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Full text of "Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Im Auftrage des Provinzial-Verbandes der Provinz Westfalen"

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Provinz  Westfalen. 


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Stück   1 : 

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unst-  und  i^esehiehts-'^^^ ' 


liKenkmäler  * 


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des 


Kreises  Hamm. 


Im   Auftrage 


der 


Coiiiniission  zur  Erforsctiung  der  provinzialen  Kunst-  und  Gescliiclitsdenldiiäler 


bearbeitet 


D-  J.  B.  jSTordlioff, 

Professor  au  der  Kiliiigl.  Akadomio  zu  Jlüuster. 


Leipzig. 
Commissionsverlag  von   E.  A.  Seemann. 

1881. 


Bj.  .  I . 


A^o  T^wo  rt. 


D< 


'er  Westfälische  Provinzial-Verein  für  Wissenschaft  und  Kunst  boschloss  in  der 
kSitzung  vom  5.  Januar  1875,  um  auch  der  Denkmälerkunde  eine  gebührende  Pflege  zu 
sichern,  durch  eine  eigens  dafür  gewählte  Commission  von  den  Kunst-,  (ieschichts-  und 
Naturdenkmälern  Westfalens  Abbildungen  und  Beschreibungen  zu  sammeln,  und  dem- 
nächst eine  zweckmässige  Publication  in  Wort  und  Bild  zu  veranstalten. 

In  welchem  Maasse  die  Commission,  ausgeriistet  mit  den  entsprechenden  Befug- 
nissen und  Mitteln,  die  Erforschung,  Verbildlichung  und  Beschreibung  der  heimischen 
Denkmäller  betrieben,  welche  Ergebnisse  sie  seither  durch  ununterbrochene  Arbeiten 
erzielt  hat,  lehren  des  Weiteren  die  Jahresberichte  von  1-875  au.  IS'ach  eingehenden 
Erwägungen  hat  sie  von  Anfang  an  sämmtliche  Denkmäler  der  Kunst,  wie  der  anver- 
wandten  Geschichte  und  Cultur  bis  1800  in  ihr  Bereich  gezogen,  die  der  Katur  jedoch 
nach  einer  spätem  Bestimmung  des  Vorstandes  nur  dann,  wenn  sie  eine  gewisse  Merk- 
wwdigkeit  besitzen.  Insbesondere  bot  sie,  um  die  Hauptaufgabe  der  Publication  um- 
sichtig vorzubereiten,  alle  Mittel  auf,  Kunde  und  Abbildungen  von  den  vorhandenen, 
untergegangenen,  beseitigten  und  veräusserten  Denkmälern  des  Landes  zu  erlangen,  kurzum 
örtlich  und  sachlich  in  Bild  und  Schrift  Materialien  zusammenzubringen  über  alle  Denk- 
mäler, welche  aus  der  Cultur  des  Landes  erwachsen  und  mit  ihr  verwachsen  sind. 
Schon  im  April  des  genannten  Jahres  wandte  sie  sich  in  einem  auch  Anllig  von  den 
Tagesblättern  in  den  weitesten  Kreisen  verbreiteten  ,Promemoria',  welches  ihre  Absichten, 
die  Art  der  in  Aussicht  genommenen  Denkmäler  und  die  anderweitig  ei'^'ünschte  Bei- 
hülfe  und  Theilnahme  ausführlich  darlegte,  au  die  Behörden,  Ortskundigen,  Fachleute, 
Greschichtsfi-eunde,  an  die  Besitzer  und  Vorsteher  einschlägiger  Sammlungen,  an  Vereine 
und  Corporationen,  kurzum  an  Alle,  von  welchen  sie  sich  "willkommene  Mittheilungen 
und  Beiträge  versprach. 

Diesen  Aufraf  Hess  die  Commission  in  der  Folge  noch  wiederholt  dorthin  ergehen, 
wo  Erdarbeiten  oder  besondere  Verhältnisse  eine  Ausbeute  verhiessen.  Sie  richtete  weiter- 
hin zu  Gunsten  der  kirchlichen  Denkmäler  Fragebogen  zum  Ausfüllen  an  die  geistlichen 
Behörden  der  Regierungsbezirke  Arnsberg  und  Minden,  wie  das  fiiiher  schon  mit  Erfolg 
seitens  der  Königlichen  Regierung  im  Bezirke  Münster  geschehen  war.  Es  wurden 
durch  die  deutsche  Bauzeitung  die  Architekten,  Avelche  Aufnahmen  provinzialer  Baudenk- 
mäler besassen,  um  zeitweise  Ueberlassung  oder  Durchpausen  gebeten  —  Massnahmen, 
welchen    die  Commission   sehr   zahlreiche   und  wichtige   Mittheilungen   zu   danken   hat. 


VORWORT. 


Ueberhaupt  wetteiferten  viele  Freunde  der  Kunst  und  Geschichte  innerhalb  und  ausser- 
halb des  Landes,  ihr  nicht  nur  durch  Berichte,  sondern  auch  durch  persönliche  Unter- 
weisungen Handreichung  zu  thun,  und  besonders  unterstützte  Se.  Excellenz  der  Ober- 
i'räsident,  Herr  von  Kühlwetter,  ihre  Schritte  mit  dankenswerthem  Wolwollen.  Die  Com- 
niission  begnügte  sich  nicht  damit,  blos  Anregungen  nach  aussen  zu  geben,  die  gewonnenen 
Materialien  zu  verzeichnen  und  zuordnen;  sie  trat  überall,  wo  ein  Beitrag  zu  erhoifen,  wo 
ein  Denkmal  schnell  zu  untersuchen  war,  schriftlich  oder  durch  ihre  Mitglieder  ein,  sie 
l)eschaffte  einschlägige  Literatur  allgemeineren  oder  specielleren  Inhalts,  beutete  Bücher. 
Zeitschriften,  Zeitungen  und  ft-ühere  dem  Ministerium  und  dem  Ober-Präsidium  erstattete 
Oitsberichte  ftir  ihre  Zwecke  aus,  veranstaltete  und  leitete  die  Aufnahme  einer  grossen 
Anzahl  würdigerer  Denkmäler  durch  Zeichnungen  und  Photographien  und  unterzog  ein- 
zelne Gegenstände  und  Keviere  einer  eingehenderen  Untersuchung.  Die  Mitglieder  theilten 
sich  in  die  täglich  steigenden  Arbeiten  und  lieferten  in  Geschenken  und  Reisenotizen 
mancir  werthvoUen  Beitrag. 

Als  die  Commission  auf  Anregung  des  Vorstandes  nach  einer  zweijähriiren  "Wirk- 
samkeit an  die  Publication  der  Denkmäler  trat,  verfiigte  sie  schon  über  ein  Material 
an  Beschreibungen  und  Auftiahmen,  das  sehr  reichhaltig,  in  den  meisten  Schichten  neu, 
indess  nicht  geeignet  erschien,  nach  irgend  einer  Richtung,  sei  es  für  eine  Zeitperiode, 
oder  für  einen  Ortsbezirk,  oder  auch  für  einen  Denkmälerzweig  etwas  Vollständiires  zu 
ergeben;  es  umfasste  bei  genauerer  Prüfniic  mehr  Xacliweise  als  Beschreilaingen.  melir 
Vorarbeiten  als  Ausftihrungen.  Die  Sammlungen  als  (^>uellenmaterial  in  beliebiirer  Aus- 
wahl herauszugeben,  hätte  einem  längst  gehegten  (irundsatze  des  Vorstandes  wider- 
sprochen, den  Vereinsmitgliedern  und  dem  Pul)licum  etwas  Abgeschlossenes  und  Voll- 
ständiges zu  bieten.  Den  gewonnenen  Stoff  durch  eigens  angestellte  Untersuchungen 
und  Aufnalimen  nach  allen  Seiten  hin  zu  vervollständiiren.  hätte  wiedenim.  da  bei  dem 
weiten  Umfange  eines  hochentwickelten  Culturlandes  massenhafte  und  mannigfaltige  Denk- 
mäler von  den  Urresten  menschlicher  Werkthätigkeit  bis  zu  grossen  und  edlen  Schöpftiniren 
vieler  Jahrhunderte  in  Betracht  kamen,  einen  gewaltigen  Zeit-  und  Kostenaufwand  bedinirt 
und  den  Anfang  der  Publication  ins  Unabsehbare  verschoben.  Die  Commission  kam 
dalicr  an  der  Hand  der  seither  gemachten  Krfaluuniren  und  Sammlungen  gar  bald  zu 
der  Ueberzeugung,  dass  eine  irgendwie  vollständige  Publication  nur  dann  bald  zu  Stande 
kommen  könne,  wenn  unser  grosses  Denkmäler-tJcbiet  urtlich  oder  sachlich  in  Theile  zer- 
leg!, und  der  eine  nach  dem  andern  in  Angriff  genommen  würde,  ohne  dass  der  gewohnten 
l*]rforschung  der  ganzen  Provinz  Abbruch  geschähe.  Eine  sachliche  Theilung:  etwa  in 
chronologische  Abschnitte,  oder  nach  bestimmten  Denkmälerarten  liätte  wiedenim  lang- 
wierige Vorarbeiten  und  jedesmal  1)ei  der  Inanirriffnahme  einer  weitern  Publication  von 
Ort  zu  Ort  eine  Wiederholung  der  Untersuchungsreisen  erfordert  —  wenn  sie  auf  den 
iranzen  Umfang  der  Provinz  berechnet  werden  sollte.  Daiier  entschieden  sich  Commission 
und  Vorstand  für  ein  Vorgehen  nach  (»rtlichen  Bezirken  und  innerhalb  derselben,  damit 
Niciits  übersehen,  Nichts  in  falschem  Liclite  dargestellt,  die  Arl)eit  keine  Blumenlese 
werde,   für  eine  so  umfassende  und   irründliche   Untersucliunir  und  Wertiischiitzung  aller 


VOÜWORT.  III 


Denkmäler  nach  den  Fundorten,  als  es  zur  Zeit  nur  inöglifli  sei,  und  räumte  der  Chrono- 
logie oder  einer  andern  Systematik  Avieder  ihr  llcelit  ein    bei  der  speciellen  Ortskunde. 

Weil  die  älteren  Umgrenzungen  nach  Temtorien,  Gauen,  Grafsdiaften,  Aemteni, 
nach  Bistümern,  Archidiaconaten  und  Uecanien,  oder  wie  sie  sonst  bestanden  hatten, 
heute  so  gut  wie  aufgelöst  oder  verwischt  sind,  so  wurde  die  bestehende  Kreiseintheilung 
oder,  wo  die  Fülle  des  Materials  es  erheischte,  auch  ein  Stadtbezirk  für  jede  Publication 
um  so  passender  zu  ({runde;  gelegt,  als  man  hofi'en  durfte,  dass  die  Eingesessenen  das 
fördernde  Band  gemeinsamer  Interessen  auch  auf  dis  Zustandekommen  und  den  Absatz 
eines  Werkes  ausdehnen  würden,  welches  die  Denkmäler  ihrer  Voreltern  Avürdig  wieder- 
zuspiegeln  bestimmt  sei.  Damit  jedoch  bei  diesem  Vorgehen  jene  altern  Umgrenzungen 
der  gebührenden  Würdigung  nicht  entbehren,  werden  sie  bei  der  Bearbeitung  der  Kreis- 
und  Ortsbezirke  an  betreffender  Stelle  beiücksichtigt  werden;  ausserdem  beabsichtigt 
die  Commission  von  den  Publicationcn,  wie  sie  auch  einander  folgen,  diejenigen,  welche 
ein  vormals  zusammenhangendes  Gebiet  betreffen,  als  besondere  Serie  wieder  zu  ver- 
binden, und  gelegentlich  einen  Grundriss  der  westfälischen  Provinzial- Geschichte  heraus- 
zugeben, welcher  die  allgemein  geschichtlichen  Zustände  und  Wandlungen  in  Betreff  der 
Bevölkerung,  der  kirchlichen  und  politischen  Territorien,  der  LandesheiTschaften  und 
der  Confessionsverhältnisse  in  der  Art  behandelt,  dass  er  den  Bearbeiten!  zum  Ausgangs- 
punkt, den  Besitzern  des  Werkes  zur  Orientirung  dienen  und  beliebig  einem  Bande  oder 
einer  Serie  angeschlossen  werden  kann. 

Obschon  manche  Denkmäler  untergegangen,  beseitigt  oder  verschleppt,  andere  vor- 
aussichtlich noch  wieder  zu  entdecken  und  namentlich  aus  dem  Erdboden  an's  Licht  zu 
fördern  sind,  entwirft  doch  eine  örtlich  fortschreitende  Publication,  welche  die  vorfind- 
liche  Denkmälermasse  bis  auf  unsere  Zeit  sorglich  umfasst,  annäliernd  ein  Bild  der  topo- 
graphischen Dichtigkeit  der  Monumente,  wie  es  bisher  wol  angestrebt,  jedoch  für  kein 
Gebiet  in  jener  Genauigkeit  ausgeführt  ist.  Sie  gestattet  auch  nach  Abschluss  des 
ganzen  Werkes  oder  gewisser  etwa  historisch  verbundener  Theile  eine  Aufstellung  und 
Ordnung  des  Inhalts  nach  den  Gesichtspunkten  der  Chronologie,  der  Gattungen,  der 
Materialien,  der  örtlichen  Verwandtschaft  und  der  Technik  der  Denkmäler,  oder  Avie  es  zu 
wissenschaftlichen,  kunstgewerblichen  oder  statistischen  Zwecken  dienlich  erscheinen  mag. 

Die  Publicationcn  sollen  möglichst  gemeinverständlich  sein,  und  daher  zu  den  be- 
schreibenden Worten  die  veranschaulichenden  Illustrationen  hinzutreten.  Diese  werden 
nach  Zeichnungen,  Photographien  oder  sonst  genügenden  Abbildungen  durch  den  Holz- 
schnitt und,  wenn  die  Beschaffenheit  der  Aufnahme  und  des  Gegenstandes  es  rathsam  macht, 
durch  andere  Mittel  der  Vervielfältigung  hergestellt.  Theils  zur  Iliastratiou  des  Textes, 
theils  zur  Vorlage  bei  der  Bearbeitung  sind  Aufnahmen  zu  veranstalten  von  den  wich- 
tigeren und  sonstwie  denkwürdigeren  Monumenten;  für  Bauwerke  empfehlen  sich  kleine 
Ansichten,  insofern  sie  bei  leichter  Herstellung  und  Vervielfältigung  ein  möglichst  anschau- 
liches Bild  gewähren.  Die  Details  sowol  wie  die  Grundrisse  werden  je  in  einheitlichem, 
besondere  Formen  ausnahmsweise  in  grösserem  Maasstabe,  die  Stilzeiten  im  Grundrisse 
mittelst  verschiedener  Schattirungen  gegeben.    Welche  Ortsfolge  innerhalb  des  Publica- 


IV  YOÜWÜttT. 


tioiisbezirks  einzuschlagen,  wie  das  Material  eines  Orts  für  die  monumentale  Beschreibung 
zu  behandeln,  bleibt  dem  Gutdünken  des  Bearbeiters  anheimgegeben.  Auf  historischer 
(iruiidlage  soll  ein  knapper,  übersichtlicher,  nicht  durdi  Citate  und  schleppende  Paren- 
thesen gestörter  Text  geliefert,  dieser  richtig  mit  dem  Bilde  und,  ohne  dass  die  Sach- 
lichkeit leide,  das  AVissenschaftliche  mit  dem  (gemeinverständlichen  thunlichst  ver- 
Ijunden  werden;  für  die  chronologische  wie  die  örtliche  Denkmälerkunde  sind  die  wich- 
tigsten Erläuterungen  aus  der  aussein  Geschichte  sowie  die  ältesten  Finnen  der  Ortsnamen 
))eizu])rinü:en  und  am  Ende  jedes  Abschnittes  in  aller  Kürze  die  Quellen,  Hülfsmittel 
und  die  schriftliclien  Mittlieilungen  Anderer  zu  vennerken,  die  Inschriften  nach  den 
iK'utigen  Gesetzen  der  Orthogi'aphie  zu  geben,  da  Facsimiles  nur  bei  lehrreichen  oder 
tiir  die  Zeit  abweichenden  Formen  angemessen  erschienen.  Der  Uebersichtliclikeit  wegen 
werden  Wortfonnen,  Gegenstände,  Inschriften  und  Meisteniamen  jedesmal  durch  eine 
verschiedene  Tvi)e  besonders  hervortreten.  Wie  jeder  Ort  seine  Besohrcilning,  so  erhält 
jeder  Piiblicationsbezirk  als  selbständiges  Ganze  eine  eigene  Paginining,  jede  neue 
Erscheinung  jedoch  einen  Generaltitel  und  darin  die  Ordnungsnummer  nach  der  Folge. 
so  dass  bei  der  Selbständigkeit  der  Theile  der  Verband  des  Ganzen  und  die  Möglichkeit. 
Serien  zu  Inlden,  gewahrt  bleibt. 

Das  sind  die  Gnmdsätze.  welche  die  Commission  im  Einvernehmen  mit  dem  Vor- 
stände nacli  reillichen  Erwägungen  für  die  Vorbereitung,  die  Bearlieitung  und  Ausstattung 
der  Publicationen  befolgt  hat  und  bei  der  ersten,  die  hier  den  Mitgliedern  des  Vereins  und 
a  11t  II  Freunden  der  Denkmäler  und  der  Kunst  zur  wolwollenden  Auftiahme  vorliegt,  zu 
betiiätigen  bestrebt  war.  Sie  betrifft  den  Kreis  Hamm,  gelegen  im  Herzen  der  Provinz, 
elif-nials  ganz  ein  Bestandtheil  der  (irafschaft  Mark  und  grosscntheils  des  Kidnischen 
An-iiidiaconats  Dortmund,  wie  wenig  andere  diirch  ein  Netz  der  besten  Verkehrsmittel 
zugänglich,  einen  nicht  zu  geräumigen  und  doch  an  Denkmiileni  sehr  gesegneten  und 
lehrreidien  Bezirk.  Die  Zeichnungen  und  perspectivischen  Ansichten  stammen  von  den 
Herren  Geometer  Brockhausen,  Provinzial-Bauratli  Hartmann  und  den  Architekten  Hertid 
und  F.  A.  Nordliofl".  die  |)liotograplnsclien  Al)bilduniren  und  B(Mlagen  vom  Photoirraiihen 
Hundt  hier.  Die  Holzschnitte  haben  die  Herren  Brend'amour  in  Düsseldorf.  Klitzscli  vV 
liochlitzer  in  Leipzig,  Meurer  in   Berlin.   Pndjst  in  Braunschweig  angefertigt. 

Münster,  den   24.  ()(t(d)er   ISiU. 

I  )it'    C Kommission: 

Dr.  XiKiM  Ks,  Professor,  Vorsitzender.     Dr.  Norduoff,  Professor,  Sccretair.     Flfjoe,  Bildhauer. 

v.  FuAXCKKNHF-H(t-pHos(HLiTz,  Obcrst.      FrxcKK,   Pastor.     Haktmaxx,  Baurath. 

Dr.  hiMiNKK,  Professor.     Nokdhoff.  .\rchitokt.     Dr.  Lkvix  ScnücKix«i. 

Skvkiun,  Heperuiijfsrath. 


INHALTS-UEBEI18ICIIT. 


Inlialts  -XJe'ber'siclit. 


Seite 

Die  Denkmäler  der  vorchristlichen  Zeit  1—24 

(Chronologisch). 

Urbewolinoi"  iind  Siganibcr 3 —  5 

AVogo  und  ilu'o  Dcnkmiilor 5 — 11 

Geriito  ;uid  andere  Altoi-tümer 11 — 15 

Biu'genbauten 15 — 18 

Bructerer  und  Sachsen 18 — 20 

Geräte  luid  andere  Altertümer 21 — 23 

Die    Denkmäler    der    christlichen    Zeit     25-14G 
(Topographisch). 

Westfalen,  die  Mark 27—28 

Kircheugeschichtliches 28 — .31 

Das  Lippegebiet 31 — 82 

«-1 \  31-32 

Kai)eUe  und  Lippefimdc | 

Stoclcuin  und  Hoeialaurg     I  oo 

Burgen  und  Altertümer (  '  ~ 

Methler 35—43 

Kirchenbau 35 — 41 

Andere  Dentmiiler 41 — -43 

Camen 43—48 

Biu-g  imd  Stadt 43—44 

Die  Kirchen 44—48 

^««^^^ (48-49 

Schloss  und  Kirche i 

F^^^----^ I  50-52 

Kii-che  imd  andere  Denkmiiler | 

Herringen. i  -  -. 

*   q'? Qij. 

Kirche  und  ihre  Denkmäler j  "  " 

Novdheri'ingen.,  Nienbrügge    .   .   .   .   i   _  , 

Kirclio  und  Burgstätte j  ' 

Hainm 5G— 72 

Die  Stadt  mid  die  Profan-Denkmäler  .  .  56 — 59 

Die  evangelischen  Kirchen 59 — 65 

Die    katholische    Kirche    und    andere 

Denkmäler 65 — 72 

Nordenstift,  Kentrop ■   .   72 — 74 

Marlv     74—80 

Biu'g  imd  Biu'gmannschaft 74 — 77 

Kirche  uird  ihre  Denkmäler 77 — 80 

Uentrop ^  80—82 

Kirche  luid  andere  Denkmäler | 

Geithe     i 

Kii'che  und  ilu'c  Denkmäler | 


Seite 
Das  fmittlere)  Hügelland    ....     83—121 

Berge i 

Kirche  und  ihre  Denkmäloi- I 

Ilhyiiem 84 —  03 

Die  katholische  Kirche 84 —  92 

Die  evangelische  Kirche   und   andere 

Denkmäloi' 92—  93 

Hilbeck i 

'     93 <j4 

Kirche  imd  Schloss ( 

Di'echen      i 

■     94 95 

Kii'che  und  ihre  Denkmäler ( 

Flierich i 

'     95 97 

Kirche  und  iln-e  Denkmäler ! 

Bönen 97—  99 

Kirche  ;ind  ilue  Denkmäler 97 —  98 

Eittersitze 98—  99 

Heeren 99—102 

Kirche  und  ihre  Denkmäler 99 — 100 

Eittersitz  imd  andere  Denkmäler  .  .  .  100 — 102 

Unna 102—113 

Die  evangelische  Kii-che 103 — 109 

Die  katholische  Kirche 110 

Städtische  imd  Profan-Denkmäler    .  .  110 — 113 

Lünern |  jj.^_jj(^ 

Kirche  und  ilu'e  Denkmäler I 

Heinin.erde 116 — 121 

Die  evangelische  Kirche 117 — 119 

Die    katholische    Kirclie    imd    andere 

Denkmäler 119—121 

Die  Haar 121—146 

Bausenhagen     121 — 124 

Die  evangelische  Kirche 121 — 123 

Die  katholische  Kii'che 123 — 124 

Frönaern     ,  ^.y^_^.^^. 

Kirche  und  ihi'e  Denkmäler ( 

^"'"^s i  126-128 

Kirche  imd  andere  De'ikmälor    .  .  .  j 

-■^^*^*^i (  198-130 

Bm-g  imd  andere  Denkmäler    .  .  .  .  |     ~ 

Fi-öndenberg 130 — 142 

Gesammt- Anlage 131 — 134 

Kirche  imd  ihi-e  Denicmäler 134 — 142 

Scheda 142—146 

Kloster 142—145 

Bmg 145—146 

Rückblick 146. 


/ 


liKMKHKUNO.  TII 


Bemerkiaiig. 


Von  den  dos  wiederholten  Gebrauclis  wegen  abgekürzten  Citatcn  bedeutet: 

,Essellen'  —  Beschreibung  und  kurze  Geschichte  des  Ki-oisos  Hamm  .  .  .  von  M.  F.  Essellen.    Hamm,  1851.  kl.  g". 

,Kampschulte'       —  Kirchlich  -  politische  Stati.stik  des  vormals  zur  Erzdiöcese  Köln  gehörigen  "Westfalens  .  .  .  von  H.  Karap- 
schulte.    Lippstadt,  1869,  kl.  S». 

,v.  Steinen'  —  Westphälische  Geschichte.    Mit  vielen  Kupfern.    Von  Joh.  D.  von  Steinen.    4  Theile  (mit  32  Stücken). 

Lemgo,  1755—1760.   kl.  8". 

^'   ^      ■      >     —  Regesta  Historiae  "Westfaliae.    Accedit  Codex  diplomaticus.    Die  Quellen  der  Geschichte  "West- 
"'      '       '  falens  in  chronologisch  geordneten  Nachweisungen  und  Auszügen,  hegleitet  von  einem  rrkundenbuche  . 

bearbeitet  und  herausgegeben  von  Dr.  H.  A.  Erhard.    B.  I— n.    Münster,  1847—1851.    Index  nach  den 
von  Perger  gesammelten  Materialien  von  Dr.  R.  "Wilmans.    Münster,  1861.   gr.  4«. 
N.  U. -B.  —  Urkundenbuch  für  die  Geschichte  des  Niederrheins  oder  des   Erzstifts  Köln  .  .  .  herausg.  von  Th.  .1. 

Lacomblet.    B.  I— IV.    Düsseldorf,  1840—1858.   gr.  4«. 
TJ.-B.  d.  H.  W.  —  Urkundenbuch  zur  Landes-  und  Rechtsgeschichte   des  Herzogthums  Westfalen  von   J.   S.   Seibertz. 
B.   I— m.     Amsherg,    1839—1854   (als  B.   11— IV  der  Landes-  und  Eechtsgeschichte  des  Herzogthums 
Westfalen).    8». 

W.  U. -B.  —  AVostfälisches  Urkunden-Buch.    Portsetzung  von  Erhard*s  Regesta  Historiae  Westfaliae.  .  .  B.  HI. 

Abth.  I.  (Bisthum  Münster),  Heft  1—4,  bearbeitet  von  Dr.  R.  Wilmans.  Münster,  1859—1871.  Heft  4 
mit  Index  geogTaphicus  von  Dr.  E.  Friedlaender.  .  .  .  Personen-Register  bearbeitet  von  E.  A  an  der 
Heyden.  Münster,  1876.  B.  IV.  (Bisthum  Paderborn)  Abth.  I.  (Heft  1)  bearbeitet  von  R.  Wilmans, 
Münster,  1874.  Additamenta  zum  Westfälischen  Urkundenbuche  bearbeitet  von  R.  Wilmans.  Orts- 
und Personen  -  Register  von  E.  Aander  Hey  den.    Münster,  1877.    gr.  8". 

Sofern  Belege  iiiclit  angegeben  sind,  finden  sich  dieselben  über  die  Fi-eistühle  bei: 

U.  F.  Kopp,  Ueber  die  Verfassung  der  heimlichen  Gerichte  in  Westphalen  ....    Göttingen,  1794.    8". 

N.  Kindlinger,  Münsterische  Beitiäge  zur  Geschichte  Deutschlands  hauptsächlich  Westfalens.    Münster  (1793).    B.  HI,  Abth.  2, 
S.  244,  251  ff. 

J.  S.  Seibertz,  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Alterthumskuiide  (Westfalens).    Münster  (1864).    B.  XXR".  52  ff. 
und  für  die  ältesten  Formen  der  Ortsnamen  im: 

Heberegister  A  der  Abtei  Werden  an  der  Ruhr  aus  dem  9.  Jahrhundert  in  Lacomblefs  Archiv  füi-  die  Geschichte  des  Nieder- 
rheins.   Düsseldorf  (1857).    B.  H,  217—249;  bei 

W.  Crecelius,   Traditiones  Werdinenses.     Zweiter  Theil,    in  der  Zeitschrift    des  Bergischen   Geschichtsvereins   (1871) 

Vn,  1  ff.  mit  dem  Index  Geographicus,  S.  51  ff. ;  und 
M.  Heyne,  Altniederdeutsche  Eigennamen  aus  dem  neunten  bis  elften  Jahrhundert.    Halle,  1867.    kl.  8". 


\ 


Die 

Denkmäler  der  vorchristlichen  Zeit. 

(Cliroiiologiscli.) 


Urbewohner  und  Sigamber. 


er  Kreis,  dessen  Denkmälern 
dieses  Buch  gelten  \m'd, 
bildet  mit  dem  benachbar- 
ten Gebirgslaude  im  Süden 
und  der  Ebene  im  Norden 
ungefähr  zwei  Jahrtausende 
den  Boden  echt  deutschen  Lebens  und  Schaf- 
fens. Eine  Urbevölkerung,  zuletzt  die  c  eltische, 
musste,  wie  lange  sie  auch  geschaltet  hatte, 
vielleicht  hundert  Jahre  v.  Christi  Geburt  wei- 
chen, und  hinterhess  neben  Lautresten  in  Orts- 
namen allerlei  Geräte  und  Grabaltertümer ; 
denn  deutsche  Völker,  die  uns  nach  den  Be- 
richten der  Eömer  als  ,Gernianen'  bekannt  wer- 
den, zogen  von  Nordosten  ein,  um  das  Land 
höchstens  mächtigeren  Bruderstämmen  wieder 
einzuräumen. 

Die  Sigamber,  das  Kernvolk  des  ürstammes 
der  westdeutschen  Istävonen,  hatten  wahrschein- 
lich über  ältere  Volksreste  oder  kleinere  Völker- 
schaften zu  beiden  Seiten  der  Ruhr  ihre  Herr- 
schaft ausgebreitet,  so  dass  ihr  Name  einem 
Landstriche  zukam,  welcher  südhch  vom  Asten- 
berg  den  breiten  Rücken  des  Rothhaargebirges 
entlang  bis  in's  Bergische  nach  Runderoth  und 
Neustadt,  wo  später  ein  Freistuhl  steht,  östlich 
an  das  Cherusker-,  später  Paderbornerland,  west- 
lich an  die  Ebene,  zeitweise  bis  an  das  Ufer  des 
Rheines,  nördhch  etwa  von  Dorsten  bis  Lipperode 
an  die  Lijjpe  reichte.  Sie  wohnten  in  Flecken 
oder  Einzelgehöften  und  betrieben  bei  ihrer  wil- 
den raubsüchtigen  Sinnesart  sicher  weniger  den 
Ackerbau,  als  das  Kriegshandwerk  und  Beute- 
machen. Aehnlich  emporgekommen  und  erstarkt 
waren  die  Nachbarvölker,  die  Cherusker  an  bei- 
den Seiten  der  Weser,  die  Bructerer  nördlich 
der  Lippe  und  die  Chatten  im  Süden,  die  beiden 
letzteren  also  mit  den  Sigrambern  an  den  West- 


marken des  Vaterlandes  mit  der  Wacht  am 
Rhein  betraut,  die  ihnen  bald  die  schwersten 
Opfer  auferlegte,  nachdem  das  Römervolk  seine 
Kriegszeichen  über  Gallien  bis  an  das  linke  Ufer 
des  Rheinstromes  getragen  hatte. 

Es  richtete  sich  vorab  das  Schwerge^vicht 
des  Angriffs,  wie  schon  unter  Cäsar  im  Jahre 
55  V.  Chr.,  gegen  die  Sigamber.  Diese  hatten 
den  Römerfeinden,  den  Tencteren  und  Usi- 
peten  Wohnsitze  eingeräumt,  trotz  der  von 
Marcus  Vinicius  25  v.  Chr.  erhttenen  Schlappe 
fast  alle  Brudervölker,  zumal  die  Chatten,  rings- 
um zu  einer  Kriegsgenossenschaft  verbunden, 
im  Jahre  16  v.  Chr.  unter  ihrem  Häupthng 
Melo  dem  Legaten  LoUius  auf  Römerboden  eine 
schimpf  hohe  Niederlage  beigebracht  und  vier 
Jahre  darauf  nochmals  einen  Kriegszug  über 
den  Rhein  gemacht  so  verwegen,  als  ob  sich 
mit  der  Römemiacht  ein  neckisches  Spiel  trei- 
ben lasse. 

Hatten  Cäsar,  dann  39  v.  Chr.  Agrippa  deut- 
schem Boden  schnell  den  Rücken  gekehrt,  so 
war  nun  das  römische  Rheinland  mit  allerhand 
Fortificationen  und  Truppenmassen  bedeckt :  denn 
gestachelt  von  den  Kriegsexpeditionen  und  An- 
fällen der  Deutschen  und  nicht  minder  von  der 
angeborenen  Eroberungspohtik  hatte  das  Römer- 
volk seine  Länderbeute  jenseits  und  strecken- 
weise noch  diesseits  des  Rheines  planmässig  mit 
Heerstrassen,  Grenzwehrin,  Lagern  und  Ca  stellen 
—  kurzum  mit  einem  Verkehrs-  und  Fortifica- 
tiousnetze  versehen,  das  die  Eroberungen  sicherte 
und  nach  Augustus'  Plane  zuverlässige  Ausgangs- 
punkte bot,  dieselben  weiter  bis  an  die  Elbe  und 
das  nördliche  Meer  vorzuschieben.  Die  erste 
Basis  bildete  die  batavische  Insel  in  Holland,  die 
zweite  der  gewaltige,  vielleicht  unter  Augustus" 
Augen  auf  dem  FürstenberQ:e  bei  Xanten,  damals 


1* 


URBEWOHXER  UXD  SIGAÜBEB. 


(^ 


der  Mündung  der  Lippe  und  deren  wej^samern 
Ufern  gegenüber  gegründete  AVaöenplatz,  der 
offenbar  Feindschaft  und  Unterwerfung  den  trotz- 
bereiten Völkern  im  Osten  verkünden  sollte.  Da 
konnte  der  gewandte  Oberfeldherr  Drusus  vier- 
mal das  Schwert  der  Kache  und  der  Unterwerfung 
gegen  die  Deutschen  auf  ihrem  eigenen  Boden 
ziehen.  Das  erste  Mal  im  Jahre  12  begnügte  er 
sich  mit  einem  Verheerungszuge  bis  iu's  Sigam- 
berland  und  mit  einer  Flottenexpedition  gegen 
die  Anwohner  der  Nordsee:  im  folgenden  Jahre 
benutzte  er  klug  einen  Feldzug  der  Sigamber 
gegen  die  Chatten,  um  ihr  Land  zu  durcliziehen 
und  zuerst  seine  Adler  bis  in"s  Innere  Germa- 
niens,  bis  an  die  Weser,  tragen  zu  lassen.  Er 
warf  sogar  einen  festen  Anker  der  Eroberung  aus, 
indem  er  an  der  mittleren  Lippe  und  jedenfalls 
auf  dem  den  Sigambern  abgewandten  Ufer  ein 
Castell,  Grenzwehren  und  Wegedilmme  bis  zum 
Rhein  errichtete.  ,Nur  durch  den  systemati- 
schen Strassenbau,  durch  den  einzelne  Castelle 
erst  einen  hühern  Werth  erhielten,  konnten  die 
Römer  hoffen,  Germanien  für  die  nächste  Folge 
in  Unterwerfung  zu  halten.'  Da  jedoch  die 
besten  Plilne  scheitern  mussten,  so  lange  die 
Sigam])er  ihren  stolzen  Nacken  nicht  beugten, 
begannen  im  Jahre  8  v.  Chr.  unter  dem  klugen 
Tiberius  die  Operationen  damit,  dass  ihnen  treu- 
loser Weise  ihre  Fürsten  geraubt,  40  000  Köpfe 
mit  Gewalt  aus  der  Heimat  auf  das  andere  Ufer 
des  Rheines,  an  die  AVaal.  vertrieben  wurden. 
Nach  einer  besondem  Ueberlieferung  hätte  Melo 
sogar  beim  Kaiser  Augustus  um  Schutz  gefleht. 

Nachdem  man  so  unter  den  Stämmen  auf 
der  Hheinwacht  das  Centrum  durc]il)rochen  hatte, 
war  der  schwerste  Stein  aus  dem  Wege  gewälzt; 
den  unbt'/.wungenen  Völkern  an  der  Ems,  Weser 
und  Dii'nifl  Hess  sich  nun  ebenso  mit  den  Ufer- 
strassen der  Liiipc.  wie  im  Norden  die  Ems  ent- 
lang und  V(in  Süden  her  beikomnicn:  römische 
Heeressäulen  bewegen  sich  im  .Talire  ('»  1ms  an 
die  Elbe. 

Die  Emj)örungen  werden  nun  schleuniger 
unterdrückt,  4  n.  Chr.,  wieder  unter  Tiberius. 
die  letzten  Kriegszuckiuigen  ertödtet,  nun  auch 
die  Hructerer  auf  dem  nördlichen  Kheinitosten 
imterjocht.  die  ungebrochenen  Chenisker  zu  Hun- 
desgenossen  erhoben,   allmälig   voniehme   Ger- 


\ 


manen  in"s  Heer  aufgenommen  und  mit  Aus- 
zeichnungen bedacht,  neben  den  morahschen 
Eroberungen  jedenfalls  auch  die  Bauten  von 
Fortificationen  und  Grenzwehren  weiter  l)etrie- 
ben.  so  dass  Westgermanieu  bis  zur  Cherusker- 
grenze im  Anfange  der  christüchen  Aera  wie 
eine  römische  Provinz  aussah.  Doch  als  der 
Statthalter  Quintilius  Vanis  hier  rücksichtslos 
wie  in  einer  Kömerprovinz  schaltete,  da  loderte 
im  Jahre  9  (schwerlich  10)  n.  Chr.  von  allen 
Seiten  planmässig  geleitet  eine  verhängnissvolle 
Empörung  auf.  welche  ihn  und  die  stolzesten 
Legionen  des  Kaisers  bis  auf  wenige  Flücht- 
linge hinraffte,  welche  in's  Lippecastell  entkamen. 

Grausam  ward  der  Sieg  benutzt,  jede  Feindes- 
spur vertilgt,  jeder  feste  Römerplatz  erstürmt, 
nur  Aliso.  das  Castell.  leistete  mit  seiner  Be- 
satzung noch  Widerstand.  Sonst  war  das  Vater- 
land wieder  gerettet;  denn  das  Auftreten  der 
römischen  Heere  diesseits  des  Rheines  bedeutet 
später  mehr  eine  Sühne  der  erUttenen  Schmach, 
mehr  den  Schein  alten  Kriegsmutes,  als  eine 
Untenverfung.  Nachdem  sich  so  alle  ^lass- 
nahmen  der  Offensive  und  der  L'nterwerfung 
vereitelt  hatten,  \uirden  unter  Kaiser  Claudius 
im  Jahre  47  n.  Chr.  die  römischen  Besatzungen 
aus  Gennanien  zurückgezogen,  die  breiten  Heer- 
strassen  dann  höchstens  noch  von  Kaufleuten 
betreten  oder  ganz  verlassen. 

War  doch  früher  trotz  aller  Kriegsmacht 
und  List  der  Römer  die  Ivraft  der  Deutschen 
so  wenig  gebrochen,  dass  nicht  nur  die  unal>- 
hängigen,  sondern  auch  jene  Stämme,  welche 
unterworfen  oder  vernichtet  schienen,  am  Vanis- 
Kampfe  und  Siege  Theil  hatten.  Der  Ixtrbeer 
gebürt  nämlich  nächst  den  Cheruskern  und 
ihrem  Führer  Annin  den  Bructoreni.  den  Mar- 
sen, den  Chatten  und  nicht  minder  den  Sigam- 
bern. die  sogar  in  drei  Landschaften  in's  Feld 
gerückt  waren.  Ihr  Fürst  Melo.  dessen  Neffe 
Deudorix  einst  als  Gefangener  den  Triumph  des 
(lermanicus  verherrlichen  musste,  erscheint,  wie 
Armin  unter  den  Cheruskeni.  als  das  treibende 
Schwergewiclit  des  sieggekrönten  Aufstandos. 
Denn  da  die  Vertreibung  der  Sigambor  in  frü- 
hern Jahren  wol  nur  die  kamj>ffilhigen  Mann- 
schaften, und  daher  zumeist  die  Anwohner 
des  Hellweges,  getroffen  hatte,  so  konnten  sich 


Dir;  wKGi-  UM»  iiiiü-:  dexkmXleu. 


die  Reste  allmälig  wieder  sammeln,  keinesfalls 
schon  mit  Brudervölkern  ihre  Lücken  ausfüllen, 
ohne  neuen  und  noch  härteren  Strafen  der 
Römer  zu  verfallen.  Jedenfalls  kemizeichnet 
noch  heute  das  ursprünghche  Sigamberland  ein 
einheitlicher  Grundton  der  Sprache,  dem  nur 
im  Westen  und  Norden  spätere  Einwanderungen 
und  Nachbareinflüsse  Ablaute  beigemischt  haben. 
Ihr  Name  erklingt  wie  jener  der  Cimbern  und 
Parther  im  RömeiTeiche  als  eine  Losung  des 
Schreckens;  sigambrische  Gehörten  verstärken 
26  n.  Ghr.  das  Kriegscontingent  der  Römer, 
sigambrische  Elemente  und  gewiss  nicht  blos 
die  verpflanzten  Absphsse  an  der  Waal  erschei- 
nen später  im  Franken -Bunde,  andere  stossen 
um  484  uuglückMch  mit  den  Westgothen  zu- 
sammen.    Griechen  und  Römer  der  Kaiserzeit 


erzählen  doch  von  den  Sigambem  Germaniens, 
als  wären  sie  noch  wie  in  den  Tagen  Cäsars 
ein  vollkräftiger  Volksstamm. 

Die  Kriege  der  Römer  und  Deutschen  er- 
heischten '  hier  um  so  mehr  unsere  Beachtung, 
als  der  Kreis  Hamm  wesentlich  davon  berührt, 
sein  Südostsaum  vielleicht  der  Schauplatz  des 
letzten  Actes  der  Varusschlacht,  sein  Terrain 
mit  verschiedenen  monumentalen  Kriegsspuren 
bedeckt  ist.  Doch  auch  von  den  Urbewohnem 
und  Urdeutschen  lassen  sich  namhafte  Denk- 
mäler und,  wie  von  den  Römern,  sowohl  Haus- 
ais Kriegsaltertümer  in  unserem  Kreise  nach- 
weisen. —  Dieser  Nachweis  erfolge  theils  nach 
den  Fundstätten,  theils  nach  den  Völkern,  denen 
sie  entstammen. 


E.  Usinger,  Die  Anfänge  der  deutschen  Geschichte.  1875.  S.  192,  197  f.,  231.  —  Reg.  H.  AV.  L  Xr.  1—60  ergänzt  durch  L.  v.  Lede- 
bur,  Das  Land  und  Volk  der  Bracterer.  Berlin  1827.  S.  135  ff.  175,  18G.  190,  145,  117.  —  Monimsen  Augustiis'  L'erm.  Politik, 
Im  neuen  Reich.  1871.  I,  5.37  f.  —  J.  Sehneider,  Neue  Beiträge  zur  alten  Geschichte  und  Geographie  der  Rheinlande  II,  72—97.  — 
M.  F.  Esselen,  Geschichte  der  Sigamber  und  der  von  den  Römern  bis  zum  J.  16  nach  Christus  im  nord-n-estlichen  Deutschland 
gefühi-ten  Kriege.  Leipzig  1868.  —  H.  Böttger,  Wohnsitze  der  Deutschen.  1877.  S.  25  und  die  Karten.  —  A.  Fahne.  Geschichte  der 
Geschlechter  Bocholtz  I,  1,  195.  —  F.  Hülsenbeck,  Die  Gegend  der  Varusschlacht.  1878.  —  Bonner  Jahrbb.  T.Yin,  42.  XLATU,  182. 


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Die  ^Wege  iind  ilire  Denkmäler 


Die  Wege  und  Verkehrsstrassen,  unter  allen 
Denkmälern  die  ältesten,  sind  auch  vom 
Volksbewusstsein,  den  Fürsten  und  Landesherren 
als  die  wohlthätigsten  Mittel  des  Verkehrs  gegen 
Eingriffe  geschützt  für  und  für:  daher  noch  die 
westfähschen  Femgerichte  1490  laut  Weistum 
für  Recht  erkannten,  dat  men  over  die  jennen 
siiUe  richten,  die  de  Konincksfrate,  Kerckwege, 
lIoMemvege ,  Noifwege  und  Dodenivege  und 
RicJitelpede  entengen  mit  tuenen  efte  graven 
oder  anders.  Sie  dienten  wol  allen  Völkern; 
nur  haben  die  Römer  gewisse  Linien  zu  Kunst- 
strassen umgeschaffen  oder  neue  für  ihre  zei- 
tigen Kriegszwecke  angelegt  und  dadurch  that- 
sächüch  Licht  und  Verkehr  in  die  Sümpfe  und 
Wälder  unserer  Urheimat  für  alle  Folgezeit 
gebracht,  obgleich  ihre  zeitigen  MiUtairstrassen 
meistens  eingegangen  und  mit  Gras  bewachsen 
sind ;  dafür  dauerten  die  natürlichen  Linien  fort 
und  zwar  die  Hauptzüge  als  Verkehrs-  und  Heer- 
strassen, um  vorab  den  römischen  und  fi-änki- 
schen  Handelsleuten  wie  den  wandernden  Hor- 


den der  Deutschen  und  dem  fränkischen  Heer- 
bann Ein-  und  Auslass  zu  gewähren  und  später 
mit  ihren  Knotenpunkten  das  Centrum  von 
Pfarreien  oder  Städteaulagen  zu  bilden.  Erst 
in  neuerer  Zeit  haben  die  Eisenbahnen  mit  ihrem 
centrahsirenden  Einfluss  streckenweise  die  alten 
Verkehrszüge  verlegt  oder  die  alten  Strassen 
entvölkert  und  vereinsamt,  —  mehrfach  jedoch 
wieder  aufgesucht;  denn  gewisse  Züge  der  Coni- 
mimication  T\ie  gewisse  Massregeln  der  Kriegs- 
kunst werden,  weil  zu  sehr  von  der  Bodenbe- 
schaffenheit  abhängig,  für  die  Zukunft  bleiben, 
was  sie  in  der  Vergangenheit  waren,  mögen  auch 
neue  Erfindungen  noch  .-i  viele  Erleichterungen 
und  Aenderungen  mit  sich  bringen.  Congruiren 
die  spätem  Strassenzüge  genau  mit  den  frühern. 
so  sind  die  Rillen  tief  eingeschnitten,  die  Wege  zu- 
mal in  den  beiden  letzten  Jahrhunderten  zu  Hohl- 
wegen und  ,Wasserstrassen'  geworden,  schwei- 
fen sie  hin-  und  herüber,  oder  laufen  sie  neben 
ihnen,  so  blieben  die  alten  Strecken  todt  hegen, 
oder  gingen  durch  Einebnung  —  zumal  in  un- 


DIE  WTGE  rSD  IHRE  DEXOÄLER. 


serm  Jahrhunderte  —  in  Culturland  auf.  Und 
dennoch  weiss  die  Wissenschaft  sie  an  andern 
natürlichen  Verkehrszügen,  an  bestimmten  Fun- 
den, an  der  Richtung  erhaltener  Strecken,  an 
fortificatorischen  Seitenaulagen ,  an  der  Bauart 
der  lieste,  an  gewissen  Benennungen  wieder  zu 
entdecken  und  dem  Gesammtnetze  der  Verkehrs- 
adern einzureihen:  einige  Strassendilmme  geben 
sich  durch  den  geraden  Zug  oder  die  Wölbung 
und  Bauart  noch  als  Römerstrassen  zu  erkennen, 
ob  auch  fast  zwei  Jahrtausende  Völker  und  Waa- 
renlasteii  darüber  hinwegge<rangeu  sind  —  wahr- 
lich ein  hochrühmhches  Zeichen  für  ihre  Erbauer. 

An  Benennungen  sind  charakteristisch  zuwei- 
len .Landwehr",  in  der  Kegel  .Heiden-',  ,Hünen-" 
oder  ,Teufelsweg',  ,Köuigsstrasse',  .Heerweg', 
.Hellweg',  JIcilewegh',  ,Hcdiccch',  mag  die  letz- 
tere nun  von  Heerweg  oder  von  .heil*  d.  i.  soHde, 
fest,  oder  von  ,hell'  im  Gegensatz  zu  den  urhei- 
mischen W^ildwegen  oder  vom  Namen  der  ur- 
deutschen Haui)t-  und  Todtengöttin  .Hei*  abzu- 
leiten sein.  Dann  bedeutet  der  Ausdruck  Todten- 
weg.  zumal  da  die  beiderseits  begleitenden  Be- 
grilliuisse  seiner  Linie  das  Geprilge  eines  ,fort- 
laufenden  Todtenackers*  gaben.  Uebrigens  keim- 
zeichnen mehrere  dieser  Strassen-Zunamen  auch 
das  hohe  Alter  von  Fortificationen ,  Erdhügeln 
und  andern  Anlagen. 

Der  Kreis  Hamm  hat  wul  so  wichtige  und 
so  zahlreiche  Strassen,  wie  irgend  ein  anderes 
Landgebiet  von  gleichem  Umfange;  denn  \ne 
eine  grosse  Thalschlucht  zwischen  der  Lippe  und 
der  Haar  ilurchschnitten  ihn  die  wichtigsten 
Linien,  welche  vom  Kheinc  nach  Osten  und 
N(trden  aufzogen  und  zwar  zuiiilehst  die  west- 
lich, dann  aiidi  die  südlicher  entsjmmgenen, 
nachdem  sie  das  (lebirgslaiid  uniiranuen  oder 
dessen  Schluchten  und  Kilmmen  folgend  die  Ruhr 
überschritten  hatten,  und  wie  die  meisten  bei 
Uiuia  in  der  Ebene  mündeten  oder  sich  kreuz- 
ten, so  vereinten  sich  andere  von  allen  Rich- 
tungen aus  Osten  mit  denen  aus  Norden,  welche 
an  bestimmten  Punkten  über  die  Li])j)e  geleitet 
waren,  um  sich  hier  zu  gemeinsamem  Zuge  gen 
Westen  oder  zum  Eintritte  in's  südliehe  Gebirgs- 
land  zu  vereinigen.  Kreuzungspunkto  gab  es 
mehrere.  Kii(itenpunkt(^  sonst  wie  jetzt  zi'  Unna 
und  iianim. 


1.  Der  heute  von  der  neuen  Steinstrasse 
hier  bedeckte,  dort  durchschnittene  grosse  Hell- 
weg hat  eine  natürhche  Lage  am  Nordfusse  der 
Haar,  inmitten  des  fi^chtbarsten  Ackers,  von 
Unna  bis  Salzkotten  an  den  Salzquellen  vorbei 
und  seinen  Ausbau  von  Ruhrort  über  Dortmund. 
Unna,  Werl,  Soest  bis  Höxter  an  die  Weser 
wohl  durch  die  Römer  erfahren.  Als  Haupt- 
verkehrsader entsendet  er  im  Osten  wie  im 
Westen  viele  \richtige  Strassenzweige  und  be- 
rührt mit  l>eiden  Seiten  allerhand  Stätten  der 
grauen  Vorzeit.  In  der  Nähe  fallen  schon  in 
sein  Gebiet  die  Fmide  einer  Todtenurae  von 
terra  sigillata  zu  Dortmund,  mehrere  Unien. 
welche  man  beim  Baue  der  Westfälischen  Eisen- 
bahn zu  Wickede-Asseln,  und  der  Bergisch-Mär- 
kischen  Bahn  zu  Mühlhausen  blossleirte.  und  im 
Obemiassener  Gehölz  ein  .Lulehoal*.  unfern  da- 
von eine  Quelle  mit  einem  mächtigen  .Spring*- 
Baume  und  nördlich  die  .Teufelsküche*.  Das 
von  der  Obermassener  Heide  nach  Niedermassen, 
ziehende  romantische  Thal  bewahrt  für  einen 
Theil  seines  Gehölzes  den  Namen  der  .Teufels- 
küche', den  die  Christen  später  den  altnemiani- 
schen  Hainen  l>eilegten,  und  von  den  beiden  An- 
höhen, womit  das  Thal  ausläuft,  bezeiclmet  man 
die  eine  als  den  Hünenberg,  die  andere  als  den 
Tigge  —  also  lauter  altheimische  Volks-  uml 
Weihstätten.  Der  letztere  Name  deutet  unmit- 
telbar auf  einen  alten  Versammlungsplatz. 

2.  Die  alte  Strasse,  welche  anseheinend  von 
Herdecke  sich  nordöstlich  nach  Opherdicke  hin- 
aufwindet und  die  Haar  entlang  auf  die  Cluse, 
Wilhelmshöhe.  Frömern  und  Bausenhagen  geht, 
um  hier  im  alten  Benrwald  des  Sehelk.  der 
noch  im  voriiren  Jahrhundert  ein  königliches 
Geheure  mit  allerhand  Hochwild  hatte,  nördlich 
mit  einer  Biegung  in  den  grossen  Hellweg  und 
wahrscheinlich  östUch  in  geraderem  Zuge  in  den 
alten  Haarweg  einzulaufen  —  eine  gewss  sehr 
alte  Strasse.  Zu  Opherdicke.  au  der  Cluse,  der 
.WohnstAtte  eines  Hünen',  und  weiter  gen  Osten 
hält  sie  den  Bergkamm  und  deshalb  ohne  Frage 
die  Linie  altheidnischer  Cultstätton.  wie  denn 
noch  heute  den  eigentlichen  Haanveg  entlang  der 
Mohne  hohe  Eichen  an  seinen  höchsten  Funkicn 
beschatten.  Im  Sehelk  und  zwar  bei  Bausen- 
hagen knoti'n  sich  alte  Bererwi'ge  aus  allen  Rieh- 


Dil-   WEGE  INI)  IHRE  DENKMÄLER. 


tungen,  unter  den  Waldriesen  erhebt  sich  bis 
Hemmerde  hin  noch  das  eine  oder  andere  Hügel- 
gral)  und  südUch  von  I^ausenliagen  ,Am  Hen- 
richs-Knül)el'  ziemlich  hoch  ein  Felskopf.  Ab- 
und  Kreuzwege,  Natur  und  Altertümer  verleihen 
dieser  Linie  eine  besondere  Bedeutung. 

3.  Nordwärts  zweigt  sich  bei  Wickede  ein 
,Hellweg'  vom  grossen  Hellwege  Camen  vorbei 
auf  Heeren  ab  und  zieht  als  grüner  Weg,  den 
die  Viehtreiber  noch  einschlagen,  auf  Rhvnern, 
um  sich  anscheinend  in  der  Gegend  von  Soest 
in  andere  Wege  zu  verUeren. 

4.  Von  Südwest,  etwa  von  Neuss  aus,  führte 
über  Elbeifeld  die  Enneper  Strasse  bei  Herdecke 
über  die  Euhr,  dann  durch  die  Schluchten  des 
Ardei  nach  Unna  und  von  dort  jedenfalls  auf 
Hamm.  Von  ihrem  Verkehr  Ünna-Hamm  dürf- 
ten drei  bis  vier  Urnen  und  einige  unten  näher 
beschriebene  Rümermünzen  zeugen,  die  beim 
Bau  der  entsprechenden  Bahnlinie  auf  dem  Hofe 
Borgmühle  aus  einem  Hügel  oder  Berge  an's 
Licht  kamen,  welcher  der  überschütteten  Ruine 
eines  Thurmes  ähnlich  und  von  der  Sage  um- 
weht war,  es  liege  darin  ein  Schatz  verborgen. 
Von  Unna  auf  Schwerte  hegt  sie  vor  als  tiefer 
stellenweise  gespaltener  ,Hellweg'  von  beträcht- 
licher Spurweite  und  nachweislich  nur  durch 
Holzstämme  befestigt.  Wo  sie  auf  der  frucht- 
baren Massener  Heide  sich  spaltet,  lagen  am 
nordwesthchen  Arme  und  zwar  am  Saume  des 
Spielfeldes  bis  in  unser  Jahrhundert  noch  vier 
ungefähr  fünf  Fuss  hohe  Erdhttgel  oder  .Httnen- 
knüfe',  die  bei  der  Abgrabung  angebüch  nur 
,dreieckige  Lampen'  enthielten.  Südüch  davon 
am  andern  Arme  und  zwar  am  kleinen  Stucken- 
berge springen  von  der  Ackerhöhe  noch  fünfzehn 
Wallräcken  , Schanzen'  parallel  vor  in  den  Hohl- 
weg, also  jedenfalls  keine  Stege  alter  Weges- 
kanneluren,  und  doch  haben  die  entsprechenden 
Gegenstücke  an  der  andern  Wand  des  Weges, 
als  sie  vor  Jahrzehnten  zu  Ackerland  planirt 
wurden,  angeblich  keine  Altertümer  ergeben. 
In  ihrer  Nähe  gibt  es  einen  ,güldenen  Spring', 
bei  dem  die  Leute  noch  jetzt  heilendes  Wasser 
suchen  und  auf  den  Grundstücken  am  Spielfeld 
sind  ,  Gräber  mit  Ketten'  gefunden. 

5.  Von  der  Obermassener  Heide  führte  ein 
alter  Weg  auf  Bilmerich,  von  dort  auf  die  Cluse 


und  Delwig,  wo  er  die  Ruhr  kreuzte,  um  sich 
links  nach  Iserlohn,  rechts  nach  Limburg  zu 
verzweigen.  Südlich  von  Bilmerich  auf  Dieck- 
mann's  Gründen  erhebt  sich  der  ,Kopf',  ein 
künstlich  angeschütteter  Hügel,  welchen  der 
Sage  nach  der  Hüne  der  Cluse  einst  von  seinen 
Schuhen  gewischt  hat,  als  er  seinen  Riesen- 
nachbar an  den  ,Hünenknüfen'  besuchen  wollte. 
In  seiner  Nähe  hegen  der  Platz  ,Hillering'  und 
der  noch  von  Wallresten  umgebene  Hof  .Ringe- 
brauk'.  Legt  die  Sage  den  Hünenknüfen  und 
der  Cluse  nicht  auch  eine  bedeutendere  Grösse, 
und  der  Cluse  eine  künstliche  Entstehung  bei? 
Bemerkenswerth  erscheint  jedenfalls  jene  von 
Wegen  und  Altertümern  übersponnene  Zone, 
deren  Grenzpunkte  im  Süden  die  Cluse,  im 
Norden  das  Niedermassener  Thal  mit  seinen 
denk\nirdigen  Punkten,  und  weiterhin  die  Ge- 
gend von  Heil  an  der  Lippe  sind. 

6.  Eine  andere  vielleicht  jüngere  Strasse 
führte  Aon  Langschede  über  Unna  und  Camen 
auf  Werne  ül)er  die  Lippe.  Von  L'nna  tiber- 
steigt sie  die  Wilhelmshohe,  meidet  die  üstüche 
Niederung  von  Strickherdecke  und  kTeuzt  zu 
Langschede,  einst  östlicher  denn  jetzt,  die  Ruhr. 
Das  zeigen  noch  die  Stumpfe  von  hölzernen 
Brückenträgern,  so\ne  der  Ortsname  ,hinter  dem 
Thurme',  dessen  Reste  schon  vor  hundert  Jahren 
im  Privatbesitz  waren:  denn  einst  deckte  den 
Uebergang  ein  Steinthurm,  zugleich  Warte  und 
Gefängnis,  und  etwas  nördhcher  eine  längst 
verschwundene  Schanze  auf  dem  heute  von  der 
Ruhrthalbahn  durchschnittenen  Stempersberge. 
Eine  alte  Ruhrstrasse  fehlte  hier  damals  ^ne 
heute.  Von  ihrem  Lippe -L'ebergange  bei  Werne 
zeugen  noch  tiefe  Ufereinschnitte,  die  reichhal- 
tigsten Funde,  eine  alte  ,EiJcesmoh'  auf  dem 
Flusse,  die  gegen  1220  mit  dem  Bild  des  heil. 
Christoph  gezierte  Brücke,  vor  derselben  der 
Freistuhl  Mottenheim. 

7.  Als  Verbindung  der  Lippestrasse  und  des 
Hellweges  und  zugleich  als  Fortsetzung  mehrerer 
zu  Werl  vereinter  Thalstrassen  des  Sauerlandes 
schlängelte  sich  von  hier  der  alte  Weg,  meisten- 
theils  neben  der  Chaussee,  über  Berge  nach 
Hamm,  wo  er  mit  andern  südlichen  Lmien  sich 
jenseits  der  Lippe  nach  Norden  verzweigte.  Bei 
Hilbeck  berührte  er  eine   ergiebige  Fundstätte 


ITE  MTGE  UM)  IHEE  KEXKMliLER. 


von  Kömermünzen  und  Urnen.  Die  ältere  An- 
gabe, von  Werl  führe  eine  Verbindungsstrasse 
auf  Fröndenberg  und  durch  die  Grafschaft  Lim- 
burg in's  Volmethal.  hat,  wie  mir  scheint,  in 
der  heutigen  Bodenbeschaffenheit  keinen  Halt, 
falls  nicht  unnatürüche  Umwege  in  Kechnung 
kommen. 

8.  Eine  ähnliche  Bedeutung  haben  jeden- 
falls die  Strassenzüge  von  Hamm  auf  Soest. 
Sie  verlaufen  auf  beiden  Seiten  der  Ahse,  die 
eine  auf  dem  südwestHchen  Ufer,  West-  und 
Osttünnen  vorbei  auf  Weher.  Die  anliegenden 
Punkte  .Tiumen'  und  .Am  Hagen'  weisen  mit 
ihren  Namen  gewiss  noch  auf  frühere  Wehren 
und  ,Gebücke'  zurück,  und  zu  Süddinker  erhob 
sich  der  Soester  und  Märkische  Freistuhl  am 
Kodenstein.  JedenftiUs  ist  die  Linie  über  Mark. 
Nord-  und  Kirchdinker  die  ältere,  die  zu  Soest 
auch  andere  Strassen  aus  dem  Süden  und  Süd- 
osten aufnahm;  alte  Kopf  bäume,  Seitenwälle, 
beträchtliche  Breite,  ein  ziemlich  gerader  Lauf 
und  bis  in  die  neueste  Zeit  eine  tiefe  Wasser- 
sohle bezeichnen  ihre  Bahn,  selbst  Wallungen 
bei  Mark  und  Altertumsfnnde  im  ,grossen  Klei'. 
Die  Wallung  besteht  nur  mehr  in  zwi'i  unter 
rundlicher  Ecke  aneinandergelegten  Seitenwällen 
auf  dem  Sandbrinke,  den  ehedem  die  Geithe, 
wahrscheinlich  ein  Doppellauf  der  Lippe,  be- 
spülte; die  Funde,  nämlich  Steinbeile,  werden 
uns  später  beschäftigen.  Die  Leute  geben  Stein- 
trümmer an  der  Kreuzung  des  AVeges  und  der 
Märkischen  Grenze  für  die  thatsäclilichen  Ueber- 
bleibsel  eines  Freistuhles  aus  und  von  einem 
solchen  ,op  gensyt  Dincker,  der  also  nicht  mit 
jenem  zu  Heidemühle  verwechselt  werden  darf, 
reden  auch  Soester  Geschichtsquellen. 

0.  Als  ,AVasserstrasse',  streckenweise  mit 
ScitenM'ällen,  bezeichnen  ältere  Leute  auch  den 
heute  vollständig  ausgebesserten  Verbindungsweg 
von  Ijünen  zunächst  entlang  der  Seseke  über 
Afferde  nach  Unna.  Die  östlich  zu  Niederaden 
vorhandene  Landwehr  hat  nur  die  Feldllur  von 
der  ]\Iark  Berg-Camen  geschieden,  also  schwer- 
lich einen  altem  Urspnnig  gehabt,  wie  solcher 
von  der  ,Burg',  einer  jetzt  flaclien  Anhöhe,  ver- 
mutet wird.  Ob  das  südlicher  gelegene  Haus 
Ohcrrdde  noch  Beste  heidnischer  Vorzeit  ent- 
halte, wird  spilter  in  Frage  kommen. 


10.  Von  zwei  römischen  ^lilitairstrassen 
kommen  auf  den  Kreis  südhch  der  Lippe  zwei 
beträchthche  Strecken:  die  Linie,  welche  von 
Neuwied  über  den  Gebirgskämmen  bis  Unna, 
dann  in  der  Ebene  auf  Münster  hinabzieht,  tritt 
wahrscheinhch  östhch  Hahngen  vorbei  zwischen 
Ost-  und  Westardei  über  die  Kuhr,  verläuft 
dann  östhch  von  Strickherdecke.  westUch  von 
Frömera  quer  über  den  Rücken  der  Haar,  von 
hier  in  einer  vor  Decennien  kolonisirten  .Land- 
wehr' auf  Kessebüren.  von  dort  wahrscheinhch 
über  Bögge  auf  Stock-um  zur  Lippe,  dann  über 
Bockum  (Bogadium?)  wieder  in  einer  von  Haus 
Itlingen  nach  Norden  streichenden  Landwehr. 
Die  Frömemsche  ,Landwehr  zeigt  stellenweise 
noch  unter  den  Hecken  und  Geländen  neben  einer 
Senkung  zwei  schwache  parallele  Bücken,  ein 
dritter  Wall  hat  sich  vielleicht  unter  dem  Fahr- 
wege gänzlich  verloren.  Nachdem  sie  die  alte 
Haarstrasse  gekreuzt  und  Hügelgräber  an  der 
Ostseite  verlassen  hat.  sinkt  sie  südwärts  strich- 
weise noch  sichtbar  bis  zur  Ardeier  Feldmark 
hinab.  Die  Uebergangsstelle  zu  Ardei  wetteifert 
an  Denkmälern  und  Funden  mit  jedem  andern 
bedeutsamen  Punkt  des  Kreises.  Der  Thalgrund 
des  Osthölter  Baches,  seine  beiden  gegen  die  Buhr 
vorspringenden  Nachbarberge  enthalten  zwei  Mili- 
ta iranlagen  und  ringsum  bis  in's  Thal  hinab 
Fundstätten  von  TJruen  und  Eisentheilen.  Die 
Schanze  am  Abhänge  des  westlichen  Vorsimmges 
könnte  von  den  Bömern  angelegt  und  bestimmt 
sein,  die  Strasse  im  Buhrthale  zu  decken  und 
die  durch  tiefe  Gräben  hergestellte  Burg  auf 
dem  Ostberge  ktumte  für  ein  Werk  der  Deut- 
schen gelten,  das  die  Passage  des  feindlichen 
AVeges  stören  sollte,  zumal  da  andere  Forscher 
ähnliche  AN'erke  im  Taunus  den  Teutonen  zu- 
schreiben und  die  Deutschen  wie  grosse  Grenz- 
wälle so  auch  Erdbunron  hatten.  Allein  die 
wiedenim  zerstreuten  Funde  scheinen  ganz  ab- 
geselicn  von  den  Eisentheilen  nach  dem,  was 
die  licutc  freilich  nur  nach  unklarer  Erinnenui!: 
l)erichten,  kaum  mehr  in  die  Zeit  der  Bömer- 
invasion  zu  reichen  und  jene  Grabonburg  bat 
schon  östlich  bei  Scheda  wie  auf  den  Enisufern 
der  Ebene  gleichfftnnige  Gonenstücke.  Daher 
erfahren  die  Ardeier  Werke  und  Funde  füg- 
licher  b(>i   den  Denkmälern  jener  Zeit  Berück- 


\ 


DIE  WEGE  UXI)  IHRE  HENKMÄEER. 


■s 


sichtigung,  worin  die  Deutschen  die  Kömer- 
spuren  vertilgten  und  sich  gegen  einen  andern 
Feind  von  Westen  rüsteten.  Den  Zugang  liat 
Ardei  dann  geliabt  an  einem  Zweige  des  Haar- 
Hellweges,  der  ungefähr  von  der  Wilhelmshohe 
die  ,Landwehr'  schräg  kreuzend  südöstlich  auf 
Fröndenberg  in's  Ruhrthal  hinab  führte. 

11.  Die  andere  Linie  entspringt  am  Rheine, 
Xanten  gegenüber,  geht  auf  Dorsten,  wo  ein 
zweiter  Ann  der  Lippewindung  nach  über  Ros- 
sendorf und  Ahsen  bis  Lünen  abschweift,  von 
hier  als  enge  Uferstrasse  in  der  Richtung  des 
jeÄenfalls  urtümlichen  ,HeUweges'  über  Hamm 
bis  in  die  Lippewiesen  bei  Hellinghausen  und 
schwenkt  nun  in  einem  sauft  gebogenen  Seiten- 
arme auf  das  Nordufer  und  zwar  nach  der  römi- 
schen Munition  .Grosse  Kamp'  im  Winkel  der 
Lippe  und  Glenne.  Sie  hält  sich,  sofern  der 
gerade  Zug  es  gestattet,  einige  hundert  Schritte 
vom  Inundationssaume  und  macht  daher  zu 
Sandbockum  nur  eine  kleine  Schwenkung  nord- 
wärts gegenüber  der  mächtigen,  die  einst  der 
Fluss  hier,  wie  später  erörtert  wird,  genommen 
hat.  Oestlich  von  Hamm  erscheinen  ihre  Spuren 
in  der  geraden  Rahn,  Höhe  und  Rreite  der 
jetzigen  Landstrasse,  hier  und  da  noch  in  Däm- 
men, die  bald  auf  der  einen,  bald  auf  der  an- 
dern, seltener  auf  beiden  Seiten  und  im  Gebüsch 
noch  restweise  mit  sichtlicher  Rundung,  östlich 
von  Mark  gar  2m  hoch  daliegen  —  westlich  von 
Hamm  bei  Nordherringen  wölben  sich  noch 
im  Schutze  eines  Nadelgehölzes  die  drei  Wälle, 
und  senken  sich,  weil  stark  ausgefahren,  doch 
immer  mit  der  Wellenlinie  des  alten  Profils  in 
der  Flucht  des  Hellweges.  Westlich  von  Nord- 
hen'ingen,  wo  der  ,Hellweg'  ganz  abschweift,  lag 
sie  nach  einer  alten  Karte  bis  1799  anschei- 
nend vollständig  bis  Reckinghausen  vor,  um  in 
unserm  Jahrhundert  als  herrenloses  Gut  von 
Staats  wegen  verkauft  und  bis  auf  geringe  Reste 
in  Ackerland  verwandelt  zu  werden.  Die  Jvönigs- 
landwehr',  wie  sie  hier  hiess,  besteht  noch  einige 
Schritte  oder  Minuten  lang,  stellenweise  leise  ge- 
knickt, in  bestimmten  Resten  südlich  von  Sand- 
bockum, die  auf  das  Haus  Römer  zeigen,  M'eiter 
im  Süden  der  Bummannsburg,  dann  zu  Seiten  der 
Camen -Werner  Chaussee  auf  Holzboden  kaum 
eine  Viertelstunde  von  der  Lippe,  weiter  westlich 


in  südlicher  Nähe  des  Hofes  Heil,  und  zwar 
mehr  oder  weniger  deutlich  in  einem,  in  zwei, 
seltener  in  drei  Wallresten  mit  den  Grabentiefen : 
die  beseitigten  ]\Dttelstücke  führen  den  Namen 
.Landwehr-  als  Acker-  und  Garteastreifen  zwi- 
schen Gräben  und  Wallhecken  oder  neben  einem 
Seitenwall  mit  Graben  oder  bloss  neben  einem 
Graben,  südlich  von  Sandbockum  erhebt  sich  der 
neuestbin  seiner  Nebendämme  beraubte  Nord- 
wall noch  mit  mannshoher  Ivronenwölbung  bei 
einer  Sohlenbreite  von  zehn  Schritten.  Früher 
gingen  von  der  Strasse  in  gemessenen  Zwischen- 
räumen Querdämme  nordwärts  l)is  an  die  Lippe 
und  zwar  nach  derselben  Karte  zu  Recking- 
hausen östlich  von  Lünen,  zu  Sandbockiim.  zu 
Kessebaum  östlich  von  Hamm  und  ein  vierter 
gleich  östlich  von  Ueutrop  und  dienten  mit  dem 
darin  befindUchen  (Schlag-)Raum  damals  noch 
als  Strassensperre ,  ^^'ie  sie  vordem  den  Ufer- 
strich sperrten  und  sicherten.  Jener  zu  Sand- 
bockum, welcher  sich  anscheinend  in  sanfter 
Curve  von  der  Strasse  ablöst,  hegt  noch  heute 
als  mächtiger  Doppelwall  mit  drei  Gräben  in 
einer  Gesammtbreite  von  28  Schritten  vor.  Die 
anerkannten  Römerstrassen  gleichförmige  Rauart 
hindert,  diese  ,Landwehr'  dem  Namen  nach  für 
eine  Grenzwallung  zu  halten.  Die  mittelalter- 
lichen Landwehren  entbehrten  in  der  Regel  der 
Seitenwälle  und  scets  der  schönen  Profilirung.  die 
römischen  Greuzwehren  aber  zerfielen  am  Rheine 
wenigstens  in  vier  Wälle,  indem  der  Hauptwall 
nach  aussen  von  zwei  kleineren  YorwäUeu  mit 
Mittelgraben,  nach  innen  von  einem  niedrigen 
Banketwalle  begleitet  war.  Wozu  sollte  eine 
Grenzwehr  hier  dienen?  Es  war  doch  die  Lippe 
auch  auf  dem  Nordufer  mit  einem  Heerwege  be- 
baut, der  dem  diesseitigen  in  Form  und  Seiteu- 
fortiUcationen  ganz  gleichförmig  befunden  wird. 
Im  Gegentheil,  in  dem  Worte  .Hellweg-,  der 
gleichwohl  nur  hier  mit  ihr  zusammenfilllt,  dort 
ihr  zur  Seite  geht,  khngt  die  Erinnerung  au  die 
alte  Heerstrasse,  in  dem  Worte  .Landwehr-  die 
hohe  Rauart  nach,  die  sie  mit  den  mittelalter- 
lichen Erdanlageu  dieses  Namens  gemein  hat. 
Ausser  einem  römischen  Marschlager  sind  die 
meisten  Römerspuren,  die  wir  später  M-ürdigen 
können,  in  ihrer  Flucht  oder  in  der  Lippe  .ge- 
funden.  Als  Fundstätten  von  Altertümern  heben 


10 


DIE  W£GE  UXD  IHRE  DENKMÄLER. 


wir  hervor  das  Weichbild  von  Hamm,  einen  Platz 
eine  Viertelstunde  von  Nordherringen,  den  vor 
Jahrzehnten,  wie  versichert  wird,  Avahrscheinlich 
die  Trümmer  eines  Hügels  mit  einem  bald  ent- 
führten Jjronze-Stilus  und  massenhaften  Urnen- 
scherben bedeckten,  weiterhin  östlich  ein  Sand- 
rücken gegenüber  Heessen,  dem  die  Leute  nach 
und  nach  Urnen  an  einer  Schmalseite  entneh- 
men. Zu  Herringen,  zu  Hamm  und  zu  Heide- 
mühle an  der  Xordostspitze  des  Kreises  standen 
später  Femstühle;  im  Westen  bei  Heil  wohnte, 
wie  ältere  Leute  zu  erzählen  wissen,  ein  Riese, 
ein  zweiter  südlich  zu  Toddinghausen,  welcher 
zu  Heil  zu  backen  pflegte.  Als  er  einst,  mit 
dem  JJereiten  des  Teiges  beschäftigt,  hürt,  wie 
der  Heil'sche  Nachbar  schon  den  Backtrog  aus- 
schrappte, bricht  er  mächtigen  Schrittes  mit  sei- 
nem Troge  und  Teige  dahin  auf.  fäiit  und  schlägt 
dabei  eine  tiefe  Grube,  die  .Küsenkuhle'.  in  die 
Erde.  Der  Kiese  zu  Heil  hatte  aber  blos  am 
eigenen  Körper  gekrazt,  und  die  Sage  will  hier- 
mit vielleicht  die  Ursache  eines  Kampfes  an- 
deuten, worin  beide  sich  erschlugen  und  die  Ge- 
gend der  Ungeheuer  los  wurde.  Dieser  Schluss 
fehlt  freilich  den  ähnlichen  Sagen  über  die  Hünen 
an  der  Lenne,  auf  Volmarsteiu  und  Syburg,  an 
der  Cluse  und  den  .Hünenknüfen',  immerhin 
muss  die  Sage  über  ein  so  häutiges  und  benach- 
bartes Hünen-Üasein  auf  den  Berghohen  wie 
hier  im  Thale.  von  Volmarsteiu  bis  Heil,  auf- 
fallen. (Jemahnt  vielleicht  auch  das  Wort  Heil 
,Hele'  an  die  Urgottheit  Hei  und  nimmt  später 
die  Kapelle  hier  deren  Weihstätte  ein? 

12.  Jenseits  der  Lipi)e  umschliesst  die  zum 
Kreise  gehörige  Nordenfeldmark  von  Hamm  den 
Ausgangspunkt  der  nördlichen  AVegezweige,  die 
jedenfalls  immer  in  der  Richtung  des  Norden- 
thores  den  Fluss  kreuzten,  und  dann  noch  deut- 
liche Züge  von  zwei  Römerstrassen,  von  denen 
die  eine  ein  Mitt(>lstück  der  grossen  diesseitigen 
r ferst rasst!,  die  andere  eint'u  Abzweig  davon 
auf  die  Lip|»('  bildete.  Die  durchgehende  üfer- 
strasse  verlief  nämlich  nicht,  wie  man  irrig  ln»- 
merkt  hat,  üb.-r  Haus  (Jcnegge  auf  Heessen; 
so  hätte  sie  die  einst  hier  nach  Norden  gebogene 
liijtpe  streifen,  in  die  Wiesen  münden  oder  plötz- 
lich nach  Nordost  abschwenken  müssen,  zumal 
da  das  in  dieser  Richtung  erhaltene  Stück  Land- 


wehr nach  der  Bauart  mittelalterUch,  nach  dem 
Zwecke  eine  Scheide  zwischen  Wiesen-  und 
Heideflur  war:  die  Linie  kam  nördlicher,  etwa 
vom  Stidabhauge  der  Höveler  Höhe,  dem  Tannen- 
wäldchen vorbei,  ging  dann  nördlich  der  Heesse- 
ner  Chaussee  parallel  schnitt  diese  jenseits  (öst- 
lich) der  Feldmark  und  mag  später  ,.ganz  mit 
der  Heessener  Chaussee  zusammen  fallen".  In 
dieser  Flucht  im  Winkel  zwischen  der  Köln- 
Mindener  und  der  Westfilhschen  Eisenbahn  er- 
übrigt im  Tannenwäldchen  als  .Galgeuknapp-  eine 
römische  Warte  und  zwar  als  halb  kugelfönniger 
Hügel  von  Rand  zu  Rand  40  Schritte  im  Durch- 
messer, umringt  von  einem  tiefen,  spitz  eing<> 
tauften  Graben  und  einem  rundlichen,  flach  aus- 
laufenden Aussenwalle,  dessen  Peripherie  in  der 
theils  erhaltenen,  theils  abgetragenen  Krone  220 
Schritte  beträgt.  An  der  Nordseite  liegt  jetzt  der 
angeschüttete  Aufgang  des  Grabens,  der  sonst 
wohlerhalten  ist.  während  Abtragungen  und  Aus- 
höhlungen Vieles  vom  Hügel  und  Aussenwalle. 
zumal  in  der  Südhälfte,  verwischt  haben.  An 
seiner  Seite  zog  sich  bis  vor  Decennien  ein  Wall 
nach  Osten,  und  in  dessen  Flucht,  nördlich  von  der 
Heessener  Chaussee,  gibt  es  noch  heute  wol  als 
Ueberbleibsel  der  alten  Strassendämme  eine  lange 
Zone  wunderlicher  Bodenundulationen,  die  als 
Sandkammer  und  nutzloser  Boden  bis  zur  Stunde 
ausgebeutet,  ausgegraben  und  ausgehöhlt  wird. 
Im  nordwestlichen  Scheitelwinkel  der  Chaus- 
see und  der  Ostgrenze  der  Feldmark  wurden 
auch  Altertümer  entdeckt  die  unsere  Aufmerk- 
samkeit schon  bald  erregen  werden.  Weltlich 
vom  , Galgenknapp'  lag  der  Gabelpunkt  der  gera- 
den Uferstrasse  und  ihres  Abzweigs  nach  der 
Lippe.  Denn  mitten  auf  der  Heide  erheben  sich 
heute  als  breite  Fahrstrasse  und  ob  auch  noch 
so  sehr  beschädigt  und  verstümmelt  immer- 
hin mit  merklichen  Rundprotilen  die  drei  Wälle 
mit  vier  Gräben,  hier  in  der  einen  Hälfto.  dort 
in  der  andern  oder  gar  in  der  Gesammtanlage 
kenntlich,  mit  der  Nordspit7.e  in  sanfter  Cune 
nach  Westen  zum  ,\nschlusse  an  die  Haui>t- 
strasse  gebogen,  und  im  Gesammten  nach  Süden, 
doch  etwas  östlich,  fast  auf  die  Sohonistoine 
der  Eisenwerke  geneigt,  als  ob  die  Uebergansrs- 
stelle  nur  ein  paar  Minuten  unterhalb  der  Bahn- 
l)rücke  zu  suchen  wäre. 


GERÄTK  INI»  AN1)J;RI-;  AIJKRTi'MKI:. 


11 


"~>. 


Die  Spuren  im  Zusammenhange  über- 
schauend dürfen  wir  den  Gabelpunkt  in  die 
Gegend  des  Kötters  Kemper  und  in  westHchcr 
Nähe  der  Warte,  den  Zug  der  durchgehenden 
Linien  im  Norden  der  Heessener  Chaussee  ver- 
muten. ,Auf  den  Feldern'  neben  dem  abge- 
zweigten Wege  ,und  in  nahen  Sandhügeln  liegen, 
wie  schon  vor  zwanzig  Jahren  geschrieben  wurde, 
viele  Scherben  von  antiken  irdenen  Gefässen,- 
Nägel,  Stücke  von  Eisen,  Bronze  u.  s.  w.'  —  und 
westlich  davon  sind  später  Urnen  von  ziemüch 
regulärer  Form  ausgegraben,  wovon  noch  eine 
vorhanden  sein  soll. 

Das  sind  die  dürftigen  Ueberreste  von  Eömer- 
strassen,  die  an  Grossartigkeit  und  Dimension 


mit  manchen  Schienenwegen  den  Vergleich  aus- 
hielten oder  diese  übertrafen.  Eine  solche  Strasse 
bildeten  ein  hoher  Mittel-  und  jederseits  ein  nie- 
derer Seiten- Wall,  alle  drei  schön  gewölbt,  durch 
Innen-  und  Aussen- Gräben  getrennt  und  ge- 
schüzt  zugleich,  in  der  Krone  aus  haltbarem 
Erdreich  gebildet  und  wahrscheinlich  mit  Boh- 
len belegt. 

Die  mittelalterlichen  Grenzwallungen  des 
Nordenstifts  lassen  wir  vorerst  unberücksichtigt, 
um  nun,  nachdem  die  Hauptstrassen  gezeichnet 
sind,  die  Alterthümer  näher  in's  Auge  zu  fassen, 
deren  wir  recht  lehrreiche  von  der  Urbevölke- 
rung, den  Germanen  und  den  Kömem  nach- 
weisen können. 


Urk.  (1.  J.  1400  bei  Kindliiigor,  Münster.  Beiträge  zur  deutschen  Geschichte  III,  Xr.  211.  —  Uehor  ,,Hellwej?"  U.-B.  d.  H.  VT.  II, 
Nr.  G30,  III,  931.;  H.  Böttger,  a.  a.  0.  S.  33.  —  Ueber  die  "\Vo;?e  und  Grenzwiille,  Hülseiibeck  a.  a.  0.  5—7;  derselbe.  Pader- 
borner Prograinm.  1871.  S.  23.  —  Seibertz,  in  der  Zeitschr.  für  Westfalen.«  Gesch.  u.  Alterthumskunde  Jahr^'.  V,  ftS— 104.  — 
Schneider  a.  a.  0,  V,  6  if. ;  VIII,  12  S. ;  IX,  14 ;  XI,  1  ff.  —  E.  Hübner,  Bonner  Jahrb.  m,  Taf.  n.  —  Buschmann,  Westf. 
Zeitschr.  IV,  178.  —  L.  Hülzennann,  Lokal-Untersuchuncren  der  Kriege  der  Römer  und  Franken  so-nie  die  Befestigungsmanieren 
der  Germanen,  Sachsen  und  des  späteren  Mittelalters  betreffend.  1878.  Uebersichtskarte  B,  Tafel  V,  ALU.  mit  Landwehrprofilen 
und  allerlei  falschen  Angaben.  —  Die  Urne  von  terra  sigillata  in  Abbildung  bei  Fahne,  die  Herren  und  Freihemi  von  Hövel  I,  45. 
—  Ueber  die  Teufelsküche  H.  Schulz,  Zur  Urgeschichte  des  deutschen  Volksstammes.  1820.  S.  25.  —  Ueber  die  Hünensat'en  an 
der  Lenne  u.  s.  w.  A.  Kuhn,  Sagen,  Gebräuche  und  Mäichen  aus  Westfalen  I,  136.  —  Ueber  die  Strassen  zu  Delwig  und  Lang- 
schede  v.  Steinen  H,  769,  790,  805.  —  Ueber  die  Werner  Brücke  und  den  Freistuhl  zu  Heidemühle  Tibus,  Griindungsgeschichte 
der  Stifter,  PfaiTkirchen,  Klöster  und  Kapellen  im  Bereiche  des  alten  Bisthuras  Münster.  1867.  I,  301,  641,  304.  —  Ueber  die 
Linie  AVerl  -  Fröndenberg  vgl.  Möller,  Pfairer  von  Elsei,  Das  interessanteste  aus  seinem  Nachlasse.  Dortmund  1810.  I,  133.  — 
Ueber  die  angebliche  (Rüiner-)Landwelir  bei  Niederaden  Fahne.  Zeitsclu'.  d.  Berg.  Geschichtsvereins  IV.  l-i,  vro  es  noch  heisst : 
,,Hemngen  war  ein  grosses  Lager."  —  Jlittheilungen  des  Herrn  Dr.  W.  v.  d.  Mark  und  des  Herrn  Hofrath  EsseUen  zu  Hamm,  des 
Herrn  Kaufmann  A.  Herdickerhof  zu  L^nna,  des  HoiTn  Superintendenten  Polscher  in  Lüiiern,  der  Hen-en  Pastöre  Bertelsmann  in 
Canien,   Buschmann  in  Frömern,  Zur  Nieden  in  Fröndenberg.  —  Lokal  -  Untersuchungen. 


Grerate  nncl  andere  -A^ltertlimer. 


Die  alten  Wege  haben  auf  die  Fundstätten 
der  Altertümer  geführt  und  sie  werden 
noch  für  die  Zulranft  hier  wie  anderwärts  die 
Handweiser  bleiben,  wenn  es  gilt,  durch  Funde 
die  Geschichte  der  Vorzeit  und  zumal  jene 
Zustände  aufzuhellen,  wofür  keine  schriftlichen 
Geschichtsquelleh  fhessen.  Wie  Vieles  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  durch  Zufall  oder  Schatz- 
gräberei  entdeckt,  darauf  veräussert  oder  zer- 
stört sein  mag,  kann  ein  Ueberblick  der  Funde 
unserer  Zeit  lehren,  insofern  deren  manche  ge- 
macht, aber  der  Fuudstücke  nur  wenige  gerettet 
und  noch  weniger  wissenschafthch  ausgebeutet 
sind.  Mit  um  so  grösserer  Hingebung  wollen 
wir  daher  das  Erhaltene  verzeichnen  vom  klein- 
sten Geräte  bis  zu  den  wenigen  Burgen  hin, 
Avelche  allein  von  allen  Bauten  mit  ihren  grossen 
Werken  der  gänzhchen  Zerstörung"  widerstanden 


haben  und  uns  einen  Ersatz  bieten  für  Stein- 
und  andere  Riesenmonumente,  die  wir  seither 
vergebhch  in  unserem  Kreise  suchten.  Am  zahl- 
reichsten sind,  freihch  meist  brachstückweise, 
Waffen,  Utensiheu  und  Schmucksachen  vertre- 
ten ;  sie  haben  grösstentheils  nur  geschichtlichen, 
selten  ästhetischen  Charakter. 

Im  Bette  des  Lippestromes  wurde  eine  Eeihe 
von  Gegenständen,  über  die  vriv  Kunde  geben, 
entdeckt,  einige  anscheinend  zufällig,  die  meisten 
in  den  Jahren  1865/66,  als  man  ihren  Lauf 
behufs  Anlage  einer  Steinbrücke  für  die  Chaus- 
see von  Camen  nach  Werne  vergeraderte.  Da 
förderte  der  Durchstich  allerhand  Reste  der  Vor- 
zeit, fossile,  naturgeschichthche  und  geschicht- 
liche zu  Tage.  Der  Continent  des  Kreises  he- 
ferte  andere  Beiträge,  so  dass  wir  nun  im  Staude 
sind,  dies  Material,  mit  Ausscheidun?  des  Natur- 


12 


GERXTE  rSl)  ANDERE  ALTERTDIER. 


W 0,294n ♦ 


•ni.',i 


wissenschaftlichen,  nach  Zeiten  und  Vulkern 
einigeraiassen  zu  sondern  und  zwar  zum  Theil 
nach  der  Gestalt,  zum  Theil  nach  Xachbarfunden 
und  Umständen,  die  kennzeichnend  sind. 

Der  Urzeit  dürfte  angehören:  ein  Stück  fos- 
silen Knochens,  wahrscheinlich  vom  linken  Vor- 
derbeine eines  Mammuts,  auf  eine  Länge  von 
0,294;»  verkürzt  und  derart  zu  einer  Waffe 
(Fig.  1)  zugerichtet,  dass  gleich  unterhalb  der 
1.  Gelenkpfanne    einerseits 

ein  Loch  für  einen  Trag- 
oder Schlagriemeu  ein- 
gestämmt  ist,  und  die 
Markhohle  anderseits 
zum  Fassen  eines  Streitkeiles  dienen  konnte. 
Da  diese  "Waffe  wohl  nicht  im  fossilen  Zustande 
l)earbeitet  wurde,  so  will  man  sie  vor  die  Eis- 
zeit, in  die  Fauna  des  Mammut  zurückversetzen. 
Spätestens  der  urdeutschen  Zeit  werden  zu- 
geschrieben zwei  vielleicht  als  Speisegefässe  ge- 
l)rauchte  bauchige  Ti)p(e  ohne  Fussrand  und 
Henkel  mit  engerem  Schlünde  aus  Thonerde 
a.  und  Theilen  von  Koh- 

lenstaub  und  Quarz- 
kOrnern     mit     freier 
Hand,  wie  die  Finger- 
eindrilcke  zeigen,  ge- 
formt, dereine  0.196)« 
(Fig.  2).   der   andere 
kleinere  0,LS«/  hoch; 
—  ein  seinem  Zwecke 
nach  unbestimmter  T  hon  ring  (Fig.  3)  dessel- 
ben Materials,  im  äussern  Durchmesser  0,098w, 
3.  im  lichten  Linern  0,028m  weit, 

auf  der  einen,  nämlich  der  Lager- 
Seite  unverzicrt.  auf  der  andern 
mit  vier  kreuzförmigen  Ornamen- 
ten von  eben  so  vielen  mit  der 
Sj)itze  eines  kreuzförmig  gekerb- 
ten Holzstempels  ein'jedrilckten 
Punkten ;  —  ein  aN  Wirtcl- 
^toin  gel)rauchter  'rimnring  des- 

'"       "*      selben  Materials,  kaum  gebacken. 

einer  plattgedrückten  Kugel  ähnlich.  O.OtiD» 
dick,  0,09()/j/  im  äussern  Durchmesser  breit:  — 
sodann  mehrere  fertige  oder  halbfertige  Geräte 
aus  Hirschhorn,  als  da  sind  zwei  gerade  Acxte, 
eine  0,310m  laug  (Fig.  4).  aus  dem  der  Zinken 


beraubten  Geweihe  eines  Edelhirsches,  oben  unter 

der  Krone  mit  einem  eingestämmten  Loche  für 

den  Stiel,   unten  abge-  ■*■ 

schrägt  und  zur  Schneide 

geglättet  —  ein  Bohrer 

(Fig.  5)  aus  der  Zinke 

des  Geweihes  nach  der 

Spitze  hin  geglättet,  nach 

der  Wurzelseite  aber  mit  einem  Loche  versehen 

—  eine  schOne  Keilhaue  (Fig.  6)  aus  einem 

Hauptstamme   derart  s. 

zugerichtet,  dass  die-    *— - (^'S- 

ser  auf  passende  Länge 
abgeschnitten,  der  bei- 
den Seitenzinken  ent- 
kleidet, und  die  Hauptzinke  als  Hacke  geglättet 
und,  wie  die  Abnutzung  ergibt,  auch  gebraucht 


0,785 


wurde,  —  ein  anderes  Instrument.  0.(>8m  lang, 
der  l)eiden  obersten  Zinken  beraubt,  wie  um  eine 
ähnhche  Keilhaue  daraus  zu  fertigen.  —        r. 
ein  kleiner  fieissig  gebrauchter  Hani-    ..^^ 
nier  (Fig.  7)  aus  dem  Kronenende  eines    ^'^^^jj^ 
Geweihes  gemacht,  mit  einem  O.OlGm   ^'^"^'^ 
starken  Rohrloche,  —  weiterhin  ein  0.:328m  langer 
Knochen  (Fig.  8),  auf  der  einen  Langseite  abge- 
flacht, als  wäre  er  zum  s. 
Glättenund  Schleifen  ver- 
wandt. —  zwei  S|)eer- 
si)itzen  von  Geweihzm- 

ken  derart  beimtzt,  dass  das  dickere  Ende  mit 
Zickzackeinschnitten  vom  in  die  Hülse  des  S]>eer- 
schaftes  gesteckt  wurde.  —  endlich  noch  21  Stücke 
von  Hirschgeweihen  und  darunter  an  halbfertigen 
Gerjlten  zwei  Krtnien  V(»n  Hauptstümmen.  4  Zin- 
ken, 1  Hacke  und  2  Gabeln,  die  zum  Tbeil  >chon 
im  Gebrauch  sein  mochten. 

An  Stein>achen  können  wir  noch  nennen 
ein  keilartig  abgeschliffenes  Beil  aus  aphaniti- 
scheni  Gestein.  0,07wi  lang,  an  der  breitem  Seite 
der  Schneide  0.04m  breit,  gefunden  im  Garton 


fiKKÄTE  UND  ANDERE  ALTEitTL'.MEK. 


13 


des  Besitzers,  des  Herrn  Dr.  W.  von  der  Mark  zu 
Hamm,  —  ferner  zwei  Hämmer  mit  Stielloch 
in  der  Sammlung  des  Herrn  Hofnitlis  Essellen 
zu  Hamm:  das  eine  von  schieferigem  Steine, 
oval  zugespitzt  und  an  der  Breitseite  mit  einem 
trichterförmigen  Loche  durchbohrt,  misst  0,20;m 
und  stammt  aus  südwestücher  Nähe  von  Nord- 
herringen; das  andere,  welches  in  der  El)ene  des 
Loches  zerbrochen  und  nur  mit  der  hübsch  zu- 
gespitzten Hälfte  erhalten  ist,  bildet  nachweis- 
Hch  den  einzigen  Ueberrest  jenes  grossen  Fundes, 
der  vor  einigen  Decennien  im  grossen  Kleie 
zwischen  Norddinker 
und  üentrop  gemacht 
augebhch  in  Tross' 
Hände  nach  Hamm 
gelangte  und  seitdem 
verkam.  Essellen's 
Sammlung  enthält 
femer  aus  Funden  am  Lippe-Hellwege  von  Nien- 
brügge  bis  Nordherringen  ein  Kehgeweih,  des- 
sen Hauptzinke  zu  einem  meisselartigen  Werk- 
zeuge zugegiättet  erscheint,  ferner  Feuerstein- 
spitzen, vielleicht  Beste  von  Messern  oder  Wurf- 
geschossen, und  insbesondere  aus  dem  Funde 
am  römischen  Wegezweige  in  der  Nordenfeld- 
mark eine  solche  von  0,035»i  Länge  mit  zier- 
hcher  Zuspitzung  und  zackiger  Base.  Der  Schelk 
am  nördhchen  Abhänge  der  Haar  zwischen 
Bausenhagen  und  Siddinghausen,  Frömern  und 
Hemmerde,  der  einzige  zusammenhängende  Best 
der  einst  ,waldbewachsenen'  Haar,  vormals  ein 
königliches  Gehege  mit  Hirschen,  Birk-,  Hasel- 
hühnern und  Wölfen,  bewahrt  noch  einige  sehr 
erhebhche  Denlmiäler  der  alten  oder  gar  der 
Urzeit,  uämlich  mehrere  Hügelgräber,  deren 
emige  nördüch  und  östlich  von  Bausenhagen, 
zwei  bis  drei  östhch  von  Fi'ömern  liegen.  Eines 
von  jeneu  ist  etwas  eingefallen,  eines  von  diesen 
ist  fast  ganz  abgetragen,  ohne  dass  ein  Fund 
gemacht  wurde,  ein  anderes  ergab  vor  vielen 
Jahren  bei  einer  Nachgrabung  etwa  1,25m  unter 
der  Oberfläche  Steine  gruppirt,  ,wie  bei  einem 
Altäre',  darum  Asche,  Knochen,  Metallknöpfe 
und  ein  Beil  von  Eisen. 

Gewiss  nicht  schon  für  römisch  darf  ein 
schadhaftes  Lippefahrzeug  (Fig.  9)  gelten,  das 
ohne  den  abgefallenen  Schnabel  7,53>m  laug  aus 


einem  krummen  Eichenstamme  in  der  Tiefe  wie 
den  Wandungen  ganz  unregelmässig  und  mit  an- 
noch  mangelhaften  Werkzt.'Ugen  gearbeitet  und 
schon  deshalb  sehr  alt  ist,  weil  sich  darin  eine 
0,011m  dicke  Platte  von  Cappenberger  Quarz- 
sandstein (Fig.  10)  in  Form  einer  Schaufel,  an 
der  geraden  Base  0,016m  breit,  bis  zur  abgerun- 
deten Spitze  recht  schlank,  also  ein  Steingerät 
darin  vorfand,  welches  jedenfalls  zum  Schiöe  auch 
gehört  hat.  Dass  die  altdeutschen  Stämme  die 
Schiffahrt  übten  und  liebten,  beweist  schon  das 
Treö'en,  welches  Drusus  den  Bructerern  auf  der 

Ems  heferte ;  dass 
auch  die  Lippe  schiff- 
bar war.  beweisen  die 
Schutzstrassen  der 
Römer  an  ihrem  Ufer, 
ein  bei  Haltern  darin 
gefundener  Schiffs- 
anker und  namentlich  der  Triumphzug  der  Deut- 
schen, worin  sie  unter  andern  Siegestrophäen 
im  Jahre  71  n.  Chr.  auch  das  Admiralsschiff  des 

Statthalters  Cerealis  am  Nieder-    ^"- 

rhein  der  gefeierten  Patriotin    ^•-'Tiii^'' -' 

Velleda,  die  auf  der  Bructerer- 
seite  in  einem  Thurme  wohnte, 
hinaufl3rachten.  Vielleicht  reichte 
die  Schiffbarkeit  des  Flusses  soweit,  ^vie  die  römi- 
schen Uferstrassen,  sie  nimmt  später  so  sehr  ab. 
dass  sie,  wie  wir  sehen  werden,  zur  Zeit  Karl's 
des  Gr.  kaum  mehr  eine  Bedeutung  für  die  Cultur 
und  Anwohner  hat. 

Die  Urnen,  die  Horngeräte  und  das  Fahr- 
zeug, so  sämmtüch  dem  Lippebette  entstammen, 
beruhen  im  Museum  des  Vereins  für  Geschichte 
und  Alterthumskunde  Westfalens,  eine  Hornaxt 
angeblich  in  Bonn. 

Einen  kleinen  lehrreichen  Fund  machte  sein 
Besitzer  Herr  Baurath  Borggreve  zu  Hamm  im 
Nordenstift  und  zwar  im  nördhchen  Winkel  der 
Grenzlandwehr  und  der  Heesseuer  Chaussee  an 
3  Urnen,  einem  bronzenen  Zierring  und  einer 
zerstörten  Steinaxt.  Die  Urnen  smd  aus  Thon 
mit  eingesprengtem  Quarz  oder  Sand  gebacken 
und  wahrscheinlich  aus  freier  Hand  geformt, 
sämmtlich  ohne  Fuss-und  Mundrand:  die  grösste 
von  der  Gestalt  eines  Beckens  (Fig.  il)  hat  bei 
geringer  Bauchung  eine  Höhe  von  0,1  S7>»,  einen 


14 


GERXTE  um»  AMPERE  ALTEETl'UER. 


engen  Fuss,   dagegen  eine  Mündungsbreite  von 

0,288w,  —  die  zweite  (Fig.  12)  hat  bei  starker 

11.  Wandung  eine  et- 

" o.zs's"' y-      was  schlanke  Form. 

eine  Mülldungs  weite 

von   0,104m,    eine 

Hohe   von   0.082;m 

und  etwas  über  der 

halben    Höhe    zwei 

*    o,üyin,     ►  kleine    Oesen;    die 

dritte  (Fig.  13)  zeigt  bei  einer  starken  Bauchung 

einen  ziemüch  langen  Hals  und   an  der  dazu 

übergehenden  Schweifung  des  Bauches  ein  Linien- 

omament  von  je  drei 
Linien,  die  winkeüg 
^ooo4»,  gegen  einander  ste- 
hen. Der  Durchmes- 
ser des  Fusses  be- 
trägt 0,04owi,  der 
der  äussersten 
Bauchweite  0,099»;,  der  Mündung  0,072/«,  die 
Höhe  0,07 iym.  Der  Bronzering  (Fig.  14)  besteht 
aus  einem  viereckigen  Kerne  mit  vier  schön  aus 


der  Hand  gekräuselten  Stegen  und  hat  geschlos- 
sen eiiK'ii  Durchnicsscr  von  (»,14:3»/.  Er  ist 
iiilnilich  an  zwt'i  Endhaken  zu  schliessen  und  zu 
«ilfnen  und  daher  zumal  bei  der  zierhchen  Form 
für  einen  Halsring  anzusehen. 

Schade  ist,  dass  wir  über  die  Beschalfenheit 
der  betreffenden  Funde  von  Mühlhausen,  Nord- 
herringen. Anlei  nichts  Zuverlässiges  beizul)ringen 
vennügen. 

An  entschieden  römischen  Ueberresten 
können  wir  aufzählen:  eine  grosse  aus  dem 
lii|»|)el)ette  bei  Werne  in  <las  Museum  des  .\ller- 
tunis-Vereins  zr.  Münster  übertregangene  Am- 
phora vitu  blassrotlieni  Tlion  mit  schieferigem 
l'rnclie,  nach  unten  fast  keL'eJsjiitz.  am  äussern 
Mundrandi'  gekehlt,  0,03;«  hoch,  eine  0,2^U>» 
lange  geflügelte  Lanzenspitze  von  Eisen,  ge- 


funden an  der  Hoenburg.  sodann  zwei  Stücke 
eines  1825  zu  Beckinghausen  gemachten  Fundes, 
nämlich  wieder  eine  römische  Amphora  und 
eine  äusserst  zierUche  grosse  Flachschüssel  aus 
terra  sigillata,  leider  nur  in  Bruchstücken  ange- 
i  troffen,  deren  eins  den  mit  einem  Stempel  einge- 
drückten Namen  des  Töpfers  EI  KARO  enthielt. 
Beschaffenheit.  Form  oder  Fundort  lassen 
I  femer  römischen  Ursprung  vermuten  für  folgende 
Gegenstände  in  der  Esselen'schen  Sammlung  zu 
I  Hamm:  eine  grosse  Dolabra  von  Eisen,  ge- 
'  funden  zu  Beckinghausen.  ein  vom  Rost  bis  auf 
I  die  Kemtheile  verzehrtes  Schwert  mit  einer 
schlanken.  0.94;«  langen  Klinge,  einem  0.20m 
langen  Griffe  und  einer  nach  unten  gebogenen 
[  Parirstange,  gefunden  1855  auf  der  ,L<indwehr 
im  Süden  der  Bummannsburg,  —  mehrere  in 
Metallglanz  angelaufene  Reste  von  römischen 
Gläsern,  welche  nach  Angabe  des  Besitzers  ein 
bauchiger  Bruinien  des  Leffer'schen  Gartens  zu 
Hamm  barg,  endlich  ein  eigenthümliches  Fund- 
stück aus  der  Nordenfeldmark,  nämlich  ein  run- 
des Bleischeibchen,  vermutlich  ein  Amulet. 
an  einer  Seite  mit  einer  Präge,  welche  inner- 
halb eines  viereckigen  oben  mit  Spitzen  besetzten 
Rahmens  ein  A  und  daneben  zwei  Ringe  mit 
aufrechtem  oder  hangendem  Stifte  darstellt  — 
und  endlich  wiederum  für  ein  Lippefundstück  von 
Werne  in  der  Sauimlung  des  Bauraths  Borg- 
greve  zu  Münster:  eine  eiserne  Speerspitze. 
0,5();h  lang  und  von  schönem  vierblattartigen 
Profile.  Die  dreieckigen  Lampen,  welche  in 
den  Hünenkinifen  bei  Unna  steckten,  köinien 
römische  Graltaltortümer  bedeuten;  L;nnj>en 
nebst  Urnen  und  Glasgefässen  befanden  sich 
auch  unter  den  Hömerfunden  in  der  Kinzinger 
Niederung  bei  Rückingen. 

Münzfunde  sind  mehrere  gemacht.  Auf 
der  Höhe  von  Hilbeck  kamen  seit  der  Mitte 
des  vorigen  Jahrhunderts  zu  Tage  .viel  Bömer- 
geld  von  dem  Augusto.  keines  aber,  so  nach 
seiner  Zeit  gcmttnzet',  bis  in  die  jüngste  Zeit 
viele  Silbennünzen  von  Auüustus.  welche  jedes- 
mal durch  den  Handel  der  Heimat  entführt 
wurden,  neuesthin  mit  einem  Eisengeräte  auch 
rrnen.  die  indess  einer  andern  Zeit  einzureihen 
sind:  —  aus  der  Lijjpe  bei  Werne  bewahrt  der 
Alterthums -Verein    zu    Älünster    einen   Silber- 


BUllGENBAlTEX. 


15 


denar  mit  einem  Frauenkopf  und  der  mangel- 
haften Inschrift  (Agripp?)  INA  .  .  .  AVG  .  .  . 
und  einer  stehenden  Frauengestalt  im  Revers; 
ferner  kam  beim  Bau  der  Bahnstrecke  Hamm- 
Unna  zu  Lüiiern  in  den  Armenstock  eine  Rümer- 
münze  und  eine  Zeitlang  später  beim  Fort- 
schreiten der  Linie  eine  zweite,  diese,  wie  man 
meint,  aus  einem  Hügel  des  Rittersitzes  und 
Schultenhofes  ßorgmühle.  Ihr  jetziger  Inhaber, 
Herr  Professor  Krafft  in  Bonn,  beschreibt  die 
Stücke  wie  folgt: 

1.  Postumus-  in  Billon  (halb  Silber)  Imp. 
c.  Postumus  p.  f.  aug.  Rev. :  Providentia  aug. 
Stehende  Figur. 

2.  Constantinus  m.  Kleinerz  in  Kupfer,  Con- 
stantinus  max.  aug.  Rev. :  Gloria  exercitus ;  zwei 
Feldzeichen  zwischen  zwei  Soldaten ;  a  l'ex.  Tr.  p. 

Um  dieselbe  Zeit  wurde  dem  Kaufmann  A. 
Herdickerhof  zu  Unna  eine  Silbermünze  des 
Kaisers  Trajau  von  0,01 8wi  Durchmesser  und 
2,75  Gramm  Gewicht  überreicht: 

Av.:  O  OPTIMO  AVG  GERDACPMTRP, 
Büste  des  Trajan  mit  Mantel  rechts  gewandt, 
das  Haupt  bekränzt; 


Rev.:  ...  VI  P.  P.  S.  P.  Q.  R  die  nackte 
stehende  Gestalt  des  Triptolemus,  hnks  gewandt, 
in  der  Rechten  die  Opferschale,  in  der  Linken 
Aehren  haltend. 

Herr  Hofrath  Essellen  benennt  aus  seiner 
Sammlung  folgende  antike  Münzen,  welche  im 
Laufe  der  letzten  Jahrzehnte  bei  Hamm  aus 
dem  Bette  oder  dem  Ufergelände  der  Lippe 
hervorgezogen  seien : 

1.  Av.:  AGRIPPIXA  A\"GVSrTAj,  Büste 
(oder  Brustbild)  nach  rechts  gewandt;  Rev.:  Um- 
schrift verschlissen,  in  der  Fläche  eine  sitzende 
Figur  nach  hnks  gewandt,  links  und  rechts  von 
ihr  die  Buchstaben  S  —  C.    Gross-Bronze. 

2.  Av.:  VRBS  ROMA  zu  beiden  Seiten 
einer  nach  hnks  gewandten  Büste  mit  dem  Helm : 
Rev.:  Umschrift  fehlt;  in  der  Fläche  die  Dar- 
stellung des  Romulus  und  Remus  unter  der 
Wölfin,  in  Abschnitte  T  R  S.  Kleinbronze. 

3.  Eine  anscheinend  altgriechische :  Av. :  Um- 
schrift fehlt,  männlicher  Kopf  rechtshin;  Rev.: 
Umschrift  fehlt,  ein  Pferd  rechtshin.  Einzelne 
goldige  Zeichea  am  Rande  sind  die  Ueberreste 
der  verwischten  Inschrift.     Mittelbronze. 


n- 


r.  A.  Borggreve,  Die  bei  Werne  in  der  Lippe  gefundenen  Alterthümer  in  der  "Westf.  Zeitschr.  (1809)  XXVTII,  307—334  mit  vielen 
Abbildungen;  —  über  das  Alter  des  Schiffes  vgl.  L.  Lindenschimdt ,  Alterthümer  unserer  heidii.  Vorzeit  TL,  n  Taf.  V;  —  über 
die  römische  Lanzenspitze  Essellen,  in  der  Westf.  Zeitschrift  XXH,  265,  Tafel  Nr.  12 ;  —  über  die  Flachschüssel  von  terra 
sigillata  und  eine  Amphora  Dr.  Tross'  Westfalia  182i!,  S.  393 ;  —  über  die  Funde  in  der  Hammer  Xordeiifeldmark  Borggreve"s 
Handzeichnungen  und  EsseUen,  das  Römische  Castell  Aliso,  der  Teutoburger  "Wald  und  die  Pontes  longi  1857,  S.  22.  über  das 
Schwert  S.  13,  Abbildungen  des  Schwertes,  der  Bleischeibe  und  einer  Feuersteinspitze  das.  Taf.  HI,  Fig.  1,  2,  3;  —  Bonner 
Jahi-b.  55-56,  p.  195;  —  über  die  Münzfunde  zu  Hilbock  Hülseiibeck,  Gegend  der  Varusschlacht  S.  30;  —  über  die  giiechische 
Münze  vgl.  Berliner  Blätter  für  Münz-  luid  "Wappenkunde  V,  53,  Taf.  LIV,  Fig.  11  und  12.  —  Local  -  Untei-suchungen. 


Burgenbanten. 


Die  Deutschen  hatten,  wie  ich  oben  bemerkte, 
Fähigkeit  und  Ursache  genug,  Schanzen 
und  Burgen  zur  Abwehr  und  zum  Angriffe  zu 
enichten  —  doch  so  lange  besondere  Funde 
fehlen,  kann  keine  unserer  altern  Burgen  hier 
in  Betracht  kommen. 

Oesthch  am  Sandbockumer  Querwall  und  an- 
scheinend im  Winkel,  welchen  dieser  mit  der 
römischen  Heerstrasse  bildete,  stösst  man  auf 
ein  sonderbares  Erdwerk,  den  ,Montenberg' 
oder  ,alten  Montenberg',  der  nach  den  Unter- 
suchungen Anderer,  denen  kein  undurchdring- 
ücher  Holzwuchs  die  Uebersicht  hindern  mochte, 
ein  etwa  drei  Morgen  grosses  Graben -Viereck 


bildet,  im  Innern  zwei  längliche  Wallaufwürfe, 
auf  der  Ostseite  zwei  viereckige  Anhöhen  von 
ungleicher  Grösse  enthält  und  im  Süden  noch 
durch  einen  Wall,  im  Osten,  Norden  und  Westen 
durch  eine  Niederung  geschützt  erscheint.  Das 
Werk  weicht  hiernach  aou  einer  mittelalter- 
lichen Anlage,  welcher  Art  sie  auch  sei,  so  sehr 
ab,  dass  man  es  entweder  für  ein  früheres  oder 
späteres  Kriegserzeugniss  halten  möchte,  und  da 
es  sich  so  eng  den  römischen  Wege-  und  Damm- 
bauten anschhesst,  mag  es  für  eine  römische 
Schanze  gelten,  die  immerhin  später  ^'ieder  be- 
nutzt und  umgestaltet  sein  kann. 

Die   htigelartige   Bauweise  im  Vereine   mit 


IG 


BUEGEXBAUTEX. 


der  natürlichen  Umfrebuntr.  welche  noch  der 
HoenburjT  bei  Xordherringen  und  der  Burg  ^Mark 
bei  Hamm  eignen,  hat  die  Forscher  veranlasst, 
in  ihnen  römische  Anlagen  zu  wittern  oder  zu 
erkennen:  alles  zusammengenommen,  was  über 
ihre  Herkunft  und  ihre  Bestimmung  entschei- 
den kann,  werden  wir  sie  nur  unter  den  mittel- 
alterlichen Werken  berücksichtigen  können,  bis 
nicht  anderweitige  Funde  einen  frühern  Ursitrung 
näher  legen.  Ebenso  halten  wir  es  mit  dem 
Hause  Oberfelde  an  der  Westgrenze  des  Kreises 
oder  vielmehr  mit  dem  es  umfassenden  Graben- 
Viereck,  welches  freilich  für  sich  kaiserliches 
Lehen  war. 

Die  weithin  diiivli  ihre  Hügel- Wälle  sichtbare 
,Biiiiinuinnb-Hurg'  (Fig.  15)  oder  ,der  Bumms- 
V)erg'  im  Norden  der  Herringer  Heide  und  so 
genannt  nach  einem  Nachbarhofe  im  Südwesten 
—  ein  gewaltiges  Erdwerk  am  Rande  der  Lippe- 
niederung —  gilt  allen  Forschern  für  ein  verstüm- 
meltes, einigen  zugleich  für  ein  durch  spätere 
Zuthaten  umgestaltetes  Römer-Lager.  Wie  man 
der  Zeichnung  absieht,  die  die  Fonn,  Maasse 
und  Profile  bringt,  erstreckt  es  sich  hart  am 
Rande  der  alten  Lii»[)e  oder  eines  verschütteten 
Lippebassins  von  AVosteii  m^n  Osten  trapezartig 
und  fast  in  allen  Theilen  unreirelmässig;  der 
Kücken  ist  durch  Cultur  sogar  mit  dem  West- 
wall des  Kernwerkes  verwischt.  Eine  genauere 
Darleirung  der  L'rgestalt  wollen  wir  einer  speciel- 
leren  Untersuchung  der  noch  vorhandenen  Reste 
sowie  des  nördlichen  und  MTstlichen  Boden- 
tcrrains  überlassen,  müssen  aber  selbst  zum 
Zwt'cke  der  nöthigsten  Erläuterungen  die  Form 
der  bestehenden  Theile  und  vollständig  erhal- 
tenen Werke  zum  Ausgange  nehmen.  Das  Kern- 
werk hat  jedenfalls  an  der  heutigen  Grösse  und 
Gestalt  nicht  viel  einirebüsst;  es  bildet  ein  läim- 
liclies  N'iereck  und  der  bereits  Ix'schädigte  Süd- 
wall zeigt  im  Westen  mich  eine  schwache  Neitruiii: 
nach  Norden,  also  di»'  Richtung  des  westlichen 
Aitsehlusses.  Weil  dem  Kernwerk  sonst  die 
.Mitte  des  länglichen  LageiTaumes  zukömmt,  so 
wäre  dem  letzteren  hier  eine  Ausdehnung  im 
Kücken  zuzuschreiben,  wie  sie  die  Front  zeigt, 
und  im  Norden  eine  el)enso  entlegene  Schutz- 
tlanke,  wie  sie  im  Süden  Jioch  theilweise  erhalten 
ist.  Von  einer  so  gelegenen  Hückenwalluns;  restirt 


vermutlich  noch  der  kleine  jetzt  hufeisenförmig 
gestaltete  Hügel  gegenüber  der  Südwestecke  des 
Kernwerkes,  sei  es  als  innere  vor  der  Glitte  er- 
richtete Warte  sei  es  als  Bruchtheil  der  Rücken- 
wehr, der  aus  örtüchen  Rücksichten  verschont 
wenn  auch  umgestaltet  ^^lrde,  als  die  Wälle 
geebnet  oder  zur  Planirung  in  den  Wiesen- 
grund gestürzt  wurden.  Denn  das  nördüch  an- 
stossende  Terrain  bildet  eine  Iwdenlose,  theils 
angeschwemmte,  theils  angeschüttete  Wiesen- 
fläche als  Rest  eines  Bassins  vielleicht  für  einen 
Hafen,  und  möglicherweise  hat  hier  eine  Nord- 
flanke von  AVall  und  Holzwerk  zugleich  die 
Scheide  des  Stromes  und  des  Hafens  etwa  in 
einem  Abstände  gemacht,  dass  ihre  Flucht 
der  ersten  Knickung  des  Wallarmes  entsprach, 
welcher  von  der  Xordostecke  der  Ligerfront  am 
Uferrande  schützend  um  das  Wasserbassin  nach 
Nordwesten  ausgreift.  Dann  müsste  die  an  der 
Westspitze  verstümmelte  Nordflanke  als  spätere 
Zuthat  gelten,  zumal  sie  den  Zucrang  zum  Bassin 
gesperrt  hätte.  So  gedacht,  erlanirt  die  Lacrer- 
fläche  einen  entsprechenderen  Flächeninhalt  und 
damit  einen  Ersatz  für  die  Verluste  durch  das 
Bassin,  und  die  Grundform  reijelmässige  Dis- 
positionen bis  auf  die  Lage  der  Südflanke:  es 
verhielte  sich  daim  Breite  zur  Dlncre  fast  wie 
2  :  3.  Da  jedoch  in  der  AViese  keine  Spur 
einer  Flanke  mehr  nachweisbar,  die  vorhandene 
au  der  WestsjHtze  verstümmelte  Nordflanke  in 
der  Flucht  des  nördlichen  Kernwalles  gelegen 
ist,  so  lässt  sich  zur  Zeit  nur  eine  Ligergestalt 
herausbringen,  deren  Kemwerk  unmittelbar  auf 
die  Mitte  der  Nordflanke  stiess.  und  deren  Di- 
mensionen sich  wie  2  :  4  verhielten  —  Unregel- 
mässigkeiten, welche  man  theils  den  örtlichen, 
theils  unaufireklärten  Ursachen  zuaeireben  haben 
nuiss.  Da  ferner  den  Lagern  in  der  Regel  nur 
ein  Aussenwall  zukommt,  so  erregt  hier  die  Dop- 
pelwallung Bedenken,  und  doch  charakterisirt 
den  Aussenwall  im  Osten  wie  im  Süden  ein  altes 
Profll.  Immerhin  mögen  der  untere  Theil  des 
nördlichen  Wallannes,  der  sogar  keulenartig  an- 
schwillt, sowie  die  kleine  Vorlage  seines  (Hht- 
theiles  von  spätem  Kriegsvölkeni  herrülin-n: 
haben  doch  die  Fnmken  auch  die  hiesige  Ufer- 
strasse und.  wie  Fun«h'  darthun.  die  Bummaims-s 
Burg  benutzt.    Und  sollten  nicht  auch  die  Fran- 


BURGEXBAUTEN. 


17 


^     m^ 


Maas?stab. 

1:5000     fiir  die  Situation. 


r  ,  1  .  ,  ,  ,     ,  ,  1 II           ,           1           ,           1 

200 

ir.o 

JOO   so    60    40     20      0 

1:1000 

100 

20 

1     ,. 

1                    II                    1 

1...         1 

GIOMIUR. 


00  Meter 


10      5       0  10  20 


10  50  eOMeter 


18 


BßlXTEKER  rSh   SACHSEX. 


zosen,  welche  bei  Xordherrinj^en  im  17.  Jahr- 
hundert einen  heissen  Kampf  bestanden,  diese 
alte  Verschanzung  bezogen  haben? 

Spätere  Krieger  haben  wol,  nachdem  die 
Colonisation  den  Riicken  des  Lagers  schon  früh 
zerstört,  durch  Gräben,  vielleicht  gar  durch  Ver- 
legung des  Baches  hier  eine  westüche  Deckung 
wieder  hergestellt  und  damit  den  Sumpfboden 
an  der  Südseite  des  Prätoriums  verursacht.  Dies 
hat  im  Osten  jedenfalls  noch  seine  beiden  Ur- 
eingänge  l)(!wahrt,  im  Westen  indess  wohl  nur 
einen  gehabt,  falls  dort  in  den  Ecken  tluirm- 
artige  Anschüttungen  bis  in  unser  Jahrhundert 
bestanden.  Da  das  Wasser  in  der  XDnlflanke 
wol  kein  Thor  zuliess,  hat  die  Lager-Front  und 
vielleicht  der  Rücken  jedesmal  zwei  Eingänge  ge- 
habt, wie  sie  in  den  Ecken  der  Front  vorliegen. 
Das  Hauptthor  lag  ohne  Frage  in  der  Mitte  der 
Südflanke.  Die  Wälle  des  Werkes  imponiren 
durch  ihre  Stärke  und  stellenweise  durch  eine 
beträchtliche  Höhe,   die  Innengräben  durch  ihr 


schönes  Profil.  Xamentlich  bekundet  die  zier- 
üche  Abrundung  einiger  Ecken  die  Kunstfertig- 
keit der  Erbauer. 

Eine  Nachgrabung  im  Innern  der  Südflauke 
stellte  1805  hier  den  vielleicht  durch  die  Er- 
weiterung des  Baches  entstandenen  Sumpfljoden 
ausser  Zweifel  und  führte  noch  auf  zwei  kleine 
von  Holz  eingefasste  Brunnen,  die  jetzt  als 
kleine  Tümpel  noch  sichtbar  sind.  Der  eine 
viereckige  war  0,86m  im  lichten  Gevierte  weit 
und  l.')~m  tief,  mit  Eck-Pfilhlen  und  darum  ge- 
legten Bohlen  ausgebaut :  der  andere  bestand  aus 
einem  ausgehöhlten  Baumstamme  und  mass 
im  grösseren  Durchmesser  0,63m.  Weil  sie  im 
Sumpfboden  lagen,  werden  sie  aus  den  fränki- 
schen Kriegen  stammen,  me  die  Topfscherben, 
die  wir  später  besprechen.  Der  östUche  Lager- 
raum ist  in  einen  Ackerkamp  verwandelt,  die 
Innenlläche  des  Kernwerkes,  die  Wallung  an  der 
Ost-  und  Südseite  dichter  oder  lichter  mit  Holz 
bestanden. 


Uiigcnauero  Abbildungen  des  Montenbeives  und  der  BummaniLsbuiv  boi  Essellon,  das  Rom.  L'ii>tell  Aliso,  Taf.  I.  Xr.  2  u.  3:  der 
Bummannsburg  in  desselben  Gesch.  der  Siirambor,  Taf.  IB.  —  mit  Profilen  bei  niilzemiaiin.  Taf.  IV. ;  —  besser  bei  F.  A.  Borp- 
preve,  die  Bummannsburg  und  die  Ilohenburif  im  Amtsteiorko  I'elkum,  Kreises  Hamm;  mit  5  Blilttem  Zeichnungen.  Hamm  l**?!. 
Ms.  in  der  Bibliothek  des  Altorthums -Voreins  in  Münster,  Taf.  I — III,  mit  Situation,  Profilen  uiid  Grundhss  der  Burg.  —  Vgl. 
Schneider  in  den  Bonner  Jahrb.  02,  13G.  —  Local- Untersuchuiiir  uiid  -Aufnahme. 


-.«x^^ 


^SgXgTS' 


Bmcterer  und  Sachsen. 


J; 


^e  weniger  die  deutscheu  Stämme  von  aussen 
mehr  zu  fürchten  hatten,  um  so  unruhiger 
wurde  es  wieder  im  eigenen  Hause.  Die  einen 
tluteii  i;i'n  Westen  über  Könierlande,  die  andern 
verbinden  oder  bekriegen  sich  gegenseitig,  die 
inilchtigeni  fordern  als  Kami)f]ireis  Land  oder 
Abhängigkeit.  Uebermütig  erhel)eii  die  Bmc- 
terer ihr  Haupt;  sie  die  an  der  obeni  Ems 
und  als  kleine  Bmcterer  an  der  Unter-Eins  und 
-Lippe  sasseii,  reichen  sich,  scheint  es,  zuerst 
die  siegreichen  Hände  über  die  Bevölkerung 
des  Münsterlandes  und  verhalten  sich  dann  so 
feindselig  zu  den  Nachbarstäininen.  <lass  sie 
von  den  Angrivariern  und  Clianiaven  im  Osten 
und  Westen  mit  Krieg  tiberzogen  uml  im  Jahre 
'>H  n.  Chr.  wenigstens  in  ihren  kainpfnihiir«'!! 
Hlementen    über    die    Li])pe    geworfen    werden. 


Dass  die  Stammbevölkerung  der  kleinen  Bmc- 
terer ihre  Sitze  behielte,  erhellt  aus  der  ethno- 
graidiischen  und  sprachlichen  Gemeinschaft, 
welche  die  Oslhälfte  des  Kreises  Beckum  und 
die  Westzone  des  Kreises  Wiedenbrück  bis  auf 
den  heutigen  Tag  beherrscht.  Die  vertrie- 
benen Mannschaften  lassen  sich  in  den  leenMi 
Wohnsitzen  Westsigambriens  nieder  und  beherr- 
schen hier  zwischen  der  Lijiite  und  Kubr  einen 
Complex,  den  das  Vest  Kecklinghausen  und  das 
Stift  Essen  im  Westen,  ungeHihr  der  Kreis 
Hamm  im  Osten  oder  das  Gebiet  des  Hellweges 
von  Werl  bis  Essen  ausmacht.  Die  auffallend 
aus  der  Ostlinie  weichenden  Bructorer- Dörfer 
Anipen  im  AVesten,  Altougeseke  und  Schmer- 
leke  im  Osten  von  Soest  waren  von  Nachzüglern, 
die  noch  iast  die  Ursitze  der  kleinen  Bmcterer 


BRl'CTERER  OD  SACHSEX. 


19 


berührten,  doch  bald  schon  wie  auch  Soest,  von 
den  Angrivariern  oder  Engern  bewohnt;  diese 
sind,  um  den  Oststrich  Sigambriens  einzu- 
nehmen, von  Osten  her  den  Bructerern  gefolgt 
und  deren  Nachbarn  geworden,  doch  wahrschein- 
hch  nicht  ohne  Grenzstreitigkeiten,  die  nament- 
hch  auf  der  Linie  von  der  Ruhr  bis  zur  Lippe 
entbrannten:  dafür  ergeben  sich  in  christlicher 
Zeit  allerhand  Anzeichen,  die  in  heidnischer  Zeit 
wurzeln  werden.  Wenn  sonst  die  Grenzen  der 
kirchlichen  Decanien  mit  denen  der  Volks- 
stämme zusammenfallen,  sind  die  Pfarren  Büd- 
derich  und  Scheidingen  später  politisch  Bestand- 
theile  des  Engernlandes ,  kirchlich  der  Decanie 
Dortmund,  welche  nur  Bructererland  umfasste. 
Es  muss  doch  auffallen,  dass  von  der  Märki- 
schen Pfarrei  Bausenhagen  die  östlichen  Bauer- 
schaften Wickede  und  Wiehagen  Kölnisches  Land 
und  dennoch  mit  einem  Märkischen  Freistuhle 
besetzt  sind,  dass  die  Pfarrei  Diuker,  die  zur 
Engern'  Decanie  Soest  gehört,  politisch  mit 
der  Westhälfte  wieder  Mark  untersteht,  dass  in 
ihr  schon  der  Gemeindeverband,  in  der  Osthälfte 
wie  im  Süden  von  Soest  der  Bauerschaftsverband 
herrscht.  Warum  greifen  auf  dieser  Scheide 
bructerische  und  eugerische  Einrichtungen  so 
zickzackförmig  durcheinander  und  übereinander? 
wahrscheinlich  weil  es  nicht  zu  einer  dauerhaften 
Abgrenzung  kam,  weil  der  eine  Stamm  den  an- 
dern übervortheilte  und  nahm  so  viel  er  konnte. 
Dabei  errang  freiUch  Engern  zumal  unter  Kölni- 
scher Landeshoheit  den  Löwenantheil ;  und  so 
waren  es  gewiss  nicht  blos  Annexionsgelüste, 
sondern  auch  Stammesattractionen,  welche  die 
Grafen  von  der  Mark  im  13.  Jahrhundert  an- 
spornten, ihre  Gogerichtsbarkeit  nach  Osten  auch 
in  den  Kirchspieleu  Dinker  und  Welver  geltend 
zu  machen.  Vermutlich  lag  die  Stamm  scheide 
östlicher  und  vielleicht  in  einer  nur  wenig  ge- 
knickten Linie  von  Wickede  an  der  Ruhr  bis 
Vellinghausen  an  der  Lippe,  welche  den  Namen 
, Landwehr'  führt.  Von  Btidderich  nach  Süden 
liegt  sie  als  Wallung  vor.  von  Scheidingen  über 
Meirich,  Welver,  Dinker  bis  Vellinghausen  kUngt 
ihr  ehemaliges  Vorhandensein  nach  in  dem  an 
Grundstücken  haftenden  Namen  ,Landwehr'. 
Und  fehlte  auch  das  Mittelstück  auf  Werl,  so 
haben  wir  au  einem  Endpunkte  desselben  den 


bedeutsamen  Ortsnamen  Scheidingen  und  von 
Werl  selbst  das  urkundliche  Zeugniss  vom  Jahre 
1395  29/9,  dass  dort  der  Salzbach  .Engem*  von 
dem  Westen  scheidet,  die  Stadt  selbst  auf  der 
Völkergrenze  liegt.  Hiemach  waren  im  Beginne 
der  christlichen  Zeit  beide  Stämme  culturge- 
schichtlich  einander  genähert,  die  ethnographi- 
schen Eigentümlichkeiten  von  der  einen  nach 
der  andern  Seite  im  Fluctuiren  begriffen,  die 
einzelnen  Strecken  der  Landwehr  ohne  physi- 
schen Einäuss.  Wer  die  Landwehr  gegraben, 
ob  die  Engern  oder  Bracterer  oder  gar  schon 
die  Römer,  ist  nicht  ausgemacht.  Als  römische 
Linie  hätte  sie  einer  andem,  die  von  Himmel- 
pforten auf  VoUbringsen  herabkommt  und  von 
hier  anscheinend  nach  Schwefe  und  Borgein  zeigt, 
sehr  nahe  gelegen,  immerhin  jedoch  hier,  wie 
am  Niederrhein,  auch  von  den  deutschen  Stäm- 
men als  Grenz-  und  Schutzwehr  erkämpft,  ge- 
theilt  und  benutzt  sein  können. 

Wir  müssen  uns  den  Nachweis  über  die 
kirchengeschichtlichen  Thatsachen  vorbehalten, 
um  die  Bructerer,  nachdem  wir  ihre  Wohnsitze 
nach  dem  Maasse  unserer  Aufgabe  bestimmt 
haben,  in  ihrer  Thätigkeit  kennen  zu  lernen.  Sie 
schonen,  wie  anzunehmen,  die  vorfindUchen  Ein- 
richtungen und  Verhältnisse,  betreiben  wie  die 
Sesshaftigkeit  gebot,  mehr  Ackerbau  und  Vieh- 
zucht, wie  in  der  Urzeit.  Nun  muss  auch  die 
Hofeseinrichtuug,  Ane  sie  uns  unter  Karl  d.  Gr. 
begegnet,  und  bis  heute  besteht,  erfolgt  sein, 
nämhch  die  Ausstattung  des  Hofes  mit  einem 
weitern  Privateigentum  von  Grund  imd  Boden 
auf  Kosten  des  gemeinsamen  Areals  oder  der 
Mark,  die  auf  einen  bestimmten  Kreis  beschränkt 
sein  wird.  So  können  die  beiden  grossen  Höfe 
Eiberich  zu  Rünthe  und  Heil  an  der  Lippe  erst 
nach  der  Römerzeit  angelegt  oder  aiTondirt  sein, 
weil  jener  fast  in  der  Westecke  der  Bummanns- 
burg,  dieser  nahe  an  dei  Königs -Landwehr  liegt. 
Gleichwol  überlassen  sie  das  Ausrotten  der  Wäl- 
der vorerst  noch  den  Epigonen,  um  dem  Ivriegs- 
leben  und  der  Wanderung  nachzuhangen. 

Im  Jahre  392  haben  sie  sich  gar  so  dem 
Rheine  genaht,  dass  sie  wie  die  Chamaven  von 
dem  römischen  Oberfeldherrn  Arbogast  bekriegt 
werden ;  ihre  wanderlustigen  Kräfte  gehen  zu  dem 
anscheinend   in   Norddeutschland    gegen  Roms 


3* 


20 


BttCCTERER  UND  SACHSEX. 


Herrschaft  j^ebildeten  Frankenbund  über  und 
erneuern  die  altsigambri.schen  Beziehungen  zu 
den  Anwohnern  des  Rheines.  Von  hier  aus 
mischt  sich  der  Westsaum  Altsigambriens  so 
stark  mit  chattuarischen  Elementen,  dass  der 
Landstrich  von  Schwelm  bis  Hattingen  später 
gar  der  Freistühle  entbehrt.  Schon  früh  konnte 
manches  christliche  Samenkorn  von  "Westen  nach 
JJructrien  und  Engern  getragen  werden,  so  dass 
der  Frankenkönig  Dagobert  dem  Kölner  Bischof 
Kunibert  um  O.'i.S  zu  Soest  eine  Liegenschaft 
schenken,  dieser  angeblich  dem  h.  Petrus  hier 
ein  Holzkirchlein  und  wie  zu  Schwelm  und  Men- 
den eine  Almosens|)ende  stiften  konnte.  Als  dann 
die  Bekehrung  Norddeutschlands  von  den  Angel- 
sachsen ernstlicher  betrieben  Miirde,  kam  sie 
nächst  den  Friesen  den  Bructerern  zu  Gute: 
doch  war  es  nicht  das  Brüderpaar  der  Ewalde, 
sondern  ()93  der  h.  Suitbert,  der  ihr  Apostel 
Miirde  und  solchen  Glauben  fand,  dass  die  heid- 
nischen Sachsen  über  die  Lippe  brechen,  den 
Missionar  mitsammt  seinen  (^iläubigen  aus  dem 
Lande  verjagen,  diesem  sowie  dem  ganzen  Si- 
gaml)ergebiete  ihre  Hcrrscliaft  und  ihren  Nanii'U 
aufprägen,  neben  dem  glcichwol  der  ethnogra- 
phische Name  der  Bructerer  noch  lange  hin 
laut  durchklingt. 

Längst  waren  die  Sachsen  als  listliclie  Grenz- 
nachbarn den  Franken  furchtl)ar,  dann  Herren 
der  belgischen  Küste  und  Englands,  im  6.  Jahr- 
hundert Nordtliiiringens  und.  nachdem  sie  das 
Hrurtcrcrland  unterworfen,  auch  die  Herren  von 
ganz  Westfalen  geworden.  Westfalen  hatten 
sie  walirsclicinlich  mit  berittenen  Kriegsscharen 
unterworfen,  die  Einwulmer  Itei  den  anirestamm- 
ten  Keehten  und  (iewnlinlieiteii  belas>en.  zur 
Krie'isilt'nossensehaft  und  gewissen  Leistungen 
ver|)llichtet,  hr»cli>^tens  für  den  einen  oder  andern 
Krieger  einen  Haupthof  als  Beute  belialten  und 
die  umwohnemlen  Hauern  zu  ihm  in  ein  Sclnitz- 
verhältniss  gel)racht:  denn  nach  wie  vor  ertönen 
in  Westfalen  je  nach  den  Stämmen  die  Sprach- 
idiome, und  hier  allein  ist  das  Heicli  der  Fem- 
gerichte —  ganz  abweichend  von  dem  liande 
der  Altsachsen.     Die  westfälischen  Sachsen  be- 


gegnen uns  bald  als  freie  und  meistens  als  stimm- 
berechtigte Männer  auf  den  Volksversammlungen, 
als  kriegsberechtigte  Vaterlandsvertheidiger  im 
Heere,  die  Lippe -Bauerschaft  Stockum  insbe- 
sondere als  eine  Herrschaft  mit  freien  Bauern, 
der  Oberhof  als  königliches  Eigentum,  als  wenn 
sein  Bauer  wie  so  viele  Edehnge  von  Karl  d.  Gr. 
wegen  Unbeugsamkeit  nach  Ivrieirsrecht  wäre  ver- 
jagt worden.  Denn  kaum  waren  die  Sachsen  ihrer 
Herrschaft  bis  an  die  (Frenze  der  Kheinfranken 
froh,  so  entbrennt  gegen  diese  der  alte  KacekTieg 
mit  immer  wachsender  Heftigkeit:  er  galt  dem 
angestammten  Freiheitsleben  und  Göttercult 
gegenüber  jenom  Brudervolke,  das  allmälig  ganze 
Strecken  des  Kömerreiches  und  selbst  die  näch- 
sten Bruderstämme  seiner  Oberhoheit  und  dem 
Christentum  unterworfen  hatte. 

Allem  wie  die  sächsischen  Bructerer  durch 
die  Einwirkungen  der  fränkischen  Nachbarn,  der 
Kölnischen  Kirche  und  der  Klosterstationen 
immer  mehr  vom  GhristenGrlauben  annehmen,  so 
spielen,  umgekehrt  wie  in  der  Kömerzeit.  die 
Kriege  der  Franken  allmälig  in's  Innere  Sach- 
sens über  und  werden  von  Karl  d.  Gr.  so  plan- 
mässig  und  nachdrücklich  geführt,  dass  Sachsen 
sich  seiner  Herrschaft  und  dem  Christentum 
für  immer  hingibt.  780  ward  das  Land  in  Mis- 
sioussj)rengel.  7S2  in  (irafschaften  d.  i.  fränkische 
Verwaltungsbezirke  eingetheilt  und  diesen  werden 
eingeborne  Edelherren  vorgesetzt. 

Selbstredend  nahm  unser  Südsaum  der  Lippe 
an  diesen  Kata-itrojihen  und  ihn-n  Folgen  An- 
!  theil:  die  s|)rachlichen  Ablaute  gegen  das  alt- 
sigambrische  Idiom  erhielten  durch  den  Zuzug 
der  Sachsen,  die  hier  zahlreicher  wie  im  Süden 
sich  ansiedeln  mochten,  neue  Nahrung:  er  sieht 
wiederholt  die  Züire  der  Franken,  welche  die  römi- 
schen Strassen  und  Marschlager  benutzt  haben, 
sowol  nach  dem  Iimerii  Sachsens  wie  nach  der 
alten  Feste  Syburg.  er  hat  sein  Territorium  753 
durch  Verhaue  und  Verschanzungen  gegen  die 
Franken  liewehrt.  .Aus  den  Quellen  ist  klar. 
dass  die  Lippe  die  Operationsbasis  für  die  Unter- 
werfune  <les  nördlichen  Landes  war.' 


»  »  ■ 


Ol'ÜÄTE  UNI)  ANDKUK  ALTEKTL'MKK. 


21 


Greräte  niid  andere  Altertümer. 


An  Denlanälern,  die  sicher  oder  vermutlich 
dem  grossen  Zeiträume,  den  der  Abzug  der 
Kömer  und  die  Herrschaft  der  Franken  begrenzen, 
angehören,  haben  wir  verschiedene  Altertümer 
des  häuslichen,  offen tUchen  und  des  Kriegslebens 
zu  verzeichnen. 

Da  uns  wenig  Bronzesachen  und  —  anders 
wie  im  Norden  der  Lippe  —  keine  Bronzewaffen 
vorgekommen  sind,  so  dürfte  das  Eisen  hier 
schon  früh  durch  den  Handel  mit  den  Kömcrn 
und  sicher  zur  Zeit  der  Bructerer  allgemeiner 
behebt  und  gebraucht  sein,  und  hierhin  auch 
das  Eisenbeil  mit  den  Metallknöpfen  zählen, 
welches  ein  Hügelgrab  bei  Bausenhagen  um- 
schloss. 

Als  fränkisches  Altertum  vom  Kriege  oder 
vom  Handelsverkehr  übrig  fand  sich  gegen  1826 
bei  Hohenhövel  in  der  Nähe  des  Herringhauser 
Berges,  eine  Viertelstunde  nordüch  von  Hamm, 
eben  jenseits  unserer  Grenze,  im  gepflügten  Felde 
eine  kleine  Goldmünze  von  0,012m  Durch- 
messer —  die  man  in  die  Zeit  der  Merovinger 
versetzt.  Auf  der  Hauptseite  erscheint  das  Brust- 
bild des  Königs,  der  Kopf  mit  der  Strahlenkrone 
geziert,  die  Umschrift  CHOITV(L)  FIT,  und 
im  ersten  Worte  ein  Ortsname,  die  Kehrseite 
zeigt  wie  bei  vielen  Merovinger  -  Münzen  ein 
Kreuz  auf  einer  Erhöhung  und  in  der  Umschrift 
BETTEVINO  oder  BETTELINO  vielleicht 
den  Namen  Betto  monetarius;  dann  fiele  die 
Münze  in  die  Zeit  Childebert's  H,  der  von  575 
bis  596  regierte.  Sie  gehört  übrigens  zu  den 
höchst  seltenen  und  um  so  mehr  fällt  ihr  häufiges 
Vorkommen  in  Westfalen  auf. 

Nach  ihrer  Beschaffenheit  oder  zugehörigen 
Fundstücken  dürften  als  Erzeugnisse  dieses  Zeit^ 
raumes  anzusehen  sein  mehrere  Urnen,  welche 
zu  Hamm,  Herringen  und  Hilbeck  gleichfalls  in 
den  letzten  Jahrzehnten  aus  geringer  oder  sehr 
beträchtlicher  Tiefe  an's  Licht  kamen.  Dahin 
zählen  zwei  Stücke  in  der  Sammlung  des  Herrn 
Hofraths  Essellen  zu  Hamm  von  schwärzhchem 
Thon  und  fusslosen  Bauche  aus  der  Hand  ge- 
formt, in  dem  engen  Halse  und  zugespitzten 
Halsrande  auf  der  Drehscheibe  oder  mittelst 
einer  Form   abgeschhffen ;   die  eine  ist  schad- 


I  haft.  im  grössten  Durchmesser  etwa  ()M<h».  weit. 
:  gefunden  in  der  Südenfcldmark,  die  andere  0,1 5w 
I  hoch  und  uiigefUhr  O.lHm  weit,  gefunden  am 
Bahnhofe :  von  einer  dritten  wurde  jüngsthin  eine 
in  die  Sammlung  des  Herrn  Dr.  W.  von  der  Mark 
übergegangene  Scherbe  am  Feidick  ausgegraben, 
die  ai.s  schwärzlichem  Thon  mit  eingesprengten 
milchweissen  Quarzkörnern  besteht,  Spuren  der 
Drehscheibe  zeigt  und  einem  Geschirre  mit  einer 
Bauchung  von  mindestens  0,25m  Weite  angehört. 
Der  Urnenfund  von  Henüngen,  welcher  in  süd- 
westhcher  Nähe  des  Dorfes  gemacht  wurde,  hat 
sich  anscheinend  ganz  zerstreut  und  deshalb  hier 
Beachtung  gefunden,  weil  er  gemischt  war  mit 
heidnischen  Idolen;  solche  sind  doch  von  den 
Sachsen  sogar  in  Gold  gefertigt  und  eifrig  ver- 
ehrt, uns  jedoch  wahrscheinhch  durch  die  Schatz- 
gräber der  frühem  Zeiten,  welche  sie  schon  des 
Stoffes  halber  suchten,  wol  meistentheils  vorweg- 
genommen. Auf  der  Bummannsburg  wurden  bei 
einer  Nachgrabung  im  Sumpfboden  der  beiden 
Brunnen  mehrere  zum  kleinen  Theile  vom  Herrn 
Hofrath  Essellen  aufbewahrte  Scherben  von  irde- 
nen Geschirren  blossgelegt.  die  auch,  wenn  man 
nach  den  Stücken  das  Ganze  sorgfältig  recon- 
struirt,  fast  nichts  Kennzeichnendes  in  Bezug 
auf  die  Entstehuugszeit  und  den  Stil  und  ins- 
gesammt  nur  plumpe  Formen,  schwache  Hals- 
bildung und*  schlechte  Arbeit  darstellen.  Einige 
sind  von  schwarzer  Farbe  aus  einem  eisenhal- 
tigen mit  Quarzkörnern  und  Holzkohlenstaub 
vermengten  Thoue  schwach,  andere  aus  einem 
gelblich  grauen  Thone  mit  groben  Sandkörnern 
fest  gebacken,  die  dritte  Sorte  zeigt  eine  grau- 
liche Thonmasse  mit  Sandkörnern  und  Glasur 
und  theilweise  einen  festen  Brand.  Der  Form 
nach  haben  mehrere  Gefasse  von  gelbhchem 
Thone  einen  Henkel,  einen  gefranzten  Fuss,  eine 
einem  Deckel  angepasste  Mündung  und  regellos 
aufgewischte  Zierstriche  von  braimer  Farbe.  Eine 
Scherbe  enthält  Glasur  und  die  regelmässigere 
Farbenzier  in  Form  eines  Netzwerkes.  Wir  be- 
merken also  an  den  gesammten  Resten  keine 
römischen  und  urheimischen  Motiv»^  mehr  und 
würden  sie  einer  spätem  Zeit  zuschreiben,  wenn 
nicht    jene    Zierstriche    einer    schwarzbraunen 


22 


BniGEXBACTEX. 


Scherbe  und  in  zwei  Reihen  anscheinend  eine 
mit  Holzstäbchen  eingedrückte  Verzierung  vor- 
kämen, wie  sie  Töpferarbeiten  eignen,  die  auf 
Grund  von  Nebenfunden  der  fränkischen  Zeit  zu- 
erkannt sind.  Ihr  gehören  also  auch  wol  die 
übrigen  Reste  und  zwar  von  Schöpf-  und  Koch- 
geschirren mit  weiter  Mündung  und  wahrschein- 
lich ohne  Fussrand:  diese  haben  am  Mündungs- 
rande zwei  sich  gegenüberstehende  Oetfnuiigen  zum 
Durchziehen  eines  Tragriemens  oder  dazwischen 
zugleich  eine  GiessöffnunL'  und  eine  Henkelöhre. 
In  dem  Garten  des  Landwirths  Reynold  zu 
Hilbeck  fanden  sich  jtingsthin  tief  in  der  Erde 
neben  einander  eine  ()J)'-h)i  lange  F.isenstange 
an  einem  Ende  mit  einer 
Oese  zum  Aufhängen,  am 
andern  mit  zwei  recht- 
winklig angesetzten 
.schnabelförmigen  Haken 
versehen  —  vennutlich 
ein  Feuergerät,  einige  Bo- 
denreste von  Gc fassen 
aus  einem  schwärzlichen 
^  ""•'-     '  schieferartig  verbackenen 

Thune  mit  Knochenresten  und  eine  grössere  0.24»/ 
hohe  Urne.  Diese  (Fig.  16)  besteht  aus  einer 
weisslichen  Tlionmasse.  steigt  ohne  Fuss  schlank 
gebaucht  und  hübsch  geformt  bis  zur  einfachen 


Krempe  des  verengten  Halses  empor,  zeigt  über 
der  Bauchung  horizontale  Wellenlinien  und  sonst 
Näthe,  die  von  der  Töpferscheibe  herrühren.  So 
schön  auch  dies  Geföss  erscheint,  so  nöthigt  uns 
doch  das  Ganze  des  Fundes,  ihn  der  Bructerer- 
oder  der  Sachsenzeit  zuzuschreiben.  Ihr  eignet 
vielleicht  noch  eine  Pfeilspitze  von  jenen  Fund- 
stücken der  Hoenburg.  die  wir  später  beachten. 
Sodann  wären  zu  nennen  gewisse  Stücke  des 
uns  bekannten  Lippefundes  bei  Werne,  so  eine 
Pfahlwehr  des  Stromes,  welche  aus  zwei  paral- 
lelen Reihen  von  PfahlgruiJpen  bestand,  fenier 
die  Trümmer  von  zwei  kleinen  aus  eichenen  Ein- 
bäumen gehöhlten  Flii>>fahrzeugen,  die  der 
Altertums-Verein  zu  Münster  aufbewahrt.  Das 
eine  ist  nur  mit  einem  Ende  erhalten  und  mit 
einer  aus  dem  Holze  gesparten  Quenvand  ge- 
theilt,  das  andere  ist  noch  0.00»?  lang  und  in 
den  Seitenwandungen  schadhaft.  Da  zur  Zeit 
Karl's  d.  Gr.  der  Lippeverkehr,  den  wir  noch 
unter  den  Römern  und  Altdeutschen  bedeutsam 
fanden,  so  nachgelassen  hat.  dass  nicht  eine 
einzige  Mutterkirche,  später  nicht  eine  einzige 
Pfarrkirche  am  Flussufer  sich  erhol),  so  dürften 
diese  Einbäume,  zumal  sie  tief  im  Boden  steck- 
ten, noch  der  altern,  und  da  ihre  Bearbeitung 
schon  von  guten  Werkzeugen  herrührt,  der  Zeit 
vor  Karl  d.  Gr.  antrehören. 


Biii'goiiba\iteii. 


^TlTas  die  Burgen  betrifft,  so  \\-ürde  es  auf- 
▼  T  fallend  sein,  woiin  der  Frankenkrieg,  der 
seitens  der  Sachsen  ininn  r  mehr  defensiv  aus 
kleinen  Wall-  oder  gn'issern  N'olksburgen  geführt 
wurde,  keine  Spuren  davon  in  unserm  Kreise 
hinterlassen  hätte,  wo  es  doch  an  schützendem 
Wasser  und  Berghöhen  nicht  mangelte.  Nörd- 
lich und  südlich  gab  es  zwei  Flüsse,  hier  auch 
noch  die  Höhen  und  Bergvorsj)rüngc  der  Haar. 
Ich  vermute,  dass  die  beiden  Burgstätten 
Sclieda  und  Ardei,  die  wir  sjiäter  als  Hitter- 
Iturgen  wiedertrelTen,  in  ihren  Wallgräben  oder 
Gräl)en  iinch  aus  der  Sachsenzeit  herrühren. 
Sie  ki'innten  dann  nicht  wie  Eresburg  und  Sieg- 
biirg  den  grossen  Volksburgen,  worin  ein  V(»lks- 


heer  mit  Weil)  und  Kind.  Vit-h  und  Habe  llüch- 
tete.  sondern  mir  den  Gaufesten,  die  den  Um- 
wohnern zur  Zeit  der  Gefahr  einen  Rückhalt 
boten,  beigezählt  werden.  Vergi'srenwärtigen  wir 
uns  nochmal  die  Situation  von  Aniri,  so  tn^ffen 
wir  im  Westen  des  Osthölter  Baches  einen  Alv- 
hang.  welcher  im  Gst^'u  durch  den  steilen  Al>- 
fall,  im  Süden,  AVesten  und  Norden,  wo  er 
mit  der  Ebene  zusammenhängt,  durch  einen 
etwa  15'  breiten  Graben  gedeckt  ist,  so  dass 
tler  so  umwelirte  Raum  bei  etwa  70  Schritten 
Breite  und  1(>0  Llnge  fast  die  Gestalt  eines  un- 
regelmässigen Vierecks  hat.  Da  das  aupren- 
zende  Ackerland  .Alter  Hof'  heilst,  so  mag  hier 
ein  Graben,  der  diese  als  Vorbuni  in  weiterer 


BraGENBAUTEN. 


23 


Peripherie  umfing,  eingeebnet  und  die  Vorburg  j 
zu  Ackerland  gemacht  sein;  —  genau  so  steht  j 
es  ja  auch  mit  der  Burg,  welche  die  hohe  Berg-  ! 
zunge  östlich  am  OsthOlter  Bache  bedeckte,  nur 
dass   sie    mächtiger,   durch   Natur  und   Kunst  \ 
fester  war,  wie  \^^r  unter  ,Ardei'  ersehen  werden,  i 
Welche  Kolle  beide  Nachbarfesten  einst  gespielt,  | 
erschhessen  wir  leicht  aus  den  Funden,  welche 
man  in  ihrer  Nähe  und  in  dem  eingeschlossenen  I 
Thalbecken  gemacht  hat,  sowie  aus  den  Sagen,  | 
welche  sich  an  die  Ostburg  knüpfen.    Ende  der  | 
dreissiger  Jahre  fand  man  eine  Urne  in  einem  ! 
Hügelgrabe   am   Ostufer,    eine   zweite   in   dem 
Westufer,  später  eine  dritte  in  einem  Hügel- 
grabe   nordöstlich  von   der   kleineu   Burg   und 
endlich  entdeckte  man  beim  Bau  der  Eisenbahn 
fünf  Minuten   im  Osten  der  grossen  Burg   auf 
einem  zur  Ruhr  abfallenden  Plateau,   das  noch 
nicht  entleert  scheint,  deren  mehrere  mit  Asche 
und  Knochenresten,  welche  leider  gleich  die  Gier 
nach  Münzen  zerschlagen  hat.    Und  auf  der  Ost- 
Burg,   deren  Südraud  noch  einen  , Spring'  hat, 
kamen  vor  zwanzig  Jahren  Utensihen  von  Eisen, 
darunter  auch  kleine  Hufeisen,   auf  der  west- 
lichen Burg  neben  Hufeisen  auch  Schwerter  an"s 
Licht.     An  die  grosse  Ostburg  knüpft  sich  die 
Sage,  dort  hege  ein  Schatz  vergraben,  den  Tags 
eine  Henne  mit  ihren  Küchlein  hüte,  während 
des  Nachts  ein  Licht  darüber  brenne  —  die  An- 
wohner   haben    deshalb    vor   Jahrzehnten    hier 
Schatzgräberei  getrieben.     Nimmt  man  hinzu, 
dass  an  der  Südseite  des  Burgberges  ein  ,Hilli- 
kenhaol'  nämhch  ein  tiefgründiger  Teich  besteht, 
dass  hier  im  Mittelalter  die  Bank  eines  Gerichtes 


gespannt  und  die  Hauptburg  zum  Sitze  der  Edel- 
herren  von  Ardei  ausgewählt  wurde,  so  ven^iin- 
dem  wir  uns,  wie  einst  auf  so  engem  Fleckchen 
die  höchsten  Inttn'essen  imserer  Ahn«m.  die  Ver- 
theidigung  der  Heimat,  die  Bestattung  derTodten. 
die  Verehrung  der  Gottheit  und  der  Schutz  des 
Mein  und  Dein  — Alles  zusammen  zum  Ausdrucke 
kam,  und  heute,  wenn  auch  nur  in  dürftigen 
Resten  und  Nachklängen,  noch  vor  uns  auflebt. 
Funde  und  Sage  geben  auch  dem  Gedanken 
keinen  Raum  mehr,  die  Anlagen  seien  rein  mittel- 
alterlich, von  Raubrittern  in  Ermangelung  der 
Mittel  blos  aus  Gräben  hergestellt:  sie  wären 
als  solche,  wenn  man  die  Vorburg,  wie  sie  auf 
dem  Ostvorsprunge  bis  in  unsere  Zeit  vorlag, 
mit  tiberschaut,  auch  weiträumiger  gewesen. 
wie  Mark  und  andere  Hofburgen  der  Gegend. 
Gleichwol  begegnet  uns  noch  eine  ganz  ähn- 
liche und,  wie  Steinbaureste  beweisen,  gleichfalls 
als  Ritterburg  benutzte  Anlage  in  der  Nähe  ruhr- 
aufwärts  nahe  bei  Scheda,  nur  dass  hier  die 
Bergzunge  nach  Süden  gerichtet,  ihre  bügel- 
artigen Gräben  noch  mit  Wällen  verstärkt  sind. 
Immerhin  zeugt  es  von  bescheidenen  Ansprüchen 
und  Mitteln,  wenn  Ritter  sich  mit  solchen  Erd- 
werken begnügten  und  auf  festere  oder  gar  stil- 
volle Steinbauten  verzichteten.  Alle  drei  Werke 
erscheinen  mit  Hoheusyburg  als  die  westlichsten 
Glieder  einer  Doppelkette  von  Bergfesten,  welche 
sich  auf  beiden  Seiten  den  Kuppen  und  Vor- 
sprüngeu  der  Ruhr  entlaug  zog.  und  wenn  diese 
erst  völlig  untersucht  und  klar  gelegt  sind, 
werden  auch  sie  deutUcher  nach  Zweck  und 
Alter  aus  dem  Dunkel  hervortreten. 


Heg.  H.  W.  I,  Nr.  Gl  if.  —  L.  von  Ledebm-,  Land  und  Volk  der  Bructerer,  1827,  S.  32  ff.,  147  f.,  173.  —  Bender  versetzt  in  der 
Westf.  Zeitschr.  XEK,  18  ff.  die  drei  Ortschafton  Ampen,  Schmerleke  und  Geseke,  jedenfalls  mit  Uiu-echt,  in  die  Grafschaft 
Stark.  —  Ueber  die  Landwehr  von  Büdderich  bis  Wickede  Hülsenbeck,  Gegend  der  Varusschlacht  S.  44.  —  Ueber  die  Coloni- 
sationen  v.  Metternich,  Besehreibung  des  Kreises  Höxter  (1870)  I,  73,  87  ff.  —  Ueber  die  Gerichtsbarkeit  von  A\'elver  und  Dinker  und 
die  Eufrerngreiize  zu  "Werl  U.  B.  d.  H.  "W.  I,  Nr.  390;  H,  Nr.  891.  —  Ueber  chattuarischen  Südwestsaum  Westfalens  v.  Ledebur 
a.  a.  0.  S.  158.  —  Möller  I,  50—57.  —  Kampschulte  S.  4,  7,  30  ff.,  91.  —  Evelt,  Westf.  Zeitschr.  XXUI,  7—35.  —  Kentzler  in 
den  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  XH,  321,  324,  327,  339,  312,  351.  —  Borggreve,  die  Bummannsbrrg  und  Hohenbursr, 
Taf.  n.  mit  9  Abbildungen  von  Thonscherben.  —  Derselbe  in  der  Westf.  Zeitschr.  XXVm,  314,  325,  Taf.  UI.  Fig.  18—22.  — 
Tross  und  Moyer  in  der  ,Westfalia'  182G  S.  194,  225  mit  Abbildung  der  Meroviiiirer  Münze.  -  Ueber  die  germtuüschen  Grab- 
stätten Schafhausen,  Bonner  Jahibb.  44-45,  S.  85  ff.  —  Uebor  die  altdeutschen  Götterbilder  W.  Wackcrnagel.  Kleinere  Schriften 
I,  50.  —  Ueber  Ardei  Mittheilungen  des  Hemi  Pastors  Ziu-  Nioden  in  Fröndenberg  —  F.  J.  Pieler.  Das  Ruhrtluü  (,18711  S.  93 
und  ähnliche  m  die  Urzeit  versetzte  Anlagen.  —  0.  Mehlis  in  Pick's  Monatsschrift  für  die  Geschichte  Westdeutschlands  lU,  123. 
—  A.  V.  Cohausen  m  AVestermann's  Illustr.  Monatsheften  XI,  32G  ff.,  Fig.  9.  —  Ueber  die  Sachseubui^en  Nonlhoff,  Holz-  und 
Steinbau  Westfalens  (1873)  A"^.  S.  113  ft'.  —  Local-Untersuchungon  und  -Aufnahmen. 


Die 

Denkmäler  der  christlichen  Zeit, 

(Topograpliisch.) 


^ 


AVestfaleii,  die  Mark. 


ir  dürfeu,  um  nicht  zu  weit 
auszuholen,  hier  nur  kurz- 
weg bemerken,  wie  die  Be- 
völkerung unter  dem  neuen 
Kegimente  den  angestamm- 
ten Gewohnheiten,  Rechten, 
selbst  dem  anfangs  verpönten  Gildenwesen  und 
den  alten  Beschäftigungen  insofern  nachlebte, 
als  es  mit  der  Christenreligion  und  mit  dem 
neuen  Staats-  und  Kriegsleben  in  Einklang  zu 
bringen  war.  Allgemach  hebten  sich  die  Wälder 
und  vergrossern  sich  die  Ackerländereien  mit 
der  Zahl  der  Bebauer.  Der  Name  der  Bructerer 
behauptet  sich  nur  noch  eine  Zeit  lang  bei  den 
sttdüchen  Lippeanwohnern,  um  wie  schon  früher 
dem  Namen  der  Sachsen,  so  jetzt  mehr  und 
mehr  der  allgemeinen  Benennung  Westfalen  zu 
weichen.  Diese  kam  schon  im  letzten  Franken- 
kampfe den  Westsachsen  zu,  griff  von  hier  all- 
mälig  östlich  auf  die  Engern  diesseits  und  jen- 
seits der  Weser  über,  und  bezeichnete  endüch 
gegen  Altsachsen,  Friesen  und  Franken  jenen 
grossen  Landstrich  Norddeutschlands,  dessen  Be- 
wohner eine  nähere  Stammverwandtschaft  im 
Blute,  in  der  Sprache,  in  der  Sitte  und  im  Rechte 
einte.  Das  Herzogtum  Sachsen  umfasste  und 
verband  noch  im  alten  Jahrtausend  politisch 
wieder  die  W^estfalen  mit  den  nordöstlichem 
Sachsen,  und  der  Herzog  war  nächst  dem  Könige 
der  gemeinsame  Mitteli)unkt  des  ganzen  Gebietes. 
Durchgreifender  und  dauerhafter,  weil  nach 
volkstümhchen  Grenzen  ent^\"orfen,  gestalten  sich 
(782)  die  kleineren  Verwaltungsbezirke,  die  Land- 
schaften, Gaue  und  Untergaue,  die  Grafen  unter- 
stellt und  daher  allmälig  Grafschaften  genannt 
^nirden.  Die  Grafen  und  Untergrafen  sind  nun 
königliche  Beamte,  und  sofern  nicht  Exemtionen 
eintreten,   die  Richter  und  Heerführer  für  iin-e 


Bezirke.  Zum  Jahre  899  regiert  in  unserm  Ge- 
biete namenthch  über  Methler  und  Apierbeck 
der  Graf  Adalbert,  9G6  in  der  Gegend  von  Essen 
Hoold,  1090  erscheint  ein  Graf  Meinric  in  .Buk- 
heim' unter  westfähschen  Zeugen,  —  und  unter 
diesen  Herren  waren  vielleicht  Ahnen  der  Grafen 
von  Cappenberg;  denn  diese  besitzen  hier  später 
bedeutende  Güter. 

Der  heutige  Kreis  Hamm  bildete  ungefähr 
mit  der  Mark  den  grossen  Gau  der  Bructerer, 
später,  als  Erbschaften  die  Westgrenzen  ver- 
wischten, einen  Theil  des  noch  grösseren  West- 
falengaues, der  beinahe  das  ganze  Sigambem- 
gebiet  wieder  einbegriff,  und  wol  von  Anfang  an 
die  Westhälfte  einer  Untergrafschaft,  die  sich 
später  im  Märkischen  Lande  als  Freigrafschaft 
zwischen  Ruhr  und  Lippe  markirt.  Wie  viele 
Bezirke  auch  den  Gau  der  Bmcterer  oder  nach 
seiner  Verbindung  mit  andern  den  Gau  der  West- 
falen ausmachten,  sie  kamen  alsbald  durch  Erb- 
gang sämmthch  an  das  Haus  der  Grafen  von 
Werl,  die  auf  der  Scheide  der  Engem  und 
Bmcterer  gleichsam  vorbedeutend  für  ihre  Herr- 
schaft nach  Osten  und  Westen  ihren  Sitz  auf- 
geschlagen hatten.  Ein  umfongreicher  Boden- 
besitz, viele  Lehen  und  der  Antheil  au  der  Grim- 
dung  mehrerer  Kirchen  verkündeten  noch  lange 
hin  den  Einfluss  und  die  Macht,  che  sie  im 
Kreisgebiete  ausgeübt  hatten;  das  so  geeinte 
Land  zersphtterten  sclion  seit  dem  11.  Jahr- 
hunderte Privilegien  für  bestimmte  Oerthch- 
keiten,  Schenkungen  an  die  Kölner  Kirche,  welche 
diese  dann  an  kleinere  Herren  vergab,  und  end- 
lich wieder  die  Erbtheilungen :  auch  im  Nord- 
gebiete der  Mark,  selbst  in  unsemi  Kreise, 
tauchen  Machthaber  mit  grossem  Oaer  kleinem 
Gerechtsamen  auf,  die  Herren  von  Rtidenbei^, 
deren  Hauptherrschaft  gleichwol  ,femer  lag,  auf 


1 


28 


GESCHICHTLKHE.S. 


dem  Oberhofe  Mark,  am  Südabhauge  der  Haar 
die  vielleicht  den  Rüdenbergera  entsprossenen 
Edelherren  von  Scheda  und  Ardei  für  die  Kirch- 
spiele Delwig,  Frömera,  Bausenhagen  und  Frön- 
denberg; in  der  Mitte  besass  Köln  namentlich 
das  Gebiet  von  Unna,  der  Bischof  von  Münster 
das  kleine  Amt  Khynern,  der  Graf  von  Dale 
viele  Allodien,  und  als  1180  das  alte  Sachsen- 
herzogtum zerliel,  erwarben  die  Grafen  von  Isen- 
berg,  die  bei  Hattingen  ihr  altes  Stammschloss 
hatten,  allerhand  Besitzungen  und  Kechte  in  der 
Mark,  und  gründeten  um  ihre  Burg  Nienbrügge 
bei  Hamm  (Uesseits  wie  jenseits  der  Lippe,  ein 
Territorium.  Die  alten  Besitzer,  die  Grafen  von 
Werl  oder,  so  heissen  sie  nun,  von  Arnsberg, 
müssen  ohnmächtig  dem  Zugreifen  neuer  Macht- 
haber im  alten  Erbgebiete  zusehen;  gleich wol 
Avar  es  nicht  das  Isenl)erger.  sondern  das  bluts- 
verwandte Haus  der  Grafen  von  Altena  oder, 
M'ie  sie  bald  hiessen,  der  Grafen  von  der  Mark, 
welche  von  1200  ab  fast  das  ganze  alte  Brue- 
terergebiet  zu  einer  mächtigen  Grafschaft  einen 
und  abrunden  sollten.  Dass  sie  von  dem  bruc- 
terischen  Grenzsaume  ostwärts  gewisse  Striche 


Köln  belassen  haben,  ^^lrde  früher  schon  er- 
örtert, dass  sie  das  Territorium  dort  gegen  wei- 
tere Schmälening  zu  sichern  suchten,  beweist 
ein  auf  beiden  Seiten  mit  Bäumen  bepflanzter 
Graben,  welcher  als  Landwehr  noch  heute 
gerade  auf  der  Scheide  des  Kreises  Hamm  und 
Soest  zwischen  Hemmerde  und  Holthum  in  der 
Gegend  des  Birkenbaumes  weithin  von  Süden 
nach  Norden  hinzieht.  Eine  stärkere  Landwehr 
lag  nördlich  der  Lippe  gegen  Münster. 

Diese  ^lachthaber.  zumal  die  Rüdenberger. 
die  Ardeier,  die  Isenberger  und  die  Grafen  von 
der  Mark  besiegeln  ihre  iwlitischen  Errungen- 
schaften die  einen  mit  festen  "Wohnsitzen  und 
Burgen,  die  andern  auch  mit  Stüdten.  und  die 
alhnälig  erstarkte  Ritterschaft  ihre  Sitze  mit 
Burgfesten  —  und  all'  diese  Fundationen  bilden 
zugleich  den  Boden  von  Denkmälern  geschicht- 
licher oder  auch  kunstgeschichtlicher  Art.  Doch 
die  weitern  Geschicke  des  Kreises  verflechten 
sich  vollständicr  in  die  Geschichte  der  Grafschaft 
]\Iark  und  werden  uns  noch  theilweise  bekannt 
werden  bei  der  Ortskunde  der  Monumente. 


Vcrpl.  ül)or  den  IJnutorcr-  Tind  AVostfaleneau  L.  v.  Lodobiir  a.  a.  0.  S.  10,  127:   —   Seibort7.  Laiido>-   und    !  i-> 

Horeoirthums  Westfalen   I.  220-242:  —   X.  U.-B.  IV.   WJS,  GIO,  G12.    I,  109:  —   über  dio  Tcrritnrialhcrr  •  n 

Orafcn  von  Wostfalon  zu  Worl  und  Anisbenr.  1A4.">.  S.  44  ff.,  177:  —  derselbe,  die  Djniasten  und  Herren  ;...  ..  ; V.  :  ^t- 

falon.    1H.>").    S.  H»2  ff.,  73,  108,  *t4 :  —  Kaiupsthulto.  S.  15;  —  Kindlinscr,   M.  B.  U.  Urk.  Xr.  29:  —  Mittheilun?  des  Ueirn 
F.  J.  Mehlor  zu  Hommorde;   —  die  spHtoron  Artikel  ...Mark",  ..Nienbrütfire-',  .,Aitlei",  ..Unna",  ..RhjTiem'". 


-<  O 


Kirclieii2:esclii(*htli(*hes. 


T  \as  Heidentum  verlor,  wie  gelegentlich  schon 
_L/v()rkam,  mit  seinem  Culte,  seinen  Tempeln 
uinl  rjötterbildeni  seit  dem  7.  Jahrhunderte 
nielirfacb  an  Boden  vor  dem  Samen  des  Chri- 
stentums, den  die  Angelsachsen,  die  Fran- 
ken, der  h.  Bonifacius,  christliche  Kaufleute  aus 
dem  Rhein-  und  AVälschlande.  rheinische  Kloster- 
zellen und  die  Kölner  Bischöfe  ausstreuten  — 
Hekelirungsversuche,  welclie  beim  l'ajiste  Er- 
munterung, bei  den  Franken  Rückhalt  am 
S('hwert(>  fanden,  (ileicliwul  kam  es  zu  einer 
diirclis(lilaiT(  iideii  h'eligioiisilnderuntr  erst  unter 
Karl  d.  Gr..  der  mit  seinen  Kriegern  Mönche 
und  Priester  in"s  Land  fillirte  und  die  Unter- 
werluni:  der  Sachsen  erst  für  gelungen  erachtete, 


als  sie  der  Kirche  wie  dem  Reiche  ein;;egliedert 
waren.  Das  südwestliche  Westfalen  bis  an  die 
Lippe,  mithin  auch  unser  Kreis,  war  vielleicht 
782,  wo  er  die  fränkischen  (irafschaften  hier 
errichtete,  im  Geleise  älterer  Beziehungen  dem 
Bistum  Köln  einverleibt,  und  dieses,  dem  noch 
andere  Bezirke  Westfalens  als  Bistümer  unter- 
stellt Miirden,  bei  so  weitgreifenden  Rechten  798 
zum  Range  eines  Erzbistums  erholien. 

Merkwürdiger^veise  stimmt  der  westfälische 
Tlieil  der  Kölner  Diöcese  ziemlich  genau  mit 
dem  alten  Sigambernlande.  und  als  er  dann  in 
kleinere  Venraltungsbezirke  zerfiel,  die  vordem 
gemeinsam  dem  Ddinpropste  unterstanden  hat- 
ten, cougnnrf  wieder  die  D»trt munder  Decanie 


GESCHICHTLICHES. 


29 


mit  dem  südlippeschen  liructcrerge1)iete ;  können 
doch  die  kleinen  Decanien  Essen  und  Watten- 
scheid, die  das  südlichste  Bructererland  umfassen, 
anscheinend  nur  als  spätere  AbspUsse  der  Dort- 
munder gelten.  Ihr  gehörte  also  auch  unser 
Kreis;  ihr  Ostgebiet  hiess  gar  Decanat  Hamm 
und  dies  griff  ü))er  die  späteren  Landesgrenzeu 
mit  den  Pfarreien  Biidderich  und  Scheidingen 
auf  die  alte  Völkerscheide  hinüber.  Nur  fielen 
im  Nordosten  Uentrop  als  Münsterische,  im  Süden 
die  Pfarren  Delwig,  Bausenhagen  und  Frönden- 
berg als  Filialen  der  Mutterpfarrei  Menden  und 
als  Zubehörungen  der  Decanie  Attendorn  aus. 

Der  Erzdiacon  oder  der  geistliche  Verwalter 
der  Decame  Dortmund  war  ursprünglich  der 
Dompropst  zu  Köln,  seit  1075  ^^/^  auf  Anord- 
nung des  Erzbischofs  Anno  II.  thatsächlich  der 
Dechant  des  Marieugradenstiftes  zu  Köln  und 
dieser  seines  Amtes  stets  so  gewärtig,  dass,  als 
seine  Befugniss  strittig  oder  unklar  geworden 
war,  ihm  1293  auf  Grund  alter  üebuug  durch 
schiedsrichterhchen  Spruch  die  Kechte  des 
Erzdiacons  für  die  ganze  Decanie,  dem  Dom- 
propste gewisse  Gefälle  davon  sowie  das  Juris- 
dictions-  und  CoUationsrecht  über  die  grossen 
Pfarreien  Eeckliughausen ,  Lütge  -  Dortmund, 
Unna,  Camen,  Methler,  Curl  und  die  Filialen 
von  Recklinghausen  zugesprochen  wurden.  — 
Doch  hat  der  Dompropst  später  seine  Eechte 
nur  über  Recldiughausen  und  Camen  behauptet. 

Als  Erzdiacon  für  Unna  und  Umgegend 
gerirte  sich  bald  der  Abt  des  St.  Heriberts- 
klosters zu  Deutz,  dem  seit  uralter  Zeit  die 
Collation  zustand,  für  die  Fihalen  von  Menden 
trat  thatsächlich  der  Dechant  der  Mutterkirche 
auf,  und  er  besetzte  auch  die  Pfarrei  Delwig. 
Alle  übrigen  Kirchen  des  Kreises  standen  unter 
der  Dortmunder  Decanie. 

Was  die  Ostgrenze  der  Decanien  Attendorn 
und  Dortmund  betrifft,  so  scheint  als  ihre  Grund- 
lage durch  alle  pohtischen  Wechsel  und  neuen 
Pfarrbildungen  immer  noch  die  alte  Scheide  der 
Eugern  und  Bructerer  hindurch.  Büdderich  und 
Scheidingen,  wie  mir  scheint  keine  ursprüng- 
lichen, jedoch  an  Alter  weit  über  die  Bildung 
der  Territorien  hinaus  reichende  Pftirreien,  blieben 
bei  Dortmund,  die  Bauerschaften  Wickede  und 
Wiehagen  bei  x\ttendorn,  ob  sie  auch  politisch 


(Jhurköln  unterthan  wurden.  Dinker,  eine  sehr 
alte  Pfarre  der  Soester  Decanie,  schneidet  mit 
den  beiden  Märkischen  Bauerschaften  Norddinker 
und  Frielinghausen  auffallend  tief  in  die  Dort- 
munder Decanie,  als  ob  ihre  Pfarrkirche  gerade 
auf  der  alten  Völkerscheide  errichtet  wäre;  das- 
selbe gilt  von  Welver,  welches  jüngerer  Stiftung 
ist.  Und  wie  in  beiden  Fällen  die  westüchen 
Flügei  bructerischen  Blutes  bei  der  Decanie 
Soest,  so  ver])lieb  wieder  der  Entrern'sche  Ost- 
theil  von  Scheidingen  bei  jener  von  Dortmund. 
Ist  doch  Werl  wie  wir  wissen  und  Scheidingen 
wie  der  Name  sagt,  geradezu  auf  der  Scheide 
beider  Völker  errichtet,  als  ob  die  Kirche  hier, 
nachdem  sich  die  Stammcsgegensätze  mit  der 
Zeit  zu  verwischen  begonnen,  eine  Annäheruncr 
durch  den  einheitUchen  Pfarrverband  erstrebt 
hätte. 

Vergleichen  wir  ferner  diese  Ostgrenze  der 
Decanie  mit  jeuer  der  Grafschaft  Mark  oder  des 
Kreises,  so  liegt  die  letztere  stellenweise  eine 
Stunde  weit  gegen  jene  zurück  und  erreicht 
sie  nicht  einmal  zu  Dinker,  wovon  sie  doch 
einige  Bauerschaften  einschhesst.  Mit  andern 
Worten,  Churköln  hat  seine  territoriale  Herr- 
schaft in's  Bructerergebiet  hinweg  über  den  kirch- 
lichen Decauiesaum,  der  einmal  nicht  mehr  zu 
verrücken  war,  nach  Möglichkeit  vorgeschoben. 

Sollen  Avir  genauer  die  Pfarrgrenzen  be- 
achten, so  bildete  im  Norden  die  Lippe  eine 
ethnographische  und  natürliche  Diöcesangrenze 
—  doch  nirgendwo  so  unregelmässig,  wie  gerade 
im  Bereiche  des  Kreises  Hamm:  denn  hier  hat 
die  Diöcese  Münster  Antheile  auf  dem  Südufer, 
dort  die  von  Köln  auf  dem  Nordufer,  ander- 
wärts müssen  Schwenkungen  des  Stromes  Per- 
tinenzien  von  Köln  abgeschnitten  und  allmälig 
auch  kirchlich  Münster  zugetheilt  haben.  So 
lag  die  Bauerschaft  Stoclram.  wo  sie  als  Do- 
niitine  858  verschenkt  ward,  meistentheils  mi 
Bructerergau,  also  jedenfalls  auf  dem  Sttdufer 
und  bald  darauf  liegt  sie  auf  dem  Nordufer  in 
der  Diöcese  Münster  und  nur  ihr  süiUicher 
Saum,  den  nun  die  Windungen  des  Flusses  be- 
herrschen, hängt  wie  das  jüngere  Haus  Stockum 
noch  kirchlich  mit  Köln,  politisch  niit  der  Mark 
zusammen;  weiter  östhch  hätte  in  Vorzeiten 
nach  einer  Deduction  von  1580  die  Lippe,  wie 


30 


GE.SCHItIITLICHES. 


ihr  späteres  Rinnsal  beweise,  sogar  den  Torcks- 
platz  zu  Nordherrinfren  als  Münsterisches  Gebiet 
umfasst.  Der  ums^^ekehrte  Fall  hatte  statt  bei 
Nienbrügge  westlich  von  Hamm.  Der  Schloss- 
antlieil  auf  dem  Xordufer  gehörte  zur  Pfarre 
Herringen  und  zwar  bis  zu  jener  Bodensenkung, 
die  hier  offenbar  als  altes  Flussbett  den  geradern 
Lauf  der  Lippe,  wo  sie  pbitzlich  nach  Süden 
umschweift,  fortsetzt,  und  nachdem  der  Graf 
von  der  Mark  Nienbrügge  besetzt  und  die  Ein- 
wohner in  die  Pfarrei  Mark  gezogen  hatte,  er- 
hielt (12-53)  der  Pfarrer  von  Herringen  für  die 
Verluste  auf  beiden  Seiten  eine  Entschädigung: 
fortab  bildet  die  ganze  Nordenfeldmark  einen 
Ik'standtheil  der  Münsterischen  Pfarrei  Heessen. 
Verwickelter,  doch  auch  interessanter  ge- 
stalteten sich  gewisse  Pfarrabgrenzungen  ober- 
halb Hamm ;  hier  liegen  die  Häuser  Haren  und 
Uentrop  mit  ihren  gleichnamigen  Bauerschaft i-ii 
auf  dem  Südufer,  und  doch,  seitdem  sie  bekannt 
werden,  in  der  Grafschaft  Mark  und  in  der 
Diücese  Münster,  l)is  die  Mark  sich  in  der  Re- 
formation vom  alten  Diocesanverbande  meisteu- 
theils  lossagte.  Eine  künstliche  Verlegung  der 
Lippe,  etwa  zu  Gunsten  der  Adelssitze,  die  sie 
hier  bespülte,  lässt  sich  schwerlich  annehmen, 
weil  diese  Burgen  bei  der  Christianisirung  noch 
nicht  bestanden,  und  Uentrop  geradezu  als  Mün- 
sterische Pfarrei  gegründet  wurde;  auch  wäre 
damit  nicht  erklärt,  wie  das  Gebiet  von  Mark 
dem  Kölner  S]trt'iig»'l  di(^  beiden  Häuser  Haren 
und  Uentrop  zur  Mark  geboren  konnten.  Die  letz- 
teren sind  vielmehr  absichthch  im  Scluitze  der 
Lippe-Labyrinthe  angelegt,  die  wahrseheinlieh  eine 
haarscharfe  Landesscheide  verwischt  hatten,  bis 
scliliesslich  ein  südlicher  Lauf  obsiegte,  so  dass 
sie  nun  thatsächlich  auf  dem  Xordufer  politisch 
isolirt  waren.  Dass  sie  aber  auf  dem  ursprüng- 
lich gleiebgültigen  IJoden  dem  ]\Iiinsterlande 
entfremdet  wurden,  hatte  bei  Haren  sicher,  t>ei 
Lentrop  wabrscbeinlich  seinen  Grund  in  <len 
«'Hgereii  IJezieliiMiLren  ihrer  Erbauer  zur  Burg 
um!  zur  (inirscbaft  Mark,  (ieiiui:.  die  Wand- 
hni'^'en.  welelie  hier  die  I^andesgren/.e  im  Kleinen. 
h;it  die  Diöcesangrenze  im  Grossen  und  weit 
fnllier  mit  iihnliohen  Folgen  durchgemacht.  Die 
Li|»|ie  bildete  nilmlicli.  wie  wir  sjiäter  unter  Mark 
«liirlbiiii    wcnien.    höchst    wahrscheinlich    vom 


Hause  Heidemühle  bis  unterhalb  des  Hauses 
Mark  einen  Dopj>ellauf  mit  dem  siegenden  Bogen 
im  Norden  und  einem  geradern  Arm  im  Süden, 
der  als  Geithe  noch  vorhegt,  und  umfasste  da- 
mit ein  neutrales  Gebiet,  das  als  solches  in  der 
Osthälfte  mit  Uentrop  und  Haren  zur  Diöcese 
Münster,  mit  der  Westhälfte,  nämhch  mit  Mark, 
zur  Diöcese  Köln  gesclilagen  wurde. 

Ursprünglich  theilten  sich  in  deu  Kreis  sechs 
Pfarren:  es  gehörte,  wie  bereits  erwähnt,  der 
lange  breite  Sü<lsaum  zu  Menden,  die  Nordost- 
spitze gen  Osten  zu  Dinker,  gen  Norden  zu 
einer  Münsterischen  Pfarre,  das  Lippethal  west- 
wärts zu  Herringen,  ein  Dreieck  im  Westen  mit 
Heeren  in  der  östhehsten  Spitze  zu  Brechten. 
und  das  grosse  Centrum.  welches  den  Nord- 
abhang der  Haar  und  die  Südzone  der  Ebene 
bildete,  zu  Unna.  Die  meisten  Pfarrkirchen 
lagen  also  ausserhalb  und  nur  zwei,  welciie  da- 
für auch  den  grössten  Flächeninhalt  hatten, 
innerhalb  der  Grenzen  des  Kreises.  Alle  übrigen 
Pfarreien  sind  Filialen  und  wol  meistens  aus 
Haus-  oder  Bauerschaftskapellen,  me  solche  ja 
noch  später  mit  gewissen  Harrechten  envachsen. 
nach  dem  Jahre  lüOO  zu  Pfarreien  erhoben,  also 
in  jenem  glorreichen  Jahrhunderte,  das  die  Cul- 
tursaat  der  Sachseuregenten  zugleich  als  schönes 
Erbtheil  für  die  kommenden  (.Teschlechter  zei- 
tigte. Bis  dahin  sind  die  durch  Wege,  Mal- 
stätten und  Götterculte  ausgezeichneten  Bauer- 
schaften die  Magnete  der  Kirchentrründunuen. 
hernach,  als  die  kleinen  Herrschaften  sich  bil- 
deten, werden  es  die  Burgen  und  Städte.  Zu 
Ausgang  des  ^littelalters  kommen  auf  den  Kreis 
21  Pfarreien  und  mindestens  S  Klöster. 

Die  Zeit  der  Pfarrgrimdungen  kann  hier 
nicht  genauer  verfolgt,  jedoch  schon  einiger- 
massen  aufgehellt  werden  durch  die  Patru- 
nats-,  Collations-  und  andere  Verhältnisse,  und 
hierüber  noch  ein  Wort.  Dass  der  Erzbischof 
Unna  und  Herringen,  dann  Bönen  und  Berge 
an  das  St.  Heribertsstift  in  Deutz  schenkt, 
spricht  filr  ihre  frühe  Stiftung,  zumal  da  auf 
die  meisten  übrigen  Kirclien  —  ('amen  etwa  aus- 
genitmmen  —  weltliche  (irosse  Anrecht«'  hab«'n. 
<lie  nur  ihrem  Antheile  an  der  Gründung  eiit- 
tliessen  werden.  So  kennzeiclmet  das  Patronat 
■l'T  <Jr;if«n  v.m  ■\V.rl   oder  Amsbenj  ;j1^   fnib.' 


jij;iL 


31 


Fiüalpfarreieu  Hemmerde  und  Frömeni,  viel- 
leicht auch  Bausenhagen  und  Flierich,  ander- 
seits legen  der  Güterbesitz  oder  andere  Be- 
ziehungen Cappenherg's  zu  Uentrop,  Hilbeck 
und  Methler  die  Vermutung  nahe,  dass  die  dor- 
tigen Kirchen  unter  näherer  oder  entfernterer 
Gunst  der  Grafen  von  Cappenberg  sich  ent- 
wickelten. Die  Fatronatskirchen  der  Grafen  von 
der  Mark  sind  jüngere  Stiftungen,  so  jene  zu 
Hamm,  Drechen  und  Heeren ;  waren  die  Kirchen 
älter  als  ihre  Herrschaft,  so  sind  die  Rechte 
ererbt  oder  erworben.  Von  Hemmerde  lässt  sich 
das  urkundlich  nachweisen,  von  Mark.  Rh3'nern 
und  Lünern  mit  Kecht  mutmassen. 

Weil  übrigens  von  den  Mutterkirchen  keine 
an  der  Ruhr  und  Lippe  entstanden,  so  müssen 
die  Flüsse  als  Verkehrsmittelpunkte  kaum  mehr 
in's  Gewicht  gefallen  sein,  wie  denn  auch  1495 
der  Plan  der  Soester.    den  Soestbach  und  die 


Ahse  für  kleine  Lastschiffe  fahrbar  zu  machen 
und  damit  über  die  Lippe  den  Rhein  zu  erreichen, 
an  dem  Widersprache  der  betheiligten  Regie- 
rungen und  der  Mühlenbesitzer  scheiterte. 

Die  weitere  Kirchengeschichte  des  Kreises 
bis  zur  Gegenwart  verläuft  klarer  und  zwar  in 
allen  "Wandlungen  als  Bruchtheil  einer  grossem 
Einheit:  das  gilt  nicht  nur  vom  Mittelalter, 
sondern  auch  von  der  Reformation,  von  den 
gegenseitigen  Beziehungen  der  Confessionen  zu 
einander,  von  der  Union  der  protestantischen 
Bekenntnisse  und  der  neuen  Diöcesaneinord- 
nung  der  Katholiken  in  unserm  .Jahrhunderte. 
Mehrfach  führten  diese  Wandlungen  auch  hier 
zur  Herstellung  neuer  kirchhcher  Denkmäler; 
die  Monumentenkunde  wird  darüber  das  Ge- 
nauere und  mehrfach  Neues  in  Betreff  der  ein- 
zelnen Ortschaften  beibrinc^eu. 


Reg.  H.  AV.  I,  677,  9G.  100,  101,  102,  113  ff.,  120  ff..  128,  13G,  206;  —  Evelt  a.  a.  0.  XXm,  28;  —  Kampschulte,  S.  5,  2-5  f..  33  f., 
71,  81,  91,  195,  198,  206,  208,  der  in  der  beigefügten  Karte  die  Decanie  Soest  auf  Kosten  der  Pfarre  Dinier  heschneidet ;  vergl. 
H.  Böttger,  Diöcesan-  und  Graugrenzen  Norddeutschlands.  III,  31;  —  N.  U.-B.  I,  Nr.  22;  II,  Nr.  912;  —  Tibus  a.  a.  0.  S.  16, 
236  ff.,  626;  —  F.  v.  Modem  in  Wigand's  Aielüv.  I,  2,  28 ;  —  Liber  collatorum  ...  bei  Bintenm  und  Mooren,  Alte  und  neue  Erz- 
diöcese.    I,  331  ff. ;  —  über  die  Schiffbarmachung  der  Lippe  Evelt  in  der  AVes+f.  Zeitschrift  XXTS'.  122.    -  Local-rntersuchung. 


-4^ 


Die  Denkmäler  der  christüchen  Zeit  suchen 
wir  auf  von  Ort  zu  Ort  und  fügüch  in  der 
Folge,   dass   wir   zuerst   die   Ebene   der  Lippe, 


sodann  das  Hügelgelände  zwischen  ihr  und  dem 
Haarstrang  und  endhch  dies  breite  Hochland 
selbst  durchmustern. 


Das   Ijippeg'ebiet. 


Heil. 


Kapelle   und 

Jjeginnen  Mir  unsere  Rundschau  im  Westen, 
so  brauchen  wir  nicht  weit  vom  Ufer  zu  weichen, 
um  neben  den  uns  bekannten  Spuren  der  Vor- 
zeit auch  Jüngern  Stätten,  Ruinen  oder  voll- 
endeten Denkmälern  zu  begegnen,  deren  Ge- 
schichte und  romantische  Erinnerung  uns  an- 
zieht. Gleich  zu  Heil  im  Amte  Pelkum  hegt 
neben  der  Königslaiidwehr  und  dem  Hellwege 
der  alte  Schultenhof,  welcher  schon  1122  Heile, 
später  auch  vielleicht  nach  einem  altern  lOange 
Hele  geschrieben  wurde.     Denn  hier  war,  wie 


Lippefunde. 

uns  erinnerhch,  die  sagenhafte  Behausung  eines 
Riesen  und  vielleicht  eine  Cultstätte  der  Ur- 
göttin  Hei,  in  christlicher  Zeit  eine  Kapelle. 
Die  Ueberheferung  begründet  ihren  Bau  so :  Als 
einst  zwei  Grafen  von  Cappenberg  (um  1085) 
zu  einer  Volksversammlung  aufzogen.  Miirden 
sie  im  Walde  Grevenloh  von  den  Knechten  ihres 
Lehnsmannes  Eckerick  meuchlings  erschlagen. 
Der  jüngste  Bruder  Graf  Godfried  IL.  welcher 
wegen  einer  Fuss^^'unde  zu  Hause  gebhebeu  und 
somit  der  Unthat   entgangen   war.    lässt    zum 


32 


HEIL. 


Heile  der  Seelen  an  der  Schreckensstätte  eine 
Kapelle  errichten,  die  hiernach  Seelen -heim, 
später  wie  der  Hof  Heil  genannt  wurde.  Die 
Mörder  sind  öffentlich  hinj,^erichtet,  die  Kinder 
der  unglücklichen  Eltern  vom  Oheim  wol  erzogen 
worden.  Nach  einer  andern  Wendung,  der  jedoch 
die  Genealogie  der  Cappenherger  Grafen  wider- 
streitet, wäre  der  Mord  erst  1102  begangen 
und  die  Kapelle  eine  Stiftung  Godfried's  HJ.,  der 
1122  sein  Schloss  in  ein  Kloster  verwandelte. 

Wie  die  Kapelle  war  auch  der  Hof  Eigentum 
der  Grafen,  sein  Schulte  sammelte  hier  die 
Zehnten  des  Klosters  und  konnte  1299  —  \\ie 
wol  wenig  Bauersleute  —  in  der  Klosterkirche 
eine  ]\Ieniorie  stiften.  Noch  heute  schaut  die 
stolze  Klosterpropstei  als  Besitz  der  Enkel  des 
grossen  Ministers  vom  Stein  von  einer  schönen 
Berghöhe  des  Nordufers  weithin  nach  beiden 
Seiten  in  das  Lippethal  auf  dessen  Höfe,  Dörfer 
und  Städte  ebenso  freundlich  wie   kühn  liinab. 

Die  letzte  Kapelle  war  nach  alten  Karten 
länglich  viereckig,  der  schmalere  Chor  gewölbt 
und  gerade  geschlossen,  und.  wie  die  stilvol- 
leren Steinreste  erwiesen,  ein  spätgothischer 
Bau,  welcher  im  Mauerwerk  aus  rohen  Bruch- 
und  Backsteinen,  in  den  Fensterstüben,  abge- 
schrägten Kippen  und  zwei  Schlusssteinen  aus 
Grünsfindstein  bestand;  einen  der  letzteren  zierte 
ein  Stern,  einen  andern  eine  Rosette. 

Die  ICapelle  bot  auch,  als  die  Gemeinde 
Herringen  nu'istentheils  der  Reformation  an- 
hing, den  umwohnenden  Katholiken  Raum  für 
den  öffentlichen  Gottesdienst,  den  hier  zuweilen 
(in  Franziskancr-rater  aus  Hamm  abhielt:  seit- 
dem das  Kloster  ('ai)penberg,  dem  sie  als  Erb- 
stück des  Grafen  unterstand,  (1808)  aufgehoben 
und  das  Pfarrecht  der  katholischen  Kapelle  zu 


Nordherringen  geregelt  war.  vfrlor  sie  alle  pri- 
vate oder  allgemeine  Bedeutung  und  ihr  letztes 
Gemäuer  fiel  1878. 

Etwas  weiter  oberhalb  Heil  hegen  die  alten 
Lip])eübergänge  und  hier  war  es,  wo  der  Durch- 
stich des  gewundenen  Flussbettes  ausser  dem 
reichen  Funde  heidnischer  Altertümer  auch 
einige  Gegenstände  des  ^littelalters  zu  Tage  för- 
derte, die  mit  jenen  in  der  Sammlung  des  West- 
fähschen  Alterthumsvereins  zu  Münster  beruhen : 
PjS  sind  ein  0.14;»  hohes  Töjjfchen  von  ge- 
wöhnhchem  etwas  glasirtem  Thone  und  grau- 
licher Farbe,  am  verengten  Halse  mit  braunen 
netzförmigen  Strichen  verziert,  mit  trichter- 
f'irmigem  Munde  mit  gefranztem  Fusse,  —  und 
zwei  horizontal  gereifte,  ursprünglich  bräun- 
hch  glasirte  Henkelkrüge  aus  einer  Idäulich- 
grauen  mit  Sand  vermischten  Thonmasse  von 
gerader  Mündung  und  wellig  gerandetem  Fusse, 
dereine  0,207;».  der  andere  0.104;;;  hoch:  so- 
dann zwei  Schwerter,  das  eine  in  allen  Theilen 
von  Stahl  und  Eisen  zweischneidig  0.164;;;  lang 
und  in  der  ]\Iitte  0.039;;;  breit,  das  andere  in 
drei  Stücken,  auf  der  einen  Seite  in  Silberniello 
verziert  mit  drei  liegenden  complicirten  Kreuz- 
zeichen und  nächst  dem  ersten  mit  den  Buch- 
staben S  R.  welclie  als  Sigismundus  rex  gi*- 
deutet  werden.  Das  eine  gleicht  diesem  fast 
völlig,  zumal  im  Griffe,  der  bei  beiden  vorne 
einen  Rund-Knopf  und  eine  gerade  Stange  hat. 
Allein  die  Form  (U's  Knaufes  und  der  Parir- 
stange  sowie  die  Hohlkehle  der  Klinge  sprechen 
eher  für  das  13.  wie  für  das  1.').  Jahrhundert  — 
und  den  beiden  Henkeltöpfen  ähnliche  (Jeschirre 
reiclu'ii  am  .Mittelrhein  in  das  frühe  Mittelalter 
hinauf,  wenngleich  sie  hier  zu  binde  auch  mit 
spätmittelalterlichen  ^lünzeu  entdeckt  werden. 


Vorher  S.  T,  Id,  11.        W.  V.-U.  IM,  Nr.  1,  i:«t!i;    -  CmI.  .1.  \V.  1.  üki;  -     (■ioi>l.<TL'  in  il.  \Vi>>tnil.  7  '          MI.  i;«:         v.  StPinon. 

ncschn-ibiiiii,'  «U-r  (iiittei-lilluscr  C'ii|ii)oiiliiT>r  uiul  Scliola,    Dorlmiiinl    1741.  S.  IV;     -  Hiumn'-i  att   isi'i.  U.  Quartal, 

S.  '.11;  -    Kmiipschiilfc,   S.  7'.t;     -  »orvknvvo   in  .1.  \Vo>tnU.  Zoitschrift   XXVIU.  .•i-M.  .S-.M.    T  J,  3.  4,  15,  H".  mit  Ab- 

liildunir  <U<r  LijipofuiKlo ;  --  Mitthoiluiitfou  «los  Hüttu  Düvcton«  Dr.  L.  LimltMischmit  zu  Mniiu;  —  L<«»ciil-L"ntiTsu(*unir. 


►^^ 


i 


Stockiiiii,    li(j(jiibvir^. 

litn-iuMi    1111(1  Altei'tümoi'. 

Is  Xaturfesten  wurden  Von  Alti-rs  her  lii'-r  die      höhen,  oder  wo  das  Terrain  es  gestattete.  In-ide 
Gi\rtel  des  Wassers,  dort  die  steilen  Berg-      zugleich  bmutzt  und  von  Menschenliänden  mit 


BUKOEX  UND  AI.TERTDlEIi. 


33 


allerhand  Zutliaten  verstärkt,  so  class  sie  von 
Natur  und  Kunst  gleichmässig  bewehrt  und  so 
vertheidigungsfähig  waren,  als  es  den  Mitteln 
der  Besitzer  Avie  der  Angreifer  entsprach.  Selbst 
unser  kleiner  Kreis  enthält  dafilr  zahlreiche 
Belege. 

Es  erhoben  sich  Bergfesten  auf  den  Vor- 
sprüngen der  Haar  hoch  über  dem  Euhrthale, 
Wasserburgen  in  den  Niederungen  oder  an  ge- 
schickt geleiteten  Bächen;  eine  ganze  Kette 
von  Wasserburgen  lag  an  den  Ufern  der  Lippe 
oder  auf  den  Inseln,  welche  vormals  der  Fluss 
mit  seinen  wunderlichen  Biegungen  oder  gar  netz- 
artigen Verschüngungen  bildete.  Von  Stockum 
bis  zu  der  Nordostspitze  des  Kreises,  welche  an's 
Ufer  stösst,  werden  uns  ungefähr  eine  "Reihe 
begegnen  und  von  diesen  vorab  die  westüchsten 
in  Betracht  kommen.  Da  folgen  auf  das  Haus 
Künthe  (Eennethe),  das  anscheinend  schon 
1277  erwähnt  und  nach  mehrfachem  Besitz- 
wechsel in  bürgerhche  Hände  übergegangen  ist, 
die  beiden  Häuser  Stockum  (Stocheim),  das 
eine  auf  der  Märkischen,  das  andere  auf  der  Mün- 
sterischen Seite  inmitten  einer  gleichnamigen 
Bauerschaft.  Mt  ihr  war  Stockum  konigüche 
Domaine,  als  solche  858  vom  König  Ludwig 
an  die  Abtei  Herford  geschenkt,  von  dieser  in 
ein  Amt  verwandelt,  dessen  stolze  Bauern  im 
Mttelalter  geAvissen  Forderungen  der  Aebtissin 
Trotz  bieten  konnten,  weil  sie  noch  nicht  hörig, 
sondern  pfüchtig  waren.  Da  der  Landcomplex 
früher  im  Bructergau  und  die  Bauerschaft 
später  auf  dem  Nordufer  der  Lippe  lie^'t,  so 
muss  durch  eine  tückische  Wendung  des  Flusses 
der  Kerntheil  vom  Südufer  abgelöst  und  damit 
das  Hoheitsverhältniss  gleichfalls  stark  alterirt 
sein;  denn  während  beide  Ufertheile  als  ein 
gutsherrhches  Amt  der  Abtei  Herford  ihre  alte 
Verbindung  bewahren,  untersteht  che  Bauer- 
schaft im  Norden  Münster,  der  Rest  am  Süd- 
ufer Köln  oder  Mark.  Daher  liegt  der  Haupt- 
sitz Stockum  als  Mittelpunkt  der  Hoheitsrechte 
und  später  als  Lehen  von  Herford  im  Müusteri- 
scheu,  das  zweite  Haus  Stockum  in  den  Lippe- 
windungen als  ein  Märkisches  Lehen ;  dort  wohnt, 
wie  man  glaubt,  als  Nachfolger  der  Herren  von 
Stockum  1290,  und  anscheinend  schon  lange,  der 
Ritter  Godfried  von  Hövel  mit  seinem  Sohne  Her- 


man,  hier  wohnt  1307,  wol  erst  kurze  Zeit  ein 
Sohn  oder  Neffe  Godfried's,  nämhch  Ritter  Lam- 
l)ert  von  Hövel:  daher  ist  es  der  Weihbischof  von 
Münster,  welcher  dort  1384  (hm  Kirchhof  einer 
Kapelle  weiht,  und  der  Erzbischof  von  Köln, 
welcher  hier  im  genannten  .Jahr  dem  Ritter 
Lambert  von  Hövel,  vorbehalthch  der  Pfarr- 
rechte von  Herringen,  gewisse  Vergünstigungen 
für  dit  Kapelle  seiner  Bürg  gewährt.  Nachdem 
diese  als  Lehenbesitzer  die  Famihe  von  Hövel. 
von  Kraighe  (?),  Knipping,  von  Hugenpoth. 
von  Berchem  gewechselt,  ragt  nur  mehr  auf 
einer  Lippeinsel  kahl  und  vereinsamt  die  Stein- 
ruine des  alten  HeiTenhauses  unter  dem  Namen 
,Hugenpoth'  empor,  von  Moos  und  Gras  über- 
wachsen, von  allerhand  unheimlichen  Sagen  um- 
flogen. Näher  herantretend  unterscheiden  wir 
noch  in  dem  Trümmerhaufen  von  Back-  und 
Werksteinen  den  Stumpf  eines  alten  Thurmes, 
südlich  davon  die  dunkeln  Wölbungen  der  Keller- 
räume, und  nur  die  Profile  einiger  Gesimse  und 
die  Ornamentik  von  Säulenstücken  weisen  auf 
das  Ende  des  16.  Jahrhunderts  als  die  Bauzeit 
hin.  In  der  That  hatte  Victor  Knipping  nach 
anderweitigen  Nachrichten  das  ,schöne'  Schloss 
1563  erbaut,  sein  Sohn  Dietrich  es  einer  fürst- 
lichen Residenz  würdig  ausgestattet;  —  die 
beiden  kunstsinnigen  Bauherren  werden  uns  in 
den  Bildern  ihrer  Leichensteine  zu  Hamm 
wieder  begegnen. 

Etwas  östhcher  nach  Nord-Heningen  hin 
liegt  in  mächtigen  Umrissen  der  Doppelhüs:el 
der  ,Hoenburg'  oder  der  sogen.  .Hoenberirs- 
Knapp',  der  eine  halb  kugelförmige  Theil  im 
Norden  auf  dem  Saume  der  Lippe-Niederung,  der 
andere  innerhalb  eines  Aussengrabeus  auf  dem 
Rande  des  trockenen  Landes.  Dieser  verhält 
sich  auf  den  ersten  Bhck  zu  jenem,  wie  eine 
mittelalterUche  Vorburg  zur  Hauptburg,  hat 
auch  bei  grösserer  Bodenfläche  eine  Gestalt,  die 
der  Eine  viereckig,  der  Andere  rundhch  nennen 
kann,  und  vielleicht  wie  manche  Burg  und  Stadt 
der  altem  Zeit  ausser  dem  (Wall)graben  keine 
weitere  Befestigung  gehabt,  als  Planken  und 
Palisadenwehr;  jener  vormals  durch  einen  Gra- 
ben geschieden  erscheint  im  Kerne  als  eine  Land- 
zunge oder  als  ein  Saudhügel  der  einst  näher 
fliessenden  Lippe  und  durch  einen  Mauergürtel 


34 


STOCKTM.  HOEXBUEG. 


r 


mit  Seitenthürmchen,  wovon  man  vor  ungefähr 
zwanzig  Jahren  die  Fundamente  entdeckte,  auch 
kün.stlich  fortificirt  und  ebenfalls  wie  manch' 
kleine  ,Wohnung'  nur  mit  Fachwerkbauten  be- 
setzt, als  welche  wir  auch  die  "Wirthschaftshiiuser 
des  Vorwerks  anzusehen  haben.  Deckte  doch 
das  ganze  Werk  im  Norden  die  starke  Wallung 
einer  bis  in  unser  Jahrhundert  erhaltenen  Land- 
wehr, im  Süden  die  Niederung  und  die  Wasser- 
wehr der  Lippe;  —  so  behelflich  wurden  die 
Kittersitze  in  der  altern  oft  noch  in  der  spätem 
Zeit  angelegt,  so  weisUch  passende  Bodenfigura- 
tionen  dafür  ausgebeutet,  damit  es  möghchst 
weniger  Kunstanlagen  und  Geldmittel  bedurfte, 
woran  es  mir  zu  häufig  gebrach.  (JeschichtUch 
ergil)t  sich  auch,  dass  die  Hoenburg  1388  von 
der  Familie  von  Herringen  und  jedenfalls  nicht 
lange  bewohnt  war.  Waim  sie  verlassen  wurde, 
wissen  wir  nicht;  genug,  bei  der  erwähnten 
Nachgrabung  hat  sie  eine  Menge  Altertümer, 
Waffen.  Hausutensilien.  Töpfchen.  ]\Ietallgeräte 
von  Pferdegeschirren  und  verschiedenartiges  Ge- 
stein geliefert,  doch  eben  so  wenig  wie  das 
Graben-  und  Hügelprotil  trugen  diese  Stücke 
einen  Zeitcharakter,  der  dem  Mittelalter  fremd 
oder  rümischer  Technik  vorzugsweise  eigen  wäre. 
Das  gilt  hauptsächlich  von  den  beiden  Huf- 
eisen und  dem  Spuren  mit  pmmidalom  Dorn, 
von  der  Kandare,  von  den  an  Geschirren  gi»- 
brauchten  Ringen,  vt»n  dem  Charuierüberzug  mit 
Streifen  von  Kupferblech  oder  Bronze  (?),  von 
einem  Schlosse,  das  augenscheinhch  an  einem 
Koffer  gesessen,  von  dem  irdenen  Töpfchen,  den 
hei ln»t blichen  Resten  einer  auf  der  Drehscheibe 
geformten  Urne  und  den  fünf  Pfeilspitzen,  deren 
einige  frühstens  aus  fränkisch -sächsischer  Zeit 
stammen;  nur  eine  ist  oben  schon  als  römisch 
angeführt  und  vielleicht  noch  von  den  Franken  ge- 
braucht. Das  aufVilUig  verzierte  Irdengeschirr  mit 
Löchern   kömmt   wol   kaum   mehr   dem  Mittel- 


alter zu.  zumal  da  fast  alle  diese  Fundstücke 
nicht  aus  dem  Gesammtbereiche  der  Burg,  son- 
dern aus  einer  viereckigen  an  drei  Seiten  um- 
mauerten Vertiefung,  also  wahrscheinhch  aus 
dem  Brande  eines  Fachwerkbaues  herrühren,  dem 
man  aus  Oekonomie  sogar  an  der  Thürseite 
eine  steinerne  Schwelle  versagt  hatte,  indess  ein 
crewöhnliches  trocknes  Bruchsteinmauenverk  die 
Fundamente  der  drei  andern  Seiten  bildete. 

Altertümer  und  Erdwerke  lassen  sich  römisch 
um  so  weniger  an.  als  man  schwerlich  für  ein 
so  zweitheiliges,  in  jedem  Theile  verschieden 
und  im  Vorwerke  gar  unregelniässig  eingerich- 
tetes Werk  eine  annehmbare  Bestimmung  finden 
dürfte.  Und  den  Hauptflügel  für  eine  römische 
Warte  zu  halten,  hindert  doch  wol  der  Mangel 
an  weitem  Ringwerken  und  Funden. 

Das  Gemäuer  weist  entschieden  auf  das 
Mittelalter  und  das  nicht  heimische  Gestein. 
Trass  und  Rothsandstein,  welches  auch  nur  in 
schwachen  Resten  ausgegraben  ist.  lässt  sich 
als  römisches  Baumaterial  nicht  aussondern,  weil 
das  römische  Kriegsvolk  anscheinend  in  den 
nordischen  Gegenden  auf  den  Steinbau  so  gut  wie 
völUg  verzichtet  hat ;  der  Quarzkuauer  vMirde  vom 
Annaberg  zu  Haltern  als  besseres  Baumaterial 
zu  SchifiTe  vertrieben  und  daher  vielfach  in  der 
Umgegend  der  Li])j)e  gefunden,  die  ziegelartigen 
Bausteine  sind  Trass.  der  vom  Rhein  in  Forai 
von  Backsteinen  namentlich  für  Backöfen  l)e- 
zogen  MTirde.  Auch  die  Sage,  wek'he  Herr  Hof- 
rath  Essellen  mir  überliefert,  auf  der  Hoenburg 
seien  einst  vornehme  Herren  ansässig  gewesen 
und  von  dort  nach  der  krausen  Linde,  d.  i.  Nien- 
brügge  bei  Hamm  verzogen,  wo  sich  in  der  Lippe 
ein  eisernes  Thor  befinde,  enthält  doch  höchstens 
den  Nachklang  einer  einstmaligen  Commuuica- 
tion  zwischen  beiden  Burgen  in  mittelalterlicher, 
nicht  heidnischer  Zeit. 


Vdrhor  S.  '.),  11,  li>.  '.?.•.  —  I'oIkt  Stockum :  lioschichto  der  Horren  von  dor  Rocko.  S.  255 ;  —  v.  Lodp»mr  «.  «.  0.  S.  35 :  —  Wilm»n».  di« 
KniüOiurkuiidoii  dor  Pnniiiz  Westfalen  I.  145;  —  Stoirh,  Mnnumonta  üieditn  I,  IW:  —  Fahne,  H''5vol  1.  ?'.  *J.  P)<«  KTviemf- 
KC'lmrt  SUickiim  ist  nirlit  mit  Fnhiio  n  n.  0.  I.  152  hier,  t;<inden>    mit  SeiWrte.  AVestf.  Zeitsrhr.  2s.  K'i  w  '         '.xli-n 

T\\  Mirhen.  —  v.  Steinen  III,  '.M'.t  f.  :    -  (Umt  H<x'ntmnf:  v.  Steinen  UI,  SM^i;  —  »»ollen  in  der  WesfflU  ff 

-    ilentellK«,  Heschiehte  der  .^iirnmlieni  S.  SM-ixl;     -  derM>ll>e,   iln*  R'"niL»che  C«stell  Ahw)  (ls')7i  S.  17.    :  ^^'■•^^ 

Anrnnhmo  nnd   p<nnuen  diirrh  Alil'il<luncen   erläuterten  Ik>schrt>ilmnir  der  Funde,   die  wie  d«»  Werk   w  -.'  it 

verxctit  wenli'n ;  —  dontellK».  Bonner  .Inhrlib.  Sit-;-*»,  S.  20T ;  --  H<"'lzermann  n.  n.  O.  S.  T«f.  XXU.  mit  i^  -  ;uh- 

ti<>ns]>lnno.  rnson.<r  SC<>ichnuni;  lieirt  i\\  (»ninde  die  AufnAhme  F.  A.  IVinnnrre"»  «n.«  »einem  Mji.  in  der  HiMi  ■ili>  k  '!•■>  ,Mt«.>r- 
thnm» -Verein»  (MUnntor):  Die  Uuraannsdurv  und  die  HiHMilmn:.  1S71.  T«f.  V.;  —  über  die  Grundform  der  mitteUlleri.  Dürr«« 
Xonlhnff  n.  n.  O.  S.  241— aö.   —  Local-Untorsuchtuur. 


KIRCUEXBAU. 


35 


Miethler 


Der  Ort  Metlere  kommt  schon  809  im  Gebiete 
des  Grafen  Adalbert,  ein  Gerhardus  von 
Medelere  1152  urkundlich  vor,  dieser  hatte  jeden- 
falls seinen  Sitz  in  Altmethler,  wo  vormals  eine 
später  den  Herren  von  Bönen  zuständige  Burg 
lag.  1172  klingt  der  Ort  Metlere,  1178  Meithr. 
Das  Vorkommen  der  Ortschaft  Altmethler  deutet 
schon  an,  dass  das  Dorf  und  die  1189  zuerst 
genannte  Pfarrei  Methler  jüngerer  Entstehung 
sind;   wuchs  doch  auch  der  Cult  der  h.  Mar- 


garetha,  der  die  Kirche  geweiht  ist,  hier  zu 
Lande  erst  mit  den  Kreuzzügen.  Obgleich  sich 
der  Kölner  Dompropst  1293  auch  für  Methler 
die  Anstellung  des  Pfarrers  vorbehielt,  sind  es 
die  Grafen  v.  d.  Mark,  welche  das  Patronats- 
recht  1318  dem  Kloster  Cappenberg  schenkten. 
Die  Gemeinde  nahm  etwa  1580  das  Lutherische 
Bekenntniss  an  und  trat  vor  einigen  Decennien 
der  evangelischen  Union  bei. 


Der   Ivirchen/bau. 


Die  Kirche  (Fig.  17),  eine  reiche  Blüte  des 
sogen.  Uebergangsstiles ,  liegt  hoch  und  frei  in 
einem  anmutigen  fruchtbaren  Wellengefikle  und 
gilt  mit  Recht  für  das  ruhmwürdigste  Bauwerk 
der  Gegend ;  w^ährend  in  der  Eaumdisposition  und 
noch  mehr  iu  der  Ornamentik  die  Formen  des 
Rundbogenstiles  nachklingen,  melden  sich  in 
den  constmctiven  Bögen  und  in  den  sclilanken 
Verhältnissen    zumal    im    Innern    die   Morgen- 


strahlen des  Spitzbogei"3.  Wilhelm  Lübke  hat 
das  Bauwerk  und  den  herrüchen  Cj-clus  seiner 
Wandgemälde  entdeckt  und  den  kt\n;;tlerischen 
Werth  mit  begeisterten  Worten  gewürdigt :  .Hier 
ist  es  ein  unscheinbares  Dorf,  das  nie  grössere 
Beachtung  für  sich  in  Anspruch  nehmen  konnte, 
und  doch  besitzt  es  eine  verhältnii^mässig  ge- 
räumige lürche,  die  nicht  allein  durch  eme  fast 
einzig  in  diesen  Gegenden  dastehende  Zierüchkeit 


3G 


METHLER. 


und  reiche  Verschwendung  von  brillanter  Sculj)- 
tur- Ornamentik  ausgezeichnet  ist.  sondern  auch 
durchweg  in  allen  Theilen  einen  Schmuck  von 
Wandmalereien  darlegt,  der  von  nicht  minderem 
Aufwände  künstlerischer  Kräfte  und  materieller 
Mittel  zeugt.' 

Es  ist  ein  kleiner  Bau,  mehr  in  den  Huhen- 
als  Lilugenmaassen  und  besonders  dadurch  zu 
wirkungsvoller  Schönheit  entwicki-lf.  il.i--  zumal 
im  Innern  die  constructiveu 
Gliederungen  in  ihrer  sin- 
nigen Anlage  und  Ausge- 
staltung mit  dem  ornamen- 
talen Reichtum  harmoniren 
und  wetteifern.  Das  Aeus- 
sere  tritt  weit  schlichter  auf. 
Der  etwa  im  Beginne  des 
12.  Jahrhunderts  errichtete 
Wcbtthurni  zeigt  ein  al- 
tertümliches Gemäuer  von 
unirleichcn  Steinschichten, 
einen  ruudbogigen  Eingang 
zur  Kirche ,  rundbogige 
Scha Hoffnungen  und  in  der 
Mclirzalil  derselben  noch  ein 
Miltelsilulchen,  im  Blend- 
bogcufelde  darüber  eine 
Kundotfnung.  ein  Abschlussgesimse  von  Kehle 
und  Wulst  und  ein  vierseitiges  Pyramidendach. 
Hohe  Bruchsteine  mit  der  glattem  Schmalseite 
nach  unten  gekehrt  bilden  das  Gewölbe  der 
Unteretage. 

Das  grünliche  Material  der  ganzen  Kirche 
ist,  wie  es  heisst,  den  Hölien  bei  Fröndenberg 
entnommen  und  daher  nicht  nur  der  gelbhche 
Mischton,  sondern  auch  die  ttbermilssige  Ver- 
witterung zu  erklären,  die  namentlich  im  Stlden 
die  schöngefügte  Blendschicht  derart  mitge- 
nommen hat,  dass  eine  baldige  Restauration  un- 
umgänglich ist.  Sonst  gewahren  wir  im  Aeusseni 
einen  gerade  geschlossenen  Hoehchor.  niedrige 
polygone  Seitenchörehen,  einfache  Langwände, 
die  indess  in  UebereinstimmuuLT  mit  den  Ge- 
wölbefeldern durch  matte  Lisenen  in  zwei  läng- 
liche Conipartiniente  zerlegt  und  über  jedem 
Theile  mit  einem  hohen  Giebel  bekrönt  sind, 
so  dass  das  Hauptdach  durch  deren  el)en>o  hohe 


die  kahler  behandelte  Xordseite  in  jedem  Com- 
partimente  zwei  Spitzbogen-Fenster,  doch  keine 
Lisenen  enthält,  durchbricht  im  Süden  das  eine 
ein  rundbogiger  Eingang,  das  andere  ein  von 
einem  vortretenden  Rahmen  umfasstes  Klee- 
blattpurtal, das  seithch  zwei  schlanke  Säulcheu 
flankiren.  die  in  spitzbogige  Rundsta1)-Archivolteu 
auslaufen,  indess  den  eerade  abgedeckten  Rah- 
men ein  Rundbogeufries.  dessen  ZMickelflächen 
ein  vertiefter  Vierpass  ziert. 
Darüber  öffnet  sich  ein  gros- 
ses Radfenster,  in  den  neuen 
Speichen  aus  eckigen,  in  der 
Umfassung  aus  Rundstäben 
gebildet,  daneben  über  der 
einfachen  Thilröffnung  drei 
schlanke  Spitzbogenfenster, 
deren  mittleres  höher  auf- 
steigt. ?]ine  spitzbogige  (»eff- 
uung  im  Innern  der  Xord- 
wand  und  eine  ebenso  ge- 
schlossene Thür  in  der  West- 
wand des  südlichen  Nel>eu- 
schifl'es  sind  vennauert.  Das 
Kranzgesimse  des  Mauer- 
werkes Itesäumt  au  der  Süd- 
wand des  Chores  und  au 
dem  Ostgiebel  des  stldlichen  Seitenschiffes  ein 
RundboLTeiifries,  dessen  Schenkel  auf  Consoleu 
stehen.  Nun  das  Innere  I  (Fig.  18. 19)  Ein  weites 
Hauptschilf  mit  dem  <{ua<lratischen  drei  Stufen 
hohen  Chore  und  jederseits  ein  nicht  viel 
schmaleres  und  gleich  hohes  Seitenschiff  mit 
einem  eckigen  wirkungsvollen  Chörchen,  jedes 
Schiff  Ijedeckt  mit  zwei  Kreuzgewölben,  die  in 
der  Mitte  auf  einem  Pfeilerpaare  zusammen- 
kommen, nach  aussen  ebenso  \ne  die  Chor- 
wölbung auf  Wandsäulchen  nihen.  Welche 
Schönheiten  offenbaren  die  stützenden  Glieder! 
(Fig.  20.  21,  22)  wie  zierlich  sind  die  Wand- 
säulchen. wie  wechselvoll  die  Pfeiler,  wie  nMch 
sind  unter  dem  Scheine  constructiveu  Beilürf- 
nisses  die  Pilaster  gegliedert  zumal  au  den 
Seiteuapsiden,  im  Hintergründe  und  an  den 
Ecken  des  Chores,  der  ohnehin  wie  zum  Ersatz 
für  den  geraden  Schluss  an  den  Untenväudeu 
mit  Arkaden  verschönert  ist.  indess  Fenster  die 


(iuerdächer  günstig  unterbrochen  wird.     lüde»»      « »Ix'rwände  durchbrechen.    Rundstäl"'  mit  (\>|ii- 


KIRCHEXBAU. 


37 


tälen  oben  zu  Archivolten  zusammüngeliend  um-  llund.säulchen  schlank  glockenförmig,  in  einer 
fassen  das  Hauptportal  und  die  Fenster;  die  Fenstereinfassung  auch  kämpf" rartig  gebildet, 
grösseren  Capitille   sind   etwas   breit,  jene   der     die   Kämpfer   sch\rung-  und   wechselvoll    com- 


#fe«^^7^'^Wk/i? 


ponirt,   Capitäle,  Kämpfer,  Platten,   selbst  der 
Sclilusstein    des    mittlereu   Gewölbes    mit   Ge- 
^Q  flechten  und  Ornamenten,   die   das 

Thier-  und  Pflanzenreich,  die  Phan- 
J^       tasie  oder  auch  die  verwandten  Tex- 
'^  '  -^  til-  und  Metallkünste  nahe  legten,  in 

[  hohem  Kelief  reich  und  doch  so  pas- 

send geschmückt,  als  wären  sie  dem 
Innern  entwachsen;  und  damit  harmoniren  die 
verschiedenartigen  Eckblätter  der  attischen  Basen. 


SS. 


Die  Muster  und  der  Schnitt  der  Ornamente,  die 
Gesimsghederuug,  die  Säulenbasen,  die  runden 
Kippen,  die  mit  Kundstäben  verstärkten  Gurten 
des  Chores  folgen  noch  romanischem  Formen- 
canou;  rundbogig  geschlossen  erscheinen  die  Ar- 
kaden und  grossen  Fenster  des  Chores,  wie  die 


kleinen  der  Xebeuapsiden  und  der  eine  Eingang, 
dagegen  zeigen  Kippen,  Gurten  und  die  übrigen 
Fenster  den  Spitzbogen,  die  Omameute  ein 
hohes  Kehef,  die  umrahmenden  Archivolten  am 
Laughause  die  Umfassung  von  Kingen,  Die  Dis- 
position, Avelche  nicht  nur  in  allen  Schiffen  (he 
Gleichzahl  der  Gewölbe,  sondern  schon  eine 
auffallende  Breite  der  Abseiten  bezweckte,  die 
schlanken  Ghederungen,  das  Lichtvolle  und  Gra- 
ziöse, das  der  kleine  Zierbau  darstellt,  ver- 
dankt er  bereits  der  Frühgothik.  die  sich  also 
hier  zu  einem  wunderschönen  "V\>rke  mit  der 
Spätromanik  die  Hand  gereicht  hat. 

Wir  versetzen  dasselbe,  da  wir  anderwei- 
tiger Kunde  über  die  Bauzeit  gänzlich  entbehren, 
nach  dessen  Stilcharakteren  in  die  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts,  imd  zwar  mit  um  so  grös- 
serem Fuge,  als  sie  jOueu  der  Osttheile  des 
Domes  zu  Münster,  die  zweifellos  damals  im 
Baue  begriffen  waren,  vielfach  ähneln.  Ist  doch 
an  beiden  Stellen  der  Bau  von  Osten  nach  "Westen 
voraugeschritten.  Die  glückhchste  Zeit  der  deut- 
schen Vergangenheit  spiegelte  sich  also  in  einer 
kleinen  Dorfkirche  "Westfalens  so  klar  wieder. 


38 


3IETHLEE. 


Wandeemälde. 


Das  ganze  Innere  der  Kirche  prangte  Jahr- 
hunderte im  hehrsten  FaH)enschmuck',  der  erst 
in  den  letzten  Decennien  des  voriseu  Jahr- 
hunderts durch  Uebertünchung  den  Augen  ent- 
zogen wurde,  bis  W.  Lübke,  als  er  18öl  die 
Kirche  untersuchte  und  zeichnete,  durch  ein  Ge- 
meindemitglied aufmerksam  gemacht  dieselben 
im  Chore  und  in  den  Xebenapsiden  meisten- 
theil-s  blf)sslegte,  die  erreichbaren  zeichnete  und 
deren  Kunstwerth  in  der  (Jeffentlichkeit  hervor- 
hob. Auf  Veranlassung  des  Staatsministers  a,  D. 
Freiherm  E.  von  Bo<lelschwin£rh.  der  auf  dem 
benachbarten  Hause  Velmede  wohnte,  nahm 
dann  der  Conservator  F.  von  Quast  aufs  Ge- 
naueste di«'  iranz»*  Kirche  in  Auir»'nschein.  legte 
n<X'h  mehrere  Wandgemälde  offen  und  bewog 
die  Königl.  Re^erung  zu  Arnsberg,  behufs  voll- 
ständiger Kestaunition  Zeichnuncren  und  Kosten- 
anschläge ausarJK'iten  zu  lassen.  Auf  Grund 
derselben  wurden  die  Kestaurationsarln-iten  (vgl. 
die  iK'iden  Phot4>-Litho<rraphien)  unter  seiner  Auf- 
sicht l»egonnen,  die  Kosten  theils  von  der  Ge- 
meinde, grösstentheils  aber  durch  die  Muni- 
ficenz  des  Königs  Frie<irich  Wilhelm  IV..  der  ein 
(inadengeschenk  von  2<m)0  Thlm.  gewährte,  be- 
stritten. In  den  Jahren  1858  59  frischte  der 
Maler  Fischbath  von  Unna  die  Wandgemälde 
des  Chores  und  der  '"'  "len  getreu  nach 

den  alten  Spuren  wie«i  :id  sein  ^litbürger 

Decorationsmaler  Mann  erneuerte  oder  fertigte 
die  farbiiren  Ornamente  im  Lanshause.  Aus 
Mangel  an  Mitteln  bhel)en  nämlich  die  Bilder- 
cyclen  des  Langhauses,  welche  mit  ihrer  farbigen 
Zierbasis  noch  spärlich  durch  die  Tünche  zu 
erkennen  waren,  verdeckt:  die  Wände  erhielten 
daher  einen  neuen  blassrOthlichen  Anstrich,  alle 
Gewölbe  einen  himmelblauen  mit  Sternen  be- 
setzten Ton,  die  Ziersculpturen.  feinem  Güede- 
runffen,  (turten  und  Kippen  eine  verschieden- 
farbige Decoration  von  allerhand  Arabesken- 
musteni    nach   den    vorhandenen    S  Mit 

Aufnahme  der  l>eiden  westlichen  \^  ,  i-ter 
hallen  die  I*feiler  mit  den  Capitälen  einen  heU- 
irrauen.  einfaehen  T<»n.  die  kleinen  Säulchen  der 
Chorarkaden  gar  Marmonmstrich  erhalten,  die 
Gewölbokappen    des    Mittelschiffes    sind    durclF 


rothe  Bänder  mit  gelben  Mustern  in  Felder  zer- 
lest, die  Ripf>en  mit  grünen  Bändchen  besäumt, 
jene  des  Chores  jedoch  zunächst  noch  mit  einem 
hellen  Zickzack  besetzt.  Vorwiegend  kommen  das 
Blau.  Goldgelb.  Grün  imd  Roth  zur  Verwendung, 
das  letztere  von  den  dimkleren  bis  zu  den  hellem 
Tönen,  welche  oft  bis  zur  ünkenntüchkeit  unter 
dem  Kalke  gelitten  hatten.  Goldgelb  zeichnet 
die  erhabenem  Bildungen  der  Capitäle  an  den 
Fenstern  und  den  beiden  Wandpfeilera  im  Westen 
gegen  die  dunkleren  Tiefen  aus.  Die  Farben 
sind  an  Gesimsen.  Einfassungen  überhaupt  an 
glatten  Werkstücken  auf  den  blossen  Stein,  an 
den  aus  Füllwerk  bestehenden  Flächen  wie  an 
den  Wänden  auf  einen  Verputz  aufgetragen.  Die 
Westwand  der  Seitenschitfe  unterbrach  in  den 
Flächen  von  Stuck  gebildet  südlich  eine  präch- 
tige Rose  von  Wai: '  "  i.  im  Xonien  ein 
grosser  Stem.  jetzt  i :-  ein  farbiges  Rad- 
fenster. Da  die  figuralen  Malereien  der  Seiten- 
apsiden nur  sehr  verstümmelt  zu  Tage  getreten, 
die  Geldmittel  beschränkt  waren,  so  wurden 
hier  blos  die  Bildrahmen  wieder  hergestellt, 
sonst  an  Rguren  in  der  nördUchen  nur  die  Ge- 
stalt des  h.  Johannes  des  Täufers,  in  der  süd- 
üchen  das  Bild  des  Salvators  und  das  eines 
Bischofs,  der  die  Kinder  segnet,  vielleicht  der 
h.  Nikolaus.  Der  Täufer,  welcher  in  der  Rechten 
die  Palme,  in  der  Linken  zusammen  mit  dem 
Mantel  ein  Medaillon  und  darin  das  Lamm 
Gottes,  hält,  zeigt  bei  edler  Gewandunir  eine 
gute  Kopfcontour,  ausdracksvoUe  grosse  Augen, 
hagere  Züge  und  eine  etwas  affectirte  Haltung. 
Betrachten  wir  nun  die  Wandgemälde,  wie  sie 
heute  und  namentlich  wie  sie  nach  ihrer  Bloss- 
legung  wirken  und  wirirten,  so  haben  wir  es 
wesentlich  nur  mit  jenen  des  Chores  zu  thun, 
die  auch  als  die  Krone  aller  übriiren  in  I: '  ' 
und  Ausdruck  zu  gelten  hal>en.  Sie  bauen 
den  Baugliedenmgen  angepasst,  bis  zu  den 
S<  •  n  der  Gewölbe  gleichkam  archi- 
tcK  wenn  man  will  in  Gmppen.  auf. 
Während  nämUch  die  Wandtheile  unter  dem 
G'                                    '1  un<l  ursprünirli'^h  wol 

bh .  ,  ....  ...xchmnck  und  Vorh"ui_^.v 

die  bei  der  Restauration  in  Farben  hei^p- 


W.\-\DGE3IÄLDE 


39 


"~^ 


wurden,  belebten,  sind  die  oberen  vom  spitz- 
bogigen  Schildgurt  begrenzten  ungefähr  auf 
halber  Höhe  der  Fenster  in  zwei  Zonen  oder 
Geschosse  für  Malereien  zerlegt,  die  auch  auf 
solcher  Höhe  erst  zur  richtigen  Imposanz  ge- 
langten. Die  erste  Zone  (unten)  nehmen  paar- 
weise zwei  seitüch  von  Ziersäulchen,  oben  von 
Thürmcheu  und  Kuppeln  umrahmt,  die  Ge- 
stalten der  Apostel,  lebensgross,  angethan  mit 
den  altrömischen  Gewändern  und  theils  gekenn- 
zeichnet durch  ihre  Symbole  ein:  Petrus  und 
Paulus  stehen  an  dem  vornehmsten  Platze  der 
Ostwand  —  gedrungene  Figuren  mit  kräftigen 
Köpfen  und  Backenknochen,  in  Stellung  und 
Geberde  etwas  ungelenk  mit  einander  verbunden. 
Einzelne  Gestalten  wirken  höchst  erhaben,  ent- 
weder durch  das  Sylphidische  oder  Engelhafte 
ihrer  Erscheinung  oder  durch  die  weiche  fast 
mädchenhaft  zarte  Gesichtsbildung.  Herrüch 
ist  der  Apostel  mit  dem  im  Deckel  von  einem 
Kreuze  verzierten  Buche.  In  den  obern  Zwickel- 
flächen zu  Seiten  der  Fenster  hegt  die  zweite 
Zone  mit  je  einer  Figur  über  einem  Farben- 
sims: und  zwar  erscheint  an  der  Ostwand 
ünks  vom  Fenster  der  Engel,  eine  schlanke  Ge- 
stalt mit  fliegenden  Gewändern  und  ausgebrei- 
teten, geschickt  dem  engen  Baume  angepassten 
Schwingen,  um  mit  dem  bedeutsam  aufgeho- 
benen Finger  der  Kechten  der  h.  Jungfrau  rechts 
vom  Fenster  den  Grass  zu  bringen,  die  in  ihrem 
golddurchwirkten  Purpurgewande,  das  als  Schleier 
die  Stirn  mit  bedeckt,  bewegt,  fast  wie  aus  ihrer 
demuthsvollen  Stimmung  aufgeweckt,  ergeben  die 
Hände  dem  Beschauer  entgegenhält,  indess  neben 
ihr  eine  Blume  blüht:  an  der  Südwand  ebenso 
vertheilt  die  obersten  Blutzeugen  der  h.  Stephanus 
und  Laurentius:  dieser  eine  kurze  Gestalt  mit 
ovalem,  schön  gezeichnetem  Antlitze,  bekleidet  mit 
dem  reichgeschmückten  Levitengewande,  hält  in 
der  Linken  den  Rost,  während  die  erhobene  Rechte 
den  Kampf  und  Sieg  verkündet.  An  der  Xord- 
wand  gegenüber  erscheinen  zwei  weibhche  Hei- 
lige, die  eine  mit  Diadem,  golddurchwirktem 
Gewände  und  dem  Schwerte  in  der  Linken, 
welche  man  für  die  h.  Ehsabeth  von  Thüringen 
oder,  da  deren  Ciüt  hier  nur  sehr  beschränkt 
war,  mit  mehr  Fug  für  die  h.  Helena  hält,  die 
andere  kennthch  am  Diadem,  der  Palme  und 


dem  zertretenen  Drachen  ist  che  Schutzpatronin 
der  Kirche,  die  h.  Margaretha.  Diese  vier  Ge- 
stalten der  Xord-  und  Südwand  stehen  in  Kuppel- 
nischen, die  Figuren  der  Verkündigung  dem 
engen  Räume  gemäss  blos  in  sphärischen  Drei- 
ecken; über  jedem  Seitenfenster  breitet  ein  Engel 
ein  Spruchband  aus.  Die  dritte  und  höchste  Zone 
büden  die  Kappen  der  Gewölbe,  welche  durch 
einen  farbigen  Horizontalsims  unten  etwa  auf 
der  Höhe  der  Schildgurten  von  den  langen 
Zmckeln  gesondert  und  durch  radiante  Zier- 
bänder in  zwei  verticale  Felder  zerlegt  kuppelartig 
in  einem  mit  goldenen  Sternen  besäeten  Blau, 
v,ie  der  Himmel,  je  mit  ihren  Heiligengestalten, 
welche  die  goldene  Himmelskrone  verherrhcht, 
aufsteigen :  und  zwar  thront  in  der  östhchen  der 
Gemeinde  zugekehrten  Kappe  in  der  Ebene  der 
Verkündigung  und  der  ersten  Apostelpaare  ,Chri- 
stus,  von  einem  reichen  rehefartig  mit  Stuck  auf- 
gelegten Gold -Nimbus  das  Haupt  umgeben,  in 
einem  ähnlich  behandelten  grossen  Medaülon. 
das  von  zwei  schlanken  Engelgestalten  gehalten 
wird.  Li  den  Gesichtszügen  des  Herrn  sieht  man 
deuthch,  wie  hier  die  selbständig  schöpferische 
Kraft  des  ]\Ialers  noch  der  Bann  tj'pischer  Ueber- 
lieferung  fesselt,  während  sie  an  allen  übrigen  Ge- 
stalten sich  in  voller  Freiheit  erging.  Es  ist  die 
althergebrachte,  feierlich -strenge  Auffassung  der 
byzantinischen  Mosaiken;  langes  Oval  des  Ant- 
Utzes,  gespaltener  Bart,  lang  herabwallendes  in 
der  Mitte  gescheiteltes  Haar,  lange  schmale  Xase'. 
Die  Lippen  des  vollen  Mundes  sind  weich  ge- 
schwungen, die  Brauen  schön  gewölbt,  die  Augen 
dunkel  und  gross.  Bei  der  Freiheit,  womit  der 
Künstler  das  Typische  milderte  und  veredelte, 
verrückte  sich,  jetzt  kaum  noch  merkhch,  der 
Mund  und  verfällt  der  gross  angelegte  Falten- 
entwurf der  Verknitterung.  Mt  der  Rechten  er- 
theilt  der  Herr  den  Segen,  mit  der  Linken  hält 
er  das  Buch  des  Lebens  offen  mit  der  Stelle: 
Ego  sum  via,  veritas  et  vita  und  zu  Seiten 
seines  verklärten  Anthtzes  stehen  die  apokalyp- 
tischen Schriftzeichen  ^  und  ß.  Dieselbe  Dar- 
stellung, die  herrUchste  und  schönste  von  allen, 
findet  sich  in  der  südlichen  Xebenapsis  imd  hier, 
wie  ttbüch,  umgeben  von  den  Symbolen  der 
Evangehsten,  dem  Engel,  Löwen.  Adler,  und  Stier. 
—  Links  von  ihm  auf  der  südlichen  Kappe  steht 


40 


3fETHLER 


mit  zwei  Bischöfen,  vielleicht  Hieronymus  und 
Au^stinus,  in  jugendlicher  Schöne  der  h.  Evange- 
list Johannes;  er  hillt  ein  Spruchband  mit  der 
theils  in  römischen,  theils  in  gothischen  Majus- 
keln ausgeführten  Inschrift:  In  principio  erat 
verlntni,  ]Mehr  als  diese  "Worte  bezeichnet  ihn 
je<loch  die  wahrhaft  mystische,  ilcht  apokalyp- 
tische Tiefe,  die  erhabene  Schönheit  des  Gesichtes, 
das  in  edlem  Oval  von  den  frei  wallenden  Locken 
umgeben  ist  und  dessen  grosse  braunen  Augen 
mit  den  ktlhn  geschwungenen  Brauen  wunderbar 
ergreifen.  Grösser  und  gewaltiger  mag  niemals 
die  Kunst  den  begeisterten  Seher  gedacht  haben. 
Nördlich  zur  Eechten  des  Herrn  stehen  diesen 
drei  Milnnern  drei  Frauengestalten  gegenüber, 
eine  dann  als  die  Himmelskönigin,  dann  als 
Personification  des  alten  Bundes  gedeutete  Ge- 
stalt mit  Spnichband,  wallendem  Schleier  und 
prachtvoller  Krone,  die  h.  Catharina  mit  dum 
Rade,  ^laria,  Lazarus  Schwester,  mit  dem  Sall)en- 
glas  in  der  einen  Hand,  die  andere  offen  aus- 
gestreckt. Die  HiUipter  aller  Gestalten  von  unten 
bis  oben  umrahmt  ein  goldener  Heiligenschein. 
Was  nun  den  Zusammenhang  dieser  drei  Bild- 
kTeise  anbetrifft,  so  stellt  der  untere  wesentlich 
die  Gründung,  der  mittlere  den  Kampf,  der 
hiichste  den  Sieg  der  Kirche  dar  und  hinwiederum 
die  Ostwand,  der  vornehmste  Augenpunct  der 
<JliUibigen,  unten  die  Apostelfürsten,  mitten  den 
Engelsgruss  als  das  niU-hste  Signal  der  Mensch- 
werdung Gottes,  an  der  Kuppel  den  im  Himmel 
thronenden  Salvator  —  eine  einfache  und  doch 
gewaltig  ausgeprägte  Doppel -Tricliutomie  der 
hehrsten  Ideen  des  Christentums. 

"Wie  die  Farl)en  aufgetragen,  welche  die  vor- 
herrschenden sind,  wissen  wir.  Bei  den  Gemillden 
macht  das  schwache  Blau  die  allgemeine  Gnin- 
diruntr,  Blau,  Ixotli  und  Braun  sind  die  Farben 
der  Zierbaldachine. 

Die  Malerei  besteht  der  architektonischen 
Unterlage  getreu,  wesentlich  aus  Contouren ;  doch 
sind  bei  einer  reichen  Farbenscala  die  in  gell)- 
licher  Fleischfarbe  gehaltenen  Gesichter  bereits 
durch  braune  Striche  charakterisirt,  jene  der 
(lewr.lbeligun'n,  das  des  h.  .lohaiuies  ausgen<»m- 
men,  mit  liraunen,  selbst  mit  grünen  Trmen,  den 
Xachklilngen  byzantinischer  Figuren ,  schattirt, 
dunklere  Abtömmgen   nuch   in  den   Gewändern 


fast  tiberall,  selbst  bei  Johannes  dem  Täufer  in 
der  Seitennische  vorgenommen.  Dass  die  Ma- 
lereien der  südlichen  Chonvand  kaum  Schattirumr 
in  den  Gewändern,  breitere  Gestalten,  über- 
haupt geringere  Formschönheit  oflFenbaren,  deutet 
am  Ersten  auf  eine  Ausfühmng  des  Gesammt- 
werkes  durch  verschiedene  Meister.  Uelx^r  den 
ganzen  Bilder- Cy eins  ergiessen  die  splendiden 
Goldelemente  und  Goldaufträge  von  den  gold- 
glänzenden Gewändern  einzelner  bis  zu  den  Zier- 
den des  Hauptes  aller  Figuren  einen  Schimmer 
imposanter  Pracht  und  Erhabenheit.  Die  Dia- 
deme und  Ornamente  der  Gewandsäume  sind 
in  Gold  ausgeführt,  die  in  den  "S'eqnitz  einge- 
tieften Heiligenscheine  mit  ihrer  mannigfaltiijen 
Ornamentik,  der  Nimbus  und  das  Thron- Me- 
daillon des  Herrn,  die  in  Stuck  aufgehöht  sind, 
glänzen  von  Gold.  "Wie  die  kleine  Kirche  in 
ihrem  baulichen  Bestände,  so  treten  uns  ihre 
Malereien  als  Blüten  einer  Zeit  entgegen,  die  alte 
mit  neuen  Formen  verquickte  und  die  erhalx-n- 
sten  Ideen  auch  mit  stofflicher  Pracht  ausdrückte 
und  ausdrücken  konnte.  Durch  ihren  romani- 
schen Grundton  klingen  sie  an  die  Malereien 
der  Nicolai-Kapelle  in  Soest,  durch  ihren  Farben- 
schimmer  an  jene  des  Domes  zu  Braunschweig 
und  an  die  in  der  Restanration  beöndlichen 
Gewölbemalereieu  des  Domchores  zu  ^lünster. 
durch  manche  Züge  der  Auffassung  und  Technik 
greifen  sie  mehr  wie  diese  hinweg  über  roma- 
nische Formen  und  Technik.  Erwägt  man,  dass 
Graf  Gerhard  von  i\vv  .Mark  1201  Itis  1272 
Bischof  von  Münster  und  vielleicht  wie  der  Ein- 
weiher,  so  auch  der  Urheber  der  "Wandmalereien 
seines  Domes  war,  sein  Haus  nähere  Bezii>- 
hungen  zu  Met  hier  hatte,  so  dürften  die  hiesigen 
Gemälde  unter  dem  Einflüsse  dieses  Kirchen- 
fürsten geschaffen  sein.  Es  schliessen  auch 
schon  mehrere  Nischen  der  Figuren,  selbst  im 
Chore,  mit  einem  Kleeblattbogen  I 

Die  Anordnung  und  Zeichnung  hält  sich 
durchschnittlich  noch  an  romanische  T\7K'n  und 
dabei  erreicht  sie  auch  grossartigen  Erfolg::  wo 
aber  (Ut  Meistor  darüber  hinausgeht,  irrt  er 
leicht  in's  Unrichtige  und  Gezierte  wie  bei  der 
Haltung  der  Hände  oder  tlem  GesichtÄUisdnicke 
ab;  denn  bei  seiner  reichen  Farln^nscala  schattirt 
er  Gesichtor  und  Gewänder,  individualisirt   er 


V£B8CHIEli£.\E  UEXK3IÄLEK. 


den  Ausdruck,  wie  es  ihm  auch  geli)if,'en  maJ,^ 
und  horcht  damit  bereits,  wie  die  Kirche  mit 
ihren  constructiven  Gliedern  den  Klängen  eines 
anderen,  als  des  altgewohnten  Kunstgeistes, 
nämüch  jenen  der  anrückenden  Gothik.    So  be- 


zeichnen die  Kirche  zu  Methler  und  ihre  "Wand- 
malerei baulich  und  malerisch  einen  Ab.schlu»s 
in  der  Kunstgeschichte  des  Landes;  noch  einen 
Schritt  weiter  und  man  stand  mit  beiden  Füssen 
in  den  neuen  Formen,  welche  die  Gothik  angab. 


An<lere    Denkmäler. 


An  Ziersculpturen  treffen  wir  in  einer  nörd- 
lichen Chornische  noch  einen  kräftig  gegliederten 
Wandschrank  der  Spätgothik.  Die  dem  spitz- 
bogigeu  Tjmipanum  gegebene  Unterlage  ist  oben 
gerade  mit  einem  Blumenkamme  abgeschlossen, 
in  den  ZwickelHächen  mit  Blenden  verziert,  zwei 
davon  sind  wol  nicht  viel  später  mit  Figuren 
bemalt.  Die  bemalten  Wandflächen  zu  Seiten 
des  Schrankes  enthalten  auf  dunklem  mit  Blu- 
men bestreutem  Grunde  je  einen  das  Weih- 
rauchfass  schmngenden  Engel  und  darüber  einer- 
seits eine  stehende  Gestalt,  anderseits  einen 
betenden  Mönch,  vielleicht  den  Donator.  Die 
Köpfe  haben  individuellen  Ausdruck,  die  Ge- 
wänder steife  Falten,  die  Farben  eine  missglückte 
Abtönung. 

Einen  silbernen  Kelch  von  0,18«^  Höhe  kenn- 
zeichnen sechs  Blätter  des  Fusses,  ebenso  viele 
Seiten  und  ruudbogige  Blenden  des  Ständers, 
ein  mit  Facetten  und  Buckeln  verzierter  Knauf 
und  eine  etwas  nach  Aussen  geschweifte  in- 
wendig vergoldete  Cuppa.  Bei  dieser  Mischung 
gothischer  Construction  mit  neuzeithchen  Orna- 
menten gehört  er  in  die  erste  Hälfte  des  1(5.  Jahr- 
hunderts. 

Eine  tüchtige,  reiche  Arbeit  nach  einer  In- 
schrift des  Schalldeckels  aus  dem  Jahre  1701 
ist  die  Kanzel.  Während  Moses  und  die  Evange- 
listen ihre  Seiten  einnehmen,  beleben  die  Ge- 
simse und  Ecken  Engelköpfe  und  schwere  Festons 
—  Alles  gut  geschnitzt.  Treppe  und  Stütze 
sind  neu. 

Die  kleine  auf  mehrere  Füsse  gestellte  Taufe, 
wie  die  Kanzel  von  Holz,  aber  von  viel  sclüich- 
terer  Ausstattung,  trägt  die  Jahreszahl  1740. 

Von  den  drei  Glocken  sind  zwei  inschrift- 
lich 1719  gegossen  und  zwar  mangelhaft  in  der 
Fonn  und  Schrift.  Die  dritte  und  grösste  vom 
Jahre  1486  zieren  drei  Reifen  über  dem  Schlage, 
je  zwei  flachere  begleiten  oben  und  unten,  wo 


sie  noch  mit  einem  lang  herabhangenden  Blu- 
menkamm besetzt  sind,  die  Inschrift,  die   mit 
Auflösung  der  Abkürzungen  lautet: 
S"   Margareta  so  hyn  ich  genant, 
Geboren  van  den  heyden, 
\'an  ich  ro(pej,  so  komt  to  haut 
Dat  gy  van  gode  nicht  enscheiden. 
Anno  DComini;  mcccclxxxvi  die  Kiliani  I.  H.  S. 
Im  Blattwerkbesatz  steht :  Jolian  van  Dorp- 
mund  goet  nii  —  ein  Meister,  von  dessen  grosser 
Thätigkeit  noch  viele  Arbeiten  in  der  Mark,  im 
Kölnischen,  Münsterischen  und  Lippeschen  Zeug- 
niss  ablegen. 

Aus  dem  .lahre  1-544  stammt  das  Schlag- 
Uhrwerk.  —  Die  Orgel  ist  laut  den  Kirchen- 
rechnungen seit  1652  total  reparirt  oder  viel- 
mehi-  umgebaut  zuerst  von  Conrad  Wienbräkcr, 
dann  von  Sylvester  Heilmann  ,perfectionnirf. 
die  ganze  Ausführung  anscheinend  bis  165(3  ge- 
leitet von  dem  Organisten  Albert  aus  Dortmund. 
Die  jetzige  Orgel  hat  laut  Inschrift  1708  8o 
Sylvester  Hcibnann  aus  Herbern  aufgestellt, 
Gosivin  Heihnann  1746  reparirt.  1812  wurden 
die  Bälge,  Claviatur,  Register  und  andere  Theile 
von  Nohle  aus  Eckenhagen  erneuert,  damals 
auch  für  einen  neuen  Altar  das  Bild  des  (je- 
kreuzigten  von  David  Schmidt  aus  Unna  gemalt. 
Noch  früher  als  die  Wandmalereien,  nämlich 
in  den  Jahren  1856/57  wurden  die  architek- 
tonischen Restaurationen  gleichfalls  unter  Lei- 
tung des  Couservators  F.  von  Quast  vorgenommen, 
die  Bühnen  aus  den  Seitenschiffen  entfernt  und 
die  Orgel  und  Kanzel  vom  Chore,  wo  sie  seit 
1812  gestanden,  an  passendere  Stellen  versetzt, 
die  Fluren  mit  besseren  Steinplatten  belegt  und 
uördüch  an  dem  Chor  eine  kleine  Sakristei  an- 
gebaut. 1859  gab  auch  Dahlhajis  aus  Lünen 
den  Möbeln  einen  Anstrich  in  Holzfarbe,  voll- 
endete Bildhauer  Schnecker  in  Unna  den  stil- 
vollen Altar  aus  Werler  Grünstein  und  fertigte 


42 


JIETHLER. 


für  (lit-'sen  Welter -Bleisscm  aus  KOlu  ein 
Crucifix  und  neue  Leuchter  aus  goldfarbigem 
Messing:  die  Zeichnungen  für  die  letzteren  wie 
f(ir  den  Altar  waren  vom  Conservator  vm  Quast 
entworfen. 

Auf  dem  Kirchhofe  liegt  der  G^ah^tci^ 
der  Oertnid  Elisal)eth  Mallincrodt  f  1^79  17  9. 
der  Ehefrau  Dietrich's 
Stinweg,  Past<jrs  zu 
Methler.  mit  ihrem  Vrai>- 
pen,  im  Thurme  au  der 
Wand  das  grosse  vier- 
eckige aus  einem  weis- 
sen Kalkstein  gefertigte 
Denkmal  der  1023  ver- 
storbenen Frau  von 
Schwansbell  zu  Aden, 
geborncn  von  der  Kecke. 
Ihr  Doiij)('lwai)iM'n  be- 
findet sicii  in  der  Mitte,  darüber  in  eckigen 
Feldern  und  Medaillon -Umrahmung  die  vier 
Wappen  V.  d.  Kecke,  daneben  Stael.  Sjirenge. 
daneben  Schelle  oder  Sclieve,  darunter  Pletten- 
berg,  hieneben  Schade,  darunter  Hatzfeld,  da- 
neben Xesselrat. 

X(X'h  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts 
traf  man  an  der  Südseite  des  Kirchhofes  das 
Mauerwerk  einer  der  h.  Maria  und  dem  h.  Chry- 
sogunus  geweihten  Kapelle.  Sie  diente  vor- 
mah  den  IJesitzera  des  Hauses  Oberfelde  als 
Hrbbegrilbniss.  und  da  1470  ein  Kichard  von 
Hünen  zu  Oberfelde  mit  Friederich  Norrentin 
darin  besondere  Vermiichtnisse  stifteten,  so  dürfte 
sie  nicht  viel  früher  erbaut  worden  sein.  —  Jetzt 
steht  südlicli  der  Kirche  ein  steinernes  Denk- 
mal der  1S7(I,71  gefallenen  Krieger  der  Ge- 
meindi'  von  liem  Bildhauer  Drccvtcr  zu  Dort- 
mund. 

Nordwestlich  von  Methler  breitet  sich  in 
.schöner  von  liochgebauten  AVald|)artien  unter- 
brocliener  Lmdschaft  der  Hurgplatz  Velmede 
aus  mit  schmucklosen,  steinernen  Wirthsehafts- 
gebiluden  und  den  Resten  eines  Hinggrabens 
und  eines  Laubcnganges:  das  neue  Herrenhaus, 
ein  Miieksteiiiliau.  steht  links  vom  l-angange  zum 
Uurghof)-  nntl  birgt  aus  früheren  Hauten  noch 
Wappenschilder   sowie  einen  langen    Stein  mit 


zehn  Wappen  aus  dem  Jahre  IGOo.  wahrschein- 
lich die  Brüstung  eines  alten  Camins.  Das  Gut 
gehört  .schon  Jahrhunderte  der  freiherrhchen  Fa- 
niihe  von  Bodelschwiugh. 

Vom  Hause  Aden  erübrigt  nur  mehr  die 
Mühle:  ein  neuer  Bau  ist  südlich  vom  alten  Burg- 
platze und  an  höherer  Stelle  aufgeführt. 

Ein  merkwürdiger 
BurL'platz  ist  das  Haus 
Oberfelde.  —  als  läng- 
liches von  einem  Graben 
umgebenes  Viereck,  wie 
es  auch  eine  ältere  Land- 
karte (Fig.  23)  zeigt, 
misst  er  an  der  nörd- 
lichen und  südlichen 
Schmalseite  etwa  150 
Schritte,  an  den  beiden 
Langseiten,  wovon  die 
östhche  nicht  ganz  regelmässig,  etwa  300  Schritte 
und  an  Fläche  uugefilhr  15  Magdeburger  Morgen. 
Während  die  viereckige  Endlläche  im  Süden  und 
die  schmalere  im  Norden  Baumh<»fe  sind,  wurde 
und  wird  der  gros.se  rechteckige  ^littelraum  bis 
auf  den  schmalen  Strich  im  Westen,  der  die  bei- 
den P^ndflächen  verbindet  und  früher  mit  einem 
Walle  bedeckt  war,  von  den  Gräben  und  Bauten 
der  eigentlichen  Burg  eingenommen,  die  also 
östlich  fast  an  die  Zingel  stösst.  Der  Graben  ist 
im  Osten  und  Westen  geebnet,  im  Norden  zu  einem 
Teiche  erbreitert  und  darin  eine  viereckige  Insel 
ausgespart,  die  heute  ein  Taul)enhaus  mit  Mau- 
sarddach trägt  und  wol  der  l)esch)iittene  Best 
des  alten  Hauptjdatzes  ist:  denn  von  einem 
grössern  Bau  zeugen  Pfilhle  in  der  Tiefe  des 
Wassers.  Auf  dem  gr«)ssen  Voqdatze.  der  jetzt 
den  Hof  ])ildet.  liegt  gegeuül>er  der  Insel  der 
Brunnen  fast  genau  in  der  Mitte  des  Gesammt- 
werks,  links  vom  Eingange  im  Osten  das  steinerne 
Herrenhaus,  zwei  Geschosse  hoch  üljcr  den 
Kellergelassen,  ihm  gegenüber  in  drei  unregel- 
mässigt'ii  Flügeln  das  Wirthschaft^gebäude  ge- 
lehnt an  die  Umfassungsmauer,  welche  an  der 
Nordwestecke  noch  die  Reste  eines  Thurmes  ent- 
hält, sodann  dem  Graben  entlang  den  Binnen- 
jdatz  südlich  abschliesst  und  vonnals  an  allen 
vier  Ecken  Thtirme  gehabt  haben  soll.  Sollte 
im   Mittelraume   die   Insel   als  die   Hauptburg. 


BUUU  UND  fJTADT. 


43 


.r 


ihr  grosser  Vorplatz  als  die  Vorburg  einer  mit- 
telalterlichen Anlage  gelten  können,  so  erscheinen 
immer  die  Grösse  und  das  Regelmässige  der 
Gesammtanlage,  das  selbst  auf  die  Einzelheiten 
wieder  bestimmend  wirkte,  ganz  eigenartig,  da 
sie  ebenso  weit  von  den  fortificatori sehen  Grund- 
sätzen der  Neuzeit  wie  des  Mittelalters  abweicht. 


Oder  war  hier  ursprünglich  eine  romische  Schanze 
und  ist  darein  später  die  Burg  unter  Beseitigung 
des  Kernwerkes  und  der  Aussenwälle  verlegt? 
Oberfelde  liegt  an  der  alten  Strasse  von  Lünen 
nach  Unna ;  Haus  und  Gräben  waren  kaiserliche 
Afterlehen  der  Volmestein'schen  Lehenkammer, 
die  zugehörigen  Güter  frei. 


Vorher  S.  27,  29,  IG.  —  N.  U.-B.  IV,  Nr.  G03;  ü,  Xr.  942;  —  Reg.  H.  W.  .ir.  178.5;  —  Cod.  d.  W.  Xr.  ä50,  399,  491;  —  v.  Steinen 
a.  a.  0.  n,  907  ff.,  957,  913  ff. ;  —  derselbe,  Besclireibunp;  der  Gotteshäuser  Cappenbera:  und  Scheda,  S.  24  u.  Urk.  3;  —  Kind- 
ling-er,  Volmestoin  H,  Nr.  ü9A,  69  B;  —  Kampschulte,  Kirchcnpatrocinien,  S.  1.07;  —  Bädecker-Hcppe,  Zur  Geschichte  der  evanre- 
lischon  Kirche  Rheiiüaiuls  und  "Westfalens  (1870)  U,  11.");  —  Lübke,  Die  mittelalterliche  Kunst  in  Westfalen  (IViS)  S.  196,  .327  ff. 
mit  Bamletails  und  AVandsemiüden,  Taf.  XI,  XV,  XVI,  XIX,  XXV,  XXX;  —  derselbe  im  deutschen  Kunstblatt,  IVA,  ü.  310; 

—  Hotho,  Malorschulo  II.  van  Eycks  I,  124  ff.;  —  Krapp,  Bericht  über  das  zu  ilethlor  am  11.  December  1W9  gefeierte  Dank- 
fest für  die  L'lücklieh  beendigte  Kircbenrcstauration ;  Chronik  der  evanirel.  Gemeinde  Methler,  S.  123 — 128 —  Beides  Handschriften 
des  Pfanarchivs ;  —  Die  Gutskarte  von  Oborfelde  bei  Herrn  Schulze  Berge  zu  Aden.  —  ilittheilungen  des  Herrn  Pa-stors  Pl'Jger ; 

—  Lokal-Untersuchung  und  -Aufnahmen. 


Cameii. 


B^T^•2:    ■an.ci    Stadt. 


Camen  in  den  ältesten  Wortformen  als  Kamena 
oder  Camene  und  1179  zuerst  als  Ort  er- 
wähnt errang  seine  geschichtliche  Bedeutung  als 
Pfarrstätte,  .Landesburg  mit  Burgmannshöfen, 
als  Stadt  und  Sitz  eines  Klosters  und  gab  fast 
all'  diesen  Seiten  seiner  Vergangenheit  in  Bau- 
und  Kunstwerken  Ausdruck.  Vor  Camen  stand 
ein  Freistuhl  auf  dem  Hemelinghofe,  angeblich 
dem  jetzigen  Harlinghofe  zu  Overberge. 

Die  Landesburg  ist  hier,  wo  das  Wasser  der 
Seseke  leicht  den  natürlichen  Schutzgürtel  ab- 
gab, wenn  nicht  schon  früher  von  andern  Herren 
sicher  gleich  von  den  Märkischen  Grafen,  nach- 
dem sie  die  Besitzungen  der  Isenberger  genom- 
men, eingerichtet  und  ihre  Befestigung  1243 
im  Vertrage  mit  diesen  ausdrücklich  vorbe- 
halten. Zwanzig  Jahre  später  war  Camen  mit 
Gräben  und  Planken  umwehrt,  um  in  der  Kölner 
Fehde  ausgebrannt  und  1278  zur  Sühne  des 
Kölner  Erzbischofs  geschleift  und  vorerst  ohne 
Mauern  wieder  fortificirt  zu  werden.  Doch  1287 
kann  Graf  Eberhard  hier  schon  sein  Hoflager 
halten,  neue  Ansiedelungen  dehnen  sich  nament- 
lich im  Nordosten  der  Kirche  aus  und  der  feste 
Ort  überkommt  1342  die  vollen  Stadtrechte, 
nach  und  nach  sogar  doppelte  Wälle,  dreifache 
Gräben,  sechs  Thore  innerhalb  eines  Mauerringes. 
Die  Stadt  führt  vielleicht  von  der  Seseke-Mühle 
ein  Kammrad  im  Wappen,   darüber  als  gräf- 


Uches  Emblem  einen  gemirfelten  Balken,  sie 
nimmt  gegen  1400,  wo  sie  die  höchste  Blüte 
entfaltet,  unter  den  Städten  des  Landes  den 
zweiten,  sonst  den  dritten  Bang  nächst  Hamm 
und  Unna  ein  und  wird  auch  Mittelpunkt  eines 
kleinen  Amtes.  Die  Thore  mit  ihren  Werken  und 
Thürmen  sind  1820/22  niedergerissen,  die  Gräben 
und  Mauern  streckenweise,  letztere  als  Euinen. 
geblieben.  Das  alte  Rathhaus  bestand  bis  1680. 
ein  grosses  und  massives  gegen  1400  aufgeführtes 
musste  1823  dem  bestehenden  weichen.  Beim 
Wirth  Köpe  findet  sich  ein  brauner  Trink- 
krug von  Raerener  Steingut,  am  Bauche  geziert 
mit  den  Darstellungen  tanzender  Bauern  imd 
lustiger  Musikanten,  inschriftlich  aus  dem  Jahre 
1583.    lieber  dem  Bildwerk  steht  der  Vers: 

Kert  du  mus  dapr  blasen 

So  dansen  dei  buren  als  weren  sei  rasen 

Fri  ut  spricht  bastor 

Ich  verdans  di  kap  i':it  en  kor. 
Das  Gefäss  hat  0,19»/  Höhe.  Deckel  und  Fiiss 
aus  Zinn,  am  weiten  Halse  Quemefungen,  ver- 
ticales  weit  abstehendes  Linienwerk  am  obem 
und  untern  Theil  des  birnförmigen  Bauches, 
IvTäftigen  Henkel  mit  enger  Oehre.  Ein  vom 
Kreisbanmeister  HammacJicr  entworfenes  und 
von  Hchvcg  zu  Paderborn  ausgeführtes  Denk- 
mal für  die  1870/71  fürs  Vaterland  gefallenen 
Söhne  der  Stadt   und   Gemeinde    besteht    aus 


6* 


44 


CAMEN. 


einer  mit  dem  Bronceadler  besetzten  korinthi- 
schen Säule  über  einem  hohen  Postamente. 

Eine  eigentümliche  Farbe  verlieh  dem  städti- 
schen Leben  (üe  Burgmaunschaft  —  sie.  die 
den  Kern  der  Stadt  gebildet  hat  und  1280  nächst 
Mark  und  Altena  rangirt.  Die  Burghöfe,  deren 
im  (jAiv/j'n  zehn  gezählt  sind,  lagen  mit  Wuhn- 
und  AVirthschaftshäusern  später,  wie  heute  noch 
der  Vugelsche.  meist  zerstreut  an  der  Zintrel  und 
erfreueten  sich  zum  Theil  besonderer  Freiheiten 
von  städtischen  Lasten;  bevor  jedoch  die  Stadt 
ihre  weitesten  Kingwerke  hatte,  machten  sie  mit 
ihren  Werken  und  Zingeln  die  Hauptfortitication 
des  Ortes  aus.  indem  sie  sich  gewiss  wie  ander- 
wärts um  die  Burg  des  Landesherren  oder  dessen 


Stellvertreters  gruppirten.  Von  ihnen  umringt 
lag  das  Schloss  jedenfalls  auf  dem  bis  m  unser 
Jahrhundert  imi wallten  Gartengelände  im  Westen 
der  Kirche  und  ward  von  den  Grafen,  die  hier 
in  älterer  Zeit  auch  residirten  und  einem  Grund- 
stücke den  Namen  Grafenwiese  vererbten,  an 
einen  Zweig  der  Herreu  von  der  Recke  zu  Lehen 
ausgethan.  Die  Ansicht,  sie  sei  der  Ursitz  der 
Recken  und  diesen  vom  Grafen  von  der  Mark 
gerauVtt.  entbehrt  der  thatsächlichen  Begründung, 
wenngleich  die  Reck'schen  Allode  und  Gerecht- 
same auf  Camen  als  den  Mittelimnkt  gravitiren 
und  ihr  Eintluss  auf  die  Stadtverwaltung  sehr 
henorraqrend  Mar. 


Doch  älter  als  das 
Schloss.  spätestens  ihm 
gleichalterig  war  das 
Gotteshaus;  dem  h.  Se- 
verin  geweiht  kann  es 
wol  in  den  ältesten  Zeiten 
bestanden,  jedoch  erst  im 
neuen. Tahrtausend  Pfarr- 
rechte für  seinen  wahr- 
scheinlich von  Herringen 
und  Brechten  abgelösten 
S|)rengel  erhalten  haben; 
musste  doch  das  noch 
westlicher  gelegene  Hee- 
ren dem  Pfarrer  zu  Brech- 
ten noch  lange  eine  Ab- 
gabe als  Zeichen  vorma- 
liger Abhäntri'jkeit  ent- 
richten! l>ie  Pfarre  Ca- 
men rangirte  nach  Unna 
unter  den  grossen  Pfarr- 
stellen, deren  Besetzung 
sich  der  Ivölner  D<jm- 
propst  120;i  gegenüber 
tlem  Archidiacon  sicherte, 
als  beide  über  diesen 
geistlichen  Administra- 
tinnsbezirk  sieh  endirüi- 
tig  einigten:  die  Kirche 
bedienten  laut  Zeugnis- 
sen «li'r  Jahre  1  :?.')'.•  und 


V 


1516  merkwürdigerweise 
mehrere  .Pfarrer  und 
zeitweise  zwölf  Vicare. 

Der  vorhandene  Kir- 
chenbau ist  sicher  der 
dritte  in  der  Reihe  der 
Steinbauten :  der  erste 
entstammte,  wie  der  noch 
erhaltene  Kirchthumi. 
der  romanischen  Zeit, 
jedenfalls  noch  dem  12. 
Jahrhundert,  ebenso  wie 
die  Capitäle.  Basreüefs 
und  Mauersteine,  welche 
der  Südwand  des  gothi- 
schen  Baues  einirefüsrt 
waren.  Nachdem  näm- 
lich der  Ort  zu  einer 
zahlreichen  Einwohner- 
schaft mit  Stadtrechten 
angewachsen  war.  ge- 
nügte die  alte  vermut- 
hch  einschiffige  Kirche 
nicht  mehr  und  schon 
gegen  1:^70  ward  der  Bau 
einer  grossem  in  Angriff 
genommen;  denn  \'M4 
erlaubt  Lnbl>ert  vom 
Northofe  das  von  sei- 
nem Vater  zum  Kirchen- 
bau verkaufte   Holz   im 


j-' 


KIRCHEXBAU. 


45 


Dombruche  so  lange  stehen  zu  lassen,  bis  es 
zum  Baue,  also  zum  Dachwerke,  verbraucht 
werden  könne.  Zwei  Jahre  später  gestattet  der 
Erzbischof  Friedrich  von  Saarvverden,  dass  wäh- 
rend des  Ausbaues  der  Severinskirche  auf  vier 


Jahre  sowol  im  alten  als  im  neuen  Kirchen- 
gebäude  Tragaltäre  benutzt  werden  dürften.  Die 
lürche,  welche  hiernach  wesentlich  in  den  Jahren 
1370/80  erstand,  war  jener  (Fig.  24,  25)  grosse 
gothisehe  Bau.  welcher  1843  abgebrochen,  doch 


25. 


glücklicherweise  im  Grundrisse  und  Durchschnitte 
gezeichnet  worden  ist.  Es  war  eine  dreischiffige 
Hallenkirche  von  ansehnhchern  Breiten-  als 
Höhendimensjonen ,  mit  einem  fünfseitig  aus 
dem  Achteck  auf  kurzer  Vorlage  construirteu 
Chore,  über  den  Langwänden  mit  Giebeln,  im 
Osttheile  mit  einer  Gruft  versehen.  Zwei  Eck- 
säulen am  Chore,  drei  Paar  stämmige  Rund- 
säulen  stützten  in  der  Mitte,  Wandsäulen  an 
den  Seiten  die  Gewölbe;  nur  das  westUchste 
Stützenpaar  bildeten  Pilaster,  und  die  Rippen 
des  Chores  entsprangen  anscheinend  unmittelbar 
aus  der  Mauer.  Das  Mittelschiff  deckten  Stern- 
gewölbe, die  erhebhch  schmaleren  Seitenschiffe 


und  die  Chorvorlage  Kreuzgewölbe,  die  Fenster 
des  Chores  waren  dreitheihg,  mit  einer  reichern 
Gruppirung  von  Drei-  und  Yierpässen  beki'önt. 
die  der  Langseiten  vielleicht  noch  reicher  ent- 
wickelt, die  Profile  der  I:;ibungen  (Fig.  26)  und 
Rippen  zwar  schUcht  aber  kräftig  entworfen,  die 
beiden  Portale  der  Langseiten  jedenfalls  ziervoll 
behandelt.  Die  Säulen  zeigten  ein  einfaches 
Sockelgesims,  ein  kurzes  kämpterartiges  Capital, 
die  Streben  nur  die  nothwendigste  Güederimg 
und  jene  auf  den  "Winkeln  eine  schräg.  Stellung. 
Alle  diese  Eigentümlichkeiten  harmoniren  vor- 
trefflich mit  der  Bauzeit:  den  alten  constructiven 
und  schönen  Formen  reichen  schon  die  flackeren 


1 


46 


CAMEN. 


Steinsockel 


der  Spätzeit  die  Hand.  —  nach  dem  Vorwalten 
dieser  oder  jener  einzelnen  Bautheileu,  wie  dem 
Chore,   ein  jüni,'eres  Alter  beizulegen,  wäre  ein 
,^^^  unnützes  Bemühen:  jedenfalls  er- 

„  scheint  dieser  Bau  im  Ganzen  als 

/.PI)  ein  einheitliches  "Werk  und  als 
ein  sicher  datirtes  Muster  der 
grössern  Hallenbauten  auf  der 
Scheide  der  frühem  und  sitätern 
Gothik.  Die  Jahreszahl  1440  an 
einem  nordwestlichen  Pfeiler  zielte 
schon  nach  v.  Steinen's  Ansicht 
auf  eine  Restauration,  der  auch 
der  Pfeiler  mitten  vor  der  West- 
mauer des  südlichen  Seitenschiffes 
entstammen  mag. 

Die  gegenwärtige  Ivirche,  ein 
moderner  Ziegelbau  mit  Brucli- 
und  Streben,  nmd  geschlossenen 
Fenstern  und  Thüren,  flach  gedeckt  und  nur 
über  der  fünfseitigeu  Apsis  gewölbt,  ist  1849 
i'ingf.'wciht.  In  der  südlichen  Chorwand  ist  ein 
kunstreiches  Erl)theil  der  alten  Kirche  ange- 
bracht, ein  0,47»/  grosses  Messing -Epitaph 
(Fig.  27):  es  stellt  in  einem  mit  Nasen  besetzten 
und  entsprechend  umrahmten  Vierpass  über  einem 
S7.  Wappen    einen 

Kelch  dar  mit 
der  Umschrift : 
Anno  Domini 
l520  die  Ti- 
burtii  obiit  vc- 
ncrabilis  domi- 
nus Gerhardus 
de  Werne  pa- 
stor  huius  ec- 
cle>ie ,  hie  se- 
]uillu>.  Re(iui- 
o>cat  in  i)ace.  Schon  das  Blattwerk  als  iimerer 
Besatz  des  Vierpasses  gleicht  so  sehr  dem  ent- 
sprechenden Ornamente  auf  (ilocken  Dortmunder 
Meister,  dass  man  diese  für  die  Urheber  iles 
getsllligen  Stückes  halten  darf. 

Den  Altar  schmückte  ein  grosses  Tafel- 
uc ni.il de  der  Kreuzigung  —  wahrscheinlich  vom 
.Meister  des  schüneii  Triptycbons  in  der  Kirche 
zu  Cappenberg  —  also  ein  Kunstwerk  aus  der 
Frühzeit  des  D).  .lahrhunderts.  das  nach  Biele- 


feld in  Privatbesitz,  später  bei  Heberle  zu  Köln 
unter  den  Hammer  kam.  Die  Stelle  desselben 
nimmt  ein  vom  Maler  Ztuhi  in  Leipzig  gemaltes 
einfach  umrahmtes  und  mit  einem  Architrav 
überdecktes  Oelbild:  Christus  am  Oelbei^e  ein. 

Den  Boden  decken  noch  mehrere  Grab- 
steine; davon  gedenkt  einer  der  Elisabeth  Fry- 
dag,  Frau  von  der  Recke  zu  der  Kecke,  Drostin 
zu  Unna  und  Camen  f  lOlß  9(5  und  zeigt  in 
llachem  Relief  einen  viereckigen  von  Figuren 
gehaltenen  Mittelschild,  darüber  eine  in  jeder 
Hand  Kranz  und  Wappen  haltende  Gestalt,  dar- 
unter wieder  umkränzte  Wapjien  —  Alles  in  zieni- 
hch  edlen  Formen. 

Der  aus  romanischer  Zeit  erhaltene  \Ve^t- 
thurm  steigt  aus  grünen  Sandsteinblöcken  vier- 
eckig und  hoch  mit  Mauergiebeln  empor  und 
M'ipfelt  in  eine  schlanke  Rautenspitze,  die  wol 
ebenso  vie  jene  der  Thomaskirche  zu  Soest  ab- 
sichtlich schief  gegen  Südwest  errichtet  ist. 
Risse,  Verbitterung  und  Bewurf  haben  allmäUg 
dem  Mauerwerk  ^'ieles  von  seiner  stilistischen 
Zier  wie  von  seiner  statischen  Festigkeit  ge- 
raubt: in  den  Obergeschossen  sind  die  Schall- 
öffnungen theils  vermauert,  theils  der  Mittel- 
säulchen  beraubt,  der  Bogeufries  der  vorletzten 
Etage  und  das  aus  Wulst  und  Kehle  componirte 
Abschlussgcsimse  entweder  nur  durch  den  Be- 
wurf sichtbar  oder  doch  restweise  erhalten. 
Das  rahmenartig  vortretende  Portal  der  West- 
mauer hat  eingestufte  Seiten  und  eine  BedeckTing 
im  Rundbogen,  der  auch  die  Schallöffnungen 
beherrsiht.  Im  Innern  findet  man  zwei  nmd- 
bogige  Gewölbe,  eines  über  dem  Untergeschos.se. 
das  andere  etwa  auf  zwei  Drittel  der  Thunnhöhe 
—  eine  Ausstattung,  die  mit  dem  massigen 
Mauerwerk  der  Untergeschos;«.e  die  fortificato- 
rische  Xebenbestimmung  deutlich  anzeigt  und 
dem  Bau  sogar  den  Namen  .eines  Raubschlosses' 
einbrachte. 

Vor  gut  hundert  Jahren  wurden  in  diesem 
Thunne  noch  die  (ilocken  angetroffen,  welche 
l:U4  der  Graf  Adolf  von  der  Mark  zu  Monden 
erbeutet  und  hierher  verschenkt  hatte;  die  vor- 
lindliehen  sind  jünuer.  so  die  kleinste  mit  der 
Insehrift: 

\  ivos  vorn,  mortuos  plango.  Cainpana  haec 
cura    pa^torum    Canient.ium,    pre^l^ytcrii. 


-T' 


VERSCHIEDEXE  DENKMÄLER 


47 


provisorisque  temporanei,  quonim  nomina 
in  actis  consibtorialibiis  cxj)rebsa,  fiisa  1768. 
Soli  Deo  <(loria.  ]\I(auricej  Mabillot  in 
Coblenz  fccit. 

Die  grösste:   Daniel  Loncr  von  Nurenberg  goss 
mich  1631. 

Die  Uhrglocke :  Jesus  is  dei  nanic  niyn, 

tho  gades  deinste  ich  bereit  si(nj. 
x\o.  XV^'^lXXXVII. 

Nachdem  bereits  der  gelehrte  und  eifrige 
Fürsprecher  der  Keformation  in  Westfalen,  der 
Humanist  Herman  Hamelmauu  am  Trinitatis- 
Sonntage  1552  gegen  die  alte  Lehre  aufgetreten, 
aber  dafür  seines  Amtes  enthoben  war,  schloss 
sich  die  Gemeinde  seit  1567  auf  die  Predigten 
des  Johan  Buxtorf  dem  reformirten  Bekennt- 
nisse an,  das  hier  die  grösste  Seelenzahl  in  der 
Mark  erreichte.  Buxtorf,  der  hier  noch  1576 
lebte,  arbeitete  zwanzig  Jahre  lang  an  der  ersten 
Hälfte  des  chaldäischeu,  talmudischen  und  rab- 
binischen  Wörterbuches,  —  eine  Arbeit,  die  sein 
Sohn  Johan  weitere  zehn  Jahre  fortsetzte.  Dieser 
gelehrte  Orientalist  ist  zu  Camen  am  25.  Decem- 
ber  1564  geboren,  1629  13/9  zu  Basel  an  der 
Pest  gestorben.  Das  Wohnhaus  lag  an  der  Ecke 
der  Kirch-  und  Weststrasse,  wo  noch  jetzt  eine 
Thür  den  Namen  Buxtorf  trägt  und  die  alte 
Wetterfahne  bis  jüngsthin  einen  springenden 
Bock  zeigte. 

In  einem  Pfarrhause  haften  noch  zwei  be- 
helmte Wappen,  das  eine  viergetheilte  mit  dem 
Namen  Wetholz,  das  andere  einfache  mit  Hase?i- 
bein  unterschrieben. 

Die  Katholiken  besuchten  darauf  den  Got- 
tesdienst einer  dortigen  Klosterkirche.  Verschie- 
dene hier  längst  in  zwei  Häusern  angesiedelte 
Beghinen,  Avelche  1470  einen  Orden  annehmen 
mussten,  legten  vor  dem  Guardian  der  Hammer 
Observanten  Reiner  von  Egmont  die  Gelübde 
auf  die  dritte  Regel  des  h.  Fi'anziskus  ab  und, 
nachdem  ein  Jahr  darauf  Catharina,  eine  natür- 
hche  Tochter  Adolfs  L,  Herzogs  von  Cleve- 
Mark,  in  ihre  Gemeinschaft  getreten,  nahm  das 
lüoster  einen  solchen  Aufschwung,  dass  1475  auf 
derVlotowe  eine  neue  Kloster-Kirche  errichtet 
^nirde.  Die  Nonnen  erhielten  1623  einen  stän- 
digen Beiclitvater  aus   dem  Ivloster  zu  Hamm, 


bauten  1684  einen  neuen  Klosterflügel,  1753  eine 
grössere  Orgel  und  erneueten  1788  das  Haupt- 
gebäude des  Convents  —  fast  alles  aus  coUectirten 
Mitteln.  Das  Kloster,  Avelches  im  Südwesten 
der  grossen  Kirche  lag.  ward  1818  14  7  durch 
Cabinetsordre  aufgehoben,  im  nächsten  Jahre 
aber  eine  kathohsche  Gemeinde,  die  seither  an 
dessen  Cultus  Theil  genommen,  legalisirt.  Diese 
benutzte  vorab  auch  die  Klosterkirche,  bis  1848 
ein  neues  Gotteshaus  errichtet  ward.  Es  ist  ein 
einschiffiger  Backsteinbau  mit  polygonem  Chore, 
einem  Dachreiter  und  mit  Fialen  an  den  ner 
Ecken,  Von  der  alten  Ivirche  erübrigt  nur  mehr 
die  Bodenfläche  südhch  neben  dem  Neubau  und 
in  derselben  hegt  noch  das  Epitaph  der  Tochter 
des  Herzogs  Adolfs  f  1499  20,7:  eine  runde 
Bronce -Platte  von  0.32m  Durchmesser,  inner- 
lich mit  sechs  in  Blätter  auslaufenden  Nasen 
besezt,  äusserlich  mit  der  Inschrift: 

Biddet  voer  suster  Katherinen. 

Die  kleinen  Glocken,  welche  der  Jahres- 
zahlen und  sonstiger  Schrift  entbehren,  dürften 
zunächst  für  den  Privatgebrauch  gegossen  und 
später  der  Kirche  überlassen  sein. 

Eine  lutherische  Gemeinde,  die  heute  noch 
besteht,  bildete  sich  im  Anfange  des  17.  Jahr- 
hunderts, hielt  ihren  Gottesdienst  erst  auf  dem 
Rathhause  oder  heimhch  in  Privatgelassen,  bis 
sie  1699  Rehgionsfreiheit  bekam,  die  sie  jedoch 
erst  auf  Königl.  Rescript  vom  Jahre  1714  gel- 
tend machen  konnte.  Im  nächsten  Jahre  ward 
für  den  Gottesdienst  ein  Haus  gekauft  und  ein- 
gerichtet, 1742/44  endhch  eine  Kirche  erbaut: 
einschiffig,  polygen  im  Chore,  rund  mit  Pliester- 
werk  eingedeckt,  beleuchtet  von  randbogigen  Fen- 
stern, im  Westen  1869  mit  einem  schmächtigen 
Thurme  besetzt,  der  oben  das  Aussehen  eines 
Dachreiters  annimmt.  An  einer  Langseite  steht 
die  Inschrift:   Renovatvm  1862. 

Früher  haftete  an  der  Chordecke  ein  in  Holz 
ausgeführtes  Doppelwappen,  wovon  das  eine  drei 
concentrisch  gestellte  Blätter,  das  andere  ein  fimt- 
speichiges  Rad  darstellte. 

Gewundene  und  verzierte  Scitensäulen  bilden 
den  Altaraufsatz  und  tragen  auch  die  m.orkwürdige 
Holzkanzel  —  eine  spätgothische  Arbeit.  Sie 
ist  sechseckig,  an  den  drei  Vorderseiten  mit  Blend- 
fenstern und  unten  mit  Vierblattmustern,  ai:  den 


48 


SCHLOSS  RECK. 


Ecken  mit  kanellirten  Renaissance-Säulchen  be- 
lebt. Das  Kranzgesims  und  die  Profile  des  Base- 
ments  sind  von  einfacher  Zeichnung. 

Die  steinerne  Taufe  ist  kelchfurniig  und  ihr 
schlanker  Stünder  polygon,  mehrere  schneckenar- 
tige Glieder  concentrisch  gestellt  bilden  die  Krone 
des  Deckels ;  ein  Wappen  am  Becken  stellt  ein 
fünfspeichiges  Rad  mit  der  Inschrift  Bercheni  dar. 

Die  noch  vorhandenen  Erbsitze  schmückt 
Schnitzarbeit.  V(jr  dem  Hudialtare  liegen  die 
Grabsteine  der  Pastöre  Johan  Mauriz  Xeuhaus 
1 1738  und  Heinrich  Wilhelm  H.-nke  1 17:)5  .3  G. 

Auch  die  Juden,  welche  lange  in  einer 
Scheune  Gottesdienst  gehalten,  errichteten  sich 
im  vorigen  .Jahrhunderte,  17.36,  auf  der  Cilm- 
strasse  ein  Bethaus,  gegen  1830  an  dessen 
Stelle  eine  neue  Synagoge  und  Lehrerwijhnung. 


Das  Haus  Raffenberg  zu  Lerche,  wol  ein 
Abspliss  des  Gutes  BOgge.  hat  bis  auf  einige  Gra- 
benbOschungen  und  Wiesenniederungen,  welche 
den  Platz  des  einstigen  Wassergürtels  einnehmen, 
alle  Spuren  der  früheren  Einrichtung  verloren 
und  bildet  heute  einen  Pachthof  mit  einem 
neuen  Steinhause:  im  Hintergrunde  desselben, 
ausserhalb  der  Grabensenkung,  erhebt  sich  von 
Koiifbuchen  und  einem  Stacket  umfriedet  und 
Von  einer  hohen  Tanne  beschattet  ein  beschei- 
dener Grabhügel,  wie  es  heisst.  der  einer  Frau 
von  Senfft- Pilsach.  die  in  den  zwanziger  .Jahren 
dieses  Jahrhunderts  gestorben  wäre.  Sie  war 
vermutlich  eine  gelwme  Friederike  v.  d.  Recke, 
ihr  Mann  1700  Besitzer  des  Hauses  Reck.  Trotz 
allseitigster  Erkundigung  vermag  ich  Genaueres 
nicht  anzugeben. 


Vorher  S.  2«,  29,  »).  —  X.  V.-B.  I.  Xr.  471  :  H.  Xr.  5öl.  716.  942;  —  Xorthof  1.  c.  p.  W.  111;  —  Giron.  comitnm  de  Clrns  et 
Manra  ...  in  Soibcrtz'  Quellen  U.  2ii4:  —  U.-B.  .1.  H.  W*.  ni,  HX«;  —  W.  U.-B.  m.  l<«t.  12C2:  —  Urk.  in  Tross'  ■W<>stf«lim. 
IH-.li.  S.  löt;  —  Buschmann  a.  a.  O.  IV.  1^1.  I.s7  ff.,  »l-j.  2"2"_»  f..  J.Vi.  24."^,  21«:  —  v.  Steinen  UI,  1  ff. :  —  GeKhichte  der  Herren 
von  der  Recke,  S.  10  ff.,  22*i:  —  Esisellen,  S.  111;  —  Ueber  den  Rjierener  Kniff  vea'l.  DumbuM-h,  die  Ku:i-:--i.  !••  i'-r  Töpfer  in 
der  Stadt  Siephnrur,  lb73.  S.  87;  —  Kampschulte,  S.  77;  —  Bftdecker-Heppe  U.  78,  81;  —  Aufnahme  der  .  ;  rche  von 

Hassenkamp,  1813;  —  Geschichte  <ler  Herron  von  der  Recke,  S.  249,  2tXt:  —  Mittheiluncen  der  Herren  Pa>:  .    Grttmer. 

Bertelsmann,  sowie  des  Herrn  Fabrikanten  W'estermann  in  Bielefeld;  —  Local-Untersnchune  tmd  -Aofnahmi-. 


Reck. 


Sc'h.loss    mi(l    Kirclie. 

Das  Sehittss  im  Xurdeii  von  Canien  gelegen  Wir  erschauen  in  dem  Schlo>>e  trotz  aller 

und  angeblich  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  Veränderungen  und  Xeuenmgen.  denen  es  an- 

von  den   Herren  von  der  Recke  inmitten  ihrer  heimgefallen,    noch    deutlich    den    Typus  einer 

Allode  undj.ehengüter  erbaut,  war  ursprünglich  grös.scrn  Burganlage:  nilmlich  von  Wasser  und 


nach  der  Umgebung  der  Pelkumer  Heide  zur 
.Heide'  genannt,  1421  bewohnt  und  trag  seit 
der  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  den  Namen 
.Schldss  Keck'.  Es  kam  durch  Concurs  der 
Familie  von  der  Reck  zu  IJcck  .in  den  siebziger 
.Jahren  des  voriircn  .lahrhunderts'  in  die  Hunde 
des  Freiherrn  SeiilTt  vim  Pilsach  und  spilter 
durch  Erbschaft  an  die  Freihemi  von  Vincke. 

Das  adelige  Haus,  von  dem  expansivsten 
Hittergeschlechto  des  I^andes  gecrründet.  hatte 
eine  weitlilulige  C'ivil-  und  ('riminal-(ierichts- 
barkeit  und  zwar  über  die  Ortschaften  der  gleich- 
namigen Herrlichkeit  sowie  über  (Ue  Dörfer  Kesse- 
biiren  und  Früniern,  die  1812  1,2  wahrend  der 
l'remdherrschaft  gestrichen  wurde,  nachdem  noch 
kurz  viirher  ein  T»i(lesurtheil  gelTlllt  war. 


^lauern  umschlungen,  durch  ein  Mittelwasser 
getrennt,  aber  durch  eine  Zugbrücke  verlnm- 
den  eine  ovale  Haui)tbur!]r  im  Xttrden  und  eine 
lilngl  ich -eckige  Vorl)urg  im  Süden  mit  einem 
Flächeninhalte  von  ungeföhr  einem  Morgen.  Die 
HaujitburLT  hatte  merkwürdisrer  Weise  eine  nie- 
tlrige  Lage,  doch  angeblich  drei  Ringgn'lben,  die 
Vorburg  zwei  gewölbte  Thore.  das  eine  im  Nord- 
osten in  der  l^ichtun«:  IVlkum.  das  andere  im 
Süden  in  der  Richtung  Camen.  die  ganze  Ost- 
seite der  Anlage  noch  eine  die  Garten  um- 
fassende Wehr  von  Gn11)en  und  Wallen.  Die 
Rinsrmauern  der  Vorburg  sind  meistens  gefallen. 
die  Thoro  noch  im  Bestände  und  durchbnKhen 
von  Schiesscharten  und  den  Gangen  ftlr  die 
Ketten  der  Zugbrücken,   das  östhche  mit  un- 


iSCliLüs;»  U.ND  KllllUE. 


49 


kenntlichen  Wappen,  das  südliche  mit  mehreren 
Steinwappen,  wovon  zwei  die  Jahreszahl  lo89 
und  1652  aufweisen,  also  die  Daten  für  den 
Beginn  des  Baues  und  die  Restauration  nach 
dem  dreissigjährigen  Kriege.  An  der  Ostseite 
der  Vorburg  liegen  der  Schafstall  —  ein  Fach- 
werkbau mit  dem  Wappen  Reck-Ledebur  1775 
und  ein  steinernes  Wirthschaftsgebäude,  an  der 
Südwestecke  die  Steintrtimmer  der  Kapelle. 
Die  Hauptburg  ist  ringsher  mit  altern  und 
neuem,  grossem  und  kleinern  Bauten  besetzt, 
denen  die  Zingel  als  Rücklage  dient.  Gleich 
rechts  steht  mit  mehreren  Ausstichen  und  Vor- 
bauten und  demgemäss  mit  mehreren  Giebeln 
bekrönt  das  Herrenhaus,  zwei  Etagen  hoch  auf 
hohem  Untergeschosse  mit  steilen  Treppen ;  der 
vorspringendste  Theil  im  Untergeschosse  zeigt  ver- 
mauerte Arkaden  und  gewölbte  Keller,  schlanke 
Fronten  und  Giebel,  und  ein  Vorbau  die  Stein- 
Wappen  Reck -Reck  und  Reck-Heessen.  Die 
Fomi  der  Arkaden  gehört  schon  der  Neuzeit, 
die  gekehlten  Gesimse  sowe  der  schlanke  Auf- 
bau noch  der  mittelalterüchen  Auffassung,  der 
Bau  im  Rücken  vielleicht  dem  Mittelalter,  der 
Vorbau  etwa  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts 
an  bis  auf  einen  Ausstich  im  Osten,  dessen 
convexe  und  coucave  Giebelränder  mit  Kugel- 
zier als  unschöne  Früchte  des  folgenden  Jahr- 
hunderts erscheinen.  Oestlich  daran  stösst  ein 
Wirthschaftshaus  in  Fachwerk  mit  der  Jahres- 
zahl 1750,  quer  davor  au  der  Nordseite  liegt 
das  Brauhaus,  daran  ein  kleiner  Bau,  daran, 
und  zwar  bereits  an  die  Westseite  gerückt, 
gerade  dem  Thore  gegenüber,  ein  Oekonomie- 
haus  von  Stein,  im  Giebel  über  der  Einfahrt 
mit  Schiesscharten  durchbrochen ;  den  Abschluss 
der  Westseite  bilden  ein  kleiner  Neubau  und 
der  bis  an  den  Thurni  reichende  alte  Wehr- 
gang mit  Tonnengewölben  und  vormals  mit 
offenen  Arkaden.  Den  Eingang  bewehrt  links 
ein  polj-goner  über  90'  hoher  Thurm  von  aller- 
hand Schiesscharten  und  Oeffnungen  durch- 
brochen, mit  einem  Halbkugeldach  bedeckt,  und 
an  der  Südseite  oben  mit  einer  schönen  vier- 
eckigen  Steintafel   verziert,    welche   neben   den 


beiden  Wappen  und  der  Jahreszahl  1554  die 
Inschrift  bewahrt :  Dierich  van  der  Riecke  niare- 
schalck,  drobtc  tho  Unna,  Mechclt  van  Ossen- 
Ijrock.  Mit  dieser  Jahreszahl  als  Baudatum 
stimmen  auch  die  Vielseitigkeit  des  Gnmdrisses. 
der  nördlich  angebrachte  Treppenthurm,  die  Re- 
naissance- und  älteren  Stilformen  der  feineren 
Glieder  sowie  die  zu  Seiten  eines  Cracifixes  an- 
gebrachten Reck'schen  Wappen  mit  Minuskel- 
Schrift.  Daneben  hegt  das  Thor  mit  dem  Wap- 
pen 'Reck-Syberg,  und  der  zwischen  diesem 
und  dem  Herrenhause  liegende  Raum  der  Zingel 
war  vormals  auch  mit  einem  Gebäu  gefüllt, 
dessen  Giebellinien  noch  an  der  Westfronte  des 
Herrenhauses  durchscheinen,  und  zwar  nach  einer 
Ortstradition  mit  der  Hauskapelle.  Auf  der 
Hauptburg  lagen  nicht  weniger  als  vier  Braunen 
und  zwar  zwei  in  den  gewölbten  KelleiTäumen 
des  Herrenhauses,  einer  hinten  im  Oekonomie- 
hause  dem  Eingange  gegenüber  und  einer  im 
Wehrgange  neben  dem  Thurme.  Einige  der 
älteren  Bauten  sind  mit  den  Fortificationen  noch 
in  unserer  Zeit  gefallen,  namentUch  auch  die 
Hauskapelle  oder  Kirche  auf  der  Vorburg.  — 
andere  im  vorigen  Jahrhundert  von  dieser  auf 
die  Hauptburg  verlegt,  so  dass  das  Ganze  nicht 
mehr  den  Eindruck  des  Grossartigen,  sondern 
den  des  Altertümlichen  macht. 

Die  Kirche  war  schon  1620  begonnen  und 
dann  durch  den  Krieg  im  Fortbau  unterbrochen, 
so  dass  sich  die  Fundation  als  Pfarre  bis  1649  3/9 
verschob.  Die  Gemeinde  wurde  von  Canien  ab- 
gepfarrt  mit  zwei  Vicarien  von  Camen  und  Her- 
ringen ausgestattet  und  hing  bis  zur  evange- 
lischen Union  dem  reformirten  Bekenntnisse  an. 
Der  Pfarrbezirk  umfasst  zufolge  einer  Regierungs- 
verfügung von  1833  25/3  nur  das  adehge  Haus 
Reck,  das  Halfenhaus  innerhalb  der  Ringmauer, 
die  PfaiT-,  Küster-  und  Schäferwohnung  sowie  das 
alte  Geiichtsgebäude  und  zählt  etwa  24  Seelen. 

Die  neue  Kirche,  ein  kleiner  viereckiger  Back- 
steiubau  mit  einem  Dachreiter  und  gepaarten 
Rundbogenfenstern,  ist  inschriftlich  1871  erbaut 
und  zwar  ausserhalb  des  Burgberinges  vor  dem 
südlichen  Thore. 


Geschichte  der  Hen-en  von  der  Recke,  Pracht- Aus^.  1878,  S.  220, 
1C7;  —  Büdecker-Heppe,  II,  109;  —  Local -Untersuchung-. 


251,  Taf.  XIV.  a.  niit  der  Ansicht  derVorbiu-y;  —  Esselion,  S.  1G6, 


ÖO 


PELKm. 


[PelkTiiii. 

Kirche    und    andere    Denkmäler. 

K'lkura.    gegen    900    Pihichem,    seit    1003  Das   Schiff  hat  die 


I  niecheim,  1147  Pelechem,  hatte  in  letzterm 
Jahre  schon  eine  Kapelle,  als  deren  Patron 
noch  im  15,  JahrhundtTt  der 
Abt  von  Deutz  benannt  ist;  die 
vielleicht  dem  h.  Jakobus  ge- 
weihte und  von  Herringen  ab- 
gepfarrte  Gemeinde  nahm  im 
1  (■).  Jahrhundert  das  reformirte 
P.ekeiintniss  an  und  in  unserer 
Zeit  die  evangelische  Union. 

Die  Kirche  (Tig.  28),  ein 
kleiner,  einschifliger  Bau,  hat 
einen  Chor  aus  bester  gothi- 
scher  Stilzeit,  ein  Kreuzge- 
wölbefach lang  und  fünfseitig 
aus  dem  Achteck  geschlossen. 
Fenster  sind  dort  vier  ange- 
bracht, drei  in  den  Polygon- 
seiten, eins  in  der  Südmauer. 
—  ein  entsprechendes  in  diT 
Xordwand  anzubringen,  hin- 
derte die  daran  gelegte  Sakri- 
stei. Sie  sind  siimmtlich  mit 
Drei-  und  Vierpilssen  geschlos- 
sen und  zweit  heilig  bis  auf  das  mittlere  der  Poly- 
gonseite (Fig.  29),  das  im  Innern  vermauert  ist, 
äusserlich  aber  sein  doppeltes  Stabwerk  mit  der 
uo.  schönen       Bekrö- 

nung  noch  rein  er- 
lialten  hat.  Die 
Nasen  des  ober- 
sten Passes  blühen 
in  Lilien  aus,  wie 
an  der  grossen  Kir- 
che zu  Hamm,  der 
spitzbogige  Schei- 
degurt ist  stark 
l)rolilirt,  die  Rij)- 
j>en  sitzen  auf  Consolcn.  der  Schlusstein  (Fig.  30. 
31)  im  Polygon  ist  mit  dem  würdigen  Antlitze 
(Jott -Vaters  verziert,  jener  des  Kreuzgewölbes 
mit  sich  fangenden  Hliltt^'rn,  einem  der  Früh- 
gothik  eignen  Ornament,  (irüner  Mergelsand- 
stein lieferte  das   Haumat'-rial. 


Ausdehnung  von  zwei 
oblongen  Gewölbefeldern,  die  quer  zur  LAngen- 
achse  liegen,  durch  eckige  Gurten  geschieden  und 
mit  dicken  Kreuzrippen  unter- 
zogen sind,  welche  erst  mit- 
telst eines  verticalen  Zwischen- 
stückes auf  den  Wandcon- 
solen  sitzen :  tlber  dies  unfönn- 
liche  Ot-rüste  spannt  sich  bio- 
eine Wölbung  von  Brettern  in 
Stichbogenfomi,  daher  auch 
iUisserlich  die  Streben  fehlen. 
Die  breiten  Fenster  haben  ein 
unzierliches  Stabwerk.  Wann 
dieser  stilwidrige  Bautheil  ent- 
standen, lehrt  eine  Schrifttafel 
im  Aeussem  der  Südwand: 
Muri  huius  domus  ex  vetu- 
^tate  ruinosa  feliciter  refecti 
annuente  nuniine  at(]ue  cura 
consistorii  anno  salutis  1738. 
Ueber  der  Westthür  steht  der 
Name  des  damalinen  Pfarrers : 
1).  Mniich  ^"euhau^  h.  ^.  v. 
I).  ni.  (1.  Pclr.  2.  V.  ö. ) 
Der  alte  Thurm  erhebt  sich  innerhalb  zweier 
durch  Pultdächer  verbundener  Xebenbauten.  wo- 
von der  eine  die  Trejtpe  zur  Orgel  enthalt.  Das 
Westportal  tritt  etwas  vor  und  klingt  in  der 
Ueberwölbung  der  Spitzbogen  an.  Man  gewahrt 
im  obersten  Geschosse  jederseits  eine  rundlwgige 


Schallölfnung  (»hne  Mittels;Uile  und  darüber  einen 
einfachen  I'yramidenhehn.  Fiine  Inschrift  im 
Untergesehosse.  anscheinend  aus  dem  1<>.  Jahr- 
hunderte, hat  sich  bis  jetzt  der  I/isung  entzouren. 
Mehrere  Cirabstcinc  im  Innern  der  Kirche 
enthalten  die  Wapi>en  und  Namen  der  Familien 
von  Hausen,  von  Cloedt  u.  s.  w. 


KIRCHLICHE  lEXKMÄLEß. 


51 


Die  schöne  Kanzel  ist  1749  vom  Meister 
Dörendahl  in  Hamm  im  Geschmacke  der  Zeit 
mit  Blätterschmuck  und  ähnlich,  wie  jene  der 
grossen  Kirche  seiner  Heimat,  ausgeführt.  Ueber 
ihr  breitet  der  seine  Jungen  nährende  Pelikan 
—  dies  Sinnbild  spielt  zugleich  auf  den  Orts- 
namen an  —  seine  Flügel  aus,  ebenso  wie  im 
Siegel  vom  Jahre  1663. 

Die  Orgel  hat  an  Stelle  der  1773  aufge- 
stellten 1862  Meister  Do7'nheiin  zu  Eichfeld  bei 
Rudolstadt  erbaut. 

Die  älteste  (Hocke  hat  an  der  Haube  fol- 
gende   innerhalb    Reifen  verlaufende   Inschrift: 

o       o 

-[-  Anno  Domini  milesimo  cccc  nii  in  die  vite  f?) 
martyris  in  honorem  sancti  lacobi.  Catharina 
Osanna.  Am  Mantel  erscheint  die  Muttergottes 
in  flachem  Relief,  einmal  sitzend,  einmal  stehend, 
und  bei  letzterem  Bilde  die  Schrift :  Ave  maria, 
darunter  der  Name  niestcr  Evcrd.  Als  weitere 
Zier  sind  Münzabdrücke  und  ein  Reif  über  dem 
Schlage  angebracht. 

Die  zweite  ist  inschiiftUch  gegossen  .  .  . 
1700  .  .  .,  die  jüngste  1826  von  W.  Rmcker 
imd  Söhnen  aus  Leuu  und  Hofsinn  bei  Wetzlar, 


Im  Süden  des  Kirchspiels  lag  der  Rittersitz 
Northof,  und  das  darnach  benannte  Geschlecht 
war  durch  Abstammung  oder  Verschwägerung 
von  Haus  aus  nahe  venvaudt  mit  den  Famihen 
von  Bönen  und  von  Altena,  wie  das  die  xAehn- 
lichkeit  der  Wappen  und  die  Achtung  beweisen, 
die  Levold  von  Northof  in  seiner  Chronik  der 
Grafen  von  der  Mark  vorzugsweise  ihren  G  he- 
dern zollt.  Dieser  Levold,  der  berühmteste 
Spross  des  Hauses,  war  Erzieher,  Rathgeber  und 
Günstling  der  Grafen  von  der  Mark,  Verfasser 
der  genannten,  in  den  zeitgenössischen  Berichten 
sehr  zuverlässigen,  Chronik  bis  zum  Jahre  1358 
und  einer  ,Reihenfolge  der  Kölner  Erzbischöfe' 
bis  1350.  1278  26/1  geboren  und  als  jüngerer 
Sohn  dem  geistlichen  Stande  geweiht,  besuchte 
er   1294   die    damals    schon   berühmte   Schule 


zu  Erfurt,  musste  dieselbe  jedoch  im  nächsten 
Jahre  auf  Anlass  des  gräflichen  Drosten  und 
Hofmeisters  Rutger  von  Altena  trotz  seines 
Widerstrebens  verlassen.  1308  begab  er  sich 
zur  Fortsetzung  seiner  Studien  nach  Avignon, 
erhielt  1310  vom  Grafen  Adolf,  Propst  zu  St. 
Martin  in  Worms,  eine  Präbende  zu  Boppard, 
verwaltete  dann,  als  Adolf  selbst  in  Avignon 
studirte,  dessen  Propstei,  und  als  dieser  Bischof 
zu  Lüttich  geworden,  bekleidete  er  auch  hier 
seit  1314  ein  Canonikat,  später  die  Würde  eines 
Abtes  zu  Viset  an  der  Maas.  1322  27  9  wohnte 
er  als  Procurator  seines  Bischofs  der  Translation 
der  hh.  Dreikünige  und  der  Chorweihe  des  Domes 
zu  Köln  bei,  1326  begleitete  er  den  Grafen  Engel- 
bert IL  nach  dem  Papsthofe  zu  Avignon,  und 
während  Engelbert  weiter  pilgerte,  blieb  Nort- 
hof bei  der  Curie  und  erwirkte  Pfründen  für 
die  gräflichen  Kinder;  denn  es  waren  sowol  die 
Söhne  als  die  Enkel  dieses  Engelbert  seiner  Er- 
ziehung anvertraut  und  seine  grössten  Sorgen 
stets  auf  das  Wol  und  Gedeihen  der  Grafen  von 
der  Mark  gerichtet.  In  einträglichen  Stellungen 
und  als  Sohn  einer  begüterten  Familie  hatte 
Levold  die  Mttel,  1328  das  aus  drei  Höfen  be- 
stehende Gut  Dresel  am  Wege  von  Altena  nach 
Werdohl  zu  erwerben  und  mit  zwei  Weihern 
zu  verschönern,  sowie  später,  1354  dem  Kloster 
Fröndenberg  eine  Rente  von  40  Mark  zu  seinem, 
seiner  Eltern  und  Wolthäter  Seelenheile  zu 
vermachen.  Er  eiTeichte  ein  hohes  Alter;  als 
er  1358  den  Schluss  seiner  Chronik  schrieb, 
hatte  er  schon  das  80.  Lebensjahr  überschritten. 
Sein  Geschlecht  lässt  sich  nur  bis  1421  nach- 
weisen; den  Stammsitz  überkamen  nach  einander 
die  Famihen  von  der  Recke  (vor  1414),  von 
Freseken,  Sobbe,  von  der  Mark,  ^'on  Hote  zu 
Bogge.  Das  Gut  wurde  zu  Bögge  geschlagen 
und  das  Haus  im  Anfange  des  17.  Jahrhunderts 
abgebrochen;  der  Platz  ist  nur  mehr  durch 
Gräben  markirt  und  ausserhalb  derselben  die 
Oekonomie-Gebäuhchkeit  errichtet. 


Vorher  S.  29,  30.  —  N.  U.-B.  I,  Nr.  141 ;  E,  357;  —  Binterim  und  Mooren  I,  331  f. ;  —  Essellen,  S.  147;  —  Biidecker-Heppe  n.  428; 
—  Tross'  Einleitunfir  zu  seiner  Ausgabe  von  L.  v.  Northof  s  Clironik  der  Grafen  von  Mai-k,  1859,  S.  1  ff.  u.  S.  341;  —  Kind- 
liiii^er,  Vohnestein  E,  Nr.  97 ;  —  v.  Steinen  HI,  1042—1048 ;  —  Geschichte  der  Herren  von  der  Recke,  S.  GS ;  —  Joh.  a.  Beersch- 
■nrort,  "V\'esti)hiil.  adel.  Stammbuch  (1624)  in  Joli.  Hobbeling's  Beschreibung  des  ganzen  Stifts  Münster,  1742,  S.  4l>4.  —  Local- 

Untersuchung  und  -Aufnahmen. 

^ C_^_cw_ 


r 


52 


HEUßINGEX. 


Herrinnen.. 


Ivirclie    und    ihre    iJenJciiaäler. 


lOl.j  Jfcrinfji,  Wi2  Herimjhe,  Stätte  eines 
Frei.stuhls,  1150  Sitz  eines  gleichlautendeu  Ritter- 
geschlechts, war  zweifellos  eine  ^Mutter- Pfarrei, 
ihre  Kirche  den  hh.  Märtyrern 
\'ictor  und  Heribert  geweiht 
und  1032  vom  Erzhischofe  Pi- 
ligrin  dem  Heribertsstifte  in 
Ueutz  einverleibt.  Die  jetzt 
unirte  Gemeinde  nahm  sieher 
um  1000  das  Lutherische. 
1035  das  reformirte  Bekennt- 
niss  an. 

Von  den  frühern  Kirchen- 
bauteu  erübrigt  nur  mehr  der 
altromanische  Thurni  mit  dem 
einfachen  Pyramidendache.  er- 
baut aus  rohen  Bruchsteinen, 
entstellt  durch  Mauerrisse  und 
spiltcro  Restaurationen,  die  na- 
mentlich die  Blendschicht  und 
die  Schallüffnungen  betroffen 
haben:  denn  diese  sind  mei- 
stens ihrer  Mittelsäulchen  ent- 
kleidet, die  Süulchen  selbst  mit 
Würfelcajiitill  und  hoher  Base  ohne  Eckblatt 
ausj^c'stattet.     Vielleicht  bezeichnet  die  Jahres- 


zahl 1017  unter  den  Schallöfinungeu  den  Be- 
ginn der  stillosen  Aenderungen.  Spitzlx»gig  er- 
sclieint  der  zur  Kirche  führende  Scheidegurt, 
sowie  die  Neigung  der  abge- 
eckten Ripi)en  des  Kreuzgewöl- 
bes, welches  die  untere  Etaire 
deckt.  Diesem  gleichzeitig  und 
jedenfalls  zur  Stütze  des  schon 
damals  wol  liaußlligen  Mauer- 
werks u-urden  äu<serlich  Stre- 
ben aus  Quadersteinen  auge- 
setzt —  guthische  Neuerungen, 
die  mit  dem  Baue  des  Land- 
hauses zusammenhangen  wer- 
den. "Wol  hat  dieses  (Fig.  32. 
33)  noch  einen  geraden  Chor- 
schluss,  zwei  quadratische  Ge- 
wölbe im  Hauptschiffe,  und 
jedes  Seitenschiff  etwa  die 
halbe  Breite  des  letzteren  und 
bei  ganz  oblongen  Gewölben 
ungestehte  Quertrurten.  wol 
zieren  die  Schlussteine  der 
Chor -Gewölbe  ein  sich  fan- 
gendes Eichenblattwerk  oder  eine  Rosette  von 
reicher  Füllung  (Fig.  34,  35).   gut  geschnittene 


33. 


Pndile  die  Lail)untren  der  Fen.ster,  Thüren  nnd      trischesMaasswerk  die  Fenster  dos  Chores  (Tig.  80 
«»iier-jurten  nnd  dieSllulensimse.  ein  gutes  geome-      bis  42)  —  allein  alle  diese  e<llen  Stilzeichen  ver- 


KIRCIIENBAU. 


53 


mögen  doch  dem  Bauwerke  keine  frühcfothisclie 
Schöpfung,  höchstens  dem  Chore  noch  eine  Bau- 
zeit etwa  aus  der  Frühzeit  des  14,  Jahrhunderts 
zu  sichern;  auch  seine  beiden  KreuzgeAvölbe,  die 
oblong'  und  zur  Längenachse  quer  gerichtet  sind, 


stützen  sich  in  den  Ecken  schon  auf  Consolen,  das 
Pfeilerpaar  des  Hauptschiffes  besteht  aus  kahlen 
Rundsäulen,  die  Scheidegurten  und  Rippen  haben 
einfache  Abeckung,  die  Mauerecken  diagonal  ge- 
richtete Streben,  die  Fenster  des  Langhauses  als 

36.  sr.  3S. 


/.•4(? 


Zierfüllung  auch  Fischblasen.  Demnach  gehört 
das  Langhaus  wol  in  das  dritte  Viertel  des  ge- 
nannten Jahrhunderts,  zumal  da  das  Bauwerk 
äusserlich  wie  innerhch  noch  ein  streng  go- 
thisches  Gepräge  in  den  Dispositionen   wie   in 


■^^ 


mo 


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manchen  Theilen  zur  Schau  trägt.  Die  Mauern 
bestehen  aus  Quadern  von  Grünsandstein,  haben 
indess  äusserhch  so  durch  Verwitterung  geütten, 
dass  eine  streng  stihstische  Restauration  Noth 
thut.  Eme  Sakristei  im  Norden  des  Chores  ist 
abgebrochen  und  dafür  der  östliche  Chor-Raum 
eingerichtet. 

Die  Kirche  bewahrt  eine  der  ältesten  Glocken 
des  Landes  und  eine  der  ältesten  Deutschlands 


mit  Meisternamen.  Sie  hat  einen  bemerkens- 
werthen  Umfang  und  die  Inschrift:  A  -j-  Sanctu> 
Victor  -f-  Bodo  nos  fundebat.  Dass  das  A  hier 
Anno  bedeute  und  die  fünf  Wörter  die  Jahres- 
zahl 1216  enthielten,  erscheint  als  eine  künst- 
hche  Auslegung,  obwol  dieses  Jahr  der  Zeit  des 
Gusses  nahe  kommen  möchte,  da  die  aus  Ca- 
pitalen  bestehende  Schrift,   in  welche   sich  die 


1       illiil     i| 


ünciale  erst  schüchtern  einmischt,  einer  noch 
frühern  Zeit  angehören  kann.  Oder  sollte  hier 
schon  in  zählenden  Buchstaben  das  Jahr  121(5 
liegen?  Die  andere  Glocke  ist  inschrifthch  1719 
gegossen. 

In  der  Sakristei  lagert  noch  eine  recht  bril- 
lante Ziersculptur  der  besten  Renaissance  — 
nämlich  ein  Stein  mit  dem  gräfüch  Märkischen 
Vv''appen  von  flotter  Zier  und  Ornamentik. 

Au  der  Nordwand  des 
Chores  haftet  gleichfalls 
aus  der  Frühzeit  des  16. 
Jahrhunderts  noch  ein 
Stein-Epitaph  auf  das 
Ehepaar  Hugenpoet-Pent- 
linck  in  der  Form  eines 
schmuckreicheren  Stein- 
Rahmens,  der  in  seiner 
Ornamentik  die  Wappenschilder  Knipping,  Dobbe. 
Berninghausen,  Wullen,  Eckel,  Wrede.  Galen. 
Benem,  Krackerugge,  Recke,  Buren,  Plettenberg. 
0er  zeigt  und  folgende  Inschrift  in  Capitalen 
umfasst : 

Commune  monumentum  hoc  sibi  suaeque 
lectissimae  suavissimaeque  coniugi  Annae 
Pentlingk  ex  arce  Hilbechiana  oriundae. 
matronae  vere  nobili  ac  perquam  hoac- 
stae  multisque  praeterea  animi  gratiis  a 
natura  dotatae. 
Vir  amplis(simus)  et  generis  nobilitate  prae- 
stans  lohannes  Hugenpoet  in  Gosewinckel, 


54 


NORDHERRIXGEX. 


praefecturae  Hammonefnsis)  administrator 
arlhuc  in  vivis  agens  et  ob  immaturuin 
luctuosisbimumciue  obituni  memoratae  suae 
coniugis  ad  1 1  videlicet  Augiisti  anno  sa- 
lutis  per  Christum  restauratae  1604,  aetatis 
suae  36,  matrimonii  autem  12.  necdum  ex- 
pleto  post  lentani  et  incurabilem  nullicjue 
medicorum   satis  exploratam  corporis  af- 


fectionem  in  arce  Stockum  inter  suonim 
lachrimas  et  complexus  extinctae  moerens 
poni  curat  mutui  amoris  et  officii  ergo. 
Zwei  Gedichte  in  Distichen  verkünden  sodann 
die  Tugenden  der  verblichenen  Frau,  ihre  hehre 
Abstammung,  ihres  Leidens  Unheilbarkeit  und 
ihr  Ableben,   nachdem  sie  dreimal  Mutter  ge- 
worden. 


Vorher  S.  10  f.,  21,  3fJ.  —  N.  U.-B.  I,  Xr.  167 ;  —  Kindlirnjer,  M.  B.  lU.  Xr.  135;  —  Reg.  H.  "W.  I.  '.i7S.  ft49:  —  OA.  d.  W.  I,  274;  — 
Kampscholte  a.  a.  0.  S.  78;  —  Bftdecker -  Hepi)e  U,  ■mi;  —  Esscllen,  S.  151;  —  Tross  im  Anzeiger  für  Kunde  deutscher  Vor- 
zfit.  1857,  Sp.  4')1 ;  Kniraccke  das.,  ia58.  Sp.  a4<t;  —  Tross  zu  L.  v.  Xorthofs  Chronik,  S.  324;  —  A.  Fahne,  Forschungen  auf 
(k-m  Gebiete  der  rhcin.  und  westf.  Geschichte  ü,  21,  22;  —  ^iittheiiungeii  des  Herrn  Pattors  \on  der  Kuhlen;  —  Local -Unter- 
suchung und  -Aufnahmen. 


Nordlierringen,   Nienbrügge. 


Ivirche    und    Rurgstätte. 


Der  Ort  nach  alten  P^rinnerungon  auch  Torcks 
genannt  dankt  sehie  Bedeutung  dem  jetzt 
verschwundenen  Schlosse  der  .Torcks'  oder  viel- 
mehr der  Schlosskapelle:  ^ 
denn  auf  dem  sog.  Torcks- 
platze  war  1322,  als  die  Fa- 
milie Vollenspit  dort  wohnte, 
eine  Kapelle  ad  decem  niille 
mart}Tes  mit  verschiedenen 
Pfarrvergünstiguiigcn  für 
die  Umwohner  errichtet  und 
dann  namentlich  seit  der 
Hcfunnatioii,  wo  sich  die 
l'farrkin'he  zu  Herringen 
den  Katholiken  verschloss, 
V(»n  diesen  fieissig  besucht, 
bis  1771  einige  hundert  Schritte  südlich  vom 
Schlossplatze  die  jetzige  den  hb.  Apostelfürsten 
geweihte  Kirche  erbaut  wurde,  die  1842/43 
völliirc  l*farrecht<'  erhit-lt.  Die  Franziskaner 
V(»ii  Hamm,  welche  vormals  auch  hier  pasto- 
rirtcii,  fanden  spilter  Obdach  in  einem  Ge- 
mache ül)er  der  Sakristei,  die  östlich  an  den 
Chor  gelehnt  und  mit  ihm  unter  ein  Dach  ge- 
bracht ist.  Der  schmale  Chor  hat  convexcn 
Scliluss,  gleiche  Mauerhöhe,  aber  niedrigere  l\v- 
(iacliung  als  die  Kirche;  diese  charakterisirten 
ausser  dem  hohen  Dache  stichbogige  Fenster, 
gerade  Decke  und  Tbfirsturze.  ein  schlanker 
zwielielartiger  Dachreiter  Ober  dem  Chore,  sowie 


in  der  Blendschicht  der  Westmauer  ein  Rest  von 
Zierarchitektur,  der  vielleicht  vom  alten  Schlosse 
übernommen  ist.  In  eisernen  Zahlen  und  from- 
men Inschriften  am  West- 
giebel wie  über  den  Thüren 
ist  die  Jahreszahl  des  Baues 
1771  ausgedrückt,  .so  über 
der  Sildthür  durch  folgen- 
des Chronogranjm :  --Edifica- 
tiunculani  irrigent  >ui)eri. 

Der  Taufstein  (Fig.  43) 
entstammt  vielleicht  der 
Kirche  zu  Herringen  —  ein 
cylindri.sches  Becken .  ge- 
stellt auf  einen  runden  Stän- 
der, den  in  vier  Abstünden 
ebenso  viele  aufrecht  stehende  Löwen  umtreben. 
unten  umzogen  von  einem  franzenilhnlichen  Or- 
namente, oben  von  einem  zwischen  Seileu  sich 
hinwiiidenden  Blatt-  und  Frucht-Genlnke.  alles 
in  nächstem  Relief  und  romanischem  Stile. 
Diese  Form  hat  sich  vom  Niederrheiu  bis  in 
die  Mitte  Westfalens  verbreitet  und  ehedem 
vielleicht  in  den  Bentheimer  oder  Gildehiluser 
Gruben  eine  liandwerksmilssige  Anfertigung  ge- 
funden: denn  sie  besteht  aus  röthlichem  Sand- 
steine und  findet  sich  im  Mnnsteri.schen  und 
im  Emslande,  also  in  der  NiVhe  der  l>ozeich- 
nettMi  Gnibeu,  massenhafter,  weiter  davon  s|K)- 
radischer. 


SCHLOSSBAITEN. 


In  ungefähr  halber  Lebensgrösse  erül)rigt 
noch  ein  Holzbild  der  stehenden  Mutter  Anna 
mit  der  kleinen  Maria  auf  dem  linken  Arm, 
der  indess  das  Jesukind  fehlt  —  nach  der  ge- 
äugelten Gewandung  bei  sonst  geschickter  Durch- 
führung schon  eine  Arbeit  aus  dem  Ende  des 
15.  Jahrhunderts.  Der  früheren  Zeit  desselben, 
weil  noch  frei  von  niederländischen  Einflüssen, 
möchte  eine  kleine  Pietä  von  Holz  in  einem 
Heiügenhäuschen  an  der  Ecke  des  Kirchhofes 
zukommen ;  leider  ist  das  Bild  sehr  verwittert  und 
schadhaft  namentlich  in  dem  Haupte  und  den 
Extremitäten  des  sonst  gut  gebildeten  Christus- 
kürpers.  Das  Bild  der  Mutter  zeigt  ein  zart 
übergelegtes  Kopftuch  und  eine  vorsichtig  nach 
Kücken  und  Tiefen  vertheilte  Gewandung  ohne 
irgend  welche  Manierirtheit. 

Der  ,Torcksplatz'  liegt  auf  der  Mitte  des 
Kaumes  von  der  Kirche  bis  zur  Lippe  und  be- 
greift die  Stätte  einer  Burg,  welche  nacheinander 
von  verschiedenen  Herreu  und  zuletzt  über  drei- 
hundert Jahre  von  den  Torcks  bewohnt  war.  Seine 
Bodengestaltung  lässt  noch  auf  eine  ziemhch  re- 
gelmässig angelegte  Wasserburg  schliessen;  denn 
drei  flache  Erhebungen  durch  Tiefen  geschieden 
bezeichnen  die  beinahe  geradbegrenzten  Stätten 
der  Hauptbprg,  östlich  daneben  der  Vorburg, 
die  bis  in  die  neueste  Zeit  noch  ihre  Scheune 
hatte,  südüch  von  ihr  den  Apfelhof;  südösthch 
von  diesem  stand  die  Mühle  an  einem  Bache, 
welcher  im  Osten,  wie  die  Lippe  im  Norden  die 
ganze  Anlage  deckte  und  mit  Wasser  versah. 
Dass  sie  noch  einigermassen  im  militärischen 
Sinne  der  Neuzeit  veiTollkommnet  war,  ergibt 
sich  daraus,  dass  1673  sich  die  Franzosen  nächst 
der  Stadt  Hamm  auch  dieses  Schlosses  bemäch- 
tigten und  es  am  26.  Januar  gegen  einen  ihnen 
veri'athcnen  Ansturm  der  Churbrandenburgischen 
vertheidigten,  der  so  heftig  war,  dass  die  letzteren 
gegen  500  Todte  verloren,  unter  diesen  auch  den 
Major  von  Syberg.  Am  2.  Februar  besichtigten 
der  Bischof  Bernhard  v.  Galen  und  der  Marschall 
Turenne  die  Position  und  verstärkten  die  Be- 
satzung um  300  Mann;  daher  die  Umgegend 
noch  lange  unter  Kriegswehen  zu  leiden  hatte. 

Die  Grafen  von  Isenberg,  ein  Abzweig  des 
Altenaer  Grafengeschlechts,  gründeten,  wie  früher 


erwähnt,  im  Nordwesten  der  Mark  gewiss  bald 
nach  1180  eine  kleine  bis  auf  das  Nordufer  der 
Lippe  ausgedehnte  Herrschaft  und  sicherten  sie 
mit  der  Burg  und  Stadt  Nienbrügge.  Allein 
der  Mord,  den  Graf  Friedrich  an  seinem  Anver- 
wandten, dem  Erzbischofe  Engelbert  von  Köln 
1225  vollzog,  kostete  ihm  den  Kopf,  seiner  Famihe 
fast  den  ganzen  Besitz  bis  auf  einige  Lehensherr- 
lichkeiten. Nienbrügge  wurde  dem  Erdboden 
gleich  gemacht,  die  Bevölkerung  nach  Hamm 
verpflanzt,  der  Besitz  1243  gegen  theilweise  Ent- 
schädigung bis  auf  einige  Lehen  dem  Grafen 
Adolf  von  der  Mark  abgetreten:  so  namentlich 
ausser  gewissen  Höfen  die  Vogtei  und  das  Gericht 
des  Dorfes  Unna,  das  Gebiet  der  Nordenfeldmark, 
viele  Lehen,  welche  Burgmänner  zu  Mark  schon 
unter  hatten,  und  eine  Anzahl  von  Hörigen, 
zumal  die  nach  Hamm  versetzten  Nienbrügger. 
Der  Platz  lag,  wie  die  Quellen  zu  verstehen 
geben,  auf  beiden  Ufern  in  der  Nähe  von  Hamm 
und  auch  mit  dem  Antheile  des  Nordufers  in 
der  Pfarrei  Herringen;  denn  deren  Pfarrer  hess 
sich,  als  das  Gebiet  nach  Hamm  eingepfarrt 
wurde,  für  einen  Zehnten  von  Aeckem  entschädi- 
gen. Da  die  Kölner  Diöcese  nirgendwo  auf  das 
Nordufer  reichen  konnte,  so  muss  hier  durch  die 
Lippe  nach  der  Christianisirung  ein  Stück  Landes 
vom  alten  Bructerergebiete  abgelöst  und  später 
von  den  Isenbergern  in  die  Burganlage  von  Nien- 
brügge hineingezogen  sein.  In  der  That  macht 
noch  heute  der  FIuss  etwa  eine  Viertelstunde  west- 
üch  vom  Bahnhofe  Hamm  eine  starke  Schwen- 
kung nach  Süden  und  dort,  avo  diese  beginnt,  hegt 
wahrscheinhch  der  alte  Lauf  noch  in  einem  tiefen 
Einnsal  vor,  welches  im  Norden  der  Lippe  ein 
kleines  üferstück  umfasst.  Hier  hat  offenbar 
Nienbrügge  gestanden;  hier  bei  der  ,krausen 
Linde'  traten  noch  lange  die  Spuren  einer  Burg 
zu  Tage ;  hier  ragen,  wie  man  versichert,  bei  seich- 
tem Wasserniveau  an  zwei  SteUeu  alte  Brücken- 
stützen aus  dem  Flussbette  hen-or,  und  zwar 
an  der  einen  die  Beste  von  Pfählen  und  etwa 
40  Schritte  westücher  die  Fundamente  von  Stem- 
pfeilern.  Hier  zeigt  das  Südufer,  trotzdem  es 
niedrig  liegt,  viereckige  Erdformationen  mit 
Rücken  und  Zwischengräben,  deren  Wälle  noch 
bis  in  die  Frühzeit  unseres  Jahrhunderts  be- 
standen haben  sollen,  und  hier  heferte  das  hohe 


r 


5ß 


HiUM. 


Xordufer  bei  Abgrabungen  noch  jüngsthin  Mauer- 
und  Steinreste  des  grünen  Mergelsandsteines, 
die  südliche  Uferstätte  allerhand  Funde  von 
Hausgeräten  und  Waffen.  Somit  wäre  die  Burg 
Xienbrügge  sowol  nach  der  liodenbeschaffen- 
lieit  wie  nach  den  Funden  auf  dem  hohen  Nord- 
ufer, die  Yorburg  und  Stadt  wol  auf  dem  nie- 
drigen Südufer  zu  suchen  und  zwischen  beiden 
Theilen  eine  Brticke  gewesen.  Der  Name  .Xien- 
brügge' ist  bezeichnend,  insofern  er  entstehen 
konnte  im  Gegensatz  zu  einer  älteren,  die  ent- 
weder abgetragen  oder  noch  im  Gebrauche  war, 
als  Xienbrügge  angelegt  \\'urde.  Das  Letztere 
möchte  ich  annehmen ;  denn  abgesehen  von  den 
vierzig  Schritte  oberhalb  im  Flussbette  erkaim- 
ten  Holzstumpfen,  weisen  die  "Wege  von  Xorden 
und  Süden  auf  einen  östlichem  Uebergang  in 
der  Xähe  von  Hamm  hin. 

Der  Meinung,  die  Kümer  hätten  an  dem  Platze 


von  Xienbrügge  und  zwar  am  Xordufer  das 
Castell  Ahso  errichtet,  kann  ich  nicht  beipflichten, 
weil  es  fraglich  ist,  ob  hier  gerade  die  Ahse  in 
die  Lippe  mündete,  weil  der  jetzige  Name  .Ahse* 
erst  spätem  Jahrhunderten  eigen,  der  frühere 
,Ursna'  von  .Aliso*  gmudverschieden  ist.  weil 
die  Lippe,  wie  dargethan,  ehemals  nördhcher 
lag,  also  die  vermeinthche  Stelle  nicht  berührte, 
weil  ohnehin  das  Südufer  wol  immer  gesenkter 
und  von  der  Höhe  des  Ufers  im  Xorden  wie  des 
Hellweges  im  Süden  zu  beherrschen  war.  weil 
der  Abzweig  der  Römer- Strasse  des  Xordufers 
nicht  hier,  sondern  östlicher  fast  dem  Bahnhofe 
gegenüber  auf  die  Lippe  stiess.  Xichts  wider- 
spräche auch  so  sehr  den  Fortiticationsgesetzen 
der  Kömer,  als  dass  sie  für  das  Bollwerk  den 
gefiihrlichen  Boden  der  Sygamber.  und  zwar  in 
solcher  Xiedemng.  gewählt  hätten. 


Vorher  S.9  f.,  13  f.,  IC  ff.  —  Kampschulte,  S.  78 ;  —  v.  Steinen  m,  044  ;  —  Herrn.  Staiict?f'.l.  Annal.  Cirruli  Westphalici,  hb.  m.  p«*r.  410; 
—  Essellen,  S.  1.51 ;  —  Tross'  W'estphalia,  1825,  St.  1 ;  —  über  die  Form  des  Taufsteines  Xordhoff,-  Kmistwch.  BezK'huiit.'vn  rwischen 
dem  Rhcinlando  und  \Ve.«tfalen.  1873,  S.  8ii;  —  nach  Fahne,  H'ivel  I,  28,  s<j11  auf  den  Fundanicnten  einer  der  drei  ['f\ 
Bunren  zu  Stockura  die  Kirche  zu  Kordherrineen  errichtet  sein.  —  Ue)x>r  Xienbrüjnro :  Vorher  S.  10.  13,  2>i.  —  L"rV  "  "  '  '  •■  .;j 
Stoiiion  ni,   lt;i"j,   licsser  bei  Krcmer.  akad.  Beitr.  U,  124;    —  L.  de  Xorthof  a.  a.  0.  S.  r,'j  ff..  3ij7:    —   da-  i..- 

Urk.  von   12.W.  —  Ficker,  EiJL'clbort  der  HeiÜL'e,    IHTÜ,  S.   103.  27";    —   flssellen.  Geschichte  der  SiKunbem.  >■  iu- 

illtern  Erdwerko  und  Brückenpfeiler  —  Hrdzcrmaim  a.  a.  O.  Tafel  V.  mit  Grundriss  der  BurKrst,1tte  und  unrichtiKvr  ZKruimuiiv  der 
Landwidir;  —  ein  Vor/eichniss  der  neuesten  Funde  (ribt  (&sellen) , Westfälischer  Anzeiger  und  Wochenblatt  für  die  Stadt  und  den 
Kreis  Hamm',  1877,  Xr.  1"8  und  12f).  —  Local  -  Untersuchuni;  und  -Aufnahme. 


<»  •-- 


Ha  Hl  111. 


Die    Stadt   und    die   frolan-Ueiilciiiäler, 


Haiiuu  tritt  uns,  längst  bevor  Adolf  von  der 
Mark  hier  eine  Stadt  grimdete,  als  ein 
historisch  sehr  merkwürdiger  Ort  entgegen:  hier 
kreuzten  sich  wichtige  Verkehrsstrassen,  hier 
fanden  sich  die  mannigfachsten  Altertümer,  hier 
tagten  auf  beiden  Ufern  die  Freigeriehte,  die 
sehwachrii  Ueberbleibi<el  urgemianischer  Volk.s- 
versannnlungen,  hier  besassen  die  Herren  von 
Viandcn  l>is  1220  Alhtde:  die  Urkunden  sinvclien 
rjos  v(in  dem  Orte  Jf<inniio,  121:?  von  einem 
Hartlev  V(»ii  ll<nniiir  —  welcher  Xame  den  um- 
welirteii  Bezirk  bedeutet,  als  ob  Graf  Adolf 
für  seine  Stadt  schon  mehr  als  die  natürliche 
Wehr  der  beiden  Flüsse  Li|)pe  und  Ahse.  die  sie 
nach  zwei  Seiten  umfassten,  voi^efunden  und  be- 
nutzt hübe:  er  legt  «loch  im  Vertrage  mit  den 
Isenlu'rgern  auf  die  Befestigung   Hamms  \2V\ 


ein  besonderes  Gewicht.  Es  deckten  die  Stadt 
noch  im  Xorden  eine  Landwehr,  im  Osten  die 
Landesbunj  Mark  und  insbesondere  die  engere 
Zingel  eines  Wallgrabens  mit  Palisaden,  später 
eine  Mauer  und  innerhall)  derselben  drei  Thümie 
und  vier  starke  Thore  und  Zugbrücken.  Sie  war 
also  inmitten  der  zerstörten  Feste  Xienbrügge 
und  der  bald  eingegangenen  Statlt  Mark  ge- 
legen, mit  den  Einwohnern  beider  Orte  l>evölkert, 
i:r;ifliche  Kesidenz  und  Münzstätte.  Sitz  des 
Amtmannes  und  eines  Freigerichts.  Wohnstätte 
mehrerer  märkischer  llitterfamilien.  ausgestattet 
mit  verschiedenen  kirchlichen  Stiffunuen  und 
zahlreichen  Wolthätigkeit,s-Anstalten  und  durch 
die  Gunst  der  Landesherren  mv\  den  eigenen  Eifer 
bald  durch  Handel  und  GeweH>efleiss  ausgezeich- 
net, so  dass  sie  unbestritten  unter  den  Städten 


ritOl-A.N-UE.XK-MALtK. 


der  Mark  den  Vorrang  einnahm;  und  zu  dem 
Schutze  der  Lage,  zu  der  Gunst  der  LandesheiTen 
kam  die  ergiebige  und  anmutige  Umgebung  von 
Wiesen  und  Saatfluren.  Insbesondere  hatte  sie 
seit  1269  die  Aufsicht  über  die  gräfliche  Münze, 
später  selbst  Münz-,  allerhand  Fischerei-  und 
Jagdrechte,  ganz  früh  eine  Lateinschule,  die  in 
der  Humanistenzeit  Männer  wie  LudoLf  Hering, 
Herman  von  Kerssenbrock  und  Engelbert  Cop 
zierten,  1657  ein  ursprünglich  für  die  vereinten 
Cleve -Märkischen  Lande  berechnetes  akademi- 
sches Gymnasium,  1663  zuerst  in  der  Mark 
eine  Buchdruckerei,  und  ihr  Magistrat  bildete 
eine  Art  oberrichterhcher  Listanz  für  die  Um- 
gegend. Neben  dem  Ackerbau  blühte  die  Waffen- 
fabrikation und  die  Bierbrauerei,  und  der  Han- 
delsbetrieb sicherte  ihr  neben  Unna,  wie  die 
Ausschreibungen  von  1494  und  1540  darthuu, 
die  Theilnahme  an  der  Hansa  und  darin  die 
Vertretung  der  andern  Städtchen  der  Mark. 
Unter  solchen  Umständen  athmete  sie  auch 
schleuniger,  ^^ie  andere  Orte,  von  Feuerschäden, 
Fehden  und  Krankheiten,  die  Avieder  und  \neder 
einbrachen,  auf,  bis  die  Schläge  des  dreissig- 
jährigen  und  siebenjährigen  Krieges  auch  ihre 
Blüte  abstreiften,  trotzdem  ihr  die  Landesherren 
allerhand  Lebensimpulse  angedeihen  hessen. 

Vor  der  Revolution  im  Vaterlande  flüchteten 
nach  Hamm  viele  französische  Emigranten; 
hier  wohnten  nicht  stets  ohne  Unbequemlich- 
keiten für  den  Magistrat  vom  December  1792 
bis  12.  August  1794  im  sogen.  Nassauer  Hofe 
der  älteste  Bruder  Ludwig's  XVL,  Monsieur, 
der  1814  als  Ludwig  XVIII.  den  französischen 
Königsthron  bestieg,  dessen  Bruder,  der  Graf 
von  Artois,  welcher  1824  bis  Juli  1830  als 
Karl  X.  regierte,  sowie  die  könighchen  Prinzen, 
die  Herzoge  von  Angouleme  und  von  Berri  mit 
einem  grossen  Gefolge  von  Hofleuten  und  Die- 
nern. Als  die  Nachricht  von  der  Hinrichtung 
Ludwig's  XVL  eintraf,  Hess  sich  Ludwig  XVHI. 
hier  als  König  ausrufen  und  die  anwesenden 
Franzosen  sowde  die  preussische  Behörde  aner- 
kannten ihn  als  Regent  de  France.  Den  Grafen 
von  Artois  nahm  eine  Kabiuetsordre  unseres 
Königs  1793  2/12  in  besonderen  Schutz,  nach- 
dem in  der  französischen  National-Versammlung 
der  Vorschlag  gemacht  war,   den   Grafen  und 


seine  Familie  in  Hamm  meuchlings  aus  der 
W\'lt  zu  schaflen. 

in  unserer  Zeit  führten  die  Züge  verkehrs- 
reicher Bahnlinien  zu  einem  plötzlichen  Indu- 
striebetrieb, zu  allerhand  Etablissements  und  da- 
mit zu  neuen  Strassen  und  Stadtenveiterungen. 

Nachdem  schon  1763  alle  Festungswerke 
bis  auf  die  zwiefachen  Gräben  beseitigt  waren, 
verwischten  sich  die  letzten  Spuren  der  Um- 
fassung bis  auf  Reste  von  Grundmauern,  die 
an  der  Südseite  der  Stadt  und  am  Nordenthoie 
vor  dem  Mühlenhause  aus  dem  Bodenniveau 
hervorsehen. 

1630  war  schon  das  alte  Wein-  und  Koit- 
haus  vom  Rathe  zum  Verkaufe  bestimmt,  später 
ging  es  in  Brand  auf;  doch  bereitete  man  noch 
lange  im  Wetteifer  mit  Münster  den  Koit,  eine 
früher  sehr  gesuchte  Biersorte. 

Als  ein  ,gross  und  gut  Gebäude'  wurde  schon 
im  vorigen  -Jahrhunderte  das  Bürgerhaus  neben 
dem  Rathhause  erkannt  —  ein  sonst  einfacher 
Bedürfnissbau  von  zwei  Geschossen  wie  das  Rath- 
haus  imd  wie  dieses  mit  einem  Mansarddache 
bedeckt. 

Das  lange  Rathhaus  hegt  am  Westsaume 
des  Marktes,  fast  der  grossen  Kirche  gegenüber ; 
den  untern  von  neun  Spitzbogen  geöffneten  Gang 
bedecken  Kreuzgewölbe ;  die  Arkaden,  Rippen  und 
Gurten  haben  spitzbogige  Scheitel,  theil weise 
auch  Kehlen,  die  Rundpfeiler  kantige  Basen 
und  Capitäle.  Der  Oberbau,  ein  Fensterhaus 
mit  Mansarddach  und  über  den  Fenstern  mit 
rechteckigen  von  Festous  belegten  Steinplatten 
verziert,  entstammt  der  Rococo-Zeit,  nämlich 
einer  Restauration  nach  dem  16.  April  1741. 
wo  ein  Brand  den  alten  Bau  grösstentheils,  also 
bis  auf  den  spätgothischen  Unterbau,  zerstört 
hatte.  Ihm  fielen  auch  die  meisten  Archivalien 
zum  Opfer,  so  dass  die  Stadt  Unna  deren  weit 
mehr,  doch  kaum  so  alte  bewahrt  hat. 

Das  Stadtwappen  stellte  1391  den  Giebel 
einer  Kirche  mit  drei  Thürmen  und  im  Giebel- 
felde einen  wachsenden  Löwen  dar. 

An  der  fiscahschen  Mühle  am  Nordenthore 
hängt  noch  in  den  ursprünghchen  Farben  glän- 
zend das  combinirte  Stein -Wappen  des  Herzogs 
Wilheüu  mit  der  Unterschrift :  Wilhelm  Hertoch 
to   Kleve,   Gulich   und   Berge,    Grave   to    der 


HAMM. 


Marck  iint  Ravensberch,  Herr  to  Ravestein. 
Xalif.'  dabei  treffi.'n  wir  die  Steiiibrüstung  der 
Freiarche  mit  kräftig  profilirter  Abdeckung?, 
einem  bankartigeu  Vorsprunge  an  der  Basis  und 
in  der  Mitte  mit  dem  clmrbrandenburgischen 
Wapi^en:  dasselbe  ist  umschlungen  von  wuch- 
tigem Blattwerk,  geziert  mit  der  grossen  Ivrone 
und  der  Inschrift:  Fridericus  elector  Hranden- 
huruicub  has  cataracta>  ex>trui  curahat  —  deren 
ausgezeichnetere  Buchstaben  die  Jahreszahl  1G95 
ergeben. 

Die    ältesten    Münzen    der  Mark  sind   zu 
Hamm  vom  P^rbauer  der  Stadt  geschlagen:  zwei 
44.  Stücke  seines  Soh- 

nes und  Xachfolgers 
zeigen  im  Avers  eine 
Figur  mit  der  Mütze 
bedeckt,  in  ihrer 
Rechten  ein  Schwert. 
in  der  Linken  den 
mit  Kleeblatt  gezier- 
ten Buchstaben  A. 
der  auf  Altena  gehen 
soll,  und  eine  als 
Egctbertus  oder  En- 
gelbertus  gedeutete 
Umschrift.  —  Ku- 
]»f('rmüiiz('n  der  Stadt  kommen  ohne  Jahres- 
zahl, wie  man  meint,  um  l()0(i,  mit  derselben 
von  I1IO5 — 174()  vor. 

Aus  der  Sammlung  des  llofraths  Essellen 
verdienen  folgende  Gegenstände  unsere  Beach- 
tung: zwei  Gruppen  in  Holz  geschnitzt,  eine 
l'ietä,  eine  Mutter  Anna  mit  Maria  und  dem 
.lesuskinde,  beide  nach  dem  Stile  Arbeiten  aus 
dem  Anfange  des  1.").  Jahrhunderts:  —  ein  Stein- 
reliefaus Kloster  Kentrop :  die  Kreuzahnahme 
mit  Spuren  der  Bemalun?.  nach  Costüm  und 
Stil  ungenUir  V(»m  .lalire  l.'tOO;  zwei  weissliehe 
liefässe.  'rrpjifi  iMrbi'itcn  dis  1().  Jahrhunderts, 
Fnudstücke  aus  (juifigeii  Haii^fundameiiteii. 
schlank  mit  t riebt erfnrniiirer  Miintlini'j.  gefranz- 
(em  Fussrande.  Kleinen  Heiikelribren.  am  Bauche 
verziert  mit  drei  Me(laill(»ns.  weiche  in  einer  Blatt- 
nniralnnung  an  dem  irrüssern  ^KWiii  hohen  Stücki' 
Httsten.  an  dem  kleinern  jedesmal  die  durch 
Insilirift  charakterisirte  Fignr  der  .Hoffnung' 
darstellen:  ein  metallener  MTirsor  mit  der  Jahres- 


4.^. 


zahl  1552  und  mit  dem  Relief  der  Amazonen- 
schlacht:  ein  kleiner  Altar,  theiis  von  Holz, 
theils  von  Marmor,  in  vier  Etagen  l.Oüw*  hoch 
mit  Säulchen,  Bögen  und  Metallzierden  aufge- 
baut, etwa  aus  dem  Jahre  lß<tö:  eine  Gold- 
uage  vom  Jahre  IGÖO  mit  Nachbildungen  von 
Goldmünzen  des  1(5.  und  17.  Jahrhunderts. 

Von  Hamm  stammt  ein  cvlindrischer  0.1  8mj 
hoher  Henkelkrug  (Fia.  44.  4"))  aus  fuchsigem 
Steingut  im  Gewerbe-Museum  zu  Leipzig.  Der- 
selbe hat  bei  eleganten  Verhältnissen  oljen  und 
unten  ein  kräftiges  Profil-Band,  im  Silberdeckel 
zweiseitig  gefasst  die  Denkmünze  des  Bischofs 
Christoph  Bernhard  von 
Galen  auf  die  Unterwer- 
fung der  Stadt  Münster 
von  1661  und  ein  gra- 
virtes  Familien  -AVapjien. 
Da  sich  derartige  (ie- 
fässe  mehrfach  im  Mün- 
ster'schen  finden .  so 
dürfte  auch  hier  ihr 
Fabrikationsort  zu  su- 
chen sein.  Dasselbe  gilt 
von  zwei  georen  1700  mit 
dem  Rahmen  aus  Thon 
gebackenen  Bildern 
einer  etwa  0.46  :  O.40»; 
grossen  Ceres,  die  bei 
Kloster  Kentrup  gefun- 
den ist.  und  einer  etwas 
kleinern    ^Madonna    mit  B^ 

dem  Jesukinde:  denn  die 

letztere  stammt  aus  Münster,  ein  ähnliches 
Stück  dort,  im  Besitze  des  Herrn  Medicinal- 
raths  Ohm.  von  Schnnelliet  bei  Greven.  .Vuch 
die  herrlichen  Flachbihler.  welche  mit  dem 
reichverzierten  Balimen  um  15oo  aus  Thon  gi^ 
brannt  und  meistens  itohchroniirt  sind,  lintlen 
sich  nur  im  Bereiche  des  Münstorlandes.  wo 
der  Bo(len  den  verschiedenartigsten  Thon.  zu- 
mal auf  dem  sandigen  Westsaume,  lieferte :  sie 
gehen  wi(>  an  Alter  so  auch  an  SchAnhoit  den 
andern  voran  und  d«T  eingt-druckie  Meister- 
stempel: Judocus  ]'riciis  weist  vielieicljt  auf 
Vreden  als  den  Fabrikationsort.  Daher  ist  In?! 
all'  diesen  Thongebilden  vonTst  auf  einen  aus- 
wärtigen Ursprung  nicht  zu  schliessen. 


filliiS>K  i;VANOELlsrHK  KinCHE. 


r>f» 


r' 


Auf  dem  Markte  stellt  seit  1874  ein  fui- 
die  im  letzten  Franzosenkriege  Gefallenen  errich- 
tetes und  vom  Bildhauer  Goldkuhl  zu  Wieden- 


lirück  anfjefertif^teH  Stcindenkiual:  eine  Ger- 
mania auf  hohem  gothisch  gehaltenen  Sockel. 


Vorher  S.  7—11,  i:j  -15,  21.    -  Soibortz,  Quollen  i|.  Wc-,tf.  (io^oh.  U,  N'r.  11 ;  —  KindlinifOT,  M.  B.  U,  N  •     - 

U.-B.  (1.  U.W.  IV,  p.  7   ülior  don   Uiimmor  FrcHtiihl ;   —  L.  v.  Xurthof  a.  a.  0.  S.  7:5   un<l  >lio  i;  '-pi 

S.  .320  f.;  —  \-.  Stcinon  IV,  .>U-(J(;.0;  —  Urk.  von  124;5  bei  Kroiner  II,  121;  —  V.'fndt,  ztir  Foi<r  l.-s 

K.  Gymnasiums  zu  Hamm.  1857,  S.  1  ff. ;  —  Vaw  rector  scholarum  von  12?«  tei  Kindlin^t-r,  Voln.  .   r-l- 

hoff,  DenkwiiriliL'koiteu  aus  «lom  .Münster.  Hunumismus  mit  einer  Anliisro  filier  «las  frtthero  Pre^M-  -n«, 

187-1,  S.  210;  —  Uüscliinf,',  Erdbo.schroiljun),'  V,  07;  —  Kosenmoier  in  Tro-^'  Wo^ffalia.  1H2.'<,  S.  :■/:,,  \.  VjkU.jc,  Um  (iraf- 
schaft  .  .  .  Dortmund,  II-.  S.  IW};  —  Essellen,  S.  ;50  -G(»;  -  Uol«r  die  Archivalien  U.  Wilmans  in  Pick«  Monatjutthrifl,  II.  7,  8; 
—  Mitthoilunircn  der  HoiTon  Prof.  Dr.  Niehuos  hier  und  Dr.  Koppmann  zu  Hamliun,'  iilrt-r  die  Han<te;  —  ilittheilom^en  >l«r  Herren 
W.  V.  d.  Mark  zu  Hamm  und  üirector  Zurstrassen  zu  I^eipzig;  —  Der  folg.  Artikel,  Mark;  Borg;  —  Lr>caJ -Uut<.Tiachaa«;«n. 


Die    evanireliscrhen.    Ivirclieii. 


Hamm  erfreute  sich  schon  iiber  hundert 
Jahre  städtischer  Selbständigkeit,  als  es  kirch- 
lich noch  zur  alten  Pforre  Mark  gehorte;  die 
Grafen  hatten  den  Nienbrügger  Bezirk  kirchlich 
von  Herringen  gelöst,  zu  Hamm  neben  ihrer 
Hofkapelle  auch  ein  Gotteshaus  zu  Ehren  der 
Heiligen  Laurentius  und  Georg,  welch'  letzterer 
als  Ritterpatron  den  Vorrang  gewann,  gegründet, 
und  es  mit  so  vielen  Rechten  ausgestattet,  dass 
1254  ein  Pfarrer  von  Hamm  auftritt;  doch  dies 
war  kein  anderer  als  der  von  Mark,  das  Gottes- 
haus eine  Kapelle,  wie  sich  1279  noch  ein 
Albero  ,Pleban'  der  Kirchen  zu  Mark  und  Hamm 
nennt.  Das  Patronat  beider  sowie  der  Schloss- 
kapelle zu  Mark  Avar  in  erstgenanntem  Jahre 
vom  Grafen  Engelbert  dem  Kloster  Cappenberg, 
1270  jenes  der  Hammer  Pfarrkapelle  wieder 
den  Cistercienserinnen  zu  Hamm  verliehen,  doch 
nach  verschiedenen  Streitigkeiten  128(5  Cappen- 
berg verblieben.  Hatte  die  Kapelle  schon  solche 
Bedeutung,  die  aufblühende  Stadt  gegenseits 
durch  Fehden  und  Belagerung  leicht  eine  Stö- 
rung im  Verkehr  mit  der  fernen  Pfarrkirche  zu 
fürchten,  so  war  die  kirchliche  Selbständigkeit 
nur  mehr  eine  Frage  der  Zeit,  und  1337  auch 
thatsächlich  durchgeführt.  Die  Kirche  wurde 
dann  so  ansehnlich,  dass  sie  achtzehn  Vicarien 
zählte  und  der  von  Dortmund  avoI  an  die  Seite 
gesetzt  "^vurde,  indem  von  der  Decania  Tremo- 
uiensis  et  Hammonensis  die  Rede  war.  Die 
Pfarrgründung  gab,  wie  es  scheint,  einen  erfreu- 
lichen Anstoss,  den  begonnenen  Bau  der  Pfarr- 
kirche auch  im  Laughause  fortzuführen  und 
jenes  Werk  des  gothischen  Stiles  zu  vollenden, 
welches    unter    den    herrlichsten    Kirchen    des 


Landes  einen  ehrenvollen  Rang  behauptet  (vergl. 
die  Tafel).  Wie  eine  Krone  von  stilvollem  Ernst 
ruht  der  Chor  vor  dem  mächticren  Kn.-uzbaue 
mit  drei  gleich  hohen  Schifieii,  würdig  und  reich 
in  den  Formen  schUesst  ihn  der  viereckige  West- 
thunn  ab.  Das  Ganze  hat  mächtige,  harmoni- 
sche Dispositionen  im  Grundrisse  (Fig.  40),  wie 
im  Aufbau:  da.s  beiderseits  kühn  entwickelte 
Kreuz  gereicht  dem  Hallenbau  zu  einer  ebenso 
seltenen,  als  imposanten  Zier.  Alle  Räume  decken 
viereckige  Kreuzgewölbe  zwischen  breiten  abge- 
kanteten Gurten  und  zwar  die  Chorvorlage  eins, 
die  Flügel  je  zwei,  das  Mittelschiff  fünf  —  sämmt- 
lich  von  oblonger  Form,  die  schmalen  Seiten- 
schiffe quadratische:  als  Einheitsmaass  macht 
sich  das  grosse  Gewülbequadrat  der  Viening 
geltend.  Romanische  Construction  klingt  also 
im  Gesammtentwurfe ,  romanische  Ghedenin? 
noch  im  Chorbaue  nach;  dieser  schliesst  mit  sie- 
ben Seiten  eines  Zwölfecks,  das  dem  Kreise  nahe 
kommt,  eine  vermauerte  Thür  der  Südwand  und 
das  Portal  der  Xordwand  sowie  jedes  Güed  des 
Kleeblattes,  das  dessen  verkümmertes  T^Tupanimi 
belebt,  mit  einem  Rundbogen.  Die  Fenster  sind 
zweitheilig,  schlank,  aussen  und  innen  mit  capitäl- 
losen  Rundstäbeu  auf  schwachen  Basen  besetzt 
und  mit  einem  Stern  von  sechs  Pässen  bekTönt. 
die  Pilaster,  zumal  jener  der  sütllichen  Ecke. 
(Fig.  47),  und  noch  mehr  die  Wandsäulchen 
(Fig.  48,  49)  bestehen  aus  einer  wechselvollen 
Gliederung  von  Ecken.  Rundstäbeu  imd  Hohl- 
kehlen mit  kräftigem  Sockel  und  laubvei-ziertem 
Kelchcapi<^äl,  und  sind  von  grösserer  oder  gerin- 
gerer Stärke,  je  nachdem  sie  Schildgurten.  Rij)- 
pen  oder  Quergurteu  stützen,  die  alle  kTäftig  und 


00 


HASIil. 


edel  profilirt  sind.  So  verstand  man  den  schön- 
sten Gliedern  zu^Meich  den  Schein  constructiven 
Bedürfnisses  mitzutheilen.  und  damit  ihrVertica- 
lismus  nicht  auffalle,  geht  der  Fenstersims  (Fig.  50) 
wieder  für  sich  profilirt  als  unterbrechender  Ring 
um  sie  fort.   Das  Profil  bildet  im  Kerne  der  fer- 


neren Gheder  einen  Rundstab  vom  spitzig  ausge- 
zogen: kantig  sind  jedoch  die  fünf  Kreise,  welche 
concentrisch  zusammengestellt  als  Blende  die 
obere  Fläche  der  Xordwaud  beleben,  der  anschei- 
nend ein  Süsserer  Anbau,  eine  Sakristei  oder  eine 
Kapelle,  ein  besonderes  Licht  nicht  gestattet  hat. 


licidcr  la•^^en  die  Laubzierden  der  Capitüle  ent- 
ufdcr  unter  arger  Verstünimelnng  oder  dickem 
Kalküberzuge  ihre  einstige  Sehilrfe  und  Schön- 
heit kaum  mehr  hervortreten,  scheinen  jedoch 
thoils  nach  den  ^[ustern  des  UeborgangsstUes 


sein.  Frei  au>blüiiend  in  die  .Tugendfomien  der 
Gothik  und  «lennoch  gehalten  von  den  erjirobten 
Ueberliefenmgen  der  scheidenden  Romantik  zilhlt 
dieser  Chor  (vgl.  die  Tafel)  mit  seinen  reichen 
Gliederunsreu  und  Zierden  zu  den  frühesten  und 


tiieils   versehie<lener   Xaturi)flanzen   geformt   zu      frischesten   Tr(»ph;*\en.    welche   der   Stil   henor- 


GROSSE  EVANfiKLlSClli:  KIKClUi. 


61 


gebracht  hat  —  ein  Lob,  das  in  gewissem  Masse 
auch  die  Langmauern  verdienen,  nur  dass  sie 
im  Fortschreiten  nach  Westen  auch  den  spätem 
Stilformen  sich  fügen  mussten. 

Die  reiche  GHederung  der  Wandpilaster,  das 
Bhittwerk  des  Chores  kehrt  auch  im  südlichen 
Kreuzflügel  wieder  und  wie  Knospen  der  Früh- 
gothik   erschUessen    sich   die    als   Giebelbauten 


^.   / 


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vortretenden,  leider  traurig  verwitterten  Portale. 
Eundstäbe  mit  schlanken  Capitälen  und  andern 
Zierden  fassen  die  perspectivisch  eingesenkten 
Gewände  (Fig.  51,  52)  und  darüber  die  Laibung 
der  Spitzbögen  ein,  hier  nehmen  einige  auch 
die  vorn  zugespitzte  Profihrung  (Fig.  53),  der 
Giebel  des  Nordportales  (Fig.  54)  den  Flächen- 
schmuck eines  grossen  Dreipasses  an.  Und  selbst 
die  Fenster  des  Südflügels,  deren  westliches  ver- 


50. 


mauert  ist,  sowie  jene  des  Langhauses  haben 
zwar  je  nach  der  Grösse  des  Eaumes  einen, 
zAvei  oder  drei  Stäbe,  doch  alle  eine  reine  Be- 
krönung,  die  grösseren  an  einem  Geflecht  von 
reinen  Mustern,  die  kleineren  an  drei  oder  vier 
Pässen  oder  Blättern,  deren  Spitzen  an  der  Nord- 
seite gar  in  Liüen  ausblühen.  An  den  Fenstern 
des  Südflügels  weichen  die  rundüchen  Güeder 
bereits  den  eckigen  (Fig.  55g),  in  den  Fenster- 
(Fig.  55  h)  wie  in  den  Portalge  wänden  des  Lang- 
hauses wechseln  starke  Kehlen  mit  scharfen 
Stegen  und  wiederum  an  der  Nordseite  schliesst 
das  alte  Portal  mit  einem  Kleeblatt,  dessen 
oberes  spitzbogig  ausgezogene  Güed  veimauert  ist. 


Dagegen  fallen  am  Innern  Stützengerüste 
wie  an  den  Wölbungen  so  viele  steife  oder  kahle 
Formen  auf,  als  ob  hier  andere  Stilgedanken 
massgebend  gewesen  wären.  Die  Mittelstützen 
erheben  sich  als  schwere  Kundpfeiler  mit  nie- 
drigen Basen  und  kurzen  kahlen  Capitälen  — 
am  schwersten  jene  beiden  Paare  im  Osten  und 
Westen,  'vovon  dies  die  Gewölbe  der  Viening. 
jenes  die  Osthälfte  des  Westthurmes  trägt.  Unter 
den  Wandpfeilern  haben  die  beiden  des  Thurmes 
dieselbe,  jene  der  Langwände  die  Gestalt  dicker 
Dreiviertelstäbe  A\iederum  mit  schmucklosen  Ca- 
pitälen und  nur  einige,  zwei  im  Süden,  eines 
im  Norden  die  edlere  Composition  von  drei 
schlanken  Rundstäben  und  zwei  der  letzteren, 
die  westüchsten  der  Nordwand,  an  den  Capitälen 
eine  kräftige  Laubzier.   Hie  und  dort  überrascht 

51.  öS.  33. 


uns  sogar  die  verschiedene  Höhe  der  niedrig  und 
schwächlich  profilirten  Basen.  Sämmthche  Ge- 
wölbe der  Haupträume  entbehren  der  Rippen. 
welche  mit  wechselvoll  gemusterten  Schlussteinen 
die  Abseiten  auszeichnen,  vollständig,  die  vier 
Gewölbe  der  Kreuzanne  ruhen  sogar  auf  trapez- 
fünniger  Grundlage,  als  wenn  man  mit  der  Rich- 
timg ihrer  Mittelgurten  bestehenden  Bautheilen 
Rechnung  getragen  hätte.  Unzweifelhaft  dürfen 
diese  formlosen  und  unregelmässigen  Wölbungen, 
die  gegen  die  stilvolle  Behandlung  des  Ganzen 
zu  grell  und  unvortheilhaft  abstechen,  für  spä- 
tere Zuthaten  gelten.  Ich  möchte  gerade  den 
gebündelten  Wandstützen  kein  höheres  Alter 
beimessen,  wie  den  einförmigen  Dreiviertelstäben, 
zumal  da  zwei  von  ihnen  gute  Laubcapitäle. 
und  alle  an  der  Stützung  der  alten  Seitenwöl- 
bung von  gut  geschnittenen  Bruchsteinen  gleich- 
artigen Theil  haben.  Jedenfalls  erscheinen  die 
Hauptgewölbe  später  eingesetzt,  zumal  sie  aus 
Ziegelsteinen  bestehen  und  über  ihnen  an  der 
()bermauer  noch  die  höheren  Ansatzstellen  der 
frühern  sich  deutlich  abzeichnen.  Sie  sind  jeden- 
falls in  der  grossen  Reparation,  die  1746  be- 


62 


UAMÜ. 


gann,  unter  Beibehaltung  oder  Nachbildung  der 
alten  Gurten  eingesetzt,  damals  auch  wol  die 
plumpen  W'andsüulen  des  nördlichen  Kreuzarmes, 
die  sogar  statt  des  Capitäls  eine  stumpf  profilirte 
Platte  deckt,  gemacht  und  die  Stäbe  und  Maass- 
werke des  dortigen  Gicbelfensters  beseitigt,  nach- 
dem die  verheerende  Feuersbrunst  von  1741, 
wie  die  Glockenin- 
schriften und  die 
Bücher  erzählen, 
den  Thurni  mit  den 
<ilucken  und  von 
der  Kirche  das  Dach, 
einen  Theil  des  Ge- 
wölbes, sogar  die 
Orgel  und  Kirchen- 
stühle zerstört  hatte. 
Unter  jenem  Brand» 
hat  namentlich  auch 
>\rr  Tliiinn  gelitten 
und  das  westlichste 
Gewöll)efeld  des  süd- 
lichen Seitenschiffes 
seitdem  leider  auch 
der  Kinwüll)ung  ent- 
l)ehrt.  Der  Thurai 
ruht  nilmüch,  wie 
gesagt,  mit  seinei' 
Osthillfte  auf  einem 
Wandsilulen-  und 
einem  freien  SiUilen- 
|iaare,  so  dass  der 
untere  Baum  mit 
den  lieiden  Gewöl- 
Im'ii  der.U)seiten  das 
westlichste  Gcwr»!- 
Ix'fejd  des  Langhau- 
ses ausmacht;  die 
schlanken  Gurten 
seines       östlichsten 

Siiulen|)aares  zeichnet  sogar  ein  schönes  Lai- 
lMm;,'s])nilil  aus.  Leider  ist  dies  Gewöllu-feld 
durch  eine  liuerwand  vom  Langhause  geschieden, 
diesem  auch  das  Licht  des  schönen  Thurmfensters 
eiitzoi^en,  leider  seit  der  neuesten  Bestauration 
das  Paar  Arauerötrunngen  der  Langwilnde.  welches 
neben  <lem  Thunnu'efache  wol  fm-  die  Werklente 
als  NotliLraiiLT  iri'diruf  hatte,  zu  Kiugäugen  um- 


gestaltet und  dadurch  deu  benachbarten  Por- 
talen zwecklich  wie  ästhetisch  Abbruch  gethan : 
denn  nun  beläuft  sich  die  Zahl  der  Eingänge 
auf  sieben,  mit  der  Sakristeithür  gar  auf  acht. 
Die  AVesthälfte  des  Thurmes  ruht  auf  Maueni 
mit  übereckgestellten  Streben;  sein  Unterbau 
steigt  schon  höher,  als  das  Mauerwerk  des  Lang- 
hauses empor:  dann 
folgen  noch  drei  Eta- 
iren.    die    jedesmal 

horizontal  durch 
Spitzbogenfriese  mit 
Xasen.vertical  durch 
Liseneu  in  drei  Fel- 
der zerlest  und  zu- 
dem durch  zweithei- 
lige Fensterblenden 
mit  leliendiger  Lai- 
bung  und  Drei-  und 
^'ierpassbek^önung 
ausgestattet  sind ; 
den  Unterbau   ziert 

ein  zweit  heiliges 
AVestiKtrtal.  dessen 
T\  mpanum  ein  auf- 
j:eblendeterVieri)ass 
mit  Nasen,  und  dar- 
über öffnet  sich  das 
für  die  westliche  Be- 
leuchtungderKirche 
bestimmte  Fenster. 
nicht  hoch,  jedoch 
durch  jüngere  un«l 
ältere  Pfosten  ge- 
theilt  undmit  einem 
klaren  Maasswerke 
bekrönt.  Den  gan- 
7vn  Mauerstamm 
krönt  ein  kräftiges 
Kranzgesimse  und 
seit  17Ö4  ein  wesciiiiicli  auf  ein  tief  in  den 
Thunn  hinabreichendes  Holzgerüste  gestützter 
Helm  von  drei  achtseitigen  wunderlich  gelxK 
geneu  Stufen,  nachdem  der  frühere  seit  \*V^ 
dann  durch  Blitz,  dami  durch  Stnnn.  und  einmal 
(1<)22)  tlurch  die  Kugeln  der  Spanier  zer-^tört 
oder   beschädigt  war. 

Im  Siidwinkel  de»  Cli.ir.v  «in.lr!   sjoh  |>olygon 


G1WJ5.S1-  IVANÜELLSCIIE  KlltCJlI-. 


und  mit  schwacher  Strebe  verstärkt  ein  Trei^jteii- 
thürmchen  aus  der  Zeit  der  umo-el)endeii  Bau- 
theile  empor,  dagegen  steht  im  Norden  des 
Chores  an  Stelle  eines  frühem  IJanes  eine  Sa- 
kristei von  zwei  Etagen,  im  Untergeschoss  mit 
vier  Kreuzgewölben  über  einem  Mittelpfeiler  be- 
deckt und  später  mit  einer  Querniauer  durch- 
setzt —  ein  Werk  der  entarteten  Gothik  mit 
flachen  Gesimsen,  rundbogigen  Fenstern  und 
rohem  Baustein,  das  um  so  mehr  absticht,  als 
es  eine  beträchtliche  Grösse  und  ein  Fenster  des 
Nordflügels  verdeckt  hat. 

Trotzdem    spätere    Bautheile    und  hölzerne 

Bühnen  im  Innern,  verhältuissmässig  steife  Stre- 

^__  ben  im  Aeussern  nicht  mehr 

mit  dem  ursprünghchen  Ge- 

sammtwerke  harmoniren, 
trotzdem  der  grüne  angeblich 
aus  den  städtischen  Brüchen 
bei  Limern  gewonnene  Mer- 
gelsaudstein gar  sehr  unter 
Verwitterung  gehtten  hat,  macht  die  Kirche 
mit  dem  Grundtone  edler  Stilgliederung,  mit 
ihren  beträchtUchen  Dimensionen,  mit  dem  kreuz- 
förmigen Dache,  dessen  Hauptlinie  über  dem 
Chor  wieder  sinkt,  einen  romantischen  und  gross- 
artigen Eindruck,  der  noch  an  Einheit  und  Kraft 
gemnnen  wird,  wenn  erst  eine  Eestauration,  die 
sich  den  vorhandenen  Formen  oder,  wo  solche 
nur  mehr  unklar  voriiegeu,  dem  Geiste  des  ur- 
sprünglichen Bauplanes  anschliesst,  das  ganze 
Werk  wieder  verjüngt  hat. 

Wann  die  einzelneu  Bautheile  vom  frühgo- 
thischeu  Chore  bis  zum  spätgothischen  Sakristei- 
bau entstanden  sind,  darüber  suchen  yvir  ver- 
geblich nach  Berichten.  Vielleicht  erhob  sich 
der  Chorbau  auf  altern  Mauerresten  nach  dem 
Jahre  1275,  als  ein  jammervoller  Brand  die 
Stadt  heimgesucht  hatte,  und  stockte  der  Aus- 
bau desselben  vor  dem  Brande  des  Jahres  1307, 
—  Chor  und  Kreuzbau  dürften  1322  fertig 
dagestanden  haben,  weil  nun  in  ,der  Kerken  to 
me  Hamme'  eine  Verhandlung  vorgenommen 
und  beurkundet  wurde.  Der  Ausbau  des  Lang- 
hauses mag  1337  durch  die  Gewährung  der 
Pfarrechte  besonders  angeregt,  und  nachdem 
das  Mauerwerk  vollendet  war,  die  alte  Kapelle 
gefallen  und  nun  erst  das  Stützenwerk  im  Innern 


mit  den  Gewollten  erstanden  sein.  Der  Thurm 
mit  seinen  Abseiten  erlangte  seinen  Abschluss 
wahrscheinhch  erst  gegen  den  Anfang  des  15. 
Jahrhunderts.  Die  Sakristei  kann  längst  für  ein 
Werk  des  10.  Jahrhunderts  gelten  und  150ö 
erhielt  die  Kirche  auch  durch  Fundation  des 
Pastors  Peter  Buick  einen  neuen  Altar  zu  Ehren 
der  h.  Jungfrau  Maria  vom  Rosenkranz. 

Die  Kirche  ist  durch  den  Eifer  der  Refur- 
mirten  um  ihre  zweifellos  einst  sehr  reiche  Aus- 
stattung an  Kunstwerken,  durch  den  Brand 
1741  um  ihre  Archivahen  und  Bücher  gekommen 
und  daher  heute  nur  mehr  im  Besitze  weniger 
und  junger  Stücke,  welche  würdig  den  Kunst- 
stil ihrer  Zeit  vertreten.  Zwei  davon,  nämlich 
gleichartige  Eenaissance-Epitaphien  haften  im 
südhchen  Kreuzarme,  das  eine  an  der  Giebel- 
wand, das  andere  an  der  Westwand  in  der  Nische 
eines  vermauerten  Fensters,  beide  hier  und  dort 
in  der  Anordnung  ihrer  Wappen  fehlerhaft.  Das 
eine  des  Heuricus  Wrede  in  Milliughausen  be- 
steht aus  einer  viereckigen  Schrifttafel  und  deren 
vier  Rahmenstücke  fassen  oben  die  Wappen 
Hanxler  und  Letmathe.  ünks  jene  Wulf,  von  der 
Borch,  Droste,  Langeuthreer,  Berninckhausen. 
rechts  jene  0er,  Recke,  Galen,  Mordieu.  Farensel. 
während  auf  die  beiden  Bhndflügel  die  Wappen 
und  Namen  Kuckelsem  und  Torck  kommen. 
Darüber  enthält  eine  kleinere  Tafel  mit  klee- 
blattfürmiger  Bekrönung  die  beiden  Hauptwappeu 
Wrede  und  Kruckerugge. 

Die  einzelnen  Theile  sind  mit  allen  Mitteln 
des  Stiles  zierhch  und  tüchtig  ausgeführt,  so 
dass  das  constructive  Gesammtgerüste  kräftig 
durchscheint.  Die  Haupttafel  besagt  in  einer 
Reihe  von  Distichen,  dass  der  dort  bestattete 
Henrich  Wrede  von  MUinghausen  in  der  Jugend 
die  Schulen  studirt  und,  nachdem  er  eine  Zeit 
lang  Kriegsmaim  gewesen,  das  väteriiche  Erbe 
angetreten  endlich  eine  mit  allerhand  Tugenden 
ausgezeichnete  Lebeusgefährtin  aus  dem  Hause 
Beringhausen  heimgeführt  habe. 

Das  zweite  nur  wenig  jünger^  Epitaph  Münster- 
Penthnck  ist  arg,  vielleicht  vom  Brand.  besehäiMgt. 
überdies  schwulstiger  im  Stil,  roher  an  Arbeit 
und  etwas  einfacher  im  EntMurfe.  Zwei  Rund- 
säulen flankireu  jederseits  das  viereckige  Haupt- 
feld und  tragen  ein  schweres  Gebälk,  au  dessen 


64 


HAMM. 


Ecken  zwei  fialenartige  Aufsätze,  dazwischen 
den  krönenden  Giebel,  dessen  Base  die  Inschrift 
hat:  Epicedium  hoc  positum  A?  l6lo.  Anden 
Seiten  figuriren  wieder  Bhndflügel  mit  schweren 
Fruchtzierden  und  als  unterer  Kandbesatz  ein 
Schild  mit  dem  Eteostichou.  Die  Wappen,  welche 
hier  zum  Theil  die  Zwischenräume  der  beiden 
Seitensäulchen  einnehmen,  sind  auf  der  einen 
Seite  Münster,  Kaesfeld.  Kipperda,  Hacfort,  Vos 
von  Steinwyk,  Haften.  Ukena  v.  Broccum  (?), 
Münster  (mit  zwei  Querbalken),  auf  der  andern 
Pentlinck,  Berninghausen,  Galen,  Krackerugge. 
Kecke,  Büren,  0er,  Pletteuberg.  Das  Denkmal 
L'hrt  die  Elisabeth  von  Pentlinck,  Erl)in  zu  Hil- 
Iteck,  Tochter  Hennan's  von  Pentlinck  und  der 
Anna  von  Berninghaus,  ersten  Gemahün  Bern- 
hard's  von  ]\Iünster  zu  MeinhOvel. 

Einen  im  Durchmesser  O.llm  grossen  Rund- 
ichild  von  Bronze  umgibt  die  Umschrift:  Anno 
1613  am  24.  Sept.  ist  die  woledle  Sophia  von 
Dicpenbrock  Wittib  lohsten  Drosten  zum  Vie- 
hoffe  chribtlich  verstorben;  die  Mittelllilche  füllen 
die  beiden  mit  flotter  Helmzier  belebten  Wappen 
Droste-Diepenbrock  und  einen  Randausschnitt 
unten  die  Namen. 

Ein  anderes  Epitaph  haftet  an  der  Schluss- 
wand des  Chores  und  enthält  in  Stein  ausge- 
führt das  Brustbild  des  Verewigten  in  hohem 
Hehef,  umgeben  von  Kriegstrophäen,  darüber  das 
Wappen,  danmter  folgende  Inschrift:  Monunien- 
tuui  sunuiii  herois  lohannis  Dubuisson  S.  R. 
Majestatis  Prussicae  (piondam  generalis  niaior, 
copiarum  pedestriuin  m  comitatu  Marcano  per 
annos  6  iniijeratorij  necnon  illustris  athenaei 
MannuonenHs  regia  auctoritate  opuni  con.siliarii 
constituti  priniarii  ac  nati  Victoriaci  in  Cam- 
])ania  (iallica  anno  Doniini  Ml)CLX\'l,  unde 
liurioruni  ^acroruni  ergo  in  terras  Prus>ico  sole 
calentes  delatus  post  (juadraginta  fernie  et  se.\ 
^til)endia  inerita  lianmione  tandeni  niaxnno 
>uoruni  et  onmis  jjublicae  rei  delriniento  ac 
dolore  ante  diem  XII.  Kai.  Sextilis  hora  octava 
malutina  MDCCXWl  placide  finit. 

Zwei  meist  grau  in  Grau  ausgeführte  \'otiv- 
ul.'ber  des  äusserstcn  ('horfcnsters  bieten  die 
\Vapp('n  uml  die  Niiinrn  dir  (ieber,  nämlich 
iicrhardu>  Znrhoidcn  .  .  .  ,\)ino  174-"^  ^md 
<  luibtian  Allierl  Zurheiden  1.  \'.  D.  Cleve-M.'irki- 


scher  lustizrath  und  Ober-Bürgenneister  zum 
Hamm. 

Drei  Kronleuchter  von  Messing  sind  unten 
mit  einer  grossen  Kugel  beschwert,  und  zwei 
davon  mit  zwei,  einer  mit  drei  Reihen  von 
Leuchterarmen  umgeben  —  jedenfalls  Arbeiten 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts. 
Ein  starkes  und  schönes  Werk  der  Mubel- 
kunst  erbhcken  wir  in  der  Kanzel.  Sie  hat 
Fuss  und  Deckel  von  geraden  und  concaveu 
Seiten,  ruht  auf  Rundsäulen  in  der  Umgebung 
schneckenartiger  Zierglieder,  wie  solche  auch 
oben  vereint  die  Bekrönung  des  Deckels  aus- 
machen. Auch  sie  wird  nach  dem  Brande  für 
ihren  jetzigen  Standort  vorn  auf  dem  Chore  und 
zwar  wie  die  gleichartige  zu  Pelkum  vom  Hammer 
Meister  Döraidahl  erbaut  sein. 

Eine  viereckige  Holztafel  erinnert  mit  den 
Wappen  und  der  Inschrift  an  Wilhelm  von  Kort- 
mann  geboren  1730  f  1773  17  11. 

In  dem  Brande  aou  1741  sind  auch  die 
(j locken  bis  auf  die  Schlagglocke  geschmolzen 
und  1743  zu  Münster  durch  den  Meister  Johan 
Schiücys  mit  Unterstützung  Friedrichs  d.  Gr. 
meistens  neu  gegossen  laut  den  gehaltvollen  In- 
schriften der  beiden  grösseren: 

1.  lohan  ScJnvcys  me  fccit  Monasterii  a. 
1743.  Attende  lector,  (juod,  ira  Divina  die 
16.  Aprilis  a.  1741  conibustis  372  aedibus,  turre 
e.xcelsissinia,  quatuor  campanis  et  aede  in  hac 
urbe  Hanmione  devastatis,  hoc  annuente  divina 
dementia  per  regem  Fridericuni  II.  dominum 
nostrum  longa  clementissimum  restitutum  (et) 
ex  fragmentis  haec  campana  cum  duobus  aliis 
fusa  est  dirigentibus  d.  d.  coss.  C.  A.  Zurheyden 
et  M.  Fabricio  Camer  (?)  F.  Hobbelt  et  sccre- 
tario  P.  Grube. 

2.  lohan  Sc/nccys  nie  fecit  Mon.u^terii  a. 
1743.  Soli  Deo  gloria.  Agite,  cantemus  lehovae, 
resonenuib  ....  j)s.  Qö  v.  1,2. 

Die  dritte  Glocke  hat  eine  Inschrift  aus  jis. 
80  V.  16,17.:  Wehe  dem  Volk  .  .  .  Hernian 
Spicker  in  Meidrich  anno  178(1. 

AVir  vermissen  also  die  dritte  Glocke  von 
Scfiu'cys. 

Di«'  Hefonnation  drang  hier  seit  1ÖÖ3  mit 
wt'cliscliult'in  Erfolge  durch,  und  die  grosse  Kirche 
verblieb  nacii  langen  Streitigkeiten  und  schliess- 


KATiKJl.I.SCHK  KIUIII]-. 


65 


lieh  unter  Eiinvirkung  der  i'fiilz-Ni'ubur^n.selieu 
Regierung-  den  Keformirten ;  die  Lutheraner, 
Avelche  vorerst  die  Kirche  zu  Mark,  von  1650 
bis  1739  oft  unter  heftigen  Anfechtungen  aber 
eifrig  unterstützt  von  Küdiger  von  Westhoven 
einen  Betsaal  besuchten,  konnten  im  letztgenann- 
ten Jahre  ein  eigenes,  nach  dem  Brande  der 
grossen  Kirche  auch  von  den  lieformirten  be- 
nutztes, Gotteshaus  beziehen,  bis  beide  Gemein- 
den die  1817  beschlossene  Vereinigung  1824 
vollzogen. 

Die  kleine  evangelische  Kirche  in  den 
Jahren  1734/39  erbaut  zerfällt  in  einen  poh'gonen 
Chor  und  ein  geräumiges  Langhaus  mit  West- 
thurm.  Drei  hölzerne  Säulenpaare  tragen  die 
hölzernen  Kreuzgewölbe  und  zugleich  die  Em- 
poren der  Seitenschiffe,  zwei  Stäbe  stützen  die 
Gläser  der  langen  rundbogigen  Fenster,  der 
Thurm  mit  den  eisernen  Jahreszahlen  1736  er- 
hebt sich  viereckig,  in  den  obern  Etagen  poly- 
goner und  endigt  mit  einer  hohen  Zwiebelspitze. 
Sockel  und  Feusterstäbe  bestehen  aus  Bruch- 
steinen, die  Mauern  aus  Ziegelsteinen. 


Den  Geschmack  der  Kococozeit  offenbart,  je- 
doch in  gefälliger  Form,  die  Kanzel  mit  dem 
Schalldeckel:  kräftige  Barockfonnen  hat  das  an- 
geblich aus  Soest  überkommene  CJrgelgehäusc. 
Die  beiden  Glocken  haben  folgende  In- 
schriften : 

Die  grosse:  Soli  Deo  ^lona.  M  1740  lohan 
Schiveys  nie  fecit  Monasterii.  Die  h.  \v. 
g.  ü.  freifrau  verwittihte  v.  Miinchhausen 
v.  Launau  g.  b.  Baer  v.  J-Jarnau  schenket 
den  evglischen  hitterischen  in  Hamm  fliese 
Klocke  v.  3(XJ  r.  thler,  mit  sel])iger  des 
tages  zu  3  Zeiten  die  hertzen  zum  lol) 
Gottes  zu  erwecken.  Unten  am  Rande 
Ps.  150  V.  6. 
Die  kleine:  Soli  Deo  gloria.  A?  1749  Frideri- 
cus  Schweys  me  fecit  Monasterii.  In  nie- 
moriam  Dni  Rud.  de  Westhoven  fundato- 
ris  2di  pastoratus  me  dederunt  nepotes 
C.  F.  de  Westhoven  siibcenturio  Pruss.  L. 
S.  de  Westhoven,  conjiix  quaest.  regii  Sud- 
hausii  et  S.  F.  de  Westhoven  nupta  nobili 
de  Ossenbruch. 


Kampscliiüto,  S.  SO;  —  Rusenmeycr  in  Iruss' "WestiJhalia,  1825,  S.  3(lö;  —  Lübke,  S.  220— 281 ;  —  i.Aufnahinen  ik'<  Kreisbanmcisters 
Siemers,  1857,  nicht  benutzt)  —  Lippische  Regesten,  herausg:egeb.  von  Preiiss  luid  Falkmann,  III,  Xr.  2274 ;  —  Möller  Hamm, 
S.  00—91 ;  —  Inventarinm  archivii  Hanimonensis  Ms.  p.  3a ;  —  Bädeeker-Heppe,  11,  41-4  ff. ;  —  Mitth.  des  HeiTn  Pastor  lic.  Sachsse  ;  — 
die  liischrifton  zweier  Epitaphien  sind  vom  Hemi  Lieutenant  von  Spiessen  zu  Metz,  jene  der  Glocken  vom  Hemi  GjinnasiaUelirer 
Grachot  zu  Ai-nsberg  mit  allem  Torbehalte,  namentlich  die  letzteren,  weil  sehr  schwer  zug-änglich,  eingeliefert  luid  hier  blos  mit 
Rücksicht  auf  die  iiüialtlicho  Richtirfcoit  -n-iederg-eireben.  —  Local  -üntersuehunü:  und  -Aufnahmen. 


Die    katholisclie    Ivirclie    vnad.    aiacleve    Denkmäler. 


Gewiss  seit  Gründung  der  Stadt  bestand  an 
der  Nordostecke  auf  dem  grossen  Räume, 
den  nördlich  die  Lippe,  östlich  die  Zingel,  westlich 
die  Franziskaner-Strasse  und  südlich  die  Brüder- 
Strasse  einschliesst,  der  1269  auch  urkundlich 
genannte  Hof  des  Grafen  von  der  Mark;  und 
auf  dem  Westsaume  dieses  Schlossgebietes  Hessen 
sich  im  15.  Jahrhunderte  die  Franziskaner 
nieder.  Graf  Gerhard  von  der  Mark,  welcher 
in  dem  unseligen  Streite  mit  seinem  Bruder 
Adolf  auch  Hamm  behielt  und  als  seine  Resi- 
denz sehr  begünstigte,  überliess  dem  Orden  die 
1328  zuerst  erwähnte  Schlosskapelle  mit  be- 
stimmten Gebäulichkeiten:  sonst  blieb  der  Gra- 
fenhof in  Würden,  doch  seit  Ende  des  Mittel- 
alters nicht  mehr  als  Residenz,  sondern  an- 
scheinend als  Wohnung  des  Amtsdrosten,  später 


mit  einem  einfachen  Hause  als  Rentei,  seit  der 
Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bis  1802  als  ilieths- 
wohnung  des  kommaudirenden  Generals,  und 
ging  dann  durch  Verkauf  in  Privatbesitz  über. 
Dass  das  Schloss  gegenüber  andern  Resi- 
denzen schon  im  Mittelalter  an  Bedeutung  ver- 
loren, die  Stadt  mit  dem  Abzüge  der  Nonnen  von 
Kentrup,  die  früher  südlich  vom  Schlosshofe  ge- 
wohnt, kehl  Kloster  mehi  hatte,  sowie  das  Zu- 
reden eines  Johan  von  Dalen,  der  Laienbruder 
des  Franziskaner-Ordens  und  Avahrscheinlich  vor- 
nehmer Abkunft  war,  mochte  den  Grafen  Ger- 
hard bestimmen,  die  der  h.  Agnes  geweihte 
Schlosskapelle,  ein  Haus  und  einen  Garteuraum 
also  auf  dem  W^estsaume  des  ganzen  Anwesens, 
dem  Franziskaner- Orden  behufs  einer  Kloster- 
stiftung  zu  schenken.    Papst  Nicolaus  ertheilte 


i^ 


00 


UAMil. 


14o:^  die  Genehmigung  und  auf 
dessen  Geheiss  fördert  der  De- 
chant  Millinghues  von  S.  Patro 
clus  zu  Soest,  nachdem  noch  Ger- 
liard  von  der  Kecke  vom  Gründer 
IJaur.ium  erworben  hatte,  die  Stif- 
tung so,  dass  schon  im  folgenden 
Jahre  der  Guardian  Cornelius  von 
Gouda  mit  belgischen  und  rheini- 


LI 

L 

fl      ™'            Kloster 

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sehen  Mönehen  seinen  Ein- 
zug hült. 

Die  neue  Monchskolonie 
bestand  aus  Observanten: 
unter  diesem  Namen  hatte 
sich  der  Franziskan»'r-(>r- 
den  durch  Strenge  und  eif- 
rige Seelson;e  eben  in  H«'l- 
gien  wieder  enieutTt.  eine 
rtlhmliche  Ausbreitung  bi^ 
an  den  Hhcin  gewonnen  und 
vielleicht  auf  HenuUu'n  •ii»'"« 


KATilüLI.StHK  KIKCIIE. 


67 


Westfalen,  des  Paters  Cülde,  der  eine  mächtige 
Triebfeder  in  der  lieform  gewesen,  auch  das 
neue  Kloster  in  Hamm  erhalten.  Der  hiesige 
Convent,  der  erste  der  Observanten  zwischen 
Ehein  und  Weser,  ward  bald  auch  die  Pflanz- 
stätte neuer  Klöster  im  weitern  Westen,  so 
jener  zu  Lemgo,  Corbach  und  Bielefeld,  und 
gelangte  zu  einem  Ansehen,  dass  er  noch  zu 
Lebzeiten  des  Stifters  beliebig  viele  Novizen  auf- 
nehmen durfte,  seine  Mönche  sogar  die  Kanzel 
im  Dom  zu  Münster  bestiegen  und,  als  die  Re- 
formation die  meisten  Pfan-ldrchen  der  Mark 
erol)ert  hatte,  da  spenden  die  Hammer  Franzis- 
kaner unter  fürmUcher  Genehmigung  des  Werler 
Officials  vom  Jahre  1638  die  kirchlichen  Heils- 
mittel ihren  zerstreuten  Glaubensbrüdern  in 
den  Kapellen,  Kloster-  oder  Simultankircheu  zu 
Unna,  Camen,  Drechen,  Nordherringeu,  Heil, 
im  17.  Jahrhunderte  zu  Rhjiiern,  später  zu 
Geithe  und  auf  ein  Decret  der  clevischen  Regie- 
rung auch  in  Privathäusern,  zumal  auf  dem 
Hause  Gröuenberg,  und  ihre  Klosterkirche  war 
seit  1666  anerkannt  als  Pfarrkirche  für  Hamm 
und  Umgegend.  Namentlich  gewährten  ihnen 
die  Hoheuzollern'schen  Landesherren  mancherlei 
Vergünstigungen  sowol  in  Bezug  auf  ihre  häus- 
liche Einrichtung,  als  ihre  oflFeutliche  Wirk- 
samkeit. 

Das  Kloster  wurde  1824  vollständig  auf- 
gehoben; seitdem  dient  von  den  Klosterräumen 
die  Osthälfte  den  Kathohken  als  SchuUocal  und 
Pfarrwohnung,  seit  1826  die  grössere  West- 
hälfte theils  als  Kreisgericht ,  theils  als  Ge- 
fäugniss  und  Wohnung  der  Beamten. 

Das  Kloster  (Fig.  56)  lag  mit  seinen  be- 
langreichen Gebäuden  und  Räumlichkeiten  im 
Nordeu  der  Kirche,  und  bildete  seine  Boden- 
fläche ein  unregelmässiges  Trapez,  dessen  grös- 
sere Nordhälfte  der  ummauerte  Garten,  dessen 
kleinere  Südliälfte  die  Klosterbauten  einnahmen. 
so  dass  der  schmale  Westbau  sich  am  Saume 
des  Gartens  bis  an  dessen  Aussenmauer  fort- 
setzte. Der  Hauptbau  bildet  zwei  viereckige 
ßinnenhöfe,  einen  regelmässigen  im  Osten,  einen 
unregelmässigen  zufälhg  durch  die  Configuration 
von  Bautheilen  entstandenen  im  Westen.  Der 
Hauptbau  des  östlichen  Hofes  lag,  ohne  Chor 
und  Sakristei  zu  berühren,   an  der  Kirche  und 


machte  mit  dem  Theile  des  Nordflügels,  der 
sich  als  solcher  hinter  dem  westhchen  Binnen- 
hofe hinzog,  den  Convent,  In  der  Front  seines 
AVestflügels  liegt  noch  jetzt  der  Eingang  zum 
Kloster  mit  dem  Schellcnzug  von  Eisen,  dessen 
Griff  ein  Kreuz  ist.  Der  schmale  Bau  im  Norden 
des  Kirchplatzes  war  jedenfalls  das  Noviziat, 
daran  legte  sich  als  Wirthschaftshaus  mit  grosser 
Durchfahrt  der  lange  Westbau  etwas  nach  Nord- 
westen gerichtet.  Sämmtliche  Gebäude  sind  von 
Steinen  solide  doch  schmucklos  erbaut  und  inner- 
hch  nur  in  den  Räumen  der  Krankenkapelle 
mit  Stuckaturen  verziert;  der  Hauptbau  hat 
zw^ei  Geschosse  über  einem  hohen  Kellerraum: 
der  schmalere  Westbau  und  das  Noviziat  zeigen 
drei  niedrige  Fensterreihen  übereinander.  Irren 
wir  nicht,  so  wurden  die  gesammten  Kloster- 
bauten um  1693  begonnen,  weil  man  nun 
Contracte  mit  einem  Ziegelbrenner  schloss, 
und  mit  dem  Noviziat  beendet,  weil  an  dessen 
Südwand  die  eiserne  Zahl  1709  steht.  Im 
Hintergrunde  des  ganzen  Reviers  erhebt  sich 
seit  1856/59  als  Erweiterung  des  Gefängnisses 
ein  hoher  Neubau  aus  Ziegeln,  vorn  auf  dem 
freien  Platze  vor  der  Kirche  seit  mehreren  De- 
cennien  das  Bild  des  Gekreuzigten  mit  Maria 
und  Johannes,  in  Stein  ausgeführt  vom  Bild- 
hauer Hofuiami  zu  Köln. 

Kunstgeschichthches  Interesse  erregen  die 
Kirche  und  mehrere  Stücke  ihrer  frühern  Aus- 
stattung, unter  den  letztern  vorab  das  länglich- 
viereckige Denkmal  des  Stifters  (Fig.  57). 
bestehend  aus  zwölf  gegossenen  und  etwas  nach- 
gearbeiteten Messing -Platten,  die  zusammen- 
gesetzt 3,29>»  und  1,51m  hoch  und  breit  sind. 
Wir  erbhcken  hier  die  schlanke  gepanzerte  Figur 
des  ,Junkers'  mit  gefaltenen  Händen,  ruhend 
auf  einem  gemusterten  Teppiche  und  Kopfkissen. 
zu  Füssen  das  von  zwei  Schw^änen  gehaltene 
Doppelwappen  Cleve-Mark,  zu  Seiten  schlanke 
Säulen,  zu  Häupten  auf  deren  Capitäle  gestützt 
als  Bekrönung  einen  Tudorbogen,  weiterhin  von 
deren  Fialen  eingeftisst  eine  decorative  Arkade 
und  andere  Architekturmuster,  neben  den  Säulen 
wieder  an  jeder  Langseite  ein  Zierbaud  von 
vier  FamiUenwappen,  in  den  Ecken  die  Evan- 
gelistenzeichen luul  an  den  vier  Rändern  die 
Inschrift : 


68 


HAMH. 


Anno  Domini  mcccclxi  duoflecima  die  nienbis 

Septcmbrib  obiit  illustris  domicellus,  dominum 

Gerhardub   de  Clivis  et  de  Marca,  fundator 

huiub    conventus 

niinonim  de  olj- 

bervantia.    Grate 

j)ro   ei  IIb    aninia. 

iit    recjuiescat    in 

pace.  Amen. 
Die  sehr  geschickte 
Kiiuni-Einthf'ihinir, 
die  stilvolle  Heliand- 
liing  des  Beiwerks 
und  des  Ornamen- 
talen, ganz  beson- 
ders die  elegante  und 
stimmungsvolle  Ge- 
stalt des  Verewigten 
entschädigen  uns 
l)ald  für  die  archi- 
tektonischen und  un- 
gefillligen  Lücken- 
biisscr  unter  und 
tlber  dem  Tudorbo- 
gt'u:  die  Schönheit 
und  die  Bedeutung 
des  Werkes  erklären 
uns,  wie  der  kunst- 
lii'bende  König  Frie- 
drich Wilhelm  IV. 
es  aus  dem  Flur  dei' 

Kirche  aufheben 
liess,  damit  es  eine 
würdigere  und  ge- 
schtltztere  Lager- 
statte erhalte,  die 
ilnn  mm  Intneiitlicli 
bald  zu  Tlieil  wird. 
Diese  seltene  bald 
na(didem'i'odes)ahre 
gefertigte  Arlx'it  lag 
wol  erst  in  der  Hof- 
kai)elle,  dann  in  der 
neuen  l\l()>ior- 
kirebe;  denn  diese  entstammt  niebt  mehr  der 
Zeit  der  Stiftuni;.  Nachdem  das  Klostergebilude 
fertig  und  der  Convent  zu  seiner  umfassenden 
Thiltigkeit  (»rLMuisirt  war.         da  sebeint  es.  >_'<'- 


nügte  die  alte  Hofkapelle  nicht  mehr,  und  man 
schritt  vorab  zu  einem  der  Mönchszahl  anire- 
messenen  Chorbau:  denn  1504  schenkte  der  Lau- 
desherr sieben  Fuss 
Landes  zur  Erwei- 
t^Tung  dieses  vor- 
nehmsten Kirchen- 
raumes, der  drei 
Jahre  später  fertig 
war.  und  nun  legte 
Koteer  Brecht,  nicht 
<ler  Baumeister,  wie 
die  kuustgeschicht- 
lidien  Bücher  wol- 
len, sondern  der  um 
das  Werk  sehr  be- 
mühte und  verdiente 
Amtmann  des  Her- 
zoL's.den  ersten  Stein 
zum  I^anghause.  ^^e 
die  jetzt  schadhafte 
Inschrift  an  der  Ost- 
ecke des  Südschiffes, 
also  an  der  Stelle, 
von  wo  der  Bau  nach 
Westen  vorschritt, 
mit  folgenden  Wor- 
ten besagt :  int  jaer 
unses  heren  nidvii 
des  nesten  dages 
na  sunte  Franciscus 
heft  Rolger  Brecht 
den  ersten  steen  ge- 
lecht —  eine  In- 
schrift, die  zugleich 
nach  der  Oewolin- 
heit  des  Spätmittel- 
alters den  Wolthäter 
des  Baues  ehren 
sollte:  in  fünf  Jah- 
ren war  die  ganzi 
Kirche  bis  auf  die 
reichere  Westmauer 
vollendet :  denn  hier 
am  Fortale  stvhen.  früher  tranz  deutlich,  fidtrende 
Dankesverse: 

De  hir  ihn  gaben  und  hel)l)cn  gedaen. 
Ho  >n\\cu  mit  lohn  entfahn. 


K'ATIIf)LISCHE  KIRCHE. 


69 


Düt  is  woll  bedagt. 

Im  jähr  l5l2  sin  ick  hir  ^'ela^t. 
Der  Clior  war  also  lo04  in  Arbeit,  der  ganze 
Bau  wahrscheinlich  1512  abgeschlossen.  Er 
stimmt  stilistisch  mit  den  Daten,  wie  in  der 
Disposition  mit  den  Bedürfnissen  und  Gewohn- 
heiten des  Ordens.  Die  Kirche  hat  im  Schiffe 
wie  im  Chore  gegenüber  einer  Pfarrkirche  eine 
ausserordentliche  Länge,  statt  eines  Thurmes 
einen  Dachreiter,  neben  dem  Hauptschiffe  im 
Süden  ein  Seitenschiff,  nicht  so  hoch  und  nicht 
halb  so  breit  wie  jenes  und  im  östhchsten  Gefache 
um  die  Hälfte  schmaler  als  die  übrigen;  sie  hat 
auch  ein  gleichfalls  gen  Osten  verengertes  Seiteu- 
schiff im  Norden,  das  durch  eine  Holzdecke  in 
zwei  Geschosse  zerlegt,  baulich  und  hturgisch 
durch  die  Mauer  des  Mittelschiffes  von  der 
Kirche  gesondert  und  als  Südflügel  des  Klosters 
benutzt  ist.  Es  fügten  sich  die  Frauziskaner 
überhaupt  den  örtlichen  Bedingungen  ihrer  nicht 
im  Freien,  sondern  innerhalb  der  städtischen  Be- 
schränkung ausgesuchten  Wohnung,  und  es  fielen 
die  Nebenscliiffe  im  Osten  engräumiger  aus,  weil 
im  Süden  die  Strasse,  im  Norden  wol  ältere 
Bautheile  eine  regelmässige  Ausdehnung  nicht 
zuhessen.  Sie  verzichtet  auf  besondere,  mehren- 
theils  gar  auf  die  üblichen,  Stilzierden  und  be- 
ansprucht gemäss  dem  Ordens-Geiste  ueben  der 
uothwendigen  Festigkeit  nur  so  viel  Schönheit, 
als  es  das  Gotteshaus  verlangt.  Um  so  selt- 
samer wird  das  Gesammtgepräge ,  als  bereits 
die  unstäten  Formen  der  Spätgothik  Alles  be- 
herrschen. Die  sechs  Kundpfeiler,  welche  mit 
einem  Theile  der  Base  im  überhöhten  Boden 
stecken,  folgen  zu  Gunsten  der  perspectivischen 
Wirkung  einander  auf  halber  Breite  des  Mittel- 
schiffes und  tragen,  wie  das  sonst  in  den  ärmeren 
Landestheilen  vorkam,  als  Kämpfer  eine  acht- 
eckige Platte,  die  mittelst  einer  geschweiften 
Schmiege  zum  Pfeilerkern  übergeht.  Der  durch 
einen  breiten  Scheidebogen  bezeichnete  Chor  hat 
die  Länge  von  zwei  Gewölbeftichern  und  einen 
dreiseitigen  Schluss  aus  dem  Achteck.  Die 
Gurten  der  Kreuzgewölbe,  welche  alle  Bäume 
decken,  haben  eine  fast  rundbogige  Scheitel- 
neigung und  seithch  eine  einfache  Schmiege, 
die  Kippen  haben  Kehlen  und  den  Besatz  eines 
einfachen  Birnstabes,  die  Consolen  an  den  Wän- 


den dagegen  ein  Laubornament:  die  Chorfenster 
sind  dreitheilig  mit  Fischblasen  werk,  jene  der 
Lang  wand  viertlieilig  und  statt  einer  Bekrö- 
nung  die  Pfosten  oben  so  durcheinander  ge- 
zogen, dass  die  vier  spitzen  Bögen  an  die  Lai- 
bung  des  fast  wieder  runden  Fensterabschlusses 
stossen.  Das  grosse  Westft-nster  über  dem  Haupt- 
eingange zeichnen  aus  fünf  Stäbe  und  eine  bril- 
lante Lekrönung,  worin  wieder  die  Fischblase 
dominirt.  Die  beiden  Eingänge  liegen  im  Westen 
und  haben  gerade  Bedeckung,  einer  östlich  in 
der  Südwand  ist  vermauert.  Die  Innenfläche 
der  nördlichen  Seitenmauer  beleben  unten  Ni- 
schen mit  Stichbogen,  darüber  solche  mit  Spitz- 
bogen und  diese  erhalten  am  Chore  eine  Fort- 
setzung in  zwei  förmlichen  Fenstern.  Auch  das 
nördliche  Seitenschiff"  ist  mit  Rundbogenfenstem 
und  zwar  der  mittleren  Balkenlage  entsprechend 
oben  und  unten  beleuchtet,  mit  den  Gewölben 
ausgebaut  und  dem  gemeinsamen  Satteldache 
untergeordnet,  dies  wegen  der  geringen  Höhe 
der  Seiten  mit  breiten  schwerfalhgen  Flügeln 
entwickelt  und  über  dem  Chore  mit  einem  Dach- 
reiter versehen.  Das  Schiff  diente  unten  als 
Klostergang  und  Begräbniss  für  die  Wolthäter. 
oben  mit  seinen  Gelassen  jedenfalls  als  Archiv 
und  Bibliotheksraum.  lieber  den  Baumeister 
haben  wir  keine  Nachricht,  höchstens  die  Ver- 
mutung, dass  jeuer  Pajihiken  aus  Hamm,  der 
1513  das  Dach  der  neuen  Kirche  zu  Lünen 
erbaute,  seine  Meisterschaft  au  dieser  eben  voll- 
endeten Klosterkirche  rühmhchst  bewiesen  hatte. 
Vom  frühern  farbigen  Wandschmuck  traten  am 
Chore  neuesthiu  schlichte  Arabesken-Ornamente 
von  Weinreben  zu  Tage. 

Yon  einem  Anbau  berichtet  eine  alte  Chronik : 
,Noch  ist  auch  in  diesem  Kloster  ein  capell  — 
worin  nach  andern  Nachrichten  fremde  Ordens- 
leute die  Messe  lasen  —  gewesen,  welches  jetzt 
das  Capitelhaus;  selbigv  ist  1551  den  3.  Juni 
vom  Weihbischof  zu  Köln  —  nämlich  Johannes 
—  consecrirt  unter  dem  Titel  der  h.  Maria  in 
Bethlehem.'  Ihr  entspricht  jedenfalls  die  heu- 
tige Sakristei,  die  nördlich  an  den  Seitengaug 
des  Chores  und  zwar  in  ihrer  Länge  nach  Norden 
liegt.  Ihre  Fenster  sind  zweitheilig  lind  einfach 
bela'önt,  die  Rippen  ihrer  beiden  Kreuzgewölbe 
von  magerem  Profile  und  nicht  einmal  auf  Con- 


70 


HAMIT. 


solen  gestützt,  die  Schlussteine  sind  bemeisselt, 
der  eine  mit  dem  Antlitze  des  Salvators.  der 
andere  mit  einem  von  Eichenblättern  umwun- 
denen Angesicht. 

Im  Altar  licfand  sich  früher  ein  jetzt  dem 
Alterthumsverein  zu  Münster  überlassenes  haus- 
formiges  Reliquiar  aus  Messing,  0,31m  lang. 
0,14;»  tief  und  bis  zur  Giebelspitze  0,22m  hoch, 
die  beiden  Dächer  sind  spitzljogig  zu  einander 
geneigt,  die  Ecken  auf  Kugelfüsse  gestellt,  die 
Künder  mit  Kämmen,  die  Mitte  des  Daches  mit 
einer  Kugel  besetzt.  Von  den  Zierden  haben 
sich  erhalten  zwei  Ecküalen  und  die  gravirteii 
IJildwerke  der  Flächen:  so  an  den  Hauptseiten 
die  vier  Evangelisten  mit  ihren  Syml)olen.  auf 
den  gebogenen  Deckelseiten  der  leidende  und 
triumphirende  (V)  Heiland,  in  den  GiAeln  der 
li.  Petrus  und  Paulus.  Das  Ganze  stellt  sich 
als  eine  einfache  ]\Ietallarbeit  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  dar.  In  die  Eck- 
üalen mischen  sich  Elemente  der  Spätgothik 
und  K<'naissance,  die  Bildwerke  mit  ihren  archi- 
tektonischen und  landschaftlichen  Hintergründen 
und  den  breit  entworfenen  Gestalten  sind  den 
Kupferstichen  oder  Holzschnitten  abgeschaut,  wie 
sie  dermalen  in  freien  Hlättern  oder  in  Büchern 
vorlagen. 

Aus  dieser  Kirche  stammen  zwei  Tafel - 
gLMiiäldc  mit  ligurenreichen  Darstellungen  aus 
der  Ursula -Legende  im  Besitze  des  Bauratlis 
Hortrgrevc  zu  Münster.  Derselbe  kaufte  sie  in 
Hamm  als  Wandungen  eines  Scln'ankes,  und  da 
sie  urs|)rünglich  schon  durch  Uebermalung.  so- 
dann durch  die  Hantirungen  des  Möbeltischlers 
arg  gelitten  hatten,  konnten  bei  der  sorgliUtig- 
sten  Hcstauration  die  Darstellungen  der  Rück- 
wand kaum,  jene  der  Vorderseiten  kenntlicher 
wicdt-r  hervortreten.  Das  eine  Bild  zeii,'t  die  Ver- 
mähUniLT  di-r  li.  Ursula  unter  einer  Halle,  durch 
welche  man  in's  Freie  auf  eine  Sta<lt  schaut, 
und  auf  der  linken  Seite  die  iJuelistabeii  /.  J/.. 
rechts  auf  dem  Aermel  einer  Frauengestalt  M.  /f.: 
das  zweite  die  Ankunft  der  .lungfrauen  zu  Köln 
und  ihr  Empfant:  dnndi  Pfeilschülzen,  die  den 
Bräutigam  liereits  zu  Boden  gestreckt  liaben. 
Im  Hintergründe  Landschaft  und  Architekturen. 
l>ie  (ie«;ichter  sind  unschön  und  fast  viereckig. 
die  Geslallen  ülierliaupt  etwas  steif  ausgefallen. 


besser  die  Hintergrimde  und  das  Costüm.  Das 
letztere  weist  auf  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts, 
wie  dann  audi  die  Aulfassung  der  Neuzeit  zu- 
neigt, ohne  traditionelle  Einflüs.se  ganz  abzu- 
weisen. 

Zum  Kirchen -Inventar  gehören  noch  drei 
wahrscheinlich  von  den  Franziskanern  am  Grünen- 
Donnerstag  gebrauchte  Me^^ingbecken  mit 
breiten  Bändern,  eins  ohne  jegliche  Zier.  Von 
den  beiden  andern,  anscheinend  Augsburger  oder 
Nürnberger  Fabrikaten  des  16.  Jahrhunderts, 
hat  das  grössere  von  Band  zu  Band  0.72/» 
Durchmesser,  getriebene  Buckeln  und  andere 
Belebung,  und  in  der  Mitte  des  Beckens  die  Dar- 
stellung des  Lammes  mit  der  Kreuzesfahne  — 
das  kleinere  von  (>.:ii*;»  Durchmesser  zeigt  in 
der  Mitte  das  Bild  der  Opferung  Isaaks  mit 
der  in  Minuskeln  vielfach  wiederkehrenden  In- 
schrift:   (iot  j>ci  mit  uns. 

In  der  Mitte  des  Hauptschiffes  liegt  die 
(jral)i)latte  der  Anna  Ködinghaus,  der  Ehefrau 
AVerner  Brechten's,  die  VjM  verstarb.  Im  Nord- 
schitfe  gen  Westen  bekleiden  die  Mittelmauer  vi»'r- 
undzwanzig  aus  einzelnen  Steinplatten  zusam- 
mengesetzte, gut  gearbeitete  \Vai)ponschilde, 
je  mit  einem  Kranze  umwunden  und  mit  Hottem 
heraldischen  Blattwerk  geschmückt.  Welche  Per- 
sonen damit  gefeiert  werden  sollen,  ergeben  die 
Inschriften  und  die  Wapiten  sell)st:  Es  sind 
Dietrich  Harman.  Herr  zu  Home  (im  Kirch- 
spiel Uentrop)  f  l'»'^'.^  21  8.  seine  Gattin  Mar- 
garetha  Droste  zu  Vischering  f  1580  lö  Id  und 
deren  Tochter  Catharina  Hamian  f  1580  2:V10. 
Wir  haben  darin  eine  beachtenswert  he  Stein- 
hauerarbeit der  llenaissance,  in  den  Personen 
aber  besondere  (löimer  des  Klosters  zu  ver- 
zeichnen. 

Aehnlich  verhält  es  si«di  nnt  den  drei  im 
selben  (Jange  weiter  nach  Osten  an  der  Aussen- 
mauer  eingela.>isenen  Loichcnslcinen.  welchen 
noch  der  Schmuck  von  liguralon  Flachreliefs  zu- 
kommt, der  indess  in  der  Ausführung  lünter 
dem  Ornamentalen  zurücksteht.  Sie  stellen  dar 
zwei  Bitter  und  eine  Edelfrau  in  lieben sgrOsse. 
Der  eine  Bitter  erseheint  im  Harnisch  mit  der 
LMtterkette,  in  der  Bechten  den  in  die  Soito  jje- 
stenunten  Stab,  in  der  Linken  das  mächtige 
Schwert,   zu  seinen  Füssen  n'chts  der  Tuniier- 


Kn!('JlI,I(  JIK  JiKNKM.U.IvH. 


71 


Helm,  links  der  Speer.  Die  vier  Ecken  nehmen 
Wapi)en  und  das  Feld  zu  Hiluptcn  die  Worte 
ein:  Victori  Kni])piii<4  anno  aetatis  siiae  LXV 
und  darunter:  Oninis  caro  focnus  et  oninis 
gloria  eins  (juasi  flos  agri;  der  andere  erscheint 
im  alten  Hof-Costüm  mit  Barett  und  Mantel, 
Kette  und  Degen,  in  der  Rechten  die  Hand- 
schuhe, die  Linke  au  das  Wehrgehänge  gelegt. 
Auch  hier  vier  Eck -Wappen.  Die  Edelfrau  des 
dritten  Steines  hat  eine  enganliegende  Klei- 
dung nach  Art  der  Maria  Stuart  mit  Kappe  und 
hochstehender  Krause,  in  den  übereinanderge- 
legten  Händen  Gebetbuch  und  Handschuhe,  und 
um  den  Medaillon -Rahmen  der  Figur  schüngt 
sich  ein  Spruchband  betreifend  die  Macht  des 
Todes ;  auf  diese  sowie  auf  die  Erlösung  beziehen 
sich  deutsche  Inschriften  am  obern  und  untern 
Ende  der  Tafel,  deren  Seiten  acht  Ahnenvvappen 
beleben.  Die  Inschrift  des  ersten  und  die  Wap- 
pen der  beiden  andern  Monumente  weisen  auf 
drei  Gheder  der  Familie  Knipping,  nämlich  auf 
Victor,  Herrn  zu  Lohaus  und  Stockum,  Drosten 
zu  Hamm,  Herzoghch  clevischen  Geheimrath  und 
Kriegs -Obristen  des  W^estfäüschen  Kreises,  auf 
seinen  Sohn  Dietrich  und  Nachfolger  in  den 
Aemtern  des  Drosten  und  Raths,  welcher  daher 
auch  das  Hof-Costüm  trägt,  und  des  letztern 
Gemahlin,  die  schöne  Elisabeth  von  Nesselrode 
zum  Stein.  Dietrich  Knipping  starb  1(307  und 
mit  ihm  erlosch  das  Geschlecht.  —  Dem  Monu- 
mente gegenüber  hat  Victor  Knipping's  Gemahlin 
Beatrix  von  Wüllen  f  1573  13/5  ihr  Grabmal. 

Ein  anderes  Monument  sieht  man  in  der 
Kirche  hoch  an  der  Nordwand,  nämüch  eine  in 
Form  eines  Altaraufsatzes  behandelte  Nische  mit 
einem  Architrav,  auf  dessen  Ecken  jederseits 
eine  Taube  sitzt,  indess  als  Capitäle  unter  Vo- 
luten zwei  Kopfe  figuriren  und  zwar  hier  der 
eines  bärtigen  Mannes,  dort  der  einer  Frau. 
Da  die  Nische  leer  und  sonst  keine  nähere  Kenn- 
zeichnung, als  ein  von  oben  nach  unten  getheiltes 
Wappen  mehr  vorhanden  ist,  beschränken  wir 
uns  auf  die  stihstische  Bemerkung,  dass  das 
Werk  zu  den  reichern  und  gut  gearbeiteten 
Früchten  hiesiger  Spätrenaissance  zählt. 

Ein  Grabstein  unter  der  Orgelbühne  erin- 
nert an  Theodora  von  Üterswick,  Canonesse  des 
Nordenstifts,  f  1711,  29/11,  57  Jahre  alt. 


Sonst  seien  vermerkt  noch  folgende  Gegfn- 
stände:  drei  kleine  (iiocken  im  Dachreiter  an- 
dern Jahre  1709,  ein  Kronleuchter,  eine  ärm- 
liche Taufe  von  Holz,  Chorstühle.  Beichtstühle 
und  Altäre  als  reichere  Werke  der  Holzschnitzerei 
des  vorigen  Jahrhunderts.  Die  doppelreihigen 
Chorstühle  schmücken  Blumen-  und  Frucht- 
gehänge, die  Beichtbtühle  ein  krauses  Ge- 
schnörkel. 

Der  Hochaltar  hat  einen  hohen  Aufsatz 
mit  dem  den  Franziskanern  beliebten  Bilde  des 
Kalvarienberges.  Die  Seiteneinfassung  bewirken 
jederseits  drei  Säulen  und  über  ihrer  Abdeckung 
erscheint  unter  grosser  Krone  das  Bild  der  h. 
Dreifaltigkeit.  —  Die  Seitenaltäre  sind  ähn- 
lich, doch  einfacher,  jederseits  mit  einer  vorge- 
legten Säule  construirt  und  enthalten  in  vergol- 
deten Nischen  der  eine  das  Bild  des  h.  Antonius, 
der  andere  das  der  Patronin  Agnes. 

Die  hölzerne  Kanzel,  welche  ursprünglich 
an  der  Nord  wand  befestigt  war,  ist  wie  der 
Deckel  eckig,  von  ähnücher  Arbeit  mit  vielen 
Fruchtschnüren,  in  der  Front  noch  mit  dem 
Halbbilde  des  guten  Hirten  und  den  Köpfen  der 
Evangehstensjmbole  geziert,  während  oben  ein 
Engel  mit  den  Gesetztafeln  Moses'  den  Ab- 
schluss  macht. 

Die  Orgel,  ein  Werk  von  36  Registern  in 
einem  altern  tüchtigen  Gehäuse,  ist  neu,  vom 
Meister  Randebrock  zu  Paderborn  erbaut. 

Unter  den  Stiftungen  werde  hier  beachtet 
das  für  arme  Reisende  und  Kranke  1416  vom 
Bürgermeister  Johan  Croes  und  Elske  von  Ca- 
strop  eingerichtete  Gasthaus  zu  Ehren  der  h. 
Maria  und  des  h.  Antonius  (des  Einsiedlers?), 
w^elches  an  der  Oststrasse  oder  an  der  Antoni- 
Strasse  lag.  Haus  und  KapeUe  brannten  1730 
23/9  nieder  und  ersteres  ward  wieder  herge- 
stellt, doch  schon  bald  wegen  Baufälligkeit  ver- 
kauft und  die  ganze  Stiftung,  zumal  da  sich 
viel  ausheimisches  Gesindel  andrängte,  dem 
Armenfonds  einverleibt. 

Andere  klösterliche  Ansiedelungen  konnten 
in  Hamm  nicht  aufkommen.  Die  Augustiner 
zu  Lippstadt  besassen  an  der  Wersstrasse  gegen- 
über der  Antonius -Kapelle  nur  ein  Absteige- 
quartier, mussten  aber  1322  28/3  dem  Rath 
schriftlich  versprechen,   dass  sie  dasselbe   nim- 


f 


NORDEXSTIFT.  KEXTEOP. 


"^ 


nier  mit  einer  Kapelle  oder  einem  Altar  aus- 
statten oder  zu  einem  Kloster  enveitern  würden, 
und  dies  Versprechen  noch  1400  9-9  wieder- 
holen, als  sie  dies  Haus  mit  einem  andern  auf 
der  Lütken  Oststrasse  (Brüderstrasse?)  ver- 
tauschten. 

<>< 

Am  Westende  der  Stadt  ist  1805  vom  Fabrik- 
l't'sitzer  Cossack  für  die  katholische  Arbeiter- 
Bevölkerung  eine  Kaj)ellc  von  Backsteinen  er- 


baut, vier  Gewölbe  lang,  füufseitig  am  Chore 
geschlossen,  darunter  mit  einer  Krypta,  mit 
Emj)ijren  zwischen  den  in's  Innere  gezogenen 
Strebepfeilern,  mit  einem  Walmdache  und  Dach- 
reiter versehen.  Der  Bau.  welcher  nur  wenig 
Haustein  enthält,  zeigt  {neu)gothischen  Stil, 
ebenso  das  Kirchen  -  Möblement.  Die  St  ein - 
kanzL'l  ist  vom  Baumeister  Nordhoff  zu  Mün- 
ster entworfen  und  von  H.  Hciviaun  in  Hamm 
ausgeführt. 


Vurh'T  S.  öO,  04.  —   Chronik   der  firafsfhafr   Mark   in   Tn»«.'  Wt-stpluilia.  l^"2r».  Xr.  4<i.  +3: 
Iiivcntariurn  archi\-ii  (so.  coiivf-ntn»  V  im  Hainin<im>n*is  Mn.  der  I^ 

hoff.  V.  Dietrich  Cwldp  und  M'iii  Chri  ■  l'iik'^  Moiiats.'<(hnft  fiir 

IV.  (J<J0  ff.;  n.  K02;  ni.  (»44.  KU.J; -.  .'".►4  f.;   -  Mittheill.  der  1. 

dorf  und  Iiispector  W'iesner  za  Hainin ;  —  Local-Untersuchung  and  -Aufnahmen. 


K*mj»«'hnlt<».  Patrocinien.  S.  46;  — 
.zu  Münster;  —  Xord- 

I.  "'.T  ff. :  —  V.  .*<tc-Lnea 

■..•!:.:.     l'..-r..r   \l-.i.l.n- 


^STorclenstilt,    Jventrop. 


Als  Isenbergisches  Erbtheil  fiel  122t»  an  die 
Grafen  von  der  Mark  nördlich  der  Lijjpe. 
Hamm  gegenüber,  ein  kleiner  Landstrich  von 
iinrcgclniüssiger  Gestalt:  seine  vom  Flusse  ge- 
gebene Base,  wie  die  Entfernung  bis  zur  ilusser- 
sten  Xordsj)itze  hatten  je  eine  unixelilhre  Aus- 
«lehnung  von  einer  halben  Stunde.  Obwol  er 
kirchlicli  zur  IMiirrc  Heessen.  auch  sprachlich  zum 
.Münsterhmdc  gehörte,  ward  er  Milrkische  En- 
clave  und  als  solche  von  der  Stadt  Hamm  aus- 
genutzt. In  seiner  Westecke  lag  ein  Burgtheil 
von  Xienbrügire  in  Trümmern,  der  Stadt  gegen- 
über, vor  der  kniniincii  Brücke,  die  nach  ^Münster 
Kdirte,  '^tainl  di  r  Ilauptfehmstuhl  Wildeshorst 
unter  einer  Linde,  gleichfalls  ein  Iscnberger 
Erbstück,  das  indess  von  Münster,  als  hiUte  dies 
alte  etliii(»griipliisch('  Hechte  <laran  dureligesetzt. 
als  .\flerlehen  an  M;nk  xerLicben  wurde.  Es  war 
lilngst  (]:?"J:>)  mit  einer  Landwehr  (niunitio 
terrae)  uui-ilunit.  als  naeh  cliroui^tiseheu  An- 
gaben Li'.i"  die  Stadt  llaniiu  ihre  .Limiten  oder 
LandscheiduuLT'  nach  der  Mtnisterisehen  Seite 
mit  einem  Walle  umiralt;  höchstens  hat  damals 
die  Sfadt  diese  Militairlast  überkommen  oder  die 
illtere  NN'ehr  durch  einen  stilrkern  Wall  ersetzt. 
Nmb  1"»7"»  i>t  in  einem  Grenzvertrage  von  der 
Landwehr  die  |{ede.  wornach  sich  wt»l  landesherr- 
lich nur  nicht  kirchlich  von  .Münster  scheide 
die  (ieLfend    des    N(irileiilinv|»italN,    (»der    wie    es 


auch  hiess,  des  Nordenstifts  oder  der  Norden- 
feldmark. 

Die  Landwehr  ursjirünglich  ein  Gebflck- 
wall  mit  Seitengn'lben  ist  jetzt  durchgehends 
geebnet,  hier  mit  dem  Innenwall,  dort  mit  l}eiden 
(irilben  erhalten,  hier  Acker-,  dort  (Jartenland 
oder  Holzboden,  und.  sofern  nt>ch  mehr  als  ein 
(iraben  erüljrigt.  •'»  bis  20  Schritte  breit,  am 
breitesten  dort,  wo  er  Haus|>l;itze  bildet.  Die 
WestlUlischc  Eisenbahn  schneitlet  sie  ö-tlidi  vdiu 
Kötter  Kemper. 

Eine  zweite,  innere  I^jindwehr  zog  sich  zwi- 
schen den  Lipi)ewiesen  und  der  Feldmark  hin 
und  lief  in  der  östlichen  Hälfte  als  breiter  Graben 
vielleicht  auch  mit  einem  Walle  fort.  Ein  sidcher 
bildete  bis  vor  mehreren  Decennien  die  West- 
tlanke  und  verschwand  dann  bis  auf  einen  be- 
deutenden Best  im  Süden  der  Heide,  der  sich 
iinierhalb  zweier  Gräben  etwa  1.. '»<•;»  luK'h  mit 
hartem  l'rolile  und  einer  Kronenbreite  von  sie- 
ben Schritten  erhebt.  Falls  die  Osthälfte  blos 
aus  einem  (Jraben  bestand,  so  hat  die  Wehr 
wol  auch  militärischen  Zwecken,  und  der  Damm 
zugleich  gegen  reberschwemmungen  getlient. 

Das  N(lr<lcn^tift.  dem  «ler  Bezirk  seinen 
Namen  dankt,  lag  gleich  nönllich  vom  Inun- 
dationsgeliiete  an  Stelle  des  .luckenack'sohon 
Wirthshausös.  also  im  Winkel,  den  die  Mttn- 
««terische   und    Heessoner   Strasse   machten,    so 


KLü.'iTKllWlTKN. 


7;j 


dass  es  siidlich  und  östlich  von  Wasser  und 
Niederunoen,  an  den  andern  Seiten  wahrschein- 
lich von  kimstlichen  Wehren  umschlossen  war. 
Es  wurde  vom  Grafen  Eberhard,  von  seinen  Buri»- 
männern  zu  Mark  und  den  ritterbürtigen  Bürgern 
zu  Hamm  zum  Besten  ihrer  Armen  und  Hülfs- 
losen  mit  einer  Magxialenen -Kapelle  gegründet 
und  1280  vom  Münsterischeu  Bischof  unter 
der  Bedingung  bestätigt,  dass  der  Ortspfarrer 
von  Heessen  das  Uectorat  der  Kapelle  besetze, 
die  Sakramente  spende,  und  die  Insassen  des 
Hospitals  daneben  auch  ihr  Begräbniss  hätten. 
Die  Burgmänner  von  Mark  und  die  Stadt 
Hamm,  welche  die  weltlichen  Gerechtsame 
ausübten,  verwandelten  dies  in  aller  Hinsicht 
ausgezeichnete  Wolthätigkeits  -  Institut  1417  in 
ein  ,Stift"  für  einundzwanzig,  und  1442  unter 
Zustimmung  des  Grafen  Gerhard  für  vierund- 
zwanzig ,Jungfern',  die  den  adeligen  Familien 
der  Heimat,  später  auch  der  Fremde  entstamm- 
ten. Das  Patrouat  übten  die  Recken  zu  Heessen. 
In  der  Beformation  wurden  die  Damen  theils 
reformirt,  theils  kathoUsch;  die  Kapelle,  welche 
südlich  vom  Kloster  hart  am  Wege  lag,  ver- 
blieb den  letzteren.  Nachdem  das  Stift  hi  den 
Kriegen  des  17.  Jahrhunderts  viele  Revenuen  ein- 
gebtisst  hatte,  wurde  es  1805  aufgehoben,  das 
Gotteshaus  unter  der  Fremdherrschaft  nieder- 
gerissen, das  Stiftsgebäude  erst  später  beseitigt. 
Die  gottesdienstlichen  Utensilien  sollen  nach 
Heessen,  die  Glocken  an  die  Kapelle  zu  Amecke 
bei  Walstedde  gekommen  sein.  Die  noch  vor- 
handenen Einkünfte  fliessen  ganz  den  Civil- 
uud  Militairanstalten  der  Stadt  zu. 

Keintorp  (1290)  Keyndorp  (1353),  später 
Keijendorp  Avar  der  von  einem  Hofe  übernom- 
mene Name  eines  Frauenklosters  vom  Cister- 
cienserorden,  das  zwischen  Hamm  und  Mark  an 
der  Ahse  lag.  Es  war  ursprünglich,  abhängig 
vom  Kloster  Alten berg,  in  Hamm  durch  den 
Grafen  Engelbert  von  der  Mark  (1249—1277) 
und  zwar  an  der  Südseite  seines  Schlosses  jeden- 
falls unter  dem  noch  129G  und  1300  vorkommen- 
den Namen  Marienhof  (curia  saucte  Marie) 
gestiftet,  1276  mit  kirchlichen  Vorrechten  be- 
gabt, sodann,  damit  es  nicht  weiter  unter  den 
städtischen  üngelegenheiten  und  Bränden  zn 
leiden  habe,  von  dessen  Sohne,    dem    Grafen 


Eberhard,  gegen  1290  nach  seinem  Haupthofe 
Kentrup  verlegt,  wo  bereits  eine  Kapelle  und 
anständige  Wohnungen  hergestellt  waren,  indess 
für  den  Bau  der  Kirche  und  die  Beschaffung 
von  Ornamenten  noch  1295  ein  Ablassbrief  aus- 
geschrieben werden  musste.  Das  Klöster,  dem 
ein  Propst  oder  Prior  vorstand,  erlangte  statt 
der  1276  vom  Grafen  Engelbert  verUehenen 
Incorporation  der  PfaiTkapelle  zu  Hamm,  die 
nach  langen  Streitigkeiten  1286  dem  Kloster 
Cappenberg  verblieb,  später  jene  der  Pfarrei 
Hövel  im  Münsterischen,  1328  schon  erzbischof- 
liche  Dispense  von  der  Schleiertracht,  überhaupt 
bald  viele  Gerechtsame  und  fromme  Vennächt- 
nisse  von  Fürsten,  Rittern  und  Adeligen  und 
nahm  daher  sicher  seit  dem  Beginne  des  15.  Jahr- 
hunderts, wie  der  Stand  der  Aebtissinnen  bezeugt, 
ausschüesslich  Couventualinuen  aus  höheren 
Ständen  auf,  litt  aber  allgemach  so  an  der  Dis- 
ciplin,  dass  es  miter  dem  Herzoge  Johau  vom 
Abt  Arnold  zu  Altenkamp  und  dem  Abt  Johan 
von  Altenberg,  der  als  Visitator  auch  den  Beicht- 
vater hierher  sandte,  1460  reformirt  und  ver- 
schlossen, 1504  vom  Abt  Remigius  zu  Morimond. 
als  er  persönlich  anwesend  war,  in  die  Fra- 
ternität seines  Klosters  aufgenommen  Avurde. 
Es  bheb  sodann  nach  dem  Zustande  des  Normal- 
jahres 1624  katholisch  und  im  vollen  Bestände 
bis  1806.  wo  die  Aufhebung  begann,  welche  die 
grossherzoglich-bergische  Regierung  durchführte. 
Die  Besitzungen  Avurden  zu  den  Staats-Domai- 
nen  geschlagen;  die  Nonnen  legten  nun  welt- 
liche Kleidung  an  und  zogen  in  die  Stadt.  Der 
König  schenkte  die  Klostergebäude  und  viele 
Ländereien  an  die  Provinz  behufs  Errichtung 
einer  Taubstummen-Anstalt,  doch  erlangte  der 
aus  Wien  berufene  Director  Weidner  deren  Ver- 
legung nach  Münster.  Bei  einem  1823  von 
der  Regierung  veranstalteten  Verkaufe  erwarb 
die  meisten  Ländereien,  die  Gärten  und  die  bis 
auf  zwei  Oekonomiehäuser  zum  Abbruch  be- 
stimmten Gebäude,  von  denen  eins  1847  ab- 
brannte, der  Besitzer  des  Hauses  Mark.  Major 
Vorster. 

Das  schöne  Klostergebäude  nebst  der  Kirche 
war  bereits  1823  gefallen.  Nach  einer  mir  vom 
Hofrath  Essellen  ttberlassenen  Zeichnung  Bor- 
berg's,  eines  Mannes,  der,  wie  er  schreibt,  man- 


74 


IIARK. 


eben  Schritt  im  Kloi^ter  gethan.  bedeckte  das- 
selbe einen  obloniren,  von  Osten  nach  Westen 
gerichteten  Kaum  und  umfasste  mit  einem 
Kreuzgange,  der  die  Gräber  der  Nonnen  ent- 
hielt, im  Innern  ein  ebenfalls  längliches  Qnadruni. 
das  zugleich  als  Begräbniss  für  die  weltlichen 
Klostereinwohner  diente.  Im  Südflügel  lag  gen 
Osten  das  Zimmer  des  Priors,  gen  "Westen  die 
Küche  mit  der  von  der  Ahse  berührten  Brauerei, 
dazwischen  die  Wohnung  der  Aebtissin.  im  West- 
flügel das  Gesellschaftszimmer  der  Nonnen,  im 
Nordflügel  namenthch  das  Kefectorium;  der  Ost- 
flügel war  an  den  Enden  von  den  Fronten  des 
Süd-  und  Nordflügels,  in  der  Mitte,  und  zwar 
auf  Breite  des  innern  Quatlrums.  blos  vom 
Kreuzgange  gebildet,  und  daran,  ausserhalb  der 
^lauerflucht,  schloss  von  Süden  nach  Norden 
gerichtet  gleichfalls  nur  in  einer  der  Breite  des 
Quadrums  sich  annähernden  Länge  die  ein- 
schiffige Kirche  —  so  dass  also  das  Kloster  die 
abweichende  Lage  im  Westen  davon  darbot. 

Nach  einer  Beschreibung  aus  dem  vorigen 
Jahrlumderte  waren  der  Klosterflügel  gen  Osten 
ein  schönes  Gebäudes  IG.  Jahrhunderts .  die 
ül>rigen  Flügel  anscheineiul  noch  vom  ersten 
Bau  übrig,  der  Ostflügel  bildete  die  Abtei,  der 
Südflügel  die  Wohnung  der  Noiuien.  der  Prior 


und  Pastor  aus  Altenberg  wolmten  im  Herreu-. 
also  gesonderten  Hause. 

Die  1295  eingeweihte  Kirche,  die  1353  auch 
einen  Kapellan  hat.  war  nach  allgemeiner  Tra- 
dition ein  Prachtwerk  des  frühuuthi sehen  Stiles, 
und  dennoch  hat  mau  1823  mit  Hast  ihren 
Abbruch  betrieben,  obwol,  wie  Borberg  schreibt, 
.aus  dem  Verkaufe  der  Steine  und  des  Holzes 
die  Kosten  des  Abbruches  nicht  gedeckt  wurden. 
Die  Fenster  der  Kreuzgänge  waren  mit  den 
schönsten  Glasmalereien  geschmückt,  mit  Scenen 
aus  der  bibhschen  Geschichte.  Heiligen  u.  s.  w.* 
.Ich  habe.*  berichtet  Borberg,  .oft  als  Knabe 
mich  an  deren  Anbhck  ergötzt.  Ich  glaube,  es 
war  in  den  .Jahren  181 G  oder  1817.  da  verschwan- 
den plötzlich  die  schönen  Fenster,  es  hiess.  sie 
seien  nach  Berlin  gewandert.*  Die  Ivlosterge- 
bäude  werden  gleidifalls  wecren  ihrer  .Schön- 
heit' gerühmt,  obwol  sie  verschiedene  Bauzeiten 
und  Stilfonnen  präsentirt  haben  werden:  IGOO 
•29  4  hatte  sie  der  Blitz  getrotTen.  18(>2  noch  ein 
Brand  am  Südflügel  grossen  Schaden  angerichtet. 
Wo  die  Gemälde.  Bildwerke.  Gefilsse  und  Schnitze- 
reien verblieben,  vermögen  wir  nicht  mehr  an- 
zugeben :  im  Kreise  begegnen  uns  nur  unbedeu- 
tende Kunstwerke  von  Kentrop.  Die  Stätte  des 
Klosters  bezeichnet  jetzt  die  Vorster'scbe  Villa. 


Vorher  S.  lt>  f.,  14,  21,  .">).  —  Tibus  a.  a.  0.  S.  G13.  2:^l,  :St)l :  —  L.  de  Xorthof  1.  c.  p.  ICO;  -  Tross"  ■We>t].h«liii.  ISSÖ.  St.  Xi.  2.'.;  — 
Schneider.  Neue  Deiträire  XI,  10—11;  —  Hölzermaiin  a.  a.  O.  S.  (U  Taf.  VUI.  Hamm  Xr.  2.  welche  beide  die  Lape  der  diesseitiiren 
.Landwehren'  unrichtis;  auffassen;  —  VS'.  l'.-H.  lU,  Xr.  122!t;  —  v.  Su-iiien  IV.  {'**,:  —  Geschichte  der  Herren  von  der  Recke. 
S.  12();  —  Essellen,  S.  72;  —  Ueber  Kentrop :  Ms.  II,  4y;  III.  H'>.  47  des  K>">niffl.  Staats  -  Archivs  z\i  Münster  und  da-soibst  die 
Uriirinal-Urkk.  Xr.  12,  l.j  ff. :  —  v.  Steinen,  IV,  QO,  CM  f. ;  —  U.  D.  d.  H.  W.  II,  Xr.  tVj»-.;  —  Kindlini.fr.  M.  B.  lU,  1.  S.  25it.  Urk. 
Xr.  !i7;  -  Vrk.  v..mi  .1.  IXii  in  Tmss'  Westphalin.  182.J.  S.  127;  —  Mttrk.  Chn.nik  d.^-.t«lbst.  l.S2.i.  S.  :*<;  —  Essellen.  S.  G9,  70; 
Btirbersfs  Schreiben  an  Herrn  Es.sellen  vom  J.  1»75  23  10;  —  Essellens  handschr.  Aufzeichnungen.  —  Locnl-Untersuchtiiur. 


-*-^^- 


]VIark. 


IBui'tr    \Jii«l     nui';xiii:»iin!-i»>h:»tt. 


Mark,  gegen  1157  Marke,  seit  117<>  mei- 
stens Mnrka,  ist  der  eigentümliche  Name 
eines  Oberhofes  mit  einer  Kirche,  einer  BurL' 
und  der  von  ihr  beherrschten  Grafschaft,  und 
vielleiclit  sachlich  abzuleiten  von  der  geographi- 
schen Umgebung:  denn  er  liegt  im  Westwinktd 
eines  spindelförmigen,  sich  etwa  drei  Stunden 
nach  Osten  hinziehenden  Landstriches,  den  auf 
der  nördlichen  Seite  die  Lipi)e,  auf  der  südliclien 
die  (i(>ithe   begrenzt.    WäbnMid  jene  von  \i\Y\>- 


borg  bis  Hiiinm  gen  Norden  einen  Bogen  macht, 
zweigt  diese  eben  an  der  Ostecke  des  Kreii«es 
ab  uinl  erreicht  in  geraderem  Luife  wieder  den 
Anschluss  zu  Hamm  vermittelst  der  Alise.  Sie 
erscheint  heute  als  ein  breitos  Rinnsal  und.  da 
dies  <ler  natilrlichen  Bodensenkung  folgt  und 
den  Höhen  ausweicht,  als  ein  Bett  der  Uy\x\ 
sei  es,  dass  diese  später  den  nördUchen  Tmlauf 
eingeschlagen,  sei  es.  da.<:s  sie  von  Alters  her 
in  zwei  Anno  gespalten  den  inselartigiMi  Lmd- 


BURGEN  BAU. 


75 


strich  gleichmässig  umschloss,  bis  der  nördliche 
Arm  siegte  und  der  südHche  als  ,Geithe',  nämlich 
als  schwacher  Wasserlauf.  zurückblieb.  Dass  in 
christlicher  Zeit  der  Xordlauf  des  Flusses  noch 
nicht  entschieden  grenzbildend  war,  beweist  der 
uns  bekannte  Zusammenhang  der  Gemeinde 
Uentrap  mit  der  Diöcese  Münster,  wogegen 
]\Iark  mit  Ostholz  im  Westen  sogleich  mit  der 
Erzdiücese  Köln  verbunden  war;  es  legt  sich 
also  eine  Ableitung  des  Namens  von  dieser 
wasserumschlungenen  ,Mark'  um  so  näher,  als 
man.  wie  uns  erinnerlich,  dem  Haupthügel  der 
Burg  schon  für  die  Eömerkriege  eine  militairische 
Bedeutung  zugemutet  hat.  Er  scheint  mir  nur 
in  der  Blendschicht  angeschüttet,  im  Kerne  von 
der  Xatur  oder  den  Strudeln  des  Stromes  gebildet 
und  als  Xaturfeste  früh  benutzt  und  erweitert 
zu  sein,  sobald  nur  die  freien  Herren  sich  durch 
Zeit  und  Verfassung  zu  Burgbauten  veranlasst 
fanden. 

Alle  Herrlichkeiten  der  Burg  Mark  sind 
hin.  Der  Umriss  ihrer  Burghöfe  ist  noch  an 
den  Senkungen  und  Hebungen  deS  Bodens  sicht- 
bar, der  Haupthügel  mit  seinen  Obstbäumen 
noch  hoch  aufragend  aus  dem  weiten  Thale  der 
Lippe.  Dessungeachtet  würde  Niemand  an  die- 
sen üeberbleibseln  den  alten  Grafensitz  erken- 
nen, wenn  nicht  die  Nähe  der  gleichnamigen 
Ortschaft  darauf  hiuleitete,  die  einige  Minuten 
südöstlich  davon  hegt.  Ihre  fast  kreisförmige 
Yorburg  hebt  sich  aus  dem  breiten  noch  jetzt 
zeitweise  mit  Wasser  gefüllten  Einggraben  als 
Gartengelände  mit  Wirthschaftsgebäuden  merk- 
lich, und  westlich  davon  die  Halbkugel  der 
Hauptburg  kühn  mit  geringem  Durchmesser 
und  bestreut  mit  Bauschutt  und  Steintrümmern 
empor,  durch  welche  das  Gras  wächst.  Die 
beiden  Ringgräben  der  beiden  Burgtheile  ver- 
einen sich  in  der  Mitte  als  Scheide  derselben, 
und  die  Verbindung,  welche  einst  die  Brücke, 
stellt  heute  ein  angeschütteter  Damm  her.  Die 
Hauptburg  hatte  ausser  ihrem  Einggraben  bis 
in  unser  .Jahrhundert  einen  äussern  Eingwall. 
im  Ganzen  also  eine  Construction,  wie  die 
Schanze  des  Nordenstiftes  Hamm.  Ihr  Palast 
und  ihr  Bergfried  Avareu  einst  in  starker  Mauer- 
zingel  weit  über  die  Ebene  bis  zum  Kamme  des 
Haarstranges  sichtbar.    A'or  dem  Baumgarten 


der  Burg  stand  ein  Freistuhl.  Die  Kapelle  be-  i 
fand  sich,  weil  die  Hauptburg  zu  engräumig 
war,  auf  dt-r  V(jrburg.  und  hier  ringsher  Haus 
an  Haus  gedrängt  die  AVohnungen  der  Burg- 
männer mit  den  Nebengebäuden  für  Oekonomie 
und  Dienerschaft.  Und  solcher  geharnischten 
Vertheidiger  der  Burg  und  der  Grafschaft  gab 
es  hier  eine  statthche  Anzahl.  So  früh  uns 
Mark  begegnet  als  Herrenburg,  so  schnell  ver- 
schwindet es  auch  wieder  aus   der  Geschichte. 

,Das  Mauerwerk',  so  vermeldet  der  Bürger- 
meister Möller  zu  Hamm  1803,  .hat  noch  viele 
Jahre  zum  Andenken  gestanden,  der  Herr 
General  v.  Wolfersdorf  hat  es  zum  Behuf  der 
hiesigen  Kaserne  abbrechen  lassen  und  man 
ist  selbst  noch  immer  im  Begriffe,  das  Funda- 
ment auszubrechen,  welches  vielleicht  vor  700 
Jahren  gelegt  worden.  Man  findet  Gewölbe  und 
unter  andern  ist  noch  im  vorigen  Jahre  Geld- 
münzen (sie!),  Handwerkszeug  und  Stücke  von 
ausgehauenen  Kupfer,  die  die  Grösse  der  ehe- 
maligen Hämm'schen  Vösse  hatten,  gefunden 
worden.  Da  die  Stadt  das  Recht  ebenso  wie 
Soest  hatte,  dergleichen  Geld  zu  schlagen,  so 
ist  zu  vermuten,  dass  sich  ehedem  falsche  Münzer 
in  diesen  Gewölben  heimlich  aufgehalten  haben, 
denn  es  kamen  zuletzt  meist  lauter  falsche  Sorten 
zum  Vorschein.' 

Mark  war  ursprünglich  ein  Haupthof.  Avie 
man  glaubt,  der  Stammplatz  der  Edelherren 
von  Rüdenberg  und  der  erstgenannte  Besitzer 
ein  Rabodo  von  Marke  gegen  1157.  der  zuweilen 
auch  den  Famiüennamen  von  Rüdenberg  trägt. 
Dies  Geschlecht  hat  ohne  Zweifel  die  Burg  Mark 
als  solche  eingerichtet  und  jedenfalls  eher  als 
seine  Burg  Rüdenberg  dem  Arnsberge  gegen- 
über, also  vielleicht  schon  um  das  Jahr  1100. 
Angesehen  war  Rabodo's  FamiUe,  gross  der 
Familienbesitz,  der  meist  als  Kölnische  Lehen 
den  Hof  Ruthen,  einen  Theil  des  Lüerwaldes 
bei  Arnsberg,  zwei  Freigrafschaften  und  wahr- 
scheinlich auch  die  Herrschaft  Ardei  einbegriff. 
Dazu  kam  das  freie  Stammgut  Mark  mit  der 
Burg,  mit  ansehnlichem  Zubehör  und  Dienst- 
gefolge. Das  letztere  Besitztum  verkaufte  Rabodo, 
vielleicht  weil  er  keine  Erben  hattt.  vor  1178 
an  den  Kölner  Erzstuhl,  um  es  mit  andern 
Lehen  als  Vasall  wieder  zu  empfangen.    Dann 


10^ 


70 


MARK. 


^"^ 


erwirbt  es  auf  Vermittlung  Ludolf  s  von  Böueu 
der  Graf  Friedrich  von  Altena  vor  1200:  denn 
.schon  zwei  Jahre  darauf  nennt  sich  Adolf  von 
Altena  zugleich  Graf  .von  Marke*.  Der  Name 
?eht  nun  auf  die  rüstige  Grafenfamilie  und  ihre 
allmälig  arrondirte  Grafschaft  üher.  Die  Grafen 
haben  die  Burg  zum  Hauptsitz  ihrer  Regierung 
erhoben  und  daher  auch  gewiss  in  dem  Um- 
fange ausgebaut  und  ausgestattet,  wie  wir  sie 
nach  den  Besten  und  Geschichtsquellen  kennen. 
Xocii  als  die  Isenberger  in  westlicher  NiUie  an 
der  Lippe  residirten.  gründete  Graf  Adolf  hier 
121:}  fine  Stadt  mit  Lii)i»e'schem  Bechte  und. 
weil  sie  schwer  aufkam,  legte  er  122().  nachdem 
das  fcindliclit'  XicnbrütriT''  zerstört  war.  die 
Stadt  Hamm  an,  die  dann  aU  Vorort  der  Graf- 
schaft Mark  im  Schutze  der  Burg  schnell  er- 
blühte. Burg  Mark  wird  unter  Engelbert  HI. 
auch  Münzstatte,  im  15.  Jahrhundert,  als  die 
(jirafen  zu  Cleve  residirten,  Sitz  des  Amtsdrosten, 
Ihre  vom  Grafen  Adolf  dem  h.  Antonius  erbaute 
Schlosskapello  diente  noch  im  17.  Jahrhundert 
zeitweise  den  Beformirten  als  Nothkirche  — 
das  ganze  Anwesen  der  Burg  ward  bis  1819 
Staatseigentum  und  nun  an  den  Major  Vorster 
verkauft. 

Ueber  <ler  thatenvoUen  Vergangenheit  drr 
Grafen  dürfen  wir  die  Burgmilnner  von  Mark 
um  so  weniger  vergessen,  als  ihr  Institut  hier 
gar  glänzend  entfaltet  war:  wir  ziililm  nämlich 
in  der  zweiten  Hillfte  des  18.  Jahrhunderts,  wo 
einzelne  Familien  schon  ausgestorben,  einzelne 
Lehen  durch  Erbgang  in  einer  Hand  vereint 
sein  mochten,  über  zwanzig  ,Castellaiu'',  so  die 
von  Dolberg,  die  ('lots,  die  von  der  Buhr.  v«.n 
l'.ünen,  von  Brochusen,  —  die  von  Altena  und 
von  der  Mark,  —  die  von  Galen,  von  Herne, 
von  Hörne,  —  die  Galf's.  die  Bitter  und  Haken. 
—  die  von  Hövel.  vim  Didini:linfen.  von  Vaerssem. 
von  Heessen,  von  Ilerltorne.  \uii  Winkerodde, 
\(in  Dinker.  vnn  Xeheni.  von  SclHMlinL'en.  -  die 
Bisceltere,  die  V(>llensj)its,  die  Harnn-n  und  Snaps. 
Sie  führen  ein  gemeinsames  Siegel,  und  i"nes 
V'in  1272  zeigt  auf  verziertem  Grunde  eine 
niedrige  Burgmauer  mit  Thurm.  auf  diesem 
eine  Stange  mit  einer  Fahne,  worin  das  Waj)- 
pen  von  Mark.  Es  sind  also  nicht  blos  Mar- 
kaner.  s.iiidrni.  wenn  die  Namen  auch  nur  flieil- 


weise  die  Herkunft  anzeigen,  auch  Auswärtige. 
es  sind  Träger  oder  Abzweige  des  hohen  oder 
niedern  Adels  oder  Leute  aus  dem  Volke.  — 
mehrere  waren  schon  Isenberger  Vasallen  und 
wahrscheinlich  Burirmänner  zu  Xienbrügsre.  Auf 
der  Hauptburg  wuhnt  der  Graf  oder  sein  Stell- 
vertreter in  einem  Herreuhause  von  Stein,  und 
die  Burgmänner  weilen  auf  der  Vorburg.  Diese 
erscheint  bei  ihrer  Geräumigkeit  doch  für  so 
viele  Familien  und  deren  Haushalt  gar  eng- 
räumig.  Im  14.  JahHuindert  verschwinden  die 
Burgmänner  nacheinander,  um  sich  auf  erwor- 
benen oder  antreheirateten  Bittersitzen  rinirsher 
niederzulassen. 

Caldenhof  —  ein  Freiirut  dieses  Xamen< 
kommt  urkundlich  schon  1180  vor  —  lag  am 
Westufer  der  Ah<e.  der  Landesburg  sehr  nahe, 
ging  von  den  Vaerssem's  an  die  Plettenberij's, 
nach  Lj40  auf  die  Becken  zu  Heessen,  um  die 
Mitte  des  17.  Jahrhunderts  auf  die  von  Hei- 
den gen.  Bynsch  zu  Holthau<en  und  nach  kurzem 
Besitzwechsel  in  unserer  Zeit  auf  die  Familie 
Lob  über,  welche  es  zu  einem  modernen  Land- 
sitze mit  behaglichen  Gebäuden.  Garten-  und 
Treib-Anlasren  umgeschaffen  hat.  Doch  sin<l  die 
(frundmaui'rn  des  alten  Einfahrtsthores  in  der 
Ahse  iKich  nachweisbar  und  die  drei  Gräben. 
welche  mit  letzterer  den  weitt'U  l)einahe  vier- 
eckigen Burghuf  umgeben,  bis  auf  einen  Theil 
des  östlichen  erhalten,  der  behufs  Aufführung 
eines  Ostflügels  eiu'jeebnet  ist.  Dieser  sowie 
das  zweistöckige  Herrenhaus  mit  Eckthürmen  an 
der  Westfront,  sind  18.')8  nach  den  Plänen  von 
A.  Liibkc  in  Dortmund  und  Habhcrich  in  Hairen 
in  gothisirendem  Burtrenstil  aufgeführt.  dieWirth- 
schaftsgebäude  westlich  vor  das  Thor  verleirt.  die 
Bäume  des  alten  Burghofes  für  Bark-,  (iarton- 
und  Teichanlauen  verwandt  und  diese  nach  Nor- 
den hin  über  das  Flüssehen  ausgedehnt.  Die 
schmale  Südfront  des  Haupthauses  maskirt  ein 
(ilashaus  für  künstliche  Weinzueht.  den  hintern 
Ostllügel  zieren  meistens  als  Erbschaft  des  Bn»- 
fessors  Haindorf  zu  Münster  t  1802  DM0  eine 
auserlesene  Sammluiiü  verschiedenartigster 
Kunst-.\ltertünier  und  sehr  kostbarer  (Ge- 
mälde namentlich  von  holländischen  und  alt^ 
deutschen  Meistern  —  eine  iSammlung,  der  sohon 
ihrer  Beichhalti::keit  wt'gen   eine  In'sondere  Be- 


KmCIlEXBAü. 


77 


schreibuii!?     und    Wcrthschiltzung    vorbehalten 
werden  muss. 

Zu  Heidthof,  dem  alten  Sitze  der  Familie 
von  Westhoven,  haben  eine  neue  Villa  und  Garten- 
anla»en  die  ehemalii''e  Einrichtunt»'  bis  auf  Gra- 


benreste und  eine  Eichenallff  verdräni^t.  Die 
namhaftesten  Inhaber  waren  die  Familie  von  Wei»t- 
hoven,  die  sich  nachher  blos  Westhoff  schrieb. 
1712  aber  wieder  in  den  Adelstand  erhoben 
.wurde,  sodann  der  Krie<,'srath  von  Wolfersdorf. 


Ivirche    \in.tl    ihre    DenltmUler. 


Mark  war  die  nordöstlichste  Pfarre  der  Dort- 
munder Decanie,  ihre  dem  h.  Pancratius  ge- 
weihte Kirche  (Fig.  58)  jedenfalls  eine  der  altern 


Stiftungen,  zumal  ihr  Sprengel  bis  1:337  auch 
Hamm  und  Umgegend  einbegriff".  Nach  Einfüh- 
rung der  Reformation  in  der  zweiten  Hälfte  des 


16.  Jahrhunderts  verbheb  die  Kirche  den  Lutheri- 
schen; die  Reformirten,  welche  1672  öffenthche 
Religiousübung  erhielten,  besuchten  anfangs  die 
Kapelle  auf  dem  Hause  Mark,  nachher  einen 
Betsaal  am  Hause  des  Predigers,  später  einen 
gesonderten  Raum  im  Süden  des  Dorfes,  ver- 
einten sich  1807  mit  ihren  Glaubensbrüdern  zu 
Hamm  und  1820  mit  den  Lutherischen  in  Mark 
zu  einer  Gemeinde.  —  Da  der  nördliche  Kreuzarm 
der  Kirche  ,Nounenchor'  heisst,  so  mag  es  einst- 
mals im  Bereiche  des  Dorfes  eine  Ansiedluug 
von  Klosterfrauen  gegeben  haben.  Südöstlich 
vom  Dorfe  stand  auf  dem  Sandbrinke  am  alten 
Soester  Wege  das  Hammer  Siechen  haus  und 
etwas  weiter  auf  einem  Hügel  neben  einem 
Gesundbrunnen  eine  Kapelle,  eine  zu  Ehren  der 
Heihgen  Laurentius,  Maria  Magdalena  und  An- 
tonius   gemachte    Stiftung  des   Herzogs  Johan 


von  Cleve  vom  Jahre  1517.  Es  ward  jedoch  ihre 
Kaplanei  in  der  Reformation  der  Kirche  zu  Mark 
einverleibt,  die  Kapelle  von  den  Spaniern  zer- 
stört, das  Siechenhaus,  dessen  Seitenstück  mit 
einer  Kapelle  seit  1410  vielleicht  für  weniger 
ansteckende  Fälle  westlich  vor  der  Stadt  auf  dem 
Boll  lag,  seitdem  wol  nicht  mehr  h-enutzt. 

Die  Kirche,  ein  einschiffiger  Kreuzbau 
(Fig.  59)  mit  polygonem  Chore  und  viereckigem 
Westthurm  ist  das  Werk  zweier  klargeschiedener 
Bau-  und  Stilzeiteu  (Fig.  60).  und  zwar  Thurm 
und  Langhaus,  die  aus  platten  unregelmässigen 
Werksteinen  autgeführt  sind,  der  romanischen. 
Kreuzbau  und  Chor,  die  ein  perfecter  Quader- 
bau und  höhere  Mauern  und  Bedachung  aus- 
zeichnen, der  frühgothischen.  AVie  der  acht- 
seitige Helm  wurde  wol  auch  die  Oberetage  des 
viereckigen   Thurmes    1735/39    aufgesetzt,   die 


78 


MABK. 


letztere  mit  ihren  rundbog^igen  Oeffhungen  und 
deren  formlosen  Mittelsäulchen  vielleicht  in  ge- 
wagter Nachbildung  einer  altern,  die  1251  ver- 
dorben oder  restaurirt  sein  ■ 
mochte.  In  diesem  Jahre  ent- 
schädigt Graf  Engelbert  von 
der  Mark  die  Kirche  mit  einem 
Bauernhofe,  weil  er,  sein  Vater 
Graf  Adolf  und  sein  Bruder 
Graf  Otto  von  Altena  in  einer 
Fehde  mit  dem  Bischöfe  Otto 
von  Münster  den  Kirchthurm 
als  einen  militairisch  geführ- 
lichen  Punkt  zerstört  hätten 
—  was  schwerlich  die  Unter- 
etagen berührt  hat,  welche 
ohne  Sims  und  Wölbung,  höch- 
stens mit  Schlitzen  unterbro- 
chen, in  eine  frühere  Zeit  zu- 
rückgehen. Spätem  Restaura- 
tionen entstammen  da^  Thurm- 
portal  mit  seiner  Breite  und 
Höhe,  die  Vermauerung  zweier 
Thüröfihungen  im  Westen  der 
Langwände,  und  einer  dritten  mit  geradem  Sturze 
am  Chore.  Das  Langhaus  hat  meistens  seine 
Bundbogenfenster  und  neben  der  abAveichenden 
]\lau('rung  seine  gerade  Holzdecke  bis  in  unsere 
Zeit,   wo  eine  neue   in  Fonu  eines  Sargdeckels 


beliebt  ^^iirde,  bewahrt  und  dürfte  daher  gleich- 
zeitig mit  den  Unteretagen  des  Thurmes  etwa 
kurz  nach  1100  erbaut  sein.    Die  Osttheile  sind 
höher  mit  vier  quadratischen 
Kreuzgewölben,  im  dreiseitigen 
Chorschlusse    blos     mit    drei 
gleichen    Gewölbekapix-n    be- 
deckt und  im  Ganzen  streng 
im  Stile  der  Frühgothik  durch- 
geführt.   Die  Fenster  (Fig.  (31 1 
sowol  jene  des  Chores  ^rie  der 
Kreuzarme     sind    zweitheiliü, 
mit   einfachem  Vierblatte   Ix^ 
krönt  und  in  den  Laibungen 
kräftig  gekehlt,  die  beiden  Por- 
tale in  den  Giebchvänden  mit 
Kehlen    und   Bimstab  eiuge- 
fasst.   die  tief  herabgezogenen 
Kippen  (Fig.  ()2)  mit  Kehlen, 
die  Gurten   (Fig.  63)   ausser- 
dem mit  Abkantungen  verse- 
hen:   an   den   Consolen.   den 
schlanken  des  Chores  (Fig.  64) 
wie  den  gedrückten  der  Vie- 
neigen  die  obem  Glieder  noch  der  Kreis- 
die   untern    dagegen  der  gothisehen  Ab- 
Sämmtliche  Bögen  beherrscht  der 
.     Dieser  Ostbau.  Wdrüber  nähere 
fclilfn.    mag   ungerähr    iu"s   Jahr 


rung, 
hnie, 

plattung  zu. 
spitze  Schlus> 
Naclirichlrii 


\'.VM  fallen,  da  Hamm  von  Mark  abgepfarrt 
wurde;  weit  entfernt,  dass  darum  die  Kirche 
Al)bruch  erlitten,  besass  die  Kapelle  zu  Hamm 
vorher  ja  thatsächlich  alle  Pfarrechte,  die  Kirche 
zu  .Mnrk   alter,   wie   eine  Urkunde   besagt,    für 


alle  Bedürfnisse  überflüssige  Kinkünfte.  Wäre 
doch  gewiss  der  Neubau  geräumiger  ausgefal- 
len, falls  man  ihn  noch  für  die  Hammer  Pfarr- 
genossen, d.  h.  früher  ausgeführt  hätte. 

Die   Taute    stellt   dar   einen   geradm.   tief 


KIKCHLICIIE  DKXKMÄf-ER. 


ausgehülilteii  l,(H)m  hohen,  im  Durchmesser 
0,97m  starken  CyUnder  aus  dunkelrothem,  also 
nicht  heimischem,  Sandsteine  auf  rundem  Pfühle 
rings  von  acht  rundbogigen  Arkaden,  oben  von 

einem  Friese  mit 
Weinranken  ver- 
ziert; die  charakte- 
ristische Durchbil- 
dung der  letztern, 
die  Rosetten  in  den 
Zwickeln,  die  schlanken  Capitälchcn  mit  den 
abgeplatteten  Ringen  deuten  mit  den  romani- 
schen Bogenbildungen  auf  die  Zeit  des  spätem 
Uebergangs.     Vielleicht  ist  er  nach  1251,   wo 


der  Kirche  vom  Grafen  die  erwähnte  Entschä- 
digung wurde,  beschafft  und  zwar  zugleich  mit 
dem  aus  dem  Triumphbogen  genommenen  lebens- 
grossen  altertümlichen  Bilde  des  Crucifixes, 
64.  dessen    Arme     noch 

gerade  ausgestreckt, 
dessen  Füsse  bereits 
mit  einem  Nagel 
durchbohrt  sind. 
Es  erübrigen  fer- 
ner in  der  Südmauer  des  Chores  eine  Nische 
oben  mit  einem  Haken  für  das  Manile  —  an  der 
Nordseite  zwei  gothische  Wandschränke,  der 
eine  mit  schlanker  doch  defecter  Bekrönung 
(Fig.  G5),  der  andere  ohne  eine  solche.  In 
einigen  Fensterbekrönungen  des  Kreuzes  und 
Chores  schillern  noch  rein  gothische  Reste  orna- 
mentaler und  figuraler  grau  in  Schwarz  und 
Roth  ausgeführter  Glasmalereien.  Viele  alte 
Leichensteine  dienen  als  Flurplatten  und  ein 
Theil  derselben,  zumal  die  altern  und  schönern 
wäre  gewiss  der  Freilegung  und  näheren  Kunde 
werth. 

Die  polvgone  Kanzel,  anscheinend  eine  Ar- 
beit aus  der  frühern  Zeit  des  1 7.  Jahrhunderts 
ist  an  drei  Flächen  bemalt  mit  den  Bildern  des 


Moses,  des  Täufers  Johannes  und  des  Erloser-. 
—  So  merkwürdig  wie  nur  ein  anderes  Werk,  er- 
scheint ein  bilderreicher  Altarauf^atz.  Ueber 
einem  Steintisch,  dessen  Deckplatte  blos  eine 
Hohlkehle  und  dessen  Sockel  eine  Fase  hat. 
erhebt  er  sich  auf  hoher,  zweitheiUger  Predella: 
die  letztere  zeigt  mit  Gfb»-  ^^_ 

ten  oder  Bibeltexten  unten 
zwei,  ooen  in  der  Mitte  eine 
Inschrift  und  zur  Seite  der 
letztern  in  Farbe  links  die 
Verkündigung  durch  den 
Engel,  rechts  die  Geburt 
des  Herrn,  darüber  drei  mit 
reicher  Schnitzerei  einge- 
rahmte Nischen,  wovon  die 
höhere  in  der  Mitte  die 
Kreuzigung,  die  beiden  seit- 
lichen die  Geburt  und  die 
Grablegung  in  nicht  zu  ho- 
hem Relief  und  ziemlich 
figurenreich  enthalten.  Die 
Gruppirung  ist  im  Mttel- 
bilde  lebendiger,  als  in  den 
seithchen,  der  Ausdruck  des 
Anthtzcs  ist  durchgehends 
übertrieben ,  die  Gewan- 
dung der  langen  Gestalten 
theilweise  schön  gelegt 
und  brüchig,  die  Technik 
sehr  durchgebildet.  Nach 
Stil  und  Costüm  wird  die 
Arbeit  mit  den  stilverwand-  «■«  \ 
ten  Malereien  der  Predella 
in    das   erste   Drittel   des  ^ 

16.  Jahrhunderts  zu  setzen  ^T^f^^^i^ 
sein.  Leider  hat  vor  De- 
cennien  die  polychrome  Be- 
malung einem  völlig  schwarzen  Anstrich  weichen 
müssen,  hat  längst  jede  Seitennische  ilu-en  Blu- 
menkamm, die  Hauptnische  ihre  Fialenbekrö- 
nung,  der  ganze  Altar  seine  bemalten  Flügel 
verloren,  doch  bestehen  auf  der  Rückseite  in 
handwerklicher  Ausführung  decorative  Malereien : 
Ornamente  braun  in  Braun  mit  weiss  aufge- 
setzten Lichtstellen.  Bescheiden  leitet  der  Altar 
über  zu  den  gleichartigen  Werken  der  Schnitzerei 
und  Malerei,  die  uns  bald  in  so  schneller  Folge 


80 


CEXTROP. 


begegnen,  wie  in  keinem  andern  Winkel  der  Pro-     Stücke    der   Kleinkunst,    woran    andere   Kreise 
viiiz.   und  genügend  für   den  Verlust  mancher     reicher  sind,  entschädigen. 

Vorher  S.  31),  0  f..  10;  —  Oxl.  .1.  W.  U,  Xr.  *»?;  —  U.-B.  d.  H.  W.  I.  Xr.  00:  —  Kindlinirer,  Volmostein  D,  Kr.  16;  — 
Möller,  Geschichte  der  Hauptstadt  Hamm.  ISO.  S.  07 ;  —  Seibertz,  Orafen,  S.  1U8:  —  derseUx?,  Landes-  und  Uechtsaeschichte 
des  Herzot'thuins  Westfalen  II.  .301,  »27  f. ;  —  L.  de  Xorthof  1.  c.  p.  10  f. :  —  Ficker  a.  a.  0.  S.  Uß.  274:  —  r.  .Steinen  a.  «.  0. 
IV,  WH,  mi;  —  C.  d.  \V.  II.  Xr.  i'.»',;  —  v.  Steinen  III.  »>>  ff.:  <>l  ff.:  —  Essellen.  S.  14<i.  —  l.'el>er  die  Kirche:  Kamp- 
Kchulte,  S.  70;  —  v.  Steinen  IV.  (ÜW.  (^iO:  UI.  833.  S3k  ;  —  Bildecker-Heppo  II,  423;  —  Müller  a.  a.  0.  S.  12«i  ff.,  lOS«;  — 
Essellen,  S.  139;  —  X.  U.-B.  II.  Xr.  äti'J;  —  Acten  des  Könisrl.  OlierprSsidiums  der  Provinz  Westfalen  in  Copie  im  Archive  der 
Conunission;  —  Angaben  dos  Laf^rbuches.  —  Local-Uutcrsuchun^  und  -Aufnahmen. 


TJentrop. 


Ivirehe    uii<l    an<Iere   Oenkmälfr. 


TT^'iitroj)  liegt  inmitten  einer  an  Aeckern. 
LJ  Weiden,  Holzungen  und  reichen  Bauern- 
höfen gesegneten  Gegend  und  tritt  als  Kirch- 
stiUte  urkundlich  sehr  früh  auf.  Unhintjthorj) 
oder  -thorpa,  spüter  verkürzt  Undorp  oder 
Untiorp,  (l.'?31)  Uf/nindorj)  oder  J^nninthorj), 
war  eine  von  jenen  sieben  Pfarreien,  welche  die 
edlen  Frauen  Keinmod  und  Vrederuna  unter  dem 
JJischofe  Siegfried  von  Münster  (1022—1032) 
gründeten,  und  zwar  als  Abspliss  der  gar  um- 
fangreichen Mutterpfiirre  Beckum  in  der  Frei- 
grafschaft Assen;  das  Kloster  Ueberwasser  zu 
Mün.ster  liess  sich  dort  1151  einen  Haupthof  mit 
fünfzehn  Erben  bestätigen,  als  wenn  die  Grafen 
von  Cappenberg,  die  in  die  Geschichte  jener 
Frauen  wie  des  Klosters  einzugreifen  scheinen, 
hier  weitreichende  Güter  besessen  hiltten.  1107 
\\ird  die  Kirche,  deren  Archidiaconat  zehn  .lahre 
früher  dem  Propste  von  St.  Martini  zu  .Münster 
zugesprochen  war,  mit  einem  Hofe  und  einer 
Mühle  vom  Paderl)orner  Dompropst  Godschsilk, 
dem  also  dieser  Besitz  wul  erblich  angefallen 
war,  an  das  Kloster  ]\Iarienfeld  verschenkt, 
einige  Jahre  spUter  von  diesem  wieder  an  die 
Söhne  des  (Jrafen  Fried  rieh  von  Altena  (Mark) 
überlassen,  und  127«)  von  Heinrich  Scrodere  zu 
Ahlen  das  hiesige  Gogericht  behufs  einer  Ent- 
schiUligung  dem  Münsterischen  Bischöfe  abge- 
treten, dessen  GerichtsstiUte  schon  sechs  .lahre 
früher  neben  der  dortigen  Hrücke  urkundlich 
bekannt  wird.  Hie  JMarre  geh»"trte  als(».  wie  früher 
dariretban  ist.  zur  Diöcese  Münster  und  begrilf 
auch  die  Mauerschaft  Lütke-rentrup  jenseits 
der  Lippe,  bis  diese  in  der  Heformation  kirchlich 
den    katbojiscben    Nachbargemeinden    Iii|>|)borg 


und  Dolberg  überlassen  und  1860  definitiv  eiu- 
gepfarrt  wurde.  Die  diesseitige  Grtschaft  schloss 
sich  nilmlich.  da  Pentrop  noch  l'»71  von  Münster 
au-;  zur  bischöflichen  Kirchenvisitation  aufge- 
rufen wurde,  wol  erst  später,  gegen  Ende  des 
.Tahrhunderts.  dauernd  der  Heformation  an  und 
zwar  zuerst  dem  lutherischen,  etwa  seit  1(U<» 
dem  reformirten  Glauben,  wie  neuesthin  der 
Union.  Vom  Kirchenbau  stammt  nur  der 
viereckige  Westthurm.  den  ein  stumpfer  Pvm- 
midenhelm  deckt,  aus  mittelalterlicher  und  zwar 
aus  echt  romanischer  Stilzeit.  Das  beweisen 
die  Kundbogenblenden  und  die  ebenso  geschlos- 
senen theilweise  der  Mittelsäulen  beraubten 
Schallöffnungen  der  Oberetagen,  sowie  Mauer- 
risse und  ein  baufilUiges  Aussehen  überhaupt. 
Das  einschiflige  Langhaus  hat  eine  Balkendecke 
mit  Stuckrosetten  und  daher  auch  nur  an  den 
Ecken  Streben,  der  durch  einen  unjtrolilirten 
Spitzbogen  abgesonderte  Chor  geraden  Schluss 
und  ein  Kreuzgewölbe  auf  polygonen  Consolen. 
Fuss-  und  Dachgesimse  sind  ganz  einfach,  doch 
die  Fenster  mit  lischblasigem  Maasswerk  ausge- 
stattet. Die  Jahreszahl  lööl  über  der  Südthür 
bezeichnet  daher  wol  die  Bauzeit  des  Langhauses. 
In  der  Nord  wand  des  Chores  ist  eine  Thür.  die 
einst  zu  einer  angebauten  Familiengruft  der 
Besitzer  des  Hauses  Uentn»])  führte,  vermauerte 
dagegen  neuesthin  an  der  Ostwand  ein  niedriger 
Kaum  für  die  Hülge  wieder  angesetzt. 

In  den  Fenstern  der  Kirche  und  in  der 
riarrei  restiren  noch  lilaMiialcrcion  der  s|>ä- 
tern  Henaissance  (dme  ästhetischen  Werth. 

Der  Nordwand  des  Langhauses  ist  einge- 
lassen eine  grosse  steinerne  Grabplatte  oben 


KITTERblTZE. 


81 


mit  der  Krone,  an  den  vier  Seiten  mit  sech- 
zehn Almenwiippeu  und  einer  Inschrift,  die  des 
1679  18/12  gestorbenen  Dietrich  von  der  Reck, 
Herr  zu  Honi  und  Mundloh,  gedenkt;  darunter 
dessen  Wappen.  Zwei  das  Monument  flankirende 
Löwen  sollen  neuesthin  als  unkirchhche  Zuthaten 
entfernt  worden  sein. 

Ein  anderes  Epitaph,  eine  Holztafel,  ent- 
hält neben  dem  Wappen  die  Inschrift:  Char- 
lotte Albertine  Freifrau  von  der  Reck,  Frau 
zu  Heidemühlen,  geb.  Freifreulein  von  Pletten- 
berg  vom  Hause  Heeren,  Schwartzenberg  und 
Werve  f  1724  4/12. 

Unter  den  Leichensteinen,  welche  den  Flur 
decken,  befindet  sich  auch  jener  des,  soweit  be- 
kannt, ersten  reformirten  Predigers  Herman 
Westhoff  t  1626  8/10. 

Die  alten  Communionge fasse  sind  sämmt- 
hch  von  engUschem  Blockzinn;  die  beiden  mit 
Klappdeckeln  verschhessbareu  Weinkannen  haben 
die  Inschrift:  In  der  Kirche  zu  Uentrop  1703. 

Die  grösste  Glocke  von  ungeschicktem  Gusse 
aus  dem  Jahre  1550  trägt  die  Umschrift: 
O  vos  audite 

Voco  vos   ad  gaudia  vitae 
Ouietos  plango,  vivos  voco,  fulgura  frango. 

Die  zweite  1854  vom  Glockenmeister  Johann 
Spoo  aus  Dudeldorf  mit  einer  eisernen  Krone 
wieder  ausgebesserte  hat  schon  nach  der  In- 
schrift :  O  rector  celi  exaudi  nos  ein  weit  höheres 
Alter.  Die  Inschrift  der  Ideinsten  lautet:  Soli 
Deo  gloria.  I.  M.  D.  von  der  Reck.  N.  F.  Clue- 
sener  pastor,  I.  M.  Moenninghoff,  1771.  Im 
kirspil  Uentrop. 

Drei  lahr  \vird  garantirt, 
Das  gewicht  nichts  verliert, 
lohann  Micha.  Stockey,  Kurf.  Muenster.  Stueck- 
giesser. 

Die  polj'gone  Kanzel  mit  dem  ebenso  ge- 
stalteten Deckel  und  die  gothisirende  Orgel- 
fagade  sind  Anschaffungen  der  letzten  Zeit. 

Das  Haus  Uentrop  hegt  nördUch  vom  Orte 
innerhalb  der  Inseln,  welche  die  Lippe  und  ihre 
Umfluten  bilden,  niedrig  zwar,  indess  mit  den 
neuen  Gärten  und  Parkanlagen  sehr  angenehm. 
Das  Herrenhaus,  ein  zweistöckiger  Backstein- 
bau, stammt  aus  der  Mitte   des  vorigen  Jahr- 


hunderts, lag  früher  hart  an  der  Lippe  unrl 
schon  nach  alten  Lippekarten  vor  hundert  Jahren 
nördlich  davon  die  Mtlhle  mit  zwei  Häusern, 
südlich  hnks  im  vierseitigen  Wassergürtel  der 
Garten,  rechts  westlich  der  Hofplatz  mit  acht 
Gebäuden.  Die  Gräben  sind  neuesthin  ausge- 
füllt, die  Wirthschaftsgebäude  mehr  nach  We- 
sten verschoben  und  damit  weitere  Käume  für 
Gartenanlagen  geschaffen.  Die  Burg  \vurde  auf 
dem  Haupthofe  Uentrop,  doch  schwerüch  an  der 
alten  Hausstelle,  die  ohne  kostspiehge  Wehren 
jeder  Ueberschwemmung  ausgesetzt  gewesen 
wäre,  sondern  absichtlich  wie  die  meisten  Was- 
serburgen über  der  Lippe  erbaut.  Das  gleich- 
namige Geschlecht  erlischt,  wie  es  scheint,  gegen 
Ende  des  13.  Jahrhunderts,  ihm  folgte  die  Fa- 
mihe  von  Grimberg,  dieser  kurz  vor  der  Mitte 
des  15.  Jahrhunderts  bis  auf  den  heutigen  Tag 
ein  Zw^eig  der  Familie  von  der  Reck, 

Haus  Haaren  war  vormals  auch  kirchlich 
Pertinenz  von  Münster,  pohtisch  von  Mark,  wahr- 
scheinlich ein  Erbstück  der  Edelherren  von  Dol- 
berg,  dann  nacheinander  Besitztum  der  von  Hörne. 
Härmen,  derTorcks  und  Kecken  und  der  Sitz  einer 
bedeutenden  Gerichtsbarkeit.  Das  Herrenhaus 
w^ar  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  mit 
dem  Harmen'schen  Wappen  und  der  Jahreszahl 
1559  versehen  und  nach  einer  alten  Lippekarte 
mitten  in  einem  Teiche  gelegen,  ausserhalb  des- 
selben mit  den  Wirthschaftsgebäuden  umgeben, 
von  den  Gärten  jedoch  durch  die  Lippe  getrennt. 
,Um  dies  Schloss,'  bemerkt  v.  Steinen,  ,hegen 
einige  merkwürdige  Hügel,  als  der  Bnmsberg. 
Harsberg,  Hunenberg  und  Altersberg-,  die  viel- 
leicht einen  Zusammenhang  haben  mit  den 
römischen  Uferstrassen  und  dem  Lager  bei  Dol- 
berg.  Heute  benennt  man  vom  Hause  Haaren  blos 
mehr  Reste  von  Burggräben,  Colonatsgebäude 
in  Fachwerk  und  eine  hölzerne  Lippebrücke. 

Zu  Gröneberg  erheben  sich  innerhalb  Grä- 
ben und  Wallresten  noch  die  beiden  alten  Burg- 
plätze und  in  Fachwerk  Wohn-  und  Oeko- 
nomiehäuser,  —  die  Schlosskapelle  steht  nicht 
mehr.  Das  Rittergut  ist  schon  im  14.  Jahr- 
hundert im  Besitze  der  Famiüe  von  Walrave 
und  heute  nach  mehrf^ichem  Wechsel  j^igentum 
der  Familie  JMöllenhof  zu  Hamm. 

Den  äussersten  Winkel  des  Kreises  im  Osten 


82 


GEITHE. 


liGzeichnen  die  Burgstütten  von  Ober-  und  Nieder- 
Heidemühle,  die  nach  alten  Karten  auf  einer 
Lippeinsel  lagen  und  schon  im  vorigen  Jahr- 
hunderte so  dem  Vergange  anheimgefallen  waren, 
dass  das  obere  Haus  ganz  verschNmnden.  das 
niedrigere  nur  mehr  in  unregelmässigen  Wirth- 
schaftshäusern  vorhanden  war:  heute  besteht 
hier  nur  eine  Pächterwohnuiig  und  der  am 
Graben  kenntliche  Ijurgplatz.  Daher  mögen  zur 
äussern  Gleschichte  die  IJemerkungen  genügen, 
dass  hier  an  der  Kodenl)ecke  ein  Freistuhl  stand, 
den  der  Soester  Freigraf  nach  Soest,  der  Mär- 
kische nach  Hamm  gewandt  einnahm,  und  dass 
das  damals  den  Vollenspits  gehörige  noch  nicht 
getheilte  Haus  1445  in  der  Soester  Fehde  unter 


dem  Angriffe  der  Köhiischen  mit  mehreren  Ge- 
fangenen in  Flammen  aufging. 

Heidemühle  gehört  zur  Gemeinde  Uentrop 
und  zum  Kirchspiel  Dinker,  Haus  Hohenover 
oder  Hannover  an  der  Ahse  ähnhch  zum  sell>en 
Kirchspiel  und  zur  Gemeinde  Xorddinker.  'Man 
trifft  dort  nur  mehr  die  Reste  eines  Aussen- 
walles  und  inneni  Kinggrabens,  und  auf  dem 
Burgjilatze  ein  vierkantiges  zweistöckiges  Hack- 
^teiIlhaub  mit  Walmdach,  wahrscheinlich  eine 
Anlage  der  zur  Heiden  vom  Jahre  1783.  Eine 
zierlich  geschmiedete  Eisenschranke  an  der 
Haustreppe  hat  in  der  Mitte  unter  einer  Krone 
die  Buchstaben  Z.  11.  H.  1783. 


V.jrhor  S.  9,  30,  31.  —  Cod.  d.  AV.  Nr.  KOb,  270.  r,H'J:  —  Rec.  li.  W.  Xr.  23%:  —  \V.  U. -B.  UI,  Xr.  V.Cj.  1««:  —  Tibus 
a.  a.  0.  S.  IW,  IW,  '£Mi  ff.,  »XXi  ff..  3<>1:  —  v.  Stoineii  UI,  UJ54  ff..  'M'i;  —  EsM?Uen,  S.  142-140:  —  Geschieht*  der  Heiren 
V.  d.  Recke,  S.  85,  2G<j  ff.;  —  SeiJ>ertz.  Quellen  der  WestfiU.  Geschichte,  U,  SfC;  —  SlittheUuiisren  der  Herren  Kipper  und 
Pastor  Xeuhaus  zu  Uentrop.  —  Local  -  Untersuchanir. 


Greithe. 


Ivirche    mid    ihi*e    Denkmäler. 


Seitdem  die  Kirche  zu  Uentrop  dem  protestan- 
tisclu'n  Gottesdienste  geweiht  war,  wandten 
sich  die  tlbriggebliebenen  Katholiken  der  Pfarre 
lange  Zeit  wol  nach  Hamm,  nach  Khynern  oder 
andern  Kirchstätti-n  iliri-s  Ghuibi-ns;  doch  1781 
gewährte  Friedrich  d.  Gr.  die  Erlaubniss  zum 
Baue  einer  katholischen  Schule  und  Kapelle  in 
der  Geithe,  die  schwerlich  schon  um  y<»U  unter 
dem  Namen  Gestion,  sicher  um  1300  als  Ghe- 
tene  bekannt  wird,  —  ein  Name,  den  die  frucht- 
bare und  waldige  Landschaft  von  dem  nordwest- 
lich aiistossenden  Binnsal  der  LipjH'  überkam. 
Die   Ka|»elle   ward    zunilclist   veii   <li'n    Franzis- 


kanern in  Hamm  bedient,  dann  Missionsstelle, 
1842,43  aber  zu  einer  Pfarrkirche  mit  einem 
weit  gen  Westen  gezogeneu  Sprengel  erholten. 

Die  Kirche,  ein  einschiffiger  Fachwerkbau 
mit  pohgonem  Chor  und  Dachreiter,  ist  angel)- 
lich  1792  erbaut,  ihre  Möbeln  sind  einfache 
Holzarbeiten,  wol  meistens  aus  der  Zeit  des 
Kirchenbaues,  so  der  einfache  Altarbau,  die  j>o- 
lygone  mit  Blattzierden  bedachte  Kanzel,  die 
Fa(,ade  der  Org(>l  und  die  Brüstung  der  Bühne, 
die  auf  gewundenen  und  verzierten  Säulen  ruht, 
und  das  jx>lygone  Taufl>ecken.  dessen  Ständer 
Köj)fe  und  Blattwerk  beleben. 


Iiivoiituritiin  nn-hivi   Ilnnininnensis  .«oil.  oonventuB  S.  Francisci   p.  2a;   —  Ms.  U,  4'.»  im  Künii:!-  Staats  - .Krchir  tn   Mön.<.tier.   l'ri. 
Xr.  «H  v<iin  J.  13110;  —  Kampsehulte,  S.  IW;  —  Efwellen,  S.  144.  —  Local- Untersuchunj:. 


KIRCHEXBAU. 


83 


Das  (raittlere)  Htigelland. 


Berge- 


Kirche    und    ihi-e    Denkmäler. 


Berge  wird  als  Ort  so  1047,  einige  Deceniiien 
später  als  Berga  erwähnt.    Dort,  so  erzählt 
man,  hatten  die  Grafen  von  der  Mark  ein  Jagd- 
schloss,    und    die    Kirche  war   ur- 
sprüngiich  eine  Hauskapelle.    Sicher 
war   der   gleichnamige   Schultenhof 
vor  Zeiten  ein  .adlig  Haus',  welches  'f. 

nachher  zu  den  landesherrlichenTafel- 
gütern  gehörte;  es  fanden  sich  auch, 
wahrscheinlich  als  Beste  desselben, 
letzthin  beim  Umbau  des  Schulten- 
hauses  Grundgemäuer  vor.  Viel- 
leicht entspricht  ihm  auch  jenes 
Bürge,  dessen  Kirche  1147  mit  an- 
dern Besitzungen  in  der  Mark  dem 
Kloster  St.  Heribert  in  Deutz  vom 
Papst  bestätigt  wurde,  zumal  die 
Pfarre  alt  und  ein  Pfarrer  1269  nam- 
haft gemacht  ist.  Die  Reformation, 
und  zwar  das  lutherische  Bekennt- 
niss,  wurde  angeblich  1584  einge- 
führt, wie  hier  auch  der  dritte  Pre- 
diger Johan  Westhof  schon  1603 
Anstellung  erhielt.  Eines  Aveitern 
Predigers,  Eberhard  Westhof,  gestor- 
ben 1611,  gedenkt  ein  Grabstein, 

Die  Kirche  erhebt  sich  im  Sü- 
den des  Schultenhofes  auf  dominanter  Höhe,  und 
ihre  pyramidale  Thurmspitze  schaut  weithin  gegen 
Norden  in's  Thal  hinab.  Sie  hat  blos  ein  Schiff, 
im  Osten  geraden  Schluss,  im  Westen  einen 
viereckigen  Thurm,  eine  Holzdecke  in  Stich- 
bogenform,  in  der  Ostmauer  ein  Fenster,  in 
jeder  Langwand  drei,  die  in  einen  unförmlichen 
Spitzbogen  auslaufen.  Das  ganze  Aeussere  macht 
einen  unansehnlichen  und  stillosen  Eindruck. 
Der  Mangel  von  Streben  auf  der  einen,  die 
Fischblasen  im  Ostfenster  und  die  reinere  Bil- 
dung eines  Sttdfensters  auf  der  andern  Seite 
bestimmen  uns,  einen  Theil  des  Mauerwerks 
noch  der  romanischen  und  demgemäss  die  Um- 
gestaltung der  Fenster  der  gothischen  und  die 


meisten   übrigen    Bestandtheile    einer    späteren 
Zeit  zuzuschreiben,  wie  dann  auch  das  Mauer- 
werk  theils  aus  grünlichem  Bruchstein,   theils 
aus  Ziegelsteinen  besteht. 

Ein  Tabernakel  (Fig, 66),  wel- 
ches hier  abweichend  an  der  Süd- 
wand haftet,  zeigt  eine  klare  Glie- 
derung und  trotz  einiger  Verstüm- 
melung einen  wirkungsvollen  Aufbau. 
Die  Fialen  desselben  dienten  zugleich 
einem  Crucifixbilde  und  dessen  Sei- 
tenfiguren als  Rahmen,  wovon  nur 
die  des  h.  Johannes  erhalten  ist.  und 
die  Bekrönung  bildet  ein  durchbro- 
chener Zierbau  von  Streben  und 
Bögen,  Den  Profilen,  Bogeuformen 
und  angeblendeten  l'ischblasen  zu- 
folge, welche  das  T3Tnpauum  zieren, 
entstammt  das  Werk  spätgothischer 
Zeit,  doch  nach  der  eleganten  Auffas- 
sung noch  der  Mtte  des  15.  Jahr- 
hunderts. 

Ein  kupfervergoldeter  Kelch,  in- 
schrifthch  vom  Jahre  1617,  hat  einen 
hohen    rings    durchbrochenen   Fuss 
von  sechs  Rundblättern,  poh'gonen 
Ständer  und  einem  rundUchen.  oben 
und  unten  mit  Buckeln  verzierten  Knauf,     Ein 
anderer  von   Zinn  ^vurde  inschriftlich  1772  be- 
schafft. 

Ein  hölzernes,  jetzt  in  einem  Stockwerke 
des  Thurmes  reponirtes,  sehr  schlankes  Tauf- 
becken ruht  auf  einem  hohen,  rechtseitigen, 
allmälig  zu  einem  Knauf  uuschwellenden  Ständer 
von  breiter  Base;  den  Deckel  ziert  eine  Krone 
von  schneckenartigen,  oben  von  einer  Kugel 
zusammengefassten,  Reifen,  Das  Geföss  ist  laut 
Inschrift  1687  in  Form  eines  Pokals  gefertigt. 
Von  den  beiden  Glocken  stammt  die  eine 
aus  spätgothischer,  d.  h,  aus  der  Blüthezeit 
des  Gusses,  und  trägt  folgende,  mehrfach  ab- 
gekürzte und  überdies  noch  wol  durch  den  un- 


J^ 


84 


RHYXER-X. 


richtigen  Einsatz  von  Buchstaben  verwirrte  In- 
schrift : 

r(^ej)an?j  is  min  name 

Min  gelut  dat  \(i>)  gade  bCequaJme 

Doden  bescrij^e  ik 

Ha<,'el  unfle  donder  l)crke  iks  (^ic; 

Hei'vian  Vogel  xviiii. 

Der  Name  des  Patrons  ist  offenbar  durch 

falsche  Wahl  der   Buchstaben  verdunkelt.     Der 

Kleister    Vogel,    Soester  Btirger,  schüesst  sich 

mit  schonen  und  schweren  Arbeiten  den  besten 


Glockengiessern  seiner  Zeit  an;  die  Zahl  am 
Ende  der  Inschrift  bedeutet  wahrscheinUch  das 
Jahr  1504,  und  ist  dann  so  zu  erklären,  dass 
die  beiden  ersten  Ziffern  über  sich  das  C  der 
Jahrhunderte  und  der  übhchen  Ankündigung 
des  Datums  in  Worten  entbehren,  —  Mängel, 
welche  der  enge  Kaum  der  Inschrift  bedingte. 
Die  zweite  Glocke  ist  mit  einem  Texte  aus 
dem  Evangelium  Luc.  14.  v.  17  versehen  und 
angeblich  in  den  fünfziger  Jahren  von  Rinckcr 
in  Westhofen  gegossen. 


Rofe'.  H.  W.  Xr.  1G9.0  und  InJex  s.  v.  Mark  am  Endo,  fomor  Nr.  1C07,  W.  U.-B.  HI,  Xr.  834;  —  Crecelius  in  der  Zeitschr.  des 
iH'n.'isch.  (ieschitht-svon'ins  vn.  0;  —  von  Steinen  HI,  !»23;  —  H.  KainpM>bultc,  Gesihichte  der  Einfilhnin!.'  •' -^  iv,.t. -taatisinas 
im   IkTcichf   der  jetzit'cn   l*rovinz  Westfalen,  lKG<i.  S.  2<l7;  Biideiker-Hepi»  H.  425;  —  UeWr  den  Glocke  I,  Spor- 

iiiafher's  Chrfjnic  von  Lünen  bei  v.  Steinen  IV,  1451;  —  Mittheiluiik'en  des  Herrn  Pastors  Layken.  —  1>"  ■>  i>ung  und 

-Aufnahme. 

< — «  <►  «    < 


Rl 


iviierii. 


Die   katholisclie    Ivirche. 


Di-r   Name,   welcher   1302   Rynherc,   später      Kopf,    Hals   und    Rumjtf  besonders  ausgehr.hlt. 
I'i/ncni,  liei/nrr  odi-r  Rimcni  klang,  wird      die  Deckel  jedesmal  ihren  Stämmen  abgespalten, 
auf  das  ,Kinnen'   zweier  Bäche   zurückgeführt,     jedoch  nur  ein  oder  zwei   Stücke  vollständiger 


welche  im  Norden  des  Ortes  zusanimenfliessen 
und  ihn  früher  mit  Hülfe  eines  südlichen  Ver- 
binilungsgrabens  inselförmig  einschlössen.  Die 
Kirche  erstand  mit  dem  Orte  auf  einem  Hofe, 
der  den  Bischöfen  von  Münster  eigentümhch, 
seit  1302  bedingt,  und  darauf  den  Grafen  von 
der  Mark  als  Pfandlehen  gehörte,  und  überkam 
ihr  Patrocinium,  nämlich  das  der  h.  Kegina. 
von  Osnabrück  her,  wo  deren  Keli(iuien  beruhten; 
daher  nähert  sich  ihre  Gründung  wol  einer  bt^ 
reits  vorgeschrittenen  Kirchenorganisatioii,  f^lllt 
aber  jedeiilalls  noch  in's  vorige  Jahrtausend, 
zumal  da  die  noch  vorhandene  Kirche  für  die 
Zeit  ihrer  Krbanuiitr  eine  seltene  (Jrösse  besitzt 
und  daher  auf  einen  sehr  geräumigen,  längst 
organisirten  l't'iiri>|>rengel  schliessen  lässt.  Das 
Collationsrecht  war  jedenfalls  von  den  Grafen 
von  der  Mark,  vielleicht  mit  dem  Orte,  erworben. 
Die  Kirche  erliob  sich  an  einer  Stelle  uralter 
1  Beerdigungen;  denn  bei  der  neuesten  Kestnura- 
tion  fand  man  im  Boden  fünf,  nach  anderer 
Anirabe  zehn  Todtenbäuinc  und  zwei  davon 
mit  ihren  Kiideii  unter  den  F'undamenten  des 
Haue<.    Ks  waren  Kii'henstämme.  zum  Tbeil  für 


erhalten,  die  übrigen  stark  vermodert. 

Die  grosse  Kirche  (Fig.  07)  eignet  als  rein 
romanisches  Bauwerk  noch  dem  12.  Jahrhundert. 
doch  wol  eher  dem  Schlüsse  als  der  Mitte  des- 
selben, wie  die  entwickelte  KauindisjKtsition.  die 
Fonn  und  Ornamentation  ihrer  feinern  Glieder 
darthuen.  Es  ist  eine  gewölbte  Pfeiler-  und  Säu- 
len-Basilika (Fig.  08)  mit  geradem  Chorschluss. 
mit  ursjirünglich  weit  vorspringenden  Kreuzflü- 
geln, in  deren  Ostwand  eine  halbkreisförmige 
Apside  liegt.  Das  Hauptschiff  hat  die  Llnge  dreier 
Gewölbeiiuadrate.  ihre  l^uergurten  ruhen  auf  Pi- 
laster^•orlagen.  die  GewOlbeder  froher  sehr  schnia^ 
len  Seitenschiffe  auf  Mittelsäulen  und  Wandpila- 
stern.  Kreuzgewölbe  decken  sämmtliche  Haujit- 
räume,  ebeu.^jolche,  jedoch  ohne  Quergurten,  fnJ- 
her  die  Abseiten.  In  allen  Wölliungen  von  den 
Thilrschlüssen  bis  zu  den  (iurten  und  Arkaden 
herrscht  der  Kundbogen.  Wenn  die  Pfeiler 
schwerf^lllig  und  nach  den  .Vbseiton  hin  ohne 
Pilaster.  die  Gewölbe  ohne  Kipi>en.  die  Gurten 
breit,  und  manche  Gesimse  einfach  gebildet 
sind,  so  überzieht  daftlr  ein  Sims  die  Arkaden. 
diedert  selbst  die  drei  Wandflächen  des  Chores 


KIßCHENBAü. 


85 


in  zwei  Hälften,  und  wie  Fenster  die  obere,  so 
beleben  Zierarkaden  von  drei,  an  der  Ostwand 
von  vier  Säulen  die  untere;  es  erscheinen  die 
Arkadensäulen  schlank  und  elegant  verjüngt, 
die  Würfelcapitäle,  die  Basen  mit  dem  Eckblatte 


plastisch  durchgebildet,  die  Kämpfer  schwung- 
voll gegliedert  und  7Aim  Theil  wie  mit  Orna- 
menten der  Goldschmiedekunst  verziert  (Fig.  69 
bis  73).  Das  weist  nicht  weniger  auf  eine  ge- 
füllte Baukasse   wie    auf   einen    gereiften  For- 


mensinn und  ein  geübtes  Stilvermögen;  damit 
stimmt  auch  die  oblonge  Gestalt  sämmthcher 
Kreuzgewölbe,  insofern  ihre  Schmalseiten  in  den 
Kreuzarmen  quer,  sonst  überall  parallel  zur 
Längenachse  hegen.  Im  Nordkreuze  enthielten 
die  gegenüberliegenden  Mauern  Löcher,  diese 
wahrscheinhch  einst  Querriegel,  mutmasslich  die 
Stützen  einer  Bühne  oder  eines  Chores  für  die 
Nonnen  zu  Marienhof,  deren  Gotteshaus  weit 
später  erbaut  worden  ist.  Die  vier  Fjingänge, 
zwei  in  den  Giebeln  der  Kreuzarme  und  zwei 
gen  Westen   in   den    Langseiten,    die   sämmt- 


lich  ruudbogig  gedeckt  und  mit  Seitensäulcheu 
flankirt  waren,  sind  neuesthin  vermauert  worden. 
Man  hat  das  Langhaus  in  den  Jahren  1871/72 
einem  Eestaurations-  und  Erweiterungsbau  unter- 
worfen, welcher  die  Seitenschiffe  fast  bis  in  die 
Flucht  der  Kreuzgiebel  vorschob,  nach  Westen 
hin  neben  dem  Thumi  verlängerte  und  hier 
mit  neuen  Portalen  durchbrach.  Im  Norden  des 
Chores  errichtete  man  an  Stelle  einer  baufäl- 
ligen, mit  einem  Spitzbogenfenster  beleuchteten 
Sakristei  eine  neue,  und  als  Pendant  dazu  eine 
zweite  im   Süden.     Dabei  -^nirden  im   Ganzen 


86 


RHTXERX. 


die  alten  Stilverhältiiisse  berücksichtigt,  die  Ge-  |  feuster  des  südlichen  Kreuzgiel)els  der  feinern 
wölbe  der  Abseiten  indess  mit  Gurten  durch-  Gliederung  im  Innern.  Das  sattelförmige  Dach, 
zogen  und  die  je  einer  Schildwand  eingepassten     dem  im  siebenjährigen  Kriege  die  Franzosen  den 


Langfenster  der  Oberwand  gegen  Kundfenster 
geopfert.  Die  Innenräume  erhielten  eine  farbige 
Decoration,  die  Aussentheile  neue  Politur.     Im 


Aeussern  entsprechen  die  grossen  regelmässigen 
(^uinlcni  MUS  (jru  AN'erlcr  Mrüchen,  ein  Fussge- 
simse  und  nanieutlieh  das  l)nlstige  Kranzgesinise. 
sowie  <l;is  !_'ros<e   von   Säulclii'U    ll.iiikirlc    IJuii'!- 


iM'i  -r 


Bleittberzug  nahmen,  ist  seitdem  mit  Schiefer 
gedeckt.  "Wechselvoll  im  Grundrisse  wie  im  Auf- 
bau bietet  die  ganze  Kirche  einen  würdigen  und 
gefälligen  Anbhck,  der  im  Innern  und  Aeussern 
noch  bedeutend  gewinnen  würde,  wemi  der  gar 
hoch      angewachsene  rs. 

Boden  ungefähr  auf 
sein  altes  Niveau  er- 
niedrigt würde. 

Nur  der  viereckige 
We^tthurm      harrt 

noch  der  Kestauration  aus  seiner  Verwitteruiiir 
und  vielfachen  Entstellung.  Von  kleineren  Werk- 
steinen erbaut  und  vormals  nicht  mit  dem  ^lauer- 
werk   der    Seiten-  t;:. 

schiffe  verbunden, 
erscheint  er  älter, 
als  ein  Bauwerk 
der  Frühzeit  des 
12.  Jahrhunderts. 
Seine  Unteretaire 
deckt  auf  ziemlicher  Höhe  ein  Kreuzgewölbe  mit 
Gräten :  die  in  den  Oberetageu  regelmässig  grujv 
pirten  Schallöfliniu'jen  sind  theils  noch  mit  ^lit- 
telsäulehen  und  im  Bogen-  r*. 

fehle  darüber  mit  Bund- 
löchern versehen,  theils  die- 
ser Glieder  beraubt,  oder 
gar  im  Hundbogenschlusse 
geradlinig  verstümmelt  oder 
wie  die  rundbo-jige  Thür 
mauert.  Das  Kriinziiesimse  (Fig.  74)  enthält  in 
der  Kehle  eine  Zier  von  Buckeln:  die  lange 
IVramidenspitze  wird  weithin  sichtbar. 

Urli.r  (li-ni   Ftii^l"  r  ili  r  üvtlicbrn  Cburw.jml 


i-£ 


■r" 


im     \\  r-im    ver- 


KIECHUCUE  M.\X)1ÄU1I. 


87 


und    an  ,lr.r  Giebol^nd    des    „»rdüchen  Kreuzarm,. 
™t  ,hrer  späteren  Tünche   stttctaweise  abfleL     1 

T.rtefn     ™''™^^'''^'■"'  ''^■^  Alter  zu  theilen  der 
1  aufste.n   e,n  unvcrjüngter  Cjliuder  aus  hartem  Sand 

uuuitiii.    hr  stand  in  Voryfitpn  am  \r    <. 
ende  des  „Ordüchen  «eitenschitfes  ho         .dl,'"'- 
8-anghch  mittelst  dreier  Steinstufen  ° 

Em  an  die  Nordwand  des  Chores  gelehntes  Sacra 
menthansehcn  (Fij.K)  „ht  auf  viereefeem  S^-uf     ," 
«eme  BelrOnung  besteht  n,  einer  m  rBle  den  „.d  bM 
werk  ausgestatteten  Fläche  und  einem  ab  ehll 
Baldachi,,.  Das  Bildwerk  am  Schrirfeh     d tZ 
gung  mit  den  Seitenflguren  darüber   sf  eilt  n  X 

^  :Srt"  'r™  «'--«-'Architektur  ™d  W 
»eschickt   dem   Kaume    angepasst   und    durchgeführt 

Das  Tj-mpanum  hat  unter 
Tudorbogen  Blenden  und 
in   den    Seiten   Fialenbe- 
krönung.    Das  Werk  mag 
gleichzeitig  mit  dem  Re- 
gineukasten  beschafft  sein. 
Als  eine  für  die  Zeit 
seltene   Erscheinung    der 
kirchhcheu  Kunst  notiren 
w    das   Reliquiar    der 
li.  Regina  (Fig.  76,  77)  in 
Form   eines   Hauses    mit 
Satteldach  aus  dem  Jahi-e 
1457.    Der  Kern  ist  von 
Holz,   die  decorative  Be- 
kieidimg  mit  den  BiId^ver- 
keu  getrieben  aus  vergol- 
detem Silber,  die  Kugeln 
in  den  Kreuzblumen  aus 
vergoldetem  Kupfer.    Die 
etwas  vortretende  Plinthe 
ist   QJlom  lang,   0,27m 
breit,  das  Geföss  bis  zur 
Giebelspitze  0,42>«  hoch. 
An  den  Seiten  stehen  unter       i 
Rundbögen  mit  eiugesetz-       I 
tem  Kleeblatte    Figuren.       I 
und  zwar  an  den  Giebel-       | 
Seiten    hier   der  Erlöser.       1 


88 


RUYNERX. 


dort  rlie  h.  Regina,  an  den  Langseiten  jedesmal 
sechs  Apostel  Die  Base  enthält  ihre  Namen 
und  an  einer  Schmalseite  das  Datum:  Anno 
iJoiiiiui  .  .  .  niccccLvii,  Die  Dachllachen  zeigen 
in  rundlicher  Umrahmung  flaehrund  getrieben 
und  von  einitrt*n  Spruchbändern  begleitet  einer- 
-.'it-  dif  Verkfiii«li>_MUi'-'.   die  (Jeburt  des  Herrn 


und  die  Anbetmig  der  Könige,  anderseits  die 
Geisselung,  Kreuzigung  und  Auferstehung.  Die 
Zwickel  über  den  Bögen  entbehren  der  alten 
Steinzier,  die  ornamentale  Ausstattung  erscheint 
nicht  gerade  überreich  und,  sofern  sie  eine  archi- 
tektonische ist,  theils  in  strengen,  theils  in  laxen 
Fumien  durchgeführt,    welch'   letztere    sich  ja 


durch  die  Kleinkünste  den  Weg  zu  den  monu- 
mentaleren bahnten.  Mit  dem  Datum  harmo- 
nirt  der  Stil  der  Figuren,  die  massige,  starkge- 
nwkte  (lewiinduim.  der  lebendige  Ausdruck  bei 
der  gemessenen  von  der  Umrahmung  gelwtenen 
Haltunu'.  \h\<  (Jefilss  ruht  noeh  auf  seiner  ur- 
>)»r(iiigli(heM  Traglmhre.  Die  Base  dunliltreehen 
an  allen  Seiten  Vierpasse,  ihre  Ecken  schützen 
vergoldete  Metallplatten,  die  vier  Tnighölzer  Ia^ 
derüberzüge. 

Etwas  jünger  ist  ein  in  <  Jiild  '^e\\  cl)tc>  durch 
Stickereien  vervollständigtes  Kreuz,  0,12.'»;» 
I»reit.  das  man  dem  Hintertheile  einer  violet- 
ten geblümten  Seidencasi'l  aufgenilht  hat.  Die 
Mitte  desselben  zeigt  unter  den  Worten:  Täter 
in  nianu>  tuas  die  Kreuzigung  mit  den  Seiten- 


tiguren,  jedes  Balkenende  einen  Engel,  von 
welchem  einer  in  einem  Schilde  das  Uimm.  ein 
anderer  eV)enso  eine  Art  von  Pvramide  halt. 
Am  Langbalken  zeigt  wiederum  in  einem  Schilde 
ein  Engel  den  Mantel  des  Herrn  mit  den  Wür- 
feln, und  der  Band  desselben  blos  einen  Engel- 
ko|if.  als  wilre  hier  ein  Stück  abgeschnitti-n.  Ge- 
sichter. Hände.  Kleidersaume  und  besondere  Ge- 
waiidpartien  sind  in  einer  melirfarbi<:en  Stickerei 
hergestellt,  in  einer  .\rt.  d\v  wir  an  den  schönen 
Caselkreuzen  des  L').  .Tahrhundert.s  gewohnt  sind. 
Die  Handarbeit  half  dem  fabricirten  Stoffe  glück- 
lich nach. 

Den  werthvollsten  und  bedeutendsten  Rest 
bildnerischer  Schönheit  begrüssen  wir  in  dem 
Schnitzaltar  und  dessen  beiderseits  hcniallon 


AI.TAl!. 


89 


Flü<^eln.  (\^ergl.  die  Photolithoc^raphie.)  Xeu 
sind  der  Unterbau  und  die  .stufenartige  Predella 
von  Holz.  Den  Aufsatz  bilden  nereckige  ^'i- 
schen  für  Holzsculpturen.  nämlich  drei  grössere, 
wovon  die  mittlere  mit  der  Kreuzigung  höher 
emporsteigt,  oben,  und  Zwergnischen  unten. 
Während  jene  die  wesentlichsten  Stücke  aus  dem 


Leiden  und  Sterben  des  Heilandes  in  grösseren 
und  kleineren  Gruppen  vorstellen,  weisen  diese 
die  vorbereitenden  Ereignisse  aus  der  Jugendzeit 
des  Hen'n  auf.  Die  Zwergnischen  sind  je  nach 
der  Breite  der  drei  obem  Felder  in  Abtheilungen, 
die  Abtheilungen  durch  schwächeres  Stabwerk 
\vieder  in  kleine   Felder  zerlegt,  in  der  iDtte, 


wie  das  Hauptwerk  darüber,  höher  gezogen,  und 
alle  oben  mit  einem  durchbrochenen  Ornamente 
von  stihsirtem  Gerank  eingefasst.  Links  be- 
ginnen die  kleinen  Sceuen  mit  der  Vermählung 
der  h.  ]\Iaria  und  mit  der  Verkündigung,  dann 
folgen  in  den  beiden  hohem  Mitteinischeu  die 
Geburt  Christi  und  die  Anbetung  der  Könige, 
rechts  die  Beschneidung  und  die  Opfenmg  im 
Tempel.  Die  Scenen  rechts  und  hnks  scheidet 
je  eine  Figur  mit  Spruchband.  Die  oberen  Ni- 
schen ziert  eine  reichere  Umrahmung,  und  zwar 
jene  rechts  und  links  über  zwei  durchbrochenen 
Baldachinen,  die  als  Kämpfer  wirken,  eine  rund- 
bogige  Hohlkehle,  worin  kleinere  Leidensscenen 
mit  Zierbaldachinen  abwechseln,  ihren  untern 
Band  wieder  ein  durchbrochenes  Ornament,  die 


Zwickelfelder  darüber  durchbrochenes  Maasswerk. 
Zierbaldachiue  und  Bildwerke  machen  auch  (üe 
seitliche  Einfassung  des  hohen  Mttelfeldes,  ein 
reich  geschmückter  Baldachin  von  drei  Rund- 
bögen dessen  Bekrönung.  Hier  gewahren  wir 
im  buken  Felde  die  Ivreuztragung,  in  der  Hohl- 
kehle links  die  Geisselung.  rechts  die  Dornen- 
krönuug,  im  Mittelfelde  aie  Kreuzigung,  au  den 
Seiten  die  Schacher,  darunter  Henker  nebst  zwei 
berittenen  Figuren  und  im  Vordergründe  die 
Pharisäer,  hnks  die  frommen  Frauen  und  Maria, 
die  in  den  Armen  des  h.  Johannes  zu  Boden 
sinkt,  im  rechten  Felde  oben  die  Kreuzabnahme, 
unten  die  Pieta,  in  den  Hohlkehlen  die  Jünger 
auf  dem  Wege  nach  Emaus  und  Christus  den 
Frauen  erscheinend.     Die  Gruppen  der  Seiten- 


12 


90 


RUYNERN. 


einfassuiig  des  Passionsbildes  stellen  die  Sakra- 
mente bis  auf  das  h.  Abendmahl  dar,  welches 
einst  vielleicht,   wie   an   den  ähnlichen  Werken 


der  Zeit,  über  dem  Kreuze  Platz  gefunden  hatte. 
Der  ganze  Altar.  Rahnienwerk  und  Fi'jrürliche«;. 
ist    vergoldet,    die    Gesichter,    die    Hunde    und 


Fleischtheile  der  Figuren  sind  bemalt:  die  Hilume  und  untergeordnet  und  weohsolvoll  von  den 
erscheinen  wol  abgetheilt  und  gut  verwerthet.  kleinen  (irujipen  durchbrochen,  die  zugleich 
die   orniinentahMi   (Jlieder    den    stOtzendcn   ein-      die    (JednnkiMi    der   grossen    Sceneii    mild    au^- 


Kii'.cJii.RiiE  1)l;nk.\iai,i;u. 


91 


kliiif^en  lassen.  Die  Scenen  des  Hiiiterjrrundes 
haben  Flachreliefs,  die  des  Vordergrundes  und 
die  kleinen  Gruppen  treten  den  Ideen  oder  der 
Anordnung  angemessen  fast  frei  plastisch  her- 
vor. Einen  tüchtigen  Meister  verrathen  der 
Gesammtentwurf  und  die  Ausführung  des  Fi- 
gürlichen wie  des  Ornamentalen,  selbst  die  Fär- 
bung. Wol  gruppirt,  vvol  dem  Kaume  ange- 
passt  und  doch  lebensvoll  erscheint  die  Anord- 
nung, noch  vollendeter  aber  die  Ausführung 
zumal  der  Köpfe  und  Hände,  die  so  sorglich 
bis  in's  Einzelne  geht,  dass  der  Beschauer  von 
seinem  fernen  Standpunkte  Manches  nicht  ein- 
mal gewahren  und  geniessen  mag.  Nach  dem 
Costüm  schon  zu  urtheileu,  gehört  das  hervor- 
ragende Werk  etwa  der  Zeit  des  Jahres  1500 
an,  und  dennoch  hat  der  Meister  in  Gewandung 
und  Ausdruck  der  Manier  geschickt  gesteuert, 
die  dermalen  als  Auswuchs  des  Naturalismus 
der  Bildnerei  ihr  Gepräge  aufdrückte. 

Von  den  Flügelgemälden  stellen  die  beiden 
schmalen  zu  Seiten  des  erhöhten  Mittelfeldes 
innen  dar  linlfs  Christus  vor  Pilatus,  rückwärts 
wie  er  der  Sünderin  (?)  am  Brunnen  begegnet, 
rechts  innen  wie  er  mit  der  Kreuzfahne  seiner 
Mutter,  und  aussen  wie  er  der  Magdalena  er- 
scheint, die  beiden  untern  Doppelklappen  links 
aussen  den  Einzug  Christi  in  Jerusalem  und  Ju- 
das den  Verrätherlohn  empfangend,  innerlich  das 
Abendmahl  und  Judas  Verrath,  —  rechts  aussen 
die  Kreuzabnahme  und  Grablegung,  innen  die 
Himmelfahrt  und  Sendung  des  h.  Geistes.  Die 
Tafeln  zeigen  Kreidegrund  und  in  Oel  eine  Far- 
bengebung  für  Hintergrund  wie. für  Figuren,  die 
die  hellen  Töne  des  Mittelalters  fast  völlig  ver- 
läugnet.  Den  Hintergrund  bilden  je  nach  den 
Scenen  Architekturen  oder  Landschaften,  die 
Figuren  erscheinen  in  reichem  Zeitcostüm;  das 
Ganze  beherrscht  ein  edler  Stil  sowol  in  der 
Gruppirung,  wie  in  der  Wiedergabe  der  Affecte. 
Die  Köpfe  haben  einen  schönen  milden  Aus- 
druck, zumal  das  länghche  von  schwarzem  Barte 
umrahmte  Anthtz  Christi,  das  an  die  Nieder- 
länder erinnert.  Wir  dürfen  diese  Bilder  schon 
in  den  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  setzen. 

Ein  Werk  der  Frühzeit  des  17.  Jahrhunderts 
ist  nach  Aufbau  und  Ornamentik  der  hölzerne 
Aufsatz  eines  Seitenaltares.    Ein  baldachinar- 


tiger Mittelbau  ist  auf  zwei  Kundsäulen  gestützt, 
an  jede  Seite  ein  Blindflügel  gesetzt,  das  Bau- 
liche streng,  das  Ornamentale  schlicht  und  ohne 
Uebermaass  gehandhabt.  Dafür  schmücken 
ihn  eingesetzte  Oelbilder,  so  an  der  Predella 
die  Brustbilder  der  Heiligen  Augustinus  und 
Norbertus.  im  Hintergrunde  des  Baldachins  das 
Brustbild  des  h.  Johannes  des  Täufers,  zu  Seiten 
die  Figuren  eines  Bischofs  und  des  Evangelisten 
Johannes  und  am  obersten  Aufsatz  nochmals 
vier  kleine  Medaillons.  Dem  Altar  ähnelt  in 
der  Behandlung  und  in  der  Ausstattung  die 
nunmehr  entfernte  polygone  Holzkanzel  in 
der  Strenge  der  Gesimse,  in  der  Einfachheit  der 
rundbogigen  Arkaden,  welche  die  Seiten  ein- 
schlössen, und  in  den  Evangehsten- Figuren, 
welche  sie  ausfüllten. 

Am  Westende  der  Kirche  vor  dem  Thurme 
liegt  auf  einer  von  Säulen  getragenen  Bühne 
die  C)rgel,  deren  Fa9ade  wir  als  Muster  einer 
flotten  und  wirkungsvollen  Möbelarbeit  aus  der 
besten  Barockzeit  in  Abbildung  beifügen  (Fig.  78). 
Inschriften  und  Acten  erweisen,  dass  dieselbe 
von  dem  Dominicanerkloster  in  Soest  übernom- 
men und  für  60  Stück  Friedrichsd'or  vom  refor- 
mirten  Consistorium  in  Aurich  durch  die  Kirch- 
meister E.  Herthoff,  H.  Frigge  und  den  Pastor 
Wellen  erstanden  ist.  In  der  lateinischen  In- 
schrift: E  DoMInICano  Sosatensl  IVbILant 
nobis  Organa  CLaVstro  ist  die  Herkunft  und 
die  Zeit  derselben  kurz  ausgedrückt.  1877  ist 
das  Werk  von  dem  Orgelbauer  Rudolf  Randen- 
brock  aus  Paderborn  erweitert  und  dafür  aus  der 
Kirchenkasse  die  Summe  von  4338  M.  gezahlt. 
Unter  den  vier  Glocken  ist  die  älteste, 
ungefähr  1700  Pfd.  schwer,  einer  Inschrift  oder 
Verzierung  baar,  indess  oben  und  unten  am 
Bande  mit  einem  -{-  versehen. 

Die  zweite  im  Gewichte  von  etwa  847  Pfd. 
hat  folgende  Inschrift: 

Regina  coeli  ora  pro  nobis.    Anno   1633. 

Als  geworden  Pastor  Behrendt  Thier, 

Do  sein  wir  beiden  gehangen, 

Der   Höchste    gebe    dem    Leser    und    ihnie 
Barmhertzikeit 

Auch  allen  Menschen  die  ewige  Freud  und 
Selikeit. 
F.  Joannes  Paris  frater  laicus  niinoris   ob- 


12  ^ 


92 


RHYXEKX. 


servantiae  S.  Francisci  me  fecit.  —  Ihr  Seiten- 
stück  wird  vermisst  und  später  umgegossen  sein. 
Die  dritte  im  Gewichte  von  21 00  Pfd.  ging 
1 088  aus  einem  Umgusse  hervor,  den  Godefridus 
de  Lapci  aus  Erwitte  für  100  Thlr.  besorgte. 
Die  Inschrift  lautet: 

Salvator  mundi  salva  nos,  vivos  imploro, 
lnortuo^  (lei)kjro,  Dciini  adoro.  Sancta  Regina 
Konianae  orthodoxae  ccclc>iae  RiL'nen>i^  I'a- 
troiia.    Anno  MDCLXXXVIII. 

Al^  Friedrich  Wiihehn  Chllrfür^t  hatt  rc<^irt. 

l^in  ich  vom  aUcn  ins  neu  zu cite  mahl  imitirt. 

(iott  führe  sein  und  der  Nachfolger  Re<<iment 

Da^  sie  alle  mögen  haben  ein  seliges  Endt. 
Die   vierte,   300   Pfd.  schwer,   ist   1753  zu 


Büderich  von  Carl  de  Lapci  gegen  40  Rthlr. 
gegossen  und  1872  von  Petit  &  Gebr.  Edcl- 
brock  in  Gescher  umgegossen. 

Erwilhnt  seien  femer  noch  eine  schwere  Ba- 
rock-Monstranz aus  dem  Jahre  1677.  ein  neu- 
gothischer  und  drei  alte  Kelche,  darunter  einer 
von  Silber  und  zwei  vergoldete  vom  Jahre  1719 
in  den  Stündern  von  Ku]iffr.  in  der  Cupite  von  Sil- 
ber. —  Erbtheile  des  di^rtigen  Klosters  Marienhof. 

Die  neuen  decorativen  Steinarbeiten  an  den 
Aitär<'n  sind  meistens  entwMrfen  vom  Architekten 
Fischer  in  Bannen  und  ausgeführt  vom  Bild- 
hauer Goldkuhl  in  Wiedenbrück,  die  ornamen- 
talen und  tiguralen  Wandmalereien  von  Hoff- 
manu  aus  Werl. 


L)ie   evangeli.sclie    Ivirflie    und    andere    L)eiikiiiäler. 


.Rhynern  gehört  zu  den  wenigen  Städten  der 
Mark,  deren  Hauptkirche  den  Katholiken  ver- 
blieb;' doch  Itildete  sich  auch  hier  aus  kleinen 
Anfingen  seit  dem  Iß.  Jahr- 
hundert eine  protestantische 
Gemeinde,  welche  1024  da>; 
lutherische  mit  dem  reformir- 
teii  Bekenntnisse  wechselte 
und  sich  KiO.")  ein  kleines 
(iotteshaus  (Fig. 70)  erbaute. 
Es  hat  die  Form  eines  Sechs- 
eckes (Fig.  80).  ein  jnramida- 
les  auf  hölzerner  Mittelsäule 
ndieiides  Dach,  als  Spitze  eine 
Laterne,  die  möglicherweise 
auch  von  einer  Kestauration 
(Irs.Iahres  1748  hcrnilirt.  \)v 
Fenster  (Fig.  81)  zeigen  gegen- 
nl»er  dem  geraden  Sturz  der 
Tliiu-  ellijttischen  Schluss  und  ihr  Oberlicht  über 
dem  Mittelpfosten  eine  RundötfnunL:  mit  sphä- 
rischen Zwickellöchern. 

An  der  Südseite  des  Kirchhofes  steht  ein 
1' atliu  crkhau  der  h'enaissance  mit  Muschel- 
(trnamenten.  AVt-stlich  vom  Orte  Itemerkt  man 
Uinggräben,  (lärten  und  in  Fachwerk  einen  zwei- 
stöckigen Flügel,  den  zu  einer  StalhniLT  ernie;lrig- 
tenChor  der  Kirche  von  dt-m  isll  anfirijiubenen 


Kloster  Marienhof.  dessen  Insassen  angebhch 
Beghinen  seit  1470  Franziskanessen  waren.  Von 
der  Kirche,  deren  Langhaus  vor  einigen  Decen- 
nien  durch  Brand  und  Abbruch 
unterging,  stehen  noch  Mauer- 
reste mit  spätguthischen  Fen- 
sterbildungen, innerhalb  der 
Langmauern  steckte,  wie  der 
Brand  s|iäter  erwies,  eine  Fach- 
werkwand, als  ob  die  Kirche 
ursprünglich  in  Holz  heqre- 
stellt.  sjiäter  die  AVände  inner- 
lich und  äusserlich  mit  einer 
Blendschicht  von  Stein  beklei- 
det worden  wären.  Sie  lag  im 
Süden  des  Klosters  und  um- 
schloss  mit  dem  erhalt^-nen 
Osttlügel  und  zwei  abgebro- 
chenen Flügeln  im  Norden  und 
Westen  ein  Quadrum.  das  als  Kirchhof  benutzt 
wurde.  Aus  dem  Erlöse  der  Klostergüter  schreibt 
sich  der  Rhynern'sche  Klosterfonds. 

In  dem  Kirchspiel  erscheinen  noch  merk- 
würdig zu  Wambeln  in  der  Nähe  des  Schulten- 
hofes  Ostermann  ein  Feld -.Kirchhof*  und  eine 
Stätte  .Papeniuitt'  --  ein  zweistöckiges  Fach- 
werkhäuschen unter  der  Benennung  Herren- 
haus als  Rest  des  adligen  Sitzes  Di  eck  haus. 
—  ein  zweiies  zwischen  Ost-  und  Westünneu  als 


^ 


YEIlSCfflEDENE  DENKMÄLER. 


93 


letztes   Erbtheil  des  Geschlechtes  von  Tüniien, 
und  zu  Süddinker  der  ,rothe  Stein',  eine  vormals 
mit   Bäumen   umstandene  Halbinsel  des  Salz- 
so.  haches  als  der 

Platz  eines  Frei- 
gerichtes. 

Yom  Alt- 
händlcr  Grot- 
hucs  in  Mün- 
ster ist  aus  der 
Pfarre  ein  Ei- 
chenschrank 
mit  Schnitz  zier 
erworben,  Avel- 
cher  0,55>«  tief,  l,12»i  breit  und  nur  1.10m 
hoch  ist  und  auf  der  abgenutzten  Deckplatte 
keine  Spur  eines  Aufsatzes  hat.  Die  Füsse  sind 
kurz,  die  Schubladen,  welche  den  untern  Raum 


einnahmen,  verkommen,  die  Front  zerlegt  sich  in 
drei  verticale  Felder,  deren  mittleres  die  Thür  hat : 
jedes  Feld  ist  als  Rahmen  mit  Füllung  behan- 
delt. Die  Seitenflächen  zeigen  eine  vortretende 
Rhombenzier,      die  ^i. 

übrigen  Felder  Ara- 
besken, die  Gesimse 
flache  ProH  lirung  ge- 
mischi  mit  Zahn- 
schnitten, die  Thür 
Adam  und  Eva  unter 
dem  Baume  mit  der 

Schlange  berahmt  von  zwei  Ziersäulchen.  welche 
einen  Rundbogen  tragen.  Die  sonst  einfache  Ar- 
beit, wobei  das  Figurale  gegen  das  Omamentale 
zurücktritt,  gehört  der  zweiten  Hälfte  des  16. 
Jahrhunderts  an. 


Kiiidlinger,  Volmesteiii  I,  2<X);  U,  Tik.  Nr.  .5.5 A;  —  dois.  M.  B.  ni,  Xr.  174;  —  Kanipsehulte,  S.  81;  —  dors.  Kirchenpatrocinien, 
S.  185;  —  Anzeiger  für  Kunile  deutscher  Vorzeit,  1871,  Sp.  158;  —  E,ssellen  in  d.  Bonner  Jahi-bb.  52,  169;  —  von  Steinen, 
ni,  940;  —  Lüblie,  S.  109,  372,  303,  410,  394;  —  Das  Conversations-Lexicon  für  bild.  Kunst,  FV,  .566  gibt  dem  Altar  das  un- 
zweifelhaft verfriUite  Datum  1473 ;  —  Das  von  "W.  Lotz,  Kunsttopographie  Deutsdilands,  1862,  I,  519,  genannte  Tript>-chon  findet 
sich  nicht  vor.  —  Bädecker -Heiipe,  II,  426;  —  Mittheihmgen  des  HeiTn  Dochanten  Terberger.  —  Local  -  Untersuchung  und 
-Aufnahmen. 

> €—<>—? < 


Hilbeck. 

Kirclie    und    Schloss. 


Da  der  Name  des  Ortes  zuerst  1153  als 
HiJbeJce,  1162  als  Hylibecce  vorkommt,  wo 
die  Urkunden  hier  einen  Hof  der  Grafen  von 
Cappenberg  nachweisen,  so  dürfte  deren  Ahnen- 
schaft wesenthch  zur  Gründung  der  Kirche  bei- 
gesteuert und  von  ihr  sich  das  Patronat  über 
Pfarre  und  Küsterei  auf  den  Besitzer  des  Hauses 
Hilbeck  vererbt  haben.  Die  Pfarre  ging  1562 
oder  1560  dauernd  zum  reformirten  Bekennt- 
nisse über,  obwol  innerhalb  der  nächsten  hundert 
Jahre  katholische  Rehgionsdiener  hier  noch  wie- 
derholt Gottesdienst  abhielten. 

Die  Kirche  (Fig.  82)  erhebt  sich  wie  das 
Dorf  auf  einer  Anhöhe,  w^ar  vormals  der  h.  Ida 
geweiht,  also  frühestens  gegen  das  Jahr  1000, 
wo  die  Schutzpatronin  aUgemeinere  Verehrung 
fand,  gestiftet.  Dieser  Zeit  entstammt  auch  das 
Langhaus :  es  ist  einschiffig,  niedrig,  mit  flacher 
Holzdecke,  hoch  in  den  Langmauern  von  kleinen 
Rundbogenfenstern  erhellt,  das  Mauerwerk  aus 


unregelmässigen  Stücken  grünen  Sandsteines 
aufgeführt,  jeder  der  beiden  Eingänge  rundbogig 
gewölbt.  Die  meisten  dieser  Eigentümüchkeiten 
kennzeichnen  den  Bau  als  ein  Werk  aus  der 
Frühzeit  des  Steinbaues  um  so  deuthcher,  als 
Restaurationen  kaum  eingetreten  sind.  Ein  sehr 
altertümliches  Aussehen  verursachen  Risse  im 
Mauerwerk,  spätere  Missbildungen  an  einigen 
Schallöchern,  zumal  die  Entfernung  von  Mittel- 
säulchen,  dem  viereckigen  "VVestthurme.  Die 
Mauerschlitze  und  Schallüffnungen  haben  i'und- 
bogigen  Schluss,  die  erhaltenen  Mittelsäulcheu 
Würfelcapitäle,  den  attischen  Basen  fehlten  an- 
scheinend stets  die  Eckblätter.  Das  Hauptgesims 
besteht  aus  einer  flachen  Kehle  und  daraufge- 
legter Platte.  Die  pjTamidale  Spitze  steigt 
ziemlich  schlank  empor.  Der  untere  Raum  des 
Thurmes  entbehrt  der  Einwölbung.  öffnet  sich 
jedoch  gen  Osten  durch  zwei  übereinanderge- 
stellte  Doppelbögen   zum  Langhause.    Die  Be- 


94 


lüLBECK,  DRECHEN. 


handlung  der  Säulchen  und  die  regelmässigen 
Werksteine  lassen  den  Thumi  indess  als  ein 
jüngeres  Werk  etwa  aus  dem  Anfange  des  12. 
Jahrhunderts  erscheinen.  Der  dreiseitig  geschlos- 
sene Chor  mit  zweitheiligeii 
.Spitzbogenfenstern  von  einfacher 
Vicrblattbekrönung  dürfte  gegen 
1400  erbaut  sein  und  war.  wie 
die  eingesetzten  Schildgurteu 
zeigen,  ursprünglich  auf  Einwöl- 
liung  berechnet. 

Drei  ältere  (ilockcn  sind 
1<)72  von  den  Franzosen  nach 
Werl  entführt :  die  älteste  der 
noch  vorhandenen  ist  1748  vom 
Glockengiesser^fZ/a'^K^  zu  Mün- 
ster gegossen. 

Eine  Orgel  lieferte  laut  den 
Kirchenrechnungen    1(394     der 
<  )rgelmacher     Sylvester    Heil- 
mami  (aus  Hebern),  die  Kanzel  hat  ein  Herr 
von   Münster   zu   Meinhovcl.    Herr   zu   Hilbeck, 
gestiftet. 


Xordnstlich  V(im  Dorfe  erhebt  sich  der  alte 
Hittcrsitz  Hilbeck,  das  Stammhaus  des  gleich- 
iiiinii^'-en  Geschlechts,  dann  ein  zwischen  vielen 
l'amilicn  wcclHcJndcr  lU'sitz,  bis  er  in  der  zwei- 
ten Hälfte  des  vorigen  .lahrhunderts  durch  Kauf 
an  die  freiherrliche  Familie  von  Plettenberg  zu 
He(  ren    kam.     Kr  war   ausgestattet   mit  einem 


,St.  Panthaleon-  genannten  Hofgericht  und  1705 
noch  so  befestigt,  dass  er  auf  Antrag  der  Stände 
gegen  befürchtete  EinföUe  der  Kölnischen  deu 
bürgern  zu  Hamm  zur  Bewachung  anvertraut 
\nirde.  Nach  einem  von  Bau- 
inspector  Goscbruch  entworfe- 
nen Grundplane  im  Hausarchiv 
zerfiel  die  Grundtläche  1798  in 
drei  von  erhaltenen  oder  kennt- 
lichen Wassenrräben  umgebene 
Plätze:  die  viereckige  Vorburg 
enthielt  an  der  südwestlichen 
Schmalseite,  wo  der  Eingang 
zur  Hauptburg  lag.  ein  kleines, 
U'cirenüber  ein  zweiflügehffes  Ge- 
bäude. Es  steht  davon  nur  mehr 
der  kleinere  Flügel  in  Fach- 
werk, daneben  aber,  nämlich  am 
Nordostsaume,  ein  neuer  zwei- 
stockiger Steinbau  als  Haupt- 
haus. Die  südöstlich  davon  gelegene  kleine 
Hauptburg  war  damals  bereits  der  Gebäude 
haar,  und  statt  dessen  der  Vorplatz,  der  sich 
südwestlich  die  beiden  Hauptplätze  entlang 
zieht,  mit  Gräben  umwehrt  und  mit  Gekononiie- 
gebäuden  besetzt,  wovon  die  noeh  bestehenden 
Fachwerkbauten  sind:  das  auf  den  Vorplatz 
führende  Thorhaus  (Zehntscheune)  aus  dem 
Jahre  IHK»  enthält  die  wieder  benutzten  Wap- 
pen Pentlinck-Berninckhaus  und  Monster-Fridag 
vom  Jahre  1*171    18'6. 


Cod.  li.  W.  Xr.  .f«;,  .{iJ; 
Estiollon,  S.  13U,  1%; 


Kampscliulto,  Kirchoiipatniciiiion,  S.  KK);  —  BlUl<'cki'r-ni']i|)«.'  H.  427;   —  v.  Steinen  m.  955.  1006; 
-  Acton  dfs  KirchtMiarchivs.  —  Lo«il-Untorsuchunir  und  -Aitfnahmo. 


T)r('clien. 


\ 


Ivii'flie    imil    ilir«>    I  )eiikiniiler. 

Divclirn.  eine  kleine  Gemeinde  inmitten  der  Dass  dieses  Gotteshau>  nicht  für  Pfarrzwecke 

Pfarrei    Flieridi.    war    ursprüni:lich    Filiali-  erbaut  ist.  verkinidet  jedem  Fremden  beim  ersten 

der  letztern.  und  nachdem  sie  in  der  Keformatioii  Anblick   das   kaj)elh'nartige   Aeusscre.  die  Lige 

das  Intherisclie  Hekenntniss  angenommen,  KUl  nördlich    neben    einem    Schultonhofe    innerhalb 

mit  ihr  znr  Aiuiahnie  des  refonnirten  V(>ranlasst.  Weiden  und  (Jehölzen.    Es  war  auch  ursjjnlns;- 

Die  ringsher  zerstreuten  Katholiken,  welche  jetzt  lieh   wol   eine  mit  gewissen  Vorrechten  für  die 

nach  Uhynern  eingepfarrt  sind,  besuchten  zwei  Umwohner   ausgestattete    Hauska|K'llo    für  den 

Mal   des  Jahres   die    Kirche,    worin   dann    ein  Besitzer  des  Hofes.    Denn  auf  demselben  stand 

Franziskaner  von  Hamm  den  (Jottesdicnst  hielt,  vor  Zeiten,   wie  es  heisst.  ein  Jacrdschloss  der 


KIUCIIMCIIK  Ul-NOÄLKU. 


95 


Grafen  von  der  Mark;  ein  mit  Aussatz  behafteter 
Graf  soll  es  zum  Wohnsitz  erhalten,  die  Kai)elle 
gebaut  und  mit  den  Zubehörungen  seinem  natür- 
lichen Sohne  und  dessen  Nachkommen  also  über- 
tragen haben,  dass  sie  einen  bestimmten  Canon 
an  die  Landesherrschaft  entrichteten.  Damit 
steht  im  Einklänge,  dass  das  Patronat  der  Pfarr- 
und  Lehrerstelle  dem  Landesherrn,  jenes  der 
Kirche  dem  Schulten  zusteht.  Später  wohnt 
hier  ein  Geschlecht  von  Brechen,  und  ein  Spross 
desselben  ist  wahrscheinüch  jener  Gobel  von 
Brechen,  der  1500  Gograf  zu  Hamm  war. 
Den  Schultenhof  aber,  wozu  auch  Unterhöfe  ge- 
hörten, umgeben  noch  heute  Keste  von  Gräben 
und  Wällen,  und  ihnen  entsprechen  im  Boden 
allerhand  Züge  alten  Gemäuers. 

Das  Kirchlein  ist  nach  Süden  gerichtet  und 
hier  mit  einem  viereckigen  Thurm  besetzt. 
Den  geraden  Chor  deckt  ein,  das  Langhaus  zwei 
Kreuzgewölbe.  Die  letzteren  sind  oblong  und  zur 
Längenachse  quer  gelegt.  Chor  und  Langhaus 
zeigen  äusserlich  unförmüche,  m'oI  später  so  ge- 
staltete Dossirungen  als  Streben,  den  Spitzbogen 


in  den  Ptippen  und  Quergurten,  sowie  in  den 
kleinen  Fenstern,  diese  einen  Mittelstab  und  als 
Bekrönung  einen  Vierpass  oder  Pass,  die  Rippen 
starken  Kern  von  einfacher  Kehlung,  die  Schluss- 
steine ein  rosenartiges  sauber  gearbeitetes  Orna- 
ment. Das  Werk  gehört  demnach  der  bessern 
Gothik  und  wahrscheinlich  der  Mitte  des  H.Jahr- 
hunderts an. 

Der  viereckige  Thurm  im  Norden  hat  zwar 
im  Untergeschosse  ein  Gewölbe  von  Backsteinen, 
in  den  Kundbogenöffhungen  des  zweiten  erneute 
Mittelsäulchen,  im  dritten  unförmliche  Rund- 
bogenlöcher, —  doch  das  Alles  sind  nur  verun- 
glückte Nachbildungen  späterer  Zeit:  denn  die 
beiden  Unteretagen  machen  mit  dem  Mauerwerk, 
mit  der  attischen  Base  der  genannten  Mittelsäul- 
chen, mit  dem  rundbogigen  Thorschlusse  einen 
altertümlichen,  nämlich  romanischen  Eindruck. 
An  der  Thtir  selbst  haftet  noch  eine  gothische 
Verkleidung  des  Schlosses. 

Von  den  beiden  Glocken  trägt  die  eine  die 
Jahreszahl  1681,  die  andere  die  Inschrift  .  .  . 
1695  Bcr7iliard  Wilhelm  Stule  goss  mich. 


von   Steinen 
Kupsch. 


a.  0.  m,    1033;    —    Essellon, 
Local  -  Untersuchunfr. 


S.  133;    —   Bädecker  -  Heppo  II,   433;    —   JMitthciluiiifen  des    Hemi  Superintendenten 


v^^- 


Fliericli. 


Kirche    xmcl    ilire    Denkixiiiler. 


rUerich,  im  9.  Jahrhundert  Flethric,  1059 
FlietheriJce,  kurz  darauf  Flethreke,  1250 
Vlerike,  1269  Vlederiche  lautend,  ist  als  Ort 
uralt,  als  Pfarre  etw^a  gegen  das  Jahr  1000  ge- 
gründet, falls  nämUch  eine  bis  in  unser  Jahr- 
hundert erhaltene  hebräische  Inschrift  am 
Thurme  als  Patron  den  h.  Michael  genannt 
hat;  der  Cultus  dieses  Erzengels  hängt  in  der 
Regel  mit  dem  Aufblühen  des  Rittertums  zu- 
sammen und  weist  wahrscheinüch  zurück  auf 
die  alten  Grafen  von  Werl,  die  hier  Güter  und 
vielleicht  zuerst  das  Patronatrecht  hatten,  was 
später  den  drei  hiesigen  Adelssitzen  Brügge, 
Mundloh  und  Edinghausen  anklebte;  noch  1250 
verzichtet  Adolf  von  Holte  oder  von  Isenberg 
auf  den  dortigen  Hof  als  Arnsberger  Lehen  zu 
Gunsten  Herman's  von  Brochusen.    Schon  nach 


1550  wurde  hier  die  Reformation.  1641  das 
reformirte  Bekenntniss,  in  unserer  Zeit  die  evan- 
gelische Union  durchgeführt. 

Das  einschiffige  Kirch euh aus,  der  grad- 
geschlossene Chor,  der  Westthurm  stammen  aus 
romanischer  Zeit,  haben  jedoch  durch  spätere 
Umbauten  und  Restaurationen  ein  modernes 
Aussehen  angenommen.  Es  sind  die  Mauer- 
flächen mit  einer  neuen  Blendschicht  überzogen, 
am  Langhause  einige  Fenster  vermauert,  andere 
zu  tief  herabgezogen  oder  wie  am  Chore  spitz- 
bogig  umgestaltet,  die  Schallöffnungen  des  Thur- 
mes  der  Theilungssäulchen  beraubt.  Das  ziemlich 
breite  Langhaus  decken  zwei  in  der  Querrichtung 
oblong  gelegte  Kreuzgewölbe,  und  je  ein  solches 
das  untere  Geschoss  des  Thurmes  und  den  Chor: 
die   starken  Spitzbogen-Rippen  uüd  Gurten  mit 


oc 


FLIERICH. 


einfacher  Kehlung  entstammen  nach  einer  dem 
einem  Schlussteine  eingehaueneu  Zahl  dem 
Jahre  1502,  wie  jedenfalls  auch  das  Chorfenster 
mit  den  gekehlten  Lail)ungen  und  dem  Vierblatt- 
schluss.  Sonst  beherrscht  der  Rundbogen  die 
S'challOffnungen.  die  Fenster  des  Lanirhauses. 
den  Sclieidebogen  des  Thurmes  mit  dem  Durch- 
gange zum  Langhause,  den  breiten  flachen  Quer- 
gurt zwischen  letzterem  und  dem  Chore  und  die 
Enthistungsbögen  der  Chormauem.  Die  breiten 
Gurten  dieser  Bögen,  welche  zugleich  tiefe 
.Mauernischen  bilden,  setzen  an  der  Xordwand 
beiderseits,  an  der  Südwand  nur  östlich  auf 
Maucrecken  von  reicherer  Ghedenmg:  sie  zeigt 
nämlich  gekui)i)elte  Halbsäulen  mit  Kelchcapitä- 
leii,  diese  haben  ein  anliegendes  mit  Flachbuckeln 
besetztes  Laubwerk  und  gemeinsame  Kämpfer 
mit  einer  Platte  und  einem  Zwischengliede.  das 
hier  als  tauförmiger  "Wulst,  dort  als  Schräge 
mit  Palmetten  oder  auch  als  Kundglied  mit 
Schachhrettoraament  gebildet  ist.  Ein  kleineres 
Mauersäulchen  nahm  jedenfalls  schon  in  roma- 
niseher  Zeit  die  Pi]>])e  oder  den  Gurt  der  Clior- 
wölbung  auf.  Die  Basen  sind  heute  verdeckt, 
die  Kämpfer  der  andern  l{undbö<:en  möglichst 
einfach,  höchstens  aus  Platte  und  Schräge  oder 
Kehle  zusammengesetzt.  Die  Kirche  hat  zwei 
Eingänge,  einen  durch  den  Thurm,  einen  in  der 
«■■(stlichen  Hälfte  der  südlichen  Langwand  —  ein 
dritter  in  derselben  Wand  durch  die  Reparatur 
von  1872  beseitigter  war  anscheinend  reicher 
mit  einem  Tvm])anum  entwickelt  und  dies  mit 
einem  Kreuze  und  zwei  Tliierliguren.  angeblich 
Hirschen  oder  Lämmern,  belebt.  Zwei  lauge 
mit  Löweiitiestalten  bemeisselte  Steine  treten 
oben  an  den  äusseren  Ecken  der  Chorwand  als 
Consolen  vor.  Der  Kern  wie  die  neuen  Blend- 
schicliteii  des  Bauwerkes  bestehen  aus  grünem 
.MefL'elsandstein. 

Malerische   Zier   schmückte   ehedem   alle 
Wandllächen:  sie  rührte  jedoch  wol  grösstentheils 
mit  der  Einwölbung  aus  s|»ätgothischer  Zeit,  wie 
das  der  Laut  der  Inschrift  eines  der  Kanzel  ge- 
genüber blossgelegten  Menschenskeletts  darthat: 
Welk  cdlo  llguro. 
Ik  was  ok  (lyuc  naturc 
Ik'donk  ()  nlcn^cI1  op  der  erden 
Watt   ik  bin.  nio^t  du  werden. 


Von  den  gothischen  Chorstühlen  l^efindet 
sich  noch  eine  als  Schranke  benutzte  Vorderseite 
mit  guten  Panneelen  in  einem  Thurmgeschosse. 

Die  Fa<,ade  der  aus  dem  Kloster  Kentrop 
bei  Hamm  übernommenen  Orgel  überrascht 
durch  elegante  Verhältnisse  und  geschmackvolle 
Schnitzereien.  Die  Bündtlügel  an  den  Seiten, 
die  krönenden  Giebelchen  und  Thünnchen,  die 
durchbrochenen  Arabesken,  die  Zahnschnitte  am 
Krönungssims,  das  Einzekie  und  das  Ganze 
l)räsentirt  sich  als  eine  edle,  vielleicht  um  1600 
ausgeführte,  das  Consolenwerk  in  Form  von 
Büsten  als  .spätere  ^Vrbeit.  Die  Orgelbühne 
war  laut  einer  bis  1872  erhaltenen  Inschrift 
1752  errichtet:  Hae  sedes  exstructae  hunt  cura 
( ).  Knevels  \'.  D.  M.  et  Job.  Heniian  Sud- 
haus receptoris  MDCCLH. 

Der  Altar  hat  keinen  Aufsatz,  die  Kanzel 
mit  dem  Deckel  hat  polygone  Form,  an  den  Ecken 
Kundsänlchen,  Kococcobesatz  in  den  Flachen 
imd  einen  Boden,  der  sich  polygon  zu  einer 
Kugel  verjüngt. 

Von  den  drei  (i locken  hat  die  älteste  leider 
gebrochene  die  Inschrift: 

Sanctus   l<»hanne^  hed  ick. 
De  lebendiken  de  r<»p  ick. 
De  doden  bescre  ick. 
Geghaten  in  den  jar  nicccccxxxi v ; 
die  dritte  ....  Johaviics  Gm'c  gos  mich  1 797 ; 
die  grosse  hat   Willulm  Rinkcr  aus   EUjerfeld 
in  unsenn  Jahrhundert  gefertigt.    Der  Glocken- 
stuhl hat  die  Inschrift :  Haec  canipananmi  sedes 
e.\>tructa  cura   Joh.  Gottfr.    Peil  V.  1).   M.  et 
("hri>t()j)hori  Schulze  zum  Rumpf  MDCCXLII. 

1778  zersprangen  eine  grössere  Glocke  mit 
zwei  lateinischen  Distiehen  beschrieben  vom 
Jahre  1525,  nach  der  Fonn  der  Verse  zu  Münster 
wahrscheinlich  von  Wolter  Wistcrhucs  gegossen, 
—  und  eine  kleinere  mit  der  Inschrift: 

Johannes  de  la  Paix  von  Arubberg  hat  mich 

gegos,sen 
1  )urch  (la^  Feuer  hin  ich  gefl()^^e^.  Ml  )C  LXX. 

Von  den  Inschriften  der  (irabsteine,  die 
muunehr  vor  dem  Westjxirtale  liegen,  nennt 
eine  den  I^^nhard  Philiiiji  Wittinghoff  gen.  Schel, 
Erbgesessener  zu  E«linghausen  f  1«)5()  27  5, 
eine  andere  die  Catharina  Torckes  gen.  Asche- 
bniieh  t  inoo  20  12. 


KIUCIIEXIUU. 


97 


Eine  viereckige  Gedenktafel  von  Holz  an 
der  Nordwimd  des  Chores  enthält  in  der  Mitte 
das  gemalte  Wappen  und  an  den  vier  Seiten 
die  Inschrift:  Anno  1693.  cl.  7.  May  ist  der 
Hochwohlgeborene  Herr  Reinholdt  Arnoldt  Ed- 
mund von  Ketteier  zur  Hrüggen  gebohren,  und 
anno  1727  d.  9.  October  gestorben.  Das  Haus 
Brüggeu  hat  seine  alte  Kapelle  verloren  und 
ist  wie  das  Haus  Edinghausen  jetzt  ein  mit 
guten  Gehäuhchkeiten  versehener  Schultenhof. 


Das  gebräuchliche  Kirchenbiegel  stellt  einen 
Weinstock  iiuierhalb  zweier  Spruchkreise  dar: 
Sig.  ecciebiae  Flierl cen^is  1678  Vitis  vera 
Christus. 


Das  an  der  Südseite  der  Kirche  1874  ge- 
stiftete Kriegermonument  ist  vom  Bildhauer 
Poggel  aus  Werl  in  Stein  gehauen  und  be- 
steht aus  einem  viereckigen  gegüederten  Sockel 
mit  Emblemen  und  dem  Bilde  der  Germania. 


Vita  s.  Ludgon  in  Moiiura.  Gem.  Hist.  SS.  U,  4-28;  —  Crecelius  a.  a.  0.  MI.  .3,  9;  —  AV.  U.  B.  Xr.  m,  8.34:  —  Kindlinger, 
V'olmestein  II,  Nr.  27;  —  Kampschulte,  Kircheiipatrociiiien  S.  95;  --  v.  Steinen  III,  1000  f.;  —  Ficker,  Encrelbert  S.  löc.  — 
Seihertz,  Grafen  S.  '2ö7  ff.;  —  E.ssellon  S.  131;  —   .Mittheilungen  des  Hemi  Pastors  Terberirer;     -  Lokal  -  Untersuchung. 


-':>-<5>-<i^ 


Bönen. 


Kirche    riiicl  ihre    Denkinäler. 


Dass  die  Pfarre  zu  den  altern  zählt,  erhellt 
schon  aus  dem  1836/37  unter  den  Funda- 
meuten der  alten  lürche  gemachten  Funde  zweier 
Todtenbäume,  welche   in  der  , 

Form  jenen  zu  Ehynern  gli- 
chen ,  als  Handgriffe  indess  .  -  ^ 
Kerbe  an  den  Seiten  hatten; 
das  Patronat  der  Kirche  war 
auch  gewiss  längst  dem  St.  He- 
ribertsstifte in  Deutz  übertra- 
gen, als  es  ihm  1147  bestätigt 
wurde.  Der  Ort,  der  1147 
Boine,  1152  Boinen  geschrie- 
ben Auirde,  hegt  auf  einer  An- 
höhe, die  nach  allen  Seiten  eine 
überraschende  Fernsicht  über 
die  Ebene  des  Lippethals  hin- 
weg gar  bis  Münster  gewährt. 
Die  Gemeinde  hat  um  1580 
das  reformirte  Bekenntniss  und 
vor  Decennien  die  evangelische 
Union  angenommen. 

Die  1846  eingeweihte  Kirche  (Fig.  83)  ist 
mit  Rundbogenfensteru  und  geghedertem  Haupt- 
gesims, sonst  ohne  Wölbung  und  Stilzier  nach 
dem  Plane  des  Bauraths  Bucholtz  zu  Soest  auf- 
geführt und  ohne  Frage  die  dritte  in  der  Reihe 
der  Steinbauten;  als  die  Vorgängerin  abge- 
brochen wurde,  zeigten  sich  innerhalb  ihrer  Um- 


fassungsmauern die  Fundamente  einer  schmä- 
lern, also  noch  altern  lürche.     Diese   stammte 
jedenfalls  aus  frühromanischer,  der  zweite  weitere 
Bau  aus  gothischer  oder  spät- 
romanischer Zeit.    Romanisch 
ist  noch  der  viereckige  West- 
thu  rni  (Fig.  84)  mit  dem  vier- 
eckigen Vorbaue,  dessen  Pult- 
dach sich  hoch  an  seine  West- 
mauer legt.    Ihn  kennzeichnen 
matte    Rundbogenblenden    in 
der  untern,  Nischen  und  rund- 
bogige  Friese  in  der  zweiten, 
viereckig  vermauerte   Fenster 
in  der  dritten,  rundbogige  mit 
Mittelsäulchen  von  gedrückten 
Capitälen  und  Rundlöcher  in 
der  obern  Etage,  und  ein  aus 
Wulst,  Kehle  und  Platte  ge- 
bildetes Kranzgesimse :  —  der 
Vorbau  hat.  als  wäre  er  eine 
Fortiflcationsanlage ,      Mauer- 
schhtze  und  ebenso  wie  der  Eingang  des  Thur- 
mes  einen  seltenen  Thürschluss,  nämlich  einen 
aus  besonders  zugeschnittenen  Steinen  constriiir- 
ten  Giebelbogen. 

Die  Ostmauer  des  Thurmes  ruht  auf  zwei 
von  einem  höhern  Bogen  überfassten  Rundbögen 
einfacher   Behandlung,   welche  jetzt  vermauert 


13 


08 


BÜXEN. 


sind,  themaLs  aber  die  Communication  des 
Schiffes  und  der  untern  Thurmräume  vermit- 
telten. Den  Stilcharakteren  und  der  Behand- 
lung,' zufbl<.n'  mochte  dieses  Westwerk  um  die 
Mitte  des   12.  Jahrhunderts  er-  , 

liuut  sein  etwa  kurz  nachdem  das  £- 

Stift  zu  Deutz  das  Patronat  er- 
worben hatte. 

An  illtercn  Denkmillern  finden 
wir  nur  drei  Glftckeir.  Die  ältere 
enthalt  zwischen  Reifen,  die  oben 
und  unten  mit  Arabesken  besilumt 
sind,  fol!,'ende  Inschrift  in  Minus- 
keln mit  mehreren  Majuskel-Ini- 
tialen und  Lilien  zwisclu-n  den 
Worten : 

Maria  hctc  ick. 

De  levendi^'cn  ro])  ick. 

De  doden  heuere  ick. 
\Voltc7'    Wester hucs    ^'odt 
jar  inccccc.xxiii. 
Die  zweite  mit  allerhand  Bild-  und  Blattzierden 
S.  A'„'atha  p.ilroiia  .  lohan  We^Mier  ])a>tor  .  . 
Aiitonms  Paris  nie  fecit   l65t)  —   nach  an 
derem  Berichte  l<>'t2. 


nii)    m    den 


Die   dritte   mit  Reifen  und  Arabesken  um- 
zogen hat  die  Inschrift: 

S.  Catrina  .  .  .  Anno  XXXI.;    und   wirk- 
lich   nahm   nach    einer  Notiz  des  Pfarrarchivs 
die  Gemeinde  1631   ein   Capital 
_  auf.  um  damit  den  Glockengiessern 

—  Peter  und  Xiclacs  Goevtatitieti  (V) 

im  Lothringerlande  den  Guss  einer 
Glocke  zu  bezahlen. 

Fraglich  bleiVit.  ob  einer  der 
Glockenpatrone   auch  jenem  der 
Kirche  entspriclit.     Der   Meister 
W'esterhues  war  Bürger  zu  Mini- 
ster und    seiner  Zeit   einer  der 
bedeutendsten  und   gesuchtesten 
GlockenkUnstler:  —  Anton  Paris, 
ein  Franciskaner.   hat  gleichfalls 
viele  Arbeiten  im  Norden  wie  im 
Süden  der  LipjK'  hinterlassen,   die   sich   indess 
mehr  durch  Festigkeit,  als  durch  Fornienschön- 
heit  auszeichnen. 

Die  frühere  Orgel  ist  Dis?  von  Conrad 
Winbreiicker  für  407  Tlilr.  47  Stüber.  —  die 
gegenwärtige  um  1846  von  Bucholtz  zu  Berlin 
gebaut. 


Rittei>iitze. 


Vom  Grte  BOneii,  vielleicht  vom  Haui)thufe, 
führte  den  Namen  das  Rittergeschlecht  von 
Bönen.  welches  WWl  in  der  Nähe  des  Kölner 
Erzbischofes  durch  einen  Herman  bedeutsam 
hervortritt  und  dann  den  (irafen  von  der  Mark. 
sol)ai(l  diese  am  HcUwege  die  Anker  ihrer 
Herrschaft  auswerfen,  die  wesentlichsten  Dienste 
leistet.  Ludolf  von  Bönen,  seit  1201  auch  ur- 
kundlich genannt,  verwaltete  damals  das  Amt 
eines  Drosten  und  vollführt  für  seinen  Herrn 
die  verantwortlichsten  (iescbiifte.  Auf  einen 
alten  Rittersit/.  der  im  Süden  der  Kirche, 
etwa  an  Stelle  des  Schulteidiofes  Haren  lag, 
deuten  die  Beste  eines  breiten  Binggrabens.  die 
im  Boden  entdeckten  Holzjjfosten  eines  Thores. 
(las  von  dort  auf  den  Kirchlutf  führte,  weiterhin 
di«'  Namen  ,Wittebnrg'  und  ,Village*  für  Grun<l- 
stilcke  im  Osten  und  Westen  jenes  Hofes. 

Nicht  minder,  wie  durcli  Alter  und  Verdienst, 
bat    sich    die    Familie    auch    durcli    ihre    Ver- 


zweigungen hervorgethan,  die  zwar  besondere 
Namen  führten,  jedoch  mit  dem  gemeinsamen 
Wappenzeichen  einer  hangenden  Kette  ihre  alte 
Stammverwandtschaft  verkündeten.  Als  Stamm- 
haus dürfte  indess  nicht  Bönen,  vielmehr,  wenn 
anders  dasAVappen  ein  sprechendes  ist.  Ketting- 
hausen  gelten.  Das  ("ie<chlecht  der  von  Kete- 
cusen  taucht  ll.')2  durch  einen  Herman  in 
einer  Urkunde  des  Kölner  Erzbischofs  Arnold, 
und  zwar  neben  dem  genannten  H(>rman  von 
Bönen  auf,  um  daim  für  immer  zu  verschwinden 
und  Mahr.^cheinlich  Wap|)en  und  Besitz  auf  die 
von  Bönen  und  deren  Abzweige  zu  vererlien. 

Das  Haus  Kettinghausen  liegt  in  nörd- 
licher Nähe  von  Bönen.  als  Privateigentum  seit 
.lahrzehnten  .seiner  alten  (iebäulichkt'itcn  und 
bur-rartigen  Anlagen  bis  auf  Grabenreste  baar. 
obwol  es  als  dojipelter  Bittersit/.  als  .Mt-  und 
Neu-Kettiughausen,  in  miser  .lahrhunderl  ango- 
lani:t  war. 


lUTTEIWITZE. 


99 


Zu  Bögge  (Bofjfjß,  Bucfjhe,  Bufjcje)  wird  der 
länderreiche  Hauptliof  schon  früh  Eigentum,  dann 
Lehengut  des  Klosters  Werden  und  Sitz  eines 
Rittergeschlechts,  wovon  1210  ein  Waldbret  be- 
kannt wird.  Nachdem  dieses  Geschlecht  in  der 
ersten  Hälfte  des  IG.  Jahrhunderts  erloschen, 
wechselte  das  Besitztum  in  verschiedenen  Fa- 
milien und  gehört  jetzt  dem  Freiherrn  vonQuadt- 
Huchtenbrock.  Dersel)3e  hat  ausserhalb  des  alten 
Beringes,  und  zwar  an  der  Südseite  ein  neues 
Herrenhaus  aus  Backsteinen  aufgeführt.  Der 
alte  Schlo  SS  platz  liegt  als  längliches  Viereck 
in  einem  nur  östUch  theilweise  geebneten  Graben- 
gürtel und  zeigt  im  Westen,  wo  auch  die  Was- 
serfläche sich  verbreitert,  als  einsame  Insel  die 
Stätte  der  einstigen  Hauptburg,  im  Osten  die 
wol  später  erst  erweiterte  Vorburg  mit  neuen 
Oekonomiegebäuden ,  dem  alten  Ost-Tliore  und 
dem  langen  Wohnhause  an  der  südlichen  Lang- 
seite. Das  Thor,  von  wo  angeblich  ein  unter- 
irdischer Gang  zum  Wohnhause  führte,  ist  rund- 
bogig  aus  Backsteinen  erbaut,  der  Bogen  con- 
centrisch  mit  verzierten  Hausteinbossen  durch- 
setzt, das  Wohnhaus  nach  der  Tradition  und  dem 
einfachen  Aeussern  um  1800  aufgeführt,  und  zwar 
an  Stelle  des  alten  schönen  Herrenhauses,  das, 
wie  auch  die  Steinfundamente  des  Bodens  erge- 
ben, den  Westraum  der  Vorburg  einnahm.  Dies 
entstammte  also  schon  der  neuern  Zeit,  ebenso  wie 
der  Steingürtel  dieses  Westraumes,  der  wie  die 
Bossen  des  Thores  mit  den  Resten  seines  Fun- 


daments und  seiner  Eckrondele  auf  die  zweite 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  weist,  wo  eben  die 
FamiUe  von  Hoete  dem  Stammgeschlechte  im 
Besitze  gefolgt  war. 

Im  Osten  vor  dem  Thore  steht,  von  einer 
kleinen  Baumgruppe  umgeben,  der  schmale  noch 
grünende  Rindenstreifen  einer  vormals  sehr 
mächtigen  Linde,  die  allgemein  als  Fehmlinde 
gilt  und  sicher  als  Mittelpunkt  des  Hofesgerichts 
gelten  darf,  welches  dort  der  Herr  von  Bögge 
als  Hofschultheiss  vor  seinem  Oberhofe  abhielt. 

Auch  die  Familie  von  Bögge  theilte  das 
Wappen  der  von  Bönen,  ebenso  jene  nach  ihrem 
Haupthofe  benannte  Famihe  von  Xorthof;  ihre 
Güter  berühren  sich  fast  mit  den  Häusern  Ket- 
tinghausen  und  dem  Orte  Bönen;  wer  möchte 
da  nicht  auf  einen  gemeinsamen  Familienstamm 
und  einen  später  zu  Gunsten  der  Familien- 
glieder zersprengten  Besitz  schUessen:  doch  wer 
wird  ohne  nähere  Nachrichten  dem  Geheimnisse 
den  Schleier  entziehen,  wo  der  Urstamm  steckt, 
wann  und  wie  die  Verästelung  der  Famihe  und 
die  Zertheilung  des  alten  Besitzes  erfolgte? 

Von  dem  Rittersitze  Bj'ukhof.  der  sich  im 
Westen  an  jene  Güter  schliesst,  sind  nur  ein 
viereckiger  Hofplatz  mit  alten  und  neuem 
Oekonomiegebäuden,  der  Ringgraben  und  auf 
weiterer  Entfernung  ein  zweiter  Grabengürtel 
im  Süden,  Westen  und  halb  im  Osten  übrig 
geblieben.  —  Sonst  athmet  das  ganze  Anwesen 
die  Ländlichkeit  eines  Bauernhofes. 


Reg.  H.  "W.  Xr.  ]G97,  1780;  —  X.  U.-B.  IV,  Xr.  G28;  —  Anzeiger  für  Kunde  aoutsch.  Vuraeit,  1871,  S}).  löS;  —  Essellen,  Bonner 
Jahrbb.  52,  lü9  ;  —  Bädecker-Hejjjie  U,  429 ;  —  Allerhand  Mittheilungen  des  Kenn  Pastors  Güsters ;  —  Ueber  den  Glockeng-iesser 
AVesterhues  vergl.  Nordlioff,  Denkwürdigkeiten,  S.  52;  —  über  Paris:  meine  Kunstgesch.  Beaehungen  zwischen  dem  Rheinlande 
u.  AVostfaJen,  S,  56.  —  Ueber  die  Rittersitze:  N.  U.-B.  I,  Xr.  374;  —  "W.  U.-B.  m,  Xr.  1,  62;  —  Reg.  H.  AV.  Index  s.  v.  Mark 
am  Ende;  —  von  Steinen  HI,  926  ff.;  —  Esseilen,  S.  149,  150.  —  Local-Untersuchung  imd  -Aufnahmen. 


Heeren. 


Ivirclie    vin<i    ihi'e    Denkinäler. 


Heeren,  früher  Herne,  Hernen,  begegnet  uns 
zuerst  1178,  wo  sich  ein  Ministerial  Ger- 
hard von  Herne  darnach  benennt,  und  zählt  als 
Pfarre  noch  zu  den  mittelalterlichen.  AVahr- 
scheinlich  ist  sie  von  Brechten  abgezweigt  und 
diese  als  Mutterpfarre  von  grosser  Ausdehnung 
gewesen.    Wenis-stens  verlauo'te  noch  1359  der 


Pfarrer  zu  Brechten,  Johan  Jseking,  vom  Rector 
der  Kirche  zu  Heeren  den  .canonischen  Theil* 
der  Gebühren,  als  Randolf  Hake,  welcher  auf 
einer  Geschäftstour  nach  dem  Hause  VoUenspit 
zu  HeiTingen  im  Wasser  umgekommen  war, 
nach  seiner  Wohnstätte  Heeren  zur  kirchlichen 
Beerdiguno'  überfidirt  wurde;  und  als  ihm  die- 


J 


13^ 


lUM 


HEEREN. 


I  selben  .rechtswidrig'  verweigert  werden,  beauf- 
tragt der  Archidiacon  die  Pfarrer  zu  Camen. 
dem  Confrater  in  lirechten  innerhalb  sieben 
Tagen  zu  seinen  Gebühren,  also  zu  den  kenn- 
zeichnenden Ueberbleibseln  des  alten  Pfarrver- 
Ijandes.  zu  verhelfen.  Da.  später  wenigstens, 
der  Landesherr  das  Patronat  hat  und  1049  gegen 
jenes  der  Kirche  zu  Lünern  mit  dem  Besitzer 
des  Hauses  Heeren  vertauscht,  so  werden  als 
HauptgOnncr  der  Kirchengründung  die  Grafen 
von  der  Mark  anzusehen  sein.  Seit  1590  hing  die 
Gciiu'inde  dem  lutherischen,  seit  Anfang  <lt's  17. 
.laliiluinderts  dem  ref<jrmirteii  Bekenntnisse  an. 
Die  einschiffige  Kirche  mit  dem  viereckigen 
\\'esttlnirme  zeigt  eine  wunderliche  Bauweise, 
der  Thurm  in  seiner  modernen  Kestauratiun 
spitzbogige  Fenster  und  gothisirende  Profile, 
im  Ostfenster  jedoch  noch  eine  ursprüngliche 
Oeffnung  mit  Mittelstab  und  Fischblasenbe- 
kröiumg,  der  durch  einen  ungeghederten  (^uer- 
gurt  vom  Langhause  gesonderte  Chor  einen 
Schhiss  von  drei  Seiten,  welche  mit  den  Linien 
der  Langwilnde  und  des  (^uer^urts  ein  unregel- 
milssiges  Sechseck,  die  Grundlage  eines  ebenso 
irregulilren  Gewölbes  l)ilden.  dessen  Kippen  in 
einem  mit  einem  gelockten  Haupte  l)emeissel- 
ten  Schlussteiu  zusammentreffen.  Das  ein- 
schiffige Langhaus  hat  drei  sehmale  Kreuzge- 
wölbe mit  starken,  bloss  gekehlten  Kij)pen  und  roh 
gegliederten  AN'andconsolcn ,    fast    durchgehends 


zweitheilige,  mit  Dreiblatt  abgeschlossene  Fen- 
ster und  im  Aeussera  steife  Strebepfeiler.  Da 
die  charakteristischen  GUeder  mehr  gothisirend 
als  gothisch  erscheinen,  dürfte  der  Bau  erst  mi 
10.  Jahrhunderte  abgeschlossen,  das  eine  oder 
andere  Detail  vielleicht  später  hinzugekommen 
sein,  ^vie  denn  noch  1730  eine  neue  Bedachung 
und  Ausbesserung  des  Mauerwerkes  eintrat.  Als 
untiefilhres  Vorbild  galt  dabei  wol  das  westlichste 
Gewölbefeld  des  Langhauses,  welches  allein  eine 
klare  Durchführung  spätgothischen  Stiles  in  den 
Fischblasen  der  Fenster  und  dem  Profile  der 
Hilipenconsolen  darstellt:  die  AVölbung  setzt  hier 
schlank  und  hoch  an  das  Mauerwerk,  in  den 
Osttheilen  niedriger  und  ungelenker,  wie  denn 
auch  die  Dachlinie  beim  Uebergange  zum  öst- 
lich'Mi  Afauerwerk  merklich  sinkt.  —  Die  schlanke 
Thurmpyramide  neigt  ähnlich  jener  der  grossen 
Xachbarkirche  zu  Camen  nach  Süden. 

Eine  Orgel  ist  1700  vom  Meister  Alber ti 
aus  Dortmund  gebaut.  —  Von  den  Glocken 
tragen  die  grösste  und  die  kleinste  foljrende  In- 
schrift: In  honorem  Del  vor  da>  Kirch>iiiel 
Heeren  nie  fudit  Stocky,  Opherdicke,  17MH;  die 
mittlere:  Hcuricus  Petit  nie  fecit  \~<)\\.  —  Das 
Kirolieubieuel  stellt  dar  einen  schreitenden 
Widder  und  in  zwei  Kreisen  ringsher  die  Le- 
Lrende:  .Sit^illimi  •.•cclcsiae  HenieiiHS  K^jl  (r) 
I)onlinu^  providehit.  Die  letzten  Worte  und 
der  Widder  beziehen  sich  auf  L  Mos.  22.  8,  13. 


RittcM'isitx  nii<l  :iii<lt»i'e  Deiilcinülor. 


Seit  alter  Zeit  lagen  hier  nördlich  vom  Dorfe 
zwei  Bitterburgen  in  einer  anmutigen  (Jegend. 
welche  die  Seseke  durchrieselt.  Die  eine,  die 
jedciit'iilU  \\\\-  »liMi  Lileicliiiamigen  Haupthofe 
liervopjegangeii  war.  besassen  117^<  der  urenannte 
Geili;inl  von  Herne  und  seine  Nachkommen, 
kiiiini  liiimlert  .laliir  spllter  die  von  Dobbe,  dann 
durch  lOrbgang  um  l;i7S  die  von  der  Hecke- 
("amen:  die  andere,  die  Hakenburg  oder  das 
Hakengut.  war  ursprünglich  von  den  Haken  be- 
wohnt, 13S!>  anscheinend  durch  eine  Krbtochterauf 
die  von  Sobbe,  auf  die  von  Klverfeld  und  von  die- 
sen gleichfalls  an  die  genannte  Linie  v(»n  der  Hecke 
gekommen,  so  dass  Dietrich  von  der  Becke  um 
1  100   hcide    Btsitzunuen    zu   eiivm    L'itterLMite 


verschmolz.  In  diesem  herrlichen  Anwesen  folg- 
ten ge'jfen  Ende  des  1().  .Jahrhunderts  die  von 
Bodelschwingh.  im  Beginne  des  folgenden  die 
von  Hüchtenbrock,  1  (>79  die  von  Plettenberg  zum 
SchwarzenbcriT.  1S(U  die  freiherrliche  Familie 
von  Bttdel>chwingh-Plettenl»erg.  Währeiul  das 
eine  Haus  unter  den  HtU'btenbrock's  abgebrochen 
und  heute  an  seine  Stelle  im  Nordwesten  von 
diesem  nur  noch  an  dem  Namen  .Heckehöff. 
an  Grabentiefen  und  Baufundamenten  nachzu- 
weisen ist,  wurde  dieses,  welches  dem  D«»rfe 
näher  lag.  nach  einer  Inschrift  vielleicht  1  «»(>(> 
einer  Bestauration  unterworfen  und  anscheinend 
von  .lobst  Heijirich  Freiherni  von  PlettenlxTg, 
Erbherrn  zu    Schwarzenberg.   völlig   ausgebaut. 


j^ 


UTENSILIEN  INI)  KLEINODIEN. 


101 


Viereckig  und  schlank  steigt  das  Schloss  über 
einem  Souterrain  in  zwei  Geschossen  mit  vierecki- 
gen Fenstern  bis  zu  dem  hohen  Walmdache  em- 
por; —  ein  polygoner  neugothischer  Thurm  mit 
schlanker  Pyramide  an  der  Nordostecke,  ein  vier- 
eckiger Thurm  auf  der  Osthälfte  der  Fa^-ade,  den 
ein  Kuppeldach  mit  Zwiebelspitze  krönt,  der  breite 
Spiegel  eines  Eingwassers,  mächtige  Baumgrup- 
pen an  der  Ostseite  verbinden  sich  recht  ein- 
trächtig, um  dem  an  sich  schlichten,  aber  mäch- 
tigen Werke  eine  bauliche  und  romantische  Wir- 
kung zu  geben.  Sicher  hat,  laut  dort  aufbewahr- 
ten Notizen  und  Wappendaten,  jener  Plettenberg 
den  Süd  heben  Vorplatz  in  jener  sauberen  Art 
an  drei  Langseiteu  mit  den  Oekonomie-  und 
Natzbauten  eingefasst,  wie  \nr  sie  heute  dort  an- 
treffen. Sie  sind  nicht  hoch,  doch  stellenweise 
mit  Zier  ausgeführt  und  über  den  Hauptportalen 
riindbogig  gewölbt.  Vor  der  freien  Flanke  im 
Norden  liegt  geschieden  durch  den  hier  engen 
Wassergürtel  das  Schloss  und  gewährt  eine 
angenehme  Aussicht  auf  deu  Yorhof  und  durch 
die  im  Süden  angelegte  Einfahrt  auf  die  der 
Kirche  vorbeifährende  Allee  zum  Dorfe.  Von  dem 
ehemaligen  Kiuggraben  des  Vorplatzes  gewahrt 
man  nur  mehr  eine  trockene  Bodensenkung. 

Ein  noch  lebhafteres  Interesse,  wie  dem  Baue, 
gebührt  den  Kunstwerken  und  Werthstücken, 
die  dem  Innern  Schmuck  und  ein  Grepräge  des 
Beichtums  gewähren.  Würdig  im  nattirhchen 
Holztone  und  stilvoll  ausgeführt  prangt  die  alte 
Holztäfelung  des  Speisesaales  vom  Jahre  1765; 
nicht  nur  das  Ornament  der  Flächen,  sondern 
auch  das  Kahmenwerk  der  Thüren,  Schränke 
und  der  gemalten  Familienportraits,  welche  in 
den  Baum  hinabschauen,  athmen  den  ungebun- 
denen und  scheinbar  gesetzlosen  Geist  des  zei- 
tigen Bococco;  unter  den  Portraits  sticht» her- 
vor eine,  nach  dem  auch  nicht  gleichzeitigen 
Originale  zu  Nordkirchen  gefertigte,  Copie  des 
grossen  Deutsch -Ordens -Meisters  Walther  von 
Plettenberg  (1493—1535). 

Dazu  kommen  ein  1,625»«  hoher  0,865»^ 
breiter  Spiegel  im  Bahmen  und  selbst  in  der 
krausen  Umrandung  des  Halbkreisaufsatzes  aus 
Glasleisten  gebildet,  zwei  Spiegel  mit  Silber- 
rahmen, der  grössere  davon  in  geschweifter 
Form  0,56m  hoch  0,43wj  breit,  der  andere  mit 


dem  Bodelschwingh'schen  Dojipelwappen  und  den 
I*uchstaben  C.  v.  B.  —  weiterhin  als  eingelegte 
Möbelarbeiten  aus  dem  Ende  des  vorigen  Jahr- 
hunderts zwei  Schränke:  der  eine  ist  ein  Stollen- 
schrank in  den  Fronten  der  beiden  Thüren  auch 
mit  zwei  Wappen  belegt,  der  andere,  eine  Com- 
mode,  hat  bei  l,84w  Höhe  und  l.l9m  Breite  eine 
wellige  Fronte,  einen  etwas  Aerjüngten  Aufsatz  und 
unter  den  eingelegten  Oniamenten  auch  Blumen. 
Vom  alten  Familienschatze  ist  im  Anfange 
unseres  Jahrhunderts  manches  Stück  auf  dem 
Altar  des  Vaterlandes  geopfert,  und  dennoch 
beruhen  hier  Kleinodien,  die  durch  die  Form, 
die  Technik  oder  die  stiUstische  Zusammenge- 
hörigkeit jeden  Beschauer  fesseln  werden.  Ein 
Pokal  aus  Kokosnuss,  im  silbernen  Deckel,  im 
Fusse  und  Eahmenwerk  mit  Früchten  und  Linien- 
werk verziert,  gehört  der  Spätrenaissance  an:  die 
Averthvollsten  oder  niedhchsten  Sachen  sind  um 
1700  im  reichen  Barockstile  gefertigt:  so  ein 
einfacher  Henke Ibecher  mit  dem  Stempel  HK, 
eine  Terrine  mit  Becken  bestempelt  mit  einem 
links  schauenden  Adler  und  dem  Meisterzeichen 
G.  M.  A.,  ein  silberner  Vexirbecher  mit  den 
Marken  des  Tanuenapfels  und  den  Buchstaben 
P.  S.,  ein  mit  Lasurstein  belegtes  Silber  be- 
steck und  ein  zweites,  dessen  Löffelchen  die 
Marke  des  Tannenapfels  tragen,  ein  Abend - 
mahlsbecher  gestellt  auf  Füsse  mit  drei  anti- 
kisirenden  Köpfen,  ein  Kelch  mit  dem  Teller 
formvoll  im  Stile  der  Zeit  durchgeführt  und 
beschrieben :  lobst  Henrich  von  Plettenberg  und 
Anna  Sophia  \'on  Huchtenbrock,  Herr  und 
Frau  zu  Heeren  geben  diesen  Kelch  den  25.  No- 
vember A°  1695.  Entstammen  diese  Stücke 
meistens  Augsburger  Werkstätten,  so  schil- 
lern und  glänzen  Avie  kleine  Siegeszeichen  der 
Pariser  Goldschmiedekunst  folgende  Kleinodien 
und  Schmucksachen:  ein  Fingerring  mit  sub- 
tilster Steinfassung,  ein  mit  Sammet  und  Gold 
ausgeschlagenes  Toilettenkästchen  von  Silber, 
ein  zerlegbares  silbernes  Schreibzeug,  eine  als 
Petschaft  geformte  Spieluhr  mit  einem  Binge 
von  getriebenem  Golde  mit  Emailzier  —  Ohr- 
ringe mit  Perleu,  ein  Ohrgehänge  mit  Email 
und  echten  Perlen  auf  den  Sicheln  des  Gebom- 
mels,  eine  sehr  reiche  Gürteluhr;  das  Gehäuse 
ist  von  Gold,   die  Rückseite  in  Email  mit  dem 


102 


INNA. 


Bilde  einer  Dame  und  eines  Herrn  bemalt, 
welche  sich  ülx-r  einem  Altare  die  Hände  reichen: 
den  stAlilernen GOrtelhaken  unifribt  ein  (iebommel 
von  kleinen  Haus},'eraten  und  maskirt  ein  Schild, 
der  in  Email  einen  junfjen  ^fann  an  einem  Altare 
unter  einem  Kundtempel  darstellt.  —  Ein  pris- 
matisches Hchältni>s  von  Holz  fdr  Parfünierie- 
(?laschen  von  0,0G7w<  Tiefe,  O.H)2/m  Höhe  und 
0.1:5m  IJreite  mit  Mustern  von  Stahl.  Messinjr. 
EHeiibein  und  EI>enholz  liefert  uns  ein  Heispiel 
einfacherer  Houle- Arbeit.  Zu  diesen  Schätzen 
f^e«;ellen  sich  schöne  Kr\  >taIlpokalc  niit  Wap- 
jK'ii,  Insehriften  oder  Hilder-chniuck:  eines  davon 
zeifft  die  Freundschaft  uml  Liel»e  mit  zwei 
Händen,  welche  die  Kiidt-n  eines  ^reschilrzten 
Knotens  halten  mit  der  Mahnunfr:  Kn  ^■cl()i- 
UMiant  il  sc  scrre.  Endlieh  beansi»rucht  unsere 
Aufmerksamkeit  das  l«il»8  20  li  dem  Jobst 
Henrich  von  I'lettenberi?  in  damals  tlblichem 
Schmucke  vom  Kaiser  I^opold  verliehene  Frei- 


herru-Diplom :  es  ist  gebunden  in  rothem  Sam- 
met.  bekräftigt  mit  dem  rotheu  von  einer  Holz- 
kapsel geschützten  O.IIj;«  weiten  Siegel,  und 
dies  mittelst  einer  Sill)erkordel  mit  dem  Docu- 
mente  verbunden.  In  dem  Xamenszuge  des 
Kaisers  klebt  noch  der  eingestreute  Goldstaub, 


Auf  dem  Clothmanns-Hofe  werden  sorglich 
bewahrt  als  einstiges  Geschenk  vom  Hause  Heeren 
sieben  theilweise  beschädigte  Schalen  altchiuesi- 
schen  Porcellans  von  0.23m  bis  0,38omj  Durch- 
messer mit  gleichförmigen,  vorwaltend  in  hellem 
Hoth  gehaltenen  Ziennustern  und  sechs  Paare 
formvoller  Messer  und  Gabeln,  wovon  die 
erstem  auf  der  Klinge  ein?etiefte  Ornamente  mit 
Spuren  alter  Vergoldung  haben.  —  Vom  alten 
schon  unter  den  Recken  mit  dem  Gute  Heeren 
vereinten  Kittersitze  Werve  kennt  man  nur  mehr 
die  Stätte,  nämlich  eine  Wiesenfläche  im  Nord- 
westen des  Dorfes  gleichen  Namens. 


U-.-.  n.  W.  N'r.  2«H<>;     -  KamiiM-hnlte.  S.  Oft;   —  L'rk.  von  1.^9  in  Tit>ss'  Wt-stphalin.  isi'i. 
h<»<:   --  (ii-M-h.  d.  H<Tn>!i  von  iler  Ret-ke,  S.  '£i  ff.;  —  Milthoiluniren  do>-  ILo-.,   l':i.t,,r»  i 


S.  löi;  - 

;i:ltM-'i)liirvt 


von  Steinen  IV.  si2,  806, 

-   T-..M!n,i!..r-ii,l,i.M-. 


l 


1  1  11  .-  I  . 


ITnna  l'tthti.  I  nn/zx  —  llossen  seit  dem 
j  'grauen  Altertiinn'  die  besten  Hiilfs(iuellen. 
einem  Hrte  Ix'ben.  Wachstum  und  Gewerbe- 
tliätiu'keit  zu  bringen:  rinirsher  die  Punkte 
alter  (Jottesverehrung  und  Volksversammlungen, 
eine  einzig  kornreiche  Umgegend,  wichtige  Ver- 
kehrswege aus  allen  Kichtungeii  und  der  nahe 
Könitrsborn  mit  seinen  Salzwässern. 

Di«'  Kinhe  zu  l'nna  ist  sicher  eine  Mutter- 
kirclif.  ihre  Patmne.  dir  li.  Clemens  von  Kom 
sowie  die  Heiligen  Dionvsjns  uml  Nicomedes. 
zählen  zu  dt'ii  ersten  Hhitzeuiren  des  Christen- 
tunis.  ihr  Pfarrsprenu'el  ist  langehin  der  ludeu- 
tend^te  der  Dortmunder  Decanie  und  ihre  Kirche 
wird  in  den  l'rkuuden,  als  ol»  diese,  wenn  auch 
spät,  so  doch  verhält nissmässig  richtig  die  älte- 
sten Stiftungen  zunächst  hervorhöben,  von  alleii 
Kirchen  des  Kreises  zuerst,  nämlich  zum  .lahre 
lolu  genannt,  als  Knbischof  Heril>ert  sie  seinem 
Kloster  zu  Deutz  bei  dessen  Einweihuni:  als 
«iesrhenk  l>estätigte.  Sii'  ranirirt  an  dritter  Stelle 


unter  den  sechs  Grosspfarreien,  deren  Archi- 
diacoiiat  sich  \'29,\  der  Dompropst  vorbehält, 
und  bildet  später  selbst  ein  kleines  Archidia- 
conat  des  Abtes  von  Deutz.  Ein  (jerhard  von 
Tiina  begegnet  uns  schon  1148.  Die  Vogtei 
über  die  Kirche  sowie  die  .Turisdiction  über  den 
Ort  handhabten,  vielleicht  Namens  der  Kölner 
Kirche,  die  (Jrafen  von  Isenberg,  bis  124:5  die 
Grafen  von  der  Mark  den  Ort  zur  Verbindung 
des  Altenaer  und  Märkischen  Territoriums  er- 
warben und,  wie  es  heisst,  im  näcli-ten  .Jahre 
mit  Stadt nrhten.  Mauern  und  Kunimännem 
versahen.  \2(V.\.  wo  der  (iraf  mit  den  Kölnern 
eine  heftige  Fehde  besteht,  linden  d^'se  Inna 
befestigt,  brennen  es  nieder,  |dün<lern  die  Kirche, 
fangen  ritterbürtige  Leute  und  andere  Karger,  — 
es  besteht  also  die  Kurgmannschaft  und  als  der 
Mittelpimkt  ihrer  Höfe,  deren  noch  zwei  erhal- 
t<'n.  anden»  nachzuweisen  sind,  gewiss  jetzt  schon 
die  gräfliche  Kurg.  Im  Friedensverträge  12r».*» 
wenlen  dem  ( >rte  nur  schwache  Werke  bewilligt. 


KIJiClIEXJJAU. 


103 


docli  schon  1290  haben  sich  die  Ansiedehmgcn 
ausserhalb  der  Mauern  so  gemehrt,  dass  sie  der 
Kechte  der  übrigen  Stadt  theilhaftig  werden. 
Unna  rühmte  sich  einer  gräfüchen  Residenz, 
einiger  Burgmilnner,  einer  wachsenden  Bevöl- 
kerung —  und  daneben  eines  Freistuhls  oder 
einer  ,Freigrafschaft',  eines  Gogerichtes,  eines 
Amtsitzes,  eines  besuchten  Marktes,  mit  Hamm 
der  zeitweisen  Theilnahme  an  der  Hanse,  statt- 


licher Festungswerke,  im  14.  .Tahrhundf-rte  einer 
gräflichen  Münzstätte,  später  guter  Brauereien 
und  raugirte  fast  regelmässig  an  zweiter  Stelle 
unter  den  Städten  der  Mark.  1377  sah  die  Stadt 
Kaiser  Karl  auf  einer  Heerfahrt. 

Heute  laufen  ihr  wieder  von  vier  Seiten 
Schienenwege  zu  —  doch  von  ihrer  behaglichen 
Vorzeit  reden  laut  nur  mehr  die  grosse  Kirche 
und  das  Kathhaus  mit  ihren  Denkmälern. 


Die    evanaelisclie    Kirche. 


Die  Kirche  ist  nicht  nur  eine  der  schön- 
sten, sondern  auch  eine  der  grössten  der  Mark 
und  bei  ihrem  Stützenwechsel,  ihren  Disposi- 
tionen und  ihrem  Chorumgange  eine  ausserge- 
wöhnliche  Anlage.  Wir  treffen  hier  uämhch 
eine   gothische  Hallenkirche    (Fig.  85,  86,  87) 

mit       mächtigem 
Westthurme    und 
einem    hallenarti- 
gen Chorumgange. 
Der    Chor    wurde 
1389      begonnen, 
1396  14/8  mit  den 
Wölbungen  fertig, 
wie  das   zwei  In- 
schriften   deutlich 
besagen.   Die  eine 
mit    einem   Harz- 
stoffe  gefüllte  in- 
nerhch  an  der  Süd- 
wand  des   Chores 
über  einem  heute 
vermauerten  Ein- 
gange lautet: 
Post  aras  Baptiste  erat  inceptus  chorus  iste 
Et  anno  ter  ccc  m  iunctis  i  minus  xc 
Ut  mimus  interne  fratrum  provocaverat  Herne. 
Die  andere  war  früher  am  Gewölbe  zu  lesen: 
Anno  raccc  nonagesimo  sexto  in  vigilia  assunij)- 
tionis  Marie  testudo  ista  consummata  est. 

Die  Polygonseiten  des  Chores  (vgl.  die  Tafel) 
sind  von  den  schmalen  Seiteuschiffen  hallenartig 
hoch  umgeben,  Chor  und  Umgang  mit  fünf 
Seiten  eines  Achtecks  geschlossen,  die  sechs 
zugehörigen  Säulen  mit  je  vier  Diensten  be- 
setzt, die  Basen  scharf  geghedert,  die  Capitäle 


lOi 


UNNA 


bis  auf  die  polyj^'oneii  der  Iimendieuste  kurz 
glockeiilVjrmig  und  mit  einer  proülirteu  Platte 
belegt.  Die  beiden  Gewölbestützen  der  oblongen 
Chorvorlage  bieten  dagegen  einen  kreuzförmigen 
Durchschnitt  mit  gefasten  Ecken  und  je  vier 
p]ckdiensten.  und  steigen  wie  die  ähnlich  gebil- 
deten Wandstützen  ohne  Kämpfer  oder  Capital 
zur  A\'Olbung  hinauf.  Davor  legt  sich  mit  fünf 
Gewölbejochen,    das    westlichste    des    Thurme< 


mitgerechnet,  das  Langhaus,  und  zwar  so.  dass 
die  drei  ersten  Joche  niedriger,  ihre  Abseiten 
fast  so  breit,  wie  das  ^Dttelschiff,  ihre  Stützen 
einfache  Kundsäulen  (Fig.  88)  mit  gedrückten 
glockenförmigen  doch  reicher  gegliederten  Deck- 
jdatten  sind,  wogegen  die  beiden  westlichen 
.loche,  denen  als  Stütze  die  beiden  runden  Thurm- 
pfeiler  dienen,  die  Höhe  des  Chores  erreichen. 
Das  vorletzte  davon  entspricht  wieder  dem  ersten 


f:Z:o 


Joche  des  Langhauses  dadurch,  dass  in  beiden. 
nur  in  verschiedener  Richtung,  sich  die  Ot-wülhe 
trapezförmig  gestalten,  Aveil  die  Seitenschiffe  hier 
breiter,  dort  wieder  nach  Massgabe  der  engen 
Seitenräume  des  Thurmes  schmaler  werden. 
Sehen  wir  al)  von  den  feineren  Stileharakteren, 
die  überhau|>t  di  in  ganzen  Innenbau  nur  massig 
zugetheilt  sind,  so  müssen  uns  schon  die  ver- 
schiedenen Hreilcii  und  Höjien  des  Schiffes  und 
nicht  mindir  die  ungleichartige  Gliederung  der 
Sttltzen  die  NerinutuuLT  erwecken,  dass  es  sich 
hier  um  ein  Hauwerk  ungleichzeitiger  Entste- 
hung handelt.  Der  Chor  entstammt  einer  andern 
und  zwar  altern  Periode  als  das  Lanijliaus.  dies 
erscheint  als  das  Pesultat  eines  Gesammtent- 
wurfes,  jedoch  einer  nach  einander  von  Osten 


gen  "Westen  fortschreitenden  Ausführung,  und 
die  Unregelmässigkeit  ihrer  beiden  AVestjoche 
bedingt  von  der  vielleicht  erst  später  so  ge- 
planten Anlage  des  Thurmes.  zumal  da  Ix'ide 
Joche  in  ihrer  Gesammtlänue  genau  den  beiden 
Itenachbarten  Ostjochen  entsjirechen.  also  in 
ihren  Umrissen  ganz  zum  Linghause  passen. 
Ihre  Abweichuniren  in  den  Höhen-  und  Preit«'n- 
verhältnissen  der  Schiffe  erklären  sich  leicht 
dadurch,  dass  man  den  Tliurm  von  (juadrater 
(Jrundform  etwa  erst,  nachdem  <lie  dn-i  Ost- 
joche abgeschlossen  waren,  bis  auf  die  West- 
mauer und  Streben  ins  Lmghaus  schob,  seinen 
Unterraum  in  die  Persi>ective  des  Schiffes  zog, 
v\n  wirkun(?svolK's  Westfenster  plante  —  dies 
Alles  wäre  nur  dürftig  oder  schwerHlUig  ausgo- 


kikcjiem;al'. 


105 


fallen,  wenn  die  Gnrten  des  Thurmes  nicht  über 
jene  der  drei-  Ostjoche  erhoben,  nicht  höher 
angesetzt  und  weiter  geöffnet  worden  wären. 
Mit  dieser  Massnahme  änderten  sich  von  selbst 
die  Breiten-  und  die  Höhenverliältnisse  der  West- 
joche, insofern  die  inneren  Thurmpfeiler  (Fig.  89) 
auch  ihre  Stützen  wurden,  üie  Abseiten  der 
letzten  beschränkten  sich  auf  die  Seitenräume, 
die  Joche   der  vorletzten  gestalteten  sich  nicht 


blos  unregelmässig,  die  Wölbung  beider  stieg 
bis  zur  Höhe  der  Thurmgurteu  empor  und  war 
östlich  mittelst  kleiner  Kundsäulchen  auf  das 
nächste  Säulenpaar  zu  setzen.  Die  Gurten  des 
Chores  erscheinen  blos  abgeeckt,  die  des  Lang- 
hauses zugleich  gekehlt,  wie  sämmtliche  Kippen 
(Fig.  90),  die  Profile  am  Chore  sonst  reicher, 
am  Mittelbau  noch  kräftig,  am  Westbau  flacher 
gehalten  (Fig.  91,  92,  93).    Mit  gewissen  Aus- 


r.-ioo 


nahmen  herrschen  vom  Chore  bis  zum  Thurme 
Kreuzgewölbe,  als  seitliche  Stützen  Wandsäul- 
chen  mit  Capitälen,  und  zwar  am  Chore  schlanke 
mit  polygonen,  am  Laughause  stärkere  mit 
glockenförmigen  Capitälen,  an  den  drei  niedrigem 
Jochen  des  Langhauses  dreitheilige,  sonst  vier- 
theilige Fenster  mit  reichen  Bekrönungeu  und 
edlen  Mustern  —  das  Letztere  namentlich  am 
Chore.  Dass  die  Fenster  am  Chorumgange  bei 
ihrer  Höhe  und  Breite  keinen  Platz  für  den 
Ansatz  einer  Rippe  beliessen,  bedingte  dort  die 
eigentümliche  Kappeneintheilung  und  Eippeulage 
der  trapezförmigen  Gewölbe,  so  dass  das  erste 
Paar  noch  vier  Kappen  aber  von  ungleichen 
Basen,  die  Aussenkappen  der  drei  ttbiigen  je' 
eine  Dreitheilung  erhielten.    Im  vorletzten  West- 


joche wurde  die  Rippe  der  beiden  Seitengewölbe, 
welche  an  die  Thurmpfeiler  griff",  in  zwei  zer- 
legt und  diese  je  wieder  mit  einer  kleinen  Mittel- 
kappe gefüllt.  Eingänge  gerade  gedeckt  unter 
Fenstern  liegen  im  Norden  und  Süden  des  dritten 
Joches  von  Westen,  zwei  vermauerte  östlicher 
bereits  in  den  Seitenwänden  des  Chorumgauges. 
ein  Westportal  (Fig.  94)  im  Thurme.  Walu- 
scheinUch  als  Rahmen  für  Bildwerke  ist  inner- 
lich in  der  Nordwand  neben  dem  Thurme  eine 
Nische  ausgespart  und  bereits  von  einer  rund- 
bogigen  Proülirung  umrahmt,  eine  andere  jetzt 
im  Tympanum  mit  Blenden  belebt  ^iegt  änsser- 
lich  in  der  südlichen  Langwand  —  vielleicht  der 
Chorschluss  einer  1811  abgebrochenen  Marien- 
kapelle, welche  von  Andreas  Hu  ick  1502  er- 


14 


iD«; 


rxxA. 


baut  und  später  das  Beifrabniss  der  Familie  Zahu 
zu  IJrokhuscii  war. 

Was   uun   die  liauzeit   des  ^Verkes    betrifft, 
halte  ich,  uie  angedeutet,  das  stanze  Laiv^hau-. 
für  jünger  als  den  Chor:  denn  wenn  auch  da> 
KW.       trerintrere  Hnheiiniaass  der  drei  Ostjoche 
f  für  ein  höheres  Alter  sjjrechen  mochte, 

so  streiten  wieder  dagegen  die  kahlge- 
bildeten Eckstützen  des  Chores,  der 
) — '  Mangel  der  Dienste  an  den  Haujtt- 
stützen,  die  selbst  den  Thurmjtfeileni 
nur  auf  gewisser  Hohe  eignen,  ins- 
besondere die  dem  alten  Constructions- 
principe  abholden  Hreitenverhilltnisse 
der  SeitenschiHe  und  die  Einheitlich- 
keit, die  ich  im  Entwürfe  de-^  Langhauses  bis 
auf  die  .Venderung  darlegte,  welehe  der  Thurni- 
b;iu  verursachte,  l'nter  den  Haudaten  kommen 
-i».  daher  statt  jenes  des -Jahres  l:i22.  wo 
das  zwei  Jahre  vorher  abgebrannte 
Ho>;|)ital  mit  seinem  (jotteshau<e  wie- 
der fertiggestellt  sein  mag.  die  urkund- 
lichen zu  Ehren,  dass  14(17  das  ganze 
Liiiighaus  fertig  geworden  sei.  wie  denn  auch 
14(51  zu  lirügge  ein  schönes  (ila>^fenster  als 
Sehnuiek  der  Schülerthnr  mit  den  liildern  de> 
Kaisers,  der  sieben  Churfursten  und  ihrer  Wappen 
verferiigt  wurde,  welches  theils  17J:'.  bfi  einem 

IMJ. 


Mrandf.  iIh-iI'«  ^piiirr  urim  IJiiii-  ciih''-  iiruiii 
Ivircheuilaclies  verd<»rben  wurde.  Der  (iruudstein 
zum  Langhause  mag  weit  früher,  vielleicht  schon 
l»ald  nach  der  Vdlleuduni;  des  Chores  gelegt. 
<ler  .\»i»bau  durch  den  Bruderkrieg  der  Herzöge 
v.tu  Ci.'ve.  d.r  142(1  die  Stadt  selbst  mit  Brand 
heimsuchte.   1  t.'.ö  und  1  l'.s  durch  neue  Feuers- 


briin^te.  wovon  eine  auch  die  Kirche  und  da- 
Armenhaus  ergriff,  unterbrochen  und  mit  ver- 
schiedenen Aenderun'jTen  des  Planes  wieder  aul- 
genommen sein.  Wurde  doch  schon  14(.»7  der 
Bau  eines  neuen  Thurnies  in"s  Auge  gefasst  und 
difür  vom  Käthe  eine  Anleihe  gemacht,  alx'r 
jedenfalls  bis  zum  Abschlüsse  des  Langhauses 
verschoben  oder  wol  erst  mit  demselben  bis  zur 
Höhe  der  Unteretage  durchgeführt:  denn  erst 
1  470.  also  dreizehn  .Tahre  nach  Volleutiung  der 


aV 


£ 


Kirche,  schliesst  der  Kirchmeister  .Johan  Ising- 
h'»ve  mit  dem  Meister  Woltir  von  Dortmund 
einen  Accord  über  seine  Abdeckung.  un<l  diese 
Jahreszahl  fand  sich  auch  DiOO.  als  die  Spitze 
abfiel,  auf  der  Ei.senstange.  welche  den  Hahn 
trug.  Er  tritt  etwas  aus  der  Mauerflucht  vor 
und     steigt    auf    quadratischer  1,3. 

(Grundlage  mit  Eckstreben  und  ,4, 

im  Xordwinkel  mit   polygonem  J=r^ 

Treppenthurme  durch  schöne 
Friede  horizontal  in  drei  (Je- 
schosse  getheilt,  durch  grosse 
mit  reichem  Maasswerk  gemu-terte  Blenden  und 
Fenster  vertikal  gegliedert  empor  um!  schliefst 
heute,  wo  er  nach  Zivinuts  Planen  restaurlrl 
i'^t.  mit  einer  schlanken  lVramiden<pitze.  im 
Mauerwerk  mit  einer  von  Ecküalen  durchsetzten 
Galerie,  die  indess  so  massig  ausgefallen  ist. 
dass   sie  dem  Auge  die  »»-*. 

.Mauern,  statt  sie  zu  er- 

li'ichtern,  beschwert  und  \ 

mit  dem  Aufsteigen  ver-  ' ' 

breitert.        Sümmtliche  ^_ 

^faasswerke  sind  hier  für 
:i  li  nnir.ilini!.  die  ober- 

-:eu    Theile    der    hoch- ^-        ~ 

Sien  Blenden  zu  (»effnungen  durchbrochen,  Veber 
dem  zweitheiligen  mit  wechselvoll  profilirlen  (»«'- 
Wilnden  ausgestatteten  West|MirtaIe  öffnet  sich 
das  hidie  West  fenster,  viert  heilig  und  reich  Im»- 
krönt,  Jessen  Schönheit  indo!<s  dem  Innern  erst 
wenn  die  neuere  Scheidewand  des  Thurmu'efache> 


Kii;(ii;.n;[i:  dknkmäi.i:!!. 


107 


gefallen  ist,  zu  Gute  komiiicii  k;iim,  uinl  dem  Icr 
Westbau  einen  Tlieil  jener  Wirkun«,'  tiud  jkt-  nt-r» 
spectivischeu  Keize  zu  verleihen  ver- 
mag, die  der  hohe  Chor  mit  seinem 
Umgange,  seinen  herrlichen  Gliede- 
rungen und  decorativen  Andiitek- 
turen  jedem  Eintretenden  sofort  ent- 
faltet. Hat  doch  auch  das  Aeussere. 
die  hohe  Breite  der  Chorpartie,  die 
lange  Keihe  der  unveijinigten  Seiten- 
strebeii  mit  den  schönen  Fenstern 
dazwischen  und  der  mächtige  Wesf- 
thurm,  der  mit  dem  mächtigen  Dach- 
werk den  grossen  Bau  würdig  ab- 
schhesst,  einen  imposanten,  .wenn 
auch  strengen  Ausdruck. 

An  äussern  Missgeschicken,  welche 
das  Gotteshaus  betrafen,  seien  ver- 
merkt ein  Sturmwindschaden,  wel-  IIIBHII  i^! 
eher  1660  19/12  die  Thurmspitze 
aufs  Kirchendach  warf,  so  dass  die' 
Hälfte  der  Gewölbe  und  die  Orgel 
zertrümmert  wurden,  daher  eine  Re- 
stauration der  Gewölbe  und  des 
Daches  in  den  Jahren  1661/63  — 
1663  Inschrift  eines  Schlussteines 
im  Mittelschiffe  —  der  Orgel  1665, 
der  Thurmspitze  1667  eintrat;  —  so- 
dann ein  Brand  vom  Jahre  1723 
27/2,  der  das  Dach  und  die  Thurm- 
spitze fortnahm.  1747  erst  führte 
der  Baumeister  N'ölle  aus  Lüden- 
scheid die  bis  zur  neuesten  Restau- 
ration erhaltene  kuppeiförmige  Da- 
chung des  Thurmes  auf.  In  einem 
Schlussteine  des  südlichen  Seiten- 
schiffes steht  1873,  die  Jahreszahl 
der  neuesten  Restauration ;  ob  diese 
und  namentlich  eine  etwa  zwanzig 
Jahre  frühere  die  alten  Stilcharak- 
tere behutsam  zur  Geltung  gebracht 
habe,  wird  man  um  so  mehr  bezwei- 
feln dürfen,  als  am  Langhause  und 
Westbau  in  den  Fenstern  kaum 
Maasswerkmuster  anzutreffen  sind. 
die  der  Bauzeit  entsprechen. 

Als  zwei  tüchtige  und  stattliche  Leistungen      ihm 
der  Spätgothik   zieren  den  Chor  zwei  an  Pfei-      drei 


■ 


gelehnte  Sakra^.le^t^chränke.  Das  klei- 
■  im  Xord<'n  (Fig.  {>.">)  hat  einen  viereckigen 
Fuss  mit  Blenden  und  andern  Zier- 
den, einen  in  zwei  Theile  zerlegten 
Schrank  und  ais  B»'knjnung  einen 
vortretenden  durci)l)rochenen  Balda- 
ciiin.  dessen  höchste  Kreuzblume  den 
Pelikan  trägt.  Das  grössere  (Fig.  96) 
lind  massivere,  welches  jetzt  wie  ein 
Altar  im  Osten  den  Chorschluss  ziert, 
-tand  vor  Zeiten  im  Süden  des  Cho- 
ics  und  zerfällt  in  einen  starken  Un- 
terbau mit  Zierstreben  und  Wand- 
nischen, in  den  ähnlich  verzierten 
Mittelbau  mit  dem  Schranke,  der 
früher  eine  Thür  hatte,  und  in  eine 
reiche  Bekrönung,  die  in  Pjrami- 
dtu  ausläuft,  welche  Figuren  tragen, 
deren  mittlere  über  einem  Taber- 
irikel  ruht.  Eine  Seite  zeigt  noch 
Spuren  der  Bomalung.  der  Sgurale 
Schmuck  fehlt  dem  Taufstein  und 
dem  kleineren  Tabernakel  jetzt  gänz- 
lich, er  ist  also  entweder  nicht  aus- 
ucfülirt  oder  in  den  ReligionswiiTen 
entfernt:  —  hier  am  Altare  erübri- 
gen davon  nur  musicirende  Engel 
in  der  Umgebung  des  seine  Wund- 
male zeigenden  Heilandes,  —  Sonst 
haben  sich  blos  Trümmer  zweier 
kleinen  Madonnenbikler  im  Stile 
der  spätesten  Gothik  in  Stein  — 
und  eine  etwas  ältere  Holztigur  der 
Magdalena  mit  der  Büchse  er- 
halten. 

Solch'  elegante  Arbeiten  der  de- 
corativen Architektur  weisen  auf  eine 
l»esondere  Kunstliebe  und  -übung 
zurück,  und  geniie  im  lö.  Jahrhun- 
dert besass  Unna  einen  berühmten 
Steinmetzen,  dem  Mir  einen  wesent- 
lichen Antheil  an  der  Schöpfung  sol- 
cher Werke  zuschreiben  möchten. 
Das  war  Rüdiger  Grnmclkut,  Gatte 
einer  Wendel  aus  Werl,  gestorben 
und  begraben  1451  zu  Unna,  Von 
singt  Johan  ,Steiuwert',  der  älttvste  seiner 
Söhne,  üeboren  144S.  Arzt  und  Sän<jer  aui 


.'^ 


108 


UNNA. 


Hofe  des  Herzogs  Johan  von  Cleve  und  damals 
der  bedeutendste  Dichter  des  Landes: 

Myn  vatter  seli«^  >tcnnietz  wasz, 
Tzu  Unna  in  Wcbtj)lialcn  ba>z, 
Hye^>^  Rotcher  steinnetz  Grn- 

mclhit 
Myt  ziinani  ehrlich  wol  heluil: 
vStenhawen  kont  er  niey>ter- 

lich 
Hekent  von  allennennijilich, 
In  Unna  der  >tat,  da  er  >a^>b 
Uyn  frommer   man  verromet 

wasz, 
In  massen  ich  nach  langer  tziit 
N'irnomen  hab  an  widderstryt: 
Syn  tziit  wasz,  als  dy  Hemen 

la<4hen 
Fiir  Soe^t  yni  beer  on  al>  ver- 

tzbauben. 
Der  'raut>tcin  {Vvs.  97) 
ist  achtseititr  im  Hecken  und 
Ständer,  die  meisten  Seiten  des 
Deckens  sind  mit  zwei  Blen- 
den, die  des  Stünders  je  mit 
einer  Blende  iiber  einer  Con- 
sole  verziert,  und  die  alterni- 
renden  Seiten  noch  je  mit  ije- 
wundenen  Silnlchen  flankirt. 
die  freistehend  das  Becken  mit- 
trafjen.  dessen  untern  K'aiid 
ein  lian<^'ender  JJlumenkamm 
ziert,  dessen  Hi'ihlniitr  ein  ^be- 
triebenes Kuiiferbeeken  ent- 
hillt.  Die  schone  Arbeit  ent- 
stannnt  derSiiiltirothik  und  ent- 
spricht keinenfalls  mehr  dem 
Stiicke,  welches  Graf  Adolt 
\nii  der  Mark  V(tn  >b'iiden 
hierher  entführte. 

Aus  d(>m  dorti^^en  Stadt- 
archiv theileii  wir  ein  Alibihl 
(vcr^l.  die  l*hotolithot^ra|iliii 
eines  löo:?  2<' '  von  mehre- 
ren Cardinilieii  zu  (iuuvtell  des 
^blrienaltars  zu  Htmi  ausire- 
stellten,  beziehentlich  0.7"»/// 
hohen  und  0.52;»  breiten  Ab- 
la>>l)riefe>  mit.  nu<l  zwar,  da 


wir  es  nur  auf  die  farbige  Ausstattung  absehen, 
unter  Weglassuog  der  Mittelfläche  die  wesent- 
lich damit  verschönerten  Seiten.  Das  Bildüche 
und  Ornamentale  bedarf  kei- 
ner weitern  Erläuterung,  als 
dass  Alles  in  hellen  Farben 
ausgeführt  mehr  an  die  Typen 
burguudischer  Büchermalerei 
als  an  die  Renaissanceformen 
Italiens  erinnert. 

Eine  bemerkenswerthe  Lei- 
stung decorativer  und  tigura- 
1er  Holzschnitzerei  spaterer  Zeit 
begegnet  uns  in  der  Kanzel: 
die  Seitenflächen  des  Polygons 
nehmen  ein  die  Figuren  des 
Moses  und  der  Evangelisten, 
den  Boden  verzieren  Ensrel- 
kr.jifchen  und  Festons:  am 
Bande  des  stark  i)rotihrten 
Deckels  stehen  Engel,  welclie 
wie  Karyatiden  einen  zweit<'Ji 
Deckel  tragen,  der  sich  |K>ly- 
gon  zu  einer  Voluteukrone  ver- 
jimgt  und  über  dieser  die  Fiirur 
des  heil.  Johannes  mit  dem 
Lamme  oder  Christi  des  guten 
Hirten  tragt.  Das  Werk,  wel- 
ches ir)()7  eintreweiht  ist.  bat 
ein  würdiges  Gegenstück  an 
der  Kanzel  der  St.  Petrikirche 
zu  Soest,  ans  welcher  laut  den 
Archivalien  dieser  Stadt  DKil 
die  ältere  nach  Unna  verkauft 
wurde. 

Vielleicht  in  die  Zeit  des 
.lahres  1065  milt  die  Anfer- 
tigung der  kräftigen  Or^d- 
favade.  .Die  Orgel.'  erzählt 
V(ni  Steinen,  .welche  noch  ge- 
genwärtig zu  sehen  ist.  ling 
einer  XanuMis  Meist4'r  Fiadcr 
im  .lahre  D»(>1  an  auszulws- 
sern  und  wurde  damit  1<»<»5 
fertig.'  Eine  kleine  Ori^'el.  die 
jedenfalls  im  Chore  oder  Um- 
gange stand,  hatte  laut  einer 
Inschrift   der  Lide  ein   Theo- 


jr" 


>^ 


^Ictncim?  mnjvww  l,^l*»ctwn  et  hilimric  Unr^c-^^  ^ 

!>oiicn(»iie  ct-avinfitvlt  "»"»»wittte  wnjmncitno  c'cnirtpr^^^A^^ 
cie  ttc?clnie  alv^^tmn    coiilmta^wic  inaimHnti<«;i  /  <<?i-^K 

et  jmich  7<>lMTtmfR\ibti  ^  ct-tn<tn#  iHj>nmii' — 
^t«pti^,R   X><t         Anno        ^i^i«nmc  ^11^ 


KIl;(III.[(|IK  DKNKMÄI.EU 


100 


doriciis  von  Bochum  (de  Bochun)  gebaut.  — 
Meister  Bader  war  Bürger  zu  Unna  und  hatte 
als  geschickter  Vertreter  seines  Geschäfts  einen 
Ruf,  der  weit  über  die  Grenzen  seines  Vater- 
landes, bis  Hildesheim,  gedrungen  war.  Ein 
älterer  Orgelbauer  Dicdcrick  Kremer  von  hier 
starb  um  1537  in  Soest. 

Leichensteine  mit  mehr  odi-r  weniger  deut- 
lichen Inschriften  und  Wappenzeichen  liaben 
folgende  Verstorbene:  Engelbert  Leid- 
heuser, Conrector  f  1663;  — Thoniae 
Davidis  pastoris  et  inspectoris  eccle- 
siae  Marcanae  Ehehausfrau  f  i'').Si  : 
—  mit  Doppelwappen  die  Eheleute 
von  Romberg  f  1691  22/1  und  Stael 
von   Holstein;    —  Johann    Heinrich 


Bunge  Pastor  f  17 10: 


Heinrich 


von  Ascheberg,  Erbherr  zur  Heide 
t  1711  8/11,  80  J.  alt;  —  Diedrich  Johann  Hei- 
denreich von  Ascheberg  f  1712  mit  den  Wappen 
Ascheberg,  Caessumb,  Carthaus,  Reck,  Wer- 
melo  und  Plater ;  —  Georg  Andreas  Rollius  Pa- 
stor (f  1716);  —  Frau  Pastor  Thomas  Haver, 
geb.  Catharina  Elisabeth  Wiemann  f  1727  1/9, 
63  J.  alt;  —  Freiherr  Johann  Daniel  Friedrich 
von  der  Schulenburg,  weiland  Obrist -Wacht- 
meister unter  dem  hochlöblichen  Regiment  von 
Schlewitz  in  Diensten  Sr.  Kcniigl.  Maiestät  von 
Preussen  f  1730  8/2,  36  J.  alt;  —  Joachim  Hein- 
rich MöUenhoff,  Pastor  et  Inspector  geb.  1682 
f  1740;  —  Thomas  Balthasar  Davidis,  Pastor 
1666  28/9 1  1741 ;  —  mit  ihren  Wappen  die  Ehe- 
leute der  Preussische  undCleve-MärkischeKriegs- 
nnd  Domainen-Rath  Urbani  Oberbürgermeister 
von  Unna  geb.  168 1  f  1 744  und  Frau  geb.  Helena 
Sümmermann  geb.  1678  f  1749;  —  mit  dem 
Doppelwappen  Heinrich  Anton  Husemann  Bür- 
germeister f  1708  und  Frau  geb.  Elsabe  Davi- 
dis geb.  1682  t  1733;  —  mit  dem  Doppelwappen 
die  Eheleute  von  Deutecom  Landrichter  geb. 
1704 1 1764  und  Frau  geb.  Lukemeier  geb.  1714 
t  1767;  —  Friedrich  Ludwig  Peter  Niederstadt 
geb.  1721  t  1769;  —  Reinhard  Diedrich  Rade- 
macher, königl.  Preuss.  Rath  und  Bürgermeister 


geb.  172.")  t  177.');  —  mit  Doppelwappen  die 
Eheleute  Thomas  Wegener  Bürgermeister  geb. 
\(i<]^)  16  t  1777  247  und  dessen  Frau  geb.  von 
Werne  1793,  Hl  J.  alt:  —  Frau  (jcrichtsabsessor 
Mark  geb.  Krujjp  geb.  17.3679t  178631/8:  — 
Ell)ers,  Syndicus  zu  Uima  geb.  1720  1  lO:  — 
Weiterhin  finden  sich  Leichen.steine  mit  den 
Wappen  oder  Xamcn  \(a\  Werne  und  Ascheberg 
sowie  ("aessundj  und  Carthaus  und  der  lesbaren 
.Jahreszahl  1681;  —  Basse  und  Wie- 
maim,  —  von  Massau,  —  Weinhage 
und  Deginck,  —  Thomas  Delster- 
haus  Kauhnann,  —  von  Pallandt 
und  Tieck. 

Die  Kefonnation  begann  hier  lö.'VJ 
und,  nachdem  sie  zu  den  widenvär- 
tigsten  Auftritten  zumal  zwischen  Lu- 
theranern und  Keformirten  geführt 
hatte,  blieb  jenen  die  grosse  Pfarrkirche,  diese 
errangen  1610  mit  Hülfe  des  Churfürsten  von 
Brandenburg  freie  Religionsübung  und.  da  sie 
eine  neue  Kirche  zu  bauen  nicht  im  Stande 
waren,  bezogen  sie  die  Kirche  des  Hospitals. 
die  indess  wöchentlich  einmal  auch  von  den 
Lutheranern  benutzt  ward,  bis  beide  sich  1820 
vereinten;  das  Hospital  war  um  1315  auf  den 
Xamen  des  h.  Geistes  und  der  h.  Maria  an  der 
Massener  Strasse  nicht  nur  für  die  Annen  und 
Elenden  der  Stadt,  sondern  auch  für  Fremde 
und  Obdachlose,  denen  in  der  Stadt  ein  Unter- 
kommen verweigert  wurde,  gegründet,  das  Haus 
mit  der  Kirche  1320  abgebrannt,  dann  bald 
wieder  hergestellt  und  mit  Ausnahme  eines 
Gewitterschadens,  der  1753  29  5  den  kleinen 
Thurm  und  einen  Theil  des  Kirchendaches  zer- 
störte, soviel  man  weiss  im  alten  Bestände  — 
also  als  Werk  der  reinsten  Gothik  —  bis  in 
unser  Jahrhundert  verblieben,  wo  man  die  Kirche 
an  einen  Privatmann  verkaufte,  das  Annenhaus 
(1848)  abbrach. 

Eine  halbe  Stunde  von  der  Stadt  am  Hell- 
wege nach  Werl  lag  das  Siechen  haus  mit 
einer  Kapelle,  worin  noch  im  Anfange  des  18. 
Jahrhunderts  gepredigt  wurde. 


110 


l-NNA. 


r 


iJie    li.-itholi.sche    Kii-che. 


Die  Katholiken  fanden  eine  Stätte  für  ihren 
Gottesdienst  in  der  Kirche  des  .Süsterhauses* 
an  der  Klosterstras.se.  Anscheinend  nachdem  ein 


f»i). 


im  14.  .I.ilirliuiidt'rte  neben  dem  Hauptkirchhdtc 
eingerichtetes  Kloster  der  Minderl^riidcr  ein,;j[e;,Mn- 
<;en  M'ar,  stifteten  um  14.")0  die  .Vugustinemiönche 
von  Hcidecken  bei  Paderborn 
hier  einen  Convent  für  Kloster- 
frauen des  retrulilren  .Vutjustiner- 
(»rdens.  als  dessen  ratnmin  in 
iUtcrer  Zeit  die  heil.  Harbara. 
sjKitcr  die  h.  (.'athariiia  «genannt 
U]  wird,  sei  es  dass  das  l'atronat 
verändert  oder  dass  jener  Hei- 
li<,'en  das  Kloster,  dieser  die 
Kirche  {geweiht  war.  Die  Kirche 
war  14()X  so  weit  ausy:ebaut. 
dass  sii'  ^jewisse  Pfarreclite  Ulu-r- 
kani.  (Inili  ,das  schöne  Kloster-fiebllu  nebst  der 
Klosterkirciien'  ijintjen  107<^  um  .Michaelis  in 
Klaniiiii'M  auf.  nn<l  erst  lan>jrsam  erstand  die  letz- 


tere wieder  in  ihrer  heutigen  dürftigen  Gestalt. 
Die  Kirche  diente  seit  1-588  wie  das  Kloster  zum 
Schaden  der  kirchlichen  Utensiüen  theils  dem 
lutherischen,  theils  dem  kathohscheu  Cultus.  bis 
vorzugsweise  auf  Be-  icx>. 

treiben  der  Auiru- 
stiner  zu  Bödecken 
durch  den  Keligions- 
vemleich  von  1072 
das  Kloster  wieder 
so  viele  Nonnen  auf- 
nehmen musste.  al< 
erweislich  am  1.  .Ja- 
nuar 1(524  vorhan- 
den gewesen.  Seit 
dem  1 «).  Oetober 
1(}83.  wo  sie  wie- 
derhergestellt war, 
diente  sie  ununter- 
brochen den  Katlu)- 
liken.  Diese  erwar- 
ben 1842  4:i  völlige 
I'farrechte  und  er- 
l)auten  1848  im  Norden  der  Stadt  eine  neue 
Pfarrkirche:  die  alte  ein  viereckiger  Steinbau 
ohne  Zier,  wurde  als  Synagoge  eingerichtet. 
Die  neue  Pfarrkirche,  welche  als  Patronin  die 
h.  CaUiarina  behielt,  kann  wie  die  Zeichnungen 
(Fig.  *>8,  i>l))  ergeben,  als  Muster  damaliger  Stil- 
richtung gelten. 

Der  Aufsatz  des  Hochaltars  zeigt  zwischen 
gewundenen  Silulen  mit  HlindHügeln  ein  scul])- 
tirtes  C'rucifixbild.  im  Lünettenfelde  ein  (>c- 
niäldc,  anscheinend  den  h.  Franciscus  Xaverius. 
Dieser  sowie  die  ähnlich  construirten  und  mit 
einer  Heiligenligur  ausgestatteten  Seilen  alt  äre 
werden  im  18.  Jahrhundert  anuefertigt  sein. 

Der  Taufsloin  (Fisi.  loO)  ist  eine  tüchtige 
Harorkarl)eit  etwa  aus  der  Zeit  der  Kirchen- 
restauration von  lt)S;{;  das  l^ecken  erscheint 
ztisammengeschrnmi>ft,  der  Stnn<lor  dafür  be- 
deutsimier  entwickelt  mid  decoriri. 


:aaW'^ 


SUultischt»    iiiiil    I 'roi  au  -  1  >«'iiUm!il«»i'. 

Vnii  den  mxh  im    V(»riLren  .lahrhundert  ge-      mehr   Iiruch(?tücke.   von  den    StadtgrfllH'U  tiefe 
I>rie-;eiien    Festungswerken   schauen   wir    nur      Senkungen,  von  den  Mauern,  einige  StRH*ken 


PKOIAX-IiENKil.iLEH. 


111 


der  Nord-  und  Ostseite  ausgenommen,  noch  be- 
trächtliche Reste,  von  den  Thürmen  die  Stümpfe 
zweier  Rundthürmc  an  der  Ostseite:  von  den 
Burghöfen  können  wir  nacli  den  abgerundeten 
Hofl)ezirken  noch  einige  nachweisen,  andere 
deutlicher  erkennen.  Sie  lagen  im  ganzen  Stadt- 
bezirke vertheilt  mit  geräumigen  Höfen  uixl 
Bauten.      Out    erhalten  ^ 

ist  der  Grüter'sche  an 
der  Klosterstrasse,  von 
modernerem  Aussehen 
der  von  Dr.  Schulze- 
Höing  bewohnte  H  o  f 
,auf  der  Küche'.  Er 
grenzt  an  die  nordöst- 
liche Stadtzingel ,  ge- 
hörte, wie  man  glaubt, 
nacheinander  den  Herren 
von  Unna,  den  Grafen 
von  der  Mark,  endlich  den 
Herren  von  der  Recke, 
und  war,  als  diese  ihn 
1400  ankauften,  schon 
bis  auf  die  Mauern  und 

Thürme  verfallen.  Gegenwärtig  steht  dort  im 
Hintergrunde  eines  Hofes  ein  ansehnhches  Wohn- 
haus und  daran  ein  alter  mehrfach  ge^^ölbter 
Rundthurm,  neu  im  Kuppeldach  und  in  den  Rund- 
bogenfenstern. Im  Süden  davon  betritt  man  ein 
kleines  Dreieck,  den  ,Friethof',  einst  die  Stätte 
des  Freigerichts  und  westlich  von  diesem  er- 
hebt sich  ein  ringförmiger,  nur  von  einer  Seite 
zugänghcher,  am  Rande  mit  sieben  Wohnhäusern 
umgebener  Hügel,  die  .Burg'  genannt.  Sollte 
diese,  zumal  sie  in  nördlicher  Nähe  die  Kirche 
hatte,  nicht  einst  der  gemeinsame  Wohnsitz  der 
Burgmannen  gewesen  sein,  bis  ein  weiterer 
städtischer  Mauerring  ihre  Bedeutung  vernich- 
tete und  die  Burgmänner  sich  wohnlichere  Stät- 
ten unter  den  Bürgerhäusern  aufsuchten? 

Von  einer  Burg  auf  einer  Anhöhe  vor  dem 
Wasserthore  gewahrte  man  noch  im  vorigen 
Jahrhunderte  einen  steinernen  Thorbogen  und 
ein  Rondel  mit  etwas  Mauerwerk,  —  von  der 
städtischen  Landwehr  noch  den  geraden  Zug 
von  Kessebüren  bis  Ringebrauk  im  Westen. 

Das  alte  Stadt  sie  gel:  eine  Festungsmauer 
mit  drei  Thürmen,  der  vorderste  mit  Wimpeln, 


welche  den  märkisch  geschachteten  Balken  tra- 
gen, war  nach  einem  Muster  (Fig.  101)  der 
Zeit  von  1391  ein  Metalischnitt  ersten  Ranges. 
Münzen  sind  hier  geschlagen  vom  Grafen 
Engelbert  1347,  1391,  —  dann  vom  Herzoge 
.Johan  1490. 

Das  Rathliau>  (Fig.  102)  erhebt  sich  süd- 
,  lieh   vom    ^Markte    über 

einem  hohen  Kellerbaue 
in  drei  Geschossen,  das 
mittlere  merkwürdig  nie- 
drig —  in  der  einen 
Langseite  mit  Bleud- 
nischen  und  hohem  Er- 
ker, in  der  Fronte  von 
oben  bis  unten  durch 
fimf  rundbogig  gewölbte 
Nischen  belebt,  welche 
die  Fenster  und  die  Blen- 
den enthalten.  Die  mitt- 
lere von  erheblicher 
Breite  durchbricht  un- 
ten das  auf  einer  mehr- 
stufigen Freitreppe  zu- 
gängliche Portal,  der  von  einem  Mittelstabe  ge- 
haltene gerade  Sturz  trägt  eine  am  Ende  ver- 
stümmelte Inschrift:  Anno  Doniini  mccccLxxxix 
.  .  .  das  Datum  des  Baues.  Zum  einfachen  Cha- 
rakter des  hausähnlichen  Werkes  passt  auch 
das  ziemlich  hohe  Walmdach.  Das  ünterge- 
schoss  bestand  vormals  aus  nur  wenigen  und 
grossen  Räumen,  die  jetzt  vorhandenen  Durch- 
scherungen  stammen  aus  späterer  Zeit,  vielleicht 
aus  jener,  wo  das  Bauwerk  als  Gerichtshaus  ein- 
gerichtet wurde. 

Denn  das  heutige  Rathhaus  steht  gegenüber 
an  der  Nordseite  des  Marktes  und  war  früher 
das  Gildeuhaus  mit  Gelassen  für  die  Accisen- 
stube,  Fleischhalle  und  Waage.  1590  Avar  es  fun- 
dirt,  1672  abgebrannt,  1678  erfolgte  ein  Neubau. 
An  der  Südseite  der  Massener  Strasse  steht 
ein  spitzbogiges,  sonst  schmuckloses  Thor  neben 
einem  Hause,  welches  wol  ,da3  Kloster'  genannt 
wird,  sehr  dicke  Mauern  im  Untergeschosse  und 
darüber  einen  Fachwerkbau  hat.  Im  Innern  findet 
man  einen  Ca  min  mit  Wapi)en  und  Ornamenten 
der  Spätrenaissance  und.  wie  vei sichert  wurde, 
unter  der  Tünche  auch  Wandmalereien. 


/ 


112 


nxA. 


An  den  Strassen  sowie  am  Markte  begegnen 
wir  steinernen  Wasserreservoirs,  und  zwar  im 
Norden  des  Marktes  einem  polygoneu.  im  Süden 
einem  runden  Steinbassin  mit  einer  viereckigen 
vasenbekröuten  Fontaine  im  Geschmacke  des 
classischen  Zopfes,  wie  er  im  Beginne  unseres 
Jalirluiiidcrts  steilenweise  noch  beliebt  war.  Die 
Fontaine  wurde  auf  dem  Markte  schon  144<»  — 
wi)l  die  illteste  des  Landes  —  von  Meister  Joliati 


Brabciidcr  aus  Westhovener  Steinen  errichtet, 
nadiher  1609.  wo  der  Bürgermeister  Godfried 
A<irian  am  29.  August  den  ersten  Stein  legte, 
durch  den  Tyroler  Meister  Matthias  mit  grossen 
Steinquadern  erhebUch  verbessert  und  vergrüs- 
sert.  .Diese  Fontaine  musste  1720  im  August 
abiiebruchen  werden,  da  der  Meister  Hans  Midiacl 
Moser  eine  neue  verfertigte  und,  wie  diese  174<i 
durch  den  starken  Frost  ganz  verdorben  wurde. 


tf^sm^, 


hat  Meister  Xüspir/iug  \~')'.j  die  geilen  wärt  ige 
verfertigt',  und  davon  erübrigt  nur  mehr  die 
Einfassung.  Der  »iHeiit liehe  Brunnen  auf  dem 
Markte  war  von  ungemeiner  Weite  und  Tiefe 
und  wie  anderwilrts  zierlich  umbaut  und  mit 
einem  Thürmchen  versehen:  das  letztere  ist 
schon  1719  107  weggebroehen  und  aus  seinem 
Hiilze  die  Hauptwache  am  Markte  erbiiut.  der 
Üniinien  selbst  bald  «jaraut"  inejir  und  niehr 
aus>er  Gebrauch  gekoninien.  znnial  das  Wasser- 
schüpfen.  welches  dnrch  h'iiiler  geschah,  gar  be- 
scliwerlicli   Ijcl. 

Aus  der  Sanmiinnu'  des  Herrn  Kaulmamis 
llerdickerhoff  sinil  noch  namhaft  zu  machen 
sechs  grau  in  grau  gemalte  XOlix  schoihcii 
di's  17.  .Jahrhunderts  aus  dem  Kloster  Marienlmf 
bei  Hhynern.  wovon  eine  inschriftlich  vom  Abt 
Norbert  ricker  aus  W'eddinghausen  (Werdinir- 
haus/A-n)  \(YX.\  geschenkt  ist,  —  ein  Hochzeit<- 
geschenk  eines  rrahnen  des  Besitzers,  nilinlich 
eine  .Schmi|)rial)al<s<losc'  aus  Schihlpatt  mit 
eingelegten  liiebesscenen  und  Hococo-Ornamonten 
in  Silber        nml  zwei   kleine  mit  Gdld  unterlegte 


und  mit  geschlitfenen  Steinen  umrahmte  .Me- 
daillons, welche  die  Bnistbilder  eines  Mannes 
und  einer  Frau  h\  Email  (hirstellen:  vielleicht 
noch  eine  Arbeit  aus  dem  Ende  des  17.  Jahr- 
hundert<. 


Eine  ciwa  im  Bednno  dieses  .Tahrhnnderts 
am  WeL'e  nach  Wilhelmshöhe  v»»m  Lmdsyndicus 
Mark  versuchte  Fayence-  und  enghsche  Stein- 
irntfabrik  hat.  trotzdem  sie  wilhrend  der  Con- 
tinentalsperre  mit  allem  Fleis«;e  betrieben  und 
iu  «len  Mlüttem  gerülnnt  wurde,  nicht  lauge 
Itestanden  und  kaum  zierlichere  Fnulucte,  am 
wenigsten  in  der  Farbe  der  (ilasur,  geliefert. 

Der  alte»  Kittersitz  Obermassen,  der  west- 
lich von  Unna  in  einem  von  Eichen  umrahmton 
Tliale  romantisch  lajj.  gleicht  heute  einer  Buine. 
heim  innerhalb  eines  breiten  Grabens  stehen 
nur  noch  .Mauerreste  von  Stallungen  auf  derVor- 
buri:  wie  von  der  Zin-rel  und  dem  Thunne  auf 
der  Hau|itburjr.  Der  Oberbau  des  Thurmes  li<'gt 
in  'rmnnn'Mu  im  Schlossgrabcn.  der  Unterbau 
besteht  noch   mit  einem  guten  Tonnengew«lH>e. 


KIJU'IIENÜAr. 


113 


-^ 


Nur  die  Mühle  ist  im  Betriebe  <,'eblie1)en  über 
einem  das  Uurgthal  durchschläiigeludeii  Bache, 
und  neben  ihr,  nämhch  am  Vorplatze,  befindet 
sich  der  Eingang. 

Zu  Afferde  lag,  wie  die  noch  vorhandenen 
Grundmauern  des  Schlosses  zeigen,  der  Kitter- 
sitz, wonach  sich  1418  ein  Johan  von  Wabele 
benennt,  auf  einer  Anhöhe  am  Mühlenbache, 
gegenüber  auf  einer  andern  Höhe  der  ,Jäger- 
hof,  jetzt  ein  Bauernhaus. 

Haus  Heyde,  seit  dem  14.  Jahrhunderte 
in  verschiedenem  Besitz  und  jetzt  Eigentum 
der  freiherrlichen  Familie  von  Bodelscliwingh, 
hat  eine  anmutige,  durch  industrielle  Anlagen 
nocli  nicht  behelligte,  Umgebung.  Auf  einem 
fast  viereckigen,  von  Wasser  umgebenen  Platze 
steht  ein  dreiflügeliger  nach  Norden  offener 
Bau  von  zwei  Geschossen,  und  davon  dienen 
die  südwestlichen  Theile  als  Herrenhaus.  Im 
Westflügel  liegt  die  aussen  und  innen  mit  einem 
Rundbogen  überbaute  Einfahrt,  davor  der  Oeko- 
nomiehof  mit  neuer  Gebäuliclikeit.    Von  den  Im- 


I  mobilien  sind  die  werthvollern  nach  der  herr- 
schafthchen  Wohnung  zu  Berün  überführt  und 

;  von  den  zurückgebliebenen  zu  verzeichnen  eine 
Reihe   Ahnenbilder   in  Oel,   meistens   Bru-st- 

j  bilder  aus  dem  vorigen  Jahrhundert  —  eine  cylin- 
drische  0,43m  hohe  Tafel uhr,  beschrieben  Coiir- 
voisier  ä  Paris,  getragen  von  zwei  unten  durch 
eine  starke  Base  zusammengehaltenen  Ständern, 
in  dem  Gerüste  und  den  Vasenbekrönungen  auf 
der  Uhr  und  den  Ständern  aus  weis.sem  Marmor, 
in  den  Ornamenten  aus  vergoldeter  Bronze  ge- 
fertigt: ein  gefalliges  Werk  im  Stile  des  classi- 
schen  Zopfes  —  ein  2,00;»  hoher  und  1.47/// 
breiter  Stollenschrank,  auf  vier  durch  ein  in 
den  Balken  geschweiftes  Andreaskreuz  verbun- 
denen Füssen:  eine  einfache  Intarsiarbeit  aus 
dem  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  —  eine  neue 
dem  verstorbenen  Staatsmiuister  K.  von  Bodel- 
schwingh  verehrte  Porcellanvase  von  0,47/// 
Höhe  mit  den  farbigen  Ansichten  des  Schlosses 
Hejde  und  der  Stadt  Hamm.  Beide  Bilder 
von  angenehmer  Wirkung. 


Vorher  S.  G  ff.,  28-31.  -  N.  U.-B.  I,  Nr.  1.5.S,  364;  11,  Nr.  5.j1,  9-t2;  -  AV.  U.-B.  UI.  Xr.  443,  G39,  8G9;  —  Urk.  des  .1.  1243  bei 
&emer  a.  a.  0.  U,  124;  —  L.  de  Xorthof  1.  c.  p.  %;  —  Kampschulte,  S.  83;  —  derselbe,  Patrocinion,  S.  37,  41,  1.3:3,  1.59;  — 
Lübke,  S.  271,  303,  307,  314,  Taf.  19,  24,  27;  —  Lotz,  Kunsttopographio  Deutschlands,  I,  599,  wo  irrif,'  ein  Schnitzaltar  des 
Meisters  Borgetrik  hierher  verlegt  wird;  —  von  Steinen,  H,  1187  ff.,  1085  ff.,  1310  f. ;  —  v.  Fichard's  Frankfurter  Archiv  für 
ältere  deutsche  Literatur  und  (ioschichto,  1811,  S.  84,  85  und  Seibertz'  Westf.  Beiträge  zur  deutschen  Geschichte,  1823,  ü,  57 
über  Meister  Grumelkut;  —  Fahne,  Dortmund  W,  183;  —  Westfäl.  Anzeiger,  1807,  S.  204  über  die  Fayence;  —  Archivaliea  der 
Stadt  Soest ;  —  Bädecker-Heppo  E,  70  f. ;  —  Essellen,  S.  75—99 ;  —  Mittheilungon  der  Herren  Pastor  und  Kaufmann  Her- 
dickerhof zu  Unna  und  Dr.  Kratz  zu  Hildesheim.  —  Local-Untersuchung  und  -Aufnahmen. 


-?^-^V- 


Llinern. 


Ivirelie    \mcl   ihre   Deiakiiiäler. 


Lünern,  als  Ortschaft  gegen  900  Liuneron, 
1152,  wo  ein  Hermau  sich  darnach  nennt, 
Luncre,  als  Mittelpunkt  einer  Freigrafscbaft 
1203,  als  Pfarrei  1291  beurkundet,  war  im 
Mittelalter  eine  Patronatpfarre  des  Landesherrn, 
später  bis  1 649  des  Hauses  Heeren,  dann  wieder 
des  Landesherrn,  ging  früh,  sicher  vor  1550 
etwa  gleichzeitig  mit  Frömern,  unter  dem  Geist- 
lichen Heinrich  von  Steinen  zur  Reformation 
über  und  verblieb  bis  vor  einigen  Jahrzehnten 
bei  dem  lutherischen  Bekenntnisse.  Wer  der 
Schutzheihge  der  Kirche  war,  etwa  der  Ein- 
siedler Antonius  oder  die  h.  Agatha,  denen  1467 
ein  Altar  geweiht  wurde,   bleibt  unentschieden. 


Der  Kirchenbau  offenbart  auch  hier  mehr 
oder  weniger  klar  zwei  Baustile,  den  romanischen 
und  den  gothischen  und  innerhall?,  des  letzteren 
wieder  zwei  Altersstufen.  Der  einschiffige  Bau 
(Fig.  103,  104)  zerfällt,  Chorschluss  und  Thunn 
abgerechnet,  in  drei  Kreuzgewölbe ,  wovon  das 
östliche,  durch  breiten  Quergurt  von  den  beiden 
westlichen  geschieden,  schmaler,  quadratisch 
und  höher  aufgeführt  erscheint,  als  die  andern, 
die  in  der  Querrichtung  oblong  liegen.  Früh- 
gothischer  Zeit  entstammen  die  zweitheiligen 
Fenster  des  Langhauses  mit  nicht  abgeplatteten 
Nasen,  die  aus  kleinen  Kohlensandsteiu-Stückeu 
bewirkte    Ueberhöhung    der   Langmauern,    die 


III 


LrXERX 


Strebepfeiler  und  die  l)eiden  Westgewölbe.  wovon 
jedoch  das  östliche  später  umirestaltet  ward. 
Alle  diese  Bautheile  erscheinen  ab»  Erweiterun- 
m-ü  eines  altromanischen  Baues,  der  eine  {jerade 
Holzdecke,  als  Scheide  zwischen 
Chor  und  I^nijhaus  den  erwähn- 
ten C^uertrurt  jedoch  mit  Kund- 
liogenschluss  liatte.  dessen  ohi'W 
Schenkel  eher  in  spät-  als  frflh- 
^'othischer  Zeit  ihre  spitzhocrijje 
Xeitrung  erhielten.  Als  altroma- 
nische Heste  erkennt  man  noch 
das  solide  untere  Mauerwerk  aus 
Hadericher  Sandstein,  die  Ix-i- 
den  Pilasti-r  d»'s  (lurtes  mit  ein- 
fachen Sockelsclinltren  und  Kilm- 
pfern  von  Platte  un<l  Schmiede, 
eine  vermauerte  l{uiidlM»<:eiith(ir 
der  Südseite,  deren  gleichfalls 
vermauertes  Seiten-stOck  im  Nor- 
den spitzbt)jriir  also  sjȊter  um- 
geformt erscheint,  ein  vermauer- 
tes Fenster  in  der  Südwand  des 
alten  Chores,  dessen  (jejjenstttck 
in  der  Xordwand  bis  zur  neue- 
sten Restauration  sich  klein  und 
rundlwpiff  erhalten  hatte.  Eng- 
räumigkeit,  »luadrati^iche  Fonn. 
der  westlich  aiilie<;eiide  (^ueru'urt 
cliarakterisiren  das  östliche  Ge- 
wnlbefeld  irauz  deutlich  aN  den  t!ii^tni;iii^'<ii 
Chor,  möireu  ihn  au<h  Cm-  und  .Vnbauten  heute 
noch  so  unkenntlich  machen.  In  spätK'othischer 
Hauzeit,  die  jedenfalls  der  «TWilluitenAltarotiftuiiL' 
nicht  ferne  liejrt.  wurde  ihm  mittelst  MauerUber- 
hnhunj,'  und  Kragsteinen,  dem  Ostjoche  des  Ling- 
hauses  mittelst  unretrelmAssig  aus  der  Wand  ent- 
springenrler  ( Jurten  je  ein  Kreuzgew»'ilbe  verliehen. 
dem  Chore  im  Süden  «lie  vien*ckige  Sakrist«'! 
gleichfalls  mit  einem  Kreuzgewölbe  angesetzt,  ji"- 
des  (lewölbe  aber  im  tieiste  dies«'r  Zeit  mit  so 
h<Mhliusigen  Kap|K»n  ausgeführt,  dass  der  Schlus- 
stein  in  der  Sakristei  fast  hängt.  Namentlich 
musste  daniills  die  östliche,  wahrscheinlich  gerade 
Chorwand  weich»'n.  als  ein  f(infseitiger  aus  dem 
AchtiTk  construirter  Cliorsohluss  beliebt  wunle, 
dem   b  'r    Höhe    ireocbickt    aau'enehnie 

Verh.li'  '  wi.nnen.  dreitlieilig«'  Fenster  mit 


Fischblasenmaas  werk,  schlanke  Wandsäulchen 
mit  Capitälen  von  KnollenbLlttern  verliehen  sind, 
so  dass  diese  späte  Frucht  der  Gothik  einen 
sehr  zierlichen  Eindruck  macht.  Die  Rundlwgen- 
thOr.  welche  den  im  We- 
sten  der  Sakristei  gelege- 
nen Gang  mit  dem  alten 
Chor  verbindet,  ist  neuer: 
seit  1873  hat  man  im 
Norden  des  letzteren  einen 
von  einer  Orgel -Emi»ore 
durchzogenen,  darunter  und 
darüber  eigens  beleuchteten 
Flügel  mit  polygoner  Aus- 
sentrep|)e  in  den  strengern 
Formen  der  (Jothik  und  in 
der  Höhe  des  anstossenden 
I^nghauses  nach  den  Plä- 
nen des  Haurathes  //<7/7- 
//lafM  angesetzt,  feinere 
Gliederuniren.  xnc  die  ni- 
schenfömiicren  Sedilien 
der  südlichen  Chorwand 
«i«Hler  zu  Ehren  gebracht 
und  dem  Ganzen  seine  Wir- 
kung wiedergegeben.  Der 
vieriK-kige.  bis  1844  unten 
»•ingewöIbteWestthunn  zeigt 
ül)er  dem  nindbogisren  Ein- 
gang im  Westen  das  Wajn 
jM'ii  *  itvi-.M.irk.  «inen  spitzlxiirigen  Helm  und 
in  der  Wetterfahne  dessen  Haujahr  172G. 

An  der  Chorwand  fand  sich  eine  farbige 
I),ir>tcllun"^  des  Herrn  im  Garten  Gethsemane. 
nach  den  Herichten  ohne  Kunstwerth. 

her  früher  benutzte  Taufslcin  bat  die 
romanische  Form  eine"  Cvlinders  mit  einfacher 
Hase  und  Platte,  doch  üIht  jener  einen  Reifen, 
unter  dieser  ein  spitzigift  KiMfehen  und  eine 
nmdliche  Kehle. 

Ein  einfacher  Wamlscbrank  in  der  Nord- 
wand zeigt  die  übliche  Eintheilung,  gi'filllige  gi>- 
thische  SlJlfomien  und  unter  dem  Anstriche 
eine  geschmackvolle  Polychn>mie. 

An  den  Sitzen  des  Choivs  sin«!  von  den 
alten  Chor.slühlcn  wieder  Tafeln  mit  got bischen 
Panneelen  zu  EhnMi  ffekommen. 

\n    tila>n)alorcK"n    K'Haliren    n<»ob    zwei 


•f 


* 


KIRCHLICHE  DENKMÄLER. 


115 


Scheiben  in  der  Sakristei  mittelalterliche  Reste 
von  ,{iltkölnisclu'm'  Typus  —  neue  mit  vier 
Apost('llif,niren  sind  1874  von  Victor  vo7i  der 
Forst  in  Münster  für  die  Chorfenster  gemacht. 

p]iii  einfacher  Coninuinionkclch  von  Silber 
ist  1()88  gefertigt,  eine  gotliische  Weinkanne 
mit  Zubehör  187G  i 

nach  genauerer  An- 
gabe des  evangeli- 
schen Kunstvereins 
zu  Berlin  beschafft; 
den  Chorraum  deck- 
ten vormals  die 
Grabsteine  frühe- 
rer Pastöre. 

Die  hölzerne 
Kanzel  erscheint 
als  verkleinertes  Ab- 
bild des  reichenWer- 
kes  der  grossen  Kir- 
che zu  Unna;  die 
Ecken  haben  ihre 
üppigen  Festons,  die 
Flächen  jedoch  nur 
die  Figuren  der  vier 
Evangelisten,      der 

Deckel  eine  Schneckenbekrönung;  die  seitlich 
an  einem  zierlichen  Ständer  von  Schmiedeeisen 
als  Zeitmesser  angebrachte  Sanduhr  zeigt  das 
Baujahr  1726. 

Von  den  drei  Glocken  haben  die  beiden 
älteren  folgende  Inschrift: 

die  eine  in  Minuskeln :  Ihesus  Maria.  Sanctiis 
lohannes  vocor.  Anno  Domini  m.  cccclxxii  ; 

die  andere: 

Eine  klingende  schelle  beire  ich, 
Di  lebendigen  de  rope  ich, 
Die  doden  de  beklage  ich. 
Derick   Slütcr    heft   mi   gegatten.    Hennan 
Weidebrokh,   lohan  Bidde   l6oi. 

Die  grosste  ist  inschriftlich  unter  dem  Pastor 
Z.  G.  von  Oven  1771  von  Stocky  zu  Münster 
gegossen. 

Der  alte  mit  der  Mensa  gemauerte  Altar 
wurde  1876,  weil  durchgehends  morsch,  abge- 
brochen und  durch  einen  neuen  mit  dem  Mono- 
gramme Christi  nach  der  Zeichnung  von  Hart- 
mann aus  Wrexener  Stein  ersetzt.    Den  Aufsatz 


(vgl.  die  PhotolithogTaphie)  bildet  ein  etwa  3,75;« 
hohes,  2,98/«  breites  Schnitzwerk,  das  uns 
beim  ersten  Blick  an  den  Altar  zu  Khynern 
erinnert;  hier  herr.scht  dieselbe  Gesammtform, 
dieselbe  Zerlegung  in  Hauptnischcn  oben  und 
Zwergnischen  unten  mit  denselben  Darstellungen, 
^  <ogar  mit  denselben 

riruppen  in  den 
Hohlkehlen.  Nur  ist 
der  Rahmen  des 
Hauptfeldes  unten 
links  noch  mit  der 
Figur  des  h.  Evan- 
geUsten  Johannes, 
rechts  mit  der  rei- 
chen Gestalt  der 
heil.  Margaretha  be- 
dacht, die  Hohlkehle 
über  dem  Haupt- 
felde rechts  mit  den 
kleinen  Gruppen  der 
Auferstehung  und 
des  Herabsteigens 
in  die  Yorhölle.  die 
Zwergnische  ünks 
mit  der  heil.  Vero- 
nika, rechts  mit  der  heil.  Magdalena  statt  der 
beiden  Figuren  mit  den  Spruchbändern  besetzt. 
Die  Figuren  hat  man  in  den  Bildfeldern  etwas 
anders  gruppirt,  die  Gruppen  wol  um  einzelne 
Gestalten  erweitert  oder  um  die  Staffage  ver- 
kürzt; wesentlich  ist  noch  eine  Predella  mit 
dem  Bilde  der  Grablegung  hinzugekommen  und 
oben  jederseits  mittelst  profilirter  Consolen  so 
weit  ausgeladen,  als  die  Seiten  des  Aufsatzes 
vorspringen.  Man  darf  hier  entweder  auf  eine 
beiden  gemeinsame  Vorlage  eines  Holzschnittes 
oder  eines  Altarwerkes  schliessen,  oder  der 
Altar  zu  Lünern  ist  nach  dem  Muster  jenes  zu 
Rhynern  angefertigt,  doch  nicht  von  demselben 
Meister;  denn  wie  gleichartig  auch  die  Gesammt- 
form, die  Felder  und  ihre  Darstellungen  be- 
funden werden,  so  stilverschieden  gestalten  sich 
die  Glieder  des  Gehäuses,  die  Auffassung  und 
Behandlung  des  Figürhchen.  Jene  lösen  sich 
mehr  und  mehr  in  pflanzliches  Gerank  und  noch 
melu'  in  Knorpelblattwerk  auf,  als  dies  die 
Holzschiiitte  und  Kupfer  Israels  von  Meckaicn 


r^ 


m; 


REWMEßDE. 


^ 


und  anderer  Meister  verbreiteten,  so  dass  das 
Architektonische  gegen  das  Effektvolle  zunick- 
tritt; selbst  in  den  durchbrochenen  Füllungen  des 
hohem  Mittelfeldes  und  der  niedrigem  Seit^n- 
theile  vermag  sich  das  architektonische  Gerippe 
von  Eselsrücken  in  dem  wuchernden  Blattwerk 
nur  mit  Mühe  Geltung  zu  verschaffen.  Wenn  der 
Künstler  des  Altares  zu  Khynern  die  Figuren 
sorgfältigst  auf  allen  Seiten  ausführt  und  die 
Wirkung  von  der  ganzen  Gruppe  erwartet,  ^^^ll 
der  Meister  von  Lünern  schon  jede  Gestalt 
als  solche  malerisch  auftreten  lassen,  und  daher 
cultivirt  er  auf  Kosten  der  individuellen  Voll- 
kommenheit namentlich  ihre  der  Gemeinde  zu- 
gewandten Seiten;  daher  werden  Gesichter  und 
Hände  vernachlässigt,  daher  das  Bestreben,  den 
Köpfen  eine  sentimentale  Haltung,  den  Gesich- 
tern eine  Wendung  nach  dem  Beschauer  und 
durch  Betonung  des  Bartes  und  der  Nase  einen 
kräftigen  Ausdruck  zu  geben,  daher  die  Kraft- 
attitüden der  Henker  und  die  breit  gehaltenen 
Gcwandfiächeu  mit  langen  Faltenrücken,  daher 
die  grossen  Gestalten  selbst  und  endlich  die 
Ik'rechimng  auf  die  Poljchromie.  Die  Fleisch- 
theile,  die  Rückseiten  der  Gewänder,  die  Pferde- 
geschirre sind  auch  hier  bemalt,  alles  Uebrige 
mit  Glanzgold  bedeckt  und  die  Kleidersäume 
noch  mit  l)lanen  Bändern  bedacht,  diese  präch- 
tig mit  goldenen  Ziermustern  übersj)onnen.  Die 
Gruppe  der  (Jrablegung  hat  heute  eine  häss- 
liche  Färbung  —  doch  scheint  durch  dieselbe 
noch  stellenweise  das  Gold,  stellenweise  das 
Blau,  also  die  Spuren  der  ursprünglichen  Po- 
lychromie,  die  hier  dem  Golde  nur  einen  be- 
schränkten Kaum  gestattet  hat.  Unser  AVerk 
thut  mit  dem   Ornamentalen   seines    Gerüstes, 


mit  dem  Effektvollen  seines  Bildnerischen  einen 
erhebhchen  Schritt  weiter  vom  Mittelalter  zur 
Neuzeit,  es  lässt  den  neuen  Stil  der  Kenaissanc^ 
schon  deutlich  durchküngen  in  kleinen  Gebil- 
den, nämlich  in  den  als  Putti  aufgeftissten  Engeln, 
welche  sich  oben  in  die  krönende  Hohlkehle  der 
beiden  seitlichen  Hauptfelder  legen  und  meistens 
die  Schwingen  verloren  haben.  Das  StiUstische 
und  das  Costüm  zusammen  lassen  das  Bild- 
werk als  eine  Arbeit  des  10.  Jahrhunderts,  etwa 
des  Jahres  1520.  erscheinen.  Leider  sind  die 
bemalten  Flügel  des  Altars  bis  auf  einen,  dessen 
Darstellungen  unkennthch  geworden,  spurlos  ver- 
schwunden. An  zwei  tigurenreichen  HolzreUefs 
der  Kreuztragunir  und  Kreuzabnahme  des  Herrn, 
die  der  Bildhauer  Fleige  zu  Münster  aus  dem 
Nachlasse  des  Bildhauers  Prange  daselbst  er- 
standen hat.  gewahren  wir  grössere  Figuren, 
sonst  dieselbe  Meisterhand  in  der  Gruppimng. 
in  der  malerischen  Gewandung,  in  der  glück- 
lichen Polychromie.  die  an  den  Gewand^äumen 
wieder  ganz  sorglieh  und  fein  ist.  und  nament- 
lich in  den  Physiognomien  der  Hauptgestalten: 
der  Ausdruck  wird  übertrieben,  die  Pru[>ortion 
gerundet,  damit  ja  die  Wirkung  nicht  ausbleibe: 
es  sind  wiederum  die  Trümmer  eines  grossen 
Schnitzaltars  zu  Dinker,  wovon  ich  eben  noch 
die  Gruppen  unter  dem  Kreuze  und  einige 
Figuren  derselben  Auflassung.  Behandlung  und 
Färbung  entdeckt  habe. 

Auf  dem  Kirrhhdfe  steigt  empor,  entworfen 
vom  Baurath  Hartmanti  und  ausgeführt  von 
Friedrich  Wcismamt  in  Westhofen,  flber  einem 
])rismatischen  Sockel  eine  Steinsäule  mit  dem 
Adler  als  Denkmal  der  1870  71  gefallenen  Vater- 
landsvertheidiger  der  Gemeinde. 


r.-II.  .1.  II.  \V.  IV,  Nr.  WiV.  I,  Xr.  HS;  -  N.  U.-B.  H.  Nr.  374;  -  Rojr.  H.  W..  Xr.  17R5;  -  Kunpschulte.  S.  83;  -  r.  Sfci- 
ii«>ii  n.  WIH  f.,  dor  iils  Dutum  der  Wottorffthiio  1724  verzt>ichnct ;  —  Lübko,  S.  210,  »!4;  —  Aufhahmpn  Av*  H.rni  n.iun.ih'-  Hari- 
iiianii ;  —  Mitthoiluni^n  dos  Ili-mi  Siipcrintcndontcii  Polschor.  —  liOcal-Untoreuchunfr  und  -Aafnahnion. 


-^-^ 


Huiiiiiicrdt^ 


Hemmerde,  als  Oertlichkeif  gegen  000  ]J,i. 
niarUhi,  spiUer  IlfHiirnflii,  11  17  Ilrnirrdii. 
1170  Ifn/nirnirn,  .sonst  schon  wie  W'^^.  wo 
ein  Widecho  daselbst  wohnhaft  ist,  Ifrnunlr, 
1  170  K,  nkhcmcrdc  geschrieben,  hatte  also  schon 


früli  urkundlich  einen  Namen  und  gewiss  auch 
eine  Kirche:  1200  24  8  wurde  deren  Patronat 
vom  Grafen  Ludwig  von  Arnsberg  dem  (trafen 
Everhard  von  der  Mark  und  fünf  Taue  darauf 
von  diesem  dem  Kloster  Scheda  tlbercignet. 


KlKCllENliAl. 


117 


Die  evangeli.sehe  Kirche. 


Die  Kirche  erhebt  sich  noch  innerhalb  be- 
trächtlicher Keste  der  alten  Kirchhofsmauer  und 
wiederum,  wie  die  meisten  altern  der  Gegend, 
auf  einer  Anhöhe,  und  zwar  als  einschiffiger 
Kreuzbau  mit  ])olygonem  Chore  ohne  Vorlage 
und  einem  viereckigen  Thurme  im  Westen;  im 
Kreuzbau,  dessen  Flügel  oblong,  parallel  zur 
Längenachse  und  deswegen  weniger  ausgeladen 
sind,  liegen  noch  die  klarsten  Erbtheile  des  rein 
romanischen  Stiles  vor;  in  den  Ostmauern  die 
Nischen,  —  die  nördliche  später  behufs  des  Sa- 
kristeibaues verstümmelt,  —  in  der  nördlichen 
Giebelwand  ein  kleines  Eundbogeufenster  —  das 
Gegenstück  an  der  andern  Seite  später  gothisch 
umgestaltet,  —  hier  auch  die  alte  Thüröffnung, 
dort  vermauert  und  tief  gesunken  das  rund- 
bogige  Gegenstück,  ferner  die  vier  rundbogi- 
gen  Gurten  der  Vierung,  deren  westhchen 
Kämpfer  als  Schräge  mit  Schachbrettornament, 
deren  östlichen  als  klare  Gesimse  gebildet,  und 
die  beiden  flankirenden  Säulchen  der  Seiten- 
apsiden. Ihre  Basen  stecken  im  Boden,  ihre 
Würfelcapitäle  sind  an  den  Wangen  mit  Orna- 
menten, überhaupt  mit  gut  gezeichneter  Skulp- 
tur und  oben  mit  Deckplatten  versehen,  die 
entweder  kräftige  Profile  oder  Schachbrettverzie- 
rung haben.  Die  Kappen,  welche  auf  gekehlten 
Kreuzrippen  ruhen,  bestehen  aus  PUesterwerk. 

Dieselbe  Bauzeit  und  gewisse  Stilschönheiten 
theilt  das  Mauerwerk  des  Langhauses  wenig- 
stens im  Kern.  Ein  breiter  beiderseits  gestufter 
Quergurt  gesetzt  auf  Wandpilaster,  dessen  Mauer- 
ecken den  Stufen  und  Schildgurten  entsprechen, 
zerlegt  den  Eaum  in  zwei  viereckige  Gewölbe- 
felder, deren  Kreuzrippen  indess  nur  Schein- 
kappen, wiederum  von  Püesterwerk,  tragen.  Die 
Kämpfer  zeigen  wie  die  westlichen  des  Kreuz- 
baues noch  die  Schräge  mit  Schachbrettorna- 
ment, also  romanische  Bildung,  die  Gurten  hin- 
gegen einen  steifen  Spitzbogen.  Da  Gurtbögen 
und  Pilaster  die  Form  eines  Hufeisens,  die  letz- 
teren je  tiefer  nach  unten,  um  so  weitere  Ab- 
lösung vom  Mauerwerk  haben,  so  scheinen  sie 
später  für  die  Wölbungen  angesetzt,  die  letzteren 
aber  allmälig  so  lastend  geworden  zu  sein,  dass 
jene  die  sonderliche  Gestalt,  die  Langwände  aber 


eine  Verstärkung  an  plumpen  Streben  und  endlich 
die  Felder  statt  der  Steindecke  eine  solche  aus 
leichterem  Material  erhielten.  Es  wäre  danach 
das  Mauerwerk  älter  als  die  Gurten,  im  Kerne 
wol  gleichzeitig  mit  dem  Kreuzbau  und  später 
beim  Einsatz  der  Gewölbe  etwas  aufgehöht. 
Mögen  auch  die  Gurten  noch  aus  der  frühem 
Gothik  stammen,  die  leichten  Wölbungen  im 
Kreuzbau  und  im  Langhause  gehören  jeden- 
falls entweder  der  Zeit  von  1483,  wo  ein  neuer 
Schnitzaltar  angeschafft  ^nirde,  oder  der  Zeit 
des  Chorbaues,  die  stichbogigen  Fenster  viel- 
leicht einer  Restauration  oder  Verunstaltung  von 
1692  an.  Der  ohne  Vorlage  fünfseitig  angebaute 
Chor,  in  den  Fenstern  mit  verflachtem  Maass- 
werk behaftet,  ist  offenbar  eine  Leistung  der 
spätesten  Gothik  und  zwar  des  Jahres  1543, 
das  an  der  Rückwand  eingegraben  ist ;  das  Näm- 
liche gilt  von  der  Sakristei  im  Nordwinkel  des 
Kreuzarmes. 

Frühgothischer  Zeit  und  vielleicht  dem  Jahre 
1290,  als  das  Patronat  verschenkt  wurde,  eignet 
der  Thurm;  das  beweisen  der  zur  Kirche  füh- 
rende Scheidebogen,  die  langen  Lichtschlitze 
der  zweiten  Etage  mit  Spitzbogenschluss ,  die 
gut  geschnittenen  Rippen  des  Kreuzgewölbes 
darüber.  Die  unförmüchen  Schallöffnungen  oben 
sehen  aus  wie  Verstümmelungen  einer  sehr  origi- 
nellen Anlage,  nämüch  einer  gekuppelten  in 
jedem  Theile  mit  Nasen  besetzten  OefiFnung.  wie 
sich  deren  oben  in  der  Ostmauer  noch  zwei 
kenntlich  erhalten  haben.  1726  ^vurde  die  bau- 
fällige Spitze  durch  die  jetzige  ersetzt  und  ge- 
wiss auch  das  hölzerne  Krauzgesimse  aufgelegt. 
Der  vor  etwa  zehn  Jahren  restaurirte  Eingang 
hat  in  der  Barockzeit  eine  einfache  Umrahmung 
erhalten,  dessen  Bogenfeld  früher  ein  Wappen 
oder  eine  Inschrift  einhalten  hat.  Die  Sand- 
steinquadem  des  Mauerwerks  sind  mehrfach 
durch  einen  Kalküberzug  verdeckt. 

Sieht  man  von  dem  Baufiilligeu  und  Un- 
harmonischen ab,  so  macht  der  ganze  Bau  mit 
den  Kreuzgiebelu,  dem  hohen  Dache  des  Chores 
und  Kreuzes,  dem  niedrigem  des  Laughauses 
und  dem  ki'äftigen  hochbehelmten  Thurm  eine 
wechselvolle  Silhouette. 


118 


HIlLVLLKiiH. 


Bis  vor  wenigen  Jahren  bewahrte  die  Kirche 
noch  einen  Schuitzaltar  mit  heller  Polychromie 
und  vielen  Goldaufträgen,  der  jetzt  als  Geschenk 
des  Kitters  Friedrich  v,  Voigtlander  das  Trepi)en- 
haus  des  vaterländischen  Museums  zu  Braun- 
schweig ziert,  von  wo  er  vor  fast  vierhundert 
Jahren  nach  dem  Westen  gewandert  war.  Das 
(Jehäuse  besteht  aus  Eichenholz,  die  Statuen  und 
Reliefs  aus  Lindenholz.  Er  zerlUllt  als  ein  Trii>- 
tychon  in  drei  Flügel.  In  der  Glitte  sind  dar- 
gestellt unter  einem  Baldachin,  den  jederseits 
eine  Strebe  mit  der  Statuette  eines  Heihgen 
flankirt,  die  stehende  Madonna  mit  dem  Kinde, 
ihr  zur  Seite  in  je  drei  kleinen  Baldachinen 
(Ibereinander  links  die  Ai)ostel  Thomas,  l'etrus. 
Paulus,  rechts  die  Heiligen  Blasius,  Damian 
und  ein  Apostel,  daneben  in  Gruppenbildern 
wieder  links  oben  zur  Seite  die  Baulusfigur. 
rechts  unten  im  Felde  der  h.  Blasius,  <lie  Ver- 
kündigung, darunter  der  Besuch  bei  EUsabeth, 
untt-n  die  Geburt  und  die  Anbetung  der  h.  drei 
Konige.  darüber  die  Darltriiigung  im  Temi)el. 
und  oben  der  Tod  dt-r  ii.  Jungfrau  in  der  Um- 
■jebung  der  zwölf  Apostel.  —  Die  beiden  Seiten- 
Flügel  zeigen  je  zwischen  Nischen,  die  ein 
Heiliger  ausfüllt,  drei  Hauptdarstellungen:  der 
rechte  der  Epistelseite,  oben,  wie  Joachim  die 
Schafe  hütet  und  mit  der  heil.  Anna  an  der 
goldenen  Pforte  zusammentrifft,  danmter  wie  das 
dreijährige  Marienkind  die  fünfzehn  (I)  Stufen 
des  Tem|)els  ersteigt:  rechts  davon  erscheint  der 
h.  (osmas,  der  in  der  Beeilten  eine  Flasche, 
in  der  Linken  ein  Besteck  mit  chirurgischen 
Instrumenten  hält,  links  davon  S.  Vincentius 
Ferrerius  in  der  Linken  einen  Palmenzweig,  in 
der  Hechten  eine  Scheibe  mit  den  Muchsialn-n 
J.  Ii.  S.;  darunter  folgt  die  Veral)schiedung  der 
Ap<»stel  von  Maria,  und  von  den  beiden  llan- 
kireuflen  Bischöfen  erkennt  man  S.  llrich  mit 
einem  Fische  auf  dem  Buche.  Am  linken  Flügel 
oben  ligurirt  die  Taufe  Christi  im  .Jordan,  dar- 
iinier  die  Kreuzigung,  rechts  davon  der  heil. 
Damian  mit  einer  Medicinllasche.  unten  die 
Auferstehung,  rechts  «lavon  St.  Blasius.  Die 
übrigen  Xel>enliguren  sind  unbestimmt.  Di»' 
BiMfelder  haben  (Joldgrund  und  durchbrochene 
Bekrönuniien.  die  Stege  der  .Vbtheilungen  Fialen- 
liesatz:  überhaupt  ist  die  decorative  Architektur 


einfach,  das  Malerische  zu  Gunsten  des  Statua- 
rischen vermieden,  dagegen  auffallend  der  Gold- 
aufwaud  bei  den  matten  Farben  der  Figuren, 
die  son.st  dürre  Gesichter,  kurze  Leiber  und  eine 
knitterige  Gewandung  haben.  An  der  Predella 
sind  zu  Seiten  einer  vergitterten  Oeffnung.  welche 
Reli(iuieu  oder  ein  Cilwrium  bergen  mochte,  in 
Farben  »largestellt  zunächst  zwei  das  Thuribulum 
schwingende  Engel,  weiterhin  die  Geisselung 
und  der  Fall  Christi  unter  dem  Kreuze.  Das 
Ganze  Vtekrönt  ein  vergoldeter  Spitzlx>genfnes, 
mid  unter  demselben  läuft  auf  rothem  Grunde 
in  gelben  sehr  verkürzten  Minuskeln  folgende 
Inschrift :  Regina  celi  letare  alleluja!  quia  quem 
mcrui>ti  portare  alleluja!  re>urexit  sicut  dixit 
alleluja!  ora  pro  nobis  Deum  alleluja!  Com- 
[detum  est  opu>  illud  in  Brunswik  per  me 
Couradinn  Borgctitrik   1483   vigilia  Laurcntii. 

Die  Malereien  aus  der  lieidensgeschichte  des 
Herrn,  welche  die  Aussenseiten  der  Flügel  ver- 
zieren, haben  arge  Beschädisruneen  erlitten:  selbst 
das  Schnitzwerk  war  durch  Wurmfrass  und  Ver- 
luste so  sehr  verkommen,  dass,  abgesehen  von 
den  decorativen  Architekturen,  eine  Reihe  von 
Figuren  vom  Bildhauer  Pctcr  Jurctzka  in  Braun- 
schweig oder  vom  Bildhauer  Allard  in  Münster, 
der  den  Altar  zuletzt  besass,  reparirt  und  er- 
neuert sind.  Von  den  zwei  wahrscheinlich  be- 
malten Flügeln,  welche  ausgebreitet  wurden, 
wenn  die  Seitenflügel  den  Mitteltheil  verschlossen, 
erübrigen  nur  mehr  die  Haspen.  Der  Meister 
Borgcutrik\  dessen  Eltern  möglicherweise  aus 
dem  westfälischen  Orte  Borgentreich  nach  Braun- 
schweig verzoiron  waren,  ist  in  der  zweiten  Hälfte 
des  l.').,lahrhnn(lerts  mehrfach  als  Bürger  Braun- 
schweigs  in  den  Stadtbüchern  aufgeführt,  und 
neben  Immci"<<ort,  dem  Meister  des  um  10:i<l 
gefertigten  C'rucilixes  di-r  ehemaligen  Bupgkirche, 
der  einzige  nachweisbare  Bildschnitzer  Braun- 
schweigs  aus  dem  Mittelalter. 

Von  einem  altern  Altar,  der  1U('>  unter 
dem  Pastor  Arnold  C'alve  zu  Ehren  des  h. 
Kreuzes,  der  h.  Maria,  der  D>  0(i(>  Märtyrer 
und  der  h.  Barl)ara  an  der  Xoniseite  gebaut 
war,  hat  sich  jede  S))ur  verloren. 

Die  Sakristeithür  überziehen  drei  Kisenbän- 
dcr  mit  steifen  Verzweigungen  —  eine  handwerks- 
mässige  Schmiedearbeit  des  IG.  Jahrhundert.s. 


lliliiiipi 


KmCUE  IXD  KIJICULICHE  liEXKilÄI.EU. 


119 


Die  Kanzel,  ihr  Deckel  und  Boden  sind 
polygon  und  von  Holz,  die  Ecken  mit  gewundenen 
Säulchen,  die  Flächen  dazwischen  auf  mit  Engel- 
küpfchen  verzierten  Consolen  von  den  Figuren  der 
Evangelisten  besetzt,  und  auf  den  Schildern  des 
Bodens  die  Zahlen  des  Jahres  1677  angebracht. 
Die  drei  Glocken  enthalten  folgende  In- 
schriften: 
die  kleine   eine  aus  Ps.  50:    Lobet  den  herrn 

mit  wohlklingenden  Zinibalen  —  —  — ; 
die  mittlere  aus  Isai.  2,  v.  3.:  Kompt,  last  uns 

auf  den  berg  des  herrn  gehen  .  .  .  Anno  1684; 
die  grösste :  Wilh.  Rincker  aus  Westhofen  goss 

mich  im  Jahre  i855  .  .  . 


Die  Orgel,  welche  1743  aus  der  Kirchen- 
mitte hinter  den  Altar  versetzt  und  ausgebessert 
vMirde,  erhielt  1869  eine  neugothische  Fa^ade. 
der  Altar  einen  kleinen  gothisch  gehaltenen  Holz- 
Aufsatz  und  der  Chorraum  eine  weitere  Auf- 
höhung.  Dabei  wurden  alte  Grabsteine  des 
17.  und  18.  Jahrhunderts  namentlich  von  den 
Besitzern  und  der  Familie  des  Hauses  Broel 
verdeckt. 

Das  vorhandene  (neuere)  Kirchensiegel 
stellt  eine  Kirche  mit  Thurm  dar. 

Die  Kirche  gehört  jetzt  der  unirten  evange- 
hschen  Gemeinde. 


Die    katholiisclie    Kirche    uiacl    andere    Denkinäler. 


Die  Reformation  und  zwar  das  lutherische 
Bekenntniss  gewann  hier  schon  im  16.  Jahr- 
hundert einen  grossen  Anhang,  und  da  die  Zahl 
der  Kathoüken  nicht  unbeträchtlich  bheb,  theilten 
sich  beide  Confessionen  in  das  alte  Gotteshaus, 
jedoch  wiederholt  unter  den  unerquicklichsten 
Reibungen.  Die  Katholiken  hatten  seit  1622 
einen  beschränkten  Mitgebrauch  und  erlangten 
1737  11/10  das  Recht,  ein  eigenes  Gotteshaus 
von  genau  vorgeschriebenen  Dimensionen  und 
Rechten  zu  emchten.  Die  dann  auf  den  Namen 
der  Apostelfiirsten  erbaute  Kapelle  ward  indess 
so  bald  schadhaft,  dass  sie  1808  2/9  das  Simul- 
taueum  wieder  beantragten,  es  auch  auf  ein  Jahr, 
1)is  w^o  ein  Neubau  voraussichtlich  vollendet  wäre, 
erlangten  und  bis  1814  behaupteten,  wo  sie 
zum  Baue  der  gegenwärtigen  Kirche  schritten, 
die  1833  eingeweiht  ist.  Sie  bildet  im  Grund- 
risse ein  längliches  Viereck  mit  einem  fünf- 
seitigen Chore  und  einem  quadratischen,  etwas 
aus  der  Mauerfiucht  vortretenden,  Westthurme. 
Der  Chor,  dessen  hinterster  Raum  als  Sakristei 
dient,  hat  vier,  jede  Langseite  hat,  das  inner- 
lich abgeschlossene  Westgefach  des  Thurmes 
mit  gerechnet,  sieben  Fenster,  das  Langhaus 
bei  beträchtlicher  Breite  eine  Bretterdecke  in 
Form  eines  Tonnengewölbes,  jedes  Fenster  eine 
Bank  auf  Kragsteinen,  rundbogigen  Schluss,  äus- 
serhch  eine  Umrahmung  von  einem  viereckigen 
Bande,  das  auf  der  Höhe  der  Kämpferpunkte 
auch  horizontal  den  Wänden  entlang  zieht.   Doch 


nimmt  den  Platz  des  Aierten  Fensters  bis  auf 
den  Schluss,  also  in  der  Mitte  der  Langwände. 
jederseits  eine  gerade  gedeckte  Thttr  ein;  ein 
dritter  Eingang  liegt  im  Thurme.  der  mit  seinen 
vier  den  Fenstern  nachgebildeten  Oeffhungen 
und  einem  gedrückten  P^ramidendache  sich  aus 
dem  Firste  des  breiten  Daches  erhebt.  So  steht 
die  Kirche  da  als  ein  vollendetes  Muster  da- 
maliger Bauweise,  die  man  nicht  mit  Unrecht 
als  Casernenstil  gekennzeichnet  hat. 

Als  eine  xirbeit  aus  der  Zeit  des  Ivirchen- 
baues  erkennt  mau  die  poh'gone  Kanzel  mit 
dem  Deckel  —  als  ersten  Versuch  der  Neu- 
gothik  den  gleichfalls  im  Ständer  und  Becken 
polygonen,  seithch  mit  Blenden  ausgestatteten 
Taufstein. 

Aus  der  Kirche  zu  Werl  sind  übernommen 
der  Hauptaltar  (vergi.  die  Tafel  mit  der  Ge- 
sammtansicht des  Chores)  in  reichstem  Barock- 
stil und  der  nördliche  Seitenaltar  in  späterer, 
doch  massvoller  Renaissance.  Beide  sind  in  Stein 
ausgeführt  und,  me  die  Abbildungen  zeigen, 
reichen  sich  bei  letzterem  Arckitektur  und  Pla- 
stik, bei  ersterem  auch  die  Ornamentik  erfolg- 
reich die  Hände.  Im  Mittelfelde  des  Haupt- 
altars etwas  akademisch  gehalten  der  Crucifixus 
mit  Maria  und  Johannes,  dahinter  Architekturen 
und  Kriegsknechte  in  gutem  Relief,  darüber 
jederseits  ein  Engel,  vor  den  beiden  »on  Ruud- 
säulen  flankirten  Seitenstücken  der  h.  Petrus  und 
Paulus,  auf  den   Säulen  hier  der  h.  Johannes 


120 


HEMMEEDE. 


1  (1er  Täufer,  dort  die  h.  ^laria  mit  dem  Kinde: 
über  der  Mitte  tritt  halb  vor  ein  poly^oner 
Oberbau,  an  den  Seiten  mit  Figuren  und  einem 
von  einer  Vase  durchbrochenen  Giebel.  Während 
ein  hölzernes  Tabernakel  rinj^s  mit  gewundenen 
Säulchen  und  Engelkopfchen,  dazwischen  mit 
Heiligenfiguren  und  oben  mit  dem  Pelikan,  an- 
geblich der  Kest  eines  Kococco-Altars,  das  Mittel- 
feld der  Predella  verdecken,  beleben  deren  Seiten- 
flächen in  flottem  Kelief  an  der  Evangelienseite 
das  h.  Abendmahl,  an  der  Epistelseite  die  Heral)- 
kunft  des  h.  Geistes.  Trotz  des  markirten  Aus- 
drucks, der  erregten  Haltung  und  unruhigen 
Gewandung  im  Figürlichen  legt  das  grosse 
Werk  Zeugniss  ab  von  einem  Meister,  der  sich 
so  Meit  über  seine  Zeit  erhob,  dass  er  dem 
leidlichen  ein  individuelles  und  formvolles  Ge- 
Ijräge  aufdrückte,  womit  thatsächlich  mehrere 
Kimstler  des  Landes  dem  sinkenden  Kunstge- 
schniacke  rühmlichst  widerstrebt  haben.  Der 
Altar  dürfte  noch  vor  1700  angefertigt  sein. 

Als  eine  Frucht  der  späteren  Renaissance 
steht  der  nördliche  Scitcnaltar  (vergl.die  Tafel) 
der  h.  Barbara  da.  Das  Gerüste  bilden  Seiten- 
säulchen  und  darüber  ein  kräftiges  Gebälk,  dami 
wiederholt  sich  im  Kleinen  der  Unterbau,  end- 
lich folgt  ein  Giebel,  der  das  IJild  der  Gottes- 
mutter trägt.  Das  Hauptfeld  füllt  in  Relief: 
die  Auferstehung  des  Herrn  in  malerischer  Auf- 
fassung, daneben  stehen  in  muschelverzierten 
Nischen  auf  kräftigen,  doch  ziervoll  behandelten 
Consolen  die  freien  Figuren  Johannes'  des  Täufers 
und  der  h.  Barbara,  die  auf  einem  Teller  die 
abgeschnittenen  Brüste  hält:  über  den  Ecken 
des  Hauptgebälks  stehen  auf  hohen  Sockeln 
einerseits  das  Bild  der  h.  Catliarina.  anderer- 
seits eine  Figur  mit  der  Krone  auf  dem  Haupte 
und  mit  dem  offenen  Buche  in  der  Hand.  Kraus 
gerandet  sind  die  l^lindOügel  des  Hauptfeldes 
und  die  Füllungen  zwischen  Oberbau  und  den 
Sockeln  der  Eckliguren.  Den  Ernst  des  archi- 
tektonischen (lerüstes  mildert  die  Ornamentik, 
namentlich  der  Znhnschnitt.  flache  geometrische 
Muster  und  die  Kngelköpfe  an  den  Sockeln,  von 
denen  jene  der  beiden  untern  Säulen  Nischen 
mit  Figuren  beh'ben.  Auch  die  freien  Gestalten 
hal)en  ein  etwas  statuarisches  Aussehen  und 
geringe    Durcharbeitung,    trotzdem    das   Ganze 


einen  fertigen  Meissel  verräth.  Das  Werk  er- 
innert an  ähnliche  Arbeiten  zu  Münster  und  masr 
dort  auch  entstanden  sein.  Von  den  frommen 
Inschriften  geben  wir  jene  des  mittleren  Pre- 
della-Feldes wieder,  weil  sie  nicht  nur  das  Ge- 
schick des  Meisters  ehrt,  sondern  auch  das 
Patronat.  die  Stifter  und  im  Schlussgedicht  das 
Datum  lyj'-i  kundgibt: 

Barbara  Pellaei  cedant  miracula  niundi 

Artifici,  taceat  Daedalus  arte  fal)er. 
Hoc  molis  maioris  opus,  vitalia  Christi 

Munera  coniplectens,  laude  per  ora  volet. 
Pistorum  fraternus  amor  pietatis  asylum  hoc 

Erexit,  veniae  sit  sacra  liba  tuae. 
Agniferum  illi  operi  praefecit  numine  plenum 

Zacharidem,  veri  qui  tuba  viva  Dei. 
Hiiic  astant  Agathae  teneris  lacerata  manlilli^ 
Mcüibra.  j)atrocinio  nititur  ara  >uo. 
Eteostichon. 
LVClkT  o<  tobrls  MlCXIt  ter  (jVIntVs  In  a.\e 
\  t  creCta  est  stat\'Is  ara  saCrata  sVIs. 
Im  südlichen  Seitenaltar,  einer  schwachen 
Holzarbeit  des  vorigen  .lahrhunderts.  zeigt  das 
von  Heiligen  und  Säulen  flankirte  Hauptfeld  den 
Welterlöser  über  dem   Zeichen  I  H  S  mit  den 
Leidenswerkzeugen,  das  obere  zwischen  Giebel- 
ecken  das   Crucitixbild.    Den  Abschluss   macht 
auf  hoher  Console  die  Figur  eines  Bischofs. 

Zwei  ältere  schadhafte  Holzhilder  der  Pieta 
von  verschiedener  Grösse  gehören  der  Auffassung 
und  Gewandbehandlung  nach  etwas  verschiede- 
nen Zeiten  der  Spätgothik  an. 

Die  Glocken  haben  183(5  die  Herren  A/txn/s 
Petit  &  liiiclhrock  in  Gescher  gegossen. 

Von  einem  hochverehrten  Marien  bilde  in 
einem  hiesiuen  Heiliuenbäu^chen  erzählt  eine 
alte  Chronik  /um  .lahre  14-'»7. 

^xx 

Von  dem  l'.roel  hatten  sich  im  vorigen  .Jahr- 
hunderte noch  Mauerresto.  bis  vor  dreissig  .lahren 
noch  Steintrümmer  am  Bande  <les  gleichnamigen 
Waldes  erhalten.  Jüngst  stiess  man  bei  der 
Anlage  eines  grossen  Teiches  dort  auf  Fundament- 
mauern und  hielt  sie  für  jene  des  alt  berühmten 
Hittersitzes. 

Die  Bauerschaft  Steinen  an  der  Köinisrben 
(Jrenze  hatte  vielleicht  auch  eine  FehmstiJlte 
und  bis  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts><  noch 


KntCllE.NJiAL. 


121 


die  Ruinen  einer  alten  Kapelle,   deren   Steine 
damals  in  eine  Scheune  verbaut  wurden. 

Unter  den  Merkwürdigkeiten  der  Umgegend 
fesselt  vorab  der  Birkenbaum,  über  den  man 
vor  etwa  hundert  Jahren  Folgendes  verzeichnete : 
,Der  Berckenbaum  ist  eine  in  vorigen  Zeiten 
sehr  bekannte  Schanze  auf  der  Landwehr  ge- 
legen am  Wege,  der  aus  der  Grafschaft  Marck 
in's  Cöllnische  führet;  ist  aber  jetzo  von  ge- 
ringer Wichtigkeit,  die  Ueberbleibsel  sind  doch 
noch  zu  sehen.  An  dieser  Schanze  stunde  vor- 
zeiten ein  könighch  ZoUhauss  und  Zollbret,  auch 
ein  halber  Galgen  für  die  Zigeuuer.  Es  ist  aber 
das  Haus,  weil  sich  in  demselben  viel  bös  Volk 
aufzuhalten  pflegte,  1751  weggebrochen,  und 
der  Zoll  nach  Hemmerde  verlegt  worden.'  Die 
Landwehr  auf  der  Scheide  der  Mark  ist  uns 
bekannt,  die  Schanze  ist  längst  verschwunden, 
an  ihrer  Stelle  vor  mehreren  Jahren  ein  neuer 


Birkenbaum  gepflanzt,  wie  sie  gewiss  von  einem 
iUteren,  ,dem  Sagenreichen*,  den  Xamen  trug. 
Gleichwol  haben  anscheinend  die  Leute  früher 
den  Birken-Wald  bei  Budberg  und  Werl  als 
den  Mittelpunkt  alter  Prophezeiungen  über  eine 
dort  l)evorstehende  Volkerschlacht  und  aller- 
hand kriegerischer  Visionen  ausgegeben,  deren  in 
den  Schriften  vom  Jahre  1545  bis  1854  ge- 
dacht wira,  die  aber  schhessüch,  wie  überall  als 
die  letzten  Ausklänge  einer  Sage  über  eine  längst 
vorgefallene  Schlacht  erkannt  werden,  als  welche 
hier  nach  den  neuesten  Forschungen  keine  andere 
in  Betracht  käme,  wie  die  Varusschlacht.  iJass 
man  die  Oerthchkeiten  mähg  verwechselte,  nimmt 
um  so  mehr  Wunder,  als  man  die  Prophe- 
zeiungen noch  stets  an  die  Umgegend  von  Werl 
knüpfte,  die  gleichwol  längst  ihren  Birkenwald 
verloren  hat.  So  hüllt  sich  noch  manch'  geschicht- 
liche Erinnerung  in  Prophezeiungen  und  Sagen. 


Vorher  S.  7,  19,  28,  31.  —  N.  U.-B.  11,  471.  374;  —  Reg.  H.  AV.  Nr.  2069,  1785;  —  Urk.  d.  J.  1290  in  "Wifrand's  Archiv  für  Geschichte 
und  AJterthumskuiide  VII,  157  f.;  —  v.  Steinen  U,  807  ff.,  822  f.,  852,  959:  —  Lübke.  S.  221.  306:  —  Handschriftl.  Notizen 
Dr.  Schiller's  zu  Braunschweig  mitgetheilt  vom  dortigen  Stadt- Archivar  Herrn  L.  Hänselmann :  —  Könisl.  Staatsjirchiv,  Schedaer 
Urk.  ad.  a.  1416;  —  Biidecker  -  Heppe  II.  97  f. ;  —  Essellen,  S.  172;  —  Spormacher's  Chronik  von  Lünen  bei  v.  Steinen  IV, 
148G;  —  Kiihn  a.  a.  0.  I,  206  ff.;  —  Hülsonbeck,  Varusschlacht,  S.  29,  45;  —  Jlittheilungen  der  Herren  Hehler  und  Pastor 
Panhüff.    —  Local-Untersuchung  und  -Aufnahmen. 


-4- 


-^- 


I)  i  e     H  a  a  1^ 


BaLTseiiliagen. 


Die    evangelische    Ivii-che. 


Bausenhagen  lautete  1293  BusenJiagen,  1334 
Bozenliaaglien,  später  Biisinlimjen,  Bosen- 
liagen.  Die  dortige  Pfarre  war  der  heil.  Agnes 
geweiht,  und  vielleicht  von  den  Grafeu  von  Arns- 
berg, die  1293  über  einen  ihrer  Zehuten  ver- 
fügten, mitgestiftet.  Der  Propst  des  lilosters 
Scheda,  das  in  ihrem  Sprengel  lag,  vergab  die 
Pfarrstelle  und  übte  auch  das  Collationsrecht 
in  Betreff  des  evangelisch-lutherischen  Pastors. 
Die  Reformation  fand  hier  im  ]  6.  Jahrhundert 
soweit  Eingang,  dass  Kathoüken  und  Protestan- 
ten ein  Simultaneum  hatten,  der  Küster,  M'elchcr 
kathoüsch  blieb,  auch  den  Protestanten,  der  Or- 
ganist beiden  Bekenntnissen  seine  Dienste  lieh. 


Hier  Meht  uns  eine  ähnhche  Vergangenheit 
und  eine  Urnatur  entgegen,  wie  im  benachbarten 
FrOmern;  nur  erscheint  der  Wald  dichter  und 
mächtiger,  der  Rücken  der  Haar  sogar  schluch- 
teureich;  und  nach  einer  Urkunde  des  Jalires 
1334  hätten  hier  auch  Ritter  ihre  AVohnsitze 
gehabt. 

Das  Gotteshaus  liegt  auf  einem  Berge  und 
trägt  noch  wenig  umgestaltet  die  Charaktere  der 
romanischen  Stilzeit.  (Fig.  105,  lOG.)  Der  qua- 
dratisch angelegte  Westthurm  unten  von  Mauer- 
schlitzen, in  den  beschädigten  Obereta9;en  von 
rundbogigen  Schallöffnungen,  die  theilweise  ihr 
Mittelsäulchen    verloren,    durchbrochen,   Miirde 


s^ 


122 


BAL-iEXHiGEX. 


1873  durch  einen  ähnlichen,  doch  reichern  Neu- 
bau mit  Mauergiebeln  ersetzt,  zwischen  welchen 
der   pyramidale   Helm  j 

aufsteigt.  Das  einschif-  ü 

fige  Langhaus  besteht  i 

aus  zwei  oblongen, 
quergelegten  Kreuzge- 
wöll)en.    die    zwischen  ;  , 

breiten  Kundgurten  auf  ;  ' 

abgeschrägten  Käm- 
]»fern   indess  über  go-  / 

thisch  gekehlten  li\\)- 
pen  ausgespannt  sind. 
Der  jetzige,  zweite  Chor 
hat  ein  quadratisches 
Gewülbe  mit  Kreuzgrii- 
ten,  line  halbrunde,  je- 
derseits  von  einer  Kund- 
säuie  eingefasste  Apsis 
und  nördlich  im  Win- 
kel mit  dem  Laiigliause 
eine  quadratische  Sa- 
kristei mit  einem  Kreuz- 
gewölbe. An  den  Rund- 
säulen der   Apsis    fal- 


deu  Thurm  jedenfalls   noch  dem  12.  Jahrhun- 
dert seine  Entstehung  verdankt. 

In  der  Nordwand 
des  Chores  hat  sich  er- 
halten ein  spätgothi- 
scher  Wandschrank, 
seitüch  von  Fialen  flan- 
kirt.  oben  nur  mit  ei- 
ner Kreuzblume  abge- 
schlossen —  in  der  ein- 
fachsten Form. 

Daneben  steht  ein 
reich  entwickeltes  Sa- 
kramenthaus (Fig. 
107):  der  viereckige 
Fuss  gegliedert  und 
mit  Blenden  geziert, 
der  Rahmen  des  vor- 
tretenden Kastens  seit- 
lich noch  mit  einer  Fi- 
•jur  besetzt,  der  durch- 
brochene Baldachin 
gipfelnd  in  eine  Kreuz- 
blume als  Sitz  des  Peli- 
kans   —    eine    Arbeit 


len  auf  die  schnabelfrmnigen  Eckblätter  der  von  wirkungsvollem  Entwürfe,  doch  weil  in  den 
Base,  die  halbkreisförmigen  Einkerbungen  des  outrirtesten  Formen  der  Spätgothik,  jedenfalls 
stark   entwickelten  Wulstes,    die    langen    einer      im  IG.  Jahrhundert  ausgeführt. 


gestürzten  Pyramide  vergleich- 
barni  ('a|iitäl<'  mit  Schuppcn- 
ornanicnt.  und  iibcr  ihrer  Drck- 
l»latte  die  Kämpfer,  bestehend 
aus  Anlauf,  aus  Kundstab  in 
F()rm  eines  Seiles  und  aus  der 
Platte.  Von  den  drei  Eingän- 
gen ist  nur  jener  in  der  Wi'st- 
luauer  des  Thnrmes  geblieben, 
die  beiden  andern  und  zwar 
westlich  in  der  Langwand  und 
östlich  in  der  Cliorwand  der  Süd- 
seite sind  vermauert.  Sie  hat- 
ten rundbügige  Kinw(»ll)ung.  wie 
ursiinniglich  auch  die  Fenster, 
die  später  t.heils  tiefer  herabge- 
zogen, theils  sj)itzbogig  umge- 
staltet sind.  Diese  und  die  Ge- 
wölbe des  Schitfes  erscheinen  als  sjiätgothisclie 
Zuthaten,  wogegen  der  Kern  des  Baues  bis  auf 


Der  Aufsatz  des  Hauptaltars  (vgl. 
die  I*hotolithograjdiie)  zerfällt  in  drei 
viereckige  Pre(lella- Nischen  unten  und 
drei  höhere  Nischenfelder  oben,  deren 
mittleres  über  die  seitlichen  emiwrsteigt 
und  ein  Crneilixbild  trägt.  Diese  fül- 
len Hache  Reliefs  mit  lA'idensscenen  des 
Herrn,  die  heute  stellenwei.se  versetzt 
und  über  der  altern  Polychromie  mit 
einer  Kalktünche  überzogt-n  sind.  Ci>- 
stüm,  die  Länge  <ler  Figuren  und  knit- 
terige Gewanchmg  verweisen  die  Arbeit 
etwa  in  das  Jahr  ir>(iO.  Im  linken 
Felde  gewahren  wir  unten  die  <iral»- 
legung,  welche  mit  der  Pieta  im  reoli- 
ten  Felde  unten  den  l'latz  gew«Thselt 
hat.  darüber  die  Schacher,  wie  sie 
zum  Calvarieuberge  getrieben  werden. 
und  zu  oberst  in  kleiner  Darstellnntr  Maria  und 
.btliannes  mit  den  Frauen,  im  Min.lf.l.b    /wi- 


KIRCH LICliü  UEXKilÄLEK. 


I2:i 


sehen  den  beiden  Fusspunkten 
der  verschwundenen  Schächer- 
kreuze  die  Kreuzigung  des 
Herrn,  im  Vordergrunde  davon 
Maria,  Johainies,  die  weinen- 
den Frauen  und  die  Pharisiler. 
im  Hintergrunde  die  Entklei- 
dung und  zuschauenden  Phari- 
säer, darüber  die  Vorbereitung 
zum  Annagehl,  im  rechten  Sei- 
tenfelde oben  die  Ivreuzab- 
nahme,  unten  vormals  die 
Pietä,  jetzt  die  Kreuzschlep- 
pung.  Die  Nischen  verschhes- 
sen  sich  oben  durch  ein  durch- 
brochenes gothisches  Blatt- 
werk, und  die  seitUchen  tru- 
gen vielleicht  ehedem  raum- 
füllende Figuren  oder  gleich- 
falls ein  Verschränk  von  Blatt- 
werk und  Architekturgerippe. 
Die  beiden  Flügel  mit  Gemäl- 
den sind  bei  der  Auflösung 
des  Simultaneums  an  die  ka- 
thohsche  Gemeinde  gekommen 
und,  wie  es  heisst,  verloren. 
Dieser  gehören  auch  das  Cruci- 
lixbild  des  Hauptfeldes  und 
mehrere  beschädigte  Holzbil- 
der, welche  behufs  der  photo- 
graphischen  Aufnahme  theils 
in  die  drei  untern  Altarnischen, 
theils  vor  die  Predella  gestellt 
sind.  Die  drei  Nischen  umfass- 
ten,  wie  die  Anlage  der  sehr 
verblassten  Farbenornamente 
des  Hintergrundes  beweisen, 
vormals  Figuren  in  der  hier 
beobachteten  Anordnung,  die 
mittlere  ohne  Frage  das  dar- 
gestellte Bild  der  Mutter  Gottes 


(virg(j  Deipara).  welches  nach 
der  Haltung  un<l  Gewand- 
lage frühgothischer  Kunst  ent- 
stammt. Gleich  alt  erscheint 
unten  rechts  die  heil.  Agnes, 
etwas  jünger  die  heil.  Barbara 
in  der  linken  Nische,  wieder 
jünger,  doch  ganz  verschie- 
den, etwa  um  die  Mitte  des 
l.">.  .Jahrhunderts  ausgeführt, 
das  Bild  der  Heiligen  mit  dem 
Buche  in  der  Linken,  und  das 
der  Mutter  Anna,  neben  wel- 
cher die  heil.  Maria  stehend 
dem  Jesukindchen  eine  "Wein- 
traube reicht ;  noch  später, 
weil  bereits  unter  naturahsti- 
schen  Einflüssen  entstanden, 
die  Heihge  in  der  Nische  rechts, 
entweder  Catharina  oder  Agnes 
und  wiederum  etwas  später  die 
danebenstehende  Figur  des 
Evangelisten  .Johannes.  —  Das 
Werk  steht  jetzt  in  Münster: 
es  belehrt  uns,  wie  sehr  derlei 
Werke  damals  vom  Keligions- 
und  Ivunstbedürfnisse  dictirt 
wurden  und  wie  sogar  eine 
kleine  Gemeinde  ihrer  nicht 
entrathen  konnte. 

Ein  Chorstuhl  mit  spät- 
gothischen  Lambris  in  den  Fül- 
lungen entstammt  dem  Spät- 
mittelalter: —  mehrere  vom 
Ivloster  Scheda  überkommene 
Sitzbänke  ziert  in  den  Fron- 
ten Barock  -  Ornament :  — 
Kanzel  und  Deckel  sind  po- 
lygen, die  Ecken  der  erstem 
mit  gewuudenen  Säulchen  ver- 
ziert. 


Die    katholische    Ivirche. 


Die  katholische  Gemeinde  bezog  1875,  nach- 
dem seit  1864  die  Gemeinde  Wickede  im  Her- 
zogtum Westfalen  als  eigene  Pfarre  abgelöst 
war,  eine  eigene  südlich  vom  Orte  auf  einsamer 


Höhe  von  F.  A.  Fischer  zu  Barmen  geplante 
Ivirche.  welche  die  Länge  dreier  GewOloefelder 
mit  Seitengängen,  polygouen  Chor,  viereckigen 
Westthurm  mit  langer  Spitze,  Dachreiter  über 


r^ 


IC* 


124 


FBdMEBN. 


dem  Chore,  .Spitzbogenfenster  und  Strebeu  an 
den  Langseiten  hat. 

An  Kunstaltertümern  ragt  hervor  ein  Rauch- 
fasij  aus  geschlagenem  Kupfer:  es  hat  bis  zum 
Kninungsknaufe  des  Deckels  0.1  (Jm  Hohe  und 
in  df'H  beiden  Kreuzarmen  der  Schale  je  (».l<):im 
Durchmesser.  Es  entwickelt  sich  nämhch 
über  dem  kegelförmigen  Fusse  die  Gnindfonu 
zu  einem  Centralbau  mit  vier  abgerundeten 
Ecken,  dessen  Seiten  die  vortretenden  Run- 
dungen der  Oesen  und  die  Ecken  von  Giebeln 
einen  reichern  Umriss  verleihen.  Der  Deckel 
verjüngt  sich  mittelst  centraler  Giebel  und 
schliesst  mit  einer  flachen  Kuppel,  deren  Knaufe 
ein  Kreuzchen  einsitzt,  welches  mit  der  mitt- 
leren Kette  verbunden  ist.  Die  Verhilltnisse 
sind  bescheiden  aber  elegant.  r)rnamente  ausser 
einigen  Facetten  kaum  verwandt.  Obgleich  spitz- 
bogige  Elemente  fehlen,  erscheint  das  Werk 
doch  ganz  von  gothischem  Geiste  durchdrungen, 
und  dennoch,  weil  es  eine  Metallarbeit  ist,  schwer- 


lich vor  dem  Jahre  1300  gefertigt.  Der  GriflF, 
welcher  die  Ketten  fasst.  ist  wie  diese  von  Mes- 
sing und  ein  Werk  der  spätem  Kenaissance. 
Klarer  und  gefälüger  entwickelt  hat  sich  dieser 
Tvpu<  in  den  gleichartigen  Gefässen  zu  Helle- 
feld und  Heggen. 

Sodann  ist  zu  vermerken  ein  vom  Mittel- 
gewrdbe  herunterhängendes,  von  der  Strahlen- 
glorie umrahmtes  Doppelbild  der  h.  Maria. 
Auf  der  einen  Seite  hält  sie  stehend  auf  dem 
linken  Arme  das  JesU"<kind,  welches  mit  der 
Hechten  das  Kinn  der  Mutter  iK^rührt.  auf  der 
andern  reicht  ihr  dasselbe  eine  Weintraube. 

Eine  .silberne  Monstranz  zeigt  am  Fusse 
die  Inschrift :  Ex  legato  doniini  Francibci 
Hackcnbran  ad  plures  annos  secretarii  in 
Schede  1694. 

Die  übrigen  Ueraie  und  Mobeln  sind  neu. 

Die  vier  (i locken  wurden  schon  1872  und 
1873  von  den  Herren  Petit  &  Eddbrock  in 
Gescher  geUefert. 


Vorher  S.  (i,  21,  "38  f.,  31.  —  Urk.  des  J.  121«  in  Wipands  Archiv  MI,  159;  —  Urk.  des  J.  l.-m  hfi  Kindlinjwr.  U.-B.  m.  Xr.  364  ; 
-  Kainpschultc,  S.  2fß.  206;  —  dem.  KirchenjiatnKimen.  S.  40.  i:«;  —  Bttdookor  -  Hoppe  U.  105;  —  v.  Steine«  U.  765:  - 
Kischer's  Aufiiahmo  vom  J.  1871 ;  —  Mittheiluii^en  des  Herrn  Pastors  Bitter.  —  Lcxal-Untersachujur  und  -Aofnahmen. 


«  O  » 


Fromern. 


Ivirclie    -und    ihro    Denlcinäler. 


Fri'iiiiern  um  1:^00  ]'ro)i(hrrn<\  1313  Vronc- 
hcni,  später  ]'ronr-Jii(re,  Vronrharc,  war  als 
Pfarre  dem  h.  Johannes  dem  Täufer  geweiht  und 
vermutlich  eine  Stiftung  der  (Jrafen  von  Werl. 
Ihr  l'atronat  gehörte  den  Grafen  von  Arnsberg. 
1313  als  Ix'hen  dem  Godfried  von  Kodenberg. 
später,  wie  es  scheint,  dem  Kloster  Scheda  und 
in  netieror  Zeit  den  Herren  von  der  liecke. 
welchen  hier  auch  eine  bedeutende  Gerichtsbar- 
keit zustand.  Neben  <lem  Kirchhofe  stand  lange 
ein  IJurghaus,  vielleicht  derKest  einer  Dvnasten- 
Iturg.  Denken  wir  zurück  an  die  alte  Haar- 
strasse uiul  ihre  Aiterti'nner.  nelinieii  wir  hinzu 
den  exempten  Gerichtsliezirk.  so  gestaltet  sich 
die  Vurzeit  l'röiuciiis  ebeii^i»  altertüiiilicli  wie 
eigenartig. 

Die  Pfarre  ging  schon  l"»!.")  unter  den  ersten 
auf  die  Predigten  des  Pastors  Heinrich  v.  Steinen. 


der  Pnlmonstratenser  im  Kloster  Scheda  und  na- 
mentlich durch  Melanchthou  im  Keformations- 
werke  bestärkt  war,  zum  lutherischen  Glauben  al>er. 
Die  Kirche  hat  eine  hohe  Lige  und  dabei 
wie  das  gleichnamige  Dorf  ringsher  einen 
wechselvollen  Kranz  bewaldeter  oder  fruchtbarer 
Höhen.  1701  haben  die  Franzosen  das  los. 
Hauwerk  bis  auf  die  Mauern  einge^r 
schert,  die  Glocken  zerschlagen  und  mit 
den  alten  Kirchengeräten  fortgeschlejipt. 
Heute  erültrigt  aus  alter  Zeit  nur  mehr 
das  Mauerwerk  des  viereckigen  riuir- 
nies.  Dem  oblongen  rnterraum  ist  spätor  eine 
ku|»|telartige  Kinwölbung  zwischen  rundl>oirii:en 
Schildgurten  eingesetzt,  welche  südwestlich  auf 
eine  Mauerecko.  sonst  auf  verschiedenartige  Con- 
solen  setzen.  Jene  der  Xordostocke  (Fig.  108) 
zeigt    eine    besonders    reiche    Proülining.    eine 


KlßCHE  UND  KIRCHLICHE  DENKMÄLER. 


125 


andere  ist  gebildet  als  ein  nach  oben  gekehrter 
Drachenkopf,  der  im  liachen  ein  kurzes  Stück 
Säulenschaft  mit  einem  krönenden  Würfelhaupte 
trägt.  Die  Kämpfer  haben  meist  die  klare  Glie- 
derung von  Wulst,  Kehle  und  Platte.  Eine  rund- 
bogige  Nische  im  Norden  unter  der  Treppe 
diente  jedenfalls  als  Baptisterium.  Der  Scheide- 
bogen im  Osten  ist  offenbar  später  spitzbogig 
erneuert;  über  jenem  im  Westen  fand  sich  seit- 
wärts vermauert  eine  halbkreisförmige  aus  sechs 
Schichten  übergekragter  Steine  hergestellte  Oeff- 
nung.  Der  Mantel  des  untern  Mauerwerks,  be- 
stehend aus  rohen  Bruchsteinen,  sowie  die  rund- 
bogigen  Oeffhungen  der  Oberetage  und  die  lange 
Spitze  stammen  wol  theilweise  schon  aus  der 
Restauration  nach  1761,  die  tiefe  Untermaue- 
rung des  Thurmes  sowie  das  spitzbogige  Haupt- 
portal erst  aus  der  Zeit  des  jetzigen  Kirchen- 
baues, der  1877  nach  den  Plänen  des  Bauraths 
Hartmann  ausgeführt  ist. 

Die  1876  abgebrochene  Kirche  war  einschiffig 
13,10m  lang,  7,88m  breit  und  etwa  im  Beginne 
des  12.  Jahrhunderts  ohne  Gewölbe  aufgeführt, 
in  den  Langwänden  jederseits  mit  drei  kleinen 
rundbogigen  Fenstern,  südüch  mit  zwei,  nörd- 
hch  mit  einer,  wahrscheinlich  der  ursprünghchen 
Pforte  durchbrochen  und  im  Anfange  des  13. 
Jahrhunderts  die  alte  Balkendecke  auf  dreifacher, 
den  Wänden  und  Ecken  vorgelegter,  Pilastrirung 
mit  zwei  Gewölbefeldem  verdrängt.  Die  zu  dem 
Behufe  eingesetzten  Schildgurten  bildeten  flache 
Spitzbogen  und  einer  gestaltete  sich  sogar  als 
stehende  ellipsenartige  Curve. 

Das  westlichste  Gewölbe  hatte  die  Form  einer 
auf  Kreuzgräteu  begonnenen  Kuppel  und  daher 
eine  Entstehung  für  sich,  das  östhche  hatte  in 
Folge  gothischer  Erneuerung  profilirte  Haustein- 
gurte und  machte  bei  dem  grossen  Erzeugungs- 
radius der  Kreuzgurtung  einen  äusserst  nieder- 
drückenden Eindruck.  Der  spitzbogige  Quergurt 
zeigte,  nachdem  sich  die  Widerlager  verschoben, 
in  dem  einen  Segmente  eine  solche  Senkungs- 
curve,  dass  er  den  Einsturz  drohte,  dem  man 
gleichwol  längst  dadurch  zu  begegnen  versucht 
hatte,  dass  man  die  Senkung  mittelst  einer 
0,14m  starken  Eisenstange  an  einem  scliAvachen 
Kehlbalken  des  Dachgerüstes  aufgehängt  hatte. 
Aijch  die  dünnen  Mauern  waren  oben  stark  aus- 


einandergewichen, trugen  jedoch  noch  Spuren 
eines  Hauptgesimses,  indess  die  mit  der  Ein- 
wölbung  erfolgte  Maueraufhöhung  einer  Alj- 
deckung  entbehrte. 

In  spätgothischer  Zeit  hatte  der  alte  wahr- 
scheinlich gerade  Chor  einem  längern  weichen 
müssen,  der  auf  längücher  Vorlage  im  halben 
Achteck  geschlossen  und  in  den  Rippen  und 
Gurtungen  unregelmässig  eingewölbt  war.  Die 
vier  einfach  getheilten  Fenster  zeigten  als  Schluss 
den  flachen  Spitzbogen,  die  Profile  wie  die  Kreuz- 
gurte des  östhchen  Schiffsgewölbes  eine  Platte 
mit  Kehlen,  —  im  Kaffgesimse  war  die  Platte 
über  der  Kehle  geneigt. 

Der  dreischiffige  und  längere  Neubau  greift 
mit  den  polygonen  Seitenschiffen  zum  Theil  um 
die  Thurmmauern,  schUesst  gegen  Osten  mit 
einem  polygonen  Chore  ohne  Vorlage,  in  den 
Seitenschiffen  gerade;  die  Sakristei  legt  sich 
polygen  in  den  Südwinkel  des  Chores.  Bei  der 
grossen  Länge  tragen  blos  zwei  Pfeilerpaare 
die  Kuppelgewölbe  und  die  TonnengeM'ölbe  der 
Seitenschiffe,  deren  durchlaufende  Emporen  die 
Anlage  zweier  Fensterreihen  in  jeder  Langwand 
bedingt  haben.  Im  Ganzen  ist  mit  Zuhülfe- 
nahme  von  Eisenconstruction  ein  langer,  hcht- 
voller  und  geräumiger  Innenbau  gewonnen. 

Kanzel,  Altar,  Taufstein  sind  von  Hartviann 
reich  entworfen  und  von  Goldkuhle  zuWieden- 
brück  in  Stein  ausgeführt. 

Auf  dem  Kirchhofe  liegt  der  vormafige  Tauf- 
stein, —  ein  einfacher  Cylinder  mit  tiefem 
Bassin,  ausgezeichnet  blos  durch  eine  unprofilirte 
Base  —  also  offenbar  eine  romanische  Arbeit 
aus  der  Zeit  der  frühern  Kirche. 

Zwei  Kelche,  einer  von  Zinn,  einer  von  Blei, 
stammen  aus  der  Zeit  des  siebenjährigen  Krieges : 
der  eine  eine  ärmhche  Arbeit  mit  langem  Stän- 
der, der  andere  in  allen  Theilen  reicher. 

Vor  den  Verwüstungen  der  Franzosen  wurden 
als  werthvoUere  Werke  gerühmt  eine  1700  von 
dem  berühmten  Meister  Johan  Georg  Alberti 
aus  Dortmund  gefertigte  Orgel,  die  um  1775  von 
Leopold  Schräge  aus  Ronsahl  reparirt  wurde 
und  wenigstens  mit  der  Lade,  worin  der  Name 
Alberti  stand,  bis  heute  vorgehalten  hat,  wo  ein 
gänzlicher  Neubau  bewerkstelhgt  ist,  —  ferner  ein 
kleiner,  zierhcher,  anscheinend  jetzt  erst  besei- 


120 


LtLWIÜ. 


tigter  Altar  von  den  Bildhauern  Gebrüder  Jacob 
und  Johan  Hatting  aus  blenden  1700  verfertiget. 
—  die  1729  erbaute  Orgelbühne,  —  die  Kirchen- 
bücher und  die  nach  dem  Kaube  von  1694  gesam- 
melten Documente.  —  die  an  Stelle  eines  Holz- 
zaunes seit  1682  von  dem  Mauermeister  Chri- 
stoph Bergmann  aufgeführte  Kirchhofsmauer,  — 
die  jetzt  im  Boden  der  Kirche  verdeckten  Grab- 
steine der  Pastöre  aus  der  Familie  des  Reforma- 


tors von  Steinen,  die  miunterbrocben  von  1531 
bis  1722  hier  gewirkt  haben.  Um  die  märkische 
und  westfälische  Landesgeschichte  hat  sich  be- 
kanntlich von  ihnen  hochverdient  gemacht  Johan 
Diedrich  von  Steinen,  seit  1722  zweiter  Pre- 
diger zuCleve,  seit  1724  Prediger  zu  Iselburg,  von 
1727  bis  zu  seinem  Tode  1759  zu  Frömem,  1749 
General-Inspector,  1750  von  Friedrich  dem  Gros- 
sen mit  dem  Titel  Consistorialrath  ausgezeichnet. 


Vorher  S.  0,  28  f.,  31,  4«.  —  U.-D.  <1.  H.  \V.  U.  p.  If*;  -  Urk.  «L  J.  1313  in  WiiranJ«  .\nhiv  VH,  IM:  -  Kampschuite.  S.  K>.  «C;  — 
Hil<lockpr-Hi.'ppe  H.  !t3;  —  v.  Steinen  H,  71*2  ff.;  —  ActeumäsMpe  Mittheilung-en  des^  Herrn  Pa>tor's  Buschmann;  —  LocaJ-Unter- 
>uehunL':  —  Notizen  und  finindris'iki/ae  des  Herrn  liauraths  A.  Hartmann  von  li>7<j  2«i3  im  dortiwu  Pfarrarchive :  —  über 
V.  Steinen  noch  Weildiirens  'Westphill.  Xational-Kalender,  l»5<il.  S.  21!t— 225. 


»  ■<>■  * 


Del 


Aviir. 


Ivii'ohe   imtl   ainlei-e   Oeiilcinälei*. 


Im  idyllischen  Thale  der  Lippe  begann  unsere 
L'mschau.  am  romantischen  Ufer  der  Kulir 
schliesst  sie  ab  mit  wenigen  aber  denkwürdigen 
Statten. 

Delwig  als  Thalort  neben  einer  alten  Kulir- 
Fuhrt    p^eleiren     und    schon  j, 

](>;;(i  Ddlaniük,  [hiliddl:, 
1179  Deleickh  genannt,  war 
als  Gemeinde  dem  heil.  Lau- 
rentius  geweiht,  eine  Filiale 
uiid<  'iillationspfarre  von  Men- 
den, seit  der  Heformation, 
lind  zwar  bald  nach  1571 
dein  hitherischeii  llekeimt- 
nisse  zugethan,  bis  sie  vor 
einigen  Decennien  der  evan- 
gelischen Union  beitrat. 

Die  kleine  Kirche  (Fig. 
lii'.i)  hat  einen  viereckitren,im 
Verliilltniss  zur  Kirche  über- 
grossen Westthurm,  ein  Schitt" 
V(in  zwei   (»bldiigeii  Krenzge- 
wiijlx'n  und  nstlicli  unniittel- 
li;ir  daran  t,M'leL''l   einen  drej- 
seitiLrenCliorschluss.  Der  aus 
dem  Sechseck  construirte  Chor  scjireibt  sich  aus 
spätgothischer  Zeit   nilmlieli    naili    einer   17:i7 
überweissten  Inschrift  aus  dem  .lahre  151(».  aus 
derselben  Zeit   vielleicht  das   östliche  Gew(dl)e- 


feld  mit  der  <»l)longen  gewölbelosen  Sakristei  im 
Xurden.  die  aus  Zieireln  errichtete  KreuzwOl- 
bung.  die  Abkantung  ihrer  mit  einer  Schmiege 
bedeckten  "Wandpilaster,  die  uniileich  stark»'n 
Streben  des  Langhauses  und  dessen  lieitie  zwei- 
theiligen Fenster  mit  Vier|)as- 
schluss :  aus  romanischer  Zeit 
der  grössere  Theil  der  I^ing- 
mauern  und  derThunn.  Die- 
ser hat  (»blonge  (irundlage, 
einen  nmdbogigen  Eingang, 
unten  ein  Gewr»ll)e  mit  (i ra- 
ten, im  oI)ern  Mauerwerk 
Schallötlnuniren  mit  Mittel- 
siUilchen.  die  leider  meistens 
bis  auf  die  Käm|)fer  ver- 
schwunden sind,  und  eine 
1727  aufgesetzte  Spitze.  Im 
Hasemente  liegt  an  der  Süd- 
C)stecke  ein  Mauerausschnitt 
in  Form  einer  hallarten  Hund- 
b(t<jenthür  —  eine  sttmlerbare. 
scliwerlich  durch  einen  prak- 
tischen Zweck  gelKitone  Er- 
scheinuni:.  Das  Nonljxtrtal 
der  Kirche  ist  von  einem  mit  Würfelcapitäl  be- 
krönten Kundsäulchen  llankirt.  jedes  Capital  an 
den  Wangen  mit  vertieften  Halbkreisen  Ixdebt. 
das  halbkreisfV^rmige  Tympanum  von  einer  Ecke 


KIRCH  IJCHE  DENKMÄLER. 


127 


und  Archivolte  umrahmt,  jedoch  seiner  Skulptu- 
ren beraubt  —  ein  ähnhches  im  Süden  zeigt 
Spuren  starker  Verwitterung.  Seit  dem  J.  1871 
sind  gothische  Kreuzflügel  mit  Emporen  und 
niedrigen  Dächern  angebaut,  eine  Vorhalle  und 
im  Norden  das  Leichenhaus  abgebrochen,  theil- 
weise  die  Eingänge  verändert,  die  Orgel  und  die 
neugebauten  Bühnen  versetzt  oder  beseitigt,  die 
drei  Chorfenster  von  Victor  v.  d.  Forst  in  Mün- 
ster mit  meistens  decorativen  Glasmalereien  ver- 
schönert. 

Die  alte  Taufe  von  gewöhnlichem  Stein  hat 
die  Form  einer  breiten  runden  Schale  mit  sehr 
dickem  Kande. 

Drei  kleine  viereckige  Holz  tafeln  von  Del- 
Avig  —  zwei  0,39m  :  0,42m  und  eine  0.45m  : 
0,42»i  gross  —  zuletzt  im  Besitze  des  Herrn  Bau- 
raths  Hartmann  zu  Münster,  enthalten  in  ni- 
schenartiger Vertiefung,  deren  oberen  Rand  spät- 
gothisches  Arabesken -Gerank  überzieht,  hand- 
werksmässige,  vormals  polychrome  Reliefs,  näm- 
lich die  Verurtheilung,  die  Rostmarter  und  die 
Einsargung  des  heil.  Laurentius.  Die  Figuren 
sind  schlank,  die  Gewänder  nicht  manierirt,  die 
Köpfe  handwerksmässig ;  dennoch  bestimmen 
uns  die  Costttme,  diese  Arbeiten  in  die  Zeit 
von  1500  zu  versetzen. 

An  der  südlichen  Langwand  befindet  sich 
ein  einfacher  spätgothischer  Wandschrank  im 
bereits  rundbogigen  Tj'mpanum  mit  dem  Dop- 
pelwappen Cleve-Mark  besetzt  und  seiner  BekrC)- 
nuug  beraubt. 

Von  den  drei  Glocken  trägt  eine  ältere 
ausser  einer  frommen  Sentenz  die  Jahreszahl 
1662;  die  zweite  ist  inschrifthch  1855  von 
W.  Rinker  in  Westhofen,  die  dritte  und  kleinste 
1854  auf  der  Gusstahlfabrik  von  Meyer  &  Kühne 
bei  Bochum  gegossen. 

Das  frühere  Kirchensiegel  zeigt  das  Bild 
des  h.  Laurentius,  des  Kirchenpatrons,  das  ge- 
genwärtige gibt  die  Ansicht  einer  Kirche  mit 
spitz  behelmtem  Thurnie,  darüber  das  um- 
strahlte Anthtz  Gottes  und  darunter  die  Schrift: 
Soli  Deo  gloria. 

Den  einfachen  x\ltar  zierte  früher  ein  Ge- 
mälde, die  Kreuzaufrichtung  vom  J.  1785,  jetzt 
blos  das  Crucifix. 

Die  neue  hölzerne  Kanzel  ist  polygon  und 


schlicht  verziert;  eine  ältere  mit  barocken  Zier- 
raten ist  wegen  Gebrechlichkeit  ausser  Gebrauch 
gekommen. 

In  dem  Fussboden  vor  dem  Altare  lagern 
noch  vier  (jrabsteine,  einer  mit  der  Inschrift: 
Anno  1695  ist  die  hochwohlgeborene  Frau 
Sophia  Aniah'a  von  Düngelen,    gebohren 
vom    Haus  Dahlhauscn,    Frau  zu  Alten- 
c'.orf   und  Wanthofen   des    Herrn,    Herrn 
lobst  Adam    von  Grüter   gewesene   Ehe- 
frau, im  Ehestand  gelebt  40  lahr.  alt  64  I. 
gestorben   1759.    10.  Märtz. 
Die  drei  andern  haben  die  Jahreszahlen  1693. 
1696  6/7,   1756  25/8  und  scheinen  das  Grab 
dreier    Kinder    der    Grüter'schen    Familie    zu 
decken ;  denn  sie  enthalten  neben  Engelköpfchen 
das  Grüter'sche  Famiüen -Wappen  und  einer  die 
Figuren  dreier  Kinder. 

Ein  Leichenstein  vor  derThür  eines  Pfarr- 
hauses erinnert  mit  Inschrift  und  Doppelwappen 
an  den  1774  4/3  gestorbenen  Pfarrer  Johan 
Theodor  Balhorn  und  Clara  Margaretha  ßrisken, 
Pastorin  Balhorn,  gestorben  1730  4/3  im  34. 
Lebensjahre. 

Auf  dem  Kirchhofe  steht  ein  prismatisches 
Steindenkmal  mit  einer  Vasenbekröniuig.  er- 
richtet, wie  es  heisst,  einer  Freifrau  von  Grüter. 
Von  den  Inschriften  an  den  Seiten  treten  nur 
mehr  deuthch  die  Jahreszahlen  1754  und  1803 
hervor. 


Im  Süden  der  Kirche  hegt  in  ungefährer 
Richtung  von  Westen  nach  Osten  der  tiefe 
,Eheweg'  und  über  demselben  als  Verbindung 
des  Kirchhofes  und  Todtenackers  eine  breite 
rimdbogige  Steinbrüche.  Die  nördhche  Seiten- 
wand des  Weges,  welcher  als  Hohlweg  zur  Ruhr 
verläuft,  bildet  der  steile  Abhang  des  Kirch- 
hofes, dessen  Riugma;iern  hier  auf  einer  star- 
ken Dossirung  ruhen. 

Im  Kirchspiele  erhebt  sich  auf  der  Haar 
im  Gabelpunkte  alter  Wege,  die  wir  früher 
nachwiesen,  die  Anhöhe  der  Cluse;  sie  gilt  für 
ein  Hünenwerk  und  hat  einst  ohne  Frage  einen 
Clausuer  beherbergt. 

Zu  B  ihn  er  ich  wird  der  Dickmanns-Hof,  der 
bis    in   unser  Jahrhundert    seinen    Ringgraben 


128 


AEDEI. 


I       hatte,  für  den  Sitz  des  gleichnamigen  Ritter- 
ge  schlecht  es  ausgegehen  und  erinnern  an  die 


ehemahge  Kapelle   noch  die  Flurnamen  .Ka- 
pelle" und  .Kirchenkamp', 


Vorher  S.  7  f.,  28.  20.  —  X.  U.-B.  I,  Xr.  170:  —  C.  d.  "VT.  Xr.  127;  —  Ret-.  H.  W.  Xr.  206&;  —  Kampsthulte.   S.  IW.  3C6:    - 
V.  Steinen  U.  778 ;  —  Bädecker-Heppe  U.  81 ;   —  SlitthcUunt'en  des  Herrn  Paston-  Lic.  Weber ;  —  Aufnahmen  des  Herrn  Bau- 

raths  Hartmann.  —  Local  -  Untersuchung. 


-A^rdei. 


Barg  und  andere  Denltinäler. 


Der  Name  Ardcl,  Ardeia,  Ardida,  Hardck. 
Ardcna,  oder  wie  er  sonst  lautete,  ist  sprach- 
lich gleichbedeutend  mit  Haar,  und  bezeichnet 
zwei  Bergvorsprtinge  zu  Seiten  des  Ostholter 
Baches,  Wir  kennen  ihre  Situation,  ihre  Gerichts- 
stätte und  ihre  hervorragende  Stelle  unter  den 
heidnischen  Altertümern  des  Kreises  und  haben 
noch  die  grosse  Burg  im  Anschlüsse  an  die  Ge- 
schichte der  Edelherren  von  Ardei  zu  behan- 
deln, Obvvol  diese  einem  Geschlechte  angehör- 
ten, das  durch  Familienverbindungen,  Besitzun- 
gen und  Friedensworke  im  nordwestlichen 
Deutschland  .Jahrhunderte  lang  glänzte,  verdun- 
kelte sich  ihre  Burgstätte  unter  dem  Schatten  des 
Hochwaldes  wie  ihr  Andenken  unter  den  Zeit- 
läuften so  sehr,  dass  bis  vor  dreissig  Jahren 
V(tn  ihrem  Herkommen  kaum  Einer,  von  ihren 
Trümmern  nur  wenige  Nachbarn  mehr  Kunde 
hatten.  Kreisgerichts -Rath  Seibertz,  der  uner- 
inüdliche  Forscher  der  sauerländischen  Vorzeit, 
welcher  auch  die  Geschichte  Ardei's  zuerst  auf- 
hellte, erzählt,  ,der  Wirth  im  Brückenhause  zu 
Dahlhaiisen,  bei  dem  er  1842  27/6  ?>kundi- 
gungen  nach  der  Lage  des  alten  Schlosses 
einzog,  wusste  anfangs  gar  Nichts  davon,  bis 
er  sich  zuletzt  besann,  dass  ihm  ein  betag- 
ter Schneider  in  Lantrsehede  fnllier  davon  er- 
zählt, der  dann  auch  zum  Führer  herbeigeschallt 
wnnie.  Dieser  (\\  illulin  Schrüer)  aus  der  Bauer- 
schaft West  ardei  gebürtig,  hatte  als  Kind  oft 
auf  den  alten  Trümmern  gespielt  und  von  seinem 
Grossvater  gehört,  dass  Graf  Embert  (Eberhard) 
auf  dem  Schlosse  gewohnt  habe.  Als  derselbe 
in  Kriegsnoth  die  Burg  habe  verlassen  müsset), 
habe  er  seine  beste  Habe,  viel  Sill)er  und  (Jold.  in 
einen  tiefen  bis  auf  den  Kuhrspiegel  reichenden 
Hninnen  geworfen,  der  von  den  Trümmern  der 


gebrochenen  Mauern  so  verschüttet  worden,  dass 
er  bis  jetzt  nicht  wieder  habe  aufgefunden  werden 
können.  Manches  Kleinod  sei  auch  wol  neben 
dem  Brunnen  im  Schutt  hegen  gebheben,  wie 
dann  noch  vor  einigen  .Jahren  eine  alte  Frau, 
welche  Waldbeeren  gesammelt,  noch  so  glück- 
lich gewesen,  einen  schweren  goldenen  Ring  zu 
linden,  der  von  einem  Waldbeerenstrauche  beim 
Vordringen  in  die  Höhe  geschoben,  noch  an 
diesem  Strauche  gehangen  habe.  Die  Frau  sei 
nun  todt.  und  wo  sie  den  Ring  gelassen,  un- 
l)ekannt  ....  Er  wusste  auch  noch,  dass  nord- 
östhch  in  ziemlicher  Entfernung  vom  Schlosse 
dessen  Viehhof  gestan<len  habe,  von  welchem 
auch  das  Vieh  sofort  in  den  Schelk  getrieben 
sei.  In  frühern  Zeiten  sei  das  Schloss  noch 
von  manchem  Heisendt'U.  dem  er  den  Weg  da- 
hin gewiesen,  besucht  worden;  aber  heutzutage 
bekümmere  sich  kein  Mensch  mehr  darum. 
Nur  wenige  wüssten  noch,  wo  es  gestanden.' 

Die  Burg  war  auf  der  fast  dreieckigen  Berg- 
spitze  gelegen,  im  Westen  und  Süden  durch 
die  jähen  Abhänge  zum  Osthölt<?r  laiche  und 
zum  Ruhrufer,  nach  der  flachem  Landseite  hin. 
also  nach  Nordost«'n,  wo  der  Zugang  war,  durch 
zwei  starke  concentrische  Gräben  so  gedeckt, 
dass  der  äusserste  von  i^5(l  Schritten  I^lnge 
die  Vorburg,  der  innere  den  hohen  I'unkt  der 
Bergspitze  als  Haupt  bürg  umgab.  Hier  Iwtritt 
man  auch  noch  die  Trümmer  und  Grundge- 
mäuer des  oblongen  Herrenhauses,  das  in  der 
Richtung  von  Westen  nach  Osten  fast  auf  dem 
Felsrande  hoch  Ober  das  weite  Thal  im  Soden 
emporstieg,  selbst  Ober  die  Ebene  im  Nonien 
hinweg.  Die  Vorburg  und  den  Aussengral>en 
hat  man  in  den  letzten  .Jahrzehnten  zu  einer 
.Vckerfläche   umgi'schaffen  und   nur  den  Innen- 


VKliSClI I i:i)i:.\£  DENK-MÄLElt. 


120 


graben  mit  seinem  Holzbestande  erhalten.  Der- 
selbe hat  beiläutig  (),;}0;>i  Tiefe  und  130  Schritte 
in  der  Länge,  auch  das  Ufer  entlang  noch 
Steintrümmer,  die  anscheinend  von  einer  alten 
Mauer  herrühren.  Ein  schwacher  etwa  80 
Schritte  langer  Graben  schloss  sich  ihm  gegen 
den  Abhang  zum  Kuhrthale  als  südliche  Wehr 
der  Hauptburg  an.  Eine  Burganlage,  halb 
von  der  Natur,  halb  von  Menschenhänden  ge- 
schaffen, Avie  diese,  reicht  jedenfalls  als  Gau- 
burg, wTr  weiss,  wie  tief  in  die  heidnische  Zeit 
zurück.  Als  Ritterburg  datirt  das  Werk,  wie 
man  mit  Recht  annimmt,  vielleicht  aus  dem 
12.  Jahrhundert,  weil  man  um  diese  Zeit  hier 
wie  anderwärts  die  alten  Wohnsitze  mit  natur- 
festen Plätzen  zu  vertauschen  pflegte,  und  jeden- 
falls erst  aus  der  Zeit  kurz  vor  dem  Jahre  1176, 
als  eine  zweite  Generation  die  Herrschaft  Ardei  au- 
trat und  mit  dieser  Anlage  wol  gleich  besiegelte. 

Beim  Schulten  Ardei  wird  ein  auf  dem 
Bergrücken  gefundener  Heukelkrug  aus  weiss- 
lichem  Steingut  aufbewahrt,  der  indess  höch- 
stens für  ein  spätmittelalterliches  Fabrikat  gel- 
ten darf;  denn  er  hat  bei  0,14/j<^  Höhe  einen 
gefranzten  Fuss,  gerippten  Unterbauch  und 
geraden,  gerieften  Hals. 

Vom  Langenhofe  wurde  von  zwei  gleichen 
Eisenplatten  eine  Kaminplatte  von  1,07»^  Höhe 
und  0,9 7/M  Breite  an  den  Westfähschen  Alter- 
thums -Verein  zu  Münster  abgelassen,  die  an 
einer  Seite  zM'ei  Flachbilder  zieren.  Das  eine 
stellt  im  Vordergrunde  der  Stadt  Bethylua  das 
Lager  des  Holofernes  dar  mit  Kriegern,  Zelt- 
dächern, Kanonen  und  Körben  —  kurzum  Alles 
im  militairischen  Costüm  zur  Zeit  des  Gusses, 
das  untere  geharnischte  löieger  mit  Wappen 
und  dem  Datum  1562.  Diese  Darstellung  war 
beliebt  in  Stein-  und  Stuckbildern  der  Speisezim- 
mer und  vornehmlich  auf  den  eisernen  Herd- 
und  Ofenplatten,  die  dermalen  vorzugsweise  in 
der  Gegend  von  Bredelar  gegossen  wurden. 

Die  Stammburg  des  frühern  Geschlechts  war 
an  der  Südostgrenze  der  Herrschaft  gelegen  und 
wol  schon  fi'üh  zu  frommen  Zwecken  verlassen. 
AVir  werden  darüber,  wenn  wir  die  Denkmäler 
Scheda's  betrachten,  ausführlicher  handeln,  dort 
auch  eine  ganz  ähnliche  Burg  antreffen. 

Die  Herren  von  Ardei  besassen  fast  durch- 


gängig als  Lehen  des  Kölner  Erzstiftes  weitver- 
zweigte Besitzungen  auf  beiden  Seiten  der  Kuhr 
bis  nach  Arnsberg  hin,  und  in  deren  Mitte 
hauptsächlich  die  Kirchspiele  Delwig,  Frönden- 
berg, Bausenhagen  und  Frömern  als  arrondirte 
Herrschaft,  welche  sich  südlich  mit  der  Ruhr, 
östlich  mit  dem  Amte  Werl,  nördlich  mit  dem 
um  Mark  gravitirenden  Eigentum  der  Edelherren 
von  Rudenberg,  westlich  mit  jenem  der  nach- 
maligen Grafen  von  der  Mark  in  den  Aemtern 
Schwerte  und  Unna  berührte.  Ein  Dominium 
war  keine  Grafschaft;  übte  schon  der  Graf  von 
Arnsberg  darin  die  Gerichtsbarkeit,  Köln  eine 
beträchtliche  Lehenshoheit,  so  griff  auf  die  Dauer 
die  Macht  der  Grafen  von  der  Mark  um  so 
weiter  auf  das  ganze  Territorium  über,  als  die 
Geschlechter  Arnsberg  und  Ardei  an  Gliedern 
wie  an  Besitzungen  abnahmen.  1318  erkhngt  in 
den  Urkunden  zum  letzten  Male  der  Name  eines 
,Edelherren'  von  Ardei,  der  Wilhelm's,  und  mit 
ihm  verschwindet  jede  Spur  der  Ardeier  aus  der 
Geschichte.  Die  Herrschaft  ging  schhesshch 
an  die  Grafschaft  Mark,  oder  soweit  sie  Arns- 
berg zugefallen,  an  das  Erzstift  Köln  über. 

Ardei's  Vorzeit  ist  eine  romantische  und  lehr- 
reiche, sie  fesselt  noch  mehr,  wenn  man  sie  der 
GegeuAvart  gegenüberstellt:  einst  war  Ardei  ein 
Platz  der  Waffen  und  Krieger,  eine  Stätte  eiser- 
ner Nothwehr,  —  jetzt  ist  es  ein  Mittelpunkt 
reicher  Gefilde,  grüner  Auen  und  dunkler  Wal- 
dungen, ein  Mittelpunkt  menschlicher  Wohlfahrt 
und  Zufriedenheit;  vormals  umgaben  es  rohe 
Burgenbauten  und  die  dürftigen  Hütten  der  Um- 
wohner; dafür  sind  heute  grossartige  Anstalten 
der  Gew^erbthätigkeit,  stolze  Bauernhöfe,  fried- 
liche Dörfer,  regsame  Städte  mit  Tempeln  und 
Häusern  erstanden,  die  würdig  der  Gottesver- 
ehrung und  dem  Familienglücke  dienen;  sonst 
zogen  am  Fusse  des  Berges  schweren,  festen 
Schrittes  Römerlegionen  vom  Süden  nach  dem 
Norden,  unsere  Voreltern  zu  knechten,  jetzt 
schnellen  da.  Dank  unserer  wieder  gewonnenen 
Kraft  und  Einheit,  täglich  die  Eisenbahnzüge 
von  Westen  nach  Osten  und  umgekehrt,  um 
die  Bruderstämme,  ja  die  fernsten  Völker  zu 
jedem  guten  Friedenswerke  einander  zu  nähern. 
Geduldig  trägt  die  Ruhr  die  Eisen-  und  Stein- 
joche der  Brücken,   über  welchen  der  Weltver- 


VH) 


FRüXDEXBERß. 


^ 


^ 


kehr  pulsirt.  Sonst  rauscht  der  alte  Bergstrom  Walduagen  und  anmutigen  Thäler  flössen  mit 
unbehelligt  dahin,  wie  ehedem,  seine  Berge  erfrischendem  Hauche  Erquickung  und  Muth 
ragen  kühn   noch  empor,   und   ihre  mächtigen     ein  zu  neuem  Schaffen  und  Handehi. 

Vorher  S.  8,  22.  2S.  —   v.  Stt-iiion  I.  741.  7(»7;  —  J.  S.  Seibertz.   Dynasten  und  Herren.   S.  292—330,   der  ßkchlich   die  Burp  dem 
Schlosw?  Rüdenberp  Uhnlich  findet,   vgl.  Xordhoff.   Holz-  u.  Steinbau,  S.  254;  —  MitthcUungien  des  Herrn   Pastors  Zur  Kieden. 

—  I><xa]-l.'nt»'rsuchuni;  und  -Skizze. 


Fröndenberg. 


Fniivlt'nberg  —  um  1230  Wnoidchrrfi.  1244 
rrf'iidfuberfßc,  1258  ]'ron(h/brri(fc ,  1270 
Vrendehenj  —  war  die  Heimat  eines  Fehmge- 
richts  und  als  GottO!<haus.  wie  die  damals  von 
Magdeburg  ausgebreitete  Verehrung  des  hiesigen 
Patrons,  des  h.  Mauritius,  andeutet,  um  das  .Jahr 
1000  vielleicht  gleich  als  Pfarrkirche  der  Decanie 
Attendorn,  sodann  12:^0  als  Frauenkloster  Ci- 
stercienser- Ordens  unter  mildthütiger  PeihUlfe 
der  benachbarten  Edelherren  von  Ardei  vom 
Grafen  Otto  von  Altena  fundirt.  und  zwar  vorab 
zum  Pesten  der  weililidien  Kaniilieiiglieder  des 
Stifters  und  der  Edelleute:  dalier  standen  ihm 
auch  stets  Damen  aus  Pittergeschlechtern  und 
wiederholt  Grillinnen  von  der  Mark  als  Aebti.«^- 
sinnen  vor  —  zuerst  des  Stifters  Schwester  Ri- 
chardis;  daher  fanden  mehrere  (irafen  von  Altena 
und  Mark  und  deren  Anvenvandten  hier  in  der 
Kirche  ihre  Kuliestätte,  so  der  Stifter  Graf  Otto, 
(Jraf  Engelbert  II.  mit  seiner  Gemahlin:  daher 
erscheint  anfangs  noch  der  heil.  Mauritius,  der 
Pitterpatron.  als  der  Titellieilige  des  Klosters, 
später,  1258,  und  vielleicht  bedingt  von  der  Ver- 
elirung,  die  hier  zeitweist'  ihr  miraculoses  Pild- 
niss  geiioss,  die  h.  Maria.  Die  ersten  Organi- 
satoren des  Klosters,  vielleicht  auch  <lie  ina- 
teriellt-n  WMhlthiU<'r  waren  zwei  PriUier  Per- 
thold  und  Meiirich:  sie  wurden  nachgerade  als 
die  Stifter  angesehen.  Nach  einer  alten  Sage 
erblickte  Perthold.  erst  Prilnuui^tratenser  in 
Sclieda,  1214  auf  <leni  Herge  Hasslei  nahe  einem 
liindenbair.n  einen  himmlischen  Schein,  der  ihn 
mahnte,  dort  ein  Kloster  zu  bauen:  zögernd 
gab  der  Propst  von  Scheda  die  Einwilligung. 
Hertliold  erbat  nun  von  seiner  Schwester.  <li«' 
Nonne  in  .Milen  war.  ein  Marienbild,  welches 
aus  (leni   Holze  des  Christi-Kreuzes  geschnitten 


und  von  ihrem  Vater  aus  dem  gelobten  Lande 
heimgebracht  war.  Wo  Perthold  das  Pild  vor- 
zeigte, erhielt  er  viel  Korn:  und  als  er  einmal 
über  einen  schmalen  Steg  der  Ruhr  geht,  das  Pild 
dabei  in  den  Fluss  filUt  und  mit  dem  Strome 
forttreibt,  ruft  er  die  h.  .lungfrau  um  Hülfe  an: 
darauf  treibt  das  Bild  dem  Strome  entgegen 
ihm  wied(»r  zu.  Da  stellte  Perthold  es  bei  Men- 
den auf  und  empling  viele  Gaben :  sodann  baute 
er  auf  dem  Perge  Hasslei  eine  Hütte  für  das- 
si'lbe.  und  ob  auch  die  andern  Geistlichen  von 
Scheda  ihn  deshalb  verlachten,  die  Hütte  ver- 
wüsteten, jedesmal  richtete  Perthold  sie  wieder 
auf:  d(»ch  am  "Weiterbau  hinderte  ihn  der  To<l. 
Da  setzt  Menrich.  der  Canonicus  in  Lübeck  war. 
das  Werk  fort,  ermuntert  durch  die  Worte,  die 
er  aus  dem  Munde  des  Pildes  vernahm,  als  er 
in  die  Hütte  trat.  Nachdem  er  nämlich  an 
mehreren  Orten  gesammelt  hatte,  kann  er  eine 
KajTelle  errichten.  Die  Mönche  von  Scheda 
suchen  nun  das  Werk  zu  hintertreiben,  der 
Kölner  Erzbischof,  Heinrich  von  Molenark.  be- 
günstigt es  und  bewilligt,  nachdem  auf  Men- 
rich's  Gebet  eine  helle  Wolke  um  den  Kern  eines 
goldenen  Kreuzes  einen  l'latz  bezeichnet  hatte, 
diesen  für  den  Pau  eines  Klosters.  Dies  wird 
begonnen  und  ausgefülirt.  darauf  am  21.  Oc- 
tober  vom  Erzbischof  eine  Äbtissin  mit  zwölf 
Nonnen  aus  dem  .Ittlicher  Kloster  (AldenV)  Hoven 
nach  Frnndenbenj  gesandt.  Scheda  geht  wegen 
(Jrenzstreitigkeiten  einen  Vergleich  ein.  Das 
Marienbild  that  hernach  noch  viele  Wunder, 
dann  verschwand  es:  wohin,  ob  nach  Werl, 
weiss  man  niclit  genauer  anzugeben.  IVr  Tra- 
dition kommen  die  rrkunden  insofern  zu  Hülfe, 
als  Magister  Menrich  1245  als  I*ropst  (provisor 
monialium)  in   Frnndenhen?  und  überhaupt  als 


IM,AN  DES  STIFTS. 


1:51 


Hebel  klösterlichen  Lebens  so  bedeutsam  in 
Westfalen  auftritt,  dass  fromme  Kitter  ihn  auch 
mit  anderweitigen  Klostergründungen  betrauen. 
Das  Kloster  beobachtete,  ob  auch  von  vorneh- 
men Damen  bewohnt,  die  Clausur  und  Ordens- 
regeln unter  Aufsicht  des  Hauptklosters  Clair- 
vaux  und  nahm  erst  im  10.  .Jahrhundert  den 
Charakter  eines  freiweltlichen  Stiftes  an.  Das 
führte  zur  Auflösung  des  alten  Gemeinvermö- 
gens und  zur  Anlage  gesonderter  Damenwoh- 
nungen. Mit  dem  Ausgange  des  16.  Jahrhun- 
derts ging  ein  Theil  der  Nonnen  zur  Reforma- 
tion über,  so  dass  den  katholischen  nur  der 
vierte  Theil  der  Präbenden  blieb ;  und  als  neben 
dem  lutherischen  Prediger  seit  1666  auch  ein 
reformirter  wirkte,  bot  die  K^irche  wie  vordem 
zwei,  fortab  drei  Confessionen  je  mit  ihren  all- 
mälig  angesammelten  Ausseugemeinden,  und 
seit  1837,  wo  die  beiden  protestantischen  Ge- 
meinden sich  einten,  noch  zwei  Bekenntnissen 
eine  gemeinsame,  durchgehends  friedliche  Stätte 
des  Gottesdienstes.    Die  Aufliebung-  des  Stiftes 


erfolgte  während  der  Fremdherrschaft  1811. 
kurz  darauf  die  Veräusserung  der  Stiftsgebäude. 
Trotzdem  der  veränderte  Charakter,  dann 
die  Aufliel)ung  des  Klosters  und  besonders  die 
Gleichgültigkeit  und  Missachtuiig,  welcher  Kunst 
und  Altertum  in  neuester  Zeit  begegneten,  von 
dem  äussern  Bestände  des  Stiftes  fast  Alles  bis 
auf  ein  paar  Häuser,  auf  die  Pfarrwohnungen 
und  Kiiche  vertilgt,  und  diese  ihre  kostbar- 
sten Schätze,  zumal  die  Metallwerke,  verloren 
hat,  hoffe  ich  doch,  an  der  Hand  älterer  Karten, 
mündlicher  Traditionen  und  vorhandener  Keste. 
zumal  der  Mauerreste,  die  der  Boden  als  Ge- 
schichtsquellen bewahrt  hat,  von  dem  Gesammt- 
plaue  des  KJosters  älteren  und  jüngeren  Be- 
standes eine  anschauüche  Darstellung  zu  ent- 
werfen, und,  da  uns  in  der  Kirche  noch  eine 
Anzahl  seltener  oder  kostbarer  Werke  envartet. 
so  gebührt  Fröndenberg  mit  seinen  archäologi- 
schen und  künstlerischen  Monumenten  ohne 
Frage  von  allen  Punkten  unseres  Ivreises  die 
Palme. 


Gesaxxiint  -  Anlage. 


Der  Klosterbezirk  (Fig.  110)  umfasste  einen 
länglichen  von  der  Berghöhe  im  Norden  bis 
tief  und  weit  gen  Süden  in's  Ruhrthal  ausge- 
breiteten Raum  von  unregelmässiger  meistens 
durch  die  Oertlichkeit  gebotener  Mauergrenze,  wie 
dieselbe  noch  in  offenen  oder  verdeckten  Resten 
erhalten  oder  nach  deren  Richtung  und  gewis- 
sen Ortsbenennungen  zu  bestimmen  ist.  Im 
Norden  folgte  ihre  Linie  dem  Rande  des  von 
Westen  nach  Osten  vorspringenden  Bergzuges, 
im  Nordwesten  einem  leichten  Einschnitte,  im 
Osten  der  höchsten  Stufe  desselben,  dann  den 
Windungen  des  auUegenden  Weges,  im  Süden 
biegt  sie  sich  vor  dem  Wiesengelände,  um  im 
Westen  in  geraderer  Lmie,  weil  örtlich  nicht 
behindert,  emporzusteigen  bis  zu  dem  Reste  im 
Nordwesten.  Die  nördlich  ausserhalb  dieser 
Umfassung  mit  Senkungen  wechselnden  Pla- 
teaus sind  wol  von  jeher  zu  Ackerland  und  Baum- 
pflanzungen, seit  der  Einführung  der  verschie- 
denen Bekenntnisse  auch  als  Bauplätze  für  Schu- 
len (t — v)  und  PfaiThäuser  benutzt.  Sie  conver- 
giren  alle  mit  den  Spitzen  nach  Süden,  nach  der 


Kirche  und,  während  eine  Stelle  derselben  noch 
den  Namen  ,Clusenstätte-  trägt,  die  vielleicht 
Menrich  zuerst  mit  seinem  Marienbilde  bezogen 
hat,  führt  der  geräumigste  Platz  noch  jetzt  den 
Namen  ,auf  der  Freiheit',  worin  die  Aebtissin 
Heergewedde  und  Gerade  hob.  und  dieser  hat  auch 
(im  Norden)  m'oI  die  ersten  dorfmässigeu  Ansie- 
delungen angelockt.  Von  der  Freiheit  gen  Süden 
sinkt  das  Ten-ain  Schritt  für  Schritt  bis  zu  der 
breiten  Bergstufe,  auf  welcher  che  Ivirche  (a)  und 
das  lüoster  (b)  lagen.  Dieses  war  als  Quadrmn 
um  einen  viereckigen  Binnenhof.  den  ,Jungfern- 
kirchhof',  entworfen  und  südlich  an  die  West- 
hälfte des  Langhauses  angelehnt,  westlich  durch 
einen  fTeien,  vielleicht  dui'  h  einen  Garten-Raum 
mit  der  Grenzmauer  verbunden.  Der  trapez- 
f()rmige  Bezirk  machte  mit  dem  Nonnenchor  in 
der  Westhälfte  der  Kirche  die  Clausur  aus :  diese 
begriff  vielleicht  noch  den  in  der  Nordwestecke 
ansteigenden  ,Baumhof *,  da  dessen  Thörchen  (I^  ) 
und  Fussteg  um  so  mehr  für  späten  Anlagen 
gelten  können,  als  die  natürlichen  Zugäuge  zur 
Kirche    im    Norden    und    Südosten    lagen,    die 


r" 


132 


fßöXKEXBERG. 


HO. 


^ll*iffirun 


PLAN  DES  STIFTS. 


133 


Kirche  am  Westcndc  keine  Thür  und  erst 
neuesthin  durch  Beschneiden  des  Bergvorsprun- 
ges eine  schmale  Seitenpassage  im  Nordwesten 
erhalten  hat.  Südlich  und  östlich  hat  die  Stufe 
des  Kirchhofes  eine  steinerne,  mauerartig  erho- 
bene Böschung  und  jederseits  ein  noch  tiefer  gele- 


genes Niveau,  bevor  sie  in's  Thal  oder,  wie  gen 
Osten,  in  eine  Wegesschlucht  abfällt.  Ueber  die- 
sen beiden  Stufen  steigt  von  Südosten  her  der 
Hauptweg  (II)  zum  Kirchhofe  hinan,  beiderseits 
eingefasst  von  Gebäuden,  deren  Bestimmung 
sehr  bezeichnend  ist.    Denn  das  nächste   Ge- 


bäude rechts  war  das  Armenhaus  (i),  das  andere 
auf  der  Südstufe  hnks  jedenfalls  die  Propste!  (e); 
auf  der  Oststufe  standen  wol  immerdar  die  Häu- 
ser des  Amtmannes  (k),  die  Küsterei  (w)  und 
die  Zehntscheune  (o).  Als  dann  im  16.  Jahr- 
hundert mit  dem  Aufgeben  der  Clausur  verschie- 
dene Wohnungen  für  die  Stiftsdamen  und  mit 
der  Reformation  wieder  andere  für  die  Kirchen- 
diener benöthigten,  da  wurden  die  Bauplätze 
gesucht,  wo  sich  nur  eine  ebene  Stelle  bot,  doch 
fast  sämmthch  auf  der  Höhe.  Daher  betreffen 
wir  die  Häuser  der  Stiftsdamen  (e)  in  der  näch- 


sten Kirchennähe,  die  Abtei  (d)  —  jetzt  Pfarr- 
wohnung —  auf  der  ersten  Stufe  im  Osten  ober- 
halb des  Amtshauses,  alle  übrigen  aber  in  wei- 
terer Peripherie,  zwei  Pfarrhäuser  im  Norden 
(f — g)  sogar  zum  Theil  auf  der  alten  Eingmauer. 
Da  bildeten  sich  auch  Wege  und  neue  Thore.  wie 
jedenfalls  die  beiden  im  Westen  am  Baumhofe 
und  eins  von  den  beiden  (III — IV)  im  Osten,  so 
dass  als  die  älteren  sicher  nur  das  AVolfsthor  (1) 
im  Norden,  das  Spaenthor  (II)  im  Südosten  der 
Kirche  und  vielleicht  auch  eins  der  beiden  im 
Rücken  des  Amtshauses  gelten  dürften.    Au  der 


lyi 


FRÖXLEXBERG. 


.Südostecke  des  lürchhofes  lag  gleichfalls  einThor- 
weg  lind  zwar  jener,  der  auf  Stufen  hinabführte 
in  .das  Stift',  das  sich  unterhalb  des  Klosters 
im  Thale  mit  einem  Thore  ausbreitet.  Wie  die 
Hczoichnunj^en  der  vornehmsten  Gel)iluliehkei- 
ten:  Schlüterei  (m),  Konihaus  (([),  Brauhaus  (jj), 
Wollhaus  (r),  Försterei  (n)  erschliessen  lassen. 
diente  dieser  niedrige  Platz  vor  wie  nach  der  Auf- 
hebung der  Clausur  ökonomischen  Bedürfnissen, 
auch  den  Stallungen.  VomithsriUimen  und  d<'ii 
Wohnungen  der  Beamten  und  des  Gesindes,  was 
im  Süden  bis  zum  Mauergürtel  noch  übrig  war. 
als  Gartenland.  Im  vorigen  .Jahrhunderte  zählte 
ni;in  von  grossem  Bauten  ausser  der  Abtei  elf 
Häuser  für  Stiftsdamen,  drei  für  die  Geist- 
lichen, die  Wohnungen  des  Amtmannes, 
des  Küsters,  die  Capitelskammer,  das  Re- 
fectorium.  das  Armenhaus  und  vier  Vor- 
rathshäuser.  Ueberschauen  wir  die  Anlage  noch 
einmal,  so  erscheint  sie.  wo  das  Kloster  und 
die  Kirche  die  Höhe,  die  Profaiibautcn  das 
Thal  einnahmen,  ebenso  zweckmässig  als  land- 
schaftlich schön  eingetheilt.  wie  dann  noch  heute 
die  Kirche  mit  ihrem  Klosterreste  freundlich  und 
kühn  auf  das  Dorf  (Fig.  111).  das  Huhrthal 
und  die  Eisenbahnen  bis  in  die  Schluchten  und 
Gebirge  des  Süderlandes  hinabschaut. 

Vom  Kloster  t reifen  wir.  wie  gesagt,  nur 
mehr  Beste  und  zwar  den  alten  Kreuzgang  des 
OstHügels  (c),  der  nach  Westen  meistens  noch 
durch  spitzbogig  verstabtc  Hundbögen  geöffnet, 
sonst  später  von  einem  Üanicnhaubc  überbaut 
ist,  ferner  die  zu  einem  unregelmässigen  Viereck 
aneinanderschliessenden  Mauern,  welche  den 
..lungfernkirchhof'  einfassten,  die  Rücklage  des 
Kreuzganges    und    damit    den    Unterbau    von 


Klosterräumen  bildeten.  Im  Süden  dienten  sie 
zugleich  als  Dossining  des  Abhanges,  im  Süd- 
westen sind  sie  jedenfalls  später  zerstört,  um 
einen  bequemem  Weg  zu  dem  dort  an  der 
Ringmauer  aufgeführten  Damenhause  herzustel- 
len. Von  den  meistens  radienförmig  um  Kloster 
und  Kirche  vertheilten  Damenwohnungen  (e) 
ist  jene  der  Clara  von  Böselager  1783  über  dem 
Kreuzgaugsreste  erbaut,  —  nordöstlich  von  der 
Kirche,  also  freier,  alle  Hauptzugänge  beherr- 
schend steht  die  Abtei  (d),  die  nach  der  Aufhe- 
bung zeitweise  von  den  drei,  jetzt  von  den  zwei 
(JeistUchen  bewohnt  ist.  Sie  besteht  aus  einem 
steinernen  Unterbau  mit  einer  Fachwerketage: 
an  der  westlichen  I^Kingseite  und  der  südlichen 
Giebelwand  benennt  je  ein  viereckiger  Stein  zu 
Seiten  des  Wappens  in  deutschen  oder  lateini- 
schen Worten  .Talir  und  Urheberin  des  Baues  und 
zwar  der  eine  mit  folgendem  Ausdmcke:  Anno 
1661  Ida  de  Plettenberg  ex  Lenhausen  et 
Hergstrate  abliatissa  in  Freundenherg  nie  suis 
^unll)tibu^  fieri  fecit.  Dahinter  erhob  sich  das 
später  dem  lutherischen  Prediger  eingeräumte 
Haus  des  Stiftsanitniannes  (k),  südUch  davon 
und  gleichfalls  niedriger  das  alte,  laut  einer 
lateinischen  Inschrift  am  Querriegel  des  West- 
giebels, 1607  im  Juli  von  der  Aebtissin  Judoca 
von  der  Reck  aufgeführte  Abteiijehäude  (h). 
später  Wohnhaus  des  reformirten  Predigers. 
Darin  erbhckte  als  Sohn  des  Pfarrers  1802  20  K» 
Fiinst  Wilhelm  Hengstenberg  das  Tageshcht. 
der  durch  seine  orientalischen  Studien  und 
nicht  minder  durch  seine  orthodoxen  Bestre- 
bungen noch  wolbekanute  Profi'ssor  der  Theo- 
logie zu  Berlin.  Den  Hintergrund  nahmen  die 
.Vmtsscheune  (1)  und  ein  Stall  (s)  ein. 


Ivirflu"    uikI    ihi'€»    Oonkiiiälei', 


.letzt  gelte  es  der  Kirclu-  uml  ihren  Erb- 
tlirilen  an  Kunst  und  Altertum.  Sie  bildet  wie 
bei  andern  Frauenklnstern  einen  einfachen  Kreuz- 
bau,  jedoch  von  nicht  regelniässigi'n  Theilen  (Fig. 
1  l'J.  \\'-\):  nicht  nur  dass  die  untere  Hälfte  des 
Langhauses  breiter  und  mit  Strel)en  versehen 
ist,  —  das  Kreuz  hat  einen  etwas  schrflg,  im 
Norden  gen  Osten,  im  Süden  gen  Westen  ge- 
legten (Querbalken,    seine   drei    sowie    die    bei- 


den westlich  v(ini  Langhause,  östlich  vom  Chore 
anstossenden  (Jewölbe  sind  bereites  über  das 
Quadrat  in"s  Oblonge  erweitert,  das  dt's  Chores 
bei  grössemi  Flächeninhalte  in  der  Hichtung 
der  Längenachse,  die  übriLren  in  d<'r  (^uenchse 
des  Schiffes.  Mögen  nun  örtliche  oder  svuiIhk 
lische  Gründe  oder  auch  technische  Unbehnlflioh- 
keit  die  abweichende  Neigung  des  Kreuzbaues  bo- 
diniit  haben,  die  Baumverhältnis-xc  der  Gewölbe 


KIUCUENÜAU. 


135 


zeugen  von  dem  freiem  Geiste  gotliischer  Con- 
stmction,  die  entsprechend  dem  Baudatum 
von  1230  im  geradegeschlossenen  Chore  und 
im  Kreuzbaue  erst  anklingt,  im  Westbau  mehr 
und  mehr  zur  Herrschaft  gelangt.  Dort  legen 
sich  noch  rundstabfOrmige  Kreuzrippen  unter 
die  Gewölbe,  halbrunde  Wulste  unter  die  Gur- 
ten, Halbsäulen  vor  : 
die  Pilaster;  diese  ha- 
ben kurze  Capitäle 
mit  gut  ausgeführtem 
Thier-  und  Pflanzen- 
ornament und,  wie  die 
Ecken ,  abgerundete 
Basen ;  aber  die  Rip- 
pen entspringen  hö- 
her als  die  Kämpfer 
hegen,    und    schUes- 


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den  Seiten  je  ein  durchbrochenes,  rund  umrahm- 
tes Dreiblatt,  daiui  halb  auf  den  Giebel  halb 
auf  die  Wand  vertheilt  ein  blindes  Radfenster. 
gebildet  aus  concentrischen  Kreisen  von  Drei- 
l)lättern,  Dreiblattarkaden,  Drei-  und  Vierpässen 
mit  eckiger,  nicht  mehr  runder  Profilirung.  — 
Weitere  Stilfortschritte  und  planmässige  Aende- 
!.  rungen   stellt    schon   das 

erste  Quadrat  des  Lang- 
hauses dar.  Zeigen  noch 
die  Basen  das  attische, 
die  Kämpfer  ein  romani- 
sches Profil,  so  sind  die 
Gurten  ausgekantet,  die 
Mauern  höher,  die  Fenster 
zugleich  schlanker  und 
spitzbogig;  sie  sind  zu 
dreien  gruppirt,  die  beiden 
seitlichen  noch  niedriger. 
Höheren  Schwung  und  hö- 
here Lage  hat  auch  die 
Kreuzwölbung  mit  noch 
runden,  aber  von  Ringen 


sen  wie  die  Gurten  bereits  in  sanftem  Spitz- 
bogen; denselben  Schluss  haben  die  Fenster 
des  Kreuzes  —  je  eins  unter  jedem  Schild- 
bogen — ,  ebenso  das  mittlere  der  Ostwand 
des  Chores,  dessen  Seitenstücke  noch  rundbogig 
sind,  —  eine  Gruppirung,  wie  sie  auch  der 
Südwand  wol  eigen  war,  bevor  sie  das  spät- 
gothische  Licht  mit  brillanten  Fischblasenmu- 
stem  erhielt,  neben  welchem  man  die  ver- 
mauerten Spuren  ursprünglicher  Fenster  ge- 
wahrt. Früher  schon  war  am  Südflügel  ein 
gothisches  Fenster  mit  reinen  Maasswerken  ein- 
gesetzt. Prächtig  ist  die  Ostwand  des  Chores 
im  Aeussern  gehalten :  oben  im  Giebel  ein  kunst- 
reich skulptirtes  Madonnenbild,  darunter  zu  bei- 


und  Schildern  unterbrocheneu  Rippen.  Die  seit- 
lichen Stützen,  Mauerecken  im  Osten,  pilaster- 
artige  Gheder  im  Westen  steigen  deshalb  auch 
fast  doppelt  so  hoch  empor  und  zwar  in  zwei 
Abtheilungen,  so  dass  sie  im  Kämpfer -Ni- 
veau des  Kreuzbaues  westhch  einfach,  östüch 
mit  Kämpfern  unterbrochen  sind  und  darüber 
eine  zweite  Pilastergliederung  mit  Kämpfern 
zur  Aufnahme  der  Gewölbe  folgt.  Mehr  noch 
als  diese,  nur  halb  der  herkömmhchen  Höhe 
entsprechende,  Pilasterbildung  fallen  oben  an 
der  Westseite  des  Pilasterpaares  gewisse  Mauer- 
ecken, südlich  sogar  mit  Kämpfern  bedeckte 
Rundstäbe  auf,  die  zwecklos  entweder  als  Reste 
eines  abgebrochenen  oder  doch  geplanten  Wei- 


i.u; 


iUÜNLLNüLW. 


terbaues  endigen;  ja 
dies  Pi lasterpaar  mit 
seiner      zweifachen 
Gliederung,  mit  sei- 
nen halb  unharmo- 
nischen, halb  zweck- 
losen Ecken  und  De- 
tails erscheint  unten 
noch  nachdem  Plane 
des  Ostbaues,  oben 
schon  nach  dem  der 
Jüngern    Langhaus- 
(juadrate         ausge- 
führt, dann  aber  bei 
dem    Ausl)aue    der 
letzteren   imr    zum 
Ansatz    von     ihren 
aus  der  Flucht  aus- 
weichenden    Wan- 
(hmgen  benutzt  zu 
sein,    so    dass    die 
westliche  schon  vor- 
handene Gliederung 
wie  unvenverthet  be- 
stehen   bheb.      Der 
Aus-  oder  Neubau, 
der    auch    in   grös- 
sern Quadern  durcli- 
geführt  ist,  l)ezweck- 
te  eine  Erweiterung 
und   ?>hnhung   der 
westlichen  (Jewülbe- 
fächer;    die  Wand- 
consolen  ihrer  Kip- 
pen   sitzen   deshalb 
auch    wieder    hoch 
über      dem      höch- 
sten Ki'linpl'erpunkte 
(Um*    erwiilinten    Pi- 
laster;  es  haben  di«' 
Consolen,  sowie  die 
Sehlussteino,        ein 
zierliches  Ornament, 
die  Kreu7,rii)pen  go- 
t bischen  Sciulitt.  die 
Fenster,  welche  wie- 
derum     mit      dem 
Sciieitel  wie  mit  (U'n 


,mL 


Bänken  höher  ange- 
legt sind,  jene  firüh- 
gothische       Anord- 
nung, dass  ein  gros- 
ses spitzbogiges  Fen- 
ster   drei    durch 
schlankes  Stabwerk 
gesonderte      Theile 
bildet,  so  dass  der 
mittlere  mit  seinem 
Spitzbogenfelde  über 
die  seitlichen  emjxjr- 
steigt.      In    diesen 
West  bau  schob  sich 
weit  nach  Osten  vor 
das  .sehr  weitläufige 
Fräuleinschor(112C) 
oder    die    Nonneu- 
emiwre.  wie  sie  jetzt 
vorUegt.   als   flache 
Balkendecke,  auf  Pi- 
lastern  ruhend,  aber 
ursprünglich,  wie  die 
Stärke   des    untern 
Mauerwerks  andeu- 
tet,   als    gewölbter 
Einbau  geplant.  Der 
Baum  unter  der  Eni- 
]iore      ursprünglich 
im  Westen  wie  im 
Norden   durch  klei- 
ne  spitzbiigige  und 
viereckige     Fenster 
beleuchtet .    diente, 
wie  der  Platz  vorm 
Kreuzaltare,     na- 
mentlich als  Begräl»- 
niss  der  gräflichen 
Familienglieder  und 
enthält     noch     ein 
grosses     Grabdenk- 
mal.   Seine  Mauer- 
t  heile  repräsent iren 
sihon    deshalb    ein 
nierklich  höhen's  Al- 
ter  als    die    olM^m. 
weil  der  südlich  an- 
stossendeBestdl-Ki 


KlltCHLlCilE  D£NK.\1AJ,KI{. 


137 


vom  Ostflügel  des  Kreuzganges,  der  doch  gerade 
auf  den  Nonnenchor  zu  berechnen  war,  sich 
noch  mit  runden  wie  mit  spitzen  Bögen  öffnet, 
also  die  Einflüsse  des  romanischen  Stiles  noch 
nicht  so  verwunden  hat,  wie  die  Obermauern 
des  Westbaues.  Thüren  führten  eine  in  den 
nördhchen,  eine  durch  die  Ostwand  in  den 
südlichen  Kreuzarm,  eine  jetzt  vermauerte  der 
nördlichen  Langwand  in  das  östhchste  Qua- 
drat des  Langhauses,  eine  in  der  südlichen 
Langwand  zum  Nonnenchor. 

Im  Norden  des  Chores  und  zugleich  auf  den 
Kreiizarm  gestützt  liegt  die  viereckige  Sakri- 
stei bedeckt  von  einem  Kreuzgewölbe  mit  ab- 
gefassten  Rippen,  beleuchtet  von  einem  zweithei- 
hgen  Fenster  mit  flachen  Kehlen  an  dem  Mittel- 
stahe  und  den  Gewänden,  im  Mauerwerk  ab- 
gedeckt mit  einem  wolprofilirten  Kranzgesimse. 
Es  ist,  wie  das  eine  grosse  Chorfenster,  eine  An- 
lage spätgothischer  Zeit  und  anscheinend  an  Stelle 
einer  romanischen,  die  hier  gleichzeitig  mit  dem 
Chore  vorgesehen  war;  wenigstens  haften  noch 
am  Kreuzarme  und  Chore  zwei  unregelmässige, 
anscheinend  verstümmelte  Mauervorsprünge,  die 
wol  nur  als  Reste  derselben  zu  deuten  sein 
möchten. 

Im  Aeussern  bietet  die  Kirche  ausser  der 
grünlichen  Farbe  ihres  Materials  nur  mit  ihrer 
Umgebung  eine  malerische  und  linienreiche  Sil- 
houette; denn  die  ungleiche,  freihch  von  dem 
Mauerwerk  angewiesene  Dachhöhe  im  Osten  und 
Westen  bildet  eine  harte  Linie,  und  das  höhere 
Dachwerk  des  Langhauses  wirkt  um  so  unfreund- 
Ucher,  als  der  fast  auf  seine  Ostecke  gesetzte 
Dachreiter  geradezu  ungelenk  erscheint.  Derselbe 
entstammt  auch  nicht  mehr  dem  Jahre  1686, 
als  Mauermeister  Meinhard  Milner  von  Dort- 
mund den  mit  dem  mittelsten  Gurt  schadhaft 
gewordenen  Mittelthurni  gegen  einen  Lohn  von 
100  RthlriL,  zwei  Tonnen  Biers  und  freier  Tafel 
für  seine  Person  durch  einen  Neubau  ersetzte, 
sondern  einer  dürftigen  Restauration  des  Jahres 
1747,  wo  am  4.  Juni  ein  Gewitter  den  alten 
Thurm  beschädigt  hatte. 

Stilistisch  ist  der  Kirchenbau  insofern  höchst 
interessant,  als  er  von  Osten  nach  Westen  fort- 
schreitend mehr  und  mehr  dem  alten  Mauer- 
werke und  Plane  entsas't,  dem  neuen  Stile  sich 


hingibt  und  gen  Westen  immer  schlanker,  höher, 
lichtvoller  d.  i.  gothischer  wird.  Dass  der  Bau 
mit  dem  Chore  1230  begann,  darf  als  sicher 
gelten,  dass  er  mit  dem  ersten  Quadrate  des 
Langhauses  1262  abgeschlossen  war,  beweist 
die  nun  erfolgte  Beisetzung  des  Stifters  vor  dem 
Kreuzaltare  ,der  neuen  Basilika'.  Die  Gnind- 
mauem  des  Westbaues  scheinen  noch  im  13. 
Jahrhundert  gelegt  zu  sein;  die  jungem  Ober- 
theile  reichen  in  der  Vollendung  wol  noch  ziem- 
lich weit  in  den  Anfang  des  14.  Jahrhunderts. 
Ihm  werden  die  Bullen  und  Ablassbriefe  zu 
Gunsten  des  Kirchenbaues  aus  den  Jahren  1288, 
1294  imd  1323  gegolten  haben,  und  jene  vom 
Jahre  1371  scheinen  für  andere  Bautheile,  die 
entweder  nicht  mehr  bestehen  oder,  wie  die  Wöl- 
bung des  Nonnenchores,  nicht  zur  Ausführung 
kamen,  ausgeschrieben  zu  sein. 

Polychromie  hob,  wie  die  blossgelegten  Ca- 
pitäle  des  Chores  zeigen,  die  Wirkung  der  feinem 
Bauglieder,  Wandmalereien  bedeckten  einzelne 
Wandflächen;  doch  hat  man  davon  durch  die 
Tünche  nur  mehr  Reste,  wie  am  Chore  Maria. 
Engel  und  HeiUge,  im  südlichen  Kreuzarme  die 
Gestalt  eines  Bischofs  wahrgenommen. 

Von  altern  Sculpturen  verdient  das  erste 
Augenmerk  das  Marienbild  oben  im  Giebel  der 
Chorwand.  Dort  geM'ahren  wir  unter  einem 
Baldachin  über  einer  mit  Blätterkranz  umzo- 
genen  Base  in  röthUchem  Sandstein  ziemhch 
gerundet  ausgeführt  das  stehende  Bild  der  Gottes- 
mutter, welche  Christus  mit  der  Dornenkrone 
hält,  ihr  zu  Raupten  zwei  schwebende  Engel, 
der  eine  Weihrauch  spendend,  der  andere  sie 
krönend,  und  ihr  zu  Füssen  zwei  knieende  Fi- 
guren mit  gefalteten  Händen,  und  zwar  rechts 
eine  Frauengestalt,  hnks  einen  Mann  mit  der 
Wandertasche  und  zurückgeschlagenem  Hute. 
Das  Bild  erinnert  wahi  -cheinlich  an  jenes  mira- 
kulöse,  welches  Menrich  zum  Besten  der  neuen 
Klosterstiftung  herumführte  und  dann  in  seiner 
Clause  aufsteUte;  ihn  verbildlicht  daher  wol  die 
Mannsgestalt,  dagegen  die  Frauengestalt  die 
erste  Aebtissin  Richardis  oder  jene,  welche  den 
Chorbau  ausführte.  Auf  das  13.  lahrhundert 
deutet  unzweifelhaft  schon  die  scharfe  Wellen- 
linie am  GcAvandsaume  des  Hauptbildes. 

Von  der  zweiten  Aebtissin  Aledis  von  We- 


is 


ViH 


FEÜ.VDEXBEBß. 


degenstene,  welche  1280  zuletzt  urkundlich  vor- 
kommt erübrig  noch  der  Leichenstein  (Fig. 
114),  ein  trapezförmit^es  Monument,  in  der 
Fläche  geziert  mit  einem  lant,'eu  Kreuze,  da- 
n»'l)en  jederseits  mit  einer  fünf- 
blätterigen  Kose  und  einem  In-i- 
derneits  in  eine  Lilie  auslaufen- 
den Stabe,  an  den  vier  I{ünderii 
mit  meistens  abgenutzten  leoni- 
nischen  Versen  beschrieben,  die 
indes«  deutlich  ihren  Namt-n  un»! 
Stand  bekunden : 

Hie iacct  Aledit.. (juc  lii<  c c.iiiit 
Nicf»mcdi> 

Morti  et  vita  fuit  abhatis^a 


ationcm  (.')  j^enc- 
roiior  illa. 

Unter  dem  Xonnenchor  steht 
die  grosse  Tumha  des  Grafen 
Hberhard  von  der  Mark  (f  1308) 
und  seiner  (Jemahlin  EnnL'ard 
(t  1293).  an  den  Seitenllatheii 
mit  spitzbogigem  Hlendwerk.  an 
den  obeni   Kündern   mit  Orna- 
menten und  einestheils  mit  dem 
.Milrkisclun.anderiitheils  mit  de  in 
I  '.ergischen  Llwen  verziert.  Üben 
auf  dem>ell»en  ruhen  die  beiden 
(iestalt^Mi    in    Lebensgrösse.   zu 
Küssen  des  Grafen  der  herkömmliche  Löwe,  zu 
jeiu'n  der  GrilliM  der  Hund.    Zu  Hilupten  sehwe- 
ben Kngel  an  den  Seiten,  und  in  der  Mitt.'  ii- 
hebt  sich  das  Hild  der  Gottesmutter, 
—  eine  Anordnung,  wie  sie  hingst  an 
dem  Grabmale  der  beiden  (trafen  von 
Ca)t|)enberg   in   der   dortigen    Kirche 
beliebt  worden  war.  in  der  die  Grafen 
von  Alt4'na-Mark  gleichfalls  ein  He- 
grflbniss  hatten.     Die  (Jesichter  sind 
scha<lhaft,  die  Ktlstung  des  Grafen  ist 
enj;   anlieuond.    die   «tewandung   der 
Grfllin  mn.btii;  und  eile),  das  (ianze 
strenge  und  wOrditr  behandelt,  so  dass 
wir  nach   d«T  plastischen   und  deco- 
rativen  Dtirclifnhrung  das  Werk  in  d.-n    \iif;m.. 
des  14.  Jahrhunderts  versetzen. 

Eine  einfache  (irahplaltc  in  nördlicher  Nahe 


welche  das  combinirte  Wapi)en  Mark  und  den 
rechts  gewandten  Ljwen  enthält,  eignet  da  Graf 
Engelbert  III.  (t  1391)  das  combinirte  Clevi- 
sche  Wappen  übernommen  hat.  einem  Famiüen- 
I  gliede,   das  spätestens   um 

die  Mitte  des  14.  Jahrhun- 
derts starb. 

Ein  hölzernes,  einst  wol 
über  dem  Eingange  des  Cho- 
res hangendes  Kreuz  (Fig. 
115).  auf  den  Annen  tief- 
sraibolisch  von  knosix'n- 
den  Baumzweigen  überwu- 
chert, an  den  Enden  mit 
den  kreisförmig  umrahmten 
Evangelistenzeichen  1>esetzt 
stammt  seiner  Auffassung 
und  der  Form  der  Blatt- 
knospen nach  wol  aus  der 
Uebergangszeit :  das  Cor- 
pus mit  dem  verzerrten  Ge- 
sichtsausdrucke.den  krampf- 
haft herausgetriebenen  Kii>- 
pen  und  den  silbernen  Füs- 
sen ist  ofifenbar  eine  Arbeit 
der  Neuzeit.  Dass  jene 
Kreuzesauffassunfj  noch  im 
14.  Jahrhundert  dominirte. 
können  die  älteren  Triumjih- 
kreuze  mehrerer  Kirchen  im 
benachbarten  Soest  lehren. 

Zwei  leuchterhaltende  Engel  von  Holz  cha- 
rakterisirt  die  Haltung,   die  edle  Faltenbilduni: 
und  der  Gesichtsausdruck  als  Schnitz- 
werke etwa  aus  der  Zeit  von  14o0. 

Eine  Perle  der  (iothik  nach  Zweck 
und  Stilreinheit  überrascht  ein  in  Me- 
tall geschnittenes  Tabernakel  (Fig. 
1 1  •>)  von  schlankem  Aufbau  und  bis 
auf  die  pyramidale  Bekrönung  in 
den  Wandungen  und  Thüren  von 
durchbrochener  .VrU'it.  vormals  in  rei- 
«her  V^-rgoldung  prangend,  die  leider 
\on  cintni  modernen  Anstrich  ver- 
deckt ist.  und  an  den  Iv^i^len  Seiten- 
thüren  des  Tabernak.K  no.b  ,lnr.  b  Tirbi.j.'  IM- 
der  auegezeichnet 

Die  Xonlwand  de>  Chori's  enthalt  drei  \ier- 


KIKCIIMCHE  liKNKMÄI.ER. 


139 


eckige  Nischen  (Fig;.  117)  für  Kfli.niien   (lii>- 
sanothecae)  mit  eisernen  Gitterthoren ;  ihre  an- 
scheinend verstümmelte  Bekrönung  ist  in  rein 
gothischen    Maasswerken    durch- 
broclien. 

Im  Nordarm  des  Kreuzes  um- 
fasst  eine  neuere  Stein-Nische,  de- 
ren Base  und  Seitenfronten  an- 
geblendete Maassvverke ,  deren 
wimpergartige  Abdeckung  an  den 
Seiten  Krabben  und  über  der 
Spitze  eine  Kreuzblume  zieren, 
ein  lebensvolles  Bild  der  Pietä 
(Fig.  118).  Nach  der  etwas  ma- 
nierten  Gewandung  gehört  die 
Figur,  die  sonst  bei  tüchtiger 
Durcharbeitung  gelungenen  Aus- 
druck hat,  der  Spätzeit  des  Mittel- 
alters an. 

Im  Südarme  des  Kreuzes  fin- 
den sich  zu  Seiten  einer  oben  mit 
Schnitzereien,  unten  mit  einer 
Ziernische  verschönerten  Holz- 
platte zwei  1,47>«  hohe,  1,21;;^ 
breite  bemalte  Holz  tafeln  (vergl.  die  Photo- 
hthographien)  als  Mittelstttck  eines  Altarauf- 
satzes, dessen  Flügel  vor  einigen  Jahren  zu 
Grunde  gegangen  sind.  Diese  stellten  angeb- 
lich dar  innen  zwei  Scenen  aus  dem  Leben 
Mariens,  und  zwar  einerseits  die  Unterweisung 
Mariens  durch  Anna,  anderseits  Joachim  bei 
seiner  Heerde,  aussen  Ein-  ] 

zeliiguren,  so  den  heiligen 
Mauritius,  die  Rückflächen 
des  Mittelstückes  nur  zopfi- 
ge Arabesken.  Jeder  Flü- 
gel wird  durch  ein  farbiges 
Kreuz  von  Möbel-  und  Me- 
tallornamenten in  vier  ob-  - 
longe  Bildflächen  für  Scenen 
aus  dem  Leben  der  Jungfrau 
und  Mutter  Maria  zerlegt.  So  zeigt  der  linke 
Flügel  oben,  wie  das  Kind  Maria  vor  einem  auf 
acht  oder  neun  Stufen  erstiegenen  Altare  im  An- 
gesichte ihrer  Eltern  betet,  daneben,  wie  sie  in 
ihrem  Gemache  unter  den  Augen  des  Höchsten  auf- 
bhckend  vom  Gebetbuch  den  Gruss  des  schönen 
Engels  empfangt,  unten  einerseits  ihren  Besuch 


bt.'i  Elisabeth,  daneben  rechts  die  Geburt  Chri.sti 
in    einem  Stalle,   zu  Füs.sen  des  Wochenbettes 
den  h.  Josef  sorglich  das  Herdchen  anfachend 
und  rechts  daneben  eine  kuieendf 
Nonne  mit  einem   Spruchbande 
und  dem  Wappen  —  also  die  Stif- 
terin des  Kunstwerkes.    Auf  dem 
rechten    Flügel    sind    dargestellt 
oben  hnks  die  Anb»_'tung  der  K<>- 
nige,  rechts  die  Darbringung  im 
Tempel,   so  dass  die  Mutter  das 
Kind  über  dem  Altar  dem  har- 
renden   Simeon    zuftihrt.    unten 
links   die   Flucht   nach  Egyptnii. 
rechts  wie  Christus  als  Kind  im 
Tempel,    das    Buch    auf    dem 
Schosse,   lehrt  und  von  der  Ge- 
meinde  zu    seinen   Füssen,    vun 
den  Eltern  zur  Seite  mit  Andacht 
und  Staunen  angehört  \nrd.    Dt-r 
Hintergrund  ist  noch  golden,  die 
Architekturen,  worin  sich  die  mei- 
sten, nämlich  sieben  Scenen  ab- 
spielen, zeigen,  ob  von  Holz  oder 
von  Stein,  bis  auf  den  Eselsrücken  rein  gothi- 
sche  Formen,   die  Landschaft   als  Hintergrund 
der  Flucht  nach  Egypten  noch  einen  steifsym- 
metrischen Bau.  die  Bilder,  so  insbesondere  die 
figurenreichen   der  Anbetung   der  Könige,   des 
Lehrens  im  Tempel,  herrliche  Gruppirung:  die 
Gestalten  sind  lang,  von  sanfter  Haltung  und 
edler  Gewandung,  nament- 
lich jene  der  Hauptfigur  und 
des  Engels    im  Bilde   der 
Verkünditrung,    die    Köpfe 
sind  länghch  oval  mit  vol- 
len Wangen,  kleinen  Augen, 
spitzem    Kinn    und    hoher 
Stirn,  d.'  Nimbeu  mit  dem 
blossen  Namen  beschrieben. 
Das   Holz  ist    mit   Kreide 
ohne  weitere  Unterlage  gruniürt,  die  Farbe  leuch- 
tend —  kurzum  mr  betrachten  hier  ein  hervor- 
ragendes Bildwerk  aus  jener  Malepoche  des  Mit- 
telalters, welche  von  dem  Naturahsmus  od'.r,  wie 
dieser  sich  hier  bald  ausbildete,  von  dem  Manie- 
rismus der  van  Eyck's  noch  nicht  berührt  ist.  da- 
gegen vom  alten  Idealismus  soviel  aufjreeebeL 


HO 


FRüXLEXBERG. 


hat,  um  sdiou  in  den  Interieurs  und  dem  Land-     viereckigen  Hauptfläche  bemalte  Kreuzfahnen. 


schaftlichen  dem  KeaHsmus  zuzuneigen.  Dies 
sowie  die  Formen  der  decorativen  Architektur 
weisen  auf  die  Frillizeit  des  1').  Jalirhunderts. 
In  der  That  erkennt  man  au  dem  Wapjfen  des 
rechts  zu  Füssen  der  Geburt  des  Herrn  kniieen- 
den  Xönnchens.  welche  das  aufflatternde  Spruch- 
band mit  dem  Worte  Miserere  niei  i 
Dens  halt,  die  Aebtissin  Segele 
von  Hamme,  welche  einen  rothcn 
Hing  im  silbernen  Felde  führte  und 
urkundlich  innerhalb  der  Jahre 
1410—1422  regierte,  in  der  Mal- 
weise,  im  Tyi)us  der  Köpfe,  in  der 
Haltung  der  Figuren,  in  der  An- 
ordnung und  Sonderung  der  Gru]'- 
pen  den  Meister  Conrad  von  Soest, 
der  laut  Inschrift  14u2  oder  1404 
das  grosse  und  schöne  Altarwerk 
für  die  Kirche  zu  Niederwildungen 
geliefert  hat:  ja  drei  bis  vier  Grup- 
l»en  desselben  sind  den  entspre- 
chenden unseres  Altars  ilhnlich 
oder  ganz  gleich  angeordnet.  Ich 
schreibe  daher  das  Werk  dem  Mei- 
ster Conrad  und  sitiltestens  dem 
.Jahre  1420  zu.  zumal  da  im  Nach- 
jahro  eine  Fundation  .to  gelochte 
f)p  den  Dversten  altar'  vorkommt. 
Das  hölzerne  Mittel^tück  be- 
leben in  den  Zwickeln  über  der 
Nische  zwei  von  einem  Vierpass  uni- 
fasste  "\Vapi)en.  und  zwar  das  des 
Grafen  von  der  Mark  und  das  mit  einem  Turnier- 


Auf  landschaftlichem  oder  architektonischem 
Hintergrunde  stellt  die  eine  dar  die  Geburt 
(.'hristi  —  das  strahlende  Kind  wird  von  einem 
Engel  angebetet,  indess  ein  anderer  in  der  Höhe 
erscheint  —  und  die  Anbetung  der  Könige:  die 
andere  einerseits  die  Verkündigunff  und  in  der 
Architektur  des  Hintergrundes  die 
Wappenschilder  Cleve-Mark.  ander- 
seits die  Krönung  Mariens.  Wir 
möchten  diese  GemiUde  etwa  der 
.Mitte  des  l.j.. Jahrhunderts  zuschrei- 
ben; dahin  weisen  der  landschaft- 
liche Hintergrund,  die  starken  Con- 
touren.  die  etwas  breit  entworfenen 
Gestalten,  das  Milde  aber  schon 
CharaktenoUe  des  Gesichtsaus- 
drucks. Die  schadhaften  Zipfel  der 
Fahnen  sind  jünger. 

.Jedenfalls  als  Werk  der  Si>:U- 
gothik  dürfen  wir  bezeichnen  einen 
Kronleuchter  von  Messing  mit 
durchbrochenem  lieife.  besetzt  mit 
gegossenen  Figürchen  und  beU-bt 
mit  Gravinmgen. 

Das  Hild  des  h.  Mauriiiu.». 
das  jetzt  in  der  Nische  des  Flügel- 
altars, voniials  über  der  Thür  der 
Sakristei  stand,  von  markirtem 
Antlitze  uml  flotter  Stellung,  ent- 
stammt, wie  schon  die  Rüstung  be- 
zeugt, dem  10.  .Jahrhundert,  ebenso 
sein  tabernakelartiges,  jetzt  bei  Seite 
gesetztes  Gehäuse:  denn  während  dessen  Seiten 


kragen   belegte  Wappen  des  Grafen  von  Loos;  ;  noch  mit  spätgothischem  Maasswerke  durchbro- 


es  ist  das  Kmblem  der  Catharina  von  der  Mark. 
Tochter  lies  bereits  in  den  achtziger  .Jahren  des 
1  l.  .Jahrhunderts  verstorbenen  Ehepaars  Eber- 
hard von  der  Mark  und  Maria  von  Loos,  das 
sie  im  Siegel  auch  comltinirt  führte.  Sie  war 
also  jedenfalls  schon  um  142<>  Nonne  in  Frön- 
«h'nberg.  als  welche  sie  142() — 14:^  urkundlich 
auftritt. 

Sodann  begeijnen  wir  zwei  kirchlichen  Zier- 
stücken.  die  zwar  nicht  zu  den  er>ten.  aber 
immerhin  zu  den  älteren  ilirer  Art  zählen  und 
deshalb  schon  dureh  ihre  Seltenheit  im  Werthe 
steigen.    Es  sind  zwei  an  beiden  Seiten  in  der 


eben  sind,  ersreht  sich  die  decorative  Schnitzerei 

am   Fusse  und  Deckel  bereits  im  Geschmacke 

der  Henaissance.   Früher  hatte  es  die  Inschrift : 

Sanctus  Mauritius  Patronus  Kcclesiae 

("(hristina)  Aignes)  v(on)  Hieiden)  Adui^sin) 

z(u)  F(röndenhep^'^ 
(uravit  renovari  anno  1683.  20.  Sept. 
Der  Spätrenaissance  gehört  das  "im  nöni- 
lichen  Kreuzanne  «'ingemauerto  Stein-Kpitaph 
des  inschriftlich  l(')i'ii  14  11  verstorbenen  .lohan 
von  der  Hecke,  DrosttMi  zu  Bochum.  Die  Fiffur 
des  Verstorbenen  <UA\\  betend  flach  ausgemei«- 
seit    in   einem    Hahmen.   dessen    Langseiten  je 


Kiitciiijciii-;  I)i;nkmäi,i;i{. 


141 


mit  vier  Wappen  bedeckt  und  oben  mit  einem 
Giebelbogen  geschlossen  sind,  dessen  Feld  die 
Muschel,  wie  jede  Giebelstufe  eine  Kugel  ziert. 
Sonst  beruhen  hier  die  (irabsteine  der 
Aebtissin  Judoca  von  der  Recke  -j-  1626  19/1 1, 
der  erwählten  Aebtissin  Anna  von  Mallinkrot 
-j-  1628  l5/7,  der  Aebtissin  Ida  von  Plettenberg 
■f  1671  27/6,  der  Freiin  Aynes  Lucretia  von 
Nehem,  gestorben  49  Jahre  alt  1699  2/3,  des 
Freifräulein  Anna  Mechtilde  von  Haxthausen, 
Tochter  vom  Hause  Eisbern,  des  katholischen 
Pastors  Johan  Christian  Elias  f  1716  28/10, 
der  Aebtissin  Gerberg  Elbertina  Josina  Freiin 
von  der  Reck  von  Haven,  gestorben  43  Jahre 
alt  1717  26/7,  des  Freifräulein  Anna  Catha- 
rina  Sophia  von  Ohr  vom  Hause  Nottbeck, 
gestorben  68  Jahr  alt  1719  1/6,  des  Freifräu- 
lein Sophia  Maria  von  Hasenkamp  vom  Hause 
Wethmar,  gestorben  44  Jahre  alt  1723  13/9, 
des  lutherischen  Pastors  Revelmann  -f  1729 
8/11,  der  Hendrina  Johanna  Dorothea  Reichs- 
freiin  von  Spaen  zu  Ringenberg  -j-  1723  19/3, 
des  reformirten  Predigers  Gerhard  aufm  Ort 
f  42  Jahr  alt  1728  18/8,  des  reformirten  Pa- 
stors Petrus  Ernestus  Gneib,  gestorben  41  Jahr 
alt  1737  27/4,  des  Freifräulein  Sophia  Petro- 
nella  von  Syberg  zu  Kemnade,  gestorben  52 
Jahr  alt  1746  am  16. — 17.  April,  des  Frei- 
fräulein Clara  Christina  Elisabetha  von  der 
Heyden  gen.  Rynsch  zu  Caldenhof  -f  1752 
23/10,  der  Frau  Herm.  Dorothea  von  Wylich 
von  Diersfort  -j-  1767  2/7  im  80.  Jahre  des 
Alters,  im  65.  des  Canonikats,  im  5o.  der  Abtei- 
würde, der  Freifrau  Theodora  x\ntonetta  von 
der  Bruggeney  gen.  Hasenkamp,  Frau  zu  Weit- 
mar,  gebornen  Freiin  von  Erde,  gestorben  82 
Jahr  alt  1768  18/2,  der  Sophia  Theresia  von 
Fürstenberg,  verwittweten  Gräfin  von  Merfeldt, 
gestorben  40  Jahr  alt  1769  24/11,  der  Aeb- 
tissin Freifrau  Maria  Anna  von  Fürstenberg 
-|-  1788  18/2,  der  Anna  Lucia  von  Ripperda 
zu  Eilerburg  -|-  1787  l/l  l,  der  Theodora  Louisa 
von  der  Recke  zu  Haren  -f  1793  29/6,  des 
Freiherrn  Theodor  von  Schade  zu  Ahausen, 
Domherrn  zu  Paderborn,  -j-  66  Jahr  alt  1796 
3/8  und  der  Maria  Dorothea  Elisabeth  von 
der  Recke  zu  Curl  61  Jahr  alt  (ohne  leser- 
liches Todesdatum). 


Ih'v  von  zwei  Säulchen  flankirte,  über  dem 
(iel)älk  mit  durchbrochenem  Giebel  endigende 
Altaraufsatz  hat  in  der  Mitte  das  gemalte 
Bild  des  Gekreuzigten. 

Die  der  Zopfzeit  angehOrige  Kanzel  ist  p<>- 
lygon  auch  im  Deckel  und  Ständer,  an  den 
Pocken  mit  Säulen,  sonst  mit  geometrischen  Orna- 
menten vei  ziert  und  inschriftüch  eine  Arbeit  des 
Jahres  1797. 

Das  Orgelgehäuse,  eine  einfache  aber 
tüchtige  Arbeit,  trägt  das  Renovationsdatum 
1826,  darüber  schwebt  der  Adler,  der  vordem 
auf  dem  Hochaltare  stand.  Die  Orgel  latr 
früher  an  der  Nordwand  (112  B);  nachdem 
1673  Stift  und  Kirche  von  den  französischen 
Truppen  mehrfach  geplündert  und  beschädigt 
waren,  übertrugen  Aebtissin  und  Stiftsdamen 
dem  berühmten  Meister  Tobias  Bader  aus  Unna 
den  Bau  einer  neuen  Orgel  gegen  375  Rthlr. 
und  die  Hingabe  der  alten;  doch  das  Werk 
wurde  erst  1692  4/6  zur  völhgen  ,Perfection-  ge- 
bracht, als  nämlich  der  Münsterische  Fürst- 
bischof Fi'iedrich  Christian  von  Plettenberg.  Neffe 
der  fi-ühern  Aebtissin  Ida  und  Bruder  der  Stifts- 
dame Maria  Ida,  einen  Zuschuss  von  100  Ethlrn. 
geleistet  hatte. 

Von  den  drei  Glocken  enthält  die  ältere 
die  Inschrift:  Dens  in  omni  benedictus,  die 
zweite:  Me  fudit  Korthaus.  Soest  1839,  die 
dritte:  Gegossen  von  W.  Rivckcr  in  West- 
hofen   1859. 

Von  den  Schätzen  und  Herrlichkeiten,  welche 
die  Bücher  dem  alten  Fröndenberg  beilegen, 
trägt  das  Meiste  ein  altertümhches  Aussehen 
oder  gar  die  Spuren  der  Verwitterung  imd  Ver- 
stümmelung —  Manches  hat  sich  ganz  verloren. 
so  die  Lettner  des  Nonnenchores,  einige  Altäre, 
der  ,kostbare'  1736  verfertigte  Stuhl  der  Aebtissin 
(112A)  auf  dem  hohen,  und  der  gleichzeitig  be- 
schaffte ,schöne'  Fräuleinstuhl  auf  dem  Nonnen- 
Chore,  die  Bildnisse  der  Stifter  Menrich  und 
Berthold  und  der  Patronin  Maria,  manche  Schil- 
dereien, wie  das  Bildniss  des  h.  ^Mauritius  auf 
dem  Nonnenchore,  die  Wandmalereien  und  wer 
weiss  wie  viele  Werthstücke  sonst  noth,  von 
denen  die  Schriften  schweigen.  Findet  sich  doch 
von  der  Monstranz,  die  Graf  Adolf  IV.  von  Men- 
den 1344  hierher  führte,  überhaupt  von  goldenei; 


142 


SCHEDA. 


und  .silbernen  Geräten  und  Gefässen  Nichts  mehr 
vor:  und  dennoch  entrollte  sich  uns  an  der 
Hand  der  Forschung  und  Monumente  vom  alten 
Damenstifte  ein  klares  und  in  den  einzelnen 
Werken  und  Resten  ein  so  reiches  und  anzie- 
hendes Bild,  wie  wir  es  bei  den  aufgehobenen 
Ivlöstern  von  der  Weser  bis  zum  Kheine  leider 
durchgt'hends  vergeblich  suchen  konnten. 

Zum  Schlüsse  dürfte  eine  schöne  Perga- 
inciit-rrkiindc  (vergl.  die  Photolithographie) 
des  KOnigl.  .Staats-Archivs  zu  Münster  hier  einen 
envdnschten  Platz  linden  in  verkleinertem  Al»- 
1)ild.  ohne  ^V'iedergabe  der  zerbrtickelten  Siegel 
und  der  Siegelfildt-n :  es  ist  ein  Ablassbrief,  von 
dreizehn  Bischöfen  in  Avignon  zu  Gunsten  des 
Klosters  1:U2  2  1  ausgestellt,  beziehentlich  o.Ol 
und  O.G.');»  gross,  und,  was  seinen  monumentalen 
Werth  ausmacht,  mit  malerischer  Zier  ausge- 
stattet, wii'  deren  mehrere  nach  Westfalen  ge- 
kommen, im  (tanzen  aber  wenige  bekannt  sind. 
Vierpilssc.  die  je  einen  Ajtostel  einrahmen,  bilden 
»in  oberes  Zierband  mit  beiderseits  herabgehen- 
den Schenkeln,  die  je  wieder  auf  einer  lihigern 
Sititzbogeiinische  mit  einer  Heiligenligur  ruhen, 
so  dass  fast  die  ganze  Schriftfliiche  oben  und 
an  den  Seiten  von  fi'jürlicher  und  ornamentaler 
Farbenzier  umrahmt  wird.  In  den  Spitzbogeu- 
nischen  standen  ursprtlnglich  links  die  h.  Catha- 
rina  mit  Had  und  Sehwert,  rechts  der  h.  ^Michael 
auf  dem  Drachen  mit  der  Lanze  —  allein  unter 


einer  spätem  Uebermalung.  welche  die  Attribute 
und  gewisse  Körjjertheile  verdeckte  und  durch 
neue  ersetzte,  ist  jene  in  den  begrüssenden  Engel 
mit  Schwingen,  dieser  in  die  h.  Jungfrau  mit 
angesetzten  Händen  verwandelt.  Im  Beginne 
der  Schrift  thront  auf  einem  Regenbogen  zwi- 
schen zwei  das  Weihrauchfass  schwingenden 
tingeln  in  grösserer  Dimension  der  Salvator  mit 
den  fünf  Wunden,  der  die  Linke  mit  dem  Buche, 
die  Rechte  wie  zum  Segen  aufrecht  hält.  Die 
Kngel  haben  einen  hellgelben  oder  hellrothen. 
alle  übrigen  Gestalten  abwechselnd  einen  rothen 
oder  violetten  Hintergrund,  dieser  viereckige 
Muster  und  darüber  kleinere  quadratische  Zier- 
den in  Gelb  und  Weiss  aufgesetzt.  Die  grossen 
Zwickelflächen  der  Pässe  füllt  gelbe  Laubzier. 
Die  Auffassung  der  Gestalten  ist  wechselvoll, 
die  Gewandung  oft  schön,  die  Zeichnung  leicht 
und  charakteristisch,  die  Farbe  pastös  und 
fast  ohne  Abtönung  aufgetragen  —  ^vürdig  und 
gross  die  Haltung  des  Herrn  und  der  Ausdnick 
seines  Anthtzes.  Xagellöcher  am  obern  Rande 
bedeuten  klar,  dass  der  in  seiner  Art  schöne 
und  seltene  Gnadenl»rief  an  den  darin  bezeich- 
neten Ablasstagen  öffenthch  ausgehängt  zu  wer- 
den ]tflegte.  zumal  da  einige  dem  Herkommen, 
der  Ausstattung  und  Bestimmung  nach  ver- 
wandte Seitensttlcke  desselben  Archivs  noch  ihre 
eigens  angehefteten  Oesen  bis  zur  Stunde  be- 
wahrt haben. 


Alt«  SS.  Jtiii.  IV.  58  ff. ;  -  Ms.  W.  WS  p.  147  dos  Könipl.  Stants-Archivs  zu  MiinMor:  -  W.  U.-R  UI.  Nr.  <39.  »>It.  17«i8.  17:«.  17^.4 
—  KampM'hnlto.   S.  2(»»;  —   dr-rw-lbo,    KirchoiipntTocinicn.    S.  137.    Ur«i;  —   Lippi»cho  Rcpest«!   U.  Xr.  »7;  —   von  Bt.  ' 

12:{ff.,  tWff.,  Taf.  I,  3  u.  XI;  U,  778;  -  BlWcckt-r  -  Hoppe  H.  107  f.;  -  LiU.ke.  S.  210,  :«<.  3!i7.  37«.  *4.  421;  -  K^ 
S.   1K4  — 1h7;  --    UIkt  HonpitoiilKTir  auch  H.  Bw-kpr,    BoitriUro  nir  Ocschichto  Dortmunds   und   der  GrafM-haft  Mark   HI.   ;<1".  — 
UIkt  di'ii  .Maler  C<iiinid  vnn  SiK-t  L.  Curt/e,  (iesrhiehte   und  IWschn-iliunir  de*   Fürvteuthunis  Widdeok.    IkVi.    S.  3CiH  ff.;   —  der 
nlip'liildete  A»>lai>Mirief  iid  Kiini«!.  .Staats- Archiv   zu  .Münster.    Fröndenberg   Xr.  102;     -  ülteir  Karten;    -  Raum  D.  F.  112  pilt 
fllr  den  CnpiteliMiiü.  —  Mittheilungen  der  Herren  Pastcir  Zur  Xie<len  und  Dr.  I'hilippi;  —  Local-Untersuchunp  und  •Aufhahmen. 


kS  i  •  1  1  (  '  (  1  n . 


Kl.. 

D'T  Name,  welcher  urkundlich  ll.'»2  einmal 
>V(/f>r,  um  *.»<»()  .SV(///<«,  sonst  1147  Srrthcii, 
Srritha  oder  Srhrda  klang,  bezeichnete  zunächst 
einen  Ort.  dann  eine  Kdelherrenbnrg.  endlich  ein 
Kloster  in  der  Pfarre  Bausenhagen,  auf  der 
Ostgrenze  «ler  Herrschaft  Ardei.  und  dürfte  al)- 
zuleiten    .«ein   von    der   Bergsohlucht .    wodurch 


tl(  r  Weg  von  der  Höhe  bis  ins  Huhrthal  führt, 
wie  denn  mehrere  dieser  Einschnitte  dort  den 
gleichen  Namen  führen.  Ebenso  trägt  anschei- 
nend nach  der  Lige  schon  gegen  Ende  des 
1».  .lahrhunderts  den  Namen  Wikki  die  östliche 
Naohbiu  uauerschaft  Wickede.  die  später  kölnisch, 
sonst  ein  Bestandtheil  der  Pfarre  Bausenhagen 


KI-OSTKK   IM'  KIKCHIv 


Ho 


und  Stätte  eines  Märkischen  Freistuhls  war. 
Nachdem  ein  Edelherr  Voland  geilen  1130  dem 
h.  Severin  von  Köln  eine  (Hurg)  Kapelle  erbaut 
hatte,  verwandelten  auf  Zureden  eines  frommen 
Aveithin  verehrten  Priesters  Ekhard  seine  Wittwe 
Wiltrud  und  ihr  Sohn  Itathard  das  Schloss  un- 
ter dem  Titel  der  h.  Maria  und  des  h.  Petrus 
um  1146  in  ein  Kloster  für  Prämonstratenser, 
zu  dessen  Gunsten  damals  mehrfach  solche 
Stiftungen  von  den  Reichen  gemacht  wurden. 
Die  neue  MOnchscolonie ,  welche  gleich  Schloss 
und  Kapelle,  deren  Patron  Severin  auch  der 
Kirche  verbUeb,  beziehen  konnte,  kam  von  Cap- 
penberg,  geleitet  von  ihrem  Propste  Herman, 
der  als  Kölner  Haudelsjude  Judas  dem  Münster- 
schen  Bischof  Egbert  zu  Mainz  Geld  geliehen 
hatte,  dann  auf  das  Wort  seiner  Angehörigen,  um 
sicherer  zu  seinem  Guthaben  vsdeder  zu  gelangen, 
nach  Münster  gefolgt  und  hier  durch  Umgang, 
Leetüre  und  Predigten  so  dem  christlichen  Glau- 
ben befreundet  worden  war,  dass  er  um  1132 
zu  Köln  die  Taufe,  und  im  eben  aufblühenden 
Kloster  Cappenberg  das  Klosterkleid  nahm.  Wie 
zu  Cappenberg,  bestand  auch  anfangs  in  Scheda 
neben  dem  Mämierconvente  ein  Frauenkloster, 
wie  dort  die  beiden  Grafen  und  die  Gräfin,  tra- 
ten hier  die  Stifterin  und  ihre  Söhne,  Eathard 
als  Laienbruder,  ein;  wie  dort,  fliessen  auch  hier 
dem  Kloster  allerhand  Güter  und  Gerechtsame 
von  geistüchen  und  weltlichen  Herren  zu.  In 
der  Vorderreihe  der  Wolthäter  stehen  die  Edel- 
lierreu  von  Ardei,  die.  wenn  sie  nicht  Söhne, 
so  doch  Anverwandte  und  Erben  der  weltlichen 
Besitzungen  der  Wiltrud  waren,  von  ihrer  Erb- 
schaft reichlich  im  Sinne  der  Stifterin  austheil- 
ten;  sodann  eine  dem  Herzog  Heinrich  von 
Sachsen  blutsverwandte  Frau  Osterliud  und  ihr 
Sohn  Arnold.  Die  Edelherren  von  Ardei  über- 
nahmen zeitweise  die  Schutzvogtei.  Die  Erz- 
bischöfe von  Köln  anerkennen  schon  1147  die 
Einrichtung  des  Klosters,  bedenken  es  mit  geist- 
lichen Vergünstigungen,  so  mit  der  Oberaufsicht 
über  die  Frauenklöster  des  Ordens  zu  Bredelar 
(1170)  und  Oelinghausen  (1174),  vollziehen  oder 
heissen  gut  die  vielen  Pfarrberechtigungeir,  die 
es  erwarb.  Scheda  hatte  das  Patronat  oder  die 
Verwaltung  der  Pfarreien  Bausenhagen,  Frö- 
mern,  Mengede,  Hemmerde,  Husten,  später  Wer- 


dohl und  gewisser  Kapellen  der  Umgegend.  Das 
Patronat  der  Kirche  zu  Mengede  ward  1210 
vom  Edelherrn  .Jonathas,  das  zu  Husten  um 
1280  vom  Edelherrn  Wilhelm  von  Ardei,  das 
zu  Hemmerde  1290  vom  Grafen  von  der  Mark 
geschenkt,  nachdem  das  Hüstener  Patronat  an 
den  Grafen  von  Arnsberg  zurückerstattet  und 
von  diesem  d?s  Hemmerder  nieder  an  den  Ge- 
schenkgeljer  gekommen  war.  Kapellen  konnte 
es  errichten  1322  zu  Bodelschwingh,  1300  zu 
Westhausen,  1380  zu  Hüchting  bei  Büderich. 

Das  Kloster  blieb  schon  bald  hinter  d^n  Er- 
wartungen zurück,  welche  die  geistliche  Obrig- 
keit davon  gehegt  hatte;  das  ihm  anvertraute 
Kloster  Bredelar  musste  1196  wegen  des  nichts- 
nutzigen Wandels  der  Nonnen  in  einen  Cister- 
cienserconvent  verändert,  jenes  zu  Oehnghausen 
1228  der  Oberaufsicht  des  Klosters  Wedin?- 
hausen  anheimgegeben  werden,  wie  sehr  auch 
der  Schedaer  Propst  widersprach;  erst  gegen 
Ende  des  13.  Jahrhunderts  steigt  es  wieder  in 
der  Achtung,,  wenn  anders  die  Geschenke  von 
Kirchenpatronaten,  die  ihm  nun  zufielen,  eher 
den  Verdiensten,  als  den  Connexionen  und  Ver- 
wandtschaften der  Mönche  zuzuschreiben  sind. 
Das  Ivloster  verschloss  sich,  nachdem  es  1486 
einer  Eeformation  unterworfen  war,  bis  auf  we- 
nige Glieder  dem  Protestantismus  und  nahm 
seitdem  seinen  Nachwuchs  wol  nur  aus  den  Adels- 
familien, htt,  obschon  1628  eine  abemialige  Ee- 
formation eintrat,  wiederholt  unter  strittigen 
Wahlen  und  daher  unter  einer  schwächlichen 
Oberleitung,  so  dass  vom  Volke  die  1804  er- 
folgte Aufhebung,  welche  die  Fremdherrschaft 
durch  Dekret  1809  4/8  definitiv  vollzog,  hier  mit 
denselben  Empfindungen,  \ne  jene  anderer  Stif- 
ter desselben  Ordens,  aufgenommen  wurde. 

Nächst  dem  ersten  Propste  Herman  zeich- 
nete sich  zu  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  der 
Propst  Wolmar  aus.  indem  er  für  den  durch 
Reichsangelegenheit  beschäftigten  Erzbischof  En- 
gelbert die  Verwaltung  der  Erzdiöcese  führte: 
sodann  Warmund,  der  als  Propst  zu  Scheda 
noch  im  Jahre  1296  den  Stuhl  des  Propstes  zu 
Cappenberg  bestieg:  Aveiterhin  Rotger  von  Laer. 
der  mit  Adolf  Hake  (oder  von  Haeck)  die  erste 
Reformation  durchführte:  sodann  Wilhelm  Grüter: 
dieser,  ursprünglich  Canonicus  in  Knechtsteden. 


144 


SCHEDA. 


.^eit  lß22  dem  Propst  Caspar  von  Heese  als 
Coadjutor  beigeordnet,  1028  Propst  und  zweiter 
I!.-formator  des  Klosters,  liess  im  Beisein  des 
Kölner  Weihbischofs  Johannes  Geleuius,  eines 
l)L*geisterten  Geschichtsforschers,  des  Propstes 
Leonhard  Teveren  von  Knechtsteden  und  an- 
(li-rer  Herren  die  Orilber  des  Priesters  Ekhard 
und  des  Propstes  Herman  öffnen  und  die  Funde 
durch  Schriftstücke  documentiren.  Er  verfasste 
auch  1024.  wahrscheinlich  von  demselben  Weih- 
Itischof  bewogen,  die  erste  Klosterchronik.  — 
•  ine  zweite  schrieb  jedenfiills  der  Propst  Chri- 
sto|.h  Bernhard  von  Duithe  um  1730,  jedoch 
so  al)weichend  von  jener,  dass  nur  beide  zusam- 
men einen  chronologischen  Anschluss  der  Ereig- 
nisse, und  dies  noch  mangelhaft,  bieten.  In  die- 
sen Nachrichten  sind  auch  die  wichtigsten  Bege- 
benheiten der  einst  bedeutsamen  Ivlosterstätte 
und  ein  Ersatz  für  das  Monumentale  gebracht: 
denn  dessen  ist  wenig  nach  den  Schriften,  noch 
wrni<;or  nacli  den  Ueberbleibseln  zu  vermerken. 
Geriihmt  wurde  die  Tumba  des  Propstes  Her- 
man: in  den  Propsteifenstern  erglilnzten  in  Farbe 
Stiiinmbäumo  der  Pröpste  von  Wilhelm  von 
Henimerde  1  l<»0.  \n>  zu  jenen  des  vorigen  Jahr- 
hunderts. Der  erwähnte  Adolf  Hake,  heben 
die  Chroniken  iiervor,  hat  zugleich  als  unermüd- 
licher Schreiber,  fast  alle  Chorbücher,  die 
spiUerhin  im  Gebrauch  waren,  in  schönster 
Schrift  (jiulcherrimo  charactere)  angefertigt.  Der 
Propst  Caspar  von  Plettenberg  hat  während  sei- 
ner Regierung  ir>()()  —  1.'j40  den  Hochaltar  mit 
einem  Tafelgemillde  von  lebhaften  Farben 
(\ivis  coloribus)  geschmückt,  .bdiann  von  Sun- 
dag,  als  Pfarrer  zu  Hemmerde,  die  dortige 
K'irtho  verschönert,  nach  \'>'>9.  wo  er  Proi)st 
wunli'.  zu  Scheda  das  Dormittirium.  das  Vieh- 
liaus  uml  amlcre  ( Jcliäuliclikriten  aufgeführt; 
.liidocus  ("aspar  von  Aldenbnick.  Propst  von 
IdCiT — lit'.M».  Hess  die  .äusseren  (Jeltäude'  vr- 
richten.  Manches  wurde  V(»n  den  Bauten  und 
Kunstwerken  durch  Kriegerhände  ruinirt,  so 
h>22  von  den  Lip|>eschen  das  Kirchengeräth  ver- 
dorben, die  Monstranz  mit  den  Ornamenten  ge- 
muht. Anderes  im  «Ireissigjährigen  Kriege  von 
den  Hessen  zerstört  oder  beseitigt,  in  den  Krie- 
gen Lutlwii:'s  XIV..  1()73  in  den  letzten  März- 
tagen, jetler  Klosterraiim  geplündert,  die  Oruel 


zerstört,  die  Altäre  umgeworfen,  die  Sakristei 
ausgeleert,  die  heiligen  Gefässe  verschleppt,  end- 
lich 1 72<)  vom  Feuer  die  meisten  Nebengebäude 
verzehrt.  Was  der  Krieg  verschont  oder  kunst- 
fertige Hände  wieder  hergestellt  hatten,  verfiel 
der  Aufhebung  und  der  Missachtung,  die  der 
Anfang  unseres  Jahrhunderts  den  alten  Denk- 
mälern auch  hier  entgegenbrachte. 

Und  zu  spät  kam  Scheda  mit  Cappenberg, 
nämlich  1810  21  6,  als  könighches  Geschenk, 
das  mit  Birnbaum  in  AVestpreussen  umgetauscht 
war,  an  den  Mann,  dessen  Thatkraft  nicht  nur 
dem  Vaterlande,  sondern  auch  der  Geschichts- 
wissenschaft staunenswerthe  Dienste  leistete,  an 
den  Minister  Karl  vom  Stein.  Die  Kirche  war 
urspriniglich  blos  Klosterkirche:  seit  der  Kefor- 
mation,  wo  den  Katholiken  die  meisten  Kirchen 
der  Umgegend  abhanden  kamen,  auch  Volks- 
kirche, zumal  für  die  Gläubigen  zu  Wickede 
und  Wiehagen,  die  allmälig  zu  Bauseuhagen  in 
einen  geregelten  Pfarrverband  traten,  bis  sie  fttr 
ihre  Kapelle  zu  Wickede  1804  selbst  Pfarrechte 
erhielten.  Die  Klosterkirche  lag  im  Osten 
der  weitläuiigen  Oekonomiegebäude.  —  ein  ein- 
schiffiges, doch  geräumiges,  echt  romanisches 
Bauwirk,  im  AVesten  mit  zwei  Thürmen.  im 
Innern  mit  drei  Altären  ausgestattet.  Sie  wurde 
1173  vom  Erzbischof  Phihpp  eingeweiht,  —  bis 
dahin  also  die  alte  Severinska]>elle  benutzt.  — 
1817  altgebrochen  und  das  Geräte  nach  W.-rl. 
Bauseuhagen  oder  Hemmerde  überführt. 

Von  den  einstigen  Schätzen,  Bauten  und 
Anlagen  dieses  reichen  Klosters  ist  Nichts  ge- 
blieben als  der  Best  einer  ringförmigen  Buchen- 
allee  im  Süden  des  Gartens,  sowie  ein  grosses 
Oclbild.  dessen  Inhalt  die  Ueberschrift.  dessen 
Alter,  —  etwa  das  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
—  die  Schriftzüge  beknuiden: 
\Viltru(li>  vidua  (livinitu^  illuniinata 
1  )c>tru.\it  ca>truni,con(lon>  vcnoral)ilcclau>tnnn. 
Se,  sua  cum  natis  dedit  ad  cultuni,  Deitalis. 

Den  Klttsterraum  In-decken  jetzt  (>ekon<unii^ 
uebäude  mit  dem  steinernen  Herrenhause. 


Anscheinend  eine  Filiale  von  Scheda  und 
stets  enger  mit  ihm  verbunden  war  das  Prä- 
monstratoiiserkloster  Bentrop  zu  Wenlohl  an 
der  Lenne.      Es   begegnen   uns   dort    1220  ein 


iJUiUJ 


1  I.- 


Propst Ludolf  von  Bertelndorp  oder  Marienwald, 
1231  ein  Propst  Volquin  von  ,l)('rt('lintorp'  in 
einem  7AI  Cappenbcrg  vollzogenen  Gutsverkaufe 
zwischen  den  Prämonstratenserklöstern  Schcda 
und  Wedinghauseu.  Da  das  1220  vom  Kloster 
Fleclitorf  erworbene  Patronat  der  Kirche  zu 
Werdohl  später  Scheda  zusteht,  da  schon 
1254  Propst  und  Convent  zu  Ikntrop  das  Sie- 
gel des  Propstes  zu  Scheda  gebrauchen,  so  ist 
Pentrop  diesem  Kloster  immer  nahe  verbun- 
den  gewesen,    später   sogar   zu   einem   Priorat 


desselben  herabgesunken.  Die  beiden  Schedaer 
Pröjjsh-  Wilhelm  von  Galen  und  .lohan  von 
Sundag  waren,  bevor  sie,  der  eine  1540,  der 
andere  1559,  zu  ibnr  Würde  emporstiegen, 
noch  Prioren  in  Pentrop.  Als  im  10.  Jahr- 
hundert Werdohl  die  Reformation  annahm,  ging, 
wie  es  scheint,  mit  dem  Schedaer  Patronat  der 
Kirche  auch  das  Priorat  ein.  —  Die  Scheda  be- 
nachbarte Bauerschaft  Bentrop  kommt  1030 
wol  schon  unter  dem  Namen  ,BcringthorpaS 
dann  (1007)  als  ,Berenthraph'  vor. 


Bu 

In  südöstlicher  Nähe  der  Klosterstätte  gibt 
es  unter  einem  Nadelholzwalde  noch  klare  und 
verborgene  Spuren  einer  einstmaligen  Hiirg- 
anlage:  den  ,Hünenknüfer\  eine  gen  Süden  in's 
lüihrthal  vorspringende  Bergzunge,  bewehren 
nach  Norden,  nach  dem  beackerten  Plateau,  drei 
concentrisch  von  dem  einen  Abhänge  zum  andern 
in  gewissen  Abständen  geführte  Erdwerke,  welche 
je  näher  der  Kupjjti,  um  so  stärker  und  mäch- 
tiger werden.  Das  äusserste  Werk  ist  ein  etwa 
Qm  tiefer  und  Cym  breiter  Graben,  die  beiden 
andern  bilden  Wallgräben,  und  davon  hat  der 
innerste  bei  70»/  Länge  im  Walle,  dOni  Weite, 
im  Graben  8»/  Tiefe  und  12in  Breite,  der  an- 
dere bei  ungefähr  80ru  Länge  im  Graben  0»^ 
Tiefe  und  Sm  Breite.  Die  steile  mit  einem 
modernen  Pavillon  besetzte  Kuppe  birgt,  wie 
Ortskundige  versichern,  Grundmauern  und  unter- 
irdische Bautheile  einer  Anlage,  die  jedenfalls 
nach  den  steinernen  Werken  und  dem  unbe- 
deutenden Durchmesser  des  Gipfels  eine  mittel- 
alterliche Ritterburg  war.  Die  Ringwerke  schhes- 
sen  sich  hier  den  steilen  Seitenabhängen  der 
Hohe  so  natürhch  an,  und  umfassen  ein  so  ge- 
räumiges Terrain,  als  ob  der  Bergvorsprung 
zuerst  als  altdeutsche  oder  sächsische  Wallburg 
hergerichtet  wäre,  ganz  so  wie  Ardci  im  We- 
sten. Reiht  sich  das  Erdwerk  den  Wallburgen 
auf  den  nördlichen  Höhen  der  Ruhr  ein,  so 
stammen  die  Grundmauern  in  der  Kuppe  aus 
der  Ritterzeit,  es  fi'agt  sich,  von  welchem  Ge- 
schlecht? Jedenfalls  nicht  von  den  Edelherren 
von  Ardei,  weil  sie  auf  Ardei  wohnten,  eher 
von  einem  Ministerialengeschlecht,  wovon  1289 


ein  Antonius  von  Scheda  beurkundet  wird,  wahr- 
scheinlich von  den  Edelherren.  die  mit  ihrer 
Mutter  Wiltrud  vor  1147  das  Kloster  Scheda 
gegründet  haben.  Diese  führen  in  den  gleich- 
zeitigen Quellen  keinen  Namen  und  zerstören 
oder  verlassen  zum  Behufe  ihrer  lOosterstif- 
tung  ihre  Burg,  \ne  spätere  Angaben  ver- 
sichern. Wir  vermuthen  also  hier  das  Stamm- 
haus der  ersten  Edelherren  der  spätem  Herr- 
schaft Ardei,  welches,  wie  ihre  Besitzer,  nach  der 
Lage  und  dem  Namen  des  Klosters,  Scheda 
hiess,  und  schliessen  nicht  aus,  dass  es  später 
Avieder  von  einem  Ministerialengeschlecht  be- 
wohnt sein  kann,  zumal  da  die  Stamml)nrg  zer- 
stört und  schon  wegen  ihrer  Engräumigkeit 
nicht  selbst  in  ein  Kloster  verwandelt  ist.  Erst 
Jahrzehnte  nach  dessen  Stiftung  taucht  mit 
Sicherheit  ein  Geschlecht  der  Edelherren  von 
Ardei  als  Erbe  des  weltlichen  Nachlasses  der 
(ersten)  Edelherren  von  Scheda  auf,  und  seine  da- 
mals auf  dem  gleichnamigen  Berge  eingerichtete 
Burg  entspricht  in  der  natürlichen  und  künst- 
lichen Festigkeit  so  genau  der  Burg  Scheda. 
als  ob  die  eine  nach  dem  Vorbilde  der  andern 
angelegt  wäre,  wie  der  Vergkich  beider  sofort 
in  die  Augen  springen  liess.  Die  beiden  Ge- 
schlechter mochten  auch  schwer  auseinander- 
zuhalten sein,  weil  ihre  Geschichte  mancheriei 
verwandte  Züge  zeigt:  so  das  unscheinbare  Ent- 
stehen, das  geräuschlose  Verschwinden,  das  be- 
scheidene Heraustreten  in's  Ritterleben,  die  be- 
schauliche Geistesrichtung,  die  Fürsorge  für  die 
Klöster,  für  FrCtndenberg  dort,  für  Scheda  hier, 
die  Nähe  und  Gleichförmigkeit  ihrer  Wohnsitze. 


19 


HG  Rl'CKBLICK. 


Diese  hatten  doch  mit  den  weitern  Schutz-  ;  zeichen  auf  ein  noch  höheres  Alter  hinweisen, 
gürtein  sicher  in  den  .Sachsenkriegen,  und  '  schon  in  den  Kämpfen  der  Sis:aml)er  und 
vielleicht,  sollten  einst  Funde  oder  andere  An-     Römer  eine  Kolle  gespielt. 

U.-H.  <1.  n.  W.  ni.  Kk'-ft;  I.  Xr.  47  (hier  wird  1117  aU  '  '••■?  11'*.  \V.   l.-B. 

in.  Adil.  Xr.  K2,  «kr  h.  IVtrus  froiiwiiili,  «Ki.  I<i7.  IM  'in  Westfalen  IH.\',. 

S. 'Jif.ttl.;  —  Die  Urkunden  im  Copiiir  df*  K'"iiit'l.  .'^■. ,.  -.  -  i'-l:         \V    r  -U. 

ni,  Add.  p.  C9;  —  von  Steinen.  IJest'hnMbun?  der  «ii.tte''häns<-r  Caf>j»e:i^  'da.  S. ;«  ff.  und 

—  MonaKlcrii   Schoidonsis    initium    et  i)n>;nT-'-ii-    .iiut.iri'  WilhnVn'i   'f  in    inuna^terii    pni'  , 

(Quellen    der  Wehtfäl.  Oewliicht»'  HI,  4'il     477  L.   H\i-    !    Saeri    et    eaimnici    orliii;-    l'm 

Aiinules.  Xiini-eii  (17:«;»  U,  771  ff. ;  —  O.  v.  K  le  v«.»  Westidialeii,  Müm^ter  178".  U,  Gt». 
weihiiiii.'sdatnin   der  Kirche;     -  KnmpM-hiilt«' .    .-■.  .  "'  -'•    '^'    '■      "    ''■         '^'     I'.-B.  I.  Xr.   ...  .     . 

L'e»«r  die  Hunr:  venjl.  voriier  S.  22.  13S.  -   von  S  und  Soheda,  S.  40— «: 

—  W.  U.-ü.  ni,  Xr.  V47U;  —  MitUieilun«  des  Moni  .  " 


K, 


lein  ist  der  durchmusterte  Kreis,  doch  reich  an  wirthschaftlichen  Gütern,  wechselvoll 
in  der  IJodengestaltung.  Reicher  in  seiner  Art  war  das  Feld  der  Monumente,  das  sich  uns 
von  den  Sf)uron  der  Urbo\  (ilkcrung  und  der  Römer  his  zur  neuesten  Zeit  von  Ort  zu  Ort  in 
Schrift  und  Hild  auftliat.  Denkniillcr  des  hiluslichen,  öffentlichen,  des  Krieg.s-  und  Religions- 
Idicns,  Werke  aller  Stilwandlungen,  verschieden  an  Material  und  Arbeit,  einfache  und  unbehülflich 
gefertigte  Stücke  w'w  die  stolzen  Schöpfungen  glücklicher  Jahrhunderte.  Burtr  und  Klosti-r.  Dorf 
und  Stadt,  Haus  und  Kirche,  und  was  zur  iiinern  Ausstattung  gehörte,  zogen  unsern  Rücken 
vorüber.  M("»geM  auch  die  verschiedenen  Gebiete  der  Provinz  in  der  Fülle  und  Beschaffenheit 
des  Stoffes  von  einander  abweichen,  jedenfalls  verheisst  die  Ausbeute,  die  der  Kreis  ergal>. 
eine  sehr  gesegnete  Ernte  an  DenkniiUern  für  das  ganze  Land,  wenn  nur  nicht  Gleichgültigkeit, 
rücksichtslose  Neuerungen  oder  verlockende  Gebote  der  ..Vlthilndler  das  monumentale  Erbtheil 
fürderhin  immer  mehr  schmälern,  so  dass  die  bedeutsamsten  Denkniiller  der  Geschichte  und  die 
edelsten  Perlen  der  Kunst  ohne  Re.schreii)ung  und  ohne  Abbildung,  also  spurlos  der  \Vi.s.sen- 
schaft  entschwinden,  und,  sofern  sie  auswandern  müssen,  nirgendwo  jenem  volkstümlichen  Ver- 
stilndnisse  wieder  begegnen,  wie  am  Fundorte.  In  der  Tliat  hat  die  Wissenschaft  noch  eine 
ebenso  dankbare  als  schwere  Aufgabe  zu  bewältigen,  bis  der  Denkmillerschatz  in  allen  Schichten 
so  gehoben  und  erliUitert  ist,  dass  er  in  würdigem  Lichte  wieder  vor  uns  auflebt  und  der 
allgemeinen  (Je.schiclite  von  Nutzen  werden  kann.  Je  lauterer  und  vollkommener  sich  <ler  geistige 
Inhalt  der  Zeiten  in  die  Denkmäler  ergossen  hat,  um  so  mehr  wird  man  auf  diese  beredti'U 
«Quellen  Wncksiclit  nehmen  nuisscn,  um  die  lückenhaften  und  zulilliigen  Ziige  der  Geschichte  durch 
lebendige  und  lebenswahre  su  ergänzen.  Und  wenn  angesichts  der  Klüfte,  welche  im  modenien 
Kunstleben  Plan  und  Ausfiihrung.  Gewerbe.  Fabrik  und  Akademie,  überhatipt  die  Künste  von 
einander  trennen,  das  Restreben  erwacht,  nach  Mfiglichkeit  den  Kunst  betrieb  mit  Einsicht  zu 
paaren  und  seine  Zweige  bis  in  die  Kleinktniste  zu  gegenseitigem  Austausche  einander  zu  nJlhern. 
so  sind  es  die  langehin  auf  dem  gemeinsamen  Roden  des  Handwerkes  erzeugten  Kunstdenkmäler, 
welche  ein  dem  Materiale  wie  dem  Zwecke  angemessenes  Fonngefühl,  eine  gelätiterte  Technik, 
und  unter  den  verschiedenartigen  Werken  allerhand  gleichartige  Züge  in  Ge.stalt  und  St4ttr  lebendig 
vor  Augen  .st^dlen. 


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Bau-  und  Kunstdenkmäler 
von  Westfalen 
Denkmäler 


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