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Full text of "Der Feldzug der Division Lecourbe im Schweizerischen Hochgebirge 1799"

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B67-5731    !***<*"**** 


Der 


Feldzug  der  Division  Lecourbe 


im 


Schweizerischen  Hochgebirge 


179» 


Von 

Reinhold  Günther 

Dr.  phil. 

Oberlieutenant  im  Füsilierbataillon  17 


Mit  einem  ersten  Preise  bedacht  von  der  Schweizerischen  Offiziers-Gesellschaft 

zu  Basel  am  1.  Juli  1895  und  mit  Unterstützung  derselben 

zum  Druck  befördert 


Mit   einer  Uebersichtskarte   des   Gotthardgebietes   und   vier   Skizzen 


FRAUENFELD 

Verlag  von  J.  Huber 

1896 


Huber  &  Co.  Buchdruckerei  in  Frauenfeld 


Inhaltsverzeichnis. 


Vorwort    ........ 

Seite 

1 

Einleitung 

13 

I.  Die  ersten  Kämpfe  in  Graubünden  . 

28 

II.  Die  Aufstände   ...... 

75 

III.  Der  Verlust  des  Gotthard 

85 

IV.  Die  Ereignisse  während  der  Waffenruhe 

100 

V.  Die  Wiedereroberung  des  Gotthard 

109 

VI.  Suworoff 

127 

Anmerkungen  ....... 

181 

Vorwort. 


Die  Kriegsereignisse  des  Jahres  1799  bergen  eine  Fülle  von 
Thatsachen,  welche  zu  weitgehenden  taktischen  Studien  und  histor- 
ischen Forschungen  anregen.  Der  Schweizer  Wehrmann  vornehmlich 
wird  dem  Schicksalsjahre,  in  dem  sein  Vaterland  als  der  Kampfplatz 
fremder  Heere  erscheint,  stets  die  größte  Aufmerksamkeit  schenken. 
Ursachen  und  Wirkungen  schildern  sich  selten  so  deutlich  wie  in 
jener  Periode,  die  wohl  die  trübste  der  hehren  vaterländischen  Ge- 
schichte genannt  werden  darf. 

In  politischer  Hinsicht  erscheint  ein  junges  Staatsgebilde,  das 
bei  aller  äußeren  Vortrefflichkeit  seiner  Verfassung  doch,  von  dem 
ersten  Augenblicke  des  Entstehens  an  gerechnet,  den  Keim  früh- 
zeitigen Unterganges  in  sich  trägt.  Es  fehlt  ihm  die  vorzüglichste 
Grundlage  nationalen  Lebens,  das  freie  Selbstbestimmungsrecht. 
Ohnmächtig  nach  außen  wie  nach  innen,  mußte  der  helvetische 
Einheitsstaat  einem  selbstsüchtigen  Bundesgenossen,  der  vor  keinem 
Gewaltmittel  zurückscheute,  geradezu  Sklavendienste  leisten. 

Die  reichsten  und  bis  dahin  durch  einen  vortrefflichen  Land- 
wirtschaftsbetrieb sowohl  wie  durch  Handel  und  Gewerbe  aller 
Art  an  glücklich  geordnete  Verhältnisse  gewöhnten  Gegenden 
bildeten  den  Tummelplatz  der  Koalitionsheere  und  ihrer  Gegner. 
Ja  selbst  in  dem  unwirtlichen  Hochgebirge,  in  welchem  die  Ver- 
bindungen nur  aus  schlechten  Saumpfaden  und  den  kaum  für 
einzelne  Fußgänger  tauglichen  Steigen  bestanden,  tobten  die  er- 
bittertsten Kämpfe. 

Indes  die  große  Taktik  auf  den  Feldern  der  Hochebene 
halbe  und  ganze  Erfolge  errang,  feierte  in  den  Alpen  eine  Art 
Detachementskrieg  die  höchsten  Triumphe. 

Günther,  Feldzug  1799.  1 


Die  Bedeutung  des  Besitzes  der  Hochgebirge  —  ursprünglich 
von  beiden  Teilen  falsch  aufgefaßt  und  erst  im  Laufe  des  Feld- 
zuges, wenigstens  von  der  französischen  Heerführung,  einigermaßen 
auf  den  richtigen  Wert  zurückgeführt  —  tritt  uns  Epigonen  in 
klarer,  von  idealen  Auffassungen  nicht  getrübter  Form  entgegen. 

Der  Soldat  erkennt  in  diesen  Operationen  den  Wert  einer 
energischen  Oberführung,  welche  alle  Schwierigkeiten  zu  über- 
winden weiß.  Dazu  verfügt  keine  der  sich  bekriegenden  Mächte 
über  Truppen,  die  besonders  zum  Feldzuge  im  Hochgebirge  aus- 
gebildet erscheinen.  Dennoch  wissen  sich  Führer  wie  Untergebene 
in  oft  geradezu  genialer  Weise  den  Verhältnissen  anzupassen. 

Das  wirkliche  Ergebnis  aller  Operationen  aber  mag  nicht 
befriedigen,  sobald  sie  in  ihrer  Gesamtheit  erfaßt  werden.  Die 
Erklärung  hierfür  ist  in  der  Thatsache  zu  erkennen,  daß  die 
endgültige  Entscheidung  über  den  Besitz  der  Schweizer  Hochebene 
nicht  im  Alpengebiete  unseres  Landes  zu  suchen  ist. 

Im  Hinblick  auf  die  Zahlen,  mit  welchen  die  heutige  Zeit  zu 
rechnen  gewohnt  ist,  sind  es  nicht  gerade  große  Massen,  die  sich 
im  Laufe  des  Jahres  1799.  im  Hochgebirge  gegenüberstehen.  Da- 
bei bleibt  die  Frage  zu  erläutern,  ob  nicht  das  Heer,  welches 
dem  Befehle  des  russischen  Feldherrn  unterstand,  schon  viel  zu 
groß  für  die  Bewegungen  im  Alpengebiete  erscheint. 

Freilich,  die  Koalition  rechnete  nicht  darauf,  daß  Suworoff 
einen  eigentlichen  Gebirgskrieg  zu  führen  haben  werde.  Er  selbst 
glaubte  durch  die  Masse  und  ihren  Impuls  jeden  Widerstand 
brechen  zu  können.  Nur  ein  mit  den  thatsächlichen  Verhältnissen 
völlig  Unvertrauter  mochte  den  Plan  fassen,  die  bei  Zürich  fallende 
Entscheidung  durch  eine  die  Alpen  überschreitende  Armee  beein- 
flussen zu  wollen.  Das  „ Warum"  des  verzweifelten  Gewaltmarsches 
der  Russen  durch  die  Schweiz  liefert  ein  die  Geschichte  der 
militärischen  Reibungen  mit  politischem  Hintergrunde  scharf  be- 
leuchtendes Beispiel. 

Die  Ergründung  dieser  Frage  interessiert  wohl  mehr  den 
Geschichtsforscher  im  Soldaten  als  diesen  selbst.  Aber  es  ist 
nicht  möglich,  die  strenge  historische  Ergründung  aller  Ursachen 
von  den  Ergebnissen  auf  dem  Gebiete  der  Taktik  und  der  Strategie 
zu  trennen.  Dieser  Satz  ist  jedoch  keineswegs  in  dem  Sinne  aufzu- 
fassen, daß  die  oberflächliche  Betrachtung  der  geschichtlichen  That- 
sachen  allein  genügen  könnte,  jeden  Fehler,  jeden  Vorteil  zu  erfassen. 
Die  Erkenntnis  der  Gründe  muß  sich  vielmehr  bis  auf  die  geringsten 


3 

Einzelheiten,  auf  die  Intimitäten  des  militärischen  Lebens  erstrecken, 
ohne  doch  bei  einer  derartigen  Detaillierung  in  eigentliche  Pedan- 
terie auszuarten. 

Eine  gewissenhafte  Erforschung  aller  die  Handlungen  be- 
gleitenden Umstände  wird  besonders  dort  am  Platze  sein,  wo  es 
sich  um  ein  von  vielen  Köpfen  geleitetes  Heer  handelt,  in  einem 
Lager  also,  das  stets  nur  „  Kriegsräte "  kennt,  in  welchem  die 
Schlachten  zuerst  theoretisch  und  dann  —  unpraktisch  entschieden 
werden.  Tritt  zu  den  Figuren  eines  politisierenden  und  dem- 
entsprechend auch  intriguierenden  Generalstabes  noch  die  Gestalt 
eines  anscheinend  unbeugsamen  Mannes,  der  schließlich  jeder  ge- 
schickten Einflüsterung  Raum  gibt,  so  sind  größere  militärische 
Operationen  von  vorne  herein  als  Mißerfolge  aufzufassen.  Nur  ein 
nationales,  einheitlich  durchgebildetes  Heer,  das  von  einem  durch 
keinerlei  Rücksichten  politischer,  oder  persönlicher  Art  gefesselten 
Führer  befehligt  wird,  kann  dauernde  Erfolge  erringen.  Ueber  den 
ehrenvollen  Frieden  mag  der  Staatsmann,  der  Diplomat  unter- 
handeln, der  General  bleibe  allein  Oberfeldherr  im  Kriege! 

Die  französischen  Heerführer  jener  Tage  waren  keineswegs 
vollkommen  unabhängig  von  Einflüssen,  die  hinter  der  Front,  in 
den  Schreibstuben  des  Kriegsministeriums  zu  Paris  sich  abspielten. 
—  Der  selbständigste  unter  ihnen  ist  jedenfalls  Claude-Jacques 
Lecourbe  gewesen.  Er  durfte  es  auch  sein,  denn  seine  kriegerische 
Thätigkeit  hielt  ihn  weit  genug  von  den  Unterströmungen  ent- 
fernt, die  nicht  einmal  Massena  ganz  unberührt  ließen. 

Claude- Jacques  Lecourbe  wurde  am  23.  Februar  1759  zu  Ruffey 
bei  Lons-le-Saunier  im  heutigen  Departement   du  Jura   geboren.1 

Sein  Vater,  ein  ehemaliger  Infanterie-Offizier  und  Ludwigs- 
ritter, zählte  sich  zu  dem  alten  Adel  der  Franche-Comte.  Er  mag 
seinen  Sohn  wohl  zur  Laufbahn  eines  Richters  oder  Beamten  be- 
stimmt haben;  mehrere  Glieder  der  Familie  hatten  sich  in  diesen 
Stellen  ausgezeichnet.  Jedenfalls  erhielt  Lecourbe  die  hierzu  nötige 
Vorbildung  auf  dem  Colleg  von  Poligny  und  dem  von  Lons-le- 
Saunier. 

Im  Jahre  1777  trat  er  als  Füsilier  in  das  85.  Infanterie- 
Regiment,  das  damals  den  Namen  d'Aquitaine  führte. 

Er  nahm  an  der  Belagerung  von  Gibraltar  teil  (1779 — 82) 
und  wohnte  auch  der  Einnahme  von  Minorca  bei.  Als  nach  acht- 
jähriger Dienstzeit  im  Jahre  1785  der  junge  Mann  den  Abschied 
erhielt,  verfügte  er  nur  über  die  Schnüre  eines  Korporals. 


Am  7.  August  1791  ward  Lecourbe  von  seinen  Kameraden 
zum  Hauptmann  der  achten  Compagnie  des  siebenten  Bataillons, 
am  24.  November  desselben  Jahres  aber  schon  zum  Bataillons- 
Chef  gewählt.2 

Damit  trat  er  unter  die  Befehle  des  Generals  Houchard, 
welchem  der  Auftrag  geworden,  den  Engländern  bei  Dünkirchen 
entgegen  zu  treten.  Am  8.  September  1798  kam  es  bei  dem 
Dorfe  Hondschoten  zum  Schlagen.  Hier  stand  der  Herzog  von 
York  mit  vierzigtausend  Mann,  zumeist  Schotten  und  Hannoveraner. 
Da  Lecourbes  Bataillon  wohl  nicht  für  allzu  zuverlässig  gehalten 
ward,  blieb  es  für  den  ersten  Teil  der  Schlacht  in  einer  Reserve- 
stellung. Immerhin  fand  Lecourbe  Gelegenheit  sich  auszuzeichnen, 
indem  er  zwei  Schwadronen  hannoverscher  Reiter  sprengte  und 
einen  guten  Teil  von  ihnen  gefangen  nahm.  Weitere  Aus- 
zeichnungen wurden  auf  dem  Rückzuge  von  Menin  (15.  Sept.) 
gegen  den  kaiserlichen  General  Beaulieu  und  vornehmlich  bei 
Wattignies  (16.  Okt.)  gewonnen.  Dort,  beim  Sturm  auf  das  vom 
Prinzen  Koburg  besetzte  Plateau  war  es,  daß  ein  Augenzeuge 
der  glänzenden  That,  Moreau,  damals  schon  Divisionär,  ausrief: 
,,  Lecourbe  ira  loin!" 

In  das  Jahr  1794  fällt  eine  Anklage,  die  von  Kameraden 
gegen  Lecourbe  gerichtet  ward  und  die  ihn  antirepublikanischer 
Ansichten  beschuldigte.  Die  Verhandlung  vor  dem  Revolutions- 
Gerichtshof  zu  Nantes  (13.  IV.  1794)  ergab  jedoch  seine  völlige 
Freisprechung,  und  am  12.  Juni  des  nämlichen  Jahres  erhielt  er 
den  Grad  eines  General  de  brigade  provisoire.  Er  befehligte  nun 
in  der  Rhein-Mosel- Armee  eine  Reiter-Brigade  und  zeichnete  sich 
bei  Sprimont  und  Esneux  aus.  Nachdem  er  1795  an  der  Belagerung 
von  Luxemburg  teil  genommen,  erhielt  er  durch  Moreau  im  August 
1796  eine  Division.  Schon  damals,  besonders  aber  infolge  seiner 
rühmlichen  Tbätigkeit  in  dem  belagerten  Kehl,  wurde  sein  Name 
in  weiteren  Kreisen  bekannt. 

Am  5.  Februar  1799  zum  Divisions-General  befördert,  über- 
nahm er  den  Befehl  jener  Truppe,  deren  Schicksale  die  vorliegende 
Arbeit  schildert.  Bekannt  ist  seine  große  Thätigkeit  im  Feldzuge 
von  1800,  den  er  als  Lieutenant  -general  in  der  Rhein -Donau- 
Armee  unter  Moreau  mitmachte. 

Infolge  seiner  Parteinahme  für  diesen,  ihm  nahestehenden 
Freund,  fiel  er  im  Herbste  1804  beim  Kaiser  in  Ungnade;  zu- 
nächst in  RufFey   lebend,    mußte   er  1818   einen  Zwangswohnsitz 


in  Bourges  aufschlagen.  Die  Restauration  gewährte  ihm  das  große 
Band  der  Ehrenlegion  und  ernannte  ihn  zum  General-Inspektor 
der  Infanterie  der  6.  Militär-Division. 

Während  der  hundert  Tage  diente  er  dem  Kaiser  als  Komman- 
dant des  bei  Beifort  gegen  die  Oestreicher  aufgestellten  Corps. 
Die  Folge  war,  daß  er  am  31.  August  1815  in  den  Ruhestand 
versetzt  ward.  Eine  weitere  Maßregelung  unterblieb  jedoch,  da 
der  Tod  den  General  bereits  am  23.  Oktober  1815  zu  Beifort 
überraschte. 

Dieser  kurze  Blick  auf  das  Leben  von  Claude-Jacques  Lecourbe 
mag  eine  Vervollständigung  erfahren,  welche  die  Gerechtigkeit  des 
Geschichtsschreibers  erfordert.  Es  gilt,  das  Andenken  des  Generals 
auch  in  rein  moralischer  Hinsicht  von  der  Beschuldigung  zu 
reinigen,  einer  jener  Räuber  gewesen  zu  sein,  wie  sie  leider  nur 
zu  oft  das  französische  Wehrkleid  mißbrauchten. 

Zunächst  sei  darauf  verwiesen,  daß  Lecourbe  sehr  viel  für 
die  Armen  that.  Hierüber  liegen  Zeugnisse  vor.3  Daß  Dr.  Lusser 
schlecht  von  dem  General  spricht,  erklärt  sich  wohl  zum  guten 
Teile  aus  seiner  unverhohlenen,  öfters  hervorklingenden  Abneigung 
gegen  die  Franzosen  und  den  Einheitsstaat.  Uebrigens  erzählt 
er  auch  an  anderen  Stellen  seines  Werkes,  daß  die  Kaiserlichen 
und  die  Russen  eigentlich  noch  viel  schlimmer  hausten  als  die 
Franzosen.4  Das  üppige  Leben,  von  dem  Lusser  berichtet,  gehörte 
sonst  nicht  zu  den  Gewohnheiten  des  Generals.  Ganz  abgesehen 
davon,  daß  es  von  Menschlichkeit  zeugte,  wenn  Lecourbe  die 
„Leckerbissen"  für  seine  Tafel  aus  Luzern  bezog,  anstatt  sie  von 
seinen  Quartiergebern  in  Altdorf  zu  fordern,  war  die  Auswahl  an 
feinen  materiellen  Genüssen,  welche  Luzern  damals  zu  bieten  ver- 
mochte, jedenfalls  nicht  groß.  Den  Tagesbefehl  anbetreffend,  den 
Lecourbe  auf  Drängen  Zschokkes,  des  damaligen  Regierungs- 
Statthalters  für  den  Kanton  Waldstätten,  erlassen  haben  soll, 
mag  auf  die  aus  Schwyz  im  Dezember  1798  und  Januar  1799 
datierten  Briefe  und  Anordnungen  des  Generals  verwiesen  werden.5 
Sie  beweisen  deutlich,  daß  es  Lecourbe  wohl  ernst  war,  die 
Mannszucht  aufrecht  zu  erhalten.  Daß  er  dabei  selbst  hoch- 
gestellte Kameraden  angriff,  wenn  sie  ihre  Autorität  nicht  ge- 
nügend zu  wahren  wußten,  zeigt  der  im  April  im  Engadin  sich 
abspielende  Vorfall  mit  dem  General  Dessolles.6  In  Zürich  wird 
noch  heute  eines  Geschehnisses  Erwähnung  gethan,  das  Lecourbe 
als   energischen    Unterdrücker   einer   beginnenden  Meuterei   zeigt. 


6 

Es  mag  auch  nicht  vergessen  werden,  daß  die  Bevölkerung  in 
den  kleinen  Kantonen  sich  zunächst  fast  ausnahmslos  feindselig 
gegen  die  Franzosen  zeigte.  So  schreibt  Lecourbe  selbst  zu  ver- 
schiedenen Malen  von  Mißhandlungen,  welchen  einzelne  Soldaten 
ausgesetzt  waren.7  Daß  unter  solchen  Umständen  die  Reibungen 
beiderseits  zu  Ausschreitungen  führten,  darf  nicht  auf  die  Rechnung 
des  Generals  gesetzt  werden.  Die  ebenfalls  als  „Befreier"  auf- 
tretenden Verbündeten  führten  schließlich  ein  ganz  ähnliches 
Regiment,  das  von  den  Bewohnern  des  Reußthales  sogar  noch 
härter  als  jenes  der  Franzosen  empfunden  wurde.8 

Massena  selbst  sah  die  Lage  für  ernst  genug  an,  um  zu 
wiederholten  Malen  drohende  Warnungen  den  Militärbehörden 
auszusprechen. 

Selbst  die  Bildung,  die  Kennerschaft  des  Generals  bezüglich 
alter  Druckwerke,  von  Gegenständen  der  Kunst  und  des  Kunst- 
gewerbes, sind  zu  Anklagen  gegen  ihn  ausgenützt  worden.  Die 
offiziellen  Akten  weisen  aber  nirgends  Klagen  auf,  als  habe 
Lecourbe  die  Bibliothek  des  Schlosses  zu  Ruffey  in  unrecht- 
mäßiger Weise  vergrößert.  Dagegen  ist  ein  bezügliches  Schreiben 
eines  Barons  Karl  Ehrenbert  von  Roz  aufbewahrt  geblieben,  das 
geradezu  das  Gegenteil  der  wider  den  General  so  freigebig  er- 
hobenen Anschuldigungen  beweist.9 

Genug,  ein  Mann,  der  solche  Uneigennützigkeit  bewies  wie 
Lecourbe  gegenüber  seinem  schwer  beschuldigten  Freunde  Moreau 
—  ein  Mann,  welcher  selbstlos  niemals  seinen  eigenen  Vorteil, 
sondern  einzig  den  Ruhm  und  die  Größe  des  Vaterlandes  im 
Auge  hatte,  der  unbestochen  durch  den  Glanz  der  aufsteigenden 
Kaisersonne  den  republikanischen  Grundsätzen  treu  blieb  —  ein 
Lecourbe  konnte  kein  gemeiner  Dieb  sein  und  niemals  auf  der 
Stufe  der  Massena  und  Vandamme  stehen. 

Unter  den  Gegnern  Lecourbes  im  Jahre  1799  nimmt  nur 
eine  Persönlichkeit  das  Interesse  des  Historikers  in  höherem  Maß- 
stabe in  Anspruch:  Graf  Alexander  Wassilje witsch  Snworoff 
Rimiiikski.  Er  hat  mehrfach  Biographen  gefunden  und  sein  Leben 
ist  aus  diesem  Grunde  auch  weit  bekannter  geworden,  als  das  von 
Lecourbe.1"  Nichtsdestoweniger  sollen  hier  der  Vollständigkeit 
halber  die  Haupt-Daten  der  Laufbahn  des  russischen  Feldmar- 
schalls aufgeführt  werden. 

Geboren  zu  Moskau  am  13.  November  1729  als  der  Sohn 
des  späteren  Ingenieur-Generals  Wassilij  Iwanowitsch  S.  (1699  bis 


1786)  und  aus  einer  ursprünglich  schwedischen  Familie,  ward  er 
vom  Vater  keineswegs  zum  Militärdienste  bestimmt.  Er  empfing 
vielmehr  eine  sorgfältig  durchgeführte  und  für  jene  Zeit  umfang- 
reiche Bildung,  die  ihn  wohl  für  die  höchsten  Stellen  in  der 
Civil- Verwaltung  geeignet  hätte  erscheinen  lassen.  Immerhin 
trat  er  mit  dem  siebenzehnten  Lebensjahre  in  das  Semenoffsche 
Infanterie-Regiment  ein  und  1754  wurde  er  als  Lieutenant  breve- 
tiert.  Das  fernere  Aufsteigen  ging  rasch  vorwärts.  1759  am 
1.  August  kämpfte  er  schon  mit  dem  Grade  eines  Oberstlieutenants 
unter  Soltikoff  in  der  für  Preußen  so  unglücklichen  Schlacht  von 
Kunnersdorf.  Das  folgende  Jahr  nahm  er  an  der  Totlebenschen 
Expedition  gegen  Berlin  teil,  um  dann  für  einige  Zeit  zur  leichten 
Kavallerie  überzutreten.  Seit  1762  Oberst,  erhielt  er  den  Befehl 
über  das  zu  Neu-Ladoga  stehende  Susdalsche  Infanterie-Regiment. 
Hier  scheinen  zuerst  die  Wunderlichkeiten  in  seiner  Lebens- 
führung hervorgetreten  zu  sein,  welche  ihn  nachmals  nicht  selten 
als  geistig  gestört  erscheinen  ließen.  Im  Winter  von  1768  auf 
1769  nach  Polen  gesendet,  besetzte  er  Warschau  und  unterwarf 
Lithauen.  Katharina  IL,  welche  Zeit  ihres  Lebens  seine  Gönnerin 
blieb,  ernannte  ihn  dafür  am  Neujahrstage  1770  zum  General- 
major. In  dem  kleinen  Kriege  in  Polen,  den  er  noch  bis  1772 
gegen  die  Konföderierten  zu  führen  hatte,  soll  er  viel  Mensch- 
lichkeit gezeigt  haben.  Seit  1773  beteiligte  sich  Suworoff  an  dem 
Feldzuge  gegen  die  Türken.  Wider  den  ausdrücklichen  Befehl 
des  Ober-Generals  Rumjanzoff  eroberte  er  die  kleine  Festung 
Turtukai.  Im  Jahre  1774  wurde  er  zum  Generallieutenant  befördert. 

Am  10.  August  1787  übernahm  er,  zu  Beginn  des  neuer- 
dings von  Rußland  unternommenen  Türken-Krieges,  in  Cherson 
den  Befehl  eines  Corps  von  dreißigtausend  Mann.  Doch  schon 
nach  wenigen  Monaten  zog  er  sich  die  Ungnade  des  allmächtigen 
Tauriers  zu.  So  erhielt  er,  der  unterdessen  schwer  verwundet 
worden,  im  Herbste  1788  seine  Entlassung. 

Das  folgende  Jahr  bereits  brachte  ihm  die  vollkommene 
Rechtfertigung.  Er  erhielt  wieder  den  Befehl  über  ein  Corps. 
Bei  Rimnik  siegte  er  am  11.  September  1789,  unterstützt  von  den 
vom  Prinzen  Koburg  befehligten  Oestreichern,  in  entscheidender 
Weise  über  den  Vezier.  Noch  wichtiger  erschien  der  Sturm, 
welchen  die  Russen  unter  seiner  Führung  auf  die  starke  Türken- 
Festung  Ismail  am  3.  Dezember  1790  unternahmen.  Katharina 
betraute   dann    1793   Suworoff  mit   dem   Oberbefehl   über   die   in 


Podolien  stehenden  Truppen.  Dieser  erkannte  sogleich,  daß  nur 
die  Einnahme  von  Warschau  den  Krieg  bald  beenden  werde. 
Am  24.  Oktober  1794  erstürmte  er  mit  zweiundzwanzigtausend 
Mann  die  Weichsel-Vorstadt  von  Warschau,  den  Brückenkopf 
Praga.  Fünf  Tage  darauf  zog  Suworoff  in  die  besiegte  Haupt- 
stadt selbst  ein. 

Der  neue  Selbstherrscher  aller  Reussen,  Paul  L,  war  eifrig 
bemüht,  sogleich  nach  seiner  Thronbesteigung  jede  Erinnerung 
an  die  Regierung  seiner  Mutter  zu  beseitigen.  Die  Wunderlich- 
keiten Suworoifs  und  ein  gewisser  starrer  Trotz,  mit  welchem 
sich  dieser  den  Anordnungen  des  Zaren  widersetzte,  gaben  den 
Grund  für  seine  Verabschiedung,  welche  einer  vollkommenen  Un- 
gnade gleich  kam.  Aus  Moskau,  wo  er  bei  seinem  Schwieger- 
sohne Zuflucht  gefunden,  vertrieb  ihn  der  strenge  Befehl,  seinen 
künftigen  Wohnsitz  unter  polizeilicher  Aufsicht  (!)  im  weltent- 
legenen Dorfe  Kochanskoje  (Nowgorodsches  Gouvernement)  zu 
nehmen.  Hier  brachte  er  die  Jahre  1797  und  1798  in  stiller 
Vergessenheit  bei  den  mannigfachsten  Geschäften  zu.  Der  Zar 
schien  sich  des  alten  Kriegsmannes  nicht  mehr  erinnern  zu  wollen. 

Im  Februar  1799  wurde  Suworoff  wieder  nach  Petersburg 
berufen.11  Für  den  beginnenden  Feldzug  erhielt  er  völlige  Macht- 
vollkommenheit vom  Zaren.  Alle  Welt,  die  Wiener  Burg  nicht 
zum  wenigsten,  betrachtete  ihn  damals  als  den  einzigen  Retter 
vor  den  heranrollenden  Wogen  der  Revolution.  Am  15.  März  in 
Wien  eingetroffen,  wurde  Suworoff  sogleich  zum  kaiserlichen 
Feldmarschall  ernannt;  zwei  Wochen  später  trat  er  an  die  Spitze 
der  nach  Italien  entsendeten  russischen  Truppen.  Der  Marsch 
durch  die  Lombardei  glich  einem  Triumphzuge.  Am  29.  April 
schon  zog  er  in  Mailand  ein.  Zugleich  begann  aber  jenes  Intriguen- 
spiel  des  kaiserlichen  Hofkriegsrates,  dessen  Opfer  Suworoff 
schließlich  in  dem  von  vorne  herein  aussichtslosen  Alpenfeldzuge 
werden  sollte. 

Am  17.,  18.  und  19.  Juni  besiegte  der  Feldmarschall  den 
General  Macdonald  in  der  blutigen  Schlacht  an  der  Trebbia. 
Schon  am  15.  August  errang  er  neue,  den  Feldzug  entscheidende 
Erfolge  über  Joubert,  der  an  diesem  Tage  bei  Novi  fiel.  Einen 
Monat  später  trat  Suworoff  den  verhängnisvollen  Marsch  in  die 
Schweiz  an,  mit  den  Worten:  „Wehe  denen,  die  es  mir  gebieten!  — 
Diese  Bösgesinnten  werden  es  zu  spät  bereuen !  Denn  ich  habe 
zwar  die  Franzosen  geschlagen,  doch  nicht  vernichtet."   — 


9 

Unter  keinen  Umständen  trägt  Suworoff  die  Schuld  an  dem 
tollkühnen  Wagestücke  des  Marsches  durch  die  Alpen.  Er  mußte 
vielmehr  dem  ganz  bestimmten  Befehle  Pauls  nachgeben,  der 
völlig  für  diesen  Plan  des  vom  Minister  Thugut  geleiteten  Hof- 
kriegsrates gewonnen  worden  war.12 

Die  Kränkung  über  seine  Niederlagen,  vielleicht  auch  die 
Nachwirkung  der  Strapazen,  welche  der  siebenzigjährige  Greis 
ausgehalten,  verschlimmerten  seine  nun  plötzlich  fühlbar  werden- 
den Leiden.  Bereits  völlig  gebrochen,  betrat  er  wieder  den  Boden 
Rußlands.  Sterbend  erreichte  er  Petersburg,  und  hier  erlag  er 
nach  hartem  Kampfe  dem  Tode  um  die  Mittagsstunde  des  6.  Mai 
1800,  dem  Tage  der  Abreise  des  ersten  Konsuls  zur  Reserve- 
Armee  nach  Dijon,  die  auf  der  Ebene  von  Marengo  alle  Errungen- 
schaften Suworoffs  in  Italien  wieder  vernichten  sollte. 


Die  Quellen,  welche  für  die  Bearbeitung  des  Gebirgs-Krieges 
von  1799  benützt  werden  können,  sind  ihrem  weitaus  größten 
Teile  nach  bereits  gedruckt  worden. 

Es  war  dem  Verfasser  aber  möglich,  einige  ungedruckte  Akten 
zur  Bearbeitung  dieser  Aufgabe  heranziehen  zu  können. 

Hierher  gehören  vornehmlich: 

Schriftstücke  (Schreiben,  Befehle  u.  s  w.),  welche  dem  Archive 
der  Familie  Lecourbe  entstammen.  Ferner  das  im  Archive  des 
französischen  Kriegs-Ministeriums  aufbewahrte  Bulletin  Historique 
Decadaire.  Campagne  du  general  de  division  Lecourbe.  7eme  Annee 
de  la  Republique  une  et  indivisible.  Es  erklärt  sich  von  selbst, 
wenn  gerade  diesem  amtlichen  Aktenstücke  bei  der  Erzählung 
der  Thatsachen  eine  hervorragende  Stellung  eingeräumt  wurde. 

Folgende  gedruckte  Werke  erscheinen  weniger  als  prag- 
matische Darstellungen  des  Feldzugs,  denn  als  eigentliche  Samm- 
lungen und  Bearbeitungen  von  Aktenstücken  und  Notizen. 

1.  Bousson  de  Mairet,  E.,  Eloge  historique  du  Lieutenant- 
General  Comte  Lecourbe,  etc.  Paris,  1854.  Die  Pieces  Justifica- 
tives  enthalten  viel  Brauchbares,  meist  die  Berichterstattungen 
des  Generals  an  Massena. 

2.  Memoires  de  Massena,  rediges  d'apres  les  documents  etc. 
par  le  general  Koch.    Tome  III.  Paris,  1848. 


10 


3.  Soult,  duc  de  Dalmatie,  Memoires,  publies  par  son  fils. 
Tome  IL  Paris,  1854. 

4.  Memoires  de  Roverea.  Edit.  Tavel.  Tome  IL  Berne,  etc.  1848. 

5.  Politisch-Militärische  Geschichte  des  merkwürdigen  Feld- 
zugs vom  Jahr  1799  von  Frh.  F.  E.  Seida  und  Landenberg.  Ulm, 
1801.  Darum  bemerkenswert,  weil  es  die  zeitgenössischen  Berichte 
der  Amtstellen  und  der  Tagesblätter  verarbeitet. 

6.  Geschichte  des  Feldzuges  von  1799  in  Deutschland  und 
der  Schweiz.    Wien,  1819.    Verfasser:  EHZ.  Karl. 

7.  Oestreichische  Militärische  Zeitschrift.  Wien  1812.  Enthält : 
St(utterheim,  FML.),  Geschichte  des  Feldzugs  der  k.  k.  Armee 
in  Italien  im  Jahre  1799.  Gibt  manche  Einzelheiten  für  den  Zug 
von  Suworoff. 

8.  Miliutin,  Geschichte  des  Krieges  u.  s.  w.  im  Jahre  1799. 
Uebersetzt  von  Chr.  Schmitt.  München,  1857.  Ganz  unentbehrlich 
wegen  der  darin  enthaltenen  amtlichen  Aktenstücke  aller  Art. 

9.  D'Izarny-Gargas,  Deux  campagnes  ä  Tarmee  d'Helvetie, 
1798 — 1799.  Paris,  1890.  Eine  chauvinistische  Ueberarbeitung 
des  Feldtagebuches  der  38.  Halbbrigade. 

Als  Hülfswerke  wurden  selbstverständlich  benützt:  Jomini 
(Histoire  critique  etc.),  Clausewitz  (Geschichte  u.  s.  w.),  wie  anderes 
mehr.  Das  benötigte  Material  und  die  Kartenblätter  der  Dufour- 
Karte  und  des  Siegfried-Atlas  sind  im  Texte  und  den  Anmerkungen 
jeweilen  erwähnt. 

Um  die  nötige  Uebersicht  zu  gewähren,  ohne  große  Blätter 
entfalten  zu  müssen,  wurden  die  Kärtlein  und  Skizzen  beigelegt.* 
Die  Ermittelung  der  Einzelheiten  in  den  Geschehnissen  an  der 
Hand  der  verschiedenen  Schilderungen  und  Berichte  ward  nicht 
selten,  und  besonders  im  VI.  Abschnitte  (Suworoff),  kritisch  be- 
leuchtet. 

Hierzu  wurden  besonders  die  ungedruckten  Materialien  heran- 
gezogen. 


*  In  der  russischen  Ursprungsausgabe  des  Werkes  von  Miliutin  soll  eine 
von  einem  Augenzeugen  verfertigte  Ansicht  des  Gefechtes  an  der  Teufelsbrücke 
(25.  September)  beigelegt  sein.  Der  Verfasser  hätte  auch  hiervon  gerne  eine 
Kopie  der  Arbeit  beigelegt,  doch  vermochte  er  nirgends  das  Blatt  zu  erhalten. 
Selbst  die  russische  Gesandtschaft  in  Bern  besitzt  nicht  einmal  das  Werk  von 
Miliutin. 


11 


Das  vorliegende  Werk  verdankt  sein  Entstehen  einer  von  der 
Schweizerischen  Offiziers-Gesellschaft  für  1895  ausgeschriebenen 
Preisaufgabe :  „Die  Operationen  Lecourbes  im  schweizerischen 
Hochgebirge  1799  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Rolle, 
die  der  Gotthard  dabei  gespielt  hat." 

Das  Preisgericht,  bestehend  aus  den  Herren  Oberst-Divisionär 
Ed.  Müller  (Kommandant  der  III.  Division),  Oberst  Th.  Sprecher 
von  Bernegg  (Stabschef  des  IV.  Armeecorps),  Oberst-Divisionär 
U.  Meister  (Kommandant  der  VI.  Division),  Oberst  Conrad  Bleuler 
(Oberst  der  Artillerie  des  IV.  Armeecorps),  Oberst  U.  Wille 
(Waffenchef  der  Kavallerie),  Oberst  Albert  Sarasin  (Kommandant 
der  IL  Infanterie-Brigade)  und  Oberstlieutenant  Fr.  von  Tscharner 
(Generalstabs-Offizier  des  IV.  Armeecorps)  gelangte  (Ölten,  am 
23.  Juni  1895)  zu  folgendem  Beschlüsse: 

„Auf  diese  Arbeit  hat  der  Verfasser  augenscheinlich  sehr 
viel  Fleiß,  Zeit  und  Mühe  verwendet.  Ein  reichhaltiges  Quellen- 
material ist  in  derselben  mit  großer  Gewissenhaftigkeit  und  Sorgfalt 
verwertet.  Ein  großes  Verdienst  des  Autors  besteht  unstreitig  in 
der  Erschließung  einer  reichen  ungedruckten  Litteratur,  wovon 
wir  nur  erwähnen  wollen  das  Bulletin  historique  decadaire  de  la 
campagne  du  general  Lecourbe,  an  VII,  aus  den  Archiven  des 
französischen  Kriegsministeriunis  und  Briefe  aus  dem  Archive  der 
Familie  Lecourbe.  Die  Arbeit  enthält  wohl  die  eingehendste 
Behandlung,  welche  dem  Lecourbeschen  Feldzuge  bisher  zu  teil 
geworden  ist.  Sie  bietet  auch  durch  Beilage  vieler  Karten  und 
Skizzen  eine  sehr  anschauliche  Darstellung  der  einzelnen  Momente. 
Immerhin  würde  die  Arbeit  bedeutend  gewonnen  haben,  wenn  die 
großen  Züge,  die  strategischen  Momente  schärfer  hervorgehoben 
und  mehr  für  sich  behandelt  worden  wären  und  wenn  der  Ver- 
fasser auch  etwas  mehr  Gewicht  gelegt  hätte  auf  die  Schluß- 
folgerungen, welche  sich  aus  diesen  Ereignissen  speziell  für  den 
Krieg  im  Gebirge  ergeben.  Auch  die  Bedeutung  des  Gotthard, 
auf  deren  Beleuchtung  in  der  Aufgabe  besonderes  Gewicht  gelegt 
wird,  hätte  schärfer  hervorgehoben  werden  dürfen.  Diese  Aus- 
setzungen hindern  aber  nicht,  daß  dieser  Arbeit  ein  großer, 
bleibender  Wert  zukommt. 

„Das  Preisgericht  ist  der  Ansicht,  daß  dieselbe  nach  einiger 
Umarbeitung,  worüber  es  dem  Verfasser  gerne  direkt  noch  weitere 
Mitteilungen  machen  wird,  sich  zum  Drucke  eignen  würde  und 
daß   es   angezeigt  wäre,  wenn   die  Schweizerische  Offiziers-Gesell- 


12 


schaft  die  Druckkosten  übernehmen  könnte.  Es  beantragt  für 
diese  Arbeit  die  Zuerkennung  eines  ersten  Preises  von   1000  Fr." 

Herr  Oberst-Divisionär  Ulrich  Meister  war  in  der  That  so 
freundlich,  mir  die  nötige  Anleitung  zur  Verbesserung  der  be- 
anstandeten Stellen  im  Werke  zu  geben.  Ich  gestatte  mir  dafür 
meinen  Dank  hier  auszudrücken. 

Ebenso  verpflichtet  bin  ich  Herrn  Georges  Le  Courbe,  Capitaine 
im  12.  Alpenjägerbataillon  zu  Grenoble  (Frankreich),  der  mir  in 
freigebigster  Weise  Akten,  Tagebücher,  Briefe  und  Notizen  zur 
Verfügung  stellte.  Ohne  seine  Unterstützung  wäre  es  mir  niemals 
möglich  gewesen,  die  Arbeit  in  diesem  Umfange  zu  vollenden. 

Die  Schweizerische  Offiziers-Gesellschaft  hat  den  Verfasser  nun 
zum  dritten  Male  mit  einem  Preise  ausgezeichnet.*  —  Ihre  Aus- 
schreibungen regten  mich  überhaupt  erst  an  zu  kriegsgeschicht- 
lichen Studien.  Ich  darf  deshalb  das  Vorwort  nicht  schließen, 
ohne  auch  diese  Vereinigung  dafür  meines  herzlichen  Dankes 
zu  versichern. 


Der  Verfasser. 


*  Luzern,  6.  Juli  1886,  ein  Aufmunterungspreis  (Fr.  150)  für:  „Die 
Schweiz  als  Kampfplatz  fremder  Armeen,  1799";  —  Genf,  1.  August  1892, 
ein  zweiter  Preis  (Fr.  300)  für :  „Der  Feldzug  von  1800,  speziell  soweit  er  die 
Schweiz  und  die  ihr  zunächst  gelegenen  Länder  betrifft."  Letztere  Arbeit 
wurde  ebenfalls  mit  Unterstützung  der  Schweizerischen  Offiziers-Gesellschaft 
im  Druck  herausgegeben  und  ist  auch  im  Verlage  von  J.  Huber  in  Frauenfeld 
erschienen. 


Einleitung. 


Das  Gebiet,  welches  die  Schweiz  einnimmt,  bildet  den  eigent- 
lichen Mittelpunkt  Europas.  Es  beherrscht  die  verschiedenen 
Hauptkriegsschauplätze  in  dem  Sinne,  daß  jeder  Gegner  flankiert 
werden  kann. 

Die  älteren  Strategen,  selbst  noch  jene  der  Uebergangsperiode 
des  achtzehnten  zum  neunzehnten  Jahrhundert,  haben  dem  Besitze 
der  Alpen  eine  fast  zu  hohe  Bedeutung  beigelegt.  Der  Grundsatz 
von  der  Ueberhöhung  gilt  aber  nur  im  taktischen  Sinne  auf  dem 
einzelnen  Schlachtfelde  und  im  Angesichte  der  gegnerischen  Waffen- 
wirkung. In  Rücksicht  auf  die  ungehinderte  rasche  Bewegung  der 
Truppen,  ihre  regelmäßige  Verpflegung,  erweist  sich  das  Hoch- 
gebirge stets  als  ein  nicht  zu  unterschätzendes  Hindernis.  Nur  von 
wenigen  Fahrstraßen  überquert,  sehr  arm  an  den  notwendigsten 
Mitteln  für  die  Ernährung  und  die  Unterkunft  selbst  kleinerer 
Heereskörper,  setzen  die  Alpen  allen  militärischen  Handlungen  die 
größten  Schwierigkeiten  entgegen. 

Die  Führung  findet  sich  im  Hochgebirge  eingeengt;  ihre  Ent- 
schlüsse in  die  That  umzusetzen  ist  oft  recht  schwer.  Den  Truppen 
fehlt  die  Freiheit  der  Entwickelung ;  die  Uebermacht  auszuspielen 
gelingt  selten ;  denn  alles  hängt  von  dem  wirklichen  Eintreffen 
vorher  berechneter  Umstände  ab.  So  wird  das  Hochgebirge  einzig 
eine  Art  kleinen  Krieges  gestatten;  im  übrigen  kann  es  lediglich 
als  Durchgangsgebiet  angesehen  werden. 

Mit  der  Schweiz  gewannen  die  Franzosen  scheinbar  ein  Boll- 
werk, das  mit  weit  ausspringenden  Facen  die  strategischen  Linien 
des  Donau-Thales  wie  der  Po-Ebene  bis  zum  Fuße  der  Savoyer- 
Alpen  beherrschte.  Dieses  Ausfallsthor  verwies  die  Heere  Frankreichs 
auf  den  strategischen  Angriff.  Nicht  nur,  daß  die  Donau-  wie  die 
italienische  Armee  in  steter  Verbindung  mit  einander  blieben ;  die 
Koalition  wurde  auch  genötigt,  den  gesamten  Oberlauf  des  Rheines 
für  die  Verteidigung  der  österreichischen  Erbstaaten  wie  der  schwäbisch- 
bairischen  Hochebene  in  Betracht  zu  ziehen. 


14 


Gegen  Süden  gestattet  das  Gebirge  weniger  einen  Ausfall  in 
die  Lombardei,  als  die  Abwehr  gegen  jene  Kräfte,  welche  von  hier 
aus  einen  Vorstoß  versuchen.  Die  Alpen  fallen  steil  zu  der  weiten, 
von  einem  nur  schwer  zu  überschreitenden  Strome  durchflosseneu 
Ebene  ab.  Wenige  Pässe  stehen  als  Ausfallsthore  zur  Verfügung. 
Gelingt  es  nicht,  von  vorne  herein  durch  eine  rasche  Bewegung  die 
Linie  des  Ticino,  oder  besser  noch  die  des  Mincio  mit  genügenden 
Kräften  zu  sichern,  so  wird  der  Besitz  der  Schweiz  den  Gang  der 
Ereignisse  in  Oberitalien  wenig  beeinflussen. 

In  Rücksicht  auf  den  Angriff  aus  der  Lombardei  erscheint  der 
südliche  Abfall  der  Alpen  von  mehr  als  untergeordneter  Bedeutung. 
Die  Verteidigung  wird  vorzüglich  suchen  müssen,  die  Pässe  über 
den  Splügen,  den  Bernardino,  Lukmanier,  den  Gotthard  und  in 
gewisser  Beziehung  auch  den  Simplon  zu  beherrschen.  Mit  dem 
Gotthardstocke  aber,  dem  Angelpunkte  aller  Handlungen,  steht  und 
fällt  die  Verteidigung.  In  diesem  Falle  könnte  also  wirklich  der 
Besitz  des  Hochgebirges  einigermaßen  den  Verlauf  eines  Feldzuges 
in  der  Hochebene  beeinflussen. 

Wird  die  Schweiz  zur  Grundlinie  eines  strategischen  Angriffes 
benützt,  so  gilt  es  gleich,  nach  welcher  ihrer  Fronten  hin  er  an- 
gesetzt wird:  überall  muß  der  Feldherr  über  bedeutende  Kräfte 
verfügen.  —  Ein  einziger  Fehlschlag  jenseits  der  Grenzen,  welcher 
den  Rückzug  bedingt,  birgt  auch  die  größte  Gefahr  für  den  allzu 
Kühnen  in  sich. 

Das  Schweizerland  erscheint  nichts  weniger  als  geeignet  für 
eine  absolute,  strikt  durchzuführende  strategische  Verteidigung. 
In  eine  solche  drängen  aber  die  Umstände  unerbittlich  jeden,  der 
aus  fester  Stellung  vorbrechend,  eine  entscheidende  Nieder- 
lage erleidet. 

Das  Gebirge,  sagt  Clausewitz  —  anlehnend  an  die  von  Erzherzog 
Karl  aufgestellten  Sätze  (Feldzug  von  1796)  —  ist  dem  Verteidiger 
nachteilig,  in  sofern  eine  große  Entscheidung  gesucht  wird  oder 
zu  befürchten  steht. 

Die  Defensive  in  einem  Hocbgebirge,  dessen  Thäler  bis  zur 
Schneegrenze  aufsteigen  und  die  von  hohen,  schroffen,  meist  un- 
zugänglichen Wänden  eingeschlossen  werden,  bietet  eigentlich  gar 
keine  Vorteile  dar.  Alle  Operationen  fallen  dort  in  die  Thalsohlen, 
und  hier  —  wie  bei  dem  Kampfe  um  die  Pässe,  welche  nicht  künstlich 
gesichert  und  genügend  besetzt  worden  sind  —  findet  der  Angreifer 
ebensogut  seine  Rechnung  für  den  Bezug  günstiger  Stellungen  wie 
der  Verteidiger.  Lecourbe  hatte  diese  Thatsachen  auch  richtig 
erkannt.  Wo  es  nur  immer  anging,  verteidigte  er  sich  durch  die 
Offensive ;  sehr  selten  nahm  er  seine  Zuflucht  zur  reinen  Defensive. 

Geht  das  in  der  Hochebene  operierende  Heer  zurück,  so  werden 
alle  in  den  Alpen  kämpfenden  Abteilungen  diesem  Beispiele  folgen 


15 

müssen.  Sie  laufen  sonst  augenscheinlich  Gefahr,  vollkommen  ab- 
geschnitten zu  werden.  Ein  solches  Ereignis  ist  gerade  im  Hoch- 
gebirge weit  eher  als  in  einem  Mittelgebirge  vom  Feldherrn  zu 
fürchten  und  dies  hauptsächlich  aus  Gründen  der  Verpflegung. 
Die  in  den  Alpen  kämpfenden  Abteilungen  sind  vom  Nachschübe 
aus  den  Magazinen  der  Ebene  abhängig,  sofern  hierfür  nicht  längst 
geeignete  Vorkehrungen  getroffen  wurden.  Wer  im  Hochgebirge 
eingeschlossen  wird,  den  zwingt  der  Hunger  bald  zur  Uebergabe. 

Im  weitern  ist  die  Sicherung  der  Alpen  nur  unter  ganz  be- 
sondern und  wirklich  günstigen  Umständen  zu  erreichen.  Es  bedarf 
einer  tüchtigen,  leicht  beweglichen  Gebirgsartillerie,  um  die  be- 
herrschenden Stellungen  mit  Geschützen  bedenken  zu  können.  Daß 
dagegen  die  Tragweite  des  Schusses  aus  großen  und  kleinen  Feuer- 
waffen allzu  überhöhende  Stellungen  verbietet,  fällt  wohl  für  1799, 
aber  nicht  mehr  für  unsere  Zeit  in  Betracht. 

Die  Aufstellung  hinter  einem  Wasserlaufe  wird  im  allgemeinen 
nicht  allzu  stark  sein.  Die  meisten  Gebirgsbäche  können  in  Zeiten 
gewöhnlicher  Wasserstände  durchwatet  werden.  Ihre  steilen  Ufer 
bieten  dem  Angreifer  sogar  nicht  selten  die  willkommenste  Deckung 
in  Form  von  toten  Winkeln  dar.  In  ihren  Fronten  sind  dagegen  die 
meisten  Thalsperren  sehr  stark.  Sie  bilden  für  gewöhnlich  Eng- 
pässe, durch  welche  Fluß  und  Straße  sich  kaum  hindurch  zu  zwängen 
vermögen.  Ihre  Umgehung  kostet  Zeit;  der  Gewinn  an  Zeit  be- 
deutet aber  viel,  wenn  nicht  alles  im  Gebirgskriege.  Versäumt  es 
der  Verteidiger,  rechtzeitig  Raum  zu  geben,  übersieht  er  gar  die 
gegnerische  Umgehung,  so  muß  er  in  den  meisten  Fällen  die  Waffen 
strecken.  Der  Verlust  steht  alsdann  in  gar  keinem  Verhältnisse 
zum  möglichen  Gewinne. 

Ein  von  Osten  her  gegen  die  Schweiz  gerichteter  Angriff  muß 
zunächst  den  Besitz  des  Rheinthaies  oder  das  Engadin  ins  Auge 
fassen.  Die  Linie  Innsbruck-Bozen  erscheint  hierbei  als  Grundlinie, 
Landeck  als  Ausgangspunkt  der  nötigen  Bewegungen.  Entweder 
dringen  die  Kolonnen  über  den  Arlberg  nach  Feldkirch  und  weiter 
vor  oder  sie  steigen  das  Innthal  bis  Süß  hinauf,  um  über  den 
Flüela-Paß  Davos  und  das  Prättigau  zu  erreichen.  Beide  Linien 
werden  aber  durch  die  feste  Stellung  an  der  Luziensteig  bedroht, 
welche  jede  Verbindung  zwischen  ihnen  aufhebt. 

Die  zuerst  genannte  Straße  über  den  Arlberg  muß  als  die 
wichtigste  gelten.  Sie  stellte  die  kürzeste  Verbindung  zwischen 
dem  Hinterlande  und  dem  Rheinthale  dar.  Länger,  ausgreifender 
ist  bereits  die  zweite  Straße  über  den  rauhen  Flüela.  Die  dritte 
Verbindung  gehört  noch  mehr  dem  Hochgebirge  an.  Sie  kann  über- 
haupt nur  noch  bedingungsweise  für  die  Bewegung  von  größeren, 
aus   allen  Waffen   gemischten  Truppenkörpern  in  Betracht  fallen. 

Das  ist  die  von  Glurns  im  oberen  Vintschgau  und  von  Bozen 


16 

her  durch  das  Miinsterthal  über  den  Ofen-Paß  nach  Zernetz  im 
Engadin  führende  Straße.  Sie  mag  vom  zuletzt  bezeichneten  Punkte 
ab  entweder  wiederum  über  den  Flüela,  oder  sonst  über  den  nicht 
viel  niedrigeren  Albula  die  Fortsetzung  nach  Chur  finden. 

Es  erklärt  sich  daher  von  selbst,  wenn  der  Hauptstoß  gegen 
das  Rheinthal  aus  den  Ill-Deboucheen  erfolgen  wird,  indes  Nebeu- 
angriffe  auf  den  beiden  erwähnten,  nach  Graubünden  führenden 
Linien  geschehen  müssen. 

Wer  aber  die  Thalschaften  Alt-Fry-Rhätiens  unbestritten  vor 
einem  von  Westen  heranrückenden  Gegner  sichern  will,  muß  den 
Gotthard  beherrschen ! 

Der  Gotthardstock,  der  Mittelpunkt  der  Centralalpen,  weist 
vornehmlich  drei  Einsenkungen  auf,  den  Gotthard  selbst,  den  San- 
Bernardino  und  den  Splügen,  deren  Pässe  den  Kamm  der  Alpen 
nur  einmal  überschreiten.  In  zweiter  Linie  bleibt  der  das  Vorder- 
rhein- mit  dem  Tessinthal  direkt  verbindende  Lukmanier  wohl  zu 
beachten.  Auf  dem  Gotthard,  besser  gesagt  im  Ursernthaie  kreuzen 
sich  die  große  westöstliche  Thalspalte  des  Rhone-  und  Rheinstromes 
—  Furka  und  Oberalp-Paß  —  mit  jener,  welche  Tessin  und  Reuß 
bilden.  Die  Grundlinie  für  die  Verteidigung  der  schweizerischen 
Südfront  ist  im  Wallis  und  im  Bündner  Oberland  zu  suchen.  Als 
ihr  Mittelpunkt  muß  der  Gotthard  selbst  angesehen  werden. 

So  öffnen  sich  vom  Gotthardstocke  aus,  welcher  auch  in  hydro- 
graphischer wie  in  ethnologischer  Hinsicht  als  eine  der  wichtigsten 
Centralen  Europas  erscheint,  vier  nach  den  Weltgegenden  gerichtete 
Ausfallsthore,  welche  direkt  zum  Lac  Leman,  in  die  Riviera  von 
Bellinzona  an  den  Lago  maggiore,  ins  Rheinthal  und  in  die  Hoch- 
ebene weisen. 

An  und  für  sich  bietet  der  Gotthard  eine  starke  Verteidigungs- 
stellung, aber  keinen  Zufluchtsort  dar  für  die  von  Fehlschlägen 
in  der  Hochebene  betroffene  Armee.  Der  Gotthard  muß  selbst- 
ständig verteidigt  werden  und  die  von  ihm  ausgehenden  Operationen 
dürfen  nicht  über  ein  gewisses  Maß,  die  starke  Beunruhigung  der 
gegnerischen  Flanken,  hinausgehen. 

Auf  solche  Betrachtungen  werden  Angreifer  wie  Verteidiger 
stets  alle  ihre  Handlungen  stützen  müssen.  Nur  wenn  sie  klar 
erkennen,  wrelche  Aufgaben  sie  wirklich  zu  lösen  vermögen,  winkt 
ihnen  ein  Erfolg.  Uebertriebene  Hoffnungsfreudigkeit  im  Kriege 
aber  trägt  leicht  den  Keim  zu  schweren  Niederlagen  in  sich. 

Der  Plan  der  Koalitionsmächte  zur  Durchführung  des  Feld- 
zuges von  1799  entsprach  keineswegs  dem  einzig  zu  erstrebenden 
Ziele:  durch  gemeinsames  Handeln  und  energisches  Vorstoßen 
gegen  den  Oberrhein  und  gegen  Bern  hin  die  weitaus  schwächeren 
französischen  Kräfte  in  die  Eis-  und  Schnee  wüsten  der  Alpen  ab- 
zudrängen, sie  dort  unschädlich  zu  machen. 


17 

In  Deutschland  ward  lediglich  ein  angriffsweiser  Verteidigungs- 
krieg beabsichtigt,  der,  wie  Clause witz  sagt,  „ gelegentlich  auch  zur 
Eroberung  der  Schweiz  fuhren  konnte."  Vorarlberg  und  Tirol 
nebst  Bünden  und  dem  Val  Teilina  wurden  einzig  als  die  Ver- 
bindungsglieder zwischen  dem  nördlichen  und  dem  südlichen  Kriegs- 
schauplatze angesehen.  Zu  ihrer  passiven  Verteidigung  bestimmte 
man  aber  doch  73000  Mann  unter  den  FML.  Hotze  und  Belle- 
garde. —  In  Italien  dagegen  sollten  Suworoff  und  Melas  die  reine 
Offensive  ergreifen,  um  die  cisalpinische  Republik  wiederum  als 
lombardisch-venetianisches  Königreich  unter  das  Scepter  Habs- 
burgs  zu  beugen. 

Dieser  von  einer  selbstsüchtigen  und  wenig  weit  blickenden 
Diplomatie  diktierte  Feldzugsplan  mußte  versagen,  obwohl  dem 
Gegner  nur  unzureichende  Kräfte  zur  Verfügung  standen.  Als 
eine  gewisse  Entschuldigung  führt  Erzherzog  Karl  an,  daß  man 
den  Ausbruch  des  Krieges  in  den  letzten  Februartagen  seitens 
Oesterreichs  nicht  erwartet  habe.  Jedenfalls  „hatte  man  keinen 
Operationsplan  endgiltig  festgesetzt."13 

Die  Wiener  Burg  wurde  demnach  überrascht  und  mußte  bei 
Beginn  wie  inmitten  des  Krieges  Verfügungen  treffen,  welche 
längst  hätten  erledigt  werden  sollen.  Das  erscheint  um  so  merk- 
würdiger und  weniger  entschuldbar,  als  die  Verhandlungen  mit 
Paul  I.  bereits  Monate  hindurch  gepflogen  worden  waren. 

Auch  in  Paris  fand  man  sich  keineswegs  im  Besitze  eines 
den  Umständen  angemessenen  Feldzugsplanes.  Aber  das  Direk- 
torium wußte  wenigstens  ganz  genau,  daß  ein  Krieg  mit  der 
Koalition  unvermeidlich  sei.  Es  beschloß  daher,  von  sich  aus  zum 
strategischen  Angriffe  überzugehen,  und  dies  um  so  mehr,  als  man 
in  den  Bureaux  des  Kriegsministers  Scherer  den  Besitz  der  Schweiz 
als  das  vorzüglichste  Werkzeug  zum  Erringen  eines  endlichen 
Sieges  erachtete. 

Den  Plan  Scherers  nennt  Clausewitz  (S.  57)  mit  Recht  „unver- 
ständlich" und  einen  namenlosen  Unsinn.  —  Für  das  vorliegende 
Thema  fällt  nur  die  Instruktion  in  Betracht,  welche  die  „Armee 
d'Helve'tie"   betrifft.14  Sie  lautet: 

„Die  Schweizer  Armee  ist  aus  Feldtruppen  aller  Waffen  in 
ungefährer  Stärke  von  30000  Mann  zusammengesetzt.  Hierzu 
stoßen  in  feldtüchtigem  Zustande  sich  befindende  helvetische  Halb- 
brigaden. Die  Armee  hat  die  Bestimmung,  sich  Graubündens  und 
Tirols  zu  bemächtigen. 

Der  linke  Flügel  und  die  Mitte  der  Armee  werden  den 
Rhein  zwischen  Bregenz  und  Mayenfeld  überschreiten,  um  zum 
Teil  gegen  Chur,  zum  Teil  auf  Bregenz  vorzugehen,  das  zu  be- 
setzen ist. 

Der  rechte  Flügel   der  Schweizer  Armee  besteht  aus  den  in 

Günther,  Feldzug  1799.  2 


18 


Bellinzona  liegenden  Halbbrigaden.  Unterstützt  von  einer  ent- 
sprechenden durch  die  italienische  Armee  entsendeten  Truppenzahl 
marschiert  sie  durch  das  Val  Tellina  auf  Glurns  und  von  da 
nach  Bozen  und  Brixen. 

Der  linke  Flügel  und  die  Mitte  dieser  Armee  besetzen  Bregenz 
und  Chur  mit  genügenden  Kräften.  Darauf  gewinnen  sie  vereinigt 
die  Quellen  des  Inns  und  dringen  auf  allen  Wegen  gegen  Inns- 
bruck vor,  dessen  sie  sich  bemächtigen  werden. 

Sobald  der  rechte  Flügel  der  Armee  in  Brixen  eingetroffen 
ist,  darf  die  italienische  Armee  ihre  Truppen  je  nach  Umständen 
zurückziehen ;  nämlich,  wenn  sie  von  einem  zu  zahlreichen  Feinde 
bedrängt  würde  oder  soferne  es  für  ihre  weiteren  Handlungen  als 
zweckdienlich  erschiene. 

Nachdem  die  Schweizer  Armee  Bregenz  genommen  hat,  er- 
hält sie  den  Namen:  „armee  du  Tirol."  Sie  steht  unter  dem  Be- 
fehle des  Generals  Massena,  ist  aber  für  die  großen  Bewegungen, 
taktischen  Handlungen  u.  s.  w.  dem  Oberbefehlshaber  der  Armee 
von  Mainz  untergeordnet  (d.  h. :  Jourdan). 

Aus  dieser  Verfügung  folgt,  daß  der  Oberbefehlshaber  dieser 
letzteren  Armee,  je  nach  den  Umständen,  einen  Teil  der  Schweizer 
Armee  gegen  seinen  rechten  Flügel  heranziehen  und  dort  ver- 
wenden kann.  Dabei  darf  er  aber  niemals  außer  Acht  lassen,  daß 
der  Erfolg  des  Feldzuges  einzig  davon  abhängt,  daß  diese  Armee 
sich  des  Innthales  bemächtige." 

Kein  Wort  verlautet  von  der  Aufstellung  der  gegnerischen 
Kräfte,  den  möglichen  Absichten  des  Feindes.  Das  Direktorium 
setzte  sich  über  den  doch  jedenfalls  zu  erwartenden  Widerstand 
mit  leichtfertigen  Reden  hinweg,  in  welchen  kriegsvertraute  Leute, 
wie  es  Massena  und  Jourdan  waren,  gewiß  nichts  anderes  als 
hohle  Phrasen  erkannten.15  Auf  die  stark  befestigte  Stellung  von 
Feldkirch,  wo  thatsächlich  der  Vorstoß  der  Schweizer  Armee  zum 
Stehen  kam,  nahm  Scherer  in  diesem  Entwürfe  gar  keine  Rück- 
sicht. Das  Hochgebirge  der  Alpen  und  in  diesen  besonders  die 
Thalfurche  des  Engadins  erschien  den  damaligen  Strategen 
Frankreichs  als  die  ganz  West-  und  Mittel-Europa  ohne  allen 
Zweifel  beherrschende  Stellung.  Auf  die  Eroberung  von  Grau- 
bünden und  Tirol  allein  richtete  sich  lediglich  ihr  Augenmerk. 
Die  Operationen  in  Italien  und  Deutschland  sollten  diesen  Zweck 
nur  unterstützen.  Zugleich  mutete  man  Jourdan  zu,  mit  unge- 
nügenden Kräften  einen  siegreichen  Schlag  gegen  Erzherzog  Karl 
zu  führen. 

Es  muß  einer  besonderen  Untersuchung  vorbehalten  bleiben, 
zu  ergründen,  wie  man  im  Kriegsministerium  zu  Paris  auf  diese 
Ideen  von  der  strategischen  Wichtigkeit  Graubündens  gekommen 
ist.  Der  Hinweis  mag  hier  genügen,    daß  es  nicht  unwahrschein- 


19 

lieh  bleibt,  eine  falsche  Auffassung  der  einst  vom  Herzoge  Rohan 
erzielten  Erfolge  trage  hieran  die  Schuld. 

Unklar,  verworren,  verkehrt  gedacht,  wenn  die  Logik  hier 
überhaupt  in  Frage  kommen  darf,  so  stellt  sich  der  französische 
Kriegsplan  von  1799  dar.  Es  ist  zugleich  ein  merkwürdiges 
Gegenstück  zu  den  Bestimmungen  des  ersten  Konsuls  vom  Früh- 
linge des  folgenden  Jahres.  Welches  Vertrauen  aber  das  gegen 
ehrliche  Republikaner  stets  mißtrauische  Direktorium  in  Lecourbe 
setzte,  ergibt  sich  daraus,  daß  ihm,  dem  neuernannten  Divisionär, 
die  in  Paris  als  die  wichtigste  geltende  Aufgabe  —  die  Eroberung 
des  Engadins  und  Tirols  —  übertragen  wurde.  Freilich  unter- 
stand er  den  Befehlen  Massenas,  aber  seine  thatsächliche  Selb- 
ständigkeit ergibt  sich  schon  aus  der  räumlichen  Trennung  der 
Hauptkräfte  des  rechten  Flügels  von  der  übrigen  Armee. 

Frankreich  hatte  freilich  einige  Erfahrung  über  die  Talente 
seiner  oberen  Führer  gewonnen.  Aus  ihren  Stellen  waren  alle 
diejenigen  beseitigt  worden,  welche  ihre  Unfähigkeit  in  den  letzten 
Feldzügen  gar  zu  deutlich  dargethan  hatten.  Dagegen  unterstand 
die  sachliche  Vorbereitung  der  Heeresaufstellung  noch  immer 
einer  räuberischen  und  betrügerischen  Verwaltung.  So  zeigt  sich 
auch  hier  ein  scharfer  Gegensatz  zwischen  dem  Direktorium  und 
den  ersten  Tagen  unter  dem  Konsulate. 

Die  völlig  aus  militärischen  Laien  zusammengesetzte  aus- 
führende Behörde,  deren  Mitglieder  als  ihre  vorzüglichste  Auf- 
gabe es  betrachteten,  die  Staatsmittel  zu  selbstsüchtigen  Zwecken 
auszunützen,  vernachlässigte  das  Kriegswesen  in  unverantwort- 
licher Weise  seit  dem  Frieden  von  Campo-Formio  (17.  X.  1797). 
Der  Ehrgeiz  des  jungen  Generals  Bonaparte  und  der  Wunsch  des 
Direktoriums,  ihn  ferne  von  Frankreich  zu  wissen,  entführte  dem 
republikanischen  Heere  36000  erprobter  Kämpfer  der  .einstigen 
italienischen  Armee.  Diese  Einbuße  zu  ergänzen,  entwarf  der 
General  Jourdan  ein  passendes  Aushebungs-System  (Konskription). 
Der  Entwurf  fand  die  Genehmigung  der  gesetzgebenden  Räte  am 
5.  September  1798.  Die  männliche  Jugend,  welche  das  zwanzigste 
Lebensjahr  überschritten,  zerfiel  in  fünf  Altersklassen,  deren  höchste 
fünfundzwanzig  zählte.  Die  Aushebung  begann  jährlich  mit  der 
jüngsten  Klasse.  Die  Dienstzeit  war  im  Kriege  von  unbestimmter 
Dauer,  im  Frieden  sollte  sie  dagegen  fünf  Jahre  nicht  übersteigen. 

Zum  ersten  Male  erfolgte  die  Rekrutierung  in  dieser  drücken- 
den Form  nach  dem  Gesetze  vom  2.  Vendemiaire  VII.  (23.  IX. 
1798).  Eine  gleichzeitig  vorgenommene  außerordentliche  Be- 
steuerung in  der  Höhe  von  125  Millionen  Franken  erregte  mit 
der  Aushebung  zusammen  allgemeine  Unzufriedenheit.  Es  war 
ein  Ersatz  von  wenigstens  200000  Mann  nötig  geworden.  Bis 
zum   Februar    1799   waren   aber   kaum    40000    Rekruten   zu   den 


20 

Fahnen  eingerückt.  Die  Ergänzung  des  Heeres,  welche  das  Direk- 
torium auch  dadurch  anstrebte,  daß  es  diesbezügliche  Verträge 
mit  den  „Töchter "-Republiken  abschloß,  wollte  bei  dem  allgemeinen 
Widerstände  der  Bevölkerungen  nicht  zu  Ende  kommen. 

So  wurde  am  19.  August  1798  ein  Bündnis-  und  Verteidi- 
gungsvertrag „ä  perpetuite"  mit  dem  helvetischen  Einheitsstaate 
von  Talleyrand,  P.  A.  Zeltner  und  A.  Jenner  unterzeichnet.  Am 
30.  November  des  nämlichen  Jahres  fertigten  der  Bevollmächtigte 
Frankreichs Perrochel  und  der  helvetische  Minister  des  Auswärtigen 
Begos  ein  Abkommen  hinsichtlich  der  sogenannten  helvetischen 
Hülisbrigaden,  den   „Auxiliaren."16 

Am  21.  November  waren  die  ehemals  dem  Könige  von 
Sardinien  dienenden  Schweizerregimenter  in  die  französische 
Armee  eingestellt  worden.  Den  1.  Dezember  erließen  die  Be- 
hörden einen  in  warmem  Tone  gehaltenen  Werbeaufruf  für  die 
Hülfsbrigaden.  Aber  schon  drei  Tage  später  beschlossen  sie  ein 
mit  Blut  geschriebenes  Gesetz  gegen  die  Fahnenflüchtigen.  Zu- 
gleich erfolgte  die  Rückberufung  aller  Milizen  aus  dem  Auslande. 
Nachdem  die  Räte  am  13.  und  17.  Dezember  eine  neue  Wehr- 
ordnung mit  ausdrücklicher  Anerkennung  des  Grundsatzes  der 
allgemeinen  Dienstpflicht  geschaffen,  gaben  sie  am  20.  dem  Volke 
die  Erklärung,  daß  man  Frankreich  unter  allen  Umständen  die 
drückende  Blutsteuer  entrichten  müsse.  Die  Jungmannschaft  aber 
fand  den  französischen  Dienst,  für  welchen  die  Bevölkerung  nur 
Hohn  und  Spott  hatte,  durchaus  nicht  nach  ihrem  Geschmacke. 
Der  Dienst  gewährte  keineswegs  die  Vorteile,  wie  man  sie  früher 
gefunden  hatte. 

Aehnliche  Erfahrungen  wie  in  der  Schweiz  machte  das 
Direktorium  in  Cis-Alpinien,  in  Ligurien  und  Etrurien ;  gar  keine 
Unterstützung  vermochte  die  römische  und  parthenopäische  Re- 
publik zu  leihen.  Im  Gegenteile  forderten  gerade  diese  Erober- 
ungen einen  unverhältnismäßigen  Aufwand  an  Kräften. 

So  kam  es,  daß  die  französische  Armee  zu  Beginn  des  zweiten 
Koalitions-Krieges  über  höchstens  190  000  Kämpfer  verfügte.  Seit 
vielen  Monaten  hatten  diese  noch  dazu  keinen  Sold  empfangen,  wie 
sie  denn  selbst  einer  geregelten  Verpflegung,  einer  genügenden 
Bekleidung  sogar  ermangelten.  Unbotmäßigkeit  wenn  nicht  geradezu 
Meuterei  herrschten  in  ihren  Reihen.  (Rom  1798.)  An  der  Spitze 
der  Truppen  erschienen  Generale  wie  Scherer,  die  bei  Offizieren  wie 
Mannschaften  wenig  Achtung  genossen,  von  politischen  Rücksichten 
aber  in  ihren  Stellungen  gehalten  wurden. 

Die  französische  Tnfanterie-Halbbrigade  bestand  aus  drei  Ba- 
taillonen zu  neun  Compagnien,  von  denen  eine  als  Grenadier-,  eine 
andere  als  Schützen-Compagnie  bezeichnet  wurde.  Letzteres  galt 
freilich    zumeist    nur   für   die   leichten    Halbbrigaden.     Gesetzlich 


21 

zählten  die  Compagnien  120  Mann  (die  Grenadier-Compagnien  = 
92  Mann).  Das  Bataillon  hätte  demnach  1067,  die  Halbbrigade 
3220  Mann  unter  ihren  Fahnen  stehen  haben  sollen.  Während 
des  ganzen  Krieges  aber  wie  überhaupt  im  Zeitalter  der  Revolution 
ist  der  gesetzliche  Stand  der  Einheiten  niemals  erreicht  worden. 
Gewöhnlich  zählten  die  stärksten  Halbbrigaden  damals  zwischen 
1800  bis  2200  Kämpfer.  Die  Grenadiere  wurden  auch  in  der  fran- 
zösischen Armee  divisionsweise  zusammengezogen,  um  eine  stete 
Gefechtsreserve  zu  bilden.  Als  Regimentsartillerie  blieb  den  Halb- 
brigaden gewöhnlich  je  ein  Geschütz  zu  vier  und  sechs  Pfund.  Die 
Achtpfünder  sind  neben  der  sechszölligen  Haubitze  die  Geschütze 
der  Feldartillerie  der  ersten  Republik  gewesen. 

Eine  eigentliche  Gebirgsartillerie  wie  bei  den  Oesterreichern 
scheint  nicht  bestanden  zu  haben.  Wie  in  so  vielen  Dingen,  mußte 
auch  für  diesen  Dienst  seitens  der  Franzosen  zu  Stegreifschöpfungen 
Zuflucht  genommen  werden. 

Von  den  Koalitions-Mächten  verfügte  Oesterreich  allein  bereits 
über  255000  Kämpfer.  Hierzu  stießen  im  Laufe  des  Feldzuges  noch 
(55000  Russen,  darunter  die  7000  Mann  des  Corps  Conde.  Hatten 
die  Franzosen  in  ihren  Reihen  einen  Jourdan,  einen  Massena  und 
Lecourbe,  einen  Macdonald  und  Moreau  —  dieser  diente  zwar  in 
der  untergeordneten  Stellung  eines  General-Inspektors  der  Infanterie 
auf  italienischem  Boden  —  so  verfügte  die  Koalition  über  Führer 
wie  Erzherzog  Karl,  Suworoff,  Hotze,  Kray  und  Melas. 

Freilich  trug  gerade  die  Koalition  an  sich  schon  vom  ersten 
Augenblicke  ihres  Bestehens  an  die  Möglichkeit  einer  baldigen 
Veruneinigung  der  Verbündeten  in  sich.  Es  war  nicht  möglich, 
daß  ein  Suworoff  auf  die  Länge  der  Zeit  mit  dem  schleppenden 
Verfahren  des  Hof-Kriegsrates,  den  Krieg  zu  führen,  einverstanden 
sein  konnte. 

Oesterreich  hatte  seine  Wehrordnung  nur  in  einzelnen  Kleinig- 
keiten seit  dem  Friedensschlüsse  von  Campo-Formio  abgeändert.17 
Die  Infanterie  zählte  in  ihren  Regimentern  drei  Bataillone  zu  sechs 
Compagnien  auf  dem  Kriegsfuße,  sowie  ein  Depot-Bataillon  im 
Werbebezirke.  Die  Grenadierbataillone  waren  1798  aufgelöst  worden, 
aber  schon  im  Beginne  des  neuen  Feldzuges  bildeten  sich  wieder 
diese  altberühmten  Heerhaufen,  deren  Compagnien  eine  Erhöhung 
ihrer  Stärke  auf  120  Mann  erfuhren.  Jedes  Infanterie-Regiment 
erhielt  nun  wieder  von  der  Artillerie  6  Geschütze,  welche  in  der 
Folge  vielfach  den  Dienst  eigentlicher  Gebirgskanonen  übernehmen 
mußten.  Die  Bekleidung  des  Mannes  wurde  etwas  vereinfacht,  von 
, stehenden  Kragen"  aber  sah  man,  trotz  des  Vorschlages  der 
Militärverbesserungskommission,  wieder  ab  —  weil  sie  nach  „fran- 
zösischem, auf  die  ohnehin  irregeleitete  Menge  stark  wirkendem 
Geschmack"    waren.     Das   neue,    1798   aufgestellte   Muster   eines 


22 

Infanteriegewehres  näherte  sich  in  seinen  Einzelheiten  dem  Kaliber 
und  Gewichte  der  seit  1777  so  bewährten  französischen  Handfeuer- 
waffe. Nur  die  Unteroffiziere  und  die  Grenadiere  behielten  den 
Säbel,  alle  übrigen  Mannschaften  vertauschten  diese  wenig  kriegs- 
brauchbare Zierde  mit  dem  dreikantigen  Stichbajonette. 

Die  leichte  Infanterie  erhielt  keine  besondere  Bewaffnung  und 
den  Jägern  verblieb  das  eigentümliche  Doppelzeug  von  1787,  dessen 
unterer  glatter  Lauf  für  den  Schuß  auf  kurze  Distanz  bestimmt 
war,  während  das  obere  gezogene  Rohr  den  zur  Pflasterladung- 
eingerichteten  Stutzer  darstellte.18  Auch  die  Franzosen  verfügten 
über  derartige  Waffen.  Ihre  verschiedenen  Jägercorps  führten  bis 
zum  Jahre  1803  die  ebenfalls  Drangladungsgeschosse  verwendende 
„carabine  de  Versailles",  M/1794,  welche  zwar  bis  auf  200  m  gute 
Trefferergebnisse  lieferte,  aber  nur  sehr  geringe  Schußgeschwindig- 
keit besaß.  Vornehmlich  aus  diesem  Grunde  beseitigte  sie  der  erste 
Konsul.  Den  eigentlichen  Dienst  der  Scharfschützen  leisteten  den 
Franzosen  in  der  Schweiz  verschiedene  Compagnien  aus  dem  Aargau 
und  aus  Zürich.  (Döttingen!  17.  VIII.  99.)  Zwar  haben  diese  Braven 
wenig  Anerkennung  bei  ihren  französischen  Kameraden  gefunden. 
Wichtiger  fast  noch  für  den  beginnenden  Krieg  im  Hochge- 
birge als  die  Bewaffnung  der  Truppen  erschienen  die  Kenntnisse, 
welche  die  Führer  von  dem  Gebiete  ihrer  demnach stigen  Thätigkeit 
besaßen.  Auf  Seiten  der  Oesterreicher  und  der  mit  ihnen  verbün- 
deten Russen  wurden  gar  keine  Vorbereitungen  für  die  Erkundung 
der  Schweizer  Alpen  getroffen.  Im  Stabe  von  Suworoff  befand 
sich  keine  Person,  die  das  Gelände  längs  des  Vierwaldstättersees 
auch  nur  annähernd  richtig  hätte  beschreiben  können.  Alles  deutet 
darauf  hin,  daß  man  im  österreichischen  Generalstabe  die  bereits 
vorhandenen  Karten  und  Reisebeschreibungen  keineswegs  gekannt 
habe.  Damit  stimmt  das  harte,  vom  Erzherzog  Karl  über  die 
Thätigkeit  des  kaiserlichen  Generalstabes  gefällte  Urteil  völlig 
überein.  Bei  den  Franzosen  hat  man  wenigstens  die  Landesteile 
der  Schweiz,  welche  zunächst  in  Betracht  fielen,  jedenfalls  gut  und 
ausreichend  gekannt.  Lecourbe  gab  für  den  Felclzug  des  folgenden 
Jahres  eine  geradezu  klassisch  zu  nennende  Beschreibung  unseres 
Vaterlandes.  Ob  sein  Divisionsstab  aber  zu  Beginn  des  Krieges 
mit  genügendem  Vorrate  an  Karten  ausgerüstet  war,  erscheint 
dagegen  sehr  fraglich.19 

Der  geworbene  Soldat  des  Kaisers  diente  lebenslänglich  ohne 
eine  andere  Aussicht  als  die,  im  besten  Falle  Unteroffizier  werden 
oder  schließlich  eine  magere  Versorgung  im  Invalidenhause  finden 
zu  können.  Dann  regierten  der  Stock  und  andere  grausame  Straf- 
mittel  die  von  der  bürgerlichen  Bevölkerung  verachteten  Massen 
der  Krieger.20 

Wie  anders  der  Franzose,   welcher  in  dieser  Zeit  doch  nicht 


23 


geradezu  für  den  Dienst  gepreßt  erschien,  wie  nachmals  unter  dem 
Kaiserreiche,  vielmehr  noch  freiwillig  diente  oder  für  einen  wohl- 
habenden Konskribierten  einstand.  Der  französische  Soldat  sah  in 
seiner  Laufbahn  den  Weg,  der  zum  Ruhme  führte.  Von  seinem 
Handwerke  hatte  er  selbst  die  höchste  Meinung  und  sein  Erscheinen 
in  bürgerlichen  Kreisen  erregte  stets  den  Ausdruck  freudigen  Stolzes. 
Die  Mannszucht  ward  im  französischen  Heere  oft  in  etwas  zu  gelinder 
Weise  gehandhabt,  die  Vorgesetzten  kümmerten  sich  wenig  im 
Ganzen  darum,  ob  die  bürgerliche  Bevölkerung  der  besetzten  Gebiete 
Mißhandlungen  zu  erdulden  habe.  Die  historischen  „Fünfundzwanzig" 
im  östreichischen  Heere  vermochten  aber  die  grausamste  Bedrückung 
der  Einwohner  ebenfalls  nicht  zu  hindern. 

Beide  Gegner  verfügten  über  eine  vorzüglich  zum  Soldaten 
geeignete  Masse.  Die  Oesterreicher  bildeten  ihre  Rekruten  durch 
ein  jahrelanges  stumpfes  Drillen  zu  eigentlichen  menschlichen 
Maschinen.  Die  Franzosen  mußten  sich  darauf  beschränken,  ihre 
frisch  eingestellten  Leute  notdürftig  in  den  Griffen  und  den  ein- 
fachsten Bewegungen  (Pelotonsschule !)  zu  unterweisen.  Die  Führung 
war  bei  den  Franzosen  unstreitig  auf  einen  höheren  Standpunkt 
gelangt,  als  dies  bei  den  Oesterreichern  der  Fall  war  und  das  gilt 
nicht  nur  für  die  Generalität,  sondern  auch  ganz  besonders  für 
die  untere  Führung.  Der  kaiserliche  Soldat  betrachtete  den  Offizier 
als  seinen  unumschränkten  Herrn.  Der  Franzose  dagegen  sah  in 
dem  Vorgesetzten  aller  Grade  lediglich  den  Kameraden,  welchen 
eigener  Wert,  Tapferkeit,  höhere  Kenntnisse  und  das  Glück  auf 
dem  Schlachtfelde  über  die  anderen  erhoben  hatten.21 

Die  russische  Armee  endlich  war  seit  ihrer  Schulung  durch 
Weißmann  und  Suworoff  zu  einer  beachteten  Größe  und  Tüchtig- 
keit angewachsen.  Bereits  unter  Katharina  II.  wurde  dem  Kriegs- 
kollegium die  Leitung  des  Heerwesens  aus  der  Hand  genommen. 
Pauli.,  dessen  Ideal  der  Preußenkönig  Friedrich  IL  bildete,  befahl 
auch  in  diesen  Dingen  durchaus  unumschränkt,  doch  nicht  eben 
glücklich.  Die  Armee  mußte  vor  allem  die  bis  dahin  gebrauchte 
bequeme  Kleidung  aufgeben.  An  ihrer  Stelle  führte  der  Zar  die 
knappe  preußische  Uniform  ein,  welche  keine  Mäntel  kannte  (!). 
Dagegen  errichtete  er  andererseits  für  die  Offiziere  seiner  nächsten 
Umgebung  im  Winterpalais  zu  St.  Petersburg  einen  taktischen 
Lehrgang,  aus  welchem  später  die  wichtige  Kriegsakademie  entstand. 

Die  Regimenter  der  russischen  Linien infanterie  zählten  in  ihren 
Reihen  Grenadiere,  Musketiere  und  Jäger.  Das  Bataillon  setzte 
sich  gewöhnlich  aus  fünf  Compagnien  zusammen  ;  zwei  Bataillone 
bildeten  ein  Regiment.  Auch  Rußland  kannte  die  Grenadierbataillone 
als  „die  Kraft  und  nie  wankende  Stütze  des  Heeres."  Jedes  Gre- 
nadier- und  Musketierregiment  führte  vier,  die  Jägerregimenter 
und  die  zusammengesetzten  Grenadierbataillone  dagegen  zwei  Ge- 


24 


schütze  mit  sich.22  Der  russische  Soldat  wurde  zwangsweise  aus- 
gehoben und  diente  fünfundzwanzig  Jahre.  Ueber  sein  Leben  und 
Treiben  in  dieser  Zeit  haben  wir  wohl  Berichte,  aber  sie  berühren 
nicht  den  eigentlichen  Kern  der  Dinge.  Der  Mann  scheint  im 
allgemeinen  eine  geringe  geistige  Regsamkeit  besessen  zu  haben ; 
Mißhandlungen  durch  die  rohen  Vorgesetzten  mußte  auch  er  er- 
tragen. Besonders  gerühmt  wurde  schon  damals  die  große  Genüg- 
samkeit der  Leute ;  sonderbarerweise  auch  die  Sauberkeit  derselben. 
So  schreibt  ein  kaiserlicher  Offizier  1790  von  ihnen:  „Wenn  die 
russische  Armee  gegen  den  Feind  ausrückt,  ist  sie  eleganter  ge- 
kleidet als  die  kaiserlichen  Truppen  auf  dem  Paradeplatze ;  jeder 
Gemeine  hat  sein  Kräusel,  seine  Manchette  weiß  gewaschen,  und 
ist  so  in  allen  Stücken  wie  ein  Petit-maitre  hergestellt."  Die  Be- 
waffnung dagegen  stand  weit  hinter  der  französischen  zurück.  Auch 
sie  entsprach  der  fridericianischen  Zeit. 

Die  Taktik  der  Oesterreicher  blieb,  und  zwar  nicht  nur  in  for- 
meller Hinsicht,  bei  den  1769,  also  in  der  Höhezeit  der  Linear- 
bewegungen aufgestellten  Vorschriften.  In  Rußland  war  1798  ein 
neues  Dienstreglement  erschienen,  aber  es  enthielt  nicht  viel  mehr 
als  eine  Abschrift  der  vierzig  Jahre  zuvor  von  Friedrich  IL  er- 
lassenen Bestimmungen.  Uebrigens  kannte  auch  das  französische 
Reglement  vom  Jahre  1791  nichts  anderes.  Nur  kam  es  niemals 
zur  Anwendung;  denn  die  Kolonnentaktik  entwickelte  sich  aus  der 
Praxis.  Von  den  Verbündeten  verstand  einzig  Suworoff  die  Vorteile 
der  französischen  Fechtweise,  aber  er  wendete  sie  auch  nur  selten 
an.  Die  Tirailleur-  und  Kolonnentaktik  der  Franzosen  begünstigte 
das  selbständige  Handeln  des  Einzelnen  und  gab  der  unbeholfenen 
Masse  die  möglichste  Kraft  zum  Angriffe  mit  der  blanken  Waffe. 
Ihre  Gegner  blieben  der  starren  Regelmäßigkeit,  welche  die  Feldzüge 
des  achtzehnten  Jahrhunderts  auszeichnet,  getreu.  Trotzdem  findet 
sich  in  der  österreichischen  Armee  das  Streben,  die  Grundsätze  der 
Linear-  und  Kolonnentaktik  miteinander  zu  vereinigen;  aber  nur 
wenige  Führer  außer  Erzherzog  Karl  verstanden  es,  von  solchen 
Neuerungen  Gebrauch  zu  machen. 

„Die  vorzüglichste  Veränderung  in  der  Art  Krieg  zu  führen", 
sagt  dieser  Theoretiker  in  seiner  Schrift:  „Grundzüge  der  höheren 
Kriegskunst",  —  „welche  die  letztverflossenen  Kriege  Frankreichs 
zur  Folge  hatten,  gründet  sich  auf  eine  größere  Mobilität  der 
Truppen  und  folglich  der  Armeen,  welche  ihresteils  durch  das 
Bedürfnis,  anderenteils  durch  den  Nationalcharakter  des  französ- 
ischen Volkes  hervorgebracht  wurde.  Der  Revolutionskrieg  entstand 
plötzlich,  ohne  daß  die  gehörigen  Vorbereitungen  zur  Aufstellung 
und  Verpflegung  der  Armeen  vorausgehen  konnten,  daher  das 
Requisitionssystem  im  eigenen  sowohl  als  in  fremden  Ländern  und 
aus  diesem  die  Möglichkeit  von  schnelleren,  rascheren  und  uner- 


25 

warteten  Bewegungen,  weil  nicht  mehr  so  beträchtliche  Magazine 
erforderlich  waren  und  daher  das  einer  Armee  bei  jeder  Bewegung 
so  hinderliche  Proviantwesen  vermindert  werden  konnte.  .  .  .  Die 
Folgen  davon  waren  die  so  schnell  aufeinander  folgenden  Märsche ; 
daher  der  Einfluß  von  entfernten  feindlichen  Bewegungen  auf  die 
Aufstellung  der  Armeen  und  die  Kombinierung  von  Manövern  auf 
größere  Distanzen,  welches  alles  bisher  noch  unbekannt  war.  Die 
größere  Mobilität  der  Truppen,  vereinigt  mit  der  Art  zerstreut  zu 
fechten,  veränderte  die  Stellungskunst  auch  und  erschwerte  den 
Verteidigungskrieg,  da  Gegenden,  welche  nach  der  bisherigen  For- 
mierung der  Armeen  und  ihre  Art  zu  fechten  unzugänglich  und 
unzudringlich  waren,  folglich  als  Appui  der  Flügel  benützt  oder 
gar  nicht  besetzt  wurden,  nun  keine  Hindernisse  mehr  darbieten 
und  nicht  durch  einzelne  Truppen,  sondern  durch  ganze  Corps 
durchzogen  wurden.  Diese  Veränderung  erregte  bei  Vielen  den 
Wahn,  sich  nie  sicher  zu  glauben,  als  wenn  sie  Alles  besetzt, 
indessen  Andere,  als  erklärte  Feinde  von  jeder  Neuerung,  auch  die 
geringste  Verteilung  ihrer  Truppen  während  eines  Gefechts  als 
schädlich  und  unzweckmäßig  tadeln.  Nachdenken  sowohl  als  Er- 
fahrung wird  jeden  Soldaten  immer  mehr  in  dem  Grundsatz  be- 
stärken, seine  Streitkräfte  nicht  zu  verteilen,  wo  entschieden  werden 
muß;  ihm  die  Notwendigkeit  beweisen,  seine  Truppen  beisammen 
zu  halten,  um  manövrieren  zu  können.  ..." 

Auch  während  des  zweiten  Koalitionskrieges  erhielten  sich  auf 
Seiten  der  Oesterreicher  die  bedächtigen  Bewegungen,  das  streng 
innegehaltene  Kordon-System.  Nur  Suworoff  vermochte  es  eine 
Zeit  lang,  den  Anordnungen  des  Hofkriegsrates  entgegen  wirkend, 
die  kaiserlichen  Waffenbrüder  zu  einem  etwas  schnelleren  Handeln 
mit  fortzureißen.  Die  Stellung  des  russischen  Generalissimus 
war  für  beide  Teile,  von  Beginn  der  gemeinsamen  Unternehmungen 
angefangen,  eine  peinliche  zu  nennen.  Die  Uebertragung  des  Ober- 
befehls an  den  Sieger  von  Rimnik  zeigte  deutlich,  daß  man  in 
Wien  die  beschämende  Ansicht  hegte,  unter  der  kaiserlichen 
Generalität  keine  dafür  geeignete  Kraft  zu  besitzen.  Das  wurde 
in  den  betroffenen  Kreisen  bitter  genug  empfunden.  Die  Sonderbar- 
keiten Suworoffs,  seine  nicht  selten  hervorgekehrte  Schroffheit 
mußten  ihm  natürlich  ebenfalls  viele  Feinde  erwerben.  Seine 
gewaltige,  vor  nichts  zurückschreckende  Thatkraft  paßte  nicht  für 
die  damalige  österreichische  Armee. 

Auf  den  Wunsch  des  Zaren  hatte  Suworoff  bereits  im  Jahre 
1798  seine  Ansichten  über  die  gegen  Frankreich  nötige  Krieg- 
führung in  folgenden  kurzen  Sätzen  niedergelegt:  „Bloß  angriffs- 
weise verfahren.  Schnelle  Märsche,  ungestümer  Angriff,  blanke 
Waffen.  Kein  Methodismus,  nur  ein  richtiger  militärischer  Blick. 
Dem    Feldherrn    unumschränkte    Macht.     Den    Feind    im    offenen 


26 

Felde  angreifen  und  schlagen.  Mit  Belagerungen  keine  Zeit  ver- 
lieren. Nie  durch  Besetzung  einzelner  Punkte  seine  Kräfte  zer- 
splittern ;  versucht  der  Feind  eine  Umgehung,  desto  besser,  dann 
geht  er  um  so  sicherer  seiner  Niederlage  selbst  entgegen."23 

Daß  Suworoff  mit  solchen  Ansichten  keine  Freunde  in  einer 
Armee  gewann,  die  „abergläubisch  dem  Defensiv-Sy stein  ergeben 
war"  wird  nicht  Wunder  nehmen.  Der  greise  Marschall  mußte 
die  verbündete  Armee  aber  geradezu  beleidigen,  als  er  in  seinem 
Eifer  für  die  gute  Sache  so  weit  ging,  den  kaiserlichen  Regimentern 
Instruktoren  zuzuteilen,  welche  sie  im  Angriffe  mit  dem  Bajonette 
unterweisen  sollten.  Schon  in  Valeggio,  also  gleich  bei  seiner 
Ankunft  auf  italienischem  Boden,  machten  sich  die  großen  Gegensätze 
zwischen  ihm  und  den  Ansichten  des  kaiserlichen  General-Quartier- 
meisterstabes geltend.24 

Suworoff  lobte  zwar  in  dem  Lindauer  Gespräche  mit  Wikham 
(Oktober  1799)  die  „militärische  Geschicklichkeit  und  die  mili- 
tärischen Kenntnisse"  der  östreichischen  Stabsoffiziere  —  das  geschah 
aber  doch  wohl  nur  im  Hinblick  auf  die  Unfähigkeit  seiner  Russen 
und  auf  die  beiden  gelehrtesten  Männer  in  der  kaiserlichen  Armee, 
den  Marquis  Chasteler  und  den  Baron  Weyrother.25 

Von  den  Streitkräften,  welche  sich  zu  Beginn  des  Feldzugs 
gegenüberstanden,  befanden  sich 

in  Italien  90  918  Franzosen,  117  064  Verbündete, 

in  Deutschland   36994  „  78  500  „         (d.  h.  Oestr.).26 

Die  Armee  in  der  Schweiz  zählte  nach  dem  Standesausweise 
des  Kriegsministers  Scherer  gegen  Ende  Februar  1799  unter  den 
Befehlen   von  Massena: 

13  Halbbrigaden  Infanterie  29  416  Mann 

4  Regimenter  Kavallerie  2  383        „ 
10  Compagnien  Fußartillerie                 J  ZUBammen  i380  Mann. 

5  „  reitender  Artillerie  J 

Demnach  in  Summe  33179  Mann  mit  105  Geschützen. 

Hierzu  kamen  nun  noch  die  helvetischen  Truppen,  zusammen 
nicht  10  000  Kampffähige.  Die  Verteilung  der  Kräfte  zeigt  die  in 
den  Erinnerungen  von  Massena  gegebene  Tafel.     (III,  75/6.) 

Nach  Angabe  des  Erzherzog  Karl  standen  ihm  gegenüber  unter 
FML.  Hotze  etwa  26000  Mann.26 

Den  rechten  Flügel  der  Donau-  bezw.  der  Schweizer  Armee 
d.  h.  die  III.  Division  befehligte  mit  zusammen  5500  Kampffähigen 
der  seit  Ende  Februar  in  Bellinzona  sich  befindende  Divisions- 
general Lecourbe. 

Das  Feldtagebuch  der  Division  gibt  folgenden  Etat  de  Situation 
de  la  3eme  Division  au  16  Ventose  an  7   (6.  März  1799). 


27 


36' 

38' 

44 
76 
12 


Brigade  Loison, 
Demi-brisade  23  officiers,  1371  sous-off.  et  soldats    =   1394 
.  82      .  .         1214         „  ,  =  1246 

Brigade  Maynoni, 
Demi-brigade  48  officiers,  1477  sous-off.  et  soldats    =  1525 
23        .         1003         ,  .  =  1026 

regt,  de  chasseurs,  3eme  escadron  =  4  Officiers  112  hommes 
2e  regt,  d'art.  ä  pied,  4e  u.  16e  comp.   =3         „        133  „ 

XJ2  compagnie   de  sapeurs  =1         „  50  „ 

Zusammen  die  Division  demnach :  134  Offiziere,  5360  Unter- 
offiziere und  Soldaten.    Verpflegungsstand:  5490  Mann. 
ARMEE  DU  DANUBE  —  3*me  Division. 

Etat-major  : 
Le  citoyen  Lecourbe,  General  de  divisicm,  Commandant. 

Adjudants : 
Le  citoyen  Gauthler,  chef  de  bataillon  ä  la  94eme, 
Le  citoyen  Montfort.  capitaine  ä  la  44eme. 


G-4n6raux  de  Brigade: 
Loison 


Maynoni, 

prisonnier    de    guerre 

le  27  vent.  an  7. 

Demont,   arrive  le 

2  Germinal   en  rem- 

placement  du  general 

Maynoni. 


Aides  de  camp  : 

Cougeon,  chef  de 

bat.  a  la  76. 


Eobin,    capitaine 
ii.  d.-b. 

Leroux,  capitaine 
21.  d.-b. 


Adjudants-giniraux : 

Porson,   chef  d'esc. 

au  14.  regiment    de 
dragons  faisant  fonc- 

tions  d'adjudant- 
general,  chef  de  Vetat 

major  de  la  division. 


Adjoints. 

Laforet, 

capitaine  au  8. 

de  dragons. 


Forgues,  capt. 
au  12.  de  chass. 
faisant  fonctions 
d'adjoint  ä  l'etat- 
major  de  la 
division. 


Genie  : 

Pierrard, 

capitaine. 


Commissaires  des  guerres:  Souvestre  pere,    Vidal. 

Der  unmittelbare  Gegner  von  Lecourbe,  der  Feldmarschall- 
Lieutenant  Graf  C.  Bellegarde  verfügte,  wie  Erzherzog  Karl  angibt, 
über   50  Bataillone,    13  Schwadronen,    d.  h.   etwa  46000   Mann.27 

Hierzu  kam  noch  eine  verhältnismäßig  sehr  bedeutende  Auf- 
stellung von  Miliztruppen.  Sie  wurden  von  damals  erscheinenden 
Zeitungen  auf  nicht  weniger  als  18  000  Mann,  darunter  24  Com- 
pagnien  Scharfschützen,  berechnet.  Immerhin  dürfen  diese  Kräfte 
doch  lediglich  für  die  Landesverteidigung  des  Tirol  und  von  Vorarl- 
berg in  Betracht  gezogen  werden.28 


I. 

Die  ersten  Kämpfe  in  Graubünden. 


Am  17.  Oktober  1798,  dem  Jahrestage  des  Friedensschlusses 
von  Campo-Formio,  kam  zwischen  den  Häuptern  und  Kriegsräten 
der  drei  Bünde  einerseits  wie  den  den  Kaiser  andererseits  ver- 
tretenden FML.  Grafen  Bellegarde  und  Generalmajor  Freiherrn 
von  Auffenberg  eine  Uebereinkunft  zu  Stande.  Darnach  entsendete 
der  Kaiser  ein  von  ihm  zu  verpflegendes  und  zu  besoldendes  Hülfs- 
corps  als  Kern  für  die  Verteidigungsanstalten  des  Landsturmes 
nach  Graubünden.  Der  eigentliche  Zweck  dieses  Verkommnisses 
aber  ging  dahin,  den  gefürchteten  Anschluß  von  Alt-Fry-Rhätien 
an  die  Helvetik  und  damit  an  Frankreich  zu  verhindern.29 

Zur  Ausführung  des  Vertrages  rückte  der  Generalmajor  Auffen- 
berg bereits  am  18.  Oktober  mit  drei  Bataillonen  und  einer  Schwadron, 
zusammen  mit  6000  Mann,  in  Graubünden  ein.  Da  der  Kaiser  mit 
dem  Freistaate  im  Bündnisse  stand,  so  verletzte  dieses  Vorgehen 
keineswegs  die  Neutralität,  welche  bis  dahin  von  allen  Beteiligten 
beobachtet  worden.  Der  in  der  Schweiz  befehligende  Divisions- 
general Schauenburg  bestätigte  dies  ebenfalls  mit  der  ausdrück- 
lichen Erklärung,  der  Einmarsch  der  Oesterreicher  in  Graubünden 
störe  keineswegs  den  Frieden  der  Mächte. 

Der  Kriegsrat  erließ  nun  die  nötigen  Verordnungen  für  die 
Aufstellung  und  Ausbildung  des  Landsturmes.30  Beeinflußt  aber 
durch  die  den  Franzosen  günstig  gesinnte  Partei  der  Patrioten, 
welche  offen  von  Verrat  und  Verkauf  des  Landes  an  Oesterreich 
sprach,  befolgte  der  größere  Teil  der  Kreise  nur  sehr  lau  die 
Befehle  der  Obrigkeit.  Einzig  das  surselvische  Oberland  machte 
hierin  eine  ehrenvolle  Ausnahme.31  Die  herrschende  Geldnot,  die 
Unbotmäßigkeit  und  der  Mangel  an  Bewaffnung  bei  den  Milizen 
aber  ließ  es  für  angemessen  erscheinen,  den  Oesterreichern  schon 
jetzt  die  Sicherung  der  bedrohten  Punkte  zu  übertragen.  Ebenso 
erhielt  Auffenberg  den  Oberbefehl,  da  kein  angesehener  Bündner, 
selbst  der  Generallieutenant  Anton  von  Salis-Marschlins  nicht, 
diese  Verantwortung  tragen  wollte. 


29 


Wahrscheinlich  infolge  der  Erkundung  des  Oberalp-Passes, 
welche  der  im  Urserenthale  befehligende  Brigadegeneral  Loison 
unternehmen  ließ,  entstand  am  17.  Oktober  1798  bereits  im  Hoch- 
gerichte Dissentis  ein  falscher  Lärm.32  Obwohl  Loison  einer  an 
ihn  gesandten  Abordnung  das  Ehrenwort  gab,  die  Bürger  des 
Kreises  rechtzeitig  von  seinem  Einmärsche  in  den  Freistaat  in 
Kenntnis  setzen  zu  wollen,  beruhigte  man  sich  damit  keineswegs. 

Am  21.  Oktober  rückte  die  Compagnie  des  Hauptmanns  Soll- 
heim vom  Regimente  Braichenville  in  Dissentis  ein.  Eine  andere 
wurde  nach  Ilanz  verlegt.  Dazu  entließ  der  Kriegsrat  den  seines 
Dienstes  bereits  überdrüssig  gewordenen  Landsturm.  Nur  das 
Jägercorps  verblieb  im  Dienste.33  Um  für  den  Ernstfall  hier  einige 
Artillerie  zur  Verfügung  zu  haben,  entsendete  Auffenberg  eine 
dreipfündige  Regimentskanone  in  das  Hochgericht.  Ein  beigegebener 
Kanonier  diente  den  Landsturmartilleristen  als  Instruktor. 

Der  Frieden  von  Campo-Formio  wurde  von  den  Franzosen 
ohne  weitere  Förmlichkeiten  bereits  am  24.  Januar  1799  dadurch 
gebrochen,  daß  sie  die  Feste  Ehrenbreitenstein  gegenüber  Koblenz 
im  Rheinlande  besetzten.  Immerhin  vergingen  noch  fünf  Wochen, 
ehe  Jourdan  und  Bernadotte  am    1.  März  den  Rhein  überschritten. 

In  der  Schweiz  sollten  die  ersten  Flintenschüsse  gewechselt 
werden. 

Für  den  allgemeinen  Angriff  hatte  Massena  den  6.  März  be- 
zeichnet. In  der  That  begann  auch  an  diesem  Tage  der  Vormarsch 
gegen  Graubünden.  FML.  Bellegarde  verfügte  in  diesem  Augen- 
blicke auf  den  zunächst  bedrohten  Punkten  über  die  Brigade 
Auffenberg  (in  Chur),  die  mit  2  Bataillonen  und  2  Schwadronen 
(2350  Mann)  im  Rheinthale,  mit  einem  weiteren  Bataillone  die 
Feste  Luzisteig  verteidigen  sollte.34  Die  Brigade  Laudon  konnte 
vorläufig  gar  nicht  in  Betracht  fallen. 

Wie  groß  die  Verzettelung  erschien,  zeigt  die  Angabe  des 
Erzherzogs  Karl  über  die  damalige  Verteilung  der  Truppen  des 
Corps  Bellegarde: 

Es  waren  dies  zusammen  wenigstens  50  Bataillone  und  13 
Schwadronen,  nämlich: 

15  Bataill.,  5  Schwadr.  auf  dem  Marsche  ins  Vorarlberg, 


14 

» 

im  Innthal, 

1 

!) 

in  Innsbruck, 

1 

Tt 

in  Landeck, 

3 

» 

3^2 

71 

im  Vintschgau, 

3 

S 

Vi 

n 

im  Val  di  Sole  und  Val  di  Xon, 

10 

n 

2 

n 

im  Pusterthale, 

2 

71 

1 

n 

in    der   Bregaglia   und   dem  Poschiavo, 

1 

n 

1 

n 

in  Chur. 

Das  Hauptquartier  befand  sich  in  Bozen. 


30 

Unmittelbar  vor  Beginn  des  Feldzuges  scheint  die  Brigade 
Auffenberg  den  direkten  Verfügungen  des  FML.  Bellegarde  ent- 
zogen und  dem  Corps  des  FML.  Hotze  (Vorarlberg)  zugeteilt 
worden  zu  sein. 

Von  verschiedenen  Seiten  ist  die  Frage  aufgeworfen  worden, 
warum  Bellegarde  die  so  sehr  bedrohten  Gebiete  mit  gar  nicht 
ausreichenden  Kräften  besetzte.  Man  war  aber  im  Tirol  keines- 
wegs auf  einen  so  schnellen  Angriff  gefaßt.  Dies  sagt  wenigstens 
der  Erzherzog  Karl  zu  wiederholten  Malen  (I,  78).  Er  gibt  auch 
an  anderer  Stelle  in  einer  gelegentlichen  Aeußerung  den  wahren 
Grund  für  diese  augenscheinliche  Vernachlässigung  an.  Er  schreibt 
nämlich  (I,  117): 

„  Bellegarde,  dem  die  Verteidigung  Tirols  anvertraut  war,  und 
der  den  Wert  kannte,  welchen  man  in  Wien  auf  die  Erhaltung 
dieser  Provinz  setzte,  glaubte  sich  dadurch  gegen  Verantwortung 
sichern  zu  müssen,  daß  er  unmittelbar  von  der  bedrohten  Grenze, 
und  in  der  Richtung,  auf  welcher  sie  es  wurde,  ausging." 

Der  Feldmarschall-Lieuteuant  hatte  also  keinen  Grund.  Grau- 
bünden zu  besetzen.  Dem  Corps  Hotze,  d.  h.  der  Brigade  Auffen- 
berg Unterstützung  zu  leisten,  lag  ganz  außerhalb  seines  Gesichts- 
kreises, da  dies  ihm  ja  nicht  ausdrücklich  vom  Hofkriegsrate 
anbefohlen  worden  war.  Daß  die  Truppen  so  weit  zerstreute 
Aufstellungen  erhielten,  entsprach  sowohl  der  ganzen  Art,  wie 
Oesterreich  die  Verteidigung-  wissen  wollte,  als  dem  an  sich  an- 
erkennensw  erten  Willen,  die  Bewohner  des  Tirols  durch  die  Kriegs- 
lasten nicht  allzu  sehr  zu  bedrücken.  Tirol  sollte  nur  örtlich 
gesichert  werden.  Es  bedurfte  demnach  überall  eines  Kernes  von 
kaiserlichen  Truppen,  um  den  Aufgeboten  von  Landesschützen  und 
Landsturm  den  notwendigen  Rückhalt  zu  gewähren.  Unter  diesen 
Umständen  und  abgesehen  auch  davon,  daß  Bellegarde  den  Beginn 
der  gegnerischen  Bewegungen  nicht  vor  dem  8.  März  erfuhr,  war 
an  ein  schnelles  Zusammenfassen  aller  verfügbaren  Kräfte  nicht 
zu  denken.  Die  Unabhängigkeit  der  drei  Bünde  stützte  sich  allein 
auf  die  Tapferkeit  seiner  Bürger. 

Bereits  am  4.  März  hatte  Loison  nach  Dissentis  gemeldet, 
er  habe  den  Befehl  zum  Einmärsche  erhalten.  In  der  That  setzte 
er  seine  Kolonnen  in  der  Nacht  zum  6.  in  Bewegung.30  Eine 
Abteilung  in  der  Stärke  von  etwa  300  Mann  marschierte  durch 
das  Val  Piora  und  über  den  Piano  dei  Porci,  um  bei  Sta.  Maria 
das  Lukmaniersträßchen  zu  erreichen.36  Loison  selbst  ging  mit 
den  ihm  verbleibenden  1290  Mann  über  die  Oberalp.37  Bei 
Dissentis  sollten  beide  Kolonnen,  von  denen  die  kleinere  ersicht- 
lich den  Charakter  eines  Streifcorps  trug,  wieder  vereint  werden. 

Um  Mitternacht  am  6.  März  wurde  die  aus  12  Landstürmern 
bestehende  Feldwache,    die  jedenfalls   keine   aufmerksame  Schild- 


31 

wache  besaß,  bei  Sta.  Maria  nördlich  der  Paßhöhe  des  Lukmanier 
von  den  Franzosen  überfallen.38  Die  schnell  zersprengten  Mann- 
schaften warnten  die  Bewohner  der  Gemeinden  des  Thaies  bis 
Platta  herunter.  Alles  floh  in  die  Berge.39  Natürlich  machten  sich 
auch  hier  die  gewöhnlichen  Folgen  einer  solch  kopflosen  Flucht 
der  Bevölkerung  geltend.  Der  Feind  plünderte  und  zerstörte  überdies 
aus  Mutwillen  die  Gegenstände,  welche  er  nicht  gebrauchen  konnte. 

Auch  Loison  war  auf  der  Paßhöhe  der  Oberalp  mit  den 
Gegnern  zusammen  getroffen.  Hier  standen  300  Mann,  teils  zur 
Compagnie  Sollheim,  teils  zum  Jägercorps  und  dem  Landsturme 
gehörend.  Diese  Abteilung  wich  langsam  in  der  Richtung  auf 
Dissentis  bis  zum  Fuße  des  Berges  bei  Sursassi  zwischen  Tschamut 
und  Rueras  zurück.40  Längerer  Widerstand  wurde  nicht  geleistet 
und  die  Franzosen  plünderten  die  menschenleeren  Weiler  im 
Tavetsch,  sowie  im  Vorbeigehen  auch  die  Gemeinde  Sedrun.  Hier- 
bei erlaubten  sich  Einzelne,  welche  gar  keine  Veranlassung  hatten, 
feige  Grausamkeiten.41  Bei  der  Brücke  inmitten  des  Dorfes  Sedrun, 
sowie  am  Eingange  des  Seitenthaies  Bugnei  sind  jedenfalls  noch 
einige  Schüsse  mit  dem  in  guter  Ordnung  abziehenden  Gegner 
gewechselt  worden.  Zu  einem  eigentlichen  Kampfe  war  es  bis- 
her also  keineswegs  gekommen.  Um  so  weniger  lassen  sich  die 
unnötigen  Tötungen  schwacher  Greise,  die  schrecklichen  Miß- 
handlungen der  zufällig  Gefangenen  erklären. 

An  diesem  Tage  kam  Loison  nur  bis  Mompe-Tavetsch, 
Segnas  und  Buretsch,  Gemeinden,  welche  an  der  jetzigen  alten 
Straße  etwa  drei  Kilometer  von  Dissentis  entfernt  liegen.  Während 
die  Franzosen  ruhten,  bereiteten  sich  die  Bewohner  des  Hoch- 
gerichtes zur  ernsthaften  Verteidigung  vor.42 

Es  sammelte  sich  der  Landsturm  der  Tavetscher  und  Medelser 
Dörfer,  sowie  der  Gemeinden  Somvix,  Trons,  Brigels,  Walten- 
burg  und  Valendas.  Die  Mannschaften  führten  meistens  schnell 
geschaffene  Schlagwaffen,  nur  wenige  von  ihnen  waren  im  Be- 
sitze eines  Feuergewehres. 

Die  örtliche  Beschreibung  von  Dissentis  gibt  Genelin  auf 
Seite  21  seiner  Abhandlung  wie  folgt:  „Dissentis  liegt  ganz  auf 
der  linken  Thalseite  des  Rheins  ganz  an  den  Bergabhang  gelehnt 
(1150  Meter  Seehöhe).  Ob  dem  Dorfe  erheben  sich  majestätisch 
die  länglichen  Gebäude  der  Benediktiner-Abtei.  Etwa  200  Schritte 
thalaufwärts  vom  Flecken  entfernt  liegt  die  Pfarrkirche  mit  dem 
Gottesacker  in  der  Ebene  „Cons".  Zwischen  dem  Flecken  und  dem 
Rhein,  der  hart  am  rechten  Bergabhang  vorüber  fließt,  erstreckt 
sich  gegen  Südwest  die  etwa  eine  Viertelstunde  breite  Thalebene 
aus.  Dieselbe  ist  jedoch  von  der  etwa  10  Meter  tiefen  Thalrunse 
des  Wildbaches  Magriel  unterbrochen,  der  200  Schritt  vom  Flecken 
entfernt  durch  das  Dorf  Raveras  fließt." 


32 


Der  7.  März  brach  als  ein  düsterer,  kalter,  stark  nebliger 
Wintertag  an ;  der  Schnee  soll  etwa  70  cm  hoch  gelegen  sein. 
Die  Bedeckung  der  Gegend  durch  die  dichten  Dünste  erschwerte 
natürlich  sehr  die  Uebersicht  und  kam  derart  dem  Landsturme 
ganz  vortrefflich  zu  statten. 

Schon  vor  6  Uhr  morgens  erklang  die  Sturmglocke  des 
Fleckens.  Die  Streiter  begaben  sich  zu  einem  Gottesdienste  in 
die  Klosterkirche.  Beim  Heraustreten  aus  derselben  wurde  jedem 
Einzelnen  durch  Handschlag  der  Treueid  abgenommen. 

Nach  den  Verfügungen  für  das  zu  erwartende  Gefecht,  welche 
die  Obersten  Jakob  Ant.  v.  Castelberg  und  Ludwig  Caprez  — 
beide  hatten  in  fremden  Diensten  gestanden  —  entworfen,  stellte 
sich  eine  Abteilung  der  nun  durch  die  von  Banz  herangezogene 
Compagnie  verstärkten  Oesterreicher  samt  den  mit  Feuerwaffen 
bewehrten  Bündnern  am  südwestlichen  Ende  des  Fleckens,  in  der 
Ebene  von  Cons  auf.  Dieser  Mannschaft  waren  auch  die  beiden 
zur  Verfügung  stehenden  Dreipfünderkanonen  anvertraut  worden. 
Der  Rest  der  Oesterreicher  besetzte  die  jenseits  des  Magriel- 
Bächleins  liegende  Ebene  Silvaplana,  um  derart  die  Franzosen  an 
der  etwa  beabsichtigten  Umzingelung  des  Ortes  zu  hindern.  Die 
nur  mit  Schlagwaffen  ausgerüsteten  Landstürmer,  deren  Anzahl  auf 
3  bis  4000  Mann  geschätzt  wurde,  standen  auf  der  Höhe  ob  dem 
Dorfe  und  der  Ebene  Cons  („Turtengia  und  Marietta").  Sie  sollten 
dem  Gegner  im  entscheidenden  Augenblicke  in  die  Flanke  fallen. 
Das  Jägercorps  dagegen  besetzte  die  etwa  zehn  Minuten  vom 
Flecken  entfernt  liegenden  Crest-Montatsch-Hügel,  um  die  Fran- 
zosen im  Rücken  zu  bedrohen. 

Die  Linie  der  Vorposten  zog  sich  längs  dem  Segnasbache  hin ; 
ihre  eigentliche  Gefechtsstellung  bildete  die  Friedhofsmauer  von 
Cuoz-Buretsch.  Als  Rückzugsrichlung  für  das  Ganze  sollte  natur- 
gemäß die  Straße  in  das  Rheinthal  hinunter  angesehen  werden. 
Die  Mannschaften  waren  kampflustig;  immerhin  scheint  einiges 
Mißtrauen  in  den  guten  Willen  der  Führer  unter  ihnen  vertreten 
gewesen  zu  sein. 

Gegen  8  Uhr  morgens  erschien  bei  der  Feldwache  in  Cuoz- 
Buretsch  ein  französischer  Parlamentär,  der  nach  Dissentis  zu  den 
Befehlshabenden  geleitet  zu  werden  wünschte.  Er  fragte  denversam- 
melten Kriegsrat,  als  er  vor  diesem  erschien,  ob  man  sich  schlagen 
wTolle,  oder  nicht.  Ihm  wurde  die  feste,  mannhafte  Antwort:  „Wir 
werden  uns  verteidigen  bis  zum  letzten  Blutstropfen." 

Etwa  ein  und  eine  halbe  Stunde  später  setzten  sich  die  Fran- 
zosen in  Bewegung.  Beim  Dorfe  Raveras  schlug  die  Kolonne  den 
ob  der  Pfarrkirche  und  dem  Friedhofe  sich  hinziehenden  Pfad  ein. 
Die  gegnerischen  Vorposten  wurden  nach  kurzem  Widerstände 
geworfen.43    Die  Zeitgenossen  berichten,  dieser  Rückzug  sei  plan- 


38 

mäßig  geschehen.  Man  habe  die  Franzosen  schnell  in  die 
engen  Gassen  von  Dissentis  locken  wollen,  um  dort  den  mit 
Schlagwaffen  versehenen  Landsturm  gegen  sie  mit  Nutzen  ver- 
wenden zu  können. 

Die  Franzosen  scheinen  übrigens  einen  Hinterhalt  gefürchtet 
zu  haben.  Anstatt  „mit  ihrer  gewöhnlichen  neufränkischen  Wild- 
heit" überstürzt  und  ohne  viele  Sicherung  vorzugehen,  drangen  sie 
nur  langsam  und  zögernd  in  Dissentis  ein.  In  der  Mitte  der  Ort- 
schaft trafen  sie  in  der  That  mit  einer  übermächtigen  Zahl  Land- 
stürmer zusammen,  welche  wild  an  die  Gegner  herandrängten.  Die 
Franzosen  dachten  sogleich  an  einen  Rückzug  mit  nachfolgendem 
Sammeln  in  der  Ebene,  doch  gelang  es  ihnen  nicht,  die  Züge  zu 
bilden.  Von  allen  Seiten,  so  besonders  von  der  Höhe  herab,  mit 
Wucht  angegriffen,  wurden  sie  schnell  wieder  bis  Raveras  gedrängt.44 
Schon  in  Dissentis  hatte  unter  ihnen  ein  furchtbares,  erbarmungs- 
loses Morden  begonnen.  Dies  setzte  sich  fort,  als  die  Franzosen 
nach  einem  kurzen  Versuche,  die  Brücke  bei  Raveras  zu  halten, 
gegen  Silvaplana  weichen  mußten  und  hier  in  zwei  Abteilungen 
gespalten  wurden.  Jene,  welche  die  Thalschlucht  des  Rheines 
hinunterflohen,  um  Medels  und  den  Lukmanier  zu  erreichen,  fielen 
fast  ausnahmslos  unter  den  Streichen  der  wütenden  Bauern.  Ein 
Peloton,  das  ob  Silvaplana  bei  Rieven  in  einer  Aufnahmestellung 
sich  befand,  ging  ebenso,  wie  die  bei  Crest  de  Sax  stehenden,  mit 
den  übrigen  in  voller  Unordnung  gegen  die  Oberalp  zurück. 
Immerhin  versuchte  Loison  noch  einmal  bei  Mompe-Tavetsch  einen 
letzten  Widerstand  zu  leisten.  Da  er  aber  durch  einen  Urner, 
welcher  ihm  als  Führer  diente,  darauf  aufmerksam  gemacht  ward, 
daß  die  hier  bezogene  Stellung  leicht  in  der  Höhe  umgangen  werden 
könne,  ließ  der  General  bald  wieder  aufbrechen. 

Die  vom  Lukmanier  vorgedrungene  Kolonne  erfuhr  noch  im 
Medelser  Thal  die  Niederlage  ihrer  Waffengefährten.  Daraufhin 
trat  sie  sogleich  den  Rückmarsch  nach  Olivone  an. 

Erst  auf  der  Höhe  des  Oberalppasses,  gegen  5  Uhr  abends, 
hörte  die  unablässig  nachdrängende  Verfolgung  auf.  Die  Franzosen 
hatten  wenigstens  400  Mann  an  Toten  neben  nur  100  Gefangenen 
und  30  Verwundeten  eingebüßt.45  Der  Verlust  der  Oesterreicher 
beziffert  sich  auf  20  Mann,  der  der  Bauern  auf  13  Tote.46 

Die  beschämende  Niederlage,  welche  zwar  vorzüglich  auf  ein 
glückliches  Zusammentreffen  aller  für  die  Franzosen  ungünstigen 
Umstände  zurückzuführen  ist,  war  doch  von  diesen  zum  anderen 
Teile  selbst  verschuldet.  Die  Oberführung  hatte  den  Gegner,  die 
mit  dem  Mute  der  Verzweiflung  kämpfenden  Landleute  unterschätzt, 
die  mangelnde  Mannszucht  den  Widerstand  durch  das  Schauspiel 
furchtbarer  Ausschreitungen  gestählt.  Jene,  über  den  Lukmanier 
gehende  Kolonne  endlich  hätte  dem  Kampfe  in  und  um  Dissentis 

Günther,  Feldzug  1799.  3 


34 


einen  wesentlich  anderen  Ausgang  verleihen  können,  wäre  sie  recht- 
zeitig dort  eingetroffen.  Daran  hinderte  sie  aber  das  fortgesetzte 
Plündern,  und  so  trafen  sie  in  Mompe-Medels,  etwa  2,5  km  von 
Dissentis,  erst  in  dem  Augenblicke  ein,  da  alles  zu  Ungunsten  der 
Ihrigen  bereits  entschieden  war.4' 

Der  Landsturm  sollte  sich  nicht  lange  seines  leicht  errungenen 
Sieges  freuen.  Bereits  in  der  Nacht  vom  8.  auf  den  9.  März  kam 
die  Nachricht,  daß  die  Brigade  Demont  von  Reichenau,  welches  sie 
am  7.  März  erreicht  habe,  gegen  das  Oberland  marschiere,  und  daß 
Chur  von  Massena  besetzt  worden  sei.  Diese  Kunde  verbreitete 
allgemeine  Mutlosigkeit.  Die  Thatsache,  daß  derartige,  zusammen- 
geraffte, durch  keinerlei  Band  eigentlicher  soldatischer  Ehre  und 
Kameradschaft  an  einander  gefesselte  Massen  ebenso  schnell  an 
ihrer  Kraft  verzweifeln,  wie  sie  an  den  Verrat  der  Führer  glauben, 
machte  sich  auch  hier  geltend.  Es  blieb  dem  Kriegsrate  nichts 
anderes  übrig,  als  mit  Demont  zu  unterhandeln,  der  nach  einigem 
Widerstreben  dann  auch  annehmbare  Bedingungen  gewährte.48  Die 
genannte  Brigade  rückte  am  10.  März  in  Dissentis  ein  und  die  dort 
befindlichen  Oesterreicher  mußten  sich  kriegsgefangen  ergeben. 
Bereits  am  13.  aber  wurde  Demont  von  Loison  abgelöst,  der 
seinerseits  am  17.  ebenfalls  nach  Chur  abging.  Ein  aus  beiden 
Brigaden  gemischtes  Besatzungscorps,  unter  den  Befehlen  von 
Capitaine  Salomon,  blieb  in  der  Stärke  von  4  Compagnien  (103. 
Halbbrigade)  in  Dissentis  und  den  übrigen  Gemeinden  des  Ober- 
landes zurück. 

Während  Loison  den  Auftrag  gehabt  hatte,  den  Angriff  von 
Demont  zu  unterstützen,  sollte  Lecourbe  selbst  mit  der  ihm  direkt 
zur  Verfügung  stehenden  Brigade  Maynoni  das  Engadin  erobern 
und  die  Eingänge  zum  Vintschgau  besetzen.49 

Am  27.  Februar  hatte  der  General  von  Altdorf  das  Hauptquartier 
der  Division  über  den  Gotthard  verlegt.  Den  2.  März  erreichte  es 
Bellinzona.  Wohl  mag  es  beabsichtigt  gewesen  sein,  die  Division 
schon  am  folgenden  Tage  in  Bewegung  zu  setzen.  Der  empfindliche 
Mangel  an  Lebensmitteln  zwang  jedoch  vorläufig  noch  die  Waffen- 
ruhe zu  beobachten.50  So  wurden  die  Tage  vom  2.  bis  6.  März 
dazu  benützt,  die  in  ziemlich  weitläufiger  Unterkunft  zerstreuten 
Truppen  aus  der  Leventina  und  dem  Blegno  in  Bellinzona  und 
am  Eingange  der  Mesolcina,  in  den  Gemeinden  Arbedo,  Castione, 
und  Lumino  zu  vereinigen. 

Die  zur  italienischen  Armee  gehörende  Division  Dessoles  trat 
mit  Ende  Februar  ebenfalls  unter  die  Befehle  von  Lecourbe.  Diese 
Truppen,  deren  Stärke  zu  5091  Mann  angegeben  wird,  und  die  bis 
dahin  in  den  Gemeinden  am  Nordostufer  des  Comersees  und  dem 
Ausgange  der  Val  Tellina  gestanden  hatten,  empfingen  nun  die 
nötigen  Anweisungen.51 


35 

Uebersicht  der  Division  nach  Jomini  (III,  399). 

Kommandant:  Dessoles,  general  de  brigade. 

Generaladjutant :  Fressinet. 

Stabschef:  Petrigoni,  capitaine  cisalpin. 

Brigade  Dessoles. 

12.  1.  Halbbrigade,  39.  Linienhalbbrigade,  zusammen  ca.  40ÜU  M. 

Brigade  Lecchi  (cisalpin). 
2  Bat.  Detachement  d'expedition  500  M.,    1  Bat.  cisalpin  200  M. 
Kavallerie  48  M.  Artill.  u.  Sap.  343  M. 

Diese  Zahlen  erscheinen  etwas  gar  zu  genau  abgezirkelt,  um 
völlig  glaubwürdig  zu  sein.  Am  1.  März  hatte  Dessoles  ganz 
sicher  kaum  3500  Kampffähige  bei  einander.51 

Dessoles  wurde  von  Lecourbe  am  12.  und  14.  Ventöse(2./4.März) 
aus  Bellinzona  benachrichtigt,  daß  am  6.  März  die  Armee  auf 
Schweizerboden  den  Vormarsch  antreten  werde,  und  daß  die  Divi- 
sion Lecourbe  in  der  Folge  sich  in  Silvaplan a  im  Ober-Engadin 
wieder  vereinigen  solle.  Dessoles  erhielt  Befehl,  durch  das  Val 
Tellina  nach  Sta.  Maria  zu  marschieren  und  am  6.  März  aufzu- 
brechen.52 

Die  Befehle  und  Mitteilungen  an  Maynoni  erfolgten  unter  dem 
3.  März.  Die  Kolonne  Loison  ward  als  diejenige  des  linken,  Maynoni 
als  die  des  rechten  Flügels  bezeichnet.  Lecourbe  selbst  wollte  die 
Mittelkolonne,  bestehend  aus  der  36.  Halbbrigade,  1  Bataillon  der 
38.  Halbbrigade,  inbegriffen  die  12  Grenadiercompagnien,  führen. 
Als  seinen  Weg  bezeichnet  er  den  Pfad  über  den  San  Bernardino  auf 
Splügen,  Thusis,  Tiefenkasten,  Bergün  nach  Silvaplana  und  Martins- 
bruck.  Maynoni  dagegen  erhielt  den  Befehl,  mit  der  44.  und 
11/38.  Halbbrigade  am  6.  mit  Tagesanbruch  sich  in  Bewegung  zu 
setzen.  „Meine  Kolonne"  - —  heißt  es  in  dem  Schreiben  —  »folgt  der 
Ihrigen  bis  Mesocco.  Dort  gehen  Sie  über  die  Forcola  nach  Chia- 
venna  und  Splügen,  woselbst  sich  beide  Kolonnen  wieder  vereinigen 
und  zusammen  weiter  marschieren.  Sollten  Sie  auf  der  Forcola  zu 
vielen  Schwierigkeiten  begegnen,  so  folgen  Sie  meiner  Kolonne."53 

Dieser  ziemlich  unbestimmt  gehaltene  Befehl  an  Maynoni  er- 
klärt sich  aus  der  Thatsache,  daß  Lecourbe  daran  Zweifel  hegte, 
ob  die  Forcola  schon  zu  überschreiten  möglich  sei.54  Es  entsprach 
sonst  nicht  den  Gewohnheiten  des  Generals,  den  Unterführern  so 
viele  Freiheit  in  der  Ausführung  erhaltener  Aufträge  zu  gewähren. 
Die  Entsendung  der  Kolonne  Maynoni  über  Chiavenna  nach  Splügen 
fiel  überdies  nicht  stark  ins  Gewicht.  Lecourbe  konnte  ganz  gut 
annehmen,  daß  Dessoles  genügende  Kräfte  besäße,  um  gegen  den 
Splügen  hin  die  etwa  aufgebotenen  Landsturmabteilungen  in  Schach 
zu  halten.  Daß  die  wenigen  Oesterreicher ,  welche  südlich  und 
nördlich  von  Campodolcino  standen,  nicht  Aveiter  in  Betracht  kamen, 
erschien  als  selbstverständlich. 


36 

Da  Lecourbe  erst  am  6.  und  Dessoles  sogar  weitere  zehn  Tage 
später  den  Vormarsch  antrat,  so  war  an  ein  Zusammenhandeln 
mit  der  Mitte  und  dem  linken  Flügel  der  helvetischen  Armee  nicht 
zu  denken.  Weil  nun  aber  Graubünden  so  gut  wie  gar  nicht 
vom  Gegner  besetzt  erschien,  fand  Lecourbe  bis  zum  11.  —  Ankunft 
in  Bergün  —  fast  keinen  Widerstand,  es  sei  denn  von  den  Natur- 
gewalten. 

Da  man  nicht  hoffen  durfte,  in  den  Gemeinden  jenseits  des 
San  Bernardino  genügende  Lebensmittel  aufzutreiben,  so  nahm 
jeder  Mann  einen  viertägigen  (bis  zum  9.  März  inbegriffen)  Mund- 
vorrat in  den  Tornister.  Die  Taschenmunition  betrug  60  Patronen 
wie  gewohnt.  Alle  sonstigen  Vorräte  sollten  auf  Saumtieren  nach- 
geführt werden. 

Jede  Halbbrigade  bildete  im  Laufe  des  5.  März  aus  taug- 
lichen Leuten  und  den  sich  meldenden  Freiwilligen  eine  Compagnie 
Ausspäher  („Eclaireurs").  Jede  Kolonne  erhielt  im  weiteren  die 
nötige  Artillerie  und  eine  Anzahl  Sapeure,  sowie  einige  als  Ordon- 
nanzen dienende  Chasseurs  ä  cheval. 

Früh  4  Uhr  ^m  6.  März  standen  die  Truppen  marschbereit 
auf  der  Landstraße  swischen  Bellinzona  und  Arbedo.  Ein  Divisions- 
befehl hatte  ihnen  Tags  zuvor  die  Wiederaufnahme  der  Feind- 
seligkeiten angezeigt  und  jeden  einzelnen  ganz  besonders  darauf 
hingewiesen,  daß  Unordnungen,  Räubereien  und  Plünderung  aller 
Art  aufs  strengste  geahndet  werden  würden.55  —  In  den  grauenden 
naßkalten  Morgen  hinein  schritten  die  beiden  Kolonnen  in  der 
festgesetzten  Ordnung.  Die  Vorhut  einer  jeden  wurde  von  den 
Eclaireurs  gebildet. 

Bei  Soazza  traf  man  auf  den  Feind.  Die  Stellung  der  Ver- 
teidiger lag  wohl  vor  dem  Orte,  dort  wo  die  Steigung  der  Straße 
beginnt.  Ein  kurzes  Feuergefecht  entspann  sich,  dann  wichen  die 
wenigen  österreichischen  Füsiliere  vom  Regimente  Braichainville, 
nachdem  sie  wahrscheinlich  auf  ihrem  rechten  Flügel  umgangen 
worden.     Die  Franzosen  machten  dabei  15  Gefangene. 

Maynoni  war  unterdessen  nach  der  Forcola  abgebogen.  Auf 
den  Alpi  di  Castera  (1401  m,  Thaleingang  bei  Ascona  533  m) 
mußte  er  sich  jedoch  überzeugen,  daß  ein  weiteres  Vordringen, 
der  Schneeverhältnisse  halber,  unmöglich  sei.  So  erreichte  denn 
die  von  ihm  befehligte  Abteilung  bei  Dunkelwerden  den  Hauptort 
des  Thaies  Mesocco,  woselbst  auch  das  Divisionsquartier  für  die 
Nacht  aufgeschlagen  wurde.  Die  Vorhut  der  Kolonne  Lecourbe 
gelangte  jedoch  bis  San  Bernardino.  Hier  vertrieb  sie  den  Feind 
und  nahm  ihm  35  Mann  als  Gefangene  ab. 

Die  Witterung  gestaltete  sich  am  7.  März  noch  schlimmer. 
Ein  heftiger  Schneesturm  brauste  von  den  Höhen  herab,  die  den 
Paß  von  San  Bernardino  einschließen.  Dennoch  gingen  die  Truppen 


37 

rüstig  ans  Werk,  den  2063  m  hohen  Uebergang  zu  erzwingen. 
Den  Eclaireurs  und  jeder  einzelnen  Compagnie  waren  Führer  zu- 
geteilt worden,  ohne  die  wahrscheinlich  der  endliche  Erfolg  nicht 
möglich  gewesen  wäre.  Die  Mannschaften  sanken  bis  zum  Gürtel 
im  Schnee  ein  und  ein  Korporal,  sowie  ein  Grenadier  der  38.  und 
zwei  Soldaten  der  36.  Halbbrigade  kamen  in  der  schneidenden 
Kälte  um,  die  nach  dem  Aufhören  des  Sturmes  einfiel.  Mehreren 
Offizieren  und  Mannschaften  erfroren  Nasen,  Ohren  und  Hände.56 
Der  von  San  Bernardino  bis  zum  Moesola-See  sich  erstreckende 
Engpaß  ward  in  der  Marschkolonne  zu  einem  überschritten.57 
Leicht  hätte  der  Gegner  hier  die  Division  aufhalten  können,  doch 
trat  er  ihr  erst  in  der  Stärke  von  etwa  100  Oesterreichern  und 
5 — 600  Landstürmern  jenseits  der  Paßhöhe  entgegen.  Schnell  ge- 
worfen, wich  er  nach  Hinterrhein  zurück.  Auch  dieser  Ort  wie 
ferner  Nufenen,  Medels  und  Splügen  mußten  von  den  Oesterreichern 
nach  kurzem  Widerstände  aufgegeben  werden,  wobei  sie  einige 
Mann  an  Toten  und  Verwundeten  einbüßten.  Der  Verlust  der 
Franzosen  bezifferte  sich  auf  2  Tote  und  3  Verwundete;  sie  er- 
beuteten  von  den  Landstürmern  3  Genieindefahnen  und  machten 
an  60  Gefangene.58 

Die  Division  kantonnierte  an  diesem  Abend  in  der  Weise,  daß 
Lecourbe  mit  dem  Gros  Nufenen,  mit  den  Vorposten  Medels  besetzt 
hielt,  indes  Maynoni  in  Hinterrhein  blieb. 

Der  Bericht,  welchen  Lecourbe  über  den  Marsch  an  Massena 
sandte,  datiert  aus  Nufenen  vom  19.  Ventose  (9.  März).59  Er  stellte 
fest,  daß  ein  empfindlicher  Mangel  an  Lebensmitteln  herrsche  und 
daß  der  8.  März  als  Ruhetag  gehalten  werden  müsse,  weil  die 
Transporte  mit  Mundvorrat  nicht  so  schnell  zu  folgen  vermöchten. 
„Ich  kann  Ihnen  nicht  verhehlen"  —  heißt  es  weiter  —  „daß  mein 
Eclaireurs  die  größte  Unordnung  in  den  Orten  anrichteten,  durch 
welche  sie  vorgingen ;  sie  zeigen  vielen  Mut,  aber  es  sind  Plünderer. 
Ich  werde  mich  vielleicht  veranlaßt  sehen,  sie  wieder  aufzulösen." 
Im  Anschluß  daran  vernimmt  man  auch,  daß  es  nötig  sei,  ein 
Kriegsgericht  einzusetzen,  um  ein  abschreckendes  Beispiel  zu  geben. 

Dessoles,  welcher  in  steter  Verbindung  mit  Lecourbe  sich 
hielt,  wurde  nun  beauftragt,  die  Ausgänge  der  Bregaglia,  des  Val 
Malenco,  des  Poschiavo,  des  Val  Camonica  bis  zum  Oglio-Engpaß 
und  das  Wormser  Joch  zu  bewachen.  Als  es  sich  herausstellte, 
dass  die  Forcola  für  Truppenbewegungen  unzugänglich  sei,  sendete 
Lecourbe  an  Dessoles  den  Befehl  für  den  7.  März,  1  Bataillon 
der  121.  Halbbrigade  durch  das  Val  San  Giacomo  gegen  Splügen 
zu  entsenden.  Nachrichten,  die  von  Landesbewohnern  eingingen, 
besagten  nämlich,  daß  dieses  Dorf  durch  flüchtige  Befestigungen 
und  einige  Artillerie  gesichert  sei.  Die  Meldung  ward  zwar  als 
eine  falsche  erkannt;  immerhin  hätte   ein   rechtzeitiges  Eintreffen 


38 


des  Bataillons    die    Oesterreicher    vollkommen   von   ihrer   einzigen 
Rückzugslinie  abgeschnitten. 

Dessoles  empfing  den  Befehl  jedenfalls  zu  spät;  denn  die 
Entsendung  erreichte  erst  am  Morgen  des  8.  März  das  Dorf  Splügen. 
Lecourbe,  der  ihrer  nicht  mehr  bedurfte,  ließ  sie  sogleich  nach 
Chiavenna  zurück  marschieren. 

Dessoles  hatte  in  den  ersten  Tagen  des  März  wohl  einige 
Verstärkungen  für  seine  Division  empfangen,  aber  jedenfalls  nicht 
2000  Mann,  wie  Lecourbe  an  Massena  meldete.  Für  seinen  Vor- 
marsch gegen  Glurns  mochte  er,  um  in  der  rechten  Flanke  ge- 
sichert zu  sein,  nur  2 — 3000  Mann  verwenden.  Sehr  schmerzlich 
empfand  es  der  General,  daß  ihm  nur  3  Dreipfünder  als  Berg- 
geschütze und  noch  dazu  ohne  Bespannung  zur  Verfügung  standen. 
Ueberdies  hatte  auch  er  wie  Lecourbe  stetsfort  mit  dem  Hunger 
zu  kämpfen. 

Am  9.  März  gelangte  das  Gros  der  Division  Lecourbe  bis 
xindeer  und  Tiefenkasten.  Ihre  Vortruppen  standen  in  Brienz  an 
der  Straße  über  den  Albulapaß  und  am  Eingange  zum  Oberhalb- 
steinthal. In  Thusis  erfuhr  Lecourbe  die  Erfolge,  welche  Massena 
errungen,  die  Besetzung  von  Chur  durch  die  Franzosen,  aber  auch 
die  Niederlage  von  Dissentis.  Wahrscheinlich  aus  Gründen  der 
Verpflegungsordnung  mußte  die  Division  am  10.  abermals  einen 
Ruhetag  in  die  Folge  ihrer  Bewegungen  einschalten. 

Erst  mit  dem  11.  März  beginnt  der  eigentliche  Feldzug  der 
Division  Lecourbe.  Bis  dahin  hatte  man  lediglich  einige  Züge 
Oesterreicher  und  schwache,  gar  nicht  geordnete  Landsturin- 
abteilungen als  Gegner  begrüßen  können.  Nun  aber  erschienen 
größere  Truppenkörper,  geführt  vom  Generalmajor  Freiherrn  von 
Laudon,  einem  Brigadier  des  Corps  Bellegarde,  auf  dem  Kampfplatze. 
Als  die  Nachricht  von  den  ersten  Erfolgen  der  Franzosen 
im  Rheinthale  nach  Bozen  gelangte,  wurde  Generalmajor  Laudon 
beordert,  die  in  der  Bregaglia  und  dem  Poschiavo  stehenden 
2  Bataillone  und  1  Schwadron  in  das  Unterengadin  zurückzuziehen. 
Dies  durchzuführen  gelang  aber  nicht  mehr.  Weitere  8  Bataillone 
und  1  Schwadron,  welche  bis  dahin  im  westlichen  Tirol  gestanden 
hatten,  sollten  die  Uebergänge  des  Flüela-,  Albula-,  Scaletta-  und 
des  Ofen-Passes,  sowie  das  Wormser  Joch  sichern.  Hierzu  kamen 
noch  8  Compagnien,  welche,  ursprünglich  zur  Brigade  Auffenberg 
gehörend,  der  Gefangennahme  bei  Chur  durch  einen  rechtzeitigen 
Rückzug  ins  Schanfigg  und  über  den  Strela-Paß  entgangen  waren. 
Die  weiter  zurück  befindlichen  Truppen  erreichten,  in  drei  Marsch- 
säulen abgeteilt,  folgende  Punkte:  (5  Bataillone  das  Montafun, 
9  Bataillone  Bozen,  die  noch  im  Innthale  sich  befindenden  Imst. 
Dieser  letztere  Ort  durfte  jedoch  lediglich  als  vorläufiges  Marsch- 
ziel gelten. 


39 

Am  10.  März  verfügte  Laudon  über  eine  Macht  von  3  Bataillonen, 
1  Schwadron  bei  Nauders,  5  Bataillonen,  1  Schwadron  zwischen 
Tauffers  und  Sta.  Maria  im  Münsterthal.  Mit  weiteren  4  Bataillonen, 
welche  Oberst  Baron  St.  Julien  soeben  von  Ried  nach  Xauders 
entsendet  hatte,  trat  der  General  den  Vormarsch  gegen  Zernetz 
an,  welchen  Ort  er  in  der  Nacht  vom  lü.  zum  11.  erreichte. 
Zugleich  ging  1  Bataillon  als  Sicherung  der  linken  Flanke  dieser 
Kolonne  vou  Sta.  Maria  nach  Bormio  über  das  Wormser  Joch. 
Nachdem  es  einen  sorglosen  Posten  der  Cisalpiner  gefangen  ge- 
nommen, besetzte  es  die  Bäder  von  Premaglio  und  Trepal.  Ein 
anderes  Bataillon  sicherte  die  kürzeste  Verbindung  zwischen  Zernetz 
und  dem  Münsterthal,  den  Ofen-Paß. 

Jene  geringen  Reste  der  Brigade  Auffenberg,  die  wie  schon 
erwähnt  in  Süs  eingetroffen  waren,  besetzten  ebenfalls  die  Paßhöhen 
des  Flüela  und  des  Scaletta.  Augenscheinlich  fürchtete  man  seitens 
der  Oesterreicher,  daß  die  Franzosen  auf  die  rechte  Flanke  und 
den  Rücken  der  in  Zernetz  stehenden  Abteilung  wirken  könnten. 
Dennoch  ließ  man,  während  der  Albula-Paß  eine  scharfe  Beobachtung 
erfuhr,  den  von  Bergün  durch  das  Val  Tuora  über  den  Sertig-Paß 
(2385  m)  und  das  Val  Sulsanna  auf  die  Hauptstraße  des  Unter- 
engadins  abzweigenden  Saumpfad  völlig  außer  Augen.  Dieses 
Uebersehen  einer  zwar  wenig  begangenen,  aber  nicht  unwichtigen 
Verbindung  zwischen  den  Flußgebieten  des  Rheines  und  des  Inns 
sollte  sich  bald  empfindlich  genug  rächen. 

In  der  That,  nichts  ist  schwieriger,  als  das  Hochgebirge  in 
der  Weise  zu  verteidigen,  daß  jeder  Pfad  benützt  und  besetzt, 
daß  jede  Höhe  gedeckt  wird.60 

Wie  leicht  tritt  nicht  in  solchen  Fällen  eine  Verzettelung  der 
Kräfte  auf,  welche  dann  gerade  in  dem  Augenblicke  mangeln,  wo 
man  ihrer  hauptsächlich  bedarf.  Das  Schicksal  Laudons  zeigt 
deutlich,  wie  durchaus  notwendig  es  ist,  im  Gebirge  von  dem  Grund- 
satze der  „passiven  Defensive*  abzugehen.  Wird  eine  derartige 
Verteidigung  in  den  meisten  Fällen  selbst  schon  in  der  Ebene 
versagen,  um  wieviel  mehr  im  Gebirge,  das  einer  offenen  Festung 
gleicht.  Hier  wie  dort  kann  nur  die  größte  Thätigkeit,  welche 
rücksichtslos  und  blitzschnell  kräftige  Stöße  nach  bestimmtem  Plane 
und  nach  allen  Seiten  hin  richtet,  den  Erfolg  herbeiführen. 

Diese  Art,  den  Krieg  im  Gebirge  zu  führen,  durften  aber  die 
kaiserlichen  Generale  nicht  anwenden,  da  der  Hofkriegsrat  strenge 
die  rein  örtliche  Verteidigung  vorgeschrieben  hatte.  Ein  ein- 
sichtiger Feldherr  wäre  nun  freilich  dennoch  zu  der  entgegen- 
gesetzten Handlungsweise  gekommen,  ohne  sich  viel  um  die  hundert 
Stunden  von  ihm  entfernte  Behörde  zu  kümmern.  Der  Geist  jedoch, 
welcher  damals  im  österreichischen  Beere  herrschte:  der  völlige 
Mangel  an  Selbständigkeit  bei  allen  Führern,  die  Gewißheit,  stets- 


40 


fort  von  Spionen  Thuguts  umgeben  zu  sein,  und  daraus  hervor- 
gehend eine  oft  geradezu  stumpf  fatalistische  Gleichgültigkeit  gegen 
alle  Fehlschläge:  dieser  Geist  hinderte  jede  kräftige  That. 

Auch  Laudon  blieb  bei  den  einmal  erhaltenen  Befehlen  und 
befolgte  sie,  ohne  nach  der  Veränderung  der  Lage  zu  fragen,  in 
ihrer  ursprünglichen  Form. 

Lecourbe  mochte  wohl  von  den  Landesbewohnern  die  Maß- 
nahmen der  Gegner  erfahren  haben.  Darauf  deuten  seine  An- 
ordnungen für  den  Marsch  am  11.  März.  Es  wurden  nämlich 
wiederum  zwei  Kolonnen,  zu  3  Bataillonen  jede  gebildet.  Die  eine 
derselben,  unter  dem  Befehle  des  Divisionärs,  nahm  die  Straße  über 
den  Albula-Paß.  Die  andere,  befehligt  von  dem  General  Maynoni, 
ging  über  den  Julier  nach  Silvaplana  und  den  Septimer  nach 
Casaccia. 

Um  3  Uhr  nachmittags  erreichte  die  Kolonne  Lecourbe 
Bergün.  Einige  hundert  Meter  vom  Ostausgange  des  Dorfes 
trafen  die  vom  Capitaine  Vrigny  der  38.  Halbbrigade  geführten 
Eclaireurs  auf  den  Gegner.  Ein  lebhaftes,  aber  nur  kurz  an- 
dauerndes Feuergefecht  genügte,  die  österreichischen  Schützen  zum 
Weichen  zu  bringen.  Lecourbe  trat  selbst  an  die  Spitze  seiner 
Vorhut  und  frischen  Mutes  klomm  man  zur  Paßhöhe  heran 
(2315  m).  Da  kein  weiterer  Widerstand  geleistet  wurde,  so  be- 
fanden sich  wenigstens  die  drei  Eclaireur-Compagnien  nachts 
11  Uhr  vor  dem  Westeingange  von  Ponte.  Eine  ganz  unerwartete 
Begegnung  mit  weit  überlegenen  Kräften  zwang  zu  raschem  Ab- 
bruche des  schon  begonnenen  Nachtgefechtes.  Die  Vorhut  ging 
bis  zu  der  Alpe  d?  Albula  zurück.  Das  Gros  der  Division  blieb 
bei  der  Häusergruppe  Weißenstein  (2080  m)  im  Biwak.  Der  Tag 
hatte  beiden  Teilen  einige  Tote  und  Verwundete  gekostet,  darunter 
den  oben  genannten  Capitaine  Vrigny. 

Maynoni  mit  2  Bataillonen  der  44.  und  II  38.  Halbbrigade 
erreichte  durch  das  Oberhalbstein  Bivio  a  Stalla.  Den  weiteren 
Vormarsch  nahm  er  wie  das  Gros  seiner  Kolonne  über  den  Julier 
(2287  m).  Drei  Compagnien  Freiwilliger  erreichten  über  den 
Septimer  (2311  m)  Casaccia.  Bereits  um  3  Uhr  nachmittags  wurde 
dieser  Ort  besetzt.  Das  Feldtagebuch  meldet  dabei,  daß  der  Gegner 
nach  siebenstündigem  Gefechte  gegen  den  Malojapaß  hin  geworfen 
wurde  und  Maynoni  ebenfalls  noch  an  diesem  11.  März  Silvaplana 
erreicht  habe.  Sind  diese  Angaben  richtig,  so  hatten  alle  Teile 
der  Division  thatsächlich  einen  Gewaltmarsch  durchgeführt,  der 
einen  bedeutenden  Aufwand  an  Willenskraft  verrät.61 

Am  12.  März  erneuerte  Lecourbe  seinen  Angriff  auf  Ponte 
mit  den  2  Bataillonen  der  36.  Halbbrigade.62  Das  III.  Bataillon 
der  38.  Halbbrigade  ward  von  Bergün  über  den  Sertigpaß  nach 
Sulsanna,  beziehungsweise    nach    Zutz    und   Madulein    entsendet.63 


41 


Generalmajor  Laudon  schien  entschlossen,  die  Stellung  bei  Ponte 
um  jeden  Preis  halten  zu  wollen.  Er  verfügte  hier  über  die  Regi- 
menter Devins,  Braichainville  und  ein  Kroatenbataillon  (Benoiski). 
Gegen  9  Uhr  morgens  begann  das  Gefecht.  Die  Ungeduld  Lecourbes 
mochte  die  Ankunft  des  in  den  Rücken  des  Gegners  entsendeten 
Bataillons  nicht  erwarten.  Er  versuchte  mehrere  Male  das  Bajonett 
über  den  Besitz  von  Ponte  entscheiden  zu  lassen,  aber  vergebens. 
Erst,  als  um  2  Uhr  nachmittags  die  Ausspäher  vom  111/ 38.  am 
Thalrande  oberhalb  Madulein  erschienen,  entschloß  sich  Laudon 
zu  schnellem  Rückzuge  nach  Zernetz.  Es  war  die  höchste  Zeit! 
Laudon  selbst  konnte  nur  mit  genauer  Not  noch  entkommen  und 
verlor  jetzt  eine  große  Anzahl  seiner  Mannschaften  als  Gefangene. 
Lecourbe  bemerkte  nicht  so  bald  diese  Bewegung  des  Gegners, 
als  er  Ponte  durch  einen  Angriff  der  Grenadierreserve  in  seine 
Gewalt  brachte.64  Fortgesetzt  nachdrängend  machten  die  Franzosen, 
welche  die  Verfolgung  bis  Brail  durchführten,  2  Majore,  12  Haupt- 
leute, 36  Lieutenants  und  1200  Unverwundete  zu  Gefangenen. 
Die  Oesterreicher  verloren  überdies  200  Tote  und  Verwundete. 
Um  5  Uhr  nachmittags  fielen  vor  Brail  die  letzten  Schüsse  und 
hier  wurde  auch  eine  Vorpostenstellnng  bezogen.  Die  Division, 
Avelche  etwa  60  Mann  an  Toten  und  Verwundeten  zählte  — 
darunter  2  Capitains  tot  —  kantonnierte  in  dieser  Nacht  mit 
dem  Gros  in  Zutz  und  Scanfs.  Eigentlich  waren  französischer- 
seits  am  12.  März  bei  Ponte  nur  2  Bataillone  ernstlich  im  Feuer 
gewesen.  Die  Umgehung  über  den  Sertig-Paß  entschied  demnach 
den  Tag ! 

Die  Eclaireurs  der  Kolonne  Maynoni,  welche  vom  11.  zum 
12.  März  in  Casaccia  kantonnierten,  wurden  um  9  Uhr  morgens 
in  dem  Augenblicke,  da  sie  aus  dem  Südausgange  des  Dorfes 
herausmarschierten,  von  dem  etwa  500  Mann  starken  Gegner 
angegriffen.  Wahrscheinlich  gelang  es  auch  hier  wieder  den  Fran- 
zosen, eine  Umgehung  durchzuführen  Sie  machten  an  100  Ge- 
fangene und  nahmen  2  Kanonen  nebst  ihren  Caissons.  Der  Rest 
dieses  österreichischen  Bataillons,  in  die  Bregaglia  zurückgeworfen, 
fiel  bei  seinem  weiteren  Rückzuge  durch  das  Val  Tellina  der 
nunmehr  in  Tirano  stehenden  cisalpinischen  Brigade  Lecchi  in 
die  Hände. 

Die  Eclaireurs  überstiegen  nach  dem  glücklichen  Ausgange 
ihres  Gefechtes  den  Maloja-Paß  (1811  m)  und  wechselten  noch 
bei  St.  Moritz  einige  Schüsse  mit  den  wenigen  hier  umherirren- 
den österreichischen  Versprengten.  Vorwärts  Silvaplana  erreichten 
sie  dann  die  Hauptkolonne. 

Vereint  weiter  marschierend,  traf  die  Kolonne  Maynoni  abends 
in  Samaden  mit  2  Compagnien  der  36.  Halbbrigade  zusammen, 
welche  Lecourbe  von  Ponte  aus  zur  Verfolgung  des  das  Thal  auf- 


42 


wärts  geflohenen  Gegners  entsendet  hatte.  Es  gelang  auch  hier, 
mehrere  hundert  Gefangene  zu  machen.  Wohl  nur  wenige  Flüchtige 
entkamen  über  den  Bernina-Paß  zu  dem  in  Poschiavo  stehenden 
österreichischen  Bataillon.  Dieses,  das  sich  über  das  Wormser  Joch 
der  Gefangennahme  rechtzeitig  zu  entziehen  hoffte,  fiel  dennoch 
der  Division  Dessoles  in  die  Hände  und  mußte  vor  ihr  die  Waffen 
strecken. 

Generalmajor  Laudon  hatte  noch  in  der  Nacht  vom  12.  auf 
den  13.  März  Zernetz  geräumt.  Das  dortige  Magazin  vermochte 
nicht  vollständig  geleert  zu  Averden.  Die  Franzosen  machten  an 
den  zurückgelassenen  Vorräten  —  30  Säcke  Mehl,  500  Säcke 
Hafer  und  30  Kisten  Infanteriemunition  —  eine  willkommene  Beute. 

Während  Laudon  über  den  Ofenpaß  nach  Sta.  Maria  marschierte, 
ging  ein  anderer  Teil  der  ihm  unterstehenden  Truppen  unter  Major 
Munkatsy  den  Fluß  abwärts  nach  Martinsbruck  zurück,  welcher 
Ort  in  der  Naoht  vor  dem  14.  erreicht  wurde.  Auch  diese  Be- 
wegung muß  mit  ziemlicher  Ueberstürzung  vor  sich  gegangen  sein. 
In  Guarda  blieben  ebenfalls  100  Säcke  Hafer,  im  Schlosse  Tarasp 
ein  Vorrat  an  Munition  zurück.  Bei  Schuls  dagegen  hielt  sich 
das  leichte  Bataillon  Munkatsy  von  3  bis  8  Uhr  nachmittags. 
Dann  mußte  es  sich,  von  allen  Seiten  bedrängt,  mit  einem  Verluste 
von  24  Mann  an  Gefangenen  und  Öti  Toten  und  Verwundeten  nach 
Remüs  und  in  der  folgenden  Nacht  auf  Martinsbruck  zurückziehen. 

Die  Stellung  von  Martinsbruck  wurde  von  den  österreichischen 
Vorposten  vorwärts  von  Schieins,  jene  in  Sta.  Maria  auf  der  Höhe 
der  „Fuorn"  („Ofen"  2155  m)  und  des  Cierfser  Joches  (2251  m) 
gesichert.  Der  zuletzt  genannte  Uebergang  verbindet  die  Thäler 
des  Rombaches  und  von  Scarl.  (Val  da  Scarl.)  Er  bildet  die  kürzeste 
Verbindung  zwischen  Schuls  und  Münster. 

Die  Hauptmasse  der  Division  Lecourbe  erreichte  noch  am 
13.  abends  die  Ortschaft  Schuls.  Ein  Bataillon  der  44.  Halbbrigade 
blieb  in  Zernetz  zurück,  um  die  Ausgänge  des  zum  Ofen-Paß  hinauf- 
führenden Thaies  des  Spölflusses  zu  beobachten.  Die  Vorposten 
bezogen  eine  Stellung  vorwärts  Sent.65  In  diesen  beiden  letzten 
Tagen  machte  die  Division  etwa  3400  Gefangene.  Sie  setzte  dem 
Gegner  überdies  400  Mann  außer  Gefecht.  Der  eigene  Verlust 
bezifferte  sich  dabei  nach  amtlicher  Angabe  auf  80  Tote  und 
Verwundete.05 

In  der  Nacht  zündeten  die  Oesterreicher  die  über  den  Ruinains- 
bach  (zwischen  Remüs  und  Strada)  führende  Straßenbrücke  an. 
Der  Vormarsch,  den  Lecourbe  persönlich  leitete,  verzögerte  sich 
dadurch  um  einige  Zeit.  Ein  Kilometer  vorwärts  der  Ortschaft 
Strada  tritt  der  Fluß  in  scharf  geschwungenem  Bogen  an  den 
ziemlich  steilen  Bergabhang  heran.  Hier  leistete  eine  aus  1  Offizier 
und  20  Mann  bestehende  Feldwache,  welche  sich  in  ein  steinernes 


43 


Haus  geworfen,  für  kurze  Zeit  Widerstand.  Nachdem  diese  kleine 
Truppe  gefangen  genommen  worden,  setzte  die  aus  3  Bataillonen  be- 
stehende Kolonne  ihren  Marsch  auf  Martinsbruck  fort.  Das  111/38. 
war  bereits  von  Remüs  aus  über  fast  ungangbare  Pfade  gegen 
Schieins  entsendet  worden.  Die  genannte  Ortschaft  wurde  denn 
auch  rechtzeitig  besetzt.67  Die  Vorposten  der  Oesterreicher  scheinen 
schnell  und  ohne  viel  mehr  zu  thun,  als  einige  Schüsse  abzugeben, 
in  die  Hauptstellung  zurückgewichen  zu  sein. 


p^auölej'i 


oi-herls-Hohz 


'<«..:  W:  «*•  fg  B5cla.mj.50>, 


Ueber  diese  Stellung  und  ihre  Einrichtung  zur  Verteidigung 
macht  Erzherzog  Karl  (I,  85)  folgende  Beschreibung: 

„Die  Heerstraße  längs  dem  Inn  zieht  durch  das  Dorf  Martins- 
bruck über  eine  Brücke  von  dem  linken  auf  das  rechte  Ufer: 
schlängelnd  führt  dieser  Weg  über  den  Berg  von  Nauders,  und 
geht  dann  meist  auf  dem  Abfall  schroffer  Felsen  nach  Finstermünz, 
wo  man  wieder  über  eine  Brücke  das  linke  Ufer  gewinnt.  Bei 
Nauders  vereinigt  sich  die  Straße  über  Burgeis  nach  Glurns,  das 
Innthal   mit  jenem   der   Etsch.     Vor   dem  Orte  Martinsbruck   ist 


44 


die  Straße  durch  Abfälle  hoher  Berge,  welche  sich  fast  bis  au  den 
Fluß  herabsenken,  sehr  beschränkt.  Ein  Bach  stürzt  in  einer  tiefen 
Schlucht  von  dem  Gebirge  in  den  Inn ;  und  der  Fuß  des  Berges, 
von  dem  er  herabläuft,  bildet  gegen  den  oberen  Inn  einen  hervor- 
springenden Riegel,  von  welchem  es  möglich  wird,  sowohl  die 
Schlucht  als  das  Thal  des  Flusses  und  die  Heerstraße  zu  bestreichen. 
Auf  einer  zweiten  Abdachung  des  Gebirges,  welche  sich  über  die 
erste  erhebt,  vereinigen  sich  zwei  Fußsteige,  deren  einer  oberhalb 
über  die  Schlucht  führt  und  unter  dem  Fuße  des  am  Ausgange 
befindlichen  Riegels  liegt ;  der  andere  umgeht  sie  zwar,  ist  aber 
leichter  zu  verteidigen.  Aber  auf  dem  Kamm  des  Gebirges  läuft 
von  Schieins  aus  ein  Fußweg  in  paralleler  Richtung  mit  der  Heer- 
straße ,  umgeht  Martinsbruck,  seukt  sich  über  den  Spißberg  gegen 
die  Brücke  von  Finstermünz  herab  und  führt  dann  als  Fußweg 
unter  dem  Namen  Novellasteig  am  linken  Ufer  des  Inn  nach 
Martinsbruck  und  in  den  Rücken  der  Position.  Auf  dem  rechten 
Ufer  sind  die  Steige  gegen  Nauders  wegen  des  steilen  Gebirges 
äußerst  beschwerlich.  Die  Oesterreicher  hatten  Verstärkungen 
erhalten  und  mit  3  Bataillons  und  3  Kanonen  ihre  Stellung  bei 
Martinsbruck  auf  den  Höhen  genommen,  vor  deren  Front  die  erst 
beschriebene  Schlucht  liegt.  Die  Landschützen  aus  der  ganzen 
Gegend  waren  aufgeboten.  Die  bei  den  früheren  Gefechten  ver- 
sprengten Posten  hatten  sich  großenteils  dort  gesammelt,  und 
Truppen  aus  dem  Innern  von  Tirol  zogen  gegen  Finstermünz  und 
Nauders." 

Bis  hierher  hatte  die  Division  nur  Erfolge  davongetragen. 
Es  darf  nicht  Wunder  nehmen,  daß  Lecourbe  selbst  die  Größe 
der  Gefahr  nicht  ermaß,  in  der  er  schwebte. 

Schon  Clausewitz  (I,  76)  hat  darauf  hingewiesen,  daß  nirgends 
die  Frage  berührt  wird,  warum  die  Division  Lecourbe,  um  in  das 
Engadin  zu  gelangen,  den  weiten  Umweg  durch  die  Mesolcina  und 
das  Thal  des  Hinterrheines  nahm.  Auch  die  Memoiren  von  Massena 
geben  über  den  Zweck  dieser  Anordnung  keinen  Aufschluß.  Clause- 
witz meint:  „Dagegen  kann  man  sich  kaum  des  Gedankens  er- 
wehren, daß  Lecourbe  die  Bestimmung  gehabt  habe,  zuerst  der 
Stellung  Auffenbergs  im  Rheinthale  in  den  Rücken  zu  kommen." 
Immerhin  bleibt  hier  eine  Unklarheit.  Die  Bedrohung  Auffenbergs 
wäre  doch  weit  leichter  über  die  Oberalp  durchzuführen  gewesen. 
Die  Annahme  liegt  dagegen  nahe,  daß  die  Franzosen  keine  genaue 
Kenntnis  von  den  Stellungen  des  Gegners  in  Tirol  zu  Beginne 
des  Feldzuges  gehabt  hätten.  Einzelne  Andeutungen  in  den  Be- 
richten von  Lecourbe  zeigen,  daß  man  sich  eines  ernstlichen  Wider- 
standes versah  und  größeren  Truppenkörpern  zu  begegnen  glaubte.68 
Man  vermutete  aber  diese  Ereignisse  in  der  Richtung  des  that- 
sächlichen  Vormarsches  der  Division.   Dies  geht  deutlich  aus  dem 


45 

Briefwechsel  des  Generals  hervor  und  ferner  aus  der  Thatsache, 
daß  die  Division  Dessoles,  obwohl  zur  italienischen  Armee  gehörend, 
dem  Befehle  von  Lecourbe  unterstellt  wurde.  Loison  besaß  dagegen 
den  Auftrag,  der  Stellung  Auffenbergs  vom  Bündner  Oberlande 
her  in  den  Rücken  zu  stoßen,  um  den  Marsch  der  Brigade  Demont 
über  den  Kunkels-Paß  zu  verdecken. 

Die  Division  Lecourbe  stand  jetzt  völlig  vereinsamt  im  Inn- 
thale.  Massena  wirkte  mit  allen  verfügbaren  Kräften  gegen  die 
feste  Stellung  von  Feldkirch.  Dessoles,  welcher  sogar  einen  Gegen- 
befehl erhalten,  befand  sich  am  15.  März  erst  in  Tirano.69  Die 
Division  Lecourbe  wurde  demnach  von  überlegenen  gegnerischen 
Kräften  und  zwar  auf  beiden  Seiten  flankiert.  Dennoch  erschien 
ihre  Lage  nicht  so  gefahrvoll,  wie  sie  Erzherzog  Karl  wissen  will 
(I,  82  ff.).  Die  Schnelligkeit  und  Kraft,  mit  welcher  Lecourbe  zu 
handeln  wußte,  ersetzten  manches  von  dem,  das  ihm  hier  zu  einer 
geordneten  Kriegführung  fehlte.  In  der  Lage,  in  der  Lecourbe 
sich  befand,  mußte  ihm  alles  daran  liegen,  schnell  in  den  Besitz 
von  Martinsbruck  und  Nauders  zu  gelangen.  Die  bisher  geübte 
laue  Verteidigung  des  Gegners  ermunterte  recht  eigentlich  zu 
rücksichtslosem  Vorstoßen.70 

So  griff  Lecourbe  noch  an  diesem  14.  März  Mittags  12  Uhr 
die  Stellung  von  Martinsbruck  mit  3  Bataillonen  in  der  Front  anr 
ohne  eine  Umgehung  zu  versuchen.  Wider  Erwarten  wurde  jeder 
Versuch,  stürmend  in  die  Ortschaft  einzudringen,  durch  das  wohl- 
gezielte Feuer  der  2600  Oesterreicher  unter  Oberst  Freiherr  von 
Knesewicz  vom  Warasdiner  St.  Georger  Infanterieregiment  vereitelt. 71 
Als  um  6  Uhr  abends  die  Dämmerung  einfiel,  mußte  der  General 
endlich  Rücksicht  auf  die  ermüdeten  und  von  Hunger  gequälten 
Truppen  nehmen.  Die  Linie  der  Feldwachen  wurde  vorwärts- 
Schleins  und  Strada  eingerichtet;  das  Hauptquartier  der  Division 
kam  nach  Remüs. 

Den  15.  März  hatte  Lecourbe,  mit  Rücksicht  darauf,  daß  die 
Lebensmitteltransporte  noch  nicht  heran  waren,  zu  einem  Ruhetage 
bestimmt.  Die  Brigade  Maynoni  sollte  in  Remüs  eintreffen,  um 
folgenden  Tages  an  einem  neuerlichen  Sturmangriffe  gegen  Martins- 
bruck teilnehmen  zu  können. 

Generalmajor  Laudon  war  zu  der  Ueberzeugung  gelangt,  daß. 
ein  rascher  Vorstoß  gegen  die  Flanke  der  schwachen  Division  von 
Erfolg  gekrönt  sein  werde.  Im  Münsterthal  hatte  er  an  7000  Mann 
der  Tiroler  Landesschützen  besammelt.  Nachdem  in  Sta.  Maria 
noch  3  Compagnien  Grenadiere  eingetroffen,  glaubte  er  sich  stark 
genug  für  das  auf  den  15.  März  angesetzte  Unternehmen. 

Bei  dem  zusammengesetzten  Angriffe  fiel  einer  Kolonne  von 
3  Compagnien  —  wahrscheinlich  unter  Zuzug  einer  schwachen 
Abteilung  Landesschützen   —    die   Aufgabe    zu,    von   Sta.  Maria 


46 


durch  das  Scarlthal  gegen  Schills  vorzugehen.  Eine  zweite  Ko- 
lonne, ebenfalls  aus  3  Compagnien  bestehend,  dagegen  mit  der 
Masse  des  zur  Verfügung  stehenden  Landsturms  verstärkt,  wendete 
sich  über  den  Ofen-Paß  gegen  Zernetz.  Der  Generalmajor  selbst 
scheint  sich  —  man  sieht  nicht  recht  ein,  warum  —  bei  der  zu- 
erst erwähnten  Abteilung  befunden  zu  haben.  Sonderbarerweise 
ließ  er  den  Rest  der  im  Münsterthale  befindlichen  Truppen,  die 
zusammen  4  Bataillone  betrugen,  zur  Sicherung  des  von  der  Division 
Dessoles  durchaus  nicht  bedrohten  Sta.  Maria  zurück. 

Anderseits  sollte  die  Besatzung  von  Martinsbruck  am  15.  des 
Morgens  einen  Ausfall  machen,  um  die  Aufmerksamkeit  des  Gregners 
von  seinen  Flügeln  und  seinem  Rücken  abzulenken. 

Die  vom  Ofenpaß  heruntersteigende  Kolonne  fand  am  Aus- 
gange des  Spölthales  lebhaften  Widerstand.  Der  Kampf  begann 
hier  um  2  Uhr  morgens 

Das  in  Zernetz  stehende  I.  Bataillon  44.  Halbbrigade  ver- 
mochte nicht  nur  die  Ortschaft  zu  halten,  sondern  auch  die  geg- 
nerische Kolonne  zurückzuwerfen.  Der  Landsturm,  obwohl  un- 
zweifelhaft von  gutem  Geiste  und  besten  Willen  erfüllt,  suchte 
bald  sein  Heil  in  der  Flucht.'2  Er  bewies  durch  diese  Handlungs- 
weise wieder  einmal,  daß  unorganisierte  Abteilungen,  soferne  nicht 
außergewöhnliche  Umstände  mit  ins  Spiel  kommen,  nicht  daran 
denken  können,  wirkliche  Erfolge  zu  erringen.  Jene,  gegen  Schuls 
vorgehende  Kolonne,  gewann  immerhin  einige  Lorbeeren. 

Der  General  Maynoni  hatte  aller  Wahrscheinlichkeit  nach, 
auf  seinem  Marsche  nach  Remüs  und  Martinsbruck,  den  Sicherungs- 
dienst vernachlässigt.  Nicht  nur,  daß  er  gar  keine  Patrouillen  ins 
Scarlthal  entsendete,  deckte  er  auch  keineswegs  die  Innbrücke  bei 
Schuls,  über  welche  der  Weg  von  Sta.  Maria  her  in  die  Ortschaft 
führt,  durch  eine  Feldwache.73  Ein  Ueberfall  seitens  der  Oester- 
reicher  konnte  deshalb  ohne  andere  Schwierigkeiten  als  diejenigen, 
welche  das  Gebirge  bot,  durchgeführt  werden.  Der  General  Maynoni 
selbst,  sein  bei  dieser  Gelegenheit  schwer  verwundeter  Adjutant, 
Capitaine  Robin,  ferner  der  Capitaine  Sevin,  Bataillonschef  der 
44.  Halbbrigade,  12  Lieutenants,  60  Grenadiere  der  eben  durch 
Schuls  marschierenden  Reserve  und  die  11  Mann  Chasseurs  (12. 
Regiment)  der  Stabswache  wurden  von  den  plötzlich  in  die  Gassen 
des  Ortes  eindringenden  Oesterreichern  gefangen.'4 

Lecourbe  mag  durch  das  Gefecht,  da  wohl  auch  der  Ausfall 
der  Besatzung  von  Martinsbruck  vor  Tagesanbruch  um  5  Uhr 
morgens  begann,  in  seinem  Hauptquartier  Remüs  aus  dem  Schlafe 
gestört  worden  sein.  Zunächst  richtete  er  sein  Augenmerk  auf  die 
vor  ihm  liegende,  bei  der  österreichischen  Lauheit  freilich  nicht 
zu  bedrohlicher  Höhe  anschwellende  Gefahr.  Hier  war  er  dem 
Gegner  überlegen,  welcher  nur  6  Compagnien  unter  Major  Munkatsy 


47 


auf  der  Landstraße  ins  Feuer  führte.  Eine  andere,  aber  nur  240 
Mann  starke  Abteilung  sollte  den  Gegner  in  Schieins  beschäftigen. 
Zur  Lösung  dieser  Aufgabe  war  sie  jedoch  zu  schwach.  Als  Lecourbe 
daher,  bereits  in  der  Nähe  des  Ortes  sich  befindend,  die  Schüsse 
des  Gefechtes  in  Schuls  vernahm  und  die  Sachlage  überblickte, 
wendete  er  sich  sogleich  gegen  den  bedrohten  Punkt.  Sein  Bericht 
meldet,  daß  ein  Bataillon  der  38.  Halbbrigade  —  es  war  das  IL  — , 
welches  in  diesem  Augenblicke  von  Remüs  zur  Verstärkung  der 
bei  Schieins  und  Strada  fechtenden  Vorposten  abmarschierte,  im 
Laufschritte  (?)  nach  Schuls  (8  km  von  Remüs  bei  sanft  steigender 
Straße)  geeilt  sei.75 

Jedenfalls  waren  3  österreichische  Grenadiercompagnien,  welche 
den  sonderbaren  Auftrag  hatten,  gegen  Zernetz  zu  marschieren, 
von  dem  Rückwege  ins  Scarlthal  abgeschnitten  und  etwa  300  Mann 
stark  zum  Strecken  der  Waffen  gezwungen.  Diese  Umzingelung 
erklärt  sich  dadurch,  daß  die  vorher  der  Gefangennahme  entgangenen 
Franzosen  von  Fettan  her  zurückkehrten.  Die  Kameraden  aber, 
welche  den  Kaiserlichen  in  die  Hände  gefallen  waren,  konnten 
nicht  mehr  befreit  werden,  da  sich  Generalmajor  Laudon  mit  ihnen 
rechtzeitig  in  die  Berge  zurückgezogen  hatte.76  Die  Gesamtzahl 
der  den  Oesterreichern  gemachten  Gefangenen  berechnete  Lecourbe 
auf  10  Offiziere  und  600  Mann.  Trotz  des  errungenen  Vorteils 
aber  fühlte  er  sich  keineswegs  sicher.  Es  war  ihm  wohl  bekannt, 
daß  die  in  Glurns  und  Tauffers  befindlichen  Truppen  stetig  ver- 
mehrt würden.77 

„Der  Grundsatz:  der  mich  umgeht,  ist  auch  umgangen,  hat 
sich  nie  auffallender  bewährt,"  so  urteilt  Erzherzog  Karl  über 
das  Ergebnis  des  Gefechtes  vom  15.  März  (I,  89,  91).  „Wenn 
eine  Truppe,"  fährt  er  fort,  „von  dieser  Wahrheit  durchdrungen  ist, 
so  wird  sie  in  mancher  kritischen  Lage  mit  ihrer  Besonnenheit 
auch  ihre  Brauchbarkeit  beibehalten  und  die  übertriebene  Meinung 
von  der  Gefahr  der  Umgehung  verlieren,  die  nur  zu  oft  Zaghaftig- 
keit und  die  größten  Unfälle  hervorbringt.  Es  sollte  daher  eine 
wesentliche  Bemühung  der  Vorgesetzten  sein,  das  Vorurteil  von 
dieser  Gefahr  in  dem  Herzen  des  Mannes  mit  aller  Kraft  auszu- 
rotten und  zwar  um  so  mehr,  als  öfter  der  Fall  gerade  in  einem 
geringeren  Wirkungskreise  eintritt,  daß  kleine  Abteilungen,  einzelne 
Posten,  detachierte  Seitenkolonnen  auf  einige  Augenblicke  ihre 
Kommunikationen  verlieren,  oder  wohl  gar  absichtlich  Preis  geben 
müssen,  um  größere  Resultate  zu  begünstigen.  ...  In  dem  Ge- 
birgskriege  imponiert  eine  Umgehung  weit  mehr  als  in  jedem  andern; 
weil  der  Gesichtskreis  und  folglich  die  natürliche  Beurteilung  be- 
schränkter ist;  und  weil  es  einem  ungeübten  Auge  schwerer  wird, 
sich  in  der  Gestalt  des  Terrains  und  in  der  Verbindung  der  Thäler 
und  Schluchten  zu  orientieren.    Dennoch  sind  die  Umgehungen  im 


48 


Gebirge  am  leichtesten  unschädlich  zu  machen,  weil  sie  nur  von 
kleinen  Kolonnen  oder  einzelnen  Detachements  auf  beschwerlichen 
Seitenwegen  ausgeführt  werden  können,  wo  jeder  einzelne  mit  den 
Hindernissen  des  Terrains  zu  kämpfen  hat,  und  wo  wenige  Kräfte 
vermögend  sind,  den  Feind  auf  einem  Punkte  aufzuhalten,  indessen 
mau  sich  mit  Ueberlegenheit  gegen  einen  anderen  wendet.  .  .  . 
Wer  umgeht,  bildet  einen  Kreis :  der  Umgangene  hingegen  steht 
mit  vereinter  Kraft  in  der  Mitte  und  kann  also  auf  jedem  Punkt 
überlegen  sein,  auf  den  er  sich  wirft." 

Eine  strenge  Beurteilung  wird  auch  Lecourbe  tadeln  müssen. 
Nur  die  zwingende  Notlage,  in  welcher  er  sich  befand,  entschuldigt 
ihn.  Es  ist  doch  wohl  als  sicher  anzunehmen,  daß  er  sonst  die 
ihm  unterstehenden  Truppen  nicht  derart  verzettelt  hätte.  Er  sollte 
jedoch  ein  lang  gestrecktes  Thal  sichern  und  zugleich  mit  un- 
genügenden Kräften  den  stärksten  taktischen  und  wichtigsten 
strategischen  Punkt  desselben  gewinnen.  Yon  einem  überlegenen 
Gegner  angegriffen,  hätten  die  wenigen  Bataillone  aber  überall 
unterliegen  müssen.  Die  tollkühn  eingesetzte  Division  wäre  unter 
allen  Umständen  verloren  gewesen.  Der  Mangel  an  Einsicht  und 
Entschlossenheit  im  kaiserlichen  Hauptquartiere  zu  Sta.  Maria 
allein  rettete  Lecourbe  vor  dem  Untergange. 

In  Nauders  befehligte  der  Generalmajor  Alcaini,  der  nach 
seiner  Ablösung  -von  diesem  Posten  unter  Suworoff  in  Italien 
Gelegenheit  fand,  sich  auszuzeichnen.  Seine  Brigade  empfing  in 
diesen  Tagen  aus  dem  Innern  von  Tirol  einige  Verstärkungen. 
So  verfügte  er  über  etwa  6000  Mann.  Hierbei  sind  aber  die  Landes- 
schützen der  nächsten  Bezirke  einzurechnen.78 

Obgleich  Lecourbe  über  den  Vormarsch  der  Division  Dessoles 
noch  immer  im  Unklaren  war  und  nur  ganz  allgemein  annehmen 
konnte,  daß  sie  Bormio  wahrscheinlich  schon  erreicht  habe,  ent- 
schloß er  sich  dennoch,  den  Sturm  auf  Martinsbruck  am  17.  März 
zu  erneuern.  Hierfür  bestimmte  er,  daß  1/44.  in  Zernetz,  11/38. 
in  Schuls  zu  bleiben  habe,  um  die  dort  mündenden  Ausgänge  der 
Thäler  zu  sichern.  Capitaine  Dumas,  Chef  der  44.  Halbbrigade, 
sollte  mit  seinem  IL  und  2  Bataillonen  von  36.  unterstützt 
werden.  Ein  Bataillon  der  38.  Halbbrigade  (es  ist  nicht  ganz 
klar,  ob  I  oder  II)  ließ  seine  Grenadier  -  Compagnie  und  150 
Füsiliere  als  Reserve  bei  dem  zweiten  verfügbaren  Geschütze 
zurück.79  Im  übrigen  hatte  das  Bataillon  den  Auftrag,  eine 
Umgehung  der  gegnerischen  Stellung  über  den  Spißberg  nach 
Finstermünz  durchzuführen.  Von  hier  aus  hätte  diese  Truppe  es 
versuchen  sollen,  über  den  Novellasteig  den  bei  Martinsbruck 
beschäftigten  Oesterreichern  in  den  Rücken  zu  kommen.  Als  Be- 
rater wurde  dem  Bataillon  ein  mit  den  Absichten  des  Generals 
völlig  vertrauter  Offizier   des  Stabes  beigegeben.     Trotzdem  trug 


49 


das  Bataillon  einen  entschiedenen  Mißerfolg  davon.  Gleich  zu 
Beginn  des  Marsches  ward  der  in  dem  unübersichtlichen  Gelände 
hinter  Schieins  doppelt  scharf  zu  handhabende  Sicherungsdienst 
völlig  vernachlässigt.  Damit  begingen  die  Compagnien  einen  jener 
Fehler,  wie  er  bis  in  die  jüngste  Zeit  zu  den  „Erbsünden"  des 
französischen  Heeres  gerechnet  werden  muß.  Im  weiteren  regelte 
das  Bataillon,  wie  es  scheint,  weder  die  Zeit  für  ein  gemeinsames 
Handeln  mit  der  auf  der  Straße  vorgehenden  Kolonne,  noch  wurde 
in  Ordnung  und  mit  der  nötigen  Beschleunigung  marschiert. 
Oberhalb  des  Noveller-Hofes  entsendete  der  Capitaine  Braun  die 
von  Capitaine  S.  Tavernier  befehligte  5.  Compagnie,  um  vom 
oberen  Novellasteig  gegen  die  Verschanzungen  von  Finstermünz 
vorzugehen.  Die  übrigen  Compagnien,  es  waren  ihrer  7,  hatten 
den  Angriff  in  der  Front  dieser  Werke  durchzuführen.  Die  Com- 
pagnie Tavernier  soll  sich  verirrt  haben.80  Thatsächlich  fanden 
die  noch  im  Gottesdienst  sich  befindenden  Verteidiger  (es  war 
nämlich  Palmsonntag)  Zeit,  ihre  Stellungen  zu  beziehen.  Tavernier 
verlor  den  Kopf.  Anstatt  sogleich  den  Rückzug  anzutreten,  ver- 
wickelte sich  die  Compagnie  in  ein  Feuergefecht.  Unterdessen  war 
Oberst  Knesewicz  von  den  Vorfällen  im  Rücken  seiner  Stellung 
benachrichtigt  worden.  Er  entsendete  eine  Compagnie  unter  Haupt- 
mann Kneyel,  welcher  im  Vereine  mit  der  Compagnie  Sterndahl 
von  Großherzog  von  Toscana  und  den  Landesschützen-Compagnien 
Pfunds,  Laudeck  und  Landeck  die  derart  eingeschlossenen  Gegner 
gefangen  nahm.81 

Den  unterdessen  stattgefundenen  vergeblichen  Sturm  auf 
Martinsbruck  beschreibt  Lecourbe  in  seinem  Berichte  an  Massena 
aus  Schuls  vom  27.  Vent.  (17.  März)  wie  folgt:  „Die  drei  Bataillone 
waren  bereits  Herren  des  Dorfes  und  300 — 400  Oesterreicher, 
welche  im  Kirchhofe  Stellung  genommen,  schienen  nicht  übel  Lust 
zu  haben,  die  Waffen  vor  ihnen  zu  strecken.  Plötzlich  bemächtigte 
sich  der  Truppen  ein  Schrecken.  Wie  ich  glaube,  wurde  dieser 
von  vier  Reitern  hervorgebracht,  welche  sich  kühn  in  das  Gehölz 
geworfen  hatten.  Unsere  Leute  vergaßen  ganz  den  bereits  er- 
rungenen Erfolg  und  ergriffen  die  Flucht.  Mit  vieler  Mühe  nur 
konnte  ich  sie  wieder  sammeln."82  Den  an  diesem  Tage  erlittenen 
Verlust  beziffert  Lecourbe  auf  etwa  12  Tote,  130  Verwundete  und 
286  Gefangene,  unter  welchen  auch  10  Offiziere. 

Von  den  Verteidigern  waren  Hauptmann  Graf  Khevenhüller 
und  Lieutenant  Wallowicz  tödlich  verwundet  worden.  Das  Gefecht 
dauerte  von  6 — 11  Uhr  morgens. 

Zugleich  gestaltete  sich  die  Lage  der  Division  immer  pein- 
licher. Erschöpft  durch  die  unausgesetzten  Anstrengungen  und 
den  Hunger,  litten  die  Truppen  auch  an  Kleidung  und  Schuhwerk 
Mangel.    Seit  einer  Woche  hatte  man  eigentlich  nur  die  im  Thale 

Günther   Feldzng  1799.  * 


50 

vorgefundenen  Brotvorräte  der  Einwohner  zur  Verfügung.  Lecourbe 
sah  endlich  ein,  daß  nur  ein  Zusammenwirken  mit  der  sehnlichst 
erwarteten  Division  Dessoles  zum  Ziele  führen  werde.  Während 
er  sich  darauf  beschränken  mußte,  vor  Martinsbruck  ruhig  aus- 
zuharren, besetzte  er  neben  Schuls  und  Zernetz  auch  das  am  öst- 
lichen Ausgange  des  Flüela-Passes  gelegene  Süs,  um  gegen  etwaige 
Ueberraschungen  aus  dem  Montafun  gesichert  zu  sein. 

Massena  gewährte  die  Bitte  um  Verstärkungen.  Am  21.  März 
trafen  die  Brigadegenerale  Loison  und  Demont  im  Hauptquartiere 
der  Division  ein.  Die  dem  ersteren  unterstehenden  Truppen  er- 
reichten die  Division  in  den  Tagen  vom  22.  bis  24.  März.  Demont 
trat  an  die  Stelle  von  Maynoni. 

Die  nun  neu  eingeteilte  Division  bezog  folgende  Stellungen: 
Hauptquartier  in  Schuls. 

Vorpostenbrigade  Demont  in  Schieins  (auch  Schleunis  genannt 
in  den  zeitgenössichen  Berichten),  44.  Halbbrigade  in  Schieins, 
I/III  von  38.  in  Strada. 

Brigade  der  Mitte  Loison  in  Remüs,  36.  Halbbrigade  in 
Remüs,  76.  in  Süs,  1/38.  in  Zernetz. 

Reserve  in  Schuls  :  5  Compagnien  Grenadiere  von  76.  und 
103.  Halbbrigade.  Dazu  an  Hülfstruppen :  etwas  Kavallerie 
(Chasseurs),  Artillerie  und  Genie  in  Schuls. 

Dem  gegenüber  gruppierten  sich  die  österreichischen  Kräfte 
im  Tirol  wie  folgt: 

Hauptquartier :  Bis  zum  22.  März  in  Bozen,  dann  in  Schlanders ; 
4       Bat.,  IV2  Schwadr.  am   Monte   Tonale,    Vortruppen   in 

Mad.  di  Campiglio,  am  Montoz  und 
bei  Pejo, 
91/a      „      IV2  „         (zusammen  7000  Mann)  Reserve,  im 

Vintschgau     zwischen    Eyers     und 
Latsch, 
8  „       lVa  „  (Brigade  Laudon,    zus.   6179  Mann) 

in  den  Werken  vor  Tauffers ;    dazu 
13  Landesschützen-Compagnien, 
7  „       1  „  (Brigade-General-Major    De  Briey) ; 

davon 2600M.  unt.  OberstKnesewicz 
in  Martinsbruck  (9  Geschütze), 
4  „  in   Nauders    (Reserve    der   Brigade 

De  Briey), 
2  „  in  Finstermünz, 

6  „  im  Klosterthal  und  Montafun.    Vor- 

truppen in  Galthür  und  Ischgl. 
Weitere  10000  Mann  unter  FML.  Nobili  in  Landeck. 
Ebenso  14000  Mann  (Brgd.-FML.  Hadik)  zwischen  Tauffers 
und  Bozen.   Diese  Abteilung  erschien  als  ein  buntes  Gemisch  der 


51 

Regimenter  Anton  Esterhazy,  Michael  Wallis,  Anton  Starray,  Ligne, 
Clerfait,  Murrai,  Devins,  Württemberg  u.  s.  w.  Dazu  die  2  Frei- 
bataillone Traubenberg  und  Otto.  Ferner  das  über  1000  Mann 
starke  Bataillon  Leloup- Jäger.  An  Kavallerie  21!*  Schwadronen 
Erdödy- Husaren  und  x/a  Schwadron  Erzherzog- Johann-Dragoner, 
zusammen  etwa  550  Mann. 

In  der  Nauderer  „Maiß",  der  Stellung,  welche  die  Umgehung 
von  Martinsbruck  in  seiner  linken  Flanke  hindert,  standen  die 
Landesschützen -Cornpagnien  des  Gerichtes  Hörtenberg  und  die 
4  Landsturm-Compagnien  Nauders,  Graun  und  Imst. 

Endlich  hatte  auch  Lecourbe  am  19.  März  die  Nachricht  er- 
halten, daß  die  Division  Dessoles  an  diesem  Tage  Sta.  Maria  er- 
reicht und  eine  Vorpostenstellung  gegen  Tauffers  bezogen  habe.83 
Ueber  den  Marsch  dieser  Truppen  läßt  sich  noch  nachtragen,  daß 
sie  am  17.  März  Bormio  besetzt  und  bereits  Tags  zuvor  die  bis 
dahin  im  Poschiavo  stehenden  Oesterreicher  in  der  Stärke  von 
etwa  700  Mann  gefangen  nahmen.  Auch  die  befestigten  Bagni 
di  Bormio  wurden  am  18.  März  erstürmt.  Dabei  fiel  die  ganze, 
300  Mann  starke  feindliche  Besatzung  mit  einziger  Ausnahme  von 
3  Grenadieren,  welche  entkommen  konnten,  in  die  Hände  der 
Franzosen.84  Gleichen  Tages,  sowie  am  folgenden  Morgen  über- 
schritt die  Division  das  Wormser  Joch  (2755  m).  Der  Paß  war 
damals  noch  nicht  fahrbar,  vielmehr  lediglich  ein  schlechter 
Saumweg.  Es  gelang  auch  keineswegs,  die  Geschütze  über  den 
Paß  zu  führen.  Am  19.  März  um  2  Uhr  nachmittags  besetzten 
die  Vortruppen  Sta.  Maria.  Die  Division  zählte  6  Bataillone 
nebst  einigen  cisalpinischen  Cornpagnien,  zusammen  etwa  4500 
Mann.  Von  Lecourbe  traf  der  Befehl  ein,  ungesäumt  gegen  Glurns 
vorzugehen.  Von  dort  sollte  dann  der  gemeinsame  Vorstoß  gegen 
Martinsbruck  und  Nauders  fortgesetzt  werden.80 

Die  Division  befand  sich  in  der  allertraurigsten  Lage.  Es 
fehlte  an  Lebensmitteln,  selbst  Saumtiere  waren  nicht  über  den 
Paß  gelangt.  Lecourbe  gab  Dessoles  den  Rat,  den  Uebergang 
durch  die  Landes be wohner  öffnen  zu  lassen.86  Auf  dringendes  An- 
suchen erhielt  Dessoles  von  Lecourbe,  welcher  selbst  den  größten 
Schwierigkeiten  gegenüberstand,  2  Kanonen,  40000  Patronen  und 
7  Säcke  Reis.87  Lecourbe,  der  stets  Unverzagte,  scheint  nicht  alle 
Klagen  von  Dessoles  ernst  genommen  zu  haben.  Es  ist  auch 
wohl  möglich,  daß  Dessoles  es  an  der  nötigen  Entschiedenheit 
fehlen  ließ.88  Die  späteren  Ereignisse  in  Glurns  und  nach  dem 
zweiten  Gefechte  von  Tauffers  sprechen  für  diese  Annahme. 

Für  den  25.  März  entschloß  sich  Lecourbe  zu  einem  neuer- 
lichen Angriffe  auf  Martinsbruck.  Ueber  die  Vorbereitungen  dazu 

O  ^  CT 

berichtete  er  aus  seinem  Hauptquartiere  Fettan  am  2.  Germinal 
(22.  März)    dem  Ober-Generale   nach   Chur.89     „General   Dessoles 


empfing  eine  Anleitung  zu  rascher  Vorwärtsbewegung  gegen  Glurns 
und  zur  Verfolgung  des  Generals  Laudon,  der,  um  die  Straße 
nach  Feldkirch  zu  decken,  über  Nauders  und  Innsbruck  zurück- 
gehen dürfte.  In  diesem  Falle  besetzt  General  Dessoles  Glurns, 
um  eng  auf  mich  aufgeschlossen  meinen  rechten  Flügel  zu  decken. 
Gienge  General  Laudon  dagegen  nach  Bozen  zurück,  so  wäre  dies 
ein  Grund  mehr,  die  Stellung  von  Glurns  zu  halten.  Da  ich  den 
Stier  nicht  bei  den  Hörnern  packen  kann  und  weil  ich  annehme, 
daß  die  Innbrücke  von  Martinsbruck  abgebrochen  werde,  lasse  ich 
eine  Brigade  über  Sclamisott  nach  Nauders  gehen.  Der  Weg  ist 
etwa  2  Lieues  lang.  Eine  andere  kleinere  Kolonne  wird  über  das 
Gruberjoch  (2387  m)  die  Stellung  von  Martinsbruck  umgehen  und 
sich,  wenn  möglich,  mit  den  Truppen  von  Dessoles  oder  der  Brigade 
des  Generals  Loison  vereinigen,  welcher  mit  der  Durchführung  des 
Angriffes  auf  meinem  rechten  Flügel  betraut  ist.  Der  General  Demont, 
mit  der  Brigade  links,  steht  auf  dem  Plateau  von  Schieins.  Er  hat 
sogleich  und  in  aller  Eile  gegen  Finstermünz  vorzugehen,  sobald 
Martinsbruck  genommen  worden.  Zu  dieser  Einnahme  soll  er  durch 
Umgehungen  über  die  Höhen  beitragen.  Ich  selbst  werde  mit  starken 
Reserven  den  Angriff  von  der  Mitte  aus  leiten." 

Fast  wäre  es  hier  gar  nicht  zum  Schlagen  gekommen.  Da 
Massena  die  Bestürmung  von  Feldkirch  hatte  aufgeben  müssen 
und  nun  darnach  trachtete,  seine  Kräfte  möglichst  zusammen  zu 
fassen,  so  entschloß  er  sich,  die  Divisionen  Lecourbe  und  Dessoles 
aus  ihren  gefahrvollen  Stellungen  zu  ziehen.  Am  24.  März  ritt 
der  Adjutant  des  Ober-Generals  aus  Chur  fort.  Er  sollte  die  vor 
Martinsbruck  bereits  eingetroffenen  Verstärkungen  anweisen,  ihre 
bisherigen  Divisionen  wieder  zu  erreichen.  Der  entsendete  Offizier 
erreichte  Lecourbe  jedoch  erst  in  dem  Augenblicke,  da  dieser  eben 
alles  glücklich  entschieden  hatte.90 

Am  Ostermontage,  dem  25.  März,  vor  Tagesgrauen,  setzte 
sich  Loison  mit  der  36.  Halbbrigade  und  1/76.  in  Marsch.  Die 
Hauptkolonne  ging  bei  der  Säge  von  Remüs  über  den  Inn.  Nach 
vierstündigem  Klettern  erreichte  sie  durch  das  sogenannte  „krumme 
Thal"  über  steile  und  mit  Schnee  bedeckte  Felsen  die  vom  Gegner 
völlig  unbeachtete  Höhe  „Motters".91  Von  dort  setzten  die  Bataillone 
den  Marsch  neben  dem  „grünen  See"  vorbei  und  gegen  die  „Maiß" 
fort.  Die  hier  stehenden  Schützencompagnien  leisteten  zwar  von  8  Uhr 
vormittags  bis  3  Uhr  nachmittags  kräftigen  Widerstand,  mußten  dann 
aber,  da  keine  Verstärkung  eintraf,  die  Stellung  aufgeben.  Unter- 
dessen waren  die  Grenadiere  der  36.  und  37.  Halbbrigade  auf  dem 
von  Sclamisott  über  die  Norbertshöhe  verlaufenden  Steige  gegen 
Nauders  aufgebrochen.  Sie  erreichten,  ohne  viel  mehr  als  einige 
Patronen  verfeuern  zu  müssen,  den  Südwesteingang  von  Nauders.92^ 

Um  3  Uhr  nachmittags  griff  Lecourbe  selbst  mit  den  Grena- 


53 


dieren  der  38.  Halbbrigade  die  Stellung  von  Martinsbruck  in  der 
Front  an.  Die  Sturmkolonne  führte  der  Capitaine  Gauthier  (nach- 
mals General  und  Schwager  von  Lecourbe).  In  ihr  zeichneten 
sich  aus :  Lieutenant  Bertry,  Feldwebel  Colin  und  Fourier  Colinet 
von  der  3.  Grenadier-Compagnie  der  38.  Halbbrigade.  Während 
die  Infanterie  nach  einem  halbstündigen  Gefechte  zum  größeren 
Teile  die  Waifen  streckte,  ließen  sich  die  Kanoniere  auf  ihren 
Stücken  niederhauen.  Bis  zuletzt  hatten  sie  fortgesetzt  Kartätsch- 
feuer abgegeben.  Der  Rest  der  Besatzung  machte  noch  den  Ver- 
such, die  Brücke  über  den  Inn  zu  verteidigen.  Bereits  waren  2 
Geschütze  in  Stellung  gebracht  worden,  als  der  General  Demont 
über  den  Inn  her  mit  der  44.  eingriff.  Unter  Zurücklassung  von 
7  Geschützen  eilten  die  Oesterreicher  nach  Kauders. 

Demont  war  von  Schieins  mehrere  Stunden  später  in  Be- 
wegung gesetzt  worden  als  Loison  von  Remüs,  nämlich  zwischen 
7  und  8  Uhr  vormittags.  Das  Feldtagebuch  sagt,  dies  sei  geschehen, 
um  den  Gegner  hier  nicht  zu  früh  zu  beunruhigen.  Da  die  Wege 
überdies  in  sehr  schlechtem  Zustande  waren,  trat  Demont  that- 
sächlich  erst  am  folgendem  Tage  in  Finstermünz  ein.93 

Dies  ermöglichte  es  auch,  daß  der  General  de  Briey  mit  den 
während  des  Kampfes  völlig  unthätig  in  Reserve  gehaltenen  vier 
Bataillonen  aus  Nauders,  woselbst  Loison  gegen  6  Uhr  abends  ein- 
drang, zu  entkommen  vermochte.  Die  Franzosen  plünderten  übrigens 
das  Dorf  Nauders  und  zerstörten  zugleich  alles,  was  ihnen  des 
Mitnehmens  für  unwürdig  erschien. 

Die  Oesterreicher  verloren  hier  an  Toten  200,  an  Ver- 
wundeten 800,  an  Gefangenen  2500  Mann.  Unter  den  letzteren 
befanden  sich  der  Oberst  Knesewicz,  der  Major  Munkatsy  und  6 
weitere  Offiziere.  Dazu  erbeuteten  die  Franzosen  12  Geschütze 
mit  ihren  Caissons,  die  Ambulanz  der  Toscana-Dragoner  und 
einige  wohlgefüllte  Magazine.  Die  Franzosen  hatten  einen  Verlust 
von  40  Toten  und  250  Verwundeten.  Unter  den  Gefallenen  be- 
fanden sich  der  Grenadier-Hauptmann  Lagrue  von  der  44.  und 
der  Unterlieutenant  Romain  von  der  38.  Halbbrigade.94 

Auch  Dessoles  hatte  unterdessen  große  Erfolge  davongetragen. 

„Von  Meran  führt  die  Heerstraße  in  allmähliger  Steigung  in 
nordwestlicher  Richtung  nach  dem  oberen  Etschthale.  Sieben 
Stunden  oberhalb  Meran  lehnt  sich  am  Fuße  einer  mächtigen 
Moräne,  der  sogenannten  Laaser  Höhe,  in  fruchtreicher  Ebene  das 
stattliche  Dorf  Schlanders  an.  Am  Fuße  der  nördlichen  Senkung 
liegt  Laas,  wo  sich  die  Etsch  Bahn  gebrochen  hat,  und  wo 
das  Terrain  derart  beschaffen  ist,  daß  die  Passage  nach  dem 
untern  Etschthale  nicht  unschwer  gesperrt  werden  kann.  Daher 
hat  man  diesem  Punkte  im  Jahre  1700,  wie  1850  in  übertriebener 
Vorsicht    so    große    Bedeutung    beigelegt,    daß    man    in    beiden 


54 


Kriegsjahren  hier  die  Hauptmasse  der  Truppen  postierte  und  sie 
in  beiden  Kriegsjahren  den  zu  fernen  Kampfplätzen  in  den  Stunden 
der  Entscheidung  entzog.  Von  Laas  an  breitet  sich  eine  weite, 
früher  moosige  Thalfläche  in  "westlicher  Richtung  aus.  Von  Laas 
bis  Schluderns  umsäumt  die  Straße  zwei  Stunden  lang  den  sanft 
ansteigenden  und  ins  Thal  hineinragenden  Tanaser  Berg.  Die 
Mittelstation  bildet  das  unansehnliche  Dorf  Eyrs,  und  etwas  höher, 
wo  das  Thal  eine  mehr  nördliche  Richtung  nimmt  und  wo  die 
bekannte  Kunststraße  in  das  Trafoierthal  und  über  das  Wormser 
Joch  führt,  lehnt  sich  die  kleine  Häusergruppe  von  Spondinig  an 
den  Bergrand.  In  Schluderns  teilt  sich  die  Straße ;  ein  fahrbarer 
Feldweg  (jetzt  Straße)  führt  quer  durch  das  Thal  in  halbstündiger 
Entfernung  nach  Glurns,  und  von  da  am  steilen  Saume  des  Glurnser- 
berges  in  das  Münsterthal;  die  Hauptstraße  aber  zieht  sich  in 
ziemlich  steiler  Erhebung  zum  Tartscher  Bichl  hinauf,  ein  frei- 
stehender, die  weite  Thalfläche  überschauender  Hügel,  gegenüber 
dem  das  anmutige,  abgeschlossene  Münsterthal  sich   öffnet.     Von 

diesem  Hügel 

Wofu/ui    Ruine 


aus    wird  die 
Landstraße, 
Schluderns, 
Glurns  und 
Mals  be- 
herrscht.   Im 
Rücken  der 
Hügel  liegen 
die  sanft  auf- 
steigenden 
Aecker  von 
Tartsch  und 
die  zwei  höher 

stehenden, 
vereinsamten 
Höfe  Lechtel 
und  Monte- 
tschinig,  über 
welche  ein 
Weg  in  das 
Thal  Matsch 

führt.  Von  Tartsch  leitet  die  Straße  in  einer  Viertelstunde  nach 
dem  ansehnlichen  und  ausgedehnten  Markte  Mals  und  von  da  über 
Burgeis,  Haid,  Graun,  Reschen  in  6  Stunden  nach  Nauders.  Von 
Mals  führt  ein  Feldweg  in  einer  halben  Stunde  nach  Glurns  und 
in  kürzerer  Zeit  nach  Laatsch,  welche  Ortschaften  am  Eingange 
des  Münsterthaies  liegen  und  gleichsam  die  zwei  Thürangeln  des 


55 

Münsterthaies  sind.  Unmittelbar  hinter  Laatsch  beginnt  das  Münster- 
thal,  ein  Querthal  des  Vintschgaus.  Zu  beiden  Seiten  des  Thaies  er- 
heben sich  steile,  massige,  ungegliederte  Gebirgsstöcke.  Der  Eingang 
des  Thaies  beginnt  mit  einer  anmutigen,  ebenen  Wiesenfläche. 
Eine  Viertelstunde  hinter  Laatsch  vereinigt  sich  bei  der  Mareng- 
brücke  der  Glurnser  mit  dem  Laatscher  Feldwege ;  die  Berge  rücken 
zusammen  und  das  Thal  verengt  sich  bis  zur  Calvabrücke,  bis 
wohin  die  Entfernung  eine  halbe  Stunde  beträgt.  Hinter  dieser 
Brücke  und  dem  Calvawalde  erweitert  sich  das  Thal  und  frucht- 
bare Felder  wechseln  mit  grasreichen  Wiesen.  Die  stark  aufsteigende 
Thalwölbung  ist  von  einer  mächtigen  Moräne  gebildet,  an  deren 
Fuße  sich  der  Rambach  in  tiefem  Bette  Bahn  gebrochen  hat.  Der 
fahrbare  Feldweg  läuft  zuerst  am  schwindelnden  Ufer  des  Ram- 
baches ;  in  einiger  Entfernung  teilt  sich  der  Weg ,  ein  Seitenpfad 
zieht  in  der  früheren  Richtung  nach  Rifair,  das  in  schattiger 
Niederung  unterhalb  Tauffers  liegt;  der  andere  Weg  führt  quer 
über  die  Bodenwölbung  von  der  unteren  Thalseite  gegen  die  obere 
nach  Tauffers,  das  langgestreckt  auf  dem  Höhepunkt  einer  zweiten 
Moräne  sich  hinzieht.  Hoch  über  Tauffers  blicken  ernst  die  Ruinen 
der  einst  festen  Burgen  Rotund  und  Reichenberg  in  das  Thal  herab. 
Eine  halbe  Viertelstunde  hinter  Tauffers  stürzt  in  selbstgegrabenem 
Bette  der  Valtarolabach  vom  Scharljoch  durch  das  Avignathal  in 
den  Rambach  hinab,  der  bis  Rifair  hinaus  in  einer  tiefen  Schlucht, 
links  mit  hohem,  steilem  Uferrande,  fließt.  Einige  Minuten  hinter 
dem  Valtarolabache  sind  die  Grenzmarken  zwischen  dem  Tiroler 
und  dem  Schweizer  Gebiet.  Unter  dem  Wege  und  hart  an  der 
Schweizer  Grenze  und  am  Eingange  in  das  tiefe  Bett  der  Ram- 
schlucht liegt  der  Weiler  Pundweil  (eigentlich  Pontweil,  Pontwill) 
versteckt  und  jenseits  des  Rambaches  in  erhöhtem  Thaleinschnitte 
die  sogenannte  Einsiedelei.  Hinter  der  Grenze  verliert  sich  allmählig 
die  Thalhöhe  und  man  steigt  in  wenig  Minuten  in  die  erste  schwei- 
zerische Ortschaft,  nach  Münster  hinab.  .  .  . 

Bei  Tauffers  stand  der  General  Laudon  mit  8  Bataillonen  und 
16  Kanonen;  in  seiner  Fronte  lief  der  Valtarola,  ein  unbedeutender 
Bach  mit  ziemlich  steilen  Ufern,  dem  es  aber,  sowie  dem  etwas 
größeren  Rambache,  in  der  damaligen  Jahreszeit  an  Wasser  fehlte. 
Etwa  150  Schritte  hinter  dem  Valtarola,  südwestlich  von  Tauffers 
ä  cheval  der  Straße  von  Münster  war  eine  Linie  aufgeworfen  und 
mit  Redouten  begrenzt,  deren  links  stehende  sich  an  die  steilen 
Ufer  des  Rambaches  lehnte.  Eine  dritte  Redoute  unterbrach  diese 
Verschanzung  links  der  erwähnten  Straße,  diese  sichernd.  Drei- 
hundert Schritte  hinter  dem  rechten  Flügel  der  ersten,  parallel 
mit  ihr,  lief  hinter  einem  unbedeutenden  Graben  eine  zweite,  eben- 
falls an  Redouten  geschützte  Verschanzungslinie,  welche  der  ersten 
als  Flankendeckung:  diente.    Auf  der  Straße  war  über  den  Valtarola 


56 

zur  Verbindung  mit  den  Vortruppen  eine  hölzerne  Brücke  ge- 
schlagen, hinter  ihr  rechts  eine  Fleche  aufgeworfen.  Die  Ver- 
schanzungen waren  mit  16  Stück  Kanonen  und  der  nötigen  Be- 
satzung versehen;  hinter  der  ersten  Linie  stand  ein  Bataillon  in 
Reserve,  4  andere  standen  rückwärts  der  zweiten,  rechts  von  Tauffers, 
Auf  den  Bergen  am  rechten  Flügel  standen  4  Compagnien,  3  Com- 
pagnien  hatten  jene  am  linken  Flügel  jenseits  des  Rambaches 
besetzt.  Die  Vorposten  standen  ungefähr  1500  Schritte  vor  dem 
Valtarola  zwischen  Pundweil  und  Münster.  Endlich  waren  noch 
4  Compagnien  im  Trafoierthale  zur  Versicherung  des  Bergpfades 
aufgestellt,  der  durch  jenes  in  das  Etschthal  führt.  Die  beiden 
Flügel  waren  noch  durch  13  Landesschützencompagnien,  beiläufig 
1500  Mann  stark,  geschützt."     (Stampfer,  57 — 60). 

FML.  Bellegarde  hatte  am  Ostersonntage,  dem  24.  März,  die 
Stellung  bei  Tauffers  besucht.  Sonderbarerweise  änderte  er  die 
von  Laudon  getroffenen  Verfügungen  in  der  Weise,  daß  er  zu 
Gunsten  des  rechten  Flügels  den  linken  der  Stellung,  welcher  an 
den  Rambach  lehnte,  schwächte.  Vielleicht  geschah  das  aus 
Besorgnis  vor  einer  Umgehung,  wie  sie  thatsächlich  1499  dort 
durch  den  Taufferer  und  Laatscher  Wald  stattgefunden  hatte. 
Immerhin  hätten  zu  dieser  Sicherung  die  am  Platze  befindlichen 
Landesschützen  ausgereicht.  Ein  weiterer  und  höchst  bedenklicher 
Fehler  war  es,  daß  man  im  Angesichte  des  scharf  beobachtenden 
Gegners  die  Stellungen  durch  die  Truppen  beziehen  ließ.  Man 
wiegte  sich  überhaupt  in  dem  sicheren  Gefühle,  daß  die  Franzosen 
es  nicht  wagen  würden,  die  für  so  fest  erachtete  Stellung  anzu- 
greifen oder  daß  sie  dieselbe  sogar  nehmen  könnten. 

Früh  5  Uhr,  den  25.  März,  griff  Dessoles  auf  der  ganzen  Linie 
längs  dem  Valtarolabache  an.  Zugleich  gingen  6  Bataillone  in 
zwei  Treffen  gegen  den  linken  Flügel  der  österreichischen  Stellung 
vor.  Die  vordere  Staffel  dieser  Kolonne  bildete  die  12.  leichte 
Halbbrigade;  bei  Puntweil  warf  sie  sich  in  das  trockene  Bett  des 
Rambaches.  Dem  gedeckten  Wege  folgend,  erreichte  sie  ohne 
Verlust  an  Zeit  und  Leuten  das  Dorf  Tauffers.  In  dem  nämlichen 
Augenblicke  setzte  Dessoles  zum  Sturme  in  der  Front  an.  Die 
39.  Halbbrigade  im  Vortreffen,  die  cisalpinischen  Bataillone  im  Rück- 
halte, nahm  der  General  beim  ersten  Anlaufe  die  Brücke  über  den 
Valtarolabach.  Ebenso  wurden  die  Schanzen  ohne  Zögern  erstiegen. 
Nach  kurzem  Handgemenge  floh  ihre  Besatzung  in  regelloser  Flucht. 
Als  die  Oesterreicher  bemerkten,  daß  bereits  der  Engpaß  von 
Rifair  und  die  Calvabrücke  von  Teilen  der  12.  leichten  Halbbrigade 
besetzt  seien,  ergaben  sie  sich  fast  augenblicklich.  Nur  409  Mann 
vom  äußersten  rechten  Flügel,  geführt  vom  Generalmajor  Laudon 
selbst  und  beschützt  durch  das  wohlgezielte  Feuer  der  Landes- 
schützen, welche  bei  dem  bisherigen  Durcheinander  keine  Gelegen- 


57 


heit  gefunden  hatten,  ihre  Stutzen  zu  gebrauchen,  entkamen  über 
den  Tauffersberg.  Weiter  ging  die  eilige  Flucht  über  Schlinig 
und  Mareinberg  nach  Burgeis.  Hier  befanden  sich  bereits  Fran- 
zosen, und  Laudon  entkam  nur  in  der  schnell  angenommenen  Ver- 
kleidung eines  Landbewohners.  Bei  Reschen  erfuhr  er  von  einer 
abgeschnittenen  Abteilung  Kavallerie  die  Ereignisse  bei  Nauders. 
So  nahm  er  seinen  Weg  durch  das  Langtaufferser  Thal  nach  Hinter- 
kirchen und  über  den  Gebatsch-Ferner ;  nach  vielen  Fährlichkeiten 
wie  Mühsalen  ward  aber  glücklich  Pruz  und  Landeck  erreicht. 
Die  Großzahl  der  Landesschützen  entkam  ebenfalls  über  den 
Tauffersberg  und  die  Lichtenbergeralp  gegen  Laatsch. 

Der  Kampf  hatte  kaum  eine  halbe  Stunde  gedauert.  Nach 
dem  Berichte  hätten  die  Oesterreicher  hier  nach  kaum  einstündigem 
Verfolgen  an  Gefangenen  4  Obersten,  150  andere  Offiziere  und  4500 
Mann  verloren.  Weitere  600  blieben  tot  und  verwundet  auf  dem 
Schlachtfelde.  Ferner  erbeuteten  die  Franzosen  17  Kanonen  und 
1  Haubitze.  Ihr  eigener  Verlust  betrug  60  Tote  und  200  Ver- 
wundete.95 

Die  größere  Masse  der  in  Tauffers  eingedrungener]  Truppen 
überließ  sich  dem  Geschäfte  des  Plünderns.  Immerhin  gelang  es 
Dessoles,  den  Brigadegeneral  Lecchi  mit  einigen  noch  zusammen- 
gehaltenen Truppen  an  den  Vereinigungspunkt  der  Wege  von 
Laatsch  und  Glurns  zu  entsenden.  In  der  Enge  der  Marengbrücke, 
auf  der  Walstatt  von  Calva  (1499),  versuchten  versprengte  Reiter 
und  einiger  Landsturm  von  Glurns  vergebens  Widerstand  zu  leisten. 
Eine  durch  Dessoles  selbst  herangeführte  Verstärkung  öffnete  den 
Weg.  Unaufhaltsam  ging  es  weiter  über  Laatsch  nach  Mals. 
Lecchi  dagegen  eilte  geradezu  auf  Glurns.  Unter  stetigem  Feuer 
der  Landstürmer  verlor  diese  Abteilung  während  der  folgenden 
vier  Stunden  eine  Anzahl  Leute.  Daraus  und  weil  die  französischen 
Truppen  die  Landstürmer  nicht  als  uniformierte  Gegner  erkannten 
—  sie  wußten  nichts  von  der  eigentümlichen  Wehrordnung  im 
Tirol  —  erklärt  sich  auch  die  Wut  der  Leute  zur  Genüge.  Um 
Mittag  ward  das  Städtchen  Glurns  erreicht.  „Die  wütenden  Feinde 
raubten  und  plünderten  soviel  sie  konnten,  schändeten  die  Frauen 
und  entheiligten  die  beiden  Gotteshäuser."  Mals  wurde  bereits 
um  10  Uhr  vormittags  erreicht.  „In  dessen  Besitz  gelangt,  begann 
der  Feind  aucb  hier  zu  morden  und  zu  rauben  und  verschonte 
weder  Alter  noch  Geschlecht."  Bei  Tartsch  trafen  Dessoles  und 
Lecchi  wieder  zusammen.  Auf  dem  Hügel  bei  diesem  Orte  wurde 
ein  verschanztes  Lager  bezogen  und  am  gleichen  Tage  noch  Schlu- 
derns,  Schleiß  und  Burgeis  von  den  Cisalpinern  besetzt.  Diese 
letzteren  scheinen  ganz  besonders  raubsüchtig,  unbotsam  und  voller 
schlimmer  Begierden  gewesen  zu  sein.96 

Im  Verlaufe  von  zwölf  Stunden  hatten  demnach  die  Franzosen 


gegen  weit  überlegene  Kräfte  die  denkbar  festesten  Stellungen 
genommen.  Die  Haupteingänge,  welche  aus  dem  Veltlin  und 
dem  Engadin  ins  Tirol  führen,  waren  nunmehr  in  den  Händen  von 
Lecourbe.  .Daß  dieses  glänzende  Resultat  hier  noch  weniger  als 
im  Rheinthale  den  strategischen  Kombinationen  gehört,  springt  in 
die  Augen ;  es  ist  wieder  die  Energie  der  französischen  Feldherren, 
die  Bravour  der  Soldaten  und  ihre  Unermüdlichkeit,  die  über  die 
Verkehrtheit  der  österreichischen  Generale  und  den  schlechten  Geist 
ihrer  Truppen  den  Sieg  davon  trägt.  In  der  That,  wie  viel  Mühe 
man  sich  auch  gibt,  dieses  beständige  Abschneiden  und  Gefangen- 
nehmen ganzer  Bataillone  und  dieses  Vernichten  ganzer  Corps 
erklärlich  zu  machen,  welches  Bedürfnis  man  auch  hat,  die  Ehre 
der  österreichischen  Fahne  aufrecht  zu  erhalten  und  auf  allen 
Punkten  zu  retten,  es  ist  nicht  möglich,  ohne  die  Voraussetzung 
ungewöhnlicher  Fehler  und  Schlaffheit  fertig  zu  werden."97 

Die  Art  und  Weise,  wie  Oesterreich  die  Verteidigung  von 
Graubünden  und  Tirol  bisher  geführt,  war  ganz  falsch  gewesen. 
Tirol  besaß  eine  starke  landsturmartige  Volksbewehrung,  es  blieb 
dennoch  vom  Heere  besetzt.  Die  Unternehmungen  gegen  die  Division 
Lecourbe  wurden  stets  viel  zu  zaghaft  und  mit  zu  geringer  Umsicht 
durchgeführt.  Das  Uebersehen  der  Rambach -Schlucht  bei  der 
Einrichtung  der  Stellung  von  Tauffers  war  ein  schwerer  Fehler, 
und  selbst  mehr  als  das,  eine  bedenkliche  Vernachlässigung  der 
Pflicht.  Nach  heutigen  Begriffen  trägt  Generalmajor  Laudon  die 
Verantwortung  dafür.  Zu  seiner  Entschuldigung  wird  freilich 
angeführt,  daß  FML.  Bellegarde  in  seinen  Befehlsbereich  eingriff. 
Die  Tiroler  glaubten  geradezu,  der  letztere  sei  ein  Verräter  ge- 
wesen. Bellegarde  deckte  alles  mit  Reserven,  drei  Wochen  nach 
Beginn  des  Feldzuges  hatte  er  seine  Truppen  noch  immer  nicht 
vereinigt.  Seine  Thatkraft  in  diesen  Tagen  schien  wie  gelähmt. 
Er  vermochte  sich  keineswegs  zu  der  einfachen  Ansicht,  die  doch 
gewiß  nahe  genug  lag,  aufzuschwingen,  daß  ein  Hauptschlag  Tirol 
und  selbst  Bünden  vollkommen  säubern  werde.  Bei  dieser  Gelegen- 
heit mag  auch  das  Urteil  Napoleons  I.  erwähnt  werden,  das  er  über 
den  ersten  Teil  des  Feldzuges  der  Division  Lecourbe  fällte:98 

„Der  Uebergang  Lecourbes  über  den  Bernhardin,  wie  alle 
Operationen  im  Engadin  und  Veltlin  sind  zwecklos.  Der  rechte 
Flügel  der  Armee  konnte  keine  bessere  Stellung  finden,  als  die 
des  Gotthard  und  des  Splügen.  Hatte  man  die  Absicht,  Tirol 
zu  erobern  ?  Das  war  mit  5000  Mann  unausführbar,  während  die 
übrigen  Divisionen  30  Lieues  zurück  blieben,  getrennt  durch  hohe 
Gebirge.  Wenn  Lecourbe  das  L'nglück  gehabt  hätte,  bis  Innsbruck 
vorzudringen,  so  wäre  er  rings  eingeschlossen  gewesen.  Dieser 
Krieg  im  Engadin  war  von  unerfahrenen  Leuten  in  Paris  ausgeheckt 
worden,    die    nur   sehr    dunkle  Begriffe    und   irrige   Vorstellungen 


59 


von  der  Kriegskunst  hatten.  Die  Gebirgsländer  sind  von  den 
Ebenen  abhängig,  die  ihnen  Nahrung  geben,  und  sie  haben  auf 
diese  nur  insoferne  Einfluß,  als  dieselben  in  ihrem  Schußbereiche 
liegen.  Die  Grenzen  der  Reiche  bestehen  aus  Ebenen,  Hügel- 
landschaften oder  Gebirgen.  Wenn  eine  Armee  sie  überschreiten 
will  und  ist  an  Kavallerie  überlegen,  so  wird  sie  gut  thun,  ihre 
Operationslinie  durch  die  Ebene  zu  nehmen ;  hat  sie  weniger 
Kavallerie,  so  wird  sie  hügelige  Gegenden  vorziehen.  Die  Gebirgs- 
landschaften muß  sie  in  jedem  Falle  beobachten  und  umgehen. 
Eine  Operationslinie  darf  nicht  durch  ein  Gebirge  gehen:  1.  weil 
es  daselbst  nichts  zu  leben  gibt;  2.  weil  man  bei  jedem  Schritte 
dort  Defileen  trifft,  welche  man  mit  Befestigungen  bedecken  müßte; 
3.  weil  der  Marsch  daselbst  beschwerlich  und  langsam  ist;  4.  weil 
die  tapfersten  Kolonnen  dort  durch  gerade  vom  Pflug  fortgenommene 
armselige  Bauern  aufgehalten,  besiegt  und  vertrieben  werden 
können;  5.  weil  der  wahre  Geist  des  Gebirgskrieges  darin  besteht,- 
niemals  anzugreifen  oder  zurück  zu  gehen ;  6.  endlich,  weil  eine 
Operationslinie  auch  für  den  Rückzug  dienen  soll.  Wie  soll  man 
aber  daran  durch  die  Engpässe  und  Schluchten  denken  ?  Es  ist 
vorgekommen,  daß  große  Armeen,  wenn  sie  nicht  anders  konntenr 
Gebirgsländer  passiert  haben,  um  in  fruchtbare  Ebenen  und  schöne 
Länder  zu  gelangen.  So  muß  man  z.  B.  die  Alpen  übersteigen, 
um  nach  Italien  zu  kommen.  Aber  übernatürliche  Anstrengungen 
zu  machen,  um  unersteigliche  Berge  zu  überschreiten  und  sich 
inmitten  von  Abgründen,  Felsen,  Defileen  zu  befinden,  ohne  andere 
Perspektive,  als  längere  Zeit  hindurch  bei  jedem  Schritte  durch 
den  Gedanken  beunruhigt  zu  werden,  daß  rückwärts  eben  so  viele 
Schwierigkeiten  und  Punkte  liegen,  mit  jedem  Tage  mehr  in  Gefahr 
zu  geraten,  Hungers  zu  sterben,  und  das  alles,  wenn  man  es  anders 
haben  kann,  —  das  heißt  an  Strapazen  Vergnügen  finden,  gegen 
Riesen  kämpfen,  das  heißt  der  gesunden  Vernunft  und  folglich 
dem  Geiste  der  Kriegsführung  ins  Gesicht  schlagen.  Der  Feind 
hat  große  Städte,  schöne  Provinzen,  Hauptstädte  zu  schützen,  dahin 
marschiere  man  durch  Ebenen.  Die  Kriegskunst  ist  einfach,  sie 
liegt  in  der  Ausführung,  in  ihr  gibt  es  nichts  Unbestimmtes,  alles 
ist  vielmehr  gesunde  Vernunft,  keine  bloße  Ideologie." 

Selbstverständlich  machte  Lecourbe  keine  weitere  Anstreng- 
ung, in  das  Tirol  vorzudringen,  nachdem  er  die  Entschlüsse  von 
Massena  erfahren.  Immerhin  suchte  er  seine  nunmehrige  Stellung 
zu  sichern.  Am  26.  März  drang  Loison  bis  Graun  vor  und  stellte 
derart  die  Verbindung  mit  Dessoles  her.  Graun  hatte  in  vier 
Tagen  9358  Gulden  Verlust,  und  Pfunds,  welches  Demont  am 
26./7.  für  vierundzwanzig  Stunden  besetzte,  mußte  1500  Gulden 
Brandschatzung  zahlen.  Demont  benahm  sich  übrigens  wirklich 
menschlich.    Er  verhinderte  die  von  den  Cisalpinern  beabsichtigte 


60 

Brandlegung  von  Burgeis.  Auf  die  Fürsprache  des  hier  lebenden 
Schloßhauptmanns  Peter  Anton  von  Mont  zu  Fürstenberg  stellte 
er  sogar  Schutzbriefe  für  die  Einwohner  aus. 

„Während  aber  der  österreichische  Feldherr  unthätig  in  Laas 
saß,  setzten  die  Franzosen  ihre  schreckliche  Wirtschaft  in  den 
occupierten  Gebieten  fort.  Große  Drangsale  hatten  die  Bewohner 
von  Glurns  zu  ertragen.  Die  Hälfte  der  Stadt,  die  Gasse  vom 
Gerichtshause  bis  zum  Thore,  das  nach  Schluderns  führt,  wurde 
am  26.  in  Asche  gelegt.  Die  Bevölkerung  hatte  nichts  mehr  zu 
essen  als  Erdäpfel,  geräuchertes  Fleisch  und  Kommisbrot,  welche 
Lebensmittel  erst  aus  den  Kellern  der  verbrannten  Häuser  hervor- 
geholt werden  mußten.  Unter  Mißhandlungen  und  Todesgefahren 
verbrachte  sie  die  Tage  bis  zum  31.  März.  Ein  ähnliches  trauriges 
Los  traf  den  schönen  Marktflecken  Mals;  von  diesem  wurden  in 
der  Nacht  vom  27.  auf  den  28.  März  108  der  schönsten  Häuser 
samt  ihren  Scheunen  in  Trümmer  und  Asche  gelegt.  Das  Dorf 
Schluderns  setzten  die  Feinde  am  30.  nachts  in  Brand.  Ungeheuer 
war  der  Schaden,  den  sie  bis  zu  ihrem  Abzüge  anrichteten.  Bei 
der  Erhebung  der  vom  Feinde  durch  Plünderung  und  Feuer  ver- 
heerten Beschädigungen  ergab  es  sich,  daß  der  Schaden  der  Stadt 
Glurns  auf  177  639  Gulden,  jener  des  Marktes  Mals  auf  251001 
Gulden,  des  Dorfes  Schluderns  auf  24  000  Gulden,  des  Dorfes  Laatsch 
auf  14  710  Gulden,  des  Dorfes  Tartsch  auf  33  239  Gulden,  der 
Gemeinde  Tauffers  auf  22  962  Gulden,  des  Dorfes  Burgeis  auf 
3863  Gulden,  der  Schaden  des  Stiftes  Marienberg  auf  9775  Gulden 
sich  belaufe.  Weit  milder  und  menschlicher  verfuhren  die  Scharen 
Lecourbes."     (Egger  III,  241/2.) 

Auf  Befehl  von  Massena  mußte  Lecourbe  am  27.  das  1/76. 
Halbbataillon  und  5  Grenadiercompagnien  wieder  nach  Chur  zurück 
schicken.  Die  Entschließungen  des  Generals  erfahren  wir  durch 
sein  aus  Nauders  am  7.  Germ.  (27.  März)  datiertes  und  an  Dessoles 
gerichtetes  Schreiben." 

„ Unsere  Lage",  heißt  es  dort,  „ verlangt  es,  daß  Sie  sich  in 
das  Veltlin  zurückziehen  und  Sta.  Maria  wie  Tauffers  unein- 
nehmbar gestalten.  Senden  Sie  deshalb  Ihre  Artillerie,  Ihre  Muni- 
tion u.  s.  w.  zurück.  Ich  rechne,  mich  in  Zernetz  einzurichten  und 
das  nach  Sta.  Maria  führende  Thal  besetzen  zu  können.  Sichern 
Sie  dagegen  über  Cierfs  unsere  Verbindungen.  Suchen  Sie  über 
alle  Bewegungen  des  Gegners  in  Italien  Nachrichten  einzuziehen 
und  lassen  Sie  mir  dieselben  zukommen,  damit  wir  den  Feind  an 
etwaigen  Versuchen  im  Rücken  der  italienischen  Armee  zu  hindern 
vermögen.  Diese  Bewegungen  sind  durch  die  Lage  geboten,  in 
welcher  sich  die  Armee  in  der  Schweiz  befindet.  Ihr  linker  Flügel 
ist  nämlich  bei  Konstanz  eutblößt  und  der  Gegner  scheint  dort 
einen  Einbruch  versuchen  zu  wollen.    Bis  jetzt  ist  übrigens  nichts 


61 


verloren  !  Vereinigen  wir  unsere  Truppen  und  ziehen  wir  uns  still 
und  vorsichtig  so  lange  zurück,  bis  wir  den  Angriff  wieder  auf- 
zunehmen vermögen.  Im  Notfalle  soll  sich  der  größere  Teil  der 
Truppen  über  den  Splügen  zurückziehen." 

Die  Division  Lecourbe  zählte  weniger  als  4000  Mann,  als  sie 
den  Rückzug  auf  das  linke  Innufer  antrat.  Der  Uebergang  bei 
Martinsbruck  wurde  am  30.  März  zerstört,  der  Ort  selbst  blieb 
nur  durch  die  französischen  Vorposten  gedeckt.  Die  Division  kehrte 
in  ihre  alten  Kantonnemente  zurück.  Tags  zuvor  hatte  man  in 
Nauders  wegen  Mangels  an  Transportmitteln  3000  Säcke  Frucht 
und  2000  Gewehre  verbrennen  müssen.  Hunger  und  Entbehrungen 
plagten  die  Division,  deren  Unmut  über  den  angeordneten  Rückzug 
nicht  zu  stillen  war.100  Noch  weit  fragwürdiger  gestaltete  sich 
die  Lage  der  Division  Dessoles.  Am  1.  April  meldete  dieser 
General,  daß  er  sich  ohne  Lebensmittel  unmöglich  länger  in  Sta. 
Maria  halten  könne,  vielmehr  den  Rückzug  nach  Bormio  anzutreten 
gedenke. 

Trotzdem  bedurfte  der  FML.  Bellegarde  voller  zehn  Tage,  ehe 
er  einen  entscheidenden  Schlag  auf  seinen  linken  Flügel  unternahm. 

Schon  am  27.  März  hatte  Generalmajor  Nobili  bei  Ried  am 
St.  Christinabache  13537  Mann  bisheriger  Reserven  und  28  Landes- 
schützencompagnien  mit  3508  Mann  beieinander.  Bellegarde  glaubte 
sich  aber  jedenfalls  nicht  stark  genug.  Nach  und  nach  zog  er 
bei  Laatsch  noch  12  Bataillone  und  3  Schwadronen  zusammen, 
indes  sich  sein  Hauptquartier  seit  dem  31.  in  Schluderns,  jenes 
von  Nobili  in  Pfunds  befand.  Am  1.  April  waren  Glurns  und 
Nauders  wieder  von  den  österreichischen  Vorposten  besetzt. 

„Die  Kaiserlichen  fanden  in  den  neu  besetzten  Gebieten  viel 
Not  und  Elend,  weil  die  abziehenden  Feinde  den  unglücklichen 
Bewohnern  wenig  mehr  als  das  Leben  gelassen.  Aber  anstatt  es 
lindern  zu  können,  sahen  sie  sich,  da  für  ihre  Verpflegung  sehr 
schlecht  gesorgt  wurde,  sogar  genötigt,  dem  Beispiel  der  Feinde 
nachzuahmen  und  den  Leuten  noch  den  letzten  Rest  von  Lebens- 
mitteln abzunehmen."   (Egger  III,  243/4.) 

In  diesen  schweren  Tagen  bewährte  sich  der  Opfermut  der 
Tiroler  in  glänzender  Weise.  Nicht  nur,  daß  überall  Unter- 
stützungen für  ihre  verarmten  Landsleute  gesammelt  wurden,  auch 
die  Landesschützen  eilten  freiwillig  von  allen  Seiten  herbei  zur 
Verstärkung  der  Armee  ihres  Kaisers.  In  Laatsch  erschienen  noch 
vor  Ende  des  Monats  die  Compagnien  Meran,  Schönna,  Mais, 
Allgund,  Lana  und  Laatsch,  sowie  die  Landstürmer  der  Gerichte 
Schlauders,  Montani,  Castellbell  und  Passeir.  Unter  den  Letzt- 
genannten diente  auch  als  Hauptmann  der  nachmals  so  berühmt 
gewordene  Sandwirt  Andreas  Hofer. 

FML.  Bellegarde  war  jedoch  durchaus  nicht  der  Mann,  diese 


62 


Volksbewaffnung  richtig  zu  schätzen  und  zu  verwenden.  Bald 
brach  zwischen  ihm  und  den  Landesschützen  ein  offener  Zwie- 
spalt aus.  „Voll  Mißtrauen  gegen  ihn,  wollten  diese  ihm  nicht 
gehorchen,  bis  auf  Vermittlung  des  herbeigereisten  Grafen  von 
Welsberg,  der  die  Seele  der  südlichen  Landesschutz-Deputation  war, 
die  Oberleitung  der  Landesverteidigung  dem  General  Laudon  über- 
tragen wurde."   (Egger  j II,  242.) 

Endlich  entschloß  sich  FML.  Bellegarde,  die  Franzosen  in 
ihrer  Stellung  bei  Tauffers  anzugreifen.  Diese  Bewegung  wurde 
auf  den  4.  April  angesetzt  und  die  dazu  bestimmten  Truppen 
sammelten  sich  um  2  Uhr  früh  vorwärts  Laatsch.  Schon  Tags 
zuvor  waren  2  Compagnien  Leloup-Jäger  über  Stilfs  ins  Trafoier- 
thal  abgegangen,  um  über  das  Wormserjoch  dem  Gegner  bei 
Sta.  Maria  in  den  Rücken  zu  gelangen. 

Dessoles  hatte  seine  Stellung  im  Thale  so  gut  besetzt,  als 
es  bei  seinen  schwachen  Kräften  (etwa  3400  Mann)  anging.  Eine 
Pfeilschanze  bei  Rifair  und  vor  dem  Nordausgange  von  Tauffers, 
sowie  der  ummauerte  Friedhof  des  Ortes  dienten  als  Befestigungen. 
Rechts  des  Rambaches  stand  sonst  nur  eine  schwache  Feld- 
wache mit  ihrer  Unterstützung.  Auf  dem  linken  Thalrande  wurde 
die  Sicherung  in  die  Schlösser  Rodund  und  Reichenberg  gelegt. 
An  Artillerie  verfügte  Dessoles  über  2  Kanonen  und  und  1  Hau- 
bitze, für  welche  er  allein  die  vollständigen  Bespannungen  besaß. 

Nach  der  Anordnung  des  FML.  Bellegarde  führte  dieser 
selbst  die  auf  der  Thalstraße  vorgehende  Hauptkolonne  in  der 
Stärke  von  4  Bataillonen  und  4  Schwadronen  (1  Division  Clairfayt, 
1  Bataillon  Anton  Esterhazy,  1  Bataillon  Michael  Wallis,  1  Grena- 
diere Wouvermann,  2  Divisionen  Ligne,  1  Schwadron  Erdödy- 
Husaren).  Rechts  und  links  derselben  in  der  Höhe  bewegten  sich 
zwei  Kolonnen,  aus  leichter  Infanterie  bestehend  (Leloup-Jäger, 
3  Compagnien  Trautenberg,  1  Division  Clairfayt,  1  Division  Ligne 
und  1  Compagnie  Michael  Wallis).  Unter  Führung  von  FML.  Hadik 
blieben  3lJ2  Bataillone  in  Reserve  (3  Grenadierbataillone,  1  Division 
Württemberg,   1  Division  Erdödy-Husaren). 

Am  4.  April  früh  3  Uhr  wurde  der  Vormarsch  angetreten, 
bald  nach  5  Uhr  fielen  die  ersten  Schüsse.101  Die  Kolonne  links 
warf  die  Franzosen  zwar  aus  Rifair  zurück,  vermochte  aber  sonst 
nicht  viel  auszurichten.  Der  Angriff  der  Mitte  kam  sogar  am 
Friedhof  und  an  der  Pfeilschanze  ins  Stocken.  Erst,  als  die  rechts 
vorgehende  Kolonne  die  Gegner  aus  den  oben  genannten  Schlössern 
vertrieben,  vermochten  die  Oesterreicher  eine  bessere  Wirkung  zu 
erzielen.  Zwischen  dem  Valtarola-  und  Valatschabache  versuchten 
die  Franzosen  neuerdings  eine  Verteidigungsstellung  zu  beziehen. 
Das  fortgesetzte  Feuer  von  den  Flügeln  her,  sowie  der  Versuch 
der  Husaren,  Münster  vor  ihnen  zu  erreichen,  zwang  die  Franzosen 


63 

schleunigst  bis  zu  dem  Friedhofe  dieses  Ortes  zurück  zu  gehen. 
Hier  stand  eine  cisalpinische  Halbbrigade  in  der  seit  zwei  Tagen 
bereits  eingerichteten  Aufnahmestellung.  Anfänglich  gelang  es 
den  Franzosen,  die  Sturmkolonnen  in  einiger  Entfernung  zu  halten. 
Als  dann  aber  die  über  das  Wormserjoch  entsendete  Abteilung 
im  Rücken  der  französischen  Aufstellung  bei  Sta.  Maria  erschien, 
gingen  die  Franzosen  bis  zu  dem  Uebergange  des  Rambaches  an 
der  »Säge"  und  endlich  zum  Hofe  „Sielva"  zurück.  An  diesen 
Orten  tobte  das  Gefecht  mit  derartiger  Hartnäckigkeit,  daß  der 
Bach  sich  mit  dem  Blute  der  Gefallenen  färbte.  Der  Chef  des 
Generalstabes  der  Division  Dessoles,  General-Adjutant  Petrigoni, 
vermochte  es  jedoch  noch  einmal,  die  Oesterreicher  durch  einen 
sie  überraschenden  Gegenstoß  zurück  zu  drängen.  Da  nun  aber 
der  FML.  Hadik  mit  frischen  Truppen  heran  kam  und  zugleich 
die  Rückzugslinie  überaus  gefährdet  erschien,  löste  sich  alles  in 
eiligst  flüchtende  Haufen  auf. 

Noch  war  jedoch  der  Weg  auf  den  Ofen-Paß  frei  geblieben. 
Dessoles  erreichte  über  diesen  Paß,  bis  Fuldera  von  den  Leloup- 
Jägern  verfolgt,  noch  gleichen  Tages  Zernetz.  Von  dort  kam  er 
über  den  Bernina-Paß  nach  Tirano  und  Bormio. 

Der  Verlust  der  Division  Dessoles  am  4.  April  betrug  nach 
eigenen  Angaben  allein  400  Mann  an  Gefangenen.  Dazu  erbeuteten 
die  Oesterreicher  3  Kanonen,  14  gefüllte  Caissons  und  mehrere 
tausend  Gewehre.  Generaladjutant  Petrigoni  und  ein  Bataillonschef 
fielen  tödlich  verwundet  ebenfalls  in  die  Hände  des  Gegners.  Dieser 
befreite  endlich  noch  ein  Lazaret  mit  150  österreichischen  Ver- 
wundeten aus  der  Gefangenschaft.  Ueber  die  Größe  der  eigenen 
Einbuße  verlautet  keine  Angabe;  es  heißt  lediglich,  „daß  er  wegen 
des  hartnäckigen  Widerstandes  der  Franzosen  nicht  unbeträchtlich 
gewesen  sei."     Jedenfalls  betrug  er  nicht  weniger  als  200  Mann. 

Ganz  unbegreiflich  erscheint  es,  daß  FML.  Bellegarde  nach 
diesem  Erfolge  nicht  sogleich  daran  ging,  die  Franzosen  völlig 
aus  dem  Engadin  zu  verdrängen.  Diese  schreiben  die  Unthätigkeit 
des  etwa  20000  Mann  starken  Gegners  dem  vermutlich  auch  in 
Tauffers  herrschenden  Mangel  an  Lebensmitteln  zu.  In  Wahrheit 
ist  dies  jedoch  keineswegs  der  Fall  gewesen.  (Egger  III,  244.) 
Die  Schuld  daran  tragen  vielmehr  die  endlosen  Schreibereien  der 
Generale  untereinander  und  die  peinliche  Rücksicht,  welche  Belle- 
garde darauf  nahm,  nichts  ohne  Anweisung  seines  Gönners  Thugut 
auszuführen. 

Auch  Lecourbe  hatte  mit  mannigfachen  Aergernissen  in 
diesen  Tagen  zu  kämpfen. 

Anfang  April  erhielt  die  38.  Halbbrigade  eine  sehr  nötig 
gewordene  Verstärkung  durch  600  junge  Konskribierte.  Zugleich 
wurde  die  Errichtung  von  Werken  bei  Remüs,  Schuls-Vulpera  und 


64 


Zernetz-Sta.  Maria  begonnen  und  bis  zum  19.  April  durchgeführt. 
Das  Hauptquartier  von  Lecourbe  befand  sich  während  dieser  Zeit 
teils  in  Fettan,  teils  in  Zernetz. 

Der  Mangel  an  Lebensmitteln  stieg  dabei  aufs  Aeußerste.  Das 
mit  der  Verpflegung  betraute  Haus  Bodin  hatte  bisher  nur  25  000 
Brotportionen  geliefert.  Jetzt  kamen  die  Unternehmer  überhaupt 
nicht  mehr  ihren  Verpflichtungen  nach.  Als  Lecourbe  den  Com- 
missaire-Ordonnateur  ins  Mailändische  entsendete,  um  Vorräte 
anzukaufen,  vermochte  dieser  dort  nur  einige  hundert  Zentner 
Biscuit  und  Mehl  aufzutreiben. 

Zu  solchen  Widerwärtigkeiten  gesellte  sich  der  Streit  mit 
Dessoles.  Lecourbe  hatte  mit  Unwillen  die  Nachricht  von  der 
erzwungenen  Räumung  der  Stellung  bei  Tauffers  erfahren.  Die 
von  Zernetz  her  das  Engadin  Hinaufziehenden  begingen  in  allen 
Orten,  welche  sie  durchschritten,  die  ärgsten  Gewaltthaten.  Darüber 
empört,  schrieb  Lecourbe  an  Dessoles  unter  dem  18.  Germ.  (7.  April) 
aus  Zernetz  einen  scharfen  Brief.  Ebenso  sendete  er  eine  Anzeige 
an  Massena.  Dessoles  antwortete  in  gereiztem  Tone  und  obwohl 
ihm  Lecourbe  maßvoll  erwiederte,  übermittelte  jener  dennoch  sein 
Entlassungsgesuch  an  Scherer.102 

Der  ganze  Handel  gewann  schließlich  eine  solche  Ausdehnung, 
daß  Massena  gezwungen  war,  seinen  Vertrauten,  den  bekannten 
Mares,  damals  Brigadechef  im  Geniecorps,  zur  Untersuchung  der 
beidseitigen  Klagen  abzuordnen.  Ehe  dieser  jedoch  eine  Versöhnung 
zu  erzielen  vermochte,  legte  Dessoles  den  Befehl  nieder,  um  an  die 
Spitze  des  Generalstabes  der  Armee  in  Italien  zu  treten.103 

Er  wurde  durch  Loison  ersetzt,  welcher  am  21.  April  mit  der 
76.  Halbbrigade  in  Tirano  eintraf,  woselbst  die  Lage  bereits  gefahr- 
voll für  die  Franzosen  erschien.  In  diesem  Augenblicke  (20.  April) 
zählte  die  Division  Lecourbe  6284  Mann  unter  den  Waffen.  Die 
Gesamtzahl  der  Abwesenden  (Kranke,  Kriegsgefangene)  betrug 
2083  Mann. 

„Wir  kommen  nun  zur  eigentlichen  Periode  des  österreichischen 
Handelns,  aber  dieses  Handeln  ist  nicht,  wie  man  es  bei  Bonaparte 
gewohnt  ist,  wenn  er  auf  eine  Entscheidung  ausgeht,  eine  gleich- 
zeitige Anstrengung  aller  Kräfte  zu  einem  gemeinschaftlichen  Ziele, 
sondern  es  sind  Unternehmungen  auf  einzelnen  Punkten,  und  auch 
dann  nur  mit  einem  Teile  der  Kräfte,  als  käme  es  nur  darauf  an, 
sich  in  einer  Lage,  mit  der  man  im  Ganzen  wohl  zufrieden  ist, 
in  diesem  oder  in  jenem  Stücke  etwas  besser  einzurichten  oder 
zurechtzurücken,  kurz  ein  Handeln,  wie  es  in  der  Natur  der  Dinge 
liegt,  wenn  keine  Entscheidung  vorliegt.  Aber  kam  es  den  Oester- 
reichern  auch  wirklich  auf  eine  solche  an?  — "   (Clausewitz  I,  255). 

FML.  Bellegarde  war  wirklich  ungebührlich  lange  thatenlos 
geblieben.     Jetzt   erhielt  er  von  dem  ungeduldigen  Suworoff  den 


6o 

gemessenen  Befehl,  auch  seinerseits  gegen  die  Franzosen  vorzu- 
gehen. An  Erklärungen  für  die  sonderbare  Thatenlosigkeit  der 
Oesterreicher  fehlt  es  nicht.  FML.  Bellegarde  wollte  nichts  auf 
eigene  Verantwortung  hin  unternehmen,  sondern  zunächst  über 
jede  Maßnahme  das  Gutachten  des  Hofkriegsrates  einholen.  Die 
schwerfällige  Art  der  Verpflegungseinrichtungen  verhinderte  über- 
dies jede  angreifende,  nicht  von  langer  Hand  vorbereitete  Be- 
wegung. Die  Verwaltung  war  völlig  selbständig  und  getrennt  von 
der  Oberleitung  der  österreichischen  Heere.  Häufig  mußte  der 
Feldherr  auf  durchaus  nötige  Handlungen  verzichten,  weil  die 
Verpflegung,  die  noch  immer  aus  Magazinen  stattfand,  nicht 
gehörig  geregelt  worden.  So  begegnete  es  dem  Erzherzog  Karl 
unmittelbar  nach  der  Schlacht  von  Stockach,  daß  er  den  Ein- 
marsch in  die  Schweiz  verschieben  mußte,  weil  der  oberste  Ver- 
pflegsbeamte  seiner  Armee  dagegen  Einsprache  erhob. 

Endlich  entschloß  sich  FML.  Bellegarde,  für  den  22.  April 
die  Vorwärtsbewegung  aufzunehmen.  In  der  Nacht  zu  diesem 
festgesetzten  Tage  fiel  jedoch  tiefer  Schnee.  So  wurden  denn  die 
nötigen  Gegenbefehle  erlassen.  Nur  die  von  Major  Schmiedt  be- 
fehligte Seitenkolonne  empfing  nicht  rechtzeitig  die  Nachricht  von 
der  Aenderung  der  Verfügungen.  Die  (1  Bataillon  des  Landwehr- 
regiments Neugebaur  und  6  Landesschützen-Compagnien,  zusammen 
etwa  1800  Mann  starke)  Abteilung  brach  am  21.  abends  von 
Ischgl  im  Paznaun  auf.  Ueber  den  Fimber-Paß  (2605  m)  stieg 
sie  gegen  Manas  und  Remüs  hinab.  Um  4  Uhr  früh  überfielen 
die  Oesterreicher  das  schlecht  bewachte  Manas  und  nötigten  die 
hier  befindlichen  3  Compagnien  von  11/44.  zu  schleunigem  Rück- 
zug. In  raschem  Anlaufe  wurde  sogar  Remüs  genommen  und  die 
Verancabrücke  gleichfalls.  Hier  erhoben  sich  aber  jene  von 
Lecourbe  seit  Beginn  des  Monats  errichteten  Werke.  Das  Kartätsch- 
feuer warf  die  tapferen  Leute  zurück,  in  deren  Rücken  nun  auch 
der  Rest  der  44.  Halbbrigade  erschien.  Von  allen  Seiten  einge- 
schlossen, mußte  sich  fast  die  ganze  Abteilung  ergeben.  Die 
Franzosen  nahmen  den  Major  Schmiedt,  6  Hauptleute  und  elf 
Lieutenants,  also  alle  Offiziere  der  Kolonne  neben  460  Mann, 
gefangen.  Ueberdies  verloren  die  Oesterreicher  100  Mann  an 
Toten  neben  120  an  Verwundeten;  7  Landesschützen  und  eine 
Anzahl  Soldaten  waren  durch  Lawinen  bereits  auf  dem  Marsche 
umgekommen.  Der  Verlust  der  Franzosen  betrug  nach  ihrer  An- 
gabe 2  Tote,  23  Verwundete  und  1  kriegsgefangenen  Offizier. 
Dieser  müßte  demnach  gleich  zu  Beginn  des  Gefechtes  von  den 
Landesschützen  über  den  Paß  zurückgebracht  worden  sein.  Ver- 
mutlich war  es  der  Führer  der  Feldwache  in  Manas. 

Suworoff  ermunterte  FML.  Bellegarde  von  neuem,  die  an 
Stärke  so  weit  zurückstehende  Division  Lecourbe  aus  dem  Engadin 

Günther,  Feldzug  1799.  5 


66 

zu  vertreiben.  In  der  That  verfügte  FML.  Bellegarde  in  diesem 
Augenblicke  über  26  Bataillone  und  8  Schwadronen.  In  diese 
Zeit  fiel  auch  die  Verständigung  des  Oberbefehlshabers  im  Tirol 
mit  FML.  Hotze  zum  Zwecke  eines  Angriffs  auf  die  Luzisteig. 
FML.  Hotze  erhielt  von  den  in  Tirol  stehenden  Truppen  die  fünf 
Bataillone  starke  Brigade  St.  Julien  zugewiesen.  Weitere  zehn 
Bataillone  sammelte  FML.  Bellegarde  bei  Nauders,  um  mit  diesen 
Kräften  ins  Engadin  einzudringen.  Eine  dritte  ebenfalls  zehn 
Bataillone  starke  Kolonne  unter  FML.  Hadik  stand  im  Münster- 
thale,  um  die  Rückzugslinien  der  Division  Lecourbe  zu  bedrohen. 
Ueber  die  Stellungen  von  Lecourbe  berichtet  Erzherzog  Karl  wie 
folgt  (I,  271/2): 

„In  dem  finsteren  Innthal  eingeengt,  an  einer  einzigen  Opera- 
tions- und  Communicationslinie  aufgestellt,  in  beiden  Flanken  und 
im  Rücken  bedroht,  hatte  Lecourbe  das  Mögliche  zur  Behauptung 
und  Verstärkung  seiner  Position  gethan  und  hierzu  einen  Fuß 
des  Fimpengebirges  gewählt,  welcher  hinter  dem  Varana  (in  der 
Landessprache  Ramoschbach  genannt)  gegen  den  Inn  herabfällt. 
Die  Dörfer  Manas  und  Remüs  lagen  vor  der  Front  so  wie  der 
Bach,  dessen  Bett  von  steilen  Ufern  eingefaßt  ist.  Auf  dem 
rechten  Flügel  befand  sich  eine  pallisadierte  Redoute,  die  von 
einer  dominierenden  Höhe  die  jenseitige  Gegend  am  Inn  bestrich. 
Die  rechte  Flanke,  sowie  die  Front  waren  durch  einige  andere 
minder  bedeutende  Werke  verstärkt.  Bei  Manas  konnte  der  ge- 
wöhnliche Fehler  aller  Gebirgsstellungen  nicht  vermieden  werden ; 
hier  lehnte  sich  nämlich  der  linke  Flügel  an  höhere,  aber  nicht 
ganz  unzugängliche  Berge ;  und  die  Tiefe  des  Varanabettes,  über 
welches  oberhalb  Manas  ein  Fußsteig  führt,  vermindert  sich 
nach  Maß,  als  man  seinem  Ursprung  näher  kommt.  Die  Truppen 
standen  staffelweise  im  Thal  und  hielten  die  höchsten  Punkte 
auf  beiden  Ufern  des  Inns  in  den  Flanken  der  Stellung  besetzt." 

Clausewitz  (I,  256/7)  bemerkt  über  die  nämliche  Stellung: 
„Gegen  die  in  solchen  Fällen  nie  fehlenden  Umgehungen  waren 
die  auf  den  beiden  Rändern  des  Innthales  liegenden  nächsten 
Pässe  verhauen  oder  sonst  unzugänglich  gemacht  und  mit  etwas 
Infanterie  besetzt;  außerdem  waren  im  Innthale  selbst  rückwärts 
einige  Reserven  aufgestellt,  d.  h.  Lecourbe  hatte  sich,  wie  die 
Franzosen  dies  nennen,  echeloniert. 

Es  scheint  dies  so  ziemlich  die  Normalstellung  gewesen  zu 
sein,  welche  die  Franzosen  in  solchen  Fällen  nahmen,  und  in  der 
That  ist  eine  bessere  nicht  anzugeben.  Die  sehr  kurze  Fronte  der 
Stellung  konnte  auf  diese  Weise  ziemlich  stark  sein,  das  Um- 
gehen über  die  Pässe  wurde  zeitig  genug  entdeckt  und  lange  genug 
aufgehalten,  um  im  Thale  seine  Maßregeln  danach  zu  nehmen, 
und   die  zurückgestellten   Reserven    (Echelons)    gaben    das   beste 


67 


Mittel,  dem  Umgehenden  früh  etwas  entgegenzustellen  oder  ihn 
selbst  in  ein  doppeltes  Feuer  zu  bringen." 

FML.  Bellegarde  glaubte  seinen  Zweck  dadurch  sicher  zu 
erreichen,  daß  er  fast  über  jeden  Paß,  der  das  Unter-Engadin 
mit  dem  Etschgebiete  verbindet,  eine  Abteilung  entsendete.  Die 
von  ihm  befehligte  Hauptkolonne,  6  Bataillone  stark,  marschierte 
auf  der  Straße  gegen  Martinsbruck.  Ihre  Sicherung  auf  dem 
linken  Innufer  übernahmen  l2js  Bataillone  (1200  Mann).  Diese 
benützten  den  oberen  und  unteren  Novellasteig.  Die  Führung 
ihrer  Vortrupps  hatten  die  Oberlieutenants  Dietrich  und  Werweck 
von  Großherzog  von  Toscana-  und  Kinsky-Infanterie  mit  je  einer 
Compagnie  übernommen.  Auf  dem  rechten  Innufer  bewegte  sich 
eine  von  Major  Marcaud  befehligte  ebenso  starke  Abteilung  über 
die  „Maiß"  gegen  Sclamisott  und  die  Brücke  von  Strada.  Eine 
dritte  Kolonne,  aus  1  Bataillon  und  den  Landesschützen  der  Ge- 
richte Sonnenburg,  Innsbruck  und  Hörtenberg  bestehend,  stieg 
durch  das  Rajenthal  hinauf.  Sie  sollte  über  den  Rosenkopf  durch 
das  Val  d'Urna  die  Brücke  von  Sur-En  erreichen. 

FML.  Hadik  bildete  im  Avignathal  eine  zweite,  4^2  Bataillone 
starke  Hauptkolonne.  Mit  derselben  erreichte  er  um  11  Uhr 
nachts  am  29.  April  das  Scharljoch  (La  Cruschetta,  2316  m). 
Bis  3  Uhr  morgens  des  folgenden  Tages  wurde  hier  geruht.  Dann 
stieg  die  Kolonne  mit  ihrer  Vorhut  Leloup-Jäger  und  Landes- 
schützen unter  Oberst  Rousseau  in  das  Val  de  Scarl  hinab,  um 
sich  des  Ortes  Schuls  zu  bemächtigen.  Links  von  dieser  Kolonne 
marschierte  eine  l1/3  Bataillon  und  einige  Landesschützen  starke 
Abteilung  über  den  Ofen-Paß  (2155  m),  um  gegen  Zernetz  selbst 
vorzugehen.  Weitere  3  Bataillone  blieben  vorläufig  in  Sta.  Maria 
zurück.  Ihr  Auftrag  ging  dahin,  zunächst  das  Wormserjoch  zu 
beobachten  und  dann  ebenfalls  nach  Zernetz  zu  marschieren. 

Die  Vorhut  der  Kolonne  Bellegarde,  geführt  von  den  Haupt- 
leuten Rebrowicz  und  Raglowicz  der  Warasdiner  Grenzer,  traf 
um  3  Uhr  vormittags  auf  starken  Widerstand  seitens  der  in 
Martinsbruck  stehenden  Gegner.  Nach  einem  längeren  Feuer- 
gefechte versuchten  es  4  Compagnien  von  11/38.,  die  Oesterreicher 
mit  dem  Bajonette  zu  werfen.  Nachdem  sie  sich  in  der  That  Luft 
gemacht,  gelangten  die  Compagnien  nach  St.  Nicolas  und  Strada, 
welche  Orte  von  den  beiden  anderen  Bataillonen  der  Halbbrigade 
besetzt  waren.  Selbst  die  Kanone  wurde  von  ihnen  gerettet.  Nach 
französischem  ■  Berichte  (Feldtagebuch)  blieben  vor  der  Kapelle 
von  Martinsbruck  400  Oesterreicher.  Der  eigene  Verlust  habe 
dagegen  nur    15   Tote,    60  Verwundete,    20  Gefangene  betragen. 

Unter  fortgesetzter  Ueberwältigung  des  gegnerischen  Wider- 
standes erreichten' die  Oesterreicher  die  Verschanzungen  von  Strada. 
Hier   gelang   es   erst   dann ,    die    Franzosen   zurückzuwerfen ,    als 


68 

einige  von  den  Hauptleuten,  Botta  von  Starray-  und  Bernkopf 
von  Kinsky-Infanterie  (dieser  im  Jahre  1800  der  thatkräftige 
Verteidiger  von  Fort  Bardo),  vom  rechten  auf  das  linke  Innufer 
übersetzten  und  in  das  Gefecht  eingriffen.  Durch  solche  Umgehung 
wurde  eine  Anzahl  Verteidiger  am  rechtzeitigen  Rückzuge  ver- 
hindert. So  fielen  auch  der  Capitaine  Parnajeon,  welcher  das 
Bataillon  befehligte,  der  Major-Adjutant  Beaupied  und  der  Unter- 
lieutenant Grenier  in  die  Kriegsgefangenschaft.  Dem  Lieutenant 
Plazanet  gelang  es,  obwohl  verwundet,  den  Rest  des  Bataillons 
geordnet  hinter  die  Veranca  zurück  zu  führen.  Gegen  Mittag, 
nach  einem  Marsche,  der  für  einzelne  der  beteiligten  Truppen  15 
bis  20  Stunden  gedauert,  erreichte  die  Kolonne  Bellegarde  das 
Dorf  Remüs.  Ehe  jedoch  die  hier  angelegte  Hauptstellung  der 
Franzosen  berannt  werden  konnte,  mußte  das  Eingreifen  einer 
gegen  Manas  hinabsteigenden  Kolonne  abgewartet  werden.  Diese 
vom  Oberlieutenant  im  General-Quartiermeisterstabe  Odelga  ge- 
führte Abteilung,  bestehend  aus  1  Bataillon  und  6  Landesschützen- 
Compagnien,  zusammen  1500  Mann,  überschritt  wiederum  den 
Fimber-Paß. 

Bei  Griosch  ließ  sie  eine  übermäßig  starke  Reserve  zurück 
und  nur  3  Compagnien  erreichten  ob  den  Mineralquellen  den  rechten 
Thalrand  des  Val  Sinestra.  Während  die  3  bereits  stark  ermüdeten 
Compagnien  den  Gegner  bis  in  die  Hauptschanze  zurückdrängten, 
machte  FML.  Bellegarde  auf  der  Thalstraße  vier  vergebliche  Ver- 
suche, über  die  Verancabrücke  (Varana-Ramoschbach,  Palanca- 
brücke)  vorzudringen.  Den  Franzosen  ging  jetzt  der  Schießbedarf 
aus.  Zuletzt  sollen  sie  sich  nur  noch  mit  Steinwürfen  verteidigt 
haben.104  Als  abends  8  Uhr  die  Dunkelheit  dem  Kampfe  ein  Ende 
bereitete,  standen  die  Oesterreicher  am  Fuße  der  Höhen,  aufweichen 
die  Verschanzungen  lagen.  Die  Kolonne  des  FML.  Hadik  traf 
hinter  dem  Dorfe  Scarl  bei  einer  Wegenge  auf  Franzosen.  Das 
Gefecht  blieb  für  länger  als  eine  Stunde  ohne  Entscheidung.  Nach- 
dem jedoch  Oberlieutenant  Giurtschack  vom  Generalquartiermeister- 
Stabe  mit  einer  Compagnie  die  gegnerische  Stellung  umgangen 
hatte,  gelang  es,  die  Franzosen  zu  vertreiben.  Einige  hundert 
Schritte  weiter  fand  sich  ein  ähnliches  Hindernis.  Diesmal  erklet- 
terten Hauptmann  Enyeter  und  l*/2  Compagnien  Anton  Esterhazy- 
Infanterie,  sowie  der  Oberjäger  Mathieu  von  den  Leloup-Jägern 
eine  beherrschende  Höhe.  „Diese  Mannschaft,  die  mit  Steigeisen 
ausgerüstet  war,  erkletterte  unbemerkt  vom  Feinde  die  höchsten 
Felsenspitzen,  und  während  er  in  der  Front  durch  das  Feuer  der 
Gebirgskanonen  beschäftigt  wurde,  ließ  sich  die  ganze  Abteilung 
auf  der  harten  Kruste  einer  Schneelawine  in  den  Rücken  der  feind- 
lichen Verschanzungen  herab,  welches  Wagestück  den  Feind  aus 
der  Fassung   brachte   und   der   Avantgarde  Zeit   und  Gelegenheit 


69 

verschaffte,  auf  dem* schmalen  Fußsteige  vorzudringen."    (Stampfer 
124.  Seida  142.) 

Das  französische  Bataillon  (IL/44.)  setzte  jedoch  seinen  hart- 
näckigen Widerstand  in  jeder  dazu  geeigneten  Stellung  fort.  Erst 
um  2  Uhr  nachmittags,  nach  etwa  zehnstündigem  Gefechte  und  nach- 
dem eine  hölzerne  Brücke  über  den  Cleingiabach  von  ihnen  abge- 
brochen worden,  verließen  die  Franzosen  das  Thal.  Die  Wiederher- 
stellung des  Ueberganges  kostete  etwa  ein  und  eine  halbe  Stunde 
Zeit.  Als  die  Kolonne  sich  endlich  abends  6  Uhr  gegenüber  von 
Schuls  befand,  war  auch  die  dortige  Innbrücke  abgebrochen.  Die 
einzig  brauchbare  Furt  lag  unter  dem  wirksamsten  Geschützfeuer 
des  Gegners.  So  wurde  FML.  Hadik  dazu  gezwungen,  seine  Truppen 
auf  dem  rechten  Ufer  des  Flußes  ein  Biwak  beziehen  zu  lassen. 
Lecourbe  selbst  hatte  vergebens  versucht,  die  Stellung  im  Val  di 
Scarl  wieder  zu  gewinnen.  Die  Uebermacht  des  Gegners  war  zu 
groß.  Die  Kolonne,  welche  über  den  Ofen-Paß  vorgegangen  war, 
führte  der  Oberstlieutenant  im  Regiment  Michael  Wallis,  Graf 
Weißenwolf.  In  dem  Engwege,  2  km  aufwärts  von  Chassuras, 
standen  hinter  einem  Verhau  3  Compagnien  der  36.  Halbbrigade, 
welche  bald  durch  8  weitere  Compagnien  der  nämlichen  Halbbrigade 
verstärkt  wurden.  Der  wiederholte  Angriff  erfolgte  durch  4  Com- 
pagnien Leloup-Jäger,  1  Bataillon  Giulay,  das  Regiment  Prinz  Ligne 
und  2  Grenadierbataillone,  führte  aber  keineswegs  zum  Ziele.  Als 
die  Franzosen  ihrerseits  einen  Gegenstoß  führten,  gelang  es  ihnen 
sogar,  das  Gehöft  „Ofenhof"  zu  nehmen.  Bei  dieser  Gelegenheit 
fielen  11  Offiziere  und  400  Soldaten  in  Kriegsgefangenschaft.  Unter 
den  ersteren  befand  sich  der  junge  Major  Prinz  Ligne,  der  Sohn 
des  Regimentsinhabers. 

Das  Feldtagebuch  berechnet  den  französischen  Gesamtverlust 
des  Tages  wie  folgt:  2  Offiziere,  50  Mann  tot,  13  Offiziere  und 
358  Mann  verwundet,  darunter  General  Demont,  den  7  Kugeln 
leicht  getroffen  hatten,  und  Brigadechef  d'Aumas ;  4  Offiziere  und 
83  Mann  gefangen.  Der  Gegner  habe  wenigstens  600  Mann  an 
Toten,   1500  an  Verwundeten  und  600  an  Gefangenen  eingebüßt. 

Die  Division  Lecourbe  hatte  an  diesem  Tage  alle  über  sie 
errungenen  Vorteile  durch  die  zäheste  Gegenwehr  teuer  genug 
verkauft.  Ohne  die  allgemein  hervortretende  Ueberlegenheit  in 
der  Zahl  wäre  es  den  Oesterreichern  sicher  nicht  gelungen,  die 
Stellungen  zu  erreichen,  welche  sie  am  30.  April  abends  einnahmen. 
Sonderbarerweise  wurde  aber  diese  Stärke  gerade  dort  nicht  ein- 
gesetzt, wo  sie  zu  einem  vollkommenen  Erfolge  hätte  führen  können, 
nämlich  im  Val  Sinestra.  Die  ängstliche  Befolgung  wenig  passender 
Regeln  ließ,  wie  sich  zeigte,  eine  für  die  kleine  Kolonne  viel  zu 
große  Reserve  an  einem  Punkte  zurück  (Griosch),  wo  sie  durchaus 
nichts   zu   nützen   vermochte.     FML.  Hadik  endlich  war.    obwohl 


70 


er  bereits  die  vorhergehende  Nacht  zum  Marsche  benützt  hatte, 
doch  nicht  mehr  rechtzeitig  eingetroffen,  um  an  dem  Angriffe 
gegen  die  Stellung  im  Val  Sinestra  noch  teilnehmen  zu  können. 
Wie  so  häufig  im  Gebirgskriege,  verlief  auch  hier  wieder  einmal, 
infolge  eines  stets  unberechenbaren  Zeitverlustes,  den  der  hart- 
näckige Widerstand  des  Gregners  hervorgebracht,  der  zusammen- 
gesetzte Angriff  recht  eigentlich  ergebnislos. 

Dennoch  ließ  das  Erscheinen  der  Oesterreicher  im  Rücken 
der  Verancastellung  Lecourbe,  wollte  er  die  Division  dem  fran- 
zösischen Heere  erhalten,  keine  andere  Wahl,  als  so  schnell  wie 
möglich  zurückzugehen.  Das  einzige  noch  brauchbare  Geschütz 
wurde  vernagelt  und  nachts  12  Uhr  am  30.  April  bis  1.  Mai 
verließen  die  Truppen  jene  Werke.  Die  44.  Halbbrigade  stand 
nun  rittlings  des  Inn  vorwärts  Lavin,  die  38.  in  Süs,  die  36.  in 
Zernetz.100 

Die  Kolonnen  der  FML.  Bellegarde  und  Hadik  vereinigten 
.sich  am  1.  Mai  zwischen  Schuls  und  Fettan  miteinander.  Der 
letztere  Ort  wurde  besetzt,  indes  die  Vorposten  auf  dem  linken 
Ufer  des  Tasnabaches  (2  km  von  Ardetz)  stehen  blieben.  Dieser 
Ruhetag  war  für  beide  Teile  sehr  erwünscht,  für  Lecourbe 
umsomehr,  als  er  auch  aus  dem  Vertun  schlechte  Nachrichten 
empfing.  Loison  meldete  nämlich,  daß  ihm  die  Rückzugslinie  über 
Morbegno  und  den  Splügen  verlegt  sei,  da  die  Gegner  bereits  am 
Nordufer  des  Comersees  ständen.  Diese  Nachricht  war  jedoch 
fälsch.  Die  Abteilungen  des  Obersten  Strauch  befanden  sich  vor- 
läufig noch  im  Val  Camonica,  beziehungsweise  in  Varese.  Am 
2.  Mai  hatten  sie  dagegen  das  obere  Brembathal,  beziehungsweise 
Como  erreicht.  Eine  dringende  Gefahr  bestand  demnach  keines- 
wegs für  die  französischen  Truppen  im  Veltlin.  Immerhin  meldete 
Loison,  daß  er  über  Tirano,  Poschiavo,  den  Bernina-Paß,  Casaccia 
und  den  Septimer  nach  Tiefenkasten  und  Splügen  zurückzugehen 
gedenke. 

Den  2.  Mai  gegen  Mittag  nahm  FML.  Bellegarde  seine  Vor- 
wärtsbewegung wieder  auf.  Die  Hauptmasse  benützte  die  Straße 
längs  dem  Flusse.  Rechts  von  ihr  über  Boselnua  und  Guarda  mar- 
schierte eine  Seitendeckung  unter  dem  Befehle  von  Oberst  Zeegradt 
des  Regiments  Beaulieu.  Die  Brücke  von  Unterguarda  war  vom 
Gegner  abgebrochen  worden.  Die  Errichtung  eines  Laufsteges  zog 
sich  bis  um  4  Uhr  nachmittags  hin.  Unterdessen  marschierten 
die  österreichischen  Truppen  hinter  Guarda  in  einer  Bereitschafts- 
stellung auf.  Die  rechte  Seitendeckung  wurde  durch  2  Bataillone 
verstärkt  und  ihre  Führung  unternahm  Generalmajor  Nobili.  FML. 
Hadik  rückte  gleichzeitig  mit  dieser  Kolonne  auf  der  Straße  gegen 
Lavin  vor.  Die  französischen  Vorposten  wurden  schnell  zurück- 
gedrängt und  das  Dorf  genommen.    Hinter  demselben,  etwa  2  km 


71 

vor  Süs,  breitet  sich  eine  kleine  Ebene  aus.  Vorwärts  derselben 
hielten  sich  die  Franzosen  noch  einige  Zeit,  gingen  dann  aber,  in 
Gefahr  von  der  Kolonne  Nobili  überflügelt  zu  werden ,  schnell 
zurück.  FML.  Bellegarde  ließ  die  Verfolgung  des  Gegners  durch 
die  Erdödy-Husaren  unternehmen.  Bei  dieser  Gelegenheit  fielen 
der  General  Demont,  sein  Stab  und  dessen  Wache  in  österreichische 
Kriegsgefangenschaft.  FML.  Hadik  drang  nun  auch  mit  stürmender 
Hand  in  Süs  ein,  welches  die  Franzosen  in  ziemlicher  Unordnuno- 
verließen,  während  sie  zugleich  das  Flüelathal  preisgaben. 

In  diesem  Augenblicke  traf  Lecourbe  auf  dem  Gefechtsfelde 
ein.  Mit  35  Chasseurs  vom  12.  Regiment,  welche  Capitaine  Aubertin 
befehligte,  griff  er  den  aus  Süs  in  Kolonne  herausmarschierenden 
Gegner  an.  An  der  Spitze  der  44.  Halbbrigade,  welcher  die  38. 
folgte,  drang  der  Lieutenant  Bogues  als  Erster  in  das  Dorf  ein. 
Die  Beförderung  zum  Hauptmann  wurde  ihm  dafür  auf  dem  Schlacht- 
felde zu  teil.  Der  Gegner,  an  dessen  Spitze  das  Grenadierbataillon 
Görschen  und  das  III.  Bataillon  von  Anton  Esterhazy  traten,  trieb 
jedoch  die  Franzosen  aus  dem  Orte.  Ohne  diese  Verzögerung  wären 
aber  die  vom  Ofen-Paß  heruntersteigenden  Truppen  (4  Compagnien) 
sicher  abgeschnitten  und  gefangen  worden.  Bei  dem  folgenden 
Rückzuge  in  die  Ebene  von  Zernetz  wurde  Lecourbe  selbst  leicht 
am  linken  Arme  durch  eine  Gewehrkugel  verwundet.  Der  Escadron- 
chef  Porson,  Chef  des  Generalstabes  der  Division,  übernahm  den 
Befehl  der  den  Rückzug  deckenden  3  Eclaireurscompagnien.  In 
der  Klüse  zwischen  Süs  und  Zernetz,  etwa  3  km  von  dem  zuletzt 
genannten  Orte  entfernt,  bezogen  sie  eine  Vorpostenstellung.  Die 
Franzosen  hatten  an  Toten  3  Offiziere  und  17  Mann,  172  Verwun- 
dete, 56  Gefangene.  Der  Verlust  der  Oesterreicher  wird  vom  Feldtage- 
buch als  gering  bezeichnet.  Jedenfalls  hatte  die  Division  Lecourbe 
trotz  der  empfindlichsten  Verluste  der  Auflösung  zu  widerstehen 
verstanden.  In  der  44.  Halbbrigade  war  überhaupt  nur  noch  ein 
unverwundeter  Offizier  zur  Verfügung.  Die  anderen  Halbbrigaden 
wurden  von  Hauptleuten  geführt.106 

Vor  Tagesanbruch  am  3.  brach  die  Division  wieder  auf.  Die 
Nachhut,  gebildet  von  der  36.  Halbbrigade  und  befehligt  vom 
Capitaine  Perrier,  legte  Feuer  an  die  Brücken  von  Zernetz.  Es 
konnte  aber  lediglich  die  untere  von  ihnen  derart  unbrauchbar 
gemacht  werden.  Unbelästigt  erreichte  die  Division  Ponte.  Nachdem 
von  hier  aus  IL/38,  über  den  Maloja-Paß  und  durch  die  Bregaglia 
nach  Chiavenna  entsendet  worden,  um  den  Rückzug  der  Brigade 
Loison  (2  Bataillone  Corps  d'expedition,  2  Bataillone  12.  leichte 
Halbbrigade,  2  Bataillone  76.  und  2  Bataillone  6.  leichte  Halb- 
brigade) zu  decken,  welche  nun  doch  über  Morbegno  marschierte, 
ließ  Lecourbe  die  Innbrücken  gründlich  zerstören. 

Diese   wieder   herzustellen    brauchten    die   Kaiserlichen   volle 


72 


12  Stunden.  Die  36.  besetzte  vorläufig  noch  Madulein,  die  44. 
den  Ausgang  des  Albula-Passes  bei  Ponte,  der  Rest  der  38.  Halb- 
brigade die  Häusergruppe  Weißenstein.  In  diesen  Stellungen 
ward  die  Nacht  vom  3.  auf  den  4.  Mai  zugebracht.  Die  Oester- 
reicher  bezogen  unterdessen  Kantonnemente  in  den  Ortschaften  des 
Innthales  von  Cinuschel  bis  Süs.  FML.  Bellegarde  verlegte  sein 
Quartier  erst  am  6.  von  dem  zuletzt  genannten  Orte  nach  Zernetz. 

Am  4.  Mai  setzte  die  Division  Lecourbe  ihren  Rückzug  über 
den  Albula-Paß  weiter  fort.  Die  3  Grenadiercompagnien  der 
44.  Halbbrigade  gingen  mit  dem  Reservepark  und  der  Ambulance, 
welche  nicht  über  den  Albula  zu  gelangen  vermochten,  nach 
Silvaplana.  Die  Verwundeten  wurden  von  hier  aus  über  den  Julier 
nach  Lenz  und  von  dort  nach  Chur  verbracht.  In  Oberhalbstein 
von  Aufständischen  angefallen,  hatte  die  aus  20  Grenadieren  unter 
Lieutenant  Leroux  stehende  Begleitmannschaft  ein  ziemlich  heftiges 
Gefecht  zu  bestehen.  Die  dabei  gefangenen  Aufständischen,  drei 
an  der  Zahl,  wurden  wenige  Tage  später  in  Chur  standrechtlich 
erschossen. 

Von  der  38.  Halbbrigade  ward  das  I.  Bataillon  nach  Thusis 
und  Andeer  entsendet,  um  die  dort  drohenden  Unruhen  zu  verhindern. 

Am  4.  Mai  abends  erreichte  die  Division  den  Ort  Lenz  und 
Thusis.  Ihre  Vorposten  hielten  Weißenstein  und  die  Paßhöhe  des 
Flüela  besetzt.  Auf  dem  Marsche  über  den  Albula  hatte  man 
die  Geschütze  in  der  Weise  zu  retten  versucht,  daß  die  Lafetten 
in  Ponte  verbrannt,  die  Rohre  auf  Schlitten  über  den  Berg  gezogen 
wurden.  Immerhin  blieben  einige  Feuerschlünde  auf  dem  östlichen 
Abfalle  des  Passes  zurück. 

Die  Verteilung  der  Division  Lecourbe  nach  der  Einstellung 
ihrer  Rückwärtsbewegung  ergibt  sich  aus  einem,  Massena  über- 
reichten ungedruckten  Berichte  vom  17.  Floreal  (7.  Mai): 

Hauptquartier  in  Thusis.  Dazu  die  aus  den  Grenadieren  ge- 
bildete Reserve. 

36.  Halbbrigade  in  Bergün,  44.  in  Tiefenkasten  und  Bivio, 
38.  in  Alvaschein,  Obervatz,  Andeer  und  Lenz,  109.  in  den  Orten 
zwischen  Andeer  und  Splügen. 

Park  der  Brigade,  ehemals  Demont,  in  Surava. 

Park  der  Division  in  Fürstenau. 

Die  Pässe  über  den  Splügen,  den  Septimer,  den  Julier,  den 
Albula  und  den  Flüela  deckten  demnach  die  Vorposten  der  Division. 
Loison,  in  steter  Besorgnis  um  eine  gesicherte  Rückzugslinie,  eilte, 
das  Veltlin  zu  verlassen.  Vom  Gegner  standen  einzelne  zum 
Corps  Bellegarde  gehörende  Abteilungen  bereits  in  Poschiavo  und 
der  Bregaglia.  Der  Oberst  Strauch,  dessen  Kolonne  aus  5  Bat. 
und  1/2  Schwadron  bestand,  war  am  28.  April  vom  Monte  Tonale 
über  Ponte  di  legno  (Val  Camonica)  nach  Lovere  marschiert.  Nach 


73 

dem  Uebergange  über  die  Adda  entsendete  Suworoff  diese  Ab- 
teilung von  Lovere  über  Ponte  di  nossein  in  das  Val  Bretnbana. 
Zugleich  ließ  FML.  Bellegarde  am  5.  Mai  die  am  Monte  Tonale 
zurückgebliebene  Unterstützung  der  Kolonne  Strauch,  4  vom  Oberst 
Carneville  geführte  Bataillone  von  Vezza  über  Mortarollo  nach 
Tirano  ins  Veltlin  vorrücken. 

Loison,  dem  am  5.  Mai  das  I.  Bataillon  der  38.  Halbbrigade 
bis  Splügen  entgegen  gekommen  war,  räumte  am  6.  das  San  Giacomo- 
thal.  Am  8.  abends  traf  in  Chiavenna  Oberstlieutenant  Leloup 
mit  seinem  Jägercorps,  das  die  Vorhut  von  der  Abteilung  des 
Obersten  Strauch  bildete,  ein.  Die  Oesterreicher  befreiten  in  Chia- 
venna 176  Kranke  und  47  gefangene  Kameraden.  Ebenso  fielen 
hier  36  Geschützrohre,  welche  fortzuschaffen  Loison  nicht  mehr 
Zeit  und  Gelegenheit  gefunden  hatte,  in  ihre  Hände.  FML.  Belle- 
garde sah  demnach  durch  die  Bregaglia  und  über  den  Comersee 
hin  die  kürzeste  Verbindungslinie  mit  der  Armee  der  Verbündeten 
in  Italien  vor  sich  liegen. 

Am  7.  Mai  war  bei  der  Division  Lecourbe  die  etwa  900  Mann 
starke  109.  Halbbrigade  eingetroffen.  Sie  erhielt  die  Bestimmung, 
das  Dorf  Splügen  zu  besetzen,  indes  2  ihrer  Compagnien  das  Wirts- 
haus (Osteria)  3  km  südlich  der  Paßhöhe  ständig  durch  eine  Feld- 
wache deckten.  Dagegen  mußte  die  44.  Halbbrigade  zur  Division 
Soult  stoßen. 

Am  9.  Mai  traf  die  Brigade  Loison  in  Roveredo,  Tags  darauf 
in  Bellinzona  ein.  Lecourbe  hatte  diesen  Marsch  angeordnet,  weil 
das  Corps  des  Prinzen  Rohan  bereits  bei  Lugano  stand,  wohin  er 
über  den  See  von  Porlezza  gekommen,  demnach  das  eigentliche 
Tessinthal  bedrohte.  Die  Stadt  Bellinzona  hatte  sich  in  ziemlicher 
Bedrängnis  durch  die  Aufständischen  der  verschiedenen  Thalschaften 
befunden.  Ohne  entsprechende  Verhandlungen  anzuknüpfen,  schloß 
die  Stadt  ihre  Thore  und  bewahrte  derart  der  Division  die  s.  Z. 
hier  zurück  gelassenen  Fuhrwerke  der  36.,  38.  und  44.  Halbbrigade. 

Am  11.  Mai  entsendete  Loison  zur  Erkundung  der  Absichten 
des  Gegners  2  Bataillone  (I./12.  L,  I.  des  corps  d'exp.)  auf  den  Monte 
Ceneri  unter  Bataillonschef  Forgues.  Oberhalb  Cadenazzo  fand 
der  Zusammenstoß  mit  dem  Gegner,  welcher  von  Bironico  heran 
kam  und  aus  Jägern  bestand,  statt.  Nach  einiger  Zeit,  während 
der  Forgues  selbst  in  Gefahr  kam  abgeschnitten  zu  werden,  konnte 
der  Rückzug  in  guter  Ordnung  erfolgen.  Er  ward  durch  einen 
gelungenen  Angriff  gedeckt,  den  der  Bataillonschef  Coste  von  der 
12.  leichten  Halbbrigade  mit  30  cisalpinischen  Husaren  gegen  die  an- 
dringenden Kaiserlichen  richtete.  Da  der  Chef  der  12.  leichten  Halb- 
brigade schon  vorher  gefangen  worden  war,  übernahm  nunmehr 
Coste  den  Befehl  dieser  Truppen.  Uebrigens  verloren  die  Franzosen 
38  Mann  an  Toten,  49  an  Verwundeten,  47  an  Gefangenen.    Vom 


74 

Gegner  blieben  30  Mann  tot,  100  verwundet  und  285,  darunter 
4  Offiziere,  wurden  gefangen.107 

Lecourbe  ward  unterdessen  die  Aufgabe,  die  Gotthardstellung, 
solange  es  nur  irgend  angienge,  zu  halten.  Von  Bünden  drohte  den 
Franzosen  im  Augenblick  wenig  Gefahr.  Die  Unternehmung  von 
FML.  Hotze  gegen  die  Luzisteig  war  mißlungen,  FML.  Bellegarde 
zögerte,  entscheidende  Schritte  zu  thun.  Daß  von  Süden  her,  gegen 
Bellinzona  und  die  Leventina,  unter  gleichzeitiger  Ausnützung  des 
Aufstandes  der  dortigen  Unzufriedenen,  eine  Unternehmung  be- 
absichtigt sei,  darauf  deutete  die  Entsendung  der  Abteilungen 
Strauch  und  Rohan.108 

Lecourbe  ließ  also  nur  IL/109,  zur  Beobachtung  des  Splügens 
in  diesem  Dorfe  und  in  Hinterrhein  stehen.  Zugleich  trat  er  mit 
allen  übrigen  verfügbaren  Truppen  den  Marsch  nach  Bellinzona 
an.  Am  11.  Mai  erreichte  der  General  wieder  Nufenen  (Novenna), 
am  12.  über  San  Bernardino  das  Dorf  Mesocco.  Hier  traf  der 
Brigadegeneral  Ney  mit  ihm  zusammen,  welcher  an  die  Stelle  von 
Demont  treten  sollte,  der  erst  später  ausgewechselt  wurde.  Ney 
übernahm  sogleich  den  Befehl  über  die  Vortruppen  der  Division. 
Unterdessen  war  es  bei  Soazza  zu  einem  unwichtigen  Gefechte 
gekommen.  Da  sich  nämlich  der  Weg  über  den  Gotthard  in  Händen 
der  urnerischen  Aufständischen  befand,  wollte  General  Loison  die 
Tags  zuvor  gemachten  Gefangenen  über  den  San  Bernardino  nach 
Thusis  und  Chur  senden.  Eine  stärkere  von  der  Forcola  herunter- 
steigende kaiserliche,  zur  Brigade  des  Obersten  Strauch  gehörende, 
mehrere  hundert  Mann  starke  Abteilung  befreite  nicht  nur  die 
Gefangenen  (332  Mann),  sondern  nahm  auch  ihrerseits  die  von 
2  Offizieren  befehligte  50  Soldaten  starke  Begleitmannschaft  der- 
selben gefangen. 

Mit  dem  13.  Mai,  dem  Tage  der  Ankunft  des  Generals 
Lecourbe  in  Bellinzona,  hatten  die  Kämpfe  seiner  Division  in  Grau- 
bünden ihr  Ende  erreicht.  Da  der  gesamte  Freistaat  auch  gerade 
zu  dieser  Zeit  durch  die  kaiserlichen  Truppen  in  allen  seinen 
Teilen  besetzt  ward,  so  nahm  der  Feldzug  überhaupt  eine  andere, 
vorläufig  unglückliche  Wendung  für  die  französischen  Waffen  an. 


-:~g~=- 


IL 

Die  Aufstände. 


Die  Aufstände,  welche  im  Bündner  Oberlande  und  den  kleinen 
Kantonen  während  der  ersten  Maitage  ausbrachen,  berühren  im 
ganzen  nur  wenig  die  Thätigkeit  der  Division  Lecourbe.  Trotzdem 
dürfen  sie  mit  Rücksicht  auf  das  Verständnis  der  allgemeinen 
Lage  und  die  Rolle,  welche  der  Gotthard  in  ihnen  spielt,  nicht 
mit  Stillschweigen  übergangen  werden.  Die  Geschehnisse  enthalten 
zudem  mancherlei,  das  auf  die  Verwendung  eines  nicht  geregelten 
Landsturmes  das  hellste  Licht  zu  werfen  imstande  ist. 

Die  Reibereien  zwischen  dem  französisch-helvetischen  Militär 
und  der  bürgerlichen  Bevölkerung  der  Urkantone  hatten  niemals 
aufgehört.  Sie  nahmen  bereits,  durch  äußere  Umstände  vermehrt, 
gegen  Ende  März  einen  solch'  bedrohlichen  Ausdruck  an,  daß 
Massena  sich  genötigt  sah,  eine  scharfe  Kundgebung  zu  erlassen.109 

Der  kaiserliche  FML.  Johann  Konrad  Freiherr  von  Hotze 
(I739 — 1799)  stand  den  Vorbereitungen  zum  Aufstande  nicht 
ferne.110  Die  Empörer  in  den  kleinen  Kantonen  hatten  dabei  einen 
etwas  sonderbaren  Plan  entworfen.  Als  die  Hauptsache  scheint 
ihnen  die  völlige  Abschließung  der  Innerschweiz  nach  erfolgter 
Vertreibung  der  Franzosen  vorgeschwebt  zu  haben.  So  sollten  die 
Teufelsbrücke  zwischen  Göschenen  und  Andermatt,  die  Straßen 
über  den  untern  und  den  obern  Hauenstein,  durch  die  Reuchenette 
im  Val  St.  Irnier  und  von  les  Roches  im  Moutier-Grandval  zerstört 
werden.  Ebenso  dachten  sie  das  Schloß  Lenzburg  mittelst  eines 
Handstreiches  zu  gewinnen,  da  sich  dort  Schießbedarf  und  Geschütze 
ohne  Bewachung  befinden  sollten.  Eine  weitere  Unternehmung  galt 
der  Besetzung  des  nur  von  44  französischen  Soldaten  gedeckten 
helvetischen  Staatsgefängnisses ,  der  Festung  Aarburg.  Luzern 
endlich,  den  Sitz  der  Behörden,  wollte  man  von  allen  Seiten  her 
überfallen,  um  derart  dem  verhaßten  Einheitsstaate  ein  für  alle  Mal 
ein  unrühmliches  Ende  zu  bereiten. 

Wenn  auch  FML.  Hotze  um  die  Pläne  der  Unzufriedenen 
wußte  und  ihre  Abmachungen  mit  dem  Haupte  der  Ausgewanderten, 


76 

dem  in  Augsburg  lebenden  alt-Schultheißen  F.  von  Steiger  aus 
Bern,  wohl  bekannt  waren,  die  österreichische  Regierung  blieb  den 
Unternehmungen  doch  im  allgemeinen  fremd.  Immerhin  deuten 
die  Bewegungen  der  Oesterreicher  in  Bünden  und  der  gleichzeitige 
Ausbruch  der  verschiedenen  Aufstände  darauf  hin,  daß  eine  gewisse 
Uebereinstimmung  bestanden  hat.  Auch  der  Chef  eines  der  Schweizer- 
regimenter in  englischem  Solde,  der  Oberst  Ferdinand  von  Roverea, 
weiß  Verschiedenes  über  die  geistigen  Vorbereitungen  zu  berichten.111 
Darnach  wollte  man  Massena  dazu  zwingen,  die  Schweiz  Hals  über 
Kopf  zu  verlassen.  Eine  Rücksicht  irgend  welcher  Art  auf  den 
doch  sicher  zu  erwartenden  Widerstand  nahm  man  keineswegs. 
Um  so  merkwürdiger  muß  es  erscheinen,  daß  ein  Führer  wie  Hotze 
diese  Pläne  für  ernst  erachtete  und  sie  sogar  ausdrücklich  billigte. 
Ist  es  wahr  —  der  Zweifel  sei  gestattet  —  daß  Hotze  an  Roverea  alle 
Machtvollkommenheit  in  diesen  Dingen  übertrug,  so  zeigt  das 
deutlich  genug,  wie  blind  sich  der  Haß  des  Feldmarschall-Lieutenants 
gegen  die  Franzosen  und  die  Helvetik  äußerte.  Er  raubte  ihm  voll- 
kommen die  klare  Einsicht  und  ließ  ihn  geheime  Versprechungen 
geben,  welche  von  vorne  herein  viel  zu  ausgreifend  waren,  um  in 
die  Wirklichkeit  umgesetzt  werden  zu  können. 

Bereits  am  8.  März  traf  die  Nachricht  von  der  Schlappe, 
welche  die  Brigade  Loison  in  Dissentis  erlitten,  im  Urnerlande 
ein.112  Ueberall  äußerte  sich  der  lebhafteste  Beifall  darüber.  Bereits 
gegen  Ende  desselben  Monats  liefen  dunkle  Gerüchte  um,  welche 
von  einer  Brandlegung  des  Hauptfleckens  Altdorf  redeten.  Die  Be- 
völkerung dieses  Ortes  galt  nämlich  für  franzosenfreundlich.  In 
der  That  brach  aus  bis  heute  unbekannten  Ursachen  am  Nach- 
mittage des  5.  April  jene  schreckliche  Feuersbrunst  aus,  welche 
in  sechs  Stunden  dreihundertundneunzig  Firsten  verzehrte.  Die  aus 
dem  Thale  herbeigeströmten  Landleute  sahen  dabei  dem  schreck- 
lichen Schauspiele  halb  gleichgültig,  halb  frohlockend  zu.  Sie 
zeigten  sich  wenig  hülfsbereit  bei  den  Löscharbeiten,  an  denen 
vorzüglich  die  4  im  Orte  liegenden  französischen  Compagnien  teil- 
nahmen. 

Am  26.  April  fand  in  der  Klus  bei  Erstfeld  eine  Landsgemeinde 
statt,  auf  der  es  recht  stürmisch  zuging.  Nachdem  der  halb  wahn- 
sinnige  ehemalige  Landschreiber  und  Landmajor  Vinzenz  Schmied 
eine  überschwängliche  Ansprache  gehalten,  beschloß  die  Versamm- 
lung, „da  die  Franzosen  verlumpt  und  entnervt  seien,  ein  Urner 
aber  es  mit  zehn  von  ihnen  aufnehme",  den  Aufstand  zu  beginnen. 
Auch  hierin  zeigt  sich  deutlich",  wie  häufig  ein  Landsturm,  dem 
jede  militärische  Einsicht  abgeht,  durch  hochtönende  Worte  gereizt, 
seine  Kräfte  überschätzt. 

Sogleich  zogen  die  Scharen  von  Erstfeld  zum  „Rhinacht 
Seeli"  (?)  und  hier  wurden  7  französische  Fouriere,  welche  ihnen 


77 


zufällig  begegneten,  ermordet.  Auf  der  Bären  Matte  (?)  und  im 
„Schächenwäldchen"  kam  es  zum  Kampf.  Die  an  der  Zahl  be- 
deutend schwächeren  Franzosen  mußten  getrennt  den  Rückzug 
antreten.  Einzelne,  die  gegen  Bürglen  hinauf  flohen,  wurden  bei 
der  Loretto-Kapelle  erschossen.  Abends  fielen  verschiedene  andere 
beim  Uebergange  der  Reußbrücke  unweit  Seedorf.  •  Auch  einige 
Gefangene  wurden  von  den  Aufständischen  gemacht,  darunter  der 
Grenadierhauptmann  Dupin.  Vinzenz  Schmied,  der  ganz  in  der  Art 
eines  Freischarengenerals  auftrat,  zog  folgenden  Tages  triumph- 
ierend mit  den  Seinen  in  Altdorf  ein.  Auch  besetzte  er  Flüelen 
und  entsendete  Boten  nach  Schwyz,  Unterwaiden,  Faido,  wie  ins 
Wallis  mit  der  Meldung:  „Uraniens  Harste  sind  sieghaft  vorge- 
drungen." Bereits  loderte  überall  das  Feuer  des  Aufstandes.  So 
in  Schwyz,  im  Zugerland,  in  der  Leventina,  dem  Ceresio  und 
Mendrisiotto.  Im  Bündner  Oberland  und  dem  Oberhalbstein  dagegen 
zögerten  die  Empörten  bis  zum  Abend  des  1.  Mai.  Diese  That- 
sache  beweist,  daß  die  Aufstände  wohl  verabredet,  aber  ohne  Ueber- 
einstimmung  und  bei  einem  plötzlichen  Anstoße  ausbrachen.  Sie 
waren  also  von  vorne  herein  fruchtlose  Bemühungen,  das  Joch 
der  Franzosen  abzuschütteln. 

Dennoch  nahm  man  die  Vorfälle  in  Luzern  und  Zürich,  dem 
Sitze  des  helvetischen  Direktoriums  und  des  Hauptquartiers  von 
Massena,  sehr  ernst.  Der  Obergeneral  ordnete  zugleich  den  Divi- 
sionär  Soult  mit  den  nötigen  Truppen  ab,  um  den  Kanton  Wald- 
stätten zu  beruhigen.  Von  Einsiedeln  aus  erließ  Soult  eine  Kund- 
gebung an  die  Bewohner,  welche  bei  sofortiger  Unterwerfung 
völliges  Vergessen  des  Geschehenen  zusicherte.113 

Soult  erzählt  in  seinen  Erinnerungen  :1U 

„Ich  wurde  mit  der  heikein  Aufgabe  betraut,  die  Aufständ- 
ischen zu  entwaffnen  und  den  Frieden  in  ihren  Bergen  wieder 
herzustellen.  Die  Erregung  der  Geister  war  zum  Gipfel  gestiegen 
und  die  Empörung  breitete  sich  mit  äußerster  Schnelligkeit  aus. 
Eine  Menge  österreichischer  Sendlinge  streute  Versprechungen 
unter  diese  einfache  Bevölkerung  aus  und  stellte  ihnen  die  nahende 
Unterstützung  in  Aussicht.  Bei  dieser  Lage  der  Dinge  konnte 
die  Nachsicht  so  gut  wie  die  Strenge  meine  Unternehmung  zum 
Scheitern  bringen.  Erstere  wäre  vielleicht  als  ein  Zeichen  der 
Schwäche  aufgefaßt  worden  und  die  Straflosigkeit  hätte  weitere 
Erhebungen  hervorgerufen.  .  .  .  Die  Strenge  dagegen  besaß  eben- 
falls ihre  Unzukömmlichkeiten  ...  sie  vermochte  die  Aufständischen 
zu  weiterm  Widerstände  zu  reizen  .  .  .  uns  dergestalt  in  einen 
neuen  Krieg  zu  verwickeln,  der  nicht  nur  einen  Teil  unserer  Kräfte 
in  Anspruch  nahm,  sondern  sie  auch  zu  einer  dem  Feinde  sehr 
günstigen  Ablenkung  zwang.  Diese  letzte  Betrachtung  erschien 
mir  als  die  entscheidende.  .  .  .  Ich  nahm  das  allgemeine  Vergessen 


78 


und  Vergeben,  womit  ich  meine  Maßnahmen  gegen  die  Empörer 
beginnen  wollte,  auf  meine  eigene  Verantwortung.  Den  2.  Mai 
(12.  Floreal)  erschien  ich  vor  ihrem  ersten  Lager  zu  Rothenthurm. 
Sie  zeigten  sich  erschüttert  und  schickten  mir  Abgeordnete,  um 
über  ihre  Unterwerfung  zu  unterhandeln.  Einige  Stunden  verweilte 
ich  in  Rothenthurm  .  .  .  dann  marschierte  ich  mit  meiner  Division 
nach  Schwyz.  Auf  dem  Wege  nahm  ich  mit  Befriedigung  wahr, 
daß  die  Landleute  scharenweise  herbeieilten,  um  ihre  Waffen  an 
der  Straße  niederzulegen,  meiner  Truppe  Erfrischungen  anzubieten 
und  uns  ihre  Erkenntlichkeit  zu  beweisen.  .  .  .  (In  Schwyz  waren 
4  Compagnien  der  76.  Halbbrigade  beim  Beginne  des  Aufstandes 
durch  Landammann  Reding  vor  dem  sonst  sicheren  Tode  bewahrt 
geblieben).  Ich  kam  als  Befreier  und  brachte  Frieden,  Sicherheit, 
das  Vergessen  des  Geschehenen,  und  das  in  einem  Orte,  wo  noch 
einige  Stunden  zuvor  Aufregung,  Angst  und  bittere  Sorge  vor  der 
Zukunft  geherrscht  hatten.  .  .  .  Der  Kanton  Schwyz  fand  sich  derart 
völlig  beruhigt.  .  .  .  Aber  es  blieben  noch  die  Kantone  Uri  und 
Unterwaiden  zu  unterwerfen  und  diese  Aufgabe  erwies  sich  als 
die  bei  weitem  schwierigere.  .  .  . 

Um  das  Land  in  der  Unterwerfung  zu  erhalten  und  um  die 
helvetische  Verwaltung  zu  schützen,  ließ  der  Obergeneral  in  dem 
Maße,  wie  ich  vorrückte,'  meine  Truppen  durch  schweizerische 
Halbbrigaden  ablösen,  deren  meist  aus  dem  Zürich  stammende 
Soldaten  nicht  übel  Lust  zeigten,  alte  Feindseligkeiten  zu  erneuern 
und  Rache  am  Kanton  Schwyz  zu  üben.  In  der  Folge  kamen  die 
von  der  Regierung  gesendeten  Agenten.  Diese  versuchten  wohl, 
um  ihren  Einfluß  zu  vergrößern  und  vielleicht  auch,  um  ihren 
persönlichen  Geschäften  zu  dienen,  jene  als  Widersetzliche  zu 
behandeln  und  zu  verfolgen,  die  auf  meine  Versprechungen  hin 
sich  unterworfen  hatten.  Alles  wäre  verloren  gewesen,  hätte  ich 
solche  gehässige  Art  der  Gegenwirkung  walten  lassen,  und  wäre 
ich  nicht  zugleich  dazu  gelangt,  die  Schweizer  Soldaten  entfernen 
zu  können.  .  .  .  Die  Vorstellungen,  welche  ich  an  den  Obergeneral 
richtete,  wurden  glücklicherweise  gehört.  Er  rief  augenblicklich 
die  helvetischen  Halbbrigaden  zurück." 

Aus  dem  „Hirten-Hemdli-Krieg",  welche  Bezeichnung  der 
Aufstand  in  Schwyz  erhielt,  bekamen  die  empörten  Urner  einige 
Verstärkung.  Als  die  Kundgebung  von  Soult  im  Lande  Uri  be- 
kannt wurde,  widersetzten  sich  die  Kantonsfremden  gerade  am 
meisten  der  Unterwerfung. 

„Die  tobenden  Rotten  der  nach  Uri  geflüchteten  Schwyzer 
und  Zuger  —  erzählt  Lusser  (S.  125)  —  schrieen  am  lautesten 
dagegen  und  vermehrten  die  Wildheit  der  kampflustigen  Urner, 
welche  sich,  von  den  Wellen  eines  unsichern  Sees  und  himmel- 
hohen,   schroffen  Gebirgen  umgeben,  für  unüberwindlich   hielten, 


79 

und  Vincenz  Schmied,  benebelt  von  der  Hoffnung  hohen  Ruhms, 
wollte  nicht  abtreten  von  der  nun  einmal  betretenen  Bahn,  ob- 
wohl schon  früh  die  Zwietracht  im  Innern  seiner  Armee,  deren 
Glieder  weder  Gehorsam  noch  Ordnung  kannten,  ihn  an  dem  Ge- 
lingen des  Wagstückes  mit  Grund  zweifeln  ließen.  Schon  in  den 
ersten  Tagen  hatte  die  kriegerische  Hitze  unter  einem  großen 
Teil  des  Landvolkes  bedeutend  nachgelassen,  so  daß  nur  die 
Drohungen  der  jetzt  herrschenden  Partei  einerseits  und  das  täg- 
liche Erscheinen  des  Direktorialschiffes  und  einer  kleinen  Flotille 
andererseits  die  kriegerische  Teilnahme  erhalten  konnte." 

Soult,  der  die  Gefahr  wohl  beachtete,  welche  darin  verborgen 
lag,  daß  der  Weg  über  den  Gotthard  durch  das  Reuß-  und  das 
Tessinthal  in  den  Händen  der  Aufständischen  sich  befand,  ging 
geschickt  zu  Werke. 

„Im  Sommer  hätte  ich  eine  Kolonne  aus  dem  Muotta-  oder 
Bisithal  über  die  Berge  nach  Spiringen  und  von  dort  nach  Bürglen 
und  Altdorf  in  den  Rücken  der  gegnerischen  Aufstellung  ent- 
senden können.  Ich  gab  bereits  diese  Richtung  der  53.  Halb- 
brigade, da  man  mich  versicherte,  daß  die  steilen  Pfade  für 
Landesbewohner  schon  gangbar  seien.  Aber  während  der  Nacht 
fiel  eine  solche  Menge  Schnee,  daß  die  Halbbrigade  umkehren 
mußte  und  an  dem  Folgenden  überhaupt  nicht  teil  nahm." 
(Memoires  II,  73). 

Am  9.  Mai  morgens  3  Uhr  schifften  sich  die  französischen 
Truppen  in  Brunnen  mit  3  Geschützen  ein.  Es  waren  dies  die 
erste  leichte  Halbbrigade,  30  Chasseurs  vom  1.  Regiment  und 
1  Sapeurcompagnie.  Um  7  Uhr  erschienen  die  Schiffe  an  der 
Reußmündung.  Das  I./l.  schiffte  sich  in  Seedorf  aus  und  folgte 
den  beiden  Ufern  des  Flusses  nach  Attinghausen  und  Amsteg; 
das  IL/1,  landete  bei  Rüti,  stieg  durch  das  Grünthal  über  den 
Eggberg  und  den  Grünwald  nach  Altdorf  hinunter.  Von  dort  zog 
sich  das  Bataillon  nach  Bürglen  und  ins  Schächenthal  hinein. 
Das  III.  Bataillon  und  die  übrigen  Truppen  erzwangen  die  Aus- 
schiffung etwas  oberhalb  Flüelen.  Von  Bauen  her  rückte  endlich 
noch  eine  Reserve  an,  die  von  M/103.  Halbbrigade  gebildet  wurde. 

Die  Aufständischen,  2000  Mann  stark  und  durch  Verschanz- 
ungen geschützt,  in  welchen  4  Kanonen  standen,  wehrten  sich 
mit  verzweifelten  Mute.  Bei  Bolzbach  gaben  40  Scharfschützen 
aus  Erstfeld  und  Seedorf  so  gut  gezielte  Schüsse  ab,  „daß  die 
Franzosen  das  Blut  mit  Schuhen  aus  den  Schiffen  schöpften  und 
aus  zwei  Nauen  nur  noch  wenige  ans  Land  zu  steigen  vermochten. " 
Auch  Vinzenz  Schmied  sühnte  hier  seinen  Leichtsinn  und  die  ihn 
beseelende  vermessene  Ruhmsucht  durch  einen  wirklichen  Helden- 
tod. Die  Landleute  gingen  Schritt  für  Schritt  fechtend  bis  Wasen 
zurück.    Hier  erhielten  sie  eine  Verstärkung  durch  100  Leute  aus 


80 


der  Leveritina,  welche  Camossi,  Gastwirt  aus  Airolo,  ihnen  zu- 
führte, sowie  durch  einige  Walliser. 

Am  11.  Mai  vor  Tagesanbruch  griff  Soult  die  verschanzte 
Stellung  bei  Wasen  mit  Erfolg  an.  Auf  dem  Marsche  zwischen 
Göschenen  und  Andermatt  verloren  die  Truppen  eine  ganze  Anzahl 
Mannschaften  durch  die  von  den  Aufständischen  herabgerollten 
Steine.  Nur  unter  den  größten  Anstrengungen  gelang  es,  die 
Ordnung  in  der  Kolonne  notdürftig  aufrecht  zu  erhalten.  Als  dann 
eine  Abteilung  Eclaireurs  die  Landstürmer  aus  der  Höhe  vertrieb, 
war  es  wenigstens  möglich,  die  bereits  zur  Zerstörung  bestimmte 
Teufelsbrücke  zu  retten  und  den  Durchgang  des  Urnerloches  wieder 
zu  öffnen.  Nach  diesem  Erfolge  zogen  sich  auch  die  Walliser  in 
ihre  Thalschaften  zurück.  Die  Urner  und  Airoleser  dagegen  ver- 
schanzten die  Paßhöhe  ,,  hinter  Baumwollen-  und  Seidenballen,  die 
sie  in  der  Niederlage  des  Hospizes  gefunden  oder  von  Airolo 
hatten  kommen  lassen."115 

Bei  dem  Mättelischutzhause  erwarteten  die  Aufständischen  die 
vom  General  Bontems  geführte  1.  Halbbrigade.  Sie  gingen  erst 
dann  zur  Paßhöhe  zurück,  als  sie  sich  von  5  Compagnien  an  den 
Abhängen  von  Furkaegg  fast  umgangen  sahen.  Immerhin  gestaltete 
sich  die  Lage  der  Franzosen  ziemlich  peinlich  durch  die  zunehmende 
Lawinengefahr  und  das  den  Truppen  völlig  ungewohnte  Gelände. 
Auch  die  Stellung  hinter  den  Baumwollenschanzen  wurde  durch 
3  Compagnien  über  die  Abhänge  des  Blauberges  hin  in  den  Rücken 
gefaßt  und  nun  flohen  die  Aufständischen  durch  das  Val  Tremola 
hinunter.  In  diesem  Augenblicke  fiel  reichlich  Schnee  und  die 
Vereinigung  der  einzelnen  Teile  der  1.  Halbbrigade  verzögerte  sich 
dadurch  einige  Zeit  hindurch.  Als  es  möglich  Avurde.  den  Weg 
ohne  allzu  große  Gefährdung  fortzusetzen,  erhielt  Bontems  Befehl, 
den  fliehenden  Gegner  bis  Airolo  zu  verfolgen.  Dieser  Ort  wurde 
abends  5  Uhr  besetzt.  Bontems  eilte  jedoch  weiter.  Bei  Ambri 
fiel  noch  in  später  Nacht  ein  lebhaftes  Gefecht  vor.  Am  16.  Mai 
vereinigten  sich  die  Truppen  der  Division  Soult  mit  jenen  der 
Division  Lecourbe  vorwärts  Faido,  nachdem  diese  die  noch  bei 
Giornico  stehenden  letzten  Aufständischen  zerstreut  hatten. 

In  Uri  allein  hatten  120  Bürger  den  tollkühnen  Versuch  mit 
dem  Leben  bezahlen  müssen.  Rechnet  man  die  Verluste  der 
Leventina  zu  dieser  Zahl,  so  dürfte  die  Gesamtsumme  wohl  auf 
200  Tote  anschwellen. 

In  Bünden  hatten  sich  die  Franzosen  die  schwersten  Be- 
drückungen zu  Schulden  kommen  lassen.116  Ein  Unterschreiber  des 
berüchtigten  Rapinat  forderte  zum  Beispiel  vom  Kloster  Dissentis 
im  Namen  des  Obergenerals  Massena  einen  Beitrag  an  die  Kriegs- 
kosten in  der  Höhe  von  100  000  Franken.  Jener  Schutzbrief,  den 
General  Loison  für  die  gute  Behandlung  der  am  6.  März  Gefangenen 


81 

und  Verwundeten  ausgestellt,  wurde  nicht  geachtet.117  Alle  Kost- 
barkeiten mußten  herausgegeben  werden.  Sogar  die  auf  40000 
Tranken  gewertete  Steinsammlung  des  gelehrten  Paters  Placidus 
a  Spescha  verfiel  diesem  Schicksale.  Im  ganzen  genommen  und  nach 
niedrigster  Schätzung,  nämlich  französischer,  leistete  das  Kloster 
eine  Brandschatzung  von  wenigstens  80000  Franken.  In  Dissentis 
hauste  der  Armeelieferant  Hardeville,  „ein  Mann  ohne  Barmherzigkeit 
und  Ehrenhaftigkeit  und  dem  Raube  ergeben."  Er  wie  sein  Schreiber 
Trommage  trieben  durch  Erpressungen  aller  Art  das  Volk  zur  Ver- 
zweiflung. Es  waren  also  auch  hier  wieder  die  Zivilbeamten  und 
nicht  die  Soldaten  der  französischen  Armee,  welche  diese  mit  Schande 
bedeckten.  Jedenfalls  trug  die  damalige  Verwaltung  des  Oberlandes 
die  Hauptschuld  an  den  nachfolgenden  Ereignissen.118 

Am  1.  Mai  brach  der  Aufstand  in  der  Gemeinde  Rueras  aus. 
Dort  wurde  der  Lieutenant  Jakob  Seytel  im  Hause  des  Kaplans 
gefangen  genommen.  In  Dissentis  geschah  abends  7  Uhr  das 
nämliche  mit  der  Person  des  Hauptmanns  Salomon.  Dieser,  ein 
tapferer  Offizier,  weigerte  sich,  unähnlich  dem  Lieutenant  Seytel, 
seinen  Leuten  den  Befehl  zur  Uebergabe  zu  erteilen.  So  traf  ihn 
alsbald  das  Schicksal,  erschossen  zu  werden.  Hardeville,  welcher 
sich  im  Kamine  des  Hauses  Kastelberg  verborgen,  erhielt  folgenden 
Tages  ebenfalls  die  tödliche  Kugel. 

Die  Mannschaften  zogen  sich  in  das  Kloster  zurück.  Hier 
verteidigten  sie  sich  tapfer,  bis  der  Pförtner  den  Bauern  die  Hinter- 
thüre  öffnete.  Nur  13  Soldaten  wurden  zu  Gefangenen  gemacht, 
11  dagegen  vermochten  zu  entkommen.  Besonders  unmenschlich 
waren  die  trunkenen  Medelser.  Als  am  2.  Mai  von  den  nach  Truns 
geführten  Gefangenen  einige  zu  entkommen  suchten,  wurden  ihrer 
81  erbarmungslos  getötet.  Selbst  Frauen  und  Kinder  suchten  der- 
artige Grausamkeiten  auszuführen.119  Aus  allen  unterhalb  Ilanz 
gelegenen  Gemeinden  wie  auch  in  Truns  konnten  die  rechtzeitig 
gewarnten  Garnisonen  nach  Chur  abziehen,  das  bereits  in  der  Nacht 
vom  1.  zum  2.  die  Nachricht  erfuhr.  Der  Landsturm  „stürzte  in 
schrecklicher  Unordnung  thalabwärts.  ■ 

In  Reichenau  angekommen,  begingen  die  gar  nicht  geordneten 
Scharen  wüste  Auftritte  der  Trunkenheit.  Aber  schon  näherten 
sich  nun  von  Chur  her  die  ersten,  zur  Brigade  Menard  gehörenden 
Franzosen.  Früh  um  3  Uhr  am  3.  Mai  begann  der  Kampf.  Gegen 
6000  Aufständische,  die  geradezu  in  Raserei  versetzt  waren,  konnten 
die  800 — 900  Franzosen  natürlich  nichts  ausrichten.120  Bis  Ems 
und  selbst  bis  Plankis  auf  3  km  vor  Chur  zurückgeworfen,  erhielten 
sie  in  der  höchsten  Not  einige  Verstärkungen. 

Hier  erschien  Menard  persönlich  mit  der  letzten  verfügbaren, 
von  der  Steig  herangekommenen  Reserve.  Es  waren  dies  3  Com- 
pagnien  des  IL/ 103.  Bataillons,  etwa  500  Mann  und  1  Schwadron. 

Günther,  Feldzug  1799.  6 


82 


Die  Halbbrigade  hatte  ihre  im  Oberlande  ermordeten  Kameraden 
zu  rächen.  Es  ist  aber  wohl  nicht  berechnete  Grausamkeit,  sondern 
vielmehr  die  höchste  Not  gewesen,  daß  Menard  gerade  diese  Truppen 
zur  Unterdrückung  des  Aufstandes  verwendete. 

Der  Landsturm  wehrte  sich  heldenmütig,  aber  ohne  Ordnung 
und  Mannszucht.  Ein  Angriff  der  Reiterei  warf  ihn  endlich  in 
die  Flucht.  Verfolgt  wurde  er  kräftig  durch  2  Compagnien  unter 
Kommandant  Ragettli  (gefallen  als  Oberst  1812  an  der  Beresina), 
der  selbst  ein  Bündner  war.  In  Reichenau  betranken  sich  die 
flüchtigen  Bauern  wiederum  in  viehischer  Art;  halb  oder  ganz 
trunken  wurden  die  meisten  von  ihnen  zusammengehauen.  Sie 
verloren  638  Mann  außer  jenen,  die,  beim  Zusammenflüsse  des 
Rheines  in  den  Fluß  gedrängt,  dort  ertranken. 

Am  4.  Mai  marschierte  Menard  ins  Oberland.  Tamins  ging 
in  Flammen  auf,  die  Kreise  Grub,  Lugnetz  und  Obersachsen,  sowie 
Somvix  das  Dorf  mußten  Brandschatzungen  leisten,  Brigels  z.  B. 
10  Schlachtkühe  und  2500  Franken.  Truns  ward  geplündert. 
Dissentis  erhielt  zuerst  das  Versprechen  der  Schonung  gegen  10  000 
Franken  Brandschatzung.  Als  aber  die  Franzosen  dort  am  5.  Mai 
erschienen,  hielt  Menard  das  Wort  nicht,  weil  die  Soldaten  es 
nicht  achteten,  und  er  wohl  zu  schwach  war,  der  Plünderung  zu 
wehren.  Die  Leute  fanden  im  Kloster  die  Uniformen  ihrer  ge- 
mordeten Waffenbrüder.  Jetzt  kannte  ihre  Wut  keine  Grenzen 
mehr.  Am  6.  ermordeten  sie  22  Personen  und  zündeten  das 
Kloster,  3  Kirchen,  115  Häuser,  102  Ställe  mit  112  Stück  Rind- 
und  204  Stück  Kleinvieh  an.  Sieben  Personen  kamen  in  den 
Flammen  um,  15  der  angesehensten  wurden  gefangen  nach  Chur 
verbracht.  Sie  sollten  hier  prozessiert  werden,  wurden  aber  durch 
Hotze  noch  rechtzeitig  befreit.  Der  Schaden  kann  nach  heutiger 
Währung  auf  etwa  P/2  Millionen  Franken  geschätzt  werden.  Mit 
dem  Kloster  verbrannten  das  reichhaltige  Archiv,  die  alte  Bibliothek 
und  alle  Kunstschätze  in  der  Kirche.  Die  Medelser  und  das 
Tavetsch  dagegen  kamen  mit  Zahlung  einer  Brandschatzung  von 
zusammen  10000  Franken  davon. 

Im  Wallis  ereigneten  sich  ähnliche  Vorfälle.  Zur  Nieder- 
werfung des  Aufstandes,  der  seinen  Mittelpunkt  in  Brieg  und  Leuk 
fand,  wurde  die  Division  Xaintrailles  bestimmt.  Die  Truppen, 
6  Halbbrigaden,  3  Kavallerieregimenter  waren  auf  Befehl  des 
Direktoriums  von  Massena  zur  Armee  in  Italien  entsendet  worden. 
Sie  marschierten  in  3  Kolonnen,  welche  einander  mit  zwei  Tagen 
Zwischenraum  folgten.  Am  12.  Mai  erreichte  die  erste  Abteilung 
Lausanne  und  hier  erhielt  General  Xaintrailles  den  Befehl,  zuerst 
die  Ruhe  im  Wallis  wieder  herzustellen  und  dann  über  den  Simplon 
nach  Novara  und  Turin  weiter  zu  marschieren,  um  dort  zur  Ver- 
fügung von  Moreau  zu  stehen. 


83 

Die  Empörer  im  oberen  Wallis  standen  mit  dem  Berner  Ober- 
land über  die  Griinsel,  mit  der  bereits  im  Piemont  eingerückten 
russisch-österreichischen  Armee  über  den  Simplon  in  Verbindung. 
Diese  Aufständischen,  etwa  6000  an  der  Zahl  und  im  Besitze  von 
7  Geschützen,  waren  jedenfalls  am  besten  geordnet.  Sie  wurden 
auch  durch  kriegskundige  Führer  befehligt,  welche  ehemals  in 
französischen  und  piemontesischen  Diensten  gestanden  waren.121 
Für  die  Niederwerfung  bestimmte  Xaintrailles  den  dem  Wallis 
selbst  entstammenden  Generaladjutanten  Schinner.  Er  stellte  ihm 
zur  Lösung  seiner  Aufgabe  die  110.  Halbbrigade  (Kommandant 
Lollier),  das  IL  Freiburger  Bataillon,  das  freilich  nicht  sehr  starke 
7.  Husarenregiment  und  6  Geschütze  zur  Verfügung.  Schinner, 
dem  es  angeblich  an  Schießbedarf  mangelte,  kam  nur  bis  Martigny. 
Die  Freiburger  wurden  dabei  auf  das  große  Hospiz  des  Großen 
St.  Bernhard  und  nach  Martigny  verlegt.  Ein  von  der  110.  Halb- 
brigade gegen  die  Stellung  der  Aufständischen  im  Walde  von  Pfyn 
(Finge)  bei  Leuk  gerichteter  Vorstoß  erlitt  von  diesen  eine  kräftige, 
mit  ziemlichem  Verluste  verbundene  Abweisung.  Unterdessen  traf 
Xaintrailles  am  15.  Mai  im  Lager  von  Sierre  ein.  Aber  noch  ver- 
flossen volle  zehn  Tage,  bis  er  eine  Unternehmung  wagte.  Die  Auf- 
ständischen hatten  in  der  Nacht  zum  24.  Mai  Sierre  fast  über- 
rumpelt. Am  25.  morgens  schritt  Xaintrailles  selbst  zum  Angriffe. 
Die  Kolonne  auf  dem  linken  Rhoneufer,  geführt  von  Komman- 
dant Barbier,  2  Bataillone  und  1  Schwadron  stark,  säuberte  den 
Pfynwald  bis  nach  Leuk  hin.  Auf  dem  Wege  über  Salgetsch 
marschierte  Xaintrailles  geradezu  gegen  die  Hauptstellung  der  Auf- 
ständischen hinter  dem  tief  eingeschnittenen  Thale  des  Dalafiusses. 
Er  verfügte  über  2  Bataillone  der  89.,  über  die  110.  Halbbrigade 
und  die  Grenadierreserve  sowie  über  7  Geschütze.  Eine  von  Varen 
aus  nach  Albinen  und  Gottet  in  den  Rücken  des  Gegners  entsendete 
Abteilung  Flanqueurs  brachte  diesen  bald  zum  Weichen.  Die  Auf- 
ständischen flohen  dann  mit  Verlust  ihrer  Artillerie  nach  Raron. 
Bei  der  Besetzung  der  von  den  Empörern  verlassenen  Orte  begingen 
die  Franzosen  die  größten  Grausamkeiten  an  den  wehrlosen  Ein- 
wohnern. Auch  Brieg  mußte  von  den  Empörern  folgenden  Tages 
verlassen  werden,  als  2  Bataillone  vom  rechten  Ufer  des  Saltineflusses 
her  in  den  Ort  eindrangen.122  Während  ein  Theil  der  Franzosen 
nun  gegen  den  Simplon-Paß  hinauf  stieg,  erreichte  der  andere 
Naters  und  von  hier  aus  auch  das  am  Wege  gegen  die  Furka  hin 
gelegene  Dorf  Morel.  Noch  hielten  die  von  einem  entschlossenen 
Manne  aus  dem  Bezirke  Coms,  namens  Prigg,  befehligten  Gegner 
die  Stellung  bei  der  Rhonebrücke  gegenüber  Grengiols  besetzt. 
Xaintrailles  wagte  hier  keinen  Angriff,  sondern  erwartete  erst  die 
Ankunft  der  von  Lausanne  und  Vevey  heranmarschierenden  28. 
nnd    104.  Halbbrigfade.     Unterdessen    erhielten    die    bereits   stark 


84 


gelichteten  Reihen  der  Aufständischen  eine  wenigstens  moralische 
Unterstützung  durch  2  Bataillone  der  Brigade  Strauch,  von  dem 
Regiment  Banat  und  Michael  Wallis,  welche  aber  lediglich  bei 
Oberwald  eine  durchaus  unnütze  Aufnahmestellung  bezogen.  So 
kam  es,  daß  Xaintrailles  am  1.  Juni,  als  er  mit  seiner  ganzen 
Macht  die  oben  erwähnte  Stellung  vorwärts  Lax  angriff,  nach 
8  stündigem  Kampfe,  welcher  von  den  Aufständischen  mit  der 
größten  Erbitterung  geführt  wurde,  Sieger  blieb.  Die  zögernd 
herankommenden  Oesterreicher  mußten  abends  8  Uhr  ebenfalls, 
nach  Zurücklassung  von  200  Gefangenen,  worunter  sich  mehrere 
Offiziere  befanden,  das  Feld  räumen.  Die  Franzosen  wollen  an 
diesem  Tage  einen  Abgang  von  nur  30  Mann  an  Toten  und  Ver- 
wundeten gehabt  haben. 

Xaintrailles  verlegte  alsbald  die  Grenadiere  der  110.  auf  die 
Paßhöhe  des  Simplon,  eine  andere  Compagnie  der  nämlichen  Halb- 
brigade in  das  Hospiz  des  Großen  St.  Bernhard,  um  derart  die 
Zugänge  von  Piemont  her  ins  Rhonethal  zu  sichern.  Er  selbst 
schlug  sein  Hauptquartier  in  Brieg  auf  und  beobachtete  von  Lax 
aus  die  Grimsel,  die  Furka  und  die  ins  Bedretto  und  das  Val 
Formazza  führenden  Uebergänge.  Die  helvetischen  Truppen  da- 
gegen, welche  zumeist  dem  Kanton  Freiburg  entstammten  und 
deren  Befehl  bald  der  Generaladjutant  Franz  Peter  Felix  von  der 
Weid  übernahm  (1766 — 1810),  bezogen  Rückhaltstellungen.  Im 
Monate  Juli  wurde  dann  der  General  Xaintrailles  durch  den  General 
Turreau  abgelöst. 

Ueberall  hatten  demnach  die  Franzosen  die  Aufstandsversuche 
niedergeworfen,  nirgends  bewährten  sich  die  seitens  der  Verbündeten 
gemachten  Versprechen.  Einem  Strohfeuer  gleichend,  das  zwar  im 
Augenblick  große  Hitze  entwickelt,  dem  es  jedoch  auf  die  Dauer 
an  Kraft  wegen  des  Mangels  an  Nahrung  fehlt,  so  kennzeichnen 
sich  diese  kriegerischen  Unternehmungen  als  nur  für  kurze  Zeit 
bedenkliche  Gefahren  bergende  Ereignisse. 

Völlig  umsonst  floß  das  Blut  vieler  tapferen  Männer,  welche 
fielen,  ohne  ihrem  Vaterlande  durch  den  Opfertod  zu  nützen. 


-~5>-e- 


III. 

Der  Verlust  des  GottliarcL 


Kaum  in  Bellinzona  eingetroffen,  ordnete  Lecourbe  die  ihm 
unterstellte  Division  von  neuem.  Die  Brigade  Loison  (12.  leichte, 
Ueberrest  der  6.  und  76.  Halbbrigade),  die  cisalpinischen  Husaren 
und  Guiden  besetzten  unter  der  Bezeichnung  „rechter  Flügel"  die 
Stadt  Bellinzona.  Die  Linie  ihrer  Vorposten  zog  sich  aus  dem 
Val  Marobbia  über  die  Paßhöhe  des  Monte  Cenere  durch  den  nörd- 
lichen Teil  des  sumpfigen  Ticino-Delta  (Piano  di  Magadino)  hinüber 
zum  Monte  Carasso  und  der  Sementina-Schlucht.  Diese  Stellung 
entspricht  demnach  genau  derjenigen,  welche  heute  die  1853  unter 
der  Leitung  des  Generals  Dufour  angelegten  Verschanzungen  ein- 
nehmen. —  General  Ney  deckte  mit  der  Brigade  des  linken  Flügels 
(109.,  I./38.  Halbbrigade,  2  Bataillone  des  Corps  d'expedition, 
1  Schwadron  des  12.  Chasseurregiments)  die  Mesolcina  und  beob- 
achtete die  Forcola.  Im  weitern  sollten  diese  Truppen  es  versuchen, 
die  durch  die  aufständischen  Bewohner  der  Leventina  unterbrochene 
Verbindung  mit  dem  Gotthard  wiederherzustellen. 

Am  13.  Mai  entsendete  Lecourbe  in  der  nämlichen  Absicht 
Bataillon  II  der  38.  Halbbrigade  unter  dem  Befehle  von  Capitaine 
Montfort  nach  Giornico.  Hier  fand  sich  ein  Bataillon  der  103.  Halb- 
brigade eingeschlossen  von  den  Aufständischen.  Diese  Truppe,  zur 
Division  Soult  gehörig,  hätte  eigentlich  die  Verbindung  zwischen 
Altdorf  und  Bellinzona  sichern  sollen.  Sie  erschien  aber  als  viel  zu 
schwach  für  einen  solchen  Dienst  unter  der  empörten  Bevölkerung. 

Unterdessen  hatte  Generalmajor  Prinz  Rohan  am  16.  Mai  den 
General  Loison  zur  Ergebung  binnen  24  Stunden  aufgefordert. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  Lecourbe  auf  dieses  sonderbare 
Schreiben  eine  gebührende  Antwort  erteilte.123  Zugleich  setzte  sich 
die  Brigade  gegen  Taverne  in  Marsch.  Generalmajor  Prinz  Rohan 
wartete  jedoch  die  weiteren  Ereignisse  nicht  ab,  sondern  ging 
eiligst  durch  den  Mal  Cantone  und  über  Ponte-Tresa  hinter  diese 
Flußlinie  zurück.  Das  Corps  des  Prinzen  Victor  Rohan  bestand 
aus  2  Bataillonen  und  3  Compagnien  (1  Bataillon  Erzherzog  Anton, 


86 


1  Bataillon  Louis  Rohan,  3  Compagnien  Jäger  Leloup),  zusammen 
1794  Mann.  Es  war  also  in  der  That  zu  schwach,  einen  Angriff 
des  Gegners  auszuhalten,  geschweige  denn  selbst  dazu  überzugehen. 
So  kam  es  auch  gar  nicht  zu  einem  Gefechte  bei  Taverne,  wie 
Clausewitz  (I,  268)  für  den  13.  Mai  angibt.  Es  entstand  auch  kein 
„strategischer  Schrecken"  bei  der  Armee  Suworoffs.  Der  alte 
Marschall  ließ  vielmehr  den  Grafen  Hohenzollern  mit  der  Hälfte 
der  vor  dem  Schlosse  von  Mailand  stehenden  Belagerungstruppen 
(5  Bataillone  Isch)  nach  Ponte-Tresa  und  Chiavenna  abgehen,  weil 
er  dort  gesichert  sein  wollte.  Zunächst  handelte  es  sich  für  Su- 
woroff  darum,  in  der  rechten  Flanke  gedeckt  zu  sein,  um  unbesorgt 
vor  etwaigen  Angriffen  der  Division  Lecourbe  in  Piemont  ein- 
dringen zu  können.  Erst  in  zweiter  Linie  sollten  Generalmajor 
Prinz  Rohan  und  Oberst  Strauch  es  versuchen,  gemeinsam  mit 
FML.  Bellegarde  handelnd,  die  Gotthardstellung  in  ihre  Gewalt 
zu  bringen. 

Lecourbe  verlegte  nun  2  Compagnien  der  76.  Halbbrigade 
nach  Taverne,  II./12.  lcht.  und  I./76.  blieben  in  Bellinzona,  IL/76, 
in  Cadenazzo  und  Magadino  am  Nordufer  des  Lago  maggiore. 
Gegen  Lugano  wurde  ein  kleiner  Kundschaftsritt  unternommen,  und 
Lecourbe  entschloß  sich,  diese  Stadt  folgenden  Tages  anzugreifen. 
In  diesem  Augenblick  traf  jedoch  die  Nachricht  von  der  Einnahme 
der  Luzisteig  und  der  Zersprengung  der  Division  Menard  durch 
die  Corps  der  FML.  Hotze  und  Bellegarde  ein.  So  mußte  Lecourbe 
zunächst  daran  denken,  die  eigene  Rückzugslinie  zu  decken.  Capi- 
taine  Montfort  kam  mit  IL/38,  als  Ablösung  der  Brigade  Bontems 
von  der  Division  Soult  ins  Ursernthai.  In  Airolo  wurde  er  wiederum 
durch  I./109.  ersetzt.  Das  IL  Bataillon  der  nämlichen  Halbbrigade 
marschierte  dagegen  nach  Olivone  im  Val  di  Blegno,  um  den 
Lukmanier-Uebergang  zu  beobachten. 

Die  Not  der  Division  stieg  in  diesen  Tagen  aufs  höchste. 
In  den  bereits  in  gewöhnlichen  Tagen  nicht  allzu  wohlhabenden 
Thalschaften  hatte  der  Aufstand  die  letzten  Vorräte  beseitigt. 
Von  der  Kornkammer  des  Tessins  aber,  dem  Mendrisiotto,  stand 
man  durch  die  österreichischen  Bajonette  getrennt.  Lecourbe  half 
sich  so  gut  es  ging.  Während  sechs  Tagen  konnte  nur  der  vierte 
Teil  der  gewöhnlichen  Brotmenge,  in  zwei  Tagen  überhaupt  nur 
60  g  Reis  auf  den  Mann  verteilt  werden.  Zum  Glück  fand  die 
Division  in  Magadino  geringe,  Händlern  gehörende  Vorräte;  aber 
es  fehlte  an  Mitteln,  sie  fortzuschaffen.  Obgleich  die  Geschütz- 
bespannungen bei  Tage  wegen  der  Nähe  des  Gegners  angeschirrt 
blieben,  mußten  sie  doch  nachts,  so  oft  es  ihnen  nur  möglich  warr 
den  Weg  von  Magadino  nach  Bellinzona  (15  km)  zurücklegen. 

Am  17.  Mai  bestanden  die  Vorposten  der  Brigade  Ney  ein 
kleines  Gefecht  mit  stärkeren,  vom  Obersten  Strauch  entsendeten 


87 


Abteilungen.  Ebenso  griffen  die  Oesterreicher  den  Posten  von 
Taverne  an,  welchen  I./12.  leichte  Halbbrigade  decken  sollte,  aber 
durch  ihren  vollkommen  ungenügend  gehandhabten  Wachtdienst 
verlor.  Die  soeben  abgelösten  beiden  Compagnien  der  76.  Halb- 
brigade hielten  nur  mit  größter  Mühe  den  Stoß  aus.  Jedenfalls 
drangen  die  Gegner  in  die  Ortschaft  ein,  bei  welcher  Gelegenheit 
168  Franzosen  in  Kriegsgefangenschaft  fielen.124  Das  Corps  Rohan 
war  nämlich  unterdessen  durch  die  von  Mailand  heranmarschierenden 
Truppen  des  Generalmajors  Grafen  Hohenzollern  auf  6000  Mann 
angewachsen.  Solche  Uebermacht  mußte  natürlich  einen  Erfolg 
erzielen,  ward  aber  wie  gewöhnlich  keineswegs  ausgenützt. 

Bei  der  nun  folgenden  Verlegung  der  französischen  Truppen 
nach  rückwärts  übernahm  1.76.  den  Dienst  der  Vorposten  bei 
Giubiasco,  der  Rest  der  6.  Halbbrigade  stand  dagegen  im  Val 
Marobbia. 

Am  19.  Mai  ließ  Lecourbe  drei  Häupter  des  Aufstandes  in  der 
Leventina  zu  Bellinzona  vor  der  Porta  Tedesca  auf  Grund  eines 
standrechtlichen  Urteils  erschießen. 

Während  einzig  zwei  Compagnien  die  Stellung  hinter  der 
Sementina-Schlucht  noch  hielten,  trat  die  Division  den  Marsch  das 
Thal  aufwärts  nach  Biasca  an. 

Am  20./ 21.  Mai  befand  sich  das  Divisions-Hauptcpiartier  in 
Giornico,  die  Kachhut  stand  auf  dem  rechten  Ufer  der  Moesa. 
Am  22.  hatten  die  vordersten  Truppenteile,  welche  unter  den  Be- 
fehlen des  Generals  Xev  sich  befanden,  Amsteg  erreicht,  indes 
General  Loison  mit  der  76.  Halbbrigade  und  einer  aus  24  Mann 
bestehenden  Reiterabteilung  Giornico  deckte.  Diese  große  räum- 
liche Trennung  der  einzelnen  Glieder  der  Marschsäule  erklärt  sich 
aus  den  auf  die  Verpflegungsverhältnisse  zu  nehmenden  Rücksichten 
und  im  weiteren  durch  den  großen  Troß.  (Dieser  erhielt  seine 
vorzüglichste  Verstärkung  durch  die  Wagen  und  das  Gepäck  der 
aus  den  Provinzen  Como  und  Varese  geflüchteten  cisalpinischen 
Zivilbeamten.)  Sie  konnte  aber  nur  deshalb  ungestraft  durch- 
geführt werden,  weil  der  Gegner  durchaus  keine  Verfolgung  ansetzte. 

Prinz  Rohan  und  Oberst  Strauch,  welche  zusammen  über 
8600  Mann  (10  Bataillone,  4  Compagnien,  3,i  Schwadronen)  ver- 
fügten, blieben  nämlich  bis  zum  26.  Mai  unbeweglich  in  Bellinzona 
stehen.  Graf  Hohenzollern,  der  noch  dem  Prinzen  Rohan  1  russ- 
isches (Förster)  und  1  österreichisches  (Thurn)  Bataillon  überlassen 
hatte  (zusammen  1500  Mann),  kehrte  am  20.  Mai  wieder  nach 
Mailand  zurück,  um  die  dortigen  Belagerungsarbeiten  weiter  zu 
führen.  Oberst  Strauch  befehligte  5025  Mann  oder  6  Bataillone 
(2  Wallis,  1  Grenadier  W'eißenwolff,  1  Banat,  1  Carneville,  1  Siegen- 
feld), 1  Compagnie  Leloup-Jäger  und  3U  Schwadronen  Erdödy- 
Husaren. 


88 


Am  23.  überschritt  der  Divisionsstab  die  Paßhöhe  des  Gott- 
hard,  der,  wie  das  Feldtagebuch  ausdrücklich  erwähnt,  noch  voll 
Schnee  lag.    Loison  hatte  an  diesem  Tage  Airolo  und  Quinto  besetzt. 

Am  24./25.  Mai  nahm  die  Division  folgende  Stellungen  ein: 
General  Loison  mit  IL;  38.,  I.  und  IL/76,  in  Airolo.  Ferner  in  Urseren 
I./109.,  IL/ 109.  in  Wasen,  2  Bataillone  Corps  d'expedition  in  Am- 
steg,  I.,  III.  38.  Halbbrigade  in  Altdorf  und  Bürglen.  In  Atting- 
hausen  und  Seedorf  stand  ferner  das  IL  Lemaner-Bataillon,  welches 
der  Division  zugeteilt  worden  war.  Das  Hauptquartier  von  Lecourbe 
lag  in  Altdorf.  Nach  Schwyz,  woselbst  General  Ruby  stand  mit 
dem  Auftrage,  das  Muottathal  und  den  Sattel  zu  decken,  entsendete 
Lecourbe  die  12.  leichte  und  den  Rest  der  6.  Halbbrigade,  sowie 
überdies  die  bisherige  Besatzung  von  Altdorf,  das  Bataillon  de 
garnison  der  44.  Halbbrigade.  Diese  Truppen  trafen  in  Schwyz 
zusammen  mit  dem  Bataillon  de  garnison  der  37.  Halbbrigade, 
5  Compagnien  des  I.  Lemaner-Bataillons  und  2  Compagnien  aus 
dem  Thurgau. 

Der  Rückzug  aus  der  Leventina  erscheint  als  eine  Folge  der 
stetigen  Fortschritte,  welche  die  verschiedenen  Corps  der  Oester- 
reicher  seit  der  Mitte  des  Maimonats  in  Graubünden  und  der  Nord- 
schweiz gemacht  hatten. 

Der  Sieg,  den  Erzherzog  Karl  über  Jourdan  bei  Stockach  am 
25.  März  errang,  ist  der  Ausgang  aller  jener  Erfolge  der  Kaiser- 
lichen in  Deutschland  und  der  Schweiz  gewesen,  welche  in  der 
ersten  Schlacht  von  Zürich  (3./4.  Juni)  ihren  Höhepunkt  erreichten. 
Der  strategische  Angriff  der  Franzosen  mußte  jetzt  erlahmen,  das 
Mißlingen  der  gegen  die  Stellung  von  Feldkirch  gerichteten  Hand- 
lungen beschleunigte  ihren  Rückzug  in  die  Schweiz.  Zugleich  aber 
ward  Jourdan  durch  Massena  ersetzt,  welcher  dergestalt  mit  geringen 
Ausnahmen  alle  Streitkräfte  des  nördlichen  Kriegsschauplatzes  in 
seiner  Hand  vereinigte. 

Die  Oesterreicher  ließen,  ihrem  gewöhnlichen  bedächtigen 
Wesen  entsprechend,  dem  Gegner  volle  Zeit,  das  notwendige  Zu- 
sammenschließen seiner  Kämpfer  zu  vollenden.  Erst  gegen  den 
Beginn  des  Maimonats  begann  die  neuerliche  Vorwärtsschiebung 
der  einzelnen  österreichischen  Corps.  Lecourbe  mußte  das  Engadin 
räumen ;  dagegen  scheiterte  der  Angriff  des  Corps  Hotze  gegen 
die  Stellung  auf  der  Luzisteig.  Wiederum  trat  bei  dem  Haupt- 
heere ein  Waffenstillstand  von  zweiwöchiger  Dauer  ein.  Nur  die 
Division  Lecourbe  hatte  auch  während  dieser  Zeit  ihren  vornehmsten 
Auftrag,  die  Sicherung  des  Gotthardstockes,  zu  erfüllen. 

Der  Rückzug  der  Division  Lecourbe  aus  dem  Thale  des  Ticino 
ward  jedoch  unvermeidlich,  als  das  Corps  Bellegarde  nach  der  mit 
FML.  Hotze  gemeinsam  durchgeführten  Besetzung  von  Graubünden 
zu  weiteren  Unternehmungen  herangezogen  wurde.    Zwar  gelangte 


89 

in  diesen  Tagen  (19.  Mai)  der  Befehl  von  Suworoff  an  den  FML. 
Bellegarde  zu  Lenz,  wo  er  seit  fünf  Tagen  unbeweglich  stand, 
augenblicklich  nach  Italien  abzumarschieren ;  aber  der  Generalissimus 
der  Verbündeten  faßte  auch  zugleich  den  Plan,  sich  der  Pässe 
über  den  Gotthard,  den  Simplon  und  den  Großen  St.  Bernhard  zu 
bemächtigen. 

Immerhin  rettete  nur  die  Unthätigkeit  des  FML.  Bellegarde 
die  Division  Lecourbe  vor  der  vollkommenen  Einschließung.  Sie 
allein  ließ  die  nötige  Zeit,  den  Gotthard  und  damit  die  sichere 
Rückzugslinie  zu  gewinnen.  Es  ist  selbstverständlich,  daß  das 
Benehmen  des  FML.  Bellegarde  in  diesem  Falle  scharf  und  von 
den  verschiedensten  Gesichtspunkten  aus  beurteilt  worden  ist.  Aber 
auch  er  war  nicht  so  schuldig  an  der  Gestaltung  der  Sachlage, 
wie  es  wohl  scheinen  mag.  Unter  den  Befehlen  Suworoffs  nur 
dem  Namen  nach  stehend,  gehorchte  er  in  der  That  den  geheimen 
Anordnungen  des  Hofkriegsrats.  Das  führte  nicht  nur  zu  Miß- 
verständnissen, sondern  geradezu  zur  Lähmung  der  Kräfte.  Dem 
Einflüsse  Thuguts  jedoch  durfte  sich  keiner  der  damaligen  kaiser- 
lichen Generale  entziehen,  sofern  ihm  eine  geebnete  Laufbahn 
winken  sollte.  FML.  Bellegarde  endlich  ist  niemals  der  Mann 
gewesen,  welcher  seinen  persönlichen  Vorteil  der  allgemeinen  Wohl- 
fahrt unterordnete. 

Aehnlich  behutsam  handelte  der  FML.  Hadik,  unter  dessen 
Befehl  die  Truppen  des  Generalmajors  Prinz  Rohan  und  des  Oberst 
Strauch  getreten  waren. 

Erst  am  25.  Mai  kam  es  zwischen  den  Feldwachen  der  zwei 
Compagnien  des  in  Piotta  stehenden  IL/ 76.  und  der  die  Spitze  des 
heranrückenden  österreichischen  Corps  bildenden  Erdödy-Husaren 
zu  einem  unwichtigen  Gefecht.  Früh  3  Uhr  am  26.  erfolgte  der 
eigentliche  Angriff  der  Oesterreicher  mit  4  Bataillonen  (je  1  von 
Siegenfeld,  Wallis,  Rohan  und  Banat).  Nach  einigem  Widerstände 
gingen  die  Franzosen  nach  Airolo  zurück.  Hier  befehligte  der 
Bataillonschef  Lovisi  vom  IL/76.,  nachdem  Loison  am  25.  früh 
mit  I./76.  gegen  den  Oberalp-Pass  abgegangen  war  und  IL/38,  in 
Hospenthal  gelassen  hatte.  Mit  20  Chasseurs  und  unterstützt  durch 
die  Grenadiercompagnie  stieß  Lovisi  so  stark  auf  den  anrückenden 
Gegner,  daß  dieser  mit  einem  Verluste  von  60  Mann  an  Gefangenen 
nach  Piotta  zurückwich.  Einzelne  österreichische  Schützen  gewannen 
aber  das  bei  Madrano  sich  öffnende  Val  Canaria.  Dies  hatte  die 
Folge,  daß  die  Kaiserlichen  die  Flußenge  des  Stalvedro  nunmehr 
beherrschten  und  überdies  in  der  Lage  waren,  die  Stellung  bei 
Airolo  über  den  Passo  della  Sella  (2744  m)  zu  umgehen. 

Lovisi  deckte  den  Aufstieg  zum  St.  Gotthard-Paß  in  der  Weise, 
daß  er  bis  zum  nördlichen  Ausgange  des  Val  Tremola  zurückging. 
Der  rechte  Flügel   seiner   schwachen  Kräfte  lehnte  dabei  an  den 


90 


Abfluß  der  Hospiz-Seen,  der  linke  an  die  steil  herabstürzenden 
Felsen  westlich  der  Alpe  di  Sonescia  (Punkt  2042,  6,  Blatt  491 
des  Topogr.  Atlas  der  Schweiz).  Die  Brücke  vorwärts  dieser 
Stellung  wurde  natürlich  zerstört.  Die  Grenadiercompagnie  stand 
als  Reserve  im  Hospiz,  zugleich  mit  dem  Auftrage  betraut,  die 
Ausmündung  des  Passes  della  Sella  zu  beobachten. 

Die  Oesterreicher  verhielten  sich  jedoch  an  diesem  wie  in  der 
Frühe  des  folgenden  Tages  (27.  Mai)  vollkommen  ruhig.  Erst  als 
gegen  Mittag  Generalmajor  Prinz  Rohan  mit  der  Hauptmacht  der 
Division  herangekommen  war,  schritten  sie  zögernd  zum  Angriff. 
Lovisi  hatte  unterdessen  aus  Hospenthal  Verstärkung  durch  fünf 
Compagnien  vom  IL/38,  erhalten.  Eine  derselben  ließ  er  beim  Hospiz 
stehen,  2  andere  bezogen  ebenfalls  die  erwähnte  Gefechtsstellung, 
die  zwei  letzten  endlich  suchten  Airolo  in  der  Weise  zu  decken, 
daß  sie  oberhalb  des  heutigen  Tunneleinganges  die  Straße  in  auf- 
gelöster Ordnung  besetzten.  Der  Gegner  bandelte  sehr  behutsam. 
Ein  Bataillon  Banater  suchte  vom  linken  Flußufer  aus  Airolo  zu 
umgehen,  während  4  Kanonen  gegen  6  Uhr  nachmittags  ihr  Feuer 
eröffneten.  Als  die  Umgehung  fast  durchgeführt  worden,  bei 
einbrechender  Nacht  (7  Uhr  30  nachmittags  schreibt  das  Feldtage- 
buch), traten  die  Franzosen  den  Rückzug  an.  Da  jedoch  die  sichere 
Meldung  einlief,  daß  die  Oesterreicher  (Leloup- Jäger)  bereits  die 
Höhe  des  Sella-Passes  gewonnen  hätten,  derart  überlegenen  Kräften 
aber  auf  die  Dauer  keinerlei  Widerstand  geleistet  werden  konnte, 
so  setzte  Lovisi  noch  in  der  Nacht  zum  28.  den  Marsch  bis 
nach  Hospenthal  fort,  woselbst  er  sich  dem  General  Loison  zur 
Verfügung  stellte.  In  Airolo  blieben  jedoch  400  Säcke  Reisy 
100  Eimer  Wein,  einige  Eimer  Branntwein  und  andere  Lebens- 
mittel nebst  einer  vierpfündigen  Kanone  und  ziemlichen  Mengen 
für  die  Infanterie  verfertigten  Schießbedarfes  zurück.  An  Mann- 
schaften büßten  die  Franzosen  hier  und  im  Muottathale  am  27. /28. 
Mai  zusammen  27  Tote,  218  Verwundete  und  142  Gefangene  ein. 
Dagegen  machte  die  Division  130  Gefangene. 

Unterdessen  waren  jedoch  weitere  ernste  Ereignisse  im  Muotta- 
thale vorgefallen. 

Der  Oberst  Cavasini  des  Corps  von  FML.  Hotze  hatte  den 
Auftrag  erhalten,  mit  5  Bataillonen  und  1  Schwadron  von  Glarus 
und  Näfels  aus  die  Linthufer  und  den  oberen  Zürichsee  zu  besetzen. 
Seine  Unternehmung  richtete  sich  demnach  eigentlich  gegen  die 
Division  Menard,  welche  diese  Punkte  vorläufig  deckte.  Da  eine 
gewaltsame  Erkundung  am  25.  Mai  bei  Reichenburg  unglücklich 
für  die  Oesterreicher  verlief,  so  beschloß  Oberst  Cavasini,  die 
Stellung  von  Menard  durch  das  Klön-  und  Muottathal  über  Ein- 
siedeln zu  umgehen. 

Zu  den  Truppen  des  Obersten  Cavasini  gehörte  auch  die  Legion 


91 

Roverea  in  der  Stärke  von  etwa  800  Schweizern.125  Da  Roverea 
wohl  selbst  darauf  drang,  daß  ihm  der  Befehl  der  Abteilung  zu 
übertragen  sei,  ward  er  wirklich  an  die  Spitze  derselben  gestellt. 
Am  27°Mai  in  der  Frühe  setzten  sich  600  Legionäre,  600  Kroaten 
vom  Broder  Regiment,  30  Ulanen,  300  Glarner  und  20  Schwyzer- 
Landsturm-Schützen,  sowie  14  Artilleristen  mit  2  von  Maultieren 
getragenen  Gebirgsgeschützen  nebst  100  Pionieren  und  20  Saum- 
pferden, welche  die  Munition  schleppten,  unter  Führung  von  20 
des  Weges  kundigen  Männern  gegen  den  Pragel-Paß  (1547  m)  in 
Bewegung.  Von  Glarus  bis  zur  Paßhöhe  rechnet  man  6*/a  Stunden, 
bis  Muotta  weitere  2  Stunden  Marschzeit.  Die  Kolonne  Roverea 
erreichte  den  erstgenannten  Punkt  bei  bereits  eingefallener  Nacht. 
Auf  der  Paßhöhe  stand  eine  Feldwache  von  40  Franzosen,  welche, 
wie  gewöhnlich,  keinerlei  Vorsichtsmaßregeln  getroffen  hatte.  Als 
jedoch  Lieutenant  Ledergerwer  zu  ihrer  Gefangennahme  schritt, 
tötete  ein  Kroat  den  Bauern,  welchem  das  Haus  gehörte,  in  dem 
die  Gegner  ruhten.  Durch  den  entstehenden  Lärm  noch  recht- 
zeitig gewarnt,  vermochten  die  Mannschaften  sich  ins  Muottathal 
zu  retten.  Ohne  Aufenthalt  und  trotz  des  tiefen  Schneas,  welcher 
dazu  zwang,  die  Einerkolonne  für  den  Marsch  anzuwenden,  erfolgte 
sogleich  der  Abstieg.  Gegen  3  Uhr  früh  traf  man  auf  den  Gegner, 
der,  von  General  Rubv  befehligt  (im  Feldtagebuch  schreibt  Lecourbe 
von  ihm,  er  habe  „soi  disant"  an  diesem  Tage  weder  zu  Pferde 
steigen  noch  auch  gehen  können)  und  bei  3000  Mann  stark,  in 
größter  Unordnung  das  Gefecht  aufnahm.  Die  12.  leichte  Halb- 
brigade trat  in  völliger  Ueberstürzung  den  Rückzug  an.  Roverea 
dagegen  ließ  sich  durch  den  leicht  errungenen  Erfolg  verleiten, 
die  gute  Stellung  von  Muottathal  zu  verlassen,  ehe  die  nötigen 
Verstärkungen  eintrafen.     So  erreichte  ihn  das  Schicksal. 

Als  nämlich  Lecourbe  von  diesen  Ereignissen  Nachricht  er- 
hielt, setzte  er  sogleich  mit  3  Compagnien  Grenadieren  und  zwei 
Geschützen  von  Flüelen  nach  Brunnen  über  den  See.  Trotz  des 
heftigen  Föhns,  der  ihn  bis  zum  späteren  Nachmittage  am  Landen 
verhinderte,  erreichte  er  noch  am  27.  Schwyz,  wohin  I./38.  als 
Unterstützung  folgte. 

Am  29.  bei  Tagesanbruch  griff  Lecourbe  den  Gegner  bei 
der  Brücke  über  das  Klingen -Tobel  an.  Hierzu  wurden  die 
12.  leichte  Halbbrigade,  der  Rest  der  6.  und  die  3  Grenadier- 
compagnien  der  38.,  76.  und  109.  Halbbrigade  verwendet.  Trotz 
des  Kartätschfeuers  der  beiden  Gebirgsgeschütze  erstürmte  doch 
die  vom  tapferen  Bataillonschef  Coste  befehligte  12.  leichte  Halb- 
brigade den  Uebergang  in  der  Front.  Lecourbe  erwähnt  bei  dieser 
Gelegenheit,  daß  die  junge,  im  Jahre  1798  ausgehobene  Mann- 
schaft (Konskribierte)  hier  in  glänzender  Weise  ihre  Aufgabe  er- 
füllte. Unter  ihr  zeichnete  sich  besonders  aus  der  im  März  wegen 


92 


der  von  ihm  bewiesenen  Entschlossenheit  zum  Korporal  beförderte 
Masset  von  der  6.  Halbbrigade. 

Der  Gegner,  zum  Teil  abgeschnitten,  verlor  etwa  einen 
Drittel  seiner  Mannschaft,  nämlich  50  Tote,  200  Verwundete  und 
200  Gefangene.  Unter  den  letzteren  befanden  sich  auch  2  Offiziere 
der  Legion,  die  Lieutenants  Haller  und  Imthurn.126  Natürlich 
vermochten  die  Oesterreicher  nicht  die  beiden  Gebirgsgeschütze 
zu  retten. 

Nach  Altdorf  zurückgekehrt,  traf  Lecourbe  dort  mit  dem 
General  Loison  zusammen,  welcher  unterdessen  unglücklich  ge- 
kämpft hatte. 

Am  29.  erreichte  nämlich  FML.  Hadik  das  Hospiz  auf  dem 
St.  Gotthard-Paß  (2095  m)  und  zugleich  erschien  Oberst  St.  Julien 
im  Ursernthai.  Seine  Brigade  zählte  4292  Mann,  die  sich  in  drei 
Bataillone  Kinsky  (2222  Mann),  IV2  Bataillone  Neugebauer  (887 
Mann),  1  Bataillon  de  Yins  (849  Mann)  und  \  2  Bataillon  Munkacy 
(384  Mann)  verteilten.  Von  Selva  im  Tavetsch  den  29.  Mai  um 
1  Uhr  30  Min.  vormittags  aufgebrochen,  überschritt  die  Kolonne 
den  schwach  besetzten  und  kaum  verteidigten  Oberalp-Paß  (2048  m), 
um  am  gleichen  Tage  Andermatt  zu  erreichen.  Ein  Bataillon  blieb 
als  Reserve  auf  der  Paßhöhe  zurück.  In  Hospenthal  befand  sich 
noch  das  vom  Bataillonschef  Lenud  befehligte  I.  Bataillon  der 
76.  Halbbrigade.  Hinter  Andermatt,  bei  der  Teufelsbrücke,  traf 
diese  Truppe  auf  den  Gegner  und  ohne  Zögern  wurde  der  Versuch 
gemacht,  sich  mit  dem  Bajonette  durchzuschlagen.  Die  kühne 
That  gelang,  nur  2  Compagnien  der  Nachhut  mußten,  von  allen 
Seiten  umringt,  das  Gewehr  strecken.  Unaufhaltsam  drängten  die 
Oesterreicher  vorwärts  gegen  den  See  hinunter.  Erst  in  Amsteg 
gelang  es  den  Bataillonen  vom  Corps  d'expedition,  etwelchen 
Widerstand  zu  leisten.  Immerhin  mußten  auch  sie  bald  hinter 
den  Kärstelenbach  zurückgehen.  Bei  dieser  Bewegung  fielen 
weitere  80  Mann  dem  Gegner  als  Gefangene  in  die  Hände. 

In  dem  Augenblicke  der  höchsten  Gefahr  erschien  Lecourbe, 
begleitet  von  Loison  und  den  Stäben,  an  der  Spitze  von  50  Chas- 
seurs  und  6  Grenadiercompagnien,  Avie  den  verfügbaren  Teilen  der 
109.  Halbbrigade  auf  dem  Kampfplatze.  Da  die  Bachbrücke  abge- 
brochen worden,  entspann  sich  nur  ein  Schützengetecht  von  einem 
Vier  zum  andern,  das  aber  bis  zur  Nacht  andauerte.  Der  Tag 
kostete  den  Franzosen  29  Tote.  168  Verwundete  und  467  Ge- 
fangene. Unter  den  letzteren  befand  sich  auch  der  Bataillonschef 
Ducasson  von  der  109.  Halbbrigade  und  mehrere  andere  Offiziere. 

Der  30.  Mai  brachte  im  Ganzen  wenig  Bewegung  für  beide 
Teile.  Bei  Aesch  im  Schächenthal  erschien  eine  vom  Klausenpaß 
herabsteigende  gegnerische  Patrouille,  welche  sich  aber  bald  wieder 
in  das  Lager  auf  dem  ITrnerboden  zurückzog.127 


93 

Oberst  St.  Julien,  der  ebenfalls  zu  den  übertrieben  vor- 
sichtigen Führern  gehörte,  ging  noch  in  der  Nacht  vom  29.  zum 
30.  wieder  nach  Wasen  zurück.  Hinter  der  Meien-Reuß  bezog 
er  eine  gesicherte  Stellung.  An  Nachzüglern  (!)  verlor  dabei  die 
Kolonne  15  Mann.  General  Loison  ließ  das  Maderanerthal  er- 
kunden und  hierbei  wurden  ebenfalls  einige  erschöpfte  Leute, 
darunter  12  Verwundete  nebst  einem  Oberfeldscher,  gefangen. 

Lecourbe  hatte  sich  freilich  für  den  30.  Mai  (13.  Prairial) 
zum  Angriffe  entschlossen  gehabt.  Wirklich  entsendete  er  den 
General  Loison  zu  diesem  Zwecke  mit  dem  Corps  d'expedition 
und  I./109.  Halbbrigade.  Das  eingefallene  schlechte  Wetter  hinderte 
jedoch  selbst  ein  lebhafteres  Feuergefecht  und  so  mußte  die 
Unternehmung  auf  den  folgenden  Tag  verschoben  werden. 

Am  31.  Mai  in  der  Frühe  begann  der  Kampf  von  neuem. 
Während  1  Bataillon  Corps  d'expedition  oberhalb  der  Straße  auf 
dem  rechten  Ufer  der  Reuß  am  Thalrande  sich  vorschob,  er- 
reichte das  andere  Bataillon  längs  des  Osthanges  des  Schynberges 
ob  dem  Pfaffensprung  das  Meienthal.  Die  109.  Halbbrigade  blieb 
auf  dem  großen  Wege.  Ihr  folgten  als  Reserve  3  Grenadier- 
compagnien  (38.,  76.,  109.  Halbbrigade).  Die  Kolonne  links  um- 
ging den  Gegner,  der,  in  der  Front  ebenfalls  überraschend  ange- 
griffen, Wasen  mit  einem  Verluste  von  300  Mann  an  Gefangenen 
aufgab.  Immerhin  gelang  es  den  Oesterreichern,  sich  wieder  zu 
sammeln.  Ein  heftiger  Vorstoß  erfolgte  gegen  11  Uhr  morgens, 
und  nun  war  es  an  den  Franzosen,  in  fluchtartiger  Eile  die  kaum 
besetzte  Ortschaft  zu  räumen.  Um  4  Uhr  nachmittags  erschien 
Lecourbe  mit  den  Grenadieren.  Das  Gewehr  eines  Gefallenen  er- 
greifend, stürzte  er  sich  an  der  Spitze  der  Mutigen  auf  den  Feind. 
Dieser  vermochte  es  nicht,  Stand  zu  halten,  sondern  wich  eben 
so  schnell,  wie  er  gekommen.  Während  des  Gefechtes  und  der 
bis  zur  Teufelsbrücke  ausgedehnten  Verfolgung  verloren  die 
Oesterreicher  1  Major  vom  Regiment  Neugebauer,  8  Hauptleute, 
9  Lieutenants,  1340  Mann  an  Gefangenen,  120  Tote  und  650 
Verwundete.    Der  Kampf  dauerte  bis  in  die  sinkende  Nacht.128 

Einzig  der  Umstand,  daß  die  Kaiserlichen  den  Straßenbogen 
der  Brückenauffahrt  teilweise  zu  zerstören  vermochten,  hinderte 
die  völlige  Auflösung  auch  des  letzten  Truppenrestes.  FML.  Hadik 
entsendete  zwar  am  späteren  Nachmittage  eiligst  ein  Bataillon 
zur  Verstärkung  nach  Göschenen ;  doch  ist  dasselbe  wohl  zu  spät 
gekommen,  um  noch  entscheidend  eingreifen  zu  können.129 

Die  Zersprengung  der  Streitkräfte  des  Obersten  St.  Julien 
war  eine  vollständige.  Noch  folgenden  Tages  machten  die  Fran- 
zosen in  den  Bergen  ob  Göschenen  an  250  Versprengte  zu  Ge- 
fangenen, darunter  1  Hauptmann  und  24  Jäger  vom  Corps  Le- 
loup.    Die  Franzosen   wollen  (F.  T.  B.)  am  30./31.  nur  10  Tote, 


94 

darunter  den  Chef  der  109.  Halbbrigade,  und  167  Verwundete 
verloren  haben.  Auch  General  Loison  wurde  leicht  am  Arme 
verwundet. 

Lecourbe  gedachte  am  3.  Juni  den  Kampf  zu  erneuern,  eben 
hatte  er  die  nötigen  Verfügungen  dazu  getroffen,  als  der  Adjutant 
des  Obergenerals  Massena  eintraf.  Dieser  überbrachte  den  Befehl, 
sogleich  den  Kanton  Waldstätten  zu  räumen,  da  Erzherzog  Karl 
bereits  Zürich  bedrohe.  Unter  diesen  Umständen  mußte  Lecourbe 
von  der  Wiedereroberung  des  Gotthard  absehen. 

Am  4.  Juni  zogen  sich  die  in  und  um  Schwyz  stehenden 
Truppen,  die  Brigade  Rheinwald  (ehemals  Ney,  dann  Ruby)  nach 
Gersau  und  Rothenthurm  zurück.  Die  Brigade  Loison  bewerk- 
stelligte die  nötig  gewordenen  Bewegungen  in  der  Weise,  daß  die 
38.  Halbbrigade  noch  am  3.  Juni  von  Bürglen  nach  Flüelen 
marschierte  und  von  dort  über  den  See  nach  Beckenried  und 
Stans  gesetzt  ward.  Am  4.  ging  dann  das  Corps  d'expedition  von 
Amsteg  nach  Arth,  die  109.  Halbbrigade  von  Göschenen  und  das 
II.  Lemanerbataillon  von  Bauen  nach  Seelisberg.  Den  Rückzug 
deckte  Lecourbe  durch  fortgesetzte  Vorstöße  in  Form  von  Er- 
kundungen. Während  11/76.  Halbbrigade  von  Spiringen  nach 
Seedorf  marschierte,  bewegte  sich  1/76.  von  Amsteg  nach  Atting- 
hausen  und  Seedorf.  Die  Grenadierreserve  blieb  noch  die  Nacht 
zum  5.  Juni  in  Altdorf.  Ueber  Brunnen  und  Arth  wurden  unter- 
dessen die  Artillerie,  der  Schießbedarf  und  die  Kavalleristen 
(1  Schwadron,  12.  Chasseursregiment)  nach  Luzern  entsendet. 
Endlich,  am  5.  Juni  morgens  3  Uhr,  schiffte  sich  Lecourbe  als 
letzter  mit  den  noch  im  Reußthal  verbliebenen  Truppen  bei  See- 
dorf ein.  Ueber  Beckenried  und  Stans  erreichte  er  sein  neues 
Hauptquartier  in  Luzern. 

Dagegen  nahmen  die  Oesterreicher  die  verlassenen  Stellungen 
in  den  Kantonen  Uri  und  Schwyz  ein,  so  daß  die  Bevölkerung 
keineswegs  zum  Aufatmen  unter  ihrer  schweren  Last  kam. 

Wie  sehr  besonders  Suworoff  die  Besetzung  des  Gotthard- 
stockes  durch  FML.  Hadik  zu  schätzen  wußte,  geht  daraus  her- 
vor, daß  er  diesem  „für  die  von  ihm  angewendete  Angriffsweise 
mit  der  blanken  Waffe"  (?)  seinen  Dank  aussprach  und  zugleich 
einen  Tagesbefehl  an  die  Truppen  erließ,  in  welchem  folgende 
Stelle  vorkam: 

„Es  ist  bei  dieser  Gelegenheit  allen  Truppen  bekanntzugeben, 
daß  sie  bei  dem  Angriffe  immer  so  zu  Werke  gehen  sollen  wie 
General  Hadik :  die  Infanterie  soll  sich  nie  mit  zu  vielem  Feuern 
abgeben,  sondern  sich  mit  dem  Bajonette  auf  den  Feind  stürzen,  — 
die  Kavallerie  mit  dem  Säbel  die'' Reihen  der  Infanterie  und  Ka- 
vallerie durchbrechen." 

FML.  Hadik   war  jedoch   außer  Stande,    nach  der  Besetzung 


95 

des  Gotthard  noch  weitere  Fortschritte  zu  machen.  Seine  Division 
löste  sich  gleichsam  stückweise  auf.  Generalmajor  Prinz  Rohan 
marschierte  auf  den  früher  gegebenen  Befehl  von  Suworoff  hin 
wieder  nach  Bellinzona  und  von  da  über  Locarno  und  durch  das 
Centovalli-Thal  nach  Domo  d'  Ossola. 

Zur  Verfügung  von  FML.  Hadik  verblieben  —  die  Brigade 
St.  Julien  muß  natürlich  abgerechnet  werden  —  nur  6  Bataillone 
und  1  Jägercompagnie  Leloup.  Und  selbst  von  dieser  geringen 
Truppen  menge  mußte  er  12  Compagnien  ins  Oberwallis  gegen  die 
anrückende  Division  Xaintrailles,  3  Compagnien  auf  die  Grimsel 
und  die  Furka,  5  Compagnien  zur  Verstärkung  der  geworfenen 
Brigade  St.  Julien  entsenden. 

Schon  war  FML.  Hadik  fest  entschlossen,  am  3.  Juni  die  Gott- 
hardstellung  wieder  zu  räumen,  als  jene  unerwartete  Wendung  der 
Dinge  beim  Gegner  eintrat.  Zugleich  erfuhr  er,  daß  Generalmajor 
Herbert  aus  dem  Bündner-Oberlande  mit  Verstärkungen  heran- 
rücke. Nur  durch  dieses  Zusammentreffen  glücklicher  Umstände 
blieb  der  Gotthard  den  Verbündeten  erhalten.  Suworoff  dagegen 
befahl  dem  FML.  Bellegarde,  3000  Mann  zur  Verstärkung  des 
Corps  Hadik  sogleich  abgehen  zu  lassen,  damit  dieser  zum  Angriff 
gegen  Xaintrailles  schreiten  könne.  Prinz  Rohan  erhielt  Befehl, 
dem  Walliser  Landsturm  den  nötigen  Schießbedarf  und  4  Gebirgs- 
geschütze  über  den  Simplon  zugehen  zu  lassen. 

An  FML. Hadik  selbst  schrieb  der  alte  Marschall  ermutigend: 
,Der  tapfere  FML.  Hadik  schlug  mit  Ruhm  die  beiden  Divisionen 
Lecourbe  und  Loison  und  trieb  dieselben  in  die  Schweiz  zurück; 
jetzt  wäre  es  für  denselben  noch  von  größerer  Wichtigkeit,  mit 
seinem  Corps  auch  den  feindlichen  General  Xaintrailles  zu  schlagen." 
Und  ferner:  „Der  St.  Gotthard  ist  der  wichtigste  Punkt  auf  dem 
ganzen  Kriegsschauplatze  und  dies  sowohl  für  Italien  als  für  die 
Schweiz.  Um  ihn  zu  halten,  müssen  alle  Mittel  angewendet  werden, 
oder  besser  gesagt  —  es  muß  der  Feind  angegriffen  und  in  die 
Flucht  geschlagen  werden."  An  Erzherzog  Karl  meldete  Suworoff: 
„Um  nach  Maßgabe  meiner  Kräfte  zu  den  glänzenden  Erfolgen 
Ew.  Hoheit  mitzuwirken,  habe  ich  befohlen,  das  Corps  Hadiks  bis 
zu  12  000  Mann  zu  verstärken,  damit  derselbe  über  den  Simplon 
und  den  St.  Bernhard  ins  Wallis  und  dann  gegen  Martigny, 
St.  Maurice,  Aigle,  Villeneuve  und  Vevey  vordringen  könne." 

In  einem  von  FML.  Hadik  selbst  gefertigten  Standesausweise 
vom  9.  Juni  (Miliutin  II,  454,  Nr.  198)  verfügte  er  über  15  Ba- 
taillone, 271/2  Compagnien  und  1  Schwadron  mit  zusammen  12  597 
Mann.     Diese  Truppen  verteilten  sich  wie  folgt : 


9(5 

Brigade  Strauch.  Brigade  St.  Julien. 

1  Bataill.  Banat  976  M.       2  Bataill.  Xeugebauer  518  U. 

2  „  Wallis  1701  „  1  „  de  Vins  423  „ 
1  „  Grenad.AYeißenwolf  1714  „  1  .,  Kinsky  687  „ 
6  Comp.  Siegenfeld  683  „  3  Comp.  Munkacy  170  „ 
6       „       Carneville                    392  „ 

1  Scnwadr.  Erdödy-Husaren     174    „ 

Brigade  de  Briev.  Brigade  de  Xobili. 

3  Bataill.  Großh.  Toscana       2119  M.       2  Bataill.  Oranien  1706  M. 
1       „         St.  Georgen                932    .,        3  Comp.  Trautenberg  281    „ 

6       .,       Greth  634    „ 

3       „       Jäger  Leloup  325    „ 

1 2     „       Pioniere  71    „ 

Suworoff  entsendete  sogar  den  Obersten  Weyrother  zu  FML. 
Hadik,  um  diesen  zum  Handeln  zu  bewegen.  Alles  ohne  Erfolg ; 
der  österreichische  General  blieb  unbeweglich  in  Airolo  und  dem 
Urserenthale  stehen,  ohne  Xaintrailles  weiter  zu  beunruhigen  oder 
Lecourbe  im  Reußgebiete  zu  verfolgen. 

So  erklärt  sich  auch  der  scharfe  Verweis,  den  diese  Unthätig- 
keit  ihm  von  Seiten  Suworoffs  zuzog: 

„Trotzdem  Sie  Sieger  gewesen,  machten  Sie  dennoch  Halt  und 
blieben  wieder  bei  Ihrem  „Unterkunft  und  Unbestimmt  gesagt" 
stehen.  Sie  hätten,  nachdem  Sie  den  Feind  geschlagen,  denselben 
verfolgen  sollen ;  im  Falle  eines  Sieges  kann  man  den  Feind  auch 
durch  eine  kleine  Abteilung  abschneiden.  Statt  dessen  fiel  Oberst 
St.  Julien  zum  Opfer;  derselbe  wurde  angegriffen  und  erlitt  das 
Schicksal,  das  eigentlich  den  Feind  hätte  treffen  sollen.  ...  Sie 
haben  ein  hübsches  Corps,  dessen  Stärke  sich  fast  auf  lOOüO  Mann 
belief;  wegen  Ihrer  planlosen  Anordnungen  mußte  ich  in  aller 
Eile  mehr  als  den  dritten  Teil  des  Beilegardeschen  Corps  Ihnen 
zusenden,  obgleich  dasselbe  doch  gegen  den  Feind,  der  aus  Toscana 
heranrückt,  hätte  verwendet  werden  sollen;  die  Ihnen  gesendete 
Verstärkung  brachte  auch  nicht  den  geringsten  Nutzen. "  (Miliutin 
II,  126.) 

In  der  That  befand  sich  aber  Lecourbe  seit  dem  Erscheinen 
größerer  gegnerischer  Streitkräfte  im  Muottathal  und  auf  dem 
Klausenpasse  ohne  eigentliche  Rückzugslinie.  Als  vollends  die 
Entscheidung  bei  Zürich  bevorstand,  welche,  wie  Massena  wohl 
im  voraus  wissen  konnte,  mit  einem  Rückzuge  für  ihn  enden 
mußte,  da  war  es  nur  ein  Gebot  der  Klugheit,  daß  er  die  Division 
Lecourbe  aus  dem  Reuß-  und  Muottathale  so  nahe  als  möglich 
an  sich  zog. 

Clausewitz  (I,  330 — 333)  faßt  die  Ergebnisse  der  von  der 
Division  Lecourbe  im  Laufe  des  Monats  Mai  gelieferten  Kämpfe 
und  die  Bedeutung  des  Besitzes  der  Gotthardstellung  in  folgenden 
Sätzen  zusammen: 

„Wir  sehen  also  den  General  Lecourbe  in  den  vier  Wochen 


97 

des  Mai  eine  fünffache  Bewegung  machen,  von  Ponte  über  Lenz, 
den  Bernhardin,  Bellinzona,  den  St.  Gotthard  nach  Altdorf,  ohne 
daß  diese  Bewegung  ein  eigentliches  strategisches  Objekt  erreicht 
hätte,  denn  der  kleine  Sieg  über  den  Prinzen  Rohan  war  zu  un- 
bedeutend und  zu  ungewiß,  als  daß  er  dafür  gelten  konnte.  Kaum 
ist  er  bei  Loison  eingetroffen,  so  muß  er  nach  dem  St.  Gotthard ; 
kaum  auf  dem  St.  Gotthard  angekommen,  ruft  ihn  der  Befehl 
Massenas  nach  Altdorf.  Freilich  haben  wir  für  Lecourbes  Be- 
wegung nach  Bellinzona  einen  Grund  angegeben ,  nämlich  die 
Zugänge  zum  St.  Gotthard  zu  decken.  Hier  fragen  wir  aber  nicht 
nach  den  Motiven,  die  der  General  Massena  hatte,  sondern  nach 
dem  Nutzen,  den  die  Bewegung  wirklich  gestiftet,  und  kommen 
erst  durch  diesen  auf  die  Zulässigkeit  des  Motivs.  Die  Bewegung 
Lecourbes  zeigt,  daß  Massena  den  St.  Gotthard  nicht  halten,  noch 
viel  weniger  die  Gegend  von  Bellinzona  behaupten  konnte,  und 
doch  war  Beliegarde  abmarschiert  und  hatte  von  seiner  Armee 
nur  etwa  15000  Mann  gegen  die  Schweizer  Armee  gelassen;  wie 
viel  weniger  konnte  also  die  Absicht  Massenas  zulässig  sein,  da 
er  gar  nichts  von  diesem  Abmärsche  Bellegardes  wußte ! 

Wenn  wir  gleichwohl  den  General  Lecourbe  in  diesen  vier 
Wochen  drei  kleine,  aber  sehr  verschiedene  Siege,  den  13.  Mai  auf 
dem  Monte  Cenere,  südlich  von  Bellinzona,  gegen  Rohan,  den  28. 
im  Muottathal  am  Yierwaldstättersee  gegen  Cavasini,  den  31.  aber 
im  Thale  der  Reuß  gegen  St.  Julien  erfechten  sehen,  so  ist  das 
wieder  nur  der  unnachahmlichen  Thätigkeit  und  großen  Ent- 
schlossenheit dieses  Generals  zuzuschreiben.  Der  Weg,  welchen 
er  vom  4.  bis  31.  Mai  zurücklegt,  beträgt  etwa  40  Meilen,  dreimal 
übersteigt  er  die  Kette  der  hohen  Alpen  und  zweimal  überschifft 
er  den  südlichen  Teil  des  Vierwaldstättersees.  Die  französischen 
Fahnen  allerdings  müssen  es  dem  General  Massena  Dank  wissen, 
dem  General  Lecourbe  Gelegenheit  zu  diesem  bewunderungswürdigen, 
höchst  glänzenden  Abschnitte  des  Feldzugs  gegeben  zu  haben. 

Hier  ist  die  Frage  an  ihrem  Orte,  welchen  Wert  der  Besitz 
des  St.  Gotthard  für  beide  Teile  haben  konnte.  Wir  sind  so  dreist 
zu  behaupten:  einen  sehr  unbedeutenden,  so  anstößig  dies  auch 
dem  Generalstabe  aller  Armeen  sein  mag. 

Daß  er  in  seiner  geologischen  Bedeutung  als  der  höchste 
Punkt  der  Schweiz,  als  der  Teilungspunkt  des  großen  europäischen 
Wasserzuges  einen  Wert  haben  könne,  leugnen  wir  ganz,  ohne 
uns  darüber  auszuweisen,  weil  wir  der  Meinung  sind,  daß  es  gerade 
jenen  Männern,  die  dem  Begriffe  des  Dominierens  diese  illusorische, 
größtenteils  figürliche  Bedeutung  gegeben  haben,  obliegt,  den 
Beweis  für  die  Realität  derselben  zu  führen,  den  sie  immer  noch 
schuldig  sind. 

Es  hat  sich  nämlich  diese  ganze  Ansicht  bis  jetzt  immer  nur 

Günther,  Feldzug  1799.  7 


98 


noch  in  Phraseologie  geäußert.  Daß  es  unthunlich  oder  auch  nur 
merklich  schwieriger  wäre,  sich  bei  Dissentis  oder  Amsteg  in  einem 
Posten  zu  halten,  als  auf  dem  St.  Gotthard,  und  bloß  deswegen, 
weil  dieser  3000 — 4000  Fuß  höher  liegt  als  jene  Punkte,  ist  auch 
durch  nichts  erwiesen,  sondern  wird  vielmehr  selbst  durch  Beispiele 
aus  dieser  Kriegsgeschichte  widerlegt.  Aber  freilich  ist  der  St.  Gott- 
hard auch  ein  Teilungspunkt  für  die  Straßen,  da  er  für  Pferde 
und  Lasttiere  brauchbar  ist.  Auf  der  einen  Seite  sendet  er  Wege 
nach  Chur  und  Altdorf,  auf  der  anderen  nach  Brieg  im  Wallis, 
Domo  d?  Ossola  und  Bellinzona.  Nun  kann  ein  Straßenknoten  in 
der  Strategie  allerdings  von  großer  Bedeutung  sein,  aber  nur  wenn 
diese  Straßen  selbst  eine  Bedeutung  haben,  also  wenn  sie  zu  einem 
Gegenstande  führen,  der  eine  starke  Beziehung  zu  dem  kriegerischen 
Akte  hat,  und  wenn  eine  Armee  da  ist,  welche  sie  in  dem  einen 
oder  anderen  Fall  benützen  will.  Die  Straßen  nach  Domo  d'  Ossola 
und  Bellinzona  hatten  für  die  Franzosen  als  Verbindung  zwischen 
ihren  beiden  Armeen  keinen  Wert  mehr,  da  die  italienische  sich 
nach  den  Apenninen  zurückgezogen  hatte;  sie  hätten  also  nur 
Wert  haben  können,  wenn  die  Franzosen  darauf  bedacht  gewesen 
wären,  den  Rücken  der  verbündeten  Armee  in  Italien  zu  bedrohen ; 
das  konnte  aber  vernünftigerweise  in  dem  Augenblicke  nicht  ihr 
Zweck  sein,  wo  die  Armee  Massenas  in  der  Schweiz  selbst  so 
unmittelbar  bedroht  war.  Der  Weg  durch  das  Walliser  Thal  war 
in  den  Händen  der  Insurgenten,  und  wenn  er  auch  frei  gewesen 
wäre,  so  gab  es  ja  zum  Paß  über  den  großen  Bernhard,  welcher 
in  dem  Augenblicke  der  einzige  Verbindungsweg  von  Wert  war, 
noch  andere  Wege,  als  über  den  St.  Gotthard.  Der  Weg  über 
den  Crispalt  nach  Chur  fährte  ins  Rheinthal  zu  den  Oesterreichern, 
der  Weg  nach  Altdorf  zur  Armee  Massenas.  Aber  erstlich  setzt 
der  Besitz  des  St.  Gotthard  keineswegs  den  des  Crispalt  voraus, 
wenn  er  ihn  auch  erleichtert;  zweitens  ist  es  ebenso  übertrieben 
zu  sagen,  daß  der  Crispalt  eine  Herrschaft  über  das  Rheinthal 
übt,  denn  wir  müssen  darauf  zurückkommen  zu  behaupten,  daß 
man  sich,  abgesehen  von  der  Zufälligkeit  der  Lokalität,  in  einem 
Posten  bei  Dissentis  oder  irgendwo  sonst  ebenso  gut  halten  könne, 
als  auf  dem  St.  Gotthard,  und  ebenso  konnten  die  Franzosen  den 
Weg  zu  Massena  gegen  die  Oesterreicher  decken,  ohne  auf  dem 
St.  Gotthard  zu  stehen.  Wir  meinen  daher,  daß  der  St.  Gotthard, 
sobald  Moreau  die  Lombardei  nicht  hatte,  als  Verbindungspunkt 
beider  Armeen  keinen  Wert  haben  konnte ;  wollte  man  aber  sagen, 
er  hätte  ihn  mittelbar  gehabt,  um  die  Verbindung  der  beiden 
österreichischen  Armeen  zu  erschweren,  so  antworten  wir,  daß 
über  den  Julierberg,  den  Splügen  und  Bernhardin  Pässe  genug 
mit  geringem  Umwege  nach  Italien  führten,  so  daß  eine  ganze 
Armee,  wie  die  von  Bellegarde,  ohne  Hindernis  dahin  zog. 


99 

Wir  glauben  also,  daß  in  der  Lage  der  Dinge,  welche  im 
Mai  und  Juni  stattfand,  der  Besitz  des  St.  Gotthard  von  keiner 
sonderlichen  Bedeutung  sein  konnte ,  und  daß ,  wenn  er  auch  in 
der  Behauptung  des  Gebirges  einige  Vorteile  gewährt  hätte,  diese 
es  nicht  wert  waren,  sich  darum  mehr  auszudehnen,  als  ratsam 
war.  Wirklich  sehen  wir  auch  Massena  am  Ende  des  Abschnitts, 
in  welchem  wir  uns  hier  befinden,  den  St.  Grotthard  samt  dem 
hohen  Gebirge  aufgeben  und  den  General  Lecourbe  mit  seiner 
Hauptmacht  nördlich  vom  Vierwaldstättersee  sich  stellen,  ohne 
daß  er  sich  dabei  übler  befunden  hätte." 

Wohl  verstanden,  gelten  diese  Ausführungen  lediglich  für  die 
Feldzugslage  während  des  Monats  Mai  1799  und  als  Erläuterung 
der  falschen  Ansicht,  welche  noch  in  den  Tagen,  da  Clausewitz 
schrieb  (1819/20),  den  Meinungen  vieler  rücksichtlich  der  „beherr- 
schenden Gebirgsstellungen"  gebot.  In  jenem  Augenblicke,  da  die 
Franzosen  vorzüglich  daran  denken  mußten,  ihre  Kräfte  in  der 
Schweiz  von  neuem  zu  sammeln  und  zu  ordnen,  durften  sie  des 
Gotthard  wohl  entbehren.  Sobald  es  sich  aber  darum  handelte, 
die  Verbindung  mit  ihren  auf  Italiens  Boden  kämpfenden  Kameraden 
wieder  herzustellen,  mußten  sie  auch  an  die  Wiedereroberung  des 
gewaltigen  Gebirgsstockes  denken. 

Für  die  Verbündeten  kommen  freilich  die  entgegengesetzten 
Beweggründe  zur  Geltung.  Ihnen  mußte  vor  allem  daran  liegen, 
Frankreichs  Heere  getrennt  von  einander  zu  besiegen  und  sich 
durch  die  Schweiz  einen  Weg  nach  Mittel-Frankreich  zu  sichern. 
Dieses  Ziel  zu  erreichen,  glaubten  sie  des  Besitzes  der  Gotthard- 
stellung  keineswegs  entraten  zu  können.130 


->-<3~- 


IV. 

Die  Ereignisse  während  der  Waffenruhe. 


Nach  der  ersten  Schlacht  von  Zürich  trat  ein  längerer,  zwar 
keineswegs  erzwungener,  noch  auch  durch  die  Kriegführenden  be- 
stimmter Waffenstillstand   ein.     Erzherzog  Karl  hatte  den  FML. 
Sztarray  nach  Schwaben  entsendet,  behielt  aber  doch  in  der  Schweiz 
nicht  weniger  als  65  000  Mann  zur  Verfügung.     Die  Aufstellung 
derselben  ward  in  folgender  Weise  geordnet : 
45  000  Mann  (44  Bataill.,  68  Schwadr.)  an  der  Limmatlinie  unter 
Erzherzog  Karl, 
7  000  Mann  (6  Bataill.,  S  Schwadr.)  bei  Stühlingen  und  Walds- 
hut unter  FML.  Nauendorf, 
8000  Mann  (12  Bataill.,  5  Schwadr.)  zwischen  dem  Zürcher  und 

Luzerner  See  unter  Generalmajor  Jellacic, 
4800  Mann  (7  Bataill.,  1  Schwadr.)  im  Reufithai  unter  General- 
major Bay. 
Die  Verbindung   mit   der   in  Italien   kämpfenden  Armee   der 
Verbündeten   sicherte   das  Corps   des  FML.  Hadik,    das   vorläufig 
noch   in  Hospenthal,  Airolo  und  den  Orten  der  Leventina   stand. 
Im  ganzen  verfügten   demnach   die  Verbündeten,    d.  h.  in  diesem 
Falle  die  Oesterreicher,    über  82  000  Mann,  welche  sich  zerstreut 
auf  der  weiten  Bogenlinie   vom  Simplon,    dem  Gotthard,   Schwyz 
und  Zürich   bis  in  den  Schwarzwald  befanden.     Zusammengefaßt 
hätte  diese  Macht  gewiß  völlig  hingereicht,  um  Massena,  welcher 
lediglich  65  000  Kämpfer  befehligte,  aus  der  Schweiz  zu  vertreiben. 

Die  Franzosen  deckten  das  von  ihnen  beherrschte  Gebiet  des 
Einheitsstaates  in  einer  ebenfalls  sehr  zersplitterten  Form: 
25  600  Mann   standen   Zürich   gegenüber   und   längs    der   Limmat 

unter  Massena. 
16000  Mann  deckten   unter  Souham  und  Ney  das  Frickthal  von 
der  Aaremündung  bis  nach  Basel. 
6  500  Mann  standen  vom  Zugersee  an  bis  jenseits  der  Sihlbrücke 
unter  Chabran  (IL  Division). 


101 

9  000 — 10  000  Mann  befanden  sich  zwischen  und  längs  dem  Zuger- 
und  Vierwaldstättersee,  sowie  im  Haslethal  (Di- 
vision Lecourbe). 
6  700  Mann  hielten  unter  Xaintrailles,  später  Turreau  das  Wallis. 

Trotz  seiner  hervorragenden  Ueberlegenheit  an  Streitkräften 
beschränkte  sich  Erzherzog  Karl  bei  Zürich  darauf,  einzelne  nicht 
einmal  vervollständigte  Maßregeln  zur  Verteidigung  zu  treffen. 
Massena  dagegen  war  viel  zu  schwach,  in  dieser  Zeit  zum 
Angriff  schreiten  zu  können.  Vielmehr  mußte  er  sich  glücklich 
schätzen,  nicht  in  Kämpfe  um  seine  feste  Albis-Stellung  verwickelt 
zu  werden. 

Dagegen  ruhten  auch  während  der  Waffenruhe  die  Unter- 
nehmungen im  Gebirge  keineswegs.  Vielmehr  bewies  Lecourbe 
dort  von  neuem  seine  Thatkraft,  von  dem  weisen  Grundsätze  aus- 
gehend, daß  unbeschäftigte  Truppen  bald  wenig  leistungsfähig 
erscheinen. 

In  Italien  begann  sich  die  Abneigung  der  kaiserlichen  Gene- 
ralität  gegen  die  Art,  wie  Suworoff  Krieg  führte,  deutlich  fühlbar 
zu  machen.  Es  kam  so  weit,  daß  der  Marschall  seinen  Zaren  um 
sofortige  Abberufung  anging  und  Paul  dem  Grafen  Rasumowsky 
den  Auftrag  erteilte,  von  Kaiser  Franz  selbst  die  nötige  Auskunft 
zu  verlangen.  Die  Angelegenheit  des  von  Suworoff  befohlenen 
Marsches  des  Corps  Hadik,  das  zu  diesem  Zwecke,  nämlich  um 
ins  Wallis  einzudringen,  ansehnlich  verstärkt  wurde,  liefert  hiefür 
die  hervorragende  Erläuterung. 

Prinz  Charles  Rohan,  der  nicht  mit  Prinz  Viktor  zu  ver- 
wechseln ist,  stand  im  Val  d' Aosta.  Von  hier  aus  wollte  er  es 
versuchen,  sich  der  Pässe  über  den  Simplon  und  den  Großen 
St.  Bernhard,  welche  durch  Teile  der  Division  Xaintrailles  besetzt 
waren,  zu  bemächtigen. 

Am  17.  Juni,  morgens  6  Uhr,  griff  er  die  Stellung  auf  dem 
zuletzt  genannten  Bergsattel  mit  drei  Kolonnen  an.  Beim  Hospiz 
hatte  die  französische  Mannschaft  eine  Schanze  errichtet,  welche 
von  2  Geschützen  gedeckt  ward.  Trotz  eines  mehrstündigen  Ge- 
fechtes blieben  alle  Anstrengungen,  das  Ziel  zu  erreichen,  völlig 
umsonst.  „Der  Felsen,  auf  welchem  die  Franzosen  ihre  Redoute 
errichtet  hatten,  war  mit  Eis  und  Schnee  bedeckt ;  die  angreifenden 
Truppen  mußten  gegen  denselben  auf  einem  engen  Gebirgssteige 
paarweise  und  unter  dem  Feuer  des  Feindes  heranklimmen. " 
(Miliutin  II,  556/7,  Nr.  182.) 

Unter  dem  12./13.  Juni  erhielt  FML.  Hadik  den  Befehl,  die 
Brigaden  Nobili  und  Rohan  sogleich  nach  Turin  abgehen  zu 
lassen  und  für  dieselben  sich  den  nötigen  Ersatz  zu  verschaffen. 
Tags  darauf  ward  er  jedoch  wiederum  und  zwar  ebenfalls  von 
Suworoff  angewiesen,  im  Vereine  mit  den  Generalmajors  Bay  und 


102 

Jellacic  zu  handeln,  um  sich  des  Wallis  zu  bemächtigen.  Der 
Erzherzog,  von  diesem  Auftrage  benachrichtigt,  empfing  am 
16.  Juni  den  neuerlichen  Ausdruck  des  Wunsches  von  Suworoff, 
die  Ablösung  der  Truppen  des  FML.  Hadik  zu  beschleunigen. 
Diesem  sollte  derart  die  Möglichkeit  geboten  werden,  schnell 
nach  Turin  abzumarschieren.  Suworoff  ist  hier  nicht  zu  ent- 
schuldigen, jedenfalls  wußte  FML.  Hadik  durchaus  nicht,  woran 
er  sich  eigentlich  zu  halten  habe.  Erzherzog  Karl  dagegen  glaubte 
an  die  größte  Gefahr,  soferne  er  die  ausgedehnte  Stellung  auf 
dem  einen  oder  anderen  Punkte  schwächen  müsse.  Er  entsendete 
aus  diesem  Grunde  keine  Ablösung  für  FML.  Hadik  und  Suworoff 
ward  demnach  gezwungen,  die  bereits  in  der  Po-Ebene  eingetroffenen 
Teile  des  Corps  wieder  in  ihre  alten  Stellungen  zurückzuschicken. 

FML.  Hadik  befehligte  gegen  Ende  Juni  10  990  Mann  (181/* 
Bataillone) ;  von  diesen  standen  8  Bataillone  unter  Oberst  Strauch 
im  Oberwallis,  21k  Bataillone  unter  Prinz  Victor  Rohan  hielten 
denSimplon,  8  weitere  Bataillone  hatte  der  Feldmarschall-Lieutenant 
selbst  bei  sich  in  den  Orten  des  Val  d'Aosta.  Noch  am  30.  Juni 
erhielt  er  von  Suworoff  Befehl,  das  Corps  auf  die  Stärke  von 
13  000  Mann  zu  bringen  und  nun  endlich  von  der  Furka,  dem 
Simplon  und  dem  Großen  St.  Bernhard  her  ins  Wallis  einzudringen. 

In  dem  aus  Alessandria  den  29.  Juni  gefertigten  Berichte 
des  Verlaufes  der  Schlacht  an  der  Trebbia  meldet  der  Marschall 
(Miliutin  II,  273):  „.  .  .  Außerdem  stehet  Feldmarschall-Lieutenant 
Hadik,  welcher  bereits  bis  7000  Mann  im  oberen  Walliserland 
zwischen  dem  Gotthards-Furcule-  und  Simple-Berge  stehen  hat. 
Er  wird  mit  andere  6000  Mann  über  den  großen  Bernardberg  ins 
Unterland  einbrechen,  um  den  Feind  in  Leuk  und  Brig  zwischen 
zwei  Feuer  zu  bringen  und  das  ganze  Thal  zu  reinigen  und  zu 
behaupten,  bis  nicht  S.  K.  H.  (Erzherzog  Karl)  die  von  Ew.  Majestät 
anbefohlene  Ablösung  dieses  Corps  in  Erfüllung  zu  bringen  vermag/ 

Darauf  antwortete  Kaiser  Franz  als  getreuestes  Echo  seines 
Ministers  Thugut  (Miliutin  II,  275):  „  .  .  .  Daß  das  Hadiksche 
Corps  mit  sämtlichen  dazugehörigen  Truppen  dermalen  einen  Teil 
Meiner  unter  Ihren  Befehlen  stehenden  italienischen  Armee  aus- 
machet, folglich  von  Ihnen,  sowie  Sie  es  an  Zeit  und  Umständen 
nützlich  und  dienlich  finden  werden,  zu  den  Operationen  in  Italien 
verwendet  werden  kann,  und  es  bloß  darauf  ankommen  wird, 
daß  an  dem  Gotthardberge  jene  Anzahl  von  Truppen  aufgestellt 
gelassen  w7erde,  die  Sie  für  nötig  erachten  dürften,  um  gegen 
einen  allenfälligen  feindlichen  Einbruch  von  dorther  zu  sorgen, 
welches  ohnehin  nicht  sehr  zu  befürchten  sein  dürfte,  weil  Massena 
nicht  wohl  seine  Armee  in  der  Schweiz  durch  Detachements  nach 
Italien  schwächen  kann,  ohne  sich  gegen  Meinen  Bruder,  den 
Erzherzog  Karl,  bloßzugeben. " 


103 

Daraufhin  mußte  Suworoff  natürlich  von  einem  Angriffe 
gegen  das  Wallis  abstehen,  wollte  er  sich  rieht  einen  erneuerten 
Verweis  vom  Kaiser  „wegen  Nichterfüllung  der  Befehle"  zuziehen. 
Dem  österreichischen  Hofe  lag  einzig  und  allein  daran,  die  Festung 
Mantua  wieder  in  kaiserlichem  Besitze  zu  wissen.  Alle  übrigen 
Unternehmungen  mußten  vor  der  Belagerung  dieses  Platzes  zurück 
stehen. 

Am  7.  Juni  erreichte  die  Division  Lecourbe  ihre  neuen  Stand- 
orte. Der  Ausweis  über  die  Stärkenverhältnisse  vom  19.  Juli 
gestaltet  sich  wie  folgt: 

Hauptquartier  der  Division  in  Luzern. 

106  Chasseurs  vom  12.  Regiment,  219  Artilleristen,  130  Pontoniere, 

108  Genie-Sappeure. 

Brigade  Loison:  Brigade  Boivin: 

38.  u.  67.  Halbbrigade  =  3340  M.      76.,  84.  und  87.  Halbbrigade  = 

109.  Halbbrigade,  IL  Lemaner-  3849  M. 

bataillon  =  2708  M. 

Demnach  zählte  die  Division  zusammen:  13  Bataillone  (9403  M.), 
1  Schwadron  (106  M.)  und  verfügte  über:  4  Achtpfünder,  2  Vier-, 
1  Zwölf-  und  1  Sechzehnpfünder.  Die  Zahlen  entsprechen  etwa 
zwei  Dritteln  des  gesetzlichen  Bestandes.  Zur  Vergegenwärtigung 
des  Abganges  an  Mannschaft  mag  das  Beispiel  der  38.  Halbbrigade 
angeführt  werden.  Diese  zählte  an  jenem  Zeitpunkte :  47  anwesende, 
31  abwesende  Offiziere  ;  1454  Mann  unter  dem  Gewehr,  313  in 
den  Spitälern,  331  in  Kriegsgefangenschaft. 

Die  Truppen  des  Generals  Loison  deckten  Bauen,  Beckenried 
und  den  übrigen  Teil  des  Kantons  Unterwaiden.  Der  General 
Rheinwald,  welcher  die  Geschäfte  eines  zweiten  Chefs  des  Stabes 
von  Massen a  übernahm,  ward  durch  General  Boivin  ersetzt.  Die 
diesem  unterstehende  Brigade  des  rechten  Flügels  deckte  den 
Kanton  Zug  und  den  nordwestlichen  Teil  von  Inner-Schwyz. 

Am  12.  Juni  erhielt  Lecourbe  für  wenige  Tage  und  wohl  in 
Vertretung  des  Generals  Chabran  den  Befehl  über  die  IL  Division, 
deren  Stellungen  er  enger  aneinander  schloß.  Die  IL  Division 
zog  nämlich  ihre  Vorpostenlinie  von  der  Sihl  zurück  und  räumte 
Schindellegi.  Rückwärts  des  kleinen  Dörfchens  Finstersee  stützte 
sie  nun  ihren  rechten  Flügel  auf  die  Höhe  des  Gubel.  Der  linke 
Flügel  besetzte  dagegen  die  Sihlbrücke,  um  dergestalt  die  Haupt- 
straße von  Wädensweil  nach  Zug  zu  decken.  Zugleich  erhielt 
die  Division  Lecourbe  am  13.  Juni  eine  Verstärkung  durch  III./37., 
die  44.  Halbbrigade  und  6.  Compagnie  des  I.  Lemaner-Bataillons, 
welche  Truppen  aber  sogleich  der  IL  Division  einverleibt  wurden. 

Am  14.  Juni  bezog  auch  die  Brigade  Boivin  ihre  neuen 
Stellungen.      Sie    räumte   Rothenthurm,    Sattel    und   Altmatt   am 


104 

Biberbache.  Der  rechte  Flügel  lehnte  an  der  Rigi,  der  linke  am 
Roßberg.  Die  Vorpostenlinie  im  Thale  des  Lowerzer  Sees  er- 
streckte sich  von  Steinerberg  nach  Lowerz,  durch  das  heutige 
Trümmerfeld  des  Bergsturzes  vom  2.  September  1806.  Der  Rest 
der  6.  Halbbrigade  und  das  Corps  d'expedition  kamen  nach  Goldau, 
die  12.  leichte  Halbbrigade  verlegte  eines  ihrer  Bataillone  in  ein 
Bivouac,  „das  an  ein  kleines  Wäldchen  längs  dem  Wege  nach 
Steinen  und  unterhalb  des  Ortes  Steinerberg "  sich  erstreckte. 
Die  Oertlichkeit  läßt  sich  jetzt  natürlich  nicht  mehr  genauer  be- 
stimmen. Das  andere  Bataillon  bezog  dagegen  ein  Hüttenlager 
hinter  dem  Vereinigungspunkte  der  Straße  von  Lowerz  und  des 
Querweges,  welcher  von  Steinen  gegen  diesen  Ort  hin  führt.  Die 
Stellung  lag  vermutlich  auf  der  kleinen  Ebene  unterhalb  der 
Häusergruppe  Busingen,  am  nordöstlichen  Fuße  der  Rigi-Scheideck. 

Auch  die  87.  Halbbrigade  trat  jetzt  unter  die  Befehle  von 
Lecourbe.  Sie  stand  im  oberen  Aarethale  und  trieb  am  16.  Juni 
eine  Erkundung  bis  zum  Spitale  auf  die  Grimsel  hinauf.  Der 
dortige  österreichische  Posten,  1  Unteroffizier  mit  8  Mann,  ließ 
sich  überraschen  und  ward  kriegsgefangen.  Immerhin  besetzte 
Oberst  Strauch  den  genannten  Uebergang  sogleich  wieder  und  zwar 
sonderbarerweise  mit  einer  gleich  starken  Abteilung. 

Am  23.  Juni  (4.  Thermidor)  trieben  die  Oesterreicher  ihre 
Patrouillen  bis  ins  Dorf  Steinen  vor,  um  den  Marsch  einer  Abteilung 
über  den  Sattel  nach  Rappers wyl  zu  decken.  Unter  dem  24.  Juni 
erwähnt  das  Feldtagebuch,  daß  ein  der  Division  zugeteiltes  Halb- 
bataillon aus  dem  Aargau  fast  völlig  durch  Fahnenflucht  aufgelöst 
worden  sei.  Da  es  nur  noch  75  Mann  unter  dem  Gewehre  hatte, 
so  wurden  auch  diese  entlassen.  Die  Grenadier-Reserve  (3  Com- 
pagnien  der  38.,  76.  und  109.  Halbbrigade)  kam  von  Luzern 
nach  Arth,  die  zur  Division  gehörende  Schwadron  des  12.  Chasseur- 
Regiments  neben  4  Compagnien  der  76.  Halbbrigade  von  Seelis- 
berg  nach  Gersau.  Am  3.  Juli  (14.  Thermidor)  ward  auf  Befehl 
von  Massena  eine  Erkundung  gegen  Schwyz  unternommen,  das 
nur  von  l1/g  Bataillonen,  900  bewaffneten  Landleuten,  einer  Ab- 
teilung Kavallerie  (und  4  Geschützen)  gedeckt  ward.  Man  glaubte 
nämlich,  daß  die  Division  Jellacic  durch  Entsendung  von  Ver- 
stärkungen für  die  verbündete  Armee  in  Italien  sehr  geschwächt 
wäre.  So  mußte  auch  gleichzeitig  die  Division  Chabran  an  dem 
Unternehmen  sich  beteiligen. 

Für  Lecourbe  lag  es  überdies  im  Plane,  den  Artilleriepark 
der  Oesterreicher  in  Schwyz  fortzunehmen  und  die  für  den  Bau 
und  die  Ausrüstung  von  Schiffen  bei  Brunnen  errichtete  Werft 
zu  zerstören. 

Zu  diesem  Zwecke  ging  der  General  Boivin  mit  2  Bataillonen 
Corps    d'expedition,    30  Chasseurs    vom    12.   Regiment    und    den 


105 

3  Grenadier-Compagnien  als  Reserve  um  6  Uhr  vormittags  von 
Goldau  über  Steinerberg  und  Steinen  gegen  Schwyz  vor.  Der 
Gegner  aber  ließ  sich  nicht  überraschen,  sondern  erwartete  die 
Franzosen  festen  Fußes,  welche  nach  dem  Feldtagebuch  „hier 
durchaus  nicht  alles  das  leisteten,  was  man  füglich  von  ihnen 
erwarten  konnte."  Immerhin  machte  die  Kolonne  1  Offizier  und 
etwa  30  Mann  zu  Gefangenen.  Eine  zweite  Abteilung  unter  den 
Befehlen  des  Bataillonschefs  Gauthier  mit  2  Bataillonen  der 
12.  leichten  Halbbrigade  und  12  Chasseurs  brach  zu  gleicher  Zeit 
wie  General  Boivin  ebenfalls  von  Goldau  auf,  um  über  Lowerz 
und  längs  dem  See  Schwyz  zu  erreichen.  Aber  ehe  sie  noch 
in  Seewen  einzudringen  vermochte,  trat  der  Kolonne  die  ganze 
kleine  Macht  des  in  Schwyz  befehligenden  Majors  Eötvös  entgegen. 
In  der  Unordnung,  in  der  sich  die  Franzosen  befanden,  konnten 
sie  den  Stoß  nicht  aushalten,  sondern  wurden  zur  Umkehr  ge- 
zwungen. Dabei  verloren  sie  7  Offiziere  und  43  Mann  an  Gefangenen. 

Eine  dritte  Abteilung,  geführt  von  dem  Escadronchef  Porson 
und  bestehend  aus  4  Compagnien  der  76.  und  1  Compagnie  der 
109.  Halbbrigade,  überschritt  von  Lowerz  aus  die  Einsattelung 
zwischen  der  Scheideck  und  der  Hochfluh  (1195  m,  Steigung  etwa 
732  m),  um  von  Gersau  aus  Brunnen  längs  dem  Vierwaldstättersee 
zu  erreichen.  An  der  Muottabrücke  im  „Schroten"  traf  die  Kolonne 
auf  die  österreichischen  Vorposten.  Es  entspann  sich  ein  lebhaftes 
Feuergefecht,  an  welchem  auch  die  als  „Länder-Bauwi"  (das 
Direktorialschiff)  bekannte  Kanonierschaluppe  teilnahm.131  Auf 
dem  Fahrzeuge  und  der  dasselbe  begleitenden  Flotille  sollen  sich 
an  diesem  Tage  Lecourbe  und  500  Grenadiere  befunden  haben. 
(Dedon  23;  dlzarny  77.  Das  Feldtagebuch  weiß  nichts  davon.) 
Diese  hätten  sich  ausgeschifft  und  in  glänzender  Weise  am  Gefechte 
beteiligt.  Nach  und  nach  brachte  der  Gegner  2  Compagnien  vom 
Regiment  Stain  und  1  Bataillon  „Suisses  revoltes",  nämlich  Glarner 
und  Schwyzer  Milizen,  in  die  Feuerlinie.  Die  Milizen  hielten  sich 
sehr  brav.  Lieutenant  Knobel  und  5  Füsiliere  wurden  getötet, 
Hauptmann  Schindler  und  11  Mann  verwundet.  Es  gelang  jedoch 
den  Franzosen,  die  Brücke  mit  Sturm  zu  nehmen.  Eine  Compagnie 
verfolgte  den  weichenden  Gegner  bis  Ingenbohl.  Zwei  andere  Com- 
pagnien eilten  im  Laufschritte  nach  Brunnen  hinein  und  säuberten 
den  Ort  von  den  wenigen  dort  noch  anwesenden  Feinden,  die  sich 
nach  Morschach  zurückzogen.  Hierbei  wurden  6  (nach  öster- 
reichischer Angabe  nur  2)  Kanonen,  einiger  Schießbedarf,  mehrere 
Boote,  einiges  Handwerkszeug  und  Stricke  erbeutet.  Ebenso  fielen 
2  Offiziere,  100  Mann  vom  Regiment  Stain  neben  12  Kanonieren  und 
einem  Oberfeldscher  in  die  Kriegsgefangenschaft.  An  Toten  und 
Verwundeten  büßten  die  Oesterreicher  etwa  200  Mann  ein. 

Eine   vierte  Compagnie    der  französischen  Kolonne   trieb    auf 


106 

dem  rechten  Muottaufer  den  Gegner  über  Wylen  vor  sich  her, 
die  letzte  Coinpagnie  sicherte  die  Rückzugslinie  an  der  „Schroten." 

Dann  ward  langsam  der  Rückweg  angetreten.  Nach  Gersau 
eilte  eine  Compagnie  voraus,  um  eine  etwaige  Umgehung  von 
Lowerz  her  zu  verhindern.  Der  Feind  drängte  unter  der  that- 
kräftigen  Führung  des  Majors  Eötvös  heftig  nach,  gab  dann  aber 
jede  Verfolgung  auf. 

Am  11.  Juli  (21.  Thermidor)  trat  I./87.  Halbbrigade  einen 
Marsch  zur  Erkundung  der  Grimsel-Paßhöhe  an.  Vier  Leute  des 
Bataillons  waren,  durch  zwei  Bürger  verführt,  dorthin  entflohen. 
Der  Spital  wurde  besetzt  und  die  Fahnenflüchtigen  samt  den 
Verführern  gefangen.  Letztere  traf  einige  Tage  später  das  Schicksal, 
in  Luzern  erschossen  zu  werden. 

Mitte  Juli  stellte  sich  General  Gudin  bei  der  Division  ein.132 
Er  übernahm  den  Befehl  auf  dem  rechten  Flügel  der  Division. 
Der  Rest  der  6.  leichten  Halbbrigade,  die  beiden  Bataillone  der 
12.  leichten  Halbbrigade,  das  Corps  d'expedition  und  die  aus  ihm 
gebildeten  cisalpinischen  Grenadiere  verließen  die  Division.  Sie 
wurden  in  ihren  Stellungen  durch  IL/84.,  1. 1II./76.  Halbbrigade 
ersetzt.  Die  ebenfalls  neu  hinzugekommene  67.  Halbbrigade  ward 
dagegen  nach  Meiringen  unter  die  Befehle  des  Generals  Gudin 
gelegt.133  Die  3.  Schwadron  des  12.  Chasseurregimentes  endlich 
erhielt  den  Befehl,  den  Wachtdienst  in  Bern  zu  übernehmen.  Sie 
wurde  bei  der  Division  durch  die  4.  Schwadron  des  1.  Chasseur- 
regimentes ersetzt. 

Im  Reußthale  stand  der  österreichische  General  Bay  (oder  Bey) 
mit  sieben  schwachen  Bataillonen  (4500  Mann)  und  1  Schwadron 
(175  Säbel)  der  Regimenter  Gradisca,  Kerpen  und  Modena.  Zu 
Altdorf  war  das  im  Schächengrund  liegende  Vorratshaus  als  Kaserne 
eingerichtet  worden.  Um  die  schwache  Abteilung  des  Generalmajors 
Bay  wenigstens  etwas  zu  verstärken,  versuchten  englische  Sendlinge 
ein  „Frei-Corps"  durch  Werbung  zusammenzubringen.  Obwohl 
aber  6  Kronenthaler  Handgeld  gegeben  und  ein  täglicher  Sold 
von  12  Kreuzern  versprochen  wurde,  meldeten  sich  nur  wenige. 
Von  angesehenen  Leuten  nahm  niemand  derlei  Dienste. 

Seit  dem  10.  Juli  beunruhigten  die  gegnerischen  Kanonenboote 
von  Bauen  aus  unaufhörlich  die  Oesterreicher,  deren  Verbindung 
über  den  Urnersee  von  Flüelen  nach  Brunnen  derart  völlig  unter- 
brochen erschien. 

Bay  faßte  dementsprechend  den  Plan,  die  Franzosen  vom  West- 
ufer des  Sees  zu  vertreiben.  Er  bestimmte  zu  diesem  Vorhaben 
21U  Bataillone,  etwa  zusammen  2000  Mann. 

In  der  Nacht  zum  29.  Juli  um  2  Uhr  vormittags  begann 
der  Angriff.  Eine  kleine  Umgehungskolonne  von  2  Compagnien 
sollte  über  den  Urirotstock  den  Franzosen  in  den  Rücken  gelangen. 


107 

Die  Abteilung  verirrte  sich  jedoch  und  fiel  dann  im  Isenthal  voll- 
kommen erschöpft  den  Gegnern  in  die  Hände.  Eine  zweite  Kolonne 
ging  aufwärts  über  die  „Geige"  hin  vor;  die  Hauptmacht  blieb 
auf  der  Straße  oder  vielmehr  dem  notdürftig  gebahnten  Wege 
längs  des  Seeufers.  Die  kleinen  Posten,  welche  in  Isenthal  und 
Isleten  standen,  mußten  bald  weichen.  Bauen  ward  um  10  Uhr 
vormittags  besetzt  und  Generalmajor  Graf  Bay  gestattete  nun  seinen 
Truppen  die  notwendig  gewordene  Erholung,  ehe  er  den  Vor- 
marsch gegen  Treib  fortsetzte.  Unterdessen  vernahm  General 
Loison  von  den  Ereignissen.  Sogleich  warf  er  4  Compagnien  von 
11/76.  Halbbrigade,  welche  in  Beckenried  und  Emmeten  standen, 
nach  Seelisberg,  das  von  1  Compagnie  des  nämlichen  Bataillons 
besetzt  war.  Weitere  5  Compagnien  des  IL  Lemaner-Bataillons 
blieben  zu  Beckenried  in  Reserve.  Die  in  Emmeten  vereinigten 
Truppen  setzten  sich  sogleich  gegen  Seelisberg  in  Marsch.  Dieser 
Ort,  den  die  Einwohner  selbst  gegen  die  Oesterreicher  verteidigten, 
war  bereits  in  den  Händen  von  2  Compagnien  Oesterreichern, 
indes  größere  Abteilungen  gegen  Treib  hin  aufklärten.  Solche  Zer- 
splitterung der  Kräfte  sollte  sich  empfindlich  rächen. 

Unterstützt  von  den  Kanonierschaluppen,  die  nach  dem  Berichte 
des  Generals  Loison  viel  zum  glücklichen  Ausgange  des  Gefechtes 
beitrugen,  griffen  die  Franzosen  den  Gegner  so  überraschend  an, 
daß  dieser  schnell  und  ohne  Ordnung  zurückwich.  Zugleich  fiel 
ein  heftiger  Gewitterregen,  während  dem  die  Batterieschlösser  der 
Gewehre  natürlich  ihren  Dienst  versagten  und  nur  das  Bajonett 
als  Waffe  diente.  Die  Oesterreicher  verloren  452  Mann  an  Ge- 
fangenen, darunter  Generalmajor  Bay  selbst,  welcher  sich  den  Fuß 
verstaucht  hatte,  nebst  2  Hauptleuten,  5  Lieutenants,  ebenso  100 
Tote  und  150  Verwundete.134  An  dem  unglücklichen  Ausgange 
des  Gefechtes  scheint  die  Unthätigkeit  und  Unlust  der  Leute,  über 
welche  sich  ihr  Führer  offen  gegen  die  Franzosen  beklagte  (!),  die 
vornehmste  Schuld  getragen  zu  haben. 

Weitere  Ereignisse  sind  während  dieser  Zeit  bis  zur  Mitte 
August  hier  nicht  vorgefallen. 

Es  mag  dabei  auf  die  Thatsache  hingewiesen  werden,  daß  damals 
das  Zerreißen  der  taktischen  Verbände  keineswegs  gefürchtet  wurde. 
Im  Gegenteil,  es  scheint  fast,  eine  möglichst  bunte  Mischung  der 
Einheiten,  ein  stetes  Verschieben  derselben  sei  gerade  für  durchaus 
notwendig  erachtet  worden.  So  berichtet  das  Feldtagebuch  noch 
unter  dem  11.  August  (22.Messidor),  daß  dieChasseurschwadron4/l. 
zur  VI.  Division  Ney  abgehen  mußte,  indes  die  1.  und  4.  Schwadron 
des  1.  Dragonerregiments  an  ihre  Stelle  traten.  Auch  erreichte 
III./38.  Halbbrigade  die  Division  und  erhielt  seinen  Marschbefehl 
nach  Samen. 

Der   Vollständigkeit    halber    müssen   endlich   die  völlig    un- 


108 


wichtigen  Gefechte  erwähnt  werden,  welche  um  die  Mitte  Juli  im 
Wallis  vorfielen. 

Am  16.  abends  8  Uhr  erschienen  die  von  einigem  Landsturme 
begleiteten  Oesterreicher  bei  einer  von  ihnen  auf  beiden  Ufern 
der  Rhone  veranstalteten  Erkundung  vorwärts  Brieg  und  Naters. 
Am  17.  morgens  nahm  Oberst  Strauch  persönlich  das  Gefecht 
wieder  auf  und  es  gelang  ihm  sogar  zeitweilig  2  Gebirgsgeschütze 
in  seine  Hand  zu  bringen.  Als  aber  die  Franzosen  einige  Ver- 
stärkungen erhielten,  drangen  sie  auch  wieder  vor.  Die  Oester- 
reicher mußten  mit  einigem  Verluste,  darunter  80  Gefangene,  auf 
die  Furka  zurückweichen. 


^-<£«- 


V. 

Die  Wiedereroberung  des  Gotthard. 


Unstreitig  zählen  die  Ereignisse,  welche  sich  um  die  Mitte 
August  im  Gotthardgebiete  abspielten  und  mit  der  Eroberung  des- 
selben durch  die  Franzosen  ihren  Abschluß  fanden,  zu  den  wich- 
tigsten des  ganzen  Feldzuges.130  Sie  bereiteten  die  große  Ent- 
scheidungsschlacht von  Zürich  in  glücklichster  Weise  vor  und 
stellten  das  Gleichgewicht  der  entgegenstehenden  Kräfte  wieder  her. 

Zu  Ende  Juli  hielten  die  Schweiz  75  941  Franzosen  und  77  912 
Oesterreicher  besetzt.  Deckten  jene  das  Gebiet  auf  einer  Linie, 
welche  von  Hüningen  im  Elsaß  über  den  Albis  zum  Vierwald- 
stättersee,  ins  Haslethal  und  bis  zum  Fuße  des  Simplon  und  des 
Großen  St.  Bernhard  verlief,  so  sicherten  diese  mit  ihren  Kräften 
die  Landesteile  von  der  Wiese  und  der  Wutach  angefangen  längs 
der  Limmatlinie  bis  in  die  ehemaligen  kleinen  Kantone,  den  Gott- 
hard, die  Grimsel  und  das  Oberwallis,  sowie  endlich  einige  Thal- 
schaften von  Graubünden. 

Diese  Aufstellung  der  Gegner  glich  demnach  völlig  derjenigen 
zu  Beginn  der  Waffenruhe.  Ueber  die  Gründe,  welche  die  Oester- 
reicher zur  Beobachtung  der  letztern  zwangen,  verbreitet  sich  Erz- 
herzog Karl  weitläufig  im  ersten  Kapitel  des  zweiten  Teils  seines 
Werkes.     Seite  6/7  sagt  er  u.  a. : 

„Ihre  Mehrzahl  war  nicht  so  übermäßig  und  nach  der  Schlacht 
von  Zürich  um  so  weniger  bedeutend,  als  die  französische  Armee 
zwar  zurückgedrückt,  aber  nicht  geschlagen  wurde.  Die  natürliche 
Beschaffenheit  des  Landes  machte  selbst  bei  geringem  Widerstände 
jede  rasche  Vorrückung  unmöglich;  Massenas  Stellung  auf  dem 
Uetli  war  stärker  als  jene  vor  Zürich ;  die  Schweiz  —  denn  weiter 
konnten  die  Oesterreicher  wohl  damals  nicht  vordringen  wollen  — 
lieferte  dem  Feinde  keine  so  großen  Hülfsquellen,  daß  deren  Verlust 
ein  empfindliches  Uebergewicht  in  der  Wagschale  der  gegenseitigen 
Hülfsmittel  hervorgebracht  hätte.  In  Frankreich  herrschte  noch 
immer  die  nämliche  Stimmung,  die  sich  schon  im  vorigen  Kriege 
erprobte:   Mißvergnügen  über  die  Regierung,  aber  noch  größerer 


110 


Abscheu  und  Furcht  vor  jedem  fremden  Joch,  folglich  keine  Hoff- 
nung, daß  die  innere  Gärung  je  zum  Vorteil  fremder  Völker  aus- 
brechen werde.  Da  nun  der  Erzherzog  nach  Massenas  Rückzug 
von  Zürich  weder  eine  dauerhafte,  noch  zu  momentanen  Resultaten 
führende  Operation  unternehmen  konnte,  so  blieb  ihm  keine  Wahl 
mehr  übrig :  er  mußte  sich  in  eine  möglichst  vorteilhafte  defensive 
Verfassung  setzen." 

Bei  Massena  lagen  ähnliche  Betrachtungen  vor.  Er  war  dem 
Gegner  an  Kräften  nicht  überlegen.  Auf  größere  Verstärkungen 
seiner  Streitmacht  mit  aus  Frankreich  gesendeten  Rekruten  konnte 
er  aber  nicht  rechnen.  Die  verzweifelte  Lage,  in  der  die  franzö- 
sische Armee  sich  nach  der  verlorenen  Schlacht  an  der  Trebbia 
(19.  Juni)  befand,  zwang  dazu,  alle  namhafteren  Entsendungen 
dorthin  abzuordnen.  Für  Massena  gab  es  nur  ein  Warten  bis  zu 
jenem  Augenblicke,  da  Erzherzog  Karl  sich  durch  die  Aufstellung 
einer  eigenen  Rheinarmee  schwächen  werde.  Was  hätte  auch  eine 
vereinzelte  Handlung  in  der  Schweiz,  wäre  sie  selbst  von  Erfolg 
gekrönt  gewesen,  der  Allgemeinheit  zu  nützen  vermocht?  Wenig 
genug,  denn  obwohl  die  Schweiz  Oberitalien  in  der  Flanke  zu 
bedrohen  vermag,  so  ist  eine  schwache  Armee  doch  nicht  im  stände, 
von  den  Alpen  her  entscheidend  gegen  die  Po-Ebene  vorzustoßen, 
sobald  dort  ein  übermächtiger  Gegner  Wache  hält. 

Freilich  wurde  Massena  von  Paris  aus  durch  das  Direktorium 
und  den  Kriegsminister  Bernadotte,  welche  ihrerseits  keine  klare 
Ansicht  von  der  Lage  hatten,  stetsfort  auf  das  dringendste  zum 
Handeln  angespornt. 

Bereits  am  18.  Juni  (30.  Prairial)  hatte  in  Paris  eine  Art 
parlamentarischer  Revolution  stattgefunden,  durch  welche  die  Direk- 
toren La  Reveillere-Lepoux  und  Merlin  beseitigt,  an  ihrer  Stelle 
aber  Roger  Ducos  und  General  Moulin  in  die  oberste  Behörde 
gewählt  wurden.  Die  neuen  Herrscher,  unterstützt  von  einem 
Landesverteidigungsausschusse,  suchten  die  Thatkraft  der  Feldherrn 
durch  alle  zweckdienlichen  Mittel  aufs  höchste  zu  spannen.  Ver- 
sprechungen wurden  ihnen  gemacht,  Aufforderungen,  zum  Angriffe 
vorzugehen,  kamen  ihnen  täglich  zu.  So  entschloß  sich  Massena 
endlich,  für  die  Mitte  August  eine  Veränderung  seiner  Lage, 
wenigstens  so  weit  es  den  rechten  Flügel  der  Schweizer  Armee 
betraf,  zu  versuchen. 

Zwei  neuerliche  Ereignisse,  ein  politisches  wie  ein  militärisches, 
trugen  wohl  wesentlich  zu  diesem  Entschlüsse  bei.  Die  Not  in 
der  Schweiz  war  bei  dem  Aufenthalte  zweier  so  großer  Heere  auf 
das  Höchste  gestiegen.  Der  Sturz  jener  beiden  als  Erpresser 
wohlbekannten  Direktoren  ließ  die  unglückliche  Helvetik  hoffen, 
daß  man  in  Paris  ihren  Leiden  wenigstens  Auge  und  Ohr  öffnen 
werde.     So    ging    der    alt-Direktor    Glayre    als    außerordentlicher 


111 

Gesandter  nach  der  französischen  Hauptstadt  ab,  um  über  die  Lage 
Bericht  zu  erstatten.  Zugleich  erließ  Laharpe  am  25.  Juli  ein 
Schreiben,  das  unverhüllt  die  Wahrheit  bekannte  und  in  dem  der 
drohende  Satz  vorkam:  „Wir  erklären,  daß  wir  bereit  sind,  uns 
eher  für  die  verzweifeltsten  Mittel  zu  entscheiden,  als  länger  die 
Werkzeuge  zu  bilden  zur  Vernichtung  und  zur  Verzweiflung  unserer 
Mitbürger. " 

Das  französische  Direktorium  griff  auf  dieses  hin  zwar  keines- 
wegs ein,  aber  es  forderte  noch  einmal  und  des  bestimmtesten 
von  Massena,  daß  er  den  Angriff  wieder  aufnehme.  Die  Ereignisse 
am  Gotthard  kamen  freilich  dem  sonderbaren  Feldzugsplane  von 
Bernadotte  zuvor,  welcher  ein  vereinzeltes  Corps  in  der  Stärke 
von  20000  Mann  durch  Graubünden  bis  Glurns  vordringen  lassen 
wollte.136  (!) 

Es  hätte  übrigens  dieses  neuerlichen  Drängens  nicht  bedurft, 
um  Massena  zu  dem  notwendigen  Entschlüsse  zu  zwingen.  Es 
näherte  sich  nämlich  den  Grenzen  der  Schweiz  und  also  auch  der 
Stellung  an  der  Limniat  das  Corps  des  Generallieutenants  Rimski- 
Korsakoff.  Die  Ankunft  der  27355  Russen,  welche  thatsächlich 
am  14./ 15.  August  nach  Schaffhausen  gelangten,  mußte  Massena 
natürlich  in  die  größte  Sorge  versetzen.  Er  konnte  ja  keineswegs 
wissen,  daß  Erzherzog  Karl  den  gemessenen  Befehl  aus  Wien  in 
der  Tasche  habe,  sogleich  nach  Ankunft  der  Verbündeten  mit 
seiner  gesamten  Macht  abzumarschieren,  und  daß  sich  der  Erzherzog 
nur  nach  langer  Unterhandlung  bestimmen  ließ,  wenigstens  das 
Corps  des  FML.  Hotze  (22000  Oesterreicher,  3000  Schweizer,  zu- 
sammen 20  Bataillone,  34  Schwadronen)  zur  Deckung  des  Linth- 
gebietes  von  dem  Abzüge  auszunehmen. 

Die  Absicht  Massenas  war  es,  durch  den  von  ihm  angeord- 
neten Angriff  die  Oesterreicher  aus  den  Urkantonen,  vom  Gotthard 
und  aus  dem  Oberwallis  zu  vertreiben,  sowie  durch  eine  Besetzung 
des  Gotthardstockes  die  damals  schon  zu  erwartende  Vereinigung 
der  Armeen  Suworoffs  und  des  Erzherzogs  Karl  zu  hindern. 

Um  diesen  Zweck  zu  erreichen,  erhielten  die  an  der  Limmat 
und  am  Albis  stehenden  Divisionen  Soult  und  Lorges  Befehl,  die 
Hauptmacht  der  Oesterreicher  längs  ihrer  ganzen  Aufstellung  zu 
beschäftigen,  indes  die  Divisionen  Chabran,  Lecourbe  und  Turreau 
gleichzeitig  den  eigentlichen  Angriff  durchführen  sollten. 

Die  vom  Obergenerale  erlassenen  Verfügungen  sind  nur  ganz 
allgemein  gefaßt,  in  den  Einzelheiten  der  Ausführung  der  Aufgabe 
blieb  den  verschiedenen  Führern  vollkommen  freie  Hand.  Dies 
gilt  besonders  für  den  General  Lecourbe,  dem  noch  am  13.  August 
I.  ÜI./84.  Halbbrigade  (der  Brigade  Boivin  zugeteilt)  und  das  zeit- 
weilig entfernt  gewesene  IL/76.  (Brigade  Loison)  abgegeben  wurden, 
so  daß  seine  Streitmacht  rund  etwa  12000  Mann  betragen  mochte. 


112 


Die  Division  Chabran  stand  am  Aegerisee  und  an  der  Sihl.  In 
zwei  Kolonnen  geteilt  sollte  sie  gegen  die  Truppen  des  General- 
majors Jellacic  vorgehen,  welche  mit  dem  Gros  die  Etzelstellung 
und  die  Verbindung  nach  Schwyz  sicherten,  woselbst  sich  eben- 
falls Teile  dieses  Corps  und  das  Quartier  seines  Befehlshabers 
befanden.  Die  Division  Lecourbe  hatte  auf  ihrem  linken  Flügel 
im  Ganzen  genommen  lediglich  die  Bewegungen,  welche  am  3.  Juli 
vorgefallen,  zu  wiederholen.  Lecourbe  selbst  wollte  dabei  mit  den 
Grenadieren  von  Brunnen  und  später  von  Flüelen  aus  in  das  Gefecht 
eingreifen.  Hierbei  ward  auch  der  Flotille  eine  Rolle  zugedacht. 
Die  Brigade  Loison  erhielt  andererseits  den  Auftrag,  in  mehreren 
Kolonnen  längs  dem  See,  über  den  Surenen-  und  den  Susten-Paß 
ins  Reußthal  hinunter  zu  steigen,  woselbst  seit  Anfang  August 
Generalmajor  Simbschen  als  Nachfolger  des  gefangenen  Bay  be- 
fehligte. Gudin  fiel  der  schwierige  Auftrag  zu,  den  Posten,  den 
Oberst  Strauch  auf  die  Grimselhöhe  gestellt,  zu  beseitigen,  um 
darauf  ins  Oberwallis  einzudringen.  Hier  endlich  sollte  die  Division 
Turreau  nicht  nur  den  Generalmajor  Prinzen  Victor  Rohan  vom 
Simplon  vertreiben,  sondern  auch  zugleich  mit  Gudin  gegen  Oberst 
Strauch  vorgehen.  Damit  General  Turreau  diesem  doppelten 
Auftrage  genügen  könne,  mußten  seine  Bewegungen  bereits  am 
13.  August  beginnen,  indessen  die  übrigen  Kolonnen  sich  erst  mit 
dem  14.  morgens  in  Marsch  zu  setzen  hatten. 

Am  12.  August  begannen  die  Vorbereitungen  zum  Angriffe 
bei  der  Division  Lecourbe.  General  Gudin,  der  bis  dahin  die 
Truppen  seiner  Brigade  in  Unterseen  und  Brienz  untergebracht 
hatte,  verlegte  dieselben  nach  Innertkirchen-Bottigen  und  Guttannen 
im  oberen  Haslethal.  Hierher  kam  auch  das  IL  Lemaner-Bataillon, 
von  welchem  einzig  die  Jägercompagnie  in  Samen  bei  der  Brigade 
Loison  zurückblieb,  die  ihre  Teile  bis  zum  13.  in  Engelberg  und 
Bauen  vereinigte. 

Mittwoch  den  14.  August  begann  in  der  That  die  allgemeine 
Vorwärtsbewegung,  scheinbar  zwischen  der  Mündung  der  Limmat 
und  dem  Zürichersee,  in  Wirklichkeit  im  Gebiete  der  oberen  Reuß 
und  Aare.  Vom  Zuger  Gebiet  her  drang  die  Division  Chabran 
(12  Bataillone,  6  Schwadronen)  im  ganzen  siegreich  gegen  Hütten 
und  die  Schindellegi  vor,  obgleich  der  Gegner  für  diesen  Tag  noch 
Stand  hielt.  Eine  zweite,  zu  der  nämlichen  Division  gehörende 
Abteilung  erreichte  vom  Aegerisee  aus  Sattel  und  Rothenthurm. 
Ueber  St.  Jost  und  am  Morgarten  vorbeimarschierend,  warf  sie  die 
hier  stehenden  schwachen  österreichischen  Kräfte  nach  Einsiedeln 
zurück. 

In  der  Frühe  desselben  Tages  griff  auch  die  Brigade  Boivin 
den  Gegner  in  Schwyz  mit  Erfolg  von  Steinen  und  Seewen  her 
an.136    Die  3  Compagnien  der  76.  Halbbrigade,  welche  längs  dem 


113 

See  von  Gersau  nach  Brunnen  vorgingen,  erhielten  von  der  Muotta- 
brücke  im  „Schroten"  aus  2  Geschützen  heftiges  Kartätschfeuer. 
Zweimal  ward  der  Angriff  abgeschlagen.  Unterdessen  gelangte 
jedoch  die  aus  6  Schaluppen  bestehende  Flotille  mit  den  8  Coni- 
pagnien  Grenadierreserve  bei  Brunnen  ans  Ufer.  General  Lecourbe 
ließ  5  Compagnien  unter  dem  Befehle  seines  Adjutanten,  des 
Bataillonschefs  Montfort,  ausschiffen.  Zugleich  feuerten  die  Ge- 
schütze von  den  Booten  her  dem  Gegner  in  die  Flanke.  Dieser 
scheint  aber  die  Sache  vorerst  noch  nicht  verloren  gegeben  zu 
haben.  Mehrere  Schiffe  wurden  nämlich  durch  Schüsse  beschädigt 
und  auch  einige  von  den  Kanonieren  und  Pontonieren  verwundet. 

Montfort  vermochte  es,  den  Verteidigern  des  Ueberganges  in 
den  Rücken  zu  gelangen,  wodurch  zwei  Feld-  und  drei  bei  Brunnen 
stehende  Positionsgeschütze  genommen  und  200 — 300  Gefangene 
gemacht  wurden. 

Bei  der  Ibacher  Brücke  machte  der  Feind  einen  Versuch  sich 
festzusetzen.  Unterdessen  war  aber  die  Hauptmacht  der  Brigade 
Boivin  herangekommen.  Ein  Bataillon  der  86.  Halbbrigade,  ge- 
führt vom  Bataillonschef  Margotti,  stieg  längs  des  Engeberges 
nach  Ried  hinab  und  drohte  derart  den  Oesterreichern  in  den 
Rücken  zu  gelangen.  Das  Regiment  Stain,  welches,  vom  Major 
Eötvös  befehligt,  von  700 — 800  Aufständischen  unterstützt  wurde, 
mußte  jetzt  schleunigst  nach  Iberg  weichen.  Ein  Major,  12  Offi- 
ziere und  600  Mann  fielen  hier  in  Kriegsgefangenschaft;  zugleich 
verloren  die  Oesterreicher  45  Tote  und  310  Verwundete. 

Die  Franzosen  büßten  dagegen  nur  8  Mann  an  Toten,  60  an 
Verwundeten  ein  und  erbeuteten  3  Regimentsgeschütze,  sowie 
1  Schweizer  Fahne.  Nachmittags  1  Uhr  drangen  sie  in  den  Flecken 
Schwyz  ein,  der  vollkommen  ausgeplündert  und  zerstört  wurde. 
Als  am  15.  der  Brigadechef  Sancey  mit  der  84.  Halbbrigade  ins 
Muottathal  gelangte,  fielen  noch  300  Mann  Oesterreicher  und  die 
Ambulancen  in  die  Gefangenschaft. 

Der  Escadronchef  Porson  erreichte  um  11  Uhr  vormittags  des 
14.  August,  ohne  viel  Widerstand  zu  finden,  über  Isenthal  das  linke 
Ufer  der  Reuß  bei  der  Seedorferbrücke.  Diesen  Erfolg  verdankte 
Porson  wohl  hauptsächlich  der  Klugheit,  daß  er  6  Compagnien 
vom  IL/38,  unter  Bataillonschef  Juillet  und  Stabshauptmann  Forgues 
von  Isenthal  durch  das  Kleinthal  über  die  Hänge  des  Urirotstock, 
Gitschen  und  die  Alpen  von  Honegg  dem  Gegner  bei  Seedorf  in 
den  Rücken  sandte.  Dort  mußte  aber  vorläufig  Halt  gemacht 
werden,  da  der  Gegner  die  Laufbahn  der  Brücken  von  Seedorf 
und  Attinghausen  abgeworfen  hatte.  Gegen  2  Uhr  nachmittags 
erschien  auch  in  letzterem  Orte  die  Kolonne  d'Aumas.  Sie  war 
um  3  Uhr  früh  von  Engelberg  aufgebrochen  und  hatte  den  Surenen- 
Paß  (2301  m)  überschritten.   Sogleich  entspann  sich  mit  den  gegen- 

Günther,  Feldzug  1799.  8 


114 


überstehenden  Teilen  des  Regiments  Kerpen  ein  lebhaftes  Feuer- 
gefecht, das  zwar  bis  8  Uhr  abends  anhielt,  aber  ebensowenig  zum 
Ziele  führte,  wie  die  Anstrengungen  der  Kolonne  Porson  bei  Seedorf. 
Trotz  der  Kartätschen,  welche  dort  eine  Kanone  spie,  versuchte 
der  Genielieutenant  Doncieux  mit  einigen  Freiwilligen  auf  einer 
Leiter  über  die  Brückenpfeiler  zu  gelangen.  Es  war  vergebens, 
der  Steg  konnte  nicht  gangbar  gemacht  werden,  weil  es  an  Brettern 
und  Balken  mangelte. 

Endlich,  bei  einfallender  Nacht,  zog  sich  der  Gegner  zurück. 
Lecourbe  war  nämlich  um  5  Uhr  abends  in  Sisikon  gelandet.  Die 
Compagnien  .überstiegen  auf  engen,  stellenweise  schauerlichen 
Pfaden  den  untern  Axen"  (Lusser  161).  Sogleich  schritt  er  zum 
Angriff  gegen  das.  Flüelen  mit  2  Geschützen  verteidigende  Bataillon 
des  62.  Regiments.  Wiederum  beteiligten  sich  die  Kanonen  der 
Flotille  an  dem  Gefechte ;  die  Grenadiere  griffen  lebhaft  an  und 
der  Feind  verlor  150  Mann  Tote,  300  Verwundete  und  400  Ge- 
fangene nebst  seinen  2  Geschützen.  Die  Franzosen  zählten  20  Tote 
und  80  Verwundete  (Feldtagebuch;  Bousson  S.  217  spricht  von 
4  Toten  und  einigen  Verwundeten).  Zunächst  gingen  die  Oester- 
reicher  in  guter  Ordnung  bis  zur  St.  Jakobs-Kapelle  zurück.  Sie 
wichen  aber,  sobald  die  von  Lecourbe  durch  den  Wald  entsendete 
L  mgehung  in  ihrer  Flanke  erschien.  „Nun  begann  gegen  6  Uhr 
abends  wilde  Flucht,  wobei  viele  die  Gewehre  zerschlugen  und 
wegwarfen.  Die  einen  wendeten  sich  nach  dem  Schächenthale  und 
die  anderen  nach  dem  Reußthale.  Die  ersteren,  wobei  auch  die 
Freiwilligen  waren,  hielten  die  Verfolgung  etwas  zurück,  indem 
sie  die  Schächenbrücke  bei  Bürglen  verbrannten.  Lecourbe  ging 
noch  bis  Amsteg  vor  und  machte  400  zum  größten  Teil  verwundete 
Gefangene.  Der  größte  Teil  der  männlichen  Bevölkerung  und  auch 
viele  Weiber  waren  mit  den  Oesterreichern  geflohen  oder  hatten 
sich  in  W'älder  und  auf  Alpen  zurückgezogen,  um  der  Rache  der 
Franzosen  zu  entgehen,  welche  diesmal  ärger  plünderten  und  die 
Leute  mißhandelten,  als  selbst  nach  dem  Bauernkrieg;  denn  sie 
wußten,  daß  die  provisorische  Regierung  als  letzten  Akt  ihrer 
Thätigkeit  zu  Gunsten  der  Oesterreicher  und  für  Behauptung  der 
wieder  errungenen  Freiheit  einen  wohldurchdachten  Organisations- 
plan für  den  Landsturm  entworfen  hatte,  der  jedoch  am  Tage  der 
Gefahr,  als  die  Franzosen  von  allen  Seiten  her  eindrangen,  nicht 
befolgt  worden." 

Noch  um  10  Uhr  nachmittags  landete  IL/76,  in  Flüelen,  um. 
gefolgt  von  11/38.,  den  Feind  zunächst  nach  Bürglen  und  dann 
bis  Amsteo-  zu  verfolgen.  Es  scheint  hier  an  der  Kärstelenbach- 
Brücke  noch  in  der  Nacht  zu  einem  für  die  Oesterreicher  un- 
glücklichen Gefechte  gekommen  zu  sein.  Das  Feldtagebuch  be- 
richtet, sie  hätten  ihr  letztes  Geschütz  in  das  Tobel  gestürzt  und 


115 


230  Mann  an  Gefangenen,  darunter  12  Dragoner  vom  Regiment 
Modena,  die  Franzosen  dagegen  lediglich  einige  Verwundete  ein- 
gebüßt. 

General  Loison  stieg  in  einem  Marsche  von  22  Stunden  Dauer  (!) 
über  den  Joch-Paß  (2215  m)  und  durch  das  Gadmenthal  hinauf 
über  den  Susten  (2262  m)  noch  bis  ins  Meienthal  hinunter.  Ueber- 
fallen  von  einem  heftigen  Unwetter,  das  sogar  Schnee  mit  sich 
brachte,  erreichte  er  am  späten  Nachmittag  die  kleine,  am  hintern 
Ende  des  Thaies  gelegene  Gemeinde  Färnigen.  Die  übergroße 
Erschöpfung  der  Truppen  ließ  es  nicht  zu,  den  Vormarsch  weiter 
durchzuführen,  um  so  mehr,  als  der  Ausgang  des  bei  Wasen 
mündenden  Thaies  durch  die  aus  der  Zeit  der  ersten  Religions- 
kriege stammende  sogenannte   „Meienschanze"   gesperrt  wurde. 

Es  war  dies  ein  mit  Mauerwerk  ausgestattetes  Achteck,  dessen 
Ueberreste  noch  heute  etwa  25  Minuten  von  Wasen  (Blatt  394 
des  Topogr.  Atlasses  und  XIII  der  Topogr.  Karte  bei  Punkt  1097) 
deutlich  zu  erkennen  sind.  Der  Weg  führt  hier  an  den  bezeichnend 
genug  „Wilde  Lauenen"  genannten  schroffen  Felsen  auf  dem  linken 
steilrandigen  Ufer  der  Meien-Reuß  dahin.  Die  Schanze  war  von 
300  Mann  besetzt,  denen  3  Geschütze  zur  Verfügung  standen. 

Am  15.  bei  Tagesanbruch  schritt  Loison  zum  Angriff.  Er 
selbst  stellte  sich  mit  Capitaine  Langlais  an  die  Spitze  des  ersten, 
aus  den  4  Grenadiercompagnien  (38.,  7b\,  109. Halbbrigade)  gebildeten 
Treffens,  dem  die  109.  Halbbrigade  unter  den  Befehlen  des  Brigade- 
chefs Hotpert  als  Reserve  folgte.  Die  Jägercompagnie  des  IL  Le- 
maner-Bataillons  erkletterte  zugleich  die  die  Schanze  beherrschenden 
Felsen.  Sie  feuerte  dabei  so  gut,  daß  der  bereits  mehrfach  ab- 
gewiesene Sturm  endlich  gelang.138  Die  Grenadiere  kletterten  auf 
Leitern  zu  den  hoch  gelegenen  Schießscharten  heran  und  stürzten 
sich  mit  dem  Bajonett  auf  die  den  hartnäckigsten  Widerstand 
leistenden  Oesterreicher.  Fast  alle  Kanoniere  wurden  auf  ihren 
Stücken  getötet,  überhaupt  mögen  nur  einzelne  Mann  entkommen 
sein ;  denn  200  der  Verteidiger  fielen  als  Gefangene  in  die  Hände 
der  Sieger.  Nach  Lusser  (S.  163)  kamen  3  Compagnien  der  Be- 
satzung zu  Hülfe ;  diese  litt  aber  Mangel  an  Schießbedarf. 

In  dem  Augenblicke,  da  die  Vortruppen  der  Brigade  Loison, 
ein  Bataillon  der  109.  Halbbrigade,  bei  Gurtnellen  eintrafen,  be- 
gegnete ihnen  Lecourbe,  welcher  an  der  Spitze  von  2  Bataillonen 
und  8  Grenadiercompagnien  herankam.  Er  ließ  das  Bataillon 
sogleich  wieder  umkehren.  Bei  Amsteg  hatte  der  General  das 
Bataillon  11/76.  unter  Bataillonschef  Lovisi  zur  Verfolgung  des 
flüchtenden  Gegners  ins  Maderanerthal  entsendet.  Um  4  Uhr  nach- 
mittags wurde  Göschenen  erreicht,  das  die  Oesterreicher  eiligst 
verließen,  um  sich  hinter  die  mit  spanischen  Reitern  verschanzte 
Teufelsbrücke   zurückzuziehen.     Da  die  Straßenauffahrt  des  Bau- 


116 


werkes  auf  die  Länge  von  9 — 10  m  zerstört  worden  war,  konnte 
ein  Angriff  in  der  Front  nicht  mehr  vorgenommen  werden. 

Schon  hatte  Lecourbe  am  16.  August  die  nötigen  Verfügungen 
getroffen,  den  Gegner  zu  umgehen,  als  die  Brigade  Grudin,  von 
der  seit  dem  14.  jede  Nachricht  fehlte,  um  7  Uhr  vormittags  am 
Ausgange  des  Urnerloches  erschien  und  derart  ihre  Vereinigung 
mit  der  Division  vollzog.  Die  Brigade  Gudin  hatte  bei  der  Lösung 
ihrer  Aufgabe  eine  glückliche  List  zu  Hülfe  genommen  und  zu- 
gleich die  vorher  kaum  erwartete  Unterstützung  in  der  That  eines 
Bürgers  von  Guttannen  gefunden.139 

Die  Stärke  der  Brigade  Gudin  kann  auf  etwa  4000  Mann 
veranschlagt  werden.  Darunter  befanden  sich  einige  Chasseurs  als 
Ordonnanzreiter  und  mit  Pflasterbüchsen  ausgerüstete  „  Carabiniers. " 
Während  die  Franzosen  unter  einer  ihnen  meist  freundlich  gesinnten, 
weil  von  den  Soldaten  nicht  bedrückten  Bevölkerung  ziemlich 
bequem  lebten,  ward  der  auf  der  Paßhöhe  der  Grimsel  stehende, 
je  1  Bataillon  Banat  und  Neugebauer  (1430  Mann)  und  40  Walliser 
Scharfschützen  starke  österreichische  Posten  schlecht  verpflegt,  da 
alle  Lebensmittel  für  diese  Mannschaft  aus  Italien  herbeigeschafft 
werden  mußten.  Die  Leute  fanden  ihr  Unterkommen  in  Baracken, 
„die  sie  notdürftig  unter  die  großen  Gneisblöcke  und  an  die  Fluh- 
wände bauten."  Die  Truppe  scheint  sogar  geradezu  Hunger  gelitten 
zu  haben,  da  ihr  an  Lebware  nur  einige  elende  Ziegen  zur  Ver- 
fügung standen.  Das  Holz  lieferte  längere  Zeit  hindurch  das 
Spitalgebäude,  welches  schließlich  nur  noch  aus  den  leeren  Mauern 
bestand. 

Die  Aufstellung  der  Oesterreicher  war  einfach  genug.  Sie 
sperrte  lediglich  den  schmalen  Saumpfad,  den  zudem  die  Walliser 
Scharfschützen  unter  dem  Feuer  ihrer  Stutzer  behielten.  Ein  Ba- 
taillon entwickelte  die  Feuerlinie  vom  „Kehrentürmli",  dem  etwas 
hervortretenden,  links  über  dem  Spital  gelegenen  Steingipfel,  bis 
hinüber  auf  die  andere  Seite  des  Weges  und  des  Baches.  Der 
rechte  Flügel  stand  etwa  über  der  Mitte  des  Spitalsees.  Die  Linie 
hatte  bei  1500  Schritt  Länge.  Die  Reserve,  das  andere  Bataillon, 
lagerte  auf  dem  Grimsel-Sattel.  An  eine  Umgehung  dachten  die 
Oesterreicher  keinenfalls,  denn  ihre  des  Gebirges  wohl  ungeübten 
Augen  nahmen  nirgends  eine  solche  Möglichkeit  wahr. 

Gudin,  dem  es,  wie  seine  ganze  Laufbahn  zeigt,  kaum  an 
Entschlossenheit  fehlte,  konnte  doch  nach  einer  genauen  Erkundung 
des  Geländes  zu  keinem  festen  Angriffsplane  kommen.  „Am  12. 
oder  13.  war  eine  stärkere  Patrouille,  die  er  über  den  Räterichs- 
Boden  hinaus  gegen  die  Brücke  geschickt,  mit  blutigen  Köpfen 
wieder  heimgekommen. tf  Ein  Vorstoß  in  der  Front  versprach  dem- 
nach keinen  Erfolg ;  aber  es  mußte  dem  Befehl  des  Divisionärs 
entsprechend  gehandelt  werden. 


117 

Am  13.  wurden  alle  Truppen  der  Brigade  in  Guttannen  zu- 
sammengezogen. Am  Abend  saßen  die  Offiziere  in  der  kleinen 
Stube  des  Guttanner  Bürgers  und  Wirts  Fahner  zusammen.  „Das 
Gespräch  neben  der  Haupt -Wirtsstube  wurde  lebhaft,  und  man 
konnte  in  der  letztern  wohl  hören,  um  was  es  sich  handelte.  Da 
äußerte  Fahner  gegen  einige  Bekannte,  die  bei  ihm  saßen:  „Er 
wollte  wohl  die  Franzosen  aus  ihrer  Verlegenheit  reißen  und  ihnen 
einen  Weg  zeigen,  daß  sie  ohne  Verlust  hinter  die  Oesterreicher 
kommen  und  ihnen  den  Rücken  brechen  könnten",  und  halb  lächelnd 
nickten  ihm  die  anderen  zu.  Fahner  war  ein  guter,  unüberlegter 
und  dabei  eher  schüchterner  als  dreister  Mann.  Er  scheute  sich 
wie  jeder  Ruhigere  damals  vor  nichts  so  sehr  als  vor  dem  Prädikat 
„Verräter",  worunter  überhaupt  einer  verstanden  wurde,  der  es  mit 
der  einen  oder  andern  Partei  hielt.  WTas  er  aus  Eitelkeit  und 
Mangel  an  Ueberlegung  nicht  leise  genug  gesprochen,  kam  dem 
französischen  General  zu  Ohren.  Auf  der  Stelle  ließ  dieser  den 
Mann  vor  sich  kommen.  Fahner,  erschrocken,  wollte  anfangs  nicht 
zu  seinen  Worten  stehen,  aber  ernstliche  Drohungen  zwangen  ihn 
bald,  sich  zu  der  widerlichen  Rolle  eines  Verräters  zu  bequemen.140 
Da  er  nun  aber  drin  war,  so  wollte  er  jetzt  auch  aus  den  Um- 
ständen soviel  als  möglich  Nutzen  ziehen,  und  als  er  Gudin  seine 
Führerdienste  zusagte,  bedung  er  sich  als  Belohnung  den  Räterichs- 
Boden  aus."     (Lohbauer  S.  26/27.) 

Früh  um  3  Uhr  trat  die  Brigade  auf  dem  Räterichsboden  an. 
Der  Frontalangriff  gegen  den  Spital  erfolgte  jedoch  nicht  vor 
10  Uhr,  da  der  kleinen  Umgehungskolonne  Zeit  gelassen  werden 
mußte,  ihre  Aufgabe  bis  zum  letzten  entscheidenden  Stücke  zu 
erfüllen.     Lohbauer  (40  ff.)  erzählt  hierüber: 

„Etwa  ein  halbes  Bataillon,  300 — 400  Mann  Chasseurs  (d.  h. 
Carabiniers),  mit  kurzen  Stutzern  bewaffnet,  wurde  zu  diesem  Manöver 
bestimmt,  das,  so  kühn  es  war,  doch  allerdings,  wie  wir  gezeigt 
haben,  gar  nicht  an  der  Peripherie  des  Kreises  menschlicher  Kräfte 
und  menschlichen  Vermögens  lag,  was  die  Schwierigkeit  des  Terrains 
anbelangt.  An  der  oberen  Bögelein sbrücke  angelangt,  ließ  Gudin 
halten  und  links  abmarschierten  nun  die  Jäger,  Fahner  an  ihrer 
Spitze.  Der  Morgen  dämmerte.  Die  übrige  Kolonne  setzte  ihren 
Weg  auf  dem  Saumpfade  fort.  Anfangs  ging  es  nahe  der  unten 
brausenden  Aare  über  moosiges  Felsgestein  noch  durch  einzelnes 
niederes  Gestrüppe  weg  hinter  einem  Felskopf  vorbei,  dann  wieder 
abwärts  in  eine  Schlucht,  durch  welche  ein  Bach  niederfällt.  Hier 
stieg  man  das  erste  Viertel  des  Weges  unter  hartem  Klettern  zum 
Teil  über  Schneeschlipfe  hinweg  oder  mühvoll  an  ihrem  Rand  hin 
weiter,  immer  den  drohend  oben  hereinhängenden  Gletschermassen 
zu,  und  endlich  bis  unmittelbar  an  dieselben  hin,  wo  dann  Fahner 
rechts  wendete.     Nun  ging's  in  vielen  Krümmungen,  da  man  oft 


118 

den  Gletscherspitzen  und  senkrechten  Felsenmauern  ausweichen 
mußte,  hin  und  her,  langsam  und  beschwerlich,  aber  im  Ganzen 
nun  doch  immer  in  ebener  Richtung,  und  schon  jetzt  hoch  über 
der  höchsten  Stellung  des  Feindes  auf  dem  Sattel  der  Grimsel,  jetzt 
schon,  wenn  gleich  noch  über  4000  Schritt  von  ihm  entfernt,  in 
seinem  Rücken,  jetzt  schon  an  der  äußersten  Grenze  einer  möglichen 
Umgehung.  Aber  der  wilde,  fremdartig  grauenhafte  Anblick  der 
Gegend,  mehr  noch  als  die  Angst  beim  Stolpern  und  Klimmen 
überwältigte  doch  dreimal  den  Mut  der  französischen  Soldaten. 
Dreimal  standen  sie  und  wollten  nicht  weiter  und  waren  in  Zorn 
ausgebrochen,  wollten  den  alten  Fahner,  der  sie  ins  Verderben  führe, 
niederschießen.  Auf  den  Knieen  bat  er  um  sein  Leben  (deutsch), 
bat,  daß  sie  ihm  folgen  sollten,  versicherte  in  seiner  Redlichkeit, 
daß  keiner  verunglücken  sollte.  Doch  bedurfte  es  aller  Anstrengung 
der  Offiziere,  die  Soldaten  weiter  zu  bringen.  Doch  mutiger  und 
froher,  je  freier  die  Bergluft  sie  auf  besseren  Wegen  stärkte,  bis 
nach  fünfstündiger  Arbeit  die  Kolonne  am  kleinen  See  vorbei  fast 
über  den  Köpfen  der  Oesterreicher  ankam,  und  nun  sich  vorsichtig  in 
zwei,  später  in  drei  Richtungen  verteilte.  Die  mittlere  Spitze  mag 
200,  die  andere  etwa  100 Schützen  gezählt  haben."   (Lohb.  S. 40/41.) 

Indes  die  Oesterreicher  und  ihre  Walliser  Bundesgenossen  ein 
langsames  Schützenfeuer  gegen  die  ganz  allmählig  und  zu  zweien 
auf  dem  steinigen  Saumpfade  heran  rückenden  Franzosen  eröffneten, 
erhielten  sie  plötzlich  wohlgezielte  Salven  in  den  Rücken  ihrer 
Stellung  und  aus  unmittelbarer  Nähe.  Zugleich  erschallte  nun  vor 
ihnen  das  anfeuernde:  „En  avant,  camarades!  Avancez,  avancez!" 
der  ohne  Schuß  unter  dem  Wirbeln  der  Trommeln  aufwärts 
stürmenden  Hauptkolonne.  Immerhin  hielten  sich  noch  der  linke 
Flügel  und  die  Mitte  der  österreichischen  Aufstellung,  während  der 
rechte  Flügel  bald  zu  weichen  begann.  „Herz  und  Sinne  waren 
geteilt;  Unentschlossenheit  bannte  sie  an  die  Stelle."  Als  Rückzugs- 
linie war  der  Saumpfad  über  die  Meienwang  nach  Gletsch  bezeichnet 
worden.  Dieser  Weg  konnte  jetzt,  nachdem  die  französische 
Umgehungskolonne  bereits  beim  Totensee  stand,  nicht  mehr  benützt 
werden.  Die  Fliehenden  wandten  sich,  nachdem  sie  die  Unmöglichkeit 
erkannten,  dort  durchzubrechen,  gegen  das  kleine  Siedelhorn  und 
auf  den  nach  Obergestelen  führenden  Pfad.  „Die  letzten  wurden, 
weil  nun  die  Abteilungen,  welche  von  der  Höhe  des  Nägelisgrätli 
herabgekommen  waren,  auch  rasch  vordrangen,  selbst  über  diesen 
Weg  hinaus  und  am  Fuß  des  Silberhorns  hinaufgedrängt,  wo  sich 
Einzelne,  vielleicht  Blessierte  verstiegen,  deren  Gerippe  noch  in 
neuester  Zeit  unter  Steinblöcken,  unter  welchen  sie  sich  verkrochen 
hatten,  gefunden  sind."   (Lohbauer  S.  37.) 

Damit  war  der  Tag  zu  Gunsten  der  Franzosen  entschieden; 
denn  auch  Strauch,  welcher  überhaupt  keine  Hülfe  von  dem  4  Stunden 


119 


weit  entfernten  Münster  hätte  bringen  können,  mußte  an  den  eigenen 
schleimigen  Rückzug  denken.  Trotzdem  entsendete  er  (Erzherzog 
Karl  II,  jjj)  einen  Teil  seiner  Reserven  nach  Obergestelen  zur 
Aufnahme  der  wenigen  von  der  Grimsel  herab  Flüchtenden. 

Das  Gefecht  endete  gegen  Mittag.  Die  Kaiserlichen  büßten 
400  Mann  an  Toten  und  500  an  Gefangenen  ein.  Unter  diesen 
befand  sich  auch  der  Sohn  des  Feldzeugmeisters  und  Regiments- 
inhabers Neugebauer.  Die  Franzosen  verloren  60  Tote  und  Ver- 
wundete, welche  Zahl  beweist,  daß  der  Widerstand  des  Gegners 
selbst  nach  gelungener  Umgehung  durchaus  nicht  schwach  war. 
Welche  Ereignisse  unterdessen  sich  im  Rhonenthale  abgespielt  hatten, 
erzählt  anschaulich  FML.  Stutterheim  in  der  Oesterreichischen 
Militärzeitschrift  11/1812: 

„Zu  beiden  Seiten  der  Rhone  zwischen  Roswald  und  Ried 
standen  auf  Vorposten  1  CompagnieLeloup-Jäger,  1  Bataillon  Siegen- 
feld, 1  Bataillon  Warasdiner.  Zur  Unterstützung  des  rechten  Flügels 
dieser  auf  dem  Theisberg:  1  Bataillon  Carneville,  2\%  Bataillon 
Michel  Wallis,  1  Detachement  Husaren.  Zu  Ernen  und  im  Binnen- 
thal zur  Unterstützung  des  linken  Flügels  1  Bataillon  Wallis. 
Zur  Verteidigung  des  Grimselberges  standen  auf  demselben  1  Bataillon 
Bannalisten,  1  Bataillon  Neugebauer.  Bei  Münster  in  der  Reserve 
standen  1  Bataillon  Wallis  und  1  Detachement  Husaren,  um  sowohl 
den  Grimselberg,  als  auch  die  Truppen  gegen  Morel  unterstützen 
zu  können. 

Zwei'Compagnien  Wallis  waren  zur  Transportierung  der  Lebens- 
mittel bis  Airolo  und  Lugano  verteilt.  Man  sieht,  wie  viel  der 
Oberst  Strauch  gewagt  hatte,  sich  mit  seinen  10  Bataillonen  auf 
eine  Strecke  von  mehr  als  6  deutschen  Meilen  auszudehnen,  und 
zwar  in  dem  höchsten  Gebirge,  wo  er  sowohl  den  General  Xaintraille 
im  unteren  Walliserland,  als  den  General  Lecourbe  aus  der  Schweiz 
gegen  sich  hatte :  allein  nur  der  Mangel  an  Lebensmitteln  konnte 
ihn  dazu  bewegen. 

Xaintraille  machte  schon  am  8.  August  starke  Vorstöße  und 
verstärkte  sich  sehr  bei  Brieg.  Zugleich  erhielt  Strauch  aus  der 
Schweiz  bestimmte  Nachrichten,  die  ihm  über  einen  nahen  Angriff 
keinen  Zweifel  ließen;  allein  mit  dem  Vorsatz,  dem  Feind  keine 
Hand  breit  Boden  zu  lassen,  beschloß  er,  sich  auf  seinem  Posten 
zu  behaupten.  Den  13.  August  früh  griffen  die  Franzosen  mit 
4000  Mann  auf  vier  Wegen  das  bei  Roswald  aufgestellte  Warasdiner 
Bataillon  an,  versprengten  den  größten  Teil  davon  und  drängten 
gegen  das  Binnenthal  vor.  Das  Bataillon  Wallis  rückte  ihnen  bis 
dahin  entgegen;  sie  machten  Halt,  nahmen  auf  den  Safnitzer  Alpen 
eine  Stellung  und  zogen  sich  am  Abend  gegen  Roswald  zurück. 
Um  dieselbe  Zeit  rückten  die  Franzosen  auf  dem  Simplon  vor  und 
vertrieben  die  von  Rohan  auf  demselben  aufgestellten  Posten. 


120 


Der  Oberst  Strauch  schickte  den  Major  Richter  vom  Generalstab 
mit  4  Compagnien  vom  Regiment  Wallis  und  dem  Befehl  nach 
Binna  ab,  den  Feind  anzugreifen  und  von  Roswald  zu  vertreiben, 
weil  er  seine  vorgerückten  Posten  gegen  Morel  behaupten  wolle; 
diese  Maßregel  war  sehr  unheilbringend.  Die  Franzosen,  deren 
Attacke  auf  Roswald  nur  ein  Scheinangriff  gewesen  zu  sein  scheint, 
kamen  am  14.  aus  dem  Aarthal  herauf  und  griffen  mit  6000  Mann 
die  auf  der  Grimsel  postierten  2  Bataillone  an.  Der  Oberst  Strauch, 
von  der  Festigkeit  des  Postens  auf  der  Grimsel  überzeugt,  konnte 
darauf  Rechnung  machen,  daß  die  dort  postierten  2  Bataillone  sich 
gegen  jede  Macht  behaupten  würden.  Wirklich  mußten  auch  die 
Franzosen  einzeln,  Mann  für  Mann,  die  höchsten  Felsenspitzen 
erklettern  und  sich  erst  sammeln,  ehe  sie  einen  Angriff  wagen 
konnten.  Indessen  war  der  Zeitpunkt,  sie  selbst  anzugreifen,  ver- 
säumt. Der  Oberst  Strauch  eilte  auf  die  erste  Nachricht  selbst 
mit  zwei  Compagnien  Wallis  zur  Unterstützung  auf  die  Grimsel, 
allein  er  kam  zu  spät,  der  Feind  war  ihm  schon  überlegen.  Drei 
Angriffe  machten  die  Franzosen  vergebens,  er  schlug  sie  mutvoll 
zurück,  der  vierte  gelang  ihnen  aber,  sie  eroberten  den  Grimselberg, 
und  Oberst  Strauch,  dem  der  bequemere  Weg  über  die  Furka 
nach  dem  Gotthard  jetzt  abgeschnitten  war,  sammelte  seine  Truppen 
bei  Obergestelen,  besetzte  mit  ihnen  die  Gorge  von  Zumloch,  um 
sich  seinen  Rückzug  über  den  Nufenen  zu  sichern,  und  schickte 
zugleich  einen  Befehl  an  den  Major  Richter,  mit  allen  bei  Morel 
stehenden  Truppen  zu  ihm  zu  stoßen.  Durch  diesen  glücklich 
ausgeführten  Angriff  der  Franzosen  wurde  Strauch  von  seinen 
meisten  Truppen,  die  er  über  Münster  hinaus  gegen  Morel  detachiert 
hatte,  abgeschnitten.  Diese  waren  an  demselben  Tage  von  den 
Franzosen,  welche  mit  3000  Mann  und  5  Kanonen  von  Brieg  heran- 
kamen, auf  ihrem  rechten  Flügel  angegriffen,  die  Vorposten  zogen 
sich  anfangs  nach  dem  Theisberg  zurück :  dort  leisteten  aber  die 
beiden  Bataillone  Carneville  und  Siegenfeld  Widerstand,  sodaß  die 
Franzosen  gezwungen  wurden,  sich  wieder  bis  Morel  zurückzuziehen. 
Major  Richter  hatte  indessen  bis  3  Uhr  nachmittags  das  Binnen- 
tbal  passiert,  die  Safeizer  Alpen  besetzt  und  ging  mit  10  Compagnien 
Wallis  auf  Roswald  zu,  wo  die  Franzosen  jedoch  den  Angriff  nicht 
abwarteten.  Während  der  Vorrückung  der  genannten  10  Compagnien 
kam  der  Bote  mit  dem  Befehl  vom  Obersten  Strauch  an  ihn,  nach 
Zumloch  zu  ziehen ;  allein  das  war  unter  gegenwärtigen  Umständen 
nicht  mehr  möglich,  denn  einenteils  hatten  jetzt  schon  jene  Franzosen, 
die  den  Grimselberg  herunter  kamen,  sich  bei  Münster  festgesetzt 
und  unterbrachen  die  Verbindung  zwischen  Morel  und  Zumloch, 
andernteils  wurden  jene  Truppen,  die  auf  dem  Theisberg  am  rechten 
Rhoneufer  so  lange  Widerstand  geleistet  hatten,  von  frischen 
Truppen  neuerdings  angegriffen  und  zum  Rückzug  genötigt.  Hätten 


121 

sie  diesen  durch  das  Rhonethal  genommen,  so  wären  sie  zwischen 
zwei  Feuer  geraten  und  schwerlich  im  stände  gewesen,  sich  zu 
retten.  Sie  schlugen  also  den  Weg  durch  das  Binnenthal  ein,  wo 
sich  Oberst  Carneville  mit  dem  Major  Richter  vereinigte,  und 
nahmen  einen  höchst  beschwerlichen  Rückzug  auf  Steigen,  die 
nur  von  Hirten  und  Jägern  betreten  werden,  über  den  Alberaberg 
in  das  Dererthal. 

Der  Oberst  Strauch,  welcher  vom  General  Simbschen  den  15. 
die  Nachricht  erhalten  hatte,  daß  er  Hospenthal  am  Gotthard 
habe  verlassen  müssen  und  sich  auf  die  Höhen  hinter  Urseren 
gezogen  habe,  mußte  nun  auch  seine  Stellung  beim  Zumloch  räumen 
und  zog  sich  mit  etwa  500  Mann,  die  er  noch  bei  sich  hatte,  über 
den  Nufenen  nach  Airolo  und  von  da  nach  Faido  zurück.  Von 
dort  ging  er  am  16.,  weil  er  durch  das  Val  Blennio  im  Rücken 
gepackt  zu  werden  befürchtete,  über  Biasca  nach  Beilin  zona. 
Oberst  Carneville  konnte  nun  nicht  mehr  den  Weg  durch  das 
Versascathal  (?)  einschlagen,  um  sich  mit  Strauch  bei  Airolo  zu 
vereinigen,  welches  die  Franzosen  schon  besetzt  hatten.  Er  wandte 
sich  am  16.  durch  das  äußerst  beschwerliche  Gebirg  Furca  del 
Bosco  in  das  Val  Maggia  und  traf  am  29.  nach  vielen  ausgestandenen 
Mühseligkeiten  nahe  bei  Locarno  ein,  wo  er  mit  2584  Mann  sich 
wieder  mit  dem  Obersten  Strauch  vereinigte,  welcher  indessen 
durch  1  Bataillon  Kheul  und  1  Bataillon  Belgioso  aus  dem 
Mailändischen  verstärkt  worden  war.  Den  23.  poussierte  Oberst 
Strauch  wieder  einen  Teil  seines  Corps  nach  Biasca,  um  den  bei 
Airolo  stehenden  Feind  leichter  beobachten  zu  können.  Oberst 
Rohan  stand  bei  Domo  d' Ossola  und  der  äußerste  linke  Flügel 
der  österreichischen  Armee  in  der  Schweiz  bei  Dissentis.  Die 
Franzosen  waren  im  Besitz  aller  Zugänge  zum  Gotthardsberg ; 
und  so  blieb  es  bis  zur  Ankunft  der  Russen  unter  Suworow. 

Als  Kray  erfahren  hatte,  daß  Lecourbe  sich  wieder  nach 
dem  Gotthard  zurückgezogen,  so  ließ  er  nur  die  Brigade  Loudon 
bei  Novara  stehen,  er  selbst  aber  ging  am  27.  August  mit  dem 
Rest  seines  Corps  nach  Mortara  zurück." 

Zu  diesem  Berichte  muß  noch  bemerkt  werden,  daß  General 
Turreau  bereits  seit  drei  bis  vier  Wochen  den  General  Xaintrailles 
im  Befehle  abgelöst  hatte  und  daß  die  Erzählung  über  das  Gefecht 
auf  der  Grimsel  nicht  nur  der  Wahrheit,  sondern  auch  der 
Wahrscheinlichkeit  entbehrt.  Im  übrigen  können  die  Angaben 
wohl  als  richtig  angesehen  werden. 

Das  Nachtlager  fand  die  Brigade  Gudin  am  Abend  des  15. 
in  Realp,  worauf  sie  am  16.  früh,  wie  schon  beschrieben,  die  Ver- 
einigung mit  der  Division  vollzog. 

Generalmajor  Simbschen  hatte  jedenfalls  während  der  Nacht 
vom  15./16.  August  das  Eintreffen  gegnerischer  Streitkräfte  her- 


122 

wärts  der  Furka  erfahren  und  die  schützende  Dunkelheit  (wie  das 
so  oft  in  diesem  Gebirgsfeldzuge  geschah)  dazu  benützt,  unverfolgt 
abzuziehen. 

Lecourbe  hingegen  suchte  sich  auch  der  Stellung  bei  den 
Seen  auf  der  Oberalp,  d.  h.  der  Paßhöhe  zu  bemächtigen.  Zu 
diesem  Zwecke  entsendete  er  einen  Teil  der  Grenadierreserve  und 
diesen  folgend  das  eben  mit  General  Gudin  ankommende  I./67. 
durch  das  Fellithal  über  die  beschwerliche  Fellilücke  (2490  m ). 
die  zwischen  dem  Schneehühnerstock  und  dem  Pizzo  Tiarms  ge- 
legene Einsattlung.  General  Gudin  hatte  von  sich  aus  am  Morgen 
beim  Aufbruche  von  Realp  bereits  ein  anderes  Bataillon  der 
67.  Halbbrigade  über  den  Gotthard-Paß  nach  Airolo  entsendet. 
Dies  geschah  zu  dem  Zwecke,  um  den  Kaiserlichen  sowohl  den 
Weg  in  die  Leventina  zu  verlegen,  wie  ferner,  soweit  die  Abteilung 
des  Obersten  Strauch  in  Betracht  fiel,  jedes  Eingreifen  vom  Bedretto 
her  zu  hindern. 

Der  Rest  der  Division  ging  unter  der  Leitung  ihres  Befehls- 
habers gegen  die  Oberalp  vor.  Das  Feldtagebucb  berichtet  hier- 
über: „Der  Feind  krönte  mit  zwei  Bataillonen  des  Regiments  von 
Kerpen  und  in  enger  Aufstellung  die  Uebergänge  nach  Tschamut 
und  San  Giacomo  in  Graubünden.  (Gemeint  sind  damit  die  durch 
„Calmot"  getrennten  Wege,  der  Paß  da  Tiarms  (2154  m)  und 
jener  durch  das  Val  Surpalix  (2048  m),  den  die  heutige  Poststraße 
einnimmt.) 

Mehrfach  versuchte  es  der  Gegner  uns  zu  umgehen,  aber  die 
staffellörmig  aufgestellten  Reserven  hinderten  ihn  daran/'  Die 
Kaiserlichen  leisteten  den  verzweifeltsten  Widerstand.  Die  fran- 
zösische Umgehung  war  noch  nicht  durchgeführt  und  die  wieder- 
holten Frontalangriffe  mit  der  blanken  Waffe  mißlangen  vollständig. 
Erst  als  die  drei  anwesenden  Generale  die  Säbel  zogen  und  sich 
persönlich  an  die  Spitze  der  7  noch  übrigen  Grenadiercompagnien 
stellten,  gelang  es,  den  Gegner  ins  Val  Tavetsch  hineinzudrängen. 
Er  verlor  dabei  eine  Fahne,  20  Offiziere  und  1000  Mann  an  Ge- 
fangenen, dazu  200  Tote,  300  Verwundete  und  zehn  Kanonen. 

Diese  Niederlage  brachte  den  Generalmajor  Simbschen  zu  dem 
Entschlüsse,  seinen  Rückzug  unaufhaltsam  bis  Chur  fortzusetzen, 
welchen  Ort  er  mit  dem  ihm  noch  bleibenden  Truppenreste  am 
20.  August  unverfolgt  erreichte. 

Die  Division  Lecourbe  hatte  ihre  Aufgabe  in  den  drei  Tagen 
vom  14.  zum  16.  August  erfüllt.  Sie  stand  jetzt  mit  dem  rechten 
Flügel  in  Altdorf  und  Flüelen.  Das  Hauptquartier  befand  sich 
vorerst  in  Altdorf.141  Es  blieb  noch  die  Durchführung  der  Be- 
setzung des  Klausen-Passes  (1952  m).  Die  auf  dem  ürnerboden 
lagernde  gegnerische  Abteilung,  bestehend  aus  800  Oesterreichern, 
300 — 400  Glarner-Landstürmern    und    200   Timern    unter    Arnold 


123 


und  Martin,  leisteten  den  am  18.  August  (1.  Fructidor)  auf  sie 
stoßenden  L,  IL/38.  Halbbrigade  einigen  Widerstand,  wurden  dann 
aber  ins  Linththal  geworfen  und  bis  zu  dem  Orte  gleichen  Namens 
verfolgt.  Die  Urner  hatten  am  14.  am  Grundbühl  gestanden,  waren 
aber  nach  der  Landung  der  Franzosen  durch  den  Grunwald  und 
über  die  Alpen  nach  Bürglen  und  Spiringen  zurückgegangen. 
Lusser  (S.  164)  erzählt,  die  Franzosen  seien  von  einem  Schächen- 
thaler  längs  der  steilen  Balmwand  geführt  worden.  Eine  Flatter- 
mine sprang  dicht  vor  der  Kolonne,  aber  von  dem  eingefallenen 
Nebel  begünstigt,  umging  sie  die  Stellung  in  glücklicher  Weise. 
Dabei  verlor  der  Gegner  40  Tote,  180  Verwundete  und  152  Ge- 
fangene, unter  welchen  sich  ein  Hauptmann  befand.  Die  Franzosen 
büßten  2  Mann  an  Toten,  15  an  Verwundeten,  3  an  Gefangenen 
ein.  Sie  bezogen  Stellung  auf  der  Fritternalp,  an  der  Grenze  von 
Uri  und  Glarus  gelegen. 

Die  Stärkenverhältnisse  der  in  den  drei  erwähnten  August- 
tagen miteinander  Ringenden  sind  fast  die  gleichen.  Die  Oester- 
reicher  waren  durch  die  lange  Waffenruhe  und  die  Schwierigkeit 
der  Verpflegung  ihrer  Truppen  dazu  gezwungen,  eine  lang  ausge- 
dehnte Stellung  (Cordon)  einzunehmen,  welche  an  mehreren  Stellen 
zu  durchbrechen  nicht  schwierig  war.  Die  Aufstellung  in  lang- 
gestreckten Thälern  bedingt  aber  noch  keine  Niederlage,  die  mit 
größeren  Verlusten  verknüpft  ist.  (Lecourbe  im  Engadin  30.  April 
bis  3.  Mai.)  Diese  müssen  im  vorliegenden  Falle  vielmehr  einzig 
und  allein  der  Unfähigkeit  des  Feldherrn  oder  der  geringen 
Leistungsfähigkeit  der  Truppen  zugeschrieben  werden.  Beides  ist 
leicht  zu  erkennen  in  dem  Verhalten  der  Kaiserlichen  bei  diesen 
Ereignissen.  Die  österreichischen  Führer  trifft  zudem  die  Schuld 
der  ganz  unerklärlichen  Versäumnisse,  die  besetzten  Stellungen  nicht 
befestigt  und  in  der  Flanke  sowie  im  Rücken  gesichert  zu  haben. 
Außer  der  Meienschanze,  und  diese  wurde  nicht  durch  kaiserliche 
Sappeure  errichtet,  findet  sich  nirgend  eine  Spur  auch  nur  der 
flüchtigsten  Befestigung.  Es  fehlte  der  österreichischen  Aufstellung 
eine  richtige  Anordnung  der  Reserven.  Diese  standen  durchgängig 
zu  weit  von  dem  kämpfenden  Treffen  entfernt  und  wurden  über- 
dies zu  schwach  gebildet.  Der  Weg,  den  die  Angreifer  nehmen 
mußten,  führte,  soweit  die  Kolonnen  d'Aumas  (Susten),  Loison 
(Surenen)  und  Gudin  (Grimsel)  in  Betracht  fallen,  über  unwegsame, 
leicht  zu  verteidigende  und  zu  sichernde  Pässe.  Nur  die  Grimsel 
wurde  mit  genügenden  Kräften  bedacht,  die  aber  ihrer  Aufgabe, 
bei  der  ihnen  mangelnden  Gabe  des  Erkundens,  nicht  gewachsen 
blieben.  Generalmajor  Simbschen  vergaß  es  ganz,  die  Surenen  und 
den  Susten  zu  besetzen,  obgleich  das  von  Lecourbe  im  März  und 
April  gegebene  Beispiel  (Cierfser-Joch,  Ofen-Paß)  als  Vorbild  nahe 
genug  lag.     Die  große  Zahl  der  Gefangenen  endlich,    welche  die 


124 


Franzosen  machten,  läßt  darauf  schließen,  daß  die  untere  Führung 
bei  den  Oesterreichern  ebenfalls  der  Thatkraft  ermangelte  und  die 
Truppen  selbst  sich  in  übler  seelischer  Verfassung  befanden. 

Der  französische  Angriff  gelang  aus  diesem  Grunde,  obwohl 
er  sich  als  ein  nicht  wenig  künstlich  zusammengesetzter  zeigte. 
Er  wäre  gewiß  an  einer  oder  der  anderen  Stelle  mißlungen,  wenn 
nicht  die  Verteidigung  die  oben  berührten  Fehler  aufgewiesen  hätte. 
Wie  wenig  Verlaß  auf  Berechnungen  von  Marschzeiten  für  Gebirgs- 
strecken  ist,  ergibt  sich  aus  der  Bewegung  der  Kolonne  Loison. 
Sie  sollte  bereits  am  14.  abends  Wasen  erreichen,  um  die  Oester- 
reicher  völlig  einzuschließen.  Das  unvorhergesehene  Ereignis,  ein 
Gewittersturm  mit  Schnee  winden,  verhinderte  ihr  Eintreffen  zur 
bestimmten  Frist. 

Lecourbe  fühlte  wohl  selbst  die  Mängel  des  von  ihm  in  seinen 
Einzelheiten  festgesetzten  Angriffsplanes.  Um  entscheidend  auf- 
treten zu  können,  behielt  er  die  Grenadierreserve  in  der  Hand, 
mit  welcher  er  selbst  den  eigentlichen  Frontalangriff  durchführte. 

Der  General  muß  jedoch  damit  entschuldigt  werden,  daß  er 
die  ihm  gestellte  Aufgabe  nur  so  lösen  konnte,  wie  er  es  that. 
Der  gut  verteidigte  Gotthard  konnte  gar  nicht  fallen  und  höchstens 
ernstlich  von  der  Furka  und  der  Leventina  her  bedroht  werden. 
Er  mußte  in  die  Hände  der  Franzosen  übergehen,  weil  sie  den  festen 
Willen  dazu  hatten,  diese  Stellung  einem  untüchtigen,  stets  ratenden 
aber   niemals   thatkräftig  sich    beweisenden  Gegner   zu  entreißen. 

Am  28.  August  wurde  das  IL  Lemaner-Bataillon  und  IL/25. 
Halbbrigade  von  der  Division  abberufen.  Zugleich  erhielt  General 
Molitor,142  der  an  die  Stelle  von  General  Boivin  getreten  war,  den 
Befehl  des  Obergenerals  Massena,  am  29.  gegen  den  Pragel-Paß 
(1547  m)  und  Glarus  vorzugehen,  um  die  Oesterreicher  aus  dem 
Muotta-  und  Klönthal  zu  vertreiben. 

Den  29.  August  aufgebrochen,  erreichte  Molitor  mit  dem  bisher 
in  Ober-Iberg  stehenden  L/84.  in  raschem  Marsche  den  östlichen 
Ausgang  des  Klönthaies.  Der  Gegner,  von  dem  sich  nur  ein 
-schwacher  Posten  Glarner  Milizen  auf  der  Paßhöhe  des  Prageis 
befand,  wich  unaufhaltsam  bis  zu  diesem  Punkte.  Da  aber 
unterdessen  IL/84.  Halbbrigade  herankam  und  über  die  Hänge  des 
Sackberges  eine  Umgehung  durchführte,  trat  der  Feind  nicht  nur 
endgültig  den  Rückzug  an,  sondern  räumte  auch  Glarus  und  bezog 
dann  eine  Stellung  vorwärts  Netstall.  Molitor  teilte  nun  seine 
Kolonne,  eine  Hälfte  eilte  nach  Netstall,  die  andere  nach  Glarus. 
Zugleich  erschien  aber  Major  Eötvös  mit  2  Bataillonen  kaiserlicher 
Infanterie  auf  der  Straße  von  Schwanden  her  und  1500  Schweizer-, 
meist  Glarner- Milizen  machten  den  Versuch ,  über  den  Ostabhang 
des  Vorder-Glärnisch  hin  die  Franzosen  völlig  einzuschließen. 
Das  Feldtagebuch  bemerkt  dazu:    „Den  Schweizern  gelang  es,  ein 


125 

schwer  gangbares  Tobel  zu  durchschreiten,  in  der  Absicht,  den 
rechten  Flügel  des  Generals  Molitor  zu  umgehen.  (Gemeint  ist 
der  Bach  bei  der  Häusergruppe  Wyden,  2  km  westlich  von  Glarus. 
Dieser  ließ  sie  aber  mit  dem  Bajonette  angreifen,  wobei  sie  zurück - 
und  in  das  Tobel  geworfen  wurden.  Hier  ertranken  viele  (?)  und 
mehrere  wurden  zu  Gefangenen  gemacht."  Der  Tag  endete  damit, 
daß  Molitor  die  Ausgänge  des  Klönthaies  gegen  Netstall  und 
Glarus  besetzte.  Nach  der  Lebensbeschreibung  von  Hotze  (S.  365) 
verloren  die  Glarner  an  diesem  Tage  30  Mann.  Ihre  Schar  ging 
auseinander,  welchem  Beispiele  ein  Appenzeller  Bataillon  in  der 
Stärke  von  400  Mann  folgte,  das  beim  ersten  Kartätschschusse 
4  Tote  und  6  Verwundete  eingebüßt  hatte. 

Am  30.  August  erhielt  der  General  aus  Schwyz  Lebensmittel, 
Schießbedarf  und  Verstärkung  durch  III.  /  84.  Halbbrigade.  Immerhin 
ereigneten  sich  an  diesem  Tage  keine  Feindseligkeiten,  dagegen 
entschloß  sich  Molitor,  am  31.  zum  Angriffe  überzugehen. 

Lecourbe  entsendete  dagegen  am  30.  den  Capitaine  Montfort 
mit  IL/38.  Halbbrigade.  Sie  trafen  auf  einigen  Landsturm,  der 
aber  ohne  weiteres  aus  seinen  Stellungen  wich.  Trotzdem  scheint 
sich  Loison  mit  der  Besetzung  von  Linththal  begnügt  zu  haben. 

Molitor  entsendete  zur  gleichen  Zeit  einige  Compagnien  nach 
Glarus  hinein,  freilich  nur  für  wenige  Viertelstunden  und  wohl 
einzig  zum  Zwecke  der  Erkundung  der  gegnerischen  Absichten. 
Um  5  Uhr  früh  begann  das  Gefecht  bei  Riedern,  in  welches  FML. 
Hotze  mit  2  frisch  von  Niederurnen  herankommenden  Bataillonen 
eingriff.  Da  den  französischen  Vortruppen  ob  Riedern  der  Schieß- 
bedarf  ausging,  rollten  sie  Steine  auf  die  eindringenden  Gegner 
hinab.  Endlich  trafen  4  Compagnien  von  1/76.  als  Verstärkung 
ein  und  nun  schritt  Molitor  seinerseits  zum  Angriff.  Der  Gegner 
wurde  bei  dem  schnellen  Vorstoße  aus  Glarus  und  selbst  aus 
Netstall  geworfen  und  verlor  400  Mann  Gefangene  neben  800  an 
Verwundeten  und  Toten.  Unter  den  letzteren  befand  sich  General- 
major E weich.  Die  Franzosen  verloren  19  Tote,  139  Verwundete 
und  85  Gefangene. 

Besonders  ausgezeichnet  hatten  sich  in  dem  Gefechte,  nach 
welchem  die  Kaiserlichen  unter  dem  Schutze  der  Dunkelheit  in 
ihre  Stellungen  hinter  der  Linth  zurückgingen,  die  vom  Bataillons- 
chef Saucey  geführten  Teile  der  84.  Halbbrigade. 

Die  Franzosen  behielten  ihre  Stellung  im  Klönthale.  Am 
1.  September  besetzte  Molitor  Mollis  und  das  Sernftthal.  Der 
Kerenzerberg  blieb  im  Besitze  der  Kaiserlichen. 

Der  Angriff  der  zuletzt  etwa  3000  Mann  starken  Brigade 
Molitor  hing  mit  der  Bewegung  der  Division  Soult  (ehemals 
Chabran)  gegen  Uznach  und  dem  Versuche  von  Massena  zusammen, 
während  dieser  Ereignisse  im  Vogelsang  bei  Turgi- Windisch  über 


126 


die  Limmat  zu  gehen.  '  Der  Brückenschlag  mißlang  jedoch  dort, 
und  gewonnen  für  die  Franzosen  wurde  eigentlich  nichts  durch 
die  Vorfälle  an  der  Linthlinie.  Die  Oesterreicher  (FML.  Hotze) 
nahmen  ihren  linken  Flügel  hinter  die  Seez  bei  Wallenstadt  und 
Sargans  zurück;  das  Rheinthal  wurde  bis  Ilanz  durch  streifende 
Abteilungen  beobachtet. 

Es  mag  noch  erwähnt  werden,  daß  in  dem  am  31.  August 
gegen  die  Division  Soult  vorgefallenen  Gefechte  der  tapfere  Major 
Eötvös  blieb.  FML.  Hotze  selbst  geriet  in  Lebensgefahr  und  fiel 
fast  in  Gefangenschaft.  Sein  Adjutant  Nestorowicz  ward  verwundet 
und  auch  der  aus  Zürich  stammende  Lieutenant  im  60.  Infanterier- 
egiment, Felix  von  Orelli,  starb  den  Heldentod. 

Für  die  verbündete  Armee  in  der  Schweiz  aber  bildeten  die 
Ereignisse  vom  29.  bis  31.  August  ein  Vorspiel  mit  wenig  glück- 
lichem Ausgange  zu  der  vier  Wochen  später  stattfindenden  zweiten 
Schlacht  von  Zürich. 


VI. 

Suworoff. 


Uni  die  Mitte  des  Septembers  1709  verteilten  sich  die  Streit- 
kräfte der  Gegner  in  der  Schweiz  wie  folgt: 

Russen. 
Generallieutenant    Korsakoff    mit    24000    Mann    (29    Bataillone, 
25  Schwadronen,  4  Kosakenregimenter  u.  s.  w.)  bei  Zürich, 
an  der  Limmat  und  der  untern  Aare. 

Oester reicher  (und  Schweizer  in  englischem  Solde). 

Generalmajor  Prinz  von  Württemberg  mit  2500  Mann  (1  öster- 
reichisches Dragonerregiment  und  2  Bataillone  Legion 
Bachmann  und  Roverea),  unterstützt  von  der  Flottille  des 
englischen  Obersten  Williams  auf  dem  rechten  Zürichsee- 
Ufer. 

Feldmarschall-Lieutenant  Hotze  mit  8000  Mann  (11  Bataillone  und 
10  Schwadronen)    an  der  Linth  und  dem  obern  Zürichsee. 

Generalmajor  Jellacic  mit  5000  Mann  (8  Bataillone,  3  Sclrwadronen) 
bei  Sargans. 

Feldmarschall-Lieutenant  Linken  mit  den  Brigaden  Auffenberg  und 
Simbschen,  zusammen  6500  Mann  (10  Bataillone,  8  Schwa- 
dronen), im  Bündner  Oberlande. 

Oberst  Strauch  mit  4500  Mann  (8  Bataillone,  */a  Schwadron)  in 
Bellinzona  und  Locarno ;  die  Vortruppen  in  Biasca  und 
zeitweilig  bis  zum  Dazio  grande  vorgeschoben. 

Franzosen   (Angaben  nach  Koch,  Massena  III,  486): 

1.  Division,  Turreau         9462  Mann    in  den  Thalschaften  des  Wallis. 

2.  „         Lecourbe    11752       „        im  oberen  Reufi-  und  Linth- 

gebiete. 

3.  „         Soult  12670      n         auf  dem  linken  Zürichsee- Ufer 

und  längs  der  untern  Linth. 

4.  „         Mortier       11167       „ 

5.  B         Lorges  8565      ,        gegenüber  den  Russen. 


9017  Mann 

3696      j, 

im  Frickthale. 

9310      , 

am  rechten  Rheinufer  hei 

Basel. 

;    3430      , 

im  Freiamte. 

2524      , 

im  Bernbiet,Freiburguncl 

im  Kanton  Leman. 

128 


6.  Division,  Menard 

7.  „  Klein 

8.  „  Chabran 

Grenadier-Reserve  Humbert 
Montchoisy 

Hülfsdienste  1166      „ 

Demnach  zählten  die  Verbündeten  (27  000  Russen  und  etwa 
25000  Oesterreicher)  zusammen  52  000  Streiter,  die  Franzosen 
dagegen  82  759  Mann.  —  Dieses  für  die  letzteren  so  günstige 
Verhältnis  tritt  noch  mehr  hervor,  wenn  die  weitläufige  Aufstellung 
ihrer  Gegner  in  Betracht  fällt. 

Das  alles  mußte  den  zum  Angriff  entschlossenen  Oberbefehls- 
haber Massena  dazu  drängen,  seinen  Plan  mit  größter  Beschleunigung 
durchzuführen.  Der  Grund,  warum  die  Franzosen  nicht  sogleich 
nach  dem  Abzüge  des  Erzherzogs  aus  der  Schweiz  losschlugen, 
ist  unschwer  zu  erkennen.  Die  Vorbereitungen  zum  Uebergange 
bei  Dietikon  und  Schanis  bedurften  einer  gewissen  Zeit  zur  geheim- 
zuhaltenden Ausführung.  An  ersterem  Orte  wurde  man  damit  nicht 
vor  dem  20.,  an  letzterem  gar  erst  gegen  den  25.  September  fertig. 

Massena  hatte  ursprünglich  den  allgemeinen  Angriff  auf  den 
26.  September  festgesetzt.  Am  23.  des  nämlichen  Monats  aber 
erhielt  er  durch  den  General  Suchet,  den  damaligen  Stabschef  der 
französischen  Armee  in  Italien,  die  Nachricht,  Suworoff  sei  in  die 
Schweiz  abmarschiert.  So  entschloß  sich  der  Obergeneral,  die  Fluß- 
übergänge am  25.  und  26.  September  zu  erzwingen. 

Nach  einer  vorgängigen  Festsetzung  sollte  die  französische 
Hauptmacht  die  Kräfte  des  Generallieutenants  Korsakoff  angreifen, 
die  Division  Soult  dagegen  in  Gemeinschaft  mit  der  Brigade  Molitor 
von  der  Division  Lecourbe  den  FML.  Hotze  derart  beschäftigen, 
daß  dieser  den  Russen  keine  Hülfe  leisten  dürfte. 

Die  Division  Lecourbe  endlich  hätte  dann  den  FML.  Linken 
in  Bünden  bedroht. 

Dieser  Plan  ward  aber  durch  ganz  unvorhergesehene  Maß- 
nahmen der  Gegner  und  zwar,  wie  bereits  angedeutet,  in  Italien 
durchkreuzt. 

Einen  Monat  vor  der  zweiten  Schlacht  von  Zürich,  am  27.  August, 
wurde  Suworoff  nämlich  durch  Kaiser  Franz  der  neue  Feldzugs- 
plan der  Verbündeten  mitgeteilt.143 

Die  Vorgeschichte  dieses  Entwurfes  muß  hier  kurz  wieder- 
gegeben werden. 

Am  22.  Juni  schlössen  England  und  Rußland  den  Vertrag  zur 
Ausführung  einer  gemeinsamen  Landung  an  den  Küsten  der  bata- 
vischen  Republik.     Lord  Grenville  drückte  bei  dieser  Gelegenheit 


129 

den  Wunsch  seiner  Regierung  aus,  daß  Suworoff  gemeinsam  mit 
Korsakoff  die  Franzosen  aus  der  Schweiz  vertreiben,  Erzherzog- 
Karl  ins  Oberelsaß  eindringen,  Melas  von  Savoyen  aus  den  Angriff 
der  Russen  unterstützen  solle.  In  der  That  entsprach  dieser  Ge- 
danke einem  wirklichen  Bedürfnisse.  Die  Verbündeten  durften  nicht" 
länger  gemeinsam  auf  den  verschiedenen  Kriegsschauplätzen  han- 
deln, sollten  nicht  ewige  Eifersüchteleien  die  errungenen  Erfolge 
wieder  vernichten.  Paul  sowohl  wie  Thugut  waren  hiemit  ein- 
verstanden, der  Minister  Franz'  IL  freilich  wie  immer  nur  unter 
Bedingungen.  Er  wünschte,  daß  der  eigentliche  Angriff  gegen 
Frankreich  auf  das  Jahr  1800  verschoben  werde  und  daß  das  Heer 
des  Erzherzogs  die  ehemals  österreichischen  Niederlande  besetzen 
solle.  Zugleich  bewirkte  der  Allmächtige,  entgegen  seinen  öffent- 
lichen Versprechungen,  den  Abmarsch  von  Erzherzog  Karl  aus 
der  Schweiz. 

Suworoff  nahm  die  ihm  aus  Wien  gewordene  Mitteilung  mit 
sichtlichem  Mißfallen  auf.  Sein  scharfer  Verstand,  seine  Einsicht 
ließen  ihn  nur  zu  gut  erkennen,  daß  der  achtzigjährige  bequeme 
Melas,  sich  selbst  überlassen,  Italien  ganz  sicher  verlieren  werde. 
Die  Ereignisse  von  1800  haben  ja  Suworoff  auch  wirklich  Recht 
gegeben.  Der  greise  Marschall  wünschte  Ligurien  und  Piemont 
den  Franzosen  vollends  zu  entreißen,  um  in  guten  Winterquartieren 
die  Vorbereitungen  für  den  Feldzug  auf  Frankreichs  eigenem  Boden 
zu  betreiben. 

.  „Ich  bin  der  Ueberzeugung",  schrieb  Suworoff  an  Kaiser  Franz, 
„daß  man,  um  die  Schweiz  zu  erobern,  Italien  deshalb  nicht  ver- 
lieren dürfe."  So  bestand  er  darauf,  erst  Tortona,  Coni,  Nizza  u.  s.w. 
zu  erobern,  was  etwa  zwei  Monate  in  Anspruch  genommen  und 
demnach  den  Alpenmarsch  überhaupt  verunmöglicht  haben  würde. 

In  demselben  Berichte  machte  Suworoff  den  Kaiser  Franz 
aufmerksam,  „daß  man  die  für  die  Schweiz  bestimmten  Truppen 
mit  den  unentbehrlichsten  Ausrüstungsgegenständen,  mit  Munition, 
Gebirgsgeschützen  und  Pontons  versehen  und  denselben  außerdem 
noch  eine  gewisse  Anzahl  mit  den  Eigentümlichkeiten  des  Landes 
vertrauter  Generalstabsoffiziere  zuteilen  möge."  „Es  sollte  mir 
unendlich  leid  thun",  fügte  Suworoff  am  Schlüsse  seiner  Meldung 
bei,  „wenn  der  Mangel  an  den  vorbezeichneten  Mitteln  trotz  all' 
meines  Eifers  mich  dennoch  an  der  Erreichung  des  mir  vorge- 
steckten großen  Zieles  verhindern  würde." 

Nun  erhielt  Suworoff  aber  den  Befehl  seines  Zaren,  in  die 
Schweiz  abzumarschieren;  zugleich  jedoch  die  Nachricht  von  den 
Vorgängen  zwischen  Erzherzog  Karl  und  Korsakoff. 

So  mußte  er  ohne  weiteres  gehorchen. 

Am  8.  September  traten  die  Corps  Derfelden  von  Asti  und 
Rosenberg  von  Rivaita  aus  den  Marsch  nach  Varese  an.    Suworoff 

Günther,  Feldzug  1799.  9 


130 


ward  auf  seinen  Wunsch  von  den  Obersten  Weyrother  und  dem 
Major  Eckart  nebst  einigen  anderen  Offizieren  des  österreichischen 
Generalstabes  begleitet,  da  diese  die  Schweiz  angeblich  genau 
kannten.  Wie  ungern  Suworoff  aus  Italien  schied,  bezeugt  die 
Aeußerung:  „Nachdem  man  mir  das  für  Italien  nötige  Blut  aus- 
gepreßt, wirft  man  mich  hinter  die  Alpen  zurück." 

Nach  einigem  Aufenthalte,  der  dadurch  nötig  geworden,  daß 
die  Franzosen  von  der  Riviera  her  es  versuchten,  die  Zitadelle 
von  Tortona  zu  entsetzen,  langten  die  Russen  am  Abend  des 
15.  September  in  Taverne,  dem  Straßenknoten  südlich  des  Monte 
Cenere  an. 

Nach  der  Verfügung  vom  6.  desselben  Monats  (Miliutin  III,  393, 
Nr.  281)  mußten  sämtliche  Regiments-  und  Feldgeschütze  über 
Mailand  und  Como  zu  Wasser  nach  Colico,  über  den  Maloja,  das 
Engadin  und  den  Arlberg  nach  Maienfeld  entsendet  werden.  Dafür 
erhielt  das  Corps  Derfelden  15,  das  Corps  Rosenberg  10  Gebirgs- 
kanonen.  In  Bellinzona  und  Airolo  sollten  Mundvorräte  für  12  Tage 
aufgestapelt,  sowie  1429  Maultiere  für  die  Fortbewegung  desselben 
wie  des  Reserve-Schießbedarfes,  besammelt  werden. 

„Die  in  Airolo  und  Umgebung  (!)  stehende  Abteilung  des 
Obersten  Strauch  wird  im  Verein  mit  den  russischen  Truppen  den 
St.  Gotthard  angreifen,  während  Prinz  Victor  Rohan  und  FML. 
Hadik  Demonstrationen  über  den  Simplon  und  großen  St.  Bernhard 
gegen  Wallis  ausführen.  Nachdem  sich  die  Kolonne  am  17.  September 
dem  Fuße  des  St.  Gotthards  nähert,  so  können  am  18.  die  nötigen 
Vorbereitungen  hiezu  getroffen  und  am  19.  sowohl  der  Angriff 
auf  den  St.  Gotthard,  als  der  allgemeine  Angriff  auf  die  ganze 
Linie  der  feindlichen  Aufstellung  von  den  in  der  Schweiz  befind- 
lichen Truppen  der  beiden  kaiserlichen  Armeen  ausgeführt  werden. 

Sobald  die  den  Eingang  in  die  Schweiz  verteidigenden  feind- 
lichen Posten  zurückgeworfen  sind,  haben  die  Truppen  des  Obersten 
Strauch  die  Grenze  zu  besetzen  und  ohne  jedoch  in  das  Innere 
der  Schweiz  einzudringen,  das  weitere  Vordringen  der  russischen 
Kolonne  zu  decken.  Sobald  der  St.  Gotthard  genommen,  sucht 
die  kaiserliche  russische  Kolonne  in  derselben  Richtung  in  den 
Rücken  des  Feindes  vorzurücken,  in  welcher  letzterer  selbst  den 
linken  Flügel  der  österreichischen  Armee  in  der  Schweiz  ange- 
griffen und  denselben  zurückgedrängt  hat  —  d.  i.  durch  das  Reuß- 
und  Linththal  und  womöglich  zugleich  auch  durch  das  Rheinthal. 

Wie  bereits  oben  erwähnt,  haben  die  beiden  kaiserlichen 
Armeen  den  Angriff  auf  die  Front  des  Feindes  zu  gleicher  Zeit 
auszuführen;  es  hat  deshalb  der  den  linken  Flügel  der  öster- 
reichischen Truppen  in  der  Schweiz  kommandierende  FML.  Linken 
alles  anzuwenden,  um  sich  mit  den  aus  Italien  heranziehenden 
russischen  Truppen    zu   vereinigen,    was    ihm    zweifelsohne    leicht 


131 

gelingen  wird,  worauf  der  ausgedehnte  rechte  Flügel  des  Feindes, 
in  Front  und  Rücken  angegriffen,  völlig  geschlagen  werden  wird. 
Alsdann  muß  man  sich  möglichst  schnell  mit  dem  Corps  des 
FML.  Hotze  im  Kanton  Glarus  vereinigen  und  die  von  der  öster- 
reichischen Armee  in  der  Schweiz  früher  innegehabte  Position 
wieder  zu  gewinnen  suchen.  Doch  darf  man  sich  nicht  hierauf 
allein  beschränken.  Nachdem  die  russischen  Truppen  von  Italien 
her  in  die  Schweiz  eingedrungen  sind,  werden  dieselben  mit  aller 
Entschiedenheit  längs  des  linken  und  rechten  Ufers  des  Luzerner- 
sees  bis  Luzern  selbst  vordringen  und  dann  in  Verbindung  mit 
den  Generalen  Linken  und  Hotze  die  rechte  Flanke  des  zwischen 
dem  Züricher  und  Zugersee  stehenden  Feindes  angreifen  und 
zurückwerfen,  sowie  in  Verbindung  mit  dem  Corps  des  General- 
lieutenants Rimski-Korsakoff,  ohne  hiebei  irgend  ein  Opfer  zu 
scheuen,  alles  anwenden,  um  eine  Position  auf  dem  rechten  Ufer 
der  unteren  Reuß  und  der  Aar  zu  gewinnen.  Nachdem  der  linke 
Flügel  der  aus  Italien  anrückenden  russischen  Armee  sich  des 
St.  Gotthards  sowie  der  Grimsel  und  Furka  bemächtigt  haben  wird, 
wird  derselbe  die  linke  Flanke  der  in  der  Schweiz  stehenden  ver- 
bündeten Armee  völlig  decken. "  (Aus  der  Disposition  für  die  Offensiv- 
bewegung der  kaiserlichen  russischen  Truppen  von  Piemont  nach 
der  Schweiz,  entworfen  zu  Asti  den  6.  September  1799.  Abgedruckt 
bei  Miliutin  III,  Nr.  281,  S.  393.) 

Die  Vorschrift,  daß  die  „russischen  Truppen  mit  aller  Ent- 
schiedenheit längs  des  linken  und  rechten  Ufers  des  Luzernersees 
bis  Luzern  selbst  vordringen"  sollen,  zeigt  deutlicher  als  alles 
übrige,  daß  weder  Suworoff,  noch  irgend  sonst  jemand  in  seinem 
Stabe  etwas  von  den  thatsächlichen  Verhältnissen  der  berührten 
Gegend  kannte. 

Für  den  Marsch  in  die  Schweiz  verfügten  die  Russen  über 
vier  Wege.  Der  erste,  Asti  zunächst  gelegene,  führte  über  den 
Großen  St.  Bernhard,  der  zweite  hätte  den  Simplon  benützt,  der 
dritte  verlief  eben  über  den  Gotthard,  der  vierte  und  am  weitesten 
ausgreifende  dagegen  leitete  über  den  Splügen. 

Einige  Stimmen  haben  sich  für  den  Marsch  über  den  Großen 
St.  Bernhard  erhoben.  Sie  meinten,  daß  es  möglich  sei,  auf  diese 
Art  dem  Gegner  in  den  Rücken  zu  fallen.  Clausewitz  (II,  191  ff.) 
hat  den  Vorschlag,  der,  wie  sicher  angenommen  werden  kann,  zu 
Asti  behandelt  wurde,  in  einem  besondern  Abschnitte  besprochen 
(Nr.  82).    Seine  Ausführungen  gipfeln  in  den  Sätzen: 

„Der  Weg  über  den  St.  Bernhard  war  eine  strategische  Um- 
gehung, d.  h.  eine  solche,  die  entweder  gar  nicht  zu  einer  Gefechts- 
entscheidung führen,  sondern  durch  das  Unterbrechen  der  Ver- 
bindungslinien wirken  soll,  oder  die  die  Entscheidung  nicht  mit 
den  vor  der  feindlichen  Fronte  befindlichen  Streitkräften  gemein- 


132 


schaftlich  giebt.  Denn  was  das  Letztere  betrifft,  wie  hätte  General 
Suworow  daran  denken  können,  mit  Korsakoff  und  Hotze  gemein- 
schaftlich zu  schlagen,  da  er  von  dem  Augenblicke  an,  wo  seine 
Richtung  auf  den  Bernhard  sich  aussprach,  wenigstens  4  bis  5  Tage 
brauchte,  um  nach  Vevey  zu  kommen,  Vevey  aber  25  Meilen  von 
Zürich  ist,  es  also  nur  von  dem  französischen  Feldherrn  abhing, 
auf  welchem  Punkte  der  letzten  10  oder  15  Meilen  dieses  Weges 
er  mit  Suworow  schlagen  wollte." 

Der  Simplon  vollends  konnte  gar  nicht  in  Frage  kommen; 
denn  in  diesem  Falle  wäre  das  russische  Heer  zwischen  zwei  Feuern 
(Division  Turreau  und  Lecourbe)  gestanden  und  gezwungen  gewesen 
entweder  den  150  km  langen  Engpaß  des  Wallis  oder  aber  einen 
Marsch  über  gänzlich  unwegsame  Gebirgspfade  zurückzulegen. 
Ueberdies  war  der  Simplon-Paß  selbst  ein  weit  schlechterer  Weg 
als  jener  über  den  Gotthard.  Nicht  einmal  Karren  vermochten 
ihn  damals  zu  befahren. 

Suworoff  war  wohl  von  vorneherein  für  den  Gotthard  einge- 
nommen. Er  hat  auch  die  getroffene  Wahl  in  einer  Auseinander- 
setzung verteidigt.     (Miliutin  VI,  210 — 211.) 

„Disposition  für  den  Angriff  auf  den  St.  Gotthard.  Bellinzona, 
den  (?)  September  1799.  Ton  der  ganzen  feindlichen  Position  von 
der  Mündung  der  Aar  durch  die  Kantone  Zürich,  Glarus,  Schwyz, 
TTri  und  Unterwaiden  ist  der  stärkste  Teil  der  linke  Flügel,  und 
zwar  nicht  allein  wegen  der  Zahl  der  Truppen,  sondern  auch  wegen 
der  natürlichen  Schwierigkeiten,  welche  den  Vordringenden  von 
dem  Terrain  entgegengesetzt  werden.  Es  halten  dort  30  000  Mann 
einen  Gebirgsrücken  besetzt,  welcher  sich  in  einer  Länge  von 
3 — 4  Meilen  erstreckt ;  dieser  Rücken  ist  an  manchen  Stellen  un- 
angreifbar, während  die  wenigen  Zugänge  von  dem  Feuer  der 
feindlichen  Batterien  bestrichen  werden.  Zudem  lehnt  sich  der 
linke  Flügel  an  die  Aar  an;  der  LTebergang  über  die  Limmat 
stellt  dem  Angreifenden,  welcher  nicht  von  verschiedenen  Punkten, 
sondern  nur  allein  von  Zürich  her  vordringen  kann,  gleichfalls 
Hindernisse  entgegeu.  Auch  dort  hat  derselbe  die  Höhen  unter 
dem  Feuer  des  Feindes  zu  ersteigen,  oder  muß  gleich  anfangs  von 
einem  Punkte  mehrere  Kolonnen  abrücken  lassen.  Dies  alles  zeigt, 
daß  man  nur  den  rechten  Flügel  der  feindlichen  Position  mit  Erfolg 
angreifen  könne.  Obgleich  hier  das  Terrain  sehr  bergig  ist,  so 
sind  doch  auch  die  Vorteile  auf  beiden  Seiten  gleich,  und  man 
kann  bei  einem  Angriffe  zwischen  dem  Luzerner-  und  dem  Zuger- 
see  dem  Feinde  sogar  eine  ausgedehntere  Front  entgegen  stellen. 
Dieser  Vorteil  bietet  sich  auch  in  dem  Falle  dar,  wenn  die  Streit- 
kräfte, welche  jetzt  in  den  Kantonen  Schwyz  und  Glarus  zerstreut 
sind,  sich  mit  jenen  30  000  Mann,  welche  auf  dem  Albis  stehen, 
vereinigen,    wodurch  dann   eine  Stärke  von  40  000  Mann   erreicht 


133 

wird.  Hiebei  darf  nicht  vergessen  werden,  daß  sich  uns  in  diesem 
Falle  ein  doppelter  Vorteil  bieten  wird;  wir  werden  nämlich  ur- 
sprünglich es  nur  mit  einem  20000  Mann  starken  Feind  zu  thun 
haben,  welchem  wir  mehr  als  35  000  Mann  entgegenstellen  können ; 
dieser  Teil  der  feindlichen  Streitkräfte  wird  selbstverständlich  ge- 
schlagen und  in  die  Flucht  gejagt  werden,  wobei  uns  einige 
tausend  Gefangene  in  die  Hände  fallen  können ;  wir  werden  alsdann 
siegreich  über  die  übrigen  Abteilungen  des  feindlichen  rechten  Flügels 
herfallen ^ und  dieselben  in  Verwirrung  und  Unordnung  bringen;  ein 
hartnäckiger  Widerstand  wird,  unmöglich,  die  Folge  aber  —  ein 
entscheidender  Sieg  sein.  Es  entsteht  jetzt  nur  noch  die  Frage: 
Auf  welche  Weise  kann  man  am  schnellsten  und  leichtesten  die 
erwähnten  20  000  Mann  des  feindlichen  rechten  Flügels  über  den 
Haufen  werfen?  Wenn  wir  zu  diesem  Zwecke  uns  vorerst  mit 
dem  linken  österreichischen  Flügel,  welcher  bei  Dissentis  steht, 
zu  vereinigen  suchen  würden,  so  müßten  wir  wenigstens  vier  ver- 
schiedene, äußerst  unzugängliche  Bergrücken  ersteigen  und  hierauf 
so  viele  und  vielleicht  noch  mehrere  Tage  verwenden  als  gerade 
zur  Erreichung  Luzerns  nötig  wären.  Wir  würden  die  ganze 
Division  Lecourbe  in  unserer  linken  Flanke  haben  und  müßten, 
um  dieselbe  zurückzuwerfen,  wieder  das  Reußthal  aufwärts  vor- 
dringen ;  ferner  müßte,  um  nicht  an  der  Teufelsbrücke  aufgehalten 
zu  werden,  immerhin  ein  Teil  unserer  Truppen  von  Bellinzona  her 
operieren,  sich  des  Gotthards  bemächtigen  und  von  dort  in  den 
Rücken  des  die  Teufelsbrücke  verteidigenden  Feindes  vordringen. 
Der  einzige  Weg  ist  daher,  den  St.  Gotthard  von  Bellinzona  °her 
anzugreifen.  Durch  diesen  Angriff  allein  werden  wir  das  erreichen, 
was  wir  nach  dem  im  erörterten  ersten  Vorschlage  erst  nach 
Verlauf  von  6  Tagen  und  dazu  nicht  anders  als  durch  Mitwirkung 
eines  besonderen  Corps,  welches  immer  wieder  von  Bellinzona  her 
zu  operieren  hätte,  erreichön  würden." 

Dabei  mag  nun  gleich  bemerkt  werden,  daß  der  Marsch  über 
den  Gotthard  selbst  keineswegs  mit  außerordentlichen  Schwierig- 
keiten hinsichtlich  des  Weges  zu  kämpfen  hatte.  Ebel  sagt  m 
seiner  „Anleitung  die  Schweiz  zu  bereisen"  (2.  Auflage  II,  391, 
Zürich  1804):  „Diese  Straße  beginnt  bey  Hospital  im  Urserenthal 
und  endigt  auf  der  Südseite  bey  Airolo  nach  5  Stunden ;  sie  hat 
10 — 12  Fuß  Breite  und  ist  mit  großen  Granitstücken  belegt." 
Wöchentlich  gingen  300  Packpferde,  jährlich  14  000-15  000  Reisende 
über  den  Berg.  Der  Weg  gestattete  es  sogar,  unter  Umständen 
und  bei  Opfern  an  Zeit  und  Geld,  Kutschwagen  zur  Reise  zu  be- 
nützen. Die  einzige  Unbequemlichkeit  äußerte  sich  in  der  Steilheit 
des  Abfalles  durch  das  Val  Tremola. 

Den  Marsch  über  den  Gotthard  nennt  Clausewitz  (II,  205) 
einen  „riesenhaften  Mißgriff."     Suworoff  hatte  sich  vorgenommen 


134 


oder  es  war  ihm  durch  die  in  seinem  Stabe  befindlichen  Oester- 
reicher  die  Meinung  aufgedrängt  worden,  er  müsse  unter  allen 
Umständen  die  geplante  Vereinigung  mit  dem  Corps  des  FML.  Hotze 
zwischen  Schwyz  und  Einsiedeln  vollziehen.  Dabei  übersah  man 
gänzlich,  daß  ein  ungewöhnlich  entschiedener  Gegner,  Lecourbe 
nämlich,  sich  auf  dem  Gotthard  befinde  und  daß  die  Verbindung 
zwischen  dem  Reuß-  und  Muotathale  lediglich  aus  fast  ungangbaren 
Pfaden  bestehe.  Suworoff  forderte  übrigens  in  jenen  Tagen  ein 
Gutachten  ein  von  den  österreichischen  Führern  über  die  Möglichkeit 
eines  Angriffes  auf  den  Gotthard.  -In  der  That  liegen  derartige 
Schriftstücke  von  dem  Obersten  Strauch  und  dem  FML.  Hotze  vor. 
(Miliutin  IV,  203 — 206.)  Ersterer  spricht  von  der  Bemeisteruug 
der  Stellung  auf  der  Hauptwasserscheide  selbst.  Hotze  erklärte 
unter  dem  10.  September:  „Meine  Offensivbewegungen  werden 
durch  die  Kantone  Glarus  und  Schwyz  gerichtet  sein,  um  so  schnell 
als  möglich  gegen  Meilingen,  in  den  Rücken  der  feindlichen  Position 
auf  dem  Albis  vordringen  und  über  Egeri  an  den  Zugersee  gelangen 
zu  können.  Oberst  Strauch  nahm  in  seinem  Vorschlage  auch  die 
Division  des  FML.  Linken  auf,  während  außerdem  noch  8000  Russen 
zum  Angriffe  des  LTrserenthales  bestimmt  sind;  eine  solche  Truppen- 
masse kann  in  einem  ähnlichen  Gebirgsdefilee  nicht  wohl  verwendet 
werden,  und  würde  ich  selbst  ohne  die  Division  Linken  für  die 
Bewegung  über  die  Linth  in  den  Kanton  Glarus  zu  schwach  sein: 
würde  diese  Division  erst  nach  dem  Uebergang  über  den  St.  Gotthard 
nach  großem  Umwege  zu  mir  stoßen,  so  könnte  meine  Mitwirkung 
nicht  gleichzeitig  geschehen. 

Mein  Vorschlag  besteht  demnach  darin,  daß  an  demselben 
Tage,  an  welchem  8000  Mann  russischer  Truppen  in  Dissentis 
anlangen,  FML.  Linken  über  Sargans  sich  mit  mir  vereinigen 
möge,  während  General  Auffenberg  mit  4  Bataillonen  in  .einer 
Stärke  von  2000  Mann  in  Dissentis  zurückbleiben  würde,  um  am 

18.  den  Gebirgspaß  gegen  das  Maderanerthal  zu  ersteigen  und  am 

19.  (d.  i.  an  demselben  Tage,  an  welchem  der  Angriff  von  Airolo 
und  Urseren  aus  gegen  den  St.  Gotthard  ausgeführt  wird)  in  das- 
selbe Thal  bei  Amsteg,  im  Rücken  der  Position  auf  dem  St.  Gott- 
hard zu  debouchieren.  Hierdurch  würde  der  Vorteil  erreicht  werden, 
daß  der  Feind,  sobald  er  die  Bewegung  Auffenbergs  erfahren,  sich 
gezwungen  sieht,  von  einer  hartnäckigen  Verteidigung  des  St.  Gott- 
hard abzustehen  und  sich  zurückzuziehen,  um  nicht  der  Rückzugs- 
linie über  Amsteg  nach  Altdorf  beraubt  zu  werden.  Sollte  der 
Feind  trotzdem  sich  entschließen,  den  Angriff  am  19.  zu  erwarten 
und  seine  Verbindung  mit  Altdorf  zu  opfern,  so  bleibt  ihm  nur 
die  einzige  Rückzugslinie  über  Engelberg  in  den  Kanton  Unter- 
waiden übrig.  Von  Amsteg  gelangt  General  Auffenberg  über 
Altdorf  auf  einem  Fußsteig  in  den  Kanton  Schwyz,   um 


135 


sich  mit  mir  zu  vereinigen,  während  Ew.  Durchlaucht 
Ihr  Vordringen  gegen  den  Luzernersee  fortsetzen." 

Der  gesperrt  gedruckte  Satz  erweist  deutlich,  daß  FML.  Hotze 
annahm,  Suworoff  werde  von  Altdorf  mit  seiner  Hauptmacht  längs 
des  Sees,  also  über  Sisikon  und  Morschach  nach  Brunnen  marschieren 
und  den  Weg  über  den  Kinzig-Paß  von  dem  als  Seitendeckung 
dienenden  Corps  Auffenberg  allein  machen  lassen.  Eine  andere 
Meinung  über  den  Vorschlag  von  Hotze  besagt:  „Man  könnte 
daraus,  daß  nachher  nochmals  das  Vordringen  gegen  den  Luzerner- 
see erwähnt  wird,  fast  schließen,  Hotze  habe  geglaubt,  Suworoff 
werde  erst  in  Altdorf  ankommen  oder  dort  so  lange  stehen  bleiben, 
bis  er  selbst  den  Kanton  Schwyz  vom  Feinde  gesäubert  habe." 
(Hartmann  77.) 

FML.  Stutterheim  hat  in  der  Oesterreichischen  Militärischen 
Zeitschrift  (XI,  1812)  ausdrücklich  die  Erklärung  abgegeben,  daß 
die  Suworoff  begleitenden  kaiserlichen  Offiziere  das  Hochgebirge 
der  Schweiz  so  wenig  gekannt  hätten,  wie  der  Marschall  selbst. 
Ein  solch  beschämendes  Geständnis  lügt  man  nicht  zusammen !  — 
Von  dem  Kinzig-Paß  wußten  gewiß  nur  die  nächsten  Landesbe- 
wohner. Ebel  (IV,  70)  schreibt  ausdrücklich,  daß  der  Pfad  erst 
seit  dem  Zuge  der  Russen  bekannt  geworden  sei.  Es  ist  demnach 
wohl  anzunehmen,  daß  FML.  Hotze  lediglich  den  Fußsteig  meinte, 
der  damals  an  der  Stelle  der  heutigen  Axenstraße  dahinführte. 

Dagegen  will  Roverea  (II,  239)  den  in  Zürich  anwesenden 
Fürsten  Gortschakoff,  einen  Neffen  des  Marschalls,  auf  die  Schwierig- 
keiten eines  Ueberganges  vom  Schächen-  ins  Muottathal  aufmerksam 
gemacht  haben. 

Ein  sogleich  nach  Tortona  entsendeter  Eilbote  überbrachte 
angeblich  diese  Warnung  an  Suworoff.  Es  ist  höchst  verdächtig, 
daß  Roverea  „ Tortona"  für  „Asti"  setzt  und  kein  Datum  für  die 
Depesche  u.  s.  w.  angibt.  Bei  der  Sucht  des  Schreibers,  sich  überall 
als  Hauptperson  hinzustellen  und  der  vollendete  Truppenführer  zu 
sein,  liegt  die  Annahme  nahe,  daß  Roverea  diese  Warnung  nach- 
träglich erfunden  hat.  Wie  wenig  er  selbst  sonst  die  in  Frage 
fallenden  Teile  des  Hochgebirges  kannte,  geht  aus  seiner  eigenen 
Unternehmung  gegen  General  Ruby  (über  den  Pragel)  deutlich  hervor. 

Miliutin  ist  völlig  im  Recht,  wenn  er  sagt  (IV,  14):  „Niemand 
lenkte  jedoch  die  Aufmerksamkeit  des  Feldmarschalls  dahin,  daß 
die  Straße  ihn  nicht  weiter,  als  bis  zum  Luzernersee  führen  könne." 

Dagegen  wird  man  nach  den  Ausführungen  des  Dr.  0.  Hart- 
mann (85  ff.)  gerne  annehmen,  daß  nicht  Weyrother  allein,  sondern 
Suworoff  in  eigener  Person  den  Plan  entwarf,  die  Vereinigung  mit 
dem  verbündeten  Heere  in  der  Schweiz  über  den  Gotthard  anzu- 
strengen. Es  entsprach  ganz  dem  Wesen  des  Marschalls,  das  Ziel 
auf  dem  kürzesten  Wege   zu   erreichen.     Diese  Vermutung  findet 


136 

ihre  Bestätigung  in  dem  Schreiben  Suworoffs  an  Hotze  vom  18.  Sept. 
(Miliutiu  IV,  13),  worin  es  heißt:  „Der  wahre  Grundsatz  der  Kriegs- 
kunst ist,  geraden  Weges  auf  den  Feind  loszugehen  und  zwar 
von  der  für  ihn  empfindlichsten  Seite,  nicht  aber  furchtsam  auf 
Umwegen  sich  durchzuwinden,  wodurch  der  Angriff  selbst  aller 
Einheit  beraubt  wird,  während  die  Sache  nur  durch  ein  gerades  und 
kräftiges  Vorgehen  entschieden  werden  kann." 

In  der  bereits  auf  Seite  133  wiedergegebenen  Stelle  der  Ver- 
fügung zum  Angriff  auf  den  Gotthard  wird  der  Marsch  durch 
Bünden  verworfen  und  es  heißt  ausdrücklich:  „Der  einzige  Weg 
ist  daher,  den  St.  Gotthard  von  Bellinzona  her  anzugreifen."  (Hart- 
man» S.  93.)  „Gerade  aufsein  Ziel  loszugehen,  ohne  irgend  welche 
Rücksicht  auf  Schwierigkeiten,  das  war  seine  Art  und  sie  ver- 
leugnete sich  auch  hier  nicht.  Es  kam  hinzu,  daß  sich  Suworoff 
trotz  seiner  fortwährenden  Klagen  damals  auf  dem  Gipfel  seines 
Ruhmes  befand.  Von  der  Standeserhöhung  durch  den  König  von 
Sardinien  war  schon  die  Rede.  Kurz  darauf  sandte  ihm  Kaiser 
Paul  mit  einem  kurzen,  aber  sehr  schmeichelhaften  Schreiben  sein 
Bildnis,  wofür  Suworoff  unterm  28.  August  dankt  (Fuchs  II,  Nr.  323 
und  325,  S.  96  und  97)  und  ernannte  ihn  endlich  zum  Fürsten 
Italiisky  (19.  August),  eine  Ernennung,  die  Suworoff  wohl  auf  dem 
Marsche  nach  der  Schweiz  zugekommen  ist,  da  das  Dankschreiben 
vom  13.  September  aus  Novara  datiert.  Er  mochte  sieb  also,  so 
geehrt  und  in  seinem  Selbstgefühl  gehoben,  auch  das  scheinbar 
Unmögliche   zutrauen." 

Es  bleibt  noch  zu  erörtern,  ob  der  Marsch  über  den  Gotthard 
dem  gewünschten  Zwecke  in  der  That  entsprach,  oder  ob  Suworoff 
nicht  besser  gethan  hätte,  über  den  San  Bernardino  bezw.  den 
Splügen  vorzugehen.     Clausewitz  sagt  darüber  (II,  200/201): 

„Suwarows  Marsch  über  den  St.  Gotthard  hat  zwei  verschiedene 
Bedeutungen  uud  ist  fast  als  eine  doppelte  Maßregel  zu  betrachten, 
was  die  Schwierigkeit  der  Aufgabe  vermehren  mußte. 

Einmal  ist  es  ein  Verteidigungsmarsch  zweier  durch  den  Feind 
getrennter  Massen.  Ein  solcher  strategischer  Akt  hat  immer  seine 
eigenen  Schwierigkeiten  und  seine  Krisis  tritt  gewöhnlich  in  dem 
letzten  Augenblicke  ein.  Früher  hat  der  zwischen  beiden  stehende 
Feind  entweder  keinen  der  beiden  Teile  erreichen  können,  oder 
der,  welcher  schon  in  der  Nähe  war,  ist  ausgewichen  oder  hat 
sich  in  einer  unangreifbaren  Stellung  befunden  u.  s.  w.  Sowie  beide 
Corps  einander  bis  auf  einen  gewissen  Punkt  nahe  gekommen  sind 
und  damit  auch  dem  Gegner,  dürfen  sie  sich  nicht  mehr  zu  weit 
ausweichen,  wenn  sie  die  Vereinigung  nicht  verfehlen  wollen,  und 
nun  ist  die  Gefahr  vorhanden,  daß  der  Gegner  sich  gegen  das  eine 
wendet  und  es  durch  Ueberlegenheit  schlägt,  ehe  dieses  sich  mit 
dem  andern  zum  gemeinschaftlichem  Schlagen  hat  einrichten  können. 


137 


Wir  finden  dies  in  der  Kriegsgeschichte  überall  wieder  und  die 
Menge  der  einzelnen  Maßregeln,  welche  dann  von  beiden  Teilen 
genommen  werden,  der  Aufwand  von  taktischen  und  strategischen 
Anordnungen,  sowie  die  umständlichen  Nachrichten  der  Schrift- 
steller bei  solchen  Gelegenheiten  zeigen  dies  deutlich  genug. 

Die  andere  Bedeutung,  welche  in  Suwarows  Marsch  lag,  war 
ein  Angriff  auf  die  strategische  Flanke  der  französischen  Aufstellung. 

Daß  ein  solcher  Angriff  etwas  anderes  ist,  wie  der  Angriff, 
welcher  durch  einen  Marsch  über  den  St.  Bernhard  im  Rücken  der 
französischen  Stellung  stattfinden  konnte,  ist  einleuchtend.  Dort 
war  an  die  Beabsichtigung  eines  gemeinschaftlichen  Schiagens  nicht 
zu  denken,  sie  war  aber  auch  nicht  notwendig,  weil  die  Massen 
der  Verbündeten  zu  weit  von  einander  entfernt  waren,  um  dem 
Gegner  zu  erlauben,  sich  mit  ungeteilter  Macht  jetzt  gegen  die 
eine  und  dann  gegen  die  andere  zu  wenden.  Bei  dem  Flanken- 
angriff war  das  gemeinschaftliche  Schlagen  mit  dem  General  Hotze 
unerläßlich,  weil  es  in  der  Natur  eines  Flankenangriffs  liegt,  daß 
die  feindliche  Stellung  wenigstens  auf  diesem  Flügel  auch  in  der 
Fronte  angegriffen  werde.  Es  kommt  also  bei  einem  strategischen 
Flankenangriff  auf  eine  viel  genauere  Berechnung  der  Momente, 
viel  größere  Präzision  der  Bewegungen  an." 

Nach  diesen  Ausführungen  braucht  nicht  weiter  erwähnt  zu 
werden,  daß  die  einzige  Straße  in  die  Schweiz  für  Suworoff  über 
den  San  Bernardino  oder  besser  noch  über  den  Splügen  nach  Chur 
geführt  hätte.  Freilich  durfte  man  aber  dann  nicht  so  viele  Zeit 
verlieren,  wie  das  vor  Tortona  und  besonders  in  Taverne  geschah, 
sonst  wären  die  Russen  auch  auf  diesem  Wege  zu  spät  für  die 
Entscheidung  bei  Zürich  nach  Chur  und  in  das  Linthgebiet  gelangt. 

Eingehend  über  diesen  Punkt  spricht  die  sehr  beachtenswerte 
Relation  raisonnee  de  la  marche  de  Tarmee  de  Suwarow,  d'Italie 
en  Suisse.  Das  Schriftstück,  abgedruckt  in  den  Pieces  Justificatives 
zum  XV.  Buche  des  Werkes  von  Jomini,  rührt  nach  Miliutin  von 
einem  Major  Venancon  her.    Die  einschlägige  Stelle  lautet: 

„Die  Oesterreicher  brachten  den  Marschall  zu  dem  Entschlüsse, 
über  den  Gotthard  zu  gehen.  Sein  Corps  mochte  in  Wirklichkeit 
16000  Mann  Infanterie,  3000  Kosaken  betragen,  zu  denen  die  un- 
nützen Mäuler  hinzugerechnet  werden  müssen,  so  daß  der  ganze 
Verpflegungsstand  wohl  auf  22000 — 24000  Mann  anstieg. 

In  der  Nacht  vom  13.  auf  den  14.  Sept.  setzte  sich  das  ganze 
Corps  gegen  Novara  in  Bewegung.  Hätte  man  eine  mehr  nach 
rechts  verlaufende  Richtung  eingeschlagen,  so  wäre  man  am  14. 
in  Galarate,  am  15.  in  Como  eingetroffen.  Seit  dem  Entwürfe  des 
Planes  hätte  man  aus  dem  Mailändischen  nach  Como  und  Lecco 
allen  notwendigen  Schießbedarf  senden,  an  den  beiden  Punkten 
die   für   einen  Teil    der  fortzuschaffenden  Vorräte  nötigen    Schiffe 


138 


zusammenbringen,  den  Rest  aber,  auf  Maultiere  verladen,  nach 
Chiavenna  in  Bewegung  setzen  können.  Das  Heer  wäre  in  den 
Tagen  vom  16.  bis  zum  18.  nach  Chiavenna  gelangt,  auf  schlechten 
Wegen  zwar,  aber  in  befreundetem  Lande  und  in  der  Mitte  Sep- 
tember unter  dem  Himmel  Italiens,  über  weit  niedrigere  Berge 
als  diejenigen,  welche  man  später  angesichts  des  Feindes  im  Oktober 
und  im  Schweizerklima  erklettern  mußte.  Die  Armee  hätte  am 
19.  geruht.  Am  20.  wäre  die  Vorhut  und  ein  Teil  des  Trains  in 
Bewegung  gesetzt  worden,  am  22.  war  Chur  auf  gutem  Bergwege 
und  ohne  besondere  Hindernisse  zu  erreichen.  Die  Nachhut  und 
der  Rest  des  Trains  wären  hier  am  23.  angelangt  und  es  hätte 
nicht  eines  einzigen  Mannes  bedurft,  um  Rücken  und  Seiten  zu 
decken.  Die  leichte  Artillerie  wäre  auf  dem  See  bis  Chiavenna 
fortgeschafft  worden  und  nicht  16  bis  17  Tage  auf  dem  Rücken 
der  Maultiere  verblieben.  Der  Splügenw^eg  würde  es  sogar  gestattet 
haben,  Stücke  von  6  Pfund  und  nicht  nur  von  2  Pfund,  wie  über 
den  Gotthard,  mitzuführen.  Endlich  in  Chur  angekommen,  fand 
man  Lebensmittel  und  Heerstraßen. 

Das  Heer  mußte  in  diesem  Falle  nur  6  Tage  voller  Ermüdung 
auf  sich  nehmen  (von  Como  nach  Chur),  unter  denen  einer  mit 
Ruhe  zwischen  zwei  andere  fiel.  Es  waren  für  7  Tage  Lebensmittel 
fortzuschaffen ;  vier  davon  konnten  auf  dem  See  zurückgelegt  werden. 
Von  Chur  nach  Sargans  und  Weesen  sind  es  zwei  Marschtage, 
die  Vorhut  hätte  sich  demnach  am  24.  mit  Hotze  vereinigt,  die 
ganze  Armee  am  25.  —  Nur  in  Galarate  (zwischen  Novara  und 
Como)  konnte  die  Richtung,  welche  das  Heer  nehmen  mußte,  ent- 
schieden werden.  Vom  15.  bis  24.  zählt  man  lediglich  9  Tage  und 
der  Feind,  ungewiß  über  den  Weg,  den  Suwarow  genommen,  hätte 
keine  Zeit  gehabt,  seinen  Angriffsplan  gut  zu  entwerfen.  .  .  .  Hotze 
hätte  die  Corps  der  Generale  Linken  und  Auffenberg  nicht  Suworow 
entgegen  senden  müssen,  sondern  wäre  in  der  Lage  gewesen,  mit 
6000  Mann  mehr  seine  Stellung  bei  Weesen  und  Uznach  zu  ver- 
teidigen." 

In  Taverne  zeigte  sich  wieder  die  Unordnung,  welche  im 
Kommissariatswesen  der  kaiserlichen  Armee  herrschte.  General- 
major Daller,  welchem  der  Auftrag  geworden,  die  nötige  Anzahl 
Saumtiere  zu  beschaffen,  stellte  den  Russen  kein  einziges  zur  Ver- 
fügung. Mit  vieler  Mühe  und  nachdem  fünf  kostbare  Tage  in 
Taverne  verloren  gegangen,  trafen  400  Maulesel  dort  ein.  Um  die 
noch  fehlende  Zahl  aufzubringen,  schlug  der  den  Zug  begleitende 
Sohn  des  Zaren,  Großfürst  Constantin  Pawlowitsch  vor,  Kosaken- 
pferde zu  benützen,  da  diese  Art  Kavallerie  doch  schwerlich  im 
Gebirge  zur  Verwendung  gelangen  Averde.  Zugleich  wurden  5000 
Säcke  für  die  Lebensmittel  aufgetrieben.  Die  abgesessenen  Kosaken 
ließ  Suworoff  in  der  Art  der  leichten  Infanterie  bewaffnen.     Oberst 


139 


Strauch  hatte  übrigens  in  seinem  oben  erwähnten  „Vorschlage" 
ausdrücklich  darauf  hingewiesen,  daß  man  nicht  mehr  als  500 
Reiter  werde  nötig  haben. 

Die  Zusammensetzung  des  von  Suworolf  befehligten  Heeres 
und  die  „Verhaltungsregeln  bei  Operationen  im  Gebirge  sind  von 
Miliutin  (VI,  221,  Nr.  35)  wiedergegeben.  Die  Zahlen  wurden  nach 
dem  Standesausweise  vom  1.  September  der  besseren  Uebersicht 
halber  hier  beigefügt. 

„Verhaltungsregeln  bei  Operationen  im  Gebirge.  Größtenteils 
sind  die  Straßen  im  Gebirge  so  enge,  daß  sich  kaum  ein  unbepacktes 
Pferd,  viel  weniger  bepackte  Maultiere  auf  denselben  zu  wenden 
vermögen ;  es  stellen  sich  dadurch  dem  Marsche  große  Schwierig- 
keiten entgegen,  und  müssen  deshalb  die  Kolonnen  derart  gebildet 
werden,  daß  ihre  Bewegung  durch  nichts  gehindert  werden  kann. 
Obgleich  an  der  Tete  der  Kolonne  einige  Kosaken  notwendig  sind, 
damit  man  durch  sie  von  den  Terrain  Verhältnissen,  bequemen  Ueber- 
gängen  und  selbst  von  den  Bewegungen  des  Feindes  rechtzeitig 
in  Kenntnis  gesetzt  werde  und  damit  man  sich  durch  ihre  Patrouillen 
auf  den  Seitenwegen  sichere,  so  können  dieselben  doch  im  Gebirge 
wegen  der  oben  erwähnten  Schwierigkeiten  nicht  von  gleichem 
Nutzen  sein ;  deswegen  hat  der  die  Kolonne  führende  Offizier  nach 
seiner  eigenen  Kenntnisnahme  des  Terrains  oder  nach  von  glaub- 
würdigen Wegweisern  erhaltenen  Nachrichten,  ehe  man  noch  den 
schwierigen  Weg  betritt,  den  die  Tete  der  Kolonne  kommandierenden 
General  oder  Stabsoffizier  in  Kenntnis  zu  setzen.  In  diesem  Falle 
bleibt  die  gesamte  Kavallerie  zurück,  während  einige  ausgerüstete 
Pioniere  unter  Bedeckung  von  Infanterie  der  Avantgarde  den  Weg 
bahnen.  Die  Geschütze  mit  allem  Zubehör  dürfen  sich  weder  an 
der  Tete  noch  rückwärts  der  Kolonne  befinden;  vorwärts  würden 
dieselben  den  Marsch  stören,  rückwärts  aber  im  Falle  des  Bedürf- 
nisses nicht  schnell  genug  durch  die  Kolonne  kommen ;  da  man 
aber  alle  Maßregeln  ergreifen  muß,  um  dem  Feind  den  größt- 
möglichen Schaden  zuzufügen,  so  muß  man  alles,  was  hieran 
hindern  könnte,  zu  entfernen  suchen. 

Ehe  man  zu  weiteren  Bestimmungen  bezüglich  der  Operationen 
schreitet,  muß  man  vorerst  die  Geschütze  in  die  Kolonnen  auf 
folgende  Weise  verteilen : 

Avantgarde  des  Fürsten  Bagration. 
Jägerregt.  Bagration,  2  Bat.,  2  Geschütze,  506  Mann, 

Miller,  2      „      1  Geschütz,     496 

komb.  Grenadierbat.  Lomonosoff,  1       „  380       ,, 


Dendrygin,     1       „  339 

Sanajeff,         1       „  326 

Kalemin,        1       „  397 


140 


für  jede  der  beiden  Hälften  dieser  letzteren  Truppen,  2  Bataillone, 
je  1  Geschütz. 

Summa:    S  Bataillone  und  5  Geschütze  =   2394  Mann. 

Division  des  Generallieutenant  Schweikowski. 

Grenadierregt.  Rosenberg,              2  Bat.,   1  Geschütz,  911  Mann, 

Musketierregt.  Schweikowski,       2      „      1            „  921        „ 

„             Baranowski,           2      „      1            8  1479        „ 

Kamenski,              2      „      1            „  li)49        „ 
Reservegeschütze  2. 

Summa:    8  Bataillone  und  6  Geschütze  =  4360  Mann. 

Division  des  Generallieuteuant  Förster. 

Musketierregt.  Förster,                  2  Bat.,  1  Geschütz.  1134  Mann, 

Tyrtoff,                  2      ,      1          „  891 

„             Miloradowitsch,     2      „      1          „  lu34       „ 

Welezki,                 2      „      1          „  957 
Reservegeschütze  2. 

Summa:    S  Bataillone  und  6  Geschütze  =  4025  Mann. 

Division  des  Generallieutenant  Rosenberg-. 


Jägerregt.  Kaschkin. 

2  Bat.. 

1  Geschütz. 

1697  Mann, 

Musketierregt.  Rehbinder, 

2      B 

1 

1428        „ 

„              Mansuroff, 

9 

1 

1401        „ 

,              Feilsch, 

9 

1 

1467       . 

Reservegeschütze  2. 
Summa:    8  Bataillone  und  6  Geschütze  =  4993  Mann. 
Reservegeschütze  für  das  ganze  Corps  2. 

Zusammen  das  ganze  Corps  32  Bataillone,  25  Geschütze,  d.  h. 
15  772  Kampffähige.  (Für  die  Verpflegung  sind  aber  die  Personen 
im  Hauptquartier,  die  als  leichte  Infanterie  dienenden  Kosaken,  die 
übrige  Troßmannschaft,  die  Geschützbedienung  u.s.w.  hinzuzurechnen. 
So  erklärt  es  sich,  wenn  Oberst  Miliutin  auf  20  000  Mann  kommt, 
die  mit  SmvorofF  in  Taverne  eintrafen.  Am  1.  September  betrug 
dagegen  der  Verpflegungsstand  der  russischen  Armee  in  Italien 
27  286  Mann.  Der  Unterschied  zwischen  beiden  Angaben  mag  sich 
dadurch  erklären,  daß  der  durch  das  Engadin  marschierenden 
Artillerie  eine  ansehnliche  Bedeckung  mitgegeben  werden  mußte. 
Anm.  d.  Verf.). 

Außer  der  oben  angeführten  Geschützzahl  und  der  hiezu  ge- 
hörigen Ausrüstung  erhält  noch  jede  Division  10  Maultiere  zum 
Transporte  der  Infanteriemunition.  Nachdem  nur  ein  einziges 
Kosakenregiment  mit  den  Truppen  marschiert,  so  werden  hievon 
jeder  Division  50  Mann  zugewiesen,  während  die  übrigen  300  Mann 
in  Reserve  bleiben.  Eine  jede  Division  bildet  eine  besondere  Kolonne. 


141 

Sollten  dieselben  jedoch  alle  auf  einer  und  derselben  Straße  mar- 
schieren müssen,  so  wird  aus  diesen  vier  Kolonnen  eine  einzige 
gebildet.  Eine  jede  Divisionskolonne  bildet  sich  in  folgender  Weise : 
An  der  Tete  der  Kolonne,  wenn  es  die  Terrainverhältnisse  gestatten, 
als  Avantgarde: 

25  Kosaken, 
20  Pioniere, 
1  Bataillon  Jäger  oder  Grenadiere, 
1  Geschütz  mit  vollständiger  Ausrüstung, 
3  Bataillone, 

1  Geschütz, 

2  Bataillone, 

1  Geschütz, 

2  Bataillone, 

1  Geschütz, 

2  Reservegeschütze. 

Nach  diesen  10  Maultiere  mit  der  Infanteriemunition. 

In  dieser  Ordnung  marschieren  alle  übrigen  Kolonnen ;  am 
Schlüsse  des  Ganzen  die  Maultiere  und  Kosakenpferde  mit  dem 
Proviant,  dann  die  Lasttiere  der  Offiziere,  welche  von  einem  Bataillon 
Infanterie  und  100  Mann  Kosaken,  welche  sich  vor-  und  rückwärts, 
sowie  in  der  Mitte  verteilen,  gedeckt  werden. 

Sobald  der  Führer  anzeigt,  daß  die  Truppen  eine  enge  Straße 
zu  betreten  haben,  so  haben  die  an  der  Tete  befindlichen  Kosaken 
die  Kolonne  zu  schließen.  Die  Divisionskolonnen  haben  sich  so 
viel  wie  möglich  geschlossen  zu  halten  und  jede  Ausdehnung  zu 
vermeiden.  Zwischen  den  einzelnen  Kolonnen  sind  200  Schritte 
Abstand  zu  halten.  Um  sich  eines  von  dem  Feinde  besetzten 
Berges  zu  bemächtigen,  muß  je  nach  dessen  Breite  ein  Zug,  eine 
Compagnie  oder  eine  noch  größere  Abteilung  sich  auflösen  und 
die  Höhe  des  Berges  ersteigen;  die  übrigen  Bataillone  folgen  in 
einer  Entfernung  von  100  Schritten.  An  den  Krümmungen  der 
Berge,  wo  das  feindliche  Feuer  keinen  Schaden  zufügt,  kann  ge- 
rastet werden,  worauf  man  wieder  vordringt.  Die  einzige  feste  und 
unerschütterliche  Stütze  der  Kolonne  besteht  in  der  Tapferkeit  und 
Kühnheit  der  nach  allen  Seiten  zerstreuten  Schützen ;  sobald  letztere 
auf  kräftigen  Widerstand  des  Feindes  stoßen  und  nicht  mehr  im 
stände  sind  weiter  vorzudringen,  so  hat  die  Kolonne,  ohne  auch 
nur  einen  einzigen  Schuß  zu  thun,  mit  großem  Ungestüm  den 
Gipfel  des  Berges  zu  ersteigen  und  den  Feind  mit  dem  Bajonett 
anzugreifen.  Dieser,  in  Furcht  versetzt,  wird  einen  so  tapferen 
AngrhT  nicht  auszuhalten  vermögen  und  gewiß  einen  sehr  schwachen 
Widerstand  leisten.  Durch  Feuern  allein  kann  man  sich  keiner 
Höhe  bemächtigen,  und  wird  dem  auf  derselben  stehenden  Feinde 
hiedurch  nur  wenig  Schaden   zugefügt  werden.     Die  Schüsse   er- 


142 


reichen  größtenteils  den  Gipfel  gar  nicht  oder  gehen  darüber  hinaus, 
während  das  Feuern  von  der  Höhe  herab  bedeutend  sicherer  ist, 
weshalb  man  den  Gipfel  sobald  als  möglich  zu  erreichen  hat,  um 
nicht  lange  dem  Feuer  ausgesetzt  und  dadurch  um  so  weniger 
gefährdet  zu  sein.  Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  man  einen  Berg 
nicht  in  der  Fronte  angreift,  wenn  man  denselben  auf  beiden 
Seiten  umgehen  kann.  Wenn  der  Feind  der  Höhen  eines  Berges 
sich  zu  bemächtigen  zögert,  so  muß  man  dieselben  so  schnell  als 
möglich  ersteigen  und  den  Feind  durch  Bajonett  und  Kleingewehr- 
feuer von  oben  herab  bekämpfen." 

Die  Division  Lecourbe  benützte  die  seit  Beginn  des  Septembers 
eingetretene  Muße  zur  Wiederherstellung  ihrer  Kräfte.  Um  die 
Schwierigkeiten  der  Verbindung  zwischen  Seedorf  und  Bauen  zu 
heben,  legte  der  General  dort  längs  dem  See  eine  Art  Kolonnen- 
weges an.  Erst  zwei  bis  drei  Tage  vor  dem  Anmärsche  der  Russen 
ward  der  Bau  vollendet,  der  sehr  viel  Sprengpulver  verbraucht 
haben  soll.  Die  Straße  diente  im  Notfalle  zur  Bewegung  von 
Fuhrwerken  und  die  Soldaten  sahen  sie  mit  großem  Vertrauen 
entstehen;  denn  auf  ihr  beruhte  die  Sicherheit  eines  geordneten 
Rückzuges,  welchen  man  schwerlich  mit  den  wenigen  zur  Ver- 
fügung stehenden  Schiffen  über  diesen  so  leicht  von  Föhnwinden 
bedrohten  See  bewerkstelligen  mochte. 

Aus  Altdorf  vom  29.  Fructidor  (15.  September)  berichtet 
Lecourbe  dem  Obergeneral  Massena:  „Eine  Erkundung,  verein- 
tester Herr  General,  ward  bis  nach  Faido  vorgetrieben.  Von 
Dazio  an  ist  der  Feind  heftig  verfolgt  worden;  es  standen  dort 
300  Mann  und  einige  Husaren.  Trotzdem  konnte  man  lediglich 
5  Mann  von  der  Banater-  und  Warasdiner-Infanterie  zu  Gefangenen 
machen.  Oberstbrigadier  Strauch  befehligt  in  diesem  Thale  zwei 
Bataillone  Lascy,  2  Bataillone  Michael  Wallis,  1  Bataillon  Banat 
und  1  Schwadron  Erdödy-Husaren.  Ein  Teil  davon  lagert  in 
Polleggio  (bei  Biasca),  der  andere  bei  der  Moesabrücke.  Vom 
General  Turreau  sind  mir  keine  Nachrichten  zugekommen.  Im 
Bündner  Oberland  hat  es  keine  Aenderung  gegeben  seit  dem  Ihnen 
neulich  erstatteten  Berichte.  Niemals  werde  ich  Ihre  Bewegungen 
hindern.  Ich  bin  stets  bereit,  obgleich  ich  mancherlei  Entbehr- 
ungen erdulde;  doch  das  allgemeine  Wohl  steht  mir  immer  über 
dem  eigenen.  Wenn,  anstatt  große  Vorbereitungen  zum  Linth- 
übergange  zu  machen,  der  General  Soult  nächtlicher  Weile  mit 
seiner  Hauptmacht  über  Glarus  und  Mollis  auf  Weesen  marschieren 
würde,  hätte  er,  meine  ich,  mehr  Aussicht  auf  Erfolg.  Auf  alle 
Fälle  muß  er  die  Weesener  Brücke  in  seine  Gewalt  bringen.  Teilen 
Sie  mir  gütigst  mit,  welche  Absichten  Sie  für  Ihren  linken  Flügel 
haben.  Beauftragen  Sie  mich  ferner  damit,  dem  General  Molitor 
die  nötigen  Befehle  zu  erteilen,    daß   die   von  ihm  ins  Rheinthal 


143 


zu  entsendende  kleine  Kolonne  mit  mir  zusammen  gegen  Ilanz 
wirke.  Ich  glaube,  je  früher  das  geschieht,  desto  besser  ist  es." 
(Bousson  221/222,  Nr.  50.) 

Im  Feldtagebuch  beschreibt  ferner  der  General  den  Angriffs- 
plan der  französischen  Heeresleitung  in  folgenden  Worten : 

„Für  den  3.  Vendemiaire  VIII  (25.  September  1799)  wurde 
ein  allgemeiner  Angriff  in  Aussicht  genommen.  Der  General 
Lecourbe  sollte  durch  das  Bündner  Oberland  nach  Ilanz,  Reichenau 
und  Chur  vorrücken  und  selbst  den  Versuch  machen,  Splügen  durch 
das  Medelser  Thal  (Hinterrheinthal)  zu  besetzen.  Sein  (Lecourbes) 
Vorschlag  ging  dahin,  soweit  als  möglich  ausgedehnte  Erkundungen 
bis  auf  die  Südseite  des  Gebirges  vorzutreiben,  um  die  Oesterreicher 
in  Italien  zu  bedrohen  und  die  ihm  durchaus  nötigen  Verstärkungen 
an  sich  zu  ziehen.  Es  lag  dem  General  auch  daran,  sich  in  Grau- 
bünden nicht  eher  in  etwas  einzulassen,  als  bis  eine  genügende 
Zahl  französischer  Truppen  im  Rheinthale  stände.  Im  Ursernthaie 
und  auf  dem  Gotthard  sollte  General  Gudin  zurückbleiben,  während 
General  Loison  über  die  Oberalp  nach  Dissentis  zu  marschieren 
hätte." 

Am  22./ 23.  besammelte  sich  in  der  That  die  Brigade  Loison 
in  Wasen  und  Göschenen,  um  am  25. /26.  über  die  Ober-Alp  gegen 
das  Bündner  Oberland  vorzugehen.  Gudin  erhielt  zugleich  den 
Befehl,  mit  einem  Teile  seiner  Truppen  eine  starke  Erkundung  in 
der  Leventina  gegen  Oberst  Strauch  durchzuführen.  Die  Brigade 
Molitor  sollte  der  Division  Soult  bei  dem  Linthübergange  behülflich 
sein  und  12  Compagnien  der  7ö.  Halbbrigade  über  Engi  und  den 
Panixer-Paß  (2407  m)  nach  Ilanz  marschieren  lassen,  wo  diese  mit 
der  Brigade  Loison  zusammengetroffen  wären.  Molitor  scheint 
jedoch,  mit  einem  Hinweis  auf  die  geringe  Zahl  der  ihm  zur  Ver- 
fügung stehenden  Streitkräfte,  Einwendungen  gemacht  zu  haben. 
Lecourbe  schrieb  ihm  unter  anderem  aus  Altdorf  am  30.  Fructidor 
(16.  September):  „Sie  haben,  sagen  Sie,  9000  Mann  vor  Ihnen 
und  12000,  wenn  Sie  jene  mitrechnen,  welche  sich  gegenüber  von 
General  Soult  befinden.  Man  berechnet  nicht  die  Zahl  der  Kämpfer, 
wenn  man  wie  Sie  und  der  General  Soult  im  stände  ist,  mit  Einsicht 
eine  taktische  Handlung  durchzuführen.  Schaffen  Sie  sich  die 
nötigen  Mittel.  Man  gelangt  stets  über  einen  Fluß ;  sind  auch  alle 
Brücken  zerstört,  so  bleiben  doch  immer  einige  Furten.  .  .  .  Ob- 
gleich ich  halb  so  stark  bin  wie  der  Gegner,  hoffe  ich  dennoch 
ans  Ziel  zu  gelangen."     (Bousson  222/223,  Nr.  51.) 

Das  Schächen-  und  Maderanerthal,  sowie  den  Weg  von  Ander- 
matt nach  Flüelen  bewachte  III./38.  Halbbrigade. 

Kaum  hatten  die  angedeuteten  Bewegungen  begonnen,  als  die 
Brigade  Gudin  von  Suworoff  angegriffen  wurde.  Man  war  einiger- 
maßen   ahnungslos   der   großen  Gefahr   gegenüber  gestanden  und 


144 


Lecourbe  empfing  die  Nachricht  von  dem  Erscheinen  der  Russen 
in  der  Leventina  überhaupt  erst  am  24.  September  gegen  3  Uhr 
abends.  Noch  am  1.  Vendeniiaire  VIII  (23.  September  1799)  schreibt 
Lecourbe  an  Massena  aus  Altdorf: 

,Auf  die  Nachricht  hin,  sei  sie  nun  wahr  oder  falsch,  die 
ich  von  der  Ankunft  der  Russen  in  der  Leventina  erhielt,  trieb 
ich  sogleich  eine  Erkundung  bis  Dazio  vor.  Man  erfuhr  dadurch, 
daß  der  Gegner  noch  immer  auf  den  nämlichen  Punkten  steht  und 
eher  etwas  schwächer  ist  als  früher.  Obgleich  man  aber  seit 
längerer  Zeit  schon  die  Russen  ankündigt,  sind  sie  noch  nicht  da; 
der  Feind  hält,  wie  ich  Ihnen  bereits  schrieb,  an  dem  Plane  fest, 
uns  aus  Italien  zu  vertreiben.  Er  weiß  sehr  wohl,  daß  wir  den 
Gotthard  nicht  überschreiten  und  auf  der  anderen  Seite  desselben 
Stellungen  beziehen  können,  wollen  wir  uns  nicht  der  Gefahr  des 
Verhungerns  aussetzen,  der  wir  in  diesem  Falle  nur  dann  entgehen, 
wenn  wir  mit  einer  staunenswerten  Macht  Herren  von  Mailand 
würden.  Der  Feind  hatte  seine  Kräfte  auch  bei  Dissentis  ver- 
mindert. Sicherlich  macht  er  eine  Bewegung  auf  seinem  rechten 
Flügel.  Ich  erwarte  die  Rückkehr  von  Spionen,  um  genaue  Nach- 
richten zu  haben.  Aber  geben  Sie  acht  auf  Ihrem  linken  Flügel. 
Ich  lade  Sie  ferner  ein,  Herr  General,  den  General  Loison  nicht 
vergessen  zu  wollen,  wenn  Sie  für  irgend  jemanden  die  Beförderung 
nachsuchen.  Er  ist  ein  alter  und  zugleich  fähiger  Brigadegeneral. 
Im  Verlaufe  dieses  Feldzuges  zeigte  er  sich  stets  als  äußerst  thätig 
und  genau.  Weit  eher  als  viele  andere,  verdiente  er  den  Grad 
eines  Divisionsgenerals. " 

Und  am  24.  September,  also  wohl  sogleich  nach  dem  Eintreffen 
der  neuesten  Nachrichten: 

„In  der  That,  verehrter  Herr  General,  es  ist  wahr,  daß  be- 
trächtliche, aus  Russen  und  Oesterreichern  zusammengesetzte  Ver- 
stärkungen vorgestern  im  Tessinthale  angelangt  sind.  3000  oder 
4000  Mann  gelangten  gestern  bis  Dazio.  Das  Gerücht  erhält  sich 
beharrlich,  General  Suworoff  sei  in  Bellinzona,  ein  anderer  sehr 
bejahrter  General  befehligt  in  Giornico  —  man  konnte  mir  aber 
nicht  sagen,  ob  es  ein  Russe  oder  ein  Oesterreicher  wäre.  Ein 
zahlreiches  Corps  ging  nach  Graubünden  ab.  Ich  erfahre  soeben, 
daß  der  Feind  uns  bei  Airolo  angreift,  doch  glaube  ich  nur  an 
ein  einfaches  Erkundungsgefecht.  Ich  gehe  sofort  ins  Urserenthal 
ab  und  gedenke  mich  von  dort  aus  nach  Dissentis  zu  begeben. 
Diese  Verstärkungen  des  Gegners  fordern  gebieterisch,  daß  ich  ein 
hinreichendes  Corps  auf  dem  Gotthard  lasse.  Dort  verbleibt  nach 
meinen  Befehlen  der  General  Gudin  mit  zwei  oder  drei  Bataillonen. 
Ich  kann  demnach  lediglich  mit  vier  oder  fünf  anderen  im  Rhein- 
thale  handelnd  auftreten.  Uebrigens  wäre  ich  nicht  ruhig,  wüßte 
ich  meinen  Rücken,  meinen  rechten  Flügel  vom  Gegner  angegriffen 


145 


und  bewältigt.  General  Turreau,  der  bis  jetzt  ein  Beobachtungs- 
corps im  Bedretto  stehen  hatte,  zieht  soeben  dasselbe  zurück. 
Morgen  werde  ich  dem  Gegner  von  zwei  Seiten  zu  Leibe  gehen; 
aber  denken  Sie  an  meine  Lage!" 

Die  Aufstellung  der  Division  Lecourbe  ist  demnach  für  den 
24.  September  mittags  die  folgende  (zusammengestellt  nach  dem 
Peldtagebuch  und  den  Angaben  von  Jomini,  Koch  und  Massena) : 

Divisions-Hauptquartier  in  Altdorf. 
67  Dragoner  vom  1.  Regiment.    506  Artilleristen  und  Geniesoldaten. 
Brigade  Gudin:  109.  Halbbrigade  =  1959  Mann,  in  Andermatt  und 
auf  der  Oberalp;  67.  Halbbrigade  —  1871  Mann,  in  Airolo, 
im  Gotthard-Hospiz  und  in  Hospenthal. 
Brigade  Molitor:    84.  Halbbrigade  =  2599  Mann;    I./25.  leichte 
Halbbrigade  =  etwa  500  Mann,  in  Glarus,  Ennenda,  Netstall 
und  Mitlödi. 
Brigade  Loison:    76.  Halbbrigade  —   2407  Mann,    in  Wasen  und 
Göschenen,  12  Compagnien  dagegen  in  das  Sernfthal  ent- 
sendet, um  nach  Banz  vorzugehen ;  38.  Halbbrigade  =  2423 
Mann,  I./II.  Bat.  in  Göschenen,  das  III.  Bat.  im  Reuß-,  im 
Maderanerthal  und  auf  dem  Urnerboden. 
Es  standen  demnach  am  Gotthard  gegen  Suworoff  zur  Ver- 
fügung rund  9000  Gewehre. 

Die  russische  Armee,  welche  aus  Italien  heran  zog,  zählte 
dagegen  rund  15000  Kämpfer,  die  bei  Dissentis  stehende  öster- 
reichische Brigade  überdies  etwa  2000  Mann. 

Nachdem  Tags  zuvor  alle  Vorbereitungen  vollendet  worden, 
brachen  am  21.  Sept.  die  russischen  Truppen  von  Taverne  auf. 
Generallieutenant  Korsakoff  und  FML.  Hotze  erhielten  Meldungen 
von  dem  Abmärsche  und  die  unten  (S.  147 — 149)  wiedergegebene 
Verfügung  über  den  Angriff  auf  den  Gotthard. 

Das  Corps  Rosenberg  war  bereits  nach  Bellinzona  voraus- 
gesandt worden.144  Von  hier  aus  nahm  es  über  Biasca,  woselbst 
die  Hauptmacht  der  Brigade  Strauch  stand,  seinen  Weg  ins  Val 
di  Blegno,  um  über  den  Lukmanier  und  Dissentis,  sowie  über 
den  Oberalp-Paß  gegen  das  Urserenthal  vorzudringen. 

Das  Corps  Derfelden  erreichte  am  21.  September  das  25  km 
von  Taverne  gelegene  Bellinzona.  Am  22.  gelangte  das  Corps  nach 
Giornico.  Voraus  befand  sich  die  Brigade  Bagration,  dann  folgten 
die  Divisionen  Förster  und  Schweikowski.  Die  Brigade  Strauch 
gelangte  nach  Faido. 

„Während  dieser  beiden  Tage  fiel  der  Regen  in  Strömen 
herab ;  ein  schneidender  Wind  wehte  von  dem  Gebirge  her,  wobei 
die  Truppen  in  den  kalten  und  feuchten  Nächten  in  ihren  Bivouacs 
durch   die   Kälte    ungemein   litten.     Nach   Suworoffs   Gewohnheit 

Günther,  Feldzug  1799.  10 


146 


brach  die  Kolonne  jedesmal  vor  Tagesanbruch,  gegen  4  Uhr  morgens 
auf.  Großfürst  Konstantin  befand  sich  beständig  bei  der  Avant- 
garde Bagrations  und  ertrug  geduldig  alle  Unannehmlichkeiten 
und  Entbehrungen  des  Marsches ,  welcher  bei  dem  stürmischen 
Herbstwetter  doppelt  erschöpfend  war.  Munter  ritt  der  Feldmar- 
schall in  seiner  gewöhnlichen  leichten  Kleidung  auf  einem  Kosaken- 
pferde dahin ;  sein  Anzug  bestand  aus  einem  weißen  Kamisol  und 
weißen  Beinkleidern,  leinene  Socken  und  Halbstiefel  schützten  die 
Füße,  über  die  Schultern  war  ein  dünner,  alter,  ungefütterter  Mantel, 
das  sogenannte  Vatermäntelchen  geworfen,  auf  dem  Kopfe  saß  ein 
runder  Hut  mit  breitem  Rande.  Handschuhe  trug  der  Feldmarschall 
nie.  An  der  Seite  Suworoffs  ritt  auf  einem  Kosakenpferde  ein 
alter  Mann,  den  er  von  Taverne  mitgenommen ;  es  war  dies  Antonio 
Gamba,  der  Wirt  des  Hauses,  in  welchem  Suworoff  während  seines 
dortigen  Aufenthaltes  gewohnt  hatte.  Dem  Feldmarschall  gefiel 
der  Alte,  welcher  für  Suworoff  so  sehr  begeistert  war,  daß  er  seine 
Jahre  und  seine  Familie  vergaß  und  unserem  Feldherrn  versprach, 
ihm  an  seiner  Seite  über  die  Alpen  zu  folgen.  Ungeachtet  der 
Thränen  und  Bitten  seiner  Familie  hielt  Antonio  das  gegebene 
Wort;  während  des  ganzen  Zuges  durch  die  Schweiz  ritt  er  an 
Suworoffs  Seite,  diente  den  Truppen  als  zuverlässiger  Führer  und 
war  der  russischen  Armee  von  unschätzbarem  Nutzen."  (Miliutin 
VI,  24/25.) 

Ist  die  Erzählung  wahr,  in  Taverne  besteht  keine  Ueber- 
lieferung  mehr,  so  war  Gamba  einer  jener  sogenannten  „Mailänder", 
welche  regelmäßig  als  Viehhändler  heute  noch  in  die  Urkantone 
kommen.  Unter  dem  alten  General  aber,  von  dessen  gemeldeter 
Anwesenheit  in  Giornico  Lecourbe  berichtet,  ist  wohl  Suworoff 
selbst  zu  verstehen.  Am  23.  erreichte  Derfelden  den  Dazio  grande 
(11  km  von  Airolo  und  den  französischen  Vorposten)  und  bezog 
hier  mit  Strauchs  Truppen  zusammen  die  hervorragend  feste  Stellung. 
Diese  langsamen  Märsche,  welche  gegen  die  sonstige  GeAvohnheit 
des  greisen  Marschalls  waren,  erklären  sich  dadurch,  daß  Rosen- 
berg einen  ungleich  längeren  Weg  zurücklegen  mußte,  ehe  er  auf 
dem  Gotthard  in  das  Gefecht  einzugreifen  vermochte. 

An  der  Spitze  des  Corps  Rosenberg  marschierte  die  von 
Miloradowitsch  befehligte  Vorhut,  das  Regiment  Aptscheron,  das 
Jägerbataillon  Kaschkin  und  die  Kosakensotnie  Posjädeff.  (Sotnia 
heißt  soviel  wie  100  Mann.)  Das  Gros  unterstand  dem  General 
Rehbinder.  Am  21.  wurde  Dongio,  am  22.  bereits  Casaccia  (die 
Häusergruppe  am  Südabfalle  des  Lukmanier-Passes)  erreicht.  Trotz 
der  Höhe  von  1819  m,  dem  Mangel  an  Holz  und  der  sehr  schlechten 
Witterung  mußte  hier  bivouakiert  werden.  Am  23.  erreichten  die 
Russen  Dissentis,  woselbst  die  kaiserliche  Brigade  Auffenberg  ihre 
Ankunft  erwartete,  um  dann  über  den  Kreuzli-Paß  ins  Maderaner- 


147 

thal,  bezw.  ins  Reußthal  einzudringen.  Auf  der  Ebene  zwischen 
Segnes,  Buretsch  und  Mompe  Tuietsch,  am  linken  Rheinufer,  wurde 
die  Nacht  vom  23.  zum  24.  wieder  bivouakiert. 

Für  den  Angriff  auf  den  Gotthard  hatte  Suworoff,  welcher 
die  Nacht  in  Faido  zubrachte,  folgende  Verfügungen  getroffen 
(Miliutin  IV,  S.  225  bis  228,  Nr.  40): 

„Disposition  für  den  Angriff  auf  den  Gotthard.  —  Bellmzona 
den  21.  Sept.  1799  (n.  St.).  Das  Corps  des  Generals  der  Kavallerie 
Derfelden  bricht  am  22.  früh  5  Uhr  von  Bellinzona  auf,  rastet 
eine  Stunde  auf  der  Hälfte  des  Weges  bei  Osogna,  legt  dann  drei 
deutsche  Meilen  bis  nach  Giornico  zurück,  wo  Lieutenant  Giurczak 
den  Lagerplatz  bestimmt.  An  demselben  Tage  marschiert  die 
Brigade  des  Obersten  Strauch  von  Biasca  nach  Faido. 

°  Am  23.  wird  der  Marsch  von  Giornico  nach  Piotta  (lVs  deutsche 
Meilen)  fortgesetzt,  im  Falle  bis  dorthin  nicht  irgend  eine  Aenderung 
in  der  Aufstellung  des  Feindes  eingetreten  ist.  Von  Piotta  aus 
wird  am  24.  der  Angriff  auf  Airolo  und  den  St.  Gotthard  in 
folgender  Weise  ausgeführt: 

Die  Avantgarde  des  Fürsten  Bagration,  sowie  die  Division 
Schweikowski  gehen  morgens  3  Uhr  vorwärts  Piotta  über  den 
Ticino  und  wenden  sich,  nachdem  sie  die  Hälfte  des  Berges  rechts 
von  Madrano  und  Valle  in  einer  Entfernung  von  IV2  deutschen 
Meilen  erstiegen,  von  hier  aus  noch  eine  deutsche  Meile  weiter 
rechts,  um  Airolo  und  alle  Positionen,  welche  der  Feind  zwischen 
Airolo  und  Piotta  besetzen  kann,  zu  umgehen.  Die  Kolonne  wird 
von  Lieutenant  Giurczak  des  österreichischen  Generalstabs  geführt. 

Um  4  Uhr  morgens  bricht  die  zweite  Kolonne,  welche  aus 
zwei  leichten  oder  Grenzbataillonen  des  Obersten  Strauch  und 
einem  russischen  Bataillon  der  Division  Förster  besteht,  von  Piotta 
auf  und  nimmt,  nachdem  sie  links  die  Höhe  des  Gebirges  bis  zur 
Hälfte  erstiegen,  die  Richtung  nach  der  Brücke  über  den  Ticino. 
über  welche  die  Straße  von  Airolo  in  das  Bedrettothal  führt.  Die 
Kolonne  führt  Lieutenant  Bellicky. 

Die  weiteren  zur  Brigade  Strauch  gehörenden  Truppen  mit 
den  übrigen  sieben  Bataillonen  der  Division  Förster  bleiben  auf 
der  Straße  nach  Airolo  und  gehen  auf  derselben  in  dem  Maße  vor, 
als  die  beiden  Flankenkolonnen  ihnen  das  Vorrücken  erleichtern. 
Diese  Kolonne  wird  von  Lieutenant  Gatterburg  des  österreichischen 
Generalstabs  geführt. 

Sobald  die  Tete  der  mittleren  Kolonne  Airolo  erreicht  hat. 
wendet  sich  Oberst  Strauch  links  auf  der  Straße  nach  dem  Bedretto- 
thale  gegen  die  über  den  Ticino  führende  Brücke,  wo  sich  bereits 
zwei  seiner  Bataillone,  welche  von  der  linken  Kolonne  dorthin 
detachiert  werden,  befinden  werden ;  das  russische  Bataillon  kehrt 
auf  derselben  Straße  zu  der  mittleren  Kolonne  nach  Airolo  zurück. 


148 


Sollte  die  Brücke  über  den  Ticino  zerstört  sein,  so  kann  man  dort 
den  Fluß  bei  einer  Furt  überschreiten. 

Die  mittlere  Kolonne  durcheilt  Airolo,  um  sich  mit  der  rechten 
Kolonne,  welche  bereits  auf  dem  Wege  nach  dem  Hospiz  voraus- 
gesendet worden,  in  Verbindung  zu  setzen,  vereint  mit  derselben 
auf  den  Gipfel  des  Berges,  d.  h.  bis  zum  Hospiz  vorzudringen, 
und  dann  auf  der  anderen  Seite  eine  halbe  Meile  gegen  Urseren 
hinabzusteigen. 

Sollte  der  Feind  die  Absicht  zeigen,  das  Hospiz  zu  verteidigen, 
so  hat  sich  die  rechte  Kolonne  noch  mehr  rechts  zu  wenden  und 
die  linke  Flanke  der  feindlichen  Position  zu  umgehen. 

Um  den  Gipfel  des  St.  Gotthard  oder  das  Hospiz  zu  erreichen, 
muß  man  je  nach  der  Stärke  der  feindlichen  Truppen,  welche  sich 
gegen  die  Furka  und  nach  Wallis  zurückziehen,  ein  oder  zwei 
Bataillone  der  Division  Schweikowski  links  gegen  Realp  detachieren ; 
diese  Bataillone  entsenden  Patrouillen  bis  nach  Realp  selbst,  warten 
den  Uebergang  des  ganzen  Corps  ab  und  folgen  dann  an  der  Queue 
der  Kolonne  nach  Urseren. 

Sämtliche  Kosaken  marschieren  an  der  Queue  der  mittleren 
Kolonne;  an  der  Tete  derselben  marschieren  nur  100  Kosaken  und 
zwar  bis  zu  jenem  Defilee,  welches  sich  vorwärts  Airolo  und  links 
von  Madrano  befindet.  Vor  dem  Eingange  in  dieses  Defilee 
nehmen  die  Kosaken  rechts  Stellung  und  warten  dort,  bis  die 
Infanterie  dasselbe  passiert  hat. 

Sämtliche  Geschütze  folgen  mit  der  mittleren  Kolonne  und 
zwar  hinter  dem  ersten  Bataillone  nur  zwei  Geschütze,  die  übrigen 
an  der  Queue  der  ganzen  Ko]onne. 

Sollte  der  Feind  vom  heutigen  Tage  bis  zum  24.  noch  weiter 
im  Ticinothale  vordringen,  so  beginnt  der  oben  beschriebene  Angriff 
mit  den  drei  Kolonnen  an  demselben  Punkte,  wo  man  auf  den 
Feind  stößt,  in  welchem  Falle  der  Kampf  vielleicht  schon  am  23. 
beginnen  würde. 

Die  rechte  Kolonne  nimmt  30,  die  linke  20  Pioniere  mit  sich, 
die  übrigen  Pioniere  folgen  der  mittleren  Kolonne." 

Ergänzungsdisposition  für  den  Angriff  auf  den  St.  Gotthard, 
Faido,  den  23.  September  neuen  Stils: 

„Die  am  21.  September  in  Bellinzona  gegebene  Disposition 
erleidet  nur  in  soferne  eine  Aenderung,  als  am  24.  die  erste  oder 
rechte  Kolonne,  welche  aus  der  Avantgarde  Bagrations  und  aus 
der  Division  Schweikowski  besteht,  um  3  Uhr  morgens  aufbricht, 
auf  der  Hauptstraße  bis  Stalvedro  vordringt,  von  dort  aber  schon 
rechts  gegen  Madrano  wendet  und  über  Valle  die  feindliche  Position 
bei  Bosco  in  der  Flanke  angreift.  Da  sich  vielleicht  in  dieser 
Position  nicht  mehr  als  3  feindliche  Bataillone  befinden,  so  hat 
erwähnte   Kolonne    auf    der  Hälfte    des  Weges   nach   Bosco   vier 


149 


Bataillone  noch  weiter  rechts,  gerade  gegen  das  Hospiz,  auf  den 
Gipfel  des  St.  Gotthard  zu  dirigieren,  um  die  Rückzugslinie  des 
Feindes  aus  seiner  Stellung  bei  Bosco  völlig  abzuschneiden. 

Lieutenant  Giurczak  vom  österreichischen  Generalstabe  hat 
vorher  noch  in  Faido  die  nötige  Anzahl  Wegweiser  aufzutreiben, 
um  die  Kolonne  zu  führen ;  ebenso  ist  ein  Führer  jenen  4  Bataillonen, 
welche  nach  rechts  detachiert  wurden,  beizugeben. 

Die  linke  Kolonne,  aus  sämtlichen  Bataillonen  des  Obersten 
Strauch  und  einem  russischen  der  Division  Förster  bestehend,  hat 
zugleich  mit  der  ersten  Kolonne  vom  Lager  aufzubrechen  und 
schlägt,  sobald  sie  in  Piotta  angekommen,  auf  dem  oben  angedeuteten 
Wege  die  Richtung  nach  links  ein.  Diese  Kolonne  wird  von 
Lieutenant  Bellicky  des  österreichischen  Generalstabs  geführt, 
welcher  an  demselben  Tage  die  hiezu  erforderlichen  Wegweiser 
gleichfalls  herbeizuschaffen  hat. 

Die  mittlere  oder  dritte  Kolonne,  aus  2  Bataillonen  des  Regi- 
ments Wallis,  (der  Abteilung  Strauchs)  und  7  russischen  Bataillonen 
der  Division  Förster  bestehend,  geht  auf  der  Straße  zwischen  den 
beiden  Flankenkolonnen  vor  und  sucht  hiebei  sich  etwas  hinter  den 
Spitzen  dieser  Kolonnen  zu  halten,  damit  durch  einen  zu  früh- 
zeitigen Angriff  auf  die  Front  der  feindlichen  Position  bei  Bosco 
oder  bei  dem  Ausgange  von  Airolo  nicht  unnützer  Verlust  ver- 
ursacht werde.  Diese  Kolonne  führt  Lieutenant  Gatterburg  vom 
österreichischen  Generalstabe. 

Oberst  Strauch  schiebt  heute  Abend  noch  seine  Vorposten 
über  Piotta  gegen  die  Brücke  Sordo  vor  und  stellt  rückwärts  die 
nötigen  Unterstützungen  auf,  um  diese  Brücke  bis  zu  unserer 
Ankunft  zu  halten.  Falls  der  Feind  während  der  Nacht  sich 
der  Brücke  bemächtigen  wollte,  so  ist  alle  Kraft  anzuwenden,  um 
sich  in  deren  Besitz  zu  behaupten. 

Sämtliche  Kolonnen  haben  sich  bis  2  Uhr  nach  Mitternacht 
zu  sammeln;  während  der  Dauer  des  Marsches  ist  möglichst  ge- 
schlossen zu  marschieren,  damit  sich  die  Kolonne  nicht  zu  sehr 
ziehe  und  dadurch  der  Marsch  selbst  nicht  verzögert  werde. 

Sämtliche  Kolonnen  haben  ihre  Vorräte  an  Brot  und  Zwieback 
hinter  Faido  zurückzulassen ;  diese  gehen  erst  morgen  weiter. 

Es  wird  noch  einmal  in  Erinnerung  gebracht,  daß  mit  Aus- 
nahme des  oben  Angedeuteten  alles  übrige,  das  in  der  früheren 
unter  dem  21.  September  erlassenen  Disposition  enthalten  ist,  ohne 
alle  Aenderung  in  Kraft  bleibt." 

Morgens  3  Uhr  den  24.  September  begannen  die  Russen  vom 
Dazio  aus  den  Vormarsch  gegen  Airolo.  Nachdem  Piotta  durch- 
schritten worden,  teilten  sich,  der  Verfügung  entsprechend,  die 
Kolonnen.  „Nach  einer  stürmischen  und  regnerischen  Nacht  hörte  der 
Regen  auf;  doch  war  das  Wetter  feucht  und  neblig;  dichte  dunkle 


150 


Wolken  bedeckten  das  Thal  und  stiegen  allmälig  gegen  den  Gipfel 
des  Berges  auf."    (Miliutin.) 

Der  Marsch  muß  über  Erwarten  langsam  vor  sich  gegangen 
sein.  Erst  um  2  Uhr  nachmittags  wechselte  die  Vorhut  des  Fürsten 
Bagration  die  das  Gefecht  einleitenden  Schüsse  mit  dem  Gegner, 
einer  Compagnie  der  67.  Halbbrigade.  Diese  wurde  durch  die 
Jägerabteilung  des  Lieutenants  Lutowinoif  verfolgt  und  ging  bis 
in  die  Hauptgefechtsstellung  oberhalb  des  heutigen  Tunneleinganges 
zurück.  Bei  der  Verfolgung  fiel  der  genannte  kühne  Offizier,  von 
einer  Kugel  tödlich  getroffen.  Indessen  trafen  Verstärkungen  unter 
Oberst  Schuwaloff  und  Oberstlieutenant  Zukato  ein.  Der  Feuer- 
kampf entbrannte  lebhaft!  Generalmajor  Bagration  versuchte  eine 
Umgehung  der  von  600—1200  Franzosen  besetzten  Stellung  längs 
des  Berghanges  und  auch  die  Kolonne,  welche  bis  dahin  auf  dem 
rechten  Ufer  des  Ticino  vorgegangen,  griff  jetzt  ein.  Generalmajor 
Baranowski  erstieg  mit  dem  Nisow-Musketierregiment,  dem  Jäger- 
regiment Miller,  sowie  einigen  Kosakenabteilungen  zu  Fuß  von 
Valle  aus  die  Alpe  Pontino  in  der  Richtung  zum  Sellasee.  Die 
Franzosen  dagegen,  in  Gefahr,  vollkommen  abgeschnitten  zu  werden, 
gingen  bis  zum  südlichen  Ausgange  des  Val  Tremola  zurück  und 
bezogen  dort  eine  neue  Stellung  bei  der  „Casa  di  ricovero"  (Pkt.  1702). 

Suworoff  zog  jetzt  die  das  Gros  der  Divisionen  Schweikowski 
und  Förster  bildenden  Truppen  durch  Airolo  zum  Frontalangriffe 
heran.  Die  Franzosen  verteidigten  sich  hartnäckig  mit  wohlgezieltem 
Feuer  und  erst  die  neuerlich  drohende  Gefahr  der  Umgehung  ihrer 
Stellung  von  den  Truppen  Bagrations  zwang  sie  Schritt  für  Schritt 
fechtend  bis  zu  der  Stelle  zurückzugehen,  welche  der  Bataillonschef 
Lovisi  bereits  im  Mai  eingerichtet  hatte.  (Zu  vergleichen  S.  89 
dieser  Arbeit.)  Die  Franzosen  setzten  dort  den  zähen  Widerstand 
fort,  die  Russen  unternahmen,  den  Tod  nicht  scheuend,  zwei  Angriffe, 
wobei  sie  wenigstens  1200  Mann  einbüßten.  An  einen  weiteren 
Fortschritt  war  aber  nicht  zu  denken,  bevor  Bagration  auf  die 
Alpe  di  Sonescia  zu  gelangen  vermochte. 

In  diesen  Augenblicken  gespanntester  Erwartung  soll  sich 
jener  oft  erzählte  Auftritt  ereignet  haben,  daß  Suworoff,  unwillig 
über  das  Murren  der  Truppen,  eine  Grube  ausheben  ließ  (wo?) 
und  die  Worte  aussprach:  „Ihr  seid  nicht  mehr  meine  Kinder, 
ich  will  auch  nicht  mehr  euer  Vater  sein;  es  bleibt  mir  jetzt 
nichts  mehr  übrig,  als  zu  sterben,  begrabt  mich  hier!"  Miliutin 
(IV,  31,  Anmerkung  und  Beilage  Nr.  44)  gibt  sich  viele  Mühe, 
diese  Geschichte  zu  widerlegen. 

Um  4  Uhr,  in  dem  nämlichen  Augenblicke,  da  das  von  General 
Loison  gesendete  I./38.  Halbbrigade  bei  seinen  kämpfenden  Kame- 
raden eintraf,  erschienen  die  ersten  Abteilungen  der  Kolonne 
Bagration  bei    Grasso  di  Mezzo    (2158  m)    und  zugleich   griff  die 


151 

Hauptmacht    in    der   Front    noch    einmal   an.     Nun    mußten    die 
Franzosen  gegen  Hospenthal  zu  endgültig  weichen. 

Am  nämlichen  Tage  wurde  auch  die  andere  Hälfte  der  Brigade 
Gudin  auf  der  Oberalp  angegriffen. 

Das  Corps  Rosenberg  brach  mit  dem  grauenden  Morgen  aus 
seinem  Bivouac  auf.  Vorwärts  der  Häusergruppe  „Scharmas"  am 
Nordabfalle  des  Calmot  trafen  die  Kosaken  der  Vorhut  Miloradowitschs 
mit  einer  Patrouille  der  109.  Halbbrigade  zusammen.  Das  Regiment 
Mansuroff  wurde  nun  gegen  Hinterfelli  ob  dem  Oberalpsee  entsendet 
und  Miloradowitsch  griff  längs  des  Weges  die  auf  dem  Passe 
befindlichen  Erdwerke  mit  dem  Jägerbataillon  Sabanjäjeff  an. 

In  der  Schanze  stand  I./1Ö9.  Halbbrigade;  das  Bataillon  wich 
nach  einigem  Widerstände  in  eine  neue  Stellung  am  Oberalpsee  zurück. 

Jetzt  griffen  Mansuroff  von  der  Hinterfelli,  Rosenberg  auf 
dem  Wege',  Miloradowitsch  links  davon  an.  „Trotz  der  bedeutend 
größeren^  Ueberlegenheit  setzte  man  den  Russen  einen  äußerst 
hartnäckigen  Widerstand  entgegen ;  eine  dichte  Kette  französischer 
Schützen,  welche  sich  hinter  Felsstücken  zu  decken  suchte,  empfing 
die  anstürmenden  Russen  mit  einem  wohlgezielten  Feuer.  Nebenbei 
wurde  das  Vorgehen  der  beiden  Kolonnen  Rehbmders  und 
Mansuroffs  durch  das  sumpfige  Terrain  zu  beiden  Seiten  des  Sees 
bedeutend  erschwert.  Dennoch  gelang  es  Miloradowitsch,  den 
rechten  Flügel  der  feindlichen  Abteilung  bald  von  den  Höhen  zu 
vertreiben,  worauf  sich  dann  die  übrigen  französischen  Truppen 
nicht  länger  mehr  auf  der  linken  Seite  des  Sees  zu  halten  wagten 
und  in  Eile  den  Rückzug  antraten."     (Miliutin  IV,  34.)  _ 

Mehrere  Male  versuchten  es  die  Franzosen,  sich  wieder  fest- 
zusetzen ;  es  gelang  ihnen  nicht,  denn  die  Russen  drängten  kräftig 
nach  bis  auf  die  Höhe  ob  Andermatt.  Hier  trafen  die  Franzosen 
das  in  aller  Eile  aus  dem  untern  Reußthale  her  kommende 
I./38.  Halbbrigade,  welches  vom  Kommandanten  Juillet  befehligt 
wurde.  General  Loison  muß  sich  ebenfalls  bei  demselben  befunden 
haben ;  das  Bataillon  hielt  sich  aber  kaum  lange  auf,  da  es  schon 
um  4  Uhr  nachmittags  beim  Hospize  eintraf.  (Vergleiche  S.  150 
dieses  Werkes.)  Die  Stellung,  welche  Rosenberg  hier  einnahm, 
lag  wohl  bei  der  Häusergruppe  Näfschen  ob  der  Altkirche  (171<>  in), 
üfe  Truppen  waren  durch  die  Verfolgung,  welche  den  Franzosen 
angeblich  100  Mann  an  Toten  kostete,  sehr  durcheinander  gekommen. 
Rosenberg  verlor  jedoch  über  dem  Sammeln  zu  viele  Zeit.  Vielleicht 
zögerte  er  auch  mit  der  Fortführung  des  Angriffes  aus  dem  Grunde, 
weil  er  noch  keine  Nachrichten  von  der  Hauptkolonne  erhielt, 
indessen  Suworoff  anderseits  erwartungsvoll  nach  Rosenberg  aus- 
schaute. Jedenfalls  hätte  dieser  die  auf  dem  Gotthard  stehenden 
Truppen  durch  ein  schnelleres  Eingreifen  in  die  größte  Bedrängnis 
zu  bringen  vermocht.140 


152 


Das  Sammeln  der  Russen  suchten  die  Franzosen  dadurch  zu 
verhindern,  daß  sie  vom  Thale  herauf  aus  Haubitzen  Granaten 
gegen  die  Höhe  (der  Unterschied  beträgt  etwa  270  m)  zu  werfen 
suchten.  Das  mißlang  natürlich,  die  Dunkelheit  brach  jedoch 
herein,  ehe  die  Russen  endlich  an  den  Abstieg  dachten.  „Das 
ganze  russische  Corps  erhielt  den  Befehl,  in  größter  Stille  und 
ohne  allen  Lärm  den  Berg  hinabzusteigen  und  sich  dann  in 
möglichster  Schnelligkeit  am  Fuße  desselben  in  Schlachtordnung 
aufzustellen.  Der  Abhang  war  so  steil,  daß  die  Truppen  sozusagen 
hinabrutschten  und  in  einem  Augenblicke  sich  in  der  Ebene  formiert 
hatten." 

Nach  einer  Salve  warf  sich  die  schnell  geordnete  Linie  mit 
dem  Bajonette  auf  den  zwar  überraschten,  aber  unerschrockenen 
Gegner.  „Beaucoup  de  solclats  des  deux  partis  se  prirent  aux 
cheveux",  sagt  das  Feldtagebuch  der  Division  Lecourbe. 

Nach  derselben  Quelle  zu  urteilen,  entsendete  Rosenberg  bereits 
früher  über  den  Gütsch  (Petersstock?)  eine  Abteilung  gegen  die 
von  den  Franzosen  unbesetzte  Häusergruppe  „  Altkirche. "  General 
Loison  hatte  dabei  große  Mühe,  von  Hospenthal,  wo  er  mit  Gudin 
gesprochen,  nach  Göschenen  zu  gelangen.  Hier  angekommen, 
schickte  er  sogleich  die  dort  noch  befindlichen  2  Compagnien  der 
76.  Halbbrigade  gegen  die  Teufelsbrücke,  um  diese  wenigstens  zu 
decken. 

Rosenberg  mußte  sich,  angesichts  der  großen  Ermüdung  seiner 
Truppen,  damit  begnügen,  Andermatt  zu  besetzen.  „In  dem  Dorfe 
fand  man  370  000  Patronen  sowie  Proviantvorräte,  welche  für  das 
ganze  Corps  ausreichten."  u6 

Bei  Hospenthal  kam  es  noch  bei  Einbruch  der  Dunkelheit, 
also  gegen  6  Uhr,  zu  einem  neuerlichen  Feuergefechte.  Das  Feid- 
tagebuch  behauptet,  es  sei  überhaupt  an  diesem  Tage  von  6  Uhr 
früh  bis  10  Uhr  nachts  gekämpft  worden;  doch  ist  diese  Angabe 
gewiß  übertrieben.  Jedenfalls  ging  die  größere  Anzahl  der  noch 
zwischen  Hospenthal  und  Andermatt  befindlichen  französischen 
Truppen  unter  Führung  von  General  Gudin  nach  Realp,  also  gegen 
die  Furka  zurück. 

Das  Feldtagebuch  gibt  die  Verluste  dieses  Tages  wohl  zu 
niedrig  auf  20  Tote,  102  Verwundete,  30  Gefangene  an.  Die 
Russen  hatten  freilich  unter  allen  Umständen  eine  weit  größere 
Einbuße.  Sie  berechneten  bei  beiden  Corps  zusammen  gegen 
2000  Kampfunfähige.    (Miliutin  IV,  38.) 

Suworoff  bivouakierte  mit  den  Seinen  bei  Hospenthal.  Eine 
Verbindung  zwischen  ihm  und  Rosenberg  bestand  nur  insoferne, 
als  man  gegenseitig  die  Wachtfeuer  sah.  Suworoff  glaubte  noch  für 
den  folgenden  Tag  an  Kämpfe  um  das  Dorf  Andermatt.  In  dieser 
Annahme  schrieb  er  aus  Hospenthal  an  Hotze  und  an  Korsakoff : 


153 

„Die  Schwierigkeiten,  mit  welchen  wir  bei  Umgehung  der 
feindlichen  Position  auf  dem  St.  Gotthard  zu  kämpfen  hatten, 
verzögerten  unser  Vorrücken  derart,  daß  wir  erst  in  diesem  Augen- 
blicke hier  ankamen;  morgen,  den  14.  (25.),  werden  wir  früh  6  Uhr 
nach  Ursern  aufbrechen  und  den  Feind,  wenn  er  uns  erwarten 
sollte,  von  dort  vertreiben;  dennoch  werden  wir  gegen  Abend 
Altdorf  zu  erreichen  trachten,  wie  dies  in  der  Disposition  ursprüng- 
lich festgesetzt  worden."  Auf  den  Umschlag  der  Weisung  an 
Hotze  hatte  Suworoff  eigenhändig  folgende  Verse  geschrieben: 

„Am  20.  sind  Tragtiere  bereit, 

Den  21.  zieht  Rosenberg  zum  Streit, 

Den  22.  folgt  Thierfeld  (Derfelden!)  zur  Schlacht, 

Den  24.  ist  Gotthardsberg  erobert  durch  Macht, 

Dann  haben  wir  durch  Säbl  und  Bajonett 

Die  Schweiz  von  ihrem  Untergang  gerett't." 

(Nach  der  Oesterr.  Militär-Zeitschrift  1818,  I,  183.) 

Diese  Knittelverse  sind  bezeichnend  für  die  geistige  Stimmung 
des  russischen  Oberfeldherrn,  der  nun  schon  die  Hauptarbeit  gethan 
zu  haben  glaubte. 

Es  bleibt  noch  die  Aufgabe,  die  vielfach  widersprechenden 
Lesearten  über  die  Ereignisse  dieses  Tages  zu  besprechen,  sowie 
die  oben   gegebene  Darstellung   der   Geschehnisse   zu   verteidigen. 

Es  ist  keineswegs  schwierig  zu  erklären,  warum  die  Kolonne 
Bagration  nicht  durch  das  Val  Canaria  über  den  Unteralp-Paß 
und  den  Passo  della  Sella  gegen  das  Hospiz  hin  die  Stellung  der 
Franzosen  in  der  Tremolaschlucht  umging.  Sie  hätte  jedenfalls 
weniger  Mühsale  gefunden  als  an  den  Hängen  der  Sonescia.  Wenn 
Miliutin  (IV,  234,  Nr.  45)  meint,  der  Unteralp-Paß  sei  nicht  gang- 
bar gewesen,  so  irrt  er  jedenfalls.  Andererseits  ist  nicht  recht 
einzusehen,  warum  Dr.  Hartmann  (S.  102)  annimmt,  die  Umgehung 
hätte  sich  im  Falle  eines  Marsches  über  die  Unteralp  nur  gegen 
Andermatt  richten  können.  Die  Gotthardtruppen  überschreiten 
doch  öfters  den  Passo  della  Sella,  welcher  zum  Hospiz  hinunterführt. 

Nein,  Bagration  kletterte  längs  der  Sonescia-Hänge,  weil  er 
von  dort  aus  schneller  zum  Ziele  gelangte  als  über  die  freilich 
weniger  mühsamen  Pässe  der  Unteralp  und  der  Sella.  Rasch  die 
Umgehung  durchzuführen,  war  aber  des  Oberfeldherrn  dringendster 
Befehl. 

Von  den  meisten  Schriftstellern  wird  behauptet,  und  das  ist 
nur  ein  neuer  Beweis  dafür,  wie  oft  ein  Verfasser  ohne  viel  Nach- 
denken den  Angaben  anderer  folgt,  daß  Lecourbe  bei  den  Gefechten 
am  24.  auf  dem  Gotthard  anwesend  gewesen  sei.  Der  damalige 
Stabsmajor  im  eidg.  Generalstabe  Dr.  R.  von  Beding  hat  zuerst  in 
einem    vor    der    Offiziersgesellschaft  Zürich    gehaltenen   Vortrage 


154 


(November  1891)  darauf  hingewiesen,  daß  Lecourbe  vermutlich 
erst  am  25.  von  Altdorf  aus  bei  der  Teufelsbrücke  eingetroffen, 
am  24.  aber  im  Hauptflecken  von  Uri  gewesen  sei. 

Dem  ist  in  der  That  so.  Zunächst  spricht  keiner  der  Berichte 
des  Generals  davon,  daß  er  am  Gefechte  an  der  einen  oder  der 
andern  Stelle  teilgenommen  habe.  Das  Feldtagebuch  hebt  endlich 
jeden  Zweifel.  Es  erzählt,  daß  General  Lecourbe  am  3.  Vendemiaire 
(25.  September)  bei  Tagesanbruch  von  Altdorf  aus  an  der  Teufels- 
brücke eingetroffen  sei,  und  zwar  in  der  Absicht,  gegen  dasUrseren- 
thal  vorzudringen.  Wäre  er  selbst  am  Tage  zuvor  dort  gewesen, 
er  hätte  diese  Hoffnung,  trotz  aller  Kühnheit  seines  Charakters, 
gewiß  nicht  gehegt.  Endlich,  wie  konnte  Lecourbe  am  Nach- 
mittage des  24.  aus  Altdorf  an  Massena  berichten  und  zwei  Stunden 
später  etwa  in  Andermatt  sein?  Auch  das  von  d'Izarny  benutzte 
Feldtagebuch  der  38.  Halbbrigade  sagt  ausdrücklich,  daß  Lecourbe 
einen  Teil  der  Nacht  vom  24.;  25.  September  dazu  benützte, 
mit  IL/38.  Halbbrigade  und  dem  noch  übrigen  Reste  der  76.  von 
Altdorf  zur  Teufelsbrücke  zu  marschieren. 

Damit  fällt  aber  auch  die  immer  wiederholte,  noch  von  Dr.  Hart- 
mann (S.  198)  angenommene  Erzählung  der  nächtlicheu  Ueber- 
kletterung  des  Bäzberges  durch  Lecourbe.  Es  wäre  dies  freilich 
für  den  General  keine  unmögliche  Leistung  gewesen :  denn  die  Be- 
steigung jener  Höhen  ist  nicht  so  schwierig,  wie  sie  Miliutin  wissen 
will.  (IV,  38.)  Lusser  kennt  dieses  Ereignis  auch  nicht,  das  er 
sicher  in  seinem  Werklein  erwähnt  haben  würde,  wäre  es  eben 
geschehen.  Mit  welchen  Truppen  hätte  auch  Lecourbe  den  nächt- 
lichen Marsch  durchführen  sollen?  Das  Tagebuch  gibt  an,  daß 
am  24.  nur  6  schwache  Bataillone  den  Gotthard  besetzt  hielten ; 
der  Bericht  aus  Altdorf  vom  3.  Vend.  (25.  September)  nachmittags 
9  Lxhr  30  Minuten  an  Massena  sagt  ausdrücklich:  .Die  letzte  Nacht 
begann  General  Gudin  seinen  Rückzug  auf  die  Furka.  Er  nahm 
mir  die  67.,  ein  Grenadierbataillon,  die  ganze  109.  und  ein  Bataillon 
der  38.  mit,  welche  der  General  Loison  in  die  Ebene  von  ITrseren 
vorgehen  ließ,  um  ihn  zu  unterstützen  und  denen  der  Rückzug 
durch  das  L'rnerloch  verlegt  ward."  Diese  Truppen  bildeten  zu- 
sammen gerade  6  Bataillone  (die  109.  Halbbrigade  zählte  2  Ba- 
taillone) und  keines  von  ihnen  wäre  doch  bei  Gudin  geblieben, 
wenn  Lecourbe  nächtlicherweile  das  Urnerloch  über  den  Bäzberg 
hin  umgangen  hätte. 

Für  das  Bivouac  der  Kolonne  Rosenberg  wird  kurzweg 
„Tavetsch"  als  Ortsname  angegeben.  (Bernhardi  I,  84  spricht  von 
Monrpe-Tavetsch.)  Tavetsch  ist  jedoch  die  Bezeichnung  für  das 
ganze  Thal.  Dr.  Hartmann  (S.  103)  nimmt  Sedrun  als  Lagerplatz 
an.  Dort  ist  jedoch  kaum  so  viel  Raum,  6000—8000  Mann 
(mit  der  Brigade  Auffenberg?)    und    einem    großen  Trosse    unter- 


1. 


bringen  zu  können.  In  dieser  Hinsicht  entspricht  die  Ebene  am 
Ausgange  des  Yal  Segnes  weit  eher  den  Anforderungen,  zumal 
sich  dort  auch  in  unmittelbarer  Nähe  des  Bivouacs  auf  dem  linken 
Rheinufer  ein  kleiner  Wald  befindet,  der  das  nötige  Brennholz  zu 
liefern  vermag.  Es  wäre  ein  Fehler  gewesen,  das  Bivouac  derart 
anzuordnen,  daß  es  sich  wie  bei  Sedrun  (wo  der  Kreuzli-Paß  ab- 
zweigt) ungeschützt  zeigte  vor  einem  etwaigen  gegnerischen  An- 
falle in  die  rechte  Flanke. 


3< 


At»$ 


Die  Gefechtserzählung  vom  Oberalpsee  bei  Miliutin  (IV,  33  ff.) 
stimmt  freilich  nicht  ganz  mit  der  dem  großen  Werke  beigelegten 
Karte  des  Gotthard  (Nr.  40),  wohl  aber  mit  der  Gegend  selbst 
vollkommen  überein.  Dr.  Hartmann  (S.  104/105),  der  die  Dar- 
stellung kritisiert,  übersieht,  daß  das  Gefecht  in  zwei  Teile  zer- 
fällt (vergl.  S.  15 1)  und  daß  erst  hinter  der  Paßhöhe  die  Vorhut 
unter  Miloradowitsch  von  der  Kolonne  Rosenberg,  dem  Gros  ab- 
schwenkte, um  gegen  den  rechten  Flügel  der  Franzosen  vorzugehen. 

Dies  die  kurze  Beurteilung  der  noch  streitigen  Punkte. 


15(5 

In  der  Nacht  vom  24.  zum  25.  September  begab  sich  General 
Lecourbe  von  Altdorf  nach  Göschenen  und  zur  Teufelsbrücke, 
woselbst  er  gegen  Tagesanbruch  eintraf.  Trotz  der  ungünstigen 
Lage,  in  welcher  er  sich  befand,  scheint  er,  wie  gesagt,  für  einen 
Augenblick  an  die  Wiedervereinigung  mit  Gudin  gedacht  zu  haben 
und  darum  unterblieb  auch  wohl  die  völlige  Zerstörung  der 
Teufelsbrücke. 

Nach  Lusser  (S.  184)  war  bereits  am  24.  abends  der  über  den 
gesprengten  kleinen  Bogen  des  Bauwerkes  gelegte  hölzerne  Ver- 
bindungssteg beseitigt  worden.  Er  schreibt:  „Die  Brücke  war 
nicht  abgebrochen,  wie  vielfältig  irrig  berichtet,  sondern  bloß  eines 
jener  Gewölbe,  über  welche  die  Straße  der  Felswand  entlang 
kletterte."  Vom  Nordausgange  von  Andermatt  bis  zum  Urnerloche 
sind  es  wenig  mehr  denn  1500m  Weges;  der  Tunnel  selbst  war 
nach  Ebel  80  Schritte  lang,  3  bis  4  m  breit  und  etwa  ebenso  hoch. 
Sogleich  hinter  der  nördlichen  Mündung  des  damals  so  bewunderten 
„Loches"  fiel  die  alte  Straße  steil  gegen  die  Vorbögen  der  Brücke 
ab.  Diese  wieder  bildete  im  rechten  Winkel  zu  dem  Wegstücke 
eine  gemauerte  Spannung  von  nahe  an  20  m  Länge  bei  2*/a  bis 
3  m  Breite  über  der  wild  schäumenden  Reuß. 

Die  Stellung  der  Franzosen  ist  wohl  in  der  Weise  zu  denken, 
daß  eine  Schützenlinie  den  Teufelsstein  besetzte,  d.  h.  den  oberen 
Rand  der  Felsen  am  linken  Reußufer.  Von  dort  sind  es  bis  zu 
dem  nächsten  Straßenstück  oberhalb  des  Urnerloches  genau  280  m, 
bis  zum  unteren  der  Brücke  zugewandten  Ausgange  des  Tunnels 
dagegen  230  m,  in  der  Luftlinie  gemessen.  Beide  Entfernungen 
gewähren  noch  die  Möglichkeit,  mit  dem  französischen  Infanterie- 
Gewehre  Mod.  1777  einige  Treffer  zu  erzielen.1*7  Diese  für  die 
damalige  Waffe  große  Schußweite  stimmt  auch  mit  den  Erinne- 
rungen von  Toll  überein,  der  mit  unter  den  Vordersten  der  An- 
greifer (Bernhardi  I,  88)  war,  die  nur  „einen  schwachen  Hagel  von 
Flintenkugeln "  erhielten.  Das  Urnerloch  dagegen  wurde  gewiß 
nicht  besetzt,  bot  es  doch  gar  keinen  Raum  zur  Entwickelung 
einer  Schützenlinie,  ja  nicht  einmal  zur  Bedienung  eines  Geschützes. 
Das  schließt  nicht  aus,  daß  ein  solches  zur  Stelle  gewesen,  obgleich 
dies  nicht  wahrscheinlich  ist,  trotz  gegenteiliger  Erzählungen.  Das 
Feldtagebuch  und  Lusser  z.  B.  wissen  nichts  von  Kanonenfeuer. 
Letzterer  meldet  einzig  (S.  185):  „Die  Stelle  dieses  schauerlichen 
Felsenschlundes  verteidigte  nur  eine  geringe  Anzahl  Franzosen, 
die  aber  vorteilhaft  auf  und  über  der  Straße  aufgestellt  waren." 
Sonderbarerweise  machten  die  Franzosen  keine  Anstalten,  das  Urner- 
loch zu  verrammeln.  Es  gelang  ihnen,  wie  gesagt,  nur,  vor  den 
heftig  andringenden  Russen  den  kleinen  Bogen  abzuwerfen.148 

Die  Erzählung,  welche  Miliutin  (IV,  42)  von  dem  Uebergange 
der  Teufelsbrücke  gibt,  ist  ungenau  und  sichtlich  in  dem  Bestreben 


157 


geschrieben,  die  Tapferkeit  der  Russen  in  das  hellste  Licht  zu 
stellen.  Der  österreichische  Darsteller  wiederum  (Stutterheim)  ist 
ängstlich  bemüht,  die  Einsicht  seiner  Kameraden  vom  kaiserlichen 
Generalstabe  im  Gegensatze  zu  der  kopflosen  Tollkühnheit  der 
Russen  zu  zeigen. 

Lusser  (S.  185),  dem  doch  noch  Erinnerungen  von  Augenzeugen 
zur  Verfügung  standen,  schreibt  über  den  Beginn  des  Gefechtes: 
„Mit  wildem  Mute  drangen  die  Russen  durch  das  finstere  200 
Schuh  lange  Ursenerloch  vor  und  wurden  bei  dessen  Ausgang 
mit  mörderischem  Kugelregen  empfangen,  und  da  die  Kugeln  auch 
über  die  Reuß  durch  die  Felsenlücke  durchpfiffen  auf  die  Nach- 
rückenden, so  drängten  diese  nur  um  so  stärker  dem  natürlichen 
Gewölbe  zu." 

Die  Spitze  der  russischen  Angriffssäule  bildete  eines  der  Ba- 
taillone Mansuroffs  vom  Corps  Rosenberg,  welches  die  Nacht  bei 
der  Altkirche  von  Andermatt  bivouakiert  hatte.  Die  russischen 
Berichte  erwähnen  wohl  großer  Verluste,  welche  die  Stürmenden 
erlitten,  erzählen  aber  doch  nichts  davon,  daß  die  Vordersten  unter 
den  Angreifern  von  den  heftig  Nachdrängenden  in  die  Reuß  gestürzt 
worden  seien,  und  daß  dabei  das  ganze  Bataillon  erlag.  Dies  ist 
eine  österreichische  Erzählung  (Stutterheim  S.  30/31 ;  Erzherzog 
Karl  II,  244  ff.),  sichtlich  gemacht,  um  den  Rat  Weyrothers,  welcher 
Suworoff  drängte,  eine  Umgehung  zu  versuchen,  hervorzuheben. 
Dem  folgend  schreibt  auch  Lusser:  „Hätte  Suwarow  sich  zuvor 
über  die  Gegend  genau  unterrichtet  und  wären  die  Ursener  ihm 
dabei  hülfreich  entgegengekommen,  wie  manches  Menschenleben 
hätte  da  erhalten  bleiben  können."  Er  sagt  aber  ferner,  daß  eine 
über  den  Bäzberg,  eine  andere  über  den  Kilcherberg  und  das 
Kloserli  —  er  meint  ersichtlich  damit  den  Weg  von  der  Altkirche 
aufwärts  über  den  Gütsch  nach  der  Klauserlialp  (2014  m)  durch 
das  Rienthal  hinab  —  nach  Göschenen  gesandte  Abteilung  jeden 
ferneren  Widerstand  der  Franzosen  an  der  Teufelsbrücke  aufgehoben 
haben  würde. 

Diesen  Behauptungen  ist  wohl  zu  trauen  und  sie  entsprechen 
ja  auch  ganz  der  Starrköpfigkeit  von  Suworoff,  der  als  Nichtkenner 
des  Gebirges  gewiß  nicht  glaubte,  daß  solche  Umgehungen  über- 
haupt möglich  seien.  Damit  fallen  aber  auch  die  Erzählungen 
der  Russen  dahin,  welche  davon  sprechen,  daß  „General  Kamenski 
(Nicolai  Michailowitsch)  mit  seinem  Regimente  vom  Corps  Derfelden 
detachiert  worden  war,  um  in  der  Nähe  von  Urseren  ebenfalls 
über  die  Reuß  zu  gehen  und  den  hohen  Rücken  des  Bäzberges 
zu  ersteigen."     (Miliutin  IV,  42/43.) 

Dagegen  läßt  sich  sehr  wohl  annehmen,  daß  die  Russen  nach 
ziemlicher  Einbuße  an  Mannschaften  in  der  Nähe  der  Brücke  selbst 
Umgehungen   versuchten.     Etwa   300   Freiwillige   vom    Regiment 


158 


Mansuroff  unter  Oberst  Trubnikoff  suchten  in  der  Bachrunse  un- 
mittelbar vor  dem  Urnerloche  in  die  Höhe  zu  gelangen,  um  durch 
das  hintere  Teufelsthal  den  Franzosen  in  die  linke  Flanke  zu 
stoßen.  Viel  hätte  diese  Bewegung  keinenfalls  genützt  und  sie 
mag  vielleicht  auch  angesichts  des  schwierigen  Geländes  später 
wieder  aufgegeben  worden  sein. 

„Dagegen  warf  sich  Major  Trewogin  mit  200  Jägern  vom 
Regimente  Kaschkin  in  das  Defilee  der  Reuß  selbst,  überschritt 
unter  unglaublichen  Schwierigkeiten,  bis  an  den  Gürtel  im  Wasser, 
den  wilden  Fluß  und  begann  dann  die  Gebirgs  wände  des  linken 
Ufers  zu  ersteigen."  (Miliutin  VI,  41.)  Ihnen  folgte  ein  ganzes 
Bataillon  vom  Regimente  Rehbinder,  das  der  Oberst  Swischtschoff 
befehligte. 

Die  österreichischen  Berichte  verlegen  die  Stelle  des  Abstieges 
in  die  Reuß  auf  die  Strecke  zwischen  dem  Urnerloche  und  der 
Teufelsbrücke.  Dort  durch  den  Fluß  zu  gelangen,  ist  aber  selbst 
Russen,  und  seien  sie  auch  von  einem  Suworoff  geführt  und  be- 
geistert, schlechterdings  unmöglich.  Solches  kann  nur  200 — 300  m 
ob  dem  Südausgange  des  Urnerloches  versucht  werden  und  unter 
glücklichen  Umständen  gelingen. 

Nun,  bei  fast  gelungener  Umgehung,  sollen  die  Franzosen  den 
kleinen  Bogen  der  Brücke  zerstört  haben.  Dadurch  seien  eine 
Anzahl  ihrer  Kameraden  abgeschnitten  und  von  den  erbitterten 
Russen  der  Hauptkolonne  in  die  Reuß  gestürzt  worden.  Da  jeden- 
ialls  keine  Franzosen  im  Urnerloche  oder  gar  auf  der  von  dem- 
selben überhöhten  Straße  selbst  standen  —  einen  solchen  Fehler 
begeht  gewiß  kein  Kriegserfahrener  —  so  ist  diese  Erzählung  eben- 
falls in  das  Reich  der  Fabeln  zu  verweisen. 

Die  auf  dem  Teufelssteine  und  an  der  Brücke  stehenden 
Franzosen  —  es  war  nach  dem  Feldtagebuch  der  Rest  der 
88.  Halbbrigade,  befehligt  von  Loison,  dem  Brigadechef  d'Aumas 
und  dem  Kommandanten  Simon  —  hielten  sich,  so  lange  es  ihnen 
nur  irgend  möglich  war. 

Die  Russen  wollen  noch  unter  dem  Feuer  der  Verteidiger 
den  Brückenbogen  in  der  Weise  flüchtig  gangbar  gemacht  haben,  daß 
Bretter  und  Balken  „aus  einem  in  der  Xähe  stehenden  Schupfen" 
herbeigebracht  und  auf  Vorschlag  von  Major  Meschtscherski  mit 
Offiziersschärpen  zusammen  gebunden  wrorden  seien.  Meschtscherski 
wäre  dann  als  Erster  hinüber,  aber  tödlich  getroffen  worden,  wobei 
er  den  Kameraden  zurief:  „Vergesset  mich  in  eurer  Relation  nicht!" 
Diese  Angaben  klingen  sehr  romantisch  und  sehr  unglaubwürdig; 
sie  sind  jedenfalls  nur  mit  größter  Vorsicht  aufzunehmen.  Ebenso 
übertrieben  erscheint  die  Verlustziffer  der  Franzosen,  welche  nach 
russischen  Angaben  280  Mann  betrug. 

Oesterreichische  und  russische  Pioniere  besserten  die  Brücke 


159 

wieder  so  weit  aus,  daß  die  folgenden  Bataillone  sie  gegen  5  Uhr 
nachmittags  zu  überschreiten  vermochten.  „Einige  kleinere  Brücken, 
welche  vom  Feinde  zerstört  worden  waren,  hielten  den  Marsch  der 
Russen  ungemein  lange  auf,  so  daß  das  Groß  des  Corps  erst  spät 
in  der  Nacht  bei  Wasen  eintraf.  Die  Avantgarde  Miloradowitschs 
nahm  etwas  weiter  vorwärts,  bei  dem  Dorfe  Weiler  (Wyler-Gurt- 
nellen),  ungefähr  eine  Stunde  von  Anisteg,    Stellung." 

Suworoff  hatte  von  Andermatt  aus  2  zur  Brigade  Strauch 
gehörende  Bataillone  gegen  Realp  zur  Beobachtung  der  Brigade 
Gudin  entsendet.  Oberst  Strauch  war  in  Albinasco  am  Eingange 
des  Bedretto  stehen  geblieben,  um  einen  etwaigen  Vorstoß  der 
Division  Turreau  über  den  Nufenen  zu  verhindern. 

Es  ist  zweifellos,  daß  Lecourbe  die  Teufelsbrücke  weit  kräftiger 
verteidigt  haben  würde,  wäre  er  nicht  zugleich  auch  im  Rücken, 
bei  Amsteg,  durch  die  österreichische  Brigade  Auffenberg  bedroht 
worden.  Hier  lag  die  höchste  Gefahr  vor,  daß  er  von  Altdorf 
und  der  Flotille  abgeschnitten  werde,  und  so  entschloß  er  sich, 
selbst  dort  einzugreifen. 

Die  Brigade  Auffenberg,  bestehend  aus  4  Bataillonen  (2  Kerpen, 
2  Gradiscanern)  und  in  der  Stärke  von  ungefähr  2000  Mann,  war 
am  24.  September  von  Dissentis  aus  über  den  Kreuzli-Paß  (den 
manche  Berichte  fortgesetzt  fälschlich  als  „Crispalt"  bezeichnen) 
an  den  Eingang  des  Maderanerthales  gelangt.  Bei  Bristen  über- 
schritten die  Vortruppen  der  Brigade  am  Morgen  des  25.  den 
Kärstelenbach  und  trafen  nun  (Feldtagebuch)  auf  die  dort  am 
rechten  Ufer  („Dächli")  stehende  2.  Compagnie  von  111/38.  Halb- 
brigade und  1  Sappeurcompagnie ,  welche  von  dem  Lieutenant 
Perruchot  und  dem  Unterlieutenant  Gautrot  befehligt  wurden. 
(d'Izarny  S.  102.)  Als  Lecourbe  von  dem  beginnenden  Gefechte 
Nachricht  erhielt,  entsendete  er  sogleich  IL/76.  Halbbrigade  von 
der  Teufelsbrücke  nach  Amsteg.  Eine  zweite  Meldung  besagte, 
die  ganze  Brigade  Auffenberg  bedrohe  diesen  Ort.  Nun  schickte 
Lecourbe  den  Escadronchef  im  Generalstabe,  Noizet,  an  das  mar- 
schierende Bataillon  ab,  um  die  Bewegungen  zu  beschleunigen. 
Zugleich  folgte  er  eiligst  mit  dem  noch  übrigen  Rest  seiner  Gre- 
nadierreserve, 4  schwachen  Compagnien,  Loison  den  Befehl  hinter- 
lassend, Schritt  für  Schritt  auf  Wasen  zurückzugehen  und  hier  bis 
aufs  äußerste  Stand  zu  halten. 

Die  zwei  am  „Dächli"  stehenden  Compagnien  hatten  unterdessen 
während  voller  vier  Stunden  heldenmütig  alle  Angriffe  der  Brigade 
Auffenberg  abgeschlagen.  Endlich  nahezu  umgangen,  mußten  sie 
an  den  Rückzug  (nach  ,Zwing-Uri")  denken.  Von  den  Kaiser- 
lichen besetzten  die  2  Bataillone  Gradiscaner-Infanterie  die  steilen 
Höhen  ob  Amsteg,  1  Bataillon  Kerpen  machte  sich  daran,  die 
Kärstelenbachbrücke  zu  zerstören,    das  andere  Bataillon  drang  in 


160 


den  Ort  selbst  ein.  Jetzt  erschien  aber  IL/ 7 6.  am  Südausgange 
von  Amsteg.  Es  ließ  zwei  Compagnien  in  der  Reservestellung 
zurück  und  ging  mit  dem  Bajonette  gegen  die  Oesterreicher  vor, 
die  mit  Verlust  zurückgeworfen  wurden.  Doch  die  Kaiserlichen 
sammelten  sich  wieder  und  versuchten  neuerdings  einen  Erfolg  zu 
erringen.  Unterdessen  waren  Lecourbe  und  seine  Grenadiere  heran- 
gekommen. Der  General  ließ  diese  angreifen  und  als  an  der 
Brücke,  die  bereits  halb  zerstört  worden,  Verwirrung  entstand, 
zog  er  selbst  den  Säbel.  Mit  einem  ernsten  Worte:  „Grenadiers, 
qu'alliez  vous  faire?  En  avant,  suivez-moi!"  wußte  Lecourbe  die 
Ordnung  wieder  herzustellen.  Der  Uebergang  blieb  in  den  Händen 
der  Franzosen,  welche  zugleich  200  Mann,  darunter  4  bis  5  Offiziere, 
gefangen  nahmen.    (Feldtagebuch.) 

Der  Bericht  von  Lecourbe  aus  Altdorf  vom  25.  September 
abends  9\'2  Uhr  erzählt  weiter  (Bousson  225) :  „Nachdem  meine 
Verbindung  mit  Altdorf  wieder  gesichert  erschien,  ließ  ich  von 
dort  meine  gesamte  Artillerie  fortschaffen.  Ich  komme  jetzt  von 
Amsteg  her,  wohin  sich  das  I.  Bataillon  der  38.  von  Stellung  zu 
Stellung  zurückzog  und  wo  die  Truppen  vereinigt  wurden.  Für 
morgen  erwarte  ich  heftige  Angriffe  und  es  ist  ganz  außer  allem 
Zweifel,  daß  ich  überwältigt  werde,  da  ich  nur  drei  schwache 
Bataillone  und  einige  Grenadiercompagnien  zur  Verfügung  habe. 
(Also  gewiß  nicht  6000  Mann,  wie  die  gegnerischen  Berichte 
schreiben.  Das  Feldtagebuch  gibt  unter  dem  26.  September  die 
Zahl  der  Kampffähigen  auf  2400  Mann  an.)  Ich  will  es  versuchen, 
durch  Vorposten  die  Stellungen  bei  Amsteg  und  Bürglen  zu  halten. 
Letztere  ist  aber  nichts  wert.  Indem  ich  alle  Reußbrücken  ab- 
breche, halte  ich  meine  Verfolgung  durch  den  Feind  etwas  auf. 
Durch  das  Gadmenthal  entsendete  ich  Patrouillen  zum  General 
Gudin.  Ich  empfahl  ihm,  mir  wenigstens  2  Bataillone  zu  schicken 
und  das  Oberwallis,  wie  die  Grimsel  zu  decken.  .  .  .  Werde  ich 
überwältigt,  so  werfe  ich  zwei  Bataillone  nach  Engelberg  und  zwei 
ins  Isenthal  und  nach  Bauen,  bis  ich  Verstärkungen  erhalten  habe. 
Für  mich  persönlich  war  es  ein  glücklicher  Tag;  mit  3  oder 
4  Bataillonen  mehr  (er  meint  gegnerische  Bataillone  und  wohl  die 
Ereignisse  bei  Amsteg)  wäre  ich  gefangen.  Ich  nehme  an,  daß 
Suworoff  die  Absicht  hat,  sich  mit  dem  Corps  Hotze  zu  vereinigen, 
und  dann  auf  Luzern  oder  Glarus  zu  marschieren.  Werfen  Sie 
demnach  alles  nach  Glarus,  mindestens  8000  Mann,  und  Suworoff 
ist  verloren." 

Am  26.  September,  morgens  5  Uhr,  drang  Milorado witsch  in 
Amsteg  ein.  Die  Vorhut,  befehligt  vom  Obersten  Tiefenhausen, 
eilte,  mit  dem  Bajonett  vorwärts  stürmend,  über  die  brennende 
Brücke.149  Die  Franzosen  gingen  gegen  Altdorf  zurück.  „Lecourbe 
deckte  in  eigener  Person  mit  ca.  1600  Tapferen  (es  war  aber  nur 


161 

IL/76.  Halbbrigade  laut  Feldtagebuch)  diesen  kühneu  Rückzug  und 
hielt  an  jeder  passenden  Stelle,  z.  B.  am  Rhinacht  und  bei  der 
Schächenbrücke  zu  Schattdorf,  die  Russen  wieder  eine  Zeit  lang 
auf,  um  seinen  Truppen  Zeit  zu  lassen,  sich  über  die  Brücken  zu 
Attinghausen  und  Seedorf  hinter  die  Reufi  zu  ziehen  und  alle 
Schiffe  von  Flüelen  wegzuführen.  Als  dies  geschehen,  wurde  die 
Brücke  in  Attinghausen  zerstört,  und  gegen  Mittag  zog  der  kühne 
General,  von  wenigen  hundert  Grenadieren  umgeben  und  mit  zwei 
leichten  Kanonen  und  ein  paar  Maultieren,  welche  Munition  trugen, 
bei  Altdorf  vorüber ;  russische  Plänkler  folgten  ihm  auf  dem  Fuße. 
Aber  so  oft  dieselben  zu  nahe  kamen,  ließ  er  einen  Kartätschen- 
hagel gegen  sie  abfeuern  und  ging  dann  langsam,  als  einer  der 
letzten,  hinein  in  den  neu  aufgeworfenen  Brückenkopf  zu  Seedorf. " 

Auch  die  Schächenbrücke  wurde  abgebrochen.  Auf  die  Straße 
stellte  Lecourbe  zwei  Geschütze.  Loison  stand  noch  mit  dem  Reste 
der  38.  Halbbrigade  an  den  Brücken  von  Erstfeld  und  Attinghausen, 
„mit  dem  Auftrage,  deren  Uebergänge  zu  verteidigen  und  dann 
mit  einem  Bataillon  über  den  Surenen-Paß  nach  Engelberg  zu  gehen, 
einige  Compagnien  jedoch  auf  der  Altdorf  zugewandten  Bergseite 
zu  lassen,  um  nötigenfalls  jene  zu  unterstützen,  welche  mit  der 
Verteidigung  der  Reußbrücken  beauftragt  waren."    (Feldtagebuch.) 

Um  9  Ühr  morgens  erschienen  die  Vortruppen  der  Russen  am 
Xordausgange  von  Schattdorf.  Lecourbe  und  4  Grenadiercompagnien 
verteidigten  den  Uebergang  des  Schächenbaches,  während  IL  /  7  6.  Halb- 
brigade durch  Altdorf  nach  Seedorf  ging.  Milorado witsch  wendete 
sich  mit  seinem  Reginiente  und  dem  Jägerbataillon  Kaschkin  gegen 
Attinghausen,  Rehbinder  mit  seinen  Regimentern  gegen  das  Schächen- 
wäldchen.  Sechsmal  gaben  die  französischen  Kanonen  ihr  Kartätschen- 
feuer ab,  dann  konnten  die  Jäger  bei  Bürglen  über  den  Bach 
gelangen.  Es  mochte  kurz  nach  Mittag  sein,  als  Lecourbe,  nicht 
gar  stark  verfolgt,  die  Brücke  von  Seedorf  überschritt  und  diese 
hinter  sich  abwarf.  Die  Stellung  war  bereits  seit  einiger  Zeit  mit 
Verschanzungen  bedacht  worden,  in  welche  dann  um  1  Uhr  mittags 
drei  russische  Geschütze  einige  Kugeln  warfen. 

Lecourbe  fürchtete  hauptsächlich  für  Gudin,  dessen  Rücken 
er  nicht  mehr  zu  decken  vermochte.  „Schicken  Sie",  schrieb  er 
ferner  am  26.  September  aus  dem  Bivouac  bei  der  Seedorfer  Brücke 
an  Massena,  „so  schnell  wie  möglich  Truppen  nach  Schwyz.  Der 
Feind  steht  im  Schächenthal  und  geht  vielleicht  ins  Muotathal 
hinüber.  Der  General  Loison  marschiert  nach  Engelberg  .  .  .  ich 
werde  wohl  nach  Stanz  gehen.  .  .  .  Der  Feind  hat  6  Geschütze 
vor  mir  aufgefahren,  der  See  ist  stürmisch,  keine  Barken."150  Das 
Feldtagebuch  berichtet  dazu,  die  Truppen  hätten  starke  Entbeh- 
rungen ertragen  müssen. 

Den  Russen  scheint  es  nicht  besser  gegangen  zu  sein.     „Sie 

Günther,  Feldzug  1799.  11 


162 


litten  Ungeheuern  Mangel  bei  entsetzlichen  Strapazen:  seihst  Offiziere 
des  Generalstabes  riefen  im  Vorbeireiten  in  die  Häuser  (von  Altdorf) 
hinauf  nach  Brod."    (Lusser  S.  188.) 

Nachdem  der  Flecken  besetzt  worden,  lagerte  Rosenberg 
zwischen  Flüelen,  dem  See  und  der  Reuß.  Derfelden  bivouakierte 
hinter  Rosenberg,  Bagration  blieb  in  Bürglen,  Auffenberg  in 
Schattdorf. 

„Um  sechs  Uhr  abends  desselben  Tages  hielt  Suwarow.  von 
mehreren  hundert  Kosaken  und  vielem  Fußvolk  begleitet,  in  phan- 
tastischer Kleidung  seinen  Einzug  in  Altdorf.  Er  war  im  Hemde, 
mit  offenem  schwarzem  Kamisol  und  an  den  Seiten  offenen  Hosen, 
in  der  einen  Hand  hielt  er  eine  Karbatsche,  mit  der  anderen  gab 
er  im  Vorüberreiten  gleich  einem  Bischof  den  Segen  und  verlangte 
von  dem  ihm  vor  das  Haus  entgegengehenden  Landammann  Schmid 
den  Friedenskuß,  und  von  dem  denselben  begleitenden  ehrwürdigen 
Pfarrer  und  Kommissär  Ringold  den  Segen,  den  er  in  andächtiger 
Verbeugung  empfing.  —  Sodann  hielt  er  eine  Anrede  in  ziemlich 
gebrochenem  Deutsch,  worin  er  sich  als  Heiland  und  Erlöser  der 
Schweiz  verkündete,  indem  er  gekommen,  dieselbe  von  den  Un- 
gläubigen und  der  Tyrannei  zu  befreien.  Er  stieg  im  Hause  des 
Altlandammann  Stephan  Jauch  ab.  Seine  Bewachung  lagerte 
sich  indessen,  von  Hunger  mächtig  gequält,  sodaß  die  Soldaten 
die  ekelhaftesten  Dinge  nicht  verschmähten,  sogar  Felle  aus  Loh- 
gruben zogen,  zerschnitten  und  aßen,  auf  den  Brandstätten  Alf- 
dorfs. "     (Lusser  S.  189.) 

Mit  großer  Bestürzung  erfuhr  Suworoff  seine  Lage.  Aber 
schnell  entschlossen  dachte  er  nur  an  das  „ Vorwärts",  an  die 
Vereinigung  mit  Hotze:  denn  schon  liefen  dunkle  Gerüchte  in 
Altdorf  um  von  hartnäckigen  Gefechten  längs  der  Linth.  Clausewitz 
(II,  163)  meint  sehr  richtig,  Suworoff  hätte  angesichts  der  geringen 
Streitkräfte,  welche  ihm  gegenüberstanden,  den  erschöpften  Truppen 
einige  Erholung  gönnen  dürfen.  In  diesem  Falle  erfuhr  er  sicher 
die  unglücklichen  Ereignisse  an  der  Limmat  und  von  der  Linth. 
woselbst  an  diesem  26.  September  FML.  Hotze  durch  eine  schweize- 
rische Kugel  gefallen  war.  Dann  wäre  es  ihm  auch  ein  Leichtes 
gewesen,  über  den  Kreuzli-Paß  das  sichere  Bündner-Oberland,  oder 
wenigstens  doch  über  den  Klausen  in  gerader  Richtung  in  den 
Kanton  Glarus  zu  marschieren.  Der  thatkräftige  russische  Feld- 
herr wollte  aber  nichts  von  alledem  hören,  selbst  Lecourbe  beun- 
ruhigte er  wenig,  wohl  um  keinen  Augenblick  der  kostbaren  Zeit 
zu  verlieren, 

Das  Feldtagebuch  berichtet  vom  2Z^ September,  daß  in  der 
Frühe  einige  russische  Generalstabsoffiziere  die  Stellung  bei  Seedorf 
und  die  Gangbarkeit  der  Reuß-Furten  erkundeten.  Lecourbe  ließ 
1  Compagnie  Grenadiere  im  Bivouac  zurück  und  griff  die  Russen 


163 

mit  3  Grenadiercompagnien  und  IL/ 7(5.  Halbbrigade  in  der  Weise 
an,  daß  zwei  der  ersteren  Altdorf  umgingen  und  sogar  Verwirrung 
ins  russische  Lager  trugen.  Die  Franzosen  verloren  in  dem  Kampfe, 
welcher  bis  um  7  Uhr  abends  anhielt,  angeblich  nur  2  Tote  und 
6  Verwundete,  die  Russen  100  Tote.151  „Suworoff,  der  unterdessen 
gegen  Erstfeld  vorgegangen  war,  eilte  von  dorther,  nachdem  er 
den  Angriff  aufgegeben,  den  Seinen  zu  Hülfe."  Lecourbe  erfuhr 
—  seine  Berichte  zeigen  es  deutlich  —  bis  zum  28.  September 
keineswegs,  daß  Suworoff  den  Marsch  über  den  Kinzig-Paß  ange- 
treten habe.  Lusser  (S.  192)  erzählt  sogar,  der  General  sei  bei 
seinem  Wiedereintreffen  in  Altdorf  sehr  zornig  darüber  gewesen, 
daß  die  Einwohner  des  Fleckens  ihn  mit  Nachrichten  über  die 
Maßnahmen  des  Gegners  gänzlich  im  Stiche  gelassen  hätten.  Er 
ließ  in  jenem  Augenblicke  sogar  die  Drohung  fallen,  den  halb 
zerstörten  Ort  seinen  Soldaten  preiszugeben. 

Ueber  die  Ereignisse,  welche  sich  im  Reußthale  am  27.  September 
abspielten,  berichtete  Lecourbe  auch  an  Massena  den  5.  Vendemiaire 
(27.  September)  abends  10  Uhr  aus  dem  Bivouac  bei  der  Seedorfer- 
brücke:152 

„Ich  bin  noch  immer  am  linken  Reußufer.  .  .  .  Der  General 
Loison  steht  auf  dem  Surenen-Paß,  da  ich  für  das  Engelbergerthal 
fürchtete  und  um  jeden  Preis  Nachrichten  vom  General  Grudin 
haben  wollte.  .  .  .  Davon  unterrichtet,  daß  der  Feind  mit  Artillerie 
und  3  Bataillonen  bei  Erstfeld  sei,  um  dort  mit  Benützung  einer 
Furt  über  den  Fluß  zu  gehen  oder  eine  Brücke  zu  schlagen, 
unternahm  ich  einen  heftigen  Angriff  gegen  Altdorf,  das  ich  für 
kurze  Zeit  besetzte.  (Das  im  Feldtagebuch  und  oben  ebenfalls 
erwähnte  Gefecht.)  .  .  .  Mein  Zweck  war  erfüllt.  Ich  zwang  sie, 
(von  Erstfeld)  nach  Altdorf  zurückzugehen  und  hinderte  sie,  über 
Erstfeld  die  Surenen  zu  gewinnen  und  damit  in  meine  rechte  Flanke 
zu  kommen.  (Lecourbe  glaubte  also  an  eine  ernstliche  Absicht 
der  Russen,  durch  das  Engelbergerthal  gegen  Luzern  hin  den 
Weitermarsch  zu  unternehmen.)  Ich  habe  keine  Vorräte  mehr, 
weder  hier  noch  in  Luzern,  das  Meiste,  was  ich  besaß,  ward  mir 

in  Andermatt  genommen Suworoff  will  sich  mit  den  Oester- 

reichern  in  Glarus  vereinigen.  Senden  Sie  beträchtliche  Ver- 
stärkungen an  diesen  Ort  und  treffen  Sie  Ihre  Maßregeln,  damit 
Molitor  und  ich  entlastet  werden.  Es  muß  aber  ohne  Verzug 
gehandelt  werden." 

Besser  als  eine  langatmige  Betrachtung  zeigt  dieses  Schreiben, 
in  welch  vollkommener  Ungewißheit  Lecourbe  sich  am  27.  September 
befand.  Der  Scheinangriff  an  der  zerstörten  Erstfelder  Brücke 
erweckte  ihm  die  große  Besorgnis,  der  Gegner  wolle  zuerst  die 
Stellung  bei  Seedorf  gewinnen  und  dann  wohl  mit  einem  Teile 
seiner  Kräfte  nach  Engelberg  und  Luzern  gelangen.     Dann  wird 


1(34 


Lecourbe  die  Kunde,  Suworoff  gedenke  mit  seiner  Hauptmacht 
nach  Glarus  abzumarschieren.  Genaueres  über  die  Pläne  des 
Gegners  ist  zwar  vorerst  nicht  zu  erfahren,  doch  schien  es  den 
Franzosen,  als  ob  die  Russen  nach  Vereitelung  ihres  Versuches 
bei  Erstfeld  wirklich  durch  das  Schächenthal  weiter  giengen.  Es 
ist  sicher,  daß  Lecourbe  an  den  Klausen-Uebergang  dachte,  sonst 
hätte  er  mehr  Truppen  ins  Muotathal  geworfen,  als  er  thatsächlich 
dorthin  abordnete. 

Am  28.  September  vormittags  8  Uhr  schreibt  Lecourbe  an 
Massena:  „Diese  Xacht  ist  der  Gegner  ins  Muotathal  gedrungen. 
So  ist  es  Zeit,  Truppen  nach  Schwyz  zu  senden,  obwohl  Suworoff 
bei  ihren  Erfolgen  dort  nicht  mehr  durchzubrechen  vermag.  Ich 
entsendete  nach  Schwyz  einen  meiner  Adjutanten  mit  vier  bis  fünf 
Conlpagnien,  um  die  Verteidigung  dieses  Punktes  zu  übernehmen. 
(Darunter  befanden  sich  nach  dTzarny  S.  104  3  Compagnien  vom 
III..  88.  Halbbrigade,  welche  der  Adjutantmajor  Vautrin  führte. 
Die  anderen  werden  vermutlich  vom  IL,  76.  Halbbrigade  gestellt 
worden  sein.)  In  der  Erwartung  von  Verstärkungen  soll  er,  sobald 
die  84.  eintrifft,  den  Gegner  ins  Muotathal  zurückwerfen  und 
durch  das  Bisithal  ins  Schächenthal  hinübergehen." 

Dieses  Schreiben  enthält  auch  den  Hauptgrund,  warum  Lecourbe 
nicht  stetig  auf  die  Nachhut  der  Russen  drückte.  rIch  darf  Ihnen 
nicht  verhehlen,  daß  es  durchaus  nötig  erscheint,  die  Truppen 
meiner  Division  durch  andere  abzulösen,  immerhin  nachdem  wir 
unsere  Stellungen  wieder  eingenommen  haben.  Obgleich  sehr 
tapfer  und  sieggewohnt,  bemerkte  ich  doch  schon  einige  Male, 
daß  sie  es  überdrüssig  sind,  solch'  traurige  Stellungen,  entblößt 
von  allen  Hülfsquellen,  zu  halten,  wo  sie  nichts  anderes  als  Tod 
und  Elend  finden.  Der  Gegner  läßt  mich  in  Frieden.  Trotzdem 
wage  ich  es  nicht,  die  Seedorfer  Brücke  zu  verlassen;  denn  meine 
Truppen  würden  vielleicht  doch  nicht  die  nämliche  Zuversicht 
haben. " 

An  Gudin  meldet  der  General  (Nr.  59,  S.  233),  er  sei  am  27. 
mit  900  Mann  in  Altdorf  eingedrungen.  Mit  einer  so  geringen 
Macht  jedoch,  deren  Gemütsstimmung  noch  dazu  nicht  die  beste 
war,  konnte  der  General  so  gut  wie  nichts  unternehmen. 

Von  Altdorf  ins  Thal  der  Muota  führten  bereits  im  Jahre  1799 
drei  Wege.  Der  eine,  oft  begangen  und  teilweise  auch  von  Soult 
und  Lecourbe  schon  benützt,  geht  von  Flüelen  über  Sisikon  nach 
Morschach  und  Brunnen,  also  längs  des  Sees,  der  zweite  von 
Witterschwanden  im  Schächenthal  über  den  Kinzig-Paß  und  durch 
das  Wängithal,  der  dritte  endlich  über  Heitmannsegg  (ob  Unter- 
schächen)  und  den  Kulm-Paß  (2172  m)  durch  den  Hohlweg  des 
Löchli-Passes  (1515  m)  ins  Bisithal.  Es  ist  unerfindlich,  warum 
Suworoff  nicht  den  zuerst  genannten  Pfad  benützte.     Selbst  wenn 


165 

Lecourbe  dann  den  Abmarsch  und  seine  Richtung  schneller  erfahren 
hätte,  wäre  dieser  Nachteil  doch  durch  die  größere  Beschleunigung 
und  Bequemlichkeit  der  Bewegung  aufgehoben  worden.  Es  ist 
aber  wahrscheinlich,  daß  landeskundige  Leute  in  Altdorf  gar  nicht 
oder  dann  in  einer  Weise  befragt  wurden,  daß  die  endgültige 
Wahl  nur  auf  den  schon  von  Hotze  erwähnten  Fußsteig  aus  dem 
Schächenthal  ins  Muotathal  fallen  mußte.  Bei  der  Wertabschätzung 
zwischen  dem  Kinzig-  und  dem  Kulm-Passe  ist  es  nicht  schwer, 
den  ersteren  höher  zu  stellen.  Der  Kinzig-Paß  zeigt  sich  ebenso 
beschwerlich  und  dabei  nur  um  100  m  niedriger  als  der  östlicher 
gelegene  Kulm,  aber  er  führt  weit  eher  zum  Ziele  als  dieser, 
üeberdies  wurde  der  Kinzig  stets  mehr  begangen  als  der  eigentliche 
Kulm-Löchli-Paß.  Auf  der  Kinzeralp  und  im  oberen  Wängithal 
liegt  eine  ganze  Reihe  von  Sommerwohnstätten,  während  man  von 
Heitmannsegg  bis  zur  Einmündung  des  Bätschthales  in  das  Bisithal 
lediglich  Alphütten  antrifft,  welche  Ende  September  nicht  mehr 
bezogen  sind.  Ueber  den  Kinzig-Paß  schreibt  Ebel  unter  dem 
Artikel  „Muttathai"   (III,  234/235): 

„Merkwürdiger  Marsch  der  Russen.  Südwärts  vom  Dorfe 
sieht  man  die  Oeffhung  eines  engen  Thaies,  welches  sich  nach 
dem  Schächenthale  hinaufzieht,  durch  hohe  Felsen  aber  davon 
getrennt  ist  und  mit  dem  engen  Bisisthai  parallel  fortläuft.  Dieses 
unbewohnte  Thal,  durch  welches  sonst  kein  Reisender  wanderte, 
ist  dadurch  so  merkwürdig  geworden,  daß  die  russische  Armee 
unter  dem  General  Suworow  am  27.  und  28.  September  1799  von 
Altdorf  und  aus  dem  Schächenthal  die  Felsen  nach  demselben 
überstieg,  und  bei  Muotta  herauskam,  wo  sie  sehr  heftige  Gefechte 
gegen  die  Franzosen  liefern  mußte."  Und  ferner  (VI,  S.  70): 
„Von  Altdorf  führt  eine  Straße  durchs  Schächenthal  über  die 
Balmwand  etc.,  dann  ein  bloßer  Hirtenweg  aus  dem  Schächenthal 
ins  Bisisthai  des  Kantons  Schwyz ;  und  ein  noch  steilerer  Weg 
von  der  Schächenbrücke  über  den  Kinzig-Kulm  gerade  auf  Mutter 
herab;  welcher  letztere  seitdem,  daß  die  ganze  russische  Armee 
unter  General  Suworow  im  Herbst  d.  J.  1799  hier  übermarschierte, 
erst  bekannt  und  merkwürdig  geworden  ist."  „Anmerkung.  In  dem 
Artikel  Altdorf  ist  dieser  Marsch  noch  unrichtig,  in  dem  Artikel 
Muttathai  hingegen  zwar  berichtigt,  aber  ohne  Benennung  des 
Kinzig-Kulms  angegeben,  über  welches  dieser  Marsch  ohne  seines- 
gleichen gethan  wurde.  Dieses  zur  genauem  Belehrung  für 
Reisende,  da  uns  nicht  unbekannt  ist,  wie  im  verstrichenen  Sommer 
mehrere  derselben  von  unwissenden  (teuer  bezahlten)  Führern  irre 
geleitet  wurden." 

In  der  Gegend  war  der  Kinzig-Paß  nicht  unbekannt.  Er  wurde 
viel  zum  Viehtreiben  benützt  und  muß  demnach  um  1799  in  besserem 
Zustande  hinsichtlich  der  Wegverhältnisse  gewesen  sein  als  heute. 


166 


Der  Kinzig-Paß  (2070  m)  ist  eine  Einsattelung  im  steilen 
nördlichen  Schächenthalrande,  dessen  höchster  Punkt  die  zerklüftete 
„Windgälle"  bildet.  Von  dem  sich  ob  Bürglen  erhebenden  Roß- 
stocke zieht  nach  Osten  hin  der  steil  abfallende  Kinzerberg,  über 
dessen  Alpe  der  Pfad  führt.  Vom  Schächenthal  aus  verlaufen 
mehrere  Fußwege  bis  zur  Paßhöhe  hinauf.  Von  Spiringen  (926  m) 
zweigt  der  gangbarste  Pfad  ab.  Er  steigt  über  die  Ratzimatt  (1484), 
die  Obfluh  (1683  m),  die  Oberalp  (1828  in)  und  über  Geröll-Halden 
zur  Paßhöhe  (2070  m).  Der  Weg  zieht  sich  längs  dem  Hüribach 
hin,  der  auf  der  Sohle  des  Wängithales  strömt.  Die  Steigung  ist 
auf  dieser,  der  nördlichen  Seite  des  Passes,  eine  allmähligere.  Das 
Gefäll  beträgt  etwa  200  m  im  Durchschnitte  auf  je  1500  m  Weg- 
länge. Das  Wängithal  selbst  bildet  Absätze.  Auf  dem  obersten 
liegt  die  Kinzeralp  (1832  m),  auf  dem  mittleren  der  Weiler  Wängi 
(1443  m),  auf  dem  unteren  die  Häusergruppe  von  Lipplisbühl  (1 196  m). 
Bei  Hürithal  (623  m)  mündet  der  Bach  in  den  Muotafluß  und 
damit  auch  in  die  bis  1  km  breite  Thalebeue  bei  dem  Orte 
Muotathal. 

Einzelne  gute  Fußgänger  mögen,  günstige  Witterung  voraus- 
gesetzt, von  Altdorf  in  8  bis  9  Stunden  nach  Muotathal  über  den 
Paß  gelangen.  Unter  gleichen  Umständen  wird  eine  Truppe  zur 
Zurücklegung  des  Weges  10  bis  12  Stunden  nötig  haben.153 

Am  27.  September,  morgens  5  Uhr,  brach  die  vom  Fürsten 
Bagration  geführte  Vorhut  aus  Bürglen  gegen  den  Kinzigpaß  auf. 
Die  Witterung  war  regnerisch  und  trübe.  Es  fehlte  den  Leuten 
au  Lebens-  wie  an  den  bei  ihnen  beliebten  Stärkungsmitteln.  Die 
meisten  Teilnehmer  am  Zuge  hatten  eine  schon  zerrissene  Fuß- 
bekleidung. Trotz  all1  dieser  ungünstigen  Umstände  ward  die 
Paßhöhe  gegen  Mittag,  Muotathal  selbst  etwa  um  5  Uhr  abends 
erreicht.  Diese  schnelle  Bewegung  läßt  vermuten,  daß  die  Ab- 
stürze von  Leuten,  Tieren  und  Material  sich  weniger  bei  den  ersten 
Kolonnen  ereignet  hätten  als  bei  den  am  28./ 29.  nachfolgenden 
und  dem  Troß,  welcher  nach  einzelnen  nicht  ganz  abzuweisenden 
Angaben  der  Zeit  bis  zum  1.  Oktober  bedurfte,  um  wenigstens 
diesen    ersten    Leberg-ang    zu    erzwingen.     Wie    bereits    bemerkt, 

CT  CT  o  7 

war  der  Kinzig-Paß  doch  wohl  verhältnismäßig  öfters  von  Landes- 
einwohnern gebraucht  worden,  um  eine  rasche  Verbindung  zwischen 
den  beiden  Thälern  zu  haben.  Darum  will  es  fast  scheinen,  als 
wäre  der  Uebergang  des  Panixer-Passes  mit  weit  größeren  Opfern 
verknüpft  gewesen. 

In  Muotathal  standen  die  zwei  Compagnien  der  38.  Halbbrigade, 
welche  Lecourbe    am    nämlichen    Tage    über    den    See    und    durch 

CT 

Brunnen  dorthin  entsendet  hatte,  um  den  Rücken  der  Brigade 
Molitor  wenigstens  durch  Beobachtung  zu  sichern.  Natürlich 
dachte    niemand    an    ein    plötzliches    Erscheinen    der   Russen    im 


167 

abgelegenen  Muotathale.  Die  französischen  Compagnien  lagerten 
sorglos,  wie  dies  die  allgemeine  Gewohnheit  war,  und  wurden 
deshalb  recht  eigentlich  von  den  Kosaken  zu  Fuß  überfallen. 
Rove'rea  (II,  278/279)  berichtet  sogar,  die  Franzosen  hätten  die 
Steppensöhne  anfangs  für  Kapuziner  gehalten  und  die  langen  Barte 
hätten  diese  Täuschung  neben  den  langen  erdbraunen  Kaftanen 
hervorgebracht.  Diese  Anekdote  klingt  aber  doch  etwas  gar  zu 
unglaublich.  Genug,  nach  einem  vergeblichen  Fluchtversuche  ward 
die  7.  Compagnie  vom  IL/38.  Halbbrigade  umzingelt,  57  Mann 
getötet,  87  mit  ihren  Offizieren  gefangen.     (d'Izarny  S.  112.) 

Clausewitz  (II,  166/167)  und  nach  ihm  auch  Hartmann  (S.  130) 
tadeln  Massena,  daß  er  an  diesem  Abende  nicht  in  Schwyz  ge- 
wesen sei.  Aber  der  französische  Obergeneral  erhielt  die  Berichte 
von  Lecourbe  erst  während  der  Schlacht  vom  26.  September.  Er 
konnte  demnach  nicht  vor  dem  27.  mit  der  Division  Mortier  nach 
Schwyz  aufbrechen  und  dort,  10  Stunden  von  Zürich  (nach  Angabe 
von  Ebel),  sicherlich  keinenfalls  vor  dem  28.  anlangen.  Eine 
zweitägige  Schlacht  ermüdet  in  hohem  Maße !  Der  entschlossenste, 
thatkräftigste  Feldherr,  die  abgehärtetste  Truppe  bedürfen  nach 
solchen  Anstrengungen  zunächst  der  wohlverdienten  Ruhe ;  das  ist 
ja  der  Grund,  warum  die  Verfolgung  des  Gegners  in  der  ersten 
Nacht,  welche  dem  Siege  folgt,  gewöhnlich  unterbleibt.  Massena 
kann  für  diese  Verspätung  nicht  getadelt  werden:  im  Gegenteile, 
er  that  den  Umständen  entsprechend  das  Möglichste.  Es  bleibt 
auch  zu  beachten,  daß  er  vor  dem  28.  oder  gar  dem  29.  sichere 
Nachrichten  nicht  besaß  über  die  Richtung,  in  welcher  Suworoff 
weitermarsc&ert  sei.  Nicht  Mangel  an  Thatkraft  war  es  bei 
Massena,  wie  Hartmann  das  beurteilt  wissen  will,  sondern  wirkliche 
Unmöglichkeit  für  ihn,  am  27.  September  bei  Schwyz  in  die  Ge- 
schicke des  russischen  Heeres  einzugreifen. 

Nachdem  das  Muotathal  besetzt  worden,  ließ  Bagration  die 
erschöpften  Leute  zwar  ruhen,  dabei  aber  in  völliger  Kriegsbereit- 
schaft bleiben.  Diese  Maßnahme  unterstützt  keineswegs  den  Tadel 
gegen  Massena,  wie  Hartmann  meint,  sondern  entspricht  doch  nur 
dem  Gebote,  sich  genügend  gegen  Ueberfalle  zu  sichern,  wenn 
man  in  einer  derartigen  Stellung  steht,  wo  allein  auf  die  gerade 
zur  Hand  befindlichen  Truppen  zu  rechnen  ist. 

Suworoff  lagerte  an  diesem  Tage  wohl  mit  der  Hauptmasse 
seines  Heeres,  dessen  letzte  Truppen  sich  noch  in  Altdorf  befanden, 
im  Wängithal.  „Brennende  Gaden  und  Alphütten  bezeichneten 
den  Weg  des  durch  Hunger  und  Anstrengungen  nicht  ohne  Ursache 
mißmutigen  Heeres."    (Lusser  S.  191.) 

Clausewitz  (II,  S.  165/166)  gibt  die  Beschreibung  des  denk- 
würdigen Zuges  mit  den  Worten: 

„Der  Zug  des  ganzen  Heeres  aber  dauerte  in  ununterbrochener 


168 


Folge  vom  27.  morgens  bis  29.  abends,  also  60  Stunden.  Während 
dieser  ganzen  Zeit  müssen  wir  uns  also  die  nach  der  Vereinigung 
mit  Auffenberg  doch  auf  25  000  Individuen  zu  zählende  russische 
Armee  denken,  wie  sie  in  einer  raupenartigen  Bewegung  langsam 
über  den  Ungeheuern  Bergrücken  hinkriecht.  Im  Thale  von  Muota 
erwarten  die  ersten  sehnlichst  die  Ankunft  der  folgenden,  um  in 
die  freiere  Gregend  hinauseilen  zu  können ;  im  Schächenthal  stehen 
am  Fuße  des  Berges  die  ineinandergeschobenen  Bataillone,  unge- 
duldig, den  Zug  anzutreten  und  die  Bergwand  hinter  sich  zu  be- 
kommen, denn  schon  schallt  von  Altdorf  her  das  Rasseln  eines 
wohlgenährten  Flintenfeuers,  mit  welchem  die  Arrieregarde  gegen 
Lecourbes  Angriff  den  Abzug  deckt:  auf  den  Abhängen  selbst 
keucht  der  arme,  schwer  belastete  Soldat  abgehungert  und  mit 
entblößten  Füßen  die  steilen,  vom  Regen  und  von  Wasserfällen 
schlüpfrigen  Felsenflächen  hinauf  und  dringt  mit  einer  bis  zum 
letzten  Lebenshauch  o-esteio-erten  Anstrengung  nur  weiter,  weil  er 
das  Gefühl  hat,  nur  so  den  Armen  des  Todes  zu  entgehen,  die 
sich  hinter  ihm  aufthun.  In  allen  Klüften  zerstreut  liegen  Ab- 
teilungen, um  Atem  zu  schöpfen,  erkrankte  und  erschöpfte  Menschen, 
ermüdete  und  erlahmte  Lasttiere.  Wie  viele  hier  dem  Tode  ein 
Opfer  geworden  sind,  weil  der  letzte  Funke  der  Willenskraft  aus- 
ging, ehe  sie  das  Ziel  erreichten,  oder  weil  ein  falscher  Tritt  sie 
zerschmetternd  in  Abgründe  stürzte,  sagt  uns  kein  Bericht.  Aber 
noch  zu  dieser  Stunde  gedenkt  das  Landvolk  jener  Thäler  dieses 
beispiellosen  Zuges  mit  Teilnahme  und  Bewunderung." 

Als  Suworoff  am  28.  September  im  Muotathal  eintraf,  erfuhr 
er  zu  seinem  Staunen,  daß  von  FML.  Linken,  den  er  eigentlich 
hier  erwartete,  keine  Nachricht  vorliege.  Sogleich  entsendete  er 
den  Oberst  Sytschoff  mit  einer  Sotnie  Kosaken  gegen  den  Pragel- 
Paß,  um  die  Verbindung  mit  den  in  Glarus  vermuteten  Oester- 
reichern  zu  suchen.  Sytschoff  kam  mit  der  Meldung  zurück,  daß 
der  Feind  im  Klönthale  stehe  und  von  FML.  Linken  nichts  zu 
hören  sei.  Fast  gleichzeitig  erfuhr  Suworoff  von  Bürgern  die 
Ereignisse  bei  Zürich  und  an  der  Linth. 

Ehe  die  weiteren  Vorfälle  im  Muotathale  beschrieben  werden 
können,  ist  es  nötig,  die  Thätigkeit  der  Brigaden  Linken  und 
Jellacic  während  der  Tage  vom  25.  bis  28.  September  zu  schildern. 

Der  FML.  Linken  hatte  den  Auftrag,  den  Marsch  des  russischen 
Heeres  unter  Suworoff  in  der  Weise  zu  erleichtern,  daß  er  am 
23.  September  aus  Graubünden  in  die  Thäler  des  Linthgebietes 
vordrang  und  von  dort  die  Franzosen  vertrieb.  In  der  That  setzte 
sich  FML.  Linken  an  dem  genannten  Tage  von  Chur  und  Ems 
nach  Flims  in  Bewegung.  Von  hier  entsendete  er  1  Bataillon 
über  den  Segnes-Paß  (2626  m)  in  das  Sernfthal.  Dagegen  nahm 
er  selbst  am  25.  mit  21/s  Bataillonen  und  1  Schwadron  den  Wreg 


169 

über  den  Panixer-Paß  (2194  m).  Er  erreichte  gleichen  Tages 
das  am  Fuße  des  Hausstockes  im  oberen  Sernfthale  gelegene 
Wichler  Bad.  Eine  dritte  Kolonne  erreichte  von  Brigels  über  den 
Kisten-Paß  (2590  m)  die  Pantenbrücke  im  oberen  Linththale.  Um 
die  nämliche  Zeit  brach  Generalmajor  Jellacic  von  Sargans  und 
Wallenstadt  gegen  Näfels  und  Mollis  vor.  Er  schickte  8  Bataillone 
über  die  Mürtschen-  und  Frohnalp  (1848  m)  und  nahm  für  seine 
Person  mit  3  Bataillonen  und  3  Schwadronen  den  Weg  über  Murg, 
Mühlehorn  und  den  Kerenzerberg  nach  Mollis.  Weitere  2  Com- 
pagnien  unterhielten  durch  das  Weißtannenthal  und  den  Foo-Paß 
(2235  m)  die  Verbindung  mit  den  Truppen  des  FML.  Linken  im 
Sernfthal. 

Am  Wichler  Bad  traf  FML.  Linken  mit  einer  französischen 
Abteilung  zusammen.  Es  waren  jene  12  Compagnien  der  76.  Halb- 
brigade,  welche  Lecourbe  in  das  Sernfthal  entsendet  hatte,  um 
über  den  Panixer  gegen  llanz  und  das  Bündner  Oberland  vorzu- 
gehen. Auf  beiden  Seiten  plötzlich  und  von  überlegenen  Kräften 
eingeschlossen,  streckte  das  Bataillon  die  Waffen.104 

Zur  Verfügung  des  Generals  Molitor  standen,  um  sich  dieser 
Angriffsversuche  des  Gegners  zu  erwehren,  lediglich  die  84.  und 
I./25.  leichten  Halbbrigade,  zusammen  etwa  3000  Mann.  Er  hatte 
die  Linthbrücke  bei  Netstall  abgeworfen  und  erwartete  den  Gegner. 
Der  Erzherzog  erzählt  über  das  Gefecht,  welches  Molitor  mit  den 
Truppen  des  Generalmajors  Jellacic  bestand  (II,  221/222): 

„Die  Franzosen  hatten  die  Brücke  bei  Netstall  abgebrochen: 
zwei  ihrer  Bataillons  standen  auf  den  Höhen  von  Beglingen,  ein 
drittes  machte  Front  gegen  Wesen.  Diese  wurden  über  den  Haufen 
geworfen  und  Mollis  genommen,  aber  drei  andere  Bataillone  mit 
4  Kanonen  behaupteten  die  Brücke  bei  Näfels.  Während  man  sich 
am  26.  um  den  Besitz  derselben  schlug,  kam  ein  Teil  der  ver- 
sprengten Oesterreicher  aus  Wesen  an  und  hinter  ihnen  der  ver- 
folgende Feind,  der  das  eroberte  Geschütz  benutzte  und  die  Flanke 
von  Jellachich  kräftig  beschoß.  Besorgt  für  seine  Rückzuglinie 
an  dem  Wallenstädter  See  und  von  den  Unfällen  bei  Bilten  und 
Kaltbrunn  unterrichtet,  entschloß  sich  Jellachich  zum  Rückzug. 
Eine  Kolonne  ging  gerade  von  der  abgeworfenen  Brücke  bei  Netstall 
auf  Murg,  er  selbst  durch  den  Engweg  von  Kerenzen,  wo  er  die 
Nachrückenden  bis  zur  einbrechenden  Nacht  zurückhielt,  dann 
ungestört  auf  Wallenstadt,  am  28.  nach  Ragatz  marschierte  und 
endlich  gar  über  den  Rhein  setzte." 

Das  Feldtagebuch  enthält  die  Angabe,  daß  zwischen  Näfels 
und  Mollis  500  Gefangene  gemacht  worden  seien. 

Am  29.  ging  Molitor,  der  von  der  Division  Soult  2  Bataillone 
der  44.  Halbbrigade  als  Verstärkung  erhalten  hatte,  sogleich  gegen 
FML.  Linken  vor.     Dieser  vereinigte  zwar  am  26.  September  bei 


170 


Schwanden  die  verschiedenen  Kolonnen  seines  Corps,  beschränkte 
sich  aber  drei  Tage  hindurch  auf  unbedeutende  Vorpostengefechte 
in  der  Nähe  von  Mitlödi.  Es  kam  dabei  wohl  zu  einigen  Um- 
gehungen, doch  zu  keinerlei  größerem  Ereignisse.  Da  General 
Molitor  nämlich  benachrichtigt  wurde,  daß  die  Spitze  des  russischen 
Heeres  gegen  den  Pragel-Paß  heransteige,  vermochte  er  den  über 
FML.  Linken  schon  errungenen  Erfolg  nicht  weiter  auszunützen. 
FML.  Linken,  der  in  den  Tagen  vom  27.  bis  zum  29.  September 
ersichtlich  mit  Suworoff  in  Verbindung  gestanden  war,  zog  sich 
unverfolgt  und  ganz  gemächlich  zurück.155  Am  gleichen  Tage 
erreichte  er  das  Wichler  Bad,  am  30.  überschritt  er  mit  zwei 
Kolonnen  den  Segnes-  und  den  Panixer-Paß.  Jellacic  bewies  eine 
ebenso  strafwürdige  Gleichgültigkeit  gegen  das  Schicksal  der  Ver- 
bündeten seines  Kaisers.  Schon  am  26.,  sogleich  nachdem  er  durch 
FML.  Petrasch  den  Tod  Hotzes  und  die  für  die  Franzosen  so 
günstigen  Ereignisse  bei  Schanis  erfahren,  kehrte  er  nach  Wallen- 
stadt  zurück.  Am  29.  September  hatte  er  sogar  bereits  den  Rhein 
zwischen  sich  und  die  Franzosen  gebracht. 

General  Molitor  dagegen  ließ  nur  die  beiden  Bataillone  der 
44.  Halbbrigade  zur  Beobachtung  des  abziehenden  Gegners  in 
Schwanden  stehen.  Er  selbst  eilte,  die  Stellungen  im  Klönthale 
zu  besetzen,  um  den  Marsch  der  Russen  über  den  Pragel  soviel 
wie  möglich  zu  hindern. 

Die  gewaltig  niederschmetternde  Nachricht  von  den  umfassenden 
Siegen  der  Franzosen  erschütterten  für  einen  Augenblick  selbst 
die  Entschlossenheit  Suworoffs.  Die  Meldung  der  zum  Pragel  ent- 
sendeten Kosaken  überzeugte  ihn  endlich,  daß  er  völlig  vom  Gegner 
im  Muotathale  eingeschlossen  sei. 

„Die  Lage  der  russischen  Truppen  im  Muotathale  war  in 
der  That  fürchterlich;  durch  den  fast  unglaublich  scheinenden 
Marsch  entkräftet,  halb  barfuß,  ohne  alle  warme  Bekleidung,  litten 
dieselben  seit  einigen  Tagen  auch  an  Lebensmitteln  Mangel.  Suworoff 
hatte  von  Bellinzona  nur  Proviant  auf  sieben  Tage  mitgenommen, 
in  der  Meinung,  dieser  Vorrat  werde  bis  Schwyz  reichen,  wo  er 
neue  Verbindungen  sich  zu  eröffnen  und  Lebensmittel  von  Hotze 
und  Korsakoff  in  Ueberfluß  zu  erhalten  hoffte.  Jetzt  hatten  alle 
Berechnungen  fehlgeschlagen;  sogar  von  den  Vorräten,  welche 
dem  Corps  nachgeführt  wurden,  war  vieles  auf  dem  Marsche  zu 
Grunde  gegangen ;  die  Maultiere,  welche  noch  übrig  waren,  hatten 
den  schneebedeckten  Gebirgsrücken  noch  nicht  überschritten.  Die 
Soldaten  hatten  auch  nicht  ein  Stückchen  Zwieback  mehr  in  der 
Tasche.  Glücklich  waren  diejenigen,  welchen  es  gelang,  irgendwo 
noch  einige  Kartoffeln  aufzufinden.  Die  Offiziere  und  Generale 
gaben  freudig  ihre  Goldstücke  für  ein  Stücklein  Brot  oder  Käse 
hin.    Trotz  dieser  armseligen  Lage  rührten  die  russischen  Truppen 


171 


dennoch  nicht  das  Geringste  von  dem  Eigentume  der  Bewohner 
des  Dörfchens  Muten  an.  Großfürst  Konstantin  ließ  alles,  was 
sich  bei  denselben  an  Lebensmitteln  vorfand,  zusammenkaufen  und 
unter  die  Soldaten  verteilen ;  diese  Freigebigkeit  des  Großfürsten 
vermochte  leider  nur  für  einen  Tag  die  schwierige  Lage  der  Truppen 
zu  erleichtern.  Die  Einwohner,  an  die  gewaltsamen  Requisitionen 
der  Republikaner  gewohnt,  waren  über  die  Großmut  der  Russen 
höchlich  erstaunt/    (Miliutin  IV,  S.  97/98.) 

Suworoff  war  auf  das  höchste  empört  über  die  unverantwort- 
liche Handlungsweise  der  Kaiserlichen.156  In  seiner  Erbitterung 
berief  er  einen  Kriegsrat  ein,  zu  dem  alle  russischen  Führer,  keines- 
Avegs  aber  Generalmajor  Auffenberg  befohlen  wurde.  Die  Lage 
im  Muotathale  mit  jener  vergleichend,  in  welcher  sich  einst  (1711) 
Peter  I.  gegenüber  den  Türken  und  Schweden  am  Pruth  befunden, 
erklärte  er  den  Generalen: 

„Zurückgehen  —  ist  schimpflich;  ich  bin  noch  nie  zurück- 
gewichen. Vorwärts  nach  Schwyz  gehen  —  ist  unmöglich :  Massena 
hat  über  60  000  Mann  Truppen,  wir  haben  deren  kaum  20  000 
mehr.  Zudem  sind  wir  ohne  Proviant,  ohne  Munition,  ohne 
Artillerie.  .  .  .  Von  niemand  können  wir  Hülfe  erwarten.  .  .  .  Wir 
stehen  am  Rande  des  Verderbens!"     (Miliutin  IV,  101.) 

Es  soll  der  Großfürst  Konstantin  gewesen  sein,  welcher  zuerst 
den  Vorschlag  machte  es  zu  versuchen,  nach  Glarus  durchzubrechen. 
Seine  Ansicht  beliebte,  alle  anwesenden  Generale  unterzeichneten 
den  im  Kriegsrate  gefaßten  Entschluß,  der  sich  für  den  Abmarsch 
nach  Glarus  und  Sargans  aussprach. 

Generalmajor  Auffetiberg  erhielt  Befehl,  noch  am  29.  so  weit 
als  möglich  auf  den  Pragel  vorzudringen ;  ihm  sollten  am  30.  Sep- 
tember und  1.  Oktober  die  Abteilungen,  bezw.  Divisionen  der 
Generale  Bagration,  Schweikowski  und  Förster,  sowie  der  gesamte 
Troß  folgen.  „Rosenberg  erhielt  den  Befehl,  sich  mit  der  größten 
Hartnäckigkeit  zu  halten,  keinen  Sclmtt  zurückzuweichen,  den 
Feind  ohne  Schonung  niederzumachen  und  ihn  bis  Schwyz  —  jedoch 
keineswegs  weiter  zu  verfolgen." 

In  der  That  erreichte  die  Brigade  Auffenberg  und  ein  kleiner 
Teil  des  Trosses  das  Klönthal  noch  am  29.  September,  obwohl 
sie  einen  Zusammenstoß  mit  dem  Gegner  bestehen  mußten.  Ihm 
folgten  am  30.  September  die  Vorhut  (Fürst  Bagration)  und  die 
Division  Schweikowski,  zusammen  6000  Mann  (16  Bataillone  und 
2  unberittene  Kosakenregimenter).  Gegen  3  Uhr  nachmittags  er- 
reichten sie  das  Klönthal,  eben  rechtzeitig,  um  Auffenberg  zu  unter- 
stützen. Die  österreichische  Brigade  war  von  Molitor  aufgefordert 
worden,  sich  zu  ergeben.  Wirklich  begann  Generalmajor  Auffen- 
berg diesbezügliche  Unterhandlungen,  wohl  weniger  in  der  Absicht, 
Molitor  zu  willfahren,  als  um  Zeit  zu  gewinnen.    Bagration  ordnete 


172 


seine  Kräfte  in  der  Weise,  daß  zwei  Grenadierbataillone  (Dendrygin 
und  Sanajeff)  auf  dem  Wege,  die  beiden  übrigen  (Lomonosoff  und 
Kalemin)  links  desselben  vorgingen.  Oberstlieutenant  Zukato 
erstieg  mit  dem  Jägerregiment  Miller  den  nördlichen,  Fürst  Bagration 
selbst  mit  seinem  Jägerregiment  den  südlichen  Thalrand. 

„Auffenberg,  durch  die  Annäherung  der  Russen  ermutigt, 
brach  die  Unterhandlungen  mit  dem  Feinde  ab  und  begann  seine 
Brigade  zurückzuführen.  Molitor  warf  sich  nun  von  neuem  auf 
die  Oesterreicher  wie  auf  eine  sichere  Beute.  Unterdessen  war 
Bagration  mit  seinem  Regiment  unbemerkt  längs  des  sumpfigen 
Gehölzes  vorgedrungen  und  fiel,  nachdem  er  die  Franzosen  weit 
genug  hatte  vorgehen  lassen,  denselben  plötzlich  mit  einem  donnern- 
den Hurrah  in  die  Flanke.  In  dem  nämlichen  Momente  wirbelten 
die  Trommeln  und  die  russischen  Grenadiere  warfen  sich,  ohne 
auch  nur  einen  einzigen  Schuß  zu  thun,  mit  dem  Bajonett  gerade 
auf  die  Front  der  Franzosen.  Unerwartet  auf  zwei  Seiten  an- 
gegriffen, machten  dieselben  Halt  und  traten,  fortwährend  feuernd, 
den  Rückzug  an.  Ohne  den  Feind  zur  Besinnung  kommen  zu 
lassen,  griff  Fürst  Bagration  wiederholt  an  und  Verfolgte  ihn  bis 
hart  an  den  See.  Hier  fanden  sich  nun  die  französischen  Truppen 
auf  dem  engen  Wege  zwischen  dem  Ufer  und  den  steil  abfallen- 
den Bergen  zusammengedrängt.  Um  ihnen  nicht  Zeit  zu  lassen, 
sich  in  das  Defilee  zurückzuziehen,  griff  Bagration  zum  dritten- 
male  an.  Bei  diesem  furchtbaren  Gedränge  fanden  gegen  200 
Franzosen  ihren  Tod  in  den  Fluten  des  Sees;  mehr  als  70  fielen 
durch  das  Bajonett,  162  Mann  mit  3  Offizieren  wurden  gefangen 
genommen."     (Miliutin  VI,  S.  105/106.) 

Der  Schauplatz  dieses  Gefechtes  ist  ersichtlich  zwischen  Yor- 
auen  und  dem  Westufer  des  Klönthalsees  zu  suchen.  Der  Rückzug 
der  Franzosen  ging  dagegen  bis  nach  Seerüti.  Miliutin  (VI,  106) 
schreibt:  „Der  enge  Durchgang  zwischen  dem  Ufer  und  dem  Fuße 
des  Gebirges  war  durch  die  niedrige,  steinerne  Umfassungsmauer 
eines  Kirchleins  gesperrt."  Diese  Angabe  ist  jedoch  nicht  recht 
wahrscheinlich,  weil  in  der  dortigen  Gegend  nie  einer  Kapelle 
Erwähnung  gethan  wird  und  selbst  Ruinen  einer  solchen  nicht  zu 
entdecken  sind.  Es  wurde  noch  am  30.  September  abends  mehrfach 
durch  die  Oesterreicher  sowohl  wie  auch  die  Russen  der  Versuch 
gemacht,  die  Truppen  Molitors  hier  zu  werfen.  Diese  wegen  der 
vorgerückten  Stunde  bald  abgebrochenen  Anstrengungen  zeitigten 
jedoch  einige  Verluste,  selbst  an  Offizieren.  Unterdessen  langte 
auch  die  Division  Schweikowski  im  Klönthale  an.  Ihre  letzten 
Truppen  erreichten  das  Bivouac,  in  welchem  nicht  einmal  überall 
Feuer  angezündet  werden  durften,  erst  während  der  Nacht.  Suworoff 
und  Großfürst  Konstantin  schliefen  in  einer  Schäferhütte. 

Der  1.  Oktober   brach  unter  fortwährenden  Regengüssen  an. 


173 


Bagration  nutzte  die  vor  Sicht  deckenden  Nebel  und  ließ  sein 
Jägerregiment,  sowie  4  Grenadierbataillone  in  aller  Frühe  den 
steilen  Bergrücken  gegen  „Rinderband''  zu  erklimmen.  Oberst- 
lieutenant Zukato  mit  dem  Jägerregiment  Miller,  4  österreichischen 
Compagnien  und  2  Sotnien  unberittener  Kosaken  drang  in  der 
nämlichen  Richtung  sogar  weiter,  bis  fast  in  den  Rücken  der 
französischen  Stellung  vor.  Aus  einigen  Zusammenstößen  von 
Patrouillen  entwickelte  sich  noch  während  der  Nacht  ein  heftiges 
Gewehrfeuer,  dem  bald  der  russische  Angriff  folgte.  Das  Jäger- 
regiment Miller  bedrohte  die  Rückzugslinie  der  Franzosen,  das 
Regiment  Bagration  ihre  rechte  Flanke,  während  das  Regiment 
Baranowski  des  Corps  Derfelden  in  der  Front  stürmte.  Molitor 
mußte  also  und  zwar  mit  ziemlichem  Verlust  bis  Netstall  weichen, 
nachdem  er  die  Löntschbrücke  im  Dorfe  Riedern  verbrannt  hatte.157 
Dann  hielt  er  so  lange  die  Stellung  vorwärts  von  Netstall,  wohl 
in  der  sogenannten  „Durschen",  bis  die  beiden  Bataillone  der 
44.  Halbbrigade  aus  Schwanden  wieder  zur  Brigade  zu  stoßen 
vermochten.  Auch  diese  beiden  Bataillone,  unterstützt  von  zwei 
Bataillonen  der  84.  Halbbrigade  und  geführt  von  General  Molitor, 
bestanden  in  der  Frühe  des  30.  Septembers  (die  Angabe  des  Feld- 
tagebuchs „9.  Vendemiaire",  1.  Oktober,  ist  sicherlich  ein  Irrtum)  ein 
Gefecht  mit  der  von  Generalmajor  geführten  Nachhut  der  Division 
Linken,  wobei  diese  360  Gefangene,  darunter  7  Offiziere  verlor. 
Molitor  war  dann  mit  den  beiden  Bataillonen  der  84.  Halbbrigade 
schnell  ins  Klönthal  geeilt  und  noch  rechtzeitig  dort  angelangt. 
Schwanden  konnte  jetzt  um  so  eher  verlassen  werden,  als  General 
Loison  mit  IL/76.  Halbbrigade  am  30.  September  aus  dem  Schächen- 
thal  bis  auf  den  Urnerboden  und  am  1.  Oktober  nach  Luchsingen 
gelangte.  Der  Bericht  von  Molitor  über  die  Ereignisse  bei  Net- 
stall lautet  dahin,  daß  er  1  Bataillon  mit  3  Kanonen  über  die 
Netstallerbrücke  auf  das  rechte  Linthufer  schickte  und  den 
hölzernen  Uebergang  verbrannte.  Darauf  habe  er  sich  mit  dem 
Reste  seiner  Truppen  am  linken  Linthufer  hinter  Netstall  in  Staffeln 
aufgestellt.  Es  ist  nun  anzunehmen,  da  Miliutin  und  auch  der 
Augenzeuge  Pfarrer  Freuler  von  Glarus  von  Gefechten  vor  und 
hinter  Netstall  berichten,  daß  Molitor  in  diesen  beiden  Stellungen 
gekämpft  habe.158  Es  bleibt  aber  wenig  wahrscheinlich,  daß  eine 
von  russischen  Grenadieren  gebildete  Sturmkolonne  ihm  an  der 
„Durschen"  1  Fahne,  1  Geschütz  und  300  Gefangene  abgenommen 
habe.  Immerhin  mußte  Molitor  dann  endlich  vor  der  Ueber- 
macht  auf  Näfels  zurückweichen.  In  Näfels  erhielten  die  Franzosen 
eine  Verstärkung  durch  die  von  General  Gazan  (der  an  die  Stelle 
von  Soult  getreten  war)  herangeführte  IL  helvetische  Halbbrigade. 
So  konnte  Molitor  seinerseits  zum  Angriffe  übergehen.  Viermal 
drängten  die  Franzosen   den  Gegner   wieder   bei  Netstall   zurück, 


174 


mußten  aber  schließlich  die  Stellung  bei  der  Näfelser  Brücke  zu 
behaupten  suchen,  da  eine  feindliche  Abteilung  auf  einem  Lauf- 
stege über  die  Linth  setzte  und  von  Mollis  her  drohende  Be- 
wegungen unternahm.  Das  Feldtagebuch  schreibt  über  den  Kampf 
an  der  Näfelserbrücke : 

„Jeder  war  Herr  eines  gleichen  Teiles  der  Brücke,  als  ein 
russischer  Major  dem  Kommandanten  eines  Bataillons  der  84.  Halb- 
brigade an  deu  Hals  sprang  und  ihm  zuschrie :  <  Ergeben  Sie  sich ! 
Dieser  brave  Chef  befreite  sich  durch  eine  heftige  Bewegung  und 
stieß  dem  Gegner  seinen  Degen  durch  den  Leib,  so  daß  er  tot 
zu  Boden  sank.  Der  Verlust  dieses  russischen  Offiziers  machte 
auf  die  Seinen  solchen  Eindruck,  daß  die  Kolonne  plötzlich  un- 
beweglich blieb.  Zugleich  kam  die  IL  helvetische  Hülfshalbbrigade 
heran,  um  die  84.  zu  unterstützen.  Sie  stürzte  auf  die  feindliche 
Masse  mit  der  Schnelligkeit  des  Blitzes,  ohne  einen  Schuß  zu  thun. 
Das  Bajonett  vollbrachte  eine  schreckliche  Blutarbeit,  die  Zahl 
der  in  die  Linth  geworfenen  Leichname  war  so  beträchtlich,  daß 
sie  sich  an  den  Brückenpfeilern  anhäuften  und  den  Fluß  zurück- 
stauten. Die  braven  Helveter  schienen  sich  in  ihrer  Unerschrocken- 
heit  daran  zu  erinnern,  daß  ihre  Vorfahren  (auf  dem  nämlichen 
Flecke)  in  der  138(3  (soll  heißen  1388)  vorgefallenen  Schlacht  von 
Näfels  den  höchsten  Ruhm  errungen  hatten.  Dieser  Halbbrigade 
wurden  mehr  als  20  Offiziere  und  100  Soldaten  durch  die  aus 
nächster  Nähe  abgegebenen  Salven  außer  Gefecht  gesetzt." 

Nach  der  gleichen  Quelle  verloren  die  Russen  in  den  Kämpfen 
vom  30.  September  und  1.  Oktober  im  ganzen  1  Oberst,  3  Majore, 
18  Hauptleute  und  20  Lieutenants  neben  2500  gefangenen  und 
2500  toten  und  verwundeten  Mann.  Dazu  wollen  die  Franzosen 
4  Fahnen,  10  Kanonen  und  300  Pferde  erobert,  bezw.  weggenommen, 
hingegen  nur  140  Mann  an  Toten,  neben  180  Verwundeten  und  200 
Gefangenen  eingebüßt  haben.  (Nach  der  Aufstellung  des  Feld- 
tagebuchs und  der  von  Koch,  Massena  III,  389.)  Die  Unwahr- 
scheinlichkeit  der  Angaben,  soweit  sie  sich  auf  den  französischen 
Verlust  beziehen,  liegt  auf  der  Hand.  Freuler  (30/31)  gibt  keine 
genauen  Zahlen,  schätzt  aber,  daß  beide  Teile  zusammen  etwa 
2000  Mann  verloren  hätten.  Unter  den  Verwundeten  wären  an 
500  Franzosen  und  1500  Russen  gewesen.  Miliutin  (IV,  128)  be- 
rechnet, daß  Suworoff  mehr  als  1600  Mann  Tote  durch  die  Waffen, 
das  Abstürzen  in  den  Bergen  und  die  Kälte  verlor,  indes  die  Zahl 
der  Verwundeten  über  3500  Mann  betrug.  Die  Russen  führten 
aus  der  Schweiz  an  1400  gefangene  Franzosen  mit,  welche  sie  in 
Chur  an  die  Oesterreicher  auslieferten. 

Die  schöne  Waffenthat  der  IL  helvetischen  Halbbrigade,  welche 
das  Feldtagebuch  in  sonderbarem  Irrtume  unter  dem  13.  Vendemiaire 
(5.  Oktober)    aufführt,    ist   aber   nicht   zu   bezweifeln,    denn  auch 


175 

Molitor  erwähnt  derselben  ausdrücklich  in  seinem  Berichte.159  Daß 
dieses  tapfere  Auftreten  unserer  Landsleute  den  Franzosen  sehr 
zu  statten  kam,  geht  aus  der  ehrenvollen  Erwähnung  deutlich 
hervor.  Es  ist  sonst  selten  genug  vorgekommen,  daß  das 
letztere  geschah.  Diese  Halbbrigade  trug  ein  gut  Stück  dazu  bei, 
daß  Molitor  seiner  schwierigen  Aufgabe,  gerecht  zu  werden  ver- 
mochte und  das  Durchbrechen  der  Russen  über  den  Kerenzerberg 
verhinderte. 

An  diesem  Abend  des  1.  Oktobers  lagerten  die  Russen  unter 
Suworoff  bei  Riedern,  Netstall  und  Glarus,  die  Franzosen  unter 
Molitor  bei  Näfels  und  Mollis.  Ueber  den  Pragel  aber  ging  an 
General  Rosenberg  der  Befehl,  so  eilig  wie  möglich  ins  Linththal 
zu  gelangen.  Um  die  Ereignisse  vom  30.  September  und  1.  Oktober 
im  Muotathale  zu  schildern,  müssen  jedoch  auch  die  Vorgänge 
vom  29.  September  im  Reußthale  erwähnt  werden. 

Am  29.  September  in  der  Morgenfrühe  war  der  General 
Lecourbe  wieder  in  Altdorf  erschienen.  Dort  erfuhr  er  die  Richtung 
des  Rückzuges  der  Russen  und  schon  um  8  Uhr  morgens  berichtete 
er  u.  a.  an  Massena: 

„Treffen  Sie  ihre  Maßregeln,  um  des  Gegners  Vorhaben  gegen 
den  bei  Glarus  stehenden  rechten  Flügel  der  Division  Soult  zu 
hindern.  .  .  .  Ich  verfolge  den  Feind  mit  Vorsicht,  weil  ich  nicht 
mehr  als  700 — 800  Mann  habe,  mit  denen  ich  den  Gegner  auf 
dem  rechten  Reußufer  festhielt.  Seien  Sie  aufmerksam  in  der 
Gegend  von  Schwyz.  Wenn  der  General  Soult  von  Glarus  her, 
der  General  Mortier  im  Muotathal  und  ich  im  Schächenthal 
zusammen  handeln,  so  lassen  wir  Suworoff  in  den  Bergen  um- 
kommen. Ich  fürchte  zu  weit  vorzugehen,  bevor  Sie  mir  Ihre 
Pläne  mitteilen  können." 

Und  an  den  General  Mortier:  „  .  .  .  Sie  könnten  den  Gegner 
im  Muotathale  mit  vier  oder  fünf  Bataillonen  angreifen  und  den 
Rest  auf  den  Höhen  von  Illgau  und  Steinerberg  lassen.  Im  Falle 
eines  Rückzuges  lassen  Sie  die  Rigi,  den  Lowerzersee  und  die 
Höhen  von  Iberg  nicht  außer  Acht.  Sollte  der  Feind  dazu  gelangen, 
zwischen  Ihnen  und  dem  General  Soult,  welcher  sich  in  der  Richtung 
nach  Glarus  befindet,  durchzubrechen,  was  mir  nicht  für  wahr- 
scheinlich gilt,  so  wäre  es  nötig,  daß  ein  Teil  Ihrer  Truppen 
Rothenthurm  festhielte  und  daß  Sie  Ihren  rechten  Flügel  auf 
Gersau  unter  Anlehnung  an  die  Rigi,  Sattel,  Steinerberg  und 
Roßberg  stützen  würden.  Sie  müßten  Ihre  Reserven  in  Arth 
aufstellen,  um  den  Zuger-  und  Luzernersee  zu  decken.  Im  Falle 
eines  Fehlschlages  gegen  Schwyz  dürfte  es  nicht  unnütz  sein,  mit 
einigen  Truppen  den  rechten  Flügel  des  Generals  Soult  zu  unter- 
stützen. Die  Stellung  zwischen  der  Rigi  und  dem  Roßberg  ist 
leicht  zu  halten.  .  .  .."  160 


176 

Es  mag  gleich  erwähnt  werden,  daß  Lecourbes  Truppen  unter 
den  russischen  Nachzüglern  150  Gefangene  machten,  den  Gegner 
aber  sonst  nicht  weiter  verfolgten,  vielmehr  ihre  Vorposten  bei 
Bürglen  ausstellten. 

Nicht  selten  findet  sich  die  Angabe,  z.  B.  auch  bei  Miliutin 
(IV,  97),  Massena  sei  an  diesem  29.  September  mit  Lecourbe  zu- 
sammen gewesen  und  beide  Generale  hätten  eine  gemeinsame  Er- 
kundung ins  Schächenthal  unternommen,  dort  die  schrecklichen 
Spuren  des  Marsches  der  Russen  entdeckt  u.  s.  w. ;  Clausewitz 
spottet  darüber  als  über  einen  Spazierritt.  Es  ist  wohl  sicher, 
daß  Lecourbe  jenes  oben  angeführte  Schreiben  nicht  verfaßt  haben 
würde,  wäre  der  Obergeneral  an  diesem  Tage  in  Altdorf  gewesen 
oder  dort  erwartet  worden. 

Massena  befand  sich  am  29.  September  vermutlich  in  Schwyz 
oder  aut  dem  Wege  dorthin.  Hier  stand  schon  seit  dem  28.  der 
General  Mortier  mit  8  Bataillonen,  2  Compagnien  reitender  (leichter) 
Artillerie  sowTie  dem  8.  Chasseursregiment.  Die  ihm  zunächst 
befindliche  Unterstützung  bildete  die  Grenadierreserve  des  Generals 
Humbert,  welche  jedenfalls  bis  Richterswyl  und  wahrscheinlich 
sogar  bereits  an  die  Schindellegi  gelangt  war.161 

Als  Suworoff  mit  den  Truppen  von  Auffenberg,  Bagration 
und  Derfelden  den  Pragel  erstieg,  blieb  Rosenberg  im  Muotathale 
zurück.162 

Dieser  General  verlegte  das  Regiment  Miloradowitsch  und 
2  Regimenter  der  Division  Förster  in  und  neben  das  Dorf  Muotathal. 
Jenseits  dieses  Ortes  standen  das  Regiment  Rehbinder,  1  Bataillon 
der  Kaschkin-Jäger  und  2  unberittene  Kosakenregimenter.  Vor 
ihnen,  also  ebenfalls  auf  dem  linken  Ufer  des  Flusses  und  zwar 
wahrscheinlich  hinter  dem  Laufe  des  Bettbaches  hielten  sich  als 
Vorposten  das  IL  Bataillon  der  Kaschkin-Jäger  und  berittene 
Kosaken.  Die  Angabe  Miliutins,  daß  ein  Teil  des  Trosses  wie 
der  Nachhut,  die  Regimenter  Fertsch,  Mansuroff  u.  s.  w.,  noch 
nicht  durch  das  Wängithal  hinunter  gelangt  waren,  widerspricht 
keineswegs  der  Möglichkeit.  So  schreibt  Waldburga  Mohr  in 
ihrem  Tagebuche  unter  dem  1.  Oktober:  „Das  Gefecht  war  heftig, 
während  dessen  noch  immer  Russen  vom  Berg  herab  strömten." 
(Vergleiche  Anmerkung  163.) 

Unter  dem   „Berge"  ist  gewiß   der  Kinzig-Paß  zu  verstehen. 

Am  30.  September,  nachmittags  gegen  2  Uhr,  wurden  die 
russischen  Vorposten  durch  die  von  Schwyz  herankommenden 
Franzosen  angegriffen  und  nach  kurzem  Feuergefechte  geworfen. 
Die  von  General  Rehbinder  befehligten  Truppen  nahmen  die 
langsam  Zurückgehenden  auf.  Beide  Teile  scheinen  nun  für  weitere 
zwei  Stunden  ausschließlich  die  Handfeuerwaffe  gebraucht  zu  haben. 
Dann  gewannen  jedoch  die  Franzosen,  durch  nachrückende  Truppen 


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Skizze 

zum 

TJebergang  über  den  Kinzigpass. 


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177 

verstärkt,  etwas  Boden.  Erst  jetzt  griff  auch  General  Rosenberg 
selbst  in  das  Gefecht  ein.  Die  auffällige  Verspätung  ist  ganz 
wohl  durch  die  bei  Miliutin  (IV,  271/272,  Nr.  121, 122)  erwähnte 
Reibung  zwischen  den  beiden  Führern  zu  erklären. 

Kosaken  setzten  über  den  Fluß  und  fielen  dem  Gegner  in 
die  Flanke,  worauf  dieser  bald  zurückging  und  wahrscheinlich 
auch  verfolgt  wurde.  Der  Verlust  der  Franzosen,  welchen  der 
russische  Bericht  auf  1600 — 1700  Mann  beniißt,  ist  sicher  ganz 
ansehnlich,  aber  keinenfalls  so  groß  gewesen.  Das  Tagebuch  von 
WaldburgaMohr  erzählt:  „daß  ein  französicher  Grenadierlieutenant 
und  etwa  80  Gemeine  als  Gefangene  eingebracht,  fünf  russische 
Offiziere  und  viele  Gemeine"  verwundet  worden  seien.  Das  Gefecht 
entstand  sicherlich  aus  einer  von  den  Franzosen  unternommenen 
Erkundung.  Der  Schauplatz  desselben  lag  nach  den  Angaben 
des  Tagebuchs  Mohr  zwischen  „Ried",  4  km  westlich  vom  Dorfe 
Muotathal,  und  der  „steinernen  Brücke"  am  Ausgange  des  „Klingen- 
tobeis." 

Das  Gefecht  stärkte  die  seelische  Haltung  der  russischen 
Truppen,  hatte  aber  anderseits  den  Nachteil,  daß  sie  glaubten, 
vorerst  keine  weitern  Angriffe  der  Franzosen  besorgen  zu  müssen. 
Dies  geht  deutlich  aus  der  Schilderung  von  Toll  (v.  Bernhardi  I,  99) 
hervor,  welcher  beschreibt,  wie  man  am  1.  Oktober  bei  Tische 
gesessen  wäre,  als  plötzlich  General  Rosenberg  ins  Zimmer  trat 
und  den  einem  Ueberfalle  gleichenden  Angriff  der  Franzosen 
meldete.  Diese  wurden  (das  Feldtagebuch  bezeugt  das  ebenfalls) 
vom  Obergeneral  Massena  selbst  geführt  und  um  1  Uhr  mittags 
bei  stürmischer,  regnerischer  Witterung  fielen  die  ersten  Schüsse. 

Massena  hatte  seitwärts  der  auf  der  Straße  vorgehenden 
Hauptkolonne  längs  der  Thalränder  Abteilungen  entsendet.  Das 
auf  Vorposten  befindliche  Regiment  Welezki  zog  sich  eilig  zurück. 
Nach  den  Angaben  des  Klostertagebuchs,  dem  von  allen  Bericht- 
erstattern wohl  am  ersten  zu  trauen  ist,  standen  die  russischen 
Vorposten  „hinter  der  steinernen  Brücke  in  des  Geisers  Mattli."163 
Hierunter  ist  natürlich  das  Bauerngut  „Mattli"  an  der  Brücke, 
auf  dem  rechten  Ufer  des  Flusses  zwischen  diesem  und  der  Land- 
straße zu  verstehen.  (Punkt  530,  Topogr.  Altlas  Bl.  399.)  Immerhin 
fand  Rosenberg  Zeit,  seine  Truppen  in  der  Thalebene  in  zwei 
Treffen  zu  ordnen.  Die  „Großmatt",  auf  welcher  nach  dem  Kloster- 
tagebuch der  Aufmarsch  stattfand,  liegt  nach  Dr.  Hartmanns 
Vermutung  (S.  148)  am  rechten  Ufer  der  Muota  bei  der  Häuser- 
gruppe Ried  und  entspricht  der  heutigen  Kapellmatt.  Toll 
(Bernhardi  I./100)  sagt  darüber:  „Rosenberg  führte  seine  acht 
Bataillone  einige  hundert  Schritte  vorwärts,  auf  einen  Punkt,  wo 
sie  in  zwei  Treffen  die  ganze  Breite  des  Thaies  einnahmen." 
Diese  Beschreibung  paßt  in  der  That  auf  die   ..Kapellmatt." 

Günther,  Feldzug  ]799.  12 


178 


Die  Franzosen  begannen  ein  heftiges  Feuergefecht,  woran 
sich  auch  ihre  Artillerie  beteiligte.  Die  Vorposten  der  Russen 
wichen  zunächst  bis  zur  Häusergruppe  „Hesigen"  zurück,  um 
dann  die  Front  der  von  General  Rosenberg  befehligten  Truppen 
abzudecken.  Getreu  den  Vorschriften  Suworoffs  und  den  Er- 
mahnungen ihres  Befehlshabers  gehorchend,  hielten  sich  diese 
nicht  lange  mit  Feuern  auf,  sondern  stürzten  mit  dem  Bajonette 
auf  den  Gegner,  der  vermutlich  in  ziemlicher  Unordnung  herankam. 
Toll  schilderte  nachmals  den  Sieg  der  Russen  (Bernhardi  I,  100) 
in  folgender  Weise: 

„Als  der  Feind  sich  bis  auf  einige  hundert  Schritte  genähert 
hatte,  ließ  Rosenberg  drei  Bataillone  des  ersten  Treffens,  denen 
die  fünf  anderen  als  Reserve  folgten,  antreten,  und  ohne  einen 
Schuß  zu  thun,  raschen  Schrittes  mit  gefälltem  Bajonett  auf  die 
französischen  Scharen  losstürmen,  die  in  drei  Kolonnen  vorrückten. 
Der  Erfolg  war  glänzend,  wie  man  ihn  kaum  erwarten  durfte ; 
die  mittlere  feindliche  Kolonne  wendete  sich  vor  dem  entschlossenen 
Angriffe  bald  zu  wilder  Flucht ;  auch  die  schwächeren,  aus  Tirailleur- 
schwärmen  bestehenden  Seitenkolonnen  wurden  mit  fortgerissen, 
ein  umgestürzter  Munitionskarren  versperrte  den  Fahrweg  im  Thal, 
auf  dem  die  Artillerie  fliehen  wollte,  und  fünf  Geschütze  fielen 
den  Russen  in  die  Hände.  Toll  äußerte,  es  sei  schwer  sich  einen 
Begriff  davon  zu  machen,  bis  zu  welchem  Grade  die  Franzosen 
von  wildem  Schrecken  ergriffen  waren,  bis  zu  welchem  Grade  sie 
alle  Haltung  verloren  hatten;  er  selbst  war  erstaunt  zu  sehen, 
daß  ein  so  einfaches  Manöver  einen  solchen  Erfolg  haben  konnte. 
Die  Russen  machten  1020  Gefangene,  unter  denen  der  General 
Legouvie  und  ein  Generaladjutant  waren,  und  verfolgten  bisSchwyz." 

Nach  dem  Klostertagebuche  wurden  die  fliehenden  Franzosen 
von  den  Kosaken  bis  über  Ibach  hinaus  verfolgt.  Hier  mußten 
sich  jedoch  die  Steppenreiter  wieder  zurückziehen,  da  ihnen  ein  vom 
General  Lecourbe  entsendetes  Bataillon  der  67.  Halbbrigade  in 
fester  Stellung  entgegentrat.164  Unter  den  gefangenen  Franzosen 
sollen  sich  auch  ein  General  und  ein  Generaladjutant  befunden 
haben.  In  Wahrheit  handelt  es  sich  hierbei  allein  um  den  General- 
adjutanten Lacour  der  4.  Division  (Mortier).165 

Wollte  man  Koch-Massena  (III,  387)  glauben,  so  hätten  die 
Franzosen  weder  Kanonen  noch  auch  Gefangene  verloren.  Aber 
die  Angaben  der  Memoiren  sind  stets  nur  mit  Vorsicht  aufzufassen. 
Gerade  in  diesem  Falle  zeigen  sie,  wie  wenig  Verlaß  sie  der 
wahrheitsgetreuen  Darstellung  bieten. 

Die  weiteren  Ereignisse  auf  dem  Rückzuge  der  Armee  Suworoffs 
aus  der  Schweiz    berühren  das  Thema    dieser  Arbeit   nicht  mehr. 

Am  3.  Oktober  erschien  auch  die  Brigade  Gudin  von  der 
Furka  her  wieder  in  Andermatt.     Dort  war  der  russische  General 


179 


Kaulamon  (?)  (Feldtagebuch)  mit  einem  Teile  des  Trosses  zurück- 
geblieben. Er  wurde  nebst  vier  Hauptleuten  und  300  Soldaten 
gefangen.  Ueberdies  fielen  den  Franzosen  ein  großer  Vorrat  an 
Zwieback.  400  Mäntel  und  500  Gewehre  in  die  Hände.166 

General  Gudin  besetzte  jetzt  wieder  die  Stellung  auf  der 
Oberalp  sowie  beim  Hospiz  und  verlegte  dann  sein  Hauptquartier 
nach  Faido. 

Genera]  Lecourbe  dagegen  nahm  am  gleichen  Tage  (3.  Oktober) 
Abschied  von  seinen  Truppen,  die  so  heldenmütig  sieben  Monate 
hindurch  mit  ihm  gegen  Menschen  sowohl  wie  gegen  Naturgewalten 
gekämpft  hatten.  Der  General  begab  sich  nach  Strasburg,  um 
dort  den  Oberbefehl  der  Rheinarmee  zu  übernehmen. 

An  den  Schluß  des  Feldtagebuches  seiner  Division  schrieb  er: 
„Le  resultat  de  la  campagne  du  general  Lecourbe,  reduction  faite 
de  notre  perte  en  tues,  blesses,  et  prisonniers  de  guerre,  celle  des 
Austro-Russes  a  excede  2727  tues,  7231  blesses,  22411  prisonniers 
de  guerre,  69  canons,  8  drapeaux,  721  chevaux  ou  mulets." 

Aus  dieser  Zusammenstellung  leuchtet  das  stolze  Gefühl  hervor, 
mit  gar  geringen  Mitteln  wirklich  Großes  vollbracht  zu  haben.167 
Die  Division  Lecourbe  und  ihre  Führer  zeigten  in  ihrem  Feldzuge 
des  Jahres  1799  in  deutlichster  Form,  daß  für  sie  vornehmlich 
der  Grundsatz  gegolten  hatte : 

-Im  Kriege  gebieten  nur  die  Umstände!1* 


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Anmerkungen. 


Zum  Vorwort. 

1  (S.  3).  Nicht  selten  findet  sich  unrichtigerweise  die  Zahl  1760  als  Ge- 
burtsjahr und  Lons-le-Saunier  als  Geburtsort  angegeben.  Die  Gemeinde  Ruffey 
liegt  10  km  nördlich  von  Lons-le-Saunier,  im  Canton  de  Bletterans.  an  der  Seille, 
einem  Nebenflüßchen  der  Saöne.  Der  Ort  zählt  etwa  1400  Einwohner.  Heute 
befinden  sich  Mairie  und  Schule  in  dem  ehemaligen  Schlosse  der  Familie  Le- 
courbe.  Der  General  und  sein  Schwager  (General)  Gauthier  haben  in  der  Kirche 
des  Fleckens  ihre  einfachen  Grabdenkmäler.  Seit  1857  schmückt  den  Hauptplatz 
von  Lons-le-Saunier  eine  Bildsäule  Lecourbes  aus  Bronze,  gefertigt  von  Etex. 

2  (S.  4).  Die  Bataillone  zählten  10  Compagnien  zu  71  Offizieren  und  715 
bis  730  Gewehrtragenden.  Diese  Verhältniszahlen  änderten  sich  aber  bald. 
Bereits  die  ersten  Märsche  brachten  den  Bestand  auf  eine  erheblich  geringere 
Zahl  Kampffähiger  herab.  Später  wurde  das  VII.  Jurassier-Bataillon  das  III. 
der  124.  Halbbrigade,  die  ihre  Nunmier  auch  nach  dem  Jahre  1803  als  Regi- 
ment beibehielt.  Im  Jahre  1814  wurde  daraus  das  79.  Linienregiment.  Dieses 
garnisonierte  1894  in  Nancy  (Depot  in  Neufchäteau) ;  es  wird  vom  Obersten 
Veau  de  la  Nouvelle  befehligt  und  gehört  zum  VI.  Armeecorps. 

3  (S.  5).  Ein  Teilnehmer  an  diesem  kurzen  Feldzuge  hat  ihn  unter  dem 
Titel  „Challe,  M.,  La  campagne  des  frontieres  du  Jura  en  1815,  par  le  general 
Lecourbe.  Souvenirs  d'un  jeune  volontaire"  beschrieben.  Enthalten  im  V.  Bande, 
II.  Serie  (1879)  der  Memoires  de  la  societe  d'emulation  du  Jura.  Lons-le-Saunier, 
imprimerie  J.  Declume,  1880. 

*  (S.  5).  Lusser,  Dr.  F.,  Leiden  und  Schicksale  der  Urner,  Altdorf  1845. 
„In  diesem  hochgelegenen  Thale  (Urseren),  das  von  Holz  fast  entblößt  war,  lagerten 
oft  ganze  Armeen,  die,  um  sich  wärmen  zu  können,  oft  in  einer  Nacht  für  1000 
Gulden  Holz  von  Häusern  und  Stallungen  abrissen  und  verbrannten.  Der  Soldat 
litt  dabei  doch  noch  Kälte  und  Mangel.  Das  machte  ihn  roh  und  unmenschlich ; 
er  plünderte,  was  er  habhaft  werden  konnte,  und  mißhandelte  dabei  die  Eigen- 
tümer. Während  die  fränkischen  Krieger  so  ohne  alle  Einschränkung  lebten, 
die  Leute  plagten,  mißhandelten  und  alle  Winkel  aussuchten,  lebte  General 
Lecourbe  in  einem  vom  Brande  verschont  gebliebenen  Hause  in  der  Herren- 
gasse zu  Altdorf,  mitten  unter  den  Ruinen  und  umgeben  von  Bildern  des  all- 
gemeinen Elendes,  in  üppiger  Pracht.  Luzern  mußte  seiner  reich  besetzten 
Tafel  die  fremden  Weine  und  Leckerbissen  nachsenden,  welche  das  erschöpfte 
Uri  nicht  mehr  geben  konnte.  Zschokke  gelang  es  endlich,  diesen  tapfern  aber 
rohen  General  zu  einem  Tagesbefehle  zu  bewegen,  der  den  Unfugen  ein  Ende 
machte  und  wieder  bessere  Mannszucht  herstellte." 

5  (S.  5).  Bousson  111.  115.  120;  30.  31.  32.  (16.  Dezember  1798.)  An  den 
Chef  der  24.  Halbbrigade :  „D'apres  la  conduite  que  tiennent  vos  deux  com- 
pagnies  de  grenadiers  ä  Amsteg,  vous  leur  donnerez  l'ordre  de  se  rendre  ä 


182 


Altdorf,  oü,  jusqu'ä  nouvel  ordre,  elles  seront  consignees  et  feront  le  Service  en 
entier.  Les  officiers  sont  corapris  dans  la  consigne."  (19.  Dezember.)  An  den 
Kommandanten  von  Zug:  „II  a  ete  porte,  citoyen,  par  le  Directoire  helvetique, 
des  plaintes  graves  sur  plusieurs  exces  et  violences  commis  par  les  troupes 
eantonnees  ä  Zoug  et  aux  environs.  II  est  question  menie  de  vols,  de  viols  et 
d"autres  violences  commis  ä  main  armee  ...  je  vous  prie  ä  me  fah'e  connaitre 
les  demarches  que  vous  avez  faites  pour  les  faire  arreter."  (6.  Januar  1799.) 
An  den  Compagniekommandanten  der  84.  Halbbrigade  in  Küßnacht:  „Des 
plaintes,  citoyen,  me  sont  portees  par  l'administration  de  K.  contre  les  chasseurs . . . 
Vous  voudrez  bien  veiller  sur  la  conduite  des  dits  chasseurs,  et  les  rappeler 
ä  l'ordre  et  ä  leur  devoir.  Vous  ferez  arreter  celui  d'entre  eux  qui  ne  se  con- 
duira  pas  comme  il  doit  le  faire,  et  vous  me  l'enverrez  avec  les  plaintes,  afin 
que  je  le  fasse  punir  exemplairement."  (14.  Januar.)  An  Brigadechef  Quetard : 
„Recommandez  plus  que  jamais  la  tenue  et  la  discipline  parmi  la  troupe . . . 
faites-les  punir  lorsqu'ils  auront  tort ..."  (22.  Januar.)  An  Lieutenant  Thuble- 
mont  in  Gersau :  „Je  vous  engage  ä  vivre  en  concorde  avec  les  habitants ; 
agissez  toujours  de  concert  lorsqu'il  s'elevera  des  rixes  entre  les  bourgeois  et 
des  militaires,  et  surtout  maintenez  l'ordre  et  la  discipline,  le  respect  des  per- 
sonnes,  des  proprietes,  et  principalement  des  opinions  religieuses." 

Diesen  Zeugnissen  mag  ein  bisher  ungedrucktes,  dem  Familienarchive  ent- 
stammendes Aktenstück  beigefügt  werden.  Es  lautet :  „Muthathal  d.  12t.  T.bris 
1799.  An  den  Bürger  General  Lecourbe,  Command.  General  2ter  Division 
Militaire  zu  Altdorf.  Die  wohlEhrwürdige  Frau  Mutter  des  Klosters  Mutathal 
Maria  Josepha  Waldburga  Mohr.  (Es  ist  dies  die  Verfasserin  des  bekannten 
Tagebuches.)  Bürger  general !  Ich  nemme  mir  die  Freiheit  an  Bürger  general 
mich  zu  atressieren  aus  billich  und  tringendem  gründe.  Es  ward  mir  eine 
Requisition  von  60  Louis  d'or  geld  sammt  2  schönen  pferdten  gemacht  von 
einem  Commandanten  der  12t.  Halbbrigade  Infanterie  Leger  Koste  (i.  e.  Coste !), 
welcher  Commandant  sich  hier  den  30t.  May  einfand  und  dieses  geld  im  Nahmen 
des  generalen  auf  wenige  stunden  mit  herben  Trohungen  abforderte.  Bürger 
general !  Wir  unternemmeu  ein  freyheitvolle  Einfrag :  ob  dises  geld  im  Nahmen 
des  generalen  wirklich  abgefordert  und  es  so  für  die  Fränkische  Republic  ver- 
wendet worden,  war  es  nicht  gantz  mit  Unwillen  von  uns  abgegeben  und  erlassen. 
Der  gleiche  Comendant  wäre  mit  ermelter  Summa  von  unserem  kloster  Wirth 
zufrieden,  auch  100  Louis  d'or  von  der  armen  gemeind  Mutathal  musten  ihm 
innert  12  stunden  unter  angekündter  todesstraf  der  Municipalität  eingelifert 
werden.  Unser  kloster  verlangte  von  ihm  eine  quittung  für  dieses  geld:  Er 
erwiderte  aber,  Er  habe  dises  geld  an  schuh  für  das  regiment  zu  verwenden, 
da  anwesende  Truppen  vihle  100  paar  schuh  und  eben  so  viel  Leder  in  der 
gemeind  raubten.  Er  sagte  zugleich,  wir  brauchen  keine  quittung,  dises  geld 
sey  eine  straf;  da  wir  doch  stehs  ruhig  waren.  Nach  diser  Requisition  blib  er 
8  Tag  noch  hier  und  lies  sich  wohl  bedienen ;  wie  bis  auf  dise  stund  unser  gar 
nicht  vermögliches  kloster  sehr  beträngt,  auf  gleichsam  unmögliches  bestehn 
könne,  mitgenommen  worden.  Bürger  general !  Wir  empfehlen  uns  dero  gnad 
und  berüchtigten  (will  heißen :  bekannten)  menschenlieb,  und  erbitten  die  gütige 
auskunft,  wie  diesfählige  Rechnung  bei  der  Verwaltungskammer  vorzuweisen. 
Republikanischer  grüß  und  Hochachtung  Maria  Josepha  Waldburga  Mohr  Mutter." 

Lecourbe  bemerkte  dazu  am  Rande  des  Schreibens:  „Le  citoyen  Coste 
ayant  abuse  de  mon  nom,  pour  demander  de  l'argent,  je  demande  qu"il  soit 
traduit  au  Conseil  de  guerre.     Le  general  de  division  Lecourbe." 

8  (S.  5).     Siehe  Seite  64  dieser  Arbeit. 

7  (S.  6).  Vergleiche :  Meyer  von  Knonau,  Die  kritischen  Tage  des  Gebirgs- 
kampfes  im  Coalitionskriege  1799,  Neujahrsblatt  der  Zürcher  Feuerwerksgesell- 
schaft 1887.  Briefe  an  den  Regierungsstatthalter  des  Kantons  Waldstätten  vom 
14.  Januar  1799,  an  Massena  vom  gleichen  Datum  und  vom  22.  Januar,  an  den 


183 


Statthalter  vom  20.  Januar,  an  das  Helvetische  Direktorium  vom  1.  Februar, 
an  Massena  vom  2.  Februar ;  abgedruckt  bei  Bousson  a.  a.  0.  (Pieces  justiticatives) 
S.  110.  113. 115. 116. 117. 119.  Ueberall  die  nämliche  Klage :  „Plusieurs  soldats 
ont  ete  maltraites ;  les  habitants  de  ce  canton  fanatique  nous  detestent"  u.  s.  w. 

8  (S.  6).  Lusser  a.  a.  0.  S.  178  :  „Das  Volk  betrachtete  den  Krieg  nicht 
mehr  als  einen  Kampf  für  Freiheit  und  Vaterland,  es  war  ihm  fast  gleichgültig, 
wer  siege,  denn  von  allen  Parteien  hatte  es  doch  nur  Druck  zu  gewärtigen, 
und  das  „Ihr  Hunde"  der  Kaiserlichen  war  dem  Ohr  des  urnerischen  Land- 
mannes so  unangenehm  als  das  „Bougre"  und  „Malin"  der  Franzosen,  weil  der 
Sinn  besser  verstanden  wurde." 

9  (S.  6).     Bousson  a.  a.  0.  S.  157. 

10  (S.  6).  Smitt,  Friedr.,  Suworows  Leben  und  Feldzüge,  AVilna  1833. 
Croix,  de  la,  I.  Geschichte  des  Fürsten  Italiiski  Grafen  S.-Rimnikski  (nach  dem 
Russischen  von  N.  A.  Polewoi),  Mitau  1851. 

11  (S.  8).  Die  Thatsache,  daß  der  greise  Feldherr  die  zur  Reise  notwen- 
dige Summe  von  zweihundertfünfzig  Rubeln  beim  Ortsvorsteher  von  Kochans- 
koje entlehnen  mußte,  zeugt  von  der  spartanischen  Einfachheit  des  Siegers 
am  Rimnik. 

12  (S.  9).     Miliutin  a.  a.  0.  S.  124,  Th.  III,  und  III,  342  und  Nr.  211. 


Zur  Einleitung. 

13  (S.  17).  Feldzug  von  1799,  1,41/42:  „Die  Operationen,  welche  isoliert 
keinen  Erfolg  mehr  versprachen,  mußten  im  engsten  Zusammenhang  nach  ge- 
meinschaftlichem Ziel  geleitet  werden."  Clausewitz  a.a.O.  I,  27  ff.  bespricht 
ausführlich  die  Feldzugspläne  beider  Gegner.  S.  38  sagt  er:  „Die  Einleitungen 
mußten  so  getroffen  werden,  daß  die  Armee  Ende  Februar  die  hier  bestimmte 
vorläufige  Aufstellung  erhielt." 

14  (S.  17).  Abgedruckt  mit  dem  gesamten  Feldzugsplane  der  Republik  für 
1799  im  „Precis  des  Operations  de  l'arniee  du  Danube  sous  les  ordres  du  general 
Jourdan.  Extrait  des  memoires  manuscrits  de  ce  general.  Paris,  an  VIII." 
Ferner  bei  Clausewitz  I,  45  ff. 

15  (S.  18).  Scherer  an  Jourdan,  22.  Ventose  (10.  Februar):  „La  vengeance 
nationale  ä  exercer  contre  les  gouvernements  perfides ;  Tinteret  toujours  crois- 
sant  de  la  paix  qui  ne  pourra  plus  s'obtenir,  si  nous  rentrons  en  campagne, 
que  par  des  triomphes  decisifs;  tous  ces  motifs  enflammant  l'ardeur  de  nos 
troupes  et  secondes  par  la  sagesse  et  le  talent  de  vos  dispositions  militaires, 
doivent  vous  inspirer  une  securite  fondee.  Les  Autrichiens  sont  nombreux,  mais 
sans  parier  de  la  superiorite  d'audace  et  d'activite  que  nous  avons  sur  eux,  il 
faut  observer  qu'ils  ont  un  terrain  immense  k  couvrir,  qu'en  s'avan^ant  vers 
vous,  ils  sont  obliges  de  laisser  beaucoup  de  troupes  derriere  eux,  soit  pour 
occuper  la  Baviere,  soit  pour  defendre  la  Boheme,  soit  pour  garder  les  points 
intermediaires ;  et  qu'etant  ainsi  disseminee,  l'armee  principale  qui  agira  contre 
vous,  ne  parait  pas  devoir  vous  eti*e  beaucoup  superieure  en  force  numerique." 
Jourdan  97  ff.     Clausewitz  I.  54. 


184 


16  (S.  20).  Art.  I :  „II  y  aura,  ä  perpetuite,  entre  la  republique  fran^aise 
et  la  republique  helvetique,  paix,  amitie  et  bonne  intelligence."  Art.  II:  „II  y 
a,  des  ce  moment,  entre  les  deux  republiques  alliance  offensive  et  defensive." 
Art.  III  bestimmt,  daß  die  aus  den  Schweizer  Zeughäusern  geplünderten  Waffen 
und  Kanonen,  um  die  helvetische  Armee  auf  einen  „etat  militaire  sur  le  pied 
le  plus  imposant"  zu  bringen,  auf  Kosten  der  Schweiz  wieder  aus  Frankreich 
zurückgeführt  werden  sollten. 

Vertrag  bezüglich  der  Hülfsbrigaden:  „Art.  I.  Immediatement  apres  la 
ratification  de  la  presente  Convention,  il  y  aura  un  corps  de  troupes  helvetiques 
qui  agira  de  concert  et  comme  auxiliaires  des  troupes  francaises  contre  Pennend 
qui  sera  designe  par  le  gouvernement  helvetique  aux  termes  de  l'art.  II  du  traite 
d'alliances.  Art.  IL  Ce  corps  sera  forme  de  recrues  volontaires,  librement  en- 
rolees  en  Suisse,  et  ne  pourra  exceder  le  nombre  de  18  000  hommes ;  l'engage- 
ment  sera  de  deux  ou  de  quatre  ans,  au  choix  de  la  recrue ;  les  depöts  seront 
en  Helvetie." 

Die  männliche  Bevölkerung  der  damaligen  XVIII  Kantone  zählte  348  688 
Seelen.  Die  Kantone  sollten  folgende  Stärken  stellen :  Bellinzona  360  Mann, 
Zürich  2370,  AValdstätten  820,  Basel  500,  Oberland  510,  Baden  580,  Leman 
1750,  Solothurn  460,  Freiburg  940,  Bern  1970,  Aargau  670,  Luzern  950,  Schaff- 
hausen 310,  Linth  1050,  Lugano  780,  Wallis  460,  Thurgau  820,  Sentis  1330, 
Graubünden  1370  Manu. 

Das  helvetische  Direktorium  ernannte  die  Offiziere,  einschließlich  der  sechs 
Brigadechefs.  Frankreich  zahlte  den  angeworbenen  Unteroffizieren  und  Soldaten 
das  Handgeld  von  24  Livres  und  überdies  den  Sold,  welcher  nach  französischen 
Vorschriften  berechnet  wurde.  Vom  französischen  Staate  empfingen  die  Mann- 
schaften die  Bekleidung,  von  dem  helvetischen  die  Bewaffnung.  Für  die  Aus- 
bildung dienten  ebenfalls  die  französischen  Vorschriften  von  1791  mit  den  ent- 
sprechenden praktischen  Abänderungen  (20.  Dez.  1798),  dagegen  ward  deutsch 
kommandiert.  Die  Truppen  erhielten  überdies  Uniformen  nach  helvetischer 
Ordonnanz.  Zum  Generalinspektor  der  helvetischen  Infanterie  wurde  der  satt- 
sam bekannte  Divisionsgeneral  Schauenburg  ernannt. 

Jedes  Bataillon,  deren  die  Auxiliar-Halbbrigaden  je  drei  hatten,  zerfiel  in 
den  Stab  und  1  Grenadier-,  sowie  8  Füsiliercompagnien ;  letztere  gesetzmäßig 
zu :  1  Hauptmann,  1  Lieutenant,  2  Unterlieutenants  u.  s.  w.  Thatsächlich  zählten 
die  Auxiliaren  am  19.  Mai  1799: 

I.  Halbbrigade     .     .     98  Offiziere, 
IL  „  .     .     92         „ 

III.  „  .     .     64        „ 

IV.  „  •     •     87         „ 
V.           „  .     .     89         „ 

VI.  „  .     .     79         „ 

demnach  zusammen  nur  509  Offiziere  und  3587  Mann,  an  Stelle  von  775  Offi- 
zieren und  17  225  Mann  des  von  Frankreich  geforderten  Standes. 

17  (S.  21).  Meynert,  Dr.  Hermann,  Geschichte  des  Kriegswesens  und  der 
Heeresverfassungen  in  Europa,  Wien  1868,  Bd.  III,  298 :  „Nach  dem  Frieden 
von  Campo  Formio  blieb  keine  Zeit  zu  durchgreifenden  Verbesserungen ;  doch 
verbesserte  man  im  einzelnen.  Der  Soldat  wurde  zu  mehr  Selbständigkeit  an- 
gewiesen und  im  Scheibenschießen  geübt.  Man  dachte  nicht  mehr  daran,  der 
Fechtart  in  offener  Ordnung  eine  unbegrenzte  Ausdehnung  zu  geben ;  aber  man 
erkannte,  daß  man  eine  verhältnismäßige  Anzahl  in  dieser  Fechtart  geübter 
Truppen  haben  müsse  und  daß  in  gehöriger  Verbindung  der  offenen  und  ge- 
schlossenen Ordnung  die  eigentliche  Stärke  des  Fußvolkes  liege.  Auf  die  Aus- 
bildung der  leichten  Truppen  wurde  die  größte  Sorgfalt  verwendet.  Die  Armee 
erhielt  bessere  Gewehre ;  sie  wurde  leichter  und  beweglicher  gemacht  und  ihr 
Geist  durch  zweckmäßige  Anordnungen  gehoben." 


935 

Mann, 

643 

» 

500 

)j 

367 

» 

617 

j) 

567 

» 

185 

18  (S.  22).  Der  helvetische  Generaladjutant  Weber  wurde  hei  Frauenfeld 
am  25.  Mai  1799  durch  eine  derartige  "Waffe  getötet. 

19  (S.  22).  Lecourbe  schreibt  aus  Nauders  am  7.  Germinal  (27.  März)  an 
Massena  :  „Je  ne  demande  pour  moi  qu'une  bonne  carte  du  Tyrol ;  le  gouverne- 
nient  devrait  bien  m'envoyer  une."  Der  Direktor  Merlin  antwortete  ihm  darauf 
am  26.  Germinal  (15.  April):  „J'ecris  au  ministre  de  la  guerre  pour  Tinviter 
ä  vous  faire  parvenir  les  cartes  geographiques  dont  vous  avez  besoin."  Bousson 
198  und  212,  Nr.  30  und  45. 

Nach  dem  Memorial  topographique  et  militaire,  redige  au  depöt  general 
de  la  guerre,  imprime  par  ordre  du  ministre,  Nr.  3  Topographie,  1.  Frimaire 
de  l'an  XI  (1803),  bestanden  folgende  für  den  Feldzug  der  Division  Lecourbe 
in  Betracht  fallende  Kartenwerke : 

Robert  de  Vaugondi,  Carte  de  la  Suisse,  oü  sont  les  treize  cantons,  leurs 
allies  et  leurs  sujets,  dressee  sur  les  meilleurs  auteurs  et  d'apres  les  obser- 
vations  faites  par  Grasset;  une  feuille. 

Carte  nouvelle  de  la  Suisse,  avec  les  routes  des  voyages  faits  en  1776,  1779, 
1785,  1786:  une  feuille.  Es  ist  dies  die  im  vorigen  Jahrhundert  viel 
benützte  Reisekarte  des  bekannten  Engländers  William  Coxe. 

Mallet,  1779,  Carte  de  la  Suisse:  deux  feuilles.  „La  carte  ne  manque  ni 
de  clarte  ni  de  precision." 

Nouvelle  carte  hydrographique  et  routiere  de  la  Suisse.  Ein  Uebersichtsblatt 
und  die  später  erscheinenden  16  Einzelblätter.  Es  ist  dies  das  von  dem 
Geniecapitaine  Weiß  aus  dem  Elsasse  im  Auftrage  des  Aarauer  Kauf- 
mannes J.  R.  Meyer  im  Maßstabe  von  „3/*  Linien  auf  100  Toisen'-  er- 
stellte Werk.  Die  Karte  erschien  gut  gezeichnet,  aber  in  geometrischer 
Hinsicht  mit  unvollständigen,  wiewohl  sicheren  Grundlagen  ausgestattet. 
Jedenfalls  bezeichnet  diese  Karte  einen  Markstein  in  der  Entwicklung 
der  schweizerischen  Kartographie.  Die  weniger  wichtigen  Wegverbind- 
ungen sind  auf  der  Karte  nicht  eingezeichnet. 

Für  das  Tirol  kommt  in  Frage  der  von  Anich  und  Huber  bis  1774  unter 
der  Leitung  von  Weinhard   gefertigte  „Atlas  tyroliensis",   auch  wegen 
seiner  beiden  dem  Bauernstande  entsprossenen  Schöpfer  kurzweg  „Bauern- 
Karte"  (!)  genannt.    „Cette  carte  est  un  des  plus  beaux  ouvrages  topo- 
graphiques  de  ce  siecle."    „La  guerre  de  la  revolution  ayant  appris  ä  la 
maison  d'Autriche  les   dangers  auxquels  eile  s'exposait,  eile  retira  les 
cuivres.'1     Die  Karte   enthielt   nämlich   auch   die  Einzelheiten   der  ver- 
schiedenen landwirtschaftlichen  Betriebe,   der  Landesverwaltung  u.  s.  w. 
„La  carte  devenue  tres  rare,  se  vendait  jusqu*ä  800  francs.     Le  depöt 
de  la  guerre  l'a  fait  graver  sous  un  format  en  six  feuilles,  et  l*a  niise 
en  commerce." 
Außer   der  genauen   und   viel   benützten  Reisebeschreibung  des  W.  Coxe 
stand  auch  bereits  die  erste  Auflage  des  Werkes  von  Ebel  zur  Verfügung.    Da 
es  vorerst  in  deutscher  Sprache  vorlag,  so  bleibt  es  fraglich,  ob  es  benützt  ward. 

20  (S.  22).  Johann,  Erzherzog,  Geschichte  des  k.  k.  Linien-Infanterie-Regi- 
ments Erzherzog  Wilhelm  Nr.  12,  Wien  1877,  S.  393  ff.  —  „Als  ich  zum  Regimente 
Stain  (Nr.  50)  eintrat,  hatte  sich  zwar  vieles  von  dem  alten  Wesen  längst  ver- 
loren, seit  Kasernen,  Monturkommissionen  und  Yerpflegsmagazine  eine  neue 
Ordnung  der  Dinge  hervorgerufen  hatten;  aber  nach  dem  Friedensschluß  von 
Teschen  (13.  Mai  1779)  war  bei  der  Armee  das  mechanische  Puppenspiel  und 
die  so  verschriene  und  verschrobene  Kamaschenparade  mehr  als  jemals  in 
Schwung  gekommen,  daher  denn  niemand  auf  den  Namen  eines  braven  Soldaten 
Anspruch  machen  konnte,  der  nicht  wenigstens  20  Stunden  des  Tags  mit  Rechts 
und  Links,  mit  Stock  und  Zopf,  mit  Kleie  und  Trippel  und  Ziegelmehl  wacker 
umging.     Bei  dem  Regimente,   dem   ich   nun   angehörte,   blieb   man   von   dem 


186 


allgemeinen  Vorurteile,  daß  das  Heil  der  Truppe  einzig  und  allein  vom  ewigen 
Schulmeistern  abhänge,  um  kein  Haar  zurück.  Putzen,  Visitieren  und  Exerzieren 
vom  frühesten  Morgen  bis  spät  in  die  Nacht  hinein,  Füllung  von  Exerzier- 
patronen mit  Kleie  oder  Sand,  Bürsten,  Zopfmachen,  Klopfen,  Anstreichen  und 
Wichsen  war  das  immerwährende  Schlagwort  der  geheiligten  Tagesordnung  für 
alles,  was  nicht  auf  Wache  war.  Alle  Sonn-  und  Feiertage  große  Kirchen- 
parade mit  Sack  und  Pack,  der  —  vom  ersten  Hahnenkrähen  an  —  zehnfache 
Visitierung  mit  geschlossenen  und  geöffneten  Gliedern,  Hebung  der  Handgriffe, 
Zopfmessen  und  Mustern  vom  Gefreiten,  vom  Korporal,  vom  Feldwebel  und  vom 
Offizier  voranging.  Nachdem  alles  dies  glücklich  überstanden  war,  rückten  die 
Compagnien  zusammen,  und  nach  Beendigung  der  allgemeinen  Visitierung  wurde 
zur  Messe  abmarschiert.  Nach  dem  Gottesdienste  war  Vorführung,  und  wenige 
Minuten  nach  dem  Einrücken,  als  kaum  das  Mahl  verschlungen  war,  schlug 
der  Tambour  schon  wieder  „Wach  heraus!"  Um  den  Mann  aber  auch  in  die 
nötige  Geduld  zu  diesen  Schulfuchsereien  einzuexerzieren,  durfte  er  niemals 
ohne  Ordonnanz  aus  der  Kaserne  gehen,  wenn  er  nicht  wenigstens  vier  oder 
fünf  Jahre  diesen  Jammer  straffrei  durchgemacht  hatte,  was  jedoch  schlechter- 
dings unmöglich  war,  weil  der  geringste  Fehler  beim  Exerzieren,  am  Zopfe  oder 
in  der  Adjustierung  mit  dem  Haselstocke  oder,  wenn  es  gnädig  abging,  mit 
24  Stunden  Kurzschließen  bestraft  wurde.  Auf  Märschen  ging  es  bald  nach 
Mitternacht  mit  der  Kirche  ums  Kreuz  herum,  das  heißt:  man  zog  links  und 
rechts,  nach  Höfen  und  Weilern  in  die  Station  des  Zugskorporalen,  des  Haupt- 
manns, des  Majors,  wo  überall  verlesen  wurde,  visitiert,  Handgriff  exerziert  und 
dann  erst  in  die  Regimentsstation  abgerückt  ward,  um  den  Marsch  anzutreten. 
Nach  dem  Einrücken  in  die  neue  Stabsstation  ging's  wieder  in  der  nämlichen 
Bunde  in  die  Zugsstation,  wo  die  Quartierzettel  ausgegeben,  die  neuen  Leute 
aber,  d.  h.  jene,  die  noch  keine  vier  oder  fünf  Jahre  dienten,  zu  30  bis  50 
Köpfen  in  Scheunen  und  Stallungen  eingesperrt  und  von  ihren  älteren  Kameraden 
mit  geladenen  Gewehren  umstellt  und  bewacht  wurden."  Aus:  Das  Schicksal 
oder  dreißig  Jahre  im  Garnisonsdienst  u.  s.  w.,  Graz  1843,  S.  21  ff. 

21  (S.  23).  Hierüber  zu  vergleichen  die  —  weil  gleich  nach  dem  deutschen 
Kriege  von  1866  verfaßten  —  freilich  nicht  ganz  unparteiisch  gehaltenen  Bei- 
träge zur  Beurteilung  des  innern  Zustandes  der  französischen  und  österreich- 
ischen Armee  um  das  Jahr  1800.  Beiheft  VI,  1867  zum  Militärwochenblatt, 
Berlin  1867,  S.  231  ff. 

22  (S.  24).  Die  Kegimentsartillerie  bestand  aus  Zwölf-  und  Achtpfündern, 
sog.  Einhörnern,  und  Sechs-  und  Dreipfünder-Kanonen.     Miliutin  I,  61. 

23  (S.  26).  Ausführliches  über  die  von  Suworoff  empfohlene  Taktik  bei 
Miliutin  I,  220  ff.  und  556.  558  ff.  Das  berühmte  Wort  „Die  Kugel  ist  eine 
Thörin,  das  Bajonett  ein  ganzer  Mann"  fiel  während  einer  Vorstellung  der 
Generale  in  Verona  am  14.  April  1799. 

24  (S.  26).  Der  Generalquartiermeister  Chasteler  wollte  diese  Zeit  benützen 
und  machte  dem  Feldmarschall  den  Vorschlag,  eine  Rekognoszierung  vornehmen 
zu  lassen.  Solche  Vorschläge  waren  aber  durchaus  nicht  nach  dem  Geschmacke 
des  russischen  Heerführers.  „Was?  Rekognoszierungen?"  antwortete  er  Chasteler 
unwillig.  „Ich  mag  sie  nicht;  nur  die  Furchtsamen  rekognoszieren,  um  den 
Gegner  zu  warnen;  wer  Lust  hat,  weiß  auch  ohne  sie  den  Feind  immer  auf- 
zufinden; Kolonnen,  Bajonett,  blanke  Waffe,  Angriff,  Einhauen  —  das  sind 
meine  Rekognoszierungen." 

Ueber  die  Gegensätze  im  Heere  der  Verbündeten  berichtet  auch  Soult  S.  336. 
Schreiben  an  Massena  aus  St.  Gallen,  26.  Vendemiaire  (18.  Oktober) :  „La  plus 
complete  desunion  existe  entre  les  Russes  et  les  Autrichiens :  un  officier  que 
j'avais  envoye  en  parlamentaire  a  ete  ä  meme   de  s'en  assurer.     Des  officiers 


187 


autrichiens  lui  ont  dit  qu'ils  avaient  souri  de  bon  coeur  ä  la  defaite  des  Russes. 
«Ceux-ci  se  flattaient»,  ajoutaient  ces  officiers,  «desubjuger  la  France  en  une 
annee.  Nous  sommes  charmes  que  vous  les  ayez  forces  ä  devenir  plus  modestes. » 
Des  officiers  allemands  ont  dit  aux  Russes  avec  aigreur :  « Vous  pretendiez, 
messieurs,  que  nous  nous  etions  amuses  ä  jouer  la  comedie  avec  les  Frangais ; 
mais  vous  autres  qui  n'aimez  pas  ä  plaisanter,  vous  avez  represente  une  tragedie 
en  trois  actes. »" 

25  (S.  26).  Der  Marquis  Chasteler  wurde  am  22.  Januar  1763  zu  Melbai 
bei  Mons  im  Hainault  geboren.  Seit  1776  stand  er  im  Dienste  des  Kaisers  und 
bis  1780  besuchte  er  die  Wiener  Ingenieurschule.  Als  Lieutenant  im  Geniecorps 
und  Bauleiter  der  Werke  von  Josephstadt  und  Theresienstadt  in  Böhmen  nahm 
er  später  auch  im  Stabe  des  Prinzen  Koburg  am  Kriege  gegen  die  Türken 
(1788 — 1790)  teil.  Bei  Chotin  wurde  er  verwundet;  bei  Fokschan  bewies  er  große 
Kaltblütigkeit  und  erhielt  in  der  Folge  den  Maria-Theresien-Orden.  Zum  Major 
befördert,  diente  er  im  Stabe  des  Feldmarschalls  Laudon  und  ward  bereits  1793 
Oberstlieutenant,  1795  Oberst.  Das  folgende  Jahr  leitete  er  die  Aufnahme  von 
Galizien.  Von  1706  an  Generalmajor,  diente  er  als  Diplomat  in  Warschau  und 
St.  Petersburg.  Dann  wieder  erkundete  er  als  Topograph  in  Venetien  1798 
Oberitalien  und  Tirol.  Zum  General-Quartiermeister  der  Armee  in  Italien  er- 
nannt, trat  Chasteler  in  enge  Beziehungen  zu  Suworoff,  der  ihn  wiederholt  aus- 
zeichnete. Natürlich  brachte  ihn  das  in  Ungnade  bei  Thugut.  Bei  Feldzeug- 
meister Kray  mußte  sich  Chasteler  1800  mit  der  Stelle  eines  zweiten  Chefs  des 
Generalstabes  begnügen.  Immerhin  erfolgte  doch  bereits  im  Jahre  1801  seine 
Beförderung  zum  Feldmarschall-Lieutenant.  Chasteler  übernahm  nun  den  Befehl 
im  Tirol,  woselbst  er  auch  1805  und  1809  mit  Hormayr  thätig  war.  Nach 
dem  Rücktritte  des  Feldzeugmeisters  Klenau,  im  Jahre  1813,  befehligte  Chasteler 
dessen  Corps.  Von  1815  an  Gouverneur  von  Venedig,  erweiterte  er  die  dortigen 
Befestigungen  und  starb  daselbst  am  10.  Mai  1825. 

26  (S.  26).  Davon  das  Corps  des  Felclmarschall-Lieutenants  Hotze  in  Bregenz : 

24  Bataillone  (23  793  Mann)  und  8  Schwadronen  (1448  Mann),  also  zusammen 

25  241  Mann.    Oesterr.  Milit.  Zeitschrift  1836,  I. 

27  (S.  27).  Nach  der  Oesterr.  Milit.  Zeitschrift  1836, 1  waren  es  48  Bataillone 
(52436  Mann)  und  14  Schwadronen  (2664  Mann),  also  zusammen  54900  Mann. 

28  (S.  27).  „Die  tirolische  Landesverteidigung  der  Jahre  1796  und  1797 
hatte  bereits  die  Keime  der  Verteidigung  für  den  Feldzug  1799  in  sich  getragen, 
denn  von  den  in  den  beiden  erstgenannten  Jahren  an  die  tirolische  Aufgebots- 
mannschaft verteilten  Feuergewehren  waren,  wie  in  der  Vorahnung  bald  sich 
erneuernder  Kämpfe,  nur  864  Stück  an  das  Innsbrucker  Zeughaus  zurückgestellt, 
die  übrigen  aber  den  Landleuten  in  den  Händen  gelassen  worden.  Seit  dem 
Herbste  1798  erfolgten  weitere  Vorkehrungen.  Die  Mannschaft  der  vier  Zuzüge 
sollte  in  organisierte  Compagnien,  in  der  Regel  zu  130,  jedenfalls  nie  aber  unter 
100,  noch  über  160  Mann  stark  sein.  Jede  Compagnie  mußte  sechs  Wochen 
lang  auf  ihrem  Feld-  und  Verteidigungsposten  ausharren.  (Patent  vom  22.  März 
1799.)  Einige  Schützencompagnien  in  Tirol  erboten  sich,  über  die  Grenze  mit- 
ziehen zu  wollen,  und  ihnen  schlössen  sich  jetzt  noch  viele  andere  an." 
Dr.  H.  Meynert  III,  299. 

Zu  diesem  Abschnitte  benützte  Karten :  Uebersichtskarte  der  Schweiz  mit 
ihren  Grenzgebieten,  1  :  1  000  000. 


188 


I.  Die  ersten  Kämpfe  in  Graubünden. 

29  (S.  28).  Dr.  PI.  Genelin  gibt  in  seiner  Abhandlung :  Die  Kämpfe  gegen 
die  Franzosen  in  Graubünden  im  Jahre  1799,  im  Vorwort  S.  1 — 3  eine  Beurteilung 
der  betreffenden  Quellen  für  die  Darstellung  der  Ereignisse  im  Oberlande. 

30  (S.  28).  „An  Sonn-  und  Feiertagen  sollen  regelmäßige  Waffenübungen 
abgehalten  werden.  Bei  Ehre  und  Eid  haben  alle  Männer  vom  16.  bis  zum 
60.  Jahre  auf  den  Sammelplätzen  zu  erscheinen,  sobald  die  große  Glocke  der 
Gemeinde,  die  von  nun  an  nur  zu  diesem  Zwecke  geläutet  werden  soll,  sie  zum 
Kampfe  ruft.  Die  Mannschaft  einer  jeden  Gemeinde  wird  in  drei  Abteilungen 
geteilt  werden,  deren  zwei  erste,  aus  Männern  bestehend,  welche  bereits  gedient 
haben  oder  einigermaßen  eingeübt  sind,  an  die  gefährdeten  Punkte  rücken, 
während  die  dritte  Abteilung  für  die  Aufrechterhaltung  der  Ordnung  und 
Sicherheit  in  der  Gemeinde  sorgt."  Selbst  die  Aeltesten  und  die  Frauen  sollten 
im  Notfalle  zum  Dienste  herangezogen  werden. 

31  (S.  28).  Im  Hochgerichte  Dissentis  hatte  sich  bereits  im  Sommer  1798 
ein  freiwilliges  Jägercorps  gebildet,  das  von  Bannerherr  Balotta  und  Hauptmann 
Conrad  Castelberg  eingeübt,  vom  Kriegsrat  aber  besoldet  ward. 

32  (S.  29).  Francois  Loison  entstammte  dem  französischen  Beamtenadel  und 
wurde  1771  zu  Damvilliers  (Meuse)  geboren.  Als  Sohn  eines  Parlamentsrates 
von  Metz  erhielt  er  eine  gute  Erziehung,  ließ  sich  aber  aus  Neigung  anwerben ; 
1787  trat  er  in  ein  Kolonialregiment.  Durch  die  Revolution  nach  Frankreich 
zurückgeführt,  wurde  er  zum  Unterlieutenant  des  Freiwilligenbataillons  gewählt, 
aus  dem  nachmals  das  29.  Linienregiment  entstand.  Das  Jahr  darauf  erscheint 
er  als  Capitaine  der  Husaren  der  Legion  du  Nord,  1793  als  Generaladjutant. 
Durch  seine  Maßnahmen  an  der  Luxemburger  Grenze  ward  er  den  Machthabern 
verdächtig  und  darum  abgesetzt.  Erst  1795  bei  den  Vendemiaire-Ereignissen 
trat  er  unter  Bonaparte  wieder  in  den  Dienst  und  erhielt  für  seinen  Eifer  den 
Grad  eines  Brigadegenerals ;  1796  erschien  er  dagegen  zu  spät  bei  der  italieni- 
schen Armee  und  wurde  deswegen  auf  Halbsold  gesetzt.  Erst  1799  erscheint 
er  wieder  mit  einem  Befehl  betraut,  Ende  des  Jahres  ward  er  zum  Divisionär 
befördert  und  nahm  als  solcher  am  Winterfeldzuge  unter  Brune  1800/1801  teil. 
Auch  bei  Austerlitz  (2.  Dezember  1805)  kämpfte  er  mit  Auszeichnung,  und  in 
Portugal  stand  er  1807  an  der  Spitze  der  2.  Division.  Durch  seine  Härten  zog 
er  sich  den  tödlichen  Haß  der  Bevölkerung  zu.  „Le  general  «Maneta»  (il  avait 
perdu  un  bras  dans  un  accident  de  chasse)  jouissait  de  la  plus  belle  impopu- 
larite.  II  aurait  ete  mis  en  petits  morceaux,  voluptueusement,  s'il  etait  tombe 
au  pouvoir  des  Portugals.  Longtemps  apres  notre  depart,  il  resta  dans  le 
peuple  comme  une  sorte  de  croquemitaine  dont  on  effrayait  les  petits  Portugals. 
«  Si  tu  n'est  pas  sage»,  disaient  les  meres,  «gare  au  general  Maneta!»"  — 
(Vergl.  Guillon,  Dr.  es  letties,  Les  complots  militaires  sous  le  consulat  et 
Tempire,  Paris  1894,  p.  83.) 

In  Portugal  scheint  er  übrigens  der  Auftraggeber  des  Capitaine  Argenton 
gewesen  zu  sein,  der  mit  Wellington  über  die  Kapitulation  der  französischen 
Armee  und  den  Sturz  von  Napoleon  einigemale  unterhandelt  hatte.  Trotzdem 
ward  er  dem  Kaiser  so  wenig  verdächtig,  daß  dieser  Loison  1807  in  den  Grafen- 
stand erhob  und  1812  mit  nach  Rußland  nahm.  Freilich  mußte  er  dort  bald 
den  Befehl  niederlegen. 

Während  der  hundert  Tage  diente  er  noch  einmal  dem  Kaiser,  um  schon 
1820  in  völliger  Vergessenheit  zu  sterben. 

33  (S.  29).  Diese  kosteten  den  Kreis  unverhältnismäßig  bedeutende  Summen, 
nämlich  in  drei  Monaten  über  6000  Gulden.    „Der  Landsturm  von  Lugnez,  der 


189 

in  Trons  stationiert  war,  hatte  so  viel  -Wein  konsumiert,  daß  die  später  zur 
Berechnung  der  Unkosten  eingesetzte  Kommission  den  getrunkenen  Wein  nicht 
ohne  die  Häupter  des  Bundes  zu  befragen  in  die  Rechnung  aufnehmen  zu 
dürfen  glaubte."    Genelin  S.  14. 

34  (S.  29).  Graf  Heinrich  Bellegarde,  geboren  den  28.  August  1756  zu 
Dresden,  entstammte  einer  alten  Familie  von  Savoyen.  P'rüh  Offizier  geworden, 
zeichnete  er  sich  von  1793  bis  1795  in  den  Niederlanden  aus,  bei  Valenciennes, 
Maubeuge  und  Landrecy.  Bereits  im  Jahre  1796  außer  der  Reihe  zum  Feld- 
marschall-Lieutenant befördert,  trat  er  auch  als  beratendes  Mitglied  in  den 
Hof-Kriegsrat.  Mit  Bonaparte  vereinbarte  er  1797  zu  Leoben  die  Friedens- 
bedingungen, zwei  Jahre  später  führte  er  die  Unterhandlungen  mit  Suworoff 
und  Lord  Minto  wegen  der  Verpflegung  der  russischen  Truppen  in  Italien. 
Moreau  schlug  ihn  1799  bei  Marengo,  nachdem  Bellegarde  den  Oberbefehl  im 
Tirol  niedergelegt  hatte.  In  der  Grafschaft  war  Bellegarde  ob  seines  herrischen 
und  doch  wenig  thatkräftigen  Wesens  bitter  gehaßt ;  man  bezeichnete  ihn  sogar 
öffentlich  als  einen  Verräter.  Später  kurze  Zeit  bei  den  diplomatischen  Ver- 
handlungen in  Berlin  thätig,  erschien  er  1800  in  Italien  als  Oberfeldherr.  Hier 
bewies  er,  der  treueste  Sklave  Thuguts,  die  vollkommenste  Unfähigkeit.  Suworoff 
drückte  sich  öfters  in  scharfer  Form  über  Bellegarde  aus.  So  nannte  er  ihn 
bezeichnend  „den  klugen  Bellegarde,  der  unter  anderem  auch  daran  gewöhnt 
ist,  Leute  zu  verlieren."  (Schreiben  an  Rasumowski  vom  27.  Juni  1799.)  Mit 
dem  Friedensschluß  trat  Bellegarde  wieder  in  den  Hof-Kriegsrat  zurück,  dessen 
Präsident  er  1805  wurde.  Im  nämlichen  Jahre  befehligte  er  bei  Caldiero  den 
rechten  Flügel  der  kaiserlichen  Armee.  Seit  1806  Feldzeugmeister  und  Gou- 
verneur von  Galizien,  kämpfte  er  1809  an  der  Spitze  des  I.  Corps  bei  Wagram. 
Den  Feldzug  von  1813/14/15  gegen  Eugen  und  Murat  machte  er  ebenfalls  mit. 
1820  an  Stelle  Schwarzenbergs  wiederum  zum  Präsidenten  des  Hof-Kriegsrates 
ernannt  und  zum  Konferenzminister  erhoben,  blieb  er  in  dieser  Stellung  bis 
1825,  wo  er  in  den  Ruhestand  trat.     Er  starb  am  22.  Juli  1845  zu  Wien. 

_  35  (S.  30).  Der  letzte  Befehl,  den  Loison  vor  dem  Aufbruche  von  Lecourbe 
erhielt,  datiert  vom  15.  Ventose  (5.  März)  aus  Bellinzona.  Als  Rückzugslinie 
wurde  ihm  darin  das  Blegnothal  bezeichnet.     Bousson  173,  Nr.  12. 

36  (S.  30).  Seit  1795  führte  eine  kleine  Fahrstraße  über  diesen  Paß  von 
Dissentis  bis  Olivone.  Auch  die  Oberalp  war  schon  damals  für  leichte  Wagen 
zu  benützen.     Ebel  II,  245. 

37  (S.  30).  Das  Feldtagebuch  meldet  unter  dem  14.  Ventose  (4.  März)  :  „La 
colonne  aux  ordres  du  general  Loison,  composee  du  Ier  bataillon  de  la  76e, 
des  grenadiers  et  deux  compagnies  d'eclaireurs  de  la  36e  cantonnees  le  meme 
jour  (14.)  ä  Airolo  et  Urseren  oü  ils  avaient  ordre  de  rester."  Die  Stärke  der 
Kolonne  Loison  schwankt  in  den  verschiedenen  Berichten ;  v.  Seida  und  Landen- 
berg (S.  44),  der  das  Bataillon  ausdrücklich  bezeichnet,  sprechen  von  600  Mann. 
Massena  III,  107  gibt  800  an.  Genelin  19,  Anm.,  berechnet  nach  einiger  Kritik 
1500  Kampffähige. 

Lecourbe  selbst  schreibt  am  13.  Ventose  (3.  März)  aus  Bellinzona:  „Comme 
il  parait  par  son  contenu,  que  vous  gardez  les  compagnies  d'eclaireurs  et  les 
trois  compagnies  de  grenadiers  de  la  36e,  je  vous  prie  de  relire  vos  Instructions. 
Vous  verrez  que  vous  ne  devez  garder  que  deux  compagnies  de  grenadiers  de 
cette  demi-brigade.  La  route  que  vous  avez  ä  tenir  ne  necessite  pas  un  grand 
deploiement  de  forces.  Le  bataillon  et  les  deux  compagnies  de  grenadiers  vous 
fönt  ä  peu  pres  1200  hommes.  Les  points  que  je  dois  attaquer  demandent 
beaucoup  plus  de  forces,  etant  occupes  et  retranches  avec  art.  Je  vous  engage 
donc  ä  me  renvoyer  les  eclaireurs  et  une  compagnie  de  grenadiers,  sans  perdre  de 
temps,  et  de  maniere  ä  les  faire  arriver  ä  Bellinzona  le  15  au  soir."  Bousson  170,  7. 


190 


Nach  der  oben  angeführten  Stelle,  des  Feldtagebuches  folgte  Loison  aber 
keineswegs  diesem  Befehle.  Vielmehr  entsendete  er  die  zwei  Eclaireur-  und 
eine  Grenadiercompagnie  durch  das  Val  Piora  und  das  Medelserthal,  so  daß 
ihm  etwa  1200  Mann  zu  eigener  Verfügung  blieben. 

In  einem  Schreiben  aus  Nufenen  (Novena)  vom  18.  Ventöse  (8.  März)  von 
Lecourbe  an  Massena  heißt  es  sonderbarerweise :  „Je  suis  arrive  hier,  mon 
general,  dans  le  Val-de-Eheno  par  un  temps  affreux,  avec  les  dix  mille  hommes 
que  vous  m'avez  confies.  Je  n'ai  pas  encore  de  nouvelles  du  general  Loison 
qui  avec  trois  mille  hommes  a  passe  par  Dissentis."  Bousson  175, 14.  Es  liegt 
auf  der  Hand,  daß  hier  Uebertreibungen  vorliegen.  Vielleicht  sollte  diese  Meldung 
dem  Gegner  in  die  Hände  gespielt  und  er  dadurch  getäuscht  werden. 

Es  ist  ein  Irrtum  Genelins,  wenn  er  angibt,  die  Seitenkolonne  habe  den 
Lukmanier  überschritten.  Hiergegen  sprechen  alle  Angaben.  Es  wäre  doch 
wohl  auch  ein  gar  zu  großer  Umweg  von  Airolo  über  Biasca  und  Olivone  nach 
Sta.  Maria  gewesen.  Daß  aber  Lecourbe  keine  der  im  Blegno  stehenden  Truppen 
abgeben  konnte  und  wollte,  geht  aus  dem  oben  mitgeteilten  Schreiben  deut- 
lich hervor. 

38  (S.  31).  In  der  Nacht,  welche  Regen  und  Schnee  brachte,  haben  wohl 
die  meisten  geschlafen. 

39  (S.  31).  „Nur  ein  Weib,  das  bei  der  Leiche  eines  Angehörigen  wachte, 
war  nicht  zur  Flucht  zu  bewegen.  Die  Franzosen  ehrten  ihre  Pietät  und  ihren 
Mut,  thaten  ihr  kein  Leides  und  ließen  ihre  Wohnung  unangetastet."  Genelin  S.  18. 

40  (S.  31).  Karten:  Topogr.  Atlas  der  Schweiz  Bl.  497.  411.  412.  Topogr. 
Karte  Bl.  XV. 

41  (S.  31).  „Nachdem  sie  die  Wohnung  des  Pfarrers  geplündert,  schleppten 
sie  den  Kaplan  Jakob  Anton  Condrau  und  den  Bruder  des  Ortspfarrers  Venzin 
bis  zum  nahegelegenen  Gute  Miras.  Dort  stachen  sie  ihnen  die  Augen  aus, 
schnitten  ihnen  Nasen  und  Ohren  ab  und  schössen  dann  beide  nieder."  Genelin 
nach  zeitgenössischen  Berichten  S.  20. 

42  (S.  31).  „Selbst  Frauen  bewaffneten  sich  mit  Morgensternen  und  traten 
in  die  Reihe  der  Kämpfer.  Darunter  thaten  sich  am  folgenden  Tage  namentlich 
zwei  Tavetscherinnen,  Scolastica  Riedi  und  Katharina  Beer,  durch  ihren  Helden- 
mut hervor."    Genelin  S.  21. 

43  (S.  32).  Nach  Conradin  von  Moor,  Geschichte  von  Currätien  S.  1298, 
liefen  die  Kaiserlichen  rheinabwärts  bis  S.  Placidus  und  nahmen  erst  hier  wahr, 
daß  ihnen  niemand  auf  den  Fersen  sei.  Der  Vorwurf  dieser  kopflosen  Flucht 
trifft  doch  wohl  nur  einzelne  Leute. 

44  (S. 33).  Massena  III,  107  erklärt  diesen  plötzlichen  Schrecken  wie  folgt: 
„Malheureusement  une  panique,  occasionnee  par  le  bruit  de  sa  mort  et  de  l'echec 
de  sa  colonne,  s'empara  de  son  arriere-garde  et  de  ses  flanqueurs  de  droite; 
l'ennemi  debouchant  alors  sur  tous  les  points,  l'attaqua  avec  impetuosite  et  le 
chassa  du  bourg  avec  grandes  pertes.  Cependant  une  petite  piece  de  canon, 
place  dans  la  gorge  oü  s'avancait  le  gros  de  l'ennemi,  protegea  efficacement 
sa  retraite."    Die  Kanone  stand  demnach  südöstlich  des  Weilers  Funsi. 

45  (S.  33).  Nach  der  Berechnung  von  Moor  und  Genelin.  Einzelne  Zeit- 
genossen sprechen  von  800  Toten.  Das  ist  eine  sicher  übertriebene  Schätzung. 
Nach  Massena  III,  108  blieben  Loison  noch  500  Kampffähige. 

46  (S.  33).  „Als  die  Franzosen  Loisons  durch  Tavetsch  zogen,  lag  die  Leiche 
des  ermordeten  Priesters  noch  auf  der  Straße.    « Das  sind  die  Heldenthaten  der 


191 

großen  Nation»,  rief  der  General  aus,  «gestern  wurden  arme  wehrlose  Männer 
erschlagen  und  heute  müssen  wir,  geschlagen  und  besiegt,  mit  Schmach  und 
Schande  uns  zurückziehen.*"    Genelin  S.  25. 

47  (S.  34).  Moor  S.  1298.  Das  Feldtagebuch  der  Division  berichtet  unter 
dem  16.  Ventöse  (B.März):  „La  brigade  de  gauche,  commandee  par  le  general 
Loison,  marcha  en  deux  colonnes,  la  premiere  d'Airolo  ä  St-Marie  (demnach 
nicht  über  den  Lukmanier,  sondern  durch  das  Val  Piora  über  den  Piano 
dei  Porci)  et  la  seconde  d*Urseren  ä  Dissentis;  apres  plusieurs  combats  les 
plus  opiniätres  et  des  succes  marquants,  la  premiere  colonne  fut  obligee  de  se 
retirer,  ne  pouvant  faire  tete  ä  la  masse  d'ennemis  quelle  avait  k  combattre. 
Le  general  Loison  prit  le  sage  parti  de  la  reunir  k  la  seconde  colonne  sur 
Dissentis,  oü  le  corps  de  troupe  ä  l'aide  du  mouvement  du  general  Demont 
venant  de  Reichenau  repoussa  l'ennemi  et  tint  position  k  Dissentis  sous  le 
nom  de  corps  detache." 

Lecourbe  selbst  hat  hier  hinzugesetzt :  „Le  general  Loison  fut  force  de  se 
retirer  ä  Urseren  jusqira  l'arrivee  des  renforts  envoyes  par  Reichenau.  L'in- 
surrection  des  paysans  en  fut  le  motif  et  nous  tit  perdre  une  cinquantaine 
d'hommes." 

Ein  Zeitungsblatt  jener  Tage  gab  über  die  Niederlage,  welche  Loison  er- 
litten, folgendes  zum  besten:  „Am  7.  früh  morgens  rückten  die  Franken  gegen 
Dissentis  vor.  Hier  waren  zwei  Compagnien  des  österreichischen  Regimentes 
Brechainville,  welche  zusammen  ungefähr  400  Mann  betrugen,  postiert,  welche 
zu  ihrer  Verteidigung  zwei  Kanonen  aufgepflanzt  hatten.  Ungeachtet  die  frän- 
kische Kolonne,  welche  aus  dem  Polenzerthal  über  den  St.  Mariaberg  herkommen 
und  den  Angriff  unterstützen  sollte,  ausgeblieben  war,  wurde  der  Angriff  doch 
unternommen,  und  sogar  war  man  im  Begriff,  mit  gefälltem  Bajonett  einzu- 
dringen und  die  Kanonen  mit  Sturm  zu  nehmen,  als  einige  tausend  Bündner 
Bauern  den  Franken  in  den  Rücken  und  in  die  Flanken  fielen  und  sie  beinahe 
umringten,  ein  Umstand,  der  um  so  bedenklicher  wurde,  da  den  Franken  durch 
die  ungestüme  Witterung  die  meisten  Patronen  naß  und  unbrauchbar  geworden 
waren.  Es  blieb  ihnen  kein  anderes  Mittel  als  schleunige  Flucht  auf  die  Grenzen 
von  Urseren  zurück,  allein  ein  Schwärm  Bauern  hatte  ihnen  den  Weg  abgelaufen 
und  war  vor  ihnen  an  den  Oberalpsee  gekommen;  mehrere  Franken  wurden 
daher  daselbst  abgeschnitten,  nach  Bünden  zurückgetrieben  oder  erschlagen, 
so  daß  sie  auf  diese  Art  beinahe  die  Hälfte  ihrer  Leute  verloren." 

Massena  a.a.O.  111,107:  „On  croyait  les  Autrichiens  faibles  dans  cette 
partie  des  Grisons,  mais  la  levee  en  masse  des  habitants  de  la  vallee  les  avait 
renforces  de  plusieurs  milliers  d'hommes  determines."  Vergl.  auch  das  Schreiben 
von  Lecourbe  an  Loison  vom  3.  März.  Die  Schlappe  wurde  jedenfalls  für  sehr 
bedenklich  angesehen:  denn  das  helvetische  Direktorium  bot  Loison  die  zur 
Bedeckung  der  gesetzgebenden  Gewalten  gehörende  Legion  als  Verstärkung  an. 

48  (S.  34).  Eine  Abordnung,  zu  der  J.  A.  v.  Castelberg,  Ludwig  Caprez  und 
Pater  P.  a  Spescha  gehörten,  traf  Demont  in  Banz.  Der  General  wollte  zunächst 
keinerlei  Bedingungen  gewähren.  „Da  sprach  Spescha,  der  dem  General  an- 
empfohlen war,  und  es  gelang  ihm,  Demont.  dessen  Großmutter  ja  eine  Dissen- 
tiserin,  dessen  Bildungsstätte  Dissentis  gewesen  war,  zur  Annahme  der  Kapitu- 
lation zu  bewegen."  Demont  stammte  in  der  That  aus  dem  Lugnez;  er  bewies 
auch  sonst  viel  Menschlichkeit. 

i3  (S.  34).  Clausewitz  I,  74  75  bemerkt  hiezu :  „Man  sah  dies  als  eine  Art 
von  strategischem  Alignement  an,  eine  Vorstellungsart,  die  bei  den  Franzosen 
damals  sehr  Mode  war.  Drang  nämlich  Massena  bis  an  den  Rhein  oberhalb 
des  Bodensees  vor,  so  lief  die  französische  Aufstellungslinie  entweder  durch  das 
Thal  Montafun  (falls  man  Feldkirch  bekam)  oder  durch  das  Prättigau  nach 
dem  untern  Engadra  auf  Nauders  und  von  da  ins  Etschthal  und  den  Vintschgau. 


192 

In  dieser  Aufstellung  glaubten  die  Franzosen  sich  halten  zu  können  oder  sie 
als  eine  Station  zu  weitern  Fortschritten  betrachten  zu  dürfen.  Durch  diese 
Verschiebung  des  rechten  Flügels  von  der  Schweizerarraee  bedrohten  sie,  wie 
sie  meinten,  die  rechte  Flanke  der  italienisch-österreichischen  Armee  durch 
das  Etschthal  und  hoben  die  nächste  Verbindung  derselben  mit  der  deutschen 
Armee,  nämlich  durch  das  Vintschgau,  auf,  indem  sie  solche  auf  die  über  den 
Brenner  gehende  beschränkten.  Gelang  es  ihnen  aber  gar  bis  Botzen  vorzu- 
dringen, so  ging  auch  die  Verbindung  über  den  Brenner  für  die  Oesterreicher 
verloren.  Dabei  war  es  den  französischen  Strategen  der  damaligen  Zeit  eine 
besonders  angenehme  Vorstellung,  daß  sie  in  den  Besitz  der  höchsten  Punkte 
kamen  und  nun  vom  Wormser  Joch  aus  unaufhörlich  von  oben  nach  unten  zu 
wirken  hatten." 

50  (S.  34).  Lecourbe  an  Massena,  9.  Ventöse  (27.  Februar)  aus  Altdorf,  bei 
Bousson  167,  6 :  „Quoique  vous  m'ayez  assure,  ainsi  que  l'ordonnateur,  que  les 
approvisionnements  en  tout  genre  etaient  assures  dans  cette  partie,  je  vous 
dirai  qu'ä  peine  il  y  existe  200  k  300  quintaux  de  farine,  etc. . . .  Tant  que  vous 
n'aurez  pas  le  pouvoir  de  faire  pendre  quelques-uns  de  ces  vampires,  qui,  pour 
s'enrichir,  speculent  sur  la  subsistance  des  armees,  nous  serons  toujours  dans 
la  misere."  Leider  war  Massena  selbst  der  ärgste  dieser  den  Galgen  verdienenden 
Blutsauger. 

51  (S.  34).  Dessoles,  Jean-Josephe-Paul- Augustin,  Marquis,  geboren  am 
3.  Oktober  1767  zu  Auch.  Von  1792  an  Hauptmann  einer  Freiwilligencompagnie 
in  den  AVestpyrenäen,  1795  Generaladjutant  in  Italien  und  dort  sehr  beliebt 
bei  Bonaparte.  Nach  dem  Zerwürfnisse  mit  Lecourbe  diente  er  als  Chef  des 
Generalstabes  in  Italien.  Moreau  verwendete  ihn  1800  in  gleicher  Eigenschaft 
in  Deutschland.  Als  Vertrauter  des  Siegers  von  Hohenlinden  mußte  Dessoles 
zeitweilig  aus  dem  Heere  ausscheiden.  Aber  bereits  1804  erhielt  er  das  Kreuz 
eines  Großoffiziers  der  Ehrenlegion  und  1805  die  wichtige  Stellung  eines  Kom- 
mandanten von  Versailles.  Von  1808  an  Divisionär  in  Spanien,  trat  er  1812 
an  die  Spitze  von  Eugens  Stabe,  um  schon  in  der  Mitte  des  Augusts  nach 
Frankreich  zurückzukehren.  Zur  Kestauration  übergetreten,  ward  er  von  dieser 
in  jeder  Weise  geehrt.  Kriegsminister  im  Kabinet  Decazes,  Pair,  General- 
lieutenant und  Kommandant  der  Nationalgarden,  diente  er  nun  ebenso  treu  den 
Bourbonen  wie  früher  der  Republik  und  dem  Kaiser.  Er  starb  zu  Paris  am 
3.  November  1828. 

Koch,  Massena  111,118/119  schreibt  über  ihn:  „Dessoles,  esprit  fin  et 
cultive,  offrait  des  traits  caracteristiques  d'une  originalite  rare  et  charmante. 
D'une  Instruction  soignee,  il  s'etait  nourri  de  la  fleur  des  auteurs  anciens. 
Familier  avec  leurs  chef-d'ceuvres,  il  connaissait  Columelle  aussi  bien  que  Cesar. 
Doue  d'une  Observation  penetrante,  il  etudiait  avec  un  soin  particulier  les 
Instructions  de  ses  chefs,  s'identifiait  en  quelque  sorte  avec  elles  et  s*efforcait 
completement  pour  n'etre  que  leur  interprete  consciencieux  et  intelligent.  Ses 
ordres  etaient  clairs  et  precis,  detailles  et  donnes  avec  une  elegance  de  forme 
qui  en  doublait  le  prix.  Ses  rapports  sont  cites  comme  modeles  du  genre.  D'un 
calme  qui  ne  se  dementait  jamais,  il  suivait  les  Operations  et  les  diverses  phases 
d'une  bataille  en  artiste,  ne  concourant  ä  l'action  directement  de  sa  personne, 
que  dans  les  moments  decisifs.  Ahne  du  soldat,  il  imposait  aux  chefs  par  sa 
superiorite  intellectuelle  et  la  haute  portee  de  son  esprit." 

52  (S.  35).  Bousson  168,7  und  172,10.  Karten:  Generalkarte  der  Schweiz 
Bl.  II  und  IV.  Topogr.  Karte  der  Schweiz  Bl.  XIX.  XX.  XV.  Topogr.  Atlas 
der  Schweiz  Bl.  421.  424.  425.  429  und  429bis. 

53  (S.  35).  Bousson  169,  8.  Die  Forcola,  ein  Paß  von  2217  m  Höhe  zwischen 
Pizzo  Forcola  und  Pizzo  di  Padion.  verbindet  Soazza  und  Chiavenna. 


193 


54  (S.  85).    An  Massena,  15.Vent.  (5.  März)  aus  Bellinzona.    Bousson  172, 11. 

55  (S.  36).    Bousson  174,  13. 

56  (S.  37).  Das  Feldtagebuch  schreibt :  „au  milieu  de  la  colonne  sans  pou- 
voir  les  secourir." 

57  (S.  37).     Die  Straße  über  den  Paß  wurde  erst  1818  erbaut. 

58  (S.  37).  Im  März  1890  ging  die  Guidenkompagnie  Nr.  8  über  den  San 
Bernardino.  Der  Bericht  dieses  Marsches  in  Nr.  16  der  „Allgemeinen  Schweizer 
Militärzeitung"  Jahrgang  1890. 

59  (S.  37).     Bousson  175,  15. 

60  (S.  39).  Memoires  et  lettres  de  Henri,  Duc  de  Rohan,  sur  la  guerre  de 
la  Valtelline.  Edition  Zurlauben,  Paris  1763,  I,  159.  „  . . .  C'est  bien  alors  que 
l'on  reconnut  veritable  que  les  montagnes  sont  comme  plaines  et  qu'elles  n'ont 
pas  seulement  les  chemins  accoutumes  et  frequentes,  mais  plusieurs  autres, 
lesquels,  bien  qu'ils  ne  soient  pas  connus  aux  etrangers,  le  sont  aux  gens  du 
pays,  par  le  moyen  desquels  on  sera  toujours  mene  au  lieu  qu'on  desire,  en 
depit  de  ceux  qui  voudront  s'y  opposer,  de  sorte  qu'un  sage  capitaine  ne  se 
hätera  jamais  h  garder  des  passages,  mais  bien  se  resoudra-t-il  plutöt  ä  attendre 
l'ennemi  en  campagne  pour  combattre,  ce  qui  peut  sembler  etrange  ä  qui  n'en 
a  pas  vu  le  succes  par  experience.  Ainsi  en  la  presente  occasion  —  drohender 
Angriff  gegen  das  Veltlin  und  Graubünden  durch  die  Kaiserlichen  —  on  croyait 
etre  assure  des  montagnes,  comme  autant  de  forteresses ;  il  se  trouva  qu'on  etait 
ouvert  de  tous  cötes,  et  qu'ä  mesure  qu'on  bouchait  un  trou,  on  en  decouvrait 
dix,  de  sorte  qu'il  n'eüt  fallu  une  bonne  armee,  mais  plusieurs  pour  garder 
le  pays." 

61  (S.  40).  Von  Tiefenkasten  nach  Ponte  (40  km)  hatten  sie  10  Stunden, 
von  Tiefenkasten  nach  Bivio  a  Stalla  (25  km)  6  Stunden,  von  Stalla  nach  Silva- 
plana  (18  km)  8  Stunden,  von  Stalla  nach  Casaccia  (14  km)  7  Stunden  gebraucht. 
Die  Truppen  hatten  demnach  10 — 15  stündige  Märsche  geleistet  und  zwar  bei 
ungünstigen  Witterungsverhältnissen  (Schnee)  wie  auf  schlechten  Wegen.  Immer- 
hin wurde  damals  der  Septimer-Paß  weit  häufiger  begangen  als  heute. 

62  (S.  40).  Lecourbe  an  Massena  am  23.  Ventöse  (13.  März)  aus  Zutz. 
Bousson  178,  17. 

63  (S.  40).  Sonderbarerweise  schreibt  der  Erzherzog  Karl  (I,  71) :  „Lecourbe 
. . .  ließ  ein  Detachement  durch  das  Davoserthal  abgehen,  um  den  österreich- 
ischen Posten  von  Scaletta  in  Rücken  und  Flanke  anzugreifen."  Dieser  Irrtum 
ist  von  allen  übrigen  Schriftstellern  ohne  weiteres  aufgenommen  worden.  Man 
blicke  jedoch  einmal  auf  die  Karte  und  vergegenwärtige  sich,  daß  Lecourbe 
in  der  Nacht  vom  11.  zum  12.  bei  Weißenstein  lagerte.  Clausewitz  (I,  77)  läßt 
sogar  die  Franzosen  über  den  Flüela  ins  Engadin  hinuntersteigen.  Das  brave 
Bataillon  hat  demnach  zwei  starke  Tagmärsche  in  einem  Vormittage  zurück- 
gelegt ! 

6i  (S.  41).  Lecourbe  schreibt  im  Feldtagebuch :  „L'ennemi  avait  dejä  cou- 
ronne  les  hauteurs,  on  se  battait  sur  les  montagnes  couvertes  de  neige  qui 
entourent  le  seul  defile  qui  arrive  au  pont,  mais  le  general  Lecourbe,  voyant 
que  pour  avoir  les  hauteurs  il  fallait  battre  le  gros  des  ennemis  qui  etaient 
au  pont  et  dans  la  plaine,  ordonna  des  charges  sans  trop  s'inquieter  de  ses 

flancs La  deroute  de  l'ennemi  fut  complete  et  alors  tout  ce  qui  se  trouvait 

dans  les  montagnes,  ralenti  d'ailleurs  par  une  quantite  de  neige  qu'on  ne  pouvait 
traverser  qu'avec  precaution,  fut  pris." 

Gflnther,  Feldzug  1799.  13 


194 


65  (S.  42).  Lecourbe  datiert  am  23.  Ventöse  (13.  März)  zwei  Schreiben  an 
Massena,  das  eine  morgens  aus  Zutz,  das  andere  abends  aus  Schuls.  Bousson 
178  ff.,  17/18. 

Erzherzog  Karl  (I,  82)  läßt  die  Franzosen  am  13.  nur  bis  zur  Brücke  von 
Zernetz  kommen.  Da,  wie  deutlich  aus  den  Akten  hervorgeht,  an  diesem  Tage 
keinerlei  Gefechte  von  irgend  welcher  Bedeutung  vorfielen,  so  hat  es  keinen 
Grund,  die  Ortsangabe  von  Lecourbe  zu  bezweifeln,  die  auch  mit  dem  Feld- 
tagebuch übereinstimmt.  Ein  Marsch  von  annähernd  50  km  ward  durch  diese 
Division  sicher  bezwungen. 

66  (S.  42).  Massena  an  das  Direktorium  aus  Chur  am  25.  Vent.  (15.  März). 
Mares  20  ff.  und  Bousson  181,  19. 

67  (S.  43).  „Le  bataillon  partit  de  Remy  (Remüs)  par  un  sentier  escarpe, 
difficile  et  impraticable  pour  la  saison  et  arriva  ä  Schieins,  position  importante 
pour  s'emparer  du  Pont-Martin"  (Martinsbruck).     Lecourbe  im  Feldtagebuch. 

68  (S.  44).  Schreiben  an  Loison  vom  S.März:  „Les  points  quejedois  atta- 
quer..." u.s.w.  Vergl.  Nr.  41  an  Massena  vom  5.  März:  „D'apres  les  ren- 
seignements  que  j'ai  pris,  il  parait  que  les  Autrichiens  se  portent  en  force  sur 
la  Valtelline  et  la  Haute-Engadine."  An  denselben  vom  9.  März:  „Les  Au- 
trichiens n'ont  pu  tenir  sur  aucun  point;  celui  du  Sf lugen  que  les  rapports 
nous  disaient  retranche  et  defendu  avec  l'artillerie,  ne  l'a  jamais  ete."  Bousson 
170,  3—6. 

69  (S.  45).  Schreiben  aus  Thusis  vom  19.  Ventöse  (9.  März)  an  Massena  : 
„D'apres  votre  deuxieme  lettre  d'hier,  que  je  regois  ä  l'instant,  j'ai  retire  l'ordre 
au  general  Dessoles,  de  se  porter  sur  Glurentz."  Warum  dieser  Gegenbefehl 
erfolgte,  ist  nicht  klar. 

70  (S.  45).  Erzherzog  Karl  (I,  82)  weist  darauf  hin,  daß  das  Montafun,  in 
der  linken  Flanke  der  Division  gelegen,  von  den  Oesterreichern  besetzt  war, 
„welche  bei  Gallthür  einen  Posten  hielten,  von  wo  ein  Steig  nach  Ardetz  ins 
Engadin  führt."  Der  Futschöl-Paß,  der  hier  in  Frage  kommt,  hat  eine  Höhe 
von  2767  m  und  kann  im  März  keineswegs  von  Truppen  benützt  werden. 

71  (S.  45).  Dazu  die  Schützencompagnien  der  Gerichte  Glurns,  Nauders 
und  Mals. 

72  (S.  46).  Geschichte  der  Kriege  in  Europa  seit  dem  Jahre  1792,  V.Teil, 
Berlin  u.s.w.  1833,  S.  105. 

73  (S.  46).  Massena  111,115.  Dlzarny-Gargas,  Deux  campagnes  k  l'armee 
d'Helvetie  S.  43,  Anm.  1,  versucht  das  unentschuldbare  Benehmen  des  Generals 
Maynoni  zu  erklären.  „Les  troupes  du  general  Menoni  marchaient  par  echelons, 
ce  qui  explique  qu'il  se  soit  trouve  isole  au  moment  d'attaque.  Le  2e  bataillon 
de  la  38e  avait  dejä  traverse  Schuls,  dans  la  journee  du  14  et  etait  arrive  ä 
Remüs."  Lecourbe  widersetzte  sich  später  geradezu  dem  Vorschlage  von  Massena, 
Schritte  zur  Auswechslung  des  Generals  thun  zu  wollen.  „Mainoni  avait  le  tort 
ä  ses  veux  de  s'etre  laisse  enlever  faute  d'une  garde  de  4  hommes  et  un  caporal." 
Massena  III,  120. 

74  (S.  46).  Stampfer,  Pater  Cölestin,  Professor,  Geschichte  der  Kriegsereig- 
nisse im  Vinstgau;  2.  Auflage,  Innsbruck  1893,  erzählt  auf  S.  50/51,  daß  zwei 
Schützencompagnien  der  Gerichte  Glurns  über  das  Schliniger-Joch  hin  gegen 
das  sogenannte  „weiße  Haus"  zwischen  Remüs  und  Schuls  die  Franzosen  be- 
unruhigt hätten.  „Während  nun  der  feindliche  General  Mainoni  seine  ganze 
Aufmerksamkeit  den  Schützen  zuwandte,  überraschte  ihn  unvermutet  Laudon 
vom  Scharl-Joch  her." 


195 

75  (S.  47).    Bousson  182—184,  20.    Aus  Schills  vom  25.  Ventöse  (15.  März). 

76  (S  47)  Joseph  Anton  Maynoni  ward  1756  zu  Valesio,  einem  Dorfe  der 
Tremezzina,  geboren:  sein  Vater  Bernardo,  Herr  von  Intigone,  pflegte  dort  den 
Sommer  zuzubringen.  Die  erste  Erziehung  erhielt  Maynom  bei  den  Jesuiten 
in  Como  und  kam  dann  als  junger  Mann  nach  Straßburg  i.  E  ,  um  die  dort 
in  der  Nähe  liegenden  Familiengüter  zu  bewirtschaften.  Um  1780  vermahlte 
er  sich  mit  Franziska  Klara  Schweitzer  de  Cauville  aus  Frankfurt  a.  M.  Zwölf 
Jahre  später  trat  Maynoni  zunächst  in  den  Zivildienst  der  Republik  und  dann, 
nachdem  er  mit  Mühe  der  Guillotine  entgangen,  in  die  Armee  Bald  ward  er 
zum  General  befördert.  Nach  der  fünfmonatlichen  Gefangenschaft  1799  erschien 
Maynoni  wieder  bei  der  helvetischen  Armee,  um  kurz  darauf  an  der  zweiten 
Schlacht  von  Zürich  teilzunehmen.  Hierauf  wurde  er  nach  Bern  gesendet,  um 
mit  dem  Direktorium  über  die  von  Massena  der  Schweiz  auferlegten  Kriegs- 
lasten zu  verhandeln.  Im  Winter  1799/1800  beteiligte  er  sich  mit  Marescot  an 
der  Erforschung  der  Alpenübergänge.  Bei  Marengo  schwer  verwundet,  erholte 
er  sich  niemals  vollkommen  und  starb  als  Kommandant  von  Mantua. 

Zu  vergleichen  Cav.  Major  Majnoni,  in  Rivista  militare  italiana,  Serie  111, 
Anno  XXVII,  Tomo  II,  Dispensa  5/6,  Maggio/Giugno,  Roma  1882. 

77  (S.  47).     Bousson  184,  21.     Schuls,  26.  Ventöse  (16.  März). 

78  (S.  48).     Massena  III,  117. 

79  (S.  48).  Im  Feldtagebuch  wird  das  I.,  im  Werke  von  d'Izarny-Gargas  (44) 
das  IL  bezeichnet.  Letztere  Angabe  ist  wahrscheinlich  richtig.  Sie  stützt  sich 
auf  das  Feldtagebuch  der  38.  Halbbrigade. 

80  (S  49)  Nach  Stampfer  (52)  diente  der  Schafhirte  vom  Dorfe  Schieins 
als  gezwungener  Führer.  Der  Unglückliche  wurde  von  den  Oesterreichern  ge- 
fangen. „Sein  unfreiwilliges  Verbrechen  wurde  auf  eine  grausame  Weise  geahndet. 
Zuerst  erhielt  er  100  Stockstreiche  (!),  hierauf  wurde  er  mit  einer  Kugel,  die 
ihm  durch  den  Kopf  gejagt  wurde,  begnadigt."  (sie !) 

81  (S  49)  Nach  österreichischer  Angabe  wurden  3  Hauptleute,  5  Lieute- 
nants, 237  Unteroffiziere  und  Soldaten  gefangen.  Dieser  Verlust  deutet  jedoch 
auf  2  Compagnien. 

82  (S.  49).    Bousson  184,  22. 

83  (S.  51).  Berichte  von  Massena  an  das  helvetische  Direktorium  in :  Amt- 
liche Sammlung  der  Akten  aus  der  Zeit  der  helvetischen  Republik  (1798—1803), 
III,  Bern  1889,  herausgegeben  von  Joh.  Strickler,  Nr.  423  vom  15.  März. 

84  (S  51).  Rohan  nahm  dieses  kleine  Festungswerk  ebenfalls  mit  Sturm 
am  19.  Juli  1635.  Zwei  Drittel  der  damaligen  kaiserlichen  Besatzung,  etwa 
200  Mann,  wurden  dabei  getötet. 

85  (S.  51).     Bousson  188,  24. 

86  (S.  51).     Bousson  191,  26. 

87  (S  51)  Lecourbe  an  Massena  aus  Fetan  am  2./3.  Germinal  (22./23.  März) : 
„Quant  ä  moi,  mes  troupes  n'ont  pas  eu,  ni  hier,  ni  aujourd'hui,  une  once  de 
pain."  . . .  „Mon  plus  cruel  ennemi,  c'est  la  faim;  je  n'ai  encore  re?u  que  4000 
rations  de  pain  ä  donner  ä  mes  troupes  depuis  hier :  je  viens  de  faire  enlever 
dans  quelques  communes  quelques  centaines  de  livres  de  pain,  le  seul  qui  leur 
restait;  je  vis  aussi  de  requisitions  pour  la  viande  qui  ne  manque  pas,  mais 
cela  diminue  nos  moyens  de  transport."    Bousson  192/194,  27/28. 


196 

88  (S.  51).  Lecourbe  an  Massena  aus  Fetan  am  2.  Germmal  (22.  März) : 
„Le  general  Dessoles  . . .  me  peignait  la  force  de  l'ennemi  superieure  ä  la  sienne, 
et  ne  se  souciait  pas  meme  de  l'attaquer  en  m'offrant,  si  je  le  voulais  m'en 
charger,  de  m'envoyer  2000  hommes.  Cette  proposition  tendait,  vous  le  sentez, 
en  cas  de  succes,  ä  recueillir  les  avantages  sans  courir  les  chances  du  combat ; 
il  pretend  n'avoir  pu  passer  ni  ses  subsistances,  ni  ses  munitions,  cependant 
je  sais  que  la  montagne  de  Bormio  ä  Sainte-Marie  est  praticable,  surtout  en 
faisant  im  petit  detour  par  Friel."  An  denselben  am  3.  Germinal  (23.  März): 
„Malgre  les  ordres  imperatifs  que  j'ai  donnes  au  general  Dessoles  pour  le 
concert  de  nos  Operations,  je  crains  qu'il  ne  laisse  porter  toutes  les  forces  de 
l'ennemi  sur  moi."    Bousson  192 — 195,  27/28. 

Alle  diese  Ausführungen  zeigen  deutlich,  daß  der  einen  Monat  später  aus- 
brechende offene  Zusammenstoß  zwischen  Dessoles  und  Lecourbe  eine  lange 
Vorgeschichte  hatte.  Nur  die  verzweifeltsten  Umstände  rechtfertigen  es,  strate- 
gische und  taktische  Verbände  derart  zu  zerreißen,  wie  dies  seitens  der  franzö- 
sischen Heeresleitung  damals  geschah.  Eine  Einbuße  an  der  Gesamtwirkung 
mußte  jedoch  die  unausbleibliche  Folge  sein. 

Bei  Massena  (III,  118)  heißt  es  über  die  Angelegenheit:  „II  (Lecourbe) 
rendit  compte  de  sa  Situation  &  Massena  en  lui  demandant  des  subsistances  et 
des  renforts,  et  porta  plainte  contre  Dessoles,  auquel  il  reprochait  de  n'avoir 
pas  fait  tout  ce  qu'il  aurait  pu  pour  arriver  ä  St-Marie  en  temps  opportun. 
Sans  doute  ce  retard  arreta  les  succes  de  Lecourbe  et  causa  l'echec  de  Martins- 
bruck,  mais  comme  nous  venons  de  le  dire,  Dessoles  recut  trop  tard  l'ordre 
de  marcher  en  avant,  et  d'ailleurs  le  manque  de  vivres  avait  ete  im  second 
empechement.  Lecourbe  l'ayant  accuse  aupres  du  general  en  chef  d'avoir  eu 
l'intention  de  le  faire  battre,  celui-ci  se  justifia  pleinement,  mais  meme  temps 
il  se  montra  vivement  offense  de  l'injure  et  de  la  hauteur  de  Lecourbe  et  offrit 
sa  demission." 

89  (S.  51).     Bousson  193. 

90  (S.  52).    Massena  III,  137. 

91  (S.  52).  Ein  Bauer  namens  Joseph  Federspiel  aus  der  „Motters"  erblickte 
den  Gegner.  Er  eilte  nach  Nauders,  um  Generalmajor  de  Briey  zu  benach- 
richtigen. Dieser  wollte  nichts  hören  und  drohte  dem  unbequemen  Warner  mit 
Prügeln.     Stampfer  70/71. 

92  (S.  52).  Lecourbe  im  Feldtagebuch:  „Lobjet  de  la  marche  du  general 
Loison  dans  cette  montagne  etait  d'arriver  sur  les  derrieres  de  l'ennemi  par 
Nauders  pour  tourner  la  ligne  de  retranchement  qui  avait  l'ennemi  au  dessus 
du  Pont  Martin,  ligne  qui  etait  appuye  ä  deux  roches  ä  pic  et  dans  laquelle 
le  chemin  passait.  Cet  obstacle  paraissait  insurmontable.  Le  general  Derby 
(de  Briey)  commandait  ä  Nauders,  le  major  Punkalti  (Munkatsy),  officier  dis- 
tingue,  commandait  l'avant-garde  ä  Pont  Martin." 

93  (S.  53).  „Si  Demont  eut  mis  dans  l'execution  de  ses  Instructions  la  meme 
energie  que  Loison,  c'en  etait  fait  des  4  bataillons  de  la  garnison  de  Nauders, 
pas  im  homme  n'eut  echappe."    Massena  III,  140. 

94  (S.  53).  Diese  Angaben  nach  dem  Feldtagebuch.  Die  Berichte  von  Le- 
courbe an  Massena  aus  Martinsbruck  vom  6.  Germinal  (26.  März)  und  aus 
Nauders  vom  7.  Germinal  (27.  März)  sprechen  von  2000  Gefangenen,  12  Ge- 
schützen und  1  Haubitze.  Bousson  195 — 199,  Nr.  29  und  30.  Erzherzog  Karl 
(I,  143)  gibt  neun  eroberte  Kanonen  an,  dagegen  keine  Zahl  der  Gefangenen. 

95  (S.  57).  Der  ausführliche  Bericht,  welchen  Dessoles  aus  Mals  am  6.  Germinal 
(26.  März)  an  Scherer  richtete,  findet  sich  bei  Mares  S.  30  ff. 


197 

96  (S.  57).  Ueber  diese  Kämpfe  noch :  Moriggl,  Alois,  Einfall  der  Franzosen 
in  Tirol  bei  Martinsbruck  und  Nauders  im  Jahre  1799,  Innsbruck  1855.  Ferner: 
Egger,  Dr.  Joseph,  Geschichte  Tirols  von  den  ältesten  Zeiten  bis  in  die  Neu- 
zeit, Innsbruck  1871—1880,  Bd.  III. 

Den  Verlust  von  Tauffers  erklärte  die  Bevölkerung  damit,  daß  FML.  Belle- 
garde von  den  Franzosen  erkauft  worden  sei.  (!)  Stampfer  (S.  64)  berichtet 
ausführlich  über  diesen  Gegenstand  und  gibt  dabei  interessante  Erläuterungen. 
So  schrieb  FML.  Bellegarde  an  de  Briey :  „Der  Herr  General  Laudon  ist  bei 
Tauffers  vom  Feinde  ganz  tourniert  und  fällt  vermutlich  demselben  in  die  Hände ; 
ich  muß  mich  gegen  Meran  halten  und  avisiere  Eure  Hochgeboren,  daß  Sie  in 
Nauders  auf  Ihren  Rücken  bedacht  sind,  indem  ich  von  hier  keine  Truppen 
detachieren  kann.  Bei  Laas  bleibe  ich  mit  der  Haupttruppe.  Avisieren  Sie  den 
General  Nobili.  Glurns,  25.  März,  10  Uhr  vormittags."  Solche  Schreiben  streifen 
freilich  hart  an  Verräterei.  Sie  sind  ein  Zeugnis  für  die  ganz  unglaubliche 
Gleichgültigkeit,  mit  welcher  auf  Seiten  der  Kaiserlichen  Krieg  geführt  wurde. 

97  (S.  58).     Clausewitz  I,  87. 

98  (S.  58).     Bertrand,  Memoires  de  St-Helene  T.  II. 

99  (S.  60).     Bousson  199,  31. 

100  (S.  61).  Bousson  204/205,  37.  An  Massena  aus  Fettan,  den  13.  Germinal 
(2.  April) :  „  . . .  Mes  troupes  sont  sans  souliers,  les  marches  continuelles  qu'elles 
ont  faites  et  qu'elles  fönt  tous  les  jours  dans  les  neiges,  en  sont  cause.  Voyez 
ä  leur  en  fournir  preferablement  ä  toutes  autres.  . . .  Mais  j'ai  un  ennemi  plus 
cruel  ä  combattre,  la  faim ;  je  n'ai  encore  vu  aucun  employe  de  la  compagnie 
Bodin;  j'ai  fait  des  marches  ä  son  compte  ;  j'ai  vecu  et  je  vis  encore  de  requisi- 
tions,  ce  qui  ne  peut  durer  longtemps,  car  je  ne  trouve  plus  de  ressources. . . . 
Vous  ne  sauriez  croire  combien  ce  mouvement  retrograde  a  coüte  ä  tout  le 
monde ;  les  soldats  pleuraient  de  rage.  « Qu'on  nous  envoit  dans  cette  armee ! » 
disaient-ils  dans  leur  langage  ordinaire." 

101  (S.  62).  Als  Zeitgenosse  und  auch  sehr  ausführlich  berichtet  hierüber 
v.  Seida  und  Landenberg  124. 

102  (S.  64).     Bousson  207—212,  Nr.  40—44. 

103  (S.  64).  Massena  (III,  119/120)  charakterisiert  Lecourbe  wie  folgt :  „Les 
qualites  de  Lecourbe,  qu'on  peut  appeler  un  general  d'intuition,  offraient  peut- 
etre  l'opposition  la  plus  tranchee  avec  celle  de  Dessoles.  Grand,  fort,  robuste, 
son  corps  se  pretait  ä  toute  l'impetuosite  de  son  esprit.  Son  coup  d'oeil  etait 
excellent  sur  le  champ  de  bataille.  Cette  promptitude  de  conception  le  portait 
quelquefois  ä  modifier  les  Instructions  de  ses  chefs  sans  que  ceux-ci  aient 
jamais  eu  ä  lui  reprocher  des  fautes  dans  ses  rectifications.  Les  qualites  princi- 
pales  de  Lecourbe  etaient  la  spontanite,  la  vivacite  et  l'energie,  les  ressources 
qui  lui  offraient  ä  toute  heure  ses  talents,  en  faisaient  un  excellent  general 
pour  la  guerre  des  montagnes.  Si  la  fortune  lui  fut  moins  favorable  en  plaine, 
peut-etre  faut-il  l'attribuer  ä  quelques-unes  de  ces  causes  fatales  qui  arretent 
souvent  l'essor  des  intelligences  les  plus  eminentes." 

104  (S.  68).     Massena  III,  171. 

105  (S.  70).  Der  Bericht  von  Massena  über  diese  Ereignisse  bei  Bousson 
212—214,  Nr.  46/47. 

106  (S.  71).  In  den  ungedruckten  Akten  der  Armee  de  Danube,  aile  droite, 
finden  sich  folgende  Schreiben:  „Au  Quartier  general  de  Zernetz  le  13  floreal 
an  7.     Le  general  de   division  Lecourbe  au  general  de  division  Menard.     Je 


198 


tiens  encore  ma  position  sur  Zernetz  et  l'ennemi  ne  parait  (pas)  vouloir  m'in- 
quieter  sur  mon  front  de  retraite.  Hier  soir  je  n'avais  encore  aucun  Autrichien 
devant  moi,  ce  qui  me  prouve  qu'il  fait  quelques  mouvements  sur  mes  derrieres 
et  mes  ailes.  Les  troupes  de  la  vallee  du  Lanquart  ont  ete  attaquees  hier. 
Un  capitaine  qui  s'est  retire  ä  Davos  m'a  donne  des  informations  vagues  ä  ce 
sujet ;  je  lui  ai  ecrit  de  se  retirer  sur  Bergun,  s'il  est  force  ä  Davos  et  de  vous 
en  prevenir  ou  de  se  retirer  sur  moi  s'il  ne  peut  faire  autrement.  Je  serai 
oblige  de  me  retirer  demain  sur  Pont,  mais  comme  il  n'y  a  point  de  position 
militaire,  j'ai  prefere  rester  ici  pour  attendre  le  general  Loison.  J'ai  provi- 
soirement  un  bataillon  ä  Chiavenne  pour  eclairer  le  lac  de  Come.  Je  n'ai  point 
eu  hier  de  nouvelles  de  l'armee  d'Italie.  La  securite  oü  Ton  me  laisse  m'est 
de  mauvais  augure,  je  ne  doute  pas  que  dans  peu  vous  soyez  attaque,  si  dejä 
vous  ne  l'etes.     Lecourbe." 

Genanntes  Schreiben  ist  von  10  Uhr  vormittags  datiert.  Ihm  folgte  ein 
zweites  mit  dem  Wortlaute :  „Je  viens  d'etre  malheureux ;  force  de  tenir  position 
hier  et  aujourd'hui  pour  attendre  le  mouvement  du  general  Loison,  l'ennemi 
vient  de  m'attaquer  avec  des  forces  triples.  J'ai  eu  beaucoup  de  peine  de  me 
retirer  sur  Zernetz,  cependant  je  suis  parvenu  ä  couvrir  ma  retraite  sur  Zernetz. 
Je  l'effectue  cette  nuit,  partie  par  l'Albula,  partie  par  Casaccia;  le  general 
Loison  se  retire  sur  Morbegno ;  rien  n'est  egal  aux  desordres  qui  se  commettent 
sur  le  lac  de  Como,  l'insurrection  est  complete.  Le  general  Demont  est  pri- 
sonnier,  tous  les  chefs  de  Corps  et  une  partie  des  officiers  sont  blesses  ou  tues. 
Je  ne  peux  pas  savoir  combien  j'ai  des  blesses,  j'en  ai  ä  peu  pres  autant 
qu'avant-hier.  Voilä  la  Situation  ou  je  me  trouve;  malgre  mes  reclamations, 
on  m'a  fait  echiner  (sie !)  apres  avoir  eu  constamment  des  succes ;  je  n'ai  pas 
lieu  d'etre  fort  content.  Prenez  vos  mesures  pour  couvrir  l'Albula  et  le  Davos. 
Je  vous  previens  que  le  general  Demont  a  ete  pris  avec  la  serie  des  mots 
d'ordre;  il  importe  de  les  changer.  Signe  Lecourbe.  Pour  copie  conforme: 
signe  Menard." 

107  (S.  74).  Die  Oesterr.  Militär.  Zeitschrift  II,  1812  gibt  den  Verlust  der 
Franzosen  an  Gefangenen  auf  7  Offiziere,  800  Mann  an. 

108  (S.  74).  „Au  quartier  general  de  Filisur,  le  16  floreal  an  7.  Le  general 
de  division  Lecourbe  au  general  en  chef  Massena.  Vous  avez  vu  par  ma  lettre 
du  14,  mon  eher  general,  ä  quels  partis  j'ai  eu  affaire.  Ces  Messieurs  m'ont 
fait  l'honneur  de  me  combattre  avec  12000  ä  15  000  hommes  et  quatre  generaux. 
Vous  voyez  que  si  je  n'ai  pas  pu  me  maintenir  en  Engadine,  il  n'y  a  pas  de 
ma  faute ;  il  fallait  m'envoyer  les  secours  que  je  demandais  depuis  longtemps. 
Les  insurrections  eclatent  de  toutes  parts.  Mes  blesses  ayant  ete  arretes,  il 
est  necessaire,  d'apres  Vavis  du  general  Menard,  que  je  couvre  l'Albula  et  le 
Jidiensberg.  Comme  vous  me  dites,  qu'il  tnarche  des  troupes  sur  BeJlinzona, 
je  ne  passerai  point  le  Bernardin,  je  tiendrai  ma  gauche  ä  Bergun  et  je  serai 
etahli  ä  Tusis.  Vous  voyez  combien  ma  ligne  est  etendue,  mais  ayant  mes 
grenadiers  en  reserve  avec  moi,  je  pourrai  les  porter  aussi  promptement  que 
possible  sur  les  points  attaques.  II  est  necessaire  que  j'aie  un  general  de  brigade, 
sur  mon  point  de  gauche  surtout ;  car  je  suis  oblige  de  faire  tous  les  details 
de  corps,  et  encore  je  n'ai  qu'un  seul  chef  de  bataillon  dans  la  division.  Faites 
donc  envoyer  un  chef  de  brigade  ä  la  36e.  Le  capitaine  Perrier  qui  la  com- 
mande  est  un  officier  recommandable  et  qui  remplit  exaetement  son  devoir. 
Je  vous  rappeile,  mon  general,  de  m'envoyer  la  confirmation  des  quatre  nomina- 
tions  que  j'ai  faites.  Le  general  Loison  se  trouve  ä  Chiavenne  avec  la  76e, 
deux  bataillons  d'expedition  et  deux  de  la  12e  legere  qui  n'a  pu  passer  pour 
rejoindre  la  division  Grenier  ainsi  qu"elle  en  avait  l'ordre.  Je  tiendrai  ä  Splugen 
la  109e  pour  la  lui  envoyer  au  besoin.  Je  le  Charge  de  garder  Carach  (Casaccia) 
et  Melozza  (Maloja)  par  oü  l'ennemi  peut  venir  sur  lui  de  l'Engadine  ainsi  que 


199 

de  la  basse  Valteline.  Si  le  general  Soult  etait  arrive  ä  Bellinzone  et  Lugano, 
ils  pourraient  l'icn  et  l'autre  faire  des  efforts  pour  retablir  la  communication 
du  lac  de  Come,  seid  point  par  lequel  le  general  Loison  peut  tirer  des  vivres, 
car  dans  sept  ou  huit  jours  probablement  il  n'en  aura  plus.  Je  continue  ä  lui 
donner  des  ordres  en  attendant  que  vous  fassiez  une  Organisation  nouvelle  de 
larmee;  veuillez  me  faire  part  de  vos  disjjositions  ä  cet  egard  et  si  vous  ap- 
prouvez  les  miennes.  Le  general  Demont  merite  que  vous  vous  employiez  pour 
lui  procurer  son  echange.  Quoique  ma  blessure  me  gene  un  peu,  je  n'en  con- 
tinuerai  pas  moins  mes  devoirs  avec  la  plus  grande  activite.  Mais  quand  nous 
retournerons,  vous  ne  me  laisserez  plus  en  l'air  avec  4000  contre  12  000  ä 
15  000,  dont  je  ne  pouvais  empecher  le  rassemblement.  Je  ne  serai  pas  fache 
que  d'autres  parcourussent  un  peu  les  montagnes  ä  ma  place ;  j'ai  perdu  un 
cheval,  mes  equipages  sont  je  ne  sais  oü,  enfin  n'importe  je  recommencerai 
quand  on  voudra.  Mais  l'armee  d'Italie  est  bien  loin.  Je  voudrais  que  les  Grisons 
soient  au  diable.  Ne  m'oubliez  pas  pour  les  vivres ;  il  me  sera  bien  difficile 
d'avoir  des  nouoelles  sur  les  mouvements  de  l'ennemi,  cependant  je  crois  qu'il 
manceuvre  encore  sur  nos  flancs,  ou  peut-etre  tentera-t-il  une  entreprise  sur 
Chiavenna  pour  faire  sa  jonction  sur  le  lac  de  Come,  mais  auparavant  il  faudrait 
qu'il  nous  chassät  de  Davos  et  Bergun.  J'espere  d'ailleurs  que  dans  peu  vous 
lui  taillerez  des  croupieres.    Salut  respectueux  et  amical.    Signe :  Lecourbe." 

„Au  quartier  general  de  Zizers,  4  mai  1799,  15  floreal  an  7.  Menard, 
general  de  division,  commandant  des  deux  premieres  divisions  de  l'aile  droite 
de  l'armee  du  Danube,  au  general  en  chef  Massena.  Vous  m'avez  ordonne, 
general,  de  faire  partir  la  309e  pour  Splwjen;  eile  est  partie.  Vouz  m'avez 
annonce  la  37e  et  la  17e,  je  n'ai  encore  regu  que  9  compagnies  de  la  37e,  je 
n'ai  aucune  nouvelle  des  autres,  ni  de  la  17e,  et  voici  ma  position :  La  l4e  ä 
Luzisteig  et  Flesch,  le  Ier  bataillon  de  la  103e  ä  la  poursuite  de  l'ennemi  ä 
Dissentis,  le  IIe  bataillon  de  cette  demi-brigade  dans  la  Landquart,  et  voilä 
tout.  Bien  au  Schollberg.  Bien  ä  Davos,  et  Coire  se  trouve  entierement  ä 
decouvert  par  la  retraite  du  general  Lecourbe,  et  ce  dernier  me  marque  que 
l'ennemi  se  porte  en  force  sur  Davos  pour  tomber  sur  Coire.  Voilä  ma  position 
critique;  je  n'ai  donc  pu  faire  autrement  que  d'arreter  la  mar  che  de  la  37 e,  ä 
qui  j'avais  donne  ordre  de  se  porter  ä  Splugen  pour  la  porter  sur  la  route 
de  Davos,  mais  ces  9  compagnies  de  la  37"  ne  sufflsent  pas  pour  garantir  Coire 
par  cette  route,  et  puis  rien  en  reserve  pour  porter  au  besoin ;  vous  avouerez 
que  c'est  desesperant.  Si  le  reste  de  la  37e  et  la  57e  ne  m'arrivent  pas  cette 
nuit,  je  ne  puis  repondre  de  rien  si  j'etais  attaque  demain.  Je  recois  une  lettre 
du  general  Lecourbe  datee  de  Bergun  ä  11  heures  du  matin  aujourd'hui ;  il 
occupe  dans  ce  moment  Alvaschein,  Alveneu,  Tiefenkasten,  Surava,  Fillisur  et 
Bergun.  II  doit  tenir  la  tout  demain,  16,  en  attendant  de  mes  nouvelles,  et  il 
doit  continuer  sa  route  sur  Splugen,  s'ü  n'en  regoit  pas.  Je  pense  que  l'envoi 
de  la  109e  le  tranquillisera,  car  il  se  desespere  de  l'etat  oü  on  le  laisse.  On 
assassine  tous  les  blesses  sur  toutes  les  routes,  et  bientöt  toutes  les  ordonnances 
le  seront  aussi,  on  se  souleve  de  tous  les  cötes  ä  ce  qu'il  me  marque.  II  a 
renforce  d'un  bataillon  le  general  Loison  qui  se  trouve  avoir  ä  present  de  500 
ä  600  hommes,  il  occupe  toujours  Chiavenna.  Le  general  Lecourbe  couvre 
l'Albula  avec  2  bataillons.  Voilä  l'extrait  de  sa  lettre  qu'il  termine  en  faisant 
des  vceux  pour  l'evacuation  des  Grisons.  General,  jettez  les  yeux  sur  ce  pays 
ci  et  ne  m'abandonnez  pas  ä  l'ennemi  sans  secours.  J'aurais  bien  voulu  que 
vous  fussiez  venu  comme  vous  l'aviez  dit  ä  mon  aide  de  camp.  Je  ne  serai 
tranquille  que  quand  j'aurai  recu  le  reste  de  la  37L  et  la  57e.  Je  vous  pre- 
viens  que  je  ne  puis  plus  envoyer  la  37e  au  general  Lecourbe.  I\  faut  qu'elle 
me  couvre  par  Davos,  et  la  57e  me  servira  ä  garder  le  Schollberg  et  Sargans 
et  ä  avoir  une  reserve.     Je  vous  salue,  votre  ami,  signe:  Menard." 

„Au  quartier  general  de  Zizers,  (6  mai)  17  floreal  an  7,  9  heures  du  soir. 
Gautier,  aide  de  camp,  au  general  Massena.     J'ai  l'honneur  de  vous  informer 


200 

qu'hier  ä  midi,  nos  depeches  furent  remises  aux  generaux  Menard  et  Chabran. 
Je  n'ai  rien  autre  chose  ä  vous  inander  relativeinent  au  general  Lecourbe  que 
ce  que  le  general  Menard  vous  a  fait  connaitre,  en  vous  envoyant  ce  matin 
copie  d'une  de  ses  lettres,  oü  vous  avez  vu  qu:il  va  s'etablir  de  sa  personne 
ä  Thusis,  en  appuvant  sa  gauche  ä  Bergun  qui  sera  d*ailleurs  fortement  sou- 
tenue  par  les  troupes  de  la  37e  que  le  general  Menard  a  envoyees  ä  Davos. 
Vous  avez  vu  aussi  que  le  general  Loison  occupe  Cbiavenna  et  couvre  le  Maloja 
et  la  basse  Valtelline  avec  la  12e  legere,  la  76e,  deux  bataillons  d'expedition 
et  un  bataillon  de  la  88e  que  le  general  Lecourbe  y  a  envoyes.  Splugen,  point 
intermediaire,  est  occupe  par  la  109e  et  la  comniunication  se  trouve  etablie 
entre  les  generaux  Lecourbe  et  Loison.  Rien  de  nouveau  jusqu*ä  present.  Puisque 
je  ne  suis  point  utile  ici,  j'irai  demain  chez  le  general  Lecourbe.  Je  comptais 
prendre  avec  moi  les  dispositions  pour  reattaquer  Ponte  comme  vous  Vavez 
wände  au  general  Chabran  par  la.  lettre  que  vous  m'avez  Charge  de  lui  re- 
mettre,  mais  les  generaux  Suchet  et  Marcs  qui  viennent  d'arriver  annoncaut 
que  votre  Intention  n'est  point  de  faire  cette  expedition  pour  le  moment,  je  me 
bornerai  ä  voir  autant  que  possible  la  position  des  troupes  et  ä  donner  au 
general  Lecourbe  celle  de  la  division  Menard.  Je  serai  de  retour  ici  apres- 
demain  et  j'attendrai  vos  ordres.  Maintenant  vous  pouvez  etre  tranquille  sur 
la  partie  que  nous  oecupons  dans  les  Grisons.  Les  troupes  que  vous  y  avez 
envoyees  doivent  suffire  pour  que  nous  nous  y  maintenions,  en  attendant  que 
nous  reprenions  l'offensive.  Le  general  Menard  a  donne  Vordre  de  faire  filer 
300  000  rations  de  biseuits  sur  la  division  Lecourbe.  Je  joins  ä  cette  lettre 
une  note  que  j'ai  faite  pour  placer  des  postes  de  correspondance  d'ici  ä  Zürich 
par  Wallenstadt ;  je  crois  que  ces  etablissements  seraient  avantageux  pendant 
que  votre  quartier-general  resterait  ä  Zürich;  et  si  vous  le  jugez  k  propos, 
vous  pourrez  donner  vos  ordres  en  rectifiant  ce  qui  sera  necessaire.  Salut  et 
respect.     Signe:  Gauthier." 

Alle  diese  Schreiben  enthalten  die  noch  ungedruckten  Akten  des  Feld- 
zuges. Sie  werfen  ein  gewisses  Licht  auf  die  Frage,  warum  Lecourbe  so  schnell 
den  Marsch  nach  Bellinzona  antrat.  Erzherzog  Karl  (I,  292)  vermutet :  „Zum 
Glück  durfte  sich  Massena  an  dem  Rheine  nicht  schwächen,  um  seinen  rechten 
Flügel  in  dem  Maße  zu  verstärken,  daß  er  dem  von  Chiavenna  aus  den  Gott- 
hard  und  die  Straße  durch  das  Rhonethal  bedrohenden  Feind  die  Spitze  bieten 
oder  wohl  gar  ihn  angreifen  konnte.  Der  französische  Obergeneral  war  vielmehr 
gezwungen,  auf  den  Vorteil  selbst  Verzicht  zu  leisten,  den  ihm  der  Marsch  des 
Lecourbe  nach  Lenz  und  die  dadurch  bezweckte  Möglichkeit  einer  hartnäckigen 
Verteidigung  Bündens  darboten.  Auf  seinen  Befehl  brach  Lecourbe  von  Lenz 
auf,  gewann  bei  Thusis  die  Viamala,  vereinigte  sich  mit  Loison  (dies  ist  Irrtum !) 
und  zog  durch  das  Thal  des  Hinterrheins  aufwärts  über  Splügen." 

Jomini  III,  332,  Anm.  1  schreibt:  „L"archiduc  Charles  attribue,  au  contraire, 
ä  Lecourbe  le  projet  de  se  retirer  de  TEngadine  sur  Lenz,  pour  se  rallier  ä 
Massena,  et  pense  que  ce  fut  le  general  en  cbef  qui  prescrivit  le  mouvement 
sur  Bellinzona.  Une  troisieme  version  afhrme  que  Lecourbe,  instruit  de  la 
revolution  des  paysans  et  des  efforts  sur  le  Luziensteig,  prefera  se  retirer  par 
le  Tessin,  plutöt  que  de  s'exposer  ä  etre  prevenu  ä  Dissentis."  Diese  letztere 
Angabe  ist  natürlich  ganz  falsch.  Als  Lecourbe  in  Lenz  ankam,  war  der  Auf- 
stand im  Oberlande  bereits  niedergeschlagen,  der  Angriff  von  Hotze  auf  die 
Steig  gescheitert.  Im  Texte  berichtet  Jomini  dagegen:  ..Quoiqu'il  n"eut  pas 
d*ordre  du  general  en  chef,  l'actif  Lecourbe  se  determina  ä  marcher  sur  le 
champ  vers  Bellinzona." 

Die  für  die  Entscheidung  der  Frage  in  Betracht  fallenden  Stellen  in  den 
oben  mitgeteilten  ungedruckten  Schreiben  sind  in  Kursiv  gedruckt.  Sie  sind 
zwar  nicht  geeignet,  ganz  klare  Auskunft  zu  geben,  wohl  aber  mit  einigen 
Vermutungen  zusammen. 

Es  war  natürlich  Lecourbe,  der  den  Gedanken  hegte,  wieder  nach  Ponte 


201 


und  damit  ins  Engadin  vorzugehen.  Massena  mag  eine  Zeit  lang  diesen  Gedanken 
wohl  auch  gehegt  haben,  dann  aber  mußte  es  ihm  klar  werden,  daß  er  sich 
höchstens  auf  die  Verteidigung  von  Bünden,  bei  einer  Wiederholung  der  An- 
griffe von  Hotze  und  Bellegarde,  beschränken  könne.  Die  Ruhestörungen  in 
den  kleinen  Kantonen  erforderten  die  Entsendung  der  Division  Soult  gegen  den 
Gotthard.  Dieser  mußte  überdies  mit  wenigstens  einigermaßen  ausreichenden 
Kräften  besetzt  werden,  angesichts  der  Erfolge  der  Verbündeten  in  Italien. 
Diese  Aufgabe  wäre  zunächst  der  Division  Soult  zugefallen,  indes  Menard  das 
Prättigau,  Lecourbe  die  Albula  und  das  Oberhalbstein  gesichert  hätte.  Als 
jedoch  Erzherzog  Karl  endlich  Miene  machte,  gegen  die  eigentliche  Schweiz 
vorzudringen,  kam  es  für  Lecourbe  darauf  an,  die  Stellung  von  Zürich  möglichst 
mit  Truppen  zu  versehen.  So  wurde  die  Division  Lecourbe  vom  Gotthard  heran- 
gezogen, ihre  Aufgabe  an  die  Division  Menard  übergetragen.  Die  Division  Menard 
vermochte  natürlich  nicht,  Graubünden  gegen  einen  an  Kräften  dreifach  über- 
legenen Feind  zu  halten.  Der  Besitz  des  Freistaates  fiel  jedoch  für  Massena 
eigentlich  nicht  mehr  in  Betracht,  als  Erzherzog  Karl  thatsächlich  den  Rhein- 
übergang sich  erzwungen  hatte. 


II.  Die  Aufstände. 

109  (S.  75).  Proklamation  von  General  Massena  behufs  Warnung  vor  Un- 
ruhen und  Angriffen  auf  das  französische  Militär  vom  3.  April.  Abgedruckt  in 
der  Amtlichen  Sammlung  der  Akten  der  helvetischen  Republik  IV,  Nr.  14. 
Massena  erklärt  darin:  „Je  vous  declare  en  consequence  que  des  ce  moment 
je  rends  responsables  les  communes  des  evenements  de  quelque  nature  qu'ils 
soient,  qui  se  passeront  sur  leur  territoire  contre  les  Francis.  Je  vous  declare 
en  outre  que  des  colonnes  frangaises  marcheront  avec  rapidite  sur  les  cantons 
oü  des  mouvements  d'insurrection  se  manifestent,  et  qu'ils  seront  detruits  par 
le  feu  et  le  fer." 

110  (S.  75).  Joh.  Konrad  Hotze,  von  Wm.  Meyer,  a.  Stadtrat  von  Zürich. 
Zürich  1853,  S.  255  ff. 

111  (S.  76).  Roverea,  F.  de,  Colonel,  Memoires,  edition  C.  de  Tavel.  Berne, 
Zürich,  Paris  1848,  tome  II,  131. 

112  (S.  76).  Ueber  den  Aufstand  in  Uri  berichtet  ausführlich  der  bereits 
im  Vorworte  angeführte  Dr.  F.  Lusser. 

113  (S.  77).  Soult  an  die  Schwyzer,  aus  Einsiedeln  den  2.  Mai.  In  der  Amt- 
lichen Aktensammlung  der  Helvetik  IV,  Nr.  165. 

114  (S.  77).  Memoires  du  Marechal-General  Soult,  Duc  de  Dalmatie.  Publies 
par  son  fils.    Tome  II,  65  ff.    Paris  1854. 

115  (S.  80).  Bericht  von  Soult  an  Massena  aus  „Ursern"  vom  24.  Floreal, 
abgedruckt  in  den  Memoires  II,  80.  Die  Ehre,  solche  Verschanzungen  zuerst 
errichtet  zu  haben,  gebührt  demnach  nicht  den  Nordamerikanern  des  Bürger- 
krieges von  1861/65,  sondern  diesen  von  Camossi  befehligten  Aufständischen! 

116  (S.  80).  Genelin  30  ff.  Wie  man  seitens  der  Franzosen  den  Aufstand 
erfaßte,  darüber  gibt  ein  Schreiben  von  Menard  an  Massena  vom  3.  Mai  aus 
Zizers  Auskunft.    Dasselbe  ist  bisher  ungedruckt  und  lautet :  „Mon  general.    Je 


202 

vous  fais  passer  copie  des  deux  lettres  que  je  viens  de  recevoir  du  general 
Lecourbe.  Vous  y  verrez  sa  position.  (Diese  Schreiben  stehen  oben  Anm.  106.) 
Je  ne  suis  pas  moins  embarasse  que  lui  dans  le  moment.  J'ai  toute  ma  troupe 
apres  les  insurges,  qui  comme  je  Tai  marque  ce  matin  au  general  Ferino,  sont 
venus  jusqu*aux  portes  de  Coire,  —  ils  ont  massaere  une  compagnie  de  la 
103e  demi-brigade  qui  etait  ä  Dissentis  et  se  sont  servis  de  leurs  armes,  —  ils 
ont  aussi  pris  une  piece  de  canon  que  j'avais  envoyee  au  pont  de  Reichenau. 
Ils  sont  au  moins  au  nombre  de  6000  hommes,  armes  de  fusils,  carabines, 
fourches  et  faux.  A  l'arrivee  du  renfort  que  j'ai  envoye,  ils  ont  ete  repousses 
jusqu'au  pont  de  Reichenau  et  j'ai  donne  l'ordre  qu'ils  soient  suivis  jusqu'ä 
ce  qu'ils  fussent  tous  detruits.  Ils  sont  commandes  par  des  anciens  militaires 
et  des  pretres,  tous  ä  cheval  et  ä  leur  tete,  —  j'espere  ce  soir  recevoir  la 
nouvelle  qu'il  n'en  existe  plus.  Le  chef  de  la  109e  demi-brigade  commande 
les  troupes  que  j*ai  envoyes  ä  leurs  trousses  (?).  Ils  ont  aussi  porte  300  ä 
400  hommes  ä  Vättis,  ahn  de  descendre  sur  Ragatz  pour  me  prendre  par 
derriere,  mais  j'ai  fait  passer  une  compagnie  en  avant  et  sur  la  hauteur  de 
Pfeffers  pour  leur  barrer  le  passage.  Je  ne  puis  en  ce  moment  executer  les 
mouvements  que  vous  m'ordonnez,  attendu  que  toute  la  troupe  que  j'ai  de 
disponible  est  employee  h  reduire  les  insurges.  J'ignore  meine  oü  peut  s'etre 
retire  le  general  Lecourbe,  j*attends  des  nouvelles  de  ce  general  et  aussitöt 
qu'elles  me  seront  parvenus,  je  remplirai  vos  vceux  ä  l'arrivee  des  troupes  que 
vous  m'annoncez.  II  ne  me  reste  qua  peine  les  troupes  indispensables  pour 
garder  le  point  indispensable  de  Fläsch,  le  fort  de  Luzisteig  et  la  gorge  inter- 
essante de  la  Landquart,  qui  est  attaquee  tous  les  jours  de  grand  matin  et 
avec  des  forces  superieures." 

117  (S.  81).  Das  Schreiben  lautet :  „Armee  Francaise  en  Helvetie,  3e  division. 
Liberte  —  Egalite.  Au  quartier -general  de  Dissentis,  le  23  ventöse  l'an  YII 
de  la  republique  francaise  une  et  indivisible.  Le  general  de  brigade  Loison 
ordonne  ä  tous  militaires  sous  ses  ordres  de  respecter  les  personnes  et  les 
proprietes  de  l'abbaye  de  Dissentis,  dont  les  peres  ont  traite  avec  egard  nos 
blesses  et  nos  prisonniers ;  il  invite  ses  camarades  les  officiers  generaux  ä  donner 
les  memes  ordres." 

118  (S.  81).  „Hardeville  bemächtigte  sich  der  Kornkammer  des  Klosters. 
Ja  er  wollte  sogar  das  zur  Aussaat  bestimmte  Korn  mit  Beschlag  belegen,  und 
nur  durch  die  Intervention  des  Kommandanten  von  Dissentis,  Salomon,  konnte 
das  Kloster  die  Aecker  besäen."    Genelin  S.  33. 

119  (S.  81).  „Eine  eigentümliche  Episode . . .  ereignete  sich  in  Somvix.  Nach- 
dem der  Landsturm  vorübergezogen  war,  sammelten  sich  dort  einige  flüchtige 
Franzosen.  Da  bewaffneten  sich  die  Mädchen  und  die  Knaben  unter  14  Jahren 
mit  Prügeln  und  Heugabeln,  trieben  die  Franzosen,  11  an  der  Zahl,  in  das 
Thal  Rabiusa,  umringten  sie  und  hätten  sie  totgeschlagen,  wenn  nicht  ein  alter 
Mann  dazu  gekommen  wäre  und  sie  davon  abgehalten  hätte.  Sie  machten  die 
Franzosen  zu  Gefangenen  und  führten  sie  ins  Dorf  Somvix  ein,  wo  sie  erst  noch 
von  den  ergrimmten  Weibern  getötet  worden  wären,  wenn  sich  nicht  der  Pfarrer 
ins  Mittel  gelegt  hätte."    Genelin  S.  40. 

120  (S.  81).  „Die  Bauern  hielten  trotz  des  heftigen  Kanonenfeuers  stand. 
Da,  mitten  im  Kampfe,  stürzte  ein  Mädchen,  Marie  Bühler.  mit  einem  Prügel 
bewaffnet,  aus  ihrem  Hause,  schlug  mit  dem  ersten  Streich  einen  Artilleristen 
vom  Pferde  und  hieb  wuchtig  auf  die  verblüfften  nächststehenden  Soldaten  ein. 
Die  Pferde  wurden  scheu,  es  entstand  Unordnung  unter  den  Franzosen,  die 
Bauern  drangen  mit  erneuerter  Wut  auf  sie  ein,  warfen  sie  aus  Ems  und  ver- 
folgten die  Fliehenden  aus  Plankis,  eine  halbe  Stunde  von  Chur  entfernt." 
Genelin  S.  44. 


203 

121  (S.  83).  Die  Berichte  hierüber  bei  Koch,  Massena  III,  S.  241  ff.  und 
bei  Mares. 

122  (S.  83).  „Ein  Einwohner  von  Inda  (Inden),  Heinrich  Camenzind,  von 
Gersau  gebürtig,  wurde  auf  einer  Schlachtbank  gemordet,  weil  er  den  Weg 
nicht  anzeigen  wollte,  durch  den  die  Walliser  jenen  nächtlichen  Ueberfall  (ob 
Inda)  unternommen  hatten.  Die  helvetische  Regierung  mußte  durch  einige 
hundert  Berner  die  Ernte  im  Wallis  besorgen  lassen,  weil  die  Einwohner  sich 
vor  ihren  grausamen  Besiegern  geflüchtet  hatten."    Ebel  III,  88. 

Karten:  Topogr.  Karte  Bl.  XIV.  XV.  XVII.  XVIII.  XIX.  Topogr.  Atlas 
Bl.  398.  411.491.  503. 


III.  Der  Verlust  des  Gotthard. 

123  (S.  85).  Die  beiden  miteinander  gewechselten  Schreiben  lauten  nach 
dem  Feldtagebuch :  „Le  Prince  Rohan,  general-major,  commandant  de  l'ayant- 
garde  de  l'armee  de  sa  majeste  l'empereur  et  roy,  ä  monsieur  le  general  Loison, 
commandant  des  troupes  frangaises,  ä  Bellinzona.  Vous  n'ignorez  pas,  monsieur 
le  general,  que  vous  etes  entoure  de  toutes  parts,  que  non  seulement  les  troupes 
de  sa  majeste  l'empereur  ont  force  la  pluspart  des  places  d'Italie  ä  se  rendre,. 
mais  qu'elles  sont  aux  portes  de  Turin;  que  partout  les  peuples  se  levent  en 
armes  contre  l'armee  fran^aise.  Voulant  epargner  l'effusion  du  sang  qui  ne 
pourrait  changer  la  position  oü  vous  vous  trouvez,  je  vous  somme  de  vous- 
rendre  prisonnier  de  guerre  avec  les  troupes  que  vous  commandez.  Je  vous- 
accorde  im  delai  de  48  heures,  vous  pouvez  m'envoyer  un  officier  de  confiance 
avec  lequel  je  puisse  traiter.  Je  vous  observe  cependant  que  cette  capitulation 
n'aura  lieu  qu'autant  que  le  general  de  division  Lecourbe  partagera  votre  sort 
avec  les  troupes  ä  ses  ordres.  Recevez,  monsieur  le  general,  l'assurance  de  ma 
consideration  distinguee.     Signe:  Le  Prince  Rohan." 

„Du  quartier -general  ä  Bellinzona,  le  24  floreal  an  7  de  la  republique 
francaise  (13  mai  1799).  Le  general  de  division  Lecourbe  au  prince  de  Rohan, 
general-major,  commandant  de  l'avantgarde  de  l'armee  autrichienne.  Le  general 
Loison  m'a  communique  votre  lettre,  monsieur  le  general,  par  laquelle  vous 
lui  donnez  un  delai  de  48  heures  pour  se  rendre  votre  prisonnier  avec  les 
troupes  qu'il  commande,  pourvu  toutefois  que  je  partage  son  sort.  Tour  vous 
eviter  la  peine  de  venir  me  chercher,  je  vous  previens,  monsieur  le  general,. 
que  je  vais  me  rapprocher  de  vous.  Veuillez  vous  dispenser  ä  l'avenir  de  m'en- 
voyer des  sommations  aussi  ridicules.     Signe:  Lecourbe." 

124  (S.  87).  Miliutin  II,  78,  Nr.  413.  Die  österreichischen  Quellen  geben 
460—500,  das  Feldtagebuch  nur  168  Gefangene  an. 

125  (S.  91).  Wichtig  für  die  Beurteilung  der  Charaktere  von  Hotze  wie  von 
Roverea  sind  die  Erinnerungen  eines  bernischen  Offiziers  aus  dem  Feldzuge 
von  1799.  Nach  dem  Tagebuche  des  Georg  Friedrich  von  Werdt  zu  Toffen 
(1780—1826)  abgedruckt  im  Berner  Taschenbuch  von  1863.  Bern  1863.  Edition 
L.  Lauterburg.  Der  Verfasser  trat  Anfang  1799  (März)  in  die  Compagnie  Courten 
des  Regiments  Roverea  ein,  welche  damals  in  Feldkirch  lag.  Trotz  seiner  nur 
achtzehn  Jahre  wurde  er  doch  sogleich  Oberlieutenant.  Er  schreibt  u.  a. :  „Ich 
fand  sie  in  einem  sehr  traurigen  Zustande ;  es  waren  80—90  zusammengeraffte 
Bauern,  deren  jeder  30  Kreuzer  Bezahlung  hatte,  ohne  Disziplin  und  Kenntnis 


204 


des  Kriegsdienstes.  Der  Hauptmann  war  ein  junger  Mensch,  der  sich  gar  nicht 
getraute,  die  Kerls  zu  formieren.  Ich  formierte  sie  zuerst,  teilte  die  Compagnie 
in  Plotons,  ernannte  Unteroffiziere  und  führte  aufs  wenigste  soviel  Suhordination 
ein,  daß  dieselben  als  Milizsoldaten  betrachtet  werden  konnten. . . .  Den  25.  (Mai) 
marschierte  die  Kolonne  ins  Klönthal.  (Die  Datierung  ist  hier  irrig !)  Sie 
bestand  aus  800  Mann  Schweizern,  400  Kaiserlichen  und  einiger  Landmiliz 
von  Glarus  und  der  umliegenden  Gegend.  (Roverea  zählt  je  600  Schweizer  und 
Kroaten  auf.)  Oberst  von  Roverea  kommandierte  die  Operation.  Dieser  Mann 
hatte  durch  die  Bravour  seiner  Truppen  das  Glück  gehabt,  sich  die  Reputation 
eines  braven  Kriegers  zu  erwerben,  wobei  ihm  seine  Intriguen  mithalfen.  Er 
vereinigte  mit  vielem  Witz  einen  unbeschränkten  Ehrgeiz.  Da  er  in  Frankreich 
im  Regiment  Ernst  als  Subalternoffizier  nur  zwei  Jahre  gedient  und  sich  sonst 
mit  dem  Militärdienst  nicht  abgegeben  hatte,  so  war  es  nicht  möglich,  in  einem 
so  kurzen  Zeiträume  die  Pflichten  eines  Befehlshabers  in  Kriegszeiten  zu  er- 
lernen. Zur  Zeit  der  helvetischen  Revolution  spielte  er,  obschon  nach  seinem 
eigenen  Geständnisse  seine  Grundsätze  sehr  in  einem  Doppellichte  erschienen, 
die  Rolle  eines  Chefs  ausgewanderter  Waadtländer  und  stieß  dadurch  die  neue 
helvetische  Regierung  vor  den  Kopf,  der  er,  als  sie  noch  ein  Komite  in  Lausanne 
gewesen,  seine  Dienste  angeboten  hatte ;  er  ward  dann  genötigt  auszuwandern. 
Beim  Anfange  des  Krieges  erhielt  er,  indem  er  sich  beim  Schultheißen  von 
Steiger  einzuschmeicheln  wußte,  die  Stelle  des  Chefs  des  Emigrantencorps.  Als 
solcher  ward  ihm  die  Führung  der  nach  dem  Pragel  vordringenden  Kolonne  zu 
teil.  Man  kann  sich  leicht  denken,  daß  er,  der  dazu  noch  sehr  von  sich  ein- 
genommen war,  nichts  anderes  als  Fehler  beging  und  seine  Leute  aufopferte. 
Daß  diese  Operation  unglücklich  endete,  erklärt  sich  daher  von  selbst.  Er 
entwarf  einen  Plan,  die  Franzosen  im  Muotathal  anzugreifen,  ohne  sich  im 
geringsten  mit  den  anderen  Generalen  zu  verständigen,  ohne  Kenntnis  des 
Landes,  ohne  Vorsichtsmaßregeln,  falls  wir  uns  retirieren  müßten,  und  ohne 
Anstalt  zur  Versorgung  der  Truppe  mit  Lebensmitteln  im  Falle  einer  starken 
Vorrückung.  Wir  marschierten  den  25.  über  Klönthal  nach  dem  Pragel  und 
kamen  in  der  Nacht  nach  einem  zehnstündigen  Marsche  oben  auf  dem  Berge 
an,  von  wo  wir,  ohne  zu  rasten,  im  tiefen  Schnee,  auf  einem  Fußpfade,  den 
nur  einer  nach  dem  andern  passieren  konnte,  nach  dem  Muotathale  hinunter 
marschierten,  um  mit  Tagesanbruch  die  Feinde  daselbst  anzugreifen.  Wir  langten 
daselbst  3  Uhr  morgens  den  26.  an,  attaquierten,  ohne  vorherige  Rast  und 
ohne  uns  zu  formieren,  den  Feind  in  der  größten  Unordnung,  warfen  ihn, 
machten  150  Gefangene  und  jagten  ihn,  obwohl  er  bei  3000  Mann  stark  war, 
bis  zwei  Stunden  vor  Schwyz.  Mit  diesem  Vorteile  hätte  sich  Roverea  begnügen 
und  in  Muota,  welches  eine  gute  Lage  hat,  und  auf  den  Anhöhen  hinter  dem 
Dorfe  aufstellen  sollen,  da  5  Bataillone  Franzosen  in  Schwyz  lagen,  die  Feinde 
sich  somit  verstärken  und  uns  jede  Stunde  mit  größter  Uebermacbt  angreifen 
konnten ;  allein  ungeachtet  der  Räte  seiner  Offiziere  befiehlt  er  anzugreifen  und 
trifft  seine  Dispositionen  auf  eine  so  ungeschickte  Art,  daß  unsere  Vorposten 
nebst  einer  Abteilung,  welche  die  Avantgarde  bildete,  so  im  Thale  zu  stehen 
kamen,  daß  die  Feinde  die  Anhöhen  hinter  uns  besetzen  und  uns  von  Muota 
abschneiden  konnten.  Der  Feind,  seinen  Vorteil  benützend,  kommt  uns  zuvor, 
attaquiert  uns  den  27.  in  der  Frühe  mit  aller  Macht,  nimmt  uns  das  detachierte, 
400  Mann  starke  Corps  gefangen  und  schlägt  uns  so  zurück,  daß  unsere 
Retirade  eine  Flucht  und  keine  militärische  Bewegung  war.  Der  Oberst,  welcher 
seinen  begangenen  Fehler  zu  spät  einsah  und  über  welchen  die  Offiziere  aufs 
äußerste  erbittert  waren,  verlor  ganz  den  Kopf  und  war  der  erste,  welcher  die 
Flucht  ergriff.  Im  Klönthal  erst  sammelten  wir  uns  wieder  und  nahmen  eine 
Stellung,  um  Glarus  zu  decken." 

Aehnliches  berichtet  Oberstlieut.  v.  Kirchberger,  Beiträge  zum  Feldzuge  von 
1  799,  in  der  Eidg.Ztg.  1862,  Nr.  96. 103. 108,  und  C.  F.  v.  Tscharner,  Die  Schweizer- 
Legion  Roverea  und  deren  erste  Gefechte,  im  Berner  Tagbl.  1894,  Nr.  248. 250. 253 


205 

126  (S.  92).  Nämlich  Karl  Ludwig  von  Haller -Königsfelden,  der  spätere 
Geschichtsforscher  (vergl.  die  Biographie  Hallers  im  Schweiz.  Geschichtsforscher 
Bd.  X,  S.  466),  und  Imthurn  von  Schaff  hausen.  Roverea  (II,  140)  gibt  die  Zahl 
von  140  gefangenen  Kroaten  und  14  Schweizern  an. 

127  (S.  92).  Roverea  (II,  147)  erzählt,  er  habe  am  2.  Juni  eine  Erkundung 
auf  dem  Urnerboden  vorgenommen.  Von  den  angeblich  hier  befindlichen  2000 
Glarner  Milizen  (besser  gesagt  Landstürmern)  sei  die  Hälfte  überhaupt  abwesend 
gewesen,  die  anderen  „chacun  oü  bon  hü  semblait."  (II,  148.)  „J'exhortai  leurs 
superieurs  qui  la  plupart  avaient  ete  officiers  dans  les  Services  etrangers,  ä 
user  de  severite  pour  le  maintien  de  l'ordre;  ils  me  repondirent  ingenüment 
qu'ils  n'oseraient,  dans  la  crainte  d'etre  assommes  en  rentrant  chez  eux." 

128  (S.  93).  Lecourbe  schreibt  im  Feldtagebuche:  „Les  trois  compagnies 
marcherent  au  pas  de  course,  sans  tirer  un  seul  coup  de  fusil  et  sans  considerer 
qu'ils  attaquaient  une  masse  de  3000  ä  4000  hommes  et  qui,  entasses  dans  un 
chemin  creux  et  deconcertes  d'une  teile  audace,  tournerent  le  dos." 

Bei  dieser  Gelegenheit  zeigte  der  Grenadier  Mesnard  von  der  4.  Compagnie 
I./109.  Halbbrigade  die  höchste  Aufopferung.  Er  tötete  einen  Offizier  und  nahm 
einen  andern  gefangen.  „Le  general  Lecourbe,  pour  lui  temoigner  sa  satis- 
faction,  ne  pouvant  l'elever  en  grade,  parce  qu'il  etait  analphabete,  lui  donna 
une  gratification."    (Aus  dem  Feldtagebuch.) 

Die  amtlichen  Berichte  über  dieses  Gefecht  findet  man  bei  Mares  und  in 
der  Oesterr.  Milit.  Zeitschrift  1812,  II. 

129  (S.  93).  „Als  Hadik  von  der  Niederlage  St.  Juliens  hörte,  verlor  er  in 
dem  Grade  den  Kopf,  daß  er  das  erste  ihm  zu  Gesicht  kommende  Kommando 
von  30  Husaren  seiner  Avantgarde  zu  Hülfe  schickte,  um  den  Gebirgspaß  zu 
verteidigen."    Miliutin  II,  123. 

130  (S.  99).  Hier  mögen  noch  einige  Zeitungsnachrichten  jener  Tage  folgen, 
die  deutlich  die  Sachlage  schildern: 

Beilenz,  19.  Mai.  Gegen  den  16.  sammelten  sich  16  000  Franken  bei 
Giubiasco  und  zur  nämlichen  Zeit  vermehrten  sich  auch  die  Oesterreicher  in 
Lauis.  Den  17.  griffen  die  Franken  bei  Taverne  mit  einer  Halbbrigade  an, 
machten  bei  400  Gefangene,  töteten  oder  verwundeten  viele,  verloren  aber 
ebenso  viele  Gefangene.  Den  18.  war  auf  dem  Monte  Cenere  ein  zweites 
Gefecht  mit  großem  Verlust  von  beiden  Seiten.  Auch  im  Misoxerthal  soll  ein 
Treffen  vorgefallen  sein,  bei  welchem  die  Kaiserlichen  900  Gefangene  gemacht 
haben.  Folgendes  ist  das  Gemälde  vom  gegenwärtigen  Zustande  der  Schweiz : 
„Der  Zustand  unseres  Landes  ist  erbärmlich.  Erpressungen,  Plünderungen, 
Räubereien,  Grausamkeiten,  Gewalttaten,  Verwüstung  der  Weinberge  und 
Felder,  Wegtreibung  des  Viehes,  Beraubung  des  Geflügels,  Erbrechung  der 
Keller  und  Vorratsräume,  die  Entweichung  der  meisten  Einwohner  in  die  Ge- 
birge, Familien  in  Verzweiflung  herumirrend,  ohne  Brot,  ohne  Lebensmittel, 
die  Häuser  voll  Soldaten,  für  die  kaum  Unterhalt  aufzutreiben  ist." 

Augsburg,  10.  Juni.  Ein  Amtsbericht  von  General  Bellegarde  liefert 
folgende  Umstände  über  die  Einnahme  vom  Gotthard  und  der  Teufelsbrücke. 
Der  Feind  verstärkte  sich  nach  dem  am  27.  Mai  erlittenen  Verlust  den  folgenden 
Tag  mit  frischen  Truppen  und  schien  den  wichtigen  Posten  von  Airolo  und 
vom  Gotthard  behalten  zu  wollen.  Ihn  aus  seinen  Stellungen  zu  sprengen  fand 
der  Generallieutenant  von  Hadik  es  für  gut,  noch  denselben  Tag  ihn  anzugreifen. 
Er  führte  den  Angriff  gegen  Abend  mit  drei  Kolonnen  aus  und  verdrängte  den 
Mittelpunkt  des  Feindes  mit  dem  Bajonette  und  etwelcher  Reuterei,  daß  die 
Feinde  mit  einem  beträchtlichen  Verluste  von  Toten,  Verwundeten  und  Ge- 
fangenen fliehen  mußten.  Ungeachtet  der  anbrechenden  Nacht  verfolgte  man 
sie  bis  zum  Spital,  und  der  Rückzug  würde  ihnen  bei  Airolo  abgeschnitten 


206 


worden  sein,  wenn  die  linke  Kolonne  unter  dem  Befehl  des  Prinzen  von  Rohan 
nicht  durch  die  vom  Feinde  abgeworfenen  Brücken  gehindert  worden  wäre, 
zur  rechten  Zeit  einzutreffen.  Zu  Airolo  fanden  die  Oesterreicher  ein  beträcht- 
liches Magazin  von  Reis  und  anderen  Lebensmitteln  und  eine  Menge  von  Kauf- 
mannswaren, welche  der  Feind  teils  in  Beschlag  genommen,  teils  an  anderen 
Orten  geraubt  hatte.  Indessen  rückte  bei  Anbruch  des  folgenden  Tages  der 
Graf  von  St.  Julien  mit  seiner  Brigade  gegen  die  Teufelsbrücke,  nahm  sie  weg 
und  machte  viele  Gefangene.  Der  Feind  mag  innert  den  drei  Tagen  bei  600 
Tote  und  Verwundete  und  bei  4000  Gefangene  verloren  haben. 

Luzern,  13.  August.  Lecourbe  soll  die  Oesterreicher,  die  im  Kanton  Uri 
liegen,  über  einen  Teil  der  Gletscher  umgehen,  bei  Ursern  vordringen  und  sie 
samt  und  sonders  in  dem  Rücken  packen;  dazu  werden  200  Schlitten  zurecht 
gemacht  und  schlittförmige  Lafetten  verarbeitet.  Bis  man  bei  Ursern  vorge- 
drungen ist,  werden  zur  See  falsche  Angriffe  gemacht  werden;  vor  einigen 
Tagen  haben  die  Franken  den  Flecken  Flüelen  vom  See  her  in  einen  Aschen- 
haufen verwandelt. 

Haslithal,  15.  August.  Anfangs  dieser  Woche  vermehrten  sich  die  Franken 
bei  uns  bis  auf  ungefähr  6000.  Vorgestern  Abend  verreiseten  sie  nach  Gadmen 
und  Guttannen,  um  die  Kaiserlichen  gestern  im  Wallis  und  gegen  Uri  anzu- 
greifen und  soeben  erhalten  wir  den  bestimmten  Bericht,  daß  sie  in  Schwyz 
und  Uri  eingerückt  seien.  Am  letzteren  Orte  seien  viele  bewaffnete  Bauern 
gefangen  und  niedergemacht  worden.  Auf  der  Grimsel  währte  gestern  das 
Gefecht  neun  Stunden  lang.  Endlich  erstiegen  die  Franken  den  Berg  im  Sturm- 
marsch. Tote  und  Blessierte  auf  beiden  Seiten  etwa  100  Mann.  Nach  heutigen 
Berichten  soll  das  Wallis  nun  von  den  Kaiserlichen  geräumt  sein  und  die 
Franken  sollen  sich  von  unten  und  oben  vereinigt  haben. 

Die  Franken  haben  am  13.  die  Verschanzungen  am  Simplonberge  erobert. 
Seither  schlug  man  sich  ohne  Aufhören,  bis  es  den  15.  nach  einem  harten 
Widerstand  den  Franken  gelang,  den  Berg  zu  umringen,  sich  desselben  zu 
bemächtigen  und  die  kaiserlichen  Truppen,  welche  ihn  besetzt  hielten,  gefangen 
zu  nehmen.     180  der  letztern  sind  bereits  eingetroffen. 

Luzern,  16.  August.  Am  13.  abends  schiffte  Lecourbe  noch  zehn  Grenadier- 
Compagnien  mit  vielem  Kriegsgeräte  ein;  er  selbst  verreiste  um  Mitternacht. 
Die  zehn  Compagnien  fuhren  auf  die  Höhe  von  Gersau,  ein  Teil  wurde  dort 
ans  Land  gesetzt,  der  andere  schiffte  nach  Brunnen,  und  Lecourbe  an  die 
Treib.  Mittwochs,  schon  bei  anbrechendem  Tage,  hörte  man  fürchterlich  die 
Kanonen  donnern  rings  um  den  Waldstättersee,  von  Kindlismord  bis  auf  Flüelen. 
Den  ganzen  Morgen  dauerte  dieses  infernale  Gebrüll,  als  ob  Himmel  und  Erde 
darüber  hätten  einstürzen  können.  Gegen  nachmittags  3  Uhr  brachte  man  über 
Wasser  einige  verwundete  Franzosen,  eine  Stunde  nachher  mehrere  und  späterhin 
ein  ganzes  Schiff  voll.  Xun  endlich  vernahmen  wir  mit  Gewißheit,  daß  auf 
allen  Punkten  angegriffen  worden  und  das  Gefecht  bei  Brunnen  weit  am  hart- 
näckigsten gewesen.  Die  Oesterreicher  hatten  dort  zwei  Batterien  angebracht, 
die  erbärmlich  auf  die  französischen  Schaluppen,  Flötze  feuerten.  Eine  Kolonne, 
die  sie  über  Land  in  der  Flanke  angriff,  brachte  sie  endlich  zum  Schweigen. 
Die  Truppen  landeten  und  halfen  noch  ihren  Kameraden  das  vor  etwa  fünf 
Wochen  geplünderte  Brunnen  plündern.  Oesterreicher  waren  sehr  wenig  im 
Gefecht,  aber  desto  mehr  Bauern,  und  die  haben  aufs  hartnäckigste  drei  Stunden 
lang  gestritten ;  es  sollen  viele  von  ihnen  geblieben  sein.  Sie  erhielten  keinen 
Pardon.  So  viel  gefangen  wurden,  so  viel  wurden  erschossen.  Auch  die  Franken 
haben  stark  gelitten.  Unser  Spital  ist  von  blessierten  Soldaten  angepfropft  und 
im  Jesuitenkollegium  liegen  die  Offiziere.  Tote  zählen  sie  eine  Menge,  General 
Oudinot  und  ein  anderer  sind  hart  verwundet.  Die  Einwohner  von  Schwyz 
haben  sich  mit  ihrer  Habe  in  die  Berge  geflüchtet,  selbst  im  Flecken  Schwyz 
blieb  der  Rößliwirt  einzig  zurück.  Bei  Rapperswyl  und  in  derselben  Gegend 
ward  bis  abends  1 0  Uhr  gefachten.   Lecourbes  Plan  war  dieser :  General  Gudin 


207 

drang  über  Brienz  und  Guttannen  gegen  Wasen  vor,  Loison  marschierte  von 
Stanz  und  Seelisberg  nach  Altdorf,  Boisvin  von  Arth  aus  auf  Brunnen  und 
Schwyz,  unterstützt  von  dem  See  her  von  Lecourhe.  Chabran  zog  von  Zug 
nach  Einsiedeln  und  von  da  über  den  Etzel  nach  dem  Zürichsee.  Auf  allen 
Punkten  siegten  die  Franken.  Lecourbe  hat  sein  Hauptquartier  von  Luzern 
nach  Altdorf  verlegt. 

Luzern,  23.  August.  Heute  soll  der  Freiheitsbaum  im  Flecken  Schwyz 
wieder  aufgerichtet  werden.  Von  ungefähr  3500  Aktivbürgern,  die  zu  diesem 
Distrikt  gehören,  sind  10—15  Individuen  anwesend;  die  übrigen,  Greise,  Männer 
samt  Weibem  und  Kindern,  haben  sich  beim  Anrücken  der  Franken  über  den 
Pragel  nach  Glarus  und  von  da  nach  Wallenstadt  geflüchtet. 

2.  Oktober.  Vorige  Woche  sind  die  Franken  auf  dem  Gotthard  von  den 
Russen  angefallen  und  nach  einem  fürchterlichen  Gefecht,  das  bis  in  die  Nacht 
dauerte,  verjagt  worden.  Viele  Franken  haben  bis  80  Patronen  verschossen. 
Noch  stunden  sie  zum  Steg  und  bei  Wasen,  so  daß  das  Passage  durch  Uri  den 
Russen  noch  nicht  offen  war.  Aber  gleich  darauf  sollen  die  von  allen  Seiten 
andringenden  Russen  die  Franken  von  allen  ihren  Posten  verjagt  haben  und 
Meister  von  Uri,  vielleicht  auch  von  Glarus  geworden  sein.  Die  Franken  zogen 
sich  über  die  Furka  ins  Wallis  zurück,  wo  nach  neueren  Berichten  die  Kaiser- 
lichen bis  Siders  vorrückten. 

Schwyz,  23.  November.  Welch  ein  Elend  herrscht  noch  am  Gotthard  überall ! 
Im  Dorf  Hospenthal  liegen  noch  20  Personen  krank,  einige  sind  seit  kurzem 
wieder  gestorben.  In  Realp  greift  die  Krankheit  ebenfalls  wieder  um  sich.  In 
Göschenen  liegen  25  Personen  darnieder.  In  Realp,  das  15  kleine  Häuser  hat, 
die  ungefähr  von  180  Menschen  bewohnt  sind,  stehen  zwei  Compagnien  Soldaten. 
Tote,  Kranke,  Gesunde,  Soldaten  wohnen  in  einer  sehr  kleinen  Stube  beisammen, 
und  oft  liegen  die  Kranken  in  eiskalten  Kammern,  damit  die  Soldaten  warme 
Wohnstuben  haben.  Hospenthal  hat  35  Häuser  und  sechs  Compagnien  zur 
Einquartierung.  Urseren  mit  70  Häusern  muß  fünf  Compagnien  halten  und 
außerdem  noch  Bäckerei,  Metzge,  Ambulance  und  einen  Troß  von  Eseltreibern. 

Altdorf,  1.  Dezember.  Im  Thale  von  Urseren  liegen  noch  immer  13  Com- 
pagnien, die  nun,  was  das  Aergste  ist,  schon  seit  drei  Tagen  ohne  Fleisch 
und  Brot  sind.  Die  armen  Einwohner  müssen  die  Soldaten  ernähren.  Diese 
Unglücklichen,  welche  zwei  Drittel  ihres  Viehes  verloren  haben,  besitzen  nur 
noch  wenige  gute  Milchkühe.  Sollten  sie  diese  noch  liefern  müssen  oder  durch 
den  Raub  verlieren,  so  bleibt  den  Elenden  wahrhaftig  nichts  als  Verzweif- 
lung übrig. 

Peri,  Pietro,  Storia  della  Svizzera  Italiana,  II.  ediz.,  Lugano  1866,  S.  144  ff. 
erzählt,  daß  Bürger  der  Gemeinde  Quinto  (Leventina)  am  Sonntag  den  28.  April 
die  Fuhrwerke  der  Division  Lecourbe  auf  der  Straße  zwischen  Fiesso  und 
Ambri  infer.  angegriffen  hätten.  Ein  Stabsschreiber,  die  Wagenwachen  und  eine 
kleine  Abteilung  Kanoniere  wurden  gefangen  und  mißhandelt.  Die  Gemeinde 
Quinto  zeigte  derjenigen  von  Faido  sogar  das  Geschehnis  mit  triumphierenden 
Ausdrücken  an.  Hierauf  zogen  400  Aufständische  aus  der  ganzen  Leventina 
unter  Euhrung  des  noch  nicht  zwanzig  Jahre  alten  Giuseppe  Antonio  Camossi 
den  Urnern  zu  Hülfe.  Bei  dem  Gefechte  auf  der  Höhe  des  Gotthard-Passes 
verloren  die  Leventiner  34  Mann  an  Toten,  von  denen  28  aus  Airolo  selbst 
waren.  Quinto,  Faido  und  Giornico  erlitten  dann  am  18.  Mai  durch  die  Division 
Lecourbe  eine  Brandschatzung  von  je  5000  Franken. 

Die  Brigade  Rohan,  welche  am  10.  Mai  abends  in  Lugano  einzog,  wurde 
dort  allgemein  mit  den  Rufen:  „Viva  Francesco  IL!  Vivano  i  nostri  liberatori!" 
empfangen.  Zuerst  fiel  der  Freiheitsbaum,  welcher  3000  Lire  gekostet  hatte. 
Dann  forderten  und  erhielten  die  neuen  „Befreier"  in  4  Tagen  15  800  Rationen 
ohne  das  Pferdefutter;  die  Kosten  betrugen  überhaupt  bis  zum  21.  Mai  über 
40  000  Lire.    Zudem  mußten  sämtliche  Seebarken  bis  auf  fünf  nach  Capolago 


208 


geliefert  werden.  Der  seit  der  Gegenrevolution  vom  28. /29.  April  im  Stadt- 
gefängnis sitzende  helvetische  Militärinspektor  Major  Mayer  von  Trimmis  (Grau- 
bünden) kam  am  15.  Mai  nach  Ungarn  auf  die  Festung. 

An  dem  Gefechte  vom  17.  Mai  auf  dem  Monte  Cenere  nahm  auch,  als 
Reserve  der  Brigade  Strauch,  das  von  dem  bekannten  altgesinnten  Posthalter 
Rossi  befehligte  „Corpo  scelto"  teil. 

Karten :  Topogr.  Karte  Bl.  XIII.  XIV.  XVIII.  XIX.  XXIV.  Topogr.  Atlas 
Bl.  263.  394.  398.  399.  407. 


IV.  Die  Ereignisse  während  der  Waffenruhe. 

131  (S.  105).  Xach  Dedon  (S.  22)  ließ  Luzern  eine  Art  von  Kanonierflößen, 
erstellen  und  durch  schiffartsgeübte  Bürger  bemannen.  Dazu  trat  das  große 
Schiff,  die  „Länder-Baue"  genannt,  dessen  Ausrüstung  nebst  sechs  weiteren 
Schaluppen  das  helvetische  Direktorium  durchführte.  Lecourbe  wird  auch  noch 
andere  Xauen  und  Schiffe  der  Ufergemeinden  genommen  und  für  seine  Zwecke 
dienstbar  gemacht  haben.  Befehlshaber  der  Flottille  auf  dem  Vierwaldstättersee 
im  Sommer  1799  waren  der  französische  Geniehauptmann  Henri  Chapel  und 
der  Infanteriehauptmann  Schumacher  aus  Luzern. 

Das  Feldtagebuch  schreibt  über  diese  Angelegenheit  unterm  21.  Thermidor 
(11.  Juli) :  „ . . .  Du  moment  de  son  arrivee  ä  Lucerne  (Lecourbe),  sentant  la 
necessite  d'etre  maitre  du  lac,  il  mit  tout  en  usage  pour  faire  construire  des 
chaloupes  canonieres  qui  du  moment  qu'elles  furent  jetees  ä  l*eau,  allaient 
croiser  pres  de  Fluelen.  Cette  invention  rendit  les  plus  grands  Services  au 
general  Lecourbe,  en  ce  que  par  les  croisieres  continuelles  sur  le  haut  lac 
toute  communication  entre  Fluelen  et  Bauen  etait  interceptee." 

132  (S.  106).  Gudin  entstammte  dem  kleinen  Provinzadel.  Geboren  1768  zu 
Montargis,  war  er  Mitschüler  von  Xapoleon,  1784  Unterlieutenant  im  Infanterie- 
regiment Artois,  1791  Lieutenant.  Xach  dem  Feldzuge  auf  St.  Domingo  Adjutant, 
forderte  er  1793  enttäuscht  seinen  Abschied.  Der  bekannte  Gerard  hielt  den 
jungen  Mann  von  diesem  Schritte  zurück  und  wirklich  erfolgte  schon  1794  die 
Ernennung  zum  Generaladjutanten,  1795  die  zum  Brigadechef  und  Chef  des 
Generalstabes  im  Corps  des  Generals  Gouvion  St.  Cyr.  Im  Februar  1799  Brigade- 
general, 1800  Divisionär,  wird  er  auch  rühmlich  in  den  FelcLzügen  von 
1806/1807  und  1809  (Wagram)  genannt.  Bei  Volutina-Gora  tödlich  verwundet, 
starb  Gudin  tief  betrauert  vom  Kaiser  am  22.  August  1812  zu  Smolensk. 

133  (S.  106).  Zu  diesen  Aenderungen  bemerkt  Lecourbe  im  Feldtagebuch  : 
„Par  la  position  qu'avait  pris  le  general  Lecourbe  sur  les  hauteurs  de  Bauen 
et  de  Seelisberg  et  en  occupant  tous  les  sommets  des  montagnes  sur  la  rive 
gauche  de  la  Reuss  et  du  lac  de  Waldstetten,  il  s'etait  conserve  la  facilite  de 
deboucher  quand  il  le  voudrait  dans  la  vallee  de  la  Reuss. . . ." 

134  (S.  107).  Lecourbe  bemerkt  im  Feldtagebuche:  „Le  succes  de  cette 
journee  est  du  ä  l'intrepidite  et  au  courage  du  capitaine  Duchet  qui,  avec  40 
hommes,  arreta  l'ennemi  pendant  4  heures  sur  les  hauteurs  de  Bauen  et  donna 
le  temps  aux  4  compagnies  d'arriver ;  le  brave  officier  prit  alors  le  commande- 
ment  et  enfonga  l'ennemi  de  toute  part.  Le  general  Lecourbe  l'a  nomme  chef 
de  bataillon  sur  le  champ  de  bataille." 

Karten :  Topogr.  Karte  Bl.  XIII. 


209 


V.  Die  Wiedereroberung  des  Gotthard. 

135  (S.  109).  Die  in  diesem  Abschnitte  behandelten  Ereignisse  beleuchtet 
ausführlich  Prof.  Dr.  Meyer  v.  Knonau,  Die  kritischen  Tage  des  Gebirgskampfes 
im  Koalitionskriege  1799,  abgedruckt  im  VII.  Bande  der  Neuen  Alpenpost, 
Zürich  1878,  S.  78.  89.  99. 109. 118  ;  sowie  im  Neujahrsblatt  der  Zürcher  Feuer- 
werkergesellschaft von  1887.  Diese  Arbeit  stützt  sich  auf  die  vornehmsten 
gedruckten  Quellen. 

136  (S.  111).  Dieser  Feldzugsplan,  datiert  vom  27.  Thermidor  (14.  August), 
findet  sich  bei  Jomini  (Pieces  justificatives  Nr.  2,  im  IV.  Bande  der  belgischen 
Ausgabe)  und  bei  Clausewitz  (II,  56). 

137  (S.  113).  Einzelne  Ausgaben  behaupten,  die  Brigade  Boivin  sei  in 
diesen  Tagen  von  General  Molitor  befehligt  worden.  Das  Feldtagebuch  weiß 
jedoch  nichts  von  der  Aenderung  in  der  Person  des  Führers,  es  erwähnt  Molitor 
erst  unter  dem  28.  August.  So  darf  also  wohl  angenommen  werden,  daß  Boivin 
an  jenem  Tage  die  Brigade  des  linken  Flügels  wirklich  führte. 

138  (S.  115).  Nach  einer  im  Thale  erhaltenen  Ueberlieferung  wäre  der 
Sturm  erst  beim  dritten  Anlaufe  gelungen  und  nicht  ohne  erhebliche  Verluste 
geglückt. 

139  (S.  116).  Hierüber  besonders:  Lohbauer,  R.,  Prof.,  Der  Kampf  auf  der 
Grimsel  am  14.  August  1799,  Bern  1838.  Die  kleine  Arbeit  ist  darum  von 
Wichtigkeit  für  die  Darstellung  der  Ereignisse,  weil  Lohbauer  noch  die  Er- 
zählungen von  Augenzeugen  zu  verwerten  vermochte  und  es  auch  wirklich  that, 
freilich  in  der  denkbar  schwülstigsten  Sprache,  welche  jene  romantische  Zeit 
„bilderreich"  nannte. 

140  (S.  117).  Warum  nennt  Lohbauer  den  Fahner  einen  Verräter  ?  Er  ge- 
hörte keinem  der  kriegführenden  Staaten  an,  war  dagegen  ein  Günstling  der 
Franzosen  und  mußte  diesen  unfreiwillig  Führerdienste  thun.  Fahner  scheint 
ein  mindestens  recht  kindlich  denkender  Mensch  gewesen  zu  sein,  sonst  hätte 
er  doch  wohl  die  Bitte  in  Bezug  auf  den  Räterichsboden  nicht  gestellt. 

U1  (S.  122).  Der  Bericht  von  Lecourbe  über  die  Ereignisse  der  drei  Tage 
bei  Bousson  214  ff.,  Nr.  48.  Er  ist  an  Massena  gerichtet  und  vom  30.  Thermidor 
(17.  August)  aus  Altdorf  datiert. 

142  (S.  124).  Gabriel-Jean-Joseph,  Graf  Molitor  wurde  am  7.  März  1770  zu 
Hayange  im  Mosel-Departement  geboren.  Er  war  also  ein  Welschlothringer. 
Für  die  Revolution  begeistert,  begann  er  seine  militärische  Laufbahn  als  Capi- 
taine  eines  Freiwilligenbataillons  (1792).  Anfang  1799  erstieg  er  den  Grad  des 
Brigadegenerals.  Im  Jahre  1800  befehligte  Molitor  eine  Division  im  Corps 
Lecourbe,  die,  als  „Flanqueurs  de  droite"  bezeichnet,  gegen  Vorarlberg  handelte 
und  die  Besetzung  von  Bünden  durchführte.  Molitor  trat  1805  in  Dalmatien,  1807 
in  schwedischen  Gebietsteilen  mit  vieler  Auszeichnung  auf.  Der  Kaiser  belohnte 
ihn  auch  mit  dem  Grafentitel.  Am  19.  Mai  1809  säuberte  er  die  Lobau  von 
den  Kaiserlichen  und  leistete  erfolgreichen  Widerstand  bei  Aspern.  In  den 
folgenden  Jahren,  als  Gouverneur  in  Hamburg  wie  in  Holland,  sorgte  er  sehr 
für  seinen  eigenen  Nutzen.  An  den  hundert  Tagen  nahm  er  nicht  teil,  dagegen 
beendete  er  1823  den  spanischen  Krieg  und  empfing  vom  Könige  die  Pairs- 
würde  und  den  Marschallstab.  Ein  eigentliches  Amt  übernahm  er  damit  nicht, 
sondern  lebte  ziemlich  zurückgezogen  schriftstellerischen  Arbeiten,  welche  im 
Spectateur  militaire  nach  und  nach  erschienen.  Erst  1847,  zum  Gouverneur 
des  Invalidenhauses  und  1848  zum  Großkanzler  der  Ehrenlegion  ernannt,  trat 

Günther,  Feldzug  1799.  14 


210 


er  wieder  mehr  in  die  Oeffentlichkeit,  starb  jedoch  bereits  am  28.  Juli  1849  zu 
Paris.  —  Im  Jahre  1815  war  es  Molitor,  welcher  seinen  alten  Vorgesetzten, 
den  Generallieutenant  Lecourbe,  dem  Kaiser  vorstellte. 

Karten:  Topogr.  Karte  Bl.  XIII.  XIV.  XVIII.     Topogr.  Atlas  Bl.  393.  394. 
397.  398.  403.  407.  411.  490.  494. 


VI.  Suworoff. 


143  (S.  128).  Einen  Beitrag  zur  Geschichte  dieses  Feldzuges  und  zur  Kritik 
seiner  Geschichtsschreiber  gibt  Dr.  Otto  Hartmann  in :  Der  Anteil  der  Russen 
am  Feldzuge  von  1799  in  der  Schweiz,  Zürich  1892. 

144  (S.  145).     Hier  einige  Lebensbilder  der  Gehülfen. von  Suworoff: 
Andrej  Grigorewitsch  Rosenberg  wurde  1740  geboren  und  entstammte  dem 

Adel  Kurlands.  Seit  1753  Soldat,  stieg  er  1757  infolge  seines  Verhaltens  in 
der  Schlacht  von  Groß- Jägerndorf  zum  Fähnrich  auf,  bei  Kunersdorf  1759 
erhielt  er  den  Grad  eines  Unterlieutenants.  Bei  Tscheme  im  ersten  Türken- 
kriege Capitainelieutenant  in  der  Garde,  1775  Oberst,  1782  Generalmajor,  1790 
Generallieutenant,  1797  General  der  Infanterie,  1800  Gouverneur  von  Kamenz- 
Podolski,  1803  von  Cherson,  1805  verabschiedet,  gestorben  1813. 

Otto  Wilhelm  Christorowitsch  Derfelden  (eigentlich  von  der  Felden)  ent- 
stammte dem  esthländischen  deutschen  Adel  und  ward  1735  geboren.  Von  Kor- 
poral (1754)  im  Leibgarde-Kavallerieregiment  stieg  er  1775  zum  Oberst,  1777 
zum  Generalmajor,  1784  zum  Generallieutenant  auf.  Suworoff  zeichnete  ihn 
nach  der  Schlacht  am  Rimnik  ganz  besonders  aus  und  nahm  ihn  1794  nach 
Polen  mit,  worauf  Derfelden  1795  General  der  Kavallerie  ward.  Er  galt  als 
der  eigentliche  Nachfolger  und  Stellvertreter  des  Oberfeldherrn  im  Kriege 
von  1799.     Schon  1800  verabschiedet,  starb  er  im  Oktober  1819. 

Maxim  "Wassiljewitsch  Rehbinder,  geboren  1730,  war  noch  1750  gemeiner 
Soldat,  er  fand  aber  in  den  Türkenkriegen  Gelegenheit  sich  auszuzeichnen. 
Plötzlich  erlangte  er  auch  die  Gunst  des  allmächtigen  Potemkin,  wurde  1787 
Oberst,  das  Jahr  darauf  Generalmajor,  1799  Generallieutenant.  Rehbinder  fand 
bei  seinen  Truppen  eine  schwärmerische  Verehrung  und  hieß  bei  ihnen  „Vater." 

Fürst  Peter  Iwanowitsch  Bagration  aus  Grusien,  geboren  1765.  Von  1782 
an  in  russischen  Diensten  und  zwar  als  Sergeant  im  kaukasischen  Musketier- 
regiment. Bereits  1793  Major,  nach  dem  Sturme  auf  Praga  Oberstlieutenant, 
1798  Oberst,  1799  Generalmajor,  gestorben  1812.    Der  Liebling  von  Suworoff. 

Michael  Andrejewitsch  Miloradöwitsch  stammte  aus  Serbien  und  wurde  1770 
geboren.  Mit  18  Jahren  im  Garderegiment  Ismailow  Sergeant,  erhielt  er  doch 
gelehrte  Bildung  auf  den  Universitäten  Königsberg,  Göttingen  und  Straßburg. 
Darauf  besuchte  er  die  Artillerieschule  in  Metz  und  nahm  1788  als  Lieutenant 
am  Feldzuge  gegen  Schweden  teil.  Erst  1796  wurde  er  Hauptmann,  dann  auch 
als  ganz  besonderer  Günstling  Pauls,  dessen  Launen  er  vorzüglich  zu  ertragen 
wußte,  Major,  1797  Oberst,  1798  Generalmajor,  1799  in  der  Schweiz  „Dujour- 
General  der  Armee"  (Generaladjutant).  Ein  steter  Begleiter  Suworoffs,  wußte 
er  diesen  völlig  zu  gewinnen.  Miloradöwitsch  war  sonst  ein  ganz  gewöhnlicher 
Streber  und  Intriguant  ohne  höhere  Einsicht.     Er  fiel  im  Feldzuge  1812. 

U5  (S.  151).  Zu  vergleichen:  v.  Bernhardi,  Denkwürdigkeiten  aus  dem  Leben 
des  Grafen  Toll,  2.  Aufl.,  Leipzig  1865,  Bd.  I.  Toll  war  damals  Stabscapitaine 
im  Corps  Miloradöwitsch. 


211 


146  (S.  152).  Damit  stimmt  die  Anekdote,  welche  Ebel  (II,  51)  gibt,  schlecht 
überein :  „Als  die  Russen  unter  General  Suwarow  den  25.  September  liier  an- 
kamen, waren  sie  dergestalt  ausgehungert,  daß  sie  aus  Mangel  anderer  Lebens- 
mittel ein  ungeheures  Stück  Seife,  welches  sich  in  der  Vorratskammer  des 
einen  Wirtshauses  fand,  verzehrten  und  die  auf  den  Böden  hängenden  ge- 
trockneten Tierfelle  zerschnitten,  kochten  und  aßen."  (Damals  hatte  Andermatt 
als  Gasthäuser  die  „Drei  Könige"  und  die  „Sonne.") 

147  (S.  156).  Das  französische  Infanteriegewehr  Mod.  1777  besaß  ein  Kaliber 
von  18  mm.  Von  200  Schüssen  trafen  bei  Friedensübungen  auf  75  m  145,  auf 
150  m  97,  225  m  56,  300  m  32,  375  m  10  Schüsse  eine  große  Kolonnenscheibe. 

148  (S.  156).  Das  Feldtagebuch  enthält  folgenden  Eintrag  von  der  Hand 
Lecourbes:  „Nos  troupes  furent  obligees  d'abandonner  le  trou  d'Ury  et  d'abattre 
le  chemin  adosse  ä  la  montagne  d'Joch  pres  le  Pont  du  Diable  pour  contenir 
la  masse  de  Tennemi,  ses  tirailleurs  se  porterent  apres  avoir  passe  la  Reuss, 
sur  le  sommet  de  cette  montagne  oü  le  combat  s'engagea  vivement."  Diese 
allgemein  gehaltene  Beschreibung  besagt  nicht  viel.  Daß  um  das  Urnerloch 
in  der  von  Miliutin  angenommenen  Weise  gekämpft  worden  sei,  läßt  sich  aus 
dieser  Angabe  sicher  nicht  entnehmen.  Was  Lecourbe  unter  „Joch-Berg"  ver- 
steht, ist  wohl  der  stufenartige  Abfall  des  Gütsch  bei  der  Brücke,  also  das 
rechte  Reußufer.  Von  dort  kann  man  nämlich  auf  120— 200  m  Entfernung  die 
Stellung  auf  dem  Teufelssteine  unter  eine  Art  von  Flankenfeuer  nehmen.  Ein 
Teil  der  Russen  hat  ganz  sicher  diesen  Vorteil  benutzt,  nachdem  die  Kameraden 
den  Fluß  überschritten.  Ein  Gefecht  entspann  sich  hier,  aber  es  war  lediglich 
ein  Feuergefecht  und  zwar  immer  auf  größere  Entfernung  für  die  damalige 
Infanteriebewaffnung.  Entscheidend  wirkte  demnach  auch  diese  Bewegung 
keinenfalls. 

Der  „zähe  Widerstand"  der  Franzosen  an  der  Teufelsbrücke,  auf '  den 
mehrfach  bei  der  Besprechung  jener  Vorfälle  verwiesen  wird,  wurde  weit  weniger 
durch  die  „taktische  Umgehung"  der  Russen  als  durch  die  „strategische  Um- 
gehung" der  Oesterreicher  unter  Auffenberg,  welche  zu  Entsendungen  nötigte, 
gebrochen. 

149  (S.  160).  Oberst  Tiesenhausen  beschrieb  in  seinem  späteren  Alter  die 
Erlebnisse  aus  diesem  Feldzuge.  Vergl.  Archiv  des  historischen  Vereins  des 
Kantons  Bern  S.  536. 

150  (S.  161).     Bousson  228,  Nr.  56. 

151  (S.  163).  Das  Feldtagebuch  erklärt  den  großen  Verlust  der  Russen  mit 
den  Worten:  „Aucun  Russe  n'ayant  voulu  se  rendre,  plusieurs  furent  tues  ä 
coup  de  bajonette." 

15!  (S.  163).     Bousson  228  ff.,  Nr.  57—60. 

153  (S.  166).  Am  6.  September  1894  wiederholte  die  kombinierte  XV.  Brigade 
bei  sehr  schlechter  Witterung  den  Marsch  der  Russen  über  den  Kinzig-Paß. 
Die  Spitze  dieser  Truppen  gelangte,  einschließlich  der  für  die  Gefechtsübung 
dienenden  Zeit,  in  11  Stunden  von  Spiringen  nach  Muotathal. 

154  (S.  169).  Bousson  S.  222,  Nr.  50/51  ;  S.  229/230,  Nr.  57.  Lecourbe  an 
Massena  aus  dem  Bivouac  an  der  Seedorfer  Brücke  vom  5.  Vend.  (27.  Sept.)  : 
„Je  reeois  ä  l'instant  une  depeche  du  general  Molitor  qui  m'annonce  la  triste 
nouvelle  qu'un  bataillon  et  demi  de  la  76e  a  ete  pris  en  entier,  avant-hier, 
dans  le  Klönthal  (Sernfthal).  D'apres  mes  ordres,  le  general  Molitor  l'avait 
envoye  sur  Flims;  il  devait  arriver  le  trois  sur  Wichlen,  et  me  joindre  le  lende- 
main  sur  Ilanz."     Boillot  195,  Anm.  1   gibt  das  Schreiben  von  Lecourbe  aus 


212 


Altdorf  an  Molitor,  vom  1.  Vendemiaire,  welches  die  näheren  Anordnungen  fin- 
den Marsch  gibt. 

Erzherzog  Karl  behauptet,  daß  die  Oesterreicher  am  Wichler  Bad  2  Ba- 
taillone gefangen  genommen  hätten.  Es  waren  aber  nur  l'/a,  wenn  die  Angabe 
von  Lecourbe  richtig  ist.  Im  Texte  dieser  Arbeit  ward  kurz  von  „1  Bataillon" 
gesprochen,  da  die  Truppe  gewiß  nicht  stärker  war. 

155  (S.  170).  Am  29.  September  sendete  Suworoff  aus  Muotathal  einen 
Bericht  über  die  Ereignisse  an  Kaiser  Franz.  Darin  heißt  es  ausdrücklich : 
„Am  29.  erhielt  ich  vom  General  Linken  die  unangenehme  Nachricht  u.  s.  w." 
Beide  Führer  unterhielten  demnach  für  ein  paar  Tage  wenigstens  Nachrichten- 
verbindung.    Der  erwähnte  Bericht  ist  abgedruckt  bei  Fuchs  III,  348. 

156  (S.  171).  Auf  die  Stimmung  des  Marschalls  in  dieser  Stunde  wirft  die 
Erzählung  von  Bagration  (Miliutin  IV,  99/100)  ein  grelles  Licht. 

157  (S.  173).  Aus:  Wieland,  Kriegsbegebenheiten  in  Helvetien  und  Bhätien 
II,  163. 

158  (S.  173).  Freuler,  Kurze  Geschichte  des  veränderten  Schicksals  und 
kriegerischen  Auftritten,  welche  den  alten  Kanton  Glarus  vom  Jahr  1798  bis 
1801  betroffen  haben.    Glarus  1801. 

159  (S.  175).  In  Molitors  Bericht  heißt  es:  „...La  troisieme  demi-brigade 
helvetique  qui  a  combattu  dans  nos  rangs,  electrisee  par  les  Souvenirs  de  Näfels, 
a  rivalise  de  valeur  avec  nos  braves."  Koch,  Massena  III,  389  spricht  ebenfalls 
von  der  III.  Halbbrigade :  dTzarny  (116),  ganz  im  Sinne  der  neuern  französischen 
Geschichtschreibung,  weiß  von  der  tapfern  That  der  Schweizer  überhaupt  nichts. 
Dies  möchte  ja  sonst  dem  Buhme  der  Franzosen  Abbruch  thun! 

160  (S.  175).    Bousson  234—236,  Nr.  61/62. 

161  (S.  176).  Sehr  willkommen  für  die  Darstellung  dieser  Ereignisse  ist  das 
Tagebuch  der  Waldburga  Mohr  aus  den  Jahren  1798/1799,  abgedruckt  im 
Geschichtsfreund,  Mitteilungen  des  historischen  Vereins  der  fünf  Orte,  VI, 
Einsiedeln  1849. 

162  (S.  176).  Dr.  Hartmann  S.  135,  Anm.  1  findet  in  den  zwei  Schreiben 
von  Lecourbe,  d.  d.  29.  morgens  8  Uhr,  einen  merkwürdigen  Widerspruch.  In 
dem  einen  fordert  er  Mortier  auf,  schleunigst  Schwyz  zu  decken,  in  dem  andern, 
an  Soult,  sagt  er,  die  4.  Division,  eben  diejenige  Mortiers,  sei  schon  in  Schwyz 
angekommen.  Die  Briefstelle  an  Mortier  (Bousson  235)  lautet  nun :  „Vous 
n'avez  pas  de  temps  ä  perdre  pour  prendre  des  dispositions  et  couvrir  Schwitz." 
Das  heißt  doch  ganz  einfach:  Beeilen  Sie  sich  mit  Ihren  Anordnungen  und 
halten  Sie  Schwyz  (wo  Sie  sich  bereits  befinden). 

163  (S.  177).  „Am  1.  griffen  die  Franzosen;  bei  10  000  Mann,  wie  man 
gesagt,  zum  Mittag  hinter  der  steinernen  Brücke  in  des  Geisers  Mattli  wieder 
an;  sie  schössen  erstaunlich  viel  und  das  Gefecht  war  heftig,  während  dessen 
noch  immer  Bussen  vom  Berg  herabströmten.  Die,  welche  um  die  Brücke 
schlugen,  zogen  sich  besser  in  das  Thal  hinein  in  die  riesigen  und  stürmten 
hier  auf  die  Franken ;  dann  zogen  sie  sich  weiter  zurück  auf  unsere  Großmatt, 
verfolgt  von  dem  beständigen  Feuer  des  fränkischen  groben  und  kleinen  Ge- 
schützes. Endlich  liefen  die  Bussen  Sturm  auf  die  Franzosen,  etwa  800  Keiter 
auf  den  beiden  Bergseiten,  in  der  Mitte  des  Thals  das  Fußvolk.  Die  Franzosen 
wurden  geschlagen,  sie  retirierten  über  Hals  und  Kopf,  durch  die  engen  Wege, 
über  die  steinerne  Brücke,  wo  viele  hinabstürzten,  teils  im  Gedränge  sich 
gegenseitig  hinabrissen.  Das  Fußvolk  der  Bussen  verfolgte  sie  nicht  weiter  als 
bis  Schönenbuch,  die  Beiterei  aber  bis  Ibach  und  darüber  hinaus.    Da  wurden 


213 


11  französische  Offiziere,  darunter  ein  General,  sein  Adjutant,  ein  Bataillons- 
kommandant, und  1500 — 1600  gemeine  Gefangene  eingebracht  u.  s.  w."  Dies 
die  Erzählung  von  Waldburga  Mohr. 

„Am  1.  Oktober  wagte  der  General  Massena  mit  der  Division  Mortier  und 
der  67.  Halbbrigade  von  der  Division  Lecourbe  einen  zweiten,  aber  heftigen 
Angriff  auf  den  General  Rosenberg,  um  Suworows  Marsch  aufzuhalten  und  den 
Kolonnen,  die  er  von  allen  Seiten  gegen  ihn  heranziehen  ließ,  Zeit  zu  ver- 
schaffen, bei  ihren  verschiedenen  Posten  anzukommen.  Er  besetzte  die  Höhen 
links  und  rechts  von  diesem  engen  Thale  mit  Corps,  die  seine  Bewegung,  die 
er  mit  einer  starken  Kolonne  machte,  die  über  die  Landstraße  in  den  Mittel- 
punkt des  Thaies  vorrückte,  unterstützen  und  vornehmlich  den  Russen  in  den 
Rücken  zu  kommen  trachten  sollten.  Da  General  Rosenberg  diese  Absicht 
wahrnahm,  ließ  er  5  Bataillone  als  Reserve,  und  mit  dreien  (indem  die  Breite 
des  Thaies  keine  größere  Fronte  zuließ)  griff  er,  von  2  Regimentern  Kosaken 
unterstützt,  den  Mittelpunkt  der  Franzosen  an.  Diesen  gab  ihr  schweres  Ge- 
schütz, welches  eine  allzu  schreckliche  Verwüstung  anrichtete,  anfänglich  den 
Vorteil,  nichts  konnte  aber  der  Nachdrücklichkeit  des  russischen  Angriffes 
widerstehen.  Drei  Kanonen  wurden  sogleich  von  den  Russen  genommen  und 
das  Centrum  der  Franzosen  durchbrochen,  worauf  auch  die  Seitenkolonneu 
flohen ;  die  67.  Halbbrigade  war  durch  ein  Mißverständnis  aufgehalten  worden 
und  hätte  um  4  Stunden  früher  auf  dem  Schlachtfelde  eintreffen  sollen.  Der 
General  Rosenberg  benützte  die  Verwirrung  der  Franzosen  und  verfolgte  sie 
über  Schwyz  hinaus.  Von  ihnen  wurden  an  300  getötet,  von  den  in  den  Fluß 
Mutten  Gejagten  ertranken  mehr  als  100  Mann,  gefangen  genommen  wurden  70 
und  verwundet  über  1000.  Die  Nacht  unterbrach  den  Kampf,  und  die  Truppen 
nahmen  ihre  vorige  Stellung  wieder  ein."    Seida  und  Landenberg  365. 

„Le  1er  octobre,  Massena  fit  recommencer  l'attaque.  Les  Russes  opposerent 
encore  une  grande  resistance ;  deux  fois  le  general  Rosenberg  se  mit  ä  la  tete 
de  ses  grenadiers,  mais  deux  fois  il  fut  culbute  avec  de  grandes  pertes.  Ce- 
pendant,  comme  le  general  Mortier  recevait  des  renforts  et  que  le  general 
Lecourbe  arrivait  par  le  Schächenthal,  les  Russes  reculerent  jusqu'au  village 
Muota,  oü  ils  furent  soutenus  par  quelques  bataillons  amenes  par  Souvarow 
lui-meme."  Diese  Schilderung  voll  Phantasie  entstammt  dem  Büchlein  von 
d'Izarny  (S.  117).     Es  zeigt  das  deutlich,  wie  flüchtig  der  Verfasser  arbeitete. 

164  (S.  178).  Das  Feldtagebuch  berichtet  unterm  30.  September:  „Souwarow 
se  decida  enfin  ä  deboucher  le  9  de  la  vallee  de  Mutheii  pour  se  porter  sur 
Schwitz.  (Darnach  hätte  also  Rosenberg  und  keineswegs  Massena  am  30.  Sep- 
tember angegriffen.  Schon  diese  unrichtige  Angabe  beweist  deutlich,  daß  Lecourbe 
dem  Gefechte  nicht  beigewohnt  hat,  sondern  nur  nach  Beschreibungen  desselben 
diesen  Eintrag  machte.)  Soit  que  son  attaque  eüt  ete  des  plus  vives,  ou  que 
l'apparition  premiere  des  grenadiers  russes  en  ait  impose  ä  nos  troupes,  elles 
se  replierent  en  desordre  sans  se  defendre,  quoi  qu'ait  pu  employer  le  general 
en  chef  Massena.  TJn  bataillon  de  la  67e  demi-brigade  envoye  par  le  general 
Lecourbe  (diese  Stelle  zeigt  doch  ganz  deutlich,  daß  Lecourbe  nicht  zugegen 
war)  sur  Brunnen  arriva  si  ä  propos  que  la  colonne  russe,  qui  croyait  dejä 
obtenir  un  succes,  fut  prise  de  flanc  et  obligee  de  se  retirer  principalement 
dans  la  vallee  d'oü  eile  venait ;  la  division  du  general  Mortier  revint  alors  sur 
ses  pas  et  reprit  une  piece  de  canon  qu'elle  avait  perdue  " 

Diese  Stelle  des  Tagebuches  macht  auch  dem  Schwanken  ein  Ende,  das 
Dr.  Hartmann  zeigt  (S.  148/149),  welcher  ebenfalls  anzunehmen  scheint,  Lecourbe 
habe  dem  Gefechte  vom  9. Vendemiaire  (I.Oktober)  beigewohnt.  Daß  die  zur 
Brigade  Gudin  gehörende  67.  Halbbrigade  hier  einzugreifen  vermochte,  ist  doch 
nicht  zu  bestreiten.  Lecourbe  hatte  Gudin  dringende  Aufforderungen  gesendet, 
ihm  Verstärkungen  zukommen  zu  lassen.  Der  Untergebene  gehorchte  natürlich 
und  schickte  die  67.  Halbbrigade. 


214 


165  (S.  178).  Dr.  Hartmann  (S.  149)  bespricht  ausführlich  die  Gefangennahme 
des  oder  der  Generale,  aus  denen  die  verschiedenen  Schriftsteller  einen  Legovic, 
Lacour,  Lagourier,  Lacourg  und  sogar  Lecourbe  machen.  Letzterem  soll  nach 
Fuchs  (Miliutin  IV,  414)  Suworoff  für  die  „trostlose"  Gemahlin  in  Frankreich 
eine  Rose  verehrt  haben,  welche  der  General  noch  1814  dankbar  vorzuzeigen 
vermochte.  Schade  nur,  daß  es  gar  nicht  einen  gefangenen  Lecourbe,  eine 
Gattin  und  Rosen  (Oktober  und  Muotathal!)  gab. 

Dr.  Hartmann  meint,  der  betreffende  Gefangene  sei  ein  General  „ohne 
spezielles  Kommando  in  der  Schweiz"  gewesen.  Das  Rätsel  löst  sich,  wenn 
man  das  Feldtagebuch  der  Division  Mortier  durchgeht.  Dort  heißt  es  nämlich: 
„Le  9  vendemiaire  (1er  octobre)  toute  la  division  s'est  battue  depuis  midi  jusqu'ä 
7  heures  du  soir.  Elle  eprouva  un  petit  echec  (sie"!)  et  ä  5  heures  de  l'apres- 
midi  eile  commencait  ä  se  retirer  sur  Schwitz,  lorsqu'un  bataillon  de  la  67e 
venant  de  Zug  (soll  natürlich  heißen:  Flüelen!)  par  le  lac  de  Lucerne  battit 
la  Charge,  eulbuta  l'ennemi  et  le  forca  ä  reprendre  ses  positions  de  la  veille. 
Notre  perte  fut  d'environ  80  morts,  800  blesses  et  400  prisonniers  de  guerre. 
Parmi  ces  derniers  s'est  trouve  l'adjudant-general  Lacour  qui  s'etait  illustre 
dans  la  journee  par  des  prodiges  de  valeur."  (Lacour  befehligte  im  Winter 
von  180(1/1801  eine  Reiterbrigade  der  Division  d'IIautpoul  in  der  Armee  von 
Moreau.)  Ebenfalls  wird  hier  wiederum  ausdrücklich  die  67.  Halbbrigade  er- 
wähnt, aber  keineswegs  der  Name  Lecourbe. 

Um  die  Anwesenheit  jener  Truppe  noch  mehr  zu  bekräftigen,  möge  noch 
Soult  (Memoires  II,  319)  erwähnt  werden.  Ihm  schrieb  der  Stabschef  von 
Massena,  der  General  Rheinwald,  unter  dem  11.  Vendemiaire  (3.  Oktober)  aus 
Zürich  u.a.:  „Votre  division,  citoyen  general,  sera  compose  comme  suit: 
i>7e  demi-brigade,  etc."  Damit  sind  wohl  auch  diese  streitigen  Punkte  erledigt; 
denn  Rheinwald  konnte  nicht  am  3.  Oktober  über  eine  Truppe  verfügen,  von 
der  er  nicht  wußte,  daß  sie  am  1.  schon  bei  der  Hand  gewesen. 

166  (S.  179).  Obwohl  Miliutin  des  Geschehnisses  nicht  gedenkt,  kann  daran 
nicht  gezweifelt  werden.  Auch  Soult  (II,  S.  333)  schreibt  am  24.  Vendemiaire 
(16.  Oktober)  aus  St.  Gallen  an  Massena :  „Le  general  Loison  m'a  rendu  compte, 
par  une  depeche  du  14  vendemiaire,  que  le  general  Gudin,  en  s'emparant  de 
la  vallee  dTJrseren,  y  a  fait  deux  cent  prisonniers  russes,  parmi  lesquels  se 
trouvent  un  general-major  et  plusieurs  capitaines." 

167  (S.  179).  Das  folgende  Urteil  von  Soult  (Mem.  II,  Anmerkung  zu  S.  267) 
mag  des  Interesses  für  den  Leser  kaum  entbehren:  „Quelques  ecrivains  ont 
fait  honneur  au  general  Lecoux-be  de  la  defaite  du  marechal  Souwarow  et  des 
pertes  considerables  que  les  Russes  subirent,  dans  leur  retraite.  Leur  legerete 
ä  adopter  des  recits  inexaets,  et  quelquefois  interesses,  sans  prendre  la  peine 
de  les  verifier,  peut-etre  meine  d'autres  motifs  que  je  ne  veux  pas  appretier, 
sont  cause  de  cette  erreur,  que  j'ai  pu  contribuer  ä  aecrediter,  par  mon  silence. 
Mais  je  n'ai  jamais  ahne  ä  entretenir  le  public  de  mes  Services,  et  j'ai  meme 
plusieurs  fois  refuse  les  demandes  de  renseignements  personnels,  qui  m'ont 
ete  faites  par  des  compilateurs  de  biographies.  .  .  .  J'ajoute,  pour  la  memoire 
du  general  Lecourbe,  que  sa  carriere  si  brillante  et  si  prematurement  terminee 
n'a  pas  hesoin  qu'on  lui  attribue  ce  qui  ne  lui  appartient  pas.  Le  general 
Lecourbe,  si  bien  seconde  par  les  generaux  sous  ses  ordres  et  notamment  par 
les  generaux  Gudin  et  Loison,  rendit  h  l'armee  francaise  l'eminent  Service  de 
retarder  la  marche  de  Tarmee  russe  dans  la  vallee  de  la  Reuss,  depuis  le 
Saint-Gotthard  jusqu'au  lac  des  Quatre-Cantons,  en  lui  disputant  le  terrain  pas 
ä  pas,  et  en  ne  cedant  qu*ä  des  forces  qui  devaient  l'ecraser.  II  deploya  au- 
tant  d"habilete  que  de  courage  et  de  tenacite. ...  La  part  exclusive  qu'on  a 
essaye  de  faire  au  general  Molitor,  d'avoir  fait  echouer  le  second  projet  d  u 
general  SouwaroAV,  n'est  pas  plus  exaete.    Ce  general  s'est  brillamment  conduit 


2U 


il  a  pris  une  belle  part  ä  nos  succes,  et  je  lui  rends  toute  justice ;  mais  il 
etait  sous  mes  ordres  (sie !),  et  il  n'etait  guide  que  par  mes  instruetions. . . . 
Dans  les  Operations  contre  le  marechal  Souwarow,  coniine  au  passage  de  la 
Linth, . . .  j'agissais  avec  une  entiere  independance." 


Erst  nachdem  der  Druck  des  Werkes  begonnen  hatte,  gelang  es  mir,  die 
folgenden  Tessiner  Erinnerungen  an  den  Zug  Suworoffs  zu  sammeln.  Ich  ver- 
danke sie  der  freundlichen  Vermittlung  des  hochwürdigen  Weltpriesters  Pro- 
fessor B.  Mercolli,  Direktor  des  Erziehungsinstitutes  Elvetia  in  Locarno. 

Wenn  der  Wirt  in  Taverne,  welcher  voll  Begeisterung  den  russischen 
Marschall  hegleitete,  Gamba  genannt  wird,  so  ist  dies  ein  Irrtum.  Er  hieß 
Gamma  und  war  einer  der  Anstifter  der  Luganeser  Gegenrevolution  von  Ende 
April  1799.  (Vergl.  Peri,  Pietro,  Storia  della  Svizzera  Italiana,  Il.ediz.,  Lugano 
1866,  pag.  128/129.) 

Von  dem  Zuge  Suworoffs  erhielt  die  provisorische  Regierung  des  Kantons 
Lugano  am  8.  September  Nachricht  in  einem  Schreiben  des  kaiserlichen  Proviant- 
meisters Paul  von  Lang.  Dieser  forderte  für  30  000  Russen  die  Anlage  eines 
Magazins  (in  Agno)  mit  16  000  Broten  zu  30  Unzen  mailänd.  Gewichts,  18  000 
bis  20  000  Rationen  Heu  zu  10  Mailänder  Pfunden,  Branntwein,  Holz,  Stroh 
und  1200  Säcke  Hafer.  Thatsächlich  bescheinigte  ein  kaiserlicher  Quartier- 
meister Gunzenberg  am  12.  September  der  Behörde,  daß  er  9221  Brote,  10071 
Rationen  Reis,  146  Hafer,  860  Mehl,  5193  Hafer  und  7135  Heu  empfangen  habe. 

Sonntag  den  15.  September  kamen  die  Russen  nach  Agno  und  Bironico. 
Großfürst  Konstantin  und  Fürst  Bagration  suchten  und  fanden  viel  Vergnügen 
in  Lugano,  wobei  sie  sich  sehr  freigebig  zeigten.  Dagegen  verwüsteten  die 
Truppen  das  bebaute  Land  in  sclilimmster  Weise.  Die  noch  unreifen  Trauben 
wurden  von  ihnen  gekocht  (!),  der  in  den  Kellern  lagernde  Wein  ausgetrunken, 
das  Vieh  geraubt  und  geschlachtet.  Frauen  und  Männern  riß  man  die  von 
der  Bevölkerung  beliebten  Ohrringe  ab  und  nahm  ihnen  auch  sonst  jede  Wert- 
sache. Jedenfalls  war  man  im  Ceresio  sehr  froh,  als  diese  „Befreier"  endlich 
abzogen. 

Von  dem  furchtbaren  Unwetter,  das  alle  diese  Septembertage  andauerte, 
wissen  die  Zeitgenossen  viel  zu  berichten.  Im  Val  Pontirone  —  einem  Seiten- 
thale  des  Blegno  —  ward  die  Pfarrkirche  durch  Steinschläge  zerstört,  auch 
verheerte  die  Calancasca  das  Dorf  Grono  in  der  Mesolcina. 

In  Bellinzona  ließ  Suworoff  zwei  Pistolen  zurück,  die  an  der  Landes- 
ausstellung in  Genf  (1896)  zu  sehen  waren.  (Auch  die  Soldaten  haben  manches 
Seitengewehr  auf  den  Feldern  um  Lugano  liegen  lassen,  mit  dem  sie  Früchte 
ausgegraben  hatten.) 

Die  Beitreibungen  für  das  Heer  erstreckten  sich  natürlich  ebenfalls  auf  die 
Gebiete  von  Locarno  und  Val  Maggia.  In  Locarno  erschienen  die  ersten  Russen 
am  16.  September  und  ein  Teil  von  ihnen  blieb  dort  bis  zum  27.,  worauf  sie 
nach  Bellinzona  u.  s.  w.  abzogen.  AValnscheinlich  war  dies  die  nämliche  Ab- 
teilung, welche  später  in  Andermatt  gefangen  wurde.  Seit  dem  August  schon 
mußten  die  Barken  der  Ortschaften  am  Nordende  des  Lago  maggiore  Fahr- 
dienst für  die  Russen  thun.  Die  Leute  erhielten  zwar  40  Soldi  Taglohn,  aber 
auch  nicht  selten  Stockprügel  von  den  sie  überwachenden  kaiserlichen  Proviant- 
meistern.  Der  Schaden,  den  die  Durchziehenden  im  Locarneser  Gebiet  und  im 
Val  Maggia  anrichteten,  betrug  für  das  ganze  Jahr  1799  berechnet  über 
20U  000  Lire.  (Vergl.  Compendio  delle  Rivoluzioni  in  Italia  e  nella  Svizzera 
fatto  dal  Cittadino  Leopoldo  Cerri  d'  Ascona,  Rettore  di  Minusio.  Abgedruckt 
im  Bolletino  Storico  della  Svizzera  Italiana  1892,  Nr.  7/8,  S.  154  ff.) 


216 


Ueber  den  Schaden,  welchen  die  Leventina  erlitt,  berichtet  die  „Nemesis" 
VII,  1816,  S.  516  ff.  („Was  das  Liviner  Thal  in  den  Jahren  1798—1801  zu 
erdulden  hatte.") 

Der  Kampf  um  die  Teufelsbrücke  ward  auch  schon  szenisch  dargestellt. 
Am  23.  Dezember  1885  führte  das  Cbätelet-Theater  in  Paris  das  bekannte 
Ausstattungsstück  „Guerre"  von  Erckmann-Chatrian  auf,  in  welchem  u.  a.  auch 
dieses  Bild  vorkommt. 

Das  Russendenkmal  an  der  Teufelsbrücke  ist  im  Mai  1896  endgültig  noch 
nicht  fertig  erstellt  worden.