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PAUL B. HOEBER
Medical Books
230 E. 50th St., N. Y.
Boston
Medical Library
8 The Fenway
CHIRURGISCHE
OPERATIONSLEHRE
VON
DR. TH. KOCHER
PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT UND DIRECTOR DER CHIRURGISCHEN
KLINIK DER UNIVERSITÄT BERN
MIT 1 TAFEL UND 255 ABBILDUNGEN IM TEXTE
VIERTE VIELFACH UMGEARBEITETE AUFLAGE
JENA
VERLAG VON GUSTAV FISCHER
1902.
Ueberset zu ngsrecht vorbehalten.
£3.<k*.rd>
Vorrede zur zweiten Auflage.
Indem wir für die zahlreichen sehr wohlwollenden, aber ebenso
für die kritischer gehaltenen Besprechungen der ersten Auflage unseren
Dank aussprechen, glauben wir namentlich noch einmal hervorheben
zu sollen, dass wir mit vollem Bewusstsein unsere Operationslehre so
geschrieben haben, dass sie nicht nur für den Unterricht passt, sondern
auch dem praktischen Arzte und Chirurgen auf Grund vielfältiger Er-
fahrung eine sichere Handhabe für Operationen am Lebenden bietet.
Es mag sein, dass das Buch dadurch eine gewisse Einbusse für die
didaktische Uebersichtlichkeit erleidet. Aber wir sind der Meinung, dass
der Student Alles so lernen soll, wie er es später in der Praxis braucht.
Wir schildern deshalb die Methode der Freilegung zum Theil
wenig wichtiger Nerven und unbedeutender Arterien, weil dieselben
in Schnittrichtungen hineinfallen, welche wegen häufiger Erkrankungen
besonders oft benutzt werden müssen. Diese Schnittrichtungen sind
es vorzüglich, welche wir in dem Uebersichtsbild der Normalschnitte
mit eigenen Namen aufgeführt haben. Wenn man sieht, wie schwere
Folgen für die Function häufig von unkundiger und ungeübter Hand
ausgeführte Incisionen haben, so scheint es nicht überflüssig, für jede
Stelle am Körper bestimmte Regeln aufzustellen. Denn dass die
Chirurgie viel mehr als früher, nämlich seit die Antisepsis einen guten
Theil technischer Fehler zudeckt, Gemeingut der Aerzte geworden
ist, ist bekannt. Es kann aber auch eine Zeit kommen, wo über
technische Fehler schärfer geurtheilt wird als jetzt. Wir haben des-
halb für die wichtigsten Operationen bloss diejenige Technik erwähnt,
über welche wir selber zuverlässige eigene Erfahrungen besitzen,
und ein Theil der Beschreibungen ist während der Ausführung der
Operation am Lebenden einem stenographirenden Assistenten dictirt
worden.
IV Vorrede zur zweiten Auflage.
Deshalb ist das praktisch Unbrauchbare nirgends erwähnt, weil
die Operationslehre eine Vorbereitung auf dasjenige Examen sein
soll, welches der Arzt tagtäglich in seinem Beruf zu bestehen hat.
Nochmals müssen wir uns bei unseren Specialcollegen entschuldigen,
dass wir nicht dazu gekommen sind, durch eingehendes Literatur-
studium den Arbeiten anderer Autoren gerecht zu werden, weil die
vollkommene Umarbeitung namentlich der Zeichnungen, welche
sämmtlich nach Operationen am Cadaver, zum Theil an Lebenden,
neu entworfen worden sind, die Zeit völlig in Anspruch nahm. Wenn
eine neue Auflage nöthig sein sollte, so soll diese Lücke ausgefüllt
werden. Vorläufig verweisen wir auf die neuesten der vielen vor-
züglichen Compendien von v. Heineke, v. Bergmann, Rotter,
F. Treves, Faraboeuf, und speciell das trefflich illustrirte Werk
von Esmarch und Kowalzig, wo ausführliche vergleichende Be-
schreibungen der Operationstypen gegeben sind.
Die Zeichnungen sind zum Theil von dem früheren Zeichner,
Herrn Kiener, Zeichnungslehrer in St. Imier, zum Theil von Herrn
Wesser in Jena mit grossem Geschick entworfen und von dem
tüchtigen Holzschneider des Herrn G. Fischer in Holz ausgeführt
worden. Unser früherer i. Assistenzarzt Dr. Lardy, jetzt Chefchirurg
des französischen Spitals in Constantinopel, hat die Tafel der Normal-
schnitte anzulegen die Güte gehabt, die seither einige Ergänzungen
erfahren hat. Bei den Versuchen über Hirnschädel-Topographie ist
mir hauptsächlich Dr. Lanz, bei der Ausführung der Operationen
für die Zeichnungen ausser ihm die Herren Dr. Dumont, Flach,
de Quervain, Mosimann, Arnd u. A. behülflich gewesen.
Zu Datik verpflichtet bin ich dem Herrn Verleger, dass er keine
Opfer gescheut hat, um die Ausstattung der 2. Auflage zu vervoll-
kommnen.
Vorrede zur dritten Auflage.
Wie schon in der Vorrede für die 2. Auflage hervorgehoben,
ist diese Operationslehre weniger dazu bestimmt, ein vollständiges
Bild aller Operationsmethoden zu geben, als bestimmte Operations-
typen dem ausübenden Chirurgen in möglichster Anlehnung an die
am Lebenden anzutreffenden Verhältnisse darzulegen, und zwar solche,
deren Vorzüge sich dem Verfasser in der Erfahrung bewährt haben.
Da die Erfahrung eines Einzelnen, auch ob sie sich über ein Viertel-
jahrhundert angestrengter Thätigkeit erstreckt, beschränkt ist, so muss
der erwähnte Plan nothwendig zu gewissen Einseitigkeiten führen.
Dass trotzdem dem kleinen Werk so viel Anerkennung zu Theil wurde,
dass in Kürze eine 3. Auflage nöthig wird, ist uns ein erfreulicher
Beweis dafür, dass die rasch vorwärtsstrebende Chirurgie der Neuzeit
jeden Beitrag zu schätzen weiss, welchem gewissenhaftes Streben zu
Grunde liegt.
Wir sind den kritischen Besprechungen durch viele hervorragende
Collegen zu grossem Danke verpflichtet und haben uns bestrebt,
ihren Ausstellungen Rechnung zu tragen. Ganz besonders werden
wir auch in Zukunft unseren Kritikern dankbar sein, wenn sie uns
auf wesentliche Auslassungen und auf die Aussprüche aufmerksam
machen Seitens anderer Chirurgen, denen wir nicht gerecht geworden
sind. Dagegen müssen wir nochmals hervorheben, dass die Absicht
unseres kleinen Handbuches nicht die ist, über alle Operations-
methoden, welche Empfehlung verdienen, Auskunft zu geben, sondern
bloss diejenigen zu schildern, welche wir durch eigene Erfahrung
als völlig bewährt und empfehlenswerth erfunden haben. Wir müssen
deshalb nochmals auf die grösser angelegten, ausgezeichneten Hand-
bücher von Esmarch und Kowalzig, welches für das deutsche
Publicum in Bezug auf Allseitigkeit Alles bietet, was man wünschen
"VI Vorrede zur dritten Auflage.
kann, ebenso wie dasjenige von Winiwarter, ferner von Fara-
boeuf, Treves und Jacobson verweisen behufs Uebersicht über
die verschiedenen Operationsverfahren, welche vorgeschlagen worden
sind. Auch Zusammenstellungen, wie diejenige von M. Schede über
Amputationen bieten eine reiche Fundgrube historischer Studien über
die verschiedenen Verfahren.
Seit der Chirurg durch die antiseptische Wundbehandlung und
zumal durch den Fortschritt von dieser zur aseptischen in den Stand
gesetzt ist, die meisten Operationen ohne Gefahr fürs Leben durch-
zuführen, ist demselben die andere Aufgabe wieder näher gelegt,
viel mehr als früher der Indication ein Genüge zu leisten, eine
rasche Ausheilung und ein functionell vollkommeneres
Resultat zu erzielen. Die Technik der Operationen hat in dieser
Richtung eine erhöhte Bedeutung bekommen. Gerade weil zur Stunde
Operationen selbst bei falscher Beurtheilung eines Falles ungestraft
ausgeführt werden können, so weit es sich um das Leben des Kranken
handelt, wird man einen strengeren Maassstab anlegen müssen in
Beurtheilung der Indicationen für bestimmte Operationsmethoden und
des function eilen Erfolges derselben. Wenn die Aerzte nicht daran
festhalten, so läuft die Chirurgie Gefahr, wieder auf den Standpunkt
des Handwerks zur Zeit der Bruchschneider und Staarstecher herab-
zusinken, wofür in einzelnen Ländern schon recht bedenkliche An-
zeichen vorhanden sind.
Vorrede zur vierten Auflage.
Die günstige Aufnahme der 3. Auflage dieser Operationslehre und
ihre Uebersetzung ins Englische, Französische, Russische, Spanische
und Italienische ist uns ein erfreulicher Beweis gewesen, dass das
Buch den Bedürfnissen vieler Collegen entgegen gekommen ist. Ich
hoffe, die neue Auflage bringt einige wesentliche Verbesserungen,
da ich an Hand erneuter Erfahrungen stets wieder die Correctheit
meiner Indicationen und Beschreibungen geprüft habe.
Ich möchte mir gestatten, hauptsächlich auf die Verbesserung
der Angaben und Zeichnungen, die Abdominalchirurgie betreffend,
aufmerksam zu machen. Unsere Methode der Magenresection beispiels-
weise hat sich jetzt so weit vervollkommnet, dass ein hoher Grad von
Sicherheit bezüglich des Resultates erreicht ist, und ich habe deshalb
die Methode neu illustriren lassen. Mit unserem Verfahren zur Radical-
operation der Brüche haben wir ebenfalls so günstige Dauerresultate
erzielt, dass wir trotz Bassini dasselbe wegen seiner grossen Einfach-
heit neuerdings warm empfehlen dürfen.
Einen wichtigen Fortschritt glauben wir durch Modifikationen
in der Exstirpation der Zunge und in der Excision des Larynx erzielt
zu haben, auf welche wir speciell aufmerksam machen, da durch
dieselben die Nachbehandlung viel einfacher und das Ergebniss viel
sicherer geworden ist. Die Capitel über Narkose, Wundbehandlung,
Trepanation und zahlreiche andere, die Einleitungen zu den Ampu-
tationen, zum Theil der Resectionen sind völlig neu bearbeitet.
Ich bin dabei geblieben, in der Hauptsache bloss dasjenige zu
beschreiben und zu empfehlen, was ich durch eigene Prüfung als
empfehlenswerth kennen gelernt habe. Ich bin mir bewusst, dass das
Buch dadurch eine gewisse Einseitigkeit beibehält, aber ich bin auch
sicher, dass ich den operirenden Aerzten zuverlässige Wegleitung
VIII Vorrede zur vierten Auflage.
geben kann. Die operative Chirurgie, früher in den Händen einzelner
Bevorzugter, wird mehr und mehr zum Gemeingut der Aerzte, aber
um so mehr thut es noth, dass bestimmte Normen aufgestellt werden
für die Ausführung der Operationen, damit nicht ungestraft unter dem
Schutze der selbst grobe Fehler deckenden Asepsis den Patienten von
unerfahrenen Händen grosser Schaden zugefügt werde. Je seltener
ein Arzt operirt, desto mehr bedarf er jedesmal vor einer Operation
einer klaren kurzen Orientirung über die Art des Vorgehens. Diese
zu geben, war mein Bestreben.
Die Technik hat wieder eine viel grössere Bedeutung erlangt
als früher und muss noch eine viel feinere Ausbildung erlangen.
Nur wer die Technik beherrscht, kann aus der Asepsis den vollen
Nutzen ziehen. Nur mit guten anatomischen Kenntnissen kann man
sich den segensreichen Fortschritt der Localanästhesie ganz zu Nutze
machen. Nur vollendete Technik lässt auch die letzte nach Ueber-
windung der Gefahren seitens der Narkose und der Infection noch
bestehenden Bedenken operativer Eingriffe überwinden. Möge das
Buch der Gewissenhaftigkeit in Ausübung von Operationen Vorschub
leisten !
Iiüialtsverzeichniss.
Seite
Vorrede zur zweiten Auflage V — VI
Vorrede zur dritten Auflage VII— VIII
Vorrede zur vierten Auflage IX — X
Allgemeines.
A. Einleitung i_3
B. Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen 4—40
1. Localanästhesie 4 — 11
2. Allgemeinanästhesie 11 — 38
3. Zur Lagerungsfrage 38 — 40
C. Wundbehandlung 40—69
a) Zusammenfassung der Indicationen für die Be-
handlung aseptisch gehaltener, bloss infec-
tionsver dächtiger Wunden 69
b) Zusammenfassung der Indicationen für die
Behandlung inficirter Wunden 70
D. Die Wahl der Sehnittrichtung 70—84
Specielle Operationslehre.
E. Sehädeltheil des Kopfes 85—127
a)Weichtheile 85 — 91
Seite Seite
1) Arteria und Vena temporalis — 4) Nervus ethmoidalis .... 88
Nervus auriculo-temporalis . 85 5) Arteria occipitalis. — Nervus
2) Arteria supraorbitalis. — Ner- occipitalis major und minor .
vus supraorbitalis, frontalis 6) Nervus occipitalis major . . 90
und ethmoidalis 87 7) Nervus occipitalis minor . . 90
3) Nervus frontalis 88
b) Die Eröffnung des Schädels 91 — 127
8) Craniectomia partialis circum- 11) Die ausgedehnten Schädelre-
scripta 92 sectionen 100
9) Cranio-cerebrale Topographie 94 12) Die osteoplastische Schädelre-
10) Topographie des Kleinhirns section 101
und der venösen Sinus und Tre- 13) Circuläre Craniotomie . . . 103
panation über diesen Theilen 99 14) Explorative Trepanation . . 104
X
Inhaltsverzeichniss.
15) Punction der Seitenventrikel
16) Operationen am Gehirn . .
17) Deckung knöcherner Schädel-
defecte
18) Trepanation des Sinus longitu-
dinalis
19) Trepanation über dem Sinus
transversus
F. Gesichtstheil des Kopfes
Rachen
24) Ligatur der Art. maxillaris
externa
25) Operationen an der Nase und
den Nasenhöhlen
26) Freilegung der Schädelbasis
und des Nasendaches . . .
Operationen an den
31) Nervus facialis
Nervus trigeminus
32) Ramus II Trigemini ....
33) Resection des Nervus orbitalis
34) N.supramaxillaris am Foramen
rotundum
35) Ramus III nervi trigemini
36) N. mentalis
37) Nervus alveolaris inferior . .
38) Nervus lingualis ......
39) Nervus auriculo-temporalis
40) Nervus buccinatorius . . .
41) Nervus inframaxillaris . . .
42) Exstirpation des Ganglion
Gasseri
43) Resection des Oberkiefers
44) Osteoplastische Resection des
Oberkiefers
45) Resection des Unterkiefers .
Seite Seite
104 20) Trepanation bei intracraniell er
106 Blutung 113
21) Trepanation zur Freilegung
108 der Arteria meningea media
und ihrer Hämatome . . . 116
110 22) Trepanation des Sinus fron-
talis 118
1 10 23) Die Freilegung der Mittelohr-
räume 121
, inclusive Nase, Mund und
127—176
27) Eröffnung der Keilbeinhöhlen 133
130 28) Eröffnung der Siebbeinhöhlen 133
29) Eröffnung des Antrum High-
131 mori 135
30) Operationen im Bereich der
132 Orbita 136
Gesichtsnerven 138 — 151
138
I39-I5I
139 46) Osteoplastische Resection des
142 Unterkiefers 162
47) Resection dss Kiefergelenks . 163
142 48) Breite Eröffnung der Mund-
145 höhle 164
145 49) Incisionen in die Zunge und
145 am Mundboden 167
J47 5°) Excision der Zunge .... 167
148 51) Excision der Zunge bei gleich-
148 zeitiger Erkrankung des Kie-
148 fers 172
52) Excision der Carcinome des
151 Zungengrundes ...... 174
J55 53) Tonsillotomie 175
. 54) Excision von Tumoren der
159 Tonsille 175
161
G. Das obere seitliche Halsdreieck . .
Der Normalschnitt für das o
55) Carotis externa (und interna) 178 61)
56) Arteria thyreoidea superior 181 62)
57) Arteria lingualis 181
58) Ligatur der Carotis interna . 183 63)
59) Die Freilegung des Nervus 64)
hypoglossus 183
60) Freilegung des Nervus lin-
gualis vom Hals aus . . . 184
Die Eröffnung des Pharynx .
65) Eröffnung des Acutus laryngis, 66)
Pharyngotomia subhyoidea . 186 67)
176-193
bere Halsd reieck . 176 — 186
Der Nervus laryngeus superior 184
Ligatur der Vena jugularis
interna und communis . . . 184
Nervus accessorius .... 184
Nervus occipitalis minor, Auri-
cularis magnus und Subcuta-
nea colli 186
Pharyngotomia mediana
Pharyngotomia lateralis
193
189
191
Inhaltsverzeichniss. XI
Seite Seite
H. Das vordere Halsdreieck 193—231
68) Arteria carotis communis . 193 71) Arteria vertebralis .... 196
69) Resection des Nervus vagus 194 72) Oesophagotomie und Oeso-
70) Ligatur der Arteria thy- phagektomie 197
reoidea inferior und Arteria 73) Eröffnung des Retropharyn-
vertebralis 194 gealraumes 198
Laryngo- und Tracheotomie 199 — 203
74) Tracheotomiasuperior(Crico- 76) Laryngotomia mediana et
Tracheotomie) 199 Laryngectomia partialis . . 201
75) Tracheotomia inferior . . . 201 77) Laryngectomia totalis . . . 203
78) Die Excision der Schilddrüse 205
79) Normalverfahren der Ex- 84) Operation der Struma intra-
cision 209 thoracica 224
80) Enucleation des Kropfes . . 218 85) Operation der Struma recidiva 226
81) Resection des Kropfes. . . 219 86) Die Ligatur der Schilddrüsen-
82) Enucleationsresection und arterien 228
-excision des Kropfes . . . 220 87) Excision entzündeter und ma-
83) Ausräumung (Exenteration) ligner Kropfgeschwülste . . 228
des Kropfes 222 88) Arteria anonyma 229
I. Das untere seitliche Halsdreieck 231 — 236
89) Arteria subclavia 231 91) N. subcutaneus colli . . . 234
90) Nervus accessorius .... 234 92) N. auricularis magnus . . . 234
K. Naekengegend 236
L. Thorax 236—262
93) Arteria mammaria interna . 237 96) Amputation der Brustdrüse 239
94) Arteria intercostalis .... 238 97) Radicaloperation des Brust-
95) Nervus intercostalis .... 238 krebses 239
Chirurgie der Thoraxwand, Pleura und Lunge . 245—256
98) Thoracocentesis 245 der Thoraxwand. Thoraco-
99) Rippenresection und Pleuro- tomie und Thoracoplastik 249
tomie 246 101) Laparotomia transthoracica 252
100) Resection grösserer Stücke 102) Lungenchirurgie 255
Chirurgie des Herzens und Herzbeutels .... 256—262
103) Punction des Herzbeutels . 257 104) Pericardiotomie. Herznaht . 258
M. Kücken 262-269
105) Ligatur der Arteria dorsalis 108) Chirurgie des Mediastinum
scapulae 262 posticum 264
106) Nervus suprascapularis . . 264 109) Eröffnung des Mediastinum
107) Arteria circumfiexa scapulae anticum 267
von hinten 264 110) Eröffnung der Rückgrats-
höhle — Laminektomie . . 268
N. Lendengegend 269-277
in) Nephrotomie 269 114) Excision der Nebenniere . 275
112) Nephrorhaphie und Nephro- 115) Ureterotomie und Ureterek-
pexie 273 tomie 276
113) Nephrektomie 273 116) Splenektomie 277
XII
Inhaltsverzeichniss.
Seite
O. Abdomen
Cöliotomie (Laparotomie)
117) Indicationen und Beding-
ungen ihres Erfolges . . . 277
118) Schnittanlage und Naht-
methode bei Laparotomie . 280
119) Laparotomie bei Peritonitis 283
120) Laparotomie bei Bauchfell-
tuberculose 285
121) Laparotomie zur Omento- und
Splenopexie bei Ascites . . 285
122) Laparotomie bei Peritoneal-
adhäsionen 286
Gastrectomie
128) Indication und Methode
129) Gastrectomia partialis
130) Gastrektomie mit Gastroduo-
denostomose 320
131) Gastrektomie mit Gastroje-
junostomose 331
123)
124)
125)
126)
127)
Seite
■ • • 277—316
377
Die Operationen am Magen-
darmcanal . 286
Gastrotomie und Gastro-
stomie 289
Gastroenteroanastomosis . . 299
Gastrojejunostomia anteco-
lica inferior 308
Gastroenterostomosis retro-
colica Y-formis nach Roux 312
316
321
Hyp ochon dr i u m . . .
136) Die Chirurgie der Gallen-
wege 338
137) Cholecystotomie 339
138) Cholecystektomie .... 342
139) Cholecystostomie .... 342
140) Choledocholithothripsie . . 343
141) Choledocholithotomie . . . 344
Mesogastrium
146) Radicaloperation der Nabelhernie
Hypogastrium
147) Punction des Abdomen . . 351
148) Incisionen im Bereich des
Hypogastrium 352
149) Ausräumung der Lymph-
drüsen in der Leiste und
längs der Vasa iliaca und
obturatoria 353
150) Freilegung des Samenstran-
ges. Castration 354
151) Operation der Varicocele . 356
152) Operation der Hydrocele . 357
Enterostomie und Colos
158) Anlegung einer Kothfistel . 383
159) Anlegung eines Anus praeter-
316-338
132) Gastrektomie nach Rydygier-
Billroth und nach Henle-Mi-
kulicz 331
133) Gastrectomia totalis . . . 332
134) Gastrectomia partialis car-
diaca 336
135) Gastroplastik 337
338—345
142) Cholecystenterostomie . . 344
143) Lithotomia transduodenalis . 345
144) Choledochotomia transduo-
denalis 346
145) Hepatotomie und Resectio
hepatis 347
351-
153) Herniotomie und Radical-
operation von Leisten- und
Schenkelhernien
154) Radicaloperation der Schen-
kelhernie
155) Verkürzung der Ligamenta
rotunda. Alexander's Opera-
tion
156) Operationen bei Appendix-
Erkrankungen
157) Resectio ileo-coecalis . . .
tomie 382-
naturalis am Colon (Colo-
proktie)
160) Jejunostomie
349-351
• • 350
382
Darmresection .
161) Resection des Dünndarms
162) Resection am Dickdarm .
389
394
163) Enteroanastomosis
357
366
37i
384
384
388
-397
396
Inhaltsverzeichniss. XIII
Seite Seite
Blasenoperationen 397—401
164) Cystotomia alta suprapubica 397 166) Blasen eröffnung mit Sym-
165) Cystostomia alta 399 physenresection 400
167) Punction der Blase .... 401
Zur Ureteren- Chirurgie 401—405
168) Uretero-Cysto-Neostomie . 401 169) Uretero-Trigono-Sigmoideo-
stomie 403
P. Perinaeum ; 406—416
170) Cystotomia perinealis . . . 406 174) Vasektomie 413
171) Urethrotomia externa . . . 407 175) Prostatotomie und Prostat-
172) Freilegung der Pars mem- ektomie 414
branacea und prostatica ure- 176) Arteria pudenda interna und
thrae 408 Nervus pudendus internus
173) Excision der Hoden mitsammt am Damm 415
Vasdeferens und Samenblase. 177) Amputatio penis 415
Spermatocystektomie . . . 409
Q. Sacralgegend 416—430
Die Chirurgie des Rectum 416—430
178) Excision von Hämorrhoidal- 180) Excisio recti carcinomatosi 419
knoten 416 181) Sigmoideo-Rectostomie nach
179) Operation des Prolapsus ani Bacon und Rotter .... 430
et recti 418
Chirurgie der Extremitäten.
Freilegung der Gefässe und Nerven,
R. Obere Extremität 432 — 462
a) Schultergegend 432—535
182) Arteria subclavia 432 184) Arteria thoracico-acromialis . 435
183) Arteria thoracica suprema . 435 185) Arteria thoracica longa . . 435
b) Axilla 435—440
186) Arteria axillaris 435 189) Arteria subscapularis undN.
187) Arteria circumflexa humeri subscapulares 438
anterior 438 190) Arteria thoracico-dorsalis . 440
188) Arteria circumflexa humeri 191) Arteria circumflexa scapulae 440
posterior und Nervus axillaris 438
c) Oberarm 44° — 444
192) Arteria brachialis in der Mitte 441 196) Nervus medianus 442
193) Arteria profunda brachii . . 441 197) Nervus ulnaris in der unteren
194) Arteria collateralis ulnaris su- Hälfte des Oberarmes . . 443
perior 442 198) Nervus radialis 443
195) Arteria collateralis ulnaris in- 199) Nervus musculo-cutaneus . 444
ferior 442
d) Ellenbogengegend 444 — 44°
200) Operationen in der Ellen- 201) Arteria brachialis in der Ellen-
bogengegend 444 beuge 445
XIV Inhaltsverzeichniss.
Seite Seite
202) Nervus medianus .... 445 204) Nervus radialis 446
203) Nervus ulnaris 445
e) Vorderarm. — Volarfläche 446—453
205) Operationen am Vorderarm 446 209) Nervus medianus 451
206) Arteria radialis 448 210) Nervus cutaneus palmaris . 451
207) Arteria ulnaris 448 211) Nervus interosseus des Medi-
208) Arteria interossea .... 450 anus 451
f) Vorderarm — Dorsalfläche 453
212) Ramus profundus nervi radialis 453
g) Handgelenk- Volarseite 453—455
213) Arteria ulnaris am Os pisi- 214) Nervus medianus .... 455
forme • • 453
h) Operationen an der Hand 455
215) Arteria radialis auf dem Dor- 219) Arcus volaris sublimis . . . 458
sum manus 456 220) Arcus volaris profundus . . 460
216) Arteria radialis auf dem Os 221) Radialer Ast des Nervus medi-
multangulum majus . . . 458 anus 460
217) Ramus dorsalis n. ulnaris . 458 222) Arteriae digitales communes 460
218) Ramus dorsalis n. radialis . 458 223) Operationen an den Fingern 461
S. Untere Extremität 462—494
Gesässgegend 462 — 464
224) Arteria glutaea superior . . 462 226) N. cutaneus femoris posticus 464
225) Arteria glutaea inferior (ischi- 227) N. ischiadicus 464
adica) 464 228) Arteria pudenda interna . . 464
Leistengegend 464 — 471
229) Arteria iliaca communis (und 235) Arteria iliaca externa . . . 469
Aorta abdominalis) .... 464 236) Arteria epigastrica inferior an
230) Vasa spermatica interna . . 467 der vorderen Bauchwand . 469
231) Ureter 467 237) Arteria circumflexa ilii . . 470
232) A. mesenterica. inferior . . 467 238) Arteria obturatoria und Ner-
233) Arteria hypogastria .... 468 vus obturatorius 470
234) Arteria uterina 468 239) Nervus obturatorius . . ... 470
Oberschenkel — Vorderfläche 472 — 478
240) Arteria femoralis 472 242) Arteria circumflexa interna . 475
241) a. Arteria profunda am Ur- 243) Arteria articularis genu su-
sprung und Arteria circum- prema 477
flexa femoris externa . . 474 244) Nervus cruralis 477
b. Der Endast der A. circum- 245) Nervus saphenus internus . 477
flexa externa 475 246) Vena saphena major . . . 477
c. Arteria profunda am Ad- 247) Nervus cutaneus femoris la-
ductor longus 475 teralis 477
Oberschenkel — Rückfläche 478—480
248) Nervus ischiadicus 478.
Kniekehle 480—481
249) Arteria poplitea 480 251) N. suralis lateralis und N.
250) Nervus peroneus 480 communicans peroneus . . 481
Inhaltsverzeichniss. XV
Seite Seite
Unterschenkel. — Vorder fläche und Aussen-
fläche 481 — 485
252) Arteria tibiae antica . . . 481 254) N. peroneus superficialis . . 485
253) Nervus peroneus profundus
in der Nähe seines Ursprungs 483
Unterschenkel. — Rückfläche und Innenfläche . 485 — 490
255) Truncus tibio-peronealis . . 485 259) N. suralis externus .... 489
256) Arteria tibialis postica . . 487 260) Nervus suralis medius . . 490
257) N. saphenus internus . . . 489 261) Nervus tibialis posticus . . 490
258) Arteria peronea 489
Fuss 490—494
262) Arteriae plantares am Ur- 265) Arteria plantaris externa . . 491
sprung . 490 266) Nervus plantaris externus . 491
263) Arteria plantaris interna und 267) Arcus plantaris am Inter-
Nervus plantaris internus . 490 stitium intermetatarseum . . 491
264) Nervus plantaris internus . 491 268) Arteria dorsalis pedis . . . 494
Excisionen und Resectionen.
T. Allgemeines 495—500
U. Untere Extremität 501—532
269) Excision der Zehenphalangen 279) Resectio fibulae 513
und Metatarsalknochen . . 500 280) Arthrotomia et Resectio genu 513
270) Resectio metatarso-tarsea u. 281) Resectio patellae 522
Tarsectomia anterior . . . 500 282) Osteotomia und Resectio cu-
271) Resectio medio-tarsea . . . 502 neiformis tibiae 522
272) Excisio tali 505 283) Osteotomia femoris supra-
273) Excisio calcanei 506 condylica 523
274) Resectio talo-calcanea und 284) Osteotomia und Resectio cu-
Resectio tarsea posterior . 507 neiformis femoris subtroch-
275) Resectio pedis 507 anterica 524
276) Resectio tarsea totalis ... 511 285) Resectio diaphyseos femoris 525
277) Resectio des unteren Unter- 286) Resectio coxae 525
Schenkel dritteis 513 287) Resection einer Beckenhälfte 530
278) Resectio tibiae 513
V. Obere Extremität 532—556
288) Excision der Phalangen, Me- 289) Resectio manus 533
tacarpalknochen, der Inter- 290) Resectio ulnae 539
phalangeal- und Metacarpo- 291) Resectio radii 539
phalangealgelenke .... 532
Methode der breiten Eröffnung des Ellenbogen-
gelenkes 540—556
292) Resectio cubiti 540 tionis sterno-clavicularis et
293) Resectio diaphyseos humeri 545 acromio-clavicularis ... 553
294) Resectio articulationis hu- 296) Resection und Totalexcision
meri 545 der Scapula 554
295) Resectio claviculae, articula-
XVI
Inhaltsverzeichniss.
Amputationen und Exarticulationen.
W. Einleitung
Seite
556
Entwicklung der Amputationsmethoden. Ihrelndi-
cationen 557 — 561
Ausführung der verschiedenen Methoden . . . . 561 — 566
Normalverfahren für Amputationen 566—572
X. Untere Extremität 572—604
I. Die Amputationen am Fusse 572 — 590
Seite
297) Abtragung der Zehen mit
und ohne Metatarsalknochen 573
298) Exarticulation sämmtlicher
Zehen 573
299) Amputatio metatarsea . . . 574
300) Exarticulatio metatarso-tar-
sea 575
301) Exarticulatio intertarsea an-
terior 576
302) Exarticulatio intertarsea po-
sterior 577
303) Amputatio intertarsea . . . 579
304) Exarticulatio sub talo . . . 579
305) Amputatio subtalica osteo-
plastica 580
306) Exarticulatio pedis .... 580
307) Amputatio pedis osteoplastica 583
308) Amputatio cruris .... 584
309) Exarticulatio genu .... 590
310) Amputatio femoris .... 592
311) Amputatio femoris diacon-
dylica 592
312) Amputatio supracondylica . 595
313") Amputation durch die Mitte 596
314) Amputatio alta 597
315) Exarticulatio coxae .... 597
316) Exarticulatio interilio - abdo-
minalis 603
Obere Extremität 605—618
317) Amputation und Exarticu-
lation an den Fingern . . 605
318) Exarticulatio manus . . . 606
319) Amputatio antibrachii . . 607
320) Exarticulatio cubiti . • . 607
321) Amputatio brachii .... 610
322) Exarticulatio humeri . . . 611
323) Exarticulation des Armes
sammt Schultergürtel, Am-
putatio interscapulo - thora-
cica 614
Erster Abschnitt.
Allgemeines.
A. Einleitung.
Seit wir dank der aseptischen Wundbehandlung jede noch so
grosse Wunde, die wir als Chirurgen machen, in kürzester Zeit durch
Verklebung zur Heilung zu bringen vermögen, hat die Operations-
technik einen ausserordentlichen Aufschwung genommen. Wir dürfen,
sobald wir unserer Antisepsis sicher sind, überall am Körper ein-
schneiden, nicht nur in therapeutischer, sondern auch in diagnostischer
Absicht. Aber allerdings ist es um so mehr Pflicht, bei der ausser-
ordentlichen Erweiterung der Indicationen zu operativer Behandlung
der Krankheiten die Technik aufs höchste zu vervollkommnen, um
dem ersten Grundsatze der Therapie „nil nocere" treu zu
bleiben. Eine vollständige Beherrschung der Technik, die zum Haupt-
theil auf genauester Kenntniss der Anatomie beruht, ist demgemäss
nach der Sicherheit aseptischer Wundbehandlung eine unerlässliche
Bedingung zur Ausübung operativer Therapie. Es ist in praxi nicht
möglich, vor jeder Operation anatomische Handbücher und Atlanten
durchzustudiren, um so weniger, da diese Lehrmittel meist von rein
anatomischen Gesichtspunkten aus abgefasst sind und sich um Einzel-
heiten nicht in dem Maasse kümmern, wie der Chirurg es wünschen
rnuss. Aus diesem Grunde ist es auch nicht unsere Absicht, die
vielen trefflichen Lehrbücher der Operationslehre um ein noch aus-
führlicheres zu vermehren, sondern wir beabsichtigen in der Art von
Roser's hochgeschätztem Vademecum eine möglichst kurzgefasste
Anleitung zu geben für rasche Orientirung über eine auszuführende
Operation.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. j
2 Allgemeines.
Diese Anleitung soll als Leitfaden dienen können zu Uebungen
am Cadaver, aber vor allem ist die Ausführung von Ope-
rationen am lebenden Menschen ins Auge gefasst, und
es sind daher nur diejenigen Methoden empfohlen, welche Verfasser
auf Grund jahrelanger Erfahrungen am Krankenbett als zuverlässig
und empfehlenswerth erprobt hat. Nicht als ob wir unsere Methoden
als besser hinstellen möchten, als die oft abweichenden anderer Chi-
rurgen; wir hoffen im Gegentheil später die hier noch vorhandenen
Lücken auszufüllen, den Erfindern hier beschriebener, sowohl als
abweichender Operationsmethoden gerecht zu werden, und bitten um
Entschuldigung, dass wir der geschichtlichen Entwickelung und Be-
deutung der verschiedenen Operationsmethoden bei dieser ersten
Publication zu wenig Rechnung tragen.
Die allerwichtigste Aufgabe für eine am Lebenden verwerthbare
Operationslehre scheint uns die zu sein, den Leser in den Stand zu
setzen, sich für jede Region des Körpers und bis in jede
beliebige Tiefe hinein rasch und sicher über den Weg zu
orientiren, welchen das Messer bei Incisionen zu verfolgen hat,
um jede unnütze Neben Verletzung zu vermeiden.
Die correcte Richtung des Hautschnittes behufs freien Zugangs
einerseits und die sichere Vermeidung jeder unnöthigen Neben-
verletzung beim Eindringen in die Tiefe andererseits sind die wichtig-
sten Rücksichten bei chirurgischen Eingriffen. Ganz besonders muss
man lernen , ausser den Gef ässen , deren Verletzung sich durch
Blutungen zu erkennen giebt, die grossen und kleinen Nervenzweige
zu schonen, d. h. die Grenzgebiete der Nervenausbreitungen für seinen
Schnitt zu wählen.
In diesem Sinne halten wir für bestimmte Körperregionen ge-
wisse Incisionen für typisch, d. h. bei freier Wahl der Methode für
einzig zulässig, und in der Aufstellung einfacher Normen für
Ausführung sicherer und schonender chirurgischer Eingriffe an
jeder Stelle des Körpers suchen wir selber das Werthvolle unserer
Beiträge.
Eine zweite Gruppe von Operationen bilden die Excisionen
oder Resectionen. Hier handelt es sich nicht, wie bei den In-
cisionen, bloss darum, auf kürzestem Wege ein Gebilde in der Tiefe
zu erreichen, sondern hier soll ein Stück oder ein ganzes Organ aus
dem Körper entfernt werden; daher muss die Tiefe so freigelegt
werden, dass der zu beseitigende Körpertheil bequem sieht- und
fühlbar wird, damit alles Krankhafte sich sicher und leicht ent-
fernen lasse.
Den Typus der Excisionen bilden die Resectionen der Gelenke
und Knochen; allerdings kann man ihnen auch die Exstirpationen
von inneren Organen und von Geschwülsten anreihen.
Einleitung. 3
In einer dritten Gruppe endlich handelt es sich um Entfernung
eines Endstückes eines Körpertheils in toto, sei es in beschränkter
oder grosser Ausdehnung. Diese Operationen werden als Am-
putationen bezeichnet. Hier kommt als neue Indication für die
Technik hinzu, dem Körperabschnitt, an welchem ein Theil entfernt
wurde, eine bestimmte Form und Hautbedeckung zu geben; denn
durch den vollständigen Wegfall der Theile auf der einen Seite der
Wunde werden die Maassnahmen zur Erzielung einer raschen Ver-
klebung der verletzten Gewebe complicirter.
Bei Incisionen, so tief sie sein mögen, genügt es, nach der Ope-
ration — antiseptische Behandlung vorausgesetzt — die Gewebe,
welche getrennt waren, wieder so in gegenseitigen Contact zu
bringen, wie sie vorher aneinander gelagert waren.
Bei Excisionen und noch vielmehr bei den Amputationen kommen
dagegen Gewebe in Berührung, welche vorher nicht aneinander lagen.
Bei Incisionen genügt die Anlegung einfacher Nähte in ganzer
Tiefe und Breite der Wundflächen, so dass diese sich, wie vor der
Operation, aufs genaueste berühren. Dies wird am besten erreicht
durch eine fortlaufende Naht, mit abwechselnd tieferem und ober-
flächlichem Durchstechen der Nadel.
Bei Excisionen und Amputationen ist es nicht möglich, mittelst
Anlegung von Faden die wunden Flächen so aneinander zu bringen
dass zusammengehörige Gewebe mit einander in Berührung gebracht
werden.
Alle Vorschriften über Wahl und Form der Instrumente, Messer-
haltung und Führung von Pincette, Scheere, Säge, über die ver-
schiedenen Nahtmethoden haben wir weggelassen. Es ist unsere
Ueberzeugung, dass keine noch so genau geschriebene Anleitung
genügt, um sich zu einem Chirurgen auszubilden, dass man diese zahl-
reichen Einzelheiten vielmehr bloss durch Anschauung und Uebung
unter kundiger Leitung in Klinik und Spitälern erlernen kann.
Auch die Angaben, wann und warum man Gefässe zu unterbinden,
Nerven zu dehnen, Gelenkkapseln freizulegen, Gelenke zu reseciren
und Glieder zu amputiren hat, -mit einem Worte, die Erörterung
der Indicationen zu den Operationen müssen in der Klinik gelernt
werden.
Weil wir unsere Operationslehre in erster Linie zur Benutzung
am Lebenden schreiben, so können wir auch nicht umhin, einleitend
ein Wort zu sagen über die zwei Hauptbedingungen jedes operativen
Eingriffes, nämlich die Anästhesirung und die Asepsis. Es ist eben-
sowenig erlaubt, einem Menschen durch eine Operation Schmerzen
zu bereiten, als sein Leben durch Einimpfen von Infectionsstoffen in
die Wunde in Gefahr zu bringen.
a Allgemeines.
B. Die Verhütung des Schmerzes
bei Operationen.
i. Localanästhesie.
Der grösste Fortschritt in der Narkosefrage seit der letzten Auf-
lage dieses Werkes ist die erhebliche Verbesserung und Ausdehnung
der Localanästhesie. Wir verdanken es den consequenten Be-
mühungen von Schleich, dass in so ausgiebigem Maasse von dem
Hauptmittel zur Erzielung localer Anästhesie, dem von Koller in
die Augenheilkunde eingeführten Cocain, Gebrauch gemacht wird.
Schleich hat bewiesen, dass es zur Herstellung von Unempfindlich-
keit in verhältnissmässig grosser Ausdehnung keineswegs Dosen dieses
Mittels bedarf, welche eine Gefahr bringen. Als Maximaldosis einer
in einer Sitzung anzuwendenden Dosis, wenn man gar keine Gefahr
laufen will, wird man i dg ansehen müssen. Da man mit Lösungen
von V2 %o schon einen schmerzlindernden Effect erzielen kann, so
hat man bei Anwendung von i °/00 Lösung schon ein solches Quantum
Flüssigkeit zu seiner Verfügung, dass man selbst für eine Amputation
ausreicht, wenn eine solche mit Localanästhesirung ausgeführt werden
muss.
Einen sehr wichtigen Beitrag zu der Anwendungsweise des Cocains,
sowie des von Braun bevorzugten Eucain B. hat H. Braun in Leipzig
und sein Mitarbeiter Heinze geliefert durch den Nachweis, dass es
noth wendig ist, sich isosmo tischer Lösungen zu bedienen, wenn
man ohne Schädigung der Gewebe durch Quellung und Wasser-
entziehung einen reinen an ästhesir enden Erfolg herbeiführen will.
Ein Maass für diese isosmotische Spannung ist in der Gefrierpunkt-
bestimmung gegeben. Die Körperflüssigkeiten haben einen Gefrier-
punkt von 0,55 °, und einen gleichen Gefrierpunkt hat eine 0,9-proc.
Kochsalzlösung. Reine Cocainwirkung erhält man deshalb bloss bei
Einspritzung des Mittels in 0,8-proc. Kochsalzlösung bei Körper-
temperatur.
Eucain B. hat den Vorzug der Haltbarkeit und Sterilisirbarkeit,
da Cocain bloss ein einziges Mal rasch aufgekocht werden darf, um
nicht seine anästhesirehden Eigenschaften zu verlieren.
Die gewöhnlichste Anwendungsweise der auf Körpertemperatur
erwärmten und sterilisirten Cocainum muriaticum - Kochsalzlösung ist
die in Form der Infiltrationsanästhesie nach Schleich oder
der regionären Anästhesie nach Corning und Oberst l). Die erstere
1) Krogius scheint dasselbe Verfahren schon vor Pernice's Publikation
unabhängig von diesen Autoren benutzt zu haben.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. c
Methode ist die Anästhesirung der peripheren Nervenendigungen, die
letztere die der Nervenstämme eines Gliedabschnittes. Für erstere
Methode benutzt man schwache Lösungen von i — 2 °/oo und infiltrirt
mit der Spritze die zu durchschneidenden Gewebe nach Maassgabe des
Vordringens der Operation. Bei der regionären Anästhesirung be-
nutzt man stärkere, 1 - proc. Lösungen.
Die Infiltrationsanästhesie ist viel leichter in ihrer Ausführung,
da sie sich von anatomischen Kenntnissen unabhängig macht und aus
diesem Grunde sehr beliebt. Sie ist aber mühsam und umständlich
und verlängert die Operation sehr. Darin ist ein entschiedener Uebel-
stand derselben zu erblicken, da man stets wieder zu infiltriren hat,
wenn man tiefere Gewebe durchschneidet und der Patient Schmerzen
angiebt. Rasche Vollendung einer Operation hat aber so grosse Vor-
theile, wie unten zu zeigen ist, dass man nicht gern darauf verzichten
wird.
Die regionäre Anästhesirung setzt eine genaue Kenntniss der
einen Körpertheil versorgenden Nerven bezüglich ihrer topographischen
Anordnung voraus. Sie leistet vorzügliche Dienste an Hand und Fuss,
zumal Finger und Zehen. Es gilt, durch genaues Studium des Nerven-
verlaufes sie auch für andere Gegenden des Körpers dienstbar zu
machen. Für Bruchoperationen hat Dr. Cushing schon in diesem
Sinne gearbeitet und genauen Nachweis geleistet, wo man die Nerven
der betreffenden Region am sichersten mit einer Injection treffen
kann.
Ein Mittelding zwischen beiden Methoden ist das, was Braun
indirecte periphere Anästhesirung nennt, wie sie zumal Reclus aus-
gedehnt und früh in Anwendung gebracht hat. Hier werden stärkere
i-proc. Lösungen injicirt, um nicht nur auf die direct betroffenen
Nerven, sondern auch auf die Nachbarschaft auf eine gewisse Distanz
zu wirken. Eine solche Distanzwirkung tritt nach Braun erst bei
i-proc. Lösungen auf. Sie hat den grossen Vortheil, dass sie länger
anhält als die Infiltrationsanästhesie mit schwächeren Lösungen.
Kummer, Hölscher, Berendt und Braun haben auf den
Nutzen der gleichzeitigen Abschnürung der Blutzufuhr zur Erzielung
voller regionärer Anästhesie nach Oberst speciell aufmerksam ge-
macht. Schleich glaubt in der regionären Anästhesie bloss eine
Varietät der Infiltrationsanästhesie zu erblicken und räth, die Stelle, wo
das Gummiband anzulegen ist zur Verhütung des Druckschmerzes
ringsherum zu infiltriren und mittelst des Schlauches die infiltrirte
Flüssigkeit bis an den Krankheitsherd resp. die Operationsstelle
heranzuschieben. So können auch Amputationen schmerzlos ge-
gestaltet werden.
Wir haben uns wesentlich an die Methode von Reclus gehalten
und für die Fälle, wo für uns eine Contraindication besteht für die
5 Allgemeines.
Ausführung einer allgemeinen Narkose, den ausgedehntesten Ge-
brauch davon gemacht. Eine solche Contraindication besteht z. B.
für uns bei Strumaoperationen, welche durch starke Dyspnoe indicirt
sind. Nachdem wir gesehen haben, wie gut die Operation in solchen
Fällen bei localer Anästhesirung vertragen wird, haben wir wie
ROUX und JuiLLARD in vielen Hunderten von Kropf Operationen
niemals mehr Chloroform oder Aether in Anwendung gezogen. Sehr
oft waren wir im Falle, ängstliche Gemüther mit der Versicherung
zu trösten, dass wir auf Verlangen sofort allgemeine Narkose einleiten
werden, wenn der Patient die Schmerzen unerträglich finde. Wir
waren nur ganz ausnahmsweise bei völlig unzurechnungsfähigen
Patienten im Falle, unserem Versprechen oft zum Schaden der Be-
treffenden Folge geben zu müssen.
Wir bezeichnen die zu narkotisirende Stelle stets mit einem feinen
Kratzstrich mittelst des Messers, um nachher genau da zu schneiden,
wo die Injection gemacht ist und injiciren in der Länge des Haut-
schnittes dicht an die Cutis heran i — 6 Spritzen einer erwärmten und
sterilisirten i - proc. Cocain - Kochsalzlösung. Der Erfolg tritt in
weniger als einer Minute ein. Wenn die Kropfoperation nicht eine
sehr schwierige und daher länger dauernde ist, so dauert die
Anästhesie so lange, dass auch für die Hautnaht die Empfindlich-
keit noch eine sehr geringe ist.
Ich betrachte es als einen grossen Fortschritt, Dank der Local-
anästhesie in genannter Form zu der Einsicht gekommen zu sein,
dass die Mehrzahl der tiefer gelegenen Gewebe gar
keinen hohen Grad von Empfindlichkeit besitzt, so dass
deren Läsion mehr ein unangenehmes Gefühl als wirklichen Schmerz
erregt. Nur Reissen, Zerren und Quetschen erregt Schmerz, aber
sorgfältige Ausführung ist oft so völlig schmerzlos, dass selbst ver-
ständige Kinder die Angabe machen, keinen Schmerz gefühlt zu
haben. Nerven und einzelne Gewebe, wie die serösen Häute, gewisse
Fascien, machen hiervon eine Ausnahme, da Zerrung seröser Häute
zumal unerträgliche Schmerzen veranlassen kann, wie sie uns bei
Erkrankung innerer Organe und Schwellung derselben oft genug
entgegentreten.
Wir verdanken Lennander in dieser Richtung überraschende
Aufschlüsse z. B. über die Sensibilität des Peritoneum. Er konnte
für dieses bei genauer Beobachtung während der Operation mit Cocain-
anästhesie den Nachweis leisten, dass die Hauptempfindlichkeit dem
Parietalperitoneum zukommt resp. den in der Subserosa verlaufenden
Fasern der Nervi intercostales, lumbales und sacrales. Dagegen stellte
er fest, dass Magen, Darmkanal und ihr Serosaüberzug und Mesenterium,
sowie die Gallenblase weder Nerven für Schmerz-, noch Berührungs-,
Kälte- oder Wärmeempfindung besitzen.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. y
Wir haben besonders ausgedehnte Erfahrungen über die Empfind-
lichkeit im Bereich der Halsorgane. Es giebt nicht wenige Patienten,
denen man vor der Kropf Operation ausdrücklich sagt, sofort zu künden,
wenn sie einen Schmerz empfinden, welche aber bis zuletzt völlig
stille bleiben. Doch sind, wie wir anderswo zeigen werden, bestimmte
Theile mit einer exquisiten Empfindlichkeit begabt, die auch in Form
sehr charakteristischer ausstrahlender Schmerzen angegeben wird.
Für diese kann man sich einer wiederholten Cocaininfiltration nach
Schleich bedienen, wo Zeit dazu ist. Alle Gewebe ohne Unterschied
zu infiltriren, ist eine zeitraubende und die genaue anatomische Beur-
theilung erschwerende Methode und ist für viele Operationen zum
Mindesten unnütz.
Unter der Voraussetzung, dass man richtig temperirte, sterilisirte
und isosmotische Lösungen von Cocain anwendet, kann von einem
Nachtheil der Localanästhesie nicht gesprochen werden. Das
Mittel hat in dieser Form keine Rückwirkungen auf den übrigen
Körper, da die oben empfohlenen Dosen keine Giftwirkung entfalten
und wegen der rasch auf die Injection folgenden Operation überhaupt
bloss zu einem kleinen Theile resorbirt werden. Er hat deshalb
auch die Cocainanästhesie alle anderen Localanästhesieen verdrängt.
Als Einleitung zu derselben, wenn man selbst den Schmerz des Ein-
stichs zu ersparen wünscht, oder wenn keine starke Cocainlösung
zur Verfügung steht, kann man ein durch Abkühlung wirkendes
Anästheticum anwenden. An Stelle der früher gebräuchlichen Aether-
bestäubungen ist gegenwärtig der bequemen Handhabung wegen die
Bestäubung mit Aethylchlorid (Kelen) getreten, welches in eigenen
Fläschchen mit leichtem Verschluss und feiner Oeffnung im Handel
sich befindet. Braatz hat einen eigenen Apparat zur Abkühlung
der Stichstelle angegeben. Für Betäubungsnarkose in Fällen, wo
man mit Glühhitze zu operiren hat, empfiehlt Kümmel sehr die
flüssige Kohlensäure.
Gegen Schmerznachwirkung hilft das Cocain nicht. Seine
Wirkung geht je nach Stärke der Concentration in weniger als einer
halben Stunde vorüber. Der Zusatz von Morphium, wie ihn Schleich
benutzt, hat nach Braun keine Berechtigung. Das Morphium wirkt
bloss durch Resorption, nicht local, schadet aber durch seine sehr
differente osmotische Spannung. Man wird also wie früher gegen
postoperative Schmerzen lieber Morphium nachträglich verabfolgen
resp. beliebig irgendwo subcutan einverleiben. Die Hauptsache zur
Verhütung postoperativer Schmerzen ist die Anwendung reiner
Asepsis bei der Operation unter Verhütung jeder mechanischen,
thermischen und chemischen Schädlichkeit für die Gewebe (durch
Benutzung isosmotischer körperwarmer Spüllösungen) und die Ver-
einigung der Wunde unter Meidung abnormen Druckes und Zuges
8 Allgemeines.
bei der Naht und Lagerung und unter Verhütung von Blut- und
Sekretansammlung.
Die Infiltration und regionäre Anästhesirung hat ihre Grenzen.
Es giebt eine grosse Anzahl von Operationen, bei denen von einer Er-
zeugung von wirklicher Analgesie im ganzen Umfang des Operations-
gebietes keine Rede ist. Für eine Anzahl dieser Fälle lässt sich
noch Rath schaffen durch directe Cocainisirung der grösseren
Nervenstämme. Dr. Cushing hat Amputationen am Unterschenkel
ausgeführt durch Freilegung des N. ischiadicus mittelst eines kleinen
Schnittes und Cocaininjection in den Nervenstamm ; gleichzeitig wurde
der N. saphenus regionär anästhesirt.
Gewiss ist dieses Verfahren aller Beachtung werth, da es frei
ist von wesentlichen Nachtheilen. Aber seine Anwendung ist be-
schränkt auf die Extremitäten, wo die grossen Nervenstämme an
der Wurzel der Glieder freigelegt werden können. Für Operationen
an der Ansatzstelle der Extremitäten und am Rumpf findet es
nur ausnahmsweise Anwendung, obschon anzunehmen ist, dass man
auch hier das Gebiet durch genaues Studium des Nervenverlaufes
noch erweitern wird, da ja auch kleine Nervenstämme nahe ihrem
Austritt eine genau charakterisirbare Lage haben. Es ist z. B. gar
nicht einzusehen, warum man nicht auf Grund von Lennander's
Nachweisen in grösserem Maassstabe durch Cocainisirung der Stämme
von Intercostal-, Lumbal- und Sacralnerven das einzig empfindliche
Parietalperitoneum genügend anästhetisch machen sollte, um ab-
dominale Operationen völlig schmerzlos ausführen zu können.
Lösung aller Schwierigkeiten versprach mit einem Schlage eine
vierte Form der Localanästhesirung , welche man als medulläre
Anästhesie bezeichnet hat. Bier hatte den ingeniösen Gedanken,
durch Injection in den lumbalen Arachnoidealraum eine grössere
Anzahl von Nervenstämmen mit einem Schlag, resp. das Rückenmark
selber unempfindlich zu machen. Leider musste Bier nach Kurzem
selber einen Warnungsruf gegen die Anwendung seines von vielen
Seiten mit Enthusiasmus aufgenommenen Verfahrens erlassen.
Die Ausführung ist eine relativ leichte. In sitzender Stellung *)
oder in Seitenlage, wo erstere nicht möglich ist, wird über der Ver-
bindungslinie des obersten Punktes der Cristae ilii, welche nach
Tuffier dem 5. Lumbalwirbeldorn entspricht, 5 — 6 — 7 cm tief, stark
1 cm von der Mittellinie entfernt, direct nach vorn zwischen
4., 5. Lumbalwirbeldorn eine feine lange Nadel eingestochen durch
die die Rückenwirbelsäule bedeckenden Weichtheile und derben Lig.
1) Wir geben in nachstehender Figur 1 eine Abbildung nach Tuffier
wieder, welche sehr plastisch die Stelle des Eindringens der Nadel zwischen
den Bogen des 4. und 5. Lendenwirbels bezeichnet.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. n
flava zwischen den Wirbelbogen bis zur Dura und Arachnoidea. Der
Austritt einiger Tropfen wasserklarer Cerebrospinalflüssigkeit zeigt
an, dass die Nadelspitze am rechten Orte ist. Ist dieses der Fall, so
wird eine Spritze (i g) einer 1/2 — 2-proc. Cocainlösung eingespritzt.
Fliesst kein Liquor aus, so hat es keinen Sinn einzuspritzen, weil
man dann keine Sicherheit hat, in den Arachnoidealraum eingedrungen
Fig. i.
zu sein. Fliesst Blut, so gilt das Gleiche; man hat die supraduralen
Plexus spinales verletzt und die Injection muss aufgegeben werden.
Wo injicirt werden könnte, tritt in 10 — 15 Minuten eine voll-
ständige Anästhesie der unterhalb der Injektionsstelle gelegenen
Körperabschnitte ein, welche sich auf die sämmtlichen von Lumbal-
mark und Sacralmark versorgten Körpertheile erstrecken kann, ja
in einzelnen Fällen auf das Nervengebiet des Dorsal- und unteren
Halsmarkes weitergeht. Die erreichte Anästhesie dauert 1 — 2 — 3
IO Allgemeines.
Stunden an, so dass selbst grosse Operationen ohne Empfindung für
den Patienten ausgeführt werden können.
Es ist keine Frage, dass die Operation etwas Bestechendes hat.
Im ersten Falle, wo ich dieselbe in Anwendung zog, hatte ich meinen
Studenten nichts gesagt von der Injektion und vollführte eine Resectio
pedis bei sehr starker entzündlicher Schwellung bei einem zu Schreien
in hohem Maasse aufgelegten Jungen, während derselbe eine Portion
Chocolade verzehrte und sich hinter einem kleinen Vorhang, welcher
ihm seinen kranken Fuss verdeckte, mit einem Assistenten über seine
Familienverhältnisse unterhielt.
Leider ist nicht bloss die Anästhesirung nicht in allen Fällen
eine so vollständige, sondern es treten in wenigen Stunden Störungen
ein, welche die Folgen der allgemeinen Narkose an Unannehmlich-
keit bei Weitem übertreffen. Die Hauptstörung ist ein intensives
und oft Tage lang anhaltendes Kopfweh, öfter mit Erbrechen ver-
bunden. Dazu kommt fast regelmässig Temperatursteigerung, welche
das Urtheil über den Wundverlauf wesentlich zu trüben geeignet ist, bis
400, allerdings gewöhnlich bis zum nächsten Tage schon zurückgehend.
In einzelnen Fällen haben wir noch heftigere Nachwirkungen
beobachtet in Form von Benommenheit des Sensorium mit heftiger
Aufregung, Aengstigung und Athemnoth (42 Resp.), sehr frequ entern
Puls, weiten Pupillen, Krämpfen und gesteigerter Empfindlichkeit in
den unteren Extremitäten. Fieber, beschleunigte Athmung und Puls
hielten sich in einem Falle bis zum 3. Tage. In einzelnen Fällen
wurden vorübergehend motorische Lähmungen beobachtet.
Aber noch zwei schwerwiegende Folgen der medullären Local-
anästhesie sind zu verzeichnen. Die erste mag Vielen fraglich
erscheinen, aber wir haben bei besonders guter Wirkung der
Anästhesirung auffällig ungünstigen Wundverlauf beobachtet und diese
Beobachtung wurde uns von einem Chirurgen (Dr. Cushing) be-
stätigt, dem wir davon Mittheilung gemacht haben. Viel wichtiger
aber ist ein unglücklicher Ausgang nach der Injection. Wir haben
einen solchen in der Form beobachtet, dass das Fieber und die
Kopfschmerzen nicht nachliessen und sich eine tuberculöse Menin-
gitis anschloss. Dr. Dumont hat ebenfalls über einen Todesfall
berichtet. Es kann wohl sicherlich nicht ausgeschlossen werden,
dass die schädliche Wirkung, welche Cocain regelmässig auf das
Centralnervensystem resp. seine Häute ausübt und die sich in Kopf-
weh und anderen Reizerscheinungen kund thut, bei disponirten
Individuen auch den Anstoss geben kann zu eigentlichen Ent-
zündungen. Es kann nach dem Gesagten von einer allgemeinen
Anwendung der medullären Localanästhesie an Stelle der viel un-
gefährlicheren und angenehmeren allgemeinen Narkose bis auf
Weiteres keine Rede mehr sein.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. 1 1
Allerdings ist gar nicht ausgeschlossen, dass die medulläre
Anästhesie ihres grossen Nachtheiles entkleidet werden kann bei
Wahl geeigneterer Mittel. Bier selber stellt in dieser Beziehung
Verbesserungen in Aussicht, und K. Schwarz sah bei Verwendung
von Tropacocain selbst bis zu 0,05 statt des Cocains gar nichts
von nachtheiligen Wirkungen. Es sind nicht alle Leute so glücklich,
gleich bei ihren ersten Versuchen mit einem neuen Verfahren auf
die Nachtheile desselben aufmerksam zu werden.
2. Allgemeinanästhesie.
Die allgemeine Narkose behält für viele Patienten den grossen
Vorzug voraus vor blosser Localanästhesie, dass dieselben von den Zu-
rüstungen und Maassnahmen während der Operation nichts zu sehen
und hören brauchen. Und glücklicherweise hat fortschreitende Er-
fahrung uns jetzt Mittel an die Hand gegeben, welche in der über-
wiegenden Mehrzahl der Fälle die allgemeine Narkose ebenso
ungefährlich erscheinen lassen, alsdie locale Narkose,
jedenfalls unschädlicher als die medulläre Anästhesirung. Man ist
allmählich mit ganz bestimmten Contraindicationen für dieses und
jenes Narcoticum vertraut geworden, deren Berücksichtigung vor
der Unruhe bewahrt, welche sonst selbst erfahrene Chirurgen so oft
vor Narkosen empfunden haben.
Schleich hat allerdings Recht, wenn er hervorhebt, dass die
Möglichkeit, eine locale Anästhesie zu bewirken, es uns zur Gewissens-
sache macht, in jedem Falle festzustellen, ob die zur Narkose ge-
wählte Methode vor Lebensgefahr sichert. Aber wenn er sich auf die
von ihm gewonnene Erkenntniss beruft, dass man bei Cocain niemals
toxische Dosen zu verabfolgen brauche, so darf ich auf Grund eigener
Erfahrungen behaupten, dass dies genau ebenso für die Allgemein-
anästhetica gilt, für Chorof orm wie für Aether. Es giebt sehr erfahrene
Chirurgen (z. B. Kümmel), welche auch mit Cocain unangenehme
Erlebnisse gehabt haben. Man muss für alle Sorten Anästhetica
unter der im individuellen Falle gefährlichen Dosis bleiben,
wenn man solches vermeiden will.
Grosse unbefangene Statistiken, wie die aus der Sammelforschung
der deutschen Gesellschaft für Chirurgie hervorgegangene Gurlt-
sche Statistik, haben bewiesen, dass der Aether bei Berück-
sichtigung ganz bestimmter Contraindicationen, welche
sich genau präcisiren lassen, bei jeder Anwendungsweise ein ver-
hältnissmässig ungefährliches Anästheticum ist. Einzelne Aerzte-
körper, wie diejenigen in Lyon und namentlich Boston, sind dem
12
Allgemeines.
von Jackson und Morton daselbst 1846 eingeführten Mittel1) trotz
aller Vorzüge des durch Simpson 1847 zuerst benutzten Chloroforms
treu geblieben, und eine Anzahl von Chirurgen, vor Allem Juillard
(Comte) haben sich früh (seit 1776) den Lobeserhebungen dieses Mittels
auf Grund langer Erfahrungen angeschlossen 2). Erst in neuester Zeit
hat sich eine grössere Anzahl deutscher Chirurgen, Dumont, Roux,
Steltzner, Bruns, Garre, Trendelenburg u. A. dem Aether
mit Eifer zugewendet und sich um die vorzugsweise Anwendung
dieses Narkoticums bemüht, und zur Stunde ist die relative Gefahr-
losigkeit des Aethers schon so bekannt, dass es nicht selten vor-
kommt, dass Patienten, welche sich zu einer Operation entschliessen
müssen, einem die Frage vorlegen, mit welchem Narkoticum man
anästhesire und sich nun bei Zusage, dass dies der Aether sei, be-
ruhigen. Eine ganze Anzahl competenter Chirurgen hat sich in den
letzten Jahren dahin ausgesprochen, dass sie erst von dem Augenblick
an haben einsehen lernen, was eine mit Gemüthsruhe einhergehende
Narkose sei, als sie dem Chloroform den Abschied gegeben und an
dessen Stelle den Gebrauch des Aethers eingeführt haben. Auch
Narkoseleiter, welche wie Freeman in Bristol general Hosp. mit
beiden Narkotica reiche Erfahrungen sammelten, sprechen sich in
diesem Sinne aus.
Wo man Narkose oft unter den allerun günstigsten Verhältnissen
einzuleiten hat, wo von einem Augenblick zum andern eine Narkose
nöthig wird, wo man verpflichtet ist, auf einer Klinik angehenden
Aerzten Gelegenheit zu geben, die Methode der Narkose einzuüben,
da wird man mit Chloroform gelegentlich üble Zufälle nicht ver-
meiden können. Beweis sind die vielen Chloroformtodesfälle in ein-
zelnen Ländern, wo man sehr conservativ an der ausschliesslichen
Anwendung dieses Mittels festhält. Beweis ist der Umstand, dass
in Spitälern Chloroformtodesfälle der grossen Mehrzahl nach bei
kleinen Operationen vorkommen, deshalb, weil diese zum guten
Theil von wenig erfahrenen jungen Aerzten vorgenommen werden.
Meine Erfahrungen sind nach dieser Richtung ganz schlagend.
Das Chloroform ist ein viel intensiveres Gift und bei jedem
Gift giebt es auserlesene Individuen, welche ein Idiosynkrasie gegen
dasselbe haben. Alle Experimente, welche zu belegen versuchen
(Hyderabadkommission), dass Chloroform stets zuerst Athemstillstand
1) Collins Warren giebt interessante Aufschlüsse zur Geschichte der
Aetheranästhesirung. Schon 1805 liess C. Warren zur Erleichterung bei
Phthise Aether einathmen und von 1842 weg machte Dr. Long die ersten Aether-
narkosen bei kleinen Operationen, aber erst 1846 machte J. C. Warren auf
Martons Betrieb eine grössere Operation unter Aether.
2) Schiff giebt an, in Genf zuerst „die wirkliche vollständige Anästhesie
durch Aether" vorgezeigt zu haben.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. 13
und durch diesen Herzstillstand bewirken, vermögen die Erfahrung
der Chirurgen nicht umzustossen, dass selbst bei Individuen, bei
welchen die Untersuchung ein Leiden des Herzens oder der
Athmungsorgane nicht nachzuweisen vermochte, es geschehen kann,
dass plötzlich in der Chloroformnarkose das Gesicht blass wird, die
Pupillen weit und starr, der Puls verschwindet und das Herz stille
steht, während die Athmung regelmässig oder unregelmässig noch
einige Zeit fortgeht. Einzelne Beobachter wollen sowohl die Früh-
ais Spätsynkope auf Trigeminusreflex zurückgeführt wissen mit Er-
regung des Herzhemmungscentrums in der Medulla, da oft wenige
Tropfen, auch nachträglich gereicht, Exitus bedingen (Zoege-Man-
teuffel), aber die Experimente von Gaskell und Shore mit
Kreuzkreislauf bei Hunden beweisen mit Sicherheit, dass zunehmende
Blutdruckerniedrigung und daherige Collapsgefahr auch unter Aus-
schluss des Gehirns durch Wirkung auf das Herz selber zu Stande
kommen kann, und WiNOGRADOFF und Schmidt haben die Er-
krankung der Herzganglien nachgewiesen, Uebrigens haben auch
zahlreiche andere Experimente (englisches Chloroformcomite, WOOD
und Hare, Schmey, Kronecker u. A.) den Beweis erbracht, dass
Chloroform als Herzgift den tödtlichen Ausgang bewirken kann.
Kronecker hat mit seinen Mitarbeitern gezeigt, dass das Coor-
dinationscentrum des Herzens selber beim Thiere gelähmt wird, flim-
mert und sich bei Hunden nicht mehr erholt.
Allerdings schliessen alle diese Experimente, welche eine Herz-
lähmung von der Medulla aus nicht annehmbar erscheinen lassen,
einen secundären Herzstillstand durch Lähmung des Vasomotoren-
centrums im Gehirn nicht aus, obschon Gaskell und Shore bloss
Erregung desselben wahrnahmen.
Es giebt glücklicherweise Mittel, diese gefährlichen Zufälle
seitens des Herzens zu vermeiden, darin bestehend, dass man dem
Patienten die Dosis anpasst, die er verträgt. Die bedenkliche Wir-
kung tritt nur ein bei Einwirkung des Chloroforms in zu concen-
trirter Form, und zwar sowohl diejenige, welche auf die primären
reflectorischen Einflüsse von Trigeminus- und Vagusästen in Nase
und Larynx und Lungen, auf Herz- und Athmungscentrum bezogen
werden, als die secundäre vom Blut direct auf das Herz. Holmgren
hat gezeigt, dass reflectorischer Athmungs- und Herzstillstand von
selbst zurücktreten mit Verschwinden der Sensibilität durch fort-
gesetzte Chlor oformirung , wenn sie durch Gebrauch von nicht
concentrirtem Chloroform zu Stande kommen, sobald man frische
Luft zutreten lässt. Auch nach Cushny ist Tod durch Herzstillstand
ausgeschlossen, sobald man bloss richtig verdünntes Chloroform ein-
athmen lässt. Dieses wird stets bloss durch Lähmung des Athmungs-
centrum und der Medulla lebensgefährlich, wenn die Narkose lange
14
Allgemeines.
dauert. Man hat das Chloroformluftgemenge genau bestimmt, in
welchem Thiere die längste Zeit ohne Schaden leben können (5 ccm auf
100 Liter Luft nach Kronecker). Fängt man die Narkose mit
minimalen Dosen an und steigert dieselben nicht über einen gewissen
Grad und eine gewisse Dauer hinaus, so werden die Gefahren be-
seitigt. Das Dictum von SEDILLOT: „Le Chloroform pur et bien
employe ne tue jamais" hat deshalb seine Berechtigung und die Ver-
wunderung einiger Autoren über unsere frühere Methode, erst Chloro-
form, dann Aether zu verabfolgen, hat für die, welche mit Chloroform
umzugehen wissen, keine Berechtigung. Ohne diejenigen Apparate und
Vorsichtsmaassregeln, welche Sicherheit geben gegen Ueberschreitung
eines genau bestimmten Concentrationsgrades sollte man deshalb un-
erfahrenen Leuten niemals gestatten, eine Chloroformnarkose zu leiten.
Die Junker-
schen und zumal
KAPPELER'schen
Apparate , auf
Grund von Snow's
Versuchen con-
struirt, geben in
dieser Hinsicht die
meiste Gewähr, da
sie auf ein gewisses
Procent Chloro-
formbeimischung zu Luft eingestellt werden können. Dumont rühmt
auch den Apparat von Krohne und Seseman1).
Wir ziehen es vor, unsere hier abgebildete Maske zu ge-
brauchen, welche unter Beibehaltung der Form der EsMARCH'schen
Maske und des GlRARD'schen Klappdeckels einen circulären ge-
nügenden Spalt frei lässt zur Sicherung gegen Einathmung zu con-
centrirten Chloroforms. Die Maske hat den Vorzug, dass man mit
kleinsten Dosen die Narkose in jedem Falle beginnen kann, wenn
man sich der Tropfmethode bedient. Diese von uns schon ein
Jahr vor der bekannten ZuCKERKANDL'schen Publication im Corre-
spondenzblatt für Schweizerärzte ohne Kenntniss der Leon Labbe-
schen Publication empfohlene Methode ist jetzt die neben Kappeler's
Fig. 2.
1) Ratimoff unter K,ronecker fand bei 20 ccm Chloroform auf 100 Liter
Luft schon Lähmung des Athmungscentrums und Abtödtung des Herzens nach
1 Stunde. Bei 5 ccm bestand Stunden lang gute Narkose, welche bei längerer
Dauer auf 7 ccm erhöht werden musste, wenn man Abkühlung des Thieres
verhinderte. Kappeler fand für gute Narkose eine Anfangsdosis von gl/2 g
Chloroform auf 100 Liter Luft in seinem Apparat nothwendig, bei Männern
dagegen 50 ccm. Nach P. Bert sind die zwei Grenzpunkte für die rasche An-
ästhesie bei 10 g Chloroform auf 100 Liter, für sofortigen Tod bei 20 g.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. ! c
Apparat allgemein übliche. Sie erlaubt, jedem Patienten diejenige
Dose zuzuführen, die ihm für eine Narkose ohne Gefahr von
Nöthen ist.
Aber auch in dieser sicheren Anwendungsweise, welche gegen
unmittelbare Lebensgefahr schützt, schliesst das Chloroform als
starkes Gift für die Organe noch secundäre Gefahren ein. Freilich
ist das Schlimmste an der Chloroformnarkose der plötzliche Eintritt
des Todes im Anfang der Narkose und bei relativ gesunden
Individuen. Diese Todesfälle sind zu vermeiden, wie jeder Chirurg
bestätigen wird, welche Tausende und aber Tausende von Chloroform-
narkosen durchgeführt hat, ohne einen solchen Todesfall zu erleben.
Bardeleben hat nach 30000 Narkosen seinen ersten Todesfall er-
lebt. Aber es muss immerhin auch hier zugegeben werden, dass
die Gefahr schwieriger zu vermeiden ist als bei Aether, weil Chloro-
form in viel kleineren Dosen giftig wirkt, daher Bert's „zone
maniable" eine ungleich beschränktere ist.
Vollends bleibt auch für vorsichtige Chirurgen die grössere
Schwierigkeit der richtigen Chloroformdarreichung bestehen bei
längerer Anwendung desselben, weil dasselbe in viel höherem
Maasse den Blutdruck herabsetzt, und dieser Uebelstand sich mit
anderen Schädlichkeiten, wie ganz besonders Blutverlust, combinirt.
Auch gar nicht zu vermeiden ist die intensivere Giftwirkung, welche
in der Nachwirkung des Giftes auf gewisse Organe nach Auf-
hebung der Narkose ihren Ausdruck findet, indem sich bei langer
Dauer der Narkose Degenerationsvorgänge in lebenswichtigen
Organen einstellen.
Es treten bei gewissen Individuen mit chronischen Constitutions-
resp. Ernährungsstörungen auch nach Aufhebung der Narkose Er-
scheinungen auf, die freilich meistens ohne bleibende Nachtheile binnen
Stunden oder wenigen Tagen zurückgehen, aber ausnahmsweise noch
nachträglich tödtlichen Ausgang herbeiführen können. Die letzteren
Fälle haben aufmerksam gemacht, dass gewisse Folgezustände, welche
man als mehr weniger nothwendige Beigabe der schlafmachenden
Wirkung der Anästhetica mit in den Kauf nahm, wie Erbrechen etc.,
einen sehr palpablen Hintergrund in gewissen Organeerkrankungen
haben können.
Diesen Nachwirkungen speciell der Chloroformnarkose hat
man noch nicht sehr lange die verdiente Beachtung geschenkt. Seit
Fischer und Thiem auf diesebe bei einem unglücklichen Falle die
Aufmerksamkeit gelenkt haben, hat eine Reihe von Forschern ihre
Genese experimentell geprüft.
Nothnagel hat zuerst dem Symptomenbild durch experimentelle
Untersuchungen eine anatomische Grundlage gegeben. Unger,
Strassmann, Casper, Fränkel, Schellmann und Ostertag,
1 6 Allgemeines.
Bandler, Bastianelli haben dazu beigetragen, diese Veränderungen
genauer bekannt zu machen. Es handelt sich um fettige Degene-
rationen der Muskeln, speciell des Herzmuskels (nicht immer), der
Nieren, des Magens und der Schleimhäute überhaupt, sowie um
gleichzeitige Fettinfiltration der Leber durch abgelagertes Fett.
Ostertag schliesst auf Zerstörung rother Blutkörperchen aus Galle-
farbstoff im Urin; Ajello fand hyaline Degeneration der Gefässe,
Ablagerung der Zerfallsproducte in der Milz. Mit der Verfettung
geht Nekrose der Nierenepithelien (Fränkel) und Nekrose im Innern
der Leberacini (Marthen) Hand in Hand. Marthen fand nament-
lich die Veränderungen in den Nieren stets hochgradig. Pohl
zeigte, dass in Organen, welche am meisten in Chloroform lösliche
Bestandtheile enthalten, das meiste Chloroform gebunden wird, so
im Gehirn, in rothen Blutkörperchen. Auch Overton fand, dass
die indifferenten Narkotica durch Uebergang in die lecithin- und
cholesterinhaltigen Bestandtheile der Zellen wirken, wodurch sie den
physikalischen Zustand dieser „Gehirnlipoide" bis zur Functionsstörung
verändern.
Von Kast und Mester ist der Nachweis von Eiweisszerfall
geliefert worden durch Nachweis vermehrter N-Ausscheidung und
vermehrten Gehalts an neutralem Schwefel im Harn. Nach Battier
und Soulier vermindert das Chloroform den Glykogengehalt der
Leber, und da diese der Giftvernichtung dient, so steigt der Giftgehalt
des Urins und Erbrechen ist ein Symptom hierfür. Durch Naphthol,
Magenspülung und Glykogenverabfolgung kann entgegen gewirkt
werden. Nach Thiem und Fischer kann man an der Isonitril-
reaction auf Chloroform im Harn entscheiden, ob wiederholte Chloro-
formverabfolgung zulässig ist. Der Harn darf FEHLiNG'sche Lösung
nicht mehr reduziren. Das ist wichtig, weil, wie SCHENK gezeigt
hat, die mehrfach in kurzen Zwischenräumen wiederholte Chloro-
formirung ganz besonders starke Degenerationen zur Folge hat.
Um die Organdegenerationen dem Chloroform zuzuschreiben,
muss man andere toxische und namentlich septische Einflüsse aus-
schliessen. Dies ist nicht immer scharf genug durchgeführt worden.
Denn Infectionen resp. schwere Folgen derselben machen sich nach
Allgemeinnarkose besonders geltend. Das ist auch eine Art un-
günstiger Nachwirkung der Allgemeinnarkose, die grössere Ge-
fahr der Intoxication durch andere toxische Substanzen, seien
es Antiseptica, seien es bakterielle Toxinie. Galeazzi und Grillo
fanden, dass Kaninchen nach Chloroformnarkose an einer für nicht
narkotisirte Thiere nicht tödtlichen Dosis Diphtherietoxin zu Grunde
gingen, weil die Ausscheidung (wie bei Methylenblau) durch die er-
krankten Nieren Noth leidet, wie nach obiger Angabe von Battier
auch die Entgiftung in der Leber beschränkt wird.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. iy
Es ist deshalb leicht begreiflich, dass ganz besonders Individuen
mit Fettleber, Nierenleiden, solche mit Verdauungsstörungen, chro-
nischen Vergiftungen, wie Basedow u. s. w. den gefährlichen nach-
träglichen Folgen der Allgemeinnarkose ausgesetzt sind.
Wie Bandler und Leppmann an Thieren gezeigt haben, sind
hei Aethernarkose die Veränderungen der Organe viel seltener und
geringgradiger.
Die Symptome bei tödtlicher Choroformnachwirkung sind haupt-
sächlich diejenigen gestörter Nieren- und Leberthätigkeit: Erbrechen,
Ikterus, Abnahme des Urinquantums, Eiweiss und Cylinder im
Urin. Heintz constatirte starke Pulsbeschleunigung und Collaps.
In dem Falle von Bandler aus der WöLFLER'schen Klinik, welcher
unter dem Bilde einer acuten gelben Leberatrophie verlief, bestanden
ausser obigen Symptomen noch Schmerzen in der Leber, Kopf-
schmerz, Delirium, blutiger Stuhl, Bewusstlosigkeit, Petechien, zuletzt
Leucin und Tyrosin im Urin. Bandler nimmt an, dass Fettleber
•das Chloroform besonders gut binde und so die völlige Degeneration
in Form der acuten gelben Leberatrophie herbeiführe.
Auch diese Wirkung ist schliesslich die Folge zu hoher Chloro-
formdosen insofern, als es sich um lange dauernde Operationen
handelt, und wenn man auf Grund der üblen Erfahrungen bezüglich
unerwartet eintretenden Synkope grosse Vorsicht üben muss, um
nicht das Leben eines Patienten aufs Spiel zu setzen, so muss für
bestimmte Patienten auf Grund der besprochenen Nachwirkungen
das Chloroform für lange dauernde Operationen auch bei correcter
Anwendungsweise als ungeeignet erklärt werden. Alle Nachtheile
der Allgemeinnarkose treten in verstärktem Maasse zu Tage, wenn
es sich um blutarme, kachektische Individuen handelt, oder wenn
Operationen ausgeführt werden, die nothwendig grössere Blutverluste
nach sich ziehen.
Die Con traindicationen gegen den Gebrauch des
Chloroforms sind demgemäss zahlreich. Bei Herzkranken, sehr
anämischen, durch Krankheiten herunter gekommenen Leuten mit
schwacher Herzaction darf dasselbe nicht zur Anwendung kommen.
Bei länger dauernden Operationen, wenn dieselben mit stärkerem Blut-
verluste verbunden sind, und wenn sie bei Individuen mit chronischen
Ernährungsstörungen, Intoxicationen und Constitutionskrankheiten
ausgeführt werden müssen, ist es gefährlich. Zulässig ist es bei
kräftigen Individuen und Kindern jugendlichen und mittleren Alters.
Hagenbach (vergl. Wieland), ein so sorgfältiger Beobachter, hat
fast ausschliesslich Chloroform innerhalb 25 Jahren im Baseler Kinder-
spital benutzt, und bei Benutzung eines eigenen Apparates zur Her-
stellung des Chloroformluftgemisches niemals üble Zufälle erlebt.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 2
! 3 Allgemeines.
Wir haben in unserer Privatklinik, wo wir während 20 Jahren
fast ausschliesslich Chloroform benutzten, nur einen einzigen Todes-
fall erlebt, und das war gerade ein Fall, welcher bei länger dauernder
Operation, da durch Aether, mit welchem die Operation begonnen
war, keine genügende Narkose sich erzielen Hess, nachträglich
Chloroform gereicht wurde, eine Methode, die wir für verwerflich
halten und gleichsam nothgedrungen einmal in Anwendung brachten,
weil das Geschrei und die Unruhe der Patientin die Vollendung der
Operation verunmöglichte. Wir haben in der Privatklinik stets den-
selben sehr vorsichtigen und gewissenhaften Chloroformisator gehabt.
Man kann also die Gefahren des Chloroforms vermeiden, aber
sicher ist es, dass dazu Erfahrung und gewissenhafte Prüfung jedes
einzelnen Krankheitsfalles vor der Narkose gehört. Es ist deshalb
ungleich bequemer, ein Anästheticum zur Verfügung zu haben,,
dessen „zone maniable" sich in viel weiteren Grenzen bewegt und
wo Mangel an Vorsicht nicht gleich mit dem Tode des Patienten
bestraft wird. Dieses Mittel ist der Aether.
Dass man auch an Aethernarkose sterben kann, beweist die
Statistik. Aber der Aether hat den Vortheil, dass die Wirkung auf
das Herz gegenüber der controlirbaren Wirkung auf die Athmung
völlig in den Hintergrund tritt, und dass auch die giftigen Nach-
wirkungen auf die übrigen Körperorgane in ungleich geringerem
Grade sich geltend machen. Die Contraindicationen für Anwendung
des Aethers lassen sich auch noch bestimmter formuliren und in praxi
feststellen, als für das Chloroform. Es sind in erster Linie die
Störungen der Athmung und pathologische Veränderungen
der Athmungsorgane , welche hier die Contraindication bilden.
Denn der Aether hat local stärker und nachhaltiger schädigende
Wirkung auf die Athmungsorgane als das Chloroform x).
Man hat dem Aether ausserdem noch schädigende Wirkung auf
die Nieren zugeschrieben. Allein experimentelle Untersuchungen
und klinische Beobachtungen von Roux, von Wunderlich, sowie
Fueter und Lerber unter Dumont's Leitung zeigen, dass in
dieser Hinsicht Aether nicht bedenklicher ist als Chloroform. Immer-
hin haben Thomson, Coleman, Kemp starke Abnahme des Blut-
gehalts und der Secretion der Niere durch directe Messungen bei
Aether festgestellt, bei Chloroform fehlte diese. Bei 90 Todes-
fällen im Roosevelt Hospital kamen 5 auf Nierenaffection nach
Aethernarkose. Brown constatirte auch eine erhebliche Hemmung
in der Ausscheidung der Harnfixa bei Aether.
1) Bruns hat aufmerksam gemacht, dass die Nachtheile des Aethers von
Unreinheit desselben herrühren. Prof. Drechsel sagte mir, dass auch im
reinsten Aether sich Vinylalkohol und Ozon bilden, wenn er bei Luft und
Licht aufbewahrt wird.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. jn
Allerdings findet man nach Chloroform ebenso oft (Niebergall)
im Urin Cylinder und Ei weiss, ja Chloroform wirkt nach Eisen-
draht, Zachrisson (Lennander), Lerber, Barbacci und Bebi,
Luther und Rindskopf noch schlechter; nach Stockvis und
Doyer dagegen ist nach Aether Nierenaffection entschieden häufiger.
Um so sicherer ist die eigentliche Wirkung des Aethers auf
bestehende Stauungs-, Hyperämie- und Entzündungszustände des
Larynx, der Bronchien und Lungen. Die ausnahmsweisen Aether-
todesfälle, die ich gesehen habe, bezogen sich auf Operationen bei
hochgradigen Tracheostenosen, Erkrankung der Lungen, Empyem.
Und es war auffällig, wie hochgradige Hyperämie der Tracheal- und
Bronchialschleimhaut bis in die feinen Bronchien bestand bei den
kurze Zeit nach der Operation unter stetig zunehmender Dyspnoe
gestorbenen Fällen.
Es lohnt sich, zu untersuchen, durch was die Schädigungen der
Athmungsorgane, welche in Lungenödem, hochgradige Bronchitis,
Hepatisation und Pneumonie ausgehen können, veranlasst werden.
Zur Aufklärung verdient zunächst eine interessante Arbeit Gott-
STElN's Erwähnung.
Wenn dem Aether der Vorwurf gemacht wird, dass er, wie auch
das Chloroform, aber viel öfter Veranlassung gebe zu Pneumonien,
so sollte man, wie Gottstein hervorhebt, glauben, dass nach Local-
anästhesie diese Pneumonien ganz aufhören würden. Nun hat G.
gefunden, dass unter 234 Operationen bei 212 Patienten der Mikulicz-
schen Klinik unter Cocainanästhesie bei 74 Fällen, wo nicht am
Abdomen operirt wurde, bloss imal, bei 114 Abdominalfällen 2jmal
(= 24 Proc.) Lungenerkrankungen auftraten. Nach Abzug der
lymphatischen Pneumonien nach Peritonitis und derjenigen nach Er-
brechen findet er 14,8 Proc. gegenüber bloss 5,8 Proc. bei Chloro-
formnarkose.
Er erklärt diese Thatsache daraus, dass es meist sehr schwere
Operationen am Abdomen gewesen seien bei alten Leuten, welche
unter Cocain ausgeführt wurden; Mikulicz halte keine Abdominal-
operation für ungefährlich wegen der Pneumonie, wolle deshalb
z. B., solange keine Incarcerationserscheinungen vorliegen, auch keine
Radicaloperation von Hernien machen.
Er acceptirt die Gussenbauer-Pietrozo WSKl'sche Theorie, dass
es sich dabei um Embolie handle, die durch die Leber oder durch
directe Verbindungen zwischen Pfortader und Vena cava-Aesten in
die Lunge gelangen. Auch ohne primäre Infection können die so
entstandenen Infarcte in den Lungen von oben herab nachträglich
inficirt werden.
Diese Nachweise Gottstein's zeigen zunächst, dass man durch-
aus nicht jede Pneumonie nach Aethernarkose ohne Weiteres als
20 Allgemeines.
Aetherpneumonie auffassen darf. Zunächst sind nach einzelnen
Statistiken, so der von Schultze, nach Chloroform Pneumonien noch
häufiger, was mit vielen klinischen Beobachtungen nicht überein-
stimmt. Aber was noch wichtiger ist, ist der Nachweis, dass sich
die üble Wirkung des Aethers auf die Lungenschleimhaut zum guten
Theil verhüten lässt, da sie auf unrichtiger Methodik der Anästhe-
sirung beruht.
HöLSCHER1) (Kieler Klinik von Esmarch) betont, dass die
meisten Autoren die Bronchiten und Pneumonien nach Aether-
narkose auf den directen Reiz des Aethers oder auch unreinen (Bruns)
Aethers auf die Schleimhäute zurückführen. Nauwerck hat das
Verdienst, auf eine wichtige neue Quelle derselben aufmerksam
gemacht zu haben, nämlich auf die Autoinfection von der Mund-
höhle aus durch Aspiration, begünstigt durch Lähmung von Gaumen-
segel, Zungengrund, Epiglottis und durch die vermehrte Salivation
und Schleimabsonderung.
GROSSMANN hält das Rasseln infolge Herunterfliessens von
Schleim und Speichel bloss für eine Folge falscher Technik und die
Lungenaffection daher auch bloss für eine Folge letzterer2).
H. färbte vor der Narkose die Mundflüssigkeiten mit wässeriger
Gentianaviolettlösung nach Lehrwald's Vorgang und constatirte,
dass bei horizontaler Lagerung in Narkose die Inspiration genügt,
bei reichlicher Flüssigkeitsansammlung im Rachen diese bis in die
feinsten Bronchien, sogar bis unter die Pleura mitzureissen. Wo
Athmungshindernisse vorhanden sind, ist dieses Hineinreissen um so
energischer, je nach der Lage in die eine oder andere Lunge. Bei
Hochlagerung des Kopfes ist die Ueberschwemmung der Lungen
noch viel bedeutender.
Bei tiefliegendem oder hängendem Kopf kam es zu gar keiner
Aspiration, nur bei Tracheostenose zum Eindringen bis in die
Trachea.
Sobald man den horizontal gelagerten Kopf nun seitlich lagert
und die Ansammlung des in Aethernarkose meist reichlichen Schleims
und Speichels vor dem Kehlkopfeingang verhindert, denselben viel-
mehr zum Mundwinkel herausfliessen lässt, so lässt sich die Aspiration
ebenfalls verhindern. In der Kieler chirurgishen Klinik stellt man
die Kopf platte des Operationstisches tief bis zu hängendem Kopf.
H. glaubt nicht, dass eine Hypersecretion von Schleim bewiesen
sei. Er findet bei frischer Autopsie keine Schleimansammlung und
i) Hölscher, Experiment. Untersuchungen etc., Langenb. Arch., Bd. 57,
s. 175.
2) Beiläufig verwirft aus diesem Grunde Grossmann die JuiLLARD'sche
Maske völlig und empfiehlt eine eigene Modification der WANSCHER'schen
Maske.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. 2 1
auch keine Hyperämie, wie er sagt, was aber nach seinen Sections-
protokollen nicht ganz zutreffend ist.
Er findet auch unter Berücksichtigung der kräftig agirenden
Flimmerbewegung (welche entgegen Cl. Bernard und Engelmann's
Angaben durch Aether und Chloroform nicht sistirt werde), dass
kein Schleim producirt werde, so stark auch die Salivation sei.
Bei Katzen aber, die wie die Menschen einen grösseren Reich-
thum an Schleimdrüsen in der Trachea besitzen im Gegensatz zu
Hunden, fand er deutliche Secretvermehrung. Mikroskopisch
fand er sie in den Becherzellen und auch auf der Oberfläche der
Schleimhaut stets, aber er meint, sie sei so gering, dass die Flimmer-
bewegung zur Fortschaffung des Schleims genüge.
Hyperämie und Entzündung in Trachea und Bronchien konnte
H. nie wahrnehmen. Er hält deshalb Tracheal- und Bronchialschleim-
haut für ungleich weniger empfindlich als Mund-, Nasen- und Rachen-
schleimhaut und glaubt, dass dies auch teleologisch erklärbar sei,
da die Trachea und Bronchien diese Fähigkeit gar nicht ausüben
können, da sie durch die ersten Wege geschützt seien.
Salivation findet er auch bei reinem Aether und auch wenn
durch die Trachea narkotisirt wird, doch giebt er zu, dass ein Theil
der Wirkung des Aethers dabei local nach Cl. Bernard auf die
Endigung des N. lingualis wirken möge.
Bronchiten und Pneumonien will H. zum Theil auf die Abkühlung
durch Aether und Chloroform (dieselbe sei bei Cocain Ausnahme [?])
zurückführen, zum grössten Theil aber aus Aspiration von infectiösem
Material erklären, wofür er Belege bringt. Henle hat am Chirurgen-
congress in Berlin 1901 sehr interessante Belege beigebracht für die
Bedeutung der Abkühlung als Ursache von Pneumonien, und es
ist ihm völlig beizustimmen, dass der Wärmetisch, den wir schon
seit 25 Jahren benutzen, bei länger dauernden Operationen eine
regelmässige Anwendung finde.
Wir schliessen aus Hölscher's Versuchen, dass bei gesunden
Athemorganen sich der üble Einfluss des Aethers verhüten lässt,
aber damit ist der Beweis noch nicht erbracht, dass dies auch für
kranke Organe gilt. Vielmehr halten wir für ebenso sicher, dass
wie für Chloroform: Herzerkrankung und Herzschwäche
Contraindication bildet, so für Aether: Erkrankung
der Athemorgane und Athembe engung.
Bei Anwendung des Aethers, dessen Hauptnachtheil Schädigung
der Athmungsorgane ist, ist nach Obigem in erster Linie darauf zu
sehen, dass man dessen Schaden auf ein Minimum reducire, gemäss
den von Nauwerck, Grossmann, Hölscher gegebenen Vor-
schriften durch geeignete Lagerung mit abhängigem Kopf, Ab-
leitung des Speichels. Schmidt (Kronecker) betont, wie gut die
22 Allgemeines.
Thiere, die sonst bei Aethernarkose schwer leiden unter katarrhalischen
Absonderungen der Luftwege, die Aethernarkose mittelst Kro-
necker's Athemapparat ertragen, wo Aether mit feuchter Luft in
die Nase geblasen wird. Allein es ist noch ein anderer Factor,
welcher wesentlich zu berücksichtigen ist. Sobald man den Aether,
weil er viel weniger kräftig wirkt als Chloroform und grössere
Dosen verlangt, in Form der Asphyxirungsmethode verabfolgt mittelst
Aufgiessen grösserer Quanten Aether in eine Maske unter Luft-
abschluss, ruft man stets Hyperämie der Lungen und starke Speichel-
secretion hervor. Diesem Uebelstand kann man begegnen durch
Verdünnung des Aethers.
Dreser hat für Aether (wie für Chloroform) die Vorschrift ge-
geben, nur ganz bestimmt dosirte Luftgemische anzuwenden; er be-
ginnt mit 2 ccm Aether auf 10 Liter Luft und steigt auf 4 ccm.
So verhütet er das Erstickungsgefühl und die Reizung der Bronchien.
CüSHNY (Kronecker) hat Versuche mit genau dosirten Chloroform-
und Aethergemischen, welche durch Schläuche in die Nase mittelst
Wassergebläse eingeführt werden, gemacht und festgestellt, dass
durch 15 — 20-proc. Chloroform dampf Narkose erzielt und durch
5 — y1/2-pToc. unterhalten werden konnte. 20 — 30-proc. Aether-
mischungen ergaben nicht immer Anästhesie und zur Unterhaltung
brauchte er höhere Procente als bei Chloroform (20 — 25 Proc). Wie
unten hervorgehoben wird, ist auch Braun in Leipzig zu der Ueber-
zeugung gelangt, dass in richtiger Verdünnung der Aether (zu 6 — 7
Volumenprocent) die gefürchteten üblen Wirkungen auf die Athem-
organe nicht hat, dass es aber in dieser Form nicht immer genügt,
eine volle Narkose herbeizuführen.
Wir suchen die schädliche Wirkung zu concentrirten Aether-
dämpfen bei Fällen, so genügend verdünnte Mischungen nicht genügen,
zu vermeiden dadurch, dass wir die Narkose mit einem in kleinen
Dosen rasch wirkenden Anästheticum einleiten, und zwar jetzt aus-
schliesslich mit dem in kleinen Dosen ungefährlichen Bromäthyl,
an Stelle des früher zur Einleitung gebrauchten Chloroforms, mit
welch letzterer Methode übrigens auch Lennander nach Zachrisson
sehr gute Resultate gehabt hat.
Von Nunneley 1849 empfohlen, hat dieses Mittel in Haffter
in Frauenfeld einen zuverlässigen Verfechter gefunden, und wir
haben es auf Haffter hin und nach seinen Vorschriften eingeführt
und konnten Haffter's Erfahrungen vollauf bestätigen.
Wenn man bei Kindern mit io( — 15) g, bei Erwachsenen mit
2o( — 30) g Bromäthyl die Narkose einleitet (die ganze Dosis wird
auf einer kleine mit Impermeabel bedeckte Maske gegossen und
20 — 30 Secunden eingeathmet), so bedarf man nachher der grossen
Aetherdosen und des Luftabschlusses nicht, sondern kann ohne jeg-
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. 23
liehe Cyanose durch Behinderung der Athmung und ohne Röcheln
durch den herunterfliessenden Speichel eine gute Narkose lange
Zeit aufrecht erhalten. Wir benutzen eine impermeable mittelgrosse
Maske hierzu.
Es ist mir wohl bekannt, dass auch ausnahmsweise Todesfälle
bei Bromäthylgebrauch verzeichnet sind, z. B. von Köhler, Bill-
roth u. A. Wir haben bei den HAFFTER'schen Dosen niemals auch
nur etwas Beängstigendes gesehen, verabfolgen aber stets bloss eine
einzige kleine Dosis und gi essen nie weiteres Bromäthyl auf, denn
nur in längerer Fortsetzung der Bromäthylnarkose können wir eine
Gefahr erblicken.
Regli hat bei alleinigem Gebrauch von Bromäthyl Nachtheile
für Nieren und Lungen constatirt und konnte bei Potatoren, wo
Muskelerschlaffung nöthig war, überhaupt mit diesem Mittel allein
nicht zum Ziele kommen. Abonig stellt ähnliche Contraindikationen
auf, Baracz ebenfalls. Dieser Autor hebt mit vollem Recht hervor,
dass Einleitung der Chloroformnarkose mit Bromäthyl bedenklich
sei, obschon seit Ebermann diese nach Poitou-Düplessy benannte
Methode sich in Frankreich grosser Beliebtheit erfreut (Dumont)
und obschon nach Dastre sich die toxischen Eigenschaften beider
Mittel bekämpfen. Beide Mittel wirken doch nachtheilig auf Herz
(vergl. LöHRS) und Blutdruck, und während der Aether die geringe
Einwirkung des Bromäthyl sofort wieder gut macht, verstärkt Chloro-
form dieselbe.
Die Erfahrungen, welche Rein aus Diakonow's Klinik über
Bromäthylchloroformnarkose berichtet, sprechen auch nicht gerade
zu Gunsten dieses Verfahrens, da bei 167 Fällen 12 mal Asphyxie
und 8 mal Pulsabfall beobachtet wurde und nicht weniger als 7 Todes-
fälle auf 2260 Narkosen.
Die Tropf methode für Verabfolgung von Bromäthyl als Ein-
leitung für Aether dürfte vielleicht das letzte Bedenken gegen dieselbe
beseitigen, wenn man die Maximaldose einhält. Wir möchten sie
nicht für alle Fälle ausreichend halten. Partsch's (Larisch) Er-
fahrungen sprechen zwar sehr zu Gunsten der Tropfmethode, und
sie dürfte sich, um ganz sicher zu gehen, für alle Fälle von Herz-
erkrankung und Herzschwäche empfehlen, wenn man da nicht die
Allgemeinnarkose ganz vermeiden kann. Sonst aber ist die geschil-
derte Anwendungsweise des Bromäthyl zur Einleitung der Aether-
narkose eine so ausserordentliche Erleichterung der Narkose für
Arzt und Patienten wegen der Raschheit und Leichtigkeit des Ein-
trittes von Schlaf, dass wir dieses vorzügliche Verfahren nicht mehr
entbehren möchten und es der Medullaranästhesie weit vorziehen,
für alle Fälle, wo nicht eine formelle Contraindication für jede Form
allgemeiner Anästhesirung gegeben ist.
2a Allgemeines.
Während bei Aether ein sehr starkes Aufregungsstadium mit
Schreien, heftigem Umsichschlagen, klonischen bis tonischen Muskel-
contractionen mit Athemhemmung und Cyanose nichts weniger als
selten ist, gelingt es bei einiger Uebung des Narkotisators leicht,
jede Aengstigung bei Bromäthyl zu vermeiden; das Aufregungs-
stadium und die Reflexwirkungen auf Herz und Athmung mit
Athmungskrämpfen, Herz- und Athmungsstillstand bleiben ebenfalls
aus; ich habe sie nie gesehen.
Riedel erzielt eine rasche und ruhige Aethernarkose mit relativ
kleinen Dosen dadurch, dass er 1/2 Stunde vorher 0,005 — °>01 Mor-
phium, bei Potatoren bis 0,03 injicirt. Das ist JuiLLARD's Ver-
fahren.
Comte und Dumont finden die reine Aethernarkose bei Ein-
haltung der JuiLLARD - DuMONT'schen Vorschriften und Benutzung
der Juillard - Dumont' sehen Maske tadellos. Kümmel zieht
Czerny's Maske allen anderen vor.
Bei Operationen im Mund und Rachen oder im Gesicht sind
Apparate wie diejenigen von Arnd und SOUCHON empfehlens-
werth, Fig. 3 illustrirt den Apparat von Arnd auch ohne weitere
Erklärung.
Formelle Contraindicationen für Anwendung jeder
Form allgemeiner Narkose giebt es insofern, als bei einer
Anzahl von Krankheitsformen nur mit einer gewissen Unsicherheit
und Gefahr für das Leben ein Anästheticum gereicht werden kann.
Zu diesen Krankheitsformen sind alle diejenigen Zustände zu rechnen,
welche mit hochgradigen Degenerationen des Herzmuskels, der Leber,
Nieren und des lymphatischen Apparates vergesellschaftet sind, also
eine Anzahl von allgemeinen Ernährungsstörungen, wie ADDisON'sche
und BASEDOW'sche Krankheit, Cachexia thyreopriva, schwere Anämie-
formen, hoher Grad von Fettsucht und Alkoholismus, Inanitionszustände,
auch Sepsis und schwere Intoxicationen, Diabetes (Baxer hat 1 2 Fälle
gesammelt von Exitus durch Coma diabeticum nach allgemeiner
Narkose), und in specie noch der Status thymicus.
Die Zahl der Todesfälle in Narkose mit Aether sowohl als Chloro-
form bei Individuen mit grosser Thymus und Schwellung des lym-
phatischen Apparates ist eine verhältnissmässig hohe und um so
auffälliger, als die Opfer gewöhnlich dem jugendlichen Alter an-
gehören, wo sonst die allgemeine Narkose am wenigsten Gefahren
bietet. Friedjung in seinem Sammelreferat über den Status lym-
phaticus findet gegenüber den zahlreichen Todesfällen bei Chloroform
bloss einen bei Aether. Ein Todesfall durch Aether, den ich 1896
bei einem 16jährigen Jungen erlebte, allerdings bei einem alten
fistulösen Empyem, beruhte auf Status lymphaticus. Der Tod tritt
während der Narkose durch Herzstillstand, aber auch nicht selten
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen.
25
nach der Narkose ein; bei Struma und speciell BASEDOW-Kranken *)
hat man Exitus lethalis besonders oft eintreten sehen.
Friedjung hält die Todesursache z. Th. für mechanisch bedingt,
indem Thymus und Arteria anonyma die Trachea zwischen sich fassen.
Paltauf und Kundrat sehen mit Recht den Beweis bloss mecha-
nischer Wirkung für noch nicht sicher erbracht an. SCHLÖMIHCER
1) Hier ist nach Möbius, Spencer u. A. (nach Schnitzler) Combination
mit Status lymphaticus öfter gefunden worden.
2 6 Allgemeines.
macht aufmerksam, dass der Exitus beim Status lymphaticus nicht
von der Wahl des Anästheticum abhänge, bei Aether ebenso gut
als bei Chloroform erfolge. Es lohnt sich daher, durch Percussion
des Sternum, Palpation im Jugulum, Untersuchung des Rachens auf
Mandelhypertrophie, sowie der Milz nachzuforschen, ob Verdacht
auf diesen für Narkose so fatalen Zustand vorliegt. Allenfalls kann
man dann den Versuch machen, nach Escherich's Vorschlag eine
Vorbehandlung mit Thymuspräparaten eintreten zu lassen.
Unser Standpunkt und unser Verfahren in der Narkosenfrage
ist nach obigen Auseinandersetzungen zu gegenwärtiger Stunde
folgendes x) :
i) Jeder Patient, welcher einer allgemeinen Nar-
kose unterworfen werden soll, muss aufs genaueste
auf das Vorhandensein von Organ erkrankungen unter-
sucht werden. Bei allen denjenigen Zuständen, welche oben als
formelle Contraindicationen für allgemeine Narkose auf-
gestellt sind, muss man den Weg suchen, um die Operation mittelst
Localanästhesie auszuführen und muss in complicirten Fällen die
verschiedenen Formen der Localanästhesie, von der In-
filtrationsanästhesie Schleich's bis zur Anästhesirung der grossen
Nervenstämme oder der Nervenwurzeln mittelst der medullären
Methode, wenn diese sich nicht vermeiden lässt, zu combiniren
suchen.
Wo dies nicht genügend sich erweist oder nicht durchführbar
und eine Allgemeinnarkose Platz finden muss, ist dieselbe zeitlich
und intensiv möglichst zu beschränken und nur geübten Händen an-
zuvertrauen. Hier kann es angezeigt sein, behufs Beschränkung der
anzuwendenden Giftdosis eine vor gängige Morphiuminjection
zu machen, aber diese muss stets eine halbe Stunde vorher gemacht
werden, damit die Wirkung, eventuell nachtheilige Wirkung, ein-
getreten sei, bevor sich die Wirkung des zweiten Narkoticums hinzu-
gesellt. Wir haben an anderer Stelle erklärt, dass wir Morphium
wegen seiner oft nachträglich ungünstigen Wirkung auf die Athmung
(Herabsetzung des Athmungsbedürfnisses) zu vermeiden suchen resp.
von demselben nur einen beschränkten Gebrauch machen.
Bis zu einem gewissen Grade wird sich auch eine Local-
anästhesirung stets mit der Allgemeinnarkose combiniren lassen.
Von Verabfolgung von Chloroform darf in diesen Fällen keine Rede
sein, da zumal bei länger dauernden Operationen ein zeitweiliges
Aussetzen der Narkose (wie Lennander verschlägt) am Platze sein
i) Wir brauchen kaum hervorzuheben, dass wir für jedes Anästheticum
Garantie für absolute Reinheit des Präparates (richtige Aufbewahrungsweise
etc.) voraussetzen.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. 27
kann und die Experimente lehren, dass bei wiederholter Verabfolgung
von Chloroform in kurzen Pausen das Herz ausserordentlich empfind-
lich wird gegen das Gift. Man wird sich mit Aether begnügen
müssen und auch diesen in bestimmtem Luftgemisch verdünnt und
in kleinen Dosen zuführen.
In diesen Fällen dürften die von Poncet (Longe) neuerdings
empfohlenen subcutanen Cognacinjectionen (1/3 zu 2/3 Wasser) oder
besser unser längst gebrauchtes Verfahren der Verabfolgung von
Stimulantien, sei es Thee, sei es Alkohol, besonders am Platze
sein; Poncet macht auch während der Operation bis zu 10 ja
ioo Injectionen. Auch KüMMELL rühmt die Combination der Chloro-
formnarkose mit grossen Quantitäten Cognac. Man wird in solchen
Fällen auch nicht zu lange fasten lassen vor der Operation und lieber
vorher noch den Magen direct entleeren, wenn er nicht leer ist.
2) Die Frage, welche Art der Anästhesirung angezeigt sei,
hängt — sobald einmal diejenige der formellen Contraindicationen
gegen Allgemeinnarkose überhaupt erledigt ist — davon ab, ob Er-
krankung der Athmungsorgane vorliegt.
In allen Fällen, wo nicht eine Behinderung der
Athmung oder eine Affection der Athmungsorgane
vorliegt, hat als Normalmethode die Aetherisirung zu
gelten 1). Das beste Verfahren ist die Einleitung der Aethernarkose
mit einer einmaligen Dosis Bromäthyl und Aufgiessen des Aethers
in fractionirten Dosen. Man kann hier mit tropfenweisem Aufgiessen
meistens nicht auskommen, aber doch nach Maassgabe der Verträg-
lichkeit des Patienten mit kleinen Quantitäten.
Mit diesem Verfahren kommt man in der Regel binnen 5 Minuten,
spätestens binnen 10 Minuten zu einer ruhigen Narkose, bei welcher
es genügt, an der Conjunctiva die Sensibilität und daneben die
Athmung zu controliren. Auch das Verhalten der Pupille ist
ein köstliches Zeichen zur Beurtheilung des Eintrittes der Insensibilität,
weil nach Kappeler mit Wegfall der gewohnten sensiblen Reize
die Pupille eng und starr wird, während sie im Aufregungsstadium
weiter sein kann. Freilich ist bei Aether dieses Verhalten der Pupille
weniger constant als bei Chloroform. Nur bei länger dauernden
Aethernarkosen muss auch der Puls controlirt werden, was stets
1) Nur noch auf diejenige Contraindication für Aether ist speciell auf-
merksam zu machen, welche mit der Aufregung und der Erhöhung des
Blutdruckes zusammenhängt. Horsley vermeidet den Aether bei Hirn-
operationen wegen der stärkeren Blutung, und auf die Gefahr event.
Apoplexie hat de Quervain hingewiesen. Wir bemerken ausdrücklich, dass
wir es wohl begreifen, dass Chirurgen, denen zuverlässige Chloroformisatoren
zur Verfügung stehen, dem Chloroform als dem zur Erzielung einer ruhigen
Narkose sichereren Narkoticum treu geblieben sind.
28 Allgemeines.
absolut nöthig ist, wenn eine Narkose mit Chloroform zumal bei be-
stehenden Contraindicationen vorgenommen wird. Sobald bei Chloro-
form Verlangsamung des Pulses eintritt, so ist die Wirkung genügend
und ein Mehr bedingt Gefahr, wie auch langsame Athmung ein Zeichen
ist, mit weiteren Gaben vorsichtig zu sein 1). Vollends bei schnarchender
Athmung, allgemeiner völliger Muskelerschlaffung und unregel-
mässigem Puls ist man an der Grenze der zulässigen Dosis an-
gelangt.
Nur bei Potatoren hat die Erzielung voller und ruhiger Narkose
öfter Schwierigkeit, welche am besten durch eine vorgängige Mor-
phiuminjection von 0,0 1 — 0,02 überwunden und verhütet wird. Wir
machen freilich selbst hier von Morphium nur sehr beschränkten
Gebrauch, da wir mit Kümmel die Förderung respiratorischer
Störungen fürchten und in kräftigen Alkoholdosen ein viel besseres
Mittel zur Erleichterung der Narkose besitzen. Franck protestirt
ebenfalls wegen der Athmungaufhebung gegen Morphium. Den
DASTRE'schen Zusatz von 0,001 Atropin haben wir nicht benutzt,
obschon dieses Mittel geeignet scheint, die auf dem Wege des Vagus
zu Stande kommenden Reflexhemmungen (Herzstillstand) zu ver-
hüten ; es wirkt sicher günstig zur Vermeidung der Speichelsecretion.
Franck macht dagegen geltend, dass man das Atropin nicht in
genügend grossen Dosen anwenden könne.
Chloroformnarkose soll den Aether in allen Fällen ersetzen, wo
bei Fehlen formeller Contraindication eine Schädigung der Athmungs-
organe gefürchtet wird. Sie ist stets mit der Tropfmethode unter
Einschleichen mit minimalen Dosen und stetem ge-
nügenden Luftzutritt (resp. bei ungeübten Chloroformisatoren
mittelst Kappler's Apparat) unter Controle des Pulses und der
Pupille durchzuführen 2). Lange dauernde Chloroformnarkose ist unter
allen Umständen zu vermeiden (bei mehr als 1 -stündigen Operationen).
3) Die Bedingungen gefahrloser Allgemeinnarkose
sind ausser stricter Befolgung der Contraindicationen
Verhütung von Erstickung und von Ohnmacht. Jene be-
ruht auf Verschluss der Glottis durch sog. Verschlucken der Zunge
(in Wirklichkeit Herabklappen der Epiglottis) oder durch Krampf
oder durch Hineingelangen von Blut, Schleim und Speiseresten aus
dem Magen; die Ohnmacht ist veranlasst durch Hirnanämie.
Um Erstickung zu verhüten, ist zu intensive Erregung der
Trigeminusfasern, Larynxnerven und Vagusendigungen in den oberen
1) Koblank hat auf die athetotischen Fingerbewegungen als ein Zeichen
zur Vorsicht aufmerksam gemacht.
2) Mikulicz hat völlig Recht, aufmerksam zu machen, dass sehr oft
viel zu tief chloroformirt wird, weit über das einzig erwünschte Stadium der
Analgesie hinaus.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. 29
Luftwegen durch plötzliche Einwirkungconcentrirter Dämpfe
zu vermeiden, weil diese den Krampf der Glottis und der
Athmungsmuskeln reflectorisch herbeiführt, ebenso wie den Herz-
stillstand. Rosenberg findet in 10-proc. Cocainbestäubung der
Nasenschleimhaut das Mittel, die Reflexwirkungen zu verhüten.
Auch FRANCOIS Franck empfiehlt dieses Mittel.
Das Verschlucken der Zunge ist eine Folge der Lähmung der
Muskeln von Zunge und Rachen, welche bewirkt, dass die schlaff
gewordene Epiglottis bei der Inspiration auf den Aditus laryngis
heruntergeklappt wird. Von diesem Mechanismus konnten wir uns
sehr schön überzeugen bei einem Menschen, dem wir in Narkose die
Unterlippe mit dem ganzen Kinn und Mittelstück der Kiefers
reseciren mussten.
Das Mittel zur Verhütung ist der Heiberg - EsMARCH'sche
Handgriff mit Einsetzen der 4 Finger hinter den Kieferwinkel
und Emporschieben des Kiefers. Die Wirkung, wie wir uns bei
obigem Falle überzeugen konnten, besteht nicht etwa in dem blossen
Verschieben der Zunge ■ — sieht man ja doch oft, dass das Vorziehen
der Zunge mit einer Zange keine Wirkung ergiebt — sondern darin,
dass dieselbe nach oben gehoben wird und dadurch die Lig. glosso-
epiglottica sich spannen und auch den Kehldeckel passiv anspannen.
Unsere Maske ist mit zwei Ringen (s. Fig. 1) so construirt, dass
man die Daumen in die Ringe stecken kann und die übrigen Finger
stets an richtiger Stelle für diesen Handgriff in Bereitschaft hat.
Das Hineingelangen von Blut, Speichel und Schleim wird durch
Schräglagerung des Körpers kopfabwärts verhütet, welche zugleich
der Hauptindication der Verhütung der Hirnanämie genügt.
Das Hineingelangen von Speiseresten in den Larynx wird durch
Leerhalten des Magens verhütet. Diese erzielt man durch
Fasten während 3 — 5 Stunden vor der Operation, oder wo wegen
Schwächezuständen oder wegen Dringlichkeit einer Operation dies
nicht durchführbar ist, durch directe Leerung des Magens mit der
Sonde. Es ist ein Fehler, diese Indication zu vernachlässigen. Das
Erbrechen an und für sich schadet nichts, sondern bloss das Hinauf-
befördern von Speiseresten. Und schon das Erbrechen bleibt . bei
leerem Magen recht oft aus. Eine besondere Vorsicht ist jungen
Narkotisatoren ans Herz zu legen, bei Eintritt von Erbrechen den
Kiefer nicht vorgeschoben zu erhalten. Hiergegen wird sehr häufig
gesündigt und durch diese Abhebung des Kehldeckels dem Ein-
dringen von Mageninhalt das Thor geöffnet.
Die Ohnmachtszufälle sind viel bedenklicher als die Gefahr
der Erstickung, und hier muss unbedingt prophylaktisch gesorgt werden.
Die Hirnanämie, welche dem plötzlichen Eintritt einer Ohnmacht zu
Grunde liegt, muss in allererster Linie durch geeigneteLagerung
3o Allgemeines.
verhütet werden. Der Körper ist schräg zu lagern mit dem
Köpf tiefer als Rumpf und Beine. Wir haben seit längster
Zeit einen Operationstisch in Gebrauch, der nach diesem Princip
construirt ist. Seit Einführung der TRENDELENBURG'schen Hoch-
lagerung ist es besonders leicht geworden, dieser Indication gerecht
zu werden, und es ist eine allgemeine Erfahrung, dass man in
TRENDELENBURG'scher Lage von Ohnmachtszufällen nichts zu fürchten
hat. Dieselbe hat vor dem RoSE'schen Operiren bei hängendem
Kopf den Vortheil, dass der Kopf in bequemer Lage bleibt.
Im Ferneren ist Hirnanämie besonders zu gewärtigen bei plötz-
lichen starken Blutverlusten, und es muss in solchem Falle schon
von vornherein die Narkose nicht zu tief gemacht und sofort unter-
brochen werden, wenn man sie nicht von vornherein durch Local-
anästhesie ersetzen kann. Das beste Mittel zur Verhütung der
Gefahr, wo Blutverlust zu Grunde liegt, ist die sofortige intravenöse
Transfusion von 7 °/oo Kochsalzlösung zu 38 — 41 °. Auch bei künst-
licher Herbeiführung von Hirnanämie durch Carotisligatur thut man
gut, vorher die Narkose auszusetzen.
Ein weiteres Hirnanämie beförderndes Moment ist starke Ab-
kühlung, um so mehr, als bei jeder längeren Narkose, durch
Chloroform sowohl als durch Aether, die Temperatur des Körpers
sinkt und bei Chloroform dazu noch der Blutdruck erheblich herab-
geht. Man soll deshalb in angenehm erwärmtem Räume operiren
unter Vermeidung der lange Zeit beliebten tropischen Hitze1), und
was noch viel wichtiger ist, man soll den Körper des Patienten
warm halten. Wir benutzen dazu einen eigentlichen Wärme tisch,
der mit warmem Wasser gefüllt ist.
Endlich wird durch Schrecken und Angst die Neigung zur
Ohnmacht erheblich erhöht. Man giebt in solchen Fällen gern eine
Dosis Morphium vor der Operation. Eine gehörige Gabe Alkohol,
Thee mit etwas Cognac thut bessere Dienste, und nach den An-
gaben von Feilchenfeld genügen 5 — 6 Tropfen Strophantus-
tinctur, um eine völlige Beruhigung herbeizuführen (am Morgen
der Operation und zwei Abende vorher).
Ein Bedenken hinsichtlich Eintrittes von Ohnmacht ist die In-
jection von Morphium unmittelbar vor Beginn der Operation.
Morphium bewirkt bei einzelnen Individuen sehr rasch eintretende
Uebelkeit mit begleitender Ohnmachtsanwandlung. In einem unserer
letzten Fälle von Chloroformtod, wo sonst alle Cautelen beobachtet
wurden, sind wir geneigt, den Exitus ganz zu Beginn der Operation
1) Nach Allen ist höhere Temperatur sogar gefährlich, weil bei Thieren
die Temperatur steigt, während der Blutdruck erheblich sinkt bei Narkose in
erhitzten Räumen.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. 31
obigem Umstand zuzuschreiben, dass unmittelbar vorher, statt wie
verordnet xj2 Stunde zuvor, eine Morphiuminjection von o,oi gemacht
worden war. Die 80-jährige Frau mit Trigeminusneuralgie collabirte
bei der ersten Incision unter Verschwinden des Pulses, Sistiren der
Respiration, Bläulichwerden des Gesichtes.
Endlich ist die Hirnanämie durch Shockwirkung bei zu frühem
Beginn der Operation zu verhüten. Wenn die Sensibilität nicht
aufgehoben ist, so kann ein plötzlicher intensiver Schmerz eine
schwere Shockwirkung zur Folge haben, zumal von gewissen be-
sonders empfindlichen Nervengebieten aus, wie Cirle in neuester
Zeit nachgewiesen hat. Cushing hat auch in Narkose bei Durch-
schneidung grosser Nervenstämme solche Shockwirkung constatirt.
4) Bei Eintritt übler Zufälle in der Narkose, in specie
Herzstillstand und Athemstillstand, meist mit Veränderung
der Gesichtsfarbe (die blass oder bläulich wird) und Weitwerden der
Pupille einhergehend, bleiben unter der Voraussetzung, dass man der
im Vorigen betonten Indication schon gerecht geworden ist, nur
noch zwei verlässliche Mittel übrig: die künstliche Respiration und
die Transfusion.
Die künstliche Respiration ist dasjenige Mittel, zu dem
man in jedem Falle unwillkürlich greift. Solange noch Athmung
besteht, besteht Hoffnung auf Wiederbelebung der Herz- und Ge-
hirnthätigkeit. Man kann z. B., was mehrere Experimentatoren in
hohem Maasse verwundert hat, durch Hirndruck noch so hohen Grades
ein Thier nicht tödten, wenn man künstliche Respiration eingeleitet
hat. Schade, dass man für den Menschen nicht so leicht eine wirk-
same, künstliche Respiration einleiten und unterhalten kann. Mit
dem KRONECKER'schen Apparat kann man Stunden lang eine tiefe
regelmässige Respiration unterhalten durch festes Einbinden einer
Canüle in die Trachea und periodisches Lufteinblasen. Es scheint
mir keine Frage, dass die Wirkungslosigkeit der künstlichen Respi-
ration bei Menschen, wie wir sie allerdings in der Minderzahl con-
statiren müssen, auf den unvollkommenen Methoden ihrer Durch-
führung beruht.
Von der Anregung der activen Respirationsmusculatur durch
reflectorische Reizung der nasolaryngealen Nerven macht Laborde
mit seinen rhythmischen Zungentractionen Gebrauch. Knapp u. A.
rühmen die guten Erfolge dieser Methode, welche durch Er-
regung des Athemcentrums von Reizung des Glossopharyngeus
und Laryngeus superior aus wirken soll. Sehr wirksam ist unter
Umständen die starke faradische Reizung der N. phrenici,
wie wir sie oben geschildert haben , und wir können die Ein-
wände dagegen von Braatz in ihrer allgemeinen Fassung nicht
anerkennen.
•2 2 Allgemeines.
Von den Methoden zur Herstellung passiver Athembewegungen
(wir folgen der Eintheilung von Djelitzin) ist nach genanntem
Autor die SCHÜLLER'schen Methode (welche von Roux in unserer
Klinik seiner Zeit unabhängig eingeführt wurde) die wirksamste. Sie
besteht im Emporziehen und kräftigen Niederdruck der von oben mit
4 Fingern umfassten unteren Rippenbogen von vornher (nahe am
Sternum nach Djelitzin). Man kann sich leicht überzeugen, welche
tiefe In- und entsprechende Exspiration man mit diesem Verfahren
erzielen kann. Djelitzin will dabei den Brustkorb hochlegen, das
Abdomen durch Beinbeugung erschlaffen.
Sehr wirksam ist die SYLVESTER'sche Methode mit Hebung der
Arme zur Spannung der Thoraxmuskeln bis zur Berührung der Ell-
bogen am Hinterhaupt und Herunterpressen derselben gegen den
Rippenbogen nach dem Sternum. Dabei muss die Zunge vorgezogen
oder Tracheotomie gemacht sein. Brosch stimmt laut der von ihm
angegebenen Methode mit den Anschauungen von Djelitzin und
den Vorschriften dieses Autors bezüglich Ausführung der Schüller-
schen Methode überein. Er hat festgestellt, dass die grösste Er-
weiterung und Verengerung des Thorax durch Verlängerung und
Verkürzung der sagittalen Durchmesser des ganzen Thorax er-
zielt werden. Er lehnt deshalb den Rücken auf einen hohen Schemel
und bewegt die Oberarme zur Inspiration am Kopf vorbei aufwärts,
dann drückt er sie rückwärts (erdwärts); zur Exspiration drückt er
die sich berührenden Ellbogen mit steigender Kraft gegen den
Brustkorb.
Von der Lufteinblasungsmethode scheint uns diejenige mit Wasser-
gebläse und Unterbrechung durch den Wasserstrahl selber von Kro-
necker mit Einsatz zweier Glaskanülen in die Nasenlöcher die
wirksamste zu sein. Der Mund bleibt nach Kronecker zur Aus-
athmung offen.
Die Transfusion kann zunächst eine Autotransfusion
sein in Form einer Hängelagerung des Körpers.
Wie überaus wichtig die Lage des Körpers bei der Nar-
kose ist, haben in neuester Zeit namentlich die schönen Versuche
von Leonard Hill über den Einfluss der Schwere auf die Blut-
circulation dargethan. Bei Hunden sinkt bei rascher Narkose mit
•Chloroform oder Aetherchloroform der Druck in der Carotis bald
auf Null, hebt sich aber sofort bei Erhebung des Körpers
in Hängelage, ebenso hebt er sich, wenn das Abdomen
comprimirt wird. Künstliche Athmung ändert daran nichts.
Bei Aether geht der Fall des Blutdrucks viel langsamer vor sich.
Die Wirkung beider Anästhetica hält noch eine Zeit lang nach deren
Aussetzen an. Derselbe gute Effect auf den Blutdruck wie bei Druck
auf das Abdomen kann durch festes Umschnüren des Abdomens er-
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. 33
zielt werden, während Eröffnung des Abdomens in Fussabwärtslage
beim Hirn ein erhebliches Sinken des Blutdrucks bewirkt.
Ganz besonders gefährdet bei Narkose sind durch Nichtbeachtung
des Einflusses der Schwere auf die Circulation alle Individuen, deren
Blutdruck a priori schwach ist, deren Herzthätigkeit herabgesetzt ist
(Veränderungen des Herzmuskels, Erschöpfung durch Tachycardie).
Ferner ist die normale Compensation des Einflusses der Schwere
durch die Vasoconstriction im Splanchnicusgebiet gestört bei allen
Individuen, die lange horizontal gelegen haben, was für eine ganze
Anzahl unserer zu Operirenden zutrifft. Obschon Respirationsstill-
stand vorher auch vorkommt, so ist es nach Hill stets die Vaso-
motorenlähmung, welche die dringlichste Gefahr darstellt, und der
letzte und gefährlichste Respirationsstillstand (mit mangelndem
CHEYNE-STOKES'schen Athmen) ist eine Folge der fehlenden Blut-
versorgung des Respirationscentrums wie des übrigen Gehirns wegen
jener Lähmung und wird bloss durch rasche Hebung des Blutdrucks
wieder gehoben.
Dass das Herz dabei noch schlagen kann, kommt daher, dass
Circulation in den Coronararterien bei tieferer Lage des Herzens noch
bestehen kann, wenn das Gehirn schon gelähmt ist.
Man könnte als Ersatz der Compensation durch die Vasomotoren
an die von Leonard Hill an Thieren erprobte feste Umschnürung
des Abdomens vor der Operation denken, allein dies ist nur zulässig,
wo sie die Athmung nicht wesentlich stört, d. h. bei fast ausschliess-
licher Toraxathmung besonders bei Frauen. Daher ist das Chloroform
so gefahrlos bei gebärenden Frauen (L. Hill). Viel besser ist es
in jedem Falle, wo Gefahr von Vasomotorenlähmung in Aussicht ge-
nommen werden muss, also nach Hill kurzweg bei jeder Nar-
kose, besonders Chloroformnarkose, den Patienten abhängig
zu lagern. Wir verweisen auf die Schilderung des von uns zu
diesem Behufe benutzten Operationstisches.
Es ist nach L. H. viel wichtiger, dass das Becken er-
hoben werde als die Beine; indes darf dies nicht bis zu einem
Grade geschehen, dass das Herz passiv zu stark angefüllt ist, weil das
Chloroform in letzter Linie auch direct den Herzmuskel lähmen
kann, wie Gaskell und Shore durch ihre Experimente mit ge-
kreuzter Circulation unter Ausschluss des Gehirns und daherigem
Weitergehen der Respiration bewiesen haben. Leonard Hill em-
pfiehlt deswegen bloss einen unterbrochenen Druck aufs Abdomen
anzuwenden zur Füllung des Herzens, abwechselnd mit Druck auf
den Thorax zum Austreiben des Blutes aus dem Herzen, also die-
selben Maassnahmen, welche man im Interesse der künstlichen Respi-
ration am gewöhnlichsten einleitet.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 3
■ia Allgemeines.
Die richtige Lagerung ist also zunächst das wichtigste Mittel
der Transfusion, aber mehr im prophylaktischen Sinne als Lagerung
zu Beginn der Operation: Jede Operation mit allgemeiner
Narkose und ausnahmslos jede mit Chloroformnarkose und bei
Individuen mit niedrigem Blutdruck soll in leicht abhängiger
Körperlage mit erhöhtem Becken und Beinen aus-
geführt werden.
Alle Wiederbelebungsversuche bei gesunkenem Blutdruck sollen
in Hängelage massigen Grades unternommen werden und zunächst
durch methodisches Auspressen des Abdomens und mechanische Ent-
leerung des Herzens geleistet werden. König empfiehlt rasch sich
folgende Stösse gegen die Herzgegend. Hill Compression des Thorax
abwechselnd mit derjenigen des Abdomens. Noch wirksamer er-
scheint zur Erfüllung der Indication die directe Herzmassage nach
Freilegung des Herzens, wie sie von Prus besonders empfohlen und
von Tuffier u. A. am Lebenden ausgeführt worden ist.
Prus konnte 16 von 21 durch Chloroform getödteten Thieren
(und 31 von 44 künstlich erstickten Thieren) durch dieses heroische
Mittel wieder beleben bis zu 1 Stunde nach Aufhören der Athmung.
Aber auch Prus hat zur Wiederbelebung in seinen Fällen zum
Theil noch ein anderes Mittel benutzt, welches in anderer Weise
der von Hill aufgestellten Forderung, dem Herzen und Gehirn
Blut zuzuführen, genügt, nämlich die Transfusion. Wir wissen,
welche ausgezeichneten Wirkungen diese ergiebt bei Blutverlusten,
wenn der Blutdruck auf ein Minimum gesunken ist. Hier genügt die
Autotransfusion nicht mehr, und da wir es gerade bei Operationen
so häufig mit einer toxischen Blutdruckerniedrigung neben stärkerem
Blutverlust zu thun haben, so hat die Transfusion auch als Mittel
der Wiederbelebung bei sinkendem Blutdruck eine sehr gute Indi-
cation.
Bobrow hat schon von relativ kleinen subcutanen Infusionen
von Kochsalzlösung Erfolge gesehen, welche ihn für dieses Mittel
begeistert haben. Wir haben schon lange vor den Mittheilungen
Bobrow's die intravenöse Transfusion als ein kostbares Mittel gegen
Chloroformcollaps in unseren Vorlesungen empfohlen und haben eine
unserer Zuhörerinnen, Frl. Gomberg, veranlasst unter Kronecker's
Leitung die Wirkung der Transfusion experimentell zu studiren.
Einige unserer klinischen Erfahrungen sind überzeugend. Ein
11 -jähriger Junge, bei welchem ein Retromaxillartumor operirt worden
war, wird plötzlich zu Ende der Operation pulslos, die Athmung
sistirt, die Pupillen reagiren nicht mehr. Stimulirende Injectionen
und subcutane Infusionen sind erfolglos, ebenso Hängelage des
Körpers. Als sich ca. 20 Minuten nach ausgeführter Tracheotomie und
künstlicher Athmung gar keine Reaction zeigte, ausser hier und da
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. k
eine krampfhafte Verzerrung des Gesichtes, wird die Vena mediana
eröffnet (es entleerte sich kein Blut) und langsam i Liter Salzwasser-
lösung von 41 ° C. injicirt. Nun trat wieder spontane Respiration
dann fühlbarer Herzschlag und zuletzt Puls ein.
Ein Knabe bekam nach Entfernung eines Fibrosarkoms der
Schädelbasis einen Herzstillstand, welcher bei stets fühlbarem, sehr
frequentem Pulse (150) 1 Stunde lang andauerte (es war durch eine
Tracheotomiecanüle chloroformirt worden) bei völlig aufgehobenem
Bewusstsein. Herzmassage und künstliche Athmung ergab keinen
Erfolg, obschon die Phrenicusfaradisation mit starkem Strom (die
Platte aufs Abdomen, die kuglige kleine Elektrode am Vorderrand
des Scalenus anticus) schöne Athemzüge bewirkte. Sobald man die
Faradisation sistirte, wurde sofort auch der Puls schlecht. Nach
1 Stunde wurde die Transfusion von 2 Liter Kochsalzlösung in die
Vena mediana vorgenommen (1 Liter subcutan hatte nichts genutzt).
Jetzt trat wieder spontane Athmung ein, Pat. begann wieder auf
Anschreien zu reagiren. In Fällen von Aethertod, wie derjenige
von Kaarsberg, wo ebenfalls bei Athemstillstand der Puls hoch
weiter bestand, hätte eine Transfusion vielleicht ebenfalls Erfolg
gehabt.
Es ist also zweifellos die Füllung des Herzens mit Flüssigkeit
ein Mittel, Herz- und Athmungsthätigkeit selbst nach längerem Still-
stand wieder anzuregen. Nach Gottlieb's Versuchen dürfte es auch
angezeigt sein, mit 10-proc. Nebennierenextract, wiederholt einige
Zehntel Kubikcentimeter eingespritzt, eine dauernde Blutdruck-
steigerung anzuregen , da nach seiner Auffassung das Mittel die
Herzganglien direct beeinflusst. Noch nach 5 Minuten langem völligen
Herzstillstand erzielte G. Wirkung, zumal bei gleichzeitiger Herz-
massage durch Thoraxcompression.
Auch Manko WSKY findet bei Chloroformscheintod die Injection
von einigen Kubikcentimeter n i-proc. Nebennierenextract wirksamer
als alle anderen Wiederbelebungsmittel.
Wie weit auf Grund von neueren Versuchen kräftige elektrische
Schläge berufen sind, den Herzstillstand zu heben, müssen weitere
Beobachtungen lehren.
Unsere Erfahrung weist uns also in dergleichen Fällen sehr be-
stimmt auf die intravenöse Transfusion hin. Wo der Blutdruck
auf ein Minimum gesunken ist, richtet man mit der subcutanen In-
fusion nichts mehr aus. Diese hat ihren Sinn bei Athemstillstand bei
noch relativ gutem Puls. Aber wo Synkope eingetreten ist und die
subcutanen Infusionen versagen, da kann noch die intravenöse In-
fusion Hülfe bringen. Und zwar muss dieselbe in der Form ge-
macht werden, welche der Indikation genügt, nämlich das Gefäss-
system in dem Grade füllen, dass ein genügendes Quantum Blut
3*
•2 5 Allgemeines.
zum Herzen zurückgeht und von diesem dem Gehirn zugeführt
werden kann ; wir haben dazu bis 2 Liter verwendet.
Dass man dabei die künstliche Respiration, sobald diese stille
steht und die abwechselnde Bauch- und Herzmassage auch nicht ver-
nachlässigen darf, ist selbstverständlich. So weit das Sinken des
Blutdrucks und der daherige Collaps auf Vasomotorenlähmung (nach
Hill) beruht, hat die Transfusion eine ebenso gute und bessere In-
dication als die übrigen Maassnahmen. Beruht sie auf Ertödtung der
Herzganglien nach Winogradoff und Schmdt - Kronecker, so
wird sie wie andere Maassnahmen gegen flimmernde Herzen im
Stiche lassen. '
Ob dann noch die directe Beeinflussung des Herzmuskels nach
der KÖNIG - MAAS'schen Methode in Form rhythmischer Herz-
compression durch häufige (120) kräftige Stösse in der Herzgegend
etwas leistet, bleibt die Frage. Körte hat nach 40 Minuten dauerndem
Herzstillstand durch KöNlG's stossweise Herzmassage, combinirt
mit intravenöser Kochsalztransfusion einen Patienten durchgebracht.
Kraske hat zuerst gezeigt, dass ein Theil dessen, was die Thorax-
erweiterung und Compression bei der künstlichen Athmung leistet,
in Wirklichkeit auf eine künstliche Circulationsherstellung zurück-
zuführen ist.
Die verbesserte Methode für Verabfolgung des Aethers haben
den Gebrauch des Chlormethyls überflüssig gemacht, obschon
dieses Mittel von keinem Geringerem als Spencer Wells als Haupt-
mittel bei Narkosen benutzt wurde.
Auch das Aethylchlorid (Kelen) zur allgemeinen Narkose
zu ausgedehnter An wendungs weise zu empfehlen, liegt kein Grund
vor, da dasselbe nicht ungefährlich ist und keinen wesentlichen Vor-
zug vor Äther oder Bromäthyl bietet.
Das Aethylchlorid als Mittel zur Allgemeinnarkose ist von
Billeter und Carlson eingeführt worden, und wird von Lotheissen
nach Erfahrungen in v. Hacker's Klinik in Innsbruck für kurze
Operationen sehr gelobt, zu 5 g aus feinen Tuben auf Mull gespritzt,
so dass es darauf gefriert und mit BREUER'scher Maske zur Inhalation
gebracht. Rascher Schlaf, rasches Aufwachen, meist ohne Erbrechen
wird ihm nachgerühmt. Auch Dumont rühmt dasselbe. Er giesst
in die Juillard - DuMONT'sche grosse Aethermaske 5—10 ccm und
giesst dann Aether nach, wenn der Patient schläft. Er empfiehlt es
namentlich zur Einleitung der Aethernarkose, da die Narkose eine
sehr kurz dauernde ist. Wie oben bereits hervorgehoben, sprechen
die KöNlG'schen Versuche nach Kronecker's Urtheil trotz der
Empfehlung des Autors nicht sehr für das Mittel. Ein Todesfall ist
im Correspondenzbl. für Schweiz. Aerzte von Seitz vor Kurzem ver-
öffentlicht worden.
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. -ij
Soulier hat 1896 darüber referirt und es empfohlen. Wir haben
vor Jahren einmal das Mittel benutzt zur Allgemeinnarkose und sehr
schlechte Erfahrungen damit gemacht. Leider können wir dieselben
nicht verwerthen. Die betreffenden Krankengeschichten sind spurlos
verschwunden, und wir sind deshalb nicht in der Lage, über das be-
nutzte Präparat bestimmten Aufschluss zu geben.
Von Mischungen der verschiedenen Anästhetica ist nicht viel
zu halten. Wie Kemp hervorhebt, bleibt angesichts der verschiedenen
Siedepunkte in der Mischung Aether-Aether und Chloroform-Chloro-
form, und bei offener Inhalation hat man reine Chloroformwirkung.
Wenn deshalb Harley's A.-C.-E.-Mischung von Alkohol, Chloroform
und Aether und Billroth's Chloroformäthermischung in bestimmter
Anwendungsform sich grosser Beliebtheit erfreuen, so beruht das
darauf, dass man ungefährliche Anästhetica zur Wirkung bekam,
die man besser rein zur Anwendung bringt eines nach dem anderen,
So erhält man ein klares Urtheil.
Braun hat in neuester Zeit einen Apparat zur Anwendung
von Aether - Chloroformmischnarkosen angegeben, welcher vor
anderen den Vorzug voraus hat, dass man nach Bedürfniss die Dosis
reinen Chloroforms und reinen Aethers und eine Mischung beider
variiren kann. Wenn ein Patient durch die Mischung nicht ge-
nügend in Schlaf zu bringen ist, so wird der Chloroformhahn mehr
geöffnet und der Hauptsache nach mit Chloroform narkotisirt nach
Junker's Methode. Ist dagegen das Toleranzstadium erreicht, so
kann man den Chloroformhahn zudrehen und mit reinem Aether in
bestimmter Luftverdünnung weiter narkotisiren.
Es wird eine Doppelflasche benutzt mit 150 ccm Aether und
40 ccm Chloroform und ein Gebläse, das bei Druck (bei jeder In-
spiration) 90 ccm Luft eindringen lässt. So erhält die Luft anfäng-
lich 6 Vol.-Proc. Aether und 1,7 Chloroform dampf beigemischt, später
in Folge von Abkühlung die Hälfte.
Braun hält Aether nur für zulässig, wenn er verdünnt einge-
athmet wird. Bei 6 — 7 Vol.-Proc. mache er eine ideale Narkose ohne
Cyanose, ohne Vermehrung der Speichelsecretion. Wo er so nicht
genüge, sei er überhaupt contraindicirt und Chloroform an seine
Stelle zu setzen. Dies die Begründung des Apparates.
Wie ersichtlich, hat Braun die früher von uns geübte Methode
wieder aufgenommen in verbesserter Form, zuerst Chloroform und
dann Aether in geeigneten Fällen zu verabfolgen, und es freut mich,
gegenüber dem abschätzigen Urtheil von anderer Seite dieses Vor-
gehen durch einen so gewiegten Kenner und Experimentator in der
Narkosefrage gebilligt zu sehen.
Matthaei empfiehlt in neuester Zeit die Alkoholnarkose,
und zwar durch Zufuhr auf 50 ■ — 60 ° erhitzten Alkohols mittelst
3 8 Allgemeines.
Kappeler's Apparat nach vorheriger Verabfolgung eines Klystiers
mit 1/3 Alkohol auf Wasser. Ein Säufer müsste eine Flasche schweren
Wein als Einleitung bekommen. Die Methode dürfte für Fälle, wo
formelle Contraindication für Anwendung von Chloroform und Aether
bestehen, einer Prüfung werth sein. Ich habe bei einem Cretin mit
hochgradiger Tracheostenose, dem die Kropfexcision ohne Narkose
gemacht werden sollte, einen Exitus in Folge nachträglicher Verab-
folgung des Anästheticums erlebt, weil er sich so unbändig benahm,
dass die Operation sonst unausführbar war. In derartigen Fällen
mit doppelter Contraindication könnte vielleicht die Alkoholnarkose
gute Dienste leisten, ebenso bei Säufern mit Fettherz unter ähnlichen
Zwan gsverhältnissen.
3. Zur Lagerungsfrage.
Es lohnt sich, im Anhang zur Narkose, obschon bei Besprechung
derselben schon verschiedentlich aufmerksam gemacht ist auf die
Bedeutung einer richtigen Lagerung des Patienten, noch unter eigenem
Titel zu dieser wichtigen Frage einige Bemerkungen hinzuzufügen.
Die Lagerung hat nicht nur grosse Bedeutung für die Narkose im
Allgemeinen zur Verhütung der Aspiration von Speichel und Mund-
flüssigkeiten bei unempfindlich gewordenem Kehlkopf und zur Ver-
meidung von Hirnanämie bei sinkendem Blutdruck, sondern sie be-
kommt eine doppelte Bedeutung sowohl während als nach der Operation,
sobald zu den Mundflüssigkeiten noch Blut und Wundsekret hinzu-
kommt, welches durch Aspiration in die Lungen gelangen könnte.
Bei Besprechung der Oberkieferresection hat Prof. Krönlein
am Chirurgencongress in Berlin 1901 mit Recht hervorgehoben, wie
unvergleichlich bessere Resultate bezüglich des unmittelbaren Er-
folges diese Operation zur Stunde in den Händen der verschiedensten
Chirurgen giebt im Vergleich zu früher — weil man die Aspirations-
pneumonien verhüte.
Man kann sich ja freilich diesen Schwierigkeiten dadurch kurzer
Hand entziehen, dass man die allgemeine Narkose ganz oder für
den zweiten Theil der Operation weglässt. Allein ich habe jedesmal
ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn ich aus Furcht vor Compli-
cationen einem Patienten die argen Schmerzen , welche Kiefer-
operationen mit sich bringen , zugemuthet hatte. Im Gebiet der
Trigeminusverzweigungen bedarf man schon einer ganz gehörigen
Anästhesirung und nicht einer halben.
Den Patienten bei derartigen Eingriffen in sitzender Stellung zu
operiren, wie Gussenbauer es thut, hat seine Bedenken wegen der
Hirnanämie.
Es bleibt also bloss die Schräglagerung des Körpers
übrig, in welcher man volle Narkose ohne Gefahr von Aspiration
Die Verhütung des Schmerzes bei Operationen. ig
und .Hirnanämie gewähren kann. Allein gerade hier ist speciell
aufmerksam zu machen, dass diese Schräglagerung nicht mit dem
Operiren am hängenden Kopf von Rose verwechselt werden darf.
Rose hat aus seinem ursprünglich guten Gedanken nicht den
vollen Nutzen gezogen, denn nicht dass der Kopf herabhängt, ist die
Hauptsache, sondern dass die Trachea eine schiefe Lage mit dem
oberen Ende tiefer erhalte ; dann fliesst ausser bei sehr starker Athem-
beengung (nach HöLSCHER's Nachweisen) nicht mehr viel in die
Bronchien herein. Der Kopf selber wird dabei im Gegentheil höher
gelagert als der Hals, weil man auf diese Weise die grossen Nach-
theile des Operirens am hängenden Kopf vermeiden kann. Jeder
Chirurg hat seine Erfahrungen gemacht, wie stark in letzterer
Stellung oft die venösen Blutungen werden, so dass man mitten in
der Operation raschestens die Stellung ändern muss.
Diese Vortheile der abhängigen R u m p f lagerung sollte man
sich bei allen Operationen im Bereich des Kopfes zu Nutze machen.
Wie Riedel hervorgehoben hat, sind sie bei Hasenschartenoperationen
sehr hoch anzuschlagen, aber auch bei Operationen an der Zunge ist
es das Richtige, sich von der Sorge um das Einfliessen von Blut u. s. w.
in dieser einfachen Weise von vornherein frei zu machen. Dasselbe
ist der Fall bei Operationen am Pharynx, im Larynx u. s. w. Wir
werden unten bei Besprechung dieser Operationen hervorheben, dass
Dank dieser Lagerung man sehr oft auf die TRENDELENBURG'sche
präliminare Tracheotomie verzichten kann, wie von vielen
Chirurgen bestätigt ist, soweit dieselbe bloss der Möglichkeit un-
gestörter Narkotisirung dient oder Aspiration verhüten soll. Die
Tracheotomie disponirt ganz entschieden zu Pneumonien und muss
als eine unangenehme Complication soviel wie möglich vermieden
werden.
Die Schieflagerung des Körpers, wie sie Trendelenburg ein-
geführt hat, ist ja nicht hauptsächlich mit Rücksicht auf die Narkose
und zur Verhütung der Aspirationspneumonien empfohlen worden.
Sie leistet auch in anderer Hinsicht zur Erleichterung und Sicherung
der Operation Ausserordentliches. Durch einfache Schräglagerung
kann man sich nach Belieben die Eingeweide des Abdomen vom
Operationsgebiet entfernt halten oder annähern lassen, was beides
unter Umständen erwünscht ist, wenn auch das erstere ungleich
häufiger der Fall ist. Nicht umsonst haben die Gynäkologen einen
so ausgiebigen Gebrauch von diesen Maassnahmen gemacht. Sie
sind nicht minder nützlich bei Operationen am Darm, zumal am
Mastdarm, an der Blase.
Aber wie wir schon aufmerksam gemacht haben, dass man
über die Schräglagerung des ganzen Körpers hinausgehen muss,
wenn man sich die Vortheile ganz zu Gute kommen lassen will,
aq Allgemeines,
indem man z. B. den Kopf hoch und den Hals tief lagert, so ist es
auch für viele andere Operationen wünschenswerth, dass man nur
ganz umschriebene Theile des Körpers hochlagere, andere dagegen
in abschüssiger Lage erhalte.
Es giebt kaum eine Klinik oder einen Operationsraum mehr»
in welchem sich nicht Tische befinden, welche nach Belieben in
Kopf- oder Fussabwärtslage gebracht werden können, allein wenn
ein solcher Tisch völlig brauchbar sein soll, so müssen auch einzelne
Theile der Tischplatte an beschränkter Stelle hochgelagert werden
können und zwar speciell ausser dem Kopftheil, wo die Einrichtung
auch bei den älteren Tischen stets bestanden hat, auch der Halstheil
und obere Thoraxabschnitt für sich, die Oberbauchgegend und die
Gegend der „Taille", und endlich das Becken. Man braucht nur an
die Kropfoperätion, die Cholecystotomie, die Nephrotomien, die tiefen
Beckentumoren zu denken.
Ein guter Operationstisch muss also so construirt sein, dass er
heizbar ist, als Normallage eine leicht abhängige Körperlage zulässt,
aber umgekehrt wie an den alten Operationstischen, nämlich mit Höher-
lagerung der unteren Körperhälfte ; aus dieser Lage muss er rasch
und leicht in noch viel abhängigere Lage gebracht, aber auch auf-
gerichtet werden können. Ausserdem muss mit einem leichten Hebe-
mechanismus jeder Körperabschnitt isolirt sofort emporzuheben sein.
Auch von der Lagerung der Kranken nach der Operation
wird nicht überall derjenige Nutzen gezogen, den man damit ver-
wirklichen kann. Wir haben Aspirationspneumonien auch bei den
schwersten Operationen im Bereich der Rachen gebilde , wo der
Schluckmechanismus momentan völlig gestört war, dadurch verhüten
gelernt, dass wir bis zur Wiederherstellung des letzteren die Hals-
thorax-Abwärtshaltung einnehmen Hessen. Man vergleiche die Be-
merkungen in den betreffenden Capiteln.
Fenger Just und Alfred Madsen in Kopenhagen haben es
versucht, einen heizbaren Operationstisch herzustellen, welcher zum
Theil nach Art des DoYEN'schen die Tischplatte in einer Quer- und
Längsaxe zu bewegen gestattet, den Kopf und das Becken isolirt zu
heben erlaubt.
C. Wundbehandlung.
Die Grundlagen der Wundbehandlung, welche wir in der dritten
Auflage unserer Operationslehre erörtert haben, sind selbstverständlich
die gleichen geblieben. Wir können nur wiederholen, dass alle Kunst
im Operiren umsonst ist, wenn nicht der eigentlichen Lebensfrage
bei der Behandlung der Operationswunden Genüge geleistet wird,
nämlich der Abhaltung der Infection.
Wundbehandlung. 41
Nachdem Fr. Schultze, Schwann und Helmholtz, Schröder
und Dusch den Grund gelegt hatten für den Nachweis, dass Luft
nach Glühen, Behandlung mit Schwefelsäure, Filtriren durch Baum-
wolle keine Fäulniss macht, sobald organische Stoffe ferngehalten
werden, hat Pasteur den breiten Boden geschaffen für die An-
schauung, dass keine Zersetzung organischen Materials eintritt ohne
Zutritt lebender Keime. Zahlreiche Forscher, wie Tyndall für die
Luft und Rindfleisch für das Wasser haben gezeigt, woher diese
lebenden Keime stammen. Lister hat seit 1867 auf dem Pasteur-
schen Grund den Bau der jetzigen Wundbehandlungsmethode auf-
gebaut, indem er bewies, dass auch die Zersetzungen auf Wunden
nur unter Zutritt von organischen Partikeln von aussen her Platz
greifen, nachdem schon vor ihm Jules Lemaire den Satz aufgestellt
hatte: „Pas de suppuration, si l'on tue les germes". Auch Lister
nahm bei aller Vorsicht in der Deutung an, dass diese organischen
Partikel durch entwicklungsfähige Keime dargestellt werden.
Koch hat durch seine Methode es ermöglicht, die den Wund-
krankheiten zu Grunde liegenden Keime im einzelnen Falle aufzu-
finden und ihre Wirkung genauer zu studiren, nachdem Billroth
mit ungenügenden Hülfsmitteln in demselben Sinne vorgearbeitet
hatte. Während noch BlLLROTH und Thiersch das Vorhandensein
der Keime innerhalb der Körpergewebe annahmen, ist es durch die
vervollkommneten Methoden gelungen zu beweisen, dass sie bei ge-
sunden Menschen bloss an der Oberfläche (Haut und Schleimhäuten)
sich vorfinden und stets von aussen in die tieferen Gewebe hinein-
getragen werden.
Auf diesen Grundlagen ruht unsere Kenntniss von Wundinfection
und auf sie beziehen sich unsere Bestrebungen zur Verhütung der-
selben. Schultze, Lesser und Schede haben die LiSTER'schen
Principien auf deutschen Boden verpflanzt, wo sie sofort die kräftigsten
Früchte trugen dank der begeisterten Initiative Volkmann's. Aber
trotz der gewaltigen Arbeit zur Förderung der Wundbehandlung in
den letzten Jahrzehnten ist eine völlige Abklärung der besten Mittel
und Methoden nur nach einzelnen Richtungen hin erfolgt. In anderen
Richtungen sind die Anschauungen verschieden und schwankend. So
viel ist erobert worden, dass wir Infectionen von unseren Operations-
wunden mit voller Sicherheit abhalten können durch Antiseptik
resp. Desinfection sämmtlicher für die Wundbehandlung nothwendigen
Materialien, speciell alles dessen, was man als Verbandmaterial
bezeichnet, sowie der Instrumente und der mit der Wündoberfläche
in Berührung kommenden Flüssigkeiten. Hierbei ist es als der
grösste Fortschritt zu betrachten, dass wir von den ausserordentlich
complicirten Maassnahmen der Zubereitung der genannten Materialien
zu höchst einfachen Verfahren gelangt sind, welche es nicht nur
42
Allgemeines.
in glänzend eingerichteten Kliniken und Operationsräumen, sondern
auch in den einfachsten und bescheidensten Verhältnissen der Praxis
ermöglichen, obiger Indication völlig Genüge zu leisten1). Dadurch,
dass wir die Instrumente und Verbandmaterialien sowie die Flüssig-
keiten genügend lange kochen oder statt dessen strömendem und
gespanntem Dampf aussetzen, erzielen wir völlig genügende Sterilität
derselben. Damit ist eine der Hauptformen der Infection beseitigt,
Fig. 4.
welche in der Zeit vor der Antisepsis und speciell vor Lister das
Leben des einer Operation unterworfenen Kranken bedroht hat,
nämlich die Infection durch directe Berührung, die man als Contact-
1) Wir sind nicht sehr eingenommen dafür, das „aseptische Feld" bei
Operationen mit Wal eher möglichst einzuschränken. Man muss ungleich
ängstlicher aufpassen, sich das Raubgesindel vom Leibe zu halten, wenn es
rings in grösserer Nähe lauert, als wenn man es über die Grenzen hinaus ver-
wiesen hat. Freilich ist es richtig, dass der maassgebende Punkt der ist, dass
nichts Infectiöses auf die Wunde selber kommt, und man hat sich nicht um-
sonst darüber lustig gemacht, dass menstruirende Wärterinnen von der Operation
ausgeschlossen werden sollen. Wie wir die Abgrenzung eines aseptischen
Feldes verstehen, das illustrirt am besten beiliegende Figur, welche zeigt, wie
bei einer Kropfoperation die Operationsstelle gegenüber dem übrigen Körper
des Patienten durch sterile Tücher abgeschlossen wird.
Wundbehandlung. 43
infection zu bezeichnen gewohnt ist. Es sei denn, dass die
Bakteriotherapie auch für die Wundbehandlung jetzt noch nicht
vorauszusehende Fortschritte macht, wird diese Errungenschaft voraus-
sichtlich niemals mehr aufgegeben werden.
Es lässt sich deshalb als erste Indication für die Wund-
behandlung aufstellen : Sämmtliches mit der Wundoberfläche in
irgend einer Weise, direct oder indirect in Berührung kommen-
des festes Material und ebenso jegliche Flüssigkeit muss sterilisirt
werden. Hierzu genügt das Kochen während 20 Minuten in ge-
wöhnlichem Wasser oder in Lösungen, welche das Material weniger
schädigen, wie die i-proc. Sodalösung für die Instrumente. Wesent-
lich abgekürzt wird die Sterilisirung von Verbandstoffen und In-
strumenten durch die Anwendung strömenden und gespannten
Dampfes, welcher bei einer Einwirkung von 15 Minuten bei
120 — 1250 C nach Tavel's und seiner Schüler Nachweisen völlige
Sterilisirung erzielt 1).
Was man bei Erfüllung dieser Indication lange Zeit übersehen
und vernachlässigt hat, ist die Sicherung gegen Verunreinigung der
Verbandstoffe nach ihrer Sterilisirung, und vor ihrer Anwendung.
Nur diejenigen Stoffe können als vollständig sicher sterilisirt an-
gesehen werden, welche unmittelbar aus dem Kochapparat oder aus
dem Dampfapparat entnommen und auf die Wunde gebracht werden.
Jedes längere Aufbewahren der Verbandstoffe ist vom Uebel. Das-
selbe gilt von den Instrumenten und Spülfiüssigkeiten, welch' letztere
dem Kochapparat unmittelbar entnommen werden müssen, um auf
die Wunde gebracht zu werden, ohne dass sie vorher von einem
Gefäss ins andere behufs Aufbewahrung übergegossen werden. Wo
eine Sterilisirung der Wundmaterialien in diesem Sinne unmittelbar
vor der auszuführenden Operation ausgeschlossen ist — was aber
selten ist — da sind nur diejenigen Aufbewahrungsmethoden brauch-
bar, bei denen unter sicherem Staubabschluss das Material in den
Gefässen aufbewahrt wird, in welchen es desinficirt wurde. Dies
leisten gewisse Apparate, welche am Schlüsse der Desinfections-
procedur ohne Berührung des Inhaltes sofort völlig abgeschlossen
werden können und zugleich leicht transportabel sind. Die Schimmel-
BUSCH'schen Apparate haben ihrer Einfachheit wegen mit vollem
Recht grosse Verbreitung gefunden 2). Aber das allerleichteste bleibt
immer die sterile Herstellung sämmtlicher Materialien
unmittelbar vor der Operation.
1) Braatz hat als wichtigen Factor bei der Dampfsterilisirung erkannt,
dass der Verbandstoff nicht wie üblich vorgewärmt werden sollte, da sonst
der Dampf sich an demselben erhitzt, seine Sättigung einbüsst und unwirksam
wird. Dieses gilt zunächst für nicht gespannten Dampf.
2) Sie sind von Braatz noch verbessert worden.
aa Allgemeines.
Leider sind wir nicht im Stande, die Sterilisirung auf sämmt-
liche, mit der Wunde in Berührung kommenden Gegenstände aus-
zudehnen, weil der menschliche Körper selber weder das kochende
Wasser noch den Dampf verträgt. Es bleibt also sowohl die Haut
des Patienten als die Hände des Chirurgen, welche in so
innige Berührung mit der Wundoberfläche bei Operationen kommen,
durch die oben genannten Einwirkungen unsterilisirbar, und es fragt
sich, wie weit hier die Wirkung des kochenden Wassers oder des
strömenden Dampfes durch andere Mittel ersetzt werden kann. Man
hat diese Frage gewöhnlich unter dem Titel der Händedesin-
fection zusammengefasst und die Frage der Möglichkeit einer
Händedesinfection hat in den letzten Jahren im Schoosse gelehrter
Gesellschaften die lebhaftesten Discussionen hervorgerufen. Die Zu-
sammenfassung unter diesem Titel erscheint nicht ganz glücklich,
weil es sich nicht nur um Desinfection der Hände des Chirurgen
und seiner Gehülfen handelt, sondern weil die Haut des Patienten
mit einbezogen werden muss. Lange genug freilich hat man Letztere
über Gebühr vernachlässigt, und noch jetzt ist es nicht eine Selten-
heit, dass man es mit ansehen muss, dass ein Chirurg und sein
Assistent mit dem Scheuern und Putzen ihrer Hände gar nicht fertig
werden können, während die Haut des Patienten nur unmittelbar
vor der Operation mit etwas Seifenwasser abgewaschen und ab-
gespült wird und wenn es hoch kommt, mit einem Lappen Sublimat
ein Paar Mal über dieselbe herüber gefahren wird. In solchem Ge-
bahren liegt ein arger Widerspruch. Derselbe hat nur darin eine
gewisse Entschuldigung, dass die Art der Infection, welche von den
Händen eines Chirurgen übertragen werden kann, in der septischen
Aera eine viel bedenklichere zu sein pflegte, als die von der Haut
des Patienten aus vermittelte. Hierauf werden wir unten zurück-
kommen; indes muss schon hier hervorgehoben werden, dass in
nicht seltenen Fällen auch von der Haut des Patienten schwere
Infection übertragen wird, wenn dieselbe Sitz noch so kleiner, nur
bei genauerem Zusehen erkennbarer Infectionen ist.
Der jetzige Standpunkt in der Frage der Hautdesinfection
ist für die Mehrzahl der Chirurgen der, dass laut Nachweis der
competentesten Untersucher eine Sterili sation ■ durch kein
zur Stunde zur Verfügung stehendes Mittel erreichbar
ist. Dieses Ergebniss der besten Untersuchungen hat dazu geführt,
eine directe Berührung der Hände mit einer Wundoberfläche über-
haupt zu vermeiden zu suchen, indem man Handschuhe einführte.
Die Frage der Operationshandschuhe hat ebensoviele
Anhänger als Gegner gefunden und sowohl die Begeisterung als
die Opposition erklären sich daraus, dass man in der Methode der
Prüfung in verschiedener Weise vorgegangen ist. Es besteht kaum
Wundbehandlung. st-
eine Abweichung der Anschauungen darüber, dass man beim
Tragen eines sterilisirten Kautschukhandschuhes die von den
Händen zu fürchtende Contactinfection mit Sicherheit verhüten kann.
Halsted in Baltimore ist wohl einer der ersten gewesen, welcher
methodisch mit dem Tragen der Kautschukhandschuhe vorgegangen
ist. Aber dass diese Handschuhe (selbst in der verbesserten Form
nach Friedrich) ihre Nachtheile haben, kann Niemand in Abrede
stellen, einmal wegen der hohen Kosten, da sie sich sehr leicht ab-
nutzen und defect werden, dann wegen einer gewissen Behinderung
für das feine Gefühl und Bewegung von Hand und Fingern. Immer-
hin hat das Tragen von Kautschukhandschuhen seiner Sicherheit
gemäss eine bleibende Bedeutung bekommen, die aber auf anderem
Gebiete zu suchen ist als auf dem der Verhütung einer Berührung
der Hand mit der Oberfläche einer frischen Wunde.
Der Hauptkampf gegen die Handschuhe bewegt sich auf dem
Gebiete permeabler Handschuhe, wie sie von Mikulicz vor-
geschlagen worden sind. Dass derartige Handschuhe aus Baum-
wolle oder Leinenstoff Keime nicht von der Wunde abzuhalten ver-
mögen, wird Niemand bestreiten, welcher zahlreiche Untersuchungen
über den Keimgehalt von Handschuhen während und nach einer
Operation gemacht hat. Wir können bestätigen, dass es Regel ist,
dass nach vollkommen correctem Vorgehen regelmässig die mit
Flüssigkeit und Blut imbibirten Handschuhe voll von Keimen sind
und zwar weitaus am häufigsten von Staphylococcus albus, also dem
gewöhnlichsten Bewohner der menschlichen Haut. Damit ist freilich
noch nicht gesagt, dass nicht gerade durch seine Imbibitionsfähigkeit
ein permeabler Handschuh bei einer Operation nützlich sei. Denn
wenn die Keime da sind und im Handschuh stecken bleiben, so
kommen unbedingt um so viel weniger auf die Wundoberfläche.
Da nach bestimmten Nachweisen eine Vermehrung der Keime inner-
halb des Handschuhes in der kurzen Zeit gewöhnlicher Operationen
ausgeschlossen ist, so möchten wir in der Imbibitionsfähigkeit dieser
Handschuhe eher einen Vortheil erblicken, so wenig man diesem
Umstand eine Beachtung zu schenken geneigt gewesen ist. Es ist
aber zu beachten, dass die Keime im Handschuh dann und erst dann
nachgewiesen werden, wenn derselbe mit Flüssigkeit und Blut im-
bibirt ist. Wechselt man also die Handschuhe während der Operation
häufig, so beseitigt man ein entsprechendes Quantum von Infections-
stoffen von seiner Hand und von der Wundoberfläche. Es kann
nach vorliegenden Untersuchungen als sicher betrachtet werden,
dass die Mehrzahl der vorgefundenen Keime nicht aus der Luft
herabgefallen sind, sondern von der Hautoberfläche stammen; dafür
spricht ausser den HAEGLER'schen Versuchen sehr bestimmt, dass
der Staphylococcus albus der weitaus vorwiegende Mikroorganismus
4Ö Allgemeines.
ist, der vorgefunden wird. Ferner zeigen die Untersuchungen von
Mohaupt, dass selbst nach gründlicher Reinigung der Haut in den
Schweissdrüsen Keime zurückblieben, welche durch den Secretions-
strom an die Oberfläche gelangen und zwar beim Schwitzen schon
in weniger als 1/2 Stunde, sonst binnen 24 Stunden. Es ist also die
eine Bedingung, eines wirklichen Nutzens der Handschuhe, dass die-
selben jeweilen gewechselt werden, wenn sie mit blutiger Flüssig-
keit durchtränkt sind.
An der Oberfläche eines frisch aus dem Sterilisationsapparat
entnommenen Handschuhes haften keine Mikroorganismen. Deshalb
haben sie eine sehr grosse Bedeutung und meiner Ansicht nach die
Hauptbedeutung darin, dass sie die Berührung der Haut-
oberfläche mit den Ligaturfäden und auch mit den Tupfern
verhüten und damit die zur Zeit wichtigste aller Infectionen, die
von mir als Implantationsinfection bezeichnete Form ausmerzen.
Tupfer kann man ja sehr zweckmässig bloss mit sicher steri-
lisirten Schwammhaltern anfassen und so jede Berührung mit den
Fingern vermeiden. Faden dagegen müssen wir mit den Fingern
anfassen.
Haegler *) hat den stricten Nachweis geleistet, dass man selbst
mit möglichst gut gereinigten und möglichst keimfrei gemachten
Händen keinen Faden energisch durch die Finger ziehen kann, ohne
dass man demselben Keime von der Hautoberfläche mittheilt. Wir
glauben also, dass es einen grossen Werth hat, wenn unmittelbar
vor Anlegung der Ligaturen sowohl die das Ligaturenmaterial be-
sorgende Wärterin, als Assistenten und Chirurg frische, wenn auch
permeable Handschuhe anziehen. Das ist für uns auch der Grund,
unsere sämmtlichen Ligaturen, so weit es irgendwie geht,
bis ans Ende der Operation auf einen Act zu versparen
und bis zu dem Augenblick die Gefässe mit Arterienklemmen ver-
schlossen zu halten, wenn auch gelegentlich bei einer Kropfoperation
bis 50 und 100 derartiger Instrumente in der Wunde hängen.
Neben diesem einen Nutzen der Handschuhe bei Anlegung der
Ligaturen und Suturen ist weitaus die grösste Bedeutung der Hand-
schuhe darin zu suchen, dass man sie nicht in dem engen Rahmen
von Operationshandschuhen benutzt, sondern sie als prophylaktisches
Mittel in Anwendung zieht. Damit kommen wir auf die Frage der
Hautdesinfection auch ohne Handschuhe zurück2).
1) Wir machen auf das ausgezeichnete Buch Haegler's über Hände-
reinigung etc. speciell aufmerksam.
2) Wir legen auf wiederholtes gründliches Waschen der Hände bei Ope-
rationen, zumal bei zufälligen Verunreinigungen während derselben so grossen
Werth, dass wir uns zu Versuchen mit Firnissüberzügen der Hände nach Menge
(Paraffin), Kossmann (Chirol) und Levai nicht haben entschliessen können.
Wundbehandlung. 47
So entschieden man zugeben muss, dass eine Keimfreiheit unserer
Hände durch eine gegenwärtig übliche Präparation nicht zu erzielen
ist, so sehr ist doch Jedermann damit einverstanden, dass Haut und
Hände bei jeder Operation und bei jeder Wundbehandlung einer
Reinigung in besonderem Sinne bedürftig sind. Wenn man den
Unterschied festhält zwischen Sterilisation als Keimfreiheit und Des-
inf ection als Freiheit von pathogenen und entwicklungsfähigen
Keimen, was praktisch entschieden vortheilhaft erscheint, so bleibt
es immerhin noch möglich, dass wir eine Hautdesinfection erreichen,
auch wenn wir auf die Sterilisation verzichten müssen. Das ist auch
in Wirklichkeit der Fall, sobald wir den Erfolg einer Desinfection
an den Resultaten unserer Operationen messen.
Wir haben im Jahre 1899 in einem Vortrage zu Händen der
American surgical Association bei Gelegenheit der Besprechung der
Handschuhfrage die Resultate in Form einer unsere sämmtlichen
Operationsfälle chronologisch umfassenden Tabelle veröffentlicht,
welche wir während des ganzen Wintersemesters 1898/99 bei sämmt-
lichen 325 aseptisch ausführbaren Operationen gehabt haben. Aus
denselben geht hervor, dass wir bei unserer rein aseptischen Wund-
behandlung typischer Form keinen einzigen Fall gehabt haben von
Eiterung oder Ascedirung einer Wunde, geschweige denn eine weiter
gehende gefährliche Infection.
In ähnlicher Weise waren wir in der Lage, für eine Operation,
bei welcher sich Infectionen in schwerer Weise zu rächen pflegen,
nämlich für die Strumektomie, zu beweisen, dass sich Serien von
Hunderten derartiger Operationen ausführen lassen, mit ununter-
brochener und tadelloser Primaheilung der Wunde, d. h. einer wirk-
lichen Verklebung und völliger Vernarbung in 8 Tagen. Praktisch
lässt sich also eine genügende Desinfection von Haut und Händen
herstellen, so dass man ohne Sorge und Gefahr die schwersten
Operationen unternehmen darf mit der Aussicht auf ungestörten
Wundverlauf.
In der Hinsicht stimmen wir Ahlfeld vollständig bei, so wenig
wir uns mit ihm im Uebrigen einverstanden erklären können, dass
diese Resultate irgend eine Keimfreiheit der Hände beweisen sollten.
Ja wir möchten nicht einmal mit Sicherheit sagen, dass die Des-
infection der Hände oder der Haut in jedem Falle, wo eine Prima-
heilung eintrat, eine vollkommene war. Lanz und Flach haben
freilich auf unserer Klinik gefunden, dass bei den per primam
heilenden Wunden keine intensiv pathogen wirkenden Keime nach-
weislich waren wie Staphylococcus aureus, sondern nur albus und
andere, und den Letzteren können wir nach unseren Erfahrungen
nicht als einen pathogen sehr wirksamen Mikroorganismus für den
menschlichen Körper ansehen. Die Thatsache des regelmässigen
^8 Allgemeines.
Vorkommens desselben in Handschuhen bei tadelloser Wundheilung
spricht laut genug für diese Auffassung.
Bruner hat allerdings in per primam heilenden Wunden, wie
BüDlNGER auch, den Staphylococcus aureus gefunden, an dessen
intensiv pyogenen Eigenschaften Niemand zweifelt. Doch scheint
das ein seltener Fall zu sein auch nach seinen Untersuchungen.
Auf welches Verfahren sind nun die tadellosen Resultate zurück-
zuführen, welche man, wie sich beweisen lässt, in ununterbrochenen
Serien schwerer Operationen erreichen kann? Wir stellen in den
Vordergrund dasjenige Verhalten, welches von den Gynäkologen
als Abstinenz bezeichnet worden ist. Aber wir fassen dieses
Wort in viel weiterem Sinne auf, d. h. nicht in dem Sinne einer
Enthaltung von Operationen überhaupt, sondern einer Enthaltung
von Infection mit pathogenen und virulenten Keimen. Ein Chirurg,
welcher aseptische Operationen auszuführen hat, soll sich unbedingt
seine Hände vor jeder Berührung mit pathogenen virulenten Keimen
schützen. Dieser Indication soll man ein Genüge leisten, so oft man
eine inficirte Wunde berührt oder Untersuchungen ausführen muss,
bei denen die Hautoberfläche mit Infectionsstoffen in reichliche und
innige Berührung kommt, wie bei Mund-, Rachen- Vaginal- und
Rectaluntersuchungen. Ausnahmslos soll hier die Hand geschützt
werden durch Anziehen und Tragen von Kautschukhand-
schuhen. Da liegt der früher bereits angedeutete wesentlichste
Nutzen der Handschuhe — nicht in dem Tragen während der
Operation, sondern in der Zwischenzeit der Operationen,
und soviel Heiterkeit es erregt hat, als ich in einer ärztlichen Ver-
sammlung bei einer Discussion über Operationshandschuhe das Para-
doxon aufstellte : Man solle die Handschuhe zwischen den Operationen
tragen und sie bei Beginn der Operation ausziehen, so liegt doch in
dieser Verwendung von Handschuhen bei jedem Act, wo eine grössere
Anzahl von Keimen in die Hautoberfläche eingedrückt oder einge-
rieben werden könnte, das eigentliche Geheimniss der Keimfreiheit
der Hände ! Wie Zweifel es betont auf Grund der Untersuchungen
von Krönig und Reinike, werden die Hände spontan keimfrei nach
einiger Zeit, wenn man sie nicht immer von Neuem inficirt. Und
Haegler hat gezeigt, dass die Furcht, dass die Haut in der Tiefe
stets von Keimen vollstecke, übertrieben ist : Er findet in den Schweiss-
drüsen meist gar keine, in den Haarbälgen nur oberflächlich Bakterien.
Sie gerathen bloss durch Einreiben in diese Drüsen und werden
durch den Secretionsstrom bald wieder aus derselben ausgeschieden.
In jede noch so kleine Haut-Verletzung dagegen wachsen Keime
sofort hinein und vermehren sich auch in derselben.
Hautpflege ist also unerlässlich. Ich kann es in keiner Weise
als Entschuldigung ansehen, wenn man hervorhebt, es sei einem
Wundbehandlung. 4g
praktischen Arzte nicht wie einem Kliniker möglich, jede Berührung
von Infectionsstoffen bei Behandlung von Kranken zu vermeiden.
Wenn ein Arzt das wirklich nicht kann und seine Hände beladen
muss mit pathogenen Keimen, so muss er die operative Thätig-
keit Anderen überlassen. Aber ich sehe gar nicht ein, warum ein
Arzt, der operiren will, nicht jedes Mal Kautschukhandschuhe an-
ziehen soll, wenn er eine Untersuchung in Mund, Rachen, Vagina,
Rectum etc. mit den Fingern vorzunehmen hat oder wenn er mit
unreiner Haut mit einem Ekzem, Furunkel oder einer fistulösen
Wunde in Berührung kommen muss. Allerdings bleibt noch die
Verunreinigung der Hände mit denjenigen Keimen übrig, welche von
unserem eigenen Körper oder zufällig an unsere Hände gelangen,
ohne dass wir es verhüten können. Aber auch dagegen haben wir
in der sofortigen gründlichen Reinigung, bevor eine Ein-
trocknung stattfinden konnte, ein sehr sicheres Mittel. Hier ist auch
der einzige Fall, wo es angezeigt sein kann, die Haut momentan
mit einem Antisepticum zu behandeln, speciell mit starker (1 %0)
Sublimatlösung, eine Maassnahme, welche doppelte Bedeutung erhält,
wenn die Möglichkeit einer mechanischen Säuberung durch Mangel
an Wasser und den nöthigen Beigaben ausgeschlossen ist.
Unsere Angaben über genügend sichere Händedesinfection
beziehen sich also auf solche Hände, welche nicht durch virulente
Keime schwer inficirt sind. Wir halfen zwar dafür, dass auch da
noch eine genügende Desinfection möglich ist, wenn man ausser
der mechanischen Reinigung die Haut mit antiseptischen Stoffen
eigentlich imbibirt, also in 1 °/00 oder lieber 2 %o Sublimatlösung
während etwa 10 Minuten die Hände badet und reibt. Der Beweis,
dass hierdurch auch virulente Keime genügend unschädlich gemacht
werden können, lässt sich leisten. Allein auf solche Experimente
dürfen wir es in praxi nicht ankommen lassen. Sicher bleibt, dass
Derjenige, welcher sich die oben besprochene Form der Abstinenz
nicht völlig aneignen kann, niemals die ideale Bedeutung rein
aseptischer Wundbehandlung kennen lernen kann. Er bleibt zur
Anwendung der Antiseptica verurtheilt.
Unsere Desinfectionsmethode lehnt sich an das FüRBRiNGER'sche
Verfahren an, das durch Reinecke aus Zweifel's Klinik eine so
grosse Förderung erfahren und in Ahlfeld einen so begeisterten
Vertreter gefunden hat.
Wir reinigen unsere Hände mit Seife, der vielangefochtenen
Bürste, und recht warmem laufenden Wasser, so dass jeder kleinste
Abschnitt bearbeitet wird, ohne auf die Uhr zu sehen, wann wir
fertig werden sollen. Die Hand wird nicht abgetrocknet, sondern
unter dem Warmwasserstrahl gründlich von der Seife befreit. Es
folgt die gleiche Behandlung mittelst der Bürste in Alkohol und zwar
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. a
5o
Allgemeines.
in 85-proc. Alkohol. Auch hier wird jeder unbedeckt bleibende Theil
der Haut von Stelle zu Stelle mit Alkohol gründlich abgerieben,
vor allem Nägel und Nagelfalz, ohne jede Rücksicht auf die Zeit,
einfach bis die Reinigung von einem Ende bis zum anderen besorgt
ist. Zuletzt wird kurz unter einem Strahl sterilen warmen Wassers
der Alkohol weggespült. Erst jetzt dürfte ein Abreiben mit einer
sterilisirten Compresse noch nützlich sein, da nach Haegler dadurch
eine Menge von Keimen sammt den gelockerten oberflächlichen
Epidermisschichten, in welchen sie sich hauptsächlich finden, noch
entfernt werden.
Zwei Momente sind bei dieser Reinigungsmethode von Wichtig-
keit, einmal, dass die benutzten Bürsten, nachdem sie einmal durch
Kochen sterilisirt sind, niemals anderswo liegen und liegen bleiben
als in einer stark desinficirenden Flüssigkeit (1 °/00 Sublimat oder
5-proc. Carbol), und zwar muss die Letztere nach dem Einlegen
der nach Gebrauch gründlich gereinigten Bürsten vollkommen klar
bleiben. Unter diesen Umständen haben wir von der von Schleich
beanstandeten Bürste niemals auch nur den geringsten Nachtheil
constatiren können. Wer sie fürchtet, mag sich an ihrer Stelle der
SÄNGER'schen Sandseife bedienen. Haegler fand die Bürste wirk-
samer als Schleich's Marmorseife.
Das Zweite, was eine Bedingung eines genügenden Erfolges dar-
stellt, ist die vollständige Entfernung des vorstehenden
Theiles der Nägel. Wer die Nägel lang trägt, hat keine Aussicht,
auf rein mechanischem Wege eine vollkommene Säuberung zu er-
zielen. Wenn man aber die Nägel so kurz wie irgend möglich
abschneidet, so bedarf es durchaus keines der fatalen Nagelreinigungs-
instrumente, sondern die Bürste mit Seife, warmem Wasser und
Alkohol genügt, um auch den gefürchteten Unternagelraum völlig
rein zu machen.
Wir legen bei genanntem Verfahren durchaus nicht den Haupt-
werth auf irgend eine desinficirende Eigenschaft des Alkohols,
obschon solche einem mit Wasser verdünnten Alkohol laut Nach-
weisen verschiedener Autoren unbedingt zugeschrieben werden
muss1). Vielmehr wünschen wir mit unserer Alkoholbehandlung
nach Benutzung der Seife eine noch gründlichere Säuberung der
Hautoberfläche von jedem fettigen Bestandtheil und in diesen
steckenden Keimen der Oberfläche zu erzielen. Wir bezweifeln
1) Braatz hat neuerdings einen Hauptwerth der Alkoholbehandlung darin
gefunden, dass der Alkohol die in den Poren der Haut enthaltene Luft zehnmal
leichter absorbirt und so die Haut der Einwirkung der Desinficientia zugänglicher
macht. Wir bemerken, dass wir nach dem Alkohol gar kein Desinficiens benützen.
Schiller hat gezeigt, dass alkoholische Farblösung ungleich schneller von Faden
aufgesogen wird, als wässrige.
Wundbehandlung. c j
deshalb auch nicht, dass sich durch Seifenspiritus nach Mikulicz1)
und eine stark alkalische Marmorstaubseife nach Schleich auch ohne
Alkohol dasselbe Resultat erzielen lässt. Aber unsere Hände leiden
viel mehr vom häufigen Waschen mit stark alkalischen Seifen als von
der genannten Behandlungsmethode 2).
Nach dem bereits oben Gesagten brauchen wir kaum hervor-
zuheben, dass in völlig gleicher Weise die Haut des
Patienten in weiter Umgebung des Operationsfeldes gereinigt
wird, soweit nicht Tücher zur Bedeckung in Anwendung kommen.
Wie ersichtlich, haben wir auf den Gebrauch irgend eines stärkeren
Desinficiens zur Haut- und Händereinigung vollkommen verzichtet.
Dies geschah erst nur aus dem Grunde, weil wir das Sublimat nicht
vertragen konnten, für uns selber. Aber sobald ich mich überzeugte,
dass es ohne den geringsten Schaden wegbleiben kann, wurde es
auch für Assistenten, Wärter und Patienten angeordnet, ohne dass
wir es im geringsten zu bereuen gehabt hätten. Wahrheitsgemäss
muss allerdings hinzugefügt werden, dass ich die Erfahrung gemacht
habe, dass es Leute giebt, welche sich weder auf die Höhe einer
richtigen Abstinenz noch einer gründlichen mechanischen Säuberung
erheben können. Und für unsaubere Leute bleibt die Notwendigkeit
der Anwendung starker Antiseptica für die Hände zu Recht be-
stehen. Aehnliches gilt unter gewissen Umständen für die Haut des
Patienten. Haegler fand , dass vorgängige Behandlung mit
60 — 70-proc. Alkohol durch Entfettung dem Sublimat eine tiefere
Imprägnation der Haut anbahnt. Wo man Hautschnitte anzulegen
hat in der Nähe einer Infectionsquelle mit virulenten Keimen oder
wo man eine „unmögliche" Haut bei einem Patienten vor sich hat
mit Rissen, Schrunden, Schuppen (wir haben letzthin bei Ichthyosis
eine Arthrotomie des Ellbogengelenkes machen müssen), da kann man
allerdings der a n t i septischen Vorbereitungen nicht entrathen, so
wenig wie für den Fall, dass eine zufällige Verunreinigung während
der Operation stattgefunden hat. Wenn' sich beispielsweise, wie dies
so oft der Fall ist, im Operationsgebiet Aknepusteln oder kleine Fu-
runkel mit Staphylokokken vorfinden, so muss mit dem Thermo-
cauter aufs sorgfältigste jeder solcher Herd zerstört werden. Wo
1) Vergl. hierüber die Empfehlungen Gottstein's. Nach Haegler leistet
Seifenspiritus nicht mehr als Alkohol.
2) Paul und Sarwey verwerfen die Schmierseife ebenfalls wegen der
Schädigung der Haut. Sie erklären mit Recht den Wachsgehalt der Schleich-
schen Marmorseife für unpassend. Dr. Saltikoff hat auf unsere Veranlassung
an Faden geprüft, wie weit das früher so allgemein übliche „Wachsen" der
Seidenfaden das Eindringen von Keimen hindert. Das Resultat war, dass die
Keime durch eine Wachsschicht fröhlich durchdringen, dass letztere aber die
Wirksamkeit der chemischen Desinficientien wesentlich beeinträchtigt — ganz
wie Paul und Sarwey dieses behaupten.
4*
r 2 Allgemeines.
Fisteln oder Granulationsflächen in der Nähe sind, oder nekrotische
Gewebe, muss eine mechanische Entfernung durch Herausschneiden,
Abkratzen mit Zerstörung der oberflächlichen Gewebe durch den
Thermocauter stattfinden, wenn man die Patienten nicht schweren
Infectionen preisgeben will. Wenn grobe, rissige, schuppige Haut
vorliegt1), so muss eine gründliche Imbibition der Haut mit anti-
septischen Flüssigkeiten stattfinden, da eine Entfernung der Keime
auf mechanische Weise nicht zu erzielen ist. Man badet die Haut
mit Sublimatlösung oder macht auch antiseptische Umschläge für
i — 2 Tage vorher mit Carbol- oder Formolglycerin und betrachtet
auch dann noch die Operationswunde als in höherem Grade infections-
verdächtig.
Freilich scheint es uns, wie früher schon erwähnt, noch nicht
sicher bewiesen selbst durch die schönen Untersuchungen von Paul
und Sarwey, dass mit dieser chemischen Desinfection die absolute
Zahl der Keime vermindert wird, sondern wir möchten im Sinne
Haegler's der auf die Imbibition folgenden Virulenzherabsetzung eine
grössere Wichtigkeit zumessen. Eine Zerstörung aller Keime wird
ja, wie jene Autoren anerkennen, auch mit guten Antiseptica 2) nicht
erreicht ; die wenigen übrig gebliebenen würden aber sicher für die
Infektion der Wunde genügen, wenn nicht ihre Virulenz erheblich
herabgesetzt wäre.
Ein letztes, bezüglich Contactwirkung zu berücksichtigendes
Moment ist die Verhütung einer Uebertragung von Infectionsstoffen
von dem Operationsfeld entfernter gelegenen Haut- und Schleim-
hautstellen. Was die Haut anlangt, so ist es jetzt allgemein Uebung,
dass man seinen Körper mit Ausnahme des Gesichts und der Hände
soweit mit sterilisirten Stoffen vollkommen einhüllt, als irgend eine
Gefahr directer oder indirecter Berührung mit der Wunde oder Ver-
bandmaterialien besteht. Ebenso nothwendig wie diese Einhüllung
durch Mäntel und Schürzen und Operationsmützen ist vollkommene
Bedeckung des Patienten und des Operationstisches mit sterilem
Material. Dabei verdient eine ganz besondere Beachtung die Ueber-
tragung von Keimen aus Mund- und Nasenhöhle, nicht nur
des Operateurs und seiner Gehülfen, sondern auch des Patienten
selber. Wir verdanken Flügge den Nachweis, wie weit reichend
die Uebertragung von Keimen aus Mund- und Nasenhöhle beim
i) Paul und Sarwey haben durch ihre Versuche auf die grossen Unter-
schiede im Keimgehalt je nach der Qualität der Haut hingewiesen und Blum-
berg hat gezeigt, dass selbst in oberflächlichen Kratzwunden sehr zahlreiche
Kolonien pathogener Bakterien nachzuweisen sind.
2) Krönig und Blumberg empfehlen als dem Sublimat vorzuziehen das
Quecksilberäthylendiamin, weil es die Haut nicht reizt und Eiweiss und Blut
nicht fällt.
Wundbehandlung. c^
Sprechen, Husten oder gar Niessen sich gestaltet, indem auf Nähr-
böden weit in den Mund genommene Keime beim Sprechen mehrere
Meter abgelagert wurden. Um diese Infectionsart zu verhüten,
soll deshalb jeder bei einer Operation betheiligte Mensch Mund
und Nase gründlich reinigen und sich bei Schnupfen und
Angina fern halten. Aber ebenso nothwendig ist es, dass dies für
den Patienten geschehe. Welche Haufen infectiösen Materials sich
gerade im Bereich cariöser Zähne ansammeln, braucht man nicht
hervorzuheben. Diesem Umstände ist stets die grösste Beachtung
zu schenken. Bei Operationen am Halse bewährt sich die Zuver-
lässigkeit einer Methode am besten; wir haben oben in Fig. 4 den
Modus illustrirt, wie wir bei unseren häufigen Strumektomien vorzu-
gehen pflegen : Es wird, wie ersichtlich, um den Hals ein Schutz-
tuch vorgebunden, welches mittelst eines Bogens über Mund, Nase und
Gesicht hinübergespannt wird, so dass es die Athmung des Patienten
nicht beeinträchtigt, aber alle Verunreinigung vollkommen vom
Operationsfelde ausschliesst. Zu dem Maulkorbsystem von Mikulicz
für uns und unsere Assistenten haben wir uns nicht verstehen
können, obschon wir der Schutzbinde für Mund, Nase und Bart die-
selbe Bedeutung zuschreiben möchten, wie den permeablen Hand-
schuhen: sie wirken als Filter resp. Bakterienfänger und halten aus-
geworfene und abgeschüttelte Bakterien eine Zeit lang zurück, müssen
deshalb wie die Handschuhe öfter gewechselt werden. Gründliche,
eventuell wiederholte Mund- und Nasenspülung und feuchte Ab-
reibungen von Bart und Haaren haben uns bei sorgfältigem Ver-
halten völlig genügt. Wir heben hervor, dass gründliche mechanische
Zahnreinigung und antiseptische Mundspülungen bei den Patienten
die Gefahr der Aspirationspneumonien in der Narkose erheblich ver-
mindern.
Ausser der Contactinfection giebt es noch zwei Arten von Infection,
welche bei der Wundbehandlung eine Rolle spielen, deren eine, die
Luftinfection nach alter Bezeichnung, ursprünglich als sehr wichtig
gehalten, sich weniger bedeutend erwiesen hat als die besprochene Con-
tactinfection, deren andere dagegen, die von mir so genannte Implan-
tationsinfection als die zur gegenwärtigen Stunde noch ebenso
wichtige und fast am meisten zu fürchtende angesehen werden muss.
Tavel hat noch eine vierte Form der Infection unterschieden,
die er als Läsionsinfection bezeichnet. Wir kommen unten auf die-
selbe zu sprechen.
Dass die Luftinfection an Bedeutung weit zurücksteht hinter
der Contactinfection ist sicher, indes hat man namentlich auf Grund
von Experimenten derselben von einzelnen Seiten gar zu geringe
Bedeutung zugemessen. Wir sind mit Rydygier einverstanden, dass
die Luftinfection nicht gering anzuschlagen ist, da wir gerade in
24 Allgemeines.
unserer Klinik die Beobachtung früher mehrfach haben machen
können, dass Operationen, welche wir im Auditorium machen, um
sämmtlichen Studenten Gelegenheit zu geben, sie zu sehen, viel
öfter leichte Wundstörungen darbieten als diejenigen im aseptischen
Operationssaal. Wir können der Luftinfection nicht vollkommen
entgehen, aber wir können dieselbe auf ein solches Minimum herab-
setzen, dass sie keine nennenswerthe Bedeutung hat, und zwar ge-
schieht dies durch Operiren in staubfreier Luft. Der Raum, in
welchem die Operation gemacht wird, und alles, was in denselben
hereinkommt, muss von Staub völlig befreit sein. Flügge hat nach-
gewiesen, wie schwer es ist, von feuchten Oberflächen Keime los-
zureissen durch Luftströmungen, wie leicht dagegen eingetrocknete
Keime durch bewegte Luft weithin mitgerissen werden und wie
lange sich dieselben schwebend in der Luft erhalten. Man muss
also in einem Operationssaal Boden, Wände und namentlich die
Diele1) mit warmem Wasser oder mit dem Dampfstrahl gründlich
staubfrei machen können, und vor Allem vermeiden, dass nicht
während der Operation in irgend einer Form Staub aufgewirbelt
werden kann; denn gerade die Unruhe eines klinischen Auditoriums
ist der Grund der Differenz im Wundverlauf, den wir oben erwähnt
haben. Ueber diese Thatsache sind wir durch das Aufstellen von
Nährbodenplatten durch Haegler vor, während und nach einer
klinischen Stunde genügend unterrichtet.
Der Grund, warum die Luftinfection eine geringere Bedeutung
hat als die Contactinfection, ist den von Friedrich angestellten
Versuchen zu entnehmen, wonach Keime, welche ohne jeglichen
Druck auf Wunden gebracht werden, ungleich weniger von dieser
Wunde resorbirt werden, als wenn man dieselben in irgend einer
Weise in die Gewebe hereindrückt, sei es mit den Fingern, In-
strumenten oder durch Deckung mit Haut, welche nach der Tiefe
zu eine vermehrte Spannung hervorruft. Die Contactinfection steht
viel näher derjenigen Form, welche wir als Impfinfection zu unter-
scheiden vorgeschlagen haben, bei welcher die Keime in die Tiefe
der Gewebe gebracht oder eingerieben werden. Wenn solche
mechanische Mitwirkung ausgeschlossen ist, so kann der Luftinfection
relativ leicht dadurch begegnet werden, dass man die Wunde während
der Operation öfters abspült und zwar mit warmer physiologischer
Kochsalzlösung, welche die Wunde ebensogut von Keimen reinigt,
wie irgend eine antiseptische Flüssigkeit, ohne — wie letztere —
den Widerstand der Gewebselemente gegen Infection herabzusetzen.
i) Dieser Indication kann in den viel zu hohen eleganten Operationssälen
der neuesten Zeit oft kein Genüge geleistet werden. Hängeleuchter sind aus
demselben Grunde verwerflich.
Wundbehandlung. e c
Ganz anders bedeutungsvoll istdielmplantationsinfection.
Sie besteht darin, dass man in Fremdkörpern, welche man in der
Wunde lassen muss, Mikroorganismen mit einschliesst, und weitaus
der wichtigste derartige Fremdkörper sind die Ligatur- und Sutur-
fäden. Diese Faden frage ist noch keineswegs als abgeschlossen
zu betrachten, wie die ungemein zahlreichen Discussionen beweisen,
welche namentlich die gynäkologischen Tagesblätter in der letzten
Zeit erfüllt haben. Stets wird neues Material zusammengetragen,
um für und wider den Vortheil der Seide oder des Catgut oder
neuerer Unterbindungsmaterialien Beweise zu erbringen, und es
dürfte noch geraume Zeit dauern, bis hier eine Einigung erzielt ist;
denn bei der grossen Anzahl gleichzeitig mitwirkender Factoren ist
es schwer, völlige Klarheit zu bekommen, was von eventuellen Nach-
theilen den Faden zugeschrieben werden soll oder nicht. Wir haben
seit längster Zeit in dieser Frage einen sehr entschiedenen Stand-
punkt eingenommen, und unsere Erfahrungen haben uns mehr und
mehr auf demselben beharren lassen.
Dass das namentlich schon von Lister so warm empfohlene
Catgut durch seine Resorbirbarkeit im menschlichen Körper Vor-
theile vor anderem Ligaturenmaterial hat, ist keine Frage. Allein
diese Resorbirbarkeit wird durch eine Anzahl neuerer, als besonders
zuverlässig angepriesener Herstellungsmethoden in hohem Maasse
beeinträchtigt, wie MlNERVlNi in einer ausführlichen Experimental-
arbeit bewiesen hat. Dadurch wird dem Catgut sein Hauptvortheil
benommen. Ausserdem kommt dem Catgut, selbst in sterilem Zu-
stande, wie Poppert gezeigt hat, eine unangenehme chemotaktische
Wirkung zu, durch Einschluss chemischer Stoffe, welche auch nach
der Sterilisation wirkam bleiben. Es entstehen dann Abscesse mit
sterilem Eiter1), welche die Wundheilung in die Länge ziehen und
secundär gefährden, obschon diese Form der Wirkung nicht zu
progressiven Entzündungen oder Eiterungen Anlass giebt Indess
haben Lauenstein und Braun gezeigt, dass in recht vielen Fällen
die vermeintlich rein chemische Wirkung sich doch schliesslich als
eine eigentliche Infection mit allen ihren Folgen entpuppt.
i) Krönig, der verdiente Forscher auf dem Gebiete der Antisepsis, meint,
dass er in der Lage sei, meiner Forderung zu genügen durch Beibringung einer
ununterbrochenen Serie von Primaheilungen bei Catgut. Allein er nimmt den
20. Tag zur Feststellung der Prima, was viel zu spät ist, und Zweifel selber
sagt, dass oft am 7. Tage die Stichkanäle noch etwas Eiter zeigen. Und
Krönig selber giebt ja auf Grund von Abel's Zusammenstellungen an, dass
bei 56 Bauchnähten mit Cumol-Catgut 10 Proc. geeitert haben, 7 Proc. ohne
anderen Grund. Es ist dies nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass nach
Winter das Catgut stets einen todten organischen Nährboden bildet. Bakterien-
freies, bloss seröses Secret beweist keineswegs, wie Haegler und Gottstein
gezeigt haben, dass die Faden, welche es veranlassen, nicht inficirt seien.
0 Allgemeines.
Nach Minervini und nach Jacobs gehört zu den sichersten
Zubereitungsmitteln des Catgut die Behandlung mit Oleum Juniperi,
wie sie von uns empfohlen ist. Bloss muss die Einwirkung eine
sehr langdauernde sein. Wir haben dieser Indication schon lange
ein Genüge geleistet dadurch, dass wir unser sämmtliches Catgut in
Ol. Juniperi monatelang aufbewahrten. Jacobs imbibirt nach der
Juniperussterilisation das Catgut noch nach Körte's Vorgang mit
Jodoform nnd ist mit dieser Zubereitungsweise sehr zufrieden. Jeden-
falls ist es nothwendig, vor dem Gebrauche durch Einlegen in Aether
und Alkohol das Juniperusöl wieder gründlich auszuwaschen, damit
es nicht eine chemisch schädliche Wirkung auf die Umgebung
ausübe. Zur unmittelbaren Verwerthung legt man das Catgut
am besten in i °/o0 Sublimatalkohol. Wir benützen Catgut in den-
jenigen Fällen, wo in einer Wunde schon Infection vorhanden ist
und dieselbe bei der Operation nicht beseitigt werden kann, also
speciell zu Ligaturen in eiternden Wunden. Sonst aber sind wir
unserer Forderung: Fort mit dem Catgut! treu geblieben und haben
ausschliesslich Seide für alle aseptischen Operationen benutzt. Da
wir damit so völlig befriedigt sind, so haben wir die zahlreichen
anderen Catgutzubereitungen, unter denen wir dem BERGMANN'schen
Sublimatcatgut, speciell in der von Schäffer empfohlenen Form
(Kochen in Alkoholsublimat), sowie dem KRÖNlG'schen Cumolcatgut
die besten Ergebnisse zuschreiben, ferner die Metallfaden, wie das
SociN'sche Bronce- Aluminium, die Snegiroff und MAREY'schen
Sehnenfaden nicht zu prüfen Veranlassung gehabt. Hofmeister's
zuverlässiges gekochtes Formalincatgut hat seine Resorbirbarkeit
eingebüsst, Braun's ebenfalls sehr beachte nswerther Collodiumzwirn
ist weniger einfach in der Zubereitung als Sublimatseide. Dasselbe
gilt von Schäffer's Guttaperchafaden und von dem auch von Keen
sehr gelobten PAGENSTECHER'schen Celluloidfaden. Welche Erfolge
sich mit Seide erzielen lassen, können wir durch nichts besser be-
legen, als dadurch, dass wir auf die Resultate unserer Kropf-
operationen hinweisen. Bei dieser Operation werden in der Regel
zahlreiche Ligaturen angelegt und trotzdem ist in Serien von
Hunderten nicht ein einziges Mal eine Infection eingetreten. (Vergl.
die bestimmte Angabe im Capitel über Kropf Operation !)
Wir können es in keiner Weise gelten lassen, dass eine wirklich
richtig zubereitete Seidenligatur oder Sutur Entzündung errege, sei
es früher oder später, nur müssen wir immer und immer wieder
darauf aufmerksam machen, dass nur antiseptisch zubereitete
Seide vollständige Gewähr bietet gegen jede primäre oder secundäre
Infection.
Haegler hat den Nachweis geleistet, dass in allen Fällen von
bloss aseptisch zubereiteten Ligaturen, auch wo der Wundverlauf
Wundbehandlung. c~j
ein günstiger ist oder sich nur etwas seröse Flüssigkeit ansammelt,
die steril sein kann, doch die Schnittfläche, welche man durch den
Faden selber macht, ausnahmslos zahlreiche Keime in demselben ein-
gebettet aufdeckt. Jedes imbibitionsfähige Material nimmt mit be-
sonderer Vorliebe abgelagerte Keime auf und hält dieselben fest,
gerade wie auch die Handschuhe dieselben für eine Zeitlang fest-
halten. Es muss also dafür gesorgt werden, dass in der Wunde so
lange eine Entwicklung dieser eingedrungenen Keime innerhalb
des Fadens nicht stattfinden kann, bis durch völlige Verklebung
die normale Circulation hergestellt ist und damit die Bakterien aus
der Nachbarschaft verschwunden sind und im Faden unschädlich
gemacht werden. Diese Imprägnation mit antiseptischen Mitteln ist
bei Seidenfaden leicht zu bewerkstelligen und nach Haegler's Ver-
suchen hält ein Faden lange Zeit die antiseptischen Stoffe, speciell
Quecksilbersalze fest, erst in den Körperflüssigkeiten wird er all-
mählich ausgelaugt1). Darum legen wir einen grossen Werth
darauf, dass ausschliesslich die feinen Fadennummern Ver-
wendung finden, da diese sich leichter imprägniren lassen, und enger
von gesundem Gewebe umschlossen werden.
Die Noth wendigkeit einer antiseptischen Herstellung von
Ligaturenfaden ergiebt sich noch von einem anderen Gesichts-
punkte aus. Jeder Faden, welcher mit einer gewissen Kraft um ein
blutendes Gefäss oder um andere Gewebe geschnürt wird, veranlasst
einen gewissen Grad von Gewebsnekrose. Wie zu zeigen ist, spielt
nekrotisches Gewebe ebenfalls die Rolle eines Fremdkörpers, und
zwar eines imbibitionsfähigen, und der Fadenknoten ist berufen, auch
die in das nekrotische Gewebe eingedrungenen Keime des Stumpfes
in ihrer Entwicklung hintan zu halten. Es kann von diesem Gesichts-
punkte aus sogar erwünscht sein, dass der Faden nicht gar zu rasch
resorbirt werde — was bei Catgut neben dem viel wichtigeren Grunde
ein Nachtheil ist, dass die dem Faden überbundene mechanische
Leistung zu früh verloren geht. Sind einmal die Fäden gehörig
antiseptisch wirksam gemacht, dann kommt es nach Haegler nicht
einmal so sehr darauf an, ob man dieselben mit gereinigten oder
ungereinigten Händen einlegt. Immerhin wird man auch hier keine
Maassregel versäumen und, wie wir oben sagten, lieber durch Be-
nutzung von frischen Handschuhen eine Berührung der Faden mit
der Haut verhindern oder durch kleine Glasbehälter, die man in der
Hand behalten kann, wie sie von Halsted und Lanz angegeben sind,
wenigstens das Wandern der Fäden von einer Hand in die andere
i) Das ist ja auch der Grund, warum von den besten Beobachtern (vergl.
die exacten Versuche von Krönig und Bltjmberg) stets noch die chemische
Desinfection überschätzt wird, weil die Antiseptica aus Faden nicht genügend
ausgewaschen werden können.
cg Allgemeines.
zu verhüten suchen. Unsere Methode der Fadenbereitung, für deren
vollständige Zuverlässigkeit wir einstehen können, ist folgende x) :
Die aus der Fabrik bezogenen Stränge von feiner Seide No. i
und 2 werden:
i) in Aether eingelegt für 12 Stunden;
2) in Alkohol 1 2 Stunden ;
3) 10 Minuten gekocht in 1 %0-igem ungefärbtem, säurelosem
Sublimat ;
4) aufgespult mit gereinigten Händen;
5) die Spulen 10 Minuten lang vor der Operation in demselben
Sublimat nochmals gekocht;
6) die Faden aus dem Sublimat, in dem sie zuletzt gekocht sind,
zugereicht.
Wenn wir nach den angegebenen Regeln eine von uns frisch
angelegte Wunde behandelt haben, so dürfen wir uns trotzdem nicht
einbilden, dass wir nun einen Zustand völliger Sterilität damit erreicht
hätten. Es ist durch zahlreiche Untersuchungen bis in die neueste
Zeit bestimmt nachgewiesen, dass auch unter den weitest zugespitzten
Vorsichtsmaassregeln bei Operationen fast ausnahmslos Keime auf
und in die Gewebe eingelagert nachgewiesen werden können, sowohl
während als nach der Operation und dass auch während des Wund-
verlaufes, wenn man nach 1 — 2 Tagen zur Ableitung von Blut und
seröser Flüssigkeit eingelegte Drainröhren entfernt, in der Drainröhre
in grosser Zahl Mikroorganismen vorgefunden werden. Auf unserer
Klinik haben Flach und Lanz während eines Jahres einschlägige
Untersuchungen gemacht, ebeno Tavel und in letzter Zeit be-
sonders Brunner (s. sein Werk über Wundinfectionskrankheiten).
Diese unbestreitbare Thatsache, dass wir es noch nicht so weit gebracht
haben, völlige Sterilität einer von uns unter den günstigsten Ver-
hältnissen angelegten Wunde mit irgend einer Sicherheit zu erzielen,
macht es uns zur Pflicht, ausser der Erfüllung der Indication zur
Sterilisirung und Desinfection sämmtlicher Verbandmaterialien sowie
der Haut und Hände gewissen technischen Factoren eine grössere
Aufmerksamkeit zu schenken, und hier kommen wir auf diejenige
Form der Inf ection zu sprechen , welche Tavel als Läsions-
infection bezeichnet hat. Es ist bemerkenswerth, dass wir bei der
massenhaften Bedeckung unserer Haut und Schleimhäute mit Mikro-
organismen durch deren Anwesenheit nicht den geringsten Nachtheil
1) Wir haben die von Haegler, Merlin, Stinson benutzten starken anti-
septischen Imprägnationen der Faden (Merlin nimmt z. B. i-proc. ätherische
Sublimatlösung für Seide und Catgut, Haegler kocht 1 —2 Minuten in 5-proc.
Subhmatlösung) nicht benutzt, weil unnöthig und weil bei so starkem Sublimat-
gehalt zu energische, chemische, locale Wirkung und bei Benutzung sehr vieler
Ligaturen sogar Intoxicationserscheinungen zu fürchten sind.
Wundbehandlung. cg
erfahren. Es muss eine Schädigung unserer Gewebe dazu kommen,
wenn die Bakterien eine Macht über die Zellen gewinnen und eine
Störung der normalen Thätigkeit der Gewebe hervorrufen sollen.
Namentlich durch Tavel und seine Schüler sind eine grosse Zahl
von Belegen beigebracht worden für die grosse Bedeutung dieses
erwähnten Factors.
Jede Läsion des Haut oder Schleimhaut bedeckenden Epithels, sei
es rein mechanisch durch Zusammenhangstrennung, sei es chemisch,
sei es durch Austrocknen oder durch Circulationsstörung, wie sie
namentlich Katarrhe begleiten, kann Anlass geben zu Eindringen
und Entwickelung von Mikroorganismen, welche sich in der Nähe
vorgefunden haben. Walthard hat das in schöner Weise für das
Peritoneum nachgewiesen und Haegler hat gezeigt, dass selbst an
der äusseren Haut immer, wenn auch noch so kleine Verletzungen,
den Weg vorzeichnen, auf dem ein Eindringen von Keimen ermög-
licht wird. Nun ist selbstverständlich bei unseren Operationen eine
Läsion von vornherein gegeben und deshalb scheint uns der Name
der Läsionsinfection etwas zu allgemein und nicht bezeichnend genug
für das, was Tavel im Auge hat. Das Wesentliche nämlich, was
als weitere Disposition zu der Läsion hinzukommt, ist das Absterben
von Gewebstheilen in grösserem oder geringerem Grade. Auf das
Mehr oder Weniger einer Schädigung der Vitalität der Gewebe
können wir durch unser Verhalten bei der Ausführung der Opera-
tionen ganz wesentlich einwirken, und es ist deshalb mit vollem
Recht unter Anderen von Bumm in neuerer Zeit aufmerksam gemacht
worden, dass die Technik der Operation eine viel grössere Bedeutung
für den Wund verlauf hat, als man in der ersten Begeisterung nach
Einführung der antiseptischen Wundbehandlung derselben beizumessen
geneigt war.
Die Technik ist es, welche darüber entscheidet, ob die auf jede
Wunde sich auflagernden Keime eine schädliche Entwicklung
erfahren oder nicht; denn letzteres ist maassgebend für die Infection
der Wunde. Wie oben gesagt, betrachten wir eine Wunde erst dann
als inficirt, wenn in derselben pathogene Keime sich entwickelt
haben. Bevor eine solche Entwicklung stattfindet, ist, wie Friedrich
mit vollem Recht unterschieden wissen will, eine Wunde bloss
infectionsverdächtig. Es ist sehr wünschenswerth, dass der-
artige Unterschiede festgehalten werden.
Durch exacte Untersuchungen, von denen in neuester Zeit die
von Schimmelbusch angestellten, von Ricker und Noetzel be-
stätigten das meiste Aufsehen erregt haben, ist gezeigt worden, dass
(wenn man z. B. eine Wunde am Schwanz einer Maus mit Milzbrand
inficirt) in ausserordentlich kurzer Zeit von wenigen Minuten schon
eine Resorption und Aufnahme von Mikroorganismen von Wunden
5q Allgemeines.
aus in entfernte Organe stattfindet. Würde man derartige Versuche
einfach übertragen auf die Wundbehandlung, so hätten wir in jedem
Falle, da die Wunden nicht keimfrei zu behalten sind, nach einer
Operation nicht nur Wundinfection durch Eindringen von Mikro-
organismen, sondern allgemeine Infection von vornherein gegeben.
Eine solche Annahme hat aber keine Berechtigung; denn wenn eine
Wunde ohne Entzündung binnen wenigen Tagen vollständig verklebt
bei vollkommenem Wohlbefinden des Patienten, so ist es unmöglich,
klinisch von einer Infection zu sprechen. Wir müssen es deshalb
mit Friedrich als unzulässig erklären, Experimente dieser Art ohne
Weiteres in Parallele zu setzen mit den Vorgängen bei der Heilung
unserer Operationswunden.
Wir halten es im Gegentheil für eine ganz capitale Unterscheidung,
dass man bei Verunreinigung einer Wunde nicht nur zwischen den
für den Menschen pathogenen und nicht pathogenen Mikro-
organismen unterscheide, sondern auch die angepassten und nicht an-
gepassten oder, wenn man will, virulenten von den momentan
nicht virulenten Keimen wohl unterscheide. Nicht etwa, weil wir
glaubten, dass nicht auch die nicht pathogenen Mikroorganismen und
die nicht virulenten in die Circulation gelangen durch rein physi-
kalische Vorgänge der Resorption. Aber diese Resorption, weit
entfernt einen schädlichen Factor darzustellen, ist im Gegentheil für
die Wundheilung von durchaus günstigem Einfluss. Mikroorganismen,
welche dem betreffenden Körper nicht angepasst sind, gehen im
Blut und gesunden Geweben viel leichter zu Grunde als in den
Wunden. Dies gilt übrigens auch für die pathogenen und virulenten
Keime, solange sie nur vereinzelt oder in geringer Zahl in lebendes
Blut oder gesundes Gewebe gelangen. Aber allerdings ändert sich
die Sache, wenn virulente Keime erst in der Wunde zu üppiger
Entwicklung gelangt sind.
Friedrich hat durch eine Reihe von sehr schönen Versuchen ge-
zeigt, dass wenn man beliebige, für das betreffende Thier pathogene
Mikroorganismen von aussen her in ähnlicher Weise in eine Wunde
hereinbringt, wie sie durch eine zufällige Verunreinigung dahin gelangen
können, es einer Zeit von 6 — 8 Stunden bedarf (beispielsweise für das
maligne Oedem beim Meerschweinchen), bis die Infectionsstoffe aus-
keimen, reichlich in die Gewebe hineindringen und hier und nach Re-
sorption weiterhin im Körper durch ihre Toxine schädlich und gefährlich
werden. Das ist ein für die Wundbehandlung überaus wichtiger Nach-
weis, der dadurch ergänzt wird, dass derselbe Autor gezeigt hat, dass
wenn man bereits durch den betreffenden Thierkörper hindurch ge-
gangene Mikroorganismen demselben einverleibt, die Zeit der Weiter-
entwicklung sehr viel kürzer ist und daher die Infection ungleich rascher
eintritt. Die Keime sind eben durch die Anpassung an den gleichen Nähr-
Wundbehandlung. 6 1
boden viel entwicklungsfähiger, d. h. virulenter geworden. Friedrich
zeigt auch, dass überhaupt Mikroorganismen für ihre Theilung, wie
schon Koch dargethan hat, einer gewissen Zeit bedürfen, dass in
Folge dessen eine Massenentwicklung erst nach dieser Zeit erfolgen
kann. Damit haben wir die wichtigsten Anhaltspunkte gewonnen für
unser Verhalten gegenüber Wunden, welche zwar möglichst keimfrei,
aber immerhin infectionsverdächtig sind.
Wir müssen dafür sorgen, dass die Mikroorganismen
auf der Wunde keine Entwicklung eingehen können,
bis durch Herstellung der normalen Circulation die
Schutzapparate des normalen Körpers wieder in Thätig-
keit getreten sind. Um die Entwicklung zu verhindern, müssen
wir nicht bloss — wie oben auseinander gesetzt — vor Allem an-
gepasste Keime fernhalten, sondern den nicht angepassten Keimen
den Nährboden möglichst entziehen; was das heissen will, ist durch
einschlägige Versuche ebenfalls genügend klargelegt worden. Als
Nährböden dienen ausser imbibitionsfähigen Fremdkörpern, speciell
Faden, vor Allem nekrotische Gewebe, seien es grössere oder kleinere
Stücke der Wundoberfläche selber (beispielsweise Ligaturstümpfe), seien
es flüssige Ergüsse in die Wunden, namentlich Blutergüsse. DORST
hat unter Tavel's Leitung gezeigt, wie ungleich leichter man eine
Infection erzielen kann, wenn man Mikroorganismen statt in gesundes
Gewebe in ein künstlich erzeugtes Hämatom einbringt, und Linser
hat ebenfalls unter Tavel den Unterschied experimentell illustrirt
zwischen der Gefahrlosigkeit einer Injection selbst pathogener Keime
in gesunde Gewebe gegenüber solchen, bei welchen künstliche
Schädigungen und Circulationsstörungen herbeigeführt worden sind;
wo selbst i ccm Cultur von Staphylococcus aureus noch ohne Anstand
resorbirt wird, tritt ein Abscess ein mit seinen Folgen, wenn durch
Massenligatur die Circulation beeinträchtigt wird. Man hat freilich
den retinirten Wundsecreten baktericide Eigenschaften zugemessen
(Anschütz), aber Brunner hat schon darauf aufmerksam gemacht,
dass bei Anerkennung dieser Eigenschaft doch die nährenden Eigen-
schaften der Secrete für Bakterien überwiegen. Die praktische Er-
fahrung entscheidet in entschiedenem Sinne gegen den Nutzen der
retinirten Wundsecrete bei Zustandekommen der Infection.
Zur Verhütung der Läsionsinfection von Tavel oder, wie wir
zu sagen vorziehen, der Nekroseninfection, hat man bei einer
Operation alles zu verhüten , was eine schwerere Schädigung der
Gewebe durch Zerrung, Quetschung, Zerreissung veranlasst. Am
unschuldigsten sind, wie längst bekannt und unter Tavel bewiesen,
in dieser Hinsicht die geschnittenen Wunden, während jede Quetschung
kleine oder grössere Nekrosen auf einer Wundoberfläche zur Folge
hat. Es wird aus diesem Grunde ein geübter Operateur stets mehr
6 2 Allgemeines.
Aussicht haben, bei genau demselben Sterilisations- und Desinfections-
verfahren eine Wunde ungestört heilen zu sehen, als ein Anfänger.
Der zweite Punkt bei der Technik ausser der Verhütung von
unnützen Zerrungen, Quetschungen und Zerreissungen ist die Ver-
meidung chemischer und thermischer Schädigungen.
Nach Walthard's Experimenten ist für gewisse Gewebe schlimmer
als alles Andere die Austrocknung. Diese kann man durch
wiederholte Irrigation der Wunde mit warmer physiologischer Koch-
salzlösung verhüten; das früher vielfach geübte trockene Operiren
verstösst gegen diese wichtige Indication. Allerdings kann man auch
bei letzterem durch Bedeckung der Gewebe und daheriges Verhüten
der Abkühlung und Verdunstung die ungünstige Wirkung des Ein-
griffes verringern. Für gewisse Operationen, wie die Operationen am
Abdomen, ist die Bedeckung der Eingeweide durch warme Com-
pressen oder die häufige Irrigation mit Salzwasser von richtiger
Temperatur, wie sie in der Berner Klinik vielleicht am allerfrühesten
in Gebrauch gezogen worden ist, von durchschlagender Bedeutung
nicht nur der Infectionsgefahr wegen, sondern der Shokwirkung,
welche jeden schweren Eingriff begleitet und im Splanchnicusgebiet
die schlimmsten Circulationsstörungen im Gefolge hat.
Nicht minder wichtig wie die Verhütung thermischer Schädlich-
keiten ist die Vermeidung chemischer Schädigung der Gewebe.
Gegen diese Indication wird am allermeisten gesündigt. Es giebt
noch eine Anzahl von Chirurgen, welche es sich nicht nehmen lassen
wollen, Wunden mit antiseptischen Lösungen abzuspülen und aus-
zuwaschen, so bestimmt doch der Nachweis geleistet worden ist,
dass eine Abtödtung von Mikroorganismen auf einer Wundfläche
durch kein Antisepticum ohne eine hochgradige Schädigung der
Gewebe selber erzielt werden kann. Solche bestimmte Nachweise
verdanken wir Kontschewsky, welcher Verzögerung der Karyo-
kinese und Gewebsneubildung nachwies, ebenso Goldberg u. A.
Antiseptische Waschungen und Spülungen haben nur dann eine
gewisse Berechtigung, wenn eine chemische Schädigung der Gewebe
gegenüber der Indication einer Zerstörung von Infectionsstoffen
gleichgültig erscheint, d. h. bei Wunden, welche bereits schwer in-
ficirt sind. Bei frischen Wunden dagegen sollte man endlich mit
antiseptischen Spülungen definitiv brechen und an deren Stelle in-
differente, resp. isotonische Flüssigkeiten setzen, wie die physiologische
Kochsalzlösung von 7 °/00 in richtiger Körpertemperatur sie darstellt.
Wir verwenden durchaus nichts Anderes mehr als diese letztere
Irrigation und zwar reichlich und haben erst mit vollem Verzicht
auf die antiseptischen Spülungen die beste Form der Wundheilung
kennen gelernt. Koller hat unter Tavel's Leitung den Beweis
gebracht, dass durch inficirte Kugeln herbeigeführte Wunden bei
Wundbehandlung. 5 -i
Kaninchen das beste Heilresultat geben, wenn sie nur mit solchen
indifferenten Lösungen gereinigt werden, während die Anwendung
starker antiseptischer Mittel bester Sorte die Thiere nicht vor weiter-
gehender Infection und tödtlichem Ausgang bewahrt.
Ein dritter Factor, die Technik so zu gestalten, dass der Ent-
wicklung von eingedrungenen Keimen kein Vorschub geleistet wird,
bezieht sich auf die Verhütung einer Ansammlung von Flüssigkeiten
und vor allem Blut in der Wunde. Dieser Indication wird genügt
erstens durch die genaueste Blutstillung durch Anhängen
von Arterienklemmen an jedes blutende Gefäss und Verschluss der
Gefässe zu Ende der Operation, womöglich unter Vermeidung des
Einlegens von Ligaturen, durch Torsion der Gefässe, welche für
kleinere Arterien vollständig genügt und die ausgedehnteste An-
wendung verdient. Neben der Torsion ist die Zusammenpressung
mittelst kleiner Angiothriptoren (verstärkten Arterienklammern) in
neuester Zeit ein sehr werthvolles Mittel zum Gefässverschluss ohne
Ligaturen geworden. Aber noch werthvoller sind die Angiothriptoren
dadurch, dass sie uns erlauben, grössere Gewebsstümpfe so durch-
zuquetschen und zusammenzupressen , dass bei Anlegung einer
Ligatur der nekrotisirende vorragende Stumpf auf ein Minimum
reducirt wird. In diesem Sinne haben wir von der Pressung der
Gewebe bei Trennung des Isthmus der Schilddrüse schon lange
bevor Doyen seine bekannte Quetschzange einführte, Gebrauch ge-
macht. Nur bei grossen Arterien und bei Venen, zumal der unter
dem unmittelbaren Einfluss der Respiration stehenden Venen des
Halses darf auf die Ligatur der Gefässe mittelst Seide nicht ver-
zichtet werden.
Das zweite Mittel zur Verhütung einer Ansammlung von
Bakteriennährflüssigkeit in der Wunde ist die vollkommen
exacte Vereinigung der Wundränder unter Vermeidung
jeder Höhlenbildung. Freilich ist ein vollkommener Schluss grosser
und unregelmässiger Wunden, zumal da, wo durch eine tiefe Sutur
schwerere Nebenverletzungen herbeigeführt werden können, nicht
immer durchführbar. Dann bleibt nichts anderes übrig, als die An-
sammlung von Flüssigkeit in Höhlen dadurch zu verhüten, dass
man jene nach aussen ableitet. Hierzu dient die Einlage von Drain-
r öhren an denjenigen Stellen, wo der sicherste und vollkommenste
Abfluss von Blut und Serum gewährleistet ist. Diese Drainage
trägt auch der von Friedrich aufgestellten Indication Rechnung,
mit Keimen beladene Flüssigkeiten in der Wunde nicht unter
schädlichen Druck kommen zu lassen. Die Drainröhre schafft im
Gegentheil einen von der Wunde nach aussen gehenden Flüssigkeits-
strom, welcher die Mikroorganismen mitreisst. Starcke hat das
Verdienst, auf die Wichtigkeit der Saftströmung gegen das Ein-
54 Allgemeines.
dringen von Keimen schon vor Friedrich die Aufmerksamkeit
gelenkt zu haben. Zur Drainage rathen wir, die von uns seit langer
Zeit benutzten Glasdrains mit grossen Seitenöffnungen ausschliess-
lich zu benutzen. Dieselben sind vollkommen steril aufzubewahren
und halten die Wunde am besten offen. Bei grossen Wunden, die
man ganz schliessen will, ist es zweckmässig, einen Gazebausch ein-
gelegt zu halten während der Naht und diesen unter Compression erst
zu entfernen, wenn man am Ende des Nahtschlusses angelangt ist.
Endlich darf nicht vergessen werden, dass man die Circulation
in den Wundrändern möglichst günstig gestalten muss durch Ver-
meidung schädlicher Spannung und schädlichen Druckes und Sorge
für guten Abfluss des venösen Blutes durch geeignete Lagerung.
Gar nicht gleichgültig scheint auch wegen seiner Bedeutung für die
Circulation das Erhaltenbleiben des Nerveneinflusses zu sein, da bei
der von Bier empfohlenen Cocainisirung des Rückenmarkes von
einzelnen Seiten grössere Neigung zu schlechtem Wundverlauf be-
obachtet worden ist.
Vollständig zu trennen von der Wundbehandlung primär ge-
setzter Operationswunden ist die Behandlung solcher Wunden, welche
von pathogenen und virulenten Infectionsstoffen bereits in Beschlag
genommen worden sind. In dieses Capitel gehören alle diejenigen
zufällig zu Stande gekommenen Wunden, welche entweder direct mit
virulenten Keimen verunreinigt worden sind oder welche nicht frisch
dem Arzte zukommen und nicht durch spontane Verklebung einen
Abschluss gegen weiteres Eindringen von äusseren Schädlichkeiten
gefunden haben. Man pflegt diese Kategorie von Wunden im Gegen-
satz zu den bloss infectionsverdächtigen Wunden Operationswunden
schlechtweg als inficirte Wunden zu bezeichnen.
Wenn wir sagen: Die Behandlung ist vollkommen von den
aseptischen Wunden zu trennen, so möchten wir einem Grundirrthum
gleich von vornherein begegnen, nämlich der Meinung, dass es
einerlei sei, ob man inficirte Wunden mit sterilisirtem Verbandmaterial,
Flüssigkeiten und völlig gereinigten Händen behandle oder nicht.
Durch Nachlässigkeit in dieser Hinsicht wird oft aus einer leichten
Monoinfection eine schwere Polyinfection, und es darf durchaus nicht
gegen die absolute Regel gesündigt werden, auch bei inficirten Wunden
strengste Asepsis bezüglich Haut- und Händereinigung, Sterilisirung
von Instrumenten und Verbandmaterial walten zu lassen.
Ueber die Behandlung inficirter Wunden sind die An-
sichten zur Stunde noch getheilt, namentlich bezüglich der Frage,
ob hier wenigstens a n t i septische Behandlung Platz zu greifen hat
oder ob sie selbst hier besser wegbleibt. Wenn man sich die
ScHiMMELBUSCH'schen Experimente ins Gedächtniss zurückruft, wo-
Wundbehandlung. 6 e
nach auf Wunden gelangte Keime in Zeit von Minuten bereits in
die anstossenden Gewebe und in die Circulation hineingelangt sind,
so würde man der antiseptischen Behandlung keinen grossen Werth
beimessen können ; und da nach den übereinstimmenden Beobachtungen
der Kliniker rasches Wachsthum von Keimen mit entsprechendem
Eindringen in gesunde Gewebe hauptsächlich bei angepassten, d. h.
virulenten Mikroorganismen vorkommt, so scheint gerade für die
schlimmsten Fälle die antiseptische Behandlung die allergeringste
Aussicht zu bieten, da sie in der Regel zu spät kommt.
Die Methode, zufällig verunreinigte Wunden in der Art, wie
seiner Zeit Volkmann complicirte Fracturen zu behandeln empfohlen
hatte, mit starken antiseptischen Lösungen auszuwaschen und aus-
zuwischen, ist noch jetzt eine gäng und gäbe. Die Mehrzahl der
Aerzte hält sich verpflichtet, zufällige Wunden mit Sublimatlösung
{i °/oo) als dem raschest wirksamen Antisepticum auszuwaschen, und
Versuche von Henle scheinen auch zu Gunsten solcher antiseptischer
Maassnahmen vom Standpunkt praktischer Erfahrung aus zu sprechen.
Ganz anders lauten aber die Ergebnisse genauer Studien von Fried-
rich und namentlich von Tavel und seinen Schülern.
Unter letzteren hat der leider zu früh verstorbene Dr. Koller
durch vergleichende Behandlung mit bestimmten Organismen ver-
unreinigter Schusswunden bei Kaninchen den Beweis erbracht, dass
antiseptische Behandlung nicht nur keinen Nutzen, sondern directen
Schaden bringt, mag man die Wundhöhlen mit Sublimat- oder Carbol-
lösungen, mit Jodtinctur oder mit dem Thermocauter behandeln. Die
Mehrzahl der so behandelten Thiere ging zu Grunde, während eine
grössere Anzahl in gleicher Weise verletzter Thiere durchkam bei
bloss aseptischer Behandlung. Zu ähnlichen Resultaten kam Fried-
rich bei Benutzung ganz bestimmter Infectionsstoffe zur Wund-
infection. Die Infection einer Wunde wird durch alle diejenigen
Maassnahmen erheblich begünstigt, welche die Vitalität der Gewebe
herabsetzen, also durch alle unnützen mechanischen, chemischen und
thermischen Schädigungen. Wie ungemein verschieden sich ge-
quetschte gegenüber geschnittenen Wunden gegen Infection ver-
halten, ist eine allgemein bekannte Thatsache.
Unter Tavel's Controle hat Linser bewiesen, in welchem Grade
dieser Unterschied sich für bestimmte Infectionsstoffe nachweisen
lässt, indem Schnittwunden noch heilen, wenn man sie mit einem
grösseren Quantum virulenter Mikroorganismen verunreinigt, wo ge-
quetschte und gezerrte Wunden sicher die Folgen der Infection auf-
weisen. Ganz ähnlich lässt sich der Unterschied zeigen zwischen
Wunden, deren Oberfläche durch chemische Stoffe cauterisirt wird
gegenüber den gleichen Wunden, wenn man sie intact lässt. Welche
Bedeutung blosse Austrocknung der Wunde für die Gefahr des Ein-
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. c
56 Allgemeines.
dringens von Infectionskeimen hat, hat Walthard für das Peritoneum
dargethan. Das Uebereinstimmende bei allen diesen Schädigungen
der Wundoberfläche besteht darin, dass die oberflächlichen Gewebs-
elemente ihre Lebensfähigkeit einbüssen, nekrotisch werden, oft in
nur mikroskopischer, oft aber makroskopischer Ausdehnung. Alle
kräftig antiseptisch wirkenden Maassnahmen verstärken die Ne-
krosirung der Gewebe und fördern in dieser Richtung die Nekrosen-
infection.
Es muss demgemäss im Allgemeinen bei inficirten so gut wie
bei bloss infectionsverdächtigen Wunden der Grundsatz festgehalten
werden, bei der Behandlung Beschädigungen auf der Wundoberfläche
durch chemische Einwirkungen nicht herbeizuführen, sondern, wenn
eine Reinigung der Wunde nöthig ist von aufgefallenen Fremdkörpern
und Keimen, diese durch indifferente Spülungen zu besorgen, wie wir
sie in der physiologisehen Kochsalzlösung in einer geeigneten Form
besitzen. So weit eine Wunde solchen Spülungen zugänglich ist, ist
diese Maassnahme die geeignetste.
Allein das Verhalten der Stichwunden belehrt uns, dass noch
ein anderes Moment für die Behandlung inficirter Wunden in Frage
kommt, dessen Bedeutung wir oben nach Friedrich betont haben,
nämlich die Verhütung jeglicher Spannung und jeglichen Druckes
in der Richtung nach den Geweben hin. Es muss also zu den
chemisch und thermisch indifferenten Spülungen mit 7 °/00 Kochsalz-
lösung von Körpertemperatur noch die Freilegung der Gewebe behufs
Entspannung hinzu kommen, weil die der Infection folgende Ent-
zündung die Spannung noch viel erheblicher vermehrt als Blutergüsse
und Transsudate.
Der Indication der Entspannung entspricht kein Mittel auch
nur im Entferntesten so vollständig, wie die offene Wund-
behandlung, welche Methode vor der antiseptischen Zeit seit
ihrer Einführung durch Kern und zumal seit Burow die besten
Resultate ergeben hat.
Friedrich kommt bei seinen Untersuchungen zu dem Resultate,
dass es nur ein Mittel giebt, weitergehender Wundinfection zu be-
gegnen, und dieses sieht er in der offenen Wundbehandlung und
hebt mit Recht hervor, dass die Differenzen in der Beurtheilung
der günstigen Wirkung der Antiseptica hauptsächlich darauf zurück-
zuführen seien, dass dieselben bald mit, bald ohne gleichzeitige offene
Wundbehandlung zur Verwendung gekommen sind. Die offene
Wundbehandlung hat neben dem Nachlass der Spannung von der
Wundoberfläche nach den Geweben zu den Vortheil, in Folge der
Entspannung einen Flüssigkeitsstrom in Form der Wundsecrete
herbeizuführen von der Tiefe nach der Oberfläche. Derselbe hat
mechanisch eine Herausbeförderung von Keimen aus der Wunde
Wundbehandlung. 57
zur Folge und übt, da dem austretenden Serum antibakterielle Eigen-
schaften innewohnen, eine entwicklungshemmende Wirkung aus.
Inficirte Wunden müssen demgemäss durch gehörige Incisionen
unter Vermeidung jeder unnützen Zerrung und Quetschung ausgiebig
freigelegt werden behufs Entspannung und behufs Ermöglichung
aseptischer Spülungen.
Wenn wir guten Grund haben, auch bei inficirten Wunden Alles
zu verhüten, was die Läsion der Gewebe verstärken muss und damit
die Nekroseninfection zu beschränken, so dürfen wir aber nicht über-
sehen, dass wir eine gewisse Anzahl von Wunden noch zur gegen-
wärtigen Zeit erst in Behandlung bekommen, wenn bereits ein Theil
der Wundoberfläche von Infectionsstoffen in Beschlag genommen
ist und letztere durch ihre toxischen Wirkungen zu ausgiebiger
Nekrose der Gewebe und deren Folgen geführt haben. Hier bleibt
bloss noch Eines übrig, nämlich diese septischen Nekrosen so rasch
wie möglich zu beseitigen. Dieser Indication ist für die nekrotischen
Auflagerungen auf der Wunde, welche bloss locker haften, leicht zu
genügen. Nekrotisches Blut, nekrotische Leukocvten, Fibrin kann
durch Abspülen oder Abwischen leicht entfernt werden. Festhaftende
Nekrosen und inficirte Gewebe bedürfen anderer Behandlung.
Friedrich hat bei seinen Versuchen über Wundinfection mit
malignem Oedem zeigen können, dass man in sicherer Weise Infection
und Exitus verhüten kann, wenn man innerhalb der ersten Stunde,
vor der Auskeimung die ganze Wundoberfläche mit der nöthigen
Sorgfalt in einiger Entfernung excidirt. In ähnlicher Weise kann
es indicirt sein, die Excision einer Wunde vorzunehmen, wenn
man sicher ist, dass die Veränderungen sich auf die oberflächliche
Schicht derselben beschränken. Dass dies der Fall ist, kann man
an den Veränderungen von Farbe und Consistenz öfter erkennen.
Deutlich nekrotische Gewebe werden abgetragen mit Messer und
Scheere; wo die Gewebsveränderung zur Erweichung geführt hat,
kommt man gelegentlich aus mit dem scharfen Löffel, die nekrotischen
Granulationsgewebe zu entfernen.
Aber häufig genug sind in praxi die Erscheinungen tiefer und
weitergehender Infection schon so weit gediehen , dass an eine
Excision der nekrotischen oder gar aller inficirten Gewebstheile nicht
mehr zu denken ist. In den Fällen, wo nicht auch dann noch durch
eine Amputation kurz und klar obiger Indication ein Genüge ge-
schehen kann, muss man sich damit begnügen, die in den nekrotischen
Parthien vor sich gehenden Zersetzungen durch entwicklungs-
hemmende Mittel zu beschränken, welche die unterliegenden Ge-
webe nicht in der Weise schädigen, dass die Nekrose nach der Tiefe
fortschreitet. Hierzu sind die austrocknenden Mittel jeder
Art am geeignetsten, wo nicht die Wundverhältnisse so liegen, dass
5*
58 Allgemeines.
man durch fortwährende Spülungen und Umschläge denselben Effect
erzielen kann. Sind Spülungen und Umschläge anwendbar, so benutzt
man hierzu antiseptische Lösungen, bloss stark genug, um ent-
wicklungshemmend zu wirken (Salicyl-Borlösungen, Chlorzink, Lysol
0,2 Proc. etc.). Auch Starcke spricht sich für diese schwachen
Lösungen aus. Die geeignetsten Mittel, um eine Eintrocknung der
nekrotischen Gewebe zu erzielen, sind einerseits die Betupfungen
mit Alkohol , welche zu einer Schrumpfung der Gewebe führen,
andererseits die Pulververbände, unter denen Jodoform und Bismutum
subnitricum am wichtigsten sind, weil sie keine schädliche Tiefen-
wirkung ausüben 1). A. Fraenkel hat in beachtenswerther Weise in
neuester Zeit zu zeigen versucht, dass es nicht so sehr auf die
Qualität des Pulvers ankommt, sondern dass man z. B. in vielen
Fällen Jodoform einfach durch Holzkohle ersetzen kann.
Nicht bei allen inficirten Wunden mit Nekrosirung der Gewebe
vermögen wir der Indication nachzukommen, die kranken Gewebe
völlig freizulegen, um die Zersetzung innerhalb nekrotischer Theile
zu beschränken. Wunden mit grosser Tiefenausdehnung lassen ein
eigentliches Offenlegen, wie die offene Wundbehandlung es versteht,
nicht zu. In solchen Fällen können wir oft nicht weiter gehen,
als die Wunde wenigstens soweit frei zu legen, dass entwicklungs-
hemmende Mittel in die Tiefe bis zur Berührung mit den entferntesten
Wundwinkeln eingebracht werden können. Die hier wirksamsten
Maassnahmen können unter den Titel der antiseptischen Tam-
pon a d e zusammengefasst werden. Sie ist dazu bestimmt, nachhaltig
direct auf die Wundflächen der Tiefe im Sinne der Entwicklungs-
hemmung zu wirken und dient theilweise gleichzeitig zur Ableitung
der Wundsecrete als Drainage. Man stopft nach genügender Spaltung
der Haut und Fascien etc. und Reinigung mit indifferenten Spülungen
die ganze Wundhöhle aus mit Jodoformtampons (oder einem geeigneten
Ersatzmittel), welche zu erneuern sind, sobald die Secrete sie von der
Wundoberfläche abheben. Dieser antiseptischen Tamponade bedient
man sich auch für frische Wunden, wenn dieselben in etwas höherem
Maasse infectionsverdächtig sind, als gewöhnlich, d. h. jedesmal, wo
ohne jede Vorbereitung eine Operation ausgeführt werden musste,
1) Sehr zu beachten sind auch Aufschläge mit verdünntem Alkohol, welchen
Salzwedel in neuester Zeit wieder zu Ehren gebracht hat gegen Infectionen.
Nach Epstein ist 50-proc. Alkohol am wirksamsten und erhöht auch die Wirk-
samkeit beigefügter Antiseptica, z. B. des Sublimats. Salzwedel, Elsner,
sowie Minervini und Tschirikow bestätigen die Wirksamkeit 55-proc. Alkohols
und zeigen, dass z. B. schon 7-proc. Alkohol Staphylokokkenentwicklung zu
hemmen vermag. Dass auch bei bereits bestehenden Nekrosen die Betupfung
mit reiner Carbolsäure nach BrüNS und Honsell unter Umständen nützlich
sein kann, ist nicht zu bezweifeln.
Wundbehandlung. 5n
oder wo im Bereich alter Entzündungsherde oder in der Nähe von
Körperhöhlen operirt wird, welche verletzt werden könnten (wie in
der Nähe des Rachens, des Darms). In viel vollkommener Weise
wird die Indication in den besprochenen Fällen erfüllt durch die
Secundärnaht, welche wir für zweifelhafte Fälle zu ergiebiger
Anwendung empfohlen haben und deren Einführung Starcke seiner
Zeit einen epochemachenden Fortschritt nennen konnte : Die Wunde
bleibt offen unter dem Schutze aseptischen Verbandes oder anti-
septischer Tamponade mit schwachen entwicklunghemmenden Anti-
septica und nach einigen Tagen erst wird die Naht angelegt unter
Einlegen eines Drainrohres bis zur Versiegung jeder Wundsecretion.
a) Resume der Indicationen für die Behandlung aseptisch
gehaltener, bloss infectionsverdächtiger Wunden.
i) Verhütung der Luftinfection durch Operiren in staubfreier
Umgebung, durch Abhaltung von verstäubten Flüssigkeitstheilchen
aus Mund und Nase aller bei der Operation Betheiligten, speciell des
Patienten selber, endlich durch rasche Ausführung der Operation.
2) Verhütung der Berührungsinfection durch Sterilisation
sämmtli eher Verbandmaterialien und Instrumente mittelst x/2 -stündigen
Kochens oder mittelst Durchströmung" gespannten und gesättigten
Dampfes ä 1250 x/4 Stunde lang; ferner durch Bedeckung aller mit
denselben in Berührung kommender Körpertheile, Kleider, Operations-
und Verbandtische mit sterilisirten Tüchern.
3) Verhütung der Impfinfection durch Abstinenz oder so-
fortige Zerstörung jedes an Haut oder Hand gelangten virulenten
Materials und peinliche mechanische Säuberung von Haut und Händen
durch Kurzschneiden oder Bedeckung von Nägeln und Haaren und
langes Abbürsten erst mit Seife, dann mit laufendem recht warmem
Wasser und endlich verdünntem Alkohol — für sämmtliches an der
Operation betheiligtes Personal, incl. Patienten.
4) Verhütung der Implantationsinf ection durch Benutzung
antiseptisch wirksamer sterilisirter Faden (in i°/00 Sublimatlösurig ge-
kochter Seide) und event. Tampons.
5) Verhütung der Nekrosirungsinfection durch correcte
Technik mit Vermeidung von Quetschung, Abkühlung, Austrocknung
und durch rein aseptische Wundbehandlung unter Gebrauch von
warmer physiologischer Kochsalzlösung zur Abspülung von Blut,
Staub etc.
6) Verhütung der Brütungsinfection durch völliges An-
einanderlegen der Wundränder oder, wo dieses unmöglich, durch
Ableitung von Blut und Wundsecreten mittelst Glasdrainage oder
durch Anwendung der Secundärnaht.
yo Allgemeines.
b) Resume für die Behandlung inficirter Wunden.
i) Benutzung aller sub a) genannten aseptischen Maassnahmen
behufs Verhütung von Zutritt neuer Infectionsstoffe.
2) Offene Wundbehandlung durch Offenlassen event. völlige
Freilegung der Wunde mitteist glatter Schnitte behufs Entspannung
und Herstellung eines ableitenden Flüssigkeitsstromes.
3) Häufige Umschläge bei offenen oder Spülungen bei
tiefen Wunden mit entwicklungshemmenden leichten Antiseptica zur
Beseitigung jeder sich ansammelnden Flüssigkeit.
4) Beschränkung der Zersetzung in nekrotischen Geweben der
Wundoberfläche durch Betupfen mit Alkohol oder anderen schrumpfen-
den Mitteln, durch Aufstreuen trockener Pulver (wie Jodoform, Xero-
form, Wismuth etc.) oder durch antiseptische Tamponade bei tiefen
Wunden mittelst steriler Gaze, in welche jene Pulver eingerieben sind.
D. Die Wahl der Sehnittriehtung.
Zur Zeit, als man die Patienten nicht narkotisiren und die Wunde
nicht vor Infection bewahren konnte, hatte es einen guten Sinn, die
Incisionen so anzulegen, dass sie sich möglichst rasch ausführen
Hessen, in ihrer Ausdehnung möglichst beschränkt wurden und guten
Abfluss der Wundsecrete der Schwere nach sicherten.
Letzterer Indication kann man gegenwärtig durch eigene, ganz
kleine Incisionen zur Einführung der Drainröhren völlig gerecht werden.
Dagegen sieht man noch jetzt in gewissen Operationscursen den
Studenten bei Arterienunterbindung Anleitung geben, von mög-
lichst kurzen Hautschnitten aus eine Arterie zu finden. Solches Vor-
gehen hat keine Berechtigung mehr. Den wahren Chirurgen erkennt
man daran, dass er die Haut in ergiebiger Ausdehnung
spaltet, aber in der Tiefe der Wunde möglichst sorgfältig und
schonend vorgeht. Ein grosser Hautschnitt ist keine nennenswerthe
Mehrverletzung gegenüber einem kleinen, denn eine exacte Naht
bringt ihn ebenso rasch und ebenso sicher und schön zur Verheilung,
wie letzteren. Aber auch die Ausdehnung der zurückbleibenden
Narbe ist bedeutungslos, vorausgesetzt, dass dieselbe in die zweck-
mässige Richtung fällt! Damit kommen wir auf denjenigen Punkt,
den wir seit Jahren als den entscheidenden festhalten bei der An-
lage der Schnitte.
Nach den Untersuchungen von Langer über die Spaltrichtungen
der Haut ist die Spannung der Haut nach verschiedenen Richtungen
eine sehr verschiedene, und zwei auf einander senkrechte Incisionen
zeigen eine sehr verschieden starke Retraction der Wundränder:
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Auflage.
Zu Seite ■ju und 7 1
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 4.
V
Fig. I. Coriumfaserung, dargestellt durch den Verlauf der Stich-
spalten, an der Hinterfläche des Rumpfes. Verkleinerte Copie
nach Langer.
Fig. 2. Coriumfaserung. dargestellt durch den Verlauf
der Stichspalten, von der Vorderfläche. Links sind die
Verhältnisse gezeichnet, wie sie bei einem Erwachsenen,
rechts so wie sie bei einem Neugeborenen gefunden
wurden. Verkleinerte Copie nach Langer.
Fig. 3- Cutisfaserung,
dargestellt durch die Me-
thode der Stichspalten,
an der Vorderfläche des
Armes. Verkleinerte
Copie nach Langer.
Fig. 4. Cutisfaserung.
dargestellt durch die Me-
thode der Stichspalten,
von der Hinterfläche.
Verkleinerte Copie nach
Langer
Aus „Handbuch der Anatomie des Mensrhon", herausgegeben von Professor Karl VON BARDELEBEN.
Bd. V, Abth. 1: VON Brunn, Haut (Integumentum commune). Verlag von Gustav Fischer in Jena.
Die Wahl der Schnittrichtung.
7i
cccOO (c/££ü
Fig. 5
dient wie die Fig. 6, 7,
8, 9 zur Illustration des
Verhaltens guter Schnitte
behufs Einlegung von
Drainröhren (mit von
selbst sich linear an ein-
ander legenden Wund-
rändern) im Gegensatz
zu schlechten (in Form
von ovalen klaffenden
Oeffnungen).
72
Allgemeines.
Die Wahl der Schnittrichtung.
73
während die eine stark klafft, beiben bei der anderen die Ränder,
selbst ohne künstliche Heftmittel, in Berührung. An diese Thatsache
hat man sich bei der Wahl der Schnittrichtung zu halten, es sei denn,
dass im individuellen Falle andere Gründe bestimmend wirken. Denn
noch viel bedeutungsvoller für die Schnittrichtung ist der Verlauf der
Gefässe und ganz besonders der gröberen und feineren Nervenäste.
So wird man bei Incisionen im Gesicht vor Allem nach der Richtung
der Facialisäste sich orientiren. Glücklicher Weise fällt nun vielfach
die Verlaufsrichtung der Nerven und Gefässe mit der Richtung zu-
sammen, in welcher die Haut stärkere Spannung zeigt, so dass der
der Spaltrichtung- angepasste Hautschnitt auch dem Verlauf der wich-
tigen Nerven und Gefässe entspricht.
Fig. 7.
Wir haben seit Jahren unsere nicht durch Naht vereinigten
Schnitte in ein Schema aufgezeichnet 1), je nachdem sich dieselben
beim Verbandwechsel als klaffend oder geschlossen darstellten, und
zwar haben wir hierzu die neben den genähten Hautwunden an-
gelegten Drainöffnungen benutzt. Wenn nach 24 Stunden die Drain-
röhre und nach 2 X 24 Stunden die Nähte der Haupt wunde entfernt
werden, so hat man Gelegenheit, nach jeder Operation über das Ver-
halten kleiner, nicht durch Naht vereinigter Hautwunden sich Klarheit
zu verschaffen. Wir geben in Folgendem das Resultat dieser Auf-
zeichnungen wieder, indem wir die LANGER'schen Linien über die
Spaltrichtungen der menschlichen Haut gleichzeitig angeben (nach
Heitzmann).
In den Fig. 5, 6, 7, 8 und 9 sind diejenigen Drainöffnungen,
welche sich nach Entfernung der Drainröhre spontan zusammen-
legten, durch einen einfachen Strich, diejenigen dagegen, bei welchen
1) Die betreffenden Figuren und die grosse Mehrzahl der Einzeichnungen
sind von Dr. E. Lardy, gew. Chefchirurg am französischen Spital in Con-
stantinopel, jetzt in Genf, gemacht.
74
Allgemeines.
die Oeffnungen klaffend blieben, durch eine spindelförmige Figur
als klaffend angegeben. Es ist aus Fig. 5 ersichtlich, welche grosse
Uebereinstimmung herrscht zwischen den guten Schnittrichtungen und
den LANGER'schen Spaltlinien, wie ja auch a priori zu erwarten stand.
Nachdem dieses einmal festgestellt war, haben wir auch für die
langen Schnitte mehr und mehr die Richtung der Spaltlinien der
Haut bevorzugt und haben uns überzeugt, dass der Unterschied in
der Narbenbildung bei Schnitten in oder entgegen der Spaltrichtung
ein so bedeutender ist, dass es angezeigt erscheint, für jede Körper-
A. u. N. supraorbitalis
N. infraorbitalis
Paramediane Nasenspaltung r-
N. mentalis
Sinus frontalis
Resectio maxillae sup.
Querer Wangenschnitt
Resectio mandibulae
Pharyngotomia. subhyoidea
Carotis communis
Excisio strumae
A. subclavia
Fiff. IO.
region Normals chnitte anzugeben. Dieselben zeigen für die be-
treffende Körperstelle die Spaltrichtung der Haut an und sind zugleich
so angelegt, dass dem Verlaufe wichtiger, oberflächlicher Nerven
und Gefässe Rechnung getragen ist. Wir haben uns bei den hier
so häufigen Kropfoperationen überzeugt, dass die Narben im Verlauf
der Zeit nach solchen Normalschnitten so fein werden, dass man
geradezu Mühe hat, sie zu erkennen, während Narben in Folge anders
gerichteter Schnitte gerade am Halse durch Verkürzung und Falten-
erhebung oft nachträglich recht entstellend werden können.
Wir haben deshalb Schemata mit Einzeichnung unserer Normal-
schnitte beigefügt (vergl. Fig. 10, 11, 12, 13, 14. 15, 16, 17, 18). Aller-
dings beziehen sich dieselben wesentlich auf die grossen Incisionen,
Die Wahl der Schnittrichtung:.
75
wie sie |an Kopf, Hals, Rumpf und den Gelenkgegenden gemacht
werden Für die übrigen, speciell die interarticulären Abschnitte der
Extremitäten haben wir der Einfachheit halber wo es sich um kürzere
Schnitte handelt (bei Ligaturen und Nervenfreilegung), die geraden
Incisionen m Längsrichtung beibehalten. Ein Blick auf die Figuren
lehrt übrigens, dass ein Theil dieser Längsincisionen mit den Spaltungs-
linien der Haut ebenfalls zusammenfällt.
Trigeminus III)
A. meningea media/
Resectio maxillae)
sup. /
Excisio linguae
N. mentalis
A. maxillaris ext.
A. thyreoidea sup.
A. carotis communis
A. vertebralis 1
A. thyreoidea inf.J
fAntrum mastoideum
\ Sinus transversus
lAbscessus cerebri
(A. occipitalis
\Cerebellum
fPharyngotomia late-
■I ralis und Abscessus
<■ praevertebralis
A. carotis ext. und
Aeste
Excisio linguae
N. accessorius
N. cutaneus colli
N. auricularis magnus
Fig. II »).
Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass wir zu den Normal-
schnitten alle in die Medianlinie des Körpers gelegten Längsschnitte
rechnen, also alle die Schnitte, welche der senkrechten Linie vom
Scheitel zur Symplryse, über den Damm nach dem Anus und hinten
bis zum Scheitel herauf entsprechen.
i) Für die Freilegung des Cerebellum ist der Schnitt höher anzulegen
und zwar in der Höhe der Linea semicircularis superior unter Zufügung eines
medianen Schnittes im Nacken abwärts, event. des unteren Theiles des Ohr-
muschelschnittes.
76
Allgemeines.
Bei den Amputationen kommt eine Wiedervereinigung natürlich
zusammengehöriger Hauttheile nicht in Betracht. Doch erscheint es
Laryngectomia
Carotis communis
Tracheotomia inferior
A. subclavia
{Resectio humeri
anterior
mammaria
interna
— Resectio costae
A. circumfiexa ilii\
Abscessus iliacus /
A. iliaca externa
JA. epigastrica inferior
\Colostomia (S romani)
Herniotomia inguinalis
Cystotomia suprapubica
Fig. I21).
i) Die Schnitte zur Cholecystotomie und Gastrostomie entsprechen seg-
mentären Schnitten nicht. Wir machen die Gastrostomie jetzt stets mit senk-
rechtem Schnitt auf dem linken Rectus abdominis, wie Mayo ROBSON auch den
senkrechten Schnitt am rechten Rectusrand für die Cholecystotomie benutzt.
Die Wahl der Schnittrichtune:.
77
auch hier von Vortheil, sich einigermaassen an die Spaltrichtung der
Haut zu halten im Interesse geringerer Retraction der Lappen.
A. occipitalis
A. circumflexa \
posterior]] f
N. radialis 1
A. profunda brachii/
Resectio cubiti
N. ulnaris
l N. radialis
(Ramus profundus)
Resectio manus
Resectio humeri posterior
A. circumflexa humeri post.
und N. circumflexus
N. radialis u. A.
profunda brachii
A. glutaea superior
f Resectio recti
\ (Sectio parasacralis)
A. glutaea inferior und
N. ischiadicus
Fig. 13-
Wie gut sich die speciell von uns empfohlenen Schrägschnitte
für :die Amputationen den Spaltungsrichtungen der Haut anpassen,
ist aus den Figuren ohne Weiteres ersichtlich.
Allgemeines.
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I
X
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Die Wahl der Schnittrichtung.
79
N. cutaneus femoris ext
A. femoralis communis
A. circumflexa fe-
moris ext. et pro-
funda femoris
N. cruralis
A. profunda femoris
A. poplitea
A. articularis genu
suprema und
N. saphenus
A. iliaca externa
N. cruralis
A. circumflexa
femoris int.i
N. und A. obtu-
iratoria
A. femoralis
f A. femoralis
(.(Adductorenschlitz)
Resectio genu
A. tibialis antica
i) Für die Resectio genu benutzen wir jetzt ausschliesslich den lateralen
Bogenschnitt (vergl. das betr. Capitel).
8o
Allgemeines.
N. ischiadicus
-N. ischiadicus
N. peroneus u. N. suralis lat.
N. peroneus
N. popliteus
A. poplitea
Truncus tibio-peroneus
{Vena saphena minor und
N. suralis medius
.::,siOki,
Fig. 16.
Die Wahl der Schnittrichtung:.
f A. tibialis
i postica und
l N. saphenus
A. tibialis postica
A. plantaris int.
und ext.
Fig. 17.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl.
Allgemeines.
N. peroneus super-
ficialis
A. peronea
N. saphenus externus
Resectio pedis
^»ijff,^
Fig. 18.
Die Wahl der Schnittrichtung. 83
Obigen Bemerkungen in der 3. Auflage dieses Buches haben wir
folgendes hinzuzufügen :
Es scheint uns Aussicht zu haben, dass man für die Anlage
richtiger Schnitte ein Gesetz wird formuliren können, dahin gehend,
dass neben den leicht verständlichen medianen Schnitten, welche
man als symmetrische bezeichnen könnte, weil sie den Körper in
symmetrische Abschnitte zerlegen, oder als Hälfteschnitte, da sie
stets eine Halbirung bewerkstelligen, segmentäre Schnitt-
führung denjenigen Spaltrichtungen entspricht, in welchen die ge-
ringste Verletzung bewirkt wird bei Eindringen des Messers in die
Tiefe des menschlichen Körpers.
An Thorax und Abdomen ist dies ohne Weiteres ersichtlich, da
ja hier Nerven und Gefässe quer mit immer schrägen abwärts ge-
richtetem Verlauf angeordnet sind. Und es ist hier sicher, dass die
grössten Schnitte, welche man hier in der gegebenen Richtung an-
legt, viel leichter und mit weniger Functionsstörung heilen, als alle
anderen seitlich von der Medianlinie des Körpers angelegten
Trennungen. Dass man dabei Muskelfasern und Venen, die in
schräg aufwärts gehenden und senkrechten Richtungen verlaufen,
trennen muss, ist, selbstverständlich. Riedel hat dies meiner queren
Schnittführung am Halse zum Vorwurf gemacht, völlig mit Unrecht.
Diese Trennung von kleineren subcutanen Nerven hat gar keine Be-
deutung, so wenig wie die Trennung von Zweigen einzelner Hautnerven
oder von Muskelfasern irgend einen nennenswerthen Nachtheil hat.
Es kommt im Gegentheil Alles darauf an, die Nervenstämme
und ihre Zweige zu den Muskeln zu schonen ; sobald dies geschieht,
contrahiren sich auch gespaltene Muskeln und solche mit künstlichen
Narben-Inscriptionen ganz gut. Was nützt es aber, wenn ich eine
Muskeldurchschneidung vermeide und lädire den zugehörigen moto-
rischen Ast? Wenn man Muskeln trennt, so muss man sie nur so
trennen, dass keiner der beiden getrennten Theile seiner Nerven be-
raubt wird, nur dadurch könnte Schaden entstehen. Quervain (und
KüTTNER) haben für den Hals die Normalschnitte in sehr glück-
licher Weise am Halse weiter ausgebaut, insofern als sie ganz ähn-
lich, wie ich dies für die Resectionen der Gelenke beschrieben habe,
die Schnitte nicht bloss durch die Haut dringen, sondern auch die
Muskeln gelöst werden unter Bildung grosser Hautmuskellappen,
deren Nerven erhalten sind. Uebrigens hat man sich ja am Abdomen
nach Vorgang von Mc PROVARY u. A. überzeugt, dass man durch
stumpfes Eingehen zwischen den Muskelfasern und kräftiges Aus-
einanderziehen die Muskelschnitte vermeiden kann.
Für die grösseren arteriellen Gefässe gilt dasselbe. Sie zeigen
ähnliche segmentäre Anordnung und werden durch die medianen und
segmentären Schnitte am besten geschont.
8a Allgemeines.
Wer sich die Mühe nehmen will, auf den von mir zur segmen-
tären Anordnung der Rückenmarksnerven entworfenen Tafeln nach-
zusehen, wie leicht sich der Grundsatz segmentärer Schnitte auch
für die Extremitäten ausführen lässt, sobald man sich diese in die
abducirte und supinirte Stellung gebracht denkt, welche sie in den
Anfangsstadien der Entwicklung einnehmen, der wird sich überzeugen,
dass wir auch unserem operativen Vorgehen entwicklungsgeschichtliche
Basis geben können.
Wir machen anticipando darauf aufmerksam, wie tadellos schöne
und functionell störungslose Narben der quere Bogenschnitt am
Halse bei Kropfoperationen im Gegensatz zu den beliebten Schräg-
schnitten, die Schrägschnitte am Abdomen im Gegensatz zu grossen
Längsincisionen am Rectusrand, die queren Axillarsehnitte im Gegen-
satz zu der Längsincision am Pectoralisrande aufzuweisen haben.
Wer sich an die Regel hält, die Schnitte soweit möglich median,
sonst aber in segmentärer Richtung anzulegen, der kann unbedenk-
lich seine Incisionen sehr ergiebig machen, um in der Tiefe um
so sauberer und genauer arbeiten zu können, statt von zu kleinen
Schnitten aus stumpf, wie es empfohlen ist, Drüsen herauszuklaubern,
und mit den Fingern hereinzuwühlen, zumal die provisorische
aseptische Schutztamponade, welche Mikulicz für das Abdomen
zu einer besonderen Methode erhoben hat und welche die tieferen
Gewebe trotz Spaltung der Bedeckungen vor jeder Schädigung mit
einfachsten Mitteln zu bewahren vermag, hat selbst für grosse Körper-
höhlen das letzte Hinderniss weggeräumt, welches der Benutzung
grosser Hautschnitte im Wege stand. Dass man sich mit
diesen in der septischen Aera grosse Beschränkung auferlegen musste,
ist verständlich genug.
Zweiter Abschnitt.
Speeielle Operationslehre.
E. Schädeltheil des Kopfes.
a) Weichtheile.
Die Weichtheilbedeckung am Schädel ist ausgezeichnet durch
einen sehr grossen Gefässreichthum, aber die Gefässe sind sehr leicht
zugänglich für die Unterbindung, da sie in der Kopfschwarte, der
mit der Galea fest verbundenen Haut und Unterhaut verlaufen.
Die Arterien liegen locker in der Kopfschwarte, die Venen nicht in
dem Maasse, ziehen sich daher nicht zurück, wie die Arterien. Bei
arteriellen Blutungen drückt man neben dem Wundrand auf die
Haut und fast mit der Arterienzange das Gefäss; sollte dies selbst
mit unserer Arterienhakenzange nicht gelingen, so umsticht man
dasselbe neben der Wunde mit der Nadel. Zur propl^laktischen
Blutstillung, wie sie z. B. von Doyen zu ausgedehnten Crani-
ektomien geübt wird, kann man die grösste Conferenz des Kopfes
mit einem elastischen Schlauch umschnüren, der über das Occiput
oberhalb der Ohren und Augenbrauen verläuft.
Die Gefässe, welche das Blut zur Kopfwölbung führen, kommen
von der Stirn, von der Schläfe und vom Hinterhaupt. Will man also
bei starken Blutungen eine centrale Blutstillung machen, so wendet
man sich an diese drei Stellen.
i) Arteria und Vena temporalis. — Nervus auriculo-
temporalis (tri gemini III). (Fig. 19.)
Der Finger fühlt l/2 cm vor dem Ohr am oberen Rand des
Jochbogens die Pulsation der Arteria temporalis; mit einem Finger-
druck kann man sie hier bei Blutung ihrer Aeste comprimiren und
Specielle Operationslehre.
an derselben Stelle unterbinden. Man schneidet in senkrechter
Richtung i cm vor dem vorderen Ende der Helix ein. Nach
Spaltung der Haut erscheint die Fascie, und zwar das oberflächliche
Blatt der Galea aponeurotica. Hier geht die Arterie über den Joch-
bogen herüber und erscheint subfascial an dessen oberem Rande.
M. orbicularis\
oris |
A. maxillaris)
externa ]
N.alveolaris inferior
f Abgetrennter
M. masseter
Aussenfläche des Kiefers
Angilus inandibulae
A. maxillaris externa
Fig. 19. 1. Ligatur der A. maxillaris externa. 2. Ligatur der A. temporalis.
3. Trepanation des aufsteigenden Kieferastes zur Freilegung des N. alveolaris
inferior.
Die Lage der Vena temporalis ist keine constante, gewöhn-
lich parallel hinter der Arterie.
Wichtiger ist der Nerv, der hier liegt und der die sensible Ver-
sorgung des Ohres und der Schläfengegend leistet, der Nervus
auriculo-temporalis (vergl. Fig. ig) aus dem III. Ast des Trige-
Schädeltheil des Kopfes.
87
minus. Er umschlingt die Arterie von unten vorn nach hinten oben
und geht an ihrer hinteren Seite ihr parallel aufwärts. Will man bei
Neuralgien den Nerven dehnen oder freilegen, so orientirt man sich
an 'der Arterie und findet den Nerven näher gegen das Ohr [hin.
N. frontalis
A. u. N. supra-
orbitalis
Bf. orbicularis
M. orbicularis\
oculi )
Abgetrennterl
M. quadratus;
labii sup. J
N. infraorbitalis
Sinus fron-
talis
Fig. 20. 1. Ligatur der A. supraorbitalis. Freilegung des N. supraorbitalis.
2. N. infraorbitalis. 3. Eröffnung des Sinus frontalis.
Nach oben treten die Aeste des Nerven und der Arterie in die Kopf-
schwarte selber ein.
a) Arteria supraorbitalis. — Nervus supraorbitalis, fron-
talis und ethmoidalis (Fig. 20).
Die Hauptarterie der Stirne ist die Arteria supraorbitalis. Sie
ist kleiner als die Arteria temporalis. Als Anhaltspunkt zu ihrer
88 Specielle Operationslehre.
Unterbindung dient die fühlbare Incisura supraorbitalis ; hier tritt die
Arterie in sagittaler Richtung aus der Orbita heraus; sie geht durch
die Fasern des Orbicularis vertical aufwärts unter die Galea. Man
macht den Schnitt quer am Supraorbitalrand nach Abrasiren der
Augenbraue und schneidet in dieser ein.
An derselben Stelle befindet sich der Nervus supraorbitalis.
Bei Supraorbitalneuralgie ist für die Incision wieder die Incisura supra-
orbitalis der beste Anhaltspunkt, weil ganz bestimmt präcisirbar durch
die Haut hindurch. Der Nerv liegt tiefer, als die Arterie, unmittelbar
auf dem Periost; es ist nicht leicht, den Nerven zu durchtrennen,
ohne zugleich die Arterie zu verletzen. Der Schnitt in der Augen-
braue hat den Vortheil, die Aeste des Facialis zu schonen. Der
Musculus orbicularis, wie der Muse, frontalis werden vom Facialis
versorgt, und zwar treten die betreffenden Nervenäste von der late-
ralen Seite her in diese Muskeln ein und werden deshalb bei dem
empfohlenen Querschnitte nicht verletzt.
3) Der Nervus frontalis liegt i1/2 — 2 cm medianwärts in der
Senkrechten über dem inneren Augenwinkel, ist viel dünner und
liegt oberflächlicher in den Orbicularisfasern, ziemlich senkrecht auf-
steigend. Zu seiner Freilegung wird die innere Hälfte des Augen-
brauenschnittes benutzt.
4) Der Nervus ethmoidalis geht am inneren oberen Umfang
der Augenhöhle in die Schädelhöhle, welche er durch das Siebbein
wieder verlässt, um sich auf der Nasenscheidewand auszubreiten und
mit seinem Endast die Nasenspitze zu versorgen. Er ist ganz schön
zu sehen und mit der Aneurysmennadel zu umgehen, etwa 2 cm
hinter dem medialen Ende des Supraorbitalrandes. Man verlängert
den Augenbrauenschnitt etwas über die Nasenwurzel abwärts (unter
Unterbindung von Aesten der Arteria und Vena angularis), spaltet
das Periost und hebt dasselbe (die Periorbita) am inneren oberen
Umfang der Orbitalhöhle langsam rückwärts ab, bis man den nach
dem Foramen ethmoidale anterius quer gespannten Strang sich vom
Orbitaldach abheben sieht. Die Arteria ethmoidalis (aus der A. naso-
frontalis) wird dabei zerrissen, die Blutung durch Tamponade gestillt.
5) Arteria occipitalis. — Nervus occipitalis major und
minor (Fig. 21).
Die Arteria occipitalis ist die stärkste der Kopfarterien. In der
Mitte zwischen Spina occipitalis und dem höchsten Punkt des Pro-
cessus mastoideus kommt die Arterie unter dem medialen Rande
des Musculus splenius hervor und wendet sich unter Durchbohrung
der Fascie nach dem Hinterhaupte empor, wo sie unter der Galea
Schädeltheil des Kopfes.
89
liegt. An dem Punkte, wo sie die starke Fascie durchbohrt, wird
das Gefäss unterbunden. Der Unterbindungsschnitt verläuft quer in
der Verbindungslinie der oben erwähnten Punkte entlang der Linea
semicircularis vom hinteren unteren Umfang des Processus mastoideus
bis zur Höhe des Cucullariswulstes. Die Haut ist hier sehr dick.
Man legt durch Spaltung der Fascie den Hinterrand des Muse, sterno-
cleidomastoideus frei, wobei man den entlang diesem Rande nach
N. occipitalis min.
M. sternocleido
A. occipitalis
M. semispin. capit
M. splenius
X. occipitalis major
M. trapezius
M. cucullaris
/M. splenius
l capitis
{M. semispina-
lis capitis
l M. obliquus
\capitis inferior
|N. occipitalis
l minor
M. sternocleido
M. longissimus
capitis
<=Ä
Fig. 21. 1. Lig. art. occipitalis. Freilegung des N. occipitalis minor. 2. Nervus
occipitalis major.
dem Hinterhaupt emporsteigenden Nervus occipitalis minor
(aus dem 3. Halsnerven) (Fig. 21) schont. Unter dem M. sterno-
cleidomastoideus erscheint der M. splenius capitis mit schräg nach
vorne aufsteigenden Muskelfasern, an seinem Vorderrand der
M. longissimus capitis. Der M. splenius wird in der Richtung des
Hautschnittes getrennt, und unter seinem Ansatz zeigt sich die
Arterie, erst auf dem Kopfansatz des M. obliquus capitis superior,
dann auf dem des M. semispinalis capitis aufruhend.
Q0 Specielle Operationslehre.
Am medialen Rand des M. splenius kann die Arterie
ligirt werden, wo sie subfascial in dem Winkel zwischen hinterem
Rande des M. sternocleidomastoideus und vorderem Rande des
M. cucullaris zur Haut des Hinterhauptes emporsteigt. Hier trifft
mit ihr, von der medialen Seite herkommend, der Nervus occi-
pitalis major zusammen.
An ihrem Ursprung kann die Arteria occipitalis mit dem-
selben Schnitt, wie die Arteria carotis externa, unterbunden werden
(s. diese). Sie tritt daselbst unter die M. digastricus und stylohyoideus.
Die Vena occipitalis findet sich neben der Arterie, nicht in con-
stanter Lage.
6) Der Nervus occipitalis major (hinterer Ast des Cervi-
calis II) tritt, nachdem er den M. semispinalis capitis durchbohrt hat,
am lateralen Rande des M. cucullaris an die Oberfläche. Man findet
bei der Unterbindung der Arterie den Nerven meistens daneben
medianwärts, beide Gebilde einander entgegenstrebend.
Will man den Nerven weiter centralwärts aufsuchen und
dehnen bei Neuralgien, so muss der Schnitt tiefer gemacht werden
(Fig. 20) : Schnitt quer in der Höhe des stark vorragenden gespaltenen
Dorns des Epistropheus von der Medianlinie lateralwärts. Im lateralen
Winkel des Schnittes erscheint der hintere Rand des M. sternocleido
und demselben entlang der N. occipitalis minor. Der verhältniss-
mässig dünne Cucullaris wird durchschnitten, unter und nach aussen
von ihm wird der starke Splenius capitis mit schräg aus- und auf-
wärtssteigenden Fasern, zuletzt der gerade aufsteigende kräftige
M. semispinalis, getrennt, bis der tiefgelegene nach aussen und etwas
aufwärts aufsteigende M. obliquus capitis superior und inferior zu
Tage tritt. Auf letzterem erscheint der starke Nerv, welcher über
den lateralen unteren Rand des Muskels heraufkommt, median- und
aufwärts zieht. An dieser Stelle giebt der wesentlich sensible Nerv
noch motorische Aeste zu den Nackenmuskeln ab. Der an dem
lateralen Rande des M. semispinalis schräg abwärts ziehende M. longus
capitis kann geschont werden.
7) Der Nervus occipitalis minor aus dem III. Cervicalnerven
geht, an den Hinterrand des M. sternocleido herangetreten, diesem
Rande parallel subfascial aufwärts zum Hinterhaupt, lateralwärts vom
Gebiet des Nervus occipitalis major sich verzweigend. (Siehe seine
Freilegung bei Arteria occipitalis.)
Der Schnitt von Krause zur Trennung der Occipitalnerven bei
Occipitalneuralgien ist folgender: Er geht unter der Spina occipitalis
nach aussen bis zum Hinterrand des Sternocleido und dann bis zum
Niveau des Zungenbeins diesem entlang abwärts. Im peripheren Schnitt
Schädeltheil des Kopfes. qj
wird auf die Nerven eingegangen, einer nach dem anderen freigelegt
und verfolgt bis zu den tiefen kleinen Halsmuskeln. Er findet den
Occipitalis I resp. Suboccipitalis mit seinem hinteren Ganglion lateral-
wärts resp. ausserhalb des Wirbelkanals liegend, ebenso auch das
Ganglion des 2., des Occipitalis major. Dann findet er ausser dem Occ.
major, diesem parallel (in seiner Zeichnung aber mehr medianwärts)
schräg über den M. obl. cap. major median aufwärts gehend noch
einen Occipitalis tertius, der zum 3. For. intervertebrale geht.
Die Hauptsumme der Aeste des 3. Halsnerven sucht er am
hinteren Rande des Sternocleido auf, hinter dem grossen Gefäss-
bündel, das sammt Sympathicus nach vorn gezogen wird, und kann
so Occipitalis minor und Auricularis magnus (vom Subcutaneus colli
spricht er nicht) durchschneiden oder dehnen.
b) Die Eröffnung des Schädels.
(Craniotomie, Craniektomie, Trepanation.)
Die Eröffnung des Schädels ist eine der ältesten Operationen und
neben phantastischen Ideen hat man schon frühzeitig ganz gute
Vorstellungen über die Indicationen derselben gehabt. In der
historischen Zeit sind diese Indicationen bald ausserordentlich weit,
bald sehr enge gefasst worden. Die Erklärung dafür, warum man
zu gewissen Zeiten nicht genug trepaniren zu können glaubte, zu
anderer Zeit behaupten konnte, man müsse selbst auf den Kopf ge-
fallen sein, um eine Kopfverletzung zu trepaniren, liegt ganz einfach
in den Schwankungen der Wundbehandlungsmethoden überhaupt.
In Zeiten, wo man Infectionen, gleichsam unbewusst durch allerlei
antiseptische Balsamica und Alkoholica zu verhüten wusste, war man
ebenso begeistert von den Erfolgen der Trepanation, wie in anderen
Zeiten, wo Infection der Wunden an der Tagesordnung war, ver-
zweifelt über den unglücklichen Ausgang jeder Verletzung des Ge-
hirns und seiner Häute.
Seit Einführung der bewussten antibakteriellen Wundbehandlung
und zumal seit ihrer vervollkommneten Ausbildung in Form der Asepsis
ist die Trepanation, was die Gefahr der Infection anbelangt, zu einem
ebenso sicheren Eingriffe geworden, wie jede andere operative Ver-
letzung. In Form der Trepanation in ihrer altbewährten Bedeutung
und Ausführungsart ist dieselbe eine ungefährliche Operation.
Allein sobald man den Begriff der Trepanation zu derjenigen
der Cranio- und Craniektomie erweitert, so ist es nicht mehr
gestattet, sich so zuversichtlich auszusprechen. Die Diploe der Schädel-
knochen zeichnet sich vor anderem Knochenmark durch ihren grossen
Reichthum an Blutgefässen aus. Eine reichliche Zufuhr durch massen-
hafte kleinste Arterienästchen von aussen und innen und eine noch
02 Specielle Operationslehre.
viel reichere Verbindung mit den Venen nach aussen und innen
(von den .Sinus durae matris aus lässt sich die Diploe mit Leichtigkeit in-
jiciren und ganz anfüllen [Cushing]) verbindet sich mit weiten, zum
Theil sinusähnlichen Venenräumen im Knochen selber, denen wie
bei anderen Knochen nur noch in höherem Maasse die Contractions-
fähigkeit abgeht. Die Venae diploicae können in Folge dessen zu
sehr starken Blutverlusten Anlass geben, um so mehr, wenn ein
erhöhter Druck innerhalb des Schädels besteht, welcher zu vermehrter
Blutfüllung ausserhalb führt.
Die Blutung aus diesen Venen lässt sich bloss durch Compression
stillen und man verwendet hierzu am besten sterilisirtes oder anti-
septisches Wachs. Wo grössere Venae diploicae durch das Operations-
gebiet laufen, kann es nöthig sein, ausserhalb der letzteren, zumal
ober- und unterhalb mit einer Fräse in die Vene einzubohren, um
deren Lumen mit einem Wachspfropf tamponiren zu können. In
Fällen, wo stärkere Blutungen zu erwarten sind, ist auch die prä-
liminare Ligatur der Carotis externa in Betracht zu ziehen. Die
Gefahr stärkeren Blutverlustes ist nur mit ausgedehnten Craniektomien
verbunden. Es ist deshalb angezeigt, als Normalverfahren die
umschriebene partielle Craniektomie auszuführen.
8) Craniektomia partialis circumscripta.
Was zunächst die Narkose anlangt, so ist bei eingenommenen
Sensorium stets, bei Störungen der Herzthätigkeit und Respiration in
Folge Hirnläsion als Regel eine Allgemein narkose zu vermeiden. Man
kommt mit Cocaininjection in die Haut, in das Periost und nach Ent-
fernung der Knochen mit Cocainbetupfung der Dura ganz gut aus.
Muss narkotisirt werden , so ist nach HORSLEY eine vorgängige
Morphiumgabe und danach Chloroform in kleinen Dosen vorzuziehen,
weil es weniger erregend auf das Gehirn wirkt und die Blutung geringer
ist. Der Schnitt durch die Haut bis auf den Knochen unter Spaltung
des Periostes wird in senkrechter Richtung und ergiebig gemacht, um
eine grössere Fläche des Schädels übersehen zu können, besonders
um nach den Trepanationsstellen hinziehende Venen zu sehen.
Die Blutung aus den äusseren Weichtheilen und die Knochen-
blutung, soweit der Knochen von den äusseren Gefässen gespeist
wird, kann sehr gut prophylaktisch gestillt werden durch Anlegung
eines elastischen Bandes um den grössten Horizontaldurchmesser des
Schädels (Fig. 22). Bluten in den Wundrändern dann noch einige
Venen, so legt man eine KoCHER'sche Arterienklemme an, die mit
ihren Zähnen selbst in der derben Schädelhaut sehr festliegt.
Bevor man den Trepan aufsetzt, wird dicht neben der zu er-
öffnenden Stelle mittelst eines Perforators, am besten mittelst der
KüMMELL-SuDECK'schen Fräse ein Probeloch gebohrt, um sich ein
Schädeltheil des Kopfes. q?
Urtheil zu verschaffen über Härte, Dicke und Blutreichthum des
Knochens. Das Loch hat den grossen Vortheil, dass man von hier
aus mittelst einer schneidenden Zange den bis auf die Vitrea ge-
drungenen Sägeschnitt vervollständigen und ein Elevatorium einsetzen
kann unter die Knochenscheibe, um sie herauszuhebein.
Nunmehr wird der Bogentrepan aufgesetzt und eine Rinne bis zur
Vitrea durchgesägt. Die Vitrea kann zum Theil mit der schneidenden
Zange getrennt, zum Theil durch die eben erwähnte Hebelbewegung
mit einem kräftigen Elevatorium gesprengt werden. Die Ränder
werden mit der Kneifzange geglättet. Stärkere Knochenblutung
wird durch Aufdrücken carbolisirten sterilisirten Wachses ofestillt.
äf
Fig. 22. Die Figur zeigt die Umlegung des elastischen Schlauches um den
Schädel, der gleichzeitig ein sterilisirtes Kopftuch zur Bedeckung befestigt.
Wird die Blutung bei Versuch der Trepanation sofort sehr be-
trächtlich, so ist es besser nach Aufdrücken von Wachs im ganzen
Umkreis des zu entfernenden Knochenstücks mit der rapide arbeiten-
den ;C3dindrischen Fräse eine grosse Anzahl perforirender Löcher zu
bohren, die sich mit Wachs leicht zustopfen lassen und dann mit einem
Meissel rasch die Verbindungen der Löcher durchzuschlagen. Unter
Umständen dürfte es gerathen sein, die Carotis externa zu unterbinden.
Die Dura wird, wenn nöthig, eröffnet, indem man sie mit einem
feinen Häkchen emporhebt, sehr sorgfältig ohne Läsion der weichen
Häute einschneidet und dann mit dem Messer bis nahe an den
Knochenrand kreuzweise spaltet unter Fassen der blutenden Gefässe.
Zu bleibender Entlastung wird sie abgetragen oder über die Knochen-
qa Specielle Operationslehre.
ränder zurückgeschlagen und angenäht (nach Beresowsky), anderen-
falls werden die 4 Zipfel wieder ohne Naht zusammengelegt. Zur
Drainage, wo Blut oder Liquor cerebrospinalis abzuleiten ist, wird
ein feines gebogenes Silb erröhr chen eingelegt und so an die Haut
befestigt, dass das Gehirn nicht berührt wird.
Die weiche Hirnhaut soll sorgfältig geschont werden, wenn nicht
die Hirnsubstanz blossgelegt werden muss, weil nach Beresowsky
dieselbe gegen adhäsive Entzündung der Hirnrinde den Hauptschutz
bildet.
Die Haut wird mit fortlaufender und ziemlich stramm gezogener
Seidennaht geschlossen, welche auch die Galea mitfassen muss, um
nachträgliche Blutungen aus den Wundrändern zu verhüten.
In der geschilderten Form ist die aseptische Tre-
panation eine ungefährliche Operation und man sollte
glauben, dass die Ausbildung der Hirnlocalisation dazu beigetragen
hätte, diese umschriebene Schädeleröffhung noch mehr zum Normal-
verfahren zu machen. Dies ist nun gar nicht der Fall, obschon wir
jetzt in der Lage sind, eine Anzahl genau umschriebener Herd-
erkrankungen des Gehirns sehr frühzeitig zu erkennen und mit einer
beschränkten Trepanation den kranken Herd freizulegen.
9) Cranio-cerebrale Topographie.
Um auf eine bestimmte Stelle der Hirnoberfläche mittelst
Trepanation eingehen zu können, muss man dieselbe mit einem ge-
wissen Grade von Genauigkeit auf die Schädeloberfläche projiciren
können. Wir können noch nicht für alle Rindenfelder die bestimmte
Function angeben. Deshalb ist es zunächst am werth vollsten, die-
jenigen Stellen genauer projiciren zu können, in deren nächster Um-
gebung sich die Hauptfoci bekannter Function gruppiren.
Man nimmt bis jetzt fast ausnahmslos an, dass es die RoLANDO'sche
und Sylvische Furche sei, deren Kenntniss uns für die Topographie
der Hirnoberfläche den meisten Nutzen biete. Wir halten dies für
zum Theil unrichtig. Um das darzuthun, geben wir in folgender
Figur in eine linke Hemisphäre eingezeichnet diejenigen Foci wieder,
über deren Localisation wir am genauesten orientirt sind. Und zwar
ist die Einschreibung so gestaltet, dass diejenigen Punkte, welche
auch für den Menschen von Horsley völlig gesichert betrachtet
werden, mit schwarzer Tinte eingetragen sind, die übrigen Centren
dagegen, welche zum Theil nicht über jeden Zweifel erhaben, zum
Theil nicht genau begrenzt sind, mit rother Tinte bezeichnet sind.
Es geht aus dieser Figur, deren Hirnoberfläche nach der Natur
von unserem Zeichner aufgenommen ist, mit aller Klarheit hervor,
dass sich die grosse Mehrzahl bekannter Centren um die Präcentral-
furche gruppiren , d. h. im Gyrus centralis anterior in seiner
Schädeltheil des Kopfes.
95
ganzen Länge und im Fuss der 3 Stirn Windungen liegen. Die Prä-
centralfurche ist demgemäss unbedingt besser geeignet zu genauer
Localisation der motorischen Rindenfelder als die RoLANDO'sche
Furche, und dieses um so mehr, als in dieselbe die obere und mittlere
Stirnfurche von vorneher einmünden und 2 sehr genaue Punkte er-
Coniralaterale
HopFdnehung^ £f
Hand
Finger:
ZeigFingefi
Contrglat
Kop£- u
Auqendrehung,
r f Daueren: Daumen.^
Contra'\cfi/uss CMtim
lat. Jrtgrera/erUdfy! j*S
/lugendrehuncf. Hebung d. Ik
i Mundwinkels J ' I
^^. , iMundwinjiBl-
l rück
pttüfte.
Schulten
Fig. 23. Die Figur zeigt die auch für den Menschen (nach Horsley) gesicherten
Rindenfelder schwarz eingezeichnet, die weniger sicheren resp. weniger sicher
begrenzbaren roth eingezeichnet. Man ersieht aus derselben die maassgebende
Bedeutung der Präcentralfurche.
geben, um die Höhe der verschiedenen Centren zu präcisiren. Es liegt
also im Interesse der cranio-centralen Topographie, in erster Linie
die Präcentralfurche genau bestimmen zu können.
Die Sylvische Furche hat insofern eine grosse Bedeutung
als sie nach vornhin den Fuss der vorderen Centralwindung nach
96
Specielle Operationslehre.
unten abgrenzt, in welchem eine Anzahl Centren liegen ; ferner, däss
sie rückwärts die obere Grenze bildet für die erste Schläfenwindung,
welche der Hauptsitz ist des sensorischen Sprachgebietes.
Weniger Werth ist vorläufig darauf zu legen, dass die nach oben
verlängerte Präcentralfurche auf der medialen Fläche des Gehirns auch
noch die ungefähre Lage der Rindenfelder für die Rumpfmusculatur
bezeichnet, und dass es Interesse hat, den Schläfenlappen zumal an
seiner Spitze topographisch bestimmt zu sehen durch die Sylvische
Furche, weil auf der medialen Fläche Geruch und Geschmackcentren
ihre Localisations haben und zum Theil auch die Tastempfindung.
Fig. 24 giebt über diese Verhältnisse genügenden Aufschluss.
Fig. 24. Die Centren auf der medialen Fläche des Gehirns nach HORSLEY.
Es bleibt noch die Bestimmung der Sehregion übrig, weil Seh-
störungen öfter sehr gute Anhaltspunkte bilden, zumal in der Form
der Hemianopsie, um die Stelle einer Hirnläsion zu bezeichnen. Die
Sehfunction hat in der Hirnrinde des Occipitallappens eine sehr aus-
gedehnte Repräsentation sowohl auf dessen lateraler als medialer
Fläche, und es genügt, die Grenzen des Occipitallappens mit einer
gewissen Sicherheit bestimmen zu können, nämlich nach oben den
Sulcus parieto-occipitalis, welcher 1 cm über der Spitze der Lambda-
naht liegt, den hinteren Pol über der Protuberantia occipitalis externa
und die Grenze gegen den Temporallappen.
Allen diesen Indicationen glauben wir durch Vervollkommnung
unseres Craniometers genügen zu können. Fig. 25 giebt das In-
strument wieder, wie wir es jetzt benutzen. Es besteht aus ver-
Schädeltheil des Kopfes.
97
nickelten biegsamen Stahlspangen mit Millimetereintheilung, deren eine
quer über dem Ansatz der Ohrmuscheln um den Aequator des Kopfes
herumgelegt wird von der Glabella bis zur Protuberantia occipitalis
externa und durch Schrauben fest am Kopfe fixirt werden kann. Eine
zweite Spange senkrecht und im rechten Winkel fest mit ersterer ver-
bunden geht sagittal über die Mittellinie des Schädels von der Protub.
occip. ext. zur Glabella. Auf dieser Spange läuft eine verschiebliche
3. Spange, welche drehbar ist und in beliebigen Winkel gestellt
werden kann zur sagittalen Spange. Endlich geht eine 4. an der
Fig. 25. Unser Craniometer zur Bestimmung der wichtigsten „Centren" der
Hirnoberfläche, aus biegsamen, in Centimeter eingetheilten dünnen Metallstäben,
mit Schrauben fixirbar.
Glabella aufwärts drehbare Spange von letzterer schräg aufwärts
zur Spitze der Lambdanaht. Dies ist die von Poirier nicht ganz
zutreffend als Linea Sylvica bezeichnete Linie. Ich bezeichne sie
hier als Linea temporalis I, weil sie vorn den oberen Rand des
ersten Temporallappens, hinten den unteren Rand desselben anzeigt,
also bloss vorn mit der Sylvischen Furche zusammenfällt.
In Fig. 26 sind die Linien gezeichnet, welche unser Apparat
auf jeden Kopf rasch und leicht aufzeichnen lässt. Ist die beweg-
liche Meridianspange in der Mitte zwischen Glabella und Protuberantia
occipitalis eingestellt und in einen Winkel von 60 ° nach vornhin ge-
K och er, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. >j
98
Specielle Operationslehre.
dreht, so bezeichnet sie die Präcentralf urche und ich nenne deshalb
diese Linie die Linea praecentralis. Wenn man sie von oben
her bis zur Aequatorlinie in 3 Theile theilt, so erhält man sehr genau
die zwei Einmündungssteilen der Sulci frontales.
Kreuzung des Sulcus front, sup.
mit Sulcus praecentr.
(Scheitelpunkt)
Kreuzung des Sulcus front, inf.
mit Sulcus praecentr.
praecen
tralis /
Linea naso-occipitali
verticalis
(Sagittalmeridian)
Linea limitans
NL = Linea
naso-lambdoidea
NO = Linea naso-
occipitalis horizontalis
(Aequatorlinie)
Fig. 26 zeigt die durch unseren Apparat auf den Schädel aufgezeichneten
Linien und giebt die denselben entsprechenden Rindenfelder an. NO durch
Nasion und Spina occipitalis giebt die horizontale Aequatoriallinie und die
sagittale Meridianlinie. Pr Präcentrallinie. Li Linea limitans zwischen Lobus
angularis und supramarginalis oben und Lobus temporalis und occipitalis unten.
NL Linie zwischen Nasion und Lambda giebt die Linea temporalis I zwischen
Pr und Li an. Die motorische Rindenregion ist gekreuzt, die Sprachregion
einfach gestrichelt schraffirt, die Sehregion punktirt.
Auf diese Weise sind, wie durch Vergleich von Fig. 26 mit
Fig. 23 ersichtlich, durch die Linea praecentralis und ihre Drittelpunkte
die in der vorderen Centralwindung und in der Basis der 3 Stirn-
windungen gelegenen Centren mit genügender Genauigkeit localisirt.
Schädeltheil des Kopfes. qg
Dreht man die Spange 3 rückwärts, so dass sie nach hinten
einen Winkel von 60 ° mit der Sagittalspange bildet, so erhält man
eine Linie, welche ich als Linea limitans bezeichne, weil sie
unterhalb des Kreuzungspunktes mit der Linea temporalis I die
Grenze zwischen Temporal- und Occipitallappen ziemlich genau an-
giebt, oberhalb des Kreuzungspunktes die Grenze des Gyrus supra-
marginalis (vorn) und des Gyrus angularis (hinten), endlich weiter
oben die Grenze von Central- und Scheitellappen.
Die Linea temporalis I endlich giebt zwischen Präcentrallinie
und Linea limitans die Länge der I. Temporalwindung an, an der
Kreuzungsstelle mit der Präcentrallinie zugleich das vordere Ende
der SYLVl'schen Furche. Das hintere Ende der Linie entspricht
der Fissura parieto-occipitalis, also der Grenze von Occipital- und
Parietallappen. Ein Blick auf die Figur giebt übrigens rascheren Auf-
schluss als eine Beschreibung es vermag. Wir ersichtlich, haben wir
uns bei unseren Bestimmungen an die Methode der procentischen
M a a s s e gehalten, die Hare inaugurirt und Müller am consequen-
testen ausgebildet hat. Sie hat gegenüber den absoluten Distanz-
angaben den Vortheil, jeder Schädelform angepasst werden zu können.
10) Topographie des Kleinhirns und der venösen Sinus
und Trepanation über diesen Theilen.
Das Kleinhirn berührt die Schädelinnenfläche bloss mit seinem
unteren hinteren Theil, während der obere hintere an das Tentorium
stösst. Das Schädelstück, unter welchem jener Abschnitt des Klein-
hirns liegt, ist von den Ansätzen der Nackenmuskeln gedeckt und
liegt unter der Linea semicircularis superior.
Die obere Grenzlinie für das Aufsetzen einer Trepankrone ist
gegeben durch die Linea sinus transversa Dieser Hauptsinus
des Schädels verläuft in seinem horizontalen Abschnitt in einer Linie
von der Spina occipitalis zur Basis des Processus mastoideus (Poirier),
da, wo dieser hinten durch eine Einsenkung markirt ist. Der verticale
Schenkel der Sinus entspricht dem mittleren Abschnitt der Aussen-
fiäche des Processus mastoideus, wenn dieser in 3 gleiche senkrechte
Theile getheilt wird.
Zur Trepanation d es Kleinhirns einseitig geht der Schnitt
von der Basis des Warzenfortsatzes entlang der Linea semicircularis
superior unter Ligatur der Arteria und Vena occipitalis bis zur Mittel-
linie und von da abwärts zwischen den Nackenmuskeln. Die Ansätze
letzterer werden vom Knochen bis gegen das Foramen magnum los-
gelöst. Ist man von vornherein sicher, dass beiderseitige Freilegung
des Kleinhirns nöthig ist, so spart man sich den medianen Schnitt
und macht den Schnitt von der Basis des einen Processus mastoideus
über die Spina occipitalis bis zur anderen Processus mastoideus-Basis.
ioo Specielle Operationslehre.
Hat man nach der Duraspaltung zu wenig Raum, so hebt man
mit grosser Sorgfalt zuerst mit dem Elevatorium die Dura und mit
ihr den Sinus transversus nach oben und Sinus occipitalis nach unten
vom Knochen ab, erweitert die Knochenlücke mit der schneidenden
Zange und darf behufs weiterer Spaltung der Dura die genannten
Sinus unterbinden. Nach HORSLEY's Erfahrung ist die Ligatur des
einen Sinus transversus ohne Bedenken zulässig; dann kann das
Tentorium zur Freilegung der oberen hinteren Fläche des Kleinhirns
seitlich gespalten werden, der mediane Sinus tentorii muss geschont
werden, da er das Blut aus der Vena cerebri int. communis aufnimmt.
Der Wegfall der Hinterhauptschuppe beiderseits in geschilderter
Ausdehnung hat nach Cotterill keinen Schaden für das Gehirn.
Ueber die Freilegung und Ligatur des senkrechten Theils des Sinus
transversus, sowie des Sinus longitudinalis vergl. weiter unten.
n) Die ausgedehnten Schädelresectionen.
Die Entfernung von grossen Schädelstücken ist, wenn auch
nicht immer, doch unter Umständen eine sehr blutige Operation.
Um zu bestimmen, ob man sich auf starke Blutung gefasst zu machen
hat, dient die Anlegung eines Probebohrloches mit der KüMMEL-
SuDECK'schen Fräse, wie schon oben hervorgehoben. Allein die
Hauptsache ist, dass man die ausgedehnten Schädelresectionen viel
mehr einschränke, als der heutigen Mode entspricht. Sie sollen nicht
— wie viel zu oft geschehen ist — als Explorativoperationen bei
mangelnder Diagnose ausgeführt werden, sondern zur Erfüllung ganz
bestimmter Indicationen.
Man hat sich zu den ausgedehnten blutigen Resectionen verleiten
lassen durch die Einführung der osteoplastischen Methoden
von Wagner und Wolf. Wir haben schon oben hervorgehoben,
dass die osteoplastischen Methoden aus bestimmten Gründen im
Allgemeinen blutiger sind. Ausserdem ist ihre Hauptindication. die
Furcht vor bleibenden grösseren Schädeldef ecten , unbeg'ründet.
Man hat aus vereinzelten Beobachtungen den Schluss gezogen, dass
grössere Knochendefecte am Schädel schon Störungen der Hirn-
function nach sich ziehen. Wir haben ausführlich an anderem Orte x)
auseinandergesetzt, dass diese Fälle andere Erklärung zulassen, dass
sehr grosse Schädeldefecte auch nach HORSLEY's Beobachtungen
ohne den geringsten Nachtheil bestehen können, wie experimentelle
und klinische Untersuchungen von BERESOWSKY und FEDOROFF
lehren. Endlich haben wir an demselben Orte gezeigt, dass die
Neigung zur Heilung von Schädeldefecten eine viel grössere ist, als
i) Nothnagel's spec. Pathologie und Therapie, Capitel über Hirn-
chirurgische Operationen, 1901.
Schädeltheil des Kopfes. 10i
man allgemein anzunehmen geneigt ist — sobald man (BERESOWSKY)
das innere Periost resp. die äussere Schicht der Dura sorgfältig
schont.
Das Bedürfniss nach osteoplastischer Deckung darf deshalb
ebensowenig abhalten von der bleibenden Entfernung grosser
Knochenstücke, als es verleiten darf, unnütz grosse Fenster in der
Schädelkapsel anzulegen. Die ausgedehnten Craniotomien bis zu
ihrer äusserten Grenze, der Hemicraniotomie sollen nur bei bestimmten
Indicationen ausgeführt werden. Solche bestehen bei der Noth-
wendigkeit, Flüssigkeitsansammlungen zu entleeren, Verletzungs-
herde zu beseitigen, oberflächliche Fremdkörper zu extrahiren (Splitter),
sowie in der Regel bei Beseitigung erhöhten Druckes im Schädel
nicht. Vielmehr hat man ausgedehnte Eröffnung des Schädels
nur nöthig, wenn grosse Tumoren zu entfernen sind oder eine Hirn-
operation in die Tiefe des Gehirns zu dringen hat, und es fragt sich,
welches in diesem Falle die beste Methode sei.
Im Allgemeinen giebt man zur Stunde der osteoplastischen
Methode für ausgedehnte Schädelresectionen den Vorzug. Aber
dieser Vorzug scheint nur darin seine Erklärung zu finden, dass
man viel zu oft ausgedehnte Resectionen gemacht hat, wo man mit
einer kleinen ausgekommen wäre. Aber selbst da, wo man wegen
Tumoren beispielsweise operirt, darf man fragen, ob die osteoplastische
Operation besser oder auch nur so gut sei, wie die von Horsley
regelmässig benutzte definitive Entfernung des Knochens. Sobald
im Gehirn grössere Substanzverluste gesetzt werden, müssen die-
selben durch irgend etwas ersetzt werden: Entweder man sorgt
dafür, dass die Weichtheile einsinken können und sich dem Defect
anpassen, oder es sammelt sich zuerst Blut, später Liquor an Stelle
des Def ectes an und diese Cysten sind eine Hauptursache späterer
übler Zufälle.
Das einfachste Verfahren ausgedehnter Schädelresectionen
ist demgemäss das von HORSLEY angewendete. Man bohrt den
Schädel an beschränkter Stelle mit dem Trepan an und entfernt mit
der schneidenden Zange (HORSLEY benutzt gewaltig grosse spitze
schneidende Zangen hierzu) so viel Knochen, als sich bei Freilegung
einer erst nur beschränkten Stelle der Hirnoberfläche nöthig zeigt.
Damit verzichtet man selbstverständlich auf osteoplastische Deckung,
was bei richtiger Indication, wie oben hervorgehoben, nicht als
Schaden betrachtet werden kann.
ia) Die osteoplastische Schädelresection.
Die WAGNER'sche ursprüngliche Methode besteht darin, dass
man mittelst eines hufeisenförmigen oder £2 (Omega)-Schnittes einen
grösseren Lappen, in der Regel mit abwärts liegender Basis anlegt,
102
Specielle Operationslehre.
und mit Meissel und Hammer den entsprechenden Knochenlappen
bildet, welcher an der Basis durchgeschlagen und am Periost-Haut-
stiel abwärts geklappt wird.
Wagner (Wiemann) wählte Lappen, die im Durchschnitt bis
8 cm hoch, 7 cm breit und an der Basis bis 5 cm breit waren.
Wiemann hat winklig zweischneidige Meissel zu diesem Behufe vor-
geschlagen, in Bajonnetform gebogen.
Doyen hat das Instrumentarium zu osteoplastischer Resection
sehr vervollkommnet und namentlich die Hemicraniotomie gepflegt
und ausgebildet. Er bildet sehr grosse Lappen mit Basis über dem
Ohr, bohrt an einer Reihe von Stellen mit geeigneter Fräse rasch
den Knochen an und fährt dann mit einer gegen die Dura durch
einen stumpfen Fortsatz gedeckten, elektrisch betriebenen Kreissäge
dem Schnitte nach, so dass er in wenigen Minuten den
Lappen herabklappen kann. Die Dura wird in gleicher
Weise in Lappenform gespalten und abwärts geklappt.
Die beiden Verfahren sind neuerdings von der
Sudeck 'sehen Methode überholt. Sie besteht darin,
dass mit einer von KÜMMEL zweck-
mässig modificirten Fräse (Fig. 27) ein
Loch gebohrt wird bis zur Dura. Durch
dieses Loch wird dann ein Stahlstift,
mit einer schneidenden Schrauben-
windung und mit einem platten Köpf-
chen versehen, wie Fig. 28 dies
zeigt, in die Oeffhung eingesetzt
unter Andrücken an die zu durch-
trennende Knochenstelle in beliebiger
Form und Richtung ein Lappen ge-
bildet oder auch ein Knochenstück
ganz herausgesägt. Auf 2 Punkte ist
die Aufmerksamkeit zu lenken bei
osteoplastischer Resection : Einmal ist
es zweckmässig, die Schädelknochen in der Weise schräg zu durch-
sägen, dass der Lappen auf der Aussenfläche grösser sei, als auf der
Vitreanache, damit er später nicht zu tief gegen das Gehirn zu ein-
sinke. Zweitens ist es gut, den Schnitt in der Dura nicht mit dem
äusseren Schnitt zusammenfallen zu lassen, damit die Narben nicht
mit einander verwachsen, sondern den Duralappen z. B. mit Basis nach
oben anzulegen, wenn er kleiner ist, während der Knochenlappen die
Basis unten hat.
Die Blutung soll bei Sudeck's Methode gering sein. Die
Schraubenfräse muss mit einer zahnärztlichen kräftigen Tretmaschine
betrieben werden oder, was viel besser ist, mit einem elektrischen
Fig. 27.
Fig. 28.
Schädeltheil des Kopfes. 103
Motor von ziemlicher Kraft. Das ist ein Nachtheil des Verfahrens,
im Uebrigen aber bedeutet die SuDECK'sche Fräse einen grossen
Fortschritt. Zeigt sich auch bei diesem Verfahren, dass die Blutung
bedenklich wird, so kann man durch häufiges Eintauchen des In-
strumentes in heisses Wachs dieselbe beschränken (Cushing).
13) Die circuläre Craniotomie.
Lannelongue hat die Theorie aufgestellt, dass ein Theil der
Fälle von Mikrocephalie und Idiotie darauf beruhe, dass die Nähte
zu frühzeitig verknöchern und durch die starr gewordene Schädel-
kapsel die Entwicklung des Gehirns gehemmt werde. Er hat des-
halb Streifen von Knochensubstanz herausgeschnitten in grosser
Länge um gleichsam künstliche Nahtverbindungen herzustellen. Die
Indication ist mit Recht in hohem Maasse angefochten worden.
Die beste Methode der Ausführung ist die circuläre Craniotomie,
wie sie von Dr. Dumont nach Besprechung mit mir bei Idiotie und
Mikrocephalie zuerst ausgeführt und beschrieben worden ist; sie ist
eine relativ wenig verletzende Operationsmethode und namentlich
weniger blutig als die Hemicraniektomie. Ich führe dieselbe in
folgender Weise aus:
Sagittaler Schnitt über die Mitte des Schädels von der Stirne
bis oberhalb der Spina anterior superior durch Haut und Galea,
welche genau wie bei Sectionen nach beiden Seiten mit den Händen
kräftig abwärts gezogen wird. Das Periost bleibt auf dem Knochen
intact und wird am Rande der beiderseits gleichmässig herunterge-
klappten Lappen in horizontaler Richtung durchschnitten und nun
der Schädel ganz analog wie bei Sectionen von Leichen mit der
Säge circulär eingesägt, nur nicht so tief unten wie bei letzteren.
An einer Stelle wird mit Sudeck-Kümmel's Kugelfräse durch-
gebohrt und so ein ca. 2/3 cm grosses Loch gebohrt bis auf die Dura
und nun unter sorgfältiger Loslösung der Dura, die an Nähten und zum
Theil Stellen von Gefässen stärker adhärent ist, mit einer Kneifzange
ein 1/.2 cm breiter Knochenstreifen herausgekneift, was verhältniss-
mässig rasch geht. An Stelle des Sinus longitudinalis vorne und
hinten muss man mit der Ablösung von Knochen besonders sorg-
fältig sein; sie lässt sich aber auch hier leicht bewerkstelligen.
So wird das Schädeldach völlig beweglich und es bleibt noch
die Spaltung der Dura übrig, um die Verknöcherung von der Dura
aus, deren Bedeutung in letzter Zeit von Beresowsky für die Art
der Heilung von Trepanationslücken betont worden ist, zu verhüten.
Man schneidet dabei die Meningealgefässe nicht ein, sondern lässt
dieselben nach Beresowsky's Rath als Brücken bestehen.
Die Blutung ist bei dieser Operation bei Kindern sehr gering.
Sollte sie stärker sein, so empfiehlt es sich eventuell, die Dura-
IOa Specielle Operationslehre.
Spaltung erst nach ein paar Tagen zu machen. Die Hautlappen werden
einfach wieder emporgeklappt und durch eine fortlaufende Hautnaht
vereinigt. Wir haben die Operation ohne jegliche Shok Wirkung in
einem Act durchgeführt und nur mit Collodialstreifen verbunden.
Bei irgend erheblicher Blutung ist es besser, einen leichten Com-
pressionsverband anzulegen.
14) Die explorative Trepanation.
Es ist schon lange Uebung, nach Freilegung des Gehirns, wenn
man auf der Oberfläche desselben keine Veränderung findet, aber
solche in der Tiefe vermuthet in Form von Abscessen und Flüssig-
keitsansammlungen anderer Art, mit Nadeln und Spritz enansätzen
nach verschiedenen Richtungen zu punctiren. Souchon und Payr
haben in Anlehnung an einzelne Physiologen kleine Incisionen in
die Weichtheile gemacht und mit dem Drillbohrer den Schädel
angebohrt, um Explorativpunctionen vorzunehmen oder auch um Ge-
schwulststücke oder Hirnpartikel herauszuholen.
Die einfachste Methode ist die von Albert Kocher be-
schriebene, bei welcher ein Drillbohrer ohne den geringsten äusseren
Schnitt nach Cocainisirung von Haut und Periost durch die Schädel-
weichtheilbedeckung einfach durchgedrückt wird bis auf den Knochen,
um diesen anzubohren. Es lässt sich dies mit grosser Leichtigkeit
bewerkstelligen und die Operation ist schmerzlos, da die sehr um-
schriebene Duraverletzung kaum merklich wird.
Wo man Verdacht auf Ansammlung von Flüssigkeiten hat,
Cysten, Hämatomen, Abscessen, da ist dieses Verfahren empfehlens-
werth. Wenn man das Instrument, nachdem die Vitrea durchbohrt ist,
was sich bei vorsichtigem Vorgehen stets leicht bestimmen Hess, in
gerader Richtung zurückzieht, um die Weichtheile nicht zu verschieben,
so kann man den Ansatz einer PRAVAz'schen Spritze durch die Dura
ins Gehirn hineinstechen , aspiriren und auch eine Injection vor-
nehmen.
Die Injection von Tetanusserum nach diesem Verfahren hat sich
uns für die Roux-BoRRELL'sche Tetanusbehandlung stets vorzüglich
bewährt. Wir haben die Explorativtrepanation mit dem Drillbohrer,
wenn nicht durch Ansammlung abnormer Flüssigkeit die Stelle be-
zeichnet war, stets da vorgenommen, wo man am leichtesten in den
Seitenventrikel hineingelangen kann. Wir werden auf die Ventrikel-
punctionen sofort zu sprechen kommen.
15) Die Punction der Seitenventrikel.
Dass man bei Flüssigkeitsansammlung unter vermehrter Spannung
in den Ventrikeln dieselbe zu entleeren hat, ist eine feststehende
Indication und es sind einige schlagende Resultate verzeichnet,
Schädeltheil des Kopfes. 105
welche durch blosse Punction der Ventrikel erzielt wurden. Die
Methode des Eindringens in die Ventrikel wird sehr verschieden
geschildert.
Dies mag daher rühren, dass die Punction eines gesunden Ven-
trikels mit minimalem Inhalt sehr schwierig ist, weil die Nadel leicht
die Wand verletzt, daher kann man bei normalen Verhältnissen die
beste Methode schwer experimentell feststellen. Um so leichter ist
es, bei Flüssigkeitsansammlung einen Ventrikel derselben zu treffen
von den verschiedensten Stellen aus.
Uebereinstimmend sind die Angaben über die Punction von der
Seite, indem man hinter und über dem Ohr, dem hinteren Ende
der Linea temporalis entsprechend eindringt. Man gelangt hier sehr
gut .über den Boden des Ventrikels in denselben. Man darf nicht
bis zur Basis des Processus mastoideus heruntergehen, weil man sonst
den Sinus transversus verletzen könnte.
Keen konnte hier (ca. 3 cm hinter dem äusseren Gehörgang
und 3 cm oberhalb) 5 cm tief den Ventrikel nicht bloss punctiren,
sondern, bei Eröffnung beiderseitig, sogar durchspülen. Er stach
direct in der Richtung gegen die Spitze der gegenseitigen Ohrmuschel
ein. Mayo Robson sticht nach Fräser in den hinteren Theil der
1. Schläfen windung ein.
In einem Falle, welchen wir Juni 1891 durch einen direct median-
wärts gerichteten Stich vor dem hintersten Ende der Crista tempo-
ralis operirten, konnten wir 4 g blutig-seröse Flüssigkeit entleeren,
aber es gelang uns nachher nicht, ein Drainrohr einzuführen, obschon
die Nadel sehr exact hinter dem hintersten Ausläufer des Corpus
striatum über den Boden des Seitenventrikels eingedrungen war.
Die Entleerung war zu vollständig, die Wände waren zusammen-
geklappt. Es erschienen uns deshalb die mit der Richtung der
sagittalen Ausdehnung des Ventrikels zusammenfallenden Punctions-
richtungen am geeignetsten, weil man nicht wie bei der quer ein-
tretenden Punction bei sehr wenig gefülltem Ventrikel Gefahr läuft,
sofort die gegenüberliegende Wand anzustechen, da der Ventrikel
in sagittaler Ebene doch eine gewisse Ausdehnung hat.
Man kann in der Sagittalebene, welche mit der Richtung des
Haupttheiles des Ventrikels zusammenfällt, von vorn, oben und hinten
einstechen, allein, um die Centren von bekannter Function zu ver-
meiden, ist es am besten, schräg von vorn oben oder von hinten
oben einzustechen.
Wir haben in der Regel den Einstich etwas vor dem Bregma
gemacht, 2 cm von der Mittellinie entfernt, nach abwärts und rück-
wärts. Die Nadel muss 5 — 6 cm tief eindringen, um den Ventrikel
zu treffen, trifft diesen aber auch sicher, wenn er durch Flüssigkeit
ausgedehnt ist. Auch die Drainage von oben hat uns in der Regel
io6 Specielle Operationslehre.
gut entsprochen, da der Drain in dieser Richtung am wenigsten
riskirt, die gegenüberliegende Wand zu verletzen, sobald man ihn
bloss in den oberen Theil des Ventrikels eindringen lässt und sein
weiteres Vordringen durch einen auf der Schädeloberfläche fixirten
Ring oder Schild hindert.
16) Die Operationen am Gehirn.
Die Entleerung von Flüssigkeiten, Excision von Narben und
Neubildungen aus der Hirnsubstanz hat stets zur Voraussetzung die
Trepanation, wenn es sich nicht um vorgängige Verletzungen
handelt. Wenn bloss angesammelte Flüssigkeiten, Blut, Liquor oder
Eiter zu entleeren sind, so kann dieses in unmittelbarem Anschluss
an die Trepanation geschehen. Wo aber eine eingreifende Operation,
wie für gewisse gefässreiche Tumoren am Gehirn vorzunehmen
ist, da kann nicht genug auf die durch die Erfahrung bewährte
Praxis von Horsley aufmerksam gemacht werden, zweizeitig zu
operiren.
Die Operation unter 2, je unter Umständen auch
3 Malen hat den Vortheil, dass die doppelte Shok Wirkung ver-
mieden wird, welche auf starken Blutverlust und auf längere Narkose
erfolgen kann. Es ist dies um so mehr zu berücksichtigen, als man
bei Hirnoperationen dem Chloroform im Allgemeinen den Vorzug
geben muss, da Aufregung und Blutung dabei geringer sind. Chloro-
form schliesst aber die Gefahr stärkerer Blutdruckerniedrigung ein,
und wenn diese sich mit Blutverlust combinirt, so kann sie leicht
zu fatalem Ausgang führen. Bei Tumoren sind oft die Gefässe er-
weitert, und zumal durch lange antisyphilitische Kuren unnütz herunter-
gebrachte Kranke sind zu starken Blutverlusten geneigt. Dazu kommt,
dass in Folge gesteigerten intracraniellen Druckes starke venöse
Stauung nach aussen hin bestehen kann.
Es ist bei zweizeitigen Operationen wünschenswerth, dass ein
gehöriger Zeitraum zwischen erster und zweiter Operation liege,
damit der Patient sich völlig erholt habe; selbst ein osteoplastisch
gebildeter Lappen lässt sich nach 14 Tagen noch mit Leichtigkeit
aufklappen. Wenn man schon bei der ersten Operation allfällige
Ligatur grösserer Meningealgefässe , namentlich der Durasinus
durchführen konnte, so wird die zweite Operation um so weniger be-
denklich.
Bezüglich der Methode der Ausführung ist zu bedenken,
dass die zu gefährlichen Blutungen Anlass gebenden Gefässe alle
in den Hirnhäuten liegen. Zunächst hat man mit den Arterien
und Venen der Dura zu thun. Die Arterien machen keine Schwierig-
keiten, die Venen dagegen machen da, wo sie sich zu breiten Sinus
erweitern (Sinus parieto-sphenoidalis BRECHET) und zu den Lacunae
Schädeltheil des Kopfes. IQ7
laterales vor dem Eintritt in die Sinus, unter Umständen grosse
Schwierigkeit, wenn man in der unmittelbaren Nähe der Sinus die
Dura trennen muss, was, wenn thunlich, stets zu vermeiden ist.
Zur Trennung dieser grossen Venenräume, sowie der Sinus
selber muss als Regel gelten, die Gefässe zuerst sorgfältig soweit
zu isoliren oder wenigstens zugänglich zu machen, dass man die-
selben verlässlich unterbinden kann. Eine aseptische Ligatur
eines Sinus hat keine Bedenken. Nicht bloss der Sinus longi-
tudinalis, sondern auch der Sinus transversus der einen Seite
darf unterbunden werden — vorausgesetzt, dass die andere Seite
frei istfl).
Auf Tampon ade darf man sich zu dauernder Blutstillung nicht
verlassen, obschon sie das beste Mittel ist zu momentaner Verhütung
grösseren Blutverlustes (zunächst mit dem Finger, dann event. mit
aseptischer Gaze ausgeführt), wenn man zufällig einen grösseren venösen
Raum eröffnet hat. Geeignet sind breite Klammern, welche die
Dura in grösserer Breite zusammendrücken event. mit der Ein-
richtung, dass bei noch liegender Zange zwischen den mit Schlitz
versehenen Hälften eine Nadel zu fortlaufender Naht durchgeführt
werden kann. In diesem Falle ist auch eine fortlaufende seitliche
Naht gestattet, wie wir sie für die grössten Venen gegenwärtig be-
nutzen bei partiellen Continuitätstrennungen.
Ist man mit der Dura im Reinen und hat man bei deren Lösung
die in die Diploö tretenden und die von der Gehirnoberfläche zur
Dura sich erhebenden grossen Venen isolirt und unterbunden (et-
waige Ligaturen werden besonders in der Nähe des Sinus longitudinalis
nöthig), so handelt es sich wesentlich noch um Isolirung und
Ligatur der in der weichen Hirnhaut verlaufenden Gefässe.
Dieselben sind am besten zugänglich zu machen dadurch, wie
Horsley angiebt, dass man die Pia im Umkreis der zu exci-
direnden Partie ab- und aus den Sulci heraushebt
mit Pincette oder Häkchen.
Ist das Gehirn endlich völlig freigelegt, so kann dasselbe ohne
starke Blutung incidirt werden, was nach HORSLEY in genau
senkrechter Richtung im Verlauf der Faserung der Corona radiata zu
geschehen hat. Auch die bei Herausheben eines Hirntumors ent-
stehende Blutung lässt sich durch Tamponade stillen. Es ist aber
wünschenswerth, dass man die Tamponade nicht belasse, sondern,
falls die Blutung steht und man aseptisch operiren konnte (also nicht
bei Abscessen), die Wunde völlig verschliesse. Besonders Horsley
macht gegenüber der noch so allgemein üblichen Tamponade (mit
Jodoformgaze) auf die Vortheile primärer Naht aufmerksam.
io8 Specielle Operationslehre.
17) Die Deckung knöcherner Schädeldefecte.
Die Frage, wie Schädeldefecte am besten zu decken seien, hat
in den letzten Jahren die Chirurgen über Gebühr beschäftigt und
ihre Findigkeit herausgefordert. Zweifellos ist die Hirncirculation
in ihrer Eigenartigkeit auf das Vorhandensein einer wesentlich
starren Kapsel angewiesen. Allein kleinere Defecte werden eines-
theils Dank den osteoplastischen Eigenschaften des äusseren Dura-
blattes mit der Zeit zum guten Theil verschlossen, andererseits füllt
sich der Ausfall mit so strammer Narbe, dass der Circulation im
Schädel kein Schaden erwächst. Es bedarf dazu schon sehr grosser
Defecte. Der Verschluss solcher aber hat bei pathologischem Inhalt
wieder seine entschiedenen Nachtheile.
In dieser Hinsicht ist mir der von Depage beschriebene Fall
sehr interessant, wo wegen Läsion des Sinus lateralis nach Splitter-
fractur eine ausgiebige Trepanation gemacht wurde mit folgender
Hernia cerebralis. Die leichten intellectuellen Störungen, hauptsäch-
lich Sprache und Gedächtniss betreffend, wurden sehr entschieden
gebessert, sobald man eine feste Platte einbrachte, aber wieder-
holt führte auch der damit verbundene Druck epileptische Anfälle
herbei.
Es ist also, wenn ein grosser Schädeldefect mit intellectuellen
Störungen verbunden ist, zu prüfen, ob ein starrer Verschluss mit
Druck wirklich Besserung ergiebt und ob diese ohne Schaden, be-
sonders hinsichtlich posttraumatischer Epilepsie sich erhält. Wenn ja,
so ist die Deckung anzustreben.
Die natürlichste und im Enderfolg sicherste Deckung mit gutem
Verschluss durch Knochen erhält man mit der MüLLER-KöNlG'schen
autoplastischen Methode. Es wird, wie bei anderen Lappen-
plastiken, ein gestielter Lappen nebenan umschnitten mit Basis ab-
wärts gegen die zuführenden Gefässe der Kopfschwarte zu und statt
bloss das Periost vom Knochen sammt Haut loszulösen, nimmt man
die äussere Corticalis des Knochens mittelst Meissel oder feiner Säge
(Nicoladoni) mit. Die Hauptsache ist dabei nicht sowohl, dass man
eine schöne Knochenplatte erhalte, sondern wie später bei Besprechung
der Resectionen und Amputationen im Allgemeinen hervorgehoben
werden soll, dass man die osteoplastische Schicht der Knochenober-
fläche resp. der tiefsten Periostlage völlig intact erhalte. Dass dabei
der Knochen bricht und splittert, hat gar keinen weiteren Nachtheil.
Die blossgelegten Knochenschichten neben dem Lappen deckt man
durch Hauttransplantation.
Will man einen wirklich festen Verschluss erhalten, so ist es
wünschenswerth, dass man die Knocheneinlage an den gesunden
Knochen fest anschliesse. Dies gilt ganz besonders für alle Deckungs-
methoden durch Einlage von Knochen von anderen Körperstellen oder
Schädeltheil des Kopfes. ioq
heterogenem Material. Hertens hat in neuester Zeit auf ElSELSBERG's
Veranlassung das Verhalten transplantirten Knochens bei Schädel-
defecten studirt und kommt zu folgenden Schlüssen: Entkalkter
Knochen, wie er von Neuber, Senn und Kümmell empfohlen ist,
verzögert die Heilung, weil er erst resorbirt werden muss. Geglühter
Knochen, von Landerer und Barth empfohlen und von letzterem
durch zahlreiche Versuche als dadurch empfehlenswerth erwiesen, dass
es zur Heilung von Knochendefecten lediglich auf Zufuhr von Kalk-
salzen ankomme, bedingt noch eine recht langsame Heilung, weil er
den eindringenden Granulationen wenig" Widerstand entgegensetzt.
Am besten eignet sich eine fest eingesetzte gekochte Knochen-
scheibe nach Westermann und David's Vorschlägen. Nach
Barth geht das Implantatum selber zu Grunde, aber in diese feste
gekochte Knochenscheibe wächst von der Diploö, von der Dura und
dem Periost osteogenes Granulationsgewebe auf wohlangewiesenen
Wegen hinein und nimmt rasch die Form des resorbirten Im-
plantatums an. Spongiosa wird leichter durchwachsen als dichte
Corticalis. Statt mit Czerny deshalb von der Innenfläche der Tibia
den Ersatz zu nehmen, wird man besser thun, von der Metaphyse
der Tibia mittelst einer feinen Doppelsäge (nach Art der für Eröff-
nung des Wirbelkanals bei Sectionen gebräuchlichen) eine etwas ge-
bogene Knochenscheibe geeigneter Form auszusägen und fest ein-
zusetzen — nachdem sie gekocht ist, sobald sie einem todten Knochen
entnommen werden muss.
Zur Heteroplastik im engeren Sinne verdient die Cellu-
loidplatte von A. Fränkel den Vorzug vor den anderen, weil
sie leicht zu desinficiren und leicht erhältlich. FräNKEL geht von
dem sehr richtigen Gedanken aus, dass es nicht wünschenswerth
sei, dass zwischen einem implantirten Stück und den Hirnhäuten
Verwachsung eintrete, was bei der durch eingelegte Knochen ver-
anlassten Granulationsbildung unvermeidlich sei. Allein wir möchten
betonen, dass diese Verwachsungen zwischen Dura und Schädel
keine wesentlichen Nachtheile bringen und dass nach BERESOWSKY's
Nachweisen bloss bei Duradef ecten die Verwachsung mit der weichen
Hirnhaut zu fürchten ist, da nur eine intacte Pia Schutz gegen Ver-
narbungsvorgänge bis in die Hirnrinde gewährt.
Bei blossliegender Pia-Arachnoidea wird man also gut thun,
nach Fränkel's Rath eine Einlage zu benutzen, welche nicht zu
Verklebung mit der Unterlage führt, entweder seine Celluloidplatte,
fest und ohne Drainage eingefügt mit Hautnaht auch ohne Drainage
(Eiselsberg) als bleibende heterogene Einlage. Oder man wird,
wie wir anderswo auf Grund von Beresowsky's Versuchen be-
sprochen haben, zwar Knochen in Form von Auto- oder Hetero-
plastik benutzen, aber denselben durch Auflage einer Serosa (z. B.
IIO Specielle Operationslehre.
eines Stückes der Tunica vaginalis) eine glatte Unterlage geben
zum Schutz der Pia gegen vorwachsende Granulationen.
18) Trepanation des Sinus longitudinalis.
Ueber den Sinus durae matris trepanirt man nur, wenn man
hierzu durch die Lage einer Verletzung, eines Hirntumors etc. ge-
nöthigt ist oder wenn man die Sinus selber freilegen oder eröffnen
will. Man braucht sich nicht zu sehr zu fürchten, den Knochen
unmittelbar über den Sinus zu entfernen, da sich letztere stumpf
ohne Blutung vom Knochen in grosser Ausdehnung abheben lassen.
Nur bedarf es besonderer Sorgfalt, die Wand der Sinus und der
grossen einmündenden Venen nicht zu verletzen.
Der Sinus longitudinalis superior liegt nach Horsley völlig
rechts von der Medianlinie, was Dana bestreitet. Er ist sehr breit
(i cm nach Poirier) und mit den einmündenden Lacunen bis auf
3 cm, so dass man noch i1/2 cm von der Mittellinie entfernt bei
Trennung des Knochens langsam und vorsichtig die Dura abheben
muss. Denn die dünnwandigen Lacunae zerreissen leichter als der
Sinus.
Wenn man die Dura in der Nähe des Sinus longitudinalis ver-
letzen muss, so ist es gut, gehörig Raum zu schaffen, um allen
Eventualitäten gewachsen zu sein. Denn es bestehen hier Com-
municationen mit den Venae diploicae und es münden in die Sinus
und die Lacunen die grossen Duralvenen (Sinus parietosphenoidalis)
und die sich von der Hirnoberfläche erhebenden grossen Hirnvenen
ein , deren Blutung bloss durch exacte Unterbindung richtig zu
beherrschen ist.
Aseptische Ligatur im Bereich des Sinus longitudinalis hat
wenigstens in seinen peripheren, am Scheitel gelegenen Abschnitten
schon deshalb keine Gefahr, weil die grossen Venen der Hirnober-
fläche in mehreren Zügen getrennt sich in denselben einsenken und
unter sich genügende Communicationen darbieten.
19) Trepanation über dem Sinus transversus (vergl.
Fig. 29 und 30).
Diese Operation ist eine relativ häufige, weil im Sinus trans-
versus durch Ueber greifen von Entzündungen im Mittelohr Throm-
bose und Eiterung am häufigsten vorkommt, und zwar ist es haupt-
sächlich der absteigende Schenkel des Sinus , welcher für
diese Operation in Frage kommt. Man construirt sich die Stelle
der Trepanation, indem man den vorragendsten Punkt der Basis
des Processus mastoideus aufsucht, welcher nach hinten von
dem Rande der Ohrmuschel sich erhebt. Fingerbreit höher liegt
Schädeltheil des Kopfes.
II i
das kammartig schräg nach hinten emporsteigende Ende der Linea
temporalis. Zwischen dieser Kante und jener Vorragung liegt auf
der Innenseite der Sinus transversus, welcher entlang dem hinteren
M. temporalis — u^-t— —
Hinteres Endei JSlillw
der Crista ' V~fe
temporalis J
Spina supral
meatum /
Fascie
Ansatz des M.
sternocleido
I
li
Fig. 29. Ohrmuschelschnitt1). I. zur Trepanation des Antrum, 2. des Sinus
transversus, 3. zur Eröffnung des Unterhorns des Seitenventrikels, der Schläfen-
abscesse und Kleinhirnabscesse.
Theil des mittleren Drittels des Processus mastoideus noch eine
Strecke weit abwärts verfolgt werden kann. Man macht eine In-
cision entlang dem hinteren Rande der Ohrmuschel (Ohrmuschel-
1) Der Schnitt ist oben zu gerade gerathen, er sollte etwas bogenförmig
nach vorn ziehen.
112
Specielle Operationslehre.
schnitt Fig. 29); dieselbe trennt oben noch ein Stück des M. tem-
poralis. Das Periost wird mitgespalten, nach vorn geschoben, unten
wird der Ansatz des M. sternocleido mit dem Messer gelöst. Der
Lobus tem-
poralis, I cm
tiefer hinein
Hinterhorn
des Seiten
Ventrikels
Sinus trans
versus
Antium \
mastoideum/
Innenfläche des Periosts
Fig. 30. Trepanation des Antrum mastoideum, des Sinus transversus, des
Lobus temporalis und Hinterhornes des Seitenventrikels. Der Schnitt ist ent-
lang dem hinteren Rande der Ohrmuschel bis durch das Periost geführt. Man
sieht zwischen der oberen und den zwei unteren Trepanationsöffnungen den
hinteren Ursprung der kammartigen Linea temporalis. Unten erscheint an der
Spitze des Warzen fortsatzes der Ansatz des Muse, sternocleido.
hintere Wundrand wird etwas rückwärts gezogen. Ist der Schädel
durchgemeisselt, so liegt die Wand des Sinus frei. Das Emissarium
mastoideum geht dem mittleren Drittel des Processus entsprechend
Schädeltheil des Kopfes. 1 1 ^
durch den Knochen. Bei 8 Verletzungen des Sinus lateralis, welche
Gangolphe und PiCRY zusammengestellt haben, ist jedesmal der
Tod erfolgt. Depage hat (Februar 1900) einen Fall durch Tampo-
nade durchgebracht, bei welchem ein Splitter bei nicht complicirter
Fractur den Sinus verletzt hatte. Viel häufiger kommt man in den
Fall, den Sinus bei Operationen an dieser Stelle vermeiden zu wollen,
speciell bei Eröffnung der Cellulae mastoideae (s. diese).
Der horizontale Theil des Sinus trans versus ist durch die
Linea glabello-occipitalis bezeichnet, soweit diese der Linea semi-
circularis occipitalis superior folgt (Poirier). Die Zusammenfluss-
stelle mit dem Sinus longitudinalis liegt unterhalb der Spina occi-
pitalis (Confluens sinuum). Der horizontale Theil muss gelegentlich
bei Hirntumoren freigelegt und kann ohne Schaden einseitig unter-
bunden werden (Horsley). Vergl. das Nähere bei der Trepanation
des Kleinhirns.
20) Trepanation bei intracranieller Blutung.
Nicht nur bei Blutungen in die Hirnhäute, speciell aus der Art.
menigea media, besteht die Indication zur Trepanation, sondern man
ist mit Recht in neuester Zeit einen guten Schritt weiter gegangen
und hat auch bei tiefer gelegenen Blutungen versucht, den Hirndruck
im Allgemeinen und die localen Schädigungen durch den Druck des
ergossenen Blutes zu beseitigen.
Freilich ist hier die Indication schwerer zu stellen, als bei dem
extraduralen Hämatom durch Zerreissung der Art. menigea media.
Schulz beschreibt *) eine Trepanation bei einem subduralen Hämatom
von 200 g Blut unter dem Stirnbein (operirt von Henle in der
Breslauer Klinik), bei welchem die Indication hergenommen wurde
aus peripher bedingter Schädigung des rechten Opticus mit Amblyopie,
des rechten Oculomotorius mit Ptosis und theilweiser Störung der
Bulbusbewegung, Anosmie und speciell aus Parese des gegenüber-
liegenden (linken) Beins mit gesteigerten Reflexen und Parese des
linken unteren Facialastes.
Diese getrennten Herderscheinungen, sowie die vorwiegende
Betheiligung des Beins ohne den Arm scheinen Schulz besonders
verwerthbar für die Diagnose eines intra- gegenüber dem extra-
duralen Hämatom, da sich ersteres weiter und ungleichmässiger ver-
theilen kann. Multiple Nervenläsionen an der Schädelbasis, soweit
sie sich nicht durch Fissuren erklären, dürften wegen der schwereren
Ablösbarkeit der Dura daselbst für intradurale Blutung unter Um-
ständen ins Gewicht fallen.
1) Inaug.-Diss. Breslau 1897.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl.
ha Specielle Operationslehre.
Gleichseitige Opticus- oder Oculomotoriuslähmung allein ist ebenso
wie gleichseitige Stauungspapille auch bei extraduralem Hämatom
keineswegs selten.
Auf eine weitere Eigenthümlichkeit möchten wir hier besonders
aufmerksam machen, dass bei subduralen Hämatomen gelegentlich
nicht gekreuzte Lähmungen vorkommen, welche an supradurale oder
centrale Läsion der anderen Seite denken lassen könnten. Stabel
beschreibt einen von Hahn operirten Fall, wo die Kopf- und Augen-
rechtsdreher, der rechte untere Facialast, die rechtseitigen Extremi-
täten völlig gelähmt waren, links dagegen bloss Spasmus mit ge-
steigerten Reflexen in Bein und Arm bestand bei einem rechtseitigen
subduralen Hämatom von 90 ccm Vol.
Ich möchte hier nicht mit Stabel eine Anomalie der Innervation
annehmen, sondern, wie bei Besprechung localen Hirndruckes aus-
einander gesetzt, die rechtseitige Lähmung bloss beziehen auf die
Verschiebung der Falx. Ich habe daselbst eine eigene Beobachtung
mitgetheilt, welche beweist, dass bei intraduralem Extravasat der locale
Druck viel geringer ist, weil sich das Blut mehr vertheilt, als der
allgemeine resp. fortgeleitete. Es kann demgemäss die starke Ver-
schiebung der Falx wohl zu einer Läsion der gegenüberliegenden
Rindencentren (in Hahn's Fall bestand eine starke Duraspannung auf
der entgegengesetzten Seite) oder zu einer Leitungsunterbrechung in
den Stabkranzfasern Anlass geben.
Nicht nur das subdural ergossene Blut hat man durch Trepanation
mit Erfolg entleert, sondern sogar die Quelle der Blutung gefunden
und die betreffende Arterie an der Hirnoberfläche unterbunden. So
hat Schneider (Königsberg) *) bei einer Stichverletzung in die linke
Schläfengegend wegen Aphasie und zunehmender Hemiparese rechts
trepanirt, die Dura gespalten, das ergossene Blut ausgeräumt und
einen spritzenden Ast der Art. cerebri media unterbunden, die Dura
mit Catgut vernäht mit Besserung der Hemiplegie vom 2. Tage, der
Aphasie vom 3. Tage ab.
Aufmerksam zu machen ist auf die event. Unterstützung der
Diagnose auf subduralem Bluterguss durch die QuiNCKE'sche Lumbal-
punction, welche Blutbeimischung zum Liquor ergeben kann. Aber
auch intracerebrale Blutungen, welche zu hemiplegischen Erschei-
nungen geführt hatten, hat man bereits durch Trepanation, Eröffnung
des Herdes und Entleerung des Blutes mit glücklichem Erfolge
operativ behandelt.
Kein Autor insistirt mit grösserer Energie auf die Notwendig-
keit, auch bei Hirncontusionen und Bluterguss innerhalb der Hirn-
substanz chirurgisch einzugreifen, als Horsley. In seinem Vortrag
I) Arch. f. klin. Chir. 1886, Bd. 34.
Schädeltheil des Kopfes. : : c
am internationalen Congress in Berlin 1890 erklärt er, dass er sich
keinen Fall denken könne, wo man nicht bei complicirten Fällen von
Hirnzerreissung einzugreifen hätte, seien sie frisch oder alt;
Aber er will auch in allen einfachen Fällen von Hirnzerreissung activ
vorgehen, um den früheren oder späteren Eintritt von Epilepsie zu
verhüten. Er theilt bei dieser Gelegenheit einen Fall mit, der im
Gegensatz zu einem analogen, binnen 8 Tagen bei zuwartender Be-
handlung in Coma und Convulsionen zu Grunde gegangen, durch die
Operation gerettet wurde. Er betrifft einen Arzt mit ausgedehnter
Zerreissung des Frontal-, Parietal- und Temporallappens, bei dem
Hemiplegie und Bewusstlosigkeit 10 Tage lang bestanden, dann Coma,
CHEYNE-STOKES'sches Athmen eintrat. Durch ausgiebige Trepanation
und Auswaschen der Blutgerinnsel aus dem ganzen linken Duralsack
(wohl Arachnoidealraum) trat völlige Heilung ein, so dass der Be-
troffene wieder seinen ärztlichen Beruf ausüben konnte.
Auch für nicht traumatische Blutungen kann mit Erfolg
trepanirt werden, so für die Pachymeningitis haemorrhagica,
wie ein schöner Heilungsfall aus neuester Zeit von Kohl in Chur
beweist. In Fällen, wie die von A. Fränkel beschriebenen und
richtig diagnosticirten von Pachymeningitis haemorrhagica interna,
wo sich auf einer Seite 200 und auf der anderen 140 ccm flüssiges
Blut auf dem Gehirn vorfand, ist klar, dass der Tod durch Hirn-
druck wenigstens unmittelbar zu vermeiden war durch Hebung des
Hirndrucks. Schubweise Entwicklung der Symptome, Doppelseitig-
keit der Symptome, Vorwiegen von Spasmen bis zu tetaniformen
Zuständen, einseitiger Nystagmus lassen neben anderen Symptomen
von Hirndruck (Stauungspapille) die Diagnose genügend sicher stellen.
Abernethy macht auf die Blutleere der Knochen über grösseren
subduralen Blutergüssen aufmerksam, was ich December 1897 bei
einem älterem Manne bestätigen konnte.
Wir verweisen für weitere Belege auf unsere Arbeit über Hirn-
druck und Hirnerschütterung in Nothnagels Pathologie.
Wir stimmen Krönlein völlig bei, dass in erster Linie die Ab-
sicht der Trepanation sein muss, das Hämatom zu treffen oder,
besser gesagt, die Hämatome. Denn man darf sich bei Zeichen von
manifestem Hirndruck mit der Entleerung von 50 g nicht begnügen.
Man hat nach Wiesmann selbst bei 75 g, ganz in Uebereinstimmung
mit Experimenten, noch alle Drucksymptome fehlen sehen und vor
dem Exitus andererseits Blutungen bis zu 250 g anwachsen sehen,
also über 1/6 des normalen Hirngewichtes bei Männern (1430) und des
normalen Volumens des Schädels (1500). Es bleibt also bei zu geringem
Bluterguss indicirt, an einer zweiten Stelle zu suchen.
Erst nachdem das Blut entleert ist, kommt die Ligatur einer
event. blutenden Arterie in Frag-e, und da ist es allerdings weitaus
n6
Specielle Operationslehre.
am häufigsten die Arteria meningea media, mit welcher man sich zu
beschäftigen hat. Die Blutungen aus diesem Gefäss führen nach
Wiesmann in 90 Proc. der Fälle zum Tode, wenn nicht operirt wird,
während durch Operation 67 Proc. geheilt werden.
Oberer
Rand des
)jochbogens
Fig. 31. Ligatur der A. meningea media.
ai) Trepanation zur Freilegung der Arteria meningea
media und ihrer Hämatome (vergl. Fig. 31).
Die Arteria meningea media versorgt die Hirnhäute mit Blut. Als
Unterbindungsstelle derselben giebt Jacobson eine Stelle von 5 cm
hinter und 1,2 cm über dem Proc. zygomaticus des Stirnbeins an.
In der Regel wird nach Vogt eine Stelle gewählt, welche zwei
Finger breit über dem Jochbogen liegt und daumenbreit hinter dem
Schädeltheil des Kopfes. 117
Processus zygomaticus des Stirnbeins. Aber dieser Punkt trifft1)
nur einen Theil der Arterie, nämlich nur den vorderen Ast der-
selben. Wenn man den hinteren Ast gleichzeitig treffen will, so
muss man die Trepanation unmittelbar über der Mitte des
Jochbogens machen. Hier ist aber nicht nur die Kopfschwarte
und das Periost zu durchschneiden, sondern hier kommt noch in
Betracht der M. temporalis, dessen Fasern senkrecht verlaufen. Da
aber ein Schnitt hier der Zweige des N. facialis wegen nicht unter
den Jochbogen heruntergehen darf, so ist eine Längsspaltung un-
zulässig, man benutzt unseren Schläfenschnitt (vergl. Fig. 31)
schräg von der Stirn-Jochbeinverbindung2) bis zum hintersten Ende
des Jochbogens und von da rück-aufwärts, trennt Haut und die
stramme Temporalf ascie und geht nach Ligatur der Arteria tempo-
ralis superficialis am hinteren Rande des M. temporalis auf den
Knochen ein, von welchem man den Muskel sammt dem Periost
nach vorne abhebelt. So vermeidet man die Blutungen aus den
tieferen Temporalgefässen und trifft am sichersten die Stelle der
Schläfenschuppe, unter welcher die gesuchte Arterie liegt. Der
Knochen ist hier sehr dünn. PoiRlER empfiehlt wie wir die Mitte
zwischen Hörgang und Processus frontalis des Jochbeins zu nehmen,
aber 5 cm oberhalb zu trepanieren.
Krönlein, welcher grosse Erfahrung über Blutungen aus der
Arteria meningea besitzt, giebt Angabe über zwei Punkte, an denen
man am sichersten die Extravasate aus dem vorderen und hinteren
Hauptast der Arteria zu treffen Aussicht hat. Diese zwei Krönlein-
schen Punkte liegen in einer Horizontalen von Supraorbitalrand rück-
wärts gezogen, der vordere 3 — 4 cm hinter dem Processus zygo-
maticus ossis frontis, der hintere an der Kreuzungsstelle mit einer
Verticalen durch den Hinterrand des Processus mastoideus. Bei
Extravasaten, wie er eines beobachtete, welche bis nahe ans
Foramen magnum heranreichen, schlägt Krönlein noch einen
dritten Punkt zur Trepanation vor, unter der Mitte der Linea semi-
circularis superior rechts oder links.
Steiner hat nach Untersuchung von 100 Schädeln den vor-
deren Ast jedesmal gefunden am Kreuzungspunkt einer Senk-
rechten auf die Mitte der Verbindung von Glabellamitte zur Spitze
des Warzenfortsatzes mit einer Horizontalen von der Glabellamitte
um den Schädel; den hinteren Ast in 90 Proc. der Fälle an der
Kreuzung der letztgenannten Horizontalen mit einer Senkrechten
vor dem Processus mastoideus aufwärts.
1) Vergl. in Merkel's Anatomie S. 65.
2) In Fig. 31 ist der vordere Schnitt etwas zu tief gezeichnet in seiner
vorderen Hälfte.
u8
Specielle Operationslehre.
Noch zwei Stellen am Schädel giebt es, die wir bei Trepanation
vermeiden oder noch häufiger wissentlich freizulegen in der Lage
sind: dies sind die Stellen des Sinus frontalis und des Antrum
sammt Cellulae mastoideae. Eiteransammlungen in diesen Höhlen
sind die wichtigste Indication zu ihrer Eröffnung.
N. frontalis
A. u. N. supra-
orbitalis
M. orbicularis
M. orbicularis)
oculi /
Abgetrennterf t':..f'iE
M. quadratus>~"
labii sup. J
N. infraorbitalis
Sinus fron-
talis
Fig. 32. I. Ligatur der A. supraorbitalis. Freilegung des N. supraorbitalis.
2. N. infraorbitalis. 3. Eröffnung des Sinus frontalis.
aa) Trepanation des Sinus frontalis (Fig. 32).
a) Eröffnung des Sinus.
Schnitt nach Abrasiren der Haare durch die Augenbraue bogen-
förmig bis zur Mittellinie auf den Knochen. Der obere Wundrand wird
sammt dem abgehebelten Periost nach oben gezogen. Der Schnitt
Schädeltheil des Kopfes. ! x n
durchtrennt die N. frontalis und supraorbitalis und die gleichnamige
Arterie, er schont aber, was viel wichtiger ist, die Facialisäste zu dem
M. frontalis sammt corrugator und zum M. orbicularis. Selten ist es
nöthig, noch einen senkrechten Schnitt hinzuzufügen, welcher neben
der Medianlinie schräg aufwärts geführt wird. GOLOVINE hat in neuester
Zeit diesen Hautschnitt zu dem semigen gemacht. Am inneren Ende
des knöchernen Arcus superciliaris wird, nach Abheben des Haut-
periostlappens mit dem Elevatorium, der Sinus zunächst mit einem
kleinen Hohlmeisel oder rotirender Fräse (s. Trepanation) geöffnet. Die
vordere Wand enthält Diploe : man muss sich wegen ihres Gefässreich-
thums gefasst machen auf Blutung. Die hintere Wand wird bloss durch
Vitrea gebildet. Unter der vorderen Knochenwand erscheint in Form
einer bläulichen Blase die dünne glatte Schleimhaut, welche bei Eiterung
stark verdickt bläulich-roth und gelockert ist. Nach deren Trennung
kann man mit einer Sonde rück- und abwärts aus dem Sinus in die
Nasenhöhle unter dem vorderen Ende der mittleren Muschel ge-
langen und dahin nach stumpfer g-ewaltsamer Erweiterung einen
bleibenden Abflussweg (Drainröhre) anlegen. Es ist gut, sich zu
diesem Behuf ein sehr leichtes, aber festes silbernes Drainrohr con-
struiren zu lassen, welches nach dem Sinus zu zwei oder drei flügei-
förmige Auskrempungen besitzt, welche es hier festhalten, aber
nachgiebig genug sind, um bei kräftigem Zug von unten zusammen-
zuklappen und das Herausziehen der Röhre nach der Nase nicht zu
hindern. Die Röhre muss liegen bleiben, bis die Eiterung versiegt.
In der Regel thut man besser, ohne weiteres Abheben des Periosts,
von der kleinen Meisselöffnung aus erst lateralwärts, danach aufwärts
mit dem geraden Meissel den Knochen noch zu trennen, nachdem man
sich über die Ausdehnung des Sinus nach diesen beiden Richtungen
mit der Sonde orientirt hat. Mit dem Elevatorium kann das so gebildete
Knochendreieck nach oben-aussen sammt Periost gebrochen und zurück-
geklappt werden. Nun wird mit scharfem schmalen Löffel die ganze
Schleimhautauskleidung entfernt; so kann man bei freiem Abfluss
nach der Nase Radicalheilung erzielen. Jofoformgaze-Tamponade mit
theilweiser Naht darüber und definitive Secundärnaht nach 2 Tagen.
Die geschilderte Methode genügt, wie die Eröffnung des Antrum
und der Cellulae mastoideae, für die acuten und frischen Fälle bloss
katarrhalischer Eiterung in der Stirnhöhle, wie sie als Complication
acuter Rhinitis oder auch bei Infectionskrankheiten ohne deutlich
ersichtliche Fortpflanzung von unten (z. B. bei Influenza) auftreten.
Bei länger dauernden Fällen dagegen heilt die Schleimhaut nicht
aus, der Knochen erkrankt oberflächlich, und die Siebbeinzellen werden
durch den abfliessenden Eiter in Mitleidenschaft gezogen und ver-
hindern die definitive Ausheilung. Hier muss durch die Radical-
operation geholfen werden.
i2o Specielle Operationslehre.
b) Die Radicaloperation der Sinuitis frontalis.
Als Radicalverfahren können drei Methoden angesprochen
werden: Die eine von mir viel früher schon ausgeführte, gewöhnlich
als KuHNT'sche Methode bezeichnete, welche in Entfernung der
ganzen vorderen Wand der Sinus mit Obliteration desselben besteht
und sichere Heilung in relativ kurzer Zeit in Aussicht stellt. Zu
derselben muss der oben geschilderte Winkelschnitt benutzt werden,
der Sinus, wie geschildert, eröffnet und nach Abhebung der Weich-
theile mit Periost die vordere Wand des Sinus mit schneidender
Knochenzange entfernt werden, die kranke Schleimhaut wird aus-
geräumt, nicht drainirt, und die Weichtheile auf die hintere Sinus-
wand angelegt.
Der Nachtheil der Operation ist eine recht beträchtliche Ent-
stellung, wenn auch die Narben sehr schön geworden sind. Die
Stirne erscheint unregelmässig eingesunken. Die Methode ist dem-
gemäss zu beschränken auf ganz hartnäckige Fälle und solche, wo
die Gefahr einer intracraniellen Complication sich ankündigt. Die
Entstellung wäre zu vermeiden, wenn man die vordere Wand osteo-
plastisch aufklappte und die hintere Wand entfernte, aber die Gefahr
einer intracraniellen Eiterverhaltung verbietet das; es wäre hieran
bloss zu denken, wo schon subdurale Eiterung besteht. Die Jansen-
sche Methode der Entfernung bloss der orbitalen Wand des Sinus
mit Tamponade ist der völligen Entfernung der Wand in ihren
Resultaten nicht gleichwerthig.
Zur Vermeidung der Entstellung hat man die osteoplastische
Methode eingeführt. Ich habe schon in früheren Auflagen dieser
Operationslehre angegeben, dass es in der Regel besser sei, statt
von einer kleinen Oeffnung aus in den Sinus vorzugehen, die vordere
Wand nach zwei Seiten mit schneidender Zange zu trennen ohne
Ablösung des Periosts und den so gebildeten Knochenlappen an
der Basis einzubrechen. Auf diese Weise erhält man freien Einblick
in die ganze Höhle und kann alles Kranke entfernen. KÜSTER,
Gussenbauer und Czerny haben die osteoplastische Trepanation
methodisch ausgeführt. Der Schnitt von Czerny ist viel entstellen-
der als der von uns gewählte und von GOLOVINE acceptirte. G.
bildet mit einem abweichenden Schnitte einen Lappen des Knochens,
dessen Basis am Supraorbitalrand liegt.
Die Osteoplastik erlaubt gegenüber kleiner Trepanationsöffnung
nicht bloss gründliche Entfernung kranker Schleimhaut und Knochen,
sondern lässt auch die von Küster mit Recht für starrwandige
Höhlen geforderte Anlage der Drainageöffnung am tiefsten Theile
der Höhle sehr exact zur Ausführung bringen. Sie lässt sich auch
zweckmässig in der Weise durchführen, dass man durch die erst an-
gelegte kleine Oeffnung (s. Fig. 32) eine Drainröhre aus der Nase
Schädeltheil des Kopfes. 121
bis durch die äussere Haut herausleitet und so gründliche Spülung er-
möglicht.
Der letzten für Radicalheilung wichtigen Indication entspricht
ein drittes Verfahren, welches in verschiedener Ausdehnung zunächst
auf die Ausmündungsstelle des Ductus nasof rontalis
und auf die Siebbeinzellen losgeht, um hier jede Eiterstockung
und jedes Hinderniss für völlig freien Abfluss in die Nasenhöhle
bleibend zu beseitigen. Winkler macht die mediane Nasenspaltung,
Killian die temporäre Resection der Nasenbeine und des Ober-
kieferstirnfortsatzes, Barth eine noch beschränktere Aufklappung
bloss des Nasenbeins und Processus nasalis des Stirnbeins von einem
Längsschnitt aus.
Bei der Operation des letzteren wölbt sich an der betreffenden
Stelle die Schleimhaut der Stirnhöhle nach Zurückklappen der Knochen
in die Wunde von oben vor, kann breit eröffnet, die Stirnhöhle tam-
ponirt werden und nunmehr wird der obere Theil der Nasenhöhle
mittelst Löffel, Meissel und Scheere völlig freigemacht, so dass eine
bleibende freie Communication der Stirnhöhle mit der Nasenhöhle
gesichert ist. Diese Methoden der Offenlegung des Sinus nach der
Nase zu sind speciell indicirt in allen Fällen, wo Erkrankung der Nase,
speciell der Siebbeinzellen sich mit der Sinuitis combinirt, sei es
primär oder secundär.
Die Nachbehandlung kann hier in blosser fleissiger Spülung der
Nase bestehen, wenn nicht eine intensive Erkrankung des Sinus
eine mehrtägige Nachwirkung auf dessen Innenwand durch Jodoform
oder Xeroformtamponade wünschenswerth erscheinen lässt.
23) Die Freilegung der Mittelohrräume (vergl. Fig. 30).
Die in der grossen Mehrzahl der Fälle durch die Tuba Eustachii
aus dem Nasenrachenraum fortgeleiteten Entzündungen des Mittel-
ohres können bei Uebergang in Eiterung in Kürze zur Heilung
kommen, wenn sie rasch durch das Trommelfell perforiren oder durch
einen Schnitt in diese Membran an deren unteren Umfang gehörig
entleert werden.
Versiegt aber der Eiterausfluss aus dem Ohr nicht in einer Kürze,
so kann man annehmen, dass die Eiterung sich nicht auf die Pauken-
höhle beschränkt. Die untere Wand letzterer ist flach und der Ab-
fluss aus derselben daher nicht ungünstig. Ganz anders gestalten
sich die Verhältnisse, wenn sich die Eiterung aus dem Atticus auf
das Antrum mastoideum und die Cellulae mastoideae fortgepflanzt
hat. Für diese besteht ein günstiger Eiterabfluss bloss bei Eröffnung
des Processus mastoideus, da der Weg der Schwere nach rück- und
abwärts geht. Die beliebten Ausspülungen helfen in diesen Fällen
nichts. Soll die Eiterung aufhören, so muss man den Warzenfortsatz
122 Specielle Operationslehre.
trepaniren und zwar bevor die schlimmeren Folgezustände der fort-
geleiteten Eiterung eingetreten sind.
Die in den Warzen fortsatz eingedrungenen Infectionsstoffe (am
häufigsten Diplo- und Streptokokken, auch Staphylokokken) finden
hier in Folge Stagnation eine geeignete Entwicklungsstätte, greifen
auf die dünnen Knochen wände über und gelangen auf das äussere
und innere Periost. Vom äusseren Periost aus bildet sich eine Phleg-
mone hinter der Ohrmuschel. Das innere Periost ist die Dura mater
und eine Periostitis hier identisch mit Pachymeningitis. Von dieser
aus kommt es zur Bildung von Hirnabscessen im Schläfenlappen oder
Kleinhirn, zu Basilarmeningitis oder zu Phlebitis des Sinus transversus,
je nach der Stelle, wo der Uebergang der Otitis zur Ostitis mastoidea
stattgefunden hat.
Aber auch von der Paukenhöhle aus, falls dieselbe mit stag-
nirendem Eiter gefüllt bleibt in Folge Erkrankung der Nebenhöhlen,
kann eine Fortleitung nach dem Schädelinnern stattfinden, und es
ist namentlich das dünne Tegmen tympani, durch welches ein Durch-
dringen von Infectionsstoffen am häufigsten stattfindet.
Ist deshalb eine infectiöse Entzündung einmal in das Mittelohr
gelangt und geht dieselbe nicht in kürzester Zeit nach Entleerung
des Exsudates zurück, so muss nach chirurgischen Grundsätzen eine
gründliche Freilegung des Mittelohres bis in alle Nischen und Neben-
räume hinein stattfinden. Es ist sehr interessant, zu verfolgen, wie
sich die Erfüllung dieser hier ganz besonders dringlichen Indication
in den letzten 30 Jahren allmählich herausgebildet und vervollkommnet
hat bis zu der Form, welche man jetzt als Radicaloperation zu be-
zeichnen pflegt.
Es ist freilich ein grosser Unterschied, ob man für frische
und acute Fälle einzugreifen hat, wo die Veränderungen noch ober-
flächlich sind, wesentlich catarrhalischer Natur, oder ob die Eiterung
in die Tiefe der Gewebe vorgedrungen ist. Zweifellos wird die
Radicaloperation, welche die Hörfähigkeit zu einem guten Theil
opfert, noch in vielen Fällen vermieden bleiben, wenn früh genug
bei acuter Entzündung völlige Entfernung des Exsudates bewirkt
wird. Zu dieser dient die Operation, um deren Einführung und genaue
Ausbildung sich Schwartze die grössten Verdienste erworben hat,
die Eröffnung des Antrum und der Cellulae mastoideae.
a) Die Trepanation des Processus mastoideus.
Die Eröffnung und völlige Freilegung der Cellulae mastoideae und
des Antrum ist in jedem Falle angezeigt, wo eine acute Entzündung
des Mittelohres nicht bei Beseitigung der Ursache oder nach Ent-
leerung des Eiters durch Paracentese des Trommelfells sofort zurück-
geht. Man kann dann fast immer sicher sein, das Exsudat aus der
Paukenhöhle weiter fortgeschritten zu finden und zwar zunächst nach
Schädeltheil des Kopfes. 123
dem Antrum durch den offenen Aditus zu demselben aus dem Kuppel-
raum, und nach den Cellulae mastoideae, welche ihrerseits in offener
Communication mit dem Antrum stehen. Eine ohne die anderen dieser
Höhlen zu eröffnen hat keinen Sinn. Wir sprechen daher auch nicht
einfach wie in specialistischen Lehrbüchern von einer Eröffnung des
Antrum, sondern von der Trepanation des Processus mastoideus, resp.
der in demselben befindlichen Knochennebenhöhlen.
Der Schnitt, welchen wir empfehlen, ist unser sogen. Ohr-
muschelschnitt, welcher allen Fällen entspricht, auch wo man
sich nachträglich zur Radicaloperation entschliessen muss. Er ist
leicht und raschestens zu kennzeichnen, indem man die Ohrmuschel
an den Schädel anlegt und entlang deren hinterem Rande von der
Spitze des Processus mastoideus bis ans obere Ende einen kräftigen
Schnitt mit dem Periostmesser bis auf den Knochen führt. Zeigt
sich später eine Vergrösserung des Schnittes nothwendig, so braucht
man ihn bloss auch am oberen Rande der angelegten Ohrmuschel
weiterzuführen, um auch von oben vollen Zugang zu schaffen.
Einige spritzende Gefässe werden gefasst und mit scharfem
Raspatorium das Periost abgeschoben nach vorn bis zum Hörgang.
Da wo obere und hintere Wand des knöchernen Gehörganges zu-
sammenstossen, findet man mehr oder weniger deutlich ausgeprägt
einen Knochenvorsprung', die Spina supra meatum nach Bezold.
Wenn man hier den Meissel (am besten einen kleinen Hohlmeissel)
aufsetzt und direct medianwärts parallel dem knöchernen Gehörgang
eindringt, so kommt man in der Tiefe von i1/2 cm mit Sicherheit
auf die Höhle des Antrum. Bevor man aber mit dieser Meisselung
in die Tiefe zu weit vordringt, ist es zweckmässig, rückwärts von
erwähnter Stelle die oberflächlichen Corticalislagen abzumeisseln, um
die Cellulae mastoideae zu eröffnen.
Ist man in die Cellulae eingedrungen, welche meist ganz ober-
flächlich liegen, so überzeugt man sich zunächst, ob die Eiterung
wirklich bis hierher vorgedrungen ist und hat dann Sicherheit, weiter
nicht mehr auf Abwege zu gelangen. Es kann nämlich der Sinus
transversus sehr weit nach vorn gelagert sein mit seinem senkrechten
Schenkel, und obschon man zur Beurtheilung dieser Verlagerung in
der schrägen statt geraden Lage des Planum mastoideum (an der
Basis des Warzenfortsatzes) Anhaltspunkte hat, so ist es doch besser,
sich durch directe Freilegung von dieser unangenehmen Complication
zu überzeugen.
Hat man die eitererfüllten Cellulae eröffnet, so ist es leicht, mit
einer LüER'schen schmalen Löffelzange die corticale Bedeckung
sämmtlicher Höhlen zu entfernen, die Zwischenwände mit dem
scharfen Löffel auszuräumen und unter Verfolgung der tieferen und
oberen Zellen nach dem Antrum vorzudringen, bis dasselbe völlig
12 4 Specielle Operationslehre.
flach gelegt ist, wie die übrige Höhle ohne vorragende Ränder.
Wenn man diese Operation nur vornimmt bei acuten Fällen, so ist
von einer Naht besser nicht die Rede, ebensowenig von einer Plastik.
Man tamponirt die Höhle mit Xeroformgaze nach gründlicher Aus-
spülung mit steriler Kochsalzlösung, nähert provisorisch die Haut-
ränder zur Anlegung einer Secundärnaht nach 6 — 8 Tagen, unter Ein-
schiebung von Drainröhren für einige Tage.
Ganz anders gestaltet sich die Operation, wenn die gute
Zeit verpasst und eine Aussicht auf rasche Ausheilung nicht mehr
vorhanden ist. Für die chronischen Fälle von Mittelohreiterungen
ist die Radicaloperation auszuführen.
b) Die Radicaloperation.
Als Radicaloperation, deren Ausbildung in jetzt be-
liebtester Form Stacke zu danken ist, bezeichnet, man die Frei-
legung nicht bloss der Cellulae und Antrum mastoideum, sondern
der ganzen Paukenhöhle incl. Recessus epitympanicus, dem sogen.
Atticus oder Kuppelraum. Es ist interessant, an der Hand der ein-
gehenden Darstellung von E. Reinhardt zu verfolgen, wie sich
diese Operation von Stufe zu Stufe bis zur Höhe eines chirurgisch
correcten Eingriffes für Retention infectiösen Exsudates und nekro-
tischen Materials entwickelt hat. Denn was mit der Radicaloperation
geschieht, ist nichts anderes, als was der Chirurg für jede eitrige
Knochenaffection chronischen Verlaufes seit langem thut.
Nachdem man sich überzeugt hatte, dass die für acute Eiterung
so verlässliche ScHWARTZE'sche Operation in chronischen Fällen oft
nicht zum Ziele führt, hat man den Weg gesucht, das Antrum er-
giebiger freizulegen und mit ihm die Paukenhöhle. Wolf hat den
Weg betreten, die hintere knöcherne Gehörgangswand abzutragen.
Hartmann und KÜSTER vervollständigten diese Entfernung der
ganzen hinteren Wand, Bergmann fügte die Wegnahme der oberen
Wand hinzu, um gründlich die Paukenhöhle incl. Hörknöchelchen
ausräumen zu können. Zaufal fügte als weitere Beigabe die Re-
section der Pars epitympanica hinzu zwischen Antrum und Gehör-
gang. Endlich hat Stacke direct unter Ablösung der häutigen
Hörgangswand nach vorn und Lappenbildung aus derselben die
Paukenhöhle eröffnet, die gebildete Knochenhöhle mit Epidermis
ausgekleidet, um einen erweiterten statt zu engen Gehörgang zu
schaffen.
Die STACKE'sche Operation, nach Schwartze und KÖRNER
verbessert, ist folgende: Ohrmuschelschnitt und Ablösung des retro-
auriculären Lappens subperiostal bis zum knöchernen Gehörgang wie
oben. Mit einem zwischen knöchernen und häutigen Hörgang ein-
geschobenen Raspatorium wird ersterer abgehoben, am Trommelfell
hinten und oben durchschnitten, mit stumpfem Haken nach vorn
Schädeltheil des Kopfes. 125
gedrückt. Breite Eröffnung des Antrum wie oben beschrieben,
dann mit Meissel das untere Blatt der hinteren knöchernen Gehör-
wand entfernt und die äussere Wand des Aditus und Kuppelraumes
so weit abgetragen, bis kein Knochenvorsprung mehr zu fühlen ist
bis zum Tegmen tympani und bis nach hinten das Antrum völlig
eröffnet ist. Dann wird die Paukenhöhle ausgeräumt, d. h. Hammer
und Amboss mit Zange entfernt, die hintere Hörgangswand ab-
getragen unter Schonung des Canalis facialis und horizontalen Bogen-
ganges.
Bei richtig angelegter Wunde muss sich dieselbe ohne über-
hängende Knochenleisten nach aussen trichterförmig erweitern und
man muss bis in die Paukenhöhle frei hereinsehen können. Rein-
hardt empfiehlt wegen der hier befindlichen Knochenzellen stets
auch die obere Wand des Hörganges abzumeisseln. Der häutige
Hörgang wird nun auf eingeschobener Rinnsonde bis zur Ohr-
muschel möglichst hoch in seiner Längsrichtung gespalten und vorn am
Muschelrand senkrecht, so dass ein grosser unterer Lappen entsteht,
welcher herabgeklappt, durch eine Naht befestigt und auf die Knochen-
meisselfläche rückwärts angepresst wird durch Jodoform- oder Xero-
formtampons, von der Ohröffnung aus eingeführt. Die Schnittwunde
wird mit ein paar Nähten fixirt und nach einigen Tagen bei richtigem
Verlauf durch Secundärnaht definitiv verschlossen.
c) Die Operation bei otitischen Hirncomplicationen.
Es ist das Verdienst Körner's und Macewen's, den Weg
gewiesen zu haben, auf welchem am sichersten nach den Schädel-
innern fortgeleitete Eiterungen erreicht werden. Schon die Radical-
operation und die Eröffnung der Cellulae oder des Antrum bei
acuten Fällen führt nicht selten an die Dura und an die Sinus-
wand heran. Heimann hat vorgeschlagen, principiell bei eitrigen
Otitiden, welche schwere allgemeine Erkrankung oder irgend welche
Hirnsymptome zeigen, bei der Operation zur Freilegung der Mittel-
ohrräume zugleich die hintere event. mittlere Schädelgrube zu er-
öffnen. Nicht mit Unrecht. Man bereut es nie, zu gründlich gewesen
zu sein. Wo Zeichen einer intracraniellen Erkrankung bestehen
oder einer Sinusthrombose, da muss man regelrecht zur Eröffnung
des Schädels und des Sinus sigmoideus an Stelle des erkrankten
Knochens schreiten. Es bleibt stets der beste Weg, die Operation
mit gründlicher Freilegung aller im Mittelohr und seinen Neben-
räumen gelegenen Höhlungen zu beginnen in der unter a und b
geschilderten Weise. Man muss auf diese Weise den Weg ver-
folgen , welchen die Eiterung genommen hat , nämlich nach der
mittleren Schädelgrube durch das Tegmen tympani, nach der
hinteren Schädelgrube durch die knöcherne Wand des Sinus trans-
versus.
126 Specielle Operationslehre.
Auf diese Weise sind subdurale Abscesse und die Throm-
bose des Sinus am besten und schonendsten freizulegen. Dem Ab-
scess ist in ganzer Breite sicherer Abfluss zu verschaffen. Bei
Thrombose des Sinus muss dessen senkrechtes Stück durch
Aufmeisselung des mittleren Drittels des Processus mastoideus in
ganzer Länge bis zur Spitze freigelegt werden, wobei eine event.
Blutung aus dem Emissarium mastoideum durch einen Wachspfropf
zu stillen ist. Ist die Rinne des Sinus eröffnet, so schiebt man nach
den Vorschlägen von E. Meyer und Withling (Trautmann)
einen Xeroformgazetampon zwischen Sinuswand und Knochen bis
zum Bulbus jugularis ebenso nach oben zum Knie des Sinus, um
das Gefäss zu tamponiren. Danach kann der Sinus von infectiösen
Thromben ausgeräumt und durch Druck von aussen oder bei breiter
Eröffnung durch Anfüllung mit Xeroformgaze tamponirt werden.
Geht die Thrombose bis über das Knie empor, so kann der
Sinus petrosus sup. bluten und muss tamponirt werden. Geht der
Thrombus über den Bulbus abwärts, so muss am Halse dessen
untere Grenze event. durch Palpation bestimmt, die Vena jugularis
interna, wenn nöthig die communis gehörig freigelegt und
unter dem Thrombus ligirt werden mit folgender Spaltung und
Ausräumung des Thrombus — behufs Verhütung oder Heilung der
dadurch bedingten Bakteriämie.
Die Eröffnung von Schlaf enlappenabscessen undKlein-
hirnabscessen, welche man nicht einfach direct durch Ver-
folgung des Weges öffnen kann, weil die Eiterung discontinuirlich
(für makroskopisches Urtheil) sich ausbreitete, oder welche sich in
die Ohrräume hinein nicht genügend freilegen lassen wegen zu
grosser Tiefe, muss die Trepanation gemacht werden.
d) Die Trepanation für Hirnabscesse.
Die Trepanation für Schlaf enlappenabs cesse wird
nach Fig. 30 in der Weise vorgenommen, dass man den Ohrmuschel-
schnitt entlang dem oberen Rande der angelegten Ohrmuschel bis
zu deren vorderem Ansatz verlängert. So erhält man durch Zurück-
schieben des Periosts bis an den knöchernen Hörgang heran die Stelle
der Schläfenschuppe über und hinter dem Ohre frei, welche am
sichersten in die mittlere Schädelgrube führt und zwar an deren untere
Fläche. Es ist dies behufs Orientirung über das Vorhandensein eines
Abscesses zwischen Dura und Knochen durch Abhebung ersterer sehr
wünschenswerth. Die Trepanationsöffnung liegt über dem hinteren
Ende der Linea temporalis, welche kammartig von hinten in horizontaler
Richtung nach vorn umbiegt, um der Wurzel des Jochbogens entgegen-
zustreben. Nach Spaltung der Dura kann man sich durch Palpation
oder Punction über die Stelle eines Abscesses vergewissern, wenn
nicht die Veränderung der Hirnhäute dieselbe genügend bezeichnet.
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. ^7
Die Eröffnung geschieht nach Abziehen der Piagefässe mit dem
Messer, die Erweiterung der Oeffnung stumpf. Sie muss zu vor-
sichtiger und gründlicher Ausspülung gross genug sein und durch
Bepuderung mit Borsäure -Jodoformpulver oder durch Xeroform-
tampon offen erhalten werden für einige Tage. Die Trepanations-
öffnung wird mit Xeroformtampon versorgt als Dauerverband.
Die Trepanation für den Kleinhir nabscess geschieht
unter vorgängiger Eröffnung der Knochenrinne des Sinus trans-
versa, da häufig die Erkrankung dieser und des Sinus das Zwischen-
glied für die Fortleitung der Eiterung bildet. Das Periost des hinteren
Wundrandes muss rück- und abwärts unter event. Zufügung eines
horizontalen Schnittes entlang der Linea semicircularis superior weg-
geschoben und die hintere Schädelgrube unterhalb des Sinus trans-
versus eröffnet werden.
F. Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase,
Mund und Rachen.
Das Verhalten der Haut im Gesicht weicht von der Haut am
Schädel insofern ab, als sie lockerer ist; aber sie ist auch hier
ausserordentlich gefässreich. Wir müssen also beim Hautschnitt schon
auf spritzende Arterien gefasst sein. Die meisten Gefässe liegen
unter der Cutis.
Bezüglich der Schnittrichtung gelten diejenigen Regeln,
welche für die Anlage der Normalschnitte überhaupt maassgebend sind.
Vor allem anderen hat man bei Operationen im Gesicht darauf zu
sehen, dass man nicht in Collision kommt mit dem Nervus facialis;
man muss Schnitte wählen, welche den Aesten dieses Nerven parallel
gehen, denn jede Verletzung derselben hat Entstellung zur Folge.
Es ist viel gleichgültiger, einen Ast einer Arterie zu durch-
schneiden, als einen noch so kleinen Nerven zu verletzen. Demgemäss
wird man die Schnitte so anlegen, dass sie von der Eintrittsstelle
des N. facialis in die Carotis wie von einem Mittelpunkt aus radiär
gehen. Auf diese Weise schützt man sich gegen Störungen der
Mimik. Dagegen stimmen die Normalschnitte mit der Richtung
des Ductus Stenonianus überein ; sie laufen diesem Gange parallel.
Die Musculatur muss zum Theil getrennt werden. Muskelschnitte
werden zwar im Allgemeinen vermieden, und man hält sich an die
Interstitien zwischen den Muskeln, weil Muskelwunden bei Infection
schlechter heilen. Letzteres Moment kommt angesichts der Asepsis
nicht mehr in Frage ; man kann mit derselben eine rasche Vernarbung
des Muskels mit völliger Wiederherstellung seiner Function erzielen,
wenn nur die zuführenden Nervenäste nicht verletzt worden sind.
128 Specielle Operationslehre.
Wir kommen auf diesen Punkt in unserer Operationslehre immer
wieder zurück: lieber einen selbst starken Muskel (wie etwa den
Rectus abdominis) quer durchschneiden und so eine künstliche In-
scriptio tendinea schaffen, als die zuführenden Nerven verletzen und
damit eine Lähmung und Atrophie des Muskels veranlassen.
Für alle Operationen, welche im Bereich der Nase,
des Mundes und Rachens, also speciell auch an den
Kiefern vorgenommen werden, müssen zwei Indicationen, welche
den Erfolg vor allen anderen beeinflussen, Berücksichtigung finden,
nämlich die Verhütung zu starker Blutung und die Vermeidung der
Aspiration von Blut und Secret in die Bronchien und Lungen.
Bei Entfernung von Geschwülsten in der Nase, an der Schädel-
basis, bei Resection des Oberkiefers ist die Gefahr zu erheblichen
Blutverlustes eine grosse. Es muss daher Vorsorge getroffen
werden gegen Verblutungsgefahr. Zahlreich ist die Zahl der
Autoren, welche sich mit den Mitteln zu prophylaktischer Blutstillung
für genannte Operationen befasst hat. Wir verweisen auf die Zu-
sammenstellung der Anschauungen in der Arbeit Schlatter's über die
Carotisunterbindung als Voroperation von Oberkieferresectionen. Wir
haben uns schon in den früheren Auflagen diesen Werkes sehr ent-
schieden für präliminare Blutstillung durch Carotisunterbindung aus-
gesprochen , stehen also ganz in Uebereinstimmung mit einzelnen
der Schlussfolgerungen , welche Schlatter aus Literatur und
eigenen Beobachtungen zieht. Nur möchten wir sie noch ent-
schiedener präcisiren.
Man mag sagen, was man will, so ist die Unterbindung einer
Carotis communis bei einem alten Menschen mit Arteriosklerose
einem Todesurtheil gleich zu achten. Man kann nicht bestimmt genug
jugendliches Alter mit gesunden Gefässen und die senilen Ver-
änderungen letzterer auseinanderhalten. Man wird also unter keinen
Umständen, wenn es sich vermeiden lässt, bei einem alten Menschen
bloss behufs prophylaktischer Blutstillung die Carotis communis unter-
binden. Es bleibt bloss die Wahl zwischen Ligatur der Carotis externa
und temporärer Compression der Carotis communis, wie namentlich
Schönborn sie gepflegt hat.
Die Ligatur der Carotis externa ist, wie LiPPS gezeigt
hat, eine ungefährliche Operation, und meine eigenen Erfahrungen,
wie die Anderer (Friedrich hat dies noch neuestens bestätigt)
zeigen, dass sie den Blutverlust zumal bei den gefährlichen Ober-
kieferresectionen ganz wesentlich beschränkt.
Wie weit eine temporäre Compression der Carotis communis auch
bei arteriosklerotischen Gefässen zulässig ist, bleibt dahin gestellt.
In einem Falle, bei welchem ich Ende 1898 bei einer Pharyngo-
glossotomie zur Ligatur der Carotis communis bei einem alten Manne
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. I2g
genöthigt war, befand sich der Mann gleich nach der Operation
noch völlig wohl und erst allmählich stellte sich Hemiplegie, Be-
wusstlosigkeit und Fieber ein bis zum Exitus. Erst die nachträg-
liche Erweichung hatte also die Störungen bedingt. Ob diese durch
Freigabe der Circulation vermieden geblieben wären?
Bei jungen Individuen mit gesunden Arterien kann man ruhig
die Carotis communis provisorisch ' comprimiren oder die Ligatur
anlegen ; diese hat für das Gehirn nur ganz vorübergehende Folgen
in Form einseitig verminderten Blutgehaltes. Die Ligatur ist einfacher
und sicherer.
Die zweite Indication bei allen Operationen in den oberen Ver-
dauungs- und Luftwegen, die Aspiration zu verhüten, kann
viel einfacher und sicherer geleistet werden, als durch die prophylak-
tische Tracheotomie und Tamponade oder durch Ausführung der
Operation in Halbnarkose. Es ist gut, das nochmals zu wiederholen,
obschon es schon bei Besprechung der Lagerungsfrage gesagt ist. Das
richtige Mittel ist die Schräglagerung des Körpers, nicht etwa
der hängende Kopf, sondern die abhängige Lagerung des Thorax
und Halses und zwar nicht bloss bei der Operation, sondern auch nach
derselben. So wird in leichtester Weise die Aspiration von Blut und
später von Wundsecret vermieden.
Seit wir dieses Verfahren principiell für alle Operationen in
Mund , Nase , Rachen , Larynx und Trachea eingeführt haben,
haben wir alle anderen Maassnahmen entbehren können und sind
so gut dabei gefahren, dass wir diese einfache Maassnahme nicht
genug zur allgemeinsten Benutzung empfehlen können. Der Kopf
kann dabei in völlig angenehmer Lage auf ein Kissen gebettet
werden.
Dazu ist bezüglich Nachbehandlung Folgendes zu bemerken : Man
hat sehr wohl zu unterscheiden die Fälle, wo der Schluckmecha-
nismus gestört und die Reflexerregbarkeit des Larynx geschädigt
ist von den anderen Fällen, wo diese Functionen keinen Eintrag er-
litten haben. Kann ein Patient schlucken, wenn auch mühsam, und
wird er reflectorisch zum Husten angeregt, sobald Secret in den
Larynx gelangt, so lässt man die Patienten am allerbesten schon
am Tage nach der Operation aufstehen. Man muss es ge-
sehen haben, wie wohl sich die Patienten befinden, wenn sie sitzen
und gehen können, um zu glauben, wie vortheilhaft diese Anord-
nung ist. Sie werfen viel besser aus und die Aspirationspneumonien
bleiben weg.
Nachts dagegen müssen viele dieser Patienten in Schrägstellung,
mit dem Halse am tiefsten gelagert werden, so wie diejenigen
eine solche Stellung 8 oder 14 Tage oder noch länger einnehmen
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. O
i^o Specielle Operationslehre.
müssen, bei welchen das Schlucken nicht möglich oder z. B. der
eine Laryngeus superior gelähmt und damit die Reflexerregbarkeit
des Larynx aufgehoben ist.
24) Ligatur der Art. maxillaris externa (Fig. 33).
Die Unterbindungsstelle dieser Arterie lässt sich ganz genau
bestimmen : sie geht über den Kieferrand herauf, genau am vorderen
,v
Tuberculum verte-1
brale vert. VI f
N. descendensl
hypoglossi /
V. jugularis communis
Carotis communis
M. longus colli
Fascia parotideo masseterica
M. masseter
A. maxillaris
Platysma
A. vertebralis
N. recurrens
A. thyreoidea inferior
A. vertebralis
Glandula thyreoidea
JM. sterno-
| ■:; , _..--' \ hyoideus
JS
Fig- 33- !• Ligatur der A. maxillaris externa. 2. Ligatur der A. thyreoidea
inferior und A. vertebralis.
Rande des Muse, masseter, begleitet von der V. facialis anterior,
welche in ihrem Verlauf nicht ganz constant ist. Am vorderen
Masseterrande macht man einen dem Kieferrande parallelen Schnitt
durch Haut, Platysma und Fascie und präparirt die Arterie heraus
unter sorgfältiger Vermeidung des Ramus marginalis des N. facialis,
welcher dem Kieferrand entlang verläuft.
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. j^i
25) Operationen an der Nase und den Nasenhöhlen.
Das Eingehen in die Nasenhöhlen durch die Nasenlöcher hindurch
findet keine Anwendung auf Nasenaffectionen bedenklicher Natur,
wie die tiefergreifenden Entzündungen oder Neubildungen maligner
Art. Wir müssen bei solchen Leiden das Innere der Nase der Pal-
pation und Inspection direct zugänglich machen.
Eine einfache Methode hierzu ist die von uns empfohlene Spal-
tung des Septum narium. Man geht mit den Branchen einer
starken Scheere in beide Nasenlöcher ein, so weit als möglich, und
spaltet das knorpelige Septum; dabei spritzen die kleinen Arteriae
septi narium. Nun kann man den Finger leicht in die Nase ein-
führen und die Wände abtasten. Bei Ozaena genügt dieser Eingriff,
um das weitere Vorgehen abzuklären, zumal um umschriebene Er-
krankungen der ' Knochen aufzufinden und kranke Knochenstücke
zu entfernen. Zwei Nähte genügen, um eine so exacte Ver-
einigung zu erzielen, dass man nachher von dem Eingriff . nichts
mehr sieht.
Will man aber in die Nase hineinsehen, so muss man weiteren
Zugang schaffen. Dieser wird erzielt durch eine Spaltung der
Nase mittelst paramedianen Schnittes, wie dieselbe auch
von Dieffenbach und KÖNIG empfohlen ist (vergl. Nasenschnitt,
Fig. 10). Man darf nicht genau in der Mitte spalten, weil der Nasen-
knorpel an seinem hervorragenden Theile eine Einbuchtung darbietet,
und die Narbenretraction bei genauer medianer Spaltung die erwähnte
Furche auch äusserlich markirt, was keine unbedeutende Entstellung
bedingt. Man spaltet vielmehr etwas seitlich von der Mittellinie die
Nasenknorpel und die Nasenbeine und erlangt so eine später kaum
sichtbare Narbe. Wenn man nach der Spaltung vorne am Thränen-
sack vorbei von der Apertura p3^riformis aufwärts den Processus
frontalis des Oberkiefers und oben die Basis des Nasenbeins durch-
meisselt, nach Vorgang von Langenbeck und Linhart, so kann
man die eine Nasenhälfte aufklappen und erhält in ganzer Höhe
der betreffenden Nasenhöhle guten Einblick. Macht man die quere
Trennung des Nasenbeins inclusive der Spina nasalis des Stirnbeins
nach" Barth, so erhält man auch zu den oberen Siebbeinzellen
guten Zugang und kann von unten dem Sinus frontalis beikommen,
Ollier hat die Nase abwärts geklappt.
Ein anderes Verfahren ist die seitliche Spaltung der
Nase (vergl. Fig. 11). Wenn die Erkrankung ihren Sitz auf der
lateralen Seite hat und sich auf den Oberkiefer ausdehnt, so schneidet
man um den Nasenflügel herum in dessen Rinne aufwärts entweder
bloss längs der knöchernen Apertura pyriformis und klappt die los-
geschnittene Nasenhälfte von der Mitte auf ; oder man geht mit dem
Schnitt weiter aufwärts und trennt mit dem Meissel den Processus
1-7 2 Specielle Operationslehre.
frontalis maxillae sup. aufwärts, soweit er die seitliche Nasenwand
bildet, danach oben die Verbindung desselben mit dem Stirnbein
und die Basis des Nasenbeins quer durch. Dieses Verfahren giebt
für den vorderen Theil der Nase sehr guten Zugang. So können
tuberculöse Ulcerationen einer sehr exacten Localbehandlung zu-
gänglich gemacht werden. Die Methode hat freilich den Nachtheil,
dass sie einige Muskelfasern ausser Function setzt, nämlich des
Musculus nasalis, der am Alveolarrand des Oberkiefers entspringt
und zum Nasenflügel und Nasenrücken zieht, sowie des Levator alae
nasi. Allein da die Muskelschnitte per primam wieder verheilen
können und die zuführenden Nervenzweige zum Theil intact bleiben,
so resultirt keine nennenswerthe Störung des Mienenspiels. Die
Narbe wird bei richtiger Naht in kurzer Zeit unsichtbar. An Ge-
fässen werden die Rami alares der Arteria angularis durchschnitten ;
letztere Arterie ist im oberen Theil des Schnittes zu schonen. Die
von Chassaignac und Bruns bereits geübte seitliche Aufklappung
der Nase ist für die Nasenrachenfibrome, welche im vorderen Theil
sitzen, nach Czerny's Erfahrungen (Naab) ein gutes Verfahren,
welches zu radicaler Heilung führen kann. Es wird dabei die ganze
Nase nach einer Seite geklappt, indem man auch das Septum mit
zwei stumpfwinklig sich treffenden Schnitten von oben und unten
spaltet und die Verbindung des Nasenbeins mit dem Stirnfortsatz
des Oberkiefers der anderen Seite durchbricht. Will man noch
weiter in die Nasengänge nach hinten sehen, als dies mit der an-
gegebenen Methode möglich ist, so muss man eine partielle
osteoplastische Resection des Oberkiefers machen
und die innere, vordere und einen Theil der oberen Wand des
Sinus maxillaris nach aussen klappen, dann sieht man bis in die
Choanen hinein. Vergleiche hierüber die Methoden der Oberkiefer-
resection.
26) Freilegung der Schädelbasis oder des Nasendaches.
Ein anderer Weg, auf welchem man breiten Zugang zum
hinteren Theil der Nasenhöhle gewinnen kann, besteht in Spaltung
des harten und weichen Gaumens mittelst medianen
Schnittes. Man löst die mucös-periostale Weichtheilbedeckung
nach beiden Seiten ab und meisselt" die horizontale Gaumenplatte
heraus nebst einem Theil des Vomer (Nelaton und GussenbAuer).
So legt man den hintersten Theil der Nasenhöhle bis in den oberen
Nasenrachenraum frei und kann unter genauer Controle Geschwülste
der Schädelbasis abtragen (Fibrome, Fibrosarkome). In einem letzt-
hin operirten Falle von recidivem Sarkom der Schädelbasis und des
hinteren Nasendaches haben wir bei minimaler nachträglicher Ent-
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. i??
Stellung1) radicale Heilung erzielt durch folgende osteoplastische
Resection beider Oberkiefer:
Spaltung der Oberlippe bis ans Nasensloch, Trennung der Schleim-
haut nach beiden Seiten an der Umschlagstelle und Durchmeisselung
beider Oberkiefer oberhalb des Alveolarrandes quer nach aussen,
Tamponade, Durchschlagen der horizontalen Gaumenplatte in der
Mittellinie und mediane Spaltung des weichen Gaumens.
Mit scharfem Haken werden nun beide Oberkiefer (ohne den
Flügelfortsatz) kräftig nach beiden Seiten auseinandergezogen, die
Schleimhaut der Nase gespalten, Vomer nach der Seite ge-
drängt, die hinderlichen Muscheln excidirt. So lag der Tumor
völlig frei. Depage hat durch diese Methode einen glatten Heil-
erfolg erzielt.
Wir rathen aber, bei solch' eingreifender Operation zunächst die
prophylaktische Blutstillung durch Ligatur beider Arteriae carotides
externae, ferner keine Narkose bei hängendem Kopf zu machen, da
darnach die venöse Blutung zu stark ist, sondern 1/2 Stunde vor
der Operation eine Morphiuminjection (nicht über 0,0 1) zu machen
dann den Körper so zu lagern, dass die Trachea eine nach dem
Kopf zu abhängige Lage bekommt (vergl. Lagerung bei Narkose)
den Kopf selber aber wieder erhöht zu legen und die Narkose zu
unterhalten mittelst des ARND'schen Apparates (vergl. Narkose) und
genau dosirtem verdünnten Aethergemisch mit Braun's Apparat.
Partsch hat unser Verfahren in der Weise modificirt, dass er
ebenfalls den Alveolaransatz vom Oberkieferkörper beiderseits trennt,
aber keine mediane Spaltung macht, sondern den ganzen Alveolar-
theil mit Gaumenplatte abwärts klappt mit Charnier an den Weich-
theilen im Bereich des Hamulus pterygoideus.
27) Zur Eröffnung der Keilbeinhöhlen erscheint das oben
erwähnte Verfahren Gussenbauer's als das zweckmässigste. Die
Keilbeinhöhlen öffnen sich in die Nasenhöhlen am hinteren Rande
der obersten Muschel. Sie können am oberen Umfang der Choane
zwischen hinterem Rande der mittleren Muschel und dem Ansatz
des Vomer (Alae vomeris) durch Perforation des Nasendaches mit
einem schmalen, scharfen Löffel eröffnet werden.
28) Die Eröffnung der Siebbeinhöhlen in Fällen maligner
Erkrankung kommt in Frage bei krebsigen (event. sarkomatösen
Polypen, welche von der Nase durch das Siebbein, unter Umständen
gleichzeitig in die Orbita hineingewachsen sind. Dieselbe Operations-
1) Dr. Lanz hat diese Operationsmethode genauer beschrieben in der
deutschen Zeitschr. für Chir., Bd. XXXV, S. 423.
1-iA Specielle Operationslehre.
methode ist übrigens beim Ausgang vom Siebbein anwendbar. Der-
artige Fälle werden recht oft zuerst von den Specialisten längere
Zeit als Nasenpolypen behandelt, bis häufige, stärkere Blutungen
Recidive, zutretende Amaurose und Exophthalmus auf Sitz und
Natur des Leidens mit Bestimmtheit hinweisen.
Wir haben (26. April 1898) in einem Falle, wo der Bulbus wegen
Exophthalmus und völliger Blindheit im Interesse sicherer Heilung
mitexcidirt werden konnte, grosse Befriedigung von folgendem Vor-
gehen gehabt:
Zuerst in gewohnter Weise mittelst BELLOCQ'scher Röhre Tam-
ponade der Choane, um während der Narkose Herabfliessen des
Blutes bis zum letzten Act zu vermeiden (event. bloss Schräglage
des Körpers). Danach Spaltung der Nase neben der Mittellinie von
dem betr. Nasenloch aus zwischen den Nasenbeinen bis zur Glabella.
Festes Aufdrücken von Gazebäuschchen behufs Blutstillung. Schnitt
am lateralen Augenwinkel. Am Processus orbitalis des Jochbeins
wird bis auf den Knochen geschnitten, derselbe subperiostal frei-
gelegt mit Elevatorium, dann mit dem Meissel durchschlagen, was
wenig Blutung macht. Ebendasselbe geschieht am vorderen Ende
des Jochbogens. Vom Boden der Nasenhöhle aus wird mit dem
Meissel der Oberkiefer oberhalb des Alveolarfortsatzes, also in der
Ebene des unteren Nasenganges, durch die Basis des Antrum
Highmori horizontal durchschlag-en (ohne die Mundschleimhaut irgend-
wie zu verletzen !). Jetzt wird nach Spaltung der Weichtheile die
Basis des Nasenbeins mit schneidender Zange quer durchkneift und
ebenso lateralwärts Thränen- und Siebbein und Boden der Orbita.
So lässt sich ohne erhebliche Blutung ein Wangennasenlappen sammt
Knochen (Vorderwand des Antrum, Stirnfortsatz des Oberkiefers,
Nasenbein, Jochbein) nach aussen unten klappen und die Geschwulst
freilegen, welche die Nasenhöhle (event. auch das Antrum) erfüllt
und durch das Siebbein zerstörend in die Orbita gedrungen ist.
Die geschilderte Methode nähert sich dem von Jordan modi-
ficirten Verfahren der LANGENBECK'schen osteoplastischen Ober-
kieferresection mit temporärer Nasenresection. Czerny (Naab) hat
Nasenrachenfibrome damit erfolgreich beseitigt. Jordan hat in ver-
schiedener Weise operirt. Sein Verfahren, Oberkiefer und Nase nach
der entgegengesetzten Seite herüberzuschlagen, hat mit dem LANGEN-
BECK'schen den Nachtheil eines auch Facialisäste mit verletzenden
entstellenden Schnittes. Sein erstes Verfahren, das sich mehr dem
von O. Weber und mir geübten anschliesst, vermindert diesen
Nachtheil.
Man kann Polypen gut herausheben bis zur Schädelbasis und
kann zumal, wenn der Bulbus oculi mitentfernt werden kann, sehr
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. j-zc
gut vom hintersten medialen Theil der Orbita aus in die Keil-
beinhöhle gelangen, die sich mit dem Finger austasten, event.
ausräumen lässt. Die Theile sind bis in die Keilbeinhöhlen herein
so gut zugänglich, dass auch eine vorsichtige Cauterisation bis zur
Schädelbasis stattfinden kann, welche von der Lamina perforata des
Nasendaches weg bis zur Türkensattelgrube freigelegt ist.
Muss man zu den beiderseitigen Keilbeinhöhlen Zugang haben,
so ist das Septum narium in seinem hinteren oberen Theil zu entfernen,
falls es nicht schon zerstört ist.
Bei Trepanation der Decke der Keilbeinhöhle nach hinten oben
erscheint es kein Ding der Unmöglichkeit, einen Hypophysen-
tumor zu entfernen (bei Akromegalie), nachdem die geschilderte
Voroperation gemacht ist.
Von der eröffneten Nasenhöhle aus gelangt man unter dem
vorderen Ende der unteren Muschel i1/2 cm hinter dem Rande
der Apertura pyriformis in den Thränennasengang; unter der
mittleren Muschel 21/2 cm hinter dem erwähnten Rande lateral-
wärts in das An tr um Highmori; oberhalb dieser Oeffnung unter
derselben Muschel gelangt eine Sonde in den Ausführungsgang des
Sinus frontalis. Die Richtung dieses letzteren Kanales wie des
Thränennasen ganges ist dem Seitenrande der Apertura pyriformis
ungefähr parallel.
Ein letzter Eingriff zur Freilegung der Nasenhöhlen ohne Schädi-
gung des Nervus facialis ist ein Schnitt von der sublabialen
Schleimhautseite her. Ohne Verletzung des Gesichts löst man
die Schleimhaut an der Umschlagsstelle vom Zahnfleisch zur Ober-
lippe, trennt die Anheftung der knorpeligen Nase an der Apertura
pyriformis und klappt die ganze Weichtheilbedeckung (Nase mit
Wangen) nach oben bis zu den Augen . (Rouge) ; trennt man noch
das Septum, so ist die ganze Nasenhöhle von vorne zugänglich.
Diese Operation hat den Vortheil, gar keine Entstellung zur Folge
zu haben, aber den Nachtheil, dass sie sehr blutig ist. Bei allen ein-
greifenden Nasenoperationen ist an die Wünschbarkeit einer pro-
phylaktischen Ligatur der Carotis externa zu denken.
29) Breite Eröffnung des Antrum Highmori (Sinus
m axillaris).
Ein Verfahren, in das Antrum hinein zu gelangen, haben wir bei
der Freilegung der Nasenhöhle kennen gelernt. Meist wird selbst
für breitere Eröffnung zur Vermeidung eines äusseren Schnittes von
der Schleimhautseite, sei es vom Munde, sei es von der Nase, vor-
gegangen. Das Antrum ist häufig Sitz von Eiterherden nach länger
andauernden Entzündungen, und es ergiebt sich daher oft die Indi-
cation zur bleibenden Eröffnung des Sinus maxillaris. Die Stelle,
136 Specielle Operationslehre.
wo man am leichtesten zukommt, behufs breiter Eröffnung und
genauer Untersuchung, ist die Fossa canina. Man hebt die Ober-
lippe empor, spaltet Schleimhaut und Periost an der Umschlagsstelle
oberhalb der Wurzel der 3 ersten Backenzähne, hebt das Periost
mit dem Elevatorium nach oben aussen bis unterhalb des Foramen
infraorbitale und meisselt die dünne Knochenwand mit dem Hohl-
meissel durch. Die zwei starken Knochenstreben neben der Fossa
canina, nämlich den Processus frontalis und die Kante zum Os
zygomaticum lässt man unberührt. Die Operation kann bei Cocain-
injection schmerzlos durchgeführt werden. Die Oeffnung wird behufs
Spülung Monate hindurch offen gehalten, wenn die Ursache der
Eiterung nicht entfernt werden konnte.
Ein zweiter Weg ist der, dass man durch die Alveole eines
fehlenden oder ausgezogenen Zahnes, mit Vorliebe des 3. oder
4. Backenzahnes, mit einem Perforatorium aufwärts durchstösst. Man
kann hier auch am besten ein permanentes silbernes Röhrchen ein-
legen.
Eine dritte Methode, um ohne Hautschnitt das Antrum zu öffnen,
ist der Weg von der Nase aus, und zwar indem man vom unteren
Nasengang aus mit krummen, spitzen Instrumenten die dünne mediale
Wand des Sinus maxillaris gerade unter der Mitte der unteren
Muschel durchbricht (Mikulicz). Diese Methode hat den Vortheil,
dass der Eiter nicht in den Mund, sondern in die Nase abfliesst.
Den Nachtheil hat sie aber, dass sie nicht wie die Operationen vom
Munde aus den untersten Theil des Antrum eröffnet. Die beiden
letzterwähnten Methoden erlauben keinen directen Einblick und keine
Austastung des Antrum mit dem eingeführten Finger. Dieses ist
der Fall bei Eröffnung von der Fossa canina.
30) Operationen im Bereich der Orbita.
Wir haben oben ein Verfahren angegeben, um Tumoren zu ent-
fernen, welche von den Siebbeinhöhlen in die Orbita hineingewuchert
sind. Gussenbauer hat für die gleichzeitige Freilegung der beiden
medialen Seiten der Orbitae sammt Siebbein-, Stirnbein- und
event. Keilbeinhöhlen ein Verfahren angegeben, welches im Bogen-
schnitt von der Augenbraue neben dem inneren Augenwinkel vorbei
bis auf den Stirnfortsatz des Oberkiefers und einem queren Schnitt
über dem Nasenrücken besteht und sehr gut Zugang bei relativ ge-
ringer Entstellung giebt.
Für Tumoren, Abscesse und Fremdkörper dagegen, welche
hinter dem Bulbus liegen, verdanken wir KröNLEIN ein Verfahren,
welches den besten Zugang giebt. Krönlein resecirt osteoplastisch
den lateralen Rand der Orbita und zwar trägt er einerseits den
Processus zygomaticus ossis frontis an seiner Basis ab bis in die
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen.
137
Fissura orbitalis inferior, wie Domela angiebt, bis 1 cm hinter die
Fissura zygomatico sphenoidalis, andererseits trägt er auch den Pro-
cessus frontalis des Jochbeins an seiner Basis ab, dann wird dieses
Knochenstück nach hinten gelegt.
Das Periost (Periorbita) wird stumpf abgehoben und nach Um-
legung des Knochenstückes in Längsrichtung gespalten. Czermak
hat die Resection ausgedehnter gestaltet und zwar das Jochbein an
seiner Basis, resp. Verbindung mit dem Oberkiefer durchtrennt, ganz
so wie wir es für die Freilegung des N. supr am axillaris am Foramen
Fig. 34. Die Figur giebt nach Domela (Krönlein) die CzERMAK'schen Schnitte
und rechts (bei a) die KRÖNLEiN'schen Schnitte durch den Knochen.
rotundum angegeben und in Fig. 34 abgebildet haben. Die Aus-
dehnung der Affection wird entscheiden müssen, ob man bei Krön-
lein's ursprünglichem Verfahren bleiben will oder Czermak's Modi-
fication einführen.
Krönlein macht einen Weichtheilschnitt mit vorderer Convexität
am lateralen Rande der Orbita bis zur Mitte des Jochbogens herunter
(Domela). Wir halten diesen Schnitt für nicht gut, wie wir alle
von oben nach unten im Facialisgebiet verlaufenden Schnitte ver-
warfen, sondern möchten in gleicher Weise einen einfachen Schräg-
schnitt empfehlen, wie bei der Jochbeinresection, bloss etwas höher
(vergl. Fig. 11) mit Spaltung bis in den lateralen Augenwinkel.
138
Specielle Operationslehre.
Operationen an den Gesichtsnerven.
31) Nervus facialis (vergl. Fig. 35).
Man kommt in die Lage, den Nervus facialis freizulegen behufs
Schonung desselben bei Operationen in der Fossa retromaxillaris, so
bei Excision von geschwollenen Lymphdrüsen und von Parotistumoren.
M. orbicularis oculi Fascia superficialis
|_ Fascia temporalis
M. temporalis
{N. auriculo
temporalis
A. temporalis
N. facialis
M. digastricus
— Processus mastoideus
- Parotis
A. carotis externa
M. sternocleido
Fig. 35- a) Schnitt zur Resection des III. Trigeminusastes am Foramen ovale,
b) Freilegung des N. facialis.
Ausserdem legt man gelegentlich den Facialis frei in der Absicht,
denselben zu dehnen behufs Beseitigung von Krämpfen in den Ge-
sichtsmuskeln. Ich habe die Dehnung des Nerven wegen Krämpfen
im Facialisgebiet (Tic convulsif) mehrfach mit recht gutem Erfolg
ausgeführt. Die Dehnung muss sorgfältig dosirt und zunächst so
weit getrieben werden, dass eine deutliche Parese der Krampf-
muskeln entsteht.
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. i^q
Operation: In theilweiser Uebereinstimmung mit Hueter,
Löbker und Kaufmann schneiden wir hinter dem Kieferwinkel
entlang dem Vorderrand des Sternocleido bis zum Ansatz am Warzen-
fortsatz und unter Trennung des Ansatzes des Ohrläppchens (statt
wie wir früher angaben am Hinterrand) bis vor den Tragus herauf.
Die Gewebe, die zu trennen sind, sind ziemlich stramm als Aus-
läufer der Fascia parotideo-masseterica zum Ohrknorpel.
Man schneidet sorgfältig, bis die Drüsenläppchen der Parotis
zum Vorschein kommen und sucht diese mit der Kropf sonde nach
vorne zu schieben unter Einsetzung eines stumpfen Hakens. Kleine
blutende Gefässe werden mit Arterienklemmen gefasst, da sie die
Einsicht stören. Man erkennt in der Tiefe den sehnigen Vorder-
rand des Sternocleido, fühlt den vorderen Umfang des Warzenfort-
satzes und geht unter Controle jedes vorwärts strebenden Stranges
(ob dessen mechanische Reizung Contraction im Gesicht auslöst) in
die Tiefe.
Der Nerv geht von hinten nach vorn und etwas schräg [abwärts
als ein 2 mm dicker Strang unter die Parotis. Er ist von der Haut-
oberfläche 21/2 cm entfernt, reichlich 1 cm tiefer als der Vorder-
rand des Sternocleido und Warzenfortsatzes, etwa in der Mitte
zwischen Kieferwinkel und Jochbogen (in der Figur aber etwas zu
hoch gezeichnet). Die Art. auricularis posterior ist hinten geblieben,
die Carotis externa liegt tiefer unter dem Muse, digastricus.
Wenn man wegen Facialiskrampfes den Nerven freilegt, um ihn
zu dehnen, so darf man nicht narkotisiren, denn die Dehnung muss
so bemessen werden, dass durch dieselbe gerade eine fdeutliche, aber
nicht totale Parese eintritt, was schon durch leichtes Anziehen mit
der Aneurysmanadel bewirkt wird. Selbst wenn danach anfänglich
noch einige Zuckungen fortbestehen, so verschwinden sie bald völlig.
So heilte eine von uns operirte ältere Frau binnen 14 Tagen voll-
kommen, nachdem sie 6 Jahre lang von dem Krämpfe gequält
worden war. Die Parese ging langsamer zurück.
Nervus trigeminus.
Die Hauptindicationen zur Freilegung des 5. Gehirnnerven bilden
die Trigeminus-Neuralgien. Für die Aufsuchung des ersten Astes
siehe Ligatur der Arteria supraorbitalis und frontalis S. 118 Fig. 32.
3a) Ramus II Trigemini (vergl. Fig. 36 u. 37).
Der Hauptast des Trigeminus II, welcher am häufigsten Sitz
von Neuralgien wird, ist der Infraorbitalis. Zur Dehnung dieses
Nerven kann man vom Munde aus die Schleimhaut an der Um-
schlagsstelle der Oberlippe zur Fossa canina spalten bis auf das
140
Specielle Operationslehre.
Periost und dieses nach oben hebeln bis zum Foramen infraorbitale,
1/, cm unterhalb der Mitte des Infraorbitalrandes den Nerven frei-
machen und mit der Aneurysmanadel dehnen, oder auch ohne diese
mit dem Finger kräftig nach vorne ziehen. Endlich kann er von
hier mit einer Arterienklemme, wie wir sie benutzen, gefasst und
nach Thiersch aufgewickelt und ausgerissen werden.
Trennungslinie des-»
Proc. frontalis
ossis zygomatici J
Orbitalfett —
Trennungslinie der |
Jochbein-Oberkiefer- > -
Verbindung i
Trennungslinie aml
Jochbogen f
M. zygomaticus (abgelöst)
Vorderer Rand desl
Masseter-Ansatzes f
N. infra-
orbitalis
Fig. 36. Resection des II. Trigeminusastes (N. supramaxillaris).
Eine sehr gute, aber einen äusseren Schnitt bedingende Methode
ist folgende : Schnitt im Verlaufe unseres Normal-Oberkieferschnittes
1/2 cm unterhalb des medialen Endes des Infraorbitalrandes be-
ginnend, etwas schräg abwärts nach aussen bis zum hinteren unteren
Rand des Jochbeins. Dieser Schnitt ist dem WAGNER'schen Bogen-
schnitt der Facialisäste wegen vorzuziehen. Der M. zygomaticus,
an seinem Ursprung getroffen , wird abgelöst. Die Facialisäste zu
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen.
141
den Muskeln unterhalb sowohl als zum Orbicularis oculi werden ge-
schont. Der Schnitt geht bis auf den Knochen und trennt den An-
satz des M. quadratus labii superioris. Das Periost wird abwärts ab-
gehebelt bis zum Austritt des Nerven aus dem Canalis infraorbitalis,
woselbst er von der Arteria infraorbitalis isolirt und mit Aneurysma-
N. supra-
maxillaris
N. spheno-\
palatinus /
N. infraorbitalis
Nach aussen
geklapptes
Jochbein mit
dem oberen
äusseren Theil
des Antrum
Vorderer Rand\
des Masseter /
A.r infraorbitalis
3 Trennungslinie
der oberen
Wand des Cana-
lis infraorbitalis
.„ | Mediale Wand
\ des Antrum
l Hiehmori
' -3'»,
*-y
Fig. 37. Freilegung des N. supramaxillaris (II. Trigemini) am Foramen rotundum.
nadel umgangen wird. Nach oben das Periost über den Infraorbital-
rand herüber und rückwärts vom Boden der Orbita zurückgehebelt,
wie Wagner dies empfohlen hat, bis man den Canalis infraorbitalis
fühlt oder sieht (Wagner); dann wird die starke obere Wand des
Canales mit zwei Meisselschlägen herausgemeisselt. So kann man
den Nerven auf eine ziemliche Strecke weit freilegen, dehnen, reseciren
oder ausreissen. Wenn man das Antrum Highmori nicht eröffnet
1^2 Specielle Operationslehre.
hat, so heilt die Wunde sicher per primam, ohne eine Entstellung zu
hinterlassen; dies ist selbst bei Eröffnung des Antrum die Regel.
Zur Erzielung eines bleibenden Erfolges bei Operationen für
Neuralgie ist es aber nöthig, den Nervus trigeminus II am
Foramen rotundum zu reseciren. Denn der Nervus infraorbitalis
giebt den Nervus orbitalis und den Nervus alveolaris superior posterior
ab vor Eintritt in die Augenhöhle, und vom Hauptstamm des Tri-
geminus II, dem Nervus supramaxillaris, geht in der Fossa spheno-
palatina ausser dem N. infraorbitalis noch der Nervus spheno-palatinus
abwärts zum Ganglion nasale ab. Letzteren Ast kann man nicht
isolirt treffen, während dies noch für einzelne Zweige des Infraorbitalis
der Fall ist.
Allerdings giebt es ein von Thiersch empfohlenes und in
neuester Zeit von Angerer und Helfrich mit besonderem
Erfolg geübtes Verfahren, den Enderfolg zu sichern, nämlich durch
Neurexeresis. Wenn man den möglichst central gefassten Nerven
in toto sammt seinen Aesten herauszieht und nach Angerer sogar
prophylaktisch die noch gesunden Trigeminusäste in ähnlicher Weise
entfernt, so ist sicher mehr Aussicht auf radicale Heilung 'als bei
blosser Durchschneidung.
33) Resection des Nervus orbitalis (zygomaticus), i cm
langer Schnitt am Aussenrand der Orbita schräg aus- und etwas
abwärts, nahe am Augenwinkel beginnend, bis auf den Knochen.
Abhebung des Periosts von der lateralen Wand der Orbita. Dabei
wird der Nerv an der Eintrittsstelle in die orbitale Jochbeinfläche
abgerissen.
Die Nervi alveolares superiores isolirt zu treffen, ist in
der Weise erreicht worden (v. Langenbeck), dass man die Lippen
emporhebt, einen grossen Schnitt macht über den Zähnen bis auf
den Knochen und nun mit einer Säge oder Meissel die laterale
Wand des Antrum sammt Schleimhaut von der Nasenhöhle bis zum
Flügelfortsatz durchtrennt.
34) Je mehr man sich bei Operationen für Neuralgien auf
Trennung peripherer Zweige beschränkt, um so weniger ist Aussicht
vorhanden für eine radicale Heilung. Wenn man dagegen den
N. supramaxillaris am Foramen rotundum (Fig. 36 u. 37)
freilegt, so ist der einzige Ast, den man selbst dabei nicht trifft, der
Nervus recurrens supramaxillaris für die Dura mater. Auf der anderen
Seite ergiebt diese centrale Operation den Nachtheil, dass die durch
den N. vidianus ins Ganglion nasale und zu den N. palatini zutretenden
motorischen Aeste des Facialis für die Gaumenmuskeln gelähmt
werden.
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. 143
Der Weg zum Foramen rotundum ist schwierig, v. Langenbeck
geht mit einem Tenotom am äusseren Orbitalrand unter dem Liga-
mentum palpebrae externum hinein. Diese Stichmethode ist gegen-
wärtig verlassen, weil man bei ihr nie sicher ist, Nebenverletzungen
zu vermeiden; auch wird dabei die Arteria infraorbitalis verletzt.
Poirier will ohne Knochenresection von einem senkrechten Schnitt
hinter dem Proc. frontalis des Jochbeins bis auf den Jochbogen in
die Fissura pterygo-m axillaris vordringen; der Raum ist dabei sehr
beschränkt. Deshalb macht man jetzt allgemein die temporäre Re-
section des Jochbeins nach Bruns' Vorschlag und nach LüCKE's
Vorgang in der Modification LOSSEN- Braun (mit Schonung des
Masseteransatzes) oder in derjenigen von Krönlein. Diesen Me-
thoden haftet in Folge der Schnittführung ohne Ausnahme der
Nachtheil an, Facialisäste nicht sicher zu schonen. Dasselbe ist der
Fall bei der sehr guten Zugang gewährenden Methode Gussen-
bauer's. Friedländer hat den einen Theil meines für den
3. Trigeminusast benutzten Schnittes (von der Augenbraue entlang
dem hinteren Rande des Jochbeins und dem oberen Rande des
Jochbogens) (siehe Fig. 34) in Combination mit der von mir
angebenen Resectionsmethode des Jochbeins (er macht bloss die
Trennung des Jochbogens weiter hinten) benutzt sowohl für den
2. als 3. Trigeminusast.
Auf Grund unseres Princips, alle Schnitte für unrichtig zu
halten, welche quer zu den Facialästen verlaufen, gehen wir in
folgender Weise vor: Schnitt wie zur Freilegung des Nervus infra-
orbitalis (vergl. Fig. 10 u. 36), aber länger, d. h. 1 cm median-
wärts von dem fühlbaren Foramen infraorbitale und 1/2 cm unter
dem inneren Ende des Infraorbitalrandes beginnend, etwas schräg
abwärts, wesentlich horizontal nach aussen über den unteren Theil
des Jochbeinkörpers bis zum Jochbogen. Am inneren Ende des
Schnittes wird die Arteria angularis abgezogen oder unterbunden,
der Ductus Stenonianus bleibt nach unten. Am medialen Ende
geht der Schnitt zwischen den untersten Fasern des Musculus
orbicularis oculi und über dem Ursprung des Quadratus labii
superioris auf den Knochen ; ersterer Muskel wird mit dem Periost
bis in die Orbita abgehoben, letzterer subperiostal soweit gelöst, bis
der N. infraorbitalis an seiner Austrittstelle aus dem gleichnamigen
Kanal freiliegt und auf einen Arterienhaken gefasst werden kann.
Der laterale Theil des Schnittes geht oberhalb des Ansatzes der
M. zygomatici, welche abwärts gelöst werden. Der vorderste Theil
des Masseteransatzes wird an der Unter- und Innenfläche des Joch-
beins abgelöst.
Der Jochbogen wird vorne mittelst eines Elevatoriums in schräger
Linie innen und aussen freigemacht (Fig. 36) und durchgemeisselt.
IAA Specielle Operationslehre.
Der Jochbeinfortsatz des Oberkiefers wird auf der Vorderfläche bis
zum Foramen infraorbitale, auf der oberen Fläche bis zur Fissura
orbitalis inferior freigemacht und so abgemeisselt, dass die obere
Wand des Canalis infraorbitalis mit abgehoben wird, während der
Meisselschnitt rückwärts seinem lateralen Rande entlang geht. An
der Vorderfläche geht der Meisselschnitt schräg vom N. infraorbitalis
bis unter den vorderen Ansatz des Masseter und durch die laterale
Wand des Antrum aufwärts, bis er den Meisselschnitt in der Orbital-
platte hinten trifft. So bleibt der laterale Theil der Orbitalplatte
und die lateral-obere Wand des Antrum mitsammt dem hinteren
Winkel desselben in Zusammenhang mit dem Jochbein und wird
mit demselben herausgehoben.
Um letzteres auszuführen, wird unter Aufwärtsziehen des oberen
Wundrandes (siehe Fig. 36) die Stirnbein -Jochbein Verbindung frei-
gelegt und so gegen den hinteren Theil der Fissura orbitalis inferior
durchgemeisselt, dass auch deren oberer Rand, nämlich die Crista,
zygomatica und orbitalis des Keilbeins mitentfernt wird. Das Joch-
bein wird mit einem kräftigen, scharfen Haken aus der grossen
Wunde nach oben aussen luxirt, das Orbitalfett durch einen stumpfen
Haken sorgfältig in die Höhe gehoben, und nun kann man ohne
Schwierigkeit den angezogenen N. infraorbitalis über der klaffenden
Highmorshöhle bis zum Foramen rotundum verfolgen und hinter
dem senkrecht abwärts ziehenden N. sphenopalatinus einen kleinen
Haken um den Hauptstamm führen und diesen so oder anders durch-
trennen resp. nach THIERSCH ausreissen. Die Arteria infraorbitalis
ist neben dem M. infraorbitalis sichtbar und kaum geschont oder
ligirt werden. Das Jochbein wird nach vollendeter Operation wieder
an seine Stelle zurückgeklappt, ohne dass zu seiner Fixation Knochen-
nähte nöthig werden, und die Hautwunde vereinigt. Die Narbe ist
in keiner Weise entstellend. Ich habe von der Eröffnung der Kiefer-
höhle keinen Nachtheil gesehen. Es ist aus der Schilderung er-
sichtlich, dass sich mein Verfahren nicht bloss durch den (für
Erhaltung der Facialisäste) vortheilhafteren Hautschnitt von der
Lossen - BRAUN'schen Methode unterscheidet, sondern auch darin
dass das Jochbein sammt Weichtheilen nach oben-aussen luxirt wird
und zwar das ganze Jochbein, so dass ein viel grösserer und be-
quemerer Zugang geschaffen wird.
Alex. Fränkel vermeidet auch zur Resection des Quintus II
jeden äusseren Schnitt, klappt vielmehr vom Munde aus osteoplastisch
die vordere Wand der Kieferhöhle nach oben-aussen und legt den
Nerven von unten unter künstlicher Beleuchtung frei, indem er
die obere und hintere Wand des Antrum öffnet in Anlehnung
an das LANGENBECK'sche Verfahren für Trennung der oberen
Alveolaräste.
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. iac
35) Ramus III nervi trigemini.
Der III. Ast des Trigeminus enthält am Foramen ovale die
beiden Portionen, nämlich die motorische (nach hinten aussen) und
die sensible so eng verflochten, dass sie nicht getrennt werden können.
Daher hat die centrale Durchtrennung des Nerven den Uebelstand
einer schweren Nebenverletzung, die man nicht beabsichtigt, nämlich
einseitige Lähmung und Atrophie der Kaumuskeln. Glücklicher
Weise lehrt die Erfahrung (auch bei unseren Patienten), dass diese
einseitige Lähmung der Kaumuskeln an und für sich die Function
des Kiefers nicht erheblich beeinträchtigt; sie vermindert bloss die
Kraft des Kieferschlusses und die Ergiebigkeit der Seitenbewegungen.
Immerhin lässt der erwähnte Uebelstand der Trennung des Stammes
am Foramen ovale den Versuch gerechtfertigt erscheinen, bei Neur-
algie bloss einzelner A e s t e trotz der Unsicherheit des Erfolges
zunächst diese zu dehnen oder zu durchschneiden.
Besonders der N. lingualis und N. alveolaris inferior sind häufig
Sitz von Neuralgien, namentlich der letztere in seinem Verlauf durch
den Canalis inframaxillaris, aus welchem er als N. mentalis wieder
austritt. Ausserdem kommen gelegentlich Neuralgien vor im Nervus
auriculotemporalis und im N. buccinatorius, welcher die Gegend des
Mundwinkels versorgt.
Der Nervus alveolaris inferior kann an verschiedenen
Stellen zugänglich gemacht werden.
36) Wenn man seinen Endast allein, den N. mentalis, treffen
will, so zieht man die Unterlippe kräftig vom Kiefer ab, schneidet
die Schleimhaut an der Umschlagsstelle senkrecht unter dem Inter-
stitium des I. und II. Prämolarzahnes des Unterkiefers durch, spaltet
das Periost und sieht den Nerven aus dem Foramen mentale aus-
treten. Gewöhnlich aber ist der Sitz der Neuralgien weiter oben, im
Bereich der Zähne. Man muss daher den Nerven freilegen, bevor er
in den Canalis inframaxillaris eintritt. Um ihn hier zugänglich zu
machen, sind hauptsächlich zwei Methoden angewendet worden.
37) Nervus alveolaris inferior (Fig. 38).
a) Trepanation des aufsteigenden Kieferastes durch
einen Schnitt am Rande des Kieferwinkels. Velpeau und Linhardt
haben die Trepanation vorgeschlagen, welche der Abmeisselung des
Kieferwinkels durch Kühn und Bruns vorzuziehen ist. Der Schnitt
„in der Mittellinie des aufsteigenden Kieferastes" ist aber weniger
gut, als der von mir beschriebene. Gerade an dieser Stelle verlaufen
die Facialisäste, welche die Musculatur des Kinns und die Unter-
lippe versorgen. Man darf deshalb nur sorgfältig präparirend unter
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. IO
146
Specielle Operationslehre.
Abziehen des Ramus marginalis des Facialis mit bogenförmigem
Schnitt auf den Kieferwinkel [eingehen durchlHaut und Fascie (vergl.
den hinteren Theil unseres Normalschnittes [für das obere Hals-
dreieck). Dann löst man die sehnigen Fasern des Masseter mit dem
M. orbicularisl
oris )
A. maxillarisl
externa j jg|
Aussenfläche des Kiefers
Angilus lnandibulae
A. maxillaris externa
Fig. 38. I. Ligatur der A. maxillaris externa. 2. Ligatur der A. temporalis.
3. Trepanation des aufsteigenden Kieferastes zur Freilegung des N. alveolaris
inferior.
Elevatorium und Messer vom Kiefer aufwärts los, lässt den Muskel
sammt dem oberen Wundrande mit stumpfem Haken emporhalten
und meisselt genau in der Mitte des aufsteigenden Kieferastes ein
Stück Knochen heraus (Velpeau, Linhardt). So kommt man auf
der Innenfläche des Kiefers auf die Eintrittsstelle des Nerven. Diese
Methode ist eine sehr exacte, und man ist sicher, den Nerven zu
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. i*n
treffen. Sie ist weniger verletzend als das Herausmeisseln eines
Stückes Kiefer aus der hinteren Kante nach Bruns und sie ist
leichter als die SONNENBURG-LüCKE'sche Operation, welche auf der
Innenseite Periost mit M. pterygoideus internus bis zur Lingula
abhebt (vergl. Esmarch). Bei Primaheilung bleibt keine Störung
in der Function des Kiefers zurück.
b) Methode nach Paravicini. Bei weit geöffnetem Munde
(WfflTE'sches Speculum) palpirt man am Vorderrande des aufsteigen-
den Kieferastes dessen scharfe, innere Kante und durchtrennt auf
dieser Schleimhaut und Periost vollkommen bis auf den Knochen.
Der innere Wundrand wird nun subperiostal mit einem stumpfen
Instrumente von der Innenfläche des aufsteigenden Kieferastes ge-
hörig abgehoben, bis man die Lingula als einen spitzen Vorsprung
am inneren Umfang des Canalis inframaxillaris fühlt. Hinter diesem
findet man den Nerven sicher. Die Operation ist ungemein einfach
und viel weniger verletzend als diejenige von aussen, hat aber den
Nachtheil, dass sie eine Wunde im Munde bedingt, welche möglicher
Weise inficirt wird, während bei Schnitten von aussen mit aller
Sicherheit eine Infection zu vermeiden ist. Die langsamere Heilung
einer inficirten Wunde und der Umstand, dass sich das Ligamentum
internum an der Lingula ansetzt, bringen es mit sich, dass das Oeffnen
des Mundes längere Zeit behindert sein kann.
38) Der Nervus lingualis kann nach Paravicini's intra-
buccaler Methode freigelegt werden. Einfacher ist folgende Methode :
Da, wo der Nerv zwischen vorderem Gaumenbogen und
Zungengrund nach vorne zieht, ist er sehr oberflächlich unter der
Schleimhaut gelegen. Man braucht deshalb nur einen kleinen Längs-
schnitt zu machen, um ihn sicher freizulegen. Man schneidet der
Zunge nicht zu nahe ein. Die quere Wangenspaltung nach ROSER
ist dabei keine nothwendige Vorbedingung. Die Operation hat den
Nachtheil, dass man eine Wunde innerhalb der Mundhöhle schafft.
Diesen Uebelstand zu vermeiden, hat man versucht, den Nerven
von aussen und unten her frei zu legen, da, wo er oberhalb der
Glandula submaxillaris durchgeht: Der Schnitt (Theil unseres Nor-
malschnittes für das obere Halsdreieck) legt am Halse einfach die
Glandula submaxillaris an ihrem unteren Rande frei. Die Drüse
wird nach oben geschlagen und der Nerv da gefasst, wo er durch
das Ganglion linguale mit der Glandula submaxillaris in Ver-
bindung steht. Die Operation ist 'erheblich schwieriger, als die
erstgenannte, aber sie hat den Vortheil, dass man sicher eine Prima-
heilung erzielt. In dritter Linie kann man den Nerven finden, wie
den Nervus alveolaris inferior durch Trepanation des aufsteigenden
Kieferastes oder von unten nach SONNENBURG-LüCKE.
10*
Izi3 Specielle Operationslehre.
39) Der Nervus auriculo-temporalis (vergl. Fig. 19) wird
freigelegt an der Rückseite der Temporalgefässe, unter welchen er
sich nach oben heraufschlägt. Eine Längsincision von der Wurzel
des Jochbogens aufwärts durch Haut und Fascie legt den dünnen
Nervenstamm frei.
40) Der Nervus buccinatorius ist der sensible Nerv für die
Gegend des Mundwinkels. Er liegt an der Innenseite des Processus
coronoideus des Unterkiefers, resp. auf dem sehnigen Ansatz des
M. temporalis an dessen Spitze. Am vorderen Rande des Processus
ist der Nerv zu fassen, sowohl wenn man von aussen, als wenn man
von innen operirt. Einfacher ist die Operation von innen her (nach
Holl). Nach kräftigem Oeffnen des Mundes fühlt man ohne
Schwierigkeit die Kante am vorderen Rande des genannten Fort-
satzes; auf diese schneidet man ein unter Spaltung der Schleimhaut
und der Fasern des M. buccinatorius. Der Nerv zieht quer auf dem
Fortsatz nach vorne. PANAS hat zuerst von innen operirt.
Die Operation von aussen (Zuckerkandl) geschieht durch
Schnitt unter dem Jochbogen und Jochbein von dem Vorderrand des
Masseter vorwärts in horizontaler Richtung oberhalb des Ductus
Stenonianus, unter Schonung der Arteria transversa faciei. Am
vorderen Rande des Masseter trifft man den Fettklumpen der
Wange; nach dessen Beiseiteschieben oder Entfernung kommt man
auf den vorderen Rand des Processus coronoidus, auf dessen Innen-
seite der Nerv auf den Muskelfasern des Muse, buccinatorius ver-
wärts zieht. Die Operation von aussen hat den Nachtheil, dass die
Aeste des N. facialis verletzt werden können.
41) Nervus inframaxillaris.
Alle Operationen an den Aesten des 3. Trigeminusstammes haben
so oft Recidive zur Folge, dass nichts anderes übrig bleibt, als
den Trigeminus III am Foramen ovale aufzusuchen (Fig. 39).
Diese Operation wird am sichersten in ihrer Ausführung, wenn man
den Jochbogen resecirt (Bruns, Lücke, Braun, Lossen, Krönlein).
Wir halten daran fest, dass auch hier nur diejenigen Schnitte
gemacht werden dürfen, welche keine Facialisäste verletzen.
Der Schnitt (Fig. 39) beginnt hinter dem Processus frontalis des
Jochbeins und wird nach vorne convex bogenförmig bis unter den
Jochbogen diesem entlang, schräg abwärts geführt. Vom hinteren
Ende dieses Schnittes wird im rechten Winkel ein zweiter vor dem
Ohr schräg rückwärts aufsteigender Schnitt bis auf den Knochen
hinzugefügt (Ligatur der A. und V. temporalis). Man schneidet durch
Haut, einige Orbicularisf asern, und trennt die stramme Temporalfascie
am oberen Rande des Jochbogens. Dann legt man unmittelbar
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen.
149
hinter dem aufsteigenden Stirnfortsatz des Jochbeins letzteres in
senkrechter Linie innen und aussen frei und meisselt dasselbe durch,
also noch hinter dem eigentlichen Jochbeinkörper. Am hintersten
Ende des Jochbogens wird die Wurzel desselben dicht an ihrem
(Schnittfläche
> des M. tem-
l poralis
Ä '%
M. temporalis
{Crista infra-
temporalis
J Sägefläche
\ der Basis des
[ Jochbogens
{Capitulum
mandibulae
| Masseter-
I fasern auf der
| Innenfläche]
Id. Jochbogens
(Oberer Rand
) des Joch-
i bogens ab-'
\ wärts gewälzt
Sägefläche zwischen Jochbein-
körper und Jochbogen
N. infratnaxillaris
Fig. 39. Freilegung des III. Trigeminusastes (N. inframaxillaris) am Foramen ovale.
Ursprung ebenfalls durchtrennt, nun der Jochbogen sammt Masseter-
ansatz mit einem kräftigen Haken abwärts gezogen.
Jetzt liegt, von Fett bedeckt, die Aussenfläche des M. tempo-
ralis-frei. Dieser Muskel wird von seinem hinteren Rande her vom
Schädel subperiostal abgeschoben, nach vorne unten und kräftig nach
vorne gezogen mit stumpfem Haken. Dieses Vorgehen hat den
i^o Specielle Operations-lehre.
grossen Vortheil, dass man mit einem Schlag die sämmtlichen Ge-
bilde der Fossa retromaxillaris wegschiebt, was bei Ablösung des
Muskels von unten nicht der Fall ist. Bei ungenügendem Zugang
kann immerhin noch der Ansatz des Muskels am Processus coro-
noides durchschnitten oder dieser Fortsatz nach gehöriger Isolirung
an seiner Basis nach Pancoast's und Krönlein's Vorgang mit
scharfer Zange durchgekniffen werden. Es kat keine Wichtigkeit,
den Muskel zu schonen; aber die von uns geübte Ablösung von
oben und hinten ist weniger verletzend für Gefässe und Weichtheile
und giebt ein klareres Operationsfeld.
Sind auf diese Weise sämmtliche Weichtheile im Zusammenhang
subperiostal von der unteren Fläche des Schädels medianwärts ab-
gehoben, so kommt man ohne weitere Verletzung an die Aussen-
fläche der Basis des Processus pterygoideus, und hinter der scharfen,
hinteren Kante desselben liegt das Foramen ovale deutlich fühlbar,
etwa 3 cm tiefer als der Schläfenursprung des Jochbogens. Gelegent-
lich finden sich zwei Oeffnungen, aus denen der Nerv austritt. Die
ziemlich starke venöse Blutung kann durch Tamponade leicht ge-
stillt werden. Die grossen Arterien, Aeste der Maxillaris interna
bleiben in den nach abwärts gezogenen Weichtheilen mit Ausnahme
der Meningea media, welche nach hinten liegt. Jetzt kann man den
Nervenstamm mit einem geeigneten kräftigen, aber kleinen stumpfen
Haken fassen und sichtbar machen; am besten wird er mit einer
schmalen kräftigen Zange in toto gefasst und ausgedreht. Steht die
Blutung, so kann die Wunde sofort vereinigt werden. Ist dies nicht
der Fall oder ist man nicht völlig sicher (weil in Narkose nicht ge-
prüft werden kann) den ganzen Inframaxillaris getrennt zu haben,
so tamponirt man mit Jodoformgaze und macht nach i — 2 Tagen
Secundärnaht. Der Jochbogen wird reponirt und mittelst je einer
Knochennaht vorne und hinten befestigt, und es resultirt eine fast
unsichtbare Narbe.
Das Jochbein auch in seiner Orbitalplatte oder bis zu seiner
Oberkieferverbindung zu reseciren, ist unnütz, da man nicht mehr
Raum erhält zur Isolirung des Nerven. Krönlein hat in neuester
Zeit (Bd. XLIII Arch. f. kl. Chir.) eine retrobuccale Methode
mit querer Wangenspaltung incl. Masseter (2/3) und tiefer Abtragung
des Processus coronoideus mandibulae behufs Verfolgung der ein-
zelnen Aeste bis zur Schädelbasis angegeben. Wenn man einen
queren Wangenschnitt „bis 1 cm vor dem Ohrläppchen" fortsetzt
und die vorderen zwei Dritttheile der Masseter durchschneidet, so
ist man nicht sicher, keine Facialisäste zu verletzen. Dieselbe ist
von Mikulicz in anderer Form als extrabuccale Methode schon
benutzt worden mit Durchsägung des Unterkiefers. Die Mikulicz-
sche Methode giebt Dank dem Aufwärtsklappen des ganzen auf-
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. kj
steigenden Kieferastes viel Raum, ist aber verletzend. Bruns und
Sonnenburg gehen noch tiefer, vom Kieferwinkel her, auf den
Nerven los.
42) Die Exstirpation des Ganglion Gasseri.
Durch die erfolgreichen Operationen einer grösseren Anzahl
von Chirurgen, Krause und Keen voran, ist erwiesen, dass sich
auch die hartnäckigsten Trigeminusneuralgien durch Ausrottung des
Ganglion Gasseri dauernd heilen lassen. Ferner ist der Beweis ge-
leistet, dass die Folgen dieses Eingriffes nicht der Art sind, dass,
der Patient dauernde Schädigung erführe. Die Keratitis neuro-
paralytica mit Verlust des Auges bleibt in der Regel bei voll-
ständiger Entfernung des Ganglion aus, resp. kann vermieden
werden durch Schutz des Auges. Die Lähmung der Kaumuskeln
der einen Seite hindert den Kauact nicht in störender Weise, die
Anästhesie des Gesichts nimmt mit der Zeit an Umfang- ab und
führt keine weiteren Folgen herbei. Die Nebenverletzungen der
Operation, soweit sie in Schädigung des Gehirns und der Augen-
muskelnerven (in erster Linie des Abducens, der Pupillarfasern des
Sympathicus und des Oculomotorius) bestehen, verschwinden mit
der Zeit.
Eines bleibt bestehen, die Gefahr der Blutung, und diese ist
es, welche die dringende Mahnung auch der erfahrenen Operateure
rechtfertigt, bloss in Fällen zu operiren, wo sich die internen Mittel,
die Neuro- und Neurektomie und Neurexairesis einzelner Trigeminus-
äste als unzureichend erwiesen hat. Die Blutung hat 2 Quellen,
einmal die Art. meningea media und kleinen Arterienzweigchen zum
Ganglion, danach die von der Dura zum Schädel tretenden Venen-
verbindungen in Form von Emissarien oder Aesten zur Diploe, zum
Plexus pterygoideus u. s. w. Je sicherer eine Operationsmethode
Einblick auf den Verlauf der Arteria meningea media an der Dura-
oberfläche bis zum Foramen spinosum gestattet, und je geringer die
Ablösung der Dura, um so besser ist sie für Verhütung beider Arten
von Blutung, danach um so sicherer im Erfolg. Nach TlFFANY be-
trägt die Mortalität von 108 Fällen noch 22 Proc.
Zwei Wege sind es, welche zur Freilegung des Ganglion ein-
geschlagen worden sind, der sphenoidale und der temporale. Der
sphenoidale Weg, von W. ROSE zuerst betreten, hat den Vor-
theil directen Zugang zu geben, aber der Zugang ist beschränkt.
Er ist demgemäss auch vielfach modificirt worden und zwar in Form
des temporosphenoidalen Verfahrens von Poirier und Doyen, der
provisorischen Resection des Arcus zygomaticus von Jacob und
Quenu und Sebileau. TiCHONOWlTSCH giebt dem Verfahren der
letzteren Autoren den Vorzug.
ic 2 Specielle Operationslehre.
Der temporale Weg, von Hartley und Krause vor-
geschlagen und ausgebildet, giebt viel grösseren, aber weniger
directen Zugang. Seine bisherigen Resultate sind nach KRAUSE
erheblich besser, als diejenigen des sphenoidalen Verfahrens. Indes
ergeben sich die damit verbundenen Schwierigkeiten doch daraus,
dass Krause die Ligatur der Arteria meningea für nöthig hält und
Friedrich empfiehlt, die vorgängige Ligatur der Arteria carotis
externa zu machen, resp. diese frei- und einen Faden umzulegen
zu event. sofortiger Ligatur, wenn starke Blutung eintreten sollte.
Die Bedenken einer ziemlich ausgedehnten Abhebung der Dura
von Seiten- und Grundfläche des Schädels und der damit zusammen-
hängenden venösen Blutungen werden damit nicht beseitigt.
Wir halten deshalb die von dem Autor als directe infra-
arterielle Methode bezeichnete, den temporalen Methoden zu-
zurechnende Verfahren von Harvey Cushing für einen Fortschritt,
um so mehr als der Autor dasselbe an 30 Leichen in allen Einzel-
heiten sorgfältig studirt und 4 Mal am Lebenden glücklich durch-
geführt hat. Wir haben Gelegenheit gehabt, die Genauigkeit und
Geschicklichkeit des Autors persönlich kennen zu lernen bei Experi-
menten und können es uns deshalb nicht versagen, seine klaren
Zeichnungen aus der Abhandlung x) zu reproduciren. Das Verfahren
nähert sich demjenigen von Coelho, v/elcher auch schon bei der
HARTLEY-KRAUSE'schen Methode den Jochbogen zu reseciren vor-
schlug und in dieser Hinsicht auch denjenigen von Quenu und
Sebileau, und von Jacob. Auch Lexer hat diese grosse Er-
leichterung sich zu Nutze gemacht.
Der Glaube, soviel wie möglich am Schädel osteoplastisch operiren
zu sollen, gegen welchen wir schon bei der Trepanation Stellung
genommen haben, hat die Chirurgen auch bei Ausführung der
Ganglionoperation verfolgt. Und doch macht gerade diese Osteo-
plastik es unmöglich, die Knochenöffnung so anzulegen, wie sie den
besten Zugang giebt, nämlich bis zur Crista infratemporalis und unter
dieselbe. Cushing hat diesen Fehler vermieden. Er macht ähnlich wie
Hartley-Krause einen Temporallappen aus den Weichtheilen mit
unterer Basis in ganzer Breite des Arcus zygomaticus, oben bis etwas
über Ohrmuschelhöhe (also weniger hoch als bei Krause), und kneift
von oben sowohl vorne als hinten den Jochbogen durch (ohne Läsion
des Masseteransatzes). Nachdem im Schnitt die Gefässe ligirt oder
gefasst sind, kann man nun alle weiteren Läsionen in der Tiefe, wie
sie der sphenoidalen Methode anhaften, dadurch umgehen, dass man
subperiostal den Muse, temporalis nach abwärts schiebt, bis die Crista
1) A method of total exstirpation of the Gasserian ganglion etc. Presented
at a meeting of the College of physicians, Philadelphia April 1900.
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen.
153
infratemporalis völlig frei ist. Dann zieht1) man den Lappen sammt
gelockertem Jochbogen abwärts (vergl. Fig. 40).
Jetzt wird ohne Osteoplastik das Os temporale trepanirt, indem
von oben mit einer Fräse ein Loch gebohrt und mit der Kneifzange
eine 3 cm breite Oeffnung bis und mit der Crista infratemporalis
angelegt wird. Die folgende Abbildung zeigt, dass — wie in unserer
Abbildung für Ligatur der Art. meningea media Fig. 31 — die
Fig. 40. CüSHiNG's Lappenschnitt zur Freilegung des Ganglion Gasseri mit pro-
visorischer Resection des Jochbogens (reproducirt aus CüSHiNG's Abhandlung).
Stelle freigelegt ist, wo die Art. meningea media sicher auf ider
Dura zu sehen ist und zwar unterhalb des Angulus sphenoidalis
des Parietale, wo dieselbe öfter in einen knöchernen Kanal einge-
schlossen ist. Man kann auf diese Weise bei Abhebung der Dura
die Arterie vom ersten Augenblick weg genau controliren bis an
ihre Eintrittsstelle (For. spinosum), was ein grosser Vortheil ist.
1) Da der vordere Theil des Schnittes die obersten Facialisäste lädirt, so
frage ich mich, ob nicht der von mir vorgeschlagene Hautschnitt für den Nervus
inframaxillaris (vergl. Fig. 39) sich auch hier passend verwerthen Hesse mit
Abschieben des Muse, temporalis nach vorn.
154
Specielle Operationslehre.
Ist man mit der Abhebung der Dura bis ans Foramen ovale ge-
langt, so findet man hier eine festere Anhaftung, ebenso am Foramen
A. meningea media
Dural arch.
N. ophthalmicus ,'
N. abducens
N. maxillaris
Foramen spinosum
Ganglion semilunare
Underlying sheath of dural envelope N. mandibularis
Fig. 41. Reproducirt aus Cushing, um das Verhalten der Art. meningea media
zu der Trepanationsöffnung, nach Abhebung der Dura, zu zeigen. Die Oeffnung
sollte nach unten die Crista infratemporalis mit einbeziehen.
Operative foramen
N. abducens
'J
Site of operative —fi
foramen 'Mi
A. meningea
media
TOT — A* meningea
i\fi media
—Ganglion semi-
I lunare
Dura mater
(reflected)
Dura propria of
ganglion
Fig. 42. Reproduction der CüSHiNG'schen Abbildung zur Demonstration, dass
ausser der in der Figur zurückgeschlagenen Dura der Basis das Ganglion seine
eigene fibröse Umhüllung hat, welche es unten und oben (die obere Bedeckung
ist in der Abbildung ebenfalls zurückgeschlagen) umgiebt.
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. jec
rotundum. Zwischen beiden wird ein stumpfes Instrument (eine
Kropfsonde z. B.) eingeführt und die Dura über den 3 Aesten, dem
Ganglion Gasseri und der Wurzel desselben abgehoben, aber zunächst
nur von der oberen Fläche, weil von unten die stärkere Blutung
erfolgt. Dann wird stumpf entlang den 2 Hauptästen von vornher
auch die untere Fläche gelöst, bis das Ganglion abgehoben ist. Zu-
letzt kommt die Lösung am medialen Rande, wo der N. abducens
und Sinus cavernosus anliegen und zwar hier von hinten her gegen
den 1. Ast zu. Dann wird auf stumpfen Häkchen der 2. und 3. Ast
durchschnitten und mit einer Zange die Wurzel des Ganglion gefasst
und dieses sammt den 2 Aststümpfen und dem ersten Ast ausgerissen.
Die Blutung aus den kleinen Arterien und den Venenzweigen
(zum Plexus pterygoideus nach Lexer) von unten her und selbst eine
event. Blutung aus dem Sinus cavernosus ist durch Tamponade leicht
zu stillen. Cushing verzichtet mit Recht auf jede Drainage und jegliche
Tamponade, sondern hat stets völlige Primavereinigung durch Naht
der Hautmuskellappen erzielt. Den Jochbogen zu fixiren ist unnütz,
weil es besser ist, er sinke etwas ein, da die Kaumuskeln atrophiren.
Die Resection des Jochbogens, das Vermeiden der unnützen und
störenden Osteoplastik und die bewusste Verfolgung der Arteria
meningea in ganzer Länge halten wir für die werthvollen Eigen-
thümlichkeiten der CüSHlNG'schen Methode. Wir zweifeln nicht, dass
man trotzdem das eine oder andere Mal in die Lage kommen kann,
nach Krause die Arteria meningea zu unterbinden oder nach Fried-
rich die Carotis externa.
43) Resection des Oberkiefers (vergl. Fig. 10 und n).
Um den Muth zu haben, ganz im Beginn maligner Neu-
bildungen die partielle oder totale Resection des Oberkiefers mit der
nöthigen Gründlichkeit auszuführen, d. h. die erkrankte Partie so
vollkommen frei zu legen, dass mit Sicherheit alle verdächtigen Ge-
webe entfernt werden können, ist es nothwendig, Methoden der
Operation zu kennen, welche keine zu bedenklichen Entstellungen
im Gefolge haben. Namentlich darf das Mienenspiel nicht in unnützer
Weise geschädigt werden. Nicht darauf allein kommt es an, feine
Narben zu erzielen, sondern die Gesichtsmuskeln und ganz besonders
deren motorische Nerven müssen intact erhalten werden. Um dieses
zu erreichen, ist folgendes Verfahren zu empfehlen. Zunächst ist es
fast stets wünschenswerth, wegen Drüsen am Kieferwinkel und am
vorderen Rande des Sternocleido mittelst des „Normalschnittes für
das obere Halsdreieck" (S. 75) die Drüsen zu entfernen. Dabei
soll man die Gelegenheit wahrnehmen, die Carotis externa zu
unterbinden. Diese Voroperation gestaltet den Hauptact zu einem
viel exacteren, weil die Blutung unvergleichlich geringer ist.
156
Specielle Operationslehre.
Man legt (vergl. Fig. 10) einen paramedianen Schnitt an, welcher
neben dem Filtrum von der kleinen Einbuchtung der Oberlippe ins
Nasenloch aufwärts geht, von dem Nasenloch, jdicht um den Nasen-
flügel-herum, entlang der Apertura pyriformis schräg auf- und median-
wärts zur Vereinigungsstelle von Processus frontalis des Oberkiefers
mit dem Stirnbein. So wird bloss der Muse, levator alae nasi durch-
schnitten, was für das Mienenspiel keine Bedeutung hat. Wie ge-
Fig. 43. Geheilte Totalresection des rechten Oberkiefers mit Winkelschnitt
wegen maligner Neubildung.
ring die Entstellung ist, indem sie sich ohne Prothese auf ein leichtes
Zurückrücken der Wange und Herabsinken des unteren Lides be-
schränkt, zeigt Fig. 43.
Erzeigt sich der angegebene Schnitt, welchen Esmarch als den
NELATON'schen bezeichnet, als ungenügend zur Erzielung freier Ein-
sicht, so kann man auf zwei Weisen mehr Zugang schaffen: Bei
weit rückwärts gehenden Tumoren durch Zufügung eines unab-
hängigen queren Wangenschnittes vom Mundwinkel lateralwärts,
wie wir ihn unten genauer schildern für breite Eröffnung der Mund-
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. jcj
höhle. Dadurch wird die Operation der von FERGUSSON (nach
Esmarch) geübten ähnlich. Dieser Schnitt passt, wenn die Neu-
bildung am Alveolarfortsatz und an der Gaumenplatte sehr weit
rückwärts sich ausgedehnt hat.
In der Regel bedarf man eines oberen Schnittes, um im
Bereich der Orbita und des Jochbeins genügenden Zugang zu
bekommen. Man vervollständigt ihn in der Weise, dass man
zwischen dem oberen und unteren Facialisgebiet durchgehend, am
unteren Rande des M. orbicularis oculi und über den Ansätzen
der M. quadratus labii sup. und der Zygomatici einen lateralwärts
leicht absteigenden Querschnitt hinzufügt (unseren Normal-
Oberkieferschnitt unterhalb des Infra Orbitalrandes , Fig. 10). Der
Schnitt stimmt mit dem von O. Weber angegebenen überein mit
dem Unterschied, dass er lateral abwärts verläuft der Facialäste
wegen. Noch besseren Zugang ergiebt der Schnitt, welcher in den
inneren Augenwinkel einmündet und vom äusseren Augenwinkel
lateral- und etwas abwärts fortgesetzt wird. In der Lidspalte wird
die Schleimhaut längs des unteren Lides durchschnitten. Es ist
dies der DiEFFENBACH'sche Schnitt mit der Abweichung, dass
Dieffenbach die Nase in der Mittellinie spaltet.
Der Lappen wird in toto mit sämmtlichen gesunden Weich-
theilen und Nervenästen nach aussen geschlagen und der Knochen,
resp. die Geschwulst freigelegt. Durch Umfassen der Basis des um-
geklappten Lappens lässt sich eine genügende Compression aus-
üben und die Unterbindung der Gefässe leicht und sicher bewerk-
stelligen (A. angularis, labialis, infraorbitalis, event. transversa faciei).
Sofortige exacte Blutstillung ist ein für richtiges Operiren eminent
wichtiger Factor. Aus diesem Grunde neben demjenigen des Blut-
verlustes ist die vorherige Ligatur der A. carotis externa für
die Oberkieferresection sehr empfehlenswerth und macht die Operation
viel sauberer und leichter.
Es folgt die Lösung des Oberkiefers aus seinen Verbindungen:
Man trennt mit Meissel und schneidender Zange den Processus
frontalis des Oberkiefers sammt Nasenbein vom obersten Theil der
Apertura pyriformis rückwärts und geht durch das Thränen- und
Siebbein bis zum hintersten Ende der Fissura orbitalis inferior, wo-
bei keine Verletzungen von Bedeutung gemacht werden. Für die
Verbindung von Oberkiefer und Jochbein verlegt man, je nach der
Indication, die Trennungsstelle an die Oberkiefer-Jochbeingrenze
oder man nimmt das Jochbein durch Trennung des Jochbogens und
des Processus frontalis ossis zygomatici von eigenem kleinen Schnitt
aus mit je einem kräftigen Meisselschlag ganz weg. Die Wund-
ränder müssen dabei mit scharfen Haken kräftig auf die Seite ge-
zogen werden. Es bleibt noch die dritte Verbindung des Oberkiefers
jeß Specielle Operationslehre.
mit demjenigen der anderen Seite: der Meissel wird zwischen den
Schneidezähnen resp. i cm entfernt von der Grenze der Neubildung
median aufgesetzt und die Gaumenplatte in ganzer Länge durch-
schlagen, nachdem Schleimhaut und Periost des Gaumens an der
Grenze der Erkrankung bis auf den Knochen durchschnitten und
auch der weiche Gaumen mit dem Thermocauter vorher an seinem
Ansatz quer getrennt worden ist.
Jetzt bleibt noch der Zusammenhang mit dem Processus ptery-
goideus. Wenn man den Hautlappen kräftig zurückzieht, kann man bis
an diesen Fortsatz heran die Weichtheile unter gehöriger Blutstillung
von aussen trennen : Schleimhaut, M. buccinator und M. pterygoideus
externus und internus, dann wird der Knochenfortsatz von aussen
her bei stark zurückgezogenen Weichtheillappen mit dem Meissel
durchschlagen. Wo dieser Knochentheil nicht mitentfernt werden
soll, wird seine Verbindung mit dem Oberkiefer durch kräftiges
Abwärtsziehen des letzteren gelöst, und zwar rasch, damit- man zur
Blutstillung schreiten kann. Bei dem letzten Act reissen nämlich
die starken Endäste der A. maxillaris interna (Art. spheno-palatina,
pterygo-palatina und infraorbitalis) durch.
Zur Nachbehandlung giebt es zwei Mittel : Entweder wenn die
Blutstillung völlig sicher ist, halbstündliche Irrigation mit sehr warmer
Kochsalzlösung. Oder wo diese nicht durchführbar oder noch
Blutung zu stillen : Tamponade mit Xeroformgaze der ganzen Wund-
höhle, mit Wechsel, erst wenn sie sich lockert.
Für ganz beschränkte Tumoren, sowie für Entfernung nekro-
tischer Knochen genügt ein Schnitt durch die Oberlippe bis ins
Nasenloch. Wir haben vor Kurzem eine doppelseitige totale Ober-
kieferresection wegen Phosphornekrose ganz ohne äusseren Haut-
schnitt ausgeführt. In derartigen Fällen ist die Entstellung Dank
dem Erhaltenbleiben des Periostes so minim, dass man es kaum
glauben würde, dass eine so eingreifende Operation ausgeführt ist.
Wir geben eine Abbildung obigen Falles nach Photogramm circa
2 Monate nach der subperiostalen Totalentfernung beider Ober-
kiefer, welche nebenan mitphotographirt sind.
Ganz anders stellt sich freilich das Endresultat bei malignen
Tumoren, welche schon den ganzen Oberkiefer einnehmen, zumal
bei den vom Antrum Highmori aus entwickelten. Hier sind noch
zur Stunde, wo wir doch an anderen Stellen auch bei malignen
Geschwülsten schöne Resultate bezüglich Dauerheilung erzielen,
Recidive die Regel — selbstverständlich deshalb, weil unsere
Methoden nicht ausreichen, alles erkrankte Gewebe sicher zu ent-
fernen. Ein Theil der Schuld liegt an der Missachtung der prophy-
laktischen Blutstillung und an unrichtiger Lagerung. Wir verweisen
auf das S. 38 ff. speciell zu Händen der Oberkieferresection Gesagte.
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. 15g
Wir müssen uns deshalb für alle diejenigen Fälle, wo wir nicht
mit voller Sicherheit die Grenze der Neubildung bestimmen können,
von vorneherein entschliessen, erheblich über das Gebiet des Ober-
kiefers mit unseren Schnitten hinauszugehen einerseits und anderer-
seits vor der Wegnahme der bedeckenden Haut, soweit diese ver-
wachsen ist, nicht zurückschrecken. Die Excision eines grösseren
Stückes der Wangen- und Lidhaut ist natürlich für die Schnittrichtung
bestimmend.
Wo Mitentfernung von Haut nicht nöthig ist, rathen wir bei
ausgedehnter Erkrankung den modificirten DiEFFENBACH'schen
Schnitt zu benutzen, d. h. senkrecht durch die Oberlippe neben dem
Filtrum und am besten gleich auch senkrecht durch die Nase
neben der Mittellinie emporzuschneiden, von der Nasenwurzel
lateralwärts in die Lidspalte und vom äusseren Augenwinkel lateral-
abwärts bis auf den hinteren Theil des Jochbogens. Dieser grosse
Lappen wird bis auf den Masseter gehörig zurückgeklappt und die
Blutung gestillt. Jetzt sollte unter allen Umständen der
Augapfel entfernt werden, um völlig freie Hand zu haben
für Entfernung des kranken Gewebes im Bereich des Siebbeins und
der Fissura orbitalis inferior. An diesen Stellen tritt Recidiv be-
sonders gerne ein. Die Operation gestaltet sich dann so, dass die
Basis des Proc. zygomaticus des Stirnbeins, dann der Jochbogen weit
hinten getrennt wird (beides ist wenig blutig), darnach bestimmt
wird, wie weit der Tumor im Bereich des Siebbeins, Nasenbeins
und der Orbita vorgedrungen ist, um hier jenseits der Grenzen zu
bleiben : Trennung von Nasenbein nebst Oberkiefer-Stirnfortsatz und
der lateralen Siebbeinplatte vom Stirnbein. Dann muss hinter der
unteren Orbitalplatte die Basis des Proc. pterygoideus von aussen
durchschlagen und sammt Muse, pterygoideus internus und externus
entfernt werden.
Eine Hauptentstellung nach Oberkieferresection ist die Dislo-
cation des Bulbus abwärts mit Heruntersinken des unteren Lids,
wenn dessen langdauerndes Oedem verschwunden ist. Fr. KÖNIG
hat zur Verhütung dieses Uebelstandes eine sehr hübsche Muskel-
plastik angegeben: Er nimmt von dem Ansatz des Muse, tem-
poralis einen 2 Finger breiten Muskelstreifen im Zusammenhang
mit' einem Stück des vorderen Randes des Proc. coronoideus mandi-
bulae, den er bis zum horizontalen Ast abmeisselt, und heftet dieses
Stück quer unter den Bulbus herüber an den Rest des Proc. fron-
talis des Oberkiefers. So wTird der Bulbus gestützt.
44) Weniger eingreifend ist die osteoplastische Total-
resection des Oberkiefers, wobei man den Kiefer herausklappt
und ihn wieder in seine frühere Lage zurückbringt. Dieselbe ist
i6o Specielle Operationslehre.
angezeigt bei Tumoren an der Schädelbasis (Os basilare und Nachbar-
schaft, wenn man mit der GüSSENBAUER'schen Methode der Spaltung
des weichen Gaumens und Ausmeisselung des harten Gaumens nicht
Raum genug erhält, besonders bei Retromaxillartumoren.
Der Unterschied dieser von der vorigen Operation besteht
darin, dass man nach dem Hautschnitt die Weichtheile nicht vom
Knochen loslöst, sondern nach Trennung der knöchernen Verbin-
dungen den Oberkiefer mitsammt den Weichtheilen lateralwärts
umklappt. Die Trennung des Processus frontalis des Jochbeins
muss dabei von einem eigenen kleinen Schrägschnitte aus besorgt
werden in ganz analoger Weise, wie bei der oben beschriebenen
Methode der Resection des Nervus supramaxillaris am Foramen
rotundum.
Als Methode zur Freilegung der Fossa retromaxillaris
ist die bei der Durchschneidung des IL Trigeminusastes geschilderte
Methode der Resection des Jochbeins zu benutzen.
Willman bloss die Nasenhö hie oder letztere sammt
Antrum Highmori zug-änglich machen, so genügt es, die
partielle osteoplastische Oberkief erresection in folgen-
der Weise auszuführen: Hautschnitt wie zur Oberkief erresection,
nur wird der quere Schnitt wenig'er weit lateralwärts geführt und
die Spaltung der Oberlippe vermieden (Fig. 10), also vom Nasenloch
um die Nasenflügel bis neben den inneren Augenwinkel und unter
dem Infraorbitalrand quer bis zum Jochbein geschnitten, dazu aber
vom Nasenflügel weg in der Wangen- und Oberlippenfalte aus- und
abwärts.
Von der Apertura pyriformis aus wird die Trennung in folgender
Form und Reihenfolge vorgenommen: Zuerst durchtrennt man mit
der Knochenzange oder dem Meissel die Verbindung der Nasen-
beine, lateralwärts die Verbindung des letzteren, des Stirnfortsatzes
des Oberkiefers und des Thränenbeins mit dem Stirnbein, dann
schräg rück- und abwärts die Orbitalplatte bis zur Fissura orbitalis
inferior. Vom untersten Theil der Apertura pyriformis trennt man
mit dem Meissel die mediale und vordere Wand des Antrums
bis zum Canalis inf raorbitalis ; endlich letzterem entlang rückwärts
die Orbitalplatte des Oberkiefers (bis zur Fissura orbitalis inferior).
Nunmehr kann man die Knochen sammt Weichtheilen nach aussen
klappen und hat die zu einem Hohlraum verschmolzene Nasen-
höhle und Highmorshöhle vor sich.
Wie man mit blossem Schnitt durch Oberlippe und Median-
schnitt durch harten und weichen Gaumen die beiden Oberkiefer-
hälften auseinanderklappen und die Schädelbasis osteoplastisch zu-
gänglich machen kann, haben wir bei den Nasenoperationen erwähnt.
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. j6i
Wir verweisen bezüglich dieses Capitels auf das bei der Eröffnung
der Nasenhöhle und Freilegung der Schädelbasis Gesagte. Wir
haben dort schon des schönen Falles von Depage gedacht, bei
welchem durch letztgenannte Operation ein Patient mit Sarkom der
Schädelbasis bis zu den obersten Wirbeln zur Heilung gebracht wurde.
Er machte die provisorische Ligatur beider Art. carotides internae.
45) Resection des Unterkiefers.
Die Unterkieferresection ist einfach auszuführen, allein man darf
auch hier nicht unnütze Entstellungen herbeiführen durch Läsion
des Mundfacialis, zumal dessen Ramus marginalis.
Wegen Einfachheit und geringgradigster Verletzung ist in erster
Linie zu empfehlen der Medianschnitt (Fig. 10), welcher die
Unterlippe spaltet und eventuell bis zur Mitte des Zungenbeins
heruntergeht. Dieser Schnitt giebt schon recht ausgiebigen Raum
bei Erkrankung des Mittelstückes und eines grossen Theiles der
horizontalen Aeste des Unterkiefers und man soll sich nicht un-
nützerweise verleiten lassen, einen seitlichen Schnitt hinzuzufügen,
weil derselbe durch Verletzung von Muskeln und Nerven sofort
eine verstärkte Behinderung des Schluckmechanismus zur Folge hat
und daher vermehrte Gefahr von Schluckpneumonie. Wyeth hat
sogar bei Excision einer Unterkieferhälfte wegen Sarkom jeglichen
äusseren Schnitt vermieden ; indes bringt die mediane Lippen-
spaltung keine nennenswerthe Entstellung mit sich.
Bei Erkrankung im Bereich des Kieferwinkels und des auf-
steigenden Astes zumal wenn die Weichtheile mitergriffen sind und
bei Notwendigkeit der Klarlegung und Ausräumung der Fossa
submandibularis wegen maligner Neubildungen fügt man einen seit-
lichen Schnitt hinzu. Derselbe darf nicht (wie oft geschieht) auf den
Rand des Kiefers gelegt werden, wegen der hier verlaufenden
Facialisäste, sondern ist unterhalb desselben und zwar vom Zungen-
bein nach hinten oben in der Mundboden - Halsfalte ansteigend
daumenbreit hinter und unter dem Kieferwinkel, eventuell bis zur
Spitze des Processus mastoideus emporzuführen (vergl. unseren Nor-
malschnitt für das obere Halsdreieck). Der durch die erwähnten
Schnitte eingefasste Lappen wird heraufgeklappt und mit Nähten an
der Gesichtshaut befestigt. Dabei hält man sich möglichst nahe an
den Knochen und löst die Musculatur mit dem Lappen los (vorne
M. mentalis, Triangularis und Quadrangularis menti, hinten Bucci-
natorius und Masseter). Auf der Innenfläche des Kiefers wird vorn
der M. digastricus, genio-, mylohyoideus und genioglossus, hinten
der M. pterygoideus internus gelöst. Bei Erkrankung von Drüsen
unter dem horizontalen Kieferast wird erst der vordere und hintere
Bauch des M. digastricus freigelegt und von unten her die sämmt-
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. II
IÖ2 Specielle Operationslehre.
liehen Lymphdrüsen sammt Speicheldrüsen emporgehoben bis zum
Kieferrand.
Es ist wichtig-, sofort nach dem Schnitt durch die Tippe und
schon vor der Ablösung der Muskeln den Kiefer vorne zu durch-
sägen, um ihn kräftig vorzuziehen und die Weichtheile spannen zu
können. Sind die Muskeln und die Schleimhaut getrennt, so zieht
man den Kiefer abwärts, so dass man den Processus coronoideus
sehen und fühlen kann. Dessen Spitze wird mit scharfer Zange
abgekniffen und damit der Ansatz des M. temporalis getrennt. Die
Auslösung des Kieferköpfchens und -halses wird nicht mit scharfen
Instrumenten gemacht, um nicht die Arteria maxillaris interna zu
verletzen; sondern nach Trennung aller übrigen Verbindungen wird
das Köpfchen einfach herausgedreht und durch Torsion Gelenk-
kapsel und M. pterygoideus externus zerrissen. Die Arteria maxillaris
externa ist schon beim Heraufschlagen des Weichtheillappens durch-
schnitten und unterbunden worden. Die Arteria alveolaris inferior
wird, wenn man den Kiefer im horizontalen Seitentheil durchsägt,
im Canalis in fram axillaris verletzt und mit einem Wachspfropf tam-
ponirt; bei völliger Entfernung der Kieferhälfte wird sie vor oder
nach dem Abdrehen des Kiefers oder beim Abpräpariren des Ptery-
goideus internus im hinteren oberen Winkel der Wunde unterbunden.
Der Nervus alveolaris inferior wird zerrissen oder bei Ablösung
des M. pterygoideus internus durchschnitten.
Wie für die Oberkieferresection erscheint es auch hier für Ver-
meidung von Blutverlust gut, gleich nach dem Hautschnitt die
A. carotis externa oberhalb der A. thyreoidea superior zu unterbinden,
eventuell oberhalb des Abgangs der A. lingualis.
Wo man die Hälfte oder gar den ganzen Unterkiefer entfernt
hat, ganz besonders wenn dieses subperiostal mit Erhaltung des
Periosts ausführbar war, ist sofort eine kanalförmige Prothese (nach
Dr. Claude-Martin in Lyon) einzulegen zur Erzielung einer guten
Form des neu sich bildenden Kiefers. Der Periost wird darüber
zusammengenäht. Sehr einfach ist die sub periostal e Resection
des Unterkiefers, wie sie z. B. bei Phosphornekrose zu machen
ist. Man trennt nach Extraction der meist lockeren Zähne auf dem
Alveolarrand Zahnfleisch und Periost und schiebt letzteres bis an
die Grenze des kranken Knochens stumpf zurück und hebt den
Knochen nach der Durchtrennung heraus.
46) Die osteoplastische Resection des Unterkiefers ist
eine wichtige Voroperation zur Freilegung des Mundbodens, des
Zungengrundes, Isthmus faucium und der tiefen Rachen gebilde. Für
die vor dem Isthmus faucium gelegenen Gebilde giebt die mediane
Spaltung der Lippe und des Unterkiefers sehr schönen
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. ^3
Zugang. Sie hat den grossen Vortheil, dass nach Anlegung einer
exacten Naht (Eisendraht) die Bewegungen des Unterkiefers nicht
einmal vorübergehend eine nennenswerthe Beeinträchtigung erleiden
und eine Heilung bei guter Stellung der Fragmente leicht zu er-
zielen ist.
Für die Fälle, in denen Erkrankungen im Bereich des Isthmus
faucium und der dahinter gelegenen Rachengebilde eine Trennung
des Kiefers nöthig machen (so für Zungenbasiscarcinome, welche auf
den Gaumen übergegangen sind) , muss als Normalverfahren die
Trennung des Kiefers vor dem aufsteigenden Kiefer-
aste nach Langenbeck gelten, wie sie neuerdings (siehe oben) zur
Neurektomie des Trigeminus von Mikulcz benutzt wird : Wir ziehen
aber entgegen Langenbeck's senkrechter Incision vom Mundwinkel
abwärts (Esmarch) denselben Schnitt vor, wie für die Resection des
Unterkiefers in einer Linie vom Proc. mastoideus gegen das Zungen-
bein, je nach Bedürfniss in grösserer oder gering-erer Ausdehnung.
Der untere Rand des Kiefers wird nach Ligatur der A. maxillaris
externa am vorderen Masseterumfang freigelegt, nach vorne und
hinten das Periost gelöst, mit dem Elevatorium die Schleimhaut
durchstossen und der Unterkiefer mit der Stichsäge hinter den
Backenzähnen durchsägt.
Es ist zweckmässig, vorher i oder 2 Drillbohrlöcher anzulegen
behufs nachträglicher genauer Naht mit Eisendraht. Die Durchsägung
hat schräg zu geschehen in der Weise, dass man auf der Aussen-
seite und unteren Seite weiter vorne bleibt, als innen und oben, weil
das hintere Kieferende Neigung hat, sich median- und aufwärts zu
verschieben. Nun wird mit scharfem Haken der aufsteigende Kiefer-
ast nach oben geklappt und der vordere Theil des Kiefers nach
vorne gezogen.
47) Resection des Kiefergelenks.
Wegen eitriger (öfter metastatischer) Entzündung, fungöser und
proliferir ender Erkrankung, sowie wegen habitueller und veralteter
Luxation, endlich wegen Ankylose kann man zur Resection des
Kiefergelenks genöthigt sein. Die Hauptgefahr bei dieser Operation
ist die Verletzung des N. facialis, speciell seiner Augenäste. Man
macht einen Schrägschnitt vor dem Tragus, vor dem unteren Ende
desselben beginnend, schräg auf- und vorwärts, bloss durch die Haut.
Dann spaltet man die Fascie unter Schonung und exacter Prä-
paration von Art. und Vena temporalis, welche nach hinten
bleiben oder, wenn sie (namentlich die Vene) im Wege sind, ligirt
werden.
Nun schneidet man auf den Jochbogen und löst von diesem die
Fascie superiostal ab, sich dicht an den Knochen haltend, mit kleinen
11*
jß4 Specielle Operationslehre.
Schnitten. Bei dieser Ablösung trennt man nach unten die
Kapsel von der Pfanne ab und eröffnet das Gelenk, während man
nach oben die Fascie des M. temporalis spaltet. Jetzt hebt man
das Kieferköpfchen mit dem Elevatorium heraus. Man sieht den
Meniscus, welcher event. zu excidiren ist und kann mit der scharfen
Zange den Kopf abtragen und mit scharfem Löffel die Pfanne aus-
räumen.
Die Beweglichkeit tritt in kürzester Zeit bei einseitiger Resection
wieder ein wird aber auch bei doppelseitiger Resection eine be-
friedigende — vorausgesetzt, dass man so früh wie möglich a c t i v e
Bewegung ausführen lässt. Zur sicheren Erzielung von Beweglich-
keit hat Helferich einen Theil des Muse, temporalis, KüSNAGOW
einen Theil des abgespaltenen Masseter interponirt Letzteres dürfte
bei Annäherung an den Pte^goideus ext. leichter sein.
Hinter dem Köpfchen geht der N. auriculo - temporalis, unter
demselben die Arteria maxillaris interna über. Wir haben vor
Kurzem nach obiger Methode eine 4 Monate alte doppelseitige
Kieferluxation operativ reponirt mit vollständigem Erfolg.
Bei Kieferklemme, welche nicht in Steifigkeit des Gelenkes
ihren Grund hat, sondern in Verkürzung und Verwachsung der
Weichtheile, kann man nach zwei Principien verfahren : Entweder man
löst die Weichtheile vom Unterkiefer ab, mit oder ohne den Knochen-
theil, an welchem sie haften oder man legt vor der Verwachsungs-
stelle nach Esmarch's Vorgang durch Resection eines gehörigen
Knochenstückes ein falsches Gelenk an. Die Operation muss also
von Fall zu Fall eine andere sein.
Bei einem Patienten, bei welchem ein Kaumuskelkrampf durch
keine Mittel dauernd zu heben war, habe ich durch ausgiebige sub-
periostale Lösung der Muskeln vom Kiefer ein sehr gutes Resultat
erzielt. Eine ähnliche Operation ist von Le Dentu ausgeführt worden.
48) Breite Eröffnung der Mundhöhle.
Man kann auch ohne osteoplastische Unterkieferresection sich
die Mund- und Rachenorgane zugänglich machen. Eine
vorzügliche Methode ist der quere Wangenschnitt, wie er von
Roser für Freilegung des N. lingualis empfohlen (siehe Fig. 45), vom
Mundwinkel durch die Wange quer nach hinten parallel den Facialis-
ästen bis auf den Masseterwulst unter Spaltung sämmtlicher Weich-
theile (Haut, M. orbicularis oris, buccinator und Schleimhaut). Dieser
Schnitt ist allerdings mit Narbenbildung verbunden und von Ein-
ziehung und einer gewissen Entstellung gefolgt. Immerhin ist
das Mienenspiel, Dank der Erhaltung aller Facialisäste , in keiner
Weise beeinträchtigt (vergl. Fig. 44). Der Ductus Stenonianus und
die Arteria transversa faciei bleiben oberhalb des Schnittes, dagegen
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen.
165
wird die Arteria maxillaris externa und die eine A. labialis getrennt
und muss doppelt unterbunden werden. Krönlein hat diesen Schnitt
benutzt zu seiner retrobuccalen Methode der Trigeminusresection,
nur lässt er den Mundwinkel ungespalten.
Als einen für die Mehrzahl der Fälle, in denen ein guter Zugang
zu Mund- und oberen Rachen gebilden bis und mit dem Isthmus
Fig. 44. Das Mienenspiel nach Heilung eines ausgedehnten queren rechtseitigen
Wangenschnittes. (Narbe in der Figur nur schwach sichtbar.)
faucium nothwendige Bedingung genauer Operation ist, noch weit
vorzüglicheren Weg hat sich uns in letzter Zeit die für die Zungen-
excision in beschränktem Maasse schon von Sedillot geübte
mediane Spaltung von Lippe, Unterkiefer und Mund-
boden bewährt. Wir haben von derselben einen ausgiebigen Ge-
brauch gemacht. Sie giebt bei richtiger Ausführung vorzüglichen
Zugang, ist ganz unblutig, hinterlässt nicht die geringste Entstellung,
keine Functionsstörung, nicht einmal vorübergehend. Bedingung ihrer
i66
Specielle Operationslehre.
guten Ausnutzung ist gehörige mediane Trennung zwischen den vom
Kiefer zur Zunge aufsteigenden Muskeln (Genioglossi und geniohyoidei)
bis an das Zungenbein, Trennung der Mundbodenschleimhaut auf der
Seite der Erkrankung rückwärts, um die Kieferhälften gehörig aus-
einander ziehen zu können; wir benutzen dazu eine eigene Sperr -
Fig. 45. Wangenschnitt zur Excision eines Carcinoma linguae.
zange. Ferner müssen Idie Kieferhälften mit Drahtnähten fest ver-
einigt werden, damit die Bewegung sofort aufgenommen werden
kann; Periostnaht ist durchaus ungenügend.
Wenn auch ab und zu durch kleine Nekrosen die Heilung ver-
zögert wird, so ist die Function doch auch während dieser Zeit
ungestört.
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. 167
49) Incisionen in die Zunge und am Mundboden.
Dieselben sollen bloss gemacht werden bei vorheriger gehöriger
Eröffnung der Mundhöhle, durch Einlegung passender Specula (White-
sches Speculum und unter Vorziehen der Zunge mittelst einer tief
durch die sagittale Mittellinie derselben eingeführten Fadenschlinge.
Die gehörige Eröffnung des Mundes setzt eine gute Narkose voraus
zumal bei Kiefersperre in Folge Entzündung oder anderweitiger
schmerzhafter Infiltration der Weichtheile zwischen Ober- und Unter-
kiefer oder im Bereich des letzteren. Am Rücken der Zunge können
Incisionen gemacht werden, ohne Furcht vor Verletzung der grösseren
Gefässe und Nebenstämme. Wo thunlich, ist in der Mittellinie ein-
zugehen, da hier die Verletzung am geringsten ist.
Seitlich und am Mundbogen liegen die grösseren Gefässe : A. und
V. lingualis und subungualis, die grossen Nervenstämme (Hyoglossus,
Lingualis und hinten Glossopharyngeus) und die Ausführungsgänge
der Speicheldrüsen (Ductus Whartonianus und Ductus Rivini. Je
näher man sich an den Kiefer halten kann mit der Incision, um so
sicherer werden alle diese Gebilde vermieden. Dicht am Seitenrande
der Zunge, unter dem Wulst des Musculus lingualis und an der
Aussenseite des musc. genioglossus, kann man die Gefässe (Arteria
lingualis) und den Nervus lingualis frei gelegen. Hinten ist die Arterie
von den Fasern des Musc. hyoglossus bedeckt. Nach der Spitze zu
wenden sich die Gefässe an die Unterfläche der Zunge. Wo Gefahr
von stärkeren Blutungen bei Incisionen im Bereich der Zunge besteht,
ist die prophylaktische Unterbindung der A. lingualis zu empfehlen.
50) Die Excision der Zunge.
Seit der 3. Auflage dieser Operationslehre haben wir diese
Operation erheblich modificirt und ein Normalverfahren benutzt,
welches uns eine sehr wesentliche Vereinfachung und Erleichterung
der Operation gebracht hat, und die Heilung erheblich sicherer und
rascher zu Wege gebracht hat. Natürlich bleibt immer noch zu
Recht bestehen, was wir bezüglich Vorbereitung zu antiseptischem
Vorgehen gesagt haben.
Will man die Wunde vor zu schwerer Infection schützen und
die Gefahr der Schluckpneumonie beschwören, so bedarf es gründ-
lichster Reinigung der Zähne und des Mundes und Rachens unter
Anwendung der Instrumente zur Beseitigung des Zahnsteins, unter
Extraction aller schadhaften Zähne (da darf nicht geschont werden),
unter Cauterisation aller Ulcerationsstellen. Wo sich der Mund nicht
gehörig öffnen lässt, bedarf es oft der Narkose. Kleine Abscesse
und Zersetzungsherde in den Mandeln sind nach Aufschlitzung der
Recessus mit Sorgfalt zu desinficiren.
j58 Specielle Operationslehre.
Dagegen möchten wir energischer als in der 3. Auflage die Indi-
cation betonen, den Schluckmechanismus nicht mehr zu schädigen,
als absolut nöthig ist, d. h. die Muskeln des Mundbodens, der Zunge
und des Rachens soviel thunlich zu erhalten sammt den zuführenden
Nerven. Der Abfluss des Wundsecrets muss ferner möglichst ge-
sichert werden. Nur durch Berücksichtigung dieser zwei Factoren
bleibt der Schaden der stets bis zu einen gewissen Grade eintretenden
Zersetzung der Wundsecrete auf ein Minimum beschränkt. Dazu
kommt die Berücksichtigung der früher ausführlich besprochenen
Schräglagerung des Patienten während und — soweit er das Bett
hütet — nach der Operation.
Wir benutzen auch jetzt noch gerne zur Trennung von Muskeln,
aber dieser allein, den Therm ocauter, um primäre Infection frischer
Wunden zu beschränken. Dagegen bedürfen wir bei unserem
jetzigen Vorgehen der prophylaktischen Tracheotomie und der
Trachealtamponade durchaus nicht mehr, ebensowenig prophylaktischer
Blutstillung, und darin liegt ein bedeutender Fortschritt. Ferner
machen wir keinen so erheblichen Unterschied mehr wie früher in
der Art des Vorgehens je nach Sitz der Neubildung. Bloss bei
kleinen Neubildungen vorne oder am Rande der Zunge bedarf man
keiner Voroperation.
Das Einzige, was bei unserer neuen Operationsmethode nicht
Berücksichtigung findet, ist die Drüsenerkrankung. Dieselbe
muss man auf eine zweite Operation aufsparen oder sie vorausschicken.
Wir haben aber die Ueberzeugung gewonnen, dass dies zweckmässiger
ist. Bei gleichzeitiger Ausräumung der Fossae submandibulares
nicht nur, sondern auch der Drüsen unter dem Sternocleido und entlang
den grossen Gefässen wird die Wunde zu gross und zu buchtig und bei
aller Sorgfalt gelingt es dann nicht, schwerere Infectionen zu ver-
meiden.
Als Normalverfahren für alle ausgedehnten, bis zum Isthmus
faucium reichenden Formen des Zungenkrebses, selbst wenn sie auf die
Gaumenbogen, die Uebergangsfalte zum Oberkiefer, die Pharynxwand
und den weichen Gaumen übergegriffen haben, gilt mir zur Stunde die
mediane Kieferspaltung, in vervollkommneter Ausbildung des von
SEDILLOT empfohlenen Verfahrens. Dieselbe lässt sich fast ohne Blutung
ausführen und giebt vollkommen genügenden Raum bei richtigem
Vorgehen, um auch Pharynxkrebse im Bereich des Isthmus faucium
genau umschreiben und beseitigen zu können. Wesentliche Nach-
theile irgend einer Art hat die Methode nicht, da der Kiefer genäht
wird und die Bewegungen desselben sofort wieder ausgeführt werden
können ohne irgend einen Schmerz. Auch die Lippenspaltung lässt
bei guter Naht eine kaum sichtbare Narbe zurück. Grosse Vor-
theile hat aber das Verfahren in folgender Beziehung: Die Blutung
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. 16g
ist minimal, weil sicher zu beherrschen ; der Abfluss des Secrets nach
der Operation geht bei richtiger Drainage in sehr sicherer Weise
vor sich; endlich was ich am höchsten anschlage, lässt sich die
Schonung der dem Schluckmechanismus dienenden Muskeln sammt
zugehörigen Nerven besser durchführen als bei irgend einem anderen
Vorgehen. Dies ist aber das ausschlaggebende Moment bei Verhütung
der grössten Gefahr, welche dem Patienten droht, nämlich der secun-
dären Schluckpneumonien. Es ist erstaunlich, zu sehen, wie bei diesem
Verfahren die Patienten schon am gleichen, nächsten oder 3. Tage
wieder schlucken, und so das herabfliessende Secret vom Eintritt in
den Larynx abhalten können.
Einer der gewöhnlichen Fälle von Zungenkrebs am hinteren
Rande der Zunge als Tj^pus angenommen, welcher auf den Zungengrund
und gleichzeitig auf vorderen Gaumenbogen, weichen Gaumen und seit-
liche Pharynxwand übergegriffen hat, wird die Operation in folgender
Weise ausgeführt:
Mediane Spaltung der Unterlippe auf den Knochen bis zum Zungen-
bein, Verschluss der blutenden Gefässe in den Lippen durch Arterien-
zangen. Durchsägung des Kiefers in der Mittellinie 1). Einsetzen
scharfer Haken auf die Sägefläche, mediane Trennung der Musculi
geniohyoidei und Genioglossi, wenn dieselben einseitig erkrankt sind,
Eingehen an der lateralen Fläche des Genioglossus. Einlegung eines
Ecarteurs zwischen die kräftig auseinandergezogenen Kieferhälften
nach Fig. 46. Die Zunge wird mittelst Fadenschlinge heraus- und
nach der gesunden Seite gezogen. Am Rande der Zunge wird die
Mundbodenschleimhaut rückwärts getrennt, denn sonst reisst sie bei
zu starkem Zug am Kiefer ab. Dabei erscheint die Vena lingualis
rück-auswärtsgehend über die laterale Fläche des Muse, hyoglossus
und der Nervus lingualis neben dem Zungenrand dicht unter der
Schleimhaut vorwärts ziehend. Der Nervus hypoglossus wird am
vorderen Rande des Muse, hyoglossus sichtbar, über dessen Aussen-
fläche er vor- und medianwärts zieht, um sich in die Fasern des
Genioglossus einzusenken. Unter ihm kommt zwischen Muse, hyo-
glossus und genioglossus die Arteria lingualis von unten herauf, die
hier sehr genau sichtbar ist und später leicht ligirt werden kann.
Der Muse, hyoglossus wird getrennt und zwar wie für alle
Muskelschnitte, welche die Neubildung begrenzen, mit dem Therm o-
cauter, was die Aussicht auf radicale Beseitigung des Leidens erhöht.
1) Eventuell ist es angezeigt, schräg nach der kranken Seite rückwärts
zu sägen, um die beiderseitigen Ansätze des Genioglossus und Geniohyoides
am gesunden Kieferstück zu schonen und die Naht zu erleichtern. Es ist ganz
passend, jederseits 2 symmetrische Bohrlöcher mit dem Drillbohrer vor der
Durchsägung zu bohren, wobei die Bohrer durch das Periost hindurch auf-
gesetzt, letzteres nicht etwa zurückgeschoben wird.
170
Specielle Operationslehre.
Trennungslinie 1
der Schleimhaut 1
N. lingualis
V. lingualis
'A. lingualis
M. hyoglossus
N. hypoglossus
— Fechter
J M. genioglossus
_ Linker J
— M. geniohyoidens
Fig. 46. Normal verfahren zur Excisio linguae. Lippe und Unterkiefer in der
Mittellinie bis zum Zungenbein gespalten und kräftig auseinandergezogen. In
der Figur ist der rechte Genioglossus (die Erkrankung ist rechts supponirt) am
Kieferansatz abgelöst und nach links geschlagen, um die tiefen Gebilde besser
zu zeigen, bei der Operation bleibt er mit der rechten Kieferhälfte in Zusammen-
hang. Die Schleimhaut ist unter und längs dem Zungenrande bis zum vorderen
Gaumenbogen gespalten und die Zunge nach links kräftig herausgezogen. Es
treten zu oberst der N. lingualis, dann die Vena lingualis und tiefer der N. hypo-
glossus auf der Aussenseite des M. hyoglossus zu Tage und unter letzterem
Muskel die Arteria lingualis.
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. 171
Unter starkem Anziehen der Zunge trennt man, ebenfalls mit Thermo-
cauter, hinten die Schleimhaut entfernt vom Rande der Neubildung,
wenn diese anf den Gaumen und Pharynx übergegangen ist, durch-
schneidet den gut sichtbaren Muse, styloglossus und den ihm an-
liegenden Nervus glossopharyngeus.
Man kann nach Spaltung der Schleimhaut vor der Mandel
diese stumpf an ihrer Aussenfläche lösen und abheben, auch wenn
sie von der Neubildung ergriffen ist, wobei die Fläche des Muse,
pterygoideus internus zu Tage tritt. Der weiche Gaumen, soweit
erkrankt, wird mit Thermocauter getrennt unter Durchschneidung
des Muse, tensor und levator palati, danach an der hinteren Rachen-
wand die Schleimhaut getrennt bis auf den M. longus colli und vor-
wärts bis zum Zungengrund, was man unter genauer Controle der
Augen thut. Endlich trennt der Thermocauter im Gesunden die
Zunge selber durch und jetzt durchschneidet man die Nerven, Muskeln
und die Gefässe (nach Ligatur), am unteren Umfang, soweit dieselben
in den Bereich der Neubildung eingehen; man schont also von den
Nerven und Muskeln soviel irgend möglich, um den Schluckact so
wenig wie möglich zu beeinträchtigen.
In die wunden Flächen wird Xeroform eingerieben, aber nur in
dünnster Schicht, damit nicht durch Schlucken Vergiftungser-
scheinungen eintreten. Die Kieferhälften werden genähert, mit Drill-
bohrer einige Millimeter vom Sägerand durchgebohrt (wenn es nicht
vor der Durchsägung geschehen ist) indem man den Bohrer einfach
durch die tiefen Weichtheile drückt, wie Albert Kocher es für
die Explorativpunction des Gehirns beschrieben hat, ohne das Periost
loszulösen, ein starker Silberfaden ohne Nadel durchgeführt und die
Sägeflächen verlässlich auf einander befestigt. Nahe der Unterlippe
wird eine Oeffnung vor dem Zungenbein am hintersten Ende des
Schnittes gelassen, wo eine Xeroformgaze locker eingelegt wird.
Aufpinseln von Wismuthbrei auf die Naht. Der Patient soll schon am
nächsten Tage aufstehen und Thee oder Wein mit Wasser zu schlucken
versuchen. Im Uebrigen Ernährung mit Schlundsonde.
Diese Methode der Zungenexcision hat, wie erwähnt, den Vor-
theil, sich jeder Stelle und Ausdehnung der Erkrankung mit Aus-
nahme gleichzeitiger Kiefererkrankung anzupassen und bei Tren-
DELENBURG'scher Schräglage ohne jede vorgängige Tracheotomie in
guter Narkose ausgeführt werden zu können. Sie giebt den besten
Zugang, macht das Minimum von Verletzungen.
Die Fig. 46 illustrirt den Fall, wie bei einseitiger und ausgedehnter
Erkrankung der Zunge eine sehr weite Entfernung der Kiefer noth-
wendig ist. Sie enthält insofern einen Fehler, als wir entweder ganz
median zwischen den Genioglossi eingehen oder falls dies nicht die
nöthige Weite giebt, den Kiefer von der Mittellinie vorne so schräg
ij2 Specielle Operationslehre.
rückwärts durchsägen, dass die Muse, genioglossi und geniohyoidei
beiderseits noch an dem Mittelstück sitzen bleiben, welches nach
der gesunden Seite gezogen wird. Abgelöst wird der Ansatz des
Genioglossus vom Kiefer bloss — wie die Figur es darstellt, wenn
er auf der kranken Seite sitzen blieb und die genügende Entfernung
der Kiefer von einander hindert. Da wird auch der Muse, mylo-
glossus überdehnt. Die Figur zeigt im Uebrigen in genügender Weise,
wie grossen Raum und guten Einblick bis an den Isthmus faucium
man mit gründlicher Ausnutzung des Medianschnittes gewinnen
kann.
51) Excision der Zunge bei gleichzeitiger Erkrankung
des Kiefers.
Sind krebsige Wucherungen schon hinausgegangen
über die Grenzen der Zunge, auf Mundboden und
Kiefer, so wird die Art des Vorgehens so sehr von der Stelle der
Kieferverwachsung beeinflusst, dass man von obigem Normalverfahren
absehen muss. Man wird stets das verwachsene Stück Kiefer mit
zu entfernen haben, und zwar in ergiebiger Weise, wenn man Reci-
diven vorbeugen will. Die Kieferresection ist ohnehin von vielen
Chirurgen als Einleitung benutzt worden zur Entfernung ausgedehnter
Zungenkrebse, und man fängt deshalb mit dieser an, wo die Indi-
cation zur Resection in klarer Weise vorliegt. Für diese Fälle halten
wir noch jetzt daran fest, dass für weitgediehenen Zungenkrebs die
von uns vorgeschlagene Methode der Zungenexstirpation von
der Zungenbasis aus die empfehlenswertheste ist, weil sie 1. sehr
guten Zugang giebt, 2. die Drüsen gleichzeitig zu entfernen ge-
stattet, sowie sämmtliche zwischen dem primären Sitz des Leidens
und der Drüsen gelegenen Gewebe, 3. weil sie die präventive Unter-
bindung der Arteria lingualis oder der Carotis externa ermöglicht,
4. weil wenigstens die vorderen Ansätze der Muskeln des Mund-
bodens (Stylomuskeln, Digastricus, Mylohyoideus) geschont werden
können. V. Givel hat durch Vergleichungen die Vorzüge dieser
Art des Vorgehens festgestellt.
Wir haben nach dieser Methode ohne Kieferresection laut den sehr
genauen Zusammenstellungen unseres früheren Assistenten Dr. Sachs
von 12 Fällen bloss einen einzigen verloren, und von 5 über 7 Jahre
nach der Operation noch reeidivfreien Operirten waren 3 nach dieser
Methode operirt.
Der Schnitt beginnt unterhalb des Processus mastoideus und
geht längs des Voderrandes des Sternocleido und der Halsmund-
bodenfalte vorwärts bis zur Medianlinie und zum Unterrand des
Kiefers. In Fällen beschränkter Ausdehnung des Carcinoms kann
der Schnitt nur entsprechend den mittleren 2/3 der Länge, vom
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. 173
Sternocleido bis zum Zungenbeinkörper gemacht werden. Der so
gebildete Hautlappen wird nach Ligatur der subcutanen Venen,
speciell V. jugularis externa nach aufwärts geschlagen und mit Naht
an der Wange angeheftet. Zunächst handelt es sich darum, sämmt-
liche sichtbar vergrösserten Drüsen unter dem oberen Ende des
Sternocleido, unter dem Kieferwinkel und horizontalen Unterkiefer-
ast zu entfernen. Der vordere Sternocleidorand wird sauber frei-
gelegt bis auf die Scheide der grossen Halsgefässe und auf das
grosse Zungenbeinhorn. Sämmtliche Drüsen auf der grossen Gefäss-
scheide (sie reichen oft weit abwärts) werden unter Ligatur der ein-
tretenden Gefässe entfernt. Auch wo man nichts anderes thun will,
als secundär erkrankte Drüsen nach Zungenexcision entfernen, ist
dieses die beste Methode.
Hat das Carcinom auf Mundboden, Rachen oder Kiefer über-
gegriffen, so wird jetzt am besten sofort nach Ligatur der Vena
facialis anterior am vorderen Rande des Sternocleido die Arteria
carotis externa unterbunden; dann wird der vordere Muskelbauch
des Digastricus bis zum Zungenbein klargelegt unter Ligatur der
unter ihm hervortretenden Venen, und nun wird das Drüsenpaket
von unten frei gemacht und emporgehoben, bis im hinteren und
unteren Theil der Wunde in ganzer Länge der hintere Bauch des
Digastricus mit dem M. stylobyoideus freiliegt. Die Vena facialis
anterior und die Arteria maxillaris externa spannen sich im Moment
des Emporhebens der Glandula submaxillaris hinter und unter der-
selben an und werden ligirt, dann Speicheldrüse und Lymphdrüsen
über dem Kieferrand emporgeschlagen und an der Aussenf lache des
Kiefers von den Verbindungen aufwärts getrennt, wobei nochmals
die Art. und Vena maxillaris externa unterbunden werden müssen.
Die Arteria lingualis wird über dem hintersten Ende des grossen
Zungenbeinhorns sicher gefunden nach Durchschneidung des Ansatzes
des M. hyoglossus und wird unterbunden. Ueber ihr liegt der Nervus
hypoglossus, der zu schonen ist, auf der Aussenfläche des Muskels
die Vena lingualis.
Nun liegt die Unterfläche des M. mylohyoides frei, auf ihr der
N. mylohyoideus. Hinter dem M. mylohyoideus kommt der Finger
bis zur Mundschleimhaut. Unter Controle des Fingers vom Munde
her wird diese hier perforirt, nachdem man sich über die Grenze der
Neubildung orientirt hat. Von dieser Oeffnung aus wird die Schleim-
haut, entfernt von der Grenze der Neubildung weiter g'espalten unter
Anlegung von Arterienzangen an stärker blutende Schleimhautgefässe.
Dabei drängt der durch die Wunde oder in den Mund eingeschobene
Finger die Weichtheile vor, wodurch die Blutstillung leicht wird.
Am Zungenbein löst man die Muskelsubstanz der Zunge unter
ebenso leichter und exacter Blutstillung und Entfernung alles infil-
ija Specielle Operationslehre.
trirten Gewebes. Die Zunge lässt sich leicht abwärts herausziehen,
sobald man die Schleimhaut gehörig gespalten hat.
Hat man die präliminare Tracheotomie gemacht zur Erleichte-
rung der Narkose, so tamponirt man sofort nach Eröffnung des
Rachens den Aditus laryngis mit sterilen Gazetupfern. Behufs guter
Wirkung des Chloroforms in kleinen Dosen ist es hier sehr an-
gezeigt, der Narkose 1/i — ■1/2 Stunde vorher eine Morphiumin-
jection voraufzuschicken, 0,015 bei kräftigen, 0,01 bei schwächeren
Individuen.
Zur Nachbehandlung bleibt die Wunde im unteren Theil offen,
damit der Aditus laryngis mit steriler Gaze tamponirt werden kann
unter häufigem Wechsel. Als Deckverband wird Carbol- oder Sub-
limatkrüll benutzt, reichliche und kräftige Ernährung mit der Schlund-
sonde beim Verbandwechsel.
Solange der Schluckmechanismus wesentlich gestört ist, bleibt
der Patient von der Narkose weg in der Schräglage mit tieferem
Hals und Kopf, welche er nur verlässt, wenn er aufsteht.
52) Excision der Carcinome des Zungengrundes.
Für diejenigen Zungenkrebse, welche von vorne nicht mehr
zugänglich sind, nämlich diejenigen des Zungengrundes zwischen
Isthmus faucium und Zungenbein, ist die Pteryngotomie sub-
hyoidea das geeignete und schonendste Verfahren. Nach Tracheo-
tomia inferior wird narkotisirt und durch den unten geschilderten
Schnitt entlang dem unteren Rande des Zungenbeins durch Haut
und Muskeln die Epiglottis freigelegt. Ist diese erkrankt, so trennt
man die Schleimhaut entlang dem oberen Rande des Schildknorpels
und hebt mit scharfen Haken die Epiglottis empor und trennt die
Schleimhaut nach den Seiten hin.
Jetzt gelangt der Finger auf den Zungengrund und kann am
Rande des Kranken die Schleimhaut des Pharynx emporheben,
entgegen drängen, so dass sie durchschnitten werden kann. Geht
die Erkrankung höher hinauf an der Lunge und ist namentlich das
Zungenbein verwachsen, so muss es, wie Sallas (nach Esmarch)
that, gespalten werden ; dann wird die gesunde Musculatur entlang
seinem oberen Rande getrennt unter Fassen der Gefässe (speciell
Venen), bis man auf der krebsigen tiefen Infiltration der Zunge
angelangt ist und dieselbe von vorne und hinten angreifen kann.
Seitlich tritt nun noch der N. lingualis zu Tage, welcher zu durch-
schneiden ist, falls er in die Neubildung hineingeht, sonst abgehoben
wird, ebenso die Gefässe. Sobald seitlich unter Fassen mit kräftigen
Arterienklemmzangen die Muskeln und andere Verbindungen ge-
trennt sind, so kann man den Zungenrücken soweit herauswälzen,
dass man mit dem Thermocauter quer von der Zungenoberfläche
Gesichtstheil des Kopfes, inclusive Nase, Mund und Rachen. jne
her das Gesunde vom Kranken trennen kann. Auf diese Weise
haben wir noch dieser Tage ein weitgediehenes Carcinom, des
ganzen Zungengrundes, welches auf die rechte Pharynxwand und die
Epiglottis übergegangen war, ohne wesentliche Blutung unter ge-
nauer Trennung im Gesunden exstirpirt.
Die während der Operation eingehaltene Schräglage des Rumpfes
mit tiefgelegtem Halstheil wird auch nach der Operation beibehalten,
die bisher ganz offengelassene mit Xeroform- und steriler Gaze aus-
tamponirt. Der betreffende Patient ist schon am Tage nach der
Operation herumgegangen und hat einen ganz glücklichen und wenig
bedenklichen Heilungsverlauf durchgemacht. Abends wurde er schräg
gelagert.
53) Bei der Tonsillotomie erscheint nach Zuckerkandl eine
Verletzung der Carotis interna nicht leicht zu bewerkstelligen, da
diese Arterie durch die M. styloglossus und stylopharyngeus von
der Pharynxwand getrennt ist. Die Arteria tonsillaris dagegen
(meist aus der A. palatina ascendens stammend) kann stark bluten,
weil sie mit der unteren Kapselwand der Mandel verwachsen ist
und sich nicht zurückziehen kann (event. Ligatur der Carotis
externa).
54) Kxcison von Tumoren der Tonsille.
Ich bin vor Kurzem wieder in der Lage gewesen, 2 Fälle von
Sarkom der Tonsille zu operiren, welche beide in sehr einfacher Weise
glücklich geheilt worden sind und schreibe dem Operationsverfahren
ein wesentliches Verdienst dabei zu.
Zunächst scheint es mir ganz wesentlich, dass allfällige Lymph-
drüsenmetastasen nicht zu gleicher Zeit operirt werden. Der eine
der Pat. hatte einen 2 faustgrossen derben höckrigen und kaum noch
beweglichen Tumor der linken Halsseite, welcher mittelst Winkel-
schnittes unter Excision des Sternocleido, der Vena jug. communis
und sämmtlicher Nerven mit Ausnahme des Vagus (auch die Carotis
konnte geschont werden), des Phrenicus und des Plexus brachialis
bis auf die Wirbelsäule genügend sauber excidirt werden konnte.
Die Wunde heilte per primam und erst 14 Tage nach dieser
Operation wurde das primäre Sarkom der Mandel excidirt und zwar
von innen her mit querer Wangen Spaltung. Wenn man
die Zunge stark vorzieht an einer Fadenschlinge, so kann man mit
dem Thermocauter nach Cocaininjection an der Grenze der Neu-
bildung sauber abtragen ohne wesentliche Blutung.
Der Zugang durch Wangenspaltung erschien aber in den anderen
der beiden Fälle wegen der Ausdehnung der Neubildung von vorn-
herein ungenügend und daher machte ich (Dezember 1899) die
1^6 Specielle Operationslehre.
mediane Kieferspaltung und Spaltung der Musculatur
zwischen dem Hyo- und Genioglossus in der Mitte und der Mund-
bodenschleimhaut neben der Zunge, um die Kieferhälften kräftig
auseinanderziehen zu können. Dann wurde die Zunge zwischen
letzteren hervor und abwärts gezogen.
Auf diese Weise erhält man einen vorzüglichen Zugang zum
Rachen, und ich möchte diese Methode präliminarer Operation zur
Freilegung der Rachengebilde noch im Bereiche des Isthmus wärmstens
empfehlen.
Wenn man nachträglich die exacte Naht der Unterkieferhälfte
ausführt, so kann der Patient sofort den Kiefer wieder öffnen und
schliessen und ist demgemäss von dieser Seite in dem so überaus
wichtigen Schluckact (zur Verhütung der „Schluckpneumonie") in
keiner Weise beeinträchtigt.
Zur Excision der Mandel ist wesentlich, an der Grenze der Neu-
bildung vor Allem die Schleimhaut zu trennen und zwar am Gaumen-
segel, am vorderen Gaumenbogen und gegen die Zunge. Dies ge-
schieht mit dem Thermocauter ohne wesentliche Blutung. Nun wird
man sehen, dass man nach Lösung der Schleimhaut relativ leicht
stumpf mit dem Finger unter den Tumor geräth, welcher sich glatt
von der Musculatur abheben lässt. Selbst bei einem kleinapfelgrossen
Sarkom, bei welchem von anderer Seite ein äusserer Schnitt empfohlen
war, habe ich mit Erfolg ohne zu grosse Schwierigkeit vom Munde
aus den Tumor entfernen können.
Hat man auf diese Weise den Tumor von der Unterlage bis
zum Uebergang in die Schleimhaut, der hinteren Rachenwand ab-
gehoben, so gelingt es in der Regel, diese dünne Schleimhaut mit
dem Finger an der richtigen Stelle entzwei zu reissen und so den
Tumor genügend herauszuheben, um einige starke Gefässverbindungen
vor ihrer Durchschneidung stielen und fassen zu können.
G. Das obere seitliehe Halsdreieek x).
Der Normalschnitt für das obere Halsdreieck.
Unserem Principe gemäss, die Hautschnitte in die natürliche
Spaltungsrichtung der Haut zu verlegen, finden wir für die Frei-
legung der Organe in der Fossa infra- und retromandibularis einen
Schnitt (Fig. n) angezeigt, den wir schon bei der Resection des
Kiefers angegeben haben, von dem vorderen Ende der Spitze des
i) Aus praktischen Gründen begrenzen wir dasselbe durch den Unterkiefer-
rand oben, die Medianlinie bis zum oberen Schildknorpelrand innen und den
Vorderrand des M. sternocleido hinten.
Das obere seitliche Halsdreieck.
177
Processus mastoideus zur Mitte des Zungenbeines verlaufend, finger-
breit unter und hinter dem Kieferwinkel vorbei und an dieser Stelle
den Vorderrand des M. sternocleidomastoideus schneidend. Dieser
Schnitt hat den grossen Vortheil, dass er auf die Grenzlinie fällt, in
welcher die von oben herab- und von unten herauflaufenden Muskeln
sich treffen, resp. endigen, soweit dieselben mit den Halseingeweiden
in Beziehung stehen: oben der Digastricus und Stylohyoideus, der
Genio- und Mylohyoideus und Hyoglossus, unten der Stemo-, Thyreo-
und Omohyoideus. Die diese Grenzlinie durchschneidenden Muskeln
sind entweder unbedeutend, wie das Platysma, oder bleiben auf der
Seite, resp. nach hinten liegen, wie der Sternocleidomastoideus und
die Muskeln der Wirbelsäule.
Es ist von diesem Schnitte aus ferner möglich, die wichtigen
Nerven zu schonen insofern, als die Hauptäste entweder nach oben
oder nach hinten liegen bleiben und abgezogen werden können,
während ihre Zweige nach oben und nach unten von der Schnitt-
richtung ausstrahlen: so bleiben der Vagus und Sympathicus mit
dem Sternocleidomuskel nach hinten nebst Accessorius und Ramus
descendens hypoglossi. Der unterste Facialisast, der Hypoglossus,
sowie Lingualis und Glossopharyngeus bleiben nach oben ; der Ramus
laryngeus superior vagi wird nach abwärts gezogen.
In dritter Linie trifft der Schnitt auf die Stellen, wo die Ver-
zweigung der grossen Halsgefässe beginnt und der Hauptsache nach
sich auch vollendet. Im Niveau des oberen Schildknorpelrandes theilt
sich die Carotis communis, und unmittelbar oberhalb folgt dicht über-
einander die Abgabe der Aeste der Carotis externa. Die Venae faciales
anterior und posterior treten im selben Niveau zur Vena facialis com-
munis und diese mit der Vena jugularis communis zusammen. Man
kann also von dem Normalsehnitt aus sowohl die grosse Zahl der
Zweige als den Stamm der grösseren Halsgefässe selber der Unter-
bindung zugänglich machen.
Deshalb bezeichnen wir diesen Schnitt als Normalschnitt für
das obere Halsdreieck und verlegen alle hier nöthigen längeren oder
kürzeren Schnitte in dessen Verlauf.
Quervain hat in neuester Zeit die von mir vorgeschlagenen Nor-
malschnitte für den Hals einer Besprechung unterzogen und gezeigt,
dass man in deren Verwerthung noch einen weiteren Fortschritt
verwirklichen kann, wenn man die Schnitte behufs sehr ausgedehnter
Freilegung der tiefen Gewebe (z. B. für Excision grosser oder multipler
Geschwülste) in Lappenform durch die Muskeln führt. Wir geben
zu sofortiger Orientirung des damit erzielten Gewinnes eine Ab-
bildung wieder aus Quervain's Abhandlung. Dieselbe stellt einen
von Küttner empfohlenen sehr passenden Schnitt dar zur Frei-
legung nicht bloss des oberen Halsdreiecks, sondern auch sämmt-
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 12
i78
Specielle Operationslehre.
licher unter dem Sternocleido gelegenen Gewebe. Letzterer Muskel
wird oben (oberhalb der Eintrittsstelle des Accessoriusastes) im Haut-
schnitt durchtrennt und mit dem Hautlappen zurückgeschlagen. Es
leuchtet ein, dass durch derartige Muskel plastik eine viel bessere
Einsicht in die Tiefe gewonnen wird.
r
*\
Fig. 47. Küttner's musculoplastischer Lappen zur Operation in der Tiefe der
oberen Halsgewebe.
Der Muskel wird nachträglich wieder zusammengenäht ; seine Con-
tractionsfähigkeit bleibt erhalten, da die Nervenversorgung intact ist.
Einen ähnlichen Schnitt von Quervain für das untere Hals-
dreieck werden wir daselbst reproduciren.
55) Carotis externa (und interna) (Fig. 48).
Wenn man zur Blutstillung mit der Ligatur der Carotis externa
auskommt, so darf niemals an Stelle derselben die Ligatur der Carotis
communis gemacht werden, da letztere gefährlich ist (nach PlLZ und
Friedländer in 19 — 32% Gehirnstörungen, in 13 — 18% tödtlicher
Das obere seitliche Halsdreieck.
179
Ausgang], wie Wyeth in -einer Zusammenstellung svon 789 Fällen
gezeigt, während die Ligatur der Carotis externa in 69 Fällen von'
Wyeth bloss 4,3% f ergiebt, Lipps bei 130 Fällen bloss 2 üble
Ausgänge zu verzeichnen hatte. Nicht bloss bei Blutungen und bei
Verwachsung mit bösartigen Geschwülsten in loco ist die Ligatur
der Carotis externa empfehlenswerth, sondern als prophylaktische
N. hypoglossus
Cornu majus hyoidei
N. laryngeus superior
1. A. carotis externa
A. thyreoidea superior
V. jugularis externa %
N. phrenicus —
M. scalenus anticus -
M. sternocleido _
2. A subclavia —
Plexus brachialis —
N. accessorius
N. auricularis magnus
~~ V. jugularis externa
Ramus descendens hypoglossi
V. jugularis communis
M. sternocleido
N. supraclavicularis
A. transversa colli
M. scalenus medius;
Costa I
M. cucullaris
___^_— -M. omohyoideus
„ ^_— Platysma
■^--^ä-— <äS"- -^'
Fig. 48. I. Ligatur der Carotis externa mit den Ursprüngen der A. lingualis,
A. maxillaris externa (vorne) und A. occipitalis (hinten). 2. Ligatur der A. subclavia.
Maassregel bei schweren Operationen an Kiefer, Nase, Gesicht. Mit
Ausnahme der intracraniellen und intraorbitären Blutungen können
alle Blutungen im Bereich des Kopfes durch Ligatur der Art. carotis
externa gestillt werden, von den ersterwähnten auch noch die
Blutungen aus den Gefässen der Dura mater.
Der Punkt unseres Normalschnittes, wo wir die Arterie pulsiren
fühlen und ligiren, liegt am vorderen Rande des Muse, sternocleido-
j8o Specielle Operationslehre.
mastoideus. Der Rand dieses Muskels läuft viel gerader herauf, als
man gewöhnlich darstellt; die Fascie zieht ihn nach vorn gegen den
Kieferwinkel heran. Es liegt also der Punkt unserer Unterbindung
senkrecht fingerbreit unter dem Kieferwinkel. Hier kommt die
Arterie senkrecht von unten herauf. Zur Freilegung wird ein ent-
sprechender Theil unseres Normalschnittes vor- und rückwärts von
dem erwähnten Punkte benutzt.
Nach der Haut wird das Platysma gespalten, gelegentlich als
eine sehr ausgebildete Muskelschicht sich darstellend. Seine Fasern
gehen auf- und vorwärts über den Kieferrand herüber. Im hinteren
Theil des Schnittes wird die Vena jugularis externa, welche gerade
über den M. sternocleido heraufläuft, nicht durchschnitten, sondern
nach hinten gezogen nebst dem hinter ihr laufenden Nervus auricularis
magnus. Durch Trennung der Fascie wird der vordere Rand des
Muse, sternocleidomastoideus klargelegt, und es erscheint die Vena
facialis communis bis zur Einmündungsstelle in die Vena jugularis com-
munis. Jene kommt über den Muse, digastricus herunter. Diese Venen
hat man nach vorn und unten oder abwärts zu ziehen, kleinere Aeste
derselben zu unterbinden. Jetzt erscheinen die Arteriae carotides
externa und interna, und zwar liegt die letztere nach hinten. Die
Carotis interna giebt keine Aeste ab, während die C. externa sich
durch den Abgang der Arteria thyreoidea superior unmittelbar über
ihrem Ursprung charakterisirt. Man kann die Gefässe also nicht
verwechseln. Ausserdem wird die Carotis externa an der Abgangs-
stelle der Arteria maxillaris externa umfasst von dem Nervus
hypoglossus, und zwar umschlingt sie derselbe von hinten und
aussen her. Die kleine Arteria cleidomastoidea biegt über den Nerven
rückwärts. Die Ligatur der Carotis externa ist nicht leicht, weil als
Auffindungspunkte bloss Weichtheile dienen (Vorderrand des Sterno-
cleido), die bei jedem Schnitte sich verschieben können. Zu schonen
bei der Freilegung der Arterie ist der Ramus descendens hypoglossi,
welcher die Brustbein-Kehlkopfmuskeln versorgt. Noch wichtiger ist
die Schonung des N. laryngeus superior, welcher unter der Arterie
quer nach vorn unter die Kehlkopfzungenbeinmuskeln zieht.
Von demselben Schnitte aus kann man eine grosse Zahl der
Aeste der Carotis externa an ihrem Ursprung unterbinden, so die
Arteria thyreoidea superior, die Arteria lingualis, die
Arteria maxillaris externa, die Arteria occipitalis. Der
Verlauf dieser 4 Hauptzweige ist durch die Richtung nach unten,
vorn, oben, hinten genügend charakterisirt. Sie gehen ungefähr an
der Umschlingungsstelle des N. hypoglossus um die Arterie ab. Für
periphere Unterbindung der erwähnten Gefässe giebt es leichter zu-
gängliche und sichere Stellen.
Das obere seitliche Halsdreieck.
ibl
56) Arteria thyreoidea superior (Fig. 48).
Die Ligatur der Arteria thyreoidea superior wird an der Spitze
des oberen Horns der Schilddrüse gemacht. Als Incisionsstelle wird
der Theil unseres Normalschnittes benutzt, welcher vom vorderen
Rande des Musculus sternocleido bis zum Zungenbeinkörper verläuft.
Der untere Hautrand wird kräftig nach abwärts gezogen. Bei wenig
hoch reichendem Oberhorn der Schilddrüse ist es besser, den Quer-
schnitt 3 cm tiefer, entsprechend dem oberen Rande des Schild-
knorpels zu machen. Der vordere Ast der Art. thyreoidea superior
ist bei Vergrösserung der Schilddrüse, bei welcher ja einzig die in
Rede stehende Ligatur in Frage kommt, stets zu fühlen auf der
medialen vorderen Seite des Oberhorns neben dem Larynx nach
abwärts ziehend. Indem man denselben über die Spitze des Ober-
horns verfolgt, findet man sicher den Stamm der Arterie.
57) Arteria lingualis (Fig. 49).
Die Ligatur der Arteria lingualis hat Wichtigkeit, weil sie ein
tiefer gelegenes Organ versorgt, bei welchem die directe Blutstillung
nicht immer leicht ist. Deshalb ist es oft wünschenswerth, dass man
die prophylaktische Unterbindung ausführt. Die Art. lingualis hat
einen wohlcharakterisirten Verlauf, insofern als sie sich gegen das
Zungenbein wendet und sich ganz nahe an das hinterste Ende des
grossen Zungenbeinhorns anlegt.
Diese Stelle dient am besten zur Unterbindung, weil man bei
den meisten Menschen das Ende des grossen Zungenbeinhorns durch
die Haut hindurch fühlen kann und deshalb für Incision einen ganz
bestimmten Anhaltspunkt hat. Man schneidet in der Richtung unseres
Normalschnittes vom Rand des Muse, sternocleido entlang dem grossen
Zungenbeinhorne bis zum Körper dieses Knochens ein. Der Schnitt
geht durch Haut, Platysma und Fascie, gerade als ob man einzig
das grosse Zungenbeinhorn freilegen wollte. Die Vena facialis anterior
geht öfter über das Operationsfeld senkrecht oder rückwärts herab.
Unter dem oberen Wundrand erscheint der untere Umfang der
Glandula submaxillaris, unter welchem der vereinigte hintere Bauch
(resp. die Sehne) des Digastricus und des 'M. stylohyoideus gegen den
Zungenbeinkörper herabläuft.
Man thut gut, von der anderen Seite das Zungenbein vor-
zudrängen. Ist dasselbe freigelegt, so fasst man das grosse Hörn
mit einem Haken und zieht den Knochen empor; das hat den grossen
Vortheil, dass man das ganze Operationsfeld oberflächlicher macht.
Am verdickten hinteren Ende des Zungenbeinhorns steigen die Fasern
des Muse, hyoglossus in charakteristischer Weise senkrecht empor.
An der Aussenfiäche dieses Muskels verläuft von hinten nach vorn
der N. hypoglossus. Derselbe umfasst die hinter dem Zungenbein-
Cornu majus
("Vena jugularis externa
M. sternocleido
| M. sternocleido mastoideus
Glandula thyreoidea
I N. vagus mit Recurrens
V. jugul. communis
Glandula submaxillaris
M. stylo-hyoideus u. digastricus
Ramus descendens hypoglossi
M. omohyoideus
MtntermstaHs intehi] \ Band des Sternuni
tteufa Mpeeümtlismq/dr
A. mammamtvnleima,
T%
Fig. 49. 1. Ligatur der Arteria lingualis über dem Zungenbein. 2. Ligatur der
Carotis communis in der Höhe des Ringknorpels. 3. Ligatur der Arteria anonyma.
4. Ligatur der A. subclavia unter dem Schlüsselbein. 5. Ligatur der A. mammaria
interna.
Das obere seitliche Halsdreieck. 183
ende aufsteigende Carotis externa. Nun muss man sehr aufpassen,
dass man dicht über dem kolbigen Ende des Zungenbeinhorns nichts
mehr und nichts weniger durchschneidet, als gerade die Muskelfasern
des N. hyoglossus. Dann erscheint die Arterie unmittelbar über
jenem Ende. Wir halten diese Ligaturmethode für die sicherste.
Als eine zweite Methode für die Ligatur ist empfohlen diejenige
über dem Musculus digastricus (WlNlWARTER bezeichnet
diese Methode als die PlROGOFF-HuETER'sche, während Roser, Mal-
GAIGNE und BECLARD unterhalb des Digastricus vorgingen). Man
schneidet parallel dem grossen Zungenbeinhorne durch Haut, Platysma,
Fascie und zieht den unteren Rand der Submaxillarspeicheldrüse mit
der Vena facialis anterior nach oben. Im Winkel, welchen der obere
Rand des Muse, digastricus sammt Muse, stylohyoideus mit dem
hinteren Rande des Muse, mylohyoideus bildet, liegt die Arterie
unter den aufsteigenden Fasern des Muse, hyoglossus. Auf der
Aussenfläche dieses letzteren Muskels liegt der Nervus hypoglossus
und oft eine Vena lingualis.
58) Ligatur der Carotis interna.
Bei intracraniellen Blutungen (mit Ausnahme derjenigen aus den
Arteriae meningeae) ist die Ligatur der Carotis interna (Fig. 48)
derjenigen der Carotis communis vorzuziehen, da die Collateralzufuhr
aus der Arteria angularis in die Aeste der Arteria ophthalmica er-
halten bleibt. Die Ligatur ist derjenigen der Carotis externa gleich,
nur schiebt sich aufwärts zwischen beide Gefässe der Muse, stylo-
glossus und pharyngeus und die tiefe Fascie mit dem Ligamentum
stylomaxillare.
Es ist bei Rachenoperationen, bei denen plötzlich starke Blutungen
auftreten können, gelegentlich sogar bei Tonsillotomien wichtig, darüber
klar zu sein, ob eine Blutung aus der Carotis interna oder aus Aesten
der Carotis externa (Arter. pharyngea, tonsillaris) stammt. Für die
Tonsillotomie ist die Verletzung der Carotis interna nicht am meisten
zu fürchten, obschon man die Arterie hinter der Mandel pulsiren
fühlt ; denn an der Stelle der Tonsille ist letztere getrennt von der
Rachen wand durch die Muse, styloglossus und stylopharyngeus.
Dagegen ist eine Verletzung möglich der A. pharyngea und palatina
ascendenz und ihres Tonsillarastes (Zuckerkandl).
59) Die Freilegung des Nervus hypoglossus (Fig. 49)
fällt mit derjenigen der Arteria carotis externa, welche er von aussen
umfasst, und im vorderen Abschnitt mit derjenigen der Arteria lingualis
zusammen. Der Nerv liegt aber auf der Aussenfläche des Muse, hyo-
glossus, wie die Arterie auf seiner Innenfläche.
184 Specielle Operationslehre.
60) Freilegung des Nervus lingualis vom Halse aus.
Wenn man die Submaxillar - Speicheldrüse herauswältzt und
unter Einkerbung der hinteren Fasern des Muse, mylohyoideus an
der Aussenfläche des Muse, hyoglossus gegen die Mundbodenschleim-
haut in die Höhe geht, so kann man von unserem Normalschnitt aus
auch den Nervus lingualis vom Halse aus freilegen (Fig. 49),
doch liegt er sehr tief.
61) Der Nervus laryngeus superior (Fig. 48).
Dieser Zweig des Vagus, welcher wesentlich der sensiblen Ver-
sorgung des Larynx vorsteht, wird bei Abwärtsziehen der Portio
hyoidea unseres Normalschnittes am unteren Hautrand sichtbar ge-
macht. Er zieht in der Tiefe hinter der Carotis externa (Ursprungs-
stelle der Arteria maxillaris externa) parallel dem grossen Zungen-
beinhorne über dem Muse, pharyngolaryngeus und weiter auf der
Aussenfläche der Membrana hyothyreoidea vorwärts und verschwindet
unter dem hinteren Rande des Muse, thyreohyoideus. Es ist von
ganz hervorragender Wichtigkeit, den Verlauf dieses Nerven zu be-
achten, da dessen Verletzung Insensibilität des Larynx bedingt, und
da in Folge dieses bei Rachen- und Mund Operationen die Patienten
besonders leicht an sog. Schluckpneumonie zu Grunde g'ehen.
6a) Die I/igatur der Vena jugularis interna und com-
munis (Fig. 48 u. 49).
Die Ausführung dieser Operation fällt mit der Methode der
Ligatur von Carotis interna communis zusammen. Die Vena jug. int.
liegt an der Aussenseite der Carotis interna. Die Unterbindung hat,
abgesehen von Blutungen, besondere Bedeutung bei infectiöser Throm-
bose im Zuleitungsgebiet der Vene. Wenn z. B. eine Otitis media und
mastoidea auf den Knochen übergreift, so kann im Sinus transversus
Thrombosenbildung zu Stande kommen. Bei Zerfall dieser Thrombose
tritt embolische Pyohämie ein. Die Ligatur der Vena jugularis interna
oder communis hat dieselbe zu verhüten. Am häufigsten kommt man
in die Lage, die Vena jugularis communis zu unterbinden und zu
excidiren bei verwachsenen Neubildungen, speciell Lymphdrüsen.
63) Der Nervus accessorius (Fig. 48) geht oben am Halse
unter dem oberen Drittel des Stern ocleidomuskels rückwärts vor der
Vena jugularis interna herunter, um Aeste abzugeben zum Muse,
sternocleido und zum Muse, cucullaris. Bei Krampfzuständen, welche
auf diese beiden Muskeln beschränkt sind, giebt die Dehnung oder
Ausreissung des Nerven schöne Erfolge. Noch wichtiger ist es, ihn
bei Operationen im Bereich des oberen Endes des Sternocleido zu
schonen, zumal bei den so häufigen Drüsenexcisionen an dieser
Stelle. Als Schnitt zur Freilegung des Nerven oberhalb des Ab-
Das obere seitliche Halsdreieck.
185
ganges des Sternocleidoastes benutzt man die Portio mastoidea unseres
Normalschnittes von der Spitze des Warzenfortsatzes bis unter den
Kieferwinkel und zieht nach Abhebung der Vena jugularis externa
und des Nervus auricularis magnus den Muse, sternocleido kräftig
rückwärts. Der Nerv geht in wohlcharakterisirtem Verlauf vom
deutlich fühlbaren vorderen Umfang des Querfortsatzes des Atlas
schräg rück- und abwärts unter dem Muse, sternocleido, dessen Unter-
1
M. cucullaris
N. accessorius
N. subeutaneus colli
V. jugularis externa
M. sternocleido
Fig. 50. Freilegung des N. accessorius in der Mitte des Halses.
fläche er enge anliegt, abwärts. Die Arteria occipitalis geht über den
Nerven herüber nach rückwärts; der unterste Facialast zu den Kinn-
muskeln kann unter dem oberen Wundrand zum Vorschein kommen
und ist zu schonen. Nach oben hin ist der Nerv vom hinteren Bauch
des Muse, digastricus gedeckt. Vorn läuft dem Nerven parallel die
Art. cleidomastoidea (aus der Carotis externa).
Leichter ist die Freilegung des Nerven unterhalb, resp. am
hinteren Rande des Muse, sternocleido. Querschnitt nach Fig. 50
j36 Specielle Operationslehre.
durch Haut und Plat}^sma unter der Mitte des letztgenannten Muskels.
Die über denselben herabgehende Vena jug. externa wird nach vorn
gezogen, der über den Hinterrand des Muskels nach vorn sich herum-
schlagende N. subcutaneus colli unberührt gelassen. Nach Spaltung
der Fascie erscheint der schräg rückwärts vom Hinterrand des Sterno-
cleido zum Vorderrand des Cucullaris und zwar an der tiefen Fläche
dieser Muskeln verlaufende Nerv.
64) Nervus occipitalis minor, Auricularis magnus und
Subcutaneus colli. Diese 3 Hauptzweige des 3. Cervicalnerven
können durch einen ähnlichen Schrägschnitt wie der vorige, über
der Mitte des Sternocleido bei gehörig'em Auseinanderziehen der
Wundränder am Hinterrand des Muse, sternocleido getroffen und gegen
den Stamm zu verfolgt werden, wenn sie Sitz von Neuralgien sind.
Krause hat für Occipitalneuralgien einen Schnitt an-
gegeben, welcher im Nacken median 3 cm unter der Spina occipi-
talis externa beginnt, 2 cm von der Spitze des Proc. mastoideus
abwärts läuft und 7 cm abwärts geht entlang dem hinteren Rande
des Muse, sternocleido. Von diesem Schnitt aus sucht er nach
Trennung des Muse, splenius und semispinalis auf der hinteren
Fläche des Rectus capitis post. major und Obliquus cap. inferior
den N. occipitalis major (Cervicalis II), den Occipitalis tertius (Cervi-
calis III) auf und excidirt unter dem lateralen Theil des Atlasbogens
das 2. Intervertebralganglion. Den 3. Cervicalnerven sucht er, wie
wir oben beschrieben, von seinen Aesten am Hinterrand des Sterno-
cleido. zwischen diesem und dem Splenius in die Tiefe gehend auf dem
Scalenus medius auf.
Die Eröffnung des Pharynx.
Die Resultate der Eröffnung des Pharynx zur Entfernung von
Geschwülsten (speciell Carcinom) würden viel besser sein, wenn nicht
die grosse Zahl der Patienten erst in recht vorgeschrittenem Stadium
zur Operation käme.
65) Eröffnung des Aditus laryngis, Pharyngotomia
subhyoidea (Fig. 51).
Die von MALGAIGNE und LANGENBECK inaugurirte Pharyngo-
tomia subhyoidea verdient doppelt unterstrichen zu werden. Man
kann durch Ausnutzung aller ihrer Vortheile ihr ein viel grösseres
Gebiet einräumen, als frühere Autoren dies gethan. Sie hat den
Vorzug, vorzüglichen Zugang bei sehr geringer Neben Verletzung zu
gewähren. Nicht nur für alle im Gebiet des Aditus laryngis
sitzenden Geschwülste, also diejenigen im Bereich der Epi-
glottis, der Lig. ary-epiglottica, der Aryknorpel, des Schleimhaut-
Das obere seitliche Halsdreieck.
187
Überzuges in der Höhe des Zungenbeines und Sinus pyriformis ist
sie geeignet, sondern ebensosehr für Geschwülste des Zungengrundes
und der seitlichen und hinteren Pharynxwand bis zum Oesophagus.
Da ist sie die Operation der Wahl, welche eine exacte und
r^.
Fig. 51. Pharyngotomia subhyoidea. Das Platysma, sowie die Fascie und
die Musculi sternohyoidei und thyreohyoidei unterhalb des Zungenbeins , die
Membrana hyothyreoidea und die Schleimhaut sind gespalten, so dass man die
Rückfläche der Epiglottis frei sieht.
saubere Ausführung erlaubt und uns sehr schöne Radicalheilungen
ergeben hat bei thunlichst geringer Functionsstörung.
Die vorgängige Tracheotomie und Tamponade haben wir
als unnöth ig. erkannt; man kann das Einfliessen von Blut in den
Larynx durch eine richtige Schräglage verhüten. Auch Honsell
j88 Specielle Operationslehre.
(Bruns) sucht neuerdings die präliminare Tracheotomie zu vermeiden.
Allgemeine Narkose ist entbehrlich und durch i-proc. Cocain-
injection für den Hautschnitt und wiederholte 5 — 10-proc. Cocain-
bepinselung für die Schleimhaut zu ersetzen.
Schnitt von 10 cm Länge auf den Zungenbeinkörper und die
grossen Zungenbeinhörner von einer Seite zur anderen durch Haut
und die Muskelfasern des Platysma, Freilegung des Zungenbeins.
Senkrecht verlaufende Verbindungen der subcutanen Venen werden
unterbunden. Auf dem Zungenbein laufen die Arteria hvoidea und
die Vena hyoidea, welche nach oben bleiben. Der Schnitt trennt
die Muskelansätze am unteren Rand des Zungenbeins, zunächst die
Musculi sternohyoidei und omohyoidei und unter diesen lateralwärts
die thyreohyoidei. Es ist wünschenswerth, aber bei nicht ganz um-
schriebenen Erkrankungen unthunlich, von diesen Muskeln einige
Fasern zu erhalten.
Jetzt liegt die Membrana hyo-thyreoidea frei. Die mittlere Partie
dieser Membran springt als strammes breites Ligament vor, die seit-
lichen Theile sind dünner. Die stramme Membran, welche Fett, oft
einen Schleimbeutel unter dem Zungenbeinkörper einschliesst, wird
entlang dem Zungenbein quer gespalten und in derselben Richtung
die Schleimhaut getrennt, wobei einige kleine Gefässe spritzen.
Entfernt vom Zungenbein zu spalten, halten wir nicht für zulässig
wegen des Nervus laryngeus superior, welcher, die Membrana thyreo-
hyoidea seitlich durchbohrend, in den Larynx eintritt. Durchschneidet
man die Zweige dieses Nerven, so macht man damit den Kehlkopf
insensibel, und dies giebt Anlass zum Eindringen von Speisen, Schleim,
und Wundsecret in den Larynx, ohne dass diese Fremdkörper durch
den Hustenreflex herausbefördert werden; so entstehen die gefähr-
lichen Schluckpneumonien.
Nunmehr kann man die Epiglottis am oberen Rande mit
scharfen Häkchen fassen und vorziehen und hat einen sehr guten
Einblick auf den Larynxeingang, speciell auf die, so vielen Er-
krankungen (Tuberculose , Krebs) ausgesetzte Gegend der Ary-
knorpel, aber auch auf den untersten Theil des Pharynx und den
Zungengrund. Muss man wegen Erkrankung die Epiglottis weg-
nehmen, so fasst man ihre untere Spitze, welche über der Incisur
des Schildknorpels gut fühlbar ist, mit einem Häkchen und hebt sie
heraus, spaltet die Schleimhaut und kann nun die Epiglottis leicht
völlig herauswälzen und umschneiden. Wie bei Laryngotomien
muss man des öfteren durch 5 °/0 Cocainbepinselungen die Reflexerreg-
barkeit der Schleimhaut herabsetzen, um ungestört operiren zu können.
Die Neubildung wird unter beständiger Controle der Augen mit
dem Thermocauter umschnitten. So verhütet map die kleinen
Blutungen und erhält grössere Sicherheit der Radicalheilung.
Das obere seitliche Halsdreieck. i8g
Zur Nachbehandlung ist unter Umständen zu tracheotomiren, um
sich nicht der Gefahr eines Glottisödems auszusetzen, das sich oft in
perfid unmerklicher Weise bis zur Erstickungsgefahr entwickelt.
Auf die Haupt wunde kommt eine Jodoform gaze mit Collodium be-
festigt. Wir haben früher die Wunde tamponirt, machen dies aber
nicht mehr. Da wir Neubildungen stets mit einem feinen Therm o-
cautermesser umschneiden und jede Blutung sorgfältig stillen, so hat
sich als genügend herausgestellt, die Patienten, so lange und so oft
sie liegen, eine abhängig'e Lage einnehmen zu lassen, sie aber recht
frühe aufstehen zu lassen, um durch Husten um so leichter das ein-
fliessende Secret zu entfernen.
Wo möglich, vermeiden wir jetzt auch die secundäre Tracheo-
tomie. Nur wo die Sensibilität des Lar)mx durch die Operation
(Läsion des Laryngeus superior) aufgehoben ist, kann man sich auf die
Reflexe zur Verhütung des Herunterfliessens von Secret nicht verlassen.
In welcher Weise vorzugehen ist, wenn man mittelst der Pharyngo-
tomia subhyoidea die Zungenbasis entfernen will, haben wir bei der
Excision der Zunge eingehend geschildert. WTie sich die Operation
gestaltet, wenn Neubildungen vom Acutus tiefer in das Larynxinnere
eindringen, werden wir bei der Larynxoperation zu zeigen haben.
Hier soll nur aufmerksam gemacht werden, in welcher Weise man
eigentliche Pharynxerkrankungen (speciell Krebse) mittelst der in
Rede stehenden Operation beseitigen kann.
66) Pharyngotomia mediana.
Bei dem sehr häufigen Vorkommen von Tumoren, speciell des
Carcinoms im Bereich des Aditus laryngis, d. h. im Bereich des
einen Aryknorpels und der aryepiglottischen Falte mit ausgedehntem
Uebergreifen auf die seitliche Pharynxwand und den Sinus pyri-
formis ist es wünschenswerth, genaue Vorschriften zu g-eben für die
schonendste Freilegung des untersten Theiles des Pharynx.
Wie wir für die Zunge und die oberen Rachengebilde principiell
die medianen Schnitte in der letzten Zeit festgehalten haben, so
haben wir auch für oben genannten Carcinome, welche wir recht oft
zu operiren in die Lage gekommen sind, zum Theil die laterale
Pharyngotomie möglichst eingeschränkt zu Gunsten der Median-
schnitte und sind von folgendem Vorgehen am meisten befriedigt in
Bezug auf exacte und wenigst verletzende Ausführung der Operation :
Schnitt wie für die Pharyngotomia subhyoidea geschildert ent-
lang dem unteren Rande des Zungenbeins, aber bloss weiter nach
der kranken Seite und bloss 3 — 4 cm über die Mittellinie nach der ge-
sunden Seite hinüber. Von diesem Schnitte abwärts wird ein Längs-
schnitt in der Medianlinie bis zum Isthmus der Schilddrüse auf Schild-
und Ringknorpel geführt mit vorsichtiger Vermeidung der senkrecht
igo Specielle Operationslehre.
laufenden und mit Ligatur von Quervenen, wie bei der Laryngotomia
mediana *).
Auf der kranken Seite entlang dem Zungenbein wird die
Musculatur (Sterno- und Thyreo- und Omohyoidei) ergiebig getrennt
und darunter die Membrana hyothyreoidea quer gespalten, wie bei
der Phar}mgotomia subhyoidea beschrieben; mit scharfen Häkchen
wird die Spitze der Epiglottis gefasst und vorgezogen nach der ge-
sunden Seite zu.
Jetzt erkennt man die vordere Grenze der Neubildung und
trennt l/2 cm entfernt von der Grenze derselben die Epiglottis seit-
lich an ihrer Basis ab, wodurch der Einblick ein freierer wird und
es möglich wird, zu beurtheilen, wie weit die Schildknorpelplatte mit-
entfernt werden muss. Nunmehr wird der Schildknorpel in der
Mittellinie gespalten, auch von der kranken Seite die Musculatur der
Schildknorpelplatte mit Perichondrium abgehoben.
Durch Einsetzen scharfer Haken kann so die Schildknorpelplatte
der kranken Seite genügend nach aussen und unten gezogen werden,
um die Neubildung zunächst von unten her genau zu umschneiden
und demnach auch am hinteren Umfang und nach den Aryknorpeln
zu (oft ist die Trennung in der Mitte zwischen beiden nothwendig)
die Schleimhaut exact im Gesunden trennen zu können. Nun kann
man die Neubildung mit den Fingern umgreifen und die Grenzen
der Härte genau genug controliren, um zu bestimmen, wo von aussen
her die Weichtheile (Muskelansätze vom Pharynx her) zu durch-
schneiden sind. Auch gegen den Pharynx zu sind die Schleimhaut-
grenzen klar sichtbar und die Auslösung einer Larynxhälfte oder
eines Theiles derselben mit einem entsprechenden Stück Pharynx in
der Weise durchführbar, dass man die Blutung leicht beherrscht und
das Kranke sicher entfernen kann.
Wie wir dies bei den Larynxoperationen und der einfachen
Pharyngotomia subhyoidea thun, benutzen wir auch hier die Hängelage
ohne vorgängige Tracheotomie, wenn nicht hochgradige Athemnoth
dazu nöthigt, und führen die Operation unter Cocainanästhesie aus.
Wie aus der Schilderung zu entnehmen, machen wir uns die
tiefere seitliche und hintere Pharynxwand zugänglich bei medianem
Schnitt ausser durch den Querschnitt am Zungenbein durch die
Längsspaltung des Schildknorpels, welche die eine Hälfte des Larynx
erheblich nach vorn herunterzuziehen gestattet. Wie wir mit rein
medianer Pharyngotomie zur Excision des Zungengrundes
vorgehen, ist bei Excisio linguae beschrieben. Wir machen da den
Längsschnitt vom Kinn bis zum Schildknorpel, trennen das Zungen-
i) Iversen hat schon gelegentlich seitlichen oder medianen Längsschnitt
hinzugefügt, aber ohne principiell dem letzteren den Vorzug zu geben oder ihn
methodisch zu gestalten.
Das obere seitliche Halsdreieck.
191
bein und die Kiefer-Zungenbeinmuskeln in der Mitte und können so
direct in den Zungengrund hineinsehen.
Nach dem Gesagten behalten wir der seitlichen Pharyngotomie
wie dem Eingehen auf die Zunge von der Seite her, nur noch die-
jenigen Fälle vor, bei welchen Verwachsungen nach aussen bereits
eingetreten sind, falls man da überhaupt noch operiren will. Diese
Verwachsungen kommen nicht selten in der Weise zu Stande, dass
Drüsen anschwellen , auch gelegentlich erweichen und sich ent-
zünden und mit Pharynxwand und bedeckenden Weichtheilen ver-
schmelzen.
67) Pharyngotomia lateralis.
Der Normalschnitt für das obere Halsdreieck wird allen den-
jenigen Operationen zu Grunde gelegt, mittelst deren wir von aussen
her die seitliche Pharynxgegend mit Tonsille und Zungengrund nicht
bloss freilegen, sondern sammt bedeckenden Weichtheilen, event.
Knochen entfernen müssen.
Die Incision zur seitlichen Eröffnung des Pharynx, welche den
Seitenrand der Zunge bis zur Epiglottis herunter und die seitliche
Pharynxwand sammt Retropharyngealraum in ganzer Ausdehnung
von aussen und innen zu übersehen gestattet, entspricht dem Normal-
schnitt in ganzer Ausdehnung. Der N. auricularis magnus und
die Vena jugularis externa müssen für den Fall, dass der hintere Theil
des Schnittes ergiebig ausgenutzt werden muss, durchschnitten werden.
Ist nach Spaltung der Haut mit Platysma und Fascie die Regio
inframandibularis frei gelegt, so sind einem Weiterdringen gegen
Mundboden und Schlundwand die von unten gegen die Aussenfläche
des Kiefers emporstrebenden Gefässe im Wege, zumal die Vena
facialis anterior auf der Aussenfläche des hinteren Bauches des Diga-
stricus und die Arteria maxillaris externa unter der Glandula sub-
maxillaris, endlich letztere Drüse selbst. Die genannten Gefässe
müssen durchschnitten werden nach doppelter Unterbindung, die
Glandula submaxillaris wird herausgehoben und nach oben geschlagen
oder exstirpirt. Es kann nützlich sein, auch die A. lingualis, phar}mgea
und palatina sofort nahe ihrem Ursprung zu unterbinden. Dadurch
wird es möglich, die grossen Halsgefässe sammt Vagus und Accessorius
nach hinten, den Bogen des N. hypoglossus nach oben zu ziehen.
Es ist einfacher, die Carotis externa zu unterbinden, aber im Bereich
einer sich nothwendig inficirenden Wunde ist die Ligatur eines
grossen Gefässes starker Nachblutungen wegen immerhin nicht un-
gefährlich. Der N. laryngeus superior und die A. thyreoidea superior
bleiben unter dem unteren Wundrand. Was sich von den vorliegen-
den Muskeln schonen lässt, muss im Interesse des Schluckmechanismus
erhalten werden, indem man entlang der Innenfläche des Kiefers
102 Specielle Operationslehre.
und des M. pterygoideus internus gegen die Schleimhaut emporgeht
Müssen wegen Verwachsung oder ungenügenden Zuganges die
Muskeln getrennt werden, so hat dieses so zu geschehen, dass die
Innervation der geschonten Muskelpartien nicht Schaden erleidet,
nämlich: der hintere Bauch des Digastricus und Stylohyoideus
werden, weil von hinten her versorgt (vom Nervus facialis), möglichst
nahe am Zungenbein durchschnitten, ebenso der Styloglossus aus
gleichem Grunde nahe der Zunge unter Schonung des Nervus
lingualis und Glossopharyngeus, welche ihm anliegen. Der Stylo-
pharyngeus wird in der Nähe des Pharynxansatzes, der Hyoglossus
und Mylohyoideus (von oben her vom Nervus hypoglossus versorgt)
werden vom Zungenbeinansatz, so weit nöthig, getrennt. Jetzt liegt
die Pharynxwand frei, d. h. oben der Musculus cephalo-pharyngeus,
unten der Laryngopharyngeus. Bei Verwachsungen müssen natür-
lich auch der N. lingualis und glossopharyngeus durchschnitten werden.
Der obere Theil des Pharynx ist aber nur dadurch von
aussen völlig dem Auge zugänglich zu machen, dass man die früher
erwähnte osteoplastische Resection des Unterkiefers
zutreffender ausgedrückt, die schräge Durchschneidung des
Kiefers von hinten innen und oben nach vorn aussen und unten
am vorderen Rande des M. masseter hinzufügt und den aufsteigen-
den Kieferast kräftig nach oben, den horizontalen Ast nach vorne zieht.
Wir warnen ausdrücklich davor, bei den häufigen Carcinomen
am und hinter dem Isthmus faucium, welche bis gegen die Epiglottis
heranreichen, wenn sie nicht bloss auf weichen Gaumen und seit-
liche Pharynxwand übergegriffen haben, die Operation vom Munde
aus machen zu wollen. Wenn man entfernt vom kranken Gewebe
im Gesunden schneiden will, so muss man in solchen Fällen schwere
Nebenverletzungen nothwendig machen und grössere Arterien an-
schneiden. Wenn man die Carotis in einer solchen derben Ver-
wachsungsstelle verletzt, so läuft man grosse Gefahr, die Blutstillung
nicht rasch genug besorgen zu können. Von aussen dagegen hat
man sichere Controle über die Gefässstämme.
Hat die Neubildung der Zunge und des Pharynx auf die Ueber-
gangsfalte zwischen Ober- und Unterkiefer und die darunter
liegenden Knochen übergegriffen, so ist es am besten, nach Durch-
sägung des Kiefers an oben genannter Stelle durch Abdrehen der
Gelenkkapsel und des M. pterygoideus externus den aufsteigen-
den Kieferast zu exarticuliren und zu entfernen, nachdem
man die gesunden Muskeln (zumal Masseter aussen) abgehoben hat.
So wird später Kieferklemme am sichersten verhütet. Dabei wird
wie bei der früher beschriebenen Resectio mandibulae der N. alveo-
laris inferior und die Arterie gleichen Namens durchschnitten und
letztere unterbunden.
Das vordere Halsdreieck.
193
Soll der untere Theil des Pharynx sammt bedeckenden
Weichtheilen exstirpirt werden, hinter dem Kehlkopf, so bleiben die
Muskeln der Zunge und des Pharynx mit ihren Nerven unberührt,
ebenso die Aeste der Carotis externa. Die Eröffnung des Pharynx
wird vielmehr unterhalb des N. laryngeus superior gemacht, zwischen
diesem und der Arteria thyreoidea superior (die eventuell durch-
schnitten wird), und zwar reicht der Schnitt vom Larynx aufwärts
bis an die Stelle des Abgangs des Ramus descendens Nervi hypo-
glossi am Vorderrand der Carotis. Es ist nöthig, behufs Freilegung
des untersten Theiles des Pharynx, zu dem Normalschnitt (welcher
hinten entsprechend zu verkürzen ist) einen Längsschnitt entlang
dem Vorderrande des M. sternocleido abwärts hinzuzufügen. Wo
seitliche Lymphdrüsen nur mit den äusseren Weichtheilen ver-
wachsen sind oder sich überhaupt ohne Berührung des Pharynx
gründlich und sauber entfernen lassen, ist es angezeigt, die Operation
zweizeitig zu machen , d. h. nach Excision der Drüsen bis zum
Pharynx, resp. Oesophagus, die Eröffnung letzterer Höhlen einige
Tage hinauszuschieben, um nicht eine frische Wunde mit Pharynx-
secret zu inficiren.
H. Das vordere Halsdreieek *).
Will man zwischen den Halseingeweiden und dem Muse, sterno-
cleido in die Tiefe gehen, so kommt man mit den der Spaltrichtung
der Haut entsprechenden queren Schnitten nicht immer aus, sondern
man ist oft gezwungen, Längsschnitte zu machen, und zwar mediane
oder seitliche Schnitte längs des M. sternocleido.
68) Arteria carotis communis (Fig. 52).
Die Arteria carotis communis verläuft in der kürzesten Richtung
von der Brust senkrecht herauf zum Kopfe. Der Schnitt zu ihrer
Freilegung liegt in der Spaltrichtung der Haut quer in der Höhe
des Ringknorpels; seine Mitte kreuzt den vorderen Rand des M.
sternocleido, resp. die demselben entsprechende Linie vom Kiefer-
winkel zur Articulatio sternoclavicularis. Die Arterie ist neben Trachea
und Oesophagus in der ganzen Ausdehnung des Halses zu fühlen
und mit Sicherheit gegen die Wirbelsäule zu comprimiren, am besten
in der Höhe der Cartilago erieoidea. Neben dieser fühlt man den
stark vorragenden Querfortsatz des 6. Halswirbels, das sogen. Tuber-
culum caroticum. Auch für die Unterbindung am Orte der Wahl
1) Als Grenzen dieses Dreiecks nehmen wir den oberen Schildknorpelrand
und die vorderen Ränder der M. sternocleido bis zum Jugulum.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. j?
ioa Specielle Operationslehre.
ziehen wir die Höhe der Cartilago cricoidea vor. Diesen Knorpel
kann man fast immer deutlich fühlen.
Nach Durchschneidung von Haut und Platysma erscheint der
quer verlaufende Nervus subcutaneus colli vom Hinter-
rande des Muse, sternocleido über denselben vorwärts ziehend. Er
wird geschont und die Fascie gespalten, so dass das Muskelfleisch
des Muse, sternocleido sauber frei liegt. Sein vorderer Rand wird
mit stumpfem Haken nach aussen gezogen. Unter diesem Rande,
nach oben und etwas medianwärts ziehend , erblickt man den M.
omohyoideus. In dem nach oben offenen Winkel zwischen den beiden
genannten Muskeln geht man auf die Arterie ein. Sie ist noch be-
deckt von der zweiten Fascie, welche gleichzeitig Gefässscheide ist.
Hat man letztere gespalten, so liegt die Arterie frei zu Tage. Auf
der Gefässscheide läuft der Ramus descendens hypoglossi herab, der
motorische Aeste nach vorne abgiebt für die zum Larynx auf-
steigenden Muskeln. Er wird sorgfältig auf die mediale Seite
gezogen. Aufs genaueste hat man sich vor der Gefahr zu schützen,
den Nervus vagus, welcher der Rückfläche der Arterie dicht anliegt,
mit in die Ligatur zu nehmen. Dieses dichte Anliegen bedingt —
beiläufig bemerkt — bei Compression der Carotis Druckerscheinungen
seitens des Vagus : Verlangsamung des Pulses, Athemnoth, Ohnmacht.
Die Vena jugularis communis liegt nach aussen, der Sympathicus
nach hinten von der Arterie.
Verlängert man den Querschnitt etwas rückwärts und legt den
hinteren Rand des Sternocleido frei, so sieht man unter demselben
und unter der Vena jug. externa den Nervus accessorius her-
vorkommen, um ab- und etwas rückwärts zum M. cucullaris zu
ziehen.
69) An derselben Stelle und aus den letzterwähnten Gründen
kann auch die Resection des Nervus vagus (Fig. 52) nothwendig
werden. Die einseitige Durchschneidung dieses Nerven kann ohne
Lebensgefahr, ja ohne jegliche Störung des Befindens ausgeführt
werden. Am häufigsten machen mit der Gefässscheide verwachsene
bösartige Geschwülste dessen Resection nöthig.
70) Ligatur der Arteria thyreoidea inferior und Arteria
vertebralis (vergl. Fig. 52).
Die Ligatur dieser beiden grossen Aeste der Arteria subclavia
wird von einem schräg-queren Schnitte aus vorgenommen, welcher,
über dem Jugulum beginnend, im Bogen über den Sternocleido nach
aussen schräg emporsteigt.
Wir haben die Ligatur der Arteria thyreoidea, von WÖLFLER
für Struma überhaupt empfohlen, in neuerer Zeit bei Struma vasculosa
Das vordere Halsdreieck.
195
oft ausgeführt und machen sie in der Regel als ersten Act der
Excision des Kropfes, wobei derselbe luxirt und nach der anderen
Seite herübergeschlagen werden muss. Eine wohlcharakterisirte
Stelle für ihre Freilegung ist diejenige, wo sie aus ihrer aufstrebenden
Richtung hinter der Carotis communis sich über den Oesophagus
medianwärts gegen die Hinterfläche der Schilddrüse wendet. Hier
Tuberculum verte-\
brale vert. VI
N. descendens"!
hypoglossi /
V. jugularis communis
Carotis communis
M. longus colli
~~ • Fascia parotideo masseterica
M. masseter
A. maxillaris,
Platysma
A. vertebralis
N. recurrens
A. thyreoidea inferior
A. vertebralis
Glandula thyreoidea
JM. sterno-
\ hyoideus
Fig. 52. I. Ligatur der A. maxillaris externa. 2. Ligatur der A. thyreoidea
inferior und A. vertebralis.
auf der Wirbelsäule resp. auf dem M. longus colli liegt die horizontal
verlaufende Arterie auf der medialen Seite der Carotis communis.
Man geht auf die Arteria carotis communis ein, wie wenn man diese
unten am Halse freilegen wollte. Haut und Platysma werden ge-
spalten, der vordere Rand des Muse, sternocleido freigelegt und kräftig
nach aussen gezogen. Der darunter zu Tage tretende M. omohyoideus
wird ab- und einwärts gezogen , ebenso der neben ihm nach der
Mittellinie zu liegende Sternohyoideus. Vena jugaüaris communis und
13*
ig6 Specielle Operationslehre.
Carotis mit Vagus werden am innereren Rande des grossen Gefäss-
bündels freigemacht und nach aussen gezognen. Auf der Innenseite
des Gefässbündels geht man zwischen diesem und dem Rande der
Schilddrüse, resp. dem sie bedeckenden M. sterno-thyreoideus auf die
Wirbelsäule ein. Man fühlt die Arterie hier pulsiren. Die Schild-
drüse muss nach Spaltung ihrer äusseren Kapsel medianwärts ge-
zogen und emporgehoben werden. Die Arterie ist durch den nach
oben convexen Bogen charakterisirt, indem die aufsteigende Arterie
sich medianwärts zur Anheftungsstelle der Schilddrüse an der Trachea
wendet. Hier an der Rückfläche der Drüse und neben der Trachea
geht der Nervus recurrens über die Arterie senkrecht empor.
Aus der Arteria thyreo - cervicalis entspringen ausser der A.
thyreoidea inferior noch die Arteria cervicalis ascendens und super-
ficialis. Man muss die Operation unter genauer Controle bei guter
Blutstillung ausführen, um einerseits den Nervus laryngeus inferior
schonen zu können da, wo derselbe sich mit der Arterie kreuzt ; denn
der N. laryngeus inferior ist der motorische Hauptnerv des
Larynx. Die Kreuzung findet in der Regel so statt, dass der Nerv
unter der genannten Umbiegungsstelle der A. thyr. inf. heraufzieht
auf der Wirbelsäule (M. longus colli), um in der Furche zwischen
Trachea und Oesophagus bis zum unteren Rande des Ringknorpels
zu verlaufen. Andererseits sollen die Rami cardiaci des Nervus
sympathicus nicht geschädigt oder gar der Stamm des Sympathicus,
welcher öfter die Arterie mit einem vorderen und hinteren Zweig
umfasst, durchschnitten werden. Wenn die Schilddrüse vergrössert
ist, so muss man, immer nach gehöriger Spaltung der Fascie, die
Glandula, thyreoidea mit grossem, stumpfem Haken emporheben und
auf die mediale Seite ziehen. Dabei ist die Vena thyreoidea accessoria
inferior doppelt zu unterbinden und zu trennen.
71) Arteria vertebralis (Fig. 52).
Die Ligatur ist in analoger Weise zu machen wie für die Thyreoidea
inferior; sie ist schwieriger, insofern als die Arterie noch tiefer liegt.
Sie verläuft nicht nur auf den tiefen Halsmuskeln, sondern, von den
lateralsten Fasern des M. longus colli bedeckt, unter der präverte-
bralen Fascie. Als vorzügliches Erkennungszeichen für die Arterie
benutzt man das sog. Tuberculum caroticum am Querfortsatze des
6. Halswirbels, den am stärksten vorragenden Theil der seitlichen
Vorderfläche der Halswirbelsäule in der Höhe des Ringknorpels.
Dieses Tuberculum benutzt man auch zur Unterbindung der Carotis,
daher sein gewöhnlicher Name. Für die Carotisligatur hat es keine
grosse Wichtigkeit, wohl aber für die Ligatur der Arteria vertebralis,
weil diese unterhalb desselben ins Foramen transversarium eintritt.
Es wäre deshalb zweckmässiger, den Vorsprung als Tuberculum
Das vordere Halsdreieck.
197
v e r t e b r a 1 e zu bezeichnen. Die Arterie geht gegen die Unter-
fläche dieses Tuberculum empor. Hat man den M. sternocleido mit
den grossen Halsgefässen nach aussen gezogen und die M. sterno-
hyoideus und sternotbyreoideus nach innen, so spaltet man oberhalb
des Bogens der Arteria thyreoidea inferior die Prävertebralfascie und
fühlt auf und zum Theil innerhalb der Fasern des M. longus colli
die senkrecht emporsteigende Arterie, welche an der Unterfläche des
6. Querfortsatzes verschwindet. Lateralwärts liegt der M. scalenus
anticus und darauf der Nervus phrenicus. Letzterer zieht vom
Aussenrand des Muskels über seine Vorderfläche, um in die obere
Thoraxapertur einzutreten. Unterhalb des Bogens der A. thyr.
inferior zieht die A. vertebralis mit dem N. recurrens ziemlich senk-
recht empor.
72) Oesophagotomie und Oesophagektomie (Czerny's
Operation).
Die Eröffnung des Oesophagus wird im vorderen Halsdreieck
unterhalb des Ringknorpels von der linken Seite her gemacht, weil
er hier die Trachea überragt. Will man ihn freilegen wegen einer
Neubildung oder wegen eines Fremdkörpers, so wird der Schnitt
gerade so gemacht wie zur Unterbindung der Arteria carotis com-
munis und Arteria thyreoidea inferior, nur noch länger. Langen-
beck, nach welchem Goursand 1738 die Operation zuerst eingeführt
hat, empfiehlt den Schnitt am Rande des Sternocleido nach GUATTANL
Wir rathen einen bogenförmigen Schnitt an in der Spaltrichtung.
Vielfach wird auch senkrecht eingeschnitten am Innenrand der Mitte
des linken M. sternocleido bis zur Clavicula durch Haut und Platysma,
die oberflächliche Halsfascie gespalten, der M. sternocleido nach
aussen, die Brustbeinkehlkopfmuskeln nach innen auseinandergezogen,
der M. omohyoideus wird getrennt. Die Schilddrüsenfascie (äussere
Kropfkapsel) wird gespalten, die Drüse medianwärts gezogen, resp.
bei Kropf luxirt und emporgehalten, und die an ihrem Aussenrand
(bei Vergrösserung der Drüse unter ihr) liegenden grossen Hals-
gefässe (mit der Ansa Irypoglossi darauf) lateralwärts gezogen. Die
Kropfkapsel ist ein Theil der tiefen Fascie, welche seitlich an der
Scheide der grossen Halsgefässe festgewachsen ist. Der Zugang
zum Oesophagus wird erst nach Spaltung der tieferen Fascie frei.
Auf der Vorderfläche der Wirbelsäule erscheint der M. longus colli,
und quer über den Muskel zieht, unter der Carotis communis nach
innen tretend, die starke Arteria thyreoidea inferior. Sie wird doppelt
unterbunden und durchschnitten. Unter ihr liegt der rothe Oesophagus-
schlauch. Grosse Sorgfalt ist auf Schonung des N. laryngeus recurrens
zu verwenden. Er wird nach unten und medianwärts gezogen mit
feinen Häkchen, wo nöthig. Der Nerv läuft in der Rinne zwischen
jq3 Specielle Operationslehre.
Trachea und Oesophagus nach oben; daher muss der Oesophagus
ganz an der lateralen oder lateralen hinteren Seite eröffnet werden.
Seine Eröffnung ist schwierig, wenn man ihn als zusammengefalteten
Schlauch eröffnen will, weil die Wand dick ist, die Schleimhaut ver-
schieblich. Man dilatirt den Oesophagus deshalb zuvor, indem man eine
Sonde oder dicke Elfenbeinolive einführt und auf diese einschneidet.
Zur Nachbehandlung wird eine weiche Oesophagussonde durch
die Wunde eingeführt und fixirt behufs Ernährung, und die Wunde
mit Jodoformgaze austamponirt und mit 2-stündlich zu wechselndem
Carbolkrüll ausgefüllt, weil oft starke Zersetzung vorhanden ist. In
einzelnen Fällen ist es gut, die Ränder des Oesophagus provisorisch
an die Haut zu heften. Bei einfachen Incisionen kann die Naht des
Oesophagus versucht werden, die Wunde der bedeckenden Weich-
theile bleibt aber vollkommen offen zur Sicherheit. GUSSENBAUER
hat die Oesophagotomiewunde am Halse benutzt, um von hier aus
tief gelegene Narbenstricturen zu indiciren.
Bei Carcinom hat Czerny 1873 zum ersten Mal eine Oesophag-
ektomie mit Erfolg ausgeführt. Seither sind eine grössere Anzahl
von Excisionen, meist complicirt mit Excision des Larynx, der Schild-
drüse, Lymphdrüsen, Vena jugularis ausgeführt worden. MIKULICZ
hat 1886 schon 10 Fälle zusammengestellt, ROSE 1887 einen glück-
lichen Fall publicirt. Wir haben diese Operation mehrfach ausgeführt.
Wo der Oesophagus sehr tief getrennt worden ist, muss er ge-
legentlich mittelst Arterienpincetten während einiger Tage in die
Höhe gehalten und fixirt werden. Nähte schneiden am Oesophagus
ein. Es würde sich daher fragen, ob ein geeignetes weites katheter-
ähnliches Rohr, wie sie zur Dauerbehandlung der Oesophagusstenosen
benutzt werden, nicht am besten entsprechen würde. Es könnte
nach Vernarbung nach oben herausgezogen werden. Die äussere
Wunde bleibt stets sicherer offen.
73) Eröffnung des Retropharyngealraumes.
Retropharyngealabscesse , welche deutliche Vorwölbung im
Rachen bilden, dagegen von aussen nicht fühlbar sind resp. schwer
zugänglich erscheinen, können durch einen Schnitt möglichst median
in die hintere Rachenwand eröffnet werden, vorausgesetzt, dass man
durch Einführen eines kleinen Bausches das Hinunterfliessen des
Eiters in den Larynx verhütet; letzteres könnte Erstickung oder
Aspirationspneumonie zur Folge haben.
In allen Fällen dagegen, wo Eiteransammlungen im Retro-
pharyngeal- und Retroösophagealraum nach der Seite hin sich aus-
gebreitet haben und fühlbar geworden sind neben den Halseinge-
weiden, ist die Eröffnung von aussen weit vorzuziehen, weil diese
nicht bloss die unmittelbare Gefahr, sondern auch Secundärinfection
Das vordere Halsdreieck.
199
durch die Incisionswunde, welche vom Rachen aus nicht sicher zu
verhüten ist, ausschliesst bei regelrechter Wundbehandlung.
Bei Schwellung und Fluctuation im oberen Halsdreieck wird
nach BüRKHARDT der Schnitt am Vorderrand des M. sternocleido
gemacht mit Eingehen neben dem Kehlkopf. Besser ist es, wie auch
BRUNS durch HAAS bestätigt hat, am Hinterrande des Muskels nach
dem Vorgange Chiene's einzugehen. Man schneidet dessen hinterem
Rande parallel. Nach Spaltung der Fascie und Freilegung des
Muskelrandes werden die hier austretenden N. subcutaneus colli und
unten die N. supraclaviculares geschont, der Muskel mit stumpfem
Haken nach vorne gezogen, ebenso die Vena jugularis externa. Jetzt
erscheint die breite Vena jugularis communis, welche unter Durch-
schneidung des M. omohyoideus am hinteren Rande freigemacht und
ebenfalls nach vorne gezogen wird. Nun erscheint auf der Wirbel-
säule der Abscess unter der tiefen Fascie, und unten am Halse schräg
über denselben medianwärts ziehend die Arteria thyreoidea inferior,
welche doppelt unterbunden und durchschnitten wird. Mittelst der-
selben Operation kann man den retroösophagealen Abscessen
beikommen.
Diese hauptsächlich von tuberculösen Erkrankungen der Wirbel-
säule und der Drüsen ausgehenden Abscesse werden nicht nur ge-
fährlich dadurch, dass sie den Aditus laryngis verlegen, sondern auch
durch Berstung, wodurch plötzliche Erstickung eintreten kann. Die
Eröffnung von aussen her, statt von innen hat den Vortheil, eine
Primaheilung zu ermöglichen.
Laryngo- und Tracheotomie.
Die medianen Spaltungen im vorderen Halsdreieck gehören
zu den häufigsten Operationen, die man zu machen in die Lage kommt
behufs Eröffnung des Larynx und der Trachea.
74) Tracheotomia superior (Crico-Tracheotomie) (Fig. 53).
Für die überwiegende Mehrzahl von Fällen, wo wir gezwungen
sind, die Operation sehr rasch auszuführen, ist die Crico-Tracheo-
tomie die sicherste und wenigst blutige Methode.
Die oberen Tracheairinge sind durch den oft stark entwickelten
Isthmus glandulae thyreoideae bedeckt. An dessen oberem und
unterem Rande verlaufen die Venae communicantes als sehr starke
Queräste zwischen den Schilddrüsenvenen. Von ihnen sowohl wie
vom Ramus anterior der Arteria thyreoidea superior gehen Aeste an
den Processus pyramidalis, wTenn dieser vorhanden ist, so dass auch
arterielle Gefässe die Mittellinie am oberen Rande des Isthmus über-
schreiten können. An der Rückfläche des Isthmus zieht ein Ramus
200
Specielle Operationslehre.
laryngeus inferior von der Arteria thyreoidea inferior herauf, und unter-
halb des Isthmus finden sich constant die starken Venae tlxyreoideae
imae zu beiden Seiten der Medianlinie, senkrecht aufsteigend, ge-
legentlich auch in derselben Richtung eine Arteria thyreoidea ima.
Diese sämmtlichen Gefässe können geschont werden, wenn man die
Crico-Tracheotomie macht. Bei der Incision ist es zweckmässig, wenn
Fascia superficialis
Art. cricoidea
Fascia profunda
M. sterno-thyreoideus
— Cartilago cricoidea
M. thyreo-
cricoideus
I Abhebungsstelle
l^t- i der tiefen Fascie
[von der Trachea
Fig- 53- Tracheotomia superior.
es sich um Kinder handelt, zumal wo (bei Croup z. B.) hochgradige
Dyspnoe besteht, direct auf dem Schildknorpel die Incision zu be-
ginnen. Man trennt die Haut und die oberflächliche Fascie und zieht
den dadurch freigewordenen Rand der Musculi sternohyoidei mit
stumpfem Haken auseinander. Blutende Venen werden mit Arterien-
zangen gefasst. Nun fühlt man nach dem fast stets ganz deutlich
unterscheidbaren unteren Rand des Ringknorpels, fasst nach Bose's
Vorschlag mit der Pincette die auf demselben befindliche Fascie und
macht einen ganz kleinen Schnitt in dieselbe. Bei kleinen Kindern
Das vordere Halsdreieck. 201
und starkem dyspnoischen Auf- und Absteigen des Larynx setzt
man zweckmässig einen kleinen scharfen Haken in den freigelegten
Unterrand des Ringknorpels behufs Fixation und löst mit stumpfer
Sonde (KoCHER'sche Kropfsonde) den Isthmus thyreoideus sammt
Fascie und Venen von der Vorderfläche der Trachea kräftig los,
hebelt denselben abwärts und lässt ihn sofort mit einem stumpfen
schmalen Haken abwärts festhalten. Nun wird mit einem feinen
Messer, rasch einstechend, von unten nach oben über jenem stumpfen
Haken die Trachea und dann der Ringknorpel aufgeschlitzt und die
Wundränder der Trachea mit feinen Häkchen gefasst und auseinander
gezogen.
75) Tracheotomia inferior.
Hat man bei der Crico-Tracheotomie nicht Raum genug, oder
wünscht man die Tracheal wunde weiter entfernt vom Larynx an-
zulegen, so muss Haut und Fascie zwischen .den Brustbeinmuskeln
unterhalb des Isthmus genau in der Mittellinie gespalten
werden. Die Venae thyreoideae imae bleiben nach rechts und links
liegen, da sie senkrecht herunterziehen. Nach Trennung der tiefen
Fascie geht man in der Weise auf die Trachea ein, dass man die
dem Isthmus glandulae thyreoideae anliegenden kleinen Venen mit
stumpfem Haken kräftig aufwärts zieht, die in und über der
Incisura sterni liegenden Quervenen abwärts ; so kommt man — bei
Erwachsenen oft in einer Tiefe von 6 und mehr Centimeter — ganz
stumpf und ohne Gefässverletzung auf die Trachea: eventuell wird
zwischen Trachea und dem stumpf von oben sowohl als unten ab-
gehebelten Isthmus eine Aneurysmanadel eingeführt, um den Isth-
mus neben der Mittellinie doppelt mit kräftigem Fäden energisch
zu unterbinden und zu durchschneiden. Für völlige Freilegung der
Trachea ist dies vorzuziehen.
Bei Tracheotomien, welche einer Pharyngotomie, Laryngo- und
Laryngektomie voraufgeschickt werden, ist die Tracheotomia inferior
vorzuziehen, da sie für die zweite Operation das Feld frei lässt, und
zwar sind womöglich diese einleitenden Tracheotomien eine Reihe
von Tagen der Hauptoperation vorauszuschicken. Bei Kropf und
dickem Isthmus thyreoideae aber ist die Tracheotomia inferior eine
schwierige Operation, weil die Trachea über dem Jugulum erheblich
tiefer liegt und man zu ihrem Auffinden nicht einen dem Ring-
knorpel analogen fühlbaren Auffindungspunkt hat.
76) Laryngotomia mediana et Laryngectomia partialis.
Die Eröffnung des Larynx hat eine absolute Indication bei intra-
laryngealen malignen Geschwülsten; sie kann nöthig werden bei
relativ gutartigen Tumoren, wie Papilloma laryngis, bei Geschwüren
202 Specielle Operationslehre.
und infectiösen Erkrankungen, wie Larynxtuberculose. Die Frei-
legung des Larynxinneren durch medianen Schnitt ist eine verhält-
nissmässig einfache Operation. Bei schräg abhängiger Lagerung
von Rumpf und Hals spaltet man vom Zungenbein abwärts bis
zum oberen Theil der Trachea in der Mittellinie Haut und Fascie.
Dabei werden einige Gefässe verletzt: die Arteria hyoidea (Ast der
Lingualis) auf dem Zungenbein; die Arteria crico-thyreoidea (Ast
der Thyreoidea superior) auf der Membrana crico-thyreoidea; ein
quer verlaufender Ast der Thyreoidea superior zum Processus pyra-
midalis der Schilddrüse; daneben noch zahlreiche Venen und quere
Verbindungen der Venae medianae colli und tieferen Venen. Alle
diese Gefässe sind leicht zu unterbinden ; namentlich müssen zur
Verhütung von Nachblutungen die Venen exact ligirt werden. Nach
Trennung von Haut und Fascie werden die Muskeln, welche vom
Sternum zum Larynx und Zungenbein heraufsteigen, auf die Seite
gezogen und zunächst, die obersten Tracheairinge freigemacht. Der
Isthmus glandulae thyreoideae muss mit einer Kropfsonde stumpf
frei gemacht, von der Trachea abgelöst und nach beiden Seiten solide
unterbunden werden. Die Vena communicans superior und inferior
an seinem oberen und unteren Rande quer verlaufend muss isolirt
unterbunden werden.
Nunmehr wird bei starker Dyspnoe, behufs Sicherung der
Athmung zuerst die Tracheotomie gemacht, die Ränder auseinander
gehalten und mit der Scheere genau in der Mittellinie aufwärts ge-
spalten. Bevor man den Schildknorpel spaltet, führt man eine Kropf-
sonde ein, um genau in der Mittellinie zwischen den vorderen Enden
der Stimmbänder die Trennung machen zu können. Wenn man
langsam weiter schneidet und mit Häkchen gehörig auseinander-
zieht, so sieht man genügend, um nicht in eine etwaige Neubildung
hin einzuschneiden. Aufwärts schneidet man, wo nöthig, bis in oder
durch die Epiglottis hindurch in der Mittellinie oder falls eine maligne
Neubildung über dieselbe hinübergreift, an deren Grenzen vorbei.
Die Spaltung muss jedenfalls soweit reichen, bis man die Grenzen
der Neubildung klar übersieht.
Sobald man die Trachea gespalten hat, bepinselt man die Schleim-
haut mit einer Cocainlösung und wiederholt diese Procedur, so oft
nöthig. Wir haben früher eine io-proc. Cocainlösung hierzu benutzt,
brauchen aber jetzt auf die Empfehlung von Professor Stein in
Moskau hin eine Lösung von ää 5 Proc. Cocain und Antipyrin mit
1 Proc. Carbol, welche sehr gut entspricht.
Ist der Tumor vollkommen klar gelegt, so beginnt dessen Um-
schneidung und Abtragung, und zwar am besten mit dem galvano-
caustischen oder einem feinen thermocaustischen Messer. Sitzt der
Tumor schon auf der Unterlage fest, so wird in seinem Umkreis
Das vordere Halsdreieck. 20 s
auch die Larynxwand weggenommen, indem man entsprechend den
Grenzen des Tumors auf der Aussenfläche die Muskeln stumpf ab-
hebt (vorausgesetzt, dass sie gesund und nicht verwachsen sind) und
mit kräftiger Scheere den Knorpel durchtrennt. Einige spritzende
Arterien können ohne Schwierigkeit gefasst werden.
In letzter Zeit haben wir als Regel die Laryngotomie ohne
allgemeine Narkose bloss mit Cocainanästhesie (i-proc. Lösung
für den Hautschnitt) ausgeführt und halten dies auch für viel
besser. Wenn man bei Hochlagerung der unteren Körperhälfte
operirt, so kann man die früher auch von uns empfohlene, modi-
ficirte TRENDELENBURG'sche Tamponade während der Operation
ganz entbehren und ist dann viel freier im Einblick, da die Canüle
doch stets im Wege ist; oder man legt bloss einen längeren dicken
Kautschukschlauch ein, um durch das Aushusten nicht belästigt zu
werden.
Die Nachbehandlung der Laryngotomie mit oder ohne partielle
Laryngektomie ist bei uns eine sehr einfache geworden: Früher
führten wir in die eröffnete Trachea eine Canüle ein, rieben in die
Wundflächen Jodoformpulver und tamponirten den Larynx mit
Jodoformgaze, mit welcher man auch die Canüle umgab. Sobald
die Wundränder granulirten, wurde die Gaze entfernt. Naht wurde
gar keine angelegt. Die Wunde schloss sich binnen 3 bis 4 Wochen.
Jetzt führen wir öfter gar keine Canüle ein, tamponiren den Larynx
nicht, fixiren die Schildknorpelhälften durch Catgutnähte, lassen den
Patienten schon am 2. Tage aufstehen und lagern ihn Nachts in
kopfabhängiger Lage. Natürlich wird er genau überwacht, um bei
Eintritt von Glottisödem sofort eine Canüle einschieben zu können.
Wir verweisen auf die Beschreibung der Pharyngotomia subhyoidea
für alle Fälle von Larynxerkrankung, wo bloss der oberste Theil
des Organs, der noch dem Aditus zugehört, erkrankt ist (Epiglottis,
Aryknorpel, Lig. aryepiglottica).
77) Laryngectomie totalis (Watson und Czerny's Ope-
ration).
Ist der ganze Larynx krank und von vornherein sicher, dass
man ihn total excidiren muss, was meist schwer zu beurtheilen
ist, so fügt man zu dem Längsschnitt durch die Haut noch einen
Querschnitt am unteren Rande des Zungenbeins hinzu, d. h. man
combinirt die mediane Laryngotomie mit einer modificirten Laryngo-
tomia subhyoidea. Diese Laryngotomia subhyoidea-mediana machen
wir in folgender Weise : Man spaltet vom Zungenbein in der Median-
linie abwärts die Haut und die Fascie bis auf den Schild- und Ring-
knorpel und von diesem abwärts bis zum Isthmus der Schilddrüse.
Am unteren Rande des Ringknorpels löst man die Fascie (das
20A Specielle Operationslehre.
Ligamentum Suspensorium des Isthmus) ab, hebt mit der Kropfsonde
die tiefe Fascie sammt Isthmus und der an seinem oberen Rande
querlaufenden Vena communicans superior abwärts von der Trachea
ab. Falls der Isthmus hoch reicht, so wird er in der Mittellinie am
oberen und unteren Rande frei gemacht, die Kropfsonde unter-
geschoben und doppelt ligirt mit starkem doppelten Seidenfaden und
dazwischen durchgeschnitten. Die Trachea wird eröffnet und nun-
mehr der Patient in die TRENDELENBURG-RoSE'sche Hängelage
gebracht, um das Herunterfliessen von Blut in die Trachea zu ver-
hüten. Vor der Eröffnung der Luftwege ist bei der oft hochgradigen
Athemnoth des Patienten die Hängelage zu widerrathen, weil sie
durch venöse Hyperämie zur Erstickung führen kann.
Nach Eröffnung der Trachea führt man, wenn nöthig, eine
Trachealcanüle ein, lang genug, um sie nach der einen Seite wenden
zu können, damit sie für weiteres Vorgehen nicht hinderlich ist. In
der Regel lassen wir die Canüle weg. Von der eröffneten Trachea
aus wird nach oben der Larynx genau in der Mittellinie ge-
spalten, um sich über die Ausdehnung des Leidens auf der Schleim-
hautseite genau Rechenschaft geben zu können und hier zuerst
mit dem Thermocauter die Neubildung zu umgrenzen. Alle Stellen,
wo die Neubildung angeschnitten wurde, müssen mit dem Thermo-
cauter gebrannt werden.
Nun folgt entlang dem Zungenbein ein querer Schnitt (wenn
nöthig) durch Haut und Fascie unter Ligatur der obersten Enden
der Venae medianae colli dicht am Zungenbein, soweit nothwendig
seitlich verlängert durch die Fasern der M. sterno-hyoidei und omo-
hyoidei und darunter der thyreo-hyoidei. Das Zangenbein wird
mit einem starken scharfen Haken emporgehoben. Die an die
Hinterfläche des Zungenbeins sich ansetzende Membrana hyo-
thyreoidea, zuerst ihre mediane Partie, das starke Ligamentum
medium, wird gespalten, ebenfalls quer darunter die Schleimhaut, so
dass man mit einem scharfen Häkchen die Spitze der Epiglottis
fassen und herausziehen kann. Man muss sich dabei hüten, nicht
zu hoch hinauf unter das Zungenbein zu geben, sonst trennt man
die Schleimhaut zu hoch oben und kann die blutenden Gefässe
schwieriger fassen.
Findet sich die Epiglottis gesund, so wird sie median gespalten,
ist sie krank, so trennt man sie entlang der Grenze des kranken
Gewebes. Nun kann man durch Einsetzen scharfer Doppelhäkchen
in die Schnittränder des Schildknorpels die kranke Partie nach
aussen wälzen, und so übersieht man die Grenze der Neubildung
und umschneidet dieselbe, indem man am besten mit dem Thermo-
cauter zuerst die Schleimhaut trennt.
Das vordere Halsdreieck.
7-05
Geht die Neubildung, wie so oft, auf den Pharynx über, so geht
man auch mit dem Thermocautermesser entlang dem Aryknorpel und
der Rückfläche des Ringknorpels mit dem Schnitt auf die Pharynx-
wand über. Nun erst wird die Aussenfläche des Larynx frei ge-
macht. Soweit sicher gesund, werden die Muskeln geschont, welche
die Seiten- und Vorderfläche des Larynx bedecken (die M. sterno- und
hyo-thyreoidei und M. crico-thyreoidei). Sind die Muskel krank, so
werden sie mitentfernt. Die Knorpel werden in der durch den
Thermocauter gebildeten Furche mit starker Scheere durchschnitten
und, soweit dieselben direct an die Neubildung anstossen, d. h. bei
Total erkrankung an der ganzen Circumferenz, abgetragen. Auf der
Rückfläche der Ringknorpelplatte wird die Oesophagusschleimhaut
erhalten, wenn sie gesund und beweglich ist. Von den von Rutsch x)
zusammengestellten 12 Operationen ist einer in Folge der Operation
gestorben, also in toto 2 von unseren 24 Operirten macht 8,3 Proc,
5 Patienten sind recidivfrei, einer seit 2x/2, einer seit 41/2 Jahren.
Die vordere Pharynx- oder Oesophaguswand wird, so weit als
möglich, zusammen- und heraufgenäht, um die Scheidewand zwischen
Luft- und Speisewegen wieder herzustellen, denn Anfangs ist die
Herstellung des normalen Schluckactes die Hauptsache. Zur Nach-
behandlung wird die Trachea in den unteren Wundwinkel eingenäht
und eine Trachealcanüle eingelegt. Ernährung mit Schlundsonde.
Der Patient steht am nächsten Tag auf, wird beim Liegen stets
mit kopfwärts abhängiger Trachea gelagert.
Dr. Lanz hat unsere Fälle von Laryngektomie bis 1890 zusammen-
gestellt, wobei auf 12 Fälle bloss ein Todesfall kam. Dr. Rutsch
hat weitere 1 5 Fälle veröffentlicht aus unserer Klinik mit 1 2 Radical-
operationen. Es geht daraus hervor, dass wir auf den oberen Quer-
schnitt in den letzteren Fällen in der Regel verzichten konnten,
(wie nach Meinhard Schmidt auch Pieniazek gethan) und wir
möchten aufmerksam machen, dass durch mediane Spaltung
des Zungenbeins, wie wir sie auch für Excision des Zungen-
grundes durch Pharyngotomia subhyoidea empfohlen haben, wesent-
lich mehr Raum ohne Seitenschnitt zu gewinnen ist, nachdem man
die Epiglottis median gespalten hat. Keen operirt gegenwärtig in
ähnlicher Weise wie wir, aber unser Vorgehen ist noch wesentlich
einfacher und kategorischer.
78) Die Kxcision der Schilddrüse.
Wir können zur Stunde auf die Zahl von 2 1 60 Kropfexstirpationen
zurückschauen, um über die beste Art und Weise, wie dieselbe vor-
I) Es ist mir unerklärlich, wie Keen aus Rutsch's Arbeit herauslesen kann,
dass wir die Heilung bei Larynx excision für sehr zweifelhaft halten. Unsere
Statistik zeigt, dass übler Ausgang bei uns eine grosse Ausnahme geworden ist.
2o6 Specielle Operationslehre.
genommen wird, Auskunft zu geben. Wir haben nur dabei eine
sehr bestimmte Methode immer klarer und einfacher ausgebildet,
welche zwar selbstverständlich von Fall zu Fall kleine Modificationen
erleiden muss, aber im Grossen und Ganzen völlige Garantie für den
Erfolg giebt. Stellt sich doch die Prognose der Kropfexcision bei
gewöhnlichen Kröpfen gegenwärtig so, dass wir bei über noo Fällen
der letzten Serie nicht mehr als 3 Todesfälle zu verzeichnen haben,
also nicht einer in 350 Fällen. Da dieselben auf vermeidbare Zu-
fälligkeiten zurückzuführen sind, so kann man wohl sagen, dass eine
Lebensgefahr bei Kropf excisionen nicht mehr in Frage kommt.
Es ist demgemäss nicht gerechtfertigt, wenn noch so vielfach von
Aerzten auch in Fällen eine medicamentöse Kropftherapie eingeleitet
und zum Schaden des Patienten consequent festgehalten wird, wo
sie von vornherein keinen Nutzen haben kann. Sobald ein Kropf
gefährlich wird, d. h. sobald er ausgesprochene Athembeschwerden
namentlich in Form von Erstickungsanfällen macht, sobald er ent-
zündliche Veränderungen zeigt, sobald der geringste Verdacht auf
maligne Entartung besteht1), soll er operativ beseitigt werden.
Leider kommt noch die Mehrzahl maligner Strumen, welche selbst
im jugendlichen Alter keineswegs so grosse Seltenheiten sind, an welche
man aber bei wachsenden Kröpfen älterer Leute in erster Linie zu
denken hat, stets noch zu spät zum Chirurgen, um radicalen Erfolg zu
erzielen.
Aber nur nicht das : Alle Kröpfe, welche dem Gebiet der Struma
profunda angehören, d. h. gegen die Thoraxapertur abwärts wachsen,
mögen sie noch so beweglich sein, sind als gefährlich anzusprechen
und sollen der Operation verfallen.
Alle Strumen, welche in Form einzelner grosser Kolloidknoten
eine erhebliche Entwicklung erlangen, können bloss durch Operation
wirklich beseitigt werden; medicamentöse Therapie wirkt wesentlich
bloss auf die begleitenden hyperplastischen Antheile. Wenn sich
auch nur in geringem Grade, wie es viel häufiger der Fall ist, als
man dies allgemein annimmt, BASEDOW ähnliche Symptome an die
Entwicklung einer Struma anschliessen, ist die Operation das beste
Vorbeugemittel gegen die Entwicklung dieser bedenklichen Krankheit.
Grenzen der Kr opf exstirpation.
Trotz aller Asepsis und trotz allen Fortschritten der Technik
setzt man sich bei Kropfoperation der Gefahr aus, seine Patienten
zu verlieren in folgenden Fällen:
1) Bei Strumen mit hochgradiger und langdauernder Stenose
der Trachea, wenn die Lüftung des Blutes in den Lungen eine un-
1) Dieser Verdacht ist stets vorhanden, wenn bei einem älteren Individuum,
ja schon vom 30. Jahre hinweg, ohne ersichtlichen äusseren Grund die Schild-
drüse sich zu vergrössern beginnt.
Das vordere Halsdreieck. 207
genügende geworden ist und in Folge dessen neben anderen
Functionen auch die Herzthätigkeit erheblich gelitten hat.
2) Bei Störungen der Herzthätigkeit aus anderen Gründen, d. h.
bei allgemeiner Verfettung mit Fettherz, bei Atherom speciell der
Coronararterien mit consecutiver Myocarditis, bei allen Stauungen,
welche zu bedeutender Dilatation des rechten Herzens geführt haben
mit Oppression, bei unregelmässigem, oft kleinem und frequentem Puls.
3) Bei hochgradigen Störungen des venösen Kreislaufes, z. B.
durch Druck einer Struma auf die grossen Gefässe im Bereich der
Brustapertur, zumal mit Bildung von Thromben.
Alle diese Fälle charakterisiren sich dadurch, dass hochgradige
Dyspnoe vorhanden ist, nicht selten hochgradiger und unmotivirter
auftretend, als der vorhandenen Struma entspricht; ferner durch
stärkere Cyanose des Gesichts, gelegentlich der Hände und endlich
durch Oedeme des Gesichtes, der Hände und Füsse ; namentlich
auffällig ist oft das gedunsene Gesicht.
4) Bei ganz diffus-folliculären Kolloidkröpfen, bei welchen das
gesunde Drüsengewebe auf ein Minimum reducirt ist. Bei diesen oft
grossen, als zusammenhängende Masse die Trachea umgebenden
Kröpfen mit geringer Beweglichkeit, fester kleinknolliger Consistenz, ist
die Excision schwierig, blutig und setzt acuter Tetanie aus, welche
sich nicht stets durch Thryradenpräparate beseitigen lässt. Es ist
angezeigt, in diesen Fällen sich mit Ligatur der Schilddrüsenarterien
zunächst zu begnügen und später bei Reduction der Geschwulst die
einseitige Excision zu machen.
5) Bei hochgradig herunter gekommenen BASEDO W-Kranken mit
starker Abmagerung und höheren Graden von Tachycardie. Auch
bei Vermeidung der Narkose und jeglichen Antisepticum sterben bei
tadellosem Wundverlauf diese Patienten gelegentlich in wenigen Tagen.
Die präliminare Arterienligatur ist auch hier der Weg, um eine
spätere Excision möglich zu machen, falls eine solche durch Stenose-
erscheinungen indicirt ist.
6) Maligne Strumen mit starken Verwachsungen, Drüsenschwel-
lungen, Symptomen von Thrombose, zumal bei schlechtem Allgemein-
zustand. Hier haben wir mit Arsenikbehandlung viel mehr erzielt.
7) Entzündete Strumen, wenn die Entzündung auf die Kapsel
und auf die weitere Umgebung übergegriffen hat. Bei acuten Ent-
zündungen setzt man sich der Gefahr weitergehender Infection aus,
bei chronischer Entzündung ist wegen Verwachsung oft die Auslösung
sehr blutig, verletzend und schwierig.
In den zahlreichen Fällen, wo die geschilderten Gefahren, welche
der Hauptsache nach durch zu langes Zaudern verschuldet sind, nicht
bestehen, sind die Mittel, rasche und sichere und schöne Heilung
(cito, tuto et jucunde) zu erzielen, folgende:
208
Specielle Operationslehre.
i) Vermeidung jeden Antiseptikums bei Vorbereitung und Ope-
ration, aber strengste Asepsis1).
2) Vermeidung der Allgemeinnarkose, welche durch Cocain-
anästhesie zu ersetzen ist. Empfindsame Individuen mit gesunden
Lungen und Herz können mit Aetherluftgemischen (nach Braun's
Methode) ohne Bedenken narkotisirt werden.-
*&,
5^*
SS**^:.
Fig. 54. Symmetrischer querer Bogenschnitt (Kragenschnitt) zur Excision]; der
Schilddrüse in der Spaltungsrichtung der Haut behufs Erzielung feiner Narben.
3) Grosse Hautschnitte, aber in richtiger Richtung. Als solche
betrachte ich meinen symmetrischen Kragenschnitt, wie ihn Fig. 54
illustrirt. 'Er giebt selbst bei grosser Ausdehnung kaum sichtbare
1) Was wir dazu benutzen, ist bei Besprechung der Wundbehandlung
hervorgehoben, namentlich gezeigt worden, wie man durch eine zwischen
Hals und Kopf mittelst Bügels quer gespanntes Tuch jede Contactinfection von
Mund und Nase abhält. BüNGENER hat dieses Verfahren zu vereinfachen ge-
sucht durch einen kleinen über die Ohren angehängten und am Kinn auf-
gesetzten Bügel.
Das vordere Halsdreieck. 20g
Narben, weil in der Spaltrichtung gelegen, giebt sehr guten Raum
und hat den grossen Vortheil, sich bei Zweifel, welche Seite die
hauptsächlich drückende ist, während der Operation entscheiden
zu können. Wir möchten Ungeübte speciell vor zu kleinen Haut-
schnitten warnen, welche die Blutstillung hindern und tiefer reichende
Knoten schwierig heraus befördern lassen.
4) Sorgfältige rechtzeitige Ligatur der arteriellen und venösen
Hauptgefässe (Art. und Venae thyr. sup., inf. und imae und Venae
accessoriae). Nur wer so vorgeht, sichert sich gegen die Nachtheile
starker Blutverluste bei der Operation, gegen Verletzung des Nervus
recurrens und gegen Nachblutung.
5) Schonung der Kehlkopf-Brust beinmusk ein und ihrer Nerven-
zufuhr. Wenn man die Muskeln und ihre Nervenäste nicht schont,
so sinkt der Hals in entstellender Weise ein. Wir gehen median
zwischen den Muskeln ein und lösen dieselben wo nöthig an ihrer
oberen Insertion. Wir wenden also hier wieder das Princip der
Desinsertion der Muskeln an, von welchem schon bei der
Kiefersperre die Rede war und von welchem Küttner und Quer-
vain bei Lappenbildung seitlich am Halse Gebrauch gemacht haben_
Nach diesen Regeln gestaltet sich unsere Kropfexcisionsmethode
zu folgendem
79) Normalverfahren der Excision.
Querer symmetrischer Bogenschnitt von der Aussenfläche des
einen Sternocleidomuskels zur anderen, je nach Höhe des Kropfes
höher oder tiefer (bei ganz am Halse gelegenen und eher hochreichenden
mit Mitte unter der Ringknorpelhöhe durch, bei Struma intrathoracica
unmittelbar über der Incisura sterni). Haut und Platysma werden
gespalten. Es erscheinen auf der Fascie neben der Mittellinie, bei
Kröpfen oft seitlich verschoben (vergl. Fig. 55), die zwei Venae
medianae, oft doppelt; ferner sehr constant am Vorderrand des
Sternocleido je eine Vena jugularis obliqua, wie wir sie getauft
haben. Diese Venen werden doppelt gefasst und durchschnitten,
während die über den Sternocleido herablaufenden Venae jug. ex-
ternae geschont werden können.
Jetzt liegen die von dieser oberflächlichen Fascie bedeckten Muse,
sterno-hyoidei und -thyreoidei und event. omohyoidei, nebst den
medialen Rändern der Stern ocleidomuskeln vor (Fig. 55), und es ist
wichtig, die Haut aufwärts und abwärts mitsammt der Fascie
von diesen Muskeln abzulösen, weil man dann die Venen mit ablöst
und keine weiteren zu durchschneiden braucht.
Nun geht man median zwischen den Muskeln ein und
spaltet die verbindende Fascie auf untergeschobenem Finger gehörig ab-
wärts und aufwärts, hebt oben am Larynx mit dem Finger die Muskeln
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. \a
2IO
Specielle Operationslebre.
empor und schneidet sie soweit als nöthig ein unter Ligatur kleiner
von oben kommender Muskelgefässe. Sehr genau ist zuzusehen, ob
damit die eigentliche fibröse äussere Kropfkapsel gespalten ist oder
nicht. Diese muss gespalten werden, da in der Regel bloss die sub-
capsuläre Trennung leicht stumpf zu bewerkstelligen ist.
Es folgt die wichtige Luxation des Kropfes. Der Finger
wird unter Abhebung von Muskeln und Kapsel um die Geschwulst
herumgeführt und ladet bei dieser Gelegenheit die Stränge auf, die
^
*ns*..
Fig- 55- Links in der Figur die Venae medianae colli, ganz auf die rechte
Seite des Halses verschoben. Die Muse, sterno-thyreoidei und sterno-hyoidei
darüber sind über den Kropf ausgebreitet. Nach rechts in der Figur sind der
M. Sternocleido und darunter medianwärts schräg emporsteigend der omo-
hyoideus sichtbar. Alle Muskeln werden nach der linken Halsseite über den
Kropf zurückgezogen.
sich von der Umgebung gegen den Kropf spannen und die von mir
sogenannten Venae accessoriae enthalten, wie Fig. 56 dies dar-
stellt. Diese Venen sind bei grossen Kröpfen sehr stark entwickelt.
Die Muskeln werden dabei mit breiten stumpfen Haken auf die
Seite gezogen.
Sind die Venae accessoriae gefasst und durchschnitten, so er-
folgt die Luxation des Kropfes, der mit den Fingern über die Wund-
ebene emporgehoben wird. War vorher die Dyspnoe sehr stark, so
hört sie jetzt mit einem Schlage auf.
Das vordere Halsdreieck.
211
Fig. 56 a, b. Die die Venae accessoriae enthaltenden seitlichen und unteren
Bindegewebsverbindungen der Kapsel werden behufs Ligatur mit dem Finger
umgangen.
14*
212
Specielle Operationslehre.
Fig. 56 c. Der Kropf ist luxirt und nach der rechten Halsseite herübergewälzt,
der linke Sternocleido abgezogen (was in Wirklichkeit noch viel energischer
geschehen muss). Es erscheint in der Tiefe die Carotis comm. (sie ist hier
zu oberflächlich und zu nahe der Trachea gezeichnet). Darüber gehen Venae
accessoriae auf die Rück- und Seitenfläche des Kropfes, darunter kommt die
Art. thyr. inf. hervor; unter ihr der N. recurrens, durch Zug an dem Kropf
heraufgezogen.
Man schreitet zur Ligatur der Hauptgefässe, welche sich nach
Bequemlichkeit in verschiedener Reihenfolge ausführen lässt. Mit
Kropfsonde wird die
/^^w^s Kapsel am Oberhorn
Jr V :0 •• Ol\ innen und aussen zu-
rückgeschoben , bis
man die stielartig von
oben und etwas aussen
herantretenden Art
und Vena thyr. sup.
mit Finger oder Sonde
umgehen kann. Diese
Hauptgefässe werden
gleicht doppelt ligirt,
" und zwar sehr verläss-
^ 5 z- "r" lieh (vergl. Fig. 57).
Die Arteria thy-
Fig. 57. Isolirung der Art. und Vena thyreoidea reoidea inferior liegt
superior. auf den tiefen Hals-
Das vordere Halsdreieck.
213
muskeln. Der Kropf muss kräftig auf die andere Seite gezogen, die
gleichseitigen Muskeln abgezogen werden. Dann fühlt man sie als
-A. carotis
M. sternocleido
recurrens
{Vena thyreo-
idea inferior
Fig. 58. Ligatur der Arteria thyreoidea inferior.
schrägen oder queren pulsirenden Strang von aussen unter der Carotis
hervorkommend an die Ansatzstelle der Schilddrüse an die Trachea
herantretend. Sie ist wegen des
Recurrens, welcher sie kreuzt, sorg-
fältig zu isoliren und zu ligiren,
und zwar bloss einfach (vergl.
Fig. 58) ^
An den unteren Pol der Ge-
schwulst tritt und zwar meist an
die mediale Fläche nur ausnahms-
weise bloss eine Arteria thyr. ima
heran, meist sind es 2 oder 3 grosse
Venae thyr. imae , welche haupt-
sächlich an Innen- und Vorderfläche
des Unterhorns treten. Sie werden
unter Zurückschieben der Kropf-
kapsel isolirt mit Finger oder Kropf-
sonde und doppelt ligirt und durch-
schnitten (vergl. Fig. 59).
Es bleibt noch die Isolirung und Trennung des Isthmus und unter
Umständen eines Processus pjrramidalis. Letzterer ist meist leicht
1) Was für das Verfahren spricht, stets so rasch wie möglich auf die
Ligatur der arteriellen Gefässe einzugehen bei der Strumectomie, ist die von
Doyen- betonte und von Gubaroff ausgedehnt bestätigte Thatsache, dass die
venöse Blutung auf das geringste Maass beschränkt wird nicht, wenn man alle
Venen ligirt, weil dadurch in anderen Venen Stauung herbeigeführt wird, sondern
wenn man sie durchschneidet und die arterielle Zufuhr durch Verschluss der
Arterien beschränkt oder aufhebt.
Fig.
59. Isolirung der Venae
thyreoideae imae.
214
Specielle Operationslehre.
zu isoliren, ist aber von einem Ast der Art. und Vena thyr. superior
versorgt. Bei Isolirung des Isthmus ist es in der Regel gut, die Ver-
bindungsäste der beiderseitigen Venen am oberen und unteren
Fig. 60 a, b. a) Kropfquetschzange, b) Anlegung der Kropfquetschzange vor
der Ligatur des Isthmus.
Rande (welche wir wegen ihrer Constanz und Stärke als Vena
communicans superior und inferior bezeichnet haben) und gelegent-
lich auch auf der Vorderfläche isolirt zu fassen und zu durch-
Das vordere Halsdreieck.
2I5
schneiden. Dann kann man ohne nennenswerthe Blutung mit der
Kropfsonde zwischen Trachea und Isthmus durchgehen.
Nun wird die Kropfquetschzange angelegt nach Fig. 60 b und
der oft gewaltig dicke Isthmus so •zusammengepresst , dass nach
Abnahme der Zange bloss noch die Gefässe und bindegewebigen
V. mediana
M. sterno-hyoideus
V. jugularis \
obliqua J
Venae
thyreoideae >
imae J
Fig. 61. Excisio strumae mit Winkelschnitt bei schwierigen Fällen linksseitigen
Kropfes.
Antheile in Verbindung bleiben und mit einer kräftigen Ligatur
umschnürt werden können.
Die kranke Schilddrüsenhälfte hängt nur noch mit dem medialen
Rande an der Trachea und dem Ringknorpel. Es ist wünschens-
werth, dass man diesen Theil, wenn er gesund ist, erhalte, indem
man eine dünne Schicht Drüsengewebe zum Schutze des Recurrens
2l6
Specielle Operationslehre.
zurücklässt ibeim Abschneiden. Man kann dabei nicht zu sorgfältig
sein, um nicht, im letzten Moment noch den Recurrens zu schädigen
und thut gut, auch kleine blutende Gefässe gleich zu fassen.
Die Wunde wird gründlich mit warmer steriler Kochsalzlösung
ausgespült, die Umgebung sowie die Hände gereinigt und angesichts
der oft sehr zahlreich anzulegenden Suturen saubere Handschuhe
*&*"
Fig. 62. Der Winkelschnitt bei sehr hoch- und zugleich tiefreichendem links-
seitigem Kropf. Larynx stark verschoben, dabei die medialen Ränder der M.
sterno-hyoidei schräg. Dazwischen Kropfgewebe mit Venae thyreoideae imae
von unten. Eine Vena mediana colli geht senkrecht über die Muskeln, die
Vena obliqua längs dem Vorderrand des Sternocleido ist nicht sichtbar. Unter
dem letzteren Muskel der Omohyoideus heraufkommend.
angezogen. Mussten die Muskeln oben ganz gelöst werden, so werden
sie an richtiger Stelle wieder angeheftet. Fortlaufende Naht mit Ein-
schiebung einer dünnen kurzen Glasdrainröhre, die nach 24 Stunden,
wenn kein flüssiges Blut mehr in derselben sich vorfindet, entfernt wird.
Der früher von uns empfohlene Winkelschnitt, den wir
durch die beistehenden 2 Figuren 61 und 62 illustriren, hat noch
jetzt seine Berechtigung für diejenigen Kröpfe, welche sehr hoch bis
Das vordere Halsdreieck.
217
zum Kiefermuskel hinaufreichen und sehr fest sitzen, wie manche
diffusolloide Strumen erheblicher Grösse, entzündete und maligne
Strumen.
Der Winkelschnitt beginnt in der Höhe des Schildknorpels auf
dem Wulste des Sternocleido-Muskels und geht quer in der Richtung
der Hautfalte bis zur Medianlinie, um in dieser bis zum Jugulum
abwärts zu verlaufen. Bei tief gelegenen Strumen wird er bis aufs
Manubrium sterni verlängert. Im queren Theil wird Haut und das
j^^ Vena thyreoidea suprema
Vasa thyreoidea superiora
— M. sternocleido
— M. sterno-hyoldeus
A. thyreoidea inferior
Venae thyreoideae imae
Struma luxirt und
über die Trachea
herübergewälzt.
Fig. 63. Excisio strumae mit Winkelschnitt bei linksseitigem Kropf. Luxation
des Kropfes nach der gesunden Seite herüber |und Ligatur der Hauptgefässe
(Venae thyreoideae imae, Art. thyr. inferior, IVena thyr. suprema und A. und
V. thyr. superior).
deutliche Platysma getrennt (Fig. 63) [und bei Spaltung der Fascie
nach der Medianlinie zu die starke Vena mediana colli doppelt unter-
bunden, ebenso am Vorderrande des Sternocleido die Vena obliqua.
Die über die Aussenfläche des M. sternocleido herabgehende V. jugu-
laris externa wird geschont.
Nach gehöriger Spaltung der oberflächlichen Fascie liegt im
lateralen Theile des Horizontalschnittes das Muskelfleisch des Sterno-
cleido frei. Sein Vorderrand wird gehörig frei gemacht, damit der
Muskel lateralwärts mit stumpfem Haken abgezogen werden kann.
Im medialen Theile des Horizontalschnittes wird ebenso das Muskel-
218 Specielle Operationslehre.
fleisch der M. sterno-hyoidei und -thyreoidei klargelegt und die die-
selbe bedeckende oberflächliche Fascie aufwärts gezogen.
Im Uebrigen bleibt sich die Operation gleich, wie wir sie für
den Kragenschnitt geschildert haben.
80) Die Enucleation des Kropfes.
Die von PORTA empfohlene und von Professor SOCIN zu all-
gemeiner Geltung gebrachte Enucleation hat ihre specielle In-
dication in denjenigen Fällen, wo zahlreiche grössere und kleinere
gut isolirte Kolloidknoten gleichmässig in beiden Schilddrüsen-
hälften vertheilt sitzen. Die einseitige Excision ist in diesem Falle
ungenügend, falls kein vorwiegender Druck von einer Seite auf die
Trachea stattfindet. Da ist die Enucleation angezeigt, obschon man
durch dieselbe niemals alle Knoten entfernen kann, sondern sich an
solche von einer grösseren Entwicklung halten muss. Sie ist also
keine Radicaloperation, hat aber gegenüber dieser einige Nachtheile
nicht. Sie schont die gesunden Drüsentheile, setzt keiner Verletzung
des N. recurrens aus, ist in der Technik einfach.
Gerade diese Einfachheit der Technik verleitet Ungeübte viel-
fach, die Enucleation vorzuziehen. Sie bringt aber viel bedeutendere
Blutungen, als die Excision, da die Blutung aus der zurück-
bleibenden Drüsenkapsel aus massenhaften kleinen Gefässen in der
Art der parenchymatösen Blutung erfolgt. In dieser Beziehung so-
wohl als hinsichtlich der radicalen Heilung ist es also eine schlechte
Methode. Wir haben mit Bruner nur bei Enucleation eine erheb-
lichere Anzahl von Recidiven gesehen.
Man hat sich nun geholfen in der Weise, dass man zur Ver-
meidung der Blutung erst wie bei Excision die Hauptgefässe unter-
band. Das ist nun ganz unverständlich, was man dann mit der
Enucleation will, denn dann geht der zurückgebliebene Drüsenrest
doch zu Grunde. Ferner hat man die Blutung zu beschränken ge-
sucht durch provisorische Abklemmung der grösseren zuführenden
Gefässe, indem man sich oben und unten einen „Stiel" bildet und
eine Arterienzange anlegt. Allein diese Stielung ist ein relativ
rohes Verfahren, wie die Enucleation überhaupt. Sie ist noch relativ
leicht am oberen Pol. Will man aber auch im Bereich der Art.
thyr. inferior „stielen", dann hat man absolut keine Sicherheit, nicht
den Recurrens zu quetschen und zu lähmen. Ausserdem bleibt auch
hier der Vorwurf der Recidivgefahr bestehen.
Man soll deshalb die Enucleation durchaus auf ganz bestimmte
Indicationen beschränken. Sie ist auszuführen 1) wenn die andere
Schilddrüsenhälfte atrophirt oder schon durch eine frühere Operation
entfernt ist; 2) wenn es sich um einen oder 2 kleine vereinzelte
Knoten handelt in sonst normalem Schilddrüsengewebe; 3) wenn ein
Das vordere Halsdreieck.
219
einziger grosser Knoten vorhanden ist, welcher das umgebende Ge-
webe in grosser Ausdehnung zu Druckatrophie gebracht hat, so dass
nur an beschränkter Stelle noch gefässreiches Drüsenge webe anliegt,
zumal hinten. In der Weise findet man grosse Cysten und ältere
Kolloidknoten eingebettet. Die Enucleation drängt sich hier fast von
selbst auf, wenn man das dünne Drüsengewebe (Drüsenkapsel) für
die adventitielle Kapsel hält und spaltet und sich dann überzeugt,
dass der Knoten sich leicht lösen lässt. Nach weniger atrophischen
Drüsentheilen zu bedarf es immerhin oft noch guter Ligatur. 4) End-
lich, wenn der Kropf mit der äusseren Kropfkapsel in Folge acuter
oder chronischer (z. B. nach wiederholten Blutungen) Entzündungen
stark verwachsen ist.
Die Methode reiner Enucleation ist in diesen Fällen
folgende :
Man legt die Oberfläche des Kropfes in der oben geschilderten
Weise gehörig und ausgiebig frei und zieht die Muskeln auf die
Seite. Auf der Höhe der Geschwulst, wo die (innere) Drüsenkapsel
am dünnsten ist, spaltet man das Drüsengewebe, bis man auf den
Knoten kommt, indem man die Ränder und jedes blutende Gefäss
mit verlässlicher Arterienzange fasst. Nun geht man stumpf zwischen
normalen Gewebe (Drüsenkapsel) und Knoten vor und hebt den Knoten
heraus. Es ist oft zweckmässig, derselben durch Exenteration zu ver-
kleinern, resp. eine Cyste zu entleeren.
Je weiter man mit stumpfer Lösung nach hinten kommt, desto
stärker werden gewöhnlich die Blutungen und es müssen meist zahl-
reiche Arterienzangen angelegt werden. Sobald man sich bei Be-
ginn stumpfer Lösung überzeugt, dass sich der Knoten schwer aus-
lösen lässt, ist es viel besser, von dem Verfahren abzustehen und
zur reinen Excision oder der gleich zu schildernden Enucleations-
Resection überzugehen. Einzelne Cysten und Knoten, z. B. solche
mit frischen entzündlichen Veränderungen lösen sich sehr leicht
heraus, so dass eine Operation sich rasch vollenden lässt.
Zur definitiven Blutstillung ist es oft möglich, die grosse Anzahl
Gefässklammern mit ein paar Massenligaturen zusammenzufassen
oder auch in toto zu unterbinden, aber nicht immer. In einzelnen
Fällen kann man durch eine feste Naht die Blutung stillen. Doch
sind es die Enucleationsfälle, welche uns unvergleichlich mehr Nach-
blutungen und daher mehr Störungen des Wundverlaufes durch
Hämatombildung gegeben haben, als die Excision.
81) Die Resection des Kropfes.
Mikulicz hat vorgeschlagen, die Resection der kranken Schild-
drüsentheile zu machen. Wir können auch dieser Operation bloss
ausnahmsweise Indication zuerkennen. Auch hier ist die Blut-
220 Specielle Operationslehre.
Stillung im allgemeinen schwieriger als bei der Excision und der
Wundverlauf nicht so günstig , weil dickere Resectionsstümpf e
zurückbleiben, welche Gewebsnekrosen veranlassen. Dadurch tritt
leicht eine Verzögerung der Wundheilung ein und stossen sich ge-
legentlich Ligaturfaden ab.
Freilich ist jetzt die Resection durch die Benutzung der sogen.
Angiotriptoren, die wir besser als Gewebsquetschzangen (Histo-
triptoren) bezeichnen, (vergl. Fig. 60 a) wesentlich erleichtert. Man
kann durch die von uns angegebene Zange sehr dicke Drüsenmassen
so zusammenpressen und verkleinern, dass man mit einer einfachen
oder mehrfachen Ligatur der gepressten Gewebe auskommt. Man
legt die Zange mit aller Kraft an, nimmt sie aber zuerst wieder ab
und legt erst dann, aber sofort den Faden um.
Dies geht nicht in allen Fällen gut; das Kropf gewebe ist öfter
brüchig, die Zange schneidet ein und es treten lebhafte und schwer
zu stillende Blutungen ein. Es soll deshalb die Resection durchaus
beschränkt werden und zwar auf folgende Fälle: 1) Auf stark vor-
ragende kleinere Knoten, welche man von der übrigen Substanz
leicht einigermaassen abheben und isoliren kann. Diese können
nach Emporheben gespalten, hinter denselben die Presszange an-
gelegt und dann die Ligatur (oder auch eine Sutur) und die Ab-
tragung gemacht werden. 2) Auf Fälle ganz diffuser kolloider
Entartung, wo keine grösseren Knoten vorhanden sind, wo die derben
Massen von beiden Seiten stark auf die Trachea drücken und schwer
herauszuheben sind. Man wird freilich auch bei diesen Strumen mit
einer einseitigen sauberen Excision besser fahren, aber es kommt vor,
dass auf der entgegengesetzten Seite die derbe Kolloidmasse noch
so breit und fest der Trachea anliegt, dass sie die Athmung be-
hindert. Dies kommt auch vor, wo früher eine einseitige Excision
gemacht ist und die andere Seite ausnahmsweise so stark weiter-
wächst, dass sie trotz einseitiger völliger Entlastung Stenose bewirkt.
In diesen Fällen darf unter Umständen auf einer Seite eine
präliminare Gefässligatur gemacht werden. Wir haben eine solche
auch als Einleitung der späteren Excision bei diffusen Kolloid-
entartungen allein gemacht (vergl. unten).
82) Die Enucleationsresection und -excision des
Kropfes.
Diese von uns eingeführte Combination der oben genannten
Verfahren hat den Zweck, die Gefahren der Enucleation herab-
zusetzen und deren Vortheile sich zu Nutze zu machen. Das Wesen
derselben besteht darin, dass man die Excision auf den vorderen
leicht zugänglichen Theil des Kropfknotens beschränkt, den hinteren
Das vordere Halsdreieck.
221
dagegen enucleirt, indem man die gewöhnlich dickste hintere Partie
der inneren Kropf kapsei resecirt und zurücklässt.
Ueber die Ausführung dieser Methode giebt Fig. 64 einiger-
maassen Aufschluss.
Nachdem in stets gleichbleibender Weise die Oberfläche der
Geschwulst subcapsulär völlig freigelegt ist, wird von Anfang an
der Isthmus dicht am Knoten freigemacht, gepresst, ligirt und durch-
schnitten.
Vordere Schild
knorpel kante
Ringknorpel
Stück hintererl
Kropfkapsel J
Ligatur desl
Isthmus f
Gesunde Schild-!
drüsenhälfte f
{Oberhorn mit Vasa
thyreo! dea superiora
(Schnittfläche des
\ Isthmus
{Oberfläche des eigent-
lichen Kropfknotens
'Trennungslinie der
\ Kropfkapsel an der
l Rückfläche
Unterhorn
Trachea
Vena thyreoidea ima
Fig. 64. Enucleations-Resection eines Knotens der linken Schilddrüsenhälfte.
Der Kropf ist bereits aus dem Hautschnitt herausluxirt, der Isthmus unterbunden
und durchschnitten, die Schnittfläche des letzteren auseinandergezogen, so dass
man die Oberfläche des Kolloidknotens sieht. Zwei Aneurysmanadeln zeigen
die Richtung der Trennung der Kropfkapsel auf der Vorderfläche, eine punktirte
Linie auf der Rückfläche. Letztere sollte viel näher der Trachea gezeichnet sein.
Auf diese Weise erhält man nach der Seite des Knotens zu
eine Oeffnung in die (innere) Drüsenkapsel, wie Fig. 64 zeigt. Von
hier aus wird nun bloss in einer Linie auf- und abwärts, möglichst
dem medialen Theil des grössten Frontalumfanges entsprechend mit
Finger oder Kropfsonde eingegangen (wir geben beiläufig von
dieser vielgenannten Kropfsonde in Fig. 65 eine Abbildung) und
die Drüsenkapsel soweit abgehoben, dass eine Presszange eingeführt
werden kann und das gepresste Gewebe mittelst einer Aneurysma-
nadel umgangen (s. Fig.) und umschnürt werden kann.
222
Specielle Operationslehre.
Diese lineare Lösung muss unter Umständen auf- und ab- und
etwas rückwärts weiter gegen den unteren und oberen Pol zu wieder-
holt werden. Dann kann man unter Umfassen der Kropfmasse und
Umwälzung nach aussen hin die Ablösung des Knotens von der
hinteren Drüsenkapsel rasch mit kräftigem Zuge soweit führen,
dass die Geschwulst an letzterer wie an einem Thür-
flügel hängt, welcher den von der Trachea erheblich
abgezogenen Knoten allein noch mit derselben breit
verbindet.
Jetzt kann ohne Gefahr für den Recurrens, weil
entfernt von der Trachea in senkrechter Richtung die
hintere Kapsel getrennt werden unter sicherer An-
legung der Arterienzange, gelegentlich einfach unter
einmaliger Anlegung der Presszange mit nachträglicher
Ligaturanlage. Die punktirte Längslinie in der Figur 64
giebt einen Begriff von diesem hinteren Längsschnitt
durch die abgehobene und zurückgelassene Drüsen-
kapsel, bloss sollte derselbe viel näher der Trachea
und wesentlich senkrecht gezeichnet sein.
Die Methode hat den Vortheil, die sonst so un-
angenehmen Blutungen bei Enucleation und Resection
in hohem Maasse zu beschränken und an Stelle völliger
Excision in Fällen von Unsicherheit über die Function
der Schilddrüse der anderen Seite ein gut genährtes
Stück Drüse am hinteren Umfang zurückzulassen und
die Gefahr der Läsion des Recurrens zu beseitigen.
Die Hauptgefässe dürfen natürlich central nicht unter-
bunden werden.
Aber auch diese recht empfehlenswerthe Methode
hat eine beschränktere Anwendung als die Excision.
Sie ist bei diffuser Kolloidentartung in Form kleinster
folliculärer Kolloidbildung nicht brauchbar, vielmehr
wesentlich bloss bei grossen kolloiden oder cystösen
Fjg ßc Knoten in Form einer in relativ gesunder Drüsen-
Kropfsonde. Substanz eingebetteten Kugel.
83) Die Ausräumung (Exenteration) des Kropfes.
Diese Operation, meist als Evidement bezeichnet, besteht in
der Spaltung der Kropfkapsel und Ausräumung resp. Ausdrücken
des kolloiden Inhalts aus der Hülle des Knotens selber unter
Belassung der letzteren. Es ist dies die einfachste Methode von
allen.
Sie drängt sich in den Fällen fast von selbst auf, wo ein
Kropfknoten in Folge entzündlicher Vorgänge durch Peri-
Das vordere Halsdreieck.
223
strumitis adhaesiva mit Kapsel und Umgebung ver-
wachsen, daher nur unter starker Verletzung zu excidiren und
wo der Inhalt weich ist.
In besonders exquisiter Weise habe ich bei durch Blutung zer-
fallenen Kropfknoten dieses Verhältniss gesehen. Ein Knoten kann
durch Bluterguss unter Erscheinungen leichter Entzündung rasch
sich vergrössern und die Entfernung desselben indicirt sein. Die
Excision ist aber ungünstig wegen der entzündlichen Verwachsung
mit der Nachbarschaft, die gar leicht stärkere Blutung und Ver-
letzung des Recurrens bedingen.
Da schneidet man unter doppeltem Fassen der in der Schnitt-
linie laufenden Gefässe den Knoten mit einem Messerschnitt einfach
auf und durch, fasst mit Arterienklammer die blutenden Ränder
verlässlich wie bei Enucleation und schält mit grosser Leichtigkeit
mit dem Finger von der Innenfläche des Balges die weichen Kolloid-
massen los, nachdem man die zerfallenen Kolloidschollen und Coagula,
welche den Hauptinhalt bilden, rasch ausgeräumt hatte.
Blutende Gefässe werden mit krummen Nadeln umstochen und
unter Faltung des Balges ligirt. Die Blutung ist ganz bedeutend
geringer als bei der Enucleation und die Operation sehr rasch aus-
führbar, fast schmerzlos (eine meiner Patientinnen mit grosser rasch
wachsender Struma colloides haemorrhagica war ganz erstaunt, dass
die Operation fertig sei, da sie — bei Cocainisirung der Haut —
absolut nichts von Schmerz gespürt habe), weil die Drüsenkapsel
nicht geschädigt wird. Noch viel leichter ist die Operation, wenn
man an die Basis des Knotens (wenn auch erst unmittelbar nach der
Spaltung) eine Presszange anlegen und eine Massen -Ligatur oder
eine Sutur zur Blutstillung machen kann.
Die Exenteration ist unter Umständen bei weichen malignen
Geschwulstknoten , wenn eine saubere Excision wegen starker
Verwachsungen nicht mehr möglich ist, sehr werthvoll behufs
momentaner Erleichterung. Sie hat mir in einem vor Jahren ver-
öffentlichten Fall sogar eine radicale Heilung ergeben unter An-
wendung nachträglicher Chlorzinktamponade. Sie kann in diesen
Fällen oft sehr vorth eilhaft die Tracheotomie ersetzen, welche bei
malignen Strumen ein sehr lästiger Nothbehelf ist.
Aber am brauchbarsten erweist sie sich 1) wie oben gesagt, bei
grossen Knoten mit stark zerfallenem und erweichtem Inhalt und
Verwachsung der Umgebung, 2) bei kleinen multiplen Knoten, welche
man genügend emporheben kann, um sie zu spalten, den Inhalt aus-
zudrücken und durch Ligatur oder Naht sofort die relativ geringe
Blutung zu stillen, 3) ganz vorzüglich aber wegen der Raschheit
ihrer Ausführung bei Erstickungsgefahr, wo während der Operation
die Trachea raschestens entlastet werden muss. Dies ist nirgends
2 24 Specielle Operationslehre.
in so dringlicher Weise der Fall, als bei Entwicklung tief gelegener
Kropfknoten, bei Struma intrathoracica. Da ist die Exenteration
oft die conditio sine qua non, um eine Operation vom Halse aus zu
Ende führen zu können.
Man hat mit Unrecht von Seite eines italienischen Autors diese
Operation Porta zugeschrieben. Die von PORTA angegebene
Operationsmethode fällt mit der Enucleation zusammen.
84) Operation der Struma intrathoracica.
Leider wird die Diagnose der Struma intrathoracica noch oft
viel zu spät oder gar nicht gemacht und gehen damit behaftete
Kranke unter dem bekannten überaus traurigen Bilde der Mediastinal-
tumoren zu Grunde. Eine zu weit hinausgeschobene Operation einer
tief liegenden Struma kann aber dadurch verhängnissvoll werden,
dass plötzlich Erstickung eintritt, dass es zu Lungen- und Herz-
erkrankung kommt, dass sich unter dem Drucke der Geschwulst die
Vena anonyma und ihre Zuflüsse (Vena subclavia und jugularis
communis) stark verengt auf mehr als die Hälfte des Durchmessers
und dass sich oberhalb Thromben in den dilatirten zuführenden Venen
bilden. In einem meiner Fälle löste sich nach bereits vollkommener
Primaheilung der Wunde, als der Patient grössere Freiheit der Be-
wegung erhielt, der Thrombus in der V. jug. comm. und bedingte
plötzlichen Exitus durch doppelseitige Embolie der Lungenarterie.
Es handelt sich also darum , rechtzeitig einzugreifen. Dann
zeigen sich selbst Fälle operabel, welche fast unzugänglich er-
scheinen. So habe ich vor Kurzem bei hochgradigen Stenose-
erscheinungen, aber sonst noch gutem Allgemeinbefinden einen
Herrn operirt, welcher laut RöNTGEN-Bild einen gewaltigen, jedem
operativen Versuche scheinbar unzugänglichen Tumor aufwies. Nach-
dem ich mich im RöNTGEN-Bilde von der Beweglichkeit des Tumors
beim Husten überzeugt hatte , wagte ich die Operation und nach
10 Tagen war der Patient geheilt und seine Athemnoth völlig los
geworden.
Die Operation ist schwierig und verlangt Uebung und Er-
fahrung. Der Schnitt muss tief angelegt werden, je nach Fall Winkel-
schnitt oder Kragenschnitt (ersterer ist als Regel zu empfehlen).
Vor Allem ist der obere Umfang der Geschwulst vollkommen frei
zu machen, die oberen Schilddrüsengefässe, die accessorischen Venen
und die Vena communicans superior sorgfältig zu ligiren und wo
angängig, der Isthmus zu trennen.
So tief abwärts als sich die Sache thun lässt, müssen die an die
Oberfläche der Geschwulst herantretenden Gefässe (speciell Venen)
doppelt unterbunden und durchschnitten werden. Wo nöthig, wird
Das vordere Halsdreieck.
2^5
die Stern alportion des Sternocleido getrennt und die vom Sternum
zum Larynx aufsteigenden Muskeln der kranken Seite ebenfalls.
Nun kommt der kritische Moment, wo man mit der von uns con-
struirten Kropffasszange (Fig. 66) den Tumor anpacken muss und
mit Kraft nach oben ziehen. Auch jetzt ist es sehr empfehlens-
werth, alle auf die Kropfoberfläche herantretenden Gefässe, sowie
sie sichtbar werden, zu unterbinden und zu durchschneiden, bevor
sie zerreissen.
Fig. 66. Kropffasszange. Dieselbe hat den
Vortheil, Dank der ringförmigen Gestalt
keine Blutungen zu veranlassen und Dank
den Widerhaken sehr verlässlich zu fassen.
Fig. 67. Kropflöffel zur Ent-
bindung intrathoracischer
Kröpfe.
Nicht immer gelingt es, mit einer Zange den Kropf aus der
Tiefe herauszuziehen. Gelegentlich bedarf man eines langen stumpfen
und breiten Elevatoriums oder eines löffelartigen Instrumentes, welches
unter die Geschwulst geführt wird, um den Tumor heraufzubringen
(vergl. Fig. 67 unseren Kropf löf fei).
In den schwierigsten Fällen endlich, wie in den oben angeführten,
ist der Tumor absolut zu gross, um durch die Thoraxapertur nach
oben befördert zu werden. Bei Cysten ist das Vorgehen einfach:
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. je
22t Specielle Operationslehre.
Man eröffnet dieselbe und zieht den Balg kräftig aufwärts. Bei
kolloiden Strumen dagegen muss man sich zu der Exenteration ent-
schliessen, um den Tumor zu verkleinern. Man geht tapfer mit dem
Finger in die Geschwulst ein, zerreisst das Kolloidgewebe und holt
es stückweise aus seiner Hülle heraus, macht also eine Art Morcellement
wie bei grossen Uterusfibromen.
Der Unterschied ist freilich der, dass beim Kropf erhebliche
Blutung eintritt und man daher so rasch wie möglich den ver-
kleinerten Tumor an die Oberfläche heraufziehen muss, um die
restirenden Gefässe zu unterbinden. Wenn es nicht gelungen ist,
die Art. thyreoidea inf. vorher zu unterbinden, so muss dies jetzt ge-
schehen und man darf deshalb auch nicht den Tumor gar zu plötzlich
entwickeln. Reisst dabei die Arterie trotz aller Sorgfalt, so stillt
ein kräftiger Fingerdruck nach aussen und unten die Blutung, bis
man das Gefäss fassen kann, was absolut geschehen sollte. Die
Tamponade ist vom Uebel.
Die Nachbehandlung kann bei richtiger Asepsis geleitet werden,
wie beim gewöhnlichen Kropf und der Patient kann in 8 Tagen
ebensogut völlig geheilt das Bett verlassen.
85) Operation der Struma recidiva.
Eine besondere Aufgabe stellt die Operation der Struma
recidiva. Wenn man einseitig nach unserem Normalverfahren
excidirt, so ist es eine Seltenheit, dass eine so starke Entwicklung
der anderen Kropfhälfte stattfindet, dass dieselbe Beschwerden macht.
Am häufigsten kommt es bei diffus-folliculären Kolloidstrumen vor.
Bei Enucleation ist aus leicht ersichtlichen Gründen Recidiv viel
häufiger x). Wenn aber einmal eine zu Dyspnoe führende Erkrankung
der zurückgebliebenen Schilddrüsenhälfte auftritt, so kann man darauf
gefasst sein, erheblicheren Schwierigkeiten bei der Operation einer
solchen Struma zu begegnen. Es sind einerseits Strumen von
sehr erheblicher Grösse und andererseits solche, welche tief hinab-
reichen, zumal wenn sie der Trachea sehr enge anliegen, welche
trotz der freien Entwicklungsmöglichkeit der Halseingeweide nach
der früher operirten Seite Beschwerden hervorrufen. Da man nun
nicht wieder eine einfache Excision machen darf, so ist es bei
diffus kolloid entarteten Kröpfen schwierig, die geeignete Methode
zu finden.
Wir empfehlen folgendes Vorgehen : Man legt die Struma soweit
frei, bis man sie in gewohnter Weise luxiren kann. Findet sich ein
1) Brunner constatirt, dass von 18 Proc. Recidiven in operirten Schild-
drüsenlappen die Mehrzahl auf Enucleationen kommen.
Das vordere Halsdreieck. 227
relativ gesundes Oberhorn, so werden hier die Arterien und Venen
nicht unterbunden, sondern ein Stück Schilddrüse im Zusammenhang
mit diesen Gefässen erhalten und nach Durchquetschung mit unserer
Quetschzange für Kropf j (s. Fig. 60 a) ligirt und danach die übrige
Struma in üblicher Weise excidirt.
Ist das Oberhorn völlig erkrankt und die Luxation des
Kropfes nicht zu machen ohne Ligatur von Art. jund Venae thyr.
sup., so führt man letztere aus, ligirt am unteren Pol nach Luxation
des Kropfes die grossen Venae thyr. imae, löst soweit ohne Blutung
ausführbar, den Kropf von der Trachea los und ('macht diejenige
Form der Resection, welche wir früher für gewöhnliche Kröpfe
empfohlen haben, wenn dieselben sehr fest der Trachea anliegen,
d. h. man fasst, ohne die Art. thyr. inf. zu ligiren, die sichtbaren
aus der Tiefe neben der Trachea auf die Geschwulstoberfläche
emporsteigenden Gefässe mit Arterienzangen und schneidet in
senkrechter Richtung neben dem Isthmus in das Kropfgewebe.
So gelingt es, eine hintere Kapsel zu schaffen; von dieser hebt
man stumpf unter jeweiliger Gefässligatur das Kolloidgewebe so
sauber als es geht ab, indem man unter demselben lateralwärts
durchgeht, bis man eine Platte von Kropfgewebe aus dem hinteren
Umfang des Kropfes gebildet hat, die genügend erscheint für
die Function , dann wird diese durchgeschnitten und die Gefässe
gefasst.
Die Kropfexcision für Recidive ist auch erschwert in Fällen,
wo früher schon operirt worden ist wegen der bestehenden Narben^
Diese Narben, welche auf der Oberfläche des Kropfes sitzen, löthen
Weichtheile incl. Muskeln mit der Kapsel fest und man kommt
nur zur Beweglichmachung des Kropfes, wenn man sucht, von
der lateralen Seite her unter die Muskeln zu kommen und
diese sammt Weichtheilen quer zu durchschneiden und die ganze
Narbenmasse auf dem Kropf sitzen zu lassen. Dann sucht man
■mit dem Finger unter die von oben aussen an den Kropf heran-
tretenden Gefässe zu kommen, um sie zu umgehen und die acces-
sorischen Venen, sowie die Vasa thyr. sup. zu durchschneiden. Dann
kann man den oberen Pol herabschlagen und so an die Rückfläche
gelangen, die relativ leicht zu lösen ist. Durch Herausziehen des
Oberhorns kann man sich die Thyr. inf. zugänglich jmachen -und
namentlich bei allen nach unten durch Verwachsung oder Tiefer-
treten schwierigen Strumen die Lösung durch Heraufziehen des
Kropfes und Spannung der Verbindungen erleichtern, indem man
von aussen an dieselben herantritt. Man muss also, kurz gesagt, mit
Versuchen der Lösung von Narbenverwachsungen auf der Vorder-
fläche keine Zeit verlieren.
15*
228 Specille Operationsmethode.
86) Die Ligatur der Schilddrüsenarterien.
Ueber die Art der Ausführung dieser Operation haben wir uns
bereits geäussert. Will man mehrere der Arterien gleichzeitig- ligiren
und ist man nicht sicher welche, oder kann man erst während der
Operation entscheiden, ob man ligiren oder excidiren wird, so macht
man Schnitt und Freilegung der Schilddrüse ganz wie bei der Kropf-
excision. Die Ligatur der oberen Schilddrüsenarterien ist in der
Reg'el leicht, die der unteren schwierig. Es giebt Fälle, wo es sich
bei der Operation herausstellt, dass es leichter ist, die Excision der
einen Schilddrüsenhälfte auszuführen, als die beiden Arterien central
zu unterbinden.
Den Hauptwerth hat diese ursprünglich von WÖLFLER bei ge-
wöhnlichem Kropf vorgeschlagene Operation bei folgenden Schild-
drüsenerkrankungen: i) Bei BASEDOW'scher Erkrankung. Bei dieser
ist freilich die Combination Excision mit Ligatur von noch sicherer
zur Erzielung einer Heilung (vergl. ALBERT Kocher's Beiträge zur
Kenntniss der BASEDOW'schen Krankheit), aber die Excision ist oft
zu eingreifend und man ist sehr froh, es bei der Ligatur der 3 haupt-
sächlich dilatirten Schilddrüsenarterien bewenden zu lassen. 2) Bei
gewaltigen und gefässreichen Kolloidstrumen, namentlich solchen
diffuser Art, wo die Excision einen zu gewaltigen Eingriff darstellt,
einestheils wegen der Blutung, andererseits wegen des plötzlichen
Ausfalles einer wenn auch erkrankten, doch noch die ungenügende
Function unterstützenden Schilddrüsenmasse.
Diese Bedeutung der Arterienligatur als Präliminar- Operation
für spätere Excision schlage ich am höchsten an. Sie bewirkt eine
Abschwellung, Rückbildung der Gefässe, Besserung der Beschwerden
und damit oft des Allgemeinzustandes, welcher später eine Operation
mit Sicherheit auszuführen erlaubt, welche anfänglich den grössten
Gefahren ausgesetzt hätte.
87) Excision entzündeter und maligner Kropfge-
schwülste.
Bei Entzündungen und malignen Geschwülsten müssen,
wie bei den unter No. 79 erwähnten Narbenverwachsungen auch die
bedeckenden Muskeln an der Vorderfläche und die äussere Kropf-
kapsel mitentfernt werden. Dadurch wird die Operation schwieriger
und gefährlicher, weil man vor der Luxation in diesen Fällen den
Kropf rings umschneiden muss und weil öfter grosse Venen, wie die
V. jugularis communis mit der Kapsel verlöthet sind und durch-
trennt werden müssen. Auch die Arterien liegen der infiltrirten
Oberfläche sehr enge an und sind schwer zu fassen. Deshalb muss
man öfters bei Entzündung auf die Excision verzichten, welche sonst
die rascheste Heilung ergiebt.
Das vordere Halsdreieck.
229
Bei malignen Tumoren müssen Stücke von Trachea und Larynx
mitentfernt werden; ist auch der Oesophagus verwachsen, so muss
man vorerst die äussere Muscularis desselben trennen; denn man
überzeugt sich öfter, dass wenigstens die Mucosa als zusammen-
hängender Schlauch erhalten werden kann, was ein bedeutender
Vortheil für den Wundverlauf ist. Die Erfolge bei Exstirpation
maligner Tumoren werden erst erfreulicher werden, wenn Früh-
operation möglich wird, d. h. wenn man jeden Kropf, der ein
rascheres Wachsthum zeigt, sofort der Operation zuweist, statt mit
medicamentöser Behandlung die Bildung von Verwachsungen und
malignen Thrombosen zu befördern.
Bei allen Kropfexcisionen wegen hochgradiger Athemnoth sollte
unbedingt die Narkose vermieden werden wegen Erstickungsgefahr
und nachträglichen Aspirationspneumonien. Wegen der letzteren,
welche auf der Aspiration des oft reichlichen Tracheal- und Bronchial-
secrets beruhen, ist zumal Aether als Narcoticum contraindicirt für
alle diejenigen, welche sich der Masken ohne Lufterneuerung be-
dienen. Erlaubt sind bloss ganz bestimmt dosirte Aetherluftgemische,
z. B. mit Braun's Apparat.
Wir haben in den letzten Jahren die Kropf Operationen mit
wenigen Ausnahmen wie Roux bloss mit Cocainanästhesie (i-proc.
einmal eingespritzt) ausgeführt und können constatiren, dass nicht
bloss die unmittelbaren Gefahren der Erstickung damit vermieden
werden, sondern auch die spätere Pneumonie, Bronchitiden, venösen
Nachblutungen und Störungen des Wundverlaufes durch das Er-
brechen.
88) Arteria anonyma (Fig. 68).
Diese Arterie ist die dem Herzen nächstgelegene, deren Unter-
bindung zulässig ist; immerhin ist dieselbe wegen Nachblutungen
bedenklich. Als Regel ist daher die gleichzeitige Ligatur der haupt-
sächlichen Aeste vorzunehmen, welche das Blut rückwärts führen.
Dies sind die A. carotis communis und die Arteria vertebralis. Die
Pulsation der Arterie ist im Jugulum fühlbar.
Zur Ligatur derselben macht man einen Schrägschnitt nach Gräfe
(WlNIWARTER) am vorderen Rande des rechtsseitigen M. sterno-
cleido von dessen mittlerem Drittel bis auf die Vorderfläche des Manu-
brium sterni. Man spaltet Haut und Fascie und trennt den Ansatz
der Sternalportion des M. sternocleido vom Sternum ab. Zu schonen
sind zwei Venen: die quere Verbindungsvene der beiden Venae
medianae colli auf der Incisura sterni und eine quere Vene hinter
dem Muskelansatz. Der laterale Rand des an der Rückfläche des
Manubrium sterni sich ansetzenden M. sterno-hyoideus und -thyreo-
N. hypoglossus
A. (maxillaris externa
Carotis externa
Cornu majus
(Vena jugularis externa
II. sternocleido
■ M. sternocleido mastoideus
Glandula thyreoidea
\ N. vägus mit Recurrens
V. jugul. communis
f.stertw thyreoiäeus
-M. sterno kyvCdeiis
—V. transversa, jug ,
j V. ajäHo3*is
! N.ihoracicLazii.
;l A.. suhetaz/ia.
■■Jxt.pechffVLlzs minor
ddtoideus
M.intercostalis
Swid de& .Sfernum
vectoTxüi« Tmyor
JS
Fig. 68. I. Ligatur der Arteria lingualis über dem Zungenbein. 2. Ligatur der
Carotis communis in der Höhe des Ringknorpels. 3. Ligatur der Arteria anonyma.
4. Ligatur der A. subclavia unter dem Schlüsselbein. 5. Ligatur der A. mammaria
interna.
Das untere seitliche Halsdreieck.
231
ideus wird medianwärts gezogen sammt Aesten des Nervus de-
scendens hypoglossi, endlich wird die tiefe Fascie durchtrennt. So
kommt man hinter der Articulatio sterno-clavicularis zur Arteria
carotis communis. Die rechtsseitige Vena thyreoidea ima ist zu ligiren
und zu durchschneiden. Zwischen dem Muse, sternocleido und den
letztgenannten Muskeln geht man der Carotis entlang abwärts bis
zur Vereinigungsstelle mit der tiefer gelegenen Subclavia, unter
welcher der Stamm der Anonyma ligirt wird unter Schonung der
Pleura nach hinten aussen. Die Vena anonyma sinistra liegt, von
links kommend, vor der Arterie. Der vor der A. subclavia herab-
steigende Nervus vagus und die Schlinge des Laryngeus recurrens
um die Subclavia herum bleiben lateralerseits liegen, ebenso der
N. phrenicus.
J. Das untere seitliehe Halsdreieek.
Das Trigonum supraclaviculare wird durch das Schlüsselbein, den
M. sternocleido und den M. cucullaris begrenzt. Die Chirurgie dieses
Bezirks ist eine . einfachere als diejenige des oberen seitlichen
Halsdreiecks. Hier verlaufen die grossen Gefässe und Nerven zum
Arme, und hier liegt das Verästelungsgebiet der Arteria und Vena
subclavia. Den Hintergrund des Trigonums bilden die I. Rippe und
der I. Intercostalraum sammt den seitlichen Halsmuskeln, vorzüglich
die Scaleni.
Der Normalschnitt für diese Region, welcher der Hautspalt-
barkeit entspricht, liegt nahezu quer, immerhin vom Ansatz der
M. sternocleido an der Clavicula zum Cucullarisrand schräg an-
steigend. Derselbe wird für die Ligatur der Arteria subclavia be-
nutzt und ist deshalb bei dieser beschrieben.
Quervain hat, wie oben bereits erwähnt, für die gründ-
liche Freilegung der Tiefengebilde im Trigonum colli inferius und
zugleich der Theile unter dem Muse, sternocleido einen musculo-
plastischen Winkel-Lappenschnitt angegeben, welcher durch die bei-
läufig seiner Abhandlung entnommenen Fig. 69 genügend charak-
terisirt wird.
89) Arteria subclavia (Fig. 70).
Hinter dem Manubrium sterni ihren Ursprung nehmend, ver-
läuft die Arteria subclavia über die Pleura der Lungenspitze und
über die I. Rippe zwischen dem M. scalenus anticus und medius;
dann tritt sie unter der Mitte der Clavicula zwischen M. subclavius
und M. serratus anticus major auf die Aussenf lache des Thorax.
232
Specielle Operationslehre.
Sie lässt sich am Aussenrande des M. scalenus anticus sicher com-
primiren.
Zur Unterbindung macht man einen Querschnitt fingerbreit über
der Clavicula auf der Cleidalportion des M. sternocleido beginnend,
bis auf den vorderen Rand des M. cucullaris, etwas lateralwärts an-
4
Fig. 69. Musculoplastischer Winkelschnitt für das untere Halsdreieck
von Quervain.
steigend. Hat man die Haut gespalten, so trifft man auf das Platysma.
Nach Spaltung der Fascie sieht man die sensiblen Nervi supraclavi-
culares aus dem oberen Halsplexus, welche den oberen Theil der
Brust bis zur 2. Rippe und die Schulter versorgen. Dieselben werden
quer durchschnitten. Am lateralen Rande des M. sternocleidomastoideus
ist die Vena jugularis externa zu schonen, welche über den hinteren
Rand des Muskels nach der Vena jugularis communis hinabbiegt.
Das untere seitliche Halsdreieck.
233
Die Verletzung dieser Vene ist gefährlich, weil sie da. wo sie durch
die Fascie durchtritt, von derselben gespannt erhalten wird; deshalb
kann Aspiration von Luft eintreten. Sie ist vor der Durchtrennung
doppelt zu unterbinden, falls man sie nicht nach innen ziehen kann.
Nach Durchtrennung der Fascie erscheint im inneren Wundwinkel
der M. omohyoideus schräg nach innen aufsteigend im Fettgewebe
;N. hypoglossus
Cornu majus hyoidei
N. laryngeus superior
1. A. carotis externa
A. thyreoidea superior
V. jugularis externa ~ — —
;N. phrenicus __
M. scalenus anticus
M. sternocleido
2 A. subclavia -
Plexus brachiaüs .
N. accessorius
— N. auricularis magnus
~ V. jugularis externa
Ramus descendens hypoglossi
V. jugularis communis
M. sternocleido
N. supraclavicularis
A. transversa colli
M. scalenus medius:r
Costa I
M. cucullaris
M. omohyoideus
Platysma
Fig. 70. 1. Ligatur der Carotis externa mit den Ursprüngen der A. lingualis,
A. maxillaris externa (.vorne) und A. occipitalis (hinten). 2. Ligatur der A. subclavia.
des Trigonum mit eingebetteten Drüsen. Der Muskel wird lateral-
wärts heraufgezogen oder medianwärts herab. In dem Fettgewebe
liegen die Arteria transversa scapulae hinter der Clavicula nach aussen
laufend und die Arteria cervicalis superficialis nach hinten und auf-
wärts ansteigend; oberhalb letzterer, aber unter der tiefen Fascie die
stärkere Arteria transversa colli auf oder durch den Nervenplexus
rückwärts tretend.
234 Specielle Operationslehre.
Nach Entfernung des Fettgewebes deckt die dünne, tiefe Fascie
den jetzt zu Tage tretenden Plexus brachialis, der mit seinen starken
Nervenstämmen, zwischen den M. scaleni heraustretend, steil abwärts
unter die Clavicula zieht. Das Verhältniss der Arterie zum Nerven-
plexus ist sehr charakteristisch. Wenn man an der Vorderfläche des
Nervenplexus abwärts gegen die I. Rippe geht, so findet man die
Ansatzstelle des Muse, scalenus anticus an derselben durch einen
Vorsprung gekennzeichnet: das Tuberculum Lisfranci; hinter
diesem Tuberculum läuft, bedeckt von den Nerven, die Arterie. Median-
wärts vom Muse, scalenus anticus liegt der Bulbus der Vena jugularis
communis, vor dem Muskel und auf der I. Rippe die Vena subclavia,
also getrennt von der Arterie. Auf der Vorderfläche des M. scalenus
anticus läuft der Nervus phrenicus in die Brusthöhle. Neben dem
M. scalenus tritt links der Ductus thoracicus aus dem Thorax an den
Hals, um in den Winkel zwischen Vena subclavia und Vena jugu-
laris communis sich zu ergiessen.
Die Aeste der Arteria subclavia, von denen wir schon 3 erwähnt
haben, gehen mit Ausnahme der Arteria transversa colli centralwärts
von den M. saleni aus der Hauptarterie hervor. Wie die Art. verte-
bralis und die A. thyreoidea inferior zu finden sind, ist bereits ge-
schildert worden.
Für die Ligatur der Arteria mammaria interna siehe No. 93.
Für den Plexus brachialis ist zu erwähnen (behufs allfälliger
Dehnung), dass von den 3 Wurzeln die oberste (aus dem 5. und 6.
Cervicalnerven zusammengesetzt) hauptsächlich den Musculocutaneus
und Medianus bildet, die 2. etwas tiefer nach hinten gelegene (aus
dem 7. Cervicalnerven) den N. radialis und Axillaris, die 3., auf der
Arterie tiefst gelegene (aus dem 8. Cervical- und 1. Dorsalnerven)
den N. ulnaris mit den Radialis- und Medianuszweigen für die
Vorderarm- und Handmuskeln abgiebt.
90) Der Raums externus des Nervus accessorius (Fig. 71)
tritt im Trigonum cervicale inferius unter der Mitte des Muse, sterno-
cleido unmittelbar unter der ersten Fascie, also ganz oberflächlich,
schräg rückwärts verlaufend zu Tage, um zum M. cucullaris zu treten.
Er wird behufs Dehnung oder Durchschneidung- bei Krampfzuständen
freigelegt durch einen Schrägschnitt, welcher den Hinterrand des
Muse, sternocleido etwas über seiner Mitte schneidet. An derselben
Stelle umgreift der
91) N. subeutaneus colli (Fig. 71) und
9a) N. auricularis magnus den Hinterrand des Muskels.
Von dem Normalschnitt für das Trigonum cervicale inferius
können ausser den grossen Nervenstämmen des Plex'us axillaris auch
Das untere seitliche Halsdreieck.
235
die kurzen Aeste desselben sämmtlich freigelegt werden. Sie breiten
sich nach hinten, aussen und vorne kegelmantelförmig über den Thorax
aus. Nach hinten der Nervus dorsalis scapulae zum Muse,
levator scapulae und zu den Muse, rhomboidei, durch den Scalenus
medius tretend ; der Nervussuprascapularis nach aussen ziehend
zur Incisura scapulae für die M. supra- und infraspinatus ; der Nervus
rilÄÄÄ
M. cucullaris
N. accessorius
-^f — N. subeutaneus colli
^ V. jugularis externa
SF Jd. sternocleido
Fig. 71. Freilegung des N. accessorius in der Mitte des Halses.
axillaris, welcher an der lateralen Wand der Axilla zwischen Teres
major und minor einerseits, Anconaeus longus und Humerus anderer-
seits zur Unterfläche des M. deltoideus zieht, diesen, den Teres minor
und mit einem sensiblen Aste die Rückseite des Oberarmes ver-
sorgend; die Nervi subscapulares, welche an der hinteren Wand
der Axilla ^zum Teres major, Subscapularis und Latissimus dorsi laufen;
der Nervus thoracicus postijcus (longus), welcher entlang der
medialen Wand der Axilla zum Serratus anticus major Igeht; end-
2 3 6 Specielle Operationslehre.
lieh nach vorne die Nervi thoracici anteriores, welche die
Arteria subclavia umgreifen und zwischen Pectoralis major und minor
zu diesen zwei Muskeln treten.
K. Nackengegend.
Die Chirurgie der oberen Nackengegend ist schon beim Hinter-
haupt abgehandelt worden (vergl. daselbst die Art. occipitalis und
N. occipitalis major und minor).
In der unteren Nackengegend liegen keine grösseren Ge-
fässe und Nervenstämme. Incisionen am Nacken werden sehr häufig
gemacht bei Entzündungen, namentlich bei Furunkeln und Carbunkeln.
Man darf tief einschneiden, ohne die Verletzung wichtiger Gebilde be-
fürchten zu müssen.
Ueber die Eröffnung des Wirbelcanals vergleiche Brustwirbel-
säule.
Wir haben bei Drehkrampf des Kopfes, der ein so ausser-
ordentlich peinliches Leiden darstellt, mit vorzüglichem Erfolg sämmt-
liche Drehmuskeln des Nackens inclusive der kleinen tiefen Muskeln
zwischen den 2 obersten Wirbeln und dem Hinterhaupt unter Schonung
der Nerven durchschnitten. Die Bewegungsfähigkeit des Kopfes wird
nur wenig dadurch beeinträchtigt. Die Durchschneidung geschieht
von einem Querschnitt aus (vergl. die Schilderung unseres Verfahrens
durch DE Quervain; Semaine medicale 14. Oct 1896). Daselbst
ist auch die theoretische Begründung der von uns principiell ge-
übten Myotomie als Normalverfahren an Stelle der Neurotomie bei
Krampf zuständen gegeben.
L. Thorax.
Die Indicationen zu chirurgischen Eingriffen am Thorax haben
sich in den letzten Jahren erweitert. Nicht bloss die Erkrankung der
äusseren Weichtheile, voran der Mamma, und der Thoraxwand mit
Rippen spielen eine sehr grosse Rolle, sondern für die Erkrankungen
der Pleura haben sich auch die Internen chirurgischer Behandlung
zugewandt, und die Chirurgie der Lungen und zumal des Herzens
und Herzbeutels hat schöne Fortschritte zu verzeichnen. Auch die
Krankheiten des Mediastinum hat man operativen Eingriffen zu-
gänglich gemacht.
Das Eigenthümliche der Operationen am Thorax ist die unter-
brochene Knocheneinhüllung. Es zeigt sich, dass ein Zugang zur
Tiefe in der Regel am schonendsten zu erreichen ist durch Ent-
fernung von Knochen und nicht durch die zwischenliegenden Weich-
theile hindurch.
Thorax.
237
93) Arteria mammaria interna (Fig. 68).
Diese versorgt die Innenfläche der vorderen Thoraxwand und
schickt Aeste durch die Brustwand hindurch zur Haut. Sie liegt
M. cucullaris
/ M. rhomboideus
/ A. dorsalis scapulae
Scapularrand
Tiefe Fascie
M. latissimus dorsi
M. intercostalis ext.
M. iliocostalis
h Costa X \
(Angulus posterior)/
A. intercostalis X
N. intercostalis X
lil !
-^Vt-"*-""*^
Fig. 72. 1. Freilegung der X. Rippe, der Arteria und Nervus intercostalis X.
2. Ligatur der Arteria dorsalis scapulae (Endastes der Transversa colli).
238 Specielle Operationslehre.
mit der sie begleitenden Vene der Pleura auf, nur durch ein sehr
dünnes Fascienblatt und unten den Musculus thoracicus anterior von
derselben getrennt. Nach vorne liegt die Arterie den Rippenknorpeln
und den Intercostalmuskeln an.
Sie wird unterbunden mittelst eines Querschnittes in denjenigen
Intercostalräumen, wo das Sternum am schmälsten ist, also mit Vor-
liebe im zweiten. Der Schnitt wird von der Mitte des Sternum quer
zwischen den Rippenknorpeln nach aussen geführt. Spaltung von
Haut, Fascie und M. pectoralis major. Es erscheinen die schräg ein-
wärts absteigenden Fasern der Fascie des M. intercostalis externus
(Ligamentum coruscans) ; unter dieser oft durchbrochenen, sehr dünnen
Fascie treten die schräg auswärts absteigenden Muskelfasern des
M. intercostalis internus zu Tage mit ausgeprägter Fascie an ihrer
Unterfläche. Sobald diese gespalten sind, sieht man die Arterie etwa
x/2 — 1 cm vom Sternalrand herabziehend auf der Pleura. Median-
wärts die Vene. In den unteren Intercostalräumen ist die Arterie
etwas weiter vom Sternalrand entfernt, bis i1/2 — 2 cm und ist von
der Pleura noch durch den Muse, triangularis sterni geschieden, auf
welchem sie liegt. Sie kommt in diesen Intercostalräumen haupt-
sächlich bei der Pericardotomie in Betracht.
94) Arteria intercostalis (Fig. 72).
Der Hauptast dieser Arterie verläuft zwischen den beiden Inter-
costalmuskeln am unteren Rande der Rippe, während ein kleinerer
Ast am oberen Rande verläuft. Ihre Unterbindung ist nicht leicht,
und zwar weil die Arterie versteckt unter dem überhängenden
vorderen unteren Rippenrand verläuft.
Man spaltet den schräg medianwärts herablaufenden M. inter-
costalis externus dicht am Knochenansatz und zieht ihn abwärts; so
wird der Nerv und mit ihm die Arterie aus der Rinne unten an
der Rippe herabgezogen und können dieselben (mit grosser Sorg-
falt) mit dem stumpfen Arterienhaken umgangen werden. Man kann
auch zu grösserer Sicherheit die Resection eines Stückes der über-
liegenden Rippe subperiostal ausführen.
95) Der Nervus intercostalis verläuft unterhalb der Arterie
zwische*n M. intercostalis internus und externus am Unterrand der
Rippe. Derselbe kann in gleicher Weise wie die Arterie behufs
Dehnung bei Neuralgien freigelegt werden (Fig. 72). Hat man es bloss
mit einem bestimmten Nerven zu thun , so macht man lateral
vom Wulst der langen Rückenmuskeln einen Schnitt im Verlauf
dieser Rippe direct auf dieselbe und löst an ihrem unteren Rande
den musculösen Muse, intercostalis ext. ab und zieht den Nerven mit
einem stumpfen Häkchen unter dem überhängenden Knochenrand
Thorax. 230
hervor. Bei Erkrankung mehrerer Nerven wird ein senkrechter
Schnitt über mehrere Rippen herüber gemacht.
96) Die Amputation der Brustdrüse.
Die Entfernung der Brustdrüse allein ist eine sehr
einfache Operation, und es gelingt mittelst eines nach aufwärts con-
caven Schnittes, welcher dem unteren Rande folgt, die Drüse sub-
cutan auszuschälen, indem man sie von oder mit der Fascie des
M. pectoralis major emporhebt bis zum oberen Rande und dann
von der Haut abschält, was sich grösstentheils stumpf besorgen lässt,
selbst im Bereich des Warzenhofs. Bei diffusem Adenom, multi-
loculärem Adenokystoma mammae (Maladie kystique) haben wir die
Operation öfter in dieser Weise ausgeführt. Auch bei Lipom und
umschriebenem Adenom und Fibrom kann man in dieser Weise die
Geschwulst von der Unterfläche her unter Aufwärtsklappen der
Mamma loslösen, falls der gutartige Tumor in den tiefen Schichten
der Mamma sitzt, ohne dabei gesunde Drüsentheile mit zu entfernen.
Nur bei oberflächlichem Sitz ist der meist empfohlene, im Radius
laufende einfache Schnitt vorzuziehen. Man spaltet Haut, Panniculus
und die dünne gesunde Drüsenschicht und löst den Geschwulstknoten
stumpf aus.
97) Radikaloperation des Brustkrebses (Fig. 73 u. 74).
Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse der Operation bei
Carcinom der Brustdrüse. Hier handelt es sich nicht nur um
Entfernung der Drüse als solcher, sondern aller derjenigen Theile
gleichzeitig, in welche man schon so oft zur Zeit der Operation
Krebszellen secundär eingewandert findet. Es sind 4 neuere Arbeiten,
welche in exacter Weise den Nachweis geleistet haben, nach welcher
Richtung der Brustkrebs sich ganz besonders verbreitet und worauf
die früher so ausserordentlich häufigen localen Recidive zurück-
zuführen sind. Die 1. ist die von L. HEIDENHAIN x), die 2. die von
Harold J. Stiles 2), die 3. von Grossmann 3), die 4. von Rotter.
Auf Grund einer sehr grossen Anzahl anatomischer Untersuchungen
zeigen diese Autoren wie früher schon Gussenbauer, Waldeyer
und Langhans, dass innerhalb einer an Krebs erkrankten Brust-
drüse sowohl in der Nähe als weit entfernt von dem primären Herde
häufig krebserfüllte Lymphgefässe in der Drüsensubstanz nachge-
wiesen werden können. Aber ganz besonders stimmen die Autoren
darin überein, dass der Hauptweg der Fortleitung der krebsigen
Infiltration die retromammären Lymphgefässe sind. Allerdings finden
1) Langenbeck's Archiv, Bd. 39.
2) Edinburgh Journal, 1892.
3) Gekrönte Preisschrift, Berlin Ü
240
Specielle Operationslehre.
sich auch in den bindegewebigen Fortsätzen (CoOPER'sche Liga-
mente) in das Corium hinein und in denjenigen in das perimammäre
Fettgewebe, sowie in den Bindegewebssepten zwischen den Läppchen
krebsige Emboli. Aber schliesslich kommen alle abführenden L)^mph-
gefässe in denjenigen der. Fascia pectoralis auf den Pectoralmuskeln
zusammen und begleiten die Vasa thoracica bis zu den axillaren
Lymphdrüsen. Nur die Lymphgefässe vom inneren Theil der Mamma
Biceps
Caput internumi
trici-
pitis
(,
Caput longum
Coraco brachialis
Teres major
Latissimus dorsi
Pectoralis major
Serratus anticus major
(Obliquus abdominis
\ externus/
Fig. 73. Hautschnitt zur radicalen Operation bei Brustkrebs.
gehen mit den Aesten der Mammaria interna in derselben anliegende
Sternaldrüsen.
In sehr überzeugender Weise haben namentlich Halsted durch
seine vorzüglichen Erfolge, sowie Rotter1) und Joerss2) unter
Benutzung der neuesten Statistiken dargethan, wie ausserordentlich
viel besser sich die neueren Resultate der Brustamputation beim
Krebs gestalten lassen, wenn man den erwähnten Nachweisen über
die Verbreitung der Krebszellen Rechnung trägt. Wir haben nach
1) Berliner klinische Wochenschrift, 1896.
2) Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, Bd. XLIV.
Thorax.
241
Fig. 74. Amputatio mammae carcinomatosae. Die Brust ist sammt bedeckender
Haut und mit dem Musculus pectoralis major und minor entfernt. Man sieht
oben die Clavicula, links den Stumpf des durchschnittenen Pectoralis major,
rechts dessen nach oben geschlagene Clavicularportion und entlang der eben-
falls nach oben und medianwärts geschlagenen Haut die Ansätze des Pectoralis
major auf dem Thorax. Vom Pectoralis minor sieht man oben den aufwärts
geschlagenen Ansatz am Processus coracoideus, unten die Rippenansätze an der
3.-5. Rippe. Zwischen den Rippen die Intercostalmuskeln, lateral von diesen die
Zacken des M. serratus ant. major. Lateral von diesem die glatte Vorderfiäche
des M. subscapularis, auf welchem von den grossen Gefässen und Nerven-
stämmen die Ärteria thoracico-dorsalis mit dem N. subscapularis herabläuft,
während auf den Serratus-Zacken die Art. und der Nervus thoracicus longus
herabgeht. Am hinteren Wundrand der M. latissimus dorsi. — Die Zeichnung ist
nach einer Operation am Lebenden ausgeführt, während die zahlreichen Arterien
unterbunden wurden, die mit Arterienzangen gefasst waren. Nur die Ansätze des
M. pectoralis major sind vom Zeichner nach Henle zu sehr retouchirt worden.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl.
16
242 Specielle Operationslehre.
einer Zusammenstellung von Dr. Meyer, welche 212 von mir
operirte Fälle von Carcinoma mammae aus einem Zeitraum von
20 Jahren umfasst, verhältnissmässig schöne Resultate erzielt, insofern
als nach mindestens 3-jähriger Beobachtung der Patienten in 31 Proc.
der Fälle Recidivfreiheit nachgewiesen wurde. Aber die neueste
Zeit giebt noch bessere Resultate sowohl in Bezug auf locale
Recidive, als im Zusammenhang damit bezüglich dauernder Heilung.
JOERSS berechnet nach einer Zusammenstellung der Resultate
von Halsted, Rotter, Cheyne und Helferich eine nach. 3 Jahren
constatirte Recidivfreiheit in 42 Proc. der Fälle. Lennader hat
durch DAHLGREN eine Statistik von 74 Fällen, in 10 Jahren (bis
1897) operirt, veröffentlichen lassen, wo er eine Freiheit von äusseren
Recidiven über mehr als 3 Jahre bei 53 Proc. der Fälle constatiren
konnte. Allerdings ist von Mc WILLIAMS bestritten worden, dass
die Resultate der neueren „heroischen" Operationen besser seien, als
die früheren. Er könnte bei 100 Fällen bloss 17 Ueberlebende von
66 wieder Aufzufindenden erhalten = 25 Proc.
Um gute Resultate zu erzielen, muss man principiell in jedem
sicheren Falle von Carcinoma mammae ausser der Excision der Brust-
drüse mit ihren sämmtlichen Ausläufern nebst der bedeckenden
Haut und dem subcutanen Fett der Umgebung eine Entfernung der
darunterliegenden Pectoralfascie vornehmen. Letzteres lässt sich
aber nicht sauber durchführen, ohne dass man die Pectoralmuskeln
mitentfernt. Ausserdem muss eine Ausräumung der Achselhöhle mit
der die Muskeln, namentlich auf der Thoraxseite, bedeckenden Fascie
vorgenommen werden. Zu diesem Behufe muss die bisherige Ope-
rationsmethode der Amputation der Mamma in folgender Weise
modificirt werden:
Die Operation beginnt mit dem obersten Theil des in Fig". 73
angegebenen Schnittes, und zwar macht man zunächst bloss von der
Clavicula abwärts bis zur vorderen Axillarfalte den Schnitt nahe
dem Armansatz des Pectoralis major. Wie ersichtlich, weicht der
Schnitt von Halsted's Schnitt ab, aber der Schnitt zu der Achsel-
falte, wie wir ihn auch für Drüsenexcisionen in der Axilla allein
machen, giebt sehr gute Narben. (Den Hauptschnitt zeichnet man
bloss mit einigen kleinen oberflächlichen Messerstrichen um die zu
excidirende Stelle herum an, um später recht exact zu schneiden.)
Nach Spaltung von Haut, Unterhaut und Fascie hat man auf die
Vena cephalica in der Furche zwischen oberem Pectoralisrand und
Deldoideus zu achten , welche den richtigen Zwischenraum kenn-
zeichnet. Dann wird der Pectoralis 1 — 2 Finger breit vom Arm
stumpf umgangen und auf den untergeführten Finger durchschnitten
unter Anlegung von 2 — 3 Arterienklemmen an Muskelgefässe.
Darunter wird sofort der Pectoralis minor frei gemacht und
nahe am Processus coracoideus durchschnitten. Nun liegen Nerven
Thorax.
243
und grosse Gefässe der Axilla im Fettgewebe zu Tage, und es ist
leicht von Clavicula und Processus coracoideus abwärs Fettgewebe
und Drüsen von den Gefässen sauber abzuheben, bis man die Vena
axillaris ganz frei vor sich sieht. Abwärts und gegen den Thorax
zu spannen sich bei weiterem Loslösen die von Art. und Vena
axillaris nach der Axilla abgehenden Gefässe nebst Nerven, und
es ist leicht, erstere vor der Trennung central mit Arterien-
zangen zu fassen, während die linke Hand das Fettdrüsengewebe
weiter abwärts loslöst von der Vorderfläche des Muse, subscapularis
und latissimus, bis man an die Thoraxwand resp. zuerst an die
Aussenfläche des Muse, serratus ant. major kommt. Der Nervus
thoracicus longus (sammt Arterie) auf der lateralen Thoraxwand-
fläche, sowie die Nervi subscapulares können nicht immer geschont
werden, weil die Gefässe wegen der sie begleitenden Lymphstränge,
die nach Heidenhain oft krebsig sind, excidirt werden müssen.
So ist ein reines Muskel-Gefäss-Nervenpräparat der Axilla hergestellt
durch Entfernung sämmtlichen Fettdrüsengewebes sammt Fascien.
Jetzt muss der Schnitt abwärts resp. unter der Mamma durch bis
zum Sternum verlängert werden. Auf der Aussenfläche des Latissimus
und seinem unteren Rande entlang wird Fascie sammt Fettgewebe
abgehoben und nach vorne über dem Serratus gelöst, bis man auf
die Rippen ansätze des Muse. pect, minor stösst, diese werden am
Thorax getrennt und die perforirenden Aeste der Intercostalgefässe
mit Arterienzangen gefasst.
Weiter über die Rippen medianwärts kommt man unter dem
abgehobenen Pectoralis major an seine dicken Muskelansätze am
Sternum und auf den Ursprung des Rectus abdominis und hebt
nach deren Trennung die Mamma sammt Muskeln von den Rippen
und Intercostalmuskeln ab.
Jetzt wird der angezeichnete Schnitt oberhalb der Brustdrüse
durch die Haut gemacht, letztere vom Panniculus nach oben
bis zur Clavicula abgelöst, der Cleidalansatz des Pectoralis major
nahe der Clavicula getrennt und die Pectoralansätze oben innen am
Thorax durchschnitten.
Die meisten Arterienzangen können durch Torsion entfernt
werden. Feine Ligaturen werden bloss an die nahe den Haupt-
gefässen gefassten Arterien und Venen und an die nahe der Thorax-
wand gefassten Rami perforantes der Intercostalgefässe angelegt. Wo
man Presszangen anwendet, kann man auch die Ligaturen ganz
entbehren.
Man hat durch diese Operation das Drüsengewebe der Axilla,
die die Brustmusculatur bedeckenden Fascien, die beiden Pectoral-
muskeln sammt Mamma und bedeckender Haut in einer zusammen-
hängenden Masse herausgehoben.
16*
2±a Specielle Operationslehre.
Der letzte Act ist, die grossen Gefässe unter der Clavicula auf-
wärts an ihrer Vorder- und Rückfläche zu verfolgen; schon unter
der Haut liegen gelegentlich an der Clavicula Lymphdrüsen. Finden
sich noch höher hinauf krebsige Lymphdrüsen, so ist es am besten,
den Schnitt über die Clavicula bis in die Fossa supraclavicularis zu
verlängern und die Fossa supraclavicularis auszuräumen entlang den
Subclaviculargefässen bis in den Winkel zwischen Vena subclavia
und Vena jug. communis, wo so oft noch eine kranke Lymphdrüse
gefunden wird. Im Nothfalle ist das Schlüsselbein zu isoliren, zu
durchsägen und mittelst dieser temporären Resection nach Madelung
die Fossa supraclavicularis gründlich auszuräumen.
Von einer Anzahl Chirurgen (Halsted, Cushing) wird principiell
in jedem Falle von Brustkrebs die Fossa supraclavicularis aus-
geräumt. Zweimal verletzte Cushing dabei den Ductus thoracicus
und konnte in einem Falle durch Naht des Ganges eine tadellose
Primaheilung erzielen. Wir haben die Verletzung des Ductus
thoracicus auch bei anderen Operationen mehrfach erlebt. In einem
Falle wurde mir von dem Assistenten, welcher die Verbände besorgte,
mitgetheilt, es müsse der Oesophagus verletzt sein, denn die Milch,
welche der Patient schlucke, fliesse zur Wunde heraus. Die Fälle
heilen auch ohne Naht in der Regel anstandslos.
Die geschilderte Methode kann mit sehr geringem Blutverlust,
daher trotz des grossen Eingriffes ohne Shok durchgeführt werden.
Man ligirt ja die Art. und Venae thoracicae (suprema, acromialis,
axillaris, longa, thoracico-dorsalis) central und benutzt bloss physio-
logische Kochsalzlösung zur Irrigation. Die ausgiebige Freilegung
der Gefässe erlaubt auch bei Verwachsung einer Drüse mit der Venen-
wand die Vena axillaris zu reseciren, was in diesem Falle ohne
Weiteres geschehen soll.
Die Vereinigung wird durch Hautverschiebung in der Weise
besorgt, dass wenigstens die Achselhöhle vollständige Deckung er-
hält. Ein einziges Drainrohr wird in der hinteren Axillarlinie durch
eine eigene Oeffhung zwischen Scapula und Thorax bis zur Clavicula
emporgeschoben. Der nicht durch Hautverschiebung zu deckende
Theil der Wunde kann sofort nach THIERSCH durch Transplantation
zur Heilung gebracht werden.
Was die functionellen Störungen in Folge einer so ausgedehnten
Resection betrifft, so fällt die Behinderung der Armbewegungen
durch die Wegnahme der Muskeln nicht wesentlich in Betracht, weil
die vorderen Fasern des M. deltoideus immerhin noch eine genügende
Hebung nach vorne und der Latissimus dorsi eine genügende Ad-
duction des Armes ausführen. Bedenklicher ist die Totalausräumung
der Drüsen und die Behinderung des Lymphabflusses, ganz besonders,
wenn man gleichzeitig die Hauptvene unterbinden muss. In diesem
Thorax.
245
Falle entwickelt sich ein für Monate und Jahre dauerndes derbes
Oedem mit elephantiastischer Anschwellung des Armes, welche die
Function desselben wesentlich mehr behindert als die gründliche Be-
seitigung der Thoraxmuskeln.
Es ist als ein grosser Fortschritt zu betrachten, dass man durch
genaue Untersuchung einsehen gelernt hat, wie übrigens auch für
den Krebs an anderen Körperstellen, dass es wirklich gelingt, für
Radicalheilung operativ viel mehr zu leisten, als man früher annahm,
und dass für den Chirurgen die Verhütung localer Recidive und der
Recidive in den nächstliegenden Drüsen die Hauptaufgabe ist.
Die geschilderte Operation ist eine eingreifende, aber gewiss
diejenige, welche die besten Aussichten bietet. Sie sollte deshalb
auch in den Anfangsstadien des Leidens die Regel bilden. Indess
ist in Fällen, wo bestimmte Gründe vorliegen, sie nicht auszuführen,
allerdings auch eine blosse Excision der Geschwulst nicht aussichtslos.
Nach der Zusammenstellung unserer Fälle durch Dr. Meier waren
von 8 bloss partiellen Excisionen der Mamma wegen Carcinom nach
3 Jahren noch 6 recidivfrei = 75 Proc, also ein wesentlich besseres
Resultat als bei den Totalexcisionen, deshalb natürlich, weil die
Krankheit noch in den Anfangsstadien war. Es zeigen diese Fälle
aber trotz Heidenhain's Nachweisen früher Epithelveränderungen
in der Nachbarschaft, dass die Verschleppung der Krebspartikel in
der Drüse selber weniger zu fürchten ist, als diejenige in die ab-
führenden I^ymphgefässe nach der Axilla zu.
Chirurgie der Thoraxwand und Pleura.
98) Thoracocentesis.
Da die Pleura der Innenfläche der Thoraxwand innig anliegt,
so ist ihre chirurgische Behandlung am besten mit derjenigen der
Thoraxwand selber abzuhandeln.
In neuester Zeit wird von den Internen ein sehr ausgiebiger
Gebrauch von der Punction der Pleura in diagnostischem sowohl
als therapeutischem Interesse gemacht. Benutzt man zur Punction
bloss die Canülen kleiner Spritzen oder des PoTAiN'schen Aspirators,
so kann man in der Mitte jedes beliebigen Intercostalraumes ein-
stechen, stets unter Benutzung der Vorsicht, dass man mit den Fingern
der anderen Hand die Haut und Weichtheile fest in den Intercostal-
raum hineinpresst, um der Stelle der Punction sicher zu sein.
Dies ist um so mehr nöthig, wenn man zur Herstellung einer
Punctionsdrainage nach Bülau sehr grosse Trocars benutzt. Mit
diesen sticht man am oberen Rande der unteren Rippe ein, da man
nicht riskirt, die kleine hier liegende Arterie mit einem dicken In-
246
Specielle Operationslehre.
strument zu verletzen, aber allen Grund hat, die am unteren Rande
der Rippen verlaufenden starken Intercostalgefässe und die be-
gleitenden starken Nerven zu schonen, sintemal der Raum oft ziemlich
enge ist. Man darf niemals unterlassen, an Stelle der Punction eine
i-proc. wohlsterilisirte Cocainlösung zu injiciren. Bei grossem Trocar
ist es sehr zweckmässig, eine kleine Hautincision zu machen, um das
Eindringen des groben Instruments zu erleichtern. In diagnostischem
Interesse kann man die Punction der Pleura als berechtigt anerkennen,
sonst aber sind die Punctionen jeder Art nur halbe Maassregeln, und
X.
Fig. 75. Einfache Rippenresection. Das vordere Periost ist gespalten und
zurückgeschoben sammt Intercostalmuskeln, das hintere Periost und die Pleura
parietalis darunter sind mit kleinem Schnitt eröffnet. In Wirklichkeit wird man
nicht zwei solche vom Periost entblösste Rippenstümpfe stehen lassen, sondern
dieselben abtragen mit der LüER'scher Kneifzange.
wo wirklich die Indication einer Eröffnung der Pleurahöhle vorliegt,
ist es viel sicherer und einfacher, eine breite Eröffnung vorzunehmen
und die Grundlage jeder Art breiter Eröffnung ist die Rippen-
resection.
99) Rippenresection und Pleurotomie (Fig. 75 u. 76).
Die Rippenresection wird auch vielfach ausgeführt ohne
die Absicht der Pleuraeröffnung, so bei Erkrankung der Rippe, vorab
Tuberculose derselben, danach Staphylontykose und anderen Osteo-
myelitiden, ferner bei Geschwülsten, wie Chondromen und Sarkomen.
Thorax.
247
Sie ist eine sehr einfache Operation, welche sehr wohl unter Local-
anästhesie mittelst Cocaininjection ausgeführt werden kann.
Schnitt auf der grössten Wölbung der Rippe, den beiden Rändern
parallel. Bei directem Schnitt auf den Knochen wird ausser der be-
deckenden Haut und Musculatur kein grösseres Gefäss oder Nerv
verletzt. Nach Spaltung des Periosts löst man dasselbe mit grosser
Sorgfalt mittelst eines kleinen scharfen Raspatoriums nach oben,
unten und hinter der Rippe los und schneidet mit einer guten
Knochenzange ein Stück der blossgelegten Rippe heraus. Man
muss sich ganz besonders in Acht nehmen, sich bei Lösung 'der
Ansätze der Intercostalmuskeln am oberen und unteren Rande dicht
an den Knochen zu halten und
die Muse, intercostales in der
Richtung ihrer Fasern abzuheben.
Die Rippenenden müssen abge-
rundet werden der Gefässe und
Nerven wegen.
Hinter der Rippe liegt ausser
dem Periost von einer ganz dünnen
Fascie (Fascia endothoracica) be-
kleidet die Pleura, und darf man
daselbst ohne Weiteres in der
Richtung der excidirten Rippe
einschneiden, nachdem man in
zweifelhaften Fällen sich durch
Punction von dem Vorhandensein
des Exsudates überzeugt hat.
Sehr oft genügt die Resection
einer Rippe nicht. In diesem
Falle schneidet man in gleicher Weise (Fig. 76) von demselben Haut-
schnitt aus noch auf die obere Rippe ein, indem man die Haut kräftig
nach oben zieht; man resecirt ein Stück auch dieser Rippe und er-
öffnet die Pleura darunter in gleicher Weise längs, wie bei der erst-
resecirten Rippe. Nun geht man am lateralen und medialen Ende
beider Pleuraschnitte mit der Aneurysmanadel unter dem dazwischen
liegenden Gewebe des Intercostalraumes durch, unterbindet mit Pleura
und Muskel die Gefässe und verbindet erst dann die beiden Pleura-
schnitte in ihrer Mitte durch einen senkrechten Schnitt; so bekommt
man eine klaffende Oeffnung in Form eines liegenden H (ffi). Die
Faden müssen sehr kräftig angezogen werden, um die Blutung aus
der Intercostalarterie sicher zu stillen.
Will man dauernd für Abfluss sorgen, so hat man die Eröffnung
im untersten Theile der Höhle zu machen. In der Papillarlinie gelangt
man durch Wegnahme des Knorpels der 6. Rippe noch in die Pleura-
Fig. 76. Breite Eröffnung des Thorax,
mit doppelter Rippenresection.
2,i8 Speciclle Operationslehre.
höhle. In der Seitengegend trifft man rechts bei Entfernung der
9. Rippe, links sogar der 10. Rippe noch die Pleura; hinten in der
Scapularlinie beiderseits bei Entfernung der 12. Rippe. Eine Er-
öffnung an diesen untersten Grenzen von vorneherein, namentlich
mit stechenden Instrumenten, ist aber contraindicirt, weil das Zwerch-
fell der vorderen Brustwand daselbst unmittelbar anliegen kann ; man
thut deshalb gut, zuerst an derjenigen Stelle die Pleurahöhle zu er-
öffnen, wo man g'anz sicher ist, auf Flüssigkeit zu kommen, d. h. da,
wo man durch Punction und Aspiration mit der PRAVAZ'schen Spritze
deren Vorhandensein nachgewiesen hat. Erst wenn hier breiter Zu-
gang geschaffen ist, wird eine Sonde eingeführt bis zur tiefsten Stelle
der Höhle, resp. diese mit dem Finger von innen bestimmt. Daselbst
wird in ganz gleicher Weise unter Rippenresection eine zweite
Oeffnung angelegt und auf diese Weise für die Möglichkeit einer
eventuellen Durchspülung gesorgt.
Schede hebt mit Recht hervor, dass für eine nachträgliche Aus-
dehnung der Lunge am besten gesorgt wird, wenn man den Thorax
an der tiefsten und am weitesten nach hinten gelegenen Stelle
eröffnet. Er räth dabei im Gegensatz zu König, der die 6. Rippe
in der Axillarlinie resecirt und viel langsamere Heilung erzielt, ein
6 cm langes Stück der 9. und 10. Rippe in der Scapularlinie zu
reseciren. Dann kann man es bei erstmaliger gründlicher Spülung
bewenden lassen, wenn man für gehörigen Abfluss durch dicke kurze
Drainröhren sorgt, welche Schede in T-Form benutzt.
Im Allgemeinen sind wiederholte Spülungen zu vermeiden, weil
sie nach Schede die Verwachsung der Pleurablätter stören. Bei
jauchigen Empyemen muss gründlich gespült werden, aber dann jede
weitere Secretstauung durch Sicherung völlig freien Abflusses ver-
hütet werden.
Broca eifert mit Recht dafür, dass die Zeit vorbei sei, wo man
ein Empyema necessitatis zu Stande kommen lassen dürfe. Man kann
nicht frühe genug jedes eitrige Pleuraexsudat gründlich eröffnen,
nur dann hat man Aussicht, dass sich die Lunge gehörig wieder
ausdehnt. In dieser Beziehung wird von Internen noch viel ge-
sündigt. Wenn in Folge Verletzung die schlimmsten Formen septischer
Pleuritis (welche im Kriege ja keineswegs selten geworden sind)
eintreten, so sieht man, wie glücklich es ist, dass derartige Fälle in
active chirurgische Behandlung kommen. Völlige Beweglichkeit und
Ausdehnung der Lunge lohnt den frühzeitigen Eingriff mit breiter
Eröffnung. C. Beck in New York hat mit überzeugender Statistik
den Nutzen der radicalen Frühoperation mit Rippenresection
belegt. Von 1 10 Fällen seiner Beobachtung (nicht complicirten),
wo die Frühdiagnose gemacht werden konnte, genasen alle. Auch
Schede hat den Beweis geleistet, dass die Resection der Aspirations-
Thorax.
249
drainage weit überlegen ist bezüglich Mortalität sowohl als definitiver
Heilung.
100) Resection grösserer Stücke der Thoraxwand,
Thoracotomie und Thoracoplastik.
Ausgedehnte Excisionen der Brustwand kommt man in die Lage
zu machen bei Pleuraerkrankungen mit Schrumpfung der Lunge, wo
eine Schliessung der Eiterhöhle wegen Starrheit der Wandung me-
chanisch unmöglich ist; bei Neubildungen, speciell Chondromen und
Sarkomen der Rippen, welche auf die Pleura übergegriffen haben.
Die Operation führt den Namen der ESTLANDER'schen, obschon vor
ihm einzelne ausgiebige Resectionen ausgeführt und mitgetheilt sind
Cerenville). Estlander hat wie früher Simon in kleinem
Maassstabe von einem senkrechten Schnitte aus die Weichtheile
zurückpräparirt, eine Anzahl von Rippen subperiostal resecirt, so dass
ein ovales Stück der Thoraxwand nach Wiederauflegen der Haut
nachgiebig geworden war und einsinken konnte. SCHEDE ist in
viel gründlicherer und energischerer Weise vorgegangen : er macht
einen gewaltigen Bogenschnitt hinten zwischen Wirbelsäule und
Scapula, abwärts bis zum unteren Rande der Pleura und am vorderen
Umfang der Achselhöhle aufwärts bis unter den Pectoralis major, prä-
parirt die Weichtheile von der Thoraxwand nach oben zurück, resecirt
alle Rippen von der zweiten abwärts subperiostal von der Knorpel-
verbindung weg bis hinten und exstirpirt die zurückgebliebenen Inter-
costalmuskeln sammt schwartiger Pleura nach breiter Eröffnung letzterer
mit der Scheere. Die Lungenpleura wird mit scharfem Löffel gereinigt
und die äusseren Weichtheile auf dieselbe angelegt.
Depage hat die SCHEDE'sche Methode, welche die Operation
für veraltete Empyeme mit Lungenschrumpfung auf den richtigen
Boden gestellt hat, insofern vervollkommnet, als er die äusseren Weich-
theile nicht ablöst, dadurch eine erhebliche Blutung vermeidet,
sondern bloss die Rippen im Verlauf der grossen Lappen wunde
durchschneidet und darnach die ganze Thoraxwand aufklappt,
um nunmehr die subperiostale Resection der Rippen von
innenher zu machen. Es ist keine Frage, dass diese Methode sehr
viel weniger verletzend ist, als diejenige von Schede. Sie setzt
allerdings voraus, dass die Pleura nicht durch Schwarten so starr
geworden ist, dass sie sich nach Entfernung der Rippen nicht auf die
eingesunkene Lunge anlegen lässt.
Delorme hat endlich noch einen Weg kennen gelehrt, wie man
die Ausfüllung alter Empyemhöhlen zu Stande bringen kann, welche
die anderen Methoden, soweit sie anwendbar ist, übertrifft und welche
man als Pneumoplastik bezeichnen könnte. Er schneidet nach
Eröffnung der Pleurahöhle die Schwarten auf der Lunge in grösserer
2 cq Specielle Operationslehre.
Ausdehnung ein und macht, soweit nöthig, die Decortication
dieser Schwarten von der Lungenoberfläche. Dadurch wird, wie
Lardy und zahlreiche Chirurgen bestätigt haben, die Lunge wieder
in schönster Weise aufblähbar und legt sich der Innenwand des
Thorax an.
Mit diesen Hülfsmitteln gestalten sich unsere Eingriffe bei alten,
grossen Empyemhöhlen, welche wegen Starre der Wand nicht zur
Heilung zu bringen sind, folgendermaassen :
Wo eine Pleurafistel besteht, macht man an der Stelle derselben
eine Resection einer oder zweier Rippen, gross genug, um sich über
die Grenzen der Höhle allseitig genaue Rechenschaft geben zu können.
Besteht eine Fistel nicht oder an einer Stelle, von welcher aus eine
solche Orientirung nicht möglich ist, so sucht man durch Punction
in der Axillarlinie die tiefste Stelle der Höhle zu bestimmen und
resecirt hier eine oder 2 Rippen.
Von dieser Stelle aus verlängert man den angelegten Quer-
schnitt durch die Weichtheile rück- und zwischen Scapula und Wirbel-
säule bis über die 2. Rippe aufwärts, gerade so weit als die Controle
von innen die Ausdehnung der Höhle in ihrer äussersten Grenze
angiebt. Man durchschneidet Rippe um Rippe und Intercostalraum
um Intercostalraum in der Linie des Hautschnittes Schritt für Schritt.
Wenn die Höhle bis zur 1. Rippe reicht, so muss auch diese
resecirt werden.
Nun geht man von dem Anfangsschnitte nach vorwärts, in-
dem man dem mit dem Finger controlirten unteren und vorderen
Umfang der Höhle folgend die Haut und Weichtheile, die Inter-
costalräume und Rippen resp. Rippenknorpel durchschneidet, bis
man allmählich den so gebildeten, aus der ganzen Dicke der Thorax-
wand bestehenden Lappen genügend emporklappen kann, um sich
über Lage der Lunge und Verhalten der Lungenpleura zu ver-
gewissern.
Ergiebt ein Schnitt durch die Pleuraschwarten auf der Lunge,
dass die Lunge sich noch blähen kann und dass die Schwarten sich
abschälen lassen, so kann man bei dieser DELORME'schen Operation
stehen bleiben, soweit als die Blähung der Lunge die vorhandene
Höhle ausfüllt. Ist dies nicht der Fall oder zu unvollständig, dann
geht man zu Depage's Operation über und resecirt aus dem auf-
gehobenen Lappen in ganzer Länge von unten anfangend Rippe
um Rippe subpleuro-periostal von innenher. Um volle Beweglichkeit
der Lappen zu erzielen, kann es nöthig werden, auch die 1. Rippe
zu reseciren.
Letzteres ist keine leichte Aufgabe. Bei den schwartigen Ver-
wachsungen kann es trotz aller Sorgfalt geschehen, dass man die Vena
subclavia anreisst, wie es uns bei einer Operation vor Kurzem ge-
Thorax.
251
schehen ist. Durch Tamponade und nachherige Venennaht wurde
ein Schaden verhütet.
Sollte sich nach Depage's Operation die Unmöglichkeit der An-
legung der Thoraxwand auf die geschrumpfte Lunge zeigen wegen
Fig. 77. Metapneumonisches Empyem mit Fistelbildung. Thoracotomie mit
Lappenbildung durch Trennung von 9 Rippen (3. — 11.).
Starre der Pleura costalis, so wird zu entscheiden sein, wie weit nach
Schede letztere zu exstirpiren ist von der Innenfläche des Lappens.
Bei beschränkten Höhlen wird man von Lappenschnitten nach
Schede, Keen und Depage absehen und sich mit den einfachen
2?2 Specielle Operationslehre.
Linien ESTLANDER'scher Operation begnügen, von einem einfachen
Längsschnitt nur soviel Rippen subperiostal zu reseciren als zur
Deckung der Höhle Beitrag liefern. Man darf aber nicht vergessen,
dass mehr als einmal schwartenartige Septa eine grössere Höhle in
zwei völlig getrennte Abschnitte theilen, so dass die plastische Aus-
füllung der einen Höhle eine Heilung nicht erzielt.
Fig. 77 illustrirt die Ausdehnung des Schnittes und das Vor-
gehen bei beschränkter Empyemhöhle.
Will man bloss osteoplastisch operiren nach DELORME, d. h. den
gebildeten Lappen zurückklappen, so resecirt man am hinteren Rande
der Eiterhöhle von kleinen isolirten Schnitten aus ein Stückchen
Rippe, d. h. man trennt die vorne durchschnittenen Rippen auch
hinten durch und klappt den Thoraxwandlappen empor. Auf der
comprimirten Lunge wird die derbe , schwartig verdickte Pleura
visceralis gespalten und vor- und rückwärts von der Lunge abgelöst,
bis letztere sich bläht.
101) Laparotomia transthoracica.
Die Eröffnung des Abdomen durch die Pleura und das Diaphragma
hindurch wird vorzüglich gemacht zur Freilegung der convexen
Leberfläche behufs Eröffnung von Leberabscessen, Echinokokken
etc. im convexen Leberabschnitt (Fig. 78, 79): Hepatotomia
transthoracica, oder auch zur Eröffnung subphreni scher Ab-
scesse.
Schnitt von 10 cm Länge je nach Punctionsergebniss von der
vorderen Axillarlinie schräg vorwärts zwischen der 7. und 8. Rippe
oder zwischen 8. und 9. Rippe in der hinteren Axillarlinie. Die
Fascie und Muskelfasern des Latissimus dorsi und Obliquus abdo-
minis externus werden gespalten, das Periost auf der einen, dann
auf der anderen Rippe mit scharfem Raspatorium ringsherum unter
sorgfältiger Schonung der Pleura abgehoben und die Abtragung von
mindestens 7 cm von beiden Rippen mit schneidender Zange. Jetzt
muss die Pleura vor ihrer Eröffnung mit einer Steppnaht allseitig
an Stelle, wo tiefer indicirt werden soll, verschlossen werden. Man
umsticht nach Stiles tiefgreifend erst die Weichtheile des Inter-
costalraumes und sticht nun am oberen Rande des oberen und am
unteren Rande des unteren Rippenperiosts rings eine krumme Nadel
durch die beiden Pleurablätter (das parietale und diaphragmatische)
hindurch und schliesst mit fortlaufender Umstechungsnaht das
Operationsgebiet verlässlich gegen die übrige Pleurahöhle ab. Nun
kann man innerhalb dieses mindestens 4 cm im Durchmesser zu
bemessenden Abschlussgebietes die Pleura costalis excidiren und es
erscheint die glänzende bläuliche Oberfläche des Zwerchfelles, welche
Thorax.
253
incidirt wird ; die Muskelplatte zwischen Pleura und Peritoneum ist
ziemlich dünn.
1$
Fig. 78. Freilegung der convexen Leberoberfläche im 8. Intercostalraum trans-
pleural. 8. und 9. Rippe sind resecirt von einem Schnitt im Verlauf des
8. Intercostalraumes (subperiostal).
Findet sich das Peritoneum mit der Leberoberfläche nicht ver-
wachsen, so muss auch hier eine Steppnaht zwischen parietalem und
254
Specielle Operationslehre.
Costa VII \j|
M. intercostalis externus-^..
Yasa und N. intercostalis — -
Hepar —
Peritoneum —
Costa VIII —
Diaphragma
Pleura costalis
M. obliquus abdom. externus
r^;
Fig. 79. Freilegung der Leberconvexität durch die Pleura hindurch im 7. Inter-
costalraum.
Thorax.
255
visceralem Blatt des Peritoneum rings fortlaufend angelegt werden
und dann wird der Leberabscess (resp. Echinococcus) eröffnet, bei
tiefer Lage mit dem Thermocauter Jodoformgazetamponade.
loa) Lungenchirurgie.
Die Lungenchirurgie beschränkt sich zur Stunde der Haupt-
sache nach noch auf Entleerung von Abscessen. Bei tuber-
culösen Cavernen ist der Nutzen wegen fast stets vorhandener
Tuberculose der Umgebung, bei Bronchiektasie wegen Multiplicität
der Höhlen sehr fraglich. Tumoren, Echinokokken sind ausnahms-
weise Objecte chirurgischen Eingreifens. Wenn durch die physi-
Fig. 80. Transpleurale Freilegung der convexen Leberoberfläche, II. Die inter-
costalen Weichtheile sind in der Ebene der Resectionsflächen der Rippen unter-
bunden und der zwischenliegende Theil abgetragen. Pleura parietalis costalis
mit Pleura parietalis diaphragmatica durch eine Steppnaht vereinigt und so die
Pleurahöhle abgeschlossen, die Pleurablätter, das Diaphragma und das Peri-
toneum gespalten; man sieht die Leberoberfläche freigelegt.
kaiische Untersuchung ein umschriebener Eiterherd, durch die bakterio-
skopische und histologische Feststellung die Heilbarkeit dieses Herdes
nachgewiesen ist (elastische Fasern fehlen bei Bronchiektasie, Tuberkel-
bacillen sind bei Cavernen vorhanden), so wird von Körte (vergl.
Borchert, Langenbeck's Arch., Bd. 63) in folgender Weise vor-
gegangen: Es wird chloroformirt. Freilich zeigen 2 Fälle von
„Atheminsufficienz", dass man besser thut, die Operation ganz oder
jedenfalls im 2. Act bloss mit Cocain zu machen.
Thorakotomie mit Bildung eines abwärts convexen Weichtheil-
lappens und ausgiebiger Rippenresection über dem Lungenherd.
Pleurotomie unter völliger Sicherung gegen Eindringen der Luft in
2< 6 Specielle Operationslehre.
die freie Brusthöhle mittelst einer Steppnaht (nach Roux mit Hinter-
stichen). Die Faden sollen nicht zu tief in die Lunge greifen und
nicht zu fest gezogen werden; natürlich wird man bei Eiterung
resorbirbare Faden wählen. Die Punction stellt nunmehr die Stelle
und Tiefe des Abscesses fest, falls die Palpation dazu nicht genügt;
danach wird am besten mit dem Thermocauter eröffnet.
Die Gefahr der Eröffnung sind Blutungen, da zumal durch die
Höhle hindurch grosse macerirte Gefässe verlaufen können. Wenn
die Gefässe nicht ligirt oder umstochen werden können, hilft bloss
Tamponade mit Jodo- oder Xeroform, welche ohnehin die beste
Nachbehandlung ist.
Für die Eröffnung der Cavernen an ihrem häufigsten Sitz, näm-
lich an der Lungenspitze, macht man die Eröffnung in folgender
Weise :
Entlang dem ersten Intercostalraum, parallel der Clavicula, von
dessen Sternalende lateralwärts Schnitt durch Haut, Fascie und
M. pectoralis major. Trennung der beiden Intercostalmuskeln,
medialwärts bloss des M. intercostalis internus. Hier darf man die
Arteria mammaria interna, und am lateralen Ende des Schnittes die
Vena subclavia nicht verletzen.
Am unteren Rande der i. Rippe wird auf deren Vorderfläche
das Periost gespalten und vorne und hinten sorgfältig zurück-
geschoben, dann die unteren 2/3 der Rippe unter Belassung einer
oberen Spange resecirt, um ja nicht die auf der Rippe liegenden
grossen Gefässe zu verletzen. Nunmehr überzeugt man sich durch
Punction mit der PRAVAz'schen Spritze von der Lage der Caverne,
macht einen kleinen Schnitt durch die Pleura und erweitert den-
selben mit einer Arterienzange.
So wenig im Ganzen auch mit chirurgischen Eingriffen an der
Lunge erreicht ist, so ergiebt doch die Casuistik, dass man unter
Voraussetzung der Verhütung einer Pneumothorax mit Freilegung
der Lunge bei Verletzungen, Eindringen von Fremdkörpern, Ent-
zündungen und Tumoren in Zukunft weniger zurückhaltend sein
dürfte.
Nach den Studien von Tuffier, Hallion, Quenu und LONGET
kann ausser durch die zuverlässige Vernähung der Visceral- und
Parietalpleura plötzlicher Pneumothorax bei Freilegung der Lunge
auch durch künstliche Blähung derselben durch Ein- und Ausathmen
in comprimirte Luft verhütet werden.
Chirurgie des Herzens und Herzbeutels.
Das Herz, dieses unruhige und trotzige Ding, hat den Fort-
schritten der Chirurgie nicht zu trotzen vermocht und damit ist das
Thorax.
257
letzte Organ des menschlichen Körpers dem Bereich regelrechter chi-
rurgischer Therapie erobert worden. Mehrere wichtige Arbeiten zur
Chirurgie des Herzens sind erschienen, wie diejenigen von BRENTANO,
Terrier und Reymond (übersetzt und ergänzt von Lardy und
Beck), Ludwig Braun, welche die geschichtliche Entwicklung aus-
führlich berücksichtigen und die neuere Casuistik gesammelt haben.
Nachdem A. Pare erkannt hatte, dass nicht jede Herzwunde un-
mittelbar tödtlich sei und MORGAGNI einen Hauptgrund tödtlichen
Ausganges in der Compression des Herzens durch die Blutansammlung
im Herzbeutel gefunden, haben Georg Fischer's gründliche Nach-
forschungen 1868 ein Material von 452 Herz- und Herzbeutel-
verletzungen zur Grundlage des Nachweises gemacht, dass eine
Heilung in einer gewissen Anzahl von Fällen erfolgt, und Rose hat
die Verhütung der Herztamponade durch den Bluterguss zu einer
Bedingung therapeutischer Lebensrettung gemacht.
Die Mehrzahl der Verletzten auch mit perforirenden Herzwunden
stirbt nicht an der Verletzung direct (wie etwa bei Kronecker's
Herzstich), sondern an den Folgen der Blutung nachträglich
und zwar einerseits des Blutverlustes, andererseits des Leerwerdens
des Herzens durch Druck des ergossenen Blutes auf die Hohlvenen
(Cohnheim). Diese Thatsache ist die Grundlage unserer Heilbestre-
bungen. Dass bei Verhütung der Verblutungsfolgen selbst eine mehrfach
perforirende Wunde solide vernarben kann, lehrt die Casuistik und
experimentelle Untersuchungen (Del Vecchio, Bode, Elsberg,
Salomoni, Bloch, Filipoff) und zwar bildet sich eine Binde-
gewebsnarbe, die allerdings gelegentlich später zu Aneurysma und
Ruptur Anlass bieten kann.
Wenn ein Mensch mit Verletzung in der Herzgegend im Zu-
stande hoher Athemnoth mit Cyanose oder in Collaps mit Anämie
und entsprechenden Veränderungen des Pulses zur Behandlung
kommt und die Untersuchung eine Blutung, Bluterguss in das Pericard
mit oder ohne gleichzeitigen Hämothorax ergiebt, so besteht die
Indication zur sofortigen Freilegung des Herzens 1) um
das Pericard zu eröffnen und einen comprimirenden Bluterguss zu
entleeren, 2) um die Herz wunde zu vernähen.
103) Die Punction des Herzbeutels (Pericardio-
centesis).
Die Punction des Herzbeutels hat bloss noch eine diagnostische
Bedeutung; zur Entleerung von Flüssigkeit soll an ihre Stelle die
Pericardotomie treten. Nach Ferrand's und VoiNlTSCH-SlANO-
jentzky's Untersuchungen sammelt sich Flüssigkeit im Herzbeutel
zwischen Herz und Zwerchfell, vorzüglich aber im vorderen Blind-
sack und gegen die Herzspitze zu (zumal in sitzender Stellung);
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. jy
258 Specielle Operationslehre.
ausserdem oben zwischen Brustwand und vorderer Herzfläche an der
Herzbasis und um die grossen Gefässe (im Liegen).
Die Punction hat die 1 — 2 cm vom Sternalrand liegenden Vasa
mammaria interna zu vermeiden. Macht man nach Dieulafoy die
Punction lateral von denselben (6 cm vom Sternalrand) im 4. — 5. Inter-
costalraum, so trifft man fast sicher die Pleura und gelegentlich den
Lungenrand. Macht man sie im 5. Intercostalraum (Baizeau) und
aufwärts, so kann das Herz verletzt werden (West sah danach
Exitus). Die beste Punctionsstelle ist deshalb dicht am
Sternalrand im 6. Intercostalraume nach DELORME und
MlGNON und VOINITSCH.
104) Die Pericardiotomie.
Ollier hat den Weg gewiesen zur richtigen Eröffnung- des
Pericards, indem er die Rippenresection einführte, welche wir
schon für die Pleuraeröffnung als die beste Methode erklärt haben.
LARREY ist am Rippenrand unter der 7. Rippe zwischen Thorax-
wand und Zwerchfell eingegangen. Wir können es durchaus nicht
für practisch halten, mit VOLNTTSCH, welchem wir sonst so werthvolle
Beiträge verdanken, je nach Grösse des Ergusses die Operations-
methode zu ändern. Es kommt vielmehr vor Allem darauf an, bei
einer Operation, welche sehr selten in Frage kommt, aber sich plötz-
lich mit dringlicher Indication dem Chirurgen aufdrängen kann, ein
ganz bestimmtes Verfahren zu pflegen, welches für alle Fälle ge-
nügt. Es kommt darauf an, so rasch wie möglich mit dem Minimum
von Nebenverletzungen auf das Pericard zu gelangen und dasselbe
eröffnen zu können. Damit ist der dringlichsten Indication ein Ge-
nüge geleistet und der Weg zu weiterer Eröffnung findet sich danach
relativ leicht. Diese Gesichtspunkte bestimmen uns bei der Wahl
der Methode.
Der interpleurale Raum, durch welchen man das Peri-
cardium ohne Behelligung der Pleura freilegen kann, ist nach den
eingehenden Nachweisen von Terrier und Reymond in Grösse
und Lage sehr schwankend und daher für allgemein gültige Regel
sehr beschränkt. Indes besteht darüber Einigkeit, dass die Ansatz-
stelle des 6. Rippenknorpels am Sternum diejenige Stelle ist, wo in
der grossen Mehrzahl der Fälle weder grössere Gefässe noch Pleura
noch Lunge sich zwischen Thoraxwand und Herzbeutel schiebt.
Hier soll deshalb auch die Eröffnung als Regel zuerst vorgenommen
werden. Dies geschieht durch Resection des 6. linken Rippen-
knorpels, auf welche man demgemäss als ersten Act einer correcten
Pericardotomie losgeht. DELORME und MlGNON haben (allerdings
mit dem 5.) den Vorschlag gemacht, den 6. Rippenknorpel zu ent-
Thorax. 2^q
fernen, VoiNiTSCH entfernt noch ein Stück des 7. Knorpels und ein
Stück Sternum.
Es ist nach den Statistiken zweifellos, dass bei Herzverletzungen
meist die Pleura mitverletzt und Sitz von Bluterguss ist und dass
man deshalb nicht ängstlich zu sein braucht mit ihrer Schonung.
Ebenso richtig ist es, dass man sich nach dem Sitz der Verletzung
hat und bei Läsion eines Vorhofs nicht gleich verfahren kann, wie
zu richten bei Verletzung des Ventrikels gegen die Herzspitze zu.
Wenn aber ein Verfahren gestattet, den Herzbeutel zu eröffnen,
ohne die Pleura zu betheiligen und danach je nach Art und Ort der
Verletzung das Zugangsgebiet zu erweitern, so verdient dieses den
Vorzug.
Wir haben an der Leiche folgende Methode Obigem entsprechend
gefunden: Winkelschnitt auf dem Sternum median und über dem
linken 6. Rippenknorpel lateralwärts. Wo voraussichtlich breite Er-
öffnung nöthig, wird der senkrechte Antheil des Schnittes bis zur
Höhe des 2. Intercostalraumes median heraufgeführt und an dem
oberen Rande der 6. Rippe bis zur senkrechten Mammillarlinie lateral
weiter gezogen.
Ablösung des Periosts vom Sternum und des Perichondrium
vom 6. Rippenknorpel sammt linksseitigem Pectoralis major stumpf,
bis das Elevatorium unter den Knorpel geschoben und dieses mit
einer Kneifzange bis dicht am Sternum entfernt werden kann. Muss
breite Freilegung stattfinden, so löst man Sternalperiost sammt
Pectoralis major -Ansatz auch nach oben los und legt unter Ab-
hebung des Perichondrium dicht am Sternum die Ansätze auch
des 5., 4., 3. Rippenknorpels frei und kneift sie durch. Im lateralen
Schnittantheil trennt man Ansätze des Pectoralis major und Rectus
abdominis entlang dem oberen Rande der 6. Rippe. Die Fascie des
Intercostalis externus und Muskelfasern des internus werden sammt
Perichondrium mit Raspatorium vom Knorpel abgehoben. Es er-
scheint der Muse, triangularis sterni und auf diesem die Vasa
mammaria interna. Die sehnigen Ansätze des Muskels am Sternum
und 6. Knorpel werden sorgfältig getrennt und event. die Art.
mammaria interna sammt Vene ligirt, wenn medialwärts ziehende
Aeste stark ausgebildet sind. Jetzt ist man so weit, an Stelle des
entfernten 6. Rippenknorpelansatzes den Finger auf
den derben, glänzenden Herzbeutel legen zu können.
Wenn nöthig, kann er hier punetirt oder eröffnet werden. Sonst
schiebt man den durch einen Fettwulst bezeichneten Rand der
Pleura mit dem Finger stumpf lateral aufwärts vom Herzbeutel los.
Der Muse, intercostalis internus wird mit der Pleura lateral ab-
geschoben (da er nach Delorme - MiGNON letzterer fest anhaftet),
ebenso die Mammargefässe.
17*
2ÖO
Specielle Operationslehre.
Nun werden der 5., danach event. 4. und 3. Rippenknorpel
allmählich emporgehoben (da ihre Ansätze vom Sternum getrennt
sind) und während dieses Emporhebens wird sachte die Pleura von
ihrer Innenfläche so weit zurückgeschoben, dass sie nicht gespannt
und zerrissen wird, was leicht geht. Auf diese Weise gelingt es, die
Knorpel sammt der normal anliegenden Haut und Musculatur aufzu-
klappen und unter Einbrechen der Verbindung mit den Rippen-
knochen ganz zurückzulegen. Jetzt kann man ohne Bedenken den
Ansatz des"\
ö. Rippen- )•-
knorpels )
A. rnam- \
maria int. j
M. inter-
costalis
I
K^
««
_._.; ;_
f M. pecto-
Iralis majo
Herzbeutel
| Hin-
) schlag--
| stelle der
I Pleura
f)I. trian-
\ gularis
«- sterni
f Vorderes
Ende
< der 6.
knöcher-
Inen Rippe
Fig. 81. Eröffnung des Herzbeutels. Die 6. knorpelige Rippe ist in toto resecirt,
die Pleura lateralwärts geschoben nach Spaltung des M. triangularis sterni, die
Art. mammaria int. unterbunden und durchschnitten, der Herzbeutel eröffnet.
Herzbeutel entlang dem Sternalrand und im 5. Intercostalraum lateral-
wärts spalten und das Herz von den Vorhöfen bis zur Spitze der
Inspection und Palpation zugänglich machen.
Fig. 81 illustrirt unvollkommen die Art unseres Vorgehens: Es
sollte der 6. Rippenknorpel dicht am Sternum entfernt sein, die
Muskeln an ihren Ansätzen gelöst und nicht durchschnitten gezeichnet
sein, der Triangularis nicht abgelöst von der Pleura.
Sollte die Aufklappung der Rippenknorpel noch nicht genug
Raum geben, so ist es sehr leicht, entweder Stücke des Sternum
zu entfernen (mit Durand) oder von der Rückfläche des Sternum
Thorax. 26 1
die Pleura zurückzuschieben, event. auch subperiostal das Sternum
oben und unten quer zu durchkneifen und unter Luxation der
r e c h t seitigen Knorpelansätze nach rechts aufzuklappen.
Von vorneherein die Freilegung des Herzens unter Umständen,
wo oft Eile von nöthen ist, mittelst Sternumresection auszuführen,
halten wir für zu eingreifend, obschon die Methode von PODREZ,
welcher das Sternum median trennt und sammt linksseitigen Rippen-
knorpeln nach links herüber aufklappt, sowie die Verfahren von
Wehr, Rydygier, Pagenstecher sehr guten Zugang geben.
Rotter hat nach Ninni eine Methode angegeben, welche
principiell auf Schonung der Pleura verzichtet, weil dieselbe fast
immer mitverletzt ist und weil die Entleerung des Blutes aus der-
selben bloss nützlich sein kann. Die Schnittführung besteht ähnlich
wie diejenige von Wehr aus einem Lappen mit rechtseitiger Basis,
aber während Wehr das Sternum oben und unten trennt, lässt
Rotter dasselbe intact. Er macht am unteren Rande der 3. und
5. Rippe, i1/2 cm vom Sternalrand beginnend, einem 8 — 10 cm langen
Schnitt lateralwärts, dann neben der Mamilla einen deren Endpunkte
verbindenden senkrechten Schnitt durch die ganze Dicke der Brust-
wand, eröffnet also die Pleura und klappt unter Luxation der Rippen-
knorpel am Sternalrand den Lappen medianwärts, nachdem er 4. und
5. Rippe in senkrechtem Schnitt durchgekneift und die betreffenden
Intercostalarterien ligirt hat. Die Art. mammaria interna wird geschont.
Thatsächlich haben auch bis jetzt die Chirurgen, welche Gelegen-
heit hatten, chirurgische Eingriffe am Herzen zu machen, die Pleura
nicht geschont. Wo die Pleuraverletzung (durch Nachweis von Hämo-
thorax) sicher ist, kann man daran denken nach Rotter vorzugehen,
da Rotter's Verfahren sehr einfach ist. Ob aber die breite Er-
öffnung einer Pleurahöhle gemäss Erfahrung in anderen Fällen nicht
bestehenden Collaps bedenklich verstärkt, bleibt noch zu beweisen.
Ausserdem hat der senkrechte Schnittantheil beim weiblichen Ge-
schlecht eine unangenehme Complication in dem Vorhandensein der
Mamma.
Es ist zweifellos, dass man mit verschiedenen Methoden zum
Ziele kommen kann und dass die Lage der äusseren Wunde Be-
rücksichtigung verdient bei der Wahl des Vorgehens. Die bis-
herigen glücklichen Fälle von Herznaht von Rehn, welcher der Erste
war, den Beweis zu leisten, dass auf diese Weise ein Mensch dem
sicheren Tode zu entreissen ist, von Parozzani und Pagenstecher,
welch letzterer Autor schon 10 Fälle von Naht von Herzwunden
mit 6 Heilungen (alles Ventrikelwunden) zusammenstellen konnte,
sowie die unglücklichen von Farina (der zuerst den Versuch der
Herznaht am lebenden Menschen machte), Cappelen, GiORDANO,
endlich die vielfachen Freilegungen des Herzens von Stelzner,
2 62 Specielle Operationslehre.
Podrez u. A. sind nach den verschiedensten Methoden ausgeführt
worden.
• Wo man nicht wegen Verwundung des Herzens oder der
Coronararterien (welche ligirt werden können) die Operation ausführt,
sondern sich sicher mit blosser Eröffnung des Pericards begnügen
wird, wie bei eitriger Pericarditis, da wird man von zu com-
plicirten und eingreifenden Verfahren von vorneherein abstrahiren
müssen und sich mit der Resection des 6., event. des 5. Rippen-
knorpels begnügen.
Die Indication zur Operation ist bei infectiös exsudativer Peri-
carditis ebensogut eine absolute, wie bei anderen Eiterungen; blosse
Punction oder zuwartende Behandlung sind zu verwerfen.
Die Behandlung des freigelegten H e r z e n s bedarf noch
zweier Worte. Heitler (nach L. Braun) hat zur Verhütung von
reflectorischer Arythmie bei Anlegung von Nähten Bepinselung
mit Cocainlösung empfohlen. Longo schlägt eine gezähnte Pincette
zum Fassen und Zusammenhalten der Wunde vor und Rehn will die
ersten Faden lang lassen, um die Anlage der weiteren zu erleichtern.
Die Herzchirurgie hat, ausser für Entzündungen, Verletzungen
und Fremdkörper, noch in 3 weiteren Formen sich einzuführen ver-
sucht, nämlich als Herzmassage, Cardiocentesis und Cardiolysis.
Tuffier hat bei Narkoselähmung beim Thiere das Herz frei-
gelegt und massirt, ebenso bei einer embolischen Synkope in Folge
Embolie.
WATSON, Senn, Begouin, Brühl u. A. haben bei Lufteintritt
in die Venen in das rechte Herz, sowie bei Blutüberfüllung des
rechten Herzens die Cardiocentese beim Thier geprüft und beim
Menschen ausgeführt.
DELORME will bei „Symphyse cardio -pericardique" die Ver-
wachsungen zwischen Herz und Herzbeutel nach Freilegung mit der
Hand lösen. Wir haben vor Kurzem bei einem derartigen Falle am
Cadaver die Lösung versucht, aber trotz Sorgfalt das Herz ein-
gerissen.
M. Rücken.
105) Ligatur der Arteria dorsalis scapulae (Fig. 82).
Schnitt am oberen Scapulawinkel schräg abwärts in der Richtung
von der Vertebra prominens gegen die Schulterhöhe über die Stelle,
wo man den Angulus superior scapulae fühlt. Trennung von Haut
und Fascie und der Fasern des Cucullaris parallel der Richtung dieses
Muskels. Es erscheint unter diesen der obere Rand des Rhomboideus
superior schräg von oben auswärts laufend. Lateral kommt vom
Hals herunter der dicke Wulst des Levator anguli scapulae, um sich
Rücken.
263
an den Scapulawinkel anzusetzen. Indem man diesen Muskel lateral-
wärts herumwälzt, findet man an seiner Unterfläche die Arterie, von
vorne aus der A. transversa colli her- •;■
kommend. Auf dem Thorax liegt der
M. iliocostalis medialwärts, der Ansatz des
Scalenus posticus oben, Rippen und Inter-
costalmuskeln lateralwärts.
In der Höhe der Mitte der Fossa
infraspinata findet man die Arterie durch
Schnitt entlang dem
M. rhomboideus superior
M. intercostalis externus
A. transversa colli
A. dorsalis scapulae
M. cucullaris
M. levator scapulae
Angulus sup.' scapulae
medialen Scapular-
rand (Fig. 105). Im
oberen Winkel des
11
II
Fig. 82. Ligatura arteriae dorsalis scapulae.
Schnittes erscheint der schräge laterale Rand des M. cucullaris. An
der Scapula wird der schräg von der Wirbelsäule herabkommende
Rhomboideus superior gelöst, an seiner Unterfläche längs des Scapular-
randes läuft die Arterie.
264 Specielle Operationslehre.
106) Nervus suprascapularis.
Schnitt in der Richtung einer Linie von der hinteren Acromial-
ecke gegen die Vertebra prominens, und zwar am oberen Rand der
Cristä beginnend, aufwärts durch Haut und Fascie. Trennung der
Cucullarisfasern in der Richtung derselben. An der Crista scapulae
wird der M. supraspinatus losgelöst, aufwärts bis zur Incisura scapulae,
wo der Nerv auf dem Knochen liegt.
107) Arteria circumflexa scapulae von hinten.
Schnitt an der Rückfläche der Schulter oberhalb der hinteren
Axillarfalte entlang dem oberen Rande des M. latissimus dorsi,
den man durch Umgreifen von unten leicht bestimmen kann. Nach
Spaltung der Haut und Fascie tritt der obere Rand des M. latissimus
dorsi und des Teres major zu Tage und am Rande der Scapula der
untere Rand des Teres minor. Indem man diesen 2 Finger breit
vom Oberarmknochen entfernt freilegt, findet man die Arterie am
medialen Rande des langen Kopfes des Triceps.
108) Chirurgie des Mediastinum posticum.
Es ist hauptsächlich das Mediastinum posticum und die darin
enthaltenen Organe, in erster Linie der Oesophagus, welcher zu
chirurgischen Eingriffen Indication geboten haben.
Stoganov hat (März 1899) 15 Fälle von Mediastinotomia postica
zusammengestellt: 12 Mal wurde wegen Abscess oder Wirbelleiden
operirt, 2 Mal zur Spaltung einer Strictur des Oesophagus und Ent-
fernung eines Carcinoma oesophagi, 1 Mal wegen Tuberculose ; dazu
kommt noch 1 Fall von Forgue zur Extraction eines Fremdkörpers
und 1 Fall von Leobet zur Spaltung von Stricturen.
Stoganov giebt die geschichtliche Entwicklung und bezeichnet
die Operation als die NASSlLOW'sche. Nassilow hat 1880 nach
Studien am Cadaver die Technik der Operation, den Oesophagus
bei Fremdkörpern und Tumoren zugänglich zu machen, festgestellt.
Quenu und Hartmann haben 1891 seine Methoden adoptirt.
Obalinski eröffnete 1891 einen tuberculösen Abscess im Mediastinum,
nachdem schon BöCKEL früher dazu gerathen und Vincent, Auffret
und Schöffer bei Wirbeltüberculose die Operation durchgeführt
hatten. Ziembicki befürwortete die Operation 1895. Ich habe am
Cadaver 1897 ein Carcinoma oesophagi excidirt und Rehn hat die
Operation am Lebenden gemacht.
Potarca hat 1898 eingehende Studien über die Technik an-
gestellt. Während Nassilow im oberen Theil von links, im unteren
von rechts einzugehen empfahl, hat Potarca ganz entschieden den
Einschnitt rechts befürwortet, obschon sich rechts die Pleura etwas
tiefer unter den Oesophagus schiebt, weil links die Aorta zu hinder-
lich ist.
Rücken.
265
Rehn ist Potarca's Empfehlung gefolgt, von der rechten
Seite her einzugehen, weil links die Aorta thoracica grosse Schwierig-
keiten bietet. Längsschnitt in der Mitte zwischen den Spinae der
Wirbel und dem Innenrand des Schulterblattes bis auf die Rippen,
subperiostale Resection der Anfangsstücke von 3 Rippen (2 — 4 nach
Potarca) in der Länge einiger Centimeter. Trennung der Inter-
costalmuskeln und Isolirung und Durchschneidung der Intercostal-
gefässe und -nerven nach Ligatur ersterer.
Mit grosser Sorgfalt muss in die Tiefe von der Seitenfläche der
Wirbelkörper eingegangen werden unter Schonung des Stranges
des Sympathicus, unter Abdrängung oder Ligatur der Vena azygos,
welche wie der N. vagus der rechten Seitenfläche des Oesophagus
anliegt. Letzterer lässt sich nunmehr anziehen, bei Fremdkörpern
und Stricturen incidiren, und bei Divertikeln bei Neubildung reseciren.
Die beiden Enden werden drainirt, das untere behufs Ernährung.
Heidenhain (Langenbeck's Arch., Bd. 59) will im Gegensatz
zu Quenu, Hartmann, Rehn in das hintere Mediastinum ein-
dringen mit einem Schnitt dicht neben der Mittellinie (event.
unter Zufügung eines Querschnittes durch die Muskeln) und sofort
einen oder mehrerer Querfortsätze sammt Anfangsstück der
Rippen reseciren. Schon die Wegnahme eines einzigen Querfort-
satzes genüge beim Erwachenen, um einen freien Zugang zum
Mediastinum zu erhalten durch Ablösung der Weichtheile entlang
Seiten- und Vorderfläche des Wirbelkörpers. Pleuraverletzung sei
nicht zu fürchten.
Wenn die periösophageale Phlegmone im oberen Theile des
Mediastinum sitzt, so kann man vom Halse aus leicht bis zum
3. Brustwirbel eindringen durch Schnitt über der Clavicula und Ein-
gehen zwischen den beiden Köpfen des Sternocleido, besser mit
querer Abtrennung des Muskels von der Clavicula. Man dringt
über dem Sterno-Claviculargelenk links, lateral von Carotis und Vena
jugularis communis in die Tiefe, rechts geht man zwischen diesen
beiden Gefässen hinein. Durch Operiren von oben und hinten gelang
es Heidenhain, den Oesophagus bis zur Mitte von der Wirbelsäule
loszulösen und ihn beweglich zu machen. Er hat wie CAVAZZANI
eine periösophageale Phlegmone auf diese Weise geheilt. Auch
Rasumowsky hat durch dieses Verfahren eine Mediastinitis acuta
postica zur Heilung gebracht.
Wir haben an der Leiche ein Carcinoma oesophagi unmittelbar
unter der Theilungsstelle der Trachea sitzend freigelegt. Wir halten
es für nöthig, in der Regel mehr als 4 Rippen zu reseciren, und
zwar nach Höhe des Leidens die 2. — 7. oder die 4. — 9. etc. Man
schneidet auf dem Angulus posterior costarum in senkrechter Richtung
ein, eine Handbreit von der Medianlinie durch Haut, M. cucullaris,
2 66 Specielle Operationslehre.
rhomboidei, latissimus und serratus posticus, löst medianwärts die
sehnigen Ansätze des Iliocostalis und Longissimus von den Rippen
los und resecirt unter sorgfältiger subperiöstaler Isolirung der einzelnen
Rippen aus sechs derselben ein gut 10 cm langes Stück. Die Arteriae
und Nervi intercostales werden gut sichtbar und sind leicht zu unter-
binden und zu durchschneiden.
Die so blossgelegte Pleura wird stumpf ohne Schwierigkeit bis
zur Vorderfläche der Wirbelsäule losgelöst. Jetzt fühlt man rechts
von der Aorta den Tumor der Speiseröhre, resp. diese selber, und
kann sie heranziehen , soweit nicht Verwachsungen mit den an-
stossenden Organen bestehen. Verwachsene Neubildungen von der
Aorta und übrigen Umgebung in der Tiefe lösen zu wollen, erscheint
als ein zu gewagtes Unterfangen, obschon Faraboeuf die Aorten-
wand für sehr widerstandsfähig" erklärt.
Bryant1) will wie Nassilo w bloss oberhalb des Aortenbogens
von links her auf die Speiseröhre eingehen, unterhalb dagegen rechts ;
unterhalb des 9. Dorsalwirbels werde es überhaupt zu schwierig. Bei
Fremdkörpern in dem einen oder anderen Bronchus, oder in der
Speiseröhre bildet er einen viereckigen Lappen mit Basis über den
Dornen, schlägt ihn auf die andere Seite, resecirt bloss eine Rippe,
indem er ober- und unterhalb je eine nächstliegende bloss, trennt und
umschlägt. Er bestimmte bei 2 Erwachsenen die Entfernung der
Rückenwirbeldornen von den oberen Schneidezähnen für den 1. auf
203 mm, für den 2. auf 21g, 3. 238, 4. 257, 5. 279, 10. 381 mm.
Aus der Uebersicht über die bisherigen Vorschläge und
Operationen bei Erkrankungen im Mediastinum posticum ist zu er-
klären, dass man unterscheiden muss zwischen der collaren und
dorsalen Mediastinotomie. Hacker hat diese Unterscheidung
bestimmt präcisirt und ZlEMBlCKl hat gezeigt, dass es unter Um-
ständen von Vortheil sein dürfte, beide Methoden zu combiniren, wie
es seither geschehen ist in einigen Fällen.
1) Die collare Mediastinotomie ist von Ziembicki, Obalinski,
Heidenhain , Rasumowsky , Lürmann und v. Hacker aus-
geführt worden. Wie Heidenhain vorzugehen räth, ist oben ge-
sagt worden. Hacker hat einige interessante Einzelheiten seines
Falles mitgetheilt. Einmal konnte er durch ein RöNTGEN-Bild nach
Einführung eines Kautschukrohres und von Jodoformglycerin gut die
untere Grenze des Abscesses am 5. Wirbelkörper bestimmen. Ferner
zeigte sich Röthung und Gasentwicklung über der einen Clavicula
bei abhängiger Lage. HEIDENHAIN fand dieses Zeichen ebenfalls.
Hacker hat die sehr empfehlenswerthe Schräglage des Körpers für
I) Transactions of the American surgical association, it
Rücken.
167
die Nachbehandlung benutzt, zugleich hat er behufs Ernährung des
Patienten (wegen Oesophagusperforation) die Gastrostomie gemacht.
Hacker ist im Gegensatz zu Heidenhain auf der medialen
Seite der grossen Gefässe vorgedrungen. Die Localisation der Phleg-
mone am Halse dürfte den zu betretenden Weg vorschreiben.
Wesentlich ist , dass wir für die Freileg ung des Me-
diastinum posticum in seinem oberen Theil in dem
collaren Weg den leichteren und ungefährlicheren Zu-
gang kennen gelernt haben, wo es sich um Entzündungen handelt.
Und dies ist praktisch zunächst das Wichtigste. Die Phlegmonen,
welche sich hier entwickeln, schliessen sich mit Vorliebe den Oeso-
phagusperforationen (Fremdkörper) an, wo der Arzt oft nicht rasch
genug sich zu einem Eingriff entschliessen kann, wenn er das Leben
seines Patienten retten will.
2) Für die dorsale Mediastinotomie verdanken wir
Heidenhain den richtigen Wegweiser, um die Hauptgefahr, näm-
lich die Verletzung der Pleura, zu vermeiden. Diese hat oft statt-
gefunden und hat durch Infection der Pleura den Tod veranlasst.
Heidenhain verlegt den Schnitt neben die Mittellinie des Rückens,
schiebt die Weichtheile von dem Wirbelbogen ab, bis die Quer-
fortsätze erscheinen. Dann werden diese zuerst resecirt und von da
der Anfangstheil der Rippe. So kann man dicht an der Seitenfläche
der Wirbelkörper in die nöthige Tiefe (10 cm etwa) eindringen, und
mit der geringsten Gefahr der Verletzung die Pleura mit der dünnen
Fascie drüber auf die Seite schieben. Schon die Entfernung eines
Querfortsatzes genügt nach Heidenhain, um ins Mediastinum ein-
zudringen, was bei Abscessen von besonderem Werth ist.
109) Die Eröffnung des Mediastinum anticum.
Je nach Ausdehnung der Erkrankung wird das Sternum in
verschiedener Ausdehnung resecirt. Ich habe mehrere Resectionen
des Sternum ausgeführt, allerdings wegen Neubildungen im Sternum,
d. h. Metastasen als Folge von Struma maligna; dieselben betrafen
stets das Manubrium sterni; nur einmal wurde wegen Tuberculose,
einmal wegen Blutung aus der Arteria anonyma resecirt.
Ich bin in ähnlicher Weise vorgegangen wie BARDENHEUER,
bloss begnügte ich mich mit Exarticulation der Sterno-Clavicular-
gelenke. Bardenheuer macht einen Querschnitt am oberen Rande
des Manubrium und einen Längsschnitt darauf, schneidet die Clavicula
und die beiden ersten Rippen subperiostal auf beiden Seiten 3—4 cm
entfernt vom Rande des Sternum durch, löst das Periost von der
Rückseite los und spaltet dieses in senkrechter Richtung-.
GiORDANO hat eine Osteoplastik in der Weise vorgenommen,
dass er rechts vom Sternum einen Längsschnitt macht und die Rippen-
2 68 Specielle Operationslehre.
knorpel nach vorsichtiger Abdrängung der Pleura trennt. Oben und
unten wird ein Querschnitt gemacht, die Pleura zurückgeschoben
und das Brustbein quer an beiden Stellen durchschnitten. Dieser
Knochenlappen wird unter Luxation der Sternocostalgelenke der
linken Seite aufgeklappt.
Am radicalsten ist H. Milton vorgegangen, welcher in ganzer
Länge des Sternum einen Längsschnitt durch dessen Mitte macht
unter Abtrennung des Processus xiphoideus und Trennung der
strammen Bindegewebsverstärkungen im Bereich der Incisura sterni.
Die beiden Hälften werden einfach durch kräftige Haken auseinander-
gezogen. Sein Patient wurde geheilt (Tuberculose wesentlich des
Sternum selber).
110) Eröffnung der Rückgratshöhle — Laminektomie.
DiePunction des Lumbaisackes der Rückgratshöhle,
deren Einführung QuiNCKE's Verdienst ist, hat eine stets zunehmende
Bedeutung gewonnen, obschon die neueste Indication zu deren Be-
nutzung, nämlich behufs medullärer Anästhesirung, sich in bisheriger
Form als unzulässig erwiesen hat.
Wie die Punction ausgeführt wird, haben wir im Capitel der
Anästhesie auseinandergesetzt und können auf Schilderung und Ab-
bildung daselbst verweisen. Die Hauptindication zur Ausführung
der Lumbalpunction, wie man sie schlechtweg bezeichnet, ist
eine diagnostische. Man kann nicht bloss über Bluterguss und Ent-
zündung im Arachnoidealraum sich Gewissheit verschaffen, sondern
auch die Natur einer Entzündung durch bakteriologische Untersuchung
feststellen. Das kann einen sehr bedeutenden Werth haben und sollte
im Zweifelfalle niemals unterbleiben.
Eine weitere Indication ist die Feststellung "des im Arachnoideal-
raum des Rückenmarks und Gehirns herrschenden Druckes und der
Natur eines Ergusses in denselben. Allein hier muss man sich ganz
besonders dann in Acht nehmen, wenn man in therapeutischer Absicht
die Cerebrospinalflüssigkeit durch Lumbalpunction entleert. Zunächst
giebt die Punction kein sicheres Maass für den Druck in der Schädel-
kapsel, indem der Druck sehr rasch sinken, im Schädel weiterbestehen
kann ; ferner kann die Lumbaiflüssigkeit (Volke) eiweissreicher sein,
als der Ventrikelinhalt (Transsudate bei Tumor sind z. B. eiweiss-
reicher als bei Hydrocephalus). Endlich hat man plötzliche Todes-
fälle beobachtet, weil der hohe intracranielle Druck das Kleinhirn in
den Rückgratscanal verschiebt bei plötzlichem Drucknachlass weiter
unten und der Druck auf die Oblongata Respirationslähmung be-
wirkt. GUMPRECHT hat nicht weniger als 17 derartige Fälle in der
Literatur gefunden.
Lendengegend. 269
HORSLEY hat durch seine brillanten Operationen gezeigt, was
für schöne Erfolge man durch Aufhebung eines durch Tumoren be-
dingten Druckes auf das Rückenmark, selbst in sehr weit gediehenen
Fällen, erzielen kann, und andere Chirurgen haben nicht minder er-
freuliche Wirkungen in Folge Aufhebung eines durch Fracturen und
Luxationen bedingten Druckes der Wirbel oder durch Eröffnung von
Abscessen erreicht.
Die Operation wird in folgender Weise ausgeführt:
Langer Medianschnitt bis auf die Wirbeldornen, Loslösung der
beiderseitigen Muskeln dicht am Knochen mit dem Messer (nament-
lich des Muse, transverso-spinalis) , wo nöthig unter queren Ein-
kerbungen der starken bedeckenden Fascie. Die freigelegten Dornen
werden mit der Knochenzange an der Basis abgetragen und sammt
den Ligamenta interspinalia entfernt. Die Abtragung der hinteren
Wirbelbogen wird in der Weise gemacht, dass man die starken Liga-
menta intercruralia (flava) längs dem oberen und unteren Rande der
Bogen dicht am Knochen quer durchschneidet. Mit der Zange werden
die Bogen an beiden Seiten durchkneift und herausgehoben, und zwar
einer nach dem anderen, bis das Rückenmark genügend freigelegt ist.
Fettgewebe und starke Gefässe (Circuli venosi) werden unter
eventuellen Unterbindungen mit dem Messer median getrennt, dann
die Dura in der Mittellinie gespalten. Natürlich wird die Dura nicht
eröffnet, wenn es sich nur um Druck handelt durch einen verschobenen
oder gebrochenen Wirbel oder einen, extraduralen Tumor oder Abscess.
Auch bei Eröffnung der Dura ist nach Drainage die vollständige
Naht zu machen, und lässt sich damit binnen 2 X 24 Stunden voll-
kommene Primaheilung erzielen.
N. Lendengegend.
111) Nephrotomie (Fig. 83).
Die Nephrotomie wird gemacht wegen Wanderniere, um die-
selbe an Haut und Fascie anzuheften, zur Eröffnung des Nieren-
beckens und der Kelche bei Hydro- und Pyonephrose, bei Nephro-
lithiasis, bei Neubildungen. Eine sehr wichtige Indication zur Ne-
phrotomie hat die Neuzeit gebracht in Form des einfachen Ent-
spannungsschnittes, nachdem Reginald Harrison erst 1878,
dann 1896 Dank falscher Diagnose festgestellt hatte, dass bei acuter
Nephritis mit vermehrter Spannung und Härte der Niere nicht bloss
in Folge einer Incision Schmerzen, Blutharnen und Albuminurie ver-
schwanden, sondern auch der Zustand der anderen Niere durch Herab-
setzung der functionellen Ansprüche gebessert wurde. KORTEWEG
hat in neuester Zeit hervorgehoben, dass jede Anschoppung der Niere,
270
Specielle Operationslehre.
wie sie z. B. bei steigendem Druck im Ureter und Nierenbecken zu
Stande kommt, durch Venenstauung zu einer Art Einklemmung
^f^j^"»>wj» .'J- .^ .
Fig. 83. 1. und 2. Nephrotomie. 3. Ligatura arteriae ischiadicae, A. pudendae
internae, Freilegung des N. ischiadicus, des N. pudendus internus. 4. Ligatura
arteriae glutaeae superioris (N. glutaeus superior).
Lendengegend. 27 1
führen kann, welche Anurie im Gefolge haben kann und den sym-
pathischen Beziehungen beider Nieren wegen auch die andere Niere
mit Anschoppung bedroht. Lendenschmerzen, hohes remittirendes
Fieber, Abnahme des Harnquantums, leichte anämische Erscheinungen
sind ihm daher sichere Indication zum Entspannungsschnitt — bei
chronischen Nephritisf allen Schmerzen und Blutungen. ISRAEL,
GuYON, ALBARRAN, TER BRAAK haben zu diesem wichtigen
Gegenstand weitere Beiträge geliefert.
Man kann die Nephrotomie von hinten oder von vorn machen.
Der vordere Schnitt, von BERGMANN angegeben, wird meist als
Lateralschnitt bezeichnet, obschon sein Haupttheil auf der Vorderfläche
des Abomen liegt1).
Für die Mehrzahl der Fälle von blosser Nephrotomie genügt der
hintere schräge Querschnitt, wie auch Czerny, Küster und Braun
ihn empfehlen. Derselbe muss als Normalschnitt für die Lenden-
gegend bezeichnet werden, weil er dem Laufe der Nerven und Gefässe
entspricht und den meisten Raum für das Eindringen in die Tiefe
gewährt. Der SiMON'sche Längsschnitt giebt zu wenig Raum.
Der Schnitt beginnt auf der Wölbung des M. sacro-lumbalis im
Winkel zwischen diesem Muskel und der 12. Rippe und verläuft bis
zur Axillarlinie. Er trennt die Haut, Unterhaut, die starke Fascia
lumbodorsalis und die von ihr entspringenden Muskeln, M. latissimus
dorsi und darunter den dünnen Serratus posticus inferior. Die lateralste
Zacke des ersteren Muskels erscheint als ein platter, dicker Muskelwulst.
Der Serratus posticus inferior bildet auf dem Sacrolumbalwulst und
lateral von demselben eine dünnere Muskelplatte mit schräg nach oben
aussen aufstrebenden Fasern, die man nicht immer deutlich als eigene
Schicht erkennt. Der Sacrolumbalis wird kräftig medianwärts gezogen
mit stumpfem Haken. Der M. obliquus abdominis externus, welcher
im vorderen Winkel von der letzten Rippe abgeht mit abwärts
gehenden Fasern, wird eine kurze Strecke an seinem hinteren Rande
quer getrennt und unter und hinter ihm in gleicher Weise die schräg
aufwärts steigenden Fasern des M. obliquus internus. Unter dem Sarco-
lumbalis und zwischen den Schnitträndern der erwähnten Muskeln
erscheint die stramme, glänzende, quer gestreifte Fascia lumbo-
costalis, an welcher die Fasern des M. abdominis transversus ent-
springen. Zur Nephrorhaphie kommt man mit blosser Spaltung des
Latissimus dorsi und der Fascia lumbo-dorsalis zwischen lateralem
Rande des M. sacrolumbalis (und darunter des Quadratus) und dem
Hinterrande der beiden schiefen Bauchmuskeln aus, ohne die Muskeln
selbst zu verletzen.
1) Die Winkel- und Lappenschnitte von König uud Bardenheuer sind
zu verletzend.
272 Specielle Operationslehre.
Nach Spaltung dieser Fascie tritt der Rand des M. quadratus
lumborum zu Tage, fast senkrecht verlaufend und parallel dem Rande
des Sacrolumbalis, denselben etwas überragend. Am unteren Rande
der 12. Rippe tritt der N. intercostalis XII mit begleitenden Gefässen
hervor und geht im lateralen Theil des Schnittes zum Theil unter,
zum Theil über dem Obliquus internus-Rand schräg vor- und abwärts.
Der N. lumbalis I (ilio-hypogastricus) tritt dicht am Rande des M. qua-
dratus lumborum im medialen Theil des Schnittes schräg abwärts.
Am lateralen Rande des M. quadratus, den man nach Bedürfniss
einkerben oder abziehen kann, liegt unter der dünnen Fascia trans-
versa das reichliche retrorenale lockere Fettgewebe mit Gefässen.
Der stumpf eingehende Finger trennt diese Gewebe (Capsula adiposa)
vorsichtig, zieht das oft reichliche Fett mit Haken zurück und kommt
ohne Widerstand auf die Niere. Nur bei Wanderniere muss dieselbe
oft durch Druck auf die Bauchdecken von vorne her entgegengebracht
werden. Nun wird die dünne fibröse, die Niere stramm überziehende
Capsula propria eingekerbt und stumpf von der Niere gelöst; bei
Nephrorhaphie wird sie breit in der Naht gefasst und mit der Fascia
lumbo - dorsalis durch 4 — 6 Nähte fest vereinigt. Die blossgelegte
Nierensubstanz bleibt in der offen zu lassenden Wunde frei, damit
die derbe Narbe von der Haut bis in die Nieren Substanz hereinreiche.
Die oben erwähnten Nerven dürfen nicht in die Naht gefasst werden.
Zur Eröffnung des Nierenbeckens wird direct von hinten ein-
eingegangen bei Dilatation desselben ; dies geschieht vorzüglich in
Fällen, wo man Fremdkörper (Steine) aus dem Nierenbecken entfernen
will, oder wo man nach Eröffnung des Beckens eine Ureteroplastik
beabsichtigt, wie bei vielen Fällen von Hydronephrose mit unrichtiger
Implantation des Ureter. Wenn man nicht nachher durch Naht das
Nierenbecken verschliessen kann, so bildet sich gern eine Fistel aus.
Wo Gefahr einer Nierenbeckenfistel besteht, oder wo die breite
Eröffnung des Beckens nicht nöthig ist, macht man die Eröffnung
besser von der Nierenconvexität her in Form eines kurzen Längs-
schnittes, durch welchen der Finger in der Richtung des Hilus bis
ins Nierenbecken eingeführt wird. Es ist sehr wünschenswerth, dass
man den „TuFFiER'schen Sectionsschnitt" der Niere vom convexen
Rande her nicht zu lang mache.
Zondeck hat durch seine schönen Injectionspräparate gezeigt,
dass man etwas dorsalwärts von dem convexen Rande einschneiden
muss, um das vordere und hintere Gefässgebiet möglichst zu schonen.
Thut man das nicht, so kommen gefährliche Blutungen und Nach-
blutungen. An einer solchen sah ich in der Praxis eines Collegen
nach einem Explorativschnitt in eine gesunde Niere den Patienten zu
Grunde gehen. Es ist gut, grössere Gefässe im Schnitt durch die
Nierensubstanz zu unterbinden.
Lendengegend. 273
Sobald die Nierensubstanz verletzt werden musste, ist es zweck-
mässig, die äussere Wunde offen zu behandeln oder secundär zu
nähen, nicht bloss wegen des Urinabflusses, sondern weil nach unseren
Erfahrungen, die ich gemeinsam mit Dr. Tavel machte, Nieren-
verletzungen leicht die Umgebung inficiren. Die Niere beherbergt
gewöhnlich (durch Ausscheidung) Mikroorganismen, welche zu Ent-
zündung Anlass geben. Es ist deshalb auch zweckmässig, derartige
Patienten mit Salol, 3,0 pro die, auf die Operation vorzubereiten.
Die Nierenwunde dagegen sollte sehr genau vernäht werden, wenn
nicht infectiöser Inhalt des Nierenbeckens oder Nierenparenchyms
dies verbietet. Eine gute Naht ist das beste Blutstillungsmittel.
Besteht Infection, so wird eine bis zum Nierenbecken reichende
Tamponade gemacht, oder besser nach reichlicher Spülung mit
steriler Kochsalzlösung ein Drain eingeführt, mit Xeroformgaze um-
geben und mit einem Collodialstreifen fixirt. Der äussere Verband
ist häufig zu wechseln.
112) Die Nephrorhaphie oder Nephropexie.
Der Schnitt entspricht vollständig dem unter No. 1 1 1 beschriebenen
und in Fig. 83 abgebildeten. Nach Spaltung der tiefen Fascia lumbo-
costalis erscheint die oft sehr fettreiche äussere Nierenkapsel (Fett-
kapsel). Es ist am besten, mit Arterienzangen das Fett in grosse
Portionen zu fassen und kräftig herauszuziehen, bis die Niere folgt.
Dann drückt der Assistent von der Vorderfläche des Abdomen her
die in Seitenlage oft stark verschobene Niere an die Wunde heran ; der
Chirurg fasst die Nierenkapsel (Fascia propria) mit einer Arterienzange
und zieht die Niere nach oben, fasst mit einer zweiten Zange weiter
unten und so weiter, bis er die Niere möglichst emporgehoben hat.
Mittelst krummer Nadel wird durch die Fascia lumbo - dorsalis
und lumbo-costalis, sowie durch die Nierenkapsel an der Stelle, wo
die unterste Arterienzange liegt, durchgestochen und so die Propria
sammt Fettkapsel fixirt und mit ihr die Niere. Erst jetzt wird auf-
wärts die Nierenkapsel gespalten und nach beiden Seiten hin Arterien-
zangen angelegt und jene mit weiteren 5 — 7 Nähten an die oben
erwähnten Fascien angeheftet. Hat man anfänglich die Fettkapsel
angezogen und die Propria gehörig gespalten, so tritt jetzt ein Stück
Nierensubstanz von etwa 4 — 6 qcm frei in der Wundtiefe zu Tage und
man kann sich überzeugen, dass nach Anlegung der Naht in obiger
Weise die Niere bei der Inspiration sich nicht mehr abwärts verschiebt.
Man löst nach allen Seiten die Kapsel noch etwas weiter los und
schiebt eine Xeroformgaze ein, mit welcher man die Wunde auffüllt.
Darüber kann die Wunde provisorisch geschlossen und mit Xeroform-
gaze und einem Kollodialstreifen gedeckt werden ; darauf kommt ein
antiseptischer Verband, welcher nach 8 Tagen gewechselt wird.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. jg
274 Specielle Operationslehre.
Es ist wesentlich, dass die sich bildende Narbe in grösserer Breite
bis an die nackte Nierensubstanz heranreiche, denn nur dadurch wird
eine sichere und bleibende Fixation erzielt. Das erreicht man mit dem
geschilderten Verfahren. Der Versuch einer Heilung per primam hat
uns viel unbefriedigenderen Erfolg gegeben, als die offene Wund-
behandlung. Die Heilung erfolgt in 6 Wochen. Die Nähte durch
die Nierensubstanz durchzuführen, hat keinen Sinn, da sie in dieser
stets durchschneiden.
113) Nephrektomie (Simon's Operation).
Die eine Niere wird entfernt, wenn sie Sitz einer malignen Neu-
bildung oder einer anderen Erkrankung ist, welche dem übrigen
Körper Schaden und Gefahren bringt. Letzteres ist bei infectiösen
Processen der Fall, allen voran bei Tuberculose und Nieren ei terung.
Die totale Entfernung einer Niere darf aber nur gemacht werden,
nachdem festgestellt ist, dass die andere Niere die Function in ge-
nügender Weise zu übernehmen vermag.
Wir haben für die Nephrektomie bis in die letzte Zeit die
Praxis festgehalten, den Querschnitt unter Spaltung des M. trans-
versus so weit nach vorne zu verlängern, dass wir die in den
Bereich der hinteren Axillarlinie fallende Uebergangsfalte des Peri-
toneum neben dem Colon treffen und hier zuerst das Peritoneum
eröffnen konnten. Damit haben wir uns der BERGMANN'schen
Schnittführung genähert, die von der 12. Rippe hinten bis zum
mittleren Drittel des Lig. Pouparti herabläuft, aber bloss bei grossen
Tumoren nöthig ist. Es gelang uns stets, die Hand von hier in die
Bauchhöhle so weit vorzuschieben, dass wir die andere Niere abtasten,
über deren Grösse und Consistenz ein Urtheil bekommen und die
Arteria renalis fühlen konnten. Auch die untere Fläche der Leber
und Gegend der Gallenblase lässt sich bei dieser Gelegenheit abtasten,
was oft wünschenswerth ist zur Sicherung der Diagnose. Nach Fest-
stellung des Vorhandenseins einer gut entwickelten Niere der anderen
Seite wird das Peritoneum mit feiner Seide fortlaufend vernäht. Zweifel-
los kann man durch das Verfahren directer Palpation mit ziemlich
grosser Sicherheit Aufschluss bekommen über den Zustand der anderen
Niere, wenn man auf Form, Consistenz und Verhalten der Nieren-
arterie genau achtet. Aber bei fettreichen Individuen kann das Ein-
führen der Hand etwas verletzend sein.
Die neueste Zeit hat uns nun in der Kryoskopie Mittel an
die Hand gegeben, um über den Zustand der anderen Niere in viel
bequemerer Weise zu urtheilen. Es ist das Verdienst von Koranyi,
gezeigt zu haben, dass die Bestimmung der moleculären Concentration,
d. h. die derselben entsprechenden Gefrierpunkte, für Blut und Urin
sicheren Aufschluss giebt über die Functionstüchtigkeit der Niere.
Lendengegend. 275
Wenn der Gefrierpunkt des Blutes (normal — 0,56) nicht unter — 0,58
herabsinkt, so ist die moleculäre Concentration des Blutes nicht abnorm,
die Producte der Eiweissumsetzung werden in genügender Weise daraus
ausgeschieden, wie die Untersuchungen von Casper, Kümmel u. A.
gezeigt haben. Steht der Gefrierpunkt des Urins nicht höher als — 0,9
(normal — 1,0 bis — 2,0), so enthält er genügend organische mole-
culäre Bestandtheile, um die Ausscheidung aus der Niere als genügend
anzusehen. Eine gesunde Niere functionirt sofort ebenso gut, wie
beide. Um über die Nieren einzeln Aufschluss zu erhalten, kann
man den Ureterenkatheterismus mit zu Hülfe nehmen, welchen man
möglichst auf die kranke Seite beschränkt.
Die Entfernung der Niere wird je nach Erkrankung so ausgeführt,
dass nach sorgfältiger Ligatur aller an die Kapsel herantretenden
grösseren Gefässe, wenn möglich, die Niere in toto luxirt und mit
der Kropfsonde die Gebilde des Hilus sorgfältig isolirt werden. Man
kann selbst faustgrosse Tumoren nach hinten luxiren. Der Ureter,
der nach unten liegt, wird zuletzt ligirt, und zuerst Arteria und Vena
renalis mit der Aneurysmanadel umgangen und mit mehrfachen Seiden-
fäden kräftig umschnürt.
Wo Eiterung besteht oder Infectionsprocesse vorhanden sind (wie
Tuberculose), ist es besser, Catgut zu benutzen. Hängt die Niere
bloss noch am Ureter, so wird dieser doppelt unterbunden und mit
dem Thermocauter getrennt, sobald er infectiöse Stoffe enthalten
könnte. In letzterem Falle wird er in die Wunde eingenäht, wenn er
nicht in toto exstirpirt werden kann. Man kann zumal bei Tuber-
culose mit grossem Nutzen Jodoformöl durch den eingenähten Ureter
in die Blase spritzen und so auf die so oft schon vorhandene secundäre
C3^stitis günstig einwirken. Besser ist die Excision des Ureter. Wir
haben sehr schöne Heilungen auf diese Weise erzielt. Die Wunde
wird geschlossen und für 24 Stunden zwei kurze Glasdrains eingelegt.
Bei sehr grossen Nierentumoren kommt man mit dem
Lumbaischnitt nicht zu Rande. Da muss man sich des sehr empfehlens-
werthen BERGMANN'schen vorderen Schrägschnittes bedienen. Der-
selbe geht von der Spitze der 12. (man muss ihn oft an der
Spitze der 1 1 . oder noch weiter vorne am Rippenrand beginnen)
bis zum mittleren Drittel des Lig. Pouparti. Dieser Schnitt ist
auch der richtige, wenn die Niere nach unten dislocirt ist, oder wenn
man die Excision des Ureter gleichzeitig in Aussicht nehmen muss.
Man trennt in der Richtung der Fasern des Muse, obliquus
externus diesen Muskel, geht aber nicht mit demselben Schnitt durch
die zweite Schichte, den Muse, obliquus internus durch, sondern
trennt dessen Fasern stumpf mittelst Kropfsonde und zieht sie dann
sammt versorgenden Nerven mit breiten stumpfen Haken kräftig aus-
einander. Dasselbe geschieht mit den Muskelfasern des Transversus.
18*
276 Specielle Operationslehre.
Nach Spaltung der Fascia transversa wird das Peritoneum lateral
vom Colon freigelegt und mit den Fingern bis gegen die Wirbel-
säule von der hinteren Bauchwand abgehoben.
Bei dessen Abhebung wird mit dem Colon auch der Ureter
emporgehoben , kann aber gut erkannt und aufwärts bis zum
Nierenbecken, abwärts bis in die Fossa iliaca interna verfolgt
werden. Aufwärts kann man die Niere aus der Fett- und fibrösen
Kapsel auslösen. Es ist auch bei Tumoren wichtig, die Kapsel exact
abzuheben, da jene sonst gar nicht herauszuheben sind. Bei starkem
Fettreichthum der Nierenkapsel ist die Lösung oft ziemlich blutig,
auch nach Ablösung der fibrösen Propria muss man der Blutung
wegen oft momentan tamponiren und einige Augenblicke warten.
Oft ist man froh, nach Luxation des Tumors an den Stiel eine
Gesammtligatur anlegen zu können, da der Raum zu beschränkt ist,
um die einzelnen Gebilde zu isoliren.
114) Excision der Nebenniere.
Man hat in neuester Zeit sogar die Excision der Neben-
niere ausgeführt behufs Heilung des Morbus Addisonii. Hadra
und OESTREICH haben wegen vermeintlicher bösartiger retroperi-
tonealer Geschwulst die Laparotomie gemacht zwischen Nabel- und
Schwertfortsatz, zwischen Leber und Magen das Omentum minus
gespalten und die hühn er ei grosse , pulsirende Geschwulst von der
Aorta abgelöst. Sie erwies sich als tuberculöse Nebenniere. Heilung
unter Tamponade. Die Addison-Beschwerden (hochgradige Schwäche,
Abmagerung und heftige Magenschmerzen) verschwanden, vollständige
Broncefärbung hatte gefehlt.
115) Ureterotomie und Ureterektomie.
a) Ureterotomia anterior.
Man benutzt den BERGMANN'schen Lateralschnitt, d. h. einen
Schnitt wie zur Ligatur der A. iliaca communis. Wir haben von
hier aus bei Tuberculöse des Ureter, welche durch Vaginalpalpation
diagnosticirt worden war, die Excision gemacht. Bogenschnitt drei
Finger breit über den zwei lateralen Dritteln des Lig. Pouparti und
am lateralen Ende senkrecht aufwärts bis zum Rippenrand, ganz wie
zur Freilegung der Arteria iliaca communis. Haut, Fascia super-
ficialis, Fascia obliqui externi werden durchschnitten. Soweit im
senkrechten Theil des Schnittes der M. obliquus externus noch muscu-
lös ist, wird derselbe sowie die beiden inneren Muskeln, zumal der
starke M. obliquus internus mit Sonde stumpf getrennt und die Muskel-
fasern mit stumpfen Haken kräftig auseinander gezogen.
Die Fascia transversa wird getrennt und ohne Durchschneidung
des Peritoneums dieses von der Fossa iliaca interna bis zum
Abdomen. 277
Psoas abgehoben. Das ist leicht, wenn keine abnormen Ver-
wachsungen bestehen. Nervus cutaneus femoris ext. bleibt auf dem
Muse, iliacus und die Vasa iliaca auf dem Psoas liegen. Der Ureter,
welcher sich mit dem Bauchfell abhebt, ist gut kenntlich da, wo er
über die Vorderfläche der Arteria iliaca in charakteristischem Verlauf
ins kleine Becken gegen den Seitenrand des Blasengrundes herunter-
geht. Aufwärts ist er noch leichter zu verfolgen, lateral von der
Wirbelsäule. Da man den Ureter durch diese Methode von der
Niere bis zur Blase zugänglich machen kann und, wie wir in dem
oben erwähnten Falle gethan haben, zugleich die Niere, wenn nöthig,
mitexcidiren kann, so ist für diffuse Erkrankungen dieses Vorgehen
nach Bergmann das beste; es erlaubt eine wirkliche Excision des
Ureter in ganzer Länge. Aber auch für die blosse Incision, z. B. behufs
Entfernung eines eingekeilten Steines, dessen Stelle sich nicht sicher
bestimmen lässt, giebt die Ureterotomia anterior den besten Zugang.
b) Ureterotomia posterior.
Der oberste Theil des Ureter kann auch zugänglich gemacht
werden durch den für Nephrotomie angegebenen Lumbaischnitt
(s. Fig. 83), bloss erscheint es zweckmässig, denselben von vorne-
herein etwas steiler anzulegen.
c) Ureterotomia inferior.
Der unterste Theil des Ureter in der Nähe seiner Blasen-
einmündung kann durch den parasacralen Schnitt, wie für die Excisio
recti zu schildern ist, freigelegt werden. Er kann aber auch vom
Damm aus nach dem später zu beschreibenden prärectalen Bogen-
schnitt zur Ereilegung von Prostata und Blasengrund oder mittelst
PvOUX's paramedianen Sagittalschnittes zugänglich gemacht werden.
116) Splenektomie.
In ganz analoger Weise wie' die Niere kann mit Verlängerung
des Schnittes nach vorne auf der linken Seite die Milz freigelegt
werden, Wir geben keine ausführliche Beschreibung, da die Ope-
rationsmethode zu sehr von den individuellen Verhältnissen des Krank-
heitsfalles, speciell von Grösse und Art der Tumoren beeinflusst wird.
0. Abdomen.
Cöliotomie (Laparotomie).
117) Indicationen und Bedingungen ihres Erfolges.
Die Operationen am Abdomen sind das eigentliche Glanzgebiet
der operativen Chirurgie geworden. Es ist kein Organ im Unter-
leibe mehr, welches nicht chirurgischer Therapie zugänglich wäre.
Wo zuwartende Behandlung bei acuten Affectionen (Ileus, Ent-
2jS Specielle Operationslehre.
Zündungen etc.) Gefahr bringt oder chronische Leiden heraufbeschwört,
vermag ein frühzeitiger chirurgischer Eingriff das Leben zu retten
und rasche Heilung zu bewirken. Wo bei chronischen Leiden Mo-
nate verfiiessen, bis medicamentöse Behandlung zu einem Erfolg führt,
werden durch eine Operation die Beschwerden mit einem Schlag
beseitigt (Adhäsionen, Magendilatation, Cholelithiasis).
Es wäre gut, wenn bald der Zeitpunkt käme, wo jeder prak-
tische Arzt von der fast absoluten Gefahrlosigkeit
einer operativen Eröffnung der Bauchhöhle durch einen
geübten Chirurgen bei einem sonst gesunden Individuum durchdrungen
wäre. Dann würde einmal der Jammer aufhören, dass die Ileusfälle erst
operirt werden können, wenn Darmulcerationen eingetreten sind, und
dass die Magen- und Darmkrebse erst chirurgischer Behandlung zu-
kommen, wenn zahlreiche Drüsen eine Radicaloperation unmöglich
machen. Wir wünschen keineswegs, dass die Praxis der dia-
gnostischen Explorativ-Laparotomie noch erweitert würde. Es giebt
schon zur Stunde zumal in der jungen Generation genug Aerzte,
die sich die Qual einer genauen Diagnosestellung schenken, um sich
durch Aufschneiden des Leibes Aufschluss über Indication oder
Contraindication einer Operation zu verschaffen.
Aber wo es sich darum handelt, eine sichere Gefahr für das
Leben abzuwenden, auch wo noch keine ins einzelne gehende
Diagnose gemacht ist, wie in allen Fällen von Ileus; wo Ver-
dacht auf maligne Neubildung des Magens oder Darmes besteht mit
sicherer Aussicht, die radicale Heilung durch Zuwarten zu ver-
unmöglichen , da sollte beim gegenwärtigen Stande der Bauch-
chirurgie einmal der strafbare Schlendrian aufhören, Kranke monate-
lang hinzuschleppen mit medicamentöser Behandlung, ohne dass man
irgend eine wesentliche Besserung zu verzeichnen oder die ge-
ringste Sicherheit hat, dem Patienten einen glücklichen Ausgang auf
nichtoperativem Wege verbürgen zu können. Es ist nicht nöthig,
dass alle Praktiker chirurgisch handeln, aber durchaus erforderlich,
dass sie chirurgisch denken lernen. Richtiges chirurgisches Denken
führt zu klaren Indurationen und energischen Entschlüssen.
So sehr man früher die Eröffnung der Peritonealhöhle ge-
fürchtet hat wegen Eintrittes von Entzündung, so klar ist es durch
die Erfahrungen der neuesten Zeit geworden, dass das Peritoneum
eine viel grössere Toleranz für Infection besitzt, als die Mehrzahl
anderer Gewebe, solange es gesund ist. Wenn der Chirurg sieht,
dass bei Verletzungen und Prolops von Darmconvoluten diese stunden-
lang zum Leib heraushängen können, und doch eine ganz glatte
Heilung erzielt wird, so verliert man den Schrecken vor Eröffnung
der Bauchhöhle bei sonst gesundem Körper, selbst wenn der Ein-
griff eine Evisceration der Därme mit sich führt. Bei Contu-
Abdomen.
279
sionen des Abdomen und perforirenden Bauchverletzungen, bei Ileus
ist die frühe Laparotomie und Evisceration oft die beste und rascheste
Methode zur Heilung-, solange sie noch bei der Hauptausdehnung
gesundem Peritoneum gemacht werden kann.
Entschiedene Gefahr zur Eröffnung der Bauchhöhle tritt erst
von dem Augenblick an ein, wo diffuse, infectiöse Erkrankung des
Peritoneum Platz gegriffen hat oder die übrigen Organe des Körpers
in Mitleidenschaft gezog-en sind durch toxische Einflüsse. Viel
zu häufig noch sieht sich der Chirurg zur Stunde in die Noth-
wendigkeit versetzt, bei bestehender diffuser Peritonitis zu operiren
in Fällen, wo dieselbe durch frühzeitigen Eingriff hätte vermieden
werden können. Dass man freilich auch dann noch operiren muss,
ist zweifellos, aber die mangelhaften Erfolge derartiger Eingriffe
dürfen im Geringsten nicht einen Maassstab für die sonstigen Erfolge
und Indicationen der Laparotomie abgeben, sondern müssen ganz
für sich betrachtet werden. Wie man hier am besten vorgeht, um
ein verlorenes Leben zu retten, ist unten kurz angedeutet.
Hier sollen einige Geheimnisse glücklichen Erfolges
bei Laparotomie besprochen werden.
1) Richtige Lagerung des Patienten. Dieselbe ist für
Operationen im Bereich des Hypogastrium und Beckens mittelst
Lrendelenburg's Schräglagerung leicht zu beschaffen. Im Bereich
des Epigastrium und Mesogastrium dagegen hilft dieselbe nichts, und
die umgekehrte Lage ist der Narkose wegen nicht zulässig. Da ist die
locale Hochlagerung durch Hochhebung des Rückens an be-
schränkter Stelle ein grosses Erleichterungsmittel (bei Magen-, Gallen-
blasen-, Nierenoperationen). Ferner ist die Lagerung auf einen Wärme-
tisch zur Warmhaltung des Körpers x) wesentlich.
2) In allen Fällen, wo man nicht sicher ist, das zu operirende
Organ mit Leichtigkeit aus der Bauchhöhle herausziehen zu können,
wie dies mit beweglichen Appendix, Ovarialtumoren, beweglichen
Darmtumoren und Gallenblasentumoren etc. der Fall ist, soll man die
Incision gross genug anlegen.
3) Sobald die Bauchhöhle eröffnet ist, soll man die gesunden
Abschnitte des Bauchfelles und die gesunden Organe abschliessen
gegen die erkrankten Theile, an welchen die Operation auszuführen
ist. Dies geschieht durch Absperrungstamponade. Die
Einführung von sterilen warmen, in 8 %0 Kochsalzlösung ausge-
drückten weichen Gazecompressen durch eine genügend grosse
äussere Wunde sichert durch Isolirung des Operationsfeldes,
1) Henle hat durch seine mit grossen Zahlen gestützte Statistik gezeigt,
wie häufig nach Laparotomie Pneumonie auftritt, und kommt zu dem Schluss,
dass Abkühlung bei der Operation und das Vorhandensein kleiner Infections-
herde Hauptursachen seien.
280 Specielle Operationslehre.
namentlich wenn dieses ein septisches ist, gegen jeden Schaden des
Einfliessens von Magendarminhalt, Galle, Urin, Exsudaten.
4) Vermeidung jeden Antisepticums und jeder Schädi-
gung des Peritoneum durch Abkühlung und Austrocknung. Es ist
kein geringes Verdienst von TA'VEL und seinen Schülern, im Ein-
zelnen die Natur dieser Schädigungen experimentell nachgewiesen
und deren Verhütung möglich gemacht zu haben. Wir haben auf
Grund dieser Untersuchungen wohl am frühesten principiell bei
Laparotomien bloss physiologische körperwarme Koch-
salzlösung benutzt und alle freigelegten Peritonealflächen dauernd
feucht und warm gehalten durch Auflegen von Compressen und
Kautschukpapier darüber oder durch Irrigation.
5) Vollkommene Entfernung j edes Inf ection sherdes1)
oder Drainage desselben mit Absperrungstamponade in der von
Mikulicz empfohlenen Form mittelst Einführung von Gazestreifen,
welche mit einem Dauerantisepticum imprägnirt sind. Da Jodoform im
Peritoneum zu toxisch wirkt, so ist Xeroform oder ein anderes un-
giftiges Dauerantisepticum vorzuziehen.
6) Verhütung jeder Ansammlung von Blut und Wundsecret
durch sorgfältigste Blutstillung, wenn sie noch so lange
dauert und durch Bedeckung jeder wunden Fläche am
Peritoneum durch Uebernaht. Das ist eine äusserst wichtige
Indication, deren principielle Berücksichtigung beispielsweise erst die
intraperitoneale Versorgung eines Uterusstumpfes zu einer gefahr-
losen gestaltet hat.
Tietze hat durch sehr schöne Experimente gezeigt, dass man
namentlich das Netz zu sicherer Deckung von Nekrosen der
Magen- und Darmwand benutzen kann, wie Braun und Bennet
selbst Defecte der Magenwand bloss durch Netz in Folge verläss-
licher Verklebung mit der umgebenden Serosa und Epithelisirung
der Innenfläche von der Seite her verschliessen konnten.
7) Genauer Schluss jeden Schnittes oder Risses im
Peritoneum und völliger Schluss der Incisionswunde in allen Fällen,
wo es sich nicht um Ableitung infectiöser Flüssigkeiten handelt.
118) Schnittanlage und Nahtmethode bei Laparotomie.
Als Normalschnitte am Abdomen können bloss die Median-
schnitte und oben die queren, unten die schräg median abwärtsgehenden
Seitenschnitte anerkannt werden, welche die Muskeln der Bauch-
wand, d. h. ihre Nerven Versorgung nicht schädigen nach dem
Princip, welches wir schon früher für alle Normalschnitte am Körper
aufgestellt haben. Man kann dieselben auch sehr wohl combiniren,
indem man z. B. bei Splenektomie und für Carcinoma am untersten
1) Siehe Anmerkung auf voriger Seite.
Abdomen. 281
Theil der Flexur zu dem Medianschnitt einen ergiebigen Querschnitt
hinzufügt. Assmy hat auf Czerny's Anregung hin gezeigt, dass
bei extramedianen Längsschnitten, welche von vielen Chirurgen be-
vorzugt werden, Atrophie des medialen Theiles des Rectus eintritt,
wenn dessen motorische Nerven Versorgung geschädigt wird.
Warum sucht man nun immer und immer wieder Ersatz für
die Medianschnitte? Der Hauptgrund ist, dass man sie als vor-
züglich zu Bauchbrüchen disponirend ansieht, ein Nebengrund sind
kosmetische Rücksichten. Da jetzt so überaus häufig (zumal gynä-
kologisch) laparotomirt wird, so wünscht man auch am Abdomen
die Narben zu verdecken. Pfannenstiel hat beide Nachtheile zu
vermeiden gesucht für Fälle, wo kein grosser Schnitt nöthig ist,
durch den „suprasymphysären Fascienquerschnitt".
Er schneidet im Bereich der Pubes so, dass durch die Haare
die Narbe versteckt wird, in ähnlicher Weise, wie es von den
Chirurgen für den Blasenschnitt schon länger geübt worden ist.
Aber den Hauptwerth seines Verfahrens legt er darauf, dass er nicht
bloss die Haut und oberflächliche Fascie quer durchschneidet, sondern
auch die Muskelfascien mit ihrer medianen Verfilzung in der Linea
alba. Pfannenstiel macht aufmerksam, dass abwärts von der Linea
semicircularis Douglasii die Fascien aller 3 Bauchmuskeln sich vor
dem Rectus vereinigen und hinter demselben bloss die Fascia trans-
versa bleibt. Es lässt sich daher hier diese „Linea alba" der Fascien
lappenförmig mit den seitlichen Parthien nach aufwärts los-
präpariren. Dann erst wird zwischen den Recti abdominis und durch
Fascia transversa und Peritoneum median eingegangen und der Bauch
geöffnet. Die abgelöste Fascie wird nachträglich wieder über der
Symphyse festgenäht, bildet also Schutz gegen Hernien.
Die Frage der Bauchbrüche hängt auf engste mit der Asepsis
und mit der Fadenfrage ins Besondere zusammen. Wer keine ver-
senkten Faden benutzen darf ohne die Sorge , Fadeneiterungen
zu bekommen, wie JONNESCO, der bedarf allerdings besonderer
Maassnahmen, um bei Wegnahme der temporären Suturen der
Narbenstelle besondere Festigkeit zu verleihen. Aber man kann
noch weitergehen. Wer sich nicht auf die Höhe der Benutzung
dauernder Faden erheben kann, sondern bei resorbirbarem Catgut
bleiben muss für versenkte Nähte, der kann niemals hoffen, so
soliden Schluss einer Wunde zu erzielen, wie mit einer dauernd
liegenbleibenden, organisch einheilenden, nicht resorbirbaren Naht.
Wir benutzen stets die Seidenfaden zur Naht, soweit derselben
eine mechanische Aufgabe dauernder Art zufällt. Für das Peritoneum
mag das indifferent erscheinen, da ja dasselbe rasch und leicht verklebt
und verwächst, und man könnte geltend machen, dass bleibende Fremd-
körper nachweislich eher zu Adhäsionsbildungen Anlass geben. Man
2Ü2
Specielle Operationslehre.
mag also für eine isolierte Naht des Peritoneum Seide oder
Catgut benutzen. Unter dem Nabel können wir es nicht für zweck-
mässig halten, das Peritoneum allein zu nähen, da soll man stets die
tiefe Fascie (transversa) auch gleich mitfassen, weil diese keine Extra-
naht werth ist. Im Bereich des Nabels ist das Peritoneum so innig
mit der Linea alba und Umgebung der Nabelnarbe zusammenhängend,
dass es besser mit der Fascie der Linea alba gemeinsam in die
Naht gefasst wird.
In letzterem Falle und stets wenn man die Fascie, welche die
Hauptstütze der Bauchwand gegen Hernien bildet, für sich näht,
muss man Dauerfaden benutzen, also Seide oder Metall. Die Metall-
fäden sind den meisten Menschen auf die Dauer sehr unangenehm,
obschon Witzel und nach ihm Goepel sogar Silberdrahtnetze
versenkt und zur Verstärkung von Nahtstellen benutzt haben. Selbst
der vorzügliche Broncealuminiumdraht von Socin x) verursacht recht
unangenehme Fremdkörpergefühle. Es kommt also bloss noch die
Seide in Frage.
Ich muss es entschieden in Abrede stellen, dass selbst voll-
kommen sterile Seide keine Garantie gebe gegen nachträgliche
Fadeneiterung. Die Schwierigkeit besteht vielmehr darin, sterilisirte
Seide auch steril zu erhalten, bis die Wunde geschlossen resp. ge-
heilt ist. Sie wird zu leicht durch Hände, Haut des Kranken und
Wundbakterien secundär wieder inficirt, und dann giebt sie allerdings
Nahteiterung, sonst aber durchaus nicht. Wir haben bei der Wund-
behandlung auseinander gesetzt, warum wir bloss antiseptische
Seide benutzen. Diese genügt, um bei guter fortlaufender Naht
auch beim Schnitt in der Linea alba späteres Klaffen und Hernien-
bildung zu verhüten. Bei unvollständiger Naht, sowie bei Eiterung
kann man überhaupt niemals sicher sein, keinen Bauchbruch zu er-
zielen, eher sicher des Gegen theils.
Trotz dieses entschiedenen Standpunktes, welcher die Frage des
besten Bauchschnittes wesentlich vereinfacht, halten wir die Be-
strebungen für gerechtfertigt, der Nahtlinie vermehrte Festigkeit zu
verleihen. Ein recht gutes Verfahren ist der Schnitt durch die
Scheide des einen Rectus. Nicht die Spaltung des Rectus,
die Howitz vorgeschlagen hat, welche den medialen Theil nothwendig,
weil von seinen motorischen Nerven abgeschnitten, zur Atrophie bringt,
sondern die von Lennander besonders gepflegten und auch von
Wolkowitsch empfohlene Methode ist darunter verstanden, die vordere
Rectusscheide zu spalten, den Rectus in toto lateralwärts zu ziehen
und dann durch die hintere Scheide hindurch ins Abdomen einzu-
dringen. Diese hintere Scheide ist im unteren Theil des Abdomen dünn
i) Pfannenstiel lässt denselben von den „Franzosen" erfunden sein. Socin
hat denselben mit HÄGLEE in die Praxis eingeführt.
Abdomen. 283
und wenig resistent. Nachdem die Operation beendigt ist, wird die
hintere Scheide für sich vernäht, der Rectus an seinen Platz gebracht,
event. medial angenäht, dann die vordere Scheide für sich vernäht.
Mit der Verschiebung des Rectus sind wir auf diejenige Methode
gekommen, welche den Kernpunkt der Verstärkungsfrage bildet,
nämlich die musculöse Verstärkung der Nahtstelle durch
Muskeln, deren Nerven nicht geschädigt sind. Wir haben schon bei
der Schnittführung im Allgemeinen auf diesen Fortschritt aufmerksam
gemacht, welcher darin besteht, dass man die Muskeln gar nicht durch-
schneidet, auch wenn der Schnitt quer zu ihrer Faserung verläuft,
sondern bloss stumpf in der Richtung ihrer Fasern trennt und kräftig
auseinander schiebt. Auf diese Weise vermeidet man sicher eine
Verletzung der Nerven und braucht nicht Schnitte zu machen, welche
dem Verlauf gewisser Muskeln entgegengesetzt sind. Man kann den
Muse, obliquus internus und transversus bei einem dem Obliquus
externus parallelen Schnitt soweit auseinanderziehen, dass man ein
sehr grosses Stück des Peritoneum freilegt. So kann man auch
schräg median aufsteigende und paramediane senkrechte Schnitte
anlegen. Lennander bevorzugt für leichtere Fälle von Appen-
dicitisoperation den senkrechten Schnitt durch die Rectusscheide und
zieht die zuleitenden Nerven auf und abwärts und den lateralen
Rectusrand medialwärts.
Wir halten den LENNANDER'schen Schnitt für besonders ange-
zeigt an Stelle des Medianschnittes bei starker Diastase der Recti, wo
man übrigens auch die Muskeln durch mediane Naht annähern sollte.
Carl Beck hat diese musculäre Verstärkung der Bauchwand
bei seitlichen Bauchbrüchen auch plastisch benutzt, indem er den
Muse, rectus frontal spaltet und die vordere Hälfte als Thürflügel
mit lateraler Drehangellinie bei erhaltenen Nerven nach der Seite
klappt in den Defect hinein.
Wenn Minxewitsch Recht hat, dass eine Massennaht besseren
Verschluss giebt, als eine Schichtennaht (vulgo Etagennaht), so dürfte
man einer von Pozzi vorgeschlagenen, von Depage empfohlenen,
übrigens oft benutzten Methode Berücksichtigung schenken, welche
die Vortheile beider Verfahren verbindet und für Catgutfreunde be-
sonders empfehlenswerth sein dürfte. Man legt die Peritonealnaht
(resp. Peritoneal- Tieffasciennaht, s. oben) für sich an, danach mit Silber
oder Broncealuminium durch die ganze Dicke der übrigen Bauchwand
tiefgreifende Nähte , um sie erst zu knüpfen , nachdem man die
Hauptfascie (Linea alba) durch eine besondere Naht solide ver-
einigt hat mit versenkten Faden. Minxewitsch spricht im Uebrigen
unserer oben empfohlenen Methode das Wort, indem er den Ver-
schluss am besten findet bei Incision in der Linea alba und bei
Naht mit Seide.
284 Specielle Operationslehre.
119) Laparotomie bei Peritonitis.
Bei Bildung eines klinisch nachweislichen Exsudates im Peri-
toneum ist der einzig sichere Weg, um Weit er Verbreitung des ent-
zündlichen Ergusses zu verhüten, die rechtzeitige Incision 1). Behufs
derselben ist kein Grund, anders als unter Benutzung der Normal-
schnitte und der W. BüRNEY'schen stumpfen Auseinanderdrän gung
der Muskeln in die Tiefe zu dringen. Bei allen abgekapselten
Abscessen sowohl mit flüssigem Inhalt als bei freiem entzündlichen
Erguss kann auf diese Weise von einem relativ kleinen Schnitt aus
eine gründliche und mittelst Drainage ' dauernde Entleerung ge-
schaffen werden.
Die Schwierigkeit der Behandlung der Peritonitis beginnt erst
da, wo sich zahlreiche kleinere oder grössere Abscesse durch fibri-
nöse Verklebungen an den verschiedensten Stellen des Peritoneal-
raumes angesammelt haben. Man hat zweifellos viele Fälle glück-
licher Heilungen von angeblicher Peritonitis diffusa beschrieben,
welche nicht in dem Sinne diffus waren, dass der ganze Peritonealraum
bis ans Zwerchfell heran in Mitleidenschaft gezogen war, sondern
welche bloss einen grossen Abschnitt einnehmende abgekapselte Ent-
zündungen darstellten.
Es giebt nur einen sicheren Weg, jene diffusen Formen mit zahl-
reichen abgekapselten Herden zu behandeln, das ist der prophylaktische.
Wer principiell jede beginnende Entzündung nach chirurgischen Regeln
behandelt, d. h. eröffnet und die Infectionsstoffe entfernt, der wird
allein verhüten können, dass einerseits umschriebene Abscesse durch
Weiterkriechen der Infectionsstoffe oder durch Perforation zu der
diffus multiplen Abscedirung führen und andererseits verhindern, dass
eine a priori diffuse Peritonitis mit flüssigem Exsudat durch fibrinöse
Ausschwitzung zu multiplen Eiterherden führt. In der Hinsicht haben
die Anhänger der sofortigen Operation bei frischer Perforations-
appendicitis unbedingt Recht. Denn wer nicht zu sofortigem Eingriff
sich entschliesst, muss bei zuwartender Behandlung einen bestimmten
Procentsatz seiner Fälle an Peritonitis zu Grunde gehen sehen. Wer
mit Bernays, Rehn u. A. sofort incidirt und die Infectionsquelle
beseitigt, wird freilich nicht jeden Todesfall verhüten, aber es ist
namentlich von Bernays der Beweis geliefert worden, dass die Re-
sultate, alle Fälle eingerechnet, besser sind als bei zuwartender
Behandlung.
1) Fowler empfiehlt als ein sehr wirksames Mittel zur Verhütung der
Ausbreitung einer Peritonitis nach den oberen Abdominalpartien die Schräg-
lagerung des Körpers mit erhöhtem Oberkörper. Dass diese Lagerung von
Bedeutung ist, das lehren die Erfahrungen der Gynäkologen mit vaginaler
Uterusexstirpation, wo trotz oft bloss halber Asepsis Dank der guten Lagerungs-
drainage gute Resultate erzielt werden.
Abdomen.
285
Bei a priori diffuser Peritonitis mit flüssigem Exsudat ist nach
Beseitigung der Ursache der Medianschnitt mit gründlicher event.
länger dauernder Irrigation der Peritonealhöhle mit körperwarmer
physiologischer Kochsalzlösung ein gerechtfertigtes Vorgehen.
Gegen diffuse Peritonitis mit multiplen abgekapselten Abscessen
nicht nur zwischen den Därmen, sondern auch zwischen Leber, Milz
und Zwerchfell ist ebenfalls nur ein sehr langer Laparotomieschnitt
indicirt, welcher sämmtliche Abscesse zugänglich macht. Allein die
Gefahr solcher langen Schnitte ist der begleitende Shok, welcher
reflectorisch durch Schädigung des tryperästhetischen Peritoneum das
Vasomotorencentrum hemmt oder lähmt und durch directe Einwirkung
auf die Abdominalgefässe die venöse Hyperämie im Abdomen und
damit die secundäre Anämie des Gehirns vermehrt.
Zur Verhütung des Shok ist die Schräglagerung des Körpers ein
wesentlicher Factor, ein zweiter ist die Benutzung genau temperirter
physiologischer Kochsalzlösung für das Abspülen der Eingeweide, ein
dritter die Benutzung von Narcotica 1). Man pflegt bei Shok die
Narkose zu fürchten, weil auch Aether, aber besonders Chloroform
in letzter Linie zur Lähmung des Vasomotorencentrums führen,
allein die Belege mehren sich, dass man gerade Shokwirkung durch
Anästhesirung am besten verhütet. Dafür sprechen Beobachtungen
von Cushing (Injection von Cocain in Nervenstämme vor deren
Durchschneidung), von Cirle u. A. Es ist angezeigt, zunächst eine
genügende Morphiuminjection voranzuschicken, da dieses am wenigsten
Wirkung auf die Circulation hat und eine Narkose mit bestimmt
verdünntem Aethergemisch (nach Braun) darauf folgen zu lassen.
Wie weit sehr verdünnte Cocainbespinselung vertragen werden dürfte
in den dünnsten SCHLEiCH'schen Lösungen, bleibt dahingestellt.
Wichtig erscheint, bei Peritonitiden auch die Därme durch An-
legung einer Oeffnung oben und unten gehörig durch Ausspülung
zu entleeren, um intestinale Resorption toxischer Stoffe zu beseitigen,
und durch Magnesia sulfurica für deren Leerhaltung zu sorgen, ferner
nach der Operation die Hyperämie der Abdominalorgane durch ge-
eignete Lagerung, Eisapplication und Compression des Abdomen
möglichst zu reduciren.
Eine Hauptsache bei der Behandlung der Peritonitis ist die Ab-
leitung der Entzündungsproducte resp. Infectionsstoffe. In dieser
Hinsicht darf man nicht, wie gewöhnlich geschieht, sich mit Einlegen
einer einzigen Drainröhre begnügen, sondern muss sämmtliche Eiter-
höhlen eröffnen und drainiren. Thut man dies, so kommt man auch
bei diffus -multiplen Eiteransammlungen mit multiplen kleineren In-
I) Laut einem Privatbriefe ist es ClRLE gelungen, den Shok in sehr zu-
verlässiger Weise zu bekämpfen durch Compression.
286 Specielle Operationslehre.
cisionen ohne Spülung aus und vermeidet so die Shokwirkung viel
leichter.
120) Laparotomie bei Bauchfelltuberculose.
Bei Tuberculose des Bauchfells darf man in der Medianlinie
einen gehörigen Schnitt machen, da hier die Shokwirkung entfernt
nicht die Rolle spielt, wie bei acut entzündlichen Vorgängen. Wenn
die Operation einen Sinn haben soll, so darf sie nicht bloss das
flüssige Exsudat entleeren, sondern muss Platz genug schaffen, um
käsige Herde auszuräumen, und vor Allem den Ausgangspunkt zu
bestimmen und die betreffenden Organe (beim weiblichen Geschlecht
sehr oft die Tuben) zu entfernen. Unter dieser Bedingung giebt die
operative Behandlung der Tuberculose des Bauchfells oft unerwartet
günstige Resultate. Dr. Lauper hat die Resultate unserer Opera-
tionen mitgetheilt.
iai) Laparotomie zur Omento- und Splenopexie bei
Ascites (DRUMMOND-MORRisON-TALMA'sche Operation).
Soweit Ascites durch Behinderung des venösen Rückflusses des
Blutes durch die Pfortader veranlasst ist, kann derselbe geheilt
werden durch Schaffung neuer Seitenbahnen für die zur Vena portae
führenden Venenstämme. Tilmann hat der Operation die experimen-
telle Begründung gegeben.
Die Operation besteht in medianer Incision, Entleerung des
Ascites und zwar dauernd durch Drainage, bis keine oder wenig
Flüssigkeit mehr abfliesst, und Fixation des Netzes, der Milz oder
der Leber an oder in der Bauchwand. Die Peritonealflächen, welche
man zur Verwachsung bringen will, werden kräftig abgerieben oder
abgeschabt and durch Naht der Leberrand und das Netz oder bloss
letzteres oder die Milz an die Bauchwand festgenäht. Oder die Milz
wird in eine Tasche zwischen die Schichten der Bauch wand ge-
schoben, event. auch das Netz.
Wenn auch die Resultate der Operation sich noch auf eine ge-
ringe Anzahl von Fällen beschränken und Misserfolge ebenfalls ver-
zeichnet sind, so ist doch durch Autopsie erwiesen, dass sich in den
Adhäsionen sehr starke Gefässe bis zur Grösse einer Radialarterie
entwickeln können. Man vergleiche die Arbeit von Friedmann im
Centralblatt für die Grenzgebiete.
122) Laparotomie bei Peritonealadhäsionen.
Lauenstein hat mit besonderem Nachdruck darauf hingewiesen,
welche guten Resultate in Fällen von heftigen Schmerzen und
Schmerzanfällen im Bereich des Verdauungstractus man oft erzielen
Abdomen. 287
kann, wenn man nichts thut, als von einer Laparotomiewunde aus
Adhäsionen zu lösen, welche die Eingeweide nach bestimmten Stellen
der Bauchwand fixiren, knicken oder zusammenschnüren. Die Indi-
cation ist noch nicht in ihrer ganzen Bedeutung gewürdigt. Die
Resultate der Operation sind oft schlagend und unmittelbar, und
jahrelange Leiden können damit beseitigt werden.
Wir haben vor ganz kurzer Zeit bei einer Patientin, welche
heftige Schmerzanfälle hatte bis zum Collaps, so dass man wegen
früherer Ulcusanamnese an eine Perforation dachte, durch Lapa-
rotomie und Trennung einer starken Verwachsung nach der seit-
lichen Bauch wand sämmtliche Beschwerden sofort beseitigt; die-
selben waren so stark, dass Patientin sich fürchtete, etwas zu sich zu
nehmen, so dass sie sehr stark herunter gekommen war.
Allgemeine Vorschriften für die Operationsmethode lassen sich
nicht aufstellen : Die Adhäsionen müssen gründlich getrennt werden,
um den Eingeweiden völlig freie Bewegung zu sichern, und wenn
thunlich, müssen breitere Wundflächen mit normalem Peritoneum
überpflanzt werden. Wenn es richtig ist, dass Seidenfaden als
bleibende Fremdkörper eher zur Adhäsionsbildung Anlass geben,
so wäre leicht resorbirbarem Catgut der Vorzug zu geben.
123) Die Operationen am Magendarmcanal.
Sobald man bei einer Operation den Magendarmcanal eröffnen
muss, so hat man septischen Einflüssen das Thor geöffnet, da der
Magendarminhalt unter normalen Verhältnissen noch in viel reicherem
Maasse Bakterienflora beherbergt, als solche auf der äusseren Haut
vegetirt. Es ist deshalb das Bestreben, die Gefahr einer Infection des
Peritonealraumes vom Darmlumen zu verhüten oder auf möglichst ge-
ringes Maass zu beschränken, eine erste Aufgabe. Die Mittel, durch
welche man sich zu schützen suchte, sind sehr verschiedener Art
und können auch nicht immer dieselben sein. Wie man eine weiter-
gehende Infection durch Absperrungstamponade verhütet, haben wir
bei den allgemeinen Bemerkungen zur Laparotomie hervorgehoben.
Wie man dagegen die nächste Nachbarschaft vor Verunreinigung
schützt, hängt zunächst davon ab, ob das eröffnete Organ, wie z. B. bei
der BiLLROTH'schen zweiten Methode und bei meinem Verfahren der
Pylorusresection der Magen nach Entfernung der Neubildung völlig
verschlossen werden kann, oder ob man die gemachte Oeffnung
durch Anastomose mit einem anderen Darmabschnitt in Verbindung
setzen muss , wie bei Gastroenterostomosis und den ' verschiedenen
Enteroanastomosen.
Wir schildern zunächst die verschiedenen Methoden, den Austritt
des Darminhaltes zu verhüten. Man kann zwei Hauptverfahren aus-
288 Specielle Operationslehre.
einanderhalten : das erste besteht in Verschluss des Darmes entfernt
von der Operations- und Trennungsstelle, das zweite an der Trennungs-
stelle selber. Der ersten Indication wird man auf verschiedene
Weise gerecht : Man legt ober- und unterhalb, nachdem das zwischen-
liegende Stück Darm durch Ausstreifen seines Inhaltes entledigt ist,
einen circulären Faden an oder eine Zange. Dann reinigt man den
Darm (resp. Magen) so gut als möglich aus und kann die Naht
anlegen.
Diese Methode des entfernten Abschlusses des Darmes ist eine
sehr empfehlenswerthe. Man kann sie aber in zwei sehr verschie-
denen Abänderungen benutzen, speciell wenn man sich schliessender
Zangen bedient. Man kann zugleich die Mesenterien und damit die
Gefässe verschliessen (am Magen diejenigen der kleinen und grossen
Curvatur) oder bloss den Darm verschliessen. Es ist keine Frage,
dass dieser entfernte provisorische Darm verschluss,
combinirt mit prophylaktischer Blutstillung, die Aus-
führung der Operation ganz erheblich erleichtert. Man kann dann
bequem zunächst eine fortlaufende Schleimhautnaht, dann die Naht
der ganzen Wanddicke und endlich eine Serosanaht darüber legen
ohne jegliche Behinderung. Wie die Zangen im speciellen Falle
angelegt werden, mag bei den einzelnen Operationen nachgesehen
werden.
In allen Fällen ist hier, wie ausnahmslos da, wo die Darmmucosa
zu Gesichte gekommen ist, nach der sämmtliche Schichten fassenden
Naht und vor der Serosanaht eine gründliche Reinigung der Um-
gebung vorzunehmen und event. verunreinigte Gazecompressen der
Absperrungstamponade zu wechseln.
Sicherer zu völliger Verhütung jeglichen Darminhaltaustrittes ist
die zweite Methode, bei welcher man — wie ich schon in der i . Auflage
dieses Werkes empfohlen habe — die Stelle selber, wo Magen
oder Darm verschlossen werden soll, mit kräftiger
Zange fasst und zusammenpresst und danach dicht an der Zange
Darm oder Magen abträgt mit Messer oder Thermocauter. Ich habe zu-
erst 1883 durch meine Beobachtungen und Resultate den Beweis ge-
leistet, dass dieses kräftige Zusammenpressen die nachträgliche Prima-
heilung in keiner Weise hindert aus dem einfachen Grunde, weil
man die Muscularis und Mucosa nicht bis zur Nekrosirung quetschen
kann, indem beim Zusammenpressen über einen gewissen Grad hinaus
die gefässhaltigen Theile der Mucosa und Muscularis — wie Lanz
neuerdings des Genaueren nachgewiesen hat — auseinander weichen
und bloss völlig trockenes elastisches Bindegewebe als papierdünne
Membran unter der Zange bleibt. Den Beweis, dass dies so ist, hat
man in neuester Zeit durch Anwendung einer dritten Methode ge-
leistet, dadurch, dass man sich zum Zusammenpressen eigener mit
Abdomen.
289
grosser Gewalt wirkender Quetschzangen bediente. Doyen zuerst
und nach ihm Tuffier haben diese Angiothryptoren in die
Abdominalchirurgie eingeführt. Souligoux hat sie in origineller
Weise verwerthet. Ich habe ausser für Magen und Darm Gewebs-
quetschzangen (Histotriptoren) schon längere Zeit bei Trennung des
Isthmus für die Kropfexcision benutzt.
Der Unterschied dieses Verfahrens gegen die zweite Methode be-
steht darin, dass dieselbe zugleich die Blutstillung besorgt. Für diese
muss gesorgt werden bei der zweiten Methode durch Anlegung der
Naht, bevor die Presszange entfernt wird, oder falls dies nicht an-
gängig ist, durch Anlegung von Arterienklemmen an blutende Ge-
fässe nach Abnahme der Zange. Bei Benutzung der Angiothryptoren
nach Doyen's Muster kann man die Zangen entfernen, ohne dass es
blutet. Man erhält definitiven Darmverschluss mit defini-
tiver Blutstillung. Natürlich müssen beide für die Dauer gesichert
werden. Ferner hat diese Methode den Vorzug, dass sie die gepressten
Gewebe zu so dünner Membran zusammenpresst, dass man sie mit
Leichtigkeit in eine Ligatur fassen kann.
Wo dagegen, wie am Magen, ein sehr ausgedehnter Gewebstheil
in die Zange gefasst worden ist, da muss wie bei der zweiten Methode
eine Naht angelegt werden. Wir machen letztere bei noch liegender
Zange in folgender Weise: Es wird nach Fig. 99 zunächst ein Faden
mit gerader Nadel rasch hin- und herübergehend in der ganzen
Länge durchgeführt (vergl. die Beschreibung der Magenocclusion bei
Resectio pylori), dann nach Wegnahme der Zange eine fortlaufende
Naht durch alle Schichten darüber gesetzt (Fig. 100) und endlich die
Serosanaht fortlaufend darauf.
Wir halten es für das Richtige, die erste Schluss- und Spannungs-
naht hinter der Zange anzulegen, solange diese noch Hegt. Bloss
beim Darm und vollends beim Wurmfortsatz kann nach Zusammen-
quetschen die Zange entfernt, und wie wir es für den Isthmus der
Thyreoidea beschrieben haben, mit einem einfachen Faden die ver-
dünnte Stelle zusammengeschnürt werden und bloss eine Serosanaht
übergelegt.
Wenn wir nun fragen, welche Methode vorzuziehen sei, so
ergiebt sich, dass Methode 1 wegen ihrer grossen Bequemlichkeit
die geeignetste ist für alle Anastomosenbildungen, weil die Anlegung
der Vereinigungsnaht am wenigsten gehindert wird. Sie hat nur
den Nachtheil, dass sie, wenn mit Zangen zu gleichzeitiger prophy-
laktischer Blutstillung gemacht, Anlass zu Thrombenbildung geben
kann. Man darf daher die Zange nicht länger liegen lassen, als
absolut sein muss, d. h. sie möglichst spät anlegen und sofort ent-
fernen, wenn die Naht durch die ganze Dicke der Wand gemacht
ist vor Anlegung der Serosanaht.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. ig
2qo Specielle Operationslehre.
Die zweite Methode verdient, wie die Erfolge meiner Gastroduoden-
ostomie nach Magenresection beweisen, den Vorzug, wo ein grosses
Hohlorgan zu verschliessen ist und jeder Austritt von Inhalt mit
Sicherheit verhütet werden soll. Infection ist da unmöglich.
Die dritte Methode ist die raschest auszuführende, wenn man
kleine Hohlorgane zuschliessen will, also für die Radicaloperation
der Appendicitis, die Darmausschaltung, den Duodenumverschluss bei
der Gastrojejunostomie nach Resectio pylori.
Ein sicherer Verschluss von Darm und Magen beruht
stets in der Hauptsache auf der Verklebung des Peritoneum der
beiden Darmabschnitte, aber es ist auch der genauen Vereinigung
der Schleimhaut und Muscularis mehr Werth beizumessen, als eine
Zeit lang geschehen ist. Bei guter Vereinigung auch dieser Schichten
tritt die Function rascher ein und — was wichtiger ist, es werden
Nekrosen der Wundränder auch nach dem Darminnern vermieden,
welche selten, aber doch zeitweilig zu phlegmonöser Infiltration
der Magendarmwand, öfter zu Bildung kleiner Infectionsherde
und dadurch zu metastatischen Entzündungen (Pneumonien) Anlass
geben.
Die Bedingung einer Primaheilung für alle Schichten der Magen-
darmwand ist die genügende Blutzufuhr, und ich habe früher schon
darauf aufmerksam gemacht, dass bloss die directe Controle des Vor-
handenseins des Pulses in den zu der Darmwand führenden Mesen-
terialarterien Sicherheit giebt, dass solche vorhanden ist. Die Naht-
linie auf der Peritonealseite muss ferner völlig aseptisch sein.
Niemals zu versäumen ist eine gründliche Vorbereitung auf
die Operationen am Darmcanal. Magen und Darm müssen entleert
werden, jener durch Auspumpen und Leerspülen, dieses durch
Laxantien. Da aber die Laxantien den Bakterien gehalt des Darms
momentan vermehren, so dürfen sie nicht später als 2 Tage vor der
Operation verabfolgt werden. Es muss demgemäss die Nahrung
auf solche Stoffe beschränkt werden, welche nicht Faeces bilden
(Bouillon mit Nährpulvern, wie Somatose etc.) und auf solche, welche
den Bakteriengehalt auf ein Minimum herabsetzen, wie sterilisirte
Milch. Letztere sollte aber bloss zur Rectalernährung benutzt werden.
Für Zufuhr genügender Flüssigkeit ist bei karger solider Nahrung
um so freigebiger zu sorgen. Wir geben 2 Tage vor der Operation
Bismuthpulver, welche die Zersetzung des Inhaltes des Darms be-
schränken, event. mit Opium, wo man strengste Diät durchführen
muss.
124) Gastrotomie und Gastrostomie.
Wo eine Eröffnung des Magens vorgenommen werden muss,
sei es in Form der Gastrotomie behufs Entfernung eines Fremd-
Abdomen. 20 1
körpers, Behandlung einer Oesophagnsstrictur von unten her, sei es
behufs Anlegung eines bleibenden Magenmundes bei Oesophagus-
krebs, bietet es einen ganz bedeutenden Vortheil, nach Spaltung der
Bauchwand den Magen vorzuziehen und zunächst un-
eröffnet in die Bauchwand durch eine circuläre Naht
— Fixationsnaht — einzunähen. Dadurch gewinnt man einen
Abschluss gegen die Bauchhöhle, bevor Austritt des Mageninhaltes
zu fürchten ist und verhütet sicher eine dadurch veranlasste Peritonitis.
Danach macht man die Eröffnung in der der Indication angemessenen
Form an dem fixirten Magentheil ; man kann den Ausfluss des
Mageninhalts jetzt sicherer verhüten und ruhig sein, dass nichts in
die Bauchhöhle fliesst. Der Schnitt wird am besten so gemacht, dass er
auf die Mitte des linken Rectus abdominis in Längsrichtung fällt, so
dass der unverletzte Muskel in ganzer Breite nach Spaltung seiner
Fascie lateralwärts gezogen werden kann. Unter ihm wird die
derbe Fascia transversa und das Peritoneum gespalten und in diese
Oeffhung der Magen eingenäht mittelst krummer kurzer Nadel und
fortlaufender Seidennaht, welche ausser Serosa eine Schicht Mus-
cularis fasst.
Die Gastrotomie besteht in einfacher Spaltung der fixirten
Magenwand parallel den Gefässen und Fassen der blutenden Ränder
mit Arterienzangen. Nach Extraction eines Fremdkörpers wird der
Magen sofort wieder mit Naht geschlossen, einer fortlaufenden feinen
Catgutnaht für die Schleimhaut, einer fortlaufenden feinen Seiden-
naht durch die ganze übrige Dicke (Muscularis mit Serosa) und einer
eben solchen Serosanaht. Muss man dagegen z. B. bei Oesophagus-
stricturen nach Erweiterung und Durchziehen einer Sonde letztere
ein paar Tage liegen lassen, so macht man nach ihrer Entfernung
eine secundäre Naht: Man schliesst die Wunde mit fortlaufender
Naht durch die ganze Dicke der Wundränder des Magens, löst jetzt
den Magen aus der Bauchwand los durch Trennung der circulären
Fixationsnaht und stülpt zuletzt die tiefe Magennaht ein, um darüber
die Serosanaht anzulegen.
Die Gastrostomie bei Carcinoma oesophagi ist das beste
Hülfsmittel, um das Leben eines Patienten möglichst zu verlängern
und angenehm zu gestalten. Seit man gelernt hat, einen Magen-
mund so anzulegen, dass derselbe spontan geschlossen bleibt, so
dass nicht wie früher Anätzungen der Haut durch den sauren Magen-
saft stattfinden und dass der Patient nicht genöthigt ist, irgend einen
Verband anzulegen, darf man für die frühesten Stadien beginnender
Oesophagusstenose die Operation empfehlen. Der Patient erhält da-
durch die Garantie, sich jeder Zeit reichlich nähren zu können und
daneben nur diejenige locale Behandlung der Stenose und nur dann
nöthig zu haben, welche ihm nützt, ohne ihm gleichzeitig zu schaden.
19*
292
Specielle Operationslehre.
Denn man kann ganz gut daneben noch zeitweilig dilatiren oder
sogar Dauercanülen tragen lassen in den Fällen, wo dieses ohne
Schmerzen und ohne Schaden durchführbar ist; aber man hat
die Freiheit, die Dilatationsmethode auch sofort zu unterbrechen, so-
Fig. 84. Gastrostomie nach Frank (modificirt). Der Magen ist durch die Bauch-
wunde vorgezogen, rings am Peritoneum und tiefer Fascie mit Nähten fixirt,
die Muskelfasern des Rectus abdominis lateralwärts gezogen. (In der Zeichnung
sind fälschlich auch auf der medialen Seite Muskelfasern angegeben.)
bald man sieht, dass sie Zerfall der Neubildung, Entzündung der
Umgebung veranlasst oder Schmerzen verursacht.
Wir geben in Fig. 84 u. 85 die früher von uns geübte Frank-
sche Methode wieder. Wir haben dieselbe eingeschränkt, weil in
einzelnen Fällen der stark geschrumpfte Magen sich nicht genügend
l
Abdomen.
293
durch die Bauchwand hervorziehen Hess, um ihn noch unter einer
Hautbrücke hindurch nach oben ziehen zu können. Auch war der
Verschluss der Fistel in einzelnen unserer Fälle kein vollkommener.
Es erscheint auch viel leichter, von der P'RANK'schen Methode bloss
Fig. 85. Gastrostomie nach Frank nach der Naht: Unten die Hautnaht der
Hauptwunde, oberhalb des Rippenbogens die Spitze des herausgezogenen Magen-
zipfels eingenäht und eröffnet.
den Theil zu behalten, dass man den vorgezogenen Magen mit dem
vorragenden Zipfel in den oberen Theil der Wunde einnäht und so
nach oben spannt und knickt.
Diejenige Methode, welche uns zur Stunde die besten, d. h. völlig
zufriedenstellende Resultate giebt, ist folgende : Schnitt auf der Mitte des
linken Rectus abdominis senkrecht vom Rippenrande abwärts durch
2Q4
Specielle Operationslehre.
Haut und Fascie. Zwischen letzterer und dem Muskelfleisch des Rectus
abdominis geht man stumpf medianwärts (nur an der Inscriptio tendinea
"^
Fig. 86. Hacker- Frank -WiTZEL'sche Methode, combinirt mit Gastropexie.
Schnitt senkrecht vom Rippenrand abwärts über die Mitte des M. rectus
abdominis ; der Muskel ist in toto lateralwärts gezogen, der Magen circulär mit
Peritoneum und Fascie unter dem Rectus vernäht, eine dünne Drainröhre auf
die Magenwand aufgenäht. (Die Querfaserung der Fascia transversa ist etwas
zu grob ausgefallen.)
Abdomen.
295
Mf.
muss mit dem Messer gelöst werden) bis zum medialen Rand des Muskels
und zieht diesen kräftig lateralwärts nach Hacker's und Girard's Vor-
gang. Es erscheint die derbe,
tiefe Fascie, welche 5 cm lang r ,1
gespalten wird, danach ebenso j
das Peritoneum. Mit 2 Fingern -^ "i^Np^
geht man ein und zieht den Jp m^f^Uft \
Magen heraus, wobei man sich sL !T jf <l
vor Verwechslung mit dem Colon A
transversum zu hüten hat. Auch y " ■ f / p> ^;
muss man durchaus vermeiden, i*
den Magen zu nahe dem Pylorus ' ;- -'
einzunähen, weil sonst der Ab-
fluss behindert ist. Der Magen
wird als Zipfel soweit heraus-
gezogen, bis die grosse und kleine
Curvatur erscheint und ein ge-
nügendes Stück der Vorderwand
gegen erstere zu mittelst fort-
laufender Seidennaht unter Fassen
von Fascie mit Peritoneum und
am Magen von Serosa mit Muscu-
laris in die Bauchwand zuverlässig
eingeheftet. Dann legt man (nach
Witzel) eine sehr dünne Drain-
röhre (s. Fig. 86) auf die Vorder-
fläche des Magens in verticaler
Richtung und näht den Magen
von beiden Seiten (stets unter
Fassen der Serosa und einer
Schicht Muscularis) über dem
Drain 1 — i1/» cm lang fortlauf end
zusammen. Am unteren Ende
macht man eine ganz kleine
Oeffnung und steckt den Drain
8 — 10 cm tief in den Magen
hinein und näht die Magenserosa
darüber zusammen, soweit der
Drain unten noch nicht gedeckt
war (Fig. 87 a bis c). Dann näht
man rings um den Drain da, wo
er oben aus seiner Rinne hervor-
guckt, den Magen in die Hautwunde zuverlässig ein. Zuletzt näht
man .die Wundränder über dem Magenwulst zusammen und schiebt
Fig. 87a — c illustriren die Art und Weise,
wie die dünne Drainröhre auf die Magen-
wand genäht und in dieselbe hinein-
geschoben und bedeckt wird.
2g6 Specielle Operationslehre.
oben und unten einen kurzen Glasdrain unter die Hautnaht. Man
giesst durch einen Trichter sofort etwas steriles Wasser ein, um zu
sehen, ob der Drain spielt. Jodoformgaze und Collodialstreifen als
Verband, Fixation des Drain, damit er nicht herausfällt.
Durch diese Combination der von Hacker, Frank und Witzel
angegebenen Methoden erreicht man insofern ein völlig befriedigen-
des Resultat, als man einen langen engen Canal schafft zwischen
Haut- und Magen Öffnung, welcher durch den von der lateralen Seite
sich spannenden Rectus abdominis noch einigermaassen comprimirt
wird und aus dem Magen durchaus nichts ausfliessen lässt, so dass
der Patient sich durch einen dünnen Catheter gut ernähren kann
und gar keines Verbandes (als etwa eines Cautschukpflasters) bedarf.
Bei einer vor Kurzem von uns gemachten Autopsie zeigte sich der
Magen an einer Stelle narbig an die Bauchwand angewachsen, die
Oeffnung im Magen hatte sich zurückgezogen und war so klein und
von ganz normaler Schleimhaut ausgekleidet, dass man Mühe hatte,
sie zu finden. Ein 4 cm langer Canal führte von derselben zur
Hautöffnung, derselbe zeigte keine Schleimhautauskleidung, war aber
ganz glatt.
Durch die Hinzufügung von Witzel's Schrägcanalbildung in
der Magenwand erhält man bei gleichzeitiger Benutzung des muscu-
lösen Schlusses durch den sich streckenden M. rectus abdominis
nicht nur eine vollständige Schlussfähigkeit der Fistel, sondern so-
gar gelegentlich eine zu gute, so dass einige unserer Patienten nach
ihrer Entlassung die Röhre zur Ernährung nicht mehr einführen
konnten. Wir lassen dieselbe nämlich nicht permanent drinnen, aus
dem Grunde, weil man sonst nicht ohne jeglichen Verband auskommt.
Man muss sich desshalb hüten, einen gar zu langen und engen
Schrägcanal anzulegen.
Fischer und Marwedel haben den Schrägcanal nicht durch
Faltung der Magenwand gebildet, sondern ein Röhrchen eingeschoben,
zwischen Mucosa und Muscularis. Barrozzi lobt diese Methode ganz
besonders.
Kader und Fontana haben unter Verzicht auf den Schrägcanal
die Anlage bloss eines Canals angestrebt an Stelle einer lippen-
förmigen Fistel und haben dadurch die Methode der Gastrostomie
zu vereinfachen versucht. Mikulicz hat die KADER'sche Methode
ausgiebiger angewandt. Wir haben in neuerer Zeit diese Methoden
vielfach geprüft und halten sie allerdings ihrer Einfachheit wegen
und weil in der Regel auch hier ein völlig zureichender Schluss
geschaffen wird, für werthvoll genug, um dieselben durch eine
Zeichnung neben dem anderen Verfahren zu illustriren (vergl. Fig. 88
und 89).
Abdomen.
297
Aus der Zeichnung ist ersichtlich, in welcher Weise wir die
Sache ausgeführt haben1). Der vorgezogene Magenzipfel wird an
der Spitze eröffnet mittelst feinen Messers, wobei durch gute Fixation
Fig. 88. ^ Gastrostomie mit Canalbildung im Sinne Kader's. Ein Magenzipfel
ist in die tiefe Fascie sammt Peritoneum parietale eingenäht, der M. rectus
abdominis lateralwärts gezogen. Ein Cautschukröhrchen ist in die Spitze des
Zipfels eingeführt und festgenäht, die Spitze trichterförmig eingestülpt und die
2. Naht gelegt, aber noch nicht zusammengeschnürt.
dafür zu sorgen ist, dass sich die Schleimhaut nicht zurückstülpt.
Die Schleimhautränder werden mit feinen Häkchen gefasst und ein
1) Aehnlich hat R. Lücke eine Modifikation beschrieben.
2g8
Specielle Operationslehre.
Röhrchen eingeschoben und durch feine Nähte durch die ganze Wand-
dicke fixirt.
Jetzt wird durch Druck auf das festsitzende Röhrchen die Spitze
des Zipfels eingestülpt und in Entfernung von i cm eine Tabaks-
beutelnaht nach Fig. 88 angelegt und um das Röhrchen zusammen-
gezogen. Will man einen noch längeren Canal haben, so wird noch
eine zweite Naht unter Einstülpung der vorigen, ebenfalls etwa i cm
entfernt angelegt und wiederum um das Röhrchen geschlossen.
Auf diese Weise, wie Fig. 89 zu zeigen versucht, schafft man
einen 1 event. 2 cm lang"en Canal aus Magen wand bestehend und
in den Magen eingestülpt, in welchem das Röhrchen senkrecht liegt.
Der Unterschied von dem erstgeschilderten
Verfahren ist zunächst der, dass von einer
raschen Entfernung der Röhrchen nicht die
Rede ist, da dasselbe eng umschlossen ist.
Um vor operativen Misserfolgen bei
der Gastrostomie sicher zu sein, muss man
an der empfohlenen Methode als wesent-
lich folgende Punkte besonders beachten:
a) Das circuläre Einnähen des vorgezogenen
Magenzipfels an seiner Basis in die Bauch-
wand durch die vollkommen abschliessende
Circulärnaht : tiefe Fixationsnaht.
Diese schützt bestmöglich gegen Peritonitis,
weil sie das Einfliessen von Mageninhalt
verhütet, falls etwas zwischen Magenwunde
und äusserer Hautwunde heraustritt, oder
gar der Magen sich völlig von der Haut
ablöst, b) Das völlig feste Einnähen des
Drains in den Magen und des Magens in
die Hautwunde, damit neben demselben
nichts ausfli essen und die Hauttasche inficiren kann: oberfläch-
liche Fixationsnaht. Ein subcutaner Abscess kann sich auf
das Peritoneum fortsetzen. c) Die verlässliche Drainage der
Hautwunde ober- und unterhalb des zwischen tiefer und ober-
flächlicher Fixationsnaht liegenden Magentheiles. Die Ansammlung
von Secret, wenn je etwas Mageninhalt ausgeflossen wäre, muss
sicher verhütet werden.
Es kommt nicht sowohl darauf an, wie man durch die Magen-
wand die Incision hindurchlegt, um später gegen Ausfliessen des
Mageninhaltes sicher zu sein, als dass man eine möglichst kleine
Oeffnung im Magen anlegt. Darauf haben schon Graser und
GOLDlNG-BlRD aufmerksam gemacht und die anfänglich möglichst
klein angelegten Oeffnungen später stumpf zu der nöthigen Weite
Fig. 89. Der Magenzipfel
ist eröffnet gezeichnet, um
die Bildung des Canales für
das Röhrchen durch die Ein-
stülpung zu zeigen.
Abdomen.
?99
gedehnt. Die genügend kleine Oeffnung wird durch die wulstige und
verschiebliche Schleimhaut genügend verschlossen, so dass nichts
ausfliesst; allerdings ist es auch von Belang, dass man die Oeffnung
— und darin besteht das Verdienst Frank's — so hoch wie möglich
am Magen anlege und an der Bauchwand fixire, in geradem Gegen-
satz zu der Gastroenterostomie, wo die tiefste Stelle für die Oeffnung
im Magen zu wählen ist.
125) Die Gastroenteroanastomosis.
Als Maisonneuve zuerst den Gedanken hatte, eine Entero-
anastomose auszuführen, war die Technik noch nicht weit genug
gediehen, um demselben weitere Folge zu geben. Zur Zeit dagegen,
wo Nicoladoni Wölfler den folgeschweren Rath gab, eine
Gastroenterostomose auszuführen, hatten bereits die Erfolge Billroth's
mit der Magenresection bewiesen, welch fruchtbares Feld sich in der
Abdominalchirurgie erschlossen habe. Die gewöhnlich als WöLFLER-
sche Operation bezeichnete Gastroenterostomosis hat einen
Aufschwung genommen, wie ihn Niemand geahnt hatte und nach
Tausenden zählen die glücklichen Heilungen, welche durch die
Operation bei Kranken erzielt sind, welche auf dem Wege innerer
Therapie ihr Leiden Jahre lang hingeschleppt hatten.
Zweifellos wird sich das Gebiet der Gastroenterostomosis noch
erweitern, wenn sich auch die Internen durch die Publication der
Ergebnisse der Operation völlig klaren Aufschluss über deren
Leistungsfähigkeit werden verschafft haben. Ich darf auf 2 Publi-
cation en aus meiner Klinik verweisen, ungefähr 100 Fälle umfassend,
welche von Herrn Dr. Kaiser und Humbert mitgetheilt sind,
3/5 wegen gutartigen, 2/5 wegen bösartigen Affectionen ausgeführt
Dabei zeigt sich die sehr interessante Wandlung, dass bei unseren
ersten ca. 60 Fällen die Operation bei Magenkrebs vorwiegt, bei den
letzten ca. 40 Fällen diese ganz in den Hintergrund tritt. Das be-
weist, dass wir vielmehr, als dies vielerorts geschehen ist, bei Carcinom
die Palliativoperationen eingeschränkt haben, zu Gunsen der Radical-
operation. Czerny hat durch Steudel über 47 Fälle von Gastro-
enterostomosis berichtet, wovon 29 bei bösartigen, 18 bei gutartigen
Affectionen.
Das Gebiet, auf welchem die Gastroenterostomosis ihre Triumphe
feiert, ist dasjenige des Ulcus ventriculi simplex und seiner Folge-
zustände. Zweifellos ist diese Affection — nach den Folgen zu schliessen
— viel häufiger als selbst die Internen anzunehmen geneigt sind,
und man wird gut thun, bei allen hartnäckigen schmerzhaften Magen-
affectionen, die sich Monate lang hinziehen bei medicamentöser
Therapie, die chirurgische Ulcustherapie in ihre Rechte treten zu
lassen. Die Mehrzahl der Aerzte weiss zur Stunde bei Weitem nicht
■2qq Specielle Operationslehre.
genug zu würdigen, welche vorzüglichen Resultate bei chronischen
Magenleiden, vulgo Magenkatarrhen auf operativem Wege zu er-
zielen sind.
Nicht bloss die zahlreichen Gefahren ulceröser Magen erkrankungen
lassen sich durch die Operation verhüten, wie Blutungen, Perforation,
Uebergang in Carcinom, sondern die Krankheit und ihre Folgen
sind in so rascher und sicherer Weise zu heilen, dass die medica-
mentöse Behandlung für hartnäckige Fälle völlig in den Hintergrund
treten muss. Dr. Kaiser hat durch genaue Nachprüfung unserer
Fälle folgende Nachweise leisten können:
i) Die Magenschmerzen verschwinden vom Momente der Operation
ab. Das ist durchaus Regel und zwar abgesehen davon, wie sich
motorische Function und Chemismus gestalten. Der Patient braucht
auf die Art der Ernährung keine Rücksicht mehr zu nehmen.
2) Das Erbrechen verschwindet. Wir haben bloss eine Aus-
nahme zu verzeichnen, deren Erklärung wir geben werden.
3) Es tritt regelmässige Stuhlentleerung ein, wenn vorher Ob-
stipation bestand; auch die seltenen Durchfälle bessern sich.
4) Dauernde Magenstörungen sind bloss in einem Falle geblieben
bei einer G. retrocolica posterior.
5) Obschon binnen der ersten Monate die bestehende Magen-
dilatation nicht zurückgeht, so lässt sich doch viel bessere Entleer-
barkeit des Magens nachweisen (nicht in abnormer Weise, wie dies
Steudel, Carle und Fantino einige Male gesehen haben). (Dass
später die Dilatation zurückgeht, hat Mintz bewiesen.)
6) Der Magenchemismus bessert sich und zwar progressiv, wenn
wiederholt untersucht wird: Zu hoher Säuregrad nimmt ab, zu ge-
ringer nimmt zu in Uebereinstimmung mit Steudel, Carle und
Fantino, Kautsch, Hartmann und Sipault, Mintz. (An Thieren
hat freilich Rosenberg dieselbe Ausnutzung der Nahrung gefunden.)
7) Es stellt sich eine Schlussfähigkeit der künstlichen Oeffnung
her, da sich der Magen blähen lässt. (Auch Mintz hat das Auf-
treten eines functionsfähigen neuen Sphinkter festgestellt. Ebenso
Hartmann und Soupault.)
8) Galleneinfluss in den Magen hat auf das Wohlbefinden der
Patienten und die Function des Magens keinen schädlichen Ein-
fluss1). (Hartmann und Soupault haben dies ebenfalls constatirt.)
Derselbe ist am seltensten bei der Y-Methode, kommt aber auch
da vor.
1) Diese Thatsache ist genauer Untersuchung und Ausfragung der Patienten
entnommen, was wir gegenüber Roux bemerken, welcher sagt, dass die
Chirurgen beschlossen haben, den Galleneinfluss für unschädlich zu erklären,
weil er ihnen selber nicht schade.
Abdomen.
301
g) Das Allgemeinbefinden der Patienten bessert sich, wie ich
zufüge, bedeutend — wenn kein Carcinom vorliegt.
1 o) Sehr bemerkenswerth ist, dass der sogen. Circulus vitiosus
bei allen Methoden, die wir anwandten eine völlige Ausnahme ist,
wenn es sich um gutartige Magenaffectionen handelte. Bei Gastro-
enterostomosis wegen Magenkrebs dagegen kommt es recht oft (in
i/3 unserer Fälle) zu Zersetzung des Mageninhaltes bis zum Tod in
Folge von Autointoxication. Kaiser schiebt dies auf die auch bei
Resectio pylori zu beobachtende Regurgitation von unten in Folge
durch die Operation vermehrter Parese.
Man darf aus solchen Ergebnissen den Schluss ziehen, dass die
operativ-mechanische Behandlung der Ulcusfolgen das wahre Heil-
mittel für diese häufige und schlimme Krankheit ist. Bei Krebs da-
gegen ist die Erleichterung der Beschwerden und vorübergehende
Besserung des Allgemeinzustandes für eine Reihe von Monaten das
Einzige, was mit der Operation erreicht wird. Wir übersehen dabei
nicht, dass einzelne Fälle (von Czerny (Steudel) u. A.) mitgetheilt
sind, wo die Besserung Jahre lang vorhielt. Allein wir können uns
des Eindruckes nicht erwehren, dass diese Fälle der Radicaloperation
zugänglich gewesen wären und damit noch bessere Resultate er-
geben hätten.
Körte mit seinen reichen Erfahrungen (nach Körte's und Herz-
feld's Mittheilungen) tritt nicht bloss für möglichst frühzeitige An-
lage einer Gastroenterostomosis bei narbiger Pylorusstenose mit
Magenerweiterung ein, sondern er will auch bei Schmerzen und
kleinen häufigen Blutungen rechtzeitig operiren. Die Heilung des
Ulcus werde dadurch, mächtig unterstützt.
Die gleichen Ansichten äussert Mayo Robson und Czerny;
nach letzterem Autor wird das frische Magengeschwür ausser-
ordentlich günstig durch die Operation beeinfmsst.
Endlich ist die Disposition, welche das Ulcus bei längerer Dauer
für spätere Krebsentwicklung abgiebt, nicht hoch genug anzuschlagen
und zwar gar nicht etwa nur oder vorzugsweise in der von Hauser
und Heitler geschilderten Form der Disposition durch die Drüsen-
veränderungen bei der Vernarbung, sondern ganz besonders in Form
der Entwicklung auf nicht vernarbtem Ulcus, wie wir eine ganze
Anzahl von Fällen gesehen haben. Vielleicht gehören die Fälle,
wo Gastroenterostomose bis zu *)1/2 Jahren (Czerny) das Leben bei
Magenkrebs verlängerte, zu solchen auf einfachem Ulcus entwickeltem
Krebs.
Man hat für Narbenstenosen und Dilatatio ventriculi in der
Bircher ' s c h e n Gastroplicatio, in der Gastropexie und in
der Heinecke 'sehen Pyloroplastik Ersatzmethoden, welchen
aber die Gastroenterostomosis nach der Erfahrung der beschäftigsten
■202 Specielle Operationslehre.
Chirurgen „bei Weitem" überlegen ist (vergl. Vortrag von Roux
am internationalen Congress in Paris 1900, ebenso Doyen). Kelling
hat dafür Erklärung durch Experimente gebracht, indem er unter
anderem zeigte, dass die Contraction der Längsmuskeln des Pylorus
bei der winkligen Knickung der Gastroptose und der Ueberdehnung
bei Dilatation zu sehr geschädigt sein kann, um den Schliessmuskel
zu überwinden. Auch zu viel Säure, welche anregend auf den
Schliessmuskel wirkt (Serejukow) ist der Entleerung ungünstig.
Nach den mitgetheilten functionellen Erfolgen der Gastroenter-
ostomosis bedarf es bloss noch der Feststellung der Thatsache, dass
auch das unmittelbare Heilungsresultat gegenüber früher ein unver-
gleichlich besseres geworden ist. Allerdings muss man, wie dies
Brunner mit vollem Recht betont hat, durchaus die Operation bei
Magenkrebs und bei gutartigen Magenaffectionen auseinanderhalten.
Schon der oben erwähnte Umstand, dass fast ausschliesslich bei
Krebs nach der Operation bedenkliche Zersetzung des Mageninhaltes
in unseren Fällen eintrat, weist darauf hin, dass die Verhältnisse
hier ungleich ungünstiger liegen. Ich verweise bezüglich Mortalität
auf die beiden in Kurzem erscheinenden Arbeiten von Kaiser und
Humbert. Man wird daraus ersehen, dass die Behauptung gerecht-
fertigt ist, dass die Gefahr der Gastroenterostomosis wegen nicht
krebsiger Erkrankungen des Magens als überwunden anzusehen ist.
Exitus lethalis als Folge der Operation haben wir bei unseren
100 Fällen nicht erlebt, d. h. die 3 Todesfälle beziehen sich nicht auf
Complicationen der Operation, sondern auf solche der Grundkrankheit.
Die Hauptrolle bei unseren wenigen Todesfällen spielen die
Blutungen: 2 Patienten erlagen Blutungen (einer aus einem Magen-,
der andere aus einem Duodenumulcus). Die Operation war also zu
spät gemacht, als schon das Ulcus so weit zerfallen war, dass ein
grösseres Gefäss arrodirt wurde. Ein dritter Patient hatte ebenfalls
trotz ausdrücklicher Mahnung solange gewartet, bis er eine er-
schöpfende Magenblutung bekam, welche ihn zur Operation be-
stimmte. Er starb an Bronchitis und Pneumonie bei tadellosem
Wundverlauf, der auch bei den erstgenannten vorhanden war.
Eiselsberg hat auf die Gefahren der Magenblutungen bei Abdominal-
operationen aufmerksam gemacht und wir haben unsere Ansicht über
dieselben anderswo ausgesprochen.
Wir glauben uns auf Grund der Nachweise, dass die Mortalität
eine minimale ist und dass der Enderfolg bei nichtkrebsigen Magen-
leiden als Regel functionell völlige Heilung darstellt, behaupten zu
dürfen, dass die von uns benutzten Methoden empfehlenswerth sind.
Es ist gut, ist die Natur nicht so ungnädig wie die Herren
Chirurgen. Sie lässt, wie Gott seine Sonne über Gute und Böse
scheinen lässt, theoretisch guten und schlechten Methoden Erfolg zu
Abdomen.
303
Theil werden. Unser Verfahren weicht von den üblichen in wesent-
lichen Punkten ab und man hat dasselbe gerade um dieser Eigen-
tümlichkeiten willen aus theoretischen Gründen vielfach schlecht
gemacht. Wir sind der queren Eröffnung des Darmes, sowie der
senkrechten Anlegung der Darmschlinge treu geblieben und unsere
Resultate lassen sich den allerbesten anderer Chirurgen an die Seite
stehen x).
Alle die vermeintlich horizontalen Anlagen des Darmes an den
Magen oder gar die verticalen Aufhängungen sind gerade so ver-
gänglich, wie die Spornbildungen. Die Bewegungen des Darmes
sorgen dafür, dass die Darmschlingen sich am Magen wieder lösen
und diejenige Stellung annehmen, welche wir ihnen von vornherein
anweisen. Es kommt in erster Linie darauf an, dass man für den
Anfang den Abfluss des Mageninhaltes in das abführende Darm-
ende sichert und für die Dauer eine reichliche Entleerung verbürgt
durch Anlage einer möglichst grossen Oeffnung.
Beides gelingt uns durch die richtige Modification der ur-
sprünglichen Wölfler 'sehen Gastroenterostomosis
antecolica anterior, und es lässt sich nicht bezweifeln, dass auch
mit der reinen WöLFLER'schen Methode gute Erfolge erzielt werden,
da z. B. Hahn dieselbe für die beste erklärt.
Die G. antecolica anterior nach Wölfler mit oder ohne
Modificationen ist jedenfalls weitaus die einfachste Operationsmethode,
und es ist sehr bemerkenswerth, dass Chirurgen, wie BERGMANN
laut Mittheilungen am 28. Chirurgencongress in Berlin und Mikulicz
(nach Kautsch) wieder zu derselben zurückgegangen sind. Es ist
eigenthümlich, dass man immer noch von Störungen durch Druck auf
das Colon transversum spricht. Dieselben kommen, wie schon Wölfler
ausdrücklich betont hat, bloss vor bei Benutzung einer zu kurzen
Jejunumschlinge, so dass eine Umschnürung stattfindet. Die Ver-
bindung muss 40 — 50 cm unterhalb der Wurzel des Jejunum aus-
geführt werden. Geschieht das , so habe ich nie die geringste
Störung seitens des Colon gesehen und kenne auch keinen Nachweis
einer solchen.
Allerdings muss die Stehe der Communicationsöffnung am Magen
nach ganz bestimmtem Grundsatze gewählt werden, und das veran-
1) Dies gilt hinsichtlich der Sterblichkeit in hohem Maasse, aber auch hin-
sichtlich der Function. Es ist interessant, zu lesen, wie Brunner sich über
einen Fall, der von Stierltn operirt wurde, wundert, wie gut der künstliche
Pylorus während eines Jahres funetionirte, „obschon" die beiden Jejunumschenkel
parallel in scharfem Winkel von der Anastomosenstelle herabhingen. Autopsien
gut funetionirender Fälle würden dies oft genug ergeben. Ich weiss von keinem
Chirurgen, welcher unsere Verfahren adoptirt hat, welcher unzufrieden damit
gewesen wäre, wohl aber hat z. B. Plettner ausgezeichnete Resultate damit
erzielt.
304 Specielle Operationslehre.
lasst uns, um diesen Hauptpunkt genügend hervorzuheben, unsere
jetzige Methode mit einem neuen Namen zu bezeichnen, nämlich
mit demjenigen der Gastroent erostomosis antecolica in-
ferior. Wir legen jetzt die Oeffnung stets am unteren Rande
des entleerten Magens an und wählen durch genaue Prüfung den
am weitesten nach unten ragenden resp. am weitesten abwärts zu
ziehenden Theil des Magens zur Eröffnung. So gelingt es, eine von
vornherein völlige Entleerung des Mageninhaltes zu bewirken ohne
weitere Künstelei. Denn die Entleerung soll doch bei den Patienten,
welche wir operiren, wesentlich in aufrechter Stellung des Körpers
stattfinden und im Pylorustheil des Magens.
Man studire nur die interessanten Untersuchungen von G. Rosen-
feld über die Lage des Magens, um sich zu überzeugen, dass,
wenn der Magen entleert wird, sein unterster Theil der Pars pylorica
angehört, dem Eundus minor, welcher allein quer vor der Wirbel-
säule überzieht und welcher öfter Hauptsitz der Dilatation ist.
Heften wir, wie bei der Hacker' sehen Methode der Gastro-
enterostomosis retrocolica posterior den Darm in die Hinterwand des
Magens ein, indem wir das Mesocolon transversum an einer möglichst
gefässlosen Stelle perforiren, so ist die Wahl der Stelle durch das
Verhalten des Mesocolon beeinflusst und wir können nicht, wie von
vorne her, die Stelle wählen, welche jener Indication entspricht.
Deshalb ist wohl im Liegen, aber nicht im Stehen bei Hacker-
scher Methode die Entleerung eine vollständige. Kelling hat
gezeigt, dass es einen grossen Unterschied bedingt, ob man eine
Verbindung gegen den Fundus oder gegen den Pylorus zu anlegt.
In letzterem Falle bildet sich ein musculöser Verschluss, wie er laut
Nachweis bei unseren und anderen gut geheilten Fällen zu Stande
gekommen sein muss und jedenfalls für die spätere Function von
wesentlicher Bedeutung ist. Denn es kommt uns doch nicht darauf
an, dass alle Speise, welche in den Magen gelangt, sofort in den
Darm abfliesst, sondern dass sie bei Contraction des Magens und
Weiterbeförderung des Mag-eninhaltes gegen den Pylorus nach
richtiger Magen Verdauung kein abnormes Hinderniss für die Ent-
leerung finde. Wir haben die erheblichste Störung der Magen-
entleerung in unseren Fällen gerade bei der G. retrocolica posterior
gesehen, wohl wTeil hier ausgedehntere Peritonealverwachsungen der
Umgebung eingetreten waren.
Wir legen deshalb auf die Anlegung des Darmes an die Hinter-
fläche des Magens durch das Mesocolon hindurch keinen Werth,
sondern halten die vordere, resp. untere Anlegung für die vorzu-
ziehende in Uebereinstimmung mit Socin, Hahn, Lücke (Rock-
witz) u. A. Für weniger Geübte ist entschieden die hintere Methode
schwieriger und jedes Plus von Läsion der Peritonealf alten durch Naht-
Abdomen.
305
anlagen führt auch ein Plus von Verwachsungen herbei und stärkere
Verwachsungen sind öfter als man denkt, Schuld an den Er-
scheinungen des Circulus vitiosus, weil sie die Abflusswege verengern.
Anders ist die weitere Frage, ob man eine seitlich eröffnete
Schlinge oder den durchgeschnittenen Darm an den Magen an-
heften solle. Da ergiebt sich neuerdings ein principieller Unter-
schied. Die Y-Methode bildet den Typus der Methoden, welche
den sogen. Circulus vitiosus, das Einfliessen des Mageninhaltes in
den oberen Darmabschnitt und des Darminhaltes mit Galle und
Pankreassaft wieder in den Magen zu verhüten bestimmt sind.
Wölfler ist der theoretische Urheber dieses Verfahrens, in ähn-
licher Weise wie Nicoladoni der geistige Urheber der Gastro-
enterostomosis, aber praktisch hat Roux das Verfahren zur Aner-
kennung und Blüthe gebracht und es darf deshalb als die Roux 'sehe
Methode bezeichnet werden.
Dass die grösste Sicherheit der Verhütung eines Circulus vitiosus
erzielt wird, wenn man das Jejunum entzwei schneidet, das untere
Ende in den Magen einsetzt, das obere in den abführenden Darm,
ist a priori ausser Frage. Freilich ist auch bei Roux's Verfahren
ein Rückfluss von Galle in den Magen beobachtet, wohl aus dem
Grunde, weil wegen der Kürze des Mesenterium das obere Darm-
stück oft nicht sehr entfernt von der Communicationsstelle mit dem
Magen in den abführenden Darm eingeleitet werden kann. Aber
der Ffauptvorwurf der Methode ist der, dass sie eine doppelte
Anastomose erfordert und dadurch trotz aller Geschicklichkeit
und Uebung die Dauer der Operation verlängert. Bei herunter-
gekommenen Patienten habe ich es aus diesem Grunde schon be-
reut, mich zu dem Verfahren entschlossen zu haben; hier ist oft
die rascheste Methode die allein richtige, da jede längere Operation
und Narkose genügender Grund werden kann für Eintritt von Com-
plicationen, zumal seitens der Lungen. Wir halten desshalb dafür,
dass die Forderung, nur die Roux'sche Methode für alle Fälle zu
benutzen, zu weitgehend ist.
Wir halten die Roux'sche Methode für sehr werthvoll und für
angezeigt in allen Fällen, wo Gefahr einer Zersetzung des Magen-
inhaltes besteht oder wo schon starke Zersetzung derselben vor-
handen ist. Da ist es so wesentlich, dass der Mageninhalt rasch
und vollständig abfliesse in den Darm, dass diese Rücksicht auf
Leerhaltung des Magens allen anderen vorgeht. Deshalb scheint
sie uns bei Carcinomen, wo so oft Jauchung auf der Geschwürfläche
vorhanden ist, die einzig richtige Methode, ebenso bei anderen
Ulcerationen, wenn starke Zersetzung des Mageninhaltes eingetreten
ist, zumal bei grosser Schlaffheit des Magens. In diesen Fällen wird
man auch gut thun , eingedenk der KELLiNG'schen Nachweise , die
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 20
306 Specielle Operationslehre.
Communication mit dem Magen näher dem Fundustheil anzulegen,
wo Gefahr einer Contraction der Muskeln nicht besteht, sondern die
Oeffnung wie ein schlaffer Sack den Inhalt in den Darm abfliessen
lässt. Carle und Fantino sind ganz in Uebereinstimmung mit
unseren von Kaiser erhobenen Ergebnissen zu dem Schluss ge-
kommen, dass bei schlechter Contractionsfähigkeit und Zersetzung
ein sofortiger guter Abfluss des Mageninhaltes viel wichtiger ist
als für gutartige Stenosen. Auch bei sehr nervösen Leuten, welche
schon bei geringen Magenstörungen melancholisch werden, ist die
Y-Methode am Platz, namentlich wo die objectiven Magen Verände-
rungen gering und die Beschwerden sehr gross sind. Endlich halten
wir noch in dem Falle die Y-Methode für besser, wo das Omentum
majus sehr fettreich und gross ist und beim Falten einen zu dicken
Wulst bildet. Man kann es allerdings in solchen Fällen auch von
unten in ganzer Länge spalten.
Als Regel giebt aber unsere Methode der Gastroenterostomosis
antecolica inferior in keiner Weise weniger gute Resultate als die
Y-Methode. Dr. Humbert hat bei einer neueren Nachforschung
über den Zustand unserer Patienten zunächst über 16 nach unserer
Methode und 8 nach Roux' Methode Operirten Bericht erhalten.
Nur ein Patient erbricht Galle nach jedem Essen und das ist ein
mit Y-Methode Operirter; ebenso ist nur bei einem Patienten
der Appetit mangelhaft, und der ist wieder mit der Y-Methode
operirt. 5 Patienten, welche mit Y-Methode operirt sind, müssen mit
dem Essen vorsichtig sein ; bei den nach Kocher Operirten ist
bei allen der Appetit gut oder sehr gut, bei einem einzigen
„wechselnd". Leichte subjective Beschwerden bestehen noch bei
6 Y-Fällen und bei 5 KoCHER'schen Patienten.
Wenn aber einmal der Indication gedient werden muss, um jeden
Preis den Magen raschestens zu leeren und auf die Dauer möglichst
leer zu halten, dann ist auch die Y-Methode allen anderen Methoden,
welche demselben Zweck in unvollständiger Weise entsprechen,
bei Weitem vorzuziehen. Es gilt dies namentlich von der BRAUN'schen
Anastomosenbildung zwischen den beiden Schenkeln der an den
Magen gehefteten Darmschlinge. Diese Anastomose verhütet, wie ich
aus Erfahrung sagen kann, nicht immer den Eintritt des Darminhaltes
in den Magen, überhaupt den Circulus vitiosus, während bei der
Y-Methode letzterer nie einen irgend bedenklichen Grad erreichen
kann. Auch die RüTKOWSKl-WiTZEL'sche Sicherung des Abflusses
in den abführenden Darmtheil durch Zufügung einer Gastrostom osis —
behufs Dehnung des letzteren und Ernährung — scheint angesichts der
Vortheile der Y-Methode nicht zur allgemeinen Verwendung bestimmt.
Von den zahlreichen sonstigen Methoden der Gastroenterostomie
scheinen mir nur noch zwei hier erwähn enswerth zu sein: 1) Der Vor-
Abdomen.
307
schlag, das Duodenum abzuschneiden, den Pylorusantheil für sich zu
vernähen und nachher das untere Duodenumstück, wie bei meiner
Magenresectionsmethode, in die hintere untere Magenwand ein-
zusetzen nach Crede.
Dieselbe dürfte allerdings bei den häufig starken Verwachsungen
im Bereich des Pylorus als Folge von alten Ulcerationen bloss eine
beschränkte Anwendung finden, verhütet aber sicher den Circulus
vitiosus. Henle hat zuerst den Gedanken gehabt, ohne Entfernung
des Pylorus die von mir vorgeschlagene Gastroduodenostomosis auch
auf gutartige Pylorusstenosen anzuwenden, und Mikulicz hat zuerst
bei narbiger Verengerung eine solche Communication hergestellt.
2) Das zweite Moment, welches uns zur Sicherung gegen letzteres
Vorkommniss beachtenswerth erscheint, ist die Spornbildung, wie ich
sie vorschlug, zwischen Magen und zuführendem Darmtheil, wie sie
aber besser am zuführenden Darmtheil von Hacker und Sykow
versucht worden ist. Hacker ist allerdings nicht zufrieden damit,
und Sykow sucht den Werth seines Verfahrens hauptsächlich in Er-
öffnung des Magens und Darmes erst nach der Nahtanlegung. Aber
der Gedanke ist nicht zu verwerfen und bei richtiger Verwirklichung
von gutem Nutzen. Wir werden bei der Operation unserer neuesten
Methode schildern, wie wir ihn zur Ausführung gebracht haben.
Alle die Methoden, welche von Souligoux weg darauf aus-
gehen, erst nachträgliche Communication an Magen und Darm durch
Quetschung der Darmmagen wand, Aetzung mit Aetzkali etc. herzu-
stellen, nachdem die Naht schon Verklebung bewirkt hat, leiden an zu
viel Unsicherheit, um sie zu allgemeiner Anwendung zu empfehlen. Sie
sind auch unnütz, da die Gefahr von Austritt des Magendarminhaltes
bei den jetzigen Vorsichtsmaassregeln keine Bedeutung mehr hat.
Wir haben schon bei den allgemeinen Bemerkungen zur Magen-
darmchirurgie hervorgehoben, dass stets nach Eröffnung der Bauch-
höhle eine aseptische Absperrungstampon ade zu machen ist zur
Isolirung des Operationsfeldes geg-en die übrige Peritonealhöhle.
Wir wollen die daherigen als kategorisch zu betrachtenden Vor-
schriften so wenig wiederholen, wie die Mahnung, für die Bauch-
höhle stets nur aseptische Tücher, Tupfer und Spülflüssigkeiten zu
benutzen, d. h. richtig temperirte (38 ° C.) physiologische Kochsalz-
lösung. Wir benutzen stets Seide (und lassen höchstens für die
Schleimhautnähte, die so wie so keinen festen Zug vertragen, Catgut
zu) und stets nach Rydygier und unseren früheren Vorschriften
von einem Ende zum anderen fortlaufend.
Wo die Schleimhaut für sich vernäht werden kann, soll es ge-
schehen, und dann sind 3 Nahtschichten nöthig, die Mucosanaht, die
Naht durch die ganze Wanddicke, die Serosanaht. In anderen Fällen
kann und muss man sich mit den 2 letzten Nahtlagen begnügen.
20*
308 Specielle Operationslehre.
Alle diese Vorschriften sind ja jetzt schon in Fleisch und Blut
übergegangen, und wir brauchen bloss auf die früheren Auflagen
dieses Werkes zu verweisen. Wir geben deshalb bloss die Schilde-
rung der von uns geübten zwei Methoden wieder unter Hinweis
auf entsprechende Zeichnungen.
126) Die Gastrojejunostomia antecolica inferior.
Medianschnitt bis zum Nabel oder zu 1/3 seiner Länge links
neben demselben vorbei (die Excision der Nabelnarbe, weil entstellend,
machen wir nicht mehr) durch Haut, Fascie, Peritoneum. Sorgfältige
Exploration des Magens bezüglich des Grundleidens und allfälliger
Complicationen und Bestimmung des tiefsten Punktes, welcher in
der Regel dem unteren Umfang der dilatirten Pars pylorica (Fundus
minor) entspricht *). An dieser Stelle wird in der für die Anastomose
nöthigen Länge von ca. 5 cm das Lig. gastrocolicum sammt Arteria
gastroepiploica abgelöst und die wenigen Gefässe, die an den Magen
herantreten, doppelt ligirt.
Das Colon transversum wird nach oben geschlagen und links
neben der Wirbelsäule längs des Mesocolon die Plica duodeno-
jejunalis aufgesucht, mit dem Finger von links her der Umfang des
Jejunum umgangen und hervorgezogen. 40 cm nach abwärts wird
der Darm durch Ausstreichen entleert und die gewählte Schlinge vom
Assistenten festgehalten. Jetzt wird die Absperrungstamponade ge-
macht, nachdem man das Colon transversum mit Netz wieder in den
Bauch zurückgeschoben und sich die präparirte Stelle der grossen
Curvatur und die entleerte Darmschlinge 40 cm unter dem Beginn
des Jejunum zur Anostomosirung zurecht gelegt hat.
Es ist am bequemsten, sowohl an den Magen als an die ent-
leerte Schlinge (vergl. Fig. 90) eine federnde DOYEN'sche Zange
anzulegen, um nicht bloss die Magendarmlumina sicher zu ver-
schli essen, sondern auch die Gefässe behufs prophylaktischer Blut-
stillung. Welche Bedenken dieses Vorgehen bezüglich der Gefahr
von Blutungen und Thrombose hat, haben wir schon hervorgehoben.
Wer vorsichtiger ist, wird den Darm ober- und unterhalb mit 2 Liga-
turen provisorisch schliessen ohne Mitfassen des Mesenterium und den
I) Wir haben schon oben angedeutet, dass für die Fälle von Dilatation,
welche operative Behandlung nöthig macht, in der Regel die von Rosenfeld
als senkrechte Dilatation bezeichneten Formen in Frage kommen und nicht die
horizontalen Dilatationen. Bei ersteren ist der Pylorustheil, welcher oft eine
nach dem übrigen Magen abgrenzbare grosse Tasche bildet, der am stärksten
nach unten ausgedehnte Abschnitt. Wird der Magen entleert, wie die Operation
es beabsichtigt, dann nimmt der übrige Magen resp. Fundus major eine senk-
rechte Stellung ein und jede Communicationsöffnung an dessen vorderer oder
hinterer Wand befindet sich im Stehen erheblich höher, als der dilatirte
Pylorusabschnitt.
Abdomen.
309
Magen vom Assistenten so halten lassen, dass er an der Operationsstelle
sicher durch Anlegung der Hinterwand geschlossen gehalten wird.
Nunmehr legen wir die Darmschlinge in senkrechter Richtung
an den Magen, so dass das zuführende Ende von hinten herauf-
kommt, das abführende vorne abwärts geht, wie Fig. 91 dies gut
illustrirt. Die Anheftung erfolgt in querer Richtung zum Darm
und in der Längsrichtung der grossen Curvatur. Bevor aber die
Anheftung gemacht wird, bilden wir jetzt eine Darmfalte quer im
Fig. 90. Illustration der Art und Weise, wie die entleerte Jejunumschlinge bei
Gastroenterostomosis mittelst Klemmzange abgeschlossen werden kann unter
Einschluss der Mesenterialgefässe. Die Spitze der Schlinge wird an den
Magen angeheftet.
zuführenden Schenkel nach Fig. 90 a, indem wir am Scheitel der
Schlinge in querer Richtung dem halben Umfang entsprechend die
convexe Wand einstülpen und durch eine Serosanaht, welche etwas
von der Muscularis mitfasst, übernähen. . Die Nahtstelle wird mit
2 und 3 Nähten hinter der grossen Curvatur und parallel der an-
zulegenden Anastomose fixirt. Jetzt liegen Darm und Magen an-
einander und am Darm, wie die schematisch gehaltene Fig. 90 a zeigt,
ist ein Sporn gebildet, welcher den Eintritt des Mageninhaltes in den
oberen Darmtheil und umgekehrt verhütet. Die Figur giebt den
Sporn zu kurz an.
3io
Specielle Operationslehre.
Nun wird parallel und vor der Spornnaht die hintere Serosa-
ringnaht zwischen Magen und Darm an diesen quer angelegt (in
Fig. 91 ist dieselbe mit ihren langgelassenen Enden zu sehen).
Dann wird die Incision l) am Magen und Darm gemacht bis zur
Mucosa und eine hintere Ringnaht durch Muscularis sammt Serosa
Fig. 90a. Gastroenterostomosis antecolica inferior. An der Convexität der Schlinge
ist eine quere Falte angelegt und die Stelle an den Magen angeheftet (die Ver-
hältnisse sind durch einen sagittalen Durchschnitt klargelegt). Die tiefe Naht
der Anastomose durch alle Schichten ist gelegt, die Schleimhautnaht begonnen.
Man sieht, wie schön der Mageninhalt in das untere Darmstück (in der Zeichnung
nach links) geleitet wird.
gemacht, die Schleimhaut g-espalten und rücklaufend mit demselben
Faden nochmals exact vernäht und vorne herum die vordere Ring-
naht durch die ganze Dicke der Wand (Mucosa mitfassend) angelegt.
Darüber kommt — nachdem vorher eine gründliche Reinigung der
ganzen Nahtstelle und Umgebung und Wechsel verunreinigter Com-
1) In der Figur sind die Schnitte der senkrechten Darmanheftung, zumal
der am Darm, zu stark convex gezeichnet.
Abdomen.
311
pressen stattgefunden hat, die vordere Serosaringnaht, welche mit den
langen Enden der hinteren verknüpft wird. In Fig. 90 ist die hintere
sero-musculäre Naht gelegt und die Mucosanaht begonnen 1).
<~*\
llr
Fig. 91. Gastroenterostomia inferior antecolica. Das Jejunum ist reichlich 40 cm
unterhalb seines Ursprunges als senkrecht stehende Schlinge an die grosse
Curvatur (nach Ligatur hindernder Gefässe) des Magens angelegt (die Figur
giebt die Oeffnung am Magen zu hoch über der grossen Curvatur an) und
durch eine fortlaufende feine Seidennaht die Serosa beider Organe in breiter
Ausdehnung vereinigt; Magen und Darm sind eröffnet (das abführende Darm-
ende liegt nach vorne) und die tiefe Naht durch die ganze Dicke der Schnitt-
ränder gelegt (fortlaufend !).
1) Alle theoretischen Einwendungen und von meinen bestimmten Vor-
schriften wesentlich abweichenden Versuche an Thieren haben gegenüber den
an kranken Menschen erzielten vorzüglichen Erfolgen gar keine Berechtigung.
Man stelle mir mit der horizontalen Anheftung eine ebenso gute Statistik
bezüglich Mortalität und functionellem Erfolg gegenüber.
3 12 Specielle Operationslehre.
Es ist sehr wesentlich, den Schnitt im Magen so gross wie
möglich zu machen. Zu diesem Behuf muss man den Darm in
seiner ganzen convexen Hälfte so anheften, wie Fig. 91 zeigt, um
den Schnitt dem halben Darmumfang entsprechend machen zu
können. Der Schnitt im Magen ist in der Figur etwas zu klein ge-
zeichnet. Er muss etwas grösser sein, als die Oeffnung im Darm.
HACKER hat eine ähnliche Faltenbildung am Darm gemacht,
ebenso Sykow, allein Hacker hat sich die Sache durch Benutzung
seiner G. retrocolica, Sykow durch eine complicirte Vereinigungs-
methode erschwert. Es ist nützlich, wenn der Patient eine halb-
sitzende Stellung nach der Operation einnimmt. Es kommt Alles
darauf an, dass jede Stagnation des Mageninhaltes vom ersten
Augenblick an vermieden bleibe. Bei zersetztem Mageninhalt ist
unter allen Umständen schon am ersten Tage Magenspülung vor-
zunehmen. Laut Nachweis halten ja die Darmnähte am ersten Tage
besser als an den folgenden, so dass der vorsichtigen Magenspülung
nichts im Wege steht x).
Zersetzter Mageninhalt kann schon Intoxicationssymtome bis zu
eigentlichem Collaps machen und giebt durch Resorption zu meta-
statischen Entzündungen, zumal Pneumonien, Anlass. So starke
Zersetzungen kommen allerdings nur bei wenigen Fällen von Ulcus
simplex, hauptsächlich bei jauchenden Krebsgeschwüren, in Frage.
127) Gastroenterostomosis retrocolica Y-formis nach
Roux 2).
Nachdem das Abdomen eröffnet ist, wird Magen und Colon
transversum mit Netz nach oben geschlagen, das Mesocolon zwischen
den Gefässen gespalten und die Rückwand des Magens freigelegt.
Die Ränder der Mesocolonöffnung werden mit ein paar Nähten an
die Rückfläche des Magens angeheftet. Vergl. Fig. 92, wo der
Schnitt im Mesocolon gezeichnet ist.
Dann wird das Jejunum vorgezogen. Hier bedarf es nun keiner
so grossen Entfernung von dessen Ursprung, weil dasselbe nicht
1) Zu dieser Magenspülung bemerke ich, dass sie stets vom Arzt und mit
grosser Sorgfalt auszuführen ist. Wenn man mit kaltem statt warmem Wasser
und mit einer antiseptischen Lösung statt mit physiologischer Lösung, und
wenn man eine halbe Stunde statt wenige Minuten spült, und zwar durch einen
Wärter spülen lässt, so wundere man sich nicht, wenn Collaps eintritt.
2) Wir haben schon hervorgehoben, dass auch die Y-Methode alle Vor-
theile gewährt, wenn sie in der leichteren und sicheren Weise einer G. ante-
colica inferior ausgeführt wird, bloss muss dann zur Anheftung eine Stelle
40 — 50 cm unter dem Ursprung des Ileum gewählt werden, während man bei
der posterior die nächstliegende Jejunumstelle wählen kann. Die Einheftung
des Darmes in die hintere Magenwand hat auch hier keine Vorzüge wesent-
licher Art.
Abdomen.
313
um das Colon transversum herumgeführt zu werden braucht. Mit
2 dicht aneinander gelegten Arterienklemmen (nach unserem Modell)
^
■
Fig. 92. Gastroenterostomia retrocolica posterior, Y-Methode, 1. Act. Magen
herausgehoben und sammt Colon transversum emporgeschlagen. Umrahmt von
der Colonschlinge drängt sich die hintere Magenwand vor, bedeckt vom Meso-
colon transversum, das in Längsrichtung incidirt ist.
wird der Darm gefasst und bis ins Mesenterium zum ersten stärkeren
Gefässbogen eingeschnitten (s. Fig. 93). Auch hier kann man durch
Zangen oben und unterhalb den Darm sammt Mesenteriumstück ab-
3H
Specielle Operationslehre.
schliessen oder durch eine Ligatur das Darmlumen provisorisch ver-
schlossen halten.
Nun wird nach Fig. 93 der Magen unterhalb des Colon trans-
versum durch die Oeffnung im Mesocolon mittelst der Hand vorge-
Fig- 93- Y-Methode, 2. Act. Das Jejunum als Schlinge vorgezogen und zwischen
zwei festen Klemmen bis ins Mesenterium hinein gespalten; der Magen mit der
rechten Hand aus der Oeffnung des Mesocolon transversum herausgedrängt,
so dass seine hintere Wand sich vorwölbt.
drängt und das untere Darmstück in denselben senkrecht eingesetzt
in analoger Weise, wie dies oben beschrieben ist. Danach wird
der obere Darmtheil, wie Fig. 94 erläutert, abwärts geklappt, soweit
Abdomen.
315
das Mesenterium es zulässt, und zwar so, dass er von links her an
den abführenden Darmtheil herantritt und seitlich in diesen ein-
gefügt.
Da man es am Darm mit einer Endanostomose zu thun hat,
so kann man auch dieses Ende mit einer Presszange nach Art der
Fig. 94. Y-Methode, 3. Act. Der untere Abschnitt des gespaltenen Jejunum
in die hintere Magenwand mit Doppelnaht eingenäht, der obere Abschnitt von
links her seitlich in den unteren eingepflanzt. An der unteren Darmschlinge
sieht man noch die provisorische Abschlussligatur.
Angiothryptoren verschliessen und die Naht anlegen, bevor man das
Lumen zum Klaffen bringt; nur ist dann keine exacte Schleimhautnaht
möglich. Wir verweisen auf die einleitenden Bemerkungen zur Magen-
darmchirurgie.
2 1 6 Specielle Operationslehre.
Gastrektomie (Gussenbauer-Billroth'sche Operation).
128) Indication und Methode.
Diese Operation wird gewöhnlich als die BlLLROTH'sche
Operation bezeichnet. Vor ihm haben 1879 Pean und Rydygier
die Operation ausgeführt. Jedenfalls hat Pean die Bedeutung der
Operation nicht voll gewürdigt. Rydygier dagegen hat schon sehr
zutreffende Vorschriften für deren Ausführung gegeben. Billroth
hat die erste glückliche Resection auf Grund eingehender experi-
menteller Arbeiten von Gussenbauer, Winiwarter, Czerny und
Kaiser vorgenommen. Zur Zeit sind schon Hunderte glücklicher
Operationen ausgeführt. Wir verfügen bis zur Stunde über 76 eigene
Fälle von Pylorektomie (2 Total ex cisionen des Magens nicht
mitgerechnet) wegen Magenkrebs.
Einer unserer Schüler, Broquet, hat über sämmtliche von uns
operirte Fälle von 1881 bis 1898, nämlich 52 Fälle, referirt. Seit
1898 haben wir wieder 24 Fälle operirt. Es ist selbstverständlich,
dass anfänglich bei noch unvollkommener Asepsis und Technik die
Resultate wesentlich schlechter waren, als sie Dank dem Zusammen-
wirken vieler Chirurgen zur Verbesserung der Operationsmethoden
zur Stunde sind. Wenn wir alle Fälle zusammen nehmen, so ergiebt
sich eine Mortaliät von 29,3 Proc, d. h. es sind 22 von 75 gestorben
an den Folgen der Operation. Wenn wir bloss die seit Broquet's
Publication operirten Fälle zusammenstellen, so finden wir eine
Mortalität von 4.
Allein derartige Zusammenstellungen geben einen viel zu
schlechten Begriff von der Leistungsfähigkeit der Operation. Die
Todesfälle der letzten Zeit betreffen fast ausnahmslos Patienten, welche
der Operation wegen viel zu vorgerückter Krankheit nicht hätten
unterworfen werden sollen. Sie beweisen bloss, dass wir mit der
operativen Behandlung sehr weit gegangen sind.
Von den 4 Todesfällen, welche unter den 24 Operationen der
letzten 2 Jahre vorgekommen sind, befinden sich 2, bei welchen die
Resection e necessitate vorgenommen werden musste. Das Carcinom
zeigte sich beide Male mit der vorderen Bauchwand so verwachsen,
dass es bei Explorativlaparotomie und Versuch der Loslösung behufs
Orientirung einriss und dadurch die Nöthigung gab, wider Willen die
Operation auszuführen. Derartige Fälle kann man nicht mitzählen,
wenn man einen wirklichen Begriff von der Gefahr der Operation
bekommen will. Es bleiben demgemäss 22 Fälle mit 2 Todesfällen,
also eine Mortalität von 9,0 Proc. Das kommt der Wahrheit viel näher.
Aber auch diese beiden Todesfälle waren sehr weit vorgeschrittene
Fälle, der eine in Folge von Verwachsungen sehr schwierig, der andere
bei einem vollkommen herunter gekommenen Individuum, welches
Abdomen.
317
an seiner putriden Bronchitis und an Pneumonie zu Grunde ging bei
Vorhandensein von brauner Herzatrophie. Wir dürfen also wohl be-
haupten, dass eine rechtzeitige Resectio pylori, wo es sich noch um
bewegliches Carcinom handelt, eine ungefährliche Operation
geworden ist. Ja selbst früher sehr gefürchtete Complicationen,
wie die Verwachsung des Colon transversum, ändern an diesen guten
Aussichten nichts; 4 Fälle unter diesen 22, bei welchen gleichzeitig
eine Colonresection gemacht werden musste, sind alle geheilt.
Es geht aus dem Umstände, dass wir in relativ kurzer Zeit
so viele Pylorektomien ausgeführt haben, während die Zahl der
Gastroenterostomosen wegen Krebs ganz bedeutend zurückgegangen
ist, mit Deutlichkeit hervor, dass wir die Indication zur Resection
sehr weitgehend gestellt haben und nichts weniger als die günstigen
Fälle ausgesucht haben. Noch günstiger gestalten sich die Ver-
hältnisse, wenn wir die Methode der Operation in Betracht ziehen.
Wir haben die von uns bevorzugte Resection mit Gastro-
duodenostomosis jetzt 52 mal ausgeführt, und wenn wir selbst
die frühesten Fälle alle hinzurechnen (von 1888), so stellt sich die
Mortalität bloss auf 15,3 Proc. In den letzten 22 Fällen beträgt sie
bloss 5,5 Proc, da einer der obenerwähnten Todesfälle nach der
zweiten BiLLROTH'schen Methode ausgeführt worden ist.
GuiNARD hat 291 Pylorusresectionen aus den Jahren 1891 — 98
gesammelt und eine Mortalität von 35,3 Proc. gefunden. Unter diesen
befinden sich 148 nach Billroth I resp. Rydygier operirte Fälle
mit 37,8 Proc. Todesfällen, 64 nach Kocher operirte dagegen mit
bloss 15,64 Proc. Daraus ist zu schliessen, dass auch in den Händen
von weniger Geübten die Mortalität bei unserer Methode verhältniss-
mässig sehr günstige Zahlen aufweist, da sie derjenigen fast völlig
gleich ist, welche ich bei Zusammenfassung aller Fälle aus den Ver-
suchszeiten der Operation und der Zeit vervollkommneter Technik
selber gehabt habe.
Anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn man nach den
Endresultaten der Operation fragt. Allerdings leben von
unseren Operirten noch 18, vielleicht noch 21 Fälle; aber wenn man
für die Annahme einer Radicalheilung wie für die Krebse der Mamma
einen kritischen Termin von 3 Jahren verlangt, so kann bei der Mehr-
zahl von den 18 noch nicht von einer solchen gesprochen werden. Da-
gegen haben nicht weniger als 6 unserer Operirten 3 Jahre und darüber
gelebt (2 Patienten 4 Jahre) und 2 davon sind ohne Recidiv gestorben.
Von radicaler Heilung dürfen wir bloss bei 2 Fällen sprechen: Eine
Patientin ist nach 8, eine nach 13 Jahren noch im besten Wohlsein 1).
1) Wölfler hat 1896 die Resultate verschiedener Chirurgen gesammelt
und Defossez hat auf Hartmann's Anregung die Zusammenstellung vervoll-
ständigt und 18 Fälle mit Lebensdauer über 4 Jahre zusammengetragen.
318 Specielle Operationslehre.
Eine Patienten Czerny's lebte über 7 Jahre, eine Patienten Wölfler's
hat 51/2 Jahr gelebt. MAYDL theilt eine 83/4-jährige Heilungsdauer
mit, Chaput eine 5 -jährige etc.
Bei den Ueberl eben den, auch wenn später Recidiv eintritt in
Drüsen, in der Leber, auf dem Peritoneum, hat die übereinstimmende
Untersuchung vieler Forscher (Kaensche und Rosenheim, Mintz)
ergeben, dass der Magenchemismus sich nicht bessert, dagegen die
motorische Function des Magens sich völlig sicher herstellt. Die
Patienten verlieren ihre Beschwerden völlig und zwar in nicht wenigen
Fällen für Monate und Jahre hinaus, blühen auf und werden arbeits-
fähig, bis Recidiv eintritt, welches oft nur wenige Wochen vor dem
Tode wieder ernstliche Beschwerden macht.
Die Radicalheilung des Magenkrebses ist also zur Stunde stets
noch eine Ausnahme, ganz bedeutende Lebensverlängerung sahen
wir in ca. 1 2 Proc. der Fälle, Besserung der Beschwerden für Monate
bis Jahre dagegen kann mit Sicherheit in Aussicht genommen werden.
Es erhebt sich die Frage, ob die Methode der Operation einen
wesentlichen Einfluss auf die Endresultate auszuüben berufen ist.
Dass die unmittelbaren Resultate wesentlich von der Methode be-
einflusst werden, zeigt die Statistik von GuiNARD. Indes ergiebt
die Prüfung kleinerer Statistiken, dass bei der nöthigen Uebung
nach allen Methoden gute Resultate zu erzielen sind. MAYDL hat
selbst mit RYDYGIER - BlLLROTH's Methode von 25 Operirten
2 1 durchgebracht.
Aber noch viel maassgebender, als die grössere Uebung in der
Technik ist die Zeit anzuschlagen , in welcher ein Magencarcinom
zur Behandlung kommt. Die Frühoperation giebt wesentlich bessere
Resultate und MAYDL schreibt seine guten Resultate wesentlich
dem Umstände zu, dass die Aerzte ihm die Kranken frühzeitig zu-
wiesen. Das ist und bleibt das pium desiderium der Chirurgen an
Interne und praktische Aerzte. Nicht als ob man nicht in neuester
Zeit, wie für andere Krebse auch Versuche gemacht hätte, die
Operationsmethode zu einer radicaleren zu gestalten.
Es ist Hartmann's Verdienst, durch die Untersuchungen von
CuNEO über die Ausdehnung des Magencarcinoms Aufschluss ge-
geschaffen und danach die Operationstechnik modificirt zu haben.
Auch Carle und Fantino in ihrer vortrefflichen Arbeit zeigen
die Ausbreitungswege des Krebses. Das Carcinoma pylori breitet
sich am intensivsten der kleinen Curvatur entlang aus, und zwar nicht
bloss in Form von die Arteria coronaria begleitenden Drüsen, sondern
auch von Krebsnestern im Bereich der lymphoiden Einlagerungen
in der kleinen Curvatur. Danach richtet HARTMANN seine Operations-
methode. Ob durch dieselbe die Recidive besser vermieden werden,
Abdomen. ojq
lässt sich aus Hartmann's Statistik wegen zu kurzer Dauer noch
nicht übersehen.
Hervorheben möchte ich das wichtige Factum, dass der Pylorus-
krebs nach dem Duodenum zu, wie ich es stets betont habe, auch
nach CUNEO's Untersuchungen scharf abschliesst „it se termine par
un arret net" sagt Hartmann. Doch will er stets einen kleinen
Saum Duodenum wegnehmen, da hier und da eine geringe Infil-
tration in den Lymphgefässen der Submucosa gefunden wurde auch
nach dem Duodenum zu. Deshalb hat auch HARTMANN die Gastroduo-
denostomie beibehalten für alle Fälle, wo sich das Duodenum ge-
nügend isoliren lässt. Daraus ergiebt sich, wie ungerechtfertigt es
ist, wenn ein mir sehr lieber und berühmter Chirurg spottet, die
Chirurgen, welche Gastroduodenostomie machen, kommen ihm vor,
wie die, welche bei Amputatio mammae zuerst die plastischen Lappen
zeichnen. Man könnte die Sache umkehren.
Wie Hartmann resp. Cuneo zeigen, muss man das ganze
Packet Drüsen entlang den beiden Coronariae, resp. wie sie jetzt
heissen x\rteriae gastricae superiores sammt diesen Arterien und
sammt der kleinen Curvatur, die „ausserordentlich häufig" in grosser
Ausdehnung krebsig infiltrirt sei, mitnehmen und auch die Art.
gastroduodenalis ligiren und entlang derselben bis weit nach der
A. gastro-epiploica dextra die häufig vorhandenen Drüsen entfernen.
Man muss also auch hier — um den Vergleich jenes Chirurgen fest
zu halten — nicht bei einem Krebsknoten im oberen äusseren Segment
der Mamma die letzten Verzweigungen der Mamma ab- und median-
wärts ängstlich herauspräpariren , statt die Haut über , die Muskeln
unter der kranken Stelle und die Lymphwege und Lymphdrüsen
nach der Axilla gründlich zu beseitigen.
Ich erlaube mir übrigens, diejenigen Chirurgen, welche die Vor-
theile der Excisio pylori mit folgender Gastrojejunostomie gegenüber
dem nach mir genannten Verfahren ausspielen, darauf aufmerksam zu
machen, dass ich zuerst, im Jahre 1887 auf dem Congress der deutschen
Gesellschaft für Chirurgie die Forderung aufgestellt habe, principiell
stets nach Excision des Krebsigen den Magen zu
schliessen und eine Gastroenterostomie hinzuzufügen,
während Billroth diese seine zweite Methode bloss ausnahmsweise
und als Verlegenheitsoperation durchgeführt wissen wollte. Ich hatte
auch damals die Gastrojejunostomie speciell empfohlen und einige
Male ausgeführt, bis ich sah, dass die Gastroduodenostomie noch
bessere functionelle Resultate ergiebt und rationeller ist — selbst-
verständlich nur, wo sich dieselbe unter exacter Naht und gründ-
licher Excision des Kranken ausführen lässt.
Ich glaube, dass dieses Princip zur Stunde von der Mehrzahl
der Chirurgen festgehalten und (Mikulicz, Garre, Hahn, Roux,
ß2o Specielle Operationslehre.
Hartmann, Souligoux) von einer Anzahl von Chirurgen speciell
die Gastroduodenostomie bevorzugt wird (Wiesinger, Alsberg,
Krumm , Zoege-Manteuffel nach P ick , Graser , Hartmann,
Guinard, Carle und Fantino, Hochenegg (nach Porges). So be-
sitzen wir denn zur Stunde neben der ursprünglichen Rydygier-
Billroth ' s c h e n Methode der directen Wiedervereinigung von
Magen und Darm (wie sie Krönlein, Kappeler, Eiselsberg,
Madyl festhalten), eine Modification derselben nach Henle-
Mikulicz, bei welcher das Duodenum allein verschlossen wird, die
Magenwunde dagegen unten offen gelassen und eine Jejunumschlinge
in dieselbe eingenäht wird. Krönlein und Körte haben diese
Methode ausgeführt. Sie hat die Nachtheile der BlLLROTH'schen
Methode und ist dieser vorzuziehen, wenn das Duodenum sich zu
sicherer Nahtanlage nicht vorziehen lässt.
Dann kommt das zweite Billroth ' s c h e Verfahren, von
mir zur principiellen Anwendung empfohlen mit Schluss des
Magens und Einsetzung des Darms in eine besondere Oeffhung am
hinteren unteren Umfang des Magens, entweder des Jejunum nach
Billroth oder des Duodenum nach meinem Vorschlage.
Diese Methode hat den grossen Vortheil, selbst in den Händen
weniger geübter Chirurgen eine viel grössere Sicherheit für Verhütung
des Austrittes des Magen- (und Darm-)Inhaltes zu gewähren und in
der Nahtanlage viel grössere Leichtigkeit zu bieten. Die Excision
mit Gastrojejunostomie ist leichter als die Gastroduodenostomie, hat
aber alle Nachtheile der Gastrojejunostomie überhaupt für diejenigen,
welche den Circulus vitiosus nicht sicher zu vermeiden wissen. Dies
geschieht verlässlich durch die Roux'sche Y- Methode, welche aber
die Operation um eine zweite Anastomose verlängert und complicirt
oder durch das von mir bei der Gastroenterostomose geschilderte
Verfahren.
Ich halte dafür, dass die Verfahren des Magenschlusses mit Ein-
satz des Darmes in eine eigene Oeffnung vorzuziehen sind. Beweis
für die Berechtigung dieser Behauptung liegt in den statistischen
Nachweisen, dass die Resultate — wenn man alle Chirurgen zu-
sammennimmt — bedeutend bessere sind1). Wir rathen dem-
i) Roux hat in letzter Zeit durch Dr. Kolbe seine Resultate bei Magen-
resectioneu veröffentlichen lassen. Von 39 Fällen sind 14 gestorben. Dabei
sind 16 nach Rydygier-Billroth operirt mit 5 f, 10 nach Billroth-Roux
mit 4 f, 10 nach Kocher mit 4 f, 3 nach Billroth-Hacker mit 1 f. Ich habe
dazu zu bemerken, dass, wenn die KocHER'sche Methode hier nicht günstiger
erscheint, dies daran liegt, dass I. ein Fall von Colongangrän dabei zählt, was
als Lapsus gelten muss, der nicht die Methode zur Last fällt, 2. die 3 anderen
Todesfälle nach Kocher solche sind, welche mit Murphyknopf behandelt sind.
Rein nach Kocher mit Naht Operirte gaben also auch Roux durchaus günstige
Resultate.
Abdomen.
321
gemäss zu Gastroduodenostomosis, welche die besten
functionellen Verhältnisse schafft, in allen Fällen, wo das Carcinom
am Pylorus sicher begrenzt ist x) und wo das Duodenum genügende
Beweglichkeit zeigt. Wir rathen zur Gastrojejunostomosis
nach unserer Methode, wenn das Duodenum nicht vorziehbar
ist oder durch die Operation zu sehr verkürzt werden musste;
wir rathen zu derselben Methode in der Roux'schen Y-Form, wenn
der Patient eine Verlängerung der Operation durch eine zweite
Anastomosen anläge vertragen kann. Diese kann ja freilich in sehr
geübten Händen sehr rasch gemacht werden, aber allgemeine Vor-
schriften sind nicht in erster Linie für geübte Chirurgen bestimmt.
129) Gastrectomia partialis.
Worauf die Sicherung des Erfolges bei Resectio pylori
und des Magens überhaupt beruht, haben wir bei den einleitenden
Bemerkungen zur Magen-Darm Chirurgie auseinander gesetzt und in
den früheren Auflagen in alle Einzelheiten hinein beschrieben. Wir
heben deshalb nur einzelne Hauptpunkte mehr heraus. Selbst-
verständlich ist es, dass auch hier rein aseptische Behandlung
der Wunden und des Peritoneum, vollkommen sicherer Abschluss
des letzteren durch aseptische Tamponade stattfinde, aber es
ist besonders wichtig, dass bei den jauchenden Krebsgeschwüren
überhaupt aus dem Magen nichts ausfliesse.
Dieser Indication lässt sich nur durch Anlegung von Klammern
vollständig genüg'en. Wo Klammern nicht mehr angelegt werden
können, z. B. wo wirklich einmal das Carcinom auf Duodenum und
Umgebung oder an der kleinen Curvatur bis gegen das Foramen
oesophageum, soweit übergegriffen hat, dass eine, besser 2 Klammern
jenseits des Tumors und bestimmt über dessen Grenze hinaus nicht
mehr verlässlich angelegt werden können, da soll man von dem
Versuch einer Radicalheilung absehen. Ich habe aber aus der inter-
essanten Publication von Dr. Brunner ersehen, dass über die Art und
Weise, wie ich die Klammern zu benutzen empfehle, noch Miss-
verständnisse bestehen.
Man muss bei der Benutzung der Klammern zwei Dinge völlig
auseinander halten: Die Anlage der Klammern am Wundrand, wo die
Trennung am Magen (und auch am Darm) stattfinden soll, und die
Anlegung der Klammern entfernt von der Durchschneidungsstelle
behufs Verhütung des Ausflusses von Magen- und Darminhalt aus
den weiter abliegenden Darmabschnitten, sowie behufs provisorischer
Blutstillung gemacht.
1) Die Methode hat die längste bis jetzt bekannte Radicalheilung (13 Jahre)
ergeben.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 21
■\22 Specielle Operationslehre.
Legt man die Klammern an der Trennungsstelle an, so kann
man sie nicht energisch genug zusammen pressen, damit man voll-
kommen sicher abschliesse und zugleich Blutung verhüte. Die ge-
f ässreichen Gewebe und Gef ässe werden dabei in ihren nicht elastischen
Antheilen völlig durchgequetscht, und bloss die elastischen Theile
(Serosa, Gefässwände etc.) bleiben wie gepresstes Papier unter der
Zange, halten, wo nöthig, momentan das Magen- und Darmlumen
geschlossen und können durch fortlaufende Naht mit Leichtigkeit ver-
einigt werden. Diese Quetsch- und P r e s s z a n g e n in exquisitester
Gestaltung in der Art der DOYEN'schen Angiothryptoren mit ihren
Modificationen finden ihre Anwendung am allerbesten da, wo eine
völlige Occlusion stattfinden soll: Am Magen bei der Resection mit
folgender Gastroenterostomose.
Indes haben wir schon seit Jahren im Gegensatz zu der Art
der Klammerbenutzung durch andere Chirurgen (GüSSENBAUER,
Rydygier) betont, dass man diese Pressklammern auch ohne jegliches
Bedenken anwenden kann, wo man nachher Nähte anlegt behufs
Anastomose, also am Duodenum bei der Gastroduodenostomosis.
Die mürben Gewebe, nämlich Mucosa und Muscularis werden nämlich
durchgequetscht und bloss die elastisch-zähen Gewebsbestandtheile
bleiben in der Presse. Diese sind aber soweit gepresst, dass keine
Gangrän derselben zu fürchten ist, weil sie trocken geworden sind und
durch langsame Abstossung ohne Zersetzung beseitigt werden. Zur
Vereinigung erhält man hinter dieser gepressten Stelle sehr gute
vascularisirte Gewebe, geeignet zur Primaheilung.
Ganz anders verhält es sich mit der Anlegung von Klammern
entfernt von der Nahtstelle, welche bloss das Lumen verschliessen
sollen und die Blutzufuhr momentan aufheben. Da kann von einem
Zusammenpressen gar keine Rede sein, sondern da handelt es sich
nach Art EsMARCH'scher Blutstillung um elastisch federnden Ver-
schluss. Dass diese Art des Abschlusses sehr bequem ist, ist gar
keine Frage: Sie lässt die Nahtstelle völlig frei zu bequemer und
genauer Vereinigung der verschiedenen Schichten und sie entbindet
den Chirurgen, sich um Blutstillung aus den Wundrändern anders
zu kümmern, als mittelst der Naht selber.
Der Nachtheil der elastisch federnden Klammern, welche wir
als Klemmzangen unterscheiden wollen, ist die Schwierig-keit, gerade
das richtige Maass zu treffen, um weder eine zu starke Läsion der
Schleimhaut zu bewirken, welche zu Ulceration und zu Blutung führen
könnte, noch durch zu langen Abschluss der Gefässe zu Thrombose,
Nekrose und Entzündung Anlass zu geben. Das ist Sache der Er-
fahrung und gerathen ist es jedenfalls, diese Klammern keinen Augen-
blick früher anzulegen und länger liegen zu lassen, als absolut nöthig
ist. Kommt man ohne dieselben aus, so ist es vorzuziehen.
Abdomen.
323
Wir haben dieser Frage mehr Worte gewidmet, weil wir diesen
-wesentlichen Unterschied noch nirgends genügend hervorgehoben
finden und weil wir die Art des Klamm er verschlusses für den Erfolg
für einen ganz maassgebenden Factor halten. Allerdings muss daneben
auch der definitive Verschluss durch die Faden ein voll-
kommen zuverlässiger sein. Zunächst betonen wir vielleicht unnützer-
weise nochmals die Notwendigkeit des Gebrauches feiner Seiden-
faden. Wie man noch für die ganze Naht Catgut benutzen mag,
ist uns unverständlich. Die Hauptnaht, welche die Magendarmwände
in ihrer ganzen Dicke fasst, sollte absolut Seide sein. Will man
behufs des Verschwindens des Fadens auf der Schleimhautseite
Catgut benutzen, so ist dagegen nichts einzuwenden. Auch wir
machen das gelegentlich.
Will man behufs Meidung eines bleibenden Fremdkörpers auf der
Serosa und der dadurch veranlassten Neigung zu Adhäsionsbildung die
Serosanaht mit Catgut machen, so wäre das allenfalls auch noch zu
entschuldigen, obschon die feinen Seidennähte sich später so schön in
die glatte Serosa eingebettet finden, dass sie kaum mehr erkennbar sind.
Die Naht ist stets fortlaufend anzulegen. Wo es geht, schützt
eine isolirte Mucosanaht sehr gut vor Eindringen von Darminhalt
zwischen die Faden. Die LEMBERTsche Serosanaht wird kaum ein
Chirurg missen mögen, um nach der Peritonealfläche sicheren Ab-
schluss zu schaffen; aber Madelung, welcher bloss eine einfache
Nahtreihe will, hat in dem Punkte Recht, dass der Haupttheil der Naht
stets die alle Wunden durchdringende Seidennaht ist, welche ver-
lässlich vereinigt und sicher die Blutung aus den Wundrändern stillt.
Maassgebend für den Erfolg kann auch die Vor- und Nach-
behandlung der Patienten werden. Hier stehen 2 Punkte im
Vordergrunde : Die Ernährung des Patienten und die Beseitigung
von Zersetzung im Magendarminhalt. Die Ernährung, die
so oft im höchsten Maasse darniederliegt, hat zunächst die Berück-
sichtigung des letztgenannten Momentes zur Voraussetzung. Einen
Patienten mit zersetztem Mageninhalt und chronischer Intoxication
kann man nicht ernähren. Der Magen muss vor, und wo nöthig
nach der Operation, und zwar schon am Tage derselben, sobald Zer-
setzung in demselben sich einstellt, entleert werden. Wir haben schon
bei der Gastroenterostomosis uns darüber ausgesprochen, dass dies
in sehr verkehrter Weise geschehen kann, so dass ein Patient in
völligem Collapszustand in Folge dieser Vorbereitung auf den
Operationstisch geliefert wird. Dies geschieht, wenn ungeübte
Assistenten oder gar das Wartepersonal während x/2 — 1 Stunde
einen Patienten womöglich mit gewöhnlichem Wasser von beliebiger
Temperatur, oder was noch schlimmer ist, mit antiseptischen Lösungen
„bearbeiten", um den Mageninhalt klar ausfliessen zu sehen.
21*
324 Specielle Operationslehre.
Das muss allerdings vermieden werden. Eine kurze Spülung
ohne Hochdruck mit völliger Entleerung durch geeignete Lagerung
und unter Benutzung körperwarmer physiologischer Kochsalzlösung
hat keine üblen Folgen.
Ernährung muss durchaus durchgeführt werden können und
zwar ist bei derartigen Patienten bei Weitem die Hauptsache die
Zufuhr von Flüssigkeiten vor und nach der Operation. Unsere
Methode besteht darin, dass wir mehrfach täglich je i Liter warmer
Kochsalzlösung subcutan verabfolgen und per Klysma sterilisirte
Milch zu 200,0 ebenfalls wiederholt eingiessen lassen. Per os ist
concentrirte Nahrung in Form von Kraftgallerte (aus 1 kg in einer
Flasche 7 — 8 Stunden ausgekochtes Fleisch) mit Somatose oder ähn-
lichen Nährpräparaten oft das Einzige, was bei Pylorusstenose ohne
Schaden vertragen wird. Bei zersetztem Mageninhalt kann die
gleichzeitige Verabfolgung eines leichten Antisepticum (Bismuth) von
Nutzen sein. In der Ernährung nach der Operation ist kein Chirurg
kühner vorgegangen als Roux, welcher sofort jede Speise geniessen
lässt, welche dem Patienten beliebt.
Dass man heruntergekommene Patienten während und nach der
Operation warm halten soll (Wärmetisch) und die Narkose in leichtester
Form (als luftverdünntem Aether in BRAUN'scher Flasche) reichen
und auf die schmerzhaften Acte des Schneidens und der Zerrung
des Peritoneum beschränken soll, braucht kaum noch speciell hervor-
gehoben zu werden.
130) Gastrektomie mit Gastroduodenostomose.
Medianschnitt von der Spitze des Schwertfortsatzes bis zum Nabel,
event. wie Hartmann thut, unter Zufügung eines queren Schnittes
bis zum Rande des Rectus abdominis, wenn mehr Platz nöthig ist.
Es erscheint der Tumor, welcher herausgehoben wird. Leichtere
Adhärenzen lassen sich oft trennen, indem man die Hand einführt.
Lässt sich der Tumor nicht herausheben, so bestehen stärkere Ad-
häsionen entweder im Bereich des Pankreas, des Mesocolon transversum,
oder mit retroperitonealen Drüsenpack eten nach der hinteren Bauch-
wand zu oder bei Totalerkrankung mit Milz und dem Zwerchfell. Es
besteht dann schon Verdacht, dass Radicaloperation ausgeschlossen ist.
Nach genauer Orientirung über die Grenzen der Geschwulst und
über die Beweglichkeit oder Loslösbarkeit vorhandener Drüsen werden
unter Perforation des kleinen Netzes und des Lig. gastrocolicum so-
fort an der Grenze der Neubildung auf der Seite gegen den Fundus
des Magens zu 2 grosse Presszangen angelegt ganz nahe bei ein-
ander und so fest wie möglich geschlossen und auf untergelegter
Schutzcompresse (die aseptische Absperrungstamponade ist rings
herum schon vorher gemacht) dicht an der rechtseitigen Klammer
zwischen beiden der Magen durchschnitten. Nach Hartmann's Vor-
Abdomen.
325
schrift muss auf Grund von Cuneo's Nachweisen die Klammer an
der kleinen Curvatur so hoch wie möglich angelegt werden, und
um mit der letzteren gleichzeitig die die Coronargefässe begleitenden
Fig. 95. Magenresection mit ausgedehnter Entfernung der kleinen Curvatur
nach Hartmann's Modifikation unserer Methode. Die Arteria gastrica sin. ist
ligirt, das kleine Netz mit dem Finger zerrissen und an der kleinen Curvatur
sitzen geblieben. Die Magenzange fasst die kleine Curvatur hoch hinauf. Man
sieht links oben den heraufgeschlagenen linken Leberlappen, darunter den
Pylorustheil des Magens.
Drüsen im Zusammenhang wegnehmen zu können, erscheint es zweck-
mässig, die Art. coron. sin. (Gastrica sin.) oberhalb der Stelle, wo man
trennen will, doppelt zu ligiren (vergl. Fig. 95), durchzuschneiden und
durch unblutige Trennung des kleinen Netzes oberhalb der Drüsen
326
Specielle Operationslehre.
den getrennten Magen so beweglich zu machen, dass man ihn nach
rechts herüberschlagen kann.
Fig. 96. Magenresection mit ausgedehnter Entfernung der kleinen Curvatur
sammt dem kleinen Netz, welches als bandartiger Streifen längs der kleinen
Curvatur erscheint. Der durchschnittene Magen ist über den rechten Wund-
rand herübergewälzt, so dass die Rückfiäche des Duodenum und in der Furche
gegen das Pankreas die Arteria gastroduodenalis erscheint (über derselben die
Art. hepatica, welche ligirt wird). Das Lig. gastro - colicum ist in mehreren
Bündeln unterbunden und getrennt. In der Tiefe sieht man das Pankreas.
Hartmann legt auf letzteres Manöver deshalb Werth, weil
dann entlang der kleinen Curvatur Fettgewebe mit Drüsen ver-
folgt und mit entfernt werden können bis zum Abgang der Art.
coron. dextra (Gastrica dextra) und der Arteria gastroduodenalis aus
Abdomen.
327
der A. hepatica. Letzteres Gefäss wird sorgfältig geschont, die
beiden erstgenannten unterbunden. Man sieht (vergl. Fig. q6) nach
Zurückschlagen des Magens über den rechten Wundrand die Art.
Fig. 97. Illustration des Verfahrens der Magenresection mit Benutzung von Klemm-
zangen, welche die Operation vereinfachen, aber die Ernährung der Wundränder
bei unrichtigem Gebrauch gefährden können. Nach Entfernung des Tumors sind
Klemmzangen zum momentanen Verschluss des Magen- und Darmlumens, sowie
der Gefässe angelegt. Die Gefässstümpfe an der Zange links sind falsch ge-
zeichnet. Sie sollten in der Höhe der Trennungsstelle des Duodenum liegen.
g'astroduodenalis sehr gut in der Furche zwischen Duodenum und
Pankreas abwärts ziehen. So hat man bei Lösung der dieselbe be-
gleitenden Drüsenkette entlang genannter Furche nicht Blutungen zu
gewärtigen. Man kommt aber auch ohne Ligatur dieser Arterie sehr
328
Specielle Operationslehre.
Fig. 99.
Fig. 98 u. 99. Anlage der Occlusionsnaht am Magen
vor Lösung der Presszange. Figur 98: Das Carcinom
ist abgeschnitten dicht |über der ferneren Zange, und
es ist dargestellt , wie eine fortlaufende Naht unter
der Zange mit gerader Nadel hin- und her durchgeführt
wird, um vorläufigen sicheren Abschluss bei Entfernung
der Zange zu erzielen. — Figur 99: Zange abgenommen,
die Fadenenden angezogen erhalten (das untere Ende
ist nämlich nicht geknüpft). Die vorragende Mucosa
wird mit CooPER'scher Scheere abgetragen.
Abdomen.
329
wohl aus. Das Herüberschlagen des Magens über den rechten Wund-
rand hat den Vortheil, das Duodenum durch Zug von hinten gut zu-
gänglich zu machen, um von beiden Seiten die Grenzen der Neubildung
sicher zu controliren und sich zu überzeugen, ob das Duodenum lang'
und beweglich genug ist, um die Gastroduodenostomie auszuführen.
Wenn ja, so werden jetzt
2 kleine Presszangen an das
Duodenum gelegt und zwi-
schen beiden, dicht an der
dem Magen ferneren Zange
der Darm mit dem Messer
getrennt, auch hier mit
Unterlage einer kleinen
Schutzcompresse und mit
sofortiger gründlicher Reini-
gung der wenn auch ganz
verdünnten Schnittstelle.
Jetzt kann man vor
Schluss des Magens, weil die
noch liegende Zange einen
sehr guten Halt gewährt, die
Oeffnung in den Magen
machen nach Fig. 97, in-
dem man eine Klemmzange
an das Duodenum und die
begleitenden Gefässe legt
und die Presszange entfernt.
Dann kann man mit den
Fingern des Assistenten den
Magen fassen lassen und die
vordere Wand desselben an
die hintere an Stelle der In-
cision anpressen lassen, was
sehr gut geht; oder man
legt, wie Fig. 97 zeigt, auch
am Magen eine Klemmzange
an, nachdem man den Magen
durch Occlusionsnaht ver-
schlossen hat und bevor man den Schnitt für den Einsatz des
Duodenums anlegt.
Wie wir die Occlusionsnaht anlegen unter voller Sicherheit
gegen Verunreinigung und für Erreichung eines sicheren Verschlusses,
darüber geben die 4 Figuren (Fig. 98 bis 101) Aufschluss.
Wie ersichtlich, wird zuerst eine Matrazennaht fortlaufend, nach
Art einer halben GELY'schen Naht dicht hinter der Presszang-e hin
Fig. 101
Fig. 100 u. 101. Occlusionsnaht des Magens.
Figur 100 : Der Magen ist durch eine zweite
fortlaufende Kürschnernaht über der ersten
Naht verlässlich geschlossen. — Figur 101
zeigt die Anlegung der Serosanaht über der
zweiten Naht, welche durch die ganze Dicke
der Magenwand gelegt war.
33o
Specielle Operationslehre.
und her durchgeführt (Fig. 98), bloss der Anf angstheil geknüpft, und
die beiden Enden festgehalten, was verlässlichen Schluss giebt. Ist
Fig. 102. Resectio pylori VI. Das Duodenum ist an die Hinterwand des
geschlossenen Magens angelegt und daselbst durch die fortlaufende hintere
Serosanaht fixirt, der Magen mittelst eines dem Duodenumlumen conformen
Schnittes geöffnet.
die Presszange nicht stark genug, um die Gewebe bis zu Papierdünne
trocken zu pressen, so ist es zweckmässig, event. noch vorragenden
Schleimhaut- und Muskelsaum mit der Scheere abzutragen (Fig. 99),
Abdomen. 131
was bei Anwendung kräftiger Presszangen unnöthig ist. Während
der Faden gespannt gehalten wird , wird rasch eine fortlaufende
Kürschnernaht übergelegt, welche auch jenen Faden fixirt (Fig. 100)
und darüber eine Serosanaht nach Fig. 101 zum Abschluss.
Nun wird Magen und Duodenum entfernt von der Stelle, wo
sie eröffnet sind oder eröffnet werden sollen, mit Klemmzangen ge-
schlossen, vom Duodenum die Presszange unter gehörigem Schutz durch
Compressen und Austupfen des Inhaltes weggenommen, die hintere
Magenwand nahe der grossen Curvatur, 3 cm von der Occlusionsnaht
entfernt und dieser parallel zuerst bloss durch die Serosa gespalten in
der Breite des Duodenumlumens und die hintere Serosanaht ange-
legt (Fig. 102), dann erst die Magen wand ganz durchgespalten, eine
die ganze Wanddicke fassende hintere Ringnaht durch hinteren
Wundrand von Magen und Duodenum gelegt, die Schleimhaut fort-
laufend zwischen Magen und Duodenum vernäht, die vordere tief-
greifende Ringnaht mit der hinteren fortlaufend verknüpft, jetzt die
Klemmzangen, wo solche benutzt wurden, entfernt und die vordere
Serosanaht ebenfalls mit der hinteren beiderseits verknüpft.
Die Fig. 102 zeigt die Art der Anlage des Duodenum an den Magen
unter Benutzung der Finger statt der Klemmzangen zu Verschluss
von Magen und Duodenum. Die hintere Serosaringnaht ist angelegt.
Die Compressen werden entfernt, nachdem die Nähte mit steriler
warmer Kochsalzlösung nochmals gründlich abgetupft sind und die
Abdominalwände durch Schichtennaht geschlossen, ein Streifchen von
Xeroformgaze und Collodiumgaze darüber befestigt, kein circulärer
Verband. Entfernung der Hautnähte nach 8 Tagen, Aufstreichen von
Bismuthbrei.
131) Gastrektomie mit Gastrojejunostomose.
Zeigt sich bei Blosslegung des Duodenum dieses zu kurz und
zu wenig beweglich, um es zur Anastomose zu benutzen, so wird es
durch Occlusionsnaht geschlossen. Nur kann man hier statt der für
den Magen nothwendig etwas complicirten Verschlussmethode, nach
Abnahme der Presszange am Duodenum und bevor man es durch-
schneidet, um die dünngepresste Stelle einfach einen Seidenfaden
kräftig zusammenschnüren, darüber abtragen und durch eine Tabaks-
beutelnaht, wie Fig. 88 bei der Gastrostomie eine solche illustrirt,
das Duodenum verschliessen.
Danach wird die Gastrojejunostomosis in der unter diesem Titel
geschilderten Weise ausgeführt, nachdem der Magen verschlossen ist.
132) Gastrektomie nach Rydygier-Billroth und nach
Henle-Mikulicz.
Will man den untersten Theil der Magenwunde zur Einsetzung
des Duodenum oder des Jejunum benutzen, so besteht der Unter-
■1-12 Specielle Operationslehre.
schied darin, dass man am Magen eine grosse Presszange nur bis
zu der Stelle von obenher anlegen darf, wo man die Oeffnung lassen
will. Es ist aber besonders wünschenswerth, dass man hier Angio-
thryptorenzangen benutze, damit die Magenwand ganz dünn gepresst
werde und der Verschluss der kritischen Y-Stelle zwischen Occlusiv-
und Vereinigungsnaht dadurch erleichtert werde. An der zur Ver-
einigung bestimmten Stelle kann man ganz wohl eine kleine Press-
zange anlegen, wenn man nicht mit der Durchschneidung derselben
warten will, bis die obere Occlusivnaht gelegt ist.
Dei Magen wird nunmehr verschlossen bis zu der beabsichtigten
Vereinigungsstelle und nun eine Klemmzange zum Abschluss des
unteren vorderen Theiles des Magens benutzt, in welchem sich die
Oeffnung befindet.
Hier wird das Duodenum eingesetzt. Die Behandlung des
Duodenum ist um nichts leichter und um nichts schwieriger als bei
einer Gastroduodenostomose, bloss hat man bei letzterer eine völlig
conforme Oeffnung im Magen und vermeidet die Schwierigkeiten
und Gefahren, welche der Y-Naht anhaften. Es findet deshalb das
RYDYGlER-BlLLROTH'sche (sogen. Billroth I)- Verfahren an dem-
selben Punkte seine Grenze, wie die Gastroduodenostomosis. Wo
das Duodenum nicht lang und beweglich genug ist, um leicht und
sicher in den Magen eingesetzt zu werden, wird dasselbe nach obigen
Regeln verschlossen und die Henle - MlKULlCZ'sche Operation mit
Einfügung einer Dünndarmschlinge in den untersten Theil der Magen-
resectionswunde tritt in ihr Recht.
133) Gastrectomia totalis.
Die Schlatter ' s c h e Operation der Totalexcision des
Magens findet eine recht seltene Indication, da die Fälle selten sind,
wo ein infiltrirendes Carcinom den grössten Theil des Magens in
Beschlag genommen hat, ohne Anlass zu so ausgedehnten Ver-
wachsungen oder Drüsenschwellungen zu geben, dass von einer
Radicaloperation nicht mehr die Rede sein kann. Dazu kommt, dass
nach zwei Erfahrungen, die wir am Lebenden gemacht haben, eine
weitere Grenze der Operation darin gegeben ist, dass man noch soviel
Oesophagus oder gesundes anstossendes Magengewebe zur Ver-
fügung haben oder durch Zug am Oesophagus verfügbar machen
muss, dass man verlässlich eine schmale Presszange an der Cardia
und eine Klemmzange etwa 3 cm höher an dem Oesophagus an-
legen kann, um die Trennung des Magens am oberen Ende vor-
zunehmen. Kann man diesen Schluss nicht verlässlich machen, so
ist man allen Gefahren der Verunreinigung der Peritonealhöhle bei.
der schwer zugänglichen Tiefe des Foramen oesophageum aus-
gesetzt.
Abdomen.
333
Wir haben die Operation einmal unter diesen Umständen ge-
macht, die wir jetzt als Contraindication aufstellen, wobei vom
Oesophagus noch ein kleines Stück mitentfernt wurde, und der
Patient ist auch an der durch Mageninhalt veranlassten Peritonitis
zu Grunde gegangen. In einem anderen Falle, den wir veröffent-
licht haben, wo die Zange gelegt werden konnte, hat die Naht
zwischen Oesophagus und Duodenum vorzüglich gehalten, und nur ein
Accidens (Darmnekrose am untersten Ende) hat das Resultat beein-
trächtigt. Ich habe übrigens bei einem der beiden Fälle die gleich-
zeitige Resection des Colon transversum ausführen und im zweiten
Falle starke Verwachsungen mit Pankreas und Milz lösen müssen.
Es giebt auch hier schon zwei Methoden der Vereinigung. Die
eine ist die von Schlatter gewählte, welche eine Jejunumschlinge
in den Oesophagus eingesetzt hat, die andere, die von Schuchardt,
Charles Brooks - Brigham , Schopf und von mir benutzte,
bestehend in Vereinigung des Oesophagus mit dem Duodenum.
Ein von HARTMANN erwähnter glücklicher Fall von RlCHARDSON
ist mir nicht zugänglich, ebensowenig ein von TRICOMI operirter
Fall. Nach den mir bekannten Fällen wäre die Operation 5mal
glücklich und nur in meinen 2 Fällen unglücklich ausgefallen. Ich
bin überzeugt, dass mehr als 7 Fälle operirt sind, dass sich aber die
Operateure nicht beeilen, ihre Misserfolge mitzutheilen. Ich kenne
wenigstens 2 Fälle, deren einer auf dem Operationstisch starb, der
andere kurz nachher, die nicht publicirt worden sind.
Wir geben nach Schlatter die Schilderung der Operation
in seinem Fall von Oesophagojejunostomosis und nach
Brooks und unserer Publication (des Falles, wo die Vereinigung
gut gelungen war) die Methode der Oesophagoduodenosto-
mo sis.
Wir reproduciren in einer Anmerkung die Schilderung der
Operation nach unserem ersten Fall, wo die Vereinigung von Oeso-
phagus und Duodenum gelungen war1).
I) Die Operation wurde am 9. Juni 1899 m Gegenwart einer Anzahl von
Aerzten und Studenten und unter Assistenz von Dr. Albert Kocher ausgeführt.
Nach Eröffnung der Bauchhöhle trat der grosse Tumor zu Tage, welchen
man vor der Operation gefühlt hatte, und es zeigte sich sofort, dass das Colon
transversum im Bereiche der Neubildung fest adhärent war, ebenso das zu-
gehörige Mesocolon, so dass dessen Mitentfernung in Aussicht zu nehmen war.
Es musste deshalb zuerst eine Orientirung stattfinden, ob an eine Excision über-
haupt gedacht werden konnte.
Wie gewöhnlich schnitt die Neubildung am Pylorus gegen das Duodenum
scharf ab, so dass hier eine gute Abgrenzung gesichert war. Gegen die Leber
zu bestanden keine Verwachsungen. Dagegen zeigten sich breite Verwachsungen
mit der Milz, welche beim Anziehen des Magens nach aussen zu Tage traten.
Auf der Wirbelsäule war der Tumor beweglich. Um sicherer urtheilen zu
■2-ia Specielle Operationslehre.
In einem geeigneten Falle ist die Totalexcision des Magens
keineswegs schwieriger als eine Resection. Was die Sache er-
schwert, sind Verwachsungen mit der Nachbarschaft, mit Pankreas
und Milz, besonders aber mit dem Zwerchfell. Der Punkt, an
welchem sich die Frage entscheidet, ob die Ope-
ration durchführbar ist oder nicht, ist der abdominale
Theil des Oesophagus. Da der letztere aus dem Foramen oeso-
können, wurde der Schnitt gegen den Processus ensiformis zu erheblich ver-
längert, und nun gelang es, sich zu überzeugen, dass man mit der Hand über
den Fundus herübergreifen und den Oesophagus umfassen konnte. Die harte
Infiltration des Magens reichte bis an den Oesophagus heran und schnitt hier
fast ebenso scharf, wie am Pylorus, in querer Linie ab. An der grossen Magen-
curvatur fanden sich grosse zusammenhängende Packete derber Drüsen, aber
das Peritoneum war frei von Knötchen.
Um den Magen freier hervorziehen zu können, wurde die verwachsene
Partie des Colon transversum unter Anlegung je zweier kräftiger Darmzangen
isolirt und der Darm mit dem Thermocauter durchgeschnitten, so dass ein
ca. 12 cm langes Stück des Quercolon am Magen hängen blieb. Am Duodenum
wurden nach sorgfältiger Isolirung zwei kräftige Darmzangen angelegt und da-
zwischen mit dem Messer getrennt, die Schnittflächen wie gewöhnlich mit Lysol-
lösung gereinigt. Jetzt konnte der Magen besser vorgezogen werden und zu-
nächst die breiten und festen Adhäsionen mit der Milz gelöst werden, unter
doppelter Ligatur der Gefässstränge.
Schwierig war die Lösung des Magens an der Rückfläche, indem die Platte
des Mesocolon transversum breit auf das Pankreas überging und hier sehr sorg-
fältig abgetrennt werden musste, was unter Ligatur einiger grösserer Gefässe
ohne Complication gelang. Der obere Umfang des Fundus ventriculi war frei,
und es gelang nunmehr nach Trennung des kleinen Netzes an der Curvatura
minor den angezogenen Oesophagus soweit zu isoliren, dass neben einander
zwei Zangen angelegt und dazwischen der Oesophagus durchschnitten werden
konnten.
Mit einiger Mühe konnte die am Duodenum liegende Verschlusszange an
die am Oesophagus liegende herangebracht werden, so dass es gelang, bei
noch liegenden Zangen eine hintere Serosanaht anzulegen und dann bei sehr
sorgfältigem Abschluss der Umgebung mittelst Gazecompressen die Zangen zu
entfernen. Mun wurde eine fortlaufende Naht aus feinem Seidenfaden (doppelt)
unter Mitfassen sämmtlicher Wundschichten circulär angelegt und die Lumina
von Oesophagus und Duodenum in Contact gebracht, endlich die vordere Serosa-
naht angelegt und mit der hinteren vereinigt.
Eine nicht geringe Schwierigkeit veranlasste die Ungleichheit der Lumina,
insofern als ganz im Gegensatz zu den Verhältnissen der Magenresection das
Duodenum zu weit war und durch die Naht verengert werden musste, um
mit dem Lumen des Oesophagus zusammen zustimmen und vereinigt werden
zu können.
Nunmehr folgten zuletzt die End- zu Endanastomose zwischen den beiden
durchschnittenen Ouerdarmlumina in gewohnter Weise mit Doppelnaht von
feiner Seide.
Die Patientin war am Ende der Operation, welche ca. drei Stunden ge-
dauert hatte, in keiner Weise collabirt. Sie erhielt eine subcutane Infusion von
physiologischer Kochsalzlösung (i Liter) und ein Kaffeeklystir.
Abdomen.
335
phageum nicht heruntergezogen werden kann, sondern das Zwerch-
fell und die Pleura beim Versuch hierzu mitkommen und in Folge
dessen (wie in einem mir bekannten sofort tödtlichen Falle) eine Er-
öffnung der Pleurahöhle bei der Trennung eintreten kann, so darf
bloss operirt werden, wenn ein Stück Oesophagus unterhalb des
Zwerchfelles oder ein Stück Cardia erhalten werden kann lange
genug, um dasselbe verlässlich mit dem Duodenum zu vernähen,
während der Oesophagus in Entfernung von mindestens 2, lieber
3 cm durch die Klemmzange verschlossen gehalten ist. Das frei
über der Zange vorragende Oesophagusende muss auch lang genug
sein, um die eine Hälfte eines MuRPHY-Knopfes aufzunehmen und
verlässlich anbinden zu lassen, wie in Brooks' Fall.
Brooks hat die Einfügung des MuRPHY-Knopfes sehr bequem
gefunden (No. 3) und hat auf Uebernähung desselben verzichtet, und
es dürfte allerdings hier ein Fall sein, wo dieser Knopf unter Um-
ständen einer nicht völlig sicheren Naht vorzuziehen ist, aus dem
Grunde, weil verlässliche Naht stets eine nicht gespannte Peritoneal-
bedeckung voraussetzt. Hier läuft man Gefahr, dass zwar die Oeso-
phaguswand sich leicht unten halten lässt, das von den Seiten her-
gezogene Peritoneum aber sich zurückzieht oder wegen zu starker
Spannung durchschneidet. Da ist der Druck des Knopfes ver-
lässlicher. In BROOKS' Fall ist freilich der Knopf sitzen geblieben
ohne Schaden, was wohl nicht stets der Fall sein dürfte.
Wesentlich ist jedenfalls, dass auch das Duodenum durch eine
wenigstens 3 cm freilassende Klemmzange herangebracht werde, da
durch diese das Darmende leichter an den Oesophagus, sowohl behufs
Naht als behufs Einlage eines MuRPHY-Knopfes herangebracht
werden kann. Ist dies nicht möglich, lässt sich das Duodenum nicht
emporziehen bis zur Berührung mit dem Oesophagus, so ist, wie bei
der Magenresection das Duodenum zu verschliessen und die wenn
auch functionell weniger sichere Anlegung einer Jejunumschlinge
auszuführen, und zwar hier mit senkrechter Stellung beider Schenkel,
wie bei meiner Form der Gastroenterostomie. Die Y-Form nach
Roux ist hier kaum in Frage; dagegen dürfte der MuRPHY-Knopf
die rascheste Anlage gewähren.
In der Nachbehandlung ist nichts von den Vorschriften bei der
Magenresection Abweichendes, ausser dass die Ernährung hier zu-
nächst unbedingt nur flüssig sein darf, zumal wenn ein Murphy-
Knopf eingesetzt ist und dass sie bloss in kleinen Quantitäten be-
stehen darf.
Schlatter hat den Beweis geleistet, dass sich ein Patient ohne
Magen nicht bloss völlig genügend nähren kann, sondern auch sowohl
Eiweiss als Fett völlig normal ausnützt, ferner dass der Ausfall
der Salzsäure keinen Einfluss auf die Darmfäulniss ausübt. Der
^5 Specielle Operationslehre.
SCHLATTER'sche Patient starb 14 Monate nach der Operation an
Drüsenrecidiv im Abdomen und an Lungen-Pleurametastasen, nebst
einem localen Recidiv am Oesophagus. Der Oesophagus unterhalb
des Zwerchfelles hatte sich auf 8 cm verlängert und etwas erweitert.
In Schuchardt's Fall, wo noch 3 Querfinger Cardia erhalten werden
konnten, war nach 21/2 Jahren ein Blindsack vorhanden von 500 ccm
Halt, mit Erweiterung eines Abschnittes des Duodenum.
Die Patientin von BROOKS' lebt noch nach 2 Jahren und
8 Monaten in besten Wohlbefinden, kann Alles essen, wie ein nor-
maler Mensch und ihre Arbeit verrichten. Sie muss häufiger kleine
Mahlzeiten machen. Gewisse Vorsichten in der Ernährung, zumal in
den ersten Zeiten nach der Operation, dürften schon durch die Er-
gebnisse experimenteller Untersuchungen geboten sein, wie sie
Kaiser und Gomry angestellt haben und in neuester Zeit Pachon
und Cavallo. Die gastrektomirten Hunde konnten im Anfang
selbst Milch bloss unvollkommen verdauen, feste Nahrung gar nicht.
Der Stuhl wurde diarrhoisch und bei grösseren Quantitäten Nahrung
trat Erbrechen auf. Erst nach 2 Monaten wurde Fleisch besser
vertragen und gekochtes Fleisch vollkommen verdaut; rohes Fleisch
dagegen und das Bindegewebe wurde auch jetzt noch schlecht verdaut.
134) Gastrectomia partialis cardiaca.
Die Excision der kranken Cardia, von Mikulicz und
BERNAYS mit unglücklichen Ausgang gemacht, wird von H ART-
MANN als eine schlechte Operation verworfen. A priori wäre nicht
einzusehen, warum man nicht ebensogut die Cardia allein, wie den
ganzen Magen reseciren soll. Denn wenn man den Oesophagus
mit dem Duodenum oder Jejunum vernähen oder mittelst Murphy
vereinigen kann, so muss es auch möglich sein, denselben in den
Magen einzusetzen. Bei den Schwierigkeiten der Naht dürfte es
sich kaum empfehlen, nach Art der RYDYGiER-BiLLROTH'schen
Methoden bloss eine partielle Naht zu machen und in den offenen
Rest den Oesophagus mit den Gefahren einer Y-Stelle einzunähen,
sondern man wird sich des Analogon der von mir geübten Methode
bedienen, d. h. den Magen durch Occlusivnaht verschliessen und den
Oesophagus in eine eigene Oeffnung, sei es einnähen oder mittelst
MuRPHY-Knopf einfügen.
Was die Schwierigkeit dieser Operation gegenüber der Total-
excision ausmacht, das ist die zu weite Wucherung des Krebses
nach dem Oesophagus hin. Eine Anzahl Cardiacarcinome bieten
die Symptome einer Oesophagusstenose dar, entwickeln sich wie
diese lange Zeit schleichend und symptomlos, und wenn die Diagnose
gemacht wird, so ist die Ausbreitung nach oben schon eine viel
weiter gediehene als bei diffusem Magencarcinom, das doch in der
Regel von unten herauf nach der Cardia heraufwuchert.
Abdomen.
337
Wir stehen also beim Cardiacarcinom gewöhnlich schon an der
für die Totalexcision gezogenen Grenze, wo wir nicht mehr ein ge-
nügendes Stück Oesophagus isoliren können oberhalb des kranken
Gewebes, um dasselbe zur Vereinigung zu benutzen.
W. Levy hat die Frage der Resectio cardiae einer ein-
gehenden Prüfung unterworfen. Er stellt fest, dass die N. vagi vor
und hinter der Cardia nach den Untersuchungen von Krehl ohne
Schaden durchschnitten werden können. Er macht wie Hartmann
die Ligatur der Coronargefässe vorweg und vereinigt nach Maass-
gabe der Durchschneidung den Oesophagus direct mit dem Magen.
Dann hat Levy den Oesophagus am Halse durchgeschnitten und
den unteren Theil durch eine Magenfistel herausgezogen. Biondi
und Krukenberg haben weitere Versuche gemacht. Letzterer drang
von der Abdominalhöhle stumpf durch die Zwerchfellöffhung durch,
löste die Cardia vom Zwerchfell und zog bis 8 cm Speiseröhre ins
Abdomen herab. Er legte zwischen Oesophagus und Magen die
Naht an, während Levy einen MuRPHY-Knopf verwendet hatte.
K. macht einen Schnitt entlang dem Rippenbogen weiter nach
links als rechts, schneidet längs auf die Cardia ein und geht stumpf
in das Bindegewebe über die Muskelschicht in die Tiefe, wodurch
er Vagi, Sympathicusäste und Coronargefässe abhebt, bis er die
Cardia umgreifen kann. Dann geht der Finger in derselben Schicht
durch die Zwerchfellöffnung des Oesophagus entlang nach oben,
bis dieser herabgezogen werden kann. Dann folgt Abtragung und
Naht.
Wie ersichtlich, beziehen sich die Versuche Krukenberg's mehr
auf Krebse der untersten Oesophagustheile als auf die Cardia.
135) Gastroplastik.
Albert machte 1898 Mittheilung über einen Gedanken von
NlCOLADONl, einen Ersatz des Magens durch das Colon transversum
betreffend. Das Mittelstück desselben sollte, an seinem Mesocolon
hängend, in die durch circuläre Magenresection entstandene Lücke
eingesetzt und der Darm dann wieder vernäht werden. Die Idee
ist nicht ungereimt. Das Colon lässt sich in fast normaler Ver-
bindung mit den ernährenden Gefässen in dieser Weise trans-
plan tiren, und es ist nicht ausgeschlossen, dass man das grosse Netz
durch Zurückschlagen und Herüberschlagen über den Magen von
vorne oben herüber und nach hinten herunter zur Verstärkung und
Sicherung der Naht verwenden würde.
Reerink in seiner experimentellen Arbeit über Transplantationen
am Magen weist auf die Versuche von Senn , welcher zuerst
methodisch Netzstücke zur Nahtsicherung empfahl, auf die Fälle
von Braun und von Bennet mit Verschluss von Magenöffnungen
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 22
or>g Specielle Operationslehre.
durch Netzpfröpfe und auf Tietze's Versuch mit Netzplastik hin,
derer wir schon einleitend gedacht haben, ebenso von Enderlein.
Dann schildert R. die Resultate der Versuche, ein aufgeschnittenes
Stück des Colon transversum in einen Defect des Magens einzuheilen,
was vollständig gelang, wenn der Darm mit dem Mesocolon in un-
gestörtem Zusammenhang blieb. Die eingenähten Darmstücke blieben
zunächst erhalten und functionirten weiter. Andererseits hat man auf
der transplantirten Darmschleimhaut Geschwürsbildung beobachtet.
Hypochondrium.
136) Die Chirurgie der Gallen wege.
Die Indicationen zu Operationen an der Gallenblase werden
sehr verschieden gefasst. Die Hauptindication bildet die Chole-
lithiasis, und diejenigen Chirurgen fahren weitaus am besten, welche
bei jeder Cholelithiasis ohne weiteres die Operation für indicirt halten.
So erhält man schöne Resultate und es ist zweifellos, dass eine Be-
seitigung der Steine in der Gallenblase wie in anderen Organen nur
auf diese Weise rasch und sicher zu bewerkstelligen ist. Wir
würden aber doch nicht so weit gehen, zu sagen, die Gallensteine
„gehören" dem Chirurgen. Sie gehören zunächst dem Patienten und
wenn er vorzieht, sie zu behalten und Karlsbader Wasser dazu zu
trinken, so ist das sein Recht, das bekanntlich auch von sehr
operationslustigen Chirurgen in Anspruch genommen wird, wenn
sie selber Gallensteine bekommen. Und wenn ein Patient es darauf
ankommen lassen will, die Steine per vias naturales sich unter Qual
und Schmerz durcharbeiten zu lassen, so ist das ebenfalls sein
Privatvergnügen. Aber dazu hat der Chirurg gegenwärtig sicherlich
das Recht, einem Patienten mit Gallensteinen zu sagen, dass er durch
Operation rasch und sicher von seinem Leiden geheilt und rascher
und sicherer vor späteren Gefahren bewahrt werden könne, als mit
jeder anderen Behandlung.
Wie bei den Operationen am Processus vermiformis, so ist auch
bei der Operation an der Gallenblase wünschenswerth, „ä froid" zu
operiren, d. h. sich nicht im Stadium acuter Einklemmung oder acuter
Entzündung zu entschliessen, vorausgesetzt, dass keine dringende
Indication vorliegt. Dieselbe ist nun freilich öfter vorhanden und
in diesem Falle soll auch ohne Zögern eingegriffen werden.
Wo man aber abwarten kann oder muss, da ist besonders zu
beachten — und da ist die Analogie mit der Perityphlitisoperation
eine vollkommene — dass man nicht im Intermediärstadium die
Operation mache, sondern eine Entzündung auch völlig ablaufen
lasse. Sonst findet man die Verwachsungen stärker als im ersten
acuten Stadium und doch die Wand noch relativ brüchig, verdickt
Abdomen. otq
und zu Naht- und Ligaturanlage wenig geeignet. Also sofort
operiren im Anfangsstadium oder dann nach völliger Rückbildung
entzündlicher Complicationen.
Die Schnittführung zur Freilegung der Gallenblase und
Gallenwege muss eine verschiedene sein, je nach Schwierigkeit des
Falles auch grösser oder kleiner. Für die Freilegung der Gallenblase
in den gewöhnlichen Fällen will Mayo Robson den Längsschnitt
am Rectusrand vorgezogen wissen, weil Nerven und Gefässe besser
geschont werden als bei Schrägschnitt unter und parallel dem Rippen-
rand. Letzterer Schnitt, welchen wir stets benutzt haben, giebt aber
viel besseren Zugang, und da man nicht immer voraussehen kann,
ob ein Fall nicht grössere Schwierigkeiten bieten wird und da es oft
wünschenswerth ist, genaue Untersuchung auch der Gallengänge
machen zu können, so ziehen wir den Schrägschnitt, obschon er
nicht ganz in die Spaltungsrichtung fällt, vor. Dabei ist es in der
Regel wünschenswerth, den Rectus abdominis ergiebig einzuschneiden.
Allein da man bei sorgfältigem Vorgehen die Nerven schonen und
bei Seite ziehen kann, so schafft man dadurch bloss eine neue
Inscriptio tendinea, ohne die Function des Muskels zu beeinträchtigen.
137) Cholecystotomie (Fig. 103).
Die von Bernays sog. ideale Cholecystotomie, die
Cholecystendysis nach Courvoisier, ist eine höchst einfache,
sichere Operation. Da die interne Medicin die Cholelithiasis nicht
zu heilen vermag, weil keine Mittel vorhanden sind, die Steine auf-
zulösen, vielmehr alle ihre Bestrebungen bloss auf Linderung der
Schmerzen ausgehen können, bis sich die Natur durch Durchzwängen
des Steins durch die engen Gallenwege in den Darm selber geholfen
hat, so kann man für die Anfangsstadien der Cholelithiasis diese
Form von operativer Behandlung allerdings als ideal bezeichnen, da
ohne jeglichen bleibenden Schaden oder Nebenverletzung der Patient
mit einem Schlage von seinem Leiden befreit wird. Bei dieser
Operation kann man einen relativ kleinen Bauchdeckenschnitt be-
nutzen. Bei Katarrh und Entzündung darf die einfache Chole-
cystotomie nicht gemacht werden. Auch muss man sicher sein, dass
die Gallenwege durchgängig sind.
Schräger Querschnitt 4 — 6 cm unterhalb des Rippenrandes,
10 cm lang. Derselbe beginnt auf der Wölbung des Rectus ab-
dominis, trennt Haut, Fascia superficialis und die Fascie des Ob-
liquus abdominis externus; diese ist vor dem Rectus mit derjenigen
des Obliquus internus vereinigt. Darunter erscheint der Rectus,
dessen Rand durchgeschnitten wird unter event. Ligatur der A. epi-
gastrica superior unter dessen lateralem Rande und verschiedener
Muskelgefässe. Im seitlichen Winkel wird der M. obliquus ab-
22*
34©
Specielle Operationslehre.
Fig. 103. I. Cholecystotomie *). 2. Lig. art. circumflexae ilii (N. cutaneus femoris
externus). 3. Lig. art. iliacae communis (N. cruralis). 4. Lig. art. femoralis communis.
1) Der Schnitt für die Cholecystotomie ist für einen schwierigen Fall so
gross angegeben. Für leichte Fälle benutzt man bloss die halbe Länge des
Schnittes, dessen Mitte stets am besten auf den Rand des Rectus fällt.
Abdomen.
341
dominis externus, darunter und medianwärts der Obliquus internus
eingeschnitten. Unter ihm streben die Ausläufer der Intercostal-
nerven schräg einwärts gegen den Rectus zu. Dieselben sollen
nicht durchschnitten werden, weil sonst beschränkte Lähmung des
Rectus eintritt, sondern können — da sie sehr dehnsam sind — nach
oben und unten verschoben werden. Schwächere Rami perforantes
dieser Nerven liegen schon auf der ersten Fascie. Der M. transversus
geht mit seinen Fasern bis unter den Rectusrand, und seine Fascie
geht mit der tiefen des Obliquus int. vereinigt hinter dem Rectus
zur Linea alba.
Unter den Muskeln erscheint die Fascia transversa mit querer
Faserung, und nach ihrer Trennung das Peritoneum. Ist letzteres
gespalten, so kann man die Gallenblase sehen und herausheben, wenn
sie verlängert und vergrössert ist. Auf ihrer medialen Seite liegt
der Pylorustheil des Magens, auf der lateralen das Colon, oft liegt
Netz vor, das nach abwärts geschoben werden muss. Sehr häufig
ist das Netz mit der Gallenblase verwachsen.
Das weitere Vorgehen ist abhängig von der Indication und von
dem Befunde bei der Operation. Findet man die Gallenblasenwand
normal und wünscht man deshalb, bloss den Inhalt, speciell Steine
aus derselben zu entfernen, so zieht man die Gallenblase in die Wunde
herein und fixirt sie daselbst mittelst Klemmpincetten verlässlich,
während man die Umgebung durch sterile Gazetupfer vor Ver-
unreinigung schützt und jedes Eindringen von Galle ins Peritoneum
dadurch unmöglich macht. Die Gallenblase wird mit 2 unserer
Hakenarterienklemmen verlässlich am Grunde gefasst, weil man sie
bloss so sicher ohne Einfliessen der Galle in das Peritoneum ent-
leeren und nachher eine sichere Naht anlegen kann. Man spaltet
den Blasengrund, entleert den flüssigen Inhalt und räumt die festen
Bestandtheile aus mit Löffel und Zangen. Dabei muss ganz be-
sonders darauf gesehen werden, dass nicht Steine, welche im Ductus
cysticus hinter Falten versteckt sind, vergessen bleiben. Man muss
gelegentlich mit langen Zangen sehr weit eindringen und holt noch
tiefliegende Steine heraus. Man benutzt sehr zweckmässig lange
stumpfe oder rechtwinklig abgebogene Löffel zur Extraction. Wir
haben vor Kurzem bei einem Collegen, dessen Gallenblase bloss
daumendick war und ca. 4 cm über die Leber hervorragte, 43 mittel-
grosse, rosenkranzförmig bis in das tiefste Ende des Cysticus an
einander gereihte Gallensteine herausgeholt aus einer Tiefe von
14 cm. Danach legt man wie am Darm eine doppelreihige Naht an,
deren tiefe Schicht die ganze Wand fasst, während die oberflächliche
Reihe die Serosaflächen an einander legt und versenkt die Blase.
Die Faden schneiden die Schleimhaut durch und bleiben ohne
Schaden der Serosa liegen.
342 Specielle Operationslehre.
138) Cholecystektomie.
Langenbuch's Operation soll zur Zeit bloss gemacht werden,
wenn die Blasenwand erkrankt und daher anzunehmen ist, dass das
Lumen im günstigsten Falle obliteriren werde, im ungünstigen wegen
der Production von Eiter und Schleim zu neuen Ablagerungen und
bedenklichen Entzündungen führen werde. Wir empfehlen aber
auch in diesem Falle die Excision der Gallenblase bloss für den
Fall, dass der Ductus cysticus gut fühlbar und nicht wesentlich ver-
ändert ist, so dass man hoffen darf, dass eine um denselben gelegte
Ligatur nicht durchschneide, sondern sicheren Verschluss biete. Die
Operation der Wahl ist die Cholecystektomie bei Neubildungen der
Blase.
Zur Excision wird die Serosa auf der höchsten Wölbung der
Blase gespalten parallel dem Leberrande und zwischen diesem und
der Blase subserös stumpf eingegangen, um letztere von der Leber
zu lösen bis zum Ductus cysticus. Grössere Gefässe werden bei
dieser Ablösung unterbunden, hauptsächlich muss die Arteria vesicae
felleae bei Isolirung des Ductus an dessen Oberfläche isolirt unter-
bunden werden. Dann legt man um den Ductus eine doppelte
Ligatur, falls seine Wand resistenter ist, nach vorheriger Anlegung
einer Presszange, schneidet durch und betupft den Stumpf mit dem
Thermocauter, falls eine infectiöse Entzündung vorlag. Die nach
Lösung der Blase von der Leberunterfläche kommende Blutung ist
meistens durch Tamponade leicht zu stillen. Der seröse Sack, der
nach Auslösung der Blase übrig bleibt, wird durch eine fortlaufende
Naht zusammengefaltet und geschlossen.
Der Wegfall der Gallenblase hat in den von mir operirten
Fällen nie den geringsten Nachtheil gezeigt. Die Patienten blieben
von ihren Beschwerden befreit. Dagegen hat der Wegfall der
Gallenblase den Nachtheil, dass für den seltenen Fall, dass sich doch
noch Gallensteine bilden, welche den Choledochus verlegen oder
wenn letzterer durch Entzündung sich verengert, die Ableitung der
Galle durch eine weitere Operation sehr erschwert ist.
139) Cholecystostomie.
Lässt sich im Gegensatz zu obiger Annahme der Ductus nicht
sicher fühlen oder erscheint derselbe ebenfalls dilatirt, verdickt und
erheblich verändert, so wird die Ligatur desselben unsicher, weil sie
durchschneiden kann unmittelbar oder zu früh nach der Operation
und weil man sie nicht so tief anlegen kann, dass man nicht doch
eine Höhle zurückzulassen riskirt, in welcher sich wieder Steine bilden
können. Für diesen Fall ist die Cholecystostomie das richtige Ver-
fahren. Dieselbe ist ferner indicirt, wenn man des freien Abflusses
der Galle in den Darm nicht sicher ist; ebenso wenn ein infectiöser
Abdomen.
343
Inhalt nicht bloss aus Gallenblase, sondern auch aus den Gallen wegen
zu entleeren ist. Viele Chirurgen machen den ausgedehntesten Ge-
brauch von dieser Operation, weil sie der Drainage der Gallen wege eine
grosse Bedeutung beilegen.
Die Blase wird in die Wunde eingenäht mit 4 bis 6 Nähten,
welche die Fascie mit Parietalperitoneum einerseits und die Serosa
mit Muscularis der Blase andererseits fassen; die übrige Wunde
wird zugenäht in der Tiefe durch eine Fascien-Peritonealnaht, im
übrigen ganz oder im Umkreis der eingenähten Blase offen gelassen ;
in die letztere wird ein Glasdrain eingeführt und mit einer Jodoform-
gaze umgeben. Die Vorschrift, die Wundränder der Gallenblase
nicht an die Haut, sondern bloss an die Fascie zu nähen, ist be-
sonders zu betonen, weil damit die Fistelbildung leichter vermieden
wird. BLOCH operirt zweizeitig, was bloss ausnahmsweise nöthig ist.
Die Cholecystostomie ist die sicherste und einfachste aller
Operationen zur Beseitigung der Gallensteine. Sie bedingt aber
eine erheblich verlängerte Wundheilung (6 Wochen gegen 8 Tage
der früher geschilderten Cholecysto- und Cholecystektomie), bedingt
wegen der Zerrung der Leber erheblich grössere Beschwerden
nach der Operation und führt doch gewöhnlich zur Obliteration
der Gallenblase, wenn dieselbe entzündet war. Keineswegs selten
bleiben Fisteln dauernd zurück (Mayo Robson constatirte dies in
189 seiner Fälle 14 Mal).
140) Choledocholithothripsie.
Neue Indicationen erwachsen dem Chirurgen, sobald Gallen-
steine sich im Choledochus eingekeilt haben. Hier ist die
Prognose der Operation ungünstiger dadurch, dass man es mit
icterischen Patienten zu thun hat und lange bestehender Icterus eine
höchst bedenkliche hämorrhagische Diathese herbeiführt. Es muss
bei allen Fällen von länger dauerndem Icterus ganz besonders be-
tont werden, bei der Incision der Bauchwand die sorgfältigste Blut-
stillung zu machen, da tödtliche Nachblutung selbst aus kleineren
Gefässen erfolgen kann. Mayo Robson empfiehlt zu deren Ver-
hütung nach Wright, während einiger Tage vor der Operation den
Gebrauch von Chlorcalcium zu 2,0 alle 4 Stunden. Sehr verschieden-
werthige Methoden der chirurgischen Behandlung stehen uns in
derartigen Fällen zu Gebote. Das nächstliegende Verfahren ist die
Entfernung der Steine durch Schnitt oder durch Zertrümmerung
ohne Eröffnung. Die Choledocholithothripsie mit den Fingern
oder mit einer Zange oder Lithothriptor ist ein vorzügliches Ver-
fahren, das wir mit als einer der ersten benutzt haben mit völligem
Erfolg, allein es lässt sich bloss in sicherer Weise durchführen, wenn
der Stein besonders weich und gut zu fassen ist.
344 Specielle Operationslehre.
141) Choledocholithotomie.
Die Choledochotomie, 1884 von Langenbuch empfohlen, von
Kümmel zuerst ausgeführt, besteht in Spaltung- des Ganges mit dem
Messer und Anlegung einer Naht. Dieses Verfahren soll bloss in
denjenigen Fällen Anwendung finden, wo man der Anlage einer
exacten Naht völlig sicher ist, d. h. wo der Choledochus sich gut
zugänglich machen lässt, so dass man ihn ober- und unterhalb com-
primiren kann und eine fortlaufende feine Seidennaht so anlegen
kann, dass man des völligen Verschlusses ganz sicher ist. Elliot
legt die Naht vor Entfernung des Steins an. Im Zweifelfalle ist es
gerathen, sich nicht zu sehr auf die Naht zu verlassen, sondern einen
Xeroformtampon bis zur Nahtstelle und daneben einen Drain ein-
zuführen (Mayo Robson führt denselben durch eine eigene Oeff-
nung in der Lendengegend) und die Bauchnaht nicht völlig- zu
schli essen.
Der Weg zum Choledochus wird nach Mayo Robson's
Rath dadurch wesentlich erleichtert, dass man die obere Lenden-
gegend durch ein Kissen hochhebt und so eine Lordose der Wirbel-
säule bewirkt. Langenbuch will entweder entlang der Gallenblase
den Finger ins Foramen WlNSLOWll einführen, das Lig. hepatico-
duodenale emporheben und das Peritoneum gehörig spalten. Lieber
benutzt er einen Zug am Pylorus, um die Pars horizontalis duodeni
freizumachen und mit dem untergeschobenen Finger die Pars
descendens duodeni sammt Pankreas emporzuheben bis vor den
Bauchschnitt. So könne man bis zu dem in der Hinterwand des
Duodenum gelegenen Choledochusabschnitt die Steine excidiren.
Mayo ROBSON anerkennt für diese Operation die Vorzüge des
von mir geübten Schrägschnittes, welchen man recht lang machen
muss, d. h. bis zur Mittellinie unter Spaltung des Rectus in ganzer
Breite.
142) Cholecystenterostomie.
In den zahlreichen Fällen, wo die Steine so liegen, dass man sie
bloss mit Mühe fühlen kann, wo der Choledochus nicht so stark er-
weitert ist, dass eine gute Naht an demselben nach Eröffnung sich
anbringen Hesse, steht man besser von der Choledochotomie ab und
leitet die Galle auf Umwegen ab. Dies ist freilich nur in den Fällen
leicht möglich, wo die Gallenblase noch vorhanden ist und nicht bei
zu langer Dauer des Verschlusses (Courvoisier) geschrumpft und
obliterirt ist, und wo auch der Ductus cysticus durchgängig ist. Nun
ist gerade bei Steinen im Choledochus die Gallenblase geschrumpft,
so das Mayo Robson mit Courvoisier Gelbsucht mit Ausdehnung
der Gallenblase als ein Zeichen von Choledochusverschluss durch
malignen Tumor betrachtet.
Abdomen.
345
Die Galle aus dem Ductus hepaticus durch den cysticus und die
Gallenblase wird so abgeleitet, dass man die Cholecystostomie
macht in der oben geschilderten Weise und eine äussere Gallenfistel
anlegt, bis der Stein aus dem Choledochus in den Darm abgegangen
ist, oder dass man eine innere Gallenfistel anlegt durch die Chole-
cystenterostomie, die von Winiw arter erfunden und von ihm und
Kappeler mit Erfolg ausgeführt worden ist. Sie wird am besten in
der Form der Cholecystoduodenostomie, sonst der Cholecystojejuno-
stomie gemacht, im Nothfalle der Cholecystocolostomie. Das beste
Verfahren zu ihrer Ausführung ist die Benutzung des Murphy-
Knopfes kleinen Calibers. Derselbe hat sich hier wegen der
relativen Raschheit und Leichtigkeit der Ausführung am meisten
bewährt und giebt alle gewünschte Sicherheit rascher Heilung. Die
Wand der Gallenblase ist relativ dünn und lässt sich durch den
Knopf leicht verlässlich anpressen.
Die Cholecystenterostomie ist ein ungleich besseres Verfahren
als die Cholecystostomie, weil sie einen sofortigen Schluss der äusseren
Wunde zulässt und den Patienten von den erheblichen Unannehm-
lichkeiten einer äusseren Gallenfistel entbindet und ganz besonders
den hochgradigen Gallenverlust der letzteren verhütet. Sie ist daher
durchaus vorzuziehen, wo deren Ausführung möglich erscheint. Die
Verbindung mit dem Jejunum ist leichter herzustellen als die rationellere
Verbindung mit den Duodenum. Selten kommt man in die Lage,
eine Choledochenterostomie zu machen.
Duodenocholedochotomie.
Pantaloni verdanken wir eine vortreffliche Zusammenstellung
der verschiedenen Operationen, mittelst welcher man unter Er-
öffnung des Duodenum sich den Ductus choledochus zugänglich ge-
mach that. Pantaloni unterscheidet eine Lithectomie choledochienne
per voie duodenale und eine Choledochotomie transduodenale.
143) Lithotomia transduodenalis.
Die erstere Operation ist 1891 von MC Burney zuerst ausge-
führt, dann von Czerny, Mayo Robson und ist bis Ende 1899
schon 20 mal mit 2 Todesfällen gemacht worden. Es ist jedenfalls
wünschenswerth, hier sehr guten Zugang zu schaffen und die von
mir gewählte Form eines nach links und unten convexen Schnittes
mit medianem senkrechtem Schenkel und unten transversalem Schenkel
durch den rechten Rectus abdominis, wie sie auch Pozzi ähnlich
benutzte, dürfte empfehlenswerth sein.
Das Duodenum wird mit dem untergeschobenen Zeigefinger
emporgehoben und wo möglich mit ihm das unterste Ende des
Choledochus mit dem Stein, während Zeigefinger und Daumen oben
346 Specielle Operationslehre.
und unten den Darm verschliessen und festhalten. Wir eröffnen
dasselbe mit Querschnitt, weil wir einen den Darmgefässen parallelen
Schnitt für rationeller halten 1). Jetzt ist zu entscheiden, ob man von
der Oeffnung des Choledochus den Stein extrahiren kann mit oder
ohne Incision der VATER'schen Ampulle.
Nach Colins, welcher im Gegensatz zu Mc Burney die Papille
nicht aufschlitzt, sondern bloss erweitert, sitzt dieselbe an der Grenze
von hinterer und medialer Wand, 3 cm unter einem Schleimhautwulst
3 cm unter dem Winkel zwischen Pars horiz. sup. und descendens
duodeni. Er führt eine Sonde und danach eine gezähnte Zange (am
besten wohl eine unserer Arterienklemmen) ein und extrahirt den
Stein. Mc Burney spaltet nach Einführung einer Sonde die Oeffnung
1 cm weit, drückt den Stein von hinten heraus und sondirt den
Canal. da sich recht oft multiple Steine finden, welche übrigens auch
von aussen her durch Druck auf den Gang sich herabschieben lassen.
Ausfliessende Galle wird durch eingelegte Gazecompressen auf-
genommen. Das Duodenum wird in üblicher Weise durch 2 fort-
laufende Seidennähte verschlossen. Ist das Peritoneum nicht ver-
unreinigt worden, so wird die Bauchwunde geschlossen ; gelegentlich
ist Drain und event ein Gazestreifen (Xeroform) einzulegen.
144) Choledochotomia transduodenalis.
In Fällen, wo sehr grosse Steine im unteren Theile des Chole-
dochus eingekeilt sind ; ferner wo sie nicht ganz unten sitzen, aber
ein Zugang von aussen wegen Verwachsung zu schwierig ist; ferner
wo der Stein an einer solchen Stelle fixirt erscheint; endlich
wo die Sondirung der Papille nicht gelingt oder diese nicht zu
finden ist ohne grossen Aufenthalt in der Operation ist die von mir
zuerst 1894 ausgeführte Operation am Platze, welche von Kehr und
Mayo ROBSON mit ebenso glücklichem Resultate wiederholt worden
ist. Ich hatte zur Zeit meiner Operation noch keine Kenntniss von
dem Mc BuRNEY'schen Vorgehen.
Sie besteht darin, dass man sich den hinter den Duodenum
sitzenden Stein gehörig fixirt mit den Fingern und nach Eröffnung
des Duodenum gegenüber demselben in oben geschilderter Weise
direct auf den Stein einschneidet. Ob man den Schnitt transversal
oder longitudinal macht, wird abhängen von der Lage und Form
des Steines. Man wird in dessen längerer Axe sicherer sein, in
ganzer Länge des nöthigen Schnittes den erweiterten Choledochus
der Wand des Duodenum anliegend zu haben.
Wir rathen auch hier, wie Elliot für die Choledochotomie
überhaupt, nach dem Schnitt durch die Wand des Duodenum und
I) Doch ist natürlich auch ein Längsschnitt zulässig.
Abdomen.
347
des Choledochus bis auf den Stein die Wand dieser beiden Canäle mit
Arterienklemmen , event. auch mit Anlage einer Naht wenigstens
in der Mitte zu fassen, um den Parallelismus festzuhalten event. eine
Choledochoduodenostomia interna zu machen, wie ich die Operation
getauft hatte. Nach Extraction des Steines ist der Canal, event. mit
dem Finger zu sondiren, um weitere Steine nicht zu übersehen.
Ob man nun die ideale Methode macht mit Verschluss der
Oeffnung, wozu eine durch die Dicke des ganzen Wundrandes gehende
Naht zu verwenden ist mit event. nachträglicher Schleimhautnaht,
muss davon abhängen, ob man sicher ist, dass die Oeffnung der
Papille nicht verengt ist. Im Allgemeinen wird man Vortheile
davon sehen, bei Gefahr neuer Steinbildung eine gehörige Oeffnung
zu sichern. Wird dieselbe nicht benutzt, so wird sie sich von selbst
wieder verengern. Man wird also eine circuläre Umsäumungsnaht
anlegen durch die ganze Dicke beider Canäle. In Kochers und
Kehr's Fall, wo so verfahren wurde, hat sich kein Nachtheil von
allfälligem Rückflusse von Darminhalt gezeigt.
Nach Mayo ROBSON gar keine Naht anzulegen, ist bloss zu-
lässig, wenn der Stein im intraparietalen Theil des Duodenum steckt
und nicht weiter oben, d. h. wenn man sicher ist, dass nicht etwa
infectiöse Galle und Darminhalt sich zwischen Duodenum und Chole-
dochus infiltrirt. Je höher der Stein, desto weniger wird dies also
zulässig sein, obschon es das Einfachste ist.
Ist die hintere und vordere Naht exact angelegt, so bedarf es
keiner Drainage, sonst wohl, und zwar in oben angegebener Weise.
145) Hepatotomie und Resectio hepatis.
Incision des Lebergewebes wird am häufigsten gemacht bei
Leberabscessen. Wie dies ausgeführt wird, wenn in der Leber-
convexität Abscesse sitzen, ist bei Besprechung der transpleuralen
Incision geschildert und illustrirt worden. Bei Abscessen im unteren
Theil der Leber oder im linken Leberlappen ist am Rippenrand vorne
oder hinten zu incidiren, wo auch die parahepatischen und sub-
phrenischen Abscesse eröffnet werden.
Bei Abscessen im linken Leberlappen kann ein Medianschnitt
am Platze sein. Wir haben einen Fall von Verstopfung der Gallen-
wege beschrieben , wo sich im linken Leberlappen ein gewaltiger
„Gallenabscess" entwickelte, welcher reine Galle enthielt. Nach seiner
Entleerung bildete sich eine Gallenfistel, welche höchst wahrschein-
lich nach Abgang eines Steines nach einer Carlsbadercur spontan heilte.
Was über Behandlung von Echinococcus der Leber zu sagen ist,
ist in Handbüchern der speciellen Chirurgie nachzulesen, da es hier
zu weit führen würde. Man hat bei derselben die Methoden der
Marsupialisation und auch der Excision mit Leberresection angewandt.
•248 Specielle Operationslehre.
Keen, welcher schon dreimal mit glücklichem Resultat Leber-
tumoren zu excidiren in die Lage gekommen und sehr zuversichtlich
über die Aussichten dieser Operation geworden ist, liefert eine von
Cushing und Down verfasste Zusammenstellung von 76 Fällen mit.
14 Proc. Mortalität, ein sehr günstiges Resultat. Dieselbe umfasst
20 Hydatidencysten , 17 Carcinome, 12 Syphilome. Keen hat im
letzten Fall den grösseren Theil des linken Leberlappens entfernt.
Meistens kam die Operation in Frage, wenn sich ausschälbare Tumoren
oder diffuse Tumoren im Bereich eines Schnürlappens oder gegen den
Rand eines normalen Lappens zu entwickelt hatten, wie bei Carci-
nomen der Gallenblase mit Uebergreifen auf das Lebergewebe.
Die Todesfälle, welche bei Leberresection vorgekommen sind,
beziehen sich fast alle auf Blutung und Shok. Embolie und Sepsis
ist bei Keen bloss dreimal verzeichnet. Einer meiner Fälle starb in
Folge von secundärem Darmprolaps.
Die Blutstillung ist demnach die Kernfrage bei der Operation.
Zu derselben besitzen wir eine Anzahl von experimentellen Studien,
von Kusnetzow und Pensky, Auvray und Vorschläge von
Cecherelli, Bianchi, Segale u. A. Es ist nicht möglich, all-
gemeine Regeln aufzustellen, da die Fälle zu verschiedenartig sind.
Als gesichert ist zu betrachten das Resultat der eingehenden Versuche
von Kusnetzow und Pensky , dass man die grossen Venen
des Lebergewebes sehr wohl mittelst Umstechung isolirt ligiren
kann. Keen hat bei Abtragung des linken Leberlappens mittelst
5 Ligaturen die Blutung aus diesen grösseren Gefässen verlässlich ge-
stillt, indem er bei Trennung und Eintritt starker Blutung den Finger
auf das Lumen legte, mit Nadel und Catgut die Stelle umstach und
durch einen Assistenten die Ligatur langsam zuschnüren Hess.
Sicher ist auch, dass eine parenchymatöse Blutung aus
den kleinen Gefässen sich durch Tamponade in der Regel dauernd
stillen lässt. Allein damit ist noch nicht ausgeschlossen, dass man
nicht, bevor die Tamponade verlässlich angebracht werden kann>
einen zu starken Blutverlust während der Trennung des Leber-
gewebes in Kauf nehmen muss.
Die Mittel, um die Trennung so zu gestalten, dass nicht die
Operation vor ihrer Vollendung schon zu erschöpfendem Bluterguss
führt, sind der Thermocauter mit der ausdrücklichen Mahnung-,
denselben sehr langsam wirken zu lassen bei blosser Rothglühhitze.
Keen welcher sehr glücklich gewesen ist mit seinen Fällen, hat
sich des Thermocauters bedient, wo er nicht einfach enculeiren konnte.
Ein für einzelne Fälle völlig sicheres Blutstillungsmittel, welches
wir benutzt haben, ist die Anlegung von Presszangen. Wir
haben uns der grossen und kräftigen Presszange bedient, welche
wir für Magenresection benutzen. In einem Fall von Carcinom des
Abdomen. -i/lq
rechten Leberlappens mit Carcinom der Gallenblase war der Zustand
der Theile durch eine genauere Untersuchung völlig zutreffend vor
der Operation festgestellt worden. Es fand sich die Gallenblase ge-
füllt, der Cysticus konnte freigelegt, ligirt und durchschnitten werden.
An der Leber traten sofort die typischen Krebsknoten mit tiefen
Dellen zu Tage. Starke Verwachsungen an der Unterfläche führten
zur Verletzung der Serosa, welche eine erhebliche venöse Blutung
zur Folge hatte, die aber durch Tamponade gestillt werden konnte.
Hinter -den Knoten in der Leber wurde nun trotz der erheblichen
Dicke des r. Leberlappens, der keineswegs von der übrigen Leber
getrennt, aber doch stark verlängert war, die grosse und fest zu
schliessende Zange angelegt und die Leber damit kräftig zusammen
gequetscht. Die Zange sass vollständig gut und bewährte sich aus-
gezeichnet. Die Leber wurde dicht über der Zange sammt Gallen-
blase einfach mit dem Messer abgeschnitten.
Die Zange blieb 2mal 24 Stunden Hegen und konnte dann ohne
weitere Blutung entfernt werden. Wir können demgemäss die An-
wendung derartiger Zangen empfehlen und rathen , dieselben mit
aller Kraft zu schliessen, da zwar das Lebergewebe mürbe, aber die
Serosa sehr resistent ist.
Die Zange thut also vorzügliche Dienste. Sie hat aber den grossen
Nachtheil, wenn man sie Hegen lässt, dass es schwierig ist, die Wunde
verlässHch zu schliessen, so dass bei Erbrechen Prolaps der Därme
eintritt. Dies geschah in 2 unserer Fälle, einmal ohne Schaden, einmal
mit unglücklichem Ausgang. Man muss also trotz Zange Peritoneum
und Fascie darüber schliessen und die Zange durch eine kleine
Oeffhung zu entfernen suchen. Oder man muss die Zange ersetzen,
genau wie wir dies für den Magen thun, durch eine Matratzennaht
hinter der Zange (vergl. Fig. 98) mit eventuellem Uebernähen mittelst
fortlaufender Naht. Auch bei Anwendung des Thermocauter kann
man einige Serosanähte bei Sorge für keilfömige Anlage der Schnitte
anbringen. Zur Nachbehandlung muss mit Xeroformgaze tamponirt
werden, ausnahmslos wenn eine nicht vereinigte Wundfläche übrig
bleibt für 2 mal 24 Stunden und drainirt wegen Nachsickerung von
Blut und wegen Gallenausfluss, aber darüber Peritoneum und Fascie
genau vereinigt.
Mesogastrium.
Vom Schwertfortsatz bis zur Symphyse benutzt man zur Er-
öffnung des Abdomen, wenn keine besondere Indication gegeben
ist, die Medianlinie, weil hier unter der Haut und Unterhaut die
sämmtlichen Fascien, mit Ausnahme der Fascia transversa, in eine
einzige Lage, die Linea alba verfilzt sind, deren gute Vereinigung
2 co Specielle Operationslehre.
durch eine besondere Naht völligen Schutz gegen Hernien gewährt.
Wenn man aber im Bereich des Mesogastrium die Gegend des Nabels
ausser Bereich der Schnittlinie lassen kann, ist dies empfehlenswerth.
Allerdings hilft man sich jetzt öfter zur Beseitigung der Furchen
und Gruben am Nabel mit der Omphalektomie, aber dieselbe ist
unnöthig, wenn man sich auf Reinigung versteht, und man geht deshalb
lieber am Nabel vorbei (links) mit Längsschnitt oder indem man
z. B. bei Nabelhernien oberhalb oder unterhalb des Nabels einen
Querschnitt über die Geschwulst macht.
146) Die Radicaloperation der Nabelhernie.
Die Radicaloperation kleiner Hernien bei jüngeren Individuen
ist eine sehr einfache Operation. Bei älteren Individuen dagegen,
wo grosse Nabelhernien — zumal bei Frauen — durch Ver-
wachsung und Verdickung des Netzes irreponibel geworden sind und
Beschwerden machen oder gar bei Einklemmung grosser Nabelbrüche,
muss man sich auf Schwierigkeiten gefasst machen und dieselben
durch schonendes Vorgehen, aber völlige Klarlegung der Verhältnisse
zu überwinden suchen.
Die Operation und demgemäss mutatis mutandis auch die
Operation bei Einklemmung wird je nach Entwickelung der Haupt-
schwellung ober- oder unterhalb des Nabels mit einem Querschnitt
über letzterem durch Haut und Unterhaut ausgeführt, um die Haut-
incision möglichst nahe der Bruchpforte anzulegen. Der Schnitt
durch die Haut ist vorsichtig zu führen, da dieselbe dünn ist und
der Bruchsack sehr leicht zu früh ausgeschnitten werden kann, weil
er unmittelbar anliegt. Der Bruch ist oft auf der Höhe mit der
Haut innig verwachsen (speciell im Bereich der Hautnabelnarbe) ; in
diesem Falle muss die verwachsene Haut umschnitten und mitentfent
werden.
Wo keine Verwachsung mit der Haut besteht, kann der Bruch-
sack stumpf ohne Schwierigkeit, durch Zurückstreifen der bedeckenden
Weichtheile bis zur Bruchpforte freigemacht werden, und erst wenn
man ihn auf diese Weise gestielt hat und die Bruchpforte allseitig
zugänglich hat, wird der Bruchsack sorgfältig eröffnet; denn zumal
bei älteren Individuen liegen sehr oft grosse Netzklumpen im Bruch
und sind breite Verwachsungen mit dem Körper sowohl als nament-
lich Hals des Bruchsackes eingegangen.
Die Loslösung des Netzes ist complicirt, wenn dasselbe aufgerollt
und geschrumpft ist ; trägt man es nicht ganz peripher ab, so kommt
man sehr nahe an das Colon transversum. wo grosse Gefässe zu unter-
binden sind. Die Massenligatur dieser kann zu Thrombosen und im
Bereich des Stumpfes zu Nekrosen führen, welche bei der Neigung
alter Leute zur Pneumonie nicht unbedenklich sind. Es ist daher
Abdomen.
351
gerathen, das durch Fetteinlagerung zerreissliche Netz sorgfältig in
kleine Portionen zu isoliren und möglichst peripher zu unterbinden
und eventuell lieber ein Stück Bruchsack zu umschneiden und mit
dem Netz zu reponiren.
Wenn die Hernie gross ist, reichlich Darm (es ist öfter das Colon
transversum bei älteren Leuten) vorliegt und fettreiche Netzklumpen,
so kann es nöthig sein, die Bruchpforte in der Medianlinie nach oben
zu erweitern, um bei der Reposition nicht zu stark zu zerren und
zu quetschen, da nach von ElSELSBERG's Erfahrungen leicht Darm-
blutungen auftreten und nach unseren eigenen Erfahrungen Nekrose
der Darmschleimhaut in Kürze zu Stande kommen kann.
Ist die Reposition gelungen, so ist bei Netzbrüchen längeren Be-
standes am gerathensten, keine Ligatur um den Bruchsackhals anzulegen,
wie man dies bei Leisten- und Schenkelbrüchen zu thun pflegt, sondern
den Bruchsack bis nahe an den wenig geschmeidigen, öfter verdickten
Bruchsackhals abzutragen und eine durch Fascia (Linea alba) und
Peritoneum zugleich tief durchgehende Naht anzulegen. Am besten
werden hierzu einige Knopfnähte in Entfernung von höchstens 1 cm
in der Weise angelegt, dass der ohnehin in querer Richtung gedehnte
Nabelring in einer Querlinie solide verschlossen wird. Damit das Peri-
toneum, wenn es gespannt ist, sich nicht zurückziehe, trägt man
dasselbe 1 — 2 cm entfernt ausserhalb der Bruchpforte ab und fasst
den dadurch vorragend gemachten Saum mit Klemmpincetten, um
eine breite Fläche in die Naht zu bekommen. Die Ränder des
Nabelrings müssen gehörig mitgefasst werden, weil sie allein zu-
verlässig resistent sind.
Hyp ogastrium.
147) Punction des Abdomen.
Bei Flüssigkeitsansammlungen in der freien Bauchhöhle, wo die
Entleerung angezeigt ist, macht man die Punction im unteren Theil
des Abdomen und zwar in der Mitte zwischen Nabel und Mitte des
PouPART'schen Bandes. Diese Stelle hat, wie dies bei der etwas
weiter abwärts liegenden Incision für Freilegung des Processus vermi-
formis auseinandergesetzt ist, den grossen Vortheil, dass man einer-
seits lateralwärts vom Rectusrand bleibt, welchem entlang die Arteria
epigastrica inferior verläuft, andererseits die Musculatur der breiten
Bauchmuskeln vermeidet, indem diese hier mit ihren Fascien gegen
die Rectusscheide zusammenlaufen. Es ist zweckmässig, bei Be-
nutzung grosser Trocar zuerst eine kleine Hautincision zu machen
und Trocar zu benutzen, welche wie für Ovariotomie eine innere
Canüle mit stumpfem Rand zum Vorschieben haben.
352 Specielle Operationslehre.
148) Incisionen im Bereich des Hypogastrium.
Wir wollen nicht wiederholen, was wir bei den Bemerkungen
zur Laparotomie über die Schnittführung im Allgemeinen gesagt haben.
Für die zahllosen gynäkologischen Operationen , welche im Bereich
des Hypogastrium gemacht werden, wird der Medianschnitt stets
der einfachste bleiben. Wie er zu modificiren ist, wurde dort hervor-
gehoben. Für die seitlichen Schnitte ergiebt die Betrachtung
der LANGER'schen Spaltrichtungsfiguren, dass Schrägschnitte median-
wärts absteigend denselben conform sind und-zwar in der Weise, dass
je mehr man sich mit den Schnitten der Medianlinie nähert, um so
mehr sich dieselben der senkrechten Richtung nähern müssen ,
Beispielsweise wenn man die Appendicitis-Radicaloperation macht
am Rectusrand unter Trennung bloss der Fascien muss man einen
viel steileren Schnitt machen, als wenn man weiter lateral permusculär
eingeht; im letzten Fall nähert sich der Schnitt mehr der queren
Richtung, welche je höher gegen den Rippenrand zu um so mehr
in die Spaltrichtung fällt.
Es ist ersichtlich, dass die Schnitte, welche der Spaltrichtung
entsprechen, wie von Brunn betont, auch mit dem Verlauf der ober-
flächlichsten Muskeln und der Nerven und Gefässe übereinstimmen, was
wir oben als einen Hauptvortheil unserer Normalschnitte hervor-
gehoben haben. Ein zweiter Punkt, welcher für die Schnittwahl von
Bedeutung ist, ist die Frage, ob man per- oder subperitoneal vorgehen
will. Die Differenz des Vorgehens geht aus dem Vergleich der
Schnitte hervor, wie sie für die später zu beschreibende Unter-
bindung der A. iliaca communis und A. iliaca externa
empfohlen werden. Bei ersterer geht man auf das Peritoneum
ein, indem man 2 Querfinger breit über dem PouPART'schen
Bande die Bauchwand bis und mit der Fascia transversa durch-
trennt. Bei letzterer vermeidet man das Peritoneum, indem man
sich dicht an das Lig. Pouparti hält und nur die Fascia trans-
versa spaltet, welche sich an dasselbe ansetzt, während das Peri-
toneum etwa 1/2 cm oberhalb auf die Fascia iliaca interna sich
herumschlägt (vergleiche über diese beiden Unterbindungen später).
In analoger Weise kann man Abscesse der Fossa iliaca
interna extraperitoneal durch Eingehen auf oder unter die Fascia
iliaca interna eröffnen, oder unter Spaltung des Peritoneum vom
gehen, wenn man perityphlitische Abscesse eröffnen oder Tumoren
des Coecum entfernen, oder links das S romanum behufs Anlegung
eines künstlichen Afters vorziehen oder wegen Neubildung entfernen
will. Ein querer Schnitt von einer Seite zur anderen herüber, vom
rechten vorderen Leistenring bis zum linksseitigen kann angezeigt
sein, wenn die Blase eröffnet werden soll, wenn Geschwülste der
weiblichen Genitalien entfernt werden sollen, oder wenn Tumoren
Abdomen.
353
am obersten Theil des Rectum oder untersten des S romanum zu
exstirpiren sind.
Ein dritter Punkt, auf welchen wir speciell aufmerksam machen
möchten, ist die Benutzung hypogastrischer Schnitte entlang und
über dem PouPART'schen Bande zur Operation von Erkrankungen
innerhalb des Scrotum. Wir glauben durch Einführung dieses In-
guinalschnittes für die Mehrzahl der intrascrotalen Erkrankungen
an Stelle der früheren Incisionen durch das Scrotum einen wesent-
lichen Fortschritt angebahnt zu haben, da der Inguinalschnitt viel
weniger blutig ist, sich viel leichter durch Naht genau vereinigen
lässt, als ein Schnitt durch die runzelige Scrotalhaut und viel leichter
aseptisch zu halten ist. Wir benutzen denselben ausschliesslich seit
langen Jahren für Hydro-, Varico-, Spermatocelen, für alle Hoden-
tumoren, Hodenentzündungen, Tuberculose u. s. w. Eine Grenze ist
demselben nur gesteckt in einer absolut zu grossen Ausdehnung einer
nicht verkleinerbaren Geschwulst (denn die grössten Hydro- und
Spermatocelen sind mittelst Inguinalschnittes zu behandeln) und in
Verwachsungen mit der Scrotalhaut, wie sie oft bei Entzündungen
und am öftesten bei Tuberculose vorkommen. Da muss die Scrotal-
haut mitexcidirt werden.
In allen anderen Fällen macht man den Inguinalschnitt, luxirt
die intrascrotalen Organe nach oben aus dem Scrotum heraus in die
Wunde und reponirt sie nachher wieder, soweit sie erhalten werden.
Es vereinfacht dies auch die Wundbehandlung wesentlich.
149) Ausräumung der Lymphdrüsen in der Leiste und
längs der Vasa iliaca und obturatoria.
Der typische Schnitt zur Ausräumung der Leiste ist der schon
von Lauenstein empfohlene und von Lennander weiter aus-
gebildete Schrägschnitt entlang dem Lig. Pouparti, combinirt mit
einem Längsschnitt abwärts über die grossen Gefässe. Man darf
eine Ausräumung der Leiste von sämmtlichen L)^mphdrüsen bloss
ausführen, wenn eine lebensgefährliche Erkrankung derselben vor-
liegt, also in erster Linie bei malignen Neubildungen. Dagegen bei
Tuberculose und Entzündungen verschiedener Art hat man sich zu
beschränken auf die Entfernung als krank nachweislicher Drüsen.
Riedel hat gezeigt, dass die Totalexcision der Leistendrüsen zu
bleibender Lymphstauung und elephantiastischer Erkrankung der
unteren Extremität führen kann.
Ist die Indication, wie bei Krebs und Sarkom und einzelnen
tuberculösen Erkrankungen klar, dann ist es, wie LENNANDER
hervorhebt, wünschenswerth, wie in der Axilla die Drüsen soweit zu
verfolgen, dass man auch die central gelegenen und verdächtigen
Drüsen mitexcidirt. Solche finden sich entlang den Vasa iliaca
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 23
ia Specielle Operationslehre.
externa, tiefer den Vasa iliaca bis zur Aorta, ebenso entlang den
Vasa obturatoria bis zu den Vasa hypogastrica.
Lennander empfiehlt, um auch diese tiefen Drüsen zugänglich
zu machen, eine sehr energische Lösung der Bauchwand vom Becken
in der Form, dass er das Lig. Pouparti loslöst vom Os pubis, von
der Fascia lata und die Bauchmuskeln bis zur Mitte der Crista ilei
oder noch weiter zurück vom Becken trennt. So kann man bis zur
Aorta und ins Becken hinein sich die Drüsen zugänglich machen.
Wir haben in solchen Fällen uns begnügt, den Schnitt ober-
halb des Lig. Pouparti zu machen in folgender Weise: Dicht über
diesem Ligament wird die Haut und unter Ligatur der Arteria epigastrica
superficialis und einig-er senkrechter Venen die Fascia superficialis
gespalten, dann die Aponeurose des Obliquus externus dicht über
dem Ligament, die Muse, obliquus int. und transversus aus der Rinne
des Ligaments emporgehoben und die Fascia transversa gespalten.
Jetzt können die Muskeln sammt Samenstrang (Lig. rotundum)
ohne Anstand nach oben gezogen werden und man gelangt sub-
peritoneal den Gefässen entlang in die Höhe. Wo der Raum zu
sehr beengt ist, kann leicht der Schnitt lateral verlängert und die
Muskeln noch von der Crista ilii abgelöst werden, was freilich den
Eingriff zu einem viel verletzenderen macht. Mit kräftigem Beiseite-
ziehen nicht durchschnittener Muskeln erhält man , sobald einmal
die Fascien getrennt sind, sehr ausgiebigen Zugang in die Tiefe.
150) Freilegung des Samenstranges. Castration.
Querschnitt entlang dem Leistencanal, 1 Finger breit oberhalb
des PouPART'schen Bandes, der medialen Hälfte des Ligamentes
parallel median abwärts. Der Schnitt entspricht ganz exaet der Spalt-
richtung der Haut und verklebt daher sehr leicht. In der Unterhaut
und Fascia superficialis ist aussen und innen eine starke, von oben
herabziehende Vene zu unterbinden. Die Arteria epigastrica super-
ficialis, von der A. femoralis über die Bauchwand heraufsteigend, wird
mit der Vene durchschnitten, wenn man den Schnitt lateralwärts ver-
längert. Trennung der dünnen Fascia externa Cooperi, welche als Fort-
setzung der Fascie des M. obliquus abdominis externus den Samen-
strang einhüllt, Spaltung der Muskelfasern des Cremaster (vom Obliquus
internus), der derben Fascia infundibuliformis (Fortsetzung der Fascia
transversa). Innerhalb dieser liegt der Samenstrang, resp. das Liga-
mentum rotundum und eventuelle Ausstülpung-en des Peritoneum in
Form von Bruchsäcken. Handelt es sich um Castration, so wird der
Hode nach oben luxirt, das Vas deferens durchschnitten, die Gefässe
(Arteria spermatica interna und deferentalis und der Plexus venosus)
einzeln gefasst und durchschnitten. Muss dies wegen Geschwulstknoten
oder wegen Erkrankung des Vas deferens (Tuberculose) weiter oben
Abdomen. icc
geschehen, so wird die vordere Wand des Leistencanals, die Fascia
obliqua externa) gespalten ; wo man noch tiefer subperitoneal herauf-
gehen will, wird auch der hintere Theil des Leistencanals gespalten
(Lig. ing. externum, welches die mediale Falte des hinteren Leisten-
rings bildet, sammt Fascia transversa) und nachher sehr genau wieder
vernäht.
Es ist leicht, falls der Hode nicht im Scrotum verwachsen oder
zu bedeutend vergrössert ist, denselben nach oben zu stülpen und
zu entfernen.
Bei Verwachsungen der Haut oder bei grösseren Tumoren des
Hodens wird die Castration mittelst Querschnittes in frontaler
Ebene am unteren Ende des Scrotums gemacht : Nach Spaltung
der Haut und Tunica dartos zwischen den sichtbaren grösseren Scrotal-
gefässen wird der Hode in seinen Hüllen herausgestülpt. Wie der
Schnitt parallel den Scrotalgefässen fällt (Art. scrotales externae), so
läuft er auch auf der Oberfläche der Scheidenhäute parallel den nach
dem unteren Pol ziehenden Aesten der Samenstranggefässe, ist daher
viel zweckmässiger als der gewöhnlich geübte, über die vordere
Scrotalfläche herablaufende Verticalschnitt.
Die Indication zur Castration wegen maligner Neubildungen ist
unbestritten, diejenige wegen Tu bereu lose findet viele Gegner.
Trotz dieser bedeutungsvollen Opposition bleibt die Thatsache be-
stehen, dass jeder Fall von klinisch zweifelloser Hoden-, resp. Neben-
hodentuberculose die Gefahr bietet, durch Fortleitung auf Vas deferens,
Samenblasen, Prostata schwere tuberculöse Erkrankung herbeizuführen.
Die ausgezeichneten Untersuchungen von Baumgarten, deren Mit-
theilung vom 30. Congress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie
iqoi mit so grossem Beifall aufgenommen wurde, beweisen, dass
bei Thieren nur vom Hoden aufsteigende Verbreitung der Tuber-
culöse erzielt werden kann und keine von der Prostata descendirende
und damit stimmen auch alle pathologisch- anatomischen Unter-
suchungen Baumgarten's am Menschen überein.
Da eine Heilung ohne Operation eine Seltenheit und oft genug
unvollständig ist, ferner oft und unter Eintritt langer und lästiger
Eiterung erfolgt und endlich doch die Zeugungsfunction des Organs
als Regel vernichtet, so steht nach unseren Erfahrungen der Nutzen
frühzeitiger einseitiger Hoden excision bei Tuberculöse fest, und die
maassgebenden Erhebungen von Bruns geben ihr eine feste Stütze.
Man hat bei den vielen Discussionen über dieses wichtige Capitel
nicht scharf genug zwischen wirklicher Castration mit Entfernung
beider Hoden und einseitiger Entfernung unterschieden. Alle
Nachtheile, die aufgeführt werden, gelten bloss für die doppelseitige
die einseitige hat bloss Vortheile und kann nicht rasch genug aus-
geführt werden.
23*
ße5 Specielle Operationslehre.
Der Inguinalschnitt bei frühzeitiger Excision ist die ideale
Methode, weil er erlaubt, das Vas deferens hoch oben frei zu legen
und an gesunder Stelle zu ligiren, Der Hode kann mit Leichtigkeit
durch den Inguinalschnitt aufwärts luxirt werden, bei bestehenden
Scrotalfisteln eventuell nach Cauterisation dieser Fisteln, Excision
der umgebenden Haut und ebenfalls Cauterisation ihrer Oberfläche
mit dem Thermocauter. Die Freilegung des Vas deferens und
genaue Inspection desselben ist der BüNGENER'schen Evulsions-
methode vorzuziehen, so einfach diese ist, weil es bei Erkrankung
des Vas deferens nicht bloss darauf ankommt, oberhalb der kranken
Stelle die Abtragung zu machen, sondern auch ein Einfliessen von
tuberculösem Material in die Umgebung zu verhüten, wenn ein
krankes Stück zurückbleiben sollte. Dazu scheint Freilegung, Durch-
schneidung mit dem Cauterium nach Durchquetschung mit Press-
zange zweckmässiger als Zerreissung, die doch stets den Zufall mit-
spielen lässt. Sehr zweckmässig erscheint es, eventuell vorher durch
einen Einstich in das centrale Ende, das nicht entfernt werden kann,
eine Injection von Jodoform- oder auch Formolglycerin zu machen,
da diese Injection nach BüNGENER's schönen Untersuchungen auch
die Samenblase füllt. Faden anzulegen ist zu vermeiden.
Diese Vorschrift fällt dahin für diejenigen Chirurgen, welche bis
zu Ende gehen (mit Roux, König u. A.) und gleich eine totale
Excision der Samenblase mit anschliessen wollen. Leider ist, wo
solche Gründlichkeit von nöthen, auch diese meistens nicht gründlich
genug und müsste die Operation noch auf Prostata und Pars prostatica
urethrae ausgedehnt werden.
151) Operation der Varicocele.
Inguinalschnitt parallel dem PouPART'schen Bande auf den
vorderen Leistenring vordringend durch Haut und oberflächliche
Fascie unter Ligatur schräg median wärts aufsteigender Venen.
Die Fortsetzung der Fascia obliqui externi, welche als Fascia
Cooperi den Samenstrang einhüllt, wird gespalten. Es erscheinen
die schlingenförmigen Fasern des M. cremaster; dieser und die
Tunica vaginalis communis darunter wird gespalten und der Samen-
strang herausgezogen, bis der Hode nachfolgt und aus der Wunde
luxirt werden kann.
Jetzt wird am vorderen Leisten ring die Vena spermatica
interna, die bis zu Bleistiftdicke anschwellen kann, isolirt. Dies ge-
lingt je weiter oben, je leichter. Dann wird die Isolirung abwärts
fortgesetzt, wobei von Stelle zu Stelle einmündende Aeste ligirt und ge-
trennt werden müssen. Es lassen sich leicht 10 — 25 cm der Vene auf
diese Weise isoliren. Erst gegen den Hoden hin werden die Aeste ver-
wickelter und zahlreicher. Dann wird oben und unten ligirt und die
Abdomen.
357
langgelassenen Ligaturenden nach Resection der Vene mit einander
verknüpft, um den Samenstrang zu verkürzen, resp. höher zu hängen.
Findet sich sonst noch am vorderen Leistenring eine stark
dilatirte Vene, speciell in Begleitung des Vas deferens, so muss sie
möglichst hoch oben unterbunden werden.
Bei besonders schlaffem Scrotum wird schliesslich ein Stück des-
selben behufs Verkürzung resecirt.
Wunde wird ohne Drain vereinigt.
Die Operation kann sehr wohl mit Cocaininjection ausgeführt
werden. Narath spaltet den Leistencanal, um noch höher oben zu
ligiren, was wir für unnöthig halten. Es ist hauptsächlich die Ueber-
tragung des Druckes der Blutsäule von der Cava und linken Vena renalis
auf die Gefässe im Samenstrang, welche aufgehoben werden muss.
152) Operation der Hydrocele.
Die Geschwulst des Hodens wird nach Anlage des oben ge-
schilderten Inguinalschnittes zur Castration luxirt, nach th eil-
weiser Entleerung durch Punction, wenn sie sehr gross ist. Die Tunica
vaginalis communis wird sehr sorgfältig gespalten und die gespannte
und durchscheinende T. vag. propria frei gemacht bis an den Hoden
heran durch Abziehen ersterer.
Nach Spaltung, Entleerung der Flüssigkeit und Orientirung über
den Zustand von Hoden und Nebenhoden wird die Propria soweit
abgetragen, dass man gerade noch den Rest derselben stramm über
den Hoden durch fortlaufende feine Seidennaht vernähen kann. Diese
Methode hat uns stets radicale Heilung gebracht.
153) Herniotomie und Radicaloperation von Leisten-
und Schenkelhernien.
Der Schnitt ist ganz derselbe für die Herniotomia inguinalis,
wie für die oben geschilderte Freilegung des Samenstranges, bloss
etwas länger. Die Haut und Unterhaut werden fingerbreit über den
inneren zwei Dritttheilen des Lig. Pouparti gespalten, in der LTnter-
haut die Arteria epigastrica unterbunden, ebenso weiter nach der
Mittellinie zu eine constante Vene senkrechten Verlaufs (Vena pubica).
Die als verdünnte Verlängerung der Fascia M. obliqui externi vom
vorderen Leistenring auf den Samenstrang sich fortsetzende Fascia
Cooperi wird gespalten. Nach weiterer Spaltung des Cremaster
und besonders der Fascia infundibuliformis lässt sich
der Bruchsackhals meistens leicht, wenigstens an seinem oberen
Theil auf stumpfem Wege von den Gebilden des Samenstranges
isoliren und durch Zug bis zu seinem abgerundeten unteren Ende
aus dem Scrotum herausheben. Man sieht die bogenförmigen Grenzen
auch eines dünnen Bruchsackes durchscheinen, wenn man die Samen-
stranggebilde dehnt und gegen das Licht hält.
^cg Specielle Operationslehre.
a) Alte Methode.
Die Methode ist am Platz bei verdickten Bruchsäcken, wie sie
sich bei alten Brüchen, sehr grossen Hernien und nach Entzündungen
finden. Ebenso bei stärkeren Verwachsungen des Inhalts, speciell
des Netzes. Danach wird behufs Radicaloperation der Bruchsack
aufwärts genau isolirt und kräftig heruntergezogen, bis die im
hinteren Leistenring liegende Partie gefasst, mit Seidenfaden durch-
stochen und nach zwei Seiten kräftig umschnürt werden kann. Kommt
man nicht hoch genug hinauf, so wird nach BASSlNl's Vorgang die
vordere Wand des Leistencanals, d. h. die Fascia .obliqui externi in
ganzer Länge aufgeschlitzt. Beim Abschneiden unterhalb zieht sich
die umschnürte Stelle ganz ins Abdomen zurück. Es folgt eine
Reihe tiefgreifender Nähte unter Mitfassen der Fascie des M. obliquus
externus und der darunter liegenden Muskelfasern zur Verstärkung
und Verengerung des Leistencanals in ganzer Länge (Canalnaht).
Diese einfache Methode der Radicaloperation, welche wir Jahre
lang mit sehr gutem Erfolge benutzt haben, stimmt im Wesentlichen
mit dem Verfahren von Lucas-Championniere überein.
b) Laterale Verlagerungsmethode.
Haut und Unterhaut werden in der oben angegebenen Linie
parallel dem PouPART'schen Bande bis zu dessen äusserem Drittel
gespalten und die Aussenfläche der äusseren schrägen Bauchfascie
mit ihrem charakteristischen Faserverlauf freigelegt (Fig. 104), der
Bruchsack, wie vorhin geschildert, vollkommen isolirt. Nunmehr
kommt der charakteristische und wesentliche Act unserer Methode,
darin bestehend, dass man in die derbe Partie jener Fascie über
dem PouPART'schen Bande lateralwärts von dessen Mitte, also
auch lateralwärts von der Gegend des hinteren Leistenringes, eine
kleine Oeffnung macht, eine eigens construirte, gebogene Korn-
zange durch die vordere Wand des Leistencanals (Fascia obl.
ext. und Muse. obl. int.) durchstösst und durch den Canal zum
vorderen Leistenring vor dem Samenstrang herausführt, die Spitze
des freipräparirten Bruchsackes fasst (Fig. 105) und den ganzen
Bruchsack durch den Leistencanal zurück durch die kleine Oeffnung
lateralwärts herauszieht.
Der Bruchsack wird kräftig angezogen, so dass er jetzt vom
hinteren Leistenring weg, statt median abwärts neben dem Samen-
strang zu verlaufen, lateralwärts in entgegengesetzter Richtung läuft
und der Peritonealtrichter des Bruchsackhalses fest in die kleine
Oeffnung der Bauchwand hereingezogen wird; nun wird mittelst
einer Nadel der in der Bauchwand liegende Theil des Bruchsackes
umstechen und mittelst eines Seidenfadens kräftig umschnürt. Der
Bruchsack wird abgeschnitten. Besser ist es noch den Bruchsack
mit einer schmalen Presszange zusammenzupressen und dann erst
Abdomen.
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360 Specielle Operationslehre.
zu ligiren , weil man so einen ganz dünnen Stumpf bekommt,
den man ziemlich dicht am Faden abschneiden kann. Der dünne
Stumpf wird durch die Fascie zurückgeschoben und mit der-
selben Nadel, welche die zwei Bündel der Fascie fasst, an dieselbe
angeheftet und damit auch die kleine Oeffnung ganz verschlossen.
So ist das Peritoneum in der Richtung lateralwärts gespannt und
der Austritt eines Bruchsackes in der Richtung des Samenstrangs
unmöglich gemacht. Die oben geschilderten Canalnähte zur Ver-
kürzung und Verstärkung der vorderen Wand des Leisten canals im
Bereich des Samenstrangs schliessen die Operation.
Von der früher geübten Auflegung des Bruchsackes auf die
vordere Wand des Leistencanals und vollends von einer gleich-
zeitigen Torsion haben wir abgesehen, weil die Vitalität des Bruch-
sackes dadurch zu sehr beeinträchtigt wird und leicht Nekrose des-
selben mit Störung des Wundverlaufes eintreten kann.
c) Invaginationsverlagerung.
Seit der 3. Auflage dieses Buches haben wir die Verlagerungs-
methode noch einmal vereinfacht: Nach Spaltung der Haut und
Fascia superficialis über und in Richtung des Leistencanals, nach
oben und unten etwas über dessen Grenzen hinaus, nach Ligatur
der Art. epigastrica inferior und Freilegung der Aponeurosis obliqui
externi wird unter Spaltung der Fascia Cooperi, darunter der Cremaster-
fasern und der Tunica vaginalis communis, abwärts vom vorderen
Leistenring der Bruchsack stumpf isolirt und so hoch hinauf wie
möglich unter starkem Zug freigemacht, also ganz wie bei den erstge-
schilderten Methoden.
Nun wird mit langer schlanker gebogener Zange die Spitze
des uneröffneten Bruchsackes gefasst und letzterer in sich selbst ein-
gestülpt bis in die Abdominalhöhle hinein durch den Leistencanal
rückwärts (nach Fig. 106). Die Spitze der Zange wird dicht am
hinteren Leistenring an einer resistenten Stelle der Bauchwand
kräftig angedrängt und diese emporgehoben.
Ein Schnitt von 1/3 cm trennt Fascie und Muskeln bis zum
Parietalperitoneum, welches sammt dem umgestülpten Bruchsack
durch die Oeffnung vorgeschoben wird (Fig. 107). Das Parietal-
peritoneum wird mit der Pincette gefasst, gespalten und 2 — 3 Arterien-
zangen an dessen Ränder gelegt, damit es nicht zurückschlüpft
(Fig. 107 a). Der umgestülpte Bruchsack wird in ganzer Länge
kräftig herausgezogen (unter Zurückziehen der leeren Zange durch
den Leistencanal) , an der Basis mit einer Presszange gequetscht,
daselbst durchstochen (Fig. 108) und nach 2 Seiten sammt Parietal-
peritoneum mit einem Seidenfaden umschnürt. Mit demselben Faden
(Fig. 109 a) wird nach Abschneiden des Bruchsackes dicht über der
Abdomen. 361
Ligatur und Zurückschieben des Stumpfes unter die Fascie
die Oeffnung in der Fascia obliqui externi geschlossen 1). Zuletzt
wird, wie oben angegeben, die Canalnaht zur Verstärkung des Wider-
standes hinzugefügt (Fig. 109 b).
Diese äusserst einfache, nicht verletzende Methode bringt die
herniöse Vorstülpung besser zum völligen Verschwinden als jede andere,
weil das Peritoneum auch aus dem Bereich des hinteren Leisten-
ringes herausgezogen und kräftig in entgegengesetzter Richtung zum
Verlauf des Samenstranges, d. h. nach aussen hin angespannt er-
halten wird.
Wir haben bei späteren Autopsien Gelegenheit gehabt, nach
kurzer und längerer Zeit das Resultat der Operation zu controliren.
Man sieht von der Peritonealseite her an der Stelle, wo der Bruch-
sack durchgezogen wurde, eine feine circuläre Peritonealnarbe, als
Wulst mit 2 seichten Recessus ober- und unterhalb. Das Parietal-
peritoneum bildet von der medialen Seite her leichte Falten, die
sich 2 — 3 mm erheben. Von einer Einstülpung in den Leistencanal
ist keine Rede mehr.
In Uebereinstimmung damit sind auch die Dauerresultate
mit dieser Methode besser als mit jeder anderen, soweit wir aus der
Literatur Vergleiche ziehen können. Wir haben genaue Nach-
forschungen angestellt und sind über das Resultat um so mehr er-
freut gewesen, als jetzt auch die von jüngeren Assistenten operirten
Fälle durchweg gute Resultate ergeben haben. Hirschkopf hat
1899 (Nov.) 236 Hernienoperationen zusammengestellt aus unserer
Klinik und Privatklinik nach verschiedenen Methoden operirt.
Während Lebensohn bei 1 1 1 unserer früheren Fälle nach einfacher
Verlagerung (Methode b) operirt, noch 4 Recidive zu verzeichnen
hatte, fand Hirschkopf unter 42 Fällen dieser Methode kein Recidiv.
Bei 83 Fällen mittelst Invaginationsverlagerung (Methode c) operirt,
fand sich ein Recidiv. Er vergleicht die Zahlen mit denjenigen von
Franz und den günstigen von Rotter, in toto 659 Fälle nach Bassini
Operirten, welche 4,4 Proc. Recidive ergaben. Unsere Patienten ver-
lassen fast ohne Ausnahme nach 8 Tagen das Bett und tragen vom
Augenblick weg kein Bruchband mehr.
Dass unsere Methode der Radicaloperation auch in den Händen
anderer Chirurgen nicht bloss ebenso gute, sondern bessere Resultate
ergiebt, als die meist befolgten von Bassini und Macewen, entnehme
ich der Mittheilung von Grosse (D. Ztschr. f. Chir., Bd. 57) über die
von Prof. Landerer erzielten Resultate : Nicht nur trat Eiterung bei
dem KocHER'schen Verfahren viel seltener auf, sondern in 15 nach
Kocher operirten Fällen ergab die Nachforschung kein Recidiv,
I) Wir haben auch öfter den Stumpf ganz einfach versenkt und die Fascie
für sich verschlossen, wie Quervain es macht nach mündlicher Mittheilung.
362
Specielle Operationslehre.
in 3 nach MACEWEN i Recidiv, in 8 nach BASSINI 3 Recidive bei
6 Pfeilernähten 2 Recidive, also nach KOCHER 100 Proc. Dauer-
heilungen, nach Macewen 66 Proc, Pfeilernaht 66 Proc, Bassini
37 Proc. und bei einem von Landerer modificirten Kocher 80 Proc.
Heilungen. Carle hat durch Galeazzi über 601 Operationen nach
Fig. 106. Radicaloperation der äusseren Leistenhernie mittelst der Invaginations-
verlagerung. Der isolirte Bruchsackj ist an seiner Spitze mit einer krummen
Zange gefasst und wird in sich selbst eingestülpt bis in das hintere Ende des
Leistencanals.
Bassini und 23g nach Kocher referiren 'lassen: Erstere ergaben
5,99 Proc. Recidive, letztere 5,02 Proc
Auch Madelung hat durch P. Bernhardt seine Resultate
mittheilen lassen. Wenn [dieselben weniger gut sind bezüglich der
Dauerresultate, so beruht dies darauf, dass MADELUNG nicht alle
Brüche der Radicaloperation unterwirft, sondern bloss solche, welche
durch Bruchbänder sich nicht behandeln lassen. Daher hat er in
vielen Fällen Complicationen zu verzeichnen, namentlich sehr müh-
Abdomen.
363
same Lösung des Bruchsackes, hat auch in Folge dessen in etwa
einem Dritttheil der Fälle] gestörten Wundverlauf und bekanntlich
giebt nichts so sehr Anlass zu Recidiven, wie Eiterung der Wunde.
Fig. 107.
Fig. 107a.
•■#'■
^8
Fig. 107. Invaginationsverlagerung. Die Spitze der Zange drängt die Spitze
des invaginirten Bruchsackes unmittelbar nach aussen vom^hinteren Leistenring
gegen die vordere Bauchwand, in welcher auf die emporgehobene Stelle ein
kleiner Schnitt gemacht ist durch Fascia obliqua ext. und die tiefen Bauch-
muskeln.
Fig. 107 a. Das Parietalperitoneum ist gespalten gezeichnet und die Ränder ge-
fasst, der invertirte Bruchsack vorgeschoben.
364
Specielle Operationslehre.
Bessere Resultate hat wieder Trzebicky zu verzeichnen in
53 Fällen. Trotz 10 Eiterungen traten nur ganz wenige Recidive ein.
Die Verlagerungsmethoden haben den grossen Vortheil, dass
sie nicht, wie die beliebte Methode Bassini's, den Leistencanal
spalten. Wenn einmal Eiterung eintritt und die Nähte nicht halten,
F
Fig. 108. Radicaloperation der äusseren Leistenhernie mittelst der Invaginations-
verlagerung. Der invertirte Bruchsack (V) ist in ganzer Länge kräftig zu der
kleinen Oeffnung in der Bauchwand herausgezogen und eine Nadel durch seine
Basis gelegt, unter Mitfassen des Parietalperitoneum.
so hat man bei Bassini's Vorgehen entschieden Schaden gestiftet,
bei unserer Methode hat man trotzdem noch Erfolg. Bassini's
Methode ist complicirter, verletzender und dadurch mehr zu Störungen
des Wundverlaufes disponirend. Unsere Methode ist — wie auch
V. Angerer in München bestätigt — ungleich einfacher und rascher
auszuführen und leistet in Bezug auf exacten Schluss des hinteren
Leistenrings mindestens ebensoviel wie Bassini's Methode. Während
Abdomen.
;65
bei letzterer der Samenstrang verlagert wird, um die Naht exact legen
zu können, verlagern wir den Bruchsackhals ausser Bereich des Samen-
strangs, um eine tiefgreifende und völlig schliessende Naht anzulegen.
Den Vortheil der Verlagerung des Bruchsackes sollten wir
uns nicht mehr entgehen lassen, da er in sehr einfacher Weise das
Problem löst, einer Hernie auf dem Wege einer physiologisch ge-
gebenen Oeffhung den Austritt zu
versperren.
Was nun die Indicationen und
Contraindicationen unseres Verfahrens
anbelangt, so bemerken wir, dass
durch die neueste Modification gewisse
Nachtheile, welche ihm in älteren
Formen anhaften, demselben völlig
benommen sind. Link ist mit dem
Verfahren unzufrieden, weil er in
1 3 Fällen 3 mal Nekrose des Bruch-
sackes und 2 mal der Aponeurosis
obl. ext. eintreten sah. So etwas ist
nunmehr unmöglich, wenn man den
Bruchsack mit der Presszange be-
handelt, wo bloss ein minimaler
Stumpf sich ergiebt, diesen reponirt
und den kleinen Schlitz in der Apo-
neurose vernäht.
Es ist aber klar, dass nicht alle
Brüche für die Invaginationsverlage-
rung geeignet sind : Brüche mit
stark verdicktem, wenig
elastischem Bruchsack, solche
mit starker Verwachsung
eignen sich nicht. Bei solchen
Brüchen ist es entschieden besser,
nach Bas SIN I den Leistencanal zu
spalten, hoch oben den Hals des
Bruchsackes frei zu machen und zu
unterbinden und bei starker Ver-
wachsung einfach den Bruchsack liegen zu lassen, wie auch WöLFLER
verlangt. Das ist um so mehr berechtigt, als es sich gerade da oft um
grosse Brüche alter Leute handelt, welche man nicht durch grosse
Verletzungen mit Blutinfiltration (wozu am Samenstrang besondere
Neigung) und längere Dauer der Operation in Gefahr bringen darf.
Durch die Methode der einfachen Ligatur des Bruchsack-
halses am höchsten Punkte wird die Operation der ver-
Fig. 109 a, b. Oben (VI) ist der
Bruchsack abgeschnitten und man
sieht, wie derselbe Faden, der um
den Stumpf geschnürt ist, zum
Schluss der kleinen Oeffhung be-
nutzt wird, nach Reposition des
Stumpfes. — Unten (VII) ist die
Verstärkungsnaht für die vordere
Wand des Leistencanals angelegt
und zum Theil geschlossen.
o£6 Specielle Operationslehre.
wachsenen Brüche ausserordentlich vereinfacht. Ein anderes
Verfahren für diese schwierigen, mit dem Samenstrang verwachsenen
Brüche besteht in totaler Abtragung des Bruches sammt Hoden und
Samenstrang nach Spaltung des Leisten canals, also in gleichzeitiger
Castration. Bernhardt in Samaden hat an Stehe dessen ein
bemerkenswerthes Verfahren empfohlen, nämlich auch eine Ver-
lagerung, aber noch einfacher und radicaler als die meinige, be-
stehend in Reposition des Hodens sammt Bruchsack in
die Bauchhöhle.
Die Verwachsung congenitaler Hernien bietet keine Schwierigkeit
für Anwendung unserer Methode, weil man nur bei Brüchen, welche
bloss am peripheren Ende verwachsen sind, dieses einfach abschneidet
und durch circuläre Ligatur wieder ein blindes Ende schafft, um die
Invagination machen zu können.
Nur für die grossen alten Hernien mit verdicktem Bruchsack
und abnorm weiten Bruchpforten können die complicirten plastischen
Methoden, sei es in Form von myoplastischen , sei es von
periosteo- oder osteoplastischen Lappen, welche in die
Bruchpforten genäht werden, in Frage kommen. Hier scheinen nach
Brenner (Salzer's Methode), Schwartz. Bakunin u. A. relativ
gute Resultate für schwierige Fälle sich erzielen zu lassen.
Was endlich noch Berücksichtigung verdient bei der Radical-
operation der Hernien, wo man ein Menschenleben nicht mehr in
Gefahr bringen darf, das sind die Fälle mit Herzfehlern, Lungenleiden
Nierenaffectionen, überhaupt bei alten kranken Individuen. Wenn dann
die Indication auf Grund localer Beschwerden und Einklemmungs-
gefahren klar ist, so soll man womöglich die allgemeine Narkose
vermeiden. Wir verdanken den eingehenden Studien Ctjshing's über
den Verlauf der Nerven Angaben über die Methode, mittelst Local-
anästhesie, die sonst sehr lebhaften Schmerzen der Schädigung
des Parietalperitonum zu vermeiden.
Die Nerven, welche ausser der Haut in Betracht kommen, sind der
nahe dem unteren Rande auf dem Msc. obl. int. liegende tiefe Ast
des Iliohypogastricus und der im Leistencanal auf der Fascia infundi-
buliformis und dem Cremaster liegende vereinigte Stamm des Ilio-
inguinalis und ramus spermaticus externus des Genitocruralis. Mittelst
Einstich unter die Fascia obl. ext. im Bereich des oberen Theiles
des Leistencanals lässt sich durch Cocainisirung dieser Nerven eine
Insensibilität sämmtlicher intrascrotalen Organe sammt Bruchsack er-
zielen, während die Scrotalhaut sensibel bleibt. Die betreffenden Nerven
versorgen den Cremaster und sollen daher nicht durchtrennt werden.
154) Radicaloperation der Schenkelhernie (Fig. 110).
Schnitt über dem inneren Drittel des PouPART'schen Bandes,
diesem parallel durch Haut, Unterhaut und Fascia cribriformis, bis
Abdomen.
367
das die Schenkelhernie umgebende Fett freiliegt, stumpfe Isolirung
des Bruchsackes, welcher bis zur Stelle des Schenkelringes vollkommen
Lig-. Pouparti
Schenkelrm
(Fascie des M.
\ pectinaeus
[Von der Fascie
{bedeckte Vena
«. femoralis
O-K0
C ;y;;;;;:
Fig. 110. Verlagerungsmethode für die Radicaloperation der Schenkelhernie.
Der Bruchsack ist auf- und auswärts durch den lateralen Schenkel des vorderen
Leistenringes durchgezogen. Die Nadel ist fälschlich durch das Lig. Pouparti
durchgehend gezeichnet. Man corrigire sich diesen Act unter Benutzung der
Fig. 108 u. 109 a für Leistenhernie.
isolirt wird. Jetzt wird die Spitze des Bruchsackes gefasst, wie bei
der Leistenhernie beschrieben, der Bruchsack in sich eingestülpt und
3 68 Specielle Operationslehre.
die Zange durch den Schenkelring durch hinter die Bauchwand
geführt, oberhalb des Lig. Pouparti an den straff gefügten lateralen
Schenkel des Leistenrings angedrückt, eine kleine Oeffhung gemacht,
der umgestülpte Bruchsack durchgestossen, die Spitze des Bruch-
sackes gefasst und ganz gleich verfahren, wie bei der Leistenhernie
beschrieben. Dann wird die Bruchpforte verengt durch Nähte in
der Weise, dass man durch das Lig. Pouparti und durch die Fascia
pectinaea sammt dem Lig. Cooperi (auf dem Schambein) tief durch-
sticht. Durch 2 — 3 Nähte- wird so das PouPART'sche Band gleich-
sam als Stütze und Verlängerung des Lig. Gimbernati auf die Fascia
pectinaea festgenäht bis zur Vena femoralis, wo man der Gefahr
von Thrombose wegen nicht einen weitergehenden Schluss des
Schenkelrings machen darf. Eine Verletzung der Vena femoralis
durch die Nadel ist sorgfältig zu vermeiden.
Bei Schenkelbrüchen mit breiter Basis sowohl, als bei directen
Leistenbrüchen, welche ebenfalls eine sehr breite Basis und keinen
eigentlichen (eingeschnürten) Bruchsack h a 1 s haben, ist es besser, nach
dem alten, erst geschilderten Verfahren, mit hoher Abtragung des
Bruchsacks, vorzugehen. Bei directen Leistenhernien hat man ja
ohnehin keine Schwierigkeit, einen exacten Schluss der Bruchpforte
durch Nähte zu bewirken, da der Samenstrang hier wenig im Wege ist.
Bei der Operation des Leistenbruches bei Frauen hat man auf
keinen Samenstrang Rücksicht zu nehmen, und ist daher der Ver-
schluss des Leistencanals sehr einfach zu beschaffen. Indess liegt das
Lig. rotundum (mit seinen begleitenden Gefässen) dem Bruchsack enge
an und kann event. mit dem Bruchsack lateralwärts zu der Oeffnung
in der Fascia obliqua herausgezogen und an dieser durch Naht be-
festigt werden, da seine blosse Durchtrennung Anlass zu Lage Ver-
änderung der Gebärmutter geben könnte.
155) Verkürzung der Ligamenta rotunda. Alexander's
Operation (Fig. in).
Das Ligamentum rotundum beim weiblichen Geschlecht wird in
ganz analoger Weise isolirt, wie der Samenstrang. Es ist dies leichter,
weil von den bedeckenden Hüllen der Cremaster wegfällt und eine
ausgebildete Fascia infundibuliformis nicht vorhanden ist, aber
schwieriger, weil das Ligament oft dünn ist. Es ist von einer eigenen
Arterie begleitet. Wie man den Schnitt anlegt, hängt übrigens von
der Art und Weise ab, wie man die Vornähung des Ligaments be-
sorgen will bei Retroversio, Retroflexio und Prolapsus uteri.
Wir haben sehr gute Resultate erzielt mit folgender Modification
der Alex ander ' s c h e n Operation.
Schnitt über den zwei inneren Dritteln des Lig. Pouparti durch
Haut und Fascia superficialis, stark x/2 cm oberhalb des unteren
Randes dieses Ligaments, den man sehr genau sieht.
Abdomen.
369
Ligamentum"!
rotundum |
nach oben '
gezogen, auf),
die Fascia I
obl. ext.
gelegt
Heraus-
gezogener
Peritoneal- |
kegel I
Fascia trans-l
versa f
Fascia der
tiefen Bauch-
muskeln
Umgeschla-
gene Fascia
obl. ext. (vor-
dereWand des I
Leistencanals) '
Lig. Collesii
fFascia' obli-
\ qui externi
(M. obliquus
1 internus
(Lig. uteri
\rotundum
( Arteria
iepigastrica.
I inferior!
A. epi-
. gastrica
I super-
' ficialis
Hautvene
Fig. in. Alexander's Operation für Retroflexio uteri nach Kocher modificirt.
Rechts in der Figur ist der Leistencanal ganz gespalten; wir spalten ihn jetzt
nicht mehr bis in den vorderen Leistenring hinein. Dagegen sieht man gut,
wo das Ligament am besten isolirt wird. Links in der Figur ist das Ligament
abgeschnitten gezeichnet, während wir es jetzt weder durchschneiden noch
unten ablösen, sondern als herausgezogene Schlinge auf der Aponeurose fest-
nähen. Der Peritonealkegel, welcher lateral von der Vasa epigastrica inf.
emporgezogen wird, ist gut wiedergegeben.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 24
370 Speciclle Operationslehre.
Die Arteria epigastrica superficialis in der Fascia superficialis
nebst Vene, eine am inneren und eine am äusseren Wundwinkel
senkrecht emporsteigende Vene werden unterbunden. Ueber der
inneren Hälfte, d. h. über dem Leistencanal, wird die Fascie des
Obliquus abdominis externus, d. h. die vordere Wand des Leisten -
canals gespalten, nicht bis in den vorderen Leistenring hinein.
Jetzt kann man durch festes Einsetzen der Kropfsonde auf die
Rinne des Ligamentum Pouparti das Ligamentum rotundum nebst
begleitendem dünnen Gefässstrang von den bedeckenden Muskel
fasern des Obliquus abdominis internus und Transversus leicht
isoliren und emporheben. Nunmehr wird der centrale Theil in der
Richtung gegen die Spina ant. sup. ilii kräftig auf- und lateral-
wärts gezogen. Dadurch wird, wie man sich am Cadaver leicht
überzeugen kann, der Uterus vollständig emporgezogen, nach vorne
gebogen und, wenn man beiderseitig operirt, nach beiden Seiten so
gespannt, dass er in seiner neuen Lage fixirt bleibt.
Es wird aber bei dem kräftigen Hervorziehen gleichzeitig mit
dem Ligament lateralwärts von der Arteria epigastrica inferior
ein bis 3 cm langer Kegel des Peritoneum emporgehoben. Der-
selbe kann durch gute Isolirung des Ligaments mit einem Gaze-
tupfer stumpf zurückgeschoben werden, wobei freilich das Peritoneum
ab und zu einreisst und mittelst einer Naht geschlossen werden muss.
Sobald man sich überzeugt hat, dass kein Eingeweide sich in diesen
Kegel vorgedrängt hat und dass der Uterus völlig emporgezogen
ist, wird die Schlinge des Ligamentes auf der Fascia obliqui externi
oberhalb der lateralen Hälfte des Lig. Pouparti durch 3 — 4 das
Ligamentum rotundum nur theilweise mitfassende Seidennähte an-
genäht. Dann wird durch tiefe Nähte der Leistencanal — nament-
lich um den Peritonealkegel herum — wieder geschlossen, indem
man das Lig. Pouparti mit dem oberen Schnittrand der Fascia obliqui
externi sammt dem darunter liegenden M. obliquus internus und
transversus und hinten die Fascia transversa in die Naht fasst.
Wie aus der Beschreibung ersichtlich, trennen wir nicht wie
früher das Lig. rotundum von seinen Symphysenansätzen los, sondern
lassen das im peripheren Theil des Leistencanals liegende Stück
ruhig liegen, indem wir bloss das in die Peritonealhöhle sich fort-
setzende Stück hervorziehen und dasselbe auf die Fascia obl. ext.
lateralwärts in Form einer Schlinge ungetrennt fixiren. Dadurch
wird die Operation einfacher und nicht weniger wirksam.
Die Operation ist so einfach, dass man nicht begreift, warum
Frauenärzte noch Fälle von uncomplicirter Retroflexio und Retro-
versio uteri, wenn dieselben Beschwerden verursachen, mit Pessarien
Monate lang hinschleppen mögen.
Abdomen. xii
156) Die Operationen bei Appendix-Erkrankungen.
Die operativen Eingriffe bei Appendicitis haben in den letzten
Jahren so riesige Dimensionen angenommen, dass es schwer ist,
Regeln aufzustellen für dieselben. Wo jeder beschäftigte Chirurg
seine Operationen nach Hunderten zählt und die Statistik Einzelner
in die Tausende geht, muss man sich hüten, irgend einen Theil der
Frage für irgend Jemanden erschöpfend zu behandeln. Wir be-
schränken deshalb hier unsere Angaben auf das Nöthigste.
Die Bedeutung der sogen. Appendicitisoperationen ist eine
diametral verschiedene, je nachdem man die sogen. Radicaloperation
im Ruhestadium oder die Operation im acuten Stadium in Betracht
zieht. Die Radicaloperation, wie sie von der Mehrzahl der Chirurgen
geübt wird, ist gar keine Appendicitisoperation, sondern in der
Grosszahl der Fälle wird eine Appendix herausgeschnitten, welche
absolut nichts mehr von Entzündung darbietet, nur weil sie einmal
Sitz von Entzündung gewesen ist, deren Folgen noch zu erkennen
sind. Diese Operation ist den anderen Fällen an die Seite zu stellen,
bei welchen die Operation gemacht wird wegen Beschwerden in Form
der Appendicularkolik, wo an der Appendix objectiv nichts Krank-
haftes wahrzunehmen ist, wo man bloss ausnahmsweise noch eine
Ulceration, öfter Kothretention, Steine, allenfalls noch Knickungen
als Grundlage vorfindet. Roux fand in 39 Proc. seiner Radical-
operationen keine auffällige Veränderung, in 61 Proc. der Fälle eine
Perforation, Narbe oder Verengerung.
Dass eine solche Operation unvergleichlich günstiger sich stellen
muss als die Operation bei bestehender Entzündung, liegt auf der
Hand. Bei dem gegenwärtigen Stande der Abdominal Chirurgie ist
eine Operation an einem so kleinen Organ, wie die Appendix vermi-
formis, vollkommen gefahrlos und kann ohne die geringsten Be-
denken ausgeführt werden. Hier ist die Mortalität in den Händen
eines aseptisch geschulten Chirurgen = Null. Diese Radicaloperation
ist es, welche man als Kleinod der operativen Chirurgie gepriesen
hat. Ohne Gefährdung des Patienten schafft sie dem Chirurgen bei
minimaler Mühe und Sorge die Befriedigung, einen Patienten für
immer vor Beschwerden nicht nur, sondern vor drohender Lebens-
gefahr bewahrt zu haben.
Roux kommt zu dem Schluss, dass man bei jedem Patienten
die Radicaloperation machen solle, welcher einmal einen Appendicitis-
anfall überstanden hat, im Gegensatz zu anderen Chirurgen, welche
einen schweren oder mehrere Anfälle abwarten wollten und auch zu
den anderen Chirurgen, welche prophylaktisch den Wurmfortsatz
exstirpiren wollen. Unsere eigenen Erfahrungen haben uns dazu
gebracht, wo wir gefragt werden oder bei Unmündigen stets
zur Radicaloperation zu rathen, wo ein sicherer An-
24*
372 Specielle Operationslehre.
fall von Appendicitis überstanden worden ist oder
wo wiederholte, wenn auch leichte Beschwerden mit
Sicherheit auf Veränderungen in der Appendix sich
zurückführen lassen.
Welcher Arzt hat es nicht erlebt, dass ein Patient nach i — 2-maligem
Ueberslehen leichter und unbedeutender Anfälle plötzlich einen
heftigen weiteren Anfall bekommt, der ihn in wenigen Tagen dahin-
rafft! Solche überaus traurige Erfahrungen, dass selbst die unbe-
deutendsten Anfälle nicht die geringste Garantie geben, dass nicht
die allerschwersten darauf folgen, drücken dem Chirurgen das Messer
in die Hand.
Wo man die Wahl hat, wird man sicherlich die Mahnung von
Roux und anderen besonders erfahrenen Appendix-Specialisten be-
herzigen, die Operation stets im Stadium zu machen, wo die ent-
zündlichen Erscheinungen vollkommen geschwunden sind.
a) Radicaloperation bei nicht entzündeter Appendix.
Die Methode, welche hier die grösste Aussicht giebt, ohne üble
Folgen das Abdomen zu eröffnen und den Processus vermiformis
entfernen zu können, ist die permusculäre. Denn wenn man absieht
von Infection, welche da ausgeschlossen sein sollte, so ist es bloss
die Bildung einer Bauchhernie, welche einen Schaden der Operation
darstellen könnte. Geht man durch die Muskeln hindurch und ver-
meidet man eine Läsion der dieselbe versorgenden Nervenzweige,
so ist von Bauchhernie nicht die Rede. Und nicht bloss das: Ein
Patient, in dieser Weise operirt, kann ebensogut wie unsere an
Hernien radical operirten Patienten nach 8 Tagen das Bett verlassen
und seiner Beschäftigung wieder nachgehen.
Der Schnitt wird absichtlich im Bereich der 3 Bauchmuskeln
geführt, 3 Fingerbreit oberhalb und parallel dem PouPART'schen
Bande, also mehr horizontal und etwas mehr lateral als der in Fig. 1 1 2
gezeichnete Schnitt, welcher auf Vermeidung der Muskeln abgesehen
ist. Spaltung von Haut, Unterhaut mit Fett, Fascie des Obliquus
abdominis externus. Zwischen die Fasern des Muskels geht man
mit stumpfen Sonden ein (Kropfsonde) und zerrt dieselben ausein-
ander, bis man sie mit stumpfen Haken kräftig zur Seite ziehen
kann. Folgt die Spaltung der den M. obliquus internus bedeckenden
Fascie, und die Auseinanderziehung seiner Fasern entsprechend ihrer
Richtung und Wiedereinsetzen stumpfer Haken, endlich dasselbe
Manöver mit dem M. transversus.
Jetzt liegt die Fascia transversa frei und wird gespalten. Das
Peritoneum braucht bloss 2 bis 3 cm weit eröffnet zu werden, um
den Finger einzuführen und das Coecum herauszuholen, bis die Ein-
trittsstelle des Ileum erscheint. Im Winkel zwischen beiden, da wo
Abdomen.
373
die vordere Stria (vergl. Fig. 113) mündet, findet man mit Sicherheit
die Abgangsstelle des Processus, welcher zuerst gesucht wird.
Derselben folgend wird die Appendix freigemacht und vor die Bauch-
wunde gebracht.
An der Basis wird eine kleine Presszange angelegt, abgenommen
und die gepresste Stelle mit einem Seidenfaden umschnürt, oberhalb
durchgeschnitten. Die Presszange darf nicht zu schmal sein, damit
ein gutes Stück gepresst werde und man nicht durch einen nicht
gepressten Theil durchschneiden müsse. Die Schnürnaht wird mittelst
einer kurzen fortlaufenden Serosanaht übernäht. Es ist am besten,
die Serosanaht mit demselben Faden zu machen, welcher die kleine
Arterie des Mesenteriolum ligirt hat.
In diesen einfachen Fällen, wo an dem Appendix keine wesent-
lichen makroskopischen Veränderungen bestehen, wird ohne Drainage
Peritoneum sammt Fascia transversa geschlossen (event. nach Quervain
mit Tabaksbeutelnaht), dann 1 oder 2 Nähte zur Näherung der Muskel-
ränder angelegt — was meist nicht einmal nöthig ist, die Fascia obl.
ext. fortlaufend geschlossen und die Haut vereinigt.
b) Radicaloperation bei Entzündung.
Das andere Extrem der Radicaloperation gegenüber dem ge-
schilderten ist dasjenige, wo man im acuten Entzündungsstadium,
d. h. ganz im Beginn eines Anfalles die Entfernung des Proc. vermi-
formis vornimmt. Hauptverfechter dieser Methode sind Rehn, Ber-
nays u. A., früher auch Sonnenburg. Derjenige Chirurg, welcher
vielleicht in der besten Lage gewesen ist, der Indication der Radical-
operation jeder Appendicitis im Beginn der acuten Erkrankung zu
genügen, ist Bernays. Er entfernt die Appendix principiell in jedem
Falle während des acuten Stadiums, wartet sogar ohne zu operiren,
wenn dieses Stadium überstanden ist, ab, bis ein zweiter Anfall sich
einstellt. Mitten im Infections- und Entzündungsherd finden hier die
operativen Eingriffe statt.
Dass hier die Schwierigkeiten ungleich grössere sind, als bei
der Appendixoperation im Ruhestadium, hegt auf der Hand. Es
darf deshalb nicht wundern, wenn diesem Verfahren so viele Chirurgen
absolut abhold sind. Die Resultate von Bernays zeigen aber, dass dies
allerdings die ideale Methode der Behandlung ist. 71 Fälle hinter
einander von acuten, eitrigen oder gangränösen Fällen zum Theil mit
acuter Peritonitis hat Bernays durchgebracht. Dass auch ohne einen
solchen Eingriff die Grosszahl der Appendicitisfälle einen glücklichen
Ausgang nehmen und später gefahrlos gemüthlich operirt werden
können, bestreitet Niemand; aber nicht weniger sicher ist, dass bei
halb exspectativer, halb operativer Behandlung eine grössere Procent-
zahl der Kranken unrettbar dem Tode verfallen ist. Spitalberichte
374
Specielle Operationslehre.
und Mortalitätstabellen weisen in allen Ländern noch eine bedenkliche
Mortalität auf an acuten Peritonitiden, welche zum weitaus grössten
Theile auf Appendicitis zurückzuführen sindj1).
Die Operation muss im acuten Stadium ergiebigeren Zugang
schaffen, als bei der Radicaloperation im Ruhestadium nöthig ist.
Man wählt daher die Stelle, wo keine oder das Minimum von Mus-
culatur anzutreffen ist und wo man durch die dünnsten Schichten in
Fascia obl. ext.
Fascia obl. int.
et transversi
Fascia trans
versa mit
Peritoneum
Spina a. s. ilii
Fig. 112. Resectio processus vermiformis mit Fascienschnitt am Rectusrand. I.
Schrägschnitt in der Mitte zwischen Nabel und Spina ant. sup.^üii bis auf die
Fascia transversa.
directester Linie auf den Processus stösst. Dies ist der Mc BuRNAY'sche
Punkt, wo Senn, Barker und Bernays u. A. einschneiden und wo
wir bei jedem schwierigen Falle die Operation zu beginnen rathen:
Schnitt von 8—10 cm Länge in der Mitte zwischen Nabel und
Spina ant. sup. ilii schräg medianabwärts am Rande des Rectus,
so dass letzterer gar nicht und von den breiten Bauchmuskeln bloss
die vordersten Fasern getroffen werden (Fig. 112). Der Schnitt
1) Ich habe mehr als einmal von erfahrenen Praktikern den Ausspruch
gehört, dass an einer Perityphlitis Niemand sterbe. Das ist zuzugeben —
wenn man alle Fälle von secundärer Peritonitis und von meta-
statischen Entzündungen ausmerzt!
Abdomen.
375
Fig. 113. Radicaloperation bei Appendix -Erkrankung. Das Coecum ist vor-
gezogen sammt unterstem Ileumende. Man sieht, wie eine Stria des Dick-
darms direct an der Wurzel des Processus endigt, dessen Mesenteriolum schön
sichtbar ist.
■276 Specielle Operationslehre.
trennt die Haut und fettreiche Fascia superficialis, die Fascie des
M. obliquus externus, danach neben einigen Muskelfasern der tiefen
Muskelschichten wesentlich bloss die Fascien derselben. Die Fascia
transversa ist sehr deutlich und bedeckt oft die Serosa unmittelbar,
kann aber ohne Verletzung letzterer gespalten werden. Das Peri-
toneum wird mittels Pincette in eine Falte emporgehoben und bloss
eine kleine Incision gemacht, weil Adhäsionen eine Verletzung des
Darmes möglich machen, danach mit der Scheere weiter gespalten.
Nun fasst man das Peritoneum mit Klammern, geht mit dem Finger
ein, holt nach event. Lösung von Adhäsionen das Coecum zur Wunde
heraus und orientirt sich über die Einmündungssteile des Ileum.
Im Winkel zwischen Ileum und Coecum findet sich die Abgangs-
stelle des Processus vermiformis, da, wo die vordere Stria endigt
(s. Fig. 113). Von dieser aus verfolgt man den so verschieden ge-
lagerten freien Theil der Appendix und zieht sie hervor. Nicht selten
bekommt man bei Enteroptose des weiblichen Geschlechts zuerst das
Colon transversum in die Finger, erkennt aber dasselbe leicht an
seiner freien Beweglichkeit und am grossen Netz, das ihm anhängt.
Es ist nicht immer leicht, das Coecum und Ileum aus der Wunde
herauszubekommen und namentlich sind oft Adhäsionen des Netzes
hinderlich, die man weiter oben umgehen muss, um das Netz nach
doppelter Unterbindung abzutragen. Noch mehr Noth können Ver-
wachsungen von Dünndarmschlingen machen. Es ist aber durchaus
nöthig, diese Verwachsungen gründlich zu trennen, so dass alle
verwachsenen Darmabschnitte gehörig aus der Bauchhöhle heraus-
gezogen werden können; nur dann kann man verdünnte oder per-
forirte Stellen am Darm genau sehen, exact nähen und so den
Verlauf sichern. Der Processus wird abgetragen, wie oben geschildert,
bloss wird zur Schnürnaht und zur deckenden Serosanaht wegen
vorhandener Infectionsstoffe resorbirbares Catgut verwendet.
Die Nachbehandlung, wenn bei bestehender Entzündung operirt
wird, darf niemals einen sofortigen Schluss der Bauch wunde in
toto in Aussicht nehmen. Bernays legt einen 5 — 6 cm breiten und
15 — 20 cm langen Gazestreifen um den Stumpf der Appendix und
auf jedes Darmstück, auf welchem Auflagerung von Fibrin, Verfärbung
oder Eiter sich zeigt. Mittelst dieser Streifen wird eine Drainage
hergestellt. Das Wichtigste ist, jede Eiteransammlung durch Drain-
röhren auf kürzestem Wege nach aussen zu leiten. Wir schliessen
in solchen Fällen die Wunde bloss mit Peritonealfasciennaht und
zwar mit Knopf nähten und lassen den Rest der Wunde offen, um
sie nach ein paar Tagen mittelst Secundärnaht zu schliessen.
Bei dieser Behandlung unter Zurechnung der Fälle, wo allge-
meine Peritonitis früh sich einstellte und wo der Verlauf ein fulmi-
nanter war, nimmt Bernays 98 Proc. Heilungen in Aussicht.
Abdomen.
377
Die Radicaloperation im Anfangsstadium des acuten Anfalls hat
zur Voraussetzung, dass man die Fälle zu einer Zeit zu Gesicht be-
komme, wo der Infectionsherd noch auf die Ileocöcalgegend be-
schränkt ist oder wenigstens eine Peritonitis nicht im Bereich der
ganzen Bauchhöhle zu Abscessabkapselung geführt habe. Aber
leider sind wenige Chirurgen in der glücklichen Lage, einen so
wohl disciplinirten Aerzte- und Patientenkreis um sich zu haben.
Es ist bei uns Regel, dass die ersten kostbaren Stunden und Tage
vorbeigehen, wo wirkliche Periappendicitis und Perityphlitis vorliegt
und die Zeit abgewartet wird, wo man nach Eintritt allgemein peri-
tonitischer Symptome eine dringliche Lebensgefahr voraussieht.
So kommt es, dass die meisten Chirurgen die Perityphlitisfälle
in dem fatalen Intermediärstadium des ausgebildeten Abscesses zu
Gesichte bekommen. Roux findet als weitaus häufigste Grundlage
der Appendicitis eine Phlegmone dieses Organes und hält die Unter-
scheidung einer katarrhalischen und ulcerösen Appendicitis praktisch
für werthlos. Wir halten es für sehr wichtig, festzustellen, dass ent-
gegen noch so vielfachen Deutungen Interner die acute Appendicitis
fast stets eine exsudative Periappendicitis ist, meist Folge einer Perfo-
ration und danach zu behandeln. Ihr Ausg'ang ist die Abscessbildung,
welche durch Perforation (meist in den Dünndarm aber auch Dickdarm
oder andere Organe oder nach aussen) oder durch Resorption spontan
heilen oder durch secundäre Perforation zu ausgebreiteter eitriger
Peritonitis und durch Allgemeininfection zum Tode führen kann. Da
letzterer Ausgang in keinem Falle sicher auszuschliessen ist, so
müssen wir die Appendicitis auch im Intermediärstadium behandeln.
c) Operation der perityphlitischen Abscesse.
Im Intermediärstadium handelt es sich nicht in erster Linie um
Radicalheilung durch Entfernung der Appendix, sondern um Be-
seitigung der dringenden Gefahr, welche ein acuter Abscess in der
Bauchhöhle mit sich bringt. Bloss soweit die Heilung des Abscesses
die Entfernung des Appendix zur Voraussetzung hat, kommt letztere
in Betracht, was allerdings nicht selten der Fall ist.
Es genügt, zwei Formen von Abscessbildung zu unterscheiden,
welche für die Prognose ausschlaggebend sind: die isolirte und die
multiple. Wo es sich nur um eine (oder einmal auch 2 oder 3)
isolirte Eiterherde im Bereich der Appendix handelt, also um eine
Perityphlitis und Periappendicitis purulenta, da ist die Indication klar
und die Prognose eine gute. Der Abscess muss eröffnet und gründ-
lich entleert werden.
Art und Ort der Eröffnung hängen von der Stelle ab. Abscesse
entwickeln sich nicht nur an der klassischen Stelle zwischen Nabel
und Spina ilii a. s., sondern auch im kleinen Becken, in der linken
378 Specielle Operationslehre.
Fossa iliaca, gegen den Nabel, in der rechten Lendengegend, unter
dem Zwerchfell, je nach Lage der Appendix. Die Incision kann
deshalb durch Spaltung von Rectum, hinterer Vaginalwand, in der
Mittellinie des Abdomen, über dem linken Lig. Pouparti, in der rechten
Lendengegend, am Nabel, am Rippenrand nöthig werden.
Bei „normaler" Lage des Abscesses incidirt man am besten
parallel und nahe dem Lig. Pouparti selbst in Fällen, wo die Haupt-
schwellung sich höher hinauf findet und der Druckschmerz und die
Resistenz weiter oben am intensivsten sind. Man kommt bei In-
cision entfernt vom Lig. Pouparti öfters noch in die freie Bauch-
höhle an Stellen, wo das Exsudat oberflächlich erscheint. Man spaltet
fingerbreit über dem Ligament Haut, Fascia superficialis und obliqui
externi, hebt stumpf die oft schon speckig infiltrirten tiefen Bauch-
muskeln aus der Rinne des Lig. Pouparti empor und dringt mit
einer Kropfsonde auf- und rückwärts gegen das Exsudat vor, bis
der Eiter vorquillt.
In Fällen, wo die Entzündung schon im Rückgang ist, dringt
man tief in speckige Schwarten ein. Man muss Sorge tragen, nicht
in den Muse, iliopsoas einzubohren. Bei Medianschnitt ist dieses
stumpfe Vordringen nach Spaltung der Fascien und Linea alba eben-
falls gerathen, um die Blase zu schonen, welche häufig dem Abscess
direct anliegt.
Trotz Abscesseröffnung tritt oft die Heilung nur sehr langsam
oder gar nicht ein und der Kranke kann nachträglich zu Grunde
gehen. Es ist dies der Fall, wenn man einen, vielleicht noch so grossen
umschriebenen Abscess gespalten hat, während andere Abscesse vor-
handen sind, welche nicht mit der Haupthöhle communiciren.
Um die Heilungsdauer in solchen Fällen abzukürzen und die
Heilung' zu sichern, haben wir für dieses Intermediärstadium vorge-
schlagen, nach der Abscesseröffnung und zwar im Anschluss daran
nach 24 Stunden oder einigen Tagen die Radicaloperation anzu-
schliessen in der Weise, dass wir — ganz wie für die Radicaloperation
im acuten Stadium beschrieben — völlig unabhängig von der In-
cisionsstelle der Eiterherde und möglichst entfernt von derselben,
d. h. am Rectusrand ineidiren, und die Radicaloperation ausführen.
Die Verklebungen werden sorgfältig gelöst, die Appendix freige-
macht sammt dem Coecum, falls dies nöthig ist, vor die Wunde ge-
bracht und in beschriebener Weise resecirt. Naht mit Catgut. Die
anstossenden fibrinös belegten Dünndärme müssen wie das Coecum
nachgesehen werden wegen allfälligen seeundären Perforationen.
Wie im acuten Stadium muss die Wunde bis zum Stumpf der
Appendix mit einem Xeroformgazestreifen leicht ausgestopft, neben
derselben ein Glasdrain eingeführt und dieser Verband durch einen
sorgfältigen Collodialdeckverband völlig abgeschlossen von der In-
Abdomen.
379
cisionswunde des Abscesses gehalten werden. Mittelst dieses Ver-
fahrens haben wir grosse Abscesse nach Eröffnung nach aussen relativ
rasch zur Ausheilung kommen sehen und konnten nach ein paar
Wochen die Patienten entlassen, ohne sie mit der Aussicht auf eine
nochmalige Operation behufs radicaler Heilung beunruhigen zu müssen.
d) Behandlung der Peritonitis diffusa nach Appen-
dicitis.
Es ist eine Frage der Virulenz der Bakterien einerseits, des
Quantums von Infectionsstoffen andererseits, welche in die Peritoneal-
höhle austreten, ob rasch eine diffuse Peritonitis mit ihren Gefahren
zu Stande kommt. Ist die Perforation gross, wie bei ausgedehnter
Gangrän des Wurmfortsatzes, liegt sie an der Basis, wo Darminhalt
aus dem Coecum zutreten kann, so ist die Gefahr eine viel grössere.
Roux findet stets seröses oder seropurulentes Exsudat in der freien
Peritonealhöhle. Aber zweifellos begrenzen sich die Exsudate fast aus-
nahmslos von selbst. Es wird deshalb von sehr erfahrenen Chirurgen der
Standpunkt eingenommen, zu warten, bis sich Abscesse gebildet haben,
welche der Spaltung ohne Eröffnung der freien Bauchhöhle zu-
gänglich sind. Leider giebt es aber Abscesse, welche nicht zugänglich
werden und den Exitus herbeiführen , bevor man zur Eröffnung
derselben kam.
Man findet ja auch nach Eröffnung grosser perityphlitischer Ab-
scesse bei Autopsien noch multiple Abscesse zwischen den Därmen,
zwischen Netzverklebungen, gegen das Zwerchfell zu über Leber
und Milz. Es ist gewiss, dass ein Theil dieser Abscesse durch
secundäre Perforation primär rein perityphlitischer Eiterherde ent-
standen und nicht die directe Folge der bei Perforation der Appendix
ausgetretenen Infectionsstoffe ist. Es sind auch diese Abscessper-
forationen gefährlicher sls die primäre Abscessbildung, weil es sich
dabei um Infectionsstoffe handelt, welche im Körper entwickelt,
angepasst und daher viel virulenter sind. Dass es deshalb eine
Hauptaufgabe der Behandlung ist, die primären Eiterherde
um die Appendix so früh wie möglich zu eröffnen, ist ganz
gewiss. Aber trotzdem stirbt noch eine Anzahl von Patienten mit
eröffneten Abscessen, und will man auch in diesen schwersten Fällen
den Tod vermeiden, so muss man nach Bernays', Rehn's, Sonnen-
burg's Vorgang die Quelle der Infection in Angriff nehmen den Pro-
cessus entfernen und mit ihm die periappendicitischen Inf ections-
herde bevor sie sich zu ausgebreiteten Abscessen gestaltet haben.
Die directe Behandlung einer wirklich diffusen vom Zwerchfell
bis ins Becken sich erstreckenden Peritonitis ist in hohem Maasse un-
dankbar wegen des Shok, welchen die Eröffnung und Hantirung des
entzündeten Peritoneum im Gefolge hat. Wenn man die Bauchhöhle
breit eröffnet, sämmtliche Eiterherde entleert, und drainirt, so steigert
ßgo Specielle Operationslehre.
man den schon vorhandenen Collaps in bedenklichem Maasse, und
die Mittel, dies zu verhüten, sind noch nicht gefunden. Cirle hat
bei seinen Experimenten über Shok festgestellt, dass Ausschaltung'
der arteriellen Blutzufuhr zu den Därmen das Hauptsymptom des
Shok, den Abfall des Blutdrucks verhütet. Ob etwas Aehnliches
vorübergehend vorzukehren bei Peritonitis erlaubt wäre, bleibt zu
untersuchen. Vielleicht würde die Anlage einer Klemmzange am
Mesenterium für die sehr kurze Zeit einer Eventration und Reinigung
zulässig sein. Sehr wichtig gegen den Shok sind die intravenösen
Kochsalzinfusionen. Nach Cirle muss man oft sehr grosse Quanta
injiciren, bis der Erfolg eintritt, bei Thieren bis zum Doppelten des
Blutquantum. Neben den Injectionen ist Strychnin subcutan ein
sehr gutes Mittel. Endlich ist die geeignete Hochlagerung von Rumpf
und Extremitäten zu benutzen. Wie weit die neuesten Erfahrungen
Cirle's über Behandlung des Shok Verwendung finden werden bei
der Operation der Peritonitis wird die nächste Zukunft lehren.
Sehr nützlich ist die Entleerung des Magens und Darms bei
Peritonitis durch Auswaschung, event. nach Anlegung einer Koth-
fistel. Es ist bemerkenswert]!, dass diejenigen Chirurgen, welche bei
Peritonitis die besten Resultate gehabt haben, im Gegensatz zu der
Morphiumbehandlung grossen Werth auf gründliche Entleerung des
Darms durch Anwendung von Abführmitteln legen. Bernays
will bei Operation im acuten Stadium schon nach Ablauf von
12 Stunden stündliche Kalomel (zu 0,006), event. auch Seydlitz-
Pulver und Magnesia citrica verabfolgen, aber allerdings unter Um-
ständen, wo man von der Perforation nichts mehr zu fürchten hat,
weil der Processus resecirt ist.
In nuce stellt sich zur Stunde die Frage der chirurgischen Be-
handlung der Appenciditis so :
1) Wer glänzende Erfolge erzielen will und zugleich den grössten
Nutzen mit der geringsten Gefahr stiften will, der mache die Radical-
operation der Entfernung der Appendix nur im Stadium, wo keine
Periappendicitis mehr besteht, bei jedem Patienten, welcher ein einziges
Mal eine Perityphlitis überstanden hat, mag der Anfall schwer oder
noch so leicht gewesen sein. Er wird keine operative Mortalität
haben und seine Patienten in 8 Tagen heilen sehen.
2) Wer die meisten Menschenleben retten will, der mache in
jedem Falle acuter Appendicitis resp. Perityphlitis im Anfangsstadium
die Radicaloperation und beseitige den Infectionsherd unter Verzicht
auf Primaheilung und unter Verzicht auf glänzende Statistik. Nur
der Chirurg, welcher in der glücklichen Lage ist, von den Aerzten
zu einer Zeit zu den Kranken gerufen zu werden, wo zwar ein um-
schriebenes Exsudat an der Appendix, aber nichts von diffuser Peri-
tonitis besteht, wird diesem idealen Ziel der Behandlung sich nähern.
Abdomen. 281
3) Wer seine Patienten im Anfall erst sieht, nachdem schon
Abscessbildung und Zeichen weitergehender Betheiligung des Peri-
toneum eingetreten sind, der eröffne Abscesse, sobald er sich über
deren Vorhandensein und Lage gehörig orientiren kann, und entferne
in möglichst raschem Anschluss daran die Quelle weiterer Infectionen
durch Resection des Processus.
4) Bei Patienten, bei welchen zur Zeit der ersten Untersuchung
schon Zeichen einer Rückbildung der Entzündung und Besserung
eingetreten sind, ist nicht zu operiren, sondern bis zu vollkommener
Rückbildung der Entzündung zu warten.
157) Resectio ileo-coecalis.
Die Resection des Coecum sammt unterstem Ende des Ileum
und eventuell einem mehr weniger langen Stück des Colon ascendens
haben wir in mehreren Fällen mit sehr gutem Erfolg ausgeführt
wegen Tuberculose und Carcinom, welche an der Ileocöcal-
klappe nicht selten ihren Sitz haben. Beschränkte Resectionen des
Coecum zu machen, kommt man bei gewissen Formen von Peri-
typhlitis in die Lage, bei welchen die Infiltration der Appendix auf
die Wand des Coecum übergegriffen hat. Man legt in diesem Falle
nach Entleerung des Inhaltes im Colon eine Klemmzange an das
Coecum zum Verschluss und excidirt mit dem Processus auch das Stück
Coecum, an welches er sich ansetzt, worauf man die regelrechte
Darmnaht ausführt.
Bei den oft sehr grossen Tumoren im Bereich des Coecum und
der Ileocöcaklappe und gar nicht weniger bei grossen tuberculösen
Infiltraten besteht die Hauptschwierigkeit in Verwachsungen und in
der Combination mit Drüsentumoren des Mesenterium.
Der Schnitt ist derselbe wie für die Resection des Processus
vermiformis, bloss muss er auf- und abwärts verlängert werden,
wenn stärkere Verwachsungen bestehen. Nach Eröffnung des Peri-
toneum muss vor allem das Coecum beweglich gemacht werden
durch Trennung des öfter in dicken Klumpen im Bereich des kranken
Darmes adhärenten Netzes einerseits und durch Lösung der Ver-
bindungen mit der Fossa iliaca interna resp. der Fascie der M. ilio-
psoas andererseits. Jede Blutung muss sorgfältig gestillt, das Netz
in grösseren Strängen kräftig ligirt und durchschnitten werden.
Ist der Darm durch dieses Vorgehen beweglich geworden, so
wird er vorgezogen aus der Wunde und die Resection nach den bei
der Darmresection gegebenen Regeln ausgeführt. Genügt aber die
Trennung des Netzes und der Adhäsionen mit der Fascie nicht, so
muss das infiltrirte oder durch Drüsenschwellung verdickte Mesen-
terium getrennt werden unter vorgängiger Ligatur der grossen
Mesenterialgefässe, um den Darm genügend vorziehen zu können.
382 Specielle Operationslehre.
Hat man den Tumor sammt zugehörigen Drüsen allseitig frei-
gemacht und isolirt, so überzeugt man sich, bevor man die Zangen
anlegt, welches die nächsten gesunden Theile des Dick- und Dünn*
darms sind, welche noch sicher freie arterielle Blutzufuhr haben.
Man kann die Arterien sehen und fühlen. An diesen Stellen legt
man schmale Presszangen an, schneidet dicht an denselben den Darm
durch, entleert ihn durch Ausstreifen und legt weiter hinten eine
Klemmzange an , wenn eine circuläre End Verbindung der Därme
am Dickdarm gemacht werden soll. Es besteht nämlich oft ein
Missverhältniss in der Weite des Dünn- und Dickdarmes. Dieses
ist bei Erkrankungen zum Theil ausgeglichen durch länger dauernde
Stenose und daherige excentrische Hypertrophie des Ileum. Wir
haben niemals besondere Schwierigkeit gehabt, in solchen Fällen
die einfache circuläre Vereinigung des Dünn- und Dickdarmes nach
unserer Methode auszuführen. Höchstens haben wir den Dünndarm
etwas schräger als gewöhnlich durchschnitten, um einen grösseren
Umfang zu erzielen, oder allenfalls auf der contramesenterialen Darm-
seite einen kleinen Längsschnitt hinzugefügt.
Wo dagegen das Missverhältniss nicht ausgeglichen ist, ist es
viel leichter, eine breite Presszange an den Dickdarm zu legen, nach
deren Wegnahme die Stelle zuzuschnüren, zu übernähen und den
Dünndarm in eine besondere seitliche Oeffnung des Dickdarms ein-
zusetzen, welche man nach Bequemlichkeit anlegen kann. Unter
Umständen kann es auch gerathen sein, Dünn- wie Dickdarm zu-
nächst in oben angegebener Weise zu verschliessen und zwischen
beiden eine laterale Anastomose anzulegen, welche (auch mit Murphy-
Knopf) in Fällen, wo der Patient collabirt ist, ohne Schaden sich rasch
ausführen lässt
Enterostomie und Colostomie.
Eine Oeffnung am Darm wird angelegt in erster Linie, um den
Darminhalt zu entleeren, welcher sich in abnormer Weise angesammelt
hat. Zu letzterem geben alle Arten von Darmverschluss Anlass bald
in acuter, bald in chronischer Form. Die Entleerung des Darmes
wirkt in solchen Fällen oft lebensrettend. Denn die Ansammlung
des Darminhaltes stört nicht bloss die Athmung durch die Auf-
treibung des Leibes, macht nicht bloss die Ernährung unmöglich,
weil nicht genügend neue Nahrung zugeführt werden kann, sondern
führt durch gesteigerte bakterielle Zersetzung des gestauten Inhaltes
und durch Dehnung und Circulationsstörung der Darmwand Gefahren
herbei, unter welchen besonders die Dehnungsgeschwüre Berück-
sichtigung verdienen, weil sie zu Perforation Anlass geben.
Man soll deshalb, ganz abgesehen von der Ursache, eine starke
Ausdehnung der Därme mit Stauung des Inhaltes niemals lange
Abdomen.
333
bestehen lassen und bei acuter Entwicklung möglichst rasch Abhülfe
schaffen. Dies geschieht durch Enterostom ie, sei es, dass man den
Darm nach aussenhin öffnet, sei es, dass man ihn mit einem analwärts
gelegenen Darmstück in Verbindung setzt. Letzteres Verfahren soll
für sich besprochen werden unter dem Titel der Enteroanastomose.
Die Eröffnung des Darmes nach aussen ist eine einfache und
sichere Operation, welche sich unter Cocainanästhesie auch bei sehr
abgeschwächten Individuen ohne Bedenken ausführen lässt. Wie und
wo dieselbe gemacht wird, hängt von der Indication ab und in erster
Linie von der Frage, ob bloss vorübergehende oder bleibende Ableitung
des Darminhaltes stattfinden soll. In ersterem Falle begnügt man sich
mit einer sehr kleinen Oeffnung im Darm, welche die Gase und flüssigen
Inhalt ableitet — einer Kothüstel. In letzterem Falle legt man eine
grosse Oeffnung an, die man als Anus praeter naturam bezeichnet.
158) Anlegung einer Kothfistel.
Kothfisteln werden ganz besonders bei acutem und chronischem
Darmverschluss angelegt , um Zeit zu gewinnen , momentane Ge-
fahren zu beseitigen in Fällen,
wo die Diagnose unsicher oder
eingreifendere Operationen
contraindicirt sind.
Man incidirt die Bauch-
wand, bei Wahl mit Vorliebe
3 Querfinger über dem late-
ralen Drittel des Ligamentum
Pouparti, demselben parallel,
in einer Länge von 4 — 6 cm.
Haut und Fascie werden mit
dem Messer getrennt, die
Muskelfasern stumpf ausein-
ander gedrängt. Nach Tren-
nung der Bauchwand bis auf
das Peritoneum wird letzteres
in geringerer Ausdehnung, etwa 2 — 2l/2 cm eingeschnitten. Nun
legt sich in der Regel ein gespannter Darm ohne weiteres der
Wunde an und wird so eingestellt, dass er in ganzer Breite die
Wunde ausfüllt, ohne dass er irgendwie vorgezogen wird. Jetzt
wird nach allen 4 Richtungen je eine Knopfnaht durch die Darm-
serosa und die Parietalserosa sammt Fascie gelegt (Fig. 114) zur
Fixation des Darmes an der Bauchwand. Es folgt dem Rande der
Oeffnung im Peritoneum entsprechend eine ununterbrochene feine
Seidennnaht, welche hermetisch die Parietalserosa und die Darm-
serosa aneinanderpresst. In der Mitte der so gebildeten Oeffnung
Peritoneum parietale
Fascia obliqui abd. externi
Fascia transversa
Darmoberfläche
Fig. 114. Anlegung einer Kothfistel.
•2 84 Specielle Operationslehre.
wird mit einem feinen Messerchen ein rascher kurzer Stich gemacht
und mit einer Sonde nachgesehen, ob man richtig ins Darmlumen
gelangt ist. Die Wunde wird mit Jodoform oder Aristolpulver ein-
gerieben und warme i °/00 Salicylwasserumschläge aufgelegt, welche
man häufig wechseln lässt Eine solche feine Oeffnung lässt den
Darminhalt genügend frei austreten, um eine richtige flüssige Er-
nährung per os zu ermöglichen. Zur Verhütung einer Aetzung der
Haut wird mit warmem Wasser Kautschukpapier rings aufgeklebt
bis dicht an die Wunde heran.
159) Anlegung eines Anus praeternaturalis am Colon
(Coloproktie) (Fig. 115 u. 116).
Ein Anus praeternaturalis wird angelegt, wo ein dauernder Ab-
fluss des Darminhaltes beabsichtigt ist, ferner, wo man den Darm-
inhalt abhalten will, in das untere Darm ende zu gelangen, also z. B.
bei der Voroperation zur Excision des Rectum. Die Herstellung des
künstlichen Afters ist in den letzten Jahren zu Gunsten der Entero-
anastomosen wesentlich eingeschränkt worden für alle Fälle, wo das
Hinderniss höher als das Rectum sitzt. Sie wird hauptsächlich bei
inoperablen Mastdarmkrebsen ausgeführt, gelegentlich als Voract zur
Excisio recti.
Die Operation wird deshalb fast nur in Form der Colostomie
vorgenommen und wo möglich so, dass man nicht bloss einen künst-
lichen Abfluss des Kothes herstellt, sondern einen wirklichen After
auch in dem Sinne, dass die Oeffnung einen Verschluss erhält.
Man hat sich bei Anlegung eines künstlichen Afters, welche an
und für sich eine sehr einfache Operation darstellt, viel Mühe ge-
geben, eine Continentia alvi herzustellen. Hierzu dienen die Methoden
von Gersuny, Witzel, Roux, Hacker, Lauenstein. Es erscheint
als das einfachste, einen musculösen Verschluss zu suchen, analog
dem durch den Sphincter ani geleisteten. Allein die Muskeln der
Bauchwand, die sich leicht durch sagittale oder frontale Spaltung
zumal mit gleichzeitiger Verschiebung nach einer Seite zu einer Art
Sphinkter gestalten lassen, sind deshalb einem richtigen Sphinkter
nicht gleichwerthig, weil ihnen der dem letzteren zukommende Reflex-
mechanismus abgeht, welcher dem Sphinkter einen Tonus gewährt,
d. h. bei sensibler Erregung rechtzeitig reflectorischen Schluss her-
beiführt.
Es wirken dem gemäss die musculösen Verschlüsse, auch durch
den von Witzel und Hacker empfohlenen Rectus abdominis
wesentlich als elastische Züge und es handelt sich in der Hauptsache
darum, eine Oeffnung anzulegen, die nicht klafft und sich möglichst
leicht und sicher durch eine geeignete Palotte verschlossen halten lässt.
Man darf die Anlegung eines Colonmundes, wie der Ausdruck Colo-
Abdomen.
385
Fig. 115. Anlegung eines provisorischen künstlichen Afters über dem linken
Lig. Pouparti; das Parietalperitoneum ist zwischen den tiefen Bauchmuskeln
herausgezogen und eröffnet.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 2C
386
Specielle Operationslehre.
Fig. 116. Anlegung eines provisorischen künstlichen Afters in der linken Leisten-
gegend durch die Fascia obl. externa und zwischen den auseinander gedrängten
Muskelfasern des Obliquus int. und des Transversus. Ein Stück Flexur ist mit
dem Parietalperitoneum vernäht.
Abdomen. 387
stomie lautet, nicht mit der Anlegung eines Magenmundes ohne
weiteres zusammenstellen. Am Magen wünscht man einen wirk-
lichen Mund, d. h. eine Oeffnung, in die etwas herein gebracht
werden, aber nichts herauskommen soll, beim Colon aber wünscht
man umgekehrt, eine schmerzlose Entleerung zu sichern; man sollte
also besser bloss von Colon a f t e r reden ; ich würde nach Berathung
meines philologischen Collegen PräCHTER den Namen Coloproktie
vorschlagen.
Kann man auf Entleerung unter Controle rechnen , so ist es
natürlich wichtig , dass der Patient zusehen könne , wie er den
Koth entleert und und in bequemer Weise ein Gefäss hinhalten
könne. Roux findet die Lösung dieser Aufgabe in der An-
lage eines Symphysenafters. Ich habe über diese Methode keine
Erfahrung und nicht nur ich, sondern auch meine Patienten sind
mit einem Anus iliacus stets sehr zufrieden gewesen. Die
Operation wird bei uns folgendermaassen ausgeführt: Schnitt 2 Finger
breit über dem äusseren Drittel des linken Ligamentum Pouparti
durch Haut und Fascie; stumpfes Auseinanderschieben der Muskel-
fasern des Obliquus internus und Transversus, Spaltung der Fascia
transversa. Fig. 115 zeigt, wie man nach Spaltung der Fascia
transversa und Eröffnung des Parietalperitoneum dessen Ränder
zwischen den sich spontan nähernden Muskelfasern hervorziehen
kann. Nach Spaltung der Bauch wand durch Dissociation der
Muskelschichten und Trennung der Fascien und des Peritoneum in
etwas geringerer Ausdehnung wird der Darm, bei impermeablen
Mastdarmkrebsen das S romanum, so in die Wunde gezogen, dass
eine vollständige Schlinge vorliegt. Es ist durchaus nothwendig,
sich genau zu orientiren über das Verhalten des vorgezogenen Darmes.
Die Serosa desselben wird durch eine fortlaufende Seidennaht mit
dem Parietalperitoneum vernäht, so dass das zuführende Darmstück
reichlichen Raum hat, das abführende von ersterem zusammengedrückt
wird (vergl. Fig. 1 1 6). (In der Figur ist dieses Verhältniss nicht
ausgedrückt.)
Da man den Anus praeter naturam im Gegensatz zur Kothfistel
unter Umständen anlegt, wo es keine besondere Eile hat, so ist
das Einfachste, statt weitere Fixation vorzunehmen, den vorgezogenen
und eingenähten Darm einfach in der Wunde liegen und diese
während 2 bis 3 mal 24 Stunden granuliren zu lassen und erst dann
und zwar mit dem Thermocauter in Längsrichtung so zu öffnen,
dass das obere Ende seinen Inhalt direct durch die Oeffnung nach
aussen entleert.
Einzelne Chirurgen, so Hartmann, machen gar keine Naht,
sondern ziehen bloss den Darm heraus und schieben für 8 Tage eine
Jodoformgaze unter denselben und um beide Enden herum.
25*
•2 83 Specielle Operationslehre.
Eine andere Methode ist die, den Darm entzwei zu schneiden, das
obere Ende einzunähen, das untere zu schliessen und zu versenken.
Wenn es darauf ankommt, jeden Kotheintritt in das untere Ende
zu verhüten und wenn der Darm abwärts frei ist, so dass der
Inhalt des unteren Stückes sich entleeren kann, so ist diese Methode
die sicherere. Der obere Darm wird auch hier für 2 — 4 Tage zuerst
verschlossen gehalten.
Der vorgezogene Darm zieht sich im weiteren Verlaufe durch
die Vernarbung der die Serosa bedeckenden Granulationen in die
Ebene der Hautoberfläche zurück.
Dauert dies zu lange, so kann man mit dem Thermocauter 1 cm
vom Hautrande entfernt den Darm abtragen, so dass die Ränder in das
Niveau der Scheidewand zwischen oberem und unterem Niveau (des
Sporns) zu liegen kommen. Der Sporn quillt durch Stauung etwas vor.
Wie ersichtlich, ist die Anlegung des Anus praeternaturalis
nicht bloss hinsichtlich der Indication, den Darminhalt vollständig
nach aussen zu leiten, etwas ganz Verschiedenes von einer Koth-
fistel, sondern auch hinsichtlich des Ausflusses: Bei der Kothfistel
wünscht man stetigen Ausfluss behufs Verhinderung jeder Koth-
stauung (namentlich auch jeder Stauung der Darmgase); man sorgt
deshalb gar nicht für einen Verschluss. Beim künstlichen After da-
gegen will man möglichst die Verhältnisse des natürlichen Afters
nachahmen, d. h. die Faeces in der Regel zurückhalten und nur bei
kräftiger Contraction der Därme und Ansammlung eines gewissen
Quantums Darminhalt die Entleerung zulassen. Dies bewirkt man
in der Weise, dass man den Darm mit Absicht durch eine etwas
dickere Stelle der Bauchwand, auch lieber in schräger Richtung als
zu direct durchleitet unter Wahl muskelreicher Stellen, damit die
Muskeln bei ihrer Spannung und Contraction in der Regel den Darm
verschlossen halten und bloss bei einer gewissen Höhe des Druckes
und der Contraction nachgeben. Die Patienten entleeren ihren Darm
1 — 2 mal täglich ebenso regelmässig, wie gesunde Menschen.
160) Jejunostomie.
Ausnahmsweise kann die Eröffnung des Darmes nicht zur Ent-
leerung desselben bestimmt sein, sondern zum Zuführen von Nahrungs-
mitteln. Dies! ist der Fall, wenn man durch den Magen keine
Nahrung mehr beibringen kann. Für solche Fälle ist die Jejuno-
stomie von Maydl empfohlen worden.
Darmresection.
(Fig. 117, 118, 119.)
Die Darmresection ist zu einem ausserordentlich wichtigen und
verhältnissmässig häufigen chirurgischen Eingriff geworden, durch
Abdomen.
889
dessen correcte Ausführung der Chirurg manches sonst unrettbar
verlorene Leben erhalten kann. Es ist aber absolut nöthig, dass
man sich ausser an die selbstverständliche Asepsis an ganz bestimmte
Regeln der Technik halte.
Beobachtet man diese, so kann man mit Wegnahme von Darm
sehr weit gehen. Wir haben eine nicht geringe Zahl von sehr aus-
gedehnten Darmresectionen ausgeführt. Die ausgiebigsten beziehen
sich auf die Entfernung eines Stückes von 1 m und 60 cm und
von 2 m und 8 cm Dünndarm. Beide Patienten sind ohne Störung
per primam geheilt. Kükula hat aus Maydl's Klinik von 2 Fällen
von Darmresection über 2 m berichtet und macht auf die Experimente
von Monari und Trzebicky aufmerksam, welche bis 7/8 des Dünn-
darms Thieren ohne Schaden entfernen konnten. K. glaubt, dass
man den Dünndarm des Menschen bis zur Hälfte ohne Schaden ent-
fernen könne, den Dickdarm in jeder beliebigen Länge. Rouy be-
richtet über einen Patienten, der durchkam mit i1/, m Dünndarm
und der halben Länge des Dickdarms.
Zu wissen, dass man so sehr ausgiebig reseciren kann ohne
bleibenden Schaden and mit glatter Heilung, ist von besonderem
Vortheil, weil die erste Regel bei der Darm- wie bei der Magen-
resection diese ist; bloss völlig gut ernährte Wundränder
durch die Naht in Berührung zu bringen. Man muss nach
der Resection sich absolute Sicherheit verschaffen, dass von den
Mesenterien her in die Stelle der beiden Darmenden, welche durch
Naht vereinigt werden sollen, Blut zu- und abfliesst, bevor man die
Naht anlegt. Das beste und einzig sichere Mittel ist die Controle der
Arterien: Nur soweit bis dicht zum Darm pulsirende Gefässe führen,
kann man bei ungeschädigter Darmwand genügender Blutzufuhr
sicher sein. Allerdings ist bei collabirten Patienten diese Pulscontrole
nicht immer leicht. Hat man diese Gewissheit nicht, so soll man
noch ein Stück Darm weiter auf- oder abwärts reseciren, bevor man
zur Vereinigung schreitet.
Bei Resectionen des Colon ascendens und descendens, des
Endtheils der Flexur und Anfangstheils des Rectum ist es oft
schwer zu beurtheilen, ob die Wundränder völlig gesicherte Cir-
culation besitzen, nnd in diesen Fällen ist der Umweg der Anlage
erst eines künstlichen Afters und später secundärer Darmnaht allein
im Stande, den Verlauf der Operation in ganz sichere Bahnen
zu leiten.
161) Resection des Dünndarms.
Glaubt man sich sicher, dass man die Darmresection in der
idealen Weise ausführen kann, dass man die sofortige Darmnaht
darauf folgen lässt, so sind folgende Regeln zu beobachten:
390
Specielle Operationslehre.
i) Das zu resecirende Darmstück muss aus der Bauchhöhle heraus-
gezogen werden, um die Operation extraperitoneal in Müsse durch-
zuführen. Die herausgezogene Darmschlinge wird mittelst aseptischer
Tamponade vom Peritonealraum abgeschlossen.
2) An der Stelle, wo unter Wahrung völlig gut ernährter Darm-
wundränder resecirt werden soll, werden je zwei Pressklammern an-
gelegt, dicht nebeneinander (Fig. 117).
Trennungslinie des Mesenterium entlang dem Darm
Fig. 117. Darmresection. Erster Act.
Die Darmzangen angelegt und zwar
schräg zur Sicherung guter Blutzufuhr.
Der Darm zwischen zwei Zangen durch-
schnitten, zwischen den beiden anderen
die Trennungsstelle angegeben. Tren-
nungslinie des Mesenterialansatzes angegeben und die Einzelligatur der Mesen-
terialgefässe. ** Die punktirte Linie giebt die Richtung an, in welcher die
Compressionszangen angelegt werden sollen, welche in der Zeichnung fälsch-
lich quer statt etwas schräg gezeichnet sind.
Diese Klammern sind nicht ganz quer (wie die Fig. 1 1 7 fälschlich
darstellt) zur Längsaxe des Darmes zu legen, sondern etwas schräg
{wie die punktirten Linien in Fig. 117 andeuten), so dass an der Con-
vexität mehr Darm entfernt wird, als am Mesenterialansatz, damit
um so sicherer die gegen die Convexität herauflaufenden Quergefässe
unbeschädigt bleiben.
3) Zwischen den Klammern wird der Darm durchschnitten und
die Schnittfläche mit feuchten Lysolbäuschchen (1 Proc.) sorgfältig
abgetupft. Längs seines Ansatzes am Darm wird das Mesen-
terium (Mesocolon , Mesoflexur) des zu entfernenden Darms unter
Abdomen.
391
Fig. 118. Darmresection. Zweiter Act. Der kranke Darmtheil entfernt, die Darm-
enden durch die Hände des Assistenten comprimirt und durch je 2 Fixations-
nähte zu Concavität und Convexität fixirt, die hintere fortlaufende Ringnaht
durch die ganze Wanddicke angelegt.
Stelle der ~l
rennung des j
lesenterium J
Erste Fixations- "j
iht (an der Con-|
ivität desDarmes, >
am Ansatz des I
Mesenterium) )
t Zweite Fixationsnaht (für die
■{zwei zusammengehörigen Stellen
l der Convexität des Darmes)
Fortlaufende hintere Ringnaht durch
die ganze Darmwanddicke
{Fortlaufende Serosanaht (der Anfangs-
knoten geschnürt)
fFadenende zur Verknüpfung mit
dem Schlussfaden der fortlaufen-
den Naht
Tiefe fortlaufende Naht
durch die ganze Wanddicke
(Anfangsknoten am Mes-
enterialtheil)
I": Tiefe fortlaufende Naht
I durch die ganze Wand-
1 dicke (Anfangsknoten
{ am convexen Umfang-)
( Fadenende, das stehen
I bleibt zur Verknüpfung
j mit dem Endfaden der
1. fortlaufenden Naht
Fortlaufende Serosanaht für den hinteren Umfang
Fig. 119.
Darmnaht zur Demonstration der doppelten Nahtreihe, Längsschnitt;
Innenansicht der hinteren Hälfte.
3g2 Specielle Operationslehre.
schrittweisem Fassen seiner grossen Gefässe mit Arterienzangen oder
unter Anlage einer Presszange und Umschnürung in toto durch-
schnitten. So ist der Darm entfernt.
4) Von den liegen gebliebenen Darmklammern auf- und abwärts
wird ein Stück Darm durch Ausstreifen leer gemacht und an der
Grenze der leeren Partien eine Klemmzange angelegt oder durch
einen Assistenten (wie Fig. 118 zeigt) oben und unten der Darm in
verlässlicher Weise zwischen Zeige- und Mittelfinger comprimirt. Die
Pressklammern werden entfernt und der Darm, soweit er klafft, mit
sterilisirten Gazebäuschchen ausgeputzt.
5) Es folgt die Darmnaht. Zur sicheren Orientirung über die
zusammengehörigen Stellen der Darmenden wird eine Fixationsnaht
am Mesenterialansatz und eine zweite an der Convexität derselben
angelegt, so die beiden Darmlumina in die richtigen gegenseitigen
Beziehungen gebracht und durch Anspannung der Naht darin erhalten
(Fig 118). Die jetzt folgende fortlaufende Naht vereinigt zuerst die
Schleimhaut (event. mit Catgut), fasst dann mit feiner Seide die
ganze übrige Darmwand. Der Faden des ersten Knotens bleibt
stehen (Fig. 118), und in einfach fortlaufender Kürschnernaht werden
ohne Unterbrechung ringsherum die Ränder in vollkommen feste
Berührung gebracht, bis man das letzte Fadenende wieder mit dem
Anfangsfaden verknüpft hat. Jetzt ist der Darm völlig fest und
sicher geschlossen. Man reinigt die Nahtlinie mit Lysolbäuschen,
spült den vorliegenden Darm mit warmer sterilisirter Kochsalzlösung,
während die Tücher rings die Bauchhöhle abschliessen.
6) Die Tücher werden geändert und die Verschlussnaht —
die erst beschriebene Naht kann man als Fixationsringnaht,
die letztere als Verschlussringnaht bezeichnen — angelegt.
Diese wird mit möglichst feinen Nadeln und feiner, aber starker
Seide angelegt und fasst bloss die Serosa und einen Theil der Mus-
cularis in der Weise, dass die Serosa eingestülpt wird und die
serösen Flächen in breite Berührung kommen — die LEMBERT'sche
altbewährte Nahtmethode. Die Doppelnaht (Fig. 1 1 9 auf dem Längs-
schnitt gezeichnet) ist erst von Czerny, dann von uns in Unkenntniss
seines Verfahrens beschrieben worden.
Die Verschlussringnaht geht ebenfalls ohne irgend eine Unter-
brechung rings um den Darm fortlaufend herum, so dass der End-
faden mit dem stehen gebliebenen Anfangsfaden verknüpft werden
kann. Nochmaliges Abtupfen der Nahtlinie mit Lysol und nach-
herige Abspülung mit sterilisirtem Kochsalzwasser. Erst jetzt werden
die schützenden Tücher entfernt, die Därme ohne Gewaltanwendung
in die Bauchhöhle zurückgelegt (indem man mit Haken die Ränder
kräftig emporhebt), die Bauchwand durch Doppelnaht verschlossen.
Abdomen.
393
Sind die Därme von Gas und flüssigem Inhalt sehr stark ge-
bläht, so dass deren Reposition erschwert ist, so wird der Darm
oberhalb- der Naht durch einen kleinen Querschnitt von 4—5 mm
geöffnet, der Inhalt in eine kleine Glasschale ablaufen gelassen, der
Stich vernäht, eine nochmalige Spülung, wie oben beschrieben, ge-
macht und die Reposition vorgenommen.
Wir halten bloss die fortlaufenden Nähte bei Enterorraphie
für zulässig und empfehlen feine Seide als Nahtmaterial.
Die beschriebene circuläre Darmnaht ist stets das sicherste
Verfahren, sobald man den Darm aus der Bauchhöhle herausziehen
kann. Es hat dann keinen Sinn, irgend eine Modification an deren
Stelle anzuwenden. Wo aber die circuläre Naht nicht unter Controle
des Auges fortlaufend vollkommen verlässlich angelegt werden kann,
da mag man nach Abkürzung des Verfahrens suchen. Das be-
währteste Mittel, rasch zum Ziele zu kommen, ist, wie' für die Gastro-
duodenostomie bereits hervorgehoben, der Murphy - K n o p f. Aber
auch Verfahren, wie das von Maundsell angegebene, von Ullmann
empfohlene, sind zulässig, wo der obere Darm eingestülpt und zu
einer seitlichen Längsincision herausgestülpt wird, während das
untere Darmende in denselben eingeschoben wird, um beide über
einem Stück einer Rübenröhre zusammenzuschnüren und zurück-
zuziehen.
Hinsichtlich Darmnaht hat Chlumsky sehr interessante Ver-
suche angestellt, welche zeigen, dass dieselbe mechanisch zuverlässigere
Vereinigung giebt, als ein Murphy- Knopf ; ferner dass die Naht am
1. Tage resp. bald nach der Operation verlässlicher hält, als die
nächstfolgenden Tage. Erst vom 5. Tage ab stieg die Festigkeit
wieder, um nach 7 Tagen den primären Festigkeitsgrad zu erreichen.
Er zeigte sich, dass End- zu Endanastomosen fester sind, als seit-
liche Anastomosen.
Man darf aus diesen Versuchen den Schluss ziehen, dass es der
Nahtfestigkeit wegen wohl gestattet ist, am 1. Tage Abführmittel
zu verabfolgen, wenn diese keine bestimmte Contraindication (Ver-
dacht von Darmgeschwüren) haben. Es ist oft wünschenswerth,
den Darm sofort entleeren zu dürfen. An den folgenden 4 Tagen
muss man damit viel vorsichtiger sein.
Katzenstein hat den Versuch gemacht, die chemotaktische
Wirkung des Glutenkasein auf die Serosa zu benutzen, um einer
Darmnaht mehr Festigkeit zu geben ; allein derartige Auflagen
disponiren auch zu Adhäsionsbildung.
Wo man die directe circuläre oder End- zu End- Vereinigung
des Darmes nicht machen kann, da muss man oft das eine, selbst
beide Darmlumina schliessen und eine seitliche Vereinigung vor-
nehmen. Der Verschluss des Darmes ist durch die DoYEN'sche
■2qa Specielle Operationslehre.
Methode ganz erheblich vereinfacht worden : Er legt eine Press-
zange an, wie wir dies bei der Magenresection beschrieben haben,
nimmt die Zange weg und umschnürt die gepresste Stelle mit einem
Faden. Darüber wird eine Tabaksbeutelnaht, deren Vortheile nament-
lich von Quervain hervorgehoben sind und von Haegler be-
stätigt, angelegt und unter Invagination der Schnürnaht die Serosa
in i oder 2 Reihen darüber geschlossen. Danach wird wie bei der
gleich zu schildernden Enteronastomose vorgegangen.
Wir haben in letzter Zeit durch Herrn Dr. Fricker (im Verein
mit Dr. Albert Kocher) eine Reihe von Versuchen anstellen lassen,
um die Vortheile dieses DoYEN'schen Verfahrens auch auf die Ver-
einigung von zwei Darmenden und auf Darmanostomosen auszudehnen:
Die Darmenden werden mit Presszange gefasst und hinter derselben
eine einfache Matratzennaht hin- und herüber, wie (vergl. Fig. 98)
bei der Magenresection angelegt, nicht geknotet, aber gespannt er-
halten. Nun ist der Darm ohne Anlegung einer Klemmzange provi-
sorisch verschlossen, und man kann durch Annäherung der geschil-
derten Verschlussfaden beider Darmenden diese in exacte Berührung
bringen und eine fortlaufende Fixationsringnaht anlegen, wie oben
geschildert. Nunmehr wird der Verschlussfaden einfach wieder heraus-
gezogen und die Serosanaht übergelegt. So kann keine Spur Inhalt aus-
treten, und man hat nicht nöthig, die Circulation durch Anlegung einer
Klemmzange, welche die Mesenterien mitfasst, zu beeinträchtigen.
Die Benutzung der Presszangen einerseits und der Klemmzangen
andererseits, soweit letztere vertragen werden, macht die Darm-
resection in allen denjenigen Fällen zu einer höchst einfachen
Operation, wo die Darmenden vor die Bauchwunde gelagert werden
können, wie dies am Dünndarm Regel ist. Viel mühsamer ist die
Resection am Dickdarm.
162) Resection am Dickdarm.
Wir haben der Resectio ileo-coecalis schon im Anschluss an
die Resection des Processus vermiformis gedacht. Auch an der
Flexura coli dextra und sinistra, am S romanum und an der Ueber-
gangsstelle des letzteren in das Rectum kommt man nicht selten in
die Lage, Tumoren zu excidiren. Hier besteht grosse Schwierigkeit,
die beiden Darmenden beweglich zu machen. Zumal die Flexura
coli sinistra und die Uebergangsstelle vom S romanum und Rectum
sind schon so erheblich fixirt, dass man die Excision selbst bei den
noth wendigen sehr ergiebigen Incisionen durch die Bauch wand bloss
unter Zuhülf enahme von Press- und Klemmzangen im Abdomen selber
ausführen kann.
In solchen Fällen muss man sich in verschiedener Weise helfen :
In einem letzten Falle, wo ein Carcinom am obersten Theile des
Abdomen.
395
Rectum fixirt war, gelang es uns bloss für die Flexur, dieselbe be-
weglich genug zu machen, um sie dem Rectum zu nähern. Wir
machten in diesem Falle den Verschluss der stark dilatirten Flexur
und näherten dieses blinde Ende dem oberen Ende des Rectum, welches
unter Zuhilfenahme von Klemmzangen in eine seitliche Oeffnung der
Flexur eingesetzt werden konnte. Die Patientin ist geheilt.
In einem anderen analogen Falle war nicht weiter zu lösen
möglich, als dass der kranke Darmtheil supraperitoneal aus der
Wunde heraus gelagert werden konnte, und die Resection erst
secundär nach einer Reihe von Tagen angeschlossen wurde. Auch
dieser Patient ist geheilt (vergl. Excisio recti). Man darf gerade bei
Stenosen oft an dem Colon nicht zu sehr zerren, weil bei starker
Dehnung sich oberhalb Dehnungsgeschwüre gebildet haben, die den
Darm zerreisslich machen.
In der Regel ist bei Dickdarmresection der Verschluss des
Darmes an der Resectionsstelle und seitliche Anastomose sicherer
und bequemer auszuführen. Man bedarf dazu freilich einer breiten
Eröffnung der Bauchhöhle. Im Bereich der Flexura coli dextra und
sinistra macht man am Rippenrand ergiebige Querschnitte. Auch
zur Resection des untersten Theiles des Colon sig-
moideum und Colon pelvinum bedarf man gehörigen Zuganges :
Man macht den Schnitt parallel dem Lig. Pouparti links in grösserer
Ausdehnung in der schon in anderen Capiteln geschilderten Weise
oberhalb des Leistencanals. Nach Spaltung des Peritoneum orientirt
man sich über die Lage der Geschwulst. Erscheint sie entfernbar,
so verlängert man den Schnitt medianwärts oberhalb der Symphyse
durch die Ansätze der Recti unter Sorge dafür, dass die Blase leer
ist. Auf diese Weise erhält man ein freies Operationsfeld, in dessen
Bereich selbst sehr schwierige Resectionen noch glücklich durch-
geführt werden können.
Lässt sich die Geschwulst sammt Drüsen im Mesocolon pelvinum
und Mesoflexur freimachen, so wird sie in gewohnter Weise resp. in
oben geschilderter Weise mit lateraler Anastomose resecirt. Ist
aber die Ablösung mit grossen Läsionen der Gefässe verbunden, so
kann man in die Lage kommen, lieber durch weitere gehörige Spaltung
des Mesenterium resp. ihrer Peritonealblätter Flexur und event. Colon
descendens beweglicher zu machen und dieselben unter Invagination
in das Rectum herunter und durch den Anus herauszuziehen und
daselbst in der bei Excisio recti zu beschreibenden Weise zu fixiren.
Kümmell hat gezeigt, wie weit man nach dieser Richtung gehen
kann, indem er Rectum, Colon sigmoideum und descendens erfolg-
reich resecirte und das Colon transversum in den Analring einnähte
bei einem Mädchen mit ausgedehnten tuberculösen Zerstörungen des
Darmes.
3g6 Specielle Operationslehre.
163) Enteroanastomosis.
Diese von Maisonneuve vorgeschlagene, von Wölfler mit
seiner Gastroenterostomose inaugurirte Operation ist ein ausgezeich-
neter Nothbehelf für alle Fälle, wo ein Hinderniss im Darm nicht
beseitigt werden kann. Hat man bei Ileus das Abdomen eröffnet und
ergiebt die Inspection, dass von Hebung des Hindernisses nicht die
Rede sein kann, so macht man die Verbindung zwischen dem ge-
füllten, dilatirten Darmstück oberhalb des Hindernisses mit dem
leeren, zusammengezogenen Darm unmittelbar unterhalb, indem man
dazu die zwei der verschlossenen Stelle nächsten Darmstücke wählt,
immerhin solche, welche sich leicht zur Wunde herausziehen und
aneinander legen lassen. In Fällen von vorgeschrittenem und ver-
wachsenem Darmkrebs ist man namentlich genöthigt, sich in dieser
Weise zu helfen.
Man unterscheidet eine End- zu End-Anastomose von der seit-
lichen Anastomose. Wie Darmenden nach Excision eines Darm-
stückes vereinigt werden, ist soeben im Abschnitt Darmresection
geschildert worden. Wir haben uns hier bloss noch mit der Ver-
einigung zweier Därme zu befassen für den Fall, wo keine Ent-
fernung von Darm stattgefunden hat. Diese kann so geschehen,
dass man ein krankes Darmstück ausschaltet und zwei gesunde
Enden ober- und unterhalb vereinigt, oder dass man ohne Aus-
schaltung den Darm ober- und unterhalb seitlich in Verbindung
setzt.
Das einfachste Verfahren ist folgendes: Man legt die 2 Darm-
stücke mit ihren Breitseiten aneinander, entleert sie durch Ausstreifen
und lässt sie, aneinander gedrückt, durch die Hände eines Assistenten
oben und unten comprimiren, oder besser, man legt 2 Klemm-
zangen an , welche auch die Blutung verhüten. Dann legt man
an der Convexität in Längsrichtung eine fortlaufende Serosanaht
durch die Serosa beider Därme in einer Länge von 4 — 5 cm an und
lässt die Endfaden lang, die eine mit der Nadel armirt. Es folgt,
5 mm von dieser Längssutur entfernt, jederseits in das Darmstück
ein Längsschnitt von 4 — 41/2 cm und eine fortlaufende Ringnaht
durch die ganze Wanddicke, welche die Oeffnungen in Verbindung
bringt. Zuletzt wird über diese Ringnaht die zweite Hälfte der
Serosanaht geschlossen. So lässt sich rasch und sicher eine gute
Vereinigung" erzielen.
Während der Naht wird durch Bäuschchen sterilisirter (Gaze die
früher erwähnte isolirende temporäre Tamponade) jedes Eindringen
von Darminhalt in die Bauchhöhle verhütet, zuletzt mit i-proc. L}^sol-
lösung abgetupft, mit sterilem Kochsalzwasser gespült und reponirt.
Statt der circulären Vereinigungsnaht hat man eine ganze An-
zahl von Vereinigungsweisen der Därme mittelst platten- und röhren-
Abdomen.
397
förmiger Einlagen empfohlen, indem ausser Murphy's Knopf und
seinen Modifikationen namentlich resorbirbare Körper gewählt wurden,
nach N. Senn's Vorgang. Senn benutzte entkalkte Knochenplatten,
Baracz Kohlrübenplatten, Landerer Kartoffelröhrchen, Alessandri
Röhrchen aus Maccaroniteig. Für Anlegung eines MuRPHY-Knopfes
oder seiner Ersatzmittel ist keine Darmvereinigung so geeignet, als
die von Senn zuerst empfohlene seitliche Apposi'tion. Man kann
hier gut zusammenpassende Stellen der Darmwand wählen , die
Oeffhungen genau so gross und in der Richtung wählen, wie sie
am besten passen, kann jede Faltenbildung vermeiden, weil die
Lumina gleich gross sind, und weil man mit dem Mesenterialansatz
gar nicht in Berührung kommt. Fast nach jeder Methode erhält
man hier einen verlässlichen Schluss.
Die Operation ist für alle Stenosen des Darms, welche sich nicht
direct beseitigen lassen, an die Stelle des Enterostomie getreten,
vorausgesetzt, dass sich unterhalb der Stenose noch ein zur Anastomo-
sirung geeignetes Darmstück findet.
Die Enteroanastomose mit Darmausschaltung ist
von Salzer empfohlen, von Eiselsberg, dann auch von Baracz
u. A. besonders ausgebildet worden. Sie kommt in Frage, wo die
Erkrankung des Darmes durch Verschwärung und Zersetzung des
Inhalts Schaden bringt für die Function des gesunden Darmes. Der
Verschluss des Darmes geschieht nach den bei der Darmresection
angeführten Regeln. Die Erfahrung hat gelehrt, dass man den be-
treffenden Darmabschnitt nicht völlig abschliessen soll, sondern durch
Anlage einer Kothfistel nach aussen leiten.
Blasenoperationen.
164) Cystotomia alta suprapubica.
Die Eröffnung der Blase kann ganz gut, selbst bei empfindlichen
Menschen, mit Cocain ausgeführt werden, was wegen der Mitleiden-
schaft der Nieren und des Magens bei Blasenleiden oft wünschenswerth
ist. Empfindlich ist die Blasenschleimhaut, deren Schädigung heftigen
Urindrang- und in den Penis ausstrahlende Schmerzen hervorruft.
Der Blasenschnitt über der Symphyse, von Franco 1556 ein-
geführt, bedingte einen grossen Fortschritt in der Blasenchirurgie
und ist gegenwärtig das Normalverfahren zur Eröffnung der Blase
aus den verschiedensten Indicationen , sobald man in die Blase
hineinsehen will, wie dies der Fall ist bei Tumoren, Tuberculose,
Blutungen, eingekapselten und sehr grossen Steinen, Fremdkörpern.
Von einer Anzahl Chirurgen wird er als Methode bei der Behandlung
des Blasensteins überhaupt bevorzugt, weil er volle Sicherheit gründ-
licher Entfernung giebt und den enormen Vortheil gewährt, im
308 Specielle Operationslehre.
Gegensatz zur perinealen Operation eine vollkommene Prima-
heilung zu erzielen. Dagegen giebt für alle Fälle, in denen die
Blase offen gelassen und drainirt werden muss, perineale Er-
öffnung viel günstigeren Abfluss. Die Oeffhung über der Sym-
physe gestaltet sich zu einer Fistel um, welche die Continenz der
Blase aufhebt, und der continuirliche und dabei doch oft unvoll-
ständige Ausfluss aus der Blase (wie Auneau hervorhebt) veranlasst
den Patienten viele Plage. Dandridge kommt zu dem Schluss, dass
die Cystotomia alta mit offener Nachbehandlung die Contractions-
fähigkeit der Blase mehr behindert, als die perineale, dass sie weniger
rasch heilt, schwieriger ist; im Fall von Prostatahypertrophie hat die
perineale Operation den Vortheil, wie Reginald Harrison betont,
die obstruirende Schwellung gleichzeitig incidiren zu können. Bei
Krebs des Blasengrundes ist die Cystotomia alta vorzuziehen.
Der Normalschnitt, wie er auch von Bardenheuer geübt
wird, verläuft quer in der Falte über der Symphyse durch die fett-
reiche Haut und die oberflächliche Fascie hindurch. Bei Trendelen-
BURG'scher Hochlagerung des Beckens gestattet derselbe einen sehr
klaren Einblick auf und in die Blase. Einige symmetrisch senkrecht
verlaufende Venen in der Unterhaut sind zu durchschneiden und zu
unterbinden. Um guten Raum zu bekommen und doch das Peri-
toneum nicht in Gefahr zu bringen, werden die Weichtheile über
der Symphyse ergiebig gespalten und der Schnitt bogenförmig von
der Gegend oberhalb des einen Leistencanals bis zu derselben Stelle
der anderen Leiste herübergeführt. Nach Spaltung des die Recti
bedeckenden Fascienblattes werden die Ansätze der M. recti an der
S3^mphyse zum Theil getrennt nebst den M. pyramidales und dem
strammen Ansatz der Linea alba. Diese zieht sich sammt Fascie und
Recti stark nach oben zurück. Es ist aber meist besser, noch eine
Längsspaltung in der Medianlinie durch die Linea alba hinzuzufüg'en,
um mehr Raum zu gewännen. Mit dem Finger geht man hinter
der Symphyse ein und zieht die dünne Fascia transversa, das sub-
seröse Fett und mit ihm die Umschlagsstelle des Peritoneum (auf-
wärts), welche sich als quere Falte oder Wulst sehen oder fühlen
lässt. Es erscheint die glatte bläuliche Aussenfläche der Blase mit
einzelnen darüber hinziehenden Venen, die am besten isolirt durch-
schnitten und torquirt werden. Durch jenen Handgriff im Verein
mit der Beckenhochlagerung macht man die Hebung der Blase
durch stärkere Füllung derselben oder des Rectum, wie sie von
Petersen empfohlen wurden, überflüssig. Die letzteren Maass-
nahmen sind nicht ohne Gefahr wegen Berstung oder Verletzung
dieser Organe, wenn sie erkrankt sind. Auch die Füllung der
Blase wird nach aseptischer Reinigung derselben besser mit Luft-
injection statt mit Wasser besorgt.
Abdomen.
399
Am untersten Punkt der Blase, an welchen man noch gut hin-
gelangt, zieht man durch die ganze Dicke der Muscularis eine feste
Fadenschlinge durch. Ebenso wird unterhalb der Umschlagsstelle
des Peritoneum eine zweite Fadenschlinge durch die Muscularis des
Blasenscheitels gelegt. Dieses Anlegen von Fadenschlingen erleichtert
nachher die Naht ganz ausserordentlich, wenn die Blase sich entleert
hat. DäNDOLO will die 2 Fadenschlingen seitlich legen ; aber dann
bieten sie für die lineare Nahtanlage nicht dieselben Vortheile.
Zwischen den beiden Fadenschlingen wird in verticaler Richtung
die Muscularis getrennt, bis die Schleimhaut als bläuliche Blase sich
vorwölbt. Blutungen werden sofort gestillt. Beim Anstechen jener
Vorwölbung spritzt der Urin, resp. die in die Blase gebrachte asep-
tische Lösung oder Luft heraus, und der Schnitt kann nach Be-
dürfniss erweitert werden behufs Extraction eines Steines, Excision
einer Neubildung oder auch blosser Inspection und Digitalexploration
der Blase. Die Schleimhaut braucht weniger ergiebig getrennt zu
werden, als die Muscularis, da sie sehr dehnsam ist. Die Blase wird
mit doppeltreihiger Seidennaht geschlossen, so zwar, dass die erste
Naht bis zur Schleimhaut reicht, die oberflächliche (übrigens ununter-
brochen fortlaufend) ausser der Muscularis das bedeckende Zell-
gewebe mitfasst. Schluss der äusseren Wunde.
Die Blase ist vor der Operation gründlich zu spülen, bis das
Spülwasser klar abläuft, bei Zersetzung und mit 150 — 200 ccm ge-
kochter 4-proc. Borlösung ä 30 °.
Zur Nachbehandlung wird ein NELATON'scher Catheter eingelegt
durch die Urethra, in dieser mittelst eines durch das Frenulum ge-
legten Seidenfadens fixirt und der Urin durch einen Kautschukschlauch
in eine neben dem Bett stehende, mit 5-proc. Carbollösung (resp.
1 °/oo Sublimat) gefüllte Flasche permanent abgeleitet. Der Catheter
bleibt 8 — 14 Tage liegen, bis man der Heilung der Blasenwunde
sicher ist. Durch die Haut wird bis zur Blase ein Glasdrain ein-
gelegt, durch eine besondere kleine Oeffhung, und 8 — 10 Tage liegen
gelassen, bis man sicher ist, dass die Blasennaht hält.
165) Cystostomia alta.
Behufs Anlegung einer temporären oder bleibenden Fistel er-
öffnet man die Blase über der Symphyse in möglicht einfacher Weise.
Nachdem die Blase mit warmem Borwasser gespült ist, wird sie mit
Luft gefüllt (Socin). Man schneidet median senkrecht bis zur Wurzel
des Penis, Haut und Unterhaut bis zur Linea alba, die hier sehr
stark ist und an welche sich die M. p}^ramidales anlegen. Dieselbe
wird gespalten bis dicht an den Knochen und diesem entlang quer
etwas von der Symphyse mit 2 Schnitten die Recti losgelöst, um Platz
zu gewinnen. Es erscheint die Fascia transversa und das Fett-
4qo Specielle Operationslehre.
gewebe vor Peritoneum und Blase. Der Finger g-eht hinter der
Symphyse ein, bis er unter der weichen kugligen Blase den An-
f angstheil der Urethra und Prostata fühlt, dann zieht der haken-
förmig gebogene Finger das Fettgewebe mit Peritonealfalte aufwärts
über die Vorderfläche der Blase empor. Durch Einstich wird die
Blase eröffnet und mit scharfen Häkchen die Ränder festgehakt.
Mittelst stumpfen Messers wird abwärts bis i — 2 cm über der Prostata
und aufwärts gespalten, so dass man bequem 2 Finger einführen,
die Blase palpiren und inspiciren kann. Es werden keine Nähte an-
gelegt, die Blase mit einem Jodoformkrüll lose ausgestopft und asep-
tische Gaze aufgelegt, welche Anfangs 1/2-, dann 2 -stündlich ge-
wechselt wird.
Bei jauchigem chronischen Blasenkatarrh ist die geschilderte
Methode nach Reg. Harrison ein souveränes Heilmittel, bei
Prostatahypertrophie ein Mittel temporärer Abwendung von Ge-
fahren des Catheterismus.
Poncet vernäht die Wundränder der Blase mit denjenigen der
Bauch wand und Delore sieht in diesem Vorgehen den Haupt-
schutz gegen Urininfiltration und hält die Operation sowohl als tem-
poräre als definitive Cystostomie in einer grossen Anzahl von Blasen-
Harnröhren und namentlich Prostataleiden für angezeigt.
Die Operation wird hauptsächlich bei Prostatahypertrophie aus-
geführt, sowie bei anderen nicht beseitigbaren Hindernissen für Urin-
entleerung im Bereich des Blasengrundes, so bei inoperablen Neu-
bildungen. Es ist in der Regel nöthig, um gute Entleerung zu
sichern, eine silberne Röhre zu tragen, welche eine Heberdrainage
ermöglicht.
Unter welchen Verhältnissen gegenüber dieser in Frankreich nach
Poncet benannten Operation die Anlage einer perinealen Fistel
angezeigt ist, ist bei Besprechung der perinealen und suprapubischen
Cystotomie erörtert.
166) Blaseneröffnung mit Symphysenresection.
Giebt ein grosser Querschnitt nicht genug Raum zu Operationen
in und an der Blase, namentlich in der Gegend des Blasenhalses oder
der Prostata, so ist es am besten, nach Helfertch's Vorgang, unter
Ablösung der Muskelansätze (oben Recti abdominis und pyramidales,
unten aussen Obturatores externi) einen dreieckigen Theil mit oberer
breiter Basis und der Spitze oberhalb des Schambogens aus der Sym-
physe subperiostal zu reseciren und das Periost an der Rückseite
gehörig abzulösen. Für die Festigkeit des Beckens hat dieser Ein-
griff keinen weiteren Schaden. Bramann lässt das resecirte Knochen-
stück der Symphyse mit den Muskeln in Zusammenhang (temporäre
Resection). Dr. Niehans macht die Symprrysenresection nur auf
einer Seite, aber durchgehend.
Abdomen.
401
167) Punction der Blase.
Da die Punction der Blase bloss bei Retentio urinae mit starker
Blasenfüllung in Frage kommt, so ist der Blasenstich über der Sym-
physe in der Medianlinie ausgeführt, eine sehr einfache Sache. Man
sticht 3 cm über der Symphyse nach rück- und etwas abwärts je nach
Dicke der Bauchwand (Panniculus), etwa der Mitte unseres queren
Blasenschnittes entsprechend — 4 — 6 cm tief ein, bis der Urin ausfliesst.
Wo es sich bloss um einmalige Entleerung oder auch um mehr-
malige Entleerung mit Aussicht baldiger Wiederherstellung des nor-
malen Weges handelt, benutzt man einfach den PoTAiN'schen Aspi-
rationsappart mit langer feiner Canüle. Soll aber länger dauernde
Ableitung des Urins (wie bei gewissen Prostata- und Harnröhren-
erkrankungen) stattfinden , bedient man sich eines grösseren ge-
bogenen Trocar, dessen Caliber gross genug sein muss, um die Ein-
führung einer abgerundeten Canüle durch denselben in die Blase zu
gestalten, damit der Rand des Trocar die Blasenwand nicht verletze.
Zur Ureteren- Chirurgie.
Die Chirurgie der Ureteren hat in den letzten Jahren dank
namentlich experimentellen Arbeiten eine erhebliche Wichtigkeit
erlangt. Man excidirt den Ureter bei Tuberculose, man incidirt
ihn bei Steineinklemmung, man näht ihn bei Verletzungen, man
anastomosirt denselben bei Klappenbildung mit neuen Stellen des
Nierenbeckens resp. mit Hydronephrosesäcken , mit der Blase bei
Durchtrennung seines unteren Endes, mit dem Darm bei Blasen-
spalte und bei nach aussen mündenden Ureterenfisteln. Diese Implan-
tation des Ureter in die Blase und in den Darm ist ein so wichtiger
Fortschritt für Heilung sonst unheilbarer Leiden, dass wir eine kurze
Schilderung des daherigen Verfahrens geben wollen.
168) Uretero-Cysto-Neostomie.
Die Idee, den Ureter nach Durchschneidung an seinem unteren
Ende wieder in die Blase einzusetzen, ist erst in zweiter Linie auf-
getaucht, nachdem man schon die Implantation in den Darm ein-
geführt hatte. Und doch ist es die weitaus natürlichere und viel
ungefährlichere Methode, weil hier nicht wie bei der Einsetzung in
den Darm aufsteigende Infection zu fürchten ist, welche bei der
Darmimplantation eine so grosse Rolle spielt.
Boari hat eine sehr tüchtige Studie über diese Uretero-Cysto-
Neostomie veröffentlicht. Die Operation ist ausser bei Verletzung
des untersten Endes des Ureter hauptsächlich bei Fistelbildung des-
selben angezeigt, so bei Uretero- Vaginal-, Uretero-Uterinfisteln. Poggi
hat 1887 die erste Idee gehabt und Paoli und BuSACCHl die ersten
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 26
4-02
Specielle Operationslehre.
Thierversuche gemacht. Hegar (Büdinger) und Schede machten
die ersten Operationen am Menschen.
Boari kommt zu folgenden Empfehlungen bezüglich des
Operationsverfahrens :
Fig. 120.
Fis:. 121.
Nach Laparotomie wird der Ureter aufgesucht und das Parietal-
peritoneum, welches ihn deckt, gespalten. Oberhalb einer event. Fistel
wird er durchtrennt. Die Blase, an einer Stelle durch einen ein-
geführten Catheter emporgehoben, wird incidirt und zwar nahe dem
Blasenscheitel, um das Zurück-
treten von Urin bei halbvoller
Blase zu verhüten. Eine Ureteren-
sonde wird von unten durch die
Incisionsstelle der Blase bis in
den Ureter geführt (nach Bazy)
und nun die Naht gemacht und
zwar mit feinem Catgut erst der
Schleimhaut des Ureter (event.
nach seitlicher Spaltung der
Mündung) mit der Schleimhaut
der Blase, dann werden die
übrigen Schichten vereinigt. Man
muss sorgen, den Ureter bei
dieser Naht nicht zu verengen.
Boari hat einen Knopf
(Fig. 120 und 121) angegeben,
analog dem Murphy - Knopf ,
welcher mit einem schmalen Theil
in den Ureter circulär einge-
bunden, mit dem breiten in die
Blase eingesetzt wird ; die Wände
der beiden OefFnungen werden
durch Federdruck auseinander
gepresst. Der Knopf vereinfacht die Operation sehr. Nachdem der
breite Theil des Knopfes durch die Blasenöffnung eingeführt ist, wird
diese (vergl. die der Arbeit von Boari entlehnte Fig. 122) mit Tabak-
Fig. 122.
Abdomen.
403
beutelnaht, wie bei Murphy, um den Knopf geschlossen. Boari hat
kein Thier bei dieser Methode verloren und keine Fistel bekommen.
Boari räth, nach NOVARO, das Blasenperitoneum bis zur Implantations-
stelle abzuheben und hier mit einer Gaze zu drainiren; eine Glasröhre
dürfte dazu besser sein.
Die Operation giebt zu keinen functionellen Störungen Anlass,
weder zu Infection noch zu Stenosenbildung, ganz im Gegensatz zur
Darmimplantation.
Für Defecte des Ureter, welche trotz Zuges am Ureter und Mobili-
sirung der Blase nach (Kelly durch Trennung ihrer Schambein-
Fig. 123.
Fig. 124.
Verbindungen) die Vereinigung unmöglich machen, hat Boari eine
Ureterenplastik empfohlen, welche am besten aus seiner Arbeit
durch 2 derselben entlehnte Figuren illustrirt wird (vergl. Fig. 123
und 124).
Sie besteht in Bildung eines langen Lappens mit oberer Basis,
der zum Rohre umgestaltet wird durch Naht und in welchen von
oben der Ureter einvaginirt wird.
169) Uretero -Trigono-Sigmoideostomie (Maydls Ope-
ration).
Der Name stammt von Reuben Peterson, welcher eine vor-
zügliche Arbeit über die Uretero-Enterostomosis veröffentlicht hat.
26*
aqi Specielle Operationslehre.
Er hat eine sehr grosse Anzahl von Experimenten angestellt, speciell
um definitiv die Rückwirkung auf die Nieren abzuklären. Er findet
die Verhältnisse bei Thier und Mensch übereinstimmend. Das Resultat
seiner Literatur- und experimentellen Studien ist ein sehr be-
stimmtes: Alle Bemühungen, bei Implantation der Ureteren
in den Darm die ascendirende Inf ection der Nieren abzuhalten,
sind fruchtlos, daher Allgemeininfection oder schwerer Läsion der
Nieren nicht zu verhüten. In 33 Fällen bei Menschen war die Mor-
talität 33 Proc. Auch Stenosenbildung lässt sich nicht verhindern
und führt zu Hydro- und Pyoureter oder Hydro- und Pyonephrose.
Die Operation hat deshalb
keine Berechtigung. Wie weit
die FRANCK'sche Operation der
directen Cysto-Proctosto-
mosis eine Zukunft hat, bleibt
dahingestellt. Halstead hat
sie mit Glück ausgeführt. Da-
gegen hat sich die Einpflanzung
der Ureteren mit dem die Ein-
mündungssteile umgebenden
Stück Blasen wand , welche
PETERSON als Uretero - Tri-
gono - Enterostomosis zu be-
zeichnen vorschlägt, völlig be-
währt. Ihre Mortalität ist
gering, die Gefahr schwerer
Infection aufwärts nicht be-
deutend, obschon sich kein
Fig. 125. Ventil- oder Muskelschluss
bilden lässt. Das Rectum ver-
trägt den Urin ganz gut und sein Sphinkter hält denselben genügend
zurück.
Tuffier hatte die erste Idee der Erhaltung der intacten Ureteren-
öffnungen, aber Maydl hat die Operation bei Blasenspalte in ihrer
bewährten Form erfunden. Sie hat unter 36 Fällen bloss 5 Todes-
fälle ergeben.
Maydl's Operationsverfahren nach Peterson modificirt : Es soll
kein Abführmittel* gegeben werden, ebensowenig Rectalspülungen
voraus gemacht werden 1), sondern erst zu Beginn der Operation,
wenn die Narkose eingetreten ist, soll und kann Rectum und Colon
gründlich ausgewaschen werden. Bei Exstrophia vesicae wird (nach
1) Auf diese wichtige Vorschrift werden wir bei Besprechung der Rectum-
exstirpätion zu sprechen kommen.
Abdomen.
405
Tuffier) die Blase umschnitten und extraperitoneal abgelöst. Peter-
SON spaltet die Blase mit der Scheere bis zum Fundus. Hier wird
ein rechteckiges Stück (der elliptischen sich nähernde Form wäre
wohl für die Naht bequemer) um die Ureterenmündungen herum
(mindestens 4 qcm umschnitten (Fig. 125).
Die Bauchhöhle wird eröffnet und das S. romanum (bei Hunden
das Colon descendens) vorgezogen, längs eröffnet (vorher ist jeden-
falls gehöriges Ausstreifen und event. die Anlage einer Klemmzange
zu empfehlen) in der
Länge des erhal-
tenen Blasenstückes.
Letzteres wird an
den einen Rand —
Serosa gegen Serosa
— angelegt und eine
durch die ganze
Dicke gehende Naht
gemacht wie die
ebenfalls der Peter-
SON'schen Arbeit
entnommene Figur
126 zeigt.
vSo wird die
Naht rings fortge-
setzt (Peterson
schneidet bloss bis b3"*"^ ~~\~Jf/^" '"" ~~J
auf die Mucosa, die ' \f\ ~^§~\~^
er erst excidirt, wenn
"2/3 der Naht ge- V
macht sind). Dann "T^nJ
kommt eine Serosa-
naht rings herum , j
nach gehöriger
vorgängiger Reini- *£• I2^-
gung.
Peterson hat gefunden, dass das Trigonum vesicae bei Hunden
von den Arteriae vesicales versorgt ist, welche daher sorgfältig zu
schonen sind, weil sie bloss geringe Verbindungen mit den Arteriae
uretericae haben. Von Anwendung des BOARI-Knopfes ist natürlich
keine Rede. Der Grund, warum hier ascendirende Infection ausbleibt,
ist der, dass am Ureterenende keine Wunde oder Naht sich findet,
welche die Infection (Colibacillen etc.) aufwärts leiten könnte. Auch
hier bildet sich nach keiner Methode ein Ventil- oder Muskelschluss,
die daherigen operativen Bemühungen sind eher schädlich als nützlich.
406 Specielle Operationslehre.
P. Perinaeum.
Operationen am Damm bezwecken Freilegung des untersten
Theiles des Rectum, der Urethra, der Prostata und Samenblasen, der
Vagina, des Uterus und des Blasengrundes. Die Prostata ist,
abgesehen von ihrem oft in die Blase ragenden Mittellappen, am
besten vom Damm aus zugänglich zu machen, und von Dittel und
Zuckerkandl ist dieser Weg genau präcisirt worden. Die Er-
krankungen des Uterus werden von der Vagina aus, die das Rectum
mit Vorliebe von einem hinteren »Schnitt aus behandelt (s. Chirurgie
der hinteren Beckengegend). Auch die Samenblasen können sehr
hübsch durch einen Dammschnitt neben dem Rectum vorbei zugäng-
lich gemacht werden. Diejenige Operation, welche vor Zeiten weit-
aus im Vordergrunde stand und die häufigste Indication bildete, war
der Steinschnitt.
170) Cystotomia perinealis.
Wir haben bei Besprechung der Cystotomia suprapubica kurz
erwähnt, in welchen Fällen die Eröffnung der Blase vom Damm aus
vorzuziehen ist. Der Umstand, dass nach älteren Statistiken der
hohe Schnitt (Barling) viel grössere Mortalität giebt, dürfte nicht
zu schwer ins Gewicht fallen, da dieselbe mit Ausbildung der Asepsis
stetig abgenommen hat1). Dagegen ist es zweifellos, dass für alle
Fälle, wo die Blase zu drainiren ist, wie bei Entzündung, ferner wo
die Incision des Blasengrundes zugleich das Grundübel hebt, wie
bei Prostatahypertrophie, ferner wo eine Eröffnung genügt, um ohne
Inspection der Blase die Operation auszuführen, wie bei der wichtigen
perinealen. Lithothripsie, der Damm blasenschnitt noch jetzt eine sehr
gute Indication hat.
Der Damm-Steinschnitt galt bis in die neueste Zeit als Normal-
verfahren, und es handelte sich nur darum, von den verschiedensten
Variationen desselben die geeignetste Methode auszuwählen, Lateral-
schnitt, Bilateralschnitt, Medianschnitt. Dass der Schnitt von unten
her so lange geübt ist, erklärt sich dadurch, dass man bei hohem
Blasenschnitt die Infection der Wunde nicht zu verhüten vermochte,
während bei Dammoperationen wenigstens der Abfluss des Urins
und der Wundsecrete gesichert werden konnte, so dass deren In-
filtration in die Gewebe nicht die Gefahr der Infection vermehrte.
I) Allerdings berechnet noch CüNNINGHAM 1887 auf 7201 perineale Litho-
tomien 11 Proc. f auf 147 suprapubische 42 Proc. f. William White findet
bei perinealem Blasenschnitt bei Kindern bloss 3 Proc, bei suprapubischen
12 Proc. f , also soll ersterer im Kindesalter bevorzugt werden. Bei alten Leuten
ist dies gerade umgekehrt.
Perinaeum.
407
Zur Stunde liegt eine bestimmte Indication für den Damm-Stein-
schnitt nur noch für die seltenen Fälle vor, wo kleine Steine nicht
durch Litholapaxie zu beseitigen und doch nicht klein genug sind,
um die intacte Urethra zu passiren.
Die perineale Cystotomie ist sowohl als Median- als Lateralschnitt
technisch ein sehr einfaches Verfahren, insofern als man, wie für
Urethrotomia externa geschildert, auf einer eingeführten Rinnsonde
zuerst die Urethra eröffnet und von da nach Orientirung mit dem
eingeführten Finger ein Knopfmesser in die Blase führt, um Prostata
und Blasengrund zu spalten.
171) Urethrotomia externa.
Der äussere Harnröhrenschnitt ist die Hauptoperation, welche
am Damm wegen Erkrankung im Bereich der Harnwege gemacht
wird, da er auch oft genügt, um den nöthigen Zugang zu geben
für Blasenerkrankungen. Er wird gemacht bei recidivirenden
Stricturen, bei solchen, welche mit Fisteln und Abscessen com-
plicirt sind und — eine noch wichtigere Indication — bei solchen,
welche sich mit Infection und Urininfiltration compliciren.
Reginald Harrison erzählt überzeugende Fälle, wo er bei
Schüttelfrösten nach innerer Stricturbehandlung sofortigen Rückgang
der bedrohlichen Symptome durch den äusseren Schnitt erzielte.
Die Operation findet ausserdem ihre Anwendung bei derben
und bei impermeablen Stricturen, zumal traumatischen Ursprunges,
es handelt sich dabei entweder um blosse Spaltung der verengten
Stelle oder um Excision derselben sammt der umgebenden Narbe,
welche im Corpus cavernosum einen bindegewebigen Callus bildet.
R. Harrison macht aufmerksam, dass auch bei Harnröhren-
ruptur die Spaltung der Urethra von aussen wegen der gründ-
lichen Drainage viel weniger ausgedehnte und harte Narben ergiebt
als der spontane Ablauf.
Bezüglich Operation beruft sich Harrison auf Weelhouse's
Methode und will keinen Fall von Strictur, wo nicht völlige Oblite-
ration der Urethra mit Fistel hinterhalb besteht, operiren ohne vor-
gängige interne Urethrotomie, weil jede noch für Urin permeable
Strictur auch für feinste Sonden permeabel sein müsse und daher
mit Maisonneuve's Instrument erstere Operation vorgängig aus-
geführt und dann eine gehörige Rinnsonde eingeführt werden könne.
Denn wenn nicht erweitert worden ist, so kann das Auffinden
des hinteren Harnröhrenendes sehr schwierig und mühsam sein, so
dass gelegentlich ' eine Eröffnung der Blase über der Symphyse und
ein retrograder Catheterismus nöthig wird. Durch die vorgängige
Urethrotomia interna und Einführung der Rinnsonde wird die
Operation so einfach, wie die Spaltung einer normalen Urethra be-
aoS Specielle Operationslehre.
hufs Exploration der Blase mit dem Finger nach R. Harrison's
Methode. Sie ist mittelst Medianschnitt auszuführen.
Behufs Excision einer Narbe resp. Resection der Urethra
eröffnet man die Urethra vor und hinter der engen Stelle und
schneidet die Narbenmasse quer heraus. Dann macht man mittelst
Catgutnähten eine exacte circuläre Naht der Harnröhrenstümpfe und
näht mit bis auf die Urethra greifenden Nähten, am besten unter
Benutzung von SociN's Broncealuminiumdraht , die Wunde ohne
jegliche Drainage völlig zu. So erhält man eine prima reunio mit
vorzüglicher Durchgängigkeit der Harnröhre. Bis zur Heilung der
Wunde ist ein weicher Catheter in der letzteren liegen zu lassen
und eine Heberdrainage der Blase zu permanenter Ableitung ihres
Inhaltes durchzuführen, mit Ausspülung.
17a) Die Freilegung der Pars membranacea und pro-
statica urethrae. (Fig. 127 u. 128.)
Die Operation dient der Freilegung der Prostata, Samenblasen,
des urethralen Endes der Vasa deferentia und des Blasengrundes.
Sie verlangt einen ergiebigen äusseren Schnitt. Deshalb muss
man vom Medianschnitt von vorneherein absehen. Ein rein lateraler
Schnitt, wie er früher mit Vorliebe geübt worden ist, durchschneidet
die von der Arteria und Nervus pudendus internus nach der Mittel-
linie gehenden Gefässe und Nervenäste (nach hinten die Aa. und
Nn. haemorrhoidales externi, nach vorne die A. perinea und bulbosa
mit den parallel laufenden Nerven). Obschon die sacralen Resectionen
gelehrt haben, dass einseitige Durchschneidung dieser Nerven nicht
nothwendig bleibende motorische Störungen herbeiführt, so ist doch
principiell die Läsion dieser Gebilde zu vermeiden und als Normal-
verfahren für breiteren Zugang der quere Spitzbogenschnitt
anzusehen.
Der Schnitt verläuft auf dem Tuber ischii rechts beginnend bis
zu der Stelle, wo man den unteren Rand des Schambogens fühlt,
und symmetrisch auf der anderen Seite rückwärts (Fig. 127).
Nach Spaltung der Haut und der oberflächlichen dünnen Fascie
gelangt man seitlich auf das Fettgewebe, welches sich zwischen
Becken und Rectum in die Excavatio ischio-rectalis fortsetzt.
Dasselbe wird stumpf getrennt bis zur Unterfläche des von vorne
und von der Seite her gegen das Rectum heranziehenden M. levator
ani, wobei der N. und die A. haemorrhoidalis externa nach hinten,
der N. und die A. perinea (transversa perinei) und bulbosa mit dem
M. transversus perinei superficialis nach vorne geschoben und ab-
gezogen werden. Vorne wird der Bulbus urethrae freigelegt mit
seiner mittleren Raphe und den von derselben entspringenden
Muskelfasern des Bulbo-cavernosus. Vom hinteren Ende des Bulbus
Perinaeum.
409
gehen quer gegen den aufsteigenden Ast des Sitzbeines die Fasern
des M. transversus perinei superficialis. Dicht am Bulbus werden
die Verbindungsfasern zwischen Sphincter ani externus und dem
M. bulbo-cavernosus getrennt und der Bulbus urethrae nach vorne
gezogen mit dem M. transversus perinei superficialis. Indem man
an der Hinterfläche des Bulbus mit queren Schnitten resp. stumpf
in die Tiefe geht, sieht man vorne die queren Muskelfasern des
Transversus perinei profundus, welche die Pars membranacea als
Theil des Diaphragma urogenitale von hinten bedecken. Oberhalb
derselben erscheint die Prostata. Von deren Rückfläche muss man
eine derbe Bindegewebslage (mit organischen Muskelfasern) ab-
heben und quer spalten. So wird die glatte Rückfläche der Prostata
freigelegt, und nun dringt der Finger stumpf an derselben bis zum
oberen Rande empor. Hier gehen schräg von oben hinten kommend
die Vasa deferentia zusammen, sehr leicht kennbar (Fig. 128), und an
ihrem lateralen Rande liegen die Samenblasen, die sich stumpf heraus-
holen lassen.
Indem man das Rectum mit einem langen, stumpfen Haken
nach hinten zieht, spannen sich seitlich frontal stehende Muskelbinde-
gewebsplatten mit Fasern des Levator ani an.
173) Excision der Hoden mitsammt Vas deferens und
Samenblase. Spermatocystektomie.
vSeit Baumgarten durch seine Experimente und Bruns durch
klinische Belege nachgewiesen hat, dass die Genitaltuberculose in
erster Linie eine ascendirende ist, d. h. sich vom Hoden auf Vas
deferens, Samenblase und Prostata fortsetzt und nicht umgekehrt von
der Prostata auf die Genitalorgane übergreift, hat die Totalexcision
der männlichen Zeugungsorgane eine grössere Wichtigkeit erhalten.
Freilich giebt es noch heute genug Chirurgen, welche überhaupt der
Operation bei Hodentuberculose abgeneigt sind.
Beloseroff hat auf Roux' Anregung die geschichtliche Ent-
wicklung der Castrationsfrage beleuchtet und schreibt Reclus das
Verdienst zu, 1875 zuerst entgegen Louis' und Dufour's Diathese
tuberculeuse die Genitaltuberculose als primäre1) Erkrankung er-
wiesen zu haben. Der Beweis ist jetzt nicht mehr zu leisten, dass
eine Anzahl von Individuen nach Castration völlig gesund bleiben.
Aber zweifellos ist es, dass der Chirurg die kleine Zahl der Fälle
zu Gesicht bekommt, zur Zeit, wo die Affection noch völlig auf den
1) Bezüglich Primärerkrankung bei Tuberculose tief gelegener Organe er-
scheint es unnöthig, darauf aufmerksam zu machen, dass damit nicht gesagt
sein will, dass der Tuberkelbacillus an dieser Stelle eingedrungen sei, wohl
aber dass er hier zuerst eine in den Folgen klinisch erkennbare Entwicklung
durchgemacht habe.
4io
Specielle Operationslehre.
Perinaeum.
bJD
A12 Specielle Operationslehre.
Hoden beschränkt ist, so dass er blosse Castration oder sogar blosse
Epididymektomie nach Bardenheuer (1880) ausführen kann.
Sehr oft findet sich wenigstens das Vas deferens miterkrankt
und ist dessen Entfernung wünschenswerth oberhalb des höchsten
tuberculösen Herdes durch hohe Präparation oder Evulsion nach
BüNGENER. Ist die Samenblase miterkrankt, so ist auch deren
Excision indicirt. Allerdings bleiben dabei sehr oft noch die tuber-
culösen Herde in der Prostata zurück und eine klare Indication hat
die Excision der Samenblase sammt Vas deferens und Hoden bloss,
wenn die Samenblase besonders intensiv erkrankt ist oder wenn die
Prostata noch frei ist. Ullmann hat 1889 die erste Spermatocyst-
ektomie gemacht.
Villeneuve hat die Excision von der Leiste versucht, Schede,
Füller, Routier auf dem sacralen Weg nach Kraske und Rydy-
GIER. Der richtige Weg ist der perineale, wie ihn Ullmann, Zucker-
kandl, BüNGENER, Guelliot und ich betreten haben. Ich habe die
prärectale Incision ausgeführt in der schon bei. Freilegung
der Pars prostatica urethrae (vergl. No. 172) beschriebenen Weise in
Form des Spitzbogenschnittes. Es ist dies eine sehr empfehlens-
werthe Methode, rationell, wenig verletzend bei richtiger Ausführung,
viel weniger als der inguinale und sacrale Weg.
Beloseroff wirft dem Prärectalschnitt Mangel an Raum,
Schwierigkeit der Blutstillung und grössere Verletzung vor ; ich kann
von diesen Vorwürfen nur den ersten und nur soweit anerkennen,
als der von Roux empfohlene Schnitt allerdings noch mehr Raum
giebt. Man kann übrigens den einen oder beide Schenkel des Spitz-
bogenschnittes leicht rückwärts verlängern. Dagegen muss der seit-
liche Schnitt nothwendig mehr von dem M. levator ani und den
schräg nach der Mittellinie zustrebenden Nervenfasern trennen, als
der Prärectalschnitt, welcher erlaubt, in der Mittellinie einzugehen
und die Muskeln bloss von hier aus auseinanderzudrängen.
Die Roux'sche paramediane Methode der Spermato-
cystektomie mit Vasectomia totalis und Castration.
Roux macht die Castration, präparirt das Vas deferens so hoch
hinauf wie möglich und schneidet es schräg durch, um bei Evulsion
von unten zu erkennen, dass man es nicht abgerissen hat Ich rathe,
wenn der Schnitt käsige Schleimhaut trifft, dieselbe mit dem Paquelin
zu cauterisiren.
Danach wird 10 cm langer Schnitt am Damm paramedian
{2 — 3 cm von der Mittellinie) bis zum Niveau des Steissbeins mit
Trennung der Fasern des Levator ani. Der ins Rectum geführte
Finger holt die Samenblase heraus, welche mit Faden angeschlungen
wird. Ihre Verbindungen werden stumpf zurückgeschoben und das
Vas deferens herausgezogen. Der Hals der Samenblase wird abge-
Perinaeum. 413
schnitten an der Prostata und die Trennungsstelle in 3-facher Schicht
mit Catgut vernäht. Jodoformgaze für 24 Stunden, Naht der Wunde.
YOUNG (Langenbeck's Arch., Bd. 62, S. 456) hat eine sehr
radicale Methode angegeben zur Totalexstirpation der Hoden sammt
Vasa deferentia und Samenblasen, indem er einen bis zum Nabel
reichenden Bauchschnitt macht, das Peritoneum von der hinteren
Blasenwand ablöst und von oben die Samenblasen und Vasa deferentia
isolirt und sammt den Hoden im Zusammenhang excidirt. Dabei
werden, um genügend Raum zu erhalten, über dem Nabel die beiden
Recti abdominis quer gespalten und nachher wieder vernäht. Wenn
die Harnblase krank ist, so wird sie incidirt, event. ein Stück excidirt.
Ein radicales Verfahren ist diese Methode sicherlich, aber angesichts
des nicht geringen Eingriffs für wohlgeeignete Fälle vorzubehalten.
Vasectomie und Prostatectomie.
Die partielle oder totale Prostatectomie ist trotz der grossen
Häufigkeit der Prostataleiden, speciell der Hypertrophie, noch relativ
selten ausgeführt aus dem Grunde, weil man die Beschwerden und
Gefahren dieser Erkrankung durch weniger eingreifende Mittel in
der Mehrzahl der Fälle beseitigen kann — solange keine Compli-
cationen vorhanden sind. Denn die Störungen bei Prostatahypertrophie
sind anfänglich rein mechanischer Natur. Durch Benutzung der
Bauchpresse, später vorübergehender Blasen-Heberdrainage mittelst
Catheter, endlich durch Maassnahmen, das Volumen der Prostata
zu verkleinern und dessen Spornbildungen zu beseitigen, kann man
die Hindernisse soweit beheben, dass die Beschwerden schwinden.
174) Vasectomie.
Unter den Mitteln zur Verkleinerung der Prostata hat sich durch
alle Schwankungen der Indicationen und Resultate hindurch die
Vasectomie am besten gehalten. Aus den wichtigen Nachweisen
von Ramm und White, den Erfindern der Castrationsbehandlung bei
Prostatalrypertrophie, dass durch Castration eine erhebliche Einwirkung
auf die Grösse der Prostata ausgeübt werden kann, hat sich ein Ver-
fahren herausgebildet, welches alle Schädigungen und Gefahren der
Castration vermeidet und in nahezu ebenso vielen Fällen ein Resultat
ergiebt, wie die Castration.
Die Vasectomie hat den grossen Vortheil, nicht zu Hoden-
atrophie zu führen, wohl aber zu Verkleinerung der Prostata. Sie
kann, was bei alten Leuten von grösster Wichtigkeit ist, ohne
Allgemeinnarkose und ohne folgende Bettruhe ausgeführt werden. Es
wird eine kleine Incision auf den unter der Haut fixirten Samen-
strang nach Cocaininjection gemacht, die Tunica vag. communis
aja Specielle Operationslehre.
gespalten und das derbe Vas deferens zu einer Schlinge hervor-
gezogen und excidirt und zwar in gehöriger Länge. Unterbindung
der Enden ist unnütz. Naht. Collodialverband.
175) Prostatotomie und Prostatektomie.
Die Vasectomie führt nicht zum Ziel, wenn die Schwellung
der Prostata auf maligner Neubildung, auf Bildung von isolirten
fibromatösen oder adenomatösen Knoten beruht, aber auch dann nicht
mehr, wenn bereits die Folgen längerer Retentio an der Blase ein-
getreten sind. Reglnald Harrison macht auf die Störung der
Blasenfunction durch die Bildung von selbst kleinen Divertikeln zwischen
den hypertrophischen Trabekeln aufmerksam.
In solchen Fällen tritt die directe Beseitigung des Hindernisses
in ihr Recht. Die urethrale Prostatotomie zur Beseitigung
des vorspringenden Mittellappens ist nach Floersheim ganz in den
Hintergrund getreten; für einzelne Chirurgen ist sie durch Bottini's
Operation ersetzt (galvanocaustische Durchtrennung der Klappe
am hinteren Umfang des Orificium internum).
R. Harrison beseitigt die Folgen des hypertrophischen Mittel-
lappens mit Sackbildung hinterhalb durch perineale Prostatotomie
und Drainage. Der andere Weg ist die Abtragung des Mittellappens,
soweit er in die Blase vorragt, und Herstellung einer mechanisch
günstigen Form des Orificium internum mittelst C)^stotomia supra-
pubica. Abtragung mit dem Messer ist blutig, wenn nicht eine Naht
zur Vereinigung gemacht werden kann. Es kann dieselbe galvano-
caustisch oder unter Benutzung einer ringförmigen Presszange aus-
geführt werden. Wir werden über die Benutzung dieser ringförmigen
Angiotriptoren anderswo Auskunft geben.
Im äussersten Falle muss die operative Entfernung der Prostata
gemacht werden, sei es partiell unter Enucleation von Fibrom- und
Adenomknoten auf perinealem Wege, sei es total.
Prostatectomia totalis.
Parker Syms hebt die Vortheile der Alexander ' s c h e n
Methode hervor: Der Patient wird so gelagert, dass Steiss und
Oberkörper erhoben sind, um den Bauch völlig zu erschlaffen. Die
Blase wird mit Borsäurelösung gefüllt, mit Längsschnitt über der
Symphyse eröffnet, um 2 Finger einführen und so die Prostata gegen
den Damm abwärts drücken zu können. Am Damm wird median
gespalten und die Pars membranacea urethrae nach Einführung einer
Rinnsonde freigelegt und in ganzer Länge gespalten. Jetzt wird
stumpf mit dem Finger von der Dammöffnung aus die Prostata aus
ihrer Kapsel herausgeschält, unten und hinten beginnend, erst die
Seiten- und dann der Mittellappen. Die Schleimhaut der Pars
Perinaeum.
415
prostatica und der Blase wird nicht verletzt. Von oben und von
unten durch die Oeffnung in der Urethra wird die Blase drainirt
für 4 — 7 Tage und die Blase ausgewaschen. Heilung als Regel
in 5 Wochen.
Alexander hat diese Operation auch ohne Blaseneröffnung
gemacht, indem er hinter dem Schambein seine Hand eindrückte
und so die Prostata vorschob. Wo hierfür die Resistenz der Bauch-
wand zu gross ist, wird man gut thun, dieselbe nach Syms erst
durch einen Medianschnitt unter Schonung des Peritoneum zu
spalten.
176) Arteria pudenda interna und Nervus pudendus
internus am Damm (Fig. 128).
Schnitt neben dem leicht fühlbaren Tuber ischii, entlang dem
medialen Rand des aufsteigenden Astes des Sitzbeines vorwärts durch
die Haut. Spaltung der Fascie unter Schonung des zum Scrotum
ziehenden Hautastes des N. pudendus. Das Muskelfleisch des Ischio-
cavernosus wird freigelegt. Neben dessen Ansatz wird der M. trans-
versus perinei superficialis am aufsteigenden Sitzbeinast durchschnitten
oder medianwärts gezogen und zugleich das tiefe Fascienblatt ge-
spalten, welches von dem Diaphragma urogenitale sich auf die Innen-
fläche des M. obturator internus umschlägt. Die Arterie liegt auf
der Innenfläche des letzterwähnten Muskels, über dem Ansatz des
Lig. sacro-tuberosum nach vorne tretend, der Nervus pudendus in-
ternus daneben und oberflächlicher.
177) Amputatio penis.
Die Entfernung des männlichen Gliedes wird fast ausschliesslich
wegen Krebs ausgeführt, der seinen Beginn gewöhnlich im Bereich
des Praeputium und der Corona glandis nimmt. Früher war wegen
der Infectionsgefahr das Abtrennen mit der galvanocaustischen
Schlinge oder mit dem Thermocauter Regel. Für diejenigen, welche
zu desinficiren verstehen, verdient die Abtragung mit dem Messer
den Vorzug, weil es viel leichter ist, von vorneherein eine gut
functionirende Urethralmündung herzustellen und so dem Patienten
die wesentlichsten Beschwerden zu ersparen und sich namentlich gegen
spätere Verengerung zu sichern.
Man legt eine dünne Drainröhre um die Wurzel des Penis be-
hufs prophylaktischer Blutstillung, umschneidet hinter der Neubildung
die Haut quer und trennt nach ihrer Zurückziehung am Haut-
rande die Corpora cavernosa penis, während man das Corpus caver-
nosum urethrae 1/2 cm loslöst und weiter peripher durchschneidet.
Die Schleimhaut der Urethra ist ziemlich resistent und kann leicht
mit Häkchen angezogen werden. Jetzt werden die 2 Arteriae und
jjö Specielle Operationslehre.
die Vena dorsalis penis und oft noch einige andere Venen subcutan
gefasst und ligirt, dann die beiden leicht sichtbaren Art. profundae
penis in den Corpora cavernosa penis. In senkrechter Richtung
werden die beiden letzteren unter Fassen der Albuginea und des
cavernösen Körpers verlässlich zusammengenäht und dann die
elastische Umschnürung losgelassen, um zu controliren, ob noch
Blutung besteht.
Nunmehr wird die Schleimhaut der Urethra angezogen und
unter Mitfassen des Corpus cavernosum urethrae rings an die Haut
angeheftet, während der Rest der Hautränder in senkrechter Richtung
aufwärts vereinigt wird.
So erhält man einen primären vollkommenen Schluss der Wunde,
ein gut besäumtes Orificium urethrae, das sich später nicht wesent-
lich narbig verengt und damit eine rasche und vollkommene Heilung.
Q. Sacralgegend.
Die Chirurgie des Rectum.
178) Bxcision von Hämorrhoidalknoten.
Wenn Hämorrhoidalknoten Beschwerden machen, so werden die-
selben am besten abgetragen. Will man operiren, so ist ein Hauptpunkt,
eine gehörige Narkose zu machen, damit man den Anus leicht und
ergiebig erweitern kann, um bei Pressen des Patienten die inneren
Knoten gehörig vor- und heraustreten zu lassen. Die Methode, die
Knoten abzutrennen über flügeiförmigen Fasszangen, setzt die be-
denklichsten Nachblutungen aus. Dagegen haben wir nie nach-
theilige Folgen gesehen von der Ligatur und Abtragung über der
Ligatur, vorausgesetzt, dass man nicht einen grösseren nekrotisirenden
Stumpf zurücklässt. Dies zu vermeiden, wird in folgender Weise vor-
gegangen.
a) Ligaturmethode.
Der Anus wird in guter Narkose gedehnt, mit Ringzangen,
welche in Form der Presszangen mit oval nach vorn sich ver-
jüngendem Ende zu sehr kräftigem Zusammenschli essen gebaut
sein müssen, der blau vorragende Knoten gefasst, die Basis dünn
gepresst, eine Ligatur mit Catgut darunter durchgestochen und zuerst
nach einer Seite, dann unter Wegnahme der Zange um den ganzen
dünnen Stiel zusammengeschnürt und abgetragen. So bleibt kein
flüssigkeitsreiches Gewebe über die Ligatur vorragend, welches
durch den septischen Inhalt gangränös werden könnte. Auf diese
Weise wird ein Knoten nach dem anderen abgetragen, ein Wismuth-
suppositorium eingelegt (3 mal täglich wiederholt) und wie schon vor
S acralgegend. 417
der Operation durch strenge Diät und Opium (nach früherer Darm-
entleerung) der Stuhl zurückgehalten.
b) Die Whitehead ' s c h e Excisionsmethode.
Die von Whitehead angegebene Methode, die Hämorrhoidal-
knoten mit der Schleimhaut des Analtheils zu exstirpiren, besticht
durch die Eleganz ihrer Ausführung. Sie kann auch mit Cocain-
anästhesie gemacht werden. Wir machen sie in folgender Weise:
Sobald der Patient durch Drängen die blaurothen Schleimhautwülste
mit den Venenknoten zum Austritt gebracht hat, wird auf einer
Seite der Analrand an der Grenze von Haut und Schleimhaut durch-
schnitten, die Schleimhaut gefasst und heruntergezogen. Auf ihrer
Aussenseite erscheinen die blaurothen varicösen Knoten und können
leicht vom Sphincter abgelöst werden.
Die sammt Varicen vorgezogene Schleimhaut wird am oberen
Rande der Knoten quer eingeschnitten und die gesunde Schleimhaut
oberhalb sofort mit dem Analrand durch Catgutknopfnähte vereinigt,
bis die ganze kranke Schleimhaut der einen Seite excidirt und die
gesunde oberhalb mit dem Analsaum vereinigt ist. Danach wird
auf der anderen Seite ebenso verfahren. Die Operation giebt auf
diese Weise nur zu minimalem Blutverlust Anlass. Wenn man Sorge
trägt, dass die Nähte den Grund der Wunde überall mitfassen, so
findet auch keine Nachblutung im Gewebe statt. Auf die Naht wird
Bismuthbrei gestrichen und wie oben empfohlen, Bismuthsuppositorien
3 mal täglich in den verstopft gehaltenen Mastdarm eingeführt.
Die Operation beseitigt die Hämorrhoiden sehr gründlich und
giebt sehr schöne Heilung; es ist aber nicht immer ganz leicht, die
Schleimhaut mit den Knoten ganz sauber vom Sphincter loszulösen
und wo die Knoten stark sind und hoch reichen , ist eine derbe
Circularnarbe nicht zu vermeiden. Die Narbe wird schon aus dem
Grunde selbst bei einfachen Operationen dieser Art viel derber,
weil sie nicht aseptisch entsteht, sondern leichte Infektion und Ent-
zündung mit Einschneiden der Nähte trotz aller Sorgfalt nicht selten
eintritt. In diesen Fällen bildet sich eine Analstenose aus, welche
lange Zeit den Patienten, zumal wenn noch die eine oder andere
Nahtulceration fortdauert, so starke Beschwerden macht, wie sie
Fissuren begleiten. Je mehr der Patient die Stuhlentleerung scheut
und hintanhält, desto schlimmer wird der Zustand.
Auf Grund mehrfacher derartiger Erfahrungen habe ich die
WHlTEHEAD'sche Methode sehr eingeschränkt und mache sie nur
ausnahmsweise mehr in typischer Weise und circulärer Form. Der
Anus muss elastisch dilatirbar sein und zwar in hohem Grade, wenn die
Stuhl entleerung ohne Beschwerden stattfinden soll. Das ist nicht
mehr der Fall, sobald der Analsaum Sitz einer auch noch so schönen
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 27
^jg Specielle Operationslehre.
Circularnarbe ist. Aus diesem Grunde ist die unter a beschriebene
isolirte Excision der Knoten als Regel vorzuziehen.
179) Operation des Prolapsus ani et recti.
Eine jsehr wirksame Methode bei Prolapsus ani ist die keil-
förmige Excision in der Weise, dass man nach hinten mit
Basis im Analsaum, oberer Spitze im Rectum und unterer in der
äusseren Haut einen Theil excidirt und sofort durch tiefgreifende
Nähte (Catgut) combinirt mit oberflächlichen Schleimhaut- und Haut-
nähten wieder schliesst.
Ebenso einfach ist das Vorgehen bei Prolapsus recti, wenn
derselbe mit hochgradigen Veränderungen der Schleimhaut durch
Ulceration und chronische Entzündung oder mit Neubildungen com-
binirt ist. Hier ist die Amputatio recti indizirt. Der Prolaps wird
mit einer kräftigen Presszange oberhalb der kranken Partie gefasst
und an einer beschränkten Stelle nach Einwicklung des gründlich
gereinigten und desinfizierten Vorfalls die Schleimhaut, dann die
Wand des Rectum incidirt, bis man in das Zellgewebe resp. in die
Peritonealspalte kommt, welche die beiden Wände der Vorfalls trennt.
Sofort nach Eröffnung derselben wird eine Naht angelegt und unter
allmählich weiter gehender Trennung oberhalb der Zange auch
gleich die Kopfnaht angelegt,, welche die Peritonealhöhle abschliesst.
Nach völliger Abtragung wird eine fortlaufende Schleimhautnaht
übergelegt. Die Methode hat den Nachtheil, eine circuläre^ Narbe
am Analrand zurückzulassen und ist bei fortwirkender Ursache
Zerreissung ausgesetzt. Auch kann Recidiv eintreten, indem, wie
Ludloff (Eiselsberg) auseinandersetzt, dem Austritt der Prolaps stets
ein Vortreten der Excavatio rectovesicalis, also eine Hernia perinealis
vorauf resp. parallel geht.
Wo demgemäss nicht der abnorme Zustand des vorgefallenen
Rectum die Excision rechtfertigt, sind andere Behandlungsmethoden
vorzuziehen. Die GERSUNY'sche Methode der Abtrennung des
Rectum unten, Torsion desselben und Anheftung in gedrehter Lage,
sowie Thiersch's Verfahren, die Umführung eines Silberdrahtes
in der Richtung des Sphincter um das Rectum, beanspruchen nicht,
schwere Fälle zur Heilung zu bringen. Anders die Anheftungs-
methoden.
Die Rectopexie nach Verneuil ist ein sehr empfehlen swerthes
Verfahren bei Prolapsus ani. Wir führen die 2 Enden eines Fadens
durch den vorragendsten Theil des Prolapsus durch, so dass die
Schlinge denselben fasst. Jene werden neben dem Steissbein durch-
gestochen und geknotet. So wird nicht nur, solange die Faden liegen,
sondern Dank der ihrem Verlauf folgenden Narbenbildung bleibend
das Rectum an die Rückwand des Backens angeheftet erhalten.
Sacralgegend. 4 ! o
Bei Prolapsus recti leistet die Colopexie, besser Sigmoideo-
pexie nach Jeanel-Bogdanik noch mehr. Selbst sehr grosse Vor-
fälle werden so ausgezeichnet gut und in einfachster Weise zurück-
gehalten. Bei einem 10 cm langen Prolaps, der permanent draussen
lag (nach Excisio recti alta), haben wir über dem 1. Lig. Pouparti
incidirt und durch Zug am S romanum den Prolaps sofort voll-
ständig reponirt. Die aufwärts gespannt gehaltene Flexur wurde dann
mittelst einer Reihe von Serosanähten in grösserer Ausdehnung auf
dem Peritoneum der Fossa iliaca interna fixirt. Der Erfolg ist bis
jetzt ein bleibender.
180) Excisio recti carcinomatosi.
Allgemeine Bemerkungen zur Technik. Nach den Er-
fahrungen wohl der Mehrzahl der Chirurgen, welche auf eine längere
Thätigkeit zurückblicken können, müssen wir uns drein ergeben, die
Mastdarmkrebse erst in einem vorgeschrittenen Stadium
zur Operation zu bekommen. Die überwiegende Mehrzahl der
Patienten schenkt den ersten S3miptomen zu wenig Aufmerksamkeit,
und wenn endlich ein Arzt berathen wird, so giebt es leider noch
eine grosse Anzahl, welche eine Behandlung einleiten gegen „chro-
nischen Darmkatarrh" oder „Hämorrhoiden", ohne nur den Mastdarm
mit dem Finger palpirt zu haben.
Und doch sind die Symptome in Form von Stenosirungsz eichen,
von gelegentlichen Durchfällen, Schleim- und Blutabgang charak-
teristisch genug. Ist endlich die Diagnose gestellt, -so giebt es stets
noch eine Anzahl von tüchtigen Chirurgen, welche bei einem hoch-
gelegenen Carcinom von vornherein von jeder Operation abrathen
— ganz mit Unrecht. Solange ein Carcinom per rectum der Pal-
pation zugänglich und zugleich beweglich ist1), d. h. beim Drängen
abwärts tritt, soll es radical entfernt werden, denn gegenüber der
Möglichkeit, wenigstens den Krebs im Darm selber radical zu be-
seitigen, ist die sonst so empfehlenswerthe Anlegung eines Anus
praeter naturam ein leidiges Aushilfsmittel. Eine entschiedene Con-
traindication besteht in dem Vorhandensein von Lebermetastasen.
Diese sind selbst bei sehr umschriebenen, aber hochgelegenen
Krebsen keineswegs selten. Ich habe mehrere Patienten, welche
local tadellos heilten, in unmittelbarem Anschluss an die operative
Heilung grosser Lebercarcinome sterben sehen. Die Verbreitung nach
1) Bei Untersuchung in Narkose mit 2 Fingern kann man im Colon pel-
vinum sitzende Carcinome beim Drängen noch gut von unten fühlen. Dagegen
möchten wir auf die Möglichkeit einer Täuschung aufmerksam machen in dem
Falle, wo Carcinome des untersten Theiles der Flexur im Douglas durch Ad-
häsionen fixirt sind. Diese Fälle sind natürlich von oben zu excidiren.
27*
a2 o Specielle Operationslehre.
der Leber ist entschieden häufiger, als bei tiefgelegenen Krebsen.
Die frühe Diagnose dieser Metastasen ist schwierig.
Der Grund für die verschiedene Indicationsstellung liegt ganz
einfach in der Technik. Wer nicht die richtige Technik kennt, wird
sich von der Mastdarmexcision nicht befriedigt fühlen, einmal weil
er nicht die Sicherheit hat, Sepsis zu verhüten und damit un-
mittelbare Lebensgefahr, zweitens weil er nicht ruhig ist, völlig sauber
.das Kranke entfernt und seinen Patienten zum mindesten gegen
locales Recidiv im Darm sichergestellt zu haben, drittes weil er eine
Anzahl sehr unangenehmer Folgen in Kauf nehmen muss, nämlich
Incontinenz, Stenose, Prolaps. Allerdings ist auch bei richtiger
Technik die Mastdarmexstirpation in sehr vielen Fällen ein schweres
Stück Arbeit, man darf nicht glauben, dass irgend eine Technik sie
in der Mehrzahl der Fälle zu einem angenehmen und leichten Unter-
nehmen gestalten könnte.
Wir verweisen für die geschichtliche Entwickelung der Technik
auf die trefflichen Darstellungen von Krönlein und Rehn am
2g. Congress der deutschen Ges. f. Chirurgie 1900 in Berlin. Die
Fortschritte in der Technik sind, seit LlSFRANC vor 3/4 Jahrhundert
die erste Mastdarmexstirpation machte, allerdings gross, und es ist
das grosse Verdienst Kraske's in neuester Zeit mehr als ein Anderer
Anregung zur Verbesserung der Technik gegeben zu haben, durch
Erweiterung des Operationsgebietes beim Eingehen von hinten her.
Rehn hat namentlich auf die Notwendigkeit einer genauen Berück-
sichtigung der anatomischen Verhältnisse aufmerksam gemacht, wie
sie von Waldeyer, Gerota, Goldmann klar gelegt sind.
Rehn will mit Waldeyer behufs Operation unterschieden
wissen zwischen einer Pars perinealis recti, dem strammen
musculösen Schlussapparat, der mit Fascie und Muskeln des Beckens
eng verbunden ist; einer schlaffen und blasenartigen Pars pelvina
recti bis zur Höhe des 3. Kreuz wirbeis halb intraperitoneal, von
einer zur Fascia propria recti verdichteten Fortsetzung der Subserosa
umschlossen, welche seitlich gegen das Becken Verbindung hat;
endlich einem ganz intraperitonealen Colon pelvinum (Jonnescu)
mit Mesenterium bis zum Promontorium reichend. In diesem
Mesenterium läuft die Arteria haemorrhoidalis interna (aus der
Mesenterica inferior), die Hauptarterie des Rectum, um mit zwei seit-
lichen Aesten unter die Fascie der Pars pelvina recti zu treten.
Unter dieser liegen auch die Plexus haemorrhoidales venosi interni
und externi, die Lymphgefässe und sympathischen Nerven. Zwischen
Fascie und Kreuzbein liegen die Arteriae sacrales mediae (aus der
Aorta) und laterales (aus der Hypogastrica), sowie das sacrale Venen-
netz, die sacralen Lymphdrüsen und spinalen Nerven.
Sacralgegend. 42 1
Die Lymphgefässe der Analhaut gehen zu den Leistendrüsen,
diejenigen der Schleimhaut des Rectum in Drüsen, welche bis zum
Peritoneum wesentlich seitlich dem Rectum anliegen zwischen Rectum
und der Fascia propria recti, wo die Aeste der Art. haemorrh. int.
eintreten ; oben liegen sie im Mesenterium des Colon pelvinum.
Wir stellten oben als Grenze für die Mastdarmexstirpation auf
die Möglichkeit, die Geschwulst durch die Palpation per rectum zu
erkennen und die Feststellung der Beweglichkeit dieser Geschwulst.
Unbewegliche oder mit 2 Fingern auch in Narkose von unten nicht
zu erreichende Mastdarmkrebse von unten operiren zu wollen, halten
wir nicht im Interesse des Patienten. Wir können freilich Alles
thun, aber es frommt nicht Alles. Man kann als Regel feststellen,
dass die Lymphgefässe von den oberen Theilen des Mastdarmes
aufwärts gehen und in auf- und auswärts gelegenen Ljrmph-
drüsen münden. Nach Sappey's, Poirier's, Gerota's und Wal-
deyer's Untersuchungen ergiessen sich bloss die Lymphgefässe der
Pars analis in die oberen inneren Leistendrüsen. Für Krebse der
Pars pelvina sind die oberen Hämorrhoidaldrüsen in der Excavatio
sacri und weiter aufwärts entlang der Art. haemorrhoidalis interna
befallen. Mat hat also keinen Grund, Carcinome, welche von oben
gut zugänglich sind, von unten entfernen zu wollen, da sich das
kranke Lymphstromgebiet soweit hinauf erstreckt. Man muss den-
selben von oben entgegenkommen. Für uns giebt es deshalb keine
Frage der Exstirpatio recti von oben. Von oben zur excidiren, sind
die Carcinome der Flexur bis zum Anfangstheil des Colon
pelvinum am Promontorium, und diese können wir allerdings auch
dann noch entfernen, wenn sie keine Beweglichkeit für die Palpation
zeigen, und auch wenn sie durch Palpation von unten und oben
nicht direct nachzuweisen sind. Aber da ist es nicht zweckmässig,
noch von Mastdarmoperation zu sprechen. Die präliminare Ligatur
der Art. haemorrhoidalis interna nach G. Bruno, Quenu und Hart-
mann kommt bloss in Frage, wenn man verwachsene Tumoren im
Bereich der Flexur zu trennen hat und Indication findet, gleichzeitig
das ganze Rectum zu excidiren. Ob diese Indication in den bislang
so operirten Fällen stets eine absolute war, lassen wir dahingestellt.
Ueber das Vorgehen bei Carcinom der Flexur haben wir uns auf
Grund eigener Erfahrungen oben ausgelassen (vergl. Darmresection).
Seit der Discussion über Mastdarmexcision 1900 in Berlin sind
in Deutschland aus einer grösseren Anzahl Kliniken Mittheilungen
erschienen, um die Resultate festzustellen, welche die Operation im
Allgemeinen und bei den verschiedenen Methoden giebt. Eine Einig-
keit ist nicht erzielt worden. Einzelne Autoren, wie Hochenegg, wie
der Erfinder der Methode selbst (Kraske) sind bei der sacralen
Methode stehen geblieben und suchen nachzuweisen, dass dieses Ver-
a 2 2 Specielle Operationslehre.
fahren die besten Resultate bezüglich Mortalität ergiebt, bloss 5 Proc.
und 25 Proc. Dauerheilungen. Hochenegg hat durch seine 1 2 1 sacralen'
Rectumexcisionen den Beweis geleistet, dass bei grosser Uebung und
in geschickten Händen sich sehr schöne Resultate auf dem sacralen
Wege erreichen lassen. Kr aske berechnet auf seine letzten 51 Ope-
rarionsfälle gar bloss 3,9 Proc. Mortalität.
Prutz (Eiselsberg) bestreitet die Richtigkeit der Statistik von
Pichler (Hochenegg). Er berechnet auf 542 sacrale Operationen,
von 14 Chirurgen publicirt, 115 Todesfälle = 21,2 Proc. Er hat
insofern völlig Recht, als in HoCHENEGG's Operationen auch die
perineal-coccygealen Methoden mitgerechnet sind.
Hochenegg erwähnt meine coccygeale Methode1) gar
nicht, und doch liegt für Jeden, welcher die Statistiken durchgeht,
auf der Hand, dass diese in einzelnen Statistiken wesentlich zur Ver-
besserung der Statistik „sacraler" Methoden beigetragen hat.
Andere Autoren, so Schneider (116 Fälle aus Madelung's
und Garre's Klinik), finden in den Resultaten keine wesentlichen
Unterschiede zwischen den sacralen und coccygealen Methoden. Aus
der Statistik von Wendel (46 Fälle aus KüSTER's Klinik) ergiebt
sich ebenfalls, dass die coccygeale Methode mit der sacralen
zusammengeworfen ist ohne specielle Nennung derselben, und dass
jene gegen 1 1 Todesfälle bei 34 sacralen Operationen 1 1 Heilungen
ohne Todesfall ergeben hat. Dasselbe gilt von der Veröffentlichung
von H. Wolff aus der BERGMANN'schen Klinik. Ebenso hat
Wölfler „fast immer" meine Methode gemacht, d. h. bloss die
Exstirpation des Steissbeins ausgeführt. Dasselbe gilt von Schuchardt
u. A. .
Soviel geht mit aller Bestimmtheit aus den Statistiken der letzten
Jahre ebenso aus verschiedenen Discussionen in gelehrten Gesell-
schaften hervor, dass man bestrebt ist, die sacralen Methoden im
engeren Sinne des Wortes — unter Ausschluss unseres coccy-
gealen Verfahrens — mehr und mehr einzuschränken. Sehr
energisch spricht sich N. Senn gegen dieselben aus. Er erklärt
nach seinen Erfahrungen die sacrale Methode nicht bloss für unnöthig,
sondern für durchaus schädlich („absolutely harmful") bei Mastdarm-
krebs. Er hofft, die Methode werde bald obsolet werden. Alle auf
Grund gerechtfertigter Indication ausführbaren hohen Rectumex-
cisionen können nach meiner Methode mit Steissbeinexcision sehr
1) Obschon Hartmann in neuester Zeit aufmerksam gemacht hat, dass
der Vorschlag Verneuil's, das Steissbein zu reseciren, sich nicht bloss auf den
Anus imperforatus, sondern auch auf Neubildungen bezogen habe, so glaube
ich, ist es doch berechtigt, die coccygeale Methode als die KocHER'sche zu
bezeichnen, weil ich — ohne Kenntniss des Vorschlags Verneuil's nach Rich-
tung der Carcinome — der Methode erst eine prinzipielle Bedeutung gegeben habe.
Sacralgegend. 423
wohl ausgeführt werden, ohne die Verstümmelung, welche die sacrale
Methode mit sich bringe. Bei Excisionen in den unterhalb des
Peritonealsackes gelegenen Abschnitten sei nicht einmal die Steiss-
beinexcision von Nöthen.
Soviel ist für die grosse Mehrzahl der Chirurgen ausgemacht,
dass namentlich die osteoplastischen sacralen Methoden zu verlassen
sind. Wir haben uns also zu beschränken auf die perinealen, coccy-
gealen 1), vaginalen, endlich event. auf die combinirten Methoden
der Mastdarm excision. Einigkeit herrscht über die vaginale Methode.
a) Die vaginale Excision des Rectum (nach Camperon
und Rehn).
Rehn und Liermann, Murphy, Schuchardt sind für hohe
Mastdarmexcisionen bei der Frau für die vaginale Methode ein-
getreten und betrachten sie hier als Normalverfahren. Es ist
zweifellos, dass die Spaltung der hinteren Scheidenwand von der
Portio bis zum Frenulum einen sehr bequemen Zugang giebt, und
auch wir halten dieselbe für alle noch von der Vagina fühl-
baren Mastdarmcarcinome für vortheilhaft.
Von dem Vaginalschnitt aus bis zur vorderen Mastdarmwand wird
der Schnitt seitlich, und zwar sehr ergiebig mittelst paraanalen
Schnittes bis ins Cavum ischio-rectale vertieft. Liermann betont
besonders den Werth dieses nach hinten gehenden Schnittantheils,
welchen gehörig auszunutzen nach SCHUCHARDT so wichtig ist bei
seiner Methode der Uteruscarcinom - Exstirpation. Die ringförmige
Umgehung des Mastdarms wird von Liermann 3 cm oberhalb des
Anus gemacht und von hier die Auslösung des Rectum vorgenommen.
Ueber das Weitere siehe unten.
Die vaginale Methode hat sich auch ElSELSBERG sehr vortheil-
haft erwiesen, und er hebt hervor, wie oft er in der Lage war,
Theile der Vagina oder des Uterus mitzuentfernen. Damit ist der
Hauptwerth der Methode berührt. Wo Verdacht einer Verwachsung
des Rectumkrebses mit Vagina und Uterus besteht, sollte unbedingt
dieser vaginale Weg gewählt werden (soweit nicht ein paravaginaler
Schnitt nach Schuchardt genügt) , um gründliche ' Entfernung
alles Kranken zu sichern. Gehen die Gynäkologen doch umgekehrt
so weit, bei primären Scheidenkrebsen a priori eine Mitexcision des
Rectum zu verlangen (Krönig, Friedrich) wegen der häufigen
Recidive in dessen Nachbarschaft. Wo die Scheide und die Gegend
der Portio mitergriffen sind, muss man auch die von diesen Theilen
versorgten Drüsen an der Theilungsstelle der Art. iliaca communis
noch zu entfernen suchen.
1) Wir halten es nicht für zweckmässig, die coccygeale Methode den
perinealen zuzurechnen, da die Gegend hinter dem After nach Sprachgebrauch
nicht mehr zum Perinaeum gehört.
A2A. Specielle Operationslehre.
b) Die perineale Methode derExcisio recti (Lisfranc).
Dieses Verfahren passt in erster Linie auf die Krebse der Anal-
portion und höchstens noch des unmittelbar anstossenden Theiles
der Pars pelvina recta. Hier, wo man den musculösen Apparat in
keiner Weise schonen kann und soll, beginnt die Operation mit einer
ergiebigen Umschneidung des Anus in genügender Entfernung vom
kranken Gewebe, und die Analportion wird nunmehr in der Weise
freigemacht, dass man sie allseitig umgeht in sicher gesundem Ge-
webe. Im Bereich der Analportion besteht bei kräftigem Auseinander-
ziehen der Wundränder eine Schwierigkeit der Blutstillung aus den
Aesten der relativ kleinen Arteriae haemorrhoidalis media und
inferior nicht.
Nach vorne wird der Bulbus urethrae gelöst, beim Weibe die
Vagina in- resp. excidirt. Man dringt vorne entlang der Pars
membranacea urethrae (in welcher ein gut fühlbarer Catheter ver-
lässlich befestigt ist) in den Raum zwischen Prostata und Fascia
praerectalis herauf und umgeht seitlich die zuführenden Gefässbündel.
Ueber das Weitere siehe die folgende Schilderung.
c) Die coccygeale Methode der totalen Rectum-
exstirpation mit extrarectalem hinteren Längsschnitt.
Diese Excisionsmethode ist für alle oberhalb der Analportion
resp. hochgelegenen Mastdarmkrebse unser Normalverfahren, das wir
demgemäss eingehender schildern.
Es freut mich, mich dabei principiell in völliger Uebereinstimmung
bezüglich Technik mit einem so gewandten und kühnen Chirurgen
zu wissen wie Rehn in Frankfurt. Ich glaube zuerst in neuester
Zeit auf die Vortheile des medianen Schnittes, den Dieffen-
BACH seiner Zeit geübt hat, wieder aufmerksam gemacht zu haben,
als ich die Exstirpation des Steissbeins in Verbindung
mit dem hinteren Längsschnitt empfahl. Wo man auch nur
theilweise Darmwand zur Naht nehmen muss, welche keinem Peritoneal-
überzug besitzt, begiebt man sich auf unsicheren Boden bezüglich
Asepsis, sobald man die Wunde in die Tiefe versenkt. Die medianen
Schnitte haben den principiellen Vortheil, die Innervation der Weich-
theile, speciell Muskeln intact zu erhalten. Und dies ist das Maassgebende
neben der Erhaltung der Schleimhaut des unteren Mastdarm endes.
Für alle Mastdarmkrebse soll man zunächst auf die hohe Am-
putation ausgehen. Die Grenze, wo die Resection den Vor-
zug verdient, d. h.J Excision eines Stückes des Darmes mit Vereinigung
der beiden Enden, ist nach dem Verhalten des Bauchfellüberzuges zu
bestimmen. Wo das obere und untere Ende Peritonealüberzug
besitzen, kann man eine sichere Naht anlegen. Wo dieser fehlt,
begiebt man sich mit Resection auf unsicheren Boden bezüglich Asepsis
Sacralgegend. 425
und späterer Stenosirung sowie radicaler Entfernung des Erkrankten L).
Es soll für alle Fälle, wo man die Wunde schliessen und Primaheilung
anstreben will, der gesunde Darmabschnitt oberhalb in die Analportion
eingesetzt werden, aber diese Einsetzung soll in Einbettung in die
contractionsfähig erhaltene Muskulatur der untersten gesunden Mast-
darmabschnitte d. h. der Pars perinealis recti mit Sphincteren und
Levator ani bestehen.
Welche Methode ist nun geeignet, diesen principiellen Forderungen
für die meisten Fälle gerecht zu werden? Rehn befindet sich mit
mir insofern in Uebereinstimmung , als er den medianen hinteren
Längsschnitt empfiehlt, bloss verzichtet er auf die Excision des Steiss-
beins und zieht dasselbe bloss auf die Seite. Wenn aber letzteres
wirksam geschehen soll, so muss es entweder luxirt oder gebrochen
werden und es hat dann seine Erhaltung keinen wesentlichen Vor-
theil, während die Entfernung viel besser Raum und Zugang giebt.
Dagegen will Rehn stets zuerst die vordere Raphe bis an den
Sphincter spalten und gleich zwischen die beiden Blätter der Fascia
recto-vesicalis und damit zwischen Prostata und Rectum in die Tiefe
dringen. Wir machen dagegen diesen vorderen Schnitt erst in
zweiter Linie, erst und nur dann, wenn der hintere zu wenig Ein-
blick gewährt.
Wir haben wohl mit zuerst auf die Vortheile aufmerksam gemacht,
welche es bietet, das Rectum wie eine Cyste in toto zu excidiren, ohne
dasselbe zu eröffnen und den oberen Stiel in den Anus einzusetzen,
wie Quenu und Baudet es wieder 1898 verlangen. Wir berufen
uns hierfür auf die früheren Auflagen dieser Operationslehre. Es
gelingt aber leider nicht immer, dies zu thun wegen Zerreisslichkeit
des Rectum und Verwachsungen im Bereich des Tumor. Wenn aber
beim Versuch, das Rectum geschlossen auszulösen, dasselbe einreisst
und der Inhalt die Gewebe verunreinigt, so ist man in einer viel
schlimmeren Lage, als wenn man von vornherein das Rectum ge-
spalten hat. Für diese Fälle haben wir uns einer Resectionsmethode
bedient, welche man mit sehr guter Aussicht auf Erfolg auch von
vornherein anwenden kann und die sich zumal Ungeübteren durch
die Sicherheit und Einfachheit bezüglich Ausführung und Blut-
stillung empfiehlt. Wir werden dieselbe in zweiter Linie schildern.
Kann man die Totalexcision des Rectum bis an die Analportion
machen, so hat das noch den von Rehn geltend gemachten Vorzug,
dass die Flexur sich nach Einkerbung des Mesenterium mit weniger
Schaden für Behinderung der Circulation herunterziehen lässt, als
I) Man sehe nur die von H. Wolff publicirten Resultate eines Chirurgen
ersten Ranges (Bergmann) an, welche bei Amputatio recti 14,7 Proc, bei
Resectio recti 47,7 Proz. Todte aufweisen.
A26 Specielle Operationslehre.
das Colon pelvirmm, da hier gute Anastomosen mit den anderen
grossen Mesenterialarterien bestehen.
Stets hat der Excisio recti für den Fall, dass dasselbe angerissen
wird, eine gründliche Reinigung vorauszugehen. Man darf sich aber
nicht einbilden, diese zu erreichen durch Entleerung des Darmes von
oben. Und man versteht sehr wohl, wenn einzelne Chirurgen, wie
HOCHENEGG von Abführmitteln ganz absehen wollen. Denn wie
PETERSON bei der Implantation der Ureteren in die Flexur gefunden
hat, ist das Schlimmste bei einer Operation eine vorhandene Diarrhöe.
Wir geben gründliche Abführmittel 8 Tage vor der Operation, dann
aber flüssige Diät und Wismuth mit Opium, um 4 — 5 Tage lang zu
stopfen. Die letzte Reinigung, wie PETERSON gefunden hat, findet
am besten in gehöriger Narkose, wenn der Sphinkter völlig
erschlafft ist, zu Beginn der Operation statt. Da wird das Rectum bis
zum Tumor gründlich ausirrigirt (mit Seifenwasser), aber so, dass
nichts in den Darm aufwärts gelangt, um nachher das Operations-
gebiet zu überschwemmen. Jede Flüssigkeit wird sorgfältig wieder
ausgetupft, eventuell das Rectum mit steriler Gaze ausgestopft bis
zum Tumor.
Schnitt in Rückenlage mit erhobenem Steiss und zurück-
geschlagenen Beinen vom Anus median rückwärts bis auf den
unteren Theil des Kreuzbeines. Dicht am Knochen wird das Steiss-
bein hinten und seitlich blossgelegt, an der Spitze mit scharfen Haken
gefasst und auch auf seiner Vorderfläche unter Meidung der Art.
sacralis media dicht vom Knochen losgelöst und vom Kreuzbein
abgetrennt, event. an der Basis mit Zange durchschnitten, wenn man
das Gelenk nicht gleich findet.
Nun wird median tiefer geschnitten bis auf die das Rectum ein-
hüllende Fascie und über der Pars perinealis, d. h. über den Muskeln
zu beiden Seiten stumpf das Rectum umgangen, bis man in ge-
nügender Breite den Finger um dasselbe führen, 2 Presszangen
anlegen und mit starkem Faden zuschnüren kann, dem unteren
Theil der Pars pelvina entsprechend. Zwischen den Faden wird
mit dem Thermocauter getrennt und die Schleimhaut der Stümpfe
verschorft.
Zwischen Excavatio sacralis und Rectumfascie geht nun der
Finger in die Höhe und löst das Rectum bis über die Geschwulst
stumpf los. Nach den Seiten hin werden zutretende Gefässbündel
mit dem Finger, dann mit grossen Arterienhaken umgangen, um-
schnürt und unter Anlegen von starken Arterienzangen an den
peripheren Theil durchschnitten. Das Rectum wird möglichst nach
unten gezogen. Am vorderen Umfang gelangt man bald an das
Peritoneum. Sobald man eine gesunde Stelle desselben ausser Bereich
Sacralgegend. 427
des Tumor fassen kann, wird dasselbe eröffnet und auf und rückwärts
an der Grenze gegen das Colon pelvinum rings losgelöst. Durch
gehörige Trennung des Peritoneum wird das Rectum auf einmal
viel beweglicher und kann stärker nach unten gezogen werden.
Was es jetzt noch hält, sind die Mesenterien des Colon pelvinum
und sisrmoideum. Auch diese trennt man, soweit dieselben eine
Spannung bewirken. Aber man muss sorgen, dass bei deren
Ablösung die Gefässe nicht zerrissen, sondern mitabgehoben werden.
Eine Hauptspannung ergiebt nach Rehn's Nachweisen nur noch die
Arteria haemorrhoidalis interna. Wenn diese zu sehr gezerrt und
gezerrt erhalten wird, so leidet die Circulation Noth; es ist daher
besser, sie zu fassen und nach centraler Ligatur und Anlegen einer
langen Arterienzange peripher zu durchschneiden.
Dabei muss man Bedacht nehmen, das Zellgewebe vor dem
Sacrum sammt den Hämorrhoidaldrüsen möglichst hoch hinauf mit-
zunehmen.
Der Darm kann soweit freigemacht werden, dass man 30 cm
und mehr herausziehen kann. Auf diese Weise wird der Forderung
Friedrich's und Schuchardt's ein Genüge geleistet, stets die Aus-
räumung des ganzen Cavum praesacrale mit Herunterholung der
Flexur auszuführen.
Jetzt stülpt man die oben zugebundene Pars analis am Schnür-
ring durch den Anus hindurch nach aussen vor, schneidet die Ligatur
stumpf ab unter Fassen der Ränder mit Arterienklammern und sicherem
Schutz der Wunde gegen Berührung mit der Schleimhaut. Das zu-
gebundene obere Darmende wird durch den Analring und die in-
vaginirte (besser exvaginirte) Pars perinealis durchgezogen und zwar
bis über die Geschwulst hinaus, gehörig oberhalb derselben (3 — 4 cm)
mit Presszange gefasst und Tumor mit Rectum abgeschnitten, nach-
dem man vorher die hintere Wunde mit Gazetampon gehörig vor
jeder Verunreinigung geschützt hat.
Ueber der Zange wird an beschränkter Stelle die eine Wand
getrennt und sofort mit dem freien Saum der invaginirten Pars
perinealis durch Catgutknopfnähte nach Maassgabe der Durch-
schneidung vereinigt.
Nunmehr wird der invaginirte Analtheil wieder durch den Anus
zurückgeschoben und erst jetzt die Pars analis nach hinten gespalten
und über die Knopfnaht noch beiderseits eine fortlaufende Catgut-
naht gelegt.
Oben kann die Hautwunde mit einigen tiefgreifenden Silber-
oder Broncealuminiumdrähten geschlossen werden, mit einer Seiden-
naht drüber. Die unterhalb der Darmnaht befindliche Pars perinealis
recti dagegen wird nicht vereinigt, damit der Ausfluss aus dem
a28 Specielle Operationslehre.
Darm nicht behindert sei und bei Nachlass der Naht sich der Darm-
inhalt nicht ins Zellgewebe infiltriren könne. Zum mindesten muss
bei Naht eine Xeroformgaze bis an die Nahtstelle eingeschoben
werden.
Man kann sich die Operation vereinfachen, resp. die hintere
Naht ohne Bedenken vollständig schliessen mit 2 und 3 Drainröhren,
wenn man statt den Analtheil intact zu erhalten, denselben excidirt
oder wenigstens die Schleimhaut desselben abträgt, was nicht
schwierig ist. Allein es ist von WÖLFLER mit Recht aufmerksam
gemacht worden, dass wir für richtige Function des Afters nicht
bloss Muskeln, sondern auch eine sensible Zuleitung brauchen, welche
die Entleerung regulirt.
d) Coccygeale Resectio recti mit hinterer Längs-
spaltung bis in das Darmlumen.
Die Methode der Totalexcision des Rectum ohne Eröffnung des-
selben mit Einheftung des unteren Theils der Flexur in die Anal-
portion ist sicher das Ideal, wenn man dabei noch das präsacrale
Zeildrüsengewebe ausräumt. Allein das gelingt nicht immer. Oft
genug reisst beim Versuch der Isolirung das Rectum ein oder die
andere Ligatur beim Zug ab oder schneidet durch. Für diese Fälle
haben wir in der Ausnutzung der alten DiEFFENBACH'schen hinteren
Längsspaltung und Combination derselben mit Steissbeinresection ein
vorzügliches Ersatzmittel durch eine Reihe von günstigen Erfahrungen
kennen gelernt. Wir schildern das Verfahren für einen Fall, wo
man auf die extra- oder perirectale Ausschälung des ganzen Rectum
verzichtet hat.
Ausreinigung und Austupfen des Rectum wie oben beschrieben.
Schnitt bis auf das Sacrum und Steissbeinexcision, wie oben. Nun
wird aber sofort nach Einführen von 2 Fingern (mit Cautschuk-
handschuh) ins Rectum der hintere Längsschnitt durch die ganze
Dicke des Rectum und der dasselbe bedeckenden Weichtheile ge-
macht und die Wundränder mit starken Arterienklammern gefasst
und angezogen beiderseitig. So kann man median aufwärts unter
sofortigem Anlegen von Fasszangen ohne Blutung die Rectalwand,
selbst bei hochsitzendem Carcinom bis an den unteren Rand des
Tumor heran spalten.
Das Rectum wird nochmals gründlich abgetupft, der Finger
(mit Cautschuk geschützt) durch die enge Stelle eingeführt und der
Tumor abwärts gezogen und an seinem vorderen Umfang die durch
den Zug invaginirte Rectalwand quer gespalten, bis die Serosa
erscheint, der Rand gefasst und soweit nach den Seiten gespalten,
(unter sofortiger Fasszangenanlage), dass der Tumor in toto mit der
Serosa oberhalb desselben in der Wunde erscheint. Jetzt kann
Sacralgegend. 429
hier sofort eine Serosanaht angelegt werden, welche soweit nöthig
nach den Seiten und hinten unter weiterer Durchschneidung der
auf den Tumor umgeschlagenen gesunden Rectal wand fortgesetzt
wird.
Durch diese Invagination des Tumor abwärts lässt sich unblutig
mit der Scheere der Tumor erst unten im Gesunden rings ein-
schneiden, dann oben, indem man ihn von hinten sammt dem prä-
sacralen Drüsenzellgewebe umgreift und herabzieht. Die Trennung
geschieht, an der Vorderwand beginnend, schrittweise, indem
Muscularis und Mucosa, soweit sie getrennt sind, sofort mit der
Muscularis und Mucosa unterhalb durch Knopfnähte (Catgut) ver-
einigt werden.
Will man jetzt ganz sicher gehen und die Operation rasch be-
endigen, so heftet man, am besten in ganzer Länge des hinteren
Längsschnittes, die Wand des Rectum an die äussere Haut. Wir
haben auf diese Weise saubere und gründliche Resection von Rectum-
krebsen gemacht, ohne eine Ligatur anzulegen.
Erstrebt man einen von vornherein besseren Erfolg, so muss
man die hintere Rectalwand für sich vernähen mit Catgut, an dem
obersten Theil der Nahtstelle eine Xeroform gaze einschieben und die
Hautwunde drüber nähen. Ich habe mit KÜSTER die Erfahrung
gemacht, dass dabei in der Mehrzahl der Fälle eine Rectalfistel ent-
steht, so dass nur ein kleiner Procentsatz besser dran ist, als die-
jenigen, bei welchen Schleimhaut das Rectum in ganzer Länge des
hinteren Längsschnittes mit der Haut vereinigt wurde. Die letzte
Maassnahme giebt aber eine viel grössere Garantie gegen jede be-
denkliche Infection und die Resultate, welche wir damit erzielt
haben, haben uns mehr befriedigt, als diejenigen der anderen
Methoden.
Wir machen zur Begründung dieses einfachen und sicheren
Operationsverfahrens nochmals darauf aufmerksam, dass es wesent-
lich darauf ankommt, das retrorectale Zellgewebe und die Drüsen
aufwärts vom Tumor mit herauszubekommen, also die Nicht-
berücksichtigung der Ausräumung der Excavatio sacralis unter-
halb des Tumors nicht als ein Fehler betrachtet werden kann.
Wir werden in der Lage sein , bald über unsere Resultate zu
berichten.
Wenn man mit H. Wolff eine peinlich sorgfältige Ent-
fernung der im Mesorectum und M esosi gmoideum
sitzenden Drüsen verlangt, so kann das nur die combinirte
Methode bei gleichzeitiger Laparotomie leisten nach dem
bei der Resection des Dickdarms geschilderten Verfahren. Das
Gleiche gilt von den Fällen mit reichlichen Verwachsungen mit den
43 o Specielle Operationslehre.
umgebenden Organen. Derartige Fälle können von unten resp.
hinten nur operirt werden, soweit es sich um bewegliche Becken-
organe handelt, welche man unter Sichtbarmachung sauber mit-
excidiren kann, wie bei der vaginalen Methode besprochen. Sonst
hat die Excision eines verwachsenen Carcinoms bloss einen Sinn,
wenn man sich von oben und unten überzeugt, ob die Verwachsungen
sich in völlig gesundem Gewebe trennen lassen.
181) Sigmoideo-Rectostomie nach Bacon und Rotter.
Statt der Excisio recti für hartnäckige Mastdarmstricturen haben
die genannten Autoren eine Anastomose zwischen der Flexur, welche
unter Verschli essung des unteren Endes per laparotomiam getrennt
wurde, und dem Rectum unterhalb der Stenose hergestellt.
II Theil.
Chirurgie der Extremitäten.
I. Freilegung der Gefässe und Nerven.
Die grösseren Gefässe werden aufgesucht behufs Blutstillung,
und diese geschieht der Hauptsache nach durch Ligatur. Das
Gefäss wird mit einem gehörigen Weichtheilschnitt unter Vermeidung
von Neben Verletzungen freigelegt und an möglichst beschränkter
Stelle isolirt, um mittelst eines Arterienhakens (sog. Aneurysmanadel)
einen Faden umzulegen und mit Kraft zuzuschnüren, um Media und
Intima zu zerreissen und die Adventitia zur Berührung zu bringen.
Die Blutstillung in Wunden geschieht wohl auch noch zum
guten Theil mittelst Umlegung von Seidenligaturen, aber daneben
mehr und mehr zur Vermeidung einzulegender Fremdkörper mittelst
Torsion oder forcirter Compression durch sog. Angiotriptoren,
d. h. ungemein kräftig schliessender Zangen. Endlich verdient noch
als neueste Errungenschaft Erwähnung bei Blutung aus der Continuität
grosser Gefässe die Gefässnaht. Dieselbe besteht in seitlichem Ver-
schluss der Gefässe mittelst i oder 2 Reihen fortlaufender Naht. Sie
ist hauptsächlich bei grossen Venen in Frage (von Zoege-Manteuffel),
selbst bei sehr breiter Eröffnung der Vena cava inferior mit Glück
in Anwendung gebracht worden. Ich habe sie an der Vena subclavia
und im Winkel zwischen Vena jugularis und subclavia ausgeführt.
Die Freilegung der Nerven zur Resection oder Dehnung
derselben bei Neuralgien und Krämpfen oder behufs Anlegung von
Nervennähten nach Trennung hat in neuester Zeit eine erhöhte
Bedeutung gewonnen dadurch, dass man grössere Regionen des
Körpers durch Cocainisirung von Nervenstämmen unempfindlich
machen und so ohne Allgemeinnarkose Operationen ausführen kann.
Zu diesem Behufe muss man über den Verlauf selbst kleinerer
Nervenstämme genau orientirt sein.
432 Chirurgie der Extremitäten.
Ganz besonders ist in unserer Darstellung noch darauf Bedacht
genommen, zu zeigen, wie man grosse Incisionen machen kann in die
Tiefe unter Schonung von Gefässen und selbst kleinen Nervenstämmen.
R. Obere Extremität,
a) Schultergegend.
Operationen an der Schulter werden am öftesten aus-
geführt zur Eröffnung des Schultergelenks und zur Entfernung von
Geschwülsten aus der Achselhöhle, speciell Drüsengeschwülsten. Die
Incisionen vorne und hinten halten sich als Regel an den deutlich
fühlbaren Vorder- oder Hinterrand des M. deltoides, dessen Fasern
geschont werden müssen. Geben diese Schnitte nicht genügenden
Raum, so wird ein Schnitt am oberen Ansatz des Deltoideus entlang
Acromion und Clavicula oder Spinae scapulae hinzugefügt. (Vergl. die
S. 76 und 77 geschilderten vorderen und hinteren Schulterschnitte
zur Resection.) Von der Axilla aus gelangt man mittelst eines fron-
talen Schnittes entlang der vorderen oder hinteren Achselfalte oder
besser mittelst sagittalen Schnittes parallel der Furche zwischen Ober-
arm und Thorax, d. h. die vordere und hintere Achselfalte kreuzend,
am besten und schonendsten in die Tiefe und erhält guten Zugang.
Bei solchem Schnitt legen sich die Wundränder nach Annäherung
des Arms an den Thorax von selben aneinander, so dass man nicht zu-
zunähen braucht. Der sagittale Achselhöhlenschnitt ist speciell
bei Drüsengeschwülsten, aber auch zur Freilegung des unteren Pfannen-
randes und des nach vorne luxirten Kopfes am Platz. Er wird bei
stark abducirtem Arme gemacht.
182) Arteria subclavia (Fig. 129 und 130).
a) Mit Querschnitt unter der Clavicula (Fig. 129).
Schnitt 1 cm unter dem mittleren Drittel der Clavicula mit
Durchschneidung der Fasern des Platysma sammt den sensiblen
Nervi supraclaviculares. Schonung der Vena cephalica am
Vorderrand des Deltoides bei Spaltung der Fascie. Durchschneidung
der Clavicularportion des Pectoralis major. Die Vena cephalica wird
nach oben gezogen sammt den Aesten der A. thoracico-acromialis
und den N. thoracici anteriores. Diese dünnen Nerven treten unter
der Clavicula über den Gefässen herab und versorgen die Pectorales.
Unter der Clavicula wird die stramme Fascie des M. subclavius
gespalten und der obere Rand des M. pectoralis minor freigelegt.
Jetzt erscheint die Vena subclavia. Nach aussen der Plexus
axillaris. Der der Vene nächste und oberflächlichste grössere
Nervenstamm ist der Medianus. Derselbe wird am medialen Rande
i*> ■
433
Arteria
lingualis
N. hypoglossus
A. maxillaris externa
Carotis externa
Cornu majus
f Vena jug. ext.
Carotis |
communis (M- sternocleido
■2 f M. sternocleido mastoid.
A. ano-' Glandula thyreoidea
nyma I N. vag. m. Recurr.
V. jug. comm.
Glandula submaxillaris
M. stylo-hyoideus u. digastricus
Raraus descendens hypoglossi
rJ M. omohyoideus
-Ms
M. sterno hyoideus
rrsujug.
Fig. 129. 1. Ligatur der Arteria lingualis über dem Zungenbein. 2. Ligatur der
Carotis communis in der Höhe des Ringknorpels. 3. Ligatur der Arteria anonyma.
4. Ligatur der A. subclavia unter dem Schlüsselbein. 5. Ligatur der A. mammaria
interna.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl.
28
434
Chirurgie der Extremitäten.
freigemacht und zwischen ihm und der Vene in die Tiefe gegangen.
Darunter tritt die Arterie im Winkel zwischen Clavicula und oberem
Rand des Pectoralis major zu Tage, auf dem M. serratus anticus
major liegend.
ß) Arteria subclavia mit Längsschnitt
-■' (Fig. 130).
Ihre Richtung ist äusserlich gekennzeichnet durch
die sieht- und fühlbare Furche zwischen M. deltoides
und pectoralis major.
Schnitt auf der Clavicula an der Grenze des
mittleren und lateralen Drittels beginnend, über den
V. cephalica
A. thoracico-acromialis
A. subclavia
N. medianus
A- thoracico-acromialis
JM. deltoideus
V. axillaris
M. pectoralis minor
N. medianus
A. axillaris
f M. bieeps
\ (caput breve)
( M. pectoralis
< major (portio
\clavicularis)
Fig. 130. Ligatur der Arteria subclavia unterhalb der Clavicula.
Processus coraeoides abwärts in der fühlbaren Furche zwischen
Deltoides und Clavicularportion des Pectoralis major bis zum Ueber-
gang der vorderen Achselfalte in den Arm. Am Rande des ersteren
erscheint die Vena cephalica. Die Muskeln werden stumpf getrennt
Obere Extremität.
435
bis zum oberen Rande der Sehne des Pectoralis major. Unter dem
Deltoides erscheint, nach dem Arm abwärts ziehend, der kurze Kopf
des Biceps. Unter seinem Innenrande der Coracobrachialis, an welchen
der Nervus musculo-cutaneus herantritt.
Geg'en den Thorax zu legt man vom Processus coracoides
herunterziehend den lateralen Rand des Pectoralis minor frei, und
zwischen diesem und dem Coracobrachialis liegt das Gefässnerven-
bündel, medianwärts die starke Vena axillaris. Den ersten Nerven-
stamm neben der Vene (Medianus) zieht man medianwärts ab und
findet darunter die Arteria axillaris. Lateral von ihr eine kleinere
Vena collateralis.
Ablösung der Portio clavicularis des Pectoralis major eine kurze
Strecke entlang der Clavicula erleichtert die Operation. Man kann
die Arterie bei diesem Schnitt auch oberhalb des Pectoralis minor
unterbinden (Fig. 130).
183) Die Arteria thoracica suprema geht unter dem M.
subclavius (Fig. 12 g) aus dem Hauptstamm hervor, und an derselben
Stelle ist letzterer von den motorischen Aesten des Pectoralis major
und minor, nämlich den N. thoracici anteriores umfasst.
184) Die Arteria thoracica-acromialis (Fig. 130) geht ober-
halb des oberen Randes des M. pectoralis minor aus der A. sub-
clavia ab, kann also mit dem gleichen Schnitt unterbunden werden.
185) Arteria thoracica longa.
Schnitt entlang der vorderen Achselfalte (resp. jjdem hinteren
Umfang der Pectoralis major- Wölbung) bei abducirtem Arm, an der
Seitenfläche des Thorax beginnend. Nach Spaltung der Fascie findet
man direct hinter dem Pectoralis major-Rande die Arterie auf dem
Thorax resp. dem M. serratus anticus major in der Axillarlinie herab-
laufend, hinter ihr den N. thoracicus longus zum Serratus anticus
major.
b) Axilla.
186) Arteria axillaris (Fig. 131).
Verlaufsrichtung des Gefässes: Von der Mitte der Clavicula zur
Mitte der vorderen Achselfalte. Die Arterie liegt auf der lateralen
Wand des dreieckig-prismatischen Raumes zwischen Thoraxwand
innen (Serratus anticus major), Pectoralis major und minor vorne
und Scapula (Musculus subscapularis) hinten. Schnitt bei stark ab-
ducirtem Arm in der Verlängerung des Sulcus bicipitalis internus
am Innenrande des unter dem Pectoralis major gegen den Arm zu
hervortretenden Muskelwulstes des Coracobrachialis durch Haut und
28*
436
Chirurgie der Extremitäten.
M. biceps
N. cutaneus medius
N. medianus
I
A. brachialis
M. triceps
N. ulnaris
N. medianus
N. ulnaris
N. cutaneus medius
Caput Inter-
im m tricipitis
A. collateralis
ulnaris superior
Fascie
[ V. brachialis
jA. axillaris
, M. coraco brachialis!
M. biceps
N. musculocutaneus
N. ulnaris
Caput internum tricipitis
A. profunda brachii
Muskelzweig- der A. pro- \
funda brachii f
:h.
N. radialis
M. latissimus dorsi
N. axillaris
M. teres major
A. subscapularis
Caput-longum tricipitis
A. circumflexa scapulae
M. latissimus dorsi
Nervi subscapulares
A. thoracico-dorsalis
M. subscapularis
: ||s
Fig. 131. A. axillaris, A. brachialis, A. profunda brachii, A. subscapularis,
N. medianus, N. radialis, N. subscapularis, N. axillaris.
439
Caput longuml
tricipitis /
N. teres major
Caput longuml
tricipitis J
N. radialis
Caput ext. 1
tricipitis /
M. deltoideus
M. teres minor
Tricepssehne
N. axillaris
- A. circumflexa humeri posterior
M. deltoideus
— A. profunda brachii
Caput longum tricipitis |
Caput externum tricipitis
M. deltoideus
brachialis internus
N. radialis u. A. profunda
brachii
Caput externum tricipitis
~~ N. cutaneus radialis inferior
M. supinator longus
Fig. 133. I. Lig- art- circumflexae humeri post. und N. axillaris. 2. u. 3. N.
radialis und A. profunda brachii.
aaq Chirurgie der Extremitäten.
sonst hebt sich die Arterie mit ihr ab. Die Fascie muss gegen den
Thorax zu gespalten werden. Nach Spaltung der Fascie erscheint
die Arterie am vorderen Rande des Armansatzes des M. latissimus
dorsi und des darunter liegenden Teres major, welche die hintere
Achselfalte bilden, in lockerem Fettzellgewebe. Der Stamm ist kurz.
Er ist daran zu erkennen, dass rückwärts aus ihm die A. circum-
flexa scapulae abgeht. Im Armwinkel des Schnittes sieht man auf
der Wölbung des Humeruskopfes den Nervus axillaris.
190) Die Fortsetzung des Stammes gegen den Thorax zu ist
die A. thoracico-dorsalis (Fig. 131), vom starken Nervus subscapularis
(zum M. latissimus dorsi) begleitet, welcher von oben herabkommt.
191) Der andere Hauptast ist die A. circumflexa scapulae
(Fig. 131), welche zwischen Latissimus (mit Teres major) und M. subscapu-
laris auf der medialen Seite des M. anconaeus longus nach rückwärts
zieht. Neben ihm ein Ast des Nervus subscapularis zum Teres
major.
c) Oberarm.
Operationen am Oberarm müssen oft in sehr bedeutender
Ausdehnung gemacht werden wegen Nekrosen, Neubildungen an
Knochen, Pseudarthrosen. Wir haben wegen eines diffusen Sarkoms
des Knochens am 11. Mai 1898 eine Totalexcision des Humerus
ausführen müssen. Die Linie, in welcher eine solche mit der ge-
ringsten Nebenverletzung ausgeführt werden kann, geht von dem
Vorderrand des M. deltoideus auf der lateralen Seite des Humerus
im Sulcus bicipitalis externus abwärts. Oben ist die Vena cephalica
medianwärts zu ziehen und unter dem Humerus-Kopf die Arteria
circumflexa humeri anterior zu ligiren. Abwärts muss der Schnitt
zwischen lateralem Tricepskopf und Brachialis internus auf dem
Knochen so angelegt werden, dass der N. radialis mit der Art.
profunda brachii nach hinten bleibt und lateralwärts gezogen werden
kann.
Auf der medialen Seite kommt man entlang der Hauptarterie
und den Hauptnerven (Medianus und Ulnaris) auf den Knochen,
indem man diese Gebilde medianwärts zieht, allein man kann nicht
so hoch hinauf und abwärts gelangen, wie auf der lateralen Seite.
Man incidirt deshalb im Sulcus bicipitalis internus bloss, wenn man
hier Gefässe und Nerven aufzusuchen hat oder umschriebene Ge-
schwülste, wie eine kranke Cubitaldrüse über dem Epicondylus in-
ternus excidiren will.
Die Hauptanhaltspunkte zur Orientirung am Oberarm sind der
Sulcus bicipitalis internus und externus ; vorne kann man den Biceps,
Obere Extremität. 441
hinten den langen Kopf des Triceps zwischen die Finger fassen und
vom Knochen abheben.
Die Arteria brachialis ist im Sulcus bicipitalis internus in
ganzer Länge des Oberarmes fühlbar von dem in . der Axilla fühl-
baren Humeruskopf bis zur Mitte der Ellenbeuge unter dem eben-
falls fühlbaren Nervus medianus, welcher die Arterie in der Mitte
von aussen nach innen kreuzt, über dieselbe hingehend. Die Arterie
ist in ihrer ganzen Länge gegen den Biceps zu comprimirbar.
192) Arteria brachialis in der Mitte (Fig. 131).
Schnitt über dem Strang des N. medianus, der bei abducirtem
Arm sehr deutlich fühlbar ist im Sulcus bicipitalis internus. Auf der
Fascie der dünne Nervus cutaneus internus. Spaltung der
Fascie und Freilegung des Muskelfleisches des Biceps, Abziehen
dieses Muskels lateralwärts. Der Nervus medianus wird ganz frei-
gelegt und isolirt medianwärts gezogen. Unmittelbar darunter die
Arteria brachialis vor dem Ligamentum intermusculare am Knochen,
mit zwei begleitenden Venen. Neben ihr medianwärts der N. cuta-
neus medius. Der N. ulnaris liegt unter der Fascie des inneren
Kopfes des Triceps im hinteren Theil des Sulcus bicipitalis internus.
Unterhalb der Mitte des Oberarmes findet der Eintritt der Vena
basilica in die Vena brachialis und der Durchtritt des Nervus
cutaneus medius durch die Fascie statt. Diese Gebilde können
durch denselben Schnitt, wie zur Brachialisunterbindung freigelegt
werden.
193) Arteria profunda brachii.
Auf der Innenseite des Armes im oberenDrittel (am
Unterrand des M. latissimus dorsi) (Fig. 131).
Schnitt im Sulcus bicipitalis internus von. der Höhe der hinteren
Axillarfalte abwärts durch Haut und Fascie. Auf dieser der N. cuta-
neus internus. Hinter dem weissen Streifen des Lig. intermusculare
internum wird die Fascie gespalten und dem Wulst des M. anconaeus
longus. Auf der Vorderfläche des letzteren geht man gegen den
Knochen zu oberhalb des Ansatzes des Anconaeus internus am
Humerus. Entlang einem starken Ast der Arterie zum Caput in-
ternum des Triceps (A. collateralis media) kommt man zu der am
Knochen liegenden Arteria profunda.
Hinter der Arterie liegt der N. radialis, der, von oben über die
Sehne des Latissimus herabkommend, zwischen M. anconaeus internus
und longus gegen die Rückfläche des Humerus herabtritt. Man darf
beim Aufsuchen nicht zu weit nach hinten gehen, sonst kommt man
hinter Nerv und Arterie, die hier im Sulcus bicipitalis internus dem
Knochen anliegen. Die Auflagerung des Nerven auf dem Latissimus
ist für den Radialis charakteristisch.
,.2 Chirurgie der Extremitäten.
Auf der Rückfläche des Oberarmes über der Mitte.
Vergleiche Freilegamg des N. radialis daselbst (Fig. 133).
Auf der Aussenseite des Oberarmes im unteren Drittel
(Fig. 133).
Schnitt am Aussenrande des leicht durch Umgreifen von hinten
zu bestimmenden Wulstes des M. anconaeus externus), in der Mitte
zwischen Deltoidesansatz und Epicondylus externus humeri, in einer
von letzterem senkrecht aufsteigenden Linie. Freilegung des Muskel-
fleisches des Anconaeus durch Schnitt entlang dem Fascienstreifen,
welcher das Ligamentum intermusculare externum anzeigt, und Ab-
lösung des Musculus brachialis internus von letzterem Ligament bis
zum Knochen. Die Arterie kommt schräg von hinten hervor ; neben
ihr der Nervus radialis dicht am Knochen.
Der Endast der Profunda brachii (Arteria collateralis radialis) ist
auf der Basis des Epicondylus externus humeri in der Furche zwischen
Brachialis internus und Brachioradialis fühlbar und hier hinter dem
Nervus radialis zu unterbinden.
194) Arteria collateralis ulnaris superior.
Die Arteria coli, ulnaris superior begleitet den N. ulnaris. Im
oberen Drittel liegt sie sammt diesem hinter den grossen Ge-
fässen und wird von dem gleichen Schnitt aus unterbunden, wie die
Art. brachialis (No. 192), mit dem Unterschied, dass der N. medianus
lateralwärts abgezogen wird und dass man medianwärts von den
Hauptgefässen in die Tiefe geht.
Von der Mitte abwärts liegt die Arterie hinter dem Lig.
intermusculare intern um. Schnitt (Fig. 131) wie zur Freilegung des
Nervus ulnaris daselbst (No. 197), Trennung der Fascie hinter dem
erwähnten Ligament. Die Arterie liegt neben dem Nerven auf dem
Muskelfleisch des Caput internum des Triceps.
Am unteren Ende ist die Arterie auf der Rückfläche des Epi-
condylus internus zu fühlen und aufzusuchen neben dem Nervus
ulnaris hinter dem Ligamentum intermusculare internum.
195) Arteria collateralis ulnaris inferior.
Die Arterie liegt auf der Basis des Epicondylus internus ober-
halb des Wulstes des Pronator teres Ansatzes. Sie ist hier fühlbar.
Man findet sie nach Spaltung der strammen Fascie, auf welcher ein
Hauptast des Nervus cutaneus medius und die Vena basilica mit der
Verbindungsstelle der Vena mediana liegt.
196) Nervus medianus (Fig. 131).
Vergleiche Ligatur der Arteria brachialis. Der Nerv begleitet
dieselbe in ganzer Länge; er liegt in der oberen Hälfte auf der
Obere Extremität. 443.
äusseren, in der unteren Hälfte auf der inneren Seite der Arterie,
oberflächlicher als dieselbe.
197) Nervus ulnaris (Fig. 131) in der unteren Hälfte des
Oberarmes.
Schnitt in einer senkrecht vom Epicondylus internus aufsteigenden
Linie auf den Wulst des Caput internum des Triceps. Die Spaltung
der starken Fascie findet hinter dem weissen Streifen statt, welcher
den Ansatz des Ligamentum intermusculare kennzeichnet. Sie legt
das Muskelfleisch des inneren Kopfes des Triceps frei, in dessen
oberflächlichsten Fasern der Nerv liegt und die Arteria collateralis
ulnaris superior.
198) Nervus radialis.
Im oberen Drittel auf der medialen Seite (Fig. 131).
Vergl. Ligatur der Arteria profunda brachii im Sulcus bicipitalis
internus.
Ueber der Mitte auf der Rückfläche (Fig. 133).
Schnitt in einer senkrecht von der Olecranonspitze aufwärts ge-
zogenen Linie auf der Rückfläche des Oberarmes fingerbreit hinter
dem Hinterrande des Deltoides neben dem leicht abhebbaren Wulste
des langen Kopfes des Triceps. Der Schnitt beginnt unter der
Hähe der hinteren Axillarfalte und dringt abwärts in das Interstitium
zwischen langem und äusserem Kopf des Triceps ein, welche bis auf
den Knochen stumpf von einander getrennt werden. Der Nerv liegt
zwischen den Ansätzen des inneren und äusseren Kopfes des Triceps,
nachdem er am Unterrande des Latissimus dorsi unter dem langen
Tricepskopf durchgetreten ist. Vor ihm liegt parallel die starke Arteria
profunda brachii, ebenfalls dem medialen Umfang des Knochens an-
liegend.
Unter der Mitte des Oberarmes auf der lateralen
Fläche (Fig. 133).
Schnitt in einer senkrecht vom Epicondylus externus aufsteigen-
den Linie am lateralen Rande des Tricepswulstes, in der Richtung
gegen den Ansatz des Deltoides am Humerus. Freilegung des
sehnigen Caput externum des Triceps und Eingehen an seinem
Rande gegen die Aussenfläche des Humerus unter Ablösung der
Muskelfasern des M. brachialis internus. Dieser Muskel überragt
hier den Biceps lateralwärts beträchtlich. Nerv dem Knochen an-
liegend; auf seiner äusseren, radialen Seite die Arteria profunda
brachii dem Hauptstamm parallel laufend, hinter ihm Nervus cuta-
neus radialis inferior, welcher die radiale Rückseite des Vorder-
armes sensibel versorgt. An der Grenze von mittlerem und unterem
, .. Chirurgie der Extremitäten.
Drittel des Humerus tritt der Nerv durch das Lig. intermusculare
externum auf dessen Vorderfläche.
199) Nervus musculo-cutaneus.
Ueber der Mitte des Oberarmes (Fig. 132).
Schnitt im Sulcus bicipitalis internus, vom Ende des Coracobrachi-
aliswulstes abwärts. Freilegung des Muskelfleisches des Biceps und
Abziehen dieses Muskels lateralwärts. Der Nerv liegt, vom Biceps
gedeckt, am lateralen Rande des M. coraco-brachialis, durch welchen
er durchgetreten ist, um auf die Vorderfläche des M. brachialis in-
ternus zu treten.
Weiter oben kann der Nerv durch Schnitt auf den Wulst des
Coraco-brachialis und Eingehen zwischen diesem und dem kurzen
Kopf des Biceps gefunden werden.
Unter der Mitte des Oberarmes.
Schnitt am Aussenrand des Bicepswulstes, welchen man isolirt
vom Brachialis internus abheben kann, unter Schonung der Vena
cephalica, fingerbreit vor dem Sulcus bicipitalis externus, Spaltung
der Fascie bis auf das Muskelfleisch, stumpfes Eingehen mit dem
Finger unter die hintere Fläche des Biceps. Unter der dünnen Fascie
des Brachialis internus liegt gegen dessen Mitte zu der Nerv. Man
muss sich hüten, statt des Aussenrandes des Biceps denjenigen des
Brachialis internus freizulegen.
d) Ellenbogengegend.
aoo) Operationen in der Ellenbogengegend betreffen vor-
züglich Incisionen ins Gelenk behufs Resection, Knochennaht. Ohne
die Gefahr einer Nebenverletzung ist bloss die laterale hintere Gelenk-
gegend leicht zugänglich. Sie wird denn auch zu Gelenkschnitten
hauptsächlich benutzt. Wir halten uns ausschliesslich an diese Gegend
mit unserem lateralen Bogenschnitt. Nur noch die lateralen Knochen-
kanten des Humerus liegen bis zum Gelenk ebenfalls oberflächlich
genug, dass man ohne Bedenken auf dieselben einschneiden kann.
Den besten Anhaltspunkt zur Bestimmung der Gelenklinie bildet stets
das Radiusköpfchen, von der lateralen hinteren Seite her palpirt.
Wichtige Orientirungspunkte sind ausserdem die beiden Epicondylen
und das Olecranon.
Leicht fühlbar ist die Bicepssehne auf der Vola, medialwärts von
ihr der Puls der Arteria brachialis; ferner der N. ulnaris hinter dem
Epicondylus internus. Sichtbar bei den meisten Menschen ist die
Vena mediana in der Ellenbeuge, welche für den Aderlass benutzt
wird.
Obere Extremität.
445
20 1) Arteria brachialis in der Ellenbeuge (Fig. 135).
Schnitt in der Richtung der V|orderarmaxe, in der Mitte
zwischen beiden Epicond}den beginnend, etwas näher der ulnaren
Seite, medianwärts von der Bicepssehne. Auf der Fascie die schräg
verlaufende Vena mediana und Hautäste des Nervus, cutaneus medius.
Unter der dünnen Fascie treten die charakteristischen, schräg
ulnar wärts verlaufenden Fasern des aponeurotischen Fascikels des
Biceps zu Tage und werden in der Richtung des Hautschnittes ge-
spalten. Unmittelbar darunter oder von dünner Fettschicht bedeckt
liegt die Arterie, von zwei Venen begleitet. Lateralwärts liegt die
längsgefaserte Bicepssehne. (Die Theilung der Arteria brachialis in
die A. radialis und ulnaris findet fingerbreit unter der Gelenklinie statt.
Epicondylus internus ^g
M
M. ulnaris internus (2 Köpfe) "=^"
ulnaris
{Caput internum
tricipitis
Fig. 134. Nervus
ulnaris am Epi-
condylus in-
ternus humeri.
202) Nervus medianus (Fig. 135) 1j2 cm medianwärts von
der Arteria brachialis am lateralen Rande des M. pronator teres.
Als Unterlage des Gefäss-Nervenbündels dient der M. brachialis in-
ternus. Man hat bei dieser Operation zu bedenken, dass die Arterie
und der Nerv aus dem Sulcus bicipitalis internus herabkommen,
dass man also nicht auf der lateralen Seite der Bicepssehne in die
Tiefe geht. Lateralwärts von der Bicepssehne kommt aus der Furche
neben dem Muskelwulst des Supinator longus der Hautast des N.
musculo-cutaneus hervor.
203) Nervus ulnaris (Fig. 134).
Schnitt von hinten auf die Basis des Epicondylus internus durch
Haut und Fascie ; jenem dicht anliegend, neben dem medialen Rand
aa() Chirurgie der Extremitäten.
des Triceps, liegt der dicke Nerv, nach abwärts zwischen beiden An-
sätzen des M. ulnaris internus am Epicondylus und am Olecranon
auf den M. flexor digitorum profundus herabtretend. Neben dem
Nerven liegt der Endast der Arteria collateralis ulnaris superior.
204) Nervus radialis (Fig. 135).
Am Ellenbogen gelenk liegt der Nervus radialis, und zwar der
sensible und motorische Ast zusammen in der Furche zwischen M.
brachioradialis und brachialis internus. Schnitt in der Verlängerung
des Sulcus bicipitalis externus am Rande des Wulstes des M. brachio-
radialis in der Ellenbeuge. Die Vena cephalica wird abgezogen.
Nach Spaltung der Fascie erscheint im unteren Theile des Schnittes
neben der Bicepssehne der Nervus musculo-cutaneus (Fig. 135), welcher
die Fascie durchbohrt, um die radiale Vorderseite des Vorderarmes
sensibel zu versorgen. Bei Eindringen am Aussenrande des M. brachi-
alis internus findet man auf dem Knochen den oberflächlichen und
tiefen Radialisast hinter einander, unter ihnen den Endast der Arteria
collateralis radialis.
e) Vorderarm. — Volarfläche.
205) Operationen am Vorderarm.
Incisionen werden am Vorderarm nöthig bei den häufigen
Schnitt- und Hiebverletzungen behufs Ligatur von Gefässen, sowie
Nerven- und Sehnennähten ; nicht selten ferner zur Resection von Frac-
turenden und Knochennähten bei Fractur und Pseudarthrose. Häufig
ferner ist die Eröffnung tief gelegener Abscesse unter den Muskeln
(von fortgeleiteten Sehnenscheidenphlegmonen) und unter dem Periost
bei Osteomyelitis nothwendig.
Incisionen auf der Volarseite des Vorderarmes dürfen unter
Berücksichtigung der Arteria radialis mit dem gleichnamigen Nerven
einerseits, des Medianus, der Arteria und des Nervus interosseus
andererseits in der Furche zwischen Brachioradialis und Flexoren in
der ganzen Länge auf den Radius und das Ligamentum interosseum
eindringen, ohne Gefahr irgend einer Nebenverletzung, da sich hier
die Grenzgebiete der 2 Nerven scheiden. Am bequemsten ist das
Eingehen zwischen dem M. brachioradialis (Supinator longus) und
den Flexoren durch Haut und Fascie und Präparation des N. radialis
auf seiner lateralen Seite, so dass er sammt der Arteria radialis
medianwärts gezogen werden kann. Bloss am unteren Drittel muss
man den Nervus radialis auf der lateralen Seite des Schnittes
liegen lassen, weil er sich von der Arterie entfernt, um auf das
Dorsum zu gehen. Auf diese Weise haben wir vor Kurzem die
Markhöhle des Radius bei einer diffusen Osteomyelitis in ganzer
Länge freigelegt. Am oberen Ende sind die Fasern des Supinator
Obere Extremität. *aj
brevis lateralwärts zu lösen, am unteren Ende diejenigen des Pronator
quadratus medianwärts. Will man vom Radius auf das Lig. inter-
osseum weitergehen, so müssen die am Radius sich ansetzenden
Muskeln gelöst resp. getrennt werden und zwar in der Mitte des
Pronator teres und darunter der Radialansatz des M. flexor sublimis
und neben und unter diesem der Flexor pollicis longus. In der unteren
Hälfte kann man, weil die Nervenfasern des Medianus nicht mehr
zu verletzen sind, auch median von diesem Muskel auf das Lig. inter-
osseum vorgehen und die Ansätze am Radius intact lassen. Man
legt, wo nöthig, nach Spaltung des M. pronator teres und Flexor
dig. com. sublimis in der oberen Hälfte am besten zuerst den N.
medianus in ganzer Länge frei und geht auf dessen lateraler Seite
wie zur Auffindung des N. interosseus in die Tiefe. Durch
Eingehen bis auf Radius und Ligamentum interosseum auf der
lateralen Seite des letztgenannten Nerven wird höchstens der Ast
zum Flexor pollicis longus verlezt. Auf dem Lig. interosseum finden
sich nicht selten tiefe Abscesse, welche von fortgeleiteten Sehnen-
scheiden-Entzündungen der Hand nach Panaritien sich ausbreiten
und ergiebige, tiefe Spaltung nöthig machen.
Incisionen an der Rückfläche des Vorderarmes, dessen Muskeln
vom Radialis versorgt sind, dürfen in der ganzen Länge entlang der
Ulna gemacht werden, denn der Dorsalast des N. ulnaris kommt
g'anz am untersten Ende der Ulna unter dem M. flexor carpi ulnaris
hervor; ferner entlang dem radialen Rande des der Ulna anliegenden
Musculus ulnaris externus, welcher seinen Nervenzweig hoch oben
erhält. Auf der radialen Seite sind Incisionen zulässig in einer Linie
vom Radiusköpfchen zum Processus styloideus radii, aber erst von
der Durchtrittsstelle des Nervus radialis durch den Supinator brevis
abwärts zwischen Musculi radiales externi und Extensor digitorum
communis, also ca. 6 cm unter dem Radiusköpfchen beginnend.
Dieselben gelangen nach Abziehen der Radiales radialwärts und des
Extensor communis ulnarwärts zuerst auf die Rückfläche der Daumen-
muskeln, und hier liegt in der Furche zwischen Abductor longus
pollicis (dem am meisten radialwärts gelegenen Muskel) und dem
Extensor longus des Daumens der Nervus interosseus dorsalis des
Radialis, von der gleichnamigen dünnen Arterie begleitet. In der
unteren Hälfte, wo die M. radiales externi unter die schräg ver-
laufenden langen Daumenmuskeln treten, muss zwischen letzteren
und der Sehne des M. brachioradialis auf den Radius incidirt werden
unter Schonung des Dorsalastes des N. radialis. Ulnarwärts von den
Daumenmuskeln darf im unteren Drittel zwischen allen Sehnen der
Rückfläche (Extensor communis, Extensor dig. minimi und Ulnaris
externus) incidirt werden, weil hier keine grösseren Gefässe und
Nervenäste mehr zu fürchten sind.
448 Chirurgie der Extremitäten.
206) Die Arteria radialis (Fig. 135).
Sie bildet die gerade Fortsetzung der Arteria brachialis, ist in
zwei Drittel der Länge gut fühlbar, nirgends von Muskeln bedeckt,
nur im oberen Drittel ist der M. brachioradialis durch die Fascie
über dieselbe herübergezogen. Die Richtung der Arterie ist bestimmt
durch eine Linie von der Mitte der Ellenbeuge zur Stelle, wo man
den Puls fühlt, resp. unterhalb dieser zum Vorsprung des Os multan-
gulum majus. Diese Linie bezeichnet gleichzeitig das Grenzgebiet der
Ausbreitung der Muskeläste des Nervus medianus und des N. radialis
am Vorderarm.
Im oberen Drittel: Die Arteria liegt tiefer auf dem Supinator
brevis und dem Pronator teres, weil die Muskelwülste des Brachio-
radialis und des Radialis internus sich stark erheben. Schnitt in der
deutlich fühlbaren Furche zwischen diesen Muskeln. Auf der Fascie
erscheint die Vena cephalica und ein starker Ast des N. musculo-
cutaneus. Spaltung der Fascie, Der M. brachioradialis ist gehörig
radialwärts abzuziehen ; die Arterie liegt tief auf dem Radialansatz
des Pronator teres. Auf der radialen Seite der Arterie liegt der
oberflächliche (sensible) Ast des Nervus radialis, aber in einiger Ent-
fernung und tiefer, an der Unterfläche des Muskelfleisches des
Brachioradialis.
Im mittleren Drittel: Schnitt in der Furche, wo man
zwischen den Muskelwülsten des M. radialis internus und brachio-
radialis den Radius fühlt. In der Furche liegt die Arterie auf dem
Radialansatz des M. flexor pollicis longus und Flexor dig. com.
sublimis. An ihrer radialen Seite der Ramus superficialis.
Nervi radialis etwas entfernt und tiefer unter dem Brachioradialis,
unter welchem er dorsalwärts zieht.
Ueberdem Handgelenk: Schnitt bei hyperextendirter Hand
zwischen vorspringender Sehne des Musculus radialis internus und
Radiusrand. Spaltung von Haut und Fascie ; Arterie geht am unteren
Rande des Pronator quadratus nach der Radialseite der Handwurzel
in die Tiefe und sendet bloss einen dünnen Ast subfascial gegen
den Vorsprung des Os multangulum majus auf der Vola abwärts.
Am Radiusrand erscheinen, von ihrer Scheide eingehüllt, die Sehnen
des Abductor und Flexor pollicis brevis. Der Ramus superficialis
des Nervus radialis ist nicht mehr zu sehen, da er am unteren
Drittel des Vorderarmes unter der Sehne des M. brachioradialis
dorsalwärts tritt.
207) Die Arteria ulnaris (Fig. 135).
Sie ist im unteren Drittel fühlbar, weil zum grössten Theil nicht
von Muskeln bedeckt; oben liegt sie nach winkligem Abgang aus
Obere Extremität.
449
N. musculo-\
cutaneus /
M. brachio-radialis
Aponeurotisches-i
Fascikel des \
M. biceps j
Wulst des Supi-1 $.
nator longus /
A radialis mit\
2 Venen /
N. radialis
M. pronator teres
M. radialis internus
M. supinator"!
longus /
A. radialis mit}
2 Venen J
M. flexor pollicis|
longus J
Sehne des M. supi-\
nator longus /
Sehne des M. \
radialis internus/
Sehne des M. \
radialis internus)
M. flexor pollicisl
longus /
A. radialis
Sehne des M. Y
radialis internus/
M. pronatorl
quadratus /
M. brachialis
internus
fA. brachialis
\mit 2 Venen
N. medianus
N. pronator teres
Vena mediana
N. cutaneus medius
{M. flexor digi-
torum sublimis
M. ulnaris internus
f M. flexor digi-
(torum profundus
{BT. flexor digi-
torum sublimis
M. ulnaris internus
/Sehne des M. pal-
\ maris longus
N. ulnaris
A. ulnaris
{Tendo ulnaris
intern i
/Ligamentum carpi
\ volare
Os pisiforme
M. palmaris brevis
Fig- ^S- A. brachialis, A. radialis, A. ulnaris.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl.
29
a cq Chirurgie der Extremitäten.
der Arteria brachialis zwischen den tiefen Muskeln, nämlich M. flexor
digitorum sublimis und profundus. Die Linie, welche die Richtung
der Hautschnitte zu ihrer Unterbindung angiebt, geht vom Epicon-
dylus humeri internus zum Vorsprung des Os pisiforme. Sie ent-
spricht nicht der Lage der Arterie, welche namentlich oben viel
mehr nach der Medianlinie liegt. Für die Unterbindung an der
Abgangsstelle gelten die Vorschriften wie für die Art. brachialis in
der Ellenbeuge, bloss wird der Schnitt etwas abwärts verlängert.
In der oberen Hälfte: Schnitt bei abducirt gehaltenem Arm
in einer Linie senkrecht vom Hinterrand des Epicondylus internus
humeri abwärts. Der Schnitt darf aber nicht höher als 4 Finger breit
unterhalb des Epicondylus beginnen (also an der Grenze des oberen
und mittleren Drittels des Vorderarmes) und darf nicht vor diese
Linie fallen. Er trifft den volaren Rand des M. ulnaris internus,
der durch eine fühlbare Furche abgrenzbar ist. Gelegentlich ist
durch die Haut hindurch der Nervus ulnaris fühlbar. Nach Spaltung
der Haut tritt auf der Fascie die Vena basilica mit einem Ast des
N. cutaneus medius zu Tag-e. In der Fascie ist das Interstitium
zwischen M. ulnaris internus einerseits und dem darunterliegenden
M. flexor sublimis andererseits durch einen deutlichen weissen Streifen
angezeigt. Nach Spaltung der Fascie, entlang diesem Streifen, dringt
der Finger stumpf neben dem M. ulnaris internus auf der Vorder-
fläche des Flexor digitorum profundus lateralwärts in die Tiefe, den
Flexor sublimis seitwärts schiebend. Ist man im richtigen Inter-
stitium zwischen den beiden letztgenannten Muskeln, so trifft man
zuerst auf den starken Nervus ulnaris. Man geht vor dem Nerven
lateralwärts, da dieser die darunterliegenden Muskeln (Ulnaris internus
und Flexor profundus) mit Aesten versorgt, und findet die Arterie
1/2 — 11/2 cm entfernt von demselben (je nach Höhe) gegen die Axe
des Vorderarms zu. Gegen das obere Ende ist die Arterie weiter
radialwärts vom Nerven entfernt.
In der unteren Hälfte: Schnitt in der Furche zwischen
Musculus ulnaris internus und Palmaris longus auf die Finger-
flexoren; diese Furche ist deutlich ausgeprägt in der senkrechten
Verlängerung vom Radialrand des Os pisiforme aufwärts. Spaltung
von Haut und Fascie; Eingehen auf die Flexorenbündel , nicht
unter den Musculus ulnaris internus. Arterie zwischen zwei Venen.
Nervus ulnaris dicht an ihrer ulnaren Seite.
208) Arteria interossea (Fig. 135 und 136).
Dieser Ast des A. ulnaris kann freigelegt werden von demselben
Schnitt, wie die Arteria ulnaris am oberen Drittel (No. 207), indem
man auf dem M. flexor profundus radialwärts geht, bis man den
Nervus medianus mit seinen Zweigen trifft. Unter letzterem geht
Obere Extremität.
451
die A. interossea gegen das Ligamentum interosseum zwischen
Flexor digitorum profundus und Flexor pollicis longus. Auf ihr
liegt der Nervus interosseus des Medianus. Die Arteria interossea
kann auch mit demselben Schnitt wie der Medianus im oberen
Drittel freigelegt werden (vergl. Fig. 136 und No. 211). Die Arteria
ulnaris liegt hier in der Tiefe neben dem Radius (resp. dem Wulst
des Supinator brevis) oberhalb des Sehnenbogens des Flexor dig.
sublimis, unter welchem sie dicht am Radius die Arteria interossea
herabsendet.
209) Nervus medianus (Fig. 136).
Im oberen Drittel: Schnitt in der Furche zwischen Brachio-
radialis und Flexoren, wie für die Ligatur der Arteria radialis.
Ulnarwärts von diesem Gefäss wird der M. pronator teres ge-
spalten, welcher den Nerven hier bedeckt. Im oberen Theile des
Schnittes sieht man den Sehnenbogen des Flexor dig. com. sublimis,
unter welchen der Nerv von oben herab eintritt. Dieser sehnige
Ansatz muss abwärts gespalten werden, wenn der Nerv weiter nach
unten freigelegt werden soll. Radialwärts vom Medianus liegt die
Arteria ulnaris, um sich aber sofort unterhalb dieses Nerven im
Bogen der ulnaren Seite des Vorderarms zu nähern, während die
Arteria interossea gerade abwärts aus derselben hervorgeht, um in
die Tiefe aufs Ligamentum interosseum zu treten.
Unter der Mitte: Schnitt in der Mitte des Vorderarmes
zwischen M. radialis internus und palmaris longus. Im Zwischen-
raum dieser Sehnen tritt das Muskelfleisch des Flexor sublimis zu
Tage. An seinem radialen Rande blossgelegt, wird derselbe ulnar-
wärts gezogen. Der starke Nerv erscheint auf dem M. flexor digi-
torum profundus, von einer Arteria comes (Art. mediana) begleitet.
Oberhalb des Handgelenks: Schnitt radialwärts neben
der Sehne des Musculus palmaris longus durch die Haut und Fascie.
Neben dem Palmaris longus liegt radialwärts in der Tiefe der Nerv
oberflächlich zwischen den Sehnen des Flexor dig. sublimis.
aio) Nervus cutaneus palmaris (Fig. 136).
Der Nervus cutaneus palmaris liegt in demselben Schnitt, wie
der Medianus oberhalb des Handgelenks. Er durchbohrt an dieser
Stelle die Fascie, um zur Vola manus zu ziehen.
an) Der Nervus interosseus des Medianus (Fig. 136)
geht radialwärts von dem Medianusstamm ab bei Freilegung des
letzteren nach No. 209 im oberen Drittel. Zur Freilegung des N.
(und der Arteria) interosseus wird in ganz gleicher Weise vor-
29*
452
Chirurgie der Extremitäten.
M. flexor pollicis
longus
A. interossea
A. radialis
M. supinator longus
N. interosseus
M. pronator teres
Sehne des M. radialis»
internus /
M. flexor digitoruml
profundus J
Flexor pollicis longus
Fett auf den Flexor-
sehnen
Durchscheinende 1
Tendo radialis internij
M. flexor digitorum
comm. sublimis
{Sehne des M. palmaris
longus
N. medianus
Tendo palmaris longi
{Ligamentum carp.
volare commune
Fig. 136. N. medianus, N. interosseus und A. interossea.
Obere Extremität.
453
gegangen, wie zur Freilegung des N. medianus über der Mitte des
Vorderarms (Fig. 136); nach Freilegung dieses Nerven sieht man an
seiner lateralen Seite in der Furche zwischen M. flexor pollicis longus
und Flexor dig. com. profundus den N. interosseus auf das Liga-
mentum interosseum sich einsenken.
f) Vorderarm — Dorsalfläche.
212) Ramus profundus Nervi radialis (Fig. 137).
Schnitt auf der radialen Seite am hinteren Rand des Wulstes
der Radiales externi zwischen diesen Muskeln und dem sehnigen
Extensor digitorum communis in einer Linie vom Radiusköpfchen,
welches stets deutlich fühlbar ist, auf der radialen Seite senkrecht
abwärts. Spaltung der Fascie zwischen dem glänzend sehnigen
Ansatz des Extensor digitorum longus und dem Muskelfleisch der
Radiales externi. Abziehen der Radiales vorwärts mit stumpfem
Haken. Es erscheint Fascie und Muskelfleisch des M. supinator
brevis mit charakteristischer, schräg vor- und abwärtsgehender
Faserung. Ungefähr 5 — 6 cm unter dem Radiusköpfchen tritt der
Nerv aus dem Muskel hervor, um alsbald in grössere Aeste zu zer-
fallen. Von dieser Stelle aufwärts spaltet man den M. supinator
brevis, um den Stamm des Dorsalastes der Radialis in grösserer
Länge freizulegen. Der Vorderarm ist gebeugt, in Mittelstellung
zwischen Pro- und Supination zu halten.
Längere Aeste des Nerven ziehen zwischen Extensor communis
und Radiales externi an der Rückfiäche des Radius zu den Sehnen
des Abductor, der Extensoren des Daumens und des Extensor indicis
proprius. Einer derselben geht als N. interosseus posticus im unteren
Drittel auf das Lig. interosseum und zur Handgelenkkapsel. Neben
diesem langen Dorsalast des N. radialis liegt die Arteria inter-
ossea posterior, die als Zweig der Arteria interossea durch das
Lig. interosseum am Unterrand des M. supinator brevis zwischen
die oberflächliche und tiefe Lage der Dorsalmuskeln am Vorder-
arm tritt.
g) Handgelenk-Volarseite.
213) Arteria ulnaris am Os pisiforme (Fig. 135).
Ihr Puls ist daselbst deutlich zu fühlen. Sie muss als Haupt-
zufuhr des Arcus volaris sublimis bei anders nicht stillbaren Blutungen
desselben unterbunden werden.
Schnitt 5 mm radialwärts vom deutlich fühlbaren Vorsprung des
Os pisiforme, durch die Haut und oben durch die Fascie. Gerade
am Os pisiforme ist die Fascie durchbrochen und quillt ein Fettbündel
aus der Tiefe, welches am besten weggeschnitten wird. Die Arterie
454
Processus I
styloideus |
ulnae i
N. ulnarisj
(Hautast) /
I.
{M. extensor
dig. communis
{M. radialis
ext. longus
{M. supinator
brevis
N. radialis
prof.
Fig- l2>1' !■ N. radialis (motorischer Ast) unterhalb des Radiusköpfchens.
2. Dorsalast des N. ulnaris zur Hand.
Obere Extremität.
455
liegt unter reichlichem Fett auf dem Ligamentum carpi volare proprium,
der starke Nervus ulnaris neben ihr gegen das Os pisiforme zu. Am
Os pisiforme setzt sich von oben kommend die Sehne des Ulnaris in-
ternus an, und entspringen abwärts die Muskeln des Kleinfingerballens;
und auf diesen ist der querverlaufende M. palmaris brevis zu sehen.
214) Nervus medianus (Fig. 139).
Schnitt in die Vola an der Vereinigungsstelle der beiden Ballen
durch Haut und die Fascie des starken Lig. carpi volare proprium.
Der starke Nerv liegt platt auf der gemeinsamen Schleimscheide der
Flexoren, sich in die 2 Endäste spaltend (1. zu den Daumballen-
muskeln excl. Adductor und zu 3 Fingerrändern am Daumen und
Zeigefinger und 2. zu 2 Lumbricales und 4 weiteren Fingerrändern
vom Zeige- bis Ringfinger.
h) Operationen an der Hand.
Wie an den Fingern kommen Incisionen an der Hand behufs Er-
öffnung von Eiteransammlungen in Frage behufs der hier so häufigen
Infectionen und Entzündungen. Doch sind hier die Arterien schon
gross genug, um directer Ligatur bei Blutung zugänglich zu sein,
wenigstens in der Vola manus. Ausser Incisionen für tiefe Eiter-
herde unter der Fascia palmaris und für Blutung sind nicht selten
solche behufs Sehnenoperationen an der Hand nöthig, sei es bei
Sehnenscheidenentzündungen, sei es behufs Sehnennaht bei den relativ
häufigen Verletzungen durch schneidende Instrumente.
Auf dem Dorsum sind es bloss Sehnen und Nerven, welche
man zum grössten Theil durch die Haut hindurch fühlt, welche für
die Stelle der Incision maassgebend sind. Bloss hinter und neben
dem Daumenmetacarpus kommen stärkere Gefässe in Frage. Diese
sind wie die Nerven durch die Haut fühlbar.
Am Handrücken trennt eine Linie über die Mitte des
Mittelfingers aufwärts zum Handgelenk die Nerven verzweigungs-
gebiete des Nervus radialis und N. ulnaris. Der arterielle Arcus
dorsalis und seine intermetacarpalen Zweige sind relativ schwache
Gefässe. Die Strecksehnen haben am Handgelenk zum grossen Theil
getrennte Schleimscheiden bis zur Mitte des Metacarpus abwärts.
Auf dem Dorsum manus fühlt man auf dem hinteren Ende des
Metacarpus II den dorsalen Hautast des N. radialis, auf der Basis
des Metacarpus V denjenigen des N. ulnaris. Im Interstitium zwischen
Metacarpus I und II auf dem Dorsum fühlt man den Dorsalast der
Art. radialis, welcher auch weiter aufwärts hinter der Basis des Meta-
carpus I auf dem Os multangulum majus fühlbar ist.
Die Vena cephalica verläuft sichtbar über die Tabatiere (zwischen
den Sehnen des Extensor longus und brevis) herüber.
i-5 Chirurgie der Extremitäten.
i) Vola manus.
Zur Orientirung über die durch die Haut hindurch
fühlbaren Theile: In der Vola manus verlaufen Gefässe und
Nerven in der Richtung der Fingerinterstitien, die Sehnen in der
Richtung der Finger, alle unter der strammen oberflächlichen Fascia
palmaris.
Diese begleitet mit ihren Fortsätzen (Ligamenta viginalia) die
Sehnen auf die Finger, endigt aber zwischen den Fingern in abwärts
concavem Bogen, welche durch Septa an die Ligamenta capitulorum
metacarpi angeheftet sind zur Trennung der Sehnen sammt Musculi
lumbricales von den Gefässen und Nerven.
Unter der glatten Unterfläche der Fascia palmaris liegt das
Bündel der Flexorensehnen mit den Lumbricalmuskeln in einer
Schleimscheide, welche von den Enden der Vorderarmknochen bis
zu den Basen des Metacarpus reicht. Der Flexor pollicis longus
hat eine eigene Scheide. Unter dem Sehnenbündel liegt die schwächere
tiefe Fascie, die M. interossei und die Knochen deckend.
Als Merkzeichen für Incisionen im Bereich des Handgelenks
sind zu nennen: i) Das Os pisiforme mit dem Ansatz des M.
ulnaris internus und der Anlagerung der fühlbaren Vasa und des
Nervus ulnaris auf deren radialer Seite. 2) Auf der Ulnarseite
des Handgelenks unter dem Os pisiforme der vorspringende Körper
des Os hamatum; auf diesem fühlt man den Dorsalast des Nervus
ulnaris. 3) Daumenbreit ab- und etwas radialwärts vom Os pisiforme
am radialen Rande des Kleinfingerballens der Hamulus ossis
hamati, unter welchem der tiefe Hohlhandbogen und der tiefe Ast
des Nervus ulnaris herumläuft ; auf dem Hamalus kann man durch
die Haut hindurch den sensiblen Volarast des N. ulnaris hin und
herrollen und radialwärts desselben verlaufenden oberflächlichen Hohl-
handbogen fühlen. 4) Endlich unmittelbar oberhalb des Daumballens
der Vorsprung des Os multangulum majus, über welchen,
durch die Haut fühlbar, der Radialarterienast zum Arcus volaris sub-
limis herüberläuft. Das Handgelenk hat als Fascienhülle eine Quer-
verstärkung der allgemeinen Fascie (Ligamentum carpi commune
dorsale und volare) und eine Fascia profunda auf der Gelenkkapsel;
ausserdem auf der Vola das kräftige Ligamentum carpi volare pro-
prium, welches die Sehnen in der Rinne der Handwurzelknochen
überbrückt und einem Theil der Daumenmuskeln zum Ursprung dient.
215) Arteria radialis auf dem Dorsum manus (Fig. 138).
Hauptzufuhr zum Arcus volaris profundus. Schnitt auf das
hinterste fühlbare Ende des Interstitium intermetacarpeum von Daumen
und Zeigefinger längs der Ulnarseite der Sehne des M. extensor
Obere Extremität.
457
{Sehne des M. radialis
externus longus
N. radialis (Hauptast)
(Sehne des M. extensor
\ pollicis longus
M. extensor pollicis brevis
A. radialis
(Sehne des M. rad.
\ ext. longus
{Sehne des M.
extensor pollicis
longus
Metacarpus II
(M. interosseus I
\ dorsal is
Fig. 138. Arteria radialis auf dem Dorsum manus. Dorsalast des N. radialis.
,?g Chirurgie der Extremitäten.
pollicis longus. Das Gefäss ist hier fühlbar. Auf der Fascie ist der
schräg von der Radialseite aufsteigende Dorsalast des N. radialis
und die Vena cephalica zu schonen. Eindringen zwischen den
Basen der erwähnten Metacarpalknochen, zwischen denen die Arterie
unter dem jene vereinigenden queren Bande liegt. Weiter abwärts liegt
zwischen den Metacarpalknochen der M. interosseus dorsalis primus
(der Abductor des Zeigefingers). Auf der Ulnarseite erscheint der
breite Sehnenansatz des M. radialis externus longus am Metacarpus II.
Die Arterie giebt vorher den leicht mit ihr zu verwechselnden ge-
meinsamen Digitalast für Zeigefinger und Daumen ab.
21 6) Arteria radialis auf dem Os multangulum majus
(Tabatiere) (Fig. 138).
Längsschnitt vom unteren Radiusende bis auf die Basis des
Metacarpus I zwischen den sichtbaren Sehnen des M. extensor pollicis
longus und brevis. Das Gefäss ist durch die Haut fühlbar. In der
Unterhaut sind die parallel den Sehnen laufende Vena cephalica und
und der Nervus radialis dorsalis, welcher auf der Radialseite des
Radius fühlbar ist, zu schonen. In schräger Richtung zum Verlauf
dieser Gebilde und der Sehnen liegt unter der Fascie die Arterie auf
Gelenkkapsel und Knochen.
217) Ramus dorsalis N. ulnaris (Fig. 137).
Der Dorsalast des Nervus ulnaris ist auf der Ulnarseite
auf dem Os hamatum deutlich fühlbar. Er wird durch einen Längs-
schnitt vom untersten Ende der Ulna abwärts auf der Ulnarseite
freigelegt, auf oder in der Fascie liegend, nachdem er am Vorderarm
unter dem M. ulnaris internus dorsalwärts durchgetrennt ist.
218) Ramus dorsalis N. radialis (Fig. 138).
Der Dorsalast des Nervus radialis wird mit demselben
Schnitt wie die Arteria radialis auf dem Os multangulum majus
(s. No. 215) gefunden. Er ist auf der Radialseite des unteren Radius-
endes durch die Haut fühlbar, nachdem er am unteren Vorderarm-
drittel unter der Sehne des M. brachioradialis dorsalwärts getreten
ist. Weiter unten ist er auf dem Dorsum der Basis des Metacarpus II
fühlbar.
219) Arcus volaris sublimis (Fig. 13 g)
Längsschnitt von der Vereinigungsstelle des Daumen- und Klein-
fingerballens in der Richtung gegen den 4. Finger zu; seine Mitte
soll in der Querlinie der Falte zwischen Hand und abducirtem
Daumen liegen. An dieser Kreuzungsstelle der beiden Linien ist
der Arcus pulsirend fühlbar. Nach Trennung der Haut, des oft
starken Panniculus und der starken sehnigen Fascia palmaris tritt
Obere Extremität.
459
Tenda \
flexoris |
sublimis S
ad Dig. I
IV I
opponens pollicis
fN. medianus (Ast zu Mittel-
\^ und Ringfinger)
N. medianus (Ast zu
Zeigefinger und
Daumen)
Arcus volaris
profundus
Endast des A. prof.
nervi ulnaris
M. adductor pollicis I
M. lumbricalis I
(Sehne des
Flexor
digitorum
communis
(für den
Index)
Fig. 139. Arcus volaris sublimis links. Arcus volaris profundus rechts mit
2 Doppelästen des N. medianus.
460 Chirurgie der Extremitäten.
sofort unter deren glatter Unterfläche (in Fett eingelagert) der Arcus
zu Tage. Derselbe ist die Fortsetzueg der Arteria ulnaris und be-
ginnt hier sich bogenförmig nach der Daumenseite zu wenden. Ab-
wärts gehen aus ihm die starken Arteriae digitales communes hervor.
Der Arcus liegt auf den längs verlaufenden Fingerästen des Nervus
ulnaris (letztere werden sichtbar) und medianus. Findet man die
Arterie nicht, so ist die Arteria ulnaris am Os pisiforme zu unterbinden.
Der Nervus ulnaris ist in demselben Schnitt freizulegen; der
oberflächliche Ast läuft über den fühlbaren Hamulus ossis hamati
abwärts, hier durch die Haut fühlbar; der tiefe Ast dringt zwischen
Adductor und Flexor brevis an der ulnaren Seite des erwähnten
Hamalus in die Tiefe und versorgt den Flexor brevis und Oppenens
digiti minimi, 2 Lumbricales und die sämmtlichen Interossei sammt
Adductor pollicis.
220) Arcus volaris profundus (Fig. 139).
Im Gegensatz zum Arcus sublimis wesentlich aus der Arteria
radialis hervorgehend, giebt der tiefe Bogen starke Gefässe für die
Seitenränder der Hand ab, während seine Rami intermetacarpei bloss
schwach sind. Er reicht weniger tief abwärts, als der oberflächliche
Bogen. Schnitt in der Falte des Daumenballens, von der oberen Ver-
einigungsstelle desselben mit dem Kleinfingerballen in der Richtung
gegen den Zeigefinger zu. Mitte des Schnittes der Mitte des
Daumenballens entsprechend. Spaltung von Haut und Fascia
palmaris, Ligatur des oberflächlichen Bogens.
Es tritt die oberflächliche Lage der Daumenmuskeln zu Tage
(Opponens pollicis) und wird oben sammt Lig. carpi volare etwas
eingeschnitten. Darunter erscheint der dünne Bauch des M. lumbri-
calis I mit der weissen Flexorsehne des Zeigefingers ulnarwärts. Am
radialen Rande des Lumbricalis geht man zwischen ihm und den
Daumenmuskeln ein. Zuerst tritt der
221) Radiale Ast des Nervus medianus zu Zeigefinger und
Daumen zu Tage, welcher radialwärts gezogen wird sammt den ober-
flächlichen Daumenballenmuskeln (Flexor brevis und Abductor). Nun
erscheint in der Tiefe die quere Faserung des breiten Musculus
adductor pollicis. Direct unter diesem Muskel, der gespalten wird,
erscheint die quer verlaufende Arterie auf der tiefen Fascie über
dem Ursprung der M. interossei, etwas näher dem Handgelenk, als
der oberflächliche Bogen. Man bestimmt die Stelle der Ligatur am
sichersten, indem man vom Dorsum her das hintere Ende des Inter-
stitium intermetacarpeum primum nachfühlt.
222) Arteriae digitales communes sind zwischen der Inter-
digitalfalte und dem Arcus sublimis durch die entsprechenden Längs-
Obere Extremität. 461
schnitte unter der Fascie freizulegen. Neben denselben laufen, ober-
flächlicher werdend, die starken Fingeräste des Nervus ulnaris und
medianus.
Die Sehnennaht und Sehnenplastik an Hand und Fingern.
223) Operationen an den Fingern.
Die Operationen, welche der Arzt im Bereich der Finger zu
machen hat, beziehen sich auf Incisionen zur Eröffnung von Ab-
scessen, zur Entfernung von Geschwülsten, auf Resection der
kleinen Gelenke wegen eitriger Nekrose der Gelenkenden und wegen
Tuberculose, Excision ganzer Phalangen wegen ausgedehnter Tuber-
culose (Spina ventosa), endlich auf Amputationen wegen Verletzungen
und Gangrän der Finger.
Die kleinen Arterien und Nerven isolirt freizulegen kommt man
kaum in die Lage, oft dagegen muss man sie bei den Incisionen
vermeiden. Dazu müssen Incisionen als Regel an den Seitenrändern
der Finger gemacht werden, sowohl wenn man bloss die Weichtheile
spalten, als wenn man Gelenke und Knochen reseciren will. Nur
wenn man Sehnenscheiden eröffnen will bei Panaritium tendinosum
oder behufs Sehnennähten nach Verletzung, schneidet man auf
Dorsum oder Vola ein. Die Hauptmasse der subcutanen Weich-
theile an den Fingern machen die Sehnen aus, welche bloss die
schmalen Seitenflächen freilassen. Die Beugesehnen liegen auf
dem Periost. An der Mittelphalanx tritt die Sehne des tieferen
Beugers durch diejenige des oberflächlichen. Letztere ist im Durch-
schnitt halbmondförmig, erstere cylindrisch.
Die zwei Schenkel des M. flexor sublimis legen sich um die
Sehne des Flexor profundus herum und setzen sich an die Seiten-
flächen der Mittelphalanx an. Der M. flexor profundus wird nach
seinem Durchtritt durch den Schlitz des Flexor sublimis ebenfalls
platter und heftet sich an die Basis der Endphalanx an. Bis zur
Basis der Endphalanx sind die Sehnen von der Fortsetzung der
oberflächlichen Fascia palmaris, den Ligamenta vaginalia, röhrenförmig
umschlossen und von den Köpfchen der Metacarpalknochen abwärts
von geschlossenen Schleimscheiden umkleidet, welche sich am Daumen
und kleinen Finger der Schleimscheide der Hohlhand nähern, oft bis
zur Communication. Von Knochen und Gelenkkapseln gehen Vincula
tendinum zu der Unterfläche der Sehnen.
Die Strecksehne der Finger setzt sich an die Basis der Grund-
phalanx mit einzelnen Fasern an und theilt sich in drei Schenkel ; zum
mittleren treten unter den zwei seitlichen die Fasern der M. lumbri-
cales und interossei (der Beuger der Grund- und Strecker der Mittel-
und Endphalanx) und setzen sich mit ihm an die Basis der Mittel-
462 Chirurgie der Extremitäten.
phalanx an. Die seitlichen Schenkel gehen seitlich am ersten Inter-
phalangealgelenk herab, dann erst wieder aufs Dorsum, um an der
Basis der Endphalanx sich anzuheften ; alle Strecksehnen sind fascien-
artig glatt. Am Daumen endigt der M. extensor brevis an der Basis
der Grundphalanx, der Extensor longus, etwas dorso-ulnarwärts ge-
legen, mit allen drei Schenkeln an der Basis der Endphalanx.
Da die Nagelphalanx nur an der Basis Sehnenansätze hat,
so ist für Incisionen an derselben die Wahl frei; diese können also
je nach der Indication median oder seitlich angelegt werden.
Die Arteriae et Nervi digitales verlaufen zum Theil schon
an der Mittelphalanx von der Volarseite nach dem Dorsum zu;
bei Incisionen an der Mittelphalanx kommen hauptsächlich die
stärkeren Gefässe und Nerven neben der Volarsehne in Betracht
und daher sind seitliche Schnitte dem Dorsum näher anzulegen.
An der Grundphalanx finden sich die zwei volaren und zwei
dorsalen Arteriae und Nervi digitales stark entwickelt, doch ver-
laufen auch hier die Hauptgefässe neben den volaren Sehnen (die
Nerven volarwärts von den Arterien und Venen), so dass die Schnitte
hier rein seitlich geführt werden können. Nur an der Basis der Grund-
phalanx müssen die tieferen Schnitte nach Spaltung der Haut volar-
wärts abgebogen werden wegen der breiten sehnigen Ansätze der
M. lumbricales und interossei. Bei Möglichkeit der Wahl ist es
besser, auf der Ulnar-, als auf der Radialseite zu incidiren, weil von
den erwähnten kurzen Beugern der Grundphalanx die M. lumbricales
radial erseits herantreten.
S. Untere Extremität.
Gesässgegend.
Aeste der Arteria hypogastrica.
224) Arteria glutaea superior (Fig. 140).
Die Stelle ihrer Unterbindung ist schon durch die Haut hindurch
zu markiren, indem man im Niveau des oberen Endes der Gesäss-
spalte und am oberen Rande des Wulstes des grossen Gesässmuskels
den oberen Umfang der Incisura ischiadica major fühlt.
Schnitt an der Spina posterior superior ilii, beginnend in der
Richtung gegen die Spitze des Trochanter major, den oberen a/3
dieser Linie entsprechend. Trennung der Haut, Fascie und des dicken
M. glutaeus maximus, den Fasern derselben parallel. Der M. glutaeus
medius wird nach Spaltung seiner Fascie an seinem unteren Rande
stumpf freigemacht und empor gezogen. Unter ihm fühlt man mit
dem Finger den oberen Umfang der Incisura ischiadica major. Hier,
Untere Extremität.
4&:
über dem oberen Rande des M. pyriformis, tritt die starke Arterie
direct nach hinten aus dem Becken hervor und giebt sofort starke
■V*v~v3»-'V'S ■
Fig. 140. 1. und 2. Nephrotomie. 3. Ligatura arteriae ischiadicae, A. pudendae
internae, Freilegung des N. ischiadicus, des N. pudendus internus. 4. Ligatura
arteriae glutaeae superioris (N. glutaeus superior).
464 Chirurgie der Extremitäten.
Aeste (den Hauptast lateralwärts) ab. Neben ihr tritt der N. glutaeus
superior aus dem Becken heraus, um zwischen M. glutaeus medius
und minimus, welche er versorgt, mit dem Hauptaste der Arterie
lateralwärts bis zum M. tensor fasciae latae zu verlaufen.
225) Arteria glutaea inferior (ischiadica) (Fig. 140).
Schnitt an der Spina posterior inferior ilii beginnend in der
Richtung gegen die Basis des Trochanter major, dem Unterbindungs-
schnitte der Arteria glutaea superior parallel; die medialen 2/3 der
erwähnten Linie werden beutzt. Spaltung von Haut mit fettreicher
Unterhaut, der Fascie und der Fasern des dicken M. glutaeus maxi-
mus. Unter letzterem wird der untere Rand des M. pyriformis
sichtbar und wird mit den Fingern klar freigelegt; unter dessen
medialem Ende tritt die Arterie heraus, begleitet von dem gleich-
namigen Nerven, der wie die Arterie starke Aeste an den M. glutaeus
maximus abgiebt und den N. cutaneus femoris posterior nach abwärts
schickt. Die Orientirung über die Stelle des Austrittes der Arterie
aus dem Becken ist gegeben durch die Spina ischii und das von
deren Spitze medianwärts ziehende Ligamentum spinoso-sacrum.
Oberhalb der Spina fühlt man den unteren Rand der Incisura ischia-
dica major, über welchen die Arterie hervortritt.
226) In der Richtung der Fortsetzung des Stammes der Arterie
läuft der N. cutaneus femoris posticus (Fig. 128). Tiefer und
lateralwärts, direct auf dem Knochen, liegt der leicht fühlbare,
sehr breite Hauptstamm des
227) N. ischiadicus, über die Basis der Spina ischii und den
M. obturator internus abwärts ziehend.
228) Arteria pudenda interna (Fig. 140).
Schnitt wie zur Unterbindung der A. glutaea inferior.
Die Arterie liegt unter und medianwärts von der A. glutaea
inferior auf der Rückfläche der Spina ischii, begleitet von dem auf
ihr gelegenen N. pudendus internus. Sie ist kenntlich an ihrem
Wiedereintritt ins Becken unterhalb der Spina.
Leistengegend.
229) Arteria iliaca communis (und Aorta abdominalis)
(Fig. 141 und 142).
Keen hat vor Kurzem einen Fall mitgetheilt, wo ein Patient die
Ligatur der Aorta wegen Aneurysma, transperitoneal ausgeführt,
48 Tage überlebte und am Durchschneiden der Ligatur starb mit
Blutung. Er empfiehlt die Anlegung einer Klammer.
Untere Extremität.
3>*
Fig. 141. 1. Cholecystotomie1)- 2. Lig. art. circumflexae ilii (N. cutaneus femoris
externus). 3. Lig. art. iliacae communis (N. cruralis). 4. Lig. art. femoralis communis.
1) Der Schnitt für die Cholecystotomie ist für einen schwierigen Fall so
gross angegeben. Für leichte Fälle benutzt man bloss die halbe Länge des
Schnittes, dessen Mitte stets am besten auf den Rand des Rectus fällt.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. 30
466
Chirurgie der Extremitäten.
Die Aorta theilt sich in Nabelhöhe (Niveau der Verbindungs-
linie der Spinae ilii anteriores superiores) in die zwei A. iliacae com-
A. iliaca com-
munis
Fascia transversa
N. lumbo-inguinalis
A. spermatica int.
M. psoas
M. quadratus lumborum
M.obliquus abdom. int.
M. obliquus abdom. ext.
A. circumflexa ilii post.
N. cutaneus'femorisext.
M. iliacus int.
Fig. 142. Ligatura arteriae iliacae communis.
munes, und diese verlaufen in einer Senkrechten auf die Mitte der
Verbindungslinie zwischen Spina anterior superior ilii und Symphysis
Untere Extremität.
467
pubis, am medialen Psoasrand abwärts. Das obere Drittel der Linie ent-
spricht der Iliaca communis, die zwei unteren Drittel der Iliaca externa.
Schnitt übereinstimmend mit Mott's Angaben vor der Spitze
der 1 1 . linken Rippe beginnend, erst senkrecht abwärts bis 2 Finger
breit medianwärts von der Spina ant. sup. ilii, dann schräg ab und
vorwärts bis 2 Finger breit über der Mitte des Lig. Pouparti. Spaltung
von Haut und Fascia superficialis, dann stumpfe Trennung der starken
Muskelschichten der Bauchwand, des M. obliquus externus, internus
und des dünneren M. transversus. Zwischen den 2 letzteren Muskeln
treten die starken Aeste der Lumbalgefässe und -nerven zu Tage.
Spaltung der wohlausgebildeten Fascia transversa und des subserösen
Fettes. Loslösung des Peritoneum erst abwärts und dann rückwärts
von der Fascia iliaca interna (welche mit glänzenden, queren Fasern
den M. iliacus internus überzieht), bis zum inneren Rande des M.
psoas und von da aufwärts bis zum Promontorium. Auf der Fascia
iliaca verläuft unter dem M. psoas hervortretend schräg aus- und ab-
wärts der N. cutaneus femoris lateralis, oberhalb desselben
quer die Vasa circumflexa post. ilii.
230) Die Vasa spermatica interna mit dem Peritoneum
zum hinteren Leistenring ziehend, werden abgehoben sammt dem N.
genito-cruralis, welcher auf dem Psoas herabzieht und einen Ast mit
den Samengefässen in den Leistencanal sendet.
Der N. genito-cruralis ist von Heinlein in Nürnberg resecirt
worden bei einem Falle von Neuralgia spermatica mit heftigen Hoden-
schmerzen, in Unterbauch- und Oberschenkelgegend ausstrahlend.
Die Arteria iliaca wurde bis zur Kreuzungsstelle des Ureter frei-
gelegt nach Spaltung von Bauchwand mit Fascia transversa und Ab-
hebung des Peritoneum. Die beiden Aeste des Nerven, N. lumbo-
inguinalis und spermaticus externus, auf und neben den Gefässen
liegend, waren deutlich sichtbar.
231) Der Ureter geht medianwärts über die Theilungsstelle
der A. iliaca communis ziemlich senkrecht herunter. Dieser wird
ebenfalls abgehoben und zwar etwas weiter nach der Mittellinie zu,
oberhalb der Stelle, wo er auf der Theilung der A. iliaca communis
ins kleine Becken tritt. Neben der A. iliaca communis läuft der N.
genito-cruralis herunter, dessen Cruralast sich auf die Vorder-
fläche der A. iliaca externa herüberschlägt. An der Vorderfläche
der Wirbelsäule liegt die Theilungsstelle der Aorta.
232) Die A. mesenterica inferior zieht über den Ureter
ebenfalls mit dem Peritoneum abhebbar, senkrecht abwärts. Etwa
3 cm über der Theilungsstelle der Aorta geht lateralwärts eine A.
lumbalis ab. Wie M. Banks hervorgehoben hat, kann es unter
30*
468 Chirurgie der Extremitäten.
Umständen leichter sein, mit Marmaduke u. A. die Ligatur der A.
iliaca mit Eröffnung des Peritoneum zu machen.
233) Arteria hypogastria.
Die A. Irypogastrica (iliaca interna) kann nach der für die Art.
iliaca communis geschilderten Methode unterbunden werden oder
auch in TRENDELENBURG'scher Lage transperitoneal, wie von Dennis
und Treves mit Erfolg geschehen ist. Die Arterie geht auf der
medialen Seite des M. psoas und vor der Synchondrosis sacro-iliaca
aus der Theilung der A. iliaca communis hervor. Sie wendet sich
ein- und abwärts in das kleine Becken, da, wo die Vorderfläche der
A. iliaca communis vom Ureter gekreuzt wird. Dieser wird mit dem
Peritoneum abgehoben. Nach Baudet und Kendirdjy ist bei Prostata-
hypertrophie, inoperablem Uteruskrebs, Excisio recti, gefässreichen Ge-
schwülsten und Aneurysmen der Art. glutaea und ischiadica die "Hypo-
gastrica bis jetzt unterbunden worden. Quenu und Duval empfehlen
die transperitoneale Methode mit Medianschnitt und Schnitt durch das
Peritoneum hinten 3 — 5 cm von der Mittellinie am Promontorium.
234) Arteria uterina.
Diese Arterie wird als Voract der Hysterektomie (SNEGIREFF)
oder behufs Erzielung von Schrumpfung von Uterusmyomen aus-
geführt. Altoukhow empfiehlt folgendes Vorgehen : Schnitt in der
Medianlinie, Eröffnung des Peritoneum. Kleine Incision in das Lig.
latum 1 cm von der Linea irmominata entfernt hinter und parallel
dem Lig". rotundum und Eindringen hinter dem vorderen Blatt
des Lig. latum 12 — 16 mm tief.
Ureter und Vena spermat. interna bleiben am hinteren Blatt des
Lig. latum.
235) Arteria iliaca externa.
Schnitt parallel und dicht über dem mittleren Drittel des Liga-
mentum Pouparti, mit Cooper's Schnitt übereinstimmend, Spaltung
der Haut und der wohlausgesprochenen Fascia superficialis. Die
Arteria epigastrica superficialis, in der letzten senkrecht emporsteigend,
muss durchschnitten werden. Trennung der Aponeurose des Obliquus
abdominis externus. Der Obliquus internus und der Transversus
werden auf der aufwärts gerichteten Rinne des Ligamentum Pouparti
mit dem Scalpellstiel emporgehoben, danach die derbe Fascia trans-
versa gespalten. Unter Fettgewebe mit Drüsen liegt die Arterie
unter der Mitte des Ligamentum Pouparti; nach innen die Vene,
nach aussen die Fascie des M. psoas. Zwischen diesem Muskel und
dem ca. 2 cm von der Arterie lateralwärts liegenden Rande des
M. iliacus internus liegt in der Tiefe der N. cruralis. Auf der
Arterie die dünnen Cruraläste des Nervus genitocruralis, welche die
mediale Vorderseite der Oberschenkelhaut im oberen Drittel versorgen.
Untere Extremität.
469
Die Aeste der A. iliaca externa, nämlich die
Arteria epigastrica inferior und
A. circumflexa ilii anterior, können mit dem gleichen
Schnitt, wie die Iliaca externa, an ihrer Ursprungsstelle oberhalb
des Lig. Pouparti unter den Bauchmuskeln und unter der Fascia
transversa freigelegt werden.
Art. epi- )
gastrica inf./
M. rectusl
abdominisj
Fascia obliquil
interni et /
transversi >
Fascia obliqui
externi
{Dünne Fascia
transversa
Fig. 143. Lig. art. epigastricae inferioris.
236) Arteria epigastrica inferior an der vorderen Bauch-
wand (Fig. 143).
Schnitt 3 Finger breit über dem Lig. Pouparti, dessen medialer
Hälfte parallel durch die Haut, Fascia superficialis, die starke, schräg
47 o Chirurgie der Extremitäten.
abwärts gefaserte Fascie des M. obliquus externus und die davon
trennbare, quer gefaserte Fascie des Obliquus internus und Trans-
versus, welche gemeinsam in die vordere Scheide des Rectus über-
gehen. Der Rand des M. rectus abdominis wird freigelegt und
medianwärts gezogen. Unter demselben erscheint, von einer dünnen
Schicht Bindegewebe (Fascia transversa) bedeckt, das subseröse Fett
und darauf die schräg von aussen unten zum Rectusrand ansteigende
Arterie. (Die Fascia transversa, welche unten auf und oben unter
der Arterie liegt, zeigt hier den als Plica semilunaris Douglasii be-
kannten Rand.)
237) Arteria circumflexa ilii (Fig. 141).
Schnitt über dem äusseren Drittel des Ligamentum Pouparti.
Trennung der Haut, Fascia superficialis, der starken, schräg abwärts
gefaserten Fascia obliqui externi, des dicken, aufwärts strebenden
Obliquus internus und des Transversus. Zwischen den letzteren
Muskelschichten liegen Gefässe und Aeste des N. ilio-inguinalis.
Trennung der Fascia transversa. Jetzt hebt man sorgfältig das
Peritoneum von der Fascia iliaca interna empor. Nach Spaltung
der letzterwähnten Fascie findet man auf dem Muskel gleichen
Namens parallel dem Lig. Pouparti die Arterie und unter ihr durch-
gehend den schräg von oben herabkommenden N. cutaneus femoris
externus. Es ist wichtig, die Verhältnisse in dieser Schnittlinie zu
kennen, weil dieselbe öfter für Eröffnung von Psoasabscessen be-
nutzt werden muss.
238) Arteria obturatoria und Nervus obturatorius
(Fig. 144).
Die Arterie ist ein Ast der A. hypogastrica. Schnitt wie für
die Unterbindung der A. circumflexa femoris interna, fingerbreit
medianwärts von der Mitte des Ligamentum Pouparti beginnend,
senkrecht abwärts. Spaltung von Haut, Fascia superficialis und
oberflächlichem Blatt der Fascia lata. Die auf letzterer liegende
Vena saphena major wird lateralwärts abgezogen, am Innenrand
der Vena femoralis die stramme Fascia pectinaea durchschnitten, der
Aussenrand des M. pectinaeus klargelegt, von dem Knochen (Os
pubis) und der Fascie des M. obturator externus abgelöst und kräftig
medianwärts gezogen. Jetzt wird die starke quergestreifte Fascie
des M. obturator externus gespalten, und über dessen oberem Rande
fühlt der Finger unterhalb des horizontalen Schambeinastes das
Foramen obturatorium, aus welchem die Arterie mit dem darüber-
liegenden starken
239) Nervus obturatorius (Fig. 144) hervortritt auf die
Vorderfläche des M. obturator externus.
Untere Extremität.
471
N. cruralis
M. iliopsoas
A. circumflexal
femoris |
A. profunda
femoris
M. sartorius
Fascia lata
N. oburatorius
A. obturatoria
V. femoralis
M. obturator
externus
{Fascia obtura-
torii externi
A. profunda femoris
V. saphena magna
M. adductor longus
M. sartorius
Fig. 144. 1. Ligatura arteriae femoris profundae et circumflexae externae.
2. Ligatura art. obturatoriae. 3. Ligatura arteriae profundae femoris.
47 ? Chirurgie der Extremitäten.
Oberschenkel. — Vorderfläche.
240) Arteria femoralis.
Sie verläuft in einer Linie von der Mitte des PouPART'schen
Bandes bis zur Mitte der Kniekehle ganz gerade herunter, an der
Grenze des mittleren und unteren Drittels auf der Innenfläche des
Knochens rückwärts gehend. Die Richtung der Unterbindungs-
schnitte auf der Vorder- und Innenfläche wird aber bestimmt durch
eine Linie von der Mitte des Ligamentum Pouparti zum Epicondylus
internus femeris (Linea inguino-condylica), weil man im unteren
Theile nicht mehr von vorne auf die Arterie eingehen kann, sondern
von der medialen Seite. Am unteren Drittel des Oberschenkels
liegt die Arterie auf der Rückseite.
Arteria femoralis communis (Fig. 145).
Querschnitt unterhalb des Ligamentum Pouparti parallel dem
mittleren Drittel desselben. Unterbindung der Arteria epigastrica
superficialis in der Unterhaut. Spaltung des oberflächlichen Fascien-
blattes der Fascia lata unter dem Ligamentum Pouparti. Es erscheint
unter der Mitte desselben auf dem Schambein liegend und deutlich
fühlbar, die Arterie mit zwei abgehenden Aesten (A. epigastrica in-
ferior nach innen und circumflexa ilii nach aussen). Auf der Gefäss-
scheide der Nervus genito-crurälis ; nach innen von der Arterie die
Vena femoralis, nach aussen die Fascie des M. ilio-psoas, unter
welcher am Innenrand des Muskels der Stamm des Nervus cruralis
herabzieht.
Im oberen Drittel (Fig. 145).
Spaltung von Haut und Fascia lata in der Linea inguino-con-
dylica. Abziehen des Sartorius nach aussen. Unter diesem Muskel
liegt die Gefässscheide mit Zweigen des Nervus cruralis, deren stärkster
lateral von der Arterie der Nervus saphenus ist. Vena femoralis
nach hinten innen. Ueber der Fascie lateralwärts der N. cutaneus
medius des N. cruralis und medianwärts vom Schnitt die Vena
saphena magna.
Ueber dem Adductorschlitz (Fig. 145).
Längsschnitt an der Grenze des unteren und mittleren Drittels
des Femur, von der Spina anterior superior an gezählt, an der Stelle,
wo der Finger zwischen Adductoren und Extensoren (Quadriceps)
gegen den Knochen eingedrückt werden kann. Schnitt durch die
Haut unter Schonung der Vena saphena major, Spaltung der Fascie,
Abziehen des an seiner L ä n g s faserung kenntlichen Musculus sartorius
ein- und rückwärts. Eingehen an der Innenfläche der schräg vor-
wärts ziehenden Fasern der Fascie des Vastus internus. Spaltung
dieser Fascie am Vorderrand . der glänzend weissen Sehne des Ad-
Untere Extremität.
473
Spina iliaca a. s.
M. tensor fasciae
M. sartorius
N. cutaneus femorisl
externus J
Fascia lata
Ligamentum Pouparti
M. ilio-psoas
N. cruralis
Fasciae latae lamina
superficialis
A. femoralis communis
Vena femoralis
A. epigastrical
superficialis \
Sehne des M.pectinaeus
Fascia lata
A. femoralis
V. saphena major
N. saphenus internus
M. sartorius
Fascia lata
M. sartorius
N. saphenus ,
A. femoralis
(Fascie des M. vastus
\ internus
Tendo adductoris magni
M. sartorius
Tendo adductoris magni
A. femoralis 5-
N. saphenus internus
M. vastus internus
Fig. 145. 1. N. cutaneus femoris externus. 2. Art. femoralis communis. 3. Art.
femoralis. 4. Art. femoralis am Adductorenschlitz. 5. Art. femoralis am unteren
Ende des Femur.
474 Chirurgie der Extremitäten.
ductor magnus, mit welcher sie verwachsen ist. Arterie ziemlich
dicht am Knochen. Nach hinten innen die Vene, über der Gefäss-
scheide der Nervus saphenus internus. Man hüte sich, nicht zu weit
rückwärts, d. h. hinter die Adductorensehne zu kommen.
Arteria femoralis am Uebergange in die Poplitea
(Fig. 145).
A. Von innen her. (Fig. 145.)
Schnitt hinter der saitenartig vorspringenden Sehne des Adductor
magnus, welche am Epicondylus femoris internus endigt. Nach hinten
liegt der Wulst des Sartorius, die Sehne des Gracilis und Semi-
tendinosus (hinter letzterer der M. semimembranosus). In der Unter-
haut findet man die Vena saphena major. Nach Spaltung der Fascie
erscheint die Musculatur des Sartorius; zwischen ihm und der Sehne
des Adductor magnus dringt man in die Tiefe und findet die Arterie
hinter der Sehne am Knochen in Fett eingelagert, rückwärts
nach der Haut die Vena femoralis und noch näher der Haut den
Nervus tibialis posticus. Nach Abziehen des M. sartorius rückwärts
tritt unter diesem Muskel der N. saphenus internus mit einem
Ast der Arteria articularis genu suprema zu Tage. Diese
beiden Gebilde treten von der Vorderfläche der grossen Adductoren-
sehne über deren Innenrand rückwärts.
B. Von aussen her.
Die Ligatur der Arteria femoralis unterhalb des
Adductorenschlitzes im oberen Theil der Fossa poplitea
ist leichter von der Ausssen- als Innenseite durch einen Schnitt
hinter dem Epicondylus externus femoris 8—10 cm aufwärts durch
Haut und stramme Fascie. Nach vorne von dem Schnitt fühlt man
die zwei Stränge des Ligamentum iliofemorale und der Vastus-
externus-Sehne, welche sich an den Epicondylus externus ansetzen.
Hinter denselben geht man an der Rückfläche des Knochens mit
dem Finger in die Tiefe, indem man den kurzen Kopf des Biceps
femoris nach rückwärts stumpf ablöst. Am medialen Rande des
Biceps- Muskel wulstes liegt im Fett der Nervus popliteus, vor dem-
selben die Vene und etwas mehr medialwärts die Arteria poplitea.
Aeste der Arteria femoralis:
241) a. Arteria profunda am Ursprung und Arteria cir-
cumflexa femoris externa (Fig. 144).
Schnitt 1 cm lateral von der Mitte des Ligamentum Pouparti
2 Querfinger unter diesem Band beginnend, gerade abwärts (die
Mitte des Schnittes entspricht dem Niveau der Basis des Trochanter
major). Spaltung von Haut und strammer Fascia lata. Blosslegung
Untere Extremität.
475
des Innenrandes des Musculus sartorius, der nach aussen gezogen
wird. Unter ihm der Innenrand des M. rectus femoris und neben
diesem im Fett die Zweige des Nervus cruralis über das untere Ende
des M. iliopsoas herabkommend. Dieselben werden lateralwärts ab-
gezogen. Es erscheint der laterale Rand der Arteria femoralis; aus
derselben nach aus- und abwärts hervorgehend die Arteria profunda
mit der quer unter den M. rectus femoris sich einsenkenden A. circum-
flexa externa. Die Abgangsstelle entspricht dem unteren Umfang
der fühlbaren Iliopsoaswölbung.
b. Der Bndast der A. circumflexa externa wird finger-
breit unter der höchsten lateralen Wölbung des Trochanter major
durch Spaltung von Haut, sehr starker Fascia lata resp. der Sehne
des Glutaeus maximus, der glänzenden, sehnigen Bedeckung und des
Muskelfleisches des Vastus externus quer auf dem Knochen gefunden.
c. Arteria profunda am Adductor longus (Fig. 144).
An der Grenze des oberen und mittleren Drittels des Femur,
handbreit unter der Leistenbeuge, macht man den Schnitt, wie zur
Ligatur der Femoralis, d. h. in der Furche, wo man den Finger
zwischen Adductoren und Extensoren gegen den Knochen eindrücken
kann, senkrecht durch Haut und Fascie. Der freigelegte Sartorius
wird lateralwärts gezogen, aber statt wie für die Femoralis unter
demselben die tiefe Fascie auf den Gefässen (Gefässscheide) zu er-
öffnen, spaltet man medial von derselben (d. h. medial von der
Hauptarterie und der an ihrer Rückfläche liegenden Vene) die Fascie
des M. adductor longus und geht entlang dem Muskelfleisch dieses
Muskels geg-en den Knochen zu in die Tiefe bis zu der schräg ab-
und vorwärts gestreiften Innenfläche des Vastus internus. Am Hinter-
rande dieses Muskels, d. h. im Winkel, welchen dieser mit dem
lateralen (oberen) Rande des Adductor longus bildet, liegt die starke
Arterie, mit der Hauptfortsetzung unter den letzterwähnten Muskel
tretend.
242) Arteria circumflexa interna (Fig. 146).
Die Arterie geht in der Regel aus der Femoralis communis ab ;
in anderen Fällen aus der Profunda femoris. Schnitt fingerbreit ein-
wärts von der Mitte des Ligamentum Pouparti in senkrechter Richtung
abwärts durch die Haut; auf der Fascia lata trifft man die Vena
saphena magna, welche lateralwärts gezogen wird. Spaltung der
Fascia pectinea einwärts vom Rande der Incisura falciformis, so
dass das Muskelfleisch des M. pectineus klar zu Tage liegt.
Neben dem lateralen Rande dieses Muskels geht die Arterie
oberhalb seines Ansatzes am Femur und unterhalb des M. obturator
externus auf der Innenseite des Femur direct nach ab- und rück-
wärts, einen starken Ast medialwärts sendend.
476
Chirurgie der Extremitäten.
Man präparirt die Arterie aus dem Fettgewebe heraus am Innen-
rand der Vena femoralis. Sie zieht bei Abgang aus der A. profunda
V. saphena major __^
Fascia lata — 1|
I
I M. pectineus -Ä
1
A. circumflexa 1 J|
f emoris interna J |
A. femoralis — |
V. femoralis — I
Fascia adductoris longi __
A. femoralis
2.
V. femoralis
M. adductor longus -
A. profunda femoris
Vena saphena magna
Vastus internus!
mit Fascie f
M. sartorius
Fig. 146. 1. Lig. art. circumflexae femoris internae. 2. Lig. art. profundae
femoris.
unter, bei Abgang aus der A. femoralis communis gelegentlich über,
meist auch unter der Vena medianwärts.
Untere Extremität.
477
243) Arteria articularis genu suprema (Fig. 145).
Schnitt in einer Linie senkrecht vom Epicondylus femoris internus
aufwärts. Spaltung von Haut und strammer Fascie. Der Muse, sar-
torius wird rückwärts gezogen. Unter ihm tritt, in Fett eingebettet,
der N. saphenus internus zu Tage, begleitet von dem oberflächlichen
Aste der gesuchten Arterie. Für den tiefen Ast geht man über der
vorragenden glänzenden Sehne des Adductor magnus nach dem
Knochen zu unter den M. vastus internus ein. Da die Arterie vor
dem Adductorenschlitz aus der Femoralis abgeht, so kann man sie
nach demselben Verfahren wie letztere daselbst unterbinden. Dicht
über dem Condylus internus trifft man auf dem Knochen die quer-
verlaufende Arteria articularis genu superior interna.
244) Nervus cruralis (Fig. 144 u. 145).
Für die Freilegung desselben an der Stehe der Unterbindung
der Arteria circumflexa femoris externa vergleiche letztere (No. 241).
Neben der Arteria femoralis communis: Querschnitt wie zur Unter-
bindung letzterer unterhalb des mittleren Dritttheils des Poupart-
schen Bandes. Der Schnitt durch die Fascia lata wird lateralwärts
durch die Scheide des Muse, iliopsoas fortgesetzt, und unmittelbar
unter derselben liegt an der medialen Seite des Muskels der starke
Nerv, schon in mehrere Aeste sich spaltend.
245) Nervus saphenus internus (Fig. 147 u. 153) begleitet
die Arteria femoralis bis an den Adductorenschlitz und liegt auf
der Gefässscheide erst aussen, dann vorne. Dessen Freilegung unter
dem Knie siehe später.
Ueber dem Condylus internus femoris: Schnitt vor
dem Sartoriuswulst , unter welchem der Nerv rück- und abwärts
durchgeht. Er hegt hier am Rande der Sehne des Adductor magnus.
246) Die Vena saphena major wird nach Trendelenburg
zur Heilung von Varicen am oberen Ende ligirt. Da sie durch die Haut
bis zu ihrem Eintritt ins Foramen ovale und durch die Fascia cribriformis
in die Vena femoralis sichtbar ist, so ist die Ligatur leicht. Es ist
besser, mit schräg medianwärts absteigendem Querschnitt frei-
zulegen, um nicht zu übersehen, wenn sie doppelt ist. Excision der-
selben nach Casati in ganzer Länge unter Anlegung mehrerer
kleiner Schnitte giebt noch sichereren Erfolg für Varicen.
247) Nervus cutaneus femoris lateralis (Fig. 145).
Schnitt fingerbreit unter der Spina anterior superior ilii dem
Ligamentum Pouparti parallel durch Haut und Fascie. Nerv unter
der letzteren 2 cm unterhalb der Spina, schräg lateral und abwärts
478
Chirurgie der Extremitäten.
am Aussenrand des Sartoriusansatzes herabziehend, oder über dessen
Vorderfläche.
Die Operation kann bei der BERNHARDT'schen Meralgia par-
aesthetica indicirt sein.
Fascia lata
V. saphena major
M. sartorius
N. saphenus internus
Fig. 147. Freilegung des N. saphenus internus über dem Condylus internus
femoris.
Oberschenkel. — Rückfläche.
248) Nervus ischiadicus (Fig. 148).
An der Austrittsstelle aus dem Becken. Siehe Liga tu
der Arteria ischiadica (Fig. 140).
Untere Extremität.
479
M. glutaeus maximus
N. ischiadicus
I • M. adductor minimus
M. biceps femoris ^
3J\ cutaneus femoris post.
M. semitendinosus
N., cutaneus fera. posterior
M. semimembranosus
j,
M. biceps femoris
N. ischiadicusj
(bereits getbeilt)/
Bicepswulst
N. peroneus
Tendo bicipitis
N. suralis externus
Ansatz am Fibulaköpfeben
M. gastroenemius lateralis
Fascia lata
Wulst der Semimuskeln
Fig. 148. 1. Nervus ischiadicus in der Gesässfalte. 2. Derselbe unter der Mitte
des Femur. 3. N. peroneus und N. suralis externus.
480 Chirurgie der Extremitäten.
Am oberen Ende des Oberschenkels Schnitt in der
Mitte der Verbindungslinie zwischen Tuber ischii und dem hinteren
Rand des Trochanter major von der Gesässfalte abwärts. Spaltung
von Haut und Fascie. Der untere Rand des Glutaeus maximus
wird freigemacht und emporgezogen. Es erscheint der Aussen-
rand des schräg lateralwärts ziehenden M. biceps; auf ihm der
N. cutaneus femoris posticus. In der Tiefe liegt unter dem Aussen-
rand der M. biceps, welcher nach innen gezogen wird, der starke
Nervenstamm. An derselben Stelle, aber tiefer und medianwärts
kann man auf dem M. adductor minimus den Endast der Arteria
glutaea inferior unterbinden.
Unter der Mitte des Oberschenkels: Schnitt auf der
Rückfläche des Oberschenkels in der Mitte zwischen den Wülsten
der Semimuskeln und des Biceps femoris. Nach Spaltung der Haut
erscheint auf oder unter der Fascie der starke Nervus cutaneus femoris
posticus. Tief zwischen den stumpf zu trennenden Muskeln auf der
Rückfläche des Knochens liegt der Nervus ischiadicus, oft schon in
seine zwei Hauptstämme getrennt. Im oberen Theil begrenzt das
Muskelfleisch des Semitendinosus, wo dieser dagegen abwärts sehnig
wird, dasjenige des Semimembranosus die erwähnte Furche medialer-
seits.
Kniekehle.
249) Arteria poplitea (Fig. 149).
Schnitt in der Mitte der Rückenfläche des Knies in der Höhe
der Gelenklinie. Im unteren Theil des Schnittes Schonung der Vena
saphena minor, welche, zwischen den Gastrocnemiusköpfen herauf-
kommend, in die Vena poplitea einmündet. An ihrer lateralen Seite
der Nervus suralis medius (communicans tibialis). Eingehen auf der
medialen Seite dieser Gebilde durch das Fett zwischen den beiden
Gastrocnemiusköpfen ; es erscheint zuerst der Nervus tibialis posticus,
der nach aussen gezogen wird. Dann kommt die Vene zum Vorschein,
durch eine derbe Scheide mit der darunter liegenden Arterie eng
verbunden. Die Arterie liegt auf dem Fett der Rückfläche des Ober-
schenkelknochens im oberen Theil, im unteren auf dem M. popliteus.
250) Nervus peroneus (Fig. 148).
Ist deutlich zu fühlen und sogar sichtbar hinter dem Fibula-
köpfchen und noch deutlicher auf der Rückfläche des Condylus ex-
ternus femoris.
Schnitt entlang dem medialen Rande der Bicepssehne oben auf
dem fühlbaren Vorsprung des Condylus externus, unten in einer Linie
vom hinteren Umfang des Fibulaköpfchens aufwärts. Der Nervus
peroneus liegt direct unter der Fascie am lateralen Rande des Gastro-
Untere Extremität.
481
cnemius lateralis und tritt unter dem Fibulaköpfchen in den M. peroneus
longus ein, nachdem er weiter nach oben den
251) N. suralis lateralis und N. communicans peroneus
abgegeben hat (Fig. 148). Auch dieser Nerv ist an der Rückfläche
des Condylus externus femoris durch die Haut hindurch fühlbar.
M. semimembranosus
N. tibialis posticus
V. poplitea
A. poplitea
Fascia lata
M. gastrocnemius lateralis
M. gastrocnemius medialis
V. saphena minor
N. suralis medius
Capitulum fibulae
Fig. 149. Ligatura arteriae popliteae.
Unterschenkel. — Vorderfläche und Aussenfläche.
252) Arteria tibia antica (Fig. 150).
Die Verlaufsrichtung der Arteria tibialis antica ist bezeichnet
durch eine Linie von dem nach vorne vorragenden Vorsprung des
Condylus externus tibiae (= Mitte zwischen Spina tibiae und Capitulum
fibulae) zur Mitte zwischen den beiden Malleolen und von da zum
1. Interstitium intermetatarseum.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. -JI
482
Chirurgie der Extremitäten.
M. tibialis anticus
N. tibialis anticus
A. tibialis antica
M. extensor hallucis
longus
M. extensor hallucis longus
{Sehne des M. extensor
jdigitorum com. longus
N peroneus superficialis
N. tibialis anticus
A. tibialis antica
Ligamentum cruciatum
Fig. 150. Art. tibialis antica und N. tibialis anticus (peroneus profundus).
Untere Extremität. 483
Am obersten Ende.
Schnitt von der Mitte zwischen Spina tibiae und Capitulum fibulae
abwärts, daumenbreit unterhalb der Tuberositas des äusseren Condylus
tibiae beginnend. An letzterem tritt nach Spaltung von Haut und
Fascie der Ansatz des Tibialis anticus als ein sehniger Rand zu Tage,
die Furche gegen den M. extensor digitorum communis bezeichnend.
Eingehen mit den Fingern zwischen den erwähnten Muskeln auf das
Ligamentum interosseum, an dessen oberem Ende die Arterie von
hinten das Ligament perforirt, etwa fingerbreit unter dem Fibula-
köpfchen. Der Nervus peroneus profundus kommt etwas weiter ab-
wärts von der lateralen Seite her unter dem Musculus extensor digi-
torum communis hervor, an diesen Muskel sich anlehnend. Die quer-
verlaufenden Aeste zum Musculus tibialis anticus giebt der Nerv ganz
oben ab.
Im mittleren Drittel.
Schnitt 3 cm nach aussen von der Tibiakante in der fühlbaren
und oft sichtbaren Furche am lateralen Rande des M. tibialis anti-
cus. Spaltung der Haut und Fascie, entlang einer weissen Linie in
letzterer, welche die erwähnte Furche anzeigt (eine zweite weisse
Linie etwas lateralwärts zeigt das Interstitium zwischen Extensor
hallucis longus und Extensor digitorum communis longus an), und
Eingehen mit den Fingern auf das Spatium interosseum, auf welchem
unter dem Muskelfleisch des Tibialis anticus zwischen ihm und dem
Extensor hallucis longus die Arterie mit dem Nervus peroneus pro-
fundus (nach aussen) liegt.
Im unteren Drittel.
Schnitt am Aussenrand der Sehne des Tibialis anticus (der
ersten dicken , lateralwärts von der scharfen vorderen Tibiakante
vorragenden Sehne), zwischen dieser und der Sehne des Extensor
hallucis longus. Spaltung der Haut und der sehr starken Fascie
und klare Freilegung der letztgenannten Sehne; Abziehen der
letzteren nach aussen. Eingehen stumpf mit den Fingern gegen die
Aussenfläche der Tibia. Es erscheint lateral vom Muskelfleisch des
Tibialis anticus zuerst der Nervus peroneus profundus und unterhalb
die Arterie.
253) Nervus peroneus profundus in der Nähe seines
Ursprungs (Fig 151).
Schnitt fingerbreit vor dem Fibulaköpfchen vom lateralsten
Punkte des Condylus externus tibiae abwärts durch Haut und Fascie.
In letzterer zeigt ein etwas schräg nach vorne abwärts verlaufender
weisser Streifen das Muskelinterstitium an. Eingehen zwischen dem
stark sehnigen M. extensor digitorum longus und dem M. peroneus
longus. Schräg unterhalb des Fibulaköpfchens in der Tiefe tritt der
31*
484
Fibul aköpf chen
M. gastrocnemius
A. peronea
M. peroneus longus
M. soleus
M. flexor hallucis longus
M. soleus (abgelöst)
A. peronea
M. peroneus brevis
M. flexor hallucis longus
3-
N. saphenus externus
V. saphena minor
Fascie
N. perones profundus
M. extensor digitorum longus
N. peroneus superficialis
M. peroneus longus
M. peroneus longus
— N. peroneus superficialis
M. externus digitorum longus
6.
Fascia
N. peroneus superficialis
(Mit Fascie bedeckte Sehne des
\M. extensor digitorum longus
Fig. 151. Ligatur der Arteria peronea im oberen (1.) und unteren Drittel (2.).
3. Freilegung des N. saphenus externus. 4. Freilegung des N. peroneus pro-
fundus und superficialis unterhalb des Condylus externus tibiae. 5, Freilegung
des N. peroneus superficialis über der Mitte des Unterschenkels und 6. im
unteren Drittel an der Durchtrittsstelle durch die Fascie.
Untere Extremität. 485
Nerv in der erwähnten Furche median und abwärts unter den M.
extensor longus, während der N. peroneus superficialis in derselben
Furche bleibt und abwärts zieht.
Im weiteren Verlaufe begleitet der N. peroneus profundus die
Arteria tibialis antica in ganzer Länge und kann durch dieselben
Schnitte freigelegt werden. Er liegt auf ihrer lateralen, nur zu unterst
auf ihrer vorderen und inneren Seite.
254) N. peroneus superficialis (Fig. 151).
Im oberen Drittel. Siehe die Freilegung des N. peroneus
profundus unter dem Fibulaköpfchen (No. 253).
In der Mitte des Unterschenkels.
Schnitt an der Vorderfläche des Wulstes der M. peronei (longus
oben, brevis unten) und Eingehen nach Spaltung von Haut und
Fascie zwischen jenen Muskeln und dem M. extensor digitorum longus.
Der M. peroneus wird lateralwärts gezogen. Der Nerv liegt in der
Tiefe der Furche, nach abwärts oberflächlicher werdend.
An der Grenze vom mittleren und unteren Drittel
tritt der Nerv durch die Fascie.
Schnitt in der Mitte zwischen vorderer Tibiakante und hinterer
Fibulakante. Der Nerv ist hier gelegentlich schon durch die Haut
fühlbar.
Unterschenkel. — Rückfläche und Innenfläche.
255) Truncus tibio-peronealis (Fig. 152).
Schnitt in der Mittellinie unter der Kniekehle vom horizontalen
Niveau des Fibulaköpfchens abwärts, also 3 Finger breit unter der
Falte der Kniekehle. Spaltung der Fascie mit Schonung der V. sa-
phena minor und neben ihr des N. communicans tibialis (N. suralis
medius). Diese Gebilde werden lateralwärts gezogen. Sie bezeichnen
die Berührungslinie der beiden Köpfe des Gastrocnemius, zwischen
denen man eingeht. Dieselben müssen abwärts, wo sie sehnig ver-
wachsen sind, gründlich gespalten werden. Die starken Gefäss- und
Nervenäste zu den 2 Gastrocnemiusköpfen werden auf die Seite ge-
zogen. Unter dem lateralen Kopfe erscheint der Rand des schräg
von oben aussen medianwärts absteigenden Soleusansatzes und dar-
auf die dünne, nach ein- oder abwärts verlaufende Sehne des Plantaris
longus. Am oberen Rande des Soleus und unteren Rand des M.
popliteus beginnt der Truncus tibio-peronealis nach Abgabe der Ar-
teria tibialis antica. Man muss den Soleusrand abwärts ziehen oder
besser einkerben, um unter jene grosse Arterie zu gelangen. Wie
bei der Arteria poplitea wird der N. tibialis posticus und die Vene
nach aussen gezogen, um zur Arterie zu kommen. Die Arteria poplitea
läuft auf dem M. popliteus herab, an dessen unterem Rande sie die
486
Chirurgie der Extremitäten.
A. tibialis i|antica ca. 6 cm unter der Kniegelenkslinie (fingerbreit
unterhalb des unteren Umfangs des Fibulaköpfchens) durch das Liga-
Fibularköpfchen
N. suralis medius
V. saphena 1
minor /
M. plantaris longus
N. tibialis 1
posticus f
V. poplitea
M. gastrocnemius \
' lateralis /
Abgangsstelle 1
der A. tibialis /■
antica )
M. popliteus
fTruncus tibio-
y peroneus
M. soleus
{M. gastro-
cnemius medialis
Fig. 152. Ligatur des Truncus tibio-peronealis.
mentum interosseum nach vorne abgiebt. Die schräg gegen die Innen-
kante der Tibia herablaufende sehnige Bedeckung des M. popliteus
ist unter dem inneren Gastrocnemiuskopf deutlich sichtbar.
Untere Extremität.
487
256) Arteria tibialis postica (Fig. 153).
Richtung der Unterbindungsschnitte auf der medialen Fläche des
Unterschenkels vom unteren Rand des Condylus internus tibiae zur
Mitte zwischen Malleolus internus und Achillessehne.
Oberhalb der Mitte und im oberen Drittel.
Schnitt 1 cm vom inneren Tibiarand entfernt. Schonung des in
die Schnittrichtung fallenden Nervus saphenus internus und der Vena
saphena magna vor demselben. Nach Spaltung der Fascie tritt der
Rand des ■ medialen Gastrocnemiusbauches zu Tage und lässt sich
mit stumpfem Haken abziehen ; dagegen der darunter liegende schräg
rückwärts gestreifte Soleus setzt sich breit an die Tibia an und muss
gespalten werden, bis man auf die schräg gestreifte, stramme, tiefe
Fascie kommt. Spaltung der starken tiefen Fascie, welche sich an
die Rückfläche der Tibia ansetzt, so dass das Muskelfleisch des
Flexor digitorum longus freiliegt. Zwischen diesem Muskel und der
tiefen Fascie geht man lateralwärts mit dem Finger tief hinein und
findet 3 cm vom Tibiarand entfernt die Arterie auf dem M. tibialis
posticus. Dieser Muskel liegt dem Lig. interosseum auf. Lateral-
wärts der sehr starke Nervus tibialis posticus. Man darf ja nicht
zwischen Tibia und M. flexor longus, ebensowenig über der tiefen
Fascie eingehen. Der häufigste Fehler ist, dass man zwischen Gastro-
cnemius und Soleus eingeht, anstatt letzteren in ganzer Dicke zu spalten.
Im unteren Drittel.
Schnitt von dem oberen Winkel der sieht- und fühlbaren Furche,
zwischen den tiefen Beugern (d. h. zunächst dem der Innenkante der
Tibia anliegenden Flexor digitorum longus) und dem vorderen Soleus-
rand abwärts.
Spaltung von Haut und Fascie unter Schonung der Vena sa-
phena magna und des hinter ihr liegenden Nervus saphenus internus.
Nach Spaltung der Fascie wird der freie mediale Rand des Soleus
nach hinten gezogen. Jetzt sieht man an der Tibia die Sehne des
M. flexor dig. longus und hinter ihr dessen Muskelfleisch. Auf letz-
terem muss auch die tiefe, meist dünne Fascie gespalten werden und
unter ihr liegt 1 — 2 cm tief die Arterie, an ihrer lateralen Seite der
Nervus tibialis posticus.
Hinter dem Malleolus internus.
Schnitt in der Mitte zwischen Tendo Achillis und hinterer Kante
der Tibia durch Haut und die mit starken Querfasern (Ligamentum
laciniatum) versehene Fascie, unter welcher nach dem Malleolus
z u die Arterie liegt, dicht hinter den Beugesehnen (zu hinterst Flexor
hallucis longus, dann Flexor digitorum communis, zu vorderst Tibi-
alis posticus). Der sehr starke Nervus tibialis posticus liegt nach
hinten. Man muss sich hüten, nicht in das vor der Achillessehne ge-
legene Fettgewebe hinein zu gerathen.
488
Chirurgie der Extremitäten.
M. flexor digitoruml
longus )
Ablösungsfläche"^
des M. soleus (
von der Tibia J
N. saphenus internus
V. saphena major
M. flexor digitorumj
longus |
Fig. 153. I. N. saphenus
internus am Knie. 2. Art.
und N. tibialis posticus
im oberen Drittel. 3. Die-
selben im unteren Drittel.
4. Dieselben hinter dem
Malleolus internus.
I.
M. sartorius
N. saphenus internus
V. saphena major
M. gastrocnemius
M. soleus
Derbe tiefe Fascie
N. tibialis posticus
A. tibialis postica
Fascia lata
Rand des M. soleus
A. tibialis postica
N. tibialis posticus
Fascia profunda
Vena tibialis postica
{Tendo fiexoris
digitorum longl
A. tibialis postica
N. tibialis posticus
I Lig. laciniatum
\ fasciae latae
Untere Extremität. 48g
257) N. saphenus internus (Fig. 153).
a) Am Knie. Am hinteren Umfang des Condylus internus
tibiae, hinter dem Sartorius, schneidet man ein und findet den Nerven
in der Furche zwischen Sartorius nach vorne und der starken Sehne
des Gracilis hinten unter dem Sartorius hervorkommend. Auf der
Fascie liegt vor dem Nerven und oberflächlicher, schon durch die
Haut fühlbar, die Vena saphena major. (In Fig. 147 sind die Be-
zeichnungen von Nerv und Vene verkehrt.)
b) Am Unterschenkel findet man in ganzer Länge den Nerven
entlang der inneren Tibiakante neben der Vena saphena. major, in der
Linie der Unterbindungsschnitte für die Arteria tibialis postica (No. 256).
c) Am Fussgelenk liegt der Nerv fühlbar neben der Vena
saphena major am vorderen Umfang des Malleolus internus.
258) Arteria peronea (Fig. 151).
Verlaufsrichtung in gerader Fortsetzung der Arteria poplitea ent-
lang der medialen Rückfläche der Fibula. Die hintere Fläche der
Fibula ist in der ganzen Länge des Unterschenkels fühlbar. Die
Schnitte fallen in die Linie vom hinteren Umfang des Fibulaköpfchens
zur Mitte zwischen Malleodus externus und Achillessehne. Die Arterie
entsteht im oberen Drittel des Unterschenkels aus dem Truncus tibio-
peronealis.
Ueber der Mitte.
Schnitt auf die Fibularückfläche hinter dem Muskel wulst der
M. peronei. Der N. communicans peroneus tritt zu Tage. Spaltung
der Fascia lata hinter den M. peronei. A.blösung des Soleusansatzes
von der Fibula und der tiefen glänzend sehnigen Fascie, welche den
M. flexor hallucis longus auf der Rückfläche der Fibula bedeckt.
Nach Spaltung dieser Fascie geht man zwischen ihr und dem Muskel
in die Tiefe und findet an dem schrägen medialen Rande des letzteren
die Arterie vor ihrem Eintritt in den Muskel. Medianwärts von ihr
(tiefer) der N. tibialis posticus.
Unter der Mitte.
Incision an der Rückfläche der Fibula wie oben. Nach Spaltung
der Fascie wird der dicke Rand des M. soleus medianwärts gezogen.
Unter ihm erscheint der wulstige Flexor hallucis longus, dessen Rück-
fläche von einer sehnig gestreiften Fascie bedeckt ist. Er wird von
der Rückfläche der Fibula losgelöst. Unter ihm liegt die Arterie
am Rande des dem Lig. interosseum aufgelagerten M. tibialis posticus.
259) N. suralis externus.
Der Hauptast des N. peroneus zum Unterschenkel trennt sich
neben der Bicepssehne in den N. communicans peronei und den
N. suralis externus. Ersterer läuft auf der Rückfläche abwärts, um
sich hinter dem Malleolus externus mit dem N. communicans tibialis
aqo Chirurgie der Extremitäten.
zum N. saphenus externus zu vereinigen; letzterer tritt im oberen
Drittel der Aussenfläche des Unterschenkels durch die Fascie, um
die Aussenfläche des Unterschenkels zu versorgen. (In seinem Ge-
biete strahlen Ischiasschmerzen oft besonders intensiv aus.)
Der Hauptast des N. peroneus wird mit demselben Schnitt, wie
der Stamm des N. peroneus hinter dem Condylus externus femoris
neben der Bicepssehne freigelegt, direct unter der Fascie (Fig. 148).
Nervus saphenus externus (Fig. 151): Schnitt in der Mitte
zwischen Malleolus externus und Achillessehne. Hier ist der N. com-
municans peronei als Nervus saphenus externus mit dem N.
communicans tibialis vereinigt, sub- oder suprafascial. Vor ihm die
Vena saphena minor.
260) Nervus suralis medius (N. communicans tibialis) (Fig. 152).
Siehe Unterbindung der Arteria poplitea und tibio-peronea. Der
Nerv geht in den oberen zwei Dritttheilen des Unterschenkels in der
Mitte der Wade mit der Vena saphena minor auf der Fascie senk-
recht herab, um hinter dem Malleolus externus mit dem N. communi-
cans peronei zu verschmelzen.
261) Nervus tibialis posticus (Fig. 153).
In ganzer Länge entlang der Arteria tibialis postica freizulegen;
oben lateralwärts, unten rückwärts von derselben, in der Fusssohle unter-
halb (d. h. der Haut näher).
Fuss.
Arteriae und Nervi plantares.
An der Planta pedis sind in der Mittellinie die tieferen Gebilde
durch das Muskelfleisch des M. flexor brevis bedeckt. Daher geht
man analog wie an der Vola manus neben diesem mittleren Bündel
und den beiden seitlichen Muskelwülsten ein. Letztere bestehen ober-
flächlich aus den Abductoren der grossen und der kleinen Zehe.
262) Arteriae plantares am Ursprung aus der A. tibialis
postica (Fig. 154).
Schnitt auf der medialen Fussseite fingerbreit unter dem fühl-
baren Sustentaculum tali beginnend, horizontal rückwärts oberhalb
des Wulstes des M. abductor hallucis. Spaltung von Haut und: Fascie,
unter welcher das Muskelfleisch des Abductor hallucis erscheint. Das-
selbe wird von der tiefen Fascie abwärts gelöst, letztere gespalten.
In der Verlängerung des hinteren Randes des Malleolus internus
liegt Arterie und Vene und darunter der Nervus tibialis posticus.
263) Arteria plantaris interna und Nervus plantaris
internus (Fig. 155).
Schnitt in der Richtung von der Spitze des Fersenhöckers zur
1. Zehe, vom vorderen Umfang des Fersenballens vorwärts durch
Haut, reichliches Fett und die derbe, längsgestreifte Plantaraponeurose.
Untere Extremität.
491
Freilegung des Muskelfleisches des Abductor hallucis. Die
Arterie kommt unter diesem Muskel in die Planta. Der M. flexor
digitorum brevis liegt lateralwärts.
264) Nervus plantaris internus liegt neben der Arterie. Die
Arterie ist sehr klein, der Nerv stark, von reichlichem Fett bedeckt.
Die Sehne des Flexor hallucis longus liegt unter (tiefer) diesen Gebilden.
265) Arteria plantaris externa (Fig. 155).
Schnitt in der Richtung einer Linie von der Spitze des Fersen-
höckers zur 4. Zehe vom Fersenballen vorwärts durch Haut, reichliches
Mall. int. (unterer Rand)
Fühlbares Sustentaculum tali
A. und N. tibialis posticus
Tiefe Fascie
M. abductor hallucis
Fig. 154. Art. plantares am Ursprung aus der A. tibialis postica. Nach hinten
N. tibialis posticus.
Fett und die starke Plantaraponeurose. Freilegung des Muskelfleisches
des Flexor digitorum brevis. Zwischen diesem und dem kurzem Kopf
des Flexor longus tritt die Arterie in die Furche des ersteren und
des Abductor dig. minimi.
266) Nervus plantaris externus (Fig. 155).
Neben der gleichnamigen Arterie liegt der Nerv; erstere sehr
stark, letzterer dünn.
267) Arcus plantaris am Interstitium intermetatarseum
(Fig. 155)-
492
Chirurgie der Extremitäten.
M. Lumbricalisl
M. abductorl
hallucis f
Sehne desM. pero-1
neus longus )
2.
M. adductor hallucis
N. u.A. plantaris I
interna J
Sehne des M. flexor\
hallucis longus f
,.eM. flexor brevis
Arcus plantaris
r
. plantaris
internus
M. flexor brevis
f Sehne des M.
flexor longus zur
<II. Zehe. Darüber
Idie Sehne des
flexor brevis
M. flexor brevis
JA. u. N. plantaris
externus
M. abductor dig.
minimi
Fig. 155. 1. Arcus plantaris. 2. u. 3. A. u. N. plantares interni und externi.
Untere Extremität.
493
A. pediaea
Sehne des M. extensorl
hallucis longus f
N. peroneus superficialis
Sehne des M. extensorl
hallucis longus f
M. interosseus primus
N. peroneus superficialis
N. peroneus profundus
(tibialis anticus)
M. extensor hallucis brevis
extensor hallucis brevis
M. extensor brevis
N. peroneus profundus
A. pediaea
Fig. 156. Art. dorsalis pedis (pediaea) mit N. peroneus profundus und superficialis.
aqa Chirurgie der Extremitäten.
Schnitt in der Furche lateral vom Grosszehenballen in der Rich-
tung einer Linie von der 2. Zehe zum Fersenhöcker rückwärts durch
Haut, reichliches Fett, die stramme Plantaraponeurose. Jetzt erscheint
medianwärts die Sehne des Flexor hallucis longus mit dem Muskel-
fleisch des Abductor hallucis hinten, flexor brevis vorne. Sie werden
medianwärts gezogen. Auf der lateralen Seite des Schnittes tritt zu
Tage der N. plantaris internus, Ast des Tibialis posticus mit seinen
starken Aesten zur 2. und 3. Zehe. Er wird nach der Kleinzehenseite
abgezogen. Der Ast der grossen Zehe kommt nicht zu Gesicht. Die
Sehne des Flexor digitorum brevis zur 2. Zehe und an deren medialem
Rande tiefer diejenige des Flexor digitorum longus mit Lumbricalis I
werden freigelegt und lateralwärts gezogen. Unter ihnen liegt der starke
M. adductor hallucis. Nach Durchtrennung dieses Muskels gelangt man
in erheblicher Tiefe zur Durchtrittsstelle der Arterie durch das Inter-
stitium metatarseum I. Die Arterie liegt hier auf den M. interossei, an
ihrer medialen Seite ragt der Rand des Metatarsus I vor, an dessen
hinterem Ende sich die Sehne des M. peroneus longus ansetzt.
268) Arteria dorsalis pedis (Fig. 156).
Verlauf von der Mitte zwischen beiden Malleolen zum ersten
Interstitium intermetatarseum.
In der Fussgele n kslinie.
Spaltung der Haut in der Mitte zwischen beiden Malleolen. Der
Nervus peroneus superficialis erscheint in der Richtung des Schnittes
und wird nach aussen gezogen. Spaltung der Fascie sammt dem
Ligamentum cruciatum über der Sehne des Extensor hallucis longus ;
dieser zum Theil noch fleischige Muskel wird medianwärts gezogen.
Unter ihm liegt die Arterie, auf dieser der Nervus peroneus profundus.
Auf der Mitte des Fussrückens.
Schnitt in der oben angegebenen Richtung. Auf der Fascie wird
der Nervus peroneus superficialis nach aussen gezogen. Unter der
Fascie erscheint die Sehne des Extensor hallucis longus und lateral-
wärts Sehne und Muskelfleisch des M. extensor hallucis brevis. Dieser
letztere wird lateralwärts abgezogen und unter ihm die Arterie mit
dem ziemlich starken Nervus peroneus profundus auf ihrer Aussen-
seite gefunden. Die Arterie liegt auf den Gelenkbändern.
Am Eintritt ins Interstitium intermetatarseum.
Schnitt zwischen den Basen des ersten und zweiten Metatarsus,
Spaltung von Haut und Fascie mit Schonung eines Astes des Nervus
peroneus superficialis, der lateralwärts gezogen wird, sowie der Vena
saphena major. Es erscheint medianwärts die Sehne des Extensor
hallucis brevis, und noch weiter median die dicke Sehne des Extensor
hallucis longus. Unter dem lateralen Rande der ersteren kommt der
Nervus peroneus profundus hervor und unter ihm die Arterie, einen
starken Interdigitalast nach vorne sendend.
Dritter Abschnitt.
Exeisionen und Reseetionen.
T. Allgemeines.
Wenn man statt blosser Incisionen Wunden anlegt in der Ab-
sicht, einen gesunden oder pathologischen Körpertheil aus dem Zu-
sammenhang mit den allseitig anstossenden Geweben zu entfernen,
so spricht man Excision, einen Ausdruck, welcher am besten auch
statt des üblichen der Reseetionen auf die Gelenke und Knochen
angewandt wird. Die Hauptsache ist dabei die richtige Anlage des
ersten Schnittes, damit derselbe mit der geringsten Verletzung einen
guten und freien Zugang zu einem zu entfernenden Körpertheil ge-
statte. Wir gehen deshalb auch für die Gelenke von der Frage aus:
Wie wird die beste Incision gemacht zur Eröffnung eines Gelenkes?
Der Schnitt ins Gelenk, die Arthrotomie, ist die Grund-
lage jedes Resectio ns-V erf ahrens; ob man ihn dann gross
oder klein mache, d. h. in ganzer Länge oder theilweise benutze,
das hängt von der Indication zur Operation ab, ebenso ob man von
der Arthrotomie übergehe zur Arthrektomie, zur partiellen oder totalen
Excision des Gelenkes, Kapsel, Synovialis, Gelenkenden, Zwischen-
knorpel, Bändern.
Bezüglich Technik gehören die Exeisionen zu den einfachsten
Operationen. Denn sobald der zu entfernende Körpertheil einmal
erreicht ist, so handelt es sich darum, denselben aus seiner Umgebung
möglichst rein auszuschälen, indem man mit scharfen oder stumpfen
Instrumenten die anstossenden Weichtheile dicht an dem betreffenden
Knochentheil (wenn ein solcher zu reseciren ist) abhebt. Je voll-
kommener der Knochen nackt gelegt wird, je weniger also an dem-
selben Weichtheile hängen bleiben, desto correcter ist die Resection.
Gegen diese einfache Regel wird von Anfängern in der Resections-
praxis viel gefehlt.
496
Excisionen und Resectionen.
Es ist Langenbeck's Verdienst, auf diesen capitalsten Punkt
in der Ausführung der Gelenkresectionen im engeren Sinne hin-
gewiesen zu haben, nämlich auf die Anlage möglichst ein-
facher Schnitte durch sämmtliche Weichtheile und die Er-
haltung letzterer in normalem Zusammenhang mit
dem Periost bei sauberer Auslösung der Knochen. Und Ollier
hat das Verdienst, die grosse Bedeutung ausgesucht sorgfältiger
Schonung des Periostes mitsammt sämmtlichen Kapsel-, Bänder-
und Sehnenansätzen an demselben durch Experimente und vor-
zügliche Resultate seiner Operationen bewiesen zu haben. Allein
trotzdem scheint es uns nicht im Geiste dieser Meister zu liegen,
bei ihren Methoden stehen zu bleiben, solange die Principien ge-
wahrt werden, welche wir ihrer Arbeitskraft und ihrem Genius
verdanken.
Einen sehr grossen Fortschritt sehen wir speciell darin, dass —
wie wir es seit Jahrzehnten practiciren und wie KÖNIG es am be-
stimmtesten ausgesprochen hat — die Zeit typischer Resectionen
vorbei ist und an Stelle der „Resectio" die Arthrotomie mit Ent-
fernung ausschliesslich der erkrankten Weich- und Knochentheile
getreten ist. Kappeler hat für solche Resectionen den Namen der
atypischen benutzt. Es erweckt dieser Name aber zu sehr den Ein-
druck einer gewissen Unregelmässigkeit der Ausführung und wird
daher besser vermieden. Denn gerade darin glaube ich einen weiteren
Fortschritt angebahnt zu haben, dass ich für sämmtliche Gelenk-
schnitte diejenigen Methoden wähle, welche vor allen anderen ge-
eignet sind, die Verletzung auf ein Minimum herabzusetzen, nicht
bloss grosse Gefässe, Nerven und Muskeln zu schonen, sondern
auch der Nervenversorgung der Muskeln durch Schonung kleinerer
Aeste, sowie der Bedeutung der einzelnen Muskeln und ihrer An-
sätze für die Gelenkfunction Rechnung zu tragen. Von diesem Ge-
sichtspunkte aus dürften einzelne unserer „Methoden" den Vorzug zu
verdienen.
Einen Fortschritt endlich sehen wir darin, dass die Art der Er-
haltung von Bänder- und Sehnenansätzen wesentlich verbessert worden
ist durch das vorzüglich von König und Tiling ausgebildete Ver-
fahren der Abmeisselung dieser Ansätze sammt den Apophysen, an
welchen sie sich ansetzen, resp. einem Stück Corticalsubstanz des
Knochens. Es handelt sich aber um Schonung der Knochencorticalis
nicht bloss für die Apophysen, sondern principiell in ganzer Aus-
dehnung. Deshalb trage ich das Periost mittelst eines scharfen
Raspatorium sammt der oberflächlichen Corticalschicht des Knochens
ab behufs sicherer Erhaltung der osteoplastischen Cambiumschicht.
Die Erhaltung der oberflächlichen Knochen schicht gewährleistet eine
gute Knochenproduction sicherer, als wenn bloss das Periost vor-
handen ist. Wir halten deshalb, wo sie zulässig und ausführbar ist,
Allgemeines. 407
die subcorticale Resecti onsmetho de für besser als die
subperiostale Lang-enbeck's und subperiosteo-subcapsuläre von
Ollier. Es ist dabei noch auf den Gewinn aufmerksam zu machen, dass
die Verwachsung rascher geschieht und dass bei den Bewegungs-
versuchen im Anfang die Schmerzhaftigkeit geringer ist. Denn die
Ansätze von Sehnen und Bändern haben einen besonders hohen
Grad von Empfindlichkeit, welche für die so sehr wünschens-
werthe frühzeitige Wiederaufnahme activer Bewegung sehr hinder-
lich ist.
Die empf ehlenswertheste Methode der Neuzeit scheint
uns also diese zu sein für die eigentlichen Resectionen:
1) Wahl eines möglichst einfachen Schnittes im Sinne LANGENBECK's,
aber doch unter specieller Berücksichtigung, ihn überall nicht bloss
in den Interstitien von Muskeln, Bändern und Sehnen, sondern da
bis auf den Knochen zu führen, wo auch die kleinsten Gefässe und
Nerven geschont werden können, also in neutralen Linien zwischen
den Ausbreitungsgebieten der Nerven. 2) Danach subcorticale Ab-
lösung der Kapsel, des Periosts, der Bänder- und Sehnenansätze
und Entfernung zunächst bloss des kranken Knochens, ganzer Ge-
lenkenden aber bloss insoweit, als deren Mitentfernung der Function
Nutzen bringt.
Wenn man sich an diese principiellen Forderungen hält, so darf
man bei richtiger Asepsis ohne Furcht vor Schaden in frühen und
gelinden Stadien der Gelenkerkrankungen die Arthrotomie ausführen.
Und man mag Statistiken beibringen wie man will, so ist doch noch
zur Stunde, selbst bei tuberculösen Gelenkentzündungen, die frühe
und ausgiebige Eröffnung des Gelenks und die gründliche Entfernung"
der tuberculös erkrankten Gewebe (mit folgender Jodoform einreibung)
das einzige Mittel, eine rasche und bleibende Heilung zu erzielen.
Wie oft erlebt man es nicht, dass man bei umschriebener Erkrankung,
bei einem Käseherd, z. B. in Patella, im Oberarm u. s. w. diesen
völlig entfernt zu haben glaubt von einer kleinen Incision aus, bis
der Eintritt diffuser Gelen ktuberculose belehrt, wie viel besser man
gethan hätte, gleich zu Anfang das Gelenkinnere vollkommen frei-
zulegen. Bei den zahlreichen Formen bloss plastischer Gelenk-
entzündung, den proliferirenden, deformirenden und adhäsiven Arthri-
tiden ist auch die moderne Chirurgie im Allgemeinen noch viel zu
schüchtern angesichts des trostlos langen Verlaufes bei nicht operativer
Behandlung, und nur einzelne Stimmen werden zu Gunsten der Arthro-
tomie laut. Ganz sicher liegt der Grund für dieses ablehnende Ver-
halten darin, das man zu sehr in den älteren Methoden der Resection
befangen ist, und die von uns hier vertretenen Incisionsformen haben
die specielle Absicht, sie nicht bloss für Resection, sondern ebenso
gut für die blosse Eröffnung eines Gelenks, die Arthrotomie und für
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. ^2
498
Excisionen und Resectionen.
die Exstirpation der Gelenkkapsel und eventuell Knorpel, die sog.
Arthrektomie, verwerthbar zu machen.
Es darf demgemäss das Verfahren, das man benutzt zur Er-
öffnung des Gelenks, den Chirurgen in keiner Weise binden für seine
weitere Entscheidung; der Schnitt muss ebenso gut sein für den
Fall, dass man nach Eröffnung der Gelenkhöhle es dabei bewenden
lassen will, als wenn man einen Theil oder die ganze Synovialis
exstirpiren will oder zu partieller oder totaler Entfernung der
knöchernen Gelenkenden sich entschliesst. Der erste Schnitt bleibt
sich ganz gleich. Wir sind schliesslich für alle grossen Gelenke zu
der Verwendung eines Schnittes g-ekommen, den man als Hacken-
schnitt bezeichnen könnte und welchen wir bei den einzelnen
Resectionen illustrirt haben.
Bei Arthrotomie beispielsweise zur Entleerung eines Ergusses
zur Entfernung eines Gelenkkörpers bleibt es bei dem Schnitt durch
Haut, Aponeurosen, Kapsel und Synovialis bis in den Gelenkraum.
Bei Arthrektomie geht der Schnitt bloss bis auf die erkrankte
und verdickte Synovialmembran (speciell bei Tuberculose), und von
deren Aussenfläche wird die fibröse Kapsel losgelöst, um die
Synovialis wie einen Tumor als zusammenhängende Masse exstirpiren
zu können unter Ablösung ihres visceralen Blattes vom Knochen
Ebenso bei Arthrektomie mit Resection der Knochen.
Bei Resection bloss- der Knochen geht der Schnitt bis auf
den Knochen, und es folgt die subcorticale Ablösung sämmtlicher
Weichtheile in normalem Zusammenhang, wie man einen gutartigen
Tumor ausschält aus gesunder Nachbarschaft, danach die Entfernung
der kranken Knochen.
Noch eine principielle Frage soll hier speciell betont werden, das
ist diejenige der besten Methode zur Wiederherstellung
guter Function. Eine solche hat zwei Grundbedingungen: Die eine
ist die Erhaltung contractionsf ähiger Muskeln, ein capitaler
Punkt, dessen Berücksichtigung .dem Chirurgen viel öfters als es
jetzt geschieht, das Messer frühzeitig in die Hand drücken sollte.
Man kann mit keiner Resectionsmethode so viel schaden wie mit
dem fatalen Zuwarten bis durch Inactivität die Muskeln atrophisch
oder durch entzündliche Veränderungen die Weichtheile starr und
unelastisch geworden sind. Die zweite Grundbedingung ist die Her-
stellung einer guten Form der Gelenkenden. Wie darf
man erwarten, dass zwischen 2 Gelenkenden sich eine richtige Be-
wegung ausbilde, wenn man dieselben einfach quer absägt, wie dies
früher ganz regelmässig geschehen ist? Man soll im Gegentheil die
Form der Gelenkenden beim Schnitt sorgfältig nachahmen, um den
mechanischen Anforderungen gewisser Bewegungsformen gerecht zu
werden.
Allgemeines. 400
Die Ausführung der Resectionen und Amputationen, wie auch
der schonenden Operationen an den Gliedmaassen ist durch die Ein-
führung der prophylaktischen Blutstillungsmethode von V. ESMARCH
auserordentlich erleichtert worden. Dies genial einfache Verfahren
besteht in der Einwicklung des Gliedes oberhalb mittelst eines Kaut-
schukschlauches. Vor Anlegung desselben wird das Glied senkrecht
in die Höhe gehalten (P. Bruns hat gezeigt, dass dadurch das Glied
ebenso ergiebig blutleer gemacht wird, wie durch Einwicklung mit
elastischer Binde), danach (bei Wahl am besten im oberen Drittel des
Oberarms und im unteren Drittel des Oberschenkels, weil hier weniger
Musculatur vorhanden und keine Nerven directem Drucke ausgesetzt
sind) eine Gazebinde an bestimmter Stelle ohne Schnürung als Unter-
lage umgewickelt und sofort der erste beste Kautschukschlauch um-
gelegt und dabei eine einfache Schleife ohne Knoten gemacht, um
jeden Augenblick rasch auflösen zu können. Der Schlauch darf nicht
zu stark angezogen werden, sonst riskirt man sehr unangenehme
Nervenlähmungen am Arm im Radialis-, am Bein im Peroneus gebiet.
Für die Nachbehandlung aller Resectionen ist es zum Unterschied
von blossen Arthrotomien ganz wesentlich, dass sofort ein fixer
Verband (Gypsverband) angelegt werde, damit die veränderten Gelenk-
enden unverrückt in bestimmter Lage zu einander gehalten werden.
Es kann bei schwieriger Fixation angezeigt sein, einen Silberdraht
durch beide Gelenkenden durchzulegen so, dass derselbe eine be-
stimmte Stellung sichert, ohne die richtigen Bewegungen aus-
zuschliessen. Arbuthnot Lane hat diesen Gedanken bei veralteten
Hüftgelenkleiden zur Anwendung gebracht mit sehr gutem Erfolg.
So verheilen sie am raschesten, und bei aseptischem Verlauf kann
ein Individuum schon nach 14 Tagen mit der oberen Extremität Be-
wegungen und mit der unteren im fixen Verband Gehversuche machen.
Je früher man die Bewegungen wieder aufnehmen lassen
kann, desto' sicherer ist der Erfolg, wenn es auch bloss ganz
geringe Bewegungsexcursionen innerhalb eines gut gepolsterten
Gypsverbandes sind. Es ist wesentlich, wenn man frühe die Function
wieder aufnehmen lassen will, dass bald die Empfindlichkeit der
Sägeflächen des Knochens verschwinde. Wo man eine Ankylose
anstrebt (wie am Knie), da wirkt in dieser Hinsicht eine sehr exacte
Fixation am besten; nach 14 Tagen kann dann ein Patient ohne
Beschwerden im Verband das Bein belasten. Behufs guter Fixation
müssen die Knochen genau aufeinander passen und möglichst breite
Berührungsflächen haben; dies geschieht durch bogenförmige Ab-
sägung am Knie (oder auch wie Tavel thut, winklige Absägung),
welche die Verschiebung verhütet oder durch Knochennähte und
Festnageln der Knochen aufeinander, welche Maassnahmen aber nur
bei nicht erweichten Knochen einen Werth haben.
32*
5°°
Excisionen und Resectionen.
Um rasch eine relative Unempfindlichkeit der Gelenkenden in
Fällen zu erzielen, welche Beweglichkeit ergeben sollen, haben wir
uns mehrfach eines Verfahrens bedient, das man als Luxations-
methode oder Secundärreposition bezeichnen könnte. Wir bringen
(am Ellbogen und Hüfte z. B.) nach der Resection die Knochenenden
in Luxationsstellung , so dass die empfindlichen Sägeflächen des
Marks bloss mit Weichtheilen in Berührung sind und führen die
meist ganz leichte Reposition erst nach 10 — 14 Tagen aus, nachdem
die äussere Wunde völlig geheilt ist. Der Patient beginnt dann
sofort seine Bewegungen, was ihm oft selbst beim besten Willen
unmöglich ist bei der üblichen Nachbehandlungsrnethode. Und
doch ist es für Erziehung baldiger guter Function wesentlich, dass
sehr frühzeitig die Bewegung der Muskeln wieder aufgenommen
werde. Mittelst Apparates mit elastischen Extensions- und Flexions-
zügen bei gesicherter Bewegungsaxe kann man die Behandlung
wesentlich unterstützen.
Bei tuberculösen Affectionen soll nach Arthrektomie und Resection
die ganze Wundfläche mit Jodoformpulver eingerieben werden.
Die Wunde wird nur, soweit Höhlen zurückbleiben, mit Jodoform-
gaze tamponirt, sonst bloss mit Glasdrains drainirt, in der
Regel von eigens zu diesem Behuf angelegten kleinen Incisions-
wunden aus.
U. Untere Extremität.
269) Excision der Zehenphalangen und Metatarsal-
knochen (Fig. 157).
Nach den bei den Incisionen an Zehen und Fingern gemachten
Angaben ist ersichtlich, dass bloss laterale, mehr nach dem Dorsum zu
liegende Schnitte zulässig sind, zur Schonung der Nerven und Sehnen.
An Zehen und Zehengelenken ist es schonender für die Ausführung
und zweckmässiger wegen der Narbenretraction, zwei kleinere seitliche
Incisionen zu machen, für die Metatarsalknochen genügt eine dorsale
Incision entlang den Strecksehnen und den Fingerästen der Peroneal-
nerven. Die Incision muss über die anstossenden Gelenke hinaus-
gehen, wenn sie Raum genug geben soll. Zuerst wird stets das
Köpfchen des Knochens freigemacht, weil dessen Bandverbindungen
leichter zu lösen sind, als diejenigen an der Basis.
270) Resectio metatarso - tarsea und Tarsectomia an-
terior (Fig. 158).
Eine sehr wichtige Operation bei infectiösen Erkrankungen
speciell Tuberculose) der vorderen Tarsalgelenke, weil in der Regel
Untere Extremität.
50I
die Gelenkkapseln derselben sämmtlich in Communication stehen. Am
häufigsten finden sich noch abgeschlossene Gelenkkapseln für das
Gelenk zwischen Metatarsus I und Cuneiforme I, an der vorderen
und hinteren Fläche des Cuboideum, zwischen Taluskopf und Navi-
culare, Talus und Calcaneus. Bei dem häufigen Beginn tuberculöser
Ostitis in der Basis der Metatarsalknochen kann gelegentlich eine
Resection der Basen der Metatarsalknochen und der Gelenkflächen der
anstossenden Ossa cuneiformia und Ossis cuboidei genügen (Resectio
metatarso-tarsea). Sicherer wird bei Ergriffensein der Gelenke die
Fig. 157.
Resectio phalangum.
Resectio metatarsorum.
_ Fig. 158.
Resectio tarsea anterior
(gewöhnliche Anordnung der Gelenkkapseln).
Mitentfernung der letzterwähnten Knochen inclusive Os naviculare
sein. Bei diffuser Erkrankung sind auch die Gelenkflächen von Talus
und Calcaneus abzutragen.
Die Resection wird gemacht von 2 dorsal angelegten Seiten-
schnitten aus. Der mediale Schnitt geht vom hinteren Drittel des
Metatarsus I bis auf den inneren Umfang des Taluskopfes, welcher
in Abductionsstellung des Fusses sichtbar zu Tage tritt, an letzterer
Stelle bloss durch die Haut, um die auf den Talushals vorgeschobene
Fussgelenkkapsel nicht zu eröffnen. Medialwärts von der Extensoren-
sehne der grossen Zehe beginnend, trennt der Schnitt die Ansätze
c02 Excisionen und Resectionen.
des Tibialis anticus auf dem Metatarsus 1 und Cuneiforme I ab und
macht die dorsale Fläche des Keilbeins und des Os naviculare frei.
Nach abwärts wird ebenso die untere Fläche dieses Knochens frei-
gemacht ; die Sehne des Tibialis posticus bleibt nach hinten und unten.
Der laterale Schnitt, vom hinteren Drittel des Metatarsus V bis
auf die obere Fläche des Corpus calcanei vor dem Malleolus externus
bleibt lateral von den Sehnen, indem er den Ansatz des Peroneus
tertius am Metatarsus V abhebt und die obere Fläche der Metatarsal-
basen und des Os cuboideum freimacht. Zur Freilegung der unteren
Fläche dieses Knochens muss die Sehne des Peroneus brevis am
Metatarsus V gelöst und diejenige des Peroneus longus aus der
Rinne an dessen Aussen- und Unterfläche herausgehoben und nach
hinten gezogen werden.
Dann wird die Abtragung der Basen der Metatarsalknochen und
der Gelenkfläche des Talus und Calcaneus vorgenommen.
In schwierigen Fällen, zumal wo auf dem Dorsum pedis schon
Abscesse bestehen oder stärkere Erkrankung der Weichtheile, ist es
besser, die Seitenschnitte vorne durch einen Querschnitt zu verbinden,
d.h. einen dorsalen Lappenschnitt zumachen, aber bloss durch
Haut und Fascie unter Schonung von Sehnen, Nerven und Gefässen.
Letztere lassen sich genügend auf die Seite ziehen, so dass man die
Präparation der Knochen leicht ausführen kann. Den dorsalen Lappen-
schnitt gleich durch alle "Weichtheile (Sehnen, Gefässe und Nerven)
auf den Knochen zu führen, ist eine unnöthig schwere Verletzung
und durch die nachträglichen Sehnennähte mühsam. Der letzte von
uns nach obigen Angaben mit dorsalem Flautlappen operirte Fall
hat einen vorzüglich brauchbaren beweglichen Fuss ergeben.
OBALINSKI und in modificirter Form nach ihm CATTERINA
haben den neuen Weg der Spaltung des Fusses von vorne-
her zur Ausführung der Tarsectomia anterior betreten; indem sie
durch die Intermetatarsalräume vordringen (Catterina zwischen
2. u. 3.) und die beiden vorderen Fusshälften nach innen und aussen
auseinander klappen. Vor Verletzung der Plantarbogen und des N.
plantaris externus hat man sich dabei in Acht zu nehmen.
Der verkürzte Fuss giebt eine ausgezeichnete Brauchbarkeit zur
Stütze und Bewegung.
271) Resectio medio-tarsea (Fig. 159, 160, 161).
Die Resection zwischen vorderen und hinteren Tarsalknochen
wird am häufigsten in der Form der Keilexcision bei Pes varus
gemacht. Diese Keilexcision giebt zumal bei veraltetem Klumpfuss
vorzügliche Resultate, bei gründlichem Vorgehen, d. h. genügend
ausgiebiger Resection, bessere Resultate, als alle anderen Operations-
verfahren.
Untere Extremität.
503
Schnitt auf der Rückfiäche des Talo-Naviculargelenks beginnend
und schräg gegen den äusseren Fussrand ab- und rückwärts ent-
sprechend den sichtbaren Hautfalten. Im oberen Theil wird der N.
peroneus superficialis, im unteren der N. saphenus externus auf der
Fascie angetroffen und abgezogen ; einige Venen werden gefasst und
torquirt. Nach Spaltung der Fascie erscheint am oberen Ende des
Schnittes die Sehne des Peroneus III ; im unteren Theil des Schnittes
auf der Aussenfläche des Calcaneus liegen die Peronealsehnen; beide
werden mit stumpfen Haken
nach Eröffnung der Sehnen-
,.-■ -r ' \ scheiden abgezogen. Die feste
Kapsel auf dem Taluskopf wird
gespalten, so das Gelenk er-
öffnet und der Kapselansatz
auf dem Halse des Talus und
bis in den Sinus tarsi getrennt.
Das Gelenk zwischen dem
Talusrolle
Taluskopf
Processus anterior
calcanei A.
J
wm
Malleolus externus
Fig. 159. Resectio medio-tarsea.
Keilexcision bei Klumpfuss.
Schnittlinie.
stark vorragenden Calcaneuskörper und dem Os cuboideum wird er-
öffnet, und zwar werden die tiefen Schnitte geführt, nachdem der
M. extensor brevis an seinem oberen Rande und Ansatz am Cal-
caneus freig-emacht und abwärts gezogen ist. Man kann von einem
verhältnissmässig kleinen Schnitt aus die Resection machen, wenn
man sofort auf die Knochen dringt, in erster Linie auf den Processus
anterior calcanei und dann subperiosteo-subcapsulär die weitere Ab-
lösung unter Abziehen von Periost und Kapsel mit scharfen Haken
macht. Darauf wird der Meissel eingesetzt und der Processus anterior
des Calcaneuskörpers und dann der Hite des Talus durchschlagen,
5°4
Excisionen und Resectionen.
mit scharfen Doppelhaken kräftig angezogen und die Reste der
Kapselverbindungen getrennt und die Knochenstücke entfernt. In
Fällen von hochgradigem Klumpfuss muss noch das ganze Os navi-
culare ausgeschält und ein Stück des Os cuboideum abgemeisselt
werden, damit unter fester Aufeinanderlegung der Trennungsflächen
der Fuss sich über den rechten Winkel leicht aufrichten lasse.
Draineinlage ist nicht nöthig, da keine Höhle bleibt und keine Nach-
blutung zu gewärtigen ist. Fortlaufende Naht. Gypsverband bei
^^^~w^ dorsalflectirtem aufgerichtetem
-<';< Fuss, bei rechtwinklig flectirtem
Knie, jüber letzteres hinauf-
reichend. |Die Fixation bei
rechtwinklig gebeugtem
Knie halten wir für recht
wesentlich. Nur indem man in
dieser Stellung den Verband
bis über das Knie macht, kann
man jede Rotation und Ad-
Caput tali
M. extensor dier. brevis
N. peroneus superficialis
Tendo peronei tertii
Tendines peroneorum
Vena saphena minor
Fig. 160. Keilexcision bei Klumpfuss. 2. Act : Taluskopf freigelegt durch
Spaltung der Kapsel unter Schonung von Sehnen und Muskeln.
duction des Fusses durch Bindentouren vom lateralen Fussrand auf-
wärts über den Oberschenkel mit Sicherheit corrigiren. Zur Sicherung
des Endresultates die Tenotomie der Achillessehne hinzuzufügen, ist
in der Regel nothwendig.
Wenn in geschilderter Weise dafür gesorgt wird, dass nach der
Operation der Fuss mit Leichtigkeit sich über den rechten Winkel
aufrichten lässt; wenn Primaheilung eintritt; und wenn in den
schwersten Fällen spätere Verschiebung der gewonnenen Gleich-
gewichtslage nach der plantaren Seite hin durch Achillotenotomie
Untere Extremität.
505
verhütet wird, gewinnt man durch das empfohlene Verfahren nicht
nur eine bleibende Heilung, sondern auch eine schöne Fussform.
272) Kxcisio tali (Fig.
162)
Während für die hier und
da nothwendige Excision der
kleinen Tarsalknochen unnütz
erscheint , bestimmte Vor-
schriften zu geben, ist dieses
Collum tali
Trennungsstelle des Knochens fe*;
Tendo peronei
Fig. 161. Keilexcision bei Klumpfuss. 2. Act: Gelenkflächen von Taluskopt
und Processus anterior calcanei freigelegt. Die Stelle der Knochentrennung
angedeutet durch gezackte Linien.
nothwendig für Talus und Calcaneus, deren Entfernung bei Tuber-
culose, Verletzungen und Klumpbildungen öfter nothwendig wird.
Letztere 2 Indicationen gelten speciell für den Talus.
In der Regel genügt ein
ergiebiger Längsschnitt auf der
vorderen lateralen Seite, wie ihn
Vogt angiebt, für die Resection
des Fussgelenkes.
Handbreit über dem Fuss-
gelenk an der Vorderfläche der
Fibula beginnend, geht derselbe
an der lateralen Seite der Streck-
sehnen (Peroneus tertius), die
Zweige des N. peroneus superficialis medianwärts lassend, über den
lateralen Rand der Talusrolle, welchen man in Adductionsstellung
Fig. 162. Excisio tali (laterale Seite).
506
Excisionen und Resectionen.
sehr gut fühlt, bis gegen die Tuber ositas metatarsi V herunter, dringt
in das Fussgelenk und CHOPART'sche Gelenk ein, Talusrolle und
Taluskopf freilegend. Auf dem Talushals wird der Ansatz der
vorderen und hinteren Gelenkkapsel nach beiden Seiten hin er-
giebig abgelöst, im Sinus tarsi lateralerseits das stramme Liga-
mentum interosseum getrennt. Längs dem vorderen Rande von
Tibia und Fibula wird die Gelenkkapsel gelöst und seitlich am vor-
deren und hinteren Ende der Talusrolle das Lig. talofibulare anticum
und posticum durchschnitten. Aussen und dem Hinterrand des Talus
entlang wird die Kapselverbindung mit dem Calcaneus gelöst. In
forcirter Adductionsstellung lässt sich nun der Talus so weit empor-
heben, dass ein Elevatorium
darunter eingeführt und die
Band- und Kapselansätze
auf der Innenseite getrennt
werden können.
Fig. 163. Excisio calcanei.
Fig. 164. Frontalschnitt des
Fussgelenkes, nach Henle.
273) Excisio calcanei (Fig. 163 und 164).
Ein Längsschnitt auf der medialen Seite dicht neben der
Achillessehne bis zum untersten hintersten Ende des Tuber calcanei
abwärts und von da quer herüber nach der lateralen Seite bis gegen
die Tuberositas metatarsi V giebt bei geschmeidigen Weichtheilen
genügenden Raum.
Am hinteren Anfang des Tuber wird die Achillessehne ab-
gehoben, die Gelenkkapsel am hinteren und äusseren Umfang des
Calcaneus sammt Lig. calcaneo-fibulare getrennt, unter Emporziehen
der Peronealsehnen im Sinus tarsi das Lig. interosseum durch-
schnitten und die Gelenkkapsel zum Os cuboideum aussen und
unten mit dem starken Lig. calcaneo-cuboideum abgelöst. Die
Fersenkappe wird kräftig auf die mediale Seite herübergezogen und
hier die Sehne des Tibialis posticus unten am Sustentaculum tali
freigemacht und emporgehoben, endlich der Ansatz der Gelenkkapsel
am Talus mit bedeckendem Lig. deltoideum (Lig. calcaneo-tibiale)
und nach vorne das starke Lig. tibio - calcaneo - naviculare gelöst.
Der Knochen muss mit einer kräftigen Zange gefasst werden.
Untere Extremität.
Du/
Landerer empfiehlt einen medialen Längsschnitt über die
Ferse von der Achillessehne bis in die Planta. Von diesem Schnitte
aus entfernt er nicht bloss den Calcaneus, sondern eventuell sämmt-
liche Tarsalknochen. LANDERER versichert, dass die Narbe für das
Gehen nicht nachtheilig sei.
274) Resectio talo - calcanea und Resectio tarsea
posterior (Fig. 165).
Die Resection des Gelenkes zwischen Talus und Calcaneus ist
von ANNANDALE ausgeführt mit zwei seitlichen Bogenschnitten und
kann nach der für Excisio calcanei geschilderten Methode, resp.
modificirten Methode für die Resectio tarsea posterior besorgt werden.
Die Resectio tarsea posterior, in gleichzeitiger Wegnahme des
Talus und Calcaneus und eventuell der anstossenden Gelenkflächen
bestehend, ergiebt wider Erwarten gute Resultate bei normal ge-
stelltem Fuss, indem der Unter-
schenkel in den Defect herab-
rückt (Kocher, Kummer).
Die Bedingung des Vor-
gehens nach der zu schildernden
Methode ist die Möglichkeit, die
den Fuss bewegenden Sehnen
und Muskeln (Peronei, Tibialis
anticus und posticus) erhalten
zu können.
Fig. 165. Resectio tarsea posterior.
Schnitt handbreit über dem Fussgelenk auf der Aussenseite neben
der Achillessehne beginnend, hinter dem Malleolus externus und den
Peronealsehnen abwärts bis an die Tuberositas metatarsi V. Von
diesem Schnitt aus werden nach Eröffnung der Sehnenscheiden der
Peronei und Abhebung dieser Sehnen nach vorne ganz in der für
die Excisio tali und calcanei geschildeten Weise diese beiden Knochen
exarticulirt und die Gelenkfläche der Unterschenkelknochen und der
Ossa cuboideum und naviculare abgetragen. Es ist wünschenswerth,
einen kleinen Vorsprung des Malleolus externus zu erhalten, behufs
Einhakung der Peronealsehnen hinter demselben.
Lässt sich der Tuber calcanei erhalten, so kann derselbe zur
Osteoplastik in analoger Weise benutzt werden, wie nach Pirogoff
bei der Amputatio pedis. Es genügt, diesen Fall durch die Säge-
linien in beigefügter Figur zu illustriren.
275) Resectio pedis (Fig. 166, 167 und 168).
Die Resection im Talo-Cruralgelenk giebt wegen der Complicirt-
heit des Gelenkes und wegen der häufigen Miterkrankung der direct
anstossenden Knochen, sowie auch des anstossenden Talo-Tarsal-
so8
Excisionen und Resectionen.
gelenkes sammt seinen Knochen (zumal Calcaneus) nicht immer be-
friedigende Resultate. Daher das Bestreben nach fortwährender Ver-
besserung der Technik. Auf allen Seiten des Gelenkes und in allen
Richtungen sind Schnitte geführt worden. Eine gute Incision muss
der Indication genügen, vollkommen freien Einblick zu gestatten ins
Fussgelenk, eventuell auch ins Gelenk unter dem Talus zu gleicher
Zeit. Sehr gut ist es, wenn auch die Sehnenscheiden, namentlich der
Peronealsehnen, nachgesehen werden können.
Tendo Achillis
Calcaneus
Peroneus brevis
Peroneus longus
Gastrocnemius externus
Peroneus longus
Soleus
Extensor dig. communis
Tibialis anticus
Peroneus brevis
Fig. 166. Arthrotomia pedis, leider für die rechtsseitige Operation angegeben.
Contouren unter theilweiser Benützung von Paul Richer's „Anatomie artistique".
Vordere Längsschnitte machen VOGT (lateral); König und Riedel
(bilateral mit Abmeisselung der Malleolen); Meinhardt Schmidt
(gleichzeitig mit hinterem); vorderen Querschnitt Hüter, früher
Sabatier, Heyfelder, Hancock ; hinteren Querschnitt Liebrecht,
mit hinteren Längsschnitt Wackley, Textor ; unteren Steigbügel-
hakenschnitt BUSCH, Hahn, Ssabanejew (mit Trennung des Tuber
calcanei) ; seitliche Schnitte, zum Theil neben Querschnitten MOREAU,
Langenbeck, Ollier, Chauvel, Girard.
Untere Extremität.
509
Wir haben, wie die Zeichnungen zeigen, unseren lateralen
Bogenschnitt (wie er von Reverdin und uns eingeführt ist)
dahin modificirt, dass wir die Incision weiter rückwärts verlegen,
höher hinauf führen am Unterschenkel und im Bogen tiefer abwärts
gehen lassen bis zur Höhe der Gelenke zwischen Talus und Calcaneus,
damit mehr Raum geschaffen und nöthigenfalls (und zwar ist dieser
Fall ein häufiger) der Talus in toto ohne Schwierigkeit heraus-
genommen werden kann, falls auch
das Gelenk unterhalb krank ist.
Dadurch ist unsere Schnittführung
analog geworden der zuerst nach
Catterina's Nachweis von Alba-
nese und später von Lauenstein
empfohlenen (Fig. 166 und 167).
Der Schnitt trennt die Haut
und Fascie und lässt den Nervus
saphenus externus und die Vena
saphena minor, welche hier ver-
laufen (siehe Unter-
bindungen), nach hinten.
M. extensor digitorum brevis
Fig. 167. Resectio pedis mit Bogenschnitt, die Haut und Fascie zurück-
geschlagen, der Malleolus externus subperiostal freigelegt, die Kapsel am Rande
des Talus gelöst (man sieht die laterale Knorpelfläche des Talus), die Peroneal-
sehnen durchschnitten.
Das Ende des Bogenschnittes geht bis zur Sehne des M. peroneus
tertius vorwärts unter Schonung des Nervus peroneus superficialis.
Man legt sofort die Sehnenscheide des M. peroneus longus und brevis
frei und spaltet dieselbe aufwärts, entlang der Fibula, soweit der
Schnitt reicht. Die Sehnen müssen in einzelnen Fällen, um Raum
zu bekommen, durchschnitten werden, werden aber in je 1 Faden-
schlinge fixirt, um nachher wieder vernäht zu werden. Das Periost
von der äusseren und unteren Fläche des Malleolus externus wird
5io
Excisionen und Resectionen.
losgelöst und an der Vorderfläche des Malleolus das Fussgelenk
eröffnet.
Jetzt präparirt man die Kapselansätze los entlang der Aussen-
fJäche des Talus, so dass dieser zu Tage tritt bis zur Fibula, von
welcher die 3 Ligamente zu Talus und Calcaneus an der Spitze und
Innenfläche dicht am Knochen abgetrennt werden.
Entlang dem Vorderrand der Tibia wird der Kapselansatz sammt
Periost abgelöst bis zum Malleolus internus, während ein Haken die
Strecksehnen in die Höhe hebt, ebenso am Hinterrand der Tibia,
—' ;%i*flli '
Fig. 168. Resectio pedis. Die Kapsel ist längs der Unterschenkelknochen und
am Talus gelöst und der Fuss nach der medialen Seite herüberluxirt. Man sieht
die obere Fläche (Rolle) des Talus und die Gelenkfläche der Tibia.
wobei die Sehnenscheide der Peronei mit dem Periost in Zusammen-
hang gelassen wird.
Durch eine kräftige Adductionsbewegung wird der Fuss medial-
wärts über den Malleolus internus herüberluxirt, so dass die Talus-
rolle abwärts sieht und die Planta pedis aufwärts, wie Fig. 168 dies
veranschaulicht. Ist der Knochen erweicht, so bricht nicht selten der
Malleolus internus bei diesem Manöver ab, allein gerade in solchen
Fällen hat dieses Ereigniss keinen Nachtheil.
Jetzt hat man so freien Einblick ins Gelenk, dass man nicht
bloss über das Talo-Cruralgelenk sich genau orientiren kann, sondern
auch das Tibio-Fibulargelenk sich gut zugänglich machen und ein
Untere Extremität.
5"
Urtheil gewinnen kann, ob bei ausgedehnter Erkrankung des Talus
oder bei intensiver Erkrankung auch des Talo-Calcanealgelenkes der
ganze Talus entfernt werden soll oder nicht. Dieses findet sich bei
Tuberculose zur Sicherung des Erfolges verhältnissmässig häufig noth-
wendig. Es lässt sich ohne besondere Schwierigkeiten ausführen.
Wird der Talus nicht entfernt, so bleibt es bei Arthrektomie oder
Resection des Talo-Cruralgelenkes.
An der vorragenden Spitze des Malleolus internus erhält man
wo möglich das kräftige innere Seitenband, das bloss getrennt wird,
wenn die Erkrankung es verlangt. Die Trennung muss in diesem
Falle dicht am Knochen, besser unter Wegnahme eines oberfläch-
lichen Knochenstückes geschehen, weil die Flexorsehnen dicht hinter
dem Malleolus herablaufen. Ausräumung des Gelenkes, Resection
des Talus ist nun mit Leichtigkeit zu beschaffen. Will man den
Talus erhalten, so muss man sich vor unnützer Eröffnung des Talo-
Calcanealgelenkes in Acht nehmen, indem man die Kapselansätze am
hinteren und am seitlichen Umfange des Talus schont.
Die geschilderte Methode erhält den Bandapparat auf der medi-
alen und die Stütze des Malleolus externus auf der lateralen Seite
intact, sichert daher gegen seitliche Abweichungen des Fusses mög-
lichst gut.
Bezüglich Nachbehandlung ist es von grosser Bedeutung, dass
der Fuss sofort mittelst eines Gipsverbandes in ganz correcter Stel-
lung zum Unterschenkel gebracht und darin bis zur Heilung erhalten
werde. Dabei kann bei Primaheilung der Patient sehr wohl noch
2 oder 3 Wochen im Verband herumgehen. Später ist ein Scarpa-
scher Schuh zur Sicherung guter Stellung nöthig.
276) Resectio tarsea totalis (Fig. 169 und 170).
Wladimiroff und Mikulicz haben unsere Mittel zur Con-
servirung des Fusses selbst bei sehr ausgedehnten Erkrankungen
durch ein Verfahren bereichert, welches von diesen Autoren bei Er-
krankung der hinteren Tarsalknochen und -gelenke angewandt wor-
den ist. Für diesen Fall halten wir die Methode für überflüssig, so
lange die Weichtheile der Sohle und Ferse erhalten werden können.
Werth hat die Methode bei Erkrankung sämmtlicher Tarsalgelenke
(event. auch -knochen). Es ermöglicht auch dann noch, einen ohne
Prothese brauchbaren Fuss zu erhalten, indem man nach Excision des
ganzen Tarsus die abgesägten Basen der Metatarsalknochen auf die Säge-
fläche der Unterschenkelknochen in verticaler Stellung des Fusses
(in der verlängerten Unterschenkelaxe) aufsetzt. Der Patient geht
auf der Vorderfläche der Metatarsalköpfchen bei forcirt dorsal-flectirten
Zehen. Kann man das Os naviculare und cuboideum absägen oder
512
Excisionen und Resectionen.
letzteres und die Ossa cuneiformia durchtrennen, so erhält man eine
breitere und festere Sägefläche.
Wie Pirogoff den hintersten Fussabschnitt um go° dreht und
als Verlängerung an den Unterschenkel ansetzt, so thut dieses die
MlKULicz'sche Methode mit dem vorderen Fussabschnitt.
QÄg
Fig. 169. Resectio tarsea totalis.
Wladimiroff, Mikulicz.
Resectio cruris (des unteren
Drittels).
Fig. 170. Fall von Resectio tarsea totalis,
eigene Beobachtung nach Photogramm.
Da Mikulicz's Methode von der Voraussetzung eines Defects
an der Fersenhaut ausgeht, also von einem ganz speciellen Falle, bei
welchem sich schliesslich die Schnittführung von selbst ergiebt, so
ziehen wir vor, das Verfahren für den typischen Fall einer Erkran-
kung des ganzen Tarsus bei verwerthbaren Hautdecken zu schildern.
Schnitt ganz analog wie zur Resectio tarsea posterior in Form
eines lateralen hinteren Bogen Schnittes, nach Fig. 1 69 handbreit über
dem Fussgelenk beginnend, hinter Malleolus externus und Peroneal-
Untere Extremität. 5 1 3
sehnen abwärts bis zur Mitte der Metatarsus V. In der früher ge-
schilderten Weise werden die Knochen und Gelenke zwischen Unter-
schenkel und Metatarsus freigelegt, indem man die Achillessehne
mit dem Periost des Calcaneus ablöst, die Peronealsehnen aus ihrer
Sehnenscheide heraushebt und nach vorne zieht und unter Schonung
von Nerven und Gefässen die sehnigen Ansätze sämmtlicher langen
Fussmuskeln (Peroneus tertius, brevis und longus) von der oberen,
äusseren und unteren Fläche der Metatarsalknochen und die Ansätze
des Tibialis anticus und posticus ebenso von der oberen, medialen
und unteren Fläche derselben Knochen abhebt.
Lauenstein hat für die Fälle von Steifigkeit im Fussgelenk
eine passende Prothese zur Abwicklung des Fusses durch An-
bringung einer Cylindersohle mit transversaler Axe angegeben.
277) Resection des unteren Unterschenkeldrittels
(Fig. 171).
Für den Fall ausgiebiger Erkrankung der Knochen des Unter-
schenkels im unteren Drittel ist zu prüfen, ob es zulässig ist, mit
einem sehr langen lateral-hinteren Schnitt die Rückfläche des Tuber
calcanei freizulegen und an die entsprechend angefrischte Sägefläche
der Tibiadiaphyse anzusetzen.
278) Resectio tibiae.
In einem Falle, wo ein ausgedehnter Theil (das mittlere Drittel)
der Tibiadiaphyse wegen Nekrose resecirt werden musste, wurde von
uns die Fibuladiaphyse der anderen Seite entfernt und in die ausge-
hölten Reste der Tibia hereingesteckt.
279) Resectio fibulae.
Die Diaphyse, ja sogar die ganze Fibula kann durch einen
Schnitt hinter den Peronealmuskeln in ganzer Länge entfernt werden,
ohne Beeinträchtigung der Stütz- und Gehfähigkeit des Beines und
der Bewegung des Fusses nach allen Richtungen. Am oberen Ende
in den Nervus peroneus, welcher sich um den Hals herumschlingt,
in der unteren Hälfte die hinter der Fibula verlaufende A. peronea
zu schonen.
280) Arthrotomia et Resectio genu (Fig. 172, 173).
Für die breite Eröffnung des Kniegelenkes liegen zahlreiche
Methoden vor, welche auch wir geprüft haben. Eine derselben,
welche in einfacher Weise vollkommen genügenden Zugang giebt,
ist der Querschnitt mit unterer Convexität; allerdings muss derselbe
seitlich genügend weit rückwärts geführt werden, so dass er minde-
stens zwei Drittel des Umfanges des Knies einnimmt. Es ist nicht
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. -i-j
514
Excisionen und Resectionen.
recht klar, welchem Chirurgen das Verdienst der Einführung des-
selben zukommt, da schon Park den Vorschlag gemacht zu haben
scheint und Textor als Vater der Methode genannt wird. Jeden-
falls hat Erichsen zur Verallgemeinerung desselben beigetragen.
Volkmann hat einen Querschnitt mitten durch die Patella
empfohlen und Diakonow (Starkow) macht einen Längsschnitt mitten
durch die Patella, mit Abmeisselung des zerspaltenen Lig. patellae
Vastus externus
Tendo bicipitis
Fascia lata
Tuberositas externa . tibiae
Caput fibulae
Vastus internus
Patella
Fettwülste
Spina tibiae
Gastrocnemius internus
Fig. 172. Arthrotomia genu. (Contouren unter theilweiser Benützung von
Paul Richers' „Anatomie artistique".)
nach beiden Seiten sammt einer Knochenlamelle. Die Methode hat,
wie alle medianen Schnitte, den Vorzug der Einfachheit und geringer
Neben Verletzungen.
Wir haben die früher von uns für Resectio genu festgehaltene
Methode des queren Bogenschnittes zu Gunsten des lateralen
Hackenschnittes völlig aufgegeben, da sich bei dieser nach
Arthrotomie sehr leicht die Resection in jeder gewünschten Aus-
dehnung hinzufügen lässt. Wir schliessen uns also, abgesehen von
Untere Extremität.
515
der Schnittführung,
der Methode sous-
capsulo - periostee
von Ollier an,
immerhin unter
strenger Berück-
sichtigung des
Grundsatzes , alles
erkrankte Gewebe
von Grund aus zu
entfernen. Es kann
also vorkommen,
dass wir bloss die
Haut auf die frei
präparirten Kno-
chen legen.
Aber zunächst
suchen wir in allen
Fällen einen völlig
intakten Streck-
apparat zu sichern,
um freie Hand zu
haben für die Art
des Vorgehens, und
es fällt deshalb jetzt
unsere Resections-
methode mit den
Methoden der Ar-
throtomie im We-
sentlichen zusam-
men. Nur über die
Art der Knochen-
durchsägung brau-
chen wir uns für die
Resection vorweg
speciell zu äussern.
Angesichts der
Forderung fester
Ankylose bei exact
aneinander gefüg-
ter Knochen am
Kniegelenk ist ein
Fig. 173. Arthrotomia genu mit lateralem Bogenschnitt; Haut und Fascia lata
gespalten; oben erscheint der Vastus externus, abwärts die Kapsel, dann Fett-
gewebe und im unteren Winkel der laterale Rand des Lig. patellae.
33*
5*6
Excisionen und Resectionen.
sehr wesentlicher Punkt die Art und Weise der Absägung des
Knochens. Um die Verschiebung des Femur an der Tibia nach vorne
zu verhüten, hat man allerlei winkelige Absägungen einerseits und
Fixationsversuche zwischen den Sägeflächen andererseits gemacht. Zur
Fixation hat man Nägel benutzt oder Suturen angelegt. Da dieselben
aber öfter ausrissen und dem Zwecke nicht entsprachen, haben ALBERT
in Wien u. A. bei der Absägung Kanten an gelegt. Wir sind mit
Metzger, Fenwick, welch letzterer Autor darauf besonderen Werth
schon in einer Publication von 1871 gelegt und später 28 Fälle mit sehr
gutem functionellen Resultat mitgetheilt hat, weitaus am besten
gefahren mit convexer Absägung des Femur und entsprechend
concaver Absägung der Tibia. Allerdings muss man die Führung
der Säge gut zu berechnen verstehen, aber dann kann man auch
die beiden Sägeflächen so exact zum Ineinandergreifen bringen und
auf einander passen, dass irgend ein weiteres künstliches Fixations-
mittel völlig überflüssig wird, vorausgesetzt natürlich, dass das Bein
in vollkommener Streckung auf einer Schiene befestigt wird.
Die bogenförmige Absägung des Femur hat noch den Vortheil, dass
die Epiphysenlinie desselben, welche für das spätere Wachsthum
maassgebend ist, am sichersten geschont wird. Nach Ineinander-
fügung der Knochen wird ganz einfach eine tiefgreifende Haut-
Fasciennaht angelegt, nachdem Drainröhren durch eigene Oeffnungen
eingelegt sind. Durch dieses Verfahren haben wir in zahlreichen
Fällen der letzten Jahre vollkommene Verklebung durch prima
intentio wie bei einfachen Weichtheilwunden erzielt, so dass nach
8 — 14 Tagen der bleibende Wasserglasverband wie für eine sub-
cutane Fractur angelegt werden und Patient 6 Wochen nach der
Operation aufstehen konnte. Wo Primaheilung eintritt, lassen wir
unsere Patienten in neuester Zeit nach 2 Wochen schon aufstehen.
Für diejenigen Fälle, wo wegen Eiterung, überhaupt localer In-
fection offene Wundbehandlung stattfinden muss, kann man die
Knochenenden nicht durch bogenförmige Absägung gegeneinander
fixiren. In diesem Falle thut man gut, den Streckapparat zu er-
halten.
LANGENBECK hat einen ähnlichen Schnitt benutzt für die Resection,
aber er hat ihn viel bogenförmiger angelegt und, was der Hauptunter-
schied ist, auf die mediale Seite des Gelenkes verlegt. Das scheint uns
viel weniger passend als die Verlegung des Schnittes auf die
laterale Seite. Besteht doch bei späteren Stellungsabweichungen
stets zunächst Neigung zu Valgus. Es kann daher nicht gleich-
gültig sein, ob man Muskeln und Fascien aussen oder innen durch-
schneidet ; vielmehr ist es wünschenswerth, die Resistenz der Gewebe
auf der medialen Seite nicht durch Incisionen zu vermindern. Aus
diesem Grunde erscheint uns der Vorzug des lateralen Schnittes
Untere Extremität.
517
zweifellos. Wir geben die Schilderung unseres Verfahrens, das sich
auch am Lebenden in vollem Maasse bewährt hat.
Der Schnitt (Fig. 172 u. 173) beginnt auf dem Vastus externus, hand-
breit oberhalb des oberen Endes der Patella und geht erst senkrecht ab-
wärts auf der lateralen Seite letzterer und 1 Querfinger von derselben
entfernt, um sich im leichten Bogen median wärts zu wenden und unter-
halb der Spina tibiae auf der medialen Tibiafläche zu enden. Spaltung
von Haut und Durchtrennung einiger Quervenen. Es erscheint die
sehr stramme Fascia lata mit schräg vorwärts absteigender Faserung.
Sie wird gespalten ; sie ist namentlich nach abwärts sehr dick. Oben
erscheint der laterale Rand des Vastus externus, welcher eingeschnitten
wird; abwärts von demselben die Aussenfläche der Gelenkkapsel, noch
weiter abwärts Fettgewebe und am unteren Theile der laterale Rand
des Ligamentum patellae, welchem entlang man auf den Knochen
bis unter die Spina tibiae schneidet. Letztere wird mit dem unter-
gesetzten Meissel im Zusammenhang mit dem Ligament und mit dem
Periost der Tibia subcortical abgehoben und medianwärts gezogen.
Oben wird auf der Aussenfläche des Condylus externus femoris
die Gelenkkapsel gespalten und das obere Ende des Recessus sub-
quadricipitalis freigelegt; nach abwärts aber wendet man sich der
Mittellinie zu, um ohne Ablösung der Kapsel vom Meniscus
lateralis diesen an seinem vordersten Ende von den Kreuzbändern
zu trennen und sammt der Kapsel vom oberen Umfang der
Tibia loszulösen. Medianwärts zieht man mit scharfem Haken das
Lig. patellae auf die Seite und trennt zwischen vorderem Ansatz des
Ligamentum cruciatum und Meniscus medialis den letzteren los und
löst, wie auf der Aussenseite, vom Knorpelrand des Condylus in-
ternus tibiae die Kapsel sammt dem Periost der Tibia. Jetzt kann
man die Patella einwärtsklappen (Fig. 174). Dabei flectirt man
mehr und mehr unter Loslösung der Kapsel von der Tibia innen
und aussen bis zur stärksten Beug-estellung. Nunmehr wird der
Ansatz der Ligamenta cruciata von der Eminentia intercondyloidea
tibiae abgelöst dicht am oder mit einem Stück Knochen bis zum hinteren
Ansatz der Menisken, welche im Zusammenhang mit den Ligamenta
cruciata abgelöst werden bis auf die Hinterfläche der Tibia (Fig. 175).
Zeigt sich die Abtragung der Gelenkenden nöthig, d. h. muss
man zur Resection übergehen, so wird an der Fossa intercondy-
loidea femoris der obere Ansatz der Ligamenta cruciata getrennt,
so dass dieselben sammt den Menisken mit der Hinterwand der
Kapsel und dem Periost aufwärts in normalem Zusammenhang
bleiben. Danach wird am Knorpelrand des Femur die Kapsel
gespalten, und wenn sie nicht mit exstirpirt werden muss, subperiostal
zurückgeschoben bis zum Ansatz der Ligamenta lateralia an den
Epicondylen, und das Femur bogenförmig' unterhalb dieser convex
5i8
Excisionen und Resectionen.
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«0S
'SS." 'i'Ä-'
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1 ' i
■■
M. vastus externus
Gespaltene Kapsel
Verdickte Synovialis ?
Condylus ext. femoris
Patellaknorpel
(Fascia lata (Fasern
\des Lig. ilio-tibiale)
{Schnitt in der Mittel-
linie zur Ablösung
der Menisci
Ligamentum patellae
Abgetrennte Spina tibiae
Abgeschobenes Periost
JX
Fig. 174. Arthrotomia genu. Das Gelenk ist eröffnet, die Patella mit Quadriceps-
sehne und Lig. patellae median wärts geschlagen, ebenso die losgemeisselte
Spina tibiae, welche mit Lig. patellae oben und Periost unten im Zusammen-
hang geblieben ist.
Untere Extremität.
519
abgesägt, ebenso die Tibia bogenförmig concav nach ähnlicher Los-
lösung der Kapsel sammt Periost an der Hinterseite.
Ist der Knochen in grösserer Tiefe erkrankt, so werden die
Seitenbänder unter Abmeisselung der Epicondylen entsprechend
weiter vom Knochen abgehoben. Speciell für das Femur ist es
wichtig, dass nach Ablösung von Periost und Kapsel von der nicht
knorpeligen Oberfläche der Condylen bis unter die Epicondylen
diese Knochenvorsprünge (sammt Seitenbändern und Sehnenansätzen)
mit einem Meisselschlag abgehoben (nach Art der von KÖNIG ein-
geführten Methode für Erhaltung der Bandansätze) und in unge-
störtem Zusammenhang mit dem Periost rückwärts gelagert werden,
bis zu der Stelle, wo der Sägeschnitt hindurchgeführt werden soll
(Fig. 176).
Die Arthrectomia genu mit lateralem Hakenschnitt
weicht insofern von dem geschilderten Vorgehen ab, als man die
kranke Kapsel von aussen her möglichst weit freilegt; die Schnitt-
führung und die Art und Weise der subcorticalen Abhebung der
Anheftungsstellen der Kreuz- und Seitenbänder nebst Epicondylen
und des Ansatzes des Kniescheibenbandes sammt Tuberositas tibiae
bleibt sich gleich.
Ist nämlich die Kapsel in dem Maasse erkrankt, dass man von
vornherein sicher ist (z. B. bei fungöser Synovitis und Arthritis), dass
sie in toto entfernt werden muss, mag dabei noch eine Resection der
Gelenkenden hinzutreten oder nicht, so geht man in folgender Weise vor:
Nachdem nach Fig. 173 die Haut, ein Theil des Vastus externus,
die Fascia lata gespalten sind und der Ansatz des Lig. patellae abge-
hoben, so schneidet man nun nicht in die Gelenkkapsel hinein, sondern
präparirt sie von aussen her an ihrem ganzen oberen und unteren Um-
fang frei und löst das Visceralblatt vom Knochen los, was am Femur
bis zum Knorpelrand sich ganz gut machen lässt, da die Bursa sub-
quadricipitalis durch eine Fettschicht eine Strecke weit vom Knochen
getrennt ist. Dann wird die ganze Kapsel als eine zusammen-
hängende Masse entlang den Knorpelrändern von Femur, Tibia
und Patella gelöst. Ist die Patella krank, so wird sie subperiostal
von der bedeckenden Fascie abgelöst. Bei Kindern kann die Lösung
der Bänderansätze und die Abhebung der Epicondylen mit dem
Messer geschehen.
Bei der Arthrektomie werden auch im Gegensatz zur Arthrotomie
die Menisken entfernt, da sie miterkrankt sind und sich bei Ab-
lösung der Kapsel ober- oder unterhalb nicht erhalten lassen.
Zumal bei Tuberculose als Indication zur Operation kommt ja Alles
darauf an, dass die sämmtlichen erkrankten Gewebe, sei es Synovialis,
Knorpel oder Knochen, gründlich entfernt werden, wie wenn es sich
um eine maligne Neubildung handelte.
520
Excisionen und Resectionen.
Nachbehand-
lung.
Wo die Kapsel
geschont ist, wird die-
selbe sorgfältig ge-
näht , dann werden
die Fascien - Haut-
lappen durch einige
tiefgreifende Nähte in
Contact gebracht und
nach Drainage die
fortlaufende Hautnaht
angelegt. Zur Siche-
rung bleibender Hei-
lung bei Tuberculose
wird Jodoform in alle
Furchen und Falten
eingerieben , drainirt
und genäht ; bei
Fisteln und offe-
nen Wunden wird
die Höhle mit Todo-
formtampons ausge-
füllt, bloss proviso-
risch einige die Haut
in der Lage erhal-
tende Nähte ange-
legt, aber erst nach
i — 10 Tagen die de-
finitive Naht nach der
von uns empfohlenen
und in neuester Zeit
von Bergmann,
Sprengel , Helfe-
rich u. A. zum Theil
modificirten Methode
der Secundärnaht
Fig. 175. Arthrotomia genu mit lateralem Schnitt behufs vollkommener Frei-
legung des Gelenks. Die Kapsel ist bis in das Muskelfleisch des Vastus externus
oben und neben die Spina tibiae unten gespalten, letztere abgemeisselt und
sammt Ligamentum patellae und Periost medianwärts abgehoben, so dass die
Patella in ununterbrochenem Zusammenhang mit dem Streckapparat nach innen
gewälzt werden konnte. Die Menisken am vorderen Ansatz getrennt und ohne
Ablösung von der Kapsel mit dieser nach beiden Seiten geschlagen.
Untere Extremität.
521
gemacht; oder aber man legt die Jodoformtampons ein und näht
mit Belassung von Lücken für letztere definitiv und entfernt die
Gaze nach 8 — 10 Tagen.
^W Wii ,
Fig. 176. Resectio genu. Lösung von Spina tibiae und Menisken, wie bei
Fig. 175 angegeben; auch der Ansatz der Ligamenta lateralia an den Epicondylen
des Femur ist abgemeisselt, die Lig. cruciata, mit der Kapsel im Zusammenhang,
von ihren Ansätzen in der Fossa intercondyloidea femoris et tibiae losgelöst.
D*'
Excisionen und Resectionen.
Bei gründlicher Zerstörung der Granulationen und Reinigung
der Fisteln darf nach Einreiben mit Jodoform in der Regel primär
genäht werden. Unumgänglich nöthig ist in allen Fällen der primäre
Gipsverband in vollkommener Geradstreckung des Beins. Der Verband
soll bis zum Sitzknorren und abwärts bis zu den Malleolen reichen.
Unregelmässige Resectionen und Excisionen im Knie-
gelenk, z. B. des einen Condylus tibiae oder femoris, sind nur ge-
stattet, wenn man den anderen Condylus in ankylotische Verbindung
mit dem gegenüberstehenden Knochen zu bringen Sicherheit hat.
281) Resectio patellae.
Eine bei primärer Erkrankung der Patella
zur Verhütung diffuser Gelenkerkrankung
wichtige Operation. Längsschnitt, Spaltung
der Fascie und des häufig darunterliegenden
glattwandigen Schleimbeutels, Ablösung der
bedeckenden Quadricepsfascie und des Periosts
und Auslösung aus der Vorderwand der
Kapsel sind die einzelnen Momente dieser
höchst einfachen Operation. Nach Entfernung
der Patella können die Schnittränder der
Kapsel in Längsrichtung ohne Schwierigkeit
vereinigt , das Gelenk geschlossen und der
Streckapparat auf diese Weise wieder her-
gestellt werden. Die Resultate sind functionell
sehr befriedigend, da völlig bewegliche Ge-
lenke erhalten werden können (Nachweise
von Dr. Kummer).
282) Osteotomia und Resectio
cuneiformis tibiae (Fig. 177).
Zwei Finger breit unterhalb der Gelenk-
linie wird in der Spaltrichtung der Haut,
d. h. quer incidirt von der Spina tibiae bis auf
die vorragende Wadenmusculatur, das Periost gespalten, abgelöst
und der Meissel aufgesetzt in der Richtung des Hautschnittes. Der
Ansatz des Ligamentum patellae darf nicht verletzt werden, weil
hier zwischen ihm und der Tibia ein Schleimbeutel sich befindet, der
mit dem Gelenk communiciren kann.
Bei hochgradigem Genu valgum ist die Excision eines Keils
aus der Tibia vorzuziehen mit medialwärts gerichteter Basis, weil
sonst bei der Geraderichtung eine zu starke Zerrung im Bereich des
Fibulaköpfchens und eine Lähmung des dasselbe umschlingenden
N. peroneus die Folge sein kann. Luksch (Nicoladoni) findet das
Herausschneiden eines Prisma aus der Tibia vortheilhafter.
Fig. 177.
Osteotomia femoris.
Osteotomia cuneiformis
tibiae.
Untere Extremität. 523
283) Osteotomia femoris supracondylica (Fig. 177).
Der Schnitt in der Spaltrichtung der Haut ist sowohl aussen als
innen ein schräg von oben hinten nach vorne abwärts gerichteter
durch Haut und die zumal auf der lateralen Seite sehr starke Fascia
lata. Der Vastus (internus oder externus) wird an seinem hinteren
Rande freigelegt, aufwärts gezogen und vom Epicondylus weg auf-
wärts das Periost gespalten, nach vorne und hinten mit Elevatorium
gehörig abg'ehebelt und der Knochen mit dem Meissel zu 3/4 seines
Durchmessers durchschlagen, der Rest eingebrochen.
Die Arteria articularis genu superior interna resp. externa ist zu
berücksichtigen, innen besonders der tiefe Ast der A. articularis genu
suprema. Wir haben neben Macewen, welcher dieselbe zum Normal-
verfahren bei Genu valgum ausgebildet hat, die erste Osteotomia
femoris bei diesem Leiden ausgeführt.
Als Normalverfahren muss der Schnitt auf der medialen Seite
gelten oberhalb des Epicondylus internus und fingerbreit vor dem
Ansatz der Sehne des Adductor magnus, um die Arteria articu-
laris genu suprema zu vermeiden. Man kommt von der medialen
Seite leichter auf den Knochen und braucht nach Spaltung von Haut
und relativ dünner Fascie bloss mit stumpfem Haken den frei-
gemachten unteren Rand des Vastus internus emporzuheben, um das
Periost zu spalten. Es ist von hier auch leichter, das Periost vorne
unter Schonung der Gelenkkapsel und ebenso hinten abzuhebein.
Wir halten diese Abhebelung im Interesse der sicheren Schonung
der Weichtheile vor Meissel Verletzungen für besser, als das vielfach
beliebte Verfahren von Macewen, der von ganz kleiner Oeffnung
aus den Meissel auf den Knochen aufsetzt. Ach bedienen wir uns
eines Meisseis mit einseitig stumpfem Fortsatz.
Man meisselt den Knochen nicht total durch, sondern bricht
den Rest ein. Die Nachbehandlung wird gewöhnlich mit sofortiger
Anlegung eines Gypsverbandes geleistet; wir sind aber von diesem
Verfahren abgegangen und machen jetzt lieber Lagerung und Exten-
sion mit Gewichten, um Steifigkeit des Kniegelenks zu vermeiden.
Die kleine Wunde wird sofort zugenäht und mit einem Collodial-
streifen bedeckt.
Die Osteotomia supracondylica femoris bei der femoralen Form
des Genu valgum ist völlig an die Stelle der sonst so ingeniösen
Methode OGSTON's mit intraarticulärer Trennung des Condylus in-
ternus getreten. Sie ist jeder Form von Osteoclase und forcirter
Geraderichtung ohne Operation weit vorzuziehen. Weniger geübt
ist die Osteotomie bei Contractur und Ankylose des Kniegelenks in
falscher Stellung, weil durch die Resection in Form keilförmiger
Entfernung eines Stückes Femur und Tibia sammt Gelenkspalte sich
leicht sehr befriedigende Resultate erzielen lassen und dabei gleichzeitig
524
Excisionen und Resectionen.
bei noch zurückgebliebenen Krankheitsherden im Gelenk die definitive
Ausheilung- sicher zu erzielen ist. Es lässt sich aber, wie wir aus
Erfahrung berichten können, durch supracondyläre Osteotomie in
Fällen, wo Contractur mit einem gewissen Grad von Beweglichkeit
des Gelenks verbunden ist, in einzelnen Fällen ein besseres Resultat
erzielen, als dieses mit Resection möglich wäre: Man kann die Streck-
stellung herbeiführen, ohne die Beweglichkeit des Gelenks einzubüssen.
284) Osteotomia
subtrochanterica (Fig.
und Resectio cuneiformis femoris
178 und 179).
Die Osteotomia subtrochan-
terica ist als die Operation, welche
die Osteotomie zu einer Methode
erhoben hat, schon historisch
interessant. Sie wurde von Rhea
Barton ausgeführt. Sie ist von
Volkmann in ausgedehntem
Maasse benutzt und Adams und
Sayre haben ihre Vorzüge ins
Licht gestellt. Sie ist eine aus-
Fig. 178. Fig. 179.
Osteotomia subtrochanterica.
gezeichnete Operation für alle diejenigen Stellungsanomalien im Hüft-
gelenk, bei welchen man letzteres nicht angreifen kann oder will. Dies
ist in erster Linie der Fall bei der mit Ankylose oder hochgradiger
Steifigkeit in Flexions- und Adductionsstellung ausgeheilten Coxitis.
Man ist bei schweren Fällen froh, dass es zur Ausheilung mit Ankylose
gekommen ist und eine Resection des Gelenkes, welche die Beweglich-
keit wiederherstellen würde, ist ungünstig, weil die Hüftmusculatur
atrophisch geworden ist. Mit der Osteotomia subtrochanterica ver-
Untere Extremität.
525
meidet man diesen Uebelstand und erreicht die Correction ebensogut.
Der Eingriff ist leicht und hat bloss die Bedeutung einer subcutanen
Fractur, wenn man aseptisch vorgeht.
In ähnlicher Weise kann man ganz erhebliche Besserung der
Gehfunction erzielen durch Osteotomia subtrochanterica bei veralteten
und bei congenitalen Hüftluxationen. Auch hier ist die Operation
oft weniger verletzend, als ein blutiger Eingriff zur Reposition des
Kopfes in die Pfanne, wenn diese anders nicht zu beschaffen ist
Wenn der luxirte Kopf gut fixirt und zugleich beweglich ist an
seinem neuen Standort, so kann es vortheilhaft sein, ihn daselbst zu
belassen und bloss die gute Richtung des Beins durch die Osteotomie
herbeizuführen.
Querer oder noch besser in der Richtung des Sägeschnittes
(Fig. 179) schräger Schnitt durch Haut und Fascie des Glutaeus
maximus hinter dem sehnigen Ansatz des M. vastus externus auf
den Knochen an der lateralen Seite in der Höhe der Basis des
Trochanter major, so dass der Trochanter minor oberhalb der
Trennungslinie bleibt. Der Endast der A. circumflexa externa läuft
dem queren Schnitt parallel (s. Ligaturen.) Der Knochen wird schräg
von aussen oben und hinten nach unten innen und vorne durch-
gemeisselt, weil verhütet werden soll, dass bei forcirter Abduction
das untere Fragment sich medialwärts oder nach vorne vom oberen
dislocire.
Nachbehandlung kann mit Gypsverband und Doppelhose geleistet
werden in den Fällen, wo die Correction der Stellung leicht voll-
kommen zu bewerkstelligen ist. Wo aber dies nicht auf einmal voll-
kommen gelingt, ist eine Extension mit Gewichten bei guter Lagerung
zweckmässiger.
285) Resectio diaphyseos femoris.
Von der Basis des Trochanter major, wo sich der Endast der
A. circumflexa externa unter dem Vastus hinzieht, bis zum Condylus
externus femoris, wo die A. articularis genu superior externa quer
um den Knochen läuft, darf man auf der lateralen Seite in ganzer
Länge des Knochens am hinteren Rande des Vastus externus, zwischen
ihm und dem M. biceps, einschneiden, ohne eine unvorgesehene Ver-
letzung befürchten zu müssen.
286) Resectio coxae (Fig. 180, 181 und 182).
Wir haben den namentlich von Barker, LÜCKE und SCHEDE
warm empfohlenen vorderen Resectionsschnitt nach Hüter versucht,
halten ihn aber nur behufs partieller Resection, d. h. zur Entfernung
am vorderen Umfang der Gelenke geleg-ener Kapsel- oder Knochen-
theile angezeigt. Besonders geeignet ist Hüter's vorderer Längs-
schnitt zur Freilegung der Pfanne bei congenitaler Hüftgelenkluxation :
526
Excisionen und Resectionen.
Glutaeus medius
Man geht zwischen Tensor fasciae latae und Sartorius durch Haut
und Fascie und am lateralen Rande des Rectus femoris auf die Ge-
lenkkapsel ein. Die Methode zur Arthrotomie des Hüftgelenkes bei
con genitaler Hüftluxation ist durch die Arbeiten Hoffa's und
Lorenz' aufs Genaueste ausgebildet und daselbst nachzusehen. Für
jede breite Eröffnung der Gelenke giebt der hintere Schnitt bei
Weitem mehr Raum, zumal bei folgendem Vorgehen:
Winkelschni tt
(resp. Bogenschnitt) an
der Basis der Hinter-
fläche des Trochanter
major beginnend, von
da zur hinteren Tro-
chanterspitze aufwärts
und winklig abbiegend
Tensor fasciae latae in der Richtung der
Trochanter major Faserung des Glutaeus
Glutaeus maximus maximus schräg auf-
und median wärts durch
Haut und oft reichliches
Fettgewebe (Fig. 180).
An der Basis des Tro-
chanter major werden
gelegentlich grössere
Aeste der Arteria cir-
cumflexa externa ver-
letzt und gefasst. Auf
der Aussenfläche glatte
Fascie des M. glutaeus
maximus gespalten, wo-
durch das Periost und
der die Trochanter-
spitze in ganzer Breite
deckende Ansatz des
M. glutaeus medius
freigelegt und das Abheben des M. glutaeus maximus erleichtert
wird (Fig. 181).
Auf- und rückwärts trennt der Schnitt die Fasern des Glutaeus
maximus in Längsrichtung, wobei gewöhnlich im oberen Theil einige
grössere Gefässäste durchschnitten und unterbunden werden müssen.
Besser ist es noch, womöglich den oberen Rand dieses Muskels frei-
zulegen und abwärts zu ziehen.
Jetzt tritt eine dünne Fettschicht zu Tage, welche getrennt wird,
um am unteren Rande des Glutaeus medius in das Interstitium zwischen
Fig. 180. Arthrotomia coxae. Contouren unter theil-
weiser Benützung von Paul RlCHER's „Anatomie
artistique".
Untere Extremität.
527
diesem Muskel nebst Glutaeus minimus oben und der Sehne des M.
pyriformis unten zu gelangen. Hier wird eingegangen und zunächst
die breite an der Aussenfläche der Trochanterspitze sich ansetzende
Sehne des Glutaeus medius und darunter die am vorderen Rande
sich anheftende Sehne des Glutaeus minimus sammt dem Periost
mit Längsschnitten bis zur Linea intertrochanterica nach vorne
abgehoben. An letzterer Stelle löst man den Ansatz des Lig. ilio-
femorale los unter Beugestellung des Oberschenkels mit Auswärts-
rotation. Nunmehr wird entlang dem unteren Rande der Sehne des
M. pyriformis die Kapsel gespalten und bei gebeugtem und einwärts
rotirtem Oberschenkel der Ansatz der schlanken Pyriformissehne in
der Fossa trochanterica sammt Periost dicht am Knochen losgelöst,
danach die sämmtlichen Auswärtsrotatoren in Zusammenhang mit
dem Periost oder einer dünnen oberflächlichen Knochenschicht rück-
wärts abgehoben, nämlich von vorne beginnend die Sehne des Ob-
turator internus mit Gemelli und des Obturator externus. So wird
die periostale Bedeckung der Innenfläche des Trochanter und der
Rückfläche dieses Knochentheils im Zusammenhang nach hinten ab-
gehoben (bei einwärts rotirtem Oberschenkel) (Fig. 182).
Auf diese Weise hat man die vom Nervus glutaeus superior
versorgten Muskeln, nämlich die Glutaei medius und minimus nach
vorne oben geschoben gegen den M. tensor fasciae hin, welcher
dieselbe Nervenversorgung hat und mit den Glutaei für die spätere
Abduction des Schenkels von besonderer Wichtigkeit ist, während
die übrigen Muskeln, Glutaeus maximus und Obturatorii, welche vom
N. glutaeus inferior wesentlich versorgt sind, nach hinten im Zu-
sammenhang bleiben. Der M. pyriformis ist von einem Nervenzweig
des Glutaeus superior oder inferior versorgt, aber dieser Ast geht so
hoch oben ab, dass dessen Verletzung nicht in Betracht kommt.
So wird die ganze Rück-, Aussen- und Vorderfläche von Femur-
kopf, Femurhals und, soweit nöthig, Trochanter freigelegt, und man
hat bloss einige Aeste der Arteria femoris circumflexa interna, welche
quer über die Kapsel des Schenkelhalses verläuft, und eventuell die
A. circumflexa externa da, wo sie sich an der Basis des Trochanter
major unter dem Vastus externus durchdrängt und um das Femur
herumschlägt, zu unterbinden. Meistens genügt es, die wenigen
Arterienäste mit Arterienzangen zu fassen und nachher abzudrehen.
Es ist leicht, die Synovialis, wenn dieselbe fungös entartet ist und
excidirt werden soll, vor der Eröffnung der Kapsel auf eine grosse
Strecke hin von hinten exact zu präpariren und von ihrem Ansätze
an Pfanne und Schenkelhals loszulösen und so die hintere, obere und
zum Theil vordere Wand in toto zu entfernen. Nach Trennung des
Lig. teres durch Schnitt von hinten unten auf den Schenkelkopf bei
stark adducirtem, einwärts rotirtem und flectirtem Schenkel wird der
528
Excisionen und Resectionen.
Kopf nach hinten luxirt, und in dieser Stellung wird die Pfanne der
Inspection zugänglich. Fungositäten werden jetzt mit Pincette und
Scheere abgetragen, so dass man die Sicherheit einer vollständigen
Ausräumung des Gelenkes bekommt.
Von den zahlreichen Methoden der Hüftgelenksresection kennen
wir keine, welche so vollständige Schonung von Muskeln mit Nerven,
Fig. 181. Arthrotomia coxae nach Spaltung des Glutaeus maximus und dessen
starker kappenförmig über den Trochanter gehender Fascie. Man sieht die
Ansätze des Glutaeus medius und minimus am Trochanter major.
sowie des Knochens erlaubt, so wenig verletzend ist und so freien
Einblick ins Gelenk gewährt. Es ist die Weiterbildung der Langen-
BECK'schen Methode, deren Schrägschnitt zu Grunde liegt, welche
aber nicht genügt, zumal für blosse Kapselexstirpation mit Erhaltung
des Knochens. Wir verzichten deshalb hier darauf, Vergleiche mit
anderen Operationsverfahren herbeizuziehen.
Will man bloss die Arthrotomie machen oder bloss einen Theil
der Knochen entfernen, so eröffnet man sofort die Kapsel längs des
Untere Extremität.
529
oberen Randes des Pyriformis von der Pfanne bis zum Schenkelhals
und löst mit der Kapsel Periost und Muskelansätze von Hals
und Trochanter ab. Die nach vorne und hinten mit dem Periost
oder oberflächlichen Knochenschichten losgelösten Sehnenansätze
werden kappenförmig über den Trochanter nach der Operation zu-
sammengeklappt und wieder vernäht. Auch wo Herde an der
M. glutaeus")
maximus /
M. glutaeus!
medius J
M. glutaeus)
minimus j
M. pyriformis -
Vorderer \
Kapselrand/
Abgelöstes! .
Periost /
Fig. 182. Arthrotomia coxae. Die Kapsel ist eröffnet, die Ansätze des M. glutaeus
medius und minimus sammt Pyriformis und Trochanter nach oben losgelöst;
abwärts ist die Kapsel im Zusammenhang mit Periost und Sehnenansätzen des
Obturator internus, Gemelli und Obturator externus rückwärts gelöst.
vorderen Fläche des Schenkelhalses sich finden, habe ich den ge-
schilderten Schnitt besser gefunden, als die Resectio von vorne.
Wenn man nöthig hat, die Rückfläche des Beckens ausgiebiger
Inspection zu unterwerfen oder grössere Stücke Darm wegzunehmen,
soj erscheint Sprengel's Vorschlag eines Beckenschnittes
entlang der Crista ilii und vorne am Tensor fasciae herunter mit Ab-
wärtsklappen der gesammten Glutäalmusculatur sehr passend. Im
Nothfall macht S. den vorderen Schnitt sogar bis entlang dem
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. -24
53o
Excisionen und Resectionen.
lateralen Rande des N. cruralis abwärts und hat so hartnäckige
Beckeneiterungen zur Heilung gebracht. Man hat den Vortheil,
bei diesem Schnitt subperiostal zu verfahren und damit sämmtliche
Weichtheile in ungestörtem Zusammenhang zu erhalten mit zu-
führenden Gefässen und Nerven. Man muss aber nach unserem
Princip die Nervengebiete säuberlich auseinanderhalten, daher den
vorderen Schnitt zwischen Tensor und Sartorius abwärts führen,
da letzterer und der darunter liegende Rectus femoris schon dem
Gebiet des N. cruralis zugehöreh.
287) Resection einer Beckenhälfte (Fig. 183).
Ich habe im Jahre 1884 meine erste Operation dieser Art ge-
macht bei einem 51 -jährigen Manne wegen Osteoidchondrosarkom.
Der Tumor hatte sich angeblich 6 Wochen vor seinem Eintritt entwickelt
auf ein Trauma hin und war rasch grösser geworden unter Schmerzen und
Functionsstörung. Die unregelmässige, derbe, höckerige Geschwulst nahm fast
die ganze rechte Darmbeinschaufel ein, bot stellenweise eine dünne Knochen-
schale dar, wölbte sich gegen die Glutäen vor, war empfindlich auf Druck.
Im Hüftgelenk ein Knacken.
Bei der Operation (9. Dec. 1884) wurde Scham- und Sitzbein 2 cm median-
wärts von der Pfanne durchsägt, die Lösung hinten in der Synchondrosis sacro-
iliaca gemacht. Es zeigte sich nöthig, auch das obere Femurende zu reseciren.
Am 19. Januar 1885 konnte Patient Gehversuche machen, am 16. März mit
Krücke und Stock entlassen werden. Unser letzter Status datirt vom 13. Juli
1888 (vergl. Fig. 183): Patient ist seit der Operation gesund gewesen, er hat
einen Monat nach der Entlassung angefangen, leichte Arbeit zu verrichten;
jetzt ist er bei Landarbeit behülflich. Er kann eine Stunde weit gehen ohne
Unterstützung.
Er hinkt wie ein Hüftgelenkresecirter, geht auf der Fussspitze, setzt sein
Bein in Schleuderbewegung vor. Das Bein hat eine natürliche Stellung, das
Knie kann gestreckt werden. Die Verkürzung beträgt 10 cm. Passiv besteht
ein Schlottergelenk (Rotation 270 °), activ abnorme Auswärtsrotation möglich.
Flexion activ auf 105 °, passiv normal. Streckung activ normal, passiv Hyper-
extension von 45 °. Ab- und Adduction passiv auf 70 ° nach beiden Seiten.
Oberes Femurende bloss 3 cm von der Medianlinie des Körpers entfernt
in der Höhe der anderseitigen Spina ilii a. s. entsprechend. Das Femur lässt
sich einige Centimeter auf- und abwärts schieben. Arteria femoralis, stark
pulsirend, zeigt starke Windungen. Horizontaler Schambeinast 3 cm lang.
Abdomen wölbt sich zu einer faustgrossen Hernie vor. Der rechte Sacrolum-
balis bildet einen vorragenden Wulst. Der rechte Umfang der Wirbelsäule ist
mit Leichtigkeit abzutasten, ebenso die Gelenkfläche des Kreuzbeins und dessen
Vorderfläche.
Bald nach mir hat Roux in Lausanne eine ähnliche Operation
ausgeführt und vor Kurzem habe ich wieder wegen eines Becken-
sarkoms bei einem 13-jährigen Knaben die Operation gemacht. Die
Ausführung hängt von der Erkrankung ab. Bei diesem letzteren
Falle machte ich einen Schnitt von der Synchondrosis sacro-iliaca
entlang der Crista und des PouPART'schen Bandes.
Nach oben wird zunächst nach Trennung der Bauchmuskeln
Untere Extremität.
531
entlang dem PouPART'schen Bande und der Crista die Fascia trans-
versa mit dem [Peritoneum vom Tumor emporgehoben bis an die
grossen Gefässe (A. und V. iliaca), welche sammt dem Nervus
cruralis medianwärts abgehoben werden. Kleinere Nerven (Cutaneus
externus u. a.) müssen event* durch-
schnitten, die A. circumflexa ant.
und post. mit Klemmzangen gefasst
werden.
Abwärts werden erst unter dem
Lig. Pouparti die Muskeln lateral
von den grossen Gefässen gelöst und
getrennt: Rectus femoris, Sartorius,
Tensor fasciae, dann stumpf die An-
sätze des Glutaeus medius und mini-
mus unter der Crista abgehoben und
getrennt bis zur Synchondrose.
Vorne wird Iliopsoas und Ge-
lenkkapsel mit Lig. Bertini durch-
schnitten und medianwärts das Scham-
bein und Sitzbein subperiostal frei-
gemacht und mit der schneidenden
Zange durchschnitten. Jetzt setzt
man von oben ein kräftiges Messer
in die Synchondrosis sacro-iliaca ein,
trennt dieselbe und luxirt die Becken-
hälfte abwärts. Es bleibt noch der
Rest der Rückfläche des Beckens
stumpf frei zu machen und die Flexo-
ren am Sitzknorren, sowie die starken
Ligamenta sacralia an diesem und an
der Spina ischii mit dem Messer ab-
zutrennen. Die Blutung ist wegen
der längeren Dauer der Operation
nicht unbeträchtlich, indes werden
keine grösseren Gefässe verletzt und
bei unserem letzten Falle haben wir
keine einzige Ligatur angelegt, [sondern alle Klemmpincetten ab-
gedreht. Der Knabe ist per primam geheilt.
Nach einer Erfahrung bei einem älteren und heruntergekommenen
Patienten, bei welchem wir einen Exitus erlebten, scheint es uns
empfehlenswerth, nach Trennung der Bauchmuskeln an Crista und
Lig. Pouparti unter gehöriger Abhebung der Fascia transversa sammt
Peritoneum die Vasa iliaca interna behufs Verhütung zu starken
Blutverlustes zu unterbinden.
Fig. 183. Resection des Hüftgelenks
und einer Beckenhälfte wegen Tumor
pelvis.
34 s
532
Excisionen und Resectionen.
Partielle Beckenresectionen sind schon vielfach gemacht (vergl.
Gussenbauer, Ueber Exstirpation von Beckenknochen geschwülsten
1891). WiLMS hat eine von Trendelenburg ausgeführte Resec-
tion des ganzen vorderen Beckenrings beschrieben, -nach
welcher der Gang der Patientin auffallend wenig gestört war.
Eine Totalresection des Sacrum wegen eitrig-käsiger^ Ostitis
desselben und theilweiser Nekrose habe ich bei einer 3 7 -jährigen1 Frau
am 22. Dec. 1887 ausgeführt mit unglücklichem Ausgang in Folge
Cerebrospinalmeningitis. Doch Hess sich feststellen, dass man den
Sacralcanal und die Foramina sacralia aufm eissein und die Cauda equina
sammt den austretenden Nerven in einer Weise herausheben kann, dass
keine wesentliche Störung resultirt. Die Frau zeigte gar keine Mo-
tilitätsstörung, bloss eine herabgesetzte Sensibilität am linken Peroneus
nach der Operation. Die Operation geschah mit Messer und MeisseL
V. Obere Extremität.
288) Excision der Phalangen, Metacarpalknochen, der
Interphalangeal- und Metacarpo-phalangealgelenke(Fig. 184
und 185).
Für die Phalangen und Gelenke kann es
sich bloss um Seitenschnitte, für die Metacarpi
Fig. 184. Fig. 185.
Resectio phalangum et metacarporum. Resectio articulationum digitorum.
Frontalschnitt des Handgelenks nach Henle.
Obere Extremität.
533
um Dorsalschnitte handeln. Die Incisionen an den Fingern werden
näher dem Dorsum gelegt, um so mehr, je mehr sie peripher ver-
längert werden.
Für die Finger ist es angezeigt, um einseitige Narbenretraction
und laterale Verkrümmungen nach Entfernung von Knochen zu ver-
hüten, Incisionen beiderseits zu machen. Strecksehnen und Nerven
des Handrückens (N. radialis und ulnaris) sind zu schonen, die Schnitte
auf dem subcutan fühlbaren Knochen zu führen über die anstossenden
Gelenke hinüber.
Wo keine Contraindication, ist subperieosteo-capsulär zu reseciren,
und ist das Köpfchen zuerst freizulegen, weil es leichter beweglich
gemacht werden kann.
Am Daumenmetacarpus ist die Sehne des Extensor brevis mit
dem Periost auf die eine, die Daumenballenmuskeln auf die andere
Seite zu schieben und am oberen Ende des Knochens der Sehnen-
ansatz des Abductor longus abzutrennen. Bei den übrigen Metacarpi
sind mit dem Periost die M. interossei externi und interni abzulösen.
Nur das Metacarpocarpalgelenk des Daumens ist isolirt, die anderen
hängen mit dem Handgelenk zusammen.
289) Resectio manus (Fig. 185, 186, 187 und 188).
Die schon von dem preussischen Arzte Beyer und von einem
der Erfinder der Resectionen Moreau geübte Handgelenkresection
hat erst von dem Augenblicke an bessere Resultate erzielt, als
Lister zeigte, dass die totale Resection das Normalverfahren sein
muss. Die Methode zur Totalresection von Lister wie von Ollier
bestand wesentlich in zwei seitlichen oder dorsolateralen Schnitten,
und Treves hält die OLLiER'sche für die beste. Man vergleiche
für die verschiedenen Methoden die eingehende geschichtliche Dar-
stellung von Catterina (Padua 1893).
Man kommt aber sehr wohl mit einem einfachen Dorsalschnitt
in fast allen Fällen aus. Wir haben uns früher regelmässig der
Methode bedient, welche als LANGENBECK'sche bekannt und wohl
am meisten geübt ist. Faraboeuf giebt an, dass der dorso-radiale
Schnitt schon 186g von BöCKEL eingeführt worden sei. Treves
beschreibt sie als die BöCKEL'sche und sagt, dass schon Lister
vor BöCKEL den dorso-radialen Schnitt in Anwendung gezogen
habe. Wir haben denselben Schnitt schon vor Langenbeck nicht
bloss am Lebenden geübt, sondern auch bei den Operationsübungen
am Cadaver demonstrirt. Die Methode ist jedenfalls durch Langen-
beck zur Anerkennung gebracht und hat vor den früheren Ver-
fahren grosse Vorzüge.
534
Excisionen und Resectionen.
Deltoideus
Brachialis internus
Supinator longus
{Radialis externus
longus
Ulnaris externus
Dorso-radiale Incision.
Wir machen bei stark ulnarflectirter Hand eine gerade Incision
durch die Haut von der Mitte des II. Metacarpus bis ebenso weit
aufwärts über die Mitte des Handgelenkes in der Axe des Vorder-
armes. Der Schnitt fällt
zwischen die Sehnen
des Extensor digitorum
communis sammt Ex-
tensor indicis proprius
einerseits und Extensor
hallucis longus anderer-
seits , trennt langsam
Haut , peripher unter
Schonung der zum
Mittelfinger ziehenden
Zweige des N. radialis
superficialis , das Lig.
carpi commune dorsale
mit der Fascie und
dringt am Vorderarme
bis auf den Radius, am
Handgelenke durch die
Handgelenkkapsel und
abwärts auf die Basis
des Metacarpus III. An
letzterer wird die Sehne
desRadialius ext. brevis
und an der Basis des
Metacarpus II diejenige
des Radialis ext. longus
mit dem Periost ab-
gelöst, die Rückfläche
des II. Metacarpus mit
den zwischen diesem
und dem III. Metacarpus
gelegenen M. interossei
freigelegt und seitwärts
dicht an den Knochen
die Auslösung der
Sehnen aus ihren Rinnen und die Ablösung der Handgelenkkapsel
begonnen.
Die BöCKEL - LANGENBECK'sche Methode hat immerhin den
Nachtheil, dass, um Platz zu gewinnen, die Ablösung" der M. radiales
.externi nöthig ist. So sehr man nun auch die Methode subperiostal
Radialis externus brevis
{Extensor digitorum
communis
Ulnaris internus
{Abductor pollicis
longus
Extensor pollicis brevis
/Processus styloideus
( ulnae
{Extensor pollicis
longus
Fig. 186. Arthrotomia cubiti et manus. (Contouren
unter theilweiser Benützung von Paul Richers'
„Anatomie artistique".)
Obere Extremität.
535
macht, nach TRELATs Ausspruch (FARABOEUF) wie zwischen Baum-
stamm und Rinde losschälend, so ist doch eine erhebliche Schädigung
jener Hauptdorsalnexoren der Hand mit verbunden, und es mag
daran liegen, dass so oft eine volare Subluxation der Hand mit sehr
behinderter Dorsalflexion resultirt. Es ist deshalb gerechtfertigt, mit
Rücksicht auf diese sehr gewöhnlichen Störungen den M. radiales
grössere Schonung angedeihen zu lassen und den Schnitt zwar
immer noch auf dem Dorsum, aber auf die ulnare Seite der Streck-
sehnen zu legen.
Dorso-ulnarer Schnitt (Fig. 186, 187 und 188):
Unser Schnitt muss die gehörige Länge haben (7 — 8 cm) und
wird so angelegt, dass man bei leicht radial flectirter Hand den
Schnitt von der Mitte des V. Metacarpus gegen die Mitte des Hand-
gelenkes und von da in der Mitte der Dörsalnäche des Vorderarmes
aufwärts führt. Der Schnitt schont am unteren Ende eine Ur-
sprungsvene, die V. basilica, und den Dorsalast des Nervus ulnaris,
was leichter ist, als für den Radialis bei dorso-radialem Schnitt, weil
der Ulnaris sich erst weiter unten der Mittellinie zuwendet. Nach
Spaltung der Fascie und des starken quergefaserten Lig. carpi dor-
sale commune eröffnet der Schnitt am Handgelenke die Sehnen-
scheiden des Extensor dig. minimi proprius und Extensor communis,
welche radialwärts gezogen werden, und unter den Sehnen die
Kapsel auf der Basis des Metacarpus V, auf Os hamatum, triquetrum
und Ulna. Dieselbe wird zunächst ulnarwärts abgelöst und mit ihr
die Sehne des M. ulnaris externus am Metacarpus V (Fig. 187).
Die Ablösung der Sehne des Ulnaris externus hat nicht die-
selben Nachtheile, wie diejenige der beiden Radiales externi. Der
Ulnaris hat einen viel gering-eren Antheil an der Dorsalflexion, als
die dem Radiocarpal-, also Hauptgelenk aufliegenden Radiales ex-
terni. Der Ulnaris externus trägt allerdings wesentlich bei zur
Ulnarflexion ; aber gerade diese Bewegung kommt schon ohnehin
der Schwere gemäss nach der Resection zu viel zur Geltung, indem
gar oft die Hand in späterer Zeit nach Vola und Ulna abgewichen,
resp. nach diesen Richtungen contrahirt erscheint. Es kann deshalb die
Trennung der betreffenden Sehne eher günstig" als schädlich wirken.
Auch die Strecksehnen haben weniger Neigung, bei dorso-ulnarem
Schnitt aus der Hautwunde zu prolabiren, resp. sich zu entblössen, als
beim dorso-radialen Schnitt. Die Extensorsehne des kleinen Fingers
wird am meisten ausgesetzt, allein da dieser Finger mit doppeltem
Extensor versehen ist und lange nicht so wichtige Function hat, wie
der Zeigefinger, so tritt auch dieser Uebelstand in den Hintergrund.
Nach oben wird die Sehne des Ulnaris externus aus der Rinne
der Ulna herausgehoben und die Kapsel rings um die Ulna ab-
536
Excisionen und Resectionen.
gelöst. Wenn das Gelenk zwischen Bandscheibe und Ulna und
zwischen Ulna und Radius erkrankt ist, so muss die Bandscheibe
Tendo extensoris digiti minim.
. Sehnen des Extensor communis
Fascie
Radius
Ulna
- Lig. carpi dorsale
- Bandscheibe
- Os semilunare
- Os triquetrum
Os hamatum
N. ulnaris dorsalis
— Basis metacarpi V
— V. basilica
1,
Fig. 187. Resectio manus mit dorso - ulnarem Schnitt bis durch die Gelenk-
kapsel hindurch.
excidirt werden. Die Ablösung der Kapselansätze rings um die
Ulna ist leicht. Nach Abtrennung der Kapsel am Os triquetrum
Obere Extremität.
537
kommt man ganz von selbst in das Gelenk zwischen Os pisiforme
und letzterem und lässt die Sehne des M. ulnaris internus mit jenem
Knöchelchen in Zusammenhang. — Auch der Hamulus ossis hamati
kann leichter freigemacht event. durchschnitten werden, als beim
Radius
Processus styloideus ulnae
Ulna
Tendines extensorum (dig. V.)
_ Os naviculare
Os semilunare
— Os capitatum
— Os triquetrum
--;■: 1 Os hamatum
Os pisiforme
Metacarpus V.
— N. ulnaris dorsalis
V. basilica
Fig. 188. Resectio manus mit dorso-ulnarem Schnitt. IL Act: Nach Luxation
des Handgelenks und Abtrennung des Kapselansatzes an den Vorderarmknochen.
dorso-radialen Schnitt. Das ist von Belang, weil der tiefe Ast des
N. ulnaris um denselben sich herumschlägt und geschont werden
muss. Das Bündel der gemeinsamen Volarsehnen hebt sich jetzt
ohne Anstand aus seiner Rinne im Zusammenhange heraus und man
c-2% Excisionen und Resectionen.
kann die Kapselverbindung am V., IV. bis III. Metacarpus auf der
Vola lösen, während man den Sehnenansatz des Radialius internus am
II. Metacarpus erhält. Ebenso wird der stramme Kapselansatz am
Vorderrande des Radius gelöst.
Auf dem Dorsum wird bis unter die Radialis externi und Ex-
tensoren des Daumens die Kapsel am dorsalen Rande des unteren
Radiusendes gelöst und die Sehnen aus ihren Rinnen heraus-
gehoben. Dagegen werden zunächst die Sehnen der Radialius ex-
terni vom III. und II. Metacarpus auf der Dorsalfläche nicht ab-
gelöst.
Vielmehr wird die Hand radio-volarwärts mit Kraft vollkommen
luxirt, so dass der Daumen mit der Radialseite des Vorderarmes
sich berührt und die Strecksehnen auf die radiale Seite des Radius
zu liegen kommen (Fig. 188). Jetzt kann, wo nöthig, am radialen Rande
des Radius die Kapsel noch ergiebiger gelöst und event. der Ansatz
des Supinator longus freigemacht werden. Die Auslösung der Hand-
wurzelknochen, die Abtragung einer möglichst dünnen Schicht von
den Vorderarmknochen und Metacarpi bietet nunmehr keine Schwierig-
keiten, nur im Bereiche des Os multangulum majus und minus ist
der Zugang weniger leicht, um diese und die 3 radialen Metacarpal-
basen zu entfernen. Für die Fälle, wo die Haupterkrankung auf der
Radialseite der Handwurzel und Metacarpi liegt oder gar die radiale
Seite der Gelenke ausschliesslich Sitz der Erkrankung ist, bietet
daher die dorso-radiale Methode Vortheile gegenüber unserem ge-
schilderten Verfahren. Zwischen Os multangulum majus und minus,
resp. zwischen den Basen des I. und IL Metacarpus ist dorsalerseits
auf Schonung der hier zum tiefen Hohlhandbogen umbiegenden
Art. radialis besondere Sorgfalt zu verwenden.
Was den Modus der Absägung der Vorderarmknochen und event.
der darauf anzupassenden hinteren Metacarpalenden anbelangt, so
ist im Allgemeinen bogenförmige Absägung mit querer Axe an-
zuempfehlen, ähnlich dem Ellbogengelenk, um Dorsal- und Volar-
flexionsbewegung zu sichern.
Wesentlich halten wir an unserem Verfahren die möglichst
intacte Erhaltung der Sehnen der Radiales externi und die Möglich-
keit, durch vollkommene Luxation des Gelenkes Einblick zu erhalten
in alle Recessus und über sämmtliche Knochen.
Catterina hat eine dem OßALiNSKl'schen Verfahren zur Er-
öffnung der Tarsalgelenke nachgebildete Methode der Handgelenk-
resection empfohlen, welche das Interstitium zwischen 3. und 4. Meta-
carpus benutzt und durch eine vom Dorsum zur Vola durchgehende
Incision den Zugang zu den Carpalgelenken herstellt. Die volare
Incision geht bloss bis zum oberflächlichen Hohlhandbogen, die dor-
sale geht viel weiter aufwärts, aber gerade der quere Verlauf der
Obere Extremität.
539
Hohlhandbogen und des N. ulnaris macht die richtige Ausnutzung
des Schnittes schwierig.
Für die Nachbehandlung' der Resectio und Arthrotomia manus
ist es von Belang, dass die Dorsalflexion im Handgelenke ge-
sichert werde durch eine Schiene, wie wir sie schon seit vielen
Jahren im Gebrauche haben, welche in der Hauptsache mit der von
Ollier angegebenen übereinstimmt und welche erlaubt, mit Sicher-
heit das Handgelenk festzustellen und dennoch Bewegungen der
Finger zu gestatten. Da für feinere Function der Finger bloss deren
kräftige Flexion in Betracht kommt, so ist eine Dorsalflexion im Hand-
gelenke die einzig richtige Stellung, indem dieselbe durch Dehnung der
Flexorensehnen die Finger schon passiv flectirt erhält und verstärkte
Flexion in Folg'e dessen unter sehr geringem Kraftaufwande gestattet.
Die Sicherung früher activer Bewegungen der Finger ist für das
functionelle Resultat der Hauptgesichtspunkt in der Nachbehandlung.
290) Resectio ulnae.
Die Ulna liegt in der ganzen Länge des Vorderarmes subcutan
in dem Zwischenraum zwischen M. ulnaris externus und internus.
Sie kann daher partiell oder in ganzer Länge ohne Schwierigkeit
oder Nebenverletzung excidirt werden.
291) Resectio radii.
Der Radius ist viel weniger leicht zugänglich als die Ulna. Auf
der radialen Rückseite ist das Köpfchen stets unter der Haut fühlbar
und kann daher resecirt werden von einem Theil des Schnittes aus,
dessen Richtung und Lage bei unserer Methode der Resectio cubiti
näher bezeichnet ist.
An der Diaphyse ist das mittlere Drittel auf der Rückfläche
fühlbar zwischen den Extensores radiales (longus und brevis) und
den Extensoren der Finger. Hier kann ohne Furcht vor Gefässen
incidirt werden, und auch Nervenäste kommen nicht in Betracht, da
die anstossenden Muskeln ihre Radialiszweige bereits weiter oben
erhalten. Das obere Drittel des Radius ist vom M. supinator brevis
bedeckt, durch welchen der motorische Ast des N. radialis dorsalwärts
durchtritt. Das untere Drittel ist aussen von den Sehnen des Brachio-
radialis und der Radiales externi, welche immerhin längs verlaufen,
und vom M. pronator quadratus und von den schräg die dorso-radiale
Seite kreuzenden Extensoren und dem Abductor des Daumens bedeckt.
Ein Schnitt in ganzer Länge des Radius bis auf den Knochen
ist nur in der Linie der Unterbindung der A. radialis möglich, indem
man dabei den oberflächlichen (sensiblen) Ast des N. radialis auf
die radiale, die Gefässe auf die ulnare Seite schiebt. Der Nerv liegt
nämlich oben schon radialwärts, unten wendet er sich am unteren
Vorderarm viertel auf die dorsale Seite.
54Q
Excisionen und Resectionen.
Deltoideus
Brachialis internus
Supinator longus
(Radialis externus
\ longus
Anconeus
Ulnaris externus
Methode der breiten Eröffnung des Ellenbogengelenkes.
292) Resectio cubiti (Fig. 189, 190 und 191).
Wir huldigen auch hier, wie bei allen Arthrotomien und Gelenk-
resectionen, welche einen freien Einblick ins Gelenk verlangen, behufs
correcter Entfernung
/ aller erkrankten Ge-
/ . webe, dem Grundsatz,
lieber einen etwas com-
plicirteren Hautschnitt
zu machen , um nicht
nur alle Muskeln mit
ihren Ansätzen zu er-
halten, sondern beson-
ders, um die Nerven-
fasern zu schonen,
welche die . Muskeln
versorgen. Das war
uns ein Hauptgrund
der Einführung des
nachher zu schildern-
den hinteren Bogen-
schnittes für die Arthro-
tomie der Schulter; da-
nach haben wir auch
die bisherige Methode
der Ellenbogengelenk-
resection modificirt.
Wir haben anfäng-
lich das einfache VON
LANGENBECK'sche
Verfahren mit hinterem
Längsschnitt geübt,
welches von Treves
auf Park und Maison-
NEUVE zurückgeführt
wird , aber gefunden,
dass man namentlich
bei fungösen Entzün-
dungen, die in der
Gegend des Radiuskopfes sich localisiren oder nach dieser Richtung
sich ausdehnen, nicht so bequemen Zugang hat, wie es wünschenswerth
wäre. Diesen Zugang giebt der OLLlER'sche Bajonnettschnitt, eine
vorzügliche Methode. Aber auch sie hat den Nachtheil, dass sie den
Radialis externusbrevis
_ fExtensor digitorum
\ communis
Ulnaris internus
{Abductor pollicis
longus
Extensor pollicis brevis
{Processus styloideus
ulnae
{Extensor pollicis
longus
Fig. 189. Arthrotomia cubiti et manus. (Contouren
unter theilweiser Benützung von Paul Richers'
„Anatomie artistique".)
54i
Fig. 190. Arthrotomia cubiti. Schnitt durch Haut und Fascie bis auf den
Knochen oben zwischen Triceps (hinten) und Supinator longus und Radiales
externi (vorne); unten bis durch die Kapsel auf den Radiuskopf und abwärts
zwischen Anconaeus IV (hinten) und Ulnaris externus (vorne) bis auf die Ulna.
Der unterste Ausläufer des Anconaeus IV durchschnitten.
sa 2 Excisionen und Resectionen.
M. anconaeus quartus ausser Function setzt. Ollier geht freilich mit
dem schrägen Mittelstück seiner Incision in dem Interstitium zwischen
Caput externum tricipitis und Anconaeus quartus durch, allein da
der Nervenast des Radialis, welcher diesen letzteren Muskel ver-
sorgt, von oben herunter kommt als Endast des den oben erwähnten
Tricepskopf versorgenden Zweiges, so muss der Muskel nach der
OLLiER'schen Operation atrophisch werden. Da wir aber für den
Ellenbogen die besondere Verpflichtung haben, das Beste zu leisten
zur Erzielung activ beweglicher Gelenke, so sollte auch der Anco-
naeus quartus, der ein eigentlicher Gelenkmuskel ist zur Spannung
und Fixation der Kapsel, erhalten bleiben. Das erzielen wir in
folgender Weise:
Bei Beugung des Ellenbogens auf ca. 1500 wird ein Haken-
oder Angelschnitt nach Fig. 189 gemacht, welcher, wie der Ollier-
sche Schnitt, auf der Kante der Aussenfläche des unteren Humerus-
randes 3 — 5 cm über der Gelenklinie beginnt und in wesentlich der
Humerusaxe paralleler, d. h. verticaler Richtung bis zum Radius-
kopf, aber abweichend von Ollier, von da entsprechend dem
lateralen Rande des M. anconaeus IV bis zur Kante der Ulna
4 — 6 cm unter der Spitze des Olecranon herabläuft und etwas auf
der medialen Seite der Ulna heraufbiegt. Der Schnitt dringt oben
auf die laterale Kante des Humerus zwischen M. brachio-radialis
und radiales externi vorne und Rand des Triceps hinten, am Con-
dylus externus und von diesem abwärts zwischen den Extensoren,
zunächst Ulnaris externus vorne und lateralem Rand des Anconaeus
quartus bis auf die Ulna; oben spaltet er die derbe Kapsel auf dem
Köpfchen des Radius und das Lig. annulare. Die letzten Ausläufer
des Anconaeus IV abwärts an der Kante der Ulna werden quer
durchschnitten, da dieselben häufig sehr weit am Vorderarm herab-
reichen.
Der Schnitt trennt demgemäss vollständig sauber die Musculatur,
welche von den Oberarmästen des N. radialis versorgt wird, von
derjenigen, welche vom Ramus profundus des N. radialis innervirt
ist, und vermeidet dadurch jegliche spätere Atrophie. Ist der
Knochen freigelegt und die Kapsel gespalten, so' wird subperiostal
das Caput externum tricipitis sammt Periost und oberem Kapsel-
ansatz rückwärts vom Humerus, der Anconaeus quartus von der
Aussenfläche der Ulna, der Ansatz des Triceps von der Olecranon-
spitze subcortical gelöst und dieser Triceps - Anconaeuslappen bei
gestrecktem Arm wie eine Kappe über das Olecranon herüber ulnar-
wärts geklappt. Jetzt wird das Lig. lat. ext. mit den Ansätzen der
Extensorensehnen und die Kapsel am Condylus ext. humeri sub-
cortical durch einen Meisselschlag von unten gelöst und nach vorne
gezogen, und damit ist auch der Vorderarm so weit gegen den
Obere Extremität.
543
Oberarm beweglich geworden, dass er vollständig 1 u x i r t werden
kann (s. Fig. 191). So bleibt der ganze Streckapparat, sowohl was
Muskeln als Nerven anlangt, in seinem Zusammenhang erhalten
und ist zunächst noch das Lig. laterale internum intact geblieben.
Je nach Indication zur Arthrotomie wird nach vollzogener Luxation
das Lig. lat. internum vom Innenrande der Ulna, von der medialen
Triceps
Anconaeus IV
Fig. 191. Arthrotomia cubiti nach Vornahme der Luxation des Vorderarms median-
wärts. Man sieht die Aussenfläche der Ulna, von welcher der Anconaeus IV
abgelöst ist. Die Schnittfläche letzteren Muskels ist unten zu sehen. Oben
herum sieht man die subperiostal (resp. subcortical) losgelösten Ansätze des
(von oben nach unten) Supinator longus, der Radiales externi, des Extensor
digitorum communis und Ulnaris externus.
Fläche der Trochlea und von der Basis des Epicondylus internus
losgelöst, ebenso die Musculatur so weit wie nöthig im Zusammen-
hang mit dem Periost von Humerus und Ulna, und event. die Re-
section der Knochen ausgeführt. Man nimmt auch hier lieber etwas
Knochen mit weg, als dass man die Continuität des inneren Seiten-
bandes mit dem Periost unterbricht.
544
Excisionen und Resectionen.
Seit vielen Jahren haben wir die bogenförmige Absägung bei
den Resectionen geübt, hier um dem neuen Gelenk eine "Winkel-
gelenkbewegung zu sichern. Namentlich wichtig ist die bogenförmige
Absägung des Olecranon, um dem Ansatz des Triceps einen Hebel
zu erhalten. Dieser trägt, wie Dr. Oschmann auf Grund der Nach-
prüfung unserer Resecirten sehr überzeugend nachweisen konnte,
viel dazu bei, die Subluxation des Vorderarmes nach vorne zu ver-
hüten.
Wir haben schon hervorgehoben, dass gegenüber den einfachen
hinteren Längsincisionen, von denen die LANGENBECK'sche Methode
die verbreitetste ist, die Bogenschnitte, deren bester Vertreter die
Methode Ollier's ist, den grossen Vorzug besseren Raumes, klarerer
Freilegung des Gelenkes, speciell im Bereiche des Radiuskopfes,
haben. Quere Schnitte, seien sie gerade oder gebogen, mit i oder
2 Längsschnitten combinirt oder nicht, wird kaum Jemand noch Ge-
neigtheit haben zu benutzen. Die Hauptrichtung des Schnittes wird
immer eine longitudinale sein müssen, wenn man die Musculatur und
ihre Nerven äste schonen will. Die einzige Methode, deren wir nach
Faraboeuf's Beschreibung Erwähnung zu thun haben, da sie sich
unserer Schnittführung annähert, ist diejenige von Auguste NELATON,
welcher einen äusseren Längsschnitt auf den Humeruskopf mit einem
rechtwinklig abbiegenden Schnitt vom Radiuskopf rückwärts zur Ulna
verbindet. Allein auch Nelaton beabsichtigt damit namentlich die
gehörige Freilegung des Radiuskopfes und kümmert sich so wenig
wie Ollier um Erhaltung des Anconaeus IV. Auch Hueter und
nach Faraboeuf Marangos haben Schnitte durch die Haut em-
pfohlen, welche dem unserigen verwandt sind, aber in der principiellen
Bedeutung und Absicht des Schnittes abweichen. Auch Ca vazzani's
lateralen Querschnitt kann ich gegenüber meinem Verfahren bloss
für einen Rückschritt halten, weil dabei der Anconaeus quer durch-
trennt wird. Die Luxation des Gelenks macht Cavazzani nach der
von uns empfohlenen Weise.
Kein anderer Schnitt giebt bei so geringer Verletzung und
namentlich vollständiger Erhaltung des besonders wichtigen Streck-
apparates so guten Zugang zu allen Theilen des Gelenkes. Er erlaubt
besser als andere Methoden, sich nach Ausführung des Schnittes
für totale Excision der Kapsel mit extracapsulärer Präparation der-
selben oder für subperiostale Ausschälung der Knochen zu ent-
scheiden, weil der Schnitt nur in kurzer Ausdehnung über die Kapsel
zu liegen kommt.
Für Fälle, wo das Olecranon Sitz isolirter Erkrankung ist,
verdient der einfache hintere Längsschnitt nach LANGENBECK den
Vorzug, da er direct auf den Knochenherd führt. Ebenso dürfte bei
Erkrankungen bloss im Condylus externus oder am Radiusköpfchen
Obere Extremität.
545
die Modification unserer Methode von Cavazzani mit querem lateralem
Schnitt gelegentlich Anwendung finden. In allen Fällen dagegen,
wo ein gehöriger Einblick ins Gelenk gewünscht wird, hat unsere
oben geschilderte Methode grosse Vorzüge.
293) Resectio diaphyseos humeri.
Die Excision des Humerusknochens bietet nicht so einfache Ver-
hältnisse wie am Femur. Wie das untere und obere Ende entfernt
wird, ergiebt sich aus den Schilderungen der betreffenden Gelenk-
resectionen. An der Diaphyse ist dem Verhalten des Nervus radialis
hauptsächlich Rechnung zu tragen, welcher sich von innen her
um die hintere Fläche des Humerus auf die laterale Seite herum-
schlingt.
Die einzige Linie, in welcher man auf die Diaphyse in ganzer
Länge vom unteren Ende des chirurgischen Halses (in dessen Bereich
die A. circumflexae und der gleichnamige Nerv zu schonen sind) bis
zu den Epicondylen abwärts incidiren kann, ist der Sulcus bicipitalis
externus. Man trennt die Fascie des Deltoideus, um dessen Vorder-
rand in abducirter Stellung des Armes rückwärts ziehen zu können,
eröffnet danach die Fascie des Biceps , um dicht am Rande des
Muskelfleisches und unter diesem entlang dem Coracobrachialis und
dem Aussenrand des Brachialis internus auf den Knochen zu ge-
langen. Der Nervus radialis nebst den Ausläufern der Arteria pro-
funda brachii (collateralis radialis) bleibt auf der lateralen Seite,
während im unteren Drittel der N. musculo-cutaneus, welcher zwischen
Biceps und Brachialis internus nach der lateralen Vorderseite abwärts
tritt, medianwärts gezogen wird.
294) Resectio articulationis humeri.
a) Von vorne bei Erkrankung des Humeruskopfes (Fig. 192
und 193).
Der Humeruskopf überragt die Pfanne sehr stark nach vorne,
da der Durchmesser der Pfanne in horizontaler Richtung bloss 1/i des
Durchmessers des überknorpelten Kopfes beträgt; er ist deshalb von
dieser Seite in dem Verhältniss leichter zugänglich, als die Pfanne
von vorn schwierig freigemacht werden kann. Die einfachste Me-
thode ist der vordere Längsschnitt, von Baudens, Malgaigne,
Roeret, Dubreuil geübt, aber speciell von Langenbeck und seinen
Schülern ausgebildet. Die Verbesserung desselben durch Hueter,
Ollier, Chauvel und Spence, welche statt des verticalen Schnittes
vom Acromion abwärts durch den Deltoides zur Schonung des letzteren
einen Schrägschnitt machen, erscheint als das rationellste Ver-
fahren, weil für die späteren Bewegungen dieser Muskel die Haupt-
bedeutung hat.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. «
546
Excisionen und Resectionen.
Der Schnitt beginnt oberhalb des Processus coracoideus auf der
Clavicula und geht am vorderen Rande des Deltoideus abwärts. Der
Rand dieses Muskels, welchem die Cleidalportion des M. pectoralis
major eng anliegt, ist charakterisirt durch die Vena cephalica. Diese
wird mit dem Pectoralis medianwärts gezogen. Der
Deltoideus wird lateralwärts gezogen. Seine obersten
vordersten Fasern an der Clavicula werden durchschnitten
und unter denselben ein Ast der A. thoracico-acromialis
gjjljjl unterbunden.
Nun erscheinen die vom Processus coracoideus aus-
gehenden Muskeln: M. pectoralis minor, Caput breve
Schnitt durch die
> vordersten Fasern des
l Deltoideus
M. deltoideus
\svi
%
!\\\ ..
M. pectoralis minor
|M. coraco-brachialis und
\ biceps (Caput breve)
Humerus
Caput longum bicipitis
Tendo pectoralis majoris
f M. pectoralis major (Portio
\ clavicularis)
V. cephalica (medianwärts
gezogen)
Fig. 192. Resectio humeri anterior mit Schrägschnitt (von Esmarch als
Ollier's Methode bezeichnet).
bicipitis und Coraco-brachialis, über welche unten die platte Sehne des
•Pectoralis major mit scharfem oberen Rande nach der Spina tuberculi
majoris hinzieht. Am lateralen Rande jener Muskeln schneidet man
auf den Knochen ein und eröffnet bei leicht einwärts rotirtem Arme
die Scheide der Bicepssehne über der deutlich fühlbaren Bicepsrinne.
Obere Extremität.
547
Die Spaltung derselben geschieht ab- und aufwärts bis durch die.
obere Kapselwand so weit herauf, dass die Sehne bis zu ihrem
Ansatz am oberen Pfannenrand freiliegt und leicht nach einwärts
abgezogen werden kann. Dieses Freilegen der Bicepssehne hat nicht
bloss den Sinn, die letztere womöglich zu
erhalten, sondern ganz besonders die Absicht,
den Humeruskopf in einer Linie zugänglich
zu machen, längs welcher sich die Muskel-
ansätze von vorne und hinten treffen. Jetzt
beginnt dicht am Knochen und mit senk-
rechten Schnitten parallel der Biceps-
Tendo brevis bicipitis und M. coraco-brachialis
Clavicula
!
Processus coracoideus
Caput humeri
\ Ablösungsstelle der Kapsel
\ am Collum anatomicum
Rinne der Bicepssehne
Tendo longus bicipitis
M. deltoideus
Tendo pectoralis majoris
Vena cephalica
Fig. 193. Resectio humeri anterior. IL Act: Die Bicepssehne aus ihrer Scheide
herausgehoben, die Gelenkkapsel geöffnet.
rinne die Ablösung der mit dem Kapselansatz verbundenen Sehnen,
nämlich der Subscapularis vom Tuberculum minus, des Supra- und
Infraspinatus und Teres minor vom Tuberculum majus. Dabei wird
der Humerus gedreht, so dass mehr und mehr die Gelenkfläche erst
nach vorne, dann nach hinten zu Tage tritt.
35*
548
Excisionen und Resectionen.
Cucullaris
Deltoideus
Infraspinatus
Teres major
Jeglicher Querschnit durch die Kapsel zwischen Kopf und Pfanne
ist durchaus zu vermeiden. Falls der Humerus weiter abwärts frei-
gelegt werden muss, müssen die A. circumflexa anterior und posterior
am chirurgischen Hals sammt Nervus axillaris beachtet, erstere event.
unterbunden werden.
b) Resection von hinten (Fig. 194 — 198) bei Erkrankung
vorwiegend der Pfanne oder bei diffuser Gelenkerkrankung.
Der Hautschnitt,
wie Fig. 1 94 zeigt, wird
auf dem Acromio-Cla-
viculargelenke begin-
nend über die Schulter-
höhe längs des oberen
Randes der Crista sca-
pulae bis nahe zur
Mitte der letzteren
geführt und von da
bogenförmig abwärts
gegen die hintere
Achselfalte, 2 Finger
breit über letzterer
endigend. Der obere
Schenkel des Schnittes
dringt kräftig in das
Acromio - Clavicular-
gelenk ein (dessen
stramme Bandbe-
deckung durchschnit-
ten wird) und trennt
längs des weiteren
Verlaufes am oberen
Rand der Crista den
sehnig musculösen
Ansatz des M. cucul-
laris ab. Der abwärts-
gehende Schenkel spaltet die derbe Fascie auf und längs des hinteren
Randes des M. deltoideus und legt diesen im unteren Theile frei. Mit
dem unter den hinteren Deltoideusrand geschobenen Daumen hebt man
diesen Muskel von den tieferen Muskelschichten (Infraspinatus) ab, mit
welchen seine glatte Unterfläche bloss durch lockeres Zellgewebe ver-
bunden ist, bis zur Crista scapulae; hier werden die hintersten Aus-
läufer des Deltoideusansatzes durchschnitten. Der Finger geht nun
der Crista entlang am oberen Rande des M. infraspinatus bis zu der
Stelle, wo der laterale Rand derselben sich von der Scapula erhebt.
Fig. 194. Arthrotomia humeri mit hinterem Bogen-
schnitt. (Contouren unter theilweiser Benützung von
Paul Richer's „Anatomie artistique".)
Obere Extremität.
549
In gleicher Weise wird am oberen Rand der Crista der M. supra-
spinatus stumpf zurückgeschoben, bis der Finger auch von oben den
lateralen Rand der Crista umgreift. Jetzt wird die freigemachte
Stelle der Crista schräg durchschlagen, und diese sammt dem Del-
toideus mit beiden Daumen kräftig nach vorne über den Humerus-
kopf herüberwälzt.
"j Articulatio
\ acromio-
( clavicularis
M. cucullaris
Crista scapulae
M. deltoideus
Fig. 195. Arthrotomia artic. humeri mit hinterem Bogenschnitt : Die Articulatio
acromio-clavicularis ist eröffnet, der M. cucullaris vom oberen Rande der Crista
scapulae losgelöst, der M. deltoideus am hinteren Rande freigelegt und sein
hinterster oberer Ansatz an der Crista durchschnitten. An dieser Schnittstelle
wird der Meissel nach stumpfer Ablösung des Supra- und Infraspinatus zur
Trennung der Crista aufgesetzt.
Bei der Durchmeisselung des Knochens muss man Sorge tragen,
den Nervus suprascapularis, der unter den Muskeln aus der Fossa
supra- in die infraspinata herabtritt, nicht zu verletzen; der Nerv ist
übrigens durch das Lig. scap. transv. inferius geschützt. Es ist zweck-
mässig, vor der Durchtrennung schon 2 Bohrlöcher anzulegen, um
55o
Excisionen und Resectionen.
später mittelst Naht die beiden Sägeflächen wieder in innigen Contact
zu bringen. Oder man kann auch das Periost nach hinten und vorne
trennen, ein kleines Knochenstück excidiren und das Periost darüber
nähen.
Man kann die Bildung des hinteren Lappens ganz zweckmässig
in der Weise vereinfachen, dass man statt die Crista durchzuschlagen,
bloss dieser entlang den Deltoideusansatz subcortical abmeisselt, was
nachträglich auch eine sehr sichere Vereinigung ermöglicht.
Claviculagelenkfläche
Acromialgelenkfläche
Bicepssehne
Vordere Sägeflächel
der Crista scapulae/
M. deltoideus
Schnitt durch die
Kapsel am hinteren
Rand der Bicepssehne
und oberen Rande
des Supraspinatus
M. supraspinatus
{Crista scapulae
Meisselfläche
M. infraspinatus
*•■■;•■■■.•■
0
s^2
Fig. 196. Arthrotomia scapulo-humeralis , nachdem der Acromio-Deltoides-
Hautlappen nach vorne geschlagen ist, von der Seite gesehen bei einem
anderen Individuum.
Nach Herüberschlagen des Acromio-Deltoideuslappens erscheint
die obere, äussere und hintere Fläche der Humeruskopfwölbung ganz
frei zugänglich, bedeckt von den Sehnen der Auswärtsroller, Supra-
und Infraspinatus und Teres minor. Ebenso tritt die Rückfläche
dieser Muskeln zu Tage. Es kommt sehr viel darauf an, dass jetzt
der Schnitt auf den Humeruskopf correct angelegt werde, um nicht
unnöthig zu verletzen. Da, wo die genannten Muskeln mit ihren
Sehnen sich an das Tuberculum majus und die Spina tuberculi majoris
Obere Extremität.
551
ansetzen, d. h am Vorderrande dieser Ansätze und am Hinterrande
der bei auswärts rotirtem Arm fühlbaren Bicepsrinne, wird ein Längs-
Vorderer Kapselrand
Bicepssehne
M. deltoideus
^aput longum tricipitis
Teres major
mit der Trennungsstelle
des M. deltoideus
M. supraspinatus
M. infraspinatus
f Hinterer Kapsel-
•jrand abgelöst vom
t-TubercuJum majus
Fig. igj. Resectio humeri von hinten mit Loslösung des Deltoideus vom
Acromion und von der Crista scapula ohne Knochentrennung. Die Kapsel
ist am oberen Rande des M. supraspinatus gespalten und entlang dem Tuberculum
majus rückwärts vom Kopf losgelöst.
DD'
Excisionen und Resectionen.
schnitt auf den Knochen gemacht. Derselbe läuft in frontaler Ebene
über die höchste Kopf Wölbung dem oberen Rande des Supraspinatus
entlang, spaltet auf der oberen Fläche des Gelenkes die Kapsel und
legt die Bicepssehne bis
zu ihrem Ansätze am
oberen Pfannenrande frei
(s. Fig. 196). Nun werden
längs des hinteren Randes
des Biceps die Ansätze
der Auswärtsroller am
Tuberculum majus in un-
gestörtem Zusammen-
hang mit dem Periost
abgelöst und nach hinten
gezogen. Dadurch wird
die Bicepssehne aus ihrer
Knochenrinne freige-
macht, so dass sie nach
vorne gezogen werden
kann und die Biceps-
scheide der Inspection zu-
gänglich wird. Um sich
diesen ganzen Act zu
erleichtern , wird der
Ellenbogen nach vorne
gebracht und der Arm
auswärts rotirt und em-
porgestossen. So wird
die ganze Kopfwölbung
und die Pfanne der In-
spection zugänglich und
es bleibt, wo totale Re-
section unnöthig er-
scheint , die vordere
Kapselwand und die vor-
deren Muskelansätze er-
halten. Anderenfalls da-
gegen wird nunmehr der
Ansatz des Subscapularis
am Tuberculum und an
der Spina tuberculi mi-
noris nach vorne und innen losgelöst. Es gelingt ohne Schwierig-
keit, die Vasa und Nervus circumflexus, welche unterhalb des M. teres
minor heraustreten, zu schonen, ja bei correcter Ausführung kommt
deren Verletzung gar nicht in Frage.
Fig. 198. Resectio articulationis humero-scapu-
laris wegen Fractura pertubercularis mit Um-
drehung des Kopfes.
Obere Extremität.
553
Sobald der Kopf frei gemacht ist, um so mehr natürlich, wenn
derselbe durch Resection entfernt ist, erhält man einen vorzüglichen
Einblick auf die Pfanne, viel besser, als das bei der Methode des
vorderen Schnittes je möglich ist; und dass dies, entgegen der
früheren Praxis, bei welcher man es fast für selbstverständlich hielt,
bei der Resectio humeri bloss die Decapitation des Kopfes auszuführen,
gegenwärtig ganz besonders wichtig ist, braucht kaum hervorgehoben
zu werden. Wenn man bei den tuberculösen Erkrankungen nicht in
ganzer Ausdehnung des Gelenkes die tuberculös inficirten Gewebe ent-
fernt hat, so hat man der operativen Behandlung ihren Hauptwerth
genommen.
Die Resection des Schultergelenkes von dem geschilderten hinteren
Bogenschnitt aus giebt nicht bloss vollkommen freien Einblick ins
Gelenk, sondern sie genügt der Indication, den M. deltoideus (wie
die übrigen Schultermuskeln) functionsfähig zu erhalten, da sie weder
den Muskel noch den zuführenden Nerven schädigt. Sie hat aber
insofern einen erheblichen Vorzug vor der Resection von vorne her,
als sie erlaubt, bei fehlender oder beschränkter Erkrankung des Kopfes
sich mit der Loslösung der von der Rückfläche der Scapula zur
Kapsel tretenden Muskeln zu begnügen, die Kapsel am vorderen
Umfang des Kopfes dagegen mit dem bedeckenden M. subscapularis
und Lig. coraco-humerale intact zu lassen ; dadurch ist am besten für
Verhütung der so häufigen Subluxation des Humeruskopfes nach dem
Processus coracoideus zu gesorgt. Die Methode verdient deshalb
bei partiellen Arthrektomien besondere Berücksichtigung.
Ein Schnitt unterhalb des Acromion ist von Neudörfer, ein
hinterer Längsschnitt von Mac Cormac empfohlen worden, aber
dieselben haben nicht Anklang gefunden, da sie zu wenig Raum
geben.
Welche vortrefflichen Resultate sich mit unserer Methode erzielen
lassen, zeigt Fig. 198. Sie betrifft eine von Dr. Lardy ausgeführte
Resection wegen Fractura pertubercularis mit Umdrehung des Kopfes.
Photogramm nach 5 Monaten.
295) Resectio claviculae, articulationis sterno-clavicu-
laris et acromio-clavicularis.
Da die Clavicula in ganzer Länge unter der Haut liegt, so ist
ihre Resection eine einfache Sache, sobald dieselbe subperiostal ge-
schehen kann. Nach Spaltung der Haut, Platysma (mit Nervi supra-
claviculares) und der Fascie lässt sich das Periost leicht zurückschieben.
Die Durchsägung der Clavicula in der Mitte erleichtert die Auslösung
beider Hälften. Am oberen Rande sind die Ansätze der Cleidal-
portion des M. sternocleido und des Cucullaris, am unteren Rande
der Cleidalportion des Pectoralis major und des Deltoides abzulösen,
554
Excisionen und Resectionen.
an der Unterfläche der M. subclavius und das Lig. costo-claviculare
medialerseits.
Bei Tumoren (Sarcom) der Clavicula macht man den
Schnitt über den Tumor entlang der Clavicula, etwas schräg- von
unten innen nach oben aussen und löst erst Haut und Fascie vom
Tumor allseitig ab unter Durchschneidung der Nervi supraclaviculares
und neben kleinen Venen der Vena jugularis externa hinter dem
M. sternocleido. Der Hinterrand des letzteren Muskels wird em-
porgehoben und der Cleidalansatz entfernt vom Tumor ge-
trennt, ebenso wird der Cucullarisrand freigelegt und unter Empor-
heben von der Clavicula gelöst. Unten ist die Musculatur der
Pectoralis major (Cleidalportion) und Deltoideus im Gesunden zu
trennen. Jetzt kann man vorne ausserhalb der Grenze des Tumor
auf den noch gesunden Theil des Knochens mit Knochenmesser
incidiren und an der Unterfläche das Periost stumpf abheben. Messer
oder Scheere hat man bloss nöthig für den sehnigen Ansatz des
M. subclavius an der Grenze vom mittleren und äusseren Drittel,
sowie für die Lösung der Lig. coraco-claviculare ant. und post. und
des Lig. costo-claviculare. Bevor man diese strammen Gebilde trennt,
eröffnet man das Acromico-Claviculargelenk und hebt die Clavicula
mit Haken kräftig empor. So vermeidet man leicht eine Verletzung
der unter dem M. subclavius liegenden Vena subclavia.
Zur Resection der Articulatio acromio-clavicularis
ist bloss die kräftige Bandmasse auf der Oberfläche des Gelenkes zu
durchschneiden, um die Clavicula beweglich zu machen.
Die Articulatio sterno-clavicularis bietet an sich eben-
falls keine Schwierigkeit für die Auslösung von einem vorderen
Schnitt aus, da die Bandscheibe im Gelenk die Trennung der Gelenk-
enden erleichtert. Wo aber die Excision nicht subcapsulo-periostal
geschehen kann, muss bei Lösung des Lig. interclaviculare die Quer-
vene in der Incisura sterni und bei Lösung des M. sternocleido deren
Fortsetzung hinter diesem Muskel zur V. jugularis externa, bei weiter-
gehender Trennung des Lig. costo-claviculare und M. subclavius
Pleura und Vena subclavia berücksichtigt werden.
296) Resection und Totalexcision der Scapula (Fig. 199).
Totalresection wurde zuerst von Langenbeck (Gies) 1855 aus-
geführt. Welche vorzüglichen Resultate sich mit Totalexcision der
Scapula bezüglich Function erzielen lassen, hat A. Ceci und in neuerer
Zeit Picque und Dartigues gezeigt. Selbst wenn ein Theil der Clavi-
cula, ja das Caput humeri weggenommen wird bleibt ein brauchbarer
Arm. Beiden nicht seltenen Erkrankungen, zumal Tumoren der Scapula,
ist es wichtig, die Excision dieses Knochens gründlich, aber ohne un-
Obere Extremität.
555
nöthige Nebenverletzungen ausführen zu können. Wo das Periost
erhalten werden kann, wird man dasselbe mit Rücksicht auf mögliche
Regeneration sammt den bedeckenden Muskeln zu erhalten suchen.
Wo dagegen, . wie bei Tumoren, von Schonung des Periosts keine
Rede ist, da erscheint es besonders wünschenswerth, zur Verhütung
von Recidiven auch alle ausser Function tretenden Muskeln gründlich
mit zu entfernen. Dazu gehören bei Totalexcision der Scapula alle
nur die Scapula bewegenden oder von der Scapula aus auf den Arm
wirkenden Muskeln.
Bogenschnitt von
der Stelle, an welcher
das Acromion getrennt
werden muss, über die
Crista scapulae bis zum
Hinterrand der letzteren
und abwärts bis zum
Angulus scapulae. Es
ist ein grosser Vortheil
für die Function des
Armes, wenn man ein
gutes Stück vom Acro-
mialtheil erhalten kann,
weil hier Cucullaris von
oben und Deltoides von
unten als wichtige Mus-
keln sich ansetzen. Soll
das Acromion ganz ent-
fernt werden, so dringt
der Schnitt an seinem
Beginn gleich ins Acro-
mio - Claviculargelenk
ein und trennt dasselbe
völlig. Wird ein Stück
erhalten, so wird das
Acromion an der be-
treffenden Stelle nach Abhebung des Periosts mit einem Meisselschlag
durchschlagen.
Der dreieckige Lappen, welchen der oben angegebene Schnitt
gebildet hat, wird über die lateralen hinteren Fasern des Deltoides
vorne und über den aufsteigenden Theil des Cucullaris hinten bis
zum lateralen Rande des M. latissimus dorsi zurückgeschlagen. Unter
dem freigelegten hinteren Rande des Deltoides wird der Finger
eingeschoben und der Muskel so nahe, als die Erkrankung es
verträgt, entlang der Crista und dem Acromion getrennt bis zum
Fic
199. Resectio scapulae. (Ollier's Methode
nach Esmarch.)
556
Excisionen und Resectionen.
Acromio-Claviculargelenk resp. bis zu der Durchmeisselungsstelle des
Acromion.
Auf diese Weise legt man ähnlich wie bei unserem Resections-
schnitt für das Schultergelenk die Rückfläche der Kapsel sammt den
bedeckenden Sehnen der Auswärtsrotatoren frei. Kann man den
Gelenktheil der Scapula erhalten, so wird Muskel um Muskel auf
untergeschobenem Elevatorium oder Finger durchschnitten und der
Gelenktheil der Scapula abgesägt. Muss dagegen auch der Gelenk-
theil der Scapula entfernt werden, so werden die Sehnen wie bei
der Resectio humeri abgelöst vom Humeruskopf, vom Tuberculum
majus der Supra- und Infraspinatus und Teres minor, vom Tuber-
culum minus der Subscapularis und abwärts der vereinigte Ansatz
des Latissimus dorsi und Teres major von der Spina tüberculi minoris.
Am Unterrande des Teres minor ist der N. axillaris und A. circum-
flexa humeri posterior zu schonen oder letztere zu unterbinden, weiter
rückwärts die A. circumflexa scapulae zu unterbinden.
Nun erfolgt die Durchschneidung des Cucullaris, indem von der
Trennungsstelle des Acromion weg der Fmger unter dessen Fasern
eingeschoben und der Muskel entlang dem oberen Rande der Crista
scapulae gelöst wird, ebenso hinten entlang dem unteren Rande der
Crista. Am vorderen Ende sind dabei die Acromialäste der A. thoracico-
acromialis zu unterbinden.
Indem die bereits freier bewegliche Scapula nach unten gezogen
wird, erfolgt die Ablösung der am oberen Rande sich ansetzenden
Muskeln von vorne nach hinten, des Omohyoideus mit Ligatur des
Endastes der A. transversa scapulae, des Levator scapulae am hinteren
oberen Winkel mit Ligatur von Aesten der A. dorsalis scapulae
(Transversa colli).
Jetzt bleibt noch der breite wulstige Ansatz des M. serratus anticus
major am Hinterrand der Scapula, dessen Trennung bei umgeklappter
Scapula erfolgt, und zuletzt werden die Ansätze der dünnen Rhom-
boidei an derselben Stelle durchgeschnitten (event. Ligatur der A. dorsalis
scapulae), welche letztere entlang dem Scapularande auf dem M. serratus
posticus superior herunterläuft.
Buchanan hat 72 Fälle dieser LANGENBECK'schen Operation
der Totalexcision gesammelt (1900) mit 15,3 Proc. f. In 92 Fällen
wurde partiell resecirt mit 18 Proc. f.
Vierter Abschnitt.
Amputationen und Exartieulationen.
W. Einleitung.
Die Fortschritte in der Methodik der Amputationen und Exartieu-
lationen seit der letzten Auflage dieses Buches bestehen, darin dass
sich dieselbe noch intensiver als früher mit den Aufgaben zur Her-
stellung brauchbarer Stümpfe befasst hat. Da durch die Vervoll-
kommnung der Asepsis eine wirkliche tadellose Primaheilung wie
für andere Operationen Regel geworden ist, so hat man sich den
feineren Rücksichten der Gestaltung des Stumpfes zur Erzielung
bestmöglicher Function mit vermehrtem Interesse zuwenden können.
Es ist auch eine gewisse Abklärung erfolgt, welche sich darin kund
giebt, dass als Zeichen der Annäherung an die Wahrheit eine Ver-
einfachung eingetreten ist. Um dieses recht ins Licht zu stellen,
reproduciren wir aus der 3. Auflage das über Entwicklung der ver-
schiedenen Amputationsmethoden Gesagte und die Art der Aus-
führung dieser Methoden, um das einfache Normalverfahren am
Schluss anzufügen, welches auf alle Fälle seine Anwendung findet.
Entwicklung^ der Amputationsmethoden. Ihre Indi-
cationen.
Die älteste Methode der Amputation der Glieder, wie sie sich
als gleichsam selbstverständlich schon den ältesten Chirurgen auf-
gedrängt hat, ist höchst einfach: Man scheidet die Weichtheile bis
auf den Knochen oberhalb des zu entfernenden Gliedabschnittes mit
einem Zug quer durch und schält den Knochen so weit aufwärts
heraus, um ohne Spannung die Weichtheile über das abgesägte Ende
vereinigen zu können. Ist hierzu ein querer Schnitt ungenügend,
so fügt man 1 oder 2 Längsschnitte hinzu, wie der Querschnitt bis
auf den Knochen dringend. Von diesem einfachen Schema ist man
558
Amputationen und Exarticulationen.
im Verlaufe der Zeiten so vielfach abgewichen, dass man es in neuester
Zeit gleichsam wieder erfunden musste. Neudörfer, Bruns u. A.
haben gezeigt, dass man die beste Bedeckung für Knochenstümpfe
erzielt, wenn man dem auf dieselben zu legenden Periost auch die
ganze Weichtheilhülse möglichst ungeschädigt angelegt lässt, d. h.
Entwicklung der Amputationsmethoden.
Fig. 200.
b) Schrägschnitt oder Ovalschnitt
I. Grundtypen: Zirkelschnitt und Ovalschnitt.
Fig. 201.
b) Schräger Rakettschnitt
II. Hinzufügung eines Längsschnittes behufs leichter Ausführung:
Rakettschnitt.
Fig. 202.
III. Abrundung der Ecken bei Typus II behufs rascherer Ausführung in einem Zug :
Lanzettschnitt.
wenn man die Weichtheile bis auf den Knochen trennt und bloss
diesen subperiostal weiter aufwärts blosslegt, um gehörige Bedeckung
für ihn zu erhalten.
Um den Zusammenhang der verschiedenen Amputationsmethoden
zu zeigen, geben wir in Fig. 200—202 eine Uebersicht der Ent-
Einleitung.
559
Wicklung der complicirten Schnitte aus der erwähnten einfachen
Methode.
Die älteste Methode ist der Zirkelschnitt, bestehend in einem
kreisförmig um dieses herumlaufenden Schnitt. Hier liegt der Schnitt
in einer quer zur Gliederaxe stehenden Ebene. Legt man diese Ebene
schräg zur Gliederaxe, so entsteht ein Ovalschnitt (Fig. 201). Aus
dem quer in einer Richtung fortlaufenden Zirkelschnitt und dem
schräg ebenfalls in der Richtung einer Ebene fortlaufenden Oval-
schnitt, welche beiden man besser kurzweg als Querschnitt und Schräg-
•■schnitt' bezeichnet, lassen sich alle anderen Amputationsmethoden ab-
b) Ungleiche viereckige Lappen
IV. Hinzufügung zweier Längsschnitte zum Zirkelschnitt:
Viereckiger Lappenschnitt.
Fig. 204.
b) Ungleiche runde Lappen
V. Abrundung der Ecken bei Typus-JV: Runder Lappenschnitt.
leiten nämlich durch Hinzufügung von Längsschnitten und danach
Abrundung der dabei zu Stande kommenden Ecken. Wird zu einem
Zirkelschnitt oder Ovalschnitt ein Längsschnitt hinzugefügt, so ent-
steht die „Incision en raquette" (Rakettschnitt) und bei Ab-
rundung der Ecken der Lanzettschnitt. Derselbe ist vielfach
als Ovalärschnitt bezeichnet worden , aber ein Oval mit einer zu-
gespitzten Seite ist kein Oval. Fügt man 2 Längsschnitte hinzu, so
entstehen die viereckigen Lappen- und bei Abrundung der Ecken
die gewöhnlichen runden Lappenschnitte.
Der Zirkel schnitt, kurzweg Querschnitt, (Fig. 200 u. 205)
ist der Grundtypus einer Amputationsmethode. Er stammt als einzeitigre
Schnitt von Celsus, welcher überhaupt zuerst regelrechte Amputationen
-5o Amputationen und Exarticulationen.
machte, als zweizeitiger von Cheselden und Petit (Schede). Die
höhere Knochendurchsägung ist von LOUIS und BOYER consequenter
gefördert worden. Nach der von Freres gegebenen Beschreibung
hat CELSUS einzeitig die Weichtheile durchschnitten und sie dem
Knochen entlang gelöst, also die Methode geübt, welche neuerdings
in modificirter Weise von Bruns und Neudörfer wieder allgemein
empfohlen worden ist. Der jetzige Zirkelschnitt ist von Bell und Hey
eingeführt (Treves).
Bei grosser Einfacheit der Ausführung hat aber der Zirkelschnitt
eine Anzahl von Nachtheilen, welche ihn seltener zur Anwendung
kommen lassen als den Ovalschnitt. Da man bei Amputation in der
Regel möglichst viel zu erhalten sucht, so hat der schräge Schnitt
einen Vortheil, sobald auf einer Seite mehr gesunde Haut vorhanden
ist, als auf der anderen, oder wenn die Haut auf einer Seite zur
Bedeckung geeigneter ist. Dasselbe ist der Fall, wenn die circuläre
Ablösung der Haut in genügender Länge schwierig ist, z. B. wenn das
Fig. 205. Lage der Nahtlinie beim Fig. 206. Lage der Nahtlinie beim
Querschnitt. Schrägschnitt.
zu amputirende Glied nach oben dicker wird. Endlich kommt — und
das ist der weitaus wichtigste Uebelstand bei dem queren Zirkel-
schnitt — die Hautnarbe auf das Stumpfende zu liegen, was bei
schrägem Schnitt nicht der Fall ist. Die Figuren 205 und 206 illu-
striren genügend die verschiedene Lage der Nahtlinie: beim queren
Schnitt unten auf dem Stumpf, beim schrägen Schnitt oberhalb des
Stumpfes seitlich.
Es ist ohne weitere Worte ersichtlich, dass aus obigen Gründen
der Ovalschnitt, kurzweg Schrägschnitt, (Fig. 200 u. 206) ein
viel weiteres Anwendungsgebiet hat, weil er sich den meisten Fällen an-
passen lässt, leicht auszuführen ist, eine bewegliche narbenfreie Hautbe-
deckung des Stumpfendes ergiebt. Der schräge Schnitt ist
deshalb die Methode der Wahl für die Mehrzahl der
Amputationen und Exarticulationen, wTenn nicht ganz
specielle Indicationen zu erfüllen sind.
Diese einfachsten Methoden der in einer Richtung fortlaufenden
resp. in einer Ebene liegenden Schnitte geben aber nicht immer ge-
nügenden Raum zur Auslösung der tiefen Theile, speciell des Knochens^
Einleitung. 561
und die technische Schwierigkeit ist der Grund, dass man complicirtere
Schnitte machen muss, indem man zu den rings das Glied umkreisenden
Schnitten Längs sehn itte . hinzufügt. Macht man bloss einen
Längsschnitt hinzu, so entsteht der Rakettschnitt, macht man 2 Längs-
schnitte, so entstehen die viereckigen Lappen; rundet man die bei
diesen Methoden entstehenden Ecken ab, so wird der Rakettschnitt
zum Lanzettschnitt, die viereckigen Lappen zu abgerundeten
Lappen.
Die Incision en raquette (Fig. 201) und der Lanzett-
schnitt (Fig. 202) geben leichteren Zugang zu den tieferen Geweben
bei gleicher, resp. ebensoviel bei grösserer Hautersparniss, und sind
daher bei schwierigen Exarticulationen vorzuziehen, namentlich aber
dann besonders werthvoll , wenn die Erhaltung möglichst vieler
Muskeln im Stumpf angezeigt ist, wie bei der Exarticulation (und
hohen Amputation) von Hüfte, Schulter, Daumencarpalgelenk. Ein
weiterer Vortheil dieser Schnitte ist, vor der Abtragung des Gliedes
die grösseren Gefässe unterbinden und grössere Nerven durchschneiden
zu können. Der Rakettschnitt ist dem Lanzettschnitt vorzuziehen, wenn
vom Längsschnitt aus die Weichtheile bis auf den Knochen gespalten
und subperiostal abgelöst werden sollen. In den übrigen Fällen ist
der Lanzettschnitt rascher ausführbar. Neudörfer (Wanach) und
nach ihm Chaput hat als Normal verfahren für alle Amputationen
empfohlen, erst einen Längsschnitt bis auf den Knochen zu führen,
am oberen Ende mit dem Meissel den Knochen zu durchschlagen
und das periphere Ende des g-etrennten Knochens subperiostal durch
die Wunde herauszustossen, und die Weichtheile entsprechend weiter
abwärts quer zu durchschneiden, also einen richtigen Rakett-
schnitt für alle Fälle. Derselbe kann sehr wohl statt subperiostal
auch subcortical ausgeführt werden, was vorzuziehen ist.
Die Lappenschnitte (Fig. 203 und 204) von Lowdham als
Hautlappen, von Ravaton als Hautmuskellappen und von Vermale
als Stichlappen angegeben (nach Treves), verdienen den Vorzug da,
■wo die Haut oder die übrigen Weichtheile auf einer oder zwei Seiten
des Gliedes besondere Berücksichtigung verlangen. Dies ist z. B.
der Fall für die Haut an der Sohle und Ferse, für die Muskeln an
Schulter und Hüfte. Der Nachtheil der Lappenschnitte, welcher schon
bei ihrem Grundtypus, dem Schrägschnitt, in geringem Grade an-
hängt, ist die mangelhafte Ernährung der Haut.
Ausführung der verschiedenen Methoden.
Der Querschnitt (Fig. 207, 209 und 211): Das Messer wird
in einer queren Linie zur Gliedaxe ringsum durch die Haut und
Fascie gezogen; erst unten herum, dann oben herum. Der Assistent
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. ?ß
562
Amputationen und Exarticulationen.
zieht kräftig die Haut mit beiden Händen zurück während das
Messer] am Hautrand noch die nicht getrennten, spannenden Fasern
zur Musculatur trennt. Dann erfolgt der Schnitt durch die Musculatur
und zwar da, wo dicke Lagen derselben grössere Beweglichkeit der
Fig. 207.
Querschnitt: Art der Zurückziehun
der Haut und der Anlage des
Messers.
Fig. 208.
Schrägschnitt: Faltenerhebung zur
Markirung des unteren Endes.
Fig. 209.
Querschnitt: Art des Zu-
rückschiebens der tiefen
Muskeln sammt Periost
mittelst Raspatorium.]
Fig. 210.
Schrägschnitt :
Faltenerhebung zur
Markirung
des oberen Endes.
Fig. 211.
Querschnitt nach Absägung, um
den Hohlkegel zu zeigen (auf einem
Sagittalschnitt) von der Haut bis
zum Knochen.
Fig. 212.
Schrägschnitt: Art der Messeranlage
mit senkrecht gestellter Schneide zur
allmählich tiefen Trennung der Weich-
theile.
oberen Muskellagen bedingen, erst durch die letzteren allein. In der
Ebene, bis zu welcher sie sich zurückgezogen haben, erfolgt der
Schnitt durch die tiefe Musculatur bis auf den Knochen. Das Periost
wird mit einem Resectionsmesser kräftig durchgeschnitten und (so-
weit thunlich stumpf) zurückgeschoben bis zu der Stelle, wo der
Einleitung. c()?
Knochen durchsägt werden soll. Die Stelle der Durchsägung des
Knochens wird in der Weise berechnet, dass man reichlich um die
halbe Länge des grösseren Durchmessers des Gliedes an der be-
treffenden Stelle in die Höhe geht. Unter allen Umständen muss
die Periosthülse lang genug sein, um die Sägefläche der Knochen
vollkommen zu decken. Wo man ein Gelenk exarticulirt, wird in
gleicher Weise mit der Gelenkkapsel verfahren, welche ja die Fort-
setzung des Periosts ist. Dieselbe wird vom Knochen abgelöst und
bis zur Gelenklinie zurückgeschoben (Ollier, Socin).
Dadurch, dass der mehrzeitige Zirkelschnitt gemacht wird unter
jeweiligem Zurückziehen der durchschnittenen oberflächlichen Theile,
erhält der Schnitt eine Trichterform, in dessen Grund die Sägefläche
des Knochens liegt. So ist die breite Anlegung der Weichtheile von
der Haut bis zum Knochen gesichert.
Der Schrägschnitt (Fig. 208, 210, 212). Die „elliptische"
Methode wird von Treves auf Sharpe und SOUPART zurück-
geführt. Den von uns geschilderten Schrägschnitt hat BLASIUS an-
gewandt. Das obere und untere Ende des Schnittes wird nach
Faltenerhebung der Haut, mittelst zweier kurzer Einschnitte be-
zeichnet, deren peripherer senkrecht, deren centraler wagrecht liegt,
Das obere Ende liegt an der Stelle, wo das Periost durchschnitten
werden soll; das untere Ende liegt um den ganzen Durchmesser
des Gliedes tiefer. Nach Schnitt durch Haut und Fascie wird das
vorragende Hautende nach Fig. 212 mit der linken Hand gefasst.
kräftig emporgezogen und das Messer, mit der Schneide senk-
recht gegen die Muskeln gerichtet, sägend durch die Muskeln
bis zum Knochen geführt, so dass ein nach oben zunehmend dicker
werdender Lappen gebildet wird. Da wo der Schnitt auf den Knochen
trifft, wird das Periost quer gespalten und wie beim queren Zirkel-
schnitt aufwärts gelöst zur späteren Bedeckung des Knochens. Der
Hautmuskellappen von der längeren Seite her wird auf die Wunde
übergelegt.
Kann man Muskeln und Sehnen aus irgend einem Grunde nicht
erhalten, so wird nach dem Hautschnitt das untere Ende des Haut-
lappens gefasst und sammt Fascie bis in die Höhe der Durch-
trennungsstelle des Periosts von der Unterlage gelöst, wobei die
Messerschneide niemals gegen den Lappen, sondern senkrecht zur
Unterlage gerichtet bleibt. Nach Ablösung der Haut wird mit
Muskeln und Knochen in ganz gleicher Weise verfahren, wie beim
queren Zirkelschnitt.
Der Rakettschnitt (Fig. 201 und 202) und seine Varietät:
der Lanzettschnitt. Scoutetten ist der Erfinder des Ovalär-
oder besser Lanzettschnittes, Malgaigne der Rakettmethode. Er
besteht in der Hinzufügung eines Längsschnittes nach oben rzu einem
36*
cß^ Amputationen und Exarticulationen.
queren (oder schrägen) Zirkelschnitt. Der Längsschnitt geht bis in
die Höhe, wo der Knochen getrennt werden soll; er fällt womöglich
an Stelle eines Muskelinterstitium, welches zugleich zwei Nervenver-
sorgungsgebiete scheidet, dringt unter Vermeidung von Gefässen
und Nerven bis auf den Knochen ein und spaltet das Periost, welches
vom Knochen abgelöst wird. Blutende Gefässe werden unterbunden
und grössere Gefässe direct aufgesucht, um die Blutung beim nach-
herigen Zirkelschnitt zu beschränken. Bei Exarticulationen wird
schon vom Längsschnitt aus das Gelenk eröffnet und die Gelenk-
kapsel vom Knochen abgelöst. Neudörfer macht den Rakettschnitt
in der Weise, dass er in dem zuerst angelegten Längsschnitt den
Knochen durchmeisselt, dann heraustreten lässt und subperiostal aus-
löst bis zur Stelle des Zirkelschnittes.
Zuletzt wird der Zirkelschnitt hinzugefügt durch die Haut, diese
zurückgezogen, die Musculatur durchschnitten bis auf den Knochen,
sammt Periost bis zur Trennungslinie des Knochens (bei Exarti-
culationen bis zum Gelenk) zurückgezogen, die Durchsägung oder
Auslösung aus dem Gelenk vollendet.
Wie der Schrägschnitt die wichtigste und allgemeinste Am-
putation smethode für die einfachen Fälle, so ist der Rakettschnitt
der Typus der Amputation für alle Fälle, bei welchen ein specieller
Werth auf die Erhaltung der Muskeln im Stumpf gelegt wird, um
demselben das Maximum von Beweglichkeit zu sichern. Er findet
daher seine Hauptverwendung bei Amputation und Exarticulation
in der Nähe der Gelenke, speciell der mit grossen Muskeln be-
deckten am Carpalgelenk des Daumens, an Schulter und Hüfte und
eventuell noch am Ellbogen. Der Längsschnitt, welchen man dem
Zirkelschnitt hinzufügt, erlaubt, mit Schonung von Muskeln und
Nerven (auch Gefässen), bis auf Periost und Gelenkkapsel zu spalten
und sämmtliche Wefchtheile um den Knochenstumpf oder um die
Periosthülse herum zu erhalten, so dass selbst einem anfänglich
knochenlosen Stumpf noch eine wichtige Beweglichkeit gewahrt
bleibt. Der Rakettschnitt erlaubt auch, vor Ausführung des Zirkel-
schnittes, resp. vor Abtragung des Gliedes die grösseren Gefässe zu
unterbinden oder verlässlich zu comprimiren, eventuell auch Nerven
zu durchschneiden.
Der Rakettschnitt ist der Typus der subperiostal-subcapsulären
Methode Ollier's.
Der Lanzettschnitt, bei welchem die Ecken des Rakett-
schnittes abgerundet sind, ist die bequemere und elegantere Modi-
fication des letzteren, sobald die rasche Ausführung der Operation
wichtiger erscheint, als die peinliche Erhaltung möglichst vieler in-
tacter Weichtheile.
Einleitung.
565
Der doppelt gestielte Quer- und Schrägschnitt oder
die Lappenschnitte1) (Fig. 201, 202) sind Modificationen der be-
schriebenen Typen behufs leichterer Ausführung der Amputation
und Exarticulation. Sie sind desshalb überall am Platze, wo die
blossen Zirkelschnitte wegen Derbheit und Spannung der Haut oder
wegen breiter Knochenenden schwierig auszuführen sind, speciell
bei Amputation in den Fussgelenken.
Ihr Grundtypus sind 2 gegenüberliegende Längsschnitte, welche
am unteren Ende durch einen Zirkelschnitt verbunden sind. Liegt
dieser Zirkelschnitt quer, so entstehen 2 gleich lange, liegt er schräg,
2 ungleich lange eckige Lappen. In reiner Form übt z. B. Teale
derartige Lappenmethoden, alle Weichtheile bis zur Sägestelle ein-
schliessend. Es ist aber Reg'el, dass von vorneherein die Ecken
dieser Lappen abgerundet geschnitten werden, so dass bloss ein Theil
der Längsschnitte beibehalten wird, und statt eines Zirkelschnittes
2 Bogenschnitte gemacht werden, welche spitzwinklig in die
Längsschnitte einmünden. Es ist ein von Anfängern regelmässig
begangener Fehler, dass diese beiden Bogenschnitte sich in zu
stumpfem Winkel treffen. Es ist deshalb wünschenswerth, dass bei
geringerer Uebung die Operation mit den beiden seitlichen Längs-
schnitten begonnen werde, welche danach vorne und hinten bogen-
förmig (mit Convexität peripher wärts) verbunden werden. Sonst
durchschneidet man die Haut im Bogen erst auf der einen, dann
der anderen Seite, und geht in ganz analoger Weise wie beim ein-
lachen Schrägschnitt in der Weise vor, dass man nach Emporheben
des unteren freien Endes der Lappen schräg durch die Muskeln bis
auf den Knochen schneidet, das Periost cirkular trennt und empor-
schiebt bis zur Durchsägungsstelle. Man erhält so 2 schräge Weich-
theilflächen, welche sich glatt aufeinander legen lassen bei gleich
langen Lappen. Bei ungleich langen Lappen bedeckt der längere die
Wundfläche in ihrer Hauptausdehnung. Die Berechnung der Anlage
des Hautschnittes zur Amputationsstelle, resp. zur Knochendurch-
sägung oder Exarticulationslinie geschieht bei den gestielten Zirkel-
schnitten in derselben Weise wie für den einfachen queren oder
schrägen Zirkelschnitt.
Eine Modification der Lappenmethode ist die Amputation mittelst
Stich durch ein zweischneidiges Messer. Hier werden die beiden
Lappen dadurch gebildet, dass man von einer Seite zur anderen, über
und unter dem Knochen, das Messer durchsticht, und erst nach der
einen, dann der anderen Seite unter Bildung eines Haut-Muskel-
1) Nach Schede hat Lowdham die Lappenmethode eingeführt, Ravaton
den Doppellappen (1739), LlSFRANC 1827 blosse Hautlappen vorgeschlagen.
Beck und Esmarch haben auf die Vortheile kurzer Lappen aufmerksam gemacht.
^56 Amputationen und Exarticulationen.
lappens das Messer bogenförmig abwärts durchzieht Die Methode
giebt sehr glatte Wunden und ist sehr rasch ausführbar, hat aber
jetzt, wo wir Esmarch's prophylaktische Blutstillung und die Nar-
kose besitzen, ihre Bedeutung eingebüsst.
Nach der Absetzung des Gliedes werden die Gefässe unter-
bunden, am besten mit feiner Seide, indem man dieselben auf mög-
lichst kurze Strecke von ihrer Umgebung (Gefässscheide) isolirt.
Dann werden Nervenstämme aufgesucht, stark vorgezogen, und so
hoch wie möglich abgetragen , damit nicht ein Nervenstumpf in
den Bereich der übrigen Narbe komme und durch Verwachsung mit
derselben Zerrungen ausgesetzt werde oder durch Druck im freien
Ende geschädigt werde; beides kann zu heftigen Schmerzen im
Stumpf Anlass geben. Wo durch die Naht die Wundflächen nicht
in ganzer Ausdehnung in vollkommenen Contact gebracht werden
können, wird durch eine eigene kleine Oeffnung (s. über deren
Richtung die Figur der Spaltrichtungen der Haut) auf kürzestem
Wege in eventuell übrig bleibende Höhlen ein Glasdrain (mit grossen
Seiten Öffnungen) eingeschoben.
Dann folgen tiefe Kopfnähte durch das Periost, um die Säge-
fläche des Knochens zu decken, durch die tiefen und die ober-
flächlichen Muskeln, zuletzt die fortlaufende Hautnaht.
Normalverfahren für Amputationen.
Die neueste Zeit setzt sich das Ziel, nicht nur eine Amputations-
wunde wie jede andere per primam intentionem zu heilen, sondern
auch einen functionsfähigen Stumpf zu erzielen. Functionsfähig ist ein
Stumpf, wenn er belastungs- und bewegungsfähig ist. Das Bestreben,
ihn tragfähig zu machen, bezeichnet also bloss eine Seite unserer
Bestrebungen. Die erste Bedingung der Gebrauchsfähigkeit
eines Stumpfes ist seine Schmerzlosigkeit, die zweite seine gute
Ernährung durch Verhütung von Atrophie der Muskeln und
Knochen.
Wenn die neuere Zeit uns in viel höherem Maasse brauchbare
Stumpfe geliefert hat, als dies früher der Fall war, so haben wir
dies in erster Linie der Asepsis zu danken. Nur bei glatter Wund-
heilung ohne Infectionsfolgen erhalten wir eine Vereinigung der
Wundfläche durch zarte und schmerzlose Narben, während die dicken
und derben Narben, welche die Heilung unter infectiöser Entzündung
schafft, schmerzhaft sind. Am allerschlimmsten aber sind entzündlich
hypertrophische, unregelmässige Knochennarben (Narbencallus). Also
nicht bloss wegen der Gefahr der Infection und nicht bloss wegen der
Verzögerung der Wundheilung haben wir Grund, nichts zu ver-
nachlässigen, was die Heilung durch unmittelbare Verklebung sichert.
Einleitung. 567
Wir kommen auf die Wundbehandlung nicht zurück, sondern
verweisen auf das betreffende Capitel zu Anfang dieses Werkes.
Dagegen darf hier betont werden, wie wichtig die Methode der
Amputation auch in dieser Hinsicht ist, nämlich dass glatte Schnitte an-
gelegt werden, welche genau aneinander gepasst werden können. Die
zahlreichen unter Tavel's Leitung angestellten Versuche haben klar
gezeigt, wie ungleich leichter gequetschte und gerissene unregel-
mässige Wunden von demselben Quantum infectiösen Materials
wirklich inficirt werden, als glatte Schnittwunden. Da wir eine
absolute Keimfreiheit bei unseren Wunden zur Stunde nicht erzielen
können, so wird eine glatte und correct ausgeführte Amputation
reactionslos heilen können, wo eine technisch ungeschickte Aus-
führung zu Eiterung Anlass giebt. Gründliche Blutstillung und ge-
höriger Abfluss des primären Wundsecretes trägt zur Erzielung
zarter Narben wesentlich bei.
Aber auch bei Vermeidung jeglicher Infection und Verhütung
hypertrophischer, unnütz dicker, derber Narben ist nicht jeder Stumpf
gebrauchsfähig. Auch Narben nach Primaheilung bleiben empfind-
lich, wenn sie besonderen mechanischen Schädlichkeiten der Zerrung
und des Druckes ausgesetzt werden, wie man an den Narben am
Rumpfe sehen kann, welche durch Bewegung des Körpers und
durch Druck der Kleidungsstücke geschädigt werden. Es muss
also Druck und Zerrung vermieden werden, speciell seitens der an-
zubringenden Prothesen.
Eine Narbe erfährt am meisten Druck, wenn sie zwischen
Knochen und Prothese (resp. jeden äusseren Gegenstand) zu liegen
kommt, und zwar durch den harten Knochen. Sie erfährt am meisten
Zerrung durch die an dieselben sich anheftenden Muskeln und
Sehnen, wenn sie an einem unbeweglichen Theil, vor Allem am
Knochen, festsitzt. Um schmerzhaften Druck zu verhüten , darf
deshalb eine Narbe nicht unter den Knochenstumpf zu liegen
kommen, sobald dieser zu Belastung oder zu Stoss verwerthet
werden muss. Dieser Indication wird allein der Schrägschnitt mit
seinen Modificationen gerecht, wie wir oben illustrirt| haben. Nur
wenn man die Weichtheile auf einer Seite tiefer trennt, als auf der
anderen, ist man im Stande, die Narbe seitswärts zu verlegen, an
diejenige Stelle, wo kein Druck ausgeübt werden soll.
Allein es ist sehr zu beachten, dass dies durchaus nicht bloss
für die Haut gilt, sondern auch für die tieferen Weichtheile, Fascien,
Muskeln, Sehnen und Periost. Der Schrägschnitt muss also auch
diese Schichten schräg trennen, wenn man jegliche Narbe von
der Belastungsfläche weghaben will. Wir geben zu, dass die
Narben ungleich empfindlich sind, in den Muskeln weniger als in
der Haut, aber schon eine Periostnarbe verhält sich ganz anders
c(58 Amputationen und Exarticulationen.
angesichts der grossen Empfindlichkeit dieser Membran, die dazu
noch so leicht zu dauernden Wucherungen durch die Verletzungen
angeregt wird. Wie man die Narben der Nervenstämme als der
empfindlichsten Theile am besten durch hohe Resection ausser den
Bereiche des Stumpfes bringt, ist schon oben angegeben.
Also die Vereinigung auch der tiefen Weichtheile und speciell
des Periostes darf nicht auf dem Knochenstumpf gemacht werden,
sondern muss durchaus auf die Seite, ausser- und oberhalb desselben
verlegt werden. Dies ist eine Rücksicht, welcher man bis jetzt bei der
peri osteoplastischen Methode keine besondere Rechnung getragen hat.
Aber auch unter Einhaltung der so begründeten Technik des
durchgehenden Schrägschnittes bleibt noch eine Quelle der Schmerz-
haftigkeit des Stumpfes bestehen, welche auf die Form des Knochens
zurückzuführen ist. Sobald diese scharfe Kanten und Ecken auf-
weist, welche gegen die Weichtheile bei Belastung angedrückt
werden, entstehen Schmerzen. Freilich sind dieselben wesentlich ge-
ringer, wenn keine Narbe unter den Kanten liegt. Man hat mit Recht
aufmerksam gemacht, dass bei Syme's Exarticulation im Fussgelenk
selbst dann ein belastungsfähiger Stumpf resultirt, wenn man die
Malleolen nicht absägt. Allein dies ist nur dadurch ermöglicht,
dass man den Druck auf die weniger vorragenden Knochen-
theile vertheilt. Bloss auf der Spitze des am meisten vorragenden
Malleolus externus zu marschiren, verträgt Keiner.
Angesichts dieses Umstandes ist es sehr leicht verständlich,
warum wir an Epiphysen (wie Hirsch zeigt, aber anders begründet)
so oft recht gut tragfähige Stümpfe erzielen, an Diaphysen so selten
nach früheren Methoden. Wir können die Epiphysen mit Leichtig-
keit zweckmässig abrunden und sollen dies auch ausnahmslos thun,
damit ein Druck von unten sich gleichmässig auf eine grössere
Fläche vertheile. Ich behaupte bestimmt, dass man, Dank dieser
Abrundung, ohne jegliche Osteoplastik bei Amputatio supramalleolaris
und diacondylica femoris schmerzlose und vorzüglich tragfähige
Stümpfe erzielt, sobald man dafür sorgt, dass narbenlose und beweg-
liche (vergl. weiter unten) Weichtheile auf den Stumpf zu liegen
kommen.
Bei Diaphysen ist eine solche Abrundung sehr schwer zu er-
zielen. Wir haben es hier mit einer Röhre mit harter Hülse zu
thun, und wenn wir auch abrunden, so verlegen wir nur die Kante
von der Oberfläche der Corticalis an die Markfläche derselben. Aber
die Hauptsache ist, dass eine wirkliche gute Abrundung technisch
zu schwer zu erzielen ist. Man hat noch nicht zahlreiche Erfahrungen
darüber, wie weit ein schön runder Diaphysen stumpf mit narben-
losem Periost und narbenlosen Weichtheilen, überzogen, sich zu
schmerzloser Belastung eignet.
Einleitung. cj5g
Hirsch hat das Verdienst, darauf aufmerksam gemacht zu haben,
dass Stümpfe, welche man von Periost entblösst, sehr brauchbar werden,
und es ist interessant zu erfahren, dass die HlRSCH'sche Methode,
nach ältestem Vorgehen das Periost nicht zu schonen, d. h. nicht
bloss keine osteo-, sondern nicht einmal eine periosteoplastische
Bedeckung zu machen, sondern einen aperiostalen Stumpf herzustellen,
am Chirurgencongress in Berlin 1901 so beredte Anhänger gefunden
hat. Bunge aus der Klinik von Eiselsberg erklärt, dass es nach-
theilig- sei, einen Stumpf mit dem empfindlichen Periost zu decken, dass
letzterer im Gegentheil zu entfernen sei und dadurch der Stumpf viel
tragfähiger werde als sonst, weil unempfindlicher. Ja BUNGE will
aus gleichem Grunde sogar das Mark ausräumen, damit dieser eben-
falls empfindliche Theil nicht gedrückt werde bei der Belastung.
Und sogar BlER erklärt sich einverstanden, dass es direct
schädlich sei, subperiostal zu operiren wegen der folgenden Knochen-
wucherungen. Da er aber die osteoplastische Methode doch der
ältesten Methode vorzieht, so geht daraus hervor, dass der wesent-
liche Punkt nicht sowohl darin liegt, ob man Periost erhält
und Knochen aufsetzt oder nicht, sondern dass man so oder
anders einen Stumpf schafft, der rund und breit und glatt ist und
nicht mit Ecken und Kanten gegen empfindliche Theile drückt.
Aber ein weiterer, zu lange unbeachteter Punkt ist der, dass man
dem Stumpfe auch diese gute Form erhalten muss.
Denn wenn man schädliche Wucherungen an der Am-
putationsfläche sowohl von Mark als vom Knochen aus vermeiden
will, so kommt Alles darauf an, so früh wie möglich die functionellen
Verhältnisse zu schaffen, welche später für den Stumpf in An-
spruch genommen werden sollen. Dann kommt es nicht zu den
unregelmässigen Wucherungen, wie sie beschrieben sind, sondern
die Function weist der vernarbenden Thätigkeit ihre bestimmte
Richtung an.
Heilt man rasch per primam , schafft man die Haut- und
Fasciennarbe und besonders die Nervenstümpfe und auch die Muskel-
narben aus dem Bereich der Belastungsfläche weg durch Schräg-
schnitte, giebt man dem Knochenstumpf eine breite runde Form
und lässt ihn gegen wenig empfindliche Muskel- und Hautschichten
drücken, belastet man ihn sehr früh unter vorsichtiger Steigerung
des Druckes und der Verschiebung, so wird man gute und trag-
fähige Stümpfe erhalten, sowohl bei aperiostalen als subperiostalen,
als osteoplastischen Knochenstümpfen. Die besten werden immerhin
diejenigen sein, wo Haut und Periost am äussersten Ende in nor-
maler Beziehung bleiben, wie bei Pirogoff's oder Bier's Osteo-
plastik, zumal wo man schon druckgewohnte Haut benutzt, wie
bei Gritti's Operation und bei Küster's Modification des Pirogoff.
cjq Amputationen und Exarticulationen.
Man hat mit directer Belastung der Diaphysenstümpfe wenige
methodische Versuche gemacht, bis Bier gezeigt hat, dass es bei
Anlegung seiner osteoplastischen Stümpfe sehr viel darauf
ankommt, dass der Knochen möglichst früh functionire, d. h. durch
directe Belastung vor Atrophie bewahrt werde, und wie wir bei-
zufügen möchten, auch vor functionell unzweckmässiger Hyper-
trophie.
Die besondere Schwierigkeit der Abrundung corticaler Knochen
ist ein Grund für die Benutzung der osteoplastischen Amputations-
methode. Während die (nach Schede) 1813 von Walther aus-
geführte periosteoplastische Amputationsmethode von Ollier aus-
gebildet worden ist, hat die von Pirogoff inaugurirte osteoplastische
Amputation, welche Gritti 'für die Diaphysenstümpfe zuerst ver-
werthbar machte, erst nach langer Zeit durch BlER eine principiell
ausgedehntere Anwendung erhalten. Bier geht von dem Princip
aus, jede Knochennarbe am unteren Ende des Stumpfes zu ver-
hüten, weil er diese stets für empfindlich hält und daher die Brauch-
barkeit für Belastung und Druck beeinträchtigend. BlER will deshalb
jede Sägefläche nicht bloss mit Periost, sondern auch mit einem
Knochenlappen so gedeckt wissen, dass dieser seine mit Periost
normal verbundene Oberfläche nach unten kehrt. Der Knochen-
lappen wächst auf der Sägefläche fest, aber selbst wenn er nicht
verwächst, sondern beweglich bleibt, hat BlER keine Beeinträchtigung
der Gebrauchsfähigkeit gesehen. Also selbst wenn das ursprüng-
liche Stumpfende mit Narben bedeckt ist, schadet das nichts, sobald
noch ein Knochenstück zwischen ihm und den Weichtheilen liegt.
Ich halte zwei Punkte in den BlER'schen Mittheilungen besonders
beachten swerth : Einmal die durch Röntgen- Aufnahme sicherge-
stellte Abrundung des Stumpfendes nach Osteoplastik und zweitens
die oben erwähnte Schmerzlosigkeit des Stumpfes selbst bei binde-
gewebiger Narbenbildung an der Oberfläche, wenn diese Narbe nur
mit den Stumpf weichtheilen keine innige Beziehung hat. Ueber die
Bedeutung des ersten Punktes zur Erzielung eines schmerzlosen und
brauchbaren Stumpfes haben wir uns schon ausgesprochen. Wir
kommen nun noch auf den zweiten Punkt.
Neben der Notwendigkeit von Verhütung von Narben druck
haben wir oben auf diejenige der Vermeidung von Narbenzerrung
aufmerksam gemacht. Gezerrt durch die Bewegungen eines Stumpfes
wird die Narbe bloss, wTenn sie den Bewegungen nicht folgen kann,
und dies geschieht vor Allem, wenn sie an den starren unelastischen
Knochen angewachsen ist.
Wenn demgemäss aussen dem auch normal un verschiebliche
Periost die normal verschieblichen Weichtheile an der Sägefläche
des Knochens festwachsen, vor Allem die Haut mit ihrer aus-
Einleitung. c - j
gesprochenen Sensibilität, so muss Schmerz bei Bewegungen die
Folge sein. Deckt man aber die Sägefläche mit Periost, welches in
normalem Zusammenhang mit den oberflächlichen Weichtheilen ge-
blieben ist, so verhütet man ein Anwachsen der übrigen ver-
narbenden Weichtheile. Das geschieht wie gesagt, nur, wenn man
die dem Periostlappen anliegenden normalen Weichtheile nicht ab-
gelöst hat. Darin liegt der Hauptnutzen der periosteoplastischen
Methode und ein gutes Stück des Nutzens der osteoplastischen
Methode. Letzterer kommt vor der ersteren freilich noch der Vor-
theil für alle corticalen, diaphysären Knochentrennungen zu, dass
sie eine gewisse Abrundung des Stumpfes viel leichter erzielt, als
Säge und Meissel es vermögen. Es braucht dabei der aufgesetzte
Knochenlappen gar nicht einmal eine sehr regelmässige Oberfläche
zu haben, wenn er nur keine scharfen Kanten und Ecken aufweist.
Bier macht auf die Notwendigkeit aufmerksam, den Stumpf
recht früh belasten und gebrauchen zu lassen, damit Atrophie des
Knochens und der Weichtheile verhütet werde. Atrophische Stümpfe
sind empfindlich, so gut wie atrophische Glieder auch ohne Am-
putation. Aber es ist nicht minder wichtig, dass Wucherungen am
Knochenende verhütet werden, welche Kanten und Ecken bilden, die
die Function beeinträchtigen. Gerade weil die Gefahr von Exostosen-
und Hyperostosenbildung jeder Art bei Hirsch's aperiostalen Stümpfen
so gering ist, zeichnen sich dieselben durch ihre Belastungsfähig-
keit aus. Die BlER'sche Forderung gilt deshalb besonders für
periosteoplastische Stümpfe, aber überhaupt für alle Amputations-
stümpfe, bei denen eine Primaheilung einen frühen Gebrauch über-
haupt zulässt.
Die Indication zur Vermeidung einer Hypertrophie der Narben,
des Narbendruckes und der Narbenzerrung und einer Atrophie der
Weichtheile lässt kurzgefasst folgende Verfahren für die Amputationen
als Normalverfahren aufstellen.
Schrägschnitt event. in Combination mit Längsschnitten als
Rackett- oder Lanzettschnitt durch die Haut und Fascie; nach
Zurückziehen der elastischen Haut Schrägschnitt durch die Musculatur
bis auf den Knochen, Schrägschnitt durch das Periost, Ablösung
des Periostes auf der längeren Seite mit der oberflächlichen Knochen-
corticalis durch ein scharfes Raspatorium oder mit dem Meissel, oder
wo dies ausführbar ist, unter Abhebung eines Knochenlappens
mittelst der Säge mit beweglichem periostalen Stiel, endlich Ab-
sägung des Knochens bogenförmig, abgerundet für den Fall, dass
bloss Periost mit Corticalis erhalten ist, dagegen der Unterfläche des
Knochenlappens entsprechend, wo ein solcher gebildet wurde.
Fixation des Periost- oder Knochenlappens auf der Sägefläche
durch seitliche Nähte an dem Periost der kürzeren Seite, Ver-
cy2 Amputationen und Exarticulationen.
nähung der Muskelstümpfe oder Sehnenstümpfe miteinander oder an
der Oberfläche des Knochens ausser Bereich der Sägefläche.
Seitliche Naht der Haut und Fasie, Gefässe und Nerven werden wie
oben beschrieben behandelt (hoch abgetragen). In den Fällen aber,
wo sich ein in normaler Verbindung mit den übrigen Weichtheilen
stehender eigentlicher Periost- oder Periostknochenlappen nicht
schaffen lässt, ist es besser, das Periost ganz aus dem Bereich des
Stumpfes zu entfernen, ebenso das Mark (nach Eiselsberg und
Bunge) auszuräumen und die Knochenkanten nach Art der Zahn-
ärzte abzurunden.
Bei den Exarticulationen fällt die Sorge für die Stumpf-
form weg; Knorpeloberflächen sind, weil druckgewohnt und un-
empfindlich, intact zu erhalten. Hierzu kommen die Indicationen,
welche wir bei den Resectionen geltend gemacht haben, nämlich
für Erhaltung von Sehnen-, Muskel- und Kapselansätzen mit sammt
der darunterliegenden Knochencorticalis, mit anderen Worten: Zu
dem als Normalverfahren zu betrachtenden Vorgehen nach der
periosteoplastisch-subcorticalen Methode kommt noch die subcapsuläre
Methode hinzu.
X. Untere Extremität.
I. Die Amputationen am Fusse.
Am Fusse gilt als Hauptregel, die Amputationsschnitte so ein-
zurichten, dass keine Narbe in die Planta pedis reicht. Schrägschnitte
und Lappenschnitte sind daher hier die Normalmethoden. Der längere
Theil muss stets auf der Plantarseite liegen. Eine zweite Regel ist
es. mit Ausnahme der isolirten Zehenamputationen, den Fuss stets
als Ganzes zu betrachten, d. h. in querer Linie abzutragen (Major).
Für die Amputationen und Exarticulationen sind 2 Haupttypen
empfehlenswerth : Am vorderen Theil des Fusses, wo der Fuss breit
und wenig hoch ist, soll die Entnahme von grösseren Lappen aus
der Planta die Regel bilden, wie wir denselben in den Figuren zur
Exarticulatio tarso-metatarsea und intertarsea illustrirt haben (vergl.
Fig. 216 und 217). Die Dorsalschnitte sollen convex gemacht werden
und so viel Haut sparen, dass dieselbe zu breiter Vereinigung mit
dem Plantarlappen benutzt werden kann. Ganz verwandt diesem
Schnitt ist der im hinteren Theil des Fusses bei PlROGOFF's osteo-
plastischer Amputatio pedis angewandte, mit dem Unterschied, dass
hier ein Haut-Knochenlappen aus der Planta aufwärts geschlagen
wird. Im Uebrigen aber ist für den hintersten Theil des Fusses,
wo derselbe hoch, aber schmal geworden, eine andere Schnitt-
führung als Regel vorzuziehen. Dieselbe ist in Fig. 222, 22$ und 224
Untere Extremität.
573
illustrirt und erleichtert die Ausführung der Operation in hohem
Maasse, giebt dabei sehr gute Bedeckung. Das Verfahren besteht
in der Bildung eines seitlichen und zwar medianen Lappens für die
Exarticulatio pedis, Exarticulatio subtalica etc. Auch diese Methode
kann in ganz hübscher Weise osteoplastisch ausgeführt werden,
wie die unten erwähnte Modifikation der PlROGOFF'schen Operation
nach Tauber belegt. Das sind die 2 Normal verfahren für die Fuss-
amputationen im vorderen und hinteren Abschnitt, mit welchen man
ausreicht.
In neuester Zeit gewinnen auch die osteoplastischen Methoden
insofern mehr und mehr an Boden, als man nach Lewschin und
Spassokukozkii Knochen in die Lappen mit hineinnimmt, speciell
wo Lappen vom Dorsum benutzt werden müssen, und ferner nach
Mikulicz' Vorgang Stücke des Metatarsus erhält und dem Stumpfe
aufsetzt, indem man sie mit einem gut genährten Lappen in Zusammen-
hang lässt.
297) Abtragung der Zehen mit und ohne Metatarsal-
knochen (Fig. 213).
Es ist im Allgemeinen gerathen, nicht partielle Amputationen
an einzelnen Zehen zu machen, da die Stummel bloss hinderlich sind,
sondern gleich die Exarticulation vorzunehmen.
Die Amputationen und Exarticulationen der Zehen sind den-
jenigen an den Fingern völlig analog. Für die Phalangen und Inter-
phalangealgelenke ist der Schrägschnitt, für die Metatarsi und Meta-
carpo-Phalangealgelenke der Rakettschnitt angezeigt. Der dorsale
Theil der Schnitte geht bis auf den Knochen und löst diesen sub-
periostal aus.
An der ersten und letzten Zehe wird der dorsale Theil des
Schnittes nicht auf die Mitte der Phalanx und des Metatarsus. sondern
etwas nach der Fussmitte zu verlegt, um die Narben aus dem Bereich
seitlich einwirkenden Druckes zu bringen. Dadurch erreicht man
dieselbe günstige Lagerung der Narbe, wie Faraboeuf durch seine
inneren und äusseren Plantarlappen.
298) Exarticulation sämmtlicher Zehen (Exarticulatio
phalango-metatarsea). (Fig. 214.)
Die sämmtlichen Zehen werden an der Basis da, wo sie sich aus
der gemeinsamen Hauthülle des Fusses isolirt erheben, umschnitten,
so dass die Schnitte in den In ter digitalfalten zusammenfallen. In der
Planta läuft der Schnitt genau in der Zehen-Ballenfurche. Seitlich
werden auf grosser und kleiner Zehe zwei dorso-laterale Längsschnitte
hinzugefügt. Es wird also ein doppelt gestielter Schrägschnitt, d. h.
2 viereckige Lappen gebildet.
574
Amputationen und Exarticulationen.
Bei stark plantarwärts gebogenen Zehen werden am Hautrand
die Dorsalsehnen möglichst hoch getrennt, mit schmalem Messer die
Seitenbänder und die dorsale und plantare Gelenkkapsel getrennt,
zuletzt auch die plantaren Sehnen so hoch wie möglich.
299) Amputatio metatarsea (Fig. 215).
Die Operation hat vor der Exarticulatio metatarso-tarsea den
ganz wesentlichen Vorzug, dass die Ansätze der hauptsächlichsten
Fig. 213. Exarticulatio hallu-
cis, Exarticulatio digiti II c.
metatarso, Amputatio digiti
III, Amputatio metatarsi V.
Fig. 214. Exarticulatio
digitorum mittelst dop-
pelt gestielten Zirkel-
schnittes.
Fig. 215. Amputatio meta-
tarsea.
Muskeln des Fusses alle erhalten werden, nicht bloss Tibialis posticus,
welcher am Os naviculare und Cuneiforme I sich inserirt, sondern auch
Peroneus longus und Tibialis anticus mit Insertion am Metatarsus I,
Peroneus brevis und tertius am Metatarsus V. Der Fuss bleibt des-
halb nach allen Richtungen normal beweglich. Auch als Stütze ist
er sehr brauchbar, da der wichtige Stützpunkt des Metatarsus quintus
am hinteren Ende erhalten bleibt und nur derjenige des Köpfchens
des Metatarsus I dahinfällt.
Schrägschnitt, welcher sofort zu den Knochen durch die Muskeln
mit langen Messerzügen hindurch geht, um die Aeste der Arteria
Untere Extremität.
575
plantaris interna und externa zu erhalten. Mit einem schmalen Scalpell
werden die sämmtlichen Metatarsalknochen einer nach dem anderen
umschnitten, das Periost, soweit nöthig, zurückgeschoben und ab-
gesägt. Der Schrägschnitt ist viel besser als der Zirkelschnitt, weil
er die Narbe aufs Dorsum verlegt.
300) Exarticulatio metatarso-tarsea (Lisfranc) (Fig. 216
Tind 217).
Zwischen Metatarsus vorne, Ossa cuneiformia und cuboideum
binten. Das Gelenk ist charakterisirt lateral durch den Vorsprung
Fig. 216. (Plantarfläche). Fig. 217. (Dorsalfläche).
Tuber metatarsi V
/Tuberculum
(metatarsi I
jj f Ligamentum
/ metatarso-
1 cuneiforme
Tuberculum
metatarsi I
Fig. 216. Exarticulatio tarso-metatarsea
(Lisfranc) mit Schrägschnitt.
Fig. 217. Lisfranc's Operation
mit Doppellappen.
•des Tuber metatarsi V, hinter welchem die Gelenklinie liegt (Fig. 217).
Auf der medialen Seite ist ein kleiner Höcker, die Basis des Meta-
tarsus I deutlich fühlbar. Von diesen mit den Fingern der linken
Hand zu f ixirenden Punkten aus wird mit 2 oberhalb der Planta
laufenden Seitenschnitten ein längerer abgerundeter Plantarlappen
gebildet durch die Mitte beider Zellenballen. Der Lappen wird mit
schrägen, gegen die Tiefe zu gerichteten Schnitten bis 1 cm vor der
'Gelenklinie, nach hinten dicker werdend, losgelöst. Es folgt ein
ey5 Amputationen und Exarticulationen.
Convexschnitt auf dem Dorsum und nach Zurückziehen der Haut
wird rings i cm vor der Gelenklinie das Periost nebst den wichtigen
Ansätzen der bei der Amputatio metatarsea erwähnten Sehnen mit
scharfem Raspatorium bis zum Gelenk zurückgeschoben.
Die Gelenklinie ist nach abwärts und auswärts convex, hat oben
eine Einbuchtung durch das Zurücktreten des 2. Keilbeins, welches
gegen das 3. Keilbein um 2 — 3 mm, gegen das erste um 1 cm zu-
rücksteht. Man eröffnet die Gelenke 1, 3, 4, 5 zuerst, zuletzt das 2.
Das stärkste Band (Ligamentum Lisfranci) befindet sich zwischen
Os cuneiforme I und Basis des Metatarsus II (s. Fig. 217), und erst
nach dessen Durchschneidung lässt sich das Gelenk zum Klaffen
bringen. Die Abtragung der Basis des IL Metatarsus in der Linie
der übrigen Gelenkflächen ist übrigens eher Vortheil, als Nachtheil.
Wie bei allen Fussoperationen werden im Plantarlappen die Ge-
fässe erhalten.
Die Wegnahme der vorderen Hälfte des Cuneiforme I
nach Hey und Faraboeuf bei ungenügender Hautbedeckung be-
einträchtigt die Functionsfähigkeit des Fusses nicht mehr als die
LlSFRANC'sche Exarticulation allein, weil der Ansatz des Tibialis
anticus erhalten wird.
301) Exarticulatio intertarsea anterior (Jäger, Bona)
(Fig. 218).
Zwischen Ossa cuneiformia vorne und naviculare hinten mit
Durchsägung des Os cuboideum. Operation wie bei LlSFRANC mit
Ersparung von etwas weniger Haut. Die Methode hat vor dem
Chopart den Vorzug der Erhaltung des starken Ligaments von
Calcaneus zum Os cuboideum und naviculare.
Die BONA-jÄGER'sche Operation gehört schon zu den „unregel-
mässigen" Typen der Fussamputationen. Aber auch diese unregel-
mässigen Typen haben ihre volle Berechtigung, und es soll jeder
Fall individuell aufgefasst und soviel wie möglich von Muskel- und
Sehnenansätzen und von stützenden Knochenstümpfen erhalten werden.
Wir haben oben der Abtragung der vorderen Hälfte des Os cunei-
forme I Erwähnung gethan. Aehnlich kann man an Stelle des
Lisfranc die Exarticulation bloss des I. Metatarsus setzen und die
übrigen durchsägen und so namentlich die kostbare Stütze der Tubero-
sitas des Metatarsus V erhalten. Aehnlich kann es von Vortheil sein,
gegebenen Falls bloss die ersten Metatarsi sammt Ossa cuneiformia zu
entfernen und den 4. und 5. zu erhalten nebst dem Os cuboideum oder
eventuell auch umgekehrt die Entfernung letzterer Knochen und die
Erhaltung der ersten Metatarsi sammt Cuneiformia. Diese Fälle
stossen die Regel nicht um, dass meistens quere Abtragungen des
Fusses indicirt sind.
Untere Extremität.
577
302) Exarticulatio intertarsea posterior (Chopart)
(Fig. 2 ig, 220).
Zwischen Calcaneus und Talus hinten, Os cuboideum und navi-
culare vorne. Die Operation hat oft zu schlecht brauchbarem Stumpf
geführt wegen Equinusstellung des Fusses und Decubitus am vorderen
unteren Umfang des Calcaneus. Das ist leicht begreiflich, wenn man
bedenkt, dass sämmtliche Dorsalflexoren des Fusses zunächst jeden
Halt verlieren, während die mächtigen Plantarflexoren durch die
Tuberculum)
calcanei /
/CHOPARTSChe
I -W" \ Linie
{Tuber ossis
navicularis
Fig. 218. Amputatio intertarsea Fig. 219 (Dorsalfläche). Exarticulatio inter-
anterior (Jäger). Horizontalschnitt tarsea posterior (Chopart).
des Fusses nach Heitzmann.
Achillessehne ihre ganze Wirkung behalten. Es scheint deshalb
nothwendig, für gute Anheftung der Dorsalflexorensehnen am Stumpfe
zu sorgen durch prophylaktische Tenotomie der Achillessehne. Diese
ermöglicht, den Fuss in der Mittelstellung (rechtwinklig zum Unter-
schenkel) zu erhalten, bis die Dorsalflexoren festen Ansatz gefunden
haben am Schnittrand. Statt diese Verwachsung abzuwarten, kann
man die Sehnenstümpfe primär an einen dorsalen Periostkapsellappen
annähen (s. unten).
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. -in
i78
Amputationen und Exarticulationen.
Die Gelenklinie ist charakterisirt auf der medialen Seite durch
die stark vorspringende Tuberositas navicularis, hinter welcher sie
liegt und lateralwärts
durch einen Höcker
am Carpus calcanei,
vor welchem sie liegt.
Die Operation wird
mit 2 abgerundeten
Lappen gemacht,
einem Plantarlappen
dicht hinter den bei-
den Zehenballen und
einem Dorsallappen
daumenbreit vor der
Gelenklinie.
Man dringt mit
letzterem bis auf die
dorsale Fläche von
Os naviculare und cu-
boideum und hebt von
diesen Knochen das
Periost sammt Kapsel-
ansatz hinten mit
scharfem Raspatorium
ab, um so i cm hohe
Lappen zu gewinnen.
Dann dringt man von
oben in das Gelenk
zwischen Taluskopf
und Naviculare, wel-
ches eine nach ab-
wärts convexe Linie
bildet; auf der late-
ralen Seite und tiefer
muss man dem Messer
wieder die Richtung
nach den Zehen zu
geben, denn der late-
rale Theil des Ge-
lenkes zwischen Cal-
caneus und Os cu-
boideum ist nach vorne concav, also die ganze Gelenklinie ^^ -förmig.
Richtet man die Schneide nach hinten, so geräth man in das Gelenk
zwischen Talus und Calcaneus.
Fig. 220. Exarticulatio intertarsea posterior mit plan-
tarem Lappenschnitt und vorderem Convexschnitt.
Die Haut auf dem Dorsum ist zurückgeschlagen, das
Gelenk nach Durchschneidung der Sehnen eröffnet, so
dass man hinten die Gelenkfläche des Caput tali und
des Calcaneus, vorne die Gelenkfläche des Naviculare
und den Rand der Gelenkfläche des Os cuboideum sieht.
Untere Extremität.
579
Hauptverbindung zwischen den Knochen in das Y-Band vom
Corpus calcanei zum Os naviculare und cuboideum.
Ist die Exarticulation gemacht, so näht man die Sehnen der
Dorsalflexoren (Tibialis anticus und Peroneus tertius und eventuell
auch das Extensor digitorum) an den Periostkapsellappen auf der
dorsalen Seite bei rechtwinkliger Stellung des Fusses an.
Hoffmann1) hat eine von Witzel angegebene Methode der
CHOPART'schen Exarticulation mit Erhaltung der Zehen beschrieben,
wobei auf dem Dorsum ein viereckiger Lappen mit den Fisteln
excidirt, dann im CHOPART'schen Gelenk und vorne im Metatarso-
phalangeal- Gelenk getrennt (eventuell durch den Metatarsalknochen
durchgesägt) und die Zehen mit der Sohlenhaut erhalten werden.
Letztere, anfänglich stark sich faltend, schrumpft rasch zusammen.
303) Als Amputatio intertarsea kann man die Operation
bezeichnen, bei welcher nach Exarticulation noch die Gelenkflächen
Fig. 22 r. Exarticulatio subtalica (Textor, Malgaigne).
von Talus und Calcaneus abgesägt werden wegen zu spärlicher Haut-
bedeckung für einen Chopart. Weil die Fussgelenkkapsel dabei un-
eröffhet bleiben kann (sie geht bis zu 1 cm an den Rand des Talus-
kopfes heran), so erzielt man noch einen beweglichen Fuss.
304) Exarticulatio sub talo (Textor, Malgaigne) (Fig. 221).
Rakettschnitt horizontal unter der Spitze des Malleolus externus
beginnend, nach dem Dorsum zu und sobald er an der CHOPART'schen
Linie angelangt ist (diese ist wie oben durch die Tuberositas navi-
cularis genau markirt), in der CHOPART'schen Linie auf der medialen
Seite senkrecht herab zur Planta, um auf der lateralen Seite in den
Anfangsschnitt einzumünden. Der Schnitt stimmt ziemlich mit dem-
jenigen von Perrin und Chauvel und ist nahe verwandt dem inneren
Plantarlappen Faraboeuf's.
1) Deutsche med. Wochenschr., Jan. i*
37'
;8o
Amputationen und Exarticulätionen.
Eröffnung des CHOPART'schen Gelenkes zwischen Taluskopf und
Naviculare von oben. Dann wendet man, ohne tiefer ins CHOPART'sche
Gelenk einzugehen, das schmale Messer sofort auf- und rückwärts
unter den Taluskopf, um das starke Ligamentum interosseum talo-
calcaneum im Sinus tarsi zu trennen, so schält nun zuerst an der
oberen, äusseren und unteren Fläche, dann erst innen und zuletzt
hinten den Calcaneus aus. Auf der medialen Seite ist die schwierigste
Stelle das weit hinaufragende Sustentaculum tali.
Bei mangelhafter Hautbedeckung wird das Caput tali abgesägt.
305) Amputatio subtalica osteoplastica.
Von HANCOCK gemacht durch Ansetzen des abgesägten Tuber
calcanei an die abgesägte Unterfläche des Talus. Indication dazu
liegt nur ganz ausnahmsweise vor.
Fig. 222. Exarticulatio pedis (Syme, modificirt).
306) Exarticulatio pedis (Syme) (Fig. 222 — 225).
Die totale Entfernung des Fusses im Fussgelenk ist von Syme
mit einem aus der Fersenhaut gebildeten Lappen gemacht worden.
Diese Methode hat den Nachtheil, an Stelle des ausgeschälten Tuber
calcanei eine Höhle zu ergeben, welche durch nichts ausgefüllt wird.
Empfehlenswerther ist der Rakettschnitt mit Lappenbildung aus
der medialen Seite, quer über der Spitze des Malleolus externus be-
ginnend (Fig. 222). Derselbe entspricht am meisten dem von Fara-
boeuf empfohlenen inneren Plantarlappen und den Verfahren von
ROUX und VERNEUIL. Nach Trennung der Haut werden aussen die
starken Seitenbänder (Lig. fibulo-calcaneum und talo-fibularia) und
die Peronealsehnen, am Rande der zurückgezogenen Haut die Streck-
sehnen durchschnitten, die Fussgelenkkapsel eröffnet und entlang dem
Calcaneus abwärts der Lappen dicht am Knochen ausgelöst. Die
Malleolen werden umschnitten und abgesägt.
TAUBER giebt einen ganz ähnlichen Schnitt an zur osteoplastischen
Amputation im Fussgelenk als Modifikation der gleich zu beschreiben-
Untere Extremität.
58i
den PiROGOFF'schen Methode; aber statt den medialen Lappen los-
zulösen vom Calcaneus, lässt er den Calcaneus mit demselben in un-
gestörtem Zusammenhang und sägt in sagittaler Ebene die laterale
Hälfte desselben ab, danach auch die Malleolen, und legt mit dem
Fig. 223. Exarticulatio pedis mit medialem Lappen; mediale Seite; der Schnitt
auf dem Dorsum ist schon bis ins Gelenk geführt, die Haut und Fascienränder
klaffen auseinander.
Lappen die Sägefläche des Calcaneus auf. Nach Tauber hat J. Bell
schon 1885 den medialen Fersenlappen benutzt.
Nach Bier muss man durchaus vermeiden, den Knorpel ab-
zusägen, um nicht eine Knochennarbe zu bekommen, ja es ist oft
582
Amputationen und Exarticulationen.
Fig. 224. Exarticulatio pedis mit medialem Lappen; laterale Seite. Der Schnitt
hat das Fussgelenk vorne und aussen eröffnet; man sieht die Rolle und die
Aussenfläche des Talus und die Spitze des Malleolus externus frei.
sogar besser, selbst die Malleolen zu erhalten.
Wenn man absägen muss, so verdient wohl die
TAUBER'sche osteoplastische Modification alle
Beachtung; jedenfalls weist sie darauf hin, dass
man bei bloss partieller Erkrankung des Calca-
neus und natürlich auch je nach disponibler Haut
von beliebiger Stelle des Calcaneusumfanges
Knochen entnehmen kann, um die Sägefläche
des Unterschenkels zu decken und zu schützen.
Fig. 225. Frontalschnitt durch das Fussgelenk nach Henle.
Untere Extremität.
583
307) Amputatio pedis osteoplastica (Pirogoff) (Fig. 226).
Die PiROGOFF'sche Operation hat eine principielle Bedeutung in
der Lehre von den Amputationen, weil sie die erste osteoplastische
Amputation darstellt. Sie datirt aus dem Jahre 1854.
Die Unterschenkelknochen werden dicht über der Knorpelfläche
abgesägt und auf die Sägefläche diejenige des Tuber calcanei aufgesetzt
zur Verlängerung. Die Erhaltung des Tuber calcanei hat den grossen
Vortheil, dass die Fersenhaut gut ernährt und die sogenannte Fersen-
kappe ausgefüllt bleibt. Sie ist der SYME'schen Exarticulation weit
vorzuziehen.
Die einfachste und sicherste Methode ist folgende : Tenotomie der
Achillessehne. Schnitt auf der Höhe des einen Malleolus beginnend
und in der Unterschenkelaxe — bei rechtwinklig gehaltenem Fuss! —
über die Ferse laufend (Steinbügelschnitt), um auf der Höhe des
anderen Malleolus zu endigen. Der Schnitt wird überall kräftig bis
Fig. 226. Exarticulatio pedis osteoplastica (Pirogoff).
auf die Knochen geführt und trennt innen uud aussen die Sehnen
vollständig.
Zweiter Schnitt genau rechtwinklig zum ersten von dessen Enden
direct nach vorne, wodurch dessen vorderes Ende stark daumenbreit
vor die Fussgelenklinie zu liegen kommt, bloss durch Haut und Fascie,
an deren Rand die Strecksehnen getrennt werden.
Eröffnung des Talo-Cruralgelenkes von vorne, Trennung der
Seitenbänder unter den Malleolen, bis der Talus bis zum hinteren
Ende frei ist. Dann wird das Tuber calcanei hinter dem Talus senk-
recht abgesägt, in der Ebene des Steigbügelschnittes und sammt
Fersenhaut nach oben geschlagen. Die Malleolen und Gelenktheile der
Unterschenkelknochen werden umschnitten und quer abgesägt. Die
Naht legt die Sägeflächen sehr exact auf einander. Der Gang ist
später ein vorzüglicher.
Um die unserer Ansicht nach übrigens ganz zweckmässige
Drehung des Calcaneus zu vermeiden, haben viele Chirurgen den
Calcaneus schräg (Günther, Sedillot, Schede, Volkmann) oder
C84 Amputationen und Exarticulationen.
horizontal (Busk, Bruns, Pasquier, Lefort) oder bogenförmig
und winklig (Bruns, Böckel) abgesägt. Küster setzt die Le-
FORT'sche Methode der horizontalen Absägung des Calcaneus weit
über den typischen Pirogoff, weil bei diesem die dünne Fersenhaut
leicht durchgerieben werde. Wir können diesen Nachtheil bloss als
einen ausnahmsweisen ansehen, da unsere Patienten stets eine ganz
vorzügliche Brauchbarkeit des Stumpfes aufwiesen. Es kommt alles
auf die Art der Ausführung an. KÜSTER schlägt vor, gar nicht
abzusägen, sondern mit dem Fuss zugleich bloss den Talus zu exarti-
culiren und den Unterschenkel direct auf den Calcaneus aufzusetzen,
eine Methode, die man als Exarticulatio intercruro-calcanea
bezeichnen konnte: Unterer Convexschnitt von i cm unterhalb der
Malleolen bis vor die Tuberositas metatarsi quinti und etwas kürzerer
dorsaler Convexschnitt dazu über das Talo-Naviculargelenk und Aus-
lösen des Talus. Die Vorderfläche des Calcaneus wird durch den
Lappen von unten gedeckt.
Für horizontale Absägung empfiehlt sich der Ovalärschnitt (ähnlich
Fig. 221), horizontal unter der Spitze des Malleolus externus beginnend.
Durch diesen horizontalen Schnitt wird für die Absägung Raum
gewonnen. Vergl. den Schnitt für die TAUBER'sche Methode im
vorigen Paragraphen.
Alle diese Modificationen haben gegenüber der erst geschilderten
Methode den Nachtheil, dass ein Theil der Narbe näher an die Unter-
fläche des Fusses zu liegen kommt. Ssabanejew hat neuerdings
auch eine osteoplastische Amputatio sub talo angegeben.
308) Amputatio cruris (Fig. 227 — 232).
Wir geben bloss durch Abbildungen die empfehlenswerthen
Schnitte an und verweisen für die Ausführung auf die Schilderung
der Amputationen im Allgemeinen. Dagegen schildern wir das
Normalverfahren der BiER'schen osteoplastischen Unter-
schenkelamputation ausführlich. Wir haben im allgemeinen
Theil gezeigt, dass Bier zuerst ein complicirtes Verfahren benutzt
hat, während Lanz und Gleich auf die jetzt übliche einfache Methode
aufmerksam machten. Im Grossen und Ganzen stimmen wir STORP
und BüNGE's Schilderung des von ElSELSBERG geübten Verfahrens
bei, doch mit einigen Modificationen.
Bunge schildert das sehr einfache Verfahren folgendermaassen :
Man bildet einen vorderen inneren Lappen mit Mitte auf der Tibia-
innenfläche und löst den Hautlappen nach oben los, schneidet das
Periost quer seitlich 3 mm hinter der vorderen und hinteren medialen
Tibiakante durch, schiebt es etwas nach oben, sägt an der entblössten
Stelle einen Knochenkeil aus, um das Sägeblatt bequem parallel zur
Innenfläche der Tibia ansetzen und dieser entsprechend einer Knochen-
Untere Extremität.
585
Scheibe absägen zu können. Die Scheibe wird mit einem Elevatorium
herausgebrochen und an der Basis das den Stiel bildende Periost
noch etwas zurückgeschoben, dann die Weiehtheile circulär durch-
schnitten und die Knochen durchsägt, der Knochendeckel mit Periost-
nähten auf die Tibiasägefiäche befestigt.
Da nach unserer Erfahrung die Erhaltung
der Corticalis in einzelnen mit dem Periost
zusammenhängenden Stücken genügt, so kann
man dem von Storp formulirten Verlangen
in einfacher Weise gerecht werden, den Periost-
Knochenlappen mit der Haut in Zusammen-
hang zu lassen, wenn man den Periost-Knochen
läppen mit dem M eissei parallel der Tibia-
innenfläche abmeisselt und mit Haut und Periost
nach oben zurückschlägt, unter Zurückschieben
des Periosts seitlich und hinten an der Tibia und
rings um die Fibula.
Die Erhaltung des Zusammenhanges mit der
Haut ist wünschenswerth, da bei Ablösung der
Haut doch mehrfach Nekrose eingetreten ist.
Unsere Fig. 229 — 231 zeigen, wie man vorzugehen
hat, wenn man die Haut im Zusammenhang er-
halten und doch die Säge für die Lappenbildung
benutzen will. Mit Uebung geht auch dies ganz
Fig. 227. Amputatio intramalleolaris.
Fig. 228.
Am-
putatio <
cruris
alta
media
intramalleo
laris.
gut, da der Meissel oft zu viel Splitterung macht. Die Mitbedeckung der
Fibula halten wir für unnütz, sobald man dafür sorgt, dass diese nicht
vorsteht, resp. dass sie höher abgesägt wird. Der Schrägschnitt
ist die am häufigsten zu benutzende Methode, und zwar wird er am
unteren und oberen Ende am besten mit Lappenbildung vorne an-
gelegt, um die bogenförmig abgesägten Epiphysen zu bedecken. Dass
586
Amputationen und Exarticulationen.
auch die Exarticulation im Fussgelenk mit dorsalem Lappen einen
Stumpf ergiebt, der sehr gut als Stütze dienen kann, hat PONCET durch
Fig. 229. Osteoplastische Unterschenkelamputation. Der Schrägschnitt durch
Haut und Fascie, die sich zurückgezogen haben, ist gemacht und das Periost
der Tibia gespalten und etwas heraufgeschoben.
Untere Extremität.
587
Beobachtungen sicher-
gestellt. Endlich ist
Guyon's Schnitt-
führung erwähnens-
werth, welche auch für
die Exarticulatio pedis
passt, nämlich ein etwas
wellenförmig verlaufen-
der Schrägschnitt hin-
ten abwärts bloss bis
zum untersten Ende des
Tuber calcanei, so dass
ein ganz flacher Fer-
senlappen zu Stande
kommt.
Im Bereich der
Diaphyse weiter oben
wird der Schrägschnitt
so gemacht, dass der
Lappen vorne
aussen liegt , damit
die vordere Kante der
Tibia (welche übrigens
stets abzurunden ist)
nicht zu sehr gegen
denselben angedrückt
werde. Es ist zweck-
mässig, schon mit dem
Hautlappen das Periost
der Innenfläche der
Tibia abzulösen als
Schutz gegen den
Fig. 230. Osteoplastische Unterschenkelamputation.
Hautränder emporgehalten, Schnitt durch das Periost,
die Sägelinie bezeichnend.
588
Amputationen und Exarticulationen.
Fig. 231. Osteoplastische Unterschenkelamputation. Haut -Periost- Knochen-
lappen sind aufwärts geschlagen, das Periost an der Basis des Lappens etwas
nach oben geschoben.
Untere Extremität.
589
Knochen. Faraboeuf empfiehlt ebenfalls den vorderen äusseren
Lappen, aber er trennt die Weichtheile vom Knochen ab in ganzer
Dicke. Treves hält die hinteren Lappen aus Haut und Muskeln
nach Hey und Lee für vortrefflich.
Hat man innerhalb der musculösen Theile des Unterschenkels zu
amputiren, so ist es wünschenswerth, die Schnitte zu vereinfachen und
gut ernährte Muskeln im Stumpf zur Bewegung des Stumpfendes zu
erhalten. Dazu dient am besten die neuerdings von BRUNS wieder be-
sonders empfohlene einfachste CELSUS'sche Methode des einzeitigen
Zirkelschnittes (wo nöthtg, mit 2 Seitenschnitten zur Erleichterung).
Zirkelschnitt durch Haut und Fascie, Zurückziehen derselben, Schnitt
am Hautrand durch sämmtliche Muskeln bis auf den Knochen und
subperiostales Emporschieben der sämmtlichen Weichtheile bis zur
Durchsägungsstelle (l/2 Glieddurchmesser höher als der Muskelschnitt).
M. extensor digit. longus
N. tibialis anticus
A. tibialis antica
M. peroneus longus
M. tibialis posticus
A. peronea
M. soleus
M. gastrocnemius
M. tibialis anticus
fM. fiexor dig.
\ communis
A. tibialis postica
N. tibialis posticus
M. soleus
Fig. 232. Querschnitt des Unterschenkels über der Mitte, nach Photogramm.
Aehnlichen Zweck verfolgt Teale mit grossem viereckigen
vorderen Lappen und kleinem hinteren, beide aus der ganzen Dicke
der Weichtheile geschnitten.
In neuester Zeit sucht man auch für die Diaphysenamputation
am Unterschenkel eine Unterlage zu gewinnen, die das Aufstützen
des Stumpfes möglich macht. Ollier hat für höhere Amputation
den Fersenlappen benutzt und Kummer hat den zu langen Lappen
einfach dadurch auf die richtige Länge zurückgebracht, dass er ihn
granuliren und schrumpfen Hess, bevor er ihn auf den Stumpf legte.
Bier hat einen tragfähigen Unterschenkelstumpf dadurch erzielt, dass
er nach einfacher circulärer Amputatio cruris nachträglich aus der
Tibia oberhalb des Stumpfes einen Keil mit vorderer Basis heraus-
meisselt oder -sägt, dann den Stumpf rechtwinklig nach vorne biegt,
so eine Art Fuss schafft, bei der die Belastung die Rückfläche der
Diaphyse trifft. Für den weniger musculösen Theil des Unterschenkels
ist das Verfahren empfehlenswerth.
Das Ligamentum interosseum haftet fest am Knochen und wird
mit dem Periost zusammen mittelst des Messers nach oben zurück-
59o
Amputationen und Exarticulationen.
präparirt. Die Trennung der Muskeln zwischen den Knochen muss
glatt in einer queren Ebene geschehen, damit die Gefässe mit einem
Zug getrennt werden.
In der ganzen Länge des Unterschenkels sind von Gefässen die
Arteria (und Vena) tibialis antica (auf dem Lig. interosseum) und die
A. tibialis postica auf den tiefen Wadenmuskeln, in den unteren
zwei Dritteln die Arteria peronea zu unterbinden an der Rückfläche
der Fibula.
II. Amputationen im Bereiche des Kniegelenkes.
Wie für die anderen Gelenksgegenden, gilt auch für das Knie-
gelenk, dass man selbst eine höchstmögliche Amputation des Unter-
schenkels der Absetzung im Gelenk vorzuziehen hat, so lange
Fig- 233- Exarticulatio genu.
die Sehnenansätze am oberen Ende der Tibia und Fibula sich
erhalten lassen. Ohne das Letztere hat allerdings die hohe Ampu-
tation keinen Sinn mehr. Ein zweiter maassgebender Punkt zur Ent-
scheidung gegenüber den zahlreichen Operationsmethoden ist die
Frage, ob das Gelenk selbst gesund oder krank ist. Ssabanejeff
hat gezeigt, dass selbst bei krankem Gelenk noch eine Art hoher
Unterschenkelamputation ausführbar bleibt ohne Beschränkung der
Indication, die kranke Synovialis zu entfernen. Nach Berücksichtigung
dieser beiden Hauptpunkte verdienen alle diejenigen Methoden den
Vorzug, welche einen tragfähigen Stumpf garantiren. Nach diesen
Principien besprechen wir die verschiedenen Methoden.
309) Exarticulatio genu (Fig. 233 und 234).
Die Exarticulatio genu wird gemacht, wenn das Kniegelenk noch
gesund ist, während man bei Vereiterung desselben die Amputation
Untere Extremität.
591
höher oben machen muss. Die Erhaltung der Gelenkkapsel sammt
Synovialis (Socin) hat den Vortheil, eine gut bewegliche Bedeckung
für den Stumpf zu schaffen. Bei der grossen Breite und Dicke der
Condylen muss ganz besonders genügende Haut an den Seiten gespart
werden. Hierzu ist der Schrägschnitt geeigneter, als alle Lappen-
methoden. Er giebt bei aseptischem Verlauf vorzüglichen Stumpf.
Schrägschnitt mit Lappen vorne, analog dem elliptischen Schnitte
von Baudens, hinten in der Gelenklinie beginnend, vorne 4 Finger
breit unterhalb der Spina tibiae endigend. Hält man den Unter-
schenkel halb gebeugt (135 ° gegen den Oberschenkel), so fällt die
Schnittrichtung in die verlängerte Oberschenkelaxe (Fig. 233). Haut
mit Fascie wird zurückpräparirt bis zum Ansatz des Lig. patellae
vorne, der Kapsel mit Menisken und Seitenligamenten vorne
seitlich. Hier wird Kapsel und Ligament dicht am Knochen gelöst,
dann entlang der Eminentia intercondyloidea der Tibia die Ligamenta
Aussenfläche
M. biceps
N. tibialis posticus
-Innenfläche
A. poplitea-
V' p0plitea~W^^^Ä^^P# M. sartorius
V. saphena magna
N. peroneus
Fig. 234. Querschnitt durch das untere Femurende und Kniegelenk
(nach Braune).
cruciata abgetrennt, die hintere Kapselwand längs der Tibia durch-
schnitten und die Operation mittelst Querschnitts durch die hinteren
Weichtheile vollendet.
Die Hauptgefässe sind Arteria und Vena poplitea. An grösseren
Aesten kommen die A. articularis genu und gelegentlich Muskeläste
der Gastrocnemii zur Unterbindung. Nervus tibialis und peroneus
werden vorgezogen und hoch oben resecirt.
Bei Erhaltung des Gelenkcavum ist es nöthig, beiderseits neben
der Patella je einen Drain durch eigene Oeffhung auf- und abwärts
in dasselbe einzuführen, um angesammelte blutige Gelenkflüssigkeit
zu entleeren. Dann kann die Hauptwunde ganz geschlossen werden.
Die Bildung eines vorderen Lappens ist weniger gut, als der
Schrägschnitt; dagegen rühmt Treves 2 seitliche Lappen nach
Stephen Smith, bloss aus Haut und Fascie bestehend, und diese
Operation wird auch von anderen Chirurgen besonders geschätzt.
Miller macht bei vollkommen gestrecktem Knie einen circulären
Schnitt quer 21/2 Zoll unter den Condylen. Die Weichtheile ziehen
592
Amputationen und Exarticulationen.
sich auf der Beugeseite soweit zurück, dass bloss der Lappen auf
der Streckseite abgelöst zu werden braucht und eine hintere Narbe
resultirt.
Bier erklärt die Exarticulatio genu für ein ausgezeichnetes
Verfahren zur Erzielung eines tragfähigen Stumpfes , . weil jede
Knochennarbe vermieden wird. Wo Haut genug vorhanden, ist sie
demnach jedem Amputationsverfahren vorzuziehen.
310) Amputatio femoris (Fig. 235 — 238).
Früher und noch jetzt eine der häufigsten Amputationen. Schräg-
schnitt für jede Höhe empfehlen swerth, ebenso Zirkelschnitt, letzterer
mit Ausnahme des unteren Endes wegen schlechter Lage der Narbe.
Fig. 235. Amputatio diacondylica (Carden).
311) Amputatio femoris diacondylica (Fig. 235) (Carden
und Buchanan).
BUCHANAN trägt bei der Amputation am unteren Femurende
bei Kindern die Condylen einfach in der Epiphysenlinie ab.
Carden sägt die Condylen in ihrer grössten Breite bogenförmig
ab und erhält auf diese Weise einen vorzüglichen Stumpf, der die
Belastung sehr gut verträgt. Die Amputatio diacondylica tritt an
Stelle der Exarticulatio genau, wenn das Gelenk krank ist
und daher dieExcision der Synovi alis wünschenswerth
erscheint. Diese Indication bedingt eine veränderte Art der Aus-
führung. Auch hier ist der nach vorne verlängerte Schrägschnitt
vorzüglich geeignet, den Stumpf mit narbenloser Haut zu bedecken.
Er beginnt an der Rückfläche in der Höhe der Epicondylen und
geht breit nach vorne bis unter die Spina tibiae. Die Haut sammt
F a s c i e wird nach oben zurückpräparirt bis über die Patella herauf,
hier der Quadriceps bis auf die Gelenksynovialis durchschnitten und
letztere unter demselben ohne Eröffnung des Gelenkes bis an ihren
oberen Rand freigelegt und auf dem Knochen abwärts bis unter die
Untere Extremität.
593
Epicondylen des Femur abgelöst. Dann wird oberhalb des Knorpel-
randes ein nach unten convexer Bogenschnitt gemacht, welcher unter
den Epicondylen durchgehend die Ansätze der beiden Seitenligamente
trennt und über der Ansatzstelle der Synovialis hinten oberhalb der
Condylen quer endigt. In dieser Linie wird die untere Femurepi-
■
Fig. 236. Amputatio diacondylica osteoplastica (Ssabanejeff). Schrägschnitt
durch Haut und Fascie wie bei Carden's Operation (Fig. 235). Die Tibia ist
schräg rückaufwärts bis zum Fibulaköpfchen durchsägt und der Knochenhaut-
lappen nach oben zurückgeschlagen; die Sägerichtung durch die Femurcondylen
ist angegeben.
physe in nach unten convexem Bogen abgesägt und die hinteren
Weichtheile durchschnitten.
Die Stümpfe, welche ich nach Amputatio diacondylica gesehen
habe (mein Lehrer Lücke hatte eine Vorliebe für dieses Verfahren),
nach beschriebener Methode gebildet, waren stets in ausgezeichneter
Weise tragfähig und schmerzlos, obschon hier eine Knochennarbe
nach unten gerichtet war ; die Haut war allerdings stets sehr gut be-
K och er, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. og
594
Amputationen und Exarticulationen.
weglich über dem Stumpf, weil die Fascie auf die Sägefläche gelegt
wurde.
Endlich hat Ssabanejeef noch eine osteoplastische Form
der Amputatio diacondylica angegeben, bei welcher mit dem
vorderen Hautlappen ein abgesägtes Stück der vorderen Tibiafläche
erhalten wird. Nachdem die Haut und Fascie durchschnitten und
zurückgezogen sind, wird am Hautrande die Säge eingesetzt und
ein schräger, besser leicht concaver Sägeschnitt nach Fig. 236 gefüht,
welcher von der Tibia eine Art Knochenkappe abhebt. Dieser Haut-
Knochenlappen wird nach oben geschlagen, wie bei der eben ge-
schilderten Amputatio diacondylica und nach schräger event. leicht
convexer Absägung der Femurcondylen auf diese aufgesetzt.
Fig. 237. Amputatio supracondylica osteoplastica (Gritti).
So kommt nicht nur die druckgewohnte Haut, sondern auch die
unter dieser liegenden druckgewohnten Knochen auf das Stumpfende
zu liegen und geben eine gute Stütze; sowohl die Kapsel als die
Sehnenansätze des Sartorius, Gracilis und eventuell auch des Biceps
femoris werden erhalten. Djelitzyn hat entgegen Ssabanejeff's
senkrechter Absägung die schräge empfohlen. Endlich hat Abra-
SHANOW mit einem hinteren Unterschenkellappen die hintere Hälfte
der Tibiacondylen an die horizontal und frontal abgesägten Femur-
und Patellaflächen angefügt.
Alle diese Methoden passen, wenn einzelne Knochentheile wegen
herdförmiger Erkrankung mitentfernt werden sollen. Wölfler
hat nach Hilgenreiner die Methoden am Lebenden geprüft und fand
die Tragfähigheit des Stumpfes günstig auf Dauer. Ein überlebender
Fall von Abrashanow's Operation ergab ebenfalls gute Tragfähigkeit.
Untere Extremität.
595
312) Amputatio supracondylica.
Die Amputatio supracondylica tritt an Stelle der Amputatio diacon-
dylica, wenn für letztere nicht die genügende Haut gewonnen werden
kann. Sie wird mit Schrägschnitt oder Lappen von der vorderen me-
dialen Seite ausgeführt (vergl. Fig. 239), weil die Adductoren den
h l
f Durchschnittenes
r igamentur-
patellae
Ligamentum
Schnitt rings bis auf
den Patellara
Durchschnittenes 1
Ligamentum /
patellae '
Patellagelenkfläche
Fig. 238. Amputatio femoris supracondylica osteoplastica (Gritti) mit Schräg-
schnitt. Die Haut ist bis über die Femurcondylen sammt Patella emporgehoben,
die Patella umschnitten und die Säge auf deren Rand behufs Abtragung der
Knorpelfläche aufgesetzt.
Schenkel nach vorne innen ziehen und daher bei rein vorderem Schnitt
der Knochen zu sehr an den inneren Winkel der Wunde andrängt.
Die Methode von Spence, |modificirt von Faraboeuf, mit grossem
vorderen und kleinem hinteren Lappen (am besten bloss in Form eines
Convexschnittes) ist besonders beliebt bei vielen Chirurgen. Wir legen
auch für diese Methode den vorderen Lappen etwas auf die mediale Seite.
38*
50
Amputationen und Exarticulationen.
Eine Modification für diese häufige Amputation ist Gritti's
Amputatio supracondylica osteoplastica (Fig. 237 und 238).
Schrägschnitt mit oberem Ende hinten
direct über der Condylenanschwellung,
mit unterem Ende vorne 2 Finger breit
unter der Patella, Durchtrennung des
Lig. patellae so, dass man noch einen
Stumpf desselben zur Naht erhält. Das
Femur wird über der Epiphyse, resp.
oberhalb der Gondylen quer oder wie uns
zweckmässiger erscheint, leicht bogen-
förmig durchsägt nach circulärer Durch-
trennung des Periosts einige Centimeter
unterhalb. Die Patella wird der Fläche
nach durchsägt umgekehrt bogenförmig
wie das Femur, so dass ihre Knorpel-
bedeckung entfernt wird und die Säge-
fläche sammt dem Weichtheillappen auf
Schnitt- und Sägefläche des Femur auf-
gesetzt. Der Rand der Patella wird mit
Nähten an das Periost des Femur, event.
an tiefe Fascientheile fixirt.
313) Die Amputation durch
die Mitte (Fig. 23g und 240) wird bei
massiger Musculatur zweckmässig so
gemacht, dass man (Lisfranc und
M. cruralis
M. vastus externus
M. rectus femoris
vastus internus
N. saphenus
Fig. 239.
Amputatio I ,.
l media
supracondylica.
Aussenfläche
N.'ischiadicus
M. biceps
M. semitendinosus
M. gracilis
adductor
inagnus
M. semimembranosus
femoris )
vi
Fig. 240. Querschnitt durch den Oberschenkel
(nach Photogramm).
Untere Extremität.
597
Esmarch) 2 kurze seitliche Lappen bildet und nach deren Retraction
die Musculatur mit glattem Schnitt quer durchschneidet. Auch durch
Einstechen des Messers zu beiden Seiten des Knochens nach Durch-
schneiden der Haut können sehr glatte Wunden gewonnen werden.
Das Periost ist bei stark entwickelten Musculatur mehrere Centimeter
weit heraufzuschieben, um genügende Hautbedeckung zu erlangen
und um die Sägefläche mit Periost bedecken zu können.
314) Die Amputatio alta (Fig. 239) wird mit Ovalärschnitt
in ähnlicher Weise wie die Exarticulatio femoris gemacht. Der
Längsantheil des Schnittes fällt auf die Aussenseite, geht bis auf
den Knochen und erlaubt, denselben bis zur Durchsägungsstelle
subperiostal auszuschälen.
Bei der Amputatio femoris sind im unteren Drittel (Fig. 240) die
Hauptgefässe, A. und V. femoralis zu unterbinden nebst A. articularis
genu suprema vorne innen und eventuell A. articulares genu superiores.
In den oberen zwei Dritteln sind ausser A. und V. femoralis die
A. profunda femoris und im oberen Drittel starke Aeste der A. cir-
cumflexa (externa) zu unterbinden.
315) Exarticulatio coxae (Fig. 242 und 243).
Angesichts der reichlichen Musculatur, welche das Hüftgelenk
umgiebt und bei der grossen Wichtigkeit, nach Entfernung des ganzen
Knochenapparates des Beines wenigstens einen beweglichen muscu-
lösen Stumpf zu erhalten, sollte ausnahmlos in allen Fällen, wo
keine Contraindication besteht, die hohe Oberschenkelamputation mit
subperiostaler Auslösung des oberen Femurendes das Normal-
verfahren sein. Wir verweisen auf die allgemeine Besprechung
der Amputationen. Die Erfahrung hat gelehrt, dass ein solcher muscu-
löser Stumpf hier, wie in der Nähe des Rumpfes überhaupt (Schulter),
durch seine Beweglichkeit für die Anbringung einer Prothese die
grössten Dienste leistet.
Ganz abweichend muss die Operationsmethode ausfallen, wenn
auch die Entfernung der Weichtheile, z. B. bei malignen Neubildungen,
nothwendig ist. Je nach Indication sind also vollkommen differente
Operationsmethoden anzuwenden und lassen sich dieselben in zwei
Hauptgruppen, die wir auseinanderhalten, trennen.
Als Typus der Methode, bei welcher auch die Weichtheile mit-
genommen werden müssen, ist die von Beck und Verneuil geübte,
aber hauptsächlich von E. Rose ausgebildete und zur Anerkennung
gebrachte Exstirpationsmethode anzusehen. Für alle Fälle
dagegen, wo die Musculatur erhalten werden kann, passt die von
Roux und Kocher ausgebildete Modifikation des schon von Ra-
VATON 1743 entworfenen (Treeves) und von Kerr ausgeführten
rgg Amputationen und Exarticulationen.
äusseren Rakettschnittes oder gleichwertigen äusseren Lanzett-
schnittes, nämlich die Combination von Resection mit hoher
Amputation. Das Princip dieser Operation ist schon von FüRNEAUX
Jordan in der Weise zur Anwendung gekommen, dass Jordan
mittelst eines Längsschnittes Trochanter und oberen Theil der Dia-
physe von den Muskelansätzen befreite, dann die Diaphyse abwärts
aus ihren Verbindungen löste und weit unten die Weichtheile durch-
schnitt. Die von uns geübte Resections- Amputationsmethode, welche
Jordan's Verfahren modificirt, beschränkt den Blutverlust, da sie
denjenigen Theil der Operation, der ohne sichere prophylaktische
Blutstillung gemacht werden muss, möglichst wenig verletzend ge-
staltet. Lister hat sich bei seiner Methode des Vortheils primärer
Lösung des Gelenkkopfes begeben, wie auch Esmarch diesen Act
für zuletzt aufspart.
Die früher so ausserordentliche Gefahr und demgemäss auch
Mortalität der Operation ist mit dem Augenblick erst verschwunden,
wo ESMARCH uns gelehrt hat, die Blutung sicher zu beherrschen;
auf die Verhütung der Blutung ohne ESMARCH ist die RoSE'sche
Methode zugespitzt. Daher kann Dank der verbesserten Technik
gegenwärtig die Entfernung des Schenkels im Hüftgelenk auch bei
relativ schwachen Individuen ohne Bedenken unternommen werden.
Wir haben keine Erfahrung über die Methode von Wyeth, bei
welcher der elastische Schlauch hinter 2 grossen Stahlnadeln, die
durch die Wurzel des Gliedes durchgestochen werden, umgelegt wird
Wyeth benutzt diese Methode hier sowohl wie für die Schulter seit
1890 und hat den Beweis erbracht, dass in nahe 70 Fällen völlig
sichere Beherrschung der Blutung damit erzielt wurde. Sie wird also
unter Umständen mit Vortheil benutzt werden können.
a) Exstirpationsmethode (Fig. 241). Beck-Rose's
Operation.
Rose, nach Vorgang von Beck (Lüning), exstirpirt den Schenkel
wie einen Tumor, indem er nach Maassgabe der Durchschneidung
von Gefässen dieselben sofort unterbindet, resp. indem er grössere
Gefässe zuerst doppelt ligirt und dann erst durchschneidet. Bei hoch
in den Bereich des Hüftgelenkes hinaufreichenden Tumoren ist dieses
Exstirpationsver fahren das zweckmässigste , weil man hier
die Weichtheile nur zum Theil erhalten kann. Es bedarf auch aus
diesen Gründen keiner besonderen Schilderung der dabei benutzten
Technik, weil diese von Fall zu Fall wechselt. Immerhin ist es an-
gezeigt, die Schnitte so anzulegen, dass man, wie bei der Exarti-
culation des Oberarmes sammt Schultergürtel, die Hauptgefässe vorweg
unterbinden kann, d. h. den Winkel des Schnittes auf Arteria und
Vena femoralis zu legen (Fig. 241). Auf diese Weise verhindert man
Untere Extremität.
599
N. cruralis
A. femoralis
V. femoralis
C M. pectinaeus
) (fälschlich als
^Schnitt gezeichnet!
Adductoren
Fig. 241. Exarticulatio femoris bei Erkrankung der vorderen Weichtheile :
Exstirpationsmethode mit Schräg- resp. Lanzettschnitt. Vorerst sind die
Hauptgefässe unterbunden, der das Gelenk bedeckende M. sartorius und Iliopsoas
durchschnitten und das Gelenk von vorneher eröffnet. (Fälschlich ist vom Maler
der M. pectinaeus als Durchschnitt durch den Muskel angegeben. Es sollte die
Vorderfläche des Muskels dargestellt sein.)
6oo
Amputationen und Exarticulationen.
alle Blutungen mit Ausnahme derjenigen aus der A. obturatoria,
Glutaea superior und inferior und allenfalls noch pudenda. Wenn
man aber an jedes noch blutende Gefäss
sofort eine Arterienzange anlegt, bevor man
weiter schneidet, so ist die Blutung minimal.
Die Figur zeigt, dass die von uns nach
Erfahrung am Lebenden bei Fällen von
hochreichenden Knochensarkomen geschil-
derte Methode sich an diejenigen Vor-
schläge anlehnt, welche man als vorderen
Rakettschnitt zusammenfassen kann im
Gegensatz zum äusseren Rakettschnitt. Nach
Faraboeuf und Treves hat Larrey
diesen Schnitt eingeführt und ist derselbe in
verschiedenen Variationen von A. Cooper,
Verneuil, Roser angewandt. Auch
Guthrie's und Lisfranc's Methoden sind
- Resectionsschnitt
Amputationsschnitt
Fig. 242. Exarticulatio coxae mittelst der
Resections - Amputationsmethode.
Fig. 243. Frontalschnitt des Hüft-
und Kniegelenks nach Henle.
nicht sehr different in der Schnittanlage, obschon die Schnitte zum
Theil durch Stich gebildet werden. Von der früheren und namentlich
Untere Extremität. 601
in Operationskursen regelmässig geübten Durchstechungsmethode,
welche auf rapide Ausführung angelegt war bei fehlender oder un-
genügender prophylaktischer Blutstillung, kann jetzt füglich keine
Rede mehr sein, da sie viel zu blutig ist.
b) Resections- Amputationsm ethode (Fig. 242).
Für alle Fälle, wo die Weichtheile im Bereich des Hüftgelenkes
erhalten werden dürfen, soll dies unbedingt geschehen. Denn für
die Anlage der späteren Prothese ist die Function der Muskeln im
Stumpfe nach Exarticulatio coxae von grösstem Werth. Zumal wenn
man subperiostal operirt, erhält man einen Stumpf, welcher eine
kräftige allseitige Beweglichkeit ergiebt, ähnlich wie bei Amputatio
femoris alta. Wir haben wie Shuter u. A. einen soliden Stumpf
aus dem Periost sich bilden sehen, so schön beweglich, dass man
Mühe hatte zu glauben, dass wirklich eine Exarticulation gemacht
worden war. Die üblichste Methode ist die des äusseren Rakett-
schnittes :
Um den Schenkel wird in der Leistenfalte der Kautschukschlauch
umgelegt zur prophylaktischen Blutstillung, und zwar ausnahmslos
mit Achtertour ums Becken, um das Ausgleiten nach unten zu ver-
hüten. Die complicirten Maassnahmen von Trendelenburg, welcher
Stahlstäbe von einer Resectionswunde nach innen durchsticht und
um diese herum mit Gummischlauch eine Sutura circumvoluta macht,
von Senn, welcher von der Resectionswunde des Hüftgelenkes aus
einen Doppelschlauch nach innen durchführt und die WeichtLaile in
zwei Hälften — nach vorne und nach hinten — umschnürt, sowie
Wyeth's Methode, bei welcher grosse durchgestochene Nadeln das
Ableiten des Schlauches hindern, mögen für einzelne Fälle Vortheile
haben, sind aber in der Regel entbehrlich. Braun lässt nach Ligatur
der Vasa iliaca externa durch einen Assistenten von der Wunde aus
die Vasa iL int. digital comprimiren und rühmt den geringen Blut-
verlust.
In der üblich berechneten Höhe (s. Allgemeines über Ampu-
tationen) wird der Zirkelschnitt durch die Haut und an dessen Rande
der Zirkelschnitt durch die Muskeln bis auf den Knochen gemacht
und nach Periostdurchtrennung abgesägt. Es erfolgt die sorgfältige
Unterbindung der Gefässe; dann wird der Schlauch entfernt.
Zweckmässiger als der einfache Zirkelschnitt ist ein Schrägschnitt
auf der Aussenseite (Fig. 239) des Knochens weiter empor reichend,
event. auch ein kurzer vorderer und hinterer Lappen, nach LlSTON's
Vorschlägen mit circulärer Muskeltrennung.
Beck und Esmarch spalten nach der Amputation an der
Aussenüäche des Femur die Weichtheile und lösen subperiostal den
Knochen aus unter Lösung der Ansätze des Periosts an der Linea
5o2 Amputationen und Exarticulationen.
aspera, der Sehnenansätze (drei M. glutaei, Pyriformis, Obturatorius
externus und internus mit Gemelli, Quadratus femoris am und unter
dem Trochanter major, Iliopsoas am Trochanter minor) und des
Kapselansatzes im Bereich der Linea intertrochanterica anterior und
posterior mit dem Messer. Das Ligamentum teres wird durch mehr-
maliges Umdrehen des Knochens zerrissen.
Wie Roux anderwärts mitgetheilt hat, besteht unsere Resections-
amputation in Folgendem (wir machen die Operation seit 1876 mit
tadellosem Resultat, insofern als wir keinen Kranken [9 Fälle] an
den Folgen dieser Methode verloren haben):
Schnitt wie bei der Resectio coxae geschildert, bogenförmig über
den grossen Trochanter und durch die Fasern des Glutaeus maximus
(aber kürzer als der gewöhnliche Resectionsschnitt). Letztere werden
stumpf auseinander gezogen und nach Ligatur einiger Glutäaläste
und am Schenkelhals und Trochanter einiger Aeste der A. circum-
flexae wird bis auf den Knochen geschnitten, die Kapsel sammt
Limbus gespalten, die Ansätze der Glutaei und des Pyriformis nach
vorne, der Obturatorii und des Quadratus nach hinten dicht am
Trochanter abgelöst, und der Femurkopf luxirt unter Durchschneidung
oder Zerreissung des Lig. teres. Vom Trochanter major abwärts löst
ftian die Weichtheile vorne und hinten bis zum Trochanter minor ab,
wo man den strammen Ansatz des Iliopsoas mit dem Messer lostrennt.
Nach gehöriger Blutstillung wird das Bein senkrecht empor-
gehalten und ein Esmarch, d. h. ein dicker Kautschukschlauch in Achter-
touren um den höchsten Theil des Oberschenkels und das Becken,
resp. Abdomen gelegt, und zwar muss die Kreuzung der 8 an die
hintere äussere Seite, hinter und über dem Trochanter major gelegt
werden, damit vorne ein gehöriger Druck des Schlauches stattfindet.
Nun folgt die hohe Amputatio femoris.
Circulärer Hautschnitt oder Lancettschnitt oder Bildung zweier
kurzer Lappen je nach disponibler Haut, Zurückziehen der Haut und
Durchschneidung der Muskeln glatt bis auf den Knochen. Die Weich-
theilbedeckung muss stets so reichlich wie möglich bemessen werden.
Nach Spaltung des Periosts wird stumpf das Periost nach oben zurück-
geschoben, an der Linea aspera mit dem Messer gelöst. Dann wird
der Knochen durchgesägt und sämmtliche sichtbare Gefässe, zunächst
die Arteria und Vena femoralis, dann A. und V. profunda, die Vena
saphena und die zahlreichen kleinen Gefässe sorgfältig unterbunden
und der Schlauch gelöst.
Der Oberschenkel -Knochenstumpf wird mit einer aseptischen
Gaze gefasst und unter subperiostaler Lösung der letzten Verbindungen
durch Drehen herausgelöst. Einlage von Drains durch eigene OefF-
nungen neben der Resections- und Amputationswunde, welche ihrer-
seits durch Schichtennähte verschlossen werden.
Untere Extremität. 603
Roux hat einige Vergleichspunkte unserer Operation mit dem
Verfahren von Volkmann, Guyon, Reverdin hervorgehoben.
316) Exarticulatio interilio - abdominalis (Jaboulay's
Operation).
Nachdem wir durch unsere 2 Fälle von Resection einer Becken-
hälfte, sowie durch diejenige von Roux gezeigt haben, dass sich
diese eingreifende Operation mit bestem Erfolg durchführen lässt,
erscheint es auffällig, dass die ersten Fälle von Exarticulation des
Beins sammt einer Beckenhälfte, die operirt und von Gayet zu-
sammengestellt worden sind, alle gestorben sind.
Billroth hat die Operation 1889 zuerst ausgeführt. Jaboulay
hat 1894 die Operation zum zweiten Mal ausgeführt und zum dritten
Mal 1895, ebenso CACCIOPOLI einmal, alle 3 Fälle wegen Osteosarcom
des Beckens. Alle 3 Fälle starben rasch an Shok oder Sepsis.
Glücklicher war GiRARD in Bern, welcher 1895 und 1897 die Ope-
ration mit gutem Erfolg ausgeführt hat. Auch bei seinen Fällen
handelte es sich um Osteosarkom, aber allerdings um Osteosarkoma
femoris am oberen Ende, wo die Operation natürlich gegenüber
Beckensarkomen erheblich leichter ist. Endlich sind 2 Fälle, von
Girard 1897 (mit raschem Exitus an Shok) und von Barden-
heuer 1897 (mit Heilung) wegen Coxitis mit ausgedehnter Becken-
erkrankung ausgeführt. Seither hat Salistscheff 1898 die 9. Ope-
ration ausgeführt nach Jaboulay's Vorschrift mit glücklichem Erfolge
in einem schweren Falle — Ligatur der Vasa iliaca comm. und Trennung
in der Symphyse. Endlich habe ich die Operation in einem Falle
eines pulsirenden weit gediehenen Beckensarkoms bei einem Knaben
mit unglücklichem Ausgang ausgeführt. Der Fall wird publicirt
werden. Kadjan hat ebenfalls unglücklich operirt. GiRARD hat die
Fälle aus der Literatur gesammelt und wird sie demnächst veröffent-
lichen. Wir verweisen auch auf seine Publication bezüglich der
Details der von ihm befolgten Operationsmethode im Unterschied von
Jaboulay's Verfahren.
Bezüglich der Methode der Schnittführung veranlassen uns
unsere Erfahrungen über Beckenresection zum Theil dem GiRARD'schen
Verfahren vor dem jABOULAY'schen den Vorzug zu geben. Ob man
nach Girard einen kurzen vorderen Lappen macht, scheint gleich-
gültig, wesentlich aber, dass man mit dem ersten Schnitt in
die Bauchschenkelfalte eindringt in der ganzen Länge
des Ligamentum Pouparti, um die Ansätze der Fascia obl.
ext. und der mit dem Finger emporgehobenen inneren schiefen und
queren Muskeln der Bauchwand zu trennen unter Ligatur der Art.
und Vena epigastrica und um über dem Tumor auf der Fossa iliaca
interna in die Tiefe zu kommen. So werden unter Spaltung der
604 Amputationen und Exarticulationen.
Fascia transversa abdominis und Abhebung des Peritoneum die
Hauptgefässe der Unterbindung und der N. cruralis der Trennung
zugänglich, man führt jetzt am besten die Ligatur der Art. und Vena
iliaca communis aus, welche in schwierigen Fällen einzig genügend
ist, um sich vor lebensgefährlichem Blutverlust zu sichern. Der Psoas
wird quer durchtrennt, unter Abtrennung der Fascia obl. ext. vom
Os pubis kann man die Grenze der Abtragung gegen die Mittel-
linie zu bestimmen und geeigneten Falles den horizontalen Scham-
und Sitzbeinast subperiostal freilegen und mit der Zange ohne weitere
Verletzung durchkneifen, wodurch die spätere Trennung der Synchon-
drosis sacroiliaca sehr erleichtert und durch Schonung der Nerven-
plexus hinter der Symphyse und der Ansätze der Corpora cavernosa
die Blutung beschränkt wird. Ich habe bei meinem Fall gesehen,
dass bei blutreichen Tumoren nur die Ligatur der Arteria und Vena
iliaca communis genügt, um einigermaassen der Blutung Herr zu
werden; denn die stark entwickelten Venen hatten sich bei unseren
Kranken bis in die Muskeln ausgedehnt und bedingten starken
Blutverlust. Kadjan hat dieselbe Erfahrung gemacht.
Muss man Scham- und Sitzbein ganz entfernen, so muss in der
Symphyse getrennt werden. Ist dieser erste Act besorgt, so ver-
längert man den Schnitt rückwärts und trennt man entlang der
Crista, indem man die Finger an der Innenfläche der zugänglich
gewordenen Fossa iliaca interna unter die Ansätze der Bauchmuskeln
schiebt, die letzteren ohne stärkere Blutung bis zur Synchondrose.
Nunmehr wird in raschem Zug der hintere Gesäss-Hautmuskellappen
in der Gesäss- Schenkelfalte gebildet, welcher nach aussen von der
Spina ant. sup. ilii mit dem oberen Schnitt zusammenfällt. Unter
kräftiger Auswärtsrotation des Beins wird vom Schambein das Lig.
trianguläre, der Muse, transversus perinaei vom Sitzbein, die Lig.
tuberoso- und spinoso-sacralia vom Tuber. abgetrennt, danach unter
Ueberspringen der hinteren Muskeln mit einem starken Resections-
messer ohne zu grosse Schwierigkeit die Synchondrose durchschnitten,
wobei ein Assistent die aus der Fossa iliaca emporgehobenen Ein-
geweide sammt Peritoneum und Fascia transversa kräftig auf die
andere Seite zieht.
Zuletzt folgt die Trennung der grossen und kleinen Gesäss-
muskeln vom Kreuzbein unter Ligatur der Aeste der Art. hypogastrica
resp. ihrer collateralen Verbindungen mit den Lumbararterien und
im Bereich der Art. glutaea, ischiadica und pudenda interna. Zuletzt
wird der N. ischiadicus durchschnitten.
Es ist jedenfalls nothwendig, Alles zu sofortiger intravenöser
Kochsalztransfusion bereit zu halten, d. h. die Vena mediana schon
zum Voraus freizulegen zu diesem Behuf, da die Blutung bei aller
Sorgfalt noch beträchtlich sein kann.
Obere Extremität.
605
Y. Obere Extremität.
317) Amputation und Exarticulation an den Fingern
(Fig. 244 und 245).
Für die Finger gilt als Hauptregel, auch den geringsten Stumpf
zu erhalten, sobald derselbe mit den Sehnen in Verbindung bleiben
und mit gesunder Haut bedeckt werden kann. Es sind deshalb hier
alle Methoden gut.
Bei Wahl sind Lappen aus der Volarseite vorzuziehen zur Ver-
meidung von volaren Narben. Der entsprechende Schrägschnitt
ist am empfehlenswerthesten, am Nagel-
glied nothwendig. Wir halten ihn auch
für Zeige- und Kleinfinger für besser,
als Faraboeuf's seitlich- volare Lappen.
Die Stellung der Gelenke ist durch
Beugung der Finger leicht zu charakte-
Interossei u. Extensor digitorum Extensor digitorum
Lumbricales longus et interossei longus
Interossei u. Lumbricales
Extensor digitorum longus
Fig. 244. Lage der Fingergelenke in Beugung
und Sehnenansätze.
Fig- 245-
Exarticulatio digiti V
„ H
„ „ IV c. metacarpo
(Dorsalfläche).
risiren, da die Gelenklinie stets peripher von den dorsalen Vorsprüngen
liegt (Fig. 244). Hier wird das Messer angesetzt und schräg nach der
Vola abwärts geschnitten. Bei starker Beugung des Fingergliedes wird
der Ansatz der Extensoren an der Basis der Phalanx, dann die dorsale
Kapsel, die 2 Seitenbänder, die volare Kapsel und die Beugungssehnen
getrennt.
Bei Amputationen muss der volare Lappen zurückgeschlagen
werden, um den Knochen zu umschneiden.
Für Exarticulation der Finger im Phalango - Metacarpalgelenk
sowohl als für die Exarticulation im Metacarpo-Carpalgelenk gilt der
6o6
Amputationen und Exarticulationen.
Lanzettschnitt, dessen Längsantheil bis über das Köpfchen des
Metacarpus resp. über die Basis des Knochens rückwärts geht. Die
Sehnen werden am Rande der zurückgezogenen Haut durchschnitten,
dann das Periost gespalten und abgelöst, an den Gelenkenden gleich-
zeitig mit dem Kapselansatz.
Beim Daumen, Zeigefinger und kleinen Finger wird der dorsale
Antheil des Schnittes gegen die Mittellinie der Hand zu gelegt, statt
auf die Mitte des Knochens oder Gelenkes.
Bei Entfernung des Metacarpus des Daumens und Kleinfingers
ist es von besonderer Bedeutung, die kurzen Ballenmuskeln völlig
intact zu erhalten, weil dadurch sehr brauchbare bewegliche Stümpfe
erzielt werden, zumal bei subperiostaler Auslösung des Knochens.
Für die Exarticulation des ganzen Fingers, mit oder ohne Meta-
carpus, ist in der queren Falte zwischen Vola manus und Finger die
Stelle des Querschnittes genau angegeben ; weiter rückwärts dürfen
keine Schnitte in die Vola gemacht werden.
tyloideus radii
Fig. 246. Exarticulatio digiti III mit Lanzettschnitt, Exarticulatio manus,
Amputatio antibrachii, beide mit volarem Schrägschnitt.
318) Exarticulatio manus (Fig. 246).
Für diese wie für die Amputatio antibrachii sind die ver-
schiedensten Methoden zulässig, mit welchen man einen längeren
Stumpf erhalten kann. Entgegen der für den Fuss aufgestellten
MAjOR'schen Regel darf man nicht in querer Linie amputiren, so
lange sich noch ein beweglicher Finger oder Antheil der Hand er-
halten lässt.
Schrägschnitt mit oberem Ende in der dorsalen Handgelenklinie,
unterem Ende in der Vola manus. Bei starker Volarflexion
werden die Strecksehnen und die dorsale Kapsel getrennt, unter
den weiter abwärts ragenden Processus styloidei ebenso die seitlichen
Bandverbindungen und Sehnen (Ulnaris externus, Extensoren und
Abductor des Daumens) durchschnitten und die aufwärts convexe
obere Carpalknochenreihe ausgelöst. In der Gelenklinie wird das
Obere Extremität. 607
Packet der Flexorensehnen getrennt und nach vorne der Volarlappen
in seiner ganzen Dicke ausgelöst. Der Volarlappen hat den Vortheil
sehr guter Ernährung, feinerer Tastempfindung und unter Umständen
der Conservirung beweglicher Muskelstümpfe, ferner der Vermeidung
einer Narbe auf der Volarseite, welche beim Gebrauch des Stumpfes
grösserem Druck ausgesetzt ist.
Letzteren Vortheil theilt sie mit der von Treves empfehlend
besprochenen DüBREUlL'schen Methode eines radialen Lappens
mit Erhaltung der Daumenmusculatur. Hier wird ebenfalls am unteren
Radiusende, welches dem stärksten Druck bei Benutzung des Stumpfes
ausgesetzt ist, jede Narbe vermieden.
Zu unterbinden die Arteria ulnaris oder ihre 2 Aeste zu den
Arcus volares auf der Volarseite und der Ast der A. radialis zum
Arcus sublimis, auf der Dorsoradialseite der Hauptstamm der Radialis
zum Arcus profundus.
319) Amputatio antibrachii (Fig. 246).
Bietet keine Eigenthümlichkeiten, welche von den allgemeinen
Regeln abweichende Angaben benöthigen würden. Schrägschnitt
mit Volarlappen ist aus gleichen Gründen wie am Handgelenk em-
pfehlenswerth. Er verhütet Narbenbildung auf der Volarseite.
Ligatur der Arteria radialis, ulnaris und der unter und median -
wärts von letzterer gelegenen A. interossea.
Treves will für das untere Drittel den Zirkelschnitt, für die
2 oberen einen vorderen und hinteren Lappen benutzt wissen, weil
hier die subperiostale Ablösung der Muskeln schwierig sei.
320) Bxarticulatio cubiti (Fig. 247, 248, 249 und 250).
Wie wir für die Amputationen im Bereich des Kniegelenkes
hervorgehoben haben, so ist der Exarticulation im Gelenke selbst
jede noch so hoch reichende Amputation des Vorderarmes vorzuziehen,
so lange das Gelenk selbst gesund ist und sich die Muskelansätze
an den oberen Gelenkenden des Vorderarmes erhalten lassen.
Ist das Gelenk gesund, während die Vorderarmknochen entfernt
werden müssen, so bleibt es auch hier ein grosser Vortheil, wenn ein
musculöser Stumpf erhalten werden kann, dessen Nervenversorgung
nicht geschädigt ist. Es ist also das bei der allgemeinen Besprechung
geschilderte einfache Verfahren der circulären Durchtrennung der
Weichtheile am Vorderarm bis auf den Knochen und der subperiostalen
Ausschälung der Vorderarmknochen bis in das Gelenk das für das
functionelle Resultat beste und einfachste Vorgehen (Fig. 247). Kann
die Musculatur nicht erhalten werden, so empfiehlt sich zur Bildung
eines guten Stumpfes speciell der Schrägschnitt. Uebrigens nimmt,
wenn man bei gestreckt gehaltenem Vorderarm circulär amputirt,
auch der Zirkelschnitt die Form des Schrägschnittes an (Miller).
6o8
Amputationen und Exarticulationen.
Es ist ein in Operationscursen ohne Ende sich wiederholender
Irrthum, dass die Gelenklinie des Ellbogengelenkes nach der Spitze
N. medianus und A. 1
interossea mit Vene /
M. supinator brevis
M. radiales externi ___
N. radialis u. Arteria
mit 2 Venen
M. brachio-radialis
M. flexor profundus
A. ulnaris mit 2 Venen
N. ulnaris
M. ulnaris internus
M. flexor sublimis
l 'M. radialis internus
\ und Palmaris longus
Fig. 247. Exarticulatio cubiti mit einfachem Zirkelschnitt bis auf die Knochen
und Erhaltung eines Muskelstumpfs bei subperiostaler Auslösung der
Vorderarmknochen. Die Weichtheile sind nach oben zurückgezogen und das
Gelenk von vorne her eröffnet.
Obere Extremität.
609
M. radialis internus
M. palmaris longus
M. flexor digitorum sublimis
M. ulnaris internus
N. ulnaris
A. ulnaris
M. flexor digitorum profundus
Ulna
M. pronator teres
A. radialis
N. radialis
N. supinator longus
M. radialis externi
Radius
M. supinator brevis
M. extensor digit. communis
M. ulnaris externus
Fig. 248. Querschnitt des Vorderarms im oberen Drittel, nach Photogramm.
Fig. 249. Schnittführung für die Exarticulatio cubiti; Längsschnitt durch den
Arm nach BRAUNE.
Ligamentum laterale ~\
externum /
Radiusköpfchen zur \
Bestimmung der Gelenklinie/
Ligamentum annulare
Ligamentum laterale internum
Fig. 250. Die ligamentösen Verbindungen am Ellbogengelenk.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV. Aufl. -?g
6io
Amputationen und Exarticulationen.
des Olecranon bestimmt wird. Sie soll aber nach dem Radiusköpfchen
bestimmt werden, welches auf der Dorsoradialseite stets fühlbar ist.
Schrägschnitt von der so bestimmten Linie in der Ellenbeuge bis
handbreit unter die Olecranonspitze auf der Dorsalseite. In einer
Beugung des Vorderarmes von 1350 ist die Schnittrichtung der ver-
längerten Axe des Oberarmes parallel. Der dorsale Lappen wird
sammt Periost, Ansatz des Triceps und Anconaeus IV bis über die
Spitze des Olecranon und auf die Rückfläche des Humerus losgelöst.
Vorne werden die Weichtheile sammt Gelenkkapsel quer durch-
Fig. 251. Amputatio humeri.
schnitten, indem man bei emporgezogenem Lappen von aussen ins
Humero-Radialgelenk einschneidet. Mit Trennung des strammen
Ligamentum internum ist die Operation vollendet. Unterbindung
der Arteria brachialis in der Ellenbeuge.
Faraboeuf macht den Schrägschnitt umgekehrt von der Ole-
cranonspitze beginnend bis handbreit unter der Ellenbeuge auf der
Vorderfläche.
321) Amputatio brachii (Fig. 251).
Um eine breite Bedeckung des Oberarmstumpfes zu erhalten,
muss man berücksichtigen, dass der Arm eine starke Abplattung von
Obere Extremität. 6 1 1
aussen nach innen zeigt bei vorwärts gerichteter Volarfläche. Lappen
sind von der Breitseite zu nehmen. Beim Schrägschnitt fällt dem-
gemäss das obere Ende des Schnittes in den Sulcus bicipitalis internus.
Der M. biceps zieht sich sehr stark zurück. Ganz zweckmässig ist
auch der einfache Zirkelschnitt mit genügender subperiostaler Zurück-
schiebung der Weichtheile.
Die obere Grenze für die Erzielung eines brauchbaren Stumpfes
durch Amputation ist bestimmt durch den chirurgischen Hals, bis
auf welchen sich die Gelenkkapsel auf der medialen Seite fortsetzt,
andererseits durch den Ansatz des Deltoideus, Pectoralis major und
Latissimus, welche sich als Hauptabductoren und -adductoren die
Stange halten müssen.
Allerdings hat es noch einen guten Sinn, oberhalb des Ansatzes
des Deltoideus und der erwähnten Adductoren zu amputiren, weil
stets noch die Ein- und Auswärtsrotatoren am Kopf erhalten bleiben
und das Anbringen einer Prothese erleichtert ist. Die Methode nähert
sich der für die Exarticulation zu beschreibenden, bloss beginnt der
Schnitt am vorderen Acromialende (Guthrie's Lanzettschnitt). Man
vergleiche bezüglich der Regeln für die hohe Amputation das
bei der Exarticulatio humeri Gesagte. Zu unterbinden sind die
Arteria brachialis und profunda brachii nebst kleineren Aesten (A.
collaterales ulnares). Wenn die Knochen durchsägung an der Um-
schlagsstelle des Nervus radialis stattfindet, so ist die höhere Resection
dieses Nerven besonders nothwendig.
32a) Exarticulatio humeri (Fig. 252 und 253).
Für die Exarticulation des Armes im Schultergelenk gilt, was
für die Exarticulation im Hüftgelenk gesagt worden ist, im ver-
stärkten Maasse. Wenn die Weichtheile, namentlich die Musculatur,
erhalten werden können, soll unter allen Umständen ein musculös-
periostaler Stumpf unter reiner Auslösung des Knochens gesichert
werden. Dieses geschieht auch hier entweder durch Combination von
Resection mit hoher Amputation oder durch den Rakettschnitt oder
gleichwerthigen Lanzettschnitt. Das Wichtigste dabei ist, dass der
Längstheil des Schnittes in ein Interstitium der Muskeln verlegt
werde wie am Oberschenkel, wo die Innervationsgebiete der Muskeln
sich säuberlich trennen lassen. Aus diesem Grunde geben wir dem
vorderen Rakett-(Lanzett-)Schnitt unbedingt den Vorzug.
Für alle Fälle dagegen, wo die Weichtheile der Schulter ganz
entfernt werden müssen, hat man sich mit der nöthigen Modification
an Schnitte zu halten, die dem für Exarticulation des Armes sammt
Schultergürtel Geschilderten analog sind, also in der Art der nach
Lisfranc benannten und von FERGUSSON (nach Treeves) geübten
39*
6l2
Amputationen und Exarticulationen.
Methode mit vorderem und hinterem Lappen. Es handelt sich dabei
um eine Exstirpationsmethode des Armes nach Art der von Rose
für die Hüfte geschilderten. Wesentlich ist bei derselben die früh-
zeitige Unterbindung der Hauptgefässe von dem ersten Schnitte aus
und die stufenweise Trennung der übrigen Gewebe unter sofortiger
Blutstillung.
Bei der typischen Exarticulation kann man in ganz analoger
Weise, wie bei der Hüfte, in der Höhe der Achselfalten mittelst
Zirkelschnittes eine hohe Amputation machen und nach Absägung
Processus coracoideus
Fig. 252. Exarticulatio humeri mittelst vorderen Lanzettschnittes.
des Knochens auf die "Vorderfläche einen Längsschnitt wie bei
Resectio humeri von vorne hinzufügen, das obere Ende des Humerus
auszuschälen: Rakettschnitt. Indessen ist dies nicht nöthig, da
man die Blutung ebenso sicher beherrschen kann mit einem einfachen
Lanzettschnitt in einem Zuge geführt.
Zumal in den gewöhnlichen Fällen, welche eine Exarticulation
bedingen, nämlich bei Zerschmetterung des Armes, ergiebt sich die
zu schildernde Methode fast von selbst. Bei den oft schweren Er-
scheinungen von Shok oder Anämie muss hier jegliche stärkere
Blutung vermieden bleiben.
Obere Extremität.
613
Man beginnt an der Clavicula lateral vom Processus coracoideus
mit einem senkrechten Längsschnitt und trennt in der Längsrichtung
den vorderen Ansatz des Deltoideus an der Clavicula unter sofortigem
Fassen jedes blutenden Gefässes und Ligatur der hier emporlaufenden
Lange Bi-\
cepssehne /
f Spitze des
s Processus
' coracoideus
M. pectoralis
major
'«i.-^
^S-*-*
Fig. 253. Exarticulatio humeri mit Rakettschnitt. Der Schnitt am Vorderrande
des M. deltoideus über die Spitze des Processus coracoideus abwärts hat letzteren
freigelegt mit den Ansätzen des kurzen Kopfes des Biceps und Pectoralis minor.
Ein kleines oberes Stück des Deltoideus ist durchschnitten, Deltoideus und
Pectoralis major auseinandergezogen und unten durchschnitten. Die lange
Bicepssehne, entlang welcher der Schnitt auf den Knochen geht, ist sichtbar.
Vena cephalica. Im oberen Theile des Schnittes werden auch die
Acromialäste der Arteria thoracico-acromialis unterbunden. Nun geht
man am Deltoideusrande zwischen ihm und dem Pectoralis major in
die Tiefe bis auf den Knochen, spaltet vor der Bicepsrinne und auf-
wärts hinter dem Tuberculum minus die Kapsel und löst mit ihr die
5j4 Amputationen und Exarticulationen.
Sehnenansätze des Subscapularis nach vorne ab, ebenso abwärts mit
dem Periost den Ansatz des Pectoralis major, sowie des Latissimus
und Teres major unter Ligatur der Art. circumfiexa humeri anterior ;
dann trennt man über und am Tuberculum majus die Ansätze des
Supra- und Infraspinatus und Teres minor, so dass der Humeruskopf
nach vorne und nach oben frei herausgestossen werden kann.
Nunmehr wird der Hautschnitt vollendet, indem man in der
Höhe der Achselfalten den Zirkelschnitt durch die Haut macht; es
ist leicht, das Nerven-Gefässbündel zu isoliren, die Gefässe zu unter-
binden und die Nerven zu durchschneiden. Auch die Arteria sub-
scapularis (und zugehörigen Nerven) können hierbei angespannt
und isolirt unterbunden werden. Eine Verletzung des N. axillaris,
welcher über dem Teres major sich hinter dem Knochen herum-
schlägt, um den Deltoideus zu versorgen, ist mit Sorgfalt zu ver-
meiden. Denn der Deltoideus ist der Hauptmuskel des zurück-
bleibenden Stumpfes.
Die geschilderte Methode schliesst sich am nächsten [der von
Spence *•) empfohlenen Rakettmethode an. Die LARREY'sche Rakett-
methode, von Faraboeuf . empfohlen, wo der Längsschnitt auf der
lateralen Seite emporsteigt, ist weniger gut, da sie den Nervus axillaris
nicht berücksichtigt und daher den Deltoideus zum Theil lähmt.
323) Exarticulation des Armes sammt Schultergürtel,
Amputatio interscapulo-thoracica (Fig. 254 und 255).
Die BERGER'sche Operation wird wegen Verletzungen und
Tumoren des Oberarmkopfes und der Scapula am häufigsten gemacht,
aber auch wegen Gangrän, progressiver Phlegmone etc., welche
Schulter gelenk mit Scapula, häufig sammt den Axillardrüsen, Ge-
fässen und Muskeln ergriffen haben. Allerdings kommen Fälle vor,
wo mit dem Arm nur ein Theil der Scapula (Acromion und Gelenk-
theil) entfernt zu werden braucht. Die Operation ist Dank ihrer exacten
Ausführung nicht gefährlicher als die Exarticulation im Schultergelenk
und giebt viel bessere Dauerresultate. Berger fand 1898 unter
46 Fällen bloss 2 directe Todesfälle, 10 Heilungen über 1 Jahr.
J. J. Buchanan hat eine erschöpfende Zusammenstellung ge-
liefert der bis 1900 bekannten Fälle der BERGER'schen Operation.
1737 sei ein Pat. im St. Thomasspital in London gepflegt und geheilt
worden, dem durch eine Maschine Arm mit Scapula völlig weg-
gerissen war und 1808 machte Cunning die erste glückliche Operation
wegen Schuss und 1836 Crosty wegen Tumor. Bergeri hat das
Verdienst, die erschöpfendste Monographie 1887 geschrieben und die
einzelnen Details der Operation in klarer Weise zusammengefasst zu
1) Spence, Lectures on Surgery, Vol. II
Obere Extremität.
615
haben. Buchanan giebt eine Tabelle von 181 Fällen (131 wegen
Tumoren) mit 16 Proc. f. Dazu kommen 31, wo die Scapula nach-
träglich excidirt wurde nach Exarticulatio humeri mit 6,6 Proc. f,
aber in der antiseptischen Zeit ist auch die Mortalität der einzeitigen
Operation auf 8 Proc. heruntergegangen.
Bei ganz umschriebenen Tumoren des Humeruskopfes hat die
Resection an ihre Stelle zu treten, und bei umschriebenen Tumoren
der Scapula die Excision letzterer.
Fig. 254. Exarticulation des Schultergürtels mit vorderem Lanzettschnitt.
Von prophylaktischer Blutstillung ist nicht die Rede. Die erste
Sorge bei Anlage der Schnitte ist daher die Ligatur der grossen
Gefässe. Im Uebrigen ist die Schnittrichtung je nach Erkrankung
der Haut vielfach zu modificiren.
Regel ist ein Lanzettschnitt, dessen Längsantheil über die
Clavicula bis zum Acromion geht, an dessen sternalem Ende be-
ginnend. Das Periost der Clavicula wird gespalten, die Clavicula
am inneren Drittel durchsägt und energisch nach aussen g'eklappt
mit scharfem Haken und mit hinterem Periost der M. subclavius
abgelöst. Am oberen Rande der Clavicula muss der M. cucullaris
6i6
Amputationen und Exarticulationen.
losgelöst werden, ebenso am oberen Umfang des Acromion. Jetzt
legt man durch Längsspaltung des Musculus subclavius und der
Fascie die Vena und Arteria subclavia und den Plexus brachialis
Vena u. Artariaf
axillaris \
A. transversa colli
ohyoideus
. serratus anticus major
M. subscapularis
M. deltoideus
. — Processus coracoideus
M. pectoralis minor
M. biceps brachii
{M. pectoralis
major
N. medianus
Fig. 255. Exarticulation des Armes sammt Schultergürtel: Der vordere Schnitt
mit Durchtrennung der Clavicula, des M. pectoralis major und minor, der
grossen Gefässe und des Plexus axillaris. Links in der Wunde die Thoraxwand,
in der Tiefe die Vordernache der Scapula (M. subscapularis).
Obere Extremität.
617
frei. Die oberflächlicheren Nerven werden einzeln durchschnitten,
die Gefässe doppelt unterbunden und durchschnitten.
Will man die Blutung auf ein geringes Maass beschränken, so
ist es nöthig, auch die lateralwärts über die Scaleni vortretenden
Zweige der Subclavia zu unterbinden, nämlich die 3 Aeste des Truncus
thyreocervicalis , welche vor dem Scalenus aufwärts (A. cervicalis
ascendens), auf-auswärts (A. cervicalis superficialis) und hinter der
Clavicula lateralwärts (A. transversa scapulae) gehen ; endlich nament-
lich die starke A. transversa colli, welche über oder durch den Plexus
brachialis nach hinten geht, um die Muskeln der Scapula (Levator,
Supraspinatus) zu versorgen und als Dorsalis scapulae zwischen
M. rhomboidal und serratus posticus superior der Scapula entlang ab-
wärts zu laufen. Jetzt ist man gegen erhebliche Blutungen gesichert.
Im Weiteren wird die Operation, ganz wie Rose für die Ex-
articulatio femoris zuerst vorgeschlagen und ausgeführt hat, in der
Form durchgeführt, als ob der Arm sammt Scapula einen Tumor
bildete, welchen man zu excidiren hat. Der Hautschnitt wird gegen
die vordere Achselfalte abwärts verlängert unter sofortigem Fassen
und Unterbinden blutender Gefässe, zumal der oft stark erweiterten
Venen ; die M. pectoralis major und minor werden quer zu ihrer
Faserung durchschnitten. Diese Durchschneidung geschieht nahe
dem Ansatz am Thorax, wenn ein Packet maligner Drüsentumoren
die Achstihöhle erfüllt. Sofortige sorgfältige Blutstillung. Wo die
Axilla frei ist, werden die erwähnten Muskeln näher an ihren An-
sätzen am Processus coraeoideus und Arm durchschnitten.
Nu 1 dringt man längs der . Aussenfläche des Thorax, resp. des
M. senatus anticus major gegen die Vorderfläche der Scapula vor,
indem man eventuelle Drüsenpackete mit der Hand vom Thorax
abhebt. An der hinteren Achselfalte angelangt, wird der M. latissimus
dorsi durchschnitten in der Nähe der Arminsertion, bei grossen Drüsen-
geschwülsten entfernt davon.
Bei Auswärtsrotation lässt sich jetzt der Arm sammt Schulter
so nach aussen wälzen, dass die Vorderfläche der Scapulae mit ihren
Muskeln in ganzer Ausdehnung zu Tage tritt. An ihrem oberen
medianen Winkel wird der dicke Ansatz des M. levator scapulae
unter Ligatur von Aesten der Art. dorsalis scapulae getrennt und
längs dem hinteren medialen Rande zuerst der wulstige M. serratus
anticus major und danach die dünnen M. rhomboidei losgelöst. Es
bleibt bloss noch übrig, nach Vorziehen des medialen hinteren
Scapularrandes entlang der Crista scapulae den Ansatz des M. cu-
cullaris und am oberen Rande den dünnen M. omohyoideus abzu-
trennen und den hinteren Hautschnitt behufs genügender Haut-
bedeckung nach Fig. 255 von hinten her auszuführen — und der
Arm sammt Schulter gürtel ist fast ohne Blutverlust ausgelöst.
618 Amputationen und Exarticulationen.
Unsere Beschreibung stimmt, wie ersichtlich, im Wesentlichen
überein mit der Methode „Desarticulation interscapulo-thoracique"
von Berger, welcher sich mit Adelmann und Chavasse um die
Ausbildung des besten Verfahrens die grössten Verdienste erworben
hat. Nach Nasse geht auch Bergmann bei der Operation in ganz
ähnlicher Weise vor, wie oben geschildert. Esmarch hat die Durch-
sägung der Clavicula und vorgängige Ligatur der Subclavicular-
gefässe zur Methode erhoben. Bei Mangel an Haut (Operation wegen
verwachsener Tumoren) kann man mit Keen die Haut vom Ober-
arm in dessen ganzer Länge benutzen.
Register.
A.
Abdomen 277.
— , Normalschnitte 280. — Punction
desselben 351.
Abscesse der Fossa iliaca interna 352.
— perityphlitische 377.
Achselhöhlenschnitt, sagittaler
432-
Aether 18.
Aetherisirung 27.
Aethylchlorid 7—36.
Alex and er 'sehe Operation 368.
Amputationen, Allgemeines 3. 557.
— , Entwicklung der Methoden 557.
— , Indicationen 557.
— , Technik des Querschnitts 561.
— des Schrägschnittes 563.
— des Rakettschnittes 563.
— des Lanzettschnittes 564. 606.
— des doppelten, gestielten, Quer- und
Schrägschnittes 565.
— , Normal verfahren 566. 571.
Amputatio antibrachii 607,
— brachii 610.
— digitorum 605.
— cruris nach Bier 584.
— femoris 592. — diacondylica 592.
— osteoplastica (Ssabanejeff) 594.
nach Gritti 596.
— supracondylica 595.
— durch die Mitte 596.
— alta 597.
— im Bereiche des Kniegelenks 590.
Amputatio interscapulo thoracica
614.
— intertarsea 579.
— mammae bei gutartigen Tumoren 239.
Amputatio, partielle bei circum-
scripten Tumoren 239.
— , Radicaloperation bei Carcinom 239.
— , Functionsstörungen nach derselben
244.
■ — metatarsea 574.
— mittelst Stich 565.
Amputationsstümpfe, Abrundung
derselben 568.
Amputatio pedis osteoplastica (PiRO-
goff) 583.
— penis 415.
— recti 418.
— subtalica osteoplastica 580.
— nach Ssabanejeff 584.
Anästhesie, locale, durch Cocain 4.
— durch Aethylchlorid 7.
— durch flüssige Kohlensäure 7.
— durch Cocainisirung der grösseren
Nervenstämme 8.
— , medulläre 8.
— , allgemeine II.
Anästh esirung 5.
Angiothriptos en 220. 431.
Antrum Highmori, Eröffnung des-
selben 135.
Anus iliacus 387.
— praeternaturalis am Colon 384.
— , Anlegung eines 384. — Unterschied
von der Kothfistel 388.
— bei Excisio recti 419.
Aorta abdominalis 464.
Aperiostaler Stumpf nach HIRSCH
569-
Appendicitis, operative Eingriffe
bei 371. 380.
Arcus plantaris am Interstitium
intermetatarseum 491.
Ö20
Register.
Arcus volaris profundus 460. — subli-
mis 458.
Arm, seine Exarticulation 613.
Arteria anonyma, Unterbindung 229.
— articularis genu suprema 477.
— axillaris 435.
— brachialis in der Mitte 441.
— in der Ellenbeuge 445.
— carotis communis, Unterbindung 128.
193-
externa, Ligatur 155 — 178.
interna, Unterbindung 183.
— circumflexa femoris externa 474.
interna 475.
humeri anterior 438.
posterior 438.
— ilii anterior 46g.
— scapulae 438.
, Unterbindung von hinten 264.
— collateralis radialis 442.
ulnaris superior 442. 446, — in-
ferior 442.
Arteriae digitales communes 460.
Arteria dorsalis pedis 494.
scapulae, Ligatur 262.
— epigastrica inferior 469.
— femoralis 472, ihre Unterbindungen
472. 474. — , ihre Aeste 474.
— glutaea superior 462.
inferior (ischiadica) 464.
— hypogastrica , ihre Aeste 462. — ,
Unterbindung 468.
— iliaca communis 464.
externa 468.
— intercostalis 238.
— interossea 450.
— — posterior 453.
— lingualis, Unterbindung 180.
— mammaria interna, Unterbindung
237-
— maxillaris externa 130. — , Ligatur
180.
— meningea media, Hämatome 116.
— , Unterbindung bei Excision des
Ganglion Gasseri 153.
— mesenterica inferior 467.
— obturatoria 470.
— occipitalis, Unterbindung 180.
— peronea 489.
— plantaris interna 490.
externa 491.
Arteriae plantares am Ursprung 490.
Arteria poplitea 480.
Arteria profunda brachii 44 1.
— — femoris, Ligatur 475,
— pudenda interna 415. 464.
— radialis, am Vorderarm 448. — über
dem Handgelenk 448. — auf dem
Dorsum manus 456. — in der Ta-
batiere 458.
— subclavia, Topographie 231. — , Unter-
bindung über Clavicula 232. — unter
der Clavicula 432. — mit Längs-
schnitt 34.
— subscapularis 438.
— supraorbitalis 88.
— temporalis 85.
— thoracica suprema 435.
longa 435.
— thoracico-acromialis 435. — , dorsalis
440.
— thyreoidea inferior, Ligatur 194.
— , superior 181.
— tibialis antica 483. — postica 487.
— ulnaris, am Vorderarm 448. — am
Os pisiforme 453.
— uterina 468.
— vertebralis 196.
Arthrektomie 495 — 498.
— genu, mit lateralem Hakenschnitt 519.
Arthrotomie 495 — 498.
— cubiti 540. — articulationis humeri
549. — genu 513. — im Gegensatz
zur Arthrektomie 519.
Ascites, Laparotomie bei 286.
Aspirator, POTAiN'scher 401.
Aspirationspneumonien 229.
Atropin 28.
Augapfel, seine Entfernung bei Ober-
kieferresectionen 159.
Axilla 435.
B.
Bajonettschnitt nach Ollier 540.
Bauchbrüche, ihre Verhütung 281.
283.
Bauchf elltuberculo se, Laparo-
tomie bei 286.
Becken, Resection einer Hälfte des-
selben 530.
— , partielle Resection 532.
— , exarticulatio interilio- abdominalis
603.
Blaseneröffnung, mit Symphysen-
resection 400. — , durch Punction40i.
Blase, Operation derselben 397.
Register.
621
Blase, Normalschnitt hierfür 398.
Blutstillung, prophylaktische am
Kopfe 85. — bei Resectionen und
Amputationen 499.
Bromäthyl 22.
Bülau, Punctionsdrainage 245.
c.
Calcaneus, Excision 506. — nach
Landerer 507.
Carcinoma linguae 174.
— mammae 239.
— recti 419.
Cardia, Excision der kranken 336.
Castration 409. 412. — mittelst Quer-
schnittes in frontaler Richtung 355.
Cat gut- Sterilisation 55. 56.
Catterina, seine Methode der Tars-
■ ectomia anterior 502.
Cavernen der Lunge, ihre Eröffnung
256.
Centren der Hirnrinde 94.
Chloroform 12.
Cholecystektomie 342.
Cholecystendysis nach Cour-
VOisiER 339.
Cholecystenterostomie 344.
Cholecystoduodenostomie 345.
Chol ecystoj ejunostomie 345.
Cholecystostomie 342.
Cholecystotomie 339.
Choledocholithotomie 344.
Choledocholithothrypsie 343.
Choledochotomia transduodenalis
346.
Choledochoduodenostomia in-
terna 347.
Chopart'sche Exarticulatio intertar-
sea posterior 577.
— Gelenklinie 578.
Clavicula- Tumoren (Sarkome) 554.
Cocain 4. 29.
Cognac subcutan 27, per os vor der
Operation 30.
Cöliotomie (Laparotomie) Indica-
tionen 277.
— , Bedingungen guten Erfolges 279.
— , Schnittanlagen und Nahtmethoden
280. 282.
Colon pelvicum sigmoideum 395.
Colopexie 419.
Coloproktie 384.
Colostomie 383 — 384.
Craniektomie 91.
Craniometer 97.
Craniotomie, circuläre 103.
Cricotracheotomie 199.
Cystotomia alta 399.
— perinealis 406. — suprapubica 414.
D.
Damm 406.
Dammsteinschnitt 406.
Darmnaht bei Resectionen 389.
— , nach Maundsell-Ullmann 393.
--, „ CZERNY 392.
-, „ Doyen 393.
— , „ Lembert 392.
Darmvereinigung 396.
Darmresection 388.
Decortication (Delorme) 250.
D e p a g e ' s Operation bei veraltetem
Empyem 250.
Desinfection des Materials 43.
— der Haut 44.
— der Hände 44. 49. — der Wunde
52. — nach FüRBRiNGER 49.
Dickdarm, Resection am 394.
Drainröhren bei Wundbehandlung
63.
E.
Ellenbogengegend 444.
Ellenbogengelenk, Methoden der
breiten Eröffnung 540.
— , Exarticulation 607.
Empyemhöhlen, (Brust) ihre Aus-
füllung (Delorme) 249.
Enteroanastomosis 396.
Enterostomie 382.
Entspannungsschnitt bei acuter
Nephritis 269.
— , Indicationen 271.
Esmarch'sche Blutleere 499.
Es tl an der 'sehe Operation 249.
Eucain 4.
Evidement (Kropfexstirpation) 222.
Exarticulationen, Allgemeines
557-
— an den Fingern 605.
— coxae 597. — Exstirpationsmethode
598. — Resections- Amputationsme-
thode 601.
— cubiti 607.
Ö22
Register.
Exarticulationen des Armes sammt
Schultergürtel 614.
— genu 590.
— humeri 611.
— interilio-abdominalis (Jaboulay) 603.
— intertarsea anterior (Jäger -Bona)
576.
posterior (Chopart) 577.
nach Hoffmann- Witzel 579.
— intercruro-calcanea nach Küster 584.
— manus 606.
— metatarso-tarsea (Lisfranc) 575.
— mit Wegnahme der vorderen Hälfte
des Cuneiforme 576-
— pedis nach Syme 568—580. — nach
Tauber 581.
— phalango-metatarsea 573.
— subtalo 579.
Excisio calcanei 506. — der Meta-
carpalknochen 532- — der Zahn-
phalangen und Metatarsalknochen 500.
— linguae 172 — 174-
— recti carcinomatosi, allgemeine Be-
merkung zur Technik 419.
— — vaginale Excision 423. — peri-
neale Methode 424. — coccygeale
Totalexstirpation mit extrarectalem
hinterem Längsschnitt 424. — coccy-
geale Resectio recti mit hinterer
Längsspaltung 428.
— scapulae 554.
— tali 505.
Excisionen, Allgemeines 495. — par-
tielle der Mamma bei Carcinomen 245.
Exp lorati v-Laparotomie 278.
Exstirpationsm ethode des Hüft-
gelenks nach Beck-Rose 598.
Extremität, obere 432. — Operation
an derselben 605.
— untere 462. — Amputationen — Ex-
cisionen — Resectionen — Exarticu-
lationen 500.
F.
Finger 461. — Amputation und Ex-
articulationen 605. — Excision der
Phalangen und Interphalangeal-
gelenke 532.
Flexura coli sinistra, Incision bei
Erkrankung derselben 394.
Foramen rotundum, Methoden zur
Aufsuchung 142.
F o s s a retromaxillaris, Freilegung 160.
— submandibularis, Ausräumung 168.
Frank' sehe Methode der Gastrosto-
mie 292.
Fuss, Arterien und Nerven 490. —
Amputationen 572. — osteoplastische
nach Tauber 580. — nach Pirogoff
583. — Exarticulationen 580.
G.
Gallenwege, Chirurgie der 338.
Ganglion Gasseri, seine Exstirpation
151. — nach Krause 152. — nach
CUSHING 152.
Gastrektomie, Indicationen und
Methode 316. — partialis 321. — par-
tialis cardiaca 336. — totalis 332. —
Nachbehandlung 323.
Gastroduo denostomie bei Py-
lorusresectionen 319. 324. — Tech-
nik 321.
Gastro enteroanastomosis , In-
dication 299. — , Technik 303. 307.
Gastroenterostomosis antecolica
inferior 304.
— retrocolica posterior 304.
Gastrojejunostomie 331. — ante-
colica inferior 308.
Gastroplastik 337.
Gastrostomie und Gastrotomie29i.
— , FRANK'sche Methode 292.
— , KADER'sche Methode 294.
— , WiTZEL'sche Methode 297.
Gefässnaht 431.
Gehirnoperationen 106.
Genu valgum, keilförmige Osteo-
tomia tibiae 522. — Osteotomia fe-
moris (Mac-Ewen) 523.
Gesässgegend 462.
Gritti, seine Amputation des Ober-
schenkels 596.
H.
Hämorrhoidalknoten, Excision
derselben 416. — Ligaturmethode 416.
— WHiTEHEAD'sche Excisionsme-
thode 417.
Hand, Incision auf der Dorsalseite
455. — auf der Volarseite 456. —
Resectionen 533. — Exarticulationen
606.
Halsdreieck, vorderes 193. — oberes
seitliches 176. — unteres seitliches 231.
Register.
623
H eib er g-Es m ar ch'scher Hand-
griff 39.
Hepatotomie und Resectio hepatis
347- — transthoracica 252. — Blut-
stillung bei 348.
Herniotomia 357.
Herz und Herzbeutel Chirurgie 257.
Hirnwindungen, cranio -cerebrale
Topographie 94.
Histothriptoren 220.
Hoden, Excision 409.
Hüftgelenk, Resection 525. — con-
genitale Luxation 525. — Arthrotomie
528. — Exarticulation nach Kocher
597. — Exstirpationsmethode nach
Rose 598.
Hydrocele, Operation der 357.
Hypophysen- Tumor, Entfernung des
135-
Hy pochondrium 338.
Hypogastrium 351. — Normalschnitt
352.
I und J.
Jaboulay, seine Exarticulatio inter-
ilio-abdominalis 603.
Ikterus bei Gallensteinen 343.
Jejunostomie 388.
Incisionen, Allgemeines 2. — der
Zunge 167.
Infectionen, Contact- 43. — Luft-
53. — Implantations- 55. — Läsions-
— 58. ■ — Impfungs- 60. — Nekrosen-
61. — in Folge von thermischer und
chemischer Schädigung 62.
— ihre Verhütung 69.
Inguinalschnitt 353.
Interphalan gealgelenke, ihre
Excision 532.
Jodoform 68. 70.
K.
Kaumuskelkrampf 164.
Keilbeinhöhle, Eröffnung 133.
Kiefergelenksresection 163.
Kieferklemme 164.
Kniegelenk, Resection 513. — Ar-
throtomie mit lateralem Haken-
schnitt 514. — Arthrektomie 519. —
Amputationen im Bereich desselben
590. — Exarticulation 590. — , un-
regelmässige Resectionen 522.
Kniekehle 480.
Kniescheibe, Resection 522.
Kochsalzlösung 62.
Kothfistel, Anlegung 383. — Indi-
cation und Technik 383.
Kopf, Gesichtstheil 127. — Schädel-
theil 85.
Kropf siehe Struma.
Kropfgeschwülste, Excision ent-
zündeter und maligner 228.
Kropf löffel 225.
Kropffasszange 225.
Kryoskopie 274.
L.
Lagerung 38.
Laminektomie,Eröffnungder Rück-
gratshöhle 268.
Lange' sehe Spaltrichtungslinien 70.
Laparotomie bei Bauchfelltuber-
culose 286.
Laparotomia transthoracica 252.
Laryngectomia partialis 203. —
totalis 203.
Laryngotomia mediana 201. — Indura-
tionen 201. — Technik 202. — Anästhe-
sirung 203. — Nachbehandlung 203.
Leistendrüse, ihre Ausräumung 353.
Leistengegend 464.
Leistenhernien, ihre Radicalope-
ration 357. — Herniotomia inguinalis
357. — Invaginationsverlagerung 360.
— laterale Verlagerungsmethode 358.
— nach Bassini 365. — , plastische
Methode bei 366. — Localanästhesie
bei 366. — directe Leistenbrüche 368,
bei Frauen 368.
Leistencanal 354. 358.
Leistenschnitt 353.
Ligamentum rotundum, seine Ver-
kürzung, ALEXANDER'sche Operation
368.
Ligaturfäden, ihre antiseptische
Herstellung 57.
Lisfranc'sche Exarticulation am
Fusse 575.
Lithothrypsia perinealis 406.
Litholapaxie 407.
Lithotomia transduodenalis 345.
Luftinfection 53.
Lumbalpunction 268.
Lungen Chirurgie 255.
Luxationsmethode nach Resectio-
nen 500.
624
Register.
M.
Magendarmkanaloperationen
287.
May dl 'sehe Operation 403. — nach
Peterson modificirt 404
Mediastinotomie, collare 296. —
dorsal 267.
Mediastinum anticum, Eröffnung 267.
— posticum, Chirurgie desselben 264.
— , Indicationen 264.
M e r a 1 g i a paraesthetica (Bernhardt)
478.
Mesogastrium 349.
Metacarp alknochen, Excision532.
Metacarpo-Phalangealgelenke,
Excision 532.
Metatarsalknochen, Excision 500.
Mittelohrräume, Freilegung der
121.
Mittelohreiterung J22. 124.
Morbus Addis oni, Operation bei
276.
Morphium 24. 26. 30.
Mundboden, Incisionen am 167.
Mundhöhle, breite Eröffnung der 164.
Murphy-Knopf 335. 336. 348. 393.
397-
Myotomie, bei Drehkrampf des
Kopfes 236.
N.
Nabelhernien, Radicaloperation 350.
Nackengegend 236.
Narbencallus 566.
Narbenzerrungen 570.
Narkose, mit Aether 18. — , Contra-
indicationen 21.
— , mit Chloroform 12. — , Contraindi-
cationen 17.
— , combinirte 24.
— , Morphium 26. 30.
— , Bromäthyl 22.
Nase, Operationen an der 131.
— , mediane Spaltung 131. — seitliche
Spaltung mittelst paramedianen
Schnittes 131. — mit partieller Ober-
kieferresection 132. — durch Frei-
legung des Nasendaches und der
Schädelbasis 132. — durch osteo-
plastische Resection beider Ober-
kiefer 133.
Nebenniere, Excision 276.
Nephrektomie 274. — Indicationen
274. — bei Infectionsprocessen 275.
— bei grossen Tumoren 275.
— s. a. Ureterotomia anterior.
Nephropexie 273.
Nephrorhaphie 273.
Nephrotomie, Indicationen 269. — ,
Technik 271. — Vorbereitung 273.
Nervus accessorius, Freilegung 184.
— , Freilegung seines Ramus externus
194. 234.
Nervi alveolares superiores, Schnitt-
methode nach von Langenbeck 142.
Nervus alveolaris inferior 145. — ,
Auffindung nach Paravicini 147.
— auricularis magnus 186. 234.
— auriculo-temporalis 85. 148.
— axillaris 235. 437. 438.
— buccinatorius 148.
— cruralis 477.
— cutaneus palmaris 451.
femoris posticus 464. — lateralis
467, 477-
internus, am Arm 441. — medius
441.
palmaris 451.
radialis inferior 443.
— ethmoidalis 88.
— facialis 138.
— frontalis 88.
— genito-cruralis 467.
— hypoglossus 180. — Freilegung 183.
— inframaxillaris 148.
— intercostalis 238.
— interosseus des Medianus 451.
— ischiadicus 464. 478.
— laryngeus superior 184.
— lingualis 147. — Freilegung vom Hals
aus 184.
— medianus, am Oberarm 442. — in
Ellenbogengegend 445. — am Vorder-
arm 451. — über dem Handgelenk
451. — an der Volarseite der Hand
455. — sein Nervus interosseus 451,
radialer Ast 460. — unter der Cla-
vicula 432. 437.
— mentalis 145.
— musculo-cutaneus 444.
— obturatorius 470.
Nervus occipitalis major 90.
minor 90. 186.
— orbitalis, Resection 142.
— peroneus 480.
Register.
62.S
Nervus communicans peroneus 481.
— profundus 483.
— superficialis 485.
— plantaris internus 490.
externus 491.
— pudendus internus 415.
— radialis in der Achselhöhle 437.
am Oberarm 441. 443.
— — in der Ellenbogengegend 446.
ramus profundus 453.
— — dorsalis 458.
— saphenus internus über dem Cön-
dylus internus 477.
— am Knie und Unterschenkel 489.
— — externus 490.
— spermaticus internus 467.
— subcutaneus colli 186. 194.
— subscapularis 235. 438.
— supramaxillaris 142.
— supraorbitalis 87.
— suprascapularis 235. 264.
— suralis lateralis 481.
externus 489.
— — medius 480. 490.
Nervi thoracici anteriores 236. 435.
Nervus thoracicus posticus (longus)
235.
— tibialis posticus 490.
— trigeminus 139. — ramus I 118. —
ramus II, Dehnung 139. — Resec-
tion 142. — ramus III 145. — des
Stammes 155.
— ulnaris, Achselhöhle 437.
— — , Oberarm 443.
, Ellenbogengegend 445.
ramus dorsalis 458.
in der Vola manus 460.
— vagus, Resection 194.
Neurexeresis 142.
Nierenbeckeneröffnung 272.
Nierenschnitt nach Tuffier 272.
Normalschnitte 75.
— für das obere Halsdreieck 176.
— für das untere Halsdreieck 231.
— für die Lendengegend 271.
O.
Oberarm 440.
— , Amputation 610.
— , Exarticulation 611.
— , Resection in der Diaphyse 545.
— , Resection des Gelenkes 545.
Kocher, Chirurgische Operationslehre. IV
Oberkiefer, Methode der Resection
155-
Oberschenkel, Amputation 592.
— , Rückfläche 478.
— , Vorderfläche 472.
Occipitalneuralgien 186.
Oesophagektomie 197.
Oesophag otomie 197. — Technik
197. — Behandlung 198.
Oesophagoduodenostomosis 333.
Ohnmachtszufälle 29.
Omentopexie 286.
Omphalektomie 350.
Orbita, Operationen der 136.
Os sacrum, Totalresection 532.
Osteoplastische Stümpfe bei Am-
putationen nach Bier 570. — nach
Mikulicz 573.
Osteotomia femoris 523.
subtrochanterica 524.
— — supracondylica 523.
tibiae 522.
Otitische Hirncomplicationen, Ope-
ration bei 125.
Ozaena, Operationen bei 131.
Pars membranacea urethrae, Frei-
legung 408.
— prostatica urethrae, Freilegung 408.
Periappendicitis purulenta 377.
Pericard, seine Eröffnung 258.
Pericardi ocent esis 257.
Peric ardiotomie 258.
Pericarditis, Operation bei 262.
Perinaeum 406.
Peris trumitis adhaesiva 222.
Peritonealadhäsionen, Laparo-
tomie bei 286.
Peritonitis, Behandlung der 285. —
diffusa 379. — Laparotomie bei 284.
Perityphlitis 377.
Pes varus, Keilexcision 503.
Phalangen, Excision der 532.
Pharyngotomia lateralis 191. —
subhyoidea 186. — mediana 189. —
Nachbehandlung 189.
Pirogoff, seine Amputatio pedis
osteoplastica 583. — Modificationen
584.
Pleurahöhle, Punction der 245. —
ihre Punctionsdrainage nach Bülau
Aufl.
40
626
Register.
245. — ihre Eröffnung durch Rippen-
resection 246.
Pleurotomie 246.
Plexus axillaris 432. — brachialis 234.
Pn eumoplas tik 249.
Potain 'scher Aspirator 245. 401.
Processsus mastoideus, seine Er-
öffnung 122. — mit KoCHER'schem
Ohrmuschelschnitt 123. — Radical-
operation nach Stacke 124. — bei
otitischen Hirncomplicationen 125.
— vermiformis, Resection im Intervall
372. — bei bestehender Entzündung
373. — Abscesse in Folge von Per-
foration 377. — secundäre Radical-
operation desselben 378.
Prolapsus ani et recti 418.
— uteri, ALEXANDER'sche Operation 368.
Prostata 408. — Zugänglichmachung
der 406.
Prosta tectomia totalis 414.
Prostatotomie 414.
Punction des Herzbeutels 257. —
der Blase 401. — des Abdomen 351.
— der Seitenventrikel 104.
Punctions drain age nach Bülau
245-
Pylorektomie 316.
R.
Radical Operationen des Sinus
frontalis 120. — bei Mittelohr eite-
rungen 124.
Radius- Resectionen 539.
Rectopexie bei Prolapsus ani 418. |
Rectum, seine totale Exstirpation4i9-
— coccygeale Methode 424.
Resectionen, Allgemeines 495. —
atypische 496. — subcorticale, sub-
periostale 497. — empfehlenswertheste
Methode 497. — Schnittführung 498.
— Nachbehandlung 499. — an der
unteren Extremität 500. — an der
oberen Extremität 533.
— am Dickdarm 394.
— articulationis acromio - clavicularis
553- 554-
— articulationum digitorum 532.
— articulationis humeri 545. — von
vorne bei Erkrankung des Humerus-
kopfes 545. — von hinten bei Er-
krankung der Pfanne 548.
Resectio articulationis sterno-clavi-
cularis 553.
— claviculae 553. — temporäre zur Aus-
räumung der Fossa supraclavicularis
244.
— coli sigmoidei und pelvini 395.
— costae 246. — mehrerer Rippen 247.
— subperiostale von innen 249.
— coxae 525.
— cubiti 54°-
— vom Darm, Allgemeines 388. —
Darmiiaht 392
— cuneiformis femoris subtrochanterica
524. — tibiae 522.
— des Dünndarmes 389. - Regeln für
dieselbe 390.
— des Oberkiefers 155. — subperiostale
158. — osteoplastische Totalresection
:59- — partielle osteoplastische 160.
— des unteren Unterschenkeldrittels
513-
— des Unterkiefers, Methoden 161. —
subperiostale 162. — osteoplastische
162.
— diaphyseos femoris 525. — humeri
545-
— des Kiefergelenks 163.
— einer Beckenhälfte 530.
— fibulae 513.
— genu 513. — Methoden 514. — mit
lateralem Hakenschnitt 514. — Tech-
nik 517. — Nachbehandlung 520.
— hepatis 347.
— humeri, von vorne 545. — von
hinten 548.
— ileo-coecalis 381.
— manus 533. — mit dorso-radialem
Schnitt 534. — mit dorso-ulnarem
Schnitt 535. — nach Catterina 538.
— Nachbehandlung 539.
— medio-tarsea 502.
— metatorso-tarsea 500.
— patellae 522.
— pedis 507. — Uebersicht der Schnitt-
führung 508. — Nachbehandlung 511.
— phalangum 605.
— pylori 317.
— radii 539.
— recti 428.
— scapulae 554.
— tarso calcanea 507.
— tarsea anterior, posterior 507. —
totalis (Wladimiroff-Mikulicz) 511.
Register.
627
Resectio tibiae 513.
— , grössere Stücke der Thoraxwand
245-
— symphyseos bei Blaseneröffnungen
— ulnae 539.
Respiration, künstliche 31.
Retroösophagealabscesse, Er-
öffnung von aussen her 199.
Retroph arynge alabscesse, Er-
öffnung von aussen her 198.
Retroversio uteri] Operation der-
Retroflexio uteri/ selben 368.
Roux'sche Methode bei Gastroenter-
ostomie 305. Technik 312.
R ücken 262.
Rückenmarkshöhle, Eröffnung
268.
s.
Sacralgegend 416.
Samenblasen, Freilegung 409.
Samenstrang 354.
Sarcoma claviculae 554.
Schädel, Weichtheilsbedeckung 85.
Schädeldefecte, die Deckung
knöcherner 108. — autoplastische
108. — heteroplastische Methode 109.
Schädeleröffnung 91.
Schädelresection, ausgedehnte
100. — osteoplastische 101.
Schenkelhernien, Radicalopera-
tion 366. — mit breiter Basis 368.
S c a p u 1 a , Resection und Totalexcision
554-
Schilddrüsenarterien, Unter-
bindungen 228.
Schleich' sehe Infiltrationsanästhe-
sie 4.
Schnittrichtung 70.
Schultergegend 432.
Schultergelenk, Resection 545.
Secundärnaht 69.
Secundäre Radicaloperation des
Proc. vermiformis 378.
Secundärreposition nach Resec-
tionen 500.
Sehnennaht an Hand und Fingern
461.
Sehnenplastik 461 .
Seitenventrikel, Punction des 104.
Septum narium, Spaltung 131.
Shock bei Laparotomien 285.
Siebbein höhlen, Eröffnung 133.
Sigmoideorektostomie 430.
Sinus frontalis, Eröffnung 118. —
Radicaloperation 120. — longitudi-
nalis, trans versus 107.
Spaltrichtungen der Haut 70.
Spermatocystektomie 409. —
paramediane Methode nach Roux
412.
Splenektomie 277.
Splenopexie 286.
Sterilisation 43.
Struma 205 — Grenzen der Exstir-
pation 206. — Excision mittels queren
Bogenschnitts (Kragenschnitts) 209.
— mittels Winkelschnitts 216. —
Enucleation 218. — Resection 219. —
Enucleationsresection und -Excision
220. — Exenteration 222.
— interthoracica 224.
— reeidiva 226.
— , Excision entzündeter und maligner
Kropfgeschwülste 228. — Narkose bei
Kropfoperationen 229. — Tracheo-
tomie bei Kropfoperationen 200.
Sudeck'sche Methode bei Schädel-
resection 102.
Suprasymphysäre Fascienquer-
schnitte 281.
Syme, Exarticulatio pedis 580.
Symphysenresection bei Blasen-
eröffnungen 400.
T.
Talma'sche Operation 286.
T a 1 u s - Excision 505.
Tarsectomia anterior 500. — nach
Catterina 502.
Tenotomie der Achillessehne bei
Klumpfuss 504.
Th or acocentesis 245.
Thoracoplastik 249.
Thoracotomie 249.
Thorax 236.
Thoraxwand, Chirurgie derselben
245. — Resection grösserer Stücke
der Thoraxwand 249. — nach Schede
249.
Tonsill entumoren -Excision 175.
Tonsillotomie 175.
Trachealkanüle 203.
Tracheotomia superior 199. — in-
ferior 201.
40*
628
Register.
Trachealtamponade 168.
Tracheotomie bei Laryngotomie
202. — bei Kropfoperationen 200.
Transfusion 32. 34.
Transplantation von Mesocolon
bei Gastroplastik 337. — von Netz
bei Gastroplastik 337.
Trepanation 91. — explorative 104.
— des Sinus longitudinalis 110. —
des Sinus trans versus 110. — des
Sinus frontalis 118. — bei intracra-
nieller Blutung 113. — zur Freilegung
der Art. meningea media und ihrer
Hämatome 115. — des Processus
mastoideus 122. — bei Hirnabscessen
126.
Tropacocain 11.
Truncus tibio-peronealis 485.
Tuberculum Lisfrancii 234.
T u f f i e r ' scher Sectionsschnitt der
Niere 272.
Tumoren der Clavicula 554.
Tunica vaginalis, Excision 357.
U.
Ulna, ihre Resectionen 539.
Unterschenkel, Rück- und Innen-
fläche 485. — Vorder- und Aussen-
fläche 481. — Resection des unteren
Drittels 513. — osteoplastische Ampu-
tation nach Bier 584. — nach Bunge
585.
Unterkiefer, Resection 121. — des
aufsteigenden Astes 163. — Trennung
vor dem aufsteigenden Ast 163.
Ureter 467, ihre Chirurgie 401.
Ureterenkatheterismus 275.
Uretero-Cysto-Neostomie 401.
— Technik 402.
Ureteropla stik403. — Implantation
in den Darm 404.
Ureter ektomie 276.
Ureterotomia anterior 276.
— posterior 277.
— inferior 277.
Uretero-Trigono-sigmoideo-
stomie 403.
Urethra, Freilegung der Pars mem-
branacea und prostatica 408.
Urethrotomia externa, Indicationen
407.
— interna 407.
Uterus 368.
V.
Varicor. ele 356.
Vasa d^erentia, Freilegung 408. 409.
— spermatica interna 467.
Vasectomia totalis 412. 413.
Vena jugularis communis und interna,
Unterbindung 184. — saphena major,
Ligirung nach Trendelenburg und
Casati 472.
Vorderarm, Volarfläche 446. — In-
cisionen an 446. — Dorsalfiäche 453.
— Amputation 607.
W.
Wangenschnitt, querer 164.
Weichtheilsbedeckung des Schä-
dels 85.
Whiteh ead'sche Excisionsmethode
bei Hämorrhoiden 417.
Wiederbelebung durch künstliche
Athmung 31. — durch Transfusion
34. — durch Herzmassage 35. 36.
Witzel'sche Methode der Gastro-
stomie 224.
Wundbehandlung 40. — offene
66. — durch Excision einer Wunde
67. — zusammenfassend 69.
Wunde inficirte 64. — infectionsver-
dächtige 59.
Z.
Zehen, Abtragung mit und ohne
Metatarsalknochen 573. — Exarticu-
lation sämmtlicher 573. — Excision
der Phalangen 500.
Zunge, Incisionen 167. — Excisionen
167. — bei gleichzeitiger Kiefer-
erkrankung 172. — Excisio carcinom.
linguae 174.
Zungenbein, mediane Spaltung 205.
Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 2192
Mw
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