angaben, elliptische Functionen betreffend. Die speciellen Fragen aus der Theorie der elliptischen Functionen, über die wir uns jetzt unterrichten müssen, liegen auf dem Gebiete

*) In der wiederholt zu nennenden zusammenfassenden Abhandlung: Sur Vequaiion du cinquieme degre, Comptes Eendus t. 61 , 62 (1865, 66), vergl. insbe- sondere t. 61 pag. 877, 965, 1073, t. 62 pag. 65.

n, 1. Historische Einleitung. 145

der TransformationstJieorie. Es sei, in gewöhnlicher Bezeichnungsweise, X der Modul eines elliptischen Integrals:

^^^ J Vl-x^l ^^x*'

X der Modul, welcher bei Transformation w*®'' Ordnung resultirt, wo

n eine ungerade Primzahl bedeuten soll. Dann besteht nach Jacohi*),

4 4

bez. SohnJce**), zwischen y x = u und yX = v eine Gleichung (n -\- 1)**° Grades in jeder dieser Grössen, die sogenannte Modulargleichung :

(6) f{u,v)^0, welche z. B. für n = b folgendermassen lautet:

(7) + buH'' {u^ v^) + 4mv (1 - u^v^) = 0.

_ K'

Hier lässt sich u in verschiedener Weise durch q = e "^ aus- drücken, z. B. folgendermassen:

(8) u^Y2-i».^^—,

wir erhalten die (w -}- 1) Werthe von v, welche die Modulargleichung

1 befriedigen, indem wir in diese Formel statt q^ der Reihe nach eintragen:

(y) 8 8rt 8n n 1 8n

2 «7t

wo a = e " . Die Modulargleichung gibt uns also das Beispiel einer Gleichung mit einem Parameter, welche durch elliptische Modulfuncfionen gelöst werden kann***). Der Parameter ist u: aus ihm finden wir das zugehörige q, indem wir entweder Formel (8) umkehren, oder aus (5) die Grössen K, K! berechnen:

00) ^-}\.-J\--;y^^' ^' = iVf

äx

1 x'^a;» '

0

wo x'^ == 1 x^. Die (n -f- 1) Wurzeln v erhalten wir dann vermöge der Substitutionen (9).

Wir fragen jetzt, ob es nicht gelingt, durch Vermittelung der

*) Fundamenta nova theoriae functionum ellipticarum (1829). **) Aequationes modtüares pro transformatione functionum ellipticarum (Crelle's Journal t. 12, 1834).

***) Andere Beispiele haben wir schon oben, I, 5. § 7, 8, kennen gelernt; da wir aber hier die historische Entwickelung der Theorie zu schildern haben, so bleiben dieselben bis auf Weiteres ausser Betracht.

Klein, Oleichungen 5. Grades. 10

146 II, 1. Historische Einleitung.

Modulargleichung die Lösung auch anderer Gleichungen zu bewerk- stelligen. Zu dem Zwecke werden wir den Erläuterungen zufolge, die wir in I, 4 gegeben haben vor allen Dingen die Gruppe der Modulargleichung bestimmen müssen. Dies ist, was Galois selbst schon ausgeführt hat*). Den Substitutionen (9) entsprechend bezeich- net Galois die Wurzeln der Modulargleichung durch folgende Indices:

(11) Vco, Vo, V^, V„_i.

Sieht man sodann von blos numerischen Irrationalitäten ab**), so ist die Gruppe der Modulargleichung von denjenigen Vertauschungen der Vy gebildet, welche in folgender Formel enthalten sind:

(12) ^' = ?^mod.(«),

die wir in speciellen Fällen bereits früher betrachtet haben (I, 4, § 15; I, 5, § 7). Die Coefficienten a, ß, y, d sind dabei übrigens be- liebige ganze Zahlen, welche der Bedingung [ad ßy) nn 1 (mod. n) genügen.

Wir specialisiren dies Resultat für n = 5. Die Gruppe (12) wird dann, wie wir früher sahen, mit der Gruppe der GO Ikosaederdrehungen, d. h., abstracter ausgedrückt, mii der Gruppe der geraden Vertauschungen von fünf Dingen, holoedrisch isomorph. Wir schliessen daraus, dass die Modulargleichung (7) Resolventen fünften Grades besitzt, deren Discriminante nach Adjunction einer numerischen Irrationalität (nach Hermite der ]/5) das Quadrat einer rationalen Grösse ist. Wird es möglich sein, die allgemeine Gleichung fünften Grades nach Adjunction der Quadratwurzel aus ihrer Discriminante mit einer solchen Resol- vente durch Tschirnhaustransformation in Verbindung zu setzen? Oder werden wir umgekehrt nach Adjunction der Quadratwurzel aus der Discriminante eine Resolvente sechsten Grades der allgemeinen Glei- chung fünften Grades aufstellen können, welche aus der Modular- gleichung (7) durch geeignete Transformation hervorgeht? Dies sind genau die zweierlei Ansätze zur Lösung der Gleichungen fünften Grades durch elliptische Functionen, welche von Hermite und Kro- necker beziehungsweise aufgegriffen und durchgeführt worden sind. Ehe wir auf die Besprechung ihrer Resultate eingehen, haben wir aus der Theorie der elliptischen Functionen noch Wesentliches nach- zutragen.

*) Man sehe Oeuvres de Galois, Liouville's Journal t. XI (1846). **) Nach den Untersuchungen von Hermite ist die einzige hier in Betracht

lität K (— 1) 2 -n;

kommende numerische Irrationalität r ( 1) n; vgl. die Darstellung bei

C. Jordan, Traite des substitiitions et des equations algebriques, pag. 344 ff.

II, 1. Historische Einleitung. 147

Wir erwähnten gerade den Gedanken, die Modulargleiehung selbst einer Tschirnhaustransformation zu unterwerfen. Dies ist in gewisser Form bereits von Jaeobi geschehen, indem er neben die eigentlich sogenannte Modulargleiehung (6) eine Reihe anderer Gleichungen (n + 1/^"^ Grades stellte, welche dieselbe ersetzen können. Es kann hier nicht meine Absicht sein, eine rationelle und umfassende Theorie der unendlich vielen dabei in Betracht kommenden Gleichungen mitzu- theilen*). Wir müssen einzig eines besonders wichtigen Resultates gedenken, welches Jaeobi bereits 1829 in seinen Notices sur les fonctions elliptiques aufgestellt hat**). Jaeobi betrachtet dort statt der Modulargleiehung die sogenannte MultipUcatorgleichtmg sowie andere mit derselben äquivalente Gleichungen, und findet, dass deren (n -\- 1) Wur- zeln sich in einfacher Weise mit Hülfe hlos numerischer Irrationalitäten

aus Y Bestandtheilen zusammensetzen. Man hat nämlich, wenn man

diese Bestandtheile mit Aq, Aj, A„_i bezeichnet und übrigens für

die Wurzeln z der in Betracht kommenden Gleichung die von Galois herrührenden Indices anwendet, bei geeigneter Fixirung der linker Hand auftretenden Quadratwurzeln:

^~z^ = y ( 1) '^ w A„,

(13) { ^ {"^^\

2in

für V = 0, 1, ' {n 1) und £ = e " , so dass also zwischen den Yz folgende Relationen statt haben:

/"

(14) {

\^y^ =y (—1) ' n . yjz,

V

^s-^'-'-Vz. =0,

wo N jeden beliebigen der - , modulo n vorhandenen Nichtreste

bedeuten soll,

Jaeobi hat selbst die besondere Bedeutung seines Resultates her- vorgehoben, indem er seiner kurzen Mittheilung hinzusetzte: C'est un

*) Man vergl. hierzu, was Modulargleichungen im engeren Sinne angeht, meine Entwickelungen: Zur Theorie der elliptischen Modul functionen in Bd. XVJI der Math. Annalen (1879).

**) Crelle's Journal Bd. III, pag. 308, oder Werke, t. I, pag. 2G1.

10*

148 II, 1. Historische Einleitung.

theoreme des plus importants dans la theorie algebrique de la trans- formation et de la division des fonctions elliptiques. Unser weiterer Bericht wird zeigen, wie richtig diese Bemerkung gewesen ist. In den Händen von Kronecker und JBrioschi haben die Formeln (13),

(14) eine allgemeine Bedeutung für die Algebra gewonnen, indem "sich die genannten Forscher entschlossen, Jacohi'sche Gleichungen {n -f- 1)**° Grades, d. h. also Gleichungen, deren (n -\- 1) Wurzeln den aufge- stellten Relationen genügen, auch unabhängig von ihrem Zusammen- hange mit der Theorie der elliptischen Functionen in Betracht zu ziehen*). Insbesondere aber ruht auf der Existenz der Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades (welche w = 5 entsprechen) die Kro- necker'sche Theorie der Gleichungen fünften Grades, wie wir dies bald auszuführen haben werden.

§ 4. Ueber Hermite's Arbeit von 1858. Wir haben jetzt alle Vorbedingungen, um Hermite's erste hier- hergehörige Arbeit, die vielgenannte Abhandlung vom April 1858**), zu verstehen. Schon frühe hatte sich Hermite, wie andererseits Betti, mit dem Beweise der Galois'schen Angaben, betreffend die Gruppe der Modulargleichung, beschäftigt. Aber es galt, was den Fall n = b be- traf, jene ßesolvente fünften Grades, welche die Modulargleichung (7) besitzen sollte, in einfachster Form wirklich zu bilden. Dies ist, was Hermite jetzt erreichte, indem er

(15) y=(vo. Vo) («^1 ^4) (^2 ^3)

setzte und folgende zugehörige Gleichung fünften Grades fand:

(16) y-' 2* 53 . w* (1 u^f . i/ - y5^' u^ (1 - u^ (1 + u^) = 0***). Hier haben wir genau die Bring'sche Form, welche wir oben kennen lernten, und in der That ist es leicht, eine beliebige Bring^sche Glei- chung mit 1^16) durch zweckmässige Annahme von u zu identificiren. Es genügt, auf die vereinfachte Form zurückzugreifen, die wir unter (5) mittheilten:

______ t^ t—Ä==0.

*) Ich "folge in Bezeichnung und Benennung, wie ich dies in meinen früheren Publicationen that, durchweg den Vorschlägen von Hi-n. Brioschi. Hr. Kronecker weicht namentlich insofern ab, als er s == p schreibt und also Gleichungen (2 n -\- S)**^" Grades für f erhält, wobei dann zwischen den Grössen f den Formeln (14) entsprechend lineare Identitäten bestehen. Ich verkenne nicht, dass diese Schreibweise mancherlei Vorzüge besitzt.

**) Comptes Rendus t. 46: Sur la resolution de Vequation du cinquieme degre. ***) Wegen des Beweises vergl. etwa Briot-Bouquet, TMorie des fonctions elliptiques (Paris 1875), p. 654 ff.

II, 1, Historische Einleitung. 149

Wir reduciren (16) auf diese Form, indem wir

(17) y=2}/^-U' ]/l . t

nehmen, der Coefficient A wird dann folgendem Ausdrucke gleich:

(18) 17= ^—r=A,

und hier bestimmen wir u aus Ä um so leichter, als wir es mit Bezug auf u mit einer reciproken Gleichung zu thun haben. Hiernach ist durch die Formeln von Hermite die Auflösung einer beliebigen Bring- schen Gleichung und damit indirect die Auflösung der allgemeinen Glei- chung fünften Grades mit Hülfe elliptischer Functionen geleistet.

Hermite's Arbeit hat, wie aus diesem kurzen Bericht hervorgeht, in keiner Weise Beziehung zur algebraischen Theorie der Gleichungen fünften Grades. Vielmehr bewegt sie sich durchweg auf dem Gebiete der elliptischen Modulfunctionen, wie denn auch durch sie die Reihe wei- terer Untersuchungen, welche Hermite über die Theorie der Modular- gleichungen veröffentlicht hat, initiirt worden ist. Hierin liegt be- gründet, dass Hermite's Auflösung der Gleichungen fünften Grades in unserer folgenden Darstellung immer nur beiläufig in Betracht kommen wird: denn der Gebrauch der elliptischen Functionen erscheint bei der Auffassung, die wir weiterhin festzuhalten haben, durchaus als secundär. Dies würde natürlich sofort anders werden, wenn wir den allgemeinen Ideen, die wir im Schlussparagraphen des vorigen Ab- schnitts formulirten, ausführlich Rechnung tragen wollten, was spä- teren Darstellungen vorbehalten bleiben muss.

Mit Hermite's erster Arbeit zusammen erwähnen wir zweck- mässigerweise zwei Mittheilungen von Brioschi und Joubert, welche beide die Resolvente fünften Grades für die Multiplicatorgleichung sechsten Grades (also eine specielle Jacobi'sche Gleichung sechsten Grades) berechnen und dadurch ebenfalls die Gleichung (16) gewinnen*). Auch Hr. Kronecker hatte sich, wie er Hermite mittheilt**), ur- sprünglich mit derartigen Resolventenbildungen beschäftigt.

§ 5. Die Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades. Im weiteren Fortschritte unseres Berichtes gedenken wir jetzt zu- nächst der Untersuchungen, welche die Herren Brioschi und Kronecker

*) Brioschi: Sulla risoluzione delle equazioni di quinto grado (Annali di Matematica, ser. I, t. 1, Juni 1858), Joubert in einer Mittheilung von Hermite im 46. Bande der Comptes Rendus {Sur la resolution de l'equation du quatrieme degre, April 1858). Man sehe auch Joubert: Note sur la resolution de Tequation du cin- quieme degre in der Comptes Rendus, t. 48 (1859).

**) Brief an Hermite vom Juni 1858, siehe Comptes Rendus t. 46.

150 11^ 1- Historische Einleitung.

über die Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades angestellt haben*). Bemerken wir vorab das Folgende. Wo immer zwei Forscher, gleich- zeitig und auf einander Bezug nehmend, über denselben Gegenstand gearbeitet haben, ist es schwierig zu sondern, was zuerst von dem einen, was von dem anderen gefunden sein mag. Das chronologi- sche Verfahren, welches auf das Datum der einzelnen Publicationen zurückgeht, ist gewiss nicht immer zutreffend; aber es ist schliesslich das einzige, welches mit einiger Sicherheit gehandhabt werden kann* In diesem Sinne soll dasselbe nunmehr zu Grunde gelegt werden. Ich beginne mit Besprechung der Arbeiten, welche Herr Brioschi im ersten Bande der Annali di Matematica (Serie I, 1858) publicirt hat.

Nachdem Herr Brioschi daselbst zunächst die Angaben Jacobi's bewiesen**), beschäftigt er sich mit der wirklichen Aufstellung der allgemeinen Jacobi'schen Gleichung sechsten Grades. Sein Resultat ist das folgende***). Es seien Aq, A^, Ag die drei Grössen, welche n = ö entsprechend in (13) auftreten; es sei ferner:

^ = Aq -f- A^ A2 ,

B = 8Ao*A, A2 - 2Ao^A,2A,^ + A/A^^ - Ao(A/ + A/), (19) I C = 320Ao^A;^A2' - leOA/Ai^A/ + 20 Ao^Ai^Aa' + ÖA^^A/ - 4Ao(A,5 + A/) (32 Ao-^ - 20Ao^A,A, + oA.^A,^)

Dann wird die allgemeine Jacdbi'sche Gleichung sechsten Grades nach- stehende sein:

{20){z-Af-A.A{z—Af + lOB{z-AY—C{z-A)-{-{bB^—AC)=0. Brioschi sucht ferner eine möglichst einfache Resolvente fünften Grades dieser Gleichung zu bilden und setzt zu diesem Zwecke zu- nächstf), dem Vorgange von Hermite folgend:

(21) y = {z^ z^) (^^ _ z^ (^2 ^3),

bemerkt dann aber, an einen Brief von Hermite anknüpfend, dass be- reits die Quadratwurzel aus diesem Ausdrucke in den A rational ist und zu einer Gleichung fünften Grades Anlass gibt ff). Sei x diese Quadratwurzel, so findet Brioschi für die fünf Werthe, deren x fähig ist, die folgenden Formeln:

*) Man vergl. die Darstellung dieser Verhältnisse durch Hermite in dessen bereits genannter Abhandlung: Sur l'equation du cinquieme degre, Comptes Rendus, insbesondere t. 62 (1866, 1) p. 245—247. **) pag. 175 1. c. (Mai 1858). ***) pag. 256 1. c. (Juni 1858). t) Ebenda, tt) pag. 326 1, c. (Sept. 1858).

II, 1. Historische Einleitung. 151

(22) x. = -s^ A, (4 Ao^ - A, A,) + f^" (2AoA,^ - A/)

+ s'^ (- 2AoA2^ + \') + .^^ A, (4Ao^ - A^A,), als zugehörige Gleichung fünften Grades aber die nachstehende:

(23) x' + lOBx^ + 5 (9^2 - AC) x - |A^= 0,

wo n die Discriminante der Jacobi'schen Gleichung (20) ist*).

Die MultiplicatorgleicJmng sechsten Grades der elliptischen Functionen (auf welche Jacobi's Bemerkung zunächst Bezug nahm) ist in (20) natürlich als besonderer Fall enthalten. Brioschi findet**), dass die- selbe im Wesentlichen durch die Bedingung B = 0 charakterisirt ist, worauf (23) eine Bring'sche Gleichung wird. Herrn Kronecker gebührt das Verdienst, ziAerst auf den Fall A = 0 seine Aufmerksamkeit gerichtet und auch dessen Lösung durch elliptische Functionen bewerkstelligt zu hohen. Wir brauchen seine anfänglichen Formeln, wie er dieselben in seinem Briefe an Hermite angibt***), und wie Brioschi dieselben sodann in der sogleich noch ausführlicher zu besprechenden Abhand- lung im ersten Bande der Atti des Istituto Lombardof) bewiesen hat, hier nicht ausführlich mitzuth eilen. Denn sie vereinfachen sich beträchtlich, wenn man statt des Moduls k (den Hr. Kronecker ge- brauchte) die rationalen Invarianten des elliptischen Integrals: g2, ffs, ^ einführt, und in dieser vereinfachten Form haben wir die betreffenden Auflösungsformeln schon oben kennen gelernt (I, 5, § 8). In der That ist die Jacobi'sche Gleichung sechsten Grades mit A = 0 nichts Anderes, als jene einfachste Besolvente sechsten Grades, welche wir I, 4, § 15 heim Ikosaeder aufgestellt haben, wir haben nur

(24) Ao ■= ^1^2, Ai = ^l^ A, = z.,^ und entsprechend

(25) B=-f,C=-H

zu setzen. Zugleich verwandelt sich für A = 0 die Resolvente fünften Grades (23) in folgende

(26) a;5 _j_ iQjß^s _|. 45^2^ _ y^ _ q^

was mit Formel (27) von I, 4, § 11 übereinstimmt. Wir erwähnen

*) Ich habe entgegen der ursprünglichen Formel von Brioschi die Zahlen- coefficienten hier so angegeben, wie dies später Joubert gethan hat {Sur Vequation du sixieme degre, Comptes Rendus t. 64, 1867). **) 1. c. p. 175, 256. ***) Comptes Rendus t. 46 (Juni 1858). t) Sul metodo di Kronecker per Ja risoluzione deJle equazioni di quinto grado (Nov 1858).

152 11^ !• Historische Einleitung.

diese Beziehungen nur erst beiläufig, um später ausführlich darauf zurückzukommen.

Es erübrigt, was Jacobi'sche Gleichungen sechsten (oder auch be- liebigen) Grades angeht, noch einer letzten Untersuchungsrichtung zu gedenken, welche Hr. Kronecker in seinen „algebraischen Mittheilungen" vom Jahre 1861 zuerst in Angriff genommen hat*), und die dann von Hrn. Brioschi insbesondere im ersten Bande der zweiten Serie der Annali di Matematica (1867)**) des Weiteren verfolgt worden ist. Es handelt sich darum, aus einer Jacobi'schen Gleichung durch Tschirn- haustransformation neue zu bilden. Herr Kronecker bemerkt, dass dies in doppelter Weise möglich ist, indem die Wurzeln Z«, Zy der transformirten Gleichung (welche den 0oo, Zv der ursprünglichen Gleichung entsprechen) entweder genau den Formeln (13), (14) genügen (wobei man e beliebig durch s^ ersetzen kann, unter B einen quadratischen Rest von n verstanden; es bedeutet das nur eine Umordnung der Wurzeln) oder aber den anderen^ die aus (13), (14) hervorgehen^ indem man s durch s^ ersetzt, wo N einen beliebigen Nichtrest modulo n be- zeichnen soll. Sei n, wie wir jetzt annehmen wollen, gleich 5; dann

kann man im ersten Falle ]/Z beispielsweise gleich J^, oder gleich ^- setzen; 'der allgemeinste hier in Betracht kommende Ausdruck

von ]/Z entsteht, indem wir ]/^ und die genannten beiden Grössen mit beliebigen constanten Factoren multiplicirt zusammenfügen;

(27) i/z=A.Vi + ^4'^ + .4^.

Den zweiten Fall erledigen wir, indem wir uns zunächst für denselben ein specielles Beispiel bilden, welches etwa durch:

(28) ^ = 74-.+ ""

A ' 55* - AG

geliefert wird: hernach behandeln wir die diesem Beispiele entspre- chende Jacobi'sche Gleichung genau nach Formel (27). Wir werden später ausführlicher auf das Princip dieser Umformungen zurück- kommen. Einstweilen finde nur noch folgende Bemerkung ihre Stelle. Wenn wir für das j/Z der Formel (27) den Ausdruck A berechnen, so wird derselbe eine ganze homogene Function zweiten Grades der A, ft, V. Wir können dieselbe zu Null machen, indem wir z. B. v == 0

*) Monatsberichte der Berliner Akademie. **) La soluzione piü generale delle equazioni del 5. grado. Man sehe auch: Sopra alcune nuove relazioni modulari in den Atti della E. Accademia di Napoli von 1866.

II, 1. Historische Einleitung. 153

setzen und X : fi durch die resultirende quadratische Gleichung be- stimmen. Wir können also durch blosse Ausziehung einer Quadratwurzel die allgemeine JacoMsche Gleichung sechsten Grades in eine solche mit Ä == 0 verwandeln.

Herr Brioschi hat später seine hier berührten Untersuchungen, wie auch die weiteren, sogleich zu besprechenden, die sich speciell auf die Theorie der Gleichungen fünften Grades beziehen, im 13. Bande der mathematischen Annalen zusammengefasst*), was um so willkomme- ner sein muss, als seine ursprünglichen mannigfach zerstreuten Publi- cationen vielen Mathematikern nur schwierig zugänglich sein dürften. Auch Herr KronecTcer ist später noch einmal auf die Theorie der all- gemeinen Jacobi'schen Gleichungen zurückgekommen**), doch liegen die dort von ihm behandelten Fragen jenseits der Grenzen, welche uns bei der gegenwärtigen Darstellung vorgeschrieben sind.

§ 6. Die Kronecker'sche Methode zur Auflösung der Gleichungen

fünften Grades.

Indem wir die Theorie der Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades vorausschickten, können wir jetzt mit Leichtigkeit das Wesen jener Auflösungsmethode bezeichnen, welche Herr KronecJcer in seinem wiederholt citirten Briefe an Hermite (Comptes Rendus t. 46, Juni 1858) für die allgemeinen Gleichungen fünften Grades entwickelt hat. Die Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades sind auf das Engste mit der Theorie der elliptischen Functionen verknüpft, aber sie repräsen- tiren auch, wie wir bereits bemerkten, und zwar gerade vermöge der Formeln (13), (14), für sich genommen einen merkwürdig einfachen Typus algebraischer Irrationalitäten. Herrn Kronecker's eigentliche Ent- deckung ist nun diese: dass man aus der allgemeinen Gleichung fünften Grades nach Ädjunction der Quadratwurzel aus der Discriminante rationale Besolvmten sechsten Grades aufstellen kann, welche Jacohi'sche Gleichungen sind. Daran schliesst sich die weitere Bemerkung, die wir schon so- eben vorbereiteten: dass man mit Hülfe nur einer zutretenden Quadrat- wurzel die betreffende Jacobi'sche Gleichung in eine solche mit A = 0 verwandeln kann, also in eine Normalform mit nur einem wesentlicJien Parameter***), die sich durch elliptische Functionen erledigen lässt.

In Herrn Kronecker's ursprünglicher Mittheilung sind die beiden hiermit getrennten Punkte allerdings nicht deutlich geschieden: Herr

*) Ueher die Auflösung der Gleichungen fünften Grades (1878). **) Monatsbericlite der Berliner Akademie vom Jahre 1879: Zur Theorie der algebraischen Gleichungen.

***) Man reducirt hier wieder auf nur einen Parameter, indem man z = Qt setzt und q zweckmässig bestimmt.

154 II, 1. Historische Einleitung.

Krouecker beschränkt sich darauf, die folgende rationale Function der fünf Wurzeln einer Gleichung fünften Grades mitzutheilen: (29) f{v, Xq, x^, x^, x^, x^

m = 4: n ^ 4

"^ '^ 2nn ^ 2 2 _L 3 \

in welcher er v derart bestimmt denkt, dass Up == 0 wird, um dann zu bemerken, dass die verschiedenen f, welche aus (29) durch gerade Vertauschungen der x entstehen, einer Gleichung zwölften Grades der folgenden Form genügen:

(30) f^—\0(p'f-^b^^ = ii}-f,

die mit Hülfe elliptischer Functionen gelöst werden kann. Hier ist (30), sofern wir f^ = z setzen, die Jacobi'sche Gleichung mit A = 0, und es entspricht das Verschwinden von A dem Verschwinden von 2p. Es ist Herrn BrioscM's Verdienst, die inneren Gedanken der Kronecker'schen Methode in durchsichtiger und zugleich verallgemei- nerter Form dem mathematischen Publikum zugänglich gemacht zu haben und zwar in der soeben schon genannten Abhandlung: Sul metodo di Kronecker etc. im ersten Bande der Atti des Istituto Lombardo (Nov. 1858). Wir recurriren hier nicht noch einmal auf die Beiträge, welche Brioschi daselbst zur allgemeinen Lehre von den Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades gegeben hat. Was uns hier interessirt ist dies, dass er ein allgemeines Bildungsgesetz für die Wurzeln z aufstellt, von welchem in Formel (29) ein specieller Fall vor- liegt Es sei

(olj ^("^o; ''^if *^2> *^3; "^iJ

eine rationale Function der fünf x, welche bei der cyclischen Ver- tauschung:

I /y» /y* 'y /y* 'V 1 \."*'0 -^l "^2 •*'3 '^'4/'

ungeändert bleibt, es sei ferner:

(32) V ^v (xq, x^, Xs, x^, Xi). Brioschi setzt dann

(33) , V V == Uk

und leitet aus dieser Function fünf neue Functionen Uq, %, %, %, u^ ab, indem er die x zuvörderst der Substitution xj = x^, x^ = x^, x^ = Xi , x^ = x^, xl = x^ unterwirft und dann die schon genannte cyclische Vertauschung in Anwendung bringt. Alsdann erweisen sich folgende Ausdrücke allgemein als Wurzeln einer Jacobi'schen Gleichung sechsten Grades, die hei allen geraden Vertauschungen der x ungeändert bleibt und daher rationale Functionen der Coefßcienten der Gleichung

II, 1. Historische Einleitung.

155

(34)

fünften Grades und der Quadratwurzel aus ihrer Discriminante m Coeffi- cienten besitzt :

Zco = {u^ yS + «0 + ^h + % + % + '^if,

00 = (u^ + «0 1/5 Ml + ^2 + ^3 «*4)^

01 = (Ua= Mo + **1 V^ ^2 + «3 + «4)^

;22 = (wa> + wq t«i + U2 W3 + i^y,

% = (Moo + Uq + t<i «2 + U3 1/5 mJ^, ^4 = (m« Mo + Wi + % *^3 + W4 1/5 )^.

Diese Formeln werden noch übersichtlicher, wenn wir die Bestand- theile \, A^, Ag angeben, aus denen sich die j/^ in Uebereinstimmung mit (13) zusammensetzen. Der Vergleich liefert einfach: A^ |/5 == Ucc ]/5 + Mo + «1 + «2 -h ^h + *<4;

Ai |/5 == Mo -f- £^Mi -{- £^M2 + £^«3 + eU^,

(35)

A2 ]/5 = Mq + ^^1 + ^^**2 + ^^% + ^''^4;

wo £ == e ^ , ]/5 + £* «^ £^. Die Formeln (29) sind, wie bereits angedeutet, in (34) als specieller Fall einbegriffen; Herr Kronecker hat dabei die Functionen v oder u, die er benutzte, von vornherein mit einem linear vorkommenden Parameter v ausgestattet, um der zutretenden Bedingung Ä = 0 genügen zu können. Herr Brioschi gibt für einen anderen, mit den Invarianten der binären Form fünfter Ordnung zusammenhängenden Fall die volle Berechnung der Schlussgleichung sechsten Grades.

Wir haben soeben, unter (23), Brioschi's einfache Resolvente fünften Grades der Jacobi'schen Gleichung sechsten Grades kennen gelernt. Indem wir jetzt die Jacobi'sche Gleichung sechsten Grades ihrerseits als Resolvente der allgemeinen Gleichung fünften Grades betrachten, erkennen wir die Möglichkeit, die allgemeine Gleichung fünften Grades durch eine TschirnJiaustransformation, deren Coefficienten nach Ädjunction der Quadratwur0el aus der Discriminante der vorge- legten Gleichung rational sind, in eine Gleichung (23) uber0ufiihren, d. h. in eine Gleichung, in welcher die vierte und die zweite Poten0 der Unbe- Jcannten fehlen*). Insbesondere können wir, wenn wir noch die Kronecker- sche Hülfsgieichung für v hinzunehmen, in dieser Gleichung A = 0 machen und so die Form (26) erzielen, welche, ähnlich wie die Bring'sche

*) Die Ausdrncksweise des Textes setzt bereits voraus, was wir sogleich über die Bationalität von 1/ -Tg- bemerken werden.

156 n, 1. Historische Einleitung.

Form, nur noch einen wesentlichen Parameter enthält. Hermite, und nach ihm wieder Brioschi, haben sich ausführlich damit beschäftigt, die betrefifende Tschirnhaustransformation in expliciter Form herzustellen. Wir würden genauer auf diese Arbeiten eingehen müssen, wenn selbige nicht wesentlich von der wiederholt genannten Forderung be- herrscht wären, die Invarianten der binären Form fünfter Ordnung zur Geltung zu bringen. So also sei hier nur kurz verwiesen: zu- nächst auf die elegante Mittheilung Hermite's an Borchardt im 59. Bande des Journals für Mathematik (1861), sodann auf dessen wiederholt genannte ausführliche Abhandlung Sur l'equation du cin- quieme degre, deren zweite Hälfte (Comptes Rendus t. 62 [1866] pag. 715, 919, 959, 1054, 1161) der genauen Durchführung sämmtlicher bei der Kronecker'schen Methode nothwendig scheinender Rechnungen gewidmet ist, endlich ajif eine Reihe von Bemerkungen, welche dann wieder Herr Brioschi den Hermite'schen Entwickelungen hinzugefügt hat (Comptes Rendus t. 63 [1866, 2], t. 73 [1871, 2], t. 80 [1875, 1])*).

§ 7. Ueber Kronecker 's Arbeit von 1861.

Hatte Herr Kronecker in der ersten Mittheilung an Hermite seine Methode zur Auflösung der Gleichungen fünften Grades nur beiläufig und sozusagen an einem Beispiele demonstrirt, so ist er später (1861) ausführlicher auf Wesen und Frincipien derselben eingegangen**). Wir müssen hierüber an dieser Stelle um so ausführlicher berichten, als die betreffenden Ueberlegungen unserer eigenen Entwickelungen im Folgenden vielfach zu Grunde liegen, andererseits Herr Kronecker nur eine ausserordentlich knappe Darstellung gegeben und dabei alle Beweise bei Seite gelassen hat.

Zunächst: Herr Kronecker unterscheidet ausdrücklich zwischen dem transcendenten und dem algebraischen Theile der Lösung. Der letztere, eigentlich wichtige, besteht in dem Inbegriff aller derjenigen alge- braischen Operationen, die nothwendig sind, um die allgemeine Glei- chung fünften Grades durch eine möglichst einfach gewählte Normal- gleichung zu ersetzen; wie man die Wurzeln dieser letzteren gegebenen Falles berechnen will, durch convergente unendliche Frocesse oder durch empirische Tabellen etc. etc., ist eine Frage für sich, welche nicht weiter berührt wird. Sonach kommen jetzt die Jacobi'schen

*) Man vergl. auch M. Böberts im ersten Bande der 2. Serie der Annali di Matematica (1867): Note sur les equations du cinquieme degre.

**) Nämlich in der bereits genannten Mittheilung in den Berliner Monats- berichten, aus welcher sodann derjenige Theil, der sich auf Gleichungen fünften Grades bezieht, im 59. Bande von Borchardt's Journal wieder abgedruckt wurde.

II, 1. Historische Einleitung. 157

Gleichungen sechsten Grades für Herrn Kronecker nur vermöge ihrer algebraischen Eigenthümlichkeiten, nicht aber vermöge ihres Zusammen- hangs mit den elliptischen Functionen in Betracht.

Sodann : Hr. Kronecker bemerkt, dass man bei den Irrationalitäten, welche zum Zwecke der Reduction algebraischer Gleichungen einge- führt werden, eine wesentliche Unterscheidung machen muss. Die Irrationalitäten der ersten Art, man könnte sie die natürlicJien nennen , sind diejenigen, welche von den zu bestimmenden Wurzeln X rational abhängen, also dieselben, die wir im vierten Kapitel des vorigen Abschnitts als Wurzeln „rationaler" Resolventen bezeichnet haben. Daneben stellen sich andere, die man accessorisch nennen könnte, weil sie irrationale Functionen der x sind. Solche accesso- rische Irrationalitäten brauchen nicht etwa complicirter zu sein, als die natürlichen, es kann sich bei ihnen z. B. um die Quadratwurzel aus einem Coefficienten der vorgelegten Gleichung handeln. So ist es bei den Ausdrücken (29), die wir eben betrachteten: dieselben bezeichnen an sich natürliche Irrationalitäten, welche aber accesso- risch werden, wenn man das v in der erwähnten Weise mit Hülfe einer quadratischen Gleichung bestimmt.

Dieser Unterscheidung entsprechend fragt sich Hr. Kronecker des Weiteren, bis zu welchem Punkte man bei der Auflösung der Glei- chungen fünften Grades mit der Specification der allgemeinen Jacobi- schen Gleichung gehen kann, sofern man sich das Gesetz auferlegt, nur natürliche Irrationalitäten bÄiutzen zu wollen. Die Jacobi'sche Gleichung sechsten Grades enthält zuvörderst drei Parameter: eben die drei von uns mit A, B, C bezeichneten Grössen. Hr. Kronecker bemerkt, dass man durch geeignete Abäuderung seiner Methode, ohne aus dem Kreise der natürlichen Irrationalitäten herauszutreten, diese Parameter durch nur zwei a, b ersetzen könne. Dagegen sei es, be- hauptet er, unmöglich, ohne Zuhülfenahme accessorischer Irrationalitäten atis der allgemeinen Gleichung fünften Grades eine JacoMsche Gleichung mit nur einem Parameter oder überhaupt eine Resolvente mit nur einem Parameter hermstellen.

Was die erste dieser beiden Angaben betrifft, so können wir uns über dieselbe gleich hier Rechenschaft geben. Wir werden nämlich im vierten Kapitel des Folgenden zeigen, dass neben den Aus- drücken zweiten, sechsten und zehnten Grades in Aq, Aj, A2, die wir A, B, C nannten, auch noch ein Ausdruck fünfzehnten Grades, D, rational bekannt ist, dessen Quadrat eine ganze Function der A, B, C ist. Dieses D ist uns als vierte Wurzel aus der durch b^ dividirten Discriminante der Jacobi'schen Gleichung bereits in dem constanten

158 11, 1. Historische Einleitung.

Gliede von (23) entgegengetreten. Man ersetze nun in der Resolvente der Gleichung fünften Grades die Ausdrücke A^, A,, Ag (35) durch A •^' A -A^ A A'' °j , ' j , ~^if~ ' ^' ^' du^^^ ihnen proportionale Functionen der

nullten Dimension. So treten an Stelle von A, B, C, D beziehungs-

A^^ A'^^ B A''" G A^^^ weise -^, -^^ , —jjtö-} ^tt' Hier können wir für D^ überall

die ihm gleiche ganze Function der Ä, B, C substituiren. Dann hängen die neuen Ä, B, C, D in der That nur von zwei Parametern ab, nämlich den Quotienten nullter Dimension:

(36) ^ = :i^' ^^~A^>

womit der verlangte Beweis erbracht ist.

Der Beweis der zweiten Behauptung ist wesentlich schwieriger, und müssen wir denselben bis zum Schlüsse unserer Gesammtdar- stellung vertagen. Er erscheint dort als Folge von Eigenschaften der Ikosaedersubstitutionen, die wir früher hervorgehoben haben, und er- gibt sich aus denselben so naturgemäss, dass durch sie der eigentliche Grund des in Rede stehenden Satzes aufgedeckt erscheint.

Ich komme zur Conclusion der Kronecker'schen Arbeit. Herr Kronecker macht darauf aufmerksam, dass bei solchen algebraischen Gleichungen, welche sich durch Wurzelzeichen lösen lassen, und zwar auf Grund der ursprünglichen J.&erschen Entwickelungen, die accesso- rischen Irrationalitäten überhaupt ^vermieden werden können. Hier- nach postulirt er das Gleiche für die Auflösung der höheren Gleichungen: er will deren Reduction jeweils nur his zu dem Punkte geführt sehen, bis zu welchem der Gebrauch der natürlichen Irrationalitäten überhaupt hinanreicht. Dann ist also der letzte Schritt der ursprünglichen Kro- necker'chen Methode, wie wir denselben soeben kennen lernten: die Reduction auf eine Gleichung mit A = 0, zu verwerfen. Vielmehr hat sich die Theorie darauf zu beschränken, die Gleichungen fünften Grades (in der eben angedeuteten Weise) mit Jacobi'schen Gleichungen, die zwei Parameter enthalten, in Verbindung zu setzen, die verschie- denen Arten der hier möglichen Reduction zu untersuchen, endlich zuzusehen, wie sich nun umgekehrt die Wurzeln der Gleichung fünften Grades durch die Wurzeln der genannten Jacobi'schen Gleichung sechsten Grades darstellen*).

*) Ich möchte hier auf den Schlussparagraphen von I, 5 erneut aufmerksam machen. Sind die dort gegebenen Anschauungen richtig, so kann man die Be- nutzung der elliptischen Functionen als Einführung accessorischer Irrationalitäten unendlich hoher Ordnung betrachten. Will man also an dem Kronecker'schen Postulate festhalten, so darf man nicht etwa die Gleichungen mit zwei Parametern,

ll, 1. Historische Einleitung. 159

Was unsere eigene Darstellung angeht, so möchte ich an der hiermit pr'äcisirten Forderung im Folgenden nicht festhalten. Sicher werden wir untersuchen müssen, und es soll dies in ausgiebigster Weise geschehen, wie weit man mit Benutzung allein natürlicher Irrationalitäten gelangen kann. Aber hierüber hinaus entsteht nun doch die Frage, welche Bewandt- niss es mit den accessorischen Irrationalitäten hat, die zur ferneren Reduction verhelfen, welches die einfachsten Resultate sind, die man mit ihrer Hülfe erreicht. Die Analogie mit jenen Gleichungen, die durch Wurzelzeichen lösbar sind, erscheint mir nicht zwingend. Wenn bei letzteren der Gebrauch accessorischer Irrationalitäten überflüssig ist, so kann man in dem nothwendigen Auftreten dieser Irrationali- täten bei höheren Gleichungen ein Charakteristikum der letzteren er- blicken und sollte um so mehr darauf ausgehen, bei den Gleichungen fünften Grades, als dem niedersten Falle der höheren Gleichungen, Wesen und Bedeutung der erforderlichen accessorischen Irrationali- täten zu ergründen. Wir werden diese Untersuchungen um so weni- ger bei Seite' lassen dürfen, als die Behandlung der natürlichen Irra- tionalitäten, wie wir sehen werden, durch sie in gewissem Sinne vermittelt werden wird.

§ 8. Aufgabe unserer ferneren Entwickelungen.

Wir brechen an dieser Stelle unseren historischen Bericht ab,

insofern es zweckmässig scheint, die Besprechung der jetzt noch zu

nennenden Arbeiten*) in die fortlaufende Darstellung der folgenden

Kapitel zu verweben. Zweck dieser Darstellung ist es, wie wir

die man erhalten hat, hinterher durch elliptische Function lösen wollen, sondern diese Gleichungen bilden einen Punkt, über den in keiner Weise weiter vorzu- dringen ist.

*) Es sind dies zun*ächst die verschiedenen Ayfsätze, welche von Herrn Gordan unter dem Titel: Ueher die Auflösung der Gleichungen fünften Grades und von mir selbst als: Weitere Untersuchungen über das Ikosaeder veröffentlicht worden sind. Erstere finden sich beziehungsweise in den Erlanger Berichten vom Juli 1877, in dem amtlichen Bericht der Naturforscherversammlung zu München (vom Sept. 1877) und im 13. Bande der Mathem. Annaleu (1878), letztere in den Erlanger Berichten von Nov. 1876, Januar und Juli 1877, endlich im 12. Annalen- bande (1877). Man sehe auch eine Mittheilung von Brioschi an die R. Accademia dei Lincei vom Dec. 1876 (Transunti) und eine andere an das Istituto Lombardo vom April 1877 (Rendiconti (2) X). Hierzu tritt des Weiteren Kiepert: Auf- lösung der Gleichungen fünften Grades in den Göttin ger Nachrichten vom Juli 1878, ausgeführt in Borchardt's Journal t. 87 (Aug. 1878), sowie von meinen eige- nen Arbeiten: üeber die Transformation der elliptischen Functionen und die Auf- lösung der Gleichungen fünften Grades (Bd. 14 der Annalen, Mai 1878) und: lieber die Auflösung gewisser Gleichungen vom siebenten und achten Grade (im 15. Annalenbande, März 1879).

160 IT, 1. Historische Einleitung.

wiederholt andeuteten, die Auflösung der Gleichungen fünften Grades in mögliehst einfacher und zugleich vielseitiger Weise mit der Theorie des Ikosaeders in Verbindung zu setzen. Dass eine solche Verbindung möglich ist, geht bereits aus unserer bisherigen Dar- stellung in verschiedener Weise hervor: denn die Jacobi'sche Gleichung mit ^ == 0 ist, wie wir sahen, eine Resolvente der Ikosaedergleichung, und auch die ßring'sche Form können wir als solche auffassen, wenn wir in I, 4, § 12 das m : n derart bestimmt denken, dass in der Hauptresolvente daselbst der Term mit Y^ verschwindet.

Inzwischen ist es nicht unsere Absicht, das Ikosaeder in solch' indirecter Weise einzuführen. Vielmehr wollen wir die Theorie der Gleichungen fünften Grades im Zusammenhange und von vorne be- ginnend derartig darstellen, dass die Bedeutung des Ikosaede* als eine nothwendige und principielle erkannt wird. Dabei verwende ich, wie schon wiederholt angedeutet, in ausgiebiger Weise Con- structionen im Sinne der projectiven Geometrie. Kein Zweifel, dass man dieselben überall durch rein algebraische Ueberlegüngen ersetzen kann. Trotzdem glaube ich, dass dieselben von wesentlichem Nutzen sind, und meine, dass sie in ähnlicher Form auch bei höheren Proble- men der Gleichungstheorie von Bedeutung sein müssen.

Des Näheren gliedert sich unsere folgende Darstellung in vier Kapitel.

Es handelt sich zunächst darum, die Haupthegriffe der Gleichungs- theorie in geometrische Form zu bringen. Dabei knüpfe ich an eine Darstellungsweise an, welche ich 1871 im vierten Bande der Mathe- matischen Annalen gegeben habe*), und entwickele im weiteren Ver- folg derselben insbesondere die geometrische Auffassung der Tschirn- haustransformation und der Resolventenbildung. Mit Rücksicht auf später schliesse ich hieran einen kleinen Excurs über die Elemente der Liniengeometrie und die zugehörigen Eigenschaften der Flächen zweiten Grades.

Das folgende (dritte) Kapitel ist der besonderen Theorie der Hauptgleichungen fünften Grades gewidmet, d. h. derjenigen Gleichungen, welche weder die vierte noch die dritte Potenz der Unbekannten ent- halten. Auf Grund des Satzes, dass die Flächen zweiten Grades zwei Schaaren geradliniger Erzeugender besitzen, ergibt sich für die ge- nannten Gleichungen ein ausserordentlich einfacher Zusammenhang mit dem Ikosaeder, worauf unsere früheren Entwickelungen betreffs der Hauptresolvente der Ikosaedergleichung (I, 4, § 12) zu expliciten

*") Ueber eine geometrische Interpretation der Besolventen algebraisclier Gleichungen.

II, 1. Historische Einleitung. 161

Formeln für die Wurzeln der vorgelegten Gleichung führen. Hier- durch gewinnen wir, wie ich beiläufig entwickele, namentlich auch die Mittel, um die Bring'sche Transformation in definitive Gestalt zu setzen und ihrem inneren Wesen nach zu verstehen.

Unser viertes Kapitel erläutert sodann die Stellung des Ikosaeders zur Lehre von den allgemeinen Jacdbi'schen Gleichungen sechsten Grades. Es zeigt sich, dass letztere im Sinne von I, 5, § 4 ein ternäres Formenprohlem vertreten, und zwar ein solches, das aus dem bis- herigen binären Ikosaederprobleme durch einen gewissen, einfachen Uebertragungsprocess entsteht. Auf demselben Wege ergeben sich wie von selbst, und zum Theil in verbesserter Form, alle die mannigfachen Resultate, die man in der Theorie der Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades gewonnen hat. Insbesondere werde ich entwickeln, wie man die Auflösung der allgemeinen Jacobi'schen Glei- chung unter Adjunction einer accessorischen Quadratwurzel am zweck- raässigsten mit Hülfe der Ikosaedergleichung bewerkstelligt.

Zwei Wege öflfnen sich jetzt, wie wir im fünften Kapitel aus- führen, um die allgemeine Gleichung fünften Grades durch die Ikosaeder- gleichung aufzulösen, indem es uns nämlich frei steht, entweder die gegebene Gleichung durch Tschirnhaustransformation in eine Haupt- gleichung fünften Grades zu verwandeln, oder sie durch Resolventen- bildung mit dem gerade besprochenen ternären Formenprobleme in Verbindung zu setzen. Der eine ergibt, wenn wir wollen, eine Ver- einfachung der Methode von Bring, der andere eine Modification der- jenigen von Kronecker. Aber zugleich erkennt man, dass die Operationen, welche bei den zweierlei Ansätzen gebraucht werden, nicht ihrem Wesen nach, sondern nur hinsichtlich der Reihenfolge verschieden sind. Wir haben so das Mittel, um sämmtliche in den vorangehenden Paragraphen besprochenen älteren Arbeiten von einem Gesichtspunkte aus zu ver- stehen. Dabei gelingt es denn auch, jenen indirecten, von Herrn Kronecker aufgestellten Satz zu beweisen, von dem wir soeben berich- teten, und der als principieller Abschluss nicht nur des Auflösungs- problems in abstracter Form, sondern speciell auch unserer Ueber- legungen aufgefasst werden kann.

Vielleicht interessirt es besonders", dass vermöge unserer Dar- stellung die Theorie der Gleichungen fünften Grades derjenigen der Gleichungen dritten und vierten Grades wieder nahe gerückt ist: wir haben darauf, wo immer es nützlich schien, in kurzen Noten unter dem Text Bezug genommen.

Klein, Gleichungen 5. Grades. 11

Kapitel IL Einführnng geometrischer Hülfsmittel.

§ 1. Grtaidlage der geometrischen Deutung.

Die geometrische Deutung der Gleichungen fünften Grades, mit der wir im Folgenden arbeiten werden, beruht auf dem einfachen Ge- danken, die Wurzeln Xq, x^, x^^ x^, x^ der Gleichung als homogene Punlitcoordinaten zu benutzen (wobei natürlich nur die Verhältnisse der X zur Interpretation gelangen). Wollten wir dabei nicht noch eine Einschränkung hinzufügen, so müssten wir einen Raum von vier Dimensionen zu Grunde legen. Dies aber wäre in doppeltem Sinne un- bequem: wir müssten auf die prägnante Terminologie verzichten, die uns für die Geometrie des dreidimensionalen Raumes zur Verfügung steht, und würden keinerlei Vorkenntnisse in specifischer . Form voraussetzen können. Wir wollen also eine Beschränkung einführen, die in jedem Falle durch eine leichte Hülfstransformation zu erreichen sein wird, indem wir nämlich festsetzen, dass im Folgenden immer

(1) 2/^ = 0

genommen sein soll, dass wir also nur Gleichungen fünften Grades der folgenden Art betrachten werden:

(2) x^ -\- ax^ -\- bx^ -\- ex -\- d = 0

(in denen das Glied mit x^ fehlt). Wir können dann, und zwar ge- rade vermöge (1), die Verhältnisse der x als Punktcoordinaten des gewöhnlichen Raumes, als sogenannte Pentaedercoordinaten desselben deuten. Derartige Pentaedercoordinaten sind von den gewöhnlichen Tetraedercoordinaten der projectiven Geometrie nur formal verschie- den: wir mögen sie geradezu in der Weise deiiniren, dass wir vier derselben als Tetraedercoordinaten betrachten und die fünfte vermöge (1) als lineare Combination der übrigen einführen; es geht dann nur die Symmetrie, auf welche wir in der Folge grösstes Gewicht legen müssen, verloren*).

*) Die Einführung überzähliger Coordinaten, welche dann durch eine ent- sprechende Zahl linearer Identitäten an einander gebunden sind, ist auch sonst in der Greoraetrie vielfach nützlich; man vergl. z. B. Paul Serret' s Geometrie de

II, 2. Geometrische Interpretation. 163

Die hiermit bezeichnete geometrische Deutung gewinnt erst da- durch ihre Eigenart, dass wir die verschiedenen Anordnungen in Be- tracht ziehen, die man den Wurzeln x erth eilen kann. Ein und derselben Gleichung fünften Grades entsprechen in diesem Sinne zu- vörderst 120, im Allgemeinen verschiedene Raumpunkte, die nur zu- sammengenommen bekannt sind: die Auflösung der Gleichung wird eben darin bestehen, dass wir die Mittel angeben, um unter den 120 solchergestalt eingeführten Punkten den einzelnen herauszugreifen.

Die in Rede stehenden Raumpunkte sind natürlich geometrisch nicht unabhängig. Eine beliebige Vertauschung der Pentaedercoordi- naten, z. B. diejenige, welche Xk durch Xi ersetzt, kann geometrisch als eine Transformation des ganzen Baumes, nämlich als diejenige Collineation desselben gedeutet werden, welche der Formel

(3) Xi' == Xk

entspricht. Die 120 Collineationen, welche in diesem Sinne den 120 Vertauschungen der x correspondiren, sind geometrisch augenschein- lich dadurch definirt, dass sie alle das der Coordinatenbestimmung zu Grunde liegende Pentaeder in sich überführen. Offenbar ist der geometri- sche Zusammenhang der jedesmal vereinigten 120 Raumpunkte eben der, dass sie alle aus einem derselben vermöge der genannten Colli- neationen hervorgehen.

Ich habe diese Grundbegriffe hier gleich unter Beschränkung auf die Gleichungen fünften Grades entwickelt. Inzwischen ist diese Be- schränkung durchaus keine wesentliche: eine ganz entsprechende Art der geometrischen Deutung ist bei Gleichungen w*^" Grades möglich, sofern wir nur den projectiven Raum von 2) Dimensionen zu Grunde legen, also bei Gleichungen vierten Grades die Ebene, bei Gleichungen dritten Grades die gerade Linie. Wir können dabei sogar dem Galois'schen Affect der Gleichungen Rechnung tragen, indem wir statt der überhaupt möglichen Vertauschungen der n Wurzeln und der ihnen entsprechenden Collineationen nur eine Untergruppe der- selben in Betracht ziehen. Wir haben im Folgenden nicht nöthig, den Gegenstand gleich unter so allgemeinen Voraussetzungen zu be- handeln. Immerhin möchte ich schon hier auf die durchaus ähnliche geometrische Deutung aufmerksam machen, welche wir im zweitfol- genden Kapitel bei Untersuchung des dort zur Discussion stehenden Formenproblems benutzen werden.

direciion [Paris, 1869]. Das Pentaedercoordinatensystem insbesondere ist wohl zuerst von Hamilton bei Untersuchung der geometrischen Netze von Möbius, die man aus fünf Raumpunkten ableiten kann, gebraucht worden; siehe Hamilton'a Elements of Quaternions (Dublin, 1866), pag. 57 77.

11*

164 IT, 2. Geometrische Interpretation.

§ 2. Classification der Curven und Flächen.

Bemerken wir nunmehr, dass wir die Curven und Flächen unseres Raumes (oder überhaupt die in ihm gelegenen geometrischen Gebilde) nach ihrem Verhalten gegen die 120 Collineationen (3) classificiren können. Im Allgemeinen wird eine irreducibele Curve oder Fläche durch keine der 120 Operationen in sich übergehen: sie erscheint dann als eines von 120 gleichberechtigten Gebilden, deren jedes an sich und mit Bezug auf das Coordinatenpentaeder dieselben Eigen- schaften besitzt. Aber sie kann auch durch die n Transformationen einer bestimmten, in der Gesammtheit der 120 Transformationen ent- haltenen Untergruppe g in sich verwandelt werden. Dann ist die

120 Anzahl der coordinirten Gebilde nur noch : iedes einzelne bleibt

n ' ♦'

bei den n Transformationen einer Untergruppe unverändert, welche

mit der Gruppe g innerhalb der Gesammtgruppe gleichberechtigt ist.

Offenbar treten hier genau dieselben Unterscheidungen auf, die wir

oben, im vierten Kapitel des ersten Abschnitts, als wir von der Theorie

der Resolventenbiidung handelten, kennen gelernt haben.

Wir wollen diesbezüglich eine bestimmte Terminologie einführen. Geht ein Gebilde vermöge sämmtlicher 120 Collineationen in sich über, so nennen wir es regulär, halbregulär dagegen, wenn dies nur in Bezug auf die 60 Collineationen der Fall ist, welche den geraden Vertauschungen der x entsprechen und die wir kurz als die geraden Collineationen bezeichnen mögen. In allen anderen Fällen werden wir von irregulären Gebilden sprechen. Die halbregulären Gebilde gruppiren sich natürlich paarweise zusammen: denn die Gruppe der 60 geraden Collineationen ist innerhalb der Gesammtgruppe ausge- zeichnet; geht also ein erstes Gebilde durch die 60 geraden Colli- neationen in sich über, so auch das andere, welches aus ihm durch eine beliebige ungerade Collineation entsteht.

Die hier bezeichnete Classification wird für die Zwecke der Glei- chungstheorie von Wichtigkeit, indem wir jetzt Gleichungen in Be- tracht ziehen, welche Parameter enthalten. Wir wollen diese Parameter nur so zählen, wie sie die Verhältnisse Xq-, x^ : x^ : x^ : X/^ beeinflussen. Haben wir dann eine Gleichung mit einem Parameter, so durchlaufen die 120 zugehörigen Raumpunkte x bei Veränderlichkeit des Para- meters eine Raumcurve, die vermöge der 120 Collineationen in sich selbst verwandelt wird, und die wir das Bild der Gleichung nennen wollen. Analog erhalten wir als Bild der Gleichung eine Fläche, so- bald die Zahl der wesentlichen Parameter zwei* beträgt: auch die Fläche geht durch die 120 Collineationen in sich selbst über. Offenbar

II, 2. Geometrische Interpretation. 165

hängt die Frage, ob diese Curve oder Fläche reducibel ist oder nicht, auf das Genaueste mit der Gruppe der vorgelegten Gleichung fünften Grades zusammen. Um die Jdeen zu fixiren will ich annehmen, dass unsere Parameter rational in die Coefficienten der Gleichung eingehen. Zugleich wollen wir auf bloss numerische Irrationalitäten kein Gewicht legen: wir werden also beliebige rationale Functionen der Parameter als rational bekannt bezeichnen. Dann geht die Galois'sche Gruppe der Gleichung [in Uebereinstimmung mit I, 4] in diejenige über, welche Hermite bezeichnender Weise als Gruppe der Monodromie be- nannt hat*), d. h. in den Inbegriff derjenigen Vertauschungen der Wurzeln x, welche entstehen, wenn man die x als algebraische Functionen der Parameter betrachtet und nun letztere, von irgend welchen Anfangswertheu beginnend, auf beliebigem Wege sich so im complexeu Gebiete ändern lässt, dass sie schliesslich zu ihren Anfangs- werthen zurückkehren. Der Raumpunkt x bewegt sich bei diesem Aenderungsprocesse fortwährend auf demselben irreducibelen Bestand- theile des der Gleichung entsprechenden geometrischen Bildes, nimmt auch auf demselben bei gehöriger Variirung des Weges alle möglichen Lagen an. Wir schliessen hieraus, dass der in Bede stehende irreduci- bele Bestandtheil durch genau so viele CoUineationen von den 120 über- haupt existirenden in sich verwandelt zvird, als Vertauschungen der x in der Gruppe der Monodromie enthalten sind. Es wird nicht schwer sein, diesen allgemeinen Satz an den besonderen Beispielen, die wir nun zur Sprache bringen, zu bestätigen.

§ 3. Die einfachsten Specialfälle der Gleichungen fünften Grades.

Mit Rücksicht auf unsere späteren Entwickelungen betrachten wir nunmehr die einfachsten Specialfälle der Gleichungen fünften Grades, nämlich diejenigen, welche aus (2) entstehen, wenn wir einen oder mehrere Coefficienten gleich Null setzen, worauf die übrigen Coefficienten (insofern sie die Verhältnisse der Wurzeln x beein- flussen) als Parameter zu gelten haben werden.

Sei zunächst a == 0, so haben wir, vermöge (1)**): (4) 2;a;2 = 0,

*) Comptes Rendus t. 32 (1861): Sur les fonctions algebriques; siehe auch C. Jordan, Tratte des substitutions etc. pag. 227 ff.

**) Man erinnere sich im Folgenden der Neivton'schen Formeln, welche die GleichuDgscoefficienten mit den Potenzsummen Sv = 2]x^' verbinden. Für unsere Gleichung (2) werden diese Formeln:

s^ = 0, s^ -|- 2a = 0, «3 -f 3& = 0, s^ -f- as^ -|- 4c = 0, etc. etc.

166 II, 2. Geometrische Interpretation.

d. h. eine Gleichung, welche eine Fläche zweiter Ordnung vorstellt. Eliminiren wir vermöge (1) das x^ und bilden von der linken Seite der dann entstehenden Gleichung:

^0^ + ^1^ + ^2^ + ^3^ + (^0 + ^1 + ^2 + ^af = 0

die Discriminante, so kommen wir auf -\- 5, also einen nicht ver- schwindenden Werth. Wir schliessen hieraus, dass unsere Fläche zweiten Grades nicht nur nicht zerfällt, sondern auch kein Kegel ist. Eben diese, im verabredeten Sinne reguläre Fläche wird in unseren ferneren geometrischen Entwickelungen die allerwichtigste Rolle spielen. Ich werde sie daher als Hauptfläche bezeichnen, was damit übereinstimmt, dass wir eine Gleichung, die den Relationen (1), (4) genügt, schon oben als Hauptgleichung benannt haben.

Gehen wir zum folgenden Falle : 6 = 0. Indem wir wieder von (1) Gebrauch machen, erhalten wir für die entsprechenden x:

(5) i:x^ = 0.

Wir werden also zu derjenigen irreducibelen Fläche dritter Ordnung ge- führt, welche Clebsch gelegentlich als Diagonalfläche bezeichnet hat*), weil sie nämlich die Diagonalen des Coordinatenpentaeders enthält, d. h. diejenigen 15 Linien, welche, je in einer der fünf Pentaeder- ebenen verlaufend, irgend zwei Gegenecken des in dieser Ebene von den anderen Co ordinateneb enen ausgeschnittenen Vierseits verbinden. Dementsprechend soll eine Gleichung mit & == 0 im Folgenden als Diagonalgleichung bezeichnet sein. Die allgemeine Brioschi'sche Re- solvente, die wir in § 5 des vorigen Kapitels kennen gelernt haben [Formel (23)], ist zugleich die allgemeine Diagonalgleichung, ein Um- stand, auf den wir noch ausführlicher zurückkommen werden.

Wir setzen ferner gleichzeitig a = 0, h = 0. So haben die Re- lationen (1), (4), (5) simultan statt, während die Gleichung (2) die Brin.g'sche Form annimmt. Die Bring'schen Gleichungen werden also durch die Schnittcurve von Hauptfläche und Diagonalfläche repräsentirt. Im Allgemeinen schneiden sich eine Hache zweiter und eine Fläche dritter Ordnung in einer irreducibelen Curve von der sechsten Ordnung und dem Geschlechte 4**). Wir werden später zeigen, dass diese

*) Man sehe den noch öfter zu nennenden Aufsatz : Ueher die Anwendung der quadratischen Substitution auf die Gleichungen 5. Grades und die geometrische Theorie des ebenen Fünfseits im vierten Bande der Math. Annalen (1871). Die Diagonalfläche ist auch sonst in der Theorie der Flächen dritten Grades wichtig geworden; man vergl. z. B. meine Arbeit: Ueber Flächen dritter Ordnung im 6. Ban^e der Math. Annalen (1873).

**) Man sehe etwa Salmon- Fiedler' s Analytische Geometrie des Baumes (3. Aufl. Teubner, 1880).

II, 2. Geometrische Interpretation. 167

Eigenschaften auch bei der Bring'schen Curve ungeändert vorhanden sind. Die Bring'sche Curve ist also gewiss, ebenso wie Hauptfläche und Diagonalfläche, regulär.

Es folgen die weiteren Fälle, in denen wenigstens einer der Coeffi- cienten c, d verschwindet. Wir wollen dieselben hier nicht einzeln ausführlich besprechen, indem wir weiterhin gerade auf sie doch nicht besonders einzugehen haben. Bemerken wir nur, dass im Falle ^ == 0 ein Zerfallen des räumlichen Bildes in irreguläre Be- standtheile statt hat: es sind die fünf Ebenen der Coordinatenpeu- taeders selbst, welche dem Falle d = 0 entsprechen.

§ 4. Gleichungen fünften Grades, welche beim Ikosaeder auftreten.

Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung jener Gleichungen fünften Grades zurück, die wir im vierten Kapitel des vorigen Abschnitts als Resolventen der Ikosaedergleichung aufgestellt haben, und versuchen dieselben in die eben gegebenen Begriffsbildungen einzuordnen. Es sind Gleichungen mit nur einem wesentlichen Parameter Z (der rechten Seite der Ikosaedergleichung), die also geometrisch durch Curven zu deuten sind. Diese Curven zerfallen, wie wir noch specieller nach- weisen werden, je in zwei reguläre Bestandtheile. In der That ist die Gruppe der Monodromie in allen Fällen durch die 60 Ikosaeder- substitutionen gegeben.

Beginnen wir etwa zunächst mit der I, 4, § 11 sogenannten Resolvente der u:

(6) 48«5 (1 _ Zf 40^=^ (1 - Z) + 15m - 12 = 0. Indem wir die Potenzsummen der Wurzeln berechnen, finden wir:

Si = 0, «2 = 3{l Z) ' ^^ = 0, «4 = 36 (1 Z)^f ^^^'f also

(7) s,'==20s,.

Wir bekommen hiernach als geometrisches Bild von (6) eine Curve zwölfter Ordnung, welche der Durchschnitt der Diagonalfläche mit der Flüche vierier Ordnung (7) ist. Nun sage ich, dass diese Curve in zwei halbreguläre Bestandtheile von der sechsten Ordnung, deren jeder eine rationale Raumcurve vorstellt, zerfällt. In der That sind die Wurzeln u^ von (6), von der an sich beliebigen Anordnung abgesehen, den früher ein- geführten Oktaederformen:

(8) tr (01, 0,) = £3.^^6 _,_ 2£2v^^5^^ _ 5,.^^4^^2

168 II, 2. Geometrische Interpretation.

proportional, wo z^, z.^ mit Z durch die Ikosaedergleichung verbun- den sind:

^^ 1128 r{z,, z,) ^•

Ist Z beliebig veränderlich, so auch -^- Wir werden also einen Be-

standtheil der in Betracht kommenden Raumcurve erhalten, wenn wir, unter Einführung eines Proportionalitätsfactors ^, die folgenden Glei- chungen schreiben:

(10) . ^Xy = ty (^1, z^)

und nun z^ : z^ als laufenden Parameter betrachten. Offenbar gibt dies eine rationale und also irreducibele Raumcurve der sechsten Ord- nung*). Nun sage ich, dass dieselbe halhregulär ist und also unsere Raumcurve zwölfter Ordnung neben (10) noch eine zweite rationale Raum- curve sechster Ordnung umfasst, welche aus (10) durch eine beliebige un- gerade Vertauschung der Xy hervorgeht.

Zum Beweise zeigen wir zunächst, dass die Curve (10) wirklich die geraden CoUineationen zulässt. Dies kann wohl nicht anders sein, weil die Curve 12. Ordnung bei allen 120 CoUineationen ungeändert bleibt und 12 = 2 6 ist, doch wollen wir es direct beweisen. Man lasse zu dem Zwecke z^ : z^ von irgend einem Anfangswerthe aus sich derart continuirlich ändern, dass es successive alle 60 Werthe annimmt, die aus dem erwähnten Anfangswerthe durch die 60 Ikosaedersubstitutionen entstehen. Dann hat sich der Punkt x weil es sich durchaus um ste- tige Aenderungen handelt fortwährend auf derselben irreducibelen Raumcurve bewegt, zugleich aber haben, wie wir von früher wissen, die tv zuletzt alle geraden Permutationen erfahren. Die Curve geht also in der That vermöge der geraden CoUineationen in sich über.

Wir beweisen ferner, dass unsere Curve nicht noch weitere CoUineationen zulassen kann. Wäre dies nämlich der Fall, so würde Z [welches der Gleichung (6) zufolge als symmetrische Function der Uy dargestellt werden kann] nicht nur in 60, sondern in 120 Punkten unserer Curve sechster Ordnung denselben Werth annehmen, während doch zu jedem Werthe von Z, der Ikosaedergleichung (9) entsprechend, nur 60 Werthe z^ : z^ gehören.

Hiermit ist unsere anfängliche Behauptung völlig erwiesen. Wir hätten dieselbe offenbar auch in der Weise erhärten können, dass wir uns nur der Formeln (9) und (10) bedienten, dagegen die Betrachtung

*) Die Formeln (10) können nicht etwa eine Curve niederer Ordnung mehr- fach zählend vorstellen, weil man ^;, : z^ aus der zugehörigen Xv rational be- rechnen kann.

II, 2. Geometrische Interpretation. 169

der Potenzsummen und der Formel (7) bei Seite liessen. lu solcher Weise wollen wir jetzt diejenigen Curven besprechen, welche geome- trisch der früher sogenannten Hau])tresolvente der Ikosaedergleichung zu- gehören (I, 4, § 12). Für die Wurzeln Yy derselben haben wir damals eine Definition gegeben, die wir hier unter Einführung eines geeig- neten Proportionalitätsfactors q folgendermassen reproduciren können:

(11) QY,=m'Wr{z,,B^)-T{z,,z,)

+ \2n . ty (^1, z^) Wy (^1, ^2) p (^1, 0^y, dabei ist ty die angegebene Form sechsten Grades, f und T sind die gewöhnlichen Ikosaederformen und Wy ist gleich folgendem Ausdrucke:

(12) Wy = 5^^^i« + 6^''^J;?2 li^'Z^Z.^ - Ib'z^z^

Lassen wir jetzt z^ : ^2 sich ändern, so durchläuft der Punkt Y ver- möge (11) bei wechselnden Werthen von m : n unendlich viele rationale Curven 38***' Ordnung, unter denen, für n = 0, eine Curve achter, und, für m = 0, eine Curve vierzehnter Ordnung inbegriffen ist*). Alle diese Curven sind halbregulär. Sie werden also je von einer zweiten Curve derselben Ordnung begleitet, die sich aus (11) durch eine be- liebige ungerade Vertauschung der Yy ergibt. Erst beide Curven zusammen, im Allgemeinen also eine Curve 76**" Ordnung , sind das geometrische Bild der einzelnen Hauptresolvente. Uebrigens be- achte man, dass alle diese Curven auf der Hauptfläche gelegen sind. Denn es ist ja EY^ bei der Hauptresolvente allgemein gleich Null. Die nähere Untersuchung, wie diese Curven auf der Hauptfläche ver- laufen, welche Beziehungen sich zwischen ihnen und den geradlinigen Erzeugenden der Hauptfläche ergeben etc., wird uns im nächsten Ka- pitel noch ausführlich beschäftigen.

§ 5. Geometrische Auffassung der Tschimhaustransformation. Um jetzt die Tschirnhaustransformation der Gleichungen fünften Grades unserer geometrischen Deutung zugänglich zu machen, wollen wir, der Bedingung (1) entsprechend, derzufolge die Wurzelsuuime der zu betrachtenden Gleichungen immer verschwinden soll, folgende Be- zeichnungen einführen:

(12,\ 4^^=x -^ x^^^ x^ ^ r^3)_ 3_^ J*)_a;*_ii- (wobei a^y natürlich nur der Gleichförmigkeit halber statt Xy geschrie-

*) Ich lasse einstweilen unerörtert, ob nicht noch andere Curven der Schaar eine Reduction der Ordnung erfahren, wie auch, worin eigentlich, geometrisch zu reden, diese Reduction begründet ist.

170 II, 2. Geometrische Interpretation,

ben ist). Dann ist die allgemeinste Transformation, die wir in Be- tracht ziehen wollen, diese:

(14) Vv = P x^v^ + q- x^y^ -\- r xf^ -(- s xf^,

unter p, q, r, s irgend welche, zunächst unbestimmte, Grössen verstanden.

Wir haben bisher immer nur solche Ausdrücke betrachtet, die bei den der jedesmaligen Untersuchung zu Grunde liegenden Vertau- schungen oder linearen Transformationen in sich selbst verwandelt werden, also, mit Rücksicht auf die Transformationsgruppe, Invarianten sind. In entsprechendem Sinne könnte man die Ausdrücke (13) als Covarianten der Xy bezeichnen, insofern sich dieselben mit den Xy zu- sammen, und in gleicher Weise wie diese, permutiren. Ich will hier nicht weiter erläutern, wie man am zweckmässigsten aus dem gegebe- nen Punkte X = x^^^ die covarianten Punkte x^^\ c(P\ x'-^'> geometrisch construirt. Dagegen möchte ich darauf aufmerksam machen, dass vermöge (14) ein beliebiger Punkt y aus den vier Fundamentalpunkten a;(i), x^^\ x^^\ x^'^^ genau so mit Hülfe geeigneter Multiplicatoren p, q, r, s zusammengesetzt wird, wie dies allgemein in der projectiven Geometrie (seit Mobius' barycentrischem Calcul) üblich ist. Die p, q, r, s sind also nichts anderes, als neue projective Coordinaten des Punktes y, die sich auf Covarianten von x beziehen, oder, um es noch prägnanter im Sinne der modernen Terminologie auszudrücken: der Ansatz (14) hedeutet, dass statt des ursprünglichen Coordinatensystems der X ein typisches Coordinatensystem eingeführt wird*).

Bei den Anwendungen der Tschirnhaustransformation handelt es sich um die Aufgabe, die p, q, r, s so zu bestimmen, dass die für die y resultirende transformirte Gleichung mit Rücksicht auf die Ver- änderlichkeit ihrer Coefficienten irgend welche specielle Eigenschaften hat. Das heisst geometrisch: wir sollen den Punkt y zwingen, sich nur auf vorgegebenen Flächen oder Curven zu bewegen. Wir werden also die Gleichungen dieser Flächen oder Curven, bezogen auf unser typisches Coordinatensystem, hinschreiben und zusehen, wie wir irgend ein Werthsystem p, q, r, s finden, das diesen Gleichungen genügt.

Elementare Bemerkungen über die hiermit präcisirte Aufgabe haben wir schon in § 2 des vorigen Kapitels gegeben. Des Weiteren werden hier die Unterscheidungen von Wichtigkeit, welche soeben in § 3 entwickelt wurden. Denn offenbar genügt es, wenn die Gesammt- fläche oder -Curve, die in Betracht kommt, redudbel ist^ nur die Glei- chung eines einzelnen irreducibelen Bestandtheils der Fläche oder Curve anzuschreiben. Sei m die Zahl derjenigen unter den 120 Collineationen,

*) Vergl. Clebseh, Theorie der binären algebraischen Formen, pag. 300 ff.

II, 2. Geometrische Interpretation. 171

bei denen der in Rede stehende Bestandtheil in sich selbst transfor- mirt wird, so werden die Coefficienten derjenigen Gleichungen, die wir zur Darstellung dieses Bestandtheils in unserm neuen Coordina- tensysteme verwenden, in der Weise von den Xy , Xy etc. abhängen, dass sie bei den in Rede stehenden m Vertauschungen der Xy und nur bei ihnen ungeändert bleiben. Die Coefficienten werden also nur dann symmetrische Functionen der Xy sein, wenn man es mit regulären Gebilden zu thun hat, zweiwerthige Functionen (die nach Adjunction der Quadratwurzel aus der Discriminante rational werden), wenn halbreguläre Gebilde in Betracht kommen etc.

Es geht hieraus hervor, dass hei Auflösung der Gleichungen fünften Grades die Tschirnhaustransformation nur dann von Nutzen sein liann, wenn reguläre oder halhregnläre Gehikle vorgegeben werden. Denn wollten wir irreguläre Gebilde heranziehen, so müssten wir von vorne- herein, nur um deren typische Gleichungen zu bilden, solche Functionen der Xy adjungiren, dass ein eigentliches, über ganz elementare Anfor- derungen hinausgehendes Auflösungsproblem nicht mehr übrig bliebe. Hier kommt also der gewiss ermassen zufällige Umstand zur Geltung, dass die Gruppe der 60 geraden Vertauschungen von fünf Dingen einfach ist und daher bei jeder weitergehenden Adjunction ihre wesent- lichsten Eigenschaften verliert.

§ 6. Specielle Anwendungen der Tscliirnhaustransformation. Sollen wir auf einer vorgegebenen Fläche oder Curve n**^"^ Ord- nung einen Funkt bestimmen, so ist jedenfalls das nächstliegende Verfahren, bei dem dann eine Hülfsgieichung w*®"^ Grades benöthigt wird, dass wir die Fläche mit einer uns bekannten Geraden, die Curve mit einer Ebene schneiden. Für die Tschirnhaustransformation, wie sie durch (14) gegeben ist, liefert dies den folgenden allgemeinen An- satz. Wir nehmen zwei oder auch drei Reihen bekannter Grössen;

-ti, Qu Ml, Ol] F^, Q^} -^f ^2? ^s) Vs; ^3} ^s und setzen nun entweder:

(15) p = QiPi -f Q^P^ , q = QiQi + Q2Q2, ^ = (>i-Ri + (>2-R2,

s = QiSi + Q2S2 oder entsprechend:

(16) 2^ = QiPi + 92-P2 + QsPs etc.

Tragen wir dann diese Werthe in die Gleichung der Fläche bez. die Gleichungen der Curve ein, so erhalten wir für 9^ : q^ eine Gleichung oder auch für Pi : Pa Qs ein Gleichungssystem der n*®° Ordnung; jede Wurzel dieser Gleichung, beziehungsweise dieses Gleichungssystems gibt uns eine Tschirnhaustransformation der gewünschten Beschaffen-

172 II, 2. Geometrische Interpretation.

heit. Die Irrationalität, welche solchergestalt zur Herstellung der Transformation benöthigt wird, ist offenbar im Allgemeinen eine accessorische. Denn es ist von vorneherein kein Grund vorhanden, weshalb die Trennung der n Schnittpunkte einer beliebigen Geraden mit der Fläche, oder einer Ebene mit einer Curve, mit der Unterschei- dung der CoUineationen etwas zu thun haben sollte, welche diese Fläche oder Curve in sich selbst verwandeln.

Es braucht kaum gesagt zu werden, dass das allgemeine solcher- gestalt geschilderte Verfahren, praktisch zu reden, nicht weit reicht. Wollten wir die verschiedenen in § 3, 4 aufgezählten Specialfälle von Gleichungen fünften Grades vermöge desselben behandeln, so würden wir schon nach den ersten beiden Fällen zu Hülfsgieichungen von höherem als fünften Grade geführt werden. Wir wollen unser allgemeines Verfahren in der Folge daher nur henuUen, oder henuM denken, um die allgemeine Gleichung fünften Grades in eine Hauptgleichung m verwandeln. In der That werden wir später (im fünften Kapitel) den Nachweis erbringen, dass in diesem besonderen Falle das allgemeine Verfahren nicht ver- bessert werden kann, indem es auf keine Weise möglich ist, die accessorische Quadratwurzel, welche durch unser Verfahren eingeführt wird, zu vermeiden. Dagegen wird es uns in allen anderen Fällen gelingen, relativ einfachere Methoden zur Herstellung der Transfor- mation zu linden. Zum Theil wurden diese Methoden bereits in den Entwickelungen des voraugehenden Kapitels berührt; wir fügen hier noch einige ergänzende Bemerkungen hinzu.

Zunächst, was die Bring'sche Transformation betrifft, so sagten wir bereits, dass es gelinge, statt des ursprünglich in Betracht kom- menden Gleichungssystems vom sechsten Grade eine Aufeinanderfolge von quadratischen Gleichungen und einer cubischen Gleichung zu sub- stituiren. Wir können dies jetzt, im Anschlüsse an unsere geometri- schen Vorstellungsweisen, sehr viel präciser ausdrücken. Die Theorie gliedert sich des Näheren folgendermassen. Wir verwandeln die all- gemeine Gleichung fünften Grades zuvörderst in der eben besprochenen Weise in eine Hauptgleichung (wobei wir eine erste Quadratwurzel, und zwar eine accessorische Quadratwurzel, gebrauchen). Dann aber tritt, geometrisch m reden, die Thatsache in ihr Becht, dass durch jeden Punkt der Hauptfläche zwei geradlinige Erzeugende derselben laufen, deren einzelne der Bring'schen Curve nur noch in drei Punkten begegnet. Wir werden also, um vom beliebigen Punkte der Hauptfiäche zu einem Punkte der Bring'schen Curve zu gelangen, zuerst noch einmal eine Quadratwurzel gebrauchen, um die beiden durch den Punkt laufenden Erzeugenden zu trennen, und dann in der That mit einer

II, 2. Geometrische Interpretation. 173

Gleichung dritten Grades reichen, welche die Schnittpunkte der aus- gewählten Erzeugenden mit der Bring'schen Curve bestimmt. Es wurde bereits gesagt, dass wir später [und zwar in dem hier folgen- den dritten Kapitel] für alle von der Bring'schen Theorie geforderten Schritte explicite Formeln aufstellen werden. Bemerken wir also hier nur noch, was bei der Darlegung der Theorie zumeist übergangen wird, dass die zweite Quadratwurzel (welche die beiden Erzeugenden der Hauptfläche trennt) lieine accessorische ist, sondern mit der Quadrat- Wurzel aus der Biscriminante der Gleichung fünften Grades zusammen- fällt. Die Irrationalität, welche durch die cubische Hülfsgieichung eingeführt wird, ist dagegen wieder eine accessorische, auch ist die cubische Gleichung im Galois'schen Sinne allgemein, d. h. eine solche mit einer Gruppe von 6 Vertauschungen.

Wir besprechen ferner die von Brioschi aufgestellten Gleichungen fünften Grades, die sich an die Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades anschliessen. Durch die Existenz der Kronecker'schen Resol- vente ist eine Methode indicirt, wie wir bereits bemerkten, um die allgemeinen Gleichungen fünften Grades in diese speciellen durch Transformation zu verwandeln. In erster Linie handelt es sich dabei um die Diagonalgleichung fünften Grades: unser früherer Bericht zeigt, dass nur die Quadratwurzel aus der Discriminante, also keinerlei accessorische Irrationalität benöthigt wird, um die allgemeine Glei- chung fünften Grades in eine Diagonalgleichung zu verwandeln. Nehmen wir eine accessorische Quadratwurzel hinzu, so können wir erreichen, dass in der Kronecker'schen Resolvente -4 = 0 wird. Die zugehörige Diagonalgleichung fällt dann im Wesentlichen mit der Gleichung der u zusammen, die wir soeben in § 4 betrachteten. Die Curve der u war von der zwölften Ordnung, beziehungsweise zerfiel in zwei halbreguläre Curven von der sechsten Ordnung. Unser allgemeiner Ansatz würde also bei ihr auch nach Adjunction der Quadratwurzel aus der Discri- minante immer noch zu einer Hülfsgieichung sechsten Grades führen. Trotzdem reicht man, wie gerade gesagt wurde, mit einer einzigen hinzutretenden Quadratwurzel aus.

§ 7. Geometrisclies über Eesolventenbildung. Die algebraischen Principien der Resolventenbildung sind für be- liebige algebraische Gleichungen bereits in I, 4 ansführlich erläutert worden. Ihre Specification für Gleichungen fünften Grades erfordert an sich keine weiteren Zusätze. Wenn wir hier auf dieselben zurück- kommen, so geschieht es, um unseren damaligen Betrachtungen eine neue Wendung zu geben.

174 II, 2. Geometrische Interpretation.

Verabreden wir zunächst, dass wir allein solche rationale Functionen der X'.

(p [Xqj X^y X^j x^, X^J

als Wurzeln von Resolventen einführen wollen, die in den x homogen sind: multipliciren wir dann alle x mit demselben Factor X (wobei der Bildpunkt, den wir x nennen, ungeändert bleibt), so erweisen sich die Verhältnisse jener Werthe:

fP07 9>1> <Pn-l,

welche cp bei unseren Vertauschungen annimmt, ebenfalls invariant und wir können also die Resolventenbildung, indem wir die cp als homogene Coordinaten deuten, in geometrischer Weise interpretireu. Es ist dies eine Beschränkung, die wir nur zu Gunsten der geome- trischen Interpretation machen; eine tiefer gehende Bedeutung hat sie nicht, und kann hinterher immer fallen gelassen werden.

Den Grundsätzen der analytischen Geometrie entsprechend bieten sich jetzt für die Interpretation von vorneherein zwei Möglichkeiten: entweder wir betrachten die Einführung der cp als blosse Umänderung des Coordinatensystems oder, im P/Mc/^er'schen Sinne, als Wechsel des JRaumelements. Im ersteren Falle erscheinen die q) direct als homogene, im allgemeinen krummlinige, Punktcoordinaten, zwischen denen noth- wendig (n 4) Identitäten bestehen. Im zweiten Falle sind uns die g) zuvörderst selbständige Grössen, welche wir als Coordinaten irgend eines geometrischen Gebildes deuten; die Auswahl dieses Ge- bildes muss nur in solcher Weise erfolgen, dass die Coordinaten des- selben bei Eintritt der 120 oder 60 von uns zu betrachtenden Raum- collineationen genau dieselben Permutationen erfahren, wie sie die qp als Functionen der x erleiden. Indem wir sodann die cp den betreffenden Functionen der x gleich setzen, ordnen wir ein derartiges Gebilde dem PunJcte X in covarianter Weise m. Die Auflösung der Gleichung fünften Grades durch Resolventenbildung läuft also darauf hinaus, statt des Punktes x zunächst ein anderes, ihm covariantes Gebilde zu suchen und dann von diesem auf den Punkt x den Rückschluss zu machen.

Wir werden im Folgenden zumeist an der zweiten, tiefer greifenden Deutung der Resolventenbildung festhalten, und zwar so sehr, dass wir dieselbe geradezu zum Ausgangspunkte unserer ferneren Betrach- tung wählen wollen. Die einfachsten räumlichen Gebilde sind nach den Anschauungsweisen der projectiven Geometrie Punkt, Ebene, ge- rade Linie: wir können der Reihe nach die Resolventen betrachten, welche entstehen, wenn wir gerade diese Gebilde unter Benutzung möglich einfacher Coordinatenbestimmung zu Grunde kgen.

II, 2. Geometrische Interpretation. 175

Die Betrachtung covarianter, auf das nrsprünglicfie Pentaeder be- logener Punkte liefert natürlich nichts Neues, sondern führt zu der bereits erledigten Tschirnhaustransformation zurück. Wir haben dabei nur die p, q, r, s als Invarianten der x einzuführen, d. h. als symme- trische Functionen derselben, oder doch als solche Functionen, die bei den 60 geraden Vertauschungen ungeändert bleiben. Ebensowenig fördert die Benutzung covarianter Ebenen. Betrachten wir nämlich als Coordinaten der Ebene, wie es natürlich ist, die Coefficienten u ihrer Gleichung:

(17) UqXq + u^Xi + tic^x^ + %% + u^x^ = 0,

wobei wir uns diese Gleichung mit Hülfe von 2Jx = 0 in der Weise normirt denken, dass immer auch 2Jii = 0 ist, so gehört zu jeder Ebene ein covarianter PunJct mit genau denselben Coordinaten. Es ist dies ihr Pol in Bezug auf die Hauptfläche Ux^ = 0. In der That, sind X(y' ' ' x( die Coordinaten des Pols (wobei Sx' = 0), so lautet die Gleichung der Polarebene, wie man sofort findet:

(loj Xq Xq -j- Xi Xi -f- X2 X2 -j- ^3 ^3 "r "^4 -^4 ^^^ 0

und ist also mit (17) identisch, sobald wir die einzelnen ti den x' gleichsetzen. Hiernach können immer dieselben fünf Grössen ebensowohl als Punkt- wie als Ebenen-Coordinaten betrachtet werden, und eine ge- sonderte Betrachtung der Ebene als Raumelement ist ohne Bedeutung. Es bleiben somit als einfachste Resolventen, die wir in Betracht ziehen können, diejenigen übrig, welche eine mm Punkte x covariante Gerade zu Grunde legen. Ehe ich hierauf genauer eingehe, werde ich betreffs der Liniencoordinaten im Räume und überhaupt der Prin- cipien der Liniengeometrie einige Vorbemerkungen machen*), einmal, weil diese Dinge ausserhalb der specifisch geometrischen Kreise immer noch wenig bekannt sein dürften, dann auch, weil wir statt des •ge- wöhnlichen Coordinatentetraeders ein Pentaeder betrachten müssen.

§ 8. Ueber Liniencoordinaten im Bannie.

Das eigentliche Princip der Liniencoordinaten im Räume, welches wir ebensowohl beim Gebrauche des Coordinatenpentaeders wie bei dem des Tetraeders festhalten können, ist bereits 1844 von Grassmann in der ersten Auflage seiner Ausdehuungslehre (Leipzig, Wigand**) gegeben worden. Es seien X, Y zwei Punkte der Geraden; dann

*) Man sehe Plücker's: Neice Geometrie des Baumes, gegründet auf die Be- trachtung der geraden Linie als Baumelement (Leipzig 1868, 69), sowie die neaen Auflagen von Sälmon-Fiedler's analytischer Geometrie des Raumes. **) Neu abgedruckt 1878.

176 II, 2. Geometrische Interpretation.

hetrachtet man als homogene Liniencoordinaten sämmttiche zweigliedrige Determinanten, die sich- aus den Coordinaten dieser Punkte msammen- setzen lassen.

Legen wir zunächst, um bei der gebräuchlicTieu Darstellung zu bleiben, ein Coordinatentetraeder zu Grunde. Wir bezeichnen dann die Coordinaten von X, Y folgendermassen:

■^l; -^2? ^3> -^4? ^17 -^2? -^3; •^4>

setzen:

(19) pa=XiY,-Y,X, und haben zuvörderst:

(20) Piic = —Pki,

wodurch die zwölf verschiedenen pik, die es gibt, auf sechs linear unabhängige zurückgebracht werden, für welche wir etwa folgende auswählen wollen:

(21) Pl2, Pn, Pu, i>34J i'42; P23-

Zwischen diesen besteht dann noch die leicht zu erweisende Identität:

(22) P = Pi2Psi + P13P42 + 1^14^23 = 0-

Zwei Linien p, p' schneiden sich, wenn eine bilineare Relation zwischen ihren Coordinaten statthat, die man kurzweg folgendermassen bezeichnen kann:

(23) S/,,.-^ = 0;

die Summation hat sich dabei über die sechs Combinationen (21) zu erstrecken. Offenbar ist dies keineswegs die allgemeine lineare Glei- chung für die pik, denn auch die p'a sind einer Identität von der Forni (22) unterworfen. Indem wir unter aik beliebige Grössen ver- stehen und an der Tabelle (21) festhalten, wollen wir die in Rede stehende allgemeine Gleichung in folgender Form schreiben

(24) ' Sa„ ■4i- = 0.

Die Gesammtheit der geraden Linien, welche eine solche Gleichung befriedigen, ist das, was Plücker einen linearen Complex genannt, übri- gens Mobius bereits 1833 in ausführlicher Weise discutirt hat*). Mit den geometrischen Eigenschaften des linearen Complexes werden wir uns hier nicht weiter beschäftigen. Wir wollen nur noch verabreden, dass wir die Coefficienten aa als Coordinaten des linearen Complexes

*) Crelle's Journal Bd. X: Ueber eine besondere Art dualer Verhältnisse zwi- schen Figuren im Baume.

II,I[2. Geometrische'Interpretation. 177

bezeichnen werden, wobei wir gelegentlich, der Formel (20) entspre- chend, neben den a,* auch noch üki einführen mögen:

(25) ttik = üki. Ist

(26) a^gag^ + a^^a^^ + a^^a.^^ = 0,

so können wir die an durch die pa der Formel (23) ersetzen, der Complex ist dann ein specieller und besteht, wie ersichtlich, aus allen Geraden, welche die feste Gerade p' schneiden. Fügen wir zwei spe- cielle Complexe p', p" additiv zusammen, bilden also

«a = ^'p'iiz + '^"'P'ik, so haben wir, von besonderen Fällen abgesehen, einen allgemeinen Complex. Jeder allgemeine Complex Icann erhalten werden, wenn wir sechs vorgegebene specielle Complexe mit Hülfe geeigneter MultipUcatoren zusammenaddiren. Es müssen die speciellen Complexe nur linear un- abhängig sein, d. h. sie dürfen mit ihren Coordinaten nicht sämmt- lich dieselbe lineare homogene Gleichung befriedigen. In diesem Sinne brauchbar sind insbesondere solche sechs gerade Linien, welche die Kanten eines Tetraeders bilden.

So viel über die gewöhnlichen Begriffsbestimmungen der Linien- geometrie. Ersetzen wir jetzt das Coordinatentetraeder durch ein Pentaeder, so ist die einzige Modification diese, dass die Zahl der Coordinaten vermehrt erscheint, dafür aber neue Bedingungsgleichungen hinzutreten. Was zunächst die Punktcoordinaten angeht, so haben wir für X, Y jetzt in früherer Weise:

-^0> -^If -^27 -^3; -^47 ^Q} ^19 ^2} ^3} ^4:

mit 2JX = 0, 271^= 0. Dann aber haben wir zwanzig Determinanten:

(27) pa- =X.r, - YiX, zu unterscheiden. Natürlich ist wiederum:

(28) Pik = —Pki, überdies aber, wie ersichtlich:

(29) ^Pik == 0, oder auch ^pik = 0,

wo die Summe über diejenigen vier Werthe von i, resp. k zu er- strecken ist, die von dem jedesmaligen k, bez. i verschieden sind. Daneben besteht dann noch die quadratische Relation (22) nebst den anderen, die aus ihr durch (28), (29) hervorgehen. Wiederum können wir auch von Coordinaten des linearen Complexes reden. Es sind zwanzig Grössen am, die ebenfalls den linearen Relationen (28), (29) genügen, sonst aber unbeschränkt veränderlich sind. Was über die Zusammen- setzung allgemeiner linearer Complexe aus speciellen Complexen ge- sagt wurde, behält un geändert seine Gültigkeit. Alle diese Dinge sind

Klein, Gleichungen 5. Grades. 12

178 n, 2. Geometrische Interpretation.

so einfach, dass wir ihre vorläufige Betrachtung hiermit bereits ab- brechen können.

§ 9. Eine Kesolvente zwanzigsten Grades der Gleichungen fünften

Grades. Kehren wir nunmehr zu den Betrachtungen des § 7 zurück. Wir wollten diejenigen Gleichungen betrachten, von denen die Pentaeder- coordinaten einer Raumgeraden abhängen. Offenbar können wir statt dieser Gleichungen auch gleich die allgemeineren in Betracht ziehen, durch welche die Coordinaten eines beliebigen linearen Complexes bestimmt werden. Wir gewinnen so überhaupt Gleichungen ^wamigsten Grades, deren Wurzeln aa den Formeln (28), (29) entsprechend durch folgende lineare Relationen verbunden sind:

(30) aik = aki, ^aik = 0, 2ja,;t = 0.

i k

Eine gewisse Aehnlichkeit dieser Gleichungen mit den Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades (sofern wir letztere, wie Hr. Kronecker es thut, als Gleichungen zwölften Grades für die ]/^ auffassen) ist von vorneherein unverkennbar; wir werden später (im fünften Kapitel) den engen Zusammenhang kennen lernen, der in dieser Hinsicht that- sächlich statthat.

Jetzt handelt es sich darum, die Grössen Uik gleich geeigneten Functionen der x zu setzen und also unsere Gleichungen zwanzigsten Grades in Resolventen der Gleichung fünften Grades zu verwandeln. Es gilt, wie wir es in § 7 ausdrückten, den linearen Complex (mit den Coordinaten anc) dem Punkte x covariant zuzuordnen. Wir er- reichen dies in einfacher Weise, wenn wir an § 5 anknüpfen. Wir haben dort als einfachste co Variante Punkte des Punktes x die x^^\ x^^\ x^^\ x^^^ construirt: wir werden die einfachsten covarianten geraden Linien erhalten, wenn wir die Verbindungsgeraden dieser Punkte in Betracht ziehen. Die Coordinaten pik dieser Linien:

(31) p)k = dofxp xf^'^x^j^

sind linear unabhängig, denn es handelt sich ja um die sechs Kanten eines Tetraeders. Daher werden wir die allgemeinsten Werthe der aik erhalten, wenn wir diese pik vnit Hülfe geeigneter Multiplicatoren zusammenfügen:

(32) aa^ll^d'^-pir-

Hier sind die c'»"*, je nachdem wir alle Vertauschungen der x oder nur die geraden Vertauschungen derselben in Betracht ziehen wollen, als symmetrische oder als zweiwerthige Functionen der x ein- zuführen, übrigens aber wieder so zu wählen, dass dem Gesetze der Homogeneität, das wir uns auferlegten, genügt wird.

II, 2. Geometrische Interpretation. 179

§ 10. Zur Theorie der Fläclien zweiten Grades. Ich scliliesse das gegenwärtige Kapitel mit einigen Erläuterungen über die Parameterstellung der geradlinigen Erzeugenden auf Flächen zweiten Grades. Die betreffenden Parameter sind linear gebrochene Functionen der projectiven Punktcoordinaten *). Man erhält sie am ein- fachsten, wenn man die Gleichung der Fläche (was auf unendlich viele Weisen möglich ist) auf folgende Form bringt: (33) X,X, + X,X, = 0.

Setzen wir dann einmal, in Uebereinstimmung mit dieser Gleichung:

das andere Mal:

(35) i = _i = ^,

SO bleibt A constant, wenn wir uns auf einer Erzeugenden der einen Art bewegen, welche die erste heissen soll, ^ aber, wenn wir auf einer Erzeugenden zweiter Art fortschreiten. Daher sind A, ^ zwei Zahlen, welche für die einzelne Erzeugende erster oder zweiter Art charakte- ristisch sind, d. h. es sind Parameter, welche zur Bezeichnung der Erzeugenden verwendet werden können. Dabei beachte man, dass jede der Formeln (34), (35) zwei Gleichungen in sich begreift. Wir dürfen daher, ohne die Bedeutung der A, fi zu ändern, die Definition derselben noch etwas verallgemeinern. Für X z. B. können wir schreir ben, indem wir die beiden Gleichungen (34) mit Hülfe beliebiger Grössen q, a zusammenziehen:

(36) ^ = ^Y^-^-

Wir erreichen dadurch, dass Zähler und Nenner von A gemeinsam für eine beliebig vorzugebende Erzeugende zweiter Art:

a

verschwinden. Die solchergestalt bevorzugte Erzeugende soll die bei Einführung von A izii Grunde gelegte genannt werden.

Wir wollen nun zunächst das Verhalten der A, ^ bei solchen Raumcollineationen , die unsere Fläche in sich selbst überführen, be- achten**). Die in Rede stehenden CoUineationen spalten sich bekann- termassen nach ihrem Verhalten gegen die Erzeugenden der Fläche in

*) Die Einführung dieser Parameter ist, geometrisch zu reden, ein Aequi- valent für die projective Erzeugung der beiden auf der Fläche verlaufenden Regel- schaaren, wie ßie beispielsweise Steiner seinen Betrachtungen zu Grunde legt.

**) Man vergl. etwa Bd. 9 der Mathem. Annalen (1875), pag. 188 ff. Die im Texte angeführten Sätze werden auch sonst bei modernen Untersuchungen immer wieder gebraucht; ein genauer Nachweis würde hier zu weit führen.

12*

180 II> 2. Geometrisclie Interpretation.

zwei Arten: entweder, sie führen jedes der beiden Erzeugendmsysteme in sich seihst über, oder sie vertauschen die beiden Systeme. Im ersteren Falle entspricht jeder Erzeugenden A vermöge der vorausgesetzten Collineation eine und nur eine Erzeugende A' und umgekehrt, ebenso jedem ft ein fi\ Daher hat man nach functionentlteoretischen Grund- sätzen einer solchen Collineation entsprechend nofhwendig Formeln der

folgenden Gestalt:

.07N -i' _ a^-\-b ... _ q> + b'

^"^^J ^ cX + d' ^ ~ c> + d' '

Im anderen Falle wird analog A' eine lineare Function von ^, fi' eine solche von A sein. Ich verweile nicht dabei, zu zeigen, dass man diese Sätze auch umkehren kann, dass man also eine zugehörige Raumcollineation erhält, wenn man die Formeln (37) [oder die ent- sprechenden, in denen A, ^ vertauscht sind] ganz beliebig hinschreibt. Wir bemerken ferner, dass die A, fi eine Coordinatenbestimmung für die PunJcte auf unserer Fläche ergeben*). In der That schneiden sich ja in jedem Punkte eine Erzeugende erster und eine Erzeugende zweiter Art, deren A, [i wir auf den Punkt übertragen können. Es ist dabei zweckmässig, homogen machend A durch ^^i X2, (i durch [ii : ftg zu ersetzen. Eine algebraische Gleichung:

(38) /(A,, A2; ii„ ti,) = 0,

homogen vom Grade l in den A^, Ag, vom Grade m in der ftj, [i^ stellt dann eine auf der Fläche verlaufende Curve von der (l -|- m)^^"^ Ordnung dar, welche m-mal jede Erzeugende erster Art, Z-mal jede Erzeugende zweiter Art schneidet. Wir können (34), (35) jetzt in folgender Weise zusammenfassen:

(39) Xj : Xg : X3 : X4 = A-^^^ : X^fi^ : A^/a^ ^2/^2'

Indem wir diese Werthe der X in die Gleichung einer Fläche ^ter Ordnung eintragen:

(40) F(X„X3, X3, X,) = 0,

erkennen wir, dass unsere Fläche zweiten Grades von (40) in einer Curve geschnitten wird, die, in der Form (38) geschrieben, sowohl in den A als in den ^ den n^^^ Grad darbietet. Umgekehrt wird durch Benutzung der Formeln (39) auch jede Curve (38), die gleichen Grades in den A, fi. ist, als vollständiger Schnitt der Fläche zweiten Grades mit einer zutretenden Fläche (40) dargestellt werden können**).

*) Man sehe Plücker in Crelle's Journal t. 36 (1847). Die Discussion der Curven (38) wurde in systematischer Weise fast gleichzeitig von Hrn. Gayley und von Chasles aufgenommen (1861, siehe Philosophical Magazine, Bd. 22, sowie Comptes Rendus, Bd. 53).

**) Wenn ich hier eine Bemerkung zufügen darf, die in den Zusammenhang des Textes zwar nicht unmittelbar hinein gehört, dafür aber auf die Entwicke-

II, 2. Geometrische Interpretation. 181

Wir bestimmen endlich, unter Beibehaltung des in (33) zu Grunde gelegten Tetraeders, die Liniencoordinaten jo.jt der Erzeugenden A, j». Setzen wir in (39) einmal ft^ = 0, das andere Mal ftg = 0, so erhalten wir für zwei auf der Erzeugenden k gelegene Punkte:

resp. Yi'.Y^:Y^:Y^ = Xi: X^:0'.0.

Daher berechnen wir nach (19) für die zugehörigen pik die folgenden Verhältniss werthe :

(41) i)i2 = 0, i9i3 = X;\ i?i4 =^Kh, P34 = 0, P^2 = h^ Pi3 = ^1^2-

Analog kommt für die Erzeugende fi:

(42) P12 = ^1% Pia = 0, i?u = ^^1^27 1^34 = ^2^ i>42 = 0, P23 = /*1^2-

Wir nehmen jetzt an, dass die Gleichung eines linearen Complexes hinzutritt, die folgendermassen lautet:

Indem wir in dieselbe die Ausdrücke (41), (42) eintragen, erhalten wir die folgenden beiden quadratischen Gleichungen:

(43) ^,2^11' + (-^23 - Ad KK + ^3^2' = 0,

(44) A^^^ + (^23 + A4) /^l/*2 + ^12f*2' = 0.

Daher:

Im Allgemeinen gehören einem linearen Complexe zwei und nur zwei Erzeugende jedes Systems an.

Es kann aber auch sein, dass die eine oder andere dieser Glei- chungen identisch verschwindet. Dies gibt bez. drei lineare Bedingungen für die An^, so dass noch drei derselben willkürlich bleiben. Hieraus:

Die Erzeugenden erster und zweiter Art unserer Fläche gehören je einer dreigliedrigen linearen Scharr linearer Complexe an*). Ich unterlasse es, die Gleichungen dieser Schaaren noch besonders herzusetzen.

lungen des ersten Abschnitts zurückgreift, so ist es diese, dass die Biemann'sche Deutung von x -f iy auf der Kugel als specieller Fall der im Texte besprochenen Coordinatenhestimmung X, (ju aufgefasst werden kann. Weil nämlich sämmtliche geradlinige Erzeugende der Kugel imaginär sind, schneiden sich in jedem reellen Punkte derselben zwei conjugirt imaginäre Erzeugende. Führen wir jetzt die l, [i in geeigneter Weise ein und nennen das X, welches zu einem reellen Kugelpunkte gehört, X -\- ii/, so wird das entsprechende ft gleich x iy sein. Zur Fixirung des reellen Punktes genügt es also, nur den einen Wertli x -\- iy anzugeben, und eben dieses ist, wie ich hier nicht weiter ausführen kann, die Riemann'sche Me- thode. Vergl. Math. Annalen Bd. IX, pag. 189 (1875).

*) Vergl. durchweg: Plücker's neue Geometrie des Baumes etc.

Kapitel III. Die Hauptgleiclinngeii vom fünften Grade.

§ 1. Bezeichnungen, der fundamentale Ansatz.

Das neue Kapitiel, welches wir nunmehr beginnen, soll in jeder Beziehung den Mittelpunkt unserer Entwickelungen abgeben. Wir handeln von den Hauptgleichungen fünften Grades und ihren einfachen Beziehungen zum Ikosaeder. Dabei entlehnen wir dem Früheren, ins- besondere der Bring'schen Transformation, den einen Grundgedanken: die geradlinigen Erzeugenden der Hauptfläche m betrachten. Ich bezeichne dabei, wie damals, die Hauptgleichung fünften Grades folgendermassen :

(1) y' + 6ay'-i-6ßy-^y = 0,

wo die Factoren 5 bei a, ß aus Zweckmässigkeitsgründen zugefügt sind. Auch will ich von vorneherein den Werth der Discriminante mittheilen. Indem man die etwas lange Formel benutzt, welche man vielfach für die Discriminante der allgemeinen Gleichung fünften Grades angegeben findet*), hat man bei (1):

(2) n(y,-y,y = 312bV\

wo V^ zur Abkürzung für folgenden Ausdruck gesetzt ist:

(3) V^ = 108aV 135a*/32 -f gOa^/S/ _ d20aß^y + 256/35 _{_ j,4^ Wir knüpfen nun gleich an die soeben (im Schlussparagraphen

des vorigen Kapitels) gegebenen Entwickelungen an, indem wir uns die zweierlei Erzeugenden der Hauptfläche durch Parameter A, (i be- zeichnet denken. Es seien

(4) «/o> Vu 2/2, 2/3; Vi

die Wurzeln von (1) in bestimmter Reihenfolge. Wir denken uns dann diejenigen 60 Erzeugenden A und 60 Erzeugenden (i construirt, welche einen der 60 Funkte der Hauptfläche enthalten, deren Coordi- naten aus (4) durch eine gerade Vertauschung der y hervorgehen. Die A, ^ sind, wie wir wissen, linear gebrochene Functionen der y,

*) Vergl. z. B. Faa di Bruno, bearbeitet von Walter, Einleitung in die Theorie der binären Formen (Leipzig 1881), pag. 317.

II, 3. Theorie der Hauptgleichnngen. 183

die 60 in Rede stehenden Werthe von A oder fi hängen also von einer Gleichung 60*^° Grades ab, die eine rationale Resolvente unserer HauptgleichuDg ist und deren Coefficienten dementsprechend rationale Functionen der a, j3, y, V sind. Nun behaupte ich und damit haben wir den eigentlichen Ansatz zu unseren weiteren Entwicke- lungen , dass unsere Besolventen 60*®° Grades bei geschickter Einführung der X, fi nothwendig Ikosaedergleichungen sind, also ohne Weiteres folgen- dermassen geschrieben werden können:

v^^ 1728 f {X) ~ 1' 1728 f^ in) ^^'

WO allein Z^, Zg von den a, ß, y, V abhängen.

Der Beweis bietet sich auf Grund unserer früheren Angaben un- mittelbar. Wir haben die Raumcollineationen, welche eine Fläche zweiten Grades in sich selbst transformiren, soeben in zwei Arten getheilt, je nachdem dieselben das einzelne Erzeugendensystem der Fläche in sich verwandeln oder mit dem anderen Erzeugendensysteme vertau- schen. Nun geht die Hauptfläche zweiten Grades bei den 120 Raum- collineationen, die den Permutationen der y entsprechen, in sich über. Wir wollen es hier zunächst dahin gestellt sein lassen, wie sich die Erzeugendensysteme der Fläche der Gesammtheit dieser Collineationen gegenüber verhalten. Sollten nicht alle Collineationen das einzelne Erzeugendensystem in sich transformiren, so muss es jedenfalls die Hälfte derselben thun. Diese Hälfte unserer Collineationen muss dabei für sich genommen nothwendig eine Gruppe und sogar eine in der Gesammtheit ausgezeichnete Gruppe bilden; sie kann also nur aus den geraden Collineationen bestehen. Daher haben und dieses ist ein erstes Resultat jedenfalls die 60 geraden Collineationen die Eigen- schaft, jedes der beiden Er^eugendensysteme der Hauptfläche in sich selbst m verwandeln. Wir erinnern uns jetzt, dass nach der soeben unter (37) gegebenen Formel [H, 2, § 10*)] der Parameter A, wie auch der Parameter fi, bei jeder derartigen Collineation seinerseits eine lineare Transformation erfährt. Die 60 Werthe k, welche unserer 'Resolvente 60*®"* Grades genügen, hängen also unter sich (um auch die entsprechenden Werthe von fi) linear mit constanten Coefßcienten msammen, oder auch: die Gleichungen für A und (i gehen beziehungsweise durch eine Gruppe von 60 linearen Substitutionen in sich selbst über. Hieraus aber folgt die Richtigkeit unserer Behauptung unmittelbar nach den Entwicke- lungen von I, 5, § 2, sobald wir noch hinzunehmen, dass die Gruppe

*) Mit der römischen Zahl bezeichne ich wieder den Abschnitt, mit der folgenden arabischen Zahl das Kapitel.

134 II» 3. Theorie der Hauptgleichungen.

der linearen Transformationen, welche A oder ^ erfährt, mit der Gruppe der geraden Vertausehungen der y holoedrisch isomorph ist. Die un- bekannten A, f*, welche in den kanonischen Formen (5) auftreten, sind dabei geeignete lineare Functionen der ursprünglichen mit diesen Buchstaben bezeichneten Parameter; wir wollen sie die Normalpara- meter nennen, dürfen aber nicht vergessen, dass sie in Uebereinstim- mung mit den 60 linearen Transformationen, durch welche jede der Gleichungen (5) in sich übergeht, noch je auf 60 verschiedene Weisen ausgewählt werden können.

Haben wir so unsere anfängliche Behauptung bewiesen, so können wir auf demselben Wege noch ein Stück weiter gehen. Ich sage zu- nächst, indem ich die soeben berührte Frage wieder aufnehme, dass hei jeder ungeraden Collineation nothwendig die heiden Erzeugendensysteme der Hauptfläche vertauscht werden. Würde nämlich bei sämmtlichen 120 Collineationen das einzelne Erzeugendensystem in sich selbst ver- wandelt, so müsste es, auf Grund der soeben citirten Formel (37), eine Gruppe von 120 linearen Substitutionen einer Veränderlichen geben, die mit der Gruppe der 120 Vertauschungen von fünf Dingen ho- loedrisch isomorph wäre, was aber nach I, 5, § 2 unmöglich ist. Haben wir also A (den Parameter der Erzeugenden erster Art) irgendwie als gebrochene lineare Function der y dargestellt, so erhalten wir einen Parameter ^ der Erzeugenden zweiter Art, indem wir die in A vor- kommenden y irgend einer ungeraden Permutation unterwerfen. Ins- besondere erhalten wir die 60 normalen Werthe von f*, wenn wir hei einem der normalen Werthe von A sämmtliche ungerade Permutationen der y in Anwendung hringen. Bei diesen ungeraden Permutationen bleiben die Ooefficienten a, ß, y natürlich ungeändert, während V sein Vor- zeichen wechselt. Die in den Gleichungen (5) vorkommenden Grössen Z^, Z2 unterscheiden sich also nur durch das Vorzeichen von V. Wir können diesen Sätzen auch noch eine andere Wendung geben, indem wir die 60 Punkte y' einführen, deren Coordinaten y aus dem Schema (4) durch ungerade Vertauschung der y hervorgehen. Wir haben nämlich zur Darstellung der Erzeugenden erster und zweiter Art, welche durch diese Punkte hindurchlaufen, beziehungsweise folgende Gleichungen:

W 1728 rW ~ 2; n28f'((i) ~~^^ ^'

*) Ich gab die im Texte entwickelten Ueberlegnngen (sowie die zugehörigen Formeln der folgenden beiden Paragraphen) zuerst in zwei Mittheilungen an die Erlanger Societät vom 13. Nov. 1876 und 15. Januar 1877 [Weitere Mittheilungen über das Ikosaeder 1, II]. üebrigens will ich gleich hier den Fall der Gleichungen dritten und vierten Grades zum Vergleich heranziehen. Die drei Wurzeln x einer

II, 3. Theorie der Hauptgleichungen. 185

§ 2. Bestimmung des geeigneten Parameters L Die Formeln, welche wir nunmehr für das normale A aufstellen wollen, sind an sich ausserordentlich einfach und leicht zu verificiren. Wenn ich trotzdem zu ihrer Ableitung einigen Raum gebrauche, so geschieht es, weil ich wiederum jedes einzelne Resultat als Folge einer ohne alle Rechnung anzustellenden Ueberlegung ableiten möchte. Als erzeugende Operationen der Ikosaedergruppe haben wir früher (I, 2, § 6) die folgenden beiden gefunden: ( Siz' = £Z,

i (c' «')2 + (e «*) '

Wir sahen ferner (I, 4, § 10), dass sich diesen Substitutionen ent- sprechend die Oktaederformen t^, folgendermassen permutiren:

S : ty = tv+l,

Dieselben Vertauschungsformeln gelten für die Wurzeln der verschie- denen Resolventen fünften Grades der Ikosaedergleichung, die wir da- mals (I, 4) aufstellten, insbesondere, worauf wir bald zurückgreifen werden, für die Wurzeln der Hauptresolvente. Wir werden unsere neuen Formeln so einzurichten wünschen, dass sie sich möglichst an die damaligen anschliessen. Wir werden daher das normale l unter den 60 überhaupt in Betracht kommenden Parameterwerthen so auswählen, dass es genau die Substitutionen (7) erfährt, wenn man die y den beiden durch (8) indicirten Permutationen untenvirft.

Der Werth von X ist hiermit fixirt, keineswegs aber seine Form als Function der y. Erstlich haben wir noch in der Hand, welche Erzeugende zweiter Art wir in dem früher (II, 2, § 10) erläuterten Sinne bei Einführung von l zu Grunde legen wollen. Zweitens

Gleichung dritten Grades mit Sx = 0 deuten wir, dem Früheren zufolge, auf einer geraden Linie. Bezeichnen wir dann einen beliebigen Punkt dieser Geraden in ge- wöhnlicher Weise durch einen Parameter X, so erfährt X bei sämmtlichen 6 Permuta- tionen der X lineare Substitutionen vom Diedertypus, genügt also, richtig normirt, einer Bieder gleichung sechsten Grades. Bei den Gleichungen vierten Grades verlegen wir die geometrische Deutung in die Ebene, bedingen aber neben Sx = 0 auch üx^ = 0 , beschränken uns also auf „Hauptgleichungen". Die Punkte des solchergestalt bevorzugten Kegelschnitts stellen wir wieder in ge- wöhnlicher Weise durch einen Parameter X dar. Dieser Parameter erfährt dann bei sämmtlichen 24 Vertauschungen der x lineare Substitutionen, genügt also, richtig normirt, einer Oktaeder gleichung (oder auch nach Adjunction der Quadrat- wurzel aus der Discriminante der Gleichung vierten Grades, einer Tetraeder- gleichtmg).

186 II, 3. Theorie der Haiiptgleichungen.

können wir Zähler und Nenner von A durch Hinzufügen beliebiger Multipla von Uy (welches identisch = 0 ist) modificiren. In beiderlei Hinsicht wollen wir bestimmte Verabredung treffen.

Bei jeder linearen Substitution von l oder (i bleiben zwei Werthe der Veränderlichen, d. h. zwei Erzeugende der ersten resp. zweiten Art fest. Wir betrachten nun insbesondere die Operation S und legen eine der beiden bei ihr festbleibenden Ergeuge^iden gweiter Art bei

Einführung von A gti Grunde. Sei k in dieser Voraussetzung = ,

wo ^, ^ zwei lineare Functionen der y bedeuten. Indem wir inner- halb p, g diejenige Vertauschung der y vornehmen, die ebenfalls durch S indicirt ist, entstehen 'p' , q. Hier haben ^' = 0, q' = 0 nach Voraussetzung dieselbe Gerade gemein, wie i? = 0, q = 0\ es ist also für beliebige y:

p = ap -\- bq -\- m üy,

q = cp -{- dq -\- n ' Zy.

Aber ^ = A' soll der Formel (7) entsprechend für alle Funkte der

Hauptfläche gleich sk sein, und die Punkte der Hauptfläche sind durch keinerlei lineare Relation zwischen den Coordinaten von de» übrigen Raumpunkten verschieden. Daher verwandeln sich vorstehende Glei- chungen nothwendig in die einfacheren:

p' = sd p -\- m Uy,

q = d-q-\-n ' Uy,

wo d, m, n zuvörderst unbekannt sind. Wir können diese Gleichungen folgendermassen umsetzen:

Jetzt werden wir, unbeschadet der Gleichung A = , die hier auf-

tretenden Ausdrücke p -\ ^ - Uy , q -\- -^ Ey kurz mit

p, q bezeichnen dürfen. Dann haben wir einfach:

p' = sd ' p,

[ q = d' q

Das Resultat unserer Ueberlegung ist hiermit dieses: wir können, und zwar noch auf zwei Weisen (da eine von zwei Erzeugenden zweiter

Art ausgewählt werden musste), unser A derart = setzen, dass nach

(10)

II, 3. Theorie der Hauptgleichungen. 187

Anwendung der Vertauschung S auf die y die Gleichungen (9) identisch statt haben.

Nun ist aber bekannt (und übrigens leicht zu beweisen), dass bei der Vertauschung S beliebiger Grössen y keine anderen linearen Functionen der y sich um einen constanten Factor ändern, als die Multipla der Ausdrücke von La^range:

1^1 = ^0 + « 2/i 4" f'2/2 + «^2/3 + «*y4; ?>2 = ^0 + «^^1 + «^2/2 + « 2/3 + ^^Vi,

Ä == ?/0 + ^^Vi + « 2/2 + «^^3 + «^2/4, ^4 = 2/0 + ^^Vl + «'^2 + «'«/3 + « 2/4,

denen sich als völlig ungeändert bleibender Ausdruck noch Zy zuge- sellen würde, wenn es nicht bei uns identisch Null wäre. Was die Aenderungen der pk bei der Permutation S angeht, so ist Pi = «**'^t. Daher sind die einzigen drei Ausdrücke für X, tvelcJie den Belationen (9) Genüge leisten, die folgenden:

(11) ^ = ».-i. ^ = ^^-t' '-'^-t

Von diesen Ausdrücken ist der erste und dritte brauchbar, der zweite aber zurückzuweisen. Es zeigt sich nämlich, dass die Durch- schnittgeraden von jPi = 0 und p^ == 0, sowie die von Ps = 0, p^^ = 0 in der That der Hauptfläche angehören, nicht aber die Gerade jPa = ö, jOg == 0. Wir beweisen dies am besten, indem wir die pk statt der yy in die Gleichung der Hauptfläche einführen. Wir haben aus (9), indem wir Z!y = 0 hinzunehmen:

(12) öy, = £*-i)i + a'^p, + s^^p, + s-p^

und also:

26 2:y'== 10 (j>,p,+p,p,),

so dass die Gleichung der Hauptfläche, bezogen auf das Coordinaten- system des Lagrange^ die folgende wird:

(13) P1P4. + V2P% = 0,

woraus die Richtigkeit unserer Behauptung ohne Weiteres hervor- geht. Aus (13) folgt noch:

:Pl= _ ^.

setzen toir also, der ersten Formel (11) entsprecliend, k==c^-—, so

müssen wir es auch = c, setzen.

^ Pi

Es wird jetzt nur noch darauf ankommen, den hier auftretenden Factor c zu bestimmen. Wir bilden uns k', indem wir die y der

188 n, 3. Theorie der Hanptgleichungen.

Vertauschung T nach Formel (8^ unterwerfen, und tragen dasselbe dann in die entsprechende Formel (7) ein. Die so entstehende Glei- chung kann keine Identität sein, weil die Erzeugende zweiter Art, die wir bei Aufstellung des A benutzten, bei T nicht festbleibt. Sie muss aber eine richtige Gleichung werden, wenn wir den Relationen Sy = 0, Ey^ == 0 Rechnung tragen. Wir erhalten, indem wir ge- eignete Terme beiderseits vergleichen, für q den Werth 1. Daher ist unser normales X definitiv:

(14) A=_A==Pl

ganz in Uebereinstimmung mit dem Werthe, den wir für den Para- meter A im Schlussparagraphen des vorigen Kapitels (Formel (34) daselbst) angenommen hatten*).

§ 3. Bestimmung des Parameters ^. Der normale Parameter i*, den wir für die Erzeugenden zweiter Art ins Auge fassten, sollte sich aus dem Parameter X durch eine ungerade Permutation der y ergeben. Wir genügen dieser Forderung, wenn wir, wiederum in Uebereinstimmung mit dem Schlussparagraphen des vorigen Kapitels (Formel (35) daselbst):

(15) " = -1: = ^

nehmen. In der That resultirt dieser Werth aus (14), wenn wir yo,yi,y2,y3, y^ ^ez. durch yo,y3,yi,yi, 2/2 ersetzen, also (y^, y^, y^, y^) cyclisch vertauschen.

Nun kann man aber, wie ersichtlich, die Formeln (15) aus (14) auch noch in anderer Weise ableiten, nämlich so, dass man in (14) das 8 überall dur<;h e^ ersetzt. Diese Umwandlung überträgt sich dann natürlich auf die Substitutionen S, T (7) und die aus ihnen ent- stehenden Ikosaedersubstitutionen. Die Substitutionen, welche ft und l hei den geraden Vertauschungen der y erfahren, sind hiernach allerdings in ihrer Gesammtheit, aber keineswegs im Einzelnen identisch, vielmehr erhält man die einen aus den anderen, indem man s durchweg in s^ verwandelt, ein Satz, der in der Folge fundamental ist. Hiermit übereinstimmend

*) Wollen wir in ähnlicher Weise für die Gleichungen dritten und vierten Grades, die wir soeben besprochen, die Wurzeln der Diedergleichung , resp. Oktaedergleichung aufstellen, so bekommen wir entsprechend:

x^ + ax^-j-a^x^ ]/2 (x^ -f- ix, -j-i^x^ -\- i^x^) {x^ ■\-i''x,-\- i*^^ -^i^x^) ' - resp. A :^

wo a' == t* = 1, so dass also auch hier die Quotienten der Ausdrücke von Lagrange sich einstellen.

II, 3. Theorie der Hauptgleichungen. 189

erhält man, wenn man die erwähnte Operation auf das fi anwendet,

nicht etwa wieder X, sondern j-' ^^ ist dies derjenige Werth,

der aus A vermöge der früher mit U bezeichneten Ikosaedersubstitu- tion entsteht. Ihr entspricht die gleichzeitige Vertauschung von «/i mit ^4 und von 2/2 ™it 2/3«

Wir wollen noch die Formel (39) von II, 2, § 10 aufaehmen. Vermöge derselben haben wir jetzt, indem wir X durch A, : Ag, fi durch fij : ^2 ersetzen:

(16) p^ :p2 :P3 :Pi = X^fi^ : A^/ti : A^.u^ : X^fi^, oder unter Einführung eines Proportionalitätsfactors q:

(17) Qy, = a^' . Aijtii e^^ A^ft^ + f^v . ^^^^ _|_ ^v . ^^^^^

§ 4. Die Hauptresolvente der Ikosaedergleichung.

Nachdem wir für eine beliebige Hauptgleichung fünften Grades die normalen Parameter A, /* gefunden haben, werden wir unsere Formeln insbesondere bei der Hauptresolvente fünften Grades in An- wendung bringen, die wir früher (IV, 1, § 12) construirt haben, indem wir eine beliebige Ikosaedergleichung

^^^^ i7287M^rr^ = ^

als gegeben voraussetzten. Wir erhalten auf solche Weise ein ausser- ordentlich einfaches Resultat, das für den weiteren Fortschritt unserer Entwickelung von massgebender Bedeutung ist.

Die Hauptresolvente war durch die Formeln definirt:

(19) Yy = m v^ -\- n UyVv, wo

(20) u,^^^,.= ^^,

unter f, H, T die Grundformen des Ikosaeders, unter t^, Wy die wie- derholt genannten Formen sechster und achter Ordnung verstanden. Man beachte jetzt, dass man Wy und ty Wy in folgender Weise schrei- ben kann:

(21) Wy = {e^^z, - s^^z,) (- g,'' -f 7^,« V)

+ (^'^^1 + «"^2) (-7V^2'-V),

(22) ty Wy = («^*^i 8^-0^) (— 26^ii"^23 _^ 39^^5^^8 _^ _^^i3^

Hiernach nimmt Yy in Formel (19) folgende Gestalt an:

(23) Yy = {a'^Z, - £3v^^) iJ 4. (£2v^^ _^ ^v^^) ^^

190 II, 3. Theorie der Hauptgleichuogen.

wo jR, S lineare Functionen von m, n sind. Es werden also die Lagrange'schen Ausdrücke (die wir hier ebenfalls mit grossen Buch- staben bezeichnen):

(24)

^ ^ P2 = 5^2 . jB, P4 = 5;22 . S.

Daher kommt einfach:

(25) A = ^, ^ = 4.

Vor allen Dingen haben wir also: Der Parameter X stimmt mit der UnheJcannten ^^ : 0^ der ursprünglichen Ihosaedergleichung überein, oder, geometrisch ausgedrückt: Der Punkt:

(26) yy = m Vy{X) -\- n Uy{X) Vyify

liegt, was auch m und n bedeuten mögen, auf der Erzeugenden erster Art X. Betrachten wir hier X als eine veränderliche Grösse, so durch- läuft der Punkt ifr,, wie wir im vierten Paragraphen des vorigen Ka- pitels sahen, eine halbreguläre, rationale Curve, die im Allgemeinen von der 38*®"^ Ordnung ist. Wir hatten beim Beweise die Formeln {2Q) unter Einführung eines Proportionalitätsfactors q durch folgende ersetzt:

(27) Qyy^m- Wy {X„ X,) T{X„ X,)

+ 12n ty {X„ X,) . Wy {X„ X,) -fix,, X,).

Wir erkennen jetzt erstens, wie beiläufig bemerkt sei, weshalb, geome- trisch zu reden, die Ordnung der solchergestalt gewonnenen Curve für m = 0 auf 14, für w = 0 auf 8 herabsinken kann. Es geschieht, weil sich von der allgemeinen Curve 58*®' Ordnung das eine Mal doppeltmhlend das Aggregat der 12 Erzeugenden erster Art f {X^, Ag) = 0, das andere Mal einfach zahlend das Aggregat T {X-^, X^) == 0 absondert. Uebrigens aber haben wir für unsere Curven (27) jetzt folgende Sätze. Wir finden, dass unsere Curven den Erzeugenden erster Art immer nur ein- mal, den Erzeugenden zweiter Art also 37-mal begegnen. In der That haben wir für jede Erzeugende X nach (27) nur je einen Curvenpunkt. Wir finden überdies, dass durch jeden PunJct einer Erzeugenden X immer nur eine Curve (27) hindurchläuft, so dass die Hauptfläche von der Curvenschaar (21) gerade einmal überdeckt ist. Der einzelne Punkt der Erzeugenden X ist nämlich durch das zugehörige ft gegeben, welches die Erzeugende zweiter Art bestimmt, die durch den Punkt hindurch- läuft. Denken wir aber X, /x in (25) als bekannt, so berechnet sich das zugehörige m : n litiear.

Wir knüpfen hieran noch zwei Bemerkungen, die später nützlich

II, 3. Thorie der Hauptgleichungen. 191

werden sollen. Zunächst, was die m, n betrifft, so können wir diese aus den vorgegebenen t/y, der Formel (26) entsprechend, nicht nur dem Verhältnisse nach, sondern auch mit Bestimmung der absoluten Werthe linear berechnen. Diese Formeln ändern sich nicht, wenn wir die yv irgendwie in gerader Weise vertauschen. Denn durch die Ver- mittelung der Ikosaedersubstitutionen des A erfahren die rechter Hand auftretenden Mv(A), Vv{^) immer dieselben geraden Permutationen, wie die links stehenden «/». Die m, n hängen also in der Weise rational von den y^ ab, dass sie hei geraden Vertauschungen der y^ ungeändert bleiben, oder anders ausgedrückt: die m, n sind als rationale Functionen der gegebenen Grössen a, ß, y, V darstellbar. Wir beachten ferner die Ab- hängigkeit zwischen den A, /*, welche durch die Formeln (25) vermittelt wird. Unterwerfen wir A irgendwelchen Ikosaedersubstitutionen, so erfährt das ft, insofern es von den zugehörigen Yy abhängt (genau so, wie wir im vorigen Paragraphen sahen) andere Ikosaedersubstitutionen, die sich aus den gegebenen durch Verwandlung von s in s^ ergeben. In- dem wir der Terminologie folgen, die in dieser Beziehung von Herrn Gordan eingeführt wurde, wollen wir die Aenderungen von fi als contragredient zu den Aenderungen von A bezeichnen. Die Formeln (25) liefern uns unendlich viele rationale Functionen von A, die sich zu A in diesem Sinne contragredient verhalten*).

§ 5. Auflösung der Hauptgleichungeu fünften Grades.

Bereits in § 1 2 gaben wir das Mittel, um die Auflösung der Hauptgleichungen fünften Grades auf eine Ikosaedergleichung zurück- zuführen :

indem wir A als Function der y bestimmten. Wollen wir jetzt rück- wärts die yy durch die einzelne Wurzel A ausdrücken, so können wir uns offenbar der Gleichung (26) bedienen. Ich will dieselbe jetzt so schreiben, dass ich m, n mit einem Index 1 versehe, damit die Zu-

*) Die im Texte bewiesenen Sätze, sowie die sogleich zu entwickelnden Principien zur Auflösung der Hauptgleichungen fünften Grades wurden von Hrn. Gordan und gleichzeitig von mir am 21. Mai 1877 der Erlanger Societät vorge- legt. Dabei ging Hr. Gordan von wesentlich anderen Gesichtspunkten aus, auf die wir hernach zurückkommen. Auch meine eigene Darstellung war von der jetzt im Text gegebenenen einigermassen verschieden und in manchem Betracht weniger einfach. Vergl. hier überall meine zusammenfassende Abhandlung: „Weitere Untersuchungen über das Ikosaeder" im 12. Bande der Math. Annalen (1877, Aug.).

192 II, 3. Theorie der Hauptgleichungen.

Sammengehörigkeit unserer Formel mit der Ikosaedergleichung (28) evident sei. Wir haben dann:

(29) y^ = Ml Vv{a,) -\- Hl ' Ur(X) i'r(A);

betrachten wir später statt A das [i, so werden Z^, m^, n^ simultan in Z^, m^f Wg zu verwandeln sein. Damit die Auflösung der Haupt- gleichung mit Hülfe der Ikosaedergleichung vollständig sei, haben wir offen- bar nur noch die Z^, m^, n^ als rationale Functionen der vorgegebenen Grössen u, ß, y, V ^w bestimmen.

Wir werden später sehen, wie man die hiermit geforderte Berechnung a priori ausführen kann. Einstweilen folgen wir einem viel elemen- tareren Ansätze. Wir haben in I, 4, § 12 die Hauptresolvente der Iko- saedergleichung explicite berechnet, indem wir Z, m, n als willkürliche Grössen betrachteten, auch in § 14 daselbst die zugehörige Quadratwurzel aus der Discriminante angegeben. Nun folgt aus den Betrachtungen des vorigen Paragraphen, das jede Hauptgleichung fünften Grades nach Fixi- rung eines bestimmten Werthes von V gerade einmal in die Gestalt der Hauptresolvente gesetzt werden kann. Wir werden also Zy, m^, n^ in rationaler Weise bestimmen können, indem wir einfach die Coefficienten der allgemeinen Hauptresolvente und die Quadratwurzel aus ihrer Discrimi- nante mit dem Coefficienten a, ß, y der gegebenen Hauptgleichung (1) und dem adjungirten Werthe des zugehörigen V vergleichen. Wir wollen dabei V, wie wir es in I, 4, § 14 thaten, immer folgendermassen definiren:

(30) 25 1/5 . V = 27 (^^ - y^')^

was mit den Formeln (2), (3) des gegenwärtigen Kapitels verträg- lich ist.

Indem wir jetzt zunächst nur die beiderlei Coefficienten verglei- chen, erhalten wir:

[ r7 o 1 I io 2 I 6mw* -j- w'

(31)

.^- ^ _ yi 4 I 6w^w^ + 4ww3 , 3n*

-3- = 48m^- -^— ^ + -(i^p--

Ich habe dabei statt Z^, m^, n^ zuvörderst noch Z, m, n geschrie- ben, weil diesen Gleichungen ja ebensowohl Z^, m^, n^ genügen. Die fernere Rechnung gestaltet sich nun folgendermassen*).

*) Ich entnehme das im Texte benutzte Eliminationsverfahren einer Vor- lesung von Gordan aus dem Winter 1880/81. Auch Hr. Kiepert hat bereits den Vergleich mit der Hauptresolvente in ähnlicher Weise benutzt (Auflösung der Gleichungen fünften Grades, in den Göttinger Nachrichten vom 17. Juli 1878, oder auch Borchardt's Journal t. 87 (1879)).

(32)

II, 3. Theorie der Hauptgleicliungen. 193

Aus der ersten der Gleichungen (31) gewinnen wir:

n^ 12ß 4- y

1 Z 12«

Andererseits bilden wir uns:

9

(33)

und hieraus

« 81

I « P ^ /a 2 '^ V

2 4 1 Z

a

81

^.(3«« + 2ft^ = i-(«r-j^)

Hier brauchen wir nur den Werth (32) von _ einzutragen, um

für m eine quadratische Gleichung zu erhalten. Ordnen wir dieselbe, indem wir mit den Nennern heraufmultipliciren, so kommt:

(34) 16m^ (a* ß^ -{- aßy) - \m (Ua^/S + 2/3^ - «y')

+ y (64a2^2 _ 27 «3y _ ^y2) _ Q^

Durch Auflösung derselben finden wir:

(lla'ß + 2ß'^y ary'O ± aV

(^^) *** ~ 24 (a* - ß« + a^y) '

WO V^ genau mit (3) zusammenfällt (wie man verificiren mag) und das Vorzeichen + einstweilen natürlich noch unbestimmt bleibt. Mit diesem Werthe von m sind die übrigen Unbekannten ohne Wei- teres mitbestimmt. Zunächst, was den Werth von Z angeht, so ge- nügt es, den Werth von aus (32) in die erste der Gleichungen

(33) einzutragen; wir finden so:

.opx r^^ (48 am' 12ßm yY

^ ^ 64a* (12 {ay ß'^) m ßy) '

Wir erhalten n in entsprechender Weise, wenn wir die erste der Gleichungen (31) folgendermassen schreiben:

und nun m und Z als bekannt betrachten. Die Schlussformel wird:

^ ^ ** ~ 144am* + 12^»» + y

Um jetzt das Vorzeichen von V in (35), und also in (36) und (37), so zu bestimmen, wie es der Bevorzugung des A und der Bezeichnung m^, n^, Zy entspricht, vergleichen wir (30) mit dem

Klein, Gleichungen 5. Grades. 13

194 11, 3. Theorie der Hauptgleichungen.

früher angegebenen Differenzenproducte der Hauptresolvente. Es ge- nügt dabeij einen speciellen Fall zu betrachten. Wir nehmen etwa in der allgemeinen Hauptresolvente m = 1, n = 0, haben also, den For- meln (31) zufolge:

Zugleich erhalten wir nach I, 4, § 14:

l](Y. - Y,) = - 25 }/5 '^^^^,

somit nach Formel (30):

_ 12^ (1 - Z) V

Nun wird nach Formel (35) das m in diesem Falle:

11 - 3 ' 12=^ Z + 4 12'' (Z 1) _ 212 7 12^ Z '

soll also m, wie wir annahmen, gleich 1 sein, so haben wir in (35) das untere Vorzeichen in Anwendung zu bringen. Somit haben wir allgemein:

und hieraus nach (36), (37) das Z^ und n^ Die entsprechenden Werthe von Wg, Z^, Wg gehen hervor, indem wir durchweg das Vorzeichen von V umkehren.

§ 6. Der Gordan'sche Ansatz. Die gerade entwickelte Methode der Berechung von m^, Wj, Z^ hat den Vorzug, unter Benutzung der früher abgeleiteten Resultate auf durchweg elementarem Wege zu operiren. Inzwischen lässt sich nicht läugnen, dass es dabei gewisser, ob auch' sehr einfacher Kunst- griffe bedarf, um die richtigen Combinationen der Gleichungen (31) einzuführen, und dass also diese Methode nur wenig in die sonst von uns festgehaltene Darstellungsweise hineinpasst, bei welcher wir bestrebt sind, die Resultate der Rechnung der Art nach allemal von vorneherein ein- zusehen. Ich werde also noch kurz auf diejenige Art der Berechnung eingehen, welche Hr. Gordan ursprünglich gegeben hat, und dies um so mehr, als sich daran gewisse weitere Gesichtspunkte knüpfen, die für unsere Gesammtauffassung des Lösungsproblems von Nutzen sind*).

*) Vergl. ausser der bereits soeben genannten Note eine Mittheilung von Gordan an die Naturforscherversammlung zu München (Sept. 1877), sowie die grössere Abhandlung : Ueher die Auflösung der Gleichungen vom fünften Grade im 13. Bande der Mathem. Annalen (Jan. 1878).

II, 3. Theorie der Hauptgleichungen. 195

Machen wir uns zunächst die Schwierigkeiten deutlich, welche einer directen Berechnung der Grössen Z^^ Wj, n^ entgegenstehen. Wir hatten z. B, für Z^ die Definitionsgleichung:

^ 7 = -g'W

1 1728 f- (i) '

WO wir für A den einen Werth:

substituiren mögen. So haben wir in Z^ eine rationale Function der fünf Wurzeln ?/o 2/4 ^or uns, welche bei allen geraden Vertauschun- gen der y ungeändert bleibt. Nun geschieht aber das letztere nur, weil die y an die Bedingungsgleichungen 2^y = 0, Uy^ = 0 gebunden sind, es geschieht keineswegs, wenn wir die y als willkürlich veränder- liche Grössen betrachten wollen. Anders ausgedrückt: das Z^ ist bei den geraden Vertauschungen der y allerdings thatsäclilich aber nicht formal invariant. Nun beziehen sich alle Regeln, die man in den ge- wöhnlichen Darstellungen zur Berechnung symmetrischer Functionen etc. findet, auf Functionen von formaler Symmetrie; es sind diese Regeln also für unseren Zweck nicht unmittelbar zu gebrauchen.

Hr. Gordan umgeht diese Schwierigkeit, indem er die Bedingungs- gleichungen Ey = 0, Uy^ = 0 in allgemeiner Weise durch Functionen unabhängiger Grössen befriedigt. Er hat dann weiterhin überhaupt mit Functionen independenter Variabler zu thun und kann für sie einen~ Algorithmus aufstellen, der dem gerade genannten, auf symmetrische Functionen bezüglichen Verfahren gewissermassen analog ist.

Die unabhängigen Variabelen, welche Hr. Gordan zu Grunde legt, sind im Wesentlichen keine anderen als die homogenen Parameter Aj, ^2 und 1*1, flg. Wir haben schon oben die Verhältnisse der 2?* und andererseits die Verhältnisse der yv durch diese Grössen ausgedrückt [Formel (16), (17)]. Hr. Gordan präcisirt die betreffenden Formeln, indem er sich die absoluten Werthe der A, ft in geeigneter Weise be- stimmt denkt und dementsprechend folgendermassen schreibt:

(39) Pi = Ölifli, P2= ÖX^fli, B = 5Aift2; i'4 = 5^2^*2;

worauf yy dem folgenden Ausdrucke gleich wird:

(40) y, = £4. . ^^^^ _ g3v . ^^^^ _j_ £2v . ^^^^ _|_ gv . X^^^^

Ehe wir in Besprechung des Gordan'schen Verfahrens weiter gehen, wollen wir die gegebenen und die gesuchten Grössen alle durch die hiermit eingeführten A, fi ausdrücken. Ich stelle zunächst die Formeln für die Coefficienten a, ß, y der vorgelegten Gleichung fünften Grades und das zugehörige V zusammen. Wir haben:

13*

196 II, 3. Theorie der Hauptgleichungen.

(41) a = - ^f" = -.A,ViV2 - K'hi^-^ - Kh'i^i' + A,V,^/,

(42) ^ = _ ll^ = - A.Viit*/ + A,^A,^/+ 3A,U2^^,V,^ - A^A^V,^

(43) r = ~^-=- V(^,^ + f./) + 10VA,^,V/ - 10A,3A,Vif^/

- iOA,u,-ViV2 - iOA,A,ViV2' + K' W - f^2-^),

n in, - y,')

(44) V =

25 1/5

= A/o(^,^« 4- 11^,^2-^ - ^2^") + (- ^1^° - ii^iV2-^' + i^.n

+ A,^^ (25/^1 V/ - 50,i,^/tt/) + A,A,9 (- 60(1,' fi,' - 25^, V/) + ^,n./i- 16(1,' (i./ + 25^,11*/) + A,U/ (- 25^, V, - 75^. V2') + ^,'X,' (- ÖOiit.Vg - 160(i,'(i,') + A,3A,' (+ 150 ^,V2' - 50^,^/) + k,n,^ (150^, V2' + 75ft,V2') + VAs" (+ 75^, V/ - 150^,^2') + A,^A/ (11^,1« - 504^,V2' - 11 ^2^")-

Von den gesuchten Grössen ist uns Z, unmittelbar als Function der A bekannt*):

H' ik , ;i,)

(45) Z, =

1728 r (k , h)

Aber auch die ni,, n, lassen sich leicht durch die A, (i darstellen. Tragen wir nämlich in die Definitionsgleichungen:

y^ == m, Vy{l,, A2) + n, Mr(A, , A2) . Vr(Ai, L^) oder:

für die y^ die Werthe (40) ein, so ergibt sich durch Auflösung:

. .ps M^ _ N, T{X,, X.,)

(^4bJ ^1 12 /• {X, , ;i,) ' **i 144 . f {X, , I,) '

wo Jfj, iVi folgende zwei in den fij, ftg lineare Formen bedeuten:

(47) M,=1 ^i(V^-^9A,«A/-26A,U2^«)

l ^2 (2oAj A2 6vA.{^A2 Ag ),

*) Die Grössen Z^^ m^, n^, die an sich mit Z^, m^, n, gleich berechtigt sind, lassen wir der Kürze halber bei Seite,

II, 3. Theorie der Hauptgleichungen.

197

(48) N, = ii, iU,'X,' + A^^) + (i, (- A,^ + 7 A,^V).*)

Es gilt jetzt, die Grössen Z^, m^, n^ auf Grund der hiermit ge- gebenen Formeln (41) --(48) rational durch a, ß, y, V darzustellen.

§ 7. Substitutionen der X, fi] invariante Formen. Wir müssen jetzt die Umänderungen kennen lernen, welche die ^ij h} f-i; f*2 ^öi den Vertauschungen der y erfahren. An sich sind diese Umänderungen allerdings nicht völlig bestimmt. Denn von den vier Grössen A, fi ist eine, auch wenn wir den absoluten Werthen der «/v Rechnung tragen, überzählig. Wir fanden oben, dass bei den ge- raden Vertauschungen der y^, die wir mit S und T bezeichneten,

X .

-~ die ebenso benannten Ikosaedersubstitutionen erfährt, während

Substitutionen erleidet, die sich aus diesen durch Verwandlung

von s in s^ ergeben. Wir bemerkten ferner, dass aus -j-

durch

die cyclische Vertauschung {y^, y^, y^, y^) hervorgeht und dass eine Wie-

derholung dieser Operation aus

/*2

das Y~ entstehen lässt. Auf

Grund dieser Sätze werden wir jetzt für A^, A2, ^i, ^^ homogene lineare Substitutionen von der Determinante Eins derart deßniren, dass rüclc- wärts aus ihnen vermöge (40) die geeigneten Permutationen der y^ folgen. Zu dem Zwecke setzen wir zunächst, unter Benutzung der homo- genen Ikosaedersubstitutionen von der Determinante Eins:

(49) S: A/ = £^1, A/ = E^L^; |it/ == £^j, /i/ = «V2;

A; = - {a - £^)A, + («' - ^')h,

K: = (a^ - £')Ai + - £*)A2-,

(50) T:\

]/5 . ^; = {f £3) ^^ + f*)ft2;

y5 fi/ = «*)/*! - («' ^')^2;

wobei die Formeln für die ^ aus denjenigen für die A wieder hervor- gehen, indem man £ durch £^ ersetzt**). Bringen wir diese Substi-

*) Bei Verification der für M^, Ni mitgetheilten Ausdrücke wolle man be- achten, dass die Determinante

einfach gleich H (Xj , l.^) ist.

**) Hierbei ändert, was man nicht übersehen darf, Y^ = e + e* c* «^ sein Vorzeichen.

198 II j 3. Theorie der Hauptgleichungen.

tutionen bei (40) in Anwendung, so folgt in der That, wie es sein muss:

T- Vo = %, yi = 2/2; ^2' = yi, 2/3' = y^> yl = y^

Dabei sind die Vertauschungen der y, die durch Verbindung von S und T entstehen, den entsprechenden Substitutionen der A, ft natürlich nur hemiedrisch isomorph: es sind 120 Substitutionen der A, ft und nur 60 Vertauschungen der y. Dieser Umstand erklärt sich dadurch, dass unter den Substitutionen der A, ft sich folgende befindet:

bei welcher die y^, als bilineare Functionen der A, ft, sämmtlich unge- ändert bleiben.

Wir führen ferner die nachstehende Substitution ein, die wir kurz- weg als Vertauschung von A und ft bezeichnen:

(51) (li = Ai, ^2' = h> K = /*2; V = f*i-

Aus den Formeln (40) ergibt sich dann:

yv = ^2r,

also in der That die schon früher benutzte ungerade Permutation der y^. In Uebereinstimmung ebenfalls mit dem Früheren kommt bei Wie- derholung von (51):

Aj = A2, Ag = A^; f*! = /*2J ^2 ^^ ^1) d. h. die sonst mit JJ bezeichnete homogene Ikosaedersubstitution.

Statt der zweiwerthigen oder symmetrischen, homogenen Functionen der y^ werden wir nun überhaupt solche rationale und insbesondere ganze homogene Functionen (Formen) der A^, A2 ins Auge fassen, welche bei den Substitutionen (49), (50) bez. (51) ungeändert bleiben. Ist dies nur bei (49), (50) der Fall, so sollen sie Invarianten schlecht- hin genannt sein, während wir, wenn Unveränderlichkeit auch bei (51) hinzutritt, von vollkommenen Invarianten sprechen wollen. Es kann sein, dass eine Invariante bei (51) einfach ihr Zeichen umkehrt; wir nennen sie dann alternirend. Ist eine Invariante weder vollkommen noch alternirend, so wird sie vermöge (51) mit einer zweiten zu- sammengeordnet. Das Verhältniss der beiden Invarianten ist dann ein gegenseitiges, denn die Wiederholung von (51) ist eine Ikosaeder- substitution und führt also zur ursprünglichen Invariante zurück.

Offenbar ist a, ß und y eine vollkommene, V eine alternirende Invariante. Die sonst noch von uns benutzten Formen /"(A^, Ag), jff(Aj, A2), T (k^, A2), Jfi, iVi repräsentiren den allgemeineren Typus.

II, 3. Theorie der Hauptgleichungen. 199

Indem ich die ersteren drei fortan der Kürze halber mit f^, H^, T^ benennen werde, sollen die Formen, welche durch Vertauschung von A und (i hervorgehen, mit f^, H^, T^^ Jfg, 'N.^ bezeichnet sein.

§ 8. Allgemeines über die von uns auszuführenden Eechnungen.

Die Fragestellung des § 6 verlangt, gewisse rationale Invarianten rational durch die a, /3, y, V auszudrücken. Zu dem Zwecke mögen wir zunächst fragen, welche ganzen invarianten Functionen (Formen) ganze Functionen der a, j8, y, V sind? Offenbar alle diejenigen und nur diejenigen, die ganze Functionen der yy, sind. Dies sind aber alle solchen Formen, welche in den k^, X^ '^^^ f*i> f*2 beziehungsweise den- selben Grad haben. Denn einmal ergibt jede ganze Function der ijv gewiss eine ganze Function von gleichem Grade in den k und ft, andererseits aber kann jede Form der A, ^i, die in den X und von gleichem Grade ist, als ganze Function der Terme Aift^, Ag^t^, k^n^^, Agj^a angeschrieben werden, und diese Terme sind, von Zahlenfactoren abgesehen, den p^, p^, p^, p^, d. h. ganzen Functionen der y^ gleich*).

Auf Grund dieses Satzes wird unsere Methode jetzt die sein, dass wir eine vorgelegte rationale Invariante, welche wir als rationale Function der a, ß, y, V darstellen sollen, durch Zufügen geeigneter Factoren in Zähler und Nenner so umgestalten, dass Zähler und Nenner für sich genommen invariante Formen gleichen Grades in den A, ft werden, worauf wir Zähler und Nenner einzeln als ganze Function der a, /?, y, V berechnen.

Was nun die Auswerthung solcher ganzer Functionen angeht, so bemerken wir, dass sich jede invariante Form gleichen Grades in den A^ , X^ und ^i, ft2 *** ^^*^6 vollkommene und eine alternirende Invariante spalten lässt. In der That, sei JF\ die vorgelegte Form, F^ die zugeordnete Form, die aus ihr durch Vertauschung von A und ^ entsteht. So setzen wir einfach: (52) F, = 514-^-i + S^ .

77* J_ TT

Hier ist ' 'T - als vollkommene Invariante eine ganze Function der

«, /3, y allein, -i— - aber zerfällt, als alternirende Invariante, in das

Froduct von V mit einer ganzen Function der a, ß, y.

Die wenigen, hiermit aufgestellten Regeln gestatten uns, die Be- rechnung der Grössen m^, w^, Z^ auf directem Wege in Angriff nehmen.

*) Vergl. die analoge Bemerkung im Schlussparagraphen des vorigen Kapitels.

200 11, 3. Theorie der Hauptgleichungen.

§ 9. Neuberechnung der Grösse m^. Es ist m^ in unserer neuen Schreibweise:

(53) »^ = ^-

Hier werden wir jetzt zunächst Zähler und Nenner mit einer solchen invarianten Form multipliciren, dass beiderseits gleicher Grad in den A, fi resultirt. Offenbar ist es am einfachsten (ob auch durchaus nicht nothwendig), fg ^^^ solchen Factor zu wählen. Wir schreiben demnach:

(54) m,= ^'^'

In dieser Formel ist der Nenner an sich eine vollkommene Invariante; den Zähler aber unterwerfen wir dem eben bezeichneten Spaltungs- processe. Wir erhalten so:

die Berechnung von m^ ist also darauf ziirücligefiihrt, die beiden voll- Icommenen Invarianten:

MJ,-\-M,f, und /;/, sowie die alternirende Invariante:

durch geeignete ganze Functionen von a, ß, y hez. von a, ß, y und V zu ersetzen. Wir erledigen die nun noch vorliegende Aufgabe, indem wir ein- mal den Grad der zu Vergleich kommenden Formen in den A, ti in Betracht ziehen, andererseits auf die expliciten Werthe unserer Formen in den A, fi (wie wir dieselben in § 6 mittheilten) zurückgreifen. Die soeben genannten Invarianten {M^f^ -\- M^f^ etc. sind in den A, /i. beziehungsweise vom Grade 13, 12 und 13. Andererseits weisen "> ^7 Y7 ^ betreffs derselben Variabelen die Gradzahlen 3, 4, 5, 10 auf. Daher schliessen wir zunächst, dass {M^f^ -\- M^f-^ eine lineare Combination der Terme a^ß, ay'^, ß^y sein muss, dann ferner, dass /i/'a einer ebensolchen Verbindung von «*, ß^, aßy gleich wird, end- lich, dass (JS^i/'g ^2(1) ^is ^uf einen numerischen Factor mit aV zu- sammenfällt. Um die hier noch unbestimmten Zahlencoefficienten zu berechnen, genügt es, bei den expliciten Werthen der einzelnen Formen auf nur einige Terme zu achten, also etwa auf die An- fangsterme, die sich ergeben, wenn wir die Formen nach absteigen- den Potenzen von A^ und aufsteigenden von Ag ordnen. Ich theile hier, der Vollständigkeit halber, die Anfangsterme der von uns in Betracht zu ziehenden Formen je bis zu derjenigen Grenze mit, bis zu der wir sie wirklich gebrauchen. Wir finden nach § 6:

II, 3. Theorie der Hauptgleichungen. 201

il^/2 - ^2/; = VVi>2 + ••••; sowie:

a'ß = A,^^ft,V/ + X,'n, (- ^,^V2' + 3^i>2') + ':

af = A,'3 (2ft,V/ + 2^,V2'') + ^i''h (0) + •,

ßV = 'l/' (l^i^V2 + 2/^x^2*' + f^i V2^0 + h''h (0) + ,

/3^ = - V^»lV2' + 3A,^U,^,V2^ + •, «/3y = -A,^^(^,W + f*2W) + >li^'^2(/*/V2 + lOft,W-ft,ft2'0 + --;

«v = - WV2 + ---.

Aus diesen WertJien lesen ivir nun ohne Weiteres oh:

(56) fj, = a'-ß^-\- aßy,

l Jtf,/; - M,f, = - «V, und also schliesslich:

'^^V ^^~~ 2i{a*- ß' + aßv) '

was genau der oben in Formel (38) mitgetheilte Werth ist.

In derselben Weise könnten wir jetzt natürlich auch noch n^ und Z^ berechnen: die betreffenden Rechungen würden nur etwas umständ- licher werden, weil es sich bei ihnen um Bildungen höhereu Grades in den k, ^ handelt. Man wird diese Rechnungen, wie immer in ähn- lichen Fällen, durch zweckmässige Reductionsprincipien in eine grössere Zahl kleinerer Schritte zerlegen können (vergl. die Gordan'sche Arbeit). Wir gehen hierauf nicht näher ein, da wir in § 5 für ti^, Z^ ja doch schon einfache Formeln erhalten haben, und das Princip der Gordan- schen Berechnungsweise an dem Beispiele von m^ bereits hinlänglich erkannt wird.

§ 10. Geometrische Deutung der Gordan'schen Theorie.

In den vorhergehenden Paragraphen ist die Gordan'sche Theorie rein algebraisch exponirt worden; wir werden dieselbe unseren sonsti- gen Betrachtungen noch näher bringen, wenn wir mit kurzen Worten ihrer geometrischen Bedeutung gedenken. Wir haben dabei die Ver- hältnisse Ai : A2 und ft^ : (I2, wie wir dies schon im Schlussparagraphen

202 n, 3. Theorie der Hauptgleichungen.

des vorigen Kapitels in Aussicht nahmen, als Coordinaten auf der Hauptfläche zu interpretiren. Eine Gleichung:

definirt dann eine auf der Hauptfläche verlaufende Curve, deren Schnitt- punkte mit den Erzeugenden erster und zweiter Art der Zahl nach durch den Grad von F in ^ bez. X bestimmt werden. Ist F eine In- variante, so geht die betreffende Curve bei den 60 geraden Colli- neationen in sich über, ist also, sofern sie irreducibel ist, halb- regulär. Die Curve wird (unter der gleichen Bedingung) regulär, wenn die Invariante F vollkommen oder alternirend ist.

Interpretiren wir in diesem Sinne die in den vorangehenden Pa- ragraphen auftretenden Invarianten, so werden wir zu lauter Curven geführt, deren Bedeutung uns entweder unmittelbar deutlich oder doch von früher her bekannt ist. Die Curven a = 0, ß = 0, y = 0 sind uns oben als Schnittcurven der Hauptfläche mit der Diagonal- fläche etc. entgegengetreten*). V = 0 ergibt eine Curve, die augen- scheinlich in 10 ebene Bestandtheile zerfällt •, f = 0, H^ =■ 0, T^ ^ 0 repräsentiren gewisse Aggregate von 12, bez. 20 oder 30 Erzeugenden erster Art. Was aber bedeuten M^ =0, iV^ = 0? Aus der Gestalt von M^, N^ geht unmittelbar hervor, dass es sich um Curven der 14., bez. der 8. Ordnung handelt, welche die einzelne Erzeugende erster Art nur je einmal schneiden. Es sind dies dieselben Curven, die wir früher durch Formeln folgender Art dargestellt haben:

(58) QVv = tr (Ai, A2) Wy{X^, A2) bez. qVv = Wr{li, Ag).

In der That werden wir zu diesen Formeln zurückgeführt, wenn

wir aus M^ = Q oder JV^ = 0 das als rationale Function von y^ bestimmen und den gefundenen Werth in die Formeln (40):

«/„ = «^Ui/ij «^"AafAi + f^" Aift2 + «"^2^2

eintragen. In demselben Sinne repräsentirt offenbar folgende Gleichung:

(59) m T(X„ A2) . JVi + 12w f (X„ Ag) - M, = 0

die ganze Schaar jener Curven 38. Ordnung, die wir in § 4 des gegen- wärtigen Kapitels betrachteten (siehe Formel (27) daselbst).

Wir wenden uns jetzt insbesondere zu der im vorigen Paragraphen gegebenen Berechnung von m^. Ursprünglich war, nach (53):

^1 .

m.

12/;

*) Indem wir uns für a der in (41) gegebenen Darstellung bedienen, können wir jetzt mit Leichtigkeit die früher ausgesprochene Behauptung beweisen, dass die Curve a = 0, d. h. die Bring'sche Curve, keinerlei wirkliche Doppelpunkte be- sitzt, also irreducibel ist und dem Geschlechte p = i angehört.

11, 3. Theorie der Hauptgleichungen. 203

es ist also m^ eine Function auf der Hauptfläclie, welche längs der

Curve 14. Ordnung M^ = 0 verschwindet und für die 12 Erzeugenden

erster Art /i == 0 unendlich wird. Indem wir jetzt schreiben, wie in

(54) geschah:

_ M,f^

haben wir offenbar die beiden Curven Jfj =0, /i = 0 durch Hinzu- fügen der Curve ^g = 0, d. h. eines Aggregats von 12 Erzeugenden zweiter Art, zum vollständigen Schnitte der Hauptfläche mit je einer zutretenden Fläche ergänzt; die ausschneidenden Flächen können dann insbesondere so angenommen werden, dass sie selbst bei den 60 ge- raden Collineationen in sich übergehen und also durch Nullsetzen ganzer Functionen von a, ß, y, V repräsentirt werden. Hiernach dürfte die Structur der Formel (57) und auch das Maass ihrer Will-, kürlichkeit geometrisch deutlich sein. Ich überlasse dem Leser, sich in ähnlicher Weise die Bedeutung der Formeln (36), (37) für Z^ und «1 zurechtzulegen.

§ 11. Algebraische Gesichtspunkte (nach Gordan).

Wir haben die Gordan'sche Theorie bisher so dargestellt, wie sie ursprünglich entstanden ist, nämlich als directe Methode zur Berech- nung der bei Auflösung der Hauptgleichungen fünften Grades auf- tretenden Grössen. Inzwischen hat Hr. Gordan in seiner ausführlichen, im 13. Annalenbande publicirten Abhandlung den Standpunkt wesent- lich höher gewählt; er hat sich die Aufgabe gestellt: das volle System der invarianten Formen F(Xi, A2; fii, ^2) ^^^ möglichst viele zwischen diesen Formen hestehende Belationen su bilden. Dabei findet er 36 System- formen, von denen diejenigen, die von a, ß, y, V verschieden sind, durch Vertauschung von A und fi zusammengehören. Wir können auf diese Resultate nicht näher eingehen, müssen aber der Methode gedenken, deren sich Hr. Gordan zur Ableitung derselben bedient. Man erinnere sich, wie wir früher II{X^, Ag), T(X^^ A^) aus /"(Aj, Ag) durch Differentiationsprocesse der Invariantentheorie abgeleitet haben. Genau so gewinnt jetzt Hr. Gordan seine Formen, indem er:

als „doppeltbinäre Grundform mit zwei Reihen unabhängiger Variablen" an die Spitze stellt.

Erwähnen wir in dieser Hinsicht zunächst, wie jetzt /"(A^, Ag) [die Grundform des Ikosaeders] zu definiren ist. Man betrachte in a die Aj, Ag als constant, d. h. a als binäre Form dritter Ordnung allein der ft^, ^^. Dann ist, behaupte ich, von einem Zahlenfactor

204 n, 6. Theorie der Hauptgleichungen.

abgesehen, f die Discrimmante dieser Form dritter Ordnimg. Wir bestä- tigen dies durch directe Ausrechnung. Den gewöhnlichen Regeln folgend bilden wir zunächst die Hesse'sche Form von a und finden bis auf einen Zahlenfactor die folgende, in den ^ quadratische Invariante:

(60) t = ft,2 (-A,« - 3A,A,5) 4- lO^,ii,X,'X,' + ^/ {3^,'X, - A/),

die wir später noch gebrauchen werden. Wir berechnen ferner die Determinante von t und kommen in der That, von einem numerischen Coefficienten abgesehen, auf

zurück.

Erläutern wir ferner, wie Hr. Gordan die Umkehrformeln ge- winnt, die wir in § 4 aufstellen konnten, indem wir diejenigen Kennt- nisse, die wir früher (I, 4, § 12) gewissermassen zufälligerweise durch Aufstellung der Hauptresolvente der Ikosaedergleichung gewonnen haben, in Anwendung brachten. Bei Hrn. Gordan bilden diejenigen Invarianten, die in fi^, ^^ Unear sind, den Ausgangspunkt. Er zeigt, dass vier verschiedene dieser Invarianten existiren, unter welchen die- jenigen beiden, die in den A vom niedrigsten Grade sind, genau mit unseren JV^, M^ zusammenfallen*). Nun sind die y^ der Formel (40) zufolge :

y, = s^'l,(i, - a^^L,ii, 4- s'n.fi, + s'X,(i,

selber lineare Formen der ft^, ju-g. Daher können wir von vorne- herein schreiben:

(61) ayy =hy-Mi-\-Cr'Ni,

wo die Coefficienten a, hy, Cy der Identität zu entnehmen sein werden:

= 0.

Hier ist a als Fuuctionaldeterminante der Jf^, N^ selbst eine Inva- riante; wir sahen bereits oben, dass sie mit jff (A^, Ag) zusammenfällt. Dagegen sind b^, Cy, wie die y^ selbst, nothwendig fünfwerthig. Indem wir sie als Functionaldeterminanten von y^ und JV^, bez. y^ und M^

Vv

M,

N,

dyv

dM,

dN,

d[ii

a^i

diii

dyv

dM^

dN,

dfi.,

dfi.^

dfi.,

*) Eine dieser 4 Invarianten ist, wenn wir sie mit H^ multipliciren , in der allgemeinen Form m 2\ N^ -\- 12n f^^ ilfj enthalten, deren Verschwinden jene Curven 38. Ordnung vorstellt, die wir früher betrachtet haben. Unter diesen Curven ist also neben ilfi = 0, N^ = 0 noch eiue dritte vorhanden, deren Ord- nung sich auf eine niedere Zahl, nämlich auf 18, reducirt.

II, 3. Theorie der Hauptgleichungen. 205

berechnen, bekommen wir jetzt hinterher dieselben Grössen, die wir früher mit Wr{kj^, Ag) und tv{Xi, X^) TFv(Ai, Ag) bezeichnet haben. In der That muss ja Formel (61), in unseren früheren Bezeichnungen ge- schrieben, folgendermassen lauten:

(62) H{1„ A,) . ?/. = Wr{k„ K).M, + U{k„ A^) . Wr{l„ A,) JV,; man vergleiche etwa Formel (46) oben. Wir können sagen, dass Gordan' s hiermit geschilderte Entwickelung dieser Formel die genaue Umkehr der unsrigen ist. Der weitere Gang der Rechnung ist dann beiderseits derselbe. Um die y^ durch die A und die sonst gegebenen Grössen auszudrücken, führen wir in (62) statt M^, N^ die Ausdrücke

_ M, _ N,-T,

*^i ~ 12/; ' **i ~ 144 . /; 3

ein, d. h. Quotienten, welche in A^, Ag und ft^j [i^ gemeinsam von der ersten Dimension sind, und berechnen dann diese als rationale Functionen der a, ß, y, V in der Weise, wie es in § 9 speciell für w?i ausge- führt wurde.

Wir verweilen noch einen Augenblick bei Gordan's Ableitung der Formel (62). Offenbar können wir dieselbe folgendermassen in Worte fassen. Da die yy bilineare Formen der A^, k^ und ftj, ^^ sind, so verlangt ihre Bestimmung, wenn wir k^ (was gestattet ist) beliebig annehmen, sodann Aj : Ag aus der zugehörigen Ikosaedergleichung ge- funden haben, nur noch die Kenntniss der /u^, /itg. Diese mm gewinnen mr, indem tvir die beiden in ft^, ii.^ linearen Invarianten M^, N^ heranziehen wid sie als rationale Functionen der A^, Ag und a, ß, y, V berechnen. In der That haben wir so zwei lineare Gleichungen für ftj, ftgl lösen wir dieselben nach fij, /x^ auf und tragen die ent- stehenden Werthe in die Formel für yy ein, so haben wir das gesuchte Resultat, dasselbe, welches in abgekürzter Form durch (62) vorgestellt wird. Oder wir können auch so sagen. Setzen wir M^ = 0, so bestimmen wir damit in der binären Mannigfaltigkeit jt^ : ^1.2 ein erstes, zu dem Elemente Aj : Ag contragredientes, oder, allgemeiner ausgedrückt, covariantes Element. Ein zweites, ebensolches Element gewinnen wir, wenn wir JV^ = 0 nehmen. Unsere Aufgabe ist es, dasjenige Ele- ment innerhalb (ii'. (i2 zu finden, welches durch yy = 0 repräsentirt wird. Wir erledigen diese Aufgabe in (62), indem wir y,, aus den beiden covarianten Elementen Jf^, N^ mit Hülfe geeigneter Coeffi- cienten zusammensetzen, also genau nach denselben Grundsätzen der „typischen Darstellung" verfahren, welche wir schon oben bei Be- sprechung der Tschirnhaustransformation benutzten. Die hiermit bezeichnete Auffassungsweise wird später in verallgemeinerter Form wiederholt zur Geltu^ kommen.

206 II, 3. Theorie der Hauptgleichungen.

§ 12. Die Normalgleichung der r^.

In unserer allgemeinen Uebersicht der verschiedenen zur Lösung der Gleichung fünften Grades eingeschlagenen Wege haben wir oben (II, 1, § 1) die Methode der Besolventenhildung von derjenigen der Tschirnhaustransformation getrennt, dabei aber bemerkt, dass man die eine Methode immer in die andere umsetzen kann. Indem wir die Hauptgleichungen fünften Grades direct mit Hülfe der Ikosaederglei- chung lösten, haben wir die Methode der Resolventenbildung befolgt. Sollen wir statt ihrer die Methode der Tschirnhaustransformation zur Darstellung bringen, so werden wir irgend eine der Resolventen fünften Grades, die wir in I, 4 für die Ikosaedergleichung aufgestellt haben, als Normalgleichung zu Grunde legen müssen.

Am zweckmässigsten scheint in dieser Hinsicht die Resolvente der n, die wir in § 9 1. c. construirten und der wir damals die fol- gende Form ertheilt haben:

(63) ^: Z— 1 : 1 = (r 3)3 (r^ - llr + 64)

: r (r^ 10 r -f 45)^ : 1728. In der That haben wir bereits früher 13 1. c.) die m^, Vy durch

r^ rational dargestellt:

12 12

rl - lOr^ +45' "" r^ - 3 ' tragen wir diese Formeln in unsere jetzige:

yv = m^ Uv -{- n^ ' Uy v^ ein, so erhalten wir unmittelbar die Darstellung der y^ durch die Wurzeln der Normalgleichung (63):

_ J^2(^ -3)^1 + 144 >^^ (64) Vv (,.^ _ 3) (,.2 _ lor^ + 45) *

Es fragt sich nur noch, wie wir:

als rationale Function des y^ berechnen. Wir werden hier einen ähnlichen Weg einschlagen, wie soeben (in § 9) bei der Berechnung von m^. Sei der Kürze halber:

so schreiben wir der Reihe nach:

^2 , f ^V, 1 /2

[4i -f^ + ^l 2 A] + in, 1 ^2 - j^2 A]

II, 3. Theorie der Hauptgleichuugen. 207

Hier ist /i f^, wie wir wissen, gleich (a* /3^ + ^ßv)- Nun können wir in ganz entsprechender Weise (durch Zurückgehen auf die expli- citen Werthe in X^, X^ und /Lt^, \i^ die beiden Bestandtheile des Zählers berechnen. Denken wir uns einen Augenblick statt der A, ft die y eingeführt, so sind diese Bestandtheile solche ganze Functionen der 2/, die un geändert bleiben, wefnn man diejenigen vier y, welche von unserem festen yv verschieden sind, in beliebiger Weise, resp. in gerader Weise, permutirt Nun sind die Potenzsummen dieser vier y ganze Functionen von y^, cc, ß, y, ihr Differenzenproduct aber ist gleich 5V :(«// + 2ayv + /3), wo {\f -\- 2ay -\- ß) den durch 5 dividirten DifFerentialquotienten der linken Seite unserer Hauptgleichung be- zeichnet. Daher wird \tl, i /"a -f- ^v, 2 /i] eme ganze Function von

yy, a, ß, y sein, \tl^ 1 /"g ty, 2 f^ ob^ in das Product einer solcJien

V ganzen Function und der Grösse , , ^ r-3 zerfallen. Es ist un-

•^ yv* + 2ayv + ß '

nöthig, dass ich in die Einzelheiten der Rechnung eingehe; ich will

also nur das Resultat mittheilen*). Man findet:

(65) 2(a^ ß''-\-aßy)r,

= {{ay + 2ß') y/ + («' - ßY) V^' - 5«'^ ' V^ + (4aV + 13«^^)?/^

+ (11«^ + ^aßy)^ - [(«y/ ^ ßy^. ^ -^Yy^^^ly^^^]

Fassen wir zusammen, so haben wir Folgendes: Wir haben in (65) die Tschirnhaustransformation, welche die gegebene Hauptgleichung in die Normalgleichung (63) verwandelt; haben wir sodann die Wurzeln ry der letzteren bestimmt, so gibt uns (64) die expliciten Werthe der ge- suchten yy.

§ 13. Die Bring'sche Transformation.

Ich habe die Formeln des vorigen Paragraphen um so lieber aus- führlich mitgetheilt, als sich aus ihnen, wie ich jetzt zeigen werde, alle Formeln ableiten lassen, deren man bei Durchführung der Bring- schen Transformation bedarf**). Es seien y^, y^, y^, y^, y^ und Vq} Vi 7 y^y 2/3'; yl ^i^ Coordinaten zweier Punkte der Hauptfläche, welche derselben Erzeugenden erster Art angehören. Dann erhalten wir für die entsprechenden Hauptgleichungen die nämlichen Z und r^***),

*) Siehe Math. Ann. t. XII, pag. 556.

**) Siehe die analogen Formeln bei Gordan in Bd. 13 der Math. Annalen, pag. 400 ff.

***) Oder richtiger Zj und rr, 1 , wie wir schon im vorigen Paragraphen hätten schreiben können.

208 n, 3. Theorie der Hauptgleicliungen.

während wir die übrigen bei ihnen in Betracht kommenden Grössen je durch Zufügen eines Accentes unterscheiden, also den a, ß, y, A, Ml, fii der ersten Gleichung bei der zweiten Gleichung a', ß', y', V, m^, nl entgegenstellen wollen. Ich sage nun, dass eine doppelte An- wendung der Formeln (64), (65) genügt, um die eine der Hauptglei- chungen in die andere zu transformiren , hez. ihre Wurzeln durch die der zweiten auszudrücken. Wir wollen die Gleichungen (64), (65), wenn sie mit accentuirten Buchstaben geschrieben werden, der Kürze halber als (64'), (65') bezeichnen. Dann besteht das ganze hier nöthig werdende Verfahren evidenter Weise darin, dass wir das eine Mal, vermöge (65), die r^ durch die y^ und dann, vermöge (64'), die yv durch die r^ ausdrücken (was die gesuchte Transformation ist), dass wir dann aber rückwärts, vermöge (65'), die r^ als Functionen der «/v berechnen und nun aus ihnen, durch (64), die y^ finden.

Die Bring' sehe Theorie erledigt sich durch einen speciellen Fall des allge- meinen, hiermit gegebenen Ansatzes. Die Erzeugende erster Art nämlich, welche den Punkt y trägt, begegnet der Curve « = 0 in drei Punkten: wir erhalten die Bring'sche Transformation, wenn wir einen dieser Punkte als y' wählen. Analytisch heisst dies, dass wir m/, n^ so bestimmen sollen, dass in der Hauptgleichung für y' der Term mit y'^ fortföllt. Ein Blick auf die allg«meine Hauptresolvente, I, 4, § 12, ergibt uns sofort die cubische Gleichung, der m^, w/ demzufolge genügen müssen, mit anderen Worten: die cuhische Hülfsgieichung , deren die Bring'sche Theorie bedarf-^ es ist folgende:

(66) 8m^ + I2m^n + ^"^^^+ ^' = q.

Sie hängt, wie a priori deutlich, nicht mehr von dem einzelnen Punkte y ab, sondern nur noch von der Erzeugenden erster Art, auf welcher dieser Punkt gelegen ist, bez. von den 60 Erzeugenden, welche aus der genannten vermöge der geraden Collineationen entstehen. Wir haben betreifs der Bring'schen Theorie nichts weiter hinzuzufügen; höchstens könnten wir noch darauf aufmerksam machen, dass (65') jetzt sehr einfach wird, indem a = 0 ist*). Auch wird es nützlich sein, her- vorzuheben, dass wir bei der trinomischen Gleichung, welche wir durch Ausführung der Bring'schen Transformation erhalten, allemal von vorneherein die Quadratwurzel aus der Discriminante kennen.

*) In ähnlicher Weise, wie die Bring'sche Transformation vermöge (66), er- ledigt sich mit Hülfe einer Gleichung vierten Grades die Aufgabe, aus der gegebenen Hauptgleichung eine andere herzustellen, für welche ß' = 0 ist. Auf die Durchführbarkeit dieser Aufgabe hat, wie es scheint, zuerst Jerrard aufmerk- sam gemacht [Mathematical Ilesearches, 1834].

II, 3. Theorie der Hauptgleichungen. 209

§ 14. Die Normalgleiehung von Hermite.

Nun wir die Bring'sche Theorie so einfach mit unseren Ent- wickelungen in Zusammenhang gebracht haben, wollen wir das Gleiche mit der Normalform versuchen, welche Hermite der Lösung durch elliptische Functionen zu Grunde legt. Wie wir oben sahen (II, 1, § 4), lautet dieselbe folgendermassen :

(67) 75-2*. 53. 1*^(1 u^f-Y—2^yW>-u^i\ - u^f {\ + t*^) = 0,

wo u^ = %^. Wir werden fragen, ob diese Gleichung in der allgemei- nen Hauptresolvente der Ikosaedergleichung als specieller Fall ent- halten ist, sobald wir Z (die rechte Seite der Ikosaedergleichung) gleich

(e,Ä\ hl ± (1 - x'' + ^r

^ °^ J ~ 2l' «* (1 yiy

setzen, wie wir dies oben (I, 5, § 7) thaten, als es sich um die Auf- lösung der Ikosaedergleichung durch elliptische Modulfunctionen han- delte, — wir werden fragen, weshalb Hermite bei seinen Unter- suchungen gleich anfangs zur Bring'schen Form geführt werden konnte, während doch jede Hauptgleichung fünften Grades (durch Ver- mittelung der Ikosaedergleichung) mit Hülfe der elliptischen Func- tionen gelöst werden kann, und die Bring'sche Form unter den unendlich vielen Hauptgleichungen mit einem Parameter, die es gibt, keineswegs die einfachste ist.

Zur Beantwortung dieser Fragen setzen wir in (66) für Z die in

(68) angegebene Function von x^ ein. Der Erfolg ist, dass die cuhische Gleichung (66) reducihel wird. In der That genügen wir derselben, wie man sofort bestätigt, wenn wir

m : w = 3^2 : 2 (2 5^2 -f- 2x^)

wählen. Ich will dementsprechend setzen:

(69) m = 3x2(l-f x'O, w = 2 (1 -f ^£'0 (2 - 5x2 + 2x'').

Die Coefficienten der in I, 4, § 12 gegebenen Hauptresolvente ziehen sich dann beträchtlich zusammen, so dass wir die Gleichung erhalten:

(70) «/5-2*.3«.5.xio(l x^-i/ 2«.3i».xi2(l_x7(l-fx2) = 0. Hier brauchen wir nun für y nur noch zu substituiren :

(71) y = ^-Y,

um genau die Hermite'sche Gleichung zu finden.

Unsere erste Frage ist also zu bejahen. Zugleich wird man die Jße- antwortung der zweiten Frage in dem Umstände erblicken, dass Hermite

Klein, Gleichungen 5. Grades. 14

210 II, 3. Theorie der Hauptgleichungen.

nicht mit den rationalen Invarianten g^, g^, sondern durchweg mit oc^ operirte.

Berechnen wir jetzt für die Hermite'sche Gleichung, oder, was auf dasselbe hinauskommt, für (70) das zugehörige Z^^, so kommen wir

natürlich bei richtiger Wahl des Vorzeichens von V zu -- zurück*).

Aber auch für Z^ kommt ein sehr einfacher Werth; man findet, indem man in dem Ausdrucke für Z^ das Vorzeichen von V umkehrt:

/'79\ 7 ^ ' ^^^ ~r ^ ) **\

^^"^^ ^2— 108h^ (1 - x^)^ ^

Es ist dies, wie in der Theorie der elliptischen Functionen gezeigt wird,

einer der drei Werthe, welche aus ^ durch quadratische Transformation

des elliptischen Integrals entstehen. Wir können den interessanten Zu- sammenhang der Bring'schen Curve mit der quadratischen Transfor- mation der elliptischen Functionen, der sich hier darbietet, an dieser Stelle leider nicht weiter verfolgen***).

Wir begnügen uns hier, indem wir bis auf Weiteres diese Ent- wickelungen abbrechen, mit der Thatsache, dass sich die Bring'schen und Hermite'schen Formeln den unseren einfügen. Erst im fünften Kapitel werden wir unter allgemeinen Gesichtspunkten auf unsere jetzigen Resultate zurückkommen und die Frage zu beantworten suchen, welchen theoretischen Werth dieselben besitzen mögen.

*) Man hat dabei (für (70)) V = 2^^ S^" «2* (1 k^ (1 _ Gm^ + m*) zu nehmen.

**) Vergl. Gordan, 1. c. , oder auch meine bereits genannte Mittheilung in den Rendiconti des Istituto Lombardo vom 26. April 1877.

***) Man vergl. meine Abhandlung: lieber die Transformation der elliptischen Functionen und die Auflösung der Gleichungen fünften Grades im 14. Bande der Mathem. Annalen (1878), insbesondere p. 166 ff. dortselbst.

Kapitel lY. Das Problem der A und die JacoM'sehen Gleichungen sechsten Grades.

§ 1. Zielpunkt der folgenden Entwickelungen.

Im vorigen Kapitel haben wir zwei Reihen binärer Veränder- licher Aj, Ag und fii, [I2 betrachtet, welche simultan homogenen Iko- saedersubstitutionen und ausserdem einem Processe, den wir Vertau- schung von A, (i nannten, unterworfen wurden. Wir haben ferner gewisse bilineare Formen der A, (i in Untersuchung gezogen, die wir yy nannten. Die y^ erfuhren bei den in Rede stehenden Transformationen der A, ft ihrerseits lineare Substitutionen der einfachsten Art, nämlich blosse Vertauschungen, und zwar sämmtliche Vertauschungen, die möglich sind; sollen wir also ein zugehöriges Formenproblem der y aufstellen, so findet dieses in der Gleichung fünften Grades, der die yv genügen, d. h. in der Hauptgleichung, seinen vollständigen Aus- druck. Wir können in diesem Sinne behaupten, dass wir uns im vorigen Kapitel mit einem Formenprobleme beschäftigt haben, das durch Betrachtung der simultanen Substitutionen der A, ^ entsteht.

Es soll nun im Folgenden eine Fragestellung ganz ähnlicher Art (die übrigens im Grunde noch einfacheren Charakter besitzt) be- handelt werden. Die simultanen Ikosaedersubstitutionen der A, ft waren, wie wir es nannten, contragre dient: wir wollen jetzt zwei Reihen binärer Variabler in Betracht ziehen:

welche simultan jeweils denselben Ikosaedersubstitutionen unterworfen werden, somit als cogredient bezeichnet werden können. Auch bei ihnen bilden wir gewisse bilineare Formen, nämlich die symmetrischen Functionen:

(1) Aq = {AiA,2 -f- A2A1 ), Ai = AgAg , A2 = Aj^Ai , d. h. die Coefficienten derjenigen quadratischen Form:

(2) k^Zj^ -f 2Ao^i2f2 Agi^aS welche durch Ausmultiplication der Factoren

A^Z^ Aj^2 j A2 Zi Aj Z2

14*

212 11, 4. Das Problem der A.

entsteht. Wenn wir die A, A' den 120 homogenen Ikosaedersubstitu- tionen unterwerfen, oder untereinander vertauschen, so erfahren diese A im Ganzen 60 ternäre lineare Substitutionen, denn die einzehien A bleiben sämmtlich nicht nur bei Vertauschung der X, l' ungeändert, sondern auch dann, wenn wir Aj, Ag, Aj^', Ag' simultan im Vorzeichen umkehren*). Wir werden uns mit dem ternären Formenpröbleme be- schäftigen, welches durch Betrachtung der hiermit defmirten Substitu- tionen erwächst.

Wir sagten bereits, dass dieses Formenproblem der A im Grunde einfacher ist, als das der y. In der That werden wir mit unseren Ueberlegungen und Rechnungen durchweg auf das gewöhnliche Ikosaeder- problem zurückgehen können, aus dem sich dann die von uns ge- suchten Resultate durch ein bestimmtes, in der modernen Algebra wohlgekanntes üehertragungsprincip ergeben, so zwar, dass die Durch- führung unserer Aufgabe beinahe wie eine Uebung in der Anwendung gewisser, der Invariantentheorie angehöriger Grundsätze erscheint**). Wir würden nach demselben Schema auch den Fall von 3, 4, Reihen binärer Variabelen, die den Ikosaedersubstitutionen oder irgend welcher anderen Gruppe binärer Substitutionen in cogredienter Weise unter- worfen werden, behandeln können. Wenn wir unter diesen unendlich vielen so zu sagen gleichberechtigten Pormenproblemen eben das be- zeichnete herausgreifen, so geschieht es, weil wir dasselbe bei der ferneren Betrachtung der Gleichungen fünften Grades gebrauchen. Wir werden bald erkennen, dass die allgemeinen Jacobi^schen Gleichungen sechsten Grades, auf welche sich die Kronecker' sehe Theorie der Glei- chungen fünften Grades stützt, Resolventen unseres Problems der A sind. Indem wir statt ihrer überall das Problem der A selbst substituiren, werden wir in einfachster Weise dazu gelangen, die verschiedenen, bei den Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades von anderer Seite gefundenen Resultate von unserem Standpunkte aus zu verstehen und so für die allgemeine Behandlung der Gleichungen fünften Grades eine gleichförmige Grundlage zu gewinnen, welches nichts anderes ist als eine rationelle Theorie des Ikosaeders ***).

*) Die Substitutionen der A sind hiernacli holoedrisch isomorph mit den 60 gewöhnlichen, nicht homogenen Ikosaedersubstitutionen.

**) Das betr. IJebertragungsprincip ist im Wesentlichen dasselbe, dem Hesse in Bd. 66 des Crelle'schen Journals (1866) eine Abhandlung gewidmet hat.

***) In ähnlicher Weise, wie die Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades, können die allgemeinen vom {n -{■ 1)^^ Grade, die wir oben (II, 1, § 3) besprachen,

durch parallellaufende Formenprobleme ersetzt werden, welche sich auf die -

II, 4. Das Problem der A.

213

(3)

Die Disposition für die folgenden EntwickeluDgen ist mit dem, was wir sagten, bereits gegeben. Es gilt zunächst, das Problem der A in expliciter Form aufzustellen, wobei wir wieder in ausgiebiger Weise von geometrischer Interpretation Gebrauch 'machen werden. Indem wir sodann die zugehörigen Resolventen studiren, gewinnen wir den Uebergang zu den Jacobi'schen Gleichungen sechsten Grades und den auf dieselben bezüglichen Untersuchungen von Brioschi und Kronecker. Ich wende mich schliesslich zur Auflösung unseres Problems und zeige, dass sich dieselbe mit Hülfe einer Ikosaederglei- chung und einer zutretenden Quadratwurzel, in genauer Analogie mit der im vorigen Kapitel dargelegten Gordan'schen Theorie, durch- führen lässt*).

§ 2. Die SubstitTitionen der A; invariante Formen.

Um jetzt zunächst die Substitutionen unserer A explicite zu be- stimmen, recurriren wir auf die erzeugenden Ikosaedersubstitutionen S und T, bez. U. Wir hatten für die X^, X^:

S: X,' = ±sn„ A; = + £%;

1/5 . A/ = + - £«) X, ± (a' - e') A„ |/5 A/ = + (£2 - s^) X,±{s a') X,- Aj = -|- Ag, Ag = + Aj.

Indem wir dieselben Formeln für die A^', X^' anschreiben**), erhalten

wir aus (1) für unsere A folgende Substitutionen:

o Mq ~ ^V) > ^1 ^ ** ) **^ ^^2 5

f]/5.Ao'= Ao + A, 4-A,, 1/5 . a; = 2 Ao + (5^ + 8^) \ + {s-\- s') A„

[Vb . a; = 2 Ao -f (fi + 8^) A, + {e' + e') A,; . l/ : Aq = Aq, A| == A2, A2 == Aj,

Variabelen A^, Aj, 1 bezieben. Ich habe dies für « = 7 im 15. Bande

2 " der Math. Annalen (1879) in Ausführung gebracht, siehe insbesondere pag. •268—275 daselbst.

*) Die hauptsächlichen bei der folgenden Darstellung zu benutzenden Ueber- legungen sind von mir am 18. Nov. 1876 der Erlanger Societät vorgelegt worden [Weitere Untersuchungen über das Ucosaeder, I]; man vergl. ferner den zweiten Abschnitt meiner im zwölften Annalenbande (1877) unter gleichem Titel erschie- nenen Abhandlung. Die Entwickelungen §8 13 wurden jetzt erst hinzugefügt. **) Es wird, wie ich hoffe, kein Missverständniss erzeugen, dass die Buch- staben Jl/, X.^' gerade auch in den Formeln (3) linker Hand, in natürlich ganz anderer Bedeutung, gebraucht worden sind.

. U:

(4)

T:l

214 11, 4. Das Problem der A.

die, gleich (3), alle die Determinante + 1 haben. Aus ihnen setzen sich die 60 überhaupt existirenden linearen Substitutionen der A nach dem alten Schema (T, 1, § 12) zusammen:

(5) &% S^^TS% Sf'U, S^'TS^'U {(i, v = 0, 1, 2, 3, 4).

Was jetzt die invarianten Formen angeht, d. h. diejenigen ganzen homogenen Functionen der A, welche bei den Substitutionen (5) un- geändert bleiben, so gehört zu ihnen jedenfalls die Determinante von (2):

(6) ^ = Ao2 + A,A2.

In der That wird dieselbe durch Einführung der A, l' gleich (A^Ag' AgA/)^ und bleibt also überhaupt invariant, wenn man die A, A' simultan irgendwelcher homogenen Substitution von der Determi- nante Eins unterwirft. Nehen A wird das volle System der gesucJden Formen, wie ich behaupte, nur noch drei Formen 'beziehungsweise vom gten^ j^Qteu ^^^^ -jagten Q-^q^q enthalten. Ist nämlich A = 0, so wird Aj' = MA|, A2' = Mk^, unter M eine beliebige Zahl verstanden, also, nach (1):

(7) Ao = ilfAiAg, Ai = MX^', A2 = MK^^.

Die gesuchten Formen verwandeln sich dementsprechend in Multipla solcher Formen von A^, A2, deren Grad in den A doppelt so gross ist, als der ursprüngliche Grad in den A, und die ausserdem die Eigen- schaft haben, durch die homogenen Ikosaedersubstitutionen von Aj, Ag in sich überzugehen. Nun wird aber das System aller Ikosaederformen von der Form zwölfter Ordnung /"(A^, Ag), der Form zwanzigster Ord- nung H{k^, Ag) und der Form dreissigster Ordnung T{X^, Ag) gebildet. Hieraus folgt unsere Behauptung durch Umkehr. Wir werden sogar sagen dürfen, dass, der Identität entsprechend:

(8) 1^ = 1128^- H\

eine einzige identische Beziehung zwischen den neuen Formen bestehen wird, welche in (8) übergeht, sobald wir Ä = 0 setzten.

Ich will die drei gesuchten Formen mit B, C, D bezeichnen. Indem wir ihre Existenz durch Zurückgehen auf die Ikosaederformen f, H, T erschlossen, haben wir bereits von dem algebraischen Ueber- tragungsprincip, welches wir oben in Aussicht nahmen, Gebrauch ge- macht. Wir werden dies in höherem Maasse thun, indem wir jetzt JB, C, D, wenn auch nur in vorläufiger Form, wirklich aufstellen. Es handelt sich dabei um einen zweckmässig angewandten Polarisa- tionsprocess. Ist 9>(Ai, Ag) irgend eine Form, welche bei den homo- genen Ikosaedersubstitutionen der A^, A2 ungeändert bleibt, und sind A/, Ag' mit Aj, A2 cogredient, so werden sämmtliche Polaren:

II, 4. Das Problem der A. 215

bei den simultanen Substitutionen der A, A' invariant sein. Man bilde nun insbesondere für /"(Aj, Ag), S(Xi, Ag), T(Ai, Ag) beziehungsweise die sechste, zehnte und fünfzehnte Polare. Wir erhalten so invariante Formen, welche in den X, A' symmetrisch sind, also ganze Functionen von Ao, Ai, A2 vorstellen. Indem wir sie als solche anschreiben, haben wir die gesuchten Formen B, C, D gefunden. In der That sind diese Formen jetzt nothwendig bei den Substitutioneü (4) oder (5) invariant, sie haben überdies in den A die Grade 6, 10, 15 und verwandeln sich, wenn man die Formeln (7) anwendet, in Multipla von /*(Ai, Ay), H{X^, Ag), ^(Aj, Ag). Ich will hier gleich das Resultat der Rechnung mittheilen. Nach Abtrennung geeigneter Zahlenfactoren findet man in der geschilderten Weise:

(B' = 16Ao«-120Ao^A,A, + 90Ao^A/A/+21Ao(A,^+A2^)-5A,3A2^

C = -512A„i"+11520Ao«AiA2- 40320Ao''A,2A/+33600AoX=^A/

- eSOOAo'-^Ai^A,^ - 187(Aii« + A,»«)+ 126Ai5A2^

(9){ + Ao(A/' + A,s) (22176Ao* 18480Ao'AiA2 + 1980A,^A/),

D = [A,^ - A/'] {— 1024Ao*° + 3840Ao'AiA2 - 3840Ao*'Ai2A/

5

+ 1200Ao*A,3A2-'' lOOAo'Ai^Ag* + Ai^»+ A2^°+2Ai^A

+ A„(A,^ + A/) (352 Ao^ - IßOAo^A, A^ + 10 A,^ A/) } . Ich habe dabei die beiden ersten Formen noch nicht mit B und C, sondern mit B' und C benannt, weil ich dieselben hernach/ durch Zufügen von Factoren, welche A als Factor enthalten, noch modifi- ciren will. Erst wenn dies geschehen ist, werde ich die Relation auf- stellen, welche B^ gleich einer ganzen Function von A, B, C setzt. Wenden wir die Substitution (7) auf vorstehende Formen an, wobei wir der Einfachheit halber ilf = 1 setzen wollen, so kommt in Ueber- stimmung mit dem früher Gesagten:

B' = 21 . /-(Ai, l,),

(10) \c' =m-H{i,, X,),

l ^ = T (A„ A^).*)

*) Das im Texte eingehaltene Rechenverfahren wird in den Lehrbüchern der Invariantentheorie nach dem Vorgange von Gordan als Ueberschiebung der qua- dratischen Form (2) bezeichnet, und zwar ist (von Zahlenfactoren abgesehen) B' die sechste, C die zehnte, D die fünfzehnte Ueberschiebung der entsprechenden Potenz von (2) bez. über f, H, T. Ich habe diese Ausdruckweise und die zu- gehörige symbolische Beziehung im Texte nicht angewandt, weil ich in dieser Hinsicht keinerlei specifische Vorkenntnisse des Lesers voraussetzen wollte.

216 n, 4. Das Problem der A.

§ 3. Geometrische Interpretation; -Normirung der invarianten

Ausdrücke.

Zur Erleichterung der Ausdrucksweise wie der functionentlieore- tischen Begriffsbilduiig führen wir jetzt geometrische Interpretation ein. Indem wir die Analogie mit den Entwickelungen des vorigen Kapitels durchweg festhalten, deuten wir A^ : A^ : Ag als die projectiven Coordinaten eines Punktes der Ebene, die Substitutionen der A als genau so viele ebene Collineationen*). Die einzelne invariante Form der A stellt dann, gleich Null gesetzt, eine ebene Curve vor, welche bei den genahnten Collineationen in sich übergeführt wird. In dieser Hin- sicht haben wir zunächst den Kegelschnitt Ä = 0, den wir den Fun- damentaUiegelschnitt nennen wollen. Schreiben wir den Formeln (7) entsprechend (indem wir wieder M=\ nehmen):

Aq = "'1^%} Aj = Ag , A2 = A.^ , so haben wir den variabelen Punkt dieses Kegelschnitts durch einen

Parameter ^ ausgedrückt. Hiernach werden wir die beiden Para-

XX' meter y-, -~ , welche in Formel (1) vorkommen, durch zwei Punkte

des Fundamentalkegelschnitts deuten können. Es sind dies diejenigen heiden Punkte, in denen die zwei vom Punkte A an den Fundamental- kegelschnitt laufenden Tangenten den letzteren berühren. In der That, die Polare des Punktes A in Bezug auf Ä = 0 hat die Gleichung: '^ Aq Aq -j- A2 A| -j- Aj A2 = Uj

*) In entsprechender Weise können wir natürlich jedes Formenproblem deuten. Wenn wir im vorigen Abschnitte anders verfuhren und die binären Formenprobleme durch Punkte der {x -\- iy)Kugel interpretirten, so geschah dies, weil wir damals nicht nur die reellen, sondern auch die complexen Werthe der Variabelen in elementarem Sinne anschaulich von uns haben wollten.

Ich knüpfe hieran noch eine etwas andere Interpretation des Problems der A. Man setze Aq = ^r, Aj = x -\- iy, A^ ^ x iy und deute x, y, z als recht- winkelige Punkte oordinaten im Räume. Beachtet man, dass die 60 Substitutionen der A die Determinante Eins besitzen und A jetzt = x^ -\- y'^ -\- z"^ ist, so erkennt man, dass den erwähnten Substitutionen nunmehr Drehungen um den Coordinaten- anfangspunkt entsprechen. Es sind dies solche Drehungen, bei denen ein be- stimmtes Ikosaeder mit sich zur Deckung kommt. Die 6 sogleich im Texte ein- zuführenden Fundamentalpunkte liefern bei dieser Deutung diejenigen 6 Durchmessei-, welche zwei gegenüberstehende Ecken des Ikosaeders verbinden. Andererseits gibt die Gleichung D = 0, von der wir sofort zeigen werden, dass sie in 15 lineare Factoren zerfällt, die 15 Symmetrieebenen der Configuration.

Man kann diese neue Interpretation mit derjenigen der X, X' auf einer Kugel fläche verbinden, doch gehe ich hierauf nicht ein, weil uns dies zu weit ab- führen würde.

II, 4. Das Problem der A. 217

und diese Gleichung wird befriedigt, wenn wir für die A die Aus- drücke (1) und für die A' die Ausdrücke (7), oder die entsprechen- den, in denen k' statt X geschrieben ist, substituiren.

Die Punkte des Fundamentalkegelschnitts gruppiren sich natür- lich so, dass unter ihnen Aggregate von 12, 20, 30 ausgezeichneten sind, welche beziehungsweise durch

/•(Ai, A^) = 0, H{1,, A,) = 0, T(Ai, A,) = 0

dargestellt werden; es sind dies zugleich die Schnittpunkte von ^ = 0 mit den Curven B = 0, C = 0, D == 0. Wir wollen von diesen Punkten diejenigen zwei, welche je bei derselben CoUineation fest- bleiben, durch eine gerade Linie verbinden. So bekommen wir, den Formen f, H, T entsprechend, beziehungsweise 6, 10 und 15 gerade Linien. Indem wir sodann zu jeder dieser Linien den Pol in Bezug auf den Fundamentalkegelschnitt construiren, erhalten wir ausgezeichnete Gruppen von 6, 10 und 15 Punkten der Ebene. Betrachten wir jetzt die Gleichungsform

^ = Ao^ + A,A2 = 0.

Offenbar sind die beiden Ecken des Coordinatensystems

Aq = 0, Ai = 0 und Ao = 0, Ag = 0,

welche A = 0 angehören, zusammengehörige Verschwindungspunkte von /■; denn beide bleiben bei der CoUineation S [siehe oben, Formel (41)] ungeändert. Daher ist Aq = 0 eine der sechs Geraden, die zu /" gehören, Aj = 0, Ag = 0 ist der entsprechende Pol. Uebereinstimmend hiermit nimmt Aq bei unseren 60 Substitutionen nur folgende 12, paarweise bis auf das Vorzeichen übereinstimmende ^^Werthe an:

(11) +Ao, + (Ao + «"A, -f £*^A,),

und es gruppiren sich, in Folge derselben Formeln, mit dem Punkte Aj^ == 0, Ag = 0 nur folgende fünf zusammen:

(12) Ao:Ai :A2= 1:2£*'':2£\

Ich will die sechs solchergestalt ausgezeichneten Punkte als Funda- mentalpunJcte der Ebene bezeichnen. Verbinden wir den ersten Fun- damentalpunkt mit den fünf anderen, so erhalten wir die fünf Geraden :

£''Ai £*'A2 = 0.

Offenbar sind die linken Seiten dieser Gleichungen sämmtlich als Factoren in dem soeben mitgetheilten Werthe von D enthalten. Die Curve D = 0 muss sich aber nothwendig gegen alle Fuudamen- talpunkte gleichförmig verhalten. Die Curve D == 0 zerfällt ddlwr in

218 n, 4. Das Problem der A.

die 15 Verb'mdimgsgeraden der 6 FimdamentalpimMe. Dem entspricht die folgende algebraische Decomposition:

(13) D = 11 (^^'A, - s'^A,) IT ((1 + yS) A„ + a'A, + 5*^ A,)

V V

.n((l-l/5)Ao + 6^^A, + £"A,),

(i; = 0, 1,2, 3,4),

die man leicht verificirt. Wir könnten über die 15 hier auftretenden geraden Linien eine Menge interessanter Sätze aufstellen: sie sind die 15 Geraden, welche zu den Punktpaaren von T gehören, sie laufen zu drei durch die 10 Punkte, die wir den Punktepaaren von H coordi- nirten*), etc. Ich gehe hier auf diese Sätze nicht näher ein, weil wir sie des Weiteren nicht gebrauchen; übrigens sind dieselben leicht erkennbare Uebertragungen der Gruppirungsverhältnisse, welche beim Ikosaeder Statt haben.

Was die Curven B' = 0, C = 0 angeht, so haben dieselben zu unseren sechs Fundamentalpunkten keinerlei ausgezeichnete Relation. Eben diesen Umstand wollen wir jetzt henutzcn^ um B' und C durch 0wei andere Ausdrücke m ersetzen. Wir werden statt B' eine lineare Combination B von B' und Ä^ einführen, derart, dass die Curve B = 0 den Pundamentalpunkt A^ = 0, Ag = 0 und daher (als inva- riante Curve) sämmtliche Fundamentalpunkte enthält. Desgleichen werden wir C durch eine lineare Combination G von C", Ä^B, Ä^ ersetzen, welche, gleich Null gesetzt, eine Curve repräsentirt, die in A^ = 0, Ag = 0, also in sämmtlichen Fundamentalpunkten, einen mög- lichst hohen singulären Punkt hat. Auf diese Weise finden wir (unter Abtrennung geeigneter Zahleufactoren) :

(14)

i? = =l^^^ = 8Ao^AiA,-2Ao^A,^A,^ + A,^A/-Ao(A,'^-fA,^),

G'~ 512Ä^ + 1160 A^B

5

10

= 320\'\^A^' leOAo^Ai^A^^ + 20Ao''A,^A/ -f 6\''A, -4Ao(A,5-f A,ö) (32Ao*-20Ao^A,A, + 5A,2A/) + A,^'> + A Offenbar hat ^ = 0 in A^ = 0, Ag = 0 und somit in sämmtlichen

*) Clebsch hat sich gelegentlich, bei verwandten und doch wieder ganz anders formulirten Betrachtungen, mit eben der Figur des Textes beschäftigt und die letztgenannte Eigenschaft so ausgesprochen: dass die sechs Fundamentälpunkte ein 10- fach Brianchon' sches Sechseck bilden. (Math. Annalen, t. IV: Ueber die Amvendung der quadratischen Substitution auf die Gleichungen 5. Grades und die geometrische Theorie des ebenen Fünfseits, 1871.)

II, 4. Das Problem der A. 219

Fundamentalpunkteii, uiclit nur einen einfachen Punkt, sondern einen Doppelpunkt, ist also (da wir zeigen können, dass es keine weiteren Doppelpunkte besitzt) vom Geschlechte p = 4. Ebenso hat C == 0 in jedem der Fundamentalpunkte zwei Spitzen, d. h. einen vierfachen Punkt, und ist vom Geschlechte ^ = 0.

Substituiren wir in unsere neuen B, C der Formel (7) ent- sprechend;

A j 2 A 2 ^ A ;^

so kommt:

(15) B=-f (K h), C=^-H{X„ A2),

was man mit (10) vergleichen mag. Die Relation, welche U^ als ganze Function der A, B, C ausdrückt, wird also folgende, von A freien Glieder haben:

Z)2 = - 1728 B^ + CK Indem wir auf die expliciteu Werthe (9), (14) zurückgehen und eine hinreichende Anzahl von Termen in Betracht ziehen, finden wir die vollständige Formel *) :

(16) D' = n28B''-\-C'-{-T20ACB'-H0A''C''B-^64A\6B''-'ACy.

§ 4. Das Problem der A und seine Reduction.

Das Problem der A, wie wir es in Aussicht nahmen, ist durch die jetzt explicite gewonnenen Formeln (6), (9), (14) für A, B, C, D und die Relation (16) vollkommen bestimmt. Wir denken uns die A, B, C, D ihrem Zahlenwerthe nach in Uebereinstimmung mit (16) irgendwie gegeben: unser Froblem verlangt, die zugehörigen Werthsystemc der Aq, Ai, A2 zu bestimmen. Do. A, B, C, D das volle System der invarianten Formen bilden, so kann unser Problem nur solche Lö- sungen besitzen, welche aus einer derselben durch die 60 Substitu- tionen (5) hervorgehen. In der That werden wir, wenn wir die Zahl der Lösungen nach dem Bezout'schen Theoreme bestimmen, auf 60 geführt. Aus den Werthen von A, B, C nämlich ergeben sich zu- vörderst 2 6 10 = 120 Werthsysteme der A, von denen sich aber, Aveil A, B, C sämmtlich gerade Functionen der A sind, je zwei allein durch einen simultanen Vorzeichenwechsel der A unterscheiden können. Von diesen 120 Werthsystemen wird dann nur die Hälfte den vorge- gebenen Werth von D befriedigen können, indem D ja von ungerader Ordnung ist. Alle 60 Lösungssysteme gehen, wie schon gesagt.

*) Man vergl. Brioschi in t. I der Annali di Matematica (ser. 2, 1867), pag. 228.

220 n, 4. Das Problem der A.

aus einem beliebigen derselben durch die Substitutionen (5) hervor. Die letzteren enthalten als einzige Irrationalität die Einheit« wurzel s. Wir können also in dem früher (I, 4) dargelegten Sinne sagen: dass unser Problem nach Ädjundion von s seine eigene Galois'sche Besolvente ist und also eine Gruppe besitzt, ivelclie mit der Gruppe der 60 IJco- saederdrehungen holoedrisch isomorph ist.

Wir betrachten nunmehr, im Anschlüsse an I, 5, § A, das parallel- laufende Gleichungssystem. Offenbar sind die Verhältnisse von A^ : A^ : A^ auf 60 Weisen bestimmt, wenn wir in den Gleichungen:

(17) |,~r, |, = Z

die Werthe von Fund Z als bekannt ansehen dürfen*): die gesuchten Punkte A sind der vollständige Schnitt der Curven sechster, bez. zehnter Ordnung:

B - YÄ^ = 0, G Z-A' = 0. Alis den 60 Lösungen des Gleichungssystems berechnen wir jetzt die des entsprechenden Formenproblems rational. Man setze nämlich:

(18) ^ = X.

Ist dann A^ : A^ : Ag = «^ <^i ^2 ^^^^ *^^^ Lösungssysteme des Glei- chungsproblems, so haben wir offenbar:

(19) Ao = ()ao; \ = Q(^i, Aa = ^a^,- unter q den folgenden Ausdruck verstanden:

^ X)(oro, «1, «2) '

womit das Gesagte bewiesen ist.

In letzterer Hinsicht findet zwischen den früher studirten binären Formenproblemen und dem jetzigen ternären ein wesentlicher Unterschied statt; denn damals bedurften wir, wie wir I, 3, § 2 zeigten, bei nachträg- licher Lösung des Formenproblems immer noch einer zutretenden Quadrat- wurzel. Es entspricht dies natürlich dem Umstände, dass die Gruppe der homogenen binären Substitutionen mit derjenigen der nicht homogenen nur hemiedrisch isomorph war, während jetzt holoedrischer Isomorphismus statt hat. Dagegen ergibt sich in einem anderen Punkte wieder Ueber- einstimmung. Wir konnten damals, wie wir es nannten, die Formen- probleme reduciren, d. h. statt der drei an eine Bedingungsgleichung gebundenen Grössen .F^, F^, F^, von denen die Formenprobleme ab- hingen, zwei unabhängige X und Y setzen, welche selbst rationale Functionen der i^-^, F2, F^ waren, während umgekehrt letztere wieder

*) Diese Grössen T, Z sind dieselben, die wir in II, 1, § 7 [Formel (36) da- selbst] mit a, h bezeichnet haben.

IT, 4. Das Problem der A. 221

von ihnen rational abhingen. Genau dasselbe erreichen wir bei dem Probleme der A, wenn wir die Quotienten X, Y, Z in Betracht ziehen, die wir gerade in (17), (18) einführten. Diese X, Y, Z sind an sich als rationale Functionen der Ä, B, C, D definirt, aber wir können umgekehrt auch Ä, B, C, D durch die X, Y, Z rational ausdrücken. In der That, dividiren wir in (16) beide Glieder durch A^^, so kommt nach leichter Umsetzung vermöge (17), (18):

(20) A = ^3_i728rs+720r«Z 80rZ^-|-64(5r^^Zp» während

(21) B^YA^, C = Z'A\ D = XA' ist, was die gewünschten Formeln sind.

Es ist lehrreich, hier auch noch das Problem der yv, welches wir im vorigen Kapitel als Hauptgleichung fünften Grades studirten, zum Vergleiche heranzuziehen. Wir dachten uns damals neben den Gleichungs- coefficienten a, ß, y auch noch die Quadratwurzel V aus der Discrimi- nante gegeben, deren Quadrat eine ganze Function der a, /3, y ist. Wir erhielten dann 60 Lösungssysteme «/(,, y^, y^, y^, y^, welche wieder durch die entsprechenden Verhältnisswerthe ^/o Vi ' t/^ '• Vs ' Vi voll- kommen (rational) bestimmt sind. Dies beruht darauf, dass wir, wie eben, aus den gegebenen Grössen Quotienten bilden können (z. B.

- oder „-) j die in den y von der ersten Dimension sind. Auch

können wir das Formenproblem der y reduciren, nur gelingt dies nicht so einfach, wie in den anderen Fällen. Die Beduction wird tJiat- sächlich durch die m, n, Z der Hauptresolvente des Ikosaeders geleistet. Wir haben nämlich in I, 4, § 12, § 14 die a, ß, y, V rational durch m, n, Z dargestellt, während wir umgekehrt soeben, in II, 3, ausführ- liche Methoden gegeben haben, vermöge deren m, 7i, Z als rationale Functionen der a, ß, y, V erscheinen.

Ist für das Formenproblem der A J. = 0, so können wir dasselbe

ohne Weiteres durch die Ikosaedergleichung .^ j. ' . . = j^^

erledigen. Haben wir nämlich aus ihr X^ : X^ bestimmt, so finden wir nach Formel (7):

Aq : Aj : A2 = /Ij X^'. X^ ' X^ und hieraus, wie wir oben sahen [Formel (19)], die Werthe von Aq, Ai, A2 selbst.

§ 5. Ueber die einfachsten Resolventen des Problems der A. Wir wollen jetzt die einfachsten Resolventen des Problems der A in Betracht ziehen. Nach dem, was wir über die Gruppe des Problems

222 n, 4. Das Problem der A.

wissen, ist selbstverständlich, dass es sich dabei um Resolventen des fünften und sechsten Grades handeln wird. Unsere Aufgabe wird nur sein, die einfachsten rationalen, bez. ganzen Functionen der A aufzustellen, welche bei den uns bekannten Substitutionen fünf bez. sechs Werthe annehmen. Hierzu dient uns nun wieder das in § 2 entwichelte Ueher- tragungsprincip : wir nehmen die einfachsten ganzen Functionen von ^i, Ag, die hei den homogenen Ilwsaederstibstitutionen fünf oder sechs Werthe annehmen, polarisiren dieselben so oft nach A/, L^', bis eine in den A, k' symmetrische Function entstanden ist, und substituiren endlich statt der symmetrischen Verbindungen der A, A' die A.

Was die fönfwerthigen Functionen der A^, Ag angeht, so waren die einfachsten:

ty{l„ Ag) = f^^Ai« + 2£2'A,^A2 - 5£"A,U/

öf^'A^^A/ 2£=^"AiA/ + E^'X^\

Wr{x„ i,) = - B^n,^ + £^"A,u, Tf-'^'A/A/ _ lan.n^^

ihnen schlössen sich des Weiteren t^^ und t^Wv an. Indem wir jetzt tr dreimal, Wv viermal polarisiren und die A einsetzen, erhalten wir entsprechend als einfachste fünfwerthige Function der A:

m\ [^' = '' ^^'^''^' " ^'^'^ + ''' ^~ ^^'^'' + ^''^

^ ^ 1 +53.(2A„A/-A/) + 5^^' (_ 4A,2A, + VA,), 'd;=a- (- 4Ao^A2 + 3AoAi A,^ - A^^)

+ £2^(-6Ao^A,^ + AoA,« + A,A,^)

^_,3r(_6A,2A,2 + AoA/ + A,«A,) , 4_ ,4r(_ 4A^3A^ + SA^A^^A^ - A/);

brauche^ wir weitere fünfwerthige Functionen, so werden wir den Ausdrücken tv^ und tvWv entsprechend dv^ und d^d^ hinzunehmen. Die Resolvente der dv werden wir sogleich noch ausführlich discutiren. Von den Resolventen sechsten Grades der Ikosaedergleichung haben wir früher (I, 5, § 15) nur die eine betrachtet, deren Wurzeln <p durch die Formeln gegeben sind:

|^. = 5A/A,^

Wir erhalten hieraus durch unser Uebertragungsprincip die folgenden Wurzeln einer Resolvente sechsten Grades der A:

r25V |^« = 5V,

^ ^ U = (f^A, + Ao + s^^\)\

II, 4. Das Pi«blem der A. 223

Hiermit aber haben ivir genau die in II, 1,§ 3 gegebenen Befinitionsgleichimgen der JacoM sehen Gleichungen sechsten Grades; wir hätten höchstens den einen Unterschied zu markiren, dass hier «* da steht, wo damals £*", und umgekehrt. Aber dies ist eine Abweichung bloss in der Be- nennung der Wurzeln 0y. Recurriren wir auf die Formeln, welche wir 1. c. § 5 des Ferneren bei Besprechung der Jacobi'schen Gleichungen mittheilten, so erkennen wir zunächst, dass unsere jetzigen Grössen Ä, B, C mit den dort ebenso bezeichneten genau übereinstimmen. Wir können also die Form der früher mitgetheilten Jacobi'schen Gleichung ohne Weiteres herübernehmen:

es fragt sich nur, wie wir dieselbe von unserem Standpunkte aus be- gründen wollen. Es fragt sich ferner, inwieweit man das Problem der A durch die Gleichung (26) ersetzen kann, und insbesondere, welche Bedeutung dabei unsere Form D gewinnt.

§ 6. Die allgemeine Jacobi'sche Gleichung sechsten Grades.

Die linearen Functionen der A, deren Quadrate die Wurzeln z (25) der Jacobi'chen Gleichung sechsten Grades vorstellen, sind uns schon in Formel (11) begegnet; wir sahen dort, dass dieselben gleich Null gesetzt die Polaren der sechs FundamentalpunMe in Bezug auf den Kegelschnitt A = 0, also gerade Linien repräsentiren, die nicht etwa selbst durch die Fundamentalpunkte hindurchlaufen. Inzwischen können wir statt ihrer Curven einführen, bei denen letzteres der Fall ist. Wir erkennen nämlich sofort, dass die Kegelschnitte:

z, - A = 0 (1/ = 0, 1, 2, 3, 4) sämmtlich durch A^ = 0, A2 = 0 hindurchgehen, dass also von den Kegelschnitten

z^ A = 0, 0v A = 0

jeder diejenigen fünf Fundamentdlpunkte enthält, deren Index von dem sei- nigen verschieden ist. Wir wollen jetzt die {z A) als die eigentlichen Unbekannten betrachten. Dann gestattet uns der angegebene Satz mit Rücksicht auf die in § 3 enthaltene Definition der B, C sofort, die Coefficienten der zugehörigen Gleichung der Art nach hinzu- schreiben. Betrachten wir z. B. die Summe:

i:{Zi-A){z,-A) {z^-A) (summirt über alle von einander verschiedenen Werthe der i, Je, l), die den dritten Coefficienten jener Gleichung abgeben wird: sie muss einer invarianten Form sechsten Grades der A gleich sein, welche für

224 n, 4. Das Broblem der A.

alle Fundamentalpunkte zweifach verschwindet, und kann also von J5 nur um einen Zahlenfactor verschieden sein. Auf solche Weise er- halten wir ohne Weiteres:

{0-Äy-\-hÄ(0-Äf-}-lB{s Ay-\-mC{0-Ä)-\-{nB^-{-pÄC) = O, wo Ic, l, m, n, p noch unbekannte Zahlencoefficienten sind, die wir hinterher mit Leichtigkeit bestimmen, indem wir auf die explicitenWertlie der vorkommenden Grössen in den A zurückgreifen. Die üeberein- stimmung mit Formel (26) liegt auf der Hand. Bemerken wir noch, dass (26) in der That in die früher aufgestellte Resolvente sechsten Grades der Ikosaedergleichung übergeht, wenn wir in Uebereinstim- mung mit (24) und (15)

A = 0, B=-f, C=-H, s = (p setzen.

Was die Gruppe der Gleichung (26) [im Galois'schen Sinne] an- geht, so ist dieselbe durch unsere früheren Erläuterungen über den Fall A = 0, auf die wir hier verweisen (I, 4, § 15), mitbestimmt. Es ist eine Gruppe von 60 Vertausch ungen, welche mit der Sub- stitutionsgruppe der A holoedrisch isomorph ist. Daher muss es mög- lich sein, die A rational durch unsere z auszudrücken. Wir erreichen dies am einfachsten, wenn wir aus den Gleichungen (25) zuvörderst die Quadrate der A und die Producte je zweier berechnen, hieraus die Quotienten A^ : A^ : A2 ableiten und dann genau so, wie eben in § 4, verfahren. Dabei müssen wir neben A, JB, C, die allein in den Coeffi- cienten von (20)) auftreten, selbstverständlich das D benutzen. Wir können also sagen:

Bie Jacohi'sche Gleichung (26) ist ein Aequivälent des Problems der A, sobald wir ausser ihren Coefficienten auch noch B gegeben denTcen, d. h. nach (16).* die Quadratwurzel aus einer bestimmten ganzen Function der A, B, C.

Wir fragen, wie B^ sich als rationale Function der Wurzeln z mag darstellen lassen. Zu dem Zwecke bilden wir uns aus (25) die Differenz irgend zweier z a,ls Function der A und finden, dass dieselbe, als Differenz zweier Quadrate, nach Abtrennung eines constanten Factors, immer in solche zwei Linearfactoren zerlegt werden kann, welche, Formel (13) zufolge, auch in B auftreten. Wir bekommen z. B.

. Zr - Z2V = (£^ - e^') {s'K - s^'^) ((1 + ]/5) Ao + £'A, + ^^''A^)

für V = 1, 2, 3, 4, wo + )/5 für v = 2, 3, für v = 1, 4 zu nehmen ist. Multipliciren wir nun alle diese Differenzen (jede ein- mal genommen) mit einander, so erhalten wir linker Hand die Quadrat- wurzel aus der Discriminante von (26), welche wir früher bereits

II, 4. Das Problem der A. 225

(II, 1, § 5) mit 77 bezeichneten. Rechter Hand aber liefern die con- stanten Factoren + f/ö^, die übrigen gerade D^, so dass also

(27) = ]/^,oderi)=]/g

wird.

Das D selbst erscheint hier, wir wir sehen, als eine accessoriscJie Irrationalität, d. h. als irrationale Function der 0. Dies wird sofort anders, wenn wir, mit Hrn. Kronecker, nicht die £, sondern die yg als Unbekannte von (26) auffassen: denn wir können ja durch die y^ die Ao, \, Ag unmittelbar linear ausdrücken. Aber auch dann ist die Problemstellung durch (26) allein noch nicht fixirt, sondern es muss der Werth von D ausdrücklich hinzugegeben werden. Ich glaube also, dass es nicht zweckmässig ist, die Jacobi'schen Glei- chungen sechsten Grades an die Spitze der Theorie zu stellen, dass es vielmehr besser ist, wie wir es thaten, mit dem Probleme der A als solchem zu beginnen.

§ 7. Die Brioselii'sche Resolvente, Wir verfolgen den Zusammenhang unserer Betrachtungen mit den Entwickelungen von Brioschi und Kronecker des Weiteren, indem wir jetzt zuvörderst diejenige einfachste ßesolvente fünften Grades studiren, deren Wurzeln die Ausdrücke dy (23) sind. Es muss dies genau die Brioschi' sehe Resolvetite liefo'n, über die ivir in II, 1, § 5 Bericht er- statteten. Denn in der That stimmen die d,., wie ein nunmehriger Vergleich lehrt, mit den damals [Formel (22)] als Xv bezeichneten Grössen vollständig übereiu.

Um unsere Gleichung fünften Grades zu berechnen, fragen wir wieder zunächst nach der geometrischen Bedeutung der d^. Wir be- merken zuvörderst, dass sämmtliche d». für A^ ^ 0, Ag = 0 verschwinden. Sie stellen daher, gleich Null gesetzt, Curven dritter Ordnung vor, welche durch sämmtliche Fundamentalpunkte durchlaufen. Aber mehr: das Product der dy muss als invariante Form 15*®° Grades in den A bis auf einen Zahlenfactor mit D übereinstimmen, J) = 0 aber reprä- sentirt, wir wir wissen, die 15 Verbindungsgeraden der 6 Fundamen- talpunkte. Daher stellt jedes d^, gleieh Null gesetzt, solcJie drei gerade Linien dar, welche zusammengenommeji sämmtliche FundamentalpunJcte enthalten. Dementsprechend verificirt man die folgende Zerlegung:

(28) ör = (s'^A, - f^A,) . ((1 + )/5) A„ + a^^\ + «"A^)

.((l-l/5;Ao + a**A,+f^A). Wir schliessen aus ihr, dass das Product d^did^d^d^ mit D nicht nur

Klein, Gleichnngen 5 Grades. 15

226 II, 4. Das Problem der A.

bis auf einen Zahlenfactor übereinstimmt, sondern geradezu mit D identisch ist, Was die 'anderen symmetrischen Functionen der d angeht, so ist jedenfalls:

denn es gibt keine invarianten Formen vom dritten oder neunten Grade. Wir schliessen ferner aus dem Verhalten der 8 gegen die Fundamentalpunkte :

S8^ = JcB, Ud'' = IB' + mÄC,

unter Je, l, m geeignete Zahlenfactoren verstanden. Indem wir letztere bestimmen, haben wir endlich:

(29) (J5 -f- 105 . ö^ + 5(952 _ j^Q^ 8 B = 0,

in Uebereinstimmung mit Brioschi*), in Uebereinstimmung ferner mit der besonderen Formel, die wir in T, 4, § 11 unter der Voraussetzung .4 = 0 abgeleitet haben. Die Discriminante von (29) ist natürlich ein volles Quadrat. Es hat keine Schwierigkeit, das Product JJ (d». d,,)

r < v'

als ganze Function der A, JB, G zu berechnen. Für A == 0 wird dasselbe, nach I, 4, § 14, in 25 ]/5 C^ übergehen.

Gleichung (29) muss um so interessanter erscheinen, als sie, im Sinne unserer früheren Terminologie, die allgemeine Biagonälgleichimg fünften Grades repräsentirt. Sollen wir es geometrisch ausdrücken, so können wir sagen, dass die Formeln (23) für 8y, indem sie die Rela- tionen Z18 = 0, E8^ = 0 identisch befriedigen, eine eindeutige Ab- bildung der Biagonalfläche auf die Ebene der A vermitteln. Diese Ab- bildung ist ein specieller Fall jener wohlbekannten, die von Clebsch und Cremona für die allgemeinen Flächen dritter Ordnung gegeben wurde**), und die dann Clebsch genau in der hier vorliegenden Form bei der Diagonalfläche studirt hat***). Denn den ebenen Schnitten der Diagonalfläche entsprechen vermöge (23) allgemein solche Curven dritter Ordnung, die sich in den sechs Fundamentalpunkten der Ebene, welche jetzt die Fundamentalpunkte der Abbildung werden, durchkreuzen.

*) Bei Brioschi finden sich ursprünglich etwas andere Zahlencoefficienten, dieselben sind später von Hrn. Joubert (Sur l'equation du sixieme degre, Comptes rendus t. 64 (1867, 1)) rectificirt worden, siehe insbesondere p. 1237 1240 daselbst.

**) Man_ yergl. Salmon- Fiedler'' s analytische Geometrie des Raumes (3. Auflage 1879, 80).

***) Nämlich in der bereits soeben genannten Abhandlung: lieber die Anwen- dung der quadratischen Substitution auf die Gleichungen 5. Grades etc. im vierten Bande der Math. Annalen (1871).

II, 4. Das Problem der A. 227

Hierbei wird der Schnitt der Diagonalfläche mit der Hauptfläche, wie aus (29) hervorgeht, durch B = 0 abgebildet, während die Curven -4 = 0, C == 0 zusammengenommen jene beiden Raumcurven sechster Ordnung der Diagonalfläche vorstellen, die der geometrische Ort für Punkte mit den Pentaedercoordinaten ty. sind (II, 3, § 4). Hiermit stimmt, dass wir das Geschlecht p der Curven B = 0, Ä = 0, C = 0 in § 3 des gegenwärtigen Kapitels gleich 4, 0, 0 gefunden haben.

§ 8. Vorbemerkungen zur rationalen Transformation unseres

Problems. Von den früher besprochenen, auf Jacobi'sche Gleichungen sechsten Grades bezüglichen Untersuchungen restiren jetzt noch diejenigen, welche sich auf die Aufgabe beziehen, aus einer ersten Jacobi'schen .Gleichung sechsten Grades durch möglichst allgemeine, in den ]/^ rationale Transformation eine zweite herzustellen. Ich werde diese Untersuchungen von unserem Standpunkte aus darlegen, ohne weiter auf die historisch gegebenen Beziehungen einzugehen. Es handelt sich für uns darum: drei Grössen B^, B^, Bg in möglicJist allgemeiner Weise so als rationale Jiomogene Functionen der A^, A^, Ag zu be- stimmen, dass sie selbst die linearen Substitutionen des § 2 erfahren, wenn wir die A^, A^, Ag denselben unterwerfen*).

Durch unsere Forderung ist, wohlverstanden, keineswegs ver- langt, dass die einzelne Substitution der B mit derjenigen der A identisch sei, es ist nur nothwendig, dass die Gesammtheit der Sub- stitutionen beiderseits übereinstimme. Wir kennen bisher zwei Möff- lichkeiten, um eine solche Uebereinstimmung zu erzielen: das eine Mal setzen wir die Substitution der B mit derjenigen der A in der That identisch, das andere Mal lassen wir sie aus der Substitution der A hervorgehen, indem wir überall a^ statt s schreiben: das eine Mal sprechen wir von cogredienten, das andere Mal von contragredienten Variabelen. Im zweitfolgenden Paragraphen werde ich zeigen, wie so man a priori zur Unterscheidung gerade dieser beiden Fälle gelangen muss, und dass ausser ihnen keine weiteren, die selbständige Bedeu- tung hätten, existiren. Einstweilen nehmen wir unsere Fälle als er- fahrungsgemäss gegeben und fragen, wie wir sie durch bestimmte Formeln zu erledigen haben.

*) Dass wir gerade homogene Functionen verlangen, ist, wenn man will, eine unnöthige Beschränkung, die wir hinterher aufheben können, an der wir aber bei unserer Darstellung, um immer unsere geometrische Ausdmcksweise benutzen zu können, festhalten. Siehe die analoge Bemerkung in II, 2, § 7.

15*

228

II, 4. Das Problem der A.

Es wird zweckmässig sein, die entsprechende Problemstellung zu- nächst im binären Gebiete zu behandeln, wo wir sie in den früheren Kapiteln schon wiederholt berührt hatten. Es seien Xy, x^ homogene, rationale (nicht nothw endig ganze) Functionen von X^, K^:

(30) Xi = ^i(Ai, Ag), »^2 = 92('^i; ^^2);

wir verlangen, qp^, gjg so zu bestimmen, dass x^, y.^ sich entweder cogredient oder contragredient ändern, wenn A^, Ag den homogenen Ikosaedersubstitutionen unterworfen werden. Zu dem Zwecke bilden wir uns die doppeltbinäre Form:

(31) F{ly, A2; ^1, fi^) = ^1 9^2 (^1; -^2) f*2 Ti (^1, y- Offenbar bleibt dieselbe, wenn wir dieAj, Ag den ursprünglichen, diefw-j, ju-g aber den zugeordneten (cogredienten oder contragredienten) Ikosaeder- substitutionen unterwerfen, invariant; denn sie ist gleich y^^'n^ 1^2 '^n und fAj, ftgj ^ß^- "^ly ^2 erfahren jeweils identische Substitutionen von der Determinante Eins. Umgekehrt, wenn wir eine in diesem Sinne invariante Form F der A, ^ haben, die in den (i linear, in den Aj, Ag homogen ist, wird:

r32^ X =-^ x=^

eine Lösung der gestellten Aufgabe sein, Fs Jcommt also einsig darauf an, alle invarianten Formen F aufzustellen.

Bemerken wir nunmehr Folgendes. Haben wir zwei Lösungs- systeme x^, Xgi Jt/, Xg' von (30) gefunden, so bleibt die Determinante (x^Xg' yi^'X'i) bei sämmtlichen Ikosaedersubstitutionen invariant. Die- selbe ist aber gleich der Functionaldeterminante der zugehörigen Formen F, F' :

dF

dF

dfi,

8(1.;^

dF'

dF'

d[ii

^^2

und diese muss also als rationale Function von Aj, Ag eine rationale Function der Ikosaederformen /"(A^, Ag), H{X^, A^), T{Xy, Ag) sein. Ich will jetzt annehmen, dass wir irgend zwei der gesuchten Formen: Fy, F2 von nicht verschwindender Functionaldeterminante kennen. Bringen wir dann die Identität zur Anwendung:

F

dF d(ii

dF d(i2

d[ii

dF, d(ii

F, dF,

0,

n, 4. Das Problem der A. 229

so folgt aus dem gerade aufgestellten Satze, dass jede der von uns gesuchten Formen sich aus F^, F^ in folgender Form zusammensetzt:

(33) F==R,.F,-{-B,-F„

wo i?^, i?2 rationale Functionen der /"(Aj, Ag), H{^i_, Ag), T(Aj, Ag) sind. Umgekehrt aber, wenn wir R^, B.^ als solche rationale Func- tionen annehmen und dabei nur dem Gesetze Rechnung tragen, dass i^ in Ai, Ag homogen sein soll, wird F eine Form der von uns ge- suchten Art sein. Balier entliält (33) überJmnpt die Lösung unserer Aufgabe, sobald wir nur zwei unserer Formen, F^, F.^, als bekannt an- seJien dürfen. Diese Voraussetzung trifft aber, sowohl im contragre- dienten als im cogredienten Falle, in der That zu. Wir kennen sogar beidemal die niedrigsten Formen F^, F^, d. h. diejenigen, deren Grad in Aj, Ag möglichst gering ist. Im contragredienten Falle sind dies die beiden N-^^, M^, die wir im vorigen Kapitel immer benutzten:

F,= N, = ii, {U,%' -\- A/) -f ii, (- A/ + lX,n,%

(34) If, = M, = (i, (Ai^^ _ 39;i^8;i^5 _ 26 Ai^A^i«)

-f ft2 (26Ai'"A2=* 39 A/A/ X^'^), im cogredienten Falle aber die folgenden beiden:

(35) Ij. df , df

Hiermit ist unsere Fragestellung, soweit das binäre Gebiet in Betracht kommt, vollständig erledigt*).

§ 9. Durchführung der rationalen Transformation.

Indem wir jetzt zu den A zurückkehren, können wir bei ihnen mit einem Schritte beginnen, welcher dem üebergange von (30) zu (31) analog ist; mit anderen Worten: statt Elemente B^, B^, Bg zu suchen, welche zu A^,, A^, Ag in dem einen oder anderen Sinne cova- riant sind, suchen wir lieber eine Invariante, welche beide Reihen von Variabelen simultan enthält. Die Möglichkeit hierfür ist, geometrisch zu reden, darin begründet, dass in der Ebene B ein unveränderlicher Kegelschnitt liegt: Bo^+B,B2 = 0

*) Was den contragredienten Fall angeht, so hatten wir einen particu- lären Fall, der sich hier subsumirt, bereits in Formel (25) von II, 3, § 4 kennen gelernt.

230 11^ 4. Das Problem der A.

und dass in Bezug auf diesen Kegelschnitt jedem Punkte B^, B^, B^ eine gerade Linie, nämlich die zugehörige Polare:

2Bo.Ao' + b,.a/ + Bi-a; = o,*)

in CO varianter Weise zugeordnet ist. Wenn also folgende Formeln:

(36) Bo = (p, (Ai, K„ A3), B, = 9i (Ao, A^, A^), B^ = g)^ (Ao, A^, A^) die- B den A cogredient oder contragredient zuordnen, so wird die aus ihnen abgeleitete Form:

(37) F (Ao, Ai, A,; A«', A/, A/) = 2(p^ \' + qp^ A/ + (p^ A/, sofern wir die A' ebenso substituiren , wie die B, invariant sein. Umge- kehrt, sobald F in dem erwähnten Sinne invariant ist, sind:

(38) Bo— yy^, ti.—j^^, «2 yÄ7

Formeln der von uns gesuchten Beschaffenheit.

Wir bemerken jetzt, dass jedes F sich aus dreien, die linear un- abhängig sind, in der Form zusammensetzen lässt:

(39) F=R,F,-\-B,F,-\-B,F„

wo die B^, B^, B^ rationale Functionen der von A^, Aj, Ag allein ab- hängigen invarianten Formen, d. h. rationale Functionen der A, B, C, D sind. Umgekehrt werden wir, sobald wir jBj, B^, B^ als solche rationale Functionen annehmen, aus (39) immer eine Form F der gewünschten Art gewinnen, wobei wir es in der Hand haben, sofern wir darauf Werth legen, F zu einer homogenen Function der Aq, Ai, A2 zu machen. Alles kommt also darauf an, nur noch in beiden Fällen drei, in den A möglichst niedrige Formen F^, F^, F^ mi finden. Im cogredienten Falle erledigen wir diese Aufgabe direct durch Polarenbildung, denen wir die niedersten, bloss A enthaltenden inva- rianten Formen, d. h. A, B, C, unterwerfen. Wir werden nämlich setzen: (F, = 2Ao.Ao' + A,.A;-f A,.A,',

(40)

F _ ^^ . A ' 4- ^ . A ' 4- ^^-- . A '

Im contragredienten Falle dagegen recurriren wir noch einmal auf das Uebertragungsprincip des § 2. Wir werden uns zunächst drei

Formen

ß (Aj , Ag ; ^i, (I2)

verschaffen, welche, bei contragredienten Ikosaedersubstitutionen in- variant, in den ft vom zweiten, in den X von möglichst niederem, *) W A/, A2' bedeuten hier die laufenden Punktcoordinaten.

II, 4. Das Problem der A. 231

geradem Grade 2n sind. Dann werden wir diese il unter Einführung von X' n-mal nach A, unter Einführung von fi' einmal nach (i polari- siren iind schliesslich die symmetrischen Functionen der A, A' durch die A, die der fi, (i' durch die A' ersetzen, also schreiben:

(41)

2

Ao' = -^ (/*, H + \^i ^l) 1 K = ^2 \^2 7 A2' = fti ^/. *)

2

Die Formen ß, welche hier die zweckmässigsten sind, können wir den früher citirten Angaben von Hrn. Gordan entnehmen. Als il^ wählen wir die Form t, die wir in § 11 des vorigen Kapitels (Formel (60) daselbst) mitgetheilt haben:

(42) ß, = ^,2 (- A,« - 3A,A,^) + 10^,^, . k,ni + ii,^{M,n, - k,% Um sodann üg ^^ gewinnen, bilden wir von der ebendort angegebe- nen Grundform a und dem noch so eben benutzten N^ die Functional-

determinante:

da. da

Wir erhalten so:

(43) Si, = t^,\- 10A,«A/ + 20 X,n,')-{- 2 (i,ii,{- X,''+ 14A,U/4- A^»«)

+ iit/(-20A/A/-10A,2A/).

Endlich ziehen wir als ^3 das Quadrat von N^ heran:

(44) ^3 = [ii, (- 7A,-^A;^ - V) + ^, (A/ - 7 A,U/)]l '

Indem wir jetzt unseren Umwandelungsprocess zunächst auf ü^ an- wenden, entsteht, nach Wegwerfung eines Zahlenfactors, die folgende einfachste Form F^, dritten Grades in den A^, Aj, Ag: (45)i^, = 2A;(2Ao«-3AoA,A,)-A;(3AoA/+A,^)-A/(3AoA,2+A/).

Wir behandeln jetzt SI2 (^3) in ähnlicher Weise, subtrahiren aber

vom Resultate der Vereinfachung halber noch ein geeignetes Multi-

plum von Ä F^. So entsteht:

(46) F, = 2 Ao' (- 8 Ao^ A, aJ + 6 A/ A/ - A^^ - A/)

+ A; (16 Ao^A^^ - 8 A/A,^ - 4AoA,A2^ + 2 A,^A,) + A/ (16Ao«A,2-8Ao^A/-4AoA,3A2 + 2A,A,^).

*) Natürlich könnten wir aach im cogredienten Falle genau so verfahren; wir würden dann aber keine anderen Resultate erhalten, als die ohnehin mitge- theilten, imd nur den Polarisationsprocess , der uns oben zu den A, B, C, D ge- führt hat, noch einmal wiederholen.

232 11, 4. Das Problem der A.

Wir behandeln endlich £1^ (44) und erhalten nach Subtraction geeig- neter Multipla von Ä^ F^ und A F^:

(47) F, = 2 Ao' (32 Ao^A/A/ - 4Ao^(A,^ + A/) - 16 A,^' A,=^

+ 3A,A,(A,^ + A/)) + A/(-32A„^A/ + 48Ao^A,-'^-32Ao^A,A,3- 4Ao2A,^A,

+ 14AoA,2A/-3A/A/-A,^) + A/(-32Ao^A/ + 48Ao^A,^-32Ao3A/A,-4Ao^A,A/ + 14AoA,^A,2-3A,2A,5-A/). Indem wir die so gewonnenen F^, F^, F^ in (39) und hierdurch in (38) eintragen, ist auch im contragredienten Falle unserer Aufgabe vollkommen entsprochen.

§ 10. Gruppentheoretische Bedeutung von Cogredienz und Oontragredienz.

Wir kehren jetzt zu der gruppeutheoretischen Frage zurück, zu der wir bei Beginn von § 8 geführt wurden. Die linearen Substitu- tionen der B sind denen der A jedenfalls holoedrisch isomorph; es handelt sich also in letzter Linie um die Aufgabe, zu untersuchen, auf wie viel verschiedene Weisen man eine Gruppe von 60 Ikosaedersub- stitutionen :

(48) Fo, F„ ...... . n,

holoedrisch isomorph sich selbst zuordnen kann. Zwei Arten dieser Zuordnung sind durch Cogredienz und Oontragredienz gegeben; wir wollen zeigen, dass auf sie alle anderen im Wesentlichen zurück- kommen.

Ich muss dabei von vorneherein sagen, welche Umordnungen von

(48) als unwesentlich betrachtet werden sollen. Es sind diejenigen Umordnungen, welche im Sinne unserer früheren Erläuterungen (1, 1, § 2) äuYc\ Transformation entstehen, welche also Vk je durch V ~^VkV' ersetzen, unter F' eine beliebige Operation von (48) verstanden. Bei' den Anwendungen, die wir zu machen haben, können wir nämlich eine solche Umordnung immer als blosse Aenderung des Coordinaten- systems deuten. Man ersetze die Variable 2, die den Ikosaedersub- stitutioneu (48) unterworfen wird, durch 0' = V (ß), so wird an Stelle der Operation Vk durchweg F'~ ^ FtF' treten. Analog, wenn wir die Vk als die ternären Substitutionen unserer A^, Aj, Ag deuten.

Wir recurriren jetzt, indem wir uns vornehmen, wiederholt das gerade formulirte „Transformationsprincip'^ zu verwenden, auf die Er- zeugung der Ikosaedergruppe aus zwei Operationen S und T, von denen die erste die Periode 5, die zweite die Periode 2 besitzt (I, 1,

li, 4. Das Problem der A. 23o

§ 12). Wir werden die Zuordnung, die wir suchen, bestimmt haben, sobald wir angeben, welche Operationen S', T' den S, T entsprechen sollen. Hier wird S' jedenfalls wieder die Periode 5 besitzen müssen. Nach I, 1, § 8 gibt es aber innerhalb der Ikosaedergruppe überhaupt 24 Operationen von der Periode 5, von denen 12 mit S, 12 andere mit S'^ gleichberechtigt sind. Wenn wir also bei der von uns ge- suchten Zuordnung eine Modification derselben durch geeignete Trans- formation der Gruppe zu Hülfe nehmen, können tvir auf alle Fälle S' entweder = S oder = S^ setzen. Ist dies geschehen, so bleibt S' un- geändert, wenn wir Vk allgemein durch S~'^VkS^ ersetzen (v = 0, 1, 2, 3, 4). Man beachte jetzt die 15 Operationen von der Periode 2, welche in (48) enthalten sind. Wenn wir v in der gerade genannten Transformation geeignet wählen, so können wir die einzelne Operation von der Periode 2 immer auf eine der folgenden drei zurückführen:

T, TU, U, wo ?7 in I, 1, § 8 definirt ist [man vergl. I, 2, § 6]. Haben wir daJier über S' in der gerade genannten Weise verfügt, so genügt es, T' irgend einer der drei Operationen T, TU, U gleich zu setzen. Man vergleiche jetzt die Periodicitätsangaben in I, 2, § 6. Denselben zufolge hat ST die Periode 3; es muss also auch S' T' die Periode 3 haben. Nun findet man aber ebendort für ST, STU, SU, S^T, S^TU, Ä^ f/" beziehungs- weise die Perioden 3, 5, 2, 5, 3, 2 angegeben. Daher kann S' T' nur entweder wieder ST oder S'^TU sein. Es bleiben also überhaupt bloss zwei Möglichheiten: das eine Mal setzen wir S' = S, T' = T, das andere Mal S' = S^, T' = TU. Schreiben wir die zugehörigen Ikosaeder- substitutionen hin, so erkennen wir, dass S^ und TU aus S und T hervorgehen, indem wir e in 6^ verwandeln. Somit werden wir in der That genau zu den beiden Fällen der Cogredienz und Contra- gredienz, und nur äu ihnen, hingeführt, was zu beweisen war.

Offenbar können wir die Frage, welche hiermit beim Ikosaeder beantwortet ist, bei jeder Gruppe wiederholen. Ist dann ein Formen- problem vorgelegt^ welches zu einer bereits untersuchten Gruppe ge- hört, so können wir algebraische Entwickelungen verlangen, die den in § 8, 9 gegebenen entsprechen. Ich will mich hier nicht auf all- gemeine Erläuterungen einlassen, die über unser Thema hinausführen würden (siehe iudess I, 5, § 5). Nur diese eine Bemerkung finde hier ihre Stelle, dass der cogrediente Fall(der natürlich jedesmal existirt) immer dann durch Polarenbildung erledigt werden kann, wenn unter den Inva- rianten des Formenproblems eine solche vom zweiten Grade ist. Dies tritt zumal bei denjenigeh Formenproblemen ein, deren Variabele ^0? ^li ' ' ' ^n i einfach permutirt werden, die also durch Gleichungen

234 n, 4. Das Problem der A.

n^^ Grades mit unbeschränkten Coefficienten repräsentirt werden. Be- nutzen wir bei ihnen die Invariante Ex^ genau so, wie wir soeben (in § 9) den Kegelschnitt B^,^ + B^Bg verwandten, so gelangen wir

dazu, den Xq, x^, a;« i die Differentialquotienten -^^, ^-^, •••. -^ -—

covariant zu setzen, unter qp irgend eine bei den Vertauschungen der Gruppe invariante Form verstanden. Offenbar kommen wir durch Verfolg dieses Ansatzes, sobald wir als Functionen (p insbesondere Fotenzsummen der x in Betracht ziehen, genau zur Tschirnhaustrans- formation zurück. Das alte Verfahren von Tschirnhaus subsumirt sich also, zusammen mit den Formeln (38), unter eine allgemeine, auf Formenprobleme einer bestimmten Classe bezügliche Methode. Man vergleiche hierzu, was in II, 2, § 7 über die Zuordnung von Punkten und Ebenen gesagt wurde*).

§ 11. Ansatz zur Auflösung unseres Problems.

Wir wollen die Analogie mit der Tschirnhaustransformation einen Augenblick festhalten und die Coefficienten 11^, üg, -Bg in (39) dem- entsprechend als unbestimmte Grössen betrachten. Berechnen wir dann für die zugehörigen B^, Bj, B^ den Ausdruck Bo^-f-B^Bg, so erhalten wir eine quadratische Form dieser Grössen^ welche wir durch mannigfache Annahme der B^j B^, B^ zu Null machen können. Dann aber können wir, wie wir wissen, die B^, Bj, Bg unmittelbar durch eine Ikosaedergleichung bestimmen. Ist dies geschehen, so bringen wir jetzt noch einmal die Formel (39), bez. (38) in Anwendung, doch so, dass wir die Buchstaben A, B vertauschen und also Aq, A^, Ag durch B„, B^, Bg ausdrücken. Die Coefficienten B^, B.^, B.^ werden dann nothwendig rationale Functionen der ursprünglichen A, B, C, D und derjenigen Irrationalitäten, die wir eingeführt haben mögen, indem wir Bq^ -j- B^B^ = 0 setzten: das ursprüngliche Problem der A ist also durch Vermittelung dieser Irrationalitäten und der für die B maassgeben- den Ihosaedergleichung gelöst'**).

Ich erwähnte dies allgemeine Verfahren nur, um die Anwend-

*) Man kann die Bemerkung des Textes noch ein wenig verallgemeinern. Es ist nicht nöthig, damit die Polarenbildung zum Ziele helfe, dass eine in den X quadratische, invariante Form existire, sondern es genügt das Vorhandensein einer invarianten, in den x, x' hilinearen Form. In diesem Sinne gehören die Formeln (35) ebenfalls hierher, denn in ihrem Falle liegt eine solche bilineare Invariante in der Determinante {l.^ [i^ X^ ftj,) vor,

**) Wir berührten denselben Gedanken bereits (indem wir von den Jacobi- schen Gleichungen sechsten Grades sprachen) in II, 1, § 6.

II, 4. Das Problem der A. 235

barkeit der Formel (39) hervortreten zu lassen. Der Weg, den wir jetzt einschlagen wollen, um das Problem der A zu lösen, d. h. auf eine Iko- saedergleichung zu reduciren, ist ein sehr viel einfacherer. Wir hatten: (49) 2A(, = {^1^2 -j- A.2^i), Ai = A2A2 , A2 = AjAj ;

wir wollen die Auflösung jetzt so versuchen, dass wir uns die Ikosaeder-

X X '

gleicJmng gebildet denJcen, von der das hier auftretende j- resp. das A abhängt.

X2 Aj

Geometrisch heisst dies, dass wir den Punkt A durch einen der beiden Punkte auf A = 0 zu bestimmen suchen, in welchem eine von A an den Kegelschnitt A laufende Tangente berührt, während die allgemeine so- eben skizzirte Methode, wenn anders wir die vorkommenden Func- tionen als homogene Functionen der Aq, A^, Ag voraussetzen , dem Punkte A irgend einen auf A = 0 gelegenen covarianten Punkt zu- ordnet, sodann auch dessen Coordinaten Bq, Bj, Bg nicht nur ihrem Verhältnisse nach, sondern absolut bestimmt denkt.

Die Analogie unserer Fragesteilung mit derjenigen, die wir nach Hm. Gordan im vorigen Kapitel behandelt haben, liegt auf der Hand. Es handelt sich, wie wir wissen, beidemal um ein Formenproblem, dessen Variabele bilineare Formen solcher zweier Reihen binärer Variabler sind, die simultan den Ikosaedersubstitutionen unterworfen werden: beidemal suchen wir die Lösung, indem wir auf die Ikosaedergleichung zurück- gehen, von der die Variabelen der einen Reihe ihrem Verhältnisse nach abhängen. Wir werden dementsprechend genau dem Gedanken- gange folgen können, der in § 6 11 des vorigen Kapitels entwickelt wurde: die einzelnen Schritte werden so einfach, dass es überflüssig scheint, die jedesmaligen Resultate ausführlich zu begründen.

Wir beginnen damit, solche homogene ganze Functionen der /l^, Ag und A/, A2' aufzuzählen, welche bei den simultanen (jetzt cogre- dienten) Ikosaedersubstitutionen dieser Grössen ungeändert bleiben (invariante Formen). Die einfachsten beiden in den A' linearen Formen haben wir in Formel (35) zusammengestellt; es waren die folgenden beiden:

l dx, ^^ ^ dx, ^-^ ^'

(wo gleich der ausgerechnete Werth der ersten Form angegeben und der Buchstabe P für später der Abkürzung halber eingeführt ist). Es gehören ferner hierher, wie wir schon in § 2 bemerkten, alle sonstigen Formen, welche aus f {X^, A_,), H{X^, A^), T(Ai, A2) durch Polarisation nach A/, Ag' entstehen*). Unsere A, B, G, B, die

*) Ich urgire nicht weiter, dass mit den solchergestalt aufgezählten Formen bereits das volle System der hier in Betracht kommenden Invarianten erschöpft ist.

236 II, 4. Das Problem der A.

„bekannten" Grössen des Formenproblems, sind solche Combinationen der hiermit genannten Formen, welche in den l, X symmetrisch sind. * Wir betrachten jetzt überhaupt die Vertauschung der X, X', d. h. die Ersetzung von l^, X^ durch A/, X^' und umgekehrt. Bleibt eine invariante Form bei Vertauschung von X, X' ungeändert, so ist sie eine ganze Function von A, JB, C, D; ändert sie dagegen bei Ver- tauschung ihr Vorzeichen, so ist sie das Product einer solchen ganzen Function in (50). Hat eine invariante Form nur gleichen Grad in den A, A', so kann sie immer in folgende Gestalt gesetzt werden:

(51) F(X„ A,; A/, A/) = G (Ä, B, 0, D) + }/Z H{A, B, G, B),

wo die ganzen Functionen G, H durch folgende Gleichungen definirt sind :

f 2G = F(Ai, A2; A/, A/) -\- F{X^, A/; A^, A^),

(52) ^ ,_

\2yA-H = Fix,, X,; A/, A/) - F(X;, A/; A„ A,). -

Der allgemeine Gang unserer Auflösungsmethode wird nunmehr folgender sein. Wir haben zunächst die Ikosaedergleichung zu bilden:

^^'^^ 1728 /M^rry~'

von welcher A^ : Ag abhängt, dann aber die Invariante P (50) durch ^1? ^a; V^ u^d ^iß bekannten Grössen auszudrücken. Beides gelingt, wenn wir Formel (51), (52) ia geschickter Weise verwenden. Wir betrachten sodann die Formeln (50) als lineare Gleichungen zur Be- stimmung von A/, A2': die gesuchten Schlussformeln für die A^, A^, Ag ergeben sich, indem wir die gefundenen Werthe in (49) eintragen. Dabei erscheinen die Ap, A^, Ag, wie es sein muss, als geeignete lineare Com- binationen der linearen Invarianten ]/J. und P.

§ 12. Zugehörig© Formeln.

Die Formeln, welche vermöge des allgemeinen soeben gegebenen Ansatzes benöthigt werden, sollen jetzt noch soweit entwickelt werden, als zur Präcisirung des Gedankenganges wünschenswerth erscheint. Ich will dabei wieder (wie im vorigen Kapitel) die uns ursprünglich gegebenen Formen mit dem Index 1, die anderen, die aus ihnen durch Vertauschung der Variabelen A, A' entstehen, mit dem Index 2 bezeichnen. Höhere Indices mögen den Grad ganzer Functionen der jeweils beigesetzten Argumente unter der Voraussetzung an- geben, dass man diese Argumente als Functionen der A^, Aj, Ag betrachtet.

Wir beginnen mit der Berechnung von Z (53), oder, wie wir jetzt sagen, von Z,. Offenbar haben wir der Reihe nach:

(54) Z, =

II, 4. Das Problem der A. 237

1728 /iYa'

3456/;Y2' ^ G^eo (^, Jg, (7) + l/I J g,, (^, B, C) 3456 [6?,2 (^, B, G)Y

Neben (51), (52) habe ich dabei den Umstand verwendet, dass unter den gegebenen Grössen Ä, B, C, D das J) allein von ungeradem Grade in den A, sowie, dass D^ eine ganze Function von Ä, B, C ist. Die ganzen Functionen G^^, G^^, G^q von Ä, B, C bleiben aus- zuwerthen, indem man auf die expliciten Werthe der in Betracht kommenden Grössen in den Aq, Aj, A2 recurrirt. Die betreffende Rechnung ist natürlich etwas umständlich; ich unterlasse sie, weil sie keinerlei principielles Interesse bietet.

Wir wenden uns jetzt zur Berechnung von P, oder vielmehr von Pj. Die Form P^ ist in den A' von der ersten, in den A von der elften Dimension; wollen wir ein Verfahren, wie das eben bei Zi^ an- gewandte, benutzen, so werden wir P^ vorab mit solchen nur von A^, A2 abhängigen Factoren behaften müssen, dass das entstehende Aggregat in den_ X, X' gleichförmig die erste Dimension besitzt. Wir setzen dementsprechend: (55) 9, =- ^^ ''^

1\ ' und haben dann der Reihe nach:

(56) Q, = ^^~ = ^^^-

2T,2',

_D-G,, jA, B, C) + yÄ- G,, {A, B, C) 2 r,, {A, B, G) '

wo die ganzen Functionen G^^, G^q, F^q auszuwerthen bleiben. Tragen wir ein, so kommt:

r^,7^ P —^ D G,, {A, B, C) + Va G,, {A, B, C)

WU ^1— H/ 2r,,{A,B,C)

Wir suchen jetzt, wie verabredet, aus YA und P^ die A/, A/. Die entstehenden Formeln lauten einfach:

(58)

dfr

a;

= -Vä-

12/, ' ^1 12/1

a;

= +

1 1 p ^2 12/1 "f" -^1 12/1

238 11, 4, Das Problem der A.

Indem wir sie mit (49) vergleichen, kommt schliesslich; '2Ao== yÄ-2?^-

(59)

^1 ^i

12/1'

wo wir uns für P^ den Werth (57) eingetragen denken.

Wir können die hiermit gegebene Auflösungsmethode, wenn wir noch einmal den Entwickelungsgang des vorigen Kapitels heranziehen wollen, mannigfach modificiren. Man substituire beispielsweise in (59) statt Pi die Grösse q^ (55), worauf die A nur von Yä, q^ und Aj : X.^ abhängen, berechne sodann, indem man diese drei Grössen als beliebig gegeben ansieht, das zugehörige Problem der A und vergleiche dasselbe mit dem vorgegebenen Probleme. Man erhält so für q^ und Z^ (53) Bestimmungsgleichungen, die zur wirklichen Berechnung derselben verwandt werden können. Auch können wir, wie wir es im vorigen Kapitel thaten, jeden Schritt der Auflösungsmethode geometrisch deuten. Indem ich alle diese Dinge dem Leser überlasse, betone ich zum Schlüsse noch das Auftreten von Yä. Im Sinne unserer früheren Ausdrucksweise ist dies eine accessoriscJie Irrationalität, d. h. eine solche, welche in den zu berechnenden Grössen Aq, \, Ag nicht rational ist*). Wir werden bald sehen, dass eine derartige Irrationalität in der That nicht zu vermeiden ist, wenn anders wir das Problem der A auf eine Ikosaedergleichung zurückführen wollen.

*) In analogem Sinne überträgt sich der Begriff der accessorischen Irrationa- lität auf Formenprobleme überhaupt.

Kapitel V. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades.

§ 1. Formtilirung zweier Auflösungsmethoden.

Indem wir uns jetzt zu den allgemeinen Gleichungen fünften Grades wenden, nehmen wir sofort das eigentliche Auflösungsproblem in Angriff*). Es handelt sich in der Hauptsache darum, aus fünf Grössen Xq, x^, - x^, welche der einzigen Bedingung Sx = 0 unter- worfen sind, eine Function (p (Xq, x^, •, x^ = A zusammenzusetzen, welche bei den geraden Vertauschungen der x sich ikosaedrisch sub- stituirt; wie wir später die einzelnen x rational durch k darstellen werden, ist eine Frage für sich, die wir für's Erste als secundär betrachten. Indem wir uns vorab auf die Hauptfrage beschränken, legen wir geo- metrische Interpretation zu Grunde: wir deuten, wie es oben geschah, Xf^: Xi : ' x^ als Coordinaten eines Raumpunktes, k aber als Para- meter einer Erzeugenden erster Art auf der Hauptfläche zweiten Grades 2x^ = 0. Unsere Aufgabe wird dann: dem beliebigen Ratim- punJcte x durch geeignete Construction eine Erzeuge^ide A in covarianter Weise zuzuordnen, d. h. der Art zuzuordnen, dass die Beziehung zwi- schen Raumpunkt und Erzeugender ungeändert bleibt, wenn man beide simultan den geraden Collineationen unterwirft.

Eine erste Lösung dieser Aufgabe ergibt sich, auf Grund unserer bisherigen Entwickelungen, wie von selbst. Wir tverden nämlich dem Punkte X zuvörderst in covarianter Weise einen Punkt y der Hauptfläche zuweisen und dann als Erzeugende A die durch y hindurchlaufende Er- zeugende nehmen. Also, dass wir gleich die hieraus hervorgehende algebraische Behandlung der allgemeinen Gleichung fünften Grades charakterisiren: wir werden die allgemeine Gleichung fünften Grades durch eine geeignete Tschirnhaustransformation in eine Hauptgleichimg

*) Die im Folgenden gegebenen Entwickelungen sind ihren Grundzügen nach bereits in meinen öfter citirten Arbeiten in den Bänden 12, 14, 15 der Mathematischen Annalen enthalten, doch werden sie hier zum ersten Male in zusammenhängender Form zur Darstellung gebracht.

240 n, 5, Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades.

fünften Grades verwandeln und dann diese nach der im dritten Kapitel des gegenwärtigen Abschnitts dargelegten Methode auflösen.

Die Tschirnhaustransformation, welche bei dem hiermit bezeich- neten Verfahren benöthigt wird, haben wir bereits in II, 2, § 6 ge- nauer besprochen und dort in der Weise formulirt, dass wir dem Punkte 4? zunächst eine ßaumgerade zuordneten, welche zwei rationale, zu X covariante Punkte verbindet, um dann von den Schnittpunkten, die diese Raumgerade mit der Hauptfläche gemein hat, den einen als Punkt y zu wählen. Dabei wurde zur Trennung der beiden Schnitt- punkte, allgemein zu reden, eine accessorische Quadratwurzel gebraucht. Wollen wir uns kurz fassen, so können wir bei Beschreibung dieser Construction den Punkt y auch bei Seite lassen. Es handelt sich für uns dann einfach darum, eine der beiden Erzeugenden erster Art der Haupt- fläche zu benutzen, welche einer zu x covarianten Raumgeraden be- gegnen. Die accessorische Quadratwurzel beruht darauf, dass es neben einer ersten Erzeugenden dieser Art, die wir X nennen, immer noch eine zweite, mit A gleichberechtigte gibt, die wir einen Augenblick mit A' bezeichnen wollen. Indem wir uns so ausdrücken, erkennen wir die Möglichkeit, die Benutzung der accessorischen Irrationalität noch etwas hinauszuschieben. Statt gleich die Ikosaedergleichung auf- zusuchen, von welcher X abhängt, werden wir vorab das Gleichungs- system aufstellen, durch welches die symmetrischen Functionen der X, X' bestimmt werden, und erst später aus diesem Gleichungssysteme die vorbenannte Ikosaedergleichung ableiten. Das aber heisst augenscheinlich nichts Anderes, als dass wir auf die Entwickelungen unseres soeben abgeschlossenen vierten Kapitels zurückgreifen. In der That: unsere X, X' sind cogrediente Variabele; das Gleichungssytem, von dem wir sprechen, ist also ein Gleichungssystem der A, bei dessen Behandlung wir übrigens sofort, wie wir sehen werden, zur homogenen Fassung, d. h. zum Formenproblem der A hingeführt werden. Zugleich ist die Ikosaedergleichung, von welcher X abhängt, dieselbe, die wir ohnehin bei Auflösung des Problems der A benutzen würden. Wir finden also eine zweite Lösungsmethode der allgemeinen Gleichung fünften Grades, bei der wir die Entwickelungen von II, 4 genau so verwerthen, wie bei der ersten Lösungsmethode diejenigen von II, 3.

Uebrigens ist die Formulirung, welche wir gerade für die zweite Lösungsmethode aufstellten, noch unnöthig particulär. Indem wir uns der Betrachtungen erinnern, die wir in II, 2, § 9 gegeben haben, erkennen wir, dass wir dem Punkte x statt einer Raumgeraden bei Durchführung der zweiten Methode einen allgemeinen linearen Complex zuordnen können. Die Erzeugenden X, X' sind dann diejenigen beiden.

II, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades. 241

welche diesem linearen Complexe angehören. Die expliciten Formeln, welche wir später behufs Präeisirung der zweiten Methode aufstellen werden, bleiben von dieser Verallgemeinerung unberührt; wir werden also auf die specielle Forraulirung, mit der wir gerade begonnen haben, überhaupt nur beiläufig zurückkommen.

Wir haben für die folgenden Paragraphen nunmehr eine doppelte Aufgabe. Einmal werden wir noch die genauen Formeln aufstellen müssen, welche den zweierlei Lösungsniethodeu, deren Möglichkeit wir erkannten, entsprechen, dann aber wollen wir die Gesammtheit jener Untersuchungen, über die wir in 11, 1 Bericht erstatteten, in unsere eigenen Ueberlegungen einordnen. In letzterer Hinsicht ist von vorneherein die Verwandtschaft unserer ersten Lösungsmethode mit derjenigen von Bring, unserer zweiten Methode mit derjenigen von Kronecker evident. Durch Benutzung eines Satzes, den wir früher (I, 2, § 8) über die Ikosaedersubstitutionen aufgestellt haben, gelingt es denn auch, jenen Fundamentalsatz der Kronecker'schen Theorie zu beweisen, über den wir in II, 1, § 7 referirt haben.

§ 2. Durchführung unserer ersten Methode. Um unsere erste Methode zu fixiren, sei

(1) x^ -\- ax^ -{- bx^ + ex -\- d = 0

die vorgelegte Gleichung fünften Grades (bei der wir Sx = 0 ge- nommen haben). Wir setzen ferner nach II, 2, § 5:

(2) y,.= p- 4'^ + q-xf'-\-r. x? + s x'^\

wo xl = Xy ~ Ex^ , und berechnen Etj-. Dasselbe wird eine

homogene ganze Function zweiten Grades der p, q, r, s:

(3) 0(j), q, r, s),

deren Coefficienten symmetrische, ganze Functionen der x und also ganze Functionen der in (1) auftretenden Coefficienten a, h, c, d sind. Wir ivünscJmi ein Lösungssystem der Gleichung 0=0 -zu finden, welches hei den geraden Vertauschungen der x ungeändert bleibt.

Bemerken wir vorab, dass die gesuchten p, q, r, s unmöglich gleich rationalen Functionen der Xq, x^, x^^ sein können. Es geht dies aus dem später zu erbringenden Beweise hervor, demzufolge bei Durchführung unserer Methoden die Benutzung einer accessorischen Irrationalität, zum Mindesten also einer accessorischen Quadratwurzel, nicht zu vermeiden ist*). Um so mehr greifen wir auf die geometrische

*) Umgekehrt würde man, wenn man den Satz des Textes (betrefifs der Irra- tionalität der p, q, r, s) direct nachwiese, oineu neuen Beweis für die Nothwendigkeit

Klein, Gleichangen 6. Grades. 16

242 n, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades.

Constrnction mit der covarianten Jlaumgeradon zurück, die wir soeben bezeichneten und für welche wir in ]I, 2, § G bereits die nöthigen Formeln gegeben haben. Es seien:

l\j Qi7 ^if ^i'i A' Q->} ^2> ^2 zwei Reihen von vier Grössen, welche von den x rational und derart abhängen, dass sie sieh bei den geraden Vertauschungen der x nicht ändern, die also rationale Functionen der Coefficienten n, h, c, d von (1) und der Quadratwurzel aus der zugehörigen Discriminante sind. Wir setzen dann in (2) wie früher:

(4) p = ^jP, + qJ\,, q = Q^Q^ -\- Q^,Q,, r = q^B, + q.,B.^,

S = Qj^Si -j- ^2^-2-

Hierdurch verwandelt sich 0 [Formel (3)| in eine binäre quadratische Form der q^, q.>, deren Coefficienten rationale Functionen der be- kannten Grössen sind: wir setzen 0 = 0 und bestimmen ^j : ^2 aus der entstehenden quadratischen Gleichung, wodurch die in Aussicht genommene accessorische Quadratwurzel eingeführt wird. Sodann sub- stituiren wir zugehörige Werthe von Q^, q^ i" (4); resp. (2) und be- rechnen die für die ?/ resultirende Hauptgleichung, die wir folgender- maassen abkürzend bezeichnen wollen:

(5) /' + r)ar + 6/5?/+V = o.

Hiermit haben wir Alles zugerichtet, um die Entwickelungen von 11, 3 unmittelbar verwenden zu können. Haben wir sodann mit Hülfe dieser Entwickelungen die Wurzeln yv von (5) berechnet, so finden wir die zugehörigen rr„ durch Umkehr von (2).

Ich möchte dabei hinsichtlich der Umkehr der Tschirnhaustrans- formation eine beiläufige Bemerkung machen. Man sagt gewöhnlich, und so haben wir es früher auch ausgedrückt (II, 1, § 1), dass man das gesuchte Xv rational als gemeinsame Wurzel der Gleichimgen (1) und (2) [wo jetzt pr als bekannte Grösse zu erachten ist] berechnet. Im Wesentlichen dasselbe, aber mehr im Sinne unserer sonstigen Be- trachtungen ist es, wenn wir der Formel (2) folgende andere explicite gegenüberstellen:

/n\ ' (1) r ' (2) I /• (3) , / (4)

der in Rede stehenden Quadratwurzel haben. Liesse sich nämlich aus (1) ohne Benutzung accessorischer Irrationalitäten eine ikosaedei'gleichung herstellen, so würde man von dieser eine der unendlich vielen zugehörigen Hauptresolventen fünften Grades bilden können und erhielte dann durch Zusammenziehen der Formeln eine Transformation (2), deren Coefficienten p, q, r, s rationale Func- tionen der X wären, die sich bei den geraden Vertausch iingen der x nicht änderten.

11, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades. 243

WO y]? = Vv r ^y^ und p', q, r' , s' rationale Functionen der

Ci7 Qi} ^7 ^} ^7 <^ ""*^ ^6^ Quadratwurzel aus der Discriminante von (1) bezeichnen, die man mit Hülfe elementarer Methoden berechnet. Die Bestimmung des oCy lässt sich dann so auffassen, dass man, geo- metrisch zu reden, aus dem erstgefundenen Punkte y = y'-^^ zunächst drei weitere covariante Punkte: y''^\ y^^\ i/^^' ableitet uud dann aus diesen den gesuchten Punkt x vermöge invarianter Coefficienten zu- sammensetzt*).

Beachten wir, dass bei der so geschilderten Auflösungsmethode die Berechnung von Xy aus der Wurzel A der schliesslich zu Grunde gelegten Ikosaedergleichung in zwei Schritte zerlegt ist: Avir haben ursprünglich, in II, 3, die fünfwerthigen Functionen von X: _ 12r-(X).U(l) _ l2fiX)-Wy{X)

benutzt, um aus ihnen, resp. aus Vy uud n,.Vy, die y,, linear zusammen- zusetzen, wir haben sodann den Punkt x als lineare Combination der y*', y^'^\ y^^\ 2/^^) dargestellt. Offenbar können wir diese beiden Schritte in einen Schritt zusammenziehen: wir können den Punkt x direct ans solchen vier Punkten componiren, die Covarianten der Erzeugen- den X sind. Die einfachsten rationalen Functionen von A, welche bei den Ikosaedersubstitutionen im Ganzen fünf Werthe annehmen, siud nach dem Früheren (I, 4) die folgenden:

tly, Vy, UyVy, ry = "— ^

Hier ist Eu = Hv = Euv = 0, dagegen Er ^ 0, so dass wir statt »\ die Verbindung ry -y Er einführen wollen. Dann ist:

(7) Xy = p" Uy 4- q" i\ + r" u,.Vy + s" {i\ Er) ,

wo p'\ q'\ r", s" Coefficienten derselben Beschaffenheit sind, wie eben die p', q', r', s'.

Ich habe diese neue Umkehrformel wesentlich aus Gründen der Vollständigkeit zugefügt. In der That scheint mir gerade dieses der eigentliche Vorzug unserer ersten Methode zu sein, dass sie bei der durch (6) dargestellten Formulirung m zwei getrennte Theile zerfällt.

*) Die geometrische Ausdruckaweise des Textes ist natürlich nur dann ein Gegenbild des algebraischen Verfahrens, wenn man letzteres wieder so specialisirt, dass durchweg dem Gesetze der Homogeneität genügt wird, d. h. dass die Ver- hältnisse der y nur von den Verhältnissen der x abhängen. Wir müssten eigent- lich die gleiche Bemerkuug bei allen folgenden Entwickelungen wiederholen, was wir aber der Kürze wegen unterlassen.

IG*

244 II, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades.

von denen der erste, der den Zusammenhang der allgemeinen Gleichung fünften Grades mit der Hauptgleichung betrifft, durchaus elementaren Charakter hat. Wir können Formel (6) auch als einfacher betrachten, als Formel (7). Denken wir uns nämlich die Pj, ^i, •••• B.^, S.^ in (4) nur von a, b, c, d, nicht aber von der Quadratwurzel aus der zu- gehörigen Discriminante, rational abhängig, so wird die Quadratwurzel aus der Discriminante auch in den Coefficienten von (6) fehlen, wäh- rend sie in den Coefficienten von (7), wie in der rechten Seite der Ikosaedergleichung für A, durchaus nothwendig auftritt.

§ 3. Kritik der Methoden von Bring und Hermite.

Ehe wir weiter gehen, werden wir jetzt unsere erste Lösungs- methode mit den eng verwandten Auflösungsarten vergleichen, welche Bring, bez. Hermite, gegeben haben. Die Einzelheiten, welche hier in Betracht kommen, haben wir bereits in H, 3, § 13 und 14 ent- wickelt. Indem wir auf dieselben snrücl'greifen , müssen wir unsere Methode als wesentliche Vereinfachung der Bring'schen Methode bezeichnen. Auch Bring transformirt die gegebene Gleichung fünften Grades in eine Hauptgleichung, auch er benutzt die geradlinigen Erzeugenden, die auf der Hauptfläche verlaufen. Aber hierüber hinaus kommt er zu einer unnöthigen Complication: um eine Normalgleichung mit nur einem Parameter zu erreichen, glaubt er durch Vermittelung einer Hülfsgieichung dritten Grades eine neue accessorische Irratio- nalität einführen zu sollen. Ich halte also dafür, dass das ursprüng- liche Verfahren von Bring zu verlassen ist und durch unsere erste Methode, welche den wesentlichen Gedanhen der Bringt sehen Methode festhalt, ersetzt werden muss. Der Fortschritt, um den es sich handelt, findet in dem Geschlechte der bei der geometrischen Deutung zu benutzenden Gebilde seinen prägnanten Ausdruck: die Schaar der auf der Hauptfläche verlaufenden geradlinigen Erzeugenden der einen oder anderen Art bildet eine Mannigfaltigkeit vom Ge- schlechte Jö == 0, das Geschlecht p der Bring'schen Curve ist gleich 4*).

Im Grossen und Ganzen werden wir in das hiermit formulirte Urtheil auch das Verfahren von Hermite einbegreifen: wollen wir zur Auflösung der Hauptgleichung fünften Grades elliptische Functionen ver- wenden, so geschieht dies in einfachster Weise, wenn wir für die Wurzel

*) Von diesem Werthe des p und der allgemeinen Theorie der Curven p = 4 ausgehend, kann man, was ich hier nicht ausführe, zeigen, dass Bring's cubische Hülfsgieichung in der That nicht zu vermeiden ist, wenn man einen Punkt der ßring'schen Curve bestimmen, d. h. die trinomische Gleichungsform 2/^ -|- Sßi/ -j- y = 0 als Normalgleichnng benutzen will.

II, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades. 245

der zugehörigen IJwsaedcrgleichung die in I, 5, § 7 gegebene Formel be- nutzen. Hermite's Benutzung der Bring'schen Form kann fürderhin nur dann noch in Betracht kommen, wenn man statt der rationalen Invariante

=~, der die rechte Seite der Ikos^edergleichung gleich wird, das zu- gehörige x^ benutzen will. In der That sahen wir ja in II, 3, § 14, dass die cubische Hülfsgieichung von Bring reducibel wird, sobald wir das x als bekannt erachten. Auch will ich hier noch beson- ders den Fortschritt hervorheben, der darin liegt, dass wir die Mög- lichkeit, die Iksosaedergleichung durch elliptische Functionen zu lösen, früher unmittelbar aus der Gestalt des Ikosaeders abgeleitet haben (siehe I, 5, § 7).

§ 4. Vorbereitungen zu unserer zweiten Auf lösungsmethode.

Der geometrische Ansatz, den wir für unsere zweite Auflösungs- methode gegeben haben, verlangt, die quadratische Gleichung aufzu- stellen, von welcher die beiden Erzeugenden erster Art der Haupt- fläche, die einem bestimmten linearen Complexe angehören, abhängen. Genau diese Aufgabe haben wir in 11, 2, § 10 für eine beliebige Fläche zweiten Grades gelöst, aber wohlverstatiden unter Benutzung eines j)articidären Coordinatensystems. Wir hatten damals als Gleichung der Fläche die folgende genommen:

(8) X,X, + X,X, = 0,

hatten sodann den Parameter X der Erzeugenden erster Art in nach- stehender Weise definirt:

/f)^ A== "^t -— ^ _— ^1

und endlich, unter J^^,, ,, die Coordinaten des linearen Complexes ver- standen, die Gleichung erhalten:

(10) Ä,, X,' -f- {A,, - Ä,,) A, X, + Ä^X^ = 0.

Ich füge hier gleich die entsprechenden Formeln für die Erzeugenden zweiter Art hinzu. Wir fanden als Definition des Parameters fi:

(11) ^=-§ = ^ = ^

und als zugehörige quadratische Gleichung:

(12) - A,,[i,^ + {Ä,, -f Ä,,) iL.ii, + A,,fi,' = 0.

Wir erinnern uns jetzt zunächst der Art und Weise, vermöge deren wir in II, 3, § 2, 3 die Parameter X, /* speciell bei der Haupt-

246 il, 5- Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades.

fläche eingeführt haben. Es geschah dies genau iu Uebereinstimmung mit (8), (9), (11), nur dass wir statt X,, Xg, Xg, X^ beziehungsweise 2h> Pit Ps) Pi geschrieben hatten, wo ^j^« den Ausdruck des Lagrange bedeutete:

(13) p^, = ^0 + «■" ^1 + ^^'' ^a + ^^'' ' ^3 + «^'' * ^4-

Wir liönnen also an Gleichimg (10), (12) ungcändert festhalten, sofern wir nur durchweg hei unserer Behandlung das Coordinatensystem von Lagrange m Grunde legen.

Das Letztere ist nun in II, 2, § 9, wo wir dem Raumpunkte x in allgemeinster Weise einen covarianten linearen Complex zuordneten, keineswegs vorausgesetzt worden, vielmehr beziehen sich die damals angegebenen Complexcoordinaten:

(14) - a,,= ^c'.«{4'^4"'^-4'"^4'^l

[wo die c'' "' irgend welche rationale Functionen der Coefficienten «, h, c, d und der Quadratwurzel aus der zugehörigen Discriminante bezeichnen] ebenso wie die Punktcoordinaten x selbst auf das funda- mentale Pentaeder. Unsere nächste Aufgabe ist also eine Coordinaten- transformatiou : wir müssen die Coordinaten A„v bestimmen, ivelche der Complex (14) annimmt, wenn ivir durch (13) die Ausdrücke Pfi einführen. Ich will zu dem Zwecke diejenigen p, welche den Punkten a;"\ ic^"'^ zu- gehören, mit p'^''^ , p'"-^ bezeichnen. Wir haben dann:

(15) i^W'^-/V!:"^=^ {s^"^-' -£"^+^'*) (^f'4"^- ^'M'"^

/, k

WO rechter Hand jede Combination (^, li) = (Ji, i) einmal auftritt. Wir addiren jetzt die sechs Gleichungen, die wir solchergestalt für die verschiedenen Combinationen {l, m) = (m, l) erhalten, nachdem wir jede mit c'»"' [Formel (41)] multiplicirt haben. So entstehen links die gesuchten -4^,,, rechter Hand aber ziehen sich je sechs Terme zu den ttik (14) zusammen. Hiernach lauten die gesuchten Transformations- formeln:

(16) A,,r = ^(£'"' + *'^ £-• + "*) aik-

i,k

Die so gewonnenen A/^v tragen wir jetzt in (10), (12) ein. Ich will die dabei entstehenden quadratischen Gleichungen in derjenigen Gestalt schreiben, die wir soeben, in 11,^ 4, zu Grunde legten:

A^/li^ + 2A0A1A2 AaAg^ = 0, bez.

^^^^ 'A,V,^+2A,>,^,-A,>/ = 0.

II, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades. 247

Es wird daim:

(18) A, = + ^^ - = ^(£^'+^^ - £^'+") a,„

i,k

A, = ~ A,, = ^(^=^'+* - £'+^*) «.•* ,

SO wie ferner:

(19)1 a; = + ^3. =2(*^''^''-^"'^'')-«'-^'

i,k

A; = + ^12 = ^(£'+-^- - 8''+') a,*.

§ 5. Von den Substitutionen der A, A'. Definitive Formulirung.

Vermöge der geometrischen Betrachtungen, die wir voranstellten, ist es selbstverständlich, dass sich die Verhältnisse der gerade auf- gestellten Aü, Aj, Aa (18) bei den geraden Permutationen der Xq, o;,, ^27 ^3> ^4 genau so linear substituiren, wie die Verhältnisse der im vorigen Kapitel zu Grunde gelegten, mit denselben Buchstaben bezeich- neten Grössen; ebenso ist ersichtlich, dass sich die Verhältnisse der in (19) eingeführten A' zu den Verhältnissen der A contragredient verhalten, Ich sage nun, dass diese Uebereinstimmung bestehen bleibt, wenn wir statt der Verhältnisse der A, A' die A, A' selber ins Auge fassen. Es wäre nicht schwer, die Richtigkeit dieser Behauptung aus allgemeinen Gründen zu beweisen; wir werden sogleich noch 9) den Ansatz dazu geben. Einstweilen begnügen wir uns damit, die Richtigkeit aus den Formeln zu verificiren. Offenbar haben wir nur die beiden Ope- rationen S, T in Betracht zu ziehen, aus denen sich alle anderen durch Wiederholung und Combination zusammensetzen. Was zunächst die geraden Vertauschungen der x angeht, so haben wir in II, 3, § 2 als solche S, T die nachstehenden eingeführt:

O JUy ^^^-^ Jby JL. J ,

y j. . UyQ UyQj U/j^ == U/2) ^2 **'l; "^S "^4

Ihnen entsprechend erhalten wir bestimmte Permutationen der a,^. (14) und, wenn wir diesen Rechnung tragen, für die durch (18) definirten A folscende Substitutionen:

(21)

248 n, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades.

Aj = £ A|, A2 == Sf^2i Ao H~ A^ -f~ "2, A/ = 2 Ao + (5^ + s') \ + (s + e')A„ A/ = 2 Ao + (f + e') A, + (5^ + s') A„ d. h. genau dieselben Substitutionen, die wir in II, 4, § 2 angegeben haben*). Was aber die Contragredienz der Grössen A' (19) und der A (18) angeht, so genügt es, zu bemerken, dass die Werthe der A' aus denen der A hervorgehen, wenn wir in letzteren s durchweg in £^ verwandeln.

Wir denken uns jetzt aus den A, A' (18), (19) irgendwelche der invarianten Formen gebildet, die wir im vorigen Kapitel besprachen, also entweder aus den A allein die Ausdrücke Ä, B, C, D, oder auch aus den A, A' simultan die in den A' linearen Functionen jF\, F^, F^, die wir in § 9 daselbst betrachtet haben [siehe insbesondere Formel (45), (46) und (47)]. Indem wir für die A, A' die entsprechenden Werthe in Xq, x^, x^ eintragen, erhalten wir durchweg solche rationale Functionen der x, welche sich bei den geraden Vertauschungen der X nicht ändern,^ welche sich also mit Hülfe elementarer Methoden, die wir nicht ausführen, als rationale Functionen der in (1) vor- kommenden Coefficienten a, h, c, d und der Quadratwurzel aus der zugehörigen Discriminante darstellen lassen. Um unsere zweite Me- thode in definitiver Weise zu formuliren, gebrauchen wir zunächst nur das Problem der A und also die Werthe der gerade genannten Grössen A, B, C, D. Wir folgen dann genau den Entwickelungen, die wir in den beiden Schlussparagraphen des vorigen Kapitels gegeben haben, und bilden uns, indem wir die accessorische Irrationalität ]/j. ad- jungiren, eine zugehörige Ikosaedergleichung zur Bestimmung von A. Es fragt sich nur noch, wie wir rückwärts mit Hülfe dieses X die Wurzeln x^, x^, x^ darstellen wollen. Hiervon soll erst im folgen- den Paragraphen gehandelt werden.

§ 6. Die Umkehrformeln der zweiten Methode.

Um die noch restirende Aufgabe zu lösen, bieten sich nicht we- niger als dreierlei Ansätze, jenachdem wir nämlich unsere Aufgabe mit einem Schlage erledigen oder in zwei oder drei Schritte zer- legen wollen.

*) Die Buchstaben A^', A/, A^' sind in (21) in ganz anderer Bedeutung ge- braucht, wie in (19); da ich auf (21) nicht mehr recurrire, so wird daraus, hoffe ich, kein Missverständniss entsteheu.

II, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades. 249

Im ersteren Falle machen wir unmittelbar von der Formel (7) Gebrauch, die ich noch einmal hersetze, indem ich jetzt die damals bei p, q, r, s gebrauchten Accente weglasse:

(22) Xv=P'Uv -i- q- Vv ■;{- r ' UyVy + s [r^ Ur^j

Hier sind die p, q, r, s rationale Functionen der a, h, c, d, der Quadrat- wurzel aus der zugehörigen Discrimiuante und der accessorischen Quadratwurzel yÄ.

Im zweiten Falle drücken wir zunächst, wie wir dies in § 12 des vorigen Kapitels ausführten, die Aq, Ai, A^ selbst durch die Wurzel X der Ikosaedergleichung aus. Wir nehmen dann ferner die niedrig- sten fünfwerthigen ganzen Functionen der A zu Hülfe. Nach § 5 des vorigen Kapitels sind dies:

dy, dy, dy^, ÖySy.

Hier ist wieder Sd = Zd' = Sdd' = 0, dagegen Zd^ von Null ver- schieden, so dass wir, zur Darstellung der Xy, statt des einzelnen dy^

die Combination Idy^ ~ 2Jd^) einführen wollen. Wir haben dann

wieder Formeln folgender Art:

(23) Xy = P' dy -f q' Ö; + r' {dy^ - l Zd) + S' . dyd;,

wo p', q, y', s' rationale Functionen der a, 6, c, d und der Quadrat- wurzel aus der Discriminante sind, die accessoriscJw Irrationalität aber nicht mehr entJialten.

Im dritten Falle endlich denken wir uns aus der Wurzel X der Iko- saedergleichung zunächst wieder die Aq, A^, Ag berechnet, suchen dann aber nicht die Xv direct, sondern vorab die zugehörigen Aq', A^', Aj' (19). Wir erreichen dies, nach Analogie von Rechnungen, die wir früher ausführten, indem wir die soeben genannten, von den A und A' abhängenden Formen jp\, F2, F^ als Functionen der a, b, c, d und der Quadratwurzel aus der Discriminante darstellen und aus den so ent- stehenden Gleichungen die A^', A^', A2' als linear vorkommende Unbe- kannte bestimmen. Ist dies geschehen, so suchen wir möglichst einfache Functionen der A, A', die fünfwerthig und dabei in den A, A' symmetrisch sind. Wir finden eine erste derartige Function, wenn wir das f/, von II, 3:

quadriren und dem in § 2 des vorigen Kapitels etc. fortwährend

250 II, 5. Die allgemeiuen öleichungen fünften Grades.

benutzten üebertragungsprocesse unterwerfen. Auf solche Weise kommt eine in den A, A' bilineare Form:

(24) ^ = 2Ao' {8•''■^, + £'A,) + A; (- 2£^'A, + ^^^A, - 6^'A,)

+ A; (- 2£^^ :A„ - £^ A, + £^'A,). Als Aveitere Functionen derselben Eigenschaft wollen wir die Potenzen ll , Xi, Xv verwenden, wobei wir aber beachten müssen, dass keine der Wurzelsummen ^x^, ^%^, ^X^ identisch verschwindet. Wir werden also die Formel, welche (22), (23) entspricht, am besten mit einem Zusatzgliede t" folgendermaassen schreiben:

(25) X., = p' . xr + 2" x^ + r" x^ + s" xt + t".

Hier sind ^j", q", r", s", t" zuvörderst wieder rationale Functionen der a, h, c, d und der Quadratwurzel aus der Discriminante. Uebrigcns können wir auch erreichen, dass sie blosse rationale Functionen der a, h, c, d ivcrdcn. Wir müssen dann nur in dem ursprünglichen An- sätze (14) die c'' '" ihrerseits allein von den a, h, c, d rational ab- hängen lassen.

Ich habe diese Angaben ohne ausführliche Begründung zusammen- gestellt, da sie sich aus den früheren Entwickelungen sozusagen mit Noth wendigkeit ergeben. Am zweckmässigsten erscheint mir ohne Zweifel die dritte Art des Ansatzes. Indem dieselbe die Berechnung der Xy in nicht weniger als drei getrennte Schritte zerlegt, benutzt sie dreimal dieselben Grundsätze der typischen Darstellung, welche wir unter wechselnden Formen in den drei voraufgehenden Kapiteln kennen gelernt haben.

§ 7. Beziehungen zu Kronecker und Brioschi.

Unsere zweite Auflösungsmethode ist, wie wir schon öfter sagten, nur eine Modification und Weiter eniwiclcelung der Kronecker'schen Me- thode. In der That haben wir ja in II, 4 ausführlich gesehen, dass das Problem der A in dem dort näher erläuterten Sinne durch seine einfachste Resolvente sechsten Grades, die Jacobi'sche Gleichung, ersetzt werden kann. Im Einzelnen bieten sich dann freilich mannig- fache Abweichungen. Ich will hier nur auf zwei derselben aufmerk- sam machen, von denen die zweite die wichtigere ist.

Wir bemerken zunächst, dass die Art, vermöge deren Hr. Kronecker in seiner ersten Mittheilung an Hermite*) die allgemeine Jacobi'sche Gleichung sechsten Grades auf den Fall A== Q, oder, wie wir hier sagen, auf eine Ikosaedergleichung, reducirt, von der im vorigen Kapitel angewandten Methode verschieden ist. Hr. KronecJcer formulirt

*) Siehe II, 1, § 6.

II, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades. 251

seinen Ansatz so, dass die A,,, Aj, Ag einen linear vorkommenden Fara- meter v enthalten, der dann hinterher derart bestimmt wird, dass A„^ -f- AjAg = -4 m Null ivird. Wir können diesen Gedanken iiatür- licli auch mit unseren Formeln verbinden, indem wir nämlich die c''"' selbst [Formel (14)] zuvörderst mit einem linear vorkommenden Para- meter V versehen. Statt dann die beiden Erzeugenden erster Art, welche der betreffende lineare Complex bei beliebigen v mit der Hauptfläche gemein hat, durch eine aecessorische Quadratwurzel zu trennen, verfahren wir so, dass wir den Complex zunächst in einem linearen Büschel beweglich sein lassen und nun durch die Forderung fixiren, er solle von den Erzeugenden erster Art der Hauptfläche zwei zusammenfallende ent- halten. Eben diese Forderung bringt dann ihrerseits eine aecesso- rische Quadratwurzel mit sich. Ich habe die hiermit angedeutete Formulirung im Vorangehenden vermieden, weil sie nur anwendbar ist, wenn wir das Problem der A als Resolvente der vorgegebenen Gleichung fünften Grades behandeln, ich aber das Problem der A zunächst unabhängig von jedem solchen Zusammenhange betrachten wollte. Wir bemerken ferner, dass die allgemeinen Formeln, ivelche Hr. Brioschi für die Durchführung der Kronecker' sehen Methode gegeben hat, Formeln, über die wir in H, 1, § 6 ausführlich Bericht erstatteten, von unseren Formeln (18) durchaus verschieden sind. Hr. Brioschi be- nutzt zur Bildung seiner A^,, Aj, A^, sechs linear unabhängige Grössen u», Uq, M4, während wir zwanzig Grössen a,x. gebrauchen, zwischen denen die Relationen a,i= a/d, llaik= Haik= 0 bestehen. Dafür

» k

wieder reichen wir, wenn wir neben den A die A' in Betracht ziehen wollen, mit denselben Grössen aik aus, während Hr. Brioschi sechs neue Grössen i<<»', u^y', u^' würde heranziehen müssen. Ich will diesen Ver- gleich, der nur den äusseren Aufbau der Formeln betrifft, nicht weiter fortsetzen. Bemerken wir vor Allem, dass unsere Formeln (gleich den Brioschi'schen) jedenfalls so allgemein als möglich sind. Giebt man näm- lich die A, A' beliebig, so können wir rückwärts aus ihnen die zu- gehörigen ttik, resp. c''"* [Formel (14)] bestimmen. Wir haben nur die Coordinatenverwandlung des § 4 im umgekehrten Sinne zu wiederholen. Die betreffende Rechnung stellt sich folgendermassen. Wir haben zu- vörderst, indem wir von (18),(19) zu denCoordinaten J.„„(16)zurückgehen :

I ^12 = A2 , ^34 == Ai ,

(26) U,3=-A„ A,, = ^„

\ -4j4 = Aq Aq , ^23 ^^ \ A(j .

Wir ersetzen sodann die Formeln (13) durch ihre Umkehr:

(27) bxi = £-'■ i?i + «~ ^' i?2 + «~ ^' JP3 + «~ *' Pv

252 II, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades.

Hieraus:

lil,V

wo die Summe rechter Hand über alle Combinationen {^, v) = (y, (i) zu erstrecken ist, und nun, indem wir die einzelne Gleichung mit c*'"' multipliciren und über (l, m) = (m, l) addiren:

(28) 25aa = ^(e-/'--* - £— --M) . a^,,

was die gesuchte Formel ist.

Ich möchte zum Schlüsse den geometrischen Gedanken, der unserer Behandlung der Kronecker'schen Methode zu Grunde liegt und der viel- leicht weitertragende Bedeutung hat, noch einmal scharf formuliren. Das Erste ist, dass wir dem Punkte x überhaupt einen linearen Complex substituiren, also statt der Gleichung 5. Grades eine Glei- chung 20. Grades in Betracht ziehen, deren Wurzeln a^ der wiederholt genannten Relationen aik= a/d, 2^«»^ == 2Ja/jt = 0 genügen. Das

i k

Zweite ist, dass wir diesen Complex durch (18), (19) auf ein neues Coordinatensystem beziehen. Ich will betreflfs der Bedeutung der A, A' in keine Einzelheiten eingehen*), sondern nur bemerken, dass die erste der beiden Gleichungen (17) identisch verschwindet, wenn sämratliche A, die zweite, wenn sämmtliche A' gleich Null sind. Für die Erjseugenden erster Art der Hauptfläche ist also A^ == A^ = Ag = 0, für die Erseugende^i zweiter Art Aq' == A^' = A2' = 0. Welches ist nun der Zweck dieser Coordinatenverwandlung? Wir erreichen da- durch, dass die Gleichung 20. Grades der aik durch das Formenprohlcm der A oder der A' ersetzt werden kann. In der That haben wir ja gesehen, dass bei den 60 geraden Collineationen des Raumes sich die A(j, A,, A2 und ebenso die Aq', A/, Ag' für sich genommen, also ternär, linear substituiren. Bemerken wir jetzt, dass wir dieses Verhalten von unserer geometrischen Auffassung aus a priori hätten erschliessen können. Bei den geraden Collineationen des Raumes wird nämlich, wie wir wissen, jedes der beiden Systeme geradliniger Erzeugender der Hauptfläche in sich verwandelt. Daher werden bei diesen Colli- neationen nothwendig auch die beiden dreigliedrigen Schaaren linearer Complexe, denen diese Erseugendensysteme hesiehungsweise angehören, in sich transformirt. Hieraus folgt aber ohne Weiteres das bezeichnete Verhalten der A, A', sofern wir noch hinzunehmen, dass jeder Raum-

*) Man vergleiche meinen Aufsatz im zweiten Annalenbande (1869): Die allgemeine lineare Transformation der Liniencoordinaten. Insbesondere beachte man, dass der lineare Complex speciell, d. h. eine gerade Linie, wird, wenn Ao' + A^Aj, = Ao'2 + A/Aa' ist.

II, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades. 253

collineation eine lineare Transformation der Liniencoordinaten ent- spricht. Die Möglidikeit, unsere Gleichung der an, auf ein ternäres Formenproblem zu reduciren, erscheint so als ein unmittelbarer Äusfluss der elementaren Anschauungen der Liniengeometrie. Dies ist der eigent- liche Gesichtspunkt, unter welchem ich die zweite Methode betrachtet sehen möchte.

§ 8. Vergleich unserer beiden Methoden.

Die beiden Methoden zur Auflösung der Gleichung fünften Grades, welche wir einander gegenüberstellten, sind jedenfalls, wie schon aus den Betrachtungen von § 1 des gegenwärtigen Kapitels hervorgeht, auf das Engste verwandt: wir wollen hier zeigen, dass sie überhaupt nur unwesentlich verschieden sind, indem jede Ikosaedergleichung, welche einer vorgegebenen Gleichung fünften Grades vermöge der einen Methode zugeordnet wird, immer auch durch die andere Me- thode abgeleitet werden kann.

Der Uebergaug, welcher in diesem Sinne von der ersten Methode zur zweiten führt, ist ohne Weiteres deutlich. Um einen Punkt y der Hauptfläche dem Punkte x covariant zuzuordnen, haben wir soeben (in § 2) zuvörderst eine zu x covariante Gerade construirt, mit der wir daim die Hauptfläche geschnitten haben. Eben diese Gerade können ivir jetzt als specieUen linearen Complex der zweiten Methode zu Grunde legen: wir haben uns nur die zugehörigen Coordinaten an; zu berechnen. Bilden wir dann das entsprechende Problem der A, so wird die eine der zwei Ikosaedergleichungen, durch welche wir dieses Problem erledigen können, mit der Ikosaedergleichung, zu der die Be- stimmung der yv führt, ohne Weiteres identisch sein.

Die Umkehr dieser Betrachtung ist nicht viel complicirter. Wir nehmen an, wir haben vermöge unserer zweiten Methode der Gleichung fünften Grades eine Ikosaedergleichung, also dem Punkte x eine Er- zeugende X der Hauptfläche coordinirt. Dann können wir jedesmal aitf rationalem Wege (und zwar auf mannigfache Weise) einen Punkt y an- geben, der auf der Erzeugenden k liegt: wir brauchen z. B. die y^ nur den Wv{X) oder den anderen in der Hauptresolvente der Ikosaeder- gleichung auftretenden Ausdrücken proportional zu setzen. Dieser Punkt y ist aber dem Punkte x jedenfalls in covarianter Weise zugeordnet; wir haben also ohne Weiteres eine TschirnJiaustransformation, welche dem Funkte x einen Punkt y der Hauptfläche coordinirt. Legen wir jetzt diese Tschirnhaustransformation unserer ersten Methode zu Grunde, so kommen wir natürlich zur anfänglichen Ikosaedergleichung zurück.

Wir können in diesem Sinne sagen, dass im Grunde mir eine

254 n, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades.

Auflösung der Gleichungen fünften Grades gefunden ist. Die Verschie- denlieit der beiden Methoden, die wir in Vorschlag brachten, liegt allein in der Anordnung der einzelnen Schritte. Bei der ersten Methode stellen wir die accessorische Quadratwurzel voran, bei der zweiten führen wir sie erst nach Trennung der beiden Erzeugeudensysteme ein. Dafür hat die erstere Methode, wie wir schon sagten, den Vor- zug, zunächst mit ganz elementaren Mitteln zu operiren.

Wie dem auch sei: als gemeinsames Fundament der beiden Me- thoden erscheint bei unserer Darstellung einmal die Theorie des Iko- saeders, dann weiter die Betrachtung der geradlinigen Erzeugenden der Hanptfläche. Dass erstere die wirklichen Normalgleichungen ab- gibt, auf welche man ein für allemal die Auflösung der Gleichungen fünften Grades zurückführen muss, ist mir unzweifelhaft. Dagegen beurtheile ich unsere geometrischen üeberlegungen und Constructionen, so forderlich uns dieselben gewesen sind, anders: ich glaube, dass es gelingen wird, die allgemeine Theorie der Formenprobleme in der Art algebraisch zu entwickeln, dass unsere Zurückführung der Gleichungen fünften Grades auf das Ikosaeder als blosses Corollar erscheint und nicht in besonderer Weise begründet zu werden braucht. Ich habe selbst hierzu im 15. Bande der Mathematischen Annalen einen Ansatz gemacht, indem ich den Zusammenhang zwischen dem Probleme der A und der Gleichung fünften Grades und zwar ebensowohl die hierher gehörigen Formeln von Brioschi als unsere Formeln mit den an- aus dem einzigen Umstände herleitete, dass die Substitutionen der A den geraden Permutationen der x isomorph und dabei eindeutig zugeordnet werden können*). Wenn ich hierauf in den vorstehenden Erläuterungen nicht eingegangen bin, so geschah es, weil ich diese weitergehenden Speculationen, auf die ich schon in I, 5 4, 5, 9) hinwies, noch nicht für abgeschlossen halte. Ich habe mich vorab um so lieber auf geometrische Constructionen von individuellem Cha- rakter beschränkt, als ich meine, dass man gerade durch sie zu den richtigen Gesichtspunkten auch für die allgemeine Theorie wird hin- geführt werden können.

§ 9. lieber die Nothwendigkeit der accessorischen Quadratwurzel. Wir sind am Ende unserer Darlegungen; was wir noch hinzu- zufügen haben, betrifft die Nothwendigkeit jener accessorischen Quadrat-

*) lieber die Auflösung getvisser Gleichungen vom siebenten und achten Grade (1879); siehe insbesondere § 1 5 daselbst. Die Ausdrucksweise des Textes meint, dass jeder Vertauschung der x nur eine Substitution der A ent- spricht; Eindeutigkeit im umgekehrten Sinne findet auch statt, aber wäre für den Erfolg des algebraischen Processes nicht nothwendig.

11, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades. 255

Wurzel, welche in unserer ersten Methode bei der Tschirnhaustrans- formation^ in unserer zweiten Methode aber auftrat, sobald wir die Auflösung des Problems der A bewerkstelligen wollten. Wir werden zeigen, dass diese Quadratwurzel in der That nicht zu vermeiden ist, wenn überhaupt eine Ikosaedergleichung erreicht werden soll; wir werden ferner nachweisen, dass eben hieraus jener allgemeine Kro- necker sehe Satz hervorgeht, den wir in II, 1, § 7 besprochen haben, und der bei der allgemeinen Gleichung fünften Grades die generelle Unmöglichkeit einer rationalen Resolvento mit nur einem Parameter aussagt.

Um zunächst den ersten Punkt zu erledigen, formuliren wir unsere Behauptung folgendermassen. Es seien .r^, a;,, x^ fünf beliebig veränderliche Grössen, (p, ^ seien zwei ganze Functionen derselben ohne gemeinsamen Theiler. Dann ist es, behaupten wir, imniöglich, (p, if derart zu wählen, dass

/e)C)\ J __ <P (^o ^1 ^2 ^a »^4)

ip {Xq ÄJj a?2 "^ •*'4/

bei deti geraden Vertan seimngen der x die Ikosaederstthstitntionen erleidet. Der Beweis ergibt sich sofort, wenn wir beachten, dass sich die ursprünglich functionentheoretische Frage vermöge der Willkürlich- keit der X in eine fonnenthe&retiseJie umsetzt. Soll nämlich irgend einer Permutation der x entsprechend die Substitutionsformel statt- haben :

(30) A' ==

q>' aq) -f- ßtl>

so werden wir wegen der Willkürlichkeit der x, unter C eine geeignete Constante verstanden, sofort schreiben können: (31) g>' = C{a<p-\-ßt), t'==C(ycp + dt),

so dass also, mit den Vertauschungen der x zusammen, die beiden ganzen Functionen <p, ip sich hinär-linear transformiren. Nun aber umfasst, wie wir in I, 2, § 8 ausführlich zeigten, jede Gruppe binärer Substitutionen, die mit der Gruppe der nicht homogenen Ikosaeder- substitutionen isomorph sein soll, nothwendig mehr als 60 Operationen, während doch den 60 geraden Vertauschungen der x nicht mehr als 60 Umänderungen der ganzen rationalen Functionen (p, t^ entsprechen können. Dies ist ein unhebbarer Widerspruch und also erweist sich der in (29) ausgedrückte Ansatz in der That als unmöglich, w. z. b.w.*). Der Widerspruch wird auch nicht beseitigt, wenn wir jetzt hinterher

*) Man vergl. hier und in den folgenden Paragraphen meine wiederholt ge- nannte Abhandlung in ßd. XII der Math. Annalen (1877), sowie meine Mittheilung an die Erlanger Societät vom 15. Januar 1877.

256 II, 5. Die allgemeinea Gleichungen fünften Grades.

2Jx == 0 annehmen; denn jede Gleichung fünften Grades kann rational in eine solche mit Ux = 0 verwandelt werden.

Vergleichen wir, um den Kern des Beweises noch besser zu fassen, die Theorie der Hauptgleichungen fünften Grades. Bei ihnen haben wir ausser Ux = 0 auch noch 2Jx^ == 0; schreiben wir also Glei- chung (30) etwa folgendermassen: (32) <p' (ycp + dt) = r(cc<p-}-ß t),

so ist im Falle der Hauptgleichungen keineswegs nöthig, dass die beiden Flächen:

unter sich identisch sind, sondern nur, dass sie die durch jene Be- dingungen dargestellte HauptfläcJie zweiten Grades je in derselben Curve d\irclisetsen. Nun haben wir allerdings ausgeschlossen, dass (p, tp, und somit auch, dass (p', ij)' einen Theiler gemein haben. Ebensowenig soll sich, werden wir verlangen, ein Theiler absondern lassen, wenn wir die vorkommenden Functionen durch Hinzufügen geeigneter Multipla von EX) Ux^ modificiren. Trotzdem aber können die Durchschnitts- curven der Hauptfläche mit gj' = 0, ^' = 0 einen Bestandtheil ge- meinsam haben: es muss dieser Bestandtheil nur eine unvollständige Durchschnittscurve sein und sich also nicht für sich genommen durch eine zur Hauptfläche hinzutretende Fläche ausschneiden lassen. Nehmen wir an, dass dies eintritt, so ist für die Entstehung der Formel (31) (aus welch' letzterer wir unseren Widerspruch ableiteten) in der That kein Grund vorhanden. Ich unterlasse es, das hier Gesagte noch specieller auszuführen und zu zeigen, dass sich unsere frühere Be- handlung der Hauptgleichungen fünften Grades in der That unter die hiermit gegebene Ueberlegung subsumirt.

Den Beweis, den wir für unsere anfängliche Behauptung gegeben haben, erstreckt sich ohne wesentliche Modification auch auf andere Fälle. Zunächst dürfen wir ohne Weiteres statt der allgemeinen Gleichung fünften Grades das Problem der A substituiren: wir erkennen, dass es bei Zurückführung dieses Problems auf eine Ikosaedergleichung unmöglich ist, die früher benutzte Quadratwurzel (oder eine äqui- valente accessorische Irrationalität) zu vermeiden. Wir erkennen ferner, dass es unmöglich ist, die allgemeinen Gleichungen vierten Grades durch rationale Resolventenbildung auf eine Oktaedergleichung, oder auch, nach Adjunction der Quadratwurzel aus der Discriminante, auf eine Tetraedergleichung zu reduciren*). Uebrigens können wir

*) Was die Gleichungen vierten Grades betrifft, so lässt sich bei ihnen, wie ich hier beiläufig anführe, eine Auflösung mit Hülfe der Oktaedergleichung (resp. der Tetraedergleichung) bewerkstelligen, welche sozusagen eine Verschmekung der

II, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades. 257

unserem Gedankengange ancli eine positive Wendung geben. Ich be- merke in dieser Hinsicht nur, dass sich das Verhalten der Aq, A, , A^, welches soeben (in § 5) besprochen wurde, auf dem hiermit ange- deuteten Wege ableiten lässt.

§ 10. Specielle Gleichungen fünften Grades, welche rational auf eine Ikosaedergleichung zurückgeführt werden können.

Wir müssen jetzt unsere allgemeinen Betrachtungen unterbrechen und specielle Gleichungen fünften Grades zur Sprache bringen, bei denen der gerade bewiesene Satz eine Ausnahme erleidet. In II, 2, § 4 haben wir die Resolventen fünften Grades der Ikosaedergleichung geometrisch gedeutet und gesehen, dass dieselben je durch zwei halbreguläre Raum- curven vom Geschlechte Null repräsentirt werden. Es handelt sich jetzt darum, dies Resultat umzukehren. Sei (33) . F(x, Z) = 0

eine Gleichung fünften Grades mit einem Parameter, welche eine Interpretation der genannten Art zulässt: ich behaupte, dass wir die- selbe allemal in rationaler Weise auf eine Ikosaedergleichung zurück- führen können.

Der Beweis ist im Grunde derselbe, den wir in etwas anderer Form bereits in II, 3, § 1 bei Betrachtung der Hauptgleichung ge- geben haben. Nach Voraussetzung lassen sich die fünf Wurzeln von

(33) derart als rationale Functionen einer Hülfsgrösse k darstellen:

(34) xr = B, (A),

beiden bei den Gleichungen fünften Grades unterschiedenen Methoden ist. Man deute die Wurzeln x^, x^, x^ , x^ , die der Bedingung Ex = 0 unterworfen sein sollen, in früherer Weise als Vierseitscoordinaten in der Ebene. Dann haben wir den Hauptkegelschnitt Ex' = 0, und wir sahen schon oben (II, .3, § 2), wie ein demselben angehöriger Punkt durch eine Oktaedergleichung oder eine Tetraederglei- chung direct bestimmt werden kann. Jetzt werden wir dem beliebigen Punkte x der Ebene einen Punkt y des Hauptkegelschnitts covariant zuordnen, indem wir von X die beiden an den Kegelschnitt möglichen Tangenten legen und unter den zwei Berührungspunkten den einen auswählen. Wir können dann die Oktaeder- gleichung (oder Tetraedergleichung) aufstellen, von welcher y abhängt, können rückwärts daraus x finden , etc. etc. , alles in genauer Analogie mit den Ent- wickelungen, die wir in den beiden Schlussparagraphen des vorigen Kapitels erbracht haben.

Bei den Gleichungen dritten Grades kommen alle solche Weitläufigkeiten, wie wir bereits in II, 3, § 2 bemerkten, in Wegfall. In der That sahen wir auch in 1, 2, § 8, dass die bei ihnen in Betracht zu ziehende Diedergruppe von 6 Substi- tutionen sehr wohl in die homogene Form umgesetzt werden kann, ohne dass sich die Zahl ihrer Substitutionen vermehrt; es fällt also der Grund für das Auf- treten der accessorischen Irrationalität fort, den wir im Texte als bei Gleichungen vierten und fünften Grades maassgebend erkannt haben.

Klein, Gleichungen 5. Grades. 17

258 il, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades.

dass bei geeigneter Veränderung des K die Xv jede beliebige gerade Permutation erfahren. Wir müssen nun aus der Theorie der rationalen Curven den Satz hinzunehmen, dass man dieses X allemal als rationale Function der x einführen kann, also derart, dass jedem Punkte der Curve nur ein X entspricht*). Ich will der Kürze halber voraussetzen, dass das in (33) auftretende X bereits in der hiermit bezeichneten Weise gewählt sei. Dann begründet jede eindeutige Transformation, welche unsere Curve in sich überführt, insbesondere also jede gerade Vertauschung der Xv^ eine eindeutige und eindeutig umkehrbare, also lineare Umwandlung des X. Somit erhalten wir den 60 geraden Ver- tauschungen der Xy entsprechend eine zu ihnen holoedrisch isomorphe Gruppe linearer Substitutionen der Variabelen X. Nach I, 5, § 2 ist dies nothwendig die Ikosaedergruppe; dieselbe erscheint in der bei uns immer festgehaltenen kanonischen Form, sobald wir statt X eine geeig- nete lineare Function X' =■ —. r— 7 als Parameter einführen. Dieses

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X', welches seihst eine rationale Function der x^ ist, hängt dann unmittel- bar von einer Ikosaedergleichung ab, womit der Beweis unserer Behauptung erbracht ist.

Wir knüpfen an das Gesagte noch einige lose Bemerkungen. Zunächst sehen wir, dass wir unseren Satz mit unwesentlichen Modi- ficationen beim Probleme der A, oder auch, wenn wir statt des Iko- saeders Oktaeder oder Tetraeder in Betracht ziehen wollen, bei den Gleichungen vierten Grades wiederholen können. Wir erkennen ferner, dass es, bei den Gleichungen fünften Grades, keinerlei rationale Raum- curven geben kann, die bei sämmtlichen Vertauschungen der x^ in sich selbst übergingen. Endlich bemerken wir, dass das Auftreten ratio- naler invarianter Curven (wie wir uns ausdrücken wollen) überhaupt auf diejenigen Formenprobleme beschränkt ist, deren Gruppe mit einer der früher aufgezählten Gruppen linearer Substitutionen einer Varia- belen holoedrisch isomorph ist.

§ 11. Der Kronecker'sche Satz.

Wir haben jetzt alle Mittel, um den Beweis des wiederholt ge- nannten Satzes von Kronecker zu erbringen. Es handelt sich darum, nachzuweisen, dass es bei beliebig vorgegebener Gleichung fünften Grades auch nach Adjimction der Quadratwurzel aus der Discriminante unmöglich ist, eine rationale Resolvente zu bilden, welche nur einen Parameter enthielte.

Bemerken wir vorab, dass wir diesem Satze, indem die Gruppe

*) Vergl. den Beweis dieses Satzes bei Lüroth im neunten Bande der Mathematischen Annalen (1875).

II, 5, Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades. 259

der geraden Vertauschuagen von fünf Dingen einfach ist*), sofort eine scheinbar engere Formulirung ertheilen können. Wir werden nämlich aus dem angegebenen Grunde von jeder rationalen Resolvente durch erneute Resolventenbildung wieder eine Gleichung fünften Grades F (X) = 0 ableiten können, wobei wir die X ohne Weiteres auch der Bedingung 27X = 0 unterwerfen dürfen. Dabei sind die Wurzeln Xv den ursprünglichen rc^ in der Art einzeln zugeordnet, dass die Zuordnung bei beliebigen geraden Vertauschungen der Xy, ungeäudert bleibt. Wir können also in früherer Weise schreiben: (35) X,=p- 4'^ -+ q ^f + r xf + s xf , wo x^y^ = x\ Ex'' und die p, q, r, s von den Coefficienten der

vorgelegten Gleichung fünften Grades und der Quadratwurzel aus der zugehörigen Discriminante rational abhängen. Alles, ivas wir zeigen müssen, ist jetzt dieses, dass es unmöglich ist, aus der allgemeinen Glei- chung fünften Grades durch eine Tschirnhaustransformation (35) eine Gleichung fünften Grades mit nur einem Parameter zu machen.

Zu dem Zwecke überlegen wir vorab im Allgemeinen, welche geometrische Interpretation eine solche Gleichung finden müsste. Die Gesammtheit der willkürlichen Werthe Xq, Xy, x^, %, x^ bildet ein zusammenhängendes Continuum. Lassen wir also die Xq, x^, x^ in (35) sieh beliebig ändern, so wird der Punkt X jedenfalls ein irredu- cibeles Gebilde durchlaufen. P^ügen wir jetzt die Voraussetzung hinzu, dass die Gleichung der X^ nur einen Parameter enthalte, so wird das fragliche irreducibele Gebilde eine Curve sein müssen. Ich sage jetzt, dass die so erhaltene irreducibele Curve hei den 60 geraden Collineationen des Baumes in sich übergehen wird. In der That, ver- möge der Festsetzung, die wir hinsichtlich der in (35) auftretenden Coefficienten p, q, r, s gemacht haben, entsprechen den geraden Ver- tauschungen der Xr die geraden Vertauschungen der X,, anderer- seits aber können wir jede Vertauschung der Xv (und also insbesondere jede gerade Vertauschung derselben) erzielen, indem wir die x^ von irgend welchen Anfangswerthen beginnend in geeigneter Weise con- tinuirlich laufen lassen.

Wir greifen jetzt speciell auf die Entwickelungen des vorigen Paragraphen zurück. Es ist nämlich deutlich, dass die gerade besprochene Curve der Xv auf alle Fälle rational sein muss. Denn wir können uns die Xq, Xy, x^ in (35) irgendwie rational von einem Parameter X abhängig denken, worauf die X,, selber rationale Functionen dieses A werden: den Einwand, dass in besonderen Fällen das A aus den

*) Vergl. die Definition in 1, 1, § 2.

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260 II, 5. Die allgemeinen Gleichungen fünften Grades.

Xv überhaupt herausfallen könnte, brauchen wir nicht zu berück- sichtigen, da wir ein solches Ereigniss augenscheinlich immer ver- meiden können. Es sind also in der That die Prämissen des vorigen Paragraphen gegeben. Wir schliessen, dass wir eine rationale Ftmetion der Xv aufstellen können, welche hei den geraden Vertauschtmgen der Xr die Ikosaedersuhstitutionen erleidet. Diese Function würde vermöge (35) auch von den a;, in der Weise rational abhängen, dass sie bei den geraden Vertauschungen der x^ ikosaedrisch substituirt würde. Nun haben wir aber in § 9 ausdrücklich bewiesen, dass eine solche rationale Function der Xy unmöglich ist. Wir kommen also zu vollem Widerspruche und müssen unsere Annahme, es gäbe eine Tschirnhaustrausformation (35) von der oben naher bezeichneten Eigenschaft, fallen lassen, w. z. b. w.

Ich schliesse, indem ich noch einige allgemeine Bemerkungen zur Gleichungstheorie hinzufüge.

Zunächst, wenn wir in den vorstehenden Erläuterungen dem Iko- saeder überall das Oktaeder oder Tetraeder substituiren, so können wir alle Betrachtungen ungeändert für die Gleichungen vierten Grades wiederholen bis auf die eine, die von der Einfachheit der zugehörigen Gruppe handelte. Die Gruppe der Gleichungen vierten Grades ist zusammengesetzt. Wollen wir also bei den Gleichungen vierten Grades den Kronecker'schen Satz wiederfinden, so nrüssen wir demselben aus- drücklich die Bedingung hinzufügen, dass die Gruppe der in Betracht zu ziehenden Resolvente mit der Gruppe der 24 oder der 12 Vertauschungen der Xq, x^, x^, x^ holoedrisch isomorph sein solle. Lassen wir diese Bedingung fallen, so gibt es sehr wohl rationale Resolventen der all- gemeinen Gleichung vierten Grades, welche nur einen Parameter ent- halten. Der empirische Beweis hierfür wird durch die gewöhnliche Auflösung der Gleichungen vierten Grades erbracht. In der That operirt dieselbe ja mit lauter Hülfsgieichungen, die nur einen Parameter enthalten, nämlich mit binomischen Gleichungen.

Bei den Gleichungen dritten Grades kann auf Grund unserer früheren Bemerkungen von einem Satze, der dem Kronecker'schen ent- spräche, natürlich keine Rede sein.

Ueber Gleichungen höheren Grades will ich hier, um nicht zu weit- läufig zu sein, nur Eins bemerken, indem ich dabei der Einfachheit wegen an der Beschränkung festhalte, die wir eben für den vierten Grad formulirten. Unter der genannten Voraussetzung sind Resol- venten mit nur einem Parameter von ganz speciellen und leicht erkennbaren Fällen abgesehen bei der allgemeinen Gleichung schon deshalb unmöglich, weil nach der Bemerkung von § 10 unter den zugehörigen invarianten Curven keine rationalen existiren können.

8INDING SECT. JUN 2 1 1982

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^ Klein, Felix

215 Vorlesungen über das

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