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[iunst- und f ?^eschichLs- i::| enkmäler
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Provinz Westfalen.
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Stück 1 :
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liKenkmäler *
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des
Kreises Hamm.
Im Auftrage
der
Coiiiniission zur Erforsctiung der provinzialen Kunst- und Gescliiclitsdenldiiäler
bearbeitet
D- J. B. jSTordlioff,
Professor au der Kiliiigl. Akadomio zu Jlüuster.
Leipzig.
Commissionsverlag von E. A. Seemann.
1881.
Bj. . I .
A^o T^wo rt.
D<
'er Westfälische Provinzial-Verein für Wissenschaft und Kunst boschloss in der
kSitzung vom 5. Januar 1875, um auch der Denkmälerkunde eine gebührende Pflege zu
sichern, durch eine eigens dafür gewählte Commission von den Kunst-, (ieschichts- und
Naturdenkmälern Westfalens Abbildungen und Beschreibungen zu sammeln, und dem-
nächst eine zweckmässige Publication in Wort und Bild zu veranstalten.
In welchem Maasse die Commission, ausgeriistet mit den entsprechenden Befug-
nissen und Mitteln, die Erforschung, Verbildlichung und Beschreibung der heimischen
Denkmäller betrieben, welche Ergebnisse sie seither durch ununterbrochene Arbeiten
erzielt hat, lehren des Weiteren die Jahresberichte von 1-875 au. IS'ach eingehenden
Erwägungen hat sie von Anfang an sämmtliche Denkmäler der Kunst, wie der anver-
wandten Geschichte und Cultur bis 1800 in ihr Bereich gezogen, die der Katur jedoch
nach einer spätem Bestimmung des Vorstandes nur dann, wenn sie eine gewisse Merk-
wwdigkeit besitzen. Insbesondere bot sie, um die Hauptaufgabe der Publication um-
sichtig vorzubereiten, alle Mittel auf, Kunde und Abbildungen von den vorhandenen,
untergegangenen, beseitigten und veräusserten Denkmälern des Landes zu erlangen, kurzum
örtlich und sachlich in Bild und Schrift Materialien zusammenzubringen über alle Denk-
mäler, welche aus der Cultur des Landes erwachsen und mit ihr verwachsen sind.
Schon im April des genannten Jahres wandte sie sich in einem auch Anllig von den
Tagesblättern in den weitesten Kreisen verbreiteten ,Promemoria', welches ihre Absichten,
die Art der in Aussicht genommenen Denkmäler und die anderweitig ei'^'ünschte Bei-
hülfe und Theilnahme ausführlich darlegte, au die Behörden, Ortskundigen, Fachleute,
Greschichtsfi-eunde, an die Besitzer und Vorsteher einschlägiger Sammlungen, an Vereine
und Corporationen, kurzum an Alle, von welchen sie sich "willkommene Mittheilungen
und Beiträge versprach.
Diesen Aufraf Hess die Commission in der Folge noch wiederholt dorthin ergehen,
wo Erdarbeiten oder besondere Verhältnisse eine Ausbeute verhiessen. Sie richtete weiter-
hin zu Gunsten der kirchlichen Denkmäler Fragebogen zum Ausfüllen an die geistlichen
Behörden der Regierungsbezirke Arnsberg und Minden, wie das fiiiher schon mit Erfolg
seitens der Königlichen Regierung im Bezirke Münster geschehen war. Es wurden
durch die deutsche Bauzeitung die Architekten, Avelche Aufnahmen provinzialer Baudenk-
mäler besassen, um zeitweise Ueberlassung oder Durchpausen gebeten — Massnahmen,
welchen die Commission sehr zahlreiche und wichtige Mittheilungen zu danken hat.
VORWORT.
Ueberhaupt wetteiferten viele Freunde der Kunst und Geschichte innerhalb und ausser-
halb des Landes, ihr nicht nur durch Berichte, sondern auch durch persönliche Unter-
weisungen Handreichung zu thun, und besonders unterstützte Se. Excellenz der Ober-
i'räsident, Herr von Kühlwetter, ihre Schritte mit dankenswerthem Wolwollen. Die Com-
niission begnügte sich nicht damit, blos Anregungen nach aussen zu geben, die gewonnenen
Materialien zu verzeichnen und zuordnen; sie trat überall, wo ein Beitrag zu erhoifen, wo
ein Denkmal schnell zu untersuchen war, schriftlich oder durch ihre Mitglieder ein, sie
l)eschaffte einschlägige Literatur allgemeineren oder specielleren Inhalts, beutete Bücher.
Zeitschriften, Zeitungen und ft-ühere dem Ministerium und dem Ober-Präsidium erstattete
Oitsberichte ftir ihre Zwecke aus, veranstaltete und leitete die Aufnahme einer grossen
Anzahl würdigerer Denkmäler durch Zeichnungen und Photographien und unterzog ein-
zelne Gegenstände und Keviere einer eingehenderen Untersuchung. Die Mitglieder theilten
sich in die täglich steigenden Arbeiten und lieferten in Geschenken und Reisenotizen
mancir werthvoUen Beitrag.
Als die Commission auf Anregung des Vorstandes nach einer zweijähriiren "Wirk-
samkeit an die Publication der Denkmäler trat, verfiigte sie schon über ein Material
an Beschreibungen und Auftiahmen, das sehr reichhaltig, in den meisten Schichten neu,
indess nicht geeignet erschien, nach irgend einer Richtung, sei es für eine Zeitperiode,
oder für einen Ortsbezirk, oder auch für einen Denkmälerzweig etwas Vollständiires zu
ergeben; es umfasste bei genauerer Prüfniic mehr Xacliweise als Beschreilaingen. melir
Vorarbeiten als Ausftihrungen. Die Sammlungen als (^>uellenmaterial in beliebiirer Aus-
wahl herauszugeben, hätte einem längst gehegten (irundsatze des Vorstandes wider-
sprochen, den Vereinsmitgliedern und dem Pul)licum etwas Abgeschlossenes und Voll-
ständiges zu bieten. Den gewonnenen Stoff durch eigens angestellte Untersuchungen
und Aufnalimen nach allen Seiten hin zu vervollständiiren. hätte wiedenim. da bei dem
weiten Umfange eines hochentwickelten Culturlandes massenhafte und mannigfaltige Denk-
mäler von den Urresten menschlicher Werkthätigkeit bis zu grossen und edlen Schöpftiniren
vieler Jahrhunderte in Betracht kamen, einen gewaltigen Zeit- und Kostenaufwand bedinirt
und den Anfang der Publication ins Unabsehbare verschoben. Die Commission kam
dalicr an der Hand der seither gemachten Krfaluuniren und Sammlungen gar bald zu
der Ueberzeugung, dass eine irgendwie vollständige Publication nur dann bald zu Stande
kommen könne, wenn unser grosses Denkmäler-tJcbiet urtlich oder sachlich in Theile zer-
leg!, und der eine nach dem andern in Angriff genommen würde, ohne dass der gewohnten
l*]rforschung der ganzen Provinz Abbruch geschähe. Eine sachliche Theilung: etwa in
chronologische Abschnitte, oder nach bestimmten Denkmälerarten liätte wiedenim lang-
wierige Vorarbeiten und jedesmal 1)ei der Inanirriffnahme einer weitern Publication von
Ort zu Ort eine Wiederholung der Untersuchungsreisen erfordert — wenn sie auf den
iranzen Umfang der Provinz berechnet werden sollte. Daiier entschieden sich Commission
und Vorstand für ein Vorgehen nach (»rtlichen Bezirken und innerhalb derselben, damit
Niciits übersehen, Nichts in falschem Liclite dargestellt, die Arl)eit keine Blumenlese
werde, für eine so umfassende und irründliche Untersucliunir und Wertiischiitzung aller
VOÜWORT. III
Denkmäler nach den Fundorten, als es zur Zeit nur inöglifli sei, und räumte der Chrono-
logie oder einer andern Systematik Avieder ihr llcelit ein bei der speciellen Ortskunde.
Weil die älteren Umgrenzungen nach Temtorien, Gauen, Grafsdiaften, Aemteni,
nach Bistümern, Archidiaconaten und Uecanien, oder wie sie sonst bestanden hatten,
heute so gut wie aufgelöst oder verwischt sind, so wurde die bestehende Kreiseintheilung
oder, wo die Fülle des Materials es erheischte, auch ein Stadtbezirk für jede Publication
um so passender zu ({runde; gelegt, als man hofi'en durfte, dass die Eingesessenen das
fördernde Band gemeinsamer Interessen auch auf dis Zustandekommen und den Absatz
eines Werkes ausdehnen würden, welches die Denkmäler ihrer Voreltern Avürdig wieder-
zuspiegeln bestimmt sei. Damit jedoch bei diesem Vorgehen jene altern Umgrenzungen
der gebührenden Würdigung nicht entbehren, werden sie bei der Bearbeitung der Kreis-
und Ortsbezirke an betreffender Stelle beiücksichtigt werden; ausserdem beabsichtigt
die Commission von den Publicationcn, wie sie auch einander folgen, diejenigen, welche
ein vormals zusammenhangendes Gebiet betreffen, als besondere Serie wieder zu ver-
binden, und gelegentlich einen Grundriss der westfälischen Provinzial- Geschichte heraus-
zugeben, welcher die allgemein geschichtlichen Zustände und Wandlungen in Betreff der
Bevölkerung, der kirchlichen und politischen Territorien, der LandesheiTschaften und
der Confessionsverhältnisse in der Art behandelt, dass er den Bearbeiten! zum Ausgangs-
punkt, den Besitzern des Werkes zur Orientirung dienen und beliebig einem Bande oder
einer Serie angeschlossen werden kann.
Obschon manche Denkmäler untergegangen, beseitigt oder verschleppt, andere vor-
aussichtlich noch wieder zu entdecken und namentlich aus dem Erdboden an's Licht zu
fördern sind, entwirft doch eine örtlich fortschreitende Publication, welche die vorfind-
liche Denkmälermasse bis auf unsere Zeit sorglich umfasst, annäliernd ein Bild der topo-
graphischen Dichtigkeit der Monumente, wie es bisher wol angestrebt, jedoch für kein
Gebiet in jener Genauigkeit ausgeführt ist. Sie gestattet auch nach Abschluss des
ganzen Werkes oder gewisser etwa historisch verbundener Theile eine Aufstellung und
Ordnung des Inhalts nach den Gesichtspunkten der Chronologie, der Gattungen, der
Materialien, der örtlichen Verwandtschaft und der Technik der Denkmäler, oder Avie es zu
wissenschaftlichen, kunstgewerblichen oder statistischen Zwecken dienlich erscheinen mag.
Die Publicationcn sollen möglichst gemeinverständlich sein, und daher zu den be-
schreibenden Worten die veranschaulichenden Illustrationen hinzutreten. Diese werden
nach Zeichnungen, Photographien oder sonst genügenden Abbildungen durch den Holz-
schnitt und, wenn die Beschaffenheit der Aufnahme und des Gegenstandes es rathsam macht,
durch andere Mittel der Vervielfältigung hergestellt. Theils zur Iliastratiou des Textes,
theils zur Vorlage bei der Bearbeitung sind Aufnahmen zu veranstalten von den wich-
tigeren und sonstwie denkwürdigeren Monumenten; für Bauwerke empfehlen sich kleine
Ansichten, insofern sie bei leichter Herstellung und Vervielfältigung ein möglichst anschau-
liches Bild gewähren. Die Details sowol wie die Grundrisse werden je in einheitlichem,
besondere Formen ausnahmsweise in grösserem Maasstabe, die Stilzeiten im Grundrisse
mittelst verschiedener Schattirungen gegeben. Welche Ortsfolge innerhalb des Publica-
IV YOÜWÜttT.
tioiisbezirks einzuschlagen, wie das Material eines Orts für die monumentale Beschreibung
zu behandeln, bleibt dem Gutdünken des Bearbeiters anheimgegeben. Auf historischer
(iruiidlage soll ein knapper, übersichtlicher, nicht durdi Citate und schleppende Paren-
thesen gestörter Text geliefert, dieser richtig mit dem Bilde und, ohne dass die Sach-
lichkeit leide, das AVissenschaftliche mit dem (gemeinverständlichen thunlichst ver-
Ijunden werden; für die chronologische wie die örtliche Denkmälerkunde sind die wich-
tigsten Erläuterungen aus der aussein Geschichte sowie die ältesten Finnen der Ortsnamen
))eizu])rinü:en und am Ende jedes Abschnittes in aller Kürze die Quellen, Hülfsmittel
und die schriftliclien Mittlieilungen Anderer zu vennerken, die Inschriften nach den
iK'utigen Gesetzen der Orthogi'aphie zu geben, da Facsimiles nur bei lehrreichen oder
tiir die Zeit abweichenden Formen angemessen erschienen. Der Uebersichtliclikeit wegen
werden Wortfonnen, Gegenstände, Inschriften und Meisteniamen jedesmal durch eine
verschiedene Tvi)e besonders hervortreten. Wie jeder Ort seine Besohrcilning, so erhält
jeder Piiblicationsbezirk als selbständiges Ganze eine eigene Paginining, jede neue
Erscheinung jedoch einen Generaltitel und darin die Ordnungsnummer nach der Folge.
so dass bei der Selbständigkeit der Theile der Verband des Ganzen und die Möglichkeit.
Serien zu Inlden, gewahrt bleibt.
Das sind die Gnmdsätze. welche die Commission im Einvernehmen mit dem Vor-
stände nacli reillichen Erwägungen für die Vorbereitung, die Bearlieitung und Ausstattung
der Publicationen befolgt hat und bei der ersten, die hier den Mitgliedern des Vereins und
a 11t II Freunden der Denkmäler und der Kunst zur wolwollenden Auftiahme vorliegt, zu
betiiätigen bestrebt war. Sie betrifft den Kreis Hamm, gelegen im Herzen der Provinz,
elif-nials ganz ein Bestandtheil der (irafschaft Mark und grosscntheils des Kidnischen
An-iiidiaconats Dortmund, wie wenig andere diirch ein Netz der besten Verkehrsmittel
zugänglich, einen nicht zu geräumigen und doch an Denkmiileni sehr gesegneten und
lehrreidien Bezirk. Die Zeichnungen und perspectivischen Ansichten stammen von den
Herren Geometer Brockhausen, Provinzial-Bauratli Hartmann und den Architekten Hertid
und F. A. Nordliofl". die |)liotograplnsclien Al)bilduniren und B(Mlagen vom Photoirraiihen
Hundt hier. Die Holzschnitte haben die Herren Brend'amour in Düsseldorf. Klitzscli vV
liochlitzer in Leipzig, Meurer in Berlin. Pndjst in Braunschweig angefertigt.
Münster, den 24. ()(t(d)er ISiU.
I )it' C Kommission:
Dr. XiKiM Ks, Professor, Vorsitzender. Dr. Norduoff, Professor, Sccretair. Flfjoe, Bildhauer.
v. FuAXCKKNHF-H(t-pHos(HLiTz, Obcrst. FrxcKK, Pastor. Haktmaxx, Baurath.
Dr. hiMiNKK, Professor. Nokdhoff. .\rchitokt. Dr. Lkvix ScnücKix«i.
Skvkiun, Heperuiijfsrath.
INHALTS-UEBEI18ICIIT.
Inlialts -XJe'ber'siclit.
Seite
Die Denkmäler der vorchristlichen Zeit 1—24
(Chronologisch).
Urbewolinoi" iind Siganibcr 3 — 5
AVogo und ilu'o Dcnkmiilor 5 — 11
Geriito ;uid andere Altoi-tümer 11 — 15
Biu'genbauten 15 — 18
Bructerer und Sachsen 18 — 20
Geräte luid andere Altertümer 21 — 23
Die Denkmäler der christlichen Zeit 25-14G
(Topographisch).
Westfalen, die Mark 27—28
Kircheugeschichtliches 28 — .31
Das Lippegebiet 31 — 82
«-1 \ 31-32
Kai)eUe und Lippefimdc |
Stoclcuin und Hoeialaurg I oo
Burgen und Altertümer ( ' ~
Methler 35—43
Kirchenbau 35 — 41
Andere Dentmiiler 41 — -43
Camen 43—48
Biu-g imd Stadt 43—44
Die Kirchen 44—48
^««^^^ (48-49
Schloss und Kirche i
F^^^----^ I 50-52
Kii-che imd andere Denkmiiler |
Herringen. i - -.
* q'? Qij.
Kirche und ihre Denkmäler j " "
Novdheri'ingen., Nienbrügge . . . . i _ ,
Kirclio und Burgstätte j '
Hainm 5G— 72
Die Stadt mid die Profan-Denkmäler . . 56 — 59
Die evangelischen Kirchen 59 — 65
Die katholische Kirche und andere
Denkmäler 65 — 72
Nordenstift, Kentrop ■ . 72 — 74
Marlv 74—80
Biu'g imd Biu'gmannschaft 74 — 77
Kirche uird ihre Denkmäler 77 — 80
Uentrop ^ 80—82
Kirche luid andere Denkmäler |
Geithe i
Kii'che und ilu'c Denkmäler |
Seite
Das fmittlere) Hügelland .... 83—121
Berge i
Kirche und ihre Denkmäloi- I
Ilhyiiem 84 — 03
Die katholische Kirche 84 — 92
Die evangelische Kirche und andere
Denkmäloi' 92— 93
Hilbeck i
' 93 <j4
Kirche imd Schloss (
Di'echen i
■ 94 95
Kii'che und ihre Denkmäler (
Flierich i
' 95 97
Kirche und iln-e Denkmäler !
Bönen 97— 99
Kirche ;ind ilue Denkmäler 97 — 98
Eittersitze 98— 99
Heeren 99—102
Kirche und ihre Denkmäler 99 — 100
Eittersitz imd andere Denkmäler . . . 100 — 102
Unna 102—113
Die evangelische Kii-che 103 — 109
Die katholische Kirche 110
Städtische imd Profan-Denkmäler . . 110 — 113
Lünern | jj.^_jj(^
Kirche und ilu'e Denkmäler I
Heinin.erde 116 — 121
Die evangelische Kirche 117 — 119
Die katholische Kirclie imd andere
Denkmäler 119—121
Die Haar 121—146
Bausenhagen 121 — 124
Die evangelische Kirche 121 — 123
Die katholische Kii'che 123 — 124
Frönaern , ^.y^_^.^^.
Kirche und ihi'e Denkmäler (
^"'"^s i 126-128
Kirche imd andere De'ikmälor . . . j
-■^^*^*^i ( 198-130
Bm-g imd andere Denkmäler . . . . | ~
Fi-öndenberg 130 — 142
Gesammt- Anlage 131 — 134
Kirche imd ihi-e Denicmäler 134 — 142
Scheda 142—146
Kloster 142—145
Bmg 145—146
Rückblick 146.
/
liKMKHKUNO. TII
Bemerkiaiig.
Von den dos wiederholten Gebrauclis wegen abgekürzten Citatcn bedeutet:
,Essellen' — Beschreibung und kurze Geschichte des Ki-oisos Hamm . . . von M. F. Essellen. Hamm, 1851. kl. g".
,Kampschulte' — Kirchlich - politische Stati.stik des vormals zur Erzdiöcese Köln gehörigen "Westfalens . . . von H. Karap-
schulte. Lippstadt, 1869, kl. S».
,v. Steinen' — Westphälische Geschichte. Mit vielen Kupfern. Von Joh. D. von Steinen. 4 Theile (mit 32 Stücken).
Lemgo, 1755—1760. kl. 8".
^' ^ ■ > — Regesta Historiae "Westfaliae. Accedit Codex diplomaticus. Die Quellen der Geschichte "West-
"' ' ' falens in chronologisch geordneten Nachweisungen und Auszügen, hegleitet von einem rrkundenbuche .
bearbeitet und herausgegeben von Dr. H. A. Erhard. B. I— n. Münster, 1847—1851. Index nach den
von Perger gesammelten Materialien von Dr. R. "Wilmans. Münster, 1861. gr. 4«.
N. U. -B. — Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins oder des Erzstifts Köln . . . herausg. von Th. .1.
Lacomblet. B. I— IV. Düsseldorf, 1840—1858. gr. 4«.
TJ.-B. d. H. W. — Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen von J. S. Seibertz.
B. I— m. Amsherg, 1839—1854 (als B. 11— IV der Landes- und Eechtsgeschichte des Herzogthums
Westfalen). 8».
W. U. -B. — AVostfälisches Urkunden-Buch. Portsetzung von Erhard*s Regesta Historiae Westfaliae. . . B. HI.
Abth. I. (Bisthum Münster), Heft 1—4, bearbeitet von Dr. R. Wilmans. Münster, 1859—1871. Heft 4
mit Index geogTaphicus von Dr. E. Friedlaender. . . . Personen-Register bearbeitet von E. A an der
Heyden. Münster, 1876. B. IV. (Bisthum Paderborn) Abth. I. (Heft 1) bearbeitet von R. Wilmans,
Münster, 1874. Additamenta zum Westfälischen Urkundenbuche bearbeitet von R. Wilmans. Orts-
und Personen - Register von E. Aander Hey den. Münster, 1877. gr. 8".
Sofern Belege iiiclit angegeben sind, finden sich dieselben über die Fi-eistühle bei:
U. F. Kopp, Ueber die Verfassung der heimlichen Gerichte in Westphalen .... Göttingen, 1794. 8".
N. Kindlinger, Münsterische Beitiäge zur Geschichte Deutschlands hauptsächlich Westfalens. Münster (1793). B. HI, Abth. 2,
S. 244, 251 ff.
J. S. Seibertz, Zeitschrift für Geschichte und Alterthumskuiide (Westfalens). Münster (1864). B. XXR". 52 ff.
und für die ältesten Formen der Ortsnamen im:
Heberegister A der Abtei Werden an der Ruhr aus dem 9. Jahrhundert in Lacomblefs Archiv füi- die Geschichte des Nieder-
rheins. Düsseldorf (1857). B. H, 217—249; bei
W. Crecelius, Traditiones Werdinenses. Zweiter Theil, in der Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins (1871)
Vn, 1 ff. mit dem Index Geographicus, S. 51 ff. ; und
M. Heyne, Altniederdeutsche Eigennamen aus dem neunten bis elften Jahrhundert. Halle, 1867. kl. 8".
\
Die
Denkmäler der vorchristlichen Zeit.
(Cliroiiologiscli.)
Urbewohner und Sigamber.
er Kreis, dessen Denkmälern
dieses Buch gelten \m'd,
bildet mit dem benachbar-
ten Gebirgslaude im Süden
und der Ebene im Norden
ungefähr zwei Jahrtausende
den Boden echt deutschen Lebens und Schaf-
fens. Eine Urbevölkerung, zuletzt die c eltische,
musste, wie lange sie auch geschaltet hatte,
vielleicht hundert Jahre v. Christi Geburt wei-
chen, und hinterhess neben Lautresten in Orts-
namen allerlei Geräte und Grabaltertümer ;
denn deutsche Völker, die uns nach den Be-
richten der Eömer als ,Gernianen' bekannt wer-
den, zogen von Nordosten ein, um das Land
höchstens mächtigeren Bruderstämmen wieder
einzuräumen.
Die Sigamber, das Kernvolk des ürstammes
der westdeutschen Istävonen, hatten wahrschein-
lich über ältere Volksreste oder kleinere Völker-
schaften zu beiden Seiten der Ruhr ihre Herr-
schaft ausgebreitet, so dass ihr Name einem
Landstriche zukam, welcher südhch vom Asten-
berg den breiten Rücken des Rothhaargebirges
entlang bis in's Bergische nach Runderoth und
Neustadt, wo später ein Freistuhl steht, östlich
an das Cherusker-, später Paderbornerland, west-
lich an die Ebene, zeitweise bis an das Ufer des
Rheines, nördhch etwa von Dorsten bis Lipperode
an die Lijjpe reichte. Sie wohnten in Flecken
oder Einzelgehöften und betrieben bei ihrer wil-
den raubsüchtigen Sinnesart sicher weniger den
Ackerbau, als das Kriegshandwerk und Beute-
machen. Aehnlich emporgekommen und erstarkt
waren die Nachbarvölker, die Cherusker an bei-
den Seiten der Weser, die Bructerer nördlich
der Lippe und die Chatten im Süden, die beiden
letzteren also mit den Sigrambern an den West-
marken des Vaterlandes mit der Wacht am
Rhein betraut, die ihnen bald die schwersten
Opfer auferlegte, nachdem das Römervolk seine
Kriegszeichen über Gallien bis an das linke Ufer
des Rheinstromes getragen hatte.
Es richtete sich vorab das Schwerge^vicht
des Angriffs, wie schon unter Cäsar im Jahre
55 V. Chr., gegen die Sigamber. Diese hatten
den Römerfeinden, den Tencteren und Usi-
peten Wohnsitze eingeräumt, trotz der von
Marcus Vinicius 25 v. Chr. erhttenen Schlappe
fast alle Brudervölker, zumal die Chatten, rings-
um zu einer Kriegsgenossenschaft verbunden,
im Jahre 16 v. Chr. unter ihrem Häupthng
Melo dem Legaten LoUius auf Römerboden eine
schimpf hohe Niederlage beigebracht und vier
Jahre darauf nochmals einen Kriegszug über
den Rhein gemacht so verwegen, als ob sich
mit der Römemiacht ein neckisches Spiel trei-
ben lasse.
Hatten Cäsar, dann 39 v. Chr. Agrippa deut-
schem Boden schnell den Rücken gekehrt, so
war nun das römische Rheinland mit allerhand
Fortificationen und Truppenmassen bedeckt : denn
gestachelt von den Kriegsexpeditionen und An-
fällen der Deutschen und nicht minder von der
angeborenen Eroberungspohtik hatte das Römer-
volk seine Länderbeute jenseits und strecken-
weise noch diesseits des Rheines planmässig mit
Heerstrassen, Grenzwehrin, Lagern und Ca stellen
— kurzum mit einem Verkehrs- und Fortifica-
tiousnetze versehen, das die Eroberungen sicherte
und nach Augustus' Plane zuverlässige Ausgangs-
punkte bot, dieselben weiter bis an die Elbe und
das nördliche Meer vorzuschieben. Die erste
Basis bildete die batavische Insel in Holland, die
zweite der gewaltige, vielleicht unter Augustus"
Augen auf dem FürstenberQ:e bei Xanten, damals
1*
URBEWOHXER UXD SIGAÜBEB.
(^
der Mündung der Lippe und deren wej^samern
Ufern gegenüber gegründete AVaöenplatz, der
offenbar Feindschaft und Unterwerfung den trotz-
bereiten Völkern im Osten verkünden sollte. Da
konnte der gewandte Oberfeldherr Drusus vier-
mal das Schwert der Kache und der Unterwerfung
gegen die Deutschen auf ihrem eigenen Boden
ziehen. Das erste Mal im Jahre 12 begnügte er
sich mit einem Verheerungszuge bis iu's Sigam-
berland und mit einer Flottenexpedition gegen
die Anwohner der Nordsee: im folgenden Jahre
benutzte er klug einen Feldzug der Sigamber
gegen die Chatten, um ihr Land zu durcliziehen
und zuerst seine Adler bis in"s Innere Germa-
niens, bis an die Weser, tragen zu lassen. Er
warf sogar einen festen Anker der Eroberung aus,
indem er an der mittleren Lippe und jedenfalls
auf dem den Sigambern abgewandten Ufer ein
Castell, Grenzwehren und Wegedilmme bis zum
Rhein errichtete. ,Nur durch den systemati-
schen Strassenbau, durch den einzelne Castelle
erst einen hühern Werth erhielten, konnten die
Römer hoffen, Germanien für die nächste Folge
in Unterwerfung zu halten.' Da jedoch die
besten Plilne scheitern mussten, so lange die
Sigam])er ihren stolzen Nacken nicht beugten,
begannen im Jahre 8 v. Chr. unter dem klugen
Tiberius die Operationen damit, dass ihnen treu-
loser Weise ihre Fürsten geraubt, 40 000 Köpfe
mit Gewalt aus der Heimat auf das andere Ufer
des Rheines, an die AVaal. vertrieben wurden.
Nach einer besondem Ueberlieferung hätte Melo
sogar beim Kaiser Augustus um Schutz gefleht.
Nachdem man so unter den Stämmen auf
der Hheinwacht das Centrum durc]il)rochen hatte,
war der schwerste Stein aus dem Wege gewälzt;
den unbt'/.wungenen Völkern an der Ems, Weser
und Dii'nifl Hess sich nun ebenso mit den Ufer-
strassen der Liiipc. wie im Norden die Ems ent-
lang und V(in Süden her beikomnicn: römische
Heeressäulen bewegen sich im .Talire ('» 1ms an
die Elbe.
Die Emj)örungen werden nun schleuniger
unterdrückt, 4 n. Chr., wieder unter Tiberius.
die letzten Kriegszuckiuigen ertödtet, nun auch
die Hructerer auf dem nördlichen Kheinitosten
imterjocht. die ungebrochenen Chenisker zu Hun-
desgenossen erhoben, allmälig voniehme Ger-
\
manen in"s Heer aufgenommen und mit Aus-
zeichnungen bedacht, neben den morahschen
Eroberungen jedenfalls auch die Bauten von
Fortificationen und Grenzwehren weiter l)etrie-
ben. so dass Westgermanieu bis zur Cherusker-
grenze im Anfange der christüchen Aera wie
eine römische Provinz aussah. Doch als der
Statthalter Quintilius Vanis hier rücksichtslos
wie in einer Kömerprovinz schaltete, da loderte
im Jahre 9 (schwerlich 10) n. Chr. von allen
Seiten planmässig geleitet eine verhängnissvolle
Empörung auf. welche ihn und die stolzesten
Legionen des Kaisers bis auf wenige Flücht-
linge hinraffte, welche in's Lippecastell entkamen.
Grausam ward der Sieg benutzt, jede Feindes-
spur vertilgt, jeder feste Römerplatz erstürmt,
nur Aliso. das Castell. leistete mit seiner Be-
satzung noch Widerstand. Sonst war das Vater-
land wieder gerettet; denn das Auftreten der
römischen Heere diesseits des Rheines bedeutet
später mehr eine Sühne der erUttenen Schmach,
mehr den Schein alten Kriegsmutes, als eine
Untenverfung. Nachdem sich so alle ^lass-
nahmen der Offensive und der L'nterwerfung
vereitelt hatten, \uirden unter Kaiser Claudius
im Jahre 47 n. Chr. die römischen Besatzungen
aus Gennanien zurückgezogen, die breiten Heer-
strassen dann höchstens noch von Kaufleuten
betreten oder ganz verlassen.
War doch früher trotz aller Kriegsmacht
und List der Römer die Ivraft der Deutschen
so wenig gebrochen, dass nicht nur die unal>-
hängigen, sondern auch jene Stämme, welche
unterworfen oder vernichtet schienen, am Vanis-
Kampfe und Siege Theil hatten. Der Ixtrbeer
gebürt nämlich nächst den Cheruskern und
ihrem Führer Annin den Bructoreni. den Mar-
sen, den Chatten und nicht minder den Sigam-
bern. die sogar in drei Landschaften in's Feld
gerückt waren. Ihr Fürst Melo. dessen Neffe
Deudorix einst als Gefangener den Triumph des
(lermanicus verherrlichen musste, erscheint, wie
Armin unter den Cheruskeni. als das treibende
Schwergewiclit des sieggekrönten Aufstandos.
Denn da die Vertreibung der Sigambor in frü-
hern Jahren wol nur die kamj>ffilhigen Mann-
schaften, und daher zumeist die Anwohner
des Hellweges, getroffen hatte, so konnten sich
Dir; wKGi- UM» iiiiü-: dexkmXleu.
die Reste allmälig wieder sammeln, keinesfalls
schon mit Brudervölkern ihre Lücken ausfüllen,
ohne neuen und noch härteren Strafen der
Römer zu verfallen. Jedenfalls kemizeichnet
noch heute das ursprünghche Sigamberland ein
einheitlicher Grundton der Sprache, dem nur
im Westen und Norden spätere Einwanderungen
und Nachbareinflüsse Ablaute beigemischt haben.
Ihr Name erklingt wie jener der Cimbern und
Parther im RömeiTeiche als eine Losung des
Schreckens; sigambrische Gehörten verstärken
26 n. Ghr. das Kriegscontingent der Römer,
sigambrische Elemente und gewiss nicht blos
die verpflanzten Absphsse an der Waal erschei-
nen später im Franken -Bunde, andere stossen
um 484 uuglückMch mit den Westgothen zu-
sammen. Griechen und Römer der Kaiserzeit
erzählen doch von den Sigambem Germaniens,
als wären sie noch wie in den Tagen Cäsars
ein vollkräftiger Volksstamm.
Die Kriege der Römer und Deutschen er-
heischten ' hier um so mehr unsere Beachtung,
als der Kreis Hamm wesentlich davon berührt,
sein Südostsaum vielleicht der Schauplatz des
letzten Actes der Varusschlacht, sein Terrain
mit verschiedenen monumentalen Kriegsspuren
bedeckt ist. Doch auch von den Urbewohnem
und Urdeutschen lassen sich namhafte Denk-
mäler und, wie von den Römern, sowohl Haus-
ais Kriegsaltertümer in unserem Kreise nach-
weisen. — Dieser Nachweis erfolge theils nach
den Fundstätten, theils nach den Völkern, denen
sie entstammen.
E. Usinger, Die Anfänge der deutschen Geschichte. 1875. S. 192, 197 f., 231. — Reg. H. AV. L Xr. 1—60 ergänzt durch L. v. Lede-
bur, Das Land und Volk der Bracterer. Berlin 1827. S. 135 ff. 175, 18G. 190, 145, 117. — Monimsen Augustiis' L'erm. Politik,
Im neuen Reich. 1871. I, 5.37 f. — J. Sehneider, Neue Beiträge zur alten Geschichte und Geographie der Rheinlande II, 72—97. —
M. F. Esselen, Geschichte der Sigamber und der von den Römern bis zum J. 16 nach Christus im nord-n-estlichen Deutschland
gefühi-ten Kriege. Leipzig 1868. — H. Böttger, Wohnsitze der Deutschen. 1877. S. 25 und die Karten. — A. Fahne. Geschichte der
Geschlechter Bocholtz I, 1, 195. — F. Hülsenbeck, Die Gegend der Varusschlacht. 1878. — Bonner Jahrbb. T.Yin, 42. XLATU, 182.
L
-3>-«$>— »-
Die ^Wege iind ilire Denkmäler
Die Wege und Verkehrsstrassen, unter allen
Denkmälern die ältesten, sind auch vom
Volksbewusstsein, den Fürsten und Landesherren
als die wohlthätigsten Mittel des Verkehrs gegen
Eingriffe geschützt für und für: daher noch die
westfähschen Femgerichte 1490 laut Weistum
für Recht erkannten, dat men over die jennen
siiUe richten, die de Konincksfrate, Kerckwege,
lIoMemvege , Noifwege und Dodenivege und
RicJitelpede entengen mit tuenen efte graven
oder anders. Sie dienten wol allen Völkern;
nur haben die Römer gewisse Linien zu Kunst-
strassen umgeschaffen oder neue für ihre zei-
tigen Kriegszwecke angelegt und dadurch that-
sächüch Licht und Verkehr in die Sümpfe und
Wälder unserer Urheimat für alle Folgezeit
gebracht, obgleich ihre zeitigen MiUtairstrassen
meistens eingegangen und mit Gras bewachsen
sind ; dafür dauerten die natürlichen Linien fort
und zwar die Hauptzüge als Verkehrs- und Heer-
strassen, um vorab den römischen und fi-änki-
schen Handelsleuten wie den wandernden Hor-
den der Deutschen und dem fränkischen Heer-
bann Ein- und Auslass zu gewähren und später
mit ihren Knotenpunkten das Centrum von
Pfarreien oder Städteaulagen zu bilden. Erst
in neuerer Zeit haben die Eisenbahnen mit ihrem
centrahsirenden Einfluss streckenweise die alten
Verkehrszüge verlegt oder die alten Strassen
entvölkert und vereinsamt, — mehrfach jedoch
wieder aufgesucht; denn gewisse Züge der Coni-
mimication T\ie gewisse Massregeln der Kriegs-
kunst werden, weil zu sehr von der Bodenbe-
schaffenheit abhängig, für die Zukunft bleiben,
was sie in der Vergangenheit waren, mögen auch
neue Erfindungen noch .-i viele Erleichterungen
und Aenderungen mit sich bringen. Congruiren
die spätem Strassenzüge genau mit den frühern.
so sind die Rillen tief eingeschnitten, die Wege zu-
mal in den beiden letzten Jahrhunderten zu Hohl-
wegen und ,Wasserstrassen' geworden, schwei-
fen sie hin- und herüber, oder laufen sie neben
ihnen, so blieben die alten Strecken todt hegen,
oder gingen durch Einebnung — zumal in un-
DIE WTGE rSD IHRE DEXOÄLER.
serm Jahrhunderte — in Culturland auf. Und
dennoch weiss die Wissenschaft sie an andern
natürlichen Verkehrszügen, an bestimmten Fun-
den, an der Richtung erhaltener Strecken, an
fortificatorischen Seitenaulagen , an der Bauart
der lieste, an gewissen Benennungen wieder zu
entdecken und dem Gesammtnetze der Verkehrs-
adern einzureihen: einige Strassendilmme geben
sich durch den geraden Zug oder die Wölbung
und Bauart noch als Römerstrassen zu erkennen,
ob auch fast zwei Jahrtausende Völker und Waa-
renlasteii darüber hinwegge<rangeu sind — wahr-
lich ein hochrühmhches Zeichen für ihre Erbauer.
An Benennungen sind charakteristisch zuwei-
len .Landwehr", in der Kegel .Heiden-', ,Hünen-"
oder ,Teufelsweg', ,Köuigsstrasse', .Heerweg',
.Hellweg', JIcilewegh', ,Hcdiccch', mag die letz-
tere nun von Heerweg oder von .heil* d. i. soHde,
fest, oder von ,hell' im Gegensatz zu den urhei-
mischen W^ildwegen oder vom Namen der ur-
deutschen Haui)t- und Todtengöttin .Hei* abzu-
leiten sein. Dann bedeutet der Ausdruck Todten-
weg. zumal da die beiderseits begleitenden Be-
grilliuisse seiner Linie das Geprilge eines ,fort-
laufenden Todtenackers* gaben. Uebrigens keim-
zeichnen mehrere dieser Strassen-Zunamen auch
das hohe Alter von Fortificationen , Erdhügeln
und andern Anlagen.
Der Kreis Hamm hat wul so wichtige und
so zahlreiche Strassen, wie irgend ein anderes
Landgebiet von gleichem Umfange; denn \ne
eine grosse Thalschlucht zwischen der Lippe und
der Haar ilurchschnitten ihn die wichtigsten
Linien, welche vom Kheinc nach Osten und
N(trden aufzogen und zwar zuiiilehst die west-
lich, dann aiidi die südlicher entsjmmgenen,
nachdem sie das (lebirgslaiid uniiranuen oder
dessen Schluchten und Kilmmen folgend die Ruhr
überschritten hatten, und wie die meisten bei
Uiuia in der Ebene mündeten oder sich kreuz-
ten, so vereinten sich andere von allen Rich-
tungen aus Osten mit denen aus Norden, welche
an bestimmten Punkten über die Li])j)e geleitet
waren, um sich hier zu gemeinsamem Zuge gen
Westen oder zum Eintritte in's südliehe Gebirgs-
land zu vereinigen. Kreuzungspunkto gab es
mehrere. Kii(itenpunkt(^ sonst wie jetzt zi' Unna
und iianim.
1. Der heute von der neuen Steinstrasse
hier bedeckte, dort durchschnittene grosse Hell-
weg hat eine natürhche Lage am Nordfusse der
Haar, inmitten des fi^chtbarsten Ackers, von
Unna bis Salzkotten an den Salzquellen vorbei
und seinen Ausbau von Ruhrort über Dortmund.
Unna, Werl, Soest bis Höxter an die Weser
wohl durch die Römer erfahren. Als Haupt-
verkehrsader entsendet er im Osten wie im
Westen viele \richtige Strassenzweige und be-
rührt mit l>eiden Seiten allerhand Stätten der
grauen Vorzeit. In der Nähe fallen schon in
sein Gebiet die Fmide einer Todtenurae von
terra sigillata zu Dortmund, mehrere Unien.
welche man beim Baue der Westfälischen Eisen-
bahn zu Wickede-Asseln, und der Bergisch-Mär-
kischen Bahn zu Mühlhausen blossleirte. und im
Obemiassener Gehölz ein .Lulehoal*. unfern da-
von eine Quelle mit einem mächtigen .Spring*-
Baume und nördlich die .Teufelsküche*. Das
von der Obermassener Heide nach Niedermassen,
ziehende romantische Thal bewahrt für einen
Theil seines Gehölzes den Namen der .Teufels-
küche', den die Christen später den altnemiani-
schen Hainen l>eilegten, und von den beiden An-
höhen, womit das Thal ausläuft, bezeiclmet man
die eine als den Hünenberg, die andere als den
Tigge — also lauter altheimische Volks- uml
Weihstätten. Der letztere Name deutet unmit-
telbar auf einen alten Versammlungsplatz.
2. Die alte Strasse, welche anseheinend von
Herdecke sich nordöstlich nach Opherdicke hin-
aufwindet und die Haar entlang auf die Cluse,
Wilhelmshöhe. Frömern und Bausenhagen geht,
um hier im alten Benrwald des Sehelk. der
noch im voriiren Jahrhundert ein königliches
Geheure mit allerhand Hochwild hatte, nördlich
mit einer Biegung in den grossen Hellweg und
wahrscheinlich östUch in geraderem Zuge in den
alten Haarweg einzulaufen — eine gewss sehr
alte Strasse. Zu Opherdicke. au der Cluse, der
.WohnstAtte eines Hünen', und weiter gen Osten
hält sie den Bergkamm und deshalb ohne Frage
die Linie altheidnischer Cultstätton. wie denn
noch heute den eigentlichen Haanveg entlang der
Mohne hohe Eichen an seinen höchsten Funkicn
beschatten. Im Sehelk und zwar bei Bausen-
hagen knoti'n sich alte Bererwi'ge aus allen Rieh-
Dil- WEGE INI) IHRE DENKMÄLER.
tungen, unter den Waldriesen erhebt sich bis
Hemmerde hin noch das eine oder andere Hügel-
gral) und südUch von I^ausenliagen ,Am Hen-
richs-Knül)el' ziemlich hoch ein Felskopf. Ab-
und Kreuzwege, Natur und Altertümer verleihen
dieser Linie eine besondere Bedeutung.
3. Nordwärts zweigt sich bei Wickede ein
,Hellweg' vom grossen Hellwege Camen vorbei
auf Heeren ab und zieht als grüner Weg, den
die Viehtreiber noch einschlagen, auf Rhvnern,
um sich anscheinend in der Gegend von Soest
in andere Wege zu verUeren.
4. Von Südwest, etwa von Neuss aus, führte
über Elbeifeld die Enneper Strasse bei Herdecke
über die Euhr, dann durch die Schluchten des
Ardei nach Unna und von dort jedenfalls auf
Hamm. Von ihrem Verkehr Ünna-Hamm dürf-
ten drei bis vier Urnen und einige unten näher
beschriebene Rümermünzen zeugen, die beim
Bau der entsprechenden Bahnlinie auf dem Hofe
Borgmühle aus einem Hügel oder Berge an's
Licht kamen, welcher der überschütteten Ruine
eines Thurmes ähnlich und von der Sage um-
weht war, es liege darin ein Schatz verborgen.
Von Unna auf Schwerte hegt sie vor als tiefer
stellenweise gespaltener ,Hellweg' von beträcht-
licher Spurweite und nachweislich nur durch
Holzstämme befestigt. Wo sie auf der frucht-
baren Massener Heide sich spaltet, lagen am
nordwesthchen Arme und zwar am Saume des
Spielfeldes bis in unser Jahrhundert noch vier
ungefähr fünf Fuss hohe Erdhttgel oder .Httnen-
knüfe', die bei der Abgrabung angebüch nur
,dreieckige Lampen' enthielten. Südüch davon
am andern Arme und zwar am kleinen Stucken-
berge springen von der Ackerhöhe noch fünfzehn
Wallräcken , Schanzen' parallel vor in den Hohl-
weg, also jedenfalls keine Stege alter Weges-
kanneluren, und doch haben die entsprechenden
Gegenstücke an der andern Wand des Weges,
als sie vor Jahrzehnten zu Ackerland planirt
wurden, angeblich keine Altertümer ergeben.
In ihrer Nähe gibt es einen ,güldenen Spring',
bei dem die Leute noch jetzt heilendes Wasser
suchen und auf den Grundstücken am Spielfeld
sind , Gräber mit Ketten' gefunden.
5. Von der Obermassener Heide führte ein
alter Weg auf Bilmerich, von dort auf die Cluse
und Delwig, wo er die Ruhr kreuzte, um sich
links nach Iserlohn, rechts nach Limburg zu
verzweigen. Südlich von Bilmerich auf Dieck-
mann's Gründen erhebt sich der ,Kopf', ein
künstlich angeschütteter Hügel, welchen der
Sage nach der Hüne der Cluse einst von seinen
Schuhen gewischt hat, als er seinen Riesen-
nachbar an den ,Hünenknüfen' besuchen wollte.
In seiner Nähe hegen der Platz ,Hillering' und
der noch von Wallresten umgebene Hof .Ringe-
brauk'. Legt die Sage den Hünenknüfen und
der Cluse nicht auch eine bedeutendere Grösse,
und der Cluse eine künstliche Entstehung bei?
Bemerkenswerth erscheint jedenfalls jene von
Wegen und Altertümern übersponnene Zone,
deren Grenzpunkte im Süden die Cluse, im
Norden das Niedermassener Thal mit seinen
denk\nirdigen Punkten, und weiterhin die Ge-
gend von Heil an der Lippe sind.
6. Eine andere vielleicht jüngere Strasse
führte Aon Langschede über Unna und Camen
auf Werne ül)er die Lippe. Von L'nna tiber-
steigt sie die Wilhelmshohe, meidet die üstüche
Niederung von Strickherdecke und kTeuzt zu
Langschede, einst östlicher denn jetzt, die Ruhr.
Das zeigen noch die Stumpfe von hölzernen
Brückenträgern, so\ne der Ortsname ,hinter dem
Thurme', dessen Reste schon vor hundert Jahren
im Privatbesitz waren: denn einst deckte den
Uebergang ein Steinthurm, zugleich Warte und
Gefängnis, und etwas nördhcher eine längst
verschwundene Schanze auf dem heute von der
Ruhrthalbahn durchschnittenen Stempersberge.
Eine alte Ruhrstrasse fehlte hier damals ^ne
heute. Von ihrem Lippe -L'ebergange bei Werne
zeugen noch tiefe Ufereinschnitte, die reichhal-
tigsten Funde, eine alte ,EiJcesmoh' auf dem
Flusse, die gegen 1220 mit dem Bild des heil.
Christoph gezierte Brücke, vor derselben der
Freistuhl Mottenheim.
7. Als Verbindung der Lippestrasse und des
Hellweges und zugleich als Fortsetzung mehrerer
zu Werl vereinter Thalstrassen des Sauerlandes
schlängelte sich von hier der alte Weg, meisten-
theils neben der Chaussee, über Berge nach
Hamm, wo er mit andern südlichen Lmien sich
jenseits der Lippe nach Norden verzweigte. Bei
Hilbeck berührte er eine ergiebige Fundstätte
ITE MTGE UM) IHEE KEXKMliLER.
von Kömermünzen und Urnen. Die ältere An-
gabe, von Werl führe eine Verbindungsstrasse
auf Fröndenberg und durch die Grafschaft Lim-
burg in's Volmethal. hat, wie mir scheint, in
der heutigen Bodenbeschaffenheit keinen Halt,
falls nicht unnatürüche Umwege in Kechnung
kommen.
8. Eine ähnliche Bedeutung haben jeden-
falls die Strassenzüge von Hamm auf Soest.
Sie verlaufen auf beiden Seiten der Ahse, die
eine auf dem südwestHchen Ufer, West- und
Osttünnen vorbei auf Weher. Die anliegenden
Punkte .Tiumen' und .Am Hagen' weisen mit
ihren Namen gewiss noch auf frühere Wehren
und ,Gebücke' zurück, und zu Süddinker erhob
sich der Soester und Märkische Freistuhl am
Kodenstein. JedenftiUs ist die Linie über Mark.
Nord- und Kirchdinker die ältere, die zu Soest
auch andere Strassen aus dem Süden und Süd-
osten aufnahm; alte Kopf bäume, Seitenwälle,
beträchtliche Breite, ein ziemlich gerader Lauf
und bis in die neueste Zeit eine tiefe Wasser-
sohle bezeichnen ihre Bahn, selbst Wallungen
bei Mark und Altertumsfnnde im ,grossen Klei'.
Die Wallung besteht nur mehr in zwi'i unter
rundlicher Ecke aneinandergelegten Seitenwällen
auf dem Sandbrinke, den ehedem die Geithe,
wahrscheinlich ein Doppellauf der Lippe, be-
spülte; die Funde, nämlich Steinbeile, werden
uns später beschäftigen. Die Leute geben Stein-
trümmer an der Kreuzung des AVeges und der
Märkischen Grenze für die thatsäclilichen Ueber-
bleibsel eines Freistuhles aus und von einem
solchen ,op gensyt Dincker, der also nicht mit
jenem zu Heidemühle verwechselt werden darf,
reden auch Soester Geschichtsquellen.
0. Als ,AVasserstrasse', streckenweise mit
ScitenM'ällen, bezeichnen ältere Leute auch den
heute vollständig ausgebesserten Verbindungsweg
von Ijünen zunächst entlang der Seseke über
Afferde nach Unna. Die östlich zu Niederaden
vorhandene Landwehr hat nur die Feldllur von
der ]\Iark Berg-Camen geschieden, also schwer-
lich einen altem Urspnnig gehabt, wie solcher
von der ,Burg', einer jetzt flaclien Anhöhe, ver-
mutet wird. Ob das südlicher gelegene Haus
Ohcrrdde noch Beste heidnischer Vorzeit ent-
halte, wird spilter in Frage kommen.
10. Von zwei römischen ^lilitairstrassen
kommen auf den Kreis südhch der Lippe zwei
beträchthche Strecken: die Linie, welche von
Neuwied über den Gebirgskämmen bis Unna,
dann in der Ebene auf Münster hinabzieht, tritt
wahrscheinhch östhch Hahngen vorbei zwischen
Ost- und Westardei über die Kuhr, verläuft
dann östhch von Strickherdecke. westUch von
Frömera quer über den Rücken der Haar, von
hier in einer vor Decennien kolonisirten .Land-
wehr' auf Kessebüren. von dort wahrscheinhch
über Bögge auf Stock-um zur Lippe, dann über
Bockum (Bogadium?) wieder in einer von Haus
Itlingen nach Norden streichenden Landwehr.
Die Frömemsche ,Landwehr zeigt stellenweise
noch unter den Hecken und Geländen neben einer
Senkung zwei schwache parallele Bücken, ein
dritter Wall hat sich vielleicht unter dem Fahr-
wege gänzlich verloren. Nachdem sie die alte
Haarstrasse gekreuzt und Hügelgräber an der
Ostseite verlassen hat. sinkt sie südwärts strich-
weise noch sichtbar bis zur Ardeier Feldmark
hinab. Die Uebergangsstelle zu Ardei wetteifert
an Denkmälern und Funden mit jedem andern
bedeutsamen Punkt des Kreises. Der Thalgrund
des Osthölter Baches, seine beiden gegen die Buhr
vorspringenden Nachbarberge enthalten zwei Mili-
ta iranlagen und ringsum bis in's Thal hinab
Fundstätten von TJruen und Eisentheilen. Die
Schanze am Abhänge des westlichen Vorsimmges
könnte von den Bömern angelegt und bestimmt
sein, die Strasse im Buhrthale zu decken und
die durch tiefe Gräben hergestellte Burg auf
dem Ostberge ktumte für ein Werk der Deut-
schen gelten, das die Passage des feindlichen
AVeges stören sollte, zumal da andere Forscher
ähnliche AN'erke im Taunus den Teutonen zu-
schreiben und die Deutschen wie grosse Grenz-
wälle so auch Erdbunron hatten. Allein die
wiedenim zerstreuten Funde scheinen ganz ab-
geselicn von den Eisentheilen nach dem, was
die licutc freilich nur nach unklarer Erinnenui!:
l)erichten, kaum mehr in die Zeit der Bömer-
invasion zu reichen und jene Grabonburg bat
schon östlich bei Scheda wie auf den Enisufern
der Ebene gleichfftnnige Gonenstücke. Daher
erfahren die Ardeier Werke und Funde füg-
licher b(>i den Denkmälern jener Zeit Berück-
\
DIE WEGE UXI) IHRE HENKMÄEER.
■s
sichtigung, worin die Deutschen die Kömer-
spuren vertilgten und sich gegen einen andern
Feind von Westen rüsteten. Den Zugang liat
Ardei dann geliabt an einem Zweige des Haar-
Hellweges, der ungefähr von der Wilhelmshohe
die ,Landwehr' schräg kreuzend südöstlich auf
Fröndenberg in's Ruhrthal hinab führte.
11. Die andere Linie entspringt am Rheine,
Xanten gegenüber, geht auf Dorsten, wo ein
zweiter Ann der Lippewindung nach über Ros-
sendorf und Ahsen bis Lünen abschweift, von
hier als enge Uferstrasse in der Richtung des
jeÄenfalls urtümlichen ,HeUweges' über Hamm
bis in die Lippewiesen bei Hellinghausen und
schwenkt nun in einem sauft gebogenen Seiten-
arme auf das Nordufer und zwar nach der römi-
schen Munition .Grosse Kamp' im Winkel der
Lippe und Glenne. Sie hält sich, sofern der
gerade Zug es gestattet, einige hundert Schritte
vom Inundationssaume und macht daher zu
Sandbockum nur eine kleine Schwenkung nord-
wärts gegenüber der mächtigen, die einst der
Fluss hier, wie später erörtert wird, genommen
hat. Oestlich von Hamm erscheinen ihre Spuren
in der geraden Rahn, Höhe und Rreite der
jetzigen Landstrasse, hier und da noch in Däm-
men, die bald auf der einen, bald auf der an-
dern, seltener auf beiden Seiten und im Gebüsch
noch restweise mit sichtlicher Rundung, östlich
von Mark gar 2m hoch daliegen — westlich von
Hamm bei Nordherringen wölben sich noch
im Schutze eines Nadelgehölzes die drei Wälle,
und senken sich, weil stark ausgefahren, doch
immer mit der Wellenlinie des alten Profils in
der Flucht des Hellweges. Westlich von Nord-
hen'ingen, wo der ,Hellweg' ganz abschweift, lag
sie nach einer alten Karte bis 1799 anschei-
nend vollständig bis Reckinghausen vor, um in
unserm Jahrhundert als herrenloses Gut von
Staats wegen verkauft und bis auf geringe Reste
in Ackerland verwandelt zu werden. Die Jvönigs-
landwehr', wie sie hier hiess, besteht noch einige
Schritte oder Minuten lang, stellenweise leise ge-
knickt, in bestimmten Resten südlich von Sand-
bockum, die auf das Haus Römer zeigen, M'eiter
im Süden der Bummannsburg, dann zu Seiten der
Camen -Werner Chaussee auf Holzboden kaum
eine Viertelstunde von der Lippe, weiter westlich
in südlicher Nähe des Hofes Heil, und zwar
mehr oder weniger deutlich in einem, in zwei,
seltener in drei Wallresten mit den Grabentiefen :
die beseitigten ]\Dttelstücke führen den Namen
.Landwehr- als Acker- und Garteastreifen zwi-
schen Gräben und Wallhecken oder neben einem
Seitenwall mit Graben oder bloss neben einem
Graben, südlich von Sandbockum erhebt sich der
neuestbin seiner Nebendämme beraubte Nord-
wall noch mit mannshoher Ivronenwölbung bei
einer Sohlenbreite von zehn Schritten. Früher
gingen von der Strasse in gemessenen Zwischen-
räumen Querdämme nordwärts l)is an die Lippe
und zwar nach derselben Karte zu Recking-
hausen östlich von Lünen, zu Sandbockiim. zu
Kessebaum östlich von Hamm und ein vierter
gleich östlich von Ueutrop und dienten mit dem
darin befindUchen (Schlag-)Raum damals noch
als Strassensperre , ^^'ie sie vordem den Ufer-
strich sperrten und sicherten. Jener zu Sand-
bockum, welcher sich anscheinend in sanfter
Curve von der Strasse ablöst, hegt noch heute
als mächtiger Doppelwall mit drei Gräben in
einer Gesammtbreite von 28 Schritten vor. Die
anerkannten Römerstrassen gleichförmige Rauart
hindert, diese ,Landwehr' dem Namen nach für
eine Grenzwallung zu halten. Die mittelalter-
lichen Landwehren entbehrten in der Regel der
Seitenwälle und scets der schönen Profilirung. die
römischen Greuzwehren aber zerfielen am Rheine
wenigstens in vier Wälle, indem der Hauptwall
nach aussen von zwei kleineren YorwäUeu mit
Mittelgraben, nach innen von einem niedrigen
Banketwalle begleitet war. Wozu sollte eine
Grenzwehr hier dienen? Es war doch die Lippe
auch auf dem Nordufer mit einem Heerwege be-
baut, der dem diesseitigen in Form und Seiteu-
fortiUcationen ganz gleichförmig befunden wird.
Im Gegentheil, in dem Worte .Hellweg-, der
gleichwohl nur hier mit ihr zusammenfilllt, dort
ihr zur Seite geht, khngt die Erinnerung au die
alte Heerstrasse, in dem Worte .Landwehr- die
hohe Rauart nach, die sie mit den mittelalter-
lichen Erdanlageu dieses Namens gemein hat.
Ausser einem römischen Marschlager sind die
meisten Römerspuren, die wir später M-ürdigen
können, in ihrer Flucht oder in der Lippe .ge-
funden. Als Fundstätten von Altertümern heben
10
DIE W£GE UXD IHRE DENKMÄLER.
wir hervor das Weichbild von Hamm, einen Platz
eine Viertelstunde von Nordherringen, den vor
Jahrzehnten, wie versichert wird, Avahrscheinlich
die Trümmer eines Hügels mit einem bald ent-
führten Jjronze-Stilus und massenhaften Urnen-
scherben bedeckten, weiterhin östlich ein Sand-
rücken gegenüber Heessen, dem die Leute nach
und nach Urnen an einer Schmalseite entneh-
men. Zu Herringen, zu Hamm und zu Heide-
mühle an der Xordostspitze des Kreises standen
später Femstühle; im Westen bei Heil wohnte,
wie ältere Leute zu erzählen wissen, ein Riese,
ein zweiter südlich zu Toddinghausen, welcher
zu Heil zu backen pflegte. Als er einst, mit
dem JJereiten des Teiges beschäftigt, hürt, wie
der Heil'sche Nachbar schon den Backtrog aus-
schrappte, bricht er mächtigen Schrittes mit sei-
nem Troge und Teige dahin auf. fäiit und schlägt
dabei eine tiefe Grube, die .Küsenkuhle'. in die
Erde. Der Kiese zu Heil hatte aber blos am
eigenen Körper gekrazt, und die Sage will hier-
mit vielleicht die Ursache eines Kampfes an-
deuten, worin beide sich erschlugen und die Ge-
gend der Ungeheuer los wurde. Dieser Schluss
fehlt freilich den ähnlichen Sagen über die Hünen
an der Lenne, auf Volmarsteiu und Syburg, an
der Cluse und den .Hünenknüfen', immerhin
muss die Sage über ein so häutiges und benach-
bartes Hünen-Üasein auf den Berghohen wie
hier im Thale. von Volmarsteiu bis Heil, auf-
fallen. (Jemahnt vielleicht auch das Wort Heil
,Hele' an die Urgottheit Hei und nimmt später
die Kapelle hier deren Weihstätte ein?
12. Jenseits der Lipi)e umschliesst die zum
Kreise gehörige Nordenfeldmark von Hamm den
Ausgangspunkt der nördlichen AVegezweige, die
jedenfalls immer in der Richtung des Norden-
thores den Fluss kreuzten, und dann noch deut-
liche Züge von zwei Römerstrassen, von denen
die eine ein Mitt(>lstück der grossen diesseitigen
r ferst rasst!, die andere eint'u Abzweig davon
auf die Lip|»(' bildete. Die durchgehende üfer-
strasse verlief nämlich nicht, wie man irrig ln»-
merkt hat, üb.-r Haus (Jcnegge auf Heessen;
so hätte sie die einst hier nach Norden gebogene
liijtpe streifen, in die Wiesen münden oder plötz-
lich nach Nordost abschwenken müssen, zumal
da das in dieser Richtung erhaltene Stück Land-
wehr nach der Bauart mittelalterUch, nach dem
Zwecke eine Scheide zwischen Wiesen- und
Heideflur war: die Linie kam nördlicher, etwa
vom Stidabhauge der Höveler Höhe, dem Tannen-
wäldchen vorbei, ging dann nördlich der Heesse-
ner Chaussee parallel schnitt diese jenseits (öst-
lich) der Feldmark und mag später ,.ganz mit
der Heessener Chaussee zusammen fallen". In
dieser Flucht im Winkel zwischen der Köln-
Mindener und der Westfilhschen Eisenbahn er-
übrigt im Tannenwäldchen als .Galgeuknapp- eine
römische Warte und zwar als halb kugelfönniger
Hügel von Rand zu Rand 40 Schritte im Durch-
messer, umringt von einem tiefen, spitz eing<>
tauften Graben und einem rundlichen, flach aus-
laufenden Aussenwalle, dessen Peripherie in der
theils erhaltenen, theils abgetragenen Krone 220
Schritte beträgt. An der Nordseite liegt jetzt der
angeschüttete Aufgang des Grabens, der sonst
wohlerhalten ist. während Abtragungen und Aus-
höhlungen Vieles vom Hügel und Aussenwalle.
zumal in der Südhälfte, verwischt haben. An
seiner Seite zog sich bis vor Decennien ein Wall
nach Osten, und in dessen Flucht, nördlich von der
Heessener Chaussee, gibt es noch heute wol als
Ueberbleibsel der alten Strassendämme eine lange
Zone wunderlicher Bodenundulationen, die als
Sandkammer und nutzloser Boden bis zur Stunde
ausgebeutet, ausgegraben und ausgehöhlt wird.
Im nordwestlichen Scheitelwinkel der Chaus-
see und der Ostgrenze der Feldmark wurden
auch Altertümer entdeckt die unsere Aufmerk-
samkeit schon bald erregen werden. Weltlich
vom , Galgenknapp' lag der Gabelpunkt der gera-
den Uferstrasse und ihres Abzweigs nach der
Lippe. Denn mitten auf der Heide erheben sich
heute als breite Fahrstrasse und ob auch noch
so sehr beschädigt und verstümmelt immer-
hin mit merklichen Rundprotilen die drei Wälle
mit vier Gräben, hier in der einen Hälfto. dort
in der andern oder gar in der Gesammtanlage
kenntlich, mit der Nordspit7.e in sanfter Cune
nach Westen zum ,\nschlusse an die Haui>t-
strasse gebogen, und im Gesammten nach Süden,
doch etwas östlich, fast auf die Sohonistoine
der Eisenwerke geneigt, als ob die Uebergansrs-
stelle nur ein paar Minuten unterhalb der Bahn-
l)rücke zu suchen wäre.
GERÄTK INI» AN1)J;RI-; AIJKRTi'MKI:.
11
"~>.
Die Spuren im Zusammenhange über-
schauend dürfen wir den Gabelpunkt in die
Gegend des Kötters Kemper und in westHchcr
Nähe der Warte, den Zug der durchgehenden
Linien im Norden der Heessener Chaussee ver-
muten. ,Auf den Feldern' neben dem abge-
zweigten Wege ,und in nahen Sandhügeln liegen,
wie schon vor zwanzig Jahren geschrieben wurde,
viele Scherben von antiken irdenen Gefässen,-
Nägel, Stücke von Eisen, Bronze u. s. w.' — und
westlich davon sind später Urnen von ziemüch
regulärer Form ausgegraben, wovon noch eine
vorhanden sein soll.
Das sind die dürftigen Ueberreste von Eömer-
strassen, die an Grossartigkeit und Dimension
mit manchen Schienenwegen den Vergleich aus-
hielten oder diese übertrafen. Eine solche Strasse
bildeten ein hoher Mittel- und jederseits ein nie-
derer Seiten- Wall, alle drei schön gewölbt, durch
Innen- und Aussen- Gräben getrennt und ge-
schüzt zugleich, in der Krone aus haltbarem
Erdreich gebildet und wahrscheinlich mit Boh-
len belegt.
Die mittelalterlichen Grenzwallungen des
Nordenstifts lassen wir vorerst unberücksichtigt,
um nun, nachdem die Hauptstrassen gezeichnet
sind, die Alterthümer näher in's Auge zu fassen,
deren wir recht lehrreiche von der Urbevölke-
rung, den Germanen und den Kömem nach-
weisen können.
Urk. (1. J. 1400 bei Kindliiigor, Münster. Beiträge zur deutschen Geschichte III, Xr. 211. — Uehor ,,Hellwej?" U.-B. d. H. VT. II,
Nr. G30, III, 931.; H. Böttger, a. a. 0. S. 33. — Ueber die "\Vo;?e und Grenzwiille, Hülseiibeck a. a. 0. 5—7; derselbe. Pader-
borner Prograinm. 1871. S. 23. — Seibertz, in der Zeitschr. für Westfalen.« Gesch. u. Alterthumskunde Jahr^'. V, ftS— 104. —
Schneider a. a. 0, V, 6 if. ; VIII, 12 S. ; IX, 14 ; XI, 1 ff. — E. Hübner, Bonner Jahrb. m, Taf. n. — Buschmann, Westf.
Zeitschr. IV, 178. — L. Hülzennann, Lokal-Untersuchuncren der Kriege der Römer und Franken so-nie die Befestigungsmanieren
der Germanen, Sachsen und des späteren Mittelalters betreffend. 1878. Uebersichtskarte B, Tafel V, ALU. mit Landwehrprofilen
und allerlei falschen Angaben. — Die Urne von terra sigillata in Abbildung bei Fahne, die Herren und Freihemi von Hövel I, 45.
— Ueber die Teufelsküche H. Schulz, Zur Urgeschichte des deutschen Volksstammes. 1820. S. 25. — Ueber die Hünensat'en an
der Lenne u. s. w. A. Kuhn, Sagen, Gebräuche und Mäichen aus Westfalen I, 136. — Ueber die Strassen zu Delwig und Lang-
schede v. Steinen H, 769, 790, 805. — Ueber die Werner Brücke und den Freistuhl zu Heidemühle Tibus, Griindungsgeschichte
der Stifter, PfaiTkirchen, Klöster und Kapellen im Bereiche des alten Bisthuras Münster. 1867. I, 301, 641, 304. — Ueber die
Linie AVerl - Fröndenberg vgl. Möller, Pfairer von Elsei, Das interessanteste aus seinem Nachlasse. Dortmund 1810. I, 133. —
Ueber die angebliche (Rüiner-)Landwelir bei Niederaden Fahne. Zeitsclu'. d. Berg. Geschichtsvereins IV. l-i, vro es noch heisst :
,,Hemngen war ein grosses Lager." — Jlittheilungen des Herrn Dr. W. v. d. Mark und des Herrn Hofrath EsseUen zu Hamm, des
Herrn Kaufmann A. Herdickerhof zu L^nna, des HoiTn Superintendenten Polscher in Lüiiern, der Hen-en Pastöre Bertelsmann in
Canien, Buschmann in Frömern, Zur Nieden in Fröndenberg. — Lokal - Untersuchungen.
Grerate nncl andere -A^ltertlimer.
Die alten Wege haben auf die Fundstätten
der Altertümer geführt und sie werden
noch für die Zulranft hier wie anderwärts die
Handweiser bleiben, wenn es gilt, durch Funde
die Geschichte der Vorzeit und zumal jene
Zustände aufzuhellen, wofür keine schriftlichen
Geschichtsquelleh fhessen. Wie Vieles im Laufe
der Jahrhunderte durch Zufall oder Schatz-
gräberei entdeckt, darauf veräussert oder zer-
stört sein mag, kann ein Ueberblick der Funde
unserer Zeit lehren, insofern deren manche ge-
macht, aber der Fuudstücke nur wenige gerettet
und noch weniger wissenschafthch ausgebeutet
sind. Mit um so grösserer Hingebung wollen
wir daher das Erhaltene verzeichnen vom klein-
sten Geräte bis zu den wenigen Burgen hin,
Avelche allein von allen Bauten mit ihren grossen
Werken der gänzhchen Zerstörung" widerstanden
haben und uns einen Ersatz bieten für Stein-
und andere Riesenmonumente, die wir seither
vergebhch in unserem Kreise suchten. Am zahl-
reichsten sind, freihch meist brachstückweise,
Waffen, Utensiheu und Schmucksachen vertre-
ten ; sie haben grösstentheils nur geschichtlichen,
selten ästhetischen Charakter.
Im Bette des Lippestromes wurde eine Eeihe
von Gegenständen, über die vriv Kunde geben,
entdeckt, einige anscheinend zufällig, die meisten
in den Jahren 1865/66, als man ihren Lauf
behufs Anlage einer Steinbrücke für die Chaus-
see von Camen nach Werne vergeraderte. Da
förderte der Durchstich allerhand Reste der Vor-
zeit, fossile, naturgeschichthche und geschicht-
liche zu Tage. Der Continent des Kreises he-
ferte andere Beiträge, so dass wir nun im Staude
sind, dies Material, mit Ausscheidun? des Natur-
12
GERXTE rSl) ANDERE ALTERTDIER.
W 0,294n ♦
•ni.',i
wissenschaftlichen, nach Zeiten und Vulkern
einigeraiassen zu sondern und zwar zum Theil
nach der Gestalt, zum Theil nach Xachbarfunden
und Umständen, die kennzeichnend sind.
Der Urzeit dürfte angehören: ein Stück fos-
silen Knochens, wahrscheinlich vom linken Vor-
derbeine eines Mammuts, auf eine Länge von
0,294;» verkürzt und derart zu einer Waffe
(Fig. 1) zugerichtet, dass gleich unterhalb der
1. Gelenkpfanne einerseits
ein Loch für einen Trag-
oder Schlagriemeu ein-
gestämmt ist, und die
Markhohle anderseits
zum Fassen eines Streitkeiles dienen konnte.
Da diese "Waffe wohl nicht im fossilen Zustande
l)earbeitet wurde, so will man sie vor die Eis-
zeit, in die Fauna des Mammut zurückversetzen.
Spätestens der urdeutschen Zeit werden zu-
geschrieben zwei vielleicht als Speisegefässe ge-
l)rauchte bauchige Ti)p(e ohne Fussrand und
Henkel mit engerem Schlünde aus Thonerde
a. und Theilen von Koh-
lenstaub und Quarz-
kOrnern mit freier
Hand, wie die Finger-
eindrilcke zeigen, ge-
formt, dereine 0.196)«
(Fig. 2). der andere
kleinere 0,LS«/ hoch;
— ein seinem Zwecke
nach unbestimmter T hon ring (Fig. 3) dessel-
ben Materials, im äussern Durchmesser 0,098w,
3. im lichten Linern 0,028m weit,
auf der einen, nämlich der Lager-
Seite unverzicrt. auf der andern
mit vier kreuzförmigen Ornamen-
ten von eben so vielen mit der
Sj)itze eines kreuzförmig gekerb-
ten Holzstempels ein'jedrilckten
Punkten ; — ein aN Wirtcl-
^toin gel)rauchter 'rimnring des-
'" "* selben Materials, kaum gebacken.
einer plattgedrückten Kugel ähnlich. O.OtiD»
dick, 0,09()/j/ im äussern Durchmesser breit: —
sodann mehrere fertige oder halbfertige Geräte
aus Hirschhorn, als da sind zwei gerade Acxte,
eine 0,310m laug (Fig. 4). aus dem der Zinken
beraubten Geweihe eines Edelhirsches, oben unter
der Krone mit einem eingestämmten Loche für
den Stiel, unten abge- ■*■
schrägt und zur Schneide
geglättet — ein Bohrer
(Fig. 5) aus der Zinke
des Geweihes nach der
Spitze hin geglättet, nach
der Wurzelseite aber mit einem Loche versehen
— eine schOne Keilhaue (Fig. 6) aus einem
Hauptstamme derart s.
zugerichtet, dass die- *— - (^'S-
ser auf passende Länge
abgeschnitten, der bei-
den Seitenzinken ent-
kleidet, und die Hauptzinke als Hacke geglättet
und, wie die Abnutzung ergibt, auch gebraucht
0,785
wurde, — ein anderes Instrument. 0.(>8m lang,
der l)eiden obersten Zinken beraubt, wie um eine
ähnhche Keilhaue daraus zu fertigen. — r.
ein kleiner fieissig gebrauchter Hani- ..^^
nier (Fig. 7) aus dem Kronenende eines ^'^^^jj^
Geweihes gemacht, mit einem O.OlGm ^'^"^'^
starken Rohrloche, — weiterhin ein 0.:328m langer
Knochen (Fig. 8), auf der einen Langseite abge-
flacht, als wäre er zum s.
Glättenund Schleifen ver-
wandt. — zwei S|)eer-
si)itzen von Geweihzm-
ken derart beimtzt, dass das dickere Ende mit
Zickzackeinschnitten vom in die Hülse des S]>eer-
schaftes gesteckt wurde. — endlich noch 21 Stücke
von Hirschgeweihen und darunter an halbfertigen
Gerjlten zwei Krtnien V(»n Hauptstümmen. 4 Zin-
ken, 1 Hacke und 2 Gabeln, die zum Tbeil >chon
im Gebrauch sein mochten.
An Stein>achen können wir noch nennen
ein keilartig abgeschliffenes Beil aus aphaniti-
scheni Gestein. 0,07wi lang, an der breitem Seite
der Schneide 0.04m breit, gefunden im Garton
fiKKÄTE UND ANDERE ALTEitTL'.MEK.
13
des Besitzers, des Herrn Dr. W. von der Mark zu
Hamm, — ferner zwei Hämmer mit Stielloch
in der Sammlung des Herrn Hofnitlis Essellen
zu Hamm: das eine von schieferigem Steine,
oval zugespitzt und an der Breitseite mit einem
trichterförmigen Loche durchbohrt, misst 0,20;m
und stammt aus südwestücher Nähe von Nord-
herringen; das andere, welches in der El)ene des
Loches zerbrochen und nur mit der hübsch zu-
gespitzten Hälfte erhalten ist, bildet nachweis-
Hch den einzigen Ueberrest jenes grossen Fundes,
der vor einigen Decennien im grossen Kleie
zwischen Norddinker
und üentrop gemacht
augebhch in Tross'
Hände nach Hamm
gelangte und seitdem
verkam. Essellen's
Sammlung enthält
femer aus Funden am Lippe-Hellwege von Nien-
brügge bis Nordherringen ein Kehgeweih, des-
sen Hauptzinke zu einem meisselartigen Werk-
zeuge zugegiättet erscheint, ferner Feuerstein-
spitzen, vielleicht Beste von Messern oder Wurf-
geschossen, und insbesondere aus dem Funde
am römischen Wegezweige in der Nordenfeld-
mark eine solche von 0,035»i Länge mit zier-
hcher Zuspitzung und zackiger Base. Der Schelk
am nördhchen Abhänge der Haar zwischen
Bausenhagen und Siddinghausen, Frömern und
Hemmerde, der einzige zusammenhängende Best
der einst ,waldbewachsenen' Haar, vormals ein
königliches Gehege mit Hirschen, Birk-, Hasel-
hühnern und Wölfen, bewahrt noch einige sehr
erhebhche Denlmiäler der alten oder gar der
Urzeit, uämlich mehrere Hügelgräber, deren
emige nördüch und östlich von Bausenhagen,
zwei bis drei östhch von Fi'ömern liegen. Eines
von jeneu ist etwas eingefallen, eines von diesen
ist fast ganz abgetragen, ohne dass ein Fund
gemacht wurde, ein anderes ergab vor vielen
Jahren bei einer Nachgrabung etwa 1,25m unter
der Oberfläche Steine gruppirt, ,wie bei einem
Altäre', darum Asche, Knochen, Metallknöpfe
und ein Beil von Eisen.
Gewiss nicht schon für römisch darf ein
schadhaftes Lippefahrzeug (Fig. 9) gelten, das
ohne den abgefallenen Schnabel 7,53>m laug aus
einem krummen Eichenstamme in der Tiefe wie
den Wandungen ganz unregelmässig und mit an-
noch mangelhaften Werkzt.'Ugen gearbeitet und
schon deshalb sehr alt ist, weil sich darin eine
0,011m dicke Platte von Cappenberger Quarz-
sandstein (Fig. 10) in Form einer Schaufel, an
der geraden Base 0,016m breit, bis zur abgerun-
deten Spitze recht schlank, also ein Steingerät
darin vorfand, welches jedenfalls zum Schiöe auch
gehört hat. Dass die altdeutschen Stämme die
Schiffahrt übten und liebten, beweist schon das
Treö'en, welches Drusus den Bructerern auf der
Ems heferte ; dass
auch die Lippe schiff-
bar war. beweisen die
Schutzstrassen der
Römer an ihrem Ufer,
ein bei Haltern darin
gefundener Schiffs-
anker und namentlich der Triumphzug der Deut-
schen, worin sie unter andern Siegestrophäen
im Jahre 71 n. Chr. auch das Admiralsschiff des
Statthalters Cerealis am Nieder- ^"-
rhein der gefeierten Patriotin ^•-'Tiii^'' -'
Velleda, die auf der Bructerer-
seite in einem Thurme wohnte,
hinaufl3rachten. Vielleicht reichte
die Schiffbarkeit des Flusses soweit, ^vie die römi-
schen Uferstrassen, sie nimmt später so sehr ab.
dass sie, wie wir sehen werden, zur Zeit Karl's
des Gr. kaum mehr eine Bedeutung für die Cultur
und Anwohner hat.
Die Urnen, die Horngeräte und das Fahr-
zeug, so sämmtüch dem Lippebette entstammen,
beruhen im Museum des Vereins für Geschichte
und Alterthumskunde Westfalens, eine Hornaxt
angeblich in Bonn.
Einen kleinen lehrreichen Fund machte sein
Besitzer Herr Baurath Borggreve zu Hamm im
Nordenstift und zwar im nördhchen Winkel der
Grenzlandwehr und der Heesseuer Chaussee an
3 Urnen, einem bronzenen Zierring und einer
zerstörten Steinaxt. Die Urnen smd aus Thon
mit eingesprengtem Quarz oder Sand gebacken
und wahrscheinlich aus freier Hand geformt,
sämmtlich ohne Fuss-und Mundrand: die grösste
von der Gestalt eines Beckens (Fig. il) hat bei
geringer Bauchung eine Höhe von 0,1 S7>», einen
14
GERXTE um» AMPERE ALTEETl'UER.
engen Fuss, dagegen eine Mündungsbreite von
0,288w, — die zweite (Fig. 12) hat bei starker
11. Wandung eine et-
" o.zs's"' y- was schlanke Form.
eine Mülldungs weite
von 0,104m, eine
Hohe von 0.082;m
und etwas über der
halben Höhe zwei
* o,üyin, ► kleine Oesen; die
dritte (Fig. 13) zeigt bei einer starken Bauchung
einen ziemüch langen Hals und an der dazu
übergehenden Schweifung des Bauches ein Linien-
omament von je drei
Linien, die winkeüg
^ooo4», gegen einander ste-
hen. Der Durchmes-
ser des Fusses be-
trägt 0,04owi, der
der äussersten
Bauchweite 0,099»;, der Mündung 0,072/«, die
Höhe 0,07 iym. Der Bronzering (Fig. 14) besteht
aus einem viereckigen Kerne mit vier schön aus
der Hand gekräuselten Stegen und hat geschlos-
sen eiiK'ii Durchnicsscr von (»,14:3»/. Er ist
iiilnilich an zwt'i Endhaken zu schliessen und zu
«ilfnen und daher zumal bei der zierhchen Form
für einen Halsring anzusehen.
Schade ist, dass wir über die Beschalfenheit
der betreffenden Funde von Mühlhausen, Nord-
herringen. Anlei nichts Zuverlässiges beizul)ringen
vennügen.
An entschieden römischen Ueberresten
können wir aufzählen: eine grosse aus dem
lii|»|)el)ette bei Werne in <las Museum des .\ller-
tunis-Vereins zr. Münster übertregangene Am-
phora vitu blassrotlieni Tlion mit schieferigem
l'rnclie, nach unten fast keL'eJsjiitz. am äussern
Mundrandi' gekehlt, 0,03;« hoch, eine 0,2^U>»
lange geflügelte Lanzenspitze von Eisen, ge-
funden an der Hoenburg. sodann zwei Stücke
eines 1825 zu Beckinghausen gemachten Fundes,
nämlich wieder eine römische Amphora und
eine äusserst zierUche grosse Flachschüssel aus
terra sigillata, leider nur in Bruchstücken ange-
i troffen, deren eins den mit einem Stempel einge-
drückten Namen des Töpfers EI KARO enthielt.
Beschaffenheit. Form oder Fundort lassen
I femer römischen Ursprung vermuten für folgende
Gegenstände in der Esselen'schen Sammlung zu
I Hamm: eine grosse Dolabra von Eisen, ge-
' funden zu Beckinghausen. ein vom Rost bis auf
I die Kemtheile verzehrtes Schwert mit einer
schlanken. 0.94;« langen Klinge, einem 0.20m
langen Griffe und einer nach unten gebogenen
[ Parirstange, gefunden 1855 auf der ,L<indwehr
im Süden der Bummannsburg, — mehrere in
Metallglanz angelaufene Reste von römischen
Gläsern, welche nach Angabe des Besitzers ein
bauchiger Bruinien des Leffer'schen Gartens zu
Hamm barg, endlich ein eigenthümliches Fund-
stück aus der Nordenfeldmark, nämlich ein run-
des Bleischeibchen, vermutlich ein Amulet.
an einer Seite mit einer Präge, welche inner-
halb eines viereckigen oben mit Spitzen besetzten
Rahmens ein A und daneben zwei Ringe mit
aufrechtem oder hangendem Stifte darstellt —
und endlich wiederum für ein Lippefundstück von
Werne in der Sauimlung des Bauraths Borg-
greve zu Münster: eine eiserne Speerspitze.
0,5();h lang und von schönem vierblattartigen
Profile. Die dreieckigen Lampen, welche in
den Hünenkinifen bei Unna steckten, köinien
römische Graltaltortümer bedeuten; L;nnj>en
nebst Urnen und Glasgefässen befanden sich
auch unter den Hömerfunden in der Kinzinger
Niederung bei Rückingen.
Münzfunde sind mehrere gemacht. Auf
der Höhe von Hilbeck kamen seit der Mitte
des vorigen Jahrhunderts zu Tage .viel Bömer-
geld von dem Augusto. keines aber, so nach
seiner Zeit gcmttnzet', bis in die jüngste Zeit
viele Silbennünzen von Auüustus. welche jedes-
mal durch den Handel der Heimat entführt
wurden, neuesthin mit einem Eisengeräte auch
rrnen. die indess einer andern Zeit einzureihen
sind: — aus der Lijjpe bei Werne bewahrt der
Alterthums -Verein zu Älünster einen Silber-
BUllGENBAlTEX.
15
denar mit einem Frauenkopf und der mangel-
haften Inschrift (Agripp?) INA . . . AVG . . .
und einer stehenden Frauengestalt im Revers;
ferner kam beim Bau der Bahnstrecke Hamm-
Unna zu Lüiiern in den Armenstock eine Rümer-
münze und eine Zeitlang später beim Fort-
schreiten der Linie eine zweite, diese, wie man
meint, aus einem Hügel des Rittersitzes und
Schultenhofes ßorgmühle. Ihr jetziger Inhaber,
Herr Professor Krafft in Bonn, beschreibt die
Stücke wie folgt:
1. Postumus- in Billon (halb Silber) Imp.
c. Postumus p. f. aug. Rev. : Providentia aug.
Stehende Figur.
2. Constantinus m. Kleinerz in Kupfer, Con-
stantinus max. aug. Rev. : Gloria exercitus ; zwei
Feldzeichen zwischen zwei Soldaten ; a l'ex. Tr. p.
Um dieselbe Zeit wurde dem Kaufmann A.
Herdickerhof zu Unna eine Silbermünze des
Kaisers Trajau von 0,01 8wi Durchmesser und
2,75 Gramm Gewicht überreicht:
Av.: O OPTIMO AVG GERDACPMTRP,
Büste des Trajan mit Mantel rechts gewandt,
das Haupt bekränzt;
Rev.: ... VI P. P. S. P. Q. R die nackte
stehende Gestalt des Triptolemus, hnks gewandt,
in der Rechten die Opferschale, in der Linken
Aehren haltend.
Herr Hofrath Essellen benennt aus seiner
Sammlung folgende antike Münzen, welche im
Laufe der letzten Jahrzehnte bei Hamm aus
dem Bette oder dem Ufergelände der Lippe
hervorgezogen seien :
1. Av.: AGRIPPIXA A\"GVSrTAj, Büste
(oder Brustbild) nach rechts gewandt; Rev.: Um-
schrift verschlissen, in der Fläche eine sitzende
Figur nach hnks gewandt, links und rechts von
ihr die Buchstaben S — C. Gross-Bronze.
2. Av.: VRBS ROMA zu beiden Seiten
einer nach hnks gewandten Büste mit dem Helm :
Rev.: Umschrift fehlt; in der Fläche die Dar-
stellung des Romulus und Remus unter der
Wölfin, in Abschnitte T R S. Kleinbronze.
3. Eine anscheinend altgriechische : Av. : Um-
schrift fehlt, männlicher Kopf rechtshin; Rev.:
Umschrift fehlt, ein Pferd rechtshin. Einzelne
goldige Zeichea am Rande sind die Ueberreste
der verwischten Inschrift. Mittelbronze.
n-
r. A. Borggreve, Die bei Werne in der Lippe gefundenen Alterthümer in der "Westf. Zeitschr. (1809) XXVTII, 307—334 mit vielen
Abbildungen; — über das Alter des Schiffes vgl. L. Lindenschimdt , Alterthümer unserer heidii. Vorzeit TL, n Taf. V; — über
die römische Lanzenspitze Essellen, in der Westf. Zeitschrift XXH, 265, Tafel Nr. 12 ; — über die Flachschüssel von terra
sigillata und eine Amphora Dr. Tross' Westfalia 182i!, S. 393 ; — über die Funde in der Hammer Xordeiifeldmark Borggreve"s
Handzeichnungen und EsseUen, das Römische Castell Aliso, der Teutoburger "Wald und die Pontes longi 1857, S. 22. über das
Schwert S. 13, Abbildungen des Schwertes, der Bleischeibe und einer Feuersteinspitze das. Taf. HI, Fig. 1, 2, 3; — Bonner
Jahi-b. 55-56, p. 195; — über die Münzfunde zu Hilbock Hülseiibeck, Gegend der Varusschlacht S. 30; — über die giiechische
Münze vgl. Berliner Blätter für Münz- luid "Wappenkunde V, 53, Taf. LIV, Fig. 11 und 12. — Local - Untei-suchungen.
Burgenbanten.
Die Deutschen hatten, wie ich oben bemerkte,
Fähigkeit und Ursache genug, Schanzen
und Burgen zur Abwehr und zum Angriffe zu
enichten — doch so lange besondere Funde
fehlen, kann keine unserer altern Burgen hier
in Betracht kommen.
Oesthch am Sandbockumer Querwall und an-
scheinend im Winkel, welchen dieser mit der
römischen Heerstrasse bildete, stösst man auf
ein sonderbares Erdwerk, den ,Montenberg'
oder ,alten Montenberg', der nach den Unter-
suchungen Anderer, denen kein undurchdring-
ücher Holzwuchs die Uebersicht hindern mochte,
ein etwa drei Morgen grosses Graben -Viereck
bildet, im Innern zwei längliche Wallaufwürfe,
auf der Ostseite zwei viereckige Anhöhen von
ungleicher Grösse enthält und im Süden noch
durch einen Wall, im Osten, Norden und Westen
durch eine Niederung geschützt erscheint. Das
Werk weicht hiernach aou einer mittelalter-
lichen Anlage, welcher Art sie auch sei, so sehr
ab, dass man es entweder für ein früheres oder
späteres Kriegserzeugniss halten möchte, und da
es sich so eng den römischen Wege- und Damm-
bauten anschhesst, mag es für eine römische
Schanze gelten, die immerhin später ^'ieder be-
nutzt und umgestaltet sein kann.
Die htigelartige Bauweise im Vereine mit
IG
BUEGEXBAUTEX.
der natürlichen Umfrebuntr. welche noch der
HoenburjT bei Xordherringen und der Burg ^Mark
bei Hamm eignen, hat die Forscher veranlasst,
in ihnen römische Anlagen zu wittern oder zu
erkennen: alles zusammengenommen, was über
ihre Herkunft und ihre Bestimmung entschei-
den kann, werden wir sie nur unter den mittel-
alterlichen Werken berücksichtigen können, bis
nicht anderweitige Funde einen frühern Ursitrung
näher legen. Ebenso halten wir es mit dem
Hause Oberfelde an der Westgrenze des Kreises
oder vielmehr mit dem es umfassenden Graben-
Viereck, welches freilich für sich kaiserliches
Lehen war.
Die weithin diiivli ihre Hügel- Wälle sichtbare
,Biiiiinuinnb-Hurg' (Fig. 15) oder ,der Bumms-
V)erg' im Norden der Herringer Heide und so
genannt nach einem Nachbarhofe im Südwesten
— ein gewaltiges Erdwerk am Rande der Lippe-
niederung — gilt allen Forschern für ein verstüm-
meltes, einigen zugleich für ein durch spätere
Zuthaten umgestaltetes Römer-Lager. Wie man
der Zeichnung absieht, die die Fonn, Maasse
und Profile bringt, erstreckt es sich hart am
Rande der alten Lii»[)e oder eines verschütteten
Lippebassins von AVosteii m^n Osten trapezartig
und fast in allen Theilen unreirelmässig; der
Kücken ist durch Cultur sogar mit dem West-
wall des Kernwerkes verwischt. Eine genauere
Darleirung der L'rgestalt wollen wir einer speciel-
leren Untersuchung der noch vorhandenen Reste
sowie des nördlichen und MTstlichen Boden-
tcrrains überlassen, müssen aber selbst zum
Zwt'cke der nöthigsten Erläuterungen die Form
der bestehenden Theile und vollständig erhal-
tenen Werke zum Ausgange nehmen. Das Kern-
werk hat jedenfalls an der heutigen Grösse und
Gestalt nicht viel einirebüsst; es bildet ein läim-
liclies N'iereck und der bereits Ix'schädigte Süd-
wall zeigt im Westen mich eine schwache Neitruiii:
nach Norden, also di»' Richtung des westlichen
Aitsehlusses. Weil dem Kernwerk sonst die
.Mitte des länglichen LageiTaumes zukömmt, so
wäre dem letzteren hier eine Ausdehnung im
Kücken zuzuschreiben, wie sie die Front zeigt,
und im Norden eine el)enso entlegene Schutz-
tlanke, wie sie im Süden Jioch theilweise erhalten
ist. Von einer so gelegenen Hückenwalluns; restirt
vermutlich noch der kleine jetzt hufeisenförmig
gestaltete Hügel gegenüber der Südwestecke des
Kernwerkes, sei es als innere vor der Glitte er-
richtete Warte sei es als Bruchtheil der Rücken-
wehr, der aus örtüchen Rücksichten verschont
wenn auch umgestaltet ^^lrde, als die Wälle
geebnet oder zur Planirung in den Wiesen-
grund gestürzt wurden. Denn das nördüch an-
stossende Terrain bildet eine Iwdenlose, theils
angeschwemmte, theils angeschüttete Wiesen-
fläche als Rest eines Bassins vielleicht für einen
Hafen, und möglicherweise hat hier eine Nord-
flanke von AVall und Holzwerk zugleich die
Scheide des Stromes und des Hafens etwa in
einem Abstände gemacht, dass ihre Flucht
der ersten Knickung des Wallarmes entsprach,
welcher von der Xordostecke der Ligerfront am
Uferrande schützend um das Wasserbassin nach
Nordwesten ausgreift. Dann müsste die an der
Westspitze verstümmelte Nordflanke als spätere
Zuthat gelten, zumal sie den Zucrang zum Bassin
gesperrt hätte. So gedacht, erlanirt die Lacrer-
fläche einen entsprechenderen Flächeninhalt und
damit einen Ersatz für die Verluste durch das
Bassin, und die Grundform reijelmässige Dis-
positionen bis auf die Lage der Südflanke: es
verhielte sich daim Breite zur Dlncre fast wie
2 : 3. Da jedoch in der AViese keine Spur
einer Flanke mehr nachweisbar, die vorhandene
au der WestsjHtze verstümmelte Nordflanke in
der Flucht des nördlichen Kernwalles gelegen
ist, so lässt sich zur Zeit nur eine Ligergestalt
herausbringen, deren Kemwerk unmittelbar auf
die Mitte der Nordflanke stiess. und deren Di-
mensionen sich wie 2 : 4 verhielten — Unregel-
mässigkeiten, welche man theils den örtlichen,
theils unaufireklärten Ursachen zuaeireben haben
nuiss. Da ferner den Lagern in der Regel nur
ein Aussenwall zukommt, so erregt hier die Dop-
pelwallung Bedenken, und doch charakterisirt
den Aussenwall im Osten wie im Süden ein altes
Profll. Immerhin mögen der untere Theil des
nördlichen Wallannes, der sogar keulenartig an-
schwillt, sowie die kleine Vorlage seines (Hht-
theiles von spätem Kriegsvölkeni herrülin-n:
haben doch die Fnmken auch die hiesige Ufer-
strasse und. wie Fun«h' darthun. die Bummaims-s
Burg benutzt. Und sollten nicht auch die Fran-
BURGEXBAUTEN.
17
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Maas?stab.
1:5000 fiir die Situation.
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10 50 eOMeter
18
BßlXTEKER rSh SACHSEX.
zosen, welche bei Xordherrinj^en im 17. Jahr-
hundert einen heissen Kampf bestanden, diese
alte Verschanzung bezogen haben?
Spätere Krieger haben wol, nachdem die
Colonisation den Riicken des Lagers schon früh
zerstört, durch Gräben, vielleicht gar durch Ver-
legung des Baches hier eine westüche Deckung
wieder hergestellt und damit den Sumpfboden
an der Südseite des Prätoriums verursacht. Dies
hat im Osten jedenfalls noch seine beiden Ur-
eingänge l)(!wahrt, im Westen indess wohl nur
einen gehabt, falls dort in den Ecken tluirm-
artige Anschüttungen bis in unser Jahrhundert
bestanden. Da das Wasser in der XDnlflanke
wol kein Thor zuliess, hat die Lager-Front und
vielleicht der Rücken jedesmal zwei Eingänge ge-
habt, wie sie in den Ecken der Front vorliegen.
Das Hauptthor lag ohne Frage in der Mitte der
Südflanke. Die Wälle des Werkes imponiren
durch ihre Stärke und stellenweise durch eine
beträchtliche Höhe, die Innengräben durch ihr
schönes Profil. Xamentlich bekundet die zier-
üche Abrundung einiger Ecken die Kunstfertig-
keit der Erbauer.
Eine Nachgrabung im Innern der Südflauke
stellte 1805 hier den vielleicht durch die Er-
weiterung des Baches entstandenen Sumpfljoden
ausser Zweifel und führte noch auf zwei kleine
von Holz eingefasste Brunnen, die jetzt als
kleine Tümpel noch sichtbar sind. Der eine
viereckige war 0,86m im lichten Gevierte weit
und l.')~m tief, mit Eck-Pfilhlen und darum ge-
legten Bohlen ausgebaut : der andere bestand aus
einem ausgehöhlten Baumstamme und mass
im grösseren Durchmesser 0,63m. Weil sie im
Sumpfboden lagen, werden sie aus den fränki-
schen Kriegen stammen, me die Topfscherben,
die wir später besprechen. Der östUche Lager-
raum ist in einen Ackerkamp verwandelt, die
Innenlläche des Kernwerkes, die Wallung an der
Ost- und Südseite dichter oder lichter mit Holz
bestanden.
Uiigcnauero Abbildungen des Montenbeives und der BummaniLsbuiv boi Essellon, das Rom. L'ii>tell Aliso, Taf. I. Xr. 2 u. 3: der
Bummannsburg in desselben Gesch. der Siirambor, Taf. IB. — mit Profilen bei niilzemiaiin. Taf. IV. ; — besser bei F. A. Borp-
preve, die Bummannsburg und die Ilohenburif im Amtsteiorko I'elkum, Kreises Hamm; mit 5 Blilttem Zeichnungen. Hamm l**?!.
Ms. in der Bibliothek des Altorthums -Voreins in Münster, Taf. I — III, mit Situation, Profilen uiid Grundhss der Burg. — Vgl.
Schneider in den Bonner Jahrb. 02, 13G. — Local- Untersuchuiiir uiid -Aufnahme.
-.«x^^
^SgXgTS'
Bmcterer und Sachsen.
J;
^e weniger die deutscheu Stämme von aussen
mehr zu fürchten hatten, um so unruhiger
wurde es wieder im eigenen Hause. Die einen
tluteii i;i'n Westen über Könierlande, die andern
verbinden oder bekriegen sich gegenseitig, die
inilchtigeni fordern als Kami)f]ireis Land oder
Abhängigkeit. Uebermütig erhel)eii die Bmc-
terer ihr Haupt; sie die an der obeni Ems
und als kleine Bmcterer an der Unter-Eins und
-Lippe sasseii, reichen sich, scheint es, zuerst
die siegreichen Hände über die Bevölkerung
des Münsterlandes und verhalten sich dann so
feindselig zu den Nachbarstäininen. <lass sie
von den Angrivariern und Clianiaven im Osten
und Westen mit Krieg tiberzogen uml im Jahre
'>H n. Chr. wenigstens in ihren kainpfnihiir«'!!
Hlementen über die Li])pe geworfen werden.
Dass die Stammbevölkerung der kleinen Bmc-
terer ihre Sitze behielte, erhellt aus der ethno-
graidiischen und sprachlichen Gemeinschaft,
welche die Oslhälfte des Kreises Beckum und
die Westzone des Kreises Wiedenbrück bis auf
den heutigen Tag beherrscht. Die vertrie-
benen Mannschaften lassen sich in den leenMi
Wohnsitzen Westsigambriens nieder und beherr-
schen hier zwischen der Lijiite und Kubr einen
Complex, den das Vest Kecklinghausen und das
Stift Essen im Westen, ungeHihr der Kreis
Hamm im Osten oder das Gebiet des Hellweges
von Werl bis Essen ausmacht. Die auffallend
aus der Ostlinie weichenden Bructorer- Dörfer
Anipen im AVesten, Altougeseke und Schmer-
leke im Osten von Soest waren von Nachzüglern,
die noch iast die Ursitze der kleinen Bmcterer
BRl'CTERER OD SACHSEX.
19
berührten, doch bald schon wie auch Soest, von
den Angrivariern oder Engern bewohnt; diese
sind, um den Oststrich Sigambriens einzu-
nehmen, von Osten her den Bructerern gefolgt
und deren Nachbarn geworden, doch wahrschein-
hch nicht ohne Grenzstreitigkeiten, die nament-
hch auf der Linie von der Ruhr bis zur Lippe
entbrannten: dafür ergeben sich in christlicher
Zeit allerhand Anzeichen, die in heidnischer Zeit
wurzeln werden. Wenn sonst die Grenzen der
kirchlichen Decanien mit denen der Volks-
stämme zusammenfallen, sind die Pfarren Büd-
derich und Scheidingen später politisch Bestand-
theile des Engernlandes , kirchlich der Decanie
Dortmund, welche nur Bructererland umfasste.
Es muss doch auffallen, dass von der Märki-
schen Pfarrei Bausenhagen die östlichen Bauer-
schaften Wickede und Wiehagen Kölnisches Land
und dennoch mit einem Märkischen Freistuhle
besetzt sind, dass die Pfarrei Diuker, die zur
Engern' Decanie Soest gehört, politisch mit
der Westhälfte wieder Mark untersteht, dass in
ihr schon der Gemeindeverband, in der Osthälfte
wie im Süden von Soest der Bauerschaftsverband
herrscht. Warum greifen auf dieser Scheide
bructerische und eugerische Einrichtungen so
zickzackförmig durcheinander und übereinander?
wahrscheinlich weil es nicht zu einer dauerhaften
Abgrenzung kam, weil der eine Stamm den an-
dern übervortheilte und nahm so viel er konnte.
Dabei errang freiUch Engern zumal unter Kölni-
scher Landeshoheit den Löwenantheil ; und so
waren es gewiss nicht blos Annexionsgelüste,
sondern auch Stammesattractionen, welche die
Grafen von der Mark im 13. Jahrhundert an-
spornten, ihre Gogerichtsbarkeit nach Osten auch
in den Kirchspieleu Dinker und Welver geltend
zu machen. Vermutlich lag die Stamm scheide
östlicher und vielleicht in einer nur wenig ge-
knickten Linie von Wickede an der Ruhr bis
Vellinghausen an der Lippe, welche den Namen
, Landwehr' führt. Von Btidderich nach Süden
liegt sie als Wallung vor. von Scheidingen über
Meirich, Welver, Dinker bis Vellinghausen kUngt
ihr ehemaliges Vorhandensein nach in dem an
Grundstücken haftenden Namen ,Landwehr'.
Und fehlte auch das Mittelstück auf Werl, so
haben wir au einem Endpunkte desselben den
bedeutsamen Ortsnamen Scheidingen und von
Werl selbst das urkundliche Zeugniss vom Jahre
1395 29/9, dass dort der Salzbach .Engem* von
dem Westen scheidet, die Stadt selbst auf der
Völkergrenze liegt. Hiemach waren im Beginne
der christlichen Zeit beide Stämme culturge-
schichtlich einander genähert, die ethnographi-
schen Eigentümlichkeiten von der einen nach
der andern Seite im Fluctuiren begriffen, die
einzelnen Strecken der Landwehr ohne physi-
schen Einäuss. Wer die Landwehr gegraben,
ob die Engern oder Bracterer oder gar schon
die Römer, ist nicht ausgemacht. Als römische
Linie hätte sie einer andem, die von Himmel-
pforten auf VoUbringsen herabkommt und von
hier anscheinend nach Schwefe und Borgein zeigt,
sehr nahe gelegen, immerhin jedoch hier, wie
am Niederrhein, auch von den deutschen Stäm-
men als Grenz- und Schutzwehr erkämpft, ge-
theilt und benutzt sein können.
Wir müssen uns den Nachweis über die
kirchengeschichtlichen Thatsachen vorbehalten,
um die Bructerer, nachdem wir ihre Wohnsitze
nach dem Maasse unserer Aufgabe bestimmt
haben, in ihrer Thätigkeit kennen zu lernen. Sie
schonen, wie anzunehmen, die vorfindUchen Ein-
richtungen und Verhältnisse, betreiben wie die
Sesshaftigkeit gebot, mehr Ackerbau und Vieh-
zucht, wie in der Urzeit. Nun muss auch die
Hofeseinrichtuug, Ane sie uns unter Karl d. Gr.
begegnet, und bis heute besteht, erfolgt sein,
nämhch die Ausstattung des Hofes mit einem
weitern Privateigentum von Grund imd Boden
auf Kosten des gemeinsamen Areals oder der
Mark, die auf einen bestimmten Kreis beschränkt
sein wird. So können die beiden grossen Höfe
Eiberich zu Rünthe und Heil an der Lippe erst
nach der Römerzeit angelegt oder aiTondirt sein,
weil jener fast in der Westecke der Bummanns-
burg, dieser nahe an dei Königs -Landwehr liegt.
Gleichwol überlassen sie das Ausrotten der Wäl-
der vorerst noch den Epigonen, um dem Ivriegs-
leben und der Wanderung nachzuhangen.
Im Jahre 392 haben sie sich gar so dem
Rheine genaht, dass sie wie die Chamaven von
dem römischen Oberfeldherrn Arbogast bekriegt
werden ; ihre wanderlustigen Kräfte gehen zu dem
anscheinend in Norddeutschland gegen Roms
3*
20
BttCCTERER UND SACHSEX.
Herrschaft j^ebildeten Frankenbund über und
erneuern die altsigambri.schen Beziehungen zu
den Anwohnern des Rheines. Von hier aus
mischt sich der Westsaum Altsigambriens so
stark mit chattuarischen Elementen, dass der
Landstrich von Schwelm bis Hattingen später
gar der Freistühle entbehrt. Schon früh konnte
manches christliche Samenkorn von "Westen nach
JJructrien und Engern getragen werden, so dass
der Frankenkönig Dagobert dem Kölner Bischof
Kunibert um O.'i.S zu Soest eine Liegenschaft
schenken, dieser angeblich dem h. Petrus hier
ein Holzkirchlein und wie zu Schwelm und Men-
den eine Almosens|)ende stiften konnte. Als dann
die Bekehrung Norddeutschlands von den Angel-
sachsen ernstlicher betrieben Miirde, kam sie
nächst den Friesen den Bructerern zu Gute:
doch war es nicht das Brüderpaar der Ewalde,
sondern ()93 der h. Suitbert, der ihr Apostel
Miirde und solchen Glauben fand, dass die heid-
nischen Sachsen über die Lippe brechen, den
Missionar mitsammt seinen (^iläubigen aus dem
Lande verjagen, diesem sowie dem ganzen Si-
gaml)ergebiete ihre Hcrrscliaft und ihren Nanii'U
aufprägen, neben dem glcichwol der ethnogra-
phische Name der Bructerer noch lange hin
laut durchklingt.
Längst waren die Sachsen als listliclie Grenz-
nachbarn den Franken furchtl)ar, dann Herren
der belgischen Küste und Englands, im 6. Jahr-
hundert Nordtliiiringens und. nachdem sie das
Hrurtcrcrland unterworfen, auch die Herren von
ganz Westfalen geworden. Westfalen hatten
sie walirsclicinlich mit berittenen Kriegsscharen
unterworfen, die Einwulmer Itei den anirestamm-
ten Keehten und (iewnlinlieiteii belas>en. zur
Krie'isilt'nossensehaft und gewissen Leistungen
ver|)llichtet, hr»cli>^tens für den einen oder andern
Krieger einen Haupthof als Beute belialten und
die umwohnemlen Hauern zu ihm in ein Sclnitz-
verhältniss gel)racht: denn nach wie vor ertönen
in Westfalen je nach den Stämmen die Sprach-
idiome, und hier allein ist das Heicli der Fem-
gerichte — ganz abweichend von dem liande
der Altsachsen. Die westfälischen Sachsen be-
gegnen uns bald als freie und meistens als stimm-
berechtigte Männer auf den Volksversammlungen,
als kriegsberechtigte Vaterlandsvertheidiger im
Heere, die Lippe -Bauerschaft Stockum insbe-
sondere als eine Herrschaft mit freien Bauern,
der Oberhof als königliches Eigentum, als wenn
sein Bauer wie so viele Edehnge von Karl d. Gr.
wegen Unbeugsamkeit nach Ivrieirsrecht wäre ver-
jagt worden. Denn kaum waren die Sachsen ihrer
Herrschaft bis an die (Frenze der Kheinfranken
froh, so entbrennt gegen diese der alte KacekTieg
mit immer wachsender Heftigkeit: er galt dem
angestammten Freiheitsleben und Göttercult
gegenüber jenom Brudervolke, das allmälig ganze
Strecken des Kömerreiches und selbst die näch-
sten Bruderstämme seiner Oberhoheit und dem
Christentum unterworfen hatte.
Allem wie die sächsischen Bructerer durch
die Einwirkungen der fränkischen Nachbarn, der
Kölnischen Kirche und der Klosterstationen
immer mehr vom GhristenGrlauben annehmen, so
spielen, umgekehrt wie in der Kömerzeit. die
Kriege der Franken allmälig in's Innere Sach-
sens über und werden von Karl d. Gr. so plan-
mässig und nachdrücklich geführt, dass Sachsen
sich seiner Herrschaft und dem Christentum
für immer hingibt. 780 ward das Land in Mis-
sioussj)rengel. 7S2 in (irafschaften d. i. fränkische
Verwaltungsbezirke eingetheilt und diesen werden
eingeborne Edelherren vorgesetzt.
Selbstredend nahm unser Südsaum der Lippe
an diesen Kata-itrojihen und ihn-n Folgen An-
! theil: die s|)rachlichen Ablaute gegen das alt-
sigambrische Idiom erhielten durch den Zuzug
der Sachsen, die hier zahlreicher wie im Süden
sich ansiedeln mochten, neue Nahrung: er sieht
wiederholt die Züire der Franken, welche die römi-
schen Strassen und Marschlager benutzt haben,
sowol nach dem Iimerii Sachsens wie nach der
alten Feste Syburg. er hat sein Territorium 753
durch Verhaue und Verschanzungen gegen die
Franken liewehrt. .Aus den Quellen ist klar.
dass die Lippe die Operationsbasis für die Unter-
werfune <les nördlichen Landes war.'
» » ■
Ol'ÜÄTE UNI) ANDKUK ALTEKTL'MKK.
21
Greräte niid andere Altertümer.
An Denlanälern, die sicher oder vermutlich
dem grossen Zeiträume, den der Abzug der
Kömer und die Herrschaft der Franken begrenzen,
angehören, haben wir verschiedene Altertümer
des häuslichen, offen tUchen und des Kriegslebens
zu verzeichnen.
Da uns wenig Bronzesachen und — anders
wie im Norden der Lippe — keine Bronzewaffen
vorgekommen sind, so dürfte das Eisen hier
schon früh durch den Handel mit den Kömcrn
und sicher zur Zeit der Bructerer allgemeiner
behebt und gebraucht sein, und hierhin auch
das Eisenbeil mit den Metallknöpfen zählen,
welches ein Hügelgrab bei Bausenhagen um-
schloss.
Als fränkisches Altertum vom Kriege oder
vom Handelsverkehr übrig fand sich gegen 1826
bei Hohenhövel in der Nähe des Herringhauser
Berges, eine Viertelstunde nordüch von Hamm,
eben jenseits unserer Grenze, im gepflügten Felde
eine kleine Goldmünze von 0,012m Durch-
messer — die man in die Zeit der Merovinger
versetzt. Auf der Hauptseite erscheint das Brust-
bild des Königs, der Kopf mit der Strahlenkrone
geziert, die Umschrift CHOITV(L) FIT, und
im ersten Worte ein Ortsname, die Kehrseite
zeigt wie bei vielen Merovinger - Münzen ein
Kreuz auf einer Erhöhung und in der Umschrift
BETTEVINO oder BETTELINO vielleicht
den Namen Betto monetarius; dann fiele die
Münze in die Zeit Childebert's H, der von 575
bis 596 regierte. Sie gehört übrigens zu den
höchst seltenen und um so mehr fällt ihr häufiges
Vorkommen in Westfalen auf.
Nach ihrer Beschaffenheit oder zugehörigen
Fundstücken dürften als Erzeugnisse dieses Zeit^
raumes anzusehen sein mehrere Urnen, welche
zu Hamm, Herringen und Hilbeck gleichfalls in
den letzten Jahrzehnten aus geringer oder sehr
beträchtlicher Tiefe an's Licht kamen. Dahin
zählen zwei Stücke in der Sammlung des Herrn
Hofraths Essellen zu Hamm von schwärzhchem
Thon und fusslosen Bauche aus der Hand ge-
formt, in dem engen Halse und zugespitzten
Halsrande auf der Drehscheibe oder mittelst
einer Form abgeschhffen ; die eine ist schad-
I haft. im grössten Durchmesser etwa ()M<h». weit.
: gefunden in der Südenfcldmark, die andere 0,1 5w
I hoch und uiigefUhr O.lHm weit, gefunden am
Bahnhofe : von einer dritten wurde jüngsthin eine
in die Sammlung des Herrn Dr. W. von der Mark
übergegangene Scherbe am Feidick ausgegraben,
die ai.s schwärzlichem Thon mit eingesprengten
milchweissen Quarzkörnern besteht, Spuren der
Drehscheibe zeigt und einem Geschirre mit einer
Bauchung von mindestens 0,25m Weite angehört.
Der Urnenfund von Henüngen, welcher in süd-
westhcher Nähe des Dorfes gemacht wurde, hat
sich anscheinend ganz zerstreut und deshalb hier
Beachtung gefunden, weil er gemischt war mit
heidnischen Idolen; solche sind doch von den
Sachsen sogar in Gold gefertigt und eifrig ver-
ehrt, uns jedoch wahrscheinhch durch die Schatz-
gräber der frühem Zeiten, welche sie schon des
Stoffes halber suchten, wol meistentheils vorweg-
genommen. Auf der Bummannsburg wurden bei
einer Nachgrabung im Sumpfboden der beiden
Brunnen mehrere zum kleinen Theile vom Herrn
Hofrath Essellen aufbewahrte Scherben von irde-
nen Geschirren blossgelegt. die auch, wenn man
nach den Stücken das Ganze sorgfältig recon-
struirt, fast nichts Kennzeichnendes in Bezug
auf die Entstehuugszeit und den Stil und ins-
gesammt nur plumpe Formen, schwache Hals-
bildung und* schlechte Arbeit darstellen. Einige
sind von schwarzer Farbe aus einem eisenhal-
tigen mit Quarzkörnern und Holzkohlenstaub
vermengten Thoue schwach, andere aus einem
gelblich grauen Thone mit groben Sandkörnern
fest gebacken, die dritte Sorte zeigt eine grau-
liche Thonmasse mit Sandkörnern und Glasur
und theilweise einen festen Brand. Der Form
nach haben mehrere Gefasse von gelbhchem
Thone einen Henkel, einen gefranzten Fuss, eine
einem Deckel angepasste Mündung und regellos
aufgewischte Zierstriche von braimer Farbe. Eine
Scherbe enthält Glasur und die regelmässigere
Farbenzier in Form eines Netzwerkes. Wir be-
merken also an den gesammten Resten keine
römischen und urheimischen Motiv»^ mehr und
würden sie einer spätem Zeit zuschreiben, wenn
nicht jene Zierstriche einer schwarzbraunen
22
BniGEXBACTEX.
Scherbe und in zwei Reihen anscheinend eine
mit Holzstäbchen eingedrückte Verzierung vor-
kämen, wie sie Töpferarbeiten eignen, die auf
Grund von Nebenfunden der fränkischen Zeit zu-
erkannt sind. Ihr gehören also auch wol die
übrigen Reste und zwar von Schöpf- und Koch-
geschirren mit weiter Mündung und wahrschein-
lich ohne Fussrand: diese haben am Mündungs-
rande zwei sich gegenüberstehende Oetfnuiigen zum
Durchziehen eines Tragriemens oder dazwischen
zugleich eine GiessöffnunL' und eine Henkelöhre.
In dem Garten des Landwirths Reynold zu
Hilbeck fanden sich jtingsthin tief in der Erde
neben einander eine ()J)'-h)i lange F.isenstange
an einem Ende mit einer
Oese zum Aufhängen, am
andern mit zwei recht-
winklig angesetzten
.schnabelförmigen Haken
versehen — vennutlich
ein Feuergerät, einige Bo-
denreste von Gc fassen
aus einem schwärzlichen
^ ""•'- ' schieferartig verbackenen
Thune mit Knochenresten und eine grössere 0.24»/
hohe Urne. Diese (Fig. 16) besteht aus einer
weisslichen Tlionmasse. steigt ohne Fuss schlank
gebaucht und hübsch geformt bis zur einfachen
Krempe des verengten Halses empor, zeigt über
der Bauchung horizontale Wellenlinien und sonst
Näthe, die von der Töpferscheibe herrühren. So
schön auch dies Geföss erscheint, so nöthigt uns
doch das Ganze des Fundes, ihn der Bructerer-
oder der Sachsenzeit zuzuschreiben. Ihr eignet
vielleicht noch eine Pfeilspitze von jenen Fund-
stücken der Hoenburg. die wir später beachten.
Sodann wären zu nennen gewisse Stücke des
uns bekannten Lippefundes bei Werne, so eine
Pfahlwehr des Stromes, welche aus zwei paral-
lelen Reihen von PfahlgruiJpen bestand, fenier
die Trümmer von zwei kleinen aus eichenen Ein-
bäumen gehöhlten Flii>>fahrzeugen, die der
Altertums-Verein zu Münster aufbewahrt. Das
eine ist nur mit einem Ende erhalten und mit
einer aus dem Holze gesparten Quenvand ge-
theilt, das andere ist noch 0.00»? lang und in
den Seitenwandungen schadhaft. Da zur Zeit
Karl's d. Gr. der Lippeverkehr, den wir noch
unter den Römern und Altdeutschen bedeutsam
fanden, so nachgelassen hat. dass nicht eine
einzige Mutterkirche, später nicht eine einzige
Pfarrkirche am Flussufer sich erhol), so dürften
diese Einbäume, zumal sie tief im Boden steck-
ten, noch der altern, und da ihre Bearbeitung
schon von guten Werkzeugen herrührt, der Zeit
vor Karl d. Gr. antrehören.
Biii'goiiba\iteii.
^TlTas die Burgen betrifft, so \\-ürde es auf-
▼ T fallend sein, woiin der Frankenkrieg, der
seitens der Sachsen ininn r mehr defensiv aus
kleinen Wall- oder gn'issern N'olksburgen geführt
wurde, keine Spuren davon in unserm Kreise
hinterlassen hätte, wo es doch an schützendem
Wasser und Berghöhen nicht mangelte. Nörd-
lich und südlich gab es zwei Flüsse, hier auch
noch die Höhen und Bergvorsj)rüngc der Haar.
Ich vermute, dass die beiden Burgstätten
Sclieda und Ardei, die wir sjiäter als Hitter-
Iturgen wiedertrelTen, in ihren Wallgräben oder
Gräl)en iinch aus der Sachsenzeit herrühren.
Sie ki'innten dann nicht wie Eresburg und Sieg-
biirg den grossen Volksburgen, worin ein V(»lks-
heer mit Weil) und Kind. Vit-h und Habe llüch-
tete. sondern mir den Gaufesten, die den Um-
wohnern zur Zeit der Gefahr einen Rückhalt
boten, beigezählt werden. Vergi'srenwärtigen wir
uns nochmal die Situation von Aniri, so tn^ffen
wir im Westen des Osthölter Baches einen Alv-
hang. welcher im Gst^'u durch den steilen Al>-
fall, im Süden, AVesten und Norden, wo er
mit der Ebene zusammenhängt, durch einen
etwa 15' breiten Graben gedeckt ist, so dass
tler so umwelirte Raum bei etwa 70 Schritten
Breite und 1(>0 Llnge fast die Gestalt eines un-
regelmässigen Vierecks hat. Da das aupren-
zende Ackerland .Alter Hof' heilst, so mag hier
ein Graben, der diese als Vorbuni in weiterer
BraGENBAUTEN.
23
Peripherie umfing, eingeebnet und die Vorburg j
zu Ackerland gemacht sein; — genau so steht j
es ja auch mit der Burg, welche die hohe Berg- !
zunge östlich am OsthOlter Bache bedeckte, nur
dass sie mächtiger, durch Natur und Kunst \
fester war, wie \^^r unter ,Ardei' ersehen werden, i
Welche Kolle beide Nachbarfesten einst gespielt, |
erschhessen wir leicht aus den Funden, welche
man in ihrer Nähe und in dem eingeschlossenen I
Thalbecken gemacht hat, sowie aus den Sagen, |
welche sich an die Ostburg knüpfen. Ende der |
dreissiger Jahre fand man eine Urne in einem !
Hügelgrabe am Ostufer, eine zweite in dem
Westufer, später eine dritte in einem Hügel-
grabe nordöstlich von der kleineu Burg und
endlich entdeckte man beim Bau der Eisenbahn
fünf Minuten im Osten der grossen Burg auf
einem zur Ruhr abfallenden Plateau, das noch
nicht entleert scheint, deren mehrere mit Asche
und Knochenresten, welche leider gleich die Gier
nach Münzen zerschlagen hat. Und auf der Ost-
Burg, deren Südraud noch einen , Spring' hat,
kamen vor zwanzig Jahren Utensihen von Eisen,
darunter auch kleine Hufeisen, auf der west-
lichen Burg neben Hufeisen auch Schwerter an"s
Licht. An die grosse Ostburg knüpft sich die
Sage, dort hege ein Schatz vergraben, den Tags
eine Henne mit ihren Küchlein hüte, während
des Nachts ein Licht darüber brenne — die An-
wohner haben deshalb vor Jahrzehnten hier
Schatzgräberei getrieben. Nimmt man hinzu,
dass an der Südseite des Burgberges ein ,Hilli-
kenhaol' nämhch ein tiefgründiger Teich besteht,
dass hier im Mittelalter die Bank eines Gerichtes
gespannt und die Hauptburg zum Sitze der Edel-
herren von Ardei ausgewählt wurde, so ven^iin-
dem wir uns, wie einst auf so engem Fleckchen
die höchsten Inttn'essen imserer Ahn«m. die Ver-
theidigung der Heimat, die Bestattung derTodten.
die Verehrung der Gottheit und der Schutz des
Mein und Dein — Alles zusammen zum Ausdrucke
kam, und heute, wenn auch nur in dürftigen
Resten und Nachklängen, noch vor uns auflebt.
Funde und Sage geben auch dem Gedanken
keinen Raum mehr, die Anlagen seien rein mittel-
alterlich, von Raubrittern in Ermangelung der
Mittel blos aus Gräben hergestellt: sie wären
als solche, wenn man die Vorburg, wie sie auf
dem Ostvorsprunge bis in unsere Zeit vorlag,
mit tiberschaut, auch weiträumiger gewesen.
wie Mark und andere Hofburgen der Gegend.
Gleichwol begegnet uns noch eine ganz ähn-
liche und, wie Steinbaureste beweisen, gleichfalls
als Ritterburg benutzte Anlage in der Nähe ruhr-
aufwärts nahe bei Scheda, nur dass hier die
Bergzunge nach Süden gerichtet, ihre bügel-
artigen Gräben noch mit Wällen verstärkt sind.
Immerhin zeugt es von bescheidenen Ansprüchen
und Mitteln, wenn Ritter sich mit solchen Erd-
werken begnügten und auf festere oder gar stil-
volle Steinbauten verzichteten. Alle drei Werke
erscheinen mit Hoheusyburg als die westlichsten
Glieder einer Doppelkette von Bergfesten, welche
sich auf beiden Seiten den Kuppen und Vor-
sprüngeu der Ruhr entlaug zog. und wenn diese
erst völlig untersucht und klar gelegt sind,
werden auch sie deutUcher nach Zweck und
Alter aus dem Dunkel hervortreten.
Heg. H. W. I, Nr. Gl if. — L. von Ledebm-, Land und Volk der Bructerer, 1827, S. 32 ff., 147 f., 173. — Bender versetzt in der
Westf. Zeitschr. XEK, 18 ff. die drei Ortschafton Ampen, Schmerleke und Geseke, jedenfalls mit Uiu-echt, in die Grafschaft
Stark. — Ueber die Landwehr von Büdderich bis Wickede Hülsenbeck, Gegend der Varusschlacht S. 44. — Ueber die Coloni-
sationen v. Metternich, Besehreibung des Kreises Höxter (1870) I, 73, 87 ff. — Ueber die Gerichtsbarkeit von A\'elver und Dinker und
die Eufrerngreiize zu "Werl U. B. d. H. "W. I, Nr. 390; H, Nr. 891. — Ueber chattuarischen Südwestsaum Westfalens v. Ledebur
a. a. 0. S. 158. — Möller I, 50—57. — Kampschulte S. 4, 7, 30 ff., 91. — Evelt, Westf. Zeitschr. XXUI, 7—35. — Kentzler in
den Forschungen zur deutschen Geschichte XH, 321, 324, 327, 339, 312, 351. — Borggreve, die Bummannsbrrg und Hohenbursr,
Taf. n. mit 9 Abbildungen von Thonscherben. — Derselbe in der Westf. Zeitschr. XXVm, 314, 325, Taf. UI. Fig. 18—22. —
Tross und Moyer in der ,Westfalia' 182G S. 194, 225 mit Abbildung der Meroviiiirer Münze. - Ueber die germtuüschen Grab-
stätten Schafhausen, Bonner Jahibb. 44-45, S. 85 ff. — Uebor die altdeutschen Götterbilder W. Wackcrnagel. Kleinere Schriften
I, 50. — Ueber Ardei Mittheilungen des Hemi Pastors Ziu- Nioden in Fröndenberg — F. J. Pieler. Das Ruhrtluü (,18711 S. 93
und ähnliche m die Urzeit versetzte Anlagen. — 0. Mehlis in Pick's Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands lU, 123.
— A. V. Cohausen m AVestermann's Illustr. Monatsheften XI, 32G ff., Fig. 9. — Ueber die Sachseubui^en Nonlhoff, Holz- und
Steinbau Westfalens (1873) A"^. S. 113 ft'. — Local-Untersuchungon und -Aufnahmen.
Die
Denkmäler der christlichen Zeit,
(Topograpliisch.)
^
AVestfaleii, die Mark.
ir dürfeu, um nicht zu weit
auszuholen, hier nur kurz-
weg bemerken, wie die Be-
völkerung unter dem neuen
Kegimente den angestamm-
ten Gewohnheiten, Rechten,
selbst dem anfangs verpönten Gildenwesen und
den alten Beschäftigungen insofern nachlebte,
als es mit der Christenreligion und mit dem
neuen Staats- und Kriegsleben in Einklang zu
bringen war. Allgemach hebten sich die Wälder
und vergrossern sich die Ackerländereien mit
der Zahl der Bebauer. Der Name der Bructerer
behauptet sich nur noch eine Zeit lang bei den
sttdüchen Lippeanwohnern, um wie schon früher
dem Namen der Sachsen, so jetzt mehr und
mehr der allgemeinen Benennung Westfalen zu
weichen. Diese kam schon im letzten Franken-
kampfe den Westsachsen zu, griff von hier all-
mälig östlich auf die Engern diesseits und jen-
seits der Weser über, und bezeichnete endüch
gegen Altsachsen, Friesen und Franken jenen
grossen Landstrich Norddeutschlands, dessen Be-
wohner eine nähere Stammverwandtschaft im
Blute, in der Sprache, in der Sitte und im Rechte
einte. Das Herzogtum Sachsen umfasste und
verband noch im alten Jahrtausend politisch
wieder die W^estfalen mit den nordöstlichem
Sachsen, und der Herzog war nächst dem Könige
der gemeinsame Mitteli)unkt des ganzen Gebietes.
Durchgreifender und dauerhafter, weil nach
volkstümhchen Grenzen ent^\"orfen, gestalten sich
(782) die kleineren Verwaltungsbezirke, die Land-
schaften, Gaue und Untergaue, die Grafen unter-
stellt und daher allmälig Grafschaften genannt
^nirden. Die Grafen und Untergrafen sind nun
königliche Beamte, und sofern nicht Exemtionen
eintreten, die Richter und Heerführer für iin-e
Bezirke. Zum Jahre 899 regiert in unserm Ge-
biete namenthch über Methler und Apierbeck
der Graf Adalbert, 9G6 in der Gegend von Essen
Hoold, 1090 erscheint ein Graf Meinric in .Buk-
heim' unter westfähschen Zeugen, — und unter
diesen Herren waren vielleicht Ahnen der Grafen
von Cappenberg; denn diese besitzen hier später
bedeutende Güter.
Der heutige Kreis Hamm bildete ungefähr
mit der Mark den grossen Gau der Bructerer,
später, als Erbschaften die Westgrenzen ver-
wischten, einen Theil des noch grösseren West-
falengaues, der beinahe das ganze Sigambem-
gebiet wieder einbegriff, und wol von Anfang an
die Westhälfte einer Untergrafschaft, die sich
später im Märkischen Lande als Freigrafschaft
zwischen Ruhr und Lippe markirt. Wie viele
Bezirke auch den Gau der Bmcterer oder nach
seiner Verbindung mit andern den Gau der West-
falen ausmachten, sie kamen alsbald durch Erb-
gang sämmthch an das Haus der Grafen von
Werl, die auf der Scheide der Engem und
Bmcterer gleichsam vorbedeutend für ihre Herr-
schaft nach Osten und Westen ihren Sitz auf-
geschlagen hatten. Ein umfongreicher Boden-
besitz, viele Lehen und der Antheil au der Grim-
dung mehrerer Kirchen verkündeten noch lange
hin den Einfluss und die Macht, che sie im
Kreisgebiete ausgeübt hatten; das so geeinte
Land zersphtterten sclion seit dem 11. Jahr-
hunderte Privilegien für bestimmte Oerthch-
keiten, Schenkungen an die Kölner Kirche, welche
diese dann an kleinere Herren vergab, und end-
lich wieder die Erbtheilungen : auch im Nord-
gebiete der Mark, selbst in unsemi Kreise,
tauchen Machthaber mit grossem Oaer kleinem
Gerechtsamen auf, die Herren von Rtidenbei^,
deren Hauptherrschaft gleichwol ,femer lag, auf
1
28
GESCHICHTLKHE.S.
dem Oberhofe Mark, am Südabhauge der Haar
die vielleicht den Rüdenbergera entsprossenen
Edelherren von Scheda und Ardei für die Kirch-
spiele Delwig, Frömera, Bausenhagen und Frön-
denberg; in der Mitte besass Köln namentlich
das Gebiet von Unna, der Bischof von Münster
das kleine Amt Khynern, der Graf von Dale
viele Allodien, und als 1180 das alte Sachsen-
herzogtum zerliel, erwarben die Grafen von Isen-
berg, die bei Hattingen ihr altes Stammschloss
hatten, allerhand Besitzungen und Kechte in der
Mark, und gründeten um ihre Burg Nienbrügge
bei Hamm (Uesseits wie jenseits der Lippe, ein
Territorium. Die alten Besitzer, die Grafen von
Werl oder, so heissen sie nun, von Arnsberg,
müssen ohnmächtig dem Zugreifen neuer Macht-
haber im alten Erbgebiete zusehen; gleich wol
Avar es nicht das Isenl)erger. sondern das bluts-
verwandte Haus der Grafen von Altena oder,
M'ie sie bald hiessen, der Grafen von der Mark,
welche von 1200 ab fast das ganze alte Brue-
terergebiet zu einer mächtigen Grafschaft einen
und abrunden sollten. Dass sie von dem bruc-
terischen Grenzsaume ostwärts gewisse Striche
Köln belassen haben, ^^lrde früher schon er-
örtert, dass sie das Territorium dort gegen wei-
tere Schmälening zu sichern suchten, beweist
ein auf beiden Seiten mit Bäumen bepflanzter
Graben, welcher als Landwehr noch heute
gerade auf der Scheide des Kreises Hamm und
Soest zwischen Hemmerde und Holthum in der
Gegend des Birkenbaumes weithin von Süden
nach Norden hinzieht. Eine stärkere Landwehr
lag nördlich der Lippe gegen Münster.
Diese ^lachthaber. zumal die Rüdenberger.
die Ardeier, die Isenberger und die Grafen von
der Mark besiegeln ihre iwlitischen Errungen-
schaften die einen mit festen "Wohnsitzen und
Burgen, die andern auch mit Stüdten. und die
alhnälig erstarkte Ritterschaft ihre Sitze mit
Burgfesten — und all' diese Fundationen bilden
zugleich den Boden von Denkmälern geschicht-
licher oder auch kunstgeschichtlicher Art. Doch
die weitern Geschicke des Kreises verflechten
sich vollständicr in die Geschichte der Grafschaft
]\Iark und werden uns noch theilweise bekannt
werden bei der Ortskunde der Monumente.
Vcrpl. ül)or den IJnutorcr- Tind AVostfaleneau L. v. Lodobiir a. a. 0. S. 10, 127: — Seibort7. Laiido>- und ! i->
Horeoirthums Westfalen I. 220-242: — X. U.-B. IV. WJS, GIO, G12. I, 109: — über dio Tcrritnrialhcrr • n
Orafcn von Wostfalon zu Worl und Anisbenr. 1A4.">. S. 44 ff., 177: — derselbe, die Djniasten und Herren ;... .. ; V. : ^t-
falon. 1H.>"). S. H»2 ff., 73, 108, *t4 : — Kaiupsthulto. S. 15; — Kindlinscr, M. B. U. Urk. Xr. 29: — Mittheilun? des Ueirn
F. J. Mehlor zu Hommorde; — die spHtoron Artikel ...Mark", ..Nienbrütfire-', .,Aitlei", ..Unna", ..RhjTiem'".
-< O
Kirclieii2:esclii(*htli(*hes.
T \as Heidentum verlor, wie gelegentlich schon
_L/v()rkam, mit seinem Culte, seinen Tempeln
uinl rjötterbildeni seit dem 7. Jahrhunderte
nielirfacb an Boden vor dem Samen des Chri-
stentums, den die Angelsachsen, die Fran-
ken, der h. Bonifacius, christliche Kaufleute aus
dem Rhein- und AVälschlande. rheinische Kloster-
zellen und die Kölner Bischöfe ausstreuten —
Hekelirungsversuche, welclie beim l'ajiste Er-
munterung, bei den Franken Rückhalt am
S('hwert(> fanden, (ileicliwul kam es zu einer
diirclis(lilaiT( iideii h'eligioiisilnderuntr erst unter
Karl d. Gr.. der mit seinen Kriegern Mönche
und Priester in"s Land fillirte und die Unter-
werluni: der Sachsen erst für gelungen erachtete,
als sie der Kirche wie dem Reiche ein;;egliedert
waren. Das südwestliche Westfalen bis an die
Lippe, mithin auch unser Kreis, war vielleicht
782, wo er die fränkischen (irafschaften hier
errichtete, im Geleise älterer Beziehungen dem
Bistum Köln einverleibt, und dieses, dem noch
andere Bezirke Westfalens als Bistümer unter-
stellt Miirden, bei so weitgreifenden Rechten 798
zum Range eines Erzbistums erholien.
Merkwürdiger^veise stimmt der westfälische
Tlieil der Kölner Diöcese ziemlich genau mit
dem alten Sigambernlande. und als er dann in
kleinere Venraltungsbezirke zerfiel, die vordem
gemeinsam dem Ddinpropste unterstanden hat-
ten, cougnnrf wieder die D»trt munder Decanie
GESCHICHTLICHES.
29
mit dem südlippeschen liructcrerge1)iete ; können
doch die kleinen Decanien Essen und Watten-
scheid, die das südlichste Bructererland umfassen,
anscheinend nur als spätere AbspUsse der Dort-
munder gelten. Ihr gehörte also auch unser
Kreis; ihr Ostgebiet hiess gar Decanat Hamm
und dies griff ü))er die späteren Landesgrenzeu
mit den Pfarreien Biidderich und Scheidingen
auf die alte Völkerscheide hinüber. Nur fielen
im Nordosten Uentrop als Münsterische, im Süden
die Pfarren Delwig, Bausenhagen und Frönden-
berg als Filialen der Mutterpfarrei Menden und
als Zubehörungen der Decanie Attendorn aus.
Der Erzdiacon oder der geistliche Verwalter
der Decame Dortmund war ursprünglich der
Dompropst zu Köln, seit 1075 ^^/^ auf Anord-
nung des Erzbischofs Anno II. thatsächlich der
Dechant des Marieugradenstiftes zu Köln und
dieser seines Amtes stets so gewärtig, dass, als
seine Befugniss strittig oder unklar geworden
war, ihm 1293 auf Grund alter üebuug durch
schiedsrichterhchen Spruch die Kechte des
Erzdiacons für die ganze Decanie, dem Dom-
propste gewisse Gefälle davon sowie das Juris-
dictions- und CoUationsrecht über die grossen
Pfarreien Eeckliughausen , Lütge - Dortmund,
Unna, Camen, Methler, Curl und die Filialen
von Recklinghausen zugesprochen wurden. —
Doch hat der Dompropst später seine Eechte
nur über Recldiughausen und Camen behauptet.
Als Erzdiacon für Unna und Umgegend
gerirte sich bald der Abt des St. Heriberts-
klosters zu Deutz, dem seit uralter Zeit die
Collation zustand, für die Fihalen von Menden
trat thatsächlich der Dechant der Mutterkirche
auf, und er besetzte auch die Pfarrei Delwig.
Alle übrigen Kirchen des Kreises standen unter
der Dortmunder Decanie.
Was die Ostgrenze der Decanien Attendorn
und Dortmund betrifft, so scheint als ihre Grund-
lage durch alle pohtischen Wechsel und neuen
Pfarrbildungen immer noch die alte Scheide der
Eugern und Bructerer hindurch. Büdderich und
Scheidingen, wie mir scheint keine ursprüng-
lichen, jedoch an Alter weit über die Bildung
der Territorien hinaus reichende Pftirreien, blieben
bei Dortmund, die Bauerschaften Wickede und
Wiehagen bei x\ttendorn, ob sie auch politisch
(Jhurköln unterthan wurden. Dinker, eine sehr
alte Pfarre der Soester Decanie, schneidet mit
den beiden Märkischen Bauerschaften Norddinker
und Frielinghausen auffallend tief in die Dort-
munder Decanie, als ob ihre Pfarrkirche gerade
auf der alten Völkerscheide errichtet wäre; das-
selbe gilt von Welver, welches jüngerer Stiftung
ist. Und wie in beiden Fällen die westüchen
Flügei bructerischen Blutes bei der Decanie
Soest, so ver])lieb wieder der Entrern'sche Ost-
theil von Scheidingen bei jener von Dortmund.
Ist doch Werl wie wir wissen und Scheidingen
wie der Name sagt, geradezu auf der Scheide
beider Völker errichtet, als ob die Kirche hier,
nachdem sich die Stammcsgegensätze mit der
Zeit zu verwischen begonnen, eine Annäheruncr
durch den einheitUchen Pfarrverband erstrebt
hätte.
Vergleichen wir ferner diese Ostgrenze der
Decanie mit jeuer der Grafschaft Mark oder des
Kreises, so liegt die letztere stellenweise eine
Stunde weit gegen jene zurück und erreicht
sie nicht einmal zu Dinker, wovon sie doch
einige Bauerschaften einschhesst. Mit andern
Worten, Churköln hat seine territoriale Herr-
schaft in's Bructerergebiet hinweg über den kirch-
lichen Decauiesaum, der einmal nicht mehr zu
verrücken war, nach Möglichkeit vorgeschoben.
Sollen Avir genauer die Pfarrgrenzen be-
achten, so bildete im Norden die Lippe eine
ethnographische und natürliche Diöcesangrenze
— doch nirgendwo so unregelmässig, wie gerade
im Bereiche des Kreises Hamm: denn hier hat
die Diöcese Münster Antheile auf dem Südufer,
dort die von Köln auf dem Nordufer, ander-
wärts müssen Schwenkungen des Stromes Per-
tinenzien von Köln abgeschnitten und allmälig
auch kirchlich Münster zugetheilt haben. So
lag die Bauerschaft Stoclram. wo sie als Do-
niitine 858 verschenkt ward, meistentheils mi
Bructerergau, also jedenfalls auf dem Sttdufer
und bald darauf liegt sie auf dem Nordufer in
der Diöcese Münster und nur ihr süiUicher
Saum, den nun die Windungen des Flusses be-
herrschen, hängt wie das jüngere Haus Stockum
noch kirchlich mit Köln, politisch niit der Mark
zusammen; weiter östhch hätte in Vorzeiten
nach einer Deduction von 1580 die Lippe, wie
30
GE.SCHItIITLICHES.
ihr späteres Rinnsal beweise, sogar den Torcks-
platz zu Nordherrinfren als Münsterisches Gebiet
umfasst. Der ums^^ekehrte Fall hatte statt bei
Nienbrügge westlich von Hamm. Der Schloss-
antlieil auf dem Xordufer gehörte zur Pfarre
Herringen und zwar bis zu jener Bodensenkung,
die hier offenbar als altes Flussbett den geradern
Lauf der Lippe, wo sie pbitzlich nach Süden
umschweift, fortsetzt, und nachdem der Graf
von der Mark Nienbrügge besetzt und die Ein-
wohner in die Pfarrei Mark gezogen hatte, er-
hielt (12-53) der Pfarrer von Herringen für die
Verluste auf beiden Seiten eine Entschädigung:
fortab bildet die ganze Nordenfeldmark einen
Ik'standtheil der Münsterischen Pfarrei Heessen.
Verwickelter, doch auch interessanter ge-
stalteten sich gewisse Pfarrabgrenzungen ober-
halb Hamm ; hier liegen die Häuser Haren und
Uentrop mit ihren gleichnamigen Bauerschaft i-ii
auf dem Südufer, und doch, seitdem sie bekannt
werden, in der Grafschaft Mark und in der
Diücese Münster, l)is die Mark sich in der Re-
formation vom alten Diocesanverbande meisteu-
theils lossagte. Eine künstliche Verlegung der
Lippe, etwa zu Gunsten der Adelssitze, die sie
hier bespülte, lässt sich schwerlich annehmen,
weil diese Burgen bei der Christianisirung noch
nicht bestanden, und Uentrop geradezu als Mün-
sterische Pfarrei gegründet wurde; auch wäre
damit nicht erklärt, wie das Gebiet von Mark
dem Kölner S]trt'iig»'l di(^ beiden Häuser Haren
und Uentrop zur Mark geboren konnten. Die letz-
teren sind vielmehr absichthch im Scluitze der
Lippe-Labyrinthe angelegt, die wahrseheinlieh eine
haarscharfe Landesscheide verwischt hatten, bis
scliliesslich ein südlicher Lauf obsiegte, so dass
sie nun thatsächlich auf dem Xordufer politisch
isolirt waren. Dass sie aber auf dem ursprüng-
lich gleiebgültigen IJoden dem ]\Iiinsterlande
entfremdet wurden, hatte bei Haren sicher, t>ei
Lentrop wabrscbeinlich seinen Grund in <len
«'Hgereii IJezieliiMiLren ihrer Erbauer zur Burg
um! zur (inirscbaft Mark, (ieiiui:. die Wand-
hni'^'en. welelie hier die I^andesgren/.e im Kleinen.
h;it die Diöcesangrenze im Grossen und weit
fnllier mit iihnliohen Folgen durchgemacht. Die
Li|»|ie bildete nilmlicli. wie wir sjiäter unter Mark
«liirlbiiii wcnien. höchst wahrscheinlich vom
Hause Heidemühle bis unterhalb des Hauses
Mark einen Dopj>ellauf mit dem siegenden Bogen
im Norden und einem geradern Arm im Süden,
der als Geithe noch vorhegt, und umfasste da-
mit ein neutrales Gebiet, das als solches in der
Osthälfte mit Uentrop und Haren zur Diöcese
Münster, mit der Westhälfte, nämhch mit Mark,
zur Diöcese Köln gesclilagen wurde.
Ursprünglich theilten sich in deu Kreis sechs
Pfarren: es gehörte, wie bereits erwähnt, der
lange breite Sü<lsaum zu Menden, die Nordost-
spitze gen Osten zu Dinker, gen Norden zu
einer Münsterischen Pfarre, das Lippethal west-
wärts zu Herringen, ein Dreieck im Westen mit
Heeren in der östhehsten Spitze zu Brechten.
und das grosse Centrum. welches den Nord-
abhang der Haar und die Südzone der Ebene
bildete, zu Unna. Die meisten Pfarrkirchen
lagen also ausserhalb und nur zwei, welciie da-
für auch den grössten Flächeninhalt hatten,
innerhalb der Grenzen des Kreises. Alle übrigen
Pfarreien sind Filialen und wol meistens aus
Haus- oder Bauerschaftskapellen, me solche ja
noch später mit gewissen Harrechten envachsen.
nach dem Jahre lüOO zu Pfarreien erhoben, also
in jenem glorreichen Jahrhunderte, das die Cul-
tursaat der Sachseuregenten zugleich als schönes
Erbtheil für die kommenden (.Teschlechter zei-
tigte. Bis dahin sind die durch Wege, Mal-
stätten und Götterculte ausgezeichneten Bauer-
schaften die Magnete der Kirchentrründunuen.
hernach, als die kleinen Herrschaften sich bil-
deten, werden es die Burgen und Städte. Zu
Ausgang des ^littelalters kommen auf den Kreis
21 Pfarreien und mindestens S Klöster.
Die Zeit der Pfarrgrimdungen kann hier
nicht genauer verfolgt, jedoch schon einiger-
massen aufgehellt werden durch die Patru-
nats-, Collations- und andere Verhältnisse, und
hierüber noch ein Wort. Dass der Erzbischof
Unna und Herringen, dann Bönen und Berge
an das St. Heribertsstift in Deutz schenkt,
spricht filr ihre frühe Stiftung, zumal da auf
die meisten übrigen Kirclien — ('amen etwa aus-
genitmmen — weltliche (irosse Anrecht«' hab«'n.
<lie nur ihrem Antheile an der Gründung eiit-
tliessen werden. So kennzeiclmet das Patronat
■l'T <Jr;if«n v.m ■\V.rl oder Amsbenj ;j1^ fnib.'
jij;iL
31
Fiüalpfarreieu Hemmerde und Frömeni, viel-
leicht auch Bausenhagen und Flierich, ander-
seits legen der Güterbesitz oder andere Be-
ziehungen Cappenherg's zu Uentrop, Hilbeck
und Methler die Vermutung nahe, dass die dor-
tigen Kirchen unter näherer oder entfernterer
Gunst der Grafen von Cappenberg sich ent-
wickelten. Die Fatronatskirchen der Grafen von
der Mark sind jüngere Stiftungen, so jene zu
Hamm, Drechen und Heeren ; waren die Kirchen
älter als ihre Herrschaft, so sind die Rechte
ererbt oder erworben. Von Hemmerde lässt sich
das urkundlich nachweisen, von Mark. Rh3'nern
und Lünern mit Kecht mutmassen.
Weil übrigens von den Mutterkirchen keine
an der Ruhr und Lippe entstanden, so müssen
die Flüsse als Verkehrsmittelpunkte kaum mehr
in's Gewicht gefallen sein, wie denn auch 1495
der Plan der Soester. den Soestbach und die
Ahse für kleine Lastschiffe fahrbar zu machen
und damit über die Lippe den Rhein zu erreichen,
an dem Widersprache der betheiligten Regie-
rungen und der Mühlenbesitzer scheiterte.
Die weitere Kirchengeschichte des Kreises
bis zur Gegenwart verläuft klarer und zwar in
allen "Wandlungen als Bruchtheil einer grossem
Einheit: das gilt nicht nur vom Mittelalter,
sondern auch von der Reformation, von den
gegenseitigen Beziehungen der Confessionen zu
einander, von der Union der protestantischen
Bekenntnisse und der neuen Diöcesaneinord-
nung der Katholiken in unserm .Jahrhunderte.
Mehrfach führten diese Wandlungen auch hier
zur Herstellung neuer kirchhcher Denkmäler;
die Monumentenkunde wird darüber das Ge-
nauere und mehrfach Neues in Betreff der ein-
zelnen Ortschaften beibrinc^eu.
Reg. H. AV. I, 677, 9G. 100, 101, 102, 113 ff., 120 ff.. 128, 13G, 206; — Evelt a. a. 0. XXm, 28; — Kampschulte, S. 5, 2-5 f.. 33 f.,
71, 81, 91, 195, 198, 206, 208, der in der beigefügten Karte die Decanie Soest auf Kosten der Pfarre Dinier heschneidet ; vergl.
H. Böttger, Diöcesan- und Graugrenzen Norddeutschlands. III, 31; — N. U.-B. I, Nr. 22; II, Nr. 912; — Tibus a. a. 0. S. 16,
236 ff., 626; — F. v. Modem in Wigand's Aielüv. I, 2, 28 ; — Liber collatorum ... bei Bintenm und Mooren, Alte und neue Erz-
diöcese. I, 331 ff. ; — über die Schiffbarmachung der Lippe Evelt in der AVes+f. Zeitschrift XXTS'. 122. - Local-rntersuchung.
-4^
Die Denkmäler der christüchen Zeit suchen
wir auf von Ort zu Ort und fügüch in der
Folge, dass wir zuerst die Ebene der Lippe,
sodann das Hügelgelände zwischen ihr und dem
Haarstrang und endhch dies breite Hochland
selbst durchmustern.
Das Ijippeg'ebiet.
Heil.
Kapelle und
Jjeginnen Mir unsere Rundschau im Westen,
so brauchen wir nicht weit vom Ufer zu weichen,
um neben den uns bekannten Spuren der Vor-
zeit auch Jüngern Stätten, Ruinen oder voll-
endeten Denkmälern zu begegnen, deren Ge-
schichte und romantische Erinnerung uns an-
zieht. Gleich zu Heil im Amte Pelkum hegt
neben der Königslaiidwehr und dem Hellwege
der alte Schultenhof, welcher schon 1122 Heile,
später auch vielleicht nach einem altern lOange
Hele geschrieben wurde. Denn hier war, wie
Lippefunde.
uns erinnerhch, die sagenhafte Behausung eines
Riesen und vielleicht eine Cultstätte der Ur-
göttin Hei, in christlicher Zeit eine Kapelle.
Die Ueberheferung begründet ihren Bau so : Als
einst zwei Grafen von Cappenberg (um 1085)
zu einer Volksversammlung aufzogen. Miirden
sie im Walde Grevenloh von den Knechten ihres
Lehnsmannes Eckerick meuchlings erschlagen.
Der jüngste Bruder Graf Godfried IL. welcher
wegen einer Fuss^^'unde zu Hause gebhebeu und
somit der Unthat entgangen war. lässt zum
32
HEIL.
Heile der Seelen an der Schreckensstätte eine
Kapelle errichten, die hiernach Seelen -heim,
später wie der Hof Heil genannt wurde. Die
Mörder sind öffentlich hinj,^erichtet, die Kinder
der unglücklichen Eltern vom Oheim wol erzogen
worden. Nach einer andern Wendung, der jedoch
die Genealogie der Cappenherger Grafen wider-
streitet, wäre der Mord erst 1102 begangen
und die Kapelle eine Stiftung Godfried's HJ., der
1122 sein Schloss in ein Kloster verwandelte.
Wie die Kapelle war auch der Hof Eigentum
der Grafen, sein Schulte sammelte hier die
Zehnten des Klosters und konnte 1299 — \\ie
wol wenig Bauersleute — in der Klosterkirche
eine ]\Ieniorie stiften. Noch heute schaut die
stolze Klosterpropstei als Besitz der Enkel des
grossen Ministers vom Stein von einer schönen
Berghöhe des Nordufers weithin nach beiden
Seiten in das Lippethal auf dessen Höfe, Dörfer
und Städte ebenso freundlich wie kühn liinab.
Die letzte Kapelle war nach alten Karten
länglich viereckig, der schmalere Chor gewölbt
und gerade geschlossen, und. wie die stilvol-
leren Steinreste erwiesen, ein spätgothischer
Bau, welcher im Mauerwerk aus rohen Bruch-
und Backsteinen, in den Fensterstüben, abge-
schrägten Kippen und zwei Schlusssteinen aus
Grünsfindstein bestand; einen der letzteren zierte
ein Stern, einen andern eine Rosette.
Die ICapelle bot auch, als die Gemeinde
Herringen nu'istentheils der Reformation an-
hing, den umwohnenden Katholiken Raum für
den öffentlichen Gottesdienst, den hier zuweilen
(in Franziskancr-rater aus Hamm abhielt: seit-
dem das Kloster ('ai)penberg, dem sie als Erb-
stück des Grafen unterstand, (1808) aufgehoben
und das Pfarrecht der katholischen Kapelle zu
Nordherringen geregelt war. vfrlor sie alle pri-
vate oder allgemeine Bedeutung und ihr letztes
Gemäuer fiel 1878.
Etwas weiter oberhalb Heil hegen die alten
Lip])eübergänge und hier war es, wo der Durch-
stich des gewundenen Flussbettes ausser dem
reichen Funde heidnischer Altertümer auch
einige Gegenstände des ^littelalters zu Tage för-
derte, die mit jenen in der Sammlung des West-
fähschen Alterthumsvereins zu Münster beruhen :
PjS sind ein 0.14;» hohes Töjjfchen von ge-
wöhnhchem etwas glasirtem Thone und grau-
licher Farbe, am verengten Halse mit braunen
netzförmigen Strichen verziert, mit trichter-
f'irmigem Munde mit gefranztem Fusse, — und
zwei horizontal gereifte, ursprünglich bräun-
hch glasirte Henkelkrüge aus einer Idäulich-
grauen mit Sand vermischten Thonmasse von
gerader Mündung und wellig gerandetem Fusse,
dereine 0,207;». der andere 0.104;;; hoch: so-
dann zwei Schwerter, das eine in allen Theilen
von Stahl und Eisen zweischneidig 0.164;;; lang
und in der ]\Iitte 0.039;;; breit, das andere in
drei Stücken, auf der einen Seite in Silberniello
verziert mit drei liegenden complicirten Kreuz-
zeichen und nächst dem ersten mit den Buch-
staben S R. welclie als Sigismundus rex gi*-
deutet werden. Das eine gleicht diesem fast
völlig, zumal im Griffe, der bei beiden vorne
einen Rund-Knopf und eine gerade Stange hat.
Allein die Form (U's Knaufes und der Parir-
stange sowie die Hohlkehle der Klinge sprechen
eher für das 13. wie für das 1.'). Jahrhundert —
und den beiden Henkeltöpfen ähnliche (Jeschirre
reiclu'ii am .Mittelrhein in das frühe Mittelalter
hinauf, wenngleich sie hier zu binde auch mit
spätmittelalterlichen ^lünzeu entdeckt werden.
Vorher S. T, Id, 11. W. V.-U. IM, Nr. 1, i:«t!i; - CmI. .1. \V. 1. üki; - (■ioi>l.<TL' in il. \Vi>>tnil. 7 ' MI. i;«: v. StPinon.
ncschn-ibiiiii,' «U-r (iiittei-lilluscr C'ii|ii)oiiliiT>r uiul Scliola, Dorlmiiinl 1741. S. IV; - Hiumn'-i att isi'i. U. Quartal,
S. '.11; - Kmiipschiilfc, S. 7'.t; - »orvknvvo in .1. \Vo>tnU. Zoitschrift XXVIU. .•i-M. .S-.M. T J, 3. 4, 15, H". mit Ab-
liildunir <U<r LijipofuiKlo ; -- Mitthoiluiitfou «los Hüttu Düvcton« Dr. L. LimltMischmit zu Mniiu; — L<«»ciil-L"ntiTsu(*unir.
►^^
i
Stockiiiii, li(j(jiibvir^.
litn-iuMi 1111(1 Altei'tümoi'.
Is Xaturfesten wurden Von Alti-rs her lii'-r die höhen, oder wo das Terrain es gestattete. In-ide
Gi\rtel des Wassers, dort die steilen Berg- zugleich bmutzt und von Menschenliänden mit
BUKOEX UND AI.TERTDlEIi.
33
allerhand Zutliaten verstärkt, so class sie von
Natur und Kunst gleichmässig bewehrt und so
vertheidigungsfähig waren, als es den Mitteln
der Besitzer Avie der Angreifer entsprach. Selbst
unser kleiner Kreis enthält dafilr zahlreiche
Belege.
Es erhoben sich Bergfesten auf den Vor-
sprüngen der Haar hoch über dem Euhrthale,
Wasserburgen in den Niederungen oder an ge-
schickt geleiteten Bächen; eine ganze Kette
von Wasserburgen lag an den Ufern der Lippe
oder auf den Inseln, welche vormals der Fluss
mit seinen wunderlichen Biegungen oder gar netz-
artigen Verschüngungen bildete. Von Stockum
bis zu der Nordostspitze des Kreises, welche an's
Ufer stösst, werden uns ungefähr eine "Reihe
begegnen und von diesen vorab die westüchsten
in Betracht kommen. Da folgen auf das Haus
Künthe (Eennethe), das anscheinend schon
1277 erwähnt und nach mehrfachem Besitz-
wechsel in bürgerhche Hände übergegangen ist,
die beiden Häuser Stockum (Stocheim), das
eine auf der Märkischen, das andere auf der Mün-
sterischen Seite inmitten einer gleichnamigen
Bauerschaft. Mt ihr war Stockum konigüche
Domaine, als solche 858 vom König Ludwig
an die Abtei Herford geschenkt, von dieser in
ein Amt verwandelt, dessen stolze Bauern im
Mttelalter geAvissen Forderungen der Aebtissin
Trotz bieten konnten, weil sie noch nicht hörig,
sondern pfüchtig waren. Da der Landcomplex
früher im Bructergau und die Bauerschaft
später auf dem Nordufer der Lippe lie^'t, so
muss durch eine tückische Wendung des Flusses
der Kerntheil vom Südufer abgelöst und damit
das Hoheitsverhältniss gleichfalls stark alterirt
sein; denn während beide Ufertheile als ein
gutsherrhches Amt der Abtei Herford ihre alte
Verbindung bewahren, untersteht che Bauer-
schaft im Norden Münster, der Rest am Süd-
ufer Köln oder Mark. Daher liegt der Haupt-
sitz Stockum als Mittelpunkt der Hoheitsrechte
und später als Lehen von Herford im Müusteri-
scheu, das zweite Haus Stockum in den Lippe-
windungen als ein Märkisches Lehen ; dort wohnt,
wie man glaubt, als Nachfolger der Herren von
Stockum 1290, und anscheinend schon lange, der
Ritter Godfried von Hövel mit seinem Sohne Her-
man, hier wohnt 1307, wol erst kurze Zeit ein
Sohn oder Neffe Godfried's, nämhch Ritter Lam-
l)ert von Hövel: daher ist es der Weihbischof von
Münster, welcher dort 1384 (hm Kirchhof einer
Kapelle weiht, und der Erzbischof von Köln,
welcher hier im genannten .Jahr dem Ritter
Lambert von Hövel, vorbehalthch der Pfarr-
rechte von Herringen, gewisse Vergünstigungen
für dit Kapelle seiner Bürg gewährt. Nachdem
diese als Lehenbesitzer die Famihe von Hövel.
von Kraighe (?), Knipping, von Hugenpoth.
von Berchem gewechselt, ragt nur mehr auf
einer Lippeinsel kahl und vereinsamt die Stein-
ruine des alten HeiTenhauses unter dem Namen
,Hugenpoth' empor, von Moos und Gras über-
wachsen, von allerhand unheimlichen Sagen um-
flogen. Näher herantretend unterscheiden wir
noch in dem Trümmerhaufen von Back- und
Werksteinen den Stumpf eines alten Thurmes,
südlich davon die dunkeln Wölbungen der Keller-
räume, und nur die Profile einiger Gesimse und
die Ornamentik von Säulenstücken weisen auf
das Ende des 16. Jahrhunderts als die Bauzeit
hin. In der That hatte Victor Knipping nach
anderweitigen Nachrichten das ,schöne' Schloss
1563 erbaut, sein Sohn Dietrich es einer fürst-
lichen Residenz würdig ausgestattet; — die
beiden kunstsinnigen Bauherren werden uns in
den Bildern ihrer Leichensteine zu Hamm
wieder begegnen.
Etwas östhcher nach Nord-Heningen hin
liegt in mächtigen Umrissen der Doppelhüs:el
der ,Hoenburg' oder der sogen. .Hoenberirs-
Knapp', der eine halb kugelförmige Theil im
Norden auf dem Saume der Lippe-Niederung, der
andere innerhalb eines Aussengrabeus auf dem
Rande des trockenen Landes. Dieser verhält
sich auf den ersten Bhck zu jenem, wie eine
mittelalterUche Vorburg zur Hauptburg, hat
auch bei grösserer Bodenfläche eine Gestalt, die
der Eine viereckig, der Andere rundhch nennen
kann, und vielleicht wie manche Burg und Stadt
der altem Zeit ausser dem (Wall)graben keine
weitere Befestigung gehabt, als Planken und
Palisadenwehr; jener vormals durch einen Gra-
ben geschieden erscheint im Kerne als eine Land-
zunge oder als ein Saudhügel der einst näher
fliessenden Lippe und durch einen Mauergürtel
34
STOCKTM. HOEXBUEG.
r
mit Seitenthürmchen, wovon man vor ungefähr
zwanzig Jahren die Fundamente entdeckte, auch
kün.stlich fortificirt und ebenfalls wie manch'
kleine ,Wohnung' nur mit Fachwerkbauten be-
setzt, als welche wir auch die "Wirthschaftshiiuser
des Vorwerks anzusehen haben. Deckte doch
das ganze Werk im Norden die starke Wallung
einer bis in unser Jahrhundert erhaltenen Land-
wehr, im Süden die Niederung und die Wasser-
wehr der Lippe; — so behelflich wurden die
Kittersitze in der altern oft noch in der spätem
Zeit angelegt, so weisUch passende Bodenfigura-
tionen dafür ausgebeutet, damit es möghchst
weniger Kunstanlagen und Geldmittel bedurfte,
woran es mir zu häufig gebrach. (JeschichtUch
ergil)t sich auch, dass die Hoenburg 1388 von
der Familie von Herringen und jedenfalls nicht
lange bewohnt war. Waim sie verlassen wurde,
wissen wir nicht; genug, bei der erwähnten
Nachgrabung hat sie eine Menge Altertümer,
Waffen. Hausutensilien. Töpfchen. ]\Ietallgeräte
von Pferdegeschirren und verschiedenartiges Ge-
stein geliefert, doch eben so wenig wie das
Graben- und Hügelprotil trugen diese Stücke
einen Zeitcharakter, der dem Mittelalter fremd
oder rümischer Technik vorzugsweise eigen wäre.
Das gilt hauptsächlich von den beiden Huf-
eisen und dem Spuren mit pmmidalom Dorn,
von der Kandare, von den an Geschirren gi»-
brauchten Ringen, vt»n dem Charuierüberzug mit
Streifen von Kupferblech oder Bronze (?), von
einem Schlosse, das augenscheinhch an einem
Koffer gesessen, von dem irdenen Töpfchen, den
hei ln»t blichen Resten einer auf der Drehscheibe
geformten Urne und den fünf Pfeilspitzen, deren
einige frühstens aus fränkisch -sächsischer Zeit
stammen; nur eine ist oben schon als römisch
angeführt und vielleicht noch von den Franken ge-
braucht. Das aufVilUig verzierte Irdengeschirr mit
Löchern kömmt wol kaum mehr dem Mittel-
alter zu. zumal da fast alle diese Fundstücke
nicht aus dem Gesammtbereiche der Burg, son-
dern aus einer viereckigen an drei Seiten um-
mauerten Vertiefung, also wahrscheinhch aus
dem Brande eines Fachwerkbaues herrühren, dem
man aus Oekonomie sogar an der Thürseite
eine steinerne Schwelle versagt hatte, indess ein
crewöhnliches trocknes Bruchsteinmauenverk die
Fundamente der drei andern Seiten bildete.
Altertümer und Erdwerke lassen sich römisch
um so weniger an. als man schwerlich für ein
so zweitheiliges, in jedem Theile verschieden
und im Vorwerke gar unregelniässig eingerich-
tetes Werk eine annehmbare Bestimmung finden
dürfte. Und den Hauptflügel für eine römische
Warte zu halten, hindert doch wol der Mangel
an weitem Ringwerken und Funden.
Das Gemäuer weist entschieden auf das
Mittelalter und das nicht heimische Gestein.
Trass und Rothsandstein, welches auch nur in
schwachen Resten ausgegraben ist. lässt sich
als römisches Baumaterial nicht aussondern, weil
das römische Kriegsvolk anscheinend in den
nordischen Gegenden auf den Steinbau so gut wie
völUg verzichtet hat ; der Quarzkuauer vMirde vom
Annaberg zu Haltern als besseres Baumaterial
zu SchifiTe vertrieben und daher vielfach in der
Umgegend der Li])j)e gefunden, die ziegelartigen
Bausteine sind Trass. der vom Rhein in Forai
von Backsteinen namentlich für Backöfen l)e-
zogen MTirde. Auch die Sage, wek'he Herr Hof-
rath Essellen mir überliefert, auf der Hoenburg
seien einst vornehme Herren ansässig gewesen
und von dort nach der krausen Linde, d. i. Nien-
brügge bei Hamm verzogen, wo sich in der Lippe
ein eisernes Thor befinde, enthält doch höchstens
den Nachklang einer einstmaligen Commuuica-
tion zwischen beiden Burgen in mittelalterlicher,
nicht heidnischer Zeit.
Vdrhor S. '.), 11, li>. '.?.•. — I'oIkt Stockum : lioschichto der Horren von dor Rocko. S. 255 ; — v. Lodp»mr «. «. 0. S. 35 : — Wilm»n». di«
KniüOiurkuiidoii dor Pnniiiz Westfalen I. 145; — Stoirh, Mnnumonta üieditn I, IW: — Fahne, H''5vol 1. ?'. *J. P)<« KTviemf-
KC'lmrt SUickiim ist nirlit mit Fnhiio n n. 0. I. 152 hier, t;<inden> mit SeiWrte. AVestf. Zeitsrhr. 2s. K'i w ' '.xli-n
T\\ Mirhen. — v. Steinen III, '.M'.t f. : - (Umt H<x'ntmnf: v. Steinen UI, SM^i; — »»ollen in der WesfflU ff
- ilentellK«, Heschiehte der .^iirnmlieni S. SM-ixl; - derM>ll>e, iln* R'"niL»che C«stell Ahw) (ls')7i S. 17. : ^^'■•^^
Anrnnhmo nnd p<nnuen diirrh Alil'il<luncen erläuterten Ik>schrt>ilmnir der Funde, die wie d«» Werk w -.' it
verxctit wenli'n ; — dontellK». Bonner .Inhrlib. Sit-;-*», S. 20T ; -- H<"'lzermann n. n. O. S. T«f. XXU. mit i^ - ;uh-
ti<>ns]>lnno. rnson.<r SC<>ichnuni; lieirt i\\ (»ninde die AufnAhme F. A. IVinnnrre"» «n.« »einem Mji. in der HiMi ■ili> k '!•■> ,Mt«.>r-
thnm» -Verein» (MUnntor): Die Uuraannsdurv und die HiHMilmn:. 1S71. T«f. V.; — über die Grundform der mitteUlleri. Dürr««
Xonlhnff n. n. O. S. 241— aö. — Local-Untorsuchtuur.
KIRCUEXBAU.
35
Miethler
Der Ort Metlere kommt schon 809 im Gebiete
des Grafen Adalbert, ein Gerhardus von
Medelere 1152 urkundlich vor, dieser hatte jeden-
falls seinen Sitz in Altmethler, wo vormals eine
später den Herren von Bönen zuständige Burg
lag. 1172 klingt der Ort Metlere, 1178 Meithr.
Das Vorkommen der Ortschaft Altmethler deutet
schon an, dass das Dorf und die 1189 zuerst
genannte Pfarrei Methler jüngerer Entstehung
sind; wuchs doch auch der Cult der h. Mar-
garetha, der die Kirche geweiht ist, hier zu
Lande erst mit den Kreuzzügen. Obgleich sich
der Kölner Dompropst 1293 auch für Methler
die Anstellung des Pfarrers vorbehielt, sind es
die Grafen v. d. Mark, welche das Patronats-
recht 1318 dem Kloster Cappenberg schenkten.
Die Gemeinde nahm etwa 1580 das Lutherische
Bekenntniss an und trat vor einigen Decennien
der evangelischen Union bei.
Der Ivirchen/bau.
Die Kirche (Fig. 17), eine reiche Blüte des
sogen. Uebergangsstiles , liegt hoch und frei in
einem anmutigen fruchtbaren Wellengefikle und
gilt mit Recht für das ruhmwürdigste Bauwerk
der Gegend ; w^ährend in der Eaumdisposition und
noch mehr iu der Ornamentik die Formen des
Rundbogenstiles nachklingen, melden sich in
den constmctiven Bögen und in den sclilanken
Verhältnissen zumal im Innern die Morgen-
strahlen des Spitzbogei"3. Wilhelm Lübke hat
das Bauwerk und den herrüchen Cj-clus seiner
Wandgemälde entdeckt und den kt\n;;tlerischen
Werth mit begeisterten Worten gewürdigt : .Hier
ist es ein unscheinbares Dorf, das nie grössere
Beachtung für sich in Anspruch nehmen konnte,
und doch besitzt es eine verhältnii^mässig ge-
räumige lürche, die nicht allein durch eme fast
einzig in diesen Gegenden dastehende Zierüchkeit
3G
METHLER.
und reiche Verschwendung von brillanter Sculj)-
tur- Ornamentik ausgezeichnet ist. sondern auch
durchweg in allen Theilen einen Schmuck von
Wandmalereien darlegt, der von nicht minderem
Aufwände künstlerischer Kräfte und materieller
Mittel zeugt.'
Es ist ein kleiner Bau, mehr in den Huhen-
als Lilugenmaassen und besonders dadurch zu
wirkungsvoller Schönheit entwicki-lf. il.i-- zumal
im Innern die constructiveu
Gliederungen in ihrer sin-
nigen Anlage und Ausge-
staltung mit dem ornamen-
talen Reichtum harmoniren
und wetteifern. Das Aeus-
sere tritt weit schlichter auf.
Der etwa im Beginne des
12. Jahrhunderts errichtete
Wcbtthurni zeigt ein al-
tertümliches Gemäuer von
unirleichcn Steinschichten,
einen ruudbogigen Eingang
zur Kirche , rundbogige
Scha Hoffnungen und in der
Mclirzalil derselben noch ein
Miltelsilulchen, im Blend-
bogcufelde darüber eine
Kundotfnung. ein Abschlussgesimse von Kehle
und Wulst und ein vierseitiges Pyramidendach.
Hohe Bruchsteine mit der glattem Schmalseite
nach unten gekehrt bilden das Gewölbe der
Unteretage.
Das grünliche Material der ganzen Kirche
ist, wie es heisst, den Hölien bei Fröndenberg
entnommen und daher nicht nur der gelbhche
Mischton, sondern auch die ttbermilssige Ver-
witterung zu erklären, die namentlich im Stlden
die schöngefügte Blendschicht derart mitge-
nommen hat, dass eine baldige Restauration un-
umgänglich ist. Sonst gewahren wir im Aeusseni
einen gerade geschlossenen Hoehchor. niedrige
polygone Seitenchörehen, einfache Langwände,
die indess in UebereinstimmuuLT mit den Ge-
wölbefeldern durch matte Lisenen in zwei läng-
liche Conipartiniente zerlegt und über jedem
Theile mit einem hohen Giebel bekrönt sind,
so dass das Hauptdach durch deren el)en>o hohe
die kahler behandelte Xordseite in jedem Com-
partimente zwei Spitzbogen-Fenster, doch keine
Lisenen enthält, durchbricht im Süden das eine
ein rundbogiger Eingang, das andere ein von
einem vortretenden Rahmen umfasstes Klee-
blattpurtal, das seithch zwei schlanke Säulcheu
flankiren. die in spitzbogige Rundsta1)-Archivolteu
auslaufen, indess den eerade abgedeckten Rah-
men ein Rundbogeufries. dessen ZMickelflächen
ein vertiefter Vierpass ziert.
Darüber öffnet sich ein gros-
ses Radfenster, in den neuen
Speichen aus eckigen, in der
Umfassung aus Rundstäben
gebildet, daneben über der
einfachen Thilröffnung drei
schlanke Spitzbogenfenster,
deren mittleres höher auf-
steigt. ?]ine spitzbogige (»eff-
uung im Innern der Xord-
wand und eine ebenso ge-
schlossene Thür in der West-
wand des südlichen Nel>eu-
schifl'es sind vennauert. Das
Kranzgesimse des Mauer-
werkes Itesäumt au der Süd-
wand des Chores und au
dem Ostgiebel des stldlichen Seitenschiffes ein
RundboLTeiifries, dessen Schenkel auf Consoleu
stehen. Nun das Innere I (Fig. 18. 19) Ein weites
Hauptschilf mit dem <{ua<lratischen drei Stufen
hohen Chore und jederseits ein nicht viel
schmaleres und gleich hohes Seitenschiff mit
einem eckigen wirkungsvollen Chörchen, jedes
Schiff Ijedeckt mit zwei Kreuzgewölben, die in
der Mitte auf einem Pfeilerpaare zusammen-
kommen, nach aussen ebenso \ne die Chor-
wölbung auf Wandsäulchen nihen. Welche
Schönheiten offenbaren die stützenden Glieder!
(Fig. 20. 21, 22) wie zierlich sind die Wand-
säulchen. wie wechselvoll die Pfeiler, wie nMch
sind unter dem Scheine constructiveu Beilürf-
nisses die Pilaster gegliedert zumal au den
Seiteuapsiden, im Hintergründe und an den
Ecken des Chores, der ohnehin wie zum Ersatz
für den geraden Schluss an den Untenväudeu
mit Arkaden verschönert ist. indess Fenster die
(iuerdächer günstig unterbrochen wird. lüde»» « »Ix'rwände durchbrechen. Rundstäl"' mit (\>|ii-
KIRCHEXBAU.
37
tälen oben zu Archivolten zusammüngeliend um- llund.säulchen schlank glockenförmig, in einer
fassen das Hauptportal und die Fenster; die Fenstereinfassung auch kämpf" rartig gebildet,
grösseren Capitille sind etwas breit, jene der die Kämpfer sch\rung- und wechselvoll com-
#fe«^^7^'^Wk/i?
ponirt, Capitäle, Kämpfer, Platten, selbst der
Sclilusstein des mittlereu Gewölbes mit Ge-
^Q flechten und Ornamenten, die das
Thier- und Pflanzenreich, die Phan-
J^ tasie oder auch die verwandten Tex-
'^ ' -^ til- und Metallkünste nahe legten, in
[ hohem Kelief reich und doch so pas-
send geschmückt, als wären sie dem
Innern entwachsen; und damit harmoniren die
verschiedenartigen Eckblätter der attischen Basen.
SS.
Die Muster und der Schnitt der Ornamente, die
Gesimsghederuug, die Säulenbasen, die runden
Kippen, die mit Kundstäben verstärkten Gurten
des Chores folgen noch romanischem Formen-
canou; rundbogig geschlossen erscheinen die Ar-
kaden und grossen Fenster des Chores, wie die
kleinen der Xebeuapsiden und der eine Eingang,
dagegen zeigen Kippen, Gurten und die übrigen
Fenster den Spitzbogen, die Omameute ein
hohes Kehef, die umrahmenden Archivolten am
Laughause die Umfassung von Kingen, Die Dis-
position, Avelche nicht nur in allen Schiffen (he
Gleichzahl der Gewölbe, sondern schon eine
auffallende Breite der Abseiten bezweckte, die
schlanken Ghederungen, das Lichtvolle und Gra-
ziöse, das der kleine Zierbau darstellt, ver-
dankt er bereits der Frühgothik. die sich also
hier zu einem wunderschönen "V\>rke mit der
Spätromanik die Hand gereicht hat.
Wir versetzen dasselbe, da wir anderwei-
tiger Kunde über die Bauzeit gänzlich entbehren,
nach dessen Stilcharakteren in die Mitte des
13. Jahrhunderts, imd zwar mit um so grös-
serem Fuge, als sie jOueu der Osttheile des
Domes zu Münster, die zweifellos damals im
Baue begriffen waren, vielfach ähneln. Ist doch
an beiden Stellen der Bau von Osten nach "Westen
voraugeschritten. Die glückhchste Zeit der deut-
schen Vergangenheit spiegelte sich also in einer
kleinen Dorfkirche "Westfalens so klar wieder.
38
3IETHLEE.
Wandeemälde.
Das ganze Innere der Kirche prangte Jahr-
hunderte im hehrsten FaH)enschmuck', der erst
in den letzten Decennien des voriseu Jahr-
hunderts durch Uebertünchung den Augen ent-
zogen wurde, bis W. Lübke, als er 18öl die
Kirche untersuchte und zeichnete, durch ein Ge-
meindemitglied aufmerksam gemacht dieselben
im Chore und in den Xebenapsiden meisten-
theil-s blf)sslegte, die erreichbaren zeichnete und
deren Kunstwerth in der (Jeffentlichkeit hervor-
hob. Auf Veranlassung des Staatsministers a, D.
Freiherm E. von Bo<lelschwin£rh. der auf dem
benachbarten Hause Velmede wohnte, nahm
dann der Conservator F. von Quast aufs Ge-
naueste di«' iranz»* Kirche in Auir»'nschein. legte
n<X'h mehrere Wandgemälde offen und bewog
die Königl. Re^erung zu Arnsberg, behufs voll-
ständiger Kestaunition Zeichnuncren und Kosten-
anschläge ausarJK'iten zu lassen. Auf Grund
derselben wurden die Kestaurationsarln-iten (vgl.
die iK'iden Phot4>-Litho<rraphien) unter seiner Auf-
sicht l»egonnen, die Kosten theils von der Ge-
meinde, grösstentheils aber durch die Muni-
ficenz des Königs Frie<irich Wilhelm IV.. der ein
(inadengeschenk von 2<m)0 Thlm. gewährte, be-
stritten. In den Jahren 1858 59 frischte der
Maler Fischbath von Unna die Wandgemälde
des Chores und der '"' "len getreu nach
den alten Spuren wie«i :id sein ^litbürger
Decorationsmaler Mann erneuerte oder fertigte
die farbiiren Ornamente im Lanshause. Aus
Mangel an Mitteln bhel)en nämlich die Bilder-
cyclen des Langhauses, welche mit ihrer farbigen
Zierbasis noch spärlich durch die Tünche zu
erkennen waren, verdeckt: die Wände erhielten
daher einen neuen blassrOthlichen Anstrich, alle
Gewölbe einen himmelblauen mit Sternen be-
setzten Ton, die Ziersculpturen. feinem Güede-
runffen, (turten und Kippen eine verschieden-
farbige Decoration von allerhand Arabesken-
musteni nach den vorhandenen S Mit
Aufnahme der l>eiden westlichen \^ , i-ter
hallen die I*feiler mit den Capitälen einen heU-
irrauen. einfaehen T<»n. die kleinen Säulchen der
Chorarkaden gar Marmonmstrich erhalten, die
Gewölbokappen des Mittelschiffes sind durclF
rothe Bänder mit gelben Mustern in Felder zer-
lest, die Ripf>en mit grünen Bändchen besäumt,
jene des Chores jedoch zunächst noch mit einem
hellen Zickzack besetzt. Vorwiegend kommen das
Blau. Goldgelb. Grün imd Roth zur Verwendung,
das letztere von den dimkleren bis zu den hellem
Tönen, welche oft bis zur ünkenntüchkeit unter
dem Kalke gelitten hatten. Goldgelb zeichnet
die erhabenem Bildungen der Capitäle an den
Fenstern und den beiden Wandpfeilera im Westen
gegen die dunkleren Tiefen aus. Die Farben
sind an Gesimsen. Einfassungen überhaupt an
glatten Werkstücken auf den blossen Stein, an
den aus Füllwerk bestehenden Flächen wie an
den Wänden auf einen Verputz aufgetragen. Die
Westwand der Seitenschitfe unterbrach in den
Flächen von Stuck gebildet südlich eine präch-
tige Rose von Wai: ' " i. im Xonien ein
grosser Stem. jetzt i :- ein farbiges Rad-
fenster. Da die figuralen Malereien der Seiten-
apsiden nur sehr verstümmelt zu Tage getreten,
die Geldmittel beschränkt waren, so wurden
hier blos die Bildrahmen wieder hergestellt,
sonst an Rguren in der nördUchen nur die Ge-
stalt des h. Johannes des Täufers, in der süd-
üchen das Bild des Salvators und das eines
Bischofs, der die Kinder segnet, vielleicht der
h. Nikolaus. Der Täufer, welcher in der Rechten
die Palme, in der Linken zusammen mit dem
Mantel ein Medaillon und darin das Lamm
Gottes, hält, zeigt bei edler Gewandunir eine
gute Kopfcontour, ausdracksvoUe grosse Augen,
hagere Züge und eine etwas affectirte Haltung.
Betrachten wir nun die Wandgemälde, wie sie
heute und namentlich wie sie nach ihrer Bloss-
legung wirken und wirirten, so haben wir es
wesentlich nur mit jenen des Chores zu thun,
die auch als die Krone aller übriiren in I: ' '
und Ausdruck zu gelten hal>en. Sie bauen
den Baugliedenmgen angepasst, bis zu den
S< • n der Gewölbe gleichkam archi-
tcK wenn man will in Gmppen. auf.
Während nämUch die Wandtheile unter dem
G' '1 un<l ursprünirli'^h wol
bh . , .... ...xchmnck und Vorh"ui_^.v
die bei der Restauration in Farben hei^p-
W.\-\DGE3IÄLDE
39
"~^
wurden, belebten, sind die oberen vom spitz-
bogigen Schildgurt begrenzten ungefähr auf
halber Höhe der Fenster in zwei Zonen oder
Geschosse für Malereien zerlegt, die auch auf
solcher Höhe erst zur richtigen Imposanz ge-
langten. Die erste Zone (unten) nehmen paar-
weise zwei seitüch von Ziersäulchen, oben von
Thürmcheu und Kuppeln umrahmt, die Ge-
stalten der Apostel, lebensgross, angethan mit
den altrömischen Gewändern und theils gekenn-
zeichnet durch ihre Symbole ein: Petrus und
Paulus stehen an dem vornehmsten Platze der
Ostwand — gedrungene Figuren mit kräftigen
Köpfen und Backenknochen, in Stellung und
Geberde etwas ungelenk mit einander verbunden.
Einzelne Gestalten wirken höchst erhaben, ent-
weder durch das Sylphidische oder Engelhafte
ihrer Erscheinung oder durch die weiche fast
mädchenhaft zarte Gesichtsbildung. Herrüch
ist der Apostel mit dem im Deckel von einem
Kreuze verzierten Buche. In den obern Zwickel-
flächen zu Seiten der Fenster hegt die zweite
Zone mit je einer Figur über einem Farben-
sims: und zwar erscheint an der Ostwand
ünks vom Fenster der Engel, eine schlanke Ge-
stalt mit fliegenden Gewändern und ausgebrei-
teten, geschickt dem engen Baume angepassten
Schwingen, um mit dem bedeutsam aufgeho-
benen Finger der Kechten der h. Jungfrau rechts
vom Fenster den Grass zu bringen, die in ihrem
golddurchwirkten Purpurgewande, das als Schleier
die Stirn mit bedeckt, bewegt, fast wie aus ihrer
demuthsvollen Stimmung aufgeweckt, ergeben die
Hände dem Beschauer entgegenhält, indess neben
ihr eine Blume blüht: an der Südwand ebenso
vertheilt die obersten Blutzeugen der h. Stephanus
und Laurentius: dieser eine kurze Gestalt mit
ovalem, schön gezeichnetem Antlitze, bekleidet mit
dem reichgeschmückten Levitengewande, hält in
der Linken den Rost, während die erhobene Rechte
den Kampf und Sieg verkündet. An der Xord-
wand gegenüber erscheinen zwei weibhche Hei-
lige, die eine mit Diadem, golddurchwirktem
Gewände und dem Schwerte in der Linken,
welche man für die h. Ehsabeth von Thüringen
oder, da deren Ciüt hier nur sehr beschränkt
war, mit mehr Fug für die h. Helena hält, die
andere kennthch am Diadem, der Palme und
dem zertretenen Drachen ist che Schutzpatronin
der Kirche, die h. Margaretha. Diese vier Ge-
stalten der Xord- und Südwand stehen in Kuppel-
nischen, die Figuren der Verkündigung dem
engen Räume gemäss blos in sphärischen Drei-
ecken; über jedem Seitenfenster breitet ein Engel
ein Spruchband aus. Die dritte und höchste Zone
büden die Kappen der Gewölbe, welche durch
einen farbigen Horizontalsims unten etwa auf
der Höhe der Schildgurten von den langen
Zmckeln gesondert und durch radiante Zier-
bänder in zwei verticale Felder zerlegt kuppelartig
in einem mit goldenen Sternen besäeten Blau,
v,ie der Himmel, je mit ihren Heiligengestalten,
welche die goldene Himmelskrone verherrhcht,
aufsteigen : und zwar thront in der östhchen der
Gemeinde zugekehrten Kappe in der Ebene der
Verkündigung und der ersten Apostelpaare ,Chri-
stus, von einem reichen rehefartig mit Stuck auf-
gelegten Gold -Nimbus das Haupt umgeben, in
einem ähnlich behandelten grossen Medaülon.
das von zwei schlanken Engelgestalten gehalten
wird. Li den Gesichtszügen des Herrn sieht man
deuthch, wie hier die selbständig schöpferische
Kraft des ]\Ialers noch der Bann tj'pischer Ueber-
lieferung fesselt, während sie an allen übrigen Ge-
stalten sich in voller Freiheit erging. Es ist die
althergebrachte, feierlich -strenge Auffassung der
byzantinischen Mosaiken; langes Oval des Ant-
Utzes, gespaltener Bart, lang herabwallendes in
der Mitte gescheiteltes Haar, lange schmale Xase'.
Die Lippen des vollen Mundes sind weich ge-
schwungen, die Brauen schön gewölbt, die Augen
dunkel und gross. Bei der Freiheit, womit der
Künstler das Typische milderte und veredelte,
verrückte sich, jetzt kaum noch merkhch, der
Mund und verfällt der gross angelegte Falten-
entwurf der Verknitterung. Mt der Rechten er-
theilt der Herr den Segen, mit der Linken hält
er das Buch des Lebens offen mit der Stelle:
Ego sum via, veritas et vita und zu Seiten
seines verklärten Anthtzes stehen die apokalyp-
tischen Schriftzeichen ^ und ß. Dieselbe Dar-
stellung, die herrUchste und schönste von allen,
findet sich in der südlichen Xebenapsis imd hier,
wie ttbüch, umgeben von den Symbolen der
Evangehsten, dem Engel, Löwen. Adler, und Stier.
— Links von ihm auf der südlichen Kappe steht
40
3fETHLER
mit zwei Bischöfen, vielleicht Hieronymus und
Au^stinus, in jugendlicher Schöne der h. Evange-
list Johannes; er hillt ein Spruchband mit der
theils in römischen, theils in gothischen Majus-
keln ausgeführten Inschrift: In principio erat
verlntni, ]Mehr als diese "Worte bezeichnet ihn
je<loch die wahrhaft mystische, ilcht apokalyp-
tische Tiefe, die erhabene Schönheit des Gesichtes,
das in edlem Oval von den frei wallenden Locken
umgeben ist und dessen grosse braunen Augen
mit den ktlhn geschwungenen Brauen wunderbar
ergreifen. Grösser und gewaltiger mag niemals
die Kunst den begeisterten Seher gedacht haben.
Nördlich zur Eechten des Herrn stehen diesen
drei Milnnern drei Frauengestalten gegenüber,
eine dann als die Himmelskönigin, dann als
Personification des alten Bundes gedeutete Ge-
stalt mit Spnichband, wallendem Schleier und
prachtvoller Krone, die h. Catharina mit dum
Rade, ^laria, Lazarus Schwester, mit dem Sall)en-
glas in der einen Hand, die andere offen aus-
gestreckt. Die HiUipter aller Gestalten von unten
bis oben umrahmt ein goldener Heiligenschein.
Was nun den Zusammenhang dieser drei Bild-
kTeise anbetrifft, so stellt der untere wesentlich
die Gründung, der mittlere den Kampf, der
hiichste den Sieg der Kirche dar und hinwiederum
die Ostwand, der vornehmste Augenpunct der
<JliUibigen, unten die Apostelfürsten, mitten den
Engelsgruss als das niU-hste Signal der Mensch-
werdung Gottes, an der Kuppel den im Himmel
thronenden Salvator — eine einfache und doch
gewaltig ausgeprägte Doppel -Tricliutomie der
hehrsten Ideen des Christentums.
"Wie die Farl)en aufgetragen, welche die vor-
herrschenden sind, wissen wir. Bei den Gemillden
macht das schwache Blau die allgemeine Gnin-
diruntr, Blau, Ixotli und Braun sind die Farben
der Zierbaldachine.
Die Malerei besteht der architektonischen
Unterlage getreu, wesentlich aus Contouren ; doch
sind bei einer reichen Farbenscala die in gell)-
licher Fleischfarbe gehaltenen Gesichter bereits
durch braune Striche charakterisirt, jene der
(lewr.lbeligun'n, das des h. .lohaiuies ausgen<»m-
men, mit liraunen, selbst mit grünen Trmen, den
Xachklilngen byzantinischer Figuren , schattirt,
dunklere Abtömmgen nuch in den Gewändern
fast tiberall, selbst bei Johannes dem Täufer in
der Seitennische vorgenommen. Dass die Ma-
lereien der südlichen Chonvand kaum Schattirumr
in den Gewändern, breitere Gestalten, über-
haupt geringere Formschönheit oflFenbaren, deutet
am Ersten auf eine Ausfühmng des Gesammt-
werkes durch verschiedene Meister. Uelx^r den
ganzen Bilder- Cy eins ergiessen die splendiden
Goldelemente und Goldaufträge von den gold-
glänzenden Gewändern einzelner bis zu den Zier-
den des Hauptes aller Figuren einen Schimmer
imposanter Pracht und Erhabenheit. Die Dia-
deme und Ornamente der Gewandsäume sind
in Gold ausgeführt, die in den "S'eqnitz einge-
tieften Heiligenscheine mit ihrer mannigfaltiijen
Ornamentik, der Nimbus und das Thron- Me-
daillon des Herrn, die in Stuck aufgehöht sind,
glänzen von Gold. "Wie die kleine Kirche in
ihrem baulichen Bestände, so treten uns ihre
Malereien als Blüten einer Zeit entgegen, die alte
mit neuen Formen verquickte und die erhalx-n-
sten Ideen auch mit stofflicher Pracht ausdrückte
und ausdrücken konnte. Durch ihren romani-
schen Grundton klingen sie an die Malereien
der Nicolai-Kapelle in Soest, durch ihren Farben-
schimmer an jene des Domes zu Braunschweig
und an die in der Restanration beöndlichen
Gewölbemalereieu des Domchores zu ^lünster.
durch manche Züge der Auffassung und Technik
greifen sie mehr wie diese hinweg über roma-
nische Formen und Technik. Erwägt man, dass
Graf Gerhard von i\vv .Mark 1201 Itis 1272
Bischof von Münster und vielleicht wie der Ein-
weiher, so auch der Urheber der "Wandmalereien
seines Domes war, sein Haus nähere Bezii>-
hungen zu Met hier hatte, so dürften die hiesigen
Gemälde unter dem Einflüsse dieses Kirchen-
fürsten geschaffen sein. Es schliessen auch
schon mehrere Nischen der Figuren, selbst im
Chore, mit einem Kleeblattbogen I
Die Anordnung und Zeichnung hält sich
durchschnittlich noch an romanische T\7K'n und
dabei erreicht sie auch grossartigen Erfolg:: wo
aber (Ut Meistor darüber hinausgeht, irrt er
leicht in's Unrichtige und Gezierte wie bei der
Haltung der Hände oder tlem GesichtÄUisdnicke
ab; denn bei seiner reichen Farln^nscala schattirt
er Gesichtor und Gewänder, individualisirt er
V£B8CHIEli£.\E UEXK3IÄLEK.
den Ausdruck, wie es ihm auch geli)if,'en maJ,^
und horcht damit bereits, wie die Kirche mit
ihren constructiven Gliedern den Klängen eines
anderen, als des altgewohnten Kunstgeistes,
nämüch jenen der anrückenden Gothik. So be-
zeichnen die Kirche zu Methler und ihre "Wand-
malerei baulich und malerisch einen Ab.schlu»s
in der Kunstgeschichte des Landes; noch einen
Schritt weiter und man stand mit beiden Füssen
in den neuen Formen, welche die Gothik angab.
An<lere Denkmäler.
An Ziersculpturen treffen wir in einer nörd-
lichen Chornische noch einen kräftig gegliederten
Wandschrank der Spätgothik. Die dem spitz-
bogigeu Tjmipanum gegebene Unterlage ist oben
gerade mit einem Blumenkamme abgeschlossen,
in den ZwickelHächen mit Blenden verziert, zwei
davon sind wol nicht viel später mit Figuren
bemalt. Die bemalten Wandflächen zu Seiten
des Schrankes enthalten auf dunklem mit Blu-
men bestreutem Grunde je einen das Weih-
rauchfass schmngenden Engel und darüber einer-
seits eine stehende Gestalt, anderseits einen
betenden Mönch, vielleicht den Donator. Die
Köpfe haben individuellen Ausdruck, die Ge-
wänder steife Falten, die Farben eine missglückte
Abtönung.
Einen silbernen Kelch von 0,18«^ Höhe kenn-
zeichnen sechs Blätter des Fusses, ebenso viele
Seiten und ruudbogige Blenden des Ständers,
ein mit Facetten und Buckeln verzierter Knauf
und eine etwas nach Aussen geschweifte in-
wendig vergoldete Cuppa. Bei dieser Mischung
gothischer Construction mit neuzeithchen Orna-
menten gehört er in die erste Hälfte des 1(5. Jahr-
hunderts.
Eine tüchtige, reiche Arbeit nach einer In-
schrift des Schalldeckels aus dem Jahre 1701
ist die Kanzel. Während Moses und die Evange-
listen ihre Seiten einnehmen, beleben die Ge-
simse und Ecken Engelköpfe und schwere Festons
— Alles gut geschnitzt. Treppe und Stütze
sind neu.
Die kleine auf mehrere Füsse gestellte Taufe,
wie die Kanzel von Holz, aber von viel sclüich-
terer Ausstattung, trägt die Jahreszahl 1740.
Von den drei Glocken sind zwei inschrift-
lich 1719 gegossen und zwar mangelhaft in der
Fonn und Schrift. Die dritte und grösste vom
Jahre 1486 zieren drei Reifen über dem Schlage,
je zwei flachere begleiten oben und unten, wo
sie noch mit einem lang herabhangenden Blu-
menkamm besetzt sind, die Inschrift, die mit
Auflösung der Abkürzungen lautet:
S" Margareta so hyn ich genant,
Geboren van den heyden,
\'an ich ro(pej, so komt to haut
Dat gy van gode nicht enscheiden.
Anno DComini; mcccclxxxvi die Kiliani I. H. S.
Im Blattwerkbesatz steht : Jolian van Dorp-
mund goet nii — ein Meister, von dessen grosser
Thätigkeit noch viele Arbeiten in der Mark, im
Kölnischen, Münsterischen und Lippeschen Zeug-
niss ablegen.
Aus dem .lahre 1-544 stammt das Schlag-
Uhrwerk. — Die Orgel ist laut den Kirchen-
rechnungen seit 1652 total reparirt oder viel-
mehi- umgebaut zuerst von Conrad Wienbräkcr,
dann von Sylvester Heilmann ,perfectionnirf.
die ganze Ausführung anscheinend bis 165(3 ge-
leitet von dem Organisten Albert aus Dortmund.
Die jetzige Orgel hat laut Inschrift 1708 8o
Sylvester Hcibnann aus Herbern aufgestellt,
Gosivin Heihnann 1746 reparirt. 1812 wurden
die Bälge, Claviatur, Register und andere Theile
von Nohle aus Eckenhagen erneuert, damals
auch für einen neuen Altar das Bild des (je-
kreuzigten von David Schmidt aus Unna gemalt.
Noch früher als die Wandmalereien, nämlich
in den Jahren 1856/57 wurden die architek-
tonischen Restaurationen gleichfalls unter Lei-
tung des Couservators F. von Quast vorgenommen,
die Bühnen aus den Seitenschiffen entfernt und
die Orgel und Kanzel vom Chore, wo sie seit
1812 gestanden, an passendere Stellen versetzt,
die Fluren mit besseren Steinplatten belegt und
uördüch an dem Chor eine kleine Sakristei an-
gebaut. 1859 gab auch Dahlhajis aus Lünen
den Möbeln einen Anstrich in Holzfarbe, voll-
endete Bildhauer Schnecker in Unna den stil-
vollen Altar aus Werler Grünstein und fertigte
42
JIETHLER.
für (lit-'sen Welter -Bleisscm aus KOlu ein
Crucifix und neue Leuchter aus goldfarbigem
Messing: die Zeichnungen für die letzteren wie
f(ir den Altar waren vom Conservator vm Quast
entworfen.
Auf dem Kirchhofe liegt der G^ah^tci^
der Oertnid Elisal)eth Mallincrodt f 1^79 17 9.
der Ehefrau Dietrich's
Stinweg, Past<jrs zu
Methler. mit ihrem Vrai>-
pen, im Thurme au der
Wand das grosse vier-
eckige aus einem weis-
sen Kalkstein gefertigte
Denkmal der 1023 ver-
storbenen Frau von
Schwansbell zu Aden,
geborncn von der Kecke.
Ihr Doiij)('lwai)iM'n be-
findet sicii in der Mitte, darüber in eckigen
Feldern und Medaillon -Umrahmung die vier
Wappen V. d. Kecke, daneben Stael. Sjirenge.
daneben Schelle oder Sclieve, darunter Pletten-
berg, hieneben Schade, darunter Hatzfeld, da-
neben Xesselrat.
X(X'h um die Mitte des vorigen Jahrhunderts
traf man an der Südseite des Kirchhofes das
Mauerwerk einer der h. Maria und dem h. Chry-
sogunus geweihten Kapelle. Sie diente vor-
mah den IJesitzera des Hauses Oberfelde als
Hrbbegrilbniss. und da 1470 ein Kichard von
Hünen zu Oberfelde mit Friederich Norrentin
darin besondere Vermiichtnisse stifteten, so dürfte
sie nicht viel früher erbaut worden sein. — Jetzt
steht südlicli der Kirche ein steinernes Denk-
mal der 1S7(I,71 gefallenen Krieger der Ge-
meindi' von liem Bildhauer Drccvtcr zu Dort-
mund.
Nordwestlich von Methler breitet sich in
.schöner von liochgebauten AVald|)artien unter-
brocliener Lmdschaft der Hurgplatz Velmede
aus mit schmucklosen, steinernen Wirthsehafts-
gebiluden und den Resten eines Hinggrabens
und eines Laubcnganges: das neue Herrenhaus,
ein Miieksteiiiliau. steht links vom l-angange zum
Uurghof)- nntl birgt aus früheren Hauten noch
Wappenschilder sowie einen langen Stein mit
zehn Wappen aus dem Jahre IGOo. wahrschein-
lich die Brüstung eines alten Camins. Das Gut
gehört .schon Jahrhunderte der freiherrhchen Fa-
niihe von Bodelschwiugh.
Vom Hause Aden erübrigt nur mehr die
Mühle: ein neuer Bau ist südlich vom alten Burg-
platze und an höherer Stelle aufgeführt.
Ein merkwürdiger
BurL'platz ist das Haus
Oberfelde. — als läng-
liches von einem Graben
umgebenes Viereck, wie
es auch eine ältere Land-
karte (Fig. 23) zeigt,
misst er an der nörd-
lichen und südlichen
Schmalseite etwa 150
Schritte, an den beiden
Langseiten, wovon die
östhche nicht ganz regelmässig, etwa 300 Schritte
und an Fläche uugefilhr 15 Magdeburger Morgen.
Während die viereckige Endlläche im Süden und
die schmalere im Norden Baumh<»fe sind, wurde
und wird der gros.se rechteckige ^littelraum bis
auf den schmalen Strich im Westen, der die bei-
den P^ndflächen verbindet und früher mit einem
Walle bedeckt war, von den Gräben und Bauten
der eigentlichen Burg eingenommen, die also
östlich fast an die Zingel stösst. Der Graben ist
im Osten und Westen geebnet, im Norden zu einem
Teiche erbreitert und darin eine viereckige Insel
ausgespart, die heute ein Taul)enhaus mit Mau-
sarddach trägt und wol der l)esch)iittene Best
des alten Hauptjdatzes ist: denn von einem
grössern Bau zeugen Pfilhle in der Tiefe des
Wassers. Auf dem gr«)ssen Voqdatze. der jetzt
den Hof ])ildet. liegt gegeuül>er der Insel der
Brunnen fast genau in der Mitte des Gesammt-
werks, links vom Eingange im Osten das steinerne
Herrenhaus, zwei Geschosse hoch üljcr den
Kellergelassen, ihm gegenüber in drei unregel-
mässigt'ii Flügeln das Wirthschaft^gebäude ge-
lehnt an die Umfassungsmauer, welche an der
Nordwestecke noch die Reste eines Thurmes ent-
hält, sodann dem Graben entlang den Binnen-
jdatz südlich abschliesst und vonnals an allen
vier Ecken Thtirme gehabt haben soll. Sollte
im Mittelraume die Insel als die Hauptburg.
BUUU UND fJTADT.
43
.r
ihr grosser Vorplatz als die Vorburg einer mit-
telalterlichen Anlage gelten können, so erscheinen
immer die Grösse und das Regelmässige der
Gesammtanlage, das selbst auf die Einzelheiten
wieder bestimmend wirkte, ganz eigenartig, da
sie ebenso weit von den fortificatori sehen Grund-
sätzen der Neuzeit wie des Mittelalters abweicht.
Oder war hier ursprünglich eine romische Schanze
und ist darein später die Burg unter Beseitigung
des Kernwerkes und der Aussenwälle verlegt?
Oberfelde liegt an der alten Strasse von Lünen
nach Unna ; Haus und Gräben waren kaiserliche
Afterlehen der Volmestein'schen Lehenkammer,
die zugehörigen Güter frei.
Vorher S. 27, 29, IG. — N. U.-B. IV, Nr. G03; ü, Xr. 942; — Reg. H. W. .ir. 178.5; — Cod. d. W. Xr. ä50, 399, 491; — v. Steinen
a. a. 0. n, 907 ff., 957, 913 ff. ; — derselbe, Besclireibunp; der Gotteshäuser Cappenbera: und Scheda, S. 24 u. Urk. 3; — Kind-
ling-er, Volmestoin H, Nr. ü9A, 69 B; — Kampschulte, Kirchcnpatrocinien, S. 1.07; — Bädecker-Hcppe, Zur Geschichte der evanre-
lischon Kirche Rheiiüaiuls und "Westfalens (1870) U, 11."); — Lübke, Die mittelalterliche Kunst in Westfalen (IViS) S. 196, .327 ff.
mit Bamletails und AVandsemiüden, Taf. XI, XV, XVI, XIX, XXV, XXX; — derselbe im deutschen Kunstblatt, IVA, ü. 310;
— Hotho, Malorschulo II. van Eycks I, 124 ff.; — Krapp, Bericht über das zu ilethlor am 11. December 1W9 gefeierte Dank-
fest für die L'lücklieh beendigte Kircbenrcstauration ; Chronik der evanirel. Gemeinde Methler, S. 123 — 128 — Beides Handschriften
des Pfanarchivs ; — Die Gutskarte von Oborfelde bei Herrn Schulze Berge zu Aden. — ilittheilungen des Herrn Pa-stors Pl'Jger ;
— Lokal-Untersuchung und -Aufnahmen.
Cameii.
B^T^•2: ■an.ci Stadt.
Camen in den ältesten Wortformen als Kamena
oder Camene und 1179 zuerst als Ort er-
wähnt errang seine geschichtliche Bedeutung als
Pfarrstätte, .Landesburg mit Burgmannshöfen,
als Stadt und Sitz eines Klosters und gab fast
all' diesen Seiten seiner Vergangenheit in Bau-
und Kunstwerken Ausdruck. Vor Camen stand
ein Freistuhl auf dem Hemelinghofe, angeblich
dem jetzigen Harlinghofe zu Overberge.
Die Landesburg ist hier, wo das Wasser der
Seseke leicht den natürlichen Schutzgürtel ab-
gab, wenn nicht schon früher von andern Herren
sicher gleich von den Märkischen Grafen, nach-
dem sie die Besitzungen der Isenberger genom-
men, eingerichtet und ihre Befestigung 1243
im Vertrage mit diesen ausdrücklich vorbe-
halten. Zwanzig Jahre später war Camen mit
Gräben und Planken umwehrt, um in der Kölner
Fehde ausgebrannt und 1278 zur Sühne des
Kölner Erzbischofs geschleift und vorerst ohne
Mauern wieder fortificirt zu werden. Doch 1287
kann Graf Eberhard hier schon sein Hoflager
halten, neue Ansiedelungen dehnen sich nament-
lich im Nordosten der Kirche aus und der feste
Ort überkommt 1342 die vollen Stadtrechte,
nach und nach sogar doppelte Wälle, dreifache
Gräben, sechs Thore innerhalb eines Mauerringes.
Die Stadt führt vielleicht von der Seseke-Mühle
ein Kammrad im Wappen, darüber als gräf-
Uches Emblem einen gemirfelten Balken, sie
nimmt gegen 1400, wo sie die höchste Blüte
entfaltet, unter den Städten des Landes den
zweiten, sonst den dritten Bang nächst Hamm
und Unna ein und wird auch Mittelpunkt eines
kleinen Amtes. Die Thore mit ihren Werken und
Thürmen sind 1820/22 niedergerissen, die Gräben
und Mauern streckenweise, letztere als Euinen.
geblieben. Das alte Rathhaus bestand bis 1680.
ein grosses und massives gegen 1400 aufgeführtes
musste 1823 dem bestehenden weichen. Beim
Wirth Köpe findet sich ein brauner Trink-
krug von Raerener Steingut, am Bauche geziert
mit den Darstellungen tanzender Bauern imd
lustiger Musikanten, inschriftlich aus dem Jahre
1583. lieber dem Bildwerk steht der Vers:
Kert du mus dapr blasen
So dansen dei buren als weren sei rasen
Fri ut spricht bastor
Ich verdans di kap i':it en kor.
Das Gefäss hat 0,19»/ Höhe. Deckel und Fiiss
aus Zinn, am weiten Halse Quemefungen, ver-
ticales weit abstehendes Linienwerk am obem
und untern Theil des birnförmigen Bauches,
IvTäftigen Henkel mit enger Oehre. Ein vom
Kreisbanmeister HammacJicr entworfenes und
von Hchvcg zu Paderborn ausgeführtes Denk-
mal für die 1870/71 fürs Vaterland gefallenen
Söhne der Stadt und Gemeinde besteht aus
6*
44
CAMEN.
einer mit dem Bronceadler besetzten korinthi-
schen Säule über einem hohen Postamente.
Eine eigentümliche Farbe verlieh dem städti-
schen Leben (üe Burgmaunschaft — sie. die
den Kern der Stadt gebildet hat und 1280 nächst
Mark und Altena rangirt. Die Burghöfe, deren
im (jAiv/j'n zehn gezählt sind, lagen mit Wuhn-
und AVirthschaftshäusern später, wie heute noch
der Vugelsche. meist zerstreut an der Zintrel und
erfreueten sich zum Theil besonderer Freiheiten
von städtischen Lasten; bevor jedoch die Stadt
ihre weitesten Kingwerke hatte, machten sie mit
ihren Werken und Zingeln die Hauptfortitication
des Ortes aus. indem sie sich gewiss wie ander-
wärts um die Burg des Landesherren oder dessen
Stellvertreters gruppirten. Von ihnen umringt
lag das Schloss jedenfalls auf dem bis m unser
Jahrhundert imi wallten Gartengelände im Westen
der Kirche und ward von den Grafen, die hier
in älterer Zeit auch residirten und einem Grund-
stücke den Namen Grafenwiese vererbten, an
einen Zweig der Herreu von der Recke zu Lehen
ausgethan. Die Ansicht, sie sei der Ursitz der
Recken und diesen vom Grafen von der Mark
gerauVtt. entbehrt der thatsächlichen Begründung,
wenngleich die Reck'schen Allode und Gerecht-
same auf Camen als den Mittelimnkt gravitiren
und ihr Eintluss auf die Stadtverwaltung sehr
henorraqrend Mar.
Doch älter als das
Schloss. spätestens ihm
gleichalterig war das
Gotteshaus; dem h. Se-
verin geweiht kann es
wol in den ältesten Zeiten
bestanden, jedoch erst im
neuen. Tahrtausend Pfarr-
rechte für seinen wahr-
scheinlich von Herringen
und Brechten abgelösten
S|)rengel erhalten haben;
musste doch das noch
westlicher gelegene Hee-
ren dem Pfarrer zu Brech-
ten noch lange eine Ab-
gabe als Zeichen vorma-
liger Abhäntri'jkeit ent-
richten! l>ie Pfarre Ca-
men rangirte nach Unna
unter den grossen Pfarr-
stellen, deren Besetzung
sich der Ivölner D<jm-
propst 120;i gegenüber
tlem Archidiacon sicherte,
als beide über diesen
geistlichen Administra-
tinnsbezirk sieh endirüi-
tig einigten: die Kirche
bedienten laut Zeugnis-
sen «li'r Jahre 1 :?.')'.• und
V
1516 merkwürdigerweise
mehrere .Pfarrer und
zeitweise zwölf Vicare.
Der vorhandene Kir-
chenbau ist sicher der
dritte in der Reihe der
Steinbauten : der erste
entstammte, wie der noch
erhaltene Kirchthumi.
der romanischen Zeit,
jedenfalls noch dem 12.
Jahrhundert, ebenso wie
die Capitäle. Basreüefs
und Mauersteine, welche
der Südwand des gothi-
schen Baues einirefüsrt
waren. Nachdem näm-
lich der Ort zu einer
zahlreichen Einwohner-
schaft mit Stadtrechten
angewachsen war. ge-
nügte die alte vermut-
hch einschiffige Kirche
nicht mehr und schon
gegen 1:^70 ward der Bau
einer grossem in Angriff
genommen; denn \'M4
erlaubt Lnbl>ert vom
Northofe das von sei-
nem Vater zum Kirchen-
bau verkaufte Holz im
j-'
KIRCHEXBAU.
45
Dombruche so lange stehen zu lassen, bis es
zum Baue, also zum Dachwerke, verbraucht
werden könne. Zwei Jahre später gestattet der
Erzbischof Friedrich von Saarvverden, dass wäh-
rend des Ausbaues der Severinskirche auf vier
Jahre sowol im alten als im neuen Kirchen-
gebäude Tragaltäre benutzt werden dürften. Die
lürche, welche hiernach wesentlich in den Jahren
1370/80 erstand, war jener (Fig. 24, 25) grosse
gothisehe Bau. welcher 1843 abgebrochen, doch
25.
glücklicherweise im Grundrisse und Durchschnitte
gezeichnet worden ist. Es war eine dreischiffige
Hallenkirche von ansehnhchern Breiten- als
Höhendimensjonen , mit einem fünfseitig aus
dem Achteck auf kurzer Vorlage construirteu
Chore, über den Langwänden mit Giebeln, im
Osttheile mit einer Gruft versehen. Zwei Eck-
säulen am Chore, drei Paar stämmige Rund-
säulen stützten in der Mitte, Wandsäulen an
den Seiten die Gewölbe; nur das westUchste
Stützenpaar bildeten Pilaster, und die Rippen
des Chores entsprangen anscheinend unmittelbar
aus der Mauer. Das Mittelschiff deckten Stern-
gewölbe, die erhebhch schmaleren Seitenschiffe
und die Chorvorlage Kreuzgewölbe, die Fenster
des Chores waren dreitheihg, mit einer reichern
Gruppirung von Drei- und Yierpässen beki'önt.
die der Langseiten vielleicht noch reicher ent-
wickelt, die Profile der I:;ibungen (Fig. 26) und
Rippen zwar schUcht aber kräftig entworfen, die
beiden Portale der Langseiten jedenfalls ziervoll
behandelt. Die Säulen zeigten ein einfaches
Sockelgesims, ein kurzes kämpterartiges Capital,
die Streben nur die nothwendigste Güederimg
und jene auf den "Winkeln eine schräg. Stellung.
Alle diese Eigentümlichkeiten harmoniren vor-
trefflich mit der Bauzeit: den alten constructiven
und schönen Formen reichen schon die flackeren
1
46
CAMEN.
Steinsockel
der Spätzeit die Hand. — nach dem Vorwalten
dieser oder jener einzelnen Bautheileu, wie dem
Chore, ein jüni,'eres Alter beizulegen, wäre ein
,^^^ unnützes Bemühen: jedenfalls er-
„ scheint dieser Bau im Ganzen als
/.PI) ein einheitliches "Werk und als
ein sicher datirtes Muster der
grössern Hallenbauten auf der
Scheide der frühem und sitätern
Gothik. Die Jahreszahl 1440 an
einem nordwestlichen Pfeiler zielte
schon nach v. Steinen's Ansicht
auf eine Restauration, der auch
der Pfeiler mitten vor der West-
mauer des südlichen Seitenschiffes
entstammen mag.
Die gegenwärtige Ivirche, ein
moderner Ziegelbau mit Brucli-
und Streben, nmd geschlossenen
Fenstern und Thüren, flach gedeckt und nur
über der fünfseitigeu Apsis gewölbt, ist 1849
i'ingf.'wciht. In der südlichen Chorwand ist ein
kunstreiches Erl)theil der alten Kirche ange-
bracht, ein 0,47»/ grosses Messing -Epitaph
(Fig. 27): es stellt in einem mit Nasen besetzten
und entsprechend umrahmten Vierpass über einem
S7. Wappen einen
Kelch dar mit
der Umschrift :
Anno Domini
l520 die Ti-
burtii obiit vc-
ncrabilis domi-
nus Gerhardus
de Werne pa-
stor huius ec-
cle>ie , hie se-
]uillu>. Re(iui-
o>cat in i)ace. Schon das Blattwerk als iimerer
Besatz des Vierpasses gleicht so sehr dem ent-
sprechenden Ornamente auf (ilocken Dortmunder
Meister, dass man diese für die Urheber iles
getsllligen Stückes halten darf.
Den Altar schmückte ein grosses Tafel-
uc ni.il de der Kreuzigung — wahrscheinlich vom
.Meister des schüneii Triptycbons in der Kirche
zu Cappenberg — also ein Kunstwerk aus der
Frühzeit des D). .lahrhunderts. das nach Biele-
feld in Privatbesitz, später bei Heberle zu Köln
unter den Hammer kam. Die Stelle desselben
nimmt ein vom Maler Ztuhi in Leipzig gemaltes
einfach umrahmtes und mit einem Architrav
überdecktes Oelbild: Christus am Oelbei^e ein.
Den Boden decken noch mehrere Grab-
steine; davon gedenkt einer der Elisabeth Fry-
dag, Frau von der Recke zu der Kecke, Drostin
zu Unna und Camen f lOlß 9(5 und zeigt in
llachem Relief einen viereckigen von Figuren
gehaltenen Mittelschild, darüber eine in jeder
Hand Kranz und Wappen haltende Gestalt, dar-
unter wieder umkränzte Wapjien — Alles in zieni-
hch edlen Formen.
Der aus romanischer Zeit erhaltene \Ve^t-
thurm steigt aus grünen Sandsteinblöcken vier-
eckig und hoch mit Mauergiebeln empor und
M'ipfelt in eine schlanke Rautenspitze, die wol
ebenso vie jene der Thomaskirche zu Soest ab-
sichtlich schief gegen Südwest errichtet ist.
Risse, Verbitterung und Bewurf haben allmäUg
dem Mauerwerk ^'ieles von seiner stilistischen
Zier wie von seiner statischen Festigkeit ge-
raubt: in den Obergeschossen sind die Schall-
öffnungen theils vermauert, theils der Mittel-
säulchen beraubt, der Bogeufries der vorletzten
Etage und das aus Wulst und Kehle componirte
Abschlussgcsimse entweder nur durch den Be-
wurf sichtbar oder doch restweise erhalten.
Das rahmenartig vortretende Portal der West-
mauer hat eingestufte Seiten und eine BedeckTing
im Rundbogen, der auch die Schallöffnungen
beherrsiht. Im Innern findet man zwei nmd-
bogige Gewölbe, eines über dem Untergeschos.se.
das andere etwa auf zwei Drittel der Thunnhöhe
— eine Ausstattung, die mit dem massigen
Mauerwerk der Untergeschos;«.e die fortificato-
rische Xebenbestimmung deutlich anzeigt und
dem Bau sogar den Namen .eines Raubschlosses'
einbrachte.
Vor gut hundert Jahren wurden in diesem
Thunne noch die (ilocken angetroffen, welche
l:U4 der Graf Adolf von der Mark zu Monden
erbeutet und hierher verschenkt hatte; die vor-
lindliehen sind jünuer. so die kleinste mit der
Insehrift:
\ ivos vorn, mortuos plango. Cainpana haec
cura pa^torum Canient.ium, pre^l^ytcrii.
-T'
VERSCHIEDEXE DENKMÄLER
47
provisorisque temporanei, quonim nomina
in actis consibtorialibiis cxj)rebsa, fiisa 1768.
Soli Deo <(loria. ]\I(auricej Mabillot in
Coblenz fccit.
Die grösste: Daniel Loncr von Nurenberg goss
mich 1631.
Die Uhrglocke : Jesus is dei nanic niyn,
tho gades deinste ich bereit si(nj.
x\o. XV^'^lXXXVII.
Nachdem bereits der gelehrte und eifrige
Fürsprecher der Keformation in Westfalen, der
Humanist Herman Hamelmauu am Trinitatis-
Sonntage 1552 gegen die alte Lehre aufgetreten,
aber dafür seines Amtes enthoben war, schloss
sich die Gemeinde seit 1567 auf die Predigten
des Johan Buxtorf dem reformirten Bekennt-
nisse an, das hier die grösste Seelenzahl in der
Mark erreichte. Buxtorf, der hier noch 1576
lebte, arbeitete zwanzig Jahre lang an der ersten
Hälfte des chaldäischeu, talmudischen und rab-
binischen Wörterbuches, — eine Arbeit, die sein
Sohn Johan weitere zehn Jahre fortsetzte. Dieser
gelehrte Orientalist ist zu Camen am 25. Decem-
ber 1564 geboren, 1629 13/9 zu Basel an der
Pest gestorben. Das Wohnhaus lag an der Ecke
der Kirch- und Weststrasse, wo noch jetzt eine
Thür den Namen Buxtorf trägt und die alte
Wetterfahne bis jüngsthin einen springenden
Bock zeigte.
In einem Pfarrhause haften noch zwei be-
helmte Wappen, das eine viergetheilte mit dem
Namen Wetholz, das andere einfache mit Hase?i-
bein unterschrieben.
Die Katholiken besuchten darauf den Got-
tesdienst einer dortigen Klosterkirche. Verschie-
dene hier längst in zwei Häusern angesiedelte
Beghinen, Avelche 1470 einen Orden annehmen
mussten, legten vor dem Guardian der Hammer
Observanten Reiner von Egmont die Gelübde
auf die dritte Regel des h. Fi'anziskus ab und,
nachdem ein Jahr darauf Catharina, eine natür-
hche Tochter Adolfs L, Herzogs von Cleve-
Mark, in ihre Gemeinschaft getreten, nahm das
lüoster einen solchen Aufschwung, dass 1475 auf
derVlotowe eine neue Kloster-Kirche errichtet
^nirde. Die Nonnen erhielten 1623 einen stän-
digen Beiclitvater aus dem Ivloster zu Hamm,
bauten 1684 einen neuen Klosterflügel, 1753 eine
grössere Orgel und erneueten 1788 das Haupt-
gebäude des Convents — fast alles aus coUectirten
Mitteln. Das Kloster, Avelches im Südwesten
der grossen Kirche lag. ward 1818 14 7 durch
Cabinetsordre aufgehoben, im nächsten Jahre
aber eine kathohsche Gemeinde, die seither an
dessen Cultus Theil genommen, legalisirt. Diese
benutzte vorab auch die Klosterkirche, bis 1848
ein neues Gotteshaus errichtet ward. Es ist ein
einschiffiger Backsteinbau mit polygonem Chore,
einem Dachreiter und mit Fialen an den ner
Ecken, Von der alten Ivirche erübrigt nur mehr
die Bodenfläche südhch neben dem Neubau und
in derselben hegt noch das Epitaph der Tochter
des Herzogs Adolfs f 1499 20,7: eine runde
Bronce -Platte von 0.32m Durchmesser, inner-
lich mit sechs in Blätter auslaufenden Nasen
besezt, äusserlich mit der Inschrift:
Biddet voer suster Katherinen.
Die kleinen Glocken, welche der Jahres-
zahlen und sonstiger Schrift entbehren, dürften
zunächst für den Privatgebrauch gegossen und
später der Kirche überlassen sein.
Eine lutherische Gemeinde, die heute noch
besteht, bildete sich im Anfange des 17. Jahr-
hunderts, hielt ihren Gottesdienst erst auf dem
Rathhause oder heimhch in Privatgelassen, bis
sie 1699 Rehgionsfreiheit bekam, die sie jedoch
erst auf Königl. Rescript vom Jahre 1714 gel-
tend machen konnte. Im nächsten Jahre ward
für den Gottesdienst ein Haus gekauft und ein-
gerichtet, 1742/44 endhch eine Kirche erbaut:
einschiffig, polygen im Chore, rund mit Pliester-
werk eingedeckt, beleuchtet von randbogigen Fen-
stern, im Westen 1869 mit einem schmächtigen
Thurme besetzt, der oben das Aussehen eines
Dachreiters annimmt. An einer Langseite steht
die Inschrift: Renovatvm 1862.
Früher haftete an der Chordecke ein in Holz
ausgeführtes Doppelwappen, wovon das eine drei
concentrisch gestellte Blätter, das andere ein fimt-
speichiges Rad darstellte.
Gewundene und verzierte Scitensäulen bilden
den Altaraufsatz und tragen auch die m.orkwürdige
Holzkanzel — eine spätgothische Arbeit. Sie
ist sechseckig, an den drei Vorderseiten mit Blend-
fenstern und unten mit Vierblattmustern, ai: den
48
SCHLOSS RECK.
Ecken mit kanellirten Renaissance-Säulchen be-
lebt. Das Kranzgesims und die Profile des Base-
ments sind von einfacher Zeichnung.
Die steinerne Taufe ist kelchfurniig und ihr
schlanker Stünder polygon, mehrere schneckenar-
tige Glieder concentrisch gestellt bilden die Krone
des Deckels ; ein Wappen am Becken stellt ein
fünfspeichiges Rad mit der Inschrift Bercheni dar.
Die noch vorhandenen Erbsitze schmückt
Schnitzarbeit. V(jr dem Hudialtare liegen die
Grabsteine der Pastöre Johan Mauriz Xeuhaus
1 1738 und Heinrich Wilhelm H.-nke 1 17:)5 .3 G.
Auch die Juden, welche lange in einer
Scheune Gottesdienst gehalten, errichteten sich
im vorigen .Jahrhunderte, 17.36, auf der Cilm-
strasse ein Bethaus, gegen 1830 an dessen
Stelle eine neue Synagoge und Lehrerwijhnung.
Das Haus Raffenberg zu Lerche, wol ein
Abspliss des Gutes BOgge. hat bis auf einige Gra-
benbOschungen und Wiesenniederungen, welche
den Platz des einstigen Wassergürtels einnehmen,
alle Spuren der früheren Einrichtung verloren
und bildet heute einen Pachthof mit einem
neuen Steinhause: im Hintergrunde desselben,
ausserhalb der Grabensenkung, erhebt sich von
Koiifbuchen und einem Stacket umfriedet und
Von einer hohen Tanne beschattet ein beschei-
dener Grabhügel, wie es heisst. der einer Frau
von Senfft- Pilsach. die in den zwanziger .Jahren
dieses Jahrhunderts gestorben wäre. Sie war
vermutlich eine gelwme Friederike v. d. Recke,
ihr Mann 1700 Besitzer des Hauses Reck. Trotz
allseitigster Erkundigung vermag ich Genaueres
nicht anzugeben.
Vorher S. 2«, 29, »). — X. V.-B. I. Xr. 471 : H. Xr. 5öl. 716. 942; — Xorthof 1. c. p. W. 111; — Giron. comitnm de Clrns et
Manra ... in Soibcrtz' Quellen U. 2ii4: — U.-B. .1. H. W*. ni, HX«; — W. U.-B. m. l<«t. 12C2: — Urk. in Tross' ■W<>stf«lim.
IH-.li. S. löt; — Buschmann a. a. O. IV. 1^1. I.s7 ff., »l-j. 2"2"_» f.. J.Vi. 24."^, 21«: — v. Steinen UI, 1 ff. : — GeKhichte der Herren
von der Recke, S. 10 ff., 22*i: — Esisellen, S. 111; — Ueber den Rjierener Kniff vea'l. DumbuM-h, die Ku:i-:--i. !•• i'-r Töpfer in
der Stadt Siephnrur, lb73. S. 87; — Kampschulte, S. 77; — Bftdecker-Heppe U. 78, 81; — Aufnahme der . ; rche von
Hassenkamp, 1813; — Geschichte <ler Herron von der Recke, S. 249, 2tXt: — Mittheiluncen der Herren Pa>: . Grttmer.
Bertelsmann, sowie des Herrn Fabrikanten W'estermann in Bielefeld; — Local-Untersnchune tmd -Aofnahmi-.
Reck.
Sc'h.loss mi(l Kirclie.
Das Sehittss im Xurdeii von Canien gelegen Wir erschauen in dem Schlo>>e trotz aller
und angeblich am Ende des 14. Jahrhunderts Veränderungen und Xeuenmgen. denen es an-
von den Herren von der Recke inmitten ihrer heimgefallen, noch deutlich den Typus einer
Allode undj.ehengüter erbaut, war ursprünglich grös.scrn Burganlage: nilmlich von Wasser und
nach der Umgebung der Pelkumer Heide zur
.Heide' genannt, 1421 bewohnt und trag seit
der Mitte des 10. Jahrhunderts den Namen
.Schldss Keck'. Es kam durch Concurs der
Familie von der Reck zu IJcck .in den siebziger
.Jahren des voriircn .lahrhunderts' in die Hunde
des Freiherrn SeiilTt vim Pilsach und spilter
durch Erbschaft an die Freihemi von Vincke.
Das adelige Haus, von dem expansivsten
Hittergeschlechto des I^andes gecrründet. hatte
eine weitlilulige C'ivil- und ('riminal-(ierichts-
barkeit und zwar über die Ortschaften der gleich-
namigen Herrlichkeit sowie über (Ue Dörfer Kesse-
biiren und Früniern, die 1812 1,2 wahrend der
l'remdherrschaft gestrichen wurde, nachdem noch
kurz viirher ein T»i(lesurtheil gelTlllt war.
^lauern umschlungen, durch ein Mittelwasser
getrennt, aber durch eine Zugbrücke verlnm-
den eine ovale Haui)tbur!]r im Xttrden und eine
lilngl ich -eckige Vorl)urg im Süden mit einem
Flächeninhalte von ungeföhr einem Morgen. Die
HaujitburLT hatte merkwürdisrer Weise eine nie-
tlrige Lage, doch angeblich drei Ringgn'lben, die
Vorburg zwei gewölbte Thore. das eine im Nord-
osten in der l^ichtun«: IVlkum. das andere im
Süden in der Richtung Camen. die ganze Ost-
seite der Anlage noch eine die Garten um-
fassende Wehr von Gn11)en und Wallen. Die
Rinsrmauern der Vorburg sind meistens gefallen.
die Thoro noch im Bestände und durchbnKhen
von Schiesscharten und den Gangen ftlr die
Ketten der Zugbrücken, das östhche mit un-
iSCliLüs;» U.ND KllllUE.
49
kenntlichen Wappen, das südliche mit mehreren
Steinwappen, wovon zwei die Jahreszahl lo89
und 1652 aufweisen, also die Daten für den
Beginn des Baues und die Restauration nach
dem dreissigjährigen Kriege. An der Ostseite
der Vorburg liegen der Schafstall — ein Fach-
werkbau mit dem Wappen Reck-Ledebur 1775
und ein steinernes Wirthschaftsgebäude, an der
Südwestecke die Steintrtimmer der Kapelle.
Die Hauptburg ist ringsher mit altern und
neuem, grossem und kleinern Bauten besetzt,
denen die Zingel als Rücklage dient. Gleich
rechts steht mit mehreren Ausstichen und Vor-
bauten und demgemäss mit mehreren Giebeln
bekrönt das Herrenhaus, zwei Etagen hoch auf
hohem Untergeschosse mit steilen Treppen ; der
vorspringendste Theil im Untergeschosse zeigt ver-
mauerte Arkaden und gewölbte Keller, schlanke
Fronten und Giebel, und ein Vorbau die Stein-
Wappen Reck -Reck und Reck-Heessen. Die
Fomi der Arkaden gehört schon der Neuzeit,
die gekehlten Gesimse sowe der schlanke Auf-
bau noch der mittelalterüchen Auffassung, der
Bau im Rücken vielleicht dem Mittelalter, der
Vorbau etwa dem Ende des 16. Jahrhunderts
an bis auf einen Ausstich im Osten, dessen
convexe und coucave Giebelränder mit Kugel-
zier als unschöne Früchte des folgenden Jahr-
hunderts erscheinen. Oestlich daran stösst ein
Wirthschaftshaus in Fachwerk mit der Jahres-
zahl 1750, quer davor au der Nordseite liegt
das Brauhaus, daran ein kleiner Bau, daran,
und zwar bereits an die Westseite gerückt,
gerade dem Thore gegenüber, ein Oekonomie-
haus von Stein, im Giebel über der Einfahrt
mit Schiesscharten durchbrochen ; den Abschluss
der Westseite bilden ein kleiner Neubau und
der bis an den Thurni reichende alte Wehr-
gang mit Tonnengewölben und vormals mit
offenen Arkaden. Den Eingang bewehrt links
ein polj-goner über 90' hoher Thurm von aller-
hand Schiesscharten und Oeffnungen durch-
brochen, mit einem Halbkugeldach bedeckt, und
an der Südseite oben mit einer schönen vier-
eckigen Steintafel verziert, welche neben den
beiden Wappen und der Jahreszahl 1554 die
Inschrift bewahrt : Dierich van der Riecke niare-
schalck, drobtc tho Unna, Mechclt van Ossen-
Ijrock. Mit dieser Jahreszahl als Baudatum
stimmen auch die Vielseitigkeit des Gnmdrisses.
der nördlich angebrachte Treppenthurm, die Re-
naissance- und älteren Stilformen der feineren
Glieder sowie die zu Seiten eines Cracifixes an-
gebrachten Reck'schen Wappen mit Minuskel-
Schrift. Daneben hegt das Thor mit dem Wap-
pen 'Reck-Syberg, und der zwischen diesem
und dem Herrenhause liegende Raum der Zingel
war vormals auch mit einem Gebäu gefüllt,
dessen Giebellinien noch an der Westfronte des
Herrenhauses durchscheinen, und zwar nach einer
Ortstradition mit der Hauskapelle. Auf der
Hauptburg lagen nicht weniger als vier Braunen
und zwar zwei in den gewölbten KelleiTäumen
des Herrenhauses, einer hinten im Oekonomie-
hause dem Eingange gegenüber und einer im
Wehrgange neben dem Thurme. Einige der
älteren Bauten sind mit den Fortificationen noch
in unserer Zeit gefallen, namentUch auch die
Hauskapelle oder Kirche auf der Vorburg. —
andere im vorigen Jahrhundert von dieser auf
die Hauptburg verlegt, so dass das Ganze nicht
mehr den Eindruck des Grossartigen, sondern
den des Altertümlichen macht.
Die Kirche war schon 1620 begonnen und
dann durch den Krieg im Fortbau unterbrochen,
so dass sich die Fundation als Pfarre bis 1649 3/9
verschob. Die Gemeinde wurde von Canien ab-
gepfarrt mit zwei Vicarien von Camen und Her-
ringen ausgestattet und hing bis zur evange-
lischen Union dem reformirten Bekenntnisse an.
Der Pfarrbezirk umfasst zufolge einer Regierungs-
verfügung von 1833 25/3 nur das adehge Haus
Reck, das Halfenhaus innerhalb der Ringmauer,
die PfaiT-, Küster- und Schäferwohnung sowie das
alte Geiichtsgebäude und zählt etwa 24 Seelen.
Die neue Kirche, ein kleiner viereckiger Back-
steiubau mit einem Dachreiter und gepaarten
Rundbogenfenstern, ist inschriftlich 1871 erbaut
und zwar ausserhalb des Burgberinges vor dem
südlichen Thore.
Geschichte der Hen-en von der Recke, Pracht- Aus^. 1878, S. 220,
1C7; — Büdecker-Heppe, II, 109; — Local -Untersuchung-.
251, Taf. XIV. a. niit der Ansicht derVorbiu-y; — Esselion, S. 1G6,
ÖO
PELKm.
[PelkTiiii.
Kirche und andere Denkmäler.
K'lkura. gegen 900 Pihichem, seit 1003 Das Schiff hat die
I niecheim, 1147 Pelechem, hatte in letzterm
Jahre schon eine Kapelle, als deren Patron
noch im 15, JahrhundtTt der
Abt von Deutz benannt ist; die
vielleicht dem h. Jakobus ge-
weihte und von Herringen ab-
gepfarrte Gemeinde nahm im
1 (■). Jahrhundert das reformirte
P.ekeiintniss an und in unserer
Zeit die evangelische Union.
Die Kirche (Tig. 28), ein
kleiner, einschifliger Bau, hat
einen Chor aus bester gothi-
scher Stilzeit, ein Kreuzge-
wölbefach lang und fünfseitig
aus dem Achteck geschlossen.
Fenster sind dort vier ange-
bracht, drei in den Polygon-
seiten, eins in der Südmauer.
— ein entsprechendes in diT
Xordwand anzubringen, hin-
derte die daran gelegte Sakri-
stei. Sie sind siimmtlich mit
Drei- und Vierpilssen geschlos-
sen und zweit heilig bis auf das mittlere der Poly-
gonseite (Fig. 29), das im Innern vermauert ist,
äusserlich aber sein doppeltes Stabwerk mit der
uo. schönen Bekrö-
nung noch rein er-
lialten hat. Die
Nasen des ober-
sten Passes blühen
in Lilien aus, wie
an der grossen Kir-
che zu Hamm, der
spitzbogige Schei-
degurt ist stark
l)rolilirt, die Rij)-
j>en sitzen auf Consolcn. der Schlusstein (Fig. 30.
31) im Polygon ist mit dem würdigen Antlitze
(Jott -Vaters verziert, jener des Kreuzgewölbes
mit sich fangenden Hliltt^'rn, einem der Früh-
gothik eignen Ornament, (irüner Mergelsand-
stein lieferte das Haumat'-rial.
Ausdehnung von zwei
oblongen Gewölbefeldern, die quer zur LAngen-
achse liegen, durch eckige Gurten geschieden und
mit dicken Kreuzrippen unter-
zogen sind, welche erst mit-
telst eines verticalen Zwischen-
stückes auf den Wandcon-
solen sitzen : tlber dies unfönn-
liche Ot-rüste spannt sich bio-
eine Wölbung von Brettern in
Stichbogenfomi, daher auch
iUisserlich die Streben fehlen.
Die breiten Fenster haben ein
unzierliches Stabwerk. Wann
dieser stilwidrige Bautheil ent-
standen, lehrt eine Schrifttafel
im Aeussem der Südwand:
Muri huius domus ex vetu-
^tate ruinosa feliciter refecti
annuente nuniine at(]ue cura
consistorii anno salutis 1738.
Ueber der Westthür steht der
Name des damalinen Pfarrers :
1). Mniich ^"euhau^ h. ^. v.
I). ni. (1. Pclr. 2. V. ö. )
Der alte Thurm erhebt sich innerhalb zweier
durch Pultdächer verbundener Xebenbauten. wo-
von der eine die Trejtpe zur Orgel enthalt. Das
Westportal tritt etwas vor und klingt in der
Ueberwölbung der Spitzbogen an. Man gewahrt
im obersten Geschosse jederseits eine rundlwgige
Schallölfnung (»hne Mittels;Uile und darüber einen
einfachen I'yramidenhehn. Fiine Inschrift im
Untergesehosse. anscheinend aus dem 1<>. Jahr-
hunderte, hat sich bis jetzt der I/isung entzouren.
Mehrere Cirabstcinc im Innern der Kirche
enthalten die Wapi>en und Namen der Familien
von Hausen, von Cloedt u. s. w.
KIRCHLICHE lEXKMÄLEß.
51
Die schöne Kanzel ist 1749 vom Meister
Dörendahl in Hamm im Geschmacke der Zeit
mit Blätterschmuck und ähnlich, wie jene der
grossen Kirche seiner Heimat, ausgeführt. Ueber
ihr breitet der seine Jungen nährende Pelikan
— dies Sinnbild spielt zugleich auf den Orts-
namen an — seine Flügel aus, ebenso wie im
Siegel vom Jahre 1663.
Die Orgel hat an Stelle der 1773 aufge-
stellten 1862 Meister Do7'nheiin zu Eichfeld bei
Rudolstadt erbaut.
Die älteste (Hocke hat an der Haube fol-
gende innerhalb Reifen verlaufende Inschrift:
o o
-[- Anno Domini milesimo cccc nii in die vite f?)
martyris in honorem sancti lacobi. Catharina
Osanna. Am Mantel erscheint die Muttergottes
in flachem Relief, einmal sitzend, einmal stehend,
und bei letzterem Bilde die Schrift : Ave maria,
darunter der Name niestcr Evcrd. Als weitere
Zier sind Münzabdrücke und ein Reif über dem
Schlage angebracht.
Die zweite ist inschiiftUch gegossen . . .
1700 . . ., die jüngste 1826 von W. Rmcker
imd Söhnen aus Leuu und Hofsinn bei Wetzlar,
Im Süden des Kirchspiels lag der Rittersitz
Northof, und das darnach benannte Geschlecht
war durch Abstammung oder Verschwägerung
von Haus aus nahe venvaudt mit den Famihen
von Bönen und von Altena, wie das die xAehn-
lichkeit der Wappen und die Achtung beweisen,
die Levold von Northof in seiner Chronik der
Grafen von der Mark vorzugsweise ihren G he-
dern zollt. Dieser Levold, der berühmteste
Spross des Hauses, war Erzieher, Rathgeber und
Günstling der Grafen von der Mark, Verfasser
der genannten, in den zeitgenössischen Berichten
sehr zuverlässigen, Chronik bis zum Jahre 1358
und einer ,Reihenfolge der Kölner Erzbischöfe'
bis 1350. 1278 26/1 geboren und als jüngerer
Sohn dem geistlichen Stande geweiht, besuchte
er 1294 die damals schon berühmte Schule
zu Erfurt, musste dieselbe jedoch im nächsten
Jahre auf Anlass des gräflichen Drosten und
Hofmeisters Rutger von Altena trotz seines
Widerstrebens verlassen. 1308 begab er sich
zur Fortsetzung seiner Studien nach Avignon,
erhielt 1310 vom Grafen Adolf, Propst zu St.
Martin in Worms, eine Präbende zu Boppard,
verwaltete dann, als Adolf selbst in Avignon
studirte, dessen Propstei, und als dieser Bischof
zu Lüttich geworden, bekleidete er auch hier
seit 1314 ein Canonikat, später die Würde eines
Abtes zu Viset an der Maas. 1322 27 9 wohnte
er als Procurator seines Bischofs der Translation
der hh. Dreikünige und der Chorweihe des Domes
zu Köln bei, 1326 begleitete er den Grafen Engel-
bert IL nach dem Papsthofe zu Avignon, und
während Engelbert weiter pilgerte, blieb Nort-
hof bei der Curie und erwirkte Pfründen für
die gräflichen Kinder; denn es waren sowol die
Söhne als die Enkel dieses Engelbert seiner Er-
ziehung anvertraut und seine grössten Sorgen
stets auf das Wol und Gedeihen der Grafen von
der Mark gerichtet. In einträglichen Stellungen
und als Sohn einer begüterten Familie hatte
Levold die Mttel, 1328 das aus drei Höfen be-
stehende Gut Dresel am Wege von Altena nach
Werdohl zu erwerben und mit zwei Weihern
zu verschönern, sowie später, 1354 dem Kloster
Fröndenberg eine Rente von 40 Mark zu seinem,
seiner Eltern und Wolthäter Seelenheile zu
vermachen. Er eiTeichte ein hohes Alter; als
er 1358 den Schluss seiner Chronik schrieb,
hatte er schon das 80. Lebensjahr überschritten.
Sein Geschlecht lässt sich nur bis 1421 nach-
weisen; den Stammsitz überkamen nach einander
die Famihen von der Recke (vor 1414), von
Freseken, Sobbe, von der Mark, ^'on Hote zu
Bogge. Das Gut wurde zu Bögge geschlagen
und das Haus im Anfange des 17. Jahrhunderts
abgebrochen; der Platz ist nur mehr durch
Gräben markirt und ausserhalb derselben die
Oekonomie-Gebäuhchkeit errichtet.
Vorher S. 29, 30. — N. U.-B. I, Nr. 141 ; E, 357; — Binterim und Mooren I, 331 f. ; — Essellen, S. 147; — Biidecker-Heppe n. 428;
— Tross' Einleitunfir zu seiner Ausgabe von L. v. Northof s Clironik der Grafen von Mai-k, 1859, S. 1 ff. u. S. 341; — Kind-
liiii^er, Vohnestein E, Nr. 97 ; — v. Steinen HI, 1042—1048 ; — Geschichte der Herren von der Recke, S. GS ; — Joh. a. Beersch-
■nrort, "V\'esti)hiil. adel. Stammbuch (1624) in Joli. Hobbeling's Beschreibung des ganzen Stifts Münster, 1742, S. 4l>4. — Local-
Untersuchung und -Aufnahmen.
^ C_^_cw_
r
52
HEUßINGEX.
Herrinnen..
Ivirclie und ihre iJenJciiaäler.
lOl.j Jfcrinfji, Wi2 Herimjhe, Stätte eines
Frei.stuhls, 1150 Sitz eines gleichlautendeu Ritter-
geschlechts, war zweifellos eine ^Mutter- Pfarrei,
ihre Kirche den hh. Märtyrern
\'ictor und Heribert geweiht
und 1032 vom Erzhischofe Pi-
ligrin dem Heribertsstifte in
Ueutz einverleibt. Die jetzt
unirte Gemeinde nahm sieher
um 1000 das Lutherische.
1035 das reformirte Bekennt-
niss an.
Von den frühern Kirchen-
bauteu erübrigt nur mehr der
altromanische Thurni mit dem
einfachen Pyramidendache. er-
baut aus rohen Bruchsteinen,
entstellt durch Mauerrisse und
spiltcro Restaurationen, die na-
mentlich die Blendschicht und
die Schallüffnungen betroffen
haben: denn diese sind mei-
stens ihrer Mittelsäulchen ent-
kleidet, die Süulchen selbst mit
Würfelcajiitill und hoher Base ohne Eckblatt
ausj^c'stattet. Vielleicht bezeichnet die Jahres-
zahl 1017 unter den Schallöfinungeu den Be-
ginn der stillosen Aenderungen. Spitzlx»gig er-
sclieint der zur Kirche führende Scheidegurt,
sowie die Neigung der abge-
eckten Ripi)en des Kreuzgewöl-
bes, welches die untere Etaire
deckt. Diesem gleichzeitig und
jedenfalls zur Stütze des schon
damals wol liaußlligen Mauer-
werks u-urden äu<serlich Stre-
ben aus Quadersteinen auge-
setzt — guthische Neuerungen,
die mit dem Baue des Land-
hauses zusammenhangen wer-
den. "Wol hat dieses (Fig. 32.
33) noch einen geraden Chor-
schluss, zwei quadratische Ge-
wölbe im Hauptschiffe, und
jedes Seitenschiff etwa die
halbe Breite des letzteren und
bei ganz oblongen Gewölben
ungestehte Quertrurten. wol
zieren die Schlussteine der
Chor -Gewölbe ein sich fan-
gendes Eichenblattwerk oder eine Rosette von
reicher Füllung (Fig. 34, 35). gut geschnittene
33.
Pndile die Lail)untren der Fen.ster, Thüren nnd trischesMaasswerk die Fenster dos Chores (Tig. 80
«»iier-jurten nnd dieSllulensimse. ein gutes geome- bis 42) — allein alle diese e<llen Stilzeichen ver-
KIRCIIENBAU.
53
mögen doch dem Bauwerke keine frühcfothisclie
Schöpfung, höchstens dem Chore noch eine Bau-
zeit etwa aus der Frühzeit des 14, Jahrhunderts
zu sichern; auch seine beiden KreuzgeAvölbe, die
oblong' und zur Längenachse quer gerichtet sind,
stützen sich in den Ecken schon auf Consolen, das
Pfeilerpaar des Hauptschiffes besteht aus kahlen
Rundsäulen, die Scheidegurten und Rippen haben
einfache Abeckung, die Mauerecken diagonal ge-
richtete Streben, die Fenster des Langhauses als
36. sr. 3S.
/.•4(?
Zierfüllung auch Fischblasen. Demnach gehört
das Langhaus wol in das dritte Viertel des ge-
nannten Jahrhunderts, zumal da das Bauwerk
äusserlich wie innerhch noch ein streng go-
thisches Gepräge in den Dispositionen wie in
■^^
mo
■'y^"Ä^
manchen Theilen zur Schau trägt. Die Mauern
bestehen aus Quadern von Grünsandstein, haben
indess äusserhch so durch Verwitterung geütten,
dass eine streng stihstische Restauration Noth
thut. Eme Sakristei im Norden des Chores ist
abgebrochen und dafür der östliche Chor-Raum
eingerichtet.
Die Kirche bewahrt eine der ältesten Glocken
des Landes und eine der ältesten Deutschlands
mit Meisternamen. Sie hat einen bemerkens-
werthen Umfang und die Inschrift: A -j- Sanctu>
Victor -f- Bodo nos fundebat. Dass das A hier
Anno bedeute und die fünf Wörter die Jahres-
zahl 1216 enthielten, erscheint als eine künst-
hche Auslegung, obwol dieses Jahr der Zeit des
Gusses nahe kommen möchte, da die aus Ca-
pitalen bestehende Schrift, in welche sich die
1 illiil i|
ünciale erst schüchtern einmischt, einer noch
frühern Zeit angehören kann. Oder sollte hier
schon in zählenden Buchstaben das Jahr 121(5
liegen? Die andere Glocke ist inschrifthch 1719
gegossen.
In der Sakristei lagert noch eine recht bril-
lante Ziersculptur der besten Renaissance —
nämlich ein Stein mit dem gräfüch Märkischen
Vv''appen von flotter Zier und Ornamentik.
Au der Nordwand des
Chores haftet gleichfalls
aus der Frühzeit des 16.
Jahrhunderts noch ein
Stein-Epitaph auf das
Ehepaar Hugenpoet-Pent-
linck in der Form eines
schmuckreicheren Stein-
Rahmens, der in seiner
Ornamentik die Wappenschilder Knipping, Dobbe.
Berninghausen, Wullen, Eckel, Wrede. Galen.
Benem, Krackerugge, Recke, Buren, Plettenberg.
0er zeigt und folgende Inschrift in Capitalen
umfasst :
Commune monumentum hoc sibi suaeque
lectissimae suavissimaeque coniugi Annae
Pentlingk ex arce Hilbechiana oriundae.
matronae vere nobili ac perquam hoac-
stae multisque praeterea animi gratiis a
natura dotatae.
Vir amplis(simus) et generis nobilitate prae-
stans lohannes Hugenpoet in Gosewinckel,
54
NORDHERRIXGEX.
praefecturae Hammonefnsis) administrator
arlhuc in vivis agens et ob immaturuin
luctuosisbimumciue obituni memoratae suae
coniugis ad 1 1 videlicet Augiisti anno sa-
lutis per Christum restauratae 1604, aetatis
suae 36, matrimonii autem 12. necdum ex-
pleto post lentani et incurabilem nullicjue
medicorum satis exploratam corporis af-
fectionem in arce Stockum inter suonim
lachrimas et complexus extinctae moerens
poni curat mutui amoris et officii ergo.
Zwei Gedichte in Distichen verkünden sodann
die Tugenden der verblichenen Frau, ihre hehre
Abstammung, ihres Leidens Unheilbarkeit und
ihr Ableben, nachdem sie dreimal Mutter ge-
worden.
Vorher S. 10 f., 21, 3fJ. — N. U.-B. I, Xr. 167 ; — Kindlirnjer, M. B. lU. Xr. 135; — Reg. H. "W. I. '.i7S. ft49: — OA. d. W. I, 274; —
Kampscholte a. a. 0. S. 78; — Bftdecker - Hepi)e U, ■mi; — Esscllen, S. 151; — Tross im Anzeiger für Kunde deutscher Vor-
zfit. 1857, Sp. 4')1 ; Kniraccke das., ia58. Sp. a4<t; — Tross zu L. v. Xorthofs Chronik, S. 324; — A. Fahne, Forschungen auf
(k-m Gebiete der rhcin. und westf. Geschichte ü, 21, 22; — ^iittheiiungeii des Herrn Pattors \on der Kuhlen; — Local -Unter-
suchung und -Aufnahmen.
Nordlierringen, Nienbrügge.
Ivirche und Rurgstätte.
Der Ort nach alten P^rinnerungon auch Torcks
genannt dankt sehie Bedeutung dem jetzt
verschwundenen Schlosse der .Torcks' oder viel-
mehr der Schlosskapelle: ^
denn auf dem sog. Torcks-
platze war 1322, als die Fa-
milie Vollenspit dort wohnte,
eine Kapelle ad decem niille
mart}Tes mit verschiedenen
Pfarrvergünstiguiigcn für
die Umwohner errichtet und
dann namentlich seit der
Hcfunnatioii, wo sich die
l'farrkin'he zu Herringen
den Katholiken verschloss,
V(»n diesen fieissig besucht,
bis 1771 einige hundert Schritte südlich vom
Schlossplatze die jetzige den hb. Apostelfürsten
geweihte Kirche erbaut wurde, die 1842/43
völliirc l*farrecht<' erhit-lt. Die Franziskaner
V(»ii Hamm, welche vormals auch hier pasto-
rirtcii, fanden spilter Obdach in einem Ge-
mache ül)er der Sakristei, die östlich an den
Chor gelehnt und mit ihm unter ein Dach ge-
bracht ist. Der schmale Chor hat convexcn
Scliluss, gleiche Mauerhöhe, aber niedrigere l\v-
(iacliung als die Kirche; diese charakterisirten
ausser dem hohen Dache stichbogige Fenster,
gerade Decke und Tbfirsturze. ein schlanker
zwielielartiger Dachreiter Ober dem Chore, sowie
in der Blendschicht der Westmauer ein Rest von
Zierarchitektur, der vielleicht vom alten Schlosse
übernommen ist. In eisernen Zahlen und from-
men Inschriften am West-
giebel wie über den Thüren
ist die Jahreszahl des Baues
1771 ausgedrückt, .so über
der Sildthür durch folgen-
des Chronogranjm : --Edifica-
tiunculani irrigent >ui)eri.
Der Taufstein (Fig. 43)
entstammt vielleicht der
Kirche zu Herringen — ein
cylindri.sches Becken . ge-
stellt auf einen runden Stän-
der, den in vier Abstünden
ebenso viele aufrecht stehende Löwen umtreben.
unten umzogen von einem franzenilhnlichen Or-
namente, oben von einem zwischen Seileu sich
hinwiiidenden Blatt- und Frucht-Genlnke. alles
in nächstem Relief und romanischem Stile.
Diese Form hat sich vom Niederrheiu bis in
die Mitte Westfalens verbreitet und ehedem
vielleicht in den Bentheimer oder Gildehiluser
Gruben eine liandwerksmilssige Anfertigung ge-
funden: denn sie besteht aus röthlichem Sand-
steine und findet sich im Mnnsteri.schen und
im Emslande, also in der NiVhe der l>ozeich-
nettMi Gnibeu, massenhafter, weiter davon s|K)-
radischer.
SCHLOSSBAITEN.
In ungefähr halber Lebensgrösse erül)rigt
noch ein Holzbild der stehenden Mutter Anna
mit der kleinen Maria auf dem linken Arm,
der indess das Jesukind fehlt — nach der ge-
äugelten Gewandung bei sonst geschickter Durch-
führung schon eine Arbeit aus dem Ende des
15. Jahrhunderts. Der früheren Zeit desselben,
weil noch frei von niederländischen Einflüssen,
möchte eine kleine Pietä von Holz in einem
Heiügenhäuschen an der Ecke des Kirchhofes
zukommen ; leider ist das Bild sehr verwittert und
schadhaft namentlich in dem Haupte und den
Extremitäten des sonst gut gebildeten Christus-
kürpers. Das Bild der Mutter zeigt ein zart
übergelegtes Kopftuch und eine vorsichtig nach
Kücken und Tiefen vertheilte Gewandung ohne
irgend welche Manierirtheit.
Der ,Torcksplatz' liegt auf der Mitte des
Kaumes von der Kirche bis zur Lippe und be-
greift die Stätte einer Burg, welche nacheinander
von verschiedenen Herreu und zuletzt über drei-
hundert Jahre von den Torcks bewohnt war. Seine
Bodengestaltung lässt noch auf eine ziemhch re-
gelmässig angelegte Wasserburg schliessen; denn
drei flache Erhebungen durch Tiefen geschieden
bezeichnen die beinahe geradbegrenzten Stätten
der Hauptbprg, östlich daneben der Vorburg,
die bis in die neueste Zeit noch ihre Scheune
hatte, südüch von ihr den Apfelhof; südösthch
von diesem stand die Mühle an einem Bache,
welcher im Osten, wie die Lippe im Norden die
ganze Anlage deckte und mit Wasser versah.
Dass sie noch einigermassen im militärischen
Sinne der Neuzeit veiTollkommnet war, ergibt
sich daraus, dass 1673 sich die Franzosen nächst
der Stadt Hamm auch dieses Schlosses bemäch-
tigten und es am 26. Januar gegen einen ihnen
veri'athcnen Ansturm der Churbrandenburgischen
vertheidigten, der so heftig war, dass die letzteren
gegen 500 Todte verloren, unter diesen auch den
Major von Syberg. Am 2. Februar besichtigten
der Bischof Bernhard v. Galen und der Marschall
Turenne die Position und verstärkten die Be-
satzung um 300 Mann; daher die Umgegend
noch lange unter Kriegswehen zu leiden hatte.
Die Grafen von Isenberg, ein Abzweig des
Altenaer Grafengeschlechts, gründeten, wie früher
erwähnt, im Nordwesten der Mark gewiss bald
nach 1180 eine kleine bis auf das Nordufer der
Lippe ausgedehnte Herrschaft und sicherten sie
mit der Burg und Stadt Nienbrügge. Allein
der Mord, den Graf Friedrich an seinem Anver-
wandten, dem Erzbischofe Engelbert von Köln
1225 vollzog, kostete ihm den Kopf, seiner Famihe
fast den ganzen Besitz bis auf einige Lehensherr-
lichkeiten. Nienbrügge wurde dem Erdboden
gleich gemacht, die Bevölkerung nach Hamm
verpflanzt, der Besitz 1243 gegen theilweise Ent-
schädigung bis auf einige Lehen dem Grafen
Adolf von der Mark abgetreten: so namentlich
ausser gewissen Höfen die Vogtei und das Gericht
des Dorfes Unna, das Gebiet der Nordenfeldmark,
viele Lehen, welche Burgmänner zu Mark schon
unter hatten, und eine Anzahl von Hörigen,
zumal die nach Hamm versetzten Nienbrügger.
Der Platz lag, wie die Quellen zu verstehen
geben, auf beiden Ufern in der Nähe von Hamm
und auch mit dem Antheile des Nordufers in
der Pfarrei Herringen; denn deren Pfarrer hess
sich, als das Gebiet nach Hamm eingepfarrt
wurde, für einen Zehnten von Aeckem entschädi-
gen. Da die Kölner Diöcese nirgendwo auf das
Nordufer reichen konnte, so muss hier durch die
Lippe nach der Christianisirung ein Stück Landes
vom alten Bructerergebiete abgelöst und später
von den Isenbergern in die Burganlage von Nien-
brügge hineingezogen sein. In der That macht
noch heute der FIuss etwa eine Viertelstunde west-
üch vom Bahnhofe Hamm eine starke Schwen-
kung nach Süden und dort, avo diese beginnt, hegt
wahrscheinhch der alte Lauf noch in einem tiefen
Einnsal vor, welches im Norden der Lippe ein
kleines üferstück umfasst. Hier hat offenbar
Nienbrügge gestanden; hier bei der ,krausen
Linde' traten noch lange die Spuren einer Burg
zu Tage ; hier ragen, wie man versichert, bei seich-
tem Wasserniveau an zwei SteUeu alte Brücken-
stützen aus dem Flussbette hen-or, und zwar
an der einen die Beste von Pfählen und etwa
40 Schritte westücher die Fundamente von Stem-
pfeilern. Hier zeigt das Südufer, trotzdem es
niedrig liegt, viereckige Erdformationen mit
Rücken und Zwischengräben, deren Wälle noch
bis in die Frühzeit unseres Jahrhunderts be-
standen haben sollen, und hier heferte das hohe
r
5ß
HiUM.
Xordufer bei Abgrabungen noch jüngsthin Mauer-
und Steinreste des grünen Mergelsandsteines,
die südliche Uferstätte allerhand Funde von
Hausgeräten und Waffen. Somit wäre die Burg
Xienbrügge sowol nach der liodenbeschaffen-
lieit wie nach den Funden auf dem hohen Nord-
ufer, die Yorburg und Stadt wol auf dem nie-
drigen Südufer zu suchen und zwischen beiden
Theilen eine Brticke gewesen. Der Name .Xien-
brügge' ist bezeichnend, insofern er entstehen
konnte im Gegensatz zu einer älteren, die ent-
weder abgetragen oder noch im Gebrauche war,
als Xienbrügge angelegt \\'urde. Das Letztere
möchte ich annehmen ; denn abgesehen von den
vierzig Schritte oberhalb im Flussbette erkaim-
ten Holzstumpfen, weisen die "Wege von Xorden
und Süden auf einen östlichem Uebergang in
der Xähe von Hamm hin.
Der Meinung, die Kümer hätten an dem Platze
von Xienbrügge und zwar am Xordufer das
Castell Ahso errichtet, kann ich nicht beipflichten,
weil es fraglich ist, ob hier gerade die Ahse in
die Lippe mündete, weil der jetzige Name .Ahse*
erst spätem Jahrhunderten eigen, der frühere
,Ursna' von .Aliso* gmudverschieden ist. weil
die Lippe, wie dargethan, ehemals nördhcher
lag, also die vermeinthche Stelle nicht berührte,
weil ohnehin das Südufer wol immer gesenkter
und von der Höhe des Ufers im Xorden wie des
Hellweges im Süden zu beherrschen war. weil
der Abzweig der Römer- Strasse des Xordufers
nicht hier, sondern östlicher fast dem Bahnhofe
gegenüber auf die Lippe stiess. Xichts wider-
spräche auch so sehr den Fortiticationsgesetzen
der Kömer, als dass sie für das Bollwerk den
gefiihrlichen Boden der Sygamber. und zwar in
solcher Xiedemng. gewählt hätten.
Vorher S.9 f., 13 f., IC ff. — Kampschulte, S. 78 ; — v. Steinen m, 044 ; — Herrn. Staiict?f'.l. Annal. Cirruli Westphalici, hb. m. p«*r. 410;
— Essellen, S. 1.51 ; — Tross' W'estphalia, 1825, St. 1 ; — über die Form des Taufsteines Xordhoff,- Kmistwch. BezK'huiit.'vn rwischen
dem Rhcinlando und \Ve.«tfalen. 1873, S. 8ii; — nach Fahne, H'ivel I, 28, s<j11 auf den Fundanicnten einer der drei ['f\
Bunren zu Stockura die Kirche zu Kordherrineen errichtet sein. — Ue)x>r Xienbrüjnro : Vorher S. 10. 13, 2>i. — L"rV " " ' ' •■ .;j
Stoiiion ni, lt;i"j, licsser bei Krcmer. akad. Beitr. U, 124; — L. de Xorthof a. a. 0. S. r,'j ff.. 3ij7: — da- i..-
Urk. von 12.W. — Ficker, EiJL'clbort der HeiÜL'e, IHTÜ, S. 103. 27"; — flssellen. Geschichte der SiKunbem. >■ iu-
illtern Erdwerko und Brückenpfeiler — Hrdzcrmaim a. a. O. Tafel V. mit Grundriss der BurKrst,1tte und unrichtiKvr ZKruimuiiv der
Landwidir; — ein Vor/eichniss der neuesten Funde (ribt (&sellen) , Westfälischer Anzeiger und Wochenblatt für die Stadt und den
Kreis Hamm', 1877, Xr. 1"8 und 12f). — Local - Untersuchuni; und -Aufnahme.
<» •--
Ha Hl 111.
Die Stadt und die frolan-Ueiilciiiäler,
Haiiuu tritt uns, längst bevor Adolf von der
Mark hier eine Stadt grimdete, als ein
historisch sehr merkwürdiger Ort entgegen: hier
kreuzten sich wichtige Verkehrsstrassen, hier
fanden sich die mannigfachsten Altertümer, hier
tagten auf beiden Ufern die Freigeriehte, die
sehwachrii Ueberbleibi<el urgemianischer Volk.s-
versannnlungen, hier besassen die Herren von
Viandcn l>is 1220 Alhtde: die Urkunden sinvclien
rjos v(in dem Orte Jf<inniio, 121:? von einem
Hartlev V(»ii ll<nniiir — welcher Xame den um-
welirteii Bezirk bedeutet, als ob Graf Adolf
für seine Stadt schon mehr als die natürliche
Wehr der beiden Flüsse Li|)pe und Ahse. die sie
nach zwei Seiten umfassten, voi^efunden und be-
nutzt hübe: er legt «loch im Vertrage mit den
Isenlu'rgern auf die Befestigung Hamms \2V\
ein besonderes Gewicht. Es deckten die Stadt
noch im Xorden eine Landwehr, im Osten die
Landesbunj Mark und insbesondere die engere
Zingel eines Wallgrabens mit Palisaden, später
eine Mauer und innerhall) derselben drei Thümie
und vier starke Thore und Zugbrücken. Sie war
also inmitten der zerstörten Feste Xienbrügge
und der bald eingegangenen Statlt Mark ge-
legen, mit den Einwohnern beider Orte l>evölkert,
i:r;ifliche Kesidenz und Münzstätte. Sitz des
Amtmannes und eines Freigerichts. Wohnstätte
mehrerer märkischer llitterfamilien. ausgestattet
mit verschiedenen kirchlichen Stiffunuen und
zahlreichen Wolthätigkeit,s-Anstalten und durch
die Gunst der Landesherren mv\ den eigenen Eifer
bald durch Handel und GeweH>efleiss ausgezeich-
net, so dass sie unbestritten unter den Städten
ritOl-A.N-UE.XK-MALtK.
der Mark den Vorrang einnahm; und zu dem
Schutze der Lage, zu der Gunst der LandesheiTen
kam die ergiebige und anmutige Umgebung von
Wiesen und Saatfluren. Insbesondere hatte sie
seit 1269 die Aufsicht über die gräfliche Münze,
später selbst Münz-, allerhand Fischerei- und
Jagdrechte, ganz früh eine Lateinschule, die in
der Humanistenzeit Männer wie LudoLf Hering,
Herman von Kerssenbrock und Engelbert Cop
zierten, 1657 ein ursprünglich für die vereinten
Cleve -Märkischen Lande berechnetes akademi-
sches Gymnasium, 1663 zuerst in der Mark
eine Buchdruckerei, und ihr Magistrat bildete
eine Art oberrichterhcher Listanz für die Um-
gegend. Neben dem Ackerbau blühte die Waffen-
fabrikation und die Bierbrauerei, und der Han-
delsbetrieb sicherte ihr neben Unna, wie die
Ausschreibungen von 1494 und 1540 darthuu,
die Theilnahme an der Hansa und darin die
Vertretung der andern Städtchen der Mark.
Unter solchen Umständen athmete sie auch
schleuniger, ^^ie andere Orte, von Feuerschäden,
Fehden und Krankheiten, die Avieder und \neder
einbrachen, auf, bis die Schläge des dreissig-
jährigen und siebenjährigen Krieges auch ihre
Blüte abstreiften, trotzdem ihr die Landesherren
allerhand Lebensimpulse angedeihen hessen.
Vor der Revolution im Vaterlande flüchteten
nach Hamm viele französische Emigranten;
hier wohnten nicht stets ohne Unbequemlich-
keiten für den Magistrat vom December 1792
bis 12. August 1794 im sogen. Nassauer Hofe
der älteste Bruder Ludwig's XVL, Monsieur,
der 1814 als Ludwig XVIII. den französischen
Königsthron bestieg, dessen Bruder, der Graf
von Artois, welcher 1824 bis Juli 1830 als
Karl X. regierte, sowie die könighchen Prinzen,
die Herzoge von Angouleme und von Berri mit
einem grossen Gefolge von Hofleuten und Die-
nern. Als die Nachricht von der Hinrichtung
Ludwig's XVL eintraf, Hess sich Ludwig XVHI.
hier als König ausrufen und die anwesenden
Franzosen sowde die preussische Behörde aner-
kannten ihn als Regent de France. Den Grafen
von Artois nahm eine Kabiuetsordre unseres
Königs 1793 2/12 in besonderen Schutz, nach-
dem in der französischen National-Versammlung
der Vorschlag gemacht war, den Grafen und
seine Familie in Hamm meuchlings aus der
W\'lt zu schaflen.
in unserer Zeit führten die Züge verkehrs-
reicher Bahnlinien zu einem plötzlichen Indu-
striebetrieb, zu allerhand Etablissements und da-
mit zu neuen Strassen und Stadtenveiterungen.
Nachdem schon 1763 alle Festungswerke
bis auf die zwiefachen Gräben beseitigt waren,
verwischten sich die letzten Spuren der Um-
fassung bis auf Reste von Grundmauern, die
an der Südseite der Stadt und am Nordenthoie
vor dem Mühlenhause aus dem Bodenniveau
hervorsehen.
1630 war schon das alte Wein- und Koit-
haus vom Rathe zum Verkaufe bestimmt, später
ging es in Brand auf; doch bereitete man noch
lange im Wetteifer mit Münster den Koit, eine
früher sehr gesuchte Biersorte.
Als ein ,gross und gut Gebäude' wurde schon
im vorigen -Jahrhunderte das Bürgerhaus neben
dem Rathhause erkannt — ein sonst einfacher
Bedürfnissbau von zwei Geschossen wie das Rath-
haus imd wie dieses mit einem Mansarddache
bedeckt.
Das lange Rathhaus hegt am Westsaume
des Marktes, fast der grossen Kirche gegenüber ;
den untern von neun Spitzbogen geöffneten Gang
bedecken Kreuzgewölbe ; die Arkaden, Rippen und
Gurten haben spitzbogige Scheitel, theil weise
auch Kehlen, die Rundpfeiler kantige Basen
und Capitäle. Der Oberbau, ein Fensterhaus
mit Mansarddach und über den Fenstern mit
rechteckigen von Festous belegten Steinplatten
verziert, entstammt der Rococo-Zeit, nämlich
einer Restauration nach dem 16. April 1741.
wo ein Brand den alten Bau grösstentheils, also
bis auf den spätgothischen Unterbau, zerstört
hatte. Ihm fielen auch die meisten Archivalien
zum Opfer, so dass die Stadt Unna deren weit
mehr, doch kaum so alte bewahrt hat.
Das Stadtwappen stellte 1391 den Giebel
einer Kirche mit drei Thürmen und im Giebel-
felde einen wachsenden Löwen dar.
An der fiscahschen Mühle am Nordenthore
hängt noch in den ursprünghchen Farben glän-
zend das combinirte Stein -Wappen des Herzogs
Wilheüu mit der Unterschrift : Wilhelm Hertoch
to Kleve, Gulich und Berge, Grave to der
HAMM.
Marck iint Ravensberch, Herr to Ravestein.
Xalif.' dabei treffi.'n wir die Steiiibrüstung der
Freiarche mit kräftig profilirter Abdeckung?,
einem bankartigeu Vorsprunge an der Basis und
in der Mitte mit dem clmrbrandenburgischen
Wapi^en: dasselbe ist umschlungen von wuch-
tigem Blattwerk, geziert mit der grossen Ivrone
und der Inschrift: Fridericus elector Hranden-
huruicub has cataracta> ex>trui curahat — deren
ausgezeichnetere Buchstaben die Jahreszahl 1G95
ergeben.
Die ältesten Münzen der Mark sind zu
Hamm vom P^rbauer der Stadt geschlagen: zwei
44. Stücke seines Soh-
nes und Xachfolgers
zeigen im Avers eine
Figur mit der Mütze
bedeckt, in ihrer
Rechten ein Schwert.
in der Linken den
mit Kleeblatt gezier-
ten Buchstaben A.
der auf Altena gehen
soll, und eine als
Egctbertus oder En-
gelbertus gedeutete
Umschrift. — Ku-
]»f('rmüiiz('n der Stadt kommen ohne Jahres-
zahl, wie man meint, um l()0(i, mit derselben
von I1IO5 — 174() vor.
Aus der Sammlung des llofraths Essellen
verdienen folgende Gegenstände unsere Beach-
tung: zwei Gruppen in Holz geschnitzt, eine
l'ietä, eine Mutter Anna mit Maria und dem
.lesuskinde, beide nach dem Stile Arbeiten aus
dem Anfange des 1."). Jahrhunderts: — ein Stein-
reliefaus Kloster Kentrop : die Kreuzahnahme
mit Spuren der Bemalun?. nach Costüm und
Stil ungenUir V(»m .lalire l.'tOO; zwei weissliehe
liefässe. 'rrpjifi iMrbi'itcn dis 1(). Jahrhunderts,
Fnudstücke aus (juifigeii Haii^fundameiiteii.
schlank mit t riebt erfnrniiirer Miintlini'j. gefranz-
(em Fussrande. Kleinen Heiikelribren. am Bauche
verziert mit drei Me(laill(»ns. weiche in einer Blatt-
nniralnnung an dem irrüssern ^KWiii hohen Stücki'
Httsten. an dem kleinern jedesmal die durch
Insilirift charakterisirte Fignr der .Hoffnung'
darstellen: ein metallener MTirsor mit der Jahres-
4.^.
zahl 1552 und mit dem Relief der Amazonen-
schlacht: ein kleiner Altar, theiis von Holz,
theils von Marmor, in vier Etagen l.Oüw* hoch
mit Säulchen, Bögen und Metallzierden aufge-
baut, etwa aus dem Jahre lß<tö: eine Gold-
uage vom Jahre IGÖO mit Nachbildungen von
Goldmünzen des 1(5. und 17. Jahrhunderts.
Von Hamm stammt ein cvlindrischer 0.1 8mj
hoher Henkelkrug (Fia. 44. 4")) aus fuchsigem
Steingut im Gewerbe-Museum zu Leipzig. Der-
selbe hat bei eleganten Verhältnissen oljen und
unten ein kräftiges Profil-Band, im Silberdeckel
zweiseitig gefasst die Denkmünze des Bischofs
Christoph Bernhard von
Galen auf die Unterwer-
fung der Stadt Münster
von 1661 und ein gra-
virtes Familien -AVapjien.
Da sich derartige (ie-
fässe mehrfach im Mün-
ster'schen finden . so
dürfte auch hier ihr
Fabrikationsort zu su-
chen sein. Dasselbe gilt
von zwei georen 1700 mit
dem Rahmen aus Thon
gebackenen Bildern
einer etwa 0.46 : O.40»;
grossen Ceres, die bei
Kloster Kentrup gefun-
den ist. und einer etwas
kleinern ^Madonna mit B^
dem Jesukinde: denn die
letztere stammt aus Münster, ein ähnliches
Stück dort, im Besitze des Herrn Medicinal-
raths Ohm. von Schnnelliet bei Greven. .Vuch
die herrlichen Flachbihler. welche mit dem
reichverzierten Balimen um 15oo aus Thon gi^
brannt und meistens itohchroniirt sind, lintlen
sich nur im Bereiche des Münstorlandes. wo
der Bo(len den verschiedenartigsten Thon. zu-
mal auf dem sandigen Westsaume, lieferte : sie
gehen wi(> an Alter so auch an SchAnhoit den
andern voran und d«T eingt-druckie Meister-
stempel: Judocus ]'riciis weist vielieicljt auf
Vreden als den Fabrikationsort. Daher ist In?!
all' diesen Thongebilden vonTst auf einen aus-
wärtigen Ursprung nicht zu schliessen.
filliiS>K i;VANOELlsrHK KinCHE.
r>f»
r'
Auf dem Markte stellt seit 1874 ein fui-
die im letzten Franzosenkriege Gefallenen errich-
tetes und vom Bildhauer Goldkuhl zu Wieden-
lirück anfjefertif^teH Stcindenkiual: eine Ger-
mania auf hohem gothisch gehaltenen Sockel.
Vorher S. 7—11, i:j -15, 21. - Soibortz, Quollen i|. Wc-,tf. (io^oh. U, N'r. 11 ; — KindlinifOT, M. B. U, N • -
U.-B. (1. U.W. IV, p. 7 ülior don Uiimmor FrcHtiihl ; — L. v. Xurthof a. a. 0. S. 7:5 un<l >lio i; '-pi
S. .320 f.; — \-. Stcinon IV, .>U-(J(;.0; — Urk. von 124;5 bei Kroiner II, 121; — V.'fndt, ztir Foi<r l.-s
K. Gymnasiums zu Hamm. 1857, S. 1 ff. ; — Vaw rector scholarum von 12?« tei Kindlin^t-r, Voln. . r-l-
hoff, DenkwiiriliL'koiteu aus «lom .Münster. Hunumismus mit einer Anliisro filier «las frtthero Pre^M- -n«,
187-1, S. 210; — Uüscliinf,', Erdbo.schroiljun),' V, 07; — Kosenmoier in Tro-^' Wo^ffalia. 1H2.'<, S. :■/:,, \. VjkU.jc, Um (iraf-
schaft . . . Dortmund, II-. S. IW}; — Essellen, S. ;50 -G(»; - Uol«r die Archivalien U. Wilmans in Pick« Monatjutthrifl, II. 7, 8;
— Mitthoilunircn der HoiTon Prof. Dr. Niehuos hier und Dr. Koppmann zu Hamliun,' iilrt-r die Han<te; — ilittheilom^en >l«r Herren
W. V. d. Mark zu Hamm und üirector Zurstrassen zu I^eipzig; — Der folg. Artikel, Mark; Borg; — Lr>caJ -Uut<.Tiachaa«;«n.
Die evanireliscrhen. Ivirclieii.
Hamm erfreute sich schon iiber hundert
Jahre städtischer Selbständigkeit, als es kirch-
lich noch zur alten Pforre Mark gehorte; die
Grafen hatten den Nienbrügger Bezirk kirchlich
von Herringen gelöst, zu Hamm neben ihrer
Hofkapelle auch ein Gotteshaus zu Ehren der
Heiligen Laurentius und Georg, welch' letzterer
als Ritterpatron den Vorrang gewann, gegründet,
und es mit so vielen Rechten ausgestattet, dass
1254 ein Pfarrer von Hamm auftritt; doch dies
war kein anderer als der von Mark, das Gottes-
haus eine Kapelle, wie sich 1279 noch ein
Albero ,Pleban' der Kirchen zu Mark und Hamm
nennt. Das Patronat beider sowie der Schloss-
kapelle zu Mark Avar in erstgenanntem Jahre
vom Grafen Engelbert dem Kloster Cappenberg,
1270 jenes der Hammer Pfarrkapelle wieder
den Cistercienserinnen zu Hamm verliehen, doch
nach verschiedenen Streitigkeiten 128(5 Cappen-
berg verblieben. Hatte die Kapelle schon solche
Bedeutung, die aufblühende Stadt gegenseits
durch Fehden und Belagerung leicht eine Stö-
rung im Verkehr mit der fernen Pfarrkirche zu
fürchten, so war die kirchliche Selbständigkeit
nur mehr eine Frage der Zeit, und 1337 auch
thatsächlich durchgeführt. Die Kirche wurde
dann so ansehnlich, dass sie achtzehn Vicarien
zählte und der von Dortmund avoI an die Seite
gesetzt "^vurde, indem von der Decania Tremo-
uiensis et Hammonensis die Rede war. Die
Pfarrgründung gab, wie es scheint, einen erfreu-
lichen Anstoss, den begonnenen Bau der Pfarr-
kirche auch im Laughause fortzuführen und
jenes Werk des gothischen Stiles zu vollenden,
welches unter den herrlichsten Kirchen des
Landes einen ehrenvollen Rang behauptet (vergl.
die Tafel). Wie eine Krone von stilvollem Ernst
ruht der Chor vor dem mächticren Kn.-uzbaue
mit drei gleich hohen Schifieii, würdig und reich
in den Formen schUesst ihn der viereckige West-
thunn ab. Das Ganze hat mächtige, harmoni-
sche Dispositionen im Grundrisse (Fig. 40), wie
im Aufbau: da.s beiderseits kühn entwickelte
Kreuz gereicht dem Hallenbau zu einer ebenso
seltenen, als imposanten Zier. Alle Räume decken
viereckige Kreuzgewölbe zwischen breiten abge-
kanteten Gurten und zwar die Chorvorlage eins,
die Flügel je zwei, das Mittelschiff fünf — sämmt-
lich von oblonger Form, die schmalen Seiten-
schiffe quadratische: als Einheitsmaass macht
sich das grosse Gewülbequadrat der Viening
geltend. Romanische Construction klingt also
im Gesammtentwurfe , romanische Ghedenin?
noch im Chorbaue nach; dieser schliesst mit sie-
ben Seiten eines Zwölfecks, das dem Kreise nahe
kommt, eine vermauerte Thür der Südwand und
das Portal der Xordwand sowie jedes Güed des
Kleeblattes, das dessen verkümmertes T^Tupanimi
belebt, mit einem Rundbogen. Die Fenster sind
zweitheilig, schlank, aussen und innen mit capitäl-
losen Rundstäbeu auf schwachen Basen besetzt
und mit einem Stern von sechs Pässen bekTönt.
die Pilaster, zumal jener der sütllichen Ecke.
(Fig. 47), und noch mehr die Wandsäulchen
(Fig. 48, 49) bestehen aus einer wechselvollen
Gliederung von Ecken. Rundstäbeu imd Hohl-
kehlen mit kräftigem Sockel und laubvei-ziertem
Kelchcapi<^äl, und sind von grösserer oder gerin-
gerer Stärke, je nachdem sie Schildgurten. Rij)-
pen oder Quergurteu stützen, die alle kTäftig und
00
HASIil.
edel profilirt sind. So verstand man den schön-
sten Gliedern zu^Meich den Schein constructiven
Bedürfnisses mitzutheilen. und damit ihrVertica-
lismus nicht auffalle, geht der Fenstersims (Fig. 50)
wieder für sich profilirt als unterbrechender Ring
um sie fort. Das Profil bildet im Kerne der fer-
neren Gheder einen Rundstab vom spitzig ausge-
zogen: kantig sind jedoch die fünf Kreise, welche
concentrisch zusammengestellt als Blende die
obere Fläche der Xordwaud beleben, der anschei-
nend ein Süsserer Anbau, eine Sakristei oder eine
Kapelle, ein besonderes Licht nicht gestattet hat.
licidcr la•^^en die Laubzierden der Capitüle ent-
ufdcr unter arger Verstünimelnng oder dickem
Kalküberzuge ihre einstige Sehilrfe und Schön-
heit kaum mehr hervortreten, scheinen jedoch
thoils nach den ^[ustern des UeborgangsstUes
sein. Frei au>blüiiend in die .Tugendfomien der
Gothik und «lennoch gehalten von den erjirobten
Ueberliefenmgen der scheidenden Romantik zilhlt
dieser Chor (vgl. die Tafel) mit seinen reichen
Gliederunsreu und Zierden zu den frühesten und
tiieils versehie<lener Xaturi)flanzen geformt zu frischesten Tr(»ph;*\en. welche der Stil henor-
GROSSE EVANfiKLlSClli: KIKClUi.
61
gebracht hat — ein Lob, das in gewissem Masse
auch die Langmauern verdienen, nur dass sie
im Fortschreiten nach Westen auch den spätem
Stilformen sich fügen mussten.
Die reiche GHederung der Wandpilaster, das
Bhittwerk des Chores kehrt auch im südlichen
Kreuzflügel wieder und wie Knospen der Früh-
gothik erschUessen sich die als Giebelbauten
^. /
^' \
-r /■• H
vortretenden, leider traurig verwitterten Portale.
Eundstäbe mit schlanken Capitälen und andern
Zierden fassen die perspectivisch eingesenkten
Gewände (Fig. 51, 52) und darüber die Laibung
der Spitzbögen ein, hier nehmen einige auch
die vorn zugespitzte Profihrung (Fig. 53), der
Giebel des Nordportales (Fig. 54) den Flächen-
schmuck eines grossen Dreipasses an. Und selbst
die Fenster des Südflügels, deren westliches ver-
50.
mauert ist, sowie jene des Langhauses haben
zwar je nach der Grösse des Eaumes einen,
zAvei oder drei Stäbe, doch alle eine reine Be-
krönung, die grösseren an einem Geflecht von
reinen Mustern, die kleineren an drei oder vier
Pässen oder Blättern, deren Spitzen an der Nord-
seite gar in Liüen ausblühen. An den Fenstern
des Südflügels weichen die rundüchen Güeder
bereits den eckigen (Fig. 55g), in den Fenster-
(Fig. 55 h) wie in den Portalge wänden des Lang-
hauses wechseln starke Kehlen mit scharfen
Stegen und wiederum an der Nordseite schliesst
das alte Portal mit einem Kleeblatt, dessen
oberes spitzbogig ausgezogene Güed veimauert ist.
Dagegen fallen am Innern Stützengerüste
wie an den Wölbungen so viele steife oder kahle
Formen auf, als ob hier andere Stilgedanken
massgebend gewesen wären. Die Mittelstützen
erheben sich als schwere Kundpfeiler mit nie-
drigen Basen und kurzen kahlen Capitälen —
am schwersten jene beiden Paare im Osten und
Westen, 'vovon dies die Gewölbe der Viening.
jenes die Osthälfte des Westthurmes trägt. Unter
den Wandpfeilern haben die beiden des Thurmes
dieselbe, jene der Langwände die Gestalt dicker
Dreiviertelstäbe A\iederum mit schmucklosen Ca-
pitälen und nur einige, zwei im Süden, eines
im Norden die edlere Composition von drei
schlanken Rundstäben und zwei der letzteren,
die westüchsten der Nordwand, an den Capitälen
eine kräftige Laubzier. Hie und dort überrascht
51. öS. 33.
uns sogar die verschiedene Höhe der niedrig und
schwächlich profilirten Basen. Sämmthche Ge-
wölbe der Haupträume entbehren der Rippen.
welche mit wechselvoll gemusterten Schlussteinen
die Abseiten auszeichnen, vollständig, die vier
Gewölbe der Kreuzanne ruhen sogar auf trapez-
fünniger Grundlage, als wenn man mit der Rich-
timg ihrer Mittelgurten bestehenden Bautheilen
Rechnung getragen hätte. Unzweifelhaft dürfen
diese formlosen und unregelmässigen Wölbungen,
die gegen die stilvolle Behandlung des Ganzen
zu grell und unvortheilhaft abstechen, für spä-
tere Zuthaten gelten. Ich möchte gerade den
gebündelten Wandstützen kein höheres Alter
beimessen, wie den einförmigen Dreiviertelstäben,
zumal da zwei von ihnen gute Laubcapitäle.
und alle an der Stützung der alten Seitenwöl-
bung von gut geschnittenen Bruchsteinen gleich-
artigen Theil haben. Jedenfalls erscheinen die
Hauptgewölbe später eingesetzt, zumal sie aus
Ziegelsteinen bestehen und über ihnen an der
()bermauer noch die höheren Ansatzstellen der
frühern sich deutlich abzeichnen. Sie sind jeden-
falls in der grossen Reparation, die 1746 be-
62
UAMÜ.
gann, unter Beibehaltung oder Nachbildung der
alten Gurten eingesetzt, damals auch wol die
plumpen W'andsüulen des nördlichen Kreuzarmes,
die sogar statt des Capitäls eine stumpf profilirte
Platte deckt, gemacht und die Stäbe und Maass-
werke des dortigen Gicbelfensters beseitigt, nach-
dem die verheerende Feuersbrunst von 1741,
wie die Glockenin-
schriften und die
Bücher erzählen,
den Thurni mit den
<ilucken und von
der Kirche das Dach,
einen Theil des Ge-
wölbes, sogar die
Orgel und Kirchen-
stühle zerstört hatte.
Unter jenem Brand»
hat namentlich auch
>\rr Tliiinn gelitten
und das westlichste
Gewöll)efeld des süd-
lichen Seitenschiffes
seitdem leider auch
der Kinwüll)ung ent-
l)ehrt. Der Thurai
ruht nilmüch, wie
gesagt, mit seinei'
Osthillfte auf einem
Wandsilulen- und
einem freien SiUilen-
|iaare, so dass der
untere Baum mit
den lieiden Gewöl-
Im'ii der.U)seiten das
westlichste Gcwr»!-
Ix'fejd des Langhau-
ses ausmacht; die
schlanken Gurten
seines östlichsten
Siiulen|)aares zeichnet sogar ein schönes Lai-
lMm;,'s])nilil aus. Leider ist dies Gewöllu-feld
durch eine liuerwand vom Langhause geschieden,
diesem auch das Licht des schönen Thurmfensters
eiitzoi^en, leider seit der neuesten Bestauration
das Paar Arauerötrunngen der Langwilnde. welches
neben <lem Thunnu'efache wol fm- die Werklente
als NotliLraiiLT iri'diruf hatte, zu Kiugäugen um-
gestaltet und dadurch deu benachbarten Por-
talen zwecklich wie ästhetisch Abbruch gethan :
denn nun beläuft sich die Zahl der Eingänge
auf sieben, mit der Sakristeithür gar auf acht.
Die AVesthälfte des Thurmes ruht auf Maueni
mit übereckgestellten Streben; sein Unterbau
steigt schon höher, als das Mauerwerk des Lang-
hauses empor: dann
folgen noch drei Eta-
iren. die jedesmal
horizontal durch
Spitzbogenfriese mit
Xasen.vertical durch
Liseneu in drei Fel-
der zerlest und zu-
dem durch zweithei-
lige Fensterblenden
mit leliendiger Lai-
bung und Drei- und
^'ierpassbek^önung
ausgestattet sind ;
den Unterbau ziert
ein zweit heiliges
AVestiKtrtal. dessen
T\ mpanum ein auf-
j:eblendeterVieri)ass
mit Nasen, und dar-
über öffnet sich das
für die westliche Be-
leuchtungderKirche
bestimmte Fenster.
nicht hoch, jedoch
durch jüngere un«l
ältere Pfosten ge-
theilt undmit einem
klaren Maasswerke
bekrönt. Den gan-
7vn Mauerstamm
krönt ein kräftiges
Kranzgesimse und
seit 17Ö4 ein wesciiiiicli auf ein tief in den
Thunn hinabreichendes Holzgerüste gestützter
Helm von drei achtseitigen wunderlich gelxK
geneu Stufen, nachdem der frühere seit \*V^
dann durch Blitz, dami durch Stnnn. und einmal
(1<)22) tlurch die Kugeln der Spanier zer-^tört
oder beschädigt war.
Im Siidwinkel de» Cli.ir.v «in.lr! sjoh |>olygon
G1WJ5.S1- IVANÜELLSCIIE KlltCJlI-.
und mit schwacher Strebe verstärkt ein Trei^jteii-
thürmchen aus der Zeit der umo-el)endeii Bau-
theile empor, dagegen steht im Norden des
Chores an Stelle eines frühem IJanes eine Sa-
kristei von zwei Etagen, im Untergeschoss mit
vier Kreuzgewölben über einem Mittelpfeiler be-
deckt und später mit einer Querniauer durch-
setzt — ein Werk der entarteten Gothik mit
flachen Gesimsen, rundbogigen Fenstern und
rohem Baustein, das um so mehr absticht, als
es eine beträchtliche Grösse und ein Fenster des
Nordflügels verdeckt hat.
Trotzdem spätere Bautheile und hölzerne
Bühnen im Innern, verhältuissmässig steife Stre-
^__ ben im Aeussern nicht mehr
mit dem ursprünghchen Ge-
sammtwerke harmoniren,
trotzdem der grüne angeblich
aus den städtischen Brüchen
bei Limern gewonnene Mer-
gelsaudstein gar sehr unter
Verwitterung gehtten hat, macht die Kirche
mit dem Grundtone edler Stilgliederung, mit
ihren beträchtUchen Dimensionen, mit dem kreuz-
förmigen Dache, dessen Hauptlinie über dem
Chor wieder sinkt, einen romantischen und gross-
artigen Eindruck, der noch an Einheit und Kraft
gemnnen wird, wenn erst eine Eestauration, die
sich den vorhandenen Formen oder, wo solche
nur mehr unklar voriiegeu, dem Geiste des ur-
sprünglichen Bauplanes anschliesst, das ganze
Werk wieder verjüngt hat.
Wann die einzelneu Bautheile vom frühgo-
thischeu Chore bis zum spätgothischen Sakristei-
bau entstanden sind, darüber suchen yvir ver-
geblich nach Berichten. Vielleicht erhob sich
der Chorbau auf altern Mauerresten nach dem
Jahre 1275, als ein jammervoller Brand die
Stadt heimgesucht hatte, und stockte der Aus-
bau desselben vor dem Brande des Jahres 1307,
— Chor und Kreuzbau dürften 1322 fertig
dagestanden haben, weil nun in ,der Kerken to
me Hamme' eine Verhandlung vorgenommen
und beurkundet wurde. Der Ausbau des Lang-
hauses mag 1337 durch die Gewährung der
Pfarrechte besonders angeregt, und nachdem
das Mauerwerk vollendet war, die alte Kapelle
gefallen und nun erst das Stützenwerk im Innern
mit den Gewollten erstanden sein. Der Thurm
mit seinen Abseiten erlangte seinen Abschluss
wahrscheinhch erst gegen den Anfang des 15.
Jahrhunderts. Die Sakristei kann längst für ein
Werk des 10. Jahrhunderts gelten und 150ö
erhielt die Kirche auch durch Fundation des
Pastors Peter Buick einen neuen Altar zu Ehren
der h. Jungfrau Maria vom Rosenkranz.
Die Kirche ist durch den Eifer der Refur-
mirten um ihre zweifellos einst sehr reiche Aus-
stattung an Kunstwerken, durch den Brand
1741 um ihre Archivahen und Bücher gekommen
und daher heute nur mehr im Besitze weniger
und junger Stücke, welche würdig den Kunst-
stil ihrer Zeit vertreten. Zwei davon, nämlich
gleichartige Eenaissance-Epitaphien haften im
südhchen Kreuzarme, das eine an der Giebel-
wand, das andere an der Westwand in der Nische
eines vermauerten Fensters, beide hier und dort
in der Anordnung ihrer Wappen fehlerhaft. Das
eine des Heuricus Wrede in Milliughausen be-
steht aus einer viereckigen Schrifttafel und deren
vier Rahmenstücke fassen oben die Wappen
Hanxler und Letmathe. ünks jene Wulf, von der
Borch, Droste, Langeuthreer, Berninckhausen.
rechts jene 0er, Recke, Galen, Mordieu. Farensel.
während auf die beiden Bhndflügel die Wappen
und Namen Kuckelsem und Torck kommen.
Darüber enthält eine kleinere Tafel mit klee-
blattfürmiger Bekrönung die beiden Hauptwappeu
Wrede und Kruckerugge.
Die einzelnen Theile sind mit allen Mitteln
des Stiles zierhch und tüchtig ausgeführt, so
dass das constructive Gesammtgerüste kräftig
durchscheint. Die Haupttafel besagt in einer
Reihe von Distichen, dass der dort bestattete
Henrich Wrede von MUinghausen in der Jugend
die Schulen studirt und, nachdem er eine Zeit
lang Kriegsmaim gewesen, das väteriiche Erbe
angetreten endlich eine mit allerhand Tugenden
ausgezeichnete Lebeusgefährtin aus dem Hause
Beringhausen heimgeführt habe.
Das zweite nur wenig jünger^ Epitaph Münster-
Penthnck ist arg, vielleicht vom Brand. besehäiMgt.
überdies schwulstiger im Stil, roher an Arbeit
und etwas einfacher im EntMurfe. Zwei Rund-
säulen flankireu jederseits das viereckige Haupt-
feld und tragen ein schweres Gebälk, au dessen
64
HAMM.
Ecken zwei fialenartige Aufsätze, dazwischen
den krönenden Giebel, dessen Base die Inschrift
hat: Epicedium hoc positum A? l6lo. Anden
Seiten figuriren wieder Bhndflügel mit schweren
Fruchtzierden und als unterer Kandbesatz ein
Schild mit dem Eteostichou. Die Wappen, welche
hier zum Theil die Zwischenräume der beiden
Seitensäulchen einnehmen, sind auf der einen
Seite Münster, Kaesfeld. Kipperda, Hacfort, Vos
von Steinwyk, Haften. Ukena v. Broccum (?),
Münster (mit zwei Querbalken), auf der andern
Pentlinck, Berninghausen, Galen, Krackerugge.
Kecke, Büren, 0er, Pletteuberg. Das Denkmal
L'hrt die Elisabeth von Pentlinck, Erl)in zu Hil-
Iteck, Tochter Hennan's von Pentlinck und der
Anna von Berninghaus, ersten Gemahün Bern-
hard's von ]\Iünster zu MeinhOvel.
Einen im Durchmesser O.llm grossen Rund-
ichild von Bronze umgibt die Umschrift: Anno
1613 am 24. Sept. ist die woledle Sophia von
Dicpenbrock Wittib lohsten Drosten zum Vie-
hoffe chribtlich verstorben; die Mittelllilche füllen
die beiden mit flotter Helmzier belebten Wappen
Droste-Diepenbrock und einen Randausschnitt
unten die Namen.
Ein anderes Epitaph haftet an der Schluss-
wand des Chores und enthält in Stein ausge-
führt das Brustbild des Verewigten in hohem
Hehef, umgeben von Kriegstrophäen, darüber das
Wappen, danmter folgende Inschrift: Monunien-
tuui sunuiii herois lohannis Dubuisson S. R.
Majestatis Prussicae (piondam generalis niaior,
copiarum pedestriuin m comitatu Marcano per
annos 6 iniijeratorij necnon illustris athenaei
MannuonenHs regia auctoritate opuni con.siliarii
constituti priniarii ac nati Victoriaci in Cam-
])ania (iallica anno Doniini Ml)CLX\'l, unde
liurioruni ^acroruni ergo in terras Prus>ico sole
calentes delatus post (juadraginta fernie et se.\
^til)endia inerita lianmione tandeni niaxnno
>uoruni et onmis jjublicae rei delriniento ac
dolore ante diem XII. Kai. Sextilis hora octava
malutina MDCCXWl placide finit.
Zwei meist grau in Grau ausgeführte \'otiv-
ul.'ber des äusserstcn ('horfcnsters bieten die
\Vapp('n uml die Niiinrn dir (ieber, nämlich
iicrhardu> Znrhoidcn . . . ,\)ino 174-"^ ^md
< luibtian Allierl Zurheiden 1. \'. D. Cleve-M.'irki-
scher lustizrath und Ober-Bürgenneister zum
Hamm.
Drei Kronleuchter von Messing sind unten
mit einer grossen Kugel beschwert, und zwei
davon mit zwei, einer mit drei Reihen von
Leuchterarmen umgeben — jedenfalls Arbeiten
aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.
Ein starkes und schönes Werk der Mubel-
kunst erbhcken wir in der Kanzel. Sie hat
Fuss und Deckel von geraden und concaveu
Seiten, ruht auf Rundsäulen in der Umgebung
schneckenartiger Zierglieder, wie solche auch
oben vereint die Bekrönung des Deckels aus-
machen. Auch sie wird nach dem Brande für
ihren jetzigen Standort vorn auf dem Chore und
zwar wie die gleichartige zu Pelkum vom Hammer
Meister Döraidahl erbaut sein.
Eine viereckige Holztafel erinnert mit den
Wappen und der Inschrift an Wilhelm von Kort-
mann geboren 1730 f 1773 17 11.
In dem Brande aou 1741 sind auch die
(j locken bis auf die Schlagglocke geschmolzen
und 1743 zu Münster durch den Meister Johan
Schiücys mit Unterstützung Friedrichs d. Gr.
meistens neu gegossen laut den gehaltvollen In-
schriften der beiden grösseren:
1. lohan ScJnvcys me fccit Monasterii a.
1743. Attende lector, (juod, ira Divina die
16. Aprilis a. 1741 conibustis 372 aedibus, turre
e.xcelsissinia, quatuor campanis et aede in hac
urbe Hanmione devastatis, hoc annuente divina
dementia per regem Fridericuni II. dominum
nostrum longa clementissimum restitutum (et)
ex fragmentis haec campana cum duobus aliis
fusa est dirigentibus d. d. coss. C. A. Zurheyden
et M. Fabricio Camer (?) F. Hobbelt et sccre-
tario P. Grube.
2. lohan Sc/nccys nie fecit Mon.u^terii a.
1743. Soli Deo gloria. Agite, cantemus lehovae,
resonenuib .... j)s. Qö v. 1,2.
Die dritte Glocke hat eine Inschrift aus jis.
80 V. 16,17.: Wehe dem Volk . . . Hernian
Spicker in Meidrich anno 178(1.
AVir vermissen also die dritte Glocke von
Scfiu'cys.
Di«' Hefonnation drang hier seit 1ÖÖ3 mit
wt'cliscliult'in Erfolge durch, und die grosse Kirche
verblieb nacii langen Streitigkeiten und schliess-
KATiKJl.I.SCHK KIUIII]-.
65
lieh unter Eiinvirkung der i'fiilz-Ni'ubur^n.selieu
Regierung- den Keformirten ; die Lutheraner,
Avelche vorerst die Kirche zu Mark, von 1650
bis 1739 oft unter heftigen Anfechtungen aber
eifrig unterstützt von Küdiger von Westhoven
einen Betsaal besuchten, konnten im letztgenann-
ten Jahre ein eigenes, nach dem Brande der
grossen Kirche auch von den lieformirten be-
nutztes, Gotteshaus beziehen, bis beide Gemein-
den die 1817 beschlossene Vereinigung 1824
vollzogen.
Die kleine evangelische Kirche in den
Jahren 1734/39 erbaut zerfällt in einen poh'gonen
Chor und ein geräumiges Langhaus mit West-
thurm. Drei hölzerne Säulenpaare tragen die
hölzernen Kreuzgewölbe und zugleich die Em-
poren der Seitenschiffe, zwei Stäbe stützen die
Gläser der langen rundbogigen Fenster, der
Thurm mit den eisernen Jahreszahlen 1736 er-
hebt sich viereckig, in den obern Etagen poly-
goner und endigt mit einer hohen Zwiebelspitze.
Sockel und Feusterstäbe bestehen aus Bruch-
steinen, die Mauern aus Ziegelsteinen.
Den Geschmack der Kococozeit offenbart, je-
doch in gefälliger Form, die Kanzel mit dem
Schalldeckel: kräftige Barockfonnen hat das an-
geblich aus Soest überkommene CJrgelgehäusc.
Die beiden Glocken haben folgende In-
schriften :
Die grosse: Soli Deo ^lona. M 1740 lohan
Schiveys nie fecit Monasterii. Die h. \v.
g. ü. freifrau verwittihte v. Miinchhausen
v. Launau g. b. Baer v. J-Jarnau schenket
den evglischen hitterischen in Hamm fliese
Klocke v. 3(XJ r. thler, mit sel])iger des
tages zu 3 Zeiten die hertzen zum lol)
Gottes zu erwecken. Unten am Rande
Ps. 150 V. 6.
Die kleine: Soli Deo gloria. A? 1749 Frideri-
cus Schweys me fecit Monasterii. In nie-
moriam Dni Rud. de Westhoven fundato-
ris 2di pastoratus me dederunt nepotes
C. F. de Westhoven siibcenturio Pruss. L.
S. de Westhoven, conjiix quaest. regii Sud-
hausii et S. F. de Westhoven nupta nobili
de Ossenbruch.
Kampscliiüto, S. SO; — Rusenmeycr in Iruss' "WestiJhalia, 1825, S. 3(lö; — Lübke, S. 220— 281 ; — i.Aufnahinen ik'< Kreisbanmcisters
Siemers, 1857, nicht benutzt) — Lippische Regesten, herausg:egeb. von Preiiss luid Falkmann, III, Xr. 2274 ; — Möller Hamm,
S. 00—91 ; — Inventarinm archivii Hanimonensis Ms. p. 3a ; — Bädeeker-Heppe, 11, 41-4 ff. ; — Mitth. des HeiTn Pastor lic. Sachsse ; —
die liischrifton zweier Epitaphien sind vom Hemi Lieutenant von Spiessen zu Metz, jene der Glocken vom Hemi GjinnasiaUelirer
Grachot zu Ai-nsberg mit allem Torbehalte, namentlich die letzteren, weil sehr schwer zug-änglich, eingeliefert luid hier blos mit
Rücksicht auf die iiüialtlicho Richtirfcoit -n-iederg-eireben. — Local -üntersuehunü: und -Aufnahmen.
Die katholisclie Ivirclie vnad. aiacleve Denkmäler.
Gewiss seit Gründung der Stadt bestand an
der Nordostecke auf dem grossen Räume,
den nördlich die Lippe, östlich die Zingel, westlich
die Franziskaner-Strasse und südlich die Brüder-
Strasse einschliesst, der 1269 auch urkundlich
genannte Hof des Grafen von der Mark; und
auf dem Westsaume dieses Schlossgebietes Hessen
sich im 15. Jahrhunderte die Franziskaner
nieder. Graf Gerhard von der Mark, welcher
in dem unseligen Streite mit seinem Bruder
Adolf auch Hamm behielt und als seine Resi-
denz sehr begünstigte, überliess dem Orden die
1328 zuerst erwähnte Schlosskapelle mit be-
stimmten Gebäulichkeiten: sonst blieb der Gra-
fenhof in Würden, doch seit Ende des Mittel-
alters nicht mehr als Residenz, sondern an-
scheinend als Wohnung des Amtsdrosten, später
mit einem einfachen Hause als Rentei, seit der
Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1802 als ilieths-
wohnung des kommaudirenden Generals, und
ging dann durch Verkauf in Privatbesitz über.
Dass das Schloss gegenüber andern Resi-
denzen schon im Mittelalter an Bedeutung ver-
loren, die Stadt mit dem Abzüge der Nonnen von
Kentrup, die früher südlich vom Schlosshofe ge-
wohnt, kehl Kloster mehi hatte, sowie das Zu-
reden eines Johan von Dalen, der Laienbruder
des Franziskaner-Ordens und Avahrscheinlich vor-
nehmer Abkunft war, mochte den Grafen Ger-
hard bestimmen, die der h. Agnes geweihte
Schlosskapelle, ein Haus und einen Garteuraum
also auf dem W^estsaume des ganzen Anwesens,
dem Franziskaner- Orden behufs einer Kloster-
stiftung zu schenken. Papst Nicolaus ertheilte
i^
00
UAMil.
14o:^ die Genehmigung und auf
dessen Geheiss fördert der De-
chant Millinghues von S. Patro
clus zu Soest, nachdem noch Ger-
liard von der Kecke vom Gründer
IJaur.ium erworben hatte, die Stif-
tung so, dass schon im folgenden
Jahre der Guardian Cornelius von
Gouda mit belgischen und rheini-
LI
L
fl ™' Kloster
g — \
M
»i
sehen Mönehen seinen Ein-
zug hült.
Die neue Monchskolonie
bestand aus Observanten:
unter diesem Namen hatte
sich der Franziskan»'r-(>r-
den durch Strenge und eif-
rige Seelson;e eben in H«'l-
gien wieder enieutTt. eine
rtlhmliche Ausbreitung bi^
an den Hhcin gewonnen und
vielleicht auf HenuUu'n •ii»'"«
KATilüLI.StHK KIKCIIE.
67
Westfalen, des Paters Cülde, der eine mächtige
Triebfeder in der lieform gewesen, auch das
neue Kloster in Hamm erhalten. Der hiesige
Convent, der erste der Observanten zwischen
Ehein und Weser, ward bald auch die Pflanz-
stätte neuer Klöster im weitern Westen, so
jener zu Lemgo, Corbach und Bielefeld, und
gelangte zu einem Ansehen, dass er noch zu
Lebzeiten des Stifters beliebig viele Novizen auf-
nehmen durfte, seine Mönche sogar die Kanzel
im Dom zu Münster bestiegen und, als die Re-
formation die meisten Pfan-ldrchen der Mark
erol)ert hatte, da spenden die Hammer Franzis-
kaner unter fürmUcher Genehmigung des Werler
Officials vom Jahre 1638 die kirchlichen Heils-
mittel ihren zerstreuten Glaubensbrüdern in
den Kapellen, Kloster- oder Simultankircheu zu
Unna, Camen, Drechen, Nordherringeu, Heil,
im 17. Jahrhunderte zu Rhjiiern, später zu
Geithe und auf ein Decret der clevischen Regie-
rung auch in Privathäusern, zumal auf dem
Hause Gröuenberg, und ihre Klosterkirche war
seit 1666 anerkannt als Pfarrkirche für Hamm
und Umgegend. Namentlich gewährten ihnen
die Hoheuzollern'schen Landesherren mancherlei
Vergünstigungen sowol in Bezug auf ihre häus-
liche Einrichtung, als ihre oflFeutliche Wirk-
samkeit.
Das Kloster wurde 1824 vollständig auf-
gehoben; seitdem dient von den Klosterräumen
die Osthälfte den Kathohken als SchuUocal und
Pfarrwohnung, seit 1826 die grössere West-
hälfte theils als Kreisgericht , theils als Ge-
fäugniss und Wohnung der Beamten.
Das Kloster (Fig. 56) lag mit seinen be-
langreichen Gebäuden und Räumlichkeiten im
Nordeu der Kirche, und bildete seine Boden-
fläche ein unregelmässiges Trapez, dessen grös-
sere Nordhälfte der ummauerte Garten, dessen
kleinere Südliälfte die Klosterbauten einnahmen.
so dass der schmale Westbau sich am Saume
des Gartens bis an dessen Aussenmauer fort-
setzte. Der Hauptbau bildet zwei viereckige
ßinnenhöfe, einen regelmässigen im Osten, einen
unregelmässigen zufälhg durch die Configuration
von Bautheilen entstandenen im Westen. Der
Hauptbau des östlichen Hofes lag, ohne Chor
und Sakristei zu berühren, an der Kirche und
machte mit dem Theile des Nordflügels, der
sich als solcher hinter dem westhchen Binnen-
hofe hinzog, den Convent, In der Front seines
AVestflügels liegt noch jetzt der Eingang zum
Kloster mit dem Schellcnzug von Eisen, dessen
Griff ein Kreuz ist. Der schmale Bau im Norden
des Kirchplatzes war jedenfalls das Noviziat,
daran legte sich als Wirthschaftshaus mit grosser
Durchfahrt der lange Westbau etwas nach Nord-
westen gerichtet. Sämmtliche Gebäude sind von
Steinen solide doch schmucklos erbaut und inner-
hch nur in den Räumen der Krankenkapelle
mit Stuckaturen verziert; der Hauptbau hat
zw^ei Geschosse über einem hohen Kellerraum:
der schmalere Westbau und das Noviziat zeigen
drei niedrige Fensterreihen übereinander. Irren
wir nicht, so wurden die gesammten Kloster-
bauten um 1693 begonnen, weil man nun
Contracte mit einem Ziegelbrenner schloss,
und mit dem Noviziat beendet, weil an dessen
Südwand die eiserne Zahl 1709 steht. Im
Hintergrunde des ganzen Reviers erhebt sich
seit 1856/59 als Erweiterung des Gefängnisses
ein hoher Neubau aus Ziegeln, vorn auf dem
freien Platze vor der Kirche seit mehreren De-
cennien das Bild des Gekreuzigten mit Maria
und Johannes, in Stein ausgeführt vom Bild-
hauer Hofuiami zu Köln.
Kunstgeschichthches Interesse erregen die
Kirche und mehrere Stücke ihrer frühern Aus-
stattung, unter den letztern vorab das länglich-
viereckige Denkmal des Stifters (Fig. 57).
bestehend aus zwölf gegossenen und etwas nach-
gearbeiteten Messing -Platten, die zusammen-
gesetzt 3,29>» und 1,51m hoch und breit sind.
Wir erbhcken hier die schlanke gepanzerte Figur
des ,Junkers' mit gefaltenen Händen, ruhend
auf einem gemusterten Teppiche und Kopfkissen.
zu Füssen das von zwei Schw^änen gehaltene
Doppelwappen Cleve-Mark, zu Seiten schlanke
Säulen, zu Häupten auf deren Capitäle gestützt
als Bekrönung einen Tudorbogen, weiterhin von
deren Fialen eingeftisst eine decorative Arkade
und andere Architekturmuster, neben den Säulen
wieder an jeder Langseite ein Zierbaud von
vier FamiUenwappen, in den Ecken die Evan-
gelistenzeichen luul an den vier Rändern die
Inschrift :
68
HAMH.
Anno Domini mcccclxi duoflecima die nienbis
Septcmbrib obiit illustris domicellus, dominum
Gerhardub de Clivis et de Marca, fundator
huiub conventus
niinonim de olj-
bervantia. Grate
j)ro ei IIb aninia.
iit recjuiescat in
pace. Amen.
Die sehr geschickte
Kiiuni-Einthf'ihinir,
die stilvolle Heliand-
liing des Beiwerks
und des Ornamen-
talen, ganz beson-
ders die elegante und
stimmungsvolle Ge-
stalt des Verewigten
entschädigen uns
l)ald für die archi-
tektonischen und un-
gefillligen Lücken-
biisscr unter und
tlber dem Tudorbo-
gt'u: die Schönheit
und die Bedeutung
des Werkes erklären
uns, wie der kunst-
lii'bende König Frie-
drich Wilhelm IV.
es aus dem Flur dei'
Kirche aufheben
liess, damit es eine
würdigere und ge-
schtltztere Lager-
statte erhalte, die
ilnn mm Intneiitlicli
bald zu Tlieil wird.
Diese seltene bald
na(didem'i'odes)ahre
gefertigte Arlx'it lag
wol erst in der Hof-
kai)elle, dann in der
neuen l\l()>ior-
kirebe; denn diese entstammt niebt mehr der
Zeit der Stiftuni;. Nachdem das Klostergebilude
fertig und der Convent zu seiner umfassenden
Thiltigkeit (»rLMuisirt war. da sebeint es. >_'<'-
nügte die alte Hofkapelle nicht mehr, und man
schritt vorab zu einem der Mönchszahl anire-
messenen Chorbau: denn 1504 schenkte der Lau-
desherr sieben Fuss
Landes zur Erwei-
t^Tung dieses vor-
nehmsten Kirchen-
raumes, der drei
Jahre später fertig
war. und nun legte
Koteer Brecht, nicht
<ler Baumeister, wie
die kuustgeschicht-
lidien Bücher wol-
len, sondern der um
das Werk sehr be-
mühte und verdiente
Amtmann des Her-
zoL's.den ersten Stein
zum I^anghause. ^^e
die jetzt schadhafte
Inschrift an der Ost-
ecke des Südschiffes,
also an der Stelle,
von wo der Bau nach
Westen vorschritt,
mit folgenden Wor-
ten besagt : int jaer
unses heren nidvii
des nesten dages
na sunte Franciscus
heft Rolger Brecht
den ersten steen ge-
lecht — eine In-
schrift, die zugleich
nach der Oewolin-
heit des Spätmittel-
alters den Wolthäter
des Baues ehren
sollte: in fünf Jah-
ren war die ganzi
Kirche bis auf die
reichere Westmauer
vollendet : denn hier
am Fortale stvhen. früher tranz deutlich, fidtrende
Dankesverse:
De hir ihn gaben und hel)l)cn gedaen.
Ho >n\\cu mit lohn entfahn.
K'ATIIf)LISCHE KIRCHE.
69
Düt is woll bedagt.
Im jähr l5l2 sin ick hir ^'ela^t.
Der Clior war also lo04 in Arbeit, der ganze
Bau wahrscheinlich 1512 abgeschlossen. Er
stimmt stilistisch mit den Daten, wie in der
Disposition mit den Bedürfnissen und Gewohn-
heiten des Ordens. Die Kirche hat im Schiffe
wie im Chore gegenüber einer Pfarrkirche eine
ausserordentliche Länge, statt eines Thurmes
einen Dachreiter, neben dem Hauptschiffe im
Süden ein Seitenschiff, nicht so hoch und nicht
halb so breit wie jenes und im östhchsten Gefache
um die Hälfte schmaler als die übrigen; sie hat
auch ein gleichfalls gen Osten verengertes Seiteu-
schiff im Norden, das durch eine Holzdecke in
zwei Geschosse zerlegt, baulich und hturgisch
durch die Mauer des Mittelschiffes von der
Kirche gesondert und als Südflügel des Klosters
benutzt ist. Es fügten sich die Frauziskaner
überhaupt den örtlichen Bedingungen ihrer nicht
im Freien, sondern innerhalb der städtischen Be-
schränkung ausgesuchten Wohnung, und es fielen
die Nebenscliiffe im Osten engräumiger aus, weil
im Süden die Strasse, im Norden wol ältere
Bautheile eine regelmässige Ausdehnung nicht
zuhessen. Sie verzichtet auf besondere, mehren-
theils gar auf die üblichen, Stilzierden und be-
ansprucht gemäss dem Ordens-Geiste ueben der
uothwendigen Festigkeit nur so viel Schönheit,
als es das Gotteshaus verlangt. Um so selt-
samer wird das Gesammtgepräge , als bereits
die unstäten Formen der Spätgothik Alles be-
herrschen. Die sechs Kundpfeiler, welche mit
einem Theile der Base im überhöhten Boden
stecken, folgen zu Gunsten der perspectivischen
Wirkung einander auf halber Breite des Mittel-
schiffes und tragen, wie das sonst in den ärmeren
Landestheilen vorkam, als Kämpfer eine acht-
eckige Platte, die mittelst einer geschweiften
Schmiege zum Pfeilerkern übergeht. Der durch
einen breiten Scheidebogen bezeichnete Chor hat
die Länge von zwei Gewölbeftichern und einen
dreiseitigen Schluss aus dem Achteck. Die
Gurten der Kreuzgewölbe, welche alle Bäume
decken, haben eine fast rundbogige Scheitel-
neigung und seithch eine einfache Schmiege,
die Kippen haben Kehlen und den Besatz eines
einfachen Birnstabes, die Consolen an den Wän-
den dagegen ein Laubornament: die Chorfenster
sind dreitheilig mit Fischblasen werk, jene der
Lang wand viertlieilig und statt einer Bekrö-
nung die Pfosten oben so durcheinander ge-
zogen, dass die vier spitzen Bögen an die Lai-
bung des fast wieder runden Fensterabschlusses
stossen. Das grosse Westft-nster über dem Haupt-
eingange zeichnen aus fünf Stäbe und eine bril-
lante Lekrönung, worin wieder die Fischblase
dominirt. Die beiden Eingänge liegen im Westen
und haben gerade Bedeckung, einer östlich in
der Südwand ist vermauert. Die Innenfläche
der nördlichen Seitenmauer beleben unten Ni-
schen mit Stichbogen, darüber solche mit Spitz-
bogen und diese erhalten am Chore eine Fort-
setzung in zwei förmlichen Fenstern. Auch das
nördliche Seitenschiff" ist mit Rundbogenfenstem
und zwar der mittleren Balkenlage entsprechend
oben und unten beleuchtet, mit den Gewölben
ausgebaut und dem gemeinsamen Satteldache
untergeordnet, dies wegen der geringen Höhe
der Seiten mit breiten schwerfalhgen Flügeln
entwickelt und über dem Chore mit einem Dach-
reiter versehen. Das Schiff diente unten als
Klostergang und Begräbniss für die Wolthäter.
oben mit seinen Gelassen jedenfalls als Archiv
und Bibliotheksraum. lieber den Baumeister
haben wir keine Nachricht, höchstens die Ver-
mutung, dass jeuer Pajihiken aus Hamm, der
1513 das Dach der neuen Kirche zu Lünen
erbaute, seine Meisterschaft au dieser eben voll-
endeten Klosterkirche rühmhchst bewiesen hatte.
Vom frühern farbigen Wandschmuck traten am
Chore neuesthiu schlichte Arabesken-Ornamente
von Weinreben zu Tage.
Yon einem Anbau berichtet eine alte Chronik :
,Noch ist auch in diesem Kloster ein capell —
worin nach andern Nachrichten fremde Ordens-
leute die Messe lasen — gewesen, welches jetzt
das Capitelhaus; selbigv ist 1551 den 3. Juni
vom Weihbischof zu Köln — nämlich Johannes
— consecrirt unter dem Titel der h. Maria in
Bethlehem.' Ihr entspricht jedenfalls die heu-
tige Sakristei, die nördlich an den Seitengaug
des Chores und zwar in ihrer Länge nach Norden
liegt. Ihre Fenster sind zweitheilig lind einfach
bela'önt, die Rippen ihrer beiden Kreuzgewölbe
von magerem Profile und nicht einmal auf Con-
70
HAMIT.
solen gestützt, die Schlussteine sind bemeisselt,
der eine mit dem Antlitze des Salvators. der
andere mit einem von Eichenblättern umwun-
denen Angesicht.
Im Altar licfand sich früher ein jetzt dem
Alterthumsverein zu Münster überlassenes haus-
formiges Reliquiar aus Messing, 0,31m lang.
0,14;» tief und bis zur Giebelspitze 0,22m hoch,
die beiden Dächer sind spitzljogig zu einander
geneigt, die Ecken auf Kugelfüsse gestellt, die
Künder mit Kämmen, die Mitte des Daches mit
einer Kugel besetzt. Von den Zierden haben
sich erhalten zwei Ecküalen und die gravirteii
IJildwerke der Flächen: so an den Hauptseiten
die vier Evangelisten mit ihren Syml)olen. auf
den gebogenen Deckelseiten der leidende und
triumphirende (V) Heiland, in den GiAeln der
li. Petrus und Paulus. Das Ganze stellt sich
als eine einfache ]\Ietallarbeit aus der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts dar. In die Eck-
üalen mischen sich Elemente der Spätgothik
und K<'naissance, die Bildwerke mit ihren archi-
tektonischen und landschaftlichen Hintergründen
und den breit entworfenen Gestalten sind den
Kupferstichen oder Holzschnitten abgeschaut, wie
sie dermalen in freien Hlättern oder in Büchern
vorlagen.
Aus dieser Kirche stammen zwei Tafel -
gLMiiäldc mit ligurenreichen Darstellungen aus
der Ursula -Legende im Besitze des Bauratlis
Hortrgrevc zu Münster. Derselbe kaufte sie in
Hamm als Wandungen eines Scln'ankes, und da
sie urs|)rünglich schon durch Uebermalung. so-
dann durch die Hantirungen des Möbeltischlers
arg gelitten hatten, konnten bei der sorgliUtig-
sten Hcstauration die Darstellungen der Rück-
wand kaum, jene der Vorderseiten kenntlicher
wicdt-r hervortreten. Das eine Bild zeii,'t die Ver-
mähUniLT di-r li. Ursula unter einer Halle, durch
welche man in's Freie auf eine Sta<lt schaut,
und auf der linken Seite die iJuelistabeii /. J/..
rechts auf dem Aermel einer Frauengestalt M. /f.:
das zweite die Ankunft der .lungfrauen zu Köln
und ihr Empfant: dnndi Pfeilschülzen, die den
Bräutigam liereits zu Boden gestreckt liaben.
Im Hintergründe Landschaft und Architekturen.
l>ie (ie«;ichter sind unschön und fast viereckig.
die Geslallen ülierliaupt etwas steif ausgefallen.
besser die Hintergrimde und das Costüm. Das
letztere weist auf die Mitte des 10. Jahrhunderts,
wie dann audi die Aulfassung der Neuzeit zu-
neigt, ohne traditionelle Einflüs.se ganz abzu-
weisen.
Zum Kirchen -Inventar gehören noch drei
wahrscheinlich von den Franziskanern am Grünen-
Donnerstag gebrauchte Me^^ingbecken mit
breiten Bändern, eins ohne jegliche Zier. Von
den beiden andern, anscheinend Augsburger oder
Nürnberger Fabrikaten des 16. Jahrhunderts,
hat das grössere von Band zu Band 0.72/»
Durchmesser, getriebene Buckeln und andere
Belebung, und in der Mitte des Beckens die Dar-
stellung des Lammes mit der Kreuzesfahne —
das kleinere von (>.:ii*;» Durchmesser zeigt in
der Mitte das Bild der Opferung Isaaks mit
der in Minuskeln vielfach wiederkehrenden In-
schrift: (iot j>ci mit uns.
In der Mitte des Hauptschiffes liegt die
(jral)i)latte der Anna Ködinghaus, der Ehefrau
AVerner Brechten's, die VjM verstarb. Im Nord-
schitfe gen Westen bekleiden die Mittelmauer vi»'r-
undzwanzig aus einzelnen Steinplatten zusam-
mengesetzte, gut gearbeitete \Vai)ponschilde,
je mit einem Kranze umwunden und mit Hottem
heraldischen Blattwerk geschmückt. Welche Per-
sonen damit gefeiert werden sollen, ergeben die
Inschriften und die Wapiten sell)st: Es sind
Dietrich Harman. Herr zu Home (im Kirch-
spiel Uentrop) f l'»'^'.^ 21 8. seine Gattin Mar-
garetha Droste zu Vischering f 1580 lö Id und
deren Tochter Catharina Hamian f 1580 2:V10.
Wir haben darin eine beachtenswert he Stein-
hauerarbeit der llenaissance, in den Personen
aber besondere (löimer des Klosters zu ver-
zeichnen.
Aehnlich verhält es si«di nnt den drei im
selben (Jange weiter nach Osten an der Aussen-
mauer eingela.>isenen Loichcnslcinen. welchen
noch der Schmuck von liguralon Flachreliefs zu-
kommt, der indess in der Ausführung lünter
dem Ornamentalen zurücksteht. Sie stellen dar
zwei Bitter und eine Edelfrau in lieben sgrOsse.
Der eine Bitter erseheint im Harnisch mit der
LMtterkette, in der Bechten den in die Soito jje-
stenunten Stab, in der Linken das mächtige
Schwert, zu seinen Füssen n'chts der Tuniier-
Kn!('JlI,I( JIK JiKNKM.U.IvH.
71
Helm, links der Speer. Die vier Ecken nehmen
Wapi)en und das Feld zu Hiluptcn die Worte
ein: Victori Kni])piii<4 anno aetatis siiae LXV
und darunter: Oninis caro focnus et oninis
gloria eins (juasi flos agri; der andere erscheint
im alten Hof-Costüm mit Barett und Mantel,
Kette und Degen, in der Rechten die Hand-
schuhe, die Linke au das Wehrgehänge gelegt.
Auch hier vier Eck -Wappen. Die Edelfrau des
dritten Steines hat eine enganliegende Klei-
dung nach Art der Maria Stuart mit Kappe und
hochstehender Krause, in den übereinanderge-
legten Händen Gebetbuch und Handschuhe, und
um den Medaillon -Rahmen der Figur schüngt
sich ein Spruchband betreifend die Macht des
Todes ; auf diese sowie auf die Erlösung beziehen
sich deutsche Inschriften am obern und untern
Ende der Tafel, deren Seiten acht Ahnenvvappen
beleben. Die Inschrift des ersten und die Wap-
pen der beiden andern Monumente weisen auf
drei Gheder der Familie Knipping, nämlich auf
Victor, Herrn zu Lohaus und Stockum, Drosten
zu Hamm, Herzoghch clevischen Geheimrath und
Kriegs -Obristen des W^estfäüschen Kreises, auf
seinen Sohn Dietrich und Nachfolger in den
Aemtern des Drosten und Raths, welcher daher
auch das Hof-Costüm trägt, und des letztern
Gemahlin, die schöne Elisabeth von Nesselrode
zum Stein. Dietrich Knipping starb 1(307 und
mit ihm erlosch das Geschlecht. — Dem Monu-
mente gegenüber hat Victor Knipping's Gemahlin
Beatrix von Wüllen f 1573 13/5 ihr Grabmal.
Ein anderes Monument sieht man in der
Kirche hoch an der Nordwand, nämüch eine in
Form eines Altaraufsatzes behandelte Nische mit
einem Architrav, auf dessen Ecken jederseits
eine Taube sitzt, indess als Capitäle unter Vo-
luten zwei Kopfe figuriren und zwar hier der
eines bärtigen Mannes, dort der einer Frau.
Da die Nische leer und sonst keine nähere Kenn-
zeichnung, als ein von oben nach unten getheiltes
Wappen mehr vorhanden ist, beschränken wir
uns auf die stihstische Bemerkung, dass das
Werk zu den reichern und gut gearbeiteten
Früchten hiesiger Spätrenaissance zählt.
Ein Grabstein unter der Orgelbühne erin-
nert an Theodora von Üterswick, Canonesse des
Nordenstifts, f 1711, 29/11, 57 Jahre alt.
Sonst seien vermerkt noch folgende Gegfn-
stände: drei kleine (iiocken im Dachreiter an-
dern Jahre 1709, ein Kronleuchter, eine ärm-
liche Taufe von Holz, Chorstühle. Beichtstühle
und Altäre als reichere Werke der Holzschnitzerei
des vorigen Jahrhunderts. Die doppelreihigen
Chorstühle schmücken Blumen- und Frucht-
gehänge, die Beichtbtühle ein krauses Ge-
schnörkel.
Der Hochaltar hat einen hohen Aufsatz
mit dem den Franziskanern beliebten Bilde des
Kalvarienberges. Die Seiteneinfassung bewirken
jederseits drei Säulen und über ihrer Abdeckung
erscheint unter grosser Krone das Bild der h.
Dreifaltigkeit. — Die Seitenaltäre sind ähn-
lich, doch einfacher, jederseits mit einer vorge-
legten Säule construirt und enthalten in vergol-
deten Nischen der eine das Bild des h. Antonius,
der andere das der Patronin Agnes.
Die hölzerne Kanzel, welche ursprünglich
an der Nord wand befestigt war, ist wie der
Deckel eckig, von ähnücher Arbeit mit vielen
Fruchtschnüren, in der Front noch mit dem
Halbbilde des guten Hirten und den Köpfen der
Evangehstensjmbole geziert, während oben ein
Engel mit den Gesetztafeln Moses' den Ab-
schluss macht.
Die Orgel, ein Werk von 36 Registern in
einem altern tüchtigen Gehäuse, ist neu, vom
Meister Randebrock zu Paderborn erbaut.
Unter den Stiftungen werde hier beachtet
das für arme Reisende und Kranke 1416 vom
Bürgermeister Johan Croes und Elske von Ca-
strop eingerichtete Gasthaus zu Ehren der h.
Maria und des h. Antonius (des Einsiedlers?),
w^elches an der Oststrasse oder an der Antoni-
Strasse lag. Haus und KapeUe brannten 1730
23/9 nieder und ersteres ward wieder herge-
stellt, doch schon bald wegen Baufälligkeit ver-
kauft und die ganze Stiftung, zumal da sich
viel ausheimisches Gesindel andrängte, dem
Armenfonds einverleibt.
Andere klösterliche Ansiedelungen konnten
in Hamm nicht aufkommen. Die Augustiner
zu Lippstadt besassen an der Wersstrasse gegen-
über der Antonius -Kapelle nur ein Absteige-
quartier, mussten aber 1322 28/3 dem Rath
schriftlich versprechen, dass sie dasselbe nim-
f
NORDEXSTIFT. KEXTEOP.
"^
nier mit einer Kapelle oder einem Altar aus-
statten oder zu einem Kloster enveitern würden,
und dies Versprechen noch 1400 9-9 wieder-
holen, als sie dies Haus mit einem andern auf
der Lütken Oststrasse (Brüderstrasse?) ver-
tauschten.
<><
Am Westende der Stadt ist 1805 vom Fabrik-
l't'sitzer Cossack für die katholische Arbeiter-
Bevölkerung eine Kaj)ellc von Backsteinen er-
baut, vier Gewölbe lang, füufseitig am Chore
geschlossen, darunter mit einer Krypta, mit
Emj)ijren zwischen den in's Innere gezogenen
Strebepfeilern, mit einem Walmdache und Dach-
reiter versehen. Der Bau. welcher nur wenig
Haustein enthält, zeigt {neu)gothischen Stil,
ebenso das Kirchen - Möblement. Die St ein -
kanzL'l ist vom Baumeister Nordhoff zu Mün-
ster entworfen und von H. Hciviaun in Hamm
ausgeführt.
Vurh'T S. öO, 04. — Chronik der firafsfhafr Mark in Tn»«.' Wt-stpluilia. l^"2r». Xr. 4<i. +3:
Iiivcntariurn archi\-ii (so. coiivf-ntn» V im Hainin<im>n*is Mn. der I^
hoff. V. Dietrich Cwldp und M'iii Chri ■ l'iik'^ Moiiats.'<(hnft fiir
IV. (J<J0 ff.; n. K02; ni. (»44. KU.J; -. .'".►4 f.; - Mittheill. der 1.
dorf und Iiispector W'iesner za Hainin ; — Local-Untersuchung and -Aufnahmen.
K*mj»«'hnlt<». Patrocinien. S. 46; —
.zu Münster; — Xord-
I. "'.T ff. : — V. .*<tc-Lnea
■..•!:.:. l'..-r..r \l-.i.l.n-
^STorclenstilt, Jventrop.
Als Isenbergisches Erbtheil fiel 122t» an die
Grafen von der Mark nördlich der Lijjpe.
Hamm gegenüber, ein kleiner Landstrich von
iinrcgclniüssiger Gestalt: seine vom Flusse ge-
gebene Base, wie die Entfernung bis zur ilusser-
sten Xordsj)itze hatten je eine unixelilhre Aus-
«lehnung von einer halben Stunde. Obwol er
kirchlicli zur IMiirrc Heessen. auch sprachlich zum
.Münsterhmdc gehörte, ward er Milrkische En-
clave und als solche von der Stadt Hamm aus-
genutzt. In seiner Westecke lag ein Burgtheil
von Xienbrügire in Trümmern, der Stadt gegen-
über, vor der kniniincii Brücke, die nach ^Münster
Kdirte, '^tainl di r Ilauptfehmstuhl Wildeshorst
unter einer Linde, gleichfalls ein Iscnberger
Erbstück, das indess von Münster, als hiUte dies
alte etliii(»griipliisch(' Hechte <laran dureligesetzt.
als .\flerlehen an M;nk xerLicben wurde. Es war
lilngst (]:?"J:>) mit einer Landwehr (niunitio
terrae) uui-ilunit. als naeh cliroui^tiseheu An-
gaben Li'.i" die Stadt llaniiu ihre .Limiten oder
LandscheiduuLT' nach der Mtnisterisehen Seite
mit einem Walle umiralt; höchstens hat damals
die Sfadt diese Militairlast überkommen oder die
illtere NN'ehr durch einen stilrkern Wall ersetzt.
Nmb 1"»7"» i>t in einem Grenzvertrage von der
Landwehr die |{ede. wornach sich wt»l landesherr-
lich nur nicht kirchlich von .Münster scheide
die (ieLfend des N(irileiilinv|»italN, (»der wie es
auch hiess, des Nordenstifts oder der Norden-
feldmark.
Die Landwehr ursjirünglich ein Gebflck-
wall mit Seitengn'lben ist jetzt durchgehends
geebnet, hier mit dem Innenwall, dort mit l}eiden
(irilben erhalten, hier Acker-, dort (Jartenland
oder Holzboden, und. sofern nt>ch mehr als ein
(iraben erüljrigt. •'» bis 20 Schritte breit, am
breitesten dort, wo er Haus|>l;itze bildet. Die
WestlUlischc Eisenbahn schneitlet sie ö-tlidi vdiu
Kötter Kemper.
Eine zweite, innere I^jindwehr zog sich zwi-
schen den Lipi)ewiesen und der Feldmark hin
und lief in der östlichen Hälfte als breiter Graben
vielleicht auch mit einem Walle fort. Ein sidcher
bildete bis vor mehreren Decennien die West-
tlanke und verschwand dann bis auf einen be-
deutenden Best im Süden der Heide, der sich
iinierhalb zweier Gräben etwa 1.. '»<•;» luK'h mit
hartem l'rolile und einer Kronenbreite von sie-
ben Schritten erhebt. Falls die Osthälfte blos
aus einem (Jraben bestand, so hat die Wehr
wol auch militärischen Zwecken, und der Damm
zugleich gegen reberschwemmungen getlient.
Das N(lr<lcn^tift. dem «ler Bezirk seinen
Namen dankt, lag gleich nönllich vom Inun-
dationsgeliiete an Stelle des .luckenack'sohon
Wirthshausös. also im Winkel, den die Mttn-
««terische und Heessoner Strasse machten, so
KLü.'iTKllWlTKN.
7;j
dass es siidlich und östlich von Wasser und
Niederunoen, an den andern Seiten wahrschein-
lich von kimstlichen Wehren umschlossen war.
Es wurde vom Grafen Eberhard, von seinen Buri»-
männern zu Mark und den ritterbürtigen Bürgern
zu Hamm zum Besten ihrer Armen und Hülfs-
losen mit einer Magxialenen -Kapelle gegründet
und 1280 vom Münsterischeu Bischof unter
der Bedingung bestätigt, dass der Ortspfarrer
von Heessen das Uectorat der Kapelle besetze,
die Sakramente spende, und die Insassen des
Hospitals daneben auch ihr Begräbniss hätten.
Die Burgmänner von Mark und die Stadt
Hamm, welche die weltlichen Gerechtsame
ausübten, verwandelten dies in aller Hinsicht
ausgezeichnete Wolthätigkeits - Institut 1417 in
ein ,Stift" für einundzwanzig, und 1442 unter
Zustimmung des Grafen Gerhard für vierund-
zwanzig ,Jungfern', die den adeligen Familien
der Heimat, später auch der Fremde entstamm-
ten. Das Patrouat übten die Recken zu Heessen.
In der Beformation wurden die Damen theils
reformirt, theils kathoUsch; die Kapelle, welche
südlich vom Kloster hart am Wege lag, ver-
blieb den letzteren. Nachdem das Stift hi den
Kriegen des 17. Jahrhunderts viele Revenuen ein-
gebtisst hatte, wurde es 1805 aufgehoben, das
Gotteshaus unter der Fremdherrschaft nieder-
gerissen, das Stiftsgebäude erst später beseitigt.
Die gottesdienstlichen Utensilien sollen nach
Heessen, die Glocken an die Kapelle zu Amecke
bei Walstedde gekommen sein. Die noch vor-
handenen Einkünfte fliessen ganz den Civil-
uud Militairanstalten der Stadt zu.
Keintorp (1290) Keyndorp (1353), später
Keijendorp Avar der von einem Hofe übernom-
mene Name eines Frauenklosters vom Cister-
cienserorden, das zwischen Hamm und Mark an
der Ahse lag. Es war ursprünglich, abhängig
vom Kloster Alten berg, in Hamm durch den
Grafen Engelbert von der Mark (1249—1277)
und zwar an der Südseite seines Schlosses jeden-
falls unter dem noch 129G und 1300 vorkommen-
den Namen Marienhof (curia saucte Marie)
gestiftet, 1276 mit kirchlichen Vorrechten be-
gabt, sodann, damit es nicht weiter unter den
städtischen üngelegenheiten und Bränden zn
leiden habe, von dessen Sohne, dem Grafen
Eberhard, gegen 1290 nach seinem Haupthofe
Kentrup verlegt, wo bereits eine Kapelle und
anständige Wohnungen hergestellt waren, indess
für den Bau der Kirche und die Beschaffung
von Ornamenten noch 1295 ein Ablassbrief aus-
geschrieben werden musste. Das Klöster, dem
ein Propst oder Prior vorstand, erlangte statt
der 1276 vom Grafen Engelbert verUehenen
Incorporation der PfaiTkapelle zu Hamm, die
nach langen Streitigkeiten 1286 dem Kloster
Cappenberg verblieb, später jene der Pfarrei
Hövel im Münsterischen, 1328 schon erzbischof-
liche Dispense von der Schleiertracht, überhaupt
bald viele Gerechtsame und fromme Vennächt-
nisse von Fürsten, Rittern und Adeligen und
nahm daher sicher seit dem Beginne des 15. Jahr-
hunderts, wie der Stand der Aebtissinnen bezeugt,
ausschüesslich Couventualinuen aus höheren
Ständen auf, litt aber allgemach so an der Dis-
ciplin, dass es miter dem Herzoge Johau vom
Abt Arnold zu Altenkamp und dem Abt Johan
von Altenberg, der als Visitator auch den Beicht-
vater hierher sandte, 1460 reformirt und ver-
schlossen, 1504 vom Abt Remigius zu Morimond.
als er persönlich anwesend war, in die Fra-
ternität seines Klosters aufgenommen Avurde.
Es bheb sodann nach dem Zustande des Normal-
jahres 1624 katholisch und im vollen Bestände
bis 1806. wo die Aufhebung begann, welche die
grossherzoglich-bergische Regierung durchführte.
Die Besitzungen Avurden zu den Staats-Domai-
nen geschlagen; die Nonnen legten nun welt-
liche Kleidung an und zogen in die Stadt. Der
König schenkte die Klostergebäude und viele
Ländereien an die Provinz behufs Errichtung
einer Taubstummen-Anstalt, doch erlangte der
aus Wien berufene Director Weidner deren Ver-
legung nach Münster. Bei einem 1823 von
der Regierung veranstalteten Verkaufe erwarb
die meisten Ländereien, die Gärten und die bis
auf zwei Oekonomiehäuser zum Abbruch be-
stimmten Gebäude, von denen eins 1847 ab-
brannte, der Besitzer des Hauses Mark. Major
Vorster.
Das schöne Klostergebäude nebst der Kirche
war bereits 1823 gefallen. Nach einer mir vom
Hofrath Essellen ttberlassenen Zeichnung Bor-
berg's, eines Mannes, der, wie er schreibt, man-
74
IIARK.
eben Schritt im Kloi^ter gethan. bedeckte das-
selbe einen obloniren, von Osten nach Westen
gerichteten Kaum und umfasste mit einem
Kreuzgange, der die Gräber der Nonnen ent-
hielt, im Innern ein ebenfalls längliches Qnadruni.
das zugleich als Begräbniss für die weltlichen
Klostereinwohner diente. Im Südflügel lag gen
Osten das Zimmer des Priors, gen "Westen die
Küche mit der von der Ahse berührten Brauerei,
dazwischen die Wohnung der Aebtissin. im West-
flügel das Gesellschaftszimmer der Nonnen, im
Nordflügel namenthch das Kefectorium; der Ost-
flügel war an den Enden von den Fronten des
Süd- und Nordflügels, in der Mitte, und zwar
auf Breite des innern Quatlrums. blos vom
Kreuzgange gebildet, und daran, ausserhalb der
^lauerflucht, schloss von Süden nach Norden
gerichtet gleichfalls nur in einer der Breite des
Quadrums sich annähernden Länge die ein-
schiffige Kirche — so dass also das Kloster die
abweichende Lage im Westen davon darbot.
Nach einer Beschreibung aus dem vorigen
Jahrlumderte waren der Klosterflügel gen Osten
ein schönes Gebäudes IG. Jahrhunderts . die
ül>rigen Flügel anscheineiul noch vom ersten
Bau übrig, der Ostflügel bildete die Abtei, der
Südflügel die Wohnung der Noiuien. der Prior
und Pastor aus Altenberg wolmten im Herreu-.
also gesonderten Hause.
Die 1295 eingeweihte Kirche, die 1353 auch
einen Kapellan hat. war nach allgemeiner Tra-
dition ein Prachtwerk des frühuuthi sehen Stiles,
und dennoch hat mau 1823 mit Hast ihren
Abbruch betrieben, obwol, wie Borberg schreibt,
.aus dem Verkaufe der Steine und des Holzes
die Kosten des Abbruches nicht gedeckt wurden.
Die Fenster der Kreuzgänge waren mit den
schönsten Glasmalereien geschmückt, mit Scenen
aus der bibhschen Geschichte. Heiligen u. s. w.*
.Ich habe.* berichtet Borberg, .oft als Knabe
mich an deren Anbhck ergötzt. Ich glaube, es
war in den .Jahren 181 G oder 1817. da verschwan-
den plötzlich die schönen Fenster, es hiess. sie
seien nach Berlin gewandert.* Die Ivlosterge-
bäude werden gleidifalls wecren ihrer .Schön-
heit' gerühmt, obwol sie verschiedene Bauzeiten
und Stilfonnen präsentirt haben werden: IGOO
•29 4 hatte sie der Blitz getrotTen. 18(>2 noch ein
Brand am Südflügel grossen Schaden angerichtet.
Wo die Gemälde. Bildwerke. Gefilsse und Schnitze-
reien verblieben, vermögen wir nicht mehr an-
zugeben : im Kreise begegnen uns nur unbedeu-
tende Kunstwerke von Kentrop. Die Stätte des
Klosters bezeichnet jetzt die Vorster'scbe Villa.
Vorher S. lt> f., 14, 21, .">). — Tibus a. a. 0. S. G13. 2:^l, :St)l : — L. de Xorthof 1. c. p. ICO; - Tross" ■We>t].h«liii. ISSÖ. St. Xi. 2.'.; —
Schneider. Neue Deiträire XI, 10—11; — Hölzermaiin a. a. O. S. (U Taf. VUI. Hamm Xr. 2. welche beide die Lape der diesseitiiren
.Landwehren' unrichtis; auffassen; — VS'. l'.-H. lU, Xr. 122!t; — v. Su-iiien IV. {'**,: — Geschichte der Herren von der Recke.
S. 12(); — Essellen, S. 72; — Ueber Kentrop : Ms. II, 4y; III. H'>. 47 des K>">niffl. Staats - Archivs z\i Münster und da-soibst die
Uriirinal-Urkk. Xr. 12, l.j ff. : — v. Steinen, IV, QO, CM f. ; — U. D. d. H. W. II, Xr. tVj»-.; — Kindlini.fr. M. B. lU, 1. S. 25it. Urk.
Xr. !i7; - Vrk. v..mi .1. IXii in Tmss' Westphalin. 182.J. S. 127; — Mttrk. Chn.nik d.^-.t«lbst. l.S2.i. S. :*<; — Essellen. S. G9, 70;
Btirbersfs Schreiben an Herrn Es.sellen vom J. 1»75 23 10; — Essellens handschr. Aufzeichnungen. — Locnl-Untersuchtiiur.
-*-^^-
]VIark.
IBui'tr \Jii«l nui';xiii:»iin!-i»>h:»tt.
Mark, gegen 1157 Marke, seit 117<> mei-
stens Mnrka, ist der eigentümliche Name
eines Oberhofes mit einer Kirche, einer BurL'
und der von ihr beherrschten Grafschaft, und
vielleiclit sachlich abzuleiten von der geographi-
schen Umgebung: denn er liegt im Westwinktd
eines spindelförmigen, sich etwa drei Stunden
nach Osten hinziehenden Landstriches, den auf
der nördlichen Seite die Lipi)e, auf der südliclien
die (i(>ithe begrenzt. WäbnMid jene von \i\Y\>-
borg bis Hiiinm gen Norden einen Bogen macht,
zweigt diese eben an der Ostecke des Kreii«es
ab uinl erreicht in geraderem Luife wieder den
Anschluss zu Hamm vermittelst der Alise. Sie
erscheint heute als ein breitos Rinnsal und. da
dies <ler natilrlichen Bodensenkung folgt und
den Höhen ausweicht, als ein Bett der Uy\x\
sei es, dass diese später den nördUchen Tmlauf
eingeschlagen, sei es. da.<:s sie von Alters her
in zwei Anno gespalten den inselartigiMi Lmd-
BURGEN BAU.
75
strich gleichmässig umschloss, bis der nördliche
Arm siegte und der südHche als ,Geithe', nämlich
als schwacher Wasserlauf. zurückblieb. Dass in
christlicher Zeit der Xordlauf des Flusses noch
nicht entschieden grenzbildend war, beweist der
uns bekannte Zusammenhang der Gemeinde
Uentrap mit der Diöcese Münster, wogegen
]\Iark mit Ostholz im Westen sogleich mit der
Erzdiücese Köln verbunden war; es legt sich
also eine Ableitung des Namens von dieser
wasserumschlungenen ,Mark' um so näher, als
man. wie uns erinnerlich, dem Haupthügel der
Burg schon für die Eömerkriege eine militairische
Bedeutung zugemutet hat. Er scheint mir nur
in der Blendschicht angeschüttet, im Kerne von
der Xatur oder den Strudeln des Stromes gebildet
und als Xaturfeste früh benutzt und erweitert
zu sein, sobald nur die freien Herren sich durch
Zeit und Verfassung zu Burgbauten veranlasst
fanden.
Alle Herrlichkeiten der Burg Mark sind
hin. Der Umriss ihrer Burghöfe ist noch an
den Senkungen und Hebungen deS Bodens sicht-
bar, der Haupthügel mit seinen Obstbäumen
noch hoch aufragend aus dem weiten Thale der
Lippe. Dessungeachtet würde Niemand an die-
sen üeberbleibseln den alten Grafensitz erken-
nen, wenn nicht die Nähe der gleichnamigen
Ortschaft darauf hiuleitete, die einige Minuten
südöstlich davon hegt. Ihre fast kreisförmige
Yorburg hebt sich aus dem breiten noch jetzt
zeitweise mit Wasser gefüllten Einggraben als
Gartengelände mit Wirthschaftsgebäuden merk-
lich, und westlich davon die Halbkugel der
Hauptburg kühn mit geringem Durchmesser
und bestreut mit Bauschutt und Steintrümmern
empor, durch welche das Gras wächst. Die
beiden Ringgräben der beiden Burgtheile ver-
einen sich in der Mitte als Scheide derselben,
und die Verbindung, welche einst die Brücke,
stellt heute ein angeschütteter Damm her. Die
Hauptburg hatte ausser ihrem Einggraben bis
in unser .Jahrhundert einen äussern Eingwall.
im Ganzen also eine Construction, wie die
Schanze des Nordenstiftes Hamm. Ihr Palast
und ihr Bergfried Avareu einst in starker Mauer-
zingel weit über die Ebene bis zum Kamme des
Haarstranges sichtbar. A'or dem Baumgarten
der Burg stand ein Freistuhl. Die Kapelle be- i
fand sich, weil die Hauptburg zu engräumig
war, auf dt-r V(jrburg. und hier ringsher Haus
an Haus gedrängt die AVohnungen der Burg-
männer mit den Nebengebäuden für Oekonomie
und Dienerschaft. Und solcher geharnischten
Vertheidiger der Burg und der Grafschaft gab
es hier eine statthche Anzahl. So früh uns
Mark begegnet als Herrenburg, so schnell ver-
schwindet es auch wieder aus der Geschichte.
,Das Mauerwerk', so vermeldet der Bürger-
meister Möller zu Hamm 1803, .hat noch viele
Jahre zum Andenken gestanden, der Herr
General v. Wolfersdorf hat es zum Behuf der
hiesigen Kaserne abbrechen lassen und man
ist selbst noch immer im Begriffe, das Funda-
ment auszubrechen, welches vielleicht vor 700
Jahren gelegt worden. Man findet Gewölbe und
unter andern ist noch im vorigen Jahre Geld-
münzen (sie!), Handwerkszeug und Stücke von
ausgehauenen Kupfer, die die Grösse der ehe-
maligen Hämm'schen Vösse hatten, gefunden
worden. Da die Stadt das Recht ebenso wie
Soest hatte, dergleichen Geld zu schlagen, so
ist zu vermuten, dass sich ehedem falsche Münzer
in diesen Gewölben heimlich aufgehalten haben,
denn es kamen zuletzt meist lauter falsche Sorten
zum Vorschein.'
Mark war ursprünglich ein Haupthof. Avie
man glaubt, der Stammplatz der Edelherren
von Rüdenberg und der erstgenannte Besitzer
ein Rabodo von Marke gegen 1157. der zuweilen
auch den Famiüennamen von Rüdenberg trägt.
Dies Geschlecht hat ohne Zweifel die Burg Mark
als solche eingerichtet und jedenfalls eher als
seine Burg Rüdenberg dem Arnsberge gegen-
über, also vielleicht schon um das Jahr 1100.
Angesehen war Rabodo's FamiUe, gross der
Familienbesitz, der meist als Kölnische Lehen
den Hof Ruthen, einen Theil des Lüerwaldes
bei Arnsberg, zwei Freigrafschaften und wahr-
scheinlich auch die Herrschaft Ardei einbegriff.
Dazu kam das freie Stammgut Mark mit der
Burg, mit ansehnlichem Zubehör und Dienst-
gefolge. Das letztere Besitztum verkaufte Rabodo,
vielleicht weil er keine Erben hattt. vor 1178
an den Kölner Erzstuhl, um es mit andern
Lehen als Vasall wieder zu empfangen. Dann
10^
70
MARK.
^"^
erwirbt es auf Vermittlung Ludolf s von Böueu
der Graf Friedrich von Altena vor 1200: denn
.schon zwei Jahre darauf nennt sich Adolf von
Altena zugleich Graf .von Marke*. Der Name
?eht nun auf die rüstige Grafenfamilie und ihre
allmälig arrondirte Grafschaft üher. Die Grafen
haben die Burg zum Hauptsitz ihrer Regierung
erhoben und daher auch gewiss in dem Um-
fange ausgebaut und ausgestattet, wie wir sie
nach den Besten und Geschichtsquellen kennen.
Xocii als die Isenberger in westlicher NiUie an
der Lippe residirten. gründete Graf Adolf hier
121:} fine Stadt mit Lii)i»e'schem Bechte und.
weil sie schwer aufkam, legte er 122(). nachdem
das fcindliclit' XicnbrütriT'' zerstört war. die
Stadt Hamm an, die dann aU Vorort der Graf-
schaft Mark im Schutze der Burg schnell er-
blühte. Burg Mark wird unter Engelbert HI.
auch Münzstatte, im 15. Jahrhundert, als die
(jirafen zu Cleve residirten, Sitz des Amtsdrosten,
Ihre vom Grafen Adolf dem h. Antonius erbaute
Schlosskapello diente noch im 17. Jahrhundert
zeitweise den Beformirten als Nothkirche —
das ganze Anwesen der Burg ward bis 1819
Staatseigentum und nun an den Major Vorster
verkauft.
Ueber <ler thatenvoUen Vergangenheit drr
Grafen dürfen wir die Burgmilnner von Mark
um so weniger vergessen, als ihr Institut hier
gar glänzend entfaltet war: wir ziililm nämlich
in der zweiten Hillfte des 18. Jahrhunderts, wo
einzelne Familien schon ausgestorben, einzelne
Lehen durch Erbgang in einer Hand vereint
sein mochten, über zwanzig ,Castellaiu'', so die
von Dolberg, die ('lots, die von der Buhr. v«.n
l'.ünen, von Brochusen, — die von Altena und
von der Mark, — die von Galen, von Herne,
von Hörne, — die Galf's. die Bitter und Haken.
— die von Hövel. vim Didini:linfen. von Vaerssem.
von Heessen, von Ilerltorne. \uii Winkerodde,
\(in Dinker. vnn Xeheni. von SclHMlinL'en. - die
Bisceltere, die V(>llensj)its, die Harnn-n und Snaps.
Sie führen ein gemeinsames Siegel, und i"nes
V'in 1272 zeigt auf verziertem Grunde eine
niedrige Burgmauer mit Thurm. auf diesem
eine Stange mit einer Fahne, worin das Waj)-
pen von Mark. Es sind also nicht blos Mar-
kaner. s.iiidrni. wenn die Namen auch nur flieil-
weise die Herkunft anzeigen, auch Auswärtige.
es sind Träger oder Abzweige des hohen oder
niedern Adels oder Leute aus dem Volke. —
mehrere waren schon Isenberger Vasallen und
wahrscheinlich Burirmänner zu Xienbrügsre. Auf
der Hauptburg wuhnt der Graf oder sein Stell-
vertreter in einem Herreuhause von Stein, und
die Burgmänner weilen auf der Vorburg. Diese
erscheint bei ihrer Geräumigkeit doch für so
viele Familien und deren Haushalt gar eng-
räumig. Im 14. JahHuindert verschwinden die
Burgmänner nacheinander, um sich auf erwor-
benen oder antreheirateten Bittersitzen rinirsher
niederzulassen.
Caldenhof — ein Freiirut dieses Xamen<
kommt urkundlich schon 1180 vor — lag am
Westufer der Ah<e. der Landesburg sehr nahe,
ging von den Vaerssem's an die Plettenberij's,
nach Lj40 auf die Becken zu Heessen, um die
Mitte des 17. Jahrhunderts auf die von Hei-
den gen. Bynsch zu Holthau<en und nach kurzem
Besitzwechsel in unserer Zeit auf die Familie
Lob über, welche es zu einem modernen Land-
sitze mit behaglichen Gebäuden. Garten- und
Treib-Anlasren umgeschaffen hat. Doch sin<l die
(frundmaui'rn des alten Einfahrtsthores in der
Ahse iKich nachweisbar und die drei Gräben.
welche mit letzterer den weitt'U l)einahe vier-
eckigen Burghuf umgeben, bis auf einen Theil
des östlichen erhalten, der behufs Aufführung
eines Ostflügels eiu'jeebnet ist. Dieser sowie
das zweistöckige Herrenhaus mit Eckthürmen an
der Westfront, sind 18.')8 nach den Plänen von
A. Liibkc in Dortmund und Habhcrich in Hairen
in gothisirendem Burtrenstil aufgeführt. dieWirth-
schaftsgebäude westlich vor das Thor verleirt. die
Bäume des alten Burghofes für Bark-, (iarton-
und Teichanlauen verwandt und diese nach Nor-
den hin über das Flüssehen ausgedehnt. Die
schmale Südfront des Haupthauses maskirt ein
(ilashaus für künstliche Weinzueht. den hintern
Ostllügel zieren meistens als Erbschaft des Bn»-
fessors Haindorf zu Münster t 1802 DM0 eine
auserlesene Sammluiiü verschiedenartigster
Kunst-.\ltertünier und sehr kostbarer (Ge-
mälde namentlich von holländischen und alt^
deutschen Meistern — eine iSammlung, der sohon
ihrer Beichhalti::keit wt'gen eine In'sondere Be-
KmCIlEXBAü.
77
schreibuii!? und Wcrthschiltzung vorbehalten
werden muss.
Zu Heidthof, dem alten Sitze der Familie
von Westhoven, haben eine neue Villa und Garten-
anla»en die ehemalii''e Einrichtunt»' bis auf Gra-
benreste und eine Eichenallff verdräni^t. Die
namhaftesten Inhaber waren die Familie von Wei»t-
hoven, die sich nachher blos Westhoff schrieb.
1712 aber wieder in den Adelstand erhoben
.wurde, sodann der Krie<,'srath von Wolfersdorf.
Ivirche \in.tl ihre DenltmUler.
Mark war die nordöstlichste Pfarre der Dort-
munder Decanie, ihre dem h. Pancratius ge-
weihte Kirche (Fig. 58) jedenfalls eine der altern
Stiftungen, zumal ihr Sprengel bis 1:337 auch
Hamm und Umgegend einbegriff". Nach Einfüh-
rung der Reformation in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts verbheb die Kirche den Lutheri-
schen; die Reformirten, welche 1672 öffenthche
Religiousübung erhielten, besuchten anfangs die
Kapelle auf dem Hause Mark, nachher einen
Betsaal am Hause des Predigers, später einen
gesonderten Raum im Süden des Dorfes, ver-
einten sich 1807 mit ihren Glaubensbrüdern zu
Hamm und 1820 mit den Lutherischen in Mark
zu einer Gemeinde. — Da der nördliche Kreuzarm
der Kirche ,Nounenchor' heisst, so mag es einst-
mals im Bereiche des Dorfes eine Ansiedluug
von Klosterfrauen gegeben haben. Südöstlich
vom Dorfe stand auf dem Sandbrinke am alten
Soester Wege das Hammer Siechen haus und
etwas weiter auf einem Hügel neben einem
Gesundbrunnen eine Kapelle, eine zu Ehren der
Heihgen Laurentius, Maria Magdalena und An-
tonius gemachte Stiftung des Herzogs Johan
von Cleve vom Jahre 1517. Es ward jedoch ihre
Kaplanei in der Reformation der Kirche zu Mark
einverleibt, die Kapelle von den Spaniern zer-
stört, das Siechenhaus, dessen Seitenstück mit
einer Kapelle seit 1410 vielleicht für weniger
ansteckende Fälle westlich vor der Stadt auf dem
Boll lag, seitdem wol nicht mehr h-enutzt.
Die Kirche, ein einschiffiger Kreuzbau
(Fig. 59) mit polygonem Chore und viereckigem
Westthurm ist das Werk zweier klargeschiedener
Bau- und Stilzeiteu (Fig. 60). und zwar Thurm
und Langhaus, die aus platten unregelmässigen
Werksteinen autgeführt sind, der romanischen.
Kreuzbau und Chor, die ein perfecter Quader-
bau und höhere Mauern und Bedachung aus-
zeichnen, der frühgothischen. AVie der acht-
seitige Helm wurde wol auch die Oberetage des
viereckigen Thurmes 1735/39 aufgesetzt, die
78
MABK.
letztere mit ihren rundbog^igen Oeffhungen und
deren formlosen Mittelsäulchen vielleicht in ge-
wagter Nachbildung einer altern, die 1251 ver-
dorben oder restaurirt sein ■
mochte. In diesem Jahre ent-
schädigt Graf Engelbert von
der Mark die Kirche mit einem
Bauernhofe, weil er, sein Vater
Graf Adolf und sein Bruder
Graf Otto von Altena in einer
Fehde mit dem Bischöfe Otto
von Münster den Kirchthurm
als einen militairisch geführ-
lichen Punkt zerstört hätten
— was schwerlich die Unter-
etagen berührt hat, welche
ohne Sims und Wölbung, höch-
stens mit Schlitzen unterbro-
chen, in eine frühere Zeit zu-
rückgehen. Spätem Restaura-
tionen entstammen da^ Thurm-
portal mit seiner Breite und
Höhe, die Vermauerung zweier
Thüröfihungen im Westen der
Langwände, und einer dritten mit geradem Sturze
am Chore. Das Langhaus hat meistens seine
Bundbogenfenster und neben der abAveichenden
]\lau('rung seine gerade Holzdecke bis in unsere
Zeit, wo eine neue in Fonu eines Sargdeckels
beliebt ^^iirde, bewahrt und dürfte daher gleich-
zeitig mit den Unteretagen des Thurmes etwa
kurz nach 1100 erbaut sein. Die Osttheile sind
höher mit vier quadratischen
Kreuzgewölben, im dreiseitigen
Chorschlusse blos mit drei
gleichen Gewölbekapix-n be-
deckt und im Ganzen streng
im Stile der Frühgothik durch-
geführt. Die Fenster (Fig. (31 1
sowol jene des Chores ^rie der
Kreuzarme sind zweitheiliü,
mit einfachem Vierblatte Ix^
krönt und in den Laibungen
kräftig gekehlt, die beiden Por-
tale in den Giebchvänden mit
Kehlen und Bimstab eiuge-
fasst. die tief herabgezogenen
Kippen (Fig. ()2) mit Kehlen,
die Gurten (Fig. 63) ausser-
dem mit Abkantungen verse-
hen: an den Consolen. den
schlanken des Chores (Fig. 64)
wie den gedrückten der Vie-
neigen die obem Glieder noch der Kreis-
die untern dagegen der gothisehen Ab-
Sämmtliche Bögen beherrscht der
. Dieser Ostbau. Wdrüber nähere
fclilfn. mag ungerähr iu"s Jahr
rung,
hnie,
plattung zu.
spitze Schlus>
Naclirichlrii
\'.VM fallen, da Hamm von Mark abgepfarrt
wurde; weit entfernt, dass darum die Kirche
Al)bruch erlitten, besass die Kapelle zu Hamm
vorher ja thatsächlich alle Pfarrechte, die Kirche
zu .Mnrk alter, wie eine Urkunde besagt, für
alle Bedürfnisse überflüssige Kinkünfte. Wäre
doch gewiss der Neubau geräumiger ausgefal-
len, falls man ihn noch für die Hammer Pfarr-
genossen, d. h. früher ausgeführt hätte.
Die Taute stellt dar einen geradm. tief
KIKCHLICIIE DKXKMÄf-ER.
ausgehülilteii l,(H)m hohen, im Durchmesser
0,97m starken CyUnder aus dunkelrothem, also
nicht heimischem, Sandsteine auf rundem Pfühle
rings von acht rundbogigen Arkaden, oben von
einem Friese mit
Weinranken ver-
ziert; die charakte-
ristische Durchbil-
dung der letztern,
die Rosetten in den
Zwickeln, die schlanken Capitälchcn mit den
abgeplatteten Ringen deuten mit den romani-
schen Bogenbildungen auf die Zeit des spätem
Uebergangs. Vielleicht ist er nach 1251, wo
der Kirche vom Grafen die erwähnte Entschä-
digung wurde, beschafft und zwar zugleich mit
dem aus dem Triumphbogen genommenen lebens-
grossen altertümlichen Bilde des Crucifixes,
64. dessen Arme noch
gerade ausgestreckt,
dessen Füsse bereits
mit einem Nagel
durchbohrt sind.
Es erübrigen fer-
ner in der Südmauer des Chores eine Nische
oben mit einem Haken für das Manile — an der
Nordseite zwei gothische Wandschränke, der
eine mit schlanker doch defecter Bekrönung
(Fig. G5), der andere ohne eine solche. In
einigen Fensterbekrönungen des Kreuzes und
Chores schillern noch rein gothische Reste orna-
mentaler und figuraler grau in Schwarz und
Roth ausgeführter Glasmalereien. Viele alte
Leichensteine dienen als Flurplatten und ein
Theil derselben, zumal die altern und schönern
wäre gewiss der Freilegung und näheren Kunde
werth.
Die polvgone Kanzel, anscheinend eine Ar-
beit aus der frühern Zeit des 1 7. Jahrhunderts
ist an drei Flächen bemalt mit den Bildern des
Moses, des Täufers Johannes und des Erloser-.
— So merkwürdig wie nur ein anderes Werk, er-
scheint ein bilderreicher Altarauf^atz. Ueber
einem Steintisch, dessen Deckplatte blos eine
Hohlkehle und dessen Sockel eine Fase hat.
erhebt er sich auf hoher, zweitheiUger Predella:
die letztere zeigt mit Gfb»- ^^_
ten oder Bibeltexten unten
zwei, ooen in der Mitte eine
Inschrift und zur Seite der
letztern in Farbe links die
Verkündigung durch den
Engel, rechts die Geburt
des Herrn, darüber drei mit
reicher Schnitzerei einge-
rahmte Nischen, wovon die
höhere in der Mitte die
Kreuzigung, die beiden seit-
lichen die Geburt und die
Grablegung in nicht zu ho-
hem Relief und ziemlich
figurenreich enthalten. Die
Gruppirung ist im Mttel-
bilde lebendiger, als in den
seithchen, der Ausdruck des
Anthtzcs ist durchgehends
übertrieben , die Gewan-
dung der langen Gestalten
theilweise schön gelegt
und brüchig, die Technik
sehr durchgebildet. Nach
Stil und Costüm wird die
Arbeit mit den stilverwand- «■« \
ten Malereien der Predella
in das erste Drittel des ^
16. Jahrhunderts zu setzen ^T^f^^^i^
sein. Leider hat vor De-
cennien die polychrome Be-
malung einem völlig schwarzen Anstrich weichen
müssen, hat längst jede Seitennische ilu-en Blu-
menkamm, die Hauptnische ihre Fialenbekrö-
nung, der ganze Altar seine bemalten Flügel
verloren, doch bestehen auf der Rückseite in
handwerklicher Ausführung decorative Malereien :
Ornamente braun in Braun mit weiss aufge-
setzten Lichtstellen. Bescheiden leitet der Altar
über zu den gleichartigen Werken der Schnitzerei
und Malerei, die uns bald in so schneller Folge
80
CEXTROP.
begegnen, wie in keinem andern Winkel der Pro- Stücke der Kleinkunst, woran andere Kreise
viiiz. und genügend für den Verlust mancher reicher sind, entschädigen.
Vorher S. 31), 0 f.. 10; — Oxl. .1. W. U, Xr. *»?; — U.-B. d. H. W. I. Xr. 00: — Kindlinirer, Volmostein D, Kr. 16; —
Möller, Geschichte der Hauptstadt Hamm. ISO. S. 07 ; — Seibertz, Orafen, S. 1U8: — derseUx?, Landes- und Uechtsaeschichte
des Herzot'thuins Westfalen II. .301, »27 f. ; — L. de Xorthof 1. c. p. 10 f. : — Ficker a. a. 0. S. Uß. 274: — r. .Steinen a. «. 0.
IV, WH, mi; — C. d. \V. II. Xr. i'.»',; — v. Steinen III. »>> ff.: <>l ff.: — Essellen. S. 14<i. — l.'el>er die Kirche: Kamp-
Kchulte, S. 70; — v. Steinen IV. (ÜW. (^iO: UI. 833. S3k ; — Bildecker-Heppo II, 423; — Müller a. a. 0. S. 12«i ff., lOS«; —
Essellen, S. 139; — X. U.-B. II. Xr. äti'J; — Acten des Könisrl. OlierprSsidiums der Provinz Westfalen in Copie im Archive der
Conunission; — Angaben dos Laf^rbuches. — Local-Uutcrsuchun^ und -Aufnahmen.
TJentrop.
Ivirehe uii<l an<Iere Oenkmälfr.
TT^'iitroj) liegt inmitten einer an Aeckern.
LJ Weiden, Holzungen und reichen Bauern-
höfen gesegneten Gegend und tritt als Kirch-
stiUte urkundlich sehr früh auf. Unhintjthorj)
oder -thorpa, spüter verkürzt Undorp oder
Untiorp, (l.'?31) Uf/nindorj) oder J^nninthorj),
war eine von jenen sieben Pfarreien, welche die
edlen Frauen Keinmod und Vrederuna unter dem
JJischofe Siegfried von Münster (1022—1032)
gründeten, und zwar als Abspliss der gar um-
fangreichen Mutterpfiirre Beckum in der Frei-
grafschaft Assen; das Kloster Ueberwasser zu
Mün.ster liess sich dort 1151 einen Haupthof mit
fünfzehn Erben bestätigen, als wenn die Grafen
von Cappenberg, die in die Geschichte jener
Frauen wie des Klosters einzugreifen scheinen,
hier weitreichende Güter besessen hiltten. 1107
\\ird die Kirche, deren Archidiaconat zehn .lahre
früher dem Propste von St. Martini zu .Münster
zugesprochen war, mit einem Hofe und einer
Mühle vom Paderl)orner Dompropst Godschsilk,
dem also dieser Besitz wul erblich angefallen
war, an das Kloster ]\Iarienfeld verschenkt,
einige Jahre spUter von diesem wieder an die
Söhne des (Jrafen Fried rieh von Altena (Mark)
überlassen, und 127«) von Heinrich Scrodere zu
Ahlen das hiesige Gogericht behufs einer Ent-
schiUligung dem Münsterischen Bischöfe abge-
treten, dessen GerichtsstiUte schon sechs .lahre
früher neben der dortigen Hrücke urkundlich
bekannt wird. Hie JMarre geh»"trte als(». wie früher
dariretban ist. zur Diöcese Münster und begrilf
auch die Mauerschaft Lütke-rentrup jenseits
der Lippe, bis diese in der Heformation kirchlich
den katbojiscben Nachbargemeinden Iii|>|)borg
und Dolberg überlassen und 1860 definitiv eiu-
gepfarrt wurde. Die diesseitige Grtschaft schloss
sich nilmlich. da Pentrop noch l'»71 von Münster
au-; zur bischöflichen Kirchenvisitation aufge-
rufen wurde, wol erst später, gegen Ende des
.Tahrhunderts. dauernd der Heformation an und
zwar zuerst dem lutherischen, etwa seit 1(U<»
dem reformirten Glauben, wie neuesthin der
Union. Vom Kirchenbau stammt nur der
viereckige Westthurm. den ein stumpfer Pvm-
midenhelm deckt, aus mittelalterlicher und zwar
aus echt romanischer Stilzeit. Das beweisen
die Kundbogenblenden und die ebenso geschlos-
senen theilweise der Mittelsäulen beraubten
Schallöffnungen der Oberetagen, sowie Mauer-
risse und ein baufilUiges Aussehen überhaupt.
Das einschiflige Langhaus hat eine Balkendecke
mit Stuckrosetten und daher auch nur an den
Ecken Streben, der durch einen unjtrolilirten
Spitzbogen abgesonderte Chor geraden Schluss
und ein Kreuzgewölbe auf polygonen Consolen.
Fuss- und Dachgesimse sind ganz einfach, doch
die Fenster mit lischblasigem Maasswerk ausge-
stattet. Die Jahreszahl lööl über der Südthür
bezeichnet daher wol die Bauzeit des Langhauses.
In der Nord wand des Chores ist eine Thür. die
einst zu einer angebauten Familiengruft der
Besitzer des Hauses Uentn»]) führte, vermauerte
dagegen neuesthin an der Ostwand ein niedriger
Kaum für die Hülge wieder angesetzt.
In den Fenstern der Kirche und in der
riarrei restiren noch lilaMiialcrcion der s|>ä-
tern Henaissance (dme ästhetischen Werth.
Der Nordwand des Langhauses ist einge-
lassen eine grosse steinerne Grabplatte oben
KITTERblTZE.
81
mit der Krone, an den vier Seiten mit sech-
zehn Almenwiippeu und einer Inschrift, die des
1679 18/12 gestorbenen Dietrich von der Reck,
Herr zu Honi und Mundloh, gedenkt; darunter
dessen Wappen. Zwei das Monument flankirende
Löwen sollen neuesthin als unkirchhche Zuthaten
entfernt worden sein.
Ein anderes Epitaph, eine Holztafel, ent-
hält neben dem Wappen die Inschrift: Char-
lotte Albertine Freifrau von der Reck, Frau
zu Heidemühlen, geb. Freifreulein von Pletten-
berg vom Hause Heeren, Schwartzenberg und
Werve f 1724 4/12.
Unter den Leichensteinen, welche den Flur
decken, befindet sich auch jener des, soweit be-
kannt, ersten reformirten Predigers Herman
Westhoff t 1626 8/10.
Die alten Communionge fasse sind sämmt-
hch von engUschem Blockzinn; die beiden mit
Klappdeckeln verschhessbareu Weinkannen haben
die Inschrift: In der Kirche zu Uentrop 1703.
Die grösste Glocke von ungeschicktem Gusse
aus dem Jahre 1550 trägt die Umschrift:
O vos audite
Voco vos ad gaudia vitae
Ouietos plango, vivos voco, fulgura frango.
Die zweite 1854 vom Glockenmeister Johann
Spoo aus Dudeldorf mit einer eisernen Krone
wieder ausgebesserte hat schon nach der In-
schrift : O rector celi exaudi nos ein weit höheres
Alter. Die Inschrift der Ideinsten lautet: Soli
Deo gloria. I. M. D. von der Reck. N. F. Clue-
sener pastor, I. M. Moenninghoff, 1771. Im
kirspil Uentrop.
Drei lahr \vird garantirt,
Das gewicht nichts verliert,
lohann Micha. Stockey, Kurf. Muenster. Stueck-
giesser.
Die polj'gone Kanzel mit dem ebenso ge-
stalteten Deckel und die gothisirende Orgel-
fagade sind Anschaffungen der letzten Zeit.
Das Haus Uentrop hegt nördUch vom Orte
innerhalb der Inseln, welche die Lippe und ihre
Umfluten bilden, niedrig zwar, indess mit den
neuen Gärten und Parkanlagen sehr angenehm.
Das Herrenhaus, ein zweistöckiger Backstein-
bau, stammt aus der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts, lag früher hart an der Lippe unrl
schon nach alten Lippekarten vor hundert Jahren
nördlich davon die Mtlhle mit zwei Häusern,
südlich hnks im vierseitigen Wassergürtel der
Garten, rechts westlich der Hofplatz mit acht
Gebäuden. Die Gräben sind neuesthin ausge-
füllt, die Wirthschaftsgebäude mehr nach We-
sten verschoben und damit weitere Käume für
Gartenanlagen geschaffen. Die Burg \vurde auf
dem Haupthofe Uentrop, doch schwerüch an der
alten Hausstelle, die ohne kostspiehge Wehren
jeder Ueberschwemmung ausgesetzt gewesen
wäre, sondern absichtlich wie die meisten Was-
serburgen über der Lippe erbaut. Das gleich-
namige Geschlecht erlischt, wie es scheint, gegen
Ende des 13. Jahrhunderts, ihm folgte die Fa-
mihe von Grimberg, dieser kurz vor der Mitte
des 15. Jahrhunderts bis auf den heutigen Tag
ein Zw^eig der Familie von der Reck,
Haus Haaren war vormals auch kirchlich
Pertinenz von Münster, pohtisch von Mark, wahr-
scheinlich ein Erbstück der Edelherren von Dol-
berg, dann nacheinander Besitztum der von Hörne.
Härmen, derTorcks und Kecken und der Sitz einer
bedeutenden Gerichtsbarkeit. Das Herrenhaus
w^ar um die Mitte des vorigen Jahrhunderts mit
dem Harmen'schen Wappen und der Jahreszahl
1559 versehen und nach einer alten Lippekarte
mitten in einem Teiche gelegen, ausserhalb des-
selben mit den Wirthschaftsgebäuden umgeben,
von den Gärten jedoch durch die Lippe getrennt.
,Um dies Schloss,' bemerkt v. Steinen, ,hegen
einige merkwürdige Hügel, als der Bnmsberg.
Harsberg, Hunenberg und Altersberg-, die viel-
leicht einen Zusammenhang haben mit den
römischen Uferstrassen und dem Lager bei Dol-
berg. Heute benennt man vom Hause Haaren blos
mehr Reste von Burggräben, Colonatsgebäude
in Fachwerk und eine hölzerne Lippebrücke.
Zu Gröneberg erheben sich innerhalb Grä-
ben und Wallresten noch die beiden alten Burg-
plätze und in Fachwerk Wohn- und Oeko-
nomiehäuser, — die Schlosskapelle steht nicht
mehr. Das Rittergut ist schon im 14. Jahr-
hundert im Besitze der Famiüe von Walrave
und heute nach mehrf^ichem Wechsel j^igentum
der Familie JMöllenhof zu Hamm.
Den äussersten Winkel des Kreises im Osten
82
GEITHE.
liGzeichnen die Burgstütten von Ober- und Nieder-
Heidemühle, die nach alten Karten auf einer
Lippeinsel lagen und schon im vorigen Jahr-
hunderte so dem Vergange anheimgefallen waren,
dass das obere Haus ganz verschNmnden. das
niedrigere nur mehr in unregelmässigen Wirth-
schaftshäusern vorhanden war: heute besteht
hier nur eine Pächterwohnuiig und der am
Graben kenntliche Ijurgplatz. Daher mögen zur
äussern Gleschichte die IJemerkungen genügen,
dass hier an der Kodenl)ecke ein Freistuhl stand,
den der Soester Freigraf nach Soest, der Mär-
kische nach Hamm gewandt einnahm, und dass
das damals den Vollenspits gehörige noch nicht
getheilte Haus 1445 in der Soester Fehde unter
dem Angriffe der Köhiischen mit mehreren Ge-
fangenen in Flammen aufging.
Heidemühle gehört zur Gemeinde Uentrop
und zum Kirchspiel Dinker, Haus Hohenover
oder Hannover an der Ahse ähnhch zum sell>en
Kirchspiel und zur Gemeinde Xorddinker. 'Man
trifft dort nur mehr die Reste eines Aussen-
walles und inneni Kinggrabens, und auf dem
Burgjilatze ein vierkantiges zweistöckiges Hack-
^teiIlhaub mit Walmdach, wahrscheinlich eine
Anlage der zur Heiden vom Jahre 1783. Eine
zierlich geschmiedete Eisenschranke an der
Haustreppe hat in der Mitte unter einer Krone
die Buchstaben Z. 11. H. 1783.
V.jrhor S. 9, 30, 31. — Cod. d. AV. Nr. KOb, 270. r,H'J: — Rec. li. W. Xr. 23%: — \V. U. -B. UI, Xr. V.Cj. 1««: — Tibus
a. a. 0. S. IW, IW, '£Mi ff., »XXi ff.. 3<>1: — v. Stoineii UI, UJ54 ff.. 'M'i; — EsM?Uen, S. 142-140: — Geschieht* der Heiren
V. d. Recke, S. 85, 2G<j ff.; — SeiJ>ertz. Quellen der WestfiU. Geschichte, U, SfC; — SlittheUuiisren der Herren Kipper und
Pastor Xeuhaus zu Uentrop. — Local - Untersuchanir.
Greithe.
Ivirche mid ihi*e Denkmäler.
Seitdem die Kirche zu Uentrop dem protestan-
tisclu'n Gottesdienste geweiht war, wandten
sich die tlbriggebliebenen Katholiken der Pfarre
lange Zeit wol nach Hamm, nach Khynern oder
andern Kirchstätti-n iliri-s Ghuibi-ns; doch 1781
gewährte Friedrich d. Gr. die Erlaubniss zum
Baue einer katholischen Schule und Kapelle in
der Geithe, die schwerlich schon um y<»U unter
dem Namen Gestion, sicher um 1300 als Ghe-
tene bekannt wird, — ein Name, den die frucht-
bare und waldige Landschaft von dem nordwest-
lich aiistossenden Binnsal der LipjH' überkam.
Die Ka|»elle ward zunilclist veii <li'n Franzis-
kanern in Hamm bedient, dann Missionsstelle,
1842,43 aber zu einer Pfarrkirche mit einem
weit gen Westen gezogeneu Sprengel erholten.
Die Kirche, ein einschiffiger Fachwerkbau
mit pohgonem Chor und Dachreiter, ist angel)-
lich 1792 erbaut, ihre Möbeln sind einfache
Holzarbeiten, wol meistens aus der Zeit des
Kirchenbaues, so der einfache Altarbau, die j>o-
lygone mit Blattzierden bedachte Kanzel, die
Fa(,ade der Org(>l und die Brüstung der Bühne,
die auf gewundenen und verzierten Säulen ruht,
und das jx>lygone Taufl>ecken. dessen Ständer
Köj)fe und Blattwerk beleben.
Iiivoiituritiin nn-hivi Ilnnininnensis .«oil. oonventuB S. Francisci p. 2a; — Ms. U, 4'.» im Künii:!- Staats - .Krchir tn Mön.<.tier. l'ri.
Xr. «H v<iin J. 13110; — Kampsehulte, S. IW; — Efwellen, S. 144. — Local- Untersuchunj:.
KIRCHEXBAU.
83
Das (raittlere) Htigelland.
Berge-
Kirche und ihi-e Denkmäler.
Berge wird als Ort so 1047, einige Deceniiien
später als Berga erwähnt. Dort, so erzählt
man, hatten die Grafen von der Mark ein Jagd-
schloss, und die Kirche war ur-
sprüngiich eine Hauskapelle. Sicher
war der gleichnamige Schultenhof
vor Zeiten ein .adlig Haus', welches 'f.
nachher zu den landesherrlichenTafel-
gütern gehörte; es fanden sich auch,
wahrscheinlich als Beste desselben,
letzthin beim Umbau des Schulten-
hauses Grundgemäuer vor. Viel-
leicht entspricht ihm auch jenes
Bürge, dessen Kirche 1147 mit an-
dern Besitzungen in der Mark dem
Kloster St. Heribert in Deutz vom
Papst bestätigt wurde, zumal die
Pfarre alt und ein Pfarrer 1269 nam-
haft gemacht ist. Die Reformation,
und zwar das lutherische Bekennt-
niss, wurde angeblich 1584 einge-
führt, wie hier auch der dritte Pre-
diger Johan Westhof schon 1603
Anstellung erhielt. Eines Aveitern
Predigers, Eberhard Westhof, gestor-
ben 1611, gedenkt ein Grabstein,
Die Kirche erhebt sich im Sü-
den des Schultenhofes auf dominanter Höhe, und
ihre pyramidale Thurmspitze schaut weithin gegen
Norden in's Thal hinab. Sie hat blos ein Schiff,
im Osten geraden Schluss, im Westen einen
viereckigen Thurm, eine Holzdecke in Stich-
bogenform, in der Ostmauer ein Fenster, in
jeder Langwand drei, die in einen unförmlichen
Spitzbogen auslaufen. Das ganze Aeussere macht
einen unansehnlichen und stillosen Eindruck.
Der Mangel von Streben auf der einen, die
Fischblasen im Ostfenster und die reinere Bil-
dung eines Sttdfensters auf der andern Seite
bestimmen uns, einen Theil des Mauerwerks
noch der romanischen und demgemäss die Um-
gestaltung der Fenster der gothischen und die
meisten übrigen Bestandtheile einer späteren
Zeit zuzuschreiben, wie dann auch das Mauer-
werk theils aus grünlichem Bruchstein, theils
aus Ziegelsteinen besteht.
Ein Tabernakel (Fig, 66), wel-
ches hier abweichend an der Süd-
wand haftet, zeigt eine klare Glie-
derung und trotz einiger Verstüm-
melung einen wirkungsvollen Aufbau.
Die Fialen desselben dienten zugleich
einem Crucifixbilde und dessen Sei-
tenfiguren als Rahmen, wovon nur
die des h. Johannes erhalten ist. und
die Bekrönung bildet ein durchbro-
chener Zierbau von Streben und
Bögen, Den Profilen, Bogeuformen
und angeblendeten l'ischblasen zu-
folge, welche das T3Tnpauum zieren,
entstammt das Werk spätgothischer
Zeit, doch nach der eleganten Auffas-
sung noch der Mtte des 15. Jahr-
hunderts.
Ein kupfervergoldeter Kelch, in-
schrifthch vom Jahre 1617, hat einen
hohen rings durchbrochenen Fuss
von sechs Rundblättern, poh'gonen
Ständer und einem rundUchen. oben
und unten mit Buckeln verzierten Knauf, Ein
anderer von Zinn ^vurde inschriftlich 1772 be-
schafft.
Ein hölzernes, jetzt in einem Stockwerke
des Thurmes reponirtes, sehr schlankes Tauf-
becken ruht auf einem hohen, rechtseitigen,
allmälig zu einem Knauf uuschwellenden Ständer
von breiter Base; den Deckel ziert eine Krone
von schneckenartigen, oben von einer Kugel
zusammengefassten, Reifen, Das Geföss ist laut
Inschrift 1687 in Form eines Pokals gefertigt.
Von den beiden Glocken stammt die eine
aus spätgothischer, d. h, aus der Blüthezeit
des Gusses, und trägt folgende, mehrfach ab-
gekürzte und überdies noch wol durch den un-
J^
84
RHYXER-X.
richtigen Einsatz von Buchstaben verwirrte In-
schrift :
r(^ej)an?j is min name
Min gelut dat \(i>) gade bCequaJme
Doden bescrij^e ik
Ha<,'el unfle donder l)crke iks (^ic;
Hei'vian Vogel xviiii.
Der Name des Patrons ist offenbar durch
falsche Wahl der Buchstaben verdunkelt. Der
Kleister Vogel, Soester Btirger, schüesst sich
mit schonen und schweren Arbeiten den besten
Glockengiessern seiner Zeit an; die Zahl am
Ende der Inschrift bedeutet wahrscheinUch das
Jahr 1504, und ist dann so zu erklären, dass
die beiden ersten Ziffern über sich das C der
Jahrhunderte und der übhchen Ankündigung
des Datums in Worten entbehren, — Mängel,
welche der enge Kaum der Inschrift bedingte.
Die zweite Glocke ist mit einem Texte aus
dem Evangelium Luc. 14. v. 17 versehen und
angeblich in den fünfziger Jahren von Rinckcr
in Westhofen gegossen.
Rofe'. H. W. Xr. 1G9.0 und InJex s. v. Mark am Endo, fomor Nr. 1C07, W. U.-B. HI, Xr. 834; — Crecelius in der Zeitschr. des
iH'n.'isch. (ieschitht-svon'ins vn. 0; — von Steinen HI, !»23; — H. KainpM>bultc, Gesihichte der Einfilhnin!.' •' -^ iv,.t. -taatisinas
im IkTcichf der jetzit'cn l*rovinz Westfalen, lKG<i. S. 2<l7; Biideiker-Hepi» H. 425; — UeWr den Glocke I, Spor-
iiiafher's Chrfjnic von Lünen bei v. Steinen IV, 1451; — Mittheiluiik'en des Herrn Pastors Layken. — 1>" ■> i>ung und
-Aufnahme.
< — « <► « <
Rl
iviierii.
Die katholisclie Ivirche.
Di-r Name, welcher 1302 Rynherc, später Kopf, Hals und Rumjtf besonders ausgehr.hlt.
I'i/ncni, liei/nrr odi-r Rimcni klang, wird die Deckel jedesmal ihren Stämmen abgespalten,
auf das ,Kinnen' zweier Bäche zurückgeführt, jedoch nur ein oder zwei Stücke vollständiger
welche im Norden des Ortes zusanimenfliessen
und ihn früher mit Hülfe eines südlichen Ver-
binilungsgrabens inselförmig einschlössen. Die
Kirche erstand mit dem Orte auf einem Hofe,
der den Bischöfen von Münster eigentümhch,
seit 1302 bedingt, und darauf den Grafen von
der Mark als Pfandlehen gehörte, und überkam
ihr Patrocinium, nämlich das der h. Kegina.
von Osnabrück her, wo deren Keli(iuien beruhten;
daher nähert sich ihre Gründung wol einer bt^
reits vorgeschrittenen Kirchenorganisatioii, f^lllt
aber jedeiilalls noch in's vorige Jahrtausend,
zumal da die noch vorhandene Kirche für die
Zeit ihrer Krbanuiitr eine seltene (Jrösse besitzt
und daher auf einen sehr geräumigen, längst
organisirten l't'iiri>|>rengel schliessen lässt. Das
Collationsrecht war jedenfalls von den Grafen
von der Mark, vielleicht mit dem Orte, erworben.
Die Kirche erliob sich an einer Stelle uralter
1 Beerdigungen; denn bei der neuesten Kestnura-
tion fand man im Boden fünf, nach anderer
Anirabe zehn Todtenbäuinc und zwei davon
mit ihren Kiideii unter den F'undamenten des
Haue<. Ks waren Kii'henstämme. zum Tbeil für
erhalten, die übrigen stark vermodert.
Die grosse Kirche (Fig. 07) eignet als rein
romanisches Bauwerk noch dem 12. Jahrhundert.
doch wol eher dem Schlüsse als der Mitte des-
selben, wie die entwickelte KauindisjKtsition. die
Fonn und Ornamentation ihrer feinern Glieder
darthuen. Es ist eine gewölbte Pfeiler- und Säu-
len-Basilika (Fig. 08) mit geradem Chorschluss.
mit ursjirünglich weit vorspringenden Kreuzflü-
geln, in deren Ostwand eine halbkreisförmige
Apside liegt. Das Hauptschiff hat die Llnge dreier
Gewölbeiiuadrate. ihre l^uergurten ruhen auf Pi-
laster^•orlagen. die GewOlbeder froher sehr schnia^
len Seitenschiffe auf Mittelsäulen und Wandpila-
stern. Kreuzgewölbe decken sämmtliche Haujit-
räume, ebeu.^jolche, jedoch ohne Quergurten, fnJ-
her die Abseiten. In allen Wölliungen von den
Thilrschlüssen bis zu den (iurten und Arkaden
herrscht der Kundbogen. Wenn die Pfeiler
schwerf^lllig und nach den .Vbseiton hin ohne
Pilaster. die Gewölbe ohne Kipi>en. die Gurten
breit, und manche Gesimse einfach gebildet
sind, so überzieht daftlr ein Sims die Arkaden.
diedert selbst die drei Wandflächen des Chores
KIßCHENBAü.
85
in zwei Hälften, und wie Fenster die obere, so
beleben Zierarkaden von drei, an der Ostwand
von vier Säulen die untere; es erscheinen die
Arkadensäulen schlank und elegant verjüngt,
die Würfelcapitäle, die Basen mit dem Eckblatte
plastisch durchgebildet, die Kämpfer schwung-
voll gegliedert und 7Aim Theil wie mit Orna-
menten der Goldschmiedekunst verziert (Fig. 69
bis 73). Das weist nicht weniger auf eine ge-
füllte Baukasse wie auf einen gereiften For-
mensinn und ein geübtes Stilvermögen; damit
stimmt auch die oblonge Gestalt sämmthcher
Kreuzgewölbe, insofern ihre Schmalseiten in den
Kreuzarmen quer, sonst überall parallel zur
Längenachse hegen. Im Nordkreuze enthielten
die gegenüberliegenden Mauern Löcher, diese
wahrscheinhch einst Querriegel, mutmasslich die
Stützen einer Bühne oder eines Chores für die
Nonnen zu Marienhof, deren Gotteshaus weit
später erbaut worden ist. Die vier Fjingänge,
zwei in den Giebeln der Kreuzarme und zwei
gen Westen in den Langseiten, die sämmt-
lich ruudbogig gedeckt und mit Seitensäulcheu
flankirt waren, sind neuesthin vermauert worden.
Man hat das Langhaus in den Jahren 1871/72
einem Eestaurations- und Erweiterungsbau unter-
worfen, welcher die Seitenschiffe fast bis in die
Flucht der Kreuzgiebel vorschob, nach Westen
hin neben dem Thumi verlängerte und hier
mit neuen Portalen durchbrach. Im Norden des
Chores errichtete man an Stelle einer baufäl-
ligen, mit einem Spitzbogenfenster beleuchteten
Sakristei eine neue, und als Pendant dazu eine
zweite im Süden. Dabei -^nirden im Ganzen
86
RHTXERX.
die alten Stilverhältiiisse berücksichtigt, die Ge- | feuster des südlichen Kreuzgiel)els der feinern
wölbe der Abseiten indess mit Gurten durch- Gliederung im Innern. Das sattelförmige Dach,
zogen und die je einer Schildwand eingepassten dem im siebenjährigen Kriege die Franzosen den
Langfenster der Oberwand gegen Kundfenster
geopfert. Die Innenräume erhielten eine farbige
Decoration, die Aussentheile neue Politur. Im
Aeussern entsprechen die grossen regelmässigen
(^uinlcni MUS (jru AN'erlcr Mrüchen, ein Fussge-
simse und nanieutlieh das l)nlstige Kranzgesinise.
sowie <l;is !_'ros<e von Säulclii'U ll.iiikirlc IJuii'!-
iM'i -r
Bleittberzug nahmen, ist seitdem mit Schiefer
gedeckt. "Wechselvoll im Grundrisse wie im Auf-
bau bietet die ganze Kirche einen würdigen und
gefälligen Anbhck, der im Innern und Aeussern
noch bedeutend gewinnen würde, wemi der gar
hoch angewachsene rs.
Boden ungefähr auf
sein altes Niveau er-
niedrigt würde.
Nur der viereckige
We^tthurm harrt
noch der Kestauration aus seiner Verwitteruiiir
und vielfachen Entstellung. Von kleineren Werk-
steinen erbaut und vormals nicht mit dem ^lauer-
werk der Seiten- t;:.
schiffe verbunden,
erscheint er älter,
als ein Bauwerk
der Frühzeit des
12. Jahrhunderts.
Seine Unteretaire
deckt auf ziemlicher Höhe ein Kreuzgewölbe mit
Gräten : die in den Oberetageu regelmässig grujv
pirten Schallöfliniu'jen sind theils noch mit ^lit-
telsäulehen und im Bogen- r*.
fehle darüber mit Bund-
löchern versehen, theils die-
ser Glieder beraubt, oder
gar im Hundbogenschlusse
geradlinig verstümmelt oder
wie die rundbo-jige Thür
mauert. Das Kriinziiesimse (Fig. 74) enthält in
der Kehle eine Zier von Buckeln: die lange
IVramidenspitze wird weithin sichtbar.
Urli.r (li-ni Ftii^l" r ili r üvtlicbrn Cburw.jml
i-£
■r"
im \\ r-im ver-
KIECHUCUE M.\X)1ÄU1I.
87
und an ,lr.r Giebol^nd des „»rdüchen Kreuzarm,.
™t ,hrer späteren Tünche stttctaweise abfleL 1
T.rtefn ™''™^^'''^'■"' ''^■^ Alter zu theilen der
1 aufste.n e,n unvcrjüngter Cjliuder aus hartem Sand
uuuitiii. hr stand in Voryfitpn am \r <.
ende des „Ordüchen «eitenschitfes ho .dl,'"'-
8-anghch mittelst dreier Steinstufen °
Em an die Nordwand des Chores gelehntes Sacra
menthansehcn (Fij.K) „ht auf viereefeem S^-uf ,"
«eme BelrOnung besteht n, einer m rBle den „.d bM
werk ausgestatteten Fläche und einem ab ehll
Baldachi,,. Das Bildwerk am Schrirfeh d tZ
gung mit den Seitenflguren darüber sf eilt n X
^ :Srt" 'r™ «'--«-'Architektur ™d W
»eschickt dem Kaume angepasst und durchgeführt
Das Tj-mpanum hat unter
Tudorbogen Blenden und
in den Seiten Fialenbe-
krönung. Das Werk mag
gleichzeitig mit dem Re-
gineukasten beschafft sein.
Als eine für die Zeit
seltene Erscheinung der
kirchhcheu Kunst notiren
w das Reliquiar der
li. Regina (Fig. 76, 77) in
Form eines Hauses mit
Satteldach aus dem Jahi-e
1457. Der Kern ist von
Holz, die decorative Be-
kieidimg mit den BiId^ver-
keu getrieben aus vergol-
detem Silber, die Kugeln
in den Kreuzblumen aus
vergoldetem Kupfer. Die
etwas vortretende Plinthe
ist QJlom lang, 0,27m
breit, das Geföss bis zur
Giebelspitze 0,42>« hoch.
An den Seiten stehen unter i
Rundbögen mit eiugesetz- I
tem Kleeblatte Figuren. I
und zwar an den Giebel- |
Seiten hier der Erlöser. 1
88
RUYNERX.
dort rlie h. Regina, an den Langseiten jedesmal
sechs Apostel Die Base enthält ihre Namen
und an einer Schmalseite das Datum: Anno
iJoiiiiui . . . niccccLvii, Die Dachllachen zeigen
in rundlicher Umrahmung flaehrund getrieben
und von einitrt*n Spruchbändern begleitet einer-
-.'it- dif Verkfiii«li>_MUi'-'. die (Jeburt des Herrn
und die Anbetmig der Könige, anderseits die
Geisselung, Kreuzigung und Auferstehung. Die
Zwickel über den Bögen entbehren der alten
Steinzier, die ornamentale Ausstattung erscheint
nicht gerade überreich und, sofern sie eine archi-
tektonische ist, theils in strengen, theils in laxen
Fumien durchgeführt, welch' letztere sich ja
durch die Kleinkünste den Weg zu den monu-
mentaleren bahnten. Mit dem Datum harmo-
nirt der Stil der Figuren, die massige, starkge-
nwkte (lewiinduim. der lebendige Ausdruck bei
der gemessenen von der Umrahmung gelwtenen
Haltunu'. \h\< (Jefilss ruht noeh auf seiner ur-
>)»r(iiigli(heM Traglmhre. Die Base dunliltreehen
an allen Seiten Vierpasse, ihre Ecken schützen
vergoldete Metallplatten, die vier Tnighölzer Ia^
derüberzüge.
Etwas jünger ist ein in < Jiild '^e\\ cl)tc> durch
Stickereien vervollständigtes Kreuz, 0,12.'»;»
I»reit. das man dem Hintertheile einer violet-
ten geblümten Seidencasi'l aufgenilht hat. Die
Mitte desselben zeigt unter den Worten: Täter
in nianu> tuas die Kreuzigung mit den Seiten-
tiguren, jedes Balkenende einen Engel, von
welchem einer in einem Schilde das Uimm. ein
anderer eV)enso eine Art von Pvramide halt.
Am Langbalken zeigt wiederum in einem Schilde
ein Engel den Mantel des Herrn mit den Wür-
feln, und der Band desselben blos einen Engel-
ko|if. als wilre hier ein Stück abgeschnitti-n. Ge-
sichter. Hände. Kleidersaume und besondere Ge-
waiidpartien sind in einer melirfarbi<:en Stickerei
hergestellt, in einer .\rt. d\v wir an den schönen
Caselkreuzen des L'). .Tahrhundert.s gewohnt sind.
Die Handarbeit half dem fabricirten Stoffe glück-
lich nach.
Den werthvollsten und bedeutendsten Rest
bildnerischer Schönheit begrüssen wir in dem
Schnitzaltar und dessen beiderseits hcniallon
AI.TAl!.
89
Flü<^eln. (\^ergl. die Photolithoc^raphie.) Xeu
sind der Unterbau und die .stufenartige Predella
von Holz. Den Aufsatz bilden nereckige ^'i-
schen für Holzsculpturen. nämlich drei grössere,
wovon die mittlere mit der Kreuzigung höher
emporsteigt, oben, und Zwergnischen unten.
Während jene die wesentlichsten Stücke aus dem
Leiden und Sterben des Heilandes in grösseren
und kleineren Gruppen vorstellen, weisen diese
die vorbereitenden Ereignisse aus der Jugendzeit
des Hen'n auf. Die Zwergnischen sind je nach
der Breite der drei obem Felder in Abtheilungen,
die Abtheilungen durch schwächeres Stabwerk
\vieder in kleine Felder zerlegt, in der iDtte,
wie das Hauptwerk darüber, höher gezogen, und
alle oben mit einem durchbrochenen Ornamente
von stihsirtem Gerank eingefasst. Links be-
ginnen die kleinen Sceuen mit der Vermählung
der h. ]\Iaria und mit der Verkündigung, dann
folgen in den beiden hohem Mitteinischeu die
Geburt Christi und die Anbetung der Könige,
rechts die Beschneidung und die Opfenmg im
Tempel. Die Scenen rechts und hnks scheidet
je eine Figur mit Spruchband. Die oberen Ni-
schen ziert eine reichere Umrahmung, und zwar
jene rechts und links über zwei durchbrochenen
Baldachinen, die als Kämpfer wirken, eine rund-
bogige Hohlkehle, worin kleinere Leidensscenen
mit Zierbaldachinen abwechseln, ihren untern
Band wieder ein durchbrochenes Ornament, die
Zwickelfelder darüber durchbrochenes Maasswerk.
Zierbaldachiue und Bildwerke machen auch (üe
seitliche Einfassung des hohen Mttelfeldes, ein
reich geschmückter Baldachin von drei Rund-
bögen dessen Bekrönung. Hier gewahren wir
im buken Felde die Ivreuztragung, in der Hohl-
kehle links die Geisselung. rechts die Dornen-
krönuug, im Mittelfelde aie Kreuzigung, au den
Seiten die Schacher, darunter Henker nebst zwei
berittenen Figuren und im Vordergründe die
Pharisäer, hnks die frommen Frauen und Maria,
die in den Armen des h. Johannes zu Boden
sinkt, im rechten Felde oben die Kreuzabnahme,
unten die Pieta, in den Hohlkehlen die Jünger
auf dem Wege nach Emaus und Christus den
Frauen erscheinend. Die Gruppen der Seiten-
12
90
RUYNERN.
einfassuiig des Passionsbildes stellen die Sakra-
mente bis auf das h. Abendmahl dar, welches
einst vielleicht, wie an den ähnlichen Werken
der Zeit, über dem Kreuze Platz gefunden hatte.
Der ganze Altar. Rahnienwerk und Fi'jrürliche«;.
ist vergoldet, die Gesichter, die Hunde und
Fleischtheile der Figuren sind bemalt: die Hilume und untergeordnet und weohsolvoll von den
erscheinen wol abgetheilt und gut verwerthet. kleinen (irujipen durchbrochen, die zugleich
die orniinentahMi (Jlieder den stOtzendcn ein- die (JednnkiMi der grossen Sceneii mild au^-
Kii'.cJii.RiiE 1)l;nk.\iai,i;u.
91
kliiif^en lassen. Die Scenen des Hiiiterjrrundes
haben Flachreliefs, die des Vordergrundes und
die kleinen Gruppen treten den Ideen oder der
Anordnung angemessen fast frei plastisch her-
vor. Einen tüchtigen Meister verrathen der
Gesammtentwurf und die Ausführung des Fi-
gürlichen wie des Ornamentalen, selbst die Fär-
bung. Wol gruppirt, vvol dem Kaume ange-
passt und doch lebensvoll erscheint die Anord-
nung, noch vollendeter aber die Ausführung
zumal der Köpfe und Hände, die so sorglich
bis in's Einzelne geht, dass der Beschauer von
seinem fernen Standpunkte Manches nicht ein-
mal gewahren und geniessen mag. Nach dem
Costüm schon zu urtheileu, gehört das hervor-
ragende Werk etwa der Zeit des Jahres 1500
an, und dennoch hat der Meister in Gewandung
und Ausdruck der Manier geschickt gesteuert,
die dermalen als Auswuchs des Naturalismus
der Bildnerei ihr Gepräge aufdrückte.
Von den Flügelgemälden stellen die beiden
schmalen zu Seiten des erhöhten Mittelfeldes
innen dar linlfs Christus vor Pilatus, rückwärts
wie er der Sünderin (?) am Brunnen begegnet,
rechts innen wie er mit der Kreuzfahne seiner
Mutter, und aussen wie er der Magdalena er-
scheint, die beiden untern Doppelklappen links
aussen den Einzug Christi in Jerusalem und Ju-
das den Verrätherlohn empfangend, innerlich das
Abendmahl und Judas Verrath, — rechts aussen
die Kreuzabnahme und Grablegung, innen die
Himmelfahrt und Sendung des h. Geistes. Die
Tafeln zeigen Kreidegrund und in Oel eine Far-
bengebung für Hintergrund wie. für Figuren, die
die hellen Töne des Mittelalters fast völlig ver-
läugnet. Den Hintergrund bilden je nach den
Scenen Architekturen oder Landschaften, die
Figuren erscheinen in reichem Zeitcostüm; das
Ganze beherrscht ein edler Stil sowol in der
Gruppirung, wie in der Wiedergabe der Affecte.
Die Köpfe haben einen schönen milden Aus-
druck, zumal das länghche von schwarzem Barte
umrahmte Anthtz Christi, das an die Nieder-
länder erinnert. Wir dürfen diese Bilder schon
in den Anfang des 16. Jahrhunderts setzen.
Ein Werk der Frühzeit des 17. Jahrhunderts
ist nach Aufbau und Ornamentik der hölzerne
Aufsatz eines Seitenaltares. Ein baldachinar-
tiger Mittelbau ist auf zwei Kundsäulen gestützt,
an jede Seite ein Blindflügel gesetzt, das Bau-
liche streng, das Ornamentale schlicht und ohne
Uebermaass gehandhabt. Dafür schmücken
ihn eingesetzte Oelbilder, so an der Predella
die Brustbilder der Heiligen Augustinus und
Norbertus. im Hintergrunde des Baldachins das
Brustbild des h. Johannes des Täufers, zu Seiten
die Figuren eines Bischofs und des Evangelisten
Johannes und am obersten Aufsatz nochmals
vier kleine Medaillons. Dem Altar ähnelt in
der Behandlung und in der Ausstattung die
nunmehr entfernte polygone Holzkanzel in
der Strenge der Gesimse, in der Einfachheit der
rundbogigen Arkaden, welche die Seiten ein-
schlössen, und in den Evangehsten- Figuren,
welche sie ausfüllten.
Am Westende der Kirche vor dem Thurme
liegt auf einer von Säulen getragenen Bühne
die C)rgel, deren Fa9ade wir als Muster einer
flotten und wirkungsvollen Möbelarbeit aus der
besten Barockzeit in Abbildung beifügen (Fig. 78).
Inschriften und Acten erweisen, dass dieselbe
von dem Dominicanerkloster in Soest übernom-
men und für 60 Stück Friedrichsd'or vom refor-
mirten Consistorium in Aurich durch die Kirch-
meister E. Herthoff, H. Frigge und den Pastor
Wellen erstanden ist. In der lateinischen In-
schrift: E DoMInICano Sosatensl IVbILant
nobis Organa CLaVstro ist die Herkunft und
die Zeit derselben kurz ausgedrückt. 1877 ist
das Werk von dem Orgelbauer Rudolf Randen-
brock aus Paderborn erweitert und dafür aus der
Kirchenkasse die Summe von 4338 M. gezahlt.
Unter den vier Glocken ist die älteste,
ungefähr 1700 Pfd. schwer, einer Inschrift oder
Verzierung baar, indess oben und unten am
Bande mit einem -{- versehen.
Die zweite im Gewichte von etwa 847 Pfd.
hat folgende Inschrift:
Regina coeli ora pro nobis. Anno 1633.
Als geworden Pastor Behrendt Thier,
Do sein wir beiden gehangen,
Der Höchste gebe dem Leser und ihnie
Barmhertzikeit
Auch allen Menschen die ewige Freud und
Selikeit.
F. Joannes Paris frater laicus niinoris ob-
12 ^
92
RHYXEKX.
servantiae S. Francisci me fecit. — Ihr Seiten-
stück wird vermisst und später umgegossen sein.
Die dritte im Gewichte von 21 00 Pfd. ging
1 088 aus einem Umgusse hervor, den Godefridus
de Lapci aus Erwitte für 100 Thlr. besorgte.
Die Inschrift lautet:
Salvator mundi salva nos, vivos imploro,
lnortuo^ (lei)kjro, Dciini adoro. Sancta Regina
Konianae orthodoxae ccclc>iae RiL'nen>i^ I'a-
troiia. Anno MDCLXXXVIII.
Al^ Friedrich Wiihehn Chllrfür^t hatt rc<^irt.
l^in ich vom aUcn ins neu zu cite mahl imitirt.
(iott führe sein und der Nachfolger Re<<iment
Da^ sie alle mögen haben ein seliges Endt.
Die vierte, 300 Pfd. schwer, ist 1753 zu
Büderich von Carl de Lapci gegen 40 Rthlr.
gegossen und 1872 von Petit & Gebr. Edcl-
brock in Gescher umgegossen.
Erwilhnt seien femer noch eine schwere Ba-
rock-Monstranz aus dem Jahre 1677. ein neu-
gothischer und drei alte Kelche, darunter einer
von Silber und zwei vergoldete vom Jahre 1719
in den Stündern von Ku]iffr. in der Cupite von Sil-
ber. — Erbtheile des di^rtigen Klosters Marienhof.
Die neuen decorativen Steinarbeiten an den
Aitär<'n sind meistens entwMrfen vom Architekten
Fischer in Bannen und ausgeführt vom Bild-
hauer Goldkuhl in Wiedenbrück, die ornamen-
talen und tiguralen Wandmalereien von Hoff-
manu aus Werl.
L)ie evangeli.sclie Ivirflie und andere L)eiikiiiäler.
.Rhynern gehört zu den wenigen Städten der
Mark, deren Hauptkirche den Katholiken ver-
blieb;' doch Itildete sich auch hier aus kleinen
Anfingen seit dem Iß. Jahr-
hundert eine protestantische
Gemeinde, welche 1024 da>;
lutherische mit dem reformir-
teii Bekenntnisse wechselte
und sich KiO.") ein kleines
(iotteshaus (Fig. 70) erbaute.
Es hat die Form eines Sechs-
eckes (Fig. 80). ein jnramida-
les auf hölzerner Mittelsäule
ndieiides Dach, als Spitze eine
Laterne, die möglicherweise
auch von einer Kestauration
(Irs.Iahres 1748 hcrnilirt. \)v
Fenster (Fig. 81) zeigen gegen-
nl»er dem geraden Sturz der
Tliiu- ellijttischen Schluss und ihr Oberlicht über
dem Mittelpfosten eine RundötfnunL: mit sphä-
rischen Zwickellöchern.
An der Südseite des Kirchhofes steht ein
1' atliu crkhau der h'enaissance mit Muschel-
(trnamenten. AVt-stlich vom Orte Itemerkt man
Uinggräben, (lärten und in Fachwerk einen zwei-
stöckigen Flügel, den zu einer StalhniLT ernie;lrig-
tenChor der Kirche von dt-m isll anfirijiubenen
Kloster Marienhof. dessen Insassen angebhch
Beghinen seit 1470 Franziskanessen waren. Von
der Kirche, deren Langhaus vor einigen Decen-
nien durch Brand und Abbruch
unterging, stehen noch Mauer-
reste mit spätguthischen Fen-
sterbildungen, innerhalb der
Langmauern steckte, wie der
Brand s|iäter erwies, eine Fach-
werkwand, als ob die Kirche
ursprünglich in Holz heqre-
stellt. sjiäter die AVände inner-
lich und äusserlich mit einer
Blendschicht von Stein beklei-
det worden wären. Sie lag im
Süden des Klosters und um-
schloss mit dem erhalt^-nen
Osttlügel und zwei abgebro-
chenen Flügeln im Norden und
Westen ein Quadrum. das als Kirchhof benutzt
wurde. Aus dem Erlöse der Klostergüter schreibt
sich der Rhynern'sche Klosterfonds.
In dem Kirchspiel erscheinen noch merk-
würdig zu Wambeln in der Nähe des Schulten-
hofes Ostermann ein Feld -.Kirchhof* und eine
Stätte .Papeniuitt' -- ein zweistöckiges Fach-
werkhäuschen unter der Benennung Herren-
haus als Rest des adligen Sitzes Di eck haus.
— ein zweiies zwischen Ost- und Westünneu als
^
YEIlSCfflEDENE DENKMÄLER.
93
letztes Erbtheil des Geschlechtes von Tüniien,
und zu Süddinker der ,rothe Stein', eine vormals
mit Bäumen umstandene Halbinsel des Salz-
so. haches als der
Platz eines Frei-
gerichtes.
Yom Alt-
händlcr Grot-
hucs in Mün-
ster ist aus der
Pfarre ein Ei-
chenschrank
mit Schnitz zier
erworben, Avel-
cher 0,55>« tief, l,12»i breit und nur 1.10m
hoch ist und auf der abgenutzten Deckplatte
keine Spur eines Aufsatzes hat. Die Füsse sind
kurz, die Schubladen, welche den untern Raum
einnahmen, verkommen, die Front zerlegt sich in
drei verticale Felder, deren mittleres die Thür hat :
jedes Feld ist als Rahmen mit Füllung behan-
delt. Die Seitenflächen zeigen eine vortretende
Rhombenzier, die ^i.
übrigen Felder Ara-
besken, die Gesimse
flache ProH lirung ge-
mischi mit Zahn-
schnitten, die Thür
Adam und Eva unter
dem Baume mit der
Schlange berahmt von zwei Ziersäulchen. welche
einen Rundbogen tragen. Die sonst einfache Ar-
beit, wobei das Figurale gegen das Omamentale
zurücktritt, gehört der zweiten Hälfte des 16.
Jahrhunderts an.
Kiiidlinger, Volmesteiii I, 2<X); U, Tik. Nr. .5.5 A; — dois. M. B. ni, Xr. 174; — Kanipsehulte, S. 81; — dors. Kirchenpatrocinien,
S. 185; — Anzeiger für Kunile deutscher Vorzeit, 1871, Sp. 158; — E,ssellen in d. Bonner Jahi-bb. 52, 169; — von Steinen,
ni, 940; — Lüblie, S. 109, 372, 303, 410, 394; — Das Conversations-Lexicon für bild. Kunst, FV, .566 gibt dem Altar das un-
zweifelhaft verfriUite Datum 1473 ; — Das von "W. Lotz, Kunsttopographie Deutsdilands, 1862, I, 519, genannte Tript>-chon findet
sich nicht vor. — Bädecker -Heiipe, II, 426; — Mittheihmgen des HeiTn Dochanten Terberger. — Local - Untersuchung und
-Aufnahmen.
> €—<>—? <
Hilbeck.
Kirclie und Schloss.
Da der Name des Ortes zuerst 1153 als
HiJbeJce, 1162 als Hylibecce vorkommt, wo
die Urkunden hier einen Hof der Grafen von
Cappenberg nachweisen, so dürfte deren Ahnen-
schaft wesenthch zur Gründung der Kirche bei-
gesteuert und von ihr sich das Patronat über
Pfarre und Küsterei auf den Besitzer des Hauses
Hilbeck vererbt haben. Die Pfarre ging 1562
oder 1560 dauernd zum reformirten Bekennt-
nisse über, obwol innerhalb der nächsten hundert
Jahre katholische Rehgionsdiener hier noch wie-
derholt Gottesdienst abhielten.
Die Kirche (Fig. 82) erhebt sich wie das
Dorf auf einer Anhöhe, w^ar vormals der h. Ida
geweiht, also frühestens gegen das Jahr 1000,
wo die Schutzpatronin aUgemeinere Verehrung
fand, gestiftet. Dieser Zeit entstammt auch das
Langhaus : es ist einschiffig, niedrig, mit flacher
Holzdecke, hoch in den Langmauern von kleinen
Rundbogenfenstern erhellt, das Mauerwerk aus
unregelmässigen Stücken grünen Sandsteines
aufgeführt, jeder der beiden Eingänge rundbogig
gewölbt. Die meisten dieser Eigentümüchkeiten
kennzeichnen den Bau als ein Werk aus der
Frühzeit des Steinbaues um so deuthcher, als
Restaurationen kaum eingetreten sind. Ein sehr
altertümliches Aussehen verursachen Risse im
Mauerwerk, spätere Missbildungen an einigen
Schallöchern, zumal die Entfernung von Mittel-
säulchen, dem viereckigen "VVestthurme. Die
Mauerschlitze und Schallüffnungen haben i'und-
bogigen Schluss, die erhaltenen Mittelsäulcheu
Würfelcapitäle, den attischen Basen fehlten an-
scheinend stets die Eckblätter. Das Hauptgesims
besteht aus einer flachen Kehle und daraufge-
legter Platte. Die pjTamidale Spitze steigt
ziemlich schlank empor. Der untere Raum des
Thurmes entbehrt der Einwölbung. öffnet sich
jedoch gen Osten durch zwei übereinanderge-
stellte Doppelbögen zum Langhause. Die Be-
94
lüLBECK, DRECHEN.
handlung der Säulchen und die regelmässigen
Werksteine lassen den Thumi indess als ein
jüngeres Werk etwa aus dem Anfange des 12.
Jahrhunderts erscheinen. Der dreiseitig geschlos-
sene Chor mit zweitheiligeii
.Spitzbogenfenstern von einfacher
Vicrblattbekrönung dürfte gegen
1400 erbaut sein und war. wie
die eingesetzten Schildgurteu
zeigen, ursprünglich auf Einwöl-
liung berechnet.
Drei ältere (ilockcn sind
1<)72 von den Franzosen nach
Werl entführt : die älteste der
noch vorhandenen ist 1748 vom
Glockengiesser^fZ/a'^K^ zu Mün-
ster gegossen.
Eine Orgel lieferte laut den
Kirchenrechnungen 1(394 der
< )rgelmacher Sylvester Heil-
mami (aus Hebern), die Kanzel hat ein Herr
von Münster zu Meinhovcl. Herr zu Hilbeck,
gestiftet.
Xordnstlich V(im Dorfe erhebt sich der alte
Hittcrsitz Hilbeck, das Stammhaus des gleich-
iiiinii^'-en Geschlechts, dann ein zwischen vielen
l'amilicn wcclHcJndcr lU'sitz, bis er in der zwei-
ten Hälfte des vorigen .lahrhunderts durch Kauf
an die freiherrliche Familie von Plettenberg zu
He( ren kam. Kr war ausgestattet mit einem
,St. Panthaleon- genannten Hofgericht und 1705
noch so befestigt, dass er auf Antrag der Stände
gegen befürchtete EinföUe der Kölnischen deu
bürgern zu Hamm zur Bewachung anvertraut
\nirde. Nach einem von Bau-
inspector Goscbruch entworfe-
nen Grundplane im Hausarchiv
zerfiel die Grundtläche 1798 in
drei von erhaltenen oder kennt-
lichen Wassenrräben umgebene
Plätze: die viereckige Vorburg
enthielt an der südwestlichen
Schmalseite, wo der Eingang
zur Hauptburg lag. ein kleines,
U'cirenüber ein zweiflügehffes Ge-
bäude. Es steht davon nur mehr
der kleinere Flügel in Fach-
werk, daneben aber, nämlich am
Nordostsaume, ein neuer zwei-
stockiger Steinbau als Haupt-
haus. Die südöstlich davon gelegene kleine
Hauptburg war damals bereits der Gebäude
haar, und statt dessen der Vorplatz, der sich
südwestlich die beiden Hauptplätze entlang
zieht, mit Gräben umwehrt und mit Gekononiie-
gebäuden besetzt, wovon die noeh bestehenden
Fachwerkbauten sind: das auf den Vorplatz
führende Thorhaus (Zehntscheune) aus dem
Jahre IHK» enthält die wieder benutzten Wap-
pen Pentlinck-Berninckhaus und Monster-Fridag
vom Jahre 1*171 18'6.
Cod. li. W. Xr. .f«;, .{iJ;
Estiollon, S. 13U, 1%;
Kampscliulto, Kirchoiipatniciiiion, S. KK); — BlUl<'cki'r-ni']i|)«.' H. 427; — v. Steinen m. 955. 1006;
- Acton dfs KirchtMiarchivs. — Lo«il-Untorsuchunir und -Aitfnahmo.
T)r('clien.
\
Ivii'flie imil ilir«> I )eiikiniiler.
Divclirn. eine kleine Gemeinde inmitten der Dass dieses Gotteshau> nicht für Pfarrzwecke
Pfarrei Flieridi. war ursprüni:lich Filiali- erbaut ist. verkinidet jedem Fremden beim ersten
der letztern. und nachdem sie in der Keformatioii Anblick das kaj)elh'nartige Aeusscre. die Lige
das Intherisclie Hekenntniss angenommen, KUl nördlich neben einem Schultonhofe innerhalb
mit ihr znr Aiuiahnie des refonnirten V(>ranlasst. Weiden und (Jehölzen. Es war auch ursjjnlns;-
Die ringsher zerstreuten Katholiken, welche jetzt lieh wol eine mit gewissen Vorrechten für die
nach Uhynern eingepfarrt sind, besuchten zwei Umwohner ausgestattete Hauska|K'llo für den
Mal des Jahres die Kirche, worin dann ein Besitzer des Hofes. Denn auf demselben stand
Franziskaner von Hamm den (Jottesdicnst hielt, vor Zeiten, wie es heisst. ein Jacrdschloss der
KIUCIIMCIIK Ul-NOÄLKU.
95
Grafen von der Mark; ein mit Aussatz behafteter
Graf soll es zum Wohnsitz erhalten, die Kai)elle
gebaut und mit den Zubehörungen seinem natür-
lichen Sohne und dessen Nachkommen also über-
tragen haben, dass sie einen bestimmten Canon
an die Landesherrschaft entrichteten. Damit
steht im Einklänge, dass das Patronat der Pfarr-
und Lehrerstelle dem Landesherrn, jenes der
Kirche dem Schulten zusteht. Später wohnt
hier ein Geschlecht von Brechen, und ein Spross
desselben ist wahrscheinüch jener Gobel von
Brechen, der 1500 Gograf zu Hamm war.
Den Schultenhof aber, wozu auch Unterhöfe ge-
hörten, umgeben noch heute Keste von Gräben
und Wällen, und ihnen entsprechen im Boden
allerhand Züge alten Gemäuers.
Das Kirchlein ist nach Süden gerichtet und
hier mit einem viereckigen Thurm besetzt.
Den geraden Chor deckt ein, das Langhaus zwei
Kreuzgewölbe. Die letzteren sind oblong und zur
Längenachse quer gelegt. Chor und Langhaus
zeigen äusserlich unförmüche, m'oI später so ge-
staltete Dossirungen als Streben, den Spitzbogen
in den Ptippen und Quergurten, sowie in den
kleinen Fenstern, diese einen Mittelstab und als
Bekrönung einen Vierpass oder Pass, die Rippen
starken Kern von einfacher Kehlung, die Schluss-
steine ein rosenartiges sauber gearbeitetes Orna-
ment. Das Werk gehört demnach der bessern
Gothik und wahrscheinlich der Mitte des H.Jahr-
hunderts an.
Der viereckige Thurm im Norden hat zwar
im Untergeschosse ein Gewölbe von Backsteinen,
in den Kundbogenöffhungen des zweiten erneute
Mittelsäulchen, im dritten unförmliche Rund-
bogenlöcher, — doch das Alles sind nur verun-
glückte Nachbildungen späterer Zeit: denn die
beiden Unteretagen machen mit dem Mauerwerk,
mit der attischen Base der genannten Mittelsäul-
chen, mit dem rundbogigen Thorschlusse einen
altertümlichen, nämlich romanischen Eindruck.
An der Thtir selbst haftet noch eine gothische
Verkleidung des Schlosses.
Von den beiden Glocken trägt die eine die
Jahreszahl 1681, die andere die Inschrift . . .
1695 Bcr7iliard Wilhelm Stule goss mich.
von Steinen
Kupsch.
a. 0. m, 1033; — Essellon,
Local - Untersuchunfr.
S. 133; — Bädecker - Heppo II, 433; — JMitthciluiiifen des Hemi Superintendenten
v^^-
Fliericli.
Kirche xmcl ilire Denkixiiiler.
rUerich, im 9. Jahrhundert Flethric, 1059
FlietheriJce, kurz darauf Flethreke, 1250
Vlerike, 1269 Vlederiche lautend, ist als Ort
uralt, als Pfarre etw^a gegen das Jahr 1000 ge-
gründet, falls nämUch eine bis in unser Jahr-
hundert erhaltene hebräische Inschrift am
Thurme als Patron den h. Michael genannt
hat; der Cultus dieses Erzengels hängt in der
Regel mit dem Aufblühen des Rittertums zu-
sammen und weist wahrscheinüch zurück auf
die alten Grafen von Werl, die hier Güter und
vielleicht zuerst das Patronatrecht hatten, was
später den drei hiesigen Adelssitzen Brügge,
Mundloh und Edinghausen anklebte; noch 1250
verzichtet Adolf von Holte oder von Isenberg
auf den dortigen Hof als Arnsberger Lehen zu
Gunsten Herman's von Brochusen. Schon nach
1550 wurde hier die Reformation. 1641 das
reformirte Bekenntniss, in unserer Zeit die evan-
gelische Union durchgeführt.
Das einschiffige Kirch euh aus, der grad-
geschlossene Chor, der Westthurm stammen aus
romanischer Zeit, haben jedoch durch spätere
Umbauten und Restaurationen ein modernes
Aussehen angenommen. Es sind die Mauer-
flächen mit einer neuen Blendschicht überzogen,
am Langhause einige Fenster vermauert, andere
zu tief herabgezogen oder wie am Chore spitz-
bogig umgestaltet, die Schallöffnungen des Thur-
mes der Theilungssäulchen beraubt. Das ziemlich
breite Langhaus decken zwei in der Querrichtung
oblong gelegte Kreuzgewölbe, und je ein solches
das untere Geschoss des Thurmes und den Chor:
die starken Spitzbogen-Rippen uüd Gurten mit
oc
FLIERICH.
einfacher Kehlung entstammen nach einer dem
einem Schlussteine eingehaueneu Zahl dem
Jahre 1502, wie jedenfalls auch das Chorfenster
mit den gekehlten Lail)ungen und dem Vierblatt-
schluss. Sonst beherrscht der Rundbogen die
S'challOffnungen. die Fenster des Lanirhauses.
den Sclieidebogen des Thurmes mit dem Durch-
gange zum Langhause, den breiten flachen Quer-
gurt zwischen letzterem und dem Chore und die
Enthistungsbögen der Chormauem. Die breiten
Gurten dieser Bögen, welche zugleich tiefe
.Mauernischen bilden, setzen an der Xordwand
beiderseits, an der Südwand nur östlich auf
Maucrecken von reicherer Ghedenmg: sie zeigt
nämlich gekui)i)elte Halbsäulen mit Kelchcapitä-
leii, diese haben ein anliegendes mit Flachbuckeln
besetztes Laubwerk und gemeinsame Kämpfer
mit einer Platte und einem Zwischengliede. das
hier als tauförmiger "Wulst, dort als Schräge
mit Palmetten oder auch als Kundglied mit
Schachhrettoraament gebildet ist. Ein kleineres
Mauersäulchen nahm jedenfalls schon in roma-
niseher Zeit die Pi]>])e oder den Gurt der Clior-
wölbung auf. Die Basen sind heute verdeckt,
die Kämpfer der andern l{undbö<:en möglichst
einfach, höchstens aus Platte und Schräge oder
Kehle zusammengesetzt. Die Kirche hat zwei
Eingänge, einen durch den Thurm, einen in der
«■■(stlichen Hälfte der südlichen Langwand — ein
dritter in derselben Wand durch die Reparatur
von 1872 beseitigter war anscheinend reicher
mit einem Tvm])anum entwickelt und dies mit
einem Kreuze und zwei Tliierliguren. angeblich
Hirschen oder Lämmern, belebt. Zwei lauge
mit Löweiitiestalten bemeisselte Steine treten
oben an den äusseren Ecken der Chorwand als
Consolen vor. Der Kern wie die neuen Blend-
schicliteii des Bauwerkes bestehen aus grünem
.MefL'elsandstein.
Malerische Zier schmückte ehedem alle
Wandllächen: sie rührte jedoch wol grösstentheils
mit der Einwölbung aus s|»ätgothischer Zeit, wie
das der Laut der Inschrift eines der Kanzel ge-
genüber blossgelegten Menschenskeletts darthat:
Welk cdlo llguro.
Ik was ok (lyuc naturc
Ik'donk () nlcn^cI1 op der erden
Watt ik bin. nio^t du werden.
Von den gothischen Chorstühlen l^efindet
sich noch eine als Schranke benutzte Vorderseite
mit guten Panneelen in einem Thurmgeschosse.
Die Fa<,ade der aus dem Kloster Kentrop
bei Hamm übernommenen Orgel überrascht
durch elegante Verhältnisse und geschmackvolle
Schnitzereien. Die Bündtlügel an den Seiten,
die krönenden Giebelchen und Thünnchen, die
durchbrochenen Arabesken, die Zahnschnitte am
Krönungssims, das Einzekie und das Ganze
l)räsentirt sich als eine edle, vielleicht um 1600
ausgeführte, das Consolenwerk in Form von
Büsten als .spätere ^Vrbeit. Die Orgelbühne
war laut einer bis 1872 erhaltenen Inschrift
1752 errichtet: Hae sedes exstructae hunt cura
( ). Knevels \'. D. M. et Job. Heniian Sud-
haus receptoris MDCCLH.
Der Altar hat keinen Aufsatz, die Kanzel
mit dem Deckel hat polygone Form, an den Ecken
Kundsänlchen, Kococcobesatz in den Flachen
imd einen Boden, der sich polygon zu einer
Kugel verjüngt.
Von den drei (i locken hat die älteste leider
gebrochene die Inschrift:
Sanctus l<»hanne^ hed ick.
De lebendiken de r<»p ick.
De doden bescre ick.
Geghaten in den jar nicccccxxxi v ;
die dritte .... Johaviics Gm'c gos mich 1 797 ;
die grosse hat Willulm Rinkcr aus EUjerfeld
in unsenn Jahrhundert gefertigt. Der Glocken-
stuhl hat die Inschrift : Haec canipananmi sedes
e.\>tructa cura Joh. Gottfr. Peil V. 1). M. et
("hri>t()j)hori Schulze zum Rumpf MDCCXLII.
1778 zersprangen eine grössere Glocke mit
zwei lateinischen Distiehen beschrieben vom
Jahre 1525, nach der Fonn der Verse zu Münster
wahrscheinlich von Wolter Wistcrhucs gegossen,
— und eine kleinere mit der Inschrift:
Johannes de la Paix von Arubberg hat mich
gegos,sen
1 )urch (la^ Feuer hin ich gefl()^^e^. Ml )C LXX.
Von den Inschriften der (irabsteine, die
muunehr vor dem Westjxirtale liegen, nennt
eine den I^^nhard Philiiiji Wittinghoff gen. Schel,
Erbgesessener zu E«linghausen f 1«)5() 27 5,
eine andere die Catharina Torckes gen. Asche-
bniieh t inoo 20 12.
KIUCIIEXIUU.
97
Eine viereckige Gedenktafel von Holz an
der Nordwimd des Chores enthält in der Mitte
das gemalte Wappen und an den vier Seiten
die Inschrift: Anno 1693. cl. 7. May ist der
Hochwohlgeborene Herr Reinholdt Arnoldt Ed-
mund von Ketteier zur Hrüggen gebohren, und
anno 1727 d. 9. October gestorben. Das Haus
Brüggeu hat seine alte Kapelle verloren und
ist wie das Haus Edinghausen jetzt ein mit
guten Gehäuhchkeiten versehener Schultenhof.
Das gebräuchliche Kirchenbiegel stellt einen
Weinstock iiuierhalb zweier Spruchkreise dar:
Sig. ecciebiae Flierl cen^is 1678 Vitis vera
Christus.
Das an der Südseite der Kirche 1874 ge-
stiftete Kriegermonument ist vom Bildhauer
Poggel aus Werl in Stein gehauen und be-
steht aus einem viereckigen gegüederten Sockel
mit Emblemen und dem Bilde der Germania.
Vita s. Ludgon in Moiiura. Gem. Hist. SS. U, 4-28; — Crecelius a. a. 0. MI. .3, 9; — AV. U. B. Xr. m, 8.34: — Kindlinger,
V'olmestein II, Nr. 27; — Kampschulte, Kircheiipatrociiiien S. 95; -- v. Steinen III, 1000 f.; — Ficker, Encrelbert S. löc. —
Seihertz, Grafen S. '2ö7 ff.; — E.ssellon S. 131; — .Mittheilungen des Hemi Pastors Terberirer; - Lokal - Untersuchung.
-':>-<5>-<i^
Bönen.
Kirche riiicl ihre Denkinäler.
Dass die Pfarre zu den altern zählt, erhellt
schon aus dem 1836/37 unter den Funda-
meuten der alten lürche gemachten Funde zweier
Todtenbäume, welche in der ,
Form jenen zu Ehynern gli-
chen , als Handgriffe indess . - ^
Kerbe an den Seiten hatten;
das Patronat der Kirche war
auch gewiss längst dem St. He-
ribertsstifte in Deutz übertra-
gen, als es ihm 1147 bestätigt
wurde. Der Ort, der 1147
Boine, 1152 Boinen geschrie-
ben Auirde, hegt auf einer An-
höhe, die nach allen Seiten eine
überraschende Fernsicht über
die Ebene des Lippethals hin-
weg gar bis Münster gewährt.
Die Gemeinde hat um 1580
das reformirte Bekenntniss und
vor Decennien die evangelische
Union angenommen.
Die 1846 eingeweihte Kirche (Fig. 83) ist
mit Rundbogenfensteru und geghedertem Haupt-
gesims, sonst ohne Wölbung und Stilzier nach
dem Plane des Bauraths Bucholtz zu Soest auf-
geführt und ohne Frage die dritte in der Reihe
der Steinbauten; als die Vorgängerin abge-
brochen wurde, zeigten sich innerhalb ihrer Um-
fassungsmauern die Fundamente einer schmä-
lern, also noch altern lürche. Diese stammte
jedenfalls aus frühromanischer, der zweite weitere
Bau aus gothischer oder spät-
romanischer Zeit. Romanisch
ist noch der viereckige West-
thu rni (Fig. 84) mit dem vier-
eckigen Vorbaue, dessen Pult-
dach sich hoch an seine West-
mauer legt. Ihn kennzeichnen
matte Rundbogenblenden in
der untern, Nischen und rund-
bogige Friese in der zweiten,
viereckig vermauerte Fenster
in der dritten, rundbogige mit
Mittelsäulchen von gedrückten
Capitälen und Rundlöcher in
der obern Etage, und ein aus
Wulst, Kehle und Platte ge-
bildetes Kranzgesimse : — der
Vorbau hat. als wäre er eine
Fortiflcationsanlage , Mauer-
schhtze und ebenso wie der Eingang des Thur-
mes einen seltenen Thürschluss, nämlich einen
aus besonders zugeschnittenen Steinen constriiir-
ten Giebelbogen.
Die Ostmauer des Thurmes ruht auf zwei
von einem höhern Bogen überfassten Rundbögen
einfacher Behandlung, welche jetzt vermauert
13
08
BÜXEN.
sind, themaLs aber die Communication des
Schiffes und der untern Thurmräume vermit-
telten. Den Stilcharakteren und der Behand-
lung,' zufbl<.n' mochte dieses Westwerk um die
Mitte des 12. Jahrhunderts er- ,
liuut sein etwa kurz nachdem das £-
Stift zu Deutz das Patronat er-
worben hatte.
An illtercn Denkmillern finden
wir nur drei Glftckeir. Die ältere
enthalt zwischen Reifen, die oben
und unten mit Arabesken besilumt
sind, fol!,'ende Inschrift in Minus-
keln mit mehreren Majuskel-Ini-
tialen und Lilien zwisclu-n den
Worten :
Maria hctc ick.
De levendi^'cn ro]) ick.
De doden heuere ick.
\Voltc7' Wester hucs ^'odt
jar inccccc.xxiii.
Die zweite mit allerhand Bild- und Blattzierden
S. A'„'atha p.ilroiia . lohan We^Mier ])a>tor . .
Aiitonms Paris nie fecit l65t) — nach an
derem Berichte l<>'t2.
nii) m den
Die dritte mit Reifen und Arabesken um-
zogen hat die Inschrift:
S. Catrina . . . Anno XXXI.; und wirk-
lich nahm nach einer Notiz des Pfarrarchivs
die Gemeinde 1631 ein Capital
_ auf. um damit den Glockengiessern
— Peter und Xiclacs Goevtatitieti (V)
im Lothringerlande den Guss einer
Glocke zu bezahlen.
Fraglich bleiVit. ob einer der
Glockenpatrone auch jenem der
Kirche entspriclit. Der Meister
W'esterhues war Bürger zu Mini-
ster und seiner Zeit einer der
bedeutendsten und gesuchtesten
GlockenkUnstler: — Anton Paris,
ein Franciskaner. hat gleichfalls
viele Arbeiten im Norden wie im
Süden der LipjK' hinterlassen, die sich indess
mehr durch Festigkeit, als durch Fornienschön-
heit auszeichnen.
Die frühere Orgel ist Dis? von Conrad
Winbreiicker für 407 Tlilr. 47 Stüber. — die
gegenwärtige um 1846 von Bucholtz zu Berlin
gebaut.
Rittei>iitze.
Vom Grte BOneii, vielleicht vom Haui)thufe,
führte den Namen das Rittergeschlecht von
Bönen. welches WWl in der Nähe des Kölner
Erzbischofes durch einen Herman bedeutsam
hervortritt und dann den (irafen von der Mark.
sol)ai(l diese am HcUwege die Anker ihrer
Herrschaft auswerfen, die wesentlichsten Dienste
leistet. Ludolf von Bönen, seit 1201 auch ur-
kundlich genannt, verwaltete damals das Amt
eines Drosten und vollführt für seinen Herrn
die verantwortlichsten (iescbiifte. Auf einen
alten Rittersit/. der im Süden der Kirche,
etwa an Stelle des Schulteidiofes Haren lag,
deuten die Beste eines breiten Binggrabens. die
im Boden entdeckten Holzjjfosten eines Thores.
(las von dort auf den Kirchlutf führte, weiterhin
di«' Namen ,Wittebnrg' und ,Village* für Grun<l-
stilcke im Osten und Westen jenes Hofes.
Nicht minder, wie durcli Alter und Verdienst,
bat sich die Familie auch durcli ihre Ver-
zweigungen hervorgethan, die zwar besondere
Namen führten, jedoch mit dem gemeinsamen
Wappenzeichen einer hangenden Kette ihre alte
Stammverwandtschaft verkündeten. Als Stamm-
haus dürfte indess nicht Bönen, vielmehr, wenn
anders dasAVappen ein sprechendes ist. Ketting-
hausen gelten. Das ("ie<chlecht der von Kete-
cusen taucht ll.')2 durch einen Herman in
einer Urkunde des Kölner Erzbischofs Arnold,
und zwar neben dem genannten H(>rman von
Bönen auf, um daim für immer zu verschwinden
und Mahr.^cheinlich Wap|)en und Besitz auf die
von Bönen und deren Abzweige zu vererlien.
Das Haus Kettinghausen liegt in nörd-
licher Nähe von Bönen. als Privateigentum seit
.lahrzehnten .seiner alten (iebäulichkt'itcn und
bur-rartigen Anlagen bis auf Grabenreste baar.
obwol es als dojipelter Bittersit/. als .Mt- und
Neu-Kettiughausen, in miser .lahrhunderl ango-
lani:t war.
lUTTEIWITZE.
99
Zu Bögge (Bofjfjß, Bucfjhe, Bufjcje) wird der
länderreiche Hauptliof schon früh Eigentum, dann
Lehengut des Klosters Werden und Sitz eines
Rittergeschlechts, wovon 1210 ein Waldbret be-
kannt wird. Nachdem dieses Geschlecht in der
ersten Hälfte des IG. Jahrhunderts erloschen,
wechselte das Besitztum in verschiedenen Fa-
milien und gehört jetzt dem Freiherrn vonQuadt-
Huchtenbrock. Dersel)3e hat ausserhalb des alten
Beringes, und zwar an der Südseite ein neues
Herrenhaus aus Backsteinen aufgeführt. Der
alte Schlo SS platz liegt als längliches Viereck
in einem nur östUch theilweise geebneten Graben-
gürtel und zeigt im Westen, wo auch die Was-
serfläche sich verbreitert, als einsame Insel die
Stätte der einstigen Hauptburg, im Osten die
wol später erst erweiterte Vorburg mit neuen
Oekonomiegebäuden , dem alten Ost-Tliore und
dem langen Wohnhause an der südlichen Lang-
seite. Das Thor, von wo angeblich ein unter-
irdischer Gang zum Wohnhause führte, ist rund-
bogig aus Backsteinen erbaut, der Bogen con-
centrisch mit verzierten Hausteinbossen durch-
setzt, das Wohnhaus nach der Tradition und dem
einfachen Aeussern um 1800 aufgeführt, und zwar
an Stelle des alten schönen Herrenhauses, das,
wie auch die Steinfundamente des Bodens erge-
ben, den Westraum der Vorburg einnahm. Dies
entstammte also schon der neuern Zeit, ebenso wie
der Steingürtel dieses Westraumes, der wie die
Bossen des Thores mit den Resten seines Fun-
daments und seiner Eckrondele auf die zweite
Hälfte des 16. Jahrhunderts weist, wo eben die
FamiUe von Hoete dem Stammgeschlechte im
Besitze gefolgt war.
Im Osten vor dem Thore steht, von einer
kleinen Baumgruppe umgeben, der schmale noch
grünende Rindenstreifen einer vormals sehr
mächtigen Linde, die allgemein als Fehmlinde
gilt und sicher als Mittelpunkt des Hofesgerichts
gelten darf, welches dort der Herr von Bögge
als Hofschultheiss vor seinem Oberhofe abhielt.
Auch die Familie von Bögge theilte das
Wappen der von Bönen, ebenso jene nach ihrem
Haupthofe benannte Famihe von Xorthof; ihre
Güter berühren sich fast mit den Häusern Ket-
tinghausen und dem Orte Bönen; wer möchte
da nicht auf einen gemeinsamen Familienstamm
und einen später zu Gunsten der Familien-
glieder zersprengten Besitz schUessen: doch wer
wird ohne nähere Nachrichten dem Geheimnisse
den Schleier entziehen, wo der Urstamm steckt,
wann und wie die Verästelung der Famihe und
die Zertheilung des alten Besitzes erfolgte?
Von dem Rittersitze Bj'ukhof. der sich im
Westen an jene Güter schliesst, sind nur ein
viereckiger Hofplatz mit alten und neuem
Oekonomiegebäuden, der Ringgraben und auf
weiterer Entfernung ein zweiter Grabengürtel
im Süden, Westen und halb im Osten übrig
geblieben. — Sonst athmet das ganze Anwesen
die Ländlichkeit eines Bauernhofes.
Reg. H. "W. Xr. ]G97, 1780; — X. U.-B. IV, Xr. G28; — Anzeiger für Kunde aoutsch. Vuraeit, 1871, S}). löS; — Essellen, Bonner
Jahrbb. 52, lü9 ; — Bädecker-Hejjjie U, 429 ; — Allerhand Mittheilungen des Kenn Pastors Güsters ; — Ueber den Glockeng-iesser
AVesterhues vergl. Nordlioff, Denkwürdigkeiten, S. 52; — über Paris: meine Kunstgesch. Beaehungen zwischen dem Rheinlande
u. AVostfaJen, S, 56. — Ueber die Rittersitze: N. U.-B. I, Xr. 374; — "W. U.-B. m, Xr. 1, 62; — Reg. H. AV. Index s. v. Mark
am Ende; — von Steinen HI, 926 ff.; — Esseilen, S. 149, 150. — Local-Untersuchung imd -Aufnahmen.
Heeren.
Ivirclie vin<i ihi'e Denkinäler.
Heeren, früher Herne, Hernen, begegnet uns
zuerst 1178, wo sich ein Ministerial Ger-
hard von Herne darnach benennt, und zählt als
Pfarre noch zu den mittelalterlichen. AVahr-
scheinlich ist sie von Brechten abgezweigt und
diese als Mutterpfarre von grosser Ausdehnung
gewesen. Wenis-stens verlauo'te noch 1359 der
Pfarrer zu Brechten, Johan Jseking, vom Rector
der Kirche zu Heeren den .canonischen Theil*
der Gebühren, als Randolf Hake, welcher auf
einer Geschäftstour nach dem Hause VoUenspit
zu HeiTingen im Wasser umgekommen war,
nach seiner Wohnstätte Heeren zur kirchlichen
Beerdiguno' überfidirt wurde; und als ihm die-
J
13^
lUM
HEEREN.
I selben .rechtswidrig' verweigert werden, beauf-
tragt der Archidiacon die Pfarrer zu Camen.
dem Confrater in lirechten innerhalb sieben
Tagen zu seinen Gebühren, also zu den kenn-
zeichnenden Ueberbleibseln des alten Pfarrver-
Ijandes. zu verhelfen. Da. später wenigstens,
der Landesherr das Patronat hat und 1049 gegen
jenes der Kirche zu Lünern mit dem Besitzer
des Hauses Heeren vertauscht, so werden als
HauptgOnncr der Kirchengründung die Grafen
von der Mark anzusehen sein. Seit 1590 hing die
Gciiu'inde dem lutherischen, seit Anfang <lt's 17.
.laliiluinderts dem ref<jrmirteii Bekenntnisse an.
Die einschiffige Kirche mit dem viereckigen
\\'esttlnirme zeigt eine wunderliche Bauweise,
der Thurm in seiner modernen Kestauratiun
spitzbogige Fenster und gothisirende Profile,
im Ostfenster jedoch noch eine ursprüngliche
Oeffnung mit Mittelstab und Fischblasenbe-
kröiumg, der durch einen ungeghederten (^uer-
gurt vom Langhause gesonderte Chor einen
Schhiss von drei Seiten, welche mit den Linien
der Langwilnde und des (^uer^urts ein unregel-
milssiges Sechseck, die Grundlage eines ebenso
irregulilren Gewölbes l)ilden. dessen Kippen in
einem mit einem gelockten Haupte l)emeissel-
ten Schlussteiu zusammentreffen. Das ein-
schiffige Langhaus hat drei sehmale Kreuzge-
wölbe mit starken, bloss gekehlten Kij)pen und roh
gegliederten AN'andconsolcn , fast durchgehends
zweitheilige, mit Dreiblatt abgeschlossene Fen-
ster und im Aeussera steife Strebepfeiler. Da
die charakteristischen GUeder mehr gothisirend
als gothisch erscheinen, dürfte der Bau erst mi
10. Jahrhunderte abgeschlossen, das eine oder
andere Detail vielleicht später hinzugekommen
sein, ^vie denn noch 1730 eine neue Bedachung
und Ausbesserung des Mauerwerkes eintrat. Als
untiefilhres Vorbild galt dabei wol das westlichste
Gewölbefeld des Langhauses, welches allein eine
klare Durchführung spätgothischen Stiles in den
Fischblasen der Fenster und dem Profile der
Hilipenconsolen darstellt: die AVölbung setzt hier
schlank und hoch an das Mauerwerk, in den
Osttheilen niedriger und ungelenker, wie denn
auch die Dachlinie beim Uebergange zum öst-
lich'Mi Afauerwerk merklich sinkt. — Die schlanke
Thurmpyramide neigt ähnlich jener der grossen
Xachbarkirche zu Camen nach Süden.
Eine Orgel ist 1700 vom Meister Alber ti
aus Dortmund gebaut. — Von den Glocken
tragen die grösste und die kleinste foljrende In-
schrift: In honorem Del vor da> Kirch>iiiel
Heeren nie fudit Stocky, Opherdicke, 17MH; die
mittlere: Hcuricus Petit nie fecit \~<)\\. — Das
Kirolieubieuel stellt dar einen schreitenden
Widder und in zwei Kreisen ringsher die Le-
Lrende: .Sit^illimi •.•cclcsiae HenieiiHS K^jl (r)
I)onlinu^ providehit. Die letzten Worte und
der Widder beziehen sich auf L Mos. 22. 8, 13.
RittcM'isitx nii<l :iii<lt»i'e Deiilcinülor.
Seit alter Zeit lagen hier nördlich vom Dorfe
zwei Bitterburgen in einer anmutigen (Jegend.
welche die Seseke durchrieselt. Die eine, die
jedciit'iilU \\\\- »liMi Lileicliiiamigen Haupthofe
liervopjegangeii war. besassen 117^< der urenannte
Geili;inl von Herne und seine Nachkommen,
kiiiini liiimlert .laliir spllter die von Dobbe, dann
durch lOrbgang um l;i7S die von der Hecke-
("amen: die andere, die Hakenburg oder das
Hakengut. war ursprünglich von den Haken be-
wohnt, 13S!> anscheinend durch eine Krbtochterauf
die von Sobbe, auf die von Klverfeld und von die-
sen gleichfalls an die genannte Linie v(»n der Hecke
gekommen, so dass Dietrich von der Becke um
1 100 hcide Btsitzunuen zu eiivm L'itterLMite
verschmolz. In diesem herrlichen Anwesen folg-
ten ge'jfen Ende des 1(). .Jahrhunderts die von
Bodelschwingh. im Beginne des folgenden die
von Hüchtenbrock, 1 (>79 die von Plettenberg zum
SchwarzenbcriT. 1S(U die freiherrliche Familie
von Bttdel>chwingh-Plettenl»erg. Währeiul das
eine Haus unter den HtU'btenbrock's abgebrochen
und heute an seine Stelle im Nordwesten von
diesem nur noch an dem Namen .Heckehöff.
an Grabentiefen und Baufundamenten nachzu-
weisen ist, wurde dieses, welches dem D«»rfe
näher lag. nach einer Inschrift vielleicht 1 «»(>(>
einer Bestauration unterworfen und anscheinend
von .lobst Heijirich Freiherni von PlettenlxTg,
Erbherrn zu Schwarzenberg. völlig ausgebaut.
j^
UTENSILIEN INI) KLEINODIEN.
101
Viereckig und schlank steigt das Schloss über
einem Souterrain in zwei Geschossen mit vierecki-
gen Fenstern bis zu dem hohen Walmdache em-
por; — ein polygoner neugothischer Thurm mit
schlanker Pyramide an der Nordostecke, ein vier-
eckiger Thurm auf der Osthälfte der Fa^-ade, den
ein Kuppeldach mit Zwiebelspitze krönt, der breite
Spiegel eines Eingwassers, mächtige Baumgrup-
pen an der Ostseite verbinden sich recht ein-
trächtig, um dem an sich schlichten, aber mäch-
tigen Werke eine bauliche und romantische Wir-
kung zu geben. Sicher hat, laut dort aufbewahr-
ten Notizen und Wappendaten, jener Plettenberg
den Süd heben Vorplatz in jener sauberen Art
an drei Langseiteu mit den Oekonomie- und
Natzbauten eingefasst, wie \nr sie heute dort an-
treffen. Sie sind nicht hoch, doch stellenweise
mit Zier ausgeführt und über den Hauptportalen
riindbogig gewölbt. Vor der freien Flanke im
Norden liegt geschieden durch den hier engen
Wassergürtel das Schloss und gewährt eine
angenehme Aussicht auf deu Yorhof und durch
die im Süden angelegte Einfahrt auf die der
Kirche vorbeifährende Allee zum Dorfe. Von dem
ehemaligen Kiuggraben des Vorplatzes gewahrt
man nur mehr eine trockene Bodensenkung.
Ein noch lebhafteres Interesse, wie dem Baue,
gebührt den Kunstwerken und Werthstücken,
die dem Innern Schmuck und ein Grepräge des
Beichtums gewähren. Würdig im nattirhchen
Holztone und stilvoll ausgeführt prangt die alte
Holztäfelung des Speisesaales vom Jahre 1765;
nicht nur das Ornament der Flächen, sondern
auch das Kahmenwerk der Thüren, Schränke
und der gemalten Familienportraits, welche in
den Baum hinabschauen, athmen den ungebun-
denen und scheinbar gesetzlosen Geist des zei-
tigen Bococco; unter den Portraits sticht» her-
vor eine, nach dem auch nicht gleichzeitigen
Originale zu Nordkirchen gefertigte, Copie des
grossen Deutsch -Ordens -Meisters Walther von
Plettenberg (1493—1535).
Dazu kommen ein 1,625»« hoher 0,865»^
breiter Spiegel im Bahmen und selbst in der
krausen Umrandung des Halbkreisaufsatzes aus
Glasleisten gebildet, zwei Spiegel mit Silber-
rahmen, der grössere davon in geschweifter
Form 0,56m hoch 0,43wj breit, der andere mit
dem Bodelschwingh'schen Dojipelwappen und den
I*uchstaben C. v. B. — weiterhin als eingelegte
Möbelarbeiten aus dem Ende des vorigen Jahr-
hunderts zwei Schränke: der eine ist ein Stollen-
schrank in den Fronten der beiden Thüren auch
mit zwei Wappen belegt, der andere, eine Com-
mode, hat bei l,84w Höhe und l.l9m Breite eine
wellige Fronte, einen etwas Aerjüngten Aufsatz und
unter den eingelegten Oniamenten auch Blumen.
Vom alten Familienschatze ist im Anfange
unseres Jahrhunderts manches Stück auf dem
Altar des Vaterlandes geopfert, und dennoch
beruhen hier Kleinodien, die durch die Form,
die Technik oder die stiUstische Zusammenge-
hörigkeit jeden Beschauer fesseln werden. Ein
Pokal aus Kokosnuss, im silbernen Deckel, im
Fusse und Eahmenwerk mit Früchten und Linien-
werk verziert, gehört der Spätrenaissance an: die
Averthvollsten oder niedhchsten Sachen sind um
1700 im reichen Barockstile gefertigt: so ein
einfacher Henke Ibecher mit dem Stempel HK,
eine Terrine mit Becken bestempelt mit einem
links schauenden Adler und dem Meisterzeichen
G. M. A., ein silberner Vexirbecher mit den
Marken des Tanuenapfels und den Buchstaben
P. S., ein mit Lasurstein belegtes Silber be-
steck und ein zweites, dessen Löffelchen die
Marke des Tannenapfels tragen, ein Abend -
mahlsbecher gestellt auf Füsse mit drei anti-
kisirenden Köpfen, ein Kelch mit dem Teller
formvoll im Stile der Zeit durchgeführt und
beschrieben : lobst Henrich von Plettenberg und
Anna Sophia \'on Huchtenbrock, Herr und
Frau zu Heeren geben diesen Kelch den 25. No-
vember A° 1695. Entstammen diese Stücke
meistens Augsburger Werkstätten, so schil-
lern und glänzen Avie kleine Siegeszeichen der
Pariser Goldschmiedekunst folgende Kleinodien
und Schmucksachen: ein Fingerring mit sub-
tilster Steinfassung, ein mit Sammet und Gold
ausgeschlagenes Toilettenkästchen von Silber,
ein zerlegbares silbernes Schreibzeug, eine als
Petschaft geformte Spieluhr mit einem Binge
von getriebenem Golde mit Emailzier — Ohr-
ringe mit Perleu, ein Ohrgehänge mit Email
und echten Perlen auf den Sicheln des Gebom-
mels, eine sehr reiche Gürteluhr; das Gehäuse
ist von Gold, die Rückseite in Email mit dem
102
INNA.
Bilde einer Dame und eines Herrn bemalt,
welche sich ülx-r einem Altare die Hände reichen:
den stAlilernen GOrtelhaken unifribt ein (iebommel
von kleinen Haus},'eraten und maskirt ein Schild,
der in Email einen junfjen ^fann an einem Altare
unter einem Kundtempel darstellt. — Ein pris-
matisches Hchältni>s von Holz fdr Parfünierie-
(?laschen von 0,0G7w< Tiefe, O.H)2/m Höhe und
0.1:5m IJreite mit Mustern von Stahl. Messinjr.
EHeiibein und EI>enholz liefert uns ein Heispiel
einfacherer Houle- Arbeit. Zu diesen Schätzen
f^e«;ellen sich schöne Kr\ >taIlpokalc niit Wap-
jK'ii, Insehriften oder Hilder-chniuck: eines davon
zeifft die Freundschaft uml Liel»e mit zwei
Händen, welche die Kiidt-n eines ^reschilrzten
Knotens halten mit der Mahnunfr: Kn ^■cl()i-
UMiant il sc scrre. Endlieh beansi»rucht unsere
Aufmerksamkeit das l«il»8 20 li dem Jobst
Henrich von I'lettenberi? in damals tlblichem
Schmucke vom Kaiser I^opold verliehene Frei-
herru-Diplom : es ist gebunden in rothem Sam-
met. bekräftigt mit dem rotheu von einer Holz-
kapsel geschützten O.IIj;« weiten Siegel, und
dies mittelst einer Sill)erkordel mit dem Docu-
mente verbunden. In dem Xamenszuge des
Kaisers klebt noch der eingestreute Goldstaub,
Auf dem Clothmanns-Hofe werden sorglich
bewahrt als einstiges Geschenk vom Hause Heeren
sieben theilweise beschädigte Schalen altchiuesi-
schen Porcellans von 0.23m bis 0,38omj Durch-
messer mit gleichförmigen, vorwaltend in hellem
Hoth gehaltenen Ziennustern und sechs Paare
formvoller Messer und Gabeln, wovon die
erstem auf der Klinge ein?etiefte Ornamente mit
Spuren alter Vergoldung haben. — Vom alten
schon unter den Recken mit dem Gute Heeren
vereinten Kittersitze Werve kennt man nur mehr
die Stätte, nämlich eine Wiesenfläche im Nord-
westen des Dorfes gleichen Namens.
U-.-. n. W. N'r. 2«H<>; - KamiiM-hnlte. S. Oft; — L'rk. von 1.^9 in Tit>ss' Wt-stphalin. isi'i.
h<»<: -- (ii-M-h. d. H<Tn>!i von iler Ret-ke, S. '£i ff.; — Milthoiluniren do>- ILo-., l':i.t,,r» i
S. löi; -
;i:ltM-'i)liirvt
von Steinen IV. si2, 806,
- T-..M!n,i!..r-ii,l,i.M-.
l
1 1 11 .- I .
ITnna l'tthti. I nn/zx — llossen seit dem
j 'grauen Altertiinn' die besten Hiilfs(iuellen.
einem Hrte Ix'ben. Wachstum und Gewerbe-
tliätiu'keit zu bringen: rinirsher die Punkte
alter (Jottesverehrung und Volksversammlungen,
eine einzig kornreiche Umgegend, wichtige Ver-
kehrswege aus allen Kichtungeii und der nahe
Könitrsborn mit seinen Salzwässern.
Di«' Kinhe zu l'nna ist sicher eine Mutter-
kirclif. ihre Patmne. dir li. Clemens von Kom
sowie die Heiligen Dionvsjns uml Nicomedes.
zählen zu dt'ii ersten Hhitzeuiren des Christen-
tunis. ihr Pfarrsprenu'el ist langehin der ludeu-
tend^te der Dortmunder Decanie und ihre Kirche
wird in den l'rkuuden, als ol» diese, wenn auch
spät, so doch verhält nissmässig richtig die älte-
sten Stiftungen zunächst hervorhöben, von alleii
Kirchen des Kreises zuerst, nämlich zum .lahre
lolu genannt, als Knbischof Heril>ert sie seinem
Kloster zu Deutz bei dessen Einweihuni: als
«iesrhenk l>estätigte. Sii' ranirirt an dritter Stelle
unter den sechs Grosspfarreien, deren Archi-
diacoiiat sich \'29,\ der Dompropst vorbehält,
und bildet später selbst ein kleines Archidia-
conat des Abtes von Deutz. Ein (jerhard von
Tiina begegnet uns schon 1148. Die Vogtei
über die Kirche sowie die .Turisdiction über den
Ort handhabten, vielleicht Namens der Kölner
Kirche, die (Jrafen von Isenberg, bis 124:5 die
Grafen von der Mark den Ort zur Verbindung
des Altenaer und Märkischen Territoriums er-
warben und, wie es heisst, im näcli-ten .Jahre
mit Stadt nrhten. Mauern und Kunimännem
versahen. \2(V.\. wo der (iraf mit den Kölnern
eine heftige Fehde besteht, linden d^'se Inna
befestigt, brennen es nieder, |dün<lern die Kirche,
fangen ritterbürtige Leute und andere Karger, —
es besteht also die Kurgmannschaft und als der
Mittelpimkt ihrer Höfe, deren noch zwei erhal-
t<'n. anden» nachzuweisen sind, gewiss jetzt schon
die gräfliche Kurg. Im Friedensverträge 12r».*»
wenlen dem ( >rte nur schwache Werke bewilligt.
KIJiClIEXJJAU.
103
docli schon 1290 haben sich die Ansiedehmgcn
ausserhalb der Mauern so gemehrt, dass sie der
Kechte der übrigen Stadt theilhaftig werden.
Unna rühmte sich einer gräfüchen Residenz,
einiger Burgmilnner, einer wachsenden Bevöl-
kerung — und daneben eines Freistuhls oder
einer ,Freigrafschaft', eines Gogerichtes, eines
Amtsitzes, eines besuchten Marktes, mit Hamm
der zeitweisen Theilnahme an der Hanse, statt-
licher Festungswerke, im 14. .Tahrhundf-rte einer
gräflichen Münzstätte, später guter Brauereien
und raugirte fast regelmässig an zweiter Stelle
unter den Städten der Mark. 1377 sah die Stadt
Kaiser Karl auf einer Heerfahrt.
Heute laufen ihr wieder von vier Seiten
Schienenwege zu — doch von ihrer behaglichen
Vorzeit reden laut nur mehr die grosse Kirche
und das Kathhaus mit ihren Denkmälern.
Die evanaelisclie Kirche.
Die Kirche ist nicht nur eine der schön-
sten, sondern auch eine der grössten der Mark
und bei ihrem Stützenwechsel, ihren Disposi-
tionen und ihrem Chorumgange eine ausserge-
wöhnliche Anlage. Wir treffen hier uämhch
eine gothische Hallenkirche (Fig. 85, 86, 87)
mit mächtigem
Westthurme und
einem hallenarti-
gen Chorumgange.
Der Chor wurde
1389 begonnen,
1396 14/8 mit den
Wölbungen fertig,
wie das zwei In-
schriften deutlich
besagen. Die eine
mit einem Harz-
stoffe gefüllte in-
nerhch an der Süd-
wand des Chores
über einem heute
vermauerten Ein-
gange lautet:
Post aras Baptiste erat inceptus chorus iste
Et anno ter ccc m iunctis i minus xc
Ut mimus interne fratrum provocaverat Herne.
Die andere war früher am Gewölbe zu lesen:
Anno raccc nonagesimo sexto in vigilia assunij)-
tionis Marie testudo ista consummata est.
Die Polygonseiten des Chores (vgl. die Tafel)
sind von den schmalen Seiteuschiffen hallenartig
hoch umgeben, Chor und Umgang mit fünf
Seiten eines Achtecks geschlossen, die sechs
zugehörigen Säulen mit je vier Diensten be-
setzt, die Basen scharf geghedert, die Capitäle
lOi
UNNA
bis auf die polyj^'oneii der Iimendieuste kurz
glockeiilVjrmig und mit einer proülirteu Platte
belegt. Die beiden Gewölbestützen der oblongen
Chorvorlage bieten dagegen einen kreuzförmigen
Durchschnitt mit gefasten Ecken und je vier
p]ckdiensten. und steigen wie die ähnlich gebil-
deten Wandstützen ohne Kämpfer oder Capital
zur A\'Olbung hinauf. Davor legt sich mit fünf
Gewölbejochen, das westlichste des Thurme<
mitgerechnet, das Langhaus, und zwar so. dass
die drei ersten Joche niedriger, ihre Abseiten
fast so breit, wie das ^Dttelschiff, ihre Stützen
einfache Kundsäulen (Fig. 88) mit gedrückten
glockenförmigen doch reicher gegliederten Deck-
jdatten sind, wogegen die beiden westlichen
.loche, denen als Stütze die beiden runden Thurm-
pfeiler dienen, die Höhe des Chores erreichen.
Das vorletzte davon entspricht wieder dem ersten
f:Z:o
Joche des Langhauses dadurch, dass in beiden.
nur in verschiedener Richtung, sich die Ot-wülhe
trapezförmig gestalten, Aveil die Seitenschiffe hier
breiter, dort wieder nach Massgabe der engen
Seitenräume des Thurmes schmaler werden.
Sehen wir al) von den feineren Stileharakteren,
die überhau|>t di in ganzen Innenbau nur massig
zugetheilt sind, so müssen uns schon die ver-
schiedenen Hreilcii und Höjien des Schiffes und
nicht mindir die ungleichartige Gliederung der
Sttltzen die NerinutuuLT erwecken, dass es sich
hier um ein Hauwerk ungleichzeitiger Entste-
hung handelt. Der Chor entstammt einer andern
und zwar altern Periode als das Lanijliaus. dies
erscheint als das Pesultat eines Gesammtent-
wurfes, jedoch einer nach einander von Osten
gen "Westen fortschreitenden Ausführung, und
die Unregelmässigkeit ihrer beiden AVestjoche
bedingt von der vielleicht erst später so ge-
planten Anlage des Thurmes. zumal da Ix'ide
Joche in ihrer Gesammtlänue genau den beiden
Itenachbarten Ostjochen entsjirechen. also in
ihren Umrissen ganz zum Linghause passen.
Ihre Abweichuniren in den Höhen- und Preit«'n-
verhältnissen der Schiffe erklären sich leicht
dadurch, dass man den Tliurm von (juadrater
(Jrundform etwa erst, nachdem <lie dn-i Ost-
joche abgeschlossen waren, bis auf die West-
mauer und Streben ins Lmghaus schob, seinen
Unterraum in die Persi>ective des Schiffes zog,
v\n wirkun(?svolK's Westfenster plante — dies
Alles wäre nur dürftig oder schwerHlUig ausgo-
kikcjiem;al'.
105
fallen, wenn die Gnrten des Thurmes nicht über
jene der drei- Ostjoche erhoben, nicht höher
angesetzt und weiter geöffnet worden wären.
Mit dieser Massnahme änderten sich von selbst
die Breiten- und die Höhenverliältnisse der West-
joche, insofern die inneren Thurmpfeiler (Fig. 89)
auch ihre Stützen wurden, üie Abseiten der
letzten beschränkten sich auf die Seitenräume,
die Joche der vorletzten gestalteten sich nicht
blos unregelmässig, die Wölbung beider stieg
bis zur Höhe der Thurmgurteu empor und war
östlich mittelst kleiner Kundsäulchen auf das
nächste Säulenpaar zu setzen. Die Gurten des
Chores erscheinen blos abgeeckt, die des Lang-
hauses zugleich gekehlt, wie sämmtliche Kippen
(Fig. 90), die Profile am Chore sonst reicher,
am Mittelbau noch kräftig, am Westbau flacher
gehalten (Fig. 91, 92, 93). Mit gewissen Aus-
r.-ioo
nahmen herrschen vom Chore bis zum Thurme
Kreuzgewölbe, als seitliche Stützen Wandsäul-
chen mit Capitälen, und zwar am Chore schlanke
mit polygonen, am Laughause stärkere mit
glockenförmigen Capitälen, an den drei niedrigem
Jochen des Langhauses dreitheilige, sonst vier-
theilige Fenster mit reichen Bekrönungeu und
edlen Mustern — das Letztere namentlich am
Chore. Dass die Fenster am Chorumgange bei
ihrer Höhe und Breite keinen Platz für den
Ansatz einer Rippe beliessen, bedingte dort die
eigentümliche Kappeneintheilung und Eippeulage
der trapezförmigen Gewölbe, so dass das erste
Paar noch vier Kappen aber von ungleichen
Basen, die Aussenkappen der drei ttbiigen je'
eine Dreitheilung erhielten. Im vorletzten West-
joche wurde die Rippe der beiden Seitengewölbe,
welche an die Thurmpfeiler griff", in zwei zer-
legt und diese je wieder mit einer kleinen Mittel-
kappe gefüllt. Eingänge gerade gedeckt unter
Fenstern liegen im Norden und Süden des dritten
Joches von Westen, zwei vermauerte östlicher
bereits in den Seitenwänden des Chorumgauges.
ein Westportal (Fig. 94) im Thurme. Walu-
scheinUch als Rahmen für Bildwerke ist inner-
lich in der Nordwand neben dem Thurme eine
Nische ausgespart und bereits von einer rund-
bogigen Proülirung umrahmt, eine andere jetzt
im Tympanum mit Blenden belebt ^iegt änsser-
lich in der südlichen Langwand — vielleicht der
Chorschluss einer 1811 abgebrochenen Marien-
kapelle, welche von Andreas Hu ick 1502 er-
14
iD«;
rxxA.
baut und später das Beifrabniss der Familie Zahu
zu IJrokhuscii war.
Was uun die liauzeit des ^Verkes betrifft,
halte ich, uie angedeutet, das stanze Laiv^hau-.
für jünger als den Chor: denn wenn auch da>
KW. trerintrere Hnheiiniaass der drei Ostjoche
f für ein höheres Alter sjjrechen mochte,
so streiten wieder dagegen die kahlge-
bildeten Eckstützen des Chores, der
) — ' Mangel der Dienste an den Haujtt-
stützen, die selbst den Thurmjtfeileni
nur auf gewisser Hohe eignen, ins-
besondere die dem alten Constructions-
principe abholden Hreitenverhilltnisse
der SeitenschiHe und die Einheitlich-
keit, die ich im Entwürfe de-^ Langhauses bis
auf die .Venderung darlegte, welehe der Thurni-
b;iu verursachte, l'nter den Haudaten kommen
-i». daher statt jenes des -Jahres l:i22. wo
das zwei Jahre vorher abgebrannte
Ho>;|)ital mit seinem (jotteshau<e wie-
der fertiggestellt sein mag. die urkund-
lichen zu Ehren, dass 14(17 das ganze
Liiiighaus fertig geworden sei. wie denn auch
14(51 zu lirügge ein schönes (ila>^fenster als
Sehnuiek der Schülerthnr mit den liildern de>
Kaisers, der sieben Churfursten und ihrer Wappen
verferiigt wurde, welches theils 17J:'. bfi einem
IMJ.
Mrandf. iIh-iI'« ^piiirr urim IJiiii- ciih''- iiruiii
Ivircheuilaclies verd<»rben wurde. Der (iruudstein
zum Langhause mag weit früher, vielleicht schon
l»ald nach der Vdlleuduni; des Chores gelegt.
<ler .\»i»bau durch den Bruderkrieg der Herzöge
v.tu Ci.'ve. d.r 142(1 die Stadt selbst mit Brand
heimsuchte. 1 t.'.ö und 1 l'.s durch neue Feuers-
briin^te. wovon eine auch die Kirche und da-
Armenhaus ergriff, unterbrochen und mit ver-
schiedenen Aenderun'jTen des Planes wieder aul-
genommen sein. Wurde doch schon 14(.»7 der
Bau eines neuen Thurnies in"s Auge gefasst und
difür vom Käthe eine Anleihe gemacht, alx'r
jedenfalls bis zum Abschlüsse des Langhauses
verschoben oder wol erst mit demselben bis zur
Höhe der Unteretage durchgeführt: denn erst
1 470. also dreizehn .Tahre nach Volleutiung der
aV
£
Kirche, schliesst der Kirchmeister .Johan Ising-
h'»ve mit dem Meister Woltir von Dortmund
einen Accord über seine Abdeckung. un<l diese
Jahreszahl fand sich auch DiOO. als die Spitze
abfiel, auf der Ei.senstange. welche den Hahn
trug. Er tritt etwas aus der Mauerflucht vor
und steigt auf quadratischer 1,3.
(Grundlage mit Eckstreben und ,4,
im Xordwinkel mit polygonem J=r^
Treppenthurme durch schöne
Friede horizontal in drei (Je-
schosse getheilt, durch grosse
mit reichem Maasswerk gemu-terte Blenden und
Fenster vertikal gegliedert empor um! schliefst
heute, wo er nach Zivinuts Planen restaurlrl
i'^t. mit einer schlanken lVramiden<pitze. im
Mauerwerk mit einer von Ecküalen durchsetzten
Galerie, die indess so massig ausgefallen ist.
dass sie dem Auge die »»-*.
.Mauern, statt sie zu er-
li'ichtern, beschwert und \
mit dem Aufsteigen ver- ' '
breitert. Sümmtliche ^_
^faasswerke sind hier für
:i li nnir.ilini!. die ober-
-:eu Theile der hoch- ^- ~
Sien Blenden zu (»effnungen durchbrochen, Veber
dem zweitheiligen mit wechselvoll profilirlen (»«'-
Wilnden ausgestatteten West|MirtaIe öffnet sich
das hidie West fenster, viert heilig und reich Im»-
krönt, Jessen Schönheit indo!<s dem Innern erst
wenn die neuere Scheidewand des Thurmu'efache>
Kii;(ii;.n;[i: dknkmäi.i:!!.
107
gefallen ist, zu Gute komiiicii k;iim, uinl dem Icr
Westbau einen Tlieil jener Wirkun«,' tiud jkt- nt-r»
spectivischeu Keize zu verleihen ver-
mag, die der hohe Chor mit seinem
Umgange, seinen herrlichen Gliede-
rungen und decorativen Andiitek-
turen jedem Eintretenden sofort ent-
faltet. Hat doch auch das Aeussere.
die hohe Breite der Chorpartie, die
lange Keihe der unveijinigten Seiten-
strebeii mit den schönen Fenstern
dazwischen und der mächtige Wesf-
thurm, der mit dem mächtigen Dach-
werk den grossen Bau würdig ab-
schhesst, einen imposanten, .wenn
auch strengen Ausdruck.
An äussern Missgeschicken, welche
das Gotteshaus betrafen, seien ver-
merkt ein Sturmwindschaden, wel- IIIBHII i^!
eher 1660 19/12 die Thurmspitze
aufs Kirchendach warf, so dass die'
Hälfte der Gewölbe und die Orgel
zertrümmert wurden, daher eine Re-
stauration der Gewölbe und des
Daches in den Jahren 1661/63 —
1663 Inschrift eines Schlussteines
im Mittelschiffe — der Orgel 1665,
der Thurmspitze 1667 eintrat; — so-
dann ein Brand vom Jahre 1723
27/2, der das Dach und die Thurm-
spitze fortnahm. 1747 erst führte
der Baumeister N'ölle aus Lüden-
scheid die bis zur neuesten Restau-
ration erhaltene kuppeiförmige Da-
chung des Thurmes auf. In einem
Schlussteine des südlichen Seiten-
schiffes steht 1873, die Jahreszahl
der neuesten Restauration ; ob diese
und namentlich eine etwa zwanzig
Jahre frühere die alten Stilcharak-
tere behutsam zur Geltung gebracht
habe, wird man um so mehr bezwei-
feln dürfen, als am Langhause und
Westbau in den Fenstern kaum
Maasswerkmuster anzutreffen sind.
die der Bauzeit entsprechen.
Als zwei tüchtige und stattliche Leistungen ihm
der Spätgothik zieren den Chor zwei an Pfei- drei
■
gelehnte Sakra^.le^t^chränke. Das klei-
■ im Xord<'n (Fig. {>.">) hat einen viereckigen
Fuss mit Blenden und andern Zier-
den, einen in zwei Theile zerlegten
Schrank und ais B»'knjnung einen
vortretenden durci)l)rochenen Balda-
ciiin. dessen höchste Kreuzblume den
Pelikan trägt. Das grössere (Fig. 96)
lind massivere, welches jetzt wie ein
Altar im Osten den Chorschluss ziert,
-tand vor Zeiten im Süden des Cho-
ics und zerfällt in einen starken Un-
terbau mit Zierstreben und Wand-
nischen, in den ähnlich verzierten
Mittelbau mit dem Schranke, der
früher eine Thür hatte, und in eine
reiche Bekrönung, die in Pjrami-
dtu ausläuft, welche Figuren tragen,
deren mittlere über einem Taber-
irikel ruht. Eine Seite zeigt noch
Spuren der Bomalung. der Sgurale
Schmuck fehlt dem Taufstein und
dem kleineren Tabernakel jetzt gänz-
lich, er ist also entweder nicht aus-
ucfülirt oder in den ReligionswiiTen
entfernt: — hier am Altare erübri-
gen davon nur musicirende Engel
in der Umgebung des seine Wund-
male zeigenden Heilandes, — Sonst
haben sich blos Trümmer zweier
kleinen Madonnenbikler im Stile
der spätesten Gothik in Stein —
und eine etwas ältere Holztigur der
Magdalena mit der Büchse er-
halten.
Solch' elegante Arbeiten der de-
corativen Architektur weisen auf eine
l»esondere Kunstliebe und -übung
zurück, und geniie im lö. Jahrhun-
dert besass Unna einen berühmten
Steinmetzen, dem Mir einen wesent-
lichen Antheil an der Schöpfung sol-
cher Werke zuschreiben möchten.
Das war Rüdiger Grnmclkut, Gatte
einer Wendel aus Werl, gestorben
und begraben 1451 zu Unna, Von
singt Johan ,Steiuwert', der älttvste seiner
Söhne, üeboren 144S. Arzt und Sän<jer aui
.'^
108
UNNA.
Hofe des Herzogs Johan von Cleve und damals
der bedeutendste Dichter des Landes:
Myn vatter seli«^ >tcnnietz wasz,
Tzu Unna in Wcbtj)lialcn ba>z,
Hye^>^ Rotcher steinnetz Grn-
mclhit
Myt ziinani ehrlich wol heluil:
vStenhawen kont er niey>ter-
lich
Hekent von allennennijilich,
In Unna der >tat, da er >a^>b
Uyn frommer man verromet
wasz,
In massen ich nach langer tziit
N'irnomen hab an widderstryt:
Syn tziit wasz, als dy Hemen
la<4hen
Fiir Soe^t yni beer on al> ver-
tzbauben.
Der 'raut>tcin {Vvs. 97)
ist achtseititr im Hecken und
Ständer, die meisten Seiten des
Deckens sind mit zwei Blen-
den, die des Stünders je mit
einer Blende iiber einer Con-
sole verziert, und die alterni-
renden Seiten noch je mit ije-
wundenen Silnlchen flankirt.
die freistehend das Becken mit-
trafjen. dessen untern K'aiid
ein lian<^'ender JJlumenkamm
ziert, dessen Hi'ihlniitr ein ^be-
triebenes Kuiiferbeeken ent-
hillt. Die schone Arbeit ent-
stannnt derSiiiltirothik und ent-
spricht keinenfalls mehr dem
Stiicke, welches Graf Adolt
\nii der Mark V(tn >b'iiden
hierher entführte.
Aus d(>m dorti^^en Stadt-
archiv theileii wir ein Alibihl
(vcr^l. die l*hotolithot^ra|iliii
eines löo:? 2<' ' von mehre-
ren Cardinilieii zu (iuuvtell des
^blrienaltars zu Htmi ausire-
stellten, beziehentlich 0.7"»///
hohen und 0.52;» breiten Ab-
la>>l)riefe> mit. nu<l zwar, da
wir es nur auf die farbige Ausstattung absehen,
unter Weglassuog der Mittelfläche die wesent-
lich damit verschönerten Seiten. Das Bildüche
und Ornamentale bedarf kei-
ner weitern Erläuterung, als
dass Alles in hellen Farben
ausgeführt mehr an die Typen
burguudischer Büchermalerei
als an die Renaissanceformen
Italiens erinnert.
Eine bemerkenswerthe Lei-
stung decorativer und tigura-
1er Holzschnitzerei spaterer Zeit
begegnet uns in der Kanzel:
die Seitenflächen des Polygons
nehmen ein die Figuren des
Moses und der Evangelisten,
den Boden verzieren Ensrel-
kr.jifchen und Festons: am
Bande des stark i)rotihrten
Deckels stehen Engel, welclie
wie Karyatiden einen zweit<'Ji
Deckel tragen, der sich |K>ly-
gon zu einer Voluteukrone ver-
jimgt und über dieser die Fiirur
des heil. Johannes mit dem
Lamme oder Christi des guten
Hirten tragt. Das Werk, wel-
ches ir)()7 eintreweiht ist. bat
ein würdiges Gegenstück an
der Kanzel der St. Petrikirche
zu Soest, ans welcher laut den
Archivalien dieser Stadt DKil
die ältere nach Unna verkauft
wurde.
Vielleicht in die Zeit des
.lahres 1065 milt die Anfer-
tigung der kräftigen Or^d-
favade. .Die Orgel.' erzählt
V(ni Steinen, .welche noch ge-
genwärtig zu sehen ist. ling
einer XanuMis Meist4'r Fiadcr
im .lahre D»(>1 an auszulws-
sern und wurde damit 1<»<»5
fertig.' Eine kleine Ori^'el. die
jedenfalls im Chore oder Um-
gange stand, hatte laut einer
Inschrift der Lide ein Theo-
jr"
>^
^Ictncim? mnjvww l,^l*»ctwn et hilimric Unr^c-^^ ^
!>oiicn(»iie ct-avinfitvlt "»"»»wittte wnjmncitno c'cnirtpr^^^A^^
cie ttc?clnie alv^^tmn coiilmta^wic inaimHnti<«;i / <<?i-^K
et jmich 7<>lMTtmfR\ibti ^ ct-tn<tn# iHj>nmii' —
^t«pti^,R X><t Anno ^i^i«nmc ^11^
KIl;(III.[(|IK DKNKMÄI.EU
100
doriciis von Bochum (de Bochun) gebaut. —
Meister Bader war Bürger zu Unna und hatte
als geschickter Vertreter seines Geschäfts einen
Ruf, der weit über die Grenzen seines Vater-
landes, bis Hildesheim, gedrungen war. Ein
älterer Orgelbauer Dicdcrick Kremer von hier
starb um 1537 in Soest.
Leichensteine mit mehr odi-r weniger deut-
lichen Inschriften und Wappenzeichen liaben
folgende Verstorbene: Engelbert Leid-
heuser, Conrector f 1663; — Thoniae
Davidis pastoris et inspectoris eccle-
siae Marcanae Ehehausfrau f i'').Si :
— mit Doppelwappen die Eheleute
von Romberg f 1691 22/1 und Stael
von Holstein; — Johann Heinrich
Bunge Pastor f 17 10:
Heinrich
von Ascheberg, Erbherr zur Heide
t 1711 8/11, 80 J. alt; — Diedrich Johann Hei-
denreich von Ascheberg f 1712 mit den Wappen
Ascheberg, Caessumb, Carthaus, Reck, Wer-
melo und Plater ; — Georg Andreas Rollius Pa-
stor (f 1716); — Frau Pastor Thomas Haver,
geb. Catharina Elisabeth Wiemann f 1727 1/9,
63 J. alt; — Freiherr Johann Daniel Friedrich
von der Schulenburg, weiland Obrist -Wacht-
meister unter dem hochlöblichen Regiment von
Schlewitz in Diensten Sr. Kcniigl. Maiestät von
Preussen f 1730 8/2, 36 J. alt; — Joachim Hein-
rich MöUenhoff, Pastor et Inspector geb. 1682
f 1740; — Thomas Balthasar Davidis, Pastor
1666 28/9 1 1741 ; — mit ihren Wappen die Ehe-
leute der Preussische undCleve-MärkischeKriegs-
nnd Domainen-Rath Urbani Oberbürgermeister
von Unna geb. 168 1 f 1 744 und Frau geb. Helena
Sümmermann geb. 1678 f 1749; — mit dem
Doppelwappen Heinrich Anton Husemann Bür-
germeister f 1708 und Frau geb. Elsabe Davi-
dis geb. 1682 t 1733; — mit dem Doppelwappen
die Eheleute von Deutecom Landrichter geb.
1704 1 1764 und Frau geb. Lukemeier geb. 1714
t 1767; — Friedrich Ludwig Peter Niederstadt
geb. 1721 t 1769; — Reinhard Diedrich Rade-
macher, königl. Preuss. Rath und Bürgermeister
geb. 172.") t 177.'); — mit Doppelwappen die
Eheleute Thomas Wegener Bürgermeister geb.
\(i<]^) 16 t 1777 247 und dessen Frau geb. von
Werne 1793, Hl J. alt: — Frau (jcrichtsabsessor
Mark geb. Krujjp geb. 17.3679t 178631/8: —
Ell)ers, Syndicus zu Uima geb. 1720 1 lO: —
Weiterhin finden sich Leichen.steine mit den
Wappen oder Xamcn \(a\ Werne und Ascheberg
sowie ("aessundj und Carthaus und der lesbaren
.Jahreszahl 1681; — Basse und Wie-
maim, — von Massau, — Weinhage
und Deginck, — Thomas Delster-
haus Kauhnann, — von Pallandt
und Tieck.
Die Kefonnation begann hier lö.'VJ
und, nachdem sie zu den widenvär-
tigsten Auftritten zumal zwischen Lu-
theranern und Keformirten geführt
hatte, blieb jenen die grosse Pfarrkirche, diese
errangen 1610 mit Hülfe des Churfürsten von
Brandenburg freie Religionsübung und. da sie
eine neue Kirche zu bauen nicht im Stande
waren, bezogen sie die Kirche des Hospitals.
die indess wöchentlich einmal auch von den
Lutheranern benutzt ward, bis beide sich 1820
vereinten; das Hospital war um 1315 auf den
Xamen des h. Geistes und der h. Maria an der
Massener Strasse nicht nur für die Annen und
Elenden der Stadt, sondern auch für Fremde
und Obdachlose, denen in der Stadt ein Unter-
kommen verweigert wurde, gegründet, das Haus
mit der Kirche 1320 abgebrannt, dann bald
wieder hergestellt und mit Ausnahme eines
Gewitterschadens, der 1753 29 5 den kleinen
Thurm und einen Theil des Kirchendaches zer-
störte, soviel man weiss im alten Bestände —
also als Werk der reinsten Gothik — bis in
unser Jahrhundert verblieben, wo man die Kirche
an einen Privatmann verkaufte, das Annenhaus
(1848) abbrach.
Eine halbe Stunde von der Stadt am Hell-
wege nach Werl lag das Siechen haus mit
einer Kapelle, worin noch im Anfange des 18.
Jahrhunderts gepredigt wurde.
110
l-NNA.
r
iJie li.-itholi.sche Kii-che.
Die Katholiken fanden eine Stätte für ihren
Gottesdienst in der Kirche des .Süsterhauses*
an der Klosterstras.se. Anscheinend nachdem ein
f»i).
im 14. .I.ilirliuiidt'rte neben dem Hauptkirchhdtc
eingerichtetes Kloster der Minderl^riidcr ein,;j[e;,Mn-
<;en M'ar, stifteten um 14.")0 die .Vugustinemiönche
von Hcidecken bei Paderborn
hier einen Convent für Kloster-
frauen des retrulilren .Vutjustiner-
(»rdens. als dessen ratnmin in
iUtcrer Zeit die heil. Harbara.
sjKitcr die h. (.'athariiia «genannt
U] wird, sei es dass das l'atronat
verändert oder dass jener Hei-
li<,'en das Kloster, dieser die
Kirche {geweiht war. Die Kirche
war 14()X so weit ausy:ebaut.
dass sii' ^jewisse Pfarreclite Ulu-r-
kani. (Inili ,das schöne Kloster-fiebllu nebst der
Klosterkirciien' ijintjen 107<^ um .Michaelis in
Klaniiiii'M auf. nn<l erst lan>jrsam erstand die letz-
tere wieder in ihrer heutigen dürftigen Gestalt.
Die Kirche diente seit 1-588 wie das Kloster zum
Schaden der kirchlichen Utensiüen theils dem
lutherischen, theils dem kathohscheu Cultus. bis
vorzugsweise auf Be- icx>.
treiben der Auiru-
stiner zu Bödecken
durch den Keligions-
vemleich von 1072
das Kloster wieder
so viele Nonnen auf-
nehmen musste. al<
erweislich am 1. .Ja-
nuar 1(524 vorhan-
den gewesen. Seit
dem 1 «). Oetober
1(}83. wo sie wie-
derhergestellt war,
diente sie ununter-
brochen den Katlu)-
liken. Diese erwar-
ben 1842 4:i völlige
I'farrechte und er-
l)auten 1848 im Norden der Stadt eine neue
Pfarrkirche: die alte ein viereckiger Steinbau
ohne Zier, wurde als Synagoge eingerichtet.
Die neue Pfarrkirche, welche als Patronin die
h. CaUiarina behielt, kann wie die Zeichnungen
(Fig. *>8, i>l)) ergeben, als Muster damaliger Stil-
richtung gelten.
Der Aufsatz des Hochaltars zeigt zwischen
gewundenen Silulen mit HlindHügeln ein scul])-
tirtes C'rucifixbild. im Lünettenfelde ein (>c-
niäldc, anscheinend den h. Franciscus Xaverius.
Dieser sowie die ähnlich construirten und mit
einer Heiligenligur ausgestatteten Seilen alt äre
werden im 18. Jahrhundert anuefertigt sein.
Der Taufsloin (Fisi. loO) ist eine tüchtige
Harorkarl)eit etwa aus der Zeit der Kirchen-
restauration von lt)S;{; das l^ecken erscheint
ztisammengeschrnmi>ft, der Stnn<lor dafür be-
deutsimier entwickelt mid decoriri.
:aaW'^
SUultischt» iiiiil I 'roi au - 1 >«'iiUm!il«»i'.
Vnii den mxh im V(»riLren .lahrhundert ge- mehr Iiruch(?tücke. von den StadtgrfllH'U tiefe
I>rie-;eiien Festungswerken schauen wir nur Senkungen, von den Mauern, einige StRH*ken
PKOIAX-IiENKil.iLEH.
111
der Nord- und Ostseite ausgenommen, noch be-
trächtliche Reste, von den Thürmen die Stümpfe
zweier Rundthürmc an der Ostseite: von den
Burghöfen können wir nacli den abgerundeten
Hofl)ezirken noch einige nachweisen, andere
deutlicher erkennen. Sie lagen im ganzen Stadt-
bezirke vertheilt mit geräumigen Höfen uixl
Bauten. Out erhalten ^
ist der Grüter'sche an
der Klosterstrasse, von
modernerem Aussehen
der von Dr. Schulze-
Höing bewohnte H o f
,auf der Küche'. Er
grenzt an die nordöst-
liche Stadtzingel , ge-
hörte, wie man glaubt,
nacheinander den Herren
von Unna, den Grafen
von der Mark, endlich den
Herren von der Recke,
und war, als diese ihn
1400 ankauften, schon
bis auf die Mauern und
Thürme verfallen. Gegenwärtig steht dort im
Hintergrunde eines Hofes ein ansehnhches Wohn-
haus und daran ein alter mehrfach ge^^ölbter
Rundthurm, neu im Kuppeldach und in den Rund-
bogenfenstern. Im Süden davon betritt man ein
kleines Dreieck, den ,Friethof', einst die Stätte
des Freigerichts und westlich von diesem er-
hebt sich ein ringförmiger, nur von einer Seite
zugänghcher, am Rande mit sieben Wohnhäusern
umgebener Hügel, die .Burg' genannt. Sollte
diese, zumal sie in nördlicher Nähe die Kirche
hatte, nicht einst der gemeinsame Wohnsitz der
Burgmannen gewesen sein, bis ein weiterer
städtischer Mauerring ihre Bedeutung vernich-
tete und die Burgmänner sich wohnlichere Stät-
ten unter den Bürgerhäusern aufsuchten?
Von einer Burg auf einer Anhöhe vor dem
Wasserthore gewahrte man noch im vorigen
Jahrhunderte einen steinernen Thorbogen und
ein Rondel mit etwas Mauerwerk, — von der
städtischen Landwehr noch den geraden Zug
von Kessebüren bis Ringebrauk im Westen.
Das alte Stadt sie gel: eine Festungsmauer
mit drei Thürmen, der vorderste mit Wimpeln,
welche den märkisch geschachteten Balken tra-
gen, war nach einem Muster (Fig. 101) der
Zeit von 1391 ein Metalischnitt ersten Ranges.
Münzen sind hier geschlagen vom Grafen
Engelbert 1347, 1391, — dann vom Herzoge
.Johan 1490.
Das Rathliau> (Fig. 102) erhebt sich süd-
, lieh vom ^Markte über
einem hohen Kellerbaue
in drei Geschossen, das
mittlere merkwürdig nie-
drig — in der einen
Langseite mit Bleud-
nischen und hohem Er-
ker, in der Fronte von
oben bis unten durch
fimf rundbogig gewölbte
Nischen belebt, welche
die Fenster und die Blen-
den enthalten. Die mitt-
lere von erheblicher
Breite durchbricht un-
ten das auf einer mehr-
stufigen Freitreppe zu-
gängliche Portal, der von einem Mittelstabe ge-
haltene gerade Sturz trägt eine am Ende ver-
stümmelte Inschrift: Anno Doniini mccccLxxxix
. . . das Datum des Baues. Zum einfachen Cha-
rakter des hausähnlichen Werkes passt auch
das ziemlich hohe Walmdach. Das ünterge-
schoss bestand vormals aus nur wenigen und
grossen Räumen, die jetzt vorhandenen Durch-
scherungen stammen aus späterer Zeit, vielleicht
aus jener, wo das Bauwerk als Gerichtshaus ein-
gerichtet wurde.
Denn das heutige Rathhaus steht gegenüber
an der Nordseite des Marktes und war früher
das Gildeuhaus mit Gelassen für die Accisen-
stube, Fleischhalle und Waage. 1590 Avar es fun-
dirt, 1672 abgebrannt, 1678 erfolgte ein Neubau.
An der Südseite der Massener Strasse steht
ein spitzbogiges, sonst schmuckloses Thor neben
einem Hause, welches wol ,da3 Kloster' genannt
wird, sehr dicke Mauern im Untergeschosse und
darüber einen Fachwerkbau hat. Im Innern findet
man einen Ca min mit Wapi)en und Ornamenten
der Spätrenaissance und. wie vei sichert wurde,
unter der Tünche auch Wandmalereien.
/
112
nxA.
An den Strassen sowie am Markte begegnen
wir steinernen Wasserreservoirs, und zwar im
Norden des Marktes einem polygoneu. im Süden
einem runden Steinbassin mit einer viereckigen
vasenbekröuten Fontaine im Geschmacke des
classischen Zopfes, wie er im Beginne unseres
Jalirluiiidcrts steilenweise noch beliebt war. Die
Fontaine wurde auf dem Markte schon 144<» —
wi)l die illteste des Landes — von Meister Joliati
Brabciidcr aus Westhovener Steinen errichtet,
nadiher 1609. wo der Bürgermeister Godfried
A<irian am 29. August den ersten Stein legte,
durch den Tyroler Meister Matthias mit grossen
Steinquadern erhebUch verbessert und vergrüs-
sert. .Diese Fontaine musste 1720 im August
abiiebruchen werden, da der Meister Hans Midiacl
Moser eine neue verfertigte und, wie diese 174<i
durch den starken Frost ganz verdorben wurde.
tf^sm^,
hat Meister Xüspir/iug \~')'.j die geilen wärt ige
verfertigt', und davon erübrigt nur mehr die
Einfassung. Der »iHeiit liehe Brunnen auf dem
Markte war von ungemeiner Weite und Tiefe
und wie anderwilrts zierlich umbaut und mit
einem Thürmchen versehen: das letztere ist
schon 1719 107 weggebroehen und aus seinem
Hiilze die Hauptwache am Markte erbiiut. der
Üniinien selbst bald «jaraut" inejir und niehr
aus>er Gebrauch gekoninien. znnial das Wasser-
schüpfen. welches dnrch h'iiiler geschah, gar be-
scliwerlicli Ijcl.
Aus der Sanmiinnu' des Herrn Kaulmamis
llerdickerhoff sinil noch namhaft zu machen
sechs grau in grau gemalte XOlix schoihcii
di's 17. .Jahrhunderts aus dem Kloster Marienlmf
bei Hhynern. wovon eine inschriftlich vom Abt
Norbert ricker aus W'eddinghausen (Werdinir-
haus/A-n) \(YX.\ geschenkt ist, — ein Hochzeit<-
geschenk eines rrahnen des Besitzers, nilinlich
eine .Schmi|)rial)al<s<losc' aus Schihlpatt mit
eingelegten liiebesscenen und Hococo-Ornamonten
in Silber nml zwei kleine mit Gdld unterlegte
und mit geschlitfenen Steinen umrahmte .Me-
daillons, welche die Bnistbilder eines Mannes
und einer Frau h\ Email (hirstellen: vielleicht
noch eine Arbeit aus dem Ende des 17. Jahr-
hundert<.
Eine ciwa im Bednno dieses .Tahrhnnderts
am WeL'e nach Wilhelmshöhe v»»m Lmdsyndicus
Mark versuchte Fayence- und enghsche Stein-
irntfabrik hat. trotzdem sie wilhrend der Con-
tinentalsperre mit allem Fleis«;e betrieben und
iu «len Mlüttem gerülnnt wurde, nicht lauge
Itestanden und kaum zierlichere Fnulucte, am
wenigsten in der Farbe der (ilasur, geliefert.
Der alte» Kittersitz Obermassen, der west-
lich von Unna in einem von Eichen umrahmton
Tliale romantisch lajj. gleicht heute einer Buine.
heim innerhalb eines breiten Grabens stehen
nur noch .Mauerreste von Stallungen auf derVor-
buri: wie von der Zin-rel und dem Thunne auf
der Hau|itburjr. Der Oberbau des Thurmes li<'gt
in 'rmnnn'Mu im Schlossgrabcn. der Unterbau
besteht noch mit einem guten Tonnengew«lH>e.
KIJU'IIENÜAr.
113
-^
Nur die Mühle ist im Betriebe <,'eblie1)en über
einem das Uurgthal durchschläiigeludeii Bache,
und neben ihr, nämhch am Vorplatze, befindet
sich der Eingang.
Zu Afferde lag, wie die noch vorhandenen
Grundmauern des Schlosses zeigen, der Kitter-
sitz, wonach sich 1418 ein Johan von Wabele
benennt, auf einer Anhöhe am Mühlenbache,
gegenüber auf einer andern Höhe der ,Jäger-
hof, jetzt ein Bauernhaus.
Haus Heyde, seit dem 14. Jahrhunderte
in verschiedenem Besitz und jetzt Eigentum
der freiherrlichen Familie von Bodelscliwingh,
hat eine anmutige, durch industrielle Anlagen
nocli nicht behelligte, Umgebung. Auf einem
fast viereckigen, von Wasser umgebenen Platze
steht ein dreiflügeliger nach Norden offener
Bau von zwei Geschossen, und davon dienen
die südwestlichen Theile als Herrenhaus. Im
Westflügel liegt die aussen und innen mit einem
Rundbogen überbaute Einfahrt, davor der Oeko-
nomiehof mit neuer Gebäuliclikeit. Von den Im-
I mobilien sind die werthvollern nach der herr-
schafthchen Wohnung zu Berün überführt und
; von den zurückgebliebenen zu verzeichnen eine
Reihe Ahnenbilder in Oel, meistens Bru-st-
j bilder aus dem vorigen Jahrhundert — eine cylin-
drische 0,43m hohe Tafel uhr, beschrieben Coiir-
voisier ä Paris, getragen von zwei unten durch
eine starke Base zusammengehaltenen Ständern,
in dem Gerüste und den Vasenbekrönungen auf
der Uhr und den Ständern aus weis.sem Marmor,
in den Ornamenten aus vergoldeter Bronze ge-
fertigt: ein gefalliges Werk im Stile des classi-
schen Zopfes — ein 2,00;» hoher und 1.47///
breiter Stollenschrank, auf vier durch ein in
den Balken geschweiftes Andreaskreuz verbun-
denen Füssen: eine einfache Intarsiarbeit aus
dem Ende des vorigen Jahrhunderts — eine neue
dem verstorbenen Staatsmiuister K. von Bodel-
schwingh verehrte Porcellanvase von 0,47///
Höhe mit den farbigen Ansichten des Schlosses
Hejde und der Stadt Hamm. Beide Bilder
von angenehmer Wirkung.
Vorher S. G ff., 28-31. - N. U.-B. I, Nr. 1.5.S, 364; 11, Nr. 5.j1, 9-t2; - AV. U.-B. UI. Xr. 443, G39, 8G9; — Urk. des .1. 1243 bei
&emer a. a. 0. U, 124; — L. de Xorthof 1. c. p. %; — Kampschulte, S. 83; — derselbe, Patrocinion, S. 37, 41, 1.3:3, 1.59; —
Lübke, S. 271, 303, 307, 314, Taf. 19, 24, 27; — Lotz, Kunsttopographio Deutschlands, I, 599, wo irrif,' ein Schnitzaltar des
Meisters Borgetrik hierher verlegt wird; — von Steinen, H, 1187 ff., 1085 ff., 1310 f. ; — v. Fichard's Frankfurter Archiv für
ältere deutsche Literatur und (ioschichto, 1811, S. 84, 85 und Seibertz' Westf. Beiträge zur deutschen Geschichte, 1823, ü, 57
über Meister Grumelkut; — Fahne, Dortmund W, 183; — Westfäl. Anzeiger, 1807, S. 204 über die Fayence; — Archivaliea der
Stadt Soest ; — Bädecker-Heppo E, 70 f. ; — Essellen, S. 75—99 ; — Mittheilungon der Herren Pastor und Kaufmann Her-
dickerhof zu Unna und Dr. Kratz zu Hildesheim. — Local-Untersuchung und -Aufnahmen.
-?^-^V-
Llinern.
Ivirelie \mcl ihre Deiakiiiäler.
Lünern, als Ortschaft gegen 900 Liuneron,
1152, wo ein Hermau sich darnach nennt,
Luncre, als Mittelpunkt einer Freigrafscbaft
1203, als Pfarrei 1291 beurkundet, war im
Mittelalter eine Patronatpfarre des Landesherrn,
später bis 1 649 des Hauses Heeren, dann wieder
des Landesherrn, ging früh, sicher vor 1550
etwa gleichzeitig mit Frömern, unter dem Geist-
lichen Heinrich von Steinen zur Reformation
über und verblieb bis vor einigen Jahrzehnten
bei dem lutherischen Bekenntnisse. Wer der
Schutzheihge der Kirche war, etwa der Ein-
siedler Antonius oder die h. Agatha, denen 1467
ein Altar geweiht wurde, bleibt unentschieden.
Der Kirchenbau offenbart auch hier mehr
oder weniger klar zwei Baustile, den romanischen
und den gothischen und innerhall?, des letzteren
wieder zwei Altersstufen. Der einschiffige Bau
(Fig. 103, 104) zerfällt, Chorschluss und Thunn
abgerechnet, in drei Kreuzgewölbe , wovon das
östliche, durch breiten Quergurt von den beiden
westlichen geschieden, schmaler, quadratisch
und höher aufgeführt erscheint, als die andern,
die in der Querrichtung oblong liegen. Früh-
gothischer Zeit entstammen die zweitheiligen
Fenster des Langhauses mit nicht abgeplatteten
Nasen, die aus kleinen Kohlensandsteiu-Stückeu
bewirkte Ueberhöhung der Langmauern, die
III
LrXERX
Strebepfeiler und die l)eiden Westgewölbe. wovon
jedoch das östliche später umirestaltet ward.
Alle diese Bautheile erscheinen ab» Erweiterun-
m-ü eines altromanischen Baues, der eine {jerade
Holzdecke, als Scheide zwischen
Chor und I^nijhaus den erwähn-
ten C^uertrurt jedoch mit Kund-
liogenschluss liatte. dessen ohi'W
Schenkel eher in spät- als frflh-
^'othischer Zeit ihre spitzhocrijje
Xeitrung erhielten. Als altroma-
nische Heste erkennt man noch
das solide untere Mauerwerk aus
Hadericher Sandstein, die Ix-i-
den Pilasti-r d»'s (lurtes mit ein-
fachen Sockelsclinltren und Kilm-
pfern von Platte un<l Schmiede,
eine vermauerte l{uiidlM»<:eiith(ir
der Südseite, deren gleichfalls
vermauertes Seiten-stOck im Nor-
den spitzbt)jriir also sjȊter um-
geformt erscheint, ein vermauer-
tes Fenster in der Südwand des
alten Chores, dessen (jejjenstttck
in der Xordwand bis zur neue-
sten Restauration sich klein und
rundlwpiff erhalten hatte. Eng-
räumigkeit, »luadrati^iche Fonn.
der westlich aiilie<;eiide (^ueru'urt
cliarakterisiren das östliche Ge-
wnlbefeld irauz deutlich aN den t!ii^tni;iii^'<ii
Chor, möireu ihn au<h Cm- und .Vnbauten heute
noch so unkenntlich machen. In spätK'othischer
Hauzeit, die jedenfalls der «TWilluitenAltarotiftuiiL'
nicht ferne liejrt. wurde ihm mittelst MauerUber-
hnhunj,' und Kragsteinen, dem Ostjoche des Ling-
hauses mittelst unretrelmAssig aus der Wand ent-
springenrler ( Jurten je ein Kreuzgew»'ilbe verliehen.
dem Chore im Süden «lie vien*ckige Sakrist«'!
gleichfalls mit einem Kreuzgewölbe angesetzt, ji"-
des (lewölbe aber im tieiste dies«'r Zeit mit so
h<Mhliusigen Kap|K»n ausgeführt, dass der Schlus-
stein in der Sakristei fast hängt. Namentlich
musste daniills die östliche, wahrscheinlich gerade
Chorwand weich»'n. als ein f(infseitiger aus dem
AchtiTk construirter Cliorsohluss beliebt wunle,
dem b 'r Höhe ireocbickt aau'enehnie
Verh.li' ' wi.nnen. dreitlieilig«' Fenster mit
Fischblasenmaas werk, schlanke Wandsäulchen
mit Capitälen von KnollenbLlttern verliehen sind,
so dass diese späte Frucht der Gothik einen
sehr zierlichen Eindruck macht. Die Rundlwgen-
thOr. welche den im We-
sten der Sakristei gelege-
nen Gang mit dem alten
Chor verbindet, ist neuer:
seit 1873 hat man im
Norden des letzteren einen
von einer Orgel -Emi»ore
durchzogenen, darunter und
darüber eigens beleuchteten
Flügel mit polygoner Aus-
sentrep|)e in den strengern
Formen der (Jothik und in
der Höhe des anstossenden
I^nghauses nach den Plä-
nen des Haurathes //<7/7-
//lafM angesetzt, feinere
Gliederuniren. xnc die ni-
schenfömiicren Sedilien
der südlichen Chorwand
«i«Hler zu Ehren gebracht
und dem Ganzen seine Wir-
kung wiedergegeben. Der
vieriK-kige. bis 1844 unten
»•ingewöIbteWestthunn zeigt
ül)er dem nindbogisren Ein-
gang im Westen das Wajn
jM'ii * itvi-.M.irk. «inen spitzlxiirigen Helm und
in der Wetterfahne dessen Haujahr 172G.
An der Chorwand fand sich eine farbige
I),ir>tcllun"^ des Herrn im Garten Gethsemane.
nach den Herichten ohne Kunstwerth.
her früher benutzte Taufslcin bat die
romanische Form eine" Cvlinders mit einfacher
Hase und Platte, doch üIht jener einen Reifen,
unter dieser ein spitzigift KiMfehen und eine
nmdliche Kehle.
Ein einfacher Wamlscbrank in der Nord-
wand zeigt die übliche Eintheilung, gi'filllige gi>-
thische SlJlfomien und unter dem Anstriche
eine geschmackvolle Polychn>mie.
An den Sitzen des Choivs sin«! von den
alten Chor.slühlcn wieder Tafeln mit got bischen
Panneelen zu EhnMi ffekommen.
\n tila>n)alorcK"n K'Haliren n<»ob zwei
•f
*
KIRCHLICHE DENKMÄLER.
115
Scheiben in der Sakristei mittelalterliche Reste
von ,{iltkölnisclu'm' Typus — neue mit vier
Apost('llif,niren sind 1874 von Victor vo7i der
Forst in Münster für die Chorfenster gemacht.
p]iii einfacher Coninuinionkclch von Silber
ist 1()88 gefertigt, eine gotliische Weinkanne
mit Zubehör 187G i
nach genauerer An-
gabe des evangeli-
schen Kunstvereins
zu Berlin beschafft;
den Chorraum deck-
ten vormals die
Grabsteine frühe-
rer Pastöre.
Die hölzerne
Kanzel erscheint
als verkleinertes Ab-
bild des reichenWer-
kes der grossen Kir-
che zu Unna; die
Ecken haben ihre
üppigen Festons, die
Flächen jedoch nur
die Figuren der vier
Evangelisten, der
Deckel eine Schneckenbekrönung; die seitlich
an einem zierlichen Ständer von Schmiedeeisen
als Zeitmesser angebrachte Sanduhr zeigt das
Baujahr 1726.
Von den drei Glocken haben die beiden
älteren folgende Inschrift:
die eine in Minuskeln : Ihesus Maria. Sanctiis
lohannes vocor. Anno Domini m. cccclxxii ;
die andere:
Eine klingende schelle beire ich,
Di lebendigen de rope ich,
Die doden de beklage ich.
Derick Slütcr heft mi gegatten. Hennan
Weidebrokh, lohan Bidde l6oi.
Die grosste ist inschriftlich unter dem Pastor
Z. G. von Oven 1771 von Stocky zu Münster
gegossen.
Der alte mit der Mensa gemauerte Altar
wurde 1876, weil durchgehends morsch, abge-
brochen und durch einen neuen mit dem Mono-
gramme Christi nach der Zeichnung von Hart-
mann aus Wrexener Stein ersetzt. Den Aufsatz
(vgl. die PhotolithogTaphie) bildet ein etwa 3,75;«
hohes, 2,98/« breites Schnitzwerk, das uns
beim ersten Blick an den Altar zu Khynern
erinnert; hier herr.scht dieselbe Gesammtform,
dieselbe Zerlegung in Hauptnischcn oben und
Zwergnischen unten mit denselben Darstellungen,
^ <ogar mit denselben
riruppen in den
Hohlkehlen. Nur ist
der Rahmen des
Hauptfeldes unten
links noch mit der
Figur des h. Evan-
geUsten Johannes,
rechts mit der rei-
chen Gestalt der
heil. Margaretha be-
dacht, die Hohlkehle
über dem Haupt-
felde rechts mit den
kleinen Gruppen der
Auferstehung und
des Herabsteigens
in die Yorhölle. die
Zwergnische ünks
mit der heil. Vero-
nika, rechts mit der heil. Magdalena statt der
beiden Figuren mit den Spruchbändern besetzt.
Die Figuren hat man in den Bildfeldern etwas
anders gruppirt, die Gruppen wol um einzelne
Gestalten erweitert oder um die Staffage ver-
kürzt; wesentlich ist noch eine Predella mit
dem Bilde der Grablegung hinzugekommen und
oben jederseits mittelst profilirter Consolen so
weit ausgeladen, als die Seiten des Aufsatzes
vorspringen. Man darf hier entweder auf eine
beiden gemeinsame Vorlage eines Holzschnittes
oder eines Altarwerkes schliessen, oder der
Altar zu Lünern ist nach dem Muster jenes zu
Rhynern angefertigt, doch nicht von demselben
Meister; denn wie gleichartig auch die Gesammt-
form, die Felder und ihre Darstellungen be-
funden werden, so stilverschieden gestalten sich
die Glieder des Gehäuses, die Auffassung und
Behandlung des Figürhchen. Jene lösen sich
mehr und mehr in pflanzliches Gerank und noch
melu' in Knorpelblattwerk auf, als dies die
Holzschiiitte und Kupfer Israels von Meckaicn
r^
m;
REWMEßDE.
^
und anderer Meister verbreiteten, so dass das
Architektonische gegen das Effektvolle zunick-
tritt; selbst in den durchbrochenen Füllungen des
hohem Mittelfeldes und der niedrigem Seit^n-
theile vermag sich das architektonische Gerippe
von Eselsrücken in dem wuchernden Blattwerk
nur mit Mühe Geltung zu verschaffen. Wenn der
Künstler des Altares zu Khynern die Figuren
sorgfältigst auf allen Seiten ausführt und die
Wirkung von der ganzen Gruppe erwartet, ^^^ll
der Meister von Lünern schon jede Gestalt
als solche malerisch auftreten lassen, und daher
cultivirt er auf Kosten der individuellen Voll-
kommenheit namentlich ihre der Gemeinde zu-
gewandten Seiten; daher werden Gesichter und
Hände vernachlässigt, daher das Bestreben, den
Köpfen eine sentimentale Haltung, den Gesich-
tern eine Wendung nach dem Beschauer und
durch Betonung des Bartes und der Nase einen
kräftigen Ausdruck zu geben, daher die Kraft-
attitüden der Henker und die breit gehaltenen
Gcwandfiächeu mit langen Faltenrücken, daher
die grossen Gestalten selbst und endlich die
Ik'rechimng auf die Poljchromie. Die Fleisch-
theile, die Rückseiten der Gewänder, die Pferde-
geschirre sind auch hier bemalt, alles Uebrige
mit Glanzgold bedeckt und die Kleidersäume
noch mit l)lanen Bändern bedacht, diese präch-
tig mit goldenen Ziermustern übersj)onnen. Die
Gruppe der (Jrablegung hat heute eine häss-
liche Färbung — doch scheint durch dieselbe
noch stellenweise das Gold, stellenweise das
Blau, also die Spuren der ursprünglichen Po-
lychromie, die hier dem Golde nur einen be-
schränkten Kaum gestattet hat. Unser AVerk
thut mit dem Ornamentalen seines Gerüstes,
mit dem Effektvollen seines Bildnerischen einen
erhebhchen Schritt weiter vom Mittelalter zur
Neuzeit, es lässt den neuen Stil der Kenaissanc^
schon deutlich durchküngen in kleinen Gebil-
den, nämlich in den als Putti aufgeftissten Engeln,
welche sich oben in die krönende Hohlkehle der
beiden seitlichen Hauptfelder legen und meistens
die Schwingen verloren haben. Das StiUstische
und das Costüm zusammen lassen das Bild-
werk als eine Arbeit des 10. Jahrhunderts, etwa
des Jahres 1520. erscheinen. Leider sind die
bemalten Flügel des Altars bis auf einen, dessen
Darstellungen unkennthch geworden, spurlos ver-
schwunden. An zwei tigurenreichen HolzreUefs
der Kreuztragunir und Kreuzabnahme des Herrn,
die der Bildhauer Fleige zu Münster aus dem
Nachlasse des Bildhauers Prange daselbst er-
standen hat. gewahren wir grössere Figuren,
sonst dieselbe Meisterhand in der Gruppimng.
in der malerischen Gewandung, in der glück-
lichen Polychromie. die an den Gewand^äumen
wieder ganz sorglieh und fein ist. und nament-
lich in den Physiognomien der Hauptgestalten:
der Ausdruck wird übertrieben, die Pru[>ortion
gerundet, damit ja die Wirkung nicht ausbleibe:
es sind wiederum die Trümmer eines grossen
Schnitzaltars zu Dinker, wovon ich eben noch
die Gruppen unter dem Kreuze und einige
Figuren derselben Auflassung. Behandlung und
Färbung entdeckt habe.
Auf dem Kirrhhdfe steigt empor, entworfen
vom Baurath Hartmanti und ausgeführt von
Friedrich Wcismamt in Westhofen, flber einem
])rismatischen Sockel eine Steinsäule mit dem
Adler als Denkmal der 1870 71 gefallenen Vater-
landsvertheidiger der Gemeinde.
r.-II. .1. II. \V. IV, Nr. WiV. I, Xr. HS; - N. U.-B. H. Nr. 374; - Rojr. H. W.. Xr. 17R5; - Kunpschulte. S. 83; - r. Sfci-
ii«>ii n. WIH f., dor iils Dutum der Wottorffthiio 1724 verzt>ichnct ; — Lübko, S. 210, »!4; — Aufhahmpn Av* H.rni n.iun.ih'- Hari-
iiianii ; — Mitthoiluni^n dos Ili-mi Siipcrintcndontcii Polschor. — liOcal-Untoreuchunfr und -Aafnahnion.
-^-^
Huiiiiiicrdt^
Hemmerde, als Oertlichkeif gegen 000 ]J,i.
niarUhi, spiUer IlfHiirnflii, 11 17 Ilrnirrdii.
1170 Ifn/nirnirn, .sonst schon wie W'^^. wo
ein Widecho daselbst wohnhaft ist, Ifrnunlr,
1 170 K, nkhcmcrdc geschrieben, hatte also schon
früli urkundlich einen Namen und gewiss auch
eine Kirche: 1200 24 8 wurde deren Patronat
vom Grafen Ludwig von Arnsberg dem (trafen
Everhard von der Mark und fünf Taue darauf
von diesem dem Kloster Scheda tlbercignet.
KlKCllENliAl.
117
Die evangeli.sehe Kirche.
Die Kirche erhebt sich noch innerhalb be-
trächtlicher Keste der alten Kirchhofsmauer und
wiederum, wie die meisten altern der Gegend,
auf einer Anhöhe, und zwar als einschiffiger
Kreuzbau mit ])olygonem Chore ohne Vorlage
und einem viereckigen Thurme im Westen; im
Kreuzbau, dessen Flügel oblong, parallel zur
Längenachse und deswegen weniger ausgeladen
sind, liegen noch die klarsten Erbtheile des rein
romanischen Stiles vor; in den Ostmauern die
Nischen, — die nördliche später behufs des Sa-
kristeibaues verstümmelt, — in der nördlichen
Giebelwand ein kleines Eundbogeufenster — das
Gegenstück an der andern Seite später gothisch
umgestaltet, — hier auch die alte Thüröffnung,
dort vermauert und tief gesunken das rund-
bogige Gegenstück, ferner die vier rundbogi-
gen Gurten der Vierung, deren westhchen
Kämpfer als Schräge mit Schachbrettornament,
deren östlichen als klare Gesimse gebildet, und
die beiden flankirenden Säulchen der Seiten-
apsiden. Ihre Basen stecken im Boden, ihre
Würfelcapitäle sind an den Wangen mit Orna-
menten, überhaupt mit gut gezeichneter Skulp-
tur und oben mit Deckplatten versehen, die
entweder kräftige Profile oder Schachbrettverzie-
rung haben. Die Kappen, welche auf gekehlten
Kreuzrippen ruhen, bestehen aus PUesterwerk.
Dieselbe Bauzeit und gewisse Stilschönheiten
theilt das Mauerwerk des Langhauses wenig-
stens im Kern. Ein breiter beiderseits gestufter
Quergurt gesetzt auf Wandpilaster, dessen Mauer-
ecken den Stufen und Schildgurten entsprechen,
zerlegt den Eaum in zwei viereckige Gewölbe-
felder, deren Kreuzrippen indess nur Schein-
kappen, wiederum von Püesterwerk, tragen. Die
Kämpfer zeigen wie die westlichen des Kreuz-
baues noch die Schräge mit Schachbrettorna-
ment, also romanische Bildung, die Gurten hin-
gegen einen steifen Spitzbogen. Da Gurtbögen
und Pilaster die Form eines Hufeisens, die letz-
teren je tiefer nach unten, um so weitere Ab-
lösung vom Mauerwerk haben, so scheinen sie
später für die Wölbungen angesetzt, die letzteren
aber allmälig so lastend geworden zu sein, dass
jene die sonderliche Gestalt, die Langwände aber
eine Verstärkung an plumpen Streben und endlich
die Felder statt der Steindecke eine solche aus
leichterem Material erhielten. Es wäre danach
das Mauerwerk älter als die Gurten, im Kerne
wol gleichzeitig mit dem Kreuzbau und später
beim Einsatz der Gewölbe etwas aufgehöht.
Mögen auch die Gurten noch aus der frühem
Gothik stammen, die leichten Wölbungen im
Kreuzbau und im Langhause gehören jeden-
falls entweder der Zeit von 1483, wo ein neuer
Schnitzaltar angeschafft ^nirde, oder der Zeit
des Chorbaues, die stichbogigen Fenster viel-
leicht einer Restauration oder Verunstaltung von
1692 an. Der ohne Vorlage fünfseitig angebaute
Chor, in den Fenstern mit verflachtem Maass-
werk behaftet, ist offenbar eine Leistung der
spätesten Gothik und zwar des Jahres 1543,
das an der Rückwand eingegraben ist ; das Näm-
liche gilt von der Sakristei im Nordwinkel des
Kreuzarmes.
Frühgothischer Zeit und vielleicht dem Jahre
1290, als das Patronat verschenkt wurde, eignet
der Thurm; das beweisen der zur Kirche füh-
rende Scheidebogen, die langen Lichtschlitze
der zweiten Etage mit Spitzbogenschluss , die
gut geschnittenen Rippen des Kreuzgewölbes
darüber. Die unförmüchen Schallöffnungen oben
sehen aus wie Verstümmelungen einer sehr origi-
nellen Anlage, nämüch einer gekuppelten in
jedem Theile mit Nasen besetzten OefiFnung. wie
sich deren oben in der Ostmauer noch zwei
kenntlich erhalten haben. 1726 ^vurde die bau-
fällige Spitze durch die jetzige ersetzt und ge-
wiss auch das hölzerne Krauzgesimse aufgelegt.
Der vor etwa zehn Jahren restaurirte Eingang
hat in der Barockzeit eine einfache Umrahmung
erhalten, dessen Bogenfeld früher ein Wappen
oder eine Inschrift einhalten hat. Die Sand-
steinquadem des Mauerwerks sind mehrfach
durch einen Kalküberzug verdeckt.
Sieht man von dem Baufiilligeu und Un-
harmonischen ab, so macht der ganze Bau mit
den Kreuzgiebelu, dem hohen Dache des Chores
und Kreuzes, dem niedrigem des Laughauses
und dem ki'äftigen hochbehelmten Thurm eine
wechselvolle Silhouette.
118
HIlLVLLKiiH.
Bis vor wenigen Jahren bewahrte die Kirche
noch einen Schuitzaltar mit heller Polychromie
und vielen Goldaufträgen, der jetzt als Geschenk
des Kitters Friedrich v, Voigtlander das Trepi)en-
haus des vaterländischen Museums zu Braun-
schweig ziert, von wo er vor fast vierhundert
Jahren nach dem Westen gewandert war. Das
(Jehäuse besteht aus Eichenholz, die Statuen und
Reliefs aus Lindenholz. Er zerlUllt als ein Trii>-
tychon in drei Flügel. In der Glitte sind dar-
gestellt unter einem Baldachin, den jederseits
eine Strebe mit der Statuette eines Heihgen
flankirt, die stehende Madonna mit dem Kinde,
ihr zur Seite in je drei kleinen Baldachinen
(Ibereinander links die Ai)ostel Thomas, l'etrus.
Paulus, rechts die Heiligen Blasius, Damian
und ein Apostel, daneben in Gruppenbildern
wieder links oben zur Seite die Baulusfigur.
rechts unten im Felde der h. Blasius, <lie Ver-
kündigung, darunter der Besuch bei EUsabeth,
untt-n die Geburt und die Anbetung der h. drei
Konige. darüber die Darltriiigung im Temi)el.
und oben der Tod dt-r ii. Jungfrau in der Um-
■jebung der zwölf Apostel. — Die beiden Seiten-
Flügel zeigen je zwischen Nischen, die ein
Heiliger ausfüllt, drei Hauptdarstellungen: der
rechte der Epistelseite, oben, wie Joachim die
Schafe hütet und mit der heil. Anna an der
goldenen Pforte zusammentrifft, danmter wie das
dreijährige Marienkind die fünfzehn (I) Stufen
des Tem|)els ersteigt: rechts davon erscheint der
h. (osmas, der in der Beeilten eine Flasche,
in der Linken ein Besteck mit chirurgischen
Instrumenten hält, links davon S. Vincentius
Ferrerius in der Linken einen Palmenzweig, in
der Hechten eine Scheibe mit den Muchsialn-n
J. Ii. S.; darunter folgt die Veral)schiedung der
Ap<»stel von Maria, und von den beiden llan-
kireuflen Bischöfen erkennt man S. llrich mit
einem Fische auf dem Buche. Am linken Flügel
oben ligurirt die Taufe Christi im .Jordan, dar-
iinier die Kreuzigung, rechts davon der heil.
Damian mit einer Medicinllasche. unten die
Auferstehung, rechts «lavon St. Blasius. Die
übrigen Xel>enliguren sind unbestimmt. Di»'
BiMfelder haben (Joldgrund und durchbrochene
Bekrönuniien. die Stege der .Vbtheilungen Fialen-
liesatz: überhaupt ist die decorative Architektur
einfach, das Malerische zu Gunsten des Statua-
rischen vermieden, dagegen auffallend der Gold-
aufwaud bei den matten Farben der Figuren,
die son.st dürre Gesichter, kurze Leiber und eine
knitterige Gewandung haben. An der Predella
sind zu Seiten einer vergitterten Oeffnung. welche
Reli(iuieu oder ein Cilwrium bergen mochte, in
Farben »largestellt zunächst zwei das Thuribulum
schwingende Engel, weiterhin die Geisselung
und der Fall Christi unter dem Kreuze. Das
Ganze Vtekrönt ein vergoldeter Spitzlx>genfnes,
mid unter demselben läuft auf rothem Grunde
in gelben sehr verkürzten Minuskeln folgende
Inschrift : Regina celi letare alleluja! quia quem
mcrui>ti portare alleluja! re>urexit sicut dixit
alleluja! ora pro nobis Deum alleluja! Com-
[detum est opu> illud in Brunswik per me
Couradinn Borgctitrik 1483 vigilia Laurcntii.
Die Malereien aus der lieidensgeschichte des
Herrn, welche die Aussenseiten der Flügel ver-
zieren, haben arge Beschädisruneen erlitten: selbst
das Schnitzwerk war durch Wurmfrass und Ver-
luste so sehr verkommen, dass, abgesehen von
den decorativen Architekturen, eine Reihe von
Figuren vom Bildhauer Pctcr Jurctzka in Braun-
schweig oder vom Bildhauer Allard in Münster,
der den Altar zuletzt besass, reparirt und er-
neuert sind. Von den zwei wahrscheinlich be-
malten Flügeln, welche ausgebreitet wurden,
wenn die Seitenflügel den Mitteltheil verschlossen,
erübrigen nur mehr die Haspen. Der Meister
Borgcutrik\ dessen Eltern möglicherweise aus
dem westfälischen Orte Borgentreich nach Braun-
schweig verzoiron waren, ist in der zweiten Hälfte
des l.').,lahrhnn(lerts mehrfach als Bürger Braun-
schweigs in den Stadtbüchern aufgeführt, und
neben Immci"<<ort, dem Meister des um 10:i<l
gefertigten C'rucilixes di-r ehemaligen Bupgkirche,
der einzige nachweisbare Bildschnitzer Braun-
schweigs aus dem Mittelalter.
Von einem altern Altar, der 1U('> unter
dem Pastor Arnold C'alve zu Ehren des h.
Kreuzes, der h. Maria, der D> 0(i(> Märtyrer
und der h. Barl)ara an der Xoniseite gebaut
war, hat sich jede S))ur verloren.
Die Sakristeithür überziehen drei Kisenbän-
dcr mit steifen Verzweigungen — eine handwerks-
mässige Schmiedearbeit des IG. Jahrhundert.s.
lliliiiipi
KmCUE IXD KIJICULICHE liEXKilÄI.EU.
119
Die Kanzel, ihr Deckel und Boden sind
polygon und von Holz, die Ecken mit gewundenen
Säulchen, die Flächen dazwischen auf mit Engel-
küpfchen verzierten Consolen von den Figuren der
Evangelisten besetzt, und auf den Schildern des
Bodens die Zahlen des Jahres 1677 angebracht.
Die drei Glocken enthalten folgende In-
schriften:
die kleine eine aus Ps. 50: Lobet den herrn
mit wohlklingenden Zinibalen — — — ;
die mittlere aus Isai. 2, v. 3.: Kompt, last uns
auf den berg des herrn gehen . . . Anno 1684;
die grösste : Wilh. Rincker aus Westhofen goss
mich im Jahre i855 . . .
Die Orgel, welche 1743 aus der Kirchen-
mitte hinter den Altar versetzt und ausgebessert
vMirde, erhielt 1869 eine neugothische Fa^ade.
der Altar einen kleinen gothisch gehaltenen Holz-
Aufsatz und der Chorraum eine weitere Auf-
höhung. Dabei wurden alte Grabsteine des
17. und 18. Jahrhunderts namentlich von den
Besitzern und der Familie des Hauses Broel
verdeckt.
Das vorhandene (neuere) Kirchensiegel
stellt eine Kirche mit Thurm dar.
Die Kirche gehört jetzt der unirten evange-
hschen Gemeinde.
Die katholiisclie Kirche uiacl andere Denkinäler.
Die Reformation und zwar das lutherische
Bekenntniss gewann hier schon im 16. Jahr-
hundert einen grossen Anhang, und da die Zahl
der Kathoüken nicht unbeträchtlich bheb, theilten
sich beide Confessionen in das alte Gotteshaus,
jedoch wiederholt unter den unerquicklichsten
Reibungen. Die Katholiken hatten seit 1622
einen beschränkten Mitgebrauch und erlangten
1737 11/10 das Recht, ein eigenes Gotteshaus
von genau vorgeschriebenen Dimensionen und
Rechten zu emchten. Die dann auf den Namen
der Apostelfiirsten erbaute Kapelle ward indess
so bald schadhaft, dass sie 1808 2/9 das Simul-
taueum wieder beantragten, es auch auf ein Jahr,
1)is w^o ein Neubau voraussichtlich vollendet wäre,
erlangten und bis 1814 behaupteten, wo sie
zum Baue der gegenwärtigen Kirche schritten,
die 1833 eingeweiht ist. Sie bildet im Grund-
risse ein längliches Viereck mit einem fünf-
seitigen Chore und einem quadratischen, etwas
aus der Mauerfiucht vortretenden, Westthurme.
Der Chor, dessen hinterster Raum als Sakristei
dient, hat vier, jede Langseite hat, das inner-
lich abgeschlossene Westgefach des Thurmes
mit gerechnet, sieben Fenster, das Langhaus
bei beträchtlicher Breite eine Bretterdecke in
Form eines Tonnengewölbes, jedes Fenster eine
Bank auf Kragsteinen, rundbogigen Schluss, äus-
serhch eine Umrahmung von einem viereckigen
Bande, das auf der Höhe der Kämpferpunkte
auch horizontal den Wänden entlang zieht. Doch
nimmt den Platz des Aierten Fensters bis auf
den Schluss, also in der Mitte der Langwände.
jederseits eine gerade gedeckte Thttr ein; ein
dritter Eingang liegt im Thurme. der mit seinen
vier den Fenstern nachgebildeten Oeffhungen
und einem gedrückten P^ramidendache sich aus
dem Firste des breiten Daches erhebt. So steht
die Kirche da als ein vollendetes Muster da-
maliger Bauweise, die man nicht mit Unrecht
als Casernenstil gekennzeichnet hat.
Als eine xirbeit aus der Zeit des Ivirchen-
baues erkennt mau die poh'gone Kanzel mit
dem Deckel — als ersten Versuch der Neu-
gothik den gleichfalls im Ständer und Becken
polygonen, seithch mit Blenden ausgestatteten
Taufstein.
Aus der Kirche zu Werl sind übernommen
der Hauptaltar (vergi. die Tafel mit der Ge-
sammtansicht des Chores) in reichstem Barock-
stil und der nördliche Seitenaltar in späterer,
doch massvoller Renaissance. Beide sind in Stein
ausgeführt und, me die Abbildungen zeigen,
reichen sich bei letzterem Arckitektur und Pla-
stik, bei ersterem auch die Ornamentik erfolg-
reich die Hände. Im Mittelfelde des Haupt-
altars etwas akademisch gehalten der Crucifixus
mit Maria und Johannes, dahinter Architekturen
und Kriegsknechte in gutem Relief, darüber
jederseits ein Engel, vor den beiden »on Ruud-
säulen flankirten Seitenstücken der h. Petrus und
Paulus, auf den Säulen hier der h. Johannes
120
HEMMEEDE.
1 (1er Täufer, dort die h. ^laria mit dem Kinde:
über der Mitte tritt halb vor ein poly^oner
Oberbau, an den Seiten mit Figuren und einem
von einer Vase durchbrochenen Giebel. Während
ein hölzernes Tabernakel rinj^s mit gewundenen
Säulchen und Engelkopfchen, dazwischen mit
Heiligenfiguren und oben mit dem Pelikan, an-
geblich der Kest eines Kococco-Altars, das Mittel-
feld der Predella verdecken, beleben deren Seiten-
flächen in flottem Kelief an der Evangelienseite
das h. Abendmahl, an der Epistelseite die Heral)-
kunft des h. Geistes. Trotz des markirten Aus-
drucks, der erregten Haltung und unruhigen
Gewandung im Figürlichen legt das grosse
Werk Zeugniss ab von einem Meister, der sich
so Meit über seine Zeit erhob, dass er dem
leidlichen ein individuelles und formvolles Ge-
Ijräge aufdrückte, womit thatsächlich mehrere
Kimstler des Landes dem sinkenden Kunstge-
schniacke rühmlichst widerstrebt haben. Der
Altar dürfte noch vor 1700 angefertigt sein.
Als eine Frucht der späteren Renaissance
steht der nördliche Scitcnaltar (vergl.die Tafel)
der h. Barbara da. Das Gerüste bilden Seiten-
säulchen und darüber ein kräftiges Gebälk, dami
wiederholt sich im Kleinen der Unterbau, end-
lich folgt ein Giebel, der das IJild der Gottes-
mutter trägt. Das Hauptfeld füllt in Relief:
die Auferstehung des Herrn in malerischer Auf-
fassung, daneben stehen in muschelverzierten
Nischen auf kräftigen, doch ziervoll behandelten
Consolen die freien Figuren Johannes' des Täufers
und der h. Barbara, die auf einem Teller die
abgeschnittenen Brüste hält: über den Ecken
des Hauptgebälks stehen auf hohen Sockeln
einerseits das Bild der h. Catliarina. anderer-
seits eine Figur mit der Krone auf dem Haupte
und mit dem offenen Buche in der Hand. Kraus
gerandet sind die l^lindOügel des Hauptfeldes
und die Füllungen zwischen Oberbau und den
Sockeln der Eckliguren. Den Ernst des archi-
tektonischen (lerüstes mildert die Ornamentik,
namentlich der Znhnschnitt. flache geometrische
Muster und die Kngelköpfe an den Sockeln, von
denen jene der beiden untern Säulen Nischen
mit Figuren beh'ben. Auch die freien Gestalten
hal)en ein etwas statuarisches Aussehen und
geringe Durcharbeitung, trotzdem das Ganze
einen fertigen Meissel verräth. Das Werk er-
innert an ähnliche Arbeiten zu Münster und masr
dort auch entstanden sein. Von den frommen
Inschriften geben wir jene des mittleren Pre-
della-Feldes wieder, weil sie nicht nur das Ge-
schick des Meisters ehrt, sondern auch das
Patronat. die Stifter und im Schlussgedicht das
Datum lyj'-i kundgibt:
Barbara Pellaei cedant miracula niundi
Artifici, taceat Daedalus arte fal)er.
Hoc molis maioris opus, vitalia Christi
Munera coniplectens, laude per ora volet.
Pistorum fraternus amor pietatis asylum hoc
Erexit, veniae sit sacra liba tuae.
Agniferum illi operi praefecit numine plenum
Zacharidem, veri qui tuba viva Dei.
Hiiic astant Agathae teneris lacerata manlilli^
Mcüibra. j)atrocinio nititur ara >uo.
Eteostichon.
LVClkT o< tobrls MlCXIt ter (jVIntVs In a.\e
\ t creCta est stat\'Is ara saCrata sVIs.
Im südlichen Seitenaltar, einer schwachen
Holzarbeit des vorigen .lahrhunderts. zeigt das
von Heiligen und Säulen flankirte Hauptfeld den
Welterlöser über dem Zeichen I H S mit den
Leidenswerkzeugen, das obere zwischen Giebel-
ecken das Crucitixbild. Den Abschluss macht
auf hoher Console die Figur eines Bischofs.
Zwei ältere schadhafte Holzhilder der Pieta
von verschiedener Grösse gehören der Auffassung
und Gewandbehandlung nach etwas verschiede-
nen Zeiten der Spätgothik an.
Die Glocken haben 183(5 die Herren A/txn/s
Petit & liiiclhrock in Gescher gegossen.
Von einem hochverehrten Marien bilde in
einem hiesiuen Heiliuenbäu^chen erzählt eine
alte Chronik /um .lahre 14-'»7.
^xx
Von dem l'.roel hatten sich im vorigen .Jahr-
hunderte noch Mauerresto. bis vor dreissig .lahren
noch Steintrümmer am Bande <les gleichnamigen
Waldes erhalten. Jüngst stiess man bei der
Anlage eines grossen Teiches dort auf Fundament-
mauern und hielt sie für jene des alt berühmten
Hittersitzes.
Die Bauerschaft Steinen an der Köinisrben
(Jrenze hatte vielleicht auch eine FehmstiJlte
und bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts>< noch
KntCllE.NJiAL.
121
die Ruinen einer alten Kapelle, deren Steine
damals in eine Scheune verbaut wurden.
Unter den Merkwürdigkeiten der Umgegend
fesselt vorab der Birkenbaum, über den man
vor etwa hundert Jahren Folgendes verzeichnete :
,Der Berckenbaum ist eine in vorigen Zeiten
sehr bekannte Schanze auf der Landwehr ge-
legen am Wege, der aus der Grafschaft Marck
in's Cöllnische führet; ist aber jetzo von ge-
ringer Wichtigkeit, die Ueberbleibsel sind doch
noch zu sehen. An dieser Schanze stunde vor-
zeiten ein könighch ZoUhauss und Zollbret, auch
ein halber Galgen für die Zigeuuer. Es ist aber
das Haus, weil sich in demselben viel bös Volk
aufzuhalten pflegte, 1751 weggebrochen, und
der Zoll nach Hemmerde verlegt worden.' Die
Landwehr auf der Scheide der Mark ist uns
bekannt, die Schanze ist längst verschwunden,
an ihrer Stelle vor mehreren Jahren ein neuer
Birkenbaum gepflanzt, wie sie gewiss von einem
iUteren, ,dem Sagenreichen*, den Xamen trug.
Gleichwol haben anscheinend die Leute früher
den Birken-Wald bei Budberg und Werl als
den Mittelpunkt alter Prophezeiungen über eine
dort l)evorstehende Volkerschlacht und aller-
hand kriegerischer Visionen ausgegeben, deren in
den Schriften vom Jahre 1545 bis 1854 ge-
dacht wira, die aber schhessüch, wie überall als
die letzten Ausklänge einer Sage über eine längst
vorgefallene Schlacht erkannt werden, als welche
hier nach den neuesten Forschungen keine andere
in Betracht käme, wie die Varusschlacht. iJass
man die Oerthchkeiten mähg verwechselte, nimmt
um so mehr Wunder, als man die Prophe-
zeiungen noch stets an die Umgegend von Werl
knüpfte, die gleichwol längst ihren Birkenwald
verloren hat. So hüllt sich noch manch' geschicht-
liche Erinnerung in Prophezeiungen und Sagen.
Vorher S. 7, 19, 28, 31. — N. U.-B. 11, 471. 374; — Reg. H. AV. Nr. 2069, 1785; — Urk. d. J. 1290 in "Wifrand's Archiv für Geschichte
und AJterthumskuiide VII, 157 f.; — v. Steinen U, 807 ff., 822 f., 852, 959: — Lübke. S. 221. 306: — Handschriftl. Notizen
Dr. Schiller's zu Braunschweig mitgetheilt vom dortigen Stadt- Archivar Herrn L. Hänselmann : — Könisl. Staatsjirchiv, Schedaer
Urk. ad. a. 1416; — Biidecker - Heppe II. 97 f. ; — Essellen, S. 172; — Spormacher's Chronik von Lünen bei v. Steinen IV,
148G; — Kiihn a. a. 0. I, 206 ff.; — Hülsonbeck, Varusschlacht, S. 29, 45; — Jlittheilungen der Herren Hehler und Pastor
Panhüff. — Local-Untersuchung und -Aufnahmen.
-4-
-^-
I) i e H a a 1^
BaLTseiiliagen.
Die evangelische Ivii-che.
Bausenhagen lautete 1293 BusenJiagen, 1334
Bozenliaaglien, später Biisinlimjen, Bosen-
liagen. Die dortige Pfarre war der heil. Agnes
geweiht, und vielleicht von den Grafeu von Arns-
berg, die 1293 über einen ihrer Zehuten ver-
fügten, mitgestiftet. Der Propst des lilosters
Scheda, das in ihrem Sprengel lag, vergab die
Pfarrstelle und übte auch das Collationsrecht
in Betreff des evangelisch-lutherischen Pastors.
Die Reformation fand hier im ] 6. Jahrhundert
soweit Eingang, dass Kathoüken und Protestan-
ten ein Simultaneum hatten, der Küster, M'elchcr
kathoüsch blieb, auch den Protestanten, der Or-
ganist beiden Bekenntnissen seine Dienste lieh.
Hier Meht uns eine ähnhche Vergangenheit
und eine Urnatur entgegen, wie im benachbarten
FrOmern; nur erscheint der Wald dichter und
mächtiger, der Rücken der Haar sogar schluch-
teureich; und nach einer Urkunde des Jalires
1334 hätten hier auch Ritter ihre AVohnsitze
gehabt.
Das Gotteshaus liegt auf einem Berge und
trägt noch wenig umgestaltet die Charaktere der
romanischen Stilzeit. (Fig. 105, lOG.) Der qua-
dratisch angelegte Westthurm unten von Mauer-
schlitzen, in den beschädigten Obereta9;en von
rundbogigen Schallöffnungen, die theilweise ihr
Mittelsäulchen verloren, durchbrochen, Miirde
s^
122
BAL-iEXHiGEX.
1873 durch einen ähnlichen, doch reichern Neu-
bau mit Mauergiebeln ersetzt, zwischen welchen
der pyramidale Helm j
aufsteigt. Das einschif- ü
fige Langhaus besteht i
aus zwei oblongen,
quergelegten Kreuzge-
wöll)en. die zwischen ; ,
breiten Kundgurten auf ; '
abgeschrägten Käm-
]»fern indess über go- /
thisch gekehlten li\\)-
pen ausgespannt sind.
Der jetzige, zweite Chor
hat ein quadratisches
Gewülbe mit Kreuzgrii-
ten, line halbrunde, je-
derseits von einer Kund-
säuie eingefasste Apsis
und nördlich im Win-
kel mit dem Laiigliause
eine quadratische Sa-
kristei mit einem Kreuz-
gewölbe. An den Rund-
säulen der Apsis fal-
deu Thurm jedenfalls noch dem 12. Jahrhun-
dert seine Entstehung verdankt.
In der Nordwand
des Chores hat sich er-
halten ein spätgothi-
scher Wandschrank,
seitüch von Fialen flan-
kirt. oben nur mit ei-
ner Kreuzblume abge-
schlossen — in der ein-
fachsten Form.
Daneben steht ein
reich entwickeltes Sa-
kramenthaus (Fig.
107): der viereckige
Fuss gegliedert und
mit Blenden geziert,
der Rahmen des vor-
tretenden Kastens seit-
lich noch mit einer Fi-
•jur besetzt, der durch-
brochene Baldachin
gipfelnd in eine Kreuz-
blume als Sitz des Peli-
kans — eine Arbeit
len auf die schnabelfrmnigen Eckblätter der von wirkungsvollem Entwürfe, doch weil in den
Base, die halbkreisförmigen Einkerbungen des outrirtesten Formen der Spätgothik, jedenfalls
stark entwickelten Wulstes, die langen einer im IG. Jahrhundert ausgeführt.
gestürzten Pyramide vergleich-
barni ('a|iitäl<' mit Schuppcn-
ornanicnt. und iibcr ihrer Drck-
l»latte die Kämpfer, bestehend
aus Anlauf, aus Kundstab in
F()rm eines Seiles und aus der
Platte. Von den drei Eingän-
gen ist nur jener in der Wi'st-
luauer des Thnrmes geblieben,
die beiden andern und zwar
westlich in der Langwand und
östlich in der Cliorwand der Süd-
seite sind vermauert. Sie hat-
ten rundbügige Kinw(»ll)ung. wie
ursiinniglich auch die Fenster,
die später t.heils tiefer herabge-
zogen, theils sj)itzbogig umge-
staltet sind. Diese und die Ge-
wölbe des Schitfes erscheinen als sjiätgothisclie
Zuthaten, wogegen der Kern des Baues bis auf
Der Aufsatz des Hauptaltars (vgl.
die I*hotolithograjdiie) zerfällt in drei
viereckige Pre(lella- Nischen unten und
drei höhere Nischenfelder oben, deren
mittleres über die seitlichen emiwrsteigt
und ein Crneilixbild trägt. Diese fül-
len Hache Reliefs mit lA'idensscenen des
Herrn, die heute stellenwei.se versetzt
und über der altern Polychromie mit
einer Kalktünche überzogt-n sind. Ci>-
stüm, die Länge <ler Figuren und knit-
terige Gewanchmg verweisen die Arbeit
etwa in das Jahr ir>(iO. Im linken
Felde gewahren wir unten die <iral»-
legung, welche mit der Pieta im reoli-
ten Felde unten den l'latz gew«Thselt
hat. darüber die Schacher, wie sie
zum Calvarieuberge getrieben werden.
und zu oberst in kleiner Darstellnntr Maria und
.btliannes mit den Frauen, im Min.lf.l.b /wi-
KIRCH LICliü UEXKilÄLEK.
I2:i
sehen den beiden Fusspunkten
der verschwundenen Schächer-
kreuze die Kreuzigung des
Herrn, im Vordergrunde davon
Maria, Johainies, die weinen-
den Frauen und die Pharisiler.
im Hintergrunde die Entklei-
dung und zuschauenden Phari-
säer, darüber die Vorbereitung
zum Annagehl, im rechten Sei-
tenfelde oben die Ivreuzab-
nahme, unten vormals die
Pietä, jetzt die Kreuzschlep-
pung. Die Nischen verschhes-
sen sich oben durch ein durch-
brochenes gothisches Blatt-
werk, und die seitUchen tru-
gen vielleicht ehedem raum-
füllende Figuren oder gleich-
falls ein Verschränk von Blatt-
werk und Architekturgerippe.
Die beiden Flügel mit Gemäl-
den sind bei der Auflösung
des Simultaneums an die ka-
thohsche Gemeinde gekommen
und, wie es heisst, verloren.
Dieser gehören auch das Cruci-
lixbild des Hauptfeldes und
mehrere beschädigte Holzbil-
der, welche behufs der photo-
graphischen Aufnahme theils
in die drei untern Altarnischen,
theils vor die Predella gestellt
sind. Die drei Nischen umfass-
ten, wie die Anlage der sehr
verblassten Farbenornamente
des Hintergrundes beweisen,
vormals Figuren in der hier
beobachteten Anordnung, die
mittlere ohne Frage das dar-
gestellte Bild der Mutter Gottes
(virg(j Deipara). welches nach
der Haltung un<l Gewand-
lage frühgothischer Kunst ent-
stammt. Gleich alt erscheint
unten rechts die heil. Agnes,
etwas jünger die heil. Barbara
in der linken Nische, wieder
jünger, doch ganz verschie-
den, etwa um die Mitte des
l.">. .Jahrhunderts ausgeführt,
das Bild der Heiligen mit dem
Buche in der Linken, und das
der Mutter Anna, neben wel-
cher die heil. Maria stehend
dem Jesukindchen eine "Wein-
traube reicht ; noch später,
weil bereits unter naturahsti-
schen Einflüssen entstanden,
die Heihge in der Nische rechts,
entweder Catharina oder Agnes
und wiederum etwas später die
danebenstehende Figur des
Evangelisten .Johannes. — Das
Werk steht jetzt in Münster:
es belehrt uns, wie sehr derlei
Werke damals vom Keligions-
und Ivunstbedürfnisse dictirt
wurden und wie sogar eine
kleine Gemeinde ihrer nicht
entrathen konnte.
Ein Chorstuhl mit spät-
gothischen Lambris in den Fül-
lungen entstammt dem Spät-
mittelalter: — mehrere vom
Ivloster Scheda überkommene
Sitzbänke ziert in den Fron-
ten Barock - Ornament : —
Kanzel und Deckel sind po-
lygen, die Ecken der erstem
mit gewuudenen Säulchen ver-
ziert.
Die katholische Ivirche.
Die katholische Gemeinde bezog 1875, nach-
dem seit 1864 die Gemeinde Wickede im Her-
zogtum Westfalen als eigene Pfarre abgelöst
war, eine eigene südlich vom Orte auf einsamer
Höhe von F. A. Fischer zu Barmen geplante
Ivirche. welche die Länge dreier GewOloefelder
mit Seitengängen, polygouen Chor, viereckigen
Westthurm mit langer Spitze, Dachreiter über
r^
IC*
124
FBdMEBN.
dem Chore, .Spitzbogenfenster und Strebeu an
den Langseiten hat.
An Kunstaltertümern ragt hervor ein Rauch-
fasij aus geschlagenem Kupfer: es hat bis zum
Kninungsknaufe des Deckels 0.1 (Jm Hohe und
in df'H beiden Kreuzarmen der Schale je (».l<):im
Durchmesser. Es entwickelt sich nämhch
über dem kegelförmigen Fusse die Gnindfonu
zu einem Centralbau mit vier abgerundeten
Ecken, dessen Seiten die vortretenden Run-
dungen der Oesen und die Ecken von Giebeln
einen reichern Umriss verleihen. Der Deckel
verjüngt sich mittelst centraler Giebel und
schliesst mit einer flachen Kuppel, deren Knaufe
ein Kreuzchen einsitzt, welches mit der mitt-
leren Kette verbunden ist. Die Verhilltnisse
sind bescheiden aber elegant. r)rnamente ausser
einigen Facetten kaum verwandt. Obgleich spitz-
bogige Elemente fehlen, erscheint das Werk
doch ganz von gothischem Geiste durchdrungen,
und dennoch, weil es eine Metallarbeit ist, schwer-
lich vor dem Jahre 1300 gefertigt. Der GriflF,
welcher die Ketten fasst. ist wie diese von Mes-
sing und ein Werk der spätem Kenaissance.
Klarer und gefälüger entwickelt hat sich dieser
Tvpu< in den gleichartigen Gefässen zu Helle-
feld und Heggen.
Sodann ist zu vermerken ein vom Mittel-
gewrdbe herunterhängendes, von der Strahlen-
glorie umrahmtes Doppelbild der h. Maria.
Auf der einen Seite hält sie stehend auf dem
linken Arme das JesU"<kind, welches mit der
Hechten das Kinn der Mutter iK^rührt. auf der
andern reicht ihr dasselbe eine Weintraube.
Eine .silberne Monstranz zeigt am Fusse
die Inschrift : Ex legato doniini Francibci
Hackcnbran ad plures annos secretarii in
Schede 1694.
Die übrigen Ueraie und Mobeln sind neu.
Die vier (i locken wurden schon 1872 und
1873 von den Herren Petit & Eddbrock in
Gescher geUefert.
Vorher S. (i, 21, "38 f., 31. — Urk. des J. 121« in Wipands Archiv MI, 159; — Urk. des J. l.-m hfi Kindlinjwr. U.-B. m. Xr. 364 ;
- Kainpschultc, S. 2fß. 206; — dem. KirchenjiatnKimen. S. 40. i:«; — Bttdookor - Hoppe U. 105; — v. Steine« U. 765: -
Kischer's Aufiiahmo vom J. 1871 ; — Mittheiluii^en des Herrn Pastors Bitter. — Lcxal-Untersachujur und -Aofnahmen.
« O »
Fromern.
Ivirclie -und ihro Denlcinäler.
Fri'iiiiern um 1:^00 ]'ro)i(hrrn<\ 1313 Vronc-
hcni, später ]'ronr-Jii(re, Vronrharc, war als
Pfarre dem h. Johannes dem Täufer geweiht und
vermutlich eine Stiftung der (Jrafen von Werl.
Ihr l'atronat gehörte den Grafen von Arnsberg.
1313 als Ix'hen dem Godfried von Kodenberg.
später, wie es scheint, dem Kloster Scheda und
in netieror Zeit den Herren von der liecke.
welchen hier auch eine bedeutende Gerichtsbar-
keit zustand. Neben <lem Kirchhofe stand lange
ein IJurghaus, vielleicht derKest einer Dvnasten-
Iturg. Denken wir zurück an die alte Haar-
strasse uiul ihre Aiterti'nner. nelinieii wir hinzu
den exempten Gerichtsliezirk. so gestaltet sich
die Vurzeit l'röiuciiis ebeii^i» altertüiiilicli wie
eigenartig.
Die Pfarre ging schon l"»!.") unter den ersten
auf die Predigten des Pastors Heinrich v. Steinen.
der Pnlmonstratenser im Kloster Scheda und na-
mentlich durch Melanchthou im Keformations-
werke bestärkt war, zum lutherischen Glauben al>er.
Die Kirche hat eine hohe Lige und dabei
wie das gleichnamige Dorf ringsher einen
wechselvollen Kranz bewaldeter oder fruchtbarer
Höhen. 1701 haben die Franzosen das los.
Hauwerk bis auf die Mauern einge^r
schert, die Glocken zerschlagen und mit
den alten Kirchengeräten fortgeschlejipt.
Heute erültrigt aus alter Zeit nur mehr
das Mauerwerk des viereckigen riuir-
nies. Dem oblongen rnterraum ist spätor eine
ku|»|telartige Kinwölbung zwischen rundl>oirii:en
Schildgurten eingesetzt, welche südwestlich auf
eine Mauerecko. sonst auf verschiedenartige Con-
solen setzen. Jene der Xordostocke (Fig. 108)
zeigt eine besonders reiche Proülining. eine
KlßCHE UND KIRCHLICHE DENKMÄLER.
125
andere ist gebildet als ein nach oben gekehrter
Drachenkopf, der im liachen ein kurzes Stück
Säulenschaft mit einem krönenden Würfelhaupte
trägt. Die Kämpfer haben meist die klare Glie-
derung von Wulst, Kehle und Platte. Eine rund-
bogige Nische im Norden unter der Treppe
diente jedenfalls als Baptisterium. Der Scheide-
bogen im Osten ist offenbar später spitzbogig
erneuert; über jenem im Westen fand sich seit-
wärts vermauert eine halbkreisförmige aus sechs
Schichten übergekragter Steine hergestellte Oeff-
nung. Der Mantel des untern Mauerwerks, be-
stehend aus rohen Bruchsteinen, sowie die rund-
bogigen Oeffhungen der Oberetage und die lange
Spitze stammen wol theilweise schon aus der
Restauration nach 1761, die tiefe Untermaue-
rung des Thurmes sowie das spitzbogige Haupt-
portal erst aus der Zeit des jetzigen Kirchen-
baues, der 1877 nach den Plänen des Bauraths
Hartmann ausgeführt ist.
Die 1876 abgebrochene Kirche war einschiffig
13,10m lang, 7,88m breit und etwa im Beginne
des 12. Jahrhunderts ohne Gewölbe aufgeführt,
in den Langwänden jederseits mit drei kleinen
rundbogigen Fenstern, südüch mit zwei, nörd-
hch mit einer, wahrscheinlich der ursprünghchen
Pforte durchbrochen und im Anfange des 13.
Jahrhunderts die alte Balkendecke auf dreifacher,
den Wänden und Ecken vorgelegter, Pilastrirung
mit zwei Gewölbefeldem verdrängt. Die zu dem
Behufe eingesetzten Schildgurten bildeten flache
Spitzbogen und einer gestaltete sich sogar als
stehende ellipsenartige Curve.
Das westlichste Gewölbe hatte die Form einer
auf Kreuzgräteu begonnenen Kuppel und daher
eine Entstehung für sich, das östhche hatte in
Folge gothischer Erneuerung profilirte Haustein-
gurte und machte bei dem grossen Erzeugungs-
radius der Kreuzgurtung einen äusserst nieder-
drückenden Eindruck. Der spitzbogige Quergurt
zeigte, nachdem sich die Widerlager verschoben,
in dem einen Segmente eine solche Senkungs-
curve, dass er den Einsturz drohte, dem man
gleichwol längst dadurch zu begegnen versucht
hatte, dass man die Senkung mittelst einer
0,14m starken Eisenstange an einem scliAvachen
Kehlbalken des Dachgerüstes aufgehängt hatte.
Aijch die dünnen Mauern waren oben stark aus-
einandergewichen, trugen jedoch noch Spuren
eines Hauptgesimses, indess die mit der Ein-
wölbung erfolgte Maueraufhöhung einer Alj-
deckung entbehrte.
In spätgothischer Zeit hatte der alte wahr-
scheinlich gerade Chor einem längern weichen
müssen, der auf längücher Vorlage im halben
Achteck geschlossen und in den Rippen und
Gurtungen unregelmässig eingewölbt war. Die
vier einfach getheilten Fenster zeigten als Schluss
den flachen Spitzbogen, die Profile wie die Kreuz-
gurte des östhchen Schiffsgewölbes eine Platte
mit Kehlen, — im Kaffgesimse war die Platte
über der Kehle geneigt.
Der dreischiffige und längere Neubau greift
mit den polygonen Seitenschiffen zum Theil um
die Thurmmauern, schUesst gegen Osten mit
einem polygonen Chore ohne Vorlage, in den
Seitenschiffen gerade; die Sakristei legt sich
polygen in den Südwinkel des Chores. Bei der
grossen Länge tragen blos zwei Pfeilerpaare
die Kuppelgewölbe und die TonnengeM'ölbe der
Seitenschiffe, deren durchlaufende Emporen die
Anlage zweier Fensterreihen in jeder Langwand
bedingt haben. Im Ganzen ist mit Zuhülfe-
nahme von Eisenconstruction ein langer, hcht-
voller und geräumiger Innenbau gewonnen.
Kanzel, Altar, Taufstein sind von Hartviann
reich entworfen und von Goldkuhle zuWieden-
brück in Stein ausgeführt.
Auf dem Kirchhofe liegt der vormafige Tauf-
stein, — ein einfacher Cylinder mit tiefem
Bassin, ausgezeichnet blos durch eine unprofilirte
Base — also offenbar eine romanische Arbeit
aus der Zeit der frühern Kirche.
Zwei Kelche, einer von Zinn, einer von Blei,
stammen aus der Zeit des siebenjährigen Krieges :
der eine eine ärmhche Arbeit mit langem Stän-
der, der andere in allen Theilen reicher.
Vor den Verwüstungen der Franzosen wurden
als werthvoUere Werke gerühmt eine 1700 von
dem berühmten Meister Johan Georg Alberti
aus Dortmund gefertigte Orgel, die um 1775 von
Leopold Schräge aus Ronsahl reparirt wurde
und wenigstens mit der Lade, worin der Name
Alberti stand, bis heute vorgehalten hat, wo ein
gänzlicher Neubau bewerkstelhgt ist, — ferner ein
kleiner, zierhcher, anscheinend jetzt erst besei-
120
LtLWIÜ.
tigter Altar von den Bildhauern Gebrüder Jacob
und Johan Hatting aus blenden 1700 verfertiget.
— die 1729 erbaute Orgelbühne, — die Kirchen-
bücher und die nach dem Kaube von 1694 gesam-
melten Documente. — die an Stelle eines Holz-
zaunes seit 1682 von dem Mauermeister Chri-
stoph Bergmann aufgeführte Kirchhofsmauer, —
die jetzt im Boden der Kirche verdeckten Grab-
steine der Pastöre aus der Familie des Reforma-
tors von Steinen, die miunterbrocben von 1531
bis 1722 hier gewirkt haben. Um die märkische
und westfälische Landesgeschichte hat sich be-
kanntlich von ihnen hochverdient gemacht Johan
Diedrich von Steinen, seit 1722 zweiter Pre-
diger zuCleve, seit 1724 Prediger zu Iselburg, von
1727 bis zu seinem Tode 1759 zu Frömem, 1749
General-Inspector, 1750 von Friedrich dem Gros-
sen mit dem Titel Consistorialrath ausgezeichnet.
Vorher S. 0, 28 f., 31, 4«. — U.-D. <1. H. \V. U. p. If*; - Urk. «L J. 1313 in WiiranJ« .\nhiv VH, IM: - Kampschuite. S. K>. «C; —
Hil<lockpr-Hi.'ppe H. !t3; — v. Steinen H, 71*2 ff.; — ActeumäsMpe Mittheilung-en des^ Herrn Pa>tor's Buschmann; — LocaJ-Unter-
>uehunL': — Notizen und finindris'iki/ae des Herrn liauraths A. Hartmann von li>7<j 2«i3 im dortiwu Pfarrarchive : — über
V. Steinen noch Weildiirens 'Westphill. Xational-Kalender, l»5<il. S. 21!t— 225.
» ■<>■ *
Del
Aviir.
Ivii'ohe imtl ainlei-e Oeiilcinälei*.
Im idyllischen Thale der Lippe begann unsere
L'mschau. am romantischen Ufer der Kulir
schliesst sie ab mit wenigen aber denkwürdigen
Statten.
Delwig als Thalort neben einer alten Kulir-
Fuhrt p^eleiren und schon j,
](>;;(i Ddlaniük, [hiliddl:,
1179 Deleickh genannt, war
als Gemeinde dem heil. Lau-
rentius geweiht, eine Filiale
uiid< 'iillationspfarre von Men-
den, seit der Heformation,
lind zwar bald nach 1571
dein hitherischeii llekeimt-
nisse zugethan, bis sie vor
einigen Decennien der evan-
gelischen Union beitrat.
Die kleine Kirche (Fig.
lii'.i) hat einen viereckitren,im
Verliilltniss zur Kirche über-
grossen Westthurm, ein Schitt"
V(in zwei (»bldiigeii Krenzge-
wiijlx'n und nstlicli unniittel-
li;ir daran t,M'leL''l einen drej-
seitiLrenCliorschluss. Der aus
dem Sechseck construirte Chor scjireibt sich aus
spätgothischer Zeit nilmlieli naili einer 17:i7
überweissten Inschrift aus dem .lahre 151(». aus
derselben Zeit vielleicht das östliche Gew(dl)e-
feld mit der <»l)longen gewölbelosen Sakristei im
Xurden. die aus Zieireln errichtete KreuzwOl-
bung. die Abkantung ihrer mit einer Schmiege
bedeckten "Wandpilaster, die uniileich stark»'n
Streben des Langhauses und dessen lieitie zwei-
theiligen Fenster mit Vier|)as-
schluss : aus romanischer Zeit
der grössere Theil der I^ing-
mauern und derThunn. Die-
ser hat (»blonge (irundlage,
einen nmdbogigen Eingang,
unten ein Gewr»ll)e mit (i ra-
ten, im oI)ern Mauerwerk
Schallötlnuniren mit Mittel-
siUilchen. die leider meistens
bis auf die Käm|)fer ver-
schwunden sind, und eine
1727 aufgesetzte Spitze. Im
Hasemente liegt an der Süd-
C)stecke ein Mauerausschnitt
in Form einer hallarten Hund-
b(t<jenthür — eine sttmlerbare.
scliwerlich durch einen prak-
tischen Zweck gelKitone Er-
scheinuni:. Das Nonljxtrtal
der Kirche ist von einem mit Würfelcapitäl be-
krönten Kundsäulchen llankirt. jedes Capital an
den Wangen mit vertieften Halbkreisen Ixdebt.
das halbkreisfV^rmige Tympanum von einer Ecke
KIRCH IJCHE DENKMÄLER.
127
und Archivolte umrahmt, jedoch seiner Skulptu-
ren beraubt — ein ähnhches im Süden zeigt
Spuren starker Verwitterung. Seit dem J. 1871
sind gothische Kreuzflügel mit Emporen und
niedrigen Dächern angebaut, eine Vorhalle und
im Norden das Leichenhaus abgebrochen, theil-
weise die Eingänge verändert, die Orgel und die
neugebauten Bühnen versetzt oder beseitigt, die
drei Chorfenster von Victor v. d. Forst in Mün-
ster mit meistens decorativen Glasmalereien ver-
schönert.
Die alte Taufe von gewöhnlichem Stein hat
die Form einer breiten runden Schale mit sehr
dickem Kande.
Drei kleine viereckige Holz tafeln von Del-
Avig — zwei 0,39m : 0,42m und eine 0.45m :
0,42»i gross — zuletzt im Besitze des Herrn Bau-
raths Hartmann zu Münster, enthalten in ni-
schenartiger Vertiefung, deren oberen Rand spät-
gothisches Arabesken -Gerank überzieht, hand-
werksmässige, vormals polychrome Reliefs, näm-
lich die Verurtheilung, die Rostmarter und die
Einsargung des heil. Laurentius. Die Figuren
sind schlank, die Gewänder nicht manierirt, die
Köpfe handwerksmässig ; dennoch bestimmen
uns die Costttme, diese Arbeiten in die Zeit
von 1500 zu versetzen.
An der südlichen Langwand befindet sich
ein einfacher spätgothischer Wandschrank im
bereits rundbogigen Tj'mpanum mit dem Dop-
pelwappen Cleve-Mark besetzt und seiner BekrC)-
nuug beraubt.
Von den drei Glocken trägt eine ältere
ausser einer frommen Sentenz die Jahreszahl
1662; die zweite ist inschrifthch 1855 von
W. Rinker in Westhofen, die dritte und kleinste
1854 auf der Gusstahlfabrik von Meyer & Kühne
bei Bochum gegossen.
Das frühere Kirchensiegel zeigt das Bild
des h. Laurentius, des Kirchenpatrons, das ge-
genwärtige gibt die Ansicht einer Kirche mit
spitz behelmtem Thurnie, darüber das um-
strahlte Anthtz Gottes und darunter die Schrift:
Soli Deo gloria.
Den einfachen x\ltar zierte früher ein Ge-
mälde, die Kreuzaufrichtung vom J. 1785, jetzt
blos das Crucifix.
Die neue hölzerne Kanzel ist polygon und
schlicht verziert; eine ältere mit barocken Zier-
raten ist wegen Gebrechlichkeit ausser Gebrauch
gekommen.
In dem Fussboden vor dem Altare lagern
noch vier (jrabsteine, einer mit der Inschrift:
Anno 1695 ist die hochwohlgeborene Frau
Sophia Aniah'a von Düngelen, gebohren
vom Haus Dahlhauscn, Frau zu Alten-
c'.orf und Wanthofen des Herrn, Herrn
lobst Adam von Grüter gewesene Ehe-
frau, im Ehestand gelebt 40 lahr. alt 64 I.
gestorben 1759. 10. Märtz.
Die drei andern haben die Jahreszahlen 1693.
1696 6/7, 1756 25/8 und scheinen das Grab
dreier Kinder der Grüter'schen Familie zu
decken ; denn sie enthalten neben Engelköpfchen
das Grüter'sche Famiüen -Wappen und einer die
Figuren dreier Kinder.
Ein Leichenstein vor derThür eines Pfarr-
hauses erinnert mit Inschrift und Doppelwappen
an den 1774 4/3 gestorbenen Pfarrer Johan
Theodor Balhorn und Clara Margaretha ßrisken,
Pastorin Balhorn, gestorben 1730 4/3 im 34.
Lebensjahre.
Auf dem Kirchhofe steht ein prismatisches
Steindenkmal mit einer Vasenbekröniuig. er-
richtet, wie es heisst, einer Freifrau von Grüter.
Von den Inschriften an den Seiten treten nur
mehr deuthch die Jahreszahlen 1754 und 1803
hervor.
Im Süden der Kirche hegt in ungefährer
Richtung von Westen nach Osten der tiefe
,Eheweg' und über demselben als Verbindung
des Kirchhofes und Todtenackers eine breite
rimdbogige Steinbrüche. Die nördhche Seiten-
wand des Weges, welcher als Hohlweg zur Ruhr
verläuft, bildet der steile Abhang des Kirch-
hofes, dessen Riugma;iern hier auf einer star-
ken Dossirung ruhen.
Im Kirchspiele erhebt sich auf der Haar
im Gabelpunkte alter Wege, die wir früher
nachwiesen, die Anhöhe der Cluse; sie gilt für
ein Hünenwerk und hat einst ohne Frage einen
Clausuer beherbergt.
Zu B ihn er ich wird der Dickmanns-Hof, der
bis in unser Jahrhundert seinen Ringgraben
128
AEDEI.
I hatte, für den Sitz des gleichnamigen Ritter-
ge schlecht es ausgegehen und erinnern an die
ehemahge Kapelle noch die Flurnamen .Ka-
pelle" und .Kirchenkamp',
Vorher S. 7 f., 28. 20. — X. U.-B. I, Xr. 170: — C. d. "VT. Xr. 127; — Ret-. H. W. Xr. 206&; — Kampsthulte. S. IW. 3C6: -
V. Steinen U. 778 ; — Bädecker-Heppe U. 81 ; — SlitthcUunt'en des Herrn Paston- Lic. Weber ; — Aufnahmen des Herrn Bau-
raths Hartmann. — Local - Untersuchung.
-A^rdei.
Barg und andere Denltinäler.
Der Name Ardcl, Ardeia, Ardida, Hardck.
Ardcna, oder wie er sonst lautete, ist sprach-
lich gleichbedeutend mit Haar, und bezeichnet
zwei Bergvorsprtinge zu Seiten des Ostholter
Baches, Wir kennen ihre Situation, ihre Gerichts-
stätte und ihre hervorragende Stelle unter den
heidnischen Altertümern des Kreises und haben
noch die grosse Burg im Anschlüsse an die Ge-
schichte der Edelherren von Ardei zu behan-
deln, Obvvol diese einem Geschlechte angehör-
ten, das durch Familienverbindungen, Besitzun-
gen und Friedensworke im nordwestlichen
Deutschland .Jahrhunderte lang glänzte, verdun-
kelte sich ihre Burgstätte unter dem Schatten des
Hochwaldes wie ihr Andenken unter den Zeit-
läuften so sehr, dass bis vor dreissig Jahren
V(tn ihrem Herkommen kaum Einer, von ihren
Trümmern nur wenige Nachbarn mehr Kunde
hatten. Kreisgerichts -Rath Seibertz, der uner-
inüdliche Forscher der sauerländischen Vorzeit,
welcher auch die Geschichte Ardei's zuerst auf-
hellte, erzählt, ,der Wirth im Brückenhause zu
Dahlhaiisen, bei dem er 1842 27/6 ?>kundi-
gungen nach der Lage des alten Schlosses
einzog, wusste anfangs gar Nichts davon, bis
er sich zuletzt besann, dass ihm ein betag-
ter Schneider in Lantrsehede fnllier davon er-
zählt, der dann auch zum Führer herbeigeschallt
wnnie. Dieser (\\ illulin Schrüer) aus der Bauer-
schaft West ardei gebürtig, hatte als Kind oft
auf den alten Trümmern gespielt und von seinem
Grossvater gehört, dass Graf Embert (Eberhard)
auf dem Schlosse gewohnt habe. Als derselbe
in Kriegsnoth die Burg habe verlassen müsset),
habe er seine beste Habe, viel Sill)er und (Jold. in
einen tiefen bis auf den Kuhrspiegel reichenden
Hninnen geworfen, der von den Trümmern der
gebrochenen Mauern so verschüttet worden, dass
er bis jetzt nicht wieder habe aufgefunden werden
können. Manches Kleinod sei auch wol neben
dem Brunnen im Schutt hegen gebheben, wie
dann noch vor einigen .Jahren eine alte Frau,
welche Waldbeeren gesammelt, noch so glück-
lich gewesen, einen schweren goldenen Ring zu
linden, der von einem Waldbeerenstrauche beim
Vordringen in die Höhe geschoben, noch an
diesem Strauche gehangen habe. Die Frau sei
nun todt. und wo sie den Ring gelassen, un-
l)ekannt .... Er wusste auch noch, dass nord-
östhch in ziemlicher Entfernung vom Schlosse
dessen Viehhof gestan<len habe, von welchem
auch das Vieh sofort in den Schelk getrieben
sei. In frühern Zeiten sei das Schloss noch
von manchem Heisendt'U. dem er den Weg da-
hin gewiesen, besucht worden; aber heutzutage
bekümmere sich kein Mensch mehr darum.
Nur wenige wüssten noch, wo es gestanden.'
Die Burg war auf der fast dreieckigen Berg-
spitze gelegen, im Westen und Süden durch
die jähen Abhänge zum Osthölt<?r laiche und
zum Ruhrufer, nach der flachem Landseite hin.
also nach Nordost«'n, wo der Zugang war, durch
zwei starke concentrische Gräben so gedeckt,
dass der äusserste von i^5(l Schritten I^lnge
die Vorburg, der innere den hohen I'unkt der
Bergspitze als Haupt bürg umgab. Hier Iwtritt
man auch noch die Trümmer und Grundge-
mäuer des oblongen Herrenhauses, das in der
Richtung von Westen nach Osten fast auf dem
Felsrande hoch Ober das weite Thal im Soden
emporstieg, selbst Ober die Ebene im Nonien
hinweg. Die Vorburg und den Aussengral>en
hat man in den letzten .Jahrzehnten zu einer
.Vckerfläche umgi'schaffen und nur den Innen-
VKliSClI I i:i)i:.\£ DENK-MÄLElt.
120
graben mit seinem Holzbestande erhalten. Der-
selbe hat beiläutig (),;}0;>i Tiefe und 130 Schritte
in der Länge, auch das Ufer entlang noch
Steintrümmer, die anscheinend von einer alten
Mauer herrühren. Ein schwacher etwa 80
Schritte langer Graben schloss sich ihm gegen
den Abhang zum Kuhrthale als südliche Wehr
der Hauptburg an. Eine Burganlage, halb
von der Natur, halb von Menschenhänden ge-
schaffen, Avie diese, reicht jedenfalls als Gau-
burg, wTr weiss, wie tief in die heidnische Zeit
zurück. Als Ritterburg datirt das Werk, wie
man mit Recht annimmt, vielleicht aus dem
12. Jahrhundert, weil man um diese Zeit hier
wie anderwärts die alten Wohnsitze mit natur-
festen Plätzen zu vertauschen pflegte, und jeden-
falls erst aus der Zeit kurz vor dem Jahre 1176,
als eine zweite Generation die Herrschaft Ardei au-
trat und mit dieser Anlage wol gleich besiegelte.
Beim Schulten Ardei wird ein auf dem
Bergrücken gefundener Heukelkrug aus weiss-
lichem Steingut aufbewahrt, der indess höch-
stens für ein spätmittelalterliches Fabrikat gel-
ten darf; denn er hat bei 0,14/j<^ Höhe einen
gefranzten Fuss, gerippten Unterbauch und
geraden, gerieften Hals.
Vom Langenhofe wurde von zwei gleichen
Eisenplatten eine Kaminplatte von 1,07»^ Höhe
und 0,9 7/M Breite an den Westfähschen Alter-
thums -Verein zu Münster abgelassen, die an
einer Seite zM'ei Flachbilder zieren. Das eine
stellt im Vordergrunde der Stadt Bethylua das
Lager des Holofernes dar mit Kriegern, Zelt-
dächern, Kanonen und Körben — kurzum Alles
im militairischen Costüm zur Zeit des Gusses,
das untere geharnischte löieger mit Wappen
und dem Datum 1562. Diese Darstellung war
beliebt in Stein- und Stuckbildern der Speisezim-
mer und vornehmlich auf den eisernen Herd-
und Ofenplatten, die dermalen vorzugsweise in
der Gegend von Bredelar gegossen wurden.
Die Stammburg des frühern Geschlechts war
an der Südostgrenze der Herrschaft gelegen und
wol schon fi'üh zu frommen Zwecken verlassen.
AVir werden darüber, wenn wir die Denkmäler
Scheda's betrachten, ausführlicher handeln, dort
auch eine ganz ähnliche Burg antreffen.
Die Herren von Ardei besassen fast durch-
gängig als Lehen des Kölner Erzstiftes weitver-
zweigte Besitzungen auf beiden Seiten der Kuhr
bis nach Arnsberg hin, und in deren Mitte
hauptsächlich die Kirchspiele Delwig, Frönden-
berg, Bausenhagen und Frömern als arrondirte
Herrschaft, welche sich südlich mit der Ruhr,
östlich mit dem Amte Werl, nördlich mit dem
um Mark gravitirenden Eigentum der Edelherren
von Rudenberg, westlich mit jenem der nach-
maligen Grafen von der Mark in den Aemtern
Schwerte und Unna berührte. Ein Dominium
war keine Grafschaft; übte schon der Graf von
Arnsberg darin die Gerichtsbarkeit, Köln eine
beträchtliche Lehenshoheit, so griff auf die Dauer
die Macht der Grafen von der Mark um so
weiter auf das ganze Territorium über, als die
Geschlechter Arnsberg und Ardei an Gliedern
wie an Besitzungen abnahmen. 1318 erkhngt in
den Urkunden zum letzten Male der Name eines
,Edelherren' von Ardei, der Wilhelm's, und mit
ihm verschwindet jede Spur der Ardeier aus der
Geschichte. Die Herrschaft ging schhesshch
an die Grafschaft Mark, oder soweit sie Arns-
berg zugefallen, an das Erzstift Köln über.
Ardei's Vorzeit ist eine romantische und lehr-
reiche, sie fesselt noch mehr, wenn man sie der
GegeuAvart gegenüberstellt: einst war Ardei ein
Platz der Waffen und Krieger, eine Stätte eiser-
ner Nothwehr, — jetzt ist es ein Mittelpunkt
reicher Gefilde, grüner Auen und dunkler Wal-
dungen, ein Mittelpunkt menschlicher Wohlfahrt
und Zufriedenheit; vormals umgaben es rohe
Burgenbauten und die dürftigen Hütten der Um-
wohner; dafür sind heute grossartige Anstalten
der Gew^erbthätigkeit, stolze Bauernhöfe, fried-
liche Dörfer, regsame Städte mit Tempeln und
Häusern erstanden, die würdig der Gottesver-
ehrung und dem Familienglücke dienen; sonst
zogen am Fusse des Berges schweren, festen
Schrittes Römerlegionen vom Süden nach dem
Norden, unsere Voreltern zu knechten, jetzt
schnellen da. Dank unserer wieder gewonnenen
Kraft und Einheit, täglich die Eisenbahnzüge
von Westen nach Osten und umgekehrt, um
die Bruderstämme, ja die fernsten Völker zu
jedem guten Friedenswerke einander zu nähern.
Geduldig trägt die Ruhr die Eisen- und Stein-
joche der Brücken, über welchen der Weltver-
VH)
FRüXDEXBERß.
^
^
kehr pulsirt. Sonst rauscht der alte Bergstrom Walduagen und anmutigen Thäler flössen mit
unbehelligt dahin, wie ehedem, seine Berge erfrischendem Hauche Erquickung und Muth
ragen kühn noch empor, und ihre mächtigen ein zu neuem Schaffen und Handehi.
Vorher S. 8, 22. 2S. — v. Stt-iiion I. 741. 7(»7; — J. S. Seibertz. Dynasten und Herren. S. 292—330, der ßkchlich die Burp dem
Schlosw? Rüdenberp Uhnlich findet, vgl. Xordhoff. Holz- u. Steinbau, S. 254; — MitthcUungien des Herrn Pastors Zur Kieden.
— I><xa]-l.'nt»'rsuchuni; und -Skizze.
Fröndenberg.
Fniivlt'nberg — um 1230 Wnoidchrrfi. 1244
rrf'iidfuberfßc, 1258 ]'ron(h/brri(fc , 1270
Vrendehenj — war die Heimat eines Fehmge-
richts und als GottO!<haus. wie die damals von
Magdeburg ausgebreitete Verehrung des hiesigen
Patrons, des h. Mauritius, andeutet, um das .Jahr
1000 vielleicht gleich als Pfarrkirche der Decanie
Attendorn, sodann 12:^0 als Frauenkloster Ci-
stercienser- Ordens unter mildthütiger PeihUlfe
der benachbarten Edelherren von Ardei vom
Grafen Otto von Altena fundirt. und zwar vorab
zum Pesten der weililidien Kaniilieiiglieder des
Stifters und der Edelleute: dalier standen ihm
auch stets Damen aus Pittergeschlechtern und
wiederholt Grillinnen von der Mark als Aebti.«^-
sinnen vor — zuerst des Stifters Schwester Ri-
chardis; daher fanden mehrere (irafen von Altena
und Mark und deren Anvenvandten hier in der
Kirche ihre Kuliestätte, so der Stifter Graf Otto,
(Jraf Engelbert II. mit seiner Gemahlin: daher
erscheint anfangs noch der heil. Mauritius, der
Pitterpatron. als der Titellieilige des Klosters,
später, 1258, und vielleicht bedingt von der Ver-
elirung, die hier zeitweist' ihr miraculoses Pild-
niss geiioss, die h. Maria. Die ersten Organi-
satoren des Klosters, vielleicht auch <lie ina-
teriellt-n WMhlthiU<'r waren zwei PriUier Per-
thold und Meiirich: sie wurden nachgerade als
die Stifter angesehen. Nach einer alten Sage
erblickte Perthold. erst Prilnuui^tratenser in
Sclieda, 1214 auf <leni Herge Hasslei nahe einem
liindenbair.n einen himmlischen Schein, der ihn
mahnte, dort ein Kloster zu bauen: zögernd
gab der Propst von Scheda die Einwilligung.
Hertliold erbat nun von seiner Schwester. <li«'
Nonne in .Milen war. ein Marienbild, welches
aus (leni Holze des Christi-Kreuzes geschnitten
und von ihrem Vater aus dem gelobten Lande
heimgebracht war. Wo Perthold das Pild vor-
zeigte, erhielt er viel Korn: und als er einmal
über einen schmalen Steg der Ruhr geht, das Pild
dabei in den Fluss filUt und mit dem Strome
forttreibt, ruft er die h. .lungfrau um Hülfe an:
darauf treibt das Bild dem Strome entgegen
ihm wied(»r zu. Da stellte Perthold es bei Men-
den auf und empling viele Gaben : sodann baute
er auf dem Perge Hasslei eine Hütte für das-
si'lbe. und ob auch die andern Geistlichen von
Scheda ihn deshalb verlachten, die Hütte ver-
wüsteten, jedesmal richtete Perthold sie wieder
auf: d(»ch am "Weiterbau hinderte ihn der To<l.
Da setzt Menrich. der Canonicus in Lübeck war.
das Werk fort, ermuntert durch die Worte, die
er aus dem Munde des Pildes vernahm, als er
in die Hütte trat. Nachdem er nämlich an
mehreren Orten gesammelt hatte, kann er eine
KajTelle errichten. Die Mönche von Scheda
suchen nun das Werk zu hintertreiben, der
Kölner Erzbischof, Heinrich von Molenark. be-
günstigt es und bewilligt, nachdem auf Men-
rich's Gebet eine helle Wolke um den Kern eines
goldenen Kreuzes einen l'latz bezeichnet hatte,
diesen für den Pau eines Klosters. Dies wird
begonnen und ausgefülirt. darauf am 21. Oc-
tober vom Erzbischof eine Äbtissin mit zwölf
Nonnen aus dem .Ittlicher Kloster (AldenV) Hoven
nach Frnndenbenj gesandt. Scheda geht wegen
(Jrenzstreitigkeiten einen Vergleich ein. Das
Marienbild that hernach noch viele Wunder,
dann verschwand es: wohin, ob nach Werl,
weiss man niclit genauer anzugeben. IVr Tra-
dition kommen die rrkunden insofern zu Hülfe,
als Magister Menrich 1245 als I*ropst (provisor
monialium) in Frnndenhen? und überhaupt als
IM,AN DES STIFTS.
1:51
Hebel klösterlichen Lebens so bedeutsam in
Westfalen auftritt, dass fromme Kitter ihn auch
mit anderweitigen Klostergründungen betrauen.
Das Kloster beobachtete, ob auch von vorneh-
men Damen bewohnt, die Clausur und Ordens-
regeln unter Aufsicht des Hauptklosters Clair-
vaux und nahm erst im 10. .Jahrhundert den
Charakter eines freiweltlichen Stiftes an. Das
führte zur Auflösung des alten Gemeinvermö-
gens und zur Anlage gesonderter Damenwoh-
nungen. Mit dem Ausgange des 16. Jahrhun-
derts ging ein Theil der Nonnen zur Reforma-
tion über, so dass den katholischen nur der
vierte Theil der Präbenden blieb ; und als neben
dem lutherischen Prediger seit 1666 auch ein
reformirter wirkte, bot die K^irche wie vordem
zwei, fortab drei Confessionen je mit ihren all-
mälig angesammelten Ausseugemeinden, und
seit 1837, wo die beiden protestantischen Ge-
meinden sich einten, noch zwei Bekenntnissen
eine gemeinsame, durchgehends friedliche Stätte
des Gottesdienstes. Die Aufliebung- des Stiftes
erfolgte während der Fremdherrschaft 1811.
kurz darauf die Veräusserung der Stiftsgebäude.
Trotzdem der veränderte Charakter, dann
die Aufliel)ung des Klosters und besonders die
Gleichgültigkeit und Missachtuiig, welcher Kunst
und Altertum in neuester Zeit begegneten, von
dem äussern Bestände des Stiftes fast Alles bis
auf ein paar Häuser, auf die Pfarrwohnungen
und Kiiche vertilgt, und diese ihre kostbar-
sten Schätze, zumal die Metallwerke, verloren
hat, hoffe ich doch, an der Hand älterer Karten,
mündlicher Traditionen und vorhandener Keste.
zumal der Mauerreste, die der Boden als Ge-
schichtsquellen bewahrt hat, von dem Gesammt-
plaue des KJosters älteren und jüngeren Be-
standes eine anschauüche Darstellung zu ent-
werfen, und, da uns in der Kirche noch eine
Anzahl seltener oder kostbarer Werke envartet.
so gebührt Fröndenberg mit seinen archäologi-
schen und künstlerischen Monumenten ohne
Frage von allen Punkten unseres Ivreises die
Palme.
Gesaxxiint - Anlage.
Der Klosterbezirk (Fig. 110) umfasste einen
länglichen von der Berghöhe im Norden bis
tief und weit gen Süden in's Ruhrthal ausge-
breiteten Raum von unregelmässiger meistens
durch die Oertlichkeit gebotener Mauergrenze, wie
dieselbe noch in offenen oder verdeckten Resten
erhalten oder nach deren Richtung und gewis-
sen Ortsbenennungen zu bestimmen ist. Im
Norden folgte ihre Linie dem Rande des von
Westen nach Osten vorspringenden Bergzuges,
im Nordwesten einem leichten Einschnitte, im
Osten der höchsten Stufe desselben, dann den
Windungen des auUegenden Weges, im Süden
biegt sie sich vor dem Wiesengelände, um im
Westen in geraderer Lmie, weil örtlich nicht
behindert, emporzusteigen bis zu dem Reste im
Nordwesten. Die nördlich ausserhalb dieser
Umfassung mit Senkungen wechselnden Pla-
teaus sind wol von jeher zu Ackerland und Baum-
pflanzungen, seit der Einführung der verschie-
denen Bekenntnisse auch als Bauplätze für Schu-
len (t — v) und PfaiThäuser benutzt. Sie conver-
giren alle mit den Spitzen nach Süden, nach der
Kirche und, während eine Stelle derselben noch
den Namen ,Clusenstätte- trägt, die vielleicht
Menrich zuerst mit seinem Marienbilde bezogen
hat, führt der geräumigste Platz noch jetzt den
Namen ,auf der Freiheit', worin die Aebtissin
Heergewedde und Gerade hob. und dieser hat auch
(im Norden) m'oI die ersten dorfmässigeu Ansie-
delungen angelockt. Von der Freiheit gen Süden
sinkt das Ten-ain Schritt für Schritt bis zu der
breiten Bergstufe, auf welcher che Ivirche (a) und
das lüoster (b) lagen. Dieses war als Quadrmn
um einen viereckigen Binnenhof. den ,Jungfern-
kirchhof', entworfen und südlich an die West-
hälfte des Langhauses angelehnt, westlich durch
einen fTeien, vielleicht dui' h einen Garten-Raum
mit der Grenzmauer verbunden. Der trapez-
f()rmige Bezirk machte mit dem Nonnenchor in
der Westhälfte der Kirche die Clausur aus : diese
begriff vielleicht noch den in der Nordwestecke
ansteigenden ,Baumhof *, da dessen Thörchen (I^ )
und Fussteg um so mehr für späten Anlagen
gelten können, als die natürlichen Zugäuge zur
Kirche im Norden und Südosten lagen, die
r"
132
fßöXKEXBERG.
HO.
^ll*iffirun
PLAN DES STIFTS.
133
Kirche am Westcndc keine Thür und erst
neuesthin durch Beschneiden des Bergvorsprun-
ges eine schmale Seitenpassage im Nordwesten
erhalten hat. Südlich und östlich hat die Stufe
des Kirchhofes eine steinerne, mauerartig erho-
bene Böschung und jederseits ein noch tiefer gele-
genes Niveau, bevor sie in's Thal oder, wie gen
Osten, in eine Wegesschlucht abfällt. Ueber die-
sen beiden Stufen steigt von Südosten her der
Hauptweg (II) zum Kirchhofe hinan, beiderseits
eingefasst von Gebäuden, deren Bestimmung
sehr bezeichnend ist. Denn das nächste Ge-
bäude rechts war das Armenhaus (i), das andere
auf der Südstufe hnks jedenfalls die Propste! (e);
auf der Oststufe standen wol immerdar die Häu-
ser des Amtmannes (k), die Küsterei (w) und
die Zehntscheune (o). Als dann im 16. Jahr-
hundert mit dem Aufgeben der Clausur verschie-
dene Wohnungen für die Stiftsdamen und mit
der Reformation wieder andere für die Kirchen-
diener benöthigten, da wurden die Bauplätze
gesucht, wo sich nur eine ebene Stelle bot, doch
fast sämmthch auf der Höhe. Daher betreffen
wir die Häuser der Stiftsdamen (e) in der näch-
sten Kirchennähe, die Abtei (d) — jetzt Pfarr-
wohnung — auf der ersten Stufe im Osten ober-
halb des Amtshauses, alle übrigen aber in wei-
terer Peripherie, zwei Pfarrhäuser im Norden
(f — g) sogar zum Theil auf der alten Eingmauer.
Da bildeten sich auch Wege und neue Thore. wie
jedenfalls die beiden im Westen am Baumhofe
und eins von den beiden (III — IV) im Osten, so
dass als die älteren sicher nur das AVolfsthor (1)
im Norden, das Spaenthor (II) im Südosten der
Kirche und vielleicht auch eins der beiden im
Rücken des Amtshauses gelten dürften. Au der
lyi
FRÖXLEXBERG.
.Südostecke des lürchhofes lag gleichfalls einThor-
weg lind zwar jener, der auf Stufen hinabführte
in .das Stift', das sich unterhalb des Klosters
im Thale mit einem Thore ausbreitet. Wie die
Hczoichnunj^en der vornehmsten Gel)iluliehkei-
ten: Schlüterei (m), Konihaus (([), Brauhaus (jj),
Wollhaus (r), Försterei (n) erschliessen lassen.
diente dieser niedrige Platz vor wie nach der Auf-
hebung der Clausur ökonomischen Bedürfnissen,
auch den Stallungen. VomithsriUimen und d<'ii
Wohnungen der Beamten und des Gesindes, was
im Süden bis zum Mauergürtel noch übrig war.
als Gartenland. Im vorigen .Jahrhunderte zählte
ni;in von grossem Bauten ausser der Abtei elf
Häuser für Stiftsdamen, drei für die Geist-
lichen, die Wohnungen des Amtmannes,
des Küsters, die Capitelskammer, das Re-
fectorium. das Armenhaus und vier Vor-
rathshäuser. Ueberschauen wir die Anlage noch
einmal, so erscheint sie. wo das Kloster und
die Kirche die Höhe, die Profaiibautcn das
Thal einnahmen, ebenso zweckmässig als land-
schaftlich schön eingetheilt. wie dann noch heute
die Kirche mit ihrem Klosterreste freundlich und
kühn auf das Dorf (Fig. 111). das Huhrthal
und die Eisenbahnen bis in die Schluchten und
Gebirge des Süderlandes hinabschaut.
Vom Kloster t reifen wir. wie gesagt, nur
mehr Beste und zwar den alten Kreuzgang des
OstHügels (c), der nach Westen meistens noch
durch spitzbogig verstabtc Hundbögen geöffnet,
sonst später von einem Üanicnhaubc überbaut
ist, ferner die zu einem unregelmässigen Viereck
aneinanderschliessenden Mauern, welche den
..lungfernkirchhof' einfassten, die Rücklage des
Kreuzganges und damit den Unterbau von
Klosterräumen bildeten. Im Süden dienten sie
zugleich als Dossining des Abhanges, im Süd-
westen sind sie jedenfalls später zerstört, um
einen bequemem Weg zu dem dort an der
Ringmauer aufgeführten Damenhause herzustel-
len. Von den meistens radienförmig um Kloster
und Kirche vertheilten Damenwohnungen (e)
ist jene der Clara von Böselager 1783 über dem
Kreuzgaugsreste erbaut, — nordöstlich von der
Kirche, also freier, alle Hauptzugänge beherr-
schend steht die Abtei (d), die nach der Aufhe-
bung zeitweise von den drei, jetzt von den zwei
(JeistUchen bewohnt ist. Sie besteht aus einem
steinernen Unterbau mit einer Fachwerketage:
an der westlichen I^Kingseite und der südlichen
Giebelwand benennt je ein viereckiger Stein zu
Seiten des Wappens in deutschen oder lateini-
schen Worten .Talir und Urheberin des Baues und
zwar der eine mit folgendem Ausdmcke: Anno
1661 Ida de Plettenberg ex Lenhausen et
Hergstrate abliatissa in Freundenherg nie suis
^unll)tibu^ fieri fecit. Dahinter erhob sich das
später dem lutherischen Prediger eingeräumte
Haus des Stiftsanitniannes (k), südUch davon
und gleichfalls niedriger das alte, laut einer
lateinischen Inschrift am Querriegel des West-
giebels, 1607 im Juli von der Aebtissin Judoca
von der Reck aufgeführte Abteiijehäude (h).
später Wohnhaus des reformirten Predigers.
Darin erbhckte als Sohn des Pfarrers 1802 20 K»
Fiinst Wilhelm Hengstenberg das Tageshcht.
der durch seine orientalischen Studien und
nicht minder durch seine orthodoxen Bestre-
bungen noch wolbekanute Profi'ssor der Theo-
logie zu Berlin. Den Hintergrund nahmen die
.Vmtsscheune (1) und ein Stall (s) ein.
Ivirflu" uikI ihi'€» Oonkiiiälei',
.letzt gelte es der Kirclu- uml ihren Erb-
tlirilen an Kunst und Altertum. Sie bildet wie
bei andern Frauenklnstern einen einfachen Kreuz-
bau, jedoch von nicht regelniässigi'n Theilen (Fig.
1 l'J. \\'-\): nicht nur dass die untere Hälfte des
Langhauses breiter und mit Strel)en versehen
ist, — das Kreuz hat einen etwas schrflg, im
Norden gen Osten, im Süden gen Westen ge-
legten (Querbalken, seine drei sowie die bei-
den westlich v(ini Langhause, östlich vom Chore
anstossenden (Jewölbe sind bereites über das
Quadrat in"s Oblonge erweitert, das dt's Chores
bei grössemi Flächeninhalte in der Hichtung
der Längenachse, die übriLren in d<'r (^uenchse
des Schiffes. Mögen nun örtliche oder svuiIhk
lische Gründe oder auch technische Unbehnlflioh-
keit die abweichende Neigung des Kreuzbaues bo-
diniit haben, die Baumverhältnis-xc der Gewölbe
KIUCUENÜAU.
135
zeugen von dem freiem Geiste gotliischer Con-
stmction, die entsprechend dem Baudatum
von 1230 im geradegeschlossenen Chore und
im Kreuzbaue erst anklingt, im Westbau mehr
und mehr zur Herrschaft gelangt. Dort legen
sich noch rundstabfOrmige Kreuzrippen unter
die Gewölbe, halbrunde Wulste unter die Gur-
ten, Halbsäulen vor :
die Pilaster; diese ha-
ben kurze Capitäle
mit gut ausgeführtem
Thier- und Pflanzen-
ornament und, wie die
Ecken , abgerundete
Basen ; aber die Rip-
pen entspringen hö-
her als die Kämpfer
hegen, und schUes-
m
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■ISiMJ.
tiiifit::
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den Seiten je ein durchbrochenes, rund umrahm-
tes Dreiblatt, daiui halb auf den Giebel halb
auf die Wand vertheilt ein blindes Radfenster.
gebildet aus concentrischen Kreisen von Drei-
l)lättern, Dreiblattarkaden, Drei- und Vierpässen
mit eckiger, nicht mehr runder Profilirung. —
Weitere Stilfortschritte und planmässige Aende-
!. rungen stellt schon das
erste Quadrat des Lang-
hauses dar. Zeigen noch
die Basen das attische,
die Kämpfer ein romani-
sches Profil, so sind die
Gurten ausgekantet, die
Mauern höher, die Fenster
zugleich schlanker und
spitzbogig; sie sind zu
dreien gruppirt, die beiden
seitlichen noch niedriger.
Höheren Schwung und hö-
here Lage hat auch die
Kreuzwölbung mit noch
runden, aber von Ringen
sen wie die Gurten bereits in sanftem Spitz-
bogen; denselben Schluss haben die Fenster
des Kreuzes — je eins unter jedem Schild-
bogen — , ebenso das mittlere der Ostwand
des Chores, dessen Seitenstücke noch rundbogig
sind, — eine Gruppirung, wie sie auch der
Südwand wol eigen war, bevor sie das spät-
gothische Licht mit brillanten Fischblasenmu-
stem erhielt, neben welchem man die ver-
mauerten Spuren ursprünglicher Fenster ge-
wahrt. Früher schon war am Südflügel ein
gothisches Fenster mit reinen Maasswerken ein-
gesetzt. Prächtig ist die Ostwand des Chores
im Aeussern gehalten : oben im Giebel ein kunst-
reich skulptirtes Madonnenbild, darunter zu bei-
und Schildern unterbrocheneu Rippen. Die seit-
lichen Stützen, Mauerecken im Osten, pilaster-
artige Gheder im Westen steigen deshalb auch
fast doppelt so hoch empor und zwar in zwei
Abtheilungen, so dass sie im Kämpfer -Ni-
veau des Kreuzbaues westhch einfach, östüch
mit Kämpfern unterbrochen sind und darüber
eine zweite Pilastergliederung mit Kämpfern
zur Aufnahme der Gewölbe folgt. Mehr noch
als diese, nur halb der herkömmhchen Höhe
entsprechende, Pilasterbildung fallen oben an
der Westseite des Pilasterpaares gewisse Mauer-
ecken, südlich sogar mit Kämpfern bedeckte
Rundstäbe auf, die zwecklos entweder als Reste
eines abgebrochenen oder doch geplanten Wei-
i.u;
iUÜNLLNüLW.
terbaues endigen; ja
dies Pi lasterpaar mit
seiner zweifachen
Gliederung, mit sei-
nen halb unharmo-
nischen, halb zweck-
losen Ecken und De-
tails erscheint unten
noch nachdem Plane
des Ostbaues, oben
schon nach dem der
Jüngern Langhaus-
(juadrate ausge-
führt, dann aber bei
dem Ausl)aue der
letzteren imr zum
Ansatz von ihren
aus der Flucht aus-
weichenden Wan-
(hmgen benutzt zu
sein, so dass die
westliche schon vor-
handene Gliederung
wie unvenverthet be-
stehen bheb. Der
Aus- oder Neubau,
der auch in grös-
sern Quadern durcli-
geführt ist, l)ezweck-
te eine Erweiterung
und ?>hnhung der
westlichen (Jewülbe-
fächer; die Wand-
consolen ihrer Kip-
pen sitzen deshalb
auch wieder hoch
über dem höch-
sten Ki'linpl'erpunkte
(Um* erwiilinten Pi-
laster; es haben di«'
Consolen, sowie die
Sehlussteino, ein
zierliches Ornament,
die Kreu7,rii)pen go-
t bischen Sciulitt. die
Fenster, welche wie-
derum mit dem
Sciieitel wie mit (U'n
,mL
Bänken höher ange-
legt sind, jene firüh-
gothische Anord-
nung, dass ein gros-
ses spitzbogiges Fen-
ster drei durch
schlankes Stabwerk
gesonderte Theile
bildet, so dass der
mittlere mit seinem
Spitzbogenfelde über
die seitlichen emjxjr-
steigt. In diesen
West bau schob sich
weit nach Osten vor
das .sehr weitläufige
Fräuleinschor(112C)
oder die Nonneu-
emiwre. wie sie jetzt
vorUegt. als flache
Balkendecke, auf Pi-
lastern ruhend, aber
ursprünglich, wie die
Stärke des untern
Mauerwerks andeu-
tet, als gewölbter
Einbau geplant. Der
Baum unter der Eni-
]iore ursprünglich
im Westen wie im
Norden durch klei-
ne spitzbiigige und
viereckige Fenster
beleuchtet . diente,
wie der Platz vorm
Kreuzaltare, na-
mentlich als Begräl»-
niss der gräflichen
Familienglieder und
enthält noch ein
grosses Grabdenk-
mal. Seine Mauer-
t heile repräsent iren
sihon deshalb ein
nierklich höhen's Al-
ter als die olM^m.
weil der südlich an-
stossendeBestdl-Ki
KlltCHLlCilE D£NK.\1AJ,KI{.
137
vom Ostflügel des Kreuzganges, der doch gerade
auf den Nonnenchor zu berechnen war, sich
noch mit runden wie mit spitzen Bögen öffnet,
also die Einflüsse des romanischen Stiles noch
nicht so verwunden hat, wie die Obermauern
des Westbaues. Thüren führten eine in den
nördhchen, eine durch die Ostwand in den
südlichen Kreuzarm, eine jetzt vermauerte der
nördlichen Langwand in das östhchste Qua-
drat des Langhauses, eine in der südlichen
Langwand zum Nonnenchor.
Im Norden des Chores und zugleich auf den
Kreiizarm gestützt liegt die viereckige Sakri-
stei bedeckt von einem Kreuzgewölbe mit ab-
gefassten Rippen, beleuchtet von einem zweithei-
hgen Fenster mit flachen Kehlen an dem Mittel-
stahe und den Gewänden, im Mauerwerk ab-
gedeckt mit einem wolprofilirten Kranzgesimse.
Es ist, wie das eine grosse Chorfenster, eine An-
lage spätgothischer Zeit und anscheinend an Stelle
einer romanischen, die hier gleichzeitig mit dem
Chore vorgesehen war; wenigstens haften noch
am Kreuzarme und Chore zwei unregelmässige,
anscheinend verstümmelte Mauervorsprünge, die
wol nur als Reste derselben zu deuten sein
möchten.
Im Aeussern bietet die Kirche ausser der
grünlichen Farbe ihres Materials nur mit ihrer
Umgebung eine malerische und linienreiche Sil-
houette; denn die ungleiche, freihch von dem
Mauerwerk angewiesene Dachhöhe im Osten und
Westen bildet eine harte Linie, und das höhere
Dachwerk des Langhauses wirkt um so unfreund-
Ucher, als der fast auf seine Ostecke gesetzte
Dachreiter geradezu ungelenk erscheint. Derselbe
entstammt auch nicht mehr dem Jahre 1686,
als Mauermeister Meinhard Milner von Dort-
mund den mit dem mittelsten Gurt schadhaft
gewordenen Mittelthurni gegen einen Lohn von
100 RthlriL, zwei Tonnen Biers und freier Tafel
für seine Person durch einen Neubau ersetzte,
sondern einer dürftigen Restauration des Jahres
1747, wo am 4. Juni ein Gewitter den alten
Thurm beschädigt hatte.
Stilistisch ist der Kirchenbau insofern höchst
interessant, als er von Osten nach Westen fort-
schreitend mehr und mehr dem alten Mauer-
werke und Plane entsas't, dem neuen Stile sich
hingibt und gen Westen immer schlanker, höher,
lichtvoller d. i. gothischer wird. Dass der Bau
mit dem Chore 1230 begann, darf als sicher
gelten, dass er mit dem ersten Quadrate des
Langhauses 1262 abgeschlossen war, beweist
die nun erfolgte Beisetzung des Stifters vor dem
Kreuzaltare ,der neuen Basilika'. Die Gnind-
mauem des Westbaues scheinen noch im 13.
Jahrhundert gelegt zu sein; die jungem Ober-
theile reichen in der Vollendung wol noch ziem-
lich weit in den Anfang des 14. Jahrhunderts.
Ihm werden die Bullen und Ablassbriefe zu
Gunsten des Kirchenbaues aus den Jahren 1288,
1294 imd 1323 gegolten haben, und jene vom
Jahre 1371 scheinen für andere Bautheile, die
entweder nicht mehr bestehen oder, wie die Wöl-
bung des Nonnenchores, nicht zur Ausführung
kamen, ausgeschrieben zu sein.
Polychromie hob, wie die blossgelegten Ca-
pitäle des Chores zeigen, die Wirkung der feinem
Bauglieder, Wandmalereien bedeckten einzelne
Wandflächen; doch hat man davon durch die
Tünche nur mehr Reste, wie am Chore Maria.
Engel und HeiUge, im südlichen Kreuzarme die
Gestalt eines Bischofs wahrgenommen.
Von altern Sculpturen verdient das erste
Augenmerk das Marienbild oben im Giebel der
Chorwand. Dort geM'ahren wir unter einem
Baldachin über einer mit Blätterkranz umzo-
genen Base in röthUchem Sandstein ziemhch
gerundet ausgeführt das stehende Bild der Gottes-
mutter, welche Christus mit der Dornenkrone
hält, ihr zu Raupten zwei schwebende Engel,
der eine Weihrauch spendend, der andere sie
krönend, und ihr zu Füssen zwei knieende Fi-
guren mit gefalteten Händen, und zwar rechts
eine Frauengestalt, hnks einen Mann mit der
Wandertasche und zurückgeschlagenem Hute.
Das Bild erinnert wahi -cheinlich an jenes mira-
kulöse, welches Menrich zum Besten der neuen
Klosterstiftung herumführte und dann in seiner
Clause aufsteUte; ihn verbildlicht daher wol die
Mannsgestalt, dagegen die Frauengestalt die
erste Aebtissin Richardis oder jene, welche den
Chorbau ausführte. Auf das 13. lahrhundert
deutet unzweifelhaft schon die scharfe Wellen-
linie am GcAvandsaume des Hauptbildes.
Von der zweiten Aebtissin Aledis von We-
is
ViH
FEÜ.VDEXBEBß.
degenstene, welche 1280 zuletzt urkundlich vor-
kommt erübrig noch der Leichenstein (Fig.
114), ein trapezförmit^es Monument, in der
Fläche geziert mit einem lant,'eu Kreuze, da-
n»'l)en jederseits mit einer fünf-
blätterigen Kose und einem In-i-
derneits in eine Lilie auslaufen-
den Stabe, an den vier I{ünderii
mit meistens abgenutzten leoni-
nischen Versen beschrieben, die
indes« deutlich ihren Namt-n un»!
Stand bekunden :
Hie iacct Aledit.. (juc lii< c c.iiiit
Nicf»mcdi>
Morti et vita fuit abhatis^a
ationcm (.') j^enc-
roiior illa.
Unter dem Xonnenchor steht
die grosse Tumha des Grafen
Hberhard von der Mark (f 1308)
und seiner (Jemahlin EnnL'ard
(t 1293). an den Seitenllatheii
mit spitzbogigem Hlendwerk. an
den obeni Kündern mit Orna-
menten und einestheils mit dem
.Milrkisclun.anderiitheils mit de in
I '.ergischen Llwen verziert. Üben
auf dem>ell»en ruhen die beiden
(iestalt^Mi in Lebensgrösse. zu
Küssen des Grafen der herkömmliche Löwe, zu
jeiu'n der GrilliM der Hund. Zu Hilupten sehwe-
ben Kngel an den Seiten, und in der Mitt.' ii-
hebt sich das Hild der Gottesmutter,
— eine Anordnung, wie sie hingst an
dem Grabmale der beiden (trafen von
Ca)t|)enberg in der dortigen Kirche
beliebt worden war. in der die Grafen
von Alt4'na-Mark gleichfalls ein He-
grflbniss hatten. Die (Jesichter sind
scha<lhaft, die Ktlstung des Grafen ist
enj; anlieuond. die «tewandung der
Grfllin mn.btii; und eile), das (ianze
strenge und wOrditr behandelt, so dass
wir nach d«T plastischen und deco-
rativen Dtirclifnhrung das Werk in d.-n \iif;m..
des 14. Jahrhunderts versetzen.
Eine einfache (irahplaltc in nördlicher Nahe
welche das combinirte Wapi)en Mark und den
rechts gewandten Ljwen enthält, eignet da Graf
Engelbert III. (t 1391) das combinirte Clevi-
sche Wappen übernommen hat. einem Famiüen-
I gliede, das spätestens um
die Mitte des 14. Jahrhun-
derts starb.
Ein hölzernes, einst wol
über dem Eingange des Cho-
res hangendes Kreuz (Fig.
115). auf den Annen tief-
sraibolisch von knosix'n-
den Baumzweigen überwu-
chert, an den Enden mit
den kreisförmig umrahmten
Evangelistenzeichen 1>esetzt
stammt seiner Auffassung
und der Form der Blatt-
knospen nach wol aus der
Uebergangszeit : das Cor-
pus mit dem verzerrten Ge-
sichtsausdrucke.den krampf-
haft herausgetriebenen Kii>-
pen und den silbernen Füs-
sen ist ofifenbar eine Arbeit
der Neuzeit. Dass jene
Kreuzesauffassunfj noch im
14. Jahrhundert dominirte.
können die älteren Triumjih-
kreuze mehrerer Kirchen im
benachbarten Soest lehren.
Zwei leuchterhaltende Engel von Holz cha-
rakterisirt die Haltung, die edle Faltenbilduni:
und der Gesichtsausdruck als Schnitz-
werke etwa aus der Zeit von 14o0.
Eine Perle der (iothik nach Zweck
und Stilreinheit überrascht ein in Me-
tall geschnittenes Tabernakel (Fig.
1 1 •>) von schlankem Aufbau und bis
auf die pyramidale Bekrönung in
den Wandungen und Thüren von
durchbrochener .VrU'it. vormals in rei-
«her V^-rgoldung prangend, die leider
\on cintni modernen Anstrich ver-
deckt ist. und an den Iv^i^len Seiten-
thüren des Tabernak.K no.b ,lnr. b Tirbi.j.' IM-
der auegezeichnet
Die Xonlwand de> Chori's enthalt drei \ier-
KIKCIIMCHE liKNKMÄI.ER.
139
eckige Nischen (Fig;. 117) für Kfli.niien (lii>-
sanothecae) mit eisernen Gitterthoren ; ihre an-
scheinend verstümmelte Bekrönung ist in rein
gothischen Maasswerken durch-
broclien.
Im Nordarm des Kreuzes um-
fasst eine neuere Stein-Nische, de-
ren Base und Seitenfronten an-
geblendete Maassvverke , deren
wimpergartige Abdeckung an den
Seiten Krabben und über der
Spitze eine Kreuzblume zieren,
ein lebensvolles Bild der Pietä
(Fig. 118). Nach der etwas ma-
nierten Gewandung gehört die
Figur, die sonst bei tüchtiger
Durcharbeitung gelungenen Aus-
druck hat, der Spätzeit des Mittel-
alters an.
Im Südarme des Kreuzes fin-
den sich zu Seiten einer oben mit
Schnitzereien, unten mit einer
Ziernische verschönerten Holz-
platte zwei 1,47>« hohe, 1,21;;^
breite bemalte Holz tafeln (vergl. die Photo-
hthographien) als Mittelstttck eines Altarauf-
satzes, dessen Flügel vor einigen Jahren zu
Grunde gegangen sind. Diese stellten angeb-
lich dar innen zwei Scenen aus dem Leben
Mariens, und zwar einerseits die Unterweisung
Mariens durch Anna, anderseits Joachim bei
seiner Heerde, aussen Ein- ]
zeliiguren, so den heiligen
Mauritius, die Rückflächen
des Mittelstückes nur zopfi-
ge Arabesken. Jeder Flü-
gel wird durch ein farbiges
Kreuz von Möbel- und Me-
tallornamenten in vier ob- -
longe Bildflächen für Scenen
aus dem Leben der Jungfrau
und Mutter Maria zerlegt. So zeigt der linke
Flügel oben, wie das Kind Maria vor einem auf
acht oder neun Stufen erstiegenen Altare im An-
gesichte ihrer Eltern betet, daneben, wie sie in
ihrem Gemache unter den Augen des Höchsten auf-
bhckend vom Gebetbuch den Gruss des schönen
Engels empfangt, unten einerseits ihren Besuch
bt.'i Elisabeth, daneben rechts die Geburt Chri.sti
in einem Stalle, zu Füs.sen des Wochenbettes
den h. Josef sorglich das Herdchen anfachend
und rechts daneben eine kuieendf
Nonne mit einem Spruchbande
und dem Wappen — also die Stif-
terin des Kunstwerkes. Auf dem
rechten Flügel sind dargestellt
oben hnks die Anb»_'tung der K<>-
nige, rechts die Darbringung im
Tempel, so dass die Mutter das
Kind über dem Altar dem har-
renden Simeon zuftihrt. unten
links die Flucht nach Egyptnii.
rechts wie Christus als Kind im
Tempel, das Buch auf dem
Schosse, lehrt und von der Ge-
meinde zu seinen Füssen, vun
den Eltern zur Seite mit Andacht
und Staunen angehört \nrd. Dt-r
Hintergrund ist noch golden, die
Architekturen, worin sich die mei-
sten, nämlich sieben Scenen ab-
spielen, zeigen, ob von Holz oder
von Stein, bis auf den Eselsrücken rein gothi-
sche Formen, die Landschaft als Hintergrund
der Flucht nach Egypten noch einen steifsym-
metrischen Bau. die Bilder, so insbesondere die
figurenreichen der Anbetung der Könige, des
Lehrens im Tempel, herrliche Gruppirung: die
Gestalten sind lang, von sanfter Haltung und
edler Gewandung, nament-
lich jene der Hauptfigur und
des Engels im Bilde der
Verkünditrung, die Köpfe
sind länghch oval mit vol-
len Wangen, kleinen Augen,
spitzem Kinn und hoher
Stirn, d.' Nimbeu mit dem
blossen Namen beschrieben.
Das Holz ist mit Kreide
ohne weitere Unterlage gruniürt, die Farbe leuch-
tend — kurzum mr betrachten hier ein hervor-
ragendes Bildwerk aus jener Malepoche des Mit-
telalters, welche von dem Naturahsmus od'.r, wie
dieser sich hier bald ausbildete, von dem Manie-
rismus der van Eyck's noch nicht berührt ist. da-
gegen vom alten Idealismus soviel aufjreeebeL
HO
FRüXLEXBERG.
hat, um sdiou in den Interieurs und dem Land- viereckigen Hauptfläche bemalte Kreuzfahnen.
schaftlichen dem KeaHsmus zuzuneigen. Dies
sowie die Formen der decorativen Architektur
weisen auf die Frillizeit des 1'). Jalirhunderts.
In der That erkennt man au dem Wapjfen des
rechts zu Füssen der Geburt des Herrn kniieen-
den Xönnchens. welche das aufflatternde Spruch-
band mit dem Worte Miserere niei i
Dens halt, die Aebtissin Segele
von Hamme, welche einen rothcn
Hing im silbernen Felde führte und
urkundlich innerhalb der Jahre
1410—1422 regierte, in der Mal-
weise, im Tyi)us der Köpfe, in der
Haltung der Figuren, in der An-
ordnung und Sonderung der Gru]'-
pen den Meister Conrad von Soest,
der laut Inschrift 14u2 oder 1404
das grosse und schöne Altarwerk
für die Kirche zu Niederwildungen
geliefert hat: ja drei bis vier Grup-
l»en desselben sind den entspre-
chenden unseres Altars ilhnlich
oder ganz gleich angeordnet. Ich
schreibe daher das Werk dem Mei-
ster Conrad und sitiltestens dem
.Jahre 1420 zu. zumal da im Nach-
jahro eine Fundation .to gelochte
f)p den Dversten altar' vorkommt.
Das hölzerne Mittel^tück be-
leben in den Zwickeln über der
Nische zwei von einem Vierpass uni-
fasste "\Vapi)en. und zwar das des
Grafen von der Mark und das mit einem Turnier-
Auf landschaftlichem oder architektonischem
Hintergrunde stellt die eine dar die Geburt
(.'hristi — das strahlende Kind wird von einem
Engel angebetet, indess ein anderer in der Höhe
erscheint — und die Anbetung der Könige: die
andere einerseits die Verkündigunff und in der
Architektur des Hintergrundes die
Wappenschilder Cleve-Mark. ander-
seits die Krönung Mariens. Wir
möchten diese GemiUde etwa der
.Mitte des l.j.. Jahrhunderts zuschrei-
ben; dahin weisen der landschaft-
liche Hintergrund, die starken Con-
touren. die etwas breit entworfenen
Gestalten, das Milde aber schon
CharaktenoUe des Gesichtsaus-
drucks. Die schadhaften Zipfel der
Fahnen sind jünger.
.Jedenfalls als Werk der Si>:U-
gothik dürfen wir bezeichnen einen
Kronleuchter von Messing mit
durchbrochenem lieife. besetzt mit
gegossenen Figürchen und beU-bt
mit Gravinmgen.
Das Hild des h. Mauriiiu.».
das jetzt in der Nische des Flügel-
altars, voniials über der Thür der
Sakristei stand, von markirtem
Antlitze uml flotter Stellung, ent-
stammt, wie schon die Rüstung be-
zeugt, dem 10. .Jahrhundert, ebenso
sein tabernakelartiges, jetzt bei Seite
gesetztes Gehäuse: denn während dessen Seiten
kragen belegte Wappen des Grafen von Loos; ; noch mit spätgothischem Maasswerke durchbro-
es ist das Kmblem der Catharina von der Mark.
Tochter lies bereits in den achtziger .Jahren des
1 l. .Jahrhunderts verstorbenen Ehepaars Eber-
hard von der Mark und Maria von Loos, das
sie im Siegel auch comltinirt führte. Sie war
also jedenfalls schon um 142<> Nonne in Frön-
«h'nberg. als welche sie 142() — 14:^ urkundlich
auftritt.
Sodann begeijnen wir zwei kirchlichen Zier-
stücken. die zwar nicht zu den er>ten. aber
immerhin zu den älteren ilirer Art zählen und
deshalb schon dureh ihre Seltenheit im Werthe
steigen. Es sind zwei an beiden Seiten in der
eben sind, ersreht sich die decorative Schnitzerei
am Fusse und Deckel bereits im Geschmacke
der Henaissance. Früher hatte es die Inschrift :
Sanctus Mauritius Patronus Kcclesiae
("(hristina) Aignes) v(on) Hieiden) Adui^sin)
z(u) F(röndenhep^'^
(uravit renovari anno 1683. 20. Sept.
Der Spätrenaissance gehört das "im nöni-
lichen Kreuzanne «'ingemauerto Stein-Kpitaph
des inschriftlich l(')i'ii 14 11 verstorbenen .lohan
von der Hecke, DrosttMi zu Bochum. Die Fiffur
des Verstorbenen <UA\\ betend flach ausgemei«-
seit in einem Hahmen. dessen Langseiten je
Kiitciiijciii-; I)i;nkmäi,i;i{.
141
mit vier Wappen bedeckt und oben mit einem
Giebelbogen geschlossen sind, dessen Feld die
Muschel, wie jede Giebelstufe eine Kugel ziert.
Sonst beruhen hier die (irabsteine der
Aebtissin Judoca von der Recke -j- 1626 19/1 1,
der erwählten Aebtissin Anna von Mallinkrot
-j- 1628 l5/7, der Aebtissin Ida von Plettenberg
■f 1671 27/6, der Freiin Aynes Lucretia von
Nehem, gestorben 49 Jahre alt 1699 2/3, des
Freifräulein Anna Mechtilde von Haxthausen,
Tochter vom Hause Eisbern, des katholischen
Pastors Johan Christian Elias f 1716 28/10,
der Aebtissin Gerberg Elbertina Josina Freiin
von der Reck von Haven, gestorben 43 Jahre
alt 1717 26/7, des Freifräulein Anna Catha-
rina Sophia von Ohr vom Hause Nottbeck,
gestorben 68 Jahr alt 1719 1/6, des Freifräu-
lein Sophia Maria von Hasenkamp vom Hause
Wethmar, gestorben 44 Jahre alt 1723 13/9,
des lutherischen Pastors Revelmann -f 1729
8/11, der Hendrina Johanna Dorothea Reichs-
freiin von Spaen zu Ringenberg -j- 1723 19/3,
des reformirten Predigers Gerhard aufm Ort
f 42 Jahr alt 1728 18/8, des reformirten Pa-
stors Petrus Ernestus Gneib, gestorben 41 Jahr
alt 1737 27/4, des Freifräulein Sophia Petro-
nella von Syberg zu Kemnade, gestorben 52
Jahr alt 1746 am 16. — 17. April, des Frei-
fräulein Clara Christina Elisabetha von der
Heyden gen. Rynsch zu Caldenhof -f 1752
23/10, der Frau Herm. Dorothea von Wylich
von Diersfort -j- 1767 2/7 im 80. Jahre des
Alters, im 65. des Canonikats, im 5o. der Abtei-
würde, der Freifrau Theodora x\ntonetta von
der Bruggeney gen. Hasenkamp, Frau zu Weit-
mar, gebornen Freiin von Erde, gestorben 82
Jahr alt 1768 18/2, der Sophia Theresia von
Fürstenberg, verwittweten Gräfin von Merfeldt,
gestorben 40 Jahr alt 1769 24/11, der Aeb-
tissin Freifrau Maria Anna von Fürstenberg
-|- 1788 18/2, der Anna Lucia von Ripperda
zu Eilerburg -|- 1787 l/l l, der Theodora Louisa
von der Recke zu Haren -f 1793 29/6, des
Freiherrn Theodor von Schade zu Ahausen,
Domherrn zu Paderborn, -j- 66 Jahr alt 1796
3/8 und der Maria Dorothea Elisabeth von
der Recke zu Curl 61 Jahr alt (ohne leser-
liches Todesdatum).
Ih'v von zwei Säulchen flankirte, über dem
(iel)älk mit durchbrochenem Giebel endigende
Altaraufsatz hat in der Mitte das gemalte
Bild des Gekreuzigten.
Die der Zopfzeit angehOrige Kanzel ist p<>-
lygon auch im Deckel und Ständer, an den
Pocken mit Säulen, sonst mit geometrischen Orna-
menten vei ziert und inschriftüch eine Arbeit des
Jahres 1797.
Das Orgelgehäuse, eine einfache aber
tüchtige Arbeit, trägt das Renovationsdatum
1826, darüber schwebt der Adler, der vordem
auf dem Hochaltare stand. Die Orgel latr
früher an der Nordwand (112 B); nachdem
1673 Stift und Kirche von den französischen
Truppen mehrfach geplündert und beschädigt
waren, übertrugen Aebtissin und Stiftsdamen
dem berühmten Meister Tobias Bader aus Unna
den Bau einer neuen Orgel gegen 375 Rthlr.
und die Hingabe der alten; doch das Werk
wurde erst 1692 4/6 zur völhgen ,Perfection- ge-
bracht, als nämlich der Münsterische Fürst-
bischof Fi'iedrich Christian von Plettenberg. Neffe
der fi-ühern Aebtissin Ida und Bruder der Stifts-
dame Maria Ida, einen Zuschuss von 100 Ethlrn.
geleistet hatte.
Von den drei Glocken enthält die ältere
die Inschrift: Dens in omni benedictus, die
zweite: Me fudit Korthaus. Soest 1839, die
dritte: Gegossen von W. Rivckcr in West-
hofen 1859.
Von den Schätzen und Herrlichkeiten, welche
die Bücher dem alten Fröndenberg beilegen,
trägt das Meiste ein altertümhches Aussehen
oder gar die Spuren der Verwitterung imd Ver-
stümmelung — Manches hat sich ganz verloren.
so die Lettner des Nonnenchores, einige Altäre,
der ,kostbare' 1736 verfertigte Stuhl der Aebtissin
(112A) auf dem hohen, und der gleichzeitig be-
schaffte ,schöne' Fräuleinstuhl auf dem Nonnen-
Chore, die Bildnisse der Stifter Menrich und
Berthold und der Patronin Maria, manche Schil-
dereien, wie das Bildniss des h. ^Mauritius auf
dem Nonnenchore, die Wandmalereien und wer
weiss wie viele Werthstücke sonst noth, von
denen die Schriften schweigen. Findet sich doch
von der Monstranz, die Graf Adolf IV. von Men-
den 1344 hierher führte, überhaupt von goldenei;
142
SCHEDA.
und .silbernen Geräten und Gefässen Nichts mehr
vor: und dennoch entrollte sich uns an der
Hand der Forschung und Monumente vom alten
Damenstifte ein klares und in den einzelnen
Werken und Resten ein so reiches und anzie-
hendes Bild, wie wir es bei den aufgehobenen
Ivlöstern von der Weser bis zum Kheine leider
durchgt'hends vergeblich suchen konnten.
Zum Schlüsse dürfte eine schöne Perga-
inciit-rrkiindc (vergl. die Photolithographie)
des KOnigl. .Staats-Archivs zu Münster hier einen
envdnschten Platz linden in verkleinertem Al»-
1)ild. ohne ^V'iedergabe der zerbrtickelten Siegel
und der Siegelfildt-n : es ist ein Ablassbrief, von
dreizehn Bischöfen in Avignon zu Gunsten des
Klosters 1:U2 2 1 ausgestellt, beziehentlich o.Ol
und O.G.');» gross, und, was seinen monumentalen
Werth ausmacht, mit malerischer Zier ausge-
stattet, wii' deren mehrere nach Westfalen ge-
kommen, im (tanzen aber wenige bekannt sind.
Vierpilssc. die je einen Ajtostel einrahmen, bilden
»in oberes Zierband mit beiderseits herabgehen-
den Schenkeln, die je wieder auf einer lihigern
Sititzbogeiinische mit einer Heiligenligur ruhen,
so dass fast die ganze Schriftfliiche oben und
an den Seiten von fi'jürlicher und ornamentaler
Farbenzier umrahmt wird. In den Spitzbogeu-
nischen standen ursprtlnglich links die h. Catha-
rina mit Had und Sehwert, rechts der h. ^Michael
auf dem Drachen mit der Lanze — allein unter
einer spätem Uebermalung. welche die Attribute
und gewisse Körjjertheile verdeckte und durch
neue ersetzte, ist jene in den begrüssenden Engel
mit Schwingen, dieser in die h. Jungfrau mit
angesetzten Händen verwandelt. Im Beginne
der Schrift thront auf einem Regenbogen zwi-
schen zwei das Weihrauchfass schwingenden
tingeln in grösserer Dimension der Salvator mit
den fünf Wunden, der die Linke mit dem Buche,
die Rechte wie zum Segen aufrecht hält. Die
Kngel haben einen hellgelben oder hellrothen.
alle übrigen Gestalten abwechselnd einen rothen
oder violetten Hintergrund, dieser viereckige
Muster und darüber kleinere quadratische Zier-
den in Gelb und Weiss aufgesetzt. Die grossen
Zwickelflächen der Pässe füllt gelbe Laubzier.
Die Auffassung der Gestalten ist wechselvoll,
die Gewandung oft schön, die Zeichnung leicht
und charakteristisch, die Farbe pastös und
fast ohne Abtönung aufgetragen — ^vürdig und
gross die Haltung des Herrn und der Ausdnick
seines Anthtzes. Xagellöcher am obern Rande
bedeuten klar, dass der in seiner Art schöne
und seltene Gnadenl»rief an den darin bezeich-
neten Ablasstagen öffenthch ausgehängt zu wer-
den ]tflegte. zumal da einige dem Herkommen,
der Ausstattung und Bestimmung nach ver-
wandte Seitensttlcke desselben Archivs noch ihre
eigens angehefteten Oesen bis zur Stunde be-
wahrt haben.
Alt« SS. Jtiii. IV. 58 ff. ; - Ms. W. WS p. 147 dos Könipl. Stants-Archivs zu MiinMor: - W. U.-R UI. Nr. <39. »>It. 17«i8. 17:«. 17^.4
— KampM'hnlto. S. 2(»»; — dr-rw-lbo, KirchoiipntTocinicn. S. 137. Ur«i; — Lippi»cho Rcpest«! U. Xr. »7; — von Bt. '
12:{ff., tWff., Taf. I, 3 u. XI; U, 778; - BlWcckt-r - Hoppe H. 107 f.; - LiU.ke. S. 210, :«<. 3!i7. 37«. *4. 421; - K^
S. 1K4 — 1h7; -- UIkt HonpitoiilKTir auch H. Bw-kpr, BoitriUro nir Ocschichto Dortmunds und der GrafM-haft Mark HI. ;<1". —
UIkt di'ii .Maler C<iiinid vnn SiK-t L. Curt/e, (iesrhiehte und IWschn-iliunir de* Fürvteuthunis Widdeok. IkVi. S. 3CiH ff.; — der
nlip'liildete A»>lai>Mirief iid Kiini«!. .Staats- Archiv zu .Münster. Fröndenberg Xr. 102; - ülteir Karten; - Raum D. F. 112 pilt
fllr den CnpiteliMiiü. — Mittheilungen der Herren Pastcir Zur Xie<len und Dr. I'hilippi; — Local-Untersuchunp und •Aufhahmen.
kS i • 1 1 ( ' ( 1 n .
Kl..
D'T Name, welcher urkundlich ll.'»2 einmal
>V(/f>r, um *.»<»() .SV(///<«, sonst 1147 Srrthcii,
Srritha oder Srhrda klang, bezeichnete zunächst
einen Ort. dann eine Kdelherrenbnrg. endlich ein
Kloster in der Pfarre Bausenhagen, auf der
Ostgrenze «ler Herrschaft Ardei. und dürfte al)-
zuleiten .«ein von der Bergsohlucht . wodurch
tl( r Weg von der Höhe bis ins Huhrthal führt,
wie denn mehrere dieser Einschnitte dort den
gleichen Namen führen. Ebenso trägt anschei-
nend nach der Lige schon gegen Ende des
1». .lahrhunderts den Namen Wikki die östliche
Naohbiu uauerschaft Wickede. die später kölnisch,
sonst ein Bestandtheil der Pfarre Bausenhagen
KI-OSTKK IM' KIKCHIv
Ho
und Stätte eines Märkischen Freistuhls war.
Nachdem ein Edelherr Voland geilen 1130 dem
h. Severin von Köln eine (Hurg) Kapelle erbaut
hatte, verwandelten auf Zureden eines frommen
Aveithin verehrten Priesters Ekhard seine Wittwe
Wiltrud und ihr Sohn Itathard das Schloss un-
ter dem Titel der h. Maria und des h. Petrus
um 1146 in ein Kloster für Prämonstratenser,
zu dessen Gunsten damals mehrfach solche
Stiftungen von den Reichen gemacht wurden.
Die neue MOnchscolonie , welche gleich Schloss
und Kapelle, deren Patron Severin auch der
Kirche verbUeb, beziehen konnte, kam von Cap-
penberg, geleitet von ihrem Propste Herman,
der als Kölner Haudelsjude Judas dem Münster-
schen Bischof Egbert zu Mainz Geld geliehen
hatte, dann auf das Wort seiner Angehörigen, um
sicherer zu seinem Guthaben vsdeder zu gelangen,
nach Münster gefolgt und hier durch Umgang,
Leetüre und Predigten so dem christlichen Glau-
ben befreundet worden war, dass er um 1132
zu Köln die Taufe, und im eben aufblühenden
Kloster Cappenberg das Klosterkleid nahm. Wie
zu Cappenberg, bestand auch anfangs in Scheda
neben dem Mämierconvente ein Frauenkloster,
wie dort die beiden Grafen und die Gräfin, tra-
ten hier die Stifterin und ihre Söhne, Eathard
als Laienbruder, ein; wie dort, fliessen auch hier
dem Kloster allerhand Güter und Gerechtsame
von geistüchen und weltlichen Herren zu. In
der Vorderreihe der Wolthäter stehen die Edel-
lierreu von Ardei, die. wenn sie nicht Söhne,
so doch Anverwandte und Erben der weltlichen
Besitzungen der Wiltrud waren, von ihrer Erb-
schaft reichlich im Sinne der Stifterin austheil-
ten; sodann eine dem Herzog Heinrich von
Sachsen blutsverwandte Frau Osterliud und ihr
Sohn Arnold. Die Edelherren von Ardei über-
nahmen zeitweise die Schutzvogtei. Die Erz-
bischöfe von Köln anerkennen schon 1147 die
Einrichtung des Klosters, bedenken es mit geist-
lichen Vergünstigungen, so mit der Oberaufsicht
über die Frauenklöster des Ordens zu Bredelar
(1170) und Oelinghausen (1174), vollziehen oder
heissen gut die vielen Pfarrberechtigungeir, die
es erwarb. Scheda hatte das Patronat oder die
Verwaltung der Pfarreien Bausenhagen, Frö-
mern, Mengede, Hemmerde, Husten, später Wer-
dohl und gewisser Kapellen der Umgegend. Das
Patronat der Kirche zu Mengede ward 1210
vom Edelherrn .Jonathas, das zu Husten um
1280 vom Edelherrn Wilhelm von Ardei, das
zu Hemmerde 1290 vom Grafen von der Mark
geschenkt, nachdem das Hüstener Patronat an
den Grafen von Arnsberg zurückerstattet und
von diesem d?s Hemmerder nieder an den Ge-
schenkgeljer gekommen war. Kapellen konnte
es errichten 1322 zu Bodelschwingh, 1300 zu
Westhausen, 1380 zu Hüchting bei Büderich.
Das Kloster blieb schon bald hinter d^n Er-
wartungen zurück, welche die geistliche Obrig-
keit davon gehegt hatte; das ihm anvertraute
Kloster Bredelar musste 1196 wegen des nichts-
nutzigen Wandels der Nonnen in einen Cister-
cienserconvent verändert, jenes zu Oehnghausen
1228 der Oberaufsicht des Klosters Wedin?-
hausen anheimgegeben werden, wie sehr auch
der Schedaer Propst widersprach; erst gegen
Ende des 13. Jahrhunderts steigt es wieder in
der Achtung,, wenn anders die Geschenke von
Kirchenpatronaten, die ihm nun zufielen, eher
den Verdiensten, als den Connexionen und Ver-
wandtschaften der Mönche zuzuschreiben sind.
Das Ivloster verschloss sich, nachdem es 1486
einer Eeformation unterworfen war, bis auf we-
nige Glieder dem Protestantismus und nahm
seitdem seinen Nachwuchs wol nur aus den Adels-
familien, htt, obschon 1628 eine abemialige Ee-
formation eintrat, wiederholt unter strittigen
Wahlen und daher unter einer schwächlichen
Oberleitung, so dass vom Volke die 1804 er-
folgte Aufhebung, welche die Fremdherrschaft
durch Dekret 1809 4/8 definitiv vollzog, hier mit
denselben Empfindungen, \ne jene anderer Stif-
ter desselben Ordens, aufgenommen wurde.
Nächst dem ersten Propste Herman zeich-
nete sich zu Anfang des 13. Jahrhunderts der
Propst Wolmar aus. indem er für den durch
Reichsangelegenheit beschäftigten Erzbischof En-
gelbert die Verwaltung der Erzdiöcese führte:
sodann Warmund, der als Propst zu Scheda
noch im Jahre 1296 den Stuhl des Propstes zu
Cappenberg bestieg: Aveiterhin Rotger von Laer.
der mit Adolf Hake (oder von Haeck) die erste
Reformation durchführte: sodann Wilhelm Grüter:
dieser, ursprünglich Canonicus in Knechtsteden.
144
SCHEDA.
.^eit lß22 dem Propst Caspar von Heese als
Coadjutor beigeordnet, 1028 Propst und zweiter
I!.-formator des Klosters, liess im Beisein des
Kölner Weihbischofs Johannes Geleuius, eines
l)L*geisterten Geschichtsforschers, des Propstes
Leonhard Teveren von Knechtsteden und an-
(li-rer Herren die Orilber des Priesters Ekhard
und des Propstes Herman öffnen und die Funde
durch Schriftstücke documentiren. Er verfasste
auch 1024. wahrscheinlich von demselben Weih-
Itischof bewogen, die erste Klosterchronik. —
• ine zweite schrieb jedenfiills der Propst Chri-
sto|.h Bernhard von Duithe um 1730, jedoch
so al)weichend von jener, dass nur beide zusam-
men einen chronologischen Anschluss der Ereig-
nisse, und dies noch mangelhaft, bieten. In die-
sen Nachrichten sind auch die wichtigsten Bege-
benheiten der einst bedeutsamen Ivlosterstätte
und ein Ersatz für das Monumentale gebracht:
denn dessen ist wenig nach den Schriften, noch
wrni<;or nacli den Ueberbleibseln zu vermerken.
Geriihmt wurde die Tumba des Propstes Her-
man: in den Propsteifenstern erglilnzten in Farbe
Stiiinmbäumo der Pröpste von Wilhelm von
Henimerde 1 l<»0. \n> zu jenen des vorigen Jahr-
hunderts. Der erwähnte Adolf Hake, heben
die Chroniken iiervor, hat zugleich als unermüd-
licher Schreiber, fast alle Chorbücher, die
spiUerhin im Gebrauch waren, in schönster
Schrift (jiulcherrimo charactere) angefertigt. Der
Propst Caspar von Plettenberg hat während sei-
ner Regierung ir>()() — 1.'j40 den Hochaltar mit
einem Tafelgemillde von lebhaften Farben
(\ivis coloribus) geschmückt, .bdiann von Sun-
dag, als Pfarrer zu Hemmerde, die dortige
K'irtho verschönert, nach \'>'>9. wo er Proi)st
wunli'. zu Scheda das Dormittirium. das Vieh-
liaus uml amlcre ( Jcliäuliclikriten aufgeführt;
.liidocus ("aspar von Aldenbnick. Propst von
IdCiT — lit'.M». Hess die .äusseren (Jeltäude' vr-
richten. Manches wurde V(»n den Bauten und
Kunstwerken durch Kriegerhände ruinirt, so
h>22 von den Lip|>eschen das Kirchengeräth ver-
dorben, die Monstranz mit den Ornamenten ge-
muht. Anderes im «Ireissigjährigen Kriege von
den Hessen zerstört oder beseitigt, in den Krie-
gen Lutlwii:'s XIV.. 1()73 in den letzten März-
tagen, jetler Klosterraiim geplündert, die Oruel
zerstört, die Altäre umgeworfen, die Sakristei
ausgeleert, die heiligen Gefässe verschleppt, end-
lich 1 72<) vom Feuer die meisten Nebengebäude
verzehrt. Was der Krieg verschont oder kunst-
fertige Hände wieder hergestellt hatten, verfiel
der Aufhebung und der Missachtung, die der
Anfang unseres Jahrhunderts den alten Denk-
mälern auch hier entgegenbrachte.
Und zu spät kam Scheda mit Cappenberg,
nämlich 1810 21 6, als könighches Geschenk,
das mit Birnbaum in AVestpreussen umgetauscht
war, an den Mann, dessen Thatkraft nicht nur
dem Vaterlande, sondern auch der Geschichts-
wissenschaft staunenswerthe Dienste leistete, an
den Minister Karl vom Stein. Die Kirche war
urspriniglich blos Klosterkirche: seit der Kefor-
mation, wo den Katholiken die meisten Kirchen
der Umgegend abhanden kamen, auch Volks-
kirche, zumal für die Gläubigen zu Wickede
und Wiehagen, die allmälig zu Bauseuhagen in
einen geregelten Pfarrverband traten, bis sie fttr
ihre Kapelle zu Wickede 1804 selbst Pfarrechte
erhielten. Die Klosterkirche lag im Osten
der weitläuiigen Oekonomiegebäude. — ein ein-
schiffiges, doch geräumiges, echt romanisches
Bauwirk, im AVesten mit zwei Thürmen. im
Innern mit drei Altären ausgestattet. Sie wurde
1173 vom Erzbischof Phihpp eingeweiht, — bis
dahin also die alte Severinska]>elle benutzt. —
1817 altgebrochen und das Geräte nach W.-rl.
Bauseuhagen oder Hemmerde überführt.
Von den einstigen Schätzen, Bauten und
Anlagen dieses reichen Klosters ist Nichts ge-
blieben als der Best einer ringförmigen Buchen-
allee im Süden des Gartens, sowie ein grosses
Oclbild. dessen Inhalt die Ueberschrift. dessen
Alter, — etwa das Ende des 17. Jahrhunderts
— die Schriftzüge beknuiden:
\Viltru(li> vidua (livinitu^ illuniinata
1 )c>tru.\it ca>truni,con(lon> vcnoral)ilcclau>tnnn.
Se, sua cum natis dedit ad cultuni, Deitalis.
Den Klttsterraum In-decken jetzt (>ekon<unii^
uebäude mit dem steinernen Herrenhause.
Anscheinend eine Filiale von Scheda und
stets enger mit ihm verbunden war das Prä-
monstratoiiserkloster Bentrop zu Wenlohl an
der Lenne. Es begegnen uns dort 1220 ein
iJUiUJ
1 I.-
Propst Ludolf von Bertelndorp oder Marienwald,
1231 ein Propst Volquin von ,l)('rt('lintorp' in
einem 7AI Cappenbcrg vollzogenen Gutsverkaufe
zwischen den Prämonstratenserklöstern Schcda
und Wedinghauseu. Da das 1220 vom Kloster
Fleclitorf erworbene Patronat der Kirche zu
Werdohl später Scheda zusteht, da schon
1254 Propst und Convent zu Ikntrop das Sie-
gel des Propstes zu Scheda gebrauchen, so ist
Pentrop diesem Kloster immer nahe verbun-
den gewesen, später sogar zu einem Priorat
desselben herabgesunken. Die beiden Schedaer
Pröjjsh- Wilhelm von Galen und .lohan von
Sundag waren, bevor sie, der eine 1540, der
andere 1559, zu ibnr Würde emporstiegen,
noch Prioren in Pentrop. Als im 10. Jahr-
hundert Werdohl die Reformation annahm, ging,
wie es scheint, mit dem Schedaer Patronat der
Kirche auch das Priorat ein. — Die Scheda be-
nachbarte Bauerschaft Bentrop kommt 1030
wol schon unter dem Namen ,BcringthorpaS
dann (1007) als ,Berenthraph' vor.
Bu
In südöstlicher Nähe der Klosterstätte gibt
es unter einem Nadelholzwalde noch klare und
verborgene Spuren einer einstmaligen Hiirg-
anlage: den ,Hünenknüfer\ eine gen Süden in's
lüihrthal vorspringende Bergzunge, bewehren
nach Norden, nach dem beackerten Plateau, drei
concentrisch von dem einen Abhänge zum andern
in gewissen Abständen geführte Erdwerke, welche
je näher der Kupjjti, um so stärker und mäch-
tiger werden. Das äusserste Werk ist ein etwa
Qm tiefer und Cym breiter Graben, die beiden
andern bilden Wallgräben, und davon hat der
innerste bei 70»/ Länge im Walle, dOni Weite,
im Graben 8»/ Tiefe und 12in Breite, der an-
dere bei ungefähr 80ru Länge im Graben 0»^
Tiefe und Sm Breite. Die steile mit einem
modernen Pavillon besetzte Kuppe birgt, wie
Ortskundige versichern, Grundmauern und unter-
irdische Bautheile einer Anlage, die jedenfalls
nach den steinernen Werken und dem unbe-
deutenden Durchmesser des Gipfels eine mittel-
alterliche Ritterburg war. Die Ringwerke schhes-
sen sich hier den steilen Seitenabhängen der
Hohe so natürhch an, und umfassen ein so ge-
räumiges Terrain, als ob der Bergvorsprung
zuerst als altdeutsche oder sächsische Wallburg
hergerichtet wäre, ganz so wie Ardci im We-
sten. Reiht sich das Erdwerk den Wallburgen
auf den nördlichen Höhen der Ruhr ein, so
stammen die Grundmauern in der Kuppe aus
der Ritterzeit, es fi'agt sich, von welchem Ge-
schlecht? Jedenfalls nicht von den Edelherren
von Ardei, weil sie auf Ardei wohnten, eher
von einem Ministerialengeschlecht, wovon 1289
ein Antonius von Scheda beurkundet wird, wahr-
scheinlich von den Edelherren. die mit ihrer
Mutter Wiltrud vor 1147 das Kloster Scheda
gegründet haben. Diese führen in den gleich-
zeitigen Quellen keinen Namen und zerstören
oder verlassen zum Behufe ihrer lOosterstif-
tung ihre Burg, \ne spätere Angaben ver-
sichern. Wir vermuthen also hier das Stamm-
haus der ersten Edelherren der spätem Herr-
schaft Ardei, welches, wie ihre Besitzer, nach der
Lage und dem Namen des Klosters, Scheda
hiess, und schliessen nicht aus, dass es später
Avieder von einem Ministerialengeschlecht be-
wohnt sein kann, zumal da die Stamml)nrg zer-
stört und schon wegen ihrer Engräumigkeit
nicht selbst in ein Kloster verwandelt ist. Erst
Jahrzehnte nach dessen Stiftung taucht mit
Sicherheit ein Geschlecht der Edelherren von
Ardei als Erbe des weltlichen Nachlasses der
(ersten) Edelherren von Scheda auf, und seine da-
mals auf dem gleichnamigen Berge eingerichtete
Burg entspricht in der natürlichen und künst-
lichen Festigkeit so genau der Burg Scheda.
als ob die eine nach dem Vorbilde der andern
angelegt wäre, wie der Vergkich beider sofort
in die Augen springen liess. Die beiden Ge-
schlechter mochten auch schwer auseinander-
zuhalten sein, weil ihre Geschichte mancheriei
verwandte Züge zeigt: so das unscheinbare Ent-
stehen, das geräuschlose Verschwinden, das be-
scheidene Heraustreten in's Ritterleben, die be-
schauliche Geistesrichtung, die Fürsorge für die
Klöster, für FrCtndenberg dort, für Scheda hier,
die Nähe und Gleichförmigkeit ihrer Wohnsitze.
19
HG Rl'CKBLICK.
Diese hatten doch mit den weitern Schutz- ; zeichen auf ein noch höheres Alter hinweisen,
gürtein sicher in den .Sachsenkriegen, und ' schon in den Kämpfen der Sis:aml)er und
vielleicht, sollten einst Funde oder andere An- Römer eine Kolle gespielt.
U.-H. <1. n. W. ni. Kk'-ft; I. Xr. 47 (hier wird 1117 aU ' '••■? 11'*. \V. l.-B.
in. Adil. Xr. K2, «kr h. IVtrus froiiwiiili, «Ki. I<i7. IM 'in Westfalen IH.\',.
S. 'Jif.ttl.; — Die Urkunden im Copiiir df* K'"iiit'l. .'^■. ,. -. - i'-l: \V r -U.
ni, Add. p. C9; — von Steinen. IJest'hnMbun? der «ii.tte''häns<-r Caf>j»e:i^ 'da. S. ;« ff. und
— MonaKlcrii Schoidonsis initium et i)n>;nT-'-ii- .iiut.iri' WilhnVn'i 'f in inuna^terii pni' ,
(Quellen der Wehtfäl. Oewliicht»' HI, 4'il 477 L. H\i- ! Saeri et eaimnici orliii;- l'm
Aiinules. Xiini-eii (17:«;» U, 771 ff. ; — O. v. K le v«.» Westidialeii, Müm^ter 178". U, Gt».
weihiiiii.'sdatnin der Kirche; - KnmpM-hiilt«' . .-■. . "' -'• '^' '■ " ''■ '^' I'.-B. I. Xr. ... . .
L'e»«r die Hunr: venjl. voriier S. 22. 13S. - von S und Soheda, S. 40— «:
— W. U.-ü. ni, Xr. V47U; — MitUieilun« des Moni . "
K,
lein ist der durchmusterte Kreis, doch reich an wirthschaftlichen Gütern, wechselvoll
in der IJodengestaltung. Reicher in seiner Art war das Feld der Monumente, das sich uns
von den Sf)uron der Urbo\ (ilkcrung und der Römer his zur neuesten Zeit von Ort zu Ort in
Schrift und Hild auftliat. Denkniillcr des hiluslichen, öffentlichen, des Krieg.s- und Religions-
Idicns, Werke aller Stilwandlungen, verschieden an Material und Arbeit, einfache und unbehülflich
gefertigte Stücke w'w die stolzen Schöpfungen glücklicher Jahrhunderte. Burtr und Klosti-r. Dorf
und Stadt, Haus und Kirche, und was zur iiinern Ausstattung gehörte, zogen unsern Rücken
vorüber. M("»geM auch die verschiedenen Gebiete der Provinz in der Fülle und Beschaffenheit
des Stoffes von einander abweichen, jedenfalls verheisst die Ausbeute, die der Kreis ergal>.
eine sehr gesegnete Ernte an DenkniiUern für das ganze Land, wenn nur nicht Gleichgültigkeit,
rücksichtslose Neuerungen oder verlockende Gebote der ..Vlthilndler das monumentale Erbtheil
fürderhin immer mehr schmälern, so dass die bedeutsamsten Denkniiller der Geschichte und die
edelsten Perlen der Kunst ohne Re.schreii)ung und ohne Abbildung, also spurlos der \Vi.s.sen-
schaft entschwinden, und, sofern sie auswandern müssen, nirgendwo jenem volkstümlichen Ver-
stilndnisse wieder begegnen, wie am Fundorte. In der Tliat hat die Wissenschaft noch eine
ebenso dankbare als schwere Aufgabe zu bewältigen, bis der Denkmillerschatz in allen Schichten
so gehoben und erliUitert ist, dass er in würdigem Lichte wieder vor uns auflebt und der
allgemeinen (Je.schiclite von Nutzen werden kann. Je lauterer und vollkommener sich <ler geistige
Inhalt der Zeiten in die Denkmäler ergossen hat, um so mehr wird man auf diese beredti'U
«Quellen Wncksiclit nehmen nuisscn, um die lückenhaften und zulilliigen Ziige der Geschichte durch
lebendige und lebenswahre su ergänzen. Und wenn angesichts der Klüfte, welche im modenien
Kunstleben Plan und Ausfiihrung. Gewerbe. Fabrik und Akademie, überhatipt die Künste von
einander trennen, das Restreben erwacht, nach Mfiglichkeit den Kunst betrieb mit Einsicht zu
paaren und seine Zweige bis in die Kleinktniste zu gegenseitigem Austausche einander zu nJlhern.
so sind es die langehin auf dem gemeinsamen Roden des Handwerkes erzeugten Kunstdenkmäler,
welche ein dem Materiale wie dem Zwecke angemessenes Fonngefühl, eine gelätiterte Technik,
und unter den verschiedenartigen Werken allerhand gleichartige Züge in Ge.stalt und St4ttr lebendig
vor Augen .st^dlen.
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Bau- und Kunstdenkmäler
von Westfalen
Denkmäler
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