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Full text of "Die Anatomie des Menschen : Mit Hinweisen auf die ärztliche Praxis : Abt. 1-6. Text und Atlas"

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FRIEDRICH  MERKEL 

DIE  ANATOMIE 
DES  MENSCHEN 

ZWEITE  ABTEILUNG: 

SKELETLEHRE:  PASSIVER  BEWEGUNGS- 
APPARAT, KNOCHEN  UND  BÄNDER 

TEXT 


West  Virginia  University  Libraries 


3  0802  101940309  6 


WEC 
MEDICAL  CENTER   LI 


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in  2011  with  funding  from 

LYRASIS  Members  and  Sloan  Foundation 


http://www.archive.org/details/dieanatomiedesme02merk 


Die 

Anatomie  des  Menschen 

Mit  Hinweisen  auf  die  ärztliche  Praxis 


Von 

Dr.  Friedrich  Merkel 

Professor  in  Göttingen 


Zweite  Abteilung: 

Skeletlehre 

Passiver  Bewegungsapparat:  Knochen  und  Bänder 

Mit  2  Abbildungen  im  Text 


Wiesbaden 
Verlag  von  J.  F.  Bergmann 


1913 


Skeletlehre 

Passiver  Bewegungsapparat: 
Knochen  und  Bänder 


Von 


Dr.  Friedrich  Merkel 

Professor  in  Göttingen 


Mit  2  Abbildungen  im  Text 


Wiesbaden 
Verlag    von  J.   F.  Bergmann 


1913 


Nachdruck  verboten. 

Übersetzungsrecht  in  alle  Sprachen,  auch  in  die  russische  und  ungarische,  vorbehalten. 

Copyright  by  J.  F.  Bergmann,  Wiesbaden  1913. 


Druck  der  Königl.  Universitätsdruckerei  H.  Stflrtz  A.  G.,  Würzburg. 


Vorbemerkung. 


n  dem  Vorwort  zur  ersten  Abteilung  wurde  gesagt,  daß  das  vor- 
liegende Buch  bemüht  sein  werde,  auf  die  für  die  ärztliche  Praxis 
besonders  wichtigen  anatomischen  Tatsachen  aufmerksam  zu  machen. 
Wo  es  sich  so  schickte,  ist  dies  im  Text  geschehen,  wo  es  den  Zusammen- 
hang unterbrochen,  oder  die  Darstellung  unübersichtlich  gemacht  haben  würde, 
wurden  den  einzelnen  Abschnitten  besondere  »praktische  Bemerkungen"  an- 
gefügt. 

Die  angewendete  Nomenklatur  folgt  mit  wenigen  Ausnahmen  der  bekannten 
Baseler  Vereinbarung  (1895).  Ich  hielt  mich  zurzeit  nicht  für  berechtigt 
daran  zu  rütteln,  um  nicht  neue  Verwirrung  in  ein  Gebiet  hineinzutragen, 
in  welchem  erst  vor  Kurzem  mit  großer  Mühe  und  gegenseitigem  Nachgeben 
Ordnung  geschaffen  wurde.  Daß  die  Bezeichnungen  in  sprachlicher  Hinsicht 
vieles  zu  wünschen  übrig  lassen,  ist  offenkundig  genug,  doch  ist  nicht  ein- 
zusehen, warum  sie  gerade  ciceronianisch  sein  sollen,  stehen  doch  die  Wurzeln 
unserer  Namensgebung  im  mittelalterlichen  Latein,  welches  sich  von  der  Periode, 
welche  den  Philologen  als  die  klassische  gilt,  sehr  weit  entfernt  hatte.  Wenn 
eine  spätere  Generation  das  Bedürfnis  haben  sollte,  sich  dieser  klassischen 
Periode  mehr  zu  nähern,  steht  ja  bei  vorhandener  allgemeiner  Überein- 
stimmung einer  Änderung  nichts  im  Wege. 


Fr.  Merkel. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Allgemeines • 3 

I.  Rumpfskelet 13 

1.  Wirbelsäule,  Columna  vcrtebralis 14 

a)  Beugewirbel 14 

b)  Drehwirbel 18 

c)  Falsche  Wirbel 20 

2.  Bänder  der  Wirbelsäule 22 

a)  Bänder  der  Wirbelkörper 22 

b)  Gelenkkapseln,  Capsulae  articulares 25 

c)  Bänder  der  Wirbelbogen.     Ligamenta  flava 25 

d)  Bänder  der  Wirbeldornen 26 

e)  Bänder  der  Wirbelquerfortsätze.     Ligamenta  intertransversaria      ....  26 

f)  Bandapparat  am  cranialen  Ende  der  Wirbelsäule 27 

g)  Bandapparat  am  caudalen  Ende  der  Wirbelsäule 30 

h)   Wirbelsäule,  Columna  vertebralis,  im  ganzen 31 

3.  Rippen,  Costae,    und  Brustbein,  Sternum 35 

4.  Bandapparat  der  Rippen  und  des  Brustbeins 38 

a)  Bänder  am  dorsalen  Teil  der  Rippen 38 

b)  Bänder  am  ventralen  Teil  der  Rippen  und  am  Brustbein 40 

5.  Der  Brustkorb,  Thorax,  im  ganzen 41 

II.  Schädel,  Cranium 46 

1.  Hinterhauptsbein,   Os   occipitale 47 

2.  Keilbein,   Os  sphenoidale 51 

3.  Schläfenbein,    Os  temporale 55 

4.  Scheitelbein,    Os  parietale 61 

5.  Stirnbein,  Os  frontale 63 

6.  Siebbein,   Os  ethmoidale 66 

7.  Untere  Muschel,  Concha  inferior 69 

8.  Tränenbein,  Oslacrimale 69 

9.  P  f  1  u  g  s  c  h  a  r  b  e  i  n ,   V  o  m  e  r 70 

10.  .Nasenbein,   Os  nasale 71 

11.  Oberkieferbein,  Maxiila 72 

12.  Jochbein,   Os  zygomaticum 77 

13.  Gaumenbein,    Os  palatinum 79 

14.  Unterkiefer,    Mandibula 81 

15.  Band  Verbindungen  des  Schädels    .     , S4 

16.  Kief  ergclen  k,  Articulatio  mandibularis 85 

17.  Zungenbein,   Oshyoideum 87 

18.  Schädel  im  ganzen 88 

a)  Hirnschädel 89 

b)  Gesichtsschädel 92 

c)  Schädelformen 97 

d)  Knochenstruktur 99 

e)  Nähte,   Schaltknochcn,   Fontanellen 100 


VIII  Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

III.  Gliedmaßen,  Extremitates 105 

1.    Obere  Extremität,  Extremitas  superior 106 

a)  Gürtel,  Cingulum 106 

a)  Schulterblatt,   Scapula 106 

ß)  Schlüsselbein,  Clavicula 109 

y)  Bandapparat  des  Schultergürtels 110 

1.  Ligamenta  propria  scapulae 110 

2.  Gelenke  des  Schultergürtels  .      . in 

3.  Hilfsbänder  des  Schultergürtels in 

b)  Freie  Extremität 113 

a)  Oberarmbein,  Humerus 113 

c)  Schultergelenk,  Articulatio  humeri 116 

d)  Unterarmknochen,  Ossa  antebrachii 118 

a)  Elle,  Ulna 119 

ß)  Speiche,  Radius 119 

e)  Ellbogengelenk,  Articulatio  cubiti 120 

f)  Haftbänder  des  Unterarmes 124 

a)  Membrana  interossea  antebrachii 124 

ß)  Chorda  obliqua  antebrachii 125 

g)  Articulatio  radio-ulnaris  distalis 125 

h)   Knochen  der  Hand ? 126 

a)  Handwurzelknochen,  Ossa  carpi 126 

ß)  Mittelhandknochen,  Ossa  metacarpi 129 

7)  Fingerknochen,  Phalanges 130 

Sesambeine,  Ossa  sesamoidea 130 

i)    Gelenke  und  Bänder  an  der  Handwurzel 131 

o)  Articulatio  radiocarpea 132 

ß)  Articulatio  intercarpea 133 

y)  Articulatio  carpometacarpea 133 

<5)  Articulatio  carpometacarpea  pollicis 134 

e)  Articulatio  ossis  pisiformis 134 

f)  Haftbänder  an  der  Handwurzel 134 

k)  Mittelhandfingergelenke,  Articulationes  metacarpophalangeae 137 

1)   Fingergelenke,  Articulationes  digitorum  manus 138 

m)   Die  Hand  im  ganzen 139 

2.  Untere  Extremität,  Extremitas  inferior 141 

a)  Gürtel,  Cingulum ■  141 

a)  Hüftbein,  Os  coxae 141 

ß)  Bänder  der  Hüftbeine 145 

1.  Eigenes  Band  des  Hüftbeines 145 

2.  Verbindungen  der  Hüftbeine  mit  dem  Rumpf 146 

3.  Verbindungen  der  Hüftbeine  unter  sich 148 

4.  Das  Becken,  Pelvis 148 

b)  Oberschenkelbein,  Femur I53 

c)  Hüftgelenk,  Articulatio  coxae 156 

d)  Kniescheibe,  Patella 160 

e)  Unterschenkelknochen,  Ossa  cruris 160 

a)  Schienbein,  Tibia -     ■     ■  I^1 

ß)  Wadenbein,  Fibula 162 

f)  Kniegelenk,  Articulatio  genus I(>3 

g)  Wadenbeinköpfchengelenk,  Articulatio  tibiofibularis 173 

h)   Membrana  interossea  cruris ■      -  J74 

i)   Knochen  des  Fußes,  Ossa  pedis 174 

a)  Fußwurzelknochen,  Ossa  tarsi  .      .      .      ■ I75 

ß)  Mittelfußknochen,  Ossa  metatarsalia 178 

y)   Zehenknochen,  Phalanges     .     . •  •  J79 

Sesambeine,  Ossa  sesamoidea J79 


Inhaltsverzeichnis.  IX 

Seite 

k)    Gelenke  und  Bänder  an  der  Fußwurzel 180 

a)  Knöchelgelenk,  Articulatio  talocruralis 180 

,?)  Hinteres  Sprungbeingelenk,   Articulatio  talo-calcanea 181 

■*    Vorderes  Sprungbeingelenk,   Articulatio  talo-calcaneo-navicularis     .     .  1S1 

6)  Fersen-Würfelbeingelenk,  Articulatio  calcaneo-cuboidea 182 

e)  Kahn- Keilbeingelenk,  Articulatio  cuneo-navicularis 182 

f)  Fußwurzel  -  Mittelf  ußgelenke ,     Articulationes     tarso  -  metatarseae     und 
Mittelfußgelenke,  Articulationes  intermetatarseae      .           182 

);)   Haft-  und  Unterstützungsbänder  der  Fußwurzel 183 

1.  Bänder  zwischen  Unterschenkel  und  Fuß 1S4 

2.  Bänder  am  hinteren  Teile  der  Fußwurzel 1S4 

3.  Bänder  zwischen  hinterem  und  vorderem  Teil  des  Fußes     .      .      .  185 

4.  Bänder  am  vorderen  Teile  der  Fußwurzel 186 

1)   Mittelfuß-Zehengelenke,  Articulationes  metatarso-phalangeae 188 

m)   Zehengelenke,   Articulationes  digitorum  pedis 189 

n)   Der  Fuß  im  ganzen 189 

Sachregister 193 


Skeletlehre. 


Merkel,  Anatomie  II.    Skeletlehre^ 


Bemerkung. 

Die    im   Text    in    Klammer    stehenden   Zahlen,    z.  B.   (10) ,   bezeichnen   die   Nummern  der 
Figuren  des  Atlas,  welche  die  Beschreibung  illustrieren. 


Skeletlehre. 


|[ie  Körperform  kann  nur  durch  das  Vorhandensein  von  Stützgebilden  auf- 
recht erhalten  werden,  wir  sehen  deshalb  schon  bei  Protozoen  solche 
in  großer  Mannigfaltigkeit  und  oft  in  sehr  zierlicher  Form  auftreten. 
Bei  den  Metazoen  sind  sie  ausnahmslos  vorhanden,  wenn  auch  von  sehr 
verschiedener  Herkunft,  in  sehr  verschiedener  Gestalt  und  Ausbildung  und  aus  sehr 
verschiedenem  Material  bestehend.  Bei  den  niedersten  Formen  durchsetzt  das 
Stützgerüst  den  ganzen  Körper,  oft  ohne  in  eine  ganz  bestimmte  Form  gegossen 
zu  sein,  bei  den  höheren  tritt  immer  deutlicher  eine  Lokalisation  hervor;  entweder 
handelt  es  sich  um  festere  Oberflächenschichten  oder  um  axiale  Stränge,  von  welchen 
beiden  dann  allerlei  Fortsätze  in  den  Körper  eindringen  können,  um  ihm  Stütze  und 
Halt  zu  verleihen.  Das  Hautskelet  ist  das  primäre,  es  kommt  bei  den  meisten 
wirbellosen  Tieren  zu  reiner  Ausbildung,  bei  den  Wirbeltieren  und  dem  Menschen 
dagegen  das  Achsenskelet,  ohne  daß  doch  bei  ihnen  das  Hautskelet  völlig  ver- 
schwände;   je  höher  man  aber  in  der  Reihe  aufsteigt,    um  so  mehr  tritt  es  zurück. 

Das  Material,  aus  welchem  sich  die  Stützgebilde  aufbauen,  wechselt  außer- 
ordentlich. Einmal  findet  man  nur  eine  festere  Gallerte,  welche  der  Erhaltung  der 
Körperform  zu  dienen  hat,  ein  andermal  ist  es  Chitin,  oder  es  sind  Hornfasern,  oder 
Knorpel.  Diesen  rein  or-anix  hen  Stullen  stehen  rein  anorganische  gegenüber,  und 
zwar  Skeletstücke  aus  Kalk  und  Kieselerde.  In  der  Mitte  zwischen  beiden  steht 
ein  Material,  welches  sich  aus  einer  Mischung  von  organischen  und  anorganischen 
Bestandteilen  aufbaut;  dies  i-t  der  Knochen,  welcher  das  Skelet  der  Wirbeltiere 
und  des  Menschen  bildet. 

Entstehung  der  Knochen.  Die  am  niedersten  stehenden  Repräsentanten 
der  Wirbeltierreihe  besitzen  nur  den  Anfang  eines  Skeletes  in  der  Chorda  dorsalis. 
Bei  den  etwas  höher  stehenden  Formen  kommt  zu  ihr  ein  Knorpelskelet,  welches 
auch  verkalken  kann  und  erst  zuletzt  tritt  echter  Knochen  auf.  Die  gleichen  Stufen 
wie  in  der  Phylogenie  sind  auch  in  der  Ontogenie  /.u  durchlaufen.  Der  menschliche 
Embryo  besitzt  am  Anfang  nur  die  i  horda,  dann  -teilt  sich,  von  deren  Umgebung 
ausgehend,  ein  knorpelhaltiges  Skelel  ein  und  aui  dieses  folg!  endlich  da-  knöcherne. 
Die  Zeit,  /u  welcher  die  Anlagen  ersl  verknorpeln,  dann  verknöchern,  t-t  für  die  ein- 
zelnen Skeletstücke  -ein-  verschieden  und  es  spiell  der  ganze  Vorgang  noch  weit 
in  das  extrauterine  Leben  hinein,  der  Abl.iui  im  einzelnen  aber  i-t  immer  der  gleiche. 
Es  tritt  im  Mesenchymgewebe  zuerst  Knorpel  auf,  welcher  sich  so  weil  verbreitet, 
bis  die  durch  Vererbung  festgelegte  Form  de-  nachherigen  Knochens  erreicht  t-t. 
Später,    und    zwar    für  die   einzelnen    Knochen   gesetzmäßig    zu    bestimmter  Zeit, 


4  Entstehung  der  Knochen.     Ausgebildete  Knochen. 

erscheint  dann  ein  Ossifikationspunkt  oder  Knochenkern  (s.  I.  Abt.  S.  68  f.)  von 
welchem  aus  die  Verknöcherung  fortschreitet.  An  den  Röhrenknochen,  bei  welchen 
die  Verhältnisse  am  übersichtlichsten  sind,  ist  dies  immer  in  der  Mitte  der  Länge 
der  Fall.  Von  ihm  aus  wird  zuerst  eine  Knochenschale  um  den  Schaft  (Dia- 
physe)  herum  gebildet,  während  die  beiden  Enden  (Epiphysen)  noch  knorpelig 
bleiben  (I.  Abt.  Fig.  68).  In  diesen  letzteren  treten  später  ebenfalls  Kerne  auf, 
von  welchen  aus  sie  zu  Knochen  umgestaltet  werden  (10).  Man  sieht,  daß  die 
Knochenkerne  in  den  einzelnen  Knochen  immer  an  denjenigen  Stellen  zuerst  er- 
scheinen, welche  für  die  Funktion  die  wichtigsten  sind  (Julien  1892).  Auch  die 
Zeitfolge  im  Auftreten  der  Knochenkerne  des  Skeletes  im  ganzen  regelt  sich  offenbar 
nach  dem  funktionellen  Bedürfnis,  so  daß  diejenigen  Knochen,  welche  am  wenigsten 
mechanisch  beansprucht  werden,  zuletzt  den  widerstandskräftigen  Knochen  mit  dem 
weicheren  Knorpel  vertauschen  und  umgekehrt.  Diaphysen  und  Epiphysen  bleiben 
durch  un verknöcherte  Knorpelplatten  von  einander  getrennt  (11);  von  ihnen  geht 
das  Längenwachstum  aus  (s.  I.  Abt.  S.  70),  solange  ein  solches  noch  möglich  ist;  bei 
seinem  Abschluß  verknöchern  auch  sie.  Apophysen  (s.  unten)  besitzen  meist  ihre 
eigenen  kleinen  Knochenkerne,  welche  sich  erst  spät  mit  dem  übrigen  Knochen  zu 
vereinigen  pflegen. 

Bei  anders  gestalteten  Knochen  geht  die  Verknöcherung  in  ähnlicher,  den 
speziellen  Verhältnissen  angepaßter  Weise  vor  sich. 

Am  Schädel  findet  man  Knochen,  deren  Entwickelung  von  der  der  übrigen 
Skeletknochen  abweicht.  Einige  besitzen  zwar  ein  knorpeliges  Modell,  treten  aber 
nicht  unter  dessen  Vernichtung  an  seine  Stelle,  sondern  sind  ihm  als  rein  periostal 
entstehende  Gebilde  aufgelagert;  erst  in  der  Folge  schwindet  dann  der  Knorpel  mehr 
oder  weniger  vollständig.  Andere  haben  überhaupt  keinen  knorpeligen  Vorläufer, 
sondern  entstehen  ohne  einen  solchen  im  Bindegewebe  (I.  Abt.  S.  68).  Man  nennt 
sie  Hautknochen  oder  Deck-  oder  Belegknochen. 

Die  Knochen  von  Neugeborenen  und  gar  die  von  Feten  weichen  nicht  nur  in 
den  Größendimensionen,  sondern  auch  in  ihrer  äußeren  Gestalt  oft  bedeutend  von 
denen  des  Erwachsenen  ab  (2G4.  —  2S1).  Die  Vorgänge  der  Apposition  auf  der  einen, 
der  Resorption  auf  der  anderen  Seite  haben  im  Laufe  der  Jugend  die  Aufgabe,  die 
definitive  Gestalt  zu  modellieren. 

Eine  praktisch  überaus  wichtige  Tätigkeit  des  knochenbildenden  Gewebes  ist 
die  Regeneration.  Nach  Frakturen  und  anderen  Verletzungen  des  Knochens  er- 
folgt dieselbe  durch  Wucherung  der  im  Periost  und  Mark  vorhandenen  Osteoblasten 
und  es  entsteht  eine  spongiös  gebaute  Auftreibung  des  Knochens,  der  Callus  (12), 
welcher  die  Bruchenden  vereinigt.  An  der  Substantia  corticalis  der  Röhrenknochen  ist 
er  meist  umfangreich,  an  Knochen,  welche  im  wesentlichen  aus  Substantia  spongiosa 
bestehen,  spärlich.  In  der  Folge  verschwinden  die  nicht  mechanisch  in  Anspruch 
genommenen  Teile  des  Callus  und  der  geheilte  Knochen  kann  sich  nach  längerer 
Zeit  seiner  ursprünglichen  Form  wieder  so  sehr  nähern,  daß  man  nur  noch  sehr 
wenig  von  der  stattgehabten  Verletzung  wahrnimmt. 

Auch  das  der  Fraktur  benachbarte  Bindegewebe  kann  infolge  des  gesetzten 
Reizes  zur  Knochenbildung  herangezogen  werden.  Unter  pathologischen  Umständen 
ist  das  Bindegewebe  gelegentlich  fähig,  in  weiter  Ausdehnung  Knochensubstanz  zu 
bilden   (Myositis  ossificans). 

Ausgebildete  Knochen.  Dieselben  bestehen  aus  der  eigentlichen  Knochen- 
substanz,   dem    in    seinen    Hohlräumen    befindlichen    Knochenmark,    den    hyalinen 


Gestaltung  des  Skeletes.  5 

Gelenkknorpeln,  welche  den  spärlichen  Rest  der  ursprünglichen  Knorpt-lanlage  dar- 
stellen und  dem  deckenden  Periost.  Diese  Bauelemente  sind  sämtlich  im  histologi- 
schen Teil  beschrieben  worden.  Die  Blutversorgung  der  Knochen  ist  in  zwei  Bezirke 
zu  teilen,  in  die  Gefäße  der  eigentlichen  Knochensubstanz  und  in  die  des  Knochen- 
markes. Beide  stehen  jedoch  in  vielfachem  Zusammenhang.  Die  Arterien  der  Knochen- 
substanz treten  vom  Periost  aus  in  vielen  kleinen  Zweigen  in  dies  System  der  Havers- 
schen  Kanälchen  ein  und  bilden  ein  den  ganzen  Knochen  durchziehendes  Netz.  Im 
Gegensatz  dazu  gehen  die  Gefäße  des  Markes  aus  einer  einzigen  oder  doch  nur  wenigen 
Arterien  hervor,  welche  in  einem  oder  einigen  Kanälen,  Canales  nutricii  (IS),  den 
Knochen  durchsetzen,  um  in  das  Mark  zu  gelangen.  Sie  sind  ursprünglich  die  Arterien 
für  die  Knochenkerne,  welche  auf  dem  kürzesten  Weg  von  der  Oberfläche  aus  in  diese 
eingedrungen  waren.  Wie  die  Knochenkerne  es  sind,  so  ist  auch  die  Eintrittsstelle 
der  Arterien  in  den  Knochen  konstant.  Da  die  Diaphysen  der  langen  Knochen  an 
ihren  beiden  Enden  meist  eine  verschiedene  Wachstumsenergie  zeigen,  entstehen 
innere  Verschiebungen  des  Knochens,  welche  die  Kanäle  zwingen,  sich  immer  schiefer 
zu  stellen.  Im  Mark  selbst  teilen  sich  die  Arterien  sogleich,  um  dasselbe  nach  allen 
Seiten  hin  zu  versorgen  (14).  An  den  Röhrenknochen  sind  zwei  Bezirke  der  Art. 
nutriciae  zu  unterscheiden,  ein  der  Diaphyse  und  ein  jeder  Epiphyse  angehöriger. 
Zu  ihnen  kommt  oft  noch  ein  dritter,  welcher  eine  Anzahl  kleiner,  der  Knochenfuge 
angehöriger  Gefäße  umfaßt   (Lex er  1904). 

Die  austretenden  Venen  schließen  sich  an  den  Diaphysen  den  Arterien  an, 
aus  den  spongiös  gebauten  Knochen  treten  sie  durch  zahlreiche  weite  Öffnungen 
heraus. 

Die  Lymphgefäße  der  Knochensubstanz  verlaufen  perivaskulär  mit  den  Blut- 
gefäßen. 

Die  Nerven  der  Knochen  sind  zahlreich,  auch  sie  verlaufen  mit  den  Blutge- 
fäßen. Bei  Knochenerkrankungen  und  Amputationen  verursachen  sie  erhebliche 
Schmerzen. 

Gestaltung  des  Skeletes.  Skelet  und  Weichteile  des  Körpers  werden 
bei  der  Entwickelung  zu  gleicher  Zeit  und  in  genauester  Verbindung  miteinander 
angelegt.  Sie  beeinflussen  sieh  dabei  gegenseitig  auf  da>  Innigste,  so  daß  das  eine 
ohne  das  andere  gar  nicht  denkbar  ist.  Diese  Zusammengehörigkeit  spricht  sich 
auch  in  der  Ausbildung  des  Skeletes  im  ganzen  und  in  der  der  Knochen  im  ein- 
zelnen so  klar  aus,  daß  es  den  Geologen  oft  gelingt,  aus  dem  allein  übrig  gebliebenen 
Skelet  längs!  ausgestorbener  Tierarten  auch  die  Weichteile  derselben  annähernd 
zu  rekonstruieren.  Mit  der  ganzen  Form  des  Körpers  sind  auch  dessen  Proportionen 
(/  /)  wiedergegeben  und  hat  man  nur  einen  einzigen  der  Röhrenknochen  von  Arm 
oder  Bein,  dann  vermag  man  aus  ihm  sehr  wohl  einen  Schluß  auf  die  Körperlänge 
im  ganzen  zu  ziehen   (Manouvrier  1002). 

Das  Knochengerüsl  i-t  das  eine  Mal  grazil,  da-  andere  Mal  plump  gebaut  und 
zwar  haben  Angehörige  wilder  Völker  grazilere  und  festere,  solche  zivilisierter  Kassen 
im  allgemeinen  plumpere  und  weichere  Knochen,  ganz  ähnlich  wie  man  es  auch  b<  1 
wilden  und  domestizierten  Tieren  beobachtet. 

Da  das  Skelet  die  Form  des  Körpers  wiedergibt,  müssen  seine  ein/einen 
Knochen  auch  dieser  entsprechend  gestalte!  -ein.  In  der  Umgebung  der  großen 
Körperhöhlen  sind  sie  platt,  an  den  Extremitäten  sind  sie  zumeist  lang  mit  zylin- 
drischer Grundform.  Auch  mechanische  Gründe  können  neben  den  entwickelungs- 
geschichtlichen   für  die   Knochenform  maßgebend  sein.     In  der  Wirbelsäule,  welche 


6  Elastizität,  Festigkeit,  Architektur  des  Knochens. 

sich  als  ein  langer  Stab  nach  verschiedenen  Richtungen  biegen  soll,  sind  die  sie 
aufbauenden  Knochen  kurz.  Das  gleiche  ist  der  Fall  an  Hand-  und  Fußwurzel, 
welche  den  Einwirkungen  des  Druckes  oder  Muskelzuges  nachzugeben,  oder  umge- 
kehrt, Widerstand  zu  leisten  haben.  Fehlen  solche  mechanische  Gründe,  dann  ver- 
wachsen die  getrennt  angelegten  Stücke  miteinander,  Wie  es  z.  B.  beim  Hüftbein 
der  Fall  ist. 

Die  einzelnen  Knochen  lassen  in  ihrer  feineren  Modellierung  die  Beeinflussung 
durch  Weichteile  allenthalben  erkennen;  so  werden  durch  sie  bewirkt:  Fortsätze 
(Processus),  Vorsprünge  (Apophysis),  Höcker  (Tuber,  Tuberculum), 
Dornen  (Spina),  Firsten  (Crista),  Rauhigkeiten  (Tuberositas).  Eine 
Anzahl  von  ihnen,  besonders  die  größeren,  entsteht  schon  bei  .der  ersten  Entwicke- 
lung  durch  Vererbung,  andere  treten  erst  während  der  fortschreitenden  Ausbildung 
des  Knochengerüstes  hervor,  weshalb  auch  in  der  Jugend  die  Knochen  weniger 
durchgearbeitet  erscheinen  wie  später.  Alle  die  genannten  Hervorragungen  stehen 
in  Zusammenhang  mit  der  Anheftung  von  bindegewebigen  Gebilden,  entweder 
Sehnen  oder  Bändern  oder  Fascien.  Muskeln,  welche  sich  ohne  Vermittelung  einer 
sichtbaren  Sehne  am  Knochen  anheften,  verursachen  keine  Rauhigkeiten.  Umgekehrt 
findet  man  auch  Vertiefungen  der  Knochen,  so  sieht  man  Gruben  (Fossa,  Fovea), 
Eindrücke  (Impressio),  Furchen  (Sulcus),  Einschnitte  (Incisura).  Die 
Knochen  können  selbst  Höhlungen  (Cavum)  zeigen.  Die  Vertiefungen  werden 
durch  verschiedene  Organe  hervorgebracht,  welche  dem  Knochen  anliegen,  z.  B. 
Gefäße,  Nerven,  Sehnen.  In  einigen  Knochen  des  Schädels  entstehen  im  Laufe 
der  Jugendjahre  luftführende  (pneumatische)  Höhlen,  welche  von  Nase  und  Ohr 
ausgehen. 

Elastizität,  Festigkeit,  Architektur  des  Knochens.  Elastizität  und 
Festigkeit  des  Knochens  werden,  wie  erwähnt,  durch  die  in  ihm  vorhandene  Mischung 
von  organischer  und  anorganischer  Substanz  bedingt.  Seine  Elastizität  ist  erheb- 
lich, besonders  gilt  dies  für  solche  Skeletstücke,  welche  nach  der  Fläche  gebogen 
sind,  wie  es  am  Rumpf  und  Schädel  der  Fall  ist.  Sie  wird  beim  Skelet  im  ganzen 
erhöht  durch  Einschiebung  von  Knorpel  oder  durch  das  Zerfallen  von  größeren  Skelet- 
teilen in  einzelne  Stücke,  welche,  wenn  auch  oft  nur  minimal,  gegeneinander  verschieb- 
lich sind.  Im  Leben  ist  die  Elastizität  größer  als  es  nach  den  Versuchen  am  toten 
Knochen  scheinen  könnte. 

Die  Zugfestigkeit  des  Knochens  nähert  sich  der  des  Messings  und  Gußeisens, 
die  Druckfestigkeit  der  des  Schmiedeeisens  (Rauber-Kopsch  1908).  Die  Festig- 
keit wird  erhöht  durch  die  Widerstandskraft  des  festen  und  mit  elastischen  Fasern 
versehenen  Periostes. 

Die  Festigkeit  des  Knochens  bei  zugleich  vorhandener  größtmöglicher  Leichtig- 
keit wird  ganz  besonders  gewährleistet  durch  seine  Architektur.  Die  Röhren  der 
langen  Knochen  bestehen  aus  einer  soliden  und  kräftigen  Substantia  com  pacta 
(13),  in  welcher  bei  geringem  Gewicht  doch  eine  bedeutende  Festigkeit  erzielt  wird. 
Die  Epiphysen,  die  kurzen  und  platten  Knochen,  bauen  sich  im  Gegensatz  dazu  aus 
einer  großen  Zahl  dünner  Bälkchen  und  Plättchen,  der  Substantia  spongiosa, 
auf,  welche  durch  ihre  Häufung  ebenfalls  eine  große  Haltbarkeit  besitzen,  wie  man 
gleiches  an  jedem  aus  vielen  dünnen  Einzeldrähten  bestehenden  Drahtseil  beob- 
achten kann  (lö — 18).  Die  meist  engmaschige  Spongiosa  der  platten  Knochen  wird 
als  Diploe  bezeichnet   (148). 


Beschreibung  der  Knochen.     Verbindungen  der  Knochen.  7 

Würden  die  Spongiosabälkchen  regellos  durcheinander  laufen,  so  könnte  der 
beabsichtigte  Effekt  nicht  erzielt  werden,  sie  müssen  vielmehr  nach  den  Gesetzen  der 
Statik  und  Mechanik  orientiert  sein,  was  durch  die  Studien  von  H.  v.  Meyer  klar- 
gestellt wurde.  Sie  sind  in  großen  Zügen  durch  das  ganze  Skelet  hindurch  bei  all'-n 
Individuen  in  gleicher  Weise  angeordnet  und  es  werden  die  Bälkchensysteme  des  einen 
Knochens  von  dem  angrenzenden  aufgenommen  und  weitergeführt  (15  -  18).  Die  Sub- 
stantia  compaeta  stellt  keine  Unterbrechung  der  Systeme  dar,  sie  kann  vielmehr  als 
eine  Zusammendrängung  von  Spongiosabälkchen  aufgefaßt  werden;  diese  nehmen  die 
Beanspruchung  auf  und  übertragen  sie  auf  die  in  der  Substantia  compaeta  gegebene 
Hauptstütze  (Gebhardt  1910).  Auch  im  Innern  von  solchen  Knochen,  welche  im 
übrigen  aus  Spongiosa  bestehen,  kommt  es  gelegentlich  zur  Ausbildung  von  rundlichen 
oder  länglichen  Compactamassen,  wenn  es  die  statischen  Verhältnisse  verlangen.  Man 
kann  die-  ganze  Architektur  des  Knochengerüstes  mit  den  wenigen  Worten  zusammen- 
fassen, daß  durch  eine  sinnvolle  Struktur  mit  einem  möglichst  geringen  Aufwand 
an  Material  die  größtmögliche  Widerstandsfähigkeit  den  Einwirkungen  des  Zuges 
und  Druckes  gegenüber  erreicht  ist,  gleichgültig,  ob  diese  Einwirkungen  äußere  oder 
innere,  d.  h.  im  Körper  selbst  gelegene  Ursachen  haben,  wie  es  vor  allem  der  Muskel- 
zug ist. 

Werden  die  statischen  Verhältnisse  verändert,  wie  es  bei  schlecht  geheilten 
Frakturen  oder  bei  den  Verbicgungen  rachitischer  Knochen  der  Fall  sein  kann,  dann 
können  sich  auch  die  Zugrichtungen  der  Spongiosabälkchen  in  zweckentsprechender 
Weise  umgestalten,  was  sich  daraus  erklärt,  daß  die  mechanisch  am  meisten  in  An- 
spruch genommenen  Teile  des  ganzen  Systems  bypertrophieren,  die  in  Untätigkeit 
versetzten  atrophisch  werden. 

Der  Beschreibung  der  Knochen  legt  man  mazerierte  Präparate  zugrunde, 
d.  h.  solche,  bei  welchen  man  durch  Fäulnis  oder  durch  Kochen  oder  sonstwie  sämt- 
liche Weichteile  entfernt  hat.  Dabei  wird,  nicht  ganz  konsequent,  nicht  immer  nur 
der  Zustand  des  Skeletes  im  voll  ausgebildeten  Körper  zugrunde  gelegt,  es  wird  viel- 
mehr in  einzelnen  Fällen,  besonders  bei  Beschreibung  des  Schädels  und  Beckens,  auf 
den  Jugendzustand  zurückgegriffen. 

Verbindungen  der  Knochen.  Die  Vereinigung  der  einzelnen  Knochen 
zum  Skelet  wird  in  der  einfachsten  Weise  in  der  Art  bewirkt,  daß  die  Knochenenden 
durch  zwischen  sie  eingeschaltetes  Bindegewebe,  den  Rest  des  ursprünglichen  Bil- 
dungsgewebes,  miteinander  verbunden  werden,  während  das  Periost  des  einen 
Knochens  sich  über  die  Trennungsstelle  hinweg  kontinuierlich  auf  den  anderen  fort- 
setzt. So  findet  man  es  meist  noch  lebenslänglich  bei  den  Fischen,  so  findet  man 
es  auch  in  der  ersten  Entwickelung  der  höheren  Tiere  und  des  Menschen.  Die  Fort-  ' 
bildung  besteht  darin,  daß  in  der  Verbindungsmasse  der  aneinander  stoßenden 
Knochenenden  eine  Spalte  entsteht,  welche  dieselben  mehr  oder  weniger  vollständ 
voneinander  trennt.  Die  Entwickelung  kann  nach  Bedürfnis  früher  oder  spater  Halt 
machen  und  noch  beim  erwachsenen  Menschen  findet  man  alle  Möglichkeiten  von 
der  primitivsten  bis  zur  ausgebildetsten  Form  verwirklicht. 

Das  zwischen  die  Knochen  eingelagerte  Bindegewebe  kann  sehr  spärlich  sein. 
wie  dies  am  Schädel  der  Fall  ist.  Dort  stellt  es  die  Nähte,  Suturae,  <\^\  (19  .  welche 
wieder  nach  der  Art  des  [neinandergreifens  der  Knochen  als  einfache  Alieinander- 
lagerungen, Harmonia,  als  Sutura  serrata  oder  Sutura  squamosa  bezeichnet 
werden.  Die  Nähte  dienen  nichl  der  Verschiebung  der  ein/einen  Knochen  aneinander. 
sondern    smd    als    die    St«  Heu    anzusehen,    von    welchen    aus   die    Schädelknochen 


8  Verbindungen  der  Knochen.     Gelenke. 

wachsen.  Soll  eine  Verschiebungsmöglichkeit  der  aneinander  stoßenden  Knochen- 
enden vorhanden  sein,  dann  muß  sich  zwischen  sie  eine  größere  Menge  von  Zwischen- 
gewebe einfügen.  Man  bezeichnet  eine  solche  Verbindungsart  als  Fuge,  Synar- 
throsis1)  (20).  Besteht  eine  solche  nur  aus  Bindegewebe,  dann  nennt  man  sie  Syn- 
des  mosis2),  ist  sie  zu  Knorpelgewebe  umgewandelt,  dann  wird  sie  zur  Synchon- 
drosis3).  Eine  Mischung  von  Bindegewebe  und  Knorpel  führt  den  Namen  Fibro- 
cartilago.  Will  man  einen  indifferenten  Namen  wählen,  welcher  die  Struktur 
nicht  berücksichtigt,  dann  spricht  man  von  Symphysis4). 

Wird  die  Heilung  eines  Knochenbruches  gestört,  dann  können  sich  die  beiden 
Bruchenden  syndesmotisch  miteinander  verbinden   (Pseudarthrose). 

Bildet  sich  in  einer  Symphyse  eine  Spalte  aus,  dann  entsteht  eine  Verbindung, 
welche  Luschka  als  Halbgelenk  bezeichnet  hat.  Die  Spaltbildung  kann  indi- 
viduell und  nach  dem  Lebensalter  wechseln,  sie  kann  auch  regelmäßig  vorhanden  sein. 

An  sie  schließt  sich  das  eigentliche  Gelenk,  Diarthrosis,  an  (22).  Bei  ihm  ist 
stets  eine  Gelenkspalte  vorhanden,  in  welcher  sich  die  überknorpelten  Knochen- 
enden direkt  berühren.  Das  bei  den  weniger  weit  fortgebildeten  Verbindungen  vor- 
handene bindegewebige  Zwischengewebe  ist  vollständig  geschwunden.  Die  Gelenk- 
enden werden  durch  einen  aus  derberem  Bindegewebe  gebildeten  Schlauch  zusammen- 
gehalten, welcher  jederseits  in  das  Periost  übergeht,  die  Gelenkkapsel5),  Cap- 
sula articularis.  Es  ist  klar,  daß  bei  einer  solchen  Verbindung  die  Beweglichkeit 
der  Knochen  gegeneinander  am  freiesten  sein  muß,  daß  aber  auf  der  anderen  Seite 
die  Festigkeit  des  Zusammenhaltes  gefährdet  ist.  Diese  Gefahr  wird  jedoch  be- 
seitigt durch  die  rein  physikalischen  Wirkungen  der  Adhäsion  der  Gelenkflächen 
aneinander  und  des  Luftdruckes,  welcher  auf  den  allseitig  geschlossenen  Höhlen 
lastet.  Dazu  kommt  noch  der  sehr  wirksame  Zug  der  das  Gelenk  umgebenden  Mus- 
keln, welcher  die  Gelenkflächen  aneinander  preßt  und  die  Anspannung,  welche  die 
den  Gelenken  eigenen  Bänder  bei  gewissen  Stellungen  erfahren. 

Die  Gelenkspalten  erscheinen  bei  der  Entwickelung  sehr  frühe;  bei  einem  zehn 
Wochen  alten  Embryo  sind  sie  sämtlich  schon  vorhanden  (Fick  1904).  Zu  gleicher 
Zeit  sind  auch  bereits  die  Gelenkkapseln  zu  erkennen. 

Die  Funktion  der  Gelenke  besteht  darin,  die  Knochen,  welche  sie  miteinander 
verbinden,  in  bestimmter  Weise  zu  bewegen.  Hierzu  ist  folgendes  nötig:  1.  Die 
Gelenkenden  der  Knochen  müssen  eine  zweckentsprechende  Form  besitzen.  2.  Die 
Kapseln  müssen  den  für  die  Bewegungen  notwendigen  Spielraum  lassen.  3.  Die 
Kapseln  müssen  so  fest  sein,  daß  sie  einwirkenden  Gewalten,  welche  unzweckmäßige 
Verschiebungen  herbeizuführen  streben,  erfolgreich  Widerstand  leisten.  Dazu  kommt 
noch,  daß  die  Muskeln,  welche  die  normalen  Bewegungen  bewirken,  bei  ihrem  Ver- 
lauf über  die  Gelenke  hin  häufig  zu  ihnen  in  nähere  Beziehung  treten. 

Was  zuerst  die  Formen  der  Gelenkenden  betrifft,  so  sind  dieselben  für 
jeden  Einzelfall  speziell  gestaltet  und  man  kann  sagen,  daß  nicht  zwei  Gelenke  des 
Körpers  ganz  genau  die  gleiche  Bildung  zeigen.  Die  Formen  entstehen  durch  Ver- 
erbung sehr  frühe  und  lassen  sich  schon  erkennen,  ehe  die  Gelenkspalten  erschienen 
sind.     Freilich  sind  sie  anfänglich  nur  im  allgemeinen  angelegt  und  bedürfen  noch 


x)  uq&qov  Gelenk. 

2)  avvöeafiog  Verbindungsband. 

3)  %6v6qos  Knorpel. 

4)  ovfitpvco  zusan  menwachsen. 

5)  Kapselband. 


Gelenke.  9 

einer  genaueren  Modellierung,  welche  im  späteren  Fetalleben  und  noch  nach  der 
Geburt  durch  die  Tätigkeit  der  auf  das  einzelne  Gelenk  wirkenden  Muskeln  be- 
wirkt wird. 

Wenn  aber  erste  Entwicklung  und  spätere  Ausarbeitung  zusammenwirken, 
um  die  Gelenke  zu  formen,  dann  versteht  man,  daß  bei  aller  Übereinstimmung  im 
ganzen  und  großen  bei  den  verschiedenen  Menschen  doch  kleine  Abweichungen  vor- 
handen sind,  welche  den  Bewegungen  oft  ein  überraschend  individuelles  Gepräge 
geben.  Wie  charakteristisch  ist  oft  der  Gang  oder  die  Bewegung  der  Hände  und 
wie  treu  vererben  sie  sich  von  den  Eltern  auf  die  Kinder.  Auch  Bewegungen,  welche 
gewohnheitsgemäß  immer  wiederholt  werden,  wie  es  bei  gewissen  Gewerben  nötig 
ist,  können  die  gebrauchten  Gelenke  einigermaßen  modifizieren.  Selbst  pathologi- 
sche Vorkommnisse,  wie  die  Lähmung  einzelner  Muskeln  oder  Muskelgruppen,  üben 
ihren  Einfluß  auf  die  Gestaltung  der  Gelenkenden  aus. 

Die  Einteilung  der  Gelenke  berücksichtigt  außer  der  Form  auch  noch  andere 
Gesichtspunkte;  zuerst  die  Zahl  der  artikulierenden  Knochen.  Sind  ihrer  zwei  in 
einem  Gelenk  vereinigt,  dann  nennt  man  dies  ein  einfaches  Gelenk.  Werden  mehr 
als  zwei  Knochenenden  von  einer  Kapsel  umschlossen,  dann  spricht  man  von  einem 
zusammengesetzten  Gelenk,  gleichgültig,  ob  dasselbe  eine  einfache  Höhle  be- 
sitzt oder  durch  Scheidewände  in  zwei  oder  mehr  Höhlen  geteilt  wird. 

Sodann  unterscheidet  man  nach  dem  Grad  der  Beweglichkeit  straffe  Ge- 
lenke  ').  welche  wenig  oder  gar  nicht  beweglich  sind,  und  bewegliche  Gelenke. 
Die  Gelenkflächen  der  straffen  Gelenke  sind  meist  von  planer  Form  und  von  nahezu 
gleichem  Umfang,  was  eine  ausgiebigere  Verschiebung  verhindert  (21).  Die  beweg- 
lichen Gelenke  zeigen  eine  wechselnde  Form  und  ihre  Gelenkflächen  sind  von  ver- 
schiedenem Umfang,  was  eine  mehr  oder  weniger  große  Verschiebung  gestattet. 
Bei  den  beweglichen  Gelenken  ist  in  der  überwiegenden  Zahl  der  Fälle  das  eine 
Knochenende  zu  einem  Gelenkkopf,  Caput,  Condylus 2)  gerundet,  das  andere 
zu  einer  Gelenkpfanne,  Fossa  glenoidalis 3)  gehöhlt  (22).  Man  unterscheidet 
sie  nach  gedachten  Achsen,  um  welche  sie  sich  zu  drehen  vermögen  in  ver- 
schiedene Unterabteilungen. 

a)   Einachsige  Gelenke. 

Winkelgelenk,  Ginglymus4).  Der  Gelenkkopf  ist  ein  Teil  einer  zylindri- 
schen Walze,  welche  im  rechten  Winkel  zur  Längsachse  des  Knochens  orientiert  ist. 
Sie  greift  in  eine  entsprechend  gekrümmte  Pfanne  ein.  Beispiel:  Fingergelenke. 
Ks  gibt  auch  ähnlich  gehaute  Gelenke,  deren  Achse  nicht  quer,  sondern  schräg 
gestelH   ist. 

Schraubengelenk,  Articulatio  cochlearis.  Ähnlich  dem  vorigen,  nur 
sind  die  Gelenkflächen  nicht  walzen-,  sondern  schraubenförmig  gestaltet.  Beispiel: 
Ellbogengelenk.  Es  kommt  auch  ein  Schraubengelenk  mit  längsgestellter  Achse 
vor,  das  Atlas-Zahngelenk. 

Rollgelenk,  Articulatio  trochoidea*^).  Ahnlich  dem  Winkelgelenk,  nur 
i>t  die  Gelenkachse  der  Längsachse  der  artikulierenden  Knochen  parallel  gestellt.     I '•  i 

'i    Die   Bezeichnung  Amphiarthrosis  für  dieselben  wird  besser  vermieden,  weil  er  in  der 
Französischen    Literatur  in  anderer   Bedeutung  gebraucht   wird. 
')  *6vSvAo$  rundlicher  Gelenkkopi 
•')  yX<tp>rk  flache  Gelenkgrube. 

')   Scharniergelenk,  Gewerbegelenk,     yfyyAvftog  Türangel. 
)    Radgelenk,   Rotationsgelenk,   Rotatio. 


10  Gelenke. 

ihm  wird  die  Pfanne  meist  durch  Bänder  zu  einem  Ring  vervollständigt,  in  welchem 
■sich  der  Kopf  dreht.  Das  Gelenk  gleicht  daher  einer  Türangel  mehr  als  der  Ginglymus. 
Beispiel:  Proximales  Radioulnargelenk. 

b)  Zweiachsige  Gelenke. 

Eigelenk,  Articulatio  elliptica1).  Der  Kopf  dreht  sich  in  der  Pfanne  um 
die  lange  und  kurze  Achse  des  Ellipsoids.  Durch  Kombinationen  der  beiden  Be- 
wegungsmöglichkeiten wird  das  Gelenk  zu  einem  sehr  freien.  Beispiel:  Radiocarpal- 
gelenk. 

Sattelgelenk,  Articulatio  sellaris.  Beide  Gelenkflächen  sind  einander  ent- 
sprechend, nach  der  einen  Richtung  konvex,  nach  der  anderen  konkav  gekrümmt. 
Sie  greifen  so  zusammen,  als  wenn  man  die  Sitzflächen  zweier  Sättel  kreuzweise  auf- 
einander legte.     Beispiel:  Daumencarpalgelenk. 

c)  Mehrachsige  Gelenke. 

Kugelgelenk,  Articulatio  sphaerica2).  Der  Kopf  entspricht  einer  Voll- 
kugel, die  Pfanne  dem  Abschnitt  einer  Kugelschale.     Beispiel:   Schultergelenk. 

Wird  der  Gelenkkopf  über  seinen  Äquator  hinaus  von  der  Pfanne  umschlossen, 
dann  entsteht  das  Nußgelenk,  Enarthrosis.     Beispiel:  Hüftgelenk. 

Die  Kapseln,  welche  die  Gelenke  umschließen,  müssen  so  viel  Spielraum 
geben,  daß  sich  die  durch  die  Form  der  Gelenkflächen  vorgeschriebenen  Bewegungen 
vollziehen  können.  Bei  den  um  mehrere  Achsen  beweglichen  Gelenken  stellen  sie 
daher  eine  schlaffe  Röhre  dar,  welche  sich  je  nach  der  Stellung  der  Gelenkenden  an 
der  einen  Stelle  spannt,  an  der  anderen  faltet.  Bei  einachsigen  Gelenken  ist  die  Kapsel 
nur  an  den  Stellen  weit  und  nachgiebig,  wo  es  die  Bewegung  verlangt.  An  den 
beiden  Seiten,  an  welchen  die  gedachte  Achse  aus  dem  Gelenk  austritt,  ist  sie  straff. 
Ergüsse  drängen  die  Kapsel  an  den  weitesten  Stellen  vor,  verhindern  dadurch  eine 
freie  Bewegung  und  zwingen  das  Gelenk,  in  einer  Mittelstellung  zu  verharren. 

Die  Gelenkkapseln  sind  an  sich  nicht  stark,  sie  werden  aber  an  vielen  Stellen 
durch  Bänderzüge,  Hilfsbänder3),  Ligamenta  accessoria,  verstärkt  (z.  B.  SIS), 
welche  nicht  selten  eine  beträchtliche  Mächtigkeit  erreichen.  Entweder  sind  dieselben 
so  fest  mit  der  Kapsel  verwebt,  daß  es  Mühe  macht,  sie  von  ihr  zu  unterscheiden, 
oder  sie  verlaufen  mehr  oder  weniger  isoliert.  Sie  erhöhen  die  Festigkeit  der  Kapseln 
und  sichern  durch  ihre  Lage  zugleich  den  physiologischen  Ablauf  der  Bewegungen. 
Dadurch,  daß  sie  sich  bei  gewissen  Stellungen  spannen,  hemmen  sie  aber  auch  diese 
Bewegungen  und  zwar  schon  früher  als  es  die  Form  der  Gelenkflächen  selbst  tun 
würde.     Forcierte  Bewegungen  können  sie  daher  zur  Zerreißung  bringen. 

Die  Festigkeit  der  Gelenke  wird  an  vielen  Stellen  erhöht  durch  Muskeln,  welche 
über  sie  hinziehen  und  sich  dabei  der  Kapsel  innig  anlegen,  noch  mehr  aber  durch 
Muskelsehnen,  welche  sich  mit  der  Kapsel  verweben  und  ihr  dadurch  die  Dienste  von 
Bändern  leisten,  auch  in  manchen  Fällen  als  solche  beschrieben  werden.  Die  Be- 
wegungen der  zu  diesen  Sehnen  gehörigen  Muskeln  zwingen  zugleich  die  Kapsel, 
sich  jedesmal  in  zweckmäßiger  Weise  zu  falten,  nicht  zu  spannen,  was  in  dem  für 
solche  Muskeln  allgemein  gebrauchten  Namen  „Kapselspanner"  zu  liegen 
scheint. 


1)  Knopfgelenk.     Articulus  ovalis,  Articulatio  ellipsoideä.     Condylarthrosis. 

2)  In  der  deutschen  Literatur  gewöhnlich  als  Arthrodia  benannt,  eine  Bezeichnung,  welche 
in  der  Literatur  anderer  Nationen  für  unsere  Amphiarthrose  (s.  oben)  gebraucht  wird.  Syn. 
Articulus  globoideus,   Fick.    Enarthrosis. 

3)  Haftbänder,  Verstärkungsbänder. 


Gelenke.  11 

Bau  der  Gelenke.  Der  die  Gclenkenden  deckende  Knorpel  ist  mit  ganz 
seltenen  Ausnahmen  hyalin.  Seine  Dicke  ist  in  den  einzelnen  Gelenken  sehr  ver- 
schieden und  man  findet,  daß  gut  aufeinander  passende  Knochenenden  meist  einen 
dünneren  Knorpelüberzug  haben,  als  schlecht  passende  (Braune  und  Fischer  1896). 
Bei  ihnen  wirkt  die  große  Elastizität  des  Knorpels  ausgleichend.  Die  freie  Oberfläche 
der  Gelenkknorpel  ist  für  die  Betrachtung  mit  bloßem  Auge  glatt,  mikroskopisch 
zeigt  sie  Zeichen  von  Abnutzung.  Gegen  den  Knochen  hin  gleicht  der  Knorpel  die 
kleinen  Unregelmäßigkeiten  an  dessen  Oberfläche  aus.  Manche  Gelenkpfannen  werden 
durch  Anfügung  von  faserknorpeligen  Gelenklippen,  Labrum  glenoidale 1), 
(z.  B.  217)  vergrößert.  Dieselben  gehen  entweder  ohne  scharfe  Grenze  in  die  Kapsel 
und  Gclcnkfläche  über  oder  sind  durch  eine  Furche  abgesetzt.  Sie  schließen  die  Ge- 
lenkpfannen ventilartig  ab.  Sind  die  Gelenkflächen  inkongruent,  dann  schiebt  sich 
zwischen  sie  ein  von  der  Kapsel  ausgehender  Keil  faserig-knorpeligen  Gewebes  ein, 
Discus  oder  Meniscus  articularis2)  (SS),  ein  Rest  des  ursprünglichen  Bildungs- 
gewebes. In  einer  Anzahl  von  Fällen  bleibt  das  Zwischengewebe  zwischen  beiden 
Gelenkenden  in  voller  Ausdehnung  erhalten,  wodurch  die  Gelenkhöhle  in  zwei  ganz 
voneinander  getrennte  Kammern  geteilt  wird.  Die  Bandscheiben  besitzen  eine 
für  die  Funktion  des  Gelenkes  wichtige  Bedeutung. 

Auch  kleinere  Reste  des  ursprünglichen  Bildungsgewebes  können  in  den  Kapsel- 
raum hineinragen  als  mehr  oder  weniger  große,  oft  fetthaltige  Falten.  Plica  syn- 
oviales3) (22),  oder  als  Zotten,  Villi  synoviales4)  (24).  Diese  letzteren  sind  oft 
so  klein,  daß  man  sie  mit  bloßem  Auge  kaum  sieht. 

Die  Kapsel  selbst  besteht  aus  einer  dünnen  Innenschichte  (Intima)  5),  welche 
sich  bis  zum  Gelenkknorpel  erstreckt,  welchen  sie  frei  läßt.  An  ihrer  Oberfläche 
besitzt  sie  keinen  Epithclüberzug  (Hammar,  H.  Braun  1894).  Sie  ist,  besond* :rs 
nach  der  Gelenkhöhle  zu,  zellenreich.  Die  erwähnten  Falten  und  Zotten  gehen  von 
der  Innenhaut  aus.  Nach  außen  von  ihr  folgt  eine  faserreiche  und  zellenärmere 
Bindegewebsschichte,  Stratum  fibrosum.  An  Stellen  der  Kapsel,  an  welchen  die 
Intima  nicht  von  dem  Stratum  fibrosum  gedeckt  wird,  ist  sie  schwach  und  kann 
sich  zu  kleineren  oder  größeren  Säckchen  ausstülpen.  Dies  geschieht  besonders  bei 
pathologischen  Ergüssen  in  die  Gelenke.  Erfolgt  bei  solchen  ein  Durchbruch  der 
Kapsel,  dann  geschieht  dies  in  der  Regel  an  solchen  schwachen  Stellen. 

Die  Schleimbeutel,  Bursae  synoviales,  welche  an  größeren  Gelenken 
oft  als  geräumige  Ausstülpungen  der  Gelenkhöhle  erseheinen,  gehören  in  Wahrheit 
nicht  den  Gelenken  an,  sondern  den  über  sie  hinziehenden  Muskeln.  Sie  sind  ersl 
sekundär  mit  ersteren  in  Verbindung  getreten. 

Die  Hilfsbänder  bestehen  zumeist  aus  sehnenähnlich  angeordneten  Binde- 
gewebszügen.  Sie  sind  dementsprechend  sehr  fest  und  so  widerstandskräftig,  daß 
bei  Zerrungen  manchmal  eher  der  Knochen  bricht  oder  vom  Hand  abreißt,  ehe  dieses 
selbst  eine  Kontinuitätstrennimg  erfährt.  Infolge  ihrer  Struktur  sind  die  Bänder 
wenig  elastisch,  weshalb  sie  bei  Überdehnung  leicht  schlaff  werden  und  ihren  Diensl 
dann   für  längere  Zeit   nicht  mehr  in  genügender  Weise  verrichten. 

')   Limbus  cartilagineus.     Annulus  Eibrocartilagineus. 

-)   Fibrocartilago  intercalaris,   Fick. 

:l)   Plicae  articulares  (Fi<  k),  PI.  serosae  (1  riepel),  adiposae,  vasculares,   l  igamenta  mueosa, 

')  Villi  intraarticulares,   Fick;  V1II1  serosae,    ["riepel. 

6)  Synovialmembran,  Stratum  synoviale.     Stratum  serosum,  Triepel. 


12  Gelenke.    Membranae  interosseae.     Ligg.  propria. 

Die  Blutversorgung  der  Gelenke  ist  eine  reiche;  sie  wird  dadurch  sorgfältig 
geregelt,  daß  die  sämtlichen,  an  dem  Gelenk  vorbei  ziehenden  Arterien  Äste  absenden, 
welche  durch  Anastomosen  zu  einem  Netz,  Rete  articulare,  zusammentreten. 
Von  ihm  aus  dringen  Zweige  in  die  Kapsel  ein,  wo  sie  besonders  die  Intima  reichlich 
mit  Blut  versorgen.  Diese  Haut  ist  es  deshalb  auch,  welche  von  Entzündungen  am 
schwersten  betroffen  wird. 

Die  feinen  Nervenfäden,  welche  an  die  Gelenke  herantreten,  werden  von  den- 
jenigen Stämmen  abgegeben,  welche  die  auf  das  Gelenk  wirkenden  Muskeln  versorgen. 
In  der  unmittelbaren  Umgebung  der  Kapsel  und  in  der  Intima  endigen  viele  von 
ihnen  mit  Kolbenkörperchen.  Sie  sind  für  das  Allgemeingefühl  von  großer  Be- 
deutung. 

Die  Gelenkhöhle  besteht  in  der  Norm  nur  aus  einer  schmalen  Spalte1).  Die 
Gelenkenden  liegen  unmittelbar  aufeinander,  sie  werden  durch  eine  dünne  Schichte 
von  Gelenkschmiere,  Synovia2),  verbunden,  einer  gelblichen,  zähen  und  faden- 
ziehenden Flüssigkeit,  welche  ein  Transsudat  der  Gelenkwand  darstellt  (Gerken 
1895)  und  eine  große  Menge  von  verflüssigten  Abnützungsprodukten  der  Wände 
des  Gelenkes  enthält  (Harn mar  1894).  Ihre  ganze  Beschaffenheit  befördert  die 
Adhäsion  der  Gelenkenden  aneinander.  An  diese  letzteren  wird  von  den  Seiten  her 
auch  die  Kapsel,  wie  schon  erwähnt,  durch  die  auf  ihr  liegenden  Bänder,  den  Druck 
der  über  sie  hinziehenden  Muskeln  (S.  10)  und  den  auf  ihr  lastenden  Luftdruck 
angepreßt.  Zieht  man  die  Knochen  auseinander,  dann  drängt  der  Luftdruck  die 
Kapsel  ein  wenig  in  das  Innere- des  Gelenkes  hinein  und  man  sieht  an  der  Stelle  der 
Gelenkspalte  eine  leichte  Einziehung  (Gelenklinie)  entstehen,  welche  dem  Operateur 
bei  der  Eröffnung  des  Gelenkes  einen  erwünschten  Wegweiser  darstellt.  Erst  wenn 
ein  pathologischer  Erguß  von  Flüssigkeit  in  das  Gelenk  hinein  stattgefunden  hat, 
erweitert  sich  die  Kapsel.  Die  Resorptionseinrichtungen  der  Intima  sind  wenig 
ausgebildet,  und  will  man  rasches  Verschwinden  eines  Ergusses  erzielen,  dann  muß 
man  ihn  mit  Massage  in  das  umgebende  Gewebe  und  die  in  ihm  enthaltenen  Lymph- 
gefäße hineinzupressen  versuchen.  Ist  bei  einer  Verletzung  die  Intima  gerissen, 
wodurch  die  Abflußwege  weiter  geöffnet  werden,  dann  geht  das  Verschwinden  eines 
Ergusses  rascher  vor  sich. 

Die  sehr  verschieden  gestaltete  Ebene,  welche  die  Gelenkspalten  der  einzelnen 
Gelenke  darstellt,  wird  Artikulationsebene  genannt. 

Membranae  interosseae  und  Ligg.  propria.  Es  gibt  auch  Bänder,  welche 
mit  Gelenken  nichts  zu  tun  haben,  welche  vielmehr  als  häutig  gebliebene  Vervoll- 
ständigungen des  knöchernen  Skeletes  anzusehen  sind.  Spannen  sie  sich  zwischen 
zwei  verschiedenen  Knochen  aus,  dann  nennt  man  sie  Membranae  interosseae 
(z._  B.  236),  vereinigen  sie  verschiedene  Punkte  eines  und  desselben  Knochens  mit- 
einander, dann  heißen  sie  Ligg.  propria  (z.  B.  170).  Wie  sehr  die  letzteren  als 
Teile  des  Skeletes  anzusehen  sind,  geht  daraus  hervor,  daß  sie  außerordentlich 
geneigt  sind,  sich  teilweise  oder  ganz  in  Knochensubstanz  umzuwandeln. 

Der  Bandapparat  des  ganzen  Körpers  steht  in  engstem  Zusammenhang  mit 
dem  Verhalten  des  Bindesubstanzsystems  im  ganzen.  Man  findet  deshalb  die  Bänder 
das  eine  Mal  schwach  und  leicht  verletzlich,  das  andere  Mal  kräftig  und  stark.    Aber 


J)   In  den  Figg.   21,    22    und   23   des  Atlas    sind   die   Gelenkspalten    zu    weit    gezeichnet, 
um  sie  deutlich  sichtbar  zu  machen. 

-)  Humor  articularis,   Fick;   Serum  articulare,   Triepel. 


Rumpfskelet. 


13 


auch  im  einzelnen  sind  die  Bänderzüge  von  der  individuellen  Ausbildung  des  Bewe- 
gungsapparates abhängig,  woher  es  kommt,  daß  einmal  ein  Bänderzug  stark,  ein 
andermal  schwach  ausgebildet  ist  und  es  kommen  genug  Fälle  vor,  in  welchen  es  dem 
subjektiven  Ermessen  des  Beschreibers  überlassen  bleiben  muß,  ob  er  ein  Band  für 
physiologisch  oder  morphologisch  wichtig  genug  hält,  um  es  mit  einem  eigenen  Namen 
zu  benennen.  Ein  Blick  in  die  Beschreibungen  der  verschiedenen  Autoren  gibt  davon 
beredtes  Zeugnis. 

Die  Einteilung  des  Skeletes  schließt  sich,  wie  dies  selbstverständlich  ist,  auf 
das  engste  an  die  Einteilung  des  ganzen  Körpers  an.  Man  hat  demgemäß  das  Skelet 
des  Stammes  und  der  Extremitäten  und  an  ersterem  wieder  Rumpfskelet  und 
Schädel  zu  unterscheiden.  Die  Beschreibung  ist  also  in  folgende  Abschnitte  zu 
teilen. 

I.  Rumpfskelet. 
II.   Schädel. 
III.  Extremitäten. 


I.  Rumpfskelet. 


rtebra 


Costa 


Den  Rumpf  durchzieht  der  Länge  nach  ein  Achsenstab,  an  welchen  sich  die 
bogenförmigen  Stützen  des  Neuralrohres  und  Visceralrohres  anschließen,  erstere  an 
seiner  dorsalen,  letztere  an  seiner  ventralen  Seite.  Da  der  Umfang  des  Visceralrohres 
ganz  bedeutend  größer  ist,  wie  der  des  Neuralrohres,  so  liegt  der  Achsenstab  nicht 
im  Centrum  des  Körperquerschnittes, 
sondern  ist  bedeutend  nach  der  dorsalen 
Seite  hin  verschoben  (Fig.  i).  Sämt- 
liche Teile  des  Rumpfskeletes  sind  seg- 
mental gegliedert,  wenn  sich  auch  die 
Gliederung  nicht  allenthalben  lebens- 
länglich erhält.  Sie  werden  durch 
Weichteile  zu  einem  Ganzen  verbunden. 
Während  das  Neuralrohr,  mit  Ausnahme 
seines  alleruntersten  Abschnittes,  knö- 
chern  geschützt  ist,  erweist  sich  das 
Skelet  des  Yisceraln ihres  nur  in  seinem 
Mittelteil  so  vollständig,  wie  es  das 
Schema  (Fig.  i)  darstellt,  weiter  oben 
und  weiter  unten  ist  es  rudimentär 
gebildet. 

Die  Bogen  des  Neuralrohres  sind 
beim  erwachsenen  Menschen  allenthalben 
mit  dem  A.chsenstab  knöchern  verbunden, 

bei  den  Bogen  des  Visceralrohres  ist  dies,  soweit  >ie  zu  voller  Ausbildung  gekommen 
sind,  nicht  der  Fall;  sie  zerlallen  sogar  selbst  wieder  in  zwei  symmetrische  Teile 
und  ein  vorderes  unpaariges  Mittelstück  (Fig.  i).  Sind  sie  rudimentär  geblieben, 
dann  treten  sie  im  Laufe  der  Entwickelung  mit  dem  Achsenstab  in  knöchernen  Zu- 
sammenhang1. 


Fig.   i. 
Schematischei    Querschnitt    des    Rumpfskelets 


14  Wirbelsäule.     Beugewirbel. 

Die  segmentalen  Teile  des  Achsenstabes  mit  denjenigen  Teilen  der  Bogen, 
welche  knöchern  mit  ihnen  vereinigt  sind,  und  mit  den  Gelenk-  und  Muskelfortsätzen, 
welche  von  ihnen  ausgehen,  bezeichnet  man  als  Wirbel,  Vertebrae.  Sie  schichten 
sich  aufeinander  zur  Wirbelsäule,  Co.lumna  vertebralis.  Die  symmetrischen 
Teile  des  Visceralrohres  sind  die  Rippen,  Costae,  das  unpaarige  Mittelstück  ist  das 
Brustbein,  Sternum.  Die  mittleren  Wirbel,  die  Rippen  und  das  Brustbein  ver- 
einigen sich  zum  Brustkorb,  Thorax. 

1.  Wirbelsäule,  Columna  vertebralis1). 

Die  Wirbelsäule  zerfällt  in  33  bis  35  einzelne  Wirbel,  deren  Mehrzahl  beim 
Embryo,  selbst  noch  beim  Neugeborenen,  in  ihrer  Form  noch  recht  gleichartig  er- 
scheint. Im  Laufe  der  Jugendentwickelung  aber  bilden  sich  im  Zusammenhang  mit 
der  Verschiedenheit  der  Funktion  im  einzelnen  nicht  ganz  unbeträchtliche  Ver- 
schiedenheiten aus,  welche  es  nötig  machen,  größere  Abteilungen  voneinander  zu 
trennen,  welche  es  sogar  erlauben,  die  Ordnungszahl  einer  Anzahl  von  Wirbeln, 
auch  wenn  man  sie  einzeln  vor  sich  hat,  zu  bestimmen.  Man  unterscheidet  sieben 
Halswirbel,  Vertebrae  cervicales2),  zwölf  Brustwirbel,  Vertebrae  thora- 
cicae3),  fünf  Lendenwirbel,  Vertebrae  lumbares4),  fünf  Kreuzwirbel, 
Vertebrae  sacrales,  und  vier  bis  sechs  Steißwirbel,  Vertebrae  coccygeae5). 
Die  Kreuzwirbel  des  Erwachsenen  sind  miteinander  knöchern  verbunden,  die  Steiß- 
wirbel sind  rudimentär  geblieben;  dies  hat  Anlaß  gegeben,  die  beiden  Gruppen  als 
falsche  Wirbel,  Vertebrae  spuriae,  von  den  übrigen,  den  wahren  Wirbeln, 
Vertebrae  verae,  zu  unterscheiden.  In  der  Reihe  der  letzteren  trennt  man 
wieder  die  beiden  obersten,  welche  den  Bewegungen  des  Kopfes  dienen  und  zu  diesem 
Zweck  in  bemerkenswerter  Weise  umgestaltet  sind,  als  Drehwirbel  von  den  übrigen, 
welche  man  Beugewirbel  nennt,  da  sie  die  Beugungen     des  Rumpfes  besorgen. 

a)  Beugewirbel. 

Ein  typischer  Wirbel  besteht  aus  dem  Wirbelkörper,  Corpus  vertebrae, 
und  dem  Wirbelbogen,  Arcus  vertebrae.  Der  erstere  ist  der  dem  Einzelwirbel 
zugehörige  Teil  des  Achsenstabes,  der  letztere  der  dem  Einzelwirbel  zugehörige  Teil 
der  Umschließung  des  Neuralrohres  {36).  Beide  umgeben  im  Verein  das  Wirbelloch, 
Foramen  vertebrale,  den  dem  Einzelwirbel  zugehörigen  Teil  des  Wirbel- 
kanales,  Canalis  vertebralis,  welcher  das  Rückenmark  beherbergt.  Der  Wirbel- 
körper ist  an  seiner  oberen  und  unteren,  den  benachbarten  Wirbeln  zugekehrten  Fläche 
plan,  an  seiner  vorderen  und  seitlichen  Fläche,  welche  sich  dem  Visceralrohr  zuwendet, 
konkav  geschweift  (25).  Seine  hintere,  in  den  Wirbelkanal  sehende  Fläche  ist  ent- 
weder plan  oder  bildet  eine  flache  Längsrinne. 

Der  Wirbelbogen  geht  vom  Körper  mit  einem  gerundeten  Stück  ab,  der  Bogen- 
wurzel,  Radix  arcus  vertebrae.  Da  sie  niederer  ist  als  der  Körper,  so  bleibt  an 
ihrer  oberen  und  unteren  Seite  ein  Ausschnitt,  Incisura  vertebralis  super,  und 


x)  Columna  spinalis,   Spina  dorsalis. 

-)  Vert.  colli. 

3)  Rückenwirbel.    Vert.  thoracales,  Vert.  dorsales. 

4)  Bauchwirbel,  Vert.  lumbales,  Vert.  abdominales. 

5)  Schwanzwirbel,  Vert.  coccygicae,  Triepel,  caudales. 


Brustwirbel.  15 

infer. ;  er  legt  sich  mit  dem  benachbarten  Ausschnitt  des  nächsten  Wirbels  zu  dem 
Zwischenwirbelloch,  Foramen  intervertebrale,  zusammen  35  ,  durch  welches 
die  Spinalnerven  den  Wirbelkanal  verlassen.  Jenseits  der  Incisur  erhöht  sich  der 
Bogen  beträchtlich,  indem  er  dort  die  Gelenkfortsätze,  Processus  articu- 
lares1),  superior  und  inferior  (25,38,32)  trägt,  welche  mit  den  gleichen  Fort- 
sätzen des  nächstoberen  und  nächstunteren  Wirbels  ein  Gelenk  zu  bilden  bestimmt 
sind.  Von  der  gleichen  Stelle  des  Bogens,  welche  die  Gelenkfortsätze  absendet,  geht 
auch  der  Querfortsatz,  Processus  transvcrsus  (26),  ab.  Die  Stelle  des 
Bogens,  an  welcher  die  drei  Fortsätze  abgehen,  kann  man  die  seitlichen  Massen, 
Massae  laterales  (26),  nennen.  Hinter  ihnen  folgt  der  Bogenschluß,  welcher 
von  seinem  hinteren  Umfang  in  der  Medianlinie  den  unpaarigen  Dornfortsatz, 
Processus  spinosus  (25,26),  absendet.  Die  dem  Wirbclkanal  zugewendete  Fläche 
des  Bogenschlusses  ist  in  der  Art  schräg  gestellt,  daß  der  untere  Umfang  des  Wirbel- 
loches  jedesmal  weiter  ist,  als  der  obere.  Die  Spitze  des  Dornfortsatzes  steht  nicht 
immer  ganz  genau  in  der  Medianebene,  sie  kann  aus  ihr  nach  der  einen  oder 
anderen  Seite  etwas  abgebogen  sein. 

Es  wird  nun  zu  untersuchen  sein,  inwieweit  die  einzelnen  Wirbelgruppen 
dem  Typus  entsprechen  oder  von  ihm  abweichen. 

u)  Brustwirbel,  Vertebrae  thoracicae2)  (25,20.27).  Da  das  Rumpfskelet 
im  Bereich  des  Brustkorbes  am  vollkommensten  ausgebildet  ist,  stehen  auch  die 
Brustwirbel  dem  Grundtypus  am  nächsten.  Doch  ist  ihre  Form  nur  im  Mittelteil  der 
Brustregion  ganz  unbeeinflußt,  höher  oben  und  weiter  unten  bietet  sie  Übergänge 
zu  den  Formen  der  benachbarten  Wirbelgruppen.  Die  Wirbelkörper  nehmen  von 
oben  nach  unten  stets  im  vertikalen  und  im  sagittalen  Durchmesser  zu  (47), 
während  der  transversale  an  den  mittleren  Brustwirbeln  sich  nicht  vergrößert. 
Diese  zeigen  an  ihrem  vorderen  Umfang  eine  mehr  oder  weniger  deutlich  vor- 
tretende kielförmige  Zuschärfung,  so  daß  ihre  Endflächen  oft  deutlich  dreiseitig 
gestaltet  sind.  Entsprechend  der  nach  vorne  konkaven  Krümmung  der  Brustwirbel- 
säule im  ganzen  sind  die  Endflächen  nach  vorne  leicht  gegeneinander  geneigt. 

An  der  hinteren  Ecke,  zunächst  der  Wurzel  des  Bogens,  tragen  die  Brust- 
wirbelkörper jederseits  oben  und  unten  je  eine  halbe  Gelenkgrube,  Fovea  costalis 
superior  und  inferior  (25).  Die  einander  entsprechenden  Gruben  zweier  Wirbel 
setzen  sich  nebst  der  zwischen  ihnen  liegenden  Bandscheibe  zu  einer  ganzen  Planne 
zusammen,  mit  welcher  das  entsprechende  Rippenköpfchen  articuliert.  Da  der  letzte 
Halswirbel  in  der  Kegel  sieh  nicht  an  der  Herstellung  der  Planne  für  die  oberste 
Rippe  beteiligt,  so  trägt  der  erste  Brustwirbelkörper  oben  eine  ganze  Pfanne.  Nach 
den  unteren  Brustwirbeln  hm  weicht  die  obere  Halbpfanne  immer  weiter  bis  auf 
die  Wurzel  des  Bogens  zurück,  und  es  wird  der  obere  Teil  der  Gesamtgelenkfläche 
immer  kleiner,  der  untere  größer.  Au  den  beiden  letzten  Brustwirbelkörpem  rückt 
sie  ganz  auf  deren  Seitenfläche,  so  daß  diese  je  eine  einzige  Pfanne  für  die  elfte 
und  zwölfte   Rippe  tragen    ■':■'>  . 

Die  Wurzeln  der  Bogen  sind  an  den  Brustwirbeln  sagittal  gestellt.  Sie  gehen 
vom  oberen  Teil  des  Wirbelkörpers  ab,  so  daß  die  [ncisura  super,  erheblich  flacher 
ist,  als  dir  [ncisura  infer.  Richtige  Gelenkfortsätze  tragen  sie  nur  oben.  Ihre  Gelenk- 
flächen  sind  last   kreisrund,  sie  neigen  sich  schräg  von  oben  und  vorn  nach  hinten 

')   Processus  obliqui. 
-)  Vertebrae  dorsales. 


16  Halswirbel. 

und  unten.  Die  entsprechenden  unteren  Gelenkflächen  sind  nur  Facetten  auf  der 
gegen   den  Wirbelkanal  hin  stehenden  Vorderfläche  der  Bogen. 

Der  obere  Gelenkfortsatz  des  ersten  Brustwirbels  gleicht  schon  vollständig 
dem  der  Halswirbel,  der  untere  des  zwölften  dem  der  Bauchwirbel. 

Die  Querfortsätze  sind  kräftig.  Sie  gehen  von  den  seitlichen  Massen  schräg 
nach  hinten  ab.  Im  einzelnen  wird  ihre  Ausbildung  durch  ihre  Doppelfunktion  als 
Stützen  für  die  Rippen  und  als  Muskelansatzpunkte  beeinflußt.  Je  länger  die  an 
einem  Ouerfortsatz  befestigte  Rippe  ist,  um  so  länger  und  stärker  wird  auch  der 
Querfortsatz,  um  so  mehr  ist  er  nach  hinten  abgebogen.  Der  Rippenhöcker  stemmt 
sich  gegen  eine  kreisrunde,  schwach  vertiefte  Gelenkfläche,  Fovea  costalis  proc. 
trän sv.,  welche  die  Vorderseite  der  Spitze  des  Querfortsatzes  einnimmt.  Die  beiden 
letzten  rudimentär  ausgebildeten  Rippen  stehen  mit  den  Querfortsätzen  der  ent- 
sprechenden Wirbel  nicht  mehr  durch  Gelenke,  sondern  nur  durch  Syndesmose  in 
Zusammenhang;  deshalb  ist  auch  der  des  elften  Brustwirbels  nur  kurz,  der  des 
zwölften  kommt  so  gut  wie  gar  nicht  mehr  zur  Entwickelung   (35). 

Als  Muskelansatz  dient  eine  Rauhigkeit,  Tuberositas  processus  trans- 
versi  (25,  26),  welche  sich  vom  hinteren  Umfang  der  Spitze  des  Querfortsatzes  an 
seinem  oberen  Rand  nach  seiner  Wurzel  hinzieht.  Im  Zusammenhang  mit  der 
stärkeren  Ausbildung  der  Rückenmuskulatur  nach  unten  hin  nimmt  besonders  der  Teil 
der  Rauhigkeit  an  Größe  und  Umfang  zu,  welcher  nach  der  Wurzel  des  Querfortsatzes 
hingeht.  Auch  an  den  letzten  beiden  Brustwirbeln,  wo  der  Querfortsatz  so  wenig 
ausgebildet  ist,  kann  die  Rauhigkeit  nicht  entbehrt  werden,  am  zwölften  Brust- 
wirbel bleibt  sogar  vom  Ouerfortsatz  außer  einem  ganz  unbedeutenden  seitlichen 
Höckerchen  nichts  weiter  übrig  wie  die  Tuberosität,  welche  jetzt  bis  auf  die  Gegend 
der  Gelenkfortsätze  sich  zurückgezogen  hat.  Sie  hat  sich  dabei,  ihrer  ansehnlichen 
Ausbildung  entsprechend,  in  zwei  Höcker  geteilt,  welche  man  nun  als  Processus 
mamillaris  und  Pr.  accessorius  bezeichnet   (35). 

Die  langen  Dornfortsätze  der  Brustwirbel  sind  dreiseitig  prismatisch  mit 
einer  oberen  Kante  und  unteren,  schwach  gehöhlten  Fläche.  An  den  mittleren  Brust- 
wirbeln sind  sie  stark  abwärts  geneigt  und  decken  sich  dachziegelförmig.  Nach  oben 
und  unten  richten  sie  sich  immer  mehr  auf  und  gleichen  auch  in  ihrer  Form  immer 
mehr  einerseits  den  Dornen  der  Halswirbel,  andererseits  denen  der  Bauch- 
wirbel. 

ß)  Halswirbel,  Vertebrae  cervicales  *)  (28,  29,  30).  Von  ihnen  sind  einst- 
weilen nur  die  fünf  unteren  zu  betrachten,  da  die  beiden  obersten  als  Drehwirbel 
nachher  für  sich  zu  besprechen  sein  werden.  Der  Körper  der  Halswirbel  nimmt 
nach  oben  immer  mehr  an  Volumen  ab.  Er  besitzt  querelliptische  Endflächen, 
von  welchen  die  obere  in  transversaler,  die  untere  in  sagittaler  Richtung  konkav 
ist.  Die  einander  zugewandten  Flächen  zweier  Wirbelkörper  liegen  so  aufeinander, 
wie  zwei  Hände  beim  Handschlag.  Der  Wirbelkanal  ist  im  Bereich  der  Halswirbel 
besonders  geräumig;  bei  der  Kleinheit  der  Wirbelkörper  sind  deshalb  die  Wurzeln 
der  Bogen  gezwungen,  stark  seitwärts  abzuweichen,  um  ihn  umfassen  zu  können. 
Die  Gelenkfortsätze  ragen  nur  wenig  hervor.  Die  verhältnismäßig  großen  rundlichen 
Gelenkflächen  sind  so  gestellt,  daß  sich  die  Artikulationsebene  nach  dem  Schädel  zu 
immer  mehr  nach  vorn  neigt. 


x)  Vertebrae  colli. 


Lendenwirbel.  17 

Die  Querfortsätze  bestehen  aus  zwei  Elementen,  dem  echten  Querfortsatz  und 
dem  Rudiment  einer  mit  dem  Wirbel  verwachsenen  Rippe  (Processus  costariusj 
{30).  Der  erstere  entspringt  an  der  ihm  zukommenden  Stelle  zwischen  den  Querfort- 
sätzen, der  letztere  an  der  Stelle  des  Körpers,  gegen  welche  sich  bei  den  Brustwirbeln 
das  Rippenköpfchen  anstemmt.  Beide  Fortsätze  fassen  ein  Loch  zwischen  sich,  das 
Foramen  transversarium,  durch  welches  vom  sechsten  Halswirbel  ab  die  Art. 
vertebralis  zum  Schädel  aufsteigt.  Am  lateralen  Umfang  des  Loches,  da  wo  der 
Höcker  der  freien  Rippen  mit  der  Spitze  des  Ouerfortsatzes  der  Brustwirbel  ver- 
bunden ist,  fließen  die  beiden  Fortsätze  zusammen.  Ihre  Spitzen  treten  am  seitlichen 
Ende  des  Ouerfortsatzes  als  Tuberculum  anterius  und  posterius  eckig  vor. 
Nur  am  Querfortsatz  des  siebenten  Halswirbels  fehlt  die  vordere  Ecke,  was  sich 
daraus  erklärt,  daß  hier  die  Art.  vertebralis  über  den  Processus  costarius  hinzieht, 
um  in  das  Ouerfortsatzloch  des  sechsten  Halswirbels  zu  gelangen  (31).  Die  obere 
Fläche  des  Querfortsatzes  des  dritten  bis  sechsten  Halswirbels  ist  dadurch,  daß 
sich  der  Proc.  costarius  etwas  nach  oben  umlegt,  rinnenförmig  vertieft,  um  den  aus 
dem  Wirbelkanal  austretenden  Nerven  aufzunehmen  (28,  29). 

Die  Dornfortsätze  der  Halswirbel  sind  kurz,  oben  konvex  und  mit  einer  Firste 
versehen,  unten  konkav.  Sie  sind  nur  wenig  abwärts  geneigt.  Ihre  Spitze  ist  in  zwei, 
oft  ungleich  ausgebildete  Zacken  gespalten,  zwischen  welche  sich  das  Lig.  nuchae  einfügt 
(29,  30).  Der  Dornfortsatz  des  siebenten  Halswirbels  ist  länger  als  die  übrigen  und 
seine  Spitze  ist  nicht  gespalten,  sondern  knaufförmig  verdickt,  da  das  Nackenband, 
welches  nur  bis  zur  oberen  Fläche  dieses  Domes  herabreicht,  sie  frei  läßt.  Betastet 
man  am  Lebenden  die  hintere  Mittellinie  vom  Kopfe  aus,  dann  fühlt  man  die  Dornen 
der  Halswirbel  des  Nackenbandes  wegen  nur  ganz  undeutlich  oder  gar  nicht,  nur  die 
Spitze  des  siebenten  springt  sehr  deutlich  hervor,  was  diesem  Wirbel  den  Namen 
Vertebra  prominens  eingetragen  hat  (31).  Bei  der  Bestimmung  der  Ordnungszahl 
der  am  Rücken  fühlbaren  Wirbel  spielt  die  Vertebra  prominens  eine  wichtige  Rolle. 

y)  Lendenwirbel,  Vertebra elumbarcs1)  1 32.  33.  34) .  Die  Körper  derselben 
sind  sowohl  im  queren  wie  im  sagittalen  Durchmesser  am  größten;  in  vertikaler  Rich- 
tung ist  der  dritte  und  vierte  Lendenwirbel  am  höchsten.  Die  Endflächen  sind  nieren- 
förmig,  was  sich  schon  an  den  letzten  Brustwirbeln  vorbereitet  hatte.  Am  letzten 
Lendenwirbelkörper  konvergieren  die  Endflächen  nach  hinten,  so  daß  er  keilförmig 
gestaltet  ist,  was  mit  der  Krümmung  der  Wirbelsäule  im  ganzen  ebenso  zusammen- 
hängt, wie  die  umgekehrte  Gestaltung  der  mittleren  Hrustwirbelkörper.  Die  Wurzeln 
des  Rogens  sind  im  Verhältnis  zu  dem  hohen  Körpei  nieder,  so  daß  die  obere,  be- 
sonders aber  die  untere  Incisur  und  damit  das  Foramen  intervertebrale  geräumig 
wird  (3ö).  Sie  gehen  in  sagittaler  Richtung  vom  Körper  ab.  Die  Gelenkfortsätze 
sind  kräftig  und  ragen  in  vertikaler  Richtung  stark  hervor.  Die  Gelenkflächen  haben 
sich  vom  Gelenk  zwischen  letztem  Brustwirbel  und  erstem  Bauchwirbel  so  gedreht, 
daß  die  des  oberen  Wirbels  immer  lateral,  die  des  unteren  medianwarts  gerichtet, 
ist,  so  daß  die  unteren  Gelenkfortsätze  von  den'oberen  des  folgenden  Wirbels  um- 
faßt werden.  Nur  an  dem  Gelenk  des  letzten  Bauchwirbels  mit  dem  Kreuzbein 
stehen  die  Gelenkflächen  wieder  mein  frontal.  Die  oberen  Gelenkflächen  sind  kon- 
kav, die  unteren  entsprechend  konvex  gestalte!  [33,  34). 

In  die  Bildung  der  Querfortsätze  der  Bauchwirbel  ist  ebenso  wie  in  die  der 
Halswirbel,   ein    Rippenrudiment    einbezogen,   was   schon   daraus   zu   entnehmen    ist. 

')    Wrtt'hr.u'   .ilnlonunales. 
Merkel,    Anatomie  II.    Skcletlchrc. 


18  Drehwirbel. 

daß  sie  trotz  des  Fehlens  einer  freien  Rippe  doch  weit  stärker  entwickelt  sind,  als 
an  dem  letzten  Brustwirbel.  Sie  sind  lang  und  sagittal  abgeplattet.  Klarer  noch 
als  aus  der  Form  geht  die  Bedeutung  der  Ouerfortsätze  der  Lendenwirbel  daraus 
hervor,  daß  sie  nicht  nur  von  den  Massae  laterales  der  Bogen  ausgehen,  sondern  daß 
sie  auch  durch  eine  Art  Leiste  mit  dem  Teil  des  Wirbelkörpers  verbunden  sind,  an 
welchem  bei  den  Brustwirbeln  die  Fovea  costalis  sup.  steht  (33).  Zuweilen  vorkommende 
freie  Bauchrippen  sind  ebenfalls  unwiderlegliche  Beweise  für  die  Bedeutung  der 
Ouerfortsätze.  Von  den  erwähnten  Muskelerhabenheiten  rückt  der  Proc.  mamil- 
laris  ganz  auf  die  Außenseite  des  oberen  Gelenkfortsatzes,  der  Proc.  accessorius 
nimmt  die  Rückseite  der  Wurzel  des  Ouerfortsatzes  ein  (32).  An  den  unteren 
Bauchwirbeln  verbreitert  er  sich  und  zerfällt  in  mehrere  kleine  Hervorragungen. 

Der  Dornfortsatz  der  Bauchwirbel  ist  von  beiden  Seiten  komprimiert  und 
zeigt  zwei  breite  Seitenflächen  und  eine  obere  und  untere  Kante.  Seine  Spitze  ist 
senkrecht  abgeschnitten  und  gewulstet. 


Am  cranialen  und  caudalen  Ende  der  Wirbelsäule  machen  die  physiologischen 
Bedürfnisse  der  angrenzenden  Gebiete  ihren  Einfluß  auf  die  Wirbelsäule  in  entgegen- 
gesetzter Weise  geltend;  oben  ist  der  Kopf  frei  beweglich  zu  machen,  unten  hat  um- 
gekehrt die  Wirbelsäule  dazu  mitzuwirken,  um  die  Verbindung  der  unteren  Extremi- 
täten mit  dem  Rumpf  so  stabil  wie  möglich  zu  gestalten.  Beides  wird  dadurch  er- 
reicht, daß  die  in  ihrer  ersten  ent wickelungsgeschichtlichen  Anlage  nicht  von  dem 
Typus  abweichenden  Wirbel  sich  in  eigenartiger  Weise  ausbilden,  daß  einerseits 
sonst  ungewohnte  Trennungen,  andererseits  ungewohnte  Verwachsungen  stattfinden, 
daß  an  der  einen  Stelle  sonst  verknöcherte  Teile  bindegewebig  bleiben,  an  einer 
anderen   Stelle  sonst   als  Bänder  auftretende  sich  in  Knochen  umwandeln. 

b)  Drehwirbel. 

Der  dem  Kopf  zunächst  liegende  erste  Halswirbel  ist  der  Träger,  Atlas 
(36,37,39),  der  zweite  der  Dreher,  Epistropheus1)  (38.39.40).  Die  entwicke- 
lungsgeschichtlichen  Anlagen  der  beiden  Wirbel  sind  mit  denen  der  anderen  Wirbel 
ganz  identisch,  nur  zeigt  besonders  der  erste  ein  größeres  Breitenwachstum.  In  der 
Folge  aber  verknorpelt  und  verknöchert  die  hypochordale  Spange  (I.  Abt.  S.  209)  des 
ersten  Wirbels,  verbindet  sich  mit  dem  Bogen  und  gestaltet  auf  diese  Art  den  Wirbel 
zu  einem  Ring.  Der  Körper  des  ersten  Wirbels  verbreitert  sich  an  seiner  dem 
zweiten  Wirbel  zugekehrten  Seite  zu  einer  nach  beiden  Seiten  hin  ausladenden 
Konsole,  während  sich  der  gegen  den  Schädel  hin  gerichtete  Teil  zu  einem  konischen 
Zapfen  verjüngt  (40).  Der  in  dieser  Art  modifizierte  Wirbelkörper  vereinigt  sich 
nicht  mit  den  anderen  entwickelungsgeschichtlich  zu  ihm  gehörigen  Teilen,  sondern 
mit  dem  zweiten  Wirbel.  Das  Gelenk,  durch  welches  Atlas  und  Epistropheus  mit- 
einander zusammenhängen,  ist  nicht  den  übrigen  Wirbelgelenken  homolog,  sondern 
gehört  lediglich  den  durch  den  Gang  der  Entwickelung  voneinander  getrennten  Teilen 
des  Atlas  an. 

Der  ausgebildete  Epistropheus  besitzt  einen  höheren  Körper  als  die  übrigen 
Halswirbel,  weil  er  ja  auch  den  des  Atlas  enthält.  In  seinem  unteren  Teil  ist  dieser 
Wirbel  den  übrigen  Halswirbeln  gleich  gestaltet.     Sein  Gelenkfortsatz  geht  von  der 

J)  Axis. 


Dreh  wirbel.  19 

Massa  lateralis  des  Bogens  ab,  auch  sein  Querfortsatz  mit  dem  Proc.  costarius  und 
dem  For.  transversale  unterscheidet  sich  nicht  von  denen  der  übrigen  Halswirbel, 
nur  ist  der  Proc.  costalis  etwas  nach  abwärts  gedrängt  und  sein  Tuberculum  anterius 
ist  nicht  zur  Ausbildung  gekommen.  An  der  dem  Atlas  zugekehrten  Seite  des  Epi- 
stropheus  aber  existiert  ein  Proc.  articularis  nicht,  die  Stelle  des  Bogens,  an  welcher 
er  sein  sollte,  ist  vielmehr  glattrandig.  Die  Facies  articulares  superiores 
stehen  vorne  über  den  Seitenteilen  des  Körpers;  sie  sind  von  ovaler  Form,  flach 
gewölbt  und  seitlich  abwärts  geneigt.  In  der  Mitte  zwischen  ihnen  erhebt  sich  der 
zapfenförmige,  nach  oben  zugespitzte  Zahn,  Dens,  an  dessen  Vorderseite  eine 
Facies  articularis  anterior  der  Articulation  mit  dem  vorderen  Bogen  des  Atlas 
dient,  während  sich  an  eine  oft  nicht  ganz  deutlich  abgegrenzte  Facies  articu- 
laris posterior   der  Rückseite  das  quere  Atlasband   anlagert. 

Der  Atlas  besteht  aus  einem  vorderen  und  hinteren  Bogen,  Arcus  anterior 
und  posterior.  In  der  Mitte  des  äußeren  Umfanges  trägt  jeder  einen  kleinen  Höcker, 
Tuberculum  anterius  und  posterius,  ersterer  durch  den  Ansatz  von  Muskeln 
hervorgerufen,  letzterer  den  Dornfortsätzen  der  übrigen  Wirbel  homolog.  An  der 
Innenseite  des  vorderen  Bogens  findet  man  dem  Tuberculum  anterius  gegenüber  eine 
flache  Gelenkgrube  für  die  Gelenkverbindung  mit  dem  Zahn  des  Epistropheus,  die 
Fovea  dentis1).  Die  beiden  Bogen  werden  durch  die  Massae  laterales2)  mit- 
einander verbunden,  kräftige  Knochenmassen,  welche  die  Gelenkflächen  tragen.  Die 
oberen,  Foveae  articulares  superiores,  sind  zur  Articulation  mit  dem  Schädel 
brstinuut,  sie  sind  von  elliptischer  Form,  konkav  und  nicht  selten  durch  eine  Ouer- 
furche  geteilt.  Der  hintere  Teil  der  Gelenkfläche  ragt  als  Fortsatz  frei  hervor  und 
hat  unter  sich  eine  Furche  für  die  Art.  vertebralis,  Sulcus  art.  vertebralis. 
Durch  Yerknöcherung  eines  Bandes,  welches  sich  hinter  der  Arterie  von  der  Spitze 
der  Gelcnkfläche  zum  hinteren  Bogen  erstreckt,  wird  der  Sulcus  nicht  selten  in  ein 
Foramen  verwandelt.  Die  unteren  Gelenkflächen,  Facies  articulares  inferiores 
für  die  Gelenkverbindung  mit  dem  Epistropheus  bestimmt,  sind  rund,  leicht  konvex 
und  den  oberen  Gelenkflächen  des  Epistropheus  entsprechend  geneigt. 

Da  die  Gelenke  an  der  oberen  und  unteren  Seite  des  Atlas  seinem  Körper  und 
nicht  dem  Bogen  angehören,  verhalten  sich  ihnen  gegenüber  die  Teile  des  weit  nach 
der  Seite  hin  vortretenden  Ouerfortsatzes  anders  wie  bei  den  Beugewirbeln.  Die 
Spanne  des  Querfortsatzes  im  engeren  Sinne  geht  ohne  einen  Absatz  aus  dem  hinteren 
Bogen  hervor,  der  Proc.  costarius  entspringt  mitten  /.wischen  der  oberen  und  unteren 
Gelenkfläche.  Incisuren  und  Zwisehenwirbellöchcr,  wie  bei  den  Beugewirbeln,  kann 
es  wegen  dieser  Lage  der  Gelenke  nicht  geben;  es  erstreckt  sich  vielmehr  ein  einfach«  r 
weitet'  Spalt  oberhalb  und  unterhalb  des  Atlas  um  seinen  hinteren  Bogen  herum, 
von  einem  Gelenk  zum  andern  :;:>  und  die  den  Rückenmarkskanal  verlassenden 
Nerven  treten  durch  dessen  vordersten  Teil  nach  außen. 

Der  Wirbelkanal  scheint  im  Bereich  des  Atlas  außerordentlich  weit  zu  si  in, 
dies  ist  jedoch  deshalb  eine  Täuschung,  weil  ja  die  vordere  Hälfte  des  geräumigen 
Wirbelloches  durch  den  Zahn  des  Epistropheus  und  seinen  Bandapparat  aus- 
gefüllt  wird. 

')   Fossa  articularis  posterior. 

')  Die  Massae  laterales  des  Vtlas  sind  mit  den  gleichnamigen  Teilen  der  Beugewirbel  nicht 
identisch,     Letztere  liegen  weiter  zurück. 


20  Falsche  Wirbel. 

c)  Falsche  Wirbel. 

Das  Endstück  der  Wirbelsäule,  welches  immer  rudimentärer  wird,  je  mehr  es 
sich  seinem  Abschluß  nähert,  zerfällt  in  Kreuzbein  und  Steißbein. 

a)  Das  Kreuzbein,  Ossacrum  (41 — 44),  besteht,  wie  oben  erwähnt,  aus  fünf 
Wirbeln,  welche  sich  ganz  ebenso  getrennt  voneinander  anlegen,  wie  andere  Wirbel 
auch  (66,  67),  Da  sie  aber  für  die  untere  Extremität  eine  feste  Stütze  abzugeben 
haben,  verschmelzen  sie  miteinander  und  bilden  beim  Erwachsenen  ein  solides 
Knochenstück.  Die  Rippenrudimente,  welche  bei  den  angrenzenden  Lendenwirbeln 
nicht  eben  stark  entwickelt  sind,  werden  an  den  drei  oberen  Kreuzwirbeln,  gegen 
welche  sich  der  Gürtel  der  Extremität  anstemmt,  zu  kräftigen  Knochenstützen,  an 
den  beiden  letzten,  mit  welchen  die  Extremität  nichts  mehr  zu  tun  hat,  bilden  sie 
sich  stark  zurück.  Die  Seitetiteile,  Partes  laterales1)  des  Kreuzbeines  werden 
im  wesentlichen  von  den  miteinander  verwachsenen  Rippenrudimenten  dargestellt. 

Das  Kreuzbein  des  Erwachsenen  ist  ein  platter,  muschelartig  gewölbter  und 
keilförmig  nach  seinem  Ende  verjüngter  Knochen.  Das  craniale  Ende  wird  als  Basis, 
das  caudale  als  Spitze,  Apex,  bezeichnet.  Die  Basis  erscheint  in  ihrem  Mittelteil  wie 
ein  Bauchwirbel  (4.3) ,  auch  die  Proc.  articulares  sind  denen  des  letzten  Bauchwirbels, 
mit  welchen  sie  zusammengreifen,  entsprechend  gestaltet  (42).  Die  obere  Fläche  der 
Seitenteüe  verbreitert  sich  lateralwärts  beträchtlich,  nach  hinten  erkennt  man  noch 
den  rückwärts  geneigten  Ouerfortsatz,  nach  vorne  ist  das  mit  ihm  verwachsene 
Rippenrudiment  durch  eine  stumpfe  Kante  gegen  die  Vorderfläche  des  Knochens 
abgegrenzt.  Die  untere  Spitze  des  Kreuzbeins  besteht  lediglich  aus  der  quer- 
elliptischen Endfläche  des  letzten  Kreuzwirbels. 

Die  vordere,  konkav  gebogene  Fläche  des  Kreuzbeines,  Facies  pelvina,  sieht 
nach  dem  Beckenraum  hin,  die  hintere  konvexe,  Facies  dorsalis,  wendet  sich 
dem  Rücken  zu.  Sie  wird  zum  Teil  durch  Muskeln  bedeckt,  die  Mitte  aber  liegt  dicht 
unter  der  Haut,  so  daß  diese  bei  langem  Liegen  auf  dem  Rücken  so  gedrückt  werden 
kann,  daß  Decubitus  entsteht.  An  der  Beckenfläche  erkennt  man  die  ursprüngliche 
Zusammensetzung  aus  einzelnen  Wirbeln  noch  im  ausgebildeten  Zustand  an  queren 
Leisten,  Lineae  transversae,  den  Vereinigungsstellen  der  früher  getrennten  Kreuz- 
wirbelkörper. Der  Körper  des  dritten  Kreuzwirbels  zeigt  an  seiner  Vorderfläche 
eine  mehr  oder  weniger  deutlich  ausgesprochene  Knickung  (44),  welche  der  Stelle 
entspricht,  an  der  seitlich  die  enge  Verbindung  mit  dem  Hüftbein  aufhört.  An  die 
Seiten  der  Lineae  transversae  schließen  sich  vier  Forami  na  sacralia  anteriora 
an,  welche  von  oben  nach  unten  immer  enger  werden.  Für  sie  findet  man  an  den 
freien  Wirbeln  scheinbar  keine  Analoga.  Sie  existieren  jedoch  dort  ebenfalls,  nur 
werden  sie  an  ihrer  lateralen  Seite  durch  die  Ligg.  costotransversaria  umschlossen, 
welche  bei  der  Mazeration  fortfallen,  während  sie  am  Kreuzbein  in  der  Knochenmasse 
der  Seitenteile  enthalten  sind.  Die  Löcher  sind  zum  Austritt  von  Nerven  bestimmt. 
Lateral  von  ihnen  folgt  die  Vorderfläche  der  Seitenteile,  auf  welcher  sich  der  Proc. 
costarius  jedesmal   als  eine  gerundete  Leiste  geltend  macht. 

Ihnen  gegenüber,  auf  der  dorsalen  Fläche  des  Kreuzbeines,  findet  man  vier 
Foramina  sacralia  posteriora.  Vordere  und  hintere  Kreuzbeinlöcher  sind  die 
Öffnungen  von  kurzen  Kanälen,  welche  den  Knochen  in  sagittaler  Richtung  durch- 
setzen.    Auch  aus  den  hinteren  Kreuzbeinlöchern  treten  Nerven  aus. 


Partes  costales,   Gegenbau r. 


•  Falsche  Wirbel.     Struktur  der  Wirbel.  21 

Die  Dornen,  die  Spitzen  der  Ouerfortsätze  und  die  Gelenkfortsatze  der  Kreuz- 
wirbel ragen  auf  der  dorsalen  Fläche  des  Knochens  noch  so  weit  aus  der  allgemeinen 
Knochenmasse  heraus,  daß  man  sie  unschwer  erkennen  kann.  Die  Dornfortsätze 
sind  mit  den  sie  verbindenden  Bändern  mehr  oder  weniger  vollständig  zu  einer  me- 
dianen Leiste,  Crista  sacralis  media1)  zusammengeflossen.  Am  letzten  Kreuz- 
wirbel jedoch,  oft  auch  noch  höher  oben,  fehlt  der  knöcherne  Bogenschluß  und  mit 
ihm  natürlich  auch  der  Rest  des  Dornfortsatzes  vollständig ;  es  öffnet  sich  daselbst  eine 
nach  oben  zwickeiförmig  zugespitzte  Lücke,  Hiatus  sacralis.  An  dem  medialen 
Umfang  der  hinteren  Kreuzbeinlöcher  tauchen  die  Gelenkfortsätze,  Cristae  sa- 
crales  articulares2)  als  kurze  Zacken  oder  Leisten  aus  der  Knochenmasse  auf. 
Die  Seitenteile  des  letzten  Kreuzwirbels  mit  ihren  Gelenkfortsätzen  bleiben  als  kleine 
griffeiförmige  Zapfen,  Cornua  sacralia  (42)  neben  dem  Hiatus  sacralis  erhalten, 
sie  ragen  nach  unten  und  verbinden  sich  mit  ähnlichen  Fortsätzen  des  ersten  Steiß- 
wirbels. Die  Spitzen  der  Ouerfortsätze  treten  als  kleine  Höcker  am  lateralen  Um- 
fang der  hinteren  Kreuzbeinlöcher  hervor,  Cristae  sacrales  laterales3).  Sie 
sind  besonders  an  den  unteren  Kreuzwirbeln  nur  wenig  ausgesprochen. 

Die  Seitenteile  des  Kreuzbeines  tragen  an  ihrer  lateralen  Seite  eine  S-förmig 
gestaltete  Gelenkfläche,  Facies  auricularis,  zur  Verbindung  mit  dem  Hüftbein. 
Dieselbe  erstreckt  sich  caudahvärts  nur  bis  in  das  Gebiet  des  dritten  Kreuzwirbels, 
bis  zur  Horizontalen  der  oben  erwähnten  Knickung  seines  Körpers.  Unter  der  Ge- 
lenkfläche schärft  sich  der  Seitenrand  des  Kreuzbeines  allmählich  zu.  An  der 
dorsalen  Seite  der  Seitenteile,  hinter  der  Facies  auricularis,  findet  man  ein  sehr  un- 
regelmäßig gestaltetes,  mit  Höckern  und  Vertiefungen  versehenes  Feld,  Tubero- 
sitas  sacralis,  zum  Ansatz  sehr  kräftiger  Bandmassen. 

Der  Wirbelkanal  des  Kreuzbeines,  Canalis  sacralis  (44),  ist  dreiseitig;  er 
verjüngt  sich  caudalwärts.  Von  ihm  gehen  nach  beiden  Seiten  die  Foramina 
intervertebralia  ab,  ganz  wie  zwischen  den  freien  Wirbeln;  sie  stoßen  im  rechten 
Winkel  auf  die  erwähnten  kurzen  Kanäle,  welche  die  vorderen  und  hinteren  Kreuz- 
beinlöcher miteinander  verbinden. 

ß)  Das  Steißbein,  Os  coecygis4)  (41,42),  ist  der  stark  verkümmerte  Rest 
des  Schwanzskeletes  der  Säuger.  Es  besteht  aus  drei  bis  sechs,  meist  vier,  durch 
Synchondrose  oder  Synostose  verbundenen  Wirbelrudimenten.  Der  erste  Steißwirbel 
besitzt  noch  eine  Andeutung  von  Gelenkfortsätzen  in  den  Cornua  coccygea,  welche 
mit  den  Kreuzbeinhörnern  durch  Syndesmose  zusammenhängen,  oft  auch  knöchern 
mit  ihnen  verbunden  sind.  Platte  dreiseitige  Seitenteile  erinnern  an  diejenigen  di  - 
Kreuzbeines.  Im  übrigen  ist  von  einem  Wirbelbogen  nichts  erhalten.  Am  zweiten 
Steißwirbel  sind  die  Seitenteile  noch  angedeutet,  die  letzten  sind  auf  kleine  rund- 
liehe Knochenstückchen  reduziert,  in  welchen  nur  die  Wirbelkörper  zu  erblicken  sind. 

Ihrer  Struktur  nach  sind  die  Wirbel  spongiöse  Knochen;  die  (leckende  Corti- 
calis  ist  dünn.  Nur  am  Ursprung  des  Bogens  findet  man  eine  etwa-  stärker  aus- 
gebildete kompakte  Substanz.  Die  SpongiosabäUcchen  kreuzen  sich  im  allgemeinen 
rechtwinkelig,   doch   strahlen   auch   schiefe   Systeme  von  den   Gelenkfortsätzen   aus 

l)  Pro«  essus  spinosi  spurii. 

-'I  Processus  articulares  spurii. 

3)  Processus  transversi  spurii. 

4)  Schwanzbein,  Os  caudae. 


22  Wirbelgefäße.     Bänder  der  Wirbelsäule. 

in  die  Wirbelkörper  ein.  Die  Wirbelsäule  im  ganzen  stellt  eine  Fachwerkskonstruk- 
tion dar  (Bardeleben  1874).  Das  feste  Periost  ist  mit  der  Oberfläche  inniger  ver- 
bunden als  mit  der  der  Bogen. 

Die  Arterien  der  Wirbel  (Zaleski  1898)  stammen  am  Halse  von  den  Aa.  verte- 
brales,  welche  ihr  Versorgungsgebiet  bis  zum  sechsten  Halswirbel  hinab  ausdehnen. 
Den  siebenten  Halswirbel  und  ersten  Brustwirbel  versorgt  die  A.  cervicalis  profunda 
mit  Blut.  Von  da  ab  geben  die  segmentalen  Gefäße  des  Rumpfes,  Intercostal-  und 
Lumbaiarterien,  Äste  an  sie  ab.  Das  Kreuz-  und  Steißbein  erhält  seine  Gefäßver- 
zweigungen von  den  Aa.  sacrales,  media  und  lateralis.  Die  Gefäße  bilden  anastomo- 
tische  Netze,  erstens  auf  der  Vorderseite  der  Wirbelkörper,  sodann  auf  deren  Rück- 
seite und  endlich  auf  der  Vorderseite  der  Wirbelbogen  und  der  Ligamenta  flava; 
von  allen  Seiten  dringen  Äste  in  den  Knochen  ein.  Die  Venen,  welche  das  Blut  aus 
den  Wirbeln  zurückführen,  sind  außerordentlich  groß;  man  sieht  an  jedem  maze- 
rierten Wirbel  die  Mündungen  als  weite  Löcher,  welche  besonders  an  der  Rückseite 
der  Körper  auffallen.     Sie  ergießen  sich  in  die  Plexus  der  Wirbelhöhle  (M.). 


2.  Bänder  der  Wirbelsäule. 

Die  Einzelwirbel  können  sich  nur  in  beschränktem  Maße  als  solche  Geltung 
verschaffen,  ihre  wahre  Bedeutung  erlangen  sie  erst  in  ihrer  Zusammenfügung  zur 
Wirbelsäule  durch  den  Bandapparat.  Erst  durch  das  Zusammenwirken  von  Wirbeln 
und  Bändern  gewinnt  der  Rumpf  im  ganzen  einerseits  seinen  Halt,  andererseits  seine 
Beweglichkeit.  Eine  weitere  wichtige  Funktion  des  Bandapparates  ist  es,  den  Wirbel- 
kanal vollständig  zu  verschließen  und  dadurch  dessen  Inhalt  zu  schützen.  Die 
osteologischen  Verhältnisse  bringen  es  mit  sich,  daß  einerseits  die  Wirbelkörper,  anderer- 
seits die  Wirbelbogen  ihre  besonderen  Bandverbindungen  haben  und  daß  am  cra- 
nialen Ende  die  Drehwirbel,  am  caudalen  die  falschen  Wirbel  mit  Bändern  besonderer 
Bedeutung  ausgestattet  sind. 

a)  Bänder  der  Wirbelkörper. 

a)  Bandscheiben.  Die  Endflächen  der  Wirbelkörper  werden  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  durch  Bandscheiben,  Fibrocartilagines  interverte- 
brales 1)  miteinander  verbunden  (48,  49,  50).  Sie  bestehen  aus  einem  im 
Inneren  liegenden  Gallertkern,  Nucleus  pulposus,  und  einem  Faserring, 
Anulus  fibrosus,  welcher  den  Gallertkern  umschließt.  Dieser  letztere  liegt 
meist  nicht  genau  in  der  Mitte,  sondern  ist  ein  wenig  nach  dem  hinteren  Umfang 
der  Bandscheibe  verschoben.  Bei  Kindern  bis  zum  siebenten  Jahr  enthält  er 
neben  sehr  weichem  Bindegewebe  und  Knorpelelementen  bedeutende  Reste  der 
Chorda  dorsalis.  In  den  späteren  Lebensjahren  gehen  die  Chordareste  immer 
mehr  zurück,  ohne  jedoch  bis  ins  Greisenalter  völlig  zu  verschwinden;  das  Binde- 
gewebe vermehrt  sich  und  es  entsteht  im  Kern  eine  später  immer  mehr  zerklüftete 
Höhle,  deren  Wände  von  dem  flockig  aufgefaserten  Gewebe  des  Nucleus  pulposus 
gebildet  werden.  Eine  scharfe  Grenze  gegen  den  Faserring  ist  nicht  vorhanden, 
Dieser   letztere    besteht    aus    etwa   70    miteinander    durchflochtenen   Schichten    von 


x)   Zwischenwirbelscheiben,  Ligg.  intervertebralia,  Cartilagines  fibrosae  intervert.,  Triepel; 
Synchondroses  vertebrales,  Fick. 


Bänder  der  Wirbelkörper.  23 

lamellenartig  angeordneten  Bindegewcbszügen,  welche  in  weitläufigen  Spiraltouren 
die  beiden  Wirbelcndflächen  miteinander  verbinden.  Ihr  Verlauf  kreuzt  sich  in 
der  Art,  daß  die  Fasern  der  einen  Schichte  von  unten  links  nach  oben  rechts  auf- 
steigen, die  der  nächsten  von  unten  rechts  nach  oben  links.  Auf  einem  Horizontal- 
schnitt der  Bandscheibe  entsteht  dadurch  eine  konzentrische  Zeichnung,  welche 
sich  aus  hellen  und  dunklen  Streifen  zusammensetzt.  Dreht  man  den  YVirbelkörper 
langsam  um  seine  Achse,  dann  sieht  man,  wie  die  erst  hellen  Streifen  dunkel  werden 
und  umgekehrt.  Dies  erklärt  sich  dadurch,  daß  das  Licht  verschieden  reflektiert 
wird,  je  nach  dem  Einfallswinkel,  in  welchem  es  die  schief  verlaufenden  Fasern  der 
Lamellen  trifft.  Man  kann  sich  die  Lichtwirkung  durch  Betrachtung  eines  Tisch- 
tuches mit  Damastmuster  klar  machen,  bei  welchem  die  Leinenfasern  so  angeordnet 
sind,  daß  es  ebenfalls  lediglich  auf  den  Lichteinfall  ankommt,  ob  das  Muster  dunkel 
auf  hellem  Grund  oder  hell  auf  dunklem  Grund  erscheint. 

Die  Bandscheiben  gehen  in  i  mm  dicke  Schichten  hyalinen  Knorpels  über, 
welche  die  Endflächen  der  Wirbel  überkleiden. 

Die  Bandscheiben  gleichen  alle  Unregelmäßigkeiten,  welche  die  Endflächen 
der  durch  sie  verbundenen  Wirbel  zeigen,  aus,  auch  sind  sie  im  einzelnen  so  ge- 
gestaltet, daß  sie  die  Wirbelkörper  bei  der  Herstellung  der  physiologischen  Krüm- 
mung an  der  Wirbelsäule  auf  das  wirksamste  unterstützen.  Sie  sind  daher  an  der 
einen  Stelle  nach  vorne,  an  der  anderen  nach  hinten  einigermaßen  keilförmig  zuge- 
schärft. Gefrorene  Medianschnitte  des  Gesamtkörpers  zeigen,  daß  die  Höhe  der  Band- 
scheiben im  ganzen  in  der  Gegend  des  dritten  bis  sechsten  Halswirbels  am  geringsten 
ist.  Von  hier  aus  nimmt  sie  nach  beiden  Seiten  zu;  am  Hals  steigt  sie  von  zwei  auf 
etwas  über  drei  Millimeter,  nur  die  oberste  Bandscheibe  zwischen  zweitem  und  drittem 
Halswirbel  ist  niederer;  am  Bauch  wächst  die  Höhe  bedeutend  und  zwar  auf  etwa 
elf  Millimeter  heran.  Ihre  Höhe  beträgt  am  Hals  ein  Fünftel,  an  der  Brust  ein  Siebentel, 
am  Bauch  ein  Drittel  der  Höhe  der  Wirbclkörper  (Fick  1904). 

Der  eigenartige  Bau  der  Bandscheiben  ist  für  ihre  physiologische  Leistung  von 
Bedeutung.  Der  Gallertkern  ist  außerordentlich  quellbar,  er  kann  sich  auf  das 
Doppelte  seines  Volumens  vergrößern.  Durch  den  Faserring  wird  er  unter  starkem 
Druck  gehalten.  Man  erkennt  dies  an  einem  Medianschnitt  der  Wirbelsäule,  an 
welchem  die  von  diesem  Druck  befreiten  Gallertkerne  auf  der  Schnittfläche  stark 
hervorquellen.  Sie  bilden  ein  elastisches  Polster,  dessen  Form  sich  den  Bewegungen 
der  Wirbelsäule  in  geeigneter  Weise  anbequemt.  Der  Faserring,  welcher  den  Gallert- 
kern einpreßt,  wird  von  diesem  wieder  umgekehrt  in  so  beträchtliche  Spannung  ver- 
setzt, daß  er  sich  an  seiner  Oberfläche  ringsum  ein  wenig  vorbauscht.  Es  ist  durch 
diese  Wechselwirkung  sowohl  die  Beweglichkeit  wie  die  Festigkeit  der  Wirbelsäule 
auf  das  beste  gewährleistet. 

An  der  Halswirbelsäule  werden  von  Luschka  kleine  Gelenke  beschrieben,  welche 
die  erhöhten  Seitenränder  der  oberen  Endflächen  der  Wirbelkörper  mit  den  ent- 
sprechenden Flächen  des  nächsthöheren  Wirbels  verbinden.  Sie  sollen  zuweilen  von 
Entzündungen  befallen  weiden  können. 

Die  Körper  dir  falschen  Wirbel  sind  anfänglich  durch  Bandscheiben  ver- 
bunden, welche  sich  nicht  von  denen  der  beweglichen  Wirbel  unterscheiden  (66  61 
[hre  Verknöcherung  setzt  sich  vom  letzten  Kreuzwirbel  aus  cranialwärts  fort.  Die  Ver- 
bindung /.wischen  Kreuzbein  und  Steißbein  bezeichnet  man  als  Symphysis  sacro- 
coecygea.  Sie  enthält  nieist  statt  des  Gallertkernes  eine  kleine  Höhle.  Im  männ- 
lichen Geschlecht  neigt  sie  zur  Verknöcherung,  im  weiblichen  erhält  sie  sich  gewöhn- 


24  Bänder  der  Wirbelkörper. 

lieh    lange    unverknöchert.      Die    untersten    Steißwirbel    sind    meist    knöchern    mit- 
einander verwachsen. 

Die  Knochenumwandlung  der  Bandscheiben  der  falschen  Wirbel  beginnt  in 
deren  Randpartien;  im  Innern  findet  man  noch  im  späteren  Alter  einen  weichen 
Kern   (44). 

Die  Synchondrose  zwischen  Körper  und  Zahn  des  Epistropheus  wandelt  sich  im 
Laufe  der  Kinderjahre  in  eine  Synostose  um. 

Es  ist  hervorzuheben,  daß  die  Bandscheiben  der  beweglichen  Wirbel  zur 
Verknöcherung  durchaus  nicht  neigen,  man  findet  sie  vielmehr  noch  im  höchsten 
Alter  unverknöchert. 

Die  Zusammenfügung  der  Wirbelkörper  zum  Achsenstab  des  Rumpfes  wird 
unterstützt  durch  Bänderzüge,  welche  sie  an  ihrer  vorderen,  dem  Visceralrqhr  und 
an  ihrer  hinteren,  dem  Xeuralrohr  zugekehrten  Oberfläche  überziehen.  Sie  ver- 
halten sich  ähnlich  wie  der  Bewurf  einer  Hauswand,  welcher  die  Fugen  glättet  und 
unter  einer  gleichmäßigen  Oberflächenschichte  verschwinden  läßt.  Doch  trifft  der 
Vergleich  deshalb  nicht  ganz  zu,  weil  die  Oberflächen  der  Wirbelkörper  noch  mit 
Gebilden  in  Beziehung  stehen,  welche  die  deckenden  Bänderzüge  nicht  unwesent- 
lich beeinflussen. 

ß)  Das  vordere  Längsband,  Lig.  longitudinale  anterius1)  (51),  überzieht  den 
vorderen  Umfang  der  Wirbelkörper.  Es  füllt  die  Hohlkehlen  ihrer  Vorderseite  aus 
und  verbindet  sich  mit  den  zwischen  ihnen  liegenden  Bandscheiben.  Es  erstreckt 
sich  ununterbrochen  vom  Schädel  bis  zum  Kreuzbein,  wobei  jedoch  die  einzelnen 
Faserzüge  nicht  über  die  ganze  Wirbelsäule  hin,  sondern  in  den  oberflächlichen  Lagen 
über  vier  bis  fünf  Wirbel,  in  den  tiefen  nur  von  einem  zum  andern  verlaufen.  Das 
Band  beginnt  am  Tuberculum  pharyngeum  des  Hinterhauptsbeines.  Gleich  nach  seinem 
Ursprung  wird  es  von  beiden  Seiten  her  durch  die  zum  Schädel  aufsteigenden  Mm. 
longi  cap.  eingeengt,  so  daß  es  nur  ein  schmales  Septum  zwischen  ihnen  bildet. 
Schon  vom  unteren  Teil  des  Epistropheus  ab  verbreitert  es  sich,  da  nun  die  Jim.  longi 
mehr  aus  einander  weichen.  Bis  zu  deren  Ende  am  dritten  Brustwirbel  bleibt  das 
Verhalten  das  gleiche  und  das  Band  wird  durch  die  Insertionen  der  Sehnenfasern 
der  genannten  Muskeln  verstärkt.  Von  da  ab  breitet  es  sich  über  den  ganzen 
vorderen  Umfang  der  Y\ "irbelkörper  aus,  wobei  jedoch  der  Mittelteil  immer  nicht 
unerheblich  dicker  bleibt  als  die  Seitenteile.  Beide  werden  durch  schlitzförmige 
Spalten  für  den  Durchtritt  der  Wirbelgefäße  unvollkommen  voneinander  getrennt. 
Im  Bauchteil  wird  das  Band  von  den  Seiten  her  wieder  durch  die  Ursprünge  des 
M.  psoas  eingeengt,  deren  Sehnenbogen  bis  zu  seinem  Mittelteil  heranreichen.  In 
der  Bauchgegend  erhält  es  beträchtliche  Verstärkungen  durch  das  Einstrahlen  der 
Sehnen  des  Zwerchfelles. 

Das  Band  erstreckt  sich  bis  zum  zweiten  Kreuzwirbel  oder  noch  weiter 
herab. 

Im  Gegensatz  zu  dem  Verhalten  der  Bandscheiben  steht  es,  daß  eine  teilweise 
Verknöcherung  des  Lig.  longitud.  anter.  im  Greisenalter  nicht  selten  beobachtet  wird. 

;')  Das  hintere  Längsband,  Lig.  longitudinale  posterras2)  (52),  überblickt 
man,  wenn  man  nach  Fortnahme  der  Bogen  die  Rückseite  der  Wirbelkörper  betrachtet. 
Es  ist  dünner  als  das  vordere  Längsband  und  enthält  zahlreiche  elastische  Fasern. 


J)  Ligamentum  commune  vertebrarum  anterius. 
2)  Ligamentum  commune  vertebrarum  posticum. 


Wirbelgelenke.     Bänder  der  Wirbelbogen.  25 

Es  beginnt  am  Schädel  und  reicht  caudalwärts  bis  zum  Steißbein.  Sein  Anfang  ist 
bis  zum  unteren  Teil  des  Epistropheus  mit  den  benachbarten  Bandschichten  so 
innig  verbunden,  daß  man  es  von  denselben  nur  künstlich  zu  trennen  vermag,  wo- 
durch sich  die  einigermaßen  verschiedenen  Beschreibungen  dieses  Teiles  erklären. 
Von  da  ab  gewinnt  es  nun  größere  Selbständigkeit.  Am  Hals  bedeckt  es  gleichmäßig 
breit  die  ganze  Rückseite  der  Wirbelkörper,  an  Brust  und  Bauch  ist  es  im  Bereich 
der  Wirbelkörper  jedesmal  verschmälert,  während  es  mit  den  Bandscheiben  in  ihrer 
ganzen  Breite  verbunden  ist.  Dadurch  entsteht  jederseits  ein  bogenförmig  ge- 
zackter Rand. 

Der  gezackte  Rand  des  Bandes  erklärt  sich  durch  das  Verhalten  der  zahlreichen 
Venen  an  der  Rückseite  der  Wirbelkörper.  Sie  bilden  zwei  Geflechte,  welche  der 
Länge  nach  vom  Hinterhauptsloch  bis  zum  Ende  des  Kreuzbeines  neben  und  auf 
dem  Band  verlaufen.  Sie  werden  durch  Oueranastomosen  in  der  Höhe  jedes  Wirbel- 
körpers  miteinander  verbunden,  welche  unter  dem  Band,  d.  h.  zwischen  ihm  und 
dem  Wirbelkörper  liegen.  Die  aus  dem  Wirbel  selbst  austretenden  Venen  gelangen 
beiderseits  an  den  Stellen  in  die  Plexus,  von  welchen  die  Oueranastomosen  ab- 
gehen. Die  Bogen  des  Bandes  sind  nichts  anderes  als  Sehnenbogen,  unter  welchen 
sich  die  oberflächlichen  und  tiefen  Venen  miteinander  verbinden.  Daß  an  der  Hals- 
wirbelsäule die  Sehnenbogen  nicht  ausgebildet  sind,  erklärt  sich  daraus,  daß  dort 
die  Venengeflechte  weit  zur  Seite,  bis  auf  die  Wurzeln  der  Wirbelbogen  ge- 
rückt sind. 

Mit  der  Dura  mater  spinalis  ist  das  hintere  Längsband  durch  Bindegewebs- 
st ränge  verbunden,  welche  im  Brustteil  locker  und  spärlich  sind.  Cranial-  und  caudal- 
wärts   verstärken  sie  sich;  im  Kreuzbeinkanal  sind  sie  am  kräftigsten. 

b)  Gelenkkapseln,  Capsulae  articulares. 

Die  Stellung  und  Form  der  Gelenkflächen  der  Beugewirbel  sind  bei  Betrach- 
tung der  Knochen  geschildert  worden.  Ihr  Knorpelüberzug  ist  an  den  Lenden- 
wirbeln am  dicksten,  dann  folgen  die  Halswirbel,  am  dünnsten  ist  er  an  den  Brust- 
wirbelgelenken.  Die  Kapseln  setzen  sich  unmittelbar  am  Rand  der  überknorpelten 
Gelenkflächen  an  53,  54).  Sie  sind  am  beweglichsten  Teile  der  Wirheisäule,  an 
den  Halswirbeln,  am  schlaffsten,  dann  folgen  die  Bauchwirbel  und  am  straffsten 
sind  sie  an  den  Brustwirbelgelenken.  In  das  Innere  der  Gelenkhöhlen  treten  oft 
platte  Synovialialten  vor.  Verstärkt  werden  die  Kapselbänder  vorne  durch  die 
über  sie  hinwegziehenden  gelben  Bänder,  hinten  und  außen  durch  Faserzüge,  welche 
an  den  Halswirbelgelenken  am  schwächsten,  an  den  Lendenwirbeln  am  stärksten 
ausgebildet  sind. 

An  den  drei  oberen  Kivu/.wirbeln  erhalten  sieh  die  Gelenke  bis  zum  is.  Lebens- 
jahr, erst  dann  beginnen  sie  zu  ankylosieren   (Retzius   1895). 

c)   Bänder  der  Wirbelbogen.     Ligamenta  flava  '). 

Sie  füllen  die  Zwischenräume  zwischen  den  Wirbelbogen  vollständig  aus  und 
verschließen  dadurch  den  WirbelkanaJ  von  hinten  her  so  vollständig,  daß  er  nur 
durch  die  For.  intervertebralia  mit  dei  Peripherie  in  Znsammenhang  stehl  55  .  Sie 
beginnen  jedesmal  an  einer  rauhen  Stelle  auf  der  dem  Wirbelkanal  zugekehrten  Seite 


')   Ligg.  intcrcrui.ili a. 


26  Bänder  der  Wirbeldornen  und  der  Querfortsätze. 

des  Bogens  des  einen  Wirbels  und  setzen  sich  an  einer  ebensolchen  auf  der  Dorsal- 
seite des  Bogenrandes  des  nächstunteren  fest.  Ihre  Verbindung  mit  den  Wirbelbogen 
ist  so  orientiert,  daß  sie  die  Rückseite  des  Wirbelkanales  vollständig  glätten.  An 
der  Halswirbelsäule  sind  sie  am  dünnsten,  an  der  Lendenwirbelsäule  am  dicksten. 
Das  einzelne  Band  ist  im  hinteren  Umfang  am  dicksten,  seitlich,  wo  es  bis  auf 
die  Vorderfläche  der  Gelenkkapseln  reicht,  wird  es  immer  dünner.  An  der  dem 
Wirbelkanal  zugekehrten  Seite  findet  man  in  der  Medianlinie  einen  feinen  Längsspalt 
zum  Durchtritt  von  Gefäßen. 

Ihrem  Bau  nach  bestehen  die  in  Rede  stehenden  Bänder  fast  ausschließlich 
aus  elastischen  Fasern,  was  ihre  gelbe  Farbe  erklärt.  Die  große,  ihnen  innewohnende 
Elastizität  bringt  es  mit  sich,  daß  sie  bei  jeder  Stellung  der  Wirbelsäule  immer  in 
gleicher  Weise  gespannt  sind  und  die  Oberfläche  des  Wirbelkanales  glatt  er- 
halten. 

Über  die  den  gelben  Bändern  entsprechenden  Bänder  am  oberen  und  unteren 
Ende  der  Wirbelsäule  soll  nachher  gesprochen  werden. 

d)  Bänder  der  Wirbeldornen. 

An  die  gelben  Bänder  der  Wirbelbogen  schließen  sich  ohne  Unterbrechung 
Bindegewebsplatten  an,  die  Ligg.  interspinalia  (56),  welche  die  Zwischenräume 
zwischen  den  Dornen  der  aufeinander  folgenden  Wirbel  ausfüllen  und  demnach 
ganz  so  gestaltet  sind,  wie  es  die  Form  dieser  Zwischenräume  jedesmal  mit  sich 
bringt.  An  der  Basis  der  Dornen  sind  sie  deshalb  auch  verbreitert,  gegen 
die  Spitze  hin  werden  sie  dünner.  Hinter  den  Spitzen  der  Dornen  fließen  die 
Bandmassen  zu  einem  sehnenartigen  rundlichen  Strang  zusammen,  welcher  sich 
von  der  Vertebra  prominens  bis  zum  Kreuzbein  hinzieht,  Ligamentum  supra- 
spinale1) (56).  An  der  Halswirbelsäule  folgt  die  Fortsetzung  des  Ligamentum 
supraspinale  nicht  der  Spitze  der  Dornfortsätze,  sondern  zieht  in  einer  nur  wenig 
konkav  geschweiften  Linie  zur  Protuberantia  occipitalis  empor.  Der  dreieckige  Raum, 
welcher  zwischen  den  geteilten  Spitzen  der  Dornen  und  diesem  Strang  bleibt,  wird 
durch  eine  dünne,  nicht  selten  durchbrochene  Bindegewebsplatte  ausgefüllt,  welche 
sich  von  der  Vertebra  prominens  aufwärts  bis  zur  Crista  occipitalis  erstreckt.  Die 
ganze  Platte  wird  unter  dem  Namen  Ligamentum  nuchae  (56)  zusammengefaßt. 
Bei  dem  aufrecht  stehenden  Menschen  ist  es  schwächer  entwickelt,  als  bei  vierfüßig 
gehenden  Tieren.  Besonders  stark  und  fast  ausschließlich  aus  dicken  elastischen 
Fasern  bestehend,  findet  man  es  bei  geweih-  und  hörnertragenden  Tieren,  um  dem 
Zug  des  schweren  Kopfes  entgegenzuwirken. 

Der  eben  besprochene  Bandapparat  bildet  mit  den  Wirbeldornen  eine  median- 
stehende Leiste,  welche  die  Rückenmuskeln  beider  Seiten  voneinander  trennt  und 
ihnen  zugleich  Ansatzflächen  bietet.  Die  sich  an  die  Bänder  der  Wirbeldornen  an- 
haftenden Muskelsehnen  tragen  denn  auch  zu  ihrer  Verstärkung  bei. 

e)  Bänder  der  Wirbelquerfortsätze.    Ligamenta  intertransversaria 2). 

Dünne  rundliche  oder  platte  Faserzüge,  welche. in  senkrechtem  Verlauf  je  zwei 
Ouerfortsätze   miteinander  verbinden    (77).     Am   Hals  vermißt  man  sie  so  gut  wie 


x)   Ligamentum  apicum. 

2)  Ligamenta  tuberositatum  vertebralium. 


Bandapparat  am  cranialen  Ende  der  Wirbelsäule.  27 

vollständig,  an  den  Brustwirbeln  verlaufen  sie  von  der  Tuberosität  des  Ouerfortsatzes 
eines  Wirbels  zu  der  des  andern,  an  den  Lendenwirbeln  sind  sie  schlecht  begrenzte 
Platten.  Sie  sind  an  Brust  und  Bauch  von  verschiedener  Bedeutung.  An  ersterer 
Stelle  hat  man  lediglich  Muskelansatzpunkte  in  ihnen  zu  sehen,  an  letzterer  gehören 
sie  zum  Bandapparat  der  Rippenrudimente.     Sie  sind  unbeständig. 

f)  Bandapparat  am  cranialen  Ende  der  Wirbelsäule. 

Daß  die  Drehwirbel  die  Yermittelung  zwischen  Wirbelsäule  und  Schädel  zu 
übernehmen  haben,  tritt  in  ihrem  Bandapparat  noch  deutlicher  hervor  wie  in  ihrer 
osteologischen  Erscheinung.  Derselbe  erstreckt  sich  vom  Epistropheus  bis  zum  Hinter- 
hauptsbein. Die  Bewegungen  werden  um  drei  Achsen  ausgeführt  und  gehen  eigent- 
lich  -amtlich  im  Bereich  des  Atlas  vor  sich,  da  ja  der  Zahn  und  die  obere  Gelenk- 
fläche des  Epistropheus  genetisch  dem  ersten  Halswirbel  angehören.  Sehr  feste  Haft- 
bänder halten  alles  zusammen,  und  breite  Membranen  schließen  die  zwischen  beiden 
Wirbeln  und  dem  Hinterhaupt  klaffenden  Lücken  zu  und  glätten  die  Oberfläche  des 
Wirbelkanales. 

a)  Articulatio  atlanto-occipitalis  (57 — 59).  Die  Form  der  Gelenkflächen 
des  Atlas  wurde  oben  (S.  19)  beschrieben,  die  des  Hinterhauptes  sind  entsprechend 
gebildet.  Die  Gelenke  beider  Seiten  müssen  stets  zusammenwirken,  sie  stellen  seit- 
liche Abschnitte  eines  einzigen  und  zwar  elliptischen  Rotationskörpers  dar.  Die 
Gclenkflächen  konvergieren  nach  vorn  in  individuell  wechselndem  Grad;  ihr  lateraler 
Rand  liegt  etwas  höher,  als  ihr  medialer.  Die  Pfannen  des  Atlas  sind  in  der  Rich- 
tung von  vorn  nach  hinten  kürzer  als  die  Gelenkflächen  des  Hinterhauptes,  was 
eine  größere  Beweglichkeit  um  eine  quergestellte  Achse  begünstigt.  Diese  Achse 
geht  beiderseits  durch  den  unteren  Teil  des  Warzenfortsatzes  (Fick  1904).  Die 
kürzere  sagittale  Achse  ist  schräg  von  hinten  unten  nach  vorn  oben  gerichtet;  die 
Bewegung  um  sie  ist  wenig  ausgiebig.  Die  Kapsel  ist,  besonders  vorn  und  hinten, 
weit  und  schlaff,  sie  setzt  sich  nicht  überall  unmittelbar  an  der  überknorpelten  Ge- 
lenkfläche an.  Von  ihrer  medialen  Seite  aus  ragen  Synovialfalten  in  das  Gelenk  hinein. 
Sie  wird  vorn  und  hinten  durch  verstärkende  Bindegewebszüge  gesichert,  nur  an 
der  medialen  Seite  ist  sie  sehr  zart,  sie  grenzt  dort  an  das  venenreiche  und  lockere 
Bindegewebe  des  Rückcnmarkskanales. 

ß)  Articulationes  atlantoepistrophicae  (57 — 59).  Atlas  und  Epistropheus 
sind  durch  vier  Gelenke  in  Verbindung  gesetzt,  welche  sämtlich  Abschnitte  eines  kegel- 
ähnlichen Körpers  darstellen,  dessen  Achse  senkrecht  durch  die  Mitte  des  Zahnes 
des  Epistropheus  gelegt  zu  denken  ist.  Um  diese  Achse  drehen  sich  die  Gelenke 
stets  zusammen.  Zwei  seitliche  Gelenke  sind  paarig,  die  beiden  mittleren  gehören 
dem  Zahn  an. 

Die  seitlichen  Gelenke  werden  von  den  schon  beschriebenen  oberen  Gelenk- 
flächen des  Epistropheus  und  den  unteren  des  Atlas  gebildet,  Sie  sind  beide  konvex 
und  müssen  daher  inkongruent  sein.  Sieht  der  Kopf  gerade  nach  vorne,  dann  be- 
rühren sie  sieh  nur  in  einer  transversalen  Linie.  Dreht  man  den  Kopf  zur  Seite,  dann 
gleitet  in  dem  Gelenk  der  einen  Seite  die  hintere  Hälfte  der  Gelenkfläche  de-  Atlas 
auf  die  vordere  der  des  Epistropheus  herab,  in  dem  Gelenk  der  anderen  Seite  geschieht 
das  Umgekehrte.  I  lenke  nennt  die  Bewegung  eine  Schraubenbewegung,  doch  hat 
man  dabei  an  eine  Schraube  mit  doppeltem  Gang  zu  denken.  Man  kann  auch 
beim  hebenden  n.u  hweisen,  daß  der  Kopf  mit  dem  Atlas  bei  der  Seitwärtsdrehung 


2S  Bandapparat  am  cranialen  Ende  der  Wirbelsäule. 

etwas  herabsteigt.  Es  ist  klar,  daß  dieses  Herabsteigen  einer  Zerrung  der  Weich- 
teile in  der  Umgebung  der  Gelenke  entgegenwirkt. 

Da  die  miteinander  verbundenen  Gelenkflächen  ziemlich  gleich  groß  sind, 
sind  die  starken  Verschiebungen,  welche  sie  bei  der  Drehung  erleiden,  nur  dadurch 
möglich,  daß  sich  die  Kapseln  in  ziemlicher  Entfernung  vom  Knorpelrand  ansetzen, 
auch  müssen  sie  sehr  schlaff  sein,  um  die  eigenartigen  Bewegungen  zu  ermöglichen. 
Von  vorn  und  hinten  ragen  Synovialfalten  in  den  Gelenkraum  hinein,  sie  sind  jedoch 
weit  davon  entfernt,  ihn  auszufüllen.  Eigene  Verstärkungsbänder  besitzen  die  Ge- 
lenke nicht,  doch  wird  ihr  nach  dem  Wirbelkanal  sehender  Teil  von  den  dort  ver- 
laufenden Bändern  geschützt. 

Der  Zahn  bewegt  sich  nach  Art  eines  Rollgelenkes,  indem  er  in  einem  Ring 
läuft,  welcher  vorne  von  dem  vorderen  Atlasbogen,  hinten  von  dem  Lig.  trans- 
versum  atlantis  gebildet  wird  (60  a) .  Im  Zusammenhang  mit  der  verschiedenen  Her- 
kunft und  Bedeutung  der  beiden  Teile  des  Ringes  steht  es,  daß  nicht  eine  einzige 
ringförmige  Gelenkhöhle  vorhanden  ist,  sondern  eine  vordere  und  eine  hintere,  welche 
durch  eine  geringe  Menge  lockeren  Bindegewebes  voneinander  getrennt  sind  *)  (60a) . 
Die  Knorpelüberzüge  der  Gelenkflächen  des  vorderen  Zahngelenkes  scheinen  meist 
faserknorpelig  zu  sein,  der  Knorpel  an  der  Rückseite  des  Zahnes  ist  es  in  der  Tat 
(Fick).  Auch  das  Lig.  transversum  atlantis  besitzt  einen  faserknorpeligen  Über- 
zug.    Die  Kapseln  beider  Gelenke  sind  sehr  zart  und  schlaff. 

In  der  Umgebung  des  Zahnes  finden  sich  mehrere  Schleimbeutel,  welche  mit 
den  Gelenken  durch  engere  oder  weitere  Öffnungen  in  Verbindung  stehen.  Auch  mit 
den  beiden  seitlichen  Gelenken  können  sie  kommunizieren,  so  daß  dann  alle  in  Rede 
stehenden  Gelenkhöhlen  miteinander  zusammenhängen.  Entzündungsprozesse  und 
Ergüsse  können  sich  in  solchen  Fällen  ohne  weiteres  durch  den  ganzen  Gelenk- 
apparat verbreiten. 

Drehwirbel  und  Hinterhauptsbein  sind  so  lose  aufeinandergestellt,  daß  man 
auf  den  ersten  Blick  darüber  verwundert  sein  könnte,  daß  doch  alles  so  fest 
zusammenhält.  Die  um  den  Zahn  gruppierten  Bänder  sind  es,  welche  dem  ganzen 
Apparat  einen  so  festen  Halt  geben,  daß  eher  die  oberflächliche  Knochenschichte 
mit  dem  Band  abreißt,  ehe  das  Band  selbst  eine  Kontinuitätstrennung  erfährt. 
Zuerst  ist  das  vorhin  schon  erwähnte  Lig.  transversum  atlantis2)  (58)  zu  nennen. 
Es  setzt  sich  beiderseits  an  der  Innenfläche  der  Seitenteile  des  Atlas  an  und  umfaßt 
den  Zahn  an  seiner  Rückseite  so  eng,  daß  es  ihn  einschnürt.  Nach  oben  und  unten 
entsendet  es  je  einen  Schenkel,  welcher  sich  nach  seinem  Ende  hin  verschmächtigt. 
Der  obere  gelangt  bis  zum  Rande  des  Hinterhauptsloches  und  verbindet  sich  auf 
seinem  Wege  mit  der  Spitze  des  Zahnes,  der  untere  setzt  sich  an  der  Rückseite  des 
Epistropheuskörpers  fest.  Die  beiden  Schenkel  verhindern  eine  Verschiebung  des 
Ouerbandes  nach  oben  und  unten.  Die  ganze  Einrichtung  führt  den  Namen  Lig. 
cruciatum  atlantis3). 

Die  Ligg.  alaria  (öS,  5.9)  sind  außerordentlich  starke  und  kurze  Stränge,  welche 
in  nur  wenig  schiefer  Richtung  vom  hinteren  Umfang  des  Zahnes  zum  vorderen 
Teil  des  medialen  Randes  der  Gelenkfläche  des  Hinterhauptes  emporsteigen.  Man 
beobachtet    oft    eine   oberflächliche    Schichte,    welche   hinter   dem   Zahn   festonartig 


J)   Das  hintere   Gelenk  wird  von  manchen  Autoren  als  Schleimbeutel  beschrieben. 

2)  Ligamentum  transversum  dentis. 

3)  Ligamentum  cruciatum  epistrophei. 


Bandapparat  am  cranialen  Ende  der  Wirbelsäule.  29 

gebogen  von  einer  Hinterhauptsseite  zur  anderen  hinüberzieht.  Die  beiden  Bänder 
hemmen  die  Drehbewegung  des  Kopfes.  Es  ist  zu  beachten,  daß  die  Ligg.  alaria 
unter  Übergehung  des  Atlas  den  Epistropheus  direkt  mit  dem  Hinterhaupt  in  Verbin- 
dung setzen,  was  die  Festigkeit  der  ganzen  Drehwirbeleinrichtung  wesentlich  erhöht. 

Das  Lig.  apicis  dentis1)  (59,  60)  ist  ein  dünner  Strang,  welcher  von  der  Kuppe 
des  Zahnes  an  die  Mitte  des  vorderen  Umfanges  des  Hinterhauptsloches  geht.  Es 
ist  ohne  jede  mechansiche  Bedeutung,  aber  deshalb  interessant,  weil  es  der  Zwischen- 
wirbelscheibe entspricht,  welche  den  Körper  des  ersten  Wirbels  mit  dem  Hinterhaupt 
verbindet.  Es  geht  dies  daraus  hervor,  daß  es  einen  Rest  der  Chorda  dorsalis  ent- 
hält. Bei  Erwachsenen  findet  man  in  ihm  auch  nicht  selten  einen  hyalinen  Knorpel- 
strang. 

Die  Membrana  tectoria  (ö7)  kann  als  die  Fortsetzung  des  Lig.  longitudinale 
poster.  der  Wirbelkörper  betrachtet  werden.  Ihre  oberflächlichen  Faserzüge  gehen 
direkt  aus  dem  Längsband  hervor,  die  tieferen  entspringen  am  Körper  des  Epistro- 
pheus. Die  kräftige  Membran  steigt  über  den  Zahn  des  Epistropheus  mit  seinem 
Bandapparat  empor,  deckt  ihn,  die  Schleimbeutel  und  die  Venenplexus  in  seiner 
Umgebung  zu  und  glättet  den  vorderen  Umfang  des  Wirbelkanales.  Sie  ist  über  das 
Hinterhauptsloch  hinauf  bis  auf  den  Clivus  zu  verfolgen,  wo  sie  einerseits  mit  dem 
Periost,  andererseits  mit  der  Dura  mater  fest  verbunden  ist. 

Die  starke  Rückbildung  des  Atlas  bringt  es  mit  sich,  daß  über  und  unter  ihm 
sowohl  an  der  Vorderseite  wie  an  der  Rückseite  der  Wirbelsäule  klaffende  Spalten 
bleiben.  Sie  werden  von  bindegewebigen  Membranen  ausgefüllt,  welche  den  Wirbel- 
kanal verschließen,  einer  Membrana  atlanto-occipitalis  ant.  undpost.  und  einer 
Membrana  atlanto-epistrophica  ant.  undpost.2)  (56).  Die  beiden  vorderen 
Membranen  stehen  mit  dem  vorderen  Längsband  in  unmittelbarem  Zusammenhang,  sie 
sind  gewissermaßen  Verbreiterungen  desselben,  welche  sich  unter  den  M.  longi  seit- 
wärts bis  auf  die  Gelenke  hinziehen.  Die  hinteren  Membranen  sind  höher  und  breiter 
als  die  vorderen,  da  die  Spalten,  welche  sie  zu  verschließen  haben,  geräumiger  sind. 
Sie  entsprechen  den  Ligg.  flava  der  Beugewirbel,  sind  aber  weniger  dick  wie  diese. 
enthalten  auch  weniger  elastische  Fasern.  Da  an  den  Drehwirbeln  die  Gelenkfort- 
sätze der  Beugewirbel  fehlen,  reichen  die  hinteren  Membranen  bis  zu  den  Austritts- 
stellen  der  Spinalnerven  hin  und  bilden  also  die  hintere  Begrenzung  der  Foramina 
intervertebralia,  welche  bei  den  Beugewirbeln  von  deren  Gelenkfortsätzen  geliefert 
wird.  Die  A.  vcrtebralis  durchsetzt  die  Membr.  atlanto-occipitalis  poster.  an  der 
gleichen  Stelle,  an  welcher  der  oberste  Rückenmarksnerv  austritt. 

Zusammenfassend  ist  zu  sagen,  daß  in  der  Articulatio  atlanto-occipitalis 
die  Nickbewegung  vorgenommen  wird,  daß  außerdem  aber  auch  eine  geringe  Seiten- 
neigung ausgeführt  werden  kann.  In  der  Articulatio  atlanto-epistrophica  erfolg! 
die  Drehbewegung  des  Kopfes,  wie  bei  der  Bewegung  der  Verneinung.  Sie  erfolgl 
um  eine  vertikale  Achse,  welche  durch  den  Zahn  des  Epistropheus  gelegt  ist.  Es 
dreht  sich  dabei  der  Kopf  mit  dem  Atlas.  Auch  Vor-  und  Rückbeugung  sind  im  unteren 
Kopigelenk  nicht  ganz  ausgeschlossen  (Fick  IQll).  Die  Nickbewegung  ist  eine 
nicht  sehr  ausgiebige  und  sie  wird  ergänzt  durch  die  Beugung  der  ganzen  Halswirbel- 
säule,  welche  überhaupt  bei  allen  Bewegungen  des  Kopfes  mitarbeitet.  Läßt  man 
nur  das  Atlas-Hinterhauptsgelenk  allein  wirken,  dann  macht  dies  einen  steilen  und 
ungeschickten  Eindruck. 

')  Lig.  Suspensorium  dentis. 
-)  Membranae  obturatoriae. 


30  Bandapparat  am  caudalen  Ende  der  Wirbelsäule. 

Praktische  Bemerkungen.  Der  Bandapparat  der  Drehwirbelgelenke  ist  so  überaus 
fest,  daß  man  einen  Menschen  mit  den  nötigen  Kautelen  am  Kopf  aufhängen  kann,  ohne  die  Bänder 
zu  schädigen  (Sayre).  Das  Aufhängen  zum  Zweck  des  Selbstmordes  oder  zur  Vollstreckung 
der  Todesstrafe  zerreißt  die  Bänder  nicht  und  bringt  keine  Luxation  des  Zahnes  des  Epistropheus 
mit  Quetschung  des  verlängerten  Markes  hervor,  wie  man  früher  wohl  annahm.  Es  handelt  sich 
dabei  vielmehr  um  eine  Schädigung  der  Weichteile  des  Halses  und  Sistierung  der  Atmung.  Der 
Widerstand  des  Bandapparates  einwirkenden  Gewalten  gegenüber  ist  so  erfolgreich,  daß  nicht 
selten  eher  die  oberflächliche  Knochenschichte  mit  einem  der  Bänder  abreißt,  ehe  das  Band  selbst 
eine  Kontinuitätstrennung  erfährt.  Immerhin  aber  sind  Fälle  von  Zerreißungen  beobachtet 
worden,  so  erwähnt  König  (1889)  einen  solchen,  in  welchem  die  beiden  Ligg.  alaria  abgerissen 
waren  und  wo  dann  der  Zahnfortsatz  unter  dem  Lig.  transversum  hervor  und  nach  hinten  ge- 
treten war.  Es  kann  eben  eine  Luxation  nur  dann  eintreten,  wenn  entweder  ein  oder  beide  Ligg. 
alaria  oder  das  Lig.  transversum  zerreißt.  Die  Gewalten,  welche  eine  solche  Zerreißung  herbei- 
führen, sind  meist  so  erhebliche,  daß  der  Tod  rasch  herbeigeführt  wird.  Nur  bei  Spondylarthro- 
kace  (einer  tuberkulösen  Erkrankung  der  Wirbel  und  ihrer  Gelenke)  können  sich  die  Bänder  ganz 
allmählich  lockern,  wodurch  eine  Luxation  des  Atlas  entstehen  kann.  Die  gewöhnliche  und  tvpische 
Verletzung  des  ganzen  Drehwirbelapparates  ist  die,  daß  die  Bänder  halten,  daß  aber  der  Zahn 
abbricht,  welcher  dann  leicht  in  das  Centralorgan  eindringt.  Die  Kasuistik  weist  eine  Menge 
von  Fällen  auf,  in  welchen  nach  Brüchen  des  Zahnes  die  Patienten  kürzere  oder  längere  Zeit  ver- 
hältnismäßig wohl  gewesen  waren,  bis  dann  eine  unbedachte  Bewegung  eine  Dislokation  des 
abgebrochenen  Zahnes,  Eindringen  in  das  Centralorgan  und  damit  augenblicklichen  Tod  gebracht 
hatte.  Es  ist  deshalb  in  solchen  Fällen  die  peinlichste  Feststellung  des  Kopfes  erste  ärztliche 
Regel. 

g)  Bandapparat  am  caudalen  Ende  der  Wirbelsäule. 

Von  den  Bandscheiben  der  falschen  Wirbel  war  schon  oben  (S.  23)  die  Rede. 
Die  übrigen  Bänder  erweisen  sich,  wie  die  Knochen,  stark  reduziert.  Das  Lig.  longi- 
tudinale  ant.,  welches  am  zweiten  Kreuzwirbel  endigt,  tritt  am  Ende  des  Kreuzbeins 
wieder  auf  als  die  tiefste  Schichte  des  Lig.  sacrococcygeum  anter.  (81).  Die  ober- 
flächliche Schichte  dieses  Bandes  entspricht  dem  Lig.  longit.  anter.  nicht,  was  daraus 
hervorgeht,  daß  das  Ende  des  N.  sympathicus  und  die  Art.  sacralis  media  hinter  ihr 
liegen,  während  an  Brust  und  Bauch  die  entsprechenden  Nerven  und  Gefäße  vor 
dem  Längsband  verlaufen.  Sie  ist  als  umgewandelter  Rest  der  Schwanzmuskulatur 
zu  deuten.  Das  Lig.  longitud.  poster.  wird  vom  zweiten  Kreuzwirbel  ab  zu  einem 
schmalen  medianen  Streifen  reduziert,  an  welchem  man  aber  noch  immer  die  oben 
erwähnten  Zacken  erkennen  kann.  Sein  Ende  auf  der  Rückseite  der  Steißwirbel- 
körper wird  als  Lig.  sacrococcygeum  poster.  profundum  (61)  besonders  be- 
nannt.    Von  den  Gelenken  der  Kreuzwirbel  wurde  schon  oben   (S.  25)  berichtet. 

Die  Gelenkverbindung  zwischen  den  Kreuzbein-  und  Steißbeinhörnern  wird 
durch  ein  kleines  Band,  Lig.  sacrococcygeum  articulare  (61)  ersetzt,  dessen 
Bedeutung  daraus  klar  hervorgeht,  daß  der  letzte  Kreuzbeinnerv  vor  ihm  austritt, 
also  zu ,  ihm  die  gleiche  Lage  hat,  wie  die  höher  gelegenen  Spinalnerven  zu  den 
Gelenken  der  Beugewirbel. 

Die  knöchernen  Wirbelbogen  fehlen  am  Ende  des  Kreuzbeins  und  am  Steiß- 
bein; sie  werden  zusammen  mit  den  Ligg.  flava  und  den  Bändern  der  Dornen  durch 
eine  elastische  Membran  ersetzt,  Lig.  sacrococcygeum  superficiale  (61).  Meist 
weicht  das  Band  an  seinem  Ende  in  zwei  Zipfel  auseinander,  welche  sich  an  den  zweiten 
oder  dritten  Steißwirbel  anheften. 

Das  Lig.  sacrococcygeum  laterale  (61)  ist  eine  ziemlich  kräftige  Bandver- 
bindung zwischen  dem  unteren  Ende  der  Pars  lateralis  des  Kreuzbeins  und  der 
Seitenkante  des  ersten  Steißwirbels.    Es  entspricht  demnach  den  in  den  Seitenteilen 


Wirbelsäule  im  ganzen.  31 

des  Kreuzbeins  vereinigten  Knochen-  und  Bandelementen.  Wie  das  Lig.  sacro- 
coecygeum  articulare  verknöchert  es  häufig  und  bildet  dann  die  laterale  Umrandung 
eines  fünften  Kreuzbeinloches,  durch  welches  der  vordere  Ast  des  fünften  Kreuzbein- 
nerven passiert. 

h)  Wirbelsäule,  Columna  vertebralis  '),  im  ganzen. 

Länge.  Die  Länge  der  Wirbelsäule  schwankt  natürlich  mit  der  Körperlänge 
im  ganzen,  bei  einem  Menschen  mittlerer  Größe  aber  beträgt  sie  in  der  Vertikalen 
gemessen  70 — 71  cm.  Davon  entfallen  auf  den  Halsteil  62,  auf  den  Brustteil  30,  den 
Bauchteil  17  und  die  falschen  Wirbel  12  cm.  Sie  beträgt  zwischen  42  und  43  %  der 
gesamten  Körpergröße,  doch  ist  zu  bemerken,  daß  die  Länge  der  Beine  stärker  schwankt, 
wie  die  Länge  der  Wirbelsäule,  so  daß  kleine  Leute  oft  kurze  Beine  und  einen  ver- 
hältnismäßig langen  Rumpf  besitzen,  und  große  Leute  umgekehrt  lange  Beine  und 
einen  kurzen  Rumpf. 

Belastung  und  Krümmungen.  Da  die  Wirbelsäule  das  Achsenskelet  des 
Rumpfes  bildet,  so  begreift  man,  daß  sie  dessen  Verhalten  stark  beeinflußt,  man  be- 
greift aber  auch,  daß  umgekehrt  nicht  nur  die  verschiedenen  Teile  des  Rumpfes,  sondern 
der  ganze  Körper  einen  sehr  merklichen  Einfluß  auf  die  Wirbelsäule  ausüben.  In 
erster  Linie  ist  es  die  Belastung,  welche  auf  die  Gestaltung  der  Wirbelsäule  maßgebend 
einwirkt.  Die  Wirbelkörper  werden  caudalwärts  immer  voluminöser,  je  mehr  die 
Last,  welche  sie  zu  tragen  haben,  wächst.  Da  aber  die  Belastung  vom  ersten  Kreuz- 
wirbel  aus  durch  Vermittelung  des  Beckens  auf  die  Beine  übertragen  wird,  so  werden 
die  nicht  mehr  nach  dieser  Richtung  beanspruchten  weiteren  Wirbelkörper  rasch 
kleiner. 

Die  Verbindung  der  Brustwirbelsäule  mit  Rippen  und  Brustbein  zum  Thorax 
bringt  es  mit  sich,  daß  dieser  Abschnitt  in  seiner  Form  besonders  stabil  ist.  Er  zeigt 
eine  nach  vorn  konkave  Krümmung,  welche  sich  auch  bei  stärkster  Dorsalbeugung 
nicht  wesentlich  ändert,  auch  schon  deshalb  nicht  ändern  kann,  weil  dies  die  dach- 
ziegelförmig  aufeinander  liegenden  Dornfortsätze  der  mittleren  Brustwirbel  verhindern. 
Der  aufrecht  stehende  Mensch  kann  wegen  dieser  Krümmung  der  Brustwirbelsäule  sein 
Gleichgewicht  nur  dadurch  erhalten,  daß  er  die  beweglichen  Abschnitte  der  Wirbel- 
säule an  Hals  und  Bauch  kompensatorische  Krümmungen  annehmen  läßt,  deren  Kon- 
vexität nach  vorne  gelichtet  ist.  Die  ganze  bewegliche  Wirbelsäule  isl  also  in  einer 
Schlangenlinie  gekrümmt,  am  Halse  vorne  konvex,  an  der  Brust  vorne  konkav,  am 
Bauch  wilder  vorne  konvex  (47).  Im  Zusammenhang  mit  der  Übertragung  der  B 
lastung  auf  die  Beine  isl  das  Kreuzbein  scharf  abgeknickt.  Die  Verbindung  desselben 
mit  der  beweglichen  Wirbelsäule  tritt  dadurch  in  besonders  charakteristischer  Weisi 
hervor,  sie  führt  den  Namen  Promontorium  (■!?).  Für  die  Geburtshilfe  ist  das- 
selbe von  hoher  Wichtigkeit. 

Jedermann  weiß,  daß  die  Körperhaltung  individuell  und  selbsl  nach  Rassi  n 
verschieden  ist,  daß  einmal  eine  stramme,  ein  andermal  eine  nachlässigere  Haltung 
bevorzug!  wird.  In  Verbindung  damit  steht  natürlich  auch  eine  etwas  verschiedene 
Form  der  Wirbelsäulenkrümmungen. 

Außer  den  drei  Krümmungen  in  der  Sagittalebene  besitzt  die  Wirbelsäule  auch 
eine  solche  in  der  Frontalebene,  welche  ihre  Konvexitäl  mit  wenigen  Ausnahmen 
nach  rechts  wendet.     Auch   für  sie  sind  jedenfalls  statische  Moment«'  maßgebend. 

l)  Columna  spinalis, 


32  Wirbelsäule  im  ganzen. 

wenn  auch  über  die  Einzelheiten  eine  Einigkeit  der  Ansichten  noch  nicht  erzielt 
worden  ist. 

Daß  die  Krümmungen  der  Wirbelsäule  in  der  Tat  das  Resultat  der  Belastung 
sind,  geht  daraus  hervor,  daß  sie  beim  Neugeborenen  kaum  angedeutet  sind,  nur  das 
Promontorium  ist  etwas  besser  ausgebildet.  Sie  treten  erst  auf,  wenn  sich  das  Kind 
aufrichtet  und  zu  stehen  beginnt. 

Obgleich  nur  der  Mittelteil  der  Wirbelsäule  seine  Krümmung  im  wesentlichen 
stets  beibehält,  während  Hals-  und  Bauchteil  ausgiebige  Bewegungen  auszuführen 
imstande  sind,  so  adaptieren  sich  doch  im  Laufe  der  Jugendentwickelung  alle  Teile 
in  Knochen  und  Bändern  den  Bedürfnissen  des  aufrechten  Stehens  so  sehr,  daß  eine 
völlig  freipräparierte  Wirbelsäule,  ja  sogar  die  Säule  der  Wirbelkörper  allein,  die 
Krümmungen  beibehält. 

Pathologische  Fälle  beweisen  hinwiederum,  daß  diese  dem  physiologischen 
Postulat  angepaßte  Form  der  Wirbelsäule  nicht  unveränderlich  ist.  Wird  durch  eine 
Erkrankung  der  Wirbelsäule  ihre  Krümmung  an  ein«r  Stelle  eine  von  der  Norm  ab- 
weichende, dann  ändern  auch  die  anderen  Abschnitte  die  ihrige  in  entsprechender 
Weise. 

Die  Schwerlinie  des  Körpers,  welche  oben  dicht  vor  dem  vorderen  Umfang 
des  Atlas  beginnt,  schneidet  den  zweiten  bis  sechsten  Halswirbelkörper,  ebenso  den 
zweiten  bis  fünften  Lendenwirbel.  Alle  anderen  Teile  der  Wirbelsäule  hegen  hinter 
ihr.  Im  Becken  schneidet  sie  die  Verbindungslinie  der  beiden  Hüftgelenke  und  er- 
reicht den  Fußboden  in  der  Gegend  zwischen  vorderer  und  hinterer  Hälfte  des  Cal- 
caneus  beider  Füße. 

Sämtliche  Krümmungen  der  Wirbelsäule  werden  stärker  bei  wachsender  Be- 
lastung und  umgekehrt  so  daß  ein  liegender  Mensch  länger  ist,  als  ein  stehender. 
Außerdem  wird  durch  die  Belastung  auch  die  Gesamtheit  der  Bandscheiben  zusammen- 
gepreßt, so  daß  sie  im  Laufe  eines  Tages  soviel  an  Höhe  verlieren,  daß  sich  die  Wirbel- 
säule um  etwa  3  cm  ver kürzt,  ein  Verlust,  der  dann  durch  die  Nachtruhe  wieder  aus- 
geglichen wird. 

Beweglichkeit.  Die  Wirbelsäule  besitzt  eine  freie  und  allseitige  Beweglich- 
keit; sie  ist  nicht  nur  zu  Biegungen  nach  jeder  Seite  hin  befähigt,  sondern  auch  zu 
Torsionen  um  die  Längsachse.  Dabei  sind  nur  die  Bandscheiben  ausschlaggebend 
in  der  Art,  daß  die  relativ  höchsten  die  freieste,  die  relativ  niedersten  die  geringste 
Bewegung  gestatten.  Die  relativ  höchsten  sind  die  der  Halswirbelsäule,  dann  folgen 
die  der  Lendenwirbelsäule  und  die  relativ  niedersten  sind  die  der  Brustwirbelsäule. 
Die  Wirbelgelenke  sind  ohne  größere  Bedeutung,  sie  setzen  nur  den'  Bewegungen 
kein  wesentliches  Hindernis  entgegen,  obschon  dies  nach  der  Form  der  Bauchwirbel- 
gelenke (54)  nicht  der  Fall  zu  sein  scheint.  Die  große  Beugungsmöglichkeit  der  Hals- 
wirbelsäule nach  allen  Seiten  wird  begünstigt  durch  die  flache  Stellung  der  Wirbel- 
bogen mit  ihren  Fortsätzen,  welche  alles  vermeidet,  was  die  Bewegungen  hemmen 
könnte.  Dies  ist  ganz  anders  in  der  Brustwirbelsäule,  wo  neben  allem  anderen,  wie 
erwähnt,  die  dachziegelförmig  liegenden  Dornfortsätze  die  Rückwärtsbeugung  beträcht- 
lich einschränken  müssen.  Für  die  Ausführung  der  Bewegungen  der  Lenden  Wirbel- 
säule müssen  zu  ihr  auch  noch  die  beiden  letzten  Brustwirbel  gerechnet  werden,  da 
sie  ihrer  kurzen  und  freien  Rippen  wegen  sich  wie  Bauchwirbel  verhalten.  Wenn 
nun  auch  die  Bauchwirbelsäule  in  der  Beugungsmöglichkeit  der  Halswirbelsäule  nach- 
steht, so  ist  diese  doch  keine  geringe. 


Wirbelsäule  im  ganzen.  33 

Die  Möglichkeit  der  Torsion  um  die  Längsachse  ist  in  der  Lendenwirbelsäule 
am  geringsten,  sie  wächst  nach  oben  immer  mehr  und  ist  am  stärksten  in  der  Hals- 
wirbelsäulc   (H.  Meyer  1873). 

Der  Wirbelkanal  besitzt  in  der  Brust  einen  kreisförmigen  Querschnitt,  an 
Hals  und  Bauch  hat  der  Querschnitt  die  Gestalt  eines  Dreiecks  mit  vorderer  Basis. 
Im  Kreuzbein  behält  er  erst  die  Dreiecksform  bei,  dann  wird  er  halbmondförmig, 
endlich  ganz  abgeflacht.  Der  Kanal  ist  am  weitesten  am  Hals,  vom  siebenten  Hals- 
wirbel ab  beginnt  er  sich  zu  verengern.  Seine  engste  Stelle  befindet  sich  oft,  aber 
nicht  immer,  im  Bereich  des  neunten  Brustwirbels.  An  der  Bauchwirbelsäule  erweitert 
er  sich  wieder  und  bleibt  weiter  bis  ins  Kreuzbein  hinein.  Sein  Ende  findet  er  am 
Steißbein,  wo  sich  seine  vordere  und  hintere  Wand  aneinander  legen  und  verwachsen. 
Es  wäre  irriif.  wenn  man  annehmen  wollte,  daß  die  Erweiterungen  des  Kanals  mit 
dem  Vorhandensein  der  Cervical-  und  Lumbalanschwellung  des  Rückenmarks  zu- 
sammenhinge, er  ist  vielmehr  an  denjenigen  Stellen  weit,  an  welchen  die  Wirbelsäule 
die  größte  Beweglichkeit  hat  (Cruveilhier  1843).  Was  die  Foramina  intervertebralia 
anlangt,  so  sind  sie  am  geräumigsten  zwischen  den  Lendenwirbeln.  Nach  oben  ver- 
engern sie  sich,  um  an  der  Halsgegend  wieder  weiter  zu  werden.  Ihre  Weite  steht 
im  Verhältnis  zu  den  sie  passierenden  Venen,  nicht  zu  den  Nerven. 

Ent  wickclung  (62—67) .  Ende  des  zweiten  Fetalmonats  entsteht  ein  Knochenkern  im  Wirbel- 
körper und  einer  in  jeder  Bogenhälfte.  Die  letzteren  liefern  die  Bogen  selbst  und  ihre  Fortsätze. 
Zur  Zeit  der  Geburt  sind  die  Bogen  bis  zur  Wurzel  des  Dornfortsatzes  bereits  verknöchert.  Am 
Atlas  ist  zu  dieser  Zeit  der  vordere  Bogen  noch  knorpelig,  der  hintere  ist  ebenso  weit  ausgebildet, 
wie  bei  den  übrigen  Wirbeln.  Der  Epistropheus  besitzt  natürlich  im  Zahn  einen  besonderen  Kno- 
chenkern. Die  Krcuzwirbel  unterscheiden  sich  von  den  übrigen  nicht,  doch  besitzen  die  drei 
obersten  beim  Neugeborenen  noch  je  einen  besonderen  Kern  in  den  Sakralrippen,  aus  welchen 
sich  der  Hauptteil  der  Partes  laterales  entwickelt.  Ein  oder  zwei  Knochenkerne  treten  im  vor- 
deren Bogen  des  Atlas  im  Verlauf  des  ersten  Lebensjahres  auf.  Die  Steißwirbel  verknöchern 
zuweilen  von  zwei  Stücken  aus,  caudalwärts  fortschreitend  im  7. — 12.  Lebensjahr,  selbst  noch 
später.  Die  knöcherne  Vereinigung  der  Bogenstückc  unter  sich  erfolgt  im  1. — 13.  Jahr,  von  der 
Brust  nach  oben  und  unten  fortschreitend,  zuletzt  am  Atlas.  Im  dritten  Jahr  beginnt  die  Ver- 
schmelzung von  Körper  und  Bogen,  sie  ist  im  sechsten  Jahr  vollendet.  Körper  und  Zahn  des 
Epistropheus  vereinigen  sich  im  fünften  Jahr.  Die  Kreuzwirbelkörpcr  verschmelzen  von  unten 
beginnend,  die  Bogenteile  vereinigen  sich  früher  mit  dem  Körper,  als  unter  sich.  In  den  Seiten- 
teilen der  Stcißwirbcl  entstehen  besondere  Knochenkerne,  welche  denen  der  Bogen  ausgebildeter 
Wirbel  entsprechen;  sie  bleiben  bis  zum  30.  Jahr  getrennt.  Vom  1  2.  Lebensjahr  ab  treten  an  den 
Enden  der  Wirbelkörper  scheibenförmige  Epiphvscn  auf,  welche  um  das  iS.  Lebensjahr  mit  dem 
Körpei  verschmelzen,  Um  das  17. —  [9.  Lebensjahr  findet  man  kleine  Knochenkerne  an  den 
Spitzen  der  Quer-  und  Ltornfortsätze,  in  den  Proc.  mamill.  und  access.  der  Bauchwirbel,  in 
den    Proc.   COStarii   der    Halswirbel. 

Altersunterschiede.  Das  Wachstum  der  Wirbelsäule  erfolgt  in  der  Brust-  und  Becken- 
wirbelsäule gleichmäßig,  die  Halswirbelsäule  verlängert  sich  im  Verhältnis  etwas  weniger,  die 
Lendenwirbelsäule  etwas  mehr.  Die  Bandscheiben  wachsen  an  den  Lendenwirbeln  am  stärksten 
(Aeby    [N7111.      l>ie   Seitenkrümmung   tritt   erst    um  das  7. — 8.   Lebensjahr  auf. 

Cesi  hlech tsunterschiede.  Der  Lendenteil  d«r  Wirbelsäule  ist  bei  Frauen  länger  und 
stärker  gekrümmt,   wie   bei   Männern. 

Varietäten.      Die   Zahl   der   Wirbel   i>t.   abgesehen    vom    Steißbein,    recht    beständig,   doch 

und  der  letzte  Wirbel  einer  Gruppe  zuweilen  an  die  nächste  assimiliert.  So  trägt  manchmal 
der  siebente  Halswirbel  eine  mehr  oder  weniger  ausgebildete  treu-  Kippe,  eben-.)  der  erste  Bauch- 
wirbel Der  letzte  Bauchwirbel  wird  ganz  oder  nur  einseitig  in  die  Verknöcherung  des  Kreuz- 
beines einbezogen,  "der  umgekehrt  i-t  der  erste  Kreuzwirbel  n.mz  oder  teilweise  wie  ein  freier 
Bauchwirbel  gestaltet.  Sein-  häufig  ist  der  erste  Steißwirbel,  wie  oben  erwähnt,  i;.inz  mit  dem 
Kreuzbein  verwachsen.  Steigt  die  Zahl  der  Kreuzwirbel  aui  sechs,  dann  kommt  es  leicht  zur 
Ausbildung  eines  doppelten   Promontoriums,   was   für  die   Geburtshilfe  zu  beachten  ist.     Übet 

Merkel,  Anatomie  II.    Skeletlehre.  ^ 


34  Wirbelsäule  im  ganzen. 

die  phylogenetische  Bedeutung  dieser  Varietäten  sind  zahlreiche  Arbeiten  erschienen  (s.  bei  Fi- 
schel  1906),  ohne  daß  jedoch  bisher  eine  Einigung  in  der  Auffassung  erzielt  werden  konnte. 

Geringe  Ausbildung  der  Rippenrudimente  des  Kreuzbeines  kann  es  schmaler,  sogar  be- 
trächtlich schmaler  machen,  als  in  der  Norm.  Die  Zahl  der  Steißwirbel  schwankt,  wie  oben  er- 
wähnt wurde.  Der  letzte  Steißwirbel  kann  an  seiner  Spitze  geteilt  sein.  Auch  die  Richtung  des 
Steißbeins  weicht  zuweilen  von  der  normalen  ab.  Von  geschwänzten  Menschen  war  früher  viel 
die  Rede.  Eine  genaue  Untersuchung  hat  ergeben,  daß  Schwanzanhänge,  welche  zweifellos  vor- 
kommen, in  der  Regel  keine  Knocheneinlage  enthalten.  Besitzen  sie  aber  eine  solche,  dann  handelt 
es  sich  nicht  um  eine  Vermehrung  der  Caudalwirbel,  sondern  um  eine  Verlängerung  derselben, 
indem  sie  zu  stäbchenartigen  Gebilden  heranwachsen   (Wiedersheim  1902). 

Die  Verknöcherung,  welche  am  cranialen  und  caudalen  Ende  der  Wirbelsäule  auch  nor- 
malerweise vom  Typus  abweicht,  kann  in  manchen  Fällen  eine  ganz  ungewöhnliche  werden.  Am 
Kreuzbein  kommt  es  zuweilen  nur  in  geringem  Maße  oder  gar  nicht  zu  einem  knöchernen  Ver- 
schluß der  Bogen.  Ebenso  fehlt  der  hintere  Bogen  des  Atlas  ganz  oder  zum  Teil.  Auch  der  vordere 
Bogen  kann  fehlen,  der  Querfortsatz  kann  unvollständig  sein.  Sehr  selten  ist  es,  daß  der  Zahn 
nicht  mit  dem  Epistropheus  verwächst,  oder  gar,  daß  er  nach  Art  der  übrigen  Wirbel  sich  mit 
dem  Atlas  vereinigt  (Romiti  1886).  —  Der  Atlas  kann  mit  Teilen  des  Schädels  in  Gelenkverbin- 
dung treten,  er  kann  mit  dem  Hinterhauptsbein  mehr  oder  minder  vollständig  kongenital  ver- 
wachsen sein.  Die  Spitze  des  Zahnes  vom  Epistropheus  artikuliert  zuweilen  mit  dem  vorderen 
Umfang  des  großen  Hinterhauptsloches.  —  Das  Foramen  transversarium  der  Halswirbel  ist  manch- 
mal durch  eine  schmale  Knochenspange  in  zwei-  Teile  geteilt,  am  siebenten  Halswirbel  fehlt  es 
hier  und  da  gänzlich.  —  Die  Bogen  benachbarter  Wirbel  können  miteinander  verwachsen  oder 
sich  asymmetrisch  vereinigen.  Die  seltene  Varietät  findet  man  an  den  Halswirbeln,  manchmal 
auch  an  den   Kreuzwirbeln. 

Praktische  Bemerkungen.  Erkrankungen  und  Verletzungen  betreffen  die  Wirbel- 
säule nicht  überall  in  gleicher  Weise,  was  sich  aus  dem  verschiedenen  anatomischen  und  mechani- 
schen Verhalten  der  einzelnen  Teile  erklärt.  Luxationen  erfährt  der  so  bewegliche  Halsteil  weitaus 
am  häufigsten.  Er  ist  sogar  der  einzige  Teil  der  Wirbelsäule,  in  welchem  Luxationen  ohne  gleich- 
zeitige Fraktur  entstehen  können,  was  sich  durch  die  wenig  schräge  Stellung  der  Gelenkfortsätze 
und  die  geringe  Neigung  der  Dornen  erklärt.  Kompressionsbrüche  der  Wirbelkörper  sieht  man 
meist  in  der  Brustwirbelsäule  auftreten,  da  sie  ihrer  relativen  Starrheit  wegen  einwirkenden  Ge- 
walten durch  Beugung  nicht  nachgeben  kann.  Tuberkulöse  Erkrankungen  betreffen  am  häufig- 
sten die  Übergänge  des  Brustteiles  in  Hals-  und  Lendenteil,  also  die  Stellen,  an  welchen  der  starre 
Teil  in  den  beweglichen  übergeht.  Deformierende  Wirbelerkrankungen  mit  nachfolgender  Anky- 
lose beginnen  mit  Vorliebe  an  der  Lendenwirbelsäule;  auch  Krebs  bevorzugt  sie  und  die  Brust- 
wirbel. .  Eine  eigentümliche  Erkrankung  in  der  Gegend  des  Promontorium  ist  die  Spondylolisthesis, 
wobei  der  Körper  des  fünften  Lendenwirbels  auf  der  Basis  des  Kreuzbeines  vorwärts  gleitet. 
Es  wird  dadurch  der  Beckeneingang  in  einer  für  den  Geburtsvorgang  gefahrdrohenden  Weise 
verengert. 

Für  die  Diagnose  von  Wirbelerkrankungen  kann  Druck  auf  die  Dornfortsätze  oft  gute 
Dienste  leisten,  da  dadurch  in  dem  erkrankten  Wirbel  Schmerzempfindungen  ausgelöst  werden. 
Auch  der  Druck  der  Körperlast  kann  Schmerzen  hervorrufen,  welche  nachlassen,  wenn  durch 
horizontale  Lage  die  Belastung  aufgehoben  wird. 

Eine  Verschiebung  der  Schwerlinie  muß  eine  Änderung  der  Wirbelsäulenkrümmung  im 
ganzen  zur  Folge  haben  (vgl.  S.  31).  Sinkt  ein  Wirbelkörper  infolge  von  Erkrankung  oder  Ver- 
letzung zusammen,  dann  entsteht  eine  Knickung,  welche  nun  durch  veränderte  kompensatorische 
Biegung  der  gesunden  Wirbelsäulenabschnitte  ausgeglichen  werden  muß.  Auch  ohne  solche 
Erkrankung  kann  die  Krümmung  der  Wirbelsäule  im  ganzen  Schaden  leiden.  Schlechte  Haltung 
infolge  von  fehlender  Willensenergie,  schlechte  Konstruktion  der  Schulbänke,  Schwäche  der 
Rückenmuskulatur  und  vieles  andere  führt  zur  Ausbildung  eines  „runden  Rückens",  Kyphose. 
Eine  seitliche  Verkrümmung,  Scoliose,  wird  durch  die  Art  des  Tragens  und  Führens  rachitischer 
Kinder  seitens  der  Mutter  oder  Amme  herbeigeführt,  dann  durch  gewohnheitsmäßige  schlechte 
Haltung  beim  Schulunterricht,  besonders  beim  Schreiben;  sie  ist  meist  im  Brustteil  der  Wirbel- 
säule rechts  konvex,  im  Lendenteil  rechts  konkav  (A.  He  nie).  In  höheren  Graden  ist  sie  mit 
einer  Torsion  der  Wirbelsäule  verbunden,  welche  dem  Einzelwirbel  oft  eine  ganz  absonderliche 
Gestalt  verleiht.     Auch  krankhafte  Erscheinungen  in  der  vegetativen  Röhre,  wie  z,  B.  Lungen- 


Rippen.  35 

Schrumpfungen,  können  Scoliose  hervorrufen,    ebenso  auch  die  Verkürzung  eines  Beines,  wobei 
sich  die  Lendenwirbelsäule  auf  der  Seite  des  kürzeren  Beines  konvex  krümmt   (R.  Fick). 

Beim  Fall  auf  das  Gesäß  können  sowohl  Luxationen  wie  Frakturen  des  Steißbeines  ent- 
stehen. Durch  fortgesetzte  Reizung  der  Steißwirbclverbindungen,  wie  sie  bei  Reitern,  Radfahrern, 
auch  in  gewissen  Gewerben  vorkommen,  können  Entzündungen  mit  nachfolgender  Synostose 
auftreten. 

3.  Rippen,  Costae,  und  Brustbein,  Sternum. 

Wie  schon  aus  vorstehendem  hervorgeht,  sind  die  Rippen  nur  in  der  Brust- 
gegend voll  entwickelt,  jederseits  zwölf  an  Zahl.  Sie  sind  jedoch  auch  hier  nicht  alle 
gleichmäßig  ausgebildet,  indem  sie  mit  dem,  Brustkorb  von  unten  her  eine  Reduktion 
erfahren.  Bei  ihrer  Entstehung  gehen  sie  dorsal  von  der  Wirbelsäule  aus  und  schieben 
sich  in  den  Myosepten  ventralwärts  vor.  Ihre  vorderen  Enden  vereinigen  sich  zu  den 
beiden  Sternalleisten,  welche  sich  einander  bis  zur  Berührung  nähern,  um  schließlich 
zu  dem  unpaarigen  Brustbein  zu  verschmelzen.  Die  caudalen  Enden  der  Sternal- 
leisten bleiben  mit  den  zugehörigen  Rippen  nicht  in  dauerndem  Zusammenhang,  sie 
bilden  den  frei  hervorragenden  Processus  xiphoideus. 

In  ausgebildetem  Zustand  stehen  die  sieben  cranialen  Rippen  mit  dem  Brust- 
bein in  direkter  Verbindung,  man  nennt  sie  wahre  Rippen,  Costae  verae1),  die 
übrigen  werden  als  falsche  Rippen,  Costae  spuriae2),  bezeichnet  (74).  Das  ventrale 
Ende  der  achten  bis  zehnten  Rippe  ist  jedesmal  mit  der  vorhergehenden  verbunden, 
so  daß  sich  ihre  Tätigkeit  von  der  der  wahren  Rippen  nicht  trennen  kann.  Die  beiden 
letzten  sind  soweit  zurückgebildet,  daß  ihnen  ein  näherer  Zusammenhang  mit  den 
nächst  höheren  ?,ranz  abgeht,  sie  führen  den  Namen  freie  Rippen:  Costae  fluctu- 
antes. 

Die  ursprüngliche  Knorpelanlage  der  Rippen  bleibt  in  dem  ventralen  Teil  der 
ausgebildeten  Rippen  bei  Bestand,  man  hat  daher  ein  Os  costale  und  eine  Carti- 
lago  costalis  zu  unterscheiden. 

Das  dorsale  Ende  der  Rippenknochen  ist  mit  der  Wirbelsäule  verbunden.  Es 
beginnt  mit  einem  verdickten  Köpfchen,  Capitulum  costae,  welches  an  seinem 
freien  Ende  eine  Gelenkfläche,  Facies  articularis  cap.  costae  trägt.  Dieselbe 
ist  von  der  zweiten  bis  zehnten  Rippe  durch  eine  Querleiste,  Crista  capituli,  in 
zwei  Felder  geteilt,  da  jede  derselben  mit  zwei  Wirbelkörpern  in  Zusammenhang 
-teilt  (6S).  An  der  ersten,  eilten  und  zwölften  Rippe,  welche  nur  mit  je  einem  Wirbel- 
körper  verbunden  sind,  fehlt  diese  Leiste.  Auf  das  Köpfchen  folgt  der  Rippenhals, 
Collum  costae.  Der  obere  Rand  des  Halses  schärft  sieh  an  den  mittleren  Rippen 
zu  einer  breiten,  platten,  aufwärts  konvexen  Firste  zu.  Crista  colli  costae.  Ander 
ventralen  Seite  des  unteren  Randes  findet  man  eine  Hohlkehle,  welche  sich  in  den 
Sulcus  costalis  des  Rippenkörpers  fortsetzt. 

Aul  den  Hals  folgt  an  der  dorsalen  Seite  der  Rippe  der  Rippenhöcker,  Tuber- 
culum  costae.  Kr  ist  in  zwei  Erhabenheiten  geteilt;  die  untere  trägt  eine  Gelenk- 
fläche, Facies  articularis  tuberculi  costae,  zur  Verbindung  mit  der  an  der 
Spit/.e  des  Querfortsatzes  befindlichen  Fovea  costalis.  Die  obere  ist  eine  Rauhigkeit 
zur  Anhel'tuni;   von    Bändern    (HS). 

An  den  Rippenhöcker  schließt  sich  der  Rippenkörper,  Corpus  costae.  an. 
Er  isl  em  Knochenband,  welches  nach  der  Fläche  und  nach  der  Kante  gebogen  und 

')  Costae  sternales. 

-)  Costae  liberae,  Costae  abdominales. 


36  Rippen. 

um  die  eigene  Achse  gedreht  ist.  Je  nach  der  Stellung  der  einzelnen  Rippen  im  Brust- 
korb sind  diese  Krümmungen  in  verschiedener  Weise  ausgebildet.  Die  innere  kon- 
kave Seite  des  Rippenkörpers  ist  glatt,  während  die  äußere  konvexe  eine  Rauhigkeit, 
Angulus  costae,  aufweist  (68).  Seinen  Namen  führt  der  Winkel  deshalb,  weil  die 
Rippe  dort  wie  abgeknickt  aussieht.  Die  Reihe  der  Rippenwinkel  dient  zum  Ansatz  von 
Sehnen;  sie  begrenzt  seitlich  die  Furche,  welche  zur  Aufnahme  der  Streckmuskulatur 
der  Wirbelsäule  dient.  Da  diese  letztere  nach  oben  hin  einen  immer  schmaleren  Raum 
einnimmt,  rückt  auch  der  Angulus  cranial wärts  immer  näher  an  das  Tuberculum 
heran,  an  der  zweiten  und  ersten  Rippe  fällt  es  mit  ihm  zusammen  (75).  Die  scharfe 
Firste  des  Halses  verliert  sich  jenseits  des  Höckers,  deshalb  ist  der  obere  Rand  des 
Rippenkörpers  gerundet.  Der  untere  Rand  dagegen  erhebt  sich  vom  Rippenhöcker 
ab  allmählich  zu  einer  scharfen  Leiste ,  welche  am  vorderen  Drittel  des  Körpers 
wieder  verschwindet.  An  ihrer  dem  Innern  des  vegetativen  Rohres  zugewandten  Seite 
trägt  sie  eine  Furche,  Sulcus  costalis,  für  den  Verlauf  der  Intercostalnerven 
und  Gefäße   (68). 

Das  leicht  verdickte  vordere  Ende  des  Rippenknochens  ist  mit  einer  napfför- 
migen  Vertiefung  versehen,  in  welche  sich  der  Rippenknorpel  legt.  Der  Rippen- 
knorpel ist  weniger  platt,  als  der  Rippenknochen,  seine  Ränder  sind  gerundet.  Der 
untere  Rand  des  Knorpels  der  sechsten  Rippe  sendet  in  seinem  dem  Knochen  benach- 
barten Teil  einen  kurzen,  abgestutzten  Fortsatz  ab,  welcher  mit  einer  flachen  Delle  des 
oberen  Randes  der  siebenten  Rippe  gelenkig  verbunden  ist  (74) .  Ein  ähnliches  Rippen- 
knorpelgelenk  findet  man  in  einer  größeren  Anzahl  von  Fällen  auch  zwischen  fünfter 
und  sechster  Rippe  (Fawkett,  Bardeleben  1898).  Die  vorderen  Enden  der  Knorpel 
der  achten  bis  zehnten  Rippe  sind  zugespitzt,  sie  legen  sich  jedesmal  an  den  vor- 
hergehenden Knorpel  an.  Die  beiden  letzten  Rippen  tragen  ganz  kurze  Knorpel- 
enden. 

Die  Rippenknochen  und  Rippenknorpel  bilden  zusammen  je  einen  nach  oben 
konkaven  Bogen.  Der  Gipfel  des  Bogens  ist  an  den  oberen  Rippen  ungefähr  da  ge- 
legen, wo  Knorpel  und  Knochen  zusammenstoßen,  von  der  fünften  an  fällt  er  in  den 
Knorpel.  Er  wird  von  oben  an  an  jeder  folgenden  Rippe  immer  steiler,  da  sich  deren 
Ansätze  an  dem  relativ  kurzen'  Brustbein  zusammendrängen.  An  der  sechsten  und 
siebenten  geht  der  Bogen  sogar  geradezu  in  eine  Knickung  über,  um  es  ihnen  zu  er- 
möglichen, das  Brustbein  noch  zu  erreichen   (74). 

Die  erste  Rippe  (69)  nimmt  in  mehrfacher  Hinsicht  eine  Ausnahmestellung  ein. 
Daß  Tuberculum  und  Angulus  bei  ihr  zusammenfallen,  wurde  schon  erwähnt.  Außer- 
dem ist  sie,  entsprechend  der  kegelförmigen  Zuspitzung  des  Brustkorbes,  besonders 
kurz  und  stark  gekrümmt.  Der  Hals  ist  dünn,  die  Flächen  sind  breit.  Sie  sehen  nach 
oben  und  unten,  die  Kanten  nach  innen  und  außen.  Am  konkaven  Rand  besitzt  die 
erste  Rippe  in  ihrer  ventralen  Hälfte  eine  Rauhigkeit  oder  ein  kleines  Höckerchen, 
Tuberculum  scaleni1),  welches  dem  seitlichen  Ende  des  M.  scalenus  anticus  zum 
Ansatz  dient.  Unmittelbar  dahinter  findet  man  eine  breite,  glatte,  ganz  schwach 
vertiefte  Fläche,  Sulcus  art.  subclaviae,  über  welche  sich  die  genannte  Arterie 
bei  ihrem  Austritt  aus  dem  Brustkorb  hinbiegt.  Hinter  ihr  folgt  dann  wieder  eine 
Rauhigkeit,  an  welche  sich  der  M.  scalenus  medius  anheftet. 

Der  Körper  der  zweiten  Rippe  (70)  trägt  an  der  nach  oben  und  lateral 
gerichteten  Fläche  etwas  hinter  seiner  Mitte  eine  breite  Rauhigkeit,  Tuberositas 
costae  II,  zum  Ansatz  einer  Zacke  des  M.  serratus  anterior. 


M   Tuberculum  Lisfranci. 


Brustbein.  37 

An  der  elften  und  zwölften  Rippe  (71)  vermißt  man  Tuberculum  costae  und 
Crista  capituli,    an  der  zwölften  auch  den  Rippen winkel. 

Die  Rippen  sind  blutreiche,  spongiöse  Knochen.  Ihr  Periost  ist  kräftig,  es  läßt 
sich  bei  chirurgischen  Operationen  auf  der  Außenseite  leicht  abheben  und  erhalten; 
auf  der  Innenseite  ist  es  sehr  fest  mit  dem  Knochen  verbunden.  Bei  Frakturen  kann 
es  erhalten  bleiben  und  dadurch  eine  Dislokation  der  Bruchenden  verhindern.  Die 
Rippenknorpel  sind  hyalin;  sie  sind  sehr  geneigt  zu  entarten.  Nach  Freund  (1906) 
kann  dies  schon  vom  16.  Lebensjahr  ab  geschehen.  Sie  werden  aufgetrieben,  ver- 
färben sich  gelblich  und  nehmen  eine  faserige  Struktur  an.  Endlich  nehmen  sie  Kalk- 
salzc  auf  und  werden  starr.  Tritt  die  Entartung  schon  in  jüngeren  Lebensjahren 
auf,  dann  befallt  sie  zunächst  den  zweiten  und  dritten  Rippenknorpel  und  verbreitet 
sich  von  dort  aus  allmählich  über  den  ganzen  Brustkorb;  beginnt  sie  erst  in  höherem 
Alter,  dann  werden  häufig  alle  Rippenknorpel  gleichzeitig  befallen.  Freund  gibt 
an,  daß  der  erste  Rippenknorpel  immer  zuletzt  ergriffen  würde. 

Das  Brustbein,  Sternum1),  bildet  sich,  wie  gesagt,  aus  den  Sternalleisten 
der  Rippen.  Es  müßte  also  eigentlich  aus  einer  Anzahl  von  metamer  angeordneten 
Teilstückcn  bestehen,  welche  durch  Synchondrose  miteinander  verbunden  sind2).  An 
die  Teilstücke  und  an  die  sie  trennenden  Synchondrosen  müßten  sich  die  Rippen 
in  der  Art  ansetzen,  wie  sie  dorsal  jedesmal  mit  zwei  Wirbeln  und  der  zwischen  ihnen 
befindlichen  Bandscheibe  in  Verbindung  stehen.  Im  erwachsenen  Zustand  verwischen 
sich  jedoch  diese  Verhältnisse  in  mehrfacher  Hinsicht,  da  erstens  mehrere  der  Einzel- 
stücke miteinander  knöchern  verwachsen  und  da  zweitens  das  Brustbein  an  der  Re- 
duktion des  ganzen  Brustkorbes  von  unten  her  teilnimmt,  wodurch  sein  caudaler  Teil 
ebenfalls  der  Reduktion  verfällt. 

Das  Brustbein  (72,  73)  ist  ein  platter,  schmaler  und  langer  Knochen.  Seine  Stellung 
und  Krümmung  wird  von  der  Form  des  ganzen  Brustkorbes  maßgebend  beeinflußt. 
Es  steht  in  der  Art  schräg,  daß  sein  craniales  Ende  der  Wirbelsäule  mehr  genähert 
ist,  als  sein  caudales  und  es  zeigt  sich  bei  hoch  gewölbter  Brust  nach  außen  stärker 
konvex  gebogen,  als  bei  flacher.  In  gewissen  Fällen  ist  es  an  der  Stelle  zwischen  den 
Ansätzen  der  beiden  zweiten  Rippen  winkelig  geknickt  3),  was  man  auch  am  Liebenden 
als  eine  vorspringende  Leiste  erkennt.  Unter  dieser  Stelle  trägt  die  Außenfläche 
drei  meist  nur  schwach  angedeutete  Querleisten,  Spuren  von  Synchondrosen,  durch 
welche  einige  Teilstücke  in  der  Jugend  miteinander  verbunden  wann.  Die  Hinter- 
fläche  ist  glatt  und  Dach  gehöhlt.  l>a^  craniale  Ende  des  Brustbeines  i>t  nicht  un- 
erheblich verbreitert,  was  damit  zusammenhängt,  dal.',  es  dort  den  Schlüsselbeincm 
zur  Anheftung  und  Stütze  zu  dienen  hat.  Bei  Säugern,  deren  Schlüsselhein  ver- 
kümmert ist.  ist  auch  der  entsprechende  Teil  des  Brustbeines  zurückgebildet.  Sein 
caudales  Ende,  welches  dir  Verbindung  mit  den  zugehörigen  Rippen  aufgegeben  hat. 
ist  zu  einem  dünnen,  zungenförmigen  Blatt  umgewandelt. 

Die  verschiedene  Bedeutung  der  Teile  des  Brustbeines  macht  sich  in  der  Art 
geltend,  daß  es  im  erwachsenen  Körper  aus  drei  Stücken  besteht,  welche  man  im 
Vergleich  mit  einem  antiken  Schwert  als  Handgriff,  Manubrium,  Körper,  Corpus, 
und  Schwertfortsatz,  Processus  xiphoideus4),  unterscheidet  (72).  Die  Stücke 
sind  durch  Synchondrosen  miteinander  verbunden, 

')  Os  pectoris. 
1    In   Fig.   82  des    \tl.is  ist  dies  zufällig  der  Fall. 

Vngulus  sterni,  A.ng.   Ludovici. 
')   Processus  ensiformis, 


38  Bänder  am  dorsalen  Teil  der  Rippen. 

An  seinem  freien  Rand  trägt  das  Brustbein  drei  Ausschnitte;  der  mittlere,  In- 
cisura  jugularis1),  ist  frei,  an  die  beiden  seitlichen,  Incisurae  claviculares, 
lagern  sich  die  medialen  Enden  der  Schlüsselbeine  (73).  Die  Incisura  jugularis  ist  auch 
am  Lebenden  durch  die  Haut  zu  fühlen,  sie  erscheint  durch  die  verdickten  Enden 
der  Schlüsselbeine,  welche  sie  von  beiden  Seiten  her  flankieren,  tiefer,  als  sie  wirk- 
lich ist.  Nach  dem  Körper  zu  verschmälert  sich  der  Handgriff.  Der  Körper  verbrei- 
tert sich  nach  unten  etwas,  um  dann  gerundet  abzuschließen.  Er  ist  bei  Frauen  breiter 
und  um  rund  2  cm  kürzer,  als  bei  Männern  (72).  Es  dürfte  dies  mit  der  geringeren 
Ausbildung  des  weiblichen  Brustkorbes  im  ganzen  zusammenhängen. 

Der  Schwertfortsatz  ist,  wie  andere  rudimentäre  Gebilde,  von  sehr  wechselnder 
Ausbildung.  Einmal  ist  er  spitz  ausgezogen,  ein  andermal  endet  er  gerundet.  Er 
kann  in  zwei  Zacken  auslaufen  oder  von  einem  Loch  durchsetzt  sein.  Er  kann  nach 
außen  oder  nach  innen  abgebogen  sein.     Er  bleibt  oft  bis  ins  hohe  Alter  knorpelig. 

An  den  Seitenrand  des  Brustbeins  setzen  sich  die  sieben  wahren  Rippen  an, 
die  oberste  unmittelbar  unter  den  Schlüsselbeinausschnitten,  die  zweite  an  der  Ver- 
bindung von  Handgriff  und  Körper,  die  folgenden  in  Grübchen  am  Körper  selbst, 
die  siebente  unmittelbar  über  der  Verbindung  von  Körper  und  Schwertfortsatz.  Die 
Ansätze  nähern  sich  einander  um  so  mehr,  je  weiter  caudalwärts  sie  liegen. 

Das  Brustbein  besteht  aus  einer  lockeren  Spongiosa,  welche  von  dünner  Corti- 
calis  überzogen  ist.  Seine  nicht  geringe  Widerstandskraft  erklärt  sich  durch  die  Festig- 
keit seines  durch  Bänder  verstärkten  Periostes. 


4.  Bandapparat  der  Rippen  und  des  Brustbeins. 

a)  Bänder  am  dorsalen  Teil  der  Rippen. 

Die  Rippen  sind  mit  den  Wirbeln  durch  Gelenke  verbunden,  von  deren  Gelenk- 
flächen bereits  die  Rede  war.  Die  Pfanne  der  Articulationes  capitulorum  co- 
starum  wird  von  den  beiden  Gelenkflächen  der  Wirbelkörper  und  der  zwischen  ihnen 
liegenden  Bandscheibe  gebildet.  Von  der  letzteren  erstreckt  sich  das  Lig.  capituli 
costae  interarticulare2)  zur  Crista  capituli  (78)  und  verbindet  sich  mit  ihr, 
wodurch  das  Gelenk  in  ein  zweikammeriges  verwandelt  wird.  An  den  Gelenken  der 
ersten,  elften  und  zwölften  Rippen,  welche  nur  mit  einem  einzigen  Wirbelkörper  arti- 
kulieren, fehlt  natürlich  das  interartikuläre  Gelenkband.  Die  Gelenkenden  sind  an 
den  zweikammerigen  Gelenken  mit  Faserknorpel,  an  den  einkammerigen  mit  Hyalin- 
knorpel  bekleidet.     Die  Kapseln  sind  dünn,  die  Gelenkhöhlen  eng. 

Bei  den  Rippenhöckergelenken,  Articulationes  costotransversariae  (79), 
besitzen  die  Rippenhöcker  eine  leicht  konvexe,  die  Spitzen  der  Ouerfortsätze  leicht 
konkave  Gelenkfläche,  beide  sind  mit  hyalinem  Knorpel  überzogen.  Die  Kapseln 
sind  dünn  und  schlaff. 

An  dem  Apparat  der  Haft-  und  Verstärkungsbänder  des  hinteren  Endes  der 
Rippen  ist  Schutz  und  Verstärkung  der  Gelenkkapseln  nicht  das  Ausschlaggebende, 
sondern  vielmehr  die  feste  Verbindung  der  Rippen  mit  den  Wirbeln,  wodurch  sie 
den  oft  erheblichen  Gewalten  zu  widerstehen  vermögen,  welche  den  Zusammenhang 
zu  lösen  streben.    Daß  die  Bänder  im  speziellen  trotzdem  in  eine  Anzahl  verschiedener 


J)   Incisura  semilunaris. 

2)  Cartilago  interarticularis. 


Bänder  am  dorsalen  Teil  der  Rippen.  39 

Züge  zerfallen,  kommt  daher,  daß  die  Wirbel  mit  ihrem  Körper,  Bogen  und  Quer- 
fortsatz keine  einheitliche  Ansatzfläche  darbieten,  und  daß  die  Nerven  und  Gefäße, 
welche  den  Wirbelkanal  verlassen  oder  ihn  aufsuchen,  die  Bänderzüge  zerspalten. 

An  der  Vorderseite  findet  man  die  Ligg.  capit.  cost.  radiata1)  (76,  80),  starke 
Bänder,  welche  sich,  vom  Rippenköpfchen  aus  fächerförmig  ausstrahlend,  zu  den 
Wirbelkörpern  herüber  erstrecken.  Sie  heften  sich  an  diesen  unter  dem  Lig.  commune 
ant.  an.  Da  sie  zu  den  beiden  beteiligten  Wirbeln  und  der  zwischen  ihnen  hegenden 
Bandscheibe  gehen,  ist  ihr  Ansatz  nicht  selten  in  drei  Abteilungen  zerspalten.  An 
den  oberen  Rippen  sind  die  oberen,  an  den  unteren  die  unteren  Züge  des  Bandes 
stärker  entwickelt  (Fick).  Auch  an  der  Hals-  und  Lendenwirbelsäule  finden  sich 
Bänderzüge,  welche   den  Ligg.  radiata  entsprechen. 

An  der  Rückseite  der  dorsalen  Rippenenden  strahlen  die  Bänderzüge  ebenfalls 
tiii  liiTtV.nniin  und  zwar  vom  Rippenhöcker  aus,  doch  sind  sie  hier,  den  osteologischen 
Verhältnissen  entsprechend,  weit  mehr  individualisiert,  wie  vorne  (77).  Ein  sehr  starkes 
und  kurzes  Band,  Lig.  tuberculi  costae,  geht  von  diesem  zur  Spitze  des  Ouerfort- 
satzes  des  zugehörigen  Wirbels.  Ein  zweites,  Lig.  costotransversarium  poster.2), 
geht  vom  Rippenhöcker  schräg  aufwärts  zum  Bogen  in  der  Gegend  der  Wurzel  des 
Ouerfortsatzes  des  nächsthöheren  Wirbels;  durch  Gefäße  und  Nerven,  welche  es  nahe 
seinem  Ende  durchsetzen,  wird  der  Ansatz  in  zwei  Bündel  gespalten.  Ein  drittes 
Band  steigt  noch  steiler  auf,  vom  Rippenhöcker  zur  Tuberosität  des  Querfortsatzes 
des  nächsthöheren  Wirbels,  Lig.  tuberculi  costae  sup.  Es  ist  in  seiner  Ausbil- 
dung sehr  variabel,  bald  stark,  bald  schwach. 

Zu  diesen  radiär  verlaufenden,  ventral  und  dorsal  gelegenen  Bändern  kommen 
noch  kräftige  Bandmassen,  welche  den  Raum  zwischen  Querfortsatz  und  Rippenhals 
ganz  ausfüllen,  Lig.  colli  costae3)  (79).  Sie  halten  beide  besonders  wirksam  zu- 
sammen. 

Die  beiden  einander  gegenüberliegenden  Ränder  des  dorsalen  Teiles  zweier 
Rippen  werden  durch  eine  Membran  miteinander  verbunden,  das  Lig.  intercostale 
internum  (77),  welche  aus  der  Fascie  zwischen  äußerem  und  innerem  Intercostal- 
muskel  hervorgeht.  Hört  der  letztere  eine  kurze  Strecke  vor  dem  dorsalen  Ende  der 
Rippen  auf,  dann  verstärkt  sich  die  Fascie  zu  dem  genannten  Band.  Das  mediale 
Ende  desselben  wird  zu  einem  kräftigen,  oft  aus  mehreren  Schichten  bestehenden 
Bänderzug,  dem  Lig.  costotransversarium  anterius4)  (76),  welches  von  der 
oberen  scharfen  Kante  des  Rippenhalscs  zum  unteren  Rand  der  nächsthöheren  Rippe 
und  zum  Querfortsatz  aufsteigt,  mit  welchem  sie  artikuliert.  Zwischen  dem  medialen 
Rand  des  Bandes  und  dem  Wirbelkörper  bleibt  eine  ovale  Öffnung,  Foramen 
costotransversarium  (80),  in  welcher  die  Teilung  des  Spinalnerven  in  seinen  vor- 
deren und  hinteren  Ast  erfolgt.    Das  Loch  entspricht  den  vorderen  Kreuzbeinlöchern. 

Zwischen  der  letzten  Rippe  und  dem  Hüftbeinrand  spannt  sich  eine  Membran 
aus,  Lig.  lumbocostale5)  (81).  In  ihrer  Stärke  schwankt  sie  sehr,  bald  ist  sie  kaum 
zu  präparieren,  bald  sehr  kräftig,  bald  gleichmäßig  dick,  bald  in  der  Mitte  ihrer  Länge 
erheblich  verdünnt.     Sie  besteht  aus  vielfach  gekreuzten  Bündeln,  welche  außer  an 


')    l.i.HK.    costo-veitcbralia   radiata. 
-)   Lig.  colli  costae  sup.  ad  arcum,  Fick. 

:1i   Membrana   obturatoria  costo  transvcrs.ui.i,    l-'ick.     Eine    Unterscheidung    in   ein    Lig, 
c.  c.  sup.  und  inf.,  wie  sie  manche  Autoren  machen,  is1   unnötig. 
')   Lig.  colli  ost.ie  sup.  ant.,  Fick. 
r>)  Vorderes  Blatt  der  Fascia  Lumbodorsalis. 


40  Bänder  am  ventralen  Teil  der  Rippen  und  am  Brustbein. 

Rippe  und  Hüftbeinrand  auch  an  sämtlichen  Ouerfortsätzen  der  Bauchwirbel  fest- 
geheftet ist.  Sie  setzt  sich  aus  verschiedenen  Elementen  zusammen.  Deutlich  sind 
die  Lig.  costotransversaria  ant.  kenntlich,  welche  wie  an  der  Brust  zur  Herstellung 
der  For.  costotransversaria  beitragen.  Die  an  sie  angeschlossenen  Ligg.  intercost. 
int.  fließen  mit  der  Sehne  des  M.  transvers.  abdom.  zusammen.  Bündel  der  Sehne 
des  M.  quadratus  lumborum  hängen  in  breiten  Platten  oder  in  schmäleren  Strängen 
mit  ihr  zusammen.  Das  Band  ist  insoferne  von  topographischer  Bedeutung,  als  es 
die  Grenzscheide  zwischen  der  Bauchhöhle  und  den  tiefen  Rückenmuskeln  bildet. 

b)  Bänder  am  ventralen  Teil  der  Rippen  und  am  Brustbein. 

Wie  oben  schon  erwähnt  wurde,  setzt  sich  die  erste  Rippe  unmittelbar  unter 
den  Schlüsselbeingruben  an  den  Handgriff  des  Brustbeines  fest,  die  zweite  an  die  Ver- 
bindung von  Handgriff  und  Körper.  Die  dritte  Rippe  gelangt  an  die  Stelle  des  Brust- 
beinrandes, an  welcher  das  erste  und  zweite  primäre  Teilstück  des  Körpers  zusammen- 
stoßen. Die  Stelle  befindet  sich  genau  in  der  Mitte  des  ganzen  Brustbeines,  abgesehen 
vom  Schwertfortsatz.  Die  vierte  Rippe  setzt  sich  an  die  Grenze  zwischen  zweitem 
und  drittem,  die  fünfte  zwischen  drittem  und  viertem  Teilstück  an.  Die  beiden  letzten 
wahren  Rippen  drängen  sich  an  diesem  letzteren  unmittelbar  aneinander  (82). 

Die  erste  Rippe  ist  mit  dem  Brustbeinrand  noch  in  ursprünglicher  Weise  in  der 
Art  verbunden,  daß  ihr  Knorpel  direkt  in  diesen  übergeht.  An  den  folgenden  Rippen 
aber  bilden  sich  Gelenke  aus,  bei  welchen  das  Brustbein  die  Pfanne,  das  Rippenende 
den  Kopf  liefert.  Ähnlich  den  Rippenköpfchengelenken  müßten  diese  Gelenke  sämt- 
lich ein  interartikuläres  Band,  Lig.  sternocostale  interarticulare  (82),  besitzen, 
welches  die  Synchondrosen  zwischen  den  Teilstücken  des  Brustbeines  mit  dem  von  der 
Spitze  der  Rippe  gebildeten  Gelenkkopf  verbindet,  so  daß  ein  Gelenk  mit  zwei  Kammern 
entstünde.  Ein  solches  findet  man  aber  regelmäßig  nur  am  Ansatz  der  zweiten  Rippe, 
wo  ja  zwischen  Handgriff  und  Körper  des  Brustbeines  die  Synchondrose  auch  dauernd 
erhalten  bleibt.  An  den  beim  Erwachsenen  verknöcherten  Synchondrosen  des  Brust- 
beinkörpers werden  sie  seltener.  Schon  an  der  dritten  Rippe  ist  es  nur  in  einem  Fünftel 
der  Fälle  erhalten,  weiter  unten  in  immer  mehr  abnehmender  Zahl.  Auch  die  Ge- 
lenkhöhle selbst  wird  immer  häufiger  durch  eine  Synchondrose  ersetzt,  je  weiter  caudal- 
wärts  die  Rippen  liegen  (Tschaussow  1891).  Man  sieht,  daß  die  Reduktion  des 
Brustkorbes  von  unten  nach  oben  auch  in  diesen  Einzelheiten  zur  Geltung  kommt. 

Die  Spitzen  der  falschen  Rippen  sind  durch  straffe  Bänder  mit  der  nächst  oberen 
zusammengehalten,  doch  kommt  es  auch  hier  zuweilen  zur  Ausbildung  einer  kleinen 
Gelenkspalte.  Die  erwähnten  Rippenknorpelgelenke  an  der  oberen  und  unteren  Seite 
des  sechsten  Rippenknorpels  (S.  36)  sind  vom  Perichondrium  überzogene  Spalten, 
welche  zu  Bemerkungen  keinen  Anlaß  geben. 

Von  den  Synchondrosen,  welche  die  drei  Teile  des  Brustbeines  miteinander 
verbinden,  ist  nur  zu  berichten,  daß  sie  zunächst  den  Knochenenden  aus  hyalinem, 
in  der  Mitte  aus  Faserknorpel  bestehen.  In  der  Verbindung  zwischen  Manubrium 
und  Corpus  beobachtet  man  zuweilen  das  Auftreten  eines  Halbgelenkes.  Eine  knö- 
cherne Ankylose  dieser  Synchondrose  gehört  zu  den  Seltenheiten. 

Was  die  Haft-  und  Verstärkungsbänder  anlangt,  so  strahlen  von  dem  vorderen 
Ende  der  Rippen  in  ganz  ähnlicher  Weise  Bänderzüge  fächerförmig  auf  die  Vorder- 
seite des  Brustbeines  aus,  wie  am  hinteren  Ende  von  den  Rippenköpfchen  auf-  die 
Wirbelkörper,  die  Ligg.  sternocostalia  radiata  (83).     Sie  werden  von  oben  nach 


Der  Brustkorb  im  ganzen.  41 

unten  immer  stärker  und  durchflechten  sich  mit  den  gleichen  Bändern  der  Xachbar- 
rippen.  Auch  mit  denen  der  Gegenseite  tauschen  sie  Fasern  aus,  so  daß  aus  der 
Verfilzung  aller  dieser  Züge  nebst  dem  Periost  und  den  Sehnenfasern  der  am 
Brustbein  angehefteten  Muskeln  eine  kräftige  Membran,  Membrana  sterni  (83) 
entsteht,  welche  dem  Knochen  eint-  nicht  gering  anzuschlagende  Widerstandskraft 
verleiht. 

An  der  Rückseite  des  Brustbeines  (84)  findet  man  ebenfalls  radiäre,  von  den 
Rippenenden  ausgehende  Faserzüge,  doch  sind  sie  weit  weniger  ausgebildet,  wie  vorne. 
Hier  verstärken  hauptsächlich  longitudinale  Faserzüge  das  Periost.  Man  findet  sie 
nur  im  Mittelteil  der  Brustbeinfläche,  da  die  beiden  Seiten  von  den  Ursprüngen 
der  Mm.  transvers.  thorac.  eingenommen  werden.  Sie  sind  recht  widerstandskräftig 
und  verhindern  bei  Oucrbrüchen  des  Brustbeines  meist  Dislokationen  der  Bruchenden 
nach  innen  in  den  Brustraum. 

Die  Ligg.  intercostalia  ext.  (83),  welche  die  einander  zugekehrten  Ränder  der 
Rippenknorpel  miteinander  verbinden,  sind  insoferne  von  anderer  Bedeutung,  wie 
die  oben  (S.  39)  genannten  Ligg.  interc.  int.,  als  sie  sich  nicht  aus  Fascien  fortsetzen, 
sondern  die  sehnig  gewordene  Fortsetzung  der  äußeren  Intercostalmuskeln  darstellen. 
Diese  hören  mit  dem  vorderen  Ende  der  Rippenknochen  auf  und  werden  zwischen 
den  Knorpeln  durch  gleichgerichtete  Bänderzüge  ersetzt,  welche  sich  bis  zum  Brust- 
beinrand hin  erstrecken. 

Zu  ihnen  gehören  die  Bänderzüge,  Ligg.  costoxiphoidea  (S3),  welche  den 
Winkel  zwischen  dem  Rippenbogen  und  dem  Schwertfortsatz  ausfüllen.  Sie  fließen 
nach  unten  mit  den  Schnenfasern  des  M.  obliqüus  abdom.  ext.  zusammen. 

An  der  Innenseite  der  Mm.  intercostales  int.  findet  man  sowohl  hinten  wie  vorne 
derbere  Bandstreifen,  welche  den  Verlauf  des  M.  subcostalis  und  M.  transversus  tho- 
racis  fortsetzen  *). 

5.   Der  Brustkorb,  Thorax,  im  ganzen. 

Die  Grundform  des  Brustkorbes  ist  die  eines  Kegels  mit  unterer  Basis  und  oberer 
Spitze  (74,  75).  Sie  entsteht  dadurch,  daß  die  Rippen  von  oben  nach  unten  immer 
länger  werden.  Der  Querschnitt  des  Conus  ist  aber  an  keiner  Stelle  so  groß,  wie  er  sein 
müßte,  wenn  die  Rippen  in  der  Horizontalen  lägen.  Sie  wenden  sich  vermöge  ihrer 
Kantenkrümmung  nach  abwärts,  wodurch  der  Brustkorb  auf  Kosten  seiner  Weite 
an  Länge  gewinnt.  Die  vorhandene  Abflachung  des  Brustkorbes  steht  in  Zusammen- 
hang mit  der  aufrechten  Stellung  des  .Menschen;  vierfüßig  gehende  Säugetiere  besitzen 
einen  kielförmig  gestalteten  Thorax.  Da  die  Rippen  gleich  von  ihrem  Ansatz  an 
den  Wirbeln  nach  hinten  ausbiegen,  so  zeigt  der  Thorax  am  Rücken  zu  beiden  Seiten 
der  Wirbelsäule  eine  langgestreckte  Wölbung,  welche  in  der  Mitte  der  hänge  am  stärk- 
sten ausgebildet  ist,  um  nach  oben  und  unten  flacher  zu  werden.  Der  Konvexität 
außen  entspricht  eine  Konkavität  innen,  Sulcu*s  pulmonalis  genannt  (S.  oben 
Fig.  c).  In  der  Mitte  zwischen  den  beiden  Ausbiegungen  springt  die  Reihe  der  Wirbel  - 
körper  in  das  Innere  des  Brustraumes  vor,  wodurch  dessen  Querschnitt  eine  nieren- 
törmige  Gestalt  annimmt.  Weiter  nach  vorne  wird  die  Biegung  der  Rippen  flacher, 
um  im  Brustbein  ganz  aufzuhören  (Planum  sternale). 

')   Sir  werden  von  manchen  Autoren  als  Ligg.  intercostalia  interna  beschrieben;  sind  mit 
diesen  aber  nichl  zusammenzuwerfen,  da  sie  eine  andere  morphologische  Bedeutung  haben. 


42  Der  Brustkorb  im  ganzen. 

Die  absteigende  Richtung  der  Rippen  ist  nicht  immer  die  gleiche;  ist  sie  sehr 
steil,  dann  wird  der  Thorax  länger  und  flacher,  wie  dies  bei  weniger  gut  gebauten 
Menschen  der  Fall  ist.  Bei  kräftigen  Personen  sind  die  Rippen  weniger  gesenkt,  der 
ganze  Brustkorb  ist  kürzer  und  in  sagittaler  Richtung  stärker  gewölbt. 

Der  skeletierte  Brustkorb  ist  oben  und  unten  offen,  Apertura  thoracis  su- 
per ior  und  inferior.  Die  erstere  ist  kartenherzförmig  gestaltet  und  zeigt  eine  um 
300  gegen  die  Horizontalebene  absteigende  Lage,  so  daß  sie  sich  nach  vorne  um  zwei 
Wirbelhöhen  senkt.  Sie  ist  nicht  immer  gleich  geräumig.  Ist  sie  eng,  dann  wird 
dadurch  die  Ventilation  der  von  ihr  umschlossenen  Lungenspitze  behindert  und  deren 
tuberkulöse  Erkrankung  begünstigt.  Die  letztere  hat  eine  sehr  unregelmäßige  Gestalt. 
Da  die  unteren  Rippen  nach  dem  Brustbein  aufsteigen,  entsteht  unter  dem  letzteren 
ein  winkeliger  Ausschnitt,  Angulus  infrasternalis  (74),  welcher  in  der  Norm  einen 
Winkel  von  etwa  700  umschließt,  doch  wechselt  derselbe  in  gewissen  Grenzen. 

Die  zwischen  den  Rippen  bleibenden  Räume,  Spatia  intercostalia,  müssen 
natürlich  ganz  der  Form  der  Rippen  folgen.  Sie  steigen  also,  wie  sie,  schräg  von  hinten 
nach  vorne  ab.  Der  zweite  und  dritte  ist  in  seiner  ganzen  Länge  von  gleicher  Höhe, 
der  erste  spitzt  sich  nach  dem  Brustbein  ein  wenig  zu,  die  folgenden  erweitern  sich 
nach  vorne.  Besonders  gilt  dies  für  den  fünften  und  sechsten  Intercostalraum,  für 
die  tiefer  gelegenen  etwas  weniger. 

Die  große  Elastizität  des  Brustkorbes  wird  hervorgerufen  durch  die  Federkraft 
der  Rippenknochen  und  besonders  durch  die  der  Rippenknorpel.  Von  diesen  letzteren 
ist  der  der  ersten  Rippe  am  kürzesten,  der  der  zweiten  übertrifft  ihn  kaum.  Von 
da  ab  werden  die  folgenden  immer  länger  und  es  weicht  die  Linie,  welche  die  Ver- 
einigungspunkte von  Knochen  und  Knorpel  bilden,  nach  unten  ganz  allmählich  lateral- 
wärt s  ab.  Am  längsten  sind  die  Knorpel  der  sechsten  und  siebenten  Rippe,  was  mit 
deren  Knickung  zusammenhängt.  Die  Knorpel  der  falschen  Rippen  werden  wieder 
kürzer,  da  sie  das  Brustbein  nicht  mehr  erreichen.  Einem  Druck,  welcher  den  Brust- 
korb trifft,  gibt  er  dieser  Beschaffenheit  der  Rippen  wegen  federnd  nach  und  zwar 
stärker  einem  solchen,  der  von  vorne  einwirkt,  als  einem  von  der  Seite  kommenden. 
Man  kann  den  Thorax  auch  manuell  zusammendrücken.  Sogar  die  Stellungen  des 
Körpers  beeinflussen  seine  Form.  In  der  Rückenlage  wird  er  abgeflacht,  ebenso  wird 
er  in  der  Bauchlage  zusammengedrückt.  In  der  Seitenlage  verringert  sich  die  unten 
liegende  Seite,  während  die  obere  besonders  frei  und  beweglich  wird.  Bei  Erkrankungen 
der  einen  Lunge  legen  sich  die  Patienten  daher  lieber  auf  die  kranke  Seite,  um  die 
gesunde  für  die  Atmung  voll  ausnützen  zu  können. 

Die  Bewegungen,  welche  der  Brustkorb  zum  Zwecke  der  Atmung  ausführt, 
bestehen  in  einer  Hebung  und  Senkung  der  Rippen.  Die  Hebung  geschieht  durch 
reine  Muskelaktion,  während  die  Senkung  durch  Muskeltätigkeit,  durch  ein  Zurück- 
sinken in  die  Ruhelage  und  durch  die  Schwere  des  Bauches,  welche  die  Rippen  herab- 
zieht, bedingt  wird.  Die  beiden  Gelenke  am  Wirbelende  der  Rippen  wirken  stets 
zusammen  und  zwar  dreht  sich  jedes  Paar  um  Achsen,  welche  sich  vor  dem  Wirbel- 
körper in  einem  immer  spitzeren  Winkel  schneiden,  je  weiter  die  Ouerfortsätze  im 
unteren  Teil  der  Brustwirbelsäule  zurückweichen.  Wegen  der  schief  abwärts  gerichteten 
Stellung  der  Rippenkörper  werden  dieselben  bei  der  Bewegung  nicht  nur  gehoben, 
sondern  es  entfernt  sich  auch  ihr  vorderes  Ende  von  der  Wirbelsäule.  Weiter  bedingt 
es  die  Neigung  der  Drehungsachse  nach  hinten,  daß  die  Rippen  außerdem  noch  eine 
seitwärts  gerichtete  Ablenkung  erfahren  und  zwar  nach  dem  Gesagten  je  weiter  nach 
unten  um  so  mehr.     Der  Brustraum  wird  also  durch  die  Hebung  der  Rippen  sowohl 


Der  Brustkorb  im  ganzen.  43 

in  sagittaler,  wie  in  transversaler  Richtung  erweitert.  Der  Ausschlag,  welchen  die 
Rippenhebungen  machen,  muß  im  Gipfel  des  von  den  Rippen  gebildeten  Bogens 
am  größten  sein  und  muß  sich  auch  mit  der  Länge  der  Rippen  vergrößern.  Man  findet 
danach,  daß  man  die  respiratorischen  Exkursionen  hinten  am  wenigsten,  vorne  am 
ausgiebigsten  wahrnimmt,  und  daß  sie  oben,  wo  die  kürzesten  Rippen  sind,  den  weiter 
unten  gelegenen  gegenüber  am  schwächsten  zur  Geltung  kommen  müssen.  Dies 
ist   ein  für  die  Ventilation  der  Lungenspitzen  ungünstiges  Verhalten. 

Die  Rippenknorpel  sind  durch  ihre  Elastizität  befähigt,  den  Bewegungen  der 
Rippenknochen  nachzugeben,  ihre  Winkel  verkleinern  oder  vergrößern  sich,  sie  er- 
leiden eine  Torsion.  Erstarren  die  Knorpel  durch  Verkalkung  (S.  37),  dann  werden 
sie  in  Inspirationsstellung  fixiert   (Freund' 1906). 

Auch  das  Brustbein  nimmt  in  seiner  Synchondrose  zwischen  Handgriff  und 
Körper  an  der  Bewegung  teil,  und  zwar  erfährt  der  Winkel  zwischen  beiden  (Angulus 
Ludovici)  *)  bei  der  Einatmung  eine  Abflachung,  bei  der  Ausatmung  eine  Ver- 
stärkung. Die  respiratorische  Schwankung  beträgt  beim  Manne  140,  bei  der  Frau  120 
(Rothschild  1899). 

Wird  die  Inspiration  sehr  tief,  dann  sieht  man,  daß  sich  auch  die  Brustwirbel- 
säule streckt,  soweit  dies  möglich  ist,  um  auch  ihrerseits  an  der  Erweiterung  des  Brust- 
raumes mitzuwirken. 

Entwickelung.  Oben  wurde  bereits  erwähnt,  daß  die  Entwickelung  der  Rippen  und 
des  Brustbeines  eng  zusammengehören.  Die  ersteren  wachsen  als  dünne  Knorpelstäbchen  von 
der  Wirbelsäule  aus  in  den  Myosepten  nach  vorn.  Sie  vereinigen  sich  an  ihren  vorderen  Enden 
zu  den  Sternalleisten.  Diese  rücken  sich  immer  näher  und  verschmelzen  endlich  in  der  Mittel- 
linie von  oben  her  beginnend  am  Ende  des  zweiten  Monats  zum  knorpeligen  Brustbein.  Über  dem 
Manubrium  erscheint  beiderseits  ein  kleines  Knorpelstückchen,  Os  suprasternale,  welches 
vermutlich  mit  einer  unteren  Halsrippe  zusammengehört;  es  verschmilzt  später  mit  dem  Hand- 
griff. Eine  Knorpelplatte,  welche  am  Sternalteil  des  Sternocla\-iculargelenkes  auftritt,  wird  dem 
Episternum  der  Säuger  als  gleichwertig  erachtet  (Bonnet  1909).  Der  Processus  xiphoideus  wird 
von  Rüge  (1880)  genetisch  mit  den  Vorderenden  der  achten  und  neunten  Rippe  in  Zusammen- 
hang gebracht. 

Die  Verknöcherung  der  Rippen  beginnt  Ende  des  zweiten  Fetalmonats  von  einem  im 
Rippenkörper  auftretenden  Ossificationspunkt  aus.  Derselbe  breitet  sich  rasch  nach  beiden 
Seiten  hin  aus.  In  Köpfchen  und  Höcker  entstehen  in  der  Zeit  vom  S. — 14.  Lebensjahr  Epi- 
physen,  welche  nach  dem  18.  Jahr  mit  der  Rippe  verschmelzen  (85,  S6).  Die  Ossification  des  Brust- 
beines beginnt  im  6.  Fctalmonat  mit  einem  unpaarigen  Knochenkern  im  Handgriff;  ihm  schließen 
sich  im  Körper  noch  mehrere  an,  teils  paarige,  teils  unpaarige,  welche  mehr  oder  weniger  an  eine 
metamere  Anordnung  erinnern;  doch  ist  die  Unregelmäßigkeit  groß.  Die  einzelnen  Stücke  des 
Körpers  sind  zuletzt  durch  lineare  Synchondrosen  verbunden,  ihre  Verknöcherung  erfolgt  meist 
von   unten  nach  oben  bis  zum  20.  Lebensjahr  (87,88). 

Altersunterschiede.  Beim  Neugeborenen  ist  der  Brustkorb  faßförmig,  seine  Wölbung 
ist  eine  stärkere  als  beim  Erwachsenen.  Er  dehnt  sich  in  den  ersten  Lebenstagen  mit  der  Rege- 
lung der  Atmung  sichtlich  aus.  Das  Wachstum  schreitet  in  der  Jugend  in  allen  Dimensionen 
gleichmäßig  fort,  am  raschesten  während  der  I'ubcitatscntw  ickelune,.  Lrst  um  das  30.  Lebens- 
jahr ist  es  vollständig  abgeschlossen.  In  der  Jugend  ist^  der  Brustkorb  außerordentlich  elastisch, 
im  Alter  verknöchern  die  Kippenknorpel,  wie  es  S.  37  bereits  erwähnt  wurde.  Daß  eine  Ver- 
knöcherung  der  Synchondrose  zwischen  Handgriff  und  Körper  des  Brustbeines  selten  ist.  wurde 
ebenfalls  schon  erwähnt,    Körper  und   Schwertfortsatz  ankylosieren  im  Alter  sehr  häufig. 

Gest  blech  tsuntersehiede.  her  weibliche  l'.rustkorb  ist  kleiner  und  besonders  kürzer 
als  der  männliche.    Es  hängt  damit  die  erwähnte  Kürze  des  weiblichen  Brustbeinkörpers  zusammen, 

sowie  ein  weniger  steiles  Absteigen  der  Kippen.     1  >er  weibliche   Thorax  ist  jedoch  nach  dem  Klicken 


J)  Der  Name  ist  insoferne  ohne  Berechtigung,  als  Louis,  nach  welchem  er  genannt  ist. 

den    Winkel    gal    nicht    erwähnt. 


44  Der  Brustkorb  im  ganzen. 

zu  und  in  seinem  oberen  Teil  stärker  gewölbt  als  der  männliche,  es  ist  denn  auch  die  Flächen- 
krümmung des  hinteren  Rippenteiles  bei  der  Frau  stärker  als  beim  Manne  und  ihre  erste  und 
zweite  Rippe  ist  absolut  länger.  Die  größere  Geräumigkeit  des  oberen  Thoraxteiles  bei  der  Frau, 
die  geringere  beim  Manne  erklärt  den  verschiedenen  Respirationstypus  beider  Geschlechter. 
Der  Mann  benützt  im  ganzen  lieber  die  Kontraktion  des  Zwerchfelles  zur  Erweiterung  seines 
Brustraumes  (abdominaler  Typus),  die  Frau  die  Hebung  der  Rippen  und  zwar  besonders 
die  des  oberen  Thoraxteiles  (costaler  Typus).  Doch  wechselt  der  Typus  bei  der  Frau  vielfach. 
Bei  Kindern  ist  der  Wechsel  zwischen  Thorax-  und  Zwerchfellatmung  noch  häufiger.  Im  Alter 
kann  auch  die  Frau  wegen  der  aufgehobenen  Beweglichkeit  der  Rippen  nur  nach  abdominalem 
Typus  atmen. 

Varietäten.  Die  Enden  der  siebenten  Rippen  kommen  nicht  selten  vor  der  Synchon- 
drose  zwischen  Körper  und  Schwertfortsatz  des  Brustbeines  zusammen,  Zuweilen  ist  auch  die 
achte  Rippe  mit  dem  Brustbein  verbunden,  in  einem  Fall  sogar  die  neunte  (Bardeleben).  Selten 
ist  es,  daß  sich  nur  sechs  am  Brustbein  anheften.  Die  Zahl  der  Rippen  kann  sich  dadurch  ver- 
mehren, daß  am  siebenten,  äußerst  selten  am  sechsten  Halswirbel  eine  freie  Rippe  auftritt,  welche 
meist  nur  kurz  und  stummeiförmig  ist,  aber  zuweilen  bis  zum  Ansatz  am  Brustbein  ausgebildet 
sein  kann.  Ist  sie  länger  als  5,6  cm,  dann  übt  sie  auf  die  topographische  Lage  der  benachbarten 
Weichteile  (M.  scalenus  ant.,  Art.  subclavia,  Pleurakuppel)  einen  maßgebenden  Einfluß  aus. 
Auch  am  ersten  Lendenwirbel,  selbst  an  mehreren,  kommen  freie  Rippen  vor.  Umgekehrt  trägt 
hie  und  da  der  letzte  Brustwirbel  keine  solche.  Die  letzte  Rippe  schwankt  überhaupt  in  ihrer 
Ausbildung  sehr,  sie  kann  bis  zur  Länge  des  Querfortsatzes  eines  Bauchwirbels  verkümmern. 
In  seltenen  Fällen  wird  der  vordere  Teil  der  ersten  Rippe  durch  einen  bindegewebigen  Strang 
ersetzt.  Rippen,  welche  sich  in  dem  vorderen  Teil  ihres  Körpers  erst  beträchtlich  verbreitern 
und  dann  gabeln,  sind  nicht  selten.  Sie  setzen  sich  entweder  mit  zwei  getrennten  Knorpeln  am 
Brustbein  fest  oder  sie  fließen  vor  ihrem  Ende  wieder  zu'  einem  einzigen  zusammen.  Auch  zwei 
normale  Rippen  können  sich  mittelst  eines  gemeinsamen  Knorpels  am  Brustbein  anheften.  Zu- 
weilen senden  sich  die  Rippen  in  der  Gegend  der  Höcker  Fortsätze  entgegen,  welche  miteinander 
artikulieren  (Tierähnlichkeit,  Chelonier).  In  seltenen  Fällen  läßt  das  Brustbein  vom  Proc.  xiphoideus 
oder  vom  Körper  Rippenrudimente  ausgehen. 

Die  Form  des  Brustbeines  weicht  zuweilen  von  der  normalen  mehr  oder  weniger  ab.  Selten 
ist,  es,  daß  die  mediane  Verschmelzung  der  beiden  Sternalleisten  ausbleibt  oder  doch  sehr  un- 
vollständig ist,  so  daß  man  die  Pulsationen  des  nur  von  Weichteilen  bedeckten  Herzens  durch 
die  Haut  sieht  (Fissura  sterni  congenita).  Die  geringsten  Grade  der  Spaltung  sind  die  häufig 
beobachteten  runden  Löcher  im  Brustbein  und  im  Schwertfortsatz  und  die  gabeligen  Teilungen  des 
letzteren.  Ossa  suprasternalia  (S.  43)  nennt  man  kleine,  erbsenförmige  Knöchelchen,  welche  dem 
oberen  Rand  des  Brustbeinkörpers  neben  der  Incisura  jugularis  aufsitzen.  Gegenbaur  deutet 
sie  als  Reste  des'Episternums. 

Praktische  Bemerkungen.  Der  Brustkorb,  sein  Inhalt  und  seine  Bedeckungen  stehen 
in  innigen  Wechselbeziehungen  zueinander;  es  kann  einerseits  das  Knochengerüst  primär  defor- 
miert sein,  wodurch  der  Inhalt  des  Brustraumes  Lage-  oder  Volumensveränderungen  erfährt, 
es  kann  anderseits  auch  der  Inhalt  einen  deutlichen  Einfluß  auf  den  Brustkorb  ausüben.  Die 
äußere  Besichtigung  kann  in  dieser  Hinsicht  sehr  belehrend  sein.  Das  eine  Mal  ist  die  Brust  schmal 
und  lang,  was  zu  manchen  Krankheiten,  besonders  solchen  der  Lungen,  disponiert.  Ein  andermal 
ist  der  Brustkorb  übertrieben  gewölbt  und  faßförmig  gestaltet,  wobei  auch  der  Sternalwinkel 
deutlicher  hervortritt,  was  für  höhere  Grade  von  Lungenemphysem  charakteristisch  ist.  Lungen- 
schrumpfung ruft  das  Zusammensinken  der  einen  Thoraxhälfte  hervor,  ein  großer  Erguß  in  die 
Pleurahöhle  kann  sie  ausdehnen. 

Daß  die  weichen  Rippenknorpel  besonders  leicht  nachgeben,  ist  natürlich.  Verbiegen 
sich  dieselben  nach  außen,  dann  entsteht  das  Pecten  carinatum  der  Rachitischen,  verbiegen 
sie  sich  nach  innen,  dann  entsteht  die  Trichterbrust,  welche  den  Raum  zwischen  dem  in  die 
Tiefe  verlagerten  Brustbein  und  der  Wirbelsäule  außerordentlich  beengt.'  Das  Korsett  drückt  die 
Rippenknorpel  fast  bis  zum  Verschwinden  des  Angulus  hyposfernalis  zusammen. 

Bei  geringen  Graden  von  Verkrümmungen  der  Wirbelsäule  erweisen  sich  die  biegsamen 
Rippenknorpel  allein  imstande,  einen  Ausgleich  herbeizuführen.  Bei  höheren  Graden  müssen 
sich  auch  die  Rippenknochen  den  veränderten  Verhältnissen  anpassen.  Dies  geschieht  oft  so 
gut,  daß  man  erstaunt  ist,  bei  Sektionen  pathologische  Veränderungen  vorzufinden,  welche  man 
in  dieser  Ausdehnung  bei  Untersuchung  des  Lebenden  nicht  erwartet  hatte. 


Der  Brustkorb  im  ganzen.  I", 

Die  Verbindung  des  Brustkorbes  mit  den  Muskeln  der  Umgebung  hat  auch  ihre  Bedeutung. 
So  beeinflußt  der  Ansatz  des  Zwerchfelles  an  die  Ränder  der  unteren  Brustapertur  deren  Stellung 
in  der  Art,  daß  man  sie  am  Lebenden  durch  das  regelmäßige  Auf-  und  Absteigen  einer  schatten- 
haften Linie  erkennt  (Zwerchfellphänomen).  Durch  Hochheben  der  Arme  üben  die 
Ansätze  der  großen  Extremitätenmuskeln  am  Thorax  einen  Zug  auf  diesen  aus,  wodurch  sich 
Kippen  und  Brustbein  heben  und  so  die  Inspirationsstellung  einnehmen.  Man  benützt  dies  zur 
Einleitung  der  künstlichen  Atmung.  Diese  Muskeln  können,  wenn  auch  selten,  eine  solche 
Kraftwirkung  entfalten,  daß  das  Brustbein  eine  Kontinuitätstrennung  erfährt. 

Was  Rippen  und  Brustbein  im  einzelnen  betrifft,  so  ist  die  Elastizität  der  ersteren  schon 
mehrfach  erwähnt  worden.  Sie  ist  in  der  Jugend  so  bedeutend,  daß  man  bei  schweren  Insulten 
durch  Druck,  Stoß  od.  dgl.  manchmal  eher  eine  Zerreißung  der  Organe  des  Brustraumes  eintreten 
sieht,  che  sie  brechen.  Trifft  eine  von  der  Seite  her  wirkende  Gewalt  die  Rippen,  dann  können 
Sie  allerdings  leicht  eine  Fraktur  erleiden.  Besonders  gilt  dies  für  die  fünfte  und  sechste,  da  sie 
stark  exponiert  und  durch  die  Verhältnisse  der  Knorpel  weniger  begünstigt  sind,  als  die  ebenso 
freiliegenden  folgenden  Rippen.  Luxationen  an  den  Enden  der  Rippen  werden  hinten  niemals, 
vorne  äußerst  selten  beobachtet;  der  Bandapparat  ist  so  haltbar,  daß  die  Rippe  schon  bricht, 
ehe  er  bis  zum  äußersten  in  Anspruch  genommen  ist.  Subluxation  der  Knorpel-Brustbein- 
gclenke  kommen  zuweilen  bei  ganz  gesunden  Personen  vor.  Sind  im  Alter  die  Rippenknorpel 
verknöchert  und  hat  überdies  die  Festigkeit  der  Rippenknochen  durch  Rarefikation  gelitten, 
dann  kommen  Rippenbrüche  natürlich  leichter  zustande,  wie  in  der  Jugend.  Halsrippen  können 
den  Plexus  brachialis  komprimieren  und  dadurch  Reiz-  und  Ausfallserscheinungen  in  dessen 
Gebiet  hervorrufen    (Oppenheim  1908). 

Das  Brustbein  ist  schweren  Verletzungen  trotz  seiner  exponierten  Lage  nur  wenig  aus- 
gesetzt, da  es  von  den  Rippenknorpeln  federnd  in  seiner  Lage  gehalten  wird  und  daher  leicht  nach- 
geben kann.  Auch  sind  die  Bindegewebsbedeckungen  seiner  beiden  Flächen  außerordentlich 
widerstandskräftig.  Sic  leisten  einem  konstant  wirkenden  Druck  besser  Widerstand,  wie  der 
Knochen  selbst,  welcher  durch  andringende  Aneurysmen  und  Tumoren  früher  konsumiert  wird, 
wie  sie.  Bei  Verrenkungen  zwischen  Handgriff  und  Körper  bleibt  die  zweite  Rippe  mit  dem 
■ersteren  verbunden.  Luxationen  des  Schwertfortsatzes  werden  nicht  beobachtet,  was  sich  aus 
seiner  großen  Beweglichkeit  bei  erhaltener  Synchondrose  ohne  weiteres  erklärt. 

Ist  der  Knorpel  der  ersten  Rippe  sehr  kurz  oder  besonders  steif,  dann  wird  die  Lungen- 
spitze schlecht  ventiliert,  und  es  kommt  leichter  zur  tuberkulösen  Erkrankung  der  Lungenspitze, 
als  wenn  er  normal  ausgebildet  ist.  Freund  (185g — -1907)  hat  deshalb  vorgeschlagen,  in  passenden 
Fällen  die  erste  Rippe  operativ  beweglicher  zu  machen.  Die  Operation  soll  in  einer  Reihe  von 
Fällen  günstig  gewirkt  haben.  Sumita  (1911)  ist  im  Gegensatz  zu  Freund  der  Ansicht,  daß 
•die  Veränderung  des  Rippenknorpels  eine  Folgeerscheinung  der  Lungenspitzentuberkulose  ist 
und  meint  die  Operation  ablehnen  zu  sollen.  Die  gleichen  Meinungsverschiedenheiten  bestehen 
in  bezug  auf  die  Veränderungen  der  Rippenknorpel  bei  Emphysem.  Freund  hält  sie  für  primär, 
das  Emphysem  für  seeundär;  Sumita  ist  der  gegenteiligen  Ansicht.  Lies  mag  sein,  wie  es  will, 
jedenfalls  ist  die  von  Freund  vorgeschlagene  Durchschneidung  einer  starr  gewordenen  oberen 
Rippe  von  wohltätigem  Erfolg. 

Der  Louissche  Winkel  des  Brustbeines  soll  nach  älteren  Angaben  bei  Phthisikern  be- 
sonders deutlich  sein;  dies  ist  jedoch  nach  neueren  Untersuchungen  nicht  der  Fall,  sondern  er 
tritt  vielmehr  bei  Emphysematikern  stärker  hervor,  bei  Phthisikern  ist  er  sogar  besonders  flach. 
Verknöcherung  und  Exostosenbildung  an  der  Vorderseite  des  Brustbeines  können  bei  Phthisikern 
einen  stärker  ausgebildeten   Louisschen  Winkel  vortäuschen    (Rothschild). 

Schließlich  sei  noch  darauf  hingewiesen,  daß  das  Korsett  eine  starke  und  dauernde  De- 
formierung  des  Brustkorbes  hervorbringen  kann,  die  Kippen  steigen  steil  abwärts,  die  unteren 
Knorpel  sind  stärker  geknickt  als  gewöhnlich  und  sie  können  sieli  der  Mittellinie  so  sehr  nähern, 
daß  das  Kpigastrium,  wie  schon  erwähnt,  fast  verschwindet.   Die  untere  Brustapertur  ist  verengert. 


46  Schädel. 


II.  Schädel,  Cranium. 


Der  Kopf  bildet  das  vordere  Ende  des  Stammes  der  vierfüßig  gehenden  Wirbel- 
tiere. An  ihm  findet  sich  der  Anfang  des  Darmschlauches,  in  welchen  die  Nahrung 
aufgenommen  wird.  In  der  unmittelbaren  Nähe  dieses  Einganges  sind  die  höheren 
Sinnesorgane  angebracht,  welche  bei  dem  Aufsuchen  und  Ergreifen  der  Beute  wirk- 
same Hilfe  zu  leisten  haben.  Die  Sinnesorgane  aber  verlangen  wieder  die  ausgiebige 
Ausbildung  des  Vorderendes  des  Centralnervensystems  zum  Gehirn,  in  welchem  die 
gewonnenen  Eindrücke  zu  verknüpfen  und  nutzbar  zu  machen  sind.  Alle  diese  Dinge 
sind  durch  knöcherne  Umhüllungen  und  Stützen  gesichert  und  gebrauchsfähig  ge- 
macht. Dieselben  setzen  sich  zum  Schädel  zusammen.  Es  ist  danach  klar,  daß  die 
Bildung  des  Schädels  mit  der  Ausbildung  der  in  und  an  ihm  angebrachten  Organe 
in  'der  allerintimsten  Wechselbeziehung  stehen  muß.  Ein  kleines  Gehirn  verlangt 
auch  nur  eine  kleine  Schädelkapsel  und  umgekehrt.  Die  Beschaffenheit  der  Nahrung 
und  die  Art  ihrer  Aufnahme  beeinflußt  maßgebend  die  knöcherne  Umgebung  der 
Mund-  und  Rachenhöhle  und  kann  ihren  Einfluß  selbst  auf  solche  Teile  des  Schädels 
erstrecken,  welche  ganz  unbeteiligt  zu  sein  scheinen  (Kaumuskulatur).  Die  Kapseln 
der  Sinnesorgane  sind  ebenfalls  von  Bedeutung,  da  sie  nach  Bedarf  das  eine  Mal  ge- 
räumiger, das  andere  Mal  enger  ausgebüdet  sind.  So  kann  man  schon  durch  die  Be- 
trachtung des  Schädelskeletes  allein  weitgehende  Schlüsse  auf  die  Weichteile  des 
Kopfes  ziehen.  Beim  Menschen  existiert  auch  eine  Beziehung  zwischen  der  aufrechten 
Stellung  des  Körpers  und  der  Schädelbildung,  ohne  entscheiden  zu  wollen,  ob  die  auf- 
rechte Stellung  oder  die  Ausbildung  der  den  Kopf  zusammensetzenden  Organe  das 
Primäre  ist. 

In  seiner  Entwickelung  setzt  sich  der  Schädel  aus  zwei  Teilen  zusammen,  dem 
knorpeligen  Primordialer anium,  welches  die  Unterlage  für  das  Gehirn  und  die  Kapseln 
für  Gehör-  und  Gesichtsorgane  bildet,  Neurocranium,  und  aus  den  Stützen  für 
den  Anfang  des  Eingeweiderohres,  Splanchnocranium.  Im  Primordialcranium  hat 
man  wieder  den  chordalen  Teil  von  dem  prächordalen  Teil  zu  unterscheiden. 
Der  erstere  schließt  sich  durch  den  Besitz  des  vorderen  Endes  der  Chorda  dorsalis  der 
Wirbelsäule  an,  der  letztere  hat  mit  der  Wirbelsäule  keine  nachweisbaren  Beziehungen 
mehr.  Die  knorpelige  Schädelanlage  wird  ergänzt  durch  die  erwähnten  Deckknochen, 
welche  die  Schädelkapsel  schließen  und  den  größten  Teil  des  Gesichtsskeletes  büden. 
Es  wäre  nun  erwünscht,  wenn  es  möglich  wäre,  die  Einteilung  der  Knochen  des  fertigen 
Schädels  ganz  auf  genetischer  Basis  aufzubauen.  Daran  ist  aber  nicht  zu  denken, 
da  sich  die  vorhandenen  Unterschiede  bei  fortschreitender  Entwickelung  vielfach 
verwischen  und  neue  Anordnungen  auftreten,  welche  in  der  ursprünglichen  Anlage 
nicht  vorgesehen  waren.  Es  entstehen  einerseits  Trennungen,  andererseits  Verwach- ' 
sungen,  selbst  solche  von  Teilen  ganz  verschiedener  Herkunft.  Primordiale  Knochen 
verschwinden  ganz  und  es  treten  an  ihre  Stelle  Belegknochen.  Man  wird  natürlich 
bei  der  Einteilung  die  entwickelungsgeschichtliche  Seite  stets  so  viel  berücksichtigen, 
wie  es  möglich  ist,  man  wird  aber  auch  der  topographischen  ihr  Recht  lassen  müssen. 
Daß  dabei  dem  subjektiven  Ermessen  ein  weiterer  Spielraum  bleibt,  beweist  ein  Blick 
in  die  verschiedenen  Hand-  und  Lehrbücher,  von  welchen  kaum  zwei  den  Stoff  in 
gleicher  Weise  gliedern. 

Es  sollen  hier  unterschieden  werden  die  Knochen  des  Hirnschädels  und  die  des 
Gesichtes : 


Hinterhauptsbein.  47 

Ossa  cranii  cerebralis. 
i.  Os  occipitale. 

2.  Os  sphenoidale. 

3.  Os  temporale. 

4.  Os  parietale. 

5.  Os  frontale. 

Ossa   faciei. 

6.  Os  ethmoidale. 

7.  Concha  nasalis  inferior. 

8.  Os  lacrimale. 

9.  Vomer. 

10.  Os  nasale. 

11.  .Maxiila. 

12.  Os  palatinum. 

13.  Os  zygomatienm. 

14.  Mandibula. 

15.  Os  hyoideum. 

Die  beiden  letztgenannten  Knochen  bilden  den  Hauptteil  des  Splanchnocraniums. 
Zu  ihnen  gehören  die  Gehörknöchelchen,  Malleus.  Inctis  und  Stapes.  Diese  aber  haben 
sich  von  ihnen  vollständig  getrennt  und  sind  in  das  Innere  des  Mittelohres  verlagert. 
Sie  werden  deshalb  zweckmäßig  hier  zurückgestellt  und  bei  der  Besprechung  des 
1  iehörorganes  abgehandelt. 

1.  Hinterhauptsbein,  Os  occipitale. 

Die  Synchondrose,  welche  das  Hinterhauptsbein  mit  dem  Keilbein  verbindet, 
verschwindet  um  das  16.  bis  20.  Lebensjahr,  so  daß  dann  die  beiden  Knochen  nicht 
mehr  zu  trennen  sind.  Dies  hat  Anlaß  gegeben,  sie  als  Os  basilare1)  zusammen- 
zufassen.    In  folgendem  sollen  aber  die  beiden  Knochen  getrennt  betrachtet  werden. 

Der  Schädel  hat  die  Ausdehnung,  welche  er  durch  die  immer  weiter  gehende 
Ausbildung  des  Gehirns  in  der  Wirbeltierreihe  nötig  hat,  durch  Übergreifen  auf  die 
Wirbelsäule  und  Assimilierung  ihres  angrenzenden  Teiles  gewonnen.  Im  Hinter- 
hauptsbein gibt  sich  dies  zuweilen  in  Varietäten  noch  deutlich  kund  (Manifestation 
de-,  (  )n  ipitalwirbel-,  Kollmann  11)07).  In  der  Regel  ist  allerdings  die  Ähnlichkeit 
mit   einem  Wirbel  weniger  in  die  Augen  springend. 

Fortsetzung  und  Abschluß  des  Wirbelkanales  ist  das  Foramen  occipitale 
magnum  {89,  90).  Es  enthält  das  Übergangsgebiel  des  Centrarnervensystems  vom 
Rückenmark  zum  Gehirn  und  daneben  noch  Nerven  (Wurzeln  dir  ersten  fervical- 
nerven,  Nn.  accessorii),  Arterien  (Aa.  vertebrales  mit  ihren  Zweigen)  und  mächtige 
Venengeflechte.  Es  wird  begrenzt  von  den  vier  Teilen,  aus  welchen  sich  das  Hinter- 
hauptsbein zusammensetzt:  dem  Basalteil,  der  Schuppe  und  den  paarigen  Seitenteilen. 

Her  Basalteil,  Pars  basilaris2)  {89,  90),  welcher  während  der  Entwicke- 
lung  die  Fortsetzung  der  Chorda  dorsalis  enthält  und  deshalb  einem  Wirbelkörper 
gleichzusetzen  ist,  ist  keilförmig.  Die  Sehneide  des  Keiles  bildet  die  vordere  Um- 
randung des  Hinterhauptsloches,  das  vierseitige  stumpfe  Ende  {89)  wendet  sich  dem 

')   Os  tribasilare. 

-)    Köi  per,  Corpus;   Basioi  1  ipitale. 


-48  Hinterhauptsbein. 

Keilbein  zu.  Die  innere  Fläche  ist  glatt  und  von  rechts  nach  links  konkav.  Sie 
bildet  mit  einer  gleichen  Fläche  des  angrenzenden  Keilbeines  einen  rinnenförmigen 
Abhang,  Clivus1),  welcher  sich  schief  absteigend  bis  zum  Hinterhauptsloch  er- 
streckt. Auf  ihm  ruht  das  verlängerte  Mark  und  die  Brücke.  Der  äußerste  Rand 
der  Innenfläche  trägt  eine  schmale  flache  Rinne,  welche  sich  mit  einer  gleichen  der 
angrenzenden  Schläfenbeinpyramide  zu  einer  Furche,  Sulcus  petrosus  inferior  (89), 
ergänzt,  zur  Aufnahme  des  gleichnamigen  Blutleiters. 

Die  äußere  Seite  des  Basalteiles  trägt  in  der  Mitte  einen  flachen  Höcker, 
Tuberculum  pharyngeum  (91),  zur  Anheftung  der  Raphe  des  Schlundkopfes, 
und  neben  ihm  zu  beiden  Seiten  die  rauhe  Ansatzlinie  des  M.  rectus  cap.  anter., 
dahinter  die  leicht  vertiefte  Ansatzfläche  für  den  M.  long,  capitis.  Die  Seitenränder 
sind  rauh,  sie  wenden  sich  der  Spitze  der  Schläfenbeinpvramide  zu. 

Die  Seitenteile,  Partes  laterales2),  gehen  hoch  und  schmal  von  dem  Basal- 
teil ab  und  verbinden  sich  platt  und  breit  werdend  mit  der  Schuppe.  Ihr  medialer 
Rand  beteiligt  sich  an  der  Umrandung  des  Hinterhauptsloches,  der  laterale  besitzt 
einen  tiefen  Ausschnitt,  Incisura  jugularis  (91),  der  mit  einem  ähnlichen  des 
Schläfenbeines  das  Foramen  jugulare  bildet.  Das  Loch  wird  meist  durch  vorspringende 
Zacken  der  beiden  Knochen  oder  nur  durch  eine  solche,  Proc.  intrajugularis  (91), 
unvollkommen  in  zwei  Abteilungen  geteilt,  von  welchen  die  größere  hintere  für  die 
V.  jugularis,  die  kleinere  vordere  für  den  neunten,  zehnten  und  elften  Gehirnnerven 
nebst  der  V.  petrosa  infer.  bestimmt  ist.  Hinter  der  Incis.  jugul.  ladet  der  Rand 
wieder  seitlich  aus  und  schwillt  zu  dem  Proc.  jugularis  (90,  91)  an.  Dessen  nach 
dem  Schläfenbein  hinsehende  drei-  oder  vierseitige  Fläche  ist  in  der  Jugend  über- 
knorpelt  und  mit  dem  Schläfenbein  durch  ein  straffes  Gelenk  verbunden,  welches 
-später  ankylosiert.  Der  an  den  Jugularfortsatz  angeschlossene  hinterste  Teil  des 
Randes  ist  eine  zackige  Nahtfläche  zur  Verbindung  mit  dem  Schläfenbein. 

Die  Innenfläche  der  Seitenteile  trägt  an  der  Grenze  gegen  den  Körper  hin  das 
Tuberculum  jugulare3)  (89),  einen  stumpfen  Höcker,  welcher  dem  Kleinhirn  zur 
seitlichen  Stütze  dient.  Unter  ihm  durchsetzt  den  Seitenteil  ein  verhältnismäßig  ge- 
räumiger Kanal,  Canalis  n.ervi  hypoglossi4)  (89),  welcher  außer  diesem.  Nerven 
noch  Venenplexus  enthält.  Seine  innere  Mündung  befindet  sich  auf  dem  Abhang, 
welcher  zum  Hinterhauptsloch  herabführt,  seine  äußere  nach  vorne  sehende,  über  dem 
Condylus.  Der  Proc.  jugularis  wird  von  einer  breiten  Furche  umgeben,  dem  Ende  des 
in  das  For.  jugulare  mündenden  Sulcus  sigmoideus  (s.  unten).  Aus  ihm  führt  ein 
kurzer  Kanal  rückwärts,  der  Can.  condyloideus5)  (90).  Er  enthält  ein  venöses 
Emissarium  und  ist,  wie  alle  solche,  unbeständig. 

Die  Außenseite  wird  zum  größten  Teil  vom  Condylus  occipitalis6)  (90,  91) 
eingenommen,  dem  Negativ  der  mit  ihm  artikulierenden  Gelenkfläche  des  Atlas.  Die 
Gelenkfläche  ist  von  elliptischer  Form,  gewölbt  und  oft  gleich  der  des  Atlas  einge- 
schnürt, oder  durch  eine  rauhe  Ouerfurche  geteilt.  Beide  Gelenkflächen  konver- 
gieren nach  vorne.  Da  sie  horizontal  liegen,  die  Seitenteile  im  ganzen  aber  nach  hinten 
absteigen,  steht  ihr  vorderes  Ende  auf  einem  Fortsatz,  Processus  condyloideus, 


*)  Clivus  basilaris,  Clivus  Blumenbachi. 

2)  Exoccipitalia. 

3)  Processus  anonymus. 

4)  Foramen  condyloideum  anterius. 

5)  For.  condyl.  poster. 

6)  Processus  condyloideus. 


Hinterhauptsbein.  49 

welcher  aus  der  Fläche  des  Knochens  heraustritt,  das  hintere  Ende  dagegen  sinkt 
in  eine  Grube,  Fossa  condyloidea  (91),  ein.  In  dieser  Grube  ist  dicht  hinter 
dem  Ende  des  Condylus  der  Ausgang  des  erwähnten  Canalis  condyloideus.  An 
der  Unterseite  des  Proc.  jugularis  beobachtet  man  oft,  aber  nicht  immer,  einen 
stumpfen  Höcker,  Proc.  paramastoideus  (91),  an  welchen  sich  der  M.  rect.  cap. 
lat.  anheftet.    Bei  vielen  Säugetieren  ist  er  stets  vorhanden. 

Die  Schuppe,  Squama  occipitalis  (89,  90),  besteht  aus  zwei  Teilen  verschie- 
dener entwickelungsgeschichtlicher  Herkunft,  dem  unteren  1),  der  dem  Primordial- 
schädel angehört,  und  dem  oberen2),  welcher  als  Hautknochen  entsteht.  Sie  hängen 
am  ausgewachsenen  Knochen  normalerweise  ohne  jede  Spur  der  ehemaligen  Trennung 
zusammen.  Ihr  vorderer,  tief  ausgeschnittener  Rand  schließt  das  Hinterhauptsloch 
ab.  Die  Seitenränder  weichen  vom  Seitenteil  ab  erst  auseinander  bis  zu  einer  Ecke 
hin,  von  welcher  aus  sie  wieder  konvergieren,  um  in  einer  aufwärts  sehenden  Spitze 
zu  endigen.  Sie  bilden  also  im  ganzen  einen  stumpfen  Winkel.  Die  Ränder  sind 
/  a<  kig,  besonders  im  oberen  Teil  und  stoßen  bis  zum  Winkel  mit  dem  Warzenteil 
des  Schläfenbeines  zusammen  (Margo  mastoideus)  {89),  von  da  an  mit  den 
Scheitelbeinen  (Margo  lambdoideus). 

Die  äußere  Oberfläche  der  Schuppe  zerfällt  in  zwei  Teile,  das  Planum  occi- 
pitale  oben,  welches  noch  dem  Schädeldach  angehört,  und  das  Planum  nuchale3) 
unten,  welches  sich,  von  Muskeln  bedeckt,  nach  dem  Nacken  wendet  (90).  Die 
Grenze  zwischen  beiden  Flächen  beginnt  in  der  Mittellinie  mit  einem  Höcker,  Pro- 
tuber  an  tia  occipitalis  externa1),  von  welchem  nach  beiden  Seiten  die  bogen- 
nig  gestalteten  Lineae  nuchae5)  supremae  zum  Seitenwinkel  hingehen  (90). 
In  geringer  Entfernung  unter  ihnen  folgen  die  Lin.  nuchae  superiores,  welche  mit 
jenen  mehr  oder  weniger  parallel  verlaufen  und  häufig  nicht  von  der  Protub.  occ. 
ext.  ausgehen,  sondern  von  einem  besonderen  kleinen  Höcker  unter  ihr6).  An  dem 
glatten  Feld  zwischen  den  beiden  genannten  Nackenlinien  heftet  sich  der  M.  tra- 
pezoideus  an. 

Die  unter  diesen  Linien  befindliche  Nackenfläche  der  Schuppe  wird  durch  eine 
mediane  Firste,  Crista  occipitalis  externa,  welche  sich  vom  Hinterhauptshöcker 
bis  zum  Hinterhauptsloch  herabzieht,  in  zwei  symmetrische  Hälften  geteilt.  Am 
Beginn  der  Lin.  nuchae  in  f.  ist  sie  nicht  selten  unterbrochen  (Waldeyer  1909).  Die 
beiden  Hälften  sind  uneben  und  werden  von  einer  querstehenden  zackigen  Linie  durch- 
setzt. Linea  nuchae  inferior  (90).  Sie  grenzt  das  Ansatzfeld  des  M.  semispinalis 
'  .i|>.  v<m  dem  der  kurzen  tiefen  Nackenmuskeln  ab.  Auf  letzterem  trennt  wieder 
eine  von  der  Lin.  nuchae  inferior  zum  Proc.  jugularis  ziehende,  meist  nur  leicht  an- 
gedeutete Linie  die  Felder  für  den  M.  obliquus  sup.  und  die  beiden  Mm.  recti  cap. 
\  oneinander  (Wa  Ideyer). 

I  )ie  innere  ( »bei  fluche  der  Schuppe  besitzt  dem  äußeren  Höcker  ungefähr  gegenüber 
eine  Prot  uberant  ia  occipitalis  interna  (89),  Dieselbe  liegt  im  Kreuzungspunkt 
von  vier  Furchen  und  Leisten  (Eminentia  cruciata),  durch  welche  die  ganze  Fläche 
in  vier  Felder  geteilt  wird.    Na<  h  beiden  Seiten  gehen  von  ihr  ab  die  Sulci  transversi . 


l)  Os  occipitale  superius. 
')  Os  interparietale. 

Planum  cervicale,  TriepeL 
'1   Spina  occipitalis  ext. 

5)  Lineae  semicirculares. 

6)  Tuberculum  linearum   (Merkel). 

Merkel,  Anatomie  II.    Skelel 


50  Hinterhauptsbein. 

welche  einen  Teil  des  Blutleitersystems  der  harten  Hirnhaut  beherbergen.  Sie  treten 
am  Seitenwinkel  auf  das  benachbarte  Schläfenbein  über,  um  von  da  aus  als  Sinus 
sigmoideus  in  gekrümmtem  Verlauf  wieder  auf  die  Seitenteile  des  Hinterhauptsbeines 
zurückzukehren,  wo  sie  wie  erwähnt  im  For.  jugulare  endigen.  Von  der  Spitze  der 
Schuppe  her  kommt  in  der  Mittellinie  der  Sulcus  sagittalis1)  herab,  welcher  sich 
an  der  Protub.  occ.  int.  mit  dem  Sulc.  transv.  vereinigt ;  meist  biegt  er  nach  der  rechten 
Seite  ab,  während  der  linke  Sinus  transversus  wie  an  die  Umbiegungsstelle  angesetzt 
erscheint.  Nach  unten  geht  von  der  Protub.  occip.  int.  aus  eine  mediane  Firste,  Crista 
occipitalis  interna  (89),  welche  bis  zum  Hinterhauptsloch  herabsteigt,  in  dessen 
Rand  sie  mit  zwei  Schenkeln  übergeht.  Sie  steht  mit  dem  Venensystem  nicht  in 
näherer  Verbindung,  sondern  wird  nur  durch  Bindegewebszüge  ansehnlicher  gemacht. 
Die  sich  kreuzenden  Linien  scheiden  die  innere  Oberfläche  der  Schuppe  in  vier  ver- 
tiefte Felder;  die  beiden  oberen  beherbergen  die  hinteren  Spitzen  der  Großhirnhemi- 
sphären, die  beiden  unteren  nehmen  das  Kleinhirn  auf. 

Entwickelung.  Es  wurde  schon  gesagt,  daß  die  untere  Hälfte  des  Hinterhauptsbeines 
dem  knorpeligen  Primordialcranium  angehört,  während  die  obere  ein  Hautknochen  ist.  Zu  An- 
fang des  dritten  Fetalmonats  tritt  ein  Ossifikationspunkt  in  der  Pars  basilaris  auf,  je  einer  in 
den  Seitenteilen  und  zwei  sehr  bald  zusammenfließende  in  dem  knorpelig  angelegten  Teil  der 
Schuppe.  Im  häutigen  Teil  derselben  entstehen  zuerst  zwei  Kerne,  von  welchen  aus  sich  der  Kno- 
chen nach  unten  und  nach  den  beiden  Seiten  hin  verbreitet,  jedoch  die  Mitte  frei  läßt.  In  dieser 
erscheint  dann  ein  weiteres  Paar  von  Knochenkernen,  von  welchen  aus  der  Rest  der  Schuppe 
verknöchert.  Häufig,  aber  nicht  regelmäßig  wird  die  Spitze  von  zwei  selbständigen  kleinen 
Kernen  aus  gebildet  (Spitzenknochen).  Die  sog.  Sutura  mendosa,  welche  noch  bei  Neuge- 
borenen regelmäßig  vom  Seitenwinkel  aus  einschneidet,  ist  nicht  zwischen  Primordial-  und  Haut- 
knochenteil der  Schuppe  gelegen,  sondern  in  letzterem;  sie  trennt  ein  schmales  unteres  Band  des 
Hautknochens  ab  (Ranke  1899)  (155).  Schuppe  und  Seitenteile  vereinigen  sich  im  1. — 2.  Lebens- 
jahr, der  Basalteil  bleibt  bis  zum  sechsten  Jahr  von  dem  übrigen  getrennt.  Dem  Basalteil  ge- 
hört auch  der  vordere  Teil  des  Condylus  bis  zu  der  erwähnten   Querfurche  an. 

Varietäten.  Die  Nähte  des  jugendlichen  Hinterhauptsbeines  können  länger  als  ge- 
wöhnlich offen  bleiben;  die  der  Schuppe  können  sich  besonders  lang  erhalten.  Die  erwähnte 
Sutura  mendosa  wird  zuweilen  noch  beim  Erwachsenen  beobachtet,  auch  bleibt  gelegentlich 
die  ganze  Naht,  von  welcher  die  Sutura  mendosa  ein  Stück  bildet,  offen,  so  daß  das  Os  inter- 
parietale 2)  gänzlich  vom  Hinterhauptsbein  getrennt  ist,  was  man  bei  einer  Reihe  von  Tieren 
als  Norm  beobachtet.  In  der  Lambdanaht  kommen  nicht  selten  Schaltknochen  in  größerer  oder 
geringerer  Zahl  vor;  sie  können  eine  bedeutende  Größe  erreichen,  dürfen  aber  nicht  mit  dem 
Os  interparietale  verwechselt  werden.  —  Die  Protub.  occip.  externa  kann  eine  erhebliche  Größe 
erreichen,  sie  kann  auch  hakenförmig  nach  unten  umgekrümmt  sein.  Die  Fläche  zwischen  Linea 
nuchae  superior  und  suprema  ist  zuweilen  zu  einem  mehr  oder  weniger  dicken  Wulst  (Torus  occi- 
pitalis) umgestaltet;  er  entspricht  der  Crista  occipitalis  der  Affen.  Der  Proc.  paramastoideus 
kann  sich  zapfenförmig  verlängern  und  sogar  mit  dem  Querfortsatz  des  Atlas  in  Gelenkverbin- 
dung treten.  Proc.  retromastoideus. nennt  Waldeyer  (1909)  einen  Höcker,  welcher  in  15% 
der  Fälle  vorkommt.  Meist  nur  schwach  ausgebildet,  findet  er  sich  nahe  der  Sutura  occipito- 
mastoidea  in  gleicher  Höhe  mit  der  Wurzel  des  Warzenfortsatzes  an  der  Insertionsstelle  des  M.' 
obliquus  superior.  —  Vom  Mittelohr  aus  können  lufthaltige  Zellen  bis  zum  Condylus  hin  vor- 
dringen. 

Praktische  Bemerkungen.  Die  Protuberantia  occipitalis  externa  kann  bei  Erwachsenen 
meist  deutlich  durch  die  Haut  gefühlt  werden,  sie  ist  daher  als  Orientierungspunkt  von  Bedeutung. 
Die  Sutura  mendosa  der  Neugeborenen  darf  nicht  mit  einer  Fraktur  verwechselt  werden;  auch 
die  Nähte  von  Schaltknochen,  welche  sich  an  ungewohnter  Stelle  finden,  können  Fissuren  vor- 
täuschen. 


x)   Sulcus  longitudinalis. 

2)   Os  Incae,  weil  öfter  bei  Peruanerschädeln  beobachtet. 


Keilbein.  51 

2.  Keilbein,  Os  sphenoidale1). 

Man  hat  im  Keilbein  die  Gegend  zu  sehen,  in  welcher  der  chordale  Teil  des  Pnm- 
ordialcraniums  endigt  und  der  prächordale  beginnt.  Die  beiden  sind  anfänglich 
voneinander  gesondert  und  bleiben  dies  auch  bei  einer  Reihe  von  Säugern  zeitlebens. 
Beim  Menschen  aber  verwachsen  sie  miteinander.  Der  unpaarige  Mittelteil  oder 
Körper  setzt  sich  danach  zusammen  aus  einem  hinteren  Stück  (Basisphenoid)  und 
einem  vorderen  (Präsphenoid).  Jedem  der  beiden  gehört  ein  Paar  von  Fortsätzen 
an,  dem  vorderen  die  kleinen  Flügel  (Orbitosphcnoid),  dem  hinteren  die  großen  Flügel 
(Alisphenoid).  Diese  letzteren  senden  abwärts  gerichtete  flügeiförmige  Fortsätze 
aus.  Mit  den  Flügelfortsätzen  verbindet  sich  in  der  Folge  ein  aus  der  Schleimhaut 
hervorgehender  Belegknochen  (Pterygoid).  In  fertigem  Zustand  sind  alle  diese  Teile 
Im  im   Menschen  zu  einem  Ganzen  verschmolzen. 

Das  Keilbein  bildet  das  Centrum  der  Schädelbasis  und  steht  dementsprechend 
mit  fast  allen  Knochen  des  Hirnschädels  und  mit  einer  Anzahl  von  solchen  des  Gesichts- 
schädels in  Verbindung. 

Körper,  Corpus.  Er  stellt  einen  nach  unten  etwas  verjüngten  Würfel  dar. 
Seine  hintere  Fläche  ist  schräg  abwärts  gerichtet;  sie  gleicht  ganz  der  der  vorderen. 
der  Pars  basilaris  oss.  oeeip.,  mit  welcher  sie  verbunden  ist.  Die  obere  Fläche  kann  man 
in  drei  Felder  teilen.  Das  vorderste,  welches  dem  vorderen  Keilbeinkörper  angehört. 
ist  flach  -).  Sein  vorderer  Nahtrand  tritt  in  der  Mitte  meist  etwas  vor  3) ;  er  verbindet 
sich  mit  dem  Siebbein;  seitlich  grenzt  er  an  das  Stirnbein.  Nach  hinten  wird  das 
plane  Feld  vom  Linibus  sphenoidalis4)  abgeschlossen,  einer  niedrigen  Leiste,  welche 
zu  beiden  Seiten  in  die  nachher  zu  erwähnenden  Proc.  clinoidei  anteriores  ausläuft. 
Das  Mittelfeld  wird  von  dem  Türkensattel,  Sella  turcica5),  eingenommen,  der 
seinen  Namen  von  einer  gewissen  Ähnlichkeit  mit  diesem  Gerät  erhalten  hat.  Hinter 
dem  Limbus  sphenoidalis  folgt  zuerst  eine  seichte  Furche,  Sulcus  chiasmatis6), 
über  welcher  die  Sehnervenkreuzung  ihren  Platz  hat,  und  dahinter  ein  querer  Wulst, 
der  Sattelknopf,  Tuberculum  sellae  (94).  Beiderseits  neben  ihm  findet  man  eine 
Knochenspitze,  Processus  clinoideus  medius,  von  sehr  verschiedener  Ausbildung. 
Nicht  selten  fehlt  sie  auch  vollständig.  An  das  Tuberculum  schließt  sich  der  eigentliche 
Sitz  des  Sattels  an,  eine  Grube,  Fossa  hypophyseos,  zur  Aufnahme  des  I  lirnanhanges 
bestimmt.  Den  Abschluß  bildet  die  Sattellehne,  Dorsum  sellae,  eine  aufsteigende 
Platte,  mit  zwei  seitlichen  Ecken,  den  Proc.  clinoidei  posteriores,  an  welche 
sich  der  hintere  Schenkel  des  Hirnzeltes  anheftet.  Hinter  der  Sattellehne  folgt  das 
kurze  hintere  Feld,  der  Beginn  des  oben  erwähnten  Clivus.  Die  Hypophysengrube 
und  Sattellehne  wird  zu  beiden  Seiten  durch  den  Sulcus  caroticus  flankiert,  für 
die  /.um  Gehirn  aufsteigende  A.  carotis  interna  bestimmt  {■)!).  Hinten,  wo  die  Ar- 
terie aus  der  Tiefe  auftaucht,  ist  er  am  tiefsten  und  wird  dort  an  seiner  lateralen  Seite 

')  "<//,V  Keil.  Einem  Keil  gleicht  der  Knochen  nur,  wenn  man  alle  Fortsätze  wegnimmt. 
Die  Gestall  des  unverletzten  Knochens  gleicht  eher  einem  fliegenden  Insekt,  daher  das  Synonym 
Os  spheeoides,  Wespenbein,  von  "'/',';  Wespe. 

:)   Planum  s.  jugum  sphenoid. 

:l)   Spina  ethmoidalis. 

'i   Jugum  sphenoidale. 
i    Ephippium. 

•)   Sulcus  opticus. 

4* 


52  Keilbein. 

gegen  den  großen  Flügel  durch    ein  Knochenplättchen,   Lingula  sphenoidalis1), 
abgeschlossen. 

Die  vordere  und  untere  Seite  des  Keilbeinkörpers  gehen  gerundet  ineinander  über. 
In  der  Mittellinie  zieht  die  Crista  sphenoid.  herab,  welche  da,  wo  die  beiden  Seiten 
miteinander  zusammenstoßen,  in  eine  platte,  mehr  oder  weniger  stark  vortretende 
Spitze  ausläuft,  Rostrum  sphenoidale  (92).  Sie  steht  in  Zusammenhang  mit 
den  Teilen  der  Nasenscheidewand.  Zu  beiden  Seiten  von  Crista  und  Rostrum  werden 
die  in  Rede  stehenden  Flächen  von  einem  dünnen  muschelförmig  gebogenen  Knochen- 
plättchen bedeckt,  der  Concha  sphenoidalis2)  (92),  welche  genetisch  dem  Siebbein 
zuzurechnen  ist,  mit  dem  sie  sich  auch  häufig  verwachsen  zeigt.  Sie  deckt  die  untere 
und  vordere  Seite  des  Keilbeinkörpers  wie  eine  daraufgelegte  hohle  Hand.  Schon 
vom  dritten  Lebensjahre  ab  fällt  der  Keilbeinkörper  von  vorne  her  einer  Resorption 
anheim,  von  welcher  jedoch  die  Conchae  nicht  berührt  werden.  So  findet  der  Raum 
der  Nasenhöhle  die  Möglichkeit  nach  hinten  vorzudringen  in  der  Form  von  zwei  von 
den  Keilbeinmuscheln  gedeckten  Höhlen,  Sinus  sphenoidales 3)  (14-5) ,  welche 
durch  eine  Öffnung,  Foramen  sinuum  sphen.  (92),  über  dem  oberen  Rand  der 
Conchae  zugänglich  sind.  Die  Höhlen  sind  durch  eine  von  der  Crista  ausgehende 
Scheidewand,  Septum,  getrennt.  Dieselbe  steht  sehr  gewöhnlich  nicht  ganz  median, 
so  daß  die  beiden  Sinus  eine  verschiedene  Größe  haben.  Nach  hinten  erstrecken 
sich  die  beiden  verschieden  weit,  bisweilen  bis  in  den  Basalteü  des  Hinterhauptsbeines 
hinein.     Sie  fehlen  zuweilen   (vergl.  Bertini  1911). 

Die  beiden  Seitenflächen  des  Keilbeinkörpers  sind  nicht  frei,  von  ihnen  gehen 
die  Flügel  aus. 

Kleiner  Flügel,  Ala  parva4).  Er  entspringt  jederseits  vom  Körper  mit  zwei 
Wurzeln.  Die  obere  setzt  sich  breit  aus  der  erwähnten  planen  Fläche  des  vorderen 
Keilbeinkörpers  fort,  die  untere  ist  schmäler,  sie  erhebt  sich  von  der  Seitenfläche  des 
Körpers.  Beide  Wurzeln  fassen  das  Foramen  opticum5)  (94)  zwischen  sich, 
eigentlich  einen  kurzen  nach  vorne  etwas  erweiterten  Kanal,  durch  welchen  der  Seh- 
nerv und  die  A.  ophthalmica  in  die  Augenhöhle  gelangen.  Der  vordere  Rand  des 
kleinen  Flügels  stellt  eine  Nahtfläche  dar,  welche  sich  mit  dem  Stirnbein  verbindet, 
der  hintere  Rand  ist  frei,  er  bildet  die  konkav  geschweifte  Grenzlinie  zwischen  vor- 
derer und  mittlerer  Schädelgrube.  An  seinem  medialen  Ende  läuft  er  jederseits  in 
den  zapfenförmig  verdickten  Proc.  clinoideus  anterior  aus,  an  welchen  sich  der 
vordere  Schenkel  des  Himzeltes  anheftet.  Am  lateralen  Ende  nähert  sich  der  hintere 
Rand  immer  mehr  dem  vorderen  bis  er  sich  mit  ihm  zu  einer  seitwärts  gerichteten 
Spitze  vereinigt  (92,  93,  94).  Die  obere  Fläche  der  Ala  parva  setzt  die  plane  Fläche 
des  vorderen  Keilbeinkörpers  nach  der  Seite  hin  fort  und  bildet  einen  Teü  der  vor- 
deren Schädelgrube,  die  untere  sieht  nach  der  Fissura  orbitalis  superior.  Sie  trägt 
eine  stumpfe  Kante,  welche  die  mittlere  Schädelgrube  von  der  Augenhöhle  scheidet. 

Großer  Flügel,  Ala  magna6)  (92,  93,  94).  Seine  an  die  Seitenfläche  des 
Körpers  angeheftete  Wurzel  ist  von  zwei  Löchern  durchbohrt,  vorne  von  dem  For. 
rotundum,  einem  kurzen  vorwärts  gerichteten  Kanal  für  den  Austritt  des  N.  maxil- 


1)  Lingula  carotica. 

2)  Ossicula  Bertini. 

3)  Antrum  sphenoidale. 

4)  Alae  minores;  Alae  orbitales. 
s)  Canalis  opticus. 

6)  Ala  temporalis. 


Keilbein.  53 

laris  aus  der  Schädelhöhle,  hinten  von  dem  größeren  For.  ovale  für  den  Durchtritt 
des  N.  mandibularis.  Ein  kleineres  Loch  neben  diesem  zunächst  der  hinteren  Spitze 
des  Flügels  ist  das  For.  spinosum;  es  wird  von  der  A.  meningea  media  und  dem 
X.  spinosus  durchsetzt.  Der  von  der  Wurzel  ausgehende  Flügel  erstreckt  sich  weiter 
nach  vorne  wie  nach  hinten,  sein  vorderster  Teil  ragt  noch  über  die  Frontalebene 
des  kleinen   Flügels  hinaus. 

Der  vordere  Rand  ist  in  seinem  medialen  Teil  zu  einer  Kante  zugeschärft,  welche 
die  unten-  Grenze  der  Fissura  orbitalis  superior  bildet,  so  daß  also  diese  Spalte  von 
den  beiden  Flügeln  des  Keilbeines  umschlossen  wird  (93).  Der  laterale  Teil,  Margo 
frontalis  (94),  i-t  eine  rauhe,  dreiseitig  gestaltete  Nahtfläche,  an  welche  sich  das 
Stirnbein  anlegt.  Das  oberste  Ende  derselben,  Angulus  parietalis  (93),  steht  mit 
dem  Scheitelbein  in  Verbindung.  Der  seitliche  Rand,  Margo  squamosus  (94),  ist 
konkav  ausgeschnitten  und  ebenfalls  zackig,  an  ihn  legt  sich  die  Schuppe  des 
Schläfenbeines  an.  Der  hintere  Rand  ist  wieder  scharf,  er  bildet  die  vordere  Be- 
grenzung  der  Fissura  sphenopetrosa.  Lateraler  und  hinterer  Rand  stoßen  in  einer 
Spitze  zusammen,  welche  zwischen  Schuppe  und  Pyramide  des  Schläfenbeines  einspringt 
und  an  der  Außenseite-  in  eine  Zacke  ausgezogen  ist,  die  Spina  angularis1)  (94), 
an  welche  sich  der  Tubenknorpel  anlehnt. 

Die  innere  Fläche  des  großen  Flügels,  Facies  cerebralis  (94),  ist,  abgesehen 
von  einem  Jugum  cerebrale,  welches  von  der  Gegend  des  For.  rotundum  ausgeht, 
glatt;  auf  ihr  ruht  ein  Teil  des  Schläfenlappens  des  Großhirns.  Die  äußere  Fläche 
vermittelt  den  Zusammenhang  mit  dem  Gesichtsskelet.  Eine  zackige  Xahtfläche, 
welche  auf  einer  stark  vorspringenden,  last  vertikal  gestellten  Leiste  sitzt,  Margo 
zygomaticus  (92),  verbindet  sich  mit  dem  Jochbein.  Das  median  von  ihr  gelegene 
trapezförmige  Feld,  Facies  orbitalis,  bildet  den  größten  Teil  der  lateralen  Wand 
der  Augenhöhle;  es  erstreckt  sich  zwischen  den  beiden  Fissurae  orbitales,  sup.  und 
inf.  Xahe  dem  oberen  Rand  trägt  es  eine  mehr  oder  minder  deutlich  ausgesprochene 
Zai  ke,  zur  Anheftung  des  M.  rectus  lateralis  oculi,  Spina  recti  lat.  (92).  Das  lateral 
vom  Jochbeinrand  gelegene  langgestreckte  Feld  bildet  den  vorderen  Teil  der  Wand 
der  Schläfengrube.  Es  wird  nach  unten  durch  die  Crista  in  f  ratemporalis  ab- 
geschlossen.  Diese  i-t  verschieden  stark  ausgebildet,  endigt  aber  immer  neben  der 
Fissura  orbitalis  inf.  mit  einem  stachelartigen  Vorsprung.  Von  ihr  aus  biegt  sich  die 
Oberfläche  des  großen  Flügels  nach  der  Schädelbasis  als  Facies  infratemporalis 
92)   um  und  bildet  das   Dach  der  Unterschläfengrube. 

Die  Orbitalfläche  endigt  nach  unten  mit  der  Crista  orbitalis,  dem  scharten  hinteren 
Rand  der  Fissura  orbitalis  inferior.  Unter  ihr  leitet  ein  kleine-,  dreiseitig  gestaltetes 
I  Id,  Fai  ies  sphenomaxillaris  (92),  zum  Proc.  pterygoideus  über.  Sie  bildet  die 
hintere  Wand  der  mit  ihr  gleichnamigen  Fissur.  Von  der  Facies  infratemporalis  ist 
die  Facies  sphenomaxillaris  durch  eine  Leiste  getrennt,  die  Crista  sphenomaxil- 
laris (92). 

Der  Flügelfiirtsatz,  Processus  pterygoideus,  setzt  sich,  wie  oben  er- 
wähnt wurde,  aus  zwei  Platten  von  verschiedener  entwickelungsgeschichtlicher  Her- 
kunft zusammen,  dem  Alisphenoid  und  dem  Pterygoid.  Man  bezeichnet  sie  als  La  mina 
lateralis  und  medialis  (92).  Die  letztere  steht  sagittal,  die  erstere  ist  in  der  Art 
schräg  gerichtet,  daß  sie  sich  jener  nach  vorne  nähert  und  mit  ihr  verwächst.  Ganz 
oben  aber  und  am  unteren  Ende  bleiben  sie  voneinander  getrennt.    Oben  ist  /.wischen 


-' 


')    Spina  sphenoidalis,   AJa  parva   Ingrassiae. 


54  Keilbein. 

beiden  eine  Öffnung  ausgespart,  der  Canalis  pterygoideus  (Vidii) 1)  (92,  93)  zum 
Durchtritt  eines  Nerven  und  einer  Arterie  gleichen  Namens,  unten  befindet  sich  ein 
tiefer  Einschnitt,  Fissura  pterygoidea  (93),  welche  durch  einen  Fortsatz  des 
Gaumenbeines  ausgefüllt  wird. 

An  der  Rückseite  des  Flügelfortsatzes  bleibt  zwischen  den  beiden  Platten  eine 
tiefe  Grube,  Fossa  pterygoidea  (93),  in  welcher  der,  M.  pterygoideus  internus  ent- 
springt. Über  die  schmale  Vorderseite  des  Fortsatzes,  welche  durch  die  Vereinigung 
seiner  beiden  Platten  entsteht,  zieht  eine  flache  Rinne  herab,  Sulcus  pterygo- 
palatinus,  welche  mit  einer  ebensolchen  des  Oberkiefers  zu  dem  gleichnamigen 
Kanal  zusammentritt. 

Die  laterale  Lamelle  ist  breiter  und  an  ihrer  lateralen  Fläche  mit  einigen  Rauhig- 
keiten für  den  Ansatz  des  M.  pterygoideus  externus  versehen.  Die  mediale  Lamelle 
sendet  von  ihrer  Anheftung  an  den  Körper  ein  medial  gerichtetes  Knochenplättchen 
aus,  Processus  vaginalis2)  (92),  welches  mit  der  Unterfläche  des  Körpers  und  der 
benachbarten  Pflugschar  zusammen  ein  Kanälchen,  Canalis  basipharyngeus3), 
zum  Durchtritt  feiner  Gefäßchen  bildet.  Der  hintere  Rand  dieser  Platte  zeigt  an  seinem 
oberen  Ende  eine  schmale,  medianwärts  absteigende  Grube,  Fossa  scaphoidea4) 
(93),  in  welcher  der  knorpelige  Teil  der  Tuba  auditiva  ruht.  Unter  ihr  trägt  derselbe 
Rand  eine  mehr  oder  weniger  deutlich  vortretende  platte  Zacke  für  die  Anheftung  des 
Endes  der  Ohrtrompete,  Processus  tubarius  (93).  Das  untere  Ende  der  medialen 
Platte  verlängert  sich  in  einen  hakenförmigen  Fortsatz,  Hamulus  pterygoideus 
(92,  93),  um  welchen  sich  in  einer  Rinne,  Sulcus  hamuli  (92),  der  lateralen  Seite 
die  Sehne  des  M.  tensor  veli  palat.  schlingt. 

Was  die  Lage  des  Flügelfortsatzes  anlangt,  so  steht  er  zu  beiden  Seiten  der 
Choanen,  wie  die  Pfosten  neben  der  Türe  (142). 

Entwickelung  (156).  Der  erste  Knochenkern  des  Keilbeines  erscheint  im  zweiten  Fetal- 
monat im  großen  Flügel;  im  dritten  Monat  treten  solche  im  hinteren  und  vorderen  Körper,  sowie 
im  kleinen  Flügel  auf.  Das  Pterygoid  bleibt  bei  einer  Reihe  von  Säugetieren  lebenslänglich  selb- 
ständig; beim  Menschen  vereinigt  es  sich  mit  dem  Alisphenoid  schon  im  siebenten  Fetalmonat. 
Im  sechsten  bis  siebenten  Fetalmonat  verwachsen  kleiner  Flügel  und  vorderer  Körper  miteinander ; 
zur  Zeit  der  Geburt  beginnt  die  Verwachsung  des  vorderen  und  hinteren  Körpers  und  zwar  oben 
und  seitlich,  während  von  unten  her  der  Knorpel  erst  etwas  später  schwindet.  Knorpelreste 
im  Innern  des  scheinbar  soliden  Körpers  sind  oft  noch  bis  zum  13.  Lebensjahr  nachzuweisen. 
Dorsum  sellae  und  Oberfläche  des  Clivus  sind  beim  Neugeborenen  noch  knorpelig.  Der  Knorpel 
auf  letzterem  atrophiert  in  der  Folge  in  seinen  oberflächlichen  Lagen,  weshalb  auch  noch  beim 
Erwachsenen  der  dem  Keilbein  angehörige  Teil  des  Clivus  eine  rauhe  Beschaffenheit  zeigt.  Im 
Laufe  des  ersten  Lebensjahres  verwachsen  die  großen  Flügel  mit  dem  hinteren  Körper.  —  Die 
erste  Spur  des  Knochens  der  Conchae  sphenoidales  tritt  um  die  Zeit  der  Geburt  auf;  im  ersten 
bis  zweiten  Lebensjahr  erscheinen  sie  als  dünne,  nahezu  kreisförmige  Plättchen,  um  allmählich 
ihre  definitive  Gestalt  zu  gewinnen.  Sie  verwachsen  gegen  das  achte  Jahr  mit  dem  Körper.  — 
Die  Proportionen  der  Flügel  sind  beim  Neugeborenen  andere,  als  beim  Erwachsenen.  Der  Körper 
ist  stark  in  die  Länge  gestreckt,  die  kleinen  Flügel  sind  größer,  die  großen  kleiner,  als  später. 
Die  Fissura  orbitalis  superior  ist  weit.     Der  Proc.  pterygoideus  ist  noch  sehr  kurz. 

Varietäten.  Selten  wird  das  Basisphenoid  von  einem  medianen  Kanal  durchsetzt,  welcher 
von  der  unteren  Fläche  ausgeht  und  in  die  Hypophysengrube  führt.  Es  ist  dies  der  normaler- 
weise in  früher  Embryonalzeit  verschwindende  Canalis  craniopharyngeus.  —  Teile  des  knor- 
peligen Primordialcraniums,  welche  in  der  Regel  verschwinden,  oder  durch  Bindegewebszüge 
ersetzt  werden,   können  sich  in  verknöchertem  Zustand  erhalten.     Zu  diesen  gehört  die  häufig 


1)  Canalis  Vidianus. 

2)  Processus  ad  vomerem. 

3)  Canaliculus  pharyngeus. 

4)  Fossa  tubae  Eustachii. 


Schläfenbein.  55 

vorkommende  knöcherne  Verbindung  zwischen  Proc.  clinoideus  ant.  und  med.;  durch  sie  wird 
ein  [.och  erzeugt,  welches  von  der  A.  carotis  int.  zum  Durchtritt  benutzt  wird.  Auch  zum  Proc. 
clin.  post.  kann  vom  Proc.  clin.  ant.  oder  medius  eine  Knochenspange  verlaufen.  —  Im  Foramen 
opticum  scheidet  ein  Knochenplättchcn  den  nervösen  vom  arteriellen  Teil.  —  Kleine  Knochen- 
plättchcn  und  -Stäbchen  bilden  sich  in  der  harten  Hirnhaut  zunächst  dem  Keilbeinkörper.  — 
Dil  Lingula  sphcnoidalis  kann  als  isoliertes  Knochenplättchcn  auftreten.  Gegenüber  der  Lin- 
gula  wird  auch  die  mediale  Seite  des  Sulcus  caroticus  durch  ein  gebogenes  Knochenplättchcn 
begrenzt.  An  der  Orbitalfläche  des  großen  Flügels  kommt  zunächst  der  Fiss.  orbit.  sup.  fast 
konstant  die  erwähnte  Zacke  vor,   Spina   m.    recti   lat.,  für  den  Ursprung  dieses  Muskels. 

Als  Processus  pt  erygospinosus  (Civinini)  wird  die  teilweise  Yerknöcherung  eines 
Bandes  beschrieben,  welches  sich  brückenförmig  von  der  lateralen  Platte  des  Proc.  pteryg.  zur 
Spina  angularis  erstreckt.  Ist  es  in  seiner  ganzen  Länge  verknöchert,  dann  entsteht  ein  Foramen 
pterygospinosum.  Es  wird  von  den  Xervcn  und  Gefäßen  des  M.  pteryg.  int.  zum  Durchtritt 
benutzt.  —  Neben  dem  lateralen  Ende  der  Fiss.  orbital,  sup.  beobachtet  man  zuweilen  ein  Kanäl- 
i  Ihm  Im  einen  Zweig  der  A.  meningea  media.  —  Canaliculus  sphenoidalis  wird  ein  Kanäl- 
i  luii  genannt,  welches  an  der  lateralen  Seite  der  Fossa  scaphoidea  beginnt  und  mit  einem  medialen 
Teilungsast  im  Canalis  pterygoideus,  mit  einem  lateralen  zwischen  Lingula  und  For.  ovale  mündet. 
Es  enthält  die  Xn.  sphenoid.  medialis  und  lateralis.  —  Die  Basis  der  Spina  angularis  kann  von 
einem  Kanälchen  für  den  X.  petros.  superfic.  minor  durchbohrt  sein  (Can.  innominatus  Arnold). 
Häufig  ist  ein  Kanal  für  ein  Emissarium  sphenoidale  x)  medianwärts  vom  Foramen  ovale.  — 
Foramen  ovale  und  spinosum  fließen  zusammen;  es  fehlt  ihnen  zuweilen  der  hintere  Abschluß 
1 1  lemmungsbildung). 


3.  Schläfenbein,  Os  temporale. 

Das  Schläfenbein  füllt  die  zu  beiden  Seiten  zwischen  den  beiden  Teilen  des 
Os  basilare  (Hinterhaupts-  und  Keilbein)  bleibende  Lücke  aus.  Es  ist  ein  entwickelungs- 
geschichtlich  sehr  komplizierter  Knochen,  welcher  sich  zusammensetzt:  i.  aus  einem 
Teil  des  Primordialcraniums  (Ohrkapsel),  es  liefert  den  Felsenteil  mit  dem  Warzen- 
teil; 2.  aus  einem  Deckknochen  des  Hirnschädels,  dem  Schuppenteil;  3.  aus  einem 
weiteren  Deckknochen,  dem  Paukenteil,  und  4.  aus  einem  Stück  des  Schlundbogen- 
skeletes,  dem  Griffelfortsatz.  Bei  einer  Reihe  von  Tieren  bleiben  diese  Stücke  mehr 
oder  weniger  voneinander  getrennt,  beim  Menschen  vereinigen  sie  sieh  zu  einem  Knochen, 
an  welchem  dir  ursprünglichen  Verhältnisse  stark  verwischt  sind. 

So  berechtigt  auch  der  Wunsch  ist,  die  entwickelungsgeschichtliche  Stellung 
der  verschiedenen  Teile  auch  bei  der  Darstellung  des  fertigen  Schläfenbeines  zur 
Geltung  zu  bringen,  so  läßt  sich  dem  doch  nicht  ohne  einen  gewissen  Zwang  voll- 
ständig entsprechen  und  es  empfiehlt  sieh,  bei  dessen  Besehreibung  den  mit  dem 
Felsenbein  gemeinsam  entstehenden  WarzenteD  von  ihm  zu  trennen,  dagegen  den 
von  ihm  getrennt  entstehenden  Paukenteil  und  den  Griffelfortsatz  mit  ihm  unter 
dem  Namen  „Pyramide"  zu  vereinigen.  Es  wird  danach  also  einzuteilen  sein  in 
1     Pyramide,  1.  Warzenteil,  3.  Schuppe. 

Pyramide.  Ihr  Hauptteil,  da-  Felsenbein,  Os  petrosum,  umschließt 
da-  Gehörlabyrinth,  bestehend  aus  dem  Vorhofj,  Vestibulum,  der  Schnecke,  Cochlea 
und  dendrei  Bogengängen,  ('anales  semicirculares,  einem  lateralen,  oberen  und  hinteren. 
Di''  knöcherne  Kapsel  de-  Labyrinthes  ist  von  elfenbeinerner  Haiti'  und  Zähigkeit, 
was  dm  Namen  Felsenbein  veranlaßl  hat.  Sie  ist  in  einer  weniger  harten  Knochen- 
substanz eingelassen,  nur  an  ihrer  lateralen  Oberfläche  fehlt  solche,  dort  stößt  sie  an 
eine  flache  Grube,  die  Paukenhöhle.     An  diese  wieder  lagert  sieh  der  andere  Teil  der 

')   Foramen  Vesalii. 


56  Schläfenbein. 

Pyramide  an,  das  Paukenbein,  Os  tympanicum.  Anfänglich  nur  ein  flacher 
Knochenring  (101),  wird  es  im  Laufe  der  ersten  Lebensjahre  zu  einer  kurzen  und 
tiefen  Rinne.  Dieselbe  wird  durch  den  untersten  Teil  der  Schuppe  von  dem  Felsen- 
teil abgedrängt  und  von  ihr  zum  äußeren  Gehörgang  ergänzt. 

Die  Pyramide  ist  vierseitig  und  besitzt  demnach  vier  Kanten  und  vier  Flächen. 
Die  obere  Kante  bildet  die  Grenze  zwischen  mittlerer  und  hinterer  Schädelgrube 
und  es  setzt  sich  an  sie  das  Tentorium  cerebelli  an.  In  dessen  Ansatz  ist  ein  Blut- 
leiter eingeschlossen,  welcher  eine  rinnenförmige  Vertiefung  der  Kante,  Sulcus  pe- 
trosus  superior  (96),  veranlaßt.  Von  der  oberen  Kante  aus  dachen  sich  die  beiden 
der  inneren  Schädelbasis  zugehörigen  Flächen  ab. 

Die  hintere,  innere  Fläche  (96)  sieht  in  die  hintere  Schädelgrube.  Ungefähr 
in  der  Mitte  ihrer  Länge  findet  sich  der  Porus  acusticus  internus,  welcher  in  den 
blind  endigenden  Meatus  acusticus. internus  führt.  Er  enthält  den  N.  acusticus, 
N.  facialis  und  die  Art.  auditiva  int.,  welche  von  einer  gleichnamigen  Vene  begleitet 
ist.  Lateral  vom  inneren  Gehörgang  trifft  man  auf  eine  enge  und  unscheinbare  Spalte, 
die  Apertura  externa  aquaeductus  vestibuli.  Nächst  dem  oberen  Rand  der 
in  Rede  stehenden  Fläche  ist  die  Fossa  subarcuata  gelegen,  eine  unvollständig 
ausgefüllte  Grube  unter  dem  oberen  Bogengang.  Längs  dem  unteren  Rand  bildet 
der  Sulcus  petrosus  inferior  mit  der  gleichnamigen  Furche  des  Hinterhaupts- 
beines eine  Rinne  für  den  Sinus  petros.  infer. 

Die  vordere  innere  Fläche  (97)  sieht  nach  der  mittleren  Schädelgrube  hin;  sie 
wird  nicht  nur  vom  Körper  des  eigentlichen  Felsenbeines  gebildet,  sondern  auch  von 
einer  dünnen,  von  diesem  ausgehenden  Platte,  dem  Dach  der  Paukenhöhle,  Tegmen 
tympani.  Dasselbe  stützt  sich  gegen  die  Innenseite  der  Schuppe  und  ist  von  ihr 
durch  eine  Naht  (Fissurä  petrosquamosa)  getrennt,  welche  noch  beim  Erwachsenen 
längere  Zeit  offen  bleibt.  Der  im  Felsenbein  verborgene  obere  Bogengang  bewirkt 
auf  der  vorderen  inneren  Fläche  eine  mehr  oder  weniger  deutlich  vortretende  Wölbung, 
Eminentia  arcuata1).  Weiter  medianwärts  und  zwar  an  der  Grenze  zwischen 
Felsenbeinkörper  und  Tegmen  tympani  findet  man  den  Hiatus  canalis  facialis2), 
die  Eintrittsöffnung  des  N.  petros.  superficial,  major,  zu  welcher  dieser  Nerv  vom 
For.  lacerum  her  in  einer  seichten  Furche,  Sulcus  n.  petrosi  superficialis 
majoris,  gelangt.  Dicht  vor  dem  Hiatus  can.  fac.  läßt  eine  feine  Öffnung, 
Apertura  superior  canaliculi  tympanici,  den  N.  petrosus  superfic.  minor  ein- 
treten; auch  zu  ihr  führt  oft  eine  seichte  Furche,  welche  der  des  N.  petrosus  superfic. 
major  parallel, verläuft.  Das  an  der  Spitze  der  Pyramide  gelegene  mediale  Ende 
der  vorderen  inneren  Fläche  wird  von  der  Impressio  trigemini  eingenommen, 
einem  oft  aus  zwei  bis  drei  ganz  flachen  Gruben  bestehenden  Eindruck  (Zander 
1894),  auf  welchem  die  Wurzel  und  das  Ganglion  semilunare  des  fünften  Gehirn- 
nerven ruht. 

Die  beiden  beschriebenen  Flächen  der  Schläfenbeinpyramide  werden  nach  unten 
durch  die  vordere  und  hintere  Kante  abgeschlossen.  Die  hintere  Kante  grenzt 
an  das  Hinterhauptsbein  und  es  trägt  ihr  lateraler  Teil  einen  Ausschnitt,  Incisura 
jugularis  (98),  welcher  sich  mit  dem  entsprechenden  des  Hinterhauptsbeines  zum 
Foramen  jugulare  ergänzt.  Wie  die  Incisur  des  Hinterhauptsbeines  trägt  auch  die  der 
Schläfenbeinkante  einen  Vorsprung,  Processus  intrajugularis  (vergl.  S.  48).  Die 
vordere  Kante  lehnt  sich  in  ihrem  lateralen  Teil  an  den  Schuppenteil;  sie  gehört 

x)    Jugum  petrosum. 

2)   Hiatus  can.  Falloppiae,     Apertura  spuria  can.  Falloppiae. 


Schläfenbein.  57 

dort  dem  Tcgmcn  tympani  an.  Der  Rand  desselben  sendet  einen  Fortsatz  nach 
abwärts,  an  dessen  beiden  Seiten  sich  Spalten  befinden  (100).  Die  vordere,  Fissur a 
petrosquamosa,  ist  mit  Bindegewebe  ausgefüllt  und  verstreicht  früher  oder  später 
vollständig,  die  hintere,  Fissura  petrotympanica1)  (98,100)  läßt  die  A.  tympanica 
und  die  Chorda  tympani  passieren  und  bleibt  deshalb  während  des  ganzen  Lebens 
soweit  wegsam,  wie  es  diese  Gebilde  erfordern.  Der  mediale  Teil  der  Kante  ist 
eine  nur  schwach  vortretende  Leiste,  welche  den  hinteren  Rand  der  Fissura  spheno- 
petrosa  bildet. 

Die  vordere  äußere  Fläche  (98)  der  Pyramide  ist  hinter  der  Gelenkgrube  für 
den  Unterkiefer  an  der  äußeren  Schädelbasis  zu  suchen.  In  ihrem  lateralen  Teil  wird 
sie  von  der  glatten  Oberfläche  des  Paukenbeines  gebildet ;  an  dem  medialen  Teil, 
welcher  dem  Felsenbein  angehört,  sieht  man  neben  dem  Ansatz  der  Schuppe  an  die 
Pyramide  die  Mündung  des  Canalis  musculo-tubarius,  welcher  in  die  Pauken- 
höhle hineinführt.  Er  wird  durch  ein  dünnes  von  der  hinteren  Wand  ausgehendes 
Knochenplättchen,  Septum  canalis  musculo-tub.,  unvollkommen  in  zwei 
Teile  geschieden,  einen  oberen,  Canalis  musculi  tensoris  tympani  (99)  und 
einen  unteren,  Canalis  tubae  auditivae 2).  Ihr  Inhalt  ist  durch  den  Namen 
gekennzeichnet. 

Der  ausgezackte  untere  Rand  des  Paukenbeines  bildet  die  untere  Kante  der 
Pyramide.  Da  sie  mit  dem  Os  tympanicum  aufhört,  erreicht  sie  die  Spitze  der  Pyra- 
mide nicht,  weshalb  dort  die  beiden  äußeren  Flächen  der  Pyramide  gerundet  ineinander 
übergehen. 

Die  hintere  äußere  Fläche  (98)  liegt  wie  die  vordere,  an  der  äußeren  Schädel- 
basis, sie  sieht  gerade  nach,  unten;  sie  ist  die  am  reichsten  gegliederte.  Überblickt 
mau  sie  von  ihrem  lateralen  Ende  aus,  welches  sich  an  den  Warzenteil  anlehnt,  dann 
trifft  man  zuerst  auf  das  Foramen  stylomastoideum,  die  äußere  Mündung  des 
Canalis  facialis.  Dann  folgen  vier  Zonen  (Hcnlc),  deren  erste  den  Griffelfortsatz, 
Processus  styloideus  (95 — 98)  trägt,  einen  Knochenstab,  welcher  einmal  mehrere 
Centimeter  lang,  ein  andermal  sehr  kurz  sein  kann.  Er  gehört,  wie  oben  erwähnt, 
nicht  ursprünglich  dem  Schläfenbein  an,  sondern  entstammt  dem  oberen  Teil  des 
/.weiten  Kiemenbogens.  Bei  Kindern  ist  er  immer  knorpelig,  so  daß  man  an  den 
mazerierten  Schläfenbeinen  von  solchen  niemals  einen  Griffelfortsatz  findet.  Sein 
der  übrigen  Pyramide  fremdartiger  Ursprung  bringt  es  auch  mit  sich,  daß  er  wie  in 
sie  eingeschoben  erscheint  (99)  und  bei  seinem  Abgang  von  ihr  hülsenartig  umrahmt 
wird,  Vagina  proc.  styl.  Den  hinteren  Teil  der  in  Rede  stellenden  Zone  nimmt  eine 
Gelenkfläche  ein,  welche  mit  der  bei  Beschreibung  des  Hinterhauptsbeines  erwähnten 
(S.  48)  in  Gelenkverbindung  steht.  Medianwärts  von  der  ersten  Zone  folgt  die 
zweite,  welche  ganz  von  der  kuppeiförmig  vertieften  Fossa  jugularis  eingenommen 
wird;  in  ihr  ruht  der  Anfang  der  Vena  jugularis.  Den  vorderen  Rand  der  Grubi 
durchzieht  eine  unscheinbare  Furche,  welche  in ,  der  feinen  unteren  Mündung  des 
Canaliculus  mastoideus  (98)  endet.  Die  Zone,  welche  auf  die  Fossa  jugularis 
folgt,  zeigt  vorne  den  weiten  Eingang  des  Canalis  caroticus.  Zwischen  ihm  und 
der  Fossa  jugularis  sieht  man  in  der  Tiefe  eines  seichten  Grübchens,  Fossula 
petrosa,  den  nadelstichähnlichen  Eingang  in  ein  Kanälchen.  Apertura  inferior 
canaliculi  tympanici,   in  welchem  der   Kam.  tympanic.  des  N.    glossopharyngi 

')   Fissura  Glaseri. 

'-)   Semicanalis  m.  tensoris  tympani  e1   tubae  auditivae. 


53  Schläfenbein. 

das  Schläfenbein  betritt.  Nächst  dem  hinteren  Rand  dieses  Feldes  findet  man  eine 
dreieckige  Vertiefung,  in  deren  Grund  die  Aperturä  externa  canaliculi  Cochleae 
mündet.  Die  medialste  Zone  der  hinteren  äußeren  Fläche  der  Pyramide  ist  rauh 
zur  Anlagerung  festen  Bindegewebes  und  für  den  Ursprung  des  M.  levator  veli 
palatini. 

Von  den  großen  und  kleinen  Kanälen,  welche  die  Schläfenbeinpyramide  durch- 
setzen, war  zwar  schon  mehrfach  die  Rede,  doch  ist  über  sie  noch  einiges  nachzu- 
tragen. Der  größte  Kanal  ist  der  Canaliscaroticus.  Von  seiner  erwähnten  Öffnung 
an  der  hinteren  äußeren  Fläche  aus  steigt  er  auf,  biegt  sich  dann  medianwärts  um 
und  endet  an  der  Spitze  der  Pyramide  (99).  Er  enthält  die  A.  carotis  interna,  umgeben 
von  einem  Venengeflecht  und  einem  Geflecht  sympathischer  Nerven.  Von  diesem 
letzteren  gehen  Fäden  aus,  welche  durch  zwei  enge  Kanälchen  Canaliculi  carotico- 
tympanici  in  die  Paukenhöhle  gelangen.  Der  Canalis  facialis  enthält  den  N. 
facialis.  Er  beginnt  auf  dem  Grund  des  inneren  Gehörganges,  verläuft  im  Knochen 
erst  eine  kurze  Strecke  in  der  Achse  dieses  Ganges,  biegt  dann  knieförmig  um  und  zieht 
an  der  medialen  Wand  der  Paukenhöhle  abwärts  zu  seinem  Ausgang  im  For.  stylo- 
mastoideum  (99).  Von  der  Paukenhöhle  ist  er  nur  durch  eine  ganz  dünne  und  leicht 
verletzliche  Knochenlamelle  getrennt.  In  dem  Knie  des  Kanales  mündet  der  er- 
wähnte, mit  dem  Hiatus  canalis  facialis  beginnende  Gang.  Der  absteigende  Teil  des 
Facialkanales  läßt  den  feinen  Canaliculus  chordae  tympani  abgehen,  welcher 
die  Chorda  in  die  Paukenhöhle  leitet.  Sie  verläßt  die  Paukenhöhle  auf  der  anderen 
Seite  durch  ein  Kanälchen,  welches  in  der  erwähnten  Fissura  petrotympanica  mündet. 
Der  Canaliculus  mastoideus,  dessen  Eingang  in  der  Fossa  jugularis  genannt 
wurde,  gelangt  in  querem  Verlauf  durch  den  Knochen  bis  zu  seiner  Mündung  dicht 
neben  dem  äußeren  Gehörgang;  auf  seinem  Weg  durchsetzt  er  den  Facialkanal.  Er 
enthält  den  Ramus  auricularis  n.  vagi.  Der  Kanal  für  den  Aquaeductus  vestibuli, 
dessen  Mündung  sich  auf  der  inneren  hinteren  Fläche  der  Pyramide  befindet,  geht 
von  dem  Vestibulum  des  Gehörlabyrinthes  aus;  er  enthält  eine  Fortsetzung  des  endo- 
lymphathischen  Raumes.  Der  Canaliculus  Cochleae  beginnt  am  Anfang  der  Scala 
tympani  der  Schnecke,  er  verbindet  den  perilymphatischen  Raum  des  inneren  Ohres 
mit  dem  subarachnoidalen  Raum  der  Schädelhöhle. 

Der  Warzenteil  ist  eine  dicke  Knochenplatte,  welche  die  Pyramide  nach  außen 
hin  abschließt  und  ihre  Basis  bildet.  Von  der  Schuppe  ist  er  noch  beim  Neugeborenen 
(157)  durch  eine  Naht  getrennt,  welche  manchmal  selbst  noch  bei  jüngeren  Erwachsenen 
in  Resten  nachgewiesen  werden  kann.  Ein  oberer  gezackter  Nahtrand  steht  mit  dem 
Scheitelbein  in  Verbindung;  er  biegt  dann  im  Winkel  nach  unten  um.  Auf  die  hier- 
durch entstehende  Ecke  trifft  die  Lambdanaht,  an  den  abwärts  ziehenden  Teil  des 
Nahtrandes,  der  sich  bis  zu  dem  erwähnten  Gelenk  zwischen  Pyramide  und  Hinter- 
hauptsbein erstreckt,  stößt  der  untere  Teil  der  Hinterhauptsschuppe.  In  der  Naht 
oder  dicht  neben  ihr  wird  der  Knochen  von  einem  oder  mehreren  Emissarien  durch- 
setzt (Forr.  mastoidea)  (1-12).,  welche  jedoch,  wie  alle  Emissarien,  von  sehr  ver- 
schiedener Weite  sind,  selbst  ganz  fehlen  können. 

Über  die  Innenfläche  des  Warzenteiles  verläuft,  soweit  sie  nicht  von  dem  An- 
satz der  Pars  petrosa  verdeckt  wird,  der  zuweilen  sehr  tief  gehöhlte,  abwärts  gebogene 
Schenkel  des  Sulcus  transversus  unter  dem  Namen  Sulcus  sigmoideus  (96);  von 
ihm  geht  das  erwähnte  Emissarium  mastoideum  aus.  Auf  der  Außenseite  des 
Warzenteiles  ragt  der  von  Muskeln  als  Ansatzpunkt  benützte  Warzenfortsatz, 
Processus  mastoideus  (95,  98),  zapfenförmig  nach  unten.     Er  besitzt  eine  laterale 


Schläfenbein.  59 

konvexe  und  eine  mediale  plane  Fläche.  Auf  der  lateralen  Fläche  findet  man  an 
der  Basis  des  Fortsatzes  eine  schräg  aufsteigende,  auch  am  Lebenden  hinter  dem 
Ohre  fühlbare  Firste,  Crista  supramastoidea  (95),  welche  nach  vom  in  die  Wurzel 
des  Jochbogens,  nach  hinten  und  oben  in  die  Linea  temporalis  inferior  übergeht. 
Die  mediale  Fläche  ist  durch  eine  tiefe  Furche,  Incisura  mastoidea  (98),  begrenzt, 
aus  welcher  der  hintere  Bauch  des  M.  digastricus  entspringt.  Medial  neben  ihr 
enthält  eine  seichte  Rinne,  Sulcus  a.  occipitalis  (98),  die  Hinterhauptsarterie. 
Der  hintere  Rand  des  Warzenfortsatzes  liegt  frei  und  ist  durch  die  Haut  zu  fühlen, 
an  den  vorderen  Rand  legt  sich  das  Paukenbein  an,  von  welchem  er  jedoch  durch 
die  Fissura  tympanico-mastoidea  (9ö)  getrennt  ist.  In  ihr  mündet  der  erwähnte 
Canaliculus  mastoideus.  Bei  vollentwickelten  Erwachsenen  enthält  der  Warzenfort- 
satz  pneumatische  Hohlräume,  Cellulae  mastoideae  (99),  welche  von  der  Pauken- 
höhle ausgehen.  Oft  sind  sie  nur  von  einer  so  dünnen  Knochenlamelle  bedeckt, 
daß  dieselbe  durchscheinend  ist. 

Der  Schuppenteil  (95 — 97)  gleicht  einer  kreisförmigen  Scheibe,  aus  deren 
unterem  Teil  ein  Stück  ausgeschnitten  ist.  Ihr  hinterer  Umfang  bildet  mit  dem 
oberen  Rand  des  Warzenteiles  einen  einspringenden  Winkel,  Incisura  parietalis 
(95),  in  welchen  sich  die  hintere  untere  Ecke  des  Scheitelbeines  legt.  Der  bogen- 
förmige Rand  ist  im  oberen  Umfang  auf  Kosten  der  inneren  Fläche  zugeschärft 
und  schuppenförmig  mit  dem  unteren  Rand  des  Scheitelbeines  verbunden ;  vorne, 
wo  er  sich  mit  dem  großen  Keilbeinflügel  verbindet,  ist  umgekehrt  die  äußere  Tafel 
kürzer  als  die  innere 

Die  innere  Oberfläche  (97)  zerfällt  durch  den  an  sie  angestemmten  Rand  des 
Tegmen  tympani  in  zwei  Teile.  Der  obere  weitaus  größere  Teil,  Facies  cerebralis, 
gehört  der  Seitenwand  der  mittleren  Schädelgrube  an;  er  zeigt  Juga  cerebralia  und 
Impressiones  digitatae  und  eine  bogenförmige  Gefäßfurche  für  die  A.  meningea  media 
(90).  Der  kleine  untere  Teil  von  halbmondförmiger  Gestalt,  Facies  tympanica, 
sieht    in   die   Paukenhöhle,    deren   laterale  Wand  er  bilden  hilft. 

Die  äußere  Oberfläche  läßt  den  Jochfortsatz,  Processus  zygomaticus  (95), 
abgehen.  An  seinem  Ursprung  breil  and  mi1  oberei  und  unterei  Fläche  versehen, 
dreht  er  sich  alsbald  um  seine  Achse,  sei  daß  eine  mediale  und  laterale  Fläche  und  ein 
oberer  und  unterer  Rand  entsteht.  Fr  geht  im  Bogen  vorwärts  und  endet  mit  einer 
rauhen  Nahtfläche,  welche  sieh  mit  dem  Jochbein  zum  Jochbogen,  Arcus  zygo- 
maticus (I  l<>),  verbindet.  Der  hintere  Rand  der  Wurzel,  mit  welcher  sich  der  Joch- 
Eortsatz  aus  der  Schuppe  erhebt,  setzt  sieh  nach  hinten  in  die  erwähnte  Crista  supra- 
mastoidea und  durch  sie  in  die  Linea  temporalis  inferior  fort,  der  vordere  Rand 
biegt  nach  vorne  ab  und  bildet  den  Anfang  der  bei  Betrachtung  des  Keilbeines  er- 
wähnten Crista  infratemporalis. 

Die  oberhalb  der  Wurzel  des  Jochfortsatzes  gelegene  Fläche,  Facies  temporalis 
(95,  140).  gehör!  der  Schläfengrube  an,  sie  ist  ziemlich  glatt  und  dient  Fasern  des  M, 
temporalis  zum  Ursprung.  Oberhalb  des  äußeren  Gehörganges  steig!  eine  seichte, 
nieht  immer  deutliche  Furche  fast  senkrecht  auf,  in  welcher  die  A.  temporalis  media 
verläuft  (95).  Unterhalb  der  Wurzel  des  Jochfortsatzes  biegt  die  Schuppe  medianwärts 
uin.  Aul  der  hier  gelegenen  Fläche,  Facies  articularis,  fällt  sogleich  eine  trans- 
versalgestellte Vertiefung  auf,  die  Gelenkgrube  für  den  Unterkiefer,  Fossa  mandi- 
bularis1)    (98).      Vor    ihr  steht    eine    Erhöhung,    Tuberculum   articulare,    auf 

')  Caritas  glenoidea, 


60  Schläfenbein. 

welche  der  Gelenkfortsatz  des  Unterkiefers  bei  Öffnung  des  Mundes  vortritt.  Ein 
ganz  kleines  Feld  vor  dem  Tuberculum  hilft  das  Dach  der  Fossa  infratemporalis 
bilden.  An  ihrem  hinteren  Rand  wird  die  Gelenkgrube  von  einem  parallel  mit  ihr 
verlauf  enden  Wulst  x)  begrenzt,  welcher  den  Gelenkteil  der  Schuppe  von  dem  Gehör- 
gangsteil abgrenzt.  Der  letztere  stellt  eine  rinnenförmige  Vertiefung  dar,  an  welche 
sich  von  unten  her  das  ebenfalls  rinnenförmig  gestaltete  Paukenbein  anlegt,  so  daß 
die  Schuppe  die  Decke,  das  Paukenbein  den  Boden  des  äußeren  Gehörganges, 
Meatus  acusticus  externus,  darstellt  (95).  Ein  nach  dem  Umfang  des  Gehör- 
ganges gekrümmtes  Leistchen,  Spina  suprameatum  (95),  bezeichnet  den  eigent- 
lichen oberen  Rand  des  Einganges  derselben.  Sie  ist  nicht  immer  gleich  deutlich 
ausgebildet;  besonders  gut  tritt  sie  hervor,  wenn  hinter  ihr  eine  kleine  Grube,  Fossa 
supra  meatum,  vorhanden  ist.  Bei  Operationen  in  der  Gegend  kann  die  Spina  als 
wertvoller  Wegweiser  dienen. 

Ent wickelung  (102,  157).  Eingangs  wurde  schon  erwähnt,  daß  das  Schläfenbein  sich  zu- 
sammensetzt: i.  aus  einem  Teil  des  Primordialschädels  (Ohrkapsel),  welcher  den  Felsen-Warzenteil 
liefert;  2.  aus  einem  Deckknochen  des  Hirnschädels,  dem  Schuppenteil;  3.  aus  einem  weiteren 
Deckknochen,  dem  Paukenteil;  und  4.  aus  einem  Teil  des  Schlundbogenskeletes,  dem  Griffelfort- 
satz. In  der  knorpeligen  Ohrkapsel  treten  im  zweiten  bis  fünften  Fetalmonat  sechs  kleine  Knochen- 
kerne auf,  welche  in  der  Folge  zusammenfließen.  Von  ihnen  aus  verbreitet  sich  die  Knochen- 
substanz auch  in  die  Pars  mastoidea  hinein.  Ende  des  sechsten  Monats  ist  das  häutige  Labyrinth 
völlig  von  Knochen  umschlossen.  Das  Tegmen  tympani  verknöchert  teils  von  der  Ohrkapsel 
aus,  teils  entsteht  es  als  Hautknochen.  Die  in  der  Umgebung  der  Ohr  kapsei  verlaufenden  Gefäße 
und  Nerven,  sowie  die  Tube,  sind  .vom  knorpeligen  Primordialcranium  nicht  umschlossen,  sie 
gelangen  in  den  Verband  des  Schläfenbeines  erst  dadurch,  daß  sie  bei  der  Verknöcherung  von 
der  sich  ausbreitenden  Knochensubstanz  umgeben  werden;  nur  der  Beginn  des  Facialkanales 
vom  inneren  Gehörgang  bis  zum  Knie  verläuft  von  Anfang  an  in  einer  kurzen  Röhre  des  Chondro- 
craniums.  In  seinem  weiteren  Verlauf  ist  der  siebente  Gehirnnerv  anfänglich  eingeklemmt  zwischen 
dem  Paukenbein  und  der  Pars  mastoidea,  die  Chorda  tympani  zwischen  Paukenbein  und  Schuppe, 
■die  Tube  zwischen  Paukenbein  und   Schneckenteil  des   Jochbeines   (Bardeen  1910). 

Beim  Neugeborenen  hängen  die  drei  ossificierten  Stücke  des  Schläfenbeines  in  der  Regel 
schon  knöchern,  jedoch  teilweise  noch  leicht  trennbar,  zusammen  (101,102).  Am  festesten  ist  die 
Verbindung  des  Paukenteiles  mit  der  Schuppe,  während  die  Nähte,  welche  den  Felsenwarzenteil 
mit  dem  Schuppenpaukenteil  zusammenhalten,  noch  überall  sehr  deutlich  sind.  Mit  dem  ersten 
Lebensjahr  pflegt  die  Verknöcherung  vollendet  zu  sein,  doch  besteht  die  Fissura  petrosquamosa, 
wie  erwähnt,  das  ganze  Leben.  Auch  die  Sutura  squamoso-mastoidea  kann  sich  zuweilen  länger 
erhalten.  Der  Proc.  styloideus  ist  bei  der  Geburt  noch  ganz  knorpelig,  er  verknöchert  in  der 
Folge  von  der  Basis  aus,  zum  Teil  auch  von  der  Spitze  aufwärts,  woher  es  kommt,  daß  er  zu- 
weilen aus  mehreren  Stücken  besteht.  Etwa  um  die  Zeit  der  Pubertätsentwickelung  verwächst 
er  mit  dem  Felsenbein. 

Die  Gestalt  des  Schläfenbeines  des  Neugeborenen  (157)  weicht  beträchtlich  von  der  des  Er- 
wachsenen ab.  Die  Schuppe  ist  sehr  flach,  der  Jochfortsatz  hat  noch  nicht  seine  gebogene  Gestalt, 
er  geht  fast  gerade  nach  vorne,  die  Fossa  mandibularis  ist  nicht  gehöhlt,  sondern  stellt  ein  fast 
planes,  in  der  Fläche  der  Schuppe  hegendes  Feld  dar.  Der  Paukenteil  weicht  noch  mehr  von 
seinem  späteren  Aussehen  ab,  er  besteht  lediglich  aus  einem  ringförmigen  Knochenstreifen,  Anulus 
tympanicus,  welcher  nur  oben,  wo  er  sich  an  die  Schuppe  anlegt,  nicht  ganz  vollständig  ist  (101). 
In  einen  Falz  dieses  Ringes,  Sulcus  tympanicus,  ist  das  Trommelfell  wie  in  einen  Rahmen 
eingelassen.  Außerdem  zeigt  der  Ring  noch  nahe  dem  Ansatz  seines  vorderen  Endes  an  der  Schuppe 
an  der  medialen  Seite  eine  schräg  abwärts  ziehende  Furche,  Sulcus  malleolaris,  welche  den 
langen  Fortsatz  des  Hammers  sowie  die  durch  die  spätere  Fissura  petrotympanica  aus-  und  ein- 
tretenden Weichteile  aufnimmt.  Die  obere  Begrenzung  dieser  Fläche  wird  durch  eine  scharfe 
Kante  gebildet,  welche  beiderseits  in  eine  vorragende  Spitze  ausläuft,  Spina  (Processus)  tym- 
pan.  ant.  und  post. 


2)  Tuberculum  tympanicum. 


Scheitelbein.  61 

Canalis  musculotubarius  und  Fissura  petrotympanica  sind  am  Schläfenbein  des  Neu- 
geborenen noch  nicht  getrennt.  Die  Scheidung  erfolgt  durch  Entwickelung  des  unteren  Fort- 
satzes des  Tegmen  tympani,  welcher  dann  unterhalb  oder  vor  dem  Sulcus  malleolaris  mit  dem 
oberen  Rande  des  Paukenringes  verwächst.  Dies  geschieht  meist  erst  im  dritten  bis  vierten  Lebens- 
jahr, oft  noch  später.  Die  Spina  tymp.  ant.  verschmilzt  beim  Erwachsenen  mit  dem  Tegmen 
tympani  und  trägt  so  zum  Abschluß  der  Fiss.  petrotymp.  bei,  die  Spina  tymp.  post.  ist  eine  blei- 
bende Bildung. 

Ein  knöcherner  Gehörgang  ist  beim  Neugeborenen  natürlich  noch  nicht  vorhanden;  der- 
selbe bildet  sich  in  der  Art,  daß  schon  gleich  nach  der  Geburt  auf  der  (lateralen)  Außenseite  des 
glatten  Anulus  tvmpanicus  zwei  Sprossen  auftreten,  eine  vordere  und  eine  hintere.  Sie  wachsen 
sich  entgegen  und  vereinigen  sich  endlich,  wodurch  ein  Loch  in  der  vorderen  Wand  des  Pauken- 
beincs  entsteht.  Dieses  Loch  ist  im  zweiten  bis  dritten  Lebensjahr  stets  ringsum  von  Knochen- 
substanz umschlossen.  Seine  Existenz  bringt  die  Gefahr  mit  sich,  daß  sich  Entzündungen  u.  dgl. 
aus  dem  Gehörgang  leicht  in  die  Umgebung  fortsetzen  können.  Auch  das  Umgekehrte  kann  ein- 
treten. Der  völlige  Verschluß  der  Öffnung  soll  normalerweise  bis  zum  fünften  Lebensjahr  voll- 
endet sein.  Die  Rinne,  zu  welcher  sich  nun  der  Paukenteil  vervollständigt  hat,  bildet  die  untere 
und  vordere  Wand  des  knöchernen  äußeren  Gehörganges;  die  obere  Wand  wird  durch  immer 
stärkeres  Vortreten  der  Wurzel  des  Jochbogens,  die  hintere  durch  Anschwellen  der  Pars  masto- 
idea  gebildet. 

Der  Felsenwarzenteil  entwickelt  sich  in  seinen  beiden  Teilen  verschieden.  Der  Felsen- 
teil bildet  sich  frühzeitig  aus  und  ist  zur  Zeit  der  Geburt  überraschend  weit  fortgeschritten;  der 
Warzenteil  ist  stark  zurückgeblieben.  Der  erstere  ist  anfangs  genauer  nach  der  Form  des  Laby- 
rinthes, insbesondere  der  Bogengänge  modelliert,  l'nter  dem  oberen  vorderen  Bogengang  findet 
sich  noch  beim  Neugeborenen  eine  tiefe,  von  Knorpel  ausgefüllte  Grube,  welche  sich  mehr  und 
mehr  verkleinert,  aber  auch  beim  Erwachsenen  noch  als  eine  Spalte  persistiert,  es  ist  dies  die 
erwähnte  Fossa  subarcuata.  An  letzterem,  dem  Warzenteil,  entsteht  ersteinige  Zeit  nach  der 
Geburt  die  Andeutung  eines  Warzenfortsatzes,  doch  hat  im  zweiten  und  dritten  Jahre  der  Proc. 
und  die  Incisura  mastoid.  die  dem  reifen  Zustand  entsprechende  Größe.  Zellig  und  lufthaltig 
wird  der  Warzen fortsatz  aber  erst  gegen  die  Zeit  der  Pubertät  oder  noch  später.    iM.-H.) 

Varietäten  sind,  abgesehen  von  der  Kapsel  des  Labyrinthes,  nicht  selten.  Schaltknochcn 
und  Nahtanomalien  werden  an  der  Schuppe  beobachtet;  von  ihnen  verdient  besonders  ein  platter 
Fortsatz  hervorgehoben  zu  werden,  welcher  zwischen  Keilbeinflügel  und  Scheitelbein  bis  zum 
hinteren  Rand  des  Stirnbeines  gelangt.  Diese  Anomalie,  welche  die  Aufmerksamkeit  besonders 
der  Anthropologen  erregt  hat,  entsteht  dadurch,  daß  ein  in  der  vorderen  Seitenfontanelle  auf- 
tretender Schaltknochen  nicht,  wie  gewöhnlich,  mit  dem  Scheitel-  oder  Keilbein,  sondern  mit 
der  Schläfenbeinschuppe  verschmilzt.  —  In  der  Schuppe  können  Löcher  für  den  Durchtritt  von 
Gefäßen  vorkommen.  Das  Foramen  mastoideum  wird  zuweilen  sehr  groß,  so  daß  es  imstande 
im,  das  Foramen  jugularc  zum  Teil  oder  selbst  ganz  zu  ersetzen.  Man  beobachtet  dergleichen  sehr 
oft  bei  rachitischer  Abknickung  der  Schädelbasis. 

Das  Tegmen  tvmpani  wird  zuweilen  von  einer  Naht  durchsetzt.  Durch  Dehiscenzen  des 
sehr  dünnen  Knochens  können  pathologische  Prozesse  aus  der  Paukenhöhle  in  die  Schädelhöhle 
hinein   Eortgeleitet  werden. 

Das  normalerweise  in  der  Kindheit  verschlossene  Loch  in  der  vorderen  Wand  des  äußeren 
Gehörgangs  erhall  sich  zuweilen  auch  beim  Erwachsenen. 

Hinter  der  Crista  supramastoidea,  da  wo  der  Winkel  des  Scheitelbeines  an  das  Schläfen- 
bein anstößt,  findel  man  zuweilen  einen  kleinen  Höcker,  luluri  uhi  m  su  pra  mastoideu  in 
posterius  (Waldeyei  1909).  Greift  er  aui  das  benachbarte  Scheitelbein  über,  dann  kann  man 
ihn   Processus  asteriacus   (Haferland   1905)  aenne^n. 


4.  Scheitelbein,  Os  parietale. 

Die  beiden  Scheitelbeine  bilden  den  größten  Teil  der  Seitenwand  des  Hirn- 
schädels, indem  sie  sich  wie  Spreizen  zwischen  Stirnbein  und  Hinterhauptsbein  ein- 
schieben. Sil'  sind  platt  und  von  ziemlich  regelmäßiger  vierseitigei  Gestalt.  Da  sio 
nach  der  Form  des  Schädeldaches  gebogen  sind,  erscheinen  sie  außen  konvex,  innen 


62  Scheitelbein. 

konkav  gewölbt  (103,  104).  Die  Ränder  sind  mit  Ausnahme  des  unteren  stark 
gezahnt.  Der  obere  Rand,  Margo  sagittalis1),  vereinigt  sich  mit  dem  gleichen  des 
Scheitelbeines  der  anderen  Seite  zur  Sutura  sagittalis;  der  vordere  Rand,  Margo 
frontalis2),  mit  dem  Stirnbein  zur  Sutura  coronalis;  der  hintere,  Margo  occipi- 
talis3),  mit  der  Schuppe  des  Hinterhauptsbeines  zur  Sutura  lambdoidea.  Der  untere 
Rand,  Margo  squamosus4)  ist  zugeschärft  und  verbindet  sich  mit  der  Schuppe 
des   Schläfenbeines. 

Was  die  vier  Winkel  des  Scheitelbeines  anlangt,  so  sind  die  beiden  oberen,  An- 
gulus  frontalis  und  occipitalis,  mit  den  in  ihrem  Namen  genannten  Knochen 
in  Verbindung.  Von  den  unteren  stößt  der  vordere,  Angulus  sphenoidalis,  an  die 
Spitze  des  großen  Keilbeinflügels,  der  hintere,  Angulus  mastoideus,  fügt  sich 
in  den  einspringenden  Winkel  zwischen  Pars  squamosa  und  mastoidea  des  Schläfen- 
beines. 

Die  Außenfläche  (103)  trägt  im  Centrum  ihrer  konvexen  Wölbung  eine  Hervor- 
ragung, Tuber  parietale,  welche  auch  beim  Lebenden  sichtbar  ist  und  deutlich 
gefühlt  werden  kann.  Unter  ihr  verlaufen  dem  Margo  squamosus  parallel  zwei 
gebogene  Linien,  Linea  temporalis  superior  und  inferior5),  welche  zwischen 
sich  ein  Feld  von  besonders  glatter  Beschaffenheit  fassen.  Sie  bilden  die  Grenze 
zwischen  dem  Planum  temporale,  von  welchem  der  M.  temporalis  entspringt,  und  der 
Scheitelgegend.  An  dem  glatten  Feld  zwischen  beiden  Temporallinien  haftet  die 
Knochenhaut  besonders  fest. 

Die  stark  konkave  Innenfläche  (104)  ist  an  der  Stelle  des  Scheitelhöckers  leicht 
grubenförmig  vertieft.  Sie  zeigt  ein  System  verzweigter,  rückwärts  verlaufender  Furchen 
für  die  A.  meningea  media;  es  sind  ihrer  gewöhnlich  drei  an  Zahl.  Die  vordere  betritt 
die  Fläche  am  vorderen  unteren  Winkel,  die  mittlere  ein  wenig  hinter  demselben, 
die  hintere,  kleinste,  nächst  dem  hinteren  unteren  Winkel.  Unmittelbar  am  oberen 
Rand  wird  die  Innenfläche  von  einer  halben  Längsrinne  eingenommen,  welche  sich 
mit  einer  ebensolchen  des  anderen  Scheitelbeines  zum  Sulcus  sagittalis6)  für  den 
gleichnamigen  Blutleiter  ergänzt.  Von  ihm  geht  das  Foramen  parietale  aus, 
welches  ein  Emissarium  enthält.  Dasselbe  ist  2 — 3  cm  von  der  Spitze  der  Lambdanaht 
entfernt.  Wie  die  anderen  Emissarien  so  ist  auch  dieses  sehr  variabel,  es  schwankt 
von  Nadelstichgröße  bis  zum  Durchmesser  von  einem  Centimeter,  es  kann  auch  ganz 
fehlen  (104).  Mit  der  Entwickelung  des  Loches  hängt  es  zusammen,  daß  die  stark 
geschlängelte  Zahnung  der  Sagittalnaht  in  der  Gegend  zwischen  den  Forr.  parietalia 
sich  mehr  oder  weniger  streckt.  Am  unteren  hinteren  Winkel  greift  auf  der  Innen- 
fläche der  am  Scheitelbein  vorüberziehende  Sulcus  transversus  gewöhnlich  noch  mit 
einer  kleinen  Strecke  auf  das  Scheitelbein  über. 

Außer  den  arteriellen  und  venösen  Gefäßfurchen  findet  man  auf  der  Innen- 
fläche des  Scheitelbeines  auch  Impressiones  digitatae  und  Juga  cerebralia,  sowie  kleine 
Grübchen  (144)  zur  Aufnahme  von  Arachnoidealzotten  in  wechselnder  Zahl  und  an 
wechselnder  Stelle,  doch  bevorzugen  sie  den  obersten  Teil  der  Fläche. 


x)  Margo  parietalis. 

2)  Margo  coronalis. 

3)  Margo  lambdoideus. 

4)  Margo  temporalis. 

5)  Linea  semicircularis  sup.  und  inf. 

6)  Semisulcus  sagittalis,   S.  longitudinalis. 


Stirnbein.  63 

Entwickelung  (158).  Das  Scheitelbein  ist  ein  reiner  Hautknochen,  welcher  sich  von  zwei 
vertikal  übereinander  liegenden  Ossifikationspunktcn  aus  entwickelt.  Dieselben  treten  um  den 
45.  Tag  des  Fetallebens  an  der  Stelle  des  späteren  Tuber  par.  auf.  Im  vierten  Monat  fließen  sie 
zusammen.  Von  ihnen  aus  breitet  sich  die  Knochenbildung  strahlenförmig  nach  allen  Seiten 
hin  aus.  Zur  Zeit  der  Geburt  ist  jedoch  die  Verknöcherung  noch  nicht  bis  zu  den  vier  Ecken 
vorgedrungen,  diese  sind  vielmehr  noch  häutig  und  werden  als  Fontanellen,  Fonticuli  {154), 
bezeichnet.  I!<i  Neugeborenen  und  Kindern  treten  die  Tubera  parietalia  stärker  hervor,  als 
bei  Erwachsenen. 

An  der  Stelle  der  For.  parietalia  beider  Seiten  zögert  die  Verknöcherung  ebenfalls,  und 
im  fünften  Fetalmonat  findet  man  dort  noch  einen  ziemlich  breiten,  häutig  ausgefüllten  Zwischen- 
raum, welcher  auch  als  Fontic.  sagittalis  benannt  worden  ist.  In  der  letzten  Zeit  des  Fetallebens 
sieht  man  nur  noch  Spalten,  welche  den  Sagittalrand  einkerben ;  zuletzt  schließen  sich  die  Löcher 
beider  Seiten  knöchern,  haben  aber  zwischen  sich  auch  später  noch  den  erwähnten  gestreckten 
Teil  der  Sagittalnaht, 

In  hohem  Alter  kann  die  Diploe  der  Scheitelbeine  soweit  verschwinden,  daß  die  äußere 
Tafel  einsinkt   und  große  durchscheinende   Stellen  entstehen. 

Varietäten.  Eine  Naht  teilt  zuweilen  das  Scheitelbein  in  eine  obere  und  untere  Hälfte, 
was  sich  daraus  erklärt,  daß  die  beiden  ursprünglichen  Ossifikationspunktc  nicht  miteinander 
verschmelzen.  —  Außer  den  erwähnten  großen  Furchen  für  die  Blutleiter  kommen  öfters  noch 
kleinere  vor,  welche  sich  nach  dem   Sulcus  sagittalis  hin  wenden   (Schultze  1899). 


5.  Stirnbein,  Os  frontale. 

Das  unpaarige  Stirnbein  liefert  den  vorderen  Abschluß  der  Schädelkapsel.  Es 
besteht  aus  einem  aufsteigenden  Schuppenteil,  Squama  frontalis1),  der  Grundlage 
der  Stirne  und  den  horizontal  liegenden  Partes  orbitales2),  welche  die  Dächer 
beider  Augenhöhlen  bilden.  In  der  Mitte  zwischen  ihnen  ist  in  einem  tiefen  Ein- 
schnitt,  [ncisura  ethmoidalis,  das  Siebbein  eingefügt. 

Der  hintere  Rand  des  Stirnbeines  steht  im  größten  Teil  seines  Umfanges  mit 
den  beiden  Scheitelbeinen  in  Nahtverbindung  (Margo  parietalis),  unten  aber  mit 
den  großen  und  kleinen  Flügeln  des  Keilbeines. 

An  der  inneren  Oberfläche,  Facies  cerebralis  (106),  gehen  die  beiden  Teile  des 
Stirnbeines  ohne  scharfe  Grenze  ineinander  über.  Sie  zeigt  median  unten  am  vorderen 
Ende  der  [ncisura  ethmoidalis  den  Einbaut;  in  einen  kurzen,  blind  endigenden  Kanal. 
Foramen  caecum,  welcher  entweder  vom  Stirnbein  allein  oder  von  ihm  in  Ver- 
bindung mit  dem  Siebbein  umschlossen  wird.  Es  nimmt  einen  Fortsatz,  der  harten 
Hirnhaut  auf.  Zu  beiden  Seiten  desselben  lagern  sich  an  kleine  rauhe  Flächen  die 
Processus  alares  der  Crista  galü  des  Siebbeines  an.  Vom  For.  caecum  aus  erliebt  sich 
in  der  Mittellinie  ein  Kamm,  Crista  frontalis;  er  weicht  nach  oben  in  zwei  Schenkel 
auseinander,  welche  den  Sulcus  sagittalis  zwischen  sich  lassen,  der  dann  vom 
Stirnbein  auf  das  Scheitelbein  (S.  62)  übergeht.  Die  breiten  Flächen  zu  beiden 
Seiten  der  Mittellinie  zeigen  die  vordersten  Ausläufer  der  Furchen  für  ehe  A.  meningea 
media,  sowie  Grübchen  zur  Aufnahme  von  Arachnoidealzotten.  Juga  cerebralia  und 
fmpressiones  digitatae  sind  an  der  Innenseite  der  Schuppe  schwach,  an  der  Oberseiti 
der  Partes  orbitales  stark  ausgebildet. 

An  der  Außenseite  des  Stirnbeine-  (105,  107]  wird  die  Schuppe  von  den  horizon- 
talen Teilen  scharf  getrennt.  In  der  Mitte  der  Grenzlinie  findel  man  den  vorderen 
Umfang   einer  sehr  rauhen    Nahtfläche,   an   welche   sich   die   Nasenwurzel   anlegt.      Zu 


')   Pars  perpendicularis, 

-)    l'.iis   hm  i/entalis. 


ßi  Stirnbein. 

beiden  Seiten  schließt  sich  dann  der  obere  Rand  der  Augenhöhlen,  Margo  supra- 
orbitalis,  an.  In  der  Nähe  seines  medialen  Endes  zeigt  derselbe  eine  flache  Furche, 
Incisura  frontalis,  lateral  von  ihr  einen  meist  etwas  tieferen  Ausschnitt,  Incisura 
supraorbitalis,  beide  für  die  gleichnamigen  Nerven  und  Gefäße  bestimmt.  Sie 
können  durch  Knochenbrücken  zu  Löchern  geschlossen  werden.  Der  seitliche  Teil 
des  Supraorbitalrandes  ist  besonders  scharf;  bei  Fall  auf  einer  glatten  Fläche,  z.  B. 
auf  der  Eisbahn,  auf  die  Seite '  des  Gesichtes,  kann  er  von  innen  nach  außen  die 
Haut  durchschneiden. 

Die  Außenfläche  der  Schuppe  ist  nur  von  einer  dünnen  Weichteilschichte  über- 
zogen, so  daß  man' ihre  Form  auch  am  Lebenden  leicht  erkennt.  Nahe  der  Haargrenze 
treten  beiderseits  die  Stirnhöcker,  Tubera  frontalia  (1 05), hervor,  bei  dem  einen 
Schädel  stärker,  bei  dem  anderen  schwächer.  Unter  ihnen  folgt  eine  ganz  leichte-  Ein- 
senkung.  Zunächst  dem  Supraorbitalrand  kommt  dann,  ihm  ungefähr  parallel  verlaufend, 
ein  Wulst,  Arcus  superciliaris,  ebenfalls  von  verschiedener  Ausbüdung.  Daß  er 
nichts  mit  den  Augenbrauen  zu  tun  hat,  wie  sein  Name  vermuten  lassen  könnte,  lehrt 
die  Betastung  am  Lebenden.  Die  Braue  folgt  dem  Augenhöhlenrand,  die  Arcus  super- 
ciliares aber  werden  hervorgerufen  durch  die  hinter  ihm  liegenden  Stirnhöhlen. 
Die  Stelle  zwischen  den  beiden  Arcus  superciliares  über  der  Nasenwurzel  trägt  den 
Namen  Stirnglatze,  Glabella,  weil  dort  am  unversehrten  Kopf  die  beiden  Brauen 
in  der  Regel  zwischen  sich  eine  unbehaarte  Stelle  lassen. 

Die  Stirnfläche,  Facies  frontalis,  der  Schuppe  wird  beiderseits  begrenzt 
durch  den  erst  einfachen  Anfang  der  Linea  temporalis,  welche  sich  nachher  beim 
Übergang  auf  das  Scheitelbein  ('S.  62)  teilt.  Hinter  ihr  folgt  die  kleine  Facies  tem- 
poralis (105),  welche  sich  mit  der  entsprechenden  Fläche  des  Scheitelbeines  zur 
Bildung  des  Planum  temporale  vereinigt.  Das  vordere  Ende  der  Linea  temporalis 
und  das  laterale  des  Margo  supraorbitalis  gehen  auf  einen  dreiseitig  prismatischen 
Vorsprung  über,  Processus  zygomaticus,  welcher  sich  einerseits  an  der  Bildung 
der  Facies  orbitalis,  andererseits  an  der  der  Facies  temporalis  beteiligt.  Die  untere 
Fläche  des  Fortsatzes  ist  durch  eine  rauhe  Naht  mit  dem  Jochbein  verbunden. 

Die  Pars  nasalis  (107)  besteht  aus  einem  hufeisenförmig  gebogenen  Rand. 
Derselbe  trägt  vorne  eine  sehr  rauhe  Nahtfläche  für  Anheftung  der  Nasenbeine  und  des 
Proc.  frontalis  des  Oberkiefers.  Die  Nasenbeine  werden  noch  durch  einen  median 
stehenden,  seitlich  abgeplatteten  Fortsatz  von  individuell  verschiedener  Länge,  Spina 
frontalis  (105),  besonders  gestützt.  An  die  hintere  Kante  der  Spina  legt  sich  die 
Lamina  perpendicularis  des  Siebbeins,  im  Inneren  beherbergt  sie  das  oben  erwähnte 
Foramen  caecum;  beide  stehen  und  fallen  miteinander  (Holl  1893).  Zu  beiden  Seiten 
ist  die  Oberfläche  des  Nasenteiles  zellig  gebaut,  zur  Ergänzung  der  an  sie  sich  an- 
legenden Zellen  des  Siebbeines.  Zwischen  dem  Stirnfortsatz  des  Oberkiefers  und  dem 
Siebbein  legt  sich  der  obere  Rand  des  Tränenbeines  an  den  Nasenteil  des  Stirn- 
beines an. 

Die  Orbitalflächen,  Facies  orbitales  (107),  verschmälern  sich  nach  hinten, 
so  daß  sie  eine  fast  dreiseitige  Gestalt  zeigen.  Nahe  dem  medialen  Ende  des  Supra- 
orbitalrandes findet  man  ein  nicht  immer  gleich  gut  ausgebildetes  Grübchen,  Fovea 
trochlearis,  zur  Anheftung  der  Schlinge,  in  welcher  die  Sehne  des  M.  obliquus  oculi 
sup.  läuft.  In  selteneren  Fällen  steht  neben  und  hinter  der  Fovea  ein  kurzer  Stachel, 
Spina  trochlearis.  An  der  lateralen  Seite  der  Orbitalfläche  findet  man  nächst 
dem  Jochfortsatz  eine  schlecht  begrenzte  Vertiefung,  welche  eine  Fingerkuppe  auf- 
nehmen kann,  für  die  obere  Tränendrüse,  Fössa  glandulae  lacrimalis. 


Stirnbein.  65 

Der  rauhe  laterale  Rand  des  Orbitalteiles  steht  vorne  mit  dem  Jochbein,  hinten 
mit  dem  großen  Kcilbeinflügel  in  Verbindung. 

Die  Stirnhöhlen,  Sinus  frontales1)  (112,  113),  sind  pneumatische  Neben- 
höhlen der  Nase.  Beim  Erwachsenen  sind  sie  normalerweise  von  Keil-  oder  Dreiecks- 
form. Sie  überragen  bei  mittlerer  Ausbildung  den  Augenbrauenwulst  kaum  und 
erstrecken  sich  dicht  hinter  dem  Augenhöhlenrand  auf  das  medialste  Ende  des 
Orbitaldaches.  Sic  sind  nicht  immer  symmetrisch.  Voneinander  getrennt  werden  sie 
durch  ein  nicht  immer  genau  median  stehendes  Septum.  Dasselbe  ist  die  letzte 
Erinnerung  an  die  paarige  Entstehung  des  Stirnbeines. 

Die  Wand  der  Stirnhöhle  ist  vorne  am  stärksten,  über  der  Orbita  am  dünnsten. 
Die  Oberflächen  der  Stirnhöhlen  sind  glatt,,  doch  springen  nicht  selten  Leisten  vor, 
welche  größere  oder  kleinere  Nischen  bilden  können.  Von  ihrer  Mündung  im  Infundi- 
bulum  des  Siebbeines  wird  unten  die  Rede  sein. 

Entwickelung  (159).  Wie  das  Scheitelbein  ist  auch  das  Stirnbein  ein  reiner  Hautknochen. 
Es  legt  sich  paarig  an  und  zwar  von  zwei  Ossifikationspunkten  aus,  welche  an  Stelle  der  späteren 
Tubera  frontalia  gegen  Ende  des  zweiten  Fetalmonats  auftreten.  Von  ihnen  aus  entsteht  auch 
die  Pars  orbitalis  in  der  neunten  Woche.  Accessorische  Knochenpunkte  wurden  von  verschie- 
denen Beobachtern  gefunden:  im  Proc.  zygomaticus  (für  ein  Os  postfrontale  gehalten),  im  hinteren 
Teil  der  Pars  orbitalis,  am  spätesten  auftretend  in  der  Basis  der  Spina  frontalis.  Zur  Zeit  der 
Geburt  sind  beide  Stirnbeine  noch  voneinander  getrennt.  Ihre  Verwachsung  beginnt  gegen  Ende 
des  ersten  Lebensjahres  und  zwar  zuerst  in  dem  mittleren  Teil  der  sie  verbindenden  Naht.  Nahe 
der  Nasenwurzel  läßt  zuweilen  die  Vereinigung  etwas  länger  auf  sich  warten,  man  spricht  dann 
von  einer  Fontanella  metopica.  (Vgl.  Schwalbe  1901).  Gegen  Ende  des  zweiten  Lebensjahres 
verschwindet  die  Stirnnaht,   welche  vorher  zackig  geworden  war,  vollständig. 

Die  Stirnhöhlen  erscheinen  in  ihren  ersten  Spuren  gegen  Ende  des  ersten  Lebensjahres, 
indem  die  luftführenden  Räume  der  Nase  in  das  Stirnbein  vordringen.  Sie  wachsen  erst  sehr 
langsam  hinter  dem  oberen  Augenhöhlenrand  hin,  so  daß  das  Orbitaldach  bei  ihrer  pathologischen 
Anschwellung  in  die  Augenhöhle  hinein  vorgewölbt  wird.  Später  vergrößern  sie  sich  auch  nach 
oben;  ihre  volle  Ausbildung  erlangen  sie  erst  zu  Beginn  der  zwanziger  Jahre.  Durch  ihr  Wachsen 
verändert  sich  während  und  nach  der  Pubertätsentwickelung  die  Physiognomie  zuweilen  be- 
trächtlich, indem  die  kindlich  stark  gewölbte  Stirn  in  ihrem  unteren  Teil  flacher  erscheint  und 
die  Nasenwurzel  vortritt.  Ob  die  Stirnhöhlen  bis  ins  Alter  hinein  sich  immer  weiter  vergrößern 
können,  wie  es  von  manchen  Seiten  behauptet  wird,  muß  dahingestellt  bleiben,  da  ihre  defini- 
tive Ausbildung  auch  in  jüngeren   Jahren  eine  überaus  schwankende  ist. 

Varietäten.  Spuren  der  Stirnnaht  erhalten  sich  in  ihrem  untersten  Teil  über  der  Nasen- 
wurzel häufig.  Dort  kombinieren  sich  auch  mit  dem  erstmaligen  Schluß  sekundäre  Knochcnbil- 
dungen,  welche  Schwalbe  (1901)  beschreibt.  In  nicht  allzu  seltenen  Fällen  bleibt  die  Stirn- 
naht  auch  beim  Erwachsenen  in  ganzer  Ausdehnung  erhalten.  Sic  zeigt  dann  von  allen  Nähten 
der  Calvaria  che  geringste  Neigung  zur  Obliteration.  -  -  Wenn  sich  die  Stirnhöhlen  sehr  stark 
ausbreiten,  dann  treiben  sie  die  Arcus  superciliares  stark  vor  und  steigen  oft  beträchtlich  wen 
an  der  Stirnc  empor.  In  etwa  einem  Drittel  der  Fälle  (Witt  1000)  erstrecken  sie  sieh  auch  über 
das  I  »ach  der  Augenhöhle  hin.  Sie  können  bis  gegen  den  Processus  clinoideus  anterior  hin  reichen. 
Erfolgt  in  einem  solchen  Fall  ein  Bruch  des  Augenhöhlendaches,  dann  tritt  von  der  Stirnhöhle 

aus    I  ull    in    den    Inhalt    der   (  hbit.i    ein. 

Auf  der  anderen  Seite  können  sie  auch  bis  in  die  Spina  frontalis  hinein  sich  erstrecken, 
so  daß  sie  bis  unter  d.is  Nasendach  reichen.  Andererseits  findet  in.m  sie  gelegentlich  verkümmert, 
selbst  ganz  fehlend.  Als  Rasseneigentümlichkeit  beobachtet  man  dies  bei  Australiern.  Vom 
Siebbein  her  können  hohlkugckirlig  .uiscebm  htete  pneumatische  Kammern  in  die  Stirnhöhlen 
hinein   vorgetrieben   werden;   dieselben   haben   natürlich   eine   besondere   Mündung. 

Praktische  Bemerkungen,  Da  die  <\vi  Orbita  zugekehrte  Wand  der  Stirnhöhle  am 
dünnsten  ist.  und  sie  bei  Empyemen  am  ersten  vorgebuchtet.     Eine  Ektasie  ist  deshalb  zuerst 

über  dem    medialen     Augenwinkel   bemerkbar.      Die    Dicke   der  äußeren   Wand  bringt  es  mit  sich, 


')    Antrum   frontale. 
Merkel.  Anatomie  II.    Skelctlchr 


66  Siebbein. 

daß  andringenden  Gewalten  ein  Widerstand  entgegengesetzt  wird,  welcher  nicht  geringer  ist, 
wie  der  des  Schädeldaches  im  allgemeinen.  Lückenbildung,  sei  es  durch  Entwickelungshemmung, 
sei  es  durch  Atrophie,  kann  alle  Wände  der  Stirnhöhle,  auch  die  Scheidewand,  betreffen ;  besondere 
Gefahr  bringt  ein  Defekt  der  hinteren  Wand  mit  sich,  da  bei  ihm  die  Weichteile  der  Stirnhöhle 
mit  denen  der   Schädelhöhle  in  unmittelbaren  Kontakt  treten. . 


6.  Siebbein,  Os  ethmoidale. 

Die  Ausbildung  des  menschlichen  Siebbeines  ist  eine  geringere  als  bei  den 
meisten  Säugern,  was  im  Zusammenhang  mit  den  Umformungen  steht,  welche  der 
menschliche  Schädel  durch  die  übermächtige  Entwickelung  des.  Vorderhirnes  erfährt. 
Das  mehr  nach  vorne  gerichtete  Gesichtsskelet  und  Siebbein  der  niederer  stehenden 
Säuger  zeigt  sich  beim  Menschen  nach  unten  verschoben  und  die  Augenhöhlen  rücken 
näher  zusammen,  so  daß  der  Raum  zwischen  ihnen,  in  welchen  sich  das  Siebbein 
einfügt,  beengt  wird.  In  Verbindung  mit  der  Verschmälerung  des  Siebbeines  steht 
eine  Reduktion  des  Geruchsorganes  und  derjenigen  Teile  des  Knochens,  welche  dessen 
Ausbreitung  tragen. 

Entwickelungsgeschichtlich  geht  das  Siebbein  aus  dem  hinteren  Teil  der  Knorpel- 
kapsel des  Geruchsorganes  hervor.  Dieselbe  ist  anfänglich  glattwandig,  in  der  Folge 
aber  erheben  sich  an  ihrer  inneren  Oberfläche  Leisten,  welche  Schleimhautfalten 
zu  stützen  haben  (Conchae1),  Muscheln).  Die  Ansatzlinie  derselben  geht  von  der 
Lamina  cribrosa  aus  auf  die  Seitenwand  der  Nasenkapsel  über  und  ist  von  oben  vorn, 
nach  hinten  unten  gerichtet.  Die  vergleichende  Anatomie  lehrt  (Paulli  1900),  daß 
ihrer  ursprünglich  fünf  vorhanden  waren  (Hauptmuscheln,  Endoturbinalien),  zu 
welchen  noch  eine  wechselnde  Anzahl  kleinerer  (Nebenmuscheln,  Ektoturbinalien) 
kommen,  welche  nicht  so  weit  gegen  die  Scheidewand  hin  vorspringen,  wie  jene,  sondern 
zwischen  ihnen  in  der  Tiefe  verborgen  sind.  Eine  große  Anpassungsfähigkeit  des 
Siebbeines  an  die  speziellen  Bedürfnisse  einer  Species  bringt  es  nun  mit  sich,  daß 
die  Muscheln  einerseits  ungemein  kompliziert  werden  können,  indem  sich  der  von  einer 
Basalplatte  ausgehende  freie  Rand  stark  umrollt,  indem  von  der  Basalplatte  selbst 
Seitenplatten  ausgehen,  welche  sich  ebenfalls  umrollen;  andererseits  können  sie  sich 
außerordentlich  vereinfachen,  so  daß  ihr  Rand  nur  wenig  umgebogen  erscheint.  Sie 
können  ganz  rudimentär  werden,  ein  Teil  von  ihnen  kann  auch  völlig  verschwinden. 
Beim  Menschen  sind  sie  sowohl  in  ihrem  Bau  wie  auch  an  Zahl  reduziert. 

Durch  Verwachsungsvorgänge  und  divertikelartige  Ausstülpungen  von  Schleim- 
hautsäckchen  entsteht  an  der  Innenwand  des  Siebbeins  ein  System  von  Kammern, 
Cellulaeethmoidales,  welche  nach  der  Verknöcherung  durch  papier dünne  Knochen- 
plättchen  voneinander  getrennt  werden.  Sie  liegen  in  drei  (beim  Vorhandensein 
einer  obersten  Muschel  in  vier)  Reihen  übereinander  und  öffnen  sich  in  die  Spalten 
zwischen  den  Muscheln  (Seydel  1891).  Die  größten  Räume  dieser  Art  sind  die  Stirn- 
höhle und  die  Kieferhöhle.  Die- Keilbeinhöhle  dagegen  ist  als  der  hinterste  Teil  der 
Haupthöhle  der  Nase  anzusehen,  welcher  sich  von  dieser  abgesondert  hat  (Killian 
1906) . 

In  ausgebildetem  Zustand  erscheint  das  Siebbein  zusammengesetzt  aus  einer 
horizontalen  und  einer  vertikalen  Platte,  welche  sich,  im  rechten  Winkel  durchkreuzen 
und  aus  den  Seitenteilen,  welche  von  der  horizontalen  Platte  ausgehen. 


2)   Ossa  turbinata,  turbinalia. 


Siebbein.  67 

Die  vertikal  stehende  Platte  ist  ein  Teil  der  medianen  Scheidewand,  welche 
sich  vom  Innern  der  Schädelhöhle  aus  in  die  Nase  bis  zu  deren  Boden  herab  fortsetzt. 
In  der  Nasenhöhle  bildet  sie  die  Lamina  perpendicularis  (108,  145),  welche  die 
Form  eines  ungleichseitigen  Viereckes  besitzt.  Hinten  stößt  sie  an  die  Crista  sphe- 
noidalis,  unten  wird  sie  ergänzt  durch  die  nachher  zu  beschreibende  Pflugschar, 
vorne  oben  legt  sie  sich  an  die  Nasenbeine,  vorne  unten  hängt  sie  zusammen  mit  emer 
stets  unverknöchert  bleibenden  Knorpelplatte,  welche  den  vordersten  Teil  der  Nasen- 
scheidewand bildet.  Jenseits  der  Lamina  cribrosa  in  der  Schädelhöhle  setzt  sich  die 
mediane  Scheidewand  fort  als  Hahnenkamm,  Crista  galli r)  (108,  109),  einen 
vorne  steil,  nach  hinten  allmählich  abfallenden,  oft  aufgetriebenen  Vorsprung  von 
sehr  verschiedener  Größe,  von  welchem  dann  die  im  weiteren  fibröse  Scheidewand 
des  Schädelraumes,  die  Hirnsichel,  nach  oben  ausgeht.  Der  vordere  Rand  der  Crista 
galli  läuft  jederseits  in  einen  kleinen  flügeiförmigen  Fortsatz,  Processus  alaris 
(109,  110),  aus,  welcher  sich  an  das  Stirnbein  anlegt  und  sich  an  der  Umschließung 
des  Foramen  caecum  beteiligt   (S.  63). 

Die  horizontale  Platte  des  Siebbeines,  welche  die  beiden  Teile  der  vertikalen 
voneinander  trennt,  ist  die  Lamina  cribrosa2)  (110).  Sie  legt  sich  in  die  Incisnra 
ethmoidalis  des  Stirnbeines  hinein  und  grenzt  hinten  an  den  Körper  des  Keilbeines. 
Auf  ihr  ruht  der  Bulbus  olfactorius  des  Gehirns.  Die  von  diesem  ausgehenden  Zweige 
des  N.  olfactorius  betreten  durch  die  zahlreichen  Löcher,  welche  die  in  Rede  stehende 
Platte  siebförmig  durchbrechen,  die  Nasenhöhle.  Eines  der  vordersten  Löcher,  welches 
schlitzförmig  verlängert  ist,  läßt  den  N.  ethmoidalis  von  der  Schädelhöhle  in  die 
Nasenhöhle  gelangen. 

Das  Siebbeinlabyri.nth,  Labyrinthus  ethmoidalis  (108),  ist  von  einer 
ungefähr  würfelförmigen  Gestalt.  Es  ist  jederseits  am  Seitenrand  der  Siebplatte 
befestigt  und  stößt  oben  an  das  Stirnbein,  unten  an  das  Oberkieferbein,  hinten  an  den 
Keilbeinkörper  und  das  Gaumenbein,  vorne  an  das  Tränenbein.  Im  übrigen  ist  seine 
seitliche  Oberfläche  als  eine  papierdünne  Platte,  Lamina  papyracea  (109),  in 
der  Augenhöhle  sichtbar,  wo  sie  den  Hauptteil  von  deren  medialer  Wand  zu  bilden 
hat  (114). 

In  der  Augenhöhle  findet  man  in  der  Naht  zwischen  Papierplatte  und  Stirn- 
bein zwei  Öffnungen,  Forr.  ethmoidalia,  anterius  und  posterius  (114),  die 
Eingänge  von  kurzen  Kanälen,  welche  von  aufeinander  passenden  Rinnen  der  beiden 
Knochen  gebildet  werden  oder  auch  nur  einem  derselben  angehören.  Sie  enthalten 
die  gleichnamigen  Nerven  und  Gefäße. 

Die  erwähnten  Kammern,  Cellulae  ethmoidales  (110),  welche  das  Labyrinth. 
bilden,  werden  im  allgemeinen  von  der  Papierplattc  bedeckt;  dort  aber,  wo  sich  das 
Labyrinth  an  benachbarte  Knochen  anlegt,  dringen  sie  gegen  diese  soweit  vor,  daß 
sie  in  ihnen  Aushöhlungen  verursachen.  Bei  der  Trennung  der  ein/einen  Schädel- 
knochen voneinander  bleib!  ein  Teil  dieser  Zellen,  an  den  deckenden  Knochen  hängen, 
so  daß  der  am  Siebbein  befindliche  Teil  mit  weiter  Öffnung  klafft.  Ahm  benennt 
diese  letzteren  Kammern  als  Cellulae  frontales,  maxillares,  sphenoidales,  palatinae, 
lacrimales. 

Von  t\ry  medialen  Seite  des  I  ..ibyrint lies  gehen  die  Muscheln  ans  und  zwar  ge- 
wöhnlich zwei,  Concha  superior3)  und  media  (112).     Sie  sind  schief  nach  hinten 

')  Crista  etlimoidica,  Triepel. 
•)   1  amina  cribrosiformis. 

a)   C'imi'liii    Moi'n.i^niana.     Os   turbinatum  sup. 

5* 


68  Siebbein. 

absteigende  Knochenplättchen  mit  rauher  Oberfläche  und  einem  lateralwärts  um- 
gerollten freien  Rand  (111).  Ihre  Ansätze  fließen  oben,  wo  sie  von  der  Lamina 
cribrosa  ausgehen,  zusammen,  unten  und  hinten  weichen  sie  auseinander,  so  daß  der 
Ansatz  der  oberen  Muschel  auf  die  Mitte  des  For.  sphenopalatinum,  der  der  mittleren 
auf  dessen  unteren  Umfang  trifft.  Die  Spalte  zwischen  den  beiden  Muscheln  wird 
als  oberer  Nasengang,  Meatus  nasi  superior,  bezeichnet.  In  einer  Anzahl 
von  Fällen  kommt  es  oberhalb  der  Concha  superior  zur  Ausbildung  einer  obersten 
Muschel,  Concha  suprema1),  welche  einmal  gut  entwickelt,  ein  andermal  rudi- 
mentär ausgebildet  ist. 

Unter  der  mittleren  Muschel,  von  ihr  gedeckt,  findet  man  ferner  einen  hohlen 
Wulst,  welcher  einer  Siebbeinzelle  gleicht  (Bulla  ethmoidalis)  (108.  113);  sie  ent- 
spricht einer  der  erwähnten  Nebenmuscheln.  Vor  der -vorderen  Spitze  der  mittleren 
Muschel  endlich  geht  von  einem  kleinen,  nicht  immer  deutlichen  Wulst  (Agger  nasi) 
(113)  ein  platter,  dünner  Fortsatz  aus  (Processus  uncinatus)  (108,  114),  welcher 
einen  nach  hinten  gerichteten,  gebogenen  Verlauf  zeigt.  Agger  nasi  und  Proc.  unci- 
natus stellen  den  verkümmerten  Rest  einer  Muschel  dar,  des  bei  Säugetieren  oft 
mächtig  ausgebildeten  Os  nasoturbinale.  In  der  menschlichen  Nase  dient  der  Proc. 
uncinatus  nur  dazu,  die  große  Öffnung  der  Kieferhöhle  teilweise  zu  verschließen. 
Bulla  ethmoidalis  und  Processus  uncinatus  begrenzen  einen  halbmondförmigen 
Spalt,  Hiatus  semilunaris  (113),  den  Eingang  in  einen  Raum,  Infundibulum, 
von  welchem  aus  man  einerseits  in  die  Kieferhöhle,  andererseits  in  die  Stirnhöhle 
gelangt. 

Ent wickelung.  Die  Formbildung  des  Siebbeinskeletes  erfolgt  unter  dem  Einfluß  der 
Weichteile,  es  schließt  sich  erst  sekundär  an  diese  an.  Davon  wird  bei  Betrachtung  der  Nase 
im  ganzen  zu  sprechen  sein.  Die  Knochenentwickelung  ist  eine  enchondrale;  sie  erfolgt  spät, 
erst  vom  fünften  Fetalmonat  ab.  Zu  dieser  Zeit  erscheint  ein  Knochenkern  in  der  Lamina  pa- 
pyracea,  dem  sich  andere  anschließen.  Noch  zur  Zeit  der  Geburt  sind  die  beiden  Labyrinthe 
nicht  knöchern  mit  dem  übrigen  verbunden.  In  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Lebensjahres  tritt 
am  Ansatz  der  Lamina  cribrosa  an  die  Lamina  perpendicularis  eine  Reihe  von  Knochenpunkten 
auf,  danach  auch  in  der  Crista  galli.  Endlich  fließt  alles  zusammen  und  etwa  im  sechsten  Lebens- 
jahr ist  die  Verknöcherung  vollendet.  Die  Cellulae  ethmoidales  bilden  sich  teilweise  erst  während 
des  Ossifikationsprozesses  vollständig  aus. 

Varietäten  in  der  Ausbildung  der  Siebbeinlabyrinthe  sind  überaus  häufig  und  vielseitig. 
Die  Muscheln  sind  einander  in  den  einzelnen  Fällen  nicht  immer  homolog.  Killian  (1896),  welcher 
feststellt,  daß  beim  Menschen  sechs  Hauptmuscheln  zur  Anlage  kommen,  zeigt,  daß  dieselben 
während  der  Entwickelung  in  verschiedenen  Kombinationen  verschmelzen  können  und  es  kommen 
Fälle  vor,  in  welchen  man  über  die  morphologische  Bedeutung  der  vorhandenen  Muschelbil- 
dungen im  Zweifel  sein  kann.  Von  den  pneumatischen  Höhlen  des  Siebbeines  sagt  Paulli  (1900), 
daß  die  Systeme  außerordentlich  großen  individuellen  Verschiedenheiten  unterworfen  sind.  Da 
die  Lage  der  Öffnungen  in  den  Zwischenräumen  der  Muscheln  ganz  regellos  ist  und  da  Rückbil- 
dungserscheinungen eine  bedeutende  Rolle  spielen,  erscheint  die  Fixierung  der  Lage  jeder  Öffnung 
und  die  Homologisierung  der  einzelnen  Höhlen  außerordentlich  erschwert.  ,,Es  werden  einer- 
seits Gänge  verengt  oder  gar  vernichtet  und  anderseits  konfluieren  sonst  getrennte  Räume  und 
es  treten  durch  exzessive  Größe  ausgezeichnete  Siebbeinzellen  auf"  (Zuckerkandl  1893).  Die 
Pneumatisation  des  Siebbeins  wird  nicht  durch  eine  bestimmte  pneumatische  Höhle  dargestellt, 
weshalb  sowohl  die  Zahl  der  frontalen  Höhlen  wie  auch  die  Lage  ihrer  Öffnungen  sehr  bedeutende 
individuelle  Verschiedenheiten  zeigen   (Paulli). 

Die  Zellenbildung  erstreckt  sich  in  die  mittlere  Nasenmuschel,  den  Agger  nasi  und  den 
Processus  uncinatus  hinein   (Schäffer   191  o). 


1)  Concha  Santoriniana. 


Untere  Muschel.     Tränenbein.  69 

Das  Siebbein  wird  durch  einige  kleinere  Knochen  zur  Gesamtheit  des  Nasen- 
skeletes  vervollständigt  und  zwar  durch  die  unteren  Muscheln  und  die  Tränenbeine, 
welche  das  Labyrinth,  und  das  Pflugscharbein,  welche  die  mediane  Scheidewand 
ergänzen.     Die  Nasenbeine  haben  das  Skelet  der  äußeren  Nase  zu  bilden. 

7.  Untere  Muschel,  Concha  inferior1). 

In  ausgebildetem  Zustand  bildet  die  untere  Muschel  einen  separaten  Knochen, 
obwohl  sie  ebenfalls  aus  der  knorpeligen  Nasenkapsel  hervorgeht.  Sie  bildet  sich  aus 
dem  unteren  einwärts  umgebogenen  Rand  derselben  und  ist  deshalb  den  Siebbein- 
muscheln  nicht  homolog.  Der  von  diesen  verschiedene  Ursprung  zeigt  sich  auch 
darin,  daß  die  Richtung  ihres  Ansatzes  an  der  lateralen  Nasenwand  ein  anderer  ist. 
Er  verläuft  fast  horizontal  von  vorne  nach  hinten  (112).  Das  Aussehen  der  unteren 
Muschel  ist  freilich  dem  der  Siebbeinmuscheln  sehr  ähnlich.  Sie  besteht  aus  einem 
Körper  und  drei  Fortsätzen. 

Der  Körper  ist  eine  dünne  konvex-konkav  gestaltete  Knochenplatte  mit  rauher 
Oberfläche  (113).  Vorne  und  hinten  zeigt  sie  sich  zugespitzt.  Das  vordere  Ende 
des  Körpers  legt  sich  an  die  Crista  conchalis  des  Oberkieferbeines,  das  hintere  an 
diejenige  des  Gaumenbeines  an.  Der  Mittelteil  überbrückt  den  Hiatus  maxillaris 
der  Kieferhöhle. 

Die  Fortsätze  gehen  von  dem  Mittelteil  des  lateral-oberen  Randes  des  Körpers 
aus.  Der  Processus  maxillaris  (111),  eine  dreieckige  oder  halbmondförmig 
Knochenplatte,  ragt  abwärts  und  verschließt  den  unteren  Teil  des  Hiatus  maxillaris. 
Die  beiden  anderen  Fortsätze  sind  aufwärts  gerichtet.  Der  vordere,  Processus 
lacrimalis2)  (113),  ist  ein  vierseitiges  Plättchen,  welches  sich  in  die  Lücke  zwischen 
den  Rändern  des  Sulcus  lacrimalis  des  Oberkieferbeines  einschiebt  und  auf  diese  Art 
die  mediale  Wand  des  Tränennasenganges  bildet.  Nach  oben  stößt  er  an  den  unteren 
Kund  des  Tränenbcincs.  Der  hintere  Fortsatz,  Processus  ethmoidalis,  ist  un- 
regelmäßig geformt  und  weniger  konstant  wie  der  vordere  (113,  114).  Er  steigt 
gegen  (las  Ende  des  Proc.  uncinatus  auf  und  ist  oft  mit  ihm  verwachsen.  Wie  der 
Proc.  maxillaris  trägt  auch  er  zur  Verengerung  des  weiten  Hiatus  maxillaris  bei. 

Die  Spalte  /.wischen  mittlerer  und  unterer  Muschel  wird  als  mittlerer,  die  zwischen 
unterer  Muschel  und  .Nasenhoden  als  unterer  Xasengang,  Meatus  nasi  medius 
und  in  ferior  bezeichnet   (///). 

Entwickelung.  Die  Verknöcherung  geschieht  unabhängig  von  der  des  Siebbeines  im 
fünften  Ms  siebenten   Fetalmonat. 

Varietäten.  Die  Krümmung  der  unteren  Muschel  ist  eine  sehr  wechselnde,  selbst  in 
den  beiden  Nasenhälften  eines  und  desselben  .Mensehen,  es  wird  daduri  li  du-  Weite  des  unteren 

Nasenlanges   ni.iüe.rlicnd    InviulluLlt.      Der    Iren-    Kund    ist    zuweilen    mehr   oder   weniger   tief  ein- 
gekerbt. 

« 

8.  Tränenbein,  Os  lacrimale3). 

Das  Tränenbein  (115,  116)  ist  von  vierseitiger  Gestalt.  Es  schließt  sich  an  das 
Siebbein  an  und  ergänzt  es  in  der  Bedeckung  seiner  pneumatischen  Räume.     Es  ist 


')    i  IS    tml>m.de.      Muxille-Uubinale. 

-')   Processus  nasalis. 

;1)  i  »s  unguis. 


70  Pflugscharbein. 

eine  vierseitige,  sehr  dünne  Knochenplatte,  welche  hinten  an  die  Papierplatte  des 
Siebbeins,  oben  an  das  Stirnbein,  unten  an  den  Körper  des  Oberkieferbeines  und 
die  untere  Muschel,  vorne  an  den  Stirnfortsatz  des  Oberkiefers  grenzt  (114).  Über 
seine  der  Augenhöhle  zugewandte  äußere  Oberfläche  läuft  eine  scharfe  Firste  herab, 
Crista  lacrimalis  posterior,  welche  unten  mit  einem  vorwärts  gekrümmten 
Haken,  Hamulus  lacrimalis1),  endigt.  Die  Firste  trennt  das  hintere  plane  Feld 
des  Knochens,  welches  in  der  Flucht  der  Papierplatte  liegt,  von  dem  vorderen  ge- 
höhlten Feld,  Sulcus  lacrimalis,  ab,  welches  zusammen  mit  einem  gleichnamigen 
Feld  des  Oberkiefers  die  Fossa  sacci  lacrimalis  (114)  bildet.  Das  untere  Ende 
der  Tränenfurche  berührt  sich,  wie  erwähnt,  mit  dem  erwähnten  Proc.  lacrimalis 
der  unteren  Muschel;  der  Hamulus  hilft  den  Eingang  in  den  Tränennasenkanal 
umranden. 

Die  innere  Oberfläche  zeigt  blattrippenartig  vorspringende  Leistchen  von  hori- 
zontalem und  schrägem  Verlauf,  Grenzen  der  von  dem  Knochen  gedeckten  Siebbein- 
zellen  (116). 

Entwickelung  (160).  Das  Tränenbein  entsteht  als  Deckknochen  im  dritten  Fetalmonat 
in  der  Regel  von  einem  einzigen  Knochenkern  aus.  Daß  dies  jedoch  nicht  ausnahmslos  der  Fall 
sein  muß,  beweisen  Fälle,  in  welchen  es  der  Länge  oder  der  Quere  nach  durch  eine  Naht  geteilt 
ist,  oder  in  welchen  der  Hamulus  ein  besonderes  Knöchelchen  darstellt. 

Varietäten  sind  zahlreich.  Oft  ist  das  Tränenbein  von  größeren  oder  kleineren  Öff- 
nungen durchbrochen ;  die  Zahl  der  Löcher  kann  so  groß  werden,  daß  nur  ein  Netz  zarter  Knochen- 
leistchen  übrig  bleibt.  Es  kann  sehr  schmal  werden,  es  kann  (selten)  selbst  ganz  fehlen  und  wird 
dann  durch  die  angrenzenden  Knochen  ersetzt.  Der  Hamulus  kann  sich  verdoppeln  (selten), 
er  kann  reduziert  sein  oder  fehlen,  er  kann  verbreitert  oder  verlängert  sein,  er  kann  sich  in  den 
Tränennasenkanal  hinein  senken.  Eine  Anzahl  von  Varietäten  des  Tränenbeines  stellt  Zustände 
dar,  wie  sie  bei  gewissen  Säugern  normal  sind.      (Vgl.   Zabel  1900.) 

9.  Pflugscharbein,  Vomer. 

Eine  unregelmäßig  vierseitige  Platte  (115),  welche  in  der  Fortsetzung  der  Lamina 
perpendicularis  des  Siebbeines  den  unteren  Teil  der  knöchernen  Nasenscheidewand 
bildet.  Der  obere,  rinnenförmig  vertiefte  Rand  der  Pflugschar  grenzt  an  die  Perpen- 
dikularplatte,  überragt  sie  aber  nach  beiden  Seiten ;  hinten  legt  sie  sich  an  den  Körper 
des  Keübeines  an,  vorne  an  den  knorpeligen  Teil  der  Nasenscheidewand.  Der  untere 
Rand  steht  auf  der  Crista  nasalis  des  Nasenbodens,  der  ganz  kurze  vordere  Rand 
stemmt  sich  an  die  hintere  Seite  des  Os  incisivum,  der  hintere  scharfe  Rand  ist  frei 
und  bildet  die  Scheidewand  der  Choanen  (142).  Wo  der  obere  Rand  des  Knochens 
sich  an  das  Keilbein  anlegt,  weicht  er  in  zwei  Blätter,  Alae  vomeris  (119),  aus- 
einander, welche  das  Rostrum  sphenoidale  umfassen.  Die  Seitenränder  der  Flügel 
stoßen  an  die  Proc.  vaginales  des  Keübeines  und  vor  ihnen  an  die  Proc.  sphe- 
noidales  der   Gaumenbeine. 

Auf  den  Flächen  der  Vomerplatte  verläuft  jederseits  eine  nicht  immer  deutliche 
Furche  von  hinten  nach  vorne,  welche  den  N.  nasopalatinus  aufnimmt. 

Von  den  Flügeln  der  Pflugschar  und  den  angrenzenden  Knochen  werden  drei  inkonstante 
Kanälchen  gebildet,  die  Can.  vomerobasilares,  ein  medianer  (Can.  vomeris)  und  zwei  seit- 
liche, ein  oberer  (der  S.  54  erwähnte  Can.  basipharyngeus)  und  ein  unterer  (Can.  pharyngeus). 
Sie  enthalten  feine   Gefäß-  und  Nervenzweige. 

Entwickelung.  Das  Pflugscharbein  ist  ein  Deckknochen,  dessen  erste  Spur  um  die  achte 
Fetalwoche  am  unteren  Rand   der  knorpeligen  Xasenscheidewand  erscheint.     Die   Ossifikation 

x)   Processus  uncinatus. 


Nasenbein.  71 

breitet  sich  zu  beiden  Seiten  derselben  aus,  so  daß  dann  die  knöcherne  Pflugschar  wie  eine  schmale 
Tasche  erscheint,  in  welche  derScheidewandknorpel  von  oben  her  hineingelegt  ist,  wie  die  Klinge 
eines  Klappmessers  in  die  Schale.  So  bleibt  das  Verhalten  lange  Zeit  und  die  beiden  Platten  ver- 
wachsen miteinander  erst  um  die  Zeit  der  Pubertät  unter  Verdrängung  des  Knorpels.  Sehr  oft 
findet  man,  daß  sich  noch  in  späterer  Lebenszeit  größere  oder  kleinere  Knorpelreste  im  Innern 
des  Knochens  erhalten.  Am  oberen  Rand  bleibt  als  Erinnerung  an  den  früheren  Zustand  stets, 
wie  erwähnt,  eine  rinnenförmige  Spalte  erhalten,  in  welcher  der  knorpelige  Teil  der  Nasen- 
scheidewand  eingefalzt  ist. 

Varietäten.  Ein  schmaler,  zungenförmiger  Fortsatz  der  knorpeligen  Nasenscheide- 
wand kann  sich  zwischen  Vomer  und  perpendikulärer  Siebbeinplatte  einschieben.  Er  kann  sich 
bis  zum  Keilbeinkörper  erstrecken,  so  daß  sich  dann  die  beiden  Teile  der  knöchernen  Nasen- 
scheidewand  nirgends  berühren. 

Von  hoher  praktischer  Wichtigkeit  ist  die  Tatsache,  daß  die  Nasenscheidewand  in  mehr 
als  der  Hälfte  der  Fälle  nach  der  einen  oder  der  anderen  Seite  hin  verbogen  ist,  wodurch  natürlich 
die  eine  Hälfte  des  Nasenraumes  verengert,  die  andere  erweitert  wird.  Die  Knickungsstelle  findet 
sich  ausnahmslos  an  der  Verbindung  der  Pflugschar  mit  dem  Scheidewandknorpel  und  es  geht 
die  Knickungslinie  von  der  Spina  nasal,  ant.  zum  Rostrum  sphenoidale.  Die  Verbiegung  ist  nicht 
selten  S-förmig.  Es  kommen  vor:  i.  Verbiegungen  des  Septum  ohne  Verdickung  oder  mit  einer 
solchen;  2.  Leistenbildungen  auf  der  Scheidewand,  Cristae;  3.  Bildung  dornförmiger  Vorsprünge, 
Spinae.  Die  Verbiegungen  haben  ihre  Konvexität  öfter  links  wie  rechts  (Hartmann  1890, 
1893).  In  den  ersten  Lebensjahren  ist  die  Scheidewand  gerade,  doch  treten  die  Verbiegungen 
bereits  im  Kindesalter  auf.  Bei  Europäern  findet  man  sie  häufiger  als  bei  außereuropäischen 
Rassen   (Zuckerkandl). 

10.  Nasenbein,  Os  nasale. 

Die  Nasenbeine  (114, 117 ,  118)  decken  die  Xasenkapscl  von  vorne  her.  Sie  bilden 
den  knöchernen  Nasenrücken  und  sind  zwischen  die  Pars  nasalis  des  Stirnbeines 
und  die  Processus  frontales  der  beiden  Oberkieferbeine  eingefügt.  Sie  sind  von  un- 
gefähr vierseitiger  Gestalt,  sattelförmig  gewölbt  und  erscheinen  insoferne  keilförmig, 
als  sich  ihr  oberer  Teil  verdickt,  ihr  unterer  zugeschärft  zeigt.  Die  medialen  Ränder 
der  beiden  Nasenbeine  stehen  in  einer  leicht  geschlängelten  Naht  miteinander  in 
Verbindung.  Sie  verdicken  sich  auf  der  Innenseite  zu  einer  Firste,  welche  sich  ganz 
oben  auf  den  Processus  nasalis  des  Stirnbeines  und  weiter  auf  den  vorderen  Rand 
der  Lamina  perpendicularis  des  Siebbeines  stützt.  Werden  durch  einen  Unfall  die 
Nasenbeine  eingedrückt,  dann  muß  demnach  auch  die  knöcherne  Nasenscheide- 
wand einen  Bruch  erleiden.  Der  laterale  Rand  verbindet  sich  mit  dem  Stirnfort- 
-.it/  <\<--  ( >li,i  ki,  l, Tbrinr-,,  der  obere,  rauh  gezahnte  Rand  mit  dem  Stirnbeine.  Der 
untere  zugeschärfte  Rand  ist  meist  eingekerbt  und  beteiligt  sieh  an  der  Umgrenzung 
der  Apertura  piriformis. 

Die  Gesichtsfläche  ist  glatt,  die  dem  Naseninnern  zugekehrte  zeigt  eine  der 
Länge  nach  herablaufende  Furche,  Suleus  ethmoidalis  (//•"»'),  für  den  gleich- 
namigen Nerven.  Kleine,  unbeständige  Löcher,  Forr.  nasalia  [117),  lassen  Gefäß- 
oder Nervenästchen  von  der  Nase  aus  nach"*außen  zur  deckenden  Haut  gelangen. 

Entwickelung  {160).  Das  Nasenbein  ist  ein  Bclcgknochen,  unter  welchem  der  von 
ilnn  grdei  Ui-  l.il  der  knorpeligen  Masenkapsel  allmählich,  und  zwar  erst  nach  der  Geburt, 
schwindet.     Der  einfache   Knochenkern  tritt   um  die  Mitte  des  dritten   Fetalmonats  auf. 

Varietäten  in  der  Form  der  Nasenbeine  sind  sehr  zahlreich,  was  schon  aus  der  Betrach- 
tung dei  Nase  lebender,  besonders  .null  der  Angehörigen  verschiedener  Rassen  hervorgeht. 
Sic  können  sein  breil  werden,  sie  können  sich  aneh  bis  zum  Verschwinden  verschmälern.  Ott 
sind  die  Nasenbeine  ungleich,  das  eine  auf  Kosten  des  anderen  vergrößert.  Der  obere  Teil  der 
medianen  Naht   kann   verstreichen;   Verwachsung   derselben   in   ganzer   Länge  ist   selten     [Affen- 


72  Oberkieferbein. 

ähnlichkeit).  An  der  inneren  Oberfläche  der  Nasenbeine  beobachtet  man  zuweilen  kleine  platte 
Knöchelchen,  verknöcherte  Reste  des  Knorpelskeletes.  Am  unteren  Ende  der  Sutura  inter- 
nasalis  vorkommende  kleine  Knöchelchen  werden  von  mancher  Seite  als  Tierähnlichkeit  ge- 
deutet. 

11.  Oberkieferbein,  Maxiila1). 

Die  knöcherne  Grundlage  des  Obergesichtes  wird  im  wesentlichen  vom  Ober- 
kieferbein gebildet.  Es  wird  vervollständigt  durch  das  Jochbein  und  Gaumenbein, 
von  welchen  das  erstere  einen  nicht  zu  unterschätzenden  Einfluß  auf  die  Ausprägung 
der  Physiognomie  besitzt,  während  das  letztere  nur  die  inneren  Teile  des  Gesichts- 
skeletes  ergänzt  und  deshalb  für  die  äußere  Gestaltung  des  Gesichtes  ohne  Ein- 
fluß ist. 

Die  Oberkieferbeine  beider  Seiten  stoßen  mit  ihren  unteren  Teilen,  in  welchen 
die  Ossa  incisiva  enthalten  sind  (s.  unten),  in  der  Mittellinie  zusammen,  oben  schieben 
sich  die  Teile  der  Nasenkapsel  zwischen  sie  ein.  Die  unmittelbare  Verbindung  mit 
dem  Hirnschädel  wird  nur  durch  den  an  das  Stirnbein  heranreichenden  Stirnfortsatz 
hergestellt,  im  übrigen  geschieht  sie  durch  Vermittelung  seiner  beiden  Ergänzungs- 
knochen, des  Jochbeines  und  Gaumenbeines. 

Das  Oberkieferbein  besteht  aus  einem  Körper  und  vier  Fortsätzen:  Processus 
frontalis,  zygomaticus,  alveolaris  und  palatinus. 

Der  Körper  ist  von  halbzylindrischer  Form,  oben  und  unten  abgestutzt,  mit 
einer  medialen  planen  und  lateralen  gerundeten  Oberfläche.  Die  letztere  wird  durch  den 
aus  ihr  sich  erhebenden  Jochfortsatz  in  zwei  Teile  getrennt,  eine  Gesichtsfläche  und 
eine  Infratemporalfläche  (120).  Die  Gesichtsfläche  des  Oberkieferkörpers,  Facies 
anterior,  schließt  oben  ab  mit  dem  unteren  Augenhöhlenrand,  dessen  mediale  Hälfte 
sie  bildet.  Der  mediale  Rand  ist  ausgeschnitten,  Incisura  nasalis,  und  bildet  die 
Umgrenzung  des  größeren  Teiles  der  Apertura  piriformis  der  Nase,  lateral  geht  die 
Gesichtsfläche  in  den  Processus  zygomaticus,  unten  in  den  Proc.  alveolaris  über. 
Auf  der  Fläche  selbst  mündet  nahe  unter  dem  Infraorbitalrand  der  Infraorbitalkanal 
in  dem  abwärts  gerichteten  Foramen  infraorbitale  (120).  Unter  diesem  wieder 
folgt  eine  Grube,  welche  das  eine  Mal  so  tief  eingesunken  ist,  daß  sie  die  Fingerspitze  auf- 
zunehmen vermag,  ein  anderes  Mal  aber  kaum  angedeutet  erscheint,  Fossacanina2). 
In  ihr  entspringt  der  gleichnamige  Muskel.  Mit  dem  Eckzahn  (Dens  caninus)  hat 
die  Grube,  wie  es  dem  Namen  nach  erscheinen  könnte,  nichts  zu  tun,  ihre  Tiefe  hängt 
vielmehr  mit  der  größeren  oder  geringeren  Aufblähung  der  Kieferhöhle  zusammen. 
Die  Facies  infratemporalis  ist  gerundet  und  zu  einem  Wulst,  Tuber  maxillare, 
aufgetrieben.  Ihr  oberer  Rand  begrenzt  zusammen  mit  dem  großen  Keilbeinflügel 
die  Fissura  orbitalis  inferior.  Die  mediale  Ecke  dieses  Randes  ist  abgeschrägt,  Tri- 
gonum  palatinum;  auf  ihm  liegt  der  Orbitalfortsatz  des  Gaumenbeines  (123).  Ihr 
unterer  Rand  geht,  wie  der  der  Gesichtsfläche,  in  den  Proc.  alveolaris  über.  Vom 
Tuber  maxillare  aus  führen  zwei  oder  drei  kleine  Löcher,  Foramina  alveolaria,  in 
Canales  alveolares  (124),  welche  Nerven  und  Gefäße  zu  den  Zähnen  bringen. 

Die  Facies  orbitalis  bildet  den  Boden  der  Augenhöhle  (123).  Das  eine  Mal 
etwas  gewulstet,  ist  sie  ein  anderes  Mal  flach  und  lateral- vorwärts  abfallend,  je  nach- 
dem sie  die  Ausdehnung  der  Kieferhöhle  mehr  oder  weniger  vortreibt.    Ihr  medialer 


x)  Os  maxillare  superius. 
2)   Fossa  maxillaris. 


Oberkieferbein.  73 

Rand  besteht  aus  zwei  von  hinten  und  von  vorne  her  leicht  aufsteigenden  Teilen, 
v/elche  sich  ungefähr  in  der  Mitte  der  ganzen  Länge  des  Randes  in  einem  stumpfen 
Winkel,  Angulus  ethmolacrimalis  (120,  121),  treffen.  Der  hintere  Teil  steht 
mit  der  Papierplatte  des  Siebbeines,  der  vordere  mit  dem  Tränenbein  in  Verbin- 
dung (114).  Ganz  vorne  endet  der  Rand  mit  einem  tiefen  Ausschnitt,  Incisura 
lacrimalis  (121),  in  welche  sich  der  Haken  des  Tränenbeines  legt.  Der  hintere 
freie  Rand  der  Orbitalfläche  ist  mit  dem  oberen  der  Infratemporalfläche  identisch. 
Ungefähr  von  der  Mitte  dieses  letzteren  geht  der  Sulcus  infraorbitalis  (123)  aus, 
welcher  auf  dem  Boden  der  Augenhöhle  vorwärts  zieht.  N.  und  A.  infraorbitalis, 
welche  in  ihm  liegen,  haben  einen  schräg  vorwärts  und  abwärts  gerichteten  Verlauf, 
weshalb  auch  der  Sulcus  sich  senkt  und  bald  zum  Canalis  infraorbitalis  (124) 
schließt,  welcher  in  dem  erwähnten  an  der  Gesichtsfläche  sichtbaren  For.  infraorbitale 
mündet .  Die  den .  Kanal  deckende  Knochenplatte  gehört  dem  Processus  zygo- 
maticus  an   (s.  unten). 

Auf  der  Facies  nasalis  fällt  am  meisten  eine  große,  unregelmäßige  Öffnung, 
Hiatus  maxillaris  (121),  auf,  der  Zugang  zur  Kieferhöhle.  Daß  dieser  Zugang  am 
unversehrten  Schädel  durch  den  Processus  uncinatus  des  Siebbeines,  sowie  durch  den  Pro- 
cessus maxillaris  und  ethmoidalis  der  unteren  Muschel  erheblich  verkleinert  wird,  wurde 
schon  erwähnt ;  auch  das  Gaumenbein  trägt  zu  seinem  Verschluß  bei.  Oberhalb  des 
Hiatus  bleibt  nur  ein  schmaler  Streifen  mit  Nischen,  welche  den  Verschluß  der  Cellulae 
maxillares  des  Siebbeines  bilden.  Der  vordere  Rand  des  Hiatus  erscheint  in  seinem 
obersten  Teil  in  Form  eines  halbmondförmigen  Plättchens  gleichsam  nach  vorne  um- 
geklappt, Lunula  lacrimalis  (121).  Sie  beteiligt  sich  an  der  Bildung  der  medialen 
Wand  des  Tränennasenganges.  Der  vor  dem  Hiatus  liegende  Teil  der  Nasen  fläche 
ist  glatt  und  eben  und  wird  nur  von  Schleimhaut  überzogen.  Die  hinter  ihm  gelegene 
Fläche  ist  dagegen  rauh;  auf  sie  legt  sich  der  perpendikuläre  Teil  des  Gaumenbeines. 
Oberkiefer-  und  Gaumenbeinfläche  tragen  je  eine  Rinne.  Sulcus  pterygopala- 
tinus,  welche  sich  zu  dem  gleichnamigen  Kanal  zusammenschließen.  Die  Rinne 
am  Oberkiefer  ist  flacher  wie  die  am  Gaumenbein. 

Die  untere  Fläche  des  Oberkieferkörpers  wird  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  vom 
Processus  alveolaris  gedeckt. 

Der  Stirnfortsatz,  Processus  frontalis1),  erhebt  sieh  vorne  von  der  oberen 
medialen  Ecke  des  Körpers.  An  seinem  Ursprung  ist  er  breit  und  dünn,  nach  oben 
hin  verschmälert  er  sich,  wird  aber  dicker.  Sein  zackiger  oberer  Rand  verbindet 
sich  mit  dem  Nasenteil  des  Stirnbeines,  der  vordere  Rand  mit  dem  Nasenbein.  Sein 
hinterer  Rand  weicht  in  zwei  scharfe  Ranten  auseinander,  die  Crista  lacrimalis 
ant.  vorn  und  lateral,  den  Margo  lacrimalis  hinten  und  medial.  Die  zwischen 
1  leiden  Kanten  bleibende  Rinne  ist  der  Sulcus  lacrimalis  (120).  Er  erstreckt  sich  ab 
wärts  an  der  Grenze  zwischen  dem  Stirnfortsatz  und  der  Nasenfläche  des  Körpers. 
Wie  schon  oben  (S.  70)  erwähnt  wurde,  bilden  die  beiden  Sulci  lacrimales  des  Tränen- 
und  Oberkieferbeines  zusammen  die  Fossa  saci  1  lacrimalis.  Per  Tränennasengang, 
Canalis  nasolacrimalis,  welcher  sieh  an  diese  Grube  anschließt,  hat  eine  Wand, 
deren  lateraler  Teil  von  der  Fortsetzung  des  Sulcus  lacrimalis  gebildet  wird,  während 
der  mediale  sieh  zusammensetzt  aus  dem  untersten  nach  hinten  lappenförmig  voi 
springenden  Teil  der  Crista  lacrimalis  anterior,  der  Lunula  Lacrimalis,  dem  Ende  des 
vorderen  Teiles  des  Tränenbeines  und  dem  Proc.  ethmoidalis  der  unteren  Muschel  (11  !). 


')   Processus  iun.iUs. 


74  Oberkieferbein. 

Das  vordere  Ende  dieser  letzteren  legt  sich  an  eine  Rauhigkeit,  Crista  con- 
chalis1)  an,  welche  unter  fast  rechtem  Winkel  aus  dem  Ende  des  Margo  lacrimalis 
des  Stirnfortsatzes  nach  vorwärts  umbiegt.  Genau  genommen,  gehört  diese  Firste 
nicht  mehr  dem  Stirnfortsatz,  sondern  schon  dem  Körper  des  Oberkiefers  an.  Über 
die  innere  Fläche  des  Stirnfortsatzes  läuft  etwa  in  der  Mitte  seiner  Höhe  eine  der 
Muschelfirste  gleichgerichtete,  jedoch  weniger  stark  ausgeprägte  Rauhigkeit,  Crista 
ethmoidalis  2)  (121),  an  welche  sich  die  dem  Siebbein  angehörige  mittlere  Muschel 
anlegt.  Über  die  Außenfläche  des  Stirnfortsatzes  läuft  von  oben  nach  unten  eine 
schmale  Venenrinne,  welche  einer  Naht  gleichen  kann3). 

Nach  dem  Gesagten  ist  der  Stirnfortsatz  des  Oberkiefers  von  vielseitiger  Be- 
deutung. Er  vermittelt  den  Zusammenhang  des  Knochens  mit  dem  Hirnschädel, 
bildet  den  seitlichen  Teil  des  knöchernen  Skeletes  der  äußeren  Nase,  stützt  Siebbein 
und  untere  Muschel  und  beteiligt  sich  an  der  Umrandung  der  Augenhöhle,  sowie  an  der 
Herstellung  des  Skeletes  der  Tränenwege. 

Der  Jochfortsatz,  Processus  zygomaticus4),  springt  als  dreiseitiges  Prisma 
aus  der  gerundeten  Seitenfläche  des  Körpers  vor  (120).  Seine  untere  Kante  trennt, 
wie  erwähnt,  des  letzteren  Gesichtsfläche  von  der  Infratemporalfläche.  Auf  seine  sehr 
rauhe,  schräg  aufwärts  gewandte  Endfläche  stützt  sich  das  Jochbein.  Seine  obere 
Fläche  büdet  den  lateralen  Teü  des  Bodens  der  Augenhöhle,  sie  sendet  die  erwähnte 
Platte,  Lamina  orbitalis  (123),  ab,  welche  den  Infraorbitalkanal  deckt.  Sie  ist  durch 
eine  Naht,  Sutura  infraorbitalis,  mit  dem  Körper  der  angrenzenden  Fläche  des 
Oberkieferkörpers  verbunden,  welche  sich  über  den  Augenhöhlenrand  weg  bis  zum 
For.  infraorbitale  hin  erstreckt.  In  späteren  Lebensjahren  verstreicht  die  Naht. 
Das  vorderste  Ende  der  Lamina  orbitalis,  da  wo  sie  an  der  Gesichtsfläche  die  mediale 
LTmgrenzung  des  For.  infraorbitale  bildet,  verhält  sich  oft  sehr  eigentümlich,  indem 
sie  einen  platten,  spitzen  Zahn  absendet,  welcher  sich  in  eine  Tasche  des  Oberkiefer- 
körpers hineinlegt. 

Der  Zahnfortsatz,  Processus  alveolaris 5),  deckt  die  untere  Seite  des 
Körpers  und  geht  aus  dessen  äußerer  und  innerer  Fläche  direkt  hervor.  Seine  Breite 
und  Höhe  richtet  sich  ganz  nach  den  Zahnwurzeln,  welche  er  beherbergt.  Diese  ver- 
ursachen auf  der  äußeren  Fläche  Erhabenheiten,  Juga  alveolaria  (120),  welche 
man  auch  am  Lebenden  leicht  betasten  kann;  an  der  Gaumenseite  des  Fortsatzes 
sind  solche  Erhabenheiten  nicht  zu  finden. 

Am  freien  Rand  des  Fortsatzes,  Limbus  alveolaris  6),  sieht  man  auf  die  Zahn- 
kronen oder,  wenn  die  Zähne  entfernt  sind,  auf  die  Mündungen  der  Alveolen,  in  deren 
jede  eine  Zahnwurzel  genau  eingepaßt  ist   (122). 

Der  Zahnfortsatz  setzt  sich  aus  zwei  Teüen  von  entwickelungsgeschichtlich 
verschiedener  Herkunft  zusammen,  aus  einem  echten  Fortsatz  des  Oberkieferkörpers 
und  aus  einem  besonderen  Knochen,  dem  Zwischenkiefer,  Os  incisivum7)  (122), 
welches  beim  Menschen  jedoch  schon  sehr  frühzeitig  mit  dem  vom  Oberkiefer  selbst 
gelieferten  Fortsatz  verschmüzt,  bei  der  Mehrzahl  der  Säugetiere  aber  lebenslänglich 


J)   Crista  turbinalis  inf. 

2)  Crista  turbinalis  super. 

3)  Sutura  imperfecta. 

4)  Proc.  zygomatico-orbitalis;  Proc.  jugalis. 

5)  Processus  dentalis. 

6)  Margo  alveolaris,  M.  dentalis. 

7)  Os  praemaxillare ;  Os  intermaxillare. 


Oberkieferbein.  75 

selbständig  bleibt.  Es  bildet  denjenigen  Teil  des  Alveolarbogens,  welcher  den  Ober- 
kieferkörper  medianwärts  überragt  und  in  der  Mittellinie  mit  dem  der  anderen  Seite 
zusammentrifft.  Er  trägt  die  Schneidezähne  und  umrandet  den  unteren  Teil  der 
Apertura  piriformis  der  Nase.  In  der  Mittellinie  zeigt  diese  Umrandung  eine  von  den 
Knochen  beider  Seiten  gelieferte  spitze  Hervorragung,  Spina  nasalis  anterior 
( 120) ,  von  welcher  aus  sich  eine  Firste,  die  von  den  Knochen  beider  Seiten  hergestellte 
Crista  incisiva  (121)  in  die  Nasenhöhle  hinein  erstreckt.  Auf  ihr  ruht  das  vordere 
Ende  der  knorpeligen  Nasenscheidewand.  Das  hintere  Ende  des  Os  incisivum  wird 
durch  den  Canalis  incisivus  bezeichnet,  von  welchem  sogleich  zu  sprechen  sein  wird. 

Der  Gaumenfortsatz,  Processus  palatinus,  ist  eine  horizontale  Platte, 
welche  sich  von  der  Grenze  zwischen  der  Nasenfläche  des  Körpers  und  dem  Alveolar- 
fortsatz  nach  der  Mittellinie  hin  erstreckt,  um  sich  dort  in  einer  Naht,  Sutura  pala- 
tina  mediana  (122),  mit  dem  gleichnamigen  Fortsatz  der  Gegenseite  zu  vereinigen. 
Von  ihr  aus  springt  in  die  Nasenhöhle  eine  Firste,  Crista  nasalis,  vor,  an  welche  sich 
der  untere  Rand  der  Pflugschar  anlegt.  Der  hintere  Rand  des  Gaumenfortsatzes 
steht  durch  eine  Naht,  Sutura  palatina  transversa,  mit  der  Pars  horizontalis 
des  Gaumenbeines  in  Verbindung.  Der  vordere  Rand  ist  mit  dem  Os  incisivum  ver- 
bunden, welches  sich  aber  von  dem  Gaumenfortsatz  ohne  Schwierigkeit  unterscheiden 
läßt.  Denn  erstens  ist  das  Os  incisivum  höher  als  der  Gaumenfortsatz,  was  man  be- 
sonders deutlich  bei  Betrachtung  der  Nahtfläche  an  einem  isolierten  Knochen  erkennt, 
und  zweitens  sind  beide  voneinander  durch  den  Canalis  incisivus1)  (121)  getrennt, 
einem  Gang,  welcher  in  der  Nase  zu  beiden  Seiten  der  Mittellinie  mit  je  einer  Öffnung 
beginnt,  am  Gaumen  aber  dicht  hinter  den  Schneidezähnen  mit  einem  median  stehenden 
Loch,  Foramen  incisivum  (122),  mündet.  Der  Kanal  hat  also  die  Form  eines  Y. 
Er  ist  nichts  anderes  als  die  Stelle,  an  welcher  die  Vereinigung  der  aneinander  stoßenden 
Ecken  der  beiden  Gaumenfortsätze  und  der  beiden  Ossa  incisiva  ausgeblieben  ist. 
Der  Kanal  leitet  Nerven  und  Gefäße  aus  der  Nase  zum  Gaumen.  Vom  Foramen 
incisivum  geht  bei  Kindern  meistens,  bei  Erwachsenen  seltener,  eine  feine  Spalte, 
Sutura  incisiva  (122),  aus,  welche  sich  im  Bogen  oder  in  einer  gebrochenen  Linie 
gegen  die  Grenze  zwischen  lateralem  Schneidezahn  und  Eckzahn  hinzieht.  Sie  ist  die 
letzte   Spur  der  Naht  zwischen  Processus  alveolaris  und  Os  incisivum. 

Die  Kieferhöhle,  Sinus  maxillaris2)  (124),  ist  ein  Raum  von  unregelmäßiger 
Gestalt.  Beim  Erwachsenen  hat  sie  soviel  Platz  erobert,  daß  sie  die  vom  Oberkiefer- 
körper gelieferten  Wände  zu  dünnen,  meist  durchscheinenden  Platten  verdünnt  und 
daß  sie  selbst  in  die  von  dem  Körper  ausgehenden  Fortsätze  mehr  oder  weniger  weit 
vordringt.  Daß  die  Höhle  sich  gewissermaßen  aufblähen  und  ihre  äußere,  obere  und 
hintere  Wand  vorwölben  kann,  wurde  schon  erwähnt.  Am  dünnsten  ist  die  Wand 
an  der  Nasenseite,  auch  die  obere,  den  Augenhöhlenboden  bildende  Wand,  sowie 
die  hintere,  mit  dem  Tuber  maxillare  identische,  ist  dünn;  etwas  dicker  pflegt  die  der 
Fossa  canina  zugekehrte  Wand  zu  sein.  Von  besonderer  Bedeutung  ist  es.  daß  der 
Boden  der  Kieferhöhle  von  den  Wurzeln  der  Mahlzähne  nur  durch  eine  äußerst  dünne 
Knochenlamelle  getrennt  wird,  welche  sogar  von  den  Zahnwurzeln  hügelig  empor 
gehoben,  gelegentlich  selbst  ganz  resorbiert  sein  kann  (124),  so  daß  dann  die  Weichteile 
der  Kieferhöhle  und  die  der  Zahnalveole  in  direktem  Zusammenhang  stellen.  I  >ie Wände 
der   Kieferhöhle    sind    glatt,    die    locken    sind    gerundet.      In   ihren    Kaum    springl    von 


')  Cmalis  nasopalatinus. 

■')     \ntrum    Highmori.      A.    maxillare. 


76  Oberkieferbein. 

oben  her  regelmäßig  ein  Wulst  vor,  welcher  den  Infraorbitalkanal  enthält.  Von  unten 
her  erheben  sich  in  den  Raum  eine  oder  mehrere  Leisten,  welche  zuweilen  weit  in  die 
Höhe  reichen  können.  Die  erwähnten,  vom  Infraorbitalkanal  ausgehenden  Kanälchen, 
Canales  alveolares,  verlaufen  in  der  äußeren  Wand  der  Höhle;  sie  können  sich 
ganz  oder  teilweise  zu  offenen  Rinnen  umwandeln.  Sie  führen  den  Zähnen  Nerven 
und  Gefäße  zu. 

Entwickelung  (160).  Der  Oberkiefer  entsteht  als  Deckknochen  auf  der  lateralen  Seite  der 
Nasenkapsel  von  vier,  vielleicht  fünf  Kernen  aus,  welche  im  zweiten  und  dritten  Fetalmonat 
auftreten.  Das  Os  incisivum,  welches  beim  Menschen  von  einem  einzigen  Knochenkern  ausgeht 
(Th.  Kölliker),  verschmilzt  schon  sehr  frühzeitig  mit  dem  Oberkiefer.  Gegen  Ende  des  vierten 
Fetalmonats  ist  alles  vereinigt.  Nach  dem  siebenten  Fetalmonat  schwindet  die  laterale  Wand 
der  knorpeligen  Nasenkapsel,  so  daß  sich  dann  der  Oberkiefer  an  der  Begrenzung  der  Nasenhöhle 
direkt  beteiligen  kann.  „Die  Form  des  fetalen  Oberkieferbeines  ist  eine  andere  als  später,  es 
ist  sehr  nieder,  um  so  niederer,  je  jünger  der  Fetus,  und  es  zeigt  sich  noch  beim  Neugeborenen 
der  untere  Teil,  auch  abgesehen  von  dem  fast  ganz  mangelnden  Alveolarfortsatz,  sehr  wenig  ent- 
wickelt. Die  Kieferhöhle  existiert  schon  zur  Zeit  der  Geburt,  wenn  auch  als  seichte  Grube,  ja 
sie  ist  schon  zu  einer  Zeit  als  Ausbuchtung  der  Nasenhöhle  zu  erkennen,  zu  welcher  die  knorpelige 
Anlage  des  Oberkiefers  noch  nicht  von  den  Belegknochen  verdrängt  worden  ist.  Der  Canalis 
infraorbitalis  ist  zur  Zeit  der  Geburt  noch  spaltförmig  offen.  Die  Sutura  incisiva  ist  zu  dieser 
Zeit  noch  deutlich,  sowohl  an  Nasen-  wie  an  Gaumenfläche.  Die  Anlage  der  Zahnfächer  schreitet, 
wie  die  Bildung  der  Zahnsäckchen,  mit  welcher  sie  parallel  geht,  von  vorn  nach  hinten  fort,  sie 
ist  demnach  beim  letzten  Mahlzahn  erst  um  das  achtzehnte  Lebensjahr  beendet.  Da  sich  noch 
nach  dem  erfolgten  Durchbruch  des  Weisheitszahnes  an  die  hintere  Wand  der  Alveole  desselben 
Knochensubstanz  ansetzt,  so  vollendet  sich  die  Ausbildung  des  Proc.  alveolaris  und  mit  diesem 
auch  des  Tuber  maxillare  nicht  vor'  dem  24.  bis  26.  Lebensjahr  (Toi dt).  Fällt  ein  Zahn  aus,  dann 
füllt  sich  die  Alveole  mit  Knochensubstanz  und  atrophiert;  fallen  mehrere  Zähne  oder  die  ganze 
Reihe  aus,  wie  es  in  hohem  Alter  oft  geschieht,  dann  verschwindet  schließlich  der  ganze  Alveolar- 
fortsatz."    (M.-H.) 

Varietäten.  Der  Infraorbitalkanal  kann  im  Bogen  an  der  Grenze  von  Oberkiefer  und 
Jochbein  verlaufen;  er  kann  mit  mehreren  Mündungen  versehen  sein.  Die  Form  der  Mündung 
schwankt,  ebenso  ihre  Lage;  sie  kann  über  einen  Centimeter  vom  Augenhöhlenrand  entfernt 
sein.  Sutura  infraorbitalis  transversa  (Halbertsma)  nennt  man  eine  Naht,  welche  bei 
jungen  Schädeln  öfters  von  der  Incisura  lacrimalis  parallel  dem  Infraorbitalrand  und  nahe  hinter 
ihm  zur  Sutura  infraorbitalis  hinzieht.  Torus  palatinus  heißt  ein  zuweilen  vorhandener  wetz- 
steinförmig  zugespitzter  Wulst,  welcher  von  vorn  nach  hinten  über  die  Mitte  des  harten  Gaumens 
verläuft.  —  Der  Canalis  incisivus  ist  von  wechselnder  Weite,  er  kann  mehrfache  Mündungen 
haben,  er  kann  auch  von  Nebenkanälchen  flankiert  sein.  —  Die  Naht  zwischen  Oberkiefer  und 
Zwischenkiefer  kann  sich  auch  beim  Erwachsenen  mehr  oder  weniger  deutlich  erhalten.  Die 
Vereinigung  zwischen  beiden  kann  ganz  ausbleiben  (Hasenscharte);  es  kann  auch  die  Ver- 
einigung der  Gaumenfortsätze  beider  Oberkiefer ,  ausbleiben    (Gaumenspalte,  Wolfsrachen). 

Die  Kieferhöhle  ist  von  sehr  wechselnden  Dimensionen,  selbst  an  den  Kiefern  der  beiden 
Seiten  eines  Individuums.  Das  eine  Mal  ist  sie  eng  und  zum  Teil  von  spongiösem  Knochen  um- 
geben, das  andere  Mal  so  weit,  daß  sie  in.  alle  Fortsätze  des  Oberkiefers  Ausbuchtungen  sendet, 
selbst  bis  ins  Jochbein  vordringt  (Zuckerkandl).  Gruber  hat  in  1,5  %  der  Fälle  den  Sinus 
in  zwei  gesonderte  Höhlen  getrennt  gefunden.  Außerdem  kommen  Fälle  vor,  welche  eine  Zwei- 
teilung dadurch  vortäuschen,  daß  sich  eine  Cellula  maxillaris  als  große  Knochenblase  in  die  Kiefer- 
höhle hinein  entwickelt  hat   (Zuckerkandl). 

Praktische  Bemerkungen.  Die  Verhältnisse  des  Oberkiefers  geben  vielfach  Gelegen- 
heit zu  pathologischen  Beobachtungen  und  zu  therapeutischen  Eingriffen,  auch  wenn  man  von 
den  im  Augenblick  nicht  zu  behandelnden  Zähnen  absieht.  Besonders  ist  es  die  Kieferhöhle, 
welche  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  lenkt.  Für  eine  Beantwortung  der  Frage  am  Lebenden, 
ob  die  Höhle  eng  oder  weit  ist,  steht  nur  die  Untersuchung  der  Fossa  canina  zur  Verfügung,  welche 
man  leicht  abzutasten  vermag.  Ist  sie  tief  eingesunken,  dann  darf  man  auf  eine  Höhle  von  geringer 
Ausdehnung  rechnen.  Von  praktischer  Bedeutung  kann  ihr  Verhältnis  zu  den  Zahnwurzeln 
werden.  Ist  die  Höhle  von  geringen  Dimensionen,  dann  kommt  ihr  Boden  nur  den  Wurzeln  der 
Molarzähne  sehr  nahe,  ist  sie  geräumig,  dann  nähert  er  sich  auch  denen  der  Prämolarzähne,  selbst 


Jochbein.  , , 

bis  zur  Eckzahnwurzel  kann  er  reichen  (Zuckerkand  1).  Will  man  die  Kieferhöhle  von  einer 
Alveole  aus  eröffnen,  dann  wird  man  am  sichersten  gehen,  wenn  man  eine  solche  des  zweiten 
Molarzahncs  wählt,  da  zwischen  ihr  und  dem  Höhlenboden  in  jedem  Fall  nur  eine  dünne  Knochen- 
lamelle vorhanden  ist.  Bei  Zahnextraktionen  passiert  es  zuweilen,  daß  die  Kieferhöhle  unbeab- 
sichtigt eröffnet  wird.  Die  Alveole  eines  schon  vor  längerer  Zeit  verloren  gegangenen  Zahnes 
eignet  sich  nicht  für  die  Eröffnung,  da  sie  sich  mit  Knochensubstanz  füllt,  ehe  sie  vollständiger 
Resorption  anheimfällt.  —  Teilung  der  Kieferhöhle  oder  Vordringen  einer  großen  Siebbeinzelle 
in  dieselbe  können  bei  Operationen  zu  unerwarteten  Vorkommnissen  Veranlassung  geben,  indem 
man  bei  Eröffnung  des  gesunden  Teiles  der  Höhle  das  pathologische  Verhalten  nicht  vorfindet, 
auf  welches  man  gerechnet  hatte.  Zur  Eröffnung  der  Kieferhöhle  eignet  sich  ihrer  Dünne  wegen 
die  Nasenhöhlenwand  am  besten,  auch  von  der  Fossa  canina  aus  kann  sie  natürlich  vorgenommen 
werden.  —  Die  sehr  dünnen  Wände  einer  weiten  Kieferhöhle  leisten  andringenden  Tumoren  nur 
wenig  Widerstand,  so  können  solche  von  ihr  aus  in'  die  Augenhöhle  und  umgekehrt  durchbrechen. 
Der  Schutz,  welchen  die  in  den  Wänden  der  Kieferhöhle  verlaufenden  Nerven  durch  den  bedecken- 
den Knochen  erhalten,  ist  ein  sehr  schwacher  und  leicht  zu  überwindender. 

Das  häufige  Vorkommen  einer  Hasenscharte  gab  Veranlassung  zu  einem  genaueren  Studium 
der  Entwickclung  dieser  Spaltbildung.  Albrecht  gelangte  zu  der  Annahme,  daß  der  Zwischen- 
kiefer sich  aus  zwei  Anlagen  entwickelt,  deren  jede  einen  Schneidezahn  trägt.  Die  Spaltbildung 
soll  zwischen  medialem  und  lateralem  Zwischenkiefer  oder  zwischen  lateralem  Zwischenkiefer 
und  dem  eigentlichen  Oberkiefer  durchgehen  können.  Es  soll  nicht  geleugnet  werden,  daß  in 
Ausnahmefällen  ein  Auftreten  von  zwei  Ossifikationspunkten  im  Zwischenkiefer  denkbar  ist, 
ebenso  wie  auch  an  anderen  Stellen  Anomalien  der  Verknöcherung  vorkommen.  Aus  dem  Ver- 
halten der  Zähne  weitgehende  Schlüsse  zu  ziehen,  ist  aber  ganz  unzulässig,  da  die  Spaltbildung, 
das  heißt  das  Avisbleiben  der  normalen  Vereinigung  zu  einer  Zeit  ihren  Anfang  nimmt,  in  welcher 
die  Zahnsäckchen  noch  gar  nicht  vorhanden  sind.  Auch  v.  Schumacher  (1906)  kommt  zu  der 
Annahme,  daß  die  Entwickclung  der  Zahnkeime  und  die  der  Knochen  voneinander  unabhängig 
sind.  Da  durch  die  Spaltbildung  das  Gleichgewicht  der  nachfolgenden  Entwickelung  empfind- 
lich gestört  ist,  kann  man  auch  die  Anlage  und  Fortbildung  der  angrenzenden  Zähne  nicht  ohne 
weiteres  als  der  Norm  entsprechend  ansehen.  In  der  Tat  beobachtet  man  auch  das  eine  Mal  ein 
Fehlen  von  Zähnen,  welche  vorhanden  sein  sollten,  ein  anderes  Mal  eine  Überzahl  solcher;  selbst 
das  Vorhandensein  der  normalen  Zahl  gibt  keineswegs  die  Garantie,  daß  man  in  ihnen  auch  die 
normalen  Anlagen  vor  sich  hat,  da  sehr  wohl  eine  der  letzteren  ausgefallen  und  dafür  eine  anor- 
male eingetreten  sein  kann  (vgl.  Broca  1887).  Die  Zähne  eines  älteren  Fetus  oder  gar  eines  ge- 
borenen Menschen  sind  deshalb  nur  mit  größter  Vorsicht  für  eine  Deutung  der  Stelle,  an  welcher 
die  ursprüngliche  Spaltbildung  stattgefunden  hat,  verwertbar.  Wie  sehr  die  Spaltbildung  die 
in  ihrer  l'mgcbung  befindlichen  Teile  beeinflussen  kann,  dies  erkennt  man  aus  der  oll  sehr  starken 
Vcrbicgung  der  Nasenscheidewand  bei  einseitiger  Gaumenspalte  oder  aus  dem  ungehinderten 
Vorwachsen  derselben  mit  dem  an  ihr  hängenden  Zwischenkiefer  bei  doppelseitiger,  wodurch  eine 
eingreifende  Operation  nötig  wird,  um  die  Schneidezähne  mit  dem  übrigen  Zahnbogen  in  Har- 
monie zu  bringen. 

12.   Jochbein,  Os  zygomaticum1). 

Das  Jochbein  schiebt  sich  zwischen  Oberkiefer  und  Schläfenbein  ein  und  bildi  I 
den  Schlußstein  des  Jochbogens,  Arcus  zygomat  ieus ,  dessen  Anfang  und  Ende 
von  den  Jochfortsätzen  der  genannten  Knochen  gebildet  wird.  Bei  einer  Reihe  von 
Säugetieren  bleibt  es  bei  einem  einfachen  Rogen,  so  daß  über  ihm  Augenhöhle  und 
Schläfengrube  zusammenfließen,  bei  anderen  wird  ein  Fortsatz  dem  Stirnbein  ent- 
gegengeschickt, wieder  bei  anderen  vereinigt  sich  Fortsatz  und  Stirnbein,  so  daß 
eine  knöcherne  Umrandung  des  lateralen  Umfangesder  Augenhöhle  entsteht.  Zuletzt 
bei  den  Primaten  -endet  dieser  Rand  noch  eine  Platte  medianwärts  ab.  welche  sich 
mit  dem  großen  Keilbeinflügel  verbindet.  Sie  trennt  dann  erst  definitiv  Augenhöhle 
und  Schläfengrube  voneinander.    In  erster  Linie  stehl  die  Ausbildung  des  Jochbogens 


')   Wangenbein.     Os  jttgale,  Os  malare. 


78  Jochbein. 

in  Verbindung  mit  derjenigen  der  Kaumuskeln,  speziell  des  M.  masseter,  wie  man 
durch  Vergleichung  verschiedener  Tierspecies  sehr  leicht  nachweisen  kann,  dann 
aber  beeinflußt  er  auch,  und  zwar  gerade  sein  Jochbeinteil,  die  Physiognomie  beträcht- 
lich und  jedermann  weiß,  daß  einerseits  vorspringende  und  breite,  andererseits  mehr 
zurücktretende  und  schmale  „Backenknochen"  dem  Gesicht  nicht  nur  des  Einzel- 
individuums, sondern  auch  dem  ganzer  Rassen  ein  überaus  charakteristisches  Ge- 
präge geben. 

Bei  der  Betrachtung  des  menschlichen  Jochbeines  geht  man  am  besten  von  der 
gekrümmten  Kante  aus,  welche  den  lateralen  Augenhöhlenrand  bildet.  Von  ihr  gelangt 
man  einerseits  zur  Wangenplatte,  Lamina  malaris,  welche  den  Hauptteil  des 
Knochens  darstellt,  andererseits  zur  Orbitalplatte,  Lamina  orbitalis  (125),  welche 
eher  einem  Fortsatz  der  ersteren  gleicht.  Mit  seiner  Unterfläche  ruht  das  Jochbein 
auf  der  rauhen  Nahtfläche  des  Jochfortsatzes  vom  Oberkiefer,  nach  hinten  spitzt 
es  sich  zum  Processus  temporalis  zu,  welcher  mittelst  einer  schräg  nach  hinten 
abfallenden,  zackigen  Nahtfläche  mit  dem  Jochfortsatz  des  Schläfenbeines  zusammen- 
hängt, nach  oben  läuft  der  Knochen  ebenfalls  in  einen  Fortsatz,  Processus  fron- 
talis x)  aus,  welcher  den  Processus  zygomaticus  des  Stirnbeines  erreicht  (139,  140); 
die  sie  verbindende  Naht  kann  man  auch  am  Lebenden  leicht  fühlen,  wenn  man 
vom  oberen  Augenhöhlenrand  her  den  Knochen  abtastet.  In  der  Fortsetzung  der 
Nahtfläche,  welche  die  Verbindung  mit  dem  Stirnbein  herstellt,  folgt  längs  der 
Orbitalplatte  ein  Nahtrand,  Margo  sphenoidalis,  zur  Verbindung  mit  dem  großen 
Keilbeinflügel  (125).  Am  unteren  Ende  dieses  Randes  stößt  man  öfters,  aber  nicht 
immer  auf  eine  kurze,  glatte  Stelle,  welche  das  äußerste  Ende  der  Fissura  orbitalis 
inferior  umschließt.  Der  hintere  nach  der  Schläfe  hin  sehende  und  der  untere  an 
der  Wange  befindliche  Rand  der  Wangenplatte  ist  frei.  Der  hintere  Rand  ist  S-förmig 
gebogen,  oben  konvex,  unten,  wo  er  in  den  oberen  Rand  des  Jochfortsatzes  vom 
Schläfenbein  umbiegt,  konkav,  Der  untere  Rand  ist  die  Fortsetzung  der  unteren 
Kante  des  Jochfortsatzes  des  Oberkiefers.  Er  ist  von  Muskelansätzen  uneben  und 
erhebt  sich  gerade  in  der  Naht  oder  in  ihrer  unmittelbaren  Nachbarschaft  zu  einer 
abwärts  gerichteten,  stärker  vortretenden  Rauhigkeit,  Tuberositas  malaris,  zum 
Ansatz  von  Sehnenfasern  des  M.  masseter. 

Was  die  Flächen  anlangt,  so  ist  die  Malarfläche  von  ungefähr  vierseitiger  Form 
und  leicht  gewölbt.  Die  Orbitalfläche  ist  keilförmig  nach  unten  zugespitzt  und  ent- 
sprechend der  Form  der  Augenhöhlenwand  konkav.  Die  hinteren  der  Temporal- 
grube zugekehrten  Flächen  der  beiden  Platten  sind  glatt  und  gehen  gerundet  in- 
einander über. 

Das  Jochbein  trägt  an  seiner  Augenhöhlenplatte  eine  Furche  oder  ein  Kanälchen 
für  den  N.  zygomaticus,  in  welches  derselbe  unten,  nahe  der  Fiss.  orbitalis  inferior, 
durch  das  Foramen  zygomatico-orbitale  2)  eintritt.  Der  Nerv  und  somit  auch 
das  Kanälchen  teilt  sich  in  zwei  Teile;  der  obere  mündet  in  der  Schläfengrube  im 
Foramen  zygomatico-temporale3)  (126),  der  untere  auf  der  äußeren  Fläche  der 
Wangenplatte  im  Foramen  zygomatico-faciale4)    (125). 


x)   Processus  frontosphenoidalis. 

2)  Foramen  zygomat.  super. 

3)  Foramen  zygomat.  poster. 

4)  Foramen  zygomat.  anter. 


Gaumenbein.  ,'.) 

Ent Wickelung.  Deckknochen.  Entsteht  aus  einem  Knochenkern,  welcher  gegen  Ende 
des  zweiten  Fetalmonats  erscheint.  Die  Ausbildung  spielt  sich  in  der  Art  ab,  daß  sich,  der  spä- 
teren mechanischen  Inanspruchnahme  entsprechend,  sekundäre  Auflagerungen  bilden,  während 
die  primäre  Platte  schließlich  im  ersten  Kindesalter  ganz  verschwindet.  Zwischen  den  Auflage- 
rungen bleiben  erst  Spalten,  welche  sich  in  der  Folge  schließen  (Toldt  jun.  1902).  Bei  jüngeren 
Feten  erstreckt  sich  das  Jochbein  sehr  weit  am  unteren  Augenhöhlenrand  gegen  die  Xase  hin, 
um   allmählich  mehr  und  mehr  zurückzuweichen. 

Varietäten.  Auch  im  späteren  Leben  erstreckt  sich  das  Jochbein  weiter  nasalwärts 
wie  gewöhnlich.  —  Die  Sutura  zvgomatico-sphenoidalis  wird  zuweilen  durch  eine  Spalte  ersetzt 
(Tierähnlichkeit).  —  Häufig  erhebt  sich  die  höchste  Höhe  des  hinteren  S-förmig  gebogenen  Randes 
der  Wangcnplatte  in  Form  eines  stumpferen  oder  spitzeren  Vorsprunges,  Processus  margi- 
nalis;  er  läßt  ein  Bündelchen  der  Temporalaponeurose  entspringen.  —  Die  Varietäten  der  Kanäle 
für  die  Nn.  zygomatico-facialis  und  zygomatico-terriporalis  sind  sehr  zahlreich;  zuweilen  vermißt 
man  sie  vollständig,  in  anderen  Fällen  können  sie  sich  vervielfältigen.  Die  Lage  ihrer  Ausgangs- 
öffnungen ist  schwankend.  —  Die  Kieferhöhle  kann  sich,  wie  oben  erwähnt,  bis  ins  Jochbein 
hinein  erstrecken.  —  Es  gibt  Jochbeine,  welche  durch  eine  Naht  in  zwei,  selbst  in  drei  Teile  ge- 
teilt  sind.  Diese  Varietät  wird  nicht  durch  das  Auftreten  mehrerer  Ossifikationspunkte  erklärt, 
sondern  durch  Erhaltenbleiben  einer  Spalte  zwischen  den  erwähnten  sekundären  Auflagerungen. 
Bei  Japanern  soll  ein  Os  zygom.  bipartitum  in  7  %  der  Fälle  vorkommen  (Hilgendorf  1S73). 
Sehr  selten  ist  eine  unvollständige  Ausbildung  des   Jochbogens. 

Praktische  Bemerkung.  Bei  der  Oberkieferresektion  kümmert  sich  der  Operateur 
nicht  um  das  Jochbein;  er  rechnet  es  zum  Oberkiefer,  weshalb  auch  stets  ein  Teil  von  ihm  mit 
fortgenommen  wird. 

13.  Gaumenbein,  Os  palatinum. 

Das  Gaumenbein  ist  ein  ganz  unselbständiges  Anhängsel  des  Oberkiefers,  dessen 
Bedeutung  hauptsächlich  darin  liegt,  daß  seine  Einschicbung  die  Wachstumsvorgänge 
in  den  hinteren  Teilen  des  Gesichtsskeletes  erleichtert,  indem  sieh  an  seinen  zahlreichen 
Nahträndern  und  -Flächen  die  Knochenbildung  ungehindert  abspielt.  Es  beteiligt 
sielt  an  der  Bildung  des  Gaumens,  ergänzt  die  seitliche  Nasenwand,  vermittelt  die 
Verbindung  des  Oberkiefers  mit  dem  Flügel fortsatz  und  Körper  des  Keilbeines  und 
vervollständigt  den  Boden  der  Augenhöhle. 

Es  besteht  aus  zwei  im  rechten  Winkel  miteinander  vereinigten  Platten,  Pars 
horizontalis  und  perpendicularis  und  drei  Fortsätzen,  Processus  orbitalis,  sphenoidalis 
und   pyramidalis. 

Die  Pars  horizontalis1)  (122)  ist  die  Fortsetzung  des  Gaumenfortsatzes  des 
( >berkiefers  nach  hinten.  Ihr  vorderer  Rand  steht  mit  diesem  durch  die  erwähnte  Sutu  ra 
palajtina  transversa  in  Verbindung,  ihr  hinterer  Rand  ist  frei  und  bildet  das  Ende 
des  harten  Gaumens,  an  welches  sich  der  weiche  befestigt.  Die  hinteren  Ränder  der 
Knochen  beider  Seiten  sind  ausgeschweift  und  treffen  in  der  Mitte  in  einer  platten, 
abgerundeten  Spitze,  Spina  nasalis  posterior,  zusammen.  In  ihr  endigt  die  Crista 
nasalis,  welche  sich  ohne  Änderung  aus  der  Crista  nasalis  der  Gaumenfortsätze 
des  Oberkiefers  über  die  .Mittellinie  der  Gaumenbeine  und  der  sie  verbindenden  Sutura 
palat.  mediana  nach  hinten  erstreckt  und  ebenso,  wie  jene  der  Pflugschar,  zur  Anhef- 
tung dient.  Auch  im  übrigen  unterscheidet  sich  die  Nasenfläche,  Facies  nasalis, 
in  keiner  Weise  von  der  angrenzenden  des  Oberkiefers.  Die  Gaumenfläche,  Facies 
palatina,  ist  meisl  glatter  wie  die  des  Oberkiefers. 

Die  Pars  perpendicularis2)  legt  sich  mit  ihrem  hinteren  Rand  an  den  Pro- 
cessus pterygoideus  des  Keilbeines,  mit  ihrer  rauhen,  lateralen  Fläche  an  die  beschriebene 


')   Pars  palatina. 

-)    Pars   nasalis,    Pars   adscendens. 


80  Gaumenbein. 

rauhe  Fläche  der  Facies  nasalis  des  Oberkieferkörpers  (129).  Sie  überragt  dieselbe  mehr 
oder  weniger  weit  nach  vorne  und  trägt  dadurch  zum  Verschluß  des  Hiatus  maxillaris 
bei.  Wie  die  entsprechende  Fläche  des  Oberkiefers  trägt  auch  die  des  Gaumenbeines 
den  S.  73  erwähnten,  nach  unten  immer  tiefer  werdenden,  Sulcus  pterygopala- 
tinus,  welcher  sich  mit  dem  des  Oberkiefers  zu  dem  gleichnamigen  Kanal  ergänzt. 
Derselbe  beginnt  oben  an  der  Incisura  sphenopalatina  und  endigt  an  der  hinteren 
lateralen  Ecke  des  harten  Gaumens  mit  einer  weiten  Öffnung,  Foramen  palatinum 
majus1)  (122).  Der  Kanal  führt  Nerven  und  Gefäße  zum  Gaumen.  Von  den 
ersteren  zweigen  sich  Äste  ab,  meist  zwei  an  Zahl,  welche  durch  schräg  abwärts 
führende  Kanälchen,  Canales  palatini,  zu  kleinen  Öffnungen,  Foramina  pala- 
tina  minora,  gelangen,  welche  hinter  dem  Foramen  palatin.  majus  schon  auf  der 
Basis  des  Processus  pyramidalis  münden. 

Die  dem  Naseninneren  zugekehrte  mediale  Fläche  der  perpendikulären  Platte 
(129)  zeigt  zwei  sagittalstehende  Firsten,  eine  Crista  conchalis2)  weiter  unten  und 
eine  Crista  ethmoidalis3)  höher  oben,  welche  mit  den  gleichnamigen  Firsten  des 
Oberkiefers  insoferne  korrespondieren,  als  sie  die  hinteren  Enden  der  unteren  und 
mittleren  Muschel  tragen,  wie  jene  die  vorderen. 

Unmittelbar  oberhalb  der  Crista  ethmoidalis  weicht  die  perpendikuläre  Platte 
in  zwei  Fortsätze  auseinander,  welche  durch  einen  tiefen,  fast  zum  Kreis  geschlossenen 
Ausschnitt,  Incisura  sphenopalatina,  voneinander  getrennt  werden  (127,  129). 
Der  vordere  der  beiden  stellt  eine  kleine  hohle  Pyramide  dar,  er  ist  der  Processus 
orbitalis.  Lateralwärts  geneigt,  legt  er  sich  auf  das  Trigonum  palatinum  des  Ober- 
kieferkörpers, während  die  Nische,  welche  er  enthält,  die  untere,  hintere  Zelle  des 
Siebbeines  zu  schließen  hat.  Er  ergänzt  die  hinterste  Ecke  der  unteren  Wand  der 
Augenhöhle  und  bildet  die  vordere  Begrenzung  des  Anfanges  der  Fissura  orbitalis 
inferior  (123).  Der  hintere  Fortsatz,  Processus  sphenoidalis,  ist  nur  ein  vier- 
seitiges Plättchen.  Medianwärts  umgebogen  und  rückwärts  geneigt,  legt  er  sich  an 
die  untere  Seite  des  Keilbeinkörpers  an.  Er  beteiligt  sich  an  dem  Verschluß  des 
Canalis  pharyngeus   (s.   S.  70). 

Durch  den  Keilbeinkörper  wird  die  Incisura  sphenopalatina  zum  Foramen 
sphenopalatinum  geschlossen,  welches  aus  der  Fossa  pterygopalatina  Nerven  und 
Gefäße  zur  Nasenhöhle  führt   (114). 

Der  Processus  pyramidalis  geht  von  der  Verbindungsstelle  der  perpendi- 
kulären und  horizontalen  Platte  nach  hinten  ab  und  ist  in  die  Incisura  palatina  des 
Processus  pterygoideus  des  Keilbeines  eingepaßt.  Zu  beiden  Seiten  nimmt  er  die 
vorderen  Ränder  der  Lamellen  des  Flügelfortsatzes  in  tiefe,  rauhe  Rinnen  auf  und 
in  der  Mitte  besitzt  er  eine  glatte,  nach  oben  zwickeiförmig  zugespitzte  Fläche,  welche 
das  untere  Ende  der  Fossa  pterygoidea  vervollständigt.  Mit  seiner  vorderen  lateralen 
Fläche  legt  er  sich  an  den  Oberkiefer  an  (128). 

Entwickelung.  Im  zweiten  bis  dritten  Fetalmonat  tritt  ein,  nach  anderen  Autoren 
treten  mehrere  Knochenkerne  auf.  Um  die  22.  Fetalwoche  ist  das  Gaumenbein  fertig  gebildet. 
„Zusammenhängend  mit  der  geringen  Höhe  des  Obergesichtes  im  ganzen  ist  auch  die  perpendi- 
kuläre Platte  in  der  Fetalperiode  und  beim  Neugeborenen  sehr  nieder;  dabei  ist  sie  stärker  rück- 
wärts geneigt.  Der  Proc.  pyramidalis  ist  relativ  groß;  der  Orbitalfortsatz  ist  ein  solides  dünnes 
Plättchen.  Erst  mit  der  vollständigen  Ausbildung  der  Verhältnisse  des  Gesichtsschädels  gegen 
die  Zeit  der  Pubertätsentwickelung  hin  nimmt  auch  das  Gaumenbein  seine  definitive  Form  an. 


x)   Foramen  sphenopalatinum,   Foramen  pterygopalatinum. 

2)  Crista  turbinalis  inferior. 

3)  Crista  turbinalis  superior. 


Unterkiefer.  81 

Von  Varietäten  ist  zu  berichten,  daß  die  erwähnten,  das  Gaumenbein  durchsetzenden 
Kanäle  nach  Zahl  und  Verlauf  mancherlei  Verschiedenheiten  aufweisen.  Die  perpendikuläre 
Platte  sendet  nicht  selten  einen  sehr  dünnen  Fortsatz,  Proc.  nasalis,  nach  vorn,  der  einen  Teil 
des  Hiatus  maxillaris  schließt"  (M.-H.).  Der  Proc.  orbitalis  ist  sehr  variabel;  er  kann  sehr  redu- 
ziert sein,  er  kann  sich  auch  stark  ausdehnen;  er  kann  von  einem  Fortsatz  des  Oberkieferbeines 
oder  von  einem  solchen  des  Siebbeines  ersetzt  sein.  Auch  der  Processus  pyramidalis  kann  von 
diesen  beiden  Knochen  ausgehen.  —  Hyrtl  hat  einmal  eine  Naht  zwischen  horizontaler  und 
vertikaler  Platte  des  Gaumenbeines  beobachtet. 


14.  Unterkiefer,  Mandibula1). 

Der  Unterkiefer  nimmt  den  übrigen  Schädelknochen  gegenüber  eine  gewisse 
Sonderstellung  ein.  Erstens  ist  er  weit  größer  und  massiger  als  alle  anderen,  zweitens 
ist  er  der  einzige  Knochen,  welcher  mit  dem  Hirnschädel  durch  Gelenk  verbunden 
ist  und  drittens  ist  seine  Entwickelung  als  ein  Teil  des  Visceralskeletes  aus  dem  ersten 
Schlundbogen  eine  eigenartige. 

Da  der  Unterkiefer  mit  dem  Kaugeschäft  betraut  ist,  findet  man  die  Einzelheiten 
seines  Baues,  die  Verhältnisse  des  Kiefergelenkes  und  das  durch  die  Muskelansätze 
hervorgerufene  Relief  bei  den  verschiedenen  Säugern  in  mannigfaltigster  Weise 
variiert,  je  nachdem  sie  ihre  Nahrung  als  Raubtiere,  als  Nager  usw.  zerkleinern.  Der 
omnivore  Mensch  zeigt  eine  ziemlich  gleichartige,  mittlere  Ausbildung  der  einzelnen 
Teile. 

Der  Unterkiefer  besteht  aus  dem  Körper  und  den  beiden  Asten;  beim  Neuge- 
borenen noch  paarig,  verwächst  er  bald  zu  einem  unpaarigen  Stück. 

Der  Körper,  Corpus  mandibulae  (130),  ist  auf  die  Fläche  hufeisenförmig 
gebogen;  auf  ihn  ist  der  Alveolarteil,  Pars  alveolaris,  aufgesetzt,  welcher  sich  aus 
dem  Körper  ohne  irgend  eine  Grenze  erhebt,  aber  einen  etwas  kleineren  Bogen  macht, 
wie  dieser.  Es  sieht  dadurch  aus,  als  wäre  sein  hinterer  Teil  medianwärts  verschoben, 
so  daß  er  außen  ein  wenig  zurückspringt,  an  der  Innenseite  dagegen  etwas  vortritt 
(130,  131).  Die  schon  vom  Alveolarfortsatz  des  Oberkiefers  bekannten  Bezeichnungen 
kehren  hier  wieder:  für  den  freien  Rand,  Limbus  alveolaris,  für  die  Wülste  an 
der  Außenseite  über  den  Zahnwurzeln,  Juga  alveolaria  usw.  Nach  dein  Verlust 
der  Zähne  versehwindet  auch  der  Alveolarteil  des  Unterkiefers  vollständig. 

Dir  untere  Rand  des  Unterkieferkörpers  ist  abgerundet  und  leicht  verdickt. 
Dir  zu  beiden  Seiten  von  den  Eckzähnen  begrenzte  Mittelteil  trägt  auf  seiner  Außen- 
seite einen  niei  Haust  eilenden  Längswulst,  weli  her  üben  zwischen  den  mittleren  Schneide- 
zähnen schmal  und  nieder  beginnt,  nach  unten  hin  aber  sich  erhöht  und  verbreitert, 
die  Protuberantia  mentalis'-)  (130).  Am  unteren  Kieferrand  endigt  sie  beider- 
seits mit  einem  mein-  oder  weniger  deutlich  vorspringenden  Höcker,  Tuberculum 
mentale  (130,  132).  Je  nach  ihrer  Ausbildung  beeinflussen  diese  Gebilde  die  in- 
dividuelle Erscheinung  des  Kinnes  maßgebend,  das  eine  Mal  tritl  es  stärker  vor  und 
ist  geradezu  eckig,  das  andere  Mal  ist  es  wenig  vortretend  und  gerundet.  Bei  niederen 
Rassen  und  ihn  ältesten  prähistorischen  Schädeln  fehlt  ein  vortretendes  Kinn  mehr 
oder  weniger  (Tierähnlichkeit).  Zu  beiden  Seiten  dei  Protuberantia  mentalis  findet 
man  unter  den  lateralen  Schneidezähnen  die  Oberfläche  leicht  zu  den  Fossae 
mentales   (130)   vertieft.     Auf  dem    seitlichen  Teil   des  Körpers  öffnet    sich   unter 

')   Maxiila  inferior. 

-)  Spina  mentalis  externa, 

Merkel,   Anatomie  II.    Skelctlchrc.  6 


S2  Unterkiefer. 

dem  zweiten  Prämolarzahn  nicht  ganz  in  der  Mitte  der  Höhe  des  Kiefers  das 
Foramen  mentale  zum  Austritt  von  Nerven  und  Gefäßen.  Von  der  Gegend 
unter  dem  zweiten  Molarzahn  erhebt  sich  auf  der  Außenfläche  des  Kieferkörpers 
die  Linea  obliqua  (130),  welche  rückwärts  aufsteigend  in  den  vorderen  Rand  des 
Astes  übergeht.  Sie  stellt  die  Grenze  des  eigentlichen  Kieferkörpers  gegen  den 
einwärts  gerückten  Alveolarteil  dar. 

Die  dem  Innern  des  Mundes  zugekehrte  Fläche  zeigt  eine  medianstehende, 
meist  geteilte  Zacke,  Spina  mentalis1)  (131,  132),  zur  Anheftung  der  Mm.  genio- 
glossi  und  darunter  der  Mm.  geniohyoidei.  Weiter  unten,  unmittelbar  über  dem 
Kieferrand,  trifft  man  jederseits  auf  eine  flache  Grube,  Fossa  digastrica  (132), 
in  welcher  sich  der  vordere  Bauch  des  gleichnamigen  Muskels  anheftet.  Seitlich 
erhebt  sich  von  der  Gegend  des  ersten  Molarzahnes  aus  die  Linea  mylohyoidea 
(131),  welche  durch  die  median wärts  über  den  Bogen  des  eigentlichen  Kieferkörpers 
eingerückte  Zahnlade  erzeugt  wird.  An  ihr  entspringt  der  M.  mylohyoideus.  Unter 
ihr  findet  man  eine  schmale,  ihr  parallel  verlaufende  Rinne,  Sulcus  mylohyoideus, 
für  den  gleichnamigen  Nerven,  welche  besonders  unter  den  letzten  Backzähnen  deut- 
lich ist.  Außerdem  ist  die  Oberfläche  des  Knochens  oberhalb  und  unterhalb  der 
Linea  mylohyoidea  leicht,  manchmal  kaum  merklich,  zu  flachen  Eindrücken  vertieft, 
oberhalb  zur  Fovea  subungualis,  unterhalb  zur  Fovea  submaxillaris  (131); 
beide  beherbergen  Teile  der  gleichnamigen  Drüsen. 

Der  Ast,  Ramus  mandibulae,  erhebt  sich  vom  hinteren  Ende  des  Körpers, 
wobei  die  freien  nach  unten  und  hinten  gekehrten  Ränder  von  Körper  und  Ast  in  einem 
stumpfen  Winkel,  Angulus  mandibulae  (130 — 132),  von  individuell  verschiedener 
Größe  zusammenstoßen.  Der  Rand  des  Winkels  ist  nach  außen, mehr  oder  weniger 
stark  abgebogen.  Er  ist  am  Lebenden  stets  deutlich  zu  fühlen,  bei  mageren  Personen 
auch  zu  sehen.  Der  hintere  Rand  des  Astes  ist  leicht  S-förmig  gekrümmt,  der 
vordere  geht  aus  dem  Körper  in  einer  gebogenen  Linie  hervor,  indem  sich,  wie 
oben  erwähnt,  lateral  die  Linea  obliqua  in  ihn  fortsetzt.  Sie  ist  als  scharfe  Kante 
bis  zum  oberen  Ende  des  Astes  zu  verfolgen.  An  der  medialen  Seite  steigt  die 
Linea  mylohyoidea  ebenfalls  nach  dem  Aste  auf,  doch  wird  sie  rasch  stumpfer  und 
verschwindet  schließlich.  Der  vordere  Rand  besitzt  zu  Anfang,  wo  er  aus  dem  Körper 
abgeht,  eine  Breite,  welche  durch  die  des  letzten  Backenzahnes  bestimmt  wird.  Er  ist 
hier  zu  einer  flachen  Rinne  vertieft,  welche  durch  eine  schwache  Firste,  Crista 
buccinatoria  (130),  in  eine  größere  laterale  und  kleinere  mediale  Hälfte  geteilt 
wird.  An  ihr  entspringt  der  M.  buccinator.  Nach  oben  schärft  sich  der  vordere 
Rand  mehr  und  mehr  zu. 

Die  Außenfläche  des  Astes  wird  von  kleinen  Leisten  und  Rauhigkeiten  ein- 
genommen, an  welchen  sich  der  M.  masseter  ansetzt,  Tuberositas  masseterica;' 
ähnliche  Rauhigkeiten  der  Innenfläche,  Tuberositas  pterygoidea,  sind  für  den 
Ansatz  des  M.  pterygoideus  internus  bestimmt.  Etwa  in  der  Mitte  der  Höhe  der 
Innenfläche  trifft  man  auf  ein  ansehnliches  Loch,  Foramen  mandibulare  (132), 
und  am  vorderen  Rand  desselben  auf  die  Lingula  mandibulae,  eine  Knochen- 
zacke, welche  vom  Lig.  sphenomandibulare  des  Kiefergelenkes  umfaßt  wird. 

An  seinem  oberen  Rand  wird  der  Unterkieferast  durch  einen  bogenförmigen 
Ausschnitt,  Incisura  mandibulae,  in  zwei  Fortsätze  geteilt  (130, 131).   Der  vordere, 


!)   Spina  mentalis  interna. 


Unterkiefer.  83 

Proi  i  ssus  coronoideus1),  ist  von  beiden  Seitenher  abgeflacht  und  mehr  oderweniger 
rückwärts  gekrümmt.  Er  dient  lediglich  dem  M.  temporalis  zur  Anheftung,  weshalb 
seine  Ausbildung  mit  der  dieses  Muskels  schwankt.  Der  hintere  Fortsatz,  Processus 
condyloideus  -i  ist  starker.  Sein  Ende  verbreitert  sich  zu  dem  querelliptischen 
Gelenkkopf,  Capitulum  mandibulae.  welcher  sich  durch  den  eingeschnürten 
Hals,  Collum  mandibulae,  absetzt.  Die  Gelenkflächen  beider  Seiten  sind  nicht 
nin  transversal  gestellt,  sondern  weichen  mit  dem  medialen  Ende  rückwärts  ab,  so 
daß  sich  die  Verlängerungen  ihrer  Achsen  ungefähr  am  vorderen  Umfang  des  Hinter- 
hauptsloches schneiden.  Der  Hals  zeigt  sich  unter  dem  medialen  Teil  der  Gelenk- 
fläche leicht  gehöhlt  zum  Ansatz  des  M.  pterygoideus  internus,  Fovea  pterygoidea. 
Vom  Foramen  mandibulae  erstreckt  sich  durch  den  Unterkiefer  ein  Kanal, 
Canalis  mandibulae,  welcher  den  N.  alveolaris  inferior  und  die  gleichnamigen 
Gefäße  enthält.  Er  verläuft  ungefähr  in  Richtung  und  Höhe  des  Sulcus  mylohyo- 
ideus und  liegt  der  inneren  Oberfläche  des  Knochens  näher  wie  der  äußeren.  Von 
ihm  aus  gehen  feine  Kanälchen  zu  den  Alveolen,  um  den  Zahnwurzeln  ihre  Nerven 
und  Gefäße  zuzuführen.  Durch  das  Foramen  mentale  sendet  er  einen  ansehnlichen 
Teil  seines  Inhaltes,  die  Xn.  und  Vasa  mentalia  zum  Kinn,  weshalb  sich  sein  Kaliber 
von  da  ab  plötzlich  um  mehr  als  die  Hälfte  verringert  (132,  133).  Er  erstreckt  sich 
bis  unter  die  mittleren  Schneidezähne. 

Über  die  Ursache  der  Kinnbildung,  welche  dem  Menschen  allein  eigen  ist,  hat  sich  eine 
Diskussion  abgespielt,  welche  dadurch  hervorgerufen  wurde,  daß  Walkhoff  (1902,  1909)  be- 
hauptete, daß  das  menschliche  Kinn  durch  die  Wirkung  der  Sprache  entstanden  sei.  Dem  traten 
!  her  (1903)  und  Weidenreich  (1904)  entgegen.  Der  letztere  sagt,  wie  mir  scheint,  richtig: 
.,l>.is  Auftreten  des  Kinnes  beim  Menschen  als  prominentester  Teil  des  Unterkiefers  ist  ein  rein 
passiver  Vorgang;  nicht  etwa  Muskelwirkung,  wie  Walkhoff  anzunehmen  scheint,  treibt  das 
Kmn  vor  den  Alveolarteil  nach  vorn,  sondern  der  Alvcolarteil  schiebt  sich  infolge  der  Reduk- 
tion der  Zähne  über  den  dadurch  nun  vorspringenden  Basalteil  zurück."  Toldt  (1904)  stimmt 
dem  allerdings  nicht  zu,  er  hält  vielmehr  die  Ausbildung  eines  Kinnes  beim  Menschen  für  eine 
Folge  der  Verbreiterung  des  Zahnbogens.  Die  beträchtliche  Querspannung  des  Kieferbogens 
bedarf  einer  Verstärkung  der  Knochenmasse,  welche  durch  das  Kinn  gegeben  ist. 

Entwickelung  {101).  Der  Knorpelstab  in  der  Achse  des  ersten  Schlundbogcns  (Meckel- 
scher  Knorpel  1  isf  von  einem  bindegewebigen  Keimgewebe  umgeben,  welches  schon  vor  Beginn 
der  Verknöcherung  die  Form  des  späteren  Unterkiefers  erkennen  läßt  (Reuter  1896).  Von  der 
Mitte  des  zweiten  Fetalmonats  ab  treten  in  ihm  mehrere  Knochenkerne  als  Belegknochen  des 
Knorpels  auf.  Sie  fließen  zusammen  und  bilden  eine  nicht  ganz  geschlossene  Röhre,  in  welcher  der 
immer  mehr  zurückgehende  Meckelschc  Knorpel  eingeschlossen  ist.  An  ihrem  oberen  Rande 
treten  mit  den  Zahnanlagen  auch  die  Alveolen  auf.  Endlich  verschwindet  der  Meckelsche 
Knorpel  ganz,  nur  sein  vorderster  Teil  ist  direkt  an  der  Knochenbildung  beteiligt.  Accessorische 
Knorpelkerne  entstehen  im  Processus  condyloideus,  Proc.  coronoideus,  am  Angulus  mandibulae 
und   .1111     \h<olarrand. 

Im  Anfang  ist  ein  Angulus  mandibulae  kaum  zu  finden,  die  Fortsätze  liegen  vielmehr 
fast  gan2  in  der  [flucht  des  Körpers  mit  ganz  geringer  Abweichung  nach  oben.  Noch  beim  Neu- 
geborenen ist  der  Asl  nieder  und  stößl  in  einem  sehr  stumpfen  Winkel  mit  dem  Körper  zusammen. 
Außerdem  erscheint  er  aufgetrieben  durch  die  voluminösen  in  ihm  enthaltenen  Zahnanlagen. 
Entsprechend  --einer  paarigen  Bildung  besteht  der  l'nterkiefer  noch  heim  Neugeborenen,  wie  er- 
wähnt, aus  zwei  seitlichen,  durch  eine  mediane  Symphyse  verbundenen  I  Killten.  Die  Yerknöehc- 
rung  der  Symphyse  beginnt  selten  vor  der  Geburt,  meist  nachher  und  /war  von  mehreren  Punkten 

aus     M.-ll.i.      Linsenförmige   platte    Knochenscheibchen,    Ossicula    mentalia,   entstehen   als 

kleine  Schaltknochen  in  der  unteren  Hälfte  der  Symphyse  in  verschiedener  Zahl.    Weidenreich 

v    und  Bardeleben     1905)  lassen  aus  ihnen  die  Protuberantia  mentalis  hervorgehen.    D 


l)   Von   KOQtavös  krumm,   xogcäv^    Haken. 
I  tocessus  articularis, 


84  Bandverbindungen  des  Schädels. 

Verwachsung  sämtlicher  Teile  ist  bis  zum  dritten  oder  vierten  Lebensmonat  meist  schon  vollendet, 
nur  zwischen  den  beiden  mittleren  Schneidezähnen  erhält  sich  nicht  selten  eine  lineare  Furche 
bis  ins  reife  Alter.  Die  Ausbildung  des  Unterkiefers  hält  im  ganzen  Schritt  mit  der  Ausbildung 
der  Zähne.  Da  die  Schneidezähne  schon  sehr  frühzeitig  weit  fortgeschritten  sind,  umfaßt  der 
sie  beherbergende  Kieferteil  schon  im  ersten  Lebensjahr  denselben  Raum,  wie  beim  Erwachsenen. 
(Gr.  Spee).  Das  Foramen  mentale  rückt  während  des  Kieferwachstums  um  die  Breite  eines 
Zahnes  nach  hinten.  Bei  zahnlosen  Kiefern,  deren  Alveolarfortsatz  verschwunden  ist,  liegt  das 
For.  mentale  nahezu  auf  der  Kaufläche. 

Varietäten.  Der  Winkel,  welchen  Körper  und  Ast  miteinander  bilden,  schwankt,  wie 
schon  erwähnt,  nicht  unbeträchtlich.  Das  Foramen  mandibulare,  öfter  noch  das  Foramen  men- 
tale, kann  sich  verdoppeln,  letzteres  sich  sogar  verdreifachen.  Der  Canalis  mandibularis  wurde 
ebenfalls  schon  doppelt  gefunden.  —  Der  Gelenkfortsatz  ist  in  seiner  Form  zahlreichen  indivi- 
duellen Schwankungen  unterworfen,  selbst  die  Stellung  der  Achsen  beider  Gelenkfortsätze  zu- 
einander ist  nicht  ganz  konstant.  —  Als  Processus  Sandiforti  oder  Processus  lemurinicus 
wird  ein  an  der  Ecke  des  Kieferwinkels  vorkommender  Vorsprung  beschrieben,  welcher  nach 
unten  und  außen  gerichtet  ist.  Ob  man  es  mit  einem  Analogon  des  Winkelfortsatzes  gewisser 
Säuger  zu  tun  hat,   oder  nur  mit  einer  individuellen  Bildung,   erscheint  noch  fraglich. 

Praktische  Bemerkungen.  Die  Lage  des  Unterkiefers  ist  eine  sehr  freie,  weshalb  man 
ihn  sowohl  von  außen  her,  wie  von  der  Mundhöhle  aus  zum  allergrößten  Teil  betasten  kann;  man 
wird  deshalb  auch  meist  keine  Schwierigkeit  finden,  vorhandene  Brüche  mit  Sicherheit  zu 
erkennen.  Seiner  freien  Lage  wegen  ist  der  Unterkiefer  solchen  mehr  ausgesetzt  als  andere 
Gesichtsknochen  und  wird  durch  Schlag,  Schuß  oder  Fall  leicht  verletzt.  Seiner  Hufeisenform 
wegen  kann  er  auch  bei  Pressung  eine  Fraktur  erleiden.  Einem  Bruch  wirkt  es  entgegen,  daß 
er  eine  sehr  kräftige  Corticalis  besitzt,  welche  die  im  Inneren  befindliche  Spongiosa  schützt.  Der 
Canalis  mandibularis  und  sein  Inhalt"  wird  natürlich  bei  Brüchen,  welche  den  Knochen  senkrecht 
oder  schief  durchsetzen,  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden.  Dislokationen  der  Bruchenden  treten 
sehr  leicht  auf,  da  die  zahlreichen  am  Unterkiefer  befestigten  Muskeln  an  ihnen  ziehen.  Daß 
die  dünnen  Außen-  und  Zwischenwände  der  Alveolen  bei  Zahnextraktionen  verletzt  werden  können, 
versteht  man  leicht. 

Brüche  der  beiden  Fortsätze-  des  Unterkiefers  sind  selten,  doch  werden  sie  immerhin 
beobachtet. 

15.  Bandverbindungen  des  Schädels. 

Entsprechend  der  verschiedenen  entwickelungsgeschichtlichen  Herkunft  der 
Schädelknochen  sind  auch  die  Weichteile  zwischen  ihnen  histologisch  verschieden 
gebaut.  Die  Teile  des  knorpeligen  Primordialschädels  werden  in  der  Jugend  durch 
hyalinen  Knorpel  miteinander  verbunden,  welcher  sich  jedoch  später  unter  Auf- 
nahme von  fibrillärem  Bindegewebe  zu  Faserknorpel  umwandelt.  Die  auf  rein  binde- 
gewebiger Grundlage  entstehenden  Deckknochen  stehen  immer  durch  reines  Binde- 
gewebe in  Zusammenhang  miteinander.  Letzteres  gilt  für  alle  Nähte  des  Schädel- 
daches und  des  Gesichtes,  ersteres  aber  für  die  Verbindungen  der  Knochen  der  Schädel- 
basis miteinander.  Wie  schon  bekannt  ist,  findet  man  an  dieser  eine  Anzahl  transi- 
torischer  Synchondrosen,  welche  die  in  der  Jugend  getrennten  Teile  der  verschiedenen 
Knochen  miteinander  verbinden.  Permanent  sind  nur  die  Synchondrosis  spheno- 
petrosa  und  petrooccipitalis  in  den  Spalten  zu  beiden  Seiten  des  Felsenbeines. 
Sie  setzen  sich  von  der  Spitze  desselben  in  die  Ausfüllung  des  Foramen  lacerum  fort. 

Nächst  den  Rändern  und  Oberflächen  der  Teile  des  embryonalen  Schädels  ver^ 
laufen  vielfach  Gefäße  und  Nerven,  welche  bei  der  definitiven  Ausbildung  von  Knochen 
umschlossen  werden,  so  daß  sie  durch  Löcher  desselben  verlaufen.  Nicht  immer  aber 
kommt  es  zu  einer  Verknöcherung  dieser  umschließenden  Spangen,  in  einer  Reihe 
von  Fällen  erhalten  sie  sich  als  Bänder,  und  zwar  die  eine  häufiger,  die  andere  seltener. 
Es  war  davon  schon  bei  Beschreibung  der  einzelnen  Knochen  die  Rede.     Hier  sollen 


Kiefergelenk.  &5 

nur  die  so  häufig  verknöcherten  Verbindungen  der  Processus  clinoidei  des  Keilbeines, 
die  Brücken  über  die  Incisurae  frontalis  und  supraorbitalis  und  das  erwähnte  Liga- 
mentum pterygospinosum  (Civinini)  hervorgehoben  werden;  letzteres  spannt  sich 
von  einer  Zacke  am  hinteren  Rande  der  Lamina  lateralis  proc.  pteryg.  zur  Spina 
angularis  herüber.  Ferner  soll  erwähnt  werden,  daß  Hinterhauptbein  und  Schläfen- 
bein miteinander  durch  eine  sehr  festschließende  Amphiarthrose ,  Articulatio 
petro-occipitalis,  verbunden  sind,  von  deren  Gelenkflächen  oben  (S.  57)  die 
Rede  war.     Nach  Abschluß  des  Wachstums  wird  es  durch  Synostose  ersetzt. 

16.  Kiefergelenk,  Articulatio  mandibularis. 

Wie  schon  bei  der  Beschreibung  des  Unterkiefers  erwähnt  wurde,  stehen  die 
transversalen  Achsen  der  beiden  Kiefergelenke  so,  daß  sie  sich  in  der  Gegend  der 
vorderen  Umrandung  des  Hinterhauptsloches  schneiden.  Das  Gelenk  „wird  durch 
eine  elliptische,  mit  dem  größten  Durchmesser  transversal  gestellte  Bandscheibe, 
Discus  articularis  (13ö),  in  zwei  Kammern  geteilt.  Dieselbe  ist  beiderseits  konkav 
und  steht  in  der  Ruhe  am  vorderen  Abhang  des  Gelenkkopfes  des  Unterkiefers.  Die 
Kapsel  ist  ringsum  mit  der  Bandscheibe  verbunden  und  heftet  sich  an  den  beiden 
Knochen  der  Artikulation  so  eigentümlich  an,  wie  man  es  im  übrigen  Körper  nicht 
wiederfindet.  Die  scheinbar  für  Aufnahme  des  Gelenkkopfes  bestimmte  Pfanne  ist 
nur  in  ihrer  vorderen  Hälfte  in  die  Kapsel  einbezogen  und  dafür  ist  die  hintere  Hälfte 
des  vor  der  Pfanne  gelegenen  Höckers  von  der  Kapselmembran  umgeben.  Dies  i-r- 
klärt  sich  durch  die  Kntwickelung.  Beim  Neugeborenen  existiert  weder  ein  deut- 
ln hes  Tuberculum  articulare,  noch  ein  ausgebildetes  Os  tympanicum,  so  daß  die  Ge- 
lenkgrube lediglich  aus  einer  median-  und  abwärts  geneigten  Fläche  besteht,  an  welche 
sich  ringsum  die  Kapsel  ansetzt.  Der  in  der  Folge  heranwachsende  Paukenteil,  welcher 
nun  den  hinteren  Abhang  der  Pfannenvertiefung  bildet,  kann  nicht  weiter  an  der  Her- 
stellung des  Gelenkes  teilnehmen,  weil  er  von  Anfang  an  von  ihm  ausgeschlossen 
war.  Die  im  Gelenk  liegende  Erhöhung  des  Tuberculum  articulare  ist  der  allmählich 
fortschreitenden  Ausbildung  des  in  ihr  wurzelnden  Arcus  zygomaticus  zu  danken. 
\in  Proc.  articularis  des  Unterkiefers  setzt  sich  die  Kapsel  so  an,  daß  sie  ihn  hinten 
ziemlich  weit  umgreift,  während  sie  vorn  am  gleichen  Verhalten  durch  den  hoch  hinauf- 
reii  henden  Ansatz  des  M.  pterygoideus  ext.  gehindert  wird.  Die  Kapsel  isl  im  ganzen 
dünn  und  sehr  schlaff."     (M.-H.) 

Der  Überzug  der  beiden  GelenkQächen  besteht  nicht  aus  hyalinem  Knorpel, 
was  nicht  verwundern  kann,  da  dieselben  aus  Bindegewebsknochen  und  nicht  aus 
Knorpelknochen  hervorgehen.  Der  dünne  Überzug  ist  vielmehr  Bindegewebe,  in 
welches  jedoch  Knorpel/eilen,  besonders  in  den   tieferen  Schichten,  eingestreut  sind. 

Die  Kapsel  wird  nur  an  ihrer  lateralen  Seite  durch  ein  kurzes  und  platte-.  Haft- 
band verstärkt,  das  Ligamentum  temporomandibulare1)  [134).  Es  entspringt 
vom  hintersten  Ende  des  Jochfortsatzes  und  hettet  sich  an  den  Kieferhals.  1  >i>- 
vordersten  kräftigeren  Bündel  laufen  rückwärts,  die  hinteren  schwächeren  ziehen 
vertikal  herab.  Die  ersteren  spannen  sich  bei  Rückwärtsbewegung,  die  letzteren 
bei   Vorwärtsbewegung  des  Gelenkkopfes  an. 

An  der  medialen  Seile  wird  die  Kapsel  nur  durch  einen  schmalen,  nicht  einmal 
ganz  beständigen  Bänderzug  verstärkt. 

')  Lig.  collaterale  laterale;  Lig.  accessorium  lat. 


86  Kiefergelenk. 

Von  der  Kapsel  durch  Gefäße,  Nerven  und  Fett  getrennt,  läuft  aber  an  der 
medialen  Seite  des  Kiefergelenkes  noch  eine  streng  genommen  nicht  mehr  zu  ihm 
gehörige  dünne  Membran  herab,  Ligamentum  sphenomandibulare x)  (136). 
Das  Band  entspringt  neben  dem  Gelenk  an  der  Spina  angularis  des  Keilbeines  und 
teilt  sich  in  zwei  Blätter,  von  welchen  das  eine  am  Hals  des  Unterkiefers,  das 
andere  an  der  Lingula  mandibularis  endigt. 

Das  Ligamentum  stylomandibulare  2)  steht  dem  Kiefergelenk  noch  femer; 
es  ist  ein  dünner  Bänderzug  mit  aufwärts  konvexem  Rande,  welcher  vom  Processus 
styloideus  entspringt  und  zum  Kieferwinkel  herabsteigt.  Von  ihm  entspringen  auch 
Fasern  des  M.  styloglossus. 

Die  von  manchen  Autoren  zu  den  Kieferbändern  gerechnete  Raphe  pterygomandi- 
bularis  wird  bei  Beschreibung  der  mit  ihr  zusammenhängenden  Muskeln  beschrieben  werden. 

Bei  den  Bewegungen  des  Unterkiefers  wirken  stets  die  Gelenke  beider  Seiten 
miteinander.  Die  Stellung  der  Condylen  ist  dem  nicht  günstig,  da  ihre  Querachsen, 
wie  erwähnt,  keine  einheitliche  Linie  bilden,  sondern  sich  in  stumpfem  Winkel  schneiden. 
Eine  ungehinderte  Bewegung  wird  dadurch  ermöglicht,  daß  der  Gelenkkopf  beim 
weiteren  Öffnen  des  Mundes  seine  Pfanne  verläßt  und  sich  auf  das  Tuberculum  arti- 
culare  stellt.  Die  Bandscheibe,  welche  in  der  Ruhe  mit  ihrem  hinteren  Rand  in  der 
tiefsten  Stelle  der  Gelenkgrube  stand,  gleitet  mit  dem  Unterkiefer  vorwärts  und  gleicht 
dadurch  die  Inkongruenz  zwischen  den  beiden  konvex  gekrümmten  Knochenflächen 
aus.  Die  Bewegung  ist  bei  mageren  Leuten  direkt  zu  sehen,  bei  jedermann  deutlich 
zu  fühlen.  Die  lockere  Bindegewebsmasse,  welche  die  Bandscheibe  mit  der  hinteren 
Wand  der  Kapsel  und  der  hinteren  Hälfte  der  Fossa  articularis  verbindet,  wird  dabei 
gespannt;  kehrt  der  Kopf  beim  Schließen  des  Mundes  wieder  in  die  Pfanne  zurück, 
dann  preßt  er  diese  Bandmasse  gegen  deren  Rückwand,  während  die  Bandscheibe 
zwischen  die  Vorderwand  der  Grube  und  den  Gelenkkopf  zu  liegen  kommt.  Bei 
den  Verschiebungen  des  Gelenkkopfes  muß  man  aber  den  Mund  nicht  notwendiger- 
weise öffnen,  man  kann  dabei  auch  die  Zahnreihen  in  Kontakt  lassen  und  auf  diese 
Art  eine  vor-  und  rückwärts  reibende  Bewegung  ausführen.  Eine  seitliche  Mal- 
bewegung wird  dadurch  bewirkt,  daß  sich  nur  der  Gelenkkopf  der  einen  Seite  auf 
den  Gelenkhöcker  vorschiebt,  während  der  andere  an  seiner  Stelle  bleibt;  der 
letztere  bildet  damit  das  Centrum  eines  Kreises,  um  dessen  Peripherie  sich  der  erstere 
bewegt. 

Bei  der  geschüderten  Vorwärtsbewegung  des  Kopfes  auf  den  Gelenkhöcker 
kann  die  Achse,  um  welche  sich  der  Kiefer  dreht,  nicht  wie  anderwärts  im  Gelenk 
selbst  liegen,  sie  ist  vielmehr  weiter  unten  zu  suchen,  und  zwar  fällt  sie  mit  dem  Ein- 
gang in  den  Canalis  mandibularis  zusammen.  Dieser  ist  also  mit  den  in  ihn  eintretenden 
Gefäßen  und  Nerven  der  unbeweglichste  Punkt. 

Das  Kiefergelenk  der  Säugetiere  und  des  Menschen  ist  dem  der  niederer  stehenden  Wirbel- 
tiere nicht  homolog.  Die  Säuger  verwenden  Teile,  welche  bei  diesen  zur  Herstellung  des  Kiefer- 
gelenkes benützt  werden  (Os  palato-quadratum  und  articulare)  zur  Bildung  der  Gehörknöchelchen 
und  bilden  zum  Ersatz  ein  sekundäres  Kiefergelenk  aus. 

Bei  zahnlosem  Mund  atrophiert  die  Bandscheibe  durch  Nichtgebrauch    (Kieffer  1907). 

Varietät.     Die  Bandscheibe  ist  in  seltenen  Fällen  in  der  Mitte  durchbohrt. 

Praktische  Bemerkungen.  Die  Bildung  und  Funktion  des  Kiefergelenkes  begünstigen 
das  Eintreten  einer  einseitigen,  noch  häufiger  einer  doppelseitigen  Luxation  nach  vorne  außer- 
ordentlich.    Sie  tritt  leicht  ein  bei  übertriebener  Bewegung  beim  Lachen,    Gähnen,  Erbrechen 


2)  L.  spino-lingulare,  Fick.     Lig.  accessorium  mediale. 
2)  L.  stylomyloideum. 


Zungenbein.  87 

usw.  Der  Gelenkkopf  tritt  dann  über  das  Tuberculum  articulare  hinaus  bis  in  den  Anfang  der 
Lnterschläfengrube  und  wird  dort  vom  Zug  des  angespannten  Temporalmuskels  festgehalten. 
I  )ie  nachgiebige  Kapsel  spannt  sich  zwar  stark,  braucht  aber  nicht  zu  zerreißen.  Bei  der  starken 
Dehnung,  welche  sie  erleidet,  erklärt  es  sich,  daß  Rezidive  häufig  sind.  Die  größere  Zartheit 
des  Bandapparates  beim  weiblichen  Geschlecht  macht  es  verständlich,  daß  bei  ihm  Luxationen 
häufiger  sind  wie  beim  männlichen.  Die  sehr  seltene  Luxation  nach  hinten  führt  den  Gelenk- 
kopf unter  dem  Gehörgang  bis  zum  Proc.  mastoideus  hin. 

Wird  durch  Ankvlose  das  eine  Kicfergelenk  festgestellt,  dann  wird  es  auch  das  andere, 
da  ja  eines  allein  für  sich  nicht  zu  funktionieren  vermag.  Da  das  Gelenk  zwei  vollständig  von- 
einander getrennte  Höhlen  besitzt,  muß  bei  einer  Erkrankung,  welche  sonst  zur  Ankylose  führt, 
die  Bewegungsmöglichkeit  nicht  immer  sogleich  gänzlich  aufgehoben  sein,  da  es  vorkommen 
kann,  daß  nur  die  eine  der  beiden   Gelenkkammern  ergriffen  ist. 

In  dir  l'nigebung  des  Kiefergelcnkes  finden  sich  wichtige  Gefäße  und  Nerven:  an  der 
lateralen  Seite  A.  und  Y.  temporalis  superficialis,  X.  auriculotemporalis  und  facialis,  an  der 
medialen  Seite  Chorda  tympani,  A.  und  V.  maxillaris  interna,  der  Anfang  des  X.  auriculotem- 
poralis, auf  welche  sich  bei  einer  Resektion  die  Aufmerksamkeit  zu  richten  hat. 

17.  Zungenbein,  Os  hyoideum1). 

Obgleich  das  Zungenbein  seiner  Lage  nach  dem  Halse  angehört,  ist  es  seiner 
Entwic  ki  hing  nach  doch  dem  Unterkiefer  und  dem  Griffclfortsatz  des  Schläfenbeines 
so  nähr  wrwandt,  daß  man  es  zum  Schädel  zu  stellen  hat.  Auch  im  ausgebildeten 
Zustand  bildet  es  ein  Mittelglied  zwischen  Kopf  und  Hals,  indem  es  einerseits  die 
Basi>  für  dir  Zunge  darstellt,  andererseits  dem  Kehlkopf  als  Aufhängevorrichtung  dient. 
Wie  der  Unterkiefer  ist  es  hufeisenförmig  gestaltet  und  man  kann  es  bei  etwas  ge- 
strecktem   Hai-  zwischen  Kinn  und  Kehlkopf  leicht  durch  die  Haut  fühlen. 

Es  besteht  aus  einem  unpaarigen  Körper,  an  welchen  sich  jederseits  zwei  Hörner 
anschließen  (117,  138). 

Der  Körper,  Corpus-),  ist  eine  ([Hergestellte,  rechteckige  Knochenplatte,  welche 
in  transversaler  und  vertikaler  Richtung  nach  außen  gewölbt  erscheint.  Der  obere 
Rand  ist  zugescharrt  und  eben,  der  untere  etwas  verdickt  und  steigt  seitlich  zur  Y.  r- 
bindung  mit  den  großen  Hörnern  auf,  an  die  beiden  Seitenränder  sind  diese  letzteren 
angefügt.  Die  Vorderfläche  wird  durch  eine  Querfirste  und  eine  nicht  immer  voll- 
ständige  Längsfirste  in  vier  Felder  geteilt,  an  welchen  sich  Muskeln  (M.  sterno-omo- 
thyreo-genio-mylohyoideus)  anheften.     Die   Rückseite  i-t   tief  gehöhlt. 

Das  große  Hörn,  Cornu  majus,  ist,  wie  gesagt,  jederseits  mit  dem  Seiten- 
rand des  Körpers  verbunden,  steigt  unter  Verjüngung  leicht  nach  hinten  auf  und 
endigf  mit  einem  zylindrischen  Köpfchen.  Das  kleine  Hörn,  Cornu  minus,  ist 
in  der  Regel  ganz  kurz,  kegel-  oder  birnförmig  und  ragt  von  der  Verbindungsstelle 
des  Körpers  mit  dein  großen  Hörn  auf-  und  rückwärts;  An  beiden  Hörnern  setzen 
sich  zahlreiche  Muskeln  an  und  /war  solche  der  Zunge,  des  Kehlkopfes  und  des  Schlund- 
kopfes. 

Was  die   Bandeinrichtungen  des  Zungenbeines  anlangt,  so  isl   die  Verbindung 
zwischen   Körper  und  großem   Hunt  eine  Synchondrose,  die  des  kleinen   Homes  ein 
Gelenk.     Ein  Ligamentum   stylohyoideum  erstreckt  sich  vom  Proc.  styloideus 
zum  kleinen  Hörn  des  Zungenbeines  {136).    Es  geht,  wie  die  Knochenstäbe,  welchi 
verbindet,  aus  einem  Teil  des  /weiten  Schlundbogens  hervor.    Je  nachdem  beider  Ent- 


')    65  Schwein.     Vergleich  des   Buchstabens   v  und    ebenso    des  Zungenbeins    mit    einem 
Schweinsrüssel, 
Basis. 


88  Schädel  im  ganzen. 

wickelung  die  Umwandlung  in  Knochen  von  oben  oder  unten  her  mehr  oder  weniger 
weit  fortschreitet,  ist  der  Processus  styloideus  oder  das  kleine  Hörn,  oder  es  sind  beide 
kürzer  oder  länger  und  in  entsprechender  Art  verhält  sich  dann  das  Band.  Es  können 
sich  sogar  beide  Stäbe  berühren,  so  daß  dann  das  Band  ganz  ausgeschaltet  wird.  Es 
kann  auch  durch  ein  besonderes,  zwischen  beiden  Endpunkten  eingeschaltetes  Knorpel- 
oder Knochenstäbchen  ersetzt  sein  (Tierähnlichkeit). 

Entwickelung.  Wie  der  Unterkiefer,  so  ist  auch  das  Zungenbein  ein  Teil  des  Visceral- 
skeletes,  und  zwar  bildet  sich,  wie  schon  bemerkt  wurde,  das  kleine  Hörn,  das  Lig.  stylohyoid. 
und  der  Proc.  stjdoideus  aus  einem  Teil  des  zweiten,  das  große  Hörn  aus  einem  solchen  des  dritten 
Schlundbogenknorpels.  Der  Körper  entspricht  einer  Copula.  Die  Verknöcherung  beginnt  in 
der  letzten  Zeit  des  Fetallebens.  Das  große  Hörn  geht  von  einem  einzigen  Kern  aus,  der  Körper 
von  zweien,  welche  bald  nach  der  Geburt  miteinander  verschmelzen.  Das  kleine  Hörn  kann  sehr 
lange,  auch  noch  bei  Erwachsenen  knorpelig  bleiben.  In  späterem  Alter  treten  Körper  und  große 
Hörner  meist  in  knöchernen  Zusammenhang;  am  längsten  widerstehen  die  Gelenke  der  kleinen 
Hörner  einer  Ankylose. 

Praktische  Bemerkungen.  Seiner  ziemlich  exponierten  Stellung  wegen  kann  das 
Zungenbein  Frakturen  erleiden,  besonders  wenn  seine  Teile  miteinander  verknöchert  sind.  Bei 
Brüchen  beobachtet  man  bedeutende  Schlingbeschwerden,  was  sich  daraus  erklärt,  daß  die  am 
Zungenbein  befestigten  Muskeln,  welche  beim  Schlingakt  beteiligt  sind,  nun  eines  festen  Angriffs- 
punktes entbehren.  Ausgedehnte  A^erknöcherung  im  Bereich  der  vom  Processus  styloideus,  Lig. 
stylohyoideum  und  kleinem  Hörn  dargestellten  Kette  kann  bei  der  Tonsillotomie  von  Bedeutung 
werden   (Dwight  1907). 

18.  Schädel  im  ganzen. 

Schon  bei  Würmern,  Mollusken  und  Arthropoden  findet  man  den  Mächtigsten 
Teil  des  Nervensystems  in  nahe  räumliche  Beziehung  zum  Anfangsdarm  gebracht. 
Bei  den  Wirbeltieren  ist  dies  nicht  anders.  An  das  Centrum  des  Nervensystems  schließen 
sich  wieder  die  Hauptsinnesorgane  nahe  an.  Die  Gesamtheit  dieser  Gebilde  stellt 
den  Kopf  dar,  welcher  sich  also  auch  beim  Menschen  aus  dem  Gehirn,  den  vier  Haupt- 
sinnesorganen und  dem  Beginn  des  Darmrohres  zusammensetzt.  Das  letztere  sondert 
sich  im  Laufe  der  Entwickelung  in  zwei  Abteilungen,  den  Anfang  des  Verdauungs- 
kanals und  dem  des  Respirationsorgans.  Das  Skelet  faßt  die  sämtlichen  im  Kopf 
vereinigten  Organe  zu  einem  Ganzen  zusammen. 

Das  Wichtigste  am  ganzen  Wirbeltierkopf  ist  die  Entfaltung  des  Centralnerven- 
systemszum  Gehirn.  Dieses  wird  von  einer  besonderen  Kapsel  umschlossen,  welche 
man  als  Hirnschädel  bezeichnet.  Der  Anfang  des  Intestinaltractus  und  die  um  ihn 
gruppierten  Sinnesorgane  sind  in  Höhlen  untergebracht,  welche  sich  zum  Gesichts- 
schädel zusammenschließen.  Derselbe  besteht  danach  beim  Menschen  aus  der 
Nasenhöhle,  den  Augenhöhlen,  den  Ohrenhöhlen,  der  Mundhöhle.  Zu  diesen  kommen 
noch  Räume,  welche  Muskeln,  Nerven  und  Gefäße  für  diese  Höhlen  aufzunehmen 
haben,  die  Schläfengrube,  Unterschläfengrube,  die  Flügelgaumenspalte.  Der  Ge- 
sichtsschädel ist  an  die  basale  Seite  des  Hirnschädels  angefügt. 

Da  sich  der  Schädel  den  an  ihm  angebrachten  Weichteilen  genau  anpaßt,  so 
versteht  man,  daß  er  auch  ohne  sie,  für  sich  allein  betrachtet,  wichtige  Schlüsse  auf 
die  Organisation  dieser  erlaubt,  was  besonders  bei  der  vergleichenden  Betrachtung 
klar  hervortritt.  Das  eine  Mal  beweist  er,  daß  ein  großes,  das  andere  Mal,  daß  ein 
kleines  Gehirn  vorhanden  war,  hier  kann  man  ein  enorm  ausgebildetes,  dort  ein  schwach 
entwickeltes  Geruchsorgan  nachweisen,  hier  geben  breite  und  massige  Kiefer,  dort 
schmale  und  schwache,  Kunde  von  der  Beschaffenheit  und  der  Art  der  ersten  Ver- 


Hirnschädel.  89 

arbeitung  der  aufgenommenen  Nahrung.  Es  mag  aber  ein  Teil  des  Kopfes  die  anderen 
noch  so  stark  in  seiner  Ausbildung  übertreffen,  immer  ist  doch  der  Schädel  zu  einem 
harmonischen  Ganzen  zusammengefügt,  dem  auch  Bauelemente  eigen  sein  können, 
welche  nicht  unmittelbar  für  die  in  ihm  vereinigten  Organe  nötig  sein  würden,  welche 
vielleicht  mechanische  Zwecke  haben,  oder  welche  als  Waffen  bezeichnet  werden 
können,  selbst  solche,  welche  nur  der  Proportionalität  dienen,  welche  also,  wenn  man 
sich  so  ausdrücken  will,  Schönheitszwecke  verfolgen. 

Von  Interesse  ist  nach  dieser  Seite  hin  eine  Vergleichung  des  Schädels  des  Men- 
sehen mit  dem  der  ihm  nahestehenden  Affen.  Durch  die  übermäßige  Ausbildung 
des  menschlichen  Gehirns  wird  der  vordere  und  hintere  Teil  des  Hirnschädels  herab- 
iM  drängt  und  gewissermaßen  abgeknickt.  Die  erhebliche  Breite  des  Stirnhirnes  ver- 
breitert beim  Menschen  die  bei  den  Affen  sehr  schmale  Nasenhöhle,  die  Augenhöhlen 
treten  infolgedessen  weiter  auseinander.  Die  den  Affen  gegenüber  geringere  Aus- 
bildung des  Gebisses  verringert  die  Größe  des  Kieferapparates  und  verhindert  da- 
durch das  schnauzenförmige  Vortreten  des  Mundes.  Mit  der  schwächeren  Kiefer- 
bildung steht  in  unmittelbarstem  Zusammenhang  die  schwächere  Bildung  und  ge- 
ringere Ausbreitung  der  dem  Kaugeschäft  dienenden  Muskeln,  was  wieder  ein  Zurück- 
treten der  von  ihren  Ansätzen  hervorgerufenen  Leisten  und  Rauhigkeiten  bedingt. 

Wie  empfindlich  die  Skeletbildung  auf  die  der  Weichteile  des  Kopfes  ant- 
wi  n'tct,  dies  beweist  auch  die  Vergleichung  der  einzelnen  Menschenschädel  untereinander. 
Ihr  Bau  ist  keineswegs  uniform  zu  nennen,  und  die  Unterschiede  in  der  Gestaltung 
haben  Veranlassung  zur  Begründung  einer  besonderen  Wissenschaft  gegeben,  di  r 
Schädel  lehre,  Craniologie,  deren  Aufgabe  es  ist,  die  individuellen,  die  Stammes- 
und Rassenunterschiede  des  menschlichen  Schädels  festzustellen  und  zu  beschreiben. 

a)  Der  Hirnschädel. 

Der  Hirnschädel  besteht  aus  einer  ungefähr  eiförmigen  Kapsel,  deren  spitzes 
Ende  nach  vorne  sieht  und  deren  längster  Durchmesser  bei  aufrecht  getragenem  Kopf 
von  vorne  oben  nach  hinten  unten  absteigt  (1-iö).  Der  obere  und  untere  Teil  der  Kapsel 
unterscheiden  sich  voneinander  nicht  nur  in  ihrer  Entwickelung,  sondern  auch  in 
ihren  Formen  und  in  ihrer  Bedeutung  am  ausgebildeten  Skelet.  Der  obere  Teil  ist 
eine  durchaus" einfach  gebaute,  gleichartige  Knochenkuppel,  welche  man  als  Schädel- 
decke, Calvaria,  bezeichnet.  Der  untere  Teil  ist  der  Schädelgrund,  Basis 
cranii.  Er  ist  aus  zahlreichen  Teilen  von  verschiedener  Art  und  Bedeutuni;  zusammen- 
gesetzt; in  seinen  Bau  spielen  die  benachbarten  Sinnesorgane  hinein  und  "nahezu  alles, 
was  in  die  Schädelhöhle  gelangen  oder  sie  verlassen  will,  muß  in  ihm  ausgesparte  Öff- 
nungen passieren. 

Aul  dei  Außenseite  des  Schädels  grenzen  sieh  Calvaria  und  Basis  deutlich  von- 
einander ab  (140).  Die  Grenze  beginnt  hinteninder  Protuberantia  oeeipitahs  externa, 
setzt  sich  über  die  Linea  nuchae  suprema,  und  superior  auf  den  Processus  mastoideus 
fort,  gelangt  dann  zum  oberen  umfang  der  äußeren  Ohröffnung,  von  ihm  aus  auf  die 
Gelenkgrube  für  den  Unterkiefer.  Über  den  Ursprung  des  Jochbogens  folgt  sie  der 
Crista  infratemporalis  und  tritt  dann  auf  den  Rand  des  großen  Keilbeinflügels,  von 
welchem  aus  sie  den  oberen  Augenhöhlenrand  erreicht,  um  endlieh  in  der  Nasen- 
wurzel die  Grenzlinie  der  Gegenseite  zu  erreichen.  Die  vorderen  Teile  der  Grenz- 
linie werden  natürlich  streckenweise  von  dem  an  der  Basis  hängenden  Gesichl  ver- 
deckt. Im  Innern  der  Schädelhöhle  ist  eine  scharfe  Grenzlinie  zwischen  Schädel- 
decke und  Schädelgrund  nur  hinten  im  Sulcus  transversus  zu  linden. 


00  Calvaria.    -Basis  cranii  externa. 

Calvaria. 

Über  die  Außenfläche  der  Schädeldecke  verlaufen  die  beiden  8 Schläfenlinien, 
welche  vorne  vom  Proc.  zygomaticus  des  Stirnbeines  ausgehen  und  nach  einem  auf- 
wärts konvex  gebogenen  Verlauf  hinten  in  der  Wurzel  des  Jochbogens  endigen  {140). 
Sie  fassen  das  oben  erwähnte  glatte  Feld  zwischen  sich.  Durch  sie  zerfällt  die  Cal- 
varia in  zwei  Regionen,  eine  mittlere  gewölbte,  auf  welcher  nur  die  Stirn-  und  Scheitel- 
höcker auffallen  und  zwei  seitliche,  etwas  abgeplattete.  Die  mittlere  Gegend  bezeichnet 
man  von  vorn  nach  hinten  als  Stirne,  Frons1),  Scheitel,  Vertex,  und  Hinter- 
haupt, Occiput.  Die  Seitenflächen ' sind  die  Plana  temporalia.  In  der  Mittel- 
region ist  die  Oberfläche  des  Knochens  durch  unzählige  feinste  Gefäßöffnungen  matt, 
seitlich  mehr  glatt  und  glänzend. 

Die  innere  Oberfläche  der  Schädeldecke  (144)  ist  im  allgemeinen  glatt,  doch  zeigt 
sie  Systeme  von  Furchen ;  die  schmäleren  entsprechen  den  Arterien  (Aa.  meningeae) . 
Sie  steigen  von  der  Basis  auf,  verzweigen  sich  baumartig  und  verschmälern  sich  all- 
mählich nach  dem  Scheitel  zu.  Die  breiteren  enthalten  die  Blutleiter  (Sinus)  der 
harten  Hirnhaut;  sie  besitzen  einen  gleichmäßigeren  Durchmesser,  hängen  wohl  unter- 
einander zusammen,  sind  aber  nicht  so  verzweigt,  wie  die  Arterienfurchen.  Es  macht 
keine  Schwierigkeit,  beide  Arten  voneinander  zu  unterscheiden.  Eine  Trennung 
der  Schädelhöhle  in  zwei  symmetrische  Hälften  ist  angedeutet  durch  die  Crista  galli, 
Crista  frontalis,  Sulcus  sagittalis  und  Crista  occipitalis  interna.  Die  erst-  und  letzt- 
genannte Firste  gehören  schon  der  Basis  an  und  die  Crista  occip.  int.  wird  vom  Ende 
des  Sulcus  sagittalis  durch  die  Protuberantia  occip.  interna  und  die  von  ihr  ausgehenden 
Sulci  transversi  getrennt.  Kleine  Grübchen  für  Arachnoidealzotten  (Foveolae 
granuläres)  2)  findet  man  in  wechselnder  Anzahl  und  von  wechselnder  Tiefe  zu 
beiden  Seiten  der  Mittellinie  in  einer  Entfernung  bis  zu  2  cm  von  derselben. 

Basis    cranii   interna  (143). 

Sie  wird  durch  quere  Kanten  in  drei  Gruben  eingeteilt,  Fossa  cranii 
anterior,  media  und  posterior.  Dieselben  sind  terrassenförmig  in  der  Art 
angeordnet,  daß  die  vorderste  am  höchsten,  die  hinterste  am  tiefsten  liegt.  Jede 
derselben  hat  einen  unpaarigen  Mittelteil  und  zwei  paarige  Seitenteile.  Die  Mittel- 
teile sind:  in  der  vorderen  Schädelgrube  die  Crista  galli,  von  welcher  aus  sich  die 
Falx  cerebri  erhebt  und  der  Beginn  des  Keilbeinkörpers,  in  der  mittleren  der 
Türkensattel,  welcher  den  Hirnanhang  aufnimmt,  in  der  hinteren  der  Clivus,  auf 
welchem  die  Brücke  und  Medulla  oblongata  liegen.  Auf  den  Seitenteilen  ruhen  in 
der  vorderen  Schädelgrube  die  Stirnlappen,  in  der  mittleren  die  Schläfenlappen  des 
Großhirns,  in  der  hinteren  die  Hemisphären  des  Kleinhirns.  In  der  vorderen  und  mitt- 
leren Schädelgrube  schließt  sich  das  Relief  des  Großhirns  dem  des  Skeletes  so  eng 
an,  daß  leichte  Vertiefungen,  Impressiones  digitatae3),  und  die  sie  trennenden 
Firsten,  Juga  cerebralia,  dessen  Windungen  und  Furchen  wiedergeben.  Sie  ziehen 
sich  auch  noch  auf  die  Calvaria  hinauf.  Die  vordere  Grenzkante  beginnt  in  der  Mitte 
mit  dem  Limbus  sphenoidalis,  geht  von  ihm  auf  die  Processus  clinoidei  anteriores 
über  und  setzt  sich  auf  den  geschweiften  Rand  des  kleinen  Keilbeinflügels  fort.  Die 
hintere  Kante  beginnt  mit  der  Sattellehne  und  geht  von  ihm  aus  auf  den  oberen  Winkel 


1)  Sinciput  bedeutet  als  Gegensatz  von  Occiput  die  ganze  vordere  Kopfhälfte. 

2)  Foveolae  granuläres  Pacchioni. 

3)  Impressiones  interjugales,  Triepel. 


Basis  cranü  externa.  91 

der  Schläfenbeinpyramide  über.  Die  vordere  Schädelgrube  ist  in  der  Mitte  am  tief- 
sten, seitlich  wird  ihr  Boden  durch  den  Inhalt  der  Augenhöhle  aufwärts  gewölbt. 
Die  mittlere  Schädelgrube  fällt  im  Gegensatz  dazu  von  der  Mitte  aus  nach  beiden 
Seiten  ziemlich  steil  ab.  Die  hintere  Schädelgrube  senkt  sich  von  allen  Seiten  stark 
zum  großen  Hinterhauptsloch.  Da  die  beiden  Grenzkanten  vom  Türkensattel  aus 
nach  vorn  und  hinten  abweichen,  sind  die  vordere  und  hintere  Schädelgrube  in  der 
Mitte  am  geräumigsten  und  seitlich  schmaler,  während  bei  der  mittleren  das  Um- 
gekehrte der  Fall  ist. 

Was  in  den  Schädelgruben  von  Furchen  und  sonstigen  Vertiefungen  und  auch 
was  von  Öffnungen  in  ihnen  vorhanden  ist,  wurde  zumeist  schon  bei  den  einzelnen 
Schädelknochen  beschrieben,   so  daß  es  sich'  hier  mit  wenigen  Ausnahmen  nur  noch 
um  eine  kurze  Wiederholung  von  bereits  Bekanntem  handelt. 
Vordere  Schädelgrube. 

Foramen  caecum,  nimmt  einen  Fortsatz  der  harten  Hirnhaut  auf. 

Foramina  cribrosa:  Austrittsöffnungen  für  die  Zweige  des  N.  olf actorius ;  N.  eth- 
moidalis. 

Mittlere  Schädelgrube. 

Foramen  opticum:  Austrittsöffnung  für  N.  opticus  und  A.  ophthalmica. 

Fissura  orbitalis  superior:  Austrittsöffnung  für  die  Xn.  oeculomotorius,  troch- 
learis,  abducens,  ophthalmicus.     Eintrittsstelle  der  V.  ophthalmica. 

Foramen  lacerum:  Ist  eine  Lücke  mit  unregelmäßigen  Rändern,  welche  sich 
aus  der  Fissura  sphenopetrosa  medianwärts  fortsetzt.  Sie  wird  begrenzt  vom  Körper 
und  großem  Flügel  des  Keilbeins,  sowie  von  der  Spitze  der  Schläfenbeinpyramide. 
Das  Loch  ist  sehr  verschieden  groß,  je  nachdem  diese  Spitze  mehr  oder  weniger  weit 
gegen  den  Keilbeinkörper  vorgeschoben  ist.  Es  wird  von  Faserknorpel  ausgefüllt, 
welchen  nur  unbedeutende  Nerven-  und  Gefäßästchen  durchsetzen.  Unmittelbar  auf 
dem  Faserknorpel  liegt  die  A.  carotis  interna,  welche  sich  dann  in  den  neben  dem 
Türkensattel  befindlichen  Sulcus  caroticus  erhebt. 

Impressio  N.  trigemini:  Hinter  dem  Foramen  lacerum  auf  der  Spitze  der  Schläfen- 
beinpyramide, zur  Aufnahme  des  Ganglion  setnilunare  des  X.  trigeminus  bestimmt. 
Weiter  seitlich  folgt: 

Hiatus  canalis  facialis  für  den  X.  petrosus  superficialis  major.     Sodann: 

Eminentia  arcuata.     Darunter  der  obere  Bogengang  des  Labyrinthes. 

Eminentia  mandibularis  (Schwalbe).  Leicht  gewölbte  Stelle  über  der  Gelenk- 
grube des  Unterkiefers;  fehlt  nicht  selten. 

Foramen  rotundum,  hinter  dem  medialen  Ende  der  Fissura  orbitalis  superior: 
Austrittsstelle  des  N.  maxillaris. 

Foramen  ovale:  Austrittsstelle  des  X.  mandibularis. 

Foramen  spinosum:  Eintrittsstelle  der  A.  meningea  media  und  des  N.  spinosus. 
Vom  For.  spinosum  gehen  die  Arterien^urchen  aus,  welche  sieh  an  der  Calvaria  ver- 
ästeln. 

Emissarium  sphenoidale,  zwischen   Foramen  ovale  und  Lingula  carotica. 

Sulcus  petrosus  superior  auf  der  oberen  Kante  der  ScMäfenbempyramide.  Mit 
seinem  lateralen  Ende  mündet  er  in  den  Sulcus  transversus,  mit  seinem  medialen 
Ende  stehl  er  mit  dem  Sulcus  petrosus  inferior  in  Verbindung. 

Hintere    Seh.i  delg  111  he. 

Porus  acusticus  internus.  Austrittsstelle  der  Nu.  acusticus  und  facialis,  sowie 
der  A.  auditiva  interna. 


92  Basis  cranii  externa.     Gesichtsschädel. 

Aquaeductus  vestibuli:  Lateral  und  etwas  nach  unten  vom  inneren  Gehörgang. 
Er  ist  am  unzerlegten  Schädel  schwer  zu  sehen,  da  seine  Mündung  abwärts  gerichtet  ist. 

Fossa  subarcuata^  oberhalb  der  Öffnung  des  Aquaeductus. 

Foramen  jugulare,  zwischen  Schläfenbein  und  Hinterhauptsbein  gelegen;  nimmt 
in  seiner  größeren  lateralen  Abteilung  den  Sulcus  transversus  und  petrosus  inferior 
auf.  Die  kleinere  mediale  passieren  N.  glossopharyngeus,  vagus,  accessorius.  In 
die  Schädelhöhle  zurück  geht  der  Ramus  meningeus  n.  vagi. 

Canalis  hypoglossi,  unter  dem  Foramen  jugulare  für  den  gleichnamigen  Nerven 
und  Venen. 

Foramen  occipitale  magnum,  an  der  tiefsten  Stelle  der  hinteren  Schädelgrube 
für  Medulla  oblongata,  Nn.  accessorii,  Aa.  vertebrales  und  Venengeflechte. 

Basis   cranii  externa  {142). 

Der  vordere  Teil  ist  durch  den  Ansatz  des  Gesichtes  verdeckt ;  er  bildet  die 
obere  Wand  der  Nasenhöhle  und  der  Augenhöhlen.  Der  hintere  Teil  besteht  aus  der 
Nackenfläche  der  Schuppe  des  Hinterhauptsbeines  und  ist  bei  diesem  geschildert  worden. 
Es  bedarf  also  nur  der  Mittelteil  von  der  Gegend  der  Processus  mastoidei  bis  zum 
vorderen  Rand  der  Gelenkgrube  für  den  Unterkiefer  einiger  Worte.  In  der  Mitte 
lenken  vor  allem  das  Foramen  occipitale  magnum  "und  neben  ihm  die  Condylen  des 
Hinterhauptes  den  Blick  auf  sich.  Vor  ihm  trifft  man  auf  die  Basalfläche  des  Os 
basilare,  rauh  für  den  Ansatz  der  tiefen  Halsmuskeln.  An  sie  schließt  sich  sogleich 
der  hintere  Rand  der  Pflugschar  an.  Zu  beiden  Seiten  folgt  neben  den  Condylen 
der  Processus  jugularis  und  neben  ihm  der  Processus  styloideus;  beide  ebenfalls  zur 
Anheftung  von  Muskeln  benützt.  Der  Processus  mastoideus  mit  den  seine  mediale 
Seite  flankierenden  Furchen,  welcher  dann  folgt,  ist  etwas  weiter  nach  hinten  ge- 
rückt, wie  die  Condylen,  was  für  die  Wirkungsweise  des  an  ihn  angehefteten  M.  sterno- 
cleidomastoideus  von  Bedeutung  ist.  Das  Foramen  st3Tlomastoideum  lässt  den  N. 
facialis  austreten.  Vor  diesen  Dingen  schiebt  sich  beiderseits  von  lateral  hinten  nach 
medial  vorn  die  Schläfenbeinpyramide  wie  ein  Keil  in  die  Basis  ein,  und  man  sieht 
an  ihrer  hinteren  Seite  das  Foramen  jugulare  und  vor  diesem  auf  der  Pyramide  selbst 
den  Eingang  in  den  Canalis  caroticus.  Vor  der  P}Tamide  stößt  man  am  weitesten 
lateral  auf  die  Gelenkgrube  des  Unterkiefers  und  an  deren  hinterem  Rand  auf  die 
Fissura  petrotympanica  für  die  A.  tympanica  und  die  Chorda  tjmipani.  Neben  dem 
medialen  Ende  der  Unterkiefergrube  folgt  die  Spina  angularis.  Neben  ihr  öffnet 
sich  das  Foramen  spinosum  und  zwischen  diesem  und  der  lateralen  Wurzel  des  Pro- 
cessus pterygoideus  das  Foramen  ovale. 

Von  der  Decke  der  Unterschläfengrube,  welche  vor  der  Unterkiefergrube  und 
neben  dem  Processus  pten^goideus  die  Basis  fortsetzt,  wird  weiter  unten  die  Rede  sein. 

b)  Gesichtsschädel. 

Der  Gesichtsschädel  besteht,  wie  erwähnt,  aus  einem  Komplex  von  Höhlen, 
welche  für  die  Aufnahme  der  Sinnesorgane  und  den  Anfang  des  Respirations-  und 
Verdauungskanales  bestimmt  sind.  Er  ist  an  dem  vorderen  Teil  der  äußeren  Schädel- 
basis befestigt.  Eine  sehr  widerstandskräftige  Stütze  liefert  ihm  der  Jochbogen,- 
welcher  ihn  mit  der  Seitenwand  des  Hirnschädels  oberhalb  der  Ohröffnung  vereinigt 
und  die  Processus  pterygoidei,  welche  sich  wie  Strebepfeüer  an  seine  Rückseite  an- 
stemmen. 


.Nasenhöhle.  93 

Die  äußere  Oberfläche  gleicht  nur  sehr  im  allgemeinen  dem  mit  Weichteilen 
überzogenen  Gesicht  und  es  geben  ihm  die  weiten  Öffnungen  der  Augenhöhlen,  die 
abgestutzte  Nasenöffnung  und  die  statt  der  Wangenrundung  stark  eingezogene  Gegend, 
welche  vorn  mit  der  Fossa  canina  beginnt  und  weiter  hinten  unter  dem  Jochbogen 
auf  dem  Unterkieferast  endigt,  ein  sehr  charakteristisches  Aussehen.  Die  Kinn- 
und  Jochbogenpartie  erinnern  am  meisten  an  die  gleichen  Teile  des  Lebenden,  da 
sie  nur  mit  verhältnismäßig  dünnen  Weichteilen  überzogen  sind. 

Die  Stirne,  welche  der  Laie  auch  zum  Gesicht  zu  rechnen  pflegt,  gehört,  wie 
bekannt,  dem  Hirnschädel  an. 

Nasenhöhle,    Cavum  nasi. 

Sie  wird  bedeckt  von  dem  Skelet  der  äußeren  Xase,  welches  von  den  Nasenbeinen 
und  dm  Stirnfortsätzen  des  Oberkiefers  gebildet  wird.  Der  Nasenrücken,  Dorsum 
nasi,  setzt  sich  gegen  die  Stirne  durch  eine  Einziehung,  die  Nasenwurzel,  Radix 
nasi  (140),  ab,  welche  bald  flacher,  bald  tiefer  eingezogen,  bald  breiter,  bald  schmaler 
sein  kann.  Das  Nasendach  ist  fest  und  vermag  beträchtlichen  Gewalten  Widerstand 
zu  leisten.  Caudal  von  ihm  folgt  der  geräumige  Eingang  in  die  Nasenhöhle,  Aper- 
tura  piriformis  (139).  Am  Lebenden  wird  sie  ergänzt  durch  das  Knorpelskelet  der 
Nase,  welches  erst  später  beschrieben  werden  wird.  Wie  der  Name  sagt,  ist  die 
Öffnung  birnförmig,  mit  dem  schmalen  Ende  nach  oben,  mit  dem  breiten  nach  unten 
gerichtet.  An  ihrer  Umrandung  beteiligen  sich  die  Nasenbeine,  der  Processus  frontalis 
und  der  Körper  des  Oberkiefers.  Die  Ränder  sind  scharf,  sie  lassen  sich  auch  am 
Lebenden  durchfühlen,  nur  ist  zuweilen  der  untere  Umfang  abgerundet,  so  daß 
dann  die  Gesichtsfläche  allmählich  in  die  Fläche  der  inneren  Nase  übergeht.  Die 
dort  in  der  Mittellinie  vortretende  Spina  nasalis  anterior  ist  ebenfalls  am  Lebenden 
zu  fühlen.  Die  Form  der  Apertur  im  einzelnen  ist  sehr  verschieden,  sie  wechselt 
mit  dem  ganzen  Bau  des  Gesichtes.  In  nicht  seltenen  Fällen  ist  sie  an  der  einen 
Seite  weiter  ausgeschnitten,  als  an  der  anderen. 

Die  Nasenhöhle  selbst  ist  schmal  und  hoch,  auf  dem  Frontalschnitt  vierseitig  und 
wird  durch  die  Scheidewand  in  zwei  symmetrische  Teile  geteilt  (111).  Das  Septum 
nasi  osseum1),  bestehend  aus  perpendikulärcr  Platte  des  Siebbeines  und  Pflugschar, 
reii  ht  oben  von  der  Schädelbasis  bis  unten  zum  Boden  der  Nasenhöhle.  Den  winkeligen 
Ausschnitt  des  vorderen  Randes,  in  welchen  sich  die  knorpelige  Nasenscheidewand  ein- 
fügl  <ll~>\,  kann  man  schon  von  der  Apertura  piriformis  aus  betrachten  (1  ■')!>),  ebenso 
.im  li  eine  etwa  vorhandene  Verbiegung,  deren  konvexe  Seite  meist  nach  links  gerichtet 
i-t.  Eine  vordere  Wand  ist  nur  oben  vorhanden,  soweit  der  knöcherne  Nasenrücken 
reicht.  Die  Decke  jeder  Nasenhöhlenhälfte  wird  von  der  Lamina  eribrosa  des  Sieb- 
beines  gebildet,  welche  nur, eine  dünne  und  zerbrechlä  he  Scheidewand  gegen  die  Schädel- 
höhle hin  darstellt.  Der  Boden  i-t  glatt  und  leicht  rinnenförmig  vertieft:  er  besteht 
in-  dem  Gaumenfortsatz  des  Oberkiefers  und  der  horizontalen  Platte  des  Gaumen- 
beines. Dicht  aeben  der  Scheidewand  und  nahe  dem  vorderen  Nasenstachel  ist  auf 
dem  Nasenboden  der  Eingang  des  Canalis  incisivus  gelegen;  man  kann  in  ihn  von  der 
Apertura  piriformis  aus  hineinsehen.  Die  komplizierteste  Wand  ist  die  seitliche. 
In  ihre  Herstellung  teilen  sich  Siebbein,  Tränenbein.  Oberkieferkörper,  untere  Muschel. 
Gaumenbein  und  Flügelfortsatz  de-  Keilbeines.  Von  ihr  gehen  die  pneumatischen 
Nebenräume  aus,  sie  -endet  die  drei  Muscheln  in  das  Innere  der  Nase  hinein,  deren 


')   Septum  narium. 


94  Augenhöhle. 

Ansätze  nach  hinten  konvergieren,  an  ihr  findet  man  Processus  uncinatus  und  Bulla 
ethmoidalis.  Die  Spalten  unter  den  Muscheln  sind  die  Nasengänge,  Meatus  nasi 
superior,  zwischen  oberer  und  mittlerer,  Meatus  nasi  medius,  zwischen  mitt- 
lerer und  unterer,  Meatus  nasi  inferior,  zwischen  unterer  Muschel  und  Boden 
der  Nasenhöhle  {112) .  Der  mittlere  Nasengang  ist  der  weiteste,  der  obere  der  engste 
und  kürzeste,  der  untere,  rein  horizontal  gestellte,  der  zugänglichste.  Das  vordere 
Ende  der  unteren  Muschel  überblickt  man  von  der  Apertura  piriformis  aus.  Der 
Spalt,  welcher  zwischen  dem  freien  medialen  Rand  der  Muscheln  und  der  Nasen- 
scheidewand bleibt,  ist  der  Meatus  nasi  communis  (111);  er  erstreckt  sich  von 
der  Decke  bis  zum  Boden  der  Nasenhöhle.  Carina  nasi  nennt  man  den  Raum, 
welcher  sich  vor  den  vorderen  Enden  der  Muscheln  unter  der  äußeren  Nase  hin  von 
der  Apertura  piriformis  bis  zur  Lamina  cribrosa  erstreckt.  Als  Recessus  spheno- 
ethmoidalis  (112)  wird  der  Raum  bezeichnet,  welcher  zwischen  der  hinteren  (oberen) 
Fläche  der  oberen  Muschel  und  dem  Keilbeinkörper  vorhanden  ist.  Von  den  pneu- 
matischen Nebenhöhlen  münden  Sinus  frontalis  und  maxillaris  in  das  Infundibulum 
des  mittleren  Nasenganges,  die  Cellulae  ethmoidales  in  den  oberen  und  mittleren. 
In  den  unteren  Nasengang  öffnet  sich  der  Canalis  nasolacrimalis.  Im  Recessus 
sphenoethmoidalis  findet  man  das  geräumige  Foramen  sphenopalatinum,  welches 
Nerven  und  Gefäße  aus  der  Fossa  pterygopalatina  in  den  Nasenraum  bringt  (114). 

Eine  hintere  Nasenwand  ist  nur  ganz  oben  vorhanden,  wo  sie  vom  Körper  des 
Keilbeines  mit  den  Conchae  sphenoidales  gebildet  wird.  Die  Mündung  der  Sinus 
sphenoidales,  welche  eine  andere  Genese  haben,  wie  die  übrigen  pneumatischen  Neben- 
räume der  Nase  (S.  52),  öffnet,  sich  in  den  Recessus  sphenoethmoidalis. 

Unter  ihr  liegen  die  Choanae1)  (142),  die  Öffnung  der  Nasenhöhle  nach  dem 
Schlundraum  zu.  Sie  sind  von  vierseitiger  Gestalt  und  werden  begrenzt  oben  vom 
Keilbeinkörper  mit  den  Alae  vomeris,  unten  vom  Rand  des  Horizontalteiles  des 
Gaumenbeins  mit  der  Spina  nasalis  posterior,  zu  beiden  Seiten  von  der  medialen 
Platte  der  Flügelfortsätze  des  Keilbeines.  Die  mediane  Scheidewand  der  Nasen- 
höhle reicht  mit  einem  scharfen  Rand  an  sie  heran  und  teilt  sie  in  zwei  sym- 
metrische Hälften.  Im  Gegensatz  zu  ihrem  vorderen  Teil  ist  die  Nasenscheidewand 
hier  hinten  niemals  verbogen.  Wenn  man  in  die  Choanen  hineinsieht,  überblickt  man 
die  hinteren  Enden  aller  drei  Muscheln. 

Die  Anatomie  und  Variationen  in  der  Ausbildung  der  Nebenhöhlen  der  Nase  behandelt 
Onodi  (1907)  zusammenfassend.  Er  weist  darauf  hin,  daß  sowohl  Siebbeinzellen,  wie  auch  die 
Wand  der  Keilbeinhöhle  dem  Sehnervenkanal  außerordentlich  nahe  kommen.  Bei  Erkrankungen 
in  ihrem  Bereich  kann  daher  der  Sehnerv  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden. 

Augenhöhle,   Orbita. 

Die  Augenhöhle  stellt  einen  liegenden  Kegel  dar,  oder,  wie  man  sich  ausdrücken 
könnte,  eine  vierseitige  Pyramide  mit  abgerundeten  Kanten.  Ihre  in  der  Gesichts- 
öffnung liegende  Basis  weicht  lateral  und  nach  hinten  aus  der  Frontalebene  ab,  ihre 
hinten  gelegene  Spitze  erhebt  sich  etwa  15  bis  20  °  über  den  Horizont,  ihre  Achse 
verläuft  nach  hinten  und  medianwärts:  sie  kreuzt  sich  mit  der  der  Gegenseite  in  der 
Gegend  über  dem  Türkensattel. 

Die  obere  Wand  der  Augenhöhle  wird  von  der  horizontalen  Platte  des  Stirnbeines 
gebildet,  sie  ist  kuppelartig  gewölbt  und  zwar  am  stärksten  vorn,  wo  der  überhängende 
Orbitalrand  sehr  dazu  beiträgt,  die  Wölbung  tiefer  erscheinen  zu  lassen.     Auch' nach 


yodviq  Schmelzgrube,  Trichter. 


Augenhöhle.  95 

den  Seiten  ist  die  Rundung  so  stark,  daß  sie  ganz  unmerklich  in  die  Seitenwände 
übergeht.  Hier  sind  es  nur  die  Knochennähte,  welche  das  Stirnbein  mit  dem  großen 
Keilbeinflügel  einerseits,  mit  der  Papierplatte  des  Siebbeines  andererseits  verbinden, 
die  am  Skelet  eine  Trennung  zu  machen  erlauben.  Die  hinterste  Ecke  der  oberen 
Orbitalwand  wird  vom  kleinen  Keilbeinflügel  gebildet.  Diese  obi  re  Wand  ist  im 
allgemeinen  glatt  (107).  Vorne  nahe  der  Gesichtsöffnung  aber  findet  man  an  der 
lateralen  Seite  die  Fossa  glandulae  lacrimalis  für  die  obere  Tränendrüse,  an  der 
medialen  die  Fossa  trochlearis  für  die  Rolle  des  M.  obliquus  superior.  Die  Dicke  der 
oberen  Wand  ist  sehr  gering.  Soweit  die  Stirnhöhlen  nach  hinten  reichen,  grenzt 
sie  an  diese,  im  übrigen  an  die  vordere  Schädelgrube. 

In  der  Grenze  zwischen  oberer  und  medialer  Wand  finden  sich  die  Foramina 
ethmoidalia  anterior  und  posterior  für  die  gleichnamigen  Gefäße  und  Nerven. 

Die  mediale  Wand  (114,  139)  ist  entweder  plan  oder  schwach  nach  der  Augen- 
höhle hin  gewölbt.  Sie  setzt  sich  aus  drei  Knochenplatten  zusammen,  deren  größte, 
die  Papierplatte  des  Siebbeins,  in  der  glitte  liegt.  Nach  vorn  schließt  sich  an  sie 
das  Tränenbein  an,  nach  hinten  trägt  ein  kleines  Stück  des  Keilbeinkörpers  zu 
ihrer  Vervollständigung  bei.  Sie  ist  bei  weitem  die  dünnste  Wand  der  Orbita  und  so 
durchscheinend,  daß  man  auch  bei  auffallendem  Licht  schein  die  Wände  der  Sieb- 
beinzellen durchschimmern  sieht.  Alle  Teile  dieser  Wand  haben  hinter  sich  Abtei- 
lungen des  Nasenraumes. 

Die  untere  Wand  (123)  wird  im  wesentlichen  von  der  Facies  orbitalis  des  Ober- 
kieferkörpers  gebildet;  sie  wird  vorn  und  lateral  durch  eine  zungenförmige  Platte  de- 
Jochbeins, hinten  durch  den  Proc.  orbitalis  des  Gaumenbeines  vervollständigt.  Sie  stellt 
eine  fast  ebene,  nur  sehr  wenig  konkave  Platte  dar,  deren  Fläche  medial  am  höchsten 
steht  und  sich  nach  vorn  und  lateral  abwärts  neigt.  Zuweilen  findet  man  diese  Wand 
gleichsam  durch  eine  Aufblähung  der  Kieferhöhle  in  das  Innere  der  Orbita  hinein 
vorgewölbt.  Mit  der  medialen  Wand  ist  sie  durch  eine  einfache  Naht  verbunden 
und  grenzt  lateral  an  die  Fissura  orbitalis  inferior  an.  Über  ihre  Fläche  verläuft  der 
Sulcus  infraorbitalis  für  N.  und  A.  infraorbitalis.  Die  untere  Wand  ist  nicht  dicker 
als  die  obere,  sie  deckt  die  Kieferhöhle,  nur  unter  ihrem  medialsten  Teil  befinden 
sich  die  Gelinkte  maxillares  des  Siebbeines. 

Die  laterale  Wand  der  Augenhöhle  (139)  wird  hinten  von  der  Ala  magna  des 
Keilbeines,  vorn  von  der  orbitalen  Platte  des  Jochbeines  gebildet.  Der  Keilbeinteil 
ist  durch  die  beiden  Fissurae  orbitales  von  der  oberen  und  unteren  Wand  getrennt. 
Soweit  die  beiden  Fissuren  reichen,  ist  die  Fläche  der  Wand  pktn.  weiter  vorn  geht 
sie  dann  gewölbt  in  die  anstoßenden  Wände  der  Orbita  über.  Ihre  Oberfläche  ist  im 
ganzen  glatt,  nur  in  unmittelbarer  Nähe  der  hinteren  heke  findet  man  die  Spina 
recti  lateralis  (S.  53),  Weiter  vorn  trifft  man  auf  die  Öffnung  der  Kanälchen 
oder  auf  die  Rinnen  des  X.  zygomaticus  und  seiner  Aste.  Die  laterale  Wand  ist 
bei  weitem  die  kräftigste.    (M.) 

Der  Augenhöhlenrand  ist  den  Wänden  der  Orbita  gegenüber  beträchtlich  ver- 
dickt. An  der  lateralen  Seite  ist  er  ausgeschnitten  und  tritt  dadurch  zurück,  an  der 
medialen  nimmt  er  die  Tränensackgrube,  Fossa  sacci  lacrimalis  dadurch  in  sich  auf, 
daß  er  nicht  zum  Ring  geschlossen  ist,  sondern  eine  langgezogene  Spirale  bildet.  D 
untere  Rand  beginnt  mit  der  Crista  lacrimalis  anterior,  der  obere  endigt  mit  der  Crista 
lacrimalis  posterior.  Die  Form  der  Gesichtsöffnung  der  Orbita  ist  individuell  sehr 
verschieden;  durch  ein  Überhängen  des  oberen  Augenhöhlenrandes  macht  sie  ge- 
wöhnlich einen  breiteren  Eindruck  als  die  dahinter  liegende  Augenhöhle  selbst.    An 


96  Ohrenhöhle.     Mundhöhle. 

die  Incisura  frontalis  und  supraorbitalis  für  die  gleichnamigen  Gefäße  und  Nerven 
sei  erinnert.  Den  Augenhöhlenrand  kann  man  in  seinem  ganzen  Umfang  durch  die 
Haut  fühlen,  auch  die  Sutura  zygomaticofrontalis  ist  deutlich. 

Vom  Hintergrund  der  Orbita  sind  noch  die  drei  dort  befindlichen  Öffnungen  zu 
erwähnen  (146).  Das  Foramen  opticum,  welches  die  Spitze  des  Kegels  bildet,  ist  eigent- 
lich ein  kurzer  Kanal,  welcher  sich  nach  vorne  trichterförmig  erweitert,  um  dort  Platz 
für  den  Ansatz  der  Sehnen  der  Augenmuskeln  zu  bieten.  Die  Fissura  orbitalis  superior 
ist  von  keulenförmiger  Gestalt,  das  spitze  Ende  lateral,  das  stumpfe  medial  gerichtet; 
letzteres  ist  nur  durch  eine  dünne  Knochenspange  vom  Foramen  opticum  getrennt. 
Sie  führt,  wie  bekannt,  in  die  mittlere  Schädelgrube.  Die  Fissura  orbitalis  inferior 
ist  länger,  als  die  superior.  Sie  konvergiert  nach  hinten  mit  dieser  und  fließt  zuletzt 
mit  ihr  zusammen.  Meist  ist  sie  im  Gegensatz  zur  oberen  an  ihrem  lateralen  Ende 
keulenförmig  erweitert.  Sie  führt  an  ihrem  medialen  Ende  in  die  Fossa  pterygopala- 
tina,  im  übrigen  in  die  Fossa  infratemporalis  hinein.  Durch  sie  gelangt  der  N.  infra- 
orbitalis  mit  seiner  Begleitarterie  und  der  N.  zygomaticus  in  die  Augenhöhle,  Venen 
treten  aus  ihr  in  die  Infratemporalgrube. 

Die   Ohrenhöhle,   Cavum    auris, 

ist  weitaus  die  kleinste  der  Höhlen  des  Gesichtes;  sie  gehört  ihm  auch  nur  sehr 
bedingt  an,  da  ihr  größter  und  ausschlaggebender  Teil  dem  Primordialcranium  ent- 
stammt und  in  dem  Felsenbein  liegt,  welches  der  Schädelbasis  angehört.  Es  sei 
deshalb  hier  nur  gesagt,  daß  es  von  außen  her  im  Porus  und  Meatus  acusticus 
externus,  von  der  Schädelhöhle  aus  im  Porus  und  Meatus  acusticus  internus 
und  vom  Schlund  her  im  Canalis  musculotubarius  zugänglich  ist.  Im  Innern 
trennt  es  sich  in  die  Paukenhöhle,  Cavum  tympani  (99,  101),  und  das  Labyrinth, 
Labyrinthus  osseus.  Für  alles  Nähere  sei  auf  die  Beschreibung  des  Gehörorgans 
im  ganzen  verwiesen. 

Mundhöhle,  Cavum  oris. 

Ihr  Skelet  ist  äußerst  unvollständig  (111).  Die  Decke  wird  gebildet  vom  harten 
Gaumen  und  der  äußere  Umfang  vom  Unterkiefer;  weder  hinten  noch  unten  sind 
knöcherne  Gebilde  vorhanden.  Der  knöcherne  Gaumen  setzt  sich  aus  dem  Gaumen- 
fortsatz des  Oberkiefers  und  der  horizontalen  Platte  des  Gaumenbeines  zusammen. 
Seine  kuppeiförmige  Wölbung  ist  in  allen  Dimensionen  individuell  sehr  verschieden. 
Er  zeigt  eine  Oberfläche,  welche  von  hinten  nach  vorne  rauher  und  unebener  wird. 
Vom  Foramen  palatinum  majus  erstrecken  sich  vorwärts  und  etwas  median wärts 
eine  oder  mehrere  Rinnen,  welche  die  aus  dem  genannten  Loch  austretenden  Nerven 
und  Gefäße  aufnehmen.  Ganz  vorne  dicht  hinter  den  mittleren  Schneidezähnen 
läßt  das  Foramen  incisivum  das  Ende  des  N.  nasopalatinus  mit  den  ihn  begleitenden 
Gefäßen  auf  den  Gaumen  übertreten.  Eine  Beschreibung  des  auf  der  Innenseite 
des   Unterkiefers  Bemerkenswerten   soll  hier   nicht  wiederholt  werden    (vgl.    S.  82). 

Außer  diesen  in  erster  Linie  zu  nennenden  Höhlen  des  Gesichtsschädels  sind 
an  seinen  beiden  Seitenflächen  noch  solche  vorhanden,  welche  eine  weniger  selbstän- 
dige Bedeutung  haben,  insoferne,  als  sie,  wie  oben  bemerkt,  nur  Muskeln,  Nerven 
und  Gefäße  enthalten,  welche  für  den  Inhalt  jener  bestimmt  sind.  Man  unterscheidet 
ihrer,  drei,  obwohl  sie  ohne  scharfe  Grenze  ineinander  übergehen. 


Schläfengrube.     Unterschläfengrube.     Flügelgaumengrube.     Schädelformen.  97 

Schläfengrube,  Fossa  temporalis   (139). 

Sie  greift  weit  auf  die  Außenfläche  des  Hirnschädels  nach  oben  über,  indem 
sie  sich  dort  bis  zur  Linea  temporalis  inferior  erstreckt.  Unten  wird  sie  begrenzt 
von  der  Linea  infratcmporalis,  vorne  reicht  sie  bis  an  die  Wand  der  Augenhöhle; 
außen  ist  sie  überbrückt  von  dem  Jochbogen.  Von  unten  ragt  in  sie  empor  der  Pro- 
cessus coronoideus  des  Unterkiefers.  An  ihrem  Aufbau  beteiligen  sich  Jochbein,  Stirn- 
bein, Scheitelbein  und  Schuppe  des  Schläfenbeines.  Der  obere  ganz  flache  Teil  wird 
als  Planum  temporale  (140)  von  dem  unteren  tieferen,  der  eigentlichen  Fossa, 
unterschieden,  doch  ist  eine  Grenze  zwischen  beiden  nicht  vorhanden.  Die  Wand 
der  Schläfengrube  zeigt  in  manchen  Fällen  leichte  Prominenzen,  welche  unterliegen- 
den Hirnwindungen  entsprechen  können  (Schwalbe  1902),  aber  nicht  müssen  (F. 
W.  Müller  1908).  Für  die  Praxis  dürften  sie  nur  geringe  Bedeutung  haben.  Der 
Hauptinhalt  der  Schläfengrube  ist  der  M.  temporalis. 

Unterschläfengrube,  Fossa  infratemporalis  (140). 

Ist  von  der  Schläfengrube  nur  durch  die  Linea  infratemporalis  getrennt.  Ihre 
Decke  wird  vom  großen  Keilbeinflügel  und  einem  kleinen  Teil  der  Schuppe  des  Schläfen- 
beines gebildet,  ihre  laterale,  unvollständige  Wand  vom  Ast  des  Unterkiefers,  ihre 
vordere  von  der  Facies  infratemporalis  des  Oberkiefers,  ihre  mediale  von  der  lateralen 
Platte  des  Processus  pterygoideus.  Nach  hinten  und  unten  ist  sie  offen.  Sie  enthält 
die  Mm.  pterygoidei,  die  A.  maxillaris  interna  und  die  Äste  des  N.  mandibularis. 

Flügelgaumengrube,   Fossa  pterygopalatina1)   (147). 

Zwischen  Oberkiefer  und  Processus  pterygoideus.  Sie  entsteht  dadurch,  daß 
sich  der  letztere  nur  mit  seinem  unteren  Ende  an  den  ersteren  anlegt,  während  nach 
oben  ein  Spalt  zwischen  beiden  vorhanden  ist,  der  sich  bis  zur  Schädelbasis  allmäh- 
lich verbreitert.  An  ihrer  lateralen  Seite  öffnet  sich  die  Grube  in  die  Unterschläfen- 
grube, an  ihrer  medialen  Seite  wird  sie  durch  den  perpendikulären  Teil  des  Gaumen- 
beines verschlossen,  vorne  ist  sie  begrenzt  vom  Tuber  maxillare  des  Oberkiefers,  hinten 
von  der  Facies  sphenomaxillaris  des  großen  Keilbeinflügels.  So  enge,  wie  sie  ist,  so 
enthält  sie  doch  wichtige  Gebilde  und  zwar  das  Ende  der  A.  maxillaris  interna,  welche 
von  der  Unterschläfengrube  her,  und  den  N.  maxillaris,  welcher  durch  das  Foramen 
rotundum  in  sie  eintritt.  Beide  entsenden  von  hier  aus  gemeinsam  ihre  Zweige  und 
/war  nach  unten  durch  den  Canalis  pterygopalatinus  zum  Gaumen,  nach  vorne  durch 
die  Fissura  orbitalis  inferior  in  die  Augenhöhle,  nach  hinten  durch  den  Canalis  ptery- 
goideus  (Yidii)  zum  Foramen  lacerum,  medianwärts  durch  das  Knramen  sphenopala- 
tinum  zur  Nasenhöhle. 

c)  Schädelformen. 

So  sehr  der  Schädel  von  den  in  und  an  ihm  vorhandenen  Weichteüen  beein- 
flußt wird,  so  läßt  sich  ihm  doch  eine  selbständige  Bedeutung  keineswegs  absprechen. 
Es  greifen  eben,  wie  überall,  alle  den  Körper  aufbauenden  Elemente  harmonisch 
ineinander  und  beeinflußen  sich  gegenseitig.  Ein  großer  Teil  der  Verschiedenheit 
in  den  Schädelformen  kommt  auf  Rechnung  der  dem  Skelel  selbständig  innewohnen- 
den   Bildungsenergie. 

1)  Fissura  sphenomaxillaris. 

Merkel,  Anatomie  11.    Skeletlehre. 


98  Schädelformen. 

Der  individuellen  Verschiedenheiten  sind  es  so  viele,  wie  Individuen, 
denn  man  kann  sagen,  daß  kein  Schädel  dem  anderen  vollkommen  gleicht,  und 
betrachtet  man  nur  eine  Anzahl  von  solchen,  dann  staunt  man,  welchen  charakte- 
ristischen Unterschieden  im  kleinen  man  begegnen  kann,  ohne  daß  sich  die  Formen 
im  großen  zu  ändern  brauchen. 

Geschlechtsverschiedenheiten.  Neben  der  individuellen  Bildung  übt 
auch  das  Geschlecht  seine  Wirkung  auf  die  Schädelform  aus,  und  hier  sind  es  in  vieler 
Hinsicht  die  Weichteile,  welche  ihren  Einfluß  auf  das  Skelet  bemerkbar  machen. 
Der  weibliche  Schädel  ist  kleiner  und  leichter  als  der  männliche.  Er  steht  in  seiner 
Form  dem  kindlichen  näher,  als  der  männliche,  bildet  gewissermaßen  ein  Zwischen- 
glied zwischen  beiden.  Der  weibliche  Schädel  zeigt  eine  geringere  Höhe,  er  ist  mehr 
in  die  Breite  entwickelt.  Sein  Hinterhaupt  aber  ist  länger,  als  das  des  Mannes.  Die 
Schädelbasis  der  Frau  ist  schmäler  und  kürzer,  das  Gesicht  kleiner  als  das  des  Mannes 
und  dabei  orthognath.  Da  sich  das  Gesicht  oben  an  den  breiten  Gehirnteil  ansetzt,  so 
findet  man  die  Nasenwurzel  des  Weibes  relativ  breit,  die  Orbitae  geräumig.  Da  anderer- 
seits aber  der  ganze  weibliche  Respirationsapparat  in  allen  seinen  Teilen  eine  geringere 
Ausbildung  zeigt,  so  sind  auch  die  Choanen  enger  und  niederer,  die  Kieferhöhlen 
und  damit  der  ganze  Kieferapparat  weniger  entwickelt.  Auch  die  Stirnhöhlen  sind 
zumeist  wenig  geräumig.  Die  Scheitelgegend  ist  im  Bereich  zwischen  den  vier  Tubera 
meist  merklich  abgeflacht.  Die  Abflachung  geht  ziemlich  plötzlich  einerseits  in  die 
senkrechte  Stirnlinie,  andererseits  in  die  abfallende  Linie  des  Hinterhauptes  über,  so 
daß  beiderseits  mehr  oder  weniger  winkelige  Biegungen  entstehen  (150).  Der  Grund 
dieser  Erscheinung  liegt  in  Knickungen  des  Stirn-  und  Scheitelbeines,  nicht  etwa 
in  der  Beschaffenheit  der  Tubera.  Diese  letzteren  treten  vielmehr  beim  weiblichen 
Schädel  sehr  zurück,  was  man  in  der  Vorder-  und  Rückansicht  zu  konstatieren  ver- 
mag, wo  man  bei  der  Frau  einen  völlig  gerundeten  Kontur  wahrnimmt,  während 
die  kräftig  hervortretenden  Tubera  parietalia  den  Männerschädel  eckig  erscheinen 
lassen  (M.). 

Rassenverschiedenheiten  (119 — 153).  Ferner  ist  der  Stammes-  und  Rassen- 
verschiedenheiten zu  gedenken.  Man  unterscheidet  verschiedene  Formen  des  Hirn- 
schädels, Langschädel,  Dolichocephalen1),  mittellange  Schädel,  Mesocephalen,  Kurz- 
schädel ,  Brachycephalen  2) ,  ferner  Flachschädel ,  Chamaecephalen  3) ,  mittelhohe 
Schädel,  Orthocephalen 4) ,  Hochschädel,  Hypsicephalen  5) .  Beim  Gesichtsschädel 
spricht  man  von  niederen  und  breiten  Gesichtern  (Brachyprosopie6),  Chamaeprosopie), 
von  hohen  und  schmalen  (Dolichoprosopie,  Leptoprosopie7)).  Man  hat  natürlich  auch 
die  Höhlen  des  Gesichtes  im  einzelnen  genau  auf  ihre  Verschiedenheiten  untersucht. 
Man  hat  ferner  untersucht,  ob  die  Kiefer  mehr  oder  weniger  schnauzenförmig  vor- 
treten und  hat  danach  die  Schädel  eingeteilt  in  prognathe 8)  und  orthognathe. 
Endlich  wird  auch  die  Kapazität  der  Schädelhöhle  verglichen. 


3 


1)  do/w/ög  lang. 

2)  ßQayvg  kurz. 
')  %a(tai  am  Boden,  niedrig. 

4)  öq&ös  richtig,  schicklich. 

5)  vtyi  oben,  empor. 

6)  ixqoooipig  Antlitz. 

')   /?£.tto's  dünn,  mager. 
8)  yvä&os  Kinnbacken. 


Knochenstruktur  des  Schädels.  99 

Um  von  den  verschiedenen  Formen  einen  klaren  und  exakten  Ausdruck  zu 
gewinnen,  bedient  man  sich  der  Messung  und  zwar  wendet  man  außer  der  Yergleichung 
der  absoluten  Maße  mit  großem  Nutzen  Verhältniszahlen,  Indices,  an.  Man 
berechnet  sie  aus  einer  Gleichung  A  :  B  =  ioo  :  x,  wobei  A  das  gewöhnlich  größere, 
B  das  gewöhnlich  kleinere  Maß  ist. 

Es  würde  zu  weit  führen,  wenn  hier  die  für  die  Messungen  benützten  Punkte, 
ihre  Ausführung  und  ihre  Resultate  angegeben  werden  sollten.  Interessenten  seien 
verwiesen  auf  E.  Schmidt,  Anthropologische  Methoden,  Leipzig  1888,  A.  v.  Torök, 
Grundzüge  einer  systematischen  Craniometrie,   Stuttgart  1890  u.  a.  m. 

d)  Knochenstruktur. 

Eine  gleichmäßige  Struktur  zeigt  die  Calvaria,  an  ihr  findet  man  durchweg 
eine  äußere  und  innere  Corticalis,  Lamina  externa  und  interna  und  dazwischen  eine 
Diploe  (148).  Die  Mächtigkeit  der  Knochen  ist  am  Scheitel  geringer  als  nach  der 
Stirne  und  besonders  nach  dem  Hinterhaupt  zu,  aber  größer  als  in  der  Schläfen- 
gegend. Bemerkenswert  ist  es,  daß  die  Knochenstärke  der  Calvaria  nicht  mit  der 
des  übrigen  Skeletes  in  gleichem  Schritt  zu  gehen  braucht ;  zuweilen  ist  sie  bei  einem 
im  allgemeinen  robusten  Knochenbau  außerordentlich  dünn.  Die  Elastizität  der 
Knochen  des  Schädeldaches  ist  erheblich.  Sie  sind  blutreich;  in  ihrer  Diploe  sind 
Kanäle  ausgespart,  in  welchen  Venae  diploicae  verlaufen,  welche  jedoch  außerordent- 
lich variabel  sind.  Außen  das  Periost  (Pericranium)  und  innen  die  Dura  mater 
sind  feste  Membranen,   hängen  aber  mit  den  Knochen  nicht  allzu  innig  zusammen. 

Die  Struktur  der  Schädelbasis  und  des  Gesichtsskeletes  steht  in  einem  gewissen 
Gegensatz  zu  der  der  Calvaria.  Schon  aus  der  Einzelbeschreibung  geht  hervor,  daß 
dort  die  Dicke  der  Knochen  je  nach  der  Stelle  von  Papierdünne  bis  zu  einer  Dicke 
von  2  cm  wechselt.  Sehr  dünne  Stellen  sind  zu  Usuren  geneigt.  Auch  individuell 
schwankt  die  Dicke,  bei  dem  einen  Schädel  sind  die  Knochen  schwer,  massiv,  derb, 
bei  dem  anderen  leicht,  grazil,  sehr  dünn.  Man  findet  auch  manchmal  am  ganzen 
Schädel,  einschließlich  der  Calvaria,  die  Knochen  sehr  dick,  dabei  aber  doch  leicht; 
es  ist  dann  ihre  Struktur  eine  porösere,  als  gewöhnlich.  Besonders  dünne  Stellen 
der  Basis  sind  die  Impressiones  digitatae  der  vorderen  Schädelgrube,  die  Stelle  der 
Gelenkgrube  des  Unterkiefers  und  die  Tiefe  der  hinteren  Schädelgrube.  Sehr  stark 
und  widerstandskräftig  ist  der  Körper  des  Hinterhauptsbeines  und  die  Stelle  der  Con- 
dvlen  des  Hinterhauptes.  Her  festeste  und  zäheste  Knochen  der  ganzen  Basis  ist 
die    Kapsel   des   Gehöiiabyrinthcs. 

Die  Höhlen  des  Gesichtsskeletes  sind  sehr  dünnwandig  und  würden  dadurch 
einwirkenden  Gewalten  wenig  Widerstand  leisten,  die  /arten  Knochen  würden  sogar 
schon  durch  die  physiologische  Arbeit  des  Kaugeschäftes  gefährdet  sein,  wenn  nicht 
doch  feste  Stützen  vorhanden  wären,  wvlche  dem  entgegen  wirken.  In  erster  Linie 
ist  daran  zu  erinnern,  daß  der  die  Zähne  tragende  Alveolarteil  an  sich  einen  dicken 
Bogen  bildet,  welcher  außerdem  durch  die  quere  Spreize  des  kräftigen  harten  Gaumens 
eine  bedeutende  Festigung  erfährt.  Außerdem  sind  auch  noch  pfeilerartige  Verstär- 
kungen vorhanden,  welche  die  Tätigkeit  der  am  stärksten  benützten  Zähne  sichern. 
Vom  Eckzahn  und  ersten  Prämolarzahn  zieht  sich  eine  festere  Knochenstrebe  auf- 
wärts nach  dem  Stirnfortsatz  des  Oberkiefers,  und  dieser  stemmt  sich  an  die  vordere 
Schädelbasis  an.  Vom  ersten  Molarzahn  aus,  welcher  von  allen  der  stärkste  und  zur 
größten    Kraftleistung  verwendete  ist,  gehl  eine  -ehr  kräftige  Stütze  aufwärts  zum 


100  Nähte. 

Jochbein,  von  welchem  dann  der  Druck  nach  oben  auf  den  Processus  zygomaticus 
des  Stirnbeines,  nach  vorn  auf  den  unteren  Augenhöhlenrand  und  nach  hinten  auf 
den  Jochbogen  abgeleitet  wird. 

Der  Augenhöhlenrand  ist  am  wenigsten  gefährdet  an  seiner  medialen  Seite, 
wo  er  durch  die  vorspringende  Nase  geschützt  wird,  am  meisten  an  seiner  ganz  frei- 
liegenden oberen  und  lateralen  Seite ;  er  ist  dort  auch  am  stärksten  und  widerstands- 
kräftigsten. 

Das  Periost  der  Basis  und  der  Gesichtsknochen  ist  im  allgemeinen  dünn  und 
mit  dem  Knochen  fest  verbunden.  Nur  in  der  Augenhöhle  (Periorbita),  besonders 
an  deren  Boden,  ist  es  derb  und  leicht  abzulösen. 

Vom  Unterkiefer  wurde  bereits  oben   (S.  84)  berichtet. 

Die  ernährenden  Gefäße  stammen  für  die  Schädelbasis  von  der  A.  meningea 
posterior,  A.  carotis  interna,  A.  meningea  anterior  und  ethmoidalis.  Dieselben  senden 
auch  Zweige  zum  Schädeldach  empor;  die  wesentlichste  Arterie  für  die  Calvaria  ist 
aber  die  A.  meningea  media.  Das  Schädeldach  erhält  auch  Gefäße  von  dem  engen 
Geflecht,  welches  von  den  Arterien  der  Kopfschwarte  gebildet  wird.  Die  Venen  (Venae 
diploicae)  ergießen  sich  in  die  Sinus  durae  matris.  Die  Gesichtsknochen  werden  von 
den  Aa.  maxillares  externa  und  interna  und  ihren  Ästen  versorgt. 

e)  Nähte,  Schaltknochen,  Fontanellen. 

Die  Nähte  sind  die  Stellen,  von  welchen  aus  in  der  Jugend  die  Knochen  wachsen, 
sie  sind  deshalb  für  die  ungehinderte  Vergrößerung  und  Ausbildung  des  Schädels  von 
großer  Bedeutung.  In  einer  Anzahl  von  Fällen  führen  sie  mitten  durch  Löcher  und 
Kanäle,  so  daß  auch  diese  an  den  Vorteilen  einer  erleichterten  Vergrößerung  teilnehmen. 
Doch  darf  nicht  verschwiegen  werden,  daß  eine  Umformung  auch  ganz  ohne  Mit- 
wirkung von  Nähten  vor  sich  gehen  kann,  daß  auch  Löcher  und  Kanäle  sich  vergrößern 
und  von  ihrer  Stelle  rücken  können,  ohne  daß  sie  mit  Nähten  in  Beziehung  stehen; 
es  muß  dann  neben  der  osteoblastischen  Tätigkeit  die  Kleinarbeit  der  Osteoklasten 
eine  intensivere  sein,  als  es  beim  Vorhandensein  von  Nähten  nötig  wäre. 

Die  Beschaffenheit  und  der  Verlauf  der  Nähte  ist  verschieden.  Oben  (S.  7) 
wurde  davon  gesprochen,  daß  man  eine  Sutura  serrata,  S.  squamosa  und  Har- 
monia  unterscheidet.  Bei  der  Zahnnaht  greifen  vorspringende,  eichenblattähnliche 
Zacken  der  beiden  verbundenen  Knochen  ineinander,  und  zwar  sind  sie  an  der  Außen- 
seite des  Schädels  immer  stärker  ausgeprägt,  als  an  der  Innenseite.  Bei  der  Schuppen- 
naht decken  sich  die  zugeschärften  Ränder  schuppenförmig,  bei  der  Harmonia  legen 
sich  die  gar  nicht  oder  nur  wenig  geschlängelten  Ränder  einfach  aneinander.  Die 
gezackten  Nähte  sind  am  besten  ausgeprägt  an  der  Schädeldecke,  durch  Harmonie 
sind  die  meisten  Gesichtsknochen  miteinander  verbunden,  eine  Schuppennaht  ist 
am  reinsten  ausgesprochen  an  der  Schuppe  des  Schläfenbeines. 

Der  Verlauf  der  Nähte  ist  am  einfachsten  an  der  Calvaria,  dort  ist  eine  mediane 
Naht  vorhanden,  die  Pfeilnaht,  Sutura  sagittalis  1),  welche  sich  in  die  Stirn- 
naht, Sutura  frontalis  fortsetzt,  wenn  dieselbe  erhalten  ist.  Ein  zweites  sagit- 
tales  Nahtsystem  verläuft  seitlich.  Es  erstreckt  sich  am  unteren  Rand  des  Stirn- 
und  Scheitelbeines  hin.  Auf  diesen  sagittalen  Nahtlinien  stehen  im  rechten  Winkel 
vorne   die    Kranznaht,    Sutura    coronalis2),    zwischen    Scheitel-   und    Stirnbein 


x)    Sutura  parietalis. 

2)   Unterhalb  der  Lineae  temporales  wandelt  sie  sich  aus  einer  Sutura  serrata  in  eine  Sutura 
squamosa  um   (Parsons  1906). 


Schaltknochen.     Fontanellen.  101 

und  die  Lambdanaht,  Sutura  lambdoidea,  zwischen  Scheitel-  und  Hinter- 
hauptsbein. An  der  komplizierter  zusammengesetzten  Schädelbasis  und  besonders 
im  Gesicht  verlaufen  die  Xähte  weniger  einfach,  stellenweise  so,  daß  es  nicht  leicht 
ist,  ihre  mechanische  Bedeutung  klarzulegen. 

Was  die  Benennung  der  Nähte  anlangt,  so  haben  nur  wenige  von  ihnen  besondere 
Namen,  und  zwar:  Sutura  sagittalis,  coronalis,  lambdoidea,  Sutura  squamae  tempo- 
ralis,  internasalis,  palatina  mediana  und  transversa,  alle  anderen  werden  nach  den 
Knochen  benannt,  welche  sie  verbinden,  z.  B.  Sutura  sphenoethmoidalis,  zygomatico- 
maxillaris  usw.     Es  ist  ganz  unnötig,  sie  im  einzelnen  aufzuzählen. 

Gewisse  Kreuzungspunkte  von  Nähten  beanspruchen,  besonders  für  die  Zwecke  anthropo- 
logischer Messung,  Bedeutung;  man  hat  sie  deshalb  nach  Brocas  Vorschlag  mit  eigenen  Namen 
belegt   {149): 

Bregma,   Stelle,  an  welcher  Pfeilnaht  und   Kranznaht  zusammentreffen. 

Lambda,  Stelle,  an  welcher  die  beiden  Schenkel  der  Lambdanaht  mit  der  Pfeilnaht  zu- 
sammentreffen. 

Stephanion,   Kreuzungspunkt  der  Kranznaht  und  der  Lineae  temporales. 

Pterion,  die  Gegend,  in  welcher  Stirnbein,  Scheitelbein,  Schläfenschuppe  und  Spitze 
des  großen   Kcilbcinflügcls  zusammenkommen. 

Asterion,  Kreuzungspunkt  der  Lambdanaht  mit  den  beiden  Abschnitten  der  Naht  des 
Warzcnteilcs  des  Schläfenbeines. 

.Vision,   Kreuzungspunkt  der  Sutura  nasofrontalis  und  internasalis. 

Unter  dem  Namen  Schaltknochen,  Ossa  epaetalia1),  hat  man  kleine  Kno- 
chen von  verschiedener  Bedeutung  zusammengefaßt,  i.  Teile  von  Knochen,  welche 
sich  dadurch  abtrennen,  daß  gewöhnlich  transitorische  Nähte  bestehen  bleiben.  Unter 
ihnen  ist  besonders  die  Naht  hervorzuheben,  welche  das  Os  interparietale  der  Schuppe 
des  Hinterhauptsheines  von  dem  knorpelig  präformierten  Teil  scheidet  (Os  Incae, 
S.  50).  Auch  kann  eine  mediane  Naht  das  Os  interparietale  in  zwei  symmetrische 
Stücke  teilen,  2.  Eigentliche  Nahtknochen,  Ossa  suturarum,  das  heißt  Knochen, 
welche  im  Verlauf  der  Nähte  aus  besonderen  kleinen  Ossifikationspunkten  hervor- 
gehen. Man  kann  sie  gelegentlich  fast  in  jeder  Naht  des  Hirn-  wie  des  Gesichts- 
schädels finden.  In  einer  Reihe  von  Fällen  erscheinen  sie  bilateral  symmetrisch. 
Oft  sind  sie  sehr  klein,  oft  aber  können  sie  auch  eine  erheblichere  Größe  erlangen. 
Nicht  überall  erscheinen  sie  gleich  häufig,  am  häufigsten  und  in  größter  Zahl  trifft 
man  sie  in  der  Lambdanaht.  3.  Knocheninseln,  welche  inmitten  einer  sonst  soliden 
Kinn  heut; ilel  eingesprengt  sind.  Man  findet  sie  nur  selten.  Zuweilen  werden  sie 
vorgetäuscht  durch  Nahtzacken,  welche  vom  Nachbarknochen  her  eindringen  und 
in  der  Nähe  der  Naht  dann  aus  der  Tiefe  auftauchen.  Bei  starkem  Hvdrocephalus 
benhai  htel  man  oft  eine  überaus  große  Zahl  von  Schaltknochen  in  den  Nähten  des 
Hirnschädels. 

Die  AI  tersu  n  terschiede  der  Nähte  sind  erheblich.  Heim  Neugeborenen  sind  sie  meist 
Doch  mangelhaft  ausgebildet,  besonders  gill  <h<>  Etu  die  Nahte  des  Schädeldaches.  Da  wo  die 
Winkel  der  Scheitelbeine  mit   den  benachbarten    Knochen   zusammenstoßen,   ist   bei  ihnen  und 

auch   den    letzteren   die  Ossifikation  SO   weil    zurück,   daß  der   Schädel    Lücken   /ci-t,    welche   noch 

durch  die  ursprüngliche  häutige  Vnlage  verschlossen  sind,  Sie  heißen  Fontanellen,  Fonticuli, 
sie  spielen  in  der  Geburtshilfe  eine  bedeutende  Rolle  (154).  Die  Stirnfontanelle,  Fonticulus 
frontalis,  die  größte  derselben,  ist  an  der  Stelle  des  Bregma  (s,  eben)  zu  suchen.  Sie  hat  die 
Gestall  eines  Papierdrachens  mit  nach  vorne  gerichtetem  spitzem  Ende,  Ihre  größte  Länge  bei 
reifen  Früchten  ist  um  Mittel  30mm,  ihre  -roßte  Breite  24mm.  l>ie  Hinterhauptsfonta- 
nelle,   Fonticulus  occipitalis,   ist   meisl    kein  eigentlicher  Knochendefekt,  sie  besteht   viel- 

')  Ossa  suturarum,  intercalaria,  triquetra,  raphogeminantia,  Wormiana. 


102  Altersunterschiede  des  Schädels. 

mehr  aus  einer  dreihörnigen  Spalte  an  der  Spitze  der  Lambdanaht,  welche  jedoch  deutlich  fühl- 
bar ist.  Die  vordere  Seitenfontanelle,  Fonticulus  sphenoidalis 1),  zwischen  Scheitelbein 
und  großem  Keilbeinflügel  ist  eine  längliche,  horizontal  gestellte  Spalte.  Sie  ist  deshalb  ohne 
praktische  Bedeutung,  weil  sie  unter  dem  M.  temporalis  verborgen  ist.  Die  hintere  Seitenfonta- 
nelle, Fonticulus  mastoideus  2),  ist  ein  unregelmäßig  buchtiger  Spalt  zwischen  Scheitelbein, 
Schuppe  und  Warzenteil  des  Schläfenbeines.  Ihre  praktische  Bedeutung  steht  hinter  der  der 
Scheitelfontanellen  zurück.  Am  längsten  bleibt  die  Stirnfontanelle  offen,  sie  schließt  sich  nor- 
malerweise in  der  ersten  Hälfte  des  zweiten  Lebensjahres. 

Zu  erwähnen  ist  weiter,  daß  bei  Neugeborenen  das  Os  interparietale  noch  durch  Spalten, 
welche  sich  von  der  hinteren  Seitenfontanelle  aus  in  den  Knochen  hineinziehen,  teilweise  vom 
unteren  Teil  der  Schuppe  getrennt  ist.  Man  hat  sich  zu  hüten,  sie  für  pathologische  Fissuren 
zu  halten.  Auch  von  der  Spitze  der  Lambdanaht  geht  eine  feine  Spalte  in  den  Knochen  hinein. 
Erst  im  Laufe  des  zweiten  Lebensjahres  beginnen  an  den  Zahnnähten  die  Zacken  zu  erscheinen 
und  zwar  zuerst  an  der  Lambdanaht. 

In  höherem  Alter  schließen  sich  die  Nähte  und  zwar  in  der  Regel  erst  nach  Überschreitung 
der  mittleren  Lebensjahre.  Die  Obliteration  tritt  zuerst  an  der  Innenseite  auf  und  greift  erst 
später  nach  außen  über.  Den  Anfang  pflegt  die  Pfeilnaht  zu  machen,  die  Kranznaht  ist  meist 
die  letzte  Naht,  welche  ergriffen  wird.  Bei  außereuropäischen  Rassen  erfolgt  die  Obliteration 
der  Nähte  nicht  überall  zu  gleicherZeit  und  in  gleicher  Folge,  wie  bei  Europäern  (Hasebe  1909). 

Altersunterschiede  des  Schädels.  Dieselben  sind  auch,  abgesehen  von  den  eben 
behandelten  Nähten,  beträchtlich.  Das  Periost  des  Schädeldaches  vom  Neugeborenen  ist  relativ 
stark  und  leicht  ablösbar.  Es  adhäriert  später  immer  fester,  am  festesten  im  Greisenalter.  Um- 
gekehrt ist  die  Dura  mater  bei  Kindern  mit  dem  Knochen  fester  verbunden,  als  bei  Erwachsenen. 
Die  Dicke  des  knöchernen  Schädeldaches  wächst  in  den  ersten  Lebensjahren  langsam,  dann  rascher, 
mit  den  zwanziger  Jahren  ist  das  Dickenwachstum  vollendet.  In  hohem  Alter  zeigt  der  Schädel 
außer  dem  schon  erwähnten  Verstreichen  der  Nähte  noch  einen  weitgehenden  Schwund  von  Kno- 
chensubstanz, dünne  Platten  usurieren  sogar  vollständig.  Der  Schädel  wird  dabei  auffallend 
leicht. 

Beim  Neugeborenen  sind  Gehirn  und  Sinnesorgane  in  ihrer  Ausbildung  schon  weit  fort- 
geschritten, „während  der  dem  Respirations-  und  Verdauungsapparat  angehörige  Teil  des  Kopfes 
noch  wenig  ausgebildet  ist.  Demgemäß  ist  auch  der  Hirnschädel,  der  das  Ohr  beherbergende 
Knochen  ( Schlaf enbeinpyramide),  die  Orbita,  der  obere  Teil  der  Nase  in  der  Entwickelung  relativ 
vorgeschritten,  während  der  eigentliche  Kieferapparat  noch  stark  zurückgeblieben  ist.  Dabei 
sehen  die  Kiefer  wegen  der  in  ihnen  enthaltenen  Zahnanlagen  wie  geschwollen  aus.  Der  knöcherne 
äußere  Gehörgang  fehlt,  statt  seiner  ist  nur  ein  zarter  Knochenring  vorhanden.  Stark  hervor- 
ragende Höcker  an  Stirn-  und  Scheitelbein  lassen  den  Schädel  bei  der  Betrachtung  von  oben 
fast  viereckig  erscheinen.  Im  übrigen  bringt  es  die  Kleinheit  des  Gesichtes,  das  Fehlen  der  später 
entwickelten  Höcker  und  Fortsätze  mit  sich,  daß  sich  die  ganze  Schädelform  weit  mehr  der  Kugel 
nähert,  als  dies  später  der  Fall  ist. 

Die  Weiterentwickelung  des  Schädels  nach  der  Geburt  zerfällt  in  zwei  Wachstumsperioden. 
Die  erste  reicht  von  der  Geburt  bis  etwa  zum  siebenten  Lebensjahre.  Nun  folgt  ein  völliger  Still- 
stand aller  Teile  bis  zum  Eintritt  der  Pubertät.  Mit  diesem  Zeitpunkte  tritt  die  zweite  Wachs- 
tumsperiode ein,  welche  bis  zur  vollkommenen  Ausbildung  des  Schädels  dauert.  Die  erste  Periode 
zerfällt  in  drei  Phasen:  In  der  ersten  Phase  (Geburt  bis  Schluß  des  ersten  Lebensjahres)  ist  das 
Wachstum  fast  in  allen  Teilen  des  Schädels  ein  gleichmäßiges.  In  der  zweiten  Phase  (zweites 
bis  fünftes  Jahr)  wölbt  sich  Hinterhaupts-  und  Scheitelgegend.  Die  Schädelkapsel  verbreitert 
sich  zugleich  in  allen  Teilen  bedeutend,  auch  das  Gesicht  wächst  in  die  Breite.  Die  Basis  ver- 
längert sich  immer  weniger.  In  der  dritten  Phase  (sechstes  bis  siebentes  Jahr)  tritt  ein  umge- 
kehrtes Verhältnis  ein.  Die  Knochen  der  Decke  wachsen  nur  sehr  unbedeutend,  dagegen  ver- 
längert sich  die  ganze  Schädelbasis.  Damit  steht  im  Zusammenhang  eine  stärkere  Tiefenent- 
wickelung  des  Gesichtes,  welches  auch .  an  Länge  zunimmt.  Mit  Ende  der  ersten  Wachstums- 
periode ist  die  Länge  des  kompakten  Grundbeinkörpers  vollendet,  ebenso  die  Größe  des  Foramen 
magnum  und  die  Breite  zwischen  den  beiden  Proc.  pterygoidei.  Auch  haben  das  Felsenbein 
und  die  horizontale  Platte  des   Siebbeines  ihre  definitive  Größe  erreicht. 


x)   Fonticulus  lateralis  anterior. 
2)   Fonticulus  lateralis  posterior. 


Varietäten.     Praktische  Bemerkungen.  l(ß 

Die  zweite  mit  der  Pubertät  beginnende  Periode  bringt  eine  Verlängerung  der  Gesichts- 
basis, an  welche  sich  einerseits  eine  kräftige  Entwickelung  des  Stirnbeines,  andererseits  eine  Ver- 
tiefung des  Gesichtes  anschließt.  Der  ganze  Schädel  verbreitert  sich  stark  und  zwar  in  beiden 
Abteilungen  allseitig.  Der  Jochbogen  krümmt  sich  stärker.  Das  Gesicht  verlängert  sich  bis  zur 
definitiven  Ausbildung"  (M.-H.).  (Fr.  Merkel,  1882.)  Das  Längenwachstum  des  Schädels  allein 
behandelt  Neumayer  (1909).  Dem  Greisengesicht  verleiht  das  Fehlen  der  Zähne  und  der 
Alveolarfortsätze  ein  höchst  charakteristisches  Aussehen. 

Varietäten.  Von  den  überaus  zahlreichen  individuellen  Verschiedenheiten  des  Schädels 
war  schon  die  Rede.  Außer  ihnen  ist  zu  erwähnen  eine  große  Neigung  zur  Asymmetrie,  doch 
kompensieren  sich  die  Unregelmäßigkeiten  oft  so  gut,  daß  sie  erst  bei  genauerer  Betrachtung 
bemerkt  werden.  Eine  Anzahl  von  Varietäten  steht  an  der  Grenze  der  Pathologie,  und  zwar  solche, 
bei  welchen  Nähte,  welche  offen  bleiben  sollen,  schön  in  frühem  Alter  verstreichen.  Der  Schädel 
kann  dann  dort  nicht  mehr  wachsen,  sondern  muß  sich  von  anderen  Nähten  aus  kompensatorisch 
vergrößern,  um  dem  sich  ausdehnenden  Gehirn  den  nötigen  Platz  gewähren  zu  können.  Ob- 
wohl dabei  das  Gehirn  eine  von  der  gewöhnlichen  Form  sehr  abweichende  Gestalt  annimmt,  bleibt 
es  doch  in  seinem  inneren  Bau  und  in  seinen  Funktionen  durchaus  intakt.  Bei  einer  prämaturen 
Verwachsung  der  quer  verlaufenden  Nähte  entsteht  ein  Turmkopf,  Thyrsocephalus 1),  bei 
Verwachsung  der  Sagittalnaht  ein  Kahnkopf,  Scaphocephalus.  Eine  vorzeitige  Verwachsung 
der  Nähte  des  Pterion  kann  eine  halbringförmige  Einziehung  in  der  Gegend  der  Coronarnaht 
hervorrufen.  Der  sehr  häufig  vorkommende  Sattelkopf,  Clinocephalus,  entsteht  dadurch, 
daß  in  der  Gegend  des  Bregma  eine  leichte  Vertiefung  auftritt,  welche  auf  eine  mangelhafte  Ossi- 
fikationstätigkeit  in  der  Gegend  der  ehemaligen  Stirnfontanelle  hinweist.  An  dieser  Stelle  findet 
man  auch  relativ  häufig  einen  Nahtknochen  (Fontanellknochen),  ein  Zeichen  dafür,  daß 
gerade  hier  leicht  Störungen  eintreten.  Die  Nahtknochen  in  der  Lambdanaht  können  eine  so 
erhebliche  Zahl  und  Größe  erreichen,  daß  sie  wie  Spreizen  das  Hinterhaupt  vom  Scheitel  ab- 
drängen, so  daß  ein  stufenförmiger  Absatz  zwischen  beiden  entsteht,  welcher  auch  am  Lebenden 
sehr  wohl  sichtbar  ist:   Stufenkopf,   Bathrocephalus. 

In  seltenen  Fällen  wird  eine  weitgehende  Störung  des  Verknöcherungsvorganges  verbunden 
mit  Defekten  einzelner  Schädclknochcn  beobachtet;  sie  ist  merkwürdigerweise  verbunden  mit 
Störung  der  Entwickelung  des  Schlüsselbeines    (Dysostosis  cleidocranialis,    Hultkrantz   1909). 

Zuletzt  sei  auch  der  Cribra  cranii  (Koganei  1911)  gedacht,  welche  an  der  Grenze  patho- 
logischer Bildungen  stehen.  Es  sind  dies  kleine  geschlängelte  Furchen,  welche  netzförmig  mit- 
einander verbunden  sind  und  als  kleinere  oder  größere  meist  matt  erscheinende  Flecken  auf- 
treten. Zuerst  wurden  sie  von  YVelcker  an  dem  Augenhöhlendach  (Cribra  orbitalia  1888) 
beobachtet.  Sie  kommen  auch  im  Inneren  der  Schädclhöhle  vor,  am  Stirnbein,  Scheitelbein, 
Hinterhauptsbein.     Bei   Kindern  findet  man  sie  öfter  als  bei  Erwachsenen. 

Praktische  Bemerkungen.  Nicht  allein  die  erwähnten  vorzeitigen  Verwachsungen 
von  Nähten  können  die  Form  des  Schädels  stark  beeinflussen,  sondern  auch  Rachitis.  Der  weiche 
Knochen  wird  an  den  Condylcn  durch  die  Wirbelsäule  gestützt  und  in  seiner  Lage  gehalten, 
davor  und  dahinter  aber  sinkt  er  herunter,  wodurch  der  Clivus  sehr  steil  gestellt  und  das  Foramen 
jugularc  zusammengedrückt  wird.  Das  Emissarium  mastoideum  erweitert  sich  dann  abnorm, 
um  ili'ii  Uitluß  des  Blutes  aus  dem  Sinus  transversus  bewältigen  zu  können.  Auch  andere  Emis- 
sarien,  die  ja  als  Sicherheitsventile  für  die  venöse  Circulation  in  der  Schädclhöhle  zu  betrachten 
sind,  können  gelegentlich  erheblich  erweitert  sein,  ohne  daß  man  Ereilich  bei  dein  /utälligen  Be- 
fund an  mazerierten  Schädeln  den  eigentlichen  Grund  dafür  erkennen  könnte.  Solche  erweiterte 
Venenöffnungen  bringen  gewisse  Gefahren  mit  sich. 

Besonders  große  praktische  Bedeutung*haben  die  Verletzungen  und  Frakturen  des  Schädels. 
Dabei  verhalten  sich  seine  drei  reile:  Calvaria,  Basis  und  Gesicht,  verschieden,  nicht  allein  der 
Lage  wegen,  welche  bei  der  Basis  eine  wohlgeschützte  ist.  sondern  auch  in  bezug  auf  ihre  ver- 
schiedene  Struktur.  Bei  der  Calvaria  kommt  es  in  erster  Linie  darauf  an,  ob  sie  dünn  oder  dick 
ist,  ob  sie  eine  stärker  oder  schwächer  ausgebildete  lnploc  besit/t.  Hin  Schlägerhieb,  welcher 
bei  normalei  Dicke  nicht  einmal  die  Larnina  externa  gespalten  hätte,  drang  einem  Studenten 
durch  die  fasl  kartenblattdünne  Calvaria  tut  ins  Gehirn.  Man  hat  sich  auch  daran  zu  erinnern, 
daß  gelegentlich  eine  erhebliche  lnk.de  Verdünnung  des  Schädeldaches  durch  andringende  Arach- 
noidealzotten   hervorgebracht    werden   kann,     Bei  einem   unglücklichen   Zufall  konnte  eine  Ver- 

*)  Oxycephalus. 


104  .  Praktische  Bemerkungen. 

letzung  gerade  eine  solche  Stelle  treffen.  Auch  die  oft  weiten  diploischen  Venen  können  Gefahren 
mit  sich  bringen,  an  welche  man  nicht  immer  zu  denken  pflegt.  An  denen  der  Stirne  hat  man 
Varicen  gesehen. 

Die  Schädeldecke  verhält  sich  andringenden  Gewalten  gegenüber  wie  eine  homogen  ge- 
baute Kuppel;  die  dünnste  Stelle  in  der  Schläfengrube  ist  durch  das  darüber  liegende  Muskel- 
polster geschützt.  Die  Nähte  sind  für  Verletzungen  ohne  Einfluß ;  Art  und  Verlauf  von  Frakturen 
wird  in  der  Regel  nur  durch  die  Stärke  und  Richtung  der  einwirkenden  Gewalt  bestimmt.  Die 
verzahnte  Art  der  Nähte  bildet  im  Gegenteil  einen  Schutz  gegen  ihre  Trennung.  Ihr  mäandri- 
scher Verlauf  ist  zu  beachten,  um  sie  nicht  mit  etwa  vermuteten  Fissuren  zu  verwechseln.  Auch 
wenn  man  sie  an  ungewohnter  Stelle  findet,  brauchen  sie  nicht  zu  überraschen,  da  sie  sehr  wohl 
einem   Schaltknochen'  angehören  können. 

Die  Elastizität  der  Calvaria  ist  zwar  individuell  verschieden,  aber  wie  erwähnt,  bedeutend; 
bei  Kontinuitätstrennungen  können  Haare,  Kugelfragmente,  Hutfetzen  u.  dgl.  mehr  in  die  Spalt- 
öffnung oder  durch  sie  in  die  Schädelhöhle  eindringen.  Beim  Aufhören  der  Gewaltwirkung  schnap- 
pen dann  vielleicht  die  Ränder  der  Öffnung  wieder  zu  und  man  findet  nur  eine  scheinbar  gering- 
fügige lineare  Fissur.  Brüche  können  durch  übermäßige  Biegung  oder  Pressung  entstehen, 
übermäßige  Dehnung  kann  Berstung  veranlassen.  Die  Gewalteinwirkungen  bedingen  sowohl 
ein  Eindrücken  des  Knochens,  wie  auch  Sprünge  in  demselben.  In  beiden  Fällen  pflegt  die  äußere 
Corticaltafel  in  geringerem  Umfang  verletzt  zu  sein,  wie  die  innere,  ja  es  kann  sogar  vorkommen, 
daß  die  äußere  Tafel  aus  der  stattgehabten  Verbiegung  ohne  Schaden  in  ihre  ursprüngliche  Form 
zurückkehrt,  während  bei  der  inneren  die  Elastizitätsgrenze  überschritten  wurde  und  sie  eine 
Fissur  trägt.  Man  hat  deshalb  für  diese  den  Namen  Glastafel,  Lamina  vitrea,  gebraucht. 
Heute  weiß  man  jedoch,  daß  die  innere  Tafel  keineswegs  brüchiger  ist,  wie  die  äußere,  sondern 
daß  die  Aufhebung  des  Zusammenhanges  des  Knochens  etwa  so  vor  sich  geht,  wie  wenn  man 
einen  Stock  über  dem  Knie  zerbricht  (Teevan  1865).  Hier  entsteht  an  der  freien,  gedehnten 
Seite  zuerst  ein  Riß  und  es  erfolgt  erst  dann  eine  Knickung  der  vom  Knie  unterstützten,  ge- 
drückten. Die  Richtigkeit  dieser  Anschauung  wird  dadurch  erwiesen,  daß  eine  weitergehende 
Splitterung  der  äußeren  Tafel  erfolgt,  wenn  die  Gewalt  von  innen  her  einwirkt,  wie  z.  B.  wenn 
sich  ein  Mensch  durch  Schuß  in  den  Mund  entleibt. 

Ebenso  wie  bei  der  Calvaria  kann  auch  an  der  Basis  jede  Stelle  von  einer  Fraktur  betroffen 
werden.  Sieht  man  aber  von  Fällen  weitgehender  Zertrümmerung  ab,  dann  findet  man,  daß  die 
kräftig  gebauten  Basisteile  von  Brüchen  verschont  bleiben;  dieselben  sind  die  großen  Keilbein- 
flügel, der  Clivus  und  das  mittlere  Drittel  des  Felsenbeines,  welches  die  Schnecke  enthält.  Anderer- 
seits sind  die  dünnsten  Stellen  der  Basis  von  den  Frakturen  besonders  bevorzugt.  In  der  vor- 
deren Schädelgrube  suchen  sie  sich  ihren  Weg  durch  die  Lamina  cribrosa  oder  seitlich  zwischen 
den  Juga  cerebralia  und  kommen  dann  entweder  in  der  Gegend  des  lateralen  Endes  der  Fissura 
orbitalis  super,  oder  noch  gewöhnlicher  im  Foramen  opticum  an.  Nach  hinten  setzen  sie  sich 
in  das  Foramen  rotundum,  ovale,  spinosum  fort.  Der  Türkensattel  bricht  am  leichtesten  in  der 
Quere  an  der  Grenze  zwischen  dickem  und  dünnem  Knochen,  also  in  der  Gegend  der  Sattellehne 
und  vorn,  wo  sich  die  Wurzeln  des  Processus  clinoideus  an  ihn  anstemmen  und  ihn  verstärken. 
Die  Seitenteile  der  mittleren  Schläfengrube  brechen  am  leichtesten  in  der  Gegend  der  Unter- 
kiefergelenkgrube, entweder  davor  oder  dahinter  an  der  Grenze  des  Tegmen  tympani.  Die  Fissura 
sphenopetrosa  ist  für  Fortleitung  der  Frakturen  nach  der  Mittellinie  hin  sehr  geeignet.  Das 
Felsenbein  bricht  am  häufigsten  quer,  seltener  an  seinem  lateralen  Ende.  In  der  hinteren  Schädel- 
grube lassen  die  Frakturen  den  medianen  Stützbalken  unberührt  und  ziehen  sich  durch  die  dünnen 
Seitenteile  der  Hinterhauptsschuppe.  Entsteht  ein  Bruch  in  der  Gegend  des  Hinterhauptsloches, 
dann  umkreist  derselbe  von  der  dünnen  Stelle  über  der  Fossa  condyloidea  aus  die  Gelenkhöcker, 
um  auf  das  Foramen  jugulare  zu  treffen,  von  wo  er  quer  durch  das  Felsenbein  oder  der  Fissura 
petrooccipitalis  folgend,  zur  Spitze  der  Schlaf enbeinpyramide  hinzieht  (M.).  Anspannung  des 
Tentorium  bei  Pressung  des  Schädels  kann  zur.  Absprengung  des  Proc.  clinoideus  ant.  oder  der 
Sattellehne  führen,  auch  die   Spitze  der  Schläfenbeinpyramide  kann  abbrechen. 

Direkte  Verletzungen  der  Schädelbasis  sind  nur  in  sehr  beschränktem  Maße  möglich  und 
zwar  kann  von  der  Orbita  her  deren  Dach  z.  B.  durch  einen  Stich  getroffen  werden,  es  kann  auch 
ein  Instrument  nach  hinten  durch  die  Fissura  orbitalis  sup.  in  die  Schädelhöhle  gleiten  und  dort 
schwere  Verletzungen  verursachen.  In  die  Nase  eingeführte  Gegenstände  können  in  der  Carina 
nasi  oder  im  Meatus  nasi  communis  bis  zur  Lamina,  cribrosa  gelangen  und  sie  zertrümmern. 

Das  Gesichtsskelet  ist  schweren  Verletzungen  besonders  durch  Hufschläge  ausgesetzt. 
An  ihm  erleiden  die  einzelnen  Knochen  am  leichtesten  Diastasen  der  Nähte,  solche  wurden  in  der 


Gliedmaßen. 


105 


.Mittellinie  beobachtet,  man  hat  gesehen,  daß  sich  das  Jochbein,  daß  sich  der  Oberkiefer  aus  seinen 
Verbindungen  gelöst  hat.  Ohne  gleichzeitige  Frakturen  pflegt  es  dabei  freilich  nicht  abzugehen. 
Man  hat  sich  auch  an  die  erwähnten  Stützen  und  Strebepfeiler  zu  erinnern,  welche  geeignet  sind, 
gelegentlich  einer  Gewalteinwirkung  erfolgreich  Widerstand  zu  leisten.  Der  feste  Bogen  des 
Alveolarfortsatzes  kann  im  ganzen  vom  übrigen  Oberkiefer  abgesprengt  werden;  daß  dabei  die 
Kieferhöhle  eröffnet  wird,   versteht  sich  von  selbst. 

Von  den   für  die   Praxis  in   Frage   kommenden  Verhältnissen  des   Unterkiefers  war  oben 
S.   84  schon  die  Rede. 


Cingulum 
exlremitatis 


Humerus  (Femur) 


III.  Gliedmaßen,  Extremitates. 

Ki  in  Wirbeltier  besitzt  mehr  als  zwei  Extremitätenpaare,  ein  craniales,  die 
Schultcrgliedmaßcn,  und  ein  caudales,  die  Beckengliedmaßen.  Die  freie  Extremität 
setzt  sich  niemals  direkt  an  das 
Rumpfskelet  an,  sondern  stets 
durch  Vermittelung  eines  Gürtels, 
Cingulum  extremitatis,  wel- 
cher in  seiner  einfachsten  Form 
aus  einem  gekrümmten  Stab 
besteht.  Bei  weiterer  Ausbildung 
in  der  phylogenetischen  Reihe 
zerfällt  derselbe  in  drei  von' einem 
Mittelpunkt  aus  divergierende 
Stücke.  Der  Mittelpunkt  selbst  ist 
die  Stelle,  von  welcher  die  freie 
Extremität  ausgeht.  Das  Skelet 
dieser  letzteren  besteht  im  wesent- 
lii  heu  aus  Stäben,  welche  sich  in 
distaler  Richtung  vermehren.  Von 
den  zahlreichen  Stabsystemen  der 
Fischflossen  bleibt  in  der  Folge  nur 
ein  solches  bestehen;  es  gt'ht  vom 
Gürtel  ein  einziger  Stab  aus,  einer- 
seits Oberarm,  Humerus,  anderer- 
seits Oberschenkel,  Femur,  an 
welchen  sich  zwei  ansehließen, 
welche  man  im  ganzen  als  Unter- 
arm, Antebrach  i  um,  und  l  fnter- 
schenkel,  Crus,  benennt.  Die 
beiden  Knochenstäbe  des  Unter- 
armes heißen  Sprich 
und  Elle,  Ulna,  die 
Si  henkeis,  Schienbein 
Wadenbein,    Fibula. 


Ulna  (Fibula)  - 


Ulnare  (Fibulare)- 


.  Radius  (Tibia) 


Inlcrmciliuin 
Kadiale  (Tibiale) 


CarpaleV  ( Tar-.de\ '!—   T^O'v}^-  '     'T  '  '     '       '  " -•>''     ' 


Q 


\\ 


Met  u  irpus 

(Metatarsus) 

V~  D 


% 


Radin  s, 

des  Unter- 
I  1 1  •  1 . 1    und 

Aul     diese 


Fig. 


Schema  des  Skeletbaues  einer  Extremität. 


Knochenstäbe    Eolgen    als  Zwischenglieder   einige 
kurze  Knochen,  I  tandwurzel,  Carpus,  und  Fußwurzel,  Tarsus,  an  welche  sich  endlich 

die  Stabe  der  Fingerstrahlen  und  zwar  im  höchsten  Falle  ihrer  tum  anschließen. 


106  Obere  Extremität,    Gürtel.     Schulterblatt. 

Als  Grundtypus  der  Hand-  und  Fußwurzel  ist  es  anzusehen,  daß  sich  die  Knochen, 
welche  sie  bilden,  um  ein  Os  centrale  gruppieren.  Die  proximalen  sind  drei  an  Zahl, 
ein  Os  radiale  (tibiale),  ein  Os  intermedium  und  ein  Os  ulnare  (fibulare); 
die  distalen  sind  ebensoviel  wie  Fingerstrahlen,  also  fünf,  Os  carpale  (tarsale)  I — V. 
Die  Fingerstrahlen  zerfallen  wieder  in  die  Mittelhandknochen  (Mittelfußknochen), 
Ossa  metacarpi  (metatarsi)  und  die  Finger,  Digiti,  deren  einzelne  Glieder  man 
als  Phalanges  bezeichnet. 

Bei  den  einzelnen  Tierarten  sind  die  aufgezählten  Teile  keineswegs  immer  in 
reiner  Form  anzutreffen,  die  Erscheinung  der  Extremitäten  wechselt  vielmehr  in  ge- 
nauem Zusammenhang  mit  der  Funktion  in  weiten  Grenzen  sowohl  im  Gürtel,  wie 
in  der  freien  Extremität.  Man  findet  hier  eine  exzessive  Ausbildung,  dort  eine  Re- 
duktion bis  zum  völligen  Verschwinden,  man  begegnet  Verwachsungen  und  Ver- 
schiebungen. 

Der  aufrecht  stehende  und  gehende  Mensch  benützt  nur  die  unteren  (hinteren) 
Extremitäten  zur  Fortbewegung,  während  die  oberen  (vorderen)  zu  Greiforganen 
ausgebildet  sind.  Um  der  ihr  obliegenden  Funktion  gerecht  zu  werden,  ist  die  erstere 
kräftig  und  fest  gebaut  und  es  kommt  ihr  eine  bedeutende  Stabilität  zu,  die  letztere 
dagegen  ist  leichter  und  beweglicher;  sie  besitzt  eine  Anzahl  sehr  freier  Gelenke,  so 
daß  man  imstande  ist,  mit  den  Händen  alle  Teile  der  Körperoberfläche  ohne  Aus- 
nahme zu  erreichen. 


1.  Obere  Extremität,  Extremitas  superior. 

a)  Gürtel,  Cingulum. 

Er  besteht  aus  dem  Schulterblatt,  Scapula,  und  dem  Schlüsselbein,  Clavi- 
cula.  Das  Schulterblatt  setzt  sich  aus  zweien  der  ursprünglichen  Gürtelabteilungen 
zusammen,  aus  dem  eigentlichen  Schulterblatt  und  aus  dem  bei  niederen  Tieren  sehr 
ansehnlichen  und  mit  dem  Brustbein  in  Verbindung  stehenden  Coracoidbein,  welches 
beim  Menschen  zu  einem  relativ  kurzen  Fortsatz  des  Schulterblattes,  dem  Processus 
coracoideus  reduziert  ist.  Als  Vertreter  des  dritten  ursprünglichen  Teües  ist  das 
Schlüsselbein  anzusehen,  welches  mancherlei  Wandlungen  in  der  Tierreihe  erfahren 
hat.  Es  vermittelt  den  Zusammenhang  des  Schultergürtels  mit  dem  Brustbein,  erreicht 
aber  die  Verbindung  mit  der  den  Oberarm  tragenden  Gelenkpfanne  nicht,  sondern 
heftet  sich  am  Acromion  des  Schulterblattes  an. 

a)    Schulterblatt,    Scapula1). 

Dreiseitig,  platt,  schwach  nach  hinten  gewölbt  (162,  163).  Der  Körper  des 
Knochens  ist  gewöhnlich  sehr  dünn  und  in  der  Mitte  durchscheinend.  Das  Schulterblatt 
besitzt  einen  medialen,  konvexen  Rand,  Margo  vertebralis,  einen  lateralen,  kon- 
kaven, Margo  axillaris,  und  einen  oberen,  verschieden  geformten,  Margo  superior; 
letzterer  ist  der  kürzeste.  Die  Ränder  stoßen  in  drei  Winkeln  zusammen,  Angulus 
inferior,  medialis  und  lateralis.  Die  vordere  Fläche,  Facies  costalis,  ist  den 
Rippen,  die  hintere,  Facies  dorsalis,  ist  der  Rückenoberfläche  zugekehrt.  Mit 
dem  Rumpf  ist  es  nur  durch  einen  ausgedehnten  Muskelapparat  zusammengehalten, 
dessen  ganzes  Verhalten  die  Gestalt  und  das  Relief  des  Knochens  bei  den  verschiedenen 


x)   Scapulum,  Omoplata. 


Schulterblatt.  107 

Ticrspecies  maßgebend  beeinflußt,  was  man  durch  vergleichende  Betrachtung  un- 
schwer beweisen  kann.  Die  zahlreichen  Muskeln  machen  das  Schulterblatt  außerordent- 
lich beweglich;  seine  Bewegungen  sind  bei  mageren  Leuten  durch  die  Haut  zu  sehen, 
bei  allen  zu  fühlen.  Bei  ruhig  herabhängenden  Armen  reicht  es  von  der  zweiten  bis 
zur  achten  Rippe. 

Der  verdickte  laterale  Winkel  wird  von  der  leicht  konkaven  Gelenkpfanne  für 
den  Oberarm,  Cavitas  glenoidalis,  eingenommen.  Sie  ist  von  birnförmiger  Ge- 
stalt, ist  jedoch  an  ihrem  vorderen  Rand  ein  wenig  ausgeschnitten.  Sie  setzt  sich 
durch  eine  ringsum  laufende  Einziehung,  den  Hals,  Collum  scapulae,  vom  übrigen 
Knochen  ab.  Von  einer  Rauhigkeit  am  oberen  Rand  der  Gelenkgrube,  Tuberositas 
supraglcnoidalis,  entspringt  der  lange  Kopf  des  M.  bieeps,  von  einem  etwas  größeren 
Höcker,  Tuberositas  infraglenoidalis  1),  der  lange  Kopf  des  M.  trieeps.  Geht 
man  nun  den  Rändern  und  Winkeln  des  Knochens  von  der  Gelenkpfanne  aus  nach, 
dann  stößt  man  unmittelbar  neben  der  Tuberositas  supraglenoidalis  auf  die  Wurzel 
des  Hakenfortsatzes,  Processus  coraeoideus  2).  Derselbe  erhebt  sich  platt  mit 
einer  hinteren  und  vorderen  Fläche  vom  oberen  Rand  und  sieht  aus,  als  habe  man 
ihn  nach  vorne  umgebogen  und  spiralig  um  seine  eigene  Achse  gedreht,  so  daß  sich 
dann  die  hintere  Fläche  nach  oben,  die  vordere  nach  unten  wendet.  Seine  Spitze 
ist  abgerundet  und  läßt  sich  bei  sehr  mageren  Personen  unter  dem  Schlüsselbein  durch 
die  Haut  fühlen.  Es  heften  sich  sehr  feste  Bänder  an  ihn  an,  an  seine  Spitze  auch 
Muskeln  und  zwar  der  kurze  Kopf  des  M.  bieeps,  M.  coracobrachialis,  M.  pectoralis 
minor.  Dicht  an  der  Wurzel  des  Processus  coraeoideus  und  medianwärts  von  ihr  ist 
der  obere  Rand  mehr  oder  weniger  tief  ausgeschnitten,  Incisura  scapulae  (163), 
um  Nerven  und  Gefäße  auf  die  dorsale  Fläche  des  Schulterblattes  passieren  zu  lassen. 
Neben  der  Incisur  entspringt  der  M.  omohyoideus  vom  oberen  Rand.  Dieser  letztere 
ist  im  weiteren  mehr  oder  weniger  konkav  gestaltet,  je  nachdem  der  mediale  Winkel 
stärker  oder  schwächer  nach  oben  ausgezogen  ist.  Der  vertebrale  Rand  ist  leicht 
konvex,  er  dient  ganz  oben  dem  M.  levator  scapulae  und  an  ihn  anschließend  den 
Min.  rhomboidei  zum  Ansatz.  Der  untere  Winkel  ist  abgerundet  und  nicht  selten 
in  eine  lateralwärts  gerichtete  platte  Zacke  ausgezogen.  An  ihm  entspringt  der  M. 
trres  major.  Der  laterale  Rand  erhebt  sich  zu  einer  niederen  scharfen  Kante,  hinter 
welcher  der  M.  teres  minor  entspringt.  Verfolgt  man  diesen  Rand  nach  oben,  dann 
gelangt  man  zuletzt  auf  die  erwähnte  Tuberositas  infraglenoidalis. 

Die  leicht  konkave  vordere  Fläche  des  Schulterblattes  (163)  wird  als  Fossa  sub- 
scapularis  bezeichnet.  Sie  trägt  mehrere  gegen  den  Condvlus  konvergierende,  blatt- 
rippenartige  Leisten,  von  welchen  die  Sehnenstreifen  des  M.  subscapularis  ausgehen. 
Am  medialen  Rand  der  Fläche  zieht  sich  eine  ganz  schmale  Furche  hin.  welche  sich 
sowohl  oben,  wie  unten  zu  einem  planen  dreiseitigen  Feld  verbreitert:  Insertions- 
linie  des  M.  serratus  anterior. 

Aus  der  hinteren  konvexen  Fläche  des  Schulterblattes  erhebt  sich  die  Spina 
scapulae,  durch  welche  sie  in  ein  kleineres  oberes  und  ein  größeres  unteres  Feld 
geteilt  wird:  Fossa  supraspinata  und  in  I  ras pi na  t  a  .  in  welchen  die  gleichnamigen 
Muskeln  liegen  (162).  Die  Spina  bildet  eine  Platte,  welche  am  vertebralen  Rand  niedei 
beginnl  und  nach  dem  axillaren  Rand  hin  immer  höher  wird.  Ihr  Ansatz  geht 
an  der  Grenze  des  obersten  und  zweiten  Viertels  vom  vertebralen  Rande  aus  und 

')  Tuberculum  supraglenoidale  und  infraglenoidale. 

-)  xo'(Krj  Rabe,  rabenschnabelähnliche,  hakenförmige  Krümmung. 


108  Schulterblatt. 

erstreckt  sich  sehr  wenig  aufsteigend  bis  zum  Hals  in  der  Höhe  der  Mitte  der  Gelenk- 
pfanne hin.  Die  Platte  ist  schräg  aufwärts  gebogen,  woher  es  kommt,  daß  die  Fossa 
supraspinata  tief,  die  Fossa  infraspinata  flach  erscheint.  Der  freie  Rand  der  Spina 
ist  verdickt;  er  beginnt  mit  einem  dreiseitig  verbreiterten  Feld  an  dem  Margo  verte- 
bralis,  wulstet  sich  dann,  verdünnt  sich  gegenüber  dem  Processus  coracoideus  wieder 
etwas  und  zieht  sich  an  seinem  lateralen  Ende  in  einen  platten  Fortsatz,  Acromion1), 
aus,  welcher  sich  über  dem  Schultergelenk  nach  vorne  umbiegt.  An  der  medialen 
Kante  seiner  Spitze  trägt  er  eine  ebene  elliptische  Gelenkfläche,  Facies  articularis 
acromii  {163),  zur  Artikulation  mit  dem  acromialen  Ende  des  Schlüsselbeines.  Von 
oben  her  setzt  sich  an  den  Rand  der  Spina  und  das  Acromion  der  M.  trapezius  an, 
nach  unten  entspringt  von  ihm  der  M.  deltoideus.  Die  eigentliche  Kante  liegt  frei 
unter  der  Haut. 

Das  Periost  des  Schulterblattes  ist  überall,  wo  Muskelsehnen  in  dasselbe  ein- 
strahlen, kräftig.  Außerdem  sind  sehnenglänzende  Züge  in  dasselbe  eingelagert  und 
zwar  an  der  Spina  und  am  Processus  coracoideus.  Die  ernährenden  Arterien  betreten 
den  Knochen  in  der  Gegend  des  Halses. 

Entwickelung  (262,263).  Die  Verknöcherung  des  knorpelig  angelegten  Schulterblattes 
beginnt  im  dritten  Fetalmonat  mit  dem  Auftreten  eines  Kernes  in  der  Gegend  neben  dem  Collum 
scapulae.  Von  ihm  aus  verbreitet  sich  die  Knochensubstanz  über  die  Fläche  des  Schulterblattes 
und  in  die  Spina  hinein.  Das  Schulterblatt  des  Neugeborenen  ist  in  ansehnlichen  Strecken  noch 
knorpelig.  Bald  nach  der  Geburt  tritt  im  Proc.  coracoideus,  entsprechend  seiner  besonderen  Be- 
deutung, ein  selbständiger  Kern  auf,  der  im  16.  bis  18.  Jahr  mit  der  Scapula  verschmilzt.  Diese 
Epiphyse  umfaßt  nicht  nur  den  Processus  coracoideus,  sondern  auch  noch  das  obere  Ende  der 
Pfanne  des  Schultergelenkes.  Epiphysäre  Kerne  findet  man  an  der  Spitze  des  Schulterhakens 
(Auftreten  16.,  Verschmelzung  17.  Jahr),  und  an  dessen  oberer  Ecke  (Auftreten  16.,  Verschmelzung 
20.  Jahr).  Im  14.  bis  15.  Jahr  verbindet  sich  mit  der  Basis  des  Schulterhakens  ein  Kern,  der  im 
oberen,  dem  Ursprung  der  Bicepssehne  entsprechenden  Teil  des  Condylus  entstanden  war.  Im 
unteren  Winkel  tritt  um  die  Pubertätsentwickelung  ein  Kern  auf,  der  sich  nach  den  anstoßenden 
Rändern  fortsetzt  und  bald  mit  dem  Hauptknochen  verschmilzt.  Auch  der  Rand  des  Schulter- 
kammes besitzt  zeitweilig  eine  Epiphyse.  Das  Acromion  endlich  läßt  zwei  Knochenkerne  ent- 
stehen. Der  mehr  nach  der  Spina  hin  gelegene  erscheint  zuerst  um  die  Zeit  der  Pubertätsent- 
wickelung; der  nach  der  Spitze  zu  gelegene  tritt  ein  bis  zwei  Jahre  später  auf.  Die  beiden  Kerne 
verschmelzen  miteinander  und  um  das  20.  Jahr  schließt  sich  auch  die  Naht,  welche  das  Acromion 
von  der  Spina  trennt  (M.). 

Varietäten.  Die  Synchondrose  zwischen  Spina  scapulae  und  Acromion  erhält  sich 
zuweilen  über  die  normale  Zeit  hinaus,  kann  sich  selbst  zu  einem  Gelenk  umwandeln.  — 
Unterhalb  des  Condylus  trifft  man  nicht  selten  am  lateralen  Rand  und  an  der  hinteren  Fläche 
einen  rinnenförmigen  Eindruck  für  die  A.  circumflexa  scapulae.  Ein  konkaver  vertebraler  Rand 
des  Schulterblattes  ist  anomal   (Graves   1910). 

Praktische  Bemerkungen.  Die  große  Beweglichkeit  des  Schulterblattes  erlaubt  es, 
daß  sich  dasselbe  liebt  und  senkt,  nach  der  Wirbelsäule  hin  und  nach  vorne  verschiebt  und  daß 
es  um  eine  sagittale  Achse  rotiert.  Seine  therapeutische  Fixierung  ist  deshalb  schwieriger  als 
bei  vielen  anderen  Knochen.  Eine  Betastung  des  Schulterblattes  ist  in  großer  Ausdehnung  mög- 
lich. Acromion  und  Spina  sind  in  ihrer  ganzen  Länge  befühlbar,  auch  den  vertebralen  Rand  und 
den  unteren  Winkel  kann  man  bei  gewissen  Stellungen  geradezu  umgreifen.  Der  axillare  Rand 
wird  immer  undeutlicher,  je  mehr  man  sich  dem  Schultergelenk  nähert  und  der  obere  Rand  ist 
unter  dem  M.  trapezius  ganz  versteckt.  Die  exponierte  Lage  der  Spina  verschuldet  es,  daß  auf 
ihr  Decubitus  entstehen  kann. 

Wegen  der  großen  Dünne  des  Schulterblattkörpers  ist  es  möglich,  den  Knochen  mit  einem 
kräftigen  Messer  zu  durchschneiden  oder  zu  durchstoßen.  Frakturen  halten  sich  im  allgemeinen 
nicht  an  einen  bestimmten  Verlauf,  sie  sind  ganz  von  Art  und  Richtung  der  einwirkenden  Gewalt 


x)   äy.Qog  höchste   Stelle,   d>/.ios   Schulter. 


Schlüsselbein.  109 

abhängig.  Bricht  der  Condylus  ab,  was  jedoch  nur  sehr  selten  vorkommt,  dann  geschieht  dies 
stets  im  Verein  mit  dem  Processus  coraeoideus.  Dies  hat  den  Chirurgen  Veranlassung  gegeben, 
von  dem  Collum  anatomicum  ein  Collum  chirurgicum  zu  unterscheiden,  welches  eben  den  Proc. 
coraeoideus  mit  umfaßt.  Epiphysenlösungen  dieser  Gegend  trennen  nicht  nur  den  Hakenfortsatz 
ab,  sondern  auch  noch  den  obersten  Teil  der  Gelenkgrube,  sie  liegen  also  in  ihrem  unteren  Teil 
mirakapsulär.  Isolierte  Brüche  des  Proc.  coraeoideus  kommen  seiner  versteckten  Lage  wegen 
kaum  vor,  sie  sind  immer  von  anderen  Verletzungen  in  der  Umgebung  begleitet.  Am  unteren 
Pfannenrand  werden  ebenfalls  selten  Absprengungen  beobachtet,  welche  dann  inrrakapsulär 
verlaufen.  Sowohl  die  Spina,  wie  auch  das  Acromion  kann  brechen.  Frakturen  des  letzteren 
können  durch  die  Epiphysengrenze,  noch  leichter  durch  ein  Acromialgelenk  vorgetäuscht  werden. 

ß)    Schlüsselbein;  Clavicula1). 

Das  Schlüsselbein  ist  kein  Teil  des  primären  Schultcrgürtels ;  die  auch  beim 
Menschen  bestehende  Ausbildung  wird,  wie  oben  (S.  106)  bemerkt  wurde,  vielmehr  erst 
nach  mehrfachen  Umformungen  der  ganzen  Gegend  erreicht.  Durch  die  Herkunft 
des  Schlüsselbeines  erklärt  es  sich  auch,  daß  sein  dorsales  Ende  mit  der  Gelenkpfanne 
für  den  Oberannknochen  nicht  in  Zusammenhang  steht,  sondern  sich  an  das  Acromion 
des  Schulterblattes  anlegt.  Sein  ventrales  Ende  ist  in  die  Incisura  clavicularis  des 
Brustbeines  eingelenkt.  Die  Lage  des  Knochens  ist  eine  schiefe,  von  vorne  unten 
und  medial  nach  hinten  oben  und  lateral  gerichtet.  Dabei  ist  es  in  der  Art  S-förmig 
gestaltet,  daß  seine  größere  mediale  Hälfte  nach  vorne  konvex,  seine  kleinere  laterale 
nach  vorne  konkav  gekrümmt  ist.  Gewöhnlich  ist  das  rechte  Schlüsselbein  starker 
gekrümmt,  als  das  linke,  was  vermutlich  darauf  zurückzuführen  ist,  daß  der  rechte 
Arm  mehr  gebraucht  wird,  als  der  linke  und  meist  kräftiger  ist,  als  dieser.  Man  findet 
überhaupt,  daß  bei  Leuten,  welche  manuell  stark  arbeiten,  die  Krümmungen  stärker 
ausgesprochen  sind.  Um  vom  Brustbein  zum  Acromion  zu  kommen,  übersehreitet 
das  Schlüsselbein  schräg  die  erste  Rippe,  welcher  es  sehr  nahe  kommt.  Die  Weich- 
teile,  welche  zwischen  beiden  verlaufen,  können  bei  geeigneter  Bewegung  der  Clavicula 
und  des  Thorax  geklemmt  werden. 

Das  Schlüsselbein  liegt  dicht  unter  der  Haut  und  ist  am  Lebenden,  wenn  sein 
Fettpolster  nicht  allzu  stark  ist,  stets  zu  sehen.  Der  mediale  Teil  des  Knochens  ist 
dreiseitig  prismatisch;  er  endet  mit  der  verdickten  Extremitas  sternalis,  welche 
eine  ebenfalls  dreiseitige  oder  mehr  rundliche,  flach  gehöhlte  Gelenkfläche,  Facies 
articularis  sternalis,  trägt  (166).  Der  laterale  Teil  ist  abgeplattet  bis  zu  seinem 
Ende,  Extremitas  acrpmialis.  Dieses  trägt  an  seiner  Spitze  eine  flache  ellip- 
tische  Gelenkfläche,  Facies  articularis  acromialis  (165).  Die  obere  Fläche  des 
Knochens  ist  glatt,  die  untere  mit  zwei  Rauhigkeiten  versehen,  einer  Tuberositas 
costalis  am  sternalen  Ende,  an  welche  sich  das  Lig.  costoclaviculare  anheftet. 
und  einer  Tuberositas  coracoi'dea  am  acromialen  Ende  für  den  Ansatz  der 
Ligg.  corae<M  lavieularia  (166).  Mine  seichte  Furche  zwischen  beiden  Rauhigkeiten 
dient  dein  M.  subclavius  zur  Anheftung.  Die  anderen,  meist  großen  und  kräftigen 
Muskeln,  welche  sieh  am  Schlüsselbein  anheften,  beeinflussen  dessen  Oberflächenreliel 
nur  wenig  oder  gar  nicht,  es  sind  dies  die  Mm.  sternocleidomastoideus,  pectoralis 
major,  deltoideus,  trapezius,  sternohyoideus. 

Das  Schlüsselbein  ist  zwar  nach  Art  eine-,  Röhrenknochens  gebaut,  doch  birgl 
es  im  Inneren  meist  keinen  Markkanal,  sondern  spongiöse  Knochensubstanz.  Die 
kompakte  Rinde  ist  an  der  konkaven  Seite  der  Krümmungen  dicker,  als  an  der  kon- 


M  Clavis,   Schlüssel;  Stab  /um   Reifschlägen;  mittelält.    rürklinke. 


110  Bandapparat  des  Schultergürtels. 

vexen.  Ein  Ernährungsloch  findet  sich  in  der  Mitte  der  Länge  des  Knochens  in  der 
Furche  für  den  M.  subclavius.  Das  Periost  ist  dick,  es  wird  durch  einstrahlende  Muskel- 
sehnen verstärkt. 

Entwickelung.  Das  Schlüsselbein  ist  der  erste  Knochen  des  Rumpfes,  welcher  ver- 
knöchert; in  der  siebenten  Fetalwoche  erscheint  in  seiner  Mitte  ein  aus  zwei  Anfängen  zusammen- 
fließender Knochenkern;  er  tritt  in  einem  Gewebe  auf,  welches  von  den  einen  für  prochondral, 
von  den  anderen  für  bindegewebig  angesehen  wird.  Zu  beiden  Seiten  des  Kernes  verwandelt 
sich  dieses  Gewebe  in  echten  Knorpel.  Im  15.  bis  20.  Jahr  erscheint  am  Sternalende  eine  Epi- 
physenplatte,  welche  sich  einige   Jahre  später  mit  dem  Körper  verbindet. 

Varietäten.  ■  Das  Schlüsselbein  kann  Entwickelungshemmungen  bis  zum  vollständigen 
Fehlen  unterliegen   (Dyostosis  cleidocranialis.   S.   103). 

Praktische  Bemerkungen.  Brüche  des  Schlüsselbeines  kommen  wegen  der  expo- 
nierten Lage  des  Knochens  häufig  vor,  besonders  ist  das  mittlere  Drittel  zwischen  den  Anheftungen 
des  M.  pectoralis  einerseits,  des  M.  trapezius  und  deltoideus  andererseits  solchen  ausgesetzt;  die 
nach  vorne  konvexe  Krümmung  des  medialen  Teiles  bringt  es  mit  sich,  daß  sie  meist  dem  sternalen 
Ende  näher  liegen,  als  dem  acromialen.  Bleibt  das  kräftige  Periost  erhalten,  dann  tritt  eine  Dis- 
lokation der  Bruchenden  nicht  ein,  ist  es  zerrissen,  dann  kann  der  Zug  der  zahlreichen  am  Schlüssel- 
bein befestigten  Muskeln  mehr  oder  weniger  beträchtliche  Verschiebungen  der  Bruchenden  ver- 
anlassen. Besonders  stark  tritt  dies  bei  Brüchen  des  acromialen  Endes  hervor,  bei  welchen  der 
Zug  des  M.  trapezius  die  Extremitas  acromialis  steil  aufrichten  kann.  Die  Muskeln  sind  so  kräftig, 
daß  ihre  übermäßig  starke  Anspannung  hie  und  da  allein  genügt,  um  ein  graziles  Schlüsselbein 
zu  brechen. 

y)   Bandapparat  des   Schultergürtels. 

1.  Ligamenta  propria  scapulae. 

Ligamentum  transversum  scapulae  superius  (171).  Straffes  und  plattes 
Band,  welches  die  Incisura  scapulae  überbrückt  und  sie  dadurch  in  ein  Loch  um- 
wandelt. In  der  Regel  besteht  es  aus  zwei  Abteilungen,  zwischen  welchen  der  N. 
suprascapularis,  von  einer  Vene  begleitet,  auf  die  Rückseite  des  Schulterblattes  ge- 
langt. Unter  ihm  liegt  eine  andere  Vene,  über  ihm  verläuft  die  A.  transversa  scapulae 
nach  der  Fossa  supraspinata   (Fick  1904).     Das  Band  neigt  zur  Verknöcherung. 

Ligamentum  transversum  scapulae  inferius  (171).  Weniger  fest  gewebte 
Bindegewebszüge,  die  sich  über  die  Rinne  am  Collum  scapulae  spannen,  durch  welche 
Fossa  supraspinata  und  infraspinata  miteinander  in  Verbindung  stehen.  Es  bedeckt 
die  Nerven-  und  Gefäßäste,  welche  von  der  Fossa  supraspinata  in  die  Fossa  infra- 
spinata verlaufen. 

Ligamentum  coraco-acromiale1)  (170).  Ein  breites,  plattes  und  sehr  kräf- 
tiges Band,  vom  vorderen  Rande  des  Acromion  zu  der  diesem  zugewandten  Kante  des 
Schulterhakens  bis  zu  dessen  Knickungswinkel  hin.  Es  geht  nach  hinten  in  die  Fascie 
der  hinteren  Schultermuskeln  über.  Mit  seinen  beiden  Anheftungspunkten  bildet 
das  Band  einen  Schutzapparat  für  das  Schultergelenk,  Fornix  humeri  genannt. 
Es  wirkt  wie  eine  Art  zweiter  erweiterter  Pfanne,  in  welcher  sich  der  Gelenkkopf 
mit  seiner  Kapsel,  seinen  Höckern  und  den  daran  angehefteten  Muskeln  bewegt.  Bei 
Gelenkleiden  kann  das  Schultergewölbe  für  Ausführung  der  Bewegungen  von  Be- 
deutung werden.  Zugleich  schützt  es  das  Gelenk  gegen  Insulten,  welche  es  von  oben 
treffen,  nach  Art  einer  Epaulette.  Endlich  verhindert  das  Band  eine  Hebung  des 
Oberarmes  über  die  Horizontale  hinaus. 


J)   Ligamentum  trianguläre,'  L.  triquetrum. 


Bandapparat  des  Schultergürtels.  111 

2.  Gelenke  des  Schultergiirtels. 

Articulatio  acromioclavicularis  {173).  Die  beiden  Gelenkflächen  sind 
individuell  verschieden  geformt  und  verschieden  groß.  Bei  kräftigen  Leuten  pflegen  sie 
größer  zu  sein,  als  bei  schwächlichen  (Fick).  Die  Artikulationsebene  ist  annähernd 
sagittal  und  entweder  rein  vertikal  gestellt,  oder  auch  in  der  Art  schräg,  daß  das 
Schlüsselbein  das  Acromion  etwas  überragt.  Der  Binnenraum  enthält  eine  keilförmig 
gestaltete,  faserknorpelige  Masse,  in  welcher  individuell  sehr  verschiedene  Spalt' -n 
auftreten.  Bald  ist  eine  ganz  einfache  vorhanden,  bald  teilt  sie  sich  nach  oben  oder 
nach  unten,  bald  findet  man  zwei  völlig  voneinander  getrennte  Spalten.  Die  Kapsel 
i^t  schlaff,  sie  wird  oben  durch  starke,  unten  durch  etwas  weniger  kräftige  Bänder- 
züge verstärkt.  Die  Arterien  werden  vom  Rete  acromiale  geliefert,  die  Nerven 
stammen  von  den  Nn.  thoracales  ant.,  dem  N.  suprascapularis  und  axillaris  (Fick). 

Articulatio  sternoclavicularis  (82,169).  Die  mit  einer  dicken  Faserknorpel- 
schichte  überzogenen  Gelenkflächen  von  Brust- und  Schlüsselbein  erscheinen  sattelförmig 
oder  mehr  eben.  Sie  sind  jedoch  individuell  sehr  verschieden  gestaltet  und  sind  in- 
kongruent. Die  Inkongruenz  wird  durch  einen  Discus  articularis  ausgeglichen, 
welcher  das  Gelenk  zu  einem  zweikammerigen  macht.  Er  ist  ringsum  mit  der  Kapsel 
verwachsen  und  zeigt  sich  oben  auch  mit  dem  Schlüsselbein  in  fester  Verbindung. 
Die  Bandscheibe  wird  von  Gegenbaur  als  Rudiment  eines  Os  epistemale  gedeutet, 
welches  bei  vielen  Säugern  zwischen  Schlüssel-  und  Brustbein  eingeschaltet  ist.  Die 
schlaffe  Kapsel  ist  dickwandig  und  wird  durch  darüber  hinziehende  Bänder  verstärkt ; 
ihre  schwächste  Stelle  ist  die  vordere  untere  Ecke  des  Gelenkes,  hier  stülpt  sie  sich  auch 
bei  pathologischen  Ergüssen  hernienartig  aus.  Arterien  des  Gelenkes  aus  A.  mammaria 
interna,  Nerven  von  den  medialsten  Zweigen  der  Nn.  supraclaviculares  (Fick). 

3.  Hilfsbänder  des  Schultergürtels. 

Das  Schulterblatt  entbehrt  eines  durch  Bänder  hergestellten  Zusammenhanges 
mit  dem  Rumpf  vollständig,  es  ist  mit  ihm  lediglich  durch  Muskeln  verbunden,  wo- 
durch die  große  Beweglichkeit  gewährleistet  wird,  welche  dem  Gürtel  und  der  oberen 
Extremität  im  ganzen  zukommt.  Die  vorhandenen  Bänder  versichern  nur  die 
Gelenkverbindungen  an  den  beiden  Enden  des  Schlüsselbeines. 

Das  acromiale  Ende  liegt  etwa  i  cm  über  dem  Schulterhaken,  von  welchem 
aus  das  Ligamentum  coracoclaviculare1)  (170)  zur  Tuberositas  coraeoidea  des 
Schlüsselbeines  aufsteigt.  '  Es  besteht  aus  zwei  Abteilungen,  einer  lateral  vorderen, 
Ligamentum  trapezoideum,  und  einer  medial  hinteren,  Ligamentum  conoideum. 
Zwischen  beiden  gelangt  der  M.  subclavius  an  seine  Schlüsselbeininsertion.  Das 
Ligamentum  trapezoideum  ist  platt  und  wendet  sieh  vom  Schnabelfortsatz  aus  schräg 
aufwärts,  um  zu  seiner  Insertion  zu  gelangen.  Das  Ligamentum  conoideum  breitet 
sieh  gegen  seine  Insertion  am  Schlüsselbein  fächerförmig  aus.  Zwischen  beiden  findet 
man  meist  einen  Schleimbeutel;  auch  können  die  Bänderzüge,  welche  jedes  derselben 
zusammensetzen,  sich  in  zwei  Teile  trennen,  zwischen  welchen  dann  ebenfalls  kleine 
Schleimbeute]  eingeschaltel  sind;  heim  Ligamentum  trapezoideum  is1  dies  jn  etwa  zwei 
Drittel  der  Fälle  zu  beobachten,  beim  Ligamentum  conoideum  seltener.  Nähert 
sieh  das  Schlüsselbein  dem  Schulterhaken  durch  Ausbildung  einer  kleinen  Erhöhung 
an  seiner  Unterseite  bedeutend,  dann  kann  sieh  der  zwischen  beiden  Bändern  befind- 
liche Schleimbeute]  zu  einem  richtigen  Gelenk  ausbilden. 


')  Ligamentum  coracoclaviculare  posterius. 


112  Bandapparat  des  Schultergürtels. 

Das  Ligamentum  coracoclaviculare  anterius  (Henle)  (170a)  ist  ein 
dünner,  aber  fester,  straffer  und  sehnig  glänzender  Bandstreifen,  welcher  von  der 
Spitze  des  Schulterhakens  schräg  medial  aufwärts  zur  Unterfläche  des  Schlüssel- 
beines zieht.    Sein  claviculares  Ende  ist  in  die  Fascie  des  M.  subclavius  eingewebt. 

Die  Bänder  am  sternalen  Ende  des  Schlüsselbeines  sind  ganz  besonders  kräftig, 
da  sie  beim  Aufhängen  des  Körpers  an  den  Armen  dessen  Last  im  wesentlichen  zu 
tragen  haben.  Die  Vorderseite  wie  die  Rückseite  der  Kapsel  des  Sternoclavicular- 
gelenkes  wird  von  derben,  straffen  und  kurzen  Faserbündeln  bedeckt,  welche  sich 
zwischen  dem  Schlüsselbeinende  einerseits,  dem  Brustbein  und  der  ersten  Rippe 
andererseits  ausspannen,  Ligamentum  sternoclaviculare  anterius  und  poste- 
rius. Unmittelbar  an  die  obersten  Züge  derselben  schließen  sich  solche  an,  welche 
über  die  Incisura  sterni  hin  die  Sternalenden  der  beiden  Schlüsselbeine  miteinander 
verbinden,  Ligamentum  interclaviculare  (169).  Die  Ausbildung  dieses  Bandes 
ist  individuell  sehr  verschieden.  Spannt  es  sich  bei  einer  Senkung  der  Schlüsselbeine 
an,  dann  kann  man  bei  kräftiger  Entwickelung  seinen  oberen  Rand  in  der  Drossel- 
grube durch  die  Haut  fühlen. 

Das  Lig.  costoclaviculare  besteht  aus  kräftigen,  schräg  von  der  ersten  Rippe 
zum  Schlüsselbein  aufsteigenden  Fasern.  Sie  füllen  den  Winkel  zwischen  Rippe 
und  Schlüsselbein  aus  und  reichen  medianwärts  an  die  Gelenkkapsel  (169).  Die  Ur- 
sprungssehne des  M.  subclavius  liegt  auf  der  Vorderfläche  des  Bandes;  mit  dem 
lateralen  Rande  grenzt  es  unmittelbar  an  die  V.  subclavia.  Inmitten  des  aus  zwei 
getrennten  Lagen  bestehenden  Bandes  liegt  ein  konstanter  Schleimbeutel  (Poirier) 
(M.-H.). 

Die  Bewegungen  des  Schultergürtels  werden  in  erster  Linie  im  Dienste  der  freien 
Extremität  ausgeführt,  doch  können  sie  sich  auch  ganz  selbständig  abspielen.  ,,Der 
Schultergürtel  ist  so  organisiert,  daß  das  Schulterblatt  unter  sicherer  Führung  durch 
das  Schlüsselbein  sehr  leicht  die  verschiedensten  Stellungen  einnehmen  kann"  (H. 
Meyer).  Die  Bewegungen  gehen  vom  Sternoclaviculargelenk  aus,  welches  die  Fixie- 
rung des  Gürtels  am  Rumpf  vermittelt.  Von  ihm  aus  übertragen  sie  sich  auf  das 
Acromioclaviculargelenk  und  damit  auf  das  Schulterblatt.  Der  Ausschlag  ist  natür- 
lich am  Brustbeinende  des  Schlüsselbeines  am  geringsten,  während  das  Schulterblatt 
beträchtliche  Exkursionen  auszuführen  vermag,  was  sich  bei  mageren  Personen  direkt 
durch  die  Haut  wahrnehmen  läßt.  Ein  aufmerksamer  Beobachter  kann  aber  auch 
die  Bewegungen  im  Sternoclaviculargelenk  nicht  übersehen.  Dieses  ist  ein  sehr  freies 
Gelenk,  es  übertrifft  auch  die  Größe  des  vom  Schlüsselbein  gelieferten  Gelenkkopfes, 
die  Ausdehnung  der  Pfanne  am  Brustbein  nicht  unbeträchtlich,  wie  es  bei  solchen 
Gelenken  immer  der  Fall  ist.  Man  könnte  es  wohl  mit  einer  Arthrodie  vergleichen 
(H.  Meyer),  indem  seine  Bewegungen  um  eine  horizontale,  eine  vertikale  und  eine 
in  der  Länge  des  Schlüsselbeines  selbst  liegende  Achse  ausgeführt  werden.  Das  Acromio- 
claviculargelenk unterstützt  die  Tätigkeit  des  Sternoclaviculargelenkes  auf  das  beste, 
indem  es  ebenfalls  eine  allseitige  Beweglichkeit  gestattet ;  am  freiesten  ist  die  Drehung 
um  eine  horizontale  Achse,  welche  senkrecht  auf  den  Berührungsflächen  steht  (H. 
Meyer).  Die  so  ausgiebigen  Bewegungen  des  Schulterblattes  bestehen  in  einer  Hebung 
und  Senkung,  in  einer  Verschiebung  nach  der  Wirbelsäule  zu  und  von  ihr  weg,  in  einer 
Rotation  der  unteren  Spitze  lateralwärts  und  medialwärts  und  in  einer  Rotation 
um  eine  vertikale  Achse,  welche  den  vertebralen  Rand  vom  Rumpf  abhebt  oder 
ihm  nähert. 


Freie  Extremität.     Oberarmbein.  113 

Die  starken  Hilfsbänder  haben  die  freie  Extremität  zu  tragen  und  die  Bewegungen 
des  Gürtels  zu  hemmen  und  zu  regeln.  Das  Lig.  coracoclaviculare  trägt  bei  ruhiger, 
aufrechter  Haltung  den  Arm  allein,  ohne  daß  das  Acromioclaviculargelenk  in  An- 
spruch genommen  wird  (Mollier  1899).  Seine  beiden  Abteilungen  wirken  zum  Teil 
verschieden ;  das  Lig.  trapezoideum  beschränkt  die  Schulterblattbewegung  nach  vorn, 
das  Lig.  conoidcum  nach  hinten,  das  erstere  spannt  sich  beim  Drängen  de*  Armes  nach 
innen,  das  letztere  beim  Drängen  der  Schulter  nach  hinten.  Das  Lig.  coraco-claviculare 
anterius  wird  beim  Auswärtsziehen  des  Armes  angespannt. 

Was  die  Bänder  um  das  Sternoclaviculargelenk  anlangt,  so  hemmt  das  Lig. 
sternoclaviculare  die  Vor-  und  Rückwärtsbewegung,  das  Lig.  interclaviculare  die 
Senkung,  das  Lig.  costoclaviculare  ebenfalls  die  Vor-  und  Rückwärtsbewegung,  sowie 
die  Erhebung  des  sternalen  Schlüsselbeinendes  (Fick). 

Varietäten.  Das  oben  (S.  108)  erwähnte  Acromialgelenk  kann  ein  wohl  ausgebildetes 
Gelenk  oder  auch  ein  Halbgelenk  sein.  Ist  es  vorhanden,  dann  erhält  es  sich  bis  ins  höchste 
Alter.  Bei  älteren  Männern  liegt  nach  Fick  das  laterale  Schlüsselbeinende  öfters  höher,  als 
das  Acromion;  man  darf  das  nicht  für  eine  Subluxation  halten.  Im  Lig.  costoclaviculare  kann 
sich  eine  gelenkartige  Spalte  ausbilden. 

Praktische  Bemerkungen.  Trotz  seiner  unter  normalen  Verhältnissen  großen  In- 
anspruchnahme des  Schlüsselbeines  und  seiner  Gelenke  ist  es  doch  für  den  zweckdienlichen  Ge- 
brauch der  oberen  Extremität  nicht  absolut  nötig,  wie  die  Fälle  von  Hultkranz  (S.  110)  beweisen, 
in  welchen  bei  fast  vollständigem  Fehlen  die  Arbeitsfähigkeit  kaum  gestört  war.  Luxationen 
am  acromialen  Ende  des  Schlüsselbeines  vollziehen  sich  so,  daß  sich  dasselbe  über  das  Acromion 
schiebt,  was  den  Verhältnissen  des  Gelenkes  und  des  Bandapparates  durchaus  entspricht,  Luxa- 
tionen nach  unten  sind  überaus  selten.  Bei  Verrenkungen  am  sternalen  Ende  des  Schlüsselbeines 
pflegt  die  Bandscheibe  mit  dem  Schlüsselbein  in  Zusammenhang  zu  bleiben,  da  sie  mit  ihm,  wie 
oben  erwähnt  wurde,  in  fester  Verbindung  steht.  Das  Schlüsselbeinende  kann  nach  vorne,  nach 
hinten  und  medianwärts  luxiert  werden.  Bei  einer  Luxation  nach  hinten  können  die  nahe  dem 
Gelenk  verlaufenden  Xn.  subclavius,  phrenicus  und  vagus  alteriert  werden,  auch  können  durch 
Druck  aul  Luft-  und  Speiseröhre  Atem-  und  Schluckbeschwerden  auftreten.  Luxationen  nach 
vorne  sind  die  häufigsten,  es  reißt  bei  ihnen  die  erwähnte  schwache  Stelle  der  vorderen  Kapsel- 
wand ein  und  läßt  den  Gelenkkopf  austreten.  Sie  entsteht  gewöhnlich  durch  starkes  Zurück- 
drängen der  Schulter,  z.  B.  bei  Fall  auf  die  vorgestreckten  Hände,  sie  kann  aber  auch  bei  heftigen 
Fortschleudern  schwerer  Gegenstände  eintreten.  Fick  meint,  daß  dabei  der  Gelenkkopf  mit 
großer  Gewalt  an  die  gut  versicherte  Hinterwand  des  Gelenkes  gepreßt  wird,  daß  er  dann  nach 
vorne  ausgleitet  und  die  schwache  Stelle  der  Kapsel  zerreißt.  Der  starke  Bandapparat  läßt 
I  uxationen  an  den  beiden  Schlüsselbeingelenken  nur  in  geringer  Häufigkeit  zustande  kommen; 
<^  bricht  bei  einer  Gewalteinwirkung  der  Knochen  meist  eher,  als  eine  Verrenkung  eintritt. 

b)  Freie  Extremität. 
«)  Oberarmbein,   Hu  mein-. 

Da^  Oberarmbein  (167,  16S)  ist  ein  schlanker  Röhrenknochen,  welcher  an  seinem 
proximalen,  verdickten  Ende  .inen  Gelenkkopf  zur  Artikulation  mit  dem  Schulterblatt, 
an  seinem  distalen  verbreiterten  linde  die  Gelenkflächen  für  die  Artikulation  mit 
den  beiden  rnterarmknoelieii  besitzt.  Der  Sehalt  des  Knochens  ist  in  der  Art  gedreht, 
daß  die  Achsen  des  proximalen  und  distalen  Gelenkendes  einen  Winkel  einschließen, 
welcher  nach  Individualität,  Geschlecht  und  Rasse  in  weiten  Grenzen  schwankt. 
Bei  mitteleuropäischen  Rassen  betrag!  er  ro     jo°. 

Der  Gelenkkopf  des  proximalen   lindes,  Caput   humeri,  ist  halbkugelig   - 
staltel  ;  er  wendet  sieh  median-rückwärts.    Begrenzt  wird  er  ringsum  von  einer  furchen- 
artigen  Einschnürung,  dem  Hals,  Collum  humeri  (anatomicum),  welche  ihn  von 
den    beiden    Höckern    trennt.      Der   größere   dieser    letzteren,    Tubeieulum    majus, 

Merkel,  Anatomie!!.    Skcletlctu. .  S 


114  Oberarmbein. 

ist  lateralwärts  gerichtet.  Er  besitzt  drei  Facetten,  an  deren  hinterste  und  zugleich 
oberste  sich  der  M.  supraspinatus  anheftet.  An  die  mittlere,  welche  die  größte  ist, 
gelangt  der  M.  infraspinatus,  an  die  vorderste  und  unterste  der  M.  teres  minor.  Das 
Tuberculum  minus  sieht  nach  vorn,  es  dient  dem  M.  subscapularis  zur  Insertion. 
Die  beiden  Höcker  werden  durch  eine  im  oberen  Teil  überknorpelte  Rinne  voneinander 
getrennt,  Sulcus  intertubercularis,  in  welcher  die  Sehne  des  langen  Bicepskopf es 
gleitet.  Von  jedem  der  Höcker  geht  eine  Kante  distalwärts  ab,  welche  auf  dem  Schaft 
bald  verschwindet,  Crista  tuberculi  majoris  und  minoris1).  Erstere  endigt 
mit  einer  Rauhigkeit  für  den  Ansatz  des  M.  pectoralis  major,  letztere  mit  einer  eben- 
solchen zur  Anheftung  des  M.  latissimus  dorsi  und  teres  major. 

Die  Gegend  unter  den  Höckern,  wo  sich  der  Knochen  rasch  zum  Schaft  ver- 
jüngt, wird  von  den  Praktikern  als  Collum  chirurgicum  bezeichnet.  Der  chirur- 
gische Hals  ist  jedoch  keine  anatomisch  scharf  bestimmbare  Stelle. 

Das  Mittelstück,  Corpus  humeri,  ist  in  seinem  proximalen  Teil  mehr  zylindrisch, 
gegen  sein  distales  Ende  plattet  es  sich  ab.  Es  zeigt  etwa  in  der  Mitte  seiner  Länge 
unter  der  Crista  tuberculi  majoris  eine  rauhe  Fläche,  Tuberositas  deltoidea,  zur 
Anheftung  des  gleichnamigen  Muskels,  unter  der  Crista  tuberculi  minoris,  aber  etwas 
mehr  proximal  gelegen,  eine  schwächere  Rauhigkeit,  die  Insertionsstelle  des  M.  coraco- 
brachialis.  Unmittelbar  unter  der  Deltoideusrauhigkeit  stößt  man  auf  eine  flache 
Furche,  welche  sich  in  spiraligem  Verlauf  von  der  Rückseite  her  über  die  laterale 
Seite  des  Knochens  nach  vorn  zieht,  in  welcher  der  Radialnerv  herabzieht,  Sulcus 
n.  radialis. 

Das  verbreiterte  distale  Ende  des  Oberarmbeines  läuft  in  den  aus  Trochlea 
und  Capitulum  bestehenden  Gelenkteil  aus,  wobei  sich  der  Knochen  im  ganzen  etwas 
nach  vorne  krümmt.  Die  Trochlea  ist  zur  Artikulation  mit  der  Ulna,  das  Capitulum 
zur  Artikulation  mit  dem  Radius  bestimmt.  Die  erstere  besitzt  die  Gestalt  eines 
Doppelkegels,  dessen  abgestumpfte  Spitzen  miteinander  zusammenstoßen.  Der 
radial  gelegene  Kegel  ist  kürzer,  etwa  8  mm  lang  und  ist  gegen  das  Capitulum  durch 
eine  Rinne  abgesetzt,  der  ulnare  ist  etwa  14  mm  lang  und  zeigt  eine  schief  abgeschnittene 
Basis.  Eine  Hohlkehle  in  der  Mitte  des  Doppelkegels  bildet  die  Führungslinie  für 
eine  entsprechende  Firste  der  Gelenkfläche  der  Ulna.  Die  Längsachse  der  Trochlea 
ist  nach  der  ulnaren  Seite  schräg  abwärts  gerichtet.  Das  rundliche  Capitulum  ist 
nur  auf  der  Vorder-  und  Unterseite  des  Gelenkteües  ausgebildet,  es  erreicht  die  Rück- 
seite nicht. 

Oberhalb  der  Trochlea  findet  man  vorne  wie  hinten  eine  tiefe  Grube,  die  erstere, 
Fossa  coronoidea2),  hat  bei  der  Beugung  im  EUbogengelenk  den  Processus  coro- 
noideus  der  Ulna  aufzunehmen,  die  letztere,  Fossa  olecrani3),  bei  der  Streckung  das 
Olecranon  desselben  Knochens.  Die  den  Grund  beider  Gruben  trennende  Knochen- 
schichte ist  sehr  dünn,  oft  durchscheinend;  sie  kann  sogar  durchbrochen  sein,  so  daß 
die  beiden  Gruben  durch  ein  Loch  (Foramen  supracondyloideum)  miteinander 
in  Verbindung  stehen  (Tierähnlichkeit).  Oberhalb  des  Capitulum  findet  sich,  jedoch 
nur  an  der  Vorderseite,  eine  seichte  Vertiefung,  Fossa  radialis4),  in  welche  sich 
bei  der  Beugung  das  Radiusköpfchen  legt. 


x)   Spina  tuberculi  maj.  und  min. 

2)  Fossa  anterior  major. 

3)  Fossa  posterior. 

4)  Fossa  anterior  minor. 


Oberarmbein.  115 

Der  Gelcnkteil  wird  zu  beiden  Seiten  von  Vorsprüngen  flankiert,  in  welche 
die  beiden  erwähnten  seitlichen  Kanten  des  Schaftes  übergehen,  Epicondylus  late- 
ralis und  medialis.  Der  erstere  ist  kleiner,  er  läßt  die  Muskeln  der  Streckseite  des 
Unterarmes  entspringen,  der  letztere  erheblich  größer,  für  den  Ursprung  der  Muskeln 
der  Beugeseite  des  Unterarmes  bestimmt.  In  einer  Furche  an  der  Rückseite  des 
Epicondylus  medialis,  Sulcus  n.  ulnaris,  verläuft  der  X.  ulnaris. 

Der  Schaft  des  Humerus  ist  allenthalben  von  Weichteilen  umschlossen,  auch 
sein  proximales  Ende  ist  von  solchen  bedeckt,  während  das  distale  Ende  zu  beiden 
Seiten  einer  manuellen  Untersuchung  zugänglich  ist. 

Das  Oberarmbein  ist,  wie  erwähnt,  ein  typischer  Röhrenknochen  mit  einem 
verdickten  proximalen  und  distalen  Ende.'  Die  kompakte  Knochensubstanz  der 
Röhrenwand  ist  proximal  am  regelmäßigsten  und  dünnsten:  distalwärts  wird  sie 
kräftiger  und  erhält  in  der  vorderen  Kante  noch  eine  Verstärkung.  Diese  teilt  sich 
in  zwei  Balken,  welche  zu  beiden  Seiten  der  Fossa  coronoidea  bis  zur  Trochlea  herab- 
steigen. Im  Inneren  beherbergt  die  Röhre  beim  Erwachsenen  gelbes  Knochenmark. 
Ernährungslöcher  findet  man  in  der  Nähe  der  Gelenkenden  in  größerer  Zahl,  in  der 
Mitte  des  Schaftes,  nahe  unter  dem  Ansatz  des  M.  coracobrachialis  ein  Foramen 
nutricium,  welches  auf  oder  vor  der  medialen  Kante  zu  stehen  pflegt,  aber  auch  auf  die 
Rückseite,  selbst  auf  die  laterale  Kante  rücken  kann.  Der  Kanal,  welcher  von  ihm 
ausgeht,  ist  schräg  nach  dem  Ellbogen  hin  gerichtet.  Die  A.  nutricia  wird  von  der 
A.  brachialis  oder  von  der  A.  profunda  brachii  oder  von  einem  Ast  derselben  abgegeben. 
Auf  ihrem  Weg  durchsetzt  sie  die  Sehne  des  M.  coracobrachialis.  Das  Periost  ist 
dick  und  stark,  es  adhäriert  den  zahlreichen  Rauhigkeiten  und  Vorsprüngen  fester 
als  den  glatten  Flächen,  von  welchen  es  leichter  ablösbar  ist. 

Ent wickclung  (264,  265).  In  der  achten  Woche  erscheint  der  Kern  der  Diaphyse  in 
deren  Mitte.  Zur  Zeit  der  Geburt  hat  sich  die  Ossifikation  so  weit  ausgedehnt,  daß  nur  die 
Enden  des  Armbeines  noch  vollständig  knorpelig  sind.  Die  Verknöcherung  des  Kopfes  beginnt 
um  die  Zeit  der  Geburt;  am  Schluß  des  ersten  Jahres  erscheint  ein  Kern  im  Tuberculum  majus, 
fünf  bis  sechs  Wochen  später  ein  solcher  im  Tub.  minus.  Das  Auftreten  dieser  sämtlichen 
Epiphysenkerne  kann  sich  zuweilen  verfrühen  oder  verzögern.  Sic  verwachsen  um  das  Kndc  des 
vierten  Lebensjahres.  Hie  Verwachsung  zwischen  Diaphvse  und  Epiphyse  trifft  in  das  20.  bis 
22.  Lebensjahr.  Am  unteren  Ende  des  Armbeines  geht  beim  Neugeborenen  die  Grenze  zwischen 
Knochen  und  Knorpel  quer  durch  die  Fossa  olecrani  und  die  Gegend  der  noch  nicht  ausgebildeten 
vorderen  Gruben.  Es  entstehen  folgende  Epiphysenkerne:  1.  im  Capitulum  erstes  bis  zweites 
Lebensjahr;  J.  im  medialen,  dann  3.  im  lateralen  Epicondylus  achtes  bis  zwölftes  Jahr;  4.  in  der 
Trochlea  neuntes  bis  zehntes  Jahr;  Verschmelzung  von  eins  und  drei  bald  nach  der  Entstehung 
von  drei;  von  eins  und  vier  im  i|.  bis  15.  Jahr.  Die  Gesamtepiphyse  verschmilzt  mit  der  Diaphyse 
im   15.  bis  17.  Jahre;  z  erst  im   iS.    Jahr   (M.-H.). 

\  arietäten,  In  etwas  mehr  als  1  "„  der  Fälle  wird  ein  Processus  supracondvloideus 
beobachtet.      Kr  sitzt  etwa  lu'iii  über  dem   Kpicnndvlus  medialis  und  ist   bei  stärkerer  Ausbildung 

am  lebenden  durchzufühlen.  Er  stellt  einen  von  vorn  nach  hinten  plattgedrückten,  oft  haken- 
förmig abwärts  gebogenen  Fortsatz  dar.  Von  ihm  geht  ein  Band  zum  Epicondylus  med.,  so  daß 
eine  ovale  <  Iffnung  entsteht.  An  dem  Band  entspringt  der  M.  pronator  teres.  Bei  manchen  Saugern 
besteht  ein  ringsum  knöchern  geschlossene!  (  analis  epicondyloideus;  ein  solcher  wird  in  seltenen 
ballen   auch    beim    Menschen   gefunden    (hwight    [904)    (M.).      Schwegel    sah   den    Sulcus   inter- 

tubercularis  von  einer  ECnochenleiste  überbrückt. 

Praktische  Bemerkungen,  hie  Kpiphysen  des  jugendlichen  Oberarmbeines  können 
sieh  ablösen,  was  dann  Wachstumsstörungen  im  Gefolge  hat,  natürlich  um  so  schwerere,  je  jünger 

das  geschädigte  Individuum  ist.  Eine  wahrend  der  Geburt  entstandene  l'reunung  der  proxi- 
malen Epiphyse  hat  eine  starke  Verkürzung  des  l  iberanncs  zur  Kok.-      Krakturen  kennen  an  den 

verschiedensten  Stellen  entstehen,  doch  bihlil  die  härtere  und  sprödere  Compacta  1111  allgemeinen 
leichter,  als  die  weichere  Spongiosa.      Ks  kommen  Brüche  vor  am  anatomischen   Hals   (sehr  selten), 

8» 


116  Schultergelenk. 

dann  in  der  Höhe  der  Tubercula,  ferner  unterhalb  derselben  am  chirurgischen  Hals  (häufig). 
Das  Mittelstück  kann  bald  höher,  bald  tiefer  abbrechen;  dabei  kann  der  N.  radialis,  der  dem 
Knochen  dicht  anliegt,  geschädigt  werden.  Durch  Zerreißen  der  A.  nutricia  kann  eine  bedeutende 
Blutung  entstehen.  Das  kompliziert  gebaute  distale  Ende  ist  sehr  verschieden  verlaufenden 
Frakturen  ausgesetzt.  Es  kann  ein  Querbruch  über  den  Epicondylen  durchlaufen,  es  kann  auch 
das  Gelenkende  allein  abgebrochen  sein.  Schrägbrüche  können  lateral  Epicondylus  und  Capi- 
tulum  abtrennen,  medial  Epicondylus  und  Trochlea  (häufig).  Auch  Längsbrüche  kommen  vor; 
er  geht  dann  neben  einer  der  erwähnten  Knochenverstärkungen  und  am  Angulus  anterior  ent- 
lang nach  oben.  Endlich  können  auch  die  einzelnen  Apophysen  isoliert  abbrechen,  die  beiden 
Tubercula  (selten,  besonders  Tub.  minus),  die  beiden  Epicondylen  (medialis  häufig,  lateralis 
sehr  selten).  Bei  Brüchen  im  Bereich  des  Sulcus  n.  ulnaris  kann  natürlich  auch  dieser  Nerv  in 
Mitleidenschaft  gezogen  werden.  Dislokationen  können  (abgesehen  von  den  durch  Gewaltein- 
wirkung hervorgerufenen)  durch  den  Zug  der  am  Oberarm  angehefteten  Muskeln  entstehen,  in 
geeigneten  Fällen  können  sie  umgekehrt  aber  auch  durch  Muskelzug  hintangehalten  werden. 

c)  Schultergelenk,  Articulatio  humeri. 

Das  Schultergelenk  ist  die  freieste  Arthrodie  des  menschlichen  Körpers,  in  ihm 
kann  der  Arm  in  sagittaler  Ebene  in  Pendelbewegung  versetzt  werden,  er  kann  in 
transversaler  Richtung  gehoben  und  gesenkt  werden,  er  kann  um  seine  eigene  Längs- 
achse rotiert  werden.  Durch  Kombination  der  Einzelbewegungen  kann  der  Arm 
die  allerverschiedensten  Stellungen  einnehmen.  Um  die  Tätigkeit  des  Gelenkes  zu 
einer  so  freien  zu  machen,  ist  der  Gelenkkopf  groß,  die  Pfanne  klein,  sie  verhalten 
sich  wie  6  :  i. 

An  einem  Oberarmbein  mittlerer  Größe  ist  der  Gelenkkopf  ein  Kugelabschnitt 
mit  einem  Radius  von  etwa  2,5  cm  Länge;  die  Wölbung  der  Pfanne  ist  der  des  Kopfes 
kongruent.  Kleine  Abweichungen  von  der  mathematischen  Form,  wie  sie  bei  jedem 
Gelenk  vorkommen,  werden  durch  die  Elastizität  des  Gelenkknorpels  ausgeglichen. 
Der  Knorpel  überzieht  den  Kopf  bis  zum  Hals  hin,  seine  Dicke  ist  in  der  Mitte  am 
größten;  in  der  Pfanne  ist  das  Umgekehrte  der  Fall. 

Eine  fibröse  Gelenklippe,  Labrum  glenoidale1)  (172,  173),  vergrößert  die 
Pfanne,  sie  ist  bis  zu  3  mm  breit,  was  eine  ansehnliche  Vergrößerung  derselben  be- 
deutet. Am  oberen  Rand  der  Gelenklippe  entspringt  die  Sehne  des  langen  Biceps- 
kopfes  meist  mit  zwei  getrennten  Zipfeln.  Sie  verläuft  frei  durch  das  Gelenk  (172). 
Diese  auffallende  Tatsache  erklärt  sich  durch  Einwanderung  der  ursprünglich  außer- 
halb des  Gelenkes  gelegenen  Sehne,  wo  sie  bei  einer  Reihe  von  Säugetieren  zeitlebens 
verharrt.  Bei  anderen  kann  man  verfolgen,  wie  sie  immer  weiter  eindringt  (Welcker 
1878).  Auch  beim  menschlichen  Embryo  liegt  die  Sehne  anfänglich  noch  in  der  Kapsel- 
wand, dann  ist  sie  von  einer  mesenteriumartigen  Platte  derselben  umschlossen,  welche 
sich  selbst  manchmal  unvollständig  noch  beim  Erwachsenen  erhält. 

Die  Kapsel  geht  am  Schulterblatt  von  dem  scharfen  Rand  der  Gelenklippe  aus, 
nur  oben  reicht  ihr  Ansatz  hinter  die  Bicepssehne  zurück  und  die  Kapsel  entspringt 
dort  von  der  Wurzel  des  Processus  coracoideus.  Am  Armbein  ist  sie  an  dessen  anatomi- 
schen Hals  angeheftet,  nur  am  unteren  Umfang  biegt  sie  aus  und  zeigt  dort  eine  düten- 
förmige  Verlängerung.  Über  die  aus  dem  Gelenk  austretende  Bicepssehne  und  den 
Sulcus  intertubercularis  spannt  sie  sich  brückenförmig  hin.  Die  Kapsel  ist  weit  und 
schlaff,  was  unerläßlich  ist,  wenn  sie  die  beträchtlichen  und  allseitigen  Bewegungen, 
dessen  das  Gelenk  fähig  ist,  zulassen  soll.  An  frei  präpariertem  Gelenk  erlaubt  es 
der  weite  Kapselschlauch  dem  Oberarmkopf,  sich  2 — 3  cm  von  der  Pfanne  zu  entfernen, 


Limbus  cartilagineus. 


Schultergelenk.  117 

auch  im  Leben  können  beide  ihren  Kontakt  verlieren,  wenn  bei  einer  Lahmung  der 
sämtlichen  das  Schultergelenk  umgebenden  Muskeln  der  Arm  durch  seine  eigene 
Schwere  herabsinkt. 

Die  Kapsel  ist  an  sich  dünn,  doch  wird  sie  durch  einstrahlende  Sehnenfasern 
der  an  den  Höckern  sich  anheftenden  Muskeln  beträchtlich  verstärkt ;  auch  die  Sehne 
des  langen  Kopfes  des  M.  triceps  sendet  Fasern  in  die  Kapsel.  Zwischen  den  von  den 
Sehnen  der  Rotationsmuskeln  gelieferten  Verstärkungen  würde  eine  Strecke  unver- 
stärkt bleiben,  wenn  dort  nicht  das  Ligamentum  coracohumerale1)  (171)  vor- 
handen wäre,  welches  vom  lateralen  Rand  des  Processus  coracoideus  breit  in  die 
obere  und  hintere  Wand  der  Kapsel  ausstrahlt  und  bis  zu  den  beiden  Tubercula  ge- 
langt. Andere  Verstärkungszüge  ziehen  von  der  Gelenklippe  zum  Armbein,  man  be- 
schreibt sie  als  Ligamenta  glenohumeralia  (sup.,  med.,  inf.).  Sie  sind  von 
innen  her  an  der  geöffneten  Kapsel  zu  sehen,  doch  sind  sie  nicht  selten  wenig 
deutlich  ausgebildet.    Die  schwächste  Stelle  der  Kapsel  befindet  sich  unten  und  vorne. 

Bei  den  Bewegungen  des  Gelenkes  legt  sich  die  Kapsel  an  den  Stellen,  an  welchen 
sie  sich  spannt,  dem  Oberarmkopf  glatt  an,  wo  sie  entspannt  ist,  bildet  sie  immer  in 
gleicher  Weise  wiederkehrende  Falten,  welche  durch  die  Kontraktion  der  Muskeln 
hervorgerufen  werden,  deren  Sehnen  mit  der  Kapsel  verwachsen  sind. 

Von  der  Höhle  des  Schultergelenkes  gehen  zwei  Synovialtaschen  aus  [172).  Die 
Vagina  mueosa  intertubercularis  ist  eine  zylindrische  Ausstülpung  unter  der 
Sehne  des  langen  Bicepskopfes  im  Sulcus  intertubercularis;  ihr  blindes  abgerundetes 
Ende  reicht  bis  zum  oberen  Rand  der  Insertion  des  M.  pectoralis -major  und  latissimus 
dorsi  herab.  Die  Bursa  mueosa  subscapularis  wird  gedickt  von  der  Sehne  des 
gleichnamigen  Muskels  und  dringt  unter  der  Wurzel  des  Proc.  coracoideus  gegen  die 
Fossa  subscapularis  vor.  Sie  ist  von  sehr  unregelmäßiger  Form  und  Größe.  In  der 
Gelenkhöhle  öffnet  sie  sich  mit  einer  weiten,  meist  ovalen  Mündung.  Ein  kleinerer 
Schleimbeutel,  welcher  in  der  Regel  über  dem  eben  erwähnten  liegt,  stellt  meist  mit 
ihm   und  mit  dem   Schultergelenk  in  Verbindung  2). 

Die  Intima  sendet  in  das  Innere  der  Gelenkhöhle  Falten  und  Zotten  hinein. 
Rings  um  den  Ursprung  der  Biccpssehnc  stehen  Falten,  welche  sie  manschettenartig 
umgeben;  um  den  Eingang  der  Bursa  subscapularis  stehen  zahlreiche  feine  Zotten, 
ebenso  an  der  Insertion  der   Kapsel  am  überarm. 

Die  Arterien  des  Schultergelenkes  stammen  von  der  A.  circumflexa  humeri 
anterior  und  posterior,  von  der  A.  subscapularis  und  der  A.  transversa  scapulae;  die 
stärksten  gibt  die  erstgenannte  ab.  Die  Nerven  sind  Ästchen  des  X.  axillaris  für 
die  andere  uud  des  X.  subscapularis  für  die  hintere  Kapselwand. 

Das  Schultergelenk  ist  sehr  gut  geschützt;  von  oben  her  wird  es  durch  das 
Scliultergcwölbe  gedeckt,  unter  welchem  Namen  man  das  zwischen  Acromion  und  Pro- 
cessus coracoideus  ausgespannte  Ligamentum  coracoacromiale  versteht.  Von  außen  her 
ist  das  dicke  Polster  des  M.  deltoideus  über  das  Gelenk  hingebreitet,  so  daß  man  dort 
die  Bewegungen  des  Oberarmkopfes  nur  undeutlich  durchfühlt.  Vorn  und  hinten 
ziehen  über  die  Gelenkgegend  die  Rotationsmuskeln.  Nur  in  der  Achselhöhle  fehlt 
ein  wirksamer  Sehnt/,  dort  läuft  aber  über  das  Gelenk  das  dicke  Bündel  der  Nerven 
und  Gefäße,  welche  in  ein  reichliches  Fettpolster  eingelassen  sind. 

')   Ligamentum  Suspensorium  humeri. 

-)  Fick  nennt  ihn  Bursa  subscapularis  und  beschreibt  den  größeren  als  Bursa  sub- 
coraeoidea. 


118  Unterarmknochen. 

Varietäten.  Die  Gelenklippe  zeigt  in  ihrer  Erscheinung  mancherlei  Variationen.  Im 
Innern  des  Gelenkes  findet  man  hie  und  da  ein  Band,  welches  ganz  dem  Lig.  teres  femoris  ent- 
spricht. Es  ist  wohl  ein  in  das  Gelenk  eingewandertes  Lig.  glenohumerale.  Aus  dem  Gelenkraum 
können  sich  außer  den  genannten  noch  andere  Schleimbeutel  ausstülpen,  auch  können  solche, 
welche  unter  den  benachbarten  Muskeln  liegen,  mit  dem  Gelenkraum  oder  der  Bursa  subscapu- 
laris  in  Verbindung  treten. 

Praktische  Bemerkungen.  Luxationen  des  Schultergelenkes  sind  sehr  häufig,  da 
man  ja  den  Arm  absichtlich  wie  unwillkürlich  benützt,  um  einwirkende  Gewalten  abzuwehren, 
wobei  die  Kapsel  leicht  übermäßig  gedehnt  wird  und  einreißt.  Selbst  durch  starke  Kraftanstren- 
gung beim  Schleudern  und  ähnlichen  Bewegungen  können  Verrenkungen  entstehen.  Mir  ist  ein 
Fall  bekannt,  wo  dies  beim  Säbelfechten  vorkam.  Am  häufigsten  ist  die  Luxation  nach  vorne,  wo 
auch  die  Kapsel  am  dünnsten  ist.  Der  Gelenkkopf  macht  dann  entweder  auf  dem  Rand  des 
Schulterblattes  Halt,  oder  gelangt  gedeckt  vom  M.  subscapularis  in  den  Raum  zwischen  Schulter- 
blatt und  Brustkorb,  oder  er  schiebt  sich  noch  weiter  medianwärts  auf  den  Brustkorb  herüber. 
Auch  nach  unten  kann  sich  der  Gelenkkopf  verschieben,  sehr  selten  auch  nach  hinten. "  Ein  Aus- 
weichen nach  oben  wird  durch  die  über  den  Gelenkkopf  laufende  Bicepssehne  und  durch  Anstoßen 
derselben  an  das  Schultergewölbe  außerordentlich  erschwert.  Geschieht  es  dennoch,  dann  ist 
damit  notwendig  ein  Bruch  des  Schultergewölbes  verbunden.  Zur  Diagnose  hat  man  das  Ge- 
lenk sowohl  von  außen  her  durch  den  M.  deltoideus  zu  betasten,  wie  auch  von  der  Achselhöhle 
her,  wo  man  den  Oberarmkopf  sehr  gut  fühlen  kann.  Bei  der  Verrenkung  nach  vorne  spannt 
sich  das  Lig.  coracohumerale  sehr  stark,  gewöhnlich  jedoch  ohne  zu  zerreißen.  Die  umgebenden 
Muskeln  werden  ebenfalls  in  starke  Spannung  versetzt,  die  Nerven  in  der  Achselhöhle  und  am 
chirurgischen  Hals  des  Oberarmes  werden  gedehnt  oder  gedrückt,  so  daß  Schmerzen  auftreten, 
welche  bis  in  die  Finger  ausstrahlen,  Ameisenlaufen,  Taubheit,  selbst  Muskellähmung,  besonders 
solche  des  M.  deltoideus  u.  dgl.  In  den  die  Nerven  begleitenden  Gefäßen  kann  die  Circulation  be- 
hindert sein,  so  daß  sich  Cyanose  oder  Ödem  des  Armes  einstellt.  Auch  bei  Repositionsver- 
suchen  können  Nerven  und  Gefäße  zuweilen  schwer  leiden.  Epiphysenlösung  muß  in  den  späteren 
Kinderjahren  immer  intra-  und  extrakapsulär  verlaufen,  Bruch  eines  Tuberculum  aber  liegt 
extrakapsulär.  Die  im  Gelenk  befindliche  Bicepssehne  und  damit  der  ganze  Muskel  wird  bei 
Verrenkungen  oft  stark  gespannt,  wodurch  sich  dann  der  Arm  in  Beuge-  und  Supinationsstellung 
einstellt.  Die  Sehne  kann  zuweilen  abreißen,  sowohl  bei  Luxationen,  wie  bei  einer  allzu  heftigen 
Kontraktion  des  Muskels. 

Verbindet  sich  der  Oberarmkopf  mit  dem  Schulterblatt  durch  knöcherne  Verwachsung, 
dann  ist  eine  Hebung  des  Armes  nur  in  sehr  beschränktem  Maße  möglich,  soweit  dies  eben  die 
Bewegungen  des   Schulterblattes  gestatten. 

Bei  chronischen  Gelenkleiden  wachsen  die  in  der  Norm  kaum  sichtbaren  Synovialzotten 
gelegentlich  zu  einer  dichten  Pelzmasse  heran  (24) .  Die  Bursa  subscapularis  kann  im  Anschluß  an 
Verletzungen  der  Schultergegend  Sitz  chronischer  Entzündung  werden  mit  Schrumpfung  der 
das  Gelenk  umgebenden  Weichteile,  welche  eine  erhebliche  Beschränkung  der  Beweglichkeit 
zur  Folge  hat.  Auch  tuberkulöse  Hygrome  dieses  Schleimbeutels  bis  zu  Apfelgröße  kommen  vor. 
Die  verborgene  Lage  erschwert  die  Operation   (Fick). 

Will  man  den  Gelenkkopf  resezieren,  dann  wird  man  durch  einen  Schnitt  von  vorne  her 
deshalb  am  besten  zum  Gelenk  vordringen,  weil  dort  wichtige  Gefäße  und  Nerven,  die  geschont 
werden  müßten,  nicht  auf  ihm  liegen. 

d)  Unterarmknochen,  Ossa  antebrachii. 

Das  Skelet  des  Unterarmes  wird  von  Ulna  und  Radius  gebildet,  wobei  die 
erstere  den  Zusammenhang  mit  dem  Oberarm,  der  letztere  den  mit  der  Hand  zu  ver- 
mitteln hat.  Diese  Funktionen  beeinflussen  die  Gestalt  der  beiden  Knochen  insofern, 
als  die  Ulna  mit  ihrem  proximalen  Ende  den  Radius,  der  Radius  aber  mit  seinem 
distalen  Ende  die  Ulna  überragt.  Ferner  erscheint  die  Ulna  an  ihrem  proximalen  Ende 
verbreitert,  an  ihrem  distalen  verjüngt,  während  beim  Radius  das  Umgekehrte  der 
Fall  ist.  Die  Verbreiterungen  bringen  es  mit  sich,  daß  sich  beide  Knochen  sowohl 
an  ihrem  proximalen,  wie  an  ihrem  distalen  Ende  berühren,  während  im  übrigen 


Elle.     Speiche.  119 

ein  langgezogener,  spindelförmiger  Raum  zwischen  ihnen  bleibt,  in  welchem  eine 
Membran  ausgespannt  ist.  Die  beiden  Knochen  werden  durch  sie  zu  einer  Skelet- 
platte  vereinigt,  welche  den  Weichteilen  des  Unterarmes  zur  Unterlage  dient. 

a)    Elle,   Ulna. 

Sie  ist  der  längere  der  beiden  Unterarmknochen,  dreiseitig  prismatisch,  mit 
einer  medialen,  einer  vorderen  volaren  und  einer  hinteren  dorsalen  Fläche  (17  5,  17\ 
Das  proximale  Ende  besitzt  eine  nach  vorn  sehende  Gelenkfläche,  Incisura  serai- 
lunaris1),  welche  der  Trochlea  humeri,  mit  der  sie  artikuliert,  entsprechend  ausge- 
schnitten ist.  Sie  ist  in  der  Mitte  eingeschnürt  und  trägt  eine  von  hinten  nach  vorne 
verlaufende  Firste,  welche  sich  in  die  Furche  der  Trochlea  einpaßt  (17  S).  Den  vorderen 
Teil  der  Gelenkfläche  trägt  der  nach-vorn  vorspringende  Processus  coronoideus2), 
unter  welchem  man  eine  große  dreiseitige  Rauhigkeit,  Tuberositas  ulnae,  findet, 
die  Anheftungsstelle  des  M.  brachialis.  Der  hintere  Teil  der  Gelenkfläche  zieht  sich  an 
einem  anderen  in  der  Verlängerung  des  Schaftes  aufragenden  Fortsatz  in  die  Höhe,  dem 
Olecranon3).  Seine  Rückfläche  dient  dem  M.  extensor  trieeps  zum  Ansatz,  an  seiner 
lateralen  Seite  befestigt  sich  der  M.  anconaeus,  an  der  medialen  der  M.  flexor  carpi 
ulnaris.  An  der  lateralen  Seite  des  Processus  coronoideus  befindet  sich  eine  schwach 
ausgehöhlte  Gelenkfläche,  welche  mit  der  überknorpelten  Fläche  der  Facies  semi- 
lunaris  zusammenhängt,  die  Incisura  radialis4);  an  sie  legt  sich  der  Seitenrand 
des  Radiusköpfchens  an   (178). 

Der  Schaft  des  Knochens  trägt  eine  dem  Radius  zugekehrte  kräftig  vorspringende 
Crista  interossea,  welche  die  vordere  und  hintere  Fläche  des  Knochens  von- 
einander trennt. 

Das  distale  Ende  der  Ulna  ist  als  Gelenkkopf,  Capitulum,  ausgebildet  (178a), 
mit  kreisrunder,  schwach  eingedrückter  Gelenkfläche  und  einer  gegen  den  Radius  hin- 
sehenden, ebenfalls  überknorpelten  Seitenfläche,  Circumferentia  articularis.  Dieser 
gegenüber  ragt  am  medialen  Rand  der  Processus  styloideus  hervor,  an  welchem 
sich  die  Bandscheibe  des  Handgelenkes  anheftet.  An  seiner  Rückseite  grenzt  ihn 
eine  Rinne  gegen  das  Köpfchen  ab,  in  welcher  die  Sehne  des  M.  extensor  carpi 
ulnaris  läuft. 

ti)   Speiche,    Radius. 

I  >,i-  piuxiiii.ile  linde,  (  apitulum,  ist  ein  kurzer  l  ylinder,  dessen  Leicht  ver- 
tiefte Oberfläche  mit  dem  Capitulum  des  Oberarmbeines  artikuliert.  Der  Knorpel- 
iiberzug  setzt  sich  auf  die  Seitenfläche  des  Köpfchens,  Circumferentia  articularis 
fort,  soweit  sie  auf  der  Incisura  radialis  der  Ulna  gleitet.  Das  Köpfchen  sitzt  auf  einem 
eingeschnittenen  Hals,  Collum,  an  welchen  sich  wieder  ein  vorwärts  und  median- 
wärts  sehend.!'  Vorsprung  mit  rauher  Oberfläche  anschließt,  Tuberositas  radii, 
an  welchen  sich  die  Sehne  des  M.  bieeps  brachii  anheftet    [174,   177). 

Der  Schaft  des  Radius  ist  nach  hinten  und  lateral  leicht  konvex  gekrümmt; 
er  ist  dreiseitig,  prismatisch,  wie  der  der  Ulna,  jedoch  sind  seine  Kanten  stark  ab- 
giTiindct.     fiine  <  rista  interossea,  welche  gegen  die  der  l'hia  gerichtet  ist,  tritt 


')  Lncisura  oder  Fossa  sigmoidea. 

-)  x<><K.'.jr,   Kralic,   Ilaken;  oft  mißverständlich  als  Kronenfortsatz  übersetzt. 

:1)  !.'<///•»,    Ellbogen ;    xiuii'»r    Kopt,    Helm. 

4)  Sinus  lunatus. 


120  Ellbogengelenk. 

scharf  hervor.  An  eine  Rauhigkeit  in  der  Mitte  der  lateralen  Fläche  heftet  sich  der 
M.  pronator  teres. 

Das  distale  Ende  ist  verdickt  und  vierseitig  gestaltet  (178  a).  Es  ward  durch  die 
Artikulationsfläche  für  die  Hand  abgeschlossen,  welche  durch  eine  sagittal  verlaufende 
Kante  in  eine  vierseitige  leicht  vertiefte  Gelenkgrube  für  das  Mondbein  und  eine  lateral 
davon  gelegene  abgerundete,  dreiseitige,  für  das  Kahnbein  getrennt  ward.  An  der 
der  Ulna  zugekehrten  Seitenfläche  des  distalen  Endes  weicht  die  Crista  interossea  in 
zwei  Schenkel  auseinander;  sie  fassen  am  Rand  des  Knochens  die  Incisura  ulnaris1) 
zwischen  sich  (177),  an  welcher  das  Köpfchen  der  Ulna  rotiert.  An  der  gegenüber- 
liegenden lateralen  Seite  zieht  sich  der  Knochen  in  den  stumpfen  Processus  stylo- 
ideus  radiiaus,  an  welchen  sich  der  M.  brachioradialis  anheftet.  Die  Vorderseite 
des  distalen  Radiusendes  ist  glatt,  über  die  hintere  Fläche  läuft  eine  Anzahl  von 
Furchen  herab,  in  welchen  die  Sehnen  der  Extensoren  gleiten.  Am  tiefsten  pflegt 
die  für  den  M.  extensor  longus  pollicis  zu  sein. 

Die  Compacta  der  beiden  Unterarmknochen  ist  relativ  stark  und  widerstands- 
kräftig, die  Markhöhle  eng.  Die  Spongiosa  an  den  Enden  ist  ziemlich  weitmaschig 
und  weich,  nur  am  proximalen  Ende  der  Ulna  sind  ihre  Areolen  eng,  ihre  Bälkchen 
dick.  Das  Periost  ist  dünn,  aber  fest,  die  Foramina  nutricia  liegen  auf  der  vorderen 
Fläche  beider  Knochen,  das  der  Ulna  am  Ende  des  proximalen  Viertels,  das  des  Radius 
am  Ende  des  proximalen  Drittels ;  das  des  letzteren  Knochens  steht  der  Crista  interossea 
näher,  als  das  des  ersteren.  Die"  Aa.  nutriciae  werden  von  der  A.  interossea  volans 
abgegeben. 

Die  hintere  Kante  der  Ulna  hegt  in  ihrer  ganzen  Länge  frei  unter  der  Haut, 
was  eine  Untersuchung  des  Knochens  sehr  erleichtert.  Der  Radius  ist  in  seinem  proxi- 
malen Teil  von  Weichteilen  völlig  gedeckt.  Dann  wird  er  für  eine  kurze  Strecke  frei, 
um  schließlich  erst  am  distalen  Ende  einer  Betastung  zugänglicher  zu  werden. 

Entwickelung  (266 — 269).  Wie  beim  Oberarmbein  treten  auch  bei  den  beiden  Unterarm- 
knochen die  Ossifikationspunkte  der  Diaphysen  in  der  achten  Embryonahvoche  auf.  Zur  Zeit  der 
Geburt  ist  an  der  Ulna  der  obere  Teil  des  Olecranon  und  das  distale  Ende  des  Knochens  noch  knor- 
pelig, am  Radius  sind  es  beide  Enden.  An  der  Ulna  entstehen  im  Olecranon  im  12.  Jahr  2 — 3  Kerne; 
im  15.  bis  16.  Jahr  ist  das  ganze  obere  Ende  verknöchert.  Am  distalen  Ende  erscheint  ein  Knochen- 
kern um  die  Wende  des  fünften  und  sechsten  Lebensjahres.  Im  14.  bis  15.  Jahr  rückt  er  in  den 
Processus  styloideus  vor,  welcher  aber  zuweilen  auch  eine  eigene  Epiphyse  besitzt.  Um  das  20. 
Jahr  ist  der  Knochen  in  seiner  ganzen  Länge  konsolidiert.  Am  proximalen  Ende  des  Radius 
erscheint  ein  Epiphvsenkern  um  das  fünfte  Lebensjahr,  welcher  im  Laufe  des  16.  mit  der  Dia- 
physe  verschmilzt.  Um  die  gleiche  Zeit,  meist  kurz  vor  dem  Erscheinen  des  Kernes  im  Köpfchen 
der  Ulna,  tritt  im  distalen  Ende  des  Radius  ein  Kern  auf;  im  12.  Jahr  erstreckt  er  sich  in  den 
Processus  styloideus,  im  ig.  bis  20.  Jahr  ist  er  mit  der  Diaphvse  vereinigt.  Beide  Knochen  wachsen 
hauptsächlich  an  ihrer  distalen  Epiphyse. 

Varietäten.  Man  findet  eine  unvollständige  Ausbildung  der  Fortsätze  der  Unterarm- 
knochen, selbst  eine  Verkümmerung  derselben,  oder  vollständiges  Fehlen  des  einen,  häufiger  des 
Radius.  In  solchen  Fällen  ist  auch  der  vorhandene  Knochen  verkürzt  oder  verbogen.  Die  Knochen 
können  kongenital  miteinander  verwachsen  sein.  —  Über  dem  Olecranon  und  vor  der  Spitze 
des  Processus  coronoideus  ulnae  hat  man  Sesambeine  beobachtet. 

Praktische  Bemerkungen   s.  S.  139. 

e)  Ellbogengelenk,  Articulatio  cubiti. 

Das  Ellbogengelenk  (179 — 18J)  vereinigt  das  distale  Ende  des  Oberarmbeines  und 
die  proximalen  Enden  der  beiden  Unterarmknochen  miteinander,  es  gehört  deshalb  in 
die  Reihe  der  zusammengesetzten  Gelenke.    Man  hat  es  zerlegt  in  eine  Articulatio 

J)   Incisura  semilunaris;   Sinus  lunatus. 


Ellbogengelenk.  121 

humeroulnaris,  humeroradialis  und  radioulnaris  proximalis.  Es  erlaubt 
die  Ausführung  von  zwei  Bewegungen  unabhängig  voneinander.  Erstens  drehen  sich 
die  beiden  Unterarmknochen  um  das  Gelenkende  des  Oberarmes  und  um  eine  wesent- 
lich transversale  Achse,  welche  lateralwärts  nur  wenig  aufsteigt.  In  maximaler  Streckung 
bilden  die  Knochen  des  Ober-  und  Unterarmes  einen  gestreckten  Winkel  miteinander, 
bei  schwach  ausgebildetem  Skelet  kann  sogar  eine  Überstreckung  eintreten,  welche 
jedoch  unschön  aussieht;  die  maximale  Beugung  kann  soweit  fortgeführt  werden, 
als  es  die  aufeinander  liegenden  Weichteile  an  der  Beugeseite  des  Ellbogengelenkes 
erlauben.  Zweitens  dreht  sich  in  jeder  Stellung,  welche  der  Unterarm  gegen  den 
Oberarm  einnimmt,  die  vertiefte  Endfläche  des  Radiusköpfchens  auf  dem  Köpfchen 
des  Armbeines  und  zugleich  die  Circumferentia  articularis  radii  in  der  Incisura  radialis 
ulnae,  welche  durch  das  Ligamentum  anulare  radii  zu  einem  Ring  ergänzt  wird. 

Die  Furche,  welche  die  Trochlea  von  vorn  nach  hinten  umkreist  und  die  ent- 
sprechende Firste  der  Incisura  semilunaris  ulnae  verlaufen  in  der  Form  einer  Kurve, 
welche  an  der  Ouerrinne  dieser  letzteren  geknickt  ist  (Braune  und  Kyrklund) 
oder  in  Form  einer  allerdings  sehr  flachen  Spirale,  das  heißt  also  einer  Schraube,  deren 
Steigung  in  der  Art  stattfindet,  daß  der  Unterarm  auf  dem  Oberarm  seitwärts  rückt. 

Die  Winkelbewegung,  durch  welche  der  Unterarm  gegen  den  Oberarm  gebeugt 
wird,  wird  eigentlich  nur  zwischen  Humerus  und  Ulna  ausgeführt.  Sie  erfolgt  jedoch 
nicht  um  eine  feststehende  Achse,  sondern  um  verschiedene  um  eine  Mittelachse 
schwankende  Momentachsen  (Hultkrantz,  Fick).  Diese  Tatsache  hat  frühere 
Untersucher  zu  der  Meinung  veranlaßt,  das  Ellbogengelenk  sei  ein  Schraubengelenk. 
In  der  Streckung  liegt  der  Unterarm  nicht  ganz  in  der  Richtung  des  Oberarmes,  sondern 
ist  ein  wenig  radialwärts  abgeknickt.  Eine  übermäßige  Abknickung  bezeichnen  die 
Praktiker  als  Cubitus  valgus.  Das  Radiusköpfchen  folgt  rein  passiv  der  Ulna,  an 
welcher  es  befestigt  ist.  Die  Rotationsbewegung  wird  umgekehrt  nur  vom  Radius- 
köpfchen bewirkt,  bei  ihr  sind  Humerus  und  Ulna  im  wesentlichen  unbeteiligt.  Sie 
wird  dagegen  ergänzt  durch  dieBewegung  des  unteren  Radioulnargelenkes,  von  welchem 
„nachher  die  Rede  sein  wird. 

Die  Knorpelbedeckung  der  Gelenkenden  ist  keine  ganz  gleichmäßige.  Am 
Humerus  ist  sie  in  der  Mitte  der  Trochlea  und  an  der  Leiste  zwischen  Trochlea  und 
Capitulum  am  stärksten,  höchstens  2  mm.  Seitlich  und  besonders  hinten  wird  sie 
dünner.  Der  Knorpelüberzug  der  Incisura  semilunaris  ulnae  ist  dünn,  in  der  queren 
Furche  derselben  fehlt  er  in  der  Regel  gänzlich.  Am  Radiusköpfchen  ist  der  Knorpel 
in  der  Randzone  am  stärksten,  nach  der  Mitte  der  Grube  wird  er  dünner.  Die  Circum- 
ferentia articularis  radii  und  die  Incisura  radialis  ulnae  sind  von  einem  Knorpel  be- 
deckt, der  an  beiden  in  der  Mitte  am  dicksten  ist. 

An  einigen  Stellen  überschreitet  der  Knorpel  die  Berührungsflächen  der  Gelenk- 
enden. Der  laterale  Rand  des  Capitulum  humeri,  auf  dem  das  Ligamentum  collaterale 
radiale  bei  den  Bewegungen  unter  stärkerem  Druck  gleitet,  isl  von  einem  dünnen 
Knorpelsaum  bedeckt.  Am  medialen  scharfen  Rand  der  Trochlea,  an  der  Spit/e 
des  Processus  coronoideus,  an  dein  Schnabel  des  Olecranon  und  am  lateralen  Rand 
des  Radiuskopfes  ist  oft  ein  überknorpelter  Streifen  von  wechselnder  Breite  zu  linden. 
der  niemals  mit   anderen    Knochen   in   Berührung   tritt    (M.i. 

Die  Kapsel  umschließt  die  Enden  der  drei  artikulierenden  Knochen  gemeinsam, 
so  daß  also  das  Gelenk  eine  einfache,  wenn  auch  buchtige  Hohle  darstelll  [184  Sie 
umschließl  auch  die  ni<  hl  überknorpelten  Gruben  desArmbeines,  in  welche  sich  bei  den 
Bewegungen  die  Knden  der  Unterarmknochen  hineinlegen.     Vorne  zieht  sich  dem- 


122  Ellbogengelenk. 

gemäß  der  Kapselraum  an  der  Fossa  coronoidea  und  radialis  in  je  einen  Zipfel  aus, 
hinten  umgreift  der  Ansatz  die  Fossa  olecrani  bogenförmig.  Am  Hals  des  Radius 
überschreitet  sie  ebenfalls  die  überknorpelte  Fläche  nach  unten  hin,  sie  ist  dort  unter- 
halb des  Ligamentum  anulare  radii  schlaff  und  sehr  dünnwandig,  Recessus  sacci- 
formis  (179),  und  erscheint  nach  Injektion  der  Gelenkhöhle  mit  erstarrenden  Massen 
wulstartig  aufgetrieben.  Die  Spitze  des  Processus  coronoideus  und  das  Olecranon 
sind  in  den  Kapselraum  einbezogen. 

Die  Dicke  der  Kapsel  ist  da,  wo  ihr  Verstärkungen  fehlen,  nicht  bedeutend,  am 
schwächsten  ist  sie  an  der  hinteren  Wand  des  Gelenkes  (ISO),  dort  ist  sie  unter  einem 
Fettpolster  versteckt  und  wird  in  ihrem  unteren  Teil  durch  transversale,  in  der  Mitte 
des  oberen  Teiles  durch  vertikale  Fasern  verstärkt;  zu  beiden  Seiten  dieser  letzteren 
ist  sie  ganz  dünn  und  leicht  zerreißlich.  Vorne  und  unten  sind  in  die  Kapsel  ebenfalls 
stellenweise  Faserzüge  eingewebt,  ohne  daß  sie  sich  jedoch  als  selbständige  Haftbänder 
abgrenzen  ließen,  solche  sind  nur  zu  beiden  Seiten  und  um  den  Radiuskopf  herum 
vorhanden. 

Das  Ligamentum  collaterale  ulnare1)  (182)  besteht  aus  kurzen  und  straffen 
Fasern,  welche  sich  vom  Epicondylus  medialis  humeri  radienförmig  divergierend 
zum  medialen  Rand  der  Gelenkfläche  der  Ulna  herüberstrecken.  Zwischen  einen 
vorderen  und  einen  hinteren  stärkeren  Faserzug  ist  eine  etwas  weniger  kräftige  Platte 
eingeschaltet.  Das  Band  verwebt  sich  mit  Fasern,  welche  sich  vom  Olecranon  zum 
Processus  coronoideus  über  den  konkaven  Rand  der  Incisura  semilunaris  straff  herüber- 
spannen '-) ;  diese  letzteren  stehen  in  Beziehung  zu  den  Ursprüngen  der  Beugemuskeln. 

Das  Ligamentum  collaterale  radiale3)  (181)  ist  noch  stärker  als  das  ulnare. 
Es  entspringt  am  Epicondylus  ulnaris  und  teilt  sich  sogleich  in  zwei  kräftige  Schenkel, 
von  welchen  der  vordere  an  den  lateralen  Rand  des  Processus  coronoideus  gelangt, 
während  der  hintere  an  den  hinteren  Rand  der  Incisura  radialis  ulnae  herantritt  und 
sich  noch  weiter  distal  bis  zum  Ursprung  des  M.  supinator  herab  erstreckt.  Das  proxi- 
male Ende  des  Radius  wird  also  von  diesem  Bande  durchaus  nicht  berührt,  während 
es  mit  dem  Ringband  untrennbar  verwachsen  ist. 

Das  Ligamentum  anulare  radii  (183)  ist  ein  Faserzug,  welcher  sich  am 
vorderen  und  hinteren  Rand  der  Incisura  radialis  ulnae  anheftet  und  sie  so  zu  einem 
nach  unten  trichterförmig  verengten  Ring  ergänzt,  welcher  die  Circumferentia  radii  eng 
umschließt.  Das  Band  läßt  sich  von  den  auf  seiner  Außenseite  aufliegenden  Schenkeln 
des  radialen  Seitenbandes  durchaus  nicht  sondern.  Wo  diese  das  Ringband  ver- 
stärken, ist  es  ausnehmend  kräftig,  zwischen  ihnen  ist  es  schwächer.  An  seinem 
proximalen  Umfang  ist  das  Ringband  vom  Seitenband  nicht  scharf  abgegrenzt, 
distalwärts  endet  es  dagegen  meist  mit  einem  scharfen  Rand,  an  welchen  sich  un- 
vermittelt die  dünne  Bedeckung  des  Recessus  sacciformis  anschließt. 

An  ihrer  vorderen  und  hinteren  Wand  ist  die  Außenseite  der  Kapsel  mit  fett- 
haltigem Bindegewebe  bedeckt.  Beiderseits  gehen  auch  von  ihrer  Innenseite  fett- 
haltige Synovialfortsätze  aus,  welche  die  Räume  auszufüllen  haben,  die  bei  Beugung 
und  Streckung  abwechselnd  vom  Processus  coronoideus  und  vom  Olecranon  freigelassen 
werden.  Das  Radiusköpfchen  ist  allseitig  von  fetthaltigen  Synovialfortsätzen  um- 
geben, welche  vorhandene  Inkongruenzen  ausgleichen.     Kleine  fetthaltige  oder  fett- 


x)   Ligamentum  accessorium  mediale. 

2)  Ligamentum  Cooperi. 

3)  Ligamentum  accessorium  laterale. 


Ellbogengelenk.  123 

lose  Zotten  und  Falten  gehen  vom  Armbein  am  vorderen  und  hinteren  Rand  der 
Trochlea  aus,  andere  auch  vom  Radius  und  von  einzelnen  Stellen  der  Kapsel. 

Zur  Spannung  der  Kapsel  bei  den  verschiedenen  Bewegungen  des  Gelenkes 
sind  die  Sehnen  einer  ganzen  Anzahl  von  in  der  Nähe  sich  anheftenden  Muskeln  mit 
der  Kapsel  und  ihren  Verstärkungsbändern  verwebt:  M.  brachialis,  supinator,  exten- 
sores  carpi,  anconaeus,  trieeps,  flexor  carpi  ulnaris. 

Die  Arterien  des  Ellbogengelenkes  werden  vom  Rete  articulare  cubiti  abge- 
geben, welches  von  sämtlichen  benachbarten  Arterien  gespeist  wird.  A.  collateralis 
radialis  und  ulnaris  werden  durch  eine  stärkere  quere  Anastomose  über  dem  Olecranon 
verbunden.  Das  Netz  der  Vorderseite  ist  schwächer  ausgebildet ;  zu  den  Ästen,  welche 
die  Aa.  collaterales  und  recurrentes  senden,  kommt  noch  ein  Zweig,  welcher  von  der 
A.  brachialis  oder  ulnaris  abgegeben  wird  und  am  unteren  Ende  des  Ringbandes  an 
das  Gelenk  herantritt. 

Die  Nerven  des  Ellbogengelenkes  werden  ähnlich  den  Arterien  von  sämt- 
lichen die  Gegend  passierenden  Stämmen  abgegeben:  N.  medianus,  musculocutaneus, 
ulnaris,  radialis. 

Das  Ellbogengelenk  ist  an  seiner  Vorderseite  durch  ein  dickes  Weichteil- 
polster, bestehend  aus  Muskeln  und  Sehnen,  vortrefflich  geschützt.  Dort  verlaufen 
auch  mit  Ausnahme  des  N.  ulnaris  sämtliche  Gefäße  und  Nerven  der  Gegend.  Eine 
Hautfalte  zieht  bei  der  Beugung  von  einem  Epicondylus  zum  anderen,  dieselbe  liegt 
jedoch  nicht  über  der  Gelenkspalte,  sondern  17,5  mm  proximal  von  ihr  (Soulie  1901). 
Die  Epicondylen  sind  beiderseits  leicht  abzutasten,  ebenso  der  N.  und  Sulcus  ulnaris, 
welche  sich  an  der  Rückseite  des  Epicondylus  medialis  unmittelbar  auf  dem  Gelenk 
finden.  Hinten  ist  das  Gelenk  am  wenigsten  geschützt,  dort  kommt  zu  beiden  Seiten 
des  Olecranon  die  Kapsel  der  Oberfläche  sehr  nahe.  Verbindet  man  bei  gestrecktem 
Arm  die  beiden  Epicondylen  durch  eine  Linie,  dann  liegt  die  stärkste  Hervorragung 
des  Olecranon  auf  ihr,  jedoch  nicht  in  der  Mitte,  sondern  dem  Epicondylus  medialis 
um  etwa  1  cm  näher.  Es  setzt  sich  distalwärts  in  die  ebenfalls  deutlich  fühlbare  Kante 
der  Ulna  fort.  An  der  medialen  Seite  des  Olecranon  wird  das  Gelenk  gedeckt  von 
dem  in  seiner  Rinne  liegenden  N.  ulnaris,  an  der  lateralen  Seite  kann  man  den  lateralen 
Rand  der  Trochlea  heraustasten.  Daneben  folgt  das  Capitulum  humeri,  distal  davon 
die  rinnenförmig  sich  anfühlende  Gelenkspalte  und  endlich  das  Capitulum  radii,  alles 
sehr  deutlich.  In  der  Beugestellung  tritt  das  Olecranon  herab  und  schließt  mit  den 
beiden  Epicondylen  ein  Dreieck  mit  oberer  Basis  und  unterer  Spitze  ein.  Bei  recht- 
winkeliger Beugung  steht  es  )  cm,  bei  extremer  Beugung  5  cm  unter  der  die  Epicondylen 
verbindenden  Linie.  Das  Capitulum  humeri  tritt  jetzt  deutlicher  hervor,  weil  das 
KudiusköplVhen  nach   vorn  ausgewichen   ist. 

Praktische  Bemerkungen.  Kinder  können  in  ihr  Kei;el  das  Kllbogeni;elenk  über- 
strecken (Fick),  auch  bei  erwachsenen  Frauen,  besonders  grazilen  Personen  mit  kleinerem  Ole- 
cranon beobachtet  man  nicht  selten  das  gleiche.  Man  darf  dies  nicht  tnr  pathologisch  halten. 
Umgekehrt  vermögen  sehr  muskclstarkc  Männer  das  Gelenk  oft  nicht  einmal  bis  zur  Geraden 
zu  strecken.  Die  komplizierte  Beschaffenheit  des  Ellbogengelenkes  macht  auch  seine  Erkran- 
kungen  und   Verletzungen   kompliziert,     Bei  einem   in  den   Gelenkraum  gesetzten   Erguß  stellt 

sich  das  Gelenk  in  halbe  Beugung,  da  in  dieser  Stellung  der  ( '.elenkraum  am  geräumigsten  ist. 
I  ine    [''liissigkeilsansanimlung   dehnt   die    Kapsel   am   ersten   an   der   lateralen    Seite  des   Olecranon 

zwischen  ihm  und  dem  Capitulum  radii,  da  sie  dort  am  dünnsten  ist;  an  gleicher  Stelle  wird  auch 

am  häufigsten  ein  I  hirchbi  uch  der  Kapsel  beobachtet.  Per  Kcccssus  saeeiformis,  welcher  eben- 
falls von  emer  sehr  dünnen  Kapselmembran  bedeckt  wird,  neigt  dazu  viel  weniger,  wohl  weil  auf 

ihm   der  M.   Supinator   lest    aufliegt.      Die    Kapsel   und   der  ganze    Handapparat    ist   in  der   Knuler- 

zeit  zart  und  schwach,  so  daß  es  sein   leicht  zu  Luxationen  und  Subluxationen  kommen  kann. 


124  Haftbänder  des  Unterarmes. 

so  besonders  zu  einem  Herausschlüpfen  des  Radiuskopfes  aus  seinem  Ringband.  Die  beiden  Seiten- 
bänder sind  so  kräftig,  daß  sie  bei  Verletzungen  oft  besser  Widerstand  leisten,  wie  der  Knochen, 
an  dem  sie  befestigt  sind,  so  daß  dann  ein  Epicondylus  abreißt,  das  Band  aber  intakt  bleibt.  Reißt 
einmal  das  Ringband  des  Radiusköpfchens  ab,  dann  geschieht  dies  häufiger  an  der  Vorderseite, 
weil  es  dort  schwächer  ist,  wie  hinten  (Fick).  Luxationen  kommen  am  häufigsten  nach  hinten 
vor;  durch  eine  Überstreckung  reißt  die  Vorderseite  der  Kapsel  ein,  die  Unterarmknochen  gleiten 
nach  hinten  und  der  Proc.  coronoideus  ulnae  stellt  sich  in  die  Fossa  olecrani.  Natürlich  können 
auch  noch  mancherlei  andere  Gewalteinwirkungen  den  gleichen  Effekt  erzielen.  Luxationen 
nach  vorne  sollte  man  aus  anatomischen  Gründen  für  unmöglich  halten,  da  das  Olecranon  wie 
ein  Haken  die  Trochlea  umgreift.  Sie  sind  auch  selten,  doch  kommen  sie  immerhin  unzweifelhaft 
vor  und  man  versteht  auch,  daß  eine  heftige  Gewalteinwirkung  auf  das  Olecranon  bei  maximal 
gebeugtem  Gelenk  dasselbe  ohne  Bruch  nach  vorwärts  verschieben  kann.-  Seitliche  Luxationen 
sind  gewöhnlich  mit  einer  Fraktur  desjenigen  Epicondylus  verbunden,  von  welchem  die  Unter- 
armknochen wegrücken.  Bei  allen  diesen  Luxationen  bleiben  die  beiden  Unterarmknochen  durch 
das  Ligamentum  anulare  radii  verbunden,  so  daß  auch  eine  gewisse  Möglichkeit  der  Pronation 
und  Supination  erhalten  bleibt,  wird  aber  bei  einer  Luxation  die  Ulna  nach  hinten,  der  Radius 
nach  vorne  disloziert,  was  jedoch  nur  sehr  selten  vorkommt,  dann  zerreißt  dabei  das  Ringband 
des  Radius,  dasselbe  geschieht  auch  bei  isolierter  Verrenkung  des  Radiusköpfchens. 

Von  den  verschiedenen  Frakturen,  welche  das  Gelenkende  des  Humerus  betreffen  können, 
war  schon  die  Rede  (S.  116),  auch  die  proximalen  Enden  der  beiden  Unterarmknochen  können 
natürlich  Frakturen  erleiden;  es  kann  das  Olecranon,  der  Proc.  coronoideus  und  das  Radiusköpf- 
chen abbrechen.  Alle  diese  Brüche  sind  intrakapsulär  und  zugleich  extrakapsulär.  Bei  einer 
Fraktur  des  Olecranon  zieht  der  an  ihm  befestigte  M.  triceps  das  abgebrochene  Stück  meist  in 
die  Höhe,  so  daß  eine  Diastase  der  Bruchflächen  entsteht. 

Epiphysenlösungen  kommen  am  Humerus  und  an  den  Unterarmknochen  vor.  ,, Bricht 
die  ganze  Humerusepiphyse  ab,  so  tritt  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  eine  Kapselzerreißung 
in  der  Fossa  olecrani  ein;  eine  Fraktur  des  Gelenkknorpels  wird  erfolgen  bei  der  —  allein 
freilich  unwahrscheinlichen  —  Trennung  der  Trochleaepiphyse  oder  derjenigen  des  Capitulum 
humeri  mit  oder  ohne  den  Epicondylus  lateralis.  Unvermeidlich  ist  ferner  eine  Kapseleröffnung 
bei  der  Ablösung  des  Olecranon.  Am  ehesten  möglich  ohne  Zerreißung  der  Gelenkmembran 
erscheint  eine  Abtrennung  des  Köpfchens  des  Radius  —  auszuschließen  ist  aber  bei  der  Länge 
des  den  oberen  Teil  des  Knochens  umhüllenden  Kapselsackes  diese  Gefahr  gewiß  auch  nicht" 
(v.  Brunn  1881).    Bei  einer  Ablösung  des  Epicondylus  medialis  allein  bleibt  das  Gelenk  unberührt. 

f)  Haftbänder  des  Unterarmes. 

a)  Membrana   interossea  antebrachii1). 

Eine  Membran  (185),  welche  zwischen  den  Cristae  interosseae  der  beiden 
Unter armknochen,  wie  in  einem  Rahmen  ausgespannt  ist.  Sie  begrenzt  mit  ihrem 
oberen  Rand  die  Lücke,  durch  welche  die  Vasa  interossea  posteriora  zur  Dorsalseite 
des  Armes  gelangen  und  zeigt  in  der  Nähe  des  unteren  Randes  regelmäßig  ein  Loch 
zum  Durchtritt  des  Endes  der  A.  interossea  anterior;  auch  andere  variable  Öffnungen 
können  in  verschiedener  Zahl  vorhanden  sein.  Die  Membran  besteht  aus  sehnig- 
glänzenden Faserzügen,  welche  im  wesentlichen  vom  Radius  zur  Ulna  schräg  abwärts 
verlaufen,  doch  kommen  auch  Fasern  anderer  Richtung  vor,  besonders  am  proximalen 
und  distalen  Ende  und  auf  der  Rückseite.  Die  Membran  ist  an  den  beiden  Unterarm- 
knochen so  befestigt,  daß  sie  in  der  Mittelstellung  am  straffsten  gespannt  ist,  während 
sie  bei  vollendeter  Pronation  und  Supination  schlaffer  wird.  Bei  ersterer  wölbt 
sie  sich  etwas  nach  hinten  aus,  bei  letzterer  nach  vorn.  Ihre  mechanische  Wirkung 
aber  vermag  sie  in  jeder  Stellung  auszuüben,  gleichgültig  ob  der  Arm  in  Pronation 
oder  in  Supination  steht.  Diese  Wirkung  schildert  Feßler  (1894)  so,  daß  er  sagt: 
„Das   eigentlich  tragende  und   die   Festigkeit   des   Unterarmes  bedingende  Moment 


Ligamentum  interosseum. 


Articulatio  radio-ulnaris  distalis.  125 

liegt  nicht  in  dem  einen  oder  dem  anderen  Ende  der  beiden  Knochen  allein,  sondern 
in  ihrer  Zusammengehörigkeit  durch  die  fibröse  Verbindung:  es  geht  von  der  Hand 
aus  und  der  größte  Teil  einer  ziehenden  oder  drückenden  Kraft  durch  den  Radius,  von 
diesem  aber  allmählich  nach  aufwärts  auf  die  Ulna  über,  so  daß  im  Ellbogengelenk 
so  ziemlich  die  ganze  Kraft  von  der  Ulna  aufgenommen  wird.  Die  Ebene,  in  welcher 
die  Kraft  wirkt  und  die  Zugachse  des  Unterarmes  gehen  also  vom  unteren  Ende  des 
Radius  (seiner  breiten  Basis)  diagonal  durch  die  Membrana  intcrossea  zum  oberen 
linde  der  Ulna  (ihrer  breiten  Basis),  ganz  entsprechend  der  Konstruktion  dieser 
Knochen." 

(i)  Chorda  obliquä  antebrachii1). 

Plattrundlicher  Sehnenstreif  [179,  185),  welcher  von  der  lateralen  Seite  der 
Tuberositas  ulnae  schräg  abwärts  zum  Radius  verläuft,  an  welchen  er  sich  unterhalb 
seiner  Tubcrosität  anheftet.  Beschränkt  die  Supination.  Die  Ausbildung  des  eigent- 
lich nur  dem  Menschen  zukommenden  Bandstreifens  wechselt  sehr;  man  kann  die 
Chorda  obliqua  ganz  vermissen,  sie  kann  sich  auch  verdoppeln.  Über  ihre  morpho- 
logische Bedeutung  herrschen  Meinungsverschiedenheiten.  Forster  (1905)  hält  sie 
einem  accessorischen  Muskelbündel  für  gleichwertig,  welches  ursprünglich  zum 
Flexor  pollicis  longus  hinging. 

Die  stärkeren  Faserzüge  an  der  Rückseite  der  Membrana  interossea,  welche  von  der  L'lna 
zum  Radius  absteigen,  bezeichnet  Forster  als  Chorda  obliqua  antebrachii  posterior;  sie  sollen 
gleichwertig  mit  einem  Muskelbündel  des  M.  abduetor  pollicis  longus  sein. 

g)  Articulatio  radio-ulnaris  distalis. 

Als  Pfanne  für  das  Köpfchen  der  Ulna  mit  seiner  Circumferentia  articularis 
dient  die  Incisura  ulnaris  radialis  und  eine  von  ihr  ausgehende  dreiseitige  Bandscheibe, 
Discus  articularis2)  {200),  welche  aus  eng  verfilzten!  Bindegewebe  besteht,  dem  einige 
Knorpclzellen  beigemischt  sind.  Einerseits  geht  sie  vom  unteren  Rand  der  Incisura 
ulnaris  nulii  aus  und  es  setzt  sich  ihre  distale  Oberfläche  geradezu  aus  dem  Knorpel- 
überzug der  unteren  Radiusfläche  fort,  andererseits  heftet  sie  sich  mit  einem  Strang 
an  der  Wurzel  des  Griffelfortsatzes  der  Tina  an,  mit  einem  anderen  an  diesem  selbst. 
Der  Raum  zwischen  beiden  Strängen  wird  von  einem  lockeren,  gefäßreichen  Binde- 
gewebe ausgefüllt 3). 

In  einer  Reihe  von  Fällen  (ca.  40",,.  Testut)  besitzt  der  Discus  eine  schlitz- 
förmige Spalte,  welche  in  (las  Handgelenk  hineinführt.  Der  Discus  ist  in  der  Mitte 
am  dünnsten;  bei  alten  Leuten  kann  er  dort  von  einem  Luch  durchbrochen  sein  (Fick). 

Die  Axtikulationsebene  des  Gelenkes  ist  im  stumpfen  Winkel  geknickt,  cm  Teil 
vertikal,  /wischen  Incisura  ulnaris  radii  und  Circumferentia  articularis  ulnae.  der 
andere  schräg  medianwärts  abfallend  zwischen  der  Endfläche  der  Ulna  und  ihr  oberen 
Fläche  der   Randscheibe   (M.-H.). 

Die  Kapsel  isl  schlaff,  aber  stark.  Sie  ist  an  ihn  Knorpelrändern  und  am  Rande 
des  Discus  angeheftet;  sie  hängt  direkt  mit  der  des  Handgelenkes  zusammen.  Nur 
nach  oben,  /wischen  den  beiden  l  nterarmknochen  überschreitet  sie  den  Knorpel- 
rand   mit    einem   blindsackähnlichen   Fortsatz,    Recessus  saeeiformis.     Synovial- 

')  Chorda   transversa. 

2)   Meniscus. 

:1)   Daher  der  Name:   Ligamentum  suberuentum. 


126  Handwurzelknochen. 

zotten  sind  in  individuell  verschiedener  Menge  vorhanden.  Präparierbare  Verstär- 
kungsbänder existieren  nicht.     Der  M.  pronator  quadratus  wirkt  als  Kapselspanner. 

Arterien  und  Nerven  werden  von  den  A.  und  Nn.  interossei  dorsales  und  volares 
geliefert. 

Das  distale  Radioulnargelenk  vervollständigt  das  proximale  in  seiner  Wirkung. 
Beide  legen  vereint  den  Radius  bald  schräg  gekreuzt  über  die  Ulna,  bald  diesem  Knochen 
parallel.  Die  erstere  Bewegung  bezeichnet  man  als  Pronation,  die  letztere  als  Supi- 
nation.  Steht  der  Radius  in  der  Diagonale,  dann  muß  natürlich  die  Entfernung 
vom  Oberarm  bis  zu  den  Fingerspitzen  etwas  kürzer  sein,  als  wenn  er  der  Ulna  parallel 
steht,  was  man  in  der  Tat  leicht  nachweisen  kann,  wenn  man  die  Länge  das  eine  Mal 
in  Pronation,  das  andere  Mal  in  Supination  mißt.  Obgleich  es  auf  den  ersten  Blick 
verwundern  könnte,  so  ist  doch  die  Pronationsstellung  die  ungezwungene  und  natür- 
liche, in  welcher  man  unbewußt  verharrt,  wenn  nicht  ein  besonderer  Wülensakt  den 
Unterarm  die  Supinationsstellung  einnehmen  läßt. 

Die  Achse  für  die  Rotationsbewegung  geht  proximal  durch  den  Mittelpunkt 
des  Radiusköpfchens,  distal  durch  den  des  Köpfchens  der  Ulna  und  es  schwingt  sich 
das  untere  Ende  des  Radius  um  das  letztere  Ende  herum,  wobei  die  am  Radius  be- 
festigte Hand  dessen  Drehungen  passiv  folgt.  Die  alte  Streitfrage,  ob  sich  die  Ulna 
an  der  Pronations-  und  Supinationsbewegung  beteiligt,  entscheidet  Hultkrantz 
(1897)  dahin,  daß  dies  eigentlich  nicht  der  Fall  ist.  Geringe  Bewegungen  der  Ulna 
scheinen  Wackelbewegungen  zu  sein,  hervorgerufen  durch  die  Ungenauigkeit  der 
Gelenkflächen  und  durch  die  Muskelaktionen.  Reine  Pronations-  und  Supinations- 
bewegung im  Bereich  der  Unterarmknochen  werden  für  gewöhnlich  nur  bei  gebeugtem 
Ellbogengelenk  ausgeführt,  bei  gestrecktem  wird  auch  die  Torsionsmöglichkeiti  im 
Oberarmgelenk  mit  herangezogen.  Will  man  deshalb  die  beiden  bei  einer  klinischen 
Untersuchung  sicher  voneinander  trennen,  dann  muß  man  die  Prüfung  bei  gebeugtem 
Ellbogengelenk  vornehmen. 

Praktische  Bemerkungen.  Bei  Brüchen  der  beiden  Unterarmknochen  ist  es  von 
Wichtigkeit,  bei  der  Heilung  eine  Verwachsung  der  beiden  unter  sich  zu  vermeiden,  welche  da- 
durch begünstigt  wird,  daß  die  beiden  Pronatoren  bestrebt  sind,  die  Bruchenden  beider  Knochen 
vermöge  ihrer  Insertionsverhältnisse  einander  zu  nähern.  Vom  anatomischen  Standpunkt  ist 
es  am  zweckmäßigsten,  den  Verband  in  der  Mittelstellung  anzulegen,  da  in  dieser  die  Knochen 
weiter  voneinander  entfernt  sind,  als  bei  der  oft  gewählten  reinen  Supinationsstellung  (Fick  1911). 

Isolierte  Luxationen  des  unteren  Radioulnargelenkes  werden  nicht  häufig  beobachtet, 
meist  sind  sie  mit  Brüchen  der  Unterarmknochen  verbunden. 

h)  Knochen  der  Hand. 

a)  Handwurzelknoehen,  Ossa  carpi. 

Die  Carpalknochen  (186 — 193)  sind  in  zwei  Reihen  angeordnet,  einer  proximalen 
und  einer  distalen.  Die  erstere  Reihe  ist  bogenförmig  gestaltet  (194),  und  es  verbindet 
sich  mit  der  Konvexität  des  Bogens  der  Unterarm,  während  in  die  Konkavität  die 
distale  Reihe  eingreift.  Diese  steht  ihrerseits  wieder  mit  den  Metatarsalknochen  in 
Verbindung.  Die  Namen  der  Handwurzelknochen  sind  von  der  Daumenseite  aus 
gezählt : 

Proximale  Reihe:  Kahnbein,  Os  naviculare  manus1),  Mondbein,  Os 
lunatum2),  Pyramidenbein,  Os  pyramidale3),  Erbsenbein,  Os  pisiforme4). 


1)   Os  scaphoideum.       2)   Os  semilunare. 

3)  Os  triquetrum,   trianguläre,   cuneiforme. 

4)  Os  subrotundum,  rotundum,  articulare. 


Handwurzelknochen.  12  ■ 

Distale  Reihe:  Großes,  vieleckiges  Bein,  Os  trapezium  '),  kleines, 
vieleckiges  Bein,  Os  trapezoides2),  Kopfbein,  Os  capitatum 3),  Haken- 
bein, Os  hamatum  '). 

Schon  aus  der  Aufzählung  geht  hervor,  daß  die  Handwurzelknochen  in  mehr- 
facher Hinsicht  von  dem  oben  (S.  105)  gegebenen  Schema  abweichen.  Die  proximale 
Reihe  läßt  allerdings  im  Kahnbein  das  Os  radiale,  im  Mondbein  das  Os  intermedium, 
im  Pyramidenbein  das  Os  ulnare  erkennen,  das  Erbsenbein  aber  ist  diesem  letzteren 
an  seiner  volaren  Seite  aufgesetzt.  Über  seine  Bedeutung  gibt  es  verschiedene  An- 
sichten, am  wahrscheinlichsten  ist  es  als  ein  in  der  Sehne  des  M.  flexor  carpi  ulnaris 
liegendes  Sesambein  zu  betrachten.  Ein  Os  centrale  vermißt  man,  dieser  Knochen 
wird  allerdings  während  der  Entwickelung  angelegt,  verschmilzt  jedoch  frühzeitig 
mit  dem  Kahnbein.  Die  distale  Reihe  der  Ossa  carpalia  müßte  fünf  Knochen  enthalten, 
sie  enthält  ihrer  aber  nur  vier,  da  das  Hakenbein  zwei  der  im  Schema  getrennten 
Knochen  in  sich  vereinigt. 

Betrachtet  man  für  einen  Augenblick  jeden  der  Handwurzelknochen  (abgesehu* 
vom  Erbsenbein)  als  einen  Würfel,  dann  kann  man  sagen,  daß  er  die  eine  Seite  dem 
Handrücken,  die  andere  der  Hohlhand  zuwendet;  beide  sind  rauh  und  werden  von 
Gefäßlöchern  durchbohrt.  Eine  dritte  und  vierte  Seite  ist  überknorpelt  und  dient 
zur  Verbindung  einerseits  mit  dem  Unterarm,  andererseits  zu  der  zwischen  beiden 
Reihen  der  Handwurzclknochen  selbst  und  drittens  zu  der  mit  den  Metacarpalknoelun; 
eine  fünfte  und  sechste  Seite  vermittelt  den  Zusammenhang  der  in  jeder  Reihe  liegen- 
den Knochen  unter  sich.  Auch  diese  Seiten  sind  überknorpelt,  nur  an  dem  radialen 
und  ulnaren  Rand  der  Handwurzel  ist  dies  nicht  der  Fall,  dort  gehen  die  Dorsal-  und 
Volarliächen  der  abschließenden  Knochen  durch  rauhe  Seitenflächen  ineinander  über. 

In  Wirklichkeit  weicht  freilich  die  Form  der  einzelnen  Handwurzelknochen 
nicht  unbeträchtlich  von  der  eines  Würfels  ab. 

Das  Kahnbein  (186)  ist  an  der  dem  Radius  zugekehrten  Seite  konvex,  an 
der  dem  Kopfbein  zugekehrten  konkav  gewölbt.  Dem  Trapezbein  wendet  es  eben- 
falls eine  konkave  Seite  zu,  an  der  volaren  Seite  des  Knochens  schließt  sich  an 
diese  letztere  Gelenkfläche  ein  glatter  Vorsprang  an,  Tuberositas 5)  ossis  navi- 
cularis.  Die  dorsale  Fläche  ist  auf  eine  schmale,  zwischen  den  Gelenkflächen 
verlaufende  rauhe  Furche   reduziert. 

Das  Mondbein  (/<S7)  ist  ebenfalls  konvex-konkav  gestaltet,  es  steht  einerseits 
mit  dem  Radius,  andererseits  mit  dem  Kopfbein  in  Verbindung.  Die  übrigen  Seiten 
bieten  nichts  Bemerkenswertes,  nur  ist  die  dorsale  {195)  beträchtlich  kleiner  als 
die  volare. 

Da>  Pyramidenbein  (188)  trägt  seinen  Namen  mit  Recht,  seine  Gelenkflächen 
wenden  sich  dem  Hakenbein  und  dem  Mondbein  zu.  Außerdem  befindet  sich  an  seiner 
volaren   Seite  noch   eine  rundliehe   Gelenkfläche,   auf  welcher  das   Erbsenbein   ruht. 


')  ('s  trapezoides,  rhomboides,  multangulum  majus. 

'-)   Os    trapezium    minus,    pyramidale,    multangulum    minus.      hie   oben    benutzten    Namen 
<  >s  trapezium  und  trapezoides  erweisen  sich  praktischer  als  die  von  der  Nomenklaturkommission 

\  1  irgeschlagenen  ;  (  's  multangulum  majus  und  minus,  da  sieh  von  diesen  keine  Zusammensetzungen 

bilden  lassen,  wie  man  sie  bei  den   Bändern  gelegentlich  nötig  hat. 
3)  Os  magnum. 
')  Os  uneiforme,  euneiforme. 
5)  Tuberculum. 


128  Handwurzelknochen. 

Das  Erbsenbein  (189)  ist  rundlich,  mit  einer  Gelenkfläche  für  das  Pyra- 
midenbein versehen.  Es  ist  an  der  Ulnarseite  der  Handwurzel  leicht  durch  die  Haut 
zu  fühlen. 

Am  Trapezbein  (190)  ist  die  sattelförmige  Gelenkfläche  für  den  Metacarpal- 
knochen  des  Daumens  besonders  charakteristisch.  Seine  übrigen  Gelenkflächen 
wenden  sich  gegen  das  Kahnbein  und  das  Trapezoidbein.  Auch  mit  dem  zweiten 
Metacarpalknochen  steht  eine  Facette  in  Verbindung.  Die  Rückseite  trägt  an  der 
ulnaren  und  radialen  Ecke  je  einen  kleinen  Höcker,  die  Volarseite  einen  starken 
Vorsprung,  Tuberositas1),  daneben  eine  tiefe  Furche  für  die  Sehne  des  M.  flexor 
carpi  radialisä 

Das  Trapezoidbein  (191)  ist  der  kleinste  Handwurzelknochen ;  er  trägt  Gelenk- 
flächen für  das  Trapezbein,  Kahnbein,  Kopfbein  und  den  zweiten  Mittelhandknochen. 

Das  Kopfbein  (192)  ist  der  größte  Handwurzelknochen.  Sein  gerundeter 
Kopf,  Capitulum,  liegt  in  der  Höhlung  des  Kahn-  und  Mondbeines  (194).  Er  ist 
durch  einen  eingeschnürten  Hals  vom  Körper  des  Knochens  abgesetzt.  Sein  distales 
Ende  trägt  eine  Gelenkfläche  zur  Verbindung  mit  dem  dritten  Metacarpalknochen,  an 
der  radialen  Seite  findet  man  eine  solche  für  das  Trapezoidbein  und  eine  Facette  für 
den  zweiten  Mittelhandknochen,  an  der  ulnaren  für  das  Hakenbein  nebst  einer 
Facette  für  den  vierten  Mittelhandknochen. 

Das  Hakenbein  (193)  artikuliert  mit  Pyramidenbein,  Mondbein,  Kopfbein  und 
dem  vierten  und  fünften  Mittelhandknochen.  Es  zeichnet  sich  besonders  aus  durch 
seinen  Haken,  Hamulus2),  einen  platten  Fortsatz  mit  radial  konkaver,  ulnar 
konvexer   Seite. 

Wie  oben  schon  erwähnt  wurde,  büden  die  Handwurzelknochen  zwei  Reihen, 
von  welchen  die  proximale  bogenförmig  gekrümmt  ist.  In  die  Höhlung  des  Bogens 
legt  sich  Kopf-  und  Hakenbein.  Die  beiden  anderen  Knochen  der  distalen  Reihe, 
Trapez-  und  Trapezoidbein  haben  mit  dem  Bogen  nichts  zu  tun,  sie  sind  seitlich  an 
die  proximale  Reihe  angesetzt  (194).  Außerdem  besitzt  die  Dorsalfläche  der  Hand- 
wurzel im  ganzen  eine  konvexe,  die  Volarfläche  eine  konkave  Krümmung.  Die 
Krümmung  ist  an  sich  gerade  nicht  bedeutend,  die  Konka'vität  der  Volarseite  wird 
aber  erheblich  vertieft  durch  die  vorspringenden  Eminentiae  carpi  (194),  unter 
welchem  Namen  man  an  der  radialen  Seite  die  Tuberositäten  des  Kahnbeines  und 
des  Trapezbeines,  an  der  ulnaren  Erbsenbein  und  Haken  des  Hakenbeines  versteht. 
Die  so  entstehende  grubenartige  Vertiefung  nennt  man  Sulcus  carpi;  sie  wird  durch 
ein  die  Eminentiae  verbindendes  Band  zum  Canalis  carpi  ergänzt. 

Die  Struktur  der  Handwurzelknochen  ist  eine  zart  spongiöse.  Ihr  Periost  wird 
an  vielen  Stellen  durch  Bänder  erheblich  verstärkt.  Jeder  Handwurzelknochen  erhält 
mehrere  Arterien  aus  dem  Rete  carpeum.  Die  stärksten  treten  von  der  Dorsalseite 
heran  und  gelangen  nur  dort  in  sie  hinein,  wo  sich  keine  Bänder  anheften,  sondern 
wo  sie  nur  von  Periost  überzogen  sind. 

Ent wickelung.  Alle  Handwurzelknochen  sind  zur  Zeit  der  Geburt  knorpelig;  sie  ver- 
knöchern meist  von  einem  einzigen  Knochenkern  aus,  doch  sind  auch  gelegentlich  fast  in  allen 
zwei  Kerne  beobachtet  worden,  welche  dann  in  der  Folge  zusammenfließen.  Nach  Pryor  (1908) 
treten  bei  weiblichen  Kindern  die  Knochenkerne  früher  auf,  als  bei  männlichen.  Im  Laufe  des 
ersten  Lebensjahres  erscheinen  sie  erst  im  Os  capitatum,  dann  im  hamatum;  im  zweiten  bis  dritten 
Jahr  folgt  das  Os  pyramidale,  ein  Jahr  später  das  lunatum;  wieder  ein  Jahr  später  das  navicu- 


*)  Tuberculum. 

2)   Processus  hamatus,  Proc.  uncinatus. 


Mittelhandknochen.  129 

larc.  Im  Os  trapezium  und  trapezoides  erscheinen  die  Kerne  zwischen  viertem  und  sechstem  Jahr, 
im  pisiforme  zuletzt,  um  das  10. — 12.  Jahr  herum.  Der  Haken  des  Hakenbeines  beginnt  eben- 
falls erst  um  diese  Zeit  zu  verknöchern,  er  besitzt  zuweilen  einen  besonderen  Knochenkern,  welcher 
eventuell  dauernd  isoliert  bleiben  kann. 

Yarie täten.  In  seltenen  Fällen  hat  man  Verwachsungen  von  Handwurzelknochen  be- 
obachtet. Eine  Vermehrung  derselben  ist  dagegen  häufig;  dabei  handelt  es  sich  um  ein  Isoliert- 
bleiben des  Os  centrale  und  um  die  Teilung  von  Handwurzelknochen  dadurch,  daß  Knochen- 
kerne, welche  normalerweise  zusammenfließen,  getrennt  bleiben.  Allerdings  hat  man  sich  davor 
zu  hüten,  alte  Brüche  eines  Handwurzelknochens  für  eine  ursprüngliche  Teilung  zu  halten. 
Pfitzner  (1895)  stellt  in  einer  sorgfältigen  Arbeit  alle  bisher  beobachteten  Varietäten  zu- 
sammen. 

ß)  Mittelhandknochen,  Ossa  metacarpi. 

Die  fünf  Mittelhandknochen  {194,  19-5)  sind  Röhrenknochen  mit  einem  schlan- 
keren Mittelstück  und  zwei  verdickten  Enden.  Das  proximale  heißt  Basis,  das 
distale  Capitulum.  Die  Knochen  sind  im  ganzen  leicht  volarwärts  gekrümmt,  eine 
Krümmung,  welche  dadurch  verstärkt  ist,  daß  das  Mittelstück  an  seiner  volaren  Seite 
vom  Capitulum  überragt  wird. 

Die  Mittclhandknochen  der  vier  dreigliederigen  Finger  sind  im  wesentlichen 
gleich  gestaltet.  Ihre  Basen  tragen  je  eine,  eventuell  auch  zwei  Gelenkflächen  zur 
Artikulation  mit  den  Knochen  der  distalen  Handwurzelreihe  und  an  den  einander 
zugewandten  Seiten  ebenfalls  überknorpelte  Flächen  zur  Artikulation  mit  dem  benach- 
barten Metacarpalknochen.  Distal  von  diesen  bemerkt  man  Grübchen  zum  Ansatz 
von  Bändern.  Die  Basis  des  zweiten  Mittelhandknochens  ist  tief  eingeschnitten  und 
zweizackig,  die  dorsale  Seite  des  dritten  ist  mit  einer  radial  vorragenden  Zacke  ver- 
sehen, Processus  styloideus  (195),  an  welche  sich  der  M.  extcnsor  carpi  radialis 
brevis  anheftet.  Die  Basis  des  fünften  Mittelhandknochens  trägt  an  ihrer  freien 
ulnaren  Seite  einen  stumpfen  Höcker. 

Vi  in  der  dorsalen  Seite  der  Basis  geht  eine  Kante  aus,  welche  sich  auf  dem  Körper 
bald  in  zwei  teilt,  die  bis  zum  Köpfchen  hin  zu  verfolgen  sind;  sie  fassen  eine  glatte, 
zwickeiförmige  Fläche  zwischen  sich.    An  der  Volarseite  findet  das  Umgekehrte  statt. 

Die  Köpfchen  besitzen  eine  nahezu  kugelige  Gelenkflächc,  deren  vorderer  Rand 
in  zwei  Zipfel  ausläuft.  Zu  beiden  Seiten  des  Köpfchens  findet  mau  einen  Eindruck 
zur  Aufnahme  von  Bändern. 

Der  Mittelharidknochen  des  Daumens  trägt  an  seiner  Basis  eine  sattelförmige 
Gelenkfläche,  welche  mit  der  des  Trapezbeines  korrespondiert,  überknorpelte  Seiten- 
flächen sind  nichl  vorhanden.  Wie  der  Mittelhandknochen  des  kleinen  Fingers  besitzt 
auch  der  des  Daumens  an  seiner  freien  Seite  einen  stumpfen  Höcker.  Der  Körper 
isl  dreiseitig  prismatisch  und  es  wird  die  glatte  dorsal  Fläche  jederseits  durch  eine 
Kante  von  der  volaren  getrennt.  Die  Gelenkfläche  des  Köpfchens  ist  mehr  cylindrisch 
gestaltet.  Sie  setzt  sich  volar  in  zwei  besonders  stark  ausgebildete  Zipfel  fort,  auf 
welchen  die  beiden  Sesamheine   (siehe  unten)  artikulieren. 

Dei  Mittelhandknochen  des  Daumens  ist  der  dickste  und  kürzeste,  der  des 
zweiten  Fingers  der  längste;  von  ihm  aus  nehmen  die  übrigen  an  Länge  ab.  Die  ver- 
dickten proximalen  und  distalen  Enden  der  Mittelhandknochen  der  dreigliederigen 
Finger  stoßen  aneinander.  Zwischen  den  verschmächtigten  Körpern  aber  bleiben 
spindelförmig  zugespitzte  Räume,  Spatia  interossea,  welche  durch  Muskeln  aus- 
gefüllt werden. 

Merkel     Anatomie  II.    Skelctlehre.  o 


130  Fingerknochenj     Sesambeine. 

Ihrer  Struktur  nach  sind  die  Mittelhandknochen  typische  Röhrenknochen. 
Die  Ernährungslöcher  der  Körper  liegen  im  zweiten  bis  fünften  am  Daumenrand 
und  führen  in  proximalwärts  gerichtete  Kanäle,  im  Körper  des  ersten  liegt  das  Foramen 
nutricium  am  Kleinfingerrand  und  geht  in  einen  distalwärts  gerichteten  Kanal  über. 

y)  Fingerknochen,  Phalanges. 

Die  Fingerknochen  (194,  195)  sind,  wie  bekannt,  am  zweiten  bis  fünften  Finger 
drei,  am  Daumen  zwei  an  Zahl.  Sie  sind  wie  die  Mittelhandknochen  Röhrenknochen  und 
ähneln  diesen  auch  in  ihrer  ganzen  Erscheinung.  Man  unterscheidet  sie  als  Grund- 
phalanx, Mittelphalanx  und  Endphalanx.  Dem  Daumen  fehlt  die  Mittel- 
phalanx. Nach  der  Fingerspitze  zu  werden  die  Phalangen  immer  kürzer  und  dünner. 
Ihre  Körper  sind  sämtlich  wie  die  Mittelhandknochen  der  Länge  nach  dorsal  konvex, 
volar  konkav  gebogen.  Die  Konkavität  wird  noch  dadurch  verstärkt,  daß  sowohl  das 
proximale,  wie  das  distale  Ende  volarwärts  vorspringt.  Die  Dorsalfläche  ist  außerdem 
in  transversaler  Richtung  gewölbt,  die  volare  Fläche  plan  oder  leicht  konkav.  Letztere 
wird  beiderseits  von  einer  rauhen  und  scharfen  Kante  zum  Ansatz  der  Scheidenbänder 
gegen  die  Dorsalfläche  abgegrenzt. 

Die  Basis  der  Grundphalangen  besitzt  ein  flach  gehöhltes  Gelenkgrübchen,  der 
Kopf  eine  querliegende,  in  der  Mitte  vertiefte  Rolle,  Trochlea.  Ihr  entspricht  eine 
Pfanne  an  der  Basis  der  Mittelphalanx,  welche  mit  einer  Führungsleiste  versehen  ist, 
die  in  die  Vertiefung  der  Rolle  der  Grundphalanx  eingreift.  Distales  Ende  der  Mittel- 
phalanx und  proximales  der  Endphalanx  artikulieren  in  gleicher  Weise.  Das  distale 
Ende  der  Endphalanx  ist  zu  einer  breiten  Platte  umgewandelt,  welche  an  ihrem  freien 
Ende  von  einem  rauhen  Saum  umgeben  ist,  der  oft  mit  spitzen,  proximalwärts  ge- 
richteten Zacken  den  Seitenrand  der  Phalange  überragt,  Tuberositas  unguicularis. 
Vertiefungen  zu  beiden  Seiten  der  Köpfchen  der  Grund-  und  Mittelphalangen  sind 
zur  Aufnahme  von  Bändern  bestimmt. 

Die  Länge  der  einzelnen  Finger  im  Verhältnis  zu  den  anderen  Fingern  derselben 
Hand  ist  im  ganzen  ziemlich  konstant.  Der  Mittelfinger  ist  am  längsten,  dann  folgen 
4,  2,  5,  i.  Die  Länge  von  4  und  2  differiert  oft  nur  wenig.  Die  relative  Länge  der 
Grundphalangen  ist:  3,  4,  2,  5,  1,  der  Mittelphalangen  3,  4,  2,  5,  die  Endphalangen 
sind  sehr  verschieden  lang  (Braune  und  Fischer  1887). 

Die  Ernährungslöcher  haben  eine  unbeständige  Lage  auf  der  Volarfläche;  die 
Kanäle,  in  welche  sie  führen,  sind  distalwärts  gerichtet   (M.-H.). 

Sesambeine,  Ossa  sesamoidea. 

Die  Sesambeine  (194)  führen  ihren  Namen  von  den  Samenkörnern  des  Sesams, 
denen  sie  hier  an  der  Hand  an  Größe  und  Form  nicht  unähnlich  sind.  Sie  gehören 
dem  Skelet  im  engeren  Sinne  nicht  an,  da  sie  knöcherne  Einlagerungen  in  Sehnen 
darstellen.  Beim  Menschen  und  den  ihm  nahestehenden  Säugern  sind  sie  als  in  Rück- 
bildung begriffen  anzusehen.  Bei  niederen  Säugetieren  sind  sie  weit  besser  ausge- 
bildet. Ihrer  zwei  finden  sich  regelmäßig  auf  der  Volarseite  des  Köpfchens  des  Mittel- 
handknochens des  Daumens.  Auch  den  übrigen  Fingern  gehören  nach  Pfitzner 
(1892)  ursprünglich  zwei  solche  an,  ein  radiales  und  ein  ulnares.  Doch  sind  sie  in 
Wirklichkeit  sehr  variabel  und  können  an  den  dreigliederigen  Fingern  ganz  fehlen. 
Das  ulnare  Sesambein  des  kleinen  Fingers  kommt  in  76,5  %  der  Fälle,  das  radiale 
des  Zeigefingers  in  45,9  %  vor.  Alle  übrigen  sind  selten.  In  der  Kapsel  des  Inter- 
phalangealgelenkes  des  Daumens  ist  ein  Sesambein  häufig,  dreimal  wurde  ein  solches 


Gelenke  und  Bänder  an  der  Handwurzel.  131 

im    distalen    Interphalangealgelenk    des   Zeigefingers   gefunden,    an    anderen    Finger- 
gelenken hat  man  sie  nicht  gesehen. 

Entwickelung  (270,  271).  Die  Elitwickelung  im  Schaft  der  Mittelhandknochen  und  der 
Phalangen  erfolgt  allenthalben  ganz  in  gleicher  Weise  und  zur  Zeit  der  Geburt  sind  nur  die  beiden 
Enden  derselben  noch  knorpelig.  Im  weiblichen  Geschlecht  erscheinen  nach  Prvor  (1906)  die  Epi- 
physen  früher  als  im  männlichen,  und  es  ist  die  Schlußentwickclung  der  weiblichen  Hand  der  der 
männlichen  um  etwa  zwei  Jahre  voraus.  Die  Kerne  in  den  Mittelhandknochen  beginnen  in  der 
neunten  Woche  aufzutreten,  in  den  Phalangen  erst  um  die  Mitte  des  dritten  Fetalmonats.  Eine  Aus- 
nahme macht  die  Endphalanx  des  Daumens,  deren  Kern  schon  um  die  siebente  bis  achte  Fetalwoche 
auftritt.  Der  erste  Kern  der  Mittclhandknochcn  ist  der  des  zweiten  Fingers,  dann  folgen  dritter, 
vierter,  fünfter  und  zuletzt  erster.  Bei  den  Grundphalangen  ist  die  Reihenfolge:  3,  4,  2,  5,  1; 
bei  den  Mittclphalangcn  ebenso,  natürlich  abgesehen  vom  Daumen,  dem  die  Mittelphalanx  fehlt. 
Bei  den  Endphalangen  eröffnet  die  Reihe,  wie  gesagt,  der  Daumen.  In  den  Endphalangen  er- 
scheint der  Diaphysenkern  nicht  in  der  Mitte  des  Schaftes,  wie  sonst  in  den  Röhrenknochen, 
sondern  am  distalen  Ende.  Man  bekommt  dadurch  den  Eindruck,  als  sei  bei  ihnen  nur  die  proxi- 
male Hälfte  der  knorpeligen  Phalanx  zur  Ausbildung  gekommen  (M.-H.).  Epiphvsenkerne  treten 
in  dem  distalen  Ende  der  Mittelhandknochen  und  umgekehrt  im  proximalen  der  Phalangen  im 
zweiten  bis  dritten  Jahr  auf.  Eine  bemerkensw-erte  Ausnahme  macht  der  Metacarpus  des  Daumens, 
welcher  sich  hierin  wie  eine  Fingerphalanx  verhält.  Dies  hat  Veranlassung  gegeben,  ihn  für  die 
eigentliche  Grundphalanx  zu  halten  und  anzunehmen,  daß  diesem  Finger  ein  Metacarpalknochen 
gänzlich  fehle.  Trotzdem,  daß  auch  die  Form  des  ganzen  Knochens  in  der  Fetalzeit  sehr  an  die 
einer  Phalange  erinnert,  ist  eine  solche  Annahme  doch  unrichtig.  Die  vergleichende  Anatomie 
erweist,  daß  ursprünglich  den  Metacarpalknochen  ein  proximaler  und  distaler  Epiphysenkern 
zukommt,  von  welchen  beim  Menschen  jedoch  einerseits  der  distale,  andererseits  der  proximale 
allein  zur  Ausbildung  kommt.  Ausnahmsweise  erhält  auch  der  zweite  Mittelhandknochen  einen 
bald  mit  der  Diaphyse  verschmelzenden  proximalen  Knochenkern  und  am  Daumen  ist  ein  rudi- 
mentärer, distaler  Epiphysenkern  ganz  gewöhnlich.  Derselbe  entsteht  aber  nicht  gesondert, 
sondern  wird  von  der  Diaphyse  aus  pilzförmig  in  das  Köpfchen  hinein  vorgetrieben  (M.-H.).  Man 
hat  anzunehmen,  daß  das  Mittelglied  des  Daumens  aus  einer  Verschmelzung  zweier  Phalangen 
hervorgegangen  ist.  Die  Verschmelzung  der  Epiphysen  und  Diaphysen  erfolgt  allenthalben 
um  das  15. — 20.   Lebensjahr. 

Die  Sesambeine  sind  beim  Fetus  zahlreicher,  als  beim  ausgebildeten  Menschen  (Thile- 
111  us).     Ihre  Verknöcherung  erfolgt  meist  im  13. — 14.  Lebensjahr. 

Varietäten.  Die  Stellung  der  Fingerglieder  kann  abnorm  sein,  sie  können  dorsal,  volar 
und  seitlich  abweichen.  Die  meisten  Varietäten  der  Mittelhandknochen  und  Fingerglieder  bestehen 
in  Lritwickehmgsstörungcn.  Sie  können  im  ganzen  oder  im  einzelnen  die  Norm  überschreiten, 
sie  können  umgekehrt  auch  zu  kurz  werden  (Brachydaktylie).  Man  findet  ein  Fehlen  oder  eine 
verkümmerte  Ausbildung  größerer  oder  kleinerer  Teile  des  Handskeletes.  Verdoppelungen  werden 
vielfach  beobachtet,  eine  solche  der  ganzen  Hand  ist  freilich  eine  sehr  große  Seltenheit.  Ver- 
vielfältigungen einzelner  Finger  aber  sind  häufig,  am  häufigsten  findet  man  sechs  Finger  an  einer 
Hand,  manchmal  auch  sieben.  Mehr  Finger,  bis  zu  zehn,  sind  große  Raritäten,  welche  meist 
nur  in  CcsclLschaft  mit  anderen  Bildungsfehlern  beobachtet  werden.  Die  überzähligen  Finger 
sitzen  gewöhnlich  am  radialen  oder  ulnaren  Rande  der  Hand.  Von  einem  skeletlosen  Haut- 
anhang bis  zu  einem  richtigen  Finger,  selbst  mit  Metacarpus,  kommen  alle  Übergänge  vor.  Daß 
einer  der  übrigen  Finger  verdoppelt  ist,  ist  selten.  Fälle  von  Überzahl  der  Finger  kennen  nicht 
als  Stützen  für  die  Hypothese  einer  scchsh'ngcrigcn  1'ihand  benutzt  werden,  es  zeigt  sich  viel- 
mehr stets,  daß  es  sich  lediglich  um  eine  Spaltung  von  l''ingerstrahlen  handelt,  welche  eigentlich 
in  normaler  Zahl  vorhanden  sind.  Ebenso  wie  Spaltungen,  finden  sich  auch  Verwachsungen 
von  Fingern.  —  Einzelne  Phalangen  können  fehlen,  sie  können  auch  in  dei  I  berzahl  vorhanden 
sein,    besonders   gilt    letzteres    für   den    Hauinen,    welcher   >\.\\\\\   drei    Glieder   besitzt.      Line   solche 

Varietät    spricht    ohne  weiteres  gegen  die  Auffassung  des  Metacarpus  des  Daumens  als  Grund- 
phalanx,   denn   er   ist   dabei   als  vollkommen   normaler   Mittelhandknochen   ausgebildet. 

i)  Gelenke  und  Bänder  an  der  Handwurzel. 

Die  Gelenke  an  der  Handwurzel  gehören  vom  Unterarm  bis  zu  den  Basen  der 
Mittelhandknochen  anatomisch  und  physiologisch  auf  das  Engste  zusammen,  sie  stehen 

9* 


132  Gelenke  und  Bänder  an  der  Handwurzel. 

zumeist  untereinander  in  offener  Verbindung  und  wichtige  Hilfsbänder  erstrecken  sich 
über  größere  Teile  der  Handwurzel  hin.  Im  einzelnen  pflegt  man  folgende  Gelenke 
zu  beschreiben:  i.  Radiocarpalgelenk,  Articulatio  radiocarpea,  2.  Intercarpalgelenk, 
Articulatio  intercarpea,  3.  Carpometacarpalgelenk ,  Articulatio  carpometacarpea, 
4.  Daumencarpalgelenk,  Articulatio  carpometacarpea  pollicis,  5.  Erbsenbeingelenk, 
Articulatio  ossis  pisiformis.  Dazu  kommen  noch  die  Gelenke,  welche  die  Knochen 
der  beiden  Reihen  der  Handwurzel  in  querer  Richtung  miteinander  verbinden. 

a)  Articulatio  radiocarpea. 

Der  Gelenkkopf  wird  von  der  proximalen  Reihe  der  Handwurzelknochen  gebildet, 
die  Pfanne  vom  Radius  und  Discus  articularis  (200).  Die  Ulna  ist  ganz  von  der 
Gelenkbildung  ausgeschlossen,  weshalb  auch  die  allein  am  Radius  hängende  Hand 
dessen  Bewegungen  bei  der  Pronation  und  Supination  willenlos  folgen  muß. 

Die  Bandscheibe  geht  wie  eine  Art  Fortsatz  vom  ulnaren  Rand  des  Radius  aus, 
so  daß  also  die  Gelenkfläche  eine  vöUig  ungeteilte  ist.  Sie  verschmälert  sich  nach 
beiden  Seiten  hin,  ihre  größte  Breite  fällt  mit  der  Stelle  zusammen,  an  welcher  Radius 
und  Discus  articularis  zusammenstoßen.  Der  Gelenkkopf  besteht  aus  den  proximalen 
Gelenkflächen  von  Kahnbein,  Mondbein  und  Pyramidenbein.  Sie  werden  durch 
faserknorpelige  Zwischenbänder  (Ligamenta  interossea,  lunato-scaphoideum, 
lunato-pyramidale)  ebenfalls  zu  einer  einheitlichen  Gelenkfläche  vereinigt.  Bei 
der  Ruhestellung  der  Hand  steht  das  Kahnbein  dem  erwähnten  (S.  120)  dreieckigen 
Teil  der  Gelenkfläche  des  Radius  gegenüber,  das  Mondbein  mit  zwei  Dritteln  seiner 
Gelenkfläche  der  viereckigen,  mit  einem  Drittel  dem  Discus ;  das  Pyramidenbein  wendet 
eine  nur  kleine  überknorpelte  Fläche  dem  Ansatz  des  Discus  articularis  am  Processus 
styloideus  ulnae  und  der  Kapsel  zu.  Der  Gelenkkopf  besitzt  eine  in  jedem  Durchmesser 
erheblich  größere  Gelenkfläche,  was  auch  für  die  ungehinderte  Ausführung  der  Be- 
wegungen notwendig  ist. 

Die  Krümmung  der  Gelenkflächen  ist  eine  ellipsoide  und  zwar  beträgt  die  Länge 
des  Krümmungshalbmessers  für  die  radioulnare  Krümmung  der  Pfanne  etwa  4  cm, 
für  die  dorso-volare  etwa  2  cm,  die  Bogenwerte  sind  70 °  und  65 °  (Fick  1904).  Die 
Krümmung  des  Gelenkkopfes  ist  eine  etwas  stärkere.  Die  Gelenkflächen  sind  im  ganzen 
schief  von  proximal  und  ulnar  nach  distal  und  radial  geneigt,  wodurch  die  Möglichkeit 
der  Radialflexion  eine  geringere  wird,  wie  die  der  Ulnarbeugung. 

Der  Knorpelüberzug  des  Radius  wird  ulnarwärts  dicker,  derjenige  der  Carpal- 
knochen  ist  in  der  Mitte  des  Mondbeines  am  dicksten.  Im  ganzen  bewegt  sich  die  Dicke 
um  1  mm  herum.  Die  Kapsel  setzt  sich  allenthalben  dicht  an  den  Rändern  der  Ge- 
lenkknorpel an;  am  kürzesten  und  am  wenigsten  dehnbar  ist  sie  zwischen  Radius 
und  Mondbein.  Sie  ist  geräumig  und  zeigt  sich  volar  stärker  als  dorsal.  Von  der 
hinteren  Wand  und  der  ulnaren  Ecke  aus  ragen  Falten  in  die  Gelenkhöhle  hinein, 
von  der  vorderen  und  hinteren  Wand  springen  sagittale,  frenulumartige  Bänder 
mit  konkavem  Rand  im  Zusammenhang  mit  den  Ligamenta  interossea  der  Hand- 
wurzelknochen in  die  Gelenkhöhle  vor  (He nie).  Die  Gelenkhöhle  besitzt  auch  Aus- 
buchtungen, welche  in  Form  und  Größe  wechselnd  zwischen  den  bedeckenden  Bändern, 
besonders  an  der  Rückseite  vortreten   (M.). 

Die  Höhle  des  Radiocarpalgelenks  ist  öfters  mit  benachbarten  Gelenken  in 
Verbindung:  durch  eine  schlitzförmige  Öffnung  des  Discus  mit  dem  distalen  Radio- 
ulnargelenk, ferner  mit  dem  Erbsenbeingelenk  (nicht  selten),  und  mit  den  Intercarpal- 
gelenken. 


Gelenke  und  Bänder  an  der  Handwurzel.  133 

Um  die  Gelenkspalte  aufzufinden,  wird  man  am  besten  von  den  beiden  stets 
leicht  durchzufühlenden  Processus  styloidei  ausgehen.  Der  Gipfel  der  gebogenen 
Gelenklinie  liegt  etwa  i  cm  proximal  von  der  dieselben  verbindenden  Linie.  Da  aber 
die  beiden  Enden  der  Gelenklinie  die  Linie  der  Griffelfortsätze  in  distaler  Richtung 
überschreiten,  so  kann  man  auch  unterhalb  derselben,  besonders  gut  unter  dem  Pro- 
cessus styloideus  ulnac  in  das  Gelenk  gelangen  (Friedrich  1901). 

ß)   Articulatio  interc'arpea. 

Das  Intercarpalgelenk  besitzt  eine  sehr  komplizierte  Form ;  es  besteht  aus  zwei 
Abteilungen,  von  welchen  die  radiale  die  Artikulation  des  Trapez-  und  Trapezoidbeines 
mit  dem  Kahnbein,  die  ulnare  die  Artikulation  des  Kopf-  und  Hakenbeines  mit  den 
sämtlichen  drei  Knochen  der  ersten  Reihe  umfaßt.  Die  Krümmungen  beider  Teile 
sind  ganz  verschiedene,  auch  werden  die  Knochen  der  zweiten  Reihe  innerhalb  jeder 
Abteilung  fester  zusammengehalten,  während  die  beiden  Abteilungen  miteinander 
weniger  fest  verbunden  sind.  Was  die  Krümmung  der  Gelenkflächen  anlangt,  so  ist 
in  der  radialen  Abteilung  die  Gelenkfläche  des  Kahnbeins  konvex,  die  des  Trapez- 
und  Trapezoidbeins  konkav  gewölbt.  In  der  ulnaren  Abteilung  ist  es  umgekehrt; 
dort  bilden  die  distalen  Flächen  von  Kahn-,  Mond-  und  Pyramidenbein  eine  gehöhlte 
Pfanne,  in  welcher  der  konvex  gekrümmte  Gelenkkopf  des  Kopf-  und  Hakenbeines 
gleitet.  An  der  äußersten  ulnaren  Ecke  kehrt  sich  die  Krümmung  wieder  um,  indem 
dort  einer  kleinen  konvexen  Fläche  des  Os  pyramidale  eine  ebenso  kleine  konkave 
Fläi  lie  des  Os  hamatum  gegenübersteht   (M.). 

Von  dieser  Gelenkhöhle  gehen  spaltförmige  Fortsetzungen  aus,  welche  sich 
/wischen  den  planen  Seitenflächen  der  Knochen  beider  Reihen  der  Handwurzel  er- 
strecken.  Proximalwärts  werden  sie  durch  die  erwähnten  (S.  132)  Zwischenknochen- 
bänder abgeschlossen,  auch  distalwärts  finden  sich  solche,  ein  Ligamentum  trapezo- 
trapezoideum,trapczoidco-capitatumundcapitato-hamatum(Fick)  (200). 
Das  erstgenannte  ist  kurz  und  stark,  es  verbindet  die  distal-volaren  Ecken  der  beiden 
Knochen;  das  zweite  ist  nach  der  Ausbildung  der  Gelenkflächen  verschieden  gelagert. 
Das  dritte  zeichnet  sich  durch  seine  Höhe  aus;  es  erfüllt  nicht  den  ganzen  Zwischenraum 
zwischen  den  Seitenflächen  beiden-  Knochen,  dorsal  von  ihm  erstreckt  sich  vielmehr 
die  Gelenkspalte  bis  zum  Carpometacarpalgelenk. 

Der  Knorpelüberzug  im  Intercarpalgelenk  sehwankt  in  seiner  Dicke  zwischen 
0,5  und  1,0  mm.  Sie  wächst  im  ganzen  nach  der  Mitte  der  beiden  (■  1  nkköpfe  hin 
(Werner).  Der  Knorpel  gleicht  Unebenheiten  der  Knochenoberflächen  aus.  Die 
Kapsel  setzt  sich  allenthalben  dicb.1  an  den  Rand  dei  iiberknorpelten  Gelenkflächen 
an.  Im  Innern  der  Gelenkhöhlen  findet  man  zahlreiche  Synovialfalten,  unter  welchen 
sieh  eine  volare  und  eine  dorsale  durch  ihre  Größe  auszeii  hnen.  1  »orsalwärts  gerichb  te 
Divertikel  der  Innenhaut  werden  ebenso  wie  heim  Radiocarpalgelenk  beobachtet. 
Zwischen  ihnen  und  den  benachbarten  Sehnenscheiden  können  Kommunikationen 
entstehen,  welche  für  die  Verbreitung  pathologischer  Ergüsse  von  Bedeutung  sind  (M.). 
Die  Gelenkspalte  liegl  distalwärts  von  den  Processus  styloidei  der  Vorderarmknochen, 
da  wo  die  Hand  eben  beginnt,  sich  zu  verbreitern. 

,)  Articulatio  carpometacarpea, 

Das  Carpometacarpalgelenk  umfaßt  die  Verbindungen  der  distalen  Reihe  der 
Handwurzelknochen    mit    den    Mittelhandknochen   der  dreigliederigen    Finger.     Die 


134  Gelenke  und  Bänder  an  der  Handwurzel. 

Gelenkspalte  ist  ganz  unregelmäßig.  Es  ist  hervorzuheben,  daß  die  Basis  des  zweiten 
Mittelhandknochens  die  breiteste  ist,  während  das  Trapezoidbein,  mit  welchem  sie 
artikuliert,  gerade  der  kleinste  Handwurzelknochen  ist.  Sie  überragt  ihn  daher  auch 
nach  beiden  Seiten  und  stemmt  sich  dort  an  Facetten  des  Trapez-  und  Kopfbeines 
an  (220). 

Die  Gelenkhöhle  ist  sehr  buchtig,  sie  setzt  sich  proximalwärts  in  die  Spalten 
zwischen  den  Knochen  der  zweiten  Handwurzelreihe  fort,  distalwärts  in  die  kleinen 
Gelenkspalten  zwischen  den  einander  zugekehrten  Seitenflächen  der  Basen  der  Mittel- 
handknochen. Ein  besonderer  Typus  der  Überknorpelung  ist  nicht  zu  erkennen 
(Werner).  Die  Dicke  schwankt  zwischen  1/±  und  i  mm.  Auch  in  dieses  Gelenk  ragen 
Synovialfalten  von  der  Kapsel  hinein,  welch  letztere  sich  dicht  an  den  Knorpelrändern 
ansetzt.  Ein  Ligamentum  carpo-metacarpeum  interosseum  durchsetzt  die 
Ausbuchtung  zwischen  dem  dritten  und  vierten  Mittelhandknochen  und  teilt  dadurch 
das  kleine  Gelenk  in  eine  volare  und  eine  dorsale  Abteilung. 

d)   Articulatio  carpometacarpea  pollicis. 

Ist  gegen  das  Carpometacarpalgelenk  der  dreigliederigen  Finger,  mit  dem  es 
niemals  zusammenhängt,  in  einem  Winkel  von  etwa  450  radialwärts  geneigt.  Es  ist 
das  ausgesprochenste  Sattelgelenk  des  Körpers.  Die  Gelenkfläche  des  Trapezbeines 
ist  in  dorsovolarer  Richtung  konvex,  in  radioulnarer  konkav,  die  Gelenkfläche  des 
Metacarpalknochens  umgekehrt.  Der  Gelenkknorpel  hat  eine  Dicke  wie  an  den  übrigen 
Gelenken  der  Handwurzel ;  die  Kapsel  setzt  sich  am  Trapezbein  hart  am  Knorpelrand 
an,  am  Mittelhandknochen,  besonders  ulnar,  bis  zu  5  mm  davon  entfernt  (Henle). 
Wie  es  die  große  Freiheit  des  Gelenkes  verlangt,  ist  sie  weit  und  schlaff.  Eine  in  die 
Gelenkhöhle  vorspringende  ringförmige   Synovialfalte  gleicht  Inkongruenzen  aus. 

a)  Articulatio  ossis  pisiformis. 
Gelenk  zwischen  Erbsenbein  und  volarer  Fläche  des  Pyramidenbeines.  Es 
liegt  zwar  in  der  Nähe  der  beiden  Carpalgelenke,  hat  aber  mit  ihnen  an  sich  nichts 
zu  tun.  Die  Artikulationsebene  ist  ein  sehr  flacher  Kugelabschnitt.  Die  fast  gleich- 
großen Gelenkflächen  sind  mit  dünnem  Knorpel  überzogen;  die  Kapsel  ist  schlaff 
und  zeigt  sich  nicht  ganz  unmittelbar  an  den  Knorpelrändern  angeheftet  (Henle). 
Das  Gelenk  hängt  nicht  selten  mit  einer  Aussackung  am  ulnaren  Rand  des  Radiocarpal- 
gelenkes  zusammen. 

C)  Haftbänder  an  der  Handwurzel. 

Die  Haft-  und  Verstärkungsbänder  haben  die  Aufgabe,  den  Zusammenhang 
der  Handwurzel  mit  dem  Unterarm  zu  sichern,  die  Carpalknochen  selbst  fest  aneinander 
zu  halten  und  mit  den  Mittelhandknochen  zu  verbinden.  Ein  Teil  dieser  Aufgabe 
muß  stets  in  gleicher  Weise,  ein  anderer  Teil  aber  kann  auch  in  individuell  wechselnder 
Weise  gelöst  werden,  woher  es  kommt,  daß  die  Bänder  im  einzelnen  keineswegs  in 
allen  Fähen  ganz  gleich  verlaufen  und  gleich  ausgebildet  sind. 

In  erster  Linie  sind  zu  erwähnen  die  vom  Radius  zur  Handwurzel  ziehenden 
Verstärkungsbänder,  Ligamentum  radiocarpeum  volare1)  und  dorsale2) 
(196,  199).     Sie  entspringen  breit  von  dem  volaren,  beziehungsweise  dorsalen  Rand 


*)  Ligamentum  rectum  et  obliquum. 
2)  Ligamentum  rhomboideum. 


Gelenke  und  Bänder  an  der  Handwurzeli  135 

der  Gelenkfläche  des  Radius  und  von  der  Basis  seines  Griffelfortsatzes.  Das  volare 
Band  teilt  sich  in  mehrere  Züge,  welche  zu  den  drei  Knochen  der  proximalen  Reihe 
und  zum  Kopfbein  gelangen.  Zwischen  ihnen  schieben  sich  divertikelartige  Aus- 
sackungen der  Handgelenkskapsel  vor.  Das  dorsale  Band  sendet  die  Hauptmasse 
seiner  Faserbündel  zum  Os  pyramidale. 

Auch  vom  Processus  styloideus  ulnae  und  dem  Rand  des  Discus  articularis  gehen 
stärkere  oder  schwächere  Bänderzüge  aus,  welche  sich  ausbreitend  zum  Os  hamatum, 
pyramidale  und  capitatum  gelangen :  Ligamentum  ulnocarpeum  (Fick)  (196).  In 
einer  Reihe  von  Fällen  machen  die  volar  gelegenen,  von  beiden  Seiten  schief  zusammen- 
tretenden Fasern  den  Eindruck  eines  bogenförmigen  Bänderzuges,  was  Veranlassung 
gegeben  hat,  von  einem  Ligamentum  carpi  arcuatum  volare  zu  sprechen. 

Zu  beiden  Seiten  findet  man  die  Ligamenta  collateralia,  radiale  und 
ulnare1)  (196),  welche  ebenfalls  von  den  beiden  Griffelfortsätzen  ausgehen.  Das  radiale 
ist  kräftig,  es  setzt  sich  am  Kahnbein  bis  zu  seiner  Tuberosität  herab  an,  das  ulnare 
ist  länger  aber  erheblich  schwächer  als  das  radiale;  es  gelangt  zum  Pyramiden-  und 
Erbsenbein.  In  einer  Reihe  von  Fällen  besteht  es  nur  aus  einer  blätterigen  Binde- 
gewebslage,  in  welcher  sich  nicht  selten  von  Flüssigkeit  erfüllte,  schleimbeutelartige 
Räume  finden  (Henle).  Auf  die  Pronation  und  Supination  können  die  beiden  Kolla- 
teralbänder  keinen  wesentlichen  Einfluß  ausüben,  sie  hemmen  nur  die  Radial-  und 
ülnarflexion. 

Was  die  Bänder  anlangt,  welche  die  einzelnen  Handwurzelknochen  miteinander 
verbinden,  so  sind  dieselben  an  der  Dorsalseite  im  ganzen  einfacher.  Dort  bildet 
das  Pyramidenbein  eine  Art  von  Centralpunkt,  an  welchem  sich  wichtigere  Bänder 
zusammenfinden.  Von  der  Ulna  her  kommen  die  hintersten,  stärksten  Züge  des 
Lig.  collaterale  ulnare,  vom  Radius  das  Lig.  radiocarpeum  dorsale.  Von  ihm  gehen 
Bänderzüge  aus,  welche  zum  Hakenbein  und  Kopfbein  gelangen,  von  ihm  geht  auch 
das  Ligamentum  carpi  arcuatum  dorsale  (Günther)  aus  (199).  Es  zieht  im 
Bogen  zur  radialen  Spitze  des  Kahnbeines  hinüber,  und  es  ruhen  das  Mondbein  und 
der  größte  Teil  des  Kahnbeines  auf  ihm  wie  auf  einer  Schlinge.  Ms  hemmt  die  Dorsal- 
flexion.  Im  übrigen  sind  die  einzelnen  Knochen  durch  die  kurzen  Ligamenta  inter- 
carpea  und  carpometacarpea  dorsalia  miteinander  verbunden.  Der  kräftigen 
Züge,  welche  vom  Pyramidenbein  zum  Haken-  und  Kopfbein  gelangen,  wurde  schon 
gedacht,  von  der  distalen  Seite  des  Lig.  arcuatum  gehen  kräftige  aber  kurze  und  straffe 
Händchen  in  der  Richtung  nach  den  Basen  der  Metacarpalknochen  hin.  Auch  an 
si  hrägen  und  queren  Verbindungen  fehlt  es  nicht.  Im  ganzen  sind  sie  auf  der  Ulnar- 
seite  kräftiger,  als  auf  der  Radialseite. 

An  der  Volarseite  ist  zuerst  des  Ligamentum  carpi  transversum  (196)  zu 
gedenken,  eines  sehr  kräftigen  und  straffen  Band«-,  welchessich  brückenförmig  zwischen 
den  radialen  und  ulnaren  Eminentiae  carpi  (S.  uSi  ausspannt.  An  seiner  der  Haut 
zugekehrten  Fläche  verwächst  es  mit  dem  der  Fascie  angehörigen  Lig.  carpi  volare 
und  der  Sehne  des  M.  palmaris  longus,  an  der  dem  Knochen  zugekehrten  Seitewird 
es  durch  Fasern  der  tiefen  Volarbänder  verstärkt.  Zwischen  ihm  und  den  Handwurzel- 
knochen bleibt  ein  tunnelförmiger  Raum.  (  analis  carpi,  durch  welchen  die  Sehnen 
der  Beugemuskeln,  sowie  Nerven  und  Gefäße  zur  Hand  und  zu  den  Fingern  gelangen 
(M.-H.).  Es  Mehi  in  naher  Beziehung  zu  den  an  der  Handwurzel  entspringenden 
Muskeln. 


'i   Ligamenta  carpi  laterale,  radiale  und  ulnare. 


136  Gelenke  und  Bänder  an  der  Handwurzel. 

Von  den  tiefliegenden  Bändern  (197)  ist  besonders  das  Ligamentum  carpi 
radiatum  hervorzuheben.  Die  centrale  Lage  des  Os  capitatum,  besonders  seines 
Kopfes  und  Halses,  macht  diesen  Knochen  auch  zum  Centralpunkt  für  die  Anheftung 
von  Bänderzügen,  welche  von  seiner  volaren  Fläche  nach  allen  Seiten  hin  ausstrahlen, 
um  sich  an  sämtlichen  Knochen  der  Handwurzel  anzuheften.  Das  Ligamentum  radiatum 
liegt  unmittelbar  auf  den  Kapseln  und  ist  mit  ihnen  verwebt.  Außerdem  werden  auch 
die  übrigen  Knochen  der  Handwurzel'unter  sich  und  mit  den  Basen  der  Mittelhand- 
knochen durch  die  kurzen  Ligamenta  intercarpea  volaria  und  metacarpea 
volaria  verbunden  und  ihre  Gelenkkapseln  durch  sie  verstärkt.  Zwischen  den  Basen 
der  Mittelhandknochen  verlaufen  quer  die  straffen  Ligamenta  basium  oss.  meta- 
carp.  dorsalia,  interossea  und  volaria. 

Die  Kapsel  des  Carpometacarpalgelenkes  des  Daumens  wird  sowohl  volar,  wie 
dorsal  durch  kräftige  Züge,  welche  vom  Trapezbein  zum  Mittelhandknochen  herab- 
ziehen, verstärkt  (196,  197,  199). 

Das  Erbsenbein  ist,  wie  erwähnt,  als  Sesambein  in  die  Sehne  des  M.  flexor  carpi 
ulnaris  eingelagert  (S.  127).  Diese  tritt  an  den  proximalen  Umfang  des  Knochens 
heran  und  setzt  sich  vom  distalen  aus  zu  den  definitiven  Anheftungsstellen  fort.  Diese 
letzteren  Sehnenzüge  aber  führen  den  Namen  von  Bändern,  und  zwar  unterscheidet 
man  ein  kräftiges  Ligamentum  pisometacarpeum  vom  distalen  Rand  des  Erbsen- 
beines zum  Höcker  des  fünften  Mittelhandknochens,  und  ein  noch  stärkeres  Liga- 
mentum pisohamatum,  welches  in  schrägem  Verlauf  zum  Haken  des  Haken- 
beines gelangt,  an  welchem  es  sich  sehr  fest  anheftet   (196,  197). 

Die  Gelenke  und  Bänder  an  der  Handwurzel  beziehen  ihr  Blut  vom  Rete  arti- 
culare  carpi,  welches  seinerseits  von  der  A.  ulnaris,  radialis  und  interossea  vol.  ge- 
speist wird.  Das  Netz  der  Rückseite  ist  das  stärkere.  Äste  der  Aa.  ulnaris  und  radialis 
gelangen  von  beiden  Seiten  her  hinein,  die  A.  interossea  volaris  durchbohrt  die  Mem- 
brana interossea  und  löst  sich  dann  in  dem  dorsalen  Netz  der  Handwurzel  auf.  Das 
volare  Netz  wird  von  feinen  Ästen  der  gleichen  Arterien  und  einem  kleinen  Zweig 
des  tiefen  Hohlhandbogens  versorgt.  Die  Nerven  der  Dorsalseite  werden  vom  N. 
interosseus  dorsalis  und  Ramus  dorsalis  n.  ulnaris  abgegeben,  die  der  Volarseite  vom 
N.  interosseus  volaris  und  vom  tiefen  Ast  des  N.  ulnaris. 

.  Die  Bewegungen  des  Handgelenkes  vollziehen  sich  im  Radiocarpalgelenk  und 
im  Intercarpalgelenk.  Sie  spielen  sich  ab  als  Volar-  und  Dorsalflexion,  als  Ulnar- 
und  Radialflexion  (oder  -Abduktion).  Die  erstgenannte  ist  die  am  meisten,  die  letzt- 
genannte die  am  wenigsten  ausgiebige  Bewegung.  Sind  Volar-  und  Dorsalflexion 
ad  maximum  ausgeführt,  dann  sind  die  Randbewegungen  nicht  mehr  möglich,  welche 
nun  so  gut  es  geht  durch  die  Pronations-  und  Supinationsbewegungen  des  Radius 
ersetzt  werden. 

Über  die  in  Rede  stehenden  Bewegungen  äußert  sich  Fick  (1901)  folgender- 
maßen: „Die  beiden  Handgelenke  stellen  eine  Knochenkombination  dar,  die  an  der 
Leiche  eine  annäherungsweise  allseitige  Beweglichkeit  besitzt  nach  Art  eines  Kugel- 
gelenkes mit  dem  Drehpunkt  in  der  Mitte  des  Kopfbeinkopfes.  Aktive,  d.  h.  will-, 
kürliche  Drehungen  der  Mittelhand  gegen  den  Unterarm  um  die  Längsachse  (Pro- 
und  Supinationen)  sind  aber  beim  Lebenden  unmöglich,  hingegen  kann  die  Hand  nicht 
nur  dorsal- volarwärts,  Speichen-  und  ellenwärts,  sondern  auch  in  beliebigen  schrägen 
Richtungen  bewegt  werden.  Bei  allen  Bewegungen  geschehen  in  beiden  Haupt- 
gelenken Verschiebungen,  bei  aUen  ausgiebigen  Bewegungen  auch  in  den  kleineren 


Mittelhandfingergeleoke.  1-. 

Gelenken  zwischen  den  einzelnen  Knochen  der  beiden  Reihen.  Sehr  verwickelt  i>t 
der  Vorgang  bei  den  Randbewegungen  der  Hand,  da  die  beiden  Reihen  sich  dal»  i 
im  wesentlichen  so  bewegen,  als  ob  sie  sich  um  zwei  schräge,  sich  im  Kopibink<>i>t 
kreuzende  Achsen  drehten."  „Einfacher  ist  der  Vorgang  bei  der  Volar-  und  Dorsal- 
beugung, da  sich  dabei  beide  Reihen  im  wesentlichen  im  gleichen  Sinn  um  eine  gemein- 
same quere  Achse  bewegen."  Fick  hebt  noch  besonders  hervor,  daß  das  Intercarpal- 
gelenk  nicht  etwa  unwichtig  ist,  sondern  daß  es  für  viele  Bewegungen  geradezu  das 
Hauptgelenk  der  Hand  ist. 

Was  die  Carpometacarpalgelenke  anlangt,  so  sind  die  des  zweiten  und  dritten 
Mittelhandknochens  als  völlig  unbeweglich'  Amphiarthrosen  zu  betrachten.  Der 
vierte  Mittelhandknochen  ist  einigermaßen,  der  fünfte  sehr  deutlich  beweglich.  Das 
Carpometacarpalgelenk  des  Daumens  aber  läßt  sehr  ausgiebige  Bewegungen  zu  und 
/.war  Abduktion  und  Adduktion  von  und  zu  den  übrigen  Fingern  und  Opposition, 
das  heißt  eine  Stellung,  bei  welcher  die  Volarseite  des  Daumens  der  Volarseite  der 
übrigen  Finger  gegenübergestellt  wird.  Kombinieren  sich  die  Bewegungen,  dann 
nähern  sie  sich  denen  einer  Arthrodie.  In  der  Ruhestellung  kann  der  Mittelhand- 
knochen des  Daumens  niemals  mit  den  übrigen  in  die  gleiche  Ebene  gebracht  werden, 
er  ist  stets  etwas  volarwärts  gewendet. 

Über  die  topographischen  Verhältnisse  der  in  Rede  stehenden  Gegend  i-t  zu 
sagen,  daß  eine  Abgrenzung  des  Handrückens  gegen  den  Unterarm  nicht  hervortritt : 
seitlich  aber  sind  die  Griffelfortsätze  der  beiden  Unterarmknochen  sichere  Führer 
und  volar  läßt  eine  Hautfurche  zwischen  den  beiden  Griffelfortsätzen  die  Hand  ab- 
grenzen und  die  Lage  des  Radiocarpalgelenkes  sicher  bestimmen.  Eine  weitere  Falte 
liegt  auf  dem  Intercarpalgelenk.  Die  Knochen  des  Carpus  sind  an  der  Volarseite 
der  Hand  von  Weichteilen  so  verdeckt,  daß  man  sie  nicht  durchzufühlen  vermag, 
nicht  einmal  den  Haken  des  Hakenbeines,  nur  das  Erbsenbein  ist  sehr  leicht  heraus- 
zutasten. Unter  der  Haut  und  dem  Subcutangewebe  folgt  erst  die  starke  Volar- 
aponeurosc,  dann  der  oberflächliche  Artcrienbogen,  unter  ihm  die  Nerven,  sodann 
die  Fingersehnen  und  zuletzt  der  tiefe  Hohlhandbogen,  welcher  auf  den  Knochen 
liegt.  Auf  dem  Handrücken  ist  unter  der  dünnen  und  beweglichen  Haut  ein  lockere; 
und  nicht  selten  fetthaltiges  Subcutangewebe  zu  finden,  in  welchem  Hautvenen  und 
Hautnerven  liegen.  Dann  trifft  man  proximal  auf  das  Ligamentum  carpi  dorsale, 
unter  welchem  die  Sehnen  in  fünf  verschiedenen  Sehnenscheiden  gleiten.  Weiter 
distal  liegen  die  Sehnen  frei.  Unter  ihnen  folgt  das  auf  den  Knochen  liegend,  Ar- 
teriennetz. 

Das  Radiocarpalgelenk  liegt  etwa  i  cm  proximalwärts  von  der  an  der  Volarsi  ite 
gelegenen  Verbindungslinie  der  beiden  ( iiiil'ell'<>it-ät/.c.  I>a-  Intercarpalgelenk  findet 
man  distalwärts  von  dieser  Linie,  doch  i-t  seiner  eigentümlich  gebogenen  Gestalt 
wegen  eine  bestimmte  Stelle  für  dasselbe  nicht  anzugeben.  Das  Carpometacarpal- 
gelenk des  Daumen-  i-t  leicht  heraus/uta-ten ;  in  der  gleichen  Tran-vei-allinie  mit 
ihm  liegen  die  anderen  Carpometacarpalgelenke. 

k)  MittelhandfinRergelenke,  Articulationes  metacarpophalangeae. 

Die  Köpfchen  dieser  Gelenke  werden  von  den  Mittelhandknochen,  die  Pfannen 
von  den  Grundphalangen  der  Finger  geliefert.  Die  ersteren  sind  Halbkugeln  mit 
einem  Radius  von  -  S  nun,  von  welchen  man  aui  beiden  Seiten  durch  nicht  ganz 
parallele    Schnitte   je   ein    Segment   abgetrennt    hat.   wodurch   sich   die   Gelenkfläche 


138  Fingergelenke. 

dorsalwärts  verschmälert.  Zuweilen  findet  sich  da,  wo  die  Gelenkfläche  nach  der 
Vola  hin  abfällt,  eine  mehr  oder  weniger  deutlich  ausgesprochene  Querleiste.  Die 
Pfannen  sind  etwas  flacher  gewölbt  wie  die  Köpfchen,  doch  wird  die  dadurch  ent- 
stehende Inkongruenz  durch  eine  ringförmige  in  das  Gelenkinnere  vorspringende 
Synovialfalte  ausgeglichen. 

Die  Dicke  des  Gelenkknorpels  ist  die  gleiche,  wie  an  den  Gelenken  der  Hand- 
wurzel. Die  Kapseln  sind  schlaff;  sie  setzen  sich  hinten  am  Knorpelrand,  vorne  an 
den  Zipfeln  der  Gelenkflächen  der  Köpfchen  (S.  129)  an.  Auf  diesen  Zipfeln  gleiten 
auch  etwa  in  die  Kapsel  eingelagerte  Sesambeine  mit  überknorpelten  Gelenkflächen. 

An  der  Dorsalseite  sind  die  Metacarpophalangealgelenke  durch  eine  Fortsetzung 
der  tiefen  Fascie  des  Handrückens  und  die  Sehnen  des  M.  extensor  digitorum  com- 
munis geschützt,  welch  letztere  durch  transversale  Fasern  fest  an  das  Gelenk  heran- 
gezogen werden.  Zu  beiden  Seiten  verlaufen  die  Ligamenta  collateralia  (198).  Sie 
entspringen  aus  Gruben  zu  beiden  Seiten  der  Gelenkköpfchen  (S.  129)  und  ziehen  als 
starke  Fasermassen  schräg  distalwärts  zu  einem  Höcker  am  seitlichen  Pfannenrand. 
Gewöhnlich  ist  das  radiale  Seitenband  kräftiger,  als  das  ulnare  (Fick).  Die  ex- 
centrische  Insertion  bringt  es  mit  sich,  daß  die  Bänder  bei  der  Beugung  in  Spannung 
versetzt  werden,  wodurch  im  gebeugten  Zustand  die  Seitenbewegungen  der  Finger 
verhindert  werden.  Auf  den  Seitenbändern  liegen  die  Sehnen  der  Mm.  interossei,  welche 
eine  weitere  Verstärkung  der  Gelenkkapseln  bedeuten.  Die  volare  Seite  der  in  Rede 
stehenden  Gelenke  erhalten  eine  ■  sehr  erhebliche  Verstärkung  durch  faserknorpelige 
Platten,  welche  beiderseits  nahe  dem  Pfannenrand  befestigt  sind,  Laminae  fibro- 
cartilagineae  volares1)  (Fick)  (196).  Sie  sind  an  ihrer  volaren  Oberfläche  rinnen- 
förmig  gestaltet  und  es  gleiten  auf  ihr  die  Sehnen  der  Beugemuskeln  der  Finger.  Beider- 
seits setzen  sie  sich  fort  in  die  Ligamenta  transversa  capitulorum  (196),  kräftige 
Bänder  von  etwa  1  cm  Breite,  welche  außerdem  auch  noch  mit  dem  übrigen  Band- 
apparat der  Gelenke  und  der  Fascie  der  Mm.  interossei,  aber  nicht  mit  den  Knochen 
selbst  verbunden  sind.     Sie  verhindern  ein  zu  starkes  Spreizen  der  Mittelhandknochen. 

Das  Metacarpophalangealgelenk  des  Daumens  besitzt  sehr  breite  Gelenkflächen, 
ist  aber  denen  der  übrigen  Finger  nicht  unähnlich ;  es  ist  daran  zu  erinnern,  daß  bei 
ihm  die  Sesambeine  immer  vorhanden  zu  sein  pflegen.  Sie  sind  durch  einen  kräftigen 
Bänderzug  miteinander  in  Verbindung  gesetzt.  Das  Ligamentum  transversum  er- 
reicht den  Daumen  nicht,  im  übrigen  gleicht  der  Bandapparat  des  Gelenkes  dem 
der  übrigen  Finger. 

1)  Fingergelenke,  Articulationes  digitorum  manus. 

Die  am  einfachsten  gebauten  Scharniergelenke  des  Körpers  (201) .  Die  proximalen 
Köpfchen  sind  mit  dorsovolaren  Furchen,  die  distalen  Pfannen  mit  entsprechenden 
Firsten  versehen.  Der  Knorpelüberzug  ist  an  den  Köpfchen  0,5 — 1  mm,  an  den 
Pfannen  0,2 — 0,5  mm  dick.  Die  Kapseln  setzen  sich  an  der  Volarseite  der  Rolle  etwas 
weiter  vom  Knorpelrand  entfernt  an,  im  übrigen  ihm  sehr  nahe.  Vorspringende 
Synovialfalten  können  kleine  Inkongruenzen  der  Gelenkflächen  ausgleichen. 

An  der  Dorsalseite  sind  die  kleinen  Gelenke  durch  die  Sehnen  des  Streckmuskels 
verstärkt,  zu  beiden  Seiten  findet  man  ebensolche  Ligamenta  collateralia  (198), 
wie  bei  den  Metacarpophalangealgelenken,  nur  laufen  sie  etwas  weniger  schief.  An 
der  Volarseite    findet    man    ähnliche  Faserknorpelplatten,    Ligamenta  access-oria 


l)  Ligg.  accessoria. 


Die  Hand  im  ganzen.  139 

(196),  wie  die  Laminae  fibrocartilagines  der  Mittelhandfingergelenke.  Sie  sind  so  in 
die  Kapsel  eingewebt,  daß  sie  wie  eine  von  der  Pfanne  ausgehende  Gelenklippe 
erscheinen. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  die  sämtlichen  Fingergelenke  von  den  Mittelhand- 
knochen ab  ihre  Gefäße  und  Nerven  von  den  an  ihnen  vorbeiziehenden  Stämmen 
erhalten  müssen. 

m)  Die  Hand  im  ganzen. 

Die  menschliche  Hand  weicht  in  ihrer  ganz  spezifischen  Ausbildung  als  Greif- 
organ von  der  der  meisten  Säugetiere  erbeblich  ab.  Bei  diesen  letzteren,  welche 
ja  die  Hand  zumeist  als  Stützorgan  benutzen,  fällt  die  Möglichkeit  eine  Supinations- 
stellung  einzunehmen  fort,  sie  verharren  dauernd  in  Pronation,  um  die  Vola  auf 
den  Boden  stützen  zu  können.  Wenn  aber  die  Drehung  nicht  ausgeführt  werden 
kann,  wäre  der  Ausschluß  des  einen  Unterarmknochens  von  der  Artikulation  mit  der 
Hand  ohne  jede  Bedeutung,  man  sieht  deshalb  auch,  daß  bei  sehr  vielen  Säugern 
beide  mit  der  Handwurzel  in  Zusammenhang  stehen.  Erst  bei  höher  stehenden 
Affen,  deren  Hand  im  Gebrauch  der  menschlichen  immer  ähnlicher  wird,  nähert 
sich  auch  die  Gelenkbildung  der  menschlichen  mehr  und  mehr. 

Die  menschliche  Hand  ist  ein  flaches  Gewölbe  mit  dorsaler  Konvexität,  doch 
ist  die  Wölbung  keineswegs  so  fest,  daß  sie  einer  schweren  Belastung  gegenüber  un- 
empfindlich bleibt.  Man  sieht  auch  in  der  Tat,  daß  sie  sich  bei  einer  solchen  abflacht. 
Am  besten  leistet  die  Handwurzel  einer  Belastung  Widerstand,  weit  weniger  die  Reihe 
dr  Metacarpalknochen.  Bei  der  ersteren  trägt  das  Ligamentum  carpi  transversum 
erheblich  zur  Sicherung  bei,  während  das  Ligamentum  arcuatum  dorsale  umgekehrt 
einer  zu  starken  Ausprägung  der  Wölbung  Widerstand  leisten  dürfte.  Einen  wichtigen 
Anteil  an  einer  festen  Vereinigung  der  Knochen  der  Handwurzel  haben  auch  die 
vielen  an  ihr  befestigten  Sehnen.  Bei  den  Metacarpalknochen  bedingt  ihre  ganze 
Gestaltung  eine  Längswölbung  der  Mittelhand.  Stützt  man  sie  auf  die  gespreizten 
Finger,  dann  weicht  zwar  der  erste  und  fünfte  Mittelhandknochen  seitlich  aus,  wo- 
durch sich  die  Wölbung  abflacht,  das  Ligamentum  capitulorum  transversum  aber 
läßt  es  nicht  zu,  daß  diese  Abflachung  zu  weit  geht. 

Praktische  Bemerkungen.  Brüche  der  Knochen  des  Unterarmes  sind  sehr  häufig, 
was  nicht  verwundern  kann,  da  man  ja  bei  Arbeiten  aller  Art  den  Unterarm  braucht  und  da  man 
ihn  bei  drohender  Gefahr  absichtlich  oder  unwillkürlich  zum  Schutze  vorstreckt,  wodurch  er  ganz 

I»' Icrs    gefährdet    erscheint.       Brechen    beide    Knochen    etwa    in    ihrem    mittleren    Drittel,    was 

am  häufigsten  vorkommt,  dann  kann  auch  die  Membrana  interossea  eine  erhebliche  Verletzung 
erfahren  und  die  Bruchenden  können  sich  verschieben,  so  daß  dann  eine  Heilung  erfolgt,  welche 
die  Punktion  der  Pronation  und  Supination  erheblich  beeinträchtigt,  selbst  ganz  aufhebt.  Man 
hat  deshalb  bei  Anlegung  des  Verbandes  sorgfältig  darauf  zu  achten,  daß  die  Bruchenden  beider 
Knochen  richtig  aneinander  gepal.it   werden,  was  sich  dadurch  am  besten  erreichen  läßt,  daß  man 

sie  in  Supinationsstellung  fixiert.  Die  Bewegung  der  Membrana  interossea  kann  durch  einen 
in  unrichtiger  Stellung  geheilten  Radius  gehemmt  werden,  was  die  Supination  ungunstig  be- 
einflußt. 

Erleidet  nur  einer  der  beiden  I  'nterarmknochen  eine  Fraktur  im  mittleren  Teil,  dann  be- 
triff! dies  meist  die  rinn.  i\a  er  beim  Parieren  eines  von  vorne  kommenden  Stoßes  oder  Schlages 
der  einwirkenden  Gewall  unwillkürlich  entgegen  gehalten  wird.  Schieben  sich  bei  einem  iso- 
lierten   Bruch    der    I   Ina   die    Bruchenden    aneinander    vorbei,    dann    kann    auch    der    Radius    nicht 

unbeeinflußt  bleiben,  es  erfolgt  eine  Luxation  seines  Köpfchens,  so  i\.iV:  sich  nun  der  Unterarm 
im  ganzen  verkürzt.  Eine  typische  Fraktur  erleidet  der  Radius  an  seinem  distalen  linde  bei 
Fall  auf  die  Volarfläche  der  Hand.  Bei  der  mit  einem  solchen  verbundenen  gewaltsamen  Über- 
streckung   leistet    das  starke    Ligamentum   radiocarpeum    volare   erfolgreichen   Widerstand   und 

reil.lt   das    Kadiiiscudc  ab;   ,l,i^    \bivil.Scn   wird   noch   dadurch   unterstützt,   i\.\Ü  sich  die  erste   Reihe 


140  Die  Hand  im  ganzen. 

der  Carpalknochen  gegen  die  Dorsalseite  des  Radius  anstemmt  und  ihn  abknickt.  Bei  einem  Fall 
auf  die  Dorsalseite  der  Hand  spielt  sich  ganz  der  gleiche  Vorgang,  nur  in  umgekehrter  Weise  ab. 
Sehr  oft  wird  bei  einer  Fraktur  des  distalen  Radiusendes  auch  der  Processus  styloideus  ulnae 
von  dem  radialwärts  dislozierten  Radiusende  abgerissen. 

Luxationen  des  distalen  Radioulnargelenkes  sind  sehr  selten,  was  nicht  überraschen  kann, 
da  Stöße  und  Schläge,  welche  die  Gegend  treffen,  sehr  eigentümlich  wirken  müssen,  wenn  das 
untere  Ende  des  Radius  dem  der  Ulna  nicht  willenlos  folgen  soll. 

In  der  Kinderzeit  sind  die  Unterarmknochen  noch  so  weich  und  biegsam,  daß  Gewalt- 
einwirkungen oft  keine  Frakturen,  sondern  nur  Verbiegungen  oder  Einknickungen  veranlassen. 
Beim  Versuch  der  Geraderichtung  können  letztere  allerdings  leicht  in  völlige  Frakturen  übergehen. 
Epiphysenlösungen  kommen  am  unteren  Radiusende  nicht  selten  vor;  sie  verhalten  sich  nicht 
anders,  wie  die  Brüche  dieser  Stelle  bei  Erwachsenen.  Trotzdem,  daß  die  Kapsel  des  unteren 
Radioulnargelenkes  bei  Kindern  bis  über  die  Epiphysengrenzen  des  Köpfchens  der  Ulna  hinauf- 
reicht, meint  v.  Brunn  (1881)  doch,  daß  das  Gelenk  bei  Epiphysenlösungen  nicht  in  Gefahr 
käme,  da  sich  die  Kapsel  leicht  vom  Knochen  ablöst. 

Das  Handgelenk  ist  trotz  seiner  so  mannigfaltigen  und  starken  Inanspruchnahme  Frak- 
turen und  Luxationen  nur  wenig  ausgesetzt.  Die  große  Anzahl  der  an  ihm  beteiligten  Einzel- 
stücke erlaubt  so  erhebliche  Verschiebungen,  daß  es  zu  Verletzungen,  welche  bei  einem  Gelenk 
mit  massiven  Knochenenden  längst  eingetreten  wären,  nicht  zu  kommen  braucht.  Die  Luxa- 
tionen in  allen  Teilen  des  Handgelenkes  sind  nicht  häufig,  am  häufigsten  ist  noch  eine  isolierte 
Verrenkung  des  Mondbeines,  welches  durch  Gewalteinwirkung  auf  die  Dorsalseite  der  Hand 
volarwärts  aus  der  Reihe  herausgepreßt  wird.  Die  Bandverbindung  mit  dem  Radius  kann  dabei 
erhalten  bleiben,  und  um  dieses  Band  findet  dann  eventuell  eine  Drehung  des  Knochens  statt. 
Von  Brüchen  der  Carpalknochen  hört  man  nicht  -viel;  am  häufigsten  bricht  das  Kahnbein,  dann 
das  Mondbein,  seltener  die  übrigen  Knochen  (König  1905).  Frakturen  und  kongenitale  Teilungen 
der  Handwurzelknochen  können  im  Röntgenbild  leicht  miteinander  verwechselt  werden. 

Die  divertikelartigen  Aussackungen  der  Kapseln  des  Handgelenkes  können  Veranlassung 
geben  zur  Entstehung  von  Ganglien  (Überbeinen),  kleinen  harten,  knötchenartigen  Geschwülsten, 
mit  derber  Wand  und  gallertartigem  Inhalt.  Vereiterungen  des  Handgelenkes  können  sich  weit- 
hin erstrecken.  Normalerweise  ist  zwar  das  Radiocarpalgelenk  gegen  die  übrigen  Gelenke  ab- 
geschlossen, doch  steht  es  oft  genug  mit  dem  unteren  Radioulnargelenk,  mit  dem  Erbsenbein- 
gelenk  und  mit  dem  Intercarpalgelenk  in  offener  Verbindung.  Intercarpalgelenk  und  Carpo- 
metacarpalgelenk  hängen,  wie  bekannt,  stets  ohne  Abgrenzung  miteinander  zusammen. 

Resektionen  der  Carpalknochen  sind  schwierig,  erstens  ihrer  komplizierten  Form  wegen 
und  dann,  weil  sie  von  Gefäßen,  Nerven  und  besonders  auch  von  Sehnen  umgeben  werden,  welche 
alle  geschont  werden  müssen,  um  die  Beweglichkeit  der  Finger  nicht  allzu  sehr  zu  beeinträchtigen. 

Brüche  der  Metacarpalknochen  sind  nicht  sehr  selten,  sie  entstehen  durch  direkte  Ge- 
walteinwirkung. Dislokationen  werden  dabei  durch  die  feste  Aneinanderfügung  der  Knochen 
meist  verhindert.  Daß  Brüche  der  Phalangen  häufig  sind,  versteht  man  leicht.  Durch  die  den 
kleinen  Knochen  eng  angeschlossenen  Sehnen  und  Scheiden  werden  sie  förmlich  geschient,  so  daß 
die  Heilung  nicht  schwierig  ist.  Luxationen  in  den  Carpometacarpalgelenken  sind  sehr  selten, 
am  häufigsten  noch  in  dem  des  Daumens,  was  auch  nach  der  Beschaffenheit  des  Gelenkes  leicht 
verständhch  ist.  Meist  zeigt  er  sich  dorsalwärts  verrenkt.  An  den  Metacarpophalangealgelenken 
sind  Luxationen  ebenfalls  nur  am  Daumen  häufiger.  Es  tritt  dabei  stets  die  Basis  der  ersten 
Phalanx  auf  die  Dorsalseite  über  das  Köpfchen  des  ersten  Metacarpalknochens  und  die  umgeben- 
den Weichteile  fixieren  den  Daumen  in  seiner  fehlerhaften  Stellung.  Zwischenlagerung  der 
Kapsel,  zuweilen  auch  der  Sesambeine  zwischen  die  Gelenkenden  kann  zu  einem  Repositions- 
hindernis  werden.  Die  Sehne  des  Flexor  longus  pollicis  kann  sich  hinter  der  ulnaren  Seite  der 
Gelenkfläche  des  Mittelhandknochens  verhaken  und  dadurch  die  Reposition  verhindern.  Nicht 
selten  findet  man  Menschen,  welche  willkürlich  eine  Überstreckung  des  Daumens  ausführen 
können;  Schlaffheit  der  Kapsel  ist  dafür  verantwortlich  zu  machen.  Luxationen  der  Finger- 
gelenke dorsalwärts  und  volarwärts  kommen  öfter  vor,  sie  sind  leicht  zu  reponieren  (Helfe- 
rich 1910). 

Bei  Ergüssen  in  die  Fingergelenke  stellt  sich  das  betreffende  Gelenk  in  mittlere  Beuge- 
stellung,  da  in  dieser  die  Kapsel  am  ausdehnungsfähigsten  ist. 

Bei  der  Amputation  eines  Fingergliedes  hat  man  sich  daran  zu  erinnern,  daß  am  gebeugten 
Finger  die  Gelenkspalte  nicht  auf  der  Höhe  des  Fingerknöchels,  sondern  distal  davon  steht. 


Gürtel  der  unteren  Extremität.     Hüftbein.  141 

2.  Untere  Extremität,  Extremitas  inferior. 

a)  Gürtel,  Cingulum. 

Der  Grundbauplan  des  Extremitätengürtels  (S.  105)  ist  bei  dem  der  unteren 
Extremität  klarer  verwirklicht,  wie  bei  dem  der  oberen.  Wie  es  das  Schema  ver- 
langt, treffen  die  drei  Stücke  in  der  Gelenkgrube  für  den  Oberschenkel  zusammen; 
zwei  derselben  senden  sich  Fortsätze  zu,  welche  sich  miteinander  verbinden  und  dadurch 
ein  Loch,  Foramen  obturatum,  umranden.  Die  Eigenschaft  des  Beines  als  Stützorgan 
verlangt  im  Gegensatz  zum  Arm  eine  große  Stabilität  des  Gürtels  und  man  findet 
.demgemäß,  daß  sich  die  drei  ursprünglichen  Teile  beim  Erwachsenen  knöchern  ver- 
einigt haben  und  ein  einziges  Stück  darstellen,  das  Hüftbein,  Os  coxae. 

Wie  die  Beschreibung  der  oberen  Extremität  zeigte,  hat  deren  Gürtel  mit  der 
Leibeshöhle  nichts  zu  schaffen;  er  ist  deren  Wand,  die  vom  Brustkorb  gebildet  wird, 
nur  aufgelagert.  An  der  unteren  Extremität  verhält  sich  die  Sache  anders.  Rippen 
fehlen  zwar  der  Kreuzbeingegend  nicht  (S.  20),  aber  sie  sind  so  rudimentär,  daß  der 
Gürtel  der  Extremität  den  größten  Teil  der  knöchernen  Umrandung  der  Leibeshöhle 
zu  liefern  hat. 

Die  beiden  Hüftbeine  sind  in  der  vorderen  Mittellinie  fest  miteinander  verbunden 
und  hinten  hängen  sie  mit  dem  Kreuzbein  fast  unbeweglich  zusammen.  Beide  Hüft- 
beine und  das  Kreuzbein  vereinigen  sich  auf  diese  Art  zu  einem  festen  Gebilde,  dem 
Becken,  Pelvis,  welches  im  Innern  sehr  wichtige  Eingeweide  birgt  und  außen  die 
freie  Extremität  von  sich  abgehen  läßt,  welche  an  ihm  einen  überaus  sicheren  An- 
griffspunkt findet. 

a)   Hüftbein,  Os  coxae. 

Die  drei  Teile,  ans  welchen  sich  das  Hüftbein  in  der  Kinderzeit  zusammensetzt 
[272,  273)  sind:  1.  das  Darmbein,  Os  ilium,  2.  das  Sitzbein,  Os  ischii,  3.  das 
Schambein,  Os  pubis.  Zur  Erleichterung  der  Beschreibung  legt  man  derselben 
in  mehrfacher  Hinsicht  den  jugendlichen,  also  cntwickelungsgeschichtlich  unfertigen 
Zustand  zugrunde. 

Da  das  Hüftbein  den  kaudalen  Teil  der  Leibeshöhle  umschließt,  ist  es  nach 
deren  Umfang  gebogen.  Das  Darmbein  liegt  in  der  Seitenwand,  das  Schambein 
in  der  vorderen  Wand  des  Rumpfes  und  das  Sitzbein  nimmt  insofeme  eine  ver- 
mittelnde Stellung  ein,  als  es  sich  einerseits  dem  Darmbein,  andererseits  dem  Schambein 
anschließt. 

Als  Körper,  Corpus,  bezeichnet  man  bei  allen  drei  Knochen  denjenigen  Teil, 
welcher  der   Hüftgelenkspfanne  angehört   und  ihr  unmittelbar  benachbart   ist. 

Ehe  die  Flächen  der  drei  Abteilungen  betrachtet  werden,  sollen  zuersl  die  Ränder 
des  gesamten  Hüftbeines  ihre  Beschreibung  finden  [202,  203)  und  zwar  beginne  ich  mit 
dem  Darmbeinkamm,  Crista  iliaca,  welcher  als  oberer  Rand  des  Beckens  auch 
am  1. eilenden  leicht  durch  die  Haut  gefühlt  werden  kann.  Er  ist  S-förmig  gebogen, 
ziemlich  rauh  und  trägt  nach  Art  eines  Dachfirsteseine  mittlere  erhöhte  Kante,  Linea 
intei  media  [203),  von  welcher  eine  äußere  und  innere  abgeschrägte  Fläche,  I  abium 
externum  und  internum,  ausgeht;  an  der  äußeren  Fläche  befestigt  sich  der  M. 
obliquus  abdominis  externus,  an  der  Firste  der  M.  obliquus  internus,  an  der  inneren 
Fläche  der  M,  transversus  abdominis.  Etwa  .111  der  Grenze  zwischen  vorderem  und 
mittlerem  Drittel  zieht  sieh  der  laterale  Rand  des  Darmbemkammes  zu  einer  Hervor- 


142  Hüftbein. 

ragung,  Spina  cristae  iliacae  (202),  aus,  an  welcher  der  Tractus  iliotibialis  der 
Oberschenkelf ascie  entspringt.  Nach  vorne  endet  der  Darmbeinkamm  mit  einer 
schwach  hakenförmig  nach  unten  und  lateral wärts  abgebogenen  Spitze,  dem  vor- 
deren oberen  Darmbeinstachel,  Spina  iliaca  anterior  superior  (203),  dem 
Ursprungspunkt  der  Mm.  sartorius  undtensor  fasciae  latae.  Von  hier  aus  fällt  der  Rand 
steil  ab.  Seine  konkave  Krümmung  wird  über  der  Pfanne  durch  einen  Höcker  unter- 
brochen, den  vorderen  unteren  Darmbeinstachel,  Spina  iliaca  anterior 
inferior,  den  Ansatz  des  M.  rectus  femoris.  Es  folgt  sodann  eine  flache  Rauhigkeit, 
Eminentia  iliopectinea1)  (203),  die  Stelle,  an  welcher  sich  Darmbein  und  Scham- 
bein miteinander  vereinigt  haben.  Auf  das  Schambein  setzt  sich  der  Rand  als  scharfe 
Kante,  Schambeinkamm,  Pecten  ossis  pubis,  fort.  Sie  endet  nahe  der  Mittel- 
linie mit  einem  vorwärts  umgebogenen  Höcker,  Tuberculum  pubicum,  zum  An- 
satz von  Muskeln  und  Bändern  bestimmt.  Medianwärts  vom  Höcker  folgt  die  läng- 
lich-ovale Facies  symphyseos,  zur  Vereinigung  mit  der  gleichnamigen  Fläche  der 
anderen  Seite. 

Kehrt  man  wieder  zum  Darmbeinkamm  zurück  und  verfolgt  ihn  nach  hinten, 
dann  sieht  man,  daß  er  dort  ebenfalls  mit  einem  Höcker,  Spina  iliaca  posterior 
superior  endigt;  auf  ihn  folgt  ein  kleiner  Ausschnitt,  an  welchen  sich  ein  zweiter 
Höcker  anschließt,  Spina  iliaca  posterior  inferior.  Dieser  trägt  an  seiner  medialen 
Seite  das  nach  hinten  vortretende  Ende  der  Facies  auricularis  (203).  Von  dem 
hinteren  unteren  Darmbeinstachel  aus  ist  der  Rand  tief  eingeschnitten,  Incisura 
ischiadica  major,  in  ihm  geht  der  dem  Darmbein  angehörige  Rand  in  den  dem 
Sitzbein  angehörigen  über.  Die  Incisur  findet  ihr  Ende  mit  einem  platten  Fortsatz, 
Spina  ischiadica,  die  Ursprungsstätte  des  Lig.  sacrospinosum  und  des  M.  coccygeus. 
Ein  kleinerer  Einschnitt  unter  ihr  ist  die  Incisura  ischiadica  minor,  an  welche 
sich  wieder  ein  rauher  Fortsatz,  der  Sitzknorren,  Tuber  ischiadicum,  an- 
schließt. Von  zwei  Facetten  seiner  oberen  Hälfte  entspringt  der  Hauptteil  der 
Flexoren  und  ein  Teil  der  Adduktoren  des  Oberschenkels.  Der  untere  Teil  ist  rauh. 
Vom  Sitzknorren  aus  steigt  der  Rand  zu  der  bereits  erwähnten  Facies  symphyseos 
auf.     Er  ist  etwas  nach  außen  umgebogen. 

Das  Darmbein  entfaltet  sich  von  dem  Körper  aus,  welcher  den  oberen  Um- 
fang der  Pfanne  bildet,  zu  einer  Platte,  welche  man  als  Darmbeinschaufel,  Ala 
ossis  ilium,  bezeichnet.  Sie  ist  die  Pars  abdominalis  des  Darmbeines.  Seine 
innere  Fläche  ist,  soweit  sie  sich  der  Leibeshöhle  zuwendet,  glatt,  jedoch  durch  eine 
vortretende  Kante,  Linea  arcuata2)  (203),  in  zwei  ungleich  große  Teile  geteilt.  Die 
Linie  ist  hinten  an  ihrem  Abgang  von  der  Facies  auricularis  verdickt  und  setzt  sich 
vorne  direkt  in  den  Schambeinkamm  fort.  Sie  ist  deshalb  von  Bedeutung,  weil  sie 
einen  Teil  der  Abgrenzung  zwischen  großem  und  kleinem  Becken  (s.  unten)  darstellt. 
Der  obere  größere,  dem  großen  Becken  angehörige  Teil  ist  leicht  vertieft  und  wird 
Darmbeingrube,  Fossa  iliaca,  genannt;  an  ihrer  tiefsten  Stelle  ist  der  Knochen 
so  erheblich  verdünnt,  daß  er  durchscheinend  wird,  in  höherem  Alter  sogar  häufig 
durchbrochen  ist.  In  ihr  liegt  zunächst  der  M.  iliacus  und  auf  diesem  wieder  liegen 
Teile  des  Darmkanales.  Der  untere  kleinere  Teil,  Pars  pelvina,  gehört  der  Wand 
des  kleinen  Beckens  an,  er  setzt  sich  ohne  bestimmte  Grenze  in  das  anschließende 
Sitzbein  fort. 


*)  Tuberculum  iliopubicum. 

2)  Linea  iliopectinea.     Linea  inominata. 


Hüftbein.  143 

Der  hintere  Teil  der  inneren  Darmbeinfläche  wendet  sich  dem  Kreuzbein  zu. 
Die  Facies  auricularis,  von  welcher,  wie  gesagt,  die  Linea  arcuata  ausgeht,  ist 
eine  unebene,  ohrförmige  Gelenkfläche,  welche  mit  der  gleichnamigen  Fläche  des 
Kreuzbeines  in  Verbindung  tritt.  Über  ihr  ist  der  Rest  der  Fläche  sehr  rauh  und 
uneben,  Tuberositas  iliaca,  zur  Anheftung  des  starken  Bandapparates,  welcher 
Hüftbein  und  Kreuzbein  miteinander  zusammenhält.  Facies  auricularis  und  Tubero- 
sitas iliaca  bilden  die  Pars  sacralis  des  Darmbeines  (203). 

Über  die  äußere  Fläche  der  Darmbeinschaufel  ziehen  zwei  rauhe  Linien  (202  . 
Die  eine,  Linea  glutaea  anterior1),  beginnt  an  der  Spina  iliaca  ant.  sup.  und  er- 
streckt sich  im  Bogen  bis  gegen  die  tiefste  .Einsenkung  der  Incisura  ischiadica  major. 
Die  andere,  Linea  glutaea  posterior,  erhebt  sich  nahe  dem  Ende  der  Linea  glutaea 
anterior  von  der  Incisur  und  steigt  von  da  zum  Darmbeinkamm  auf.  Die  beiden 
Linien  grenzen  drei  Felder  ab,  ein  kleineres  hinter  der  Linea  glutaea  posterior  gelegenes, 
an  welchem  ein  Teil  des  M.  glutaeus  maximus  entspringt,  ein  ohrförmiges  zwischen 
Darmbeinrand,  Linea  glutaea  anterior  und  posterior  zum  Ursprung  des  M.  glutaeus 
medius  und  ein  drittes  unter  der  Linea  glutaea  anterior,  an  welcher  sich  der  M.  glutaeus 
minimus  anheftet.  Eine  Linea  glutaea  inferior,  die  untere  Grenze  des  Feldes 
für  den  letzteren  Muskel  ist  sehr  häufig  undeutlich  ausgebüdet  oder  gar  nicht  nach- 
zuweisen. 

Sitzbein  (202,  203).  Der  Körper  des  Sitzbeines  geht  von  dem  unteren  hinteren 
Abschnitt  der  Gelenkpfanne  aus.  Sein  hinterer  Rand  ist  in  die  erwähnte  Spina  ischiadica 
ausgezogen,  sein  vorderer  Rand  nimmt  an  der  Begrenzung  des  Foramen  obturatum  teil. 
Er  steigt  nahezu  senkrecht  in  den  Ramus  superior2)  ab,  welcher  an  seiner  Hinter- 
seite das  erwähnte  Tuber  ischiadicum  trägt.  Dasselbe  ist  vom  unteren  Rand 
der  Pfanne  durch  eine  Rinne  der  Außenfläche  getrennt.  Vom  Sitzknorren  aus  biegt 
sich  der  Knochen  hakenförmig  um,  um  in  den  weit  schwächeren,  abgeplatteten  Ramus 
inferior3)  überzugchen.  Dieser  steigt  im  aufrechtstehenden  Menschen  nur  wenig 
auf,  er  liegt  fast  horizontal.  Die  innere  Fläche  des  Sitzbeines  ist  glatt,  sie  setzt  sich 
ohne  Grenze  aus  der  des  Darmbeines  fort  und  gehört  ganz  dem  kleinen  Becken  an, 
die  äußere  Fläche  ist  von  zahlreichen  Gefäßlöchern  durchbohrt. 

Schambein  (202,  203).  Das  Gegenstück  des  Sitzbeines.  Seine  Grenze  gegen  das 
Darmbein  bildet  die  Eminentia  ileopectinea.  Der  Körper  geht  vom  unteren  vorderen 
Abschnitt  der  Pfanne  aus.  Der  erwähnte  Schambeinkamm  teilt  den  oberen  Ast  des 
Knochens  in  eine  der  Außenseite  und  eine  der  Innenseite  des  Beckens  angehörige 
Fläche.  In  der  Syinphxsen^e^end  verbreitert  sieh  das  Schambein  und  es  biegt  dort 
der  obere  Ast  hakenförmig  in  den  unteren  um,  welch  Letzterer  sieh  mit  dem  entgegen- 
kommenden Sitzbeinast  vereinigt.  1  )ie  Stelle  der  Vereinigung  ist  auch  bei  Erwachsenen 
nicht  selten  noch  zu  erkennen.  Die  das  kleine  Becken  vervollständigende  Innenseite 
ist  glatt,  cht'  Außenseite  zeigt  eine  Anzahl  kleiner  Gefäßlöcher;  auf  sie  wird  bei  Be- 
trachtung des  Foramen  obturatum  zurückzukommen  sein. 

Acetabulum  ')  (202).  Die  Pfanne  für  den  Kopf  des  Oberschenkels  ist  nach 
Art  einer  halben  Hohlkugel  vertieft  und  mit  einem  aufgeworfenen  Rand,  Supercilium 
acetabuli,  versehen,  der  jedoch  am  unteren  Umfang  fehlt.     Dort   findet  man  viel- 

')  Linea  arcuata  externa,  Linea  semicircularis. 

'-)  Ramus  descendens, 

:i)  Ramus  ascendens, 

')  Vcetabulum,  antikes  Essignäpfchen,  dem  modernen  Bierbecher  ähnlich. 


144  Hüftbein. 

mehr  einen  Einschnitt,  Incisura  acetabuli,  welche  in  eine  nicht  überknorpelte 
Grube  des  Pfannengrundes,  Fossa  acetabuli,  hineinführt.  Die  Wand  dieser  letzteren 
zeigt  sich  soweit  verdünnt,  daß  sie  meist  durchscheinend  ist.  Die  überknorpelte  Ge- 
lenkfläche umgibt  die  Fossa  acetabuli  in  Halbmondform,  Facies  lunata.  Am  vor- 
deren Rand  der  Incisura  acetabuli  endet  sie  spitz,  am  hinteren  abgerundet.  Dort 
tritt  sie  über  die  Knochenfläche  etwas  heraus  und  unter  ihr  liegt  die  oben  (S.  143) 
erwähnte  Rinne. 

Foramen  obturatum1).  Es  ist  von  ovaler  Gestalt;  sein  längster  Durch- 
messer liegt  in  einer  Linie,  welche  man  vom  medialen  Teil  des  Schambeinkammes 
zum  unteren  Ende  des  Tuber  ischiadicum  ziehen  kann.  Es  wird  von  den  Teilen  des 
Scham-  und  Sitzbeines  spiralig  umrandet,  indem  der  Grenzkontur  an  seinem  oberen 
Umfang  nicht  zu  seinem  Ausgangspunkt  zurückkehrt.  Der  Rand  beginnt  am  Tuber- 
culum  pubicum  mit  einer  stumpfen  Leiste,  Crista  obturatoria  (202),  welche  sich 
seitwärts  zum  vorderen  Ende  der  Facies  lunata  hin  erstreckt.  Von  da  ab  geht  der  Rand 
erst  an  der  Incisura  acetabuli  hin,  dann  weiter  an  den  unteren  Ästen  des  Sitz-  und 
Schambeines  und  gelangt  endlich  an  seinem  oberen  Ende  unter  der  Crista  obturatoria 
in  das  Innere  des  Beckens  hinein.  Dort  bleibt  also  zwischen  Anfang  und  Ende  des 
Randes  eine  kleine  Rinne,  Sulcus  obturatorius  (203).  Die  Rinne  wird  durch  den 
quer  herübergespannten  Rand  der  Membrana  obturatoria  zu  einem  Loch  gestaltet 
(s.  unten).  Dieser  Rand  der  Membran  spannt  sich  zwischen  zwei  kleinen  Höckern  aus, 
von  welchen  der  eine,  Tuberculum  obturatorium  posterius,  dort  vorspringt,  wo 
der  Knochenrand  des  Loches  an  der  Incisura  acetabuli  vorbeizieht,  während  der  an- 
dere, Tuberculum  obturatorium  anterius,  sich  dort  findet,  wo  die  Knochen- 
umrandung sich  anschickt  nach  innen  abzubiegen  (203). 

Wie  die  Form  des  Hüftbeines,  so  ist  auch  seine  Struktur  eine  komplizierte.  Am 
dicksten  ist  die  Knochenmasse  an  der  Crista  iliaca,  am  Sitzknorren  und  in  der  Richtung 
der  Linea  arcuata  von  der  Facies  auricularis  bis  zum  oberen  Umfang  des  Acetabulum 
hin.  Dieser  der  Linea  arcuata  angehörige  Teil  ist  auch  statisch  besonders  bedeutsam, 
da  er  das  Zwischenstück  zwischen  Wirbelsäule  und  freier  Extremität  darstellt,  auf 
welchem  der  von  der  Wirbelsäule  auf  das  Darmbein  übertragene  Druck  lastet.  Im 
Stehen  pflanzt  sich  dieser  Druck  von  der  Gegend  des  Acetabulum  aus  durch  die  oberen 
Schambeinäste  bis  zur  Symphyse  fort,  im  Sitzen  auf  das  durch  die  Unterlage  unter- 
stützte Sitzbein  (Freund  1885).  Die  unteren  Äste  der  beiden  Knochen  bilden  nur 
eine  Spange,  welche  die  im  wesentlichen  beanspruchten  Balken  verbindet  und  in 
ihrer  Lage  hält.  Entsprechend  ihrer  geringeren  statischen  Wichtigkeit  sind  sie  auch 
nur  schwach. 

Zwischen  zwei  dünnen  Corticalistafeln  beherbergt  das  Hüftbein  im  Innern  eine 
in  der  Jugend  engmaschige,  später  immer  weitmaschigere  Spongiosa.  Die  Richtung 
der  Spongiosabälkchen  geht,  entsprechend  den  statischen  Erfordernissen,  von  der 
Facies  auricularis  aus,  der  Linea  arcuata  entlang  nach  der  Kuppel  des  Acetabulum 
hin,  an  welche  sich  besonders  derbe,  säulenartige  Bälkchen  stützen.  Von  dort  wird 
ein  Zug  über  den  oberen  Rand  der  Kuppel  in  das  Schambein  entsendet,  ein  anderer 
am  unteren  Rand  derselben  entlang  in  das  Tuber  ischiadicum. 

Das  Periost  ist  mit  dem  Knochen  sehr  fest  verbunden  an  der  Crista  iliaca,  an 
der  Vorderfläche  der  Scham-  und  Sitzbeine,  an  den  Sitzknorren.  Ganz  locker  ist  es 
dagegen  in  der  Darmbeingrube  befestigt,  ebenso  unter  der  Linea  glutaea  anterior. 


1)  Foramen  obturatorium;   Foramen  ovale. 


Bänder  der  Hüftbeine.     Membrana  obturatoria.  14Ö 

Sehnige  Züge,  welche  von  den  am  Hüftbein  befestigten  Muskelsehnen  und  Bändern 
;i  1  >i_M  -.  1  >.  n  werden,  verstärken  cli<  Knochenhaut  an  vielen  Stellen.  Ein  besonders 
kräftiger  Zug  folgt  der  Linea  arcuata.  Auf  der  Oberfläche  des  Schambeinkammes 
spannt  sich  ein  solcher  Zug,  wie  eine  Leiste  2) .  Ganz  unverstärkt  bleibt  der  Periost 
nur  in  der  Darmbeingrube  und  in  der  Mitte  der  äußeren  Fläche  der  Darmbeinschaufel. 
Seine  Arterien  erhält  das  Hüftbein  von  mehreren  Seiten  her.  In  Ernährungs- 
löcher der  Darmbeingrube  treten  Aste  der  A.  iliolumbalis  ein.  Auf  der  Außenseite 
erhält  das  Darmbein  einen  Ast  der  A.  glutaea  sup.  in  einem  größeren  Emährungsloch, 
dessen  Lage  wechselt.  Scham-  und  Sitzbein  werden  im  wesentlichen  von  der  A.  ob- 
turatoria versorgt,  welche  eine  Anzahl  von  Asten  in  verschiedene  Ernährungslöcher 
entsendet.  Die  Hauptaustrittsstcllen  der  Venen  finden  sich  an  der  Crista  iliaca,  am 
Rand  des  Acetabulum,  im  Pfannenboden,  an  der  Vorderfläche  der  Schambeine,  am 
Tuber  ischiadicum  (Waldeyer  1899). 

Entwickelung  {272,  273).  In  dem  knorpelig  vorgebildeten  Hüftbein  entwickeln  sich  in  der 
Umgebung  der  Pfanne  drei  Knochenkerne;  der  erste  oberhalb  derselben  erscheint  zu  Beginn  des 
dritten  Fetalmonats;  er  bildet  das  Darmbein.  Der  zweite,  unter  ihr,  tritt  im  vierten  Monat  auf; 
er  bildet  das  Sitzbein.  Der  dritte,  vor  der  Pfanne,  kommt  erst  um  die  Mitte  der  Schwangerschaft 
zur  Entwickelung,  er  bildet  das  Schambein.  Zur  Zeit  der  Geburt  ist  noch  ein  großer  Teil  des 
Hüftbeines  knorpelig;  seine  drei  Stücke  sind  in  der  Pfanne  weit  voneinander  getrennt;  die  Ver- 
knöchcrung  erstreckt  sich  am  Darmbein  nicht  bis  zum  oberen  Rande  und  beschränkt  sich  am 
Scham-  und  Sitzbein  auf  den  Körper  und  die  oberen  Äste.  Gegen  das  sechste  Jahr  ist  die  Ver- 
knöcherung der  unteren  Äste  dieser  Knochen  vollendet.  Bald  folgt  deren  Verschmelzung.  In 
der  Pfanne  vereinigt  sich  das  Darmbein  mit  dem  Sitzbein,  dann  mit  dem  Schambein  erst  zur  Zeit 
der  Pubertät,  durch  Vermittelung  eines  oder  mehrerer  platter  Zwischenknochen,  Os  acetabuli, 
welche  sich  im  9.  bis  12.  Jahre  in  der  Y-förmigen  Synchondrose  entwickeln.  Epiphvsen:  1.  längs 
dem  ganzen  oberen  Rande  des  Darmbeines,  Auftreten  13.  bis  14.  Jahr;  2.  an  der  Spina  iliaca 
ant.  infer.  (unbeständig,  18.  bis  20.  Jahr);  3.  am  Sitzhöcker,  Auftreten  15.  bis  16.  Jahr;  4.  an  der 
Spina  ischiadica;  5.  an  der  Symphysenfläche  der  Schambeine;  6.  im  Tuberculum  pubis,  beide 
ebenfalls  um  dieselbe  Zeit.  Verschmelzung  sämtlicher  Epiphvsen  mit  dem  Körper  im  22.  bis 
25.   Jahre,  am  spätesten  die  am  oberen  Rande  des  Darmbeines   (M.-H.). 

Varietäten.  Hinter  der  Eminentia  iliopectinea  wird  manchmal  ein  stachelartiger  Fort- 
satz gefunden,  an  welchen  sich  ein  Bündel  der  Sehne  des  M.  psoas  minor  inseriert.  Die  äußere 
Fläche  dieses  Fortsatzes  ist  gehöhlt,  sie  nimmt  die  Vasa  femoralia  auf.  Bei  manchen  Säugern 
ist  der  Fortsatz  normal.  Eine  schwere  Entwickelungshemmung  des  Hüftbeines  besteht  darin, 
daß  die  Schambeine  rudimentär  ausgebildet  sind  und  sich  nicht  bis  zur  Berührung  nähern,  was 
eine  Blasenspaltung  zur  Folge  hat.  Das  Acetabulum  kann  rudimentär  ausgebildet  sein  (ange- 
borene Hüftgelenksluxaüon). 

,i)   Bänder  der  Hüftbeine. 

Die  Hüftbeine  besitzen  ein  Ligamentum  proprium  und  sind  sowohl  mit  der 
Wirbelsäule,  wie  auch  unter  sieh  verbunden.  Alle  Bänder  sind  sehr  stark  und  wider- 
standskräftig und  es  wird  durch  sie  das  Bei  ken  zu  dem  festen  Ring  geschlossen,  welcher 
die  Rumpflast  zu  tragen  und  der  Extremität  ihren  stabilen  Stützpunkt  zu  geben 
vermag. 

1.  Eigenes  Band  des  Hüftbeines. 

Die  Membrana  obturatoria  [204)   vervollständigl  da-  Hüftbein  durch  Ver- 

sehliei.mng   des  Foramcn  ohturatum   und  es  entspringen  von   ihr  außen  wie  innen 

Muskeln,  die  Mm.  obturator  extemus  und  internus.     Sie  ist  so  in  das  Loch  eingefügt, 

daß  sie   am  medialen  Umfang  an  der  äußeren   Lippe  seines  Randes,  am  unteren  und 


')   I.ig.   pubicum   Coopeii. 
Merkel,  Anatomien.    Skeletlehre, 


146  Verbindungen  der  Hüftbeine  mit  dem  Rumpf. 

lateralen  Umfang  an  der  inneren  haftet.  Die  Faserzüge  des  Bandes  laufen  im 
wesentlichen  transversal,  zum  Teil  jedoch  auch  in  anderer  Richtung.  Sie  lassen 
zwischen  sich  einzelne  kleine  Lücken.  Ein  größerer  Kanal,  Canalis  ohturatorius, 
bleibt  am  oberen,  lateralen  Umfang  des  Loches.  Wie  schon  erwähnt,  spannt  sich 
hier  der  Rand  der  Membran  zwischen  Tuberculum  obturatorium  anterius  und 
posterius  aus;  dieser  Rand  wird  aber  nicht  nur  von  der  Kante  eines  einfachen 
Blattes  gebildet,  sondern  er  wird  durch  Verstärkungsbündel  an  der  Außen-  und 
Innenseite  der  Membran  beträchtlich  verbreitert.  Zwischen  denselben  ist  Fett  ein- 
gelagert. Ein  äußeres  Bündel  ist  meist  kräftig  und  überschreitet  beiderseits  mit 
seinen  Insertionen  den  Rand  des  Loches;  an  der  lateralen  Seite  gelangt  es  bis  zur 
Hüftgelenkskapsel  und  wird  durch  Abduktions-  und  Rollbewegungen  des  Oberschenkels 
gespannt.  Der  Canalis  obturatorius,  welcher  oben  vom  Sulcus  obturatorius'  des 
Schambeines,  unten  von  den  genannten  membranösen  Teilen  begrenzt  wird,  ist  bis 
zu  3  cm  lang  und  so  weit,  daß  er  eine  Fingerkuppe  aufnehmen  kann.  Es  passieren 
ihn,  in  Fett  eingebettet,   der  N.  und  die  Vasa  obturatoria. 

Praktische  Bemerkungen.  Der  Canalis  obturatorius  kann  sowohl  von  Eitersenkungen, 
wie  auch  von  Hernien  zum  Austritt  aus  dem  Becken  benützt  werden.  Die  starren  Wände  des 
Kanales  verschulden  es,  daß  dabei  leicht  ein  Druck  auf  den  N.  obturatorius  ausgeübt  wird,  welcher 
zu  Erscheinungen  in  dessen  Verbreitungsbezirk  führt. 

2.  Verbindungen  der  Hüftbeine  mit  dem  Rumpf. 

Articulatio  sacroiliaca1)  (206).  In  einer  sehr  straffen  Amphiarthrose,  Arti- 
culatio  sacroiliaca,  stehen  die  Facies  auricularis  des  Kreuz-  und  Hüftbeines  mit- 
einander in  Verbindung.  Die  Artikulationsflächen  der  beiden  Knochen  sind  einander 
völlig  kongruent  und  fast  gleich  groß ;  immerhin  ist  die  des  Darmbeines  meist  um  ein 
paar  Millimeter  größer  (Fick  1904),  so  daß  kleine  Verschiebungen  nicht  vollständig 
ausgeschlossen  sind.  Bei  Kindern  sind  sie  ziemlich  eben,  bei  Erwachsenen  mit  leichten 
ineinander  passenden  Erhöhungen  und  Vertiefungen  versehen.  Die  Artikulations- 
ebene ist  im  Bereich  des  ersten  Kreuzwirbels  sehr  wechselnd  gestaltet,  so  daß  sie  auf 
dem  Querschnitt  bald  ziemlich  gerade,  bald  nach  außen  konvex  gebogen,  bald  S-förmig 
gekrümmt  erscheint.  Im  Bereich  des  zweiten  Kreuzwirbels  pflegt  sie  median wärts 
konvex  zu  sein,  im  Bereich  des  dritten  Kreuzwirbels  ist  sie  ziemlich  eben. 

Der  Knorpelüberzug  der  Gelenkflächen  besteht  in  seinen  oberflächlichen  Lagen 
aus  Faserknorpel,  er  ist  von  feinsten  Zöttchen  bedeckt.  Auf  dem  Kreuzbein  ist  er 
1 — 4  mm  dick,  auf  dem  Darmbein  nur  0,3 — 0,6  mm    (Fick). 

Die  Kapsel  spannt  sich  als  eine  Fortsetzung  des  Periostes  beider  Knochen  über 
die  Gelenkspalte  hin,  an  der  Vorderseite  ist  sie  in  einer  Rinne  unmittelbar  neben  der 
Facies  auricularis  des  Darmbeines,  Sulcus  paraglenoidalis  (203),  stärker  befestigt. 

Das  Iliosacralgelenk  wird  durch  überaus  kräftige  Bänder  verstärkt  und  in  seiner 
Lage  gehalten;  sie  liegen  zum  Teil  direkt  auf  dem  Gelenk,  zum  Teil  stehen  sie  auch 
nicht  mit  ihm  in  direktem  Zusammenhang,  sondern  halten  Wirbelsäule  und  Hüft- 
bein in  einiger  Entfernung  von  ihm  zusammen. 

Ligamentum  sacroiliacum  anterius  (204,  206).  An  der  dem  Beckenraum 
zugekehrten  Seite  des  Gelenkes,  welche  bei  einem  aufrechtstehenden  Menschen  nach 
unten  sieht.  Es  besteht  aus  transversalen  Fasern,  welche  vom  oberen  Ende  des 
Gelenkes  nach  unten  zu  an  Stärke  abnehmen. 


S3'mphysis  sacroiliaca. 


Verbindungen  der  Hüftbeine  mit  dem  Rumpf.  14. 

Ligamentum  sacroiliacum  interosseum  (206).  Eine  sehr  starke  Band- 
masse auf  der  Rückseite  des  Gelenkes,  welche  den  Raum  zwischen  der  rauhen 
Oberfläche  der  Tuberositas  des  Kreuzbeines  und  den  Rauhigkeiten  der  Pars  sacralis 
des  Darmbeines  ausfüllt.  Es  besteht  aus  queren  und  schrägen  Bündeln,  welche  so 
orientiert  sind,  wie  es  in  jedem  einzelnen  Fall  die  Bedürfnisse  des  Zuges  und  Druckes 
verlangen.     Die  Bündel  sind  durch  eingeschobenes  Fett  voneinander  getrennt. 

Ligamentum  sacroiliacum  posterius  breve  (205).  Eine  Anzahl  von 
kurzen  aber  kräftigen  Bänderzügen,  welche  in  schrägem  Verlauf  von  den  Gelenkfort- 
sätzen des  Kreuzbeines  zum  Hüftbein  herüberziehen.  Sie  decken  das  Zwischen- 
knochenband und  werden  gedeckt  von  den  Ursprüngen  der  langen  Rückenmuskeln. 

Ligamentum  sacroiliacum  posterius  longum  (205).  An  der  lateralen 
Seite  des  kurzen  Bandes  gelegen.  Es  besteht  aus  starken,  vertikalen  Bündeln, 
welche  an  der  Spina  iliaca  posterior  superior  entspringen  und  sich  zu  den  Cristae 
sacrales  laterales  des  dritten  und  vierten  Kreuzwirbels  erstrecken.  Seine  medialen 
Faserzüge  fließen  mit  den  benachbarten  kurzen  Bändern  zusammen,  seine  lateralen 
gehen  ohne  bestimmte  Grenze  in  die  Anfänge  des  Ligamentum  sacrotuberosum  über. 

Ligamentum  iliolumbale  (204,  205).  Der  Darmbeinrand  erhebt  sich  von  der 
Spina  iliaca  posterior  superior  in  steil  aufsteigendem  Bogen  bis  zur  Höhe  des  vierten 
Lendenwirbels  und  es  erstrecken  sich  von  den  Ouerfortsätzen  der  beiden  letzten 
Lendenwirbel  quere  Faserzüge  zum  Darmbein  hin.  Die  vom  Ouerfortsatz  des  vierten 
ausgehenden  Züge  gelangen  an  den  Darmbeinrand,  die  vom  fünften  stammenden  gehen 
außerdem  noch  an  den  vordersten  Teil  der  Pars  sacralis  des  Darmbeines  oberhalb 
der  Facies  auricularis.  Bei  der  Betrachtung  von  hinten  her  sieht  man,  daß  die  letzteren 
die  direkte  Fortsetzung  der  Bündel  des  Ligamentum  iliosacrale  posterius  breve  sind. 
Außer  den  queren  Faserzügen  sind  auch  schräg  absteigende  vorhanden,  welche  vom 
Querfortsatz  des  vierten  Lendenwirbels  zu  dem  des  fünften  und  von  diesem  über  die 
Vorderfläche  des  Iliosacralgelenkes  bis  zur  Linea  arcuata  herablaufen.  Sie  entsprechen 
den  Ligamenta  costotransversaria  anteriora  der  höher  gelegenen  Wirbel.  An  den 
oberen  Rand  des  Bandes  schließt  sieh  unmittelbar  das  Ligamentum  lumbocostale 
und  die  den  JI.  quadratus  lumborum  an  seiner  Vorderseite  deckende  Fascie  an. 

Ligamentum  sacrotuberosum  (205).  Stellt  mit  dem  [olgenden  Band  die 
unterhalb  des  Iliosacralgelenkes  gelegenen  Verbindungen  zwischen  Kreuzbein  und  Hüft- 
bein dar.  Es  entspringt  in  breiter  Fläche  und  in  mehreren  Lagen,  zwischen  welchen 
sich  Fett  und  Gefäße  einschieben,  vom  letzten  Ende  des  oberen  Hüftbeinrandes  unter 
den  Ursprüngen  des  M.  glutaeus  maximus  und  vom  freien  Seitenrand  des  Kreuzbeines 
bis  herunter  zum  zweiten  Steißwirbel.  Die  Ursprünge  vereinigen  sich  zu  einem  dicken, 
platten  Strang  von  beträchtlicher  Stärke,  welcher  schräg  lateralwärts  absteigend  zum 
medialen  Rand  des  Sitzhöckers  gelangt,  Von  der  Insertion  an  zieht  ein  schmaler 
Sehnenstreif,  Processus  Ealciformis1),  längs  dem  unteren  Rand  de-  unteren  Sitz- 
beinastes hin,  weh  her  sieli  aufwärts  bis  in  die  Fascie  des  M.  obturator  int.  verfolgen 
läßl   (M.). 

Das  Ligamentum  sacrotuberosum  kann  man  auch  am  Lebenden  vom  unteren 
Rand  des  M.  glutaeus  maximus  und  vom  Mastdarm  aus  befühlen. 

I  igamentum  sacrospinosum  (205).  Liegl  unter  dem  vorigen,  nach  dem 
Innern  de-  Recken-  zu.    Es  fließt  mit  dem  M. ygeus  zu  einer  aus  Bindegewebs- 


')  Falx  ligamentosa. 

io* 


148  Verbindungen  der  Hüftbeine  unter  sich.     Becken. 

und  Muskelbündeln  zusammengesetzten  dreieckigen  Platte  zusammen,  in  welcher  die 
Bandfasern  zuweilen  fast  ganz  von  den  Muskelfasern  verdrängt  werden.  Es  setzt  sich 
mit  breiter  Basis  einerseits  am  Seitenrand  des  Kreuzbeines  und  am  Steißbein  fest 
und  gelangt  andererseits  an  die  hintere  Fläche  der  Spina  ischiadica  (M.-H.). 

Durch  die  beiden  zuletzt  genannten  Bänder  wird  der  große  Einschnitt  zwischen 
Hüftbein  und  Kreuzbein,  Incisura  sacro-ischiadica,  wie  ihn  das  seiner  Bänder 
entkleidete  Becken  zeigt,  in  das  Foramen  ischiadicum  majus  oben  und  das 
Foramen  ischiadicum  minus  unten  zerlegt.  Ersteres  ist  von  rundlicher  Gestalt, 
letzteres  halbmondförmig  oder  dreieckig.  Beide  Löcher  werden  zum  Durchtritt  von 
Muskeln,   Gefäßen  und  Nerven  benutzt. 

3.  Verbindungen  der  Hüftbeine  unter  sich. 

Schamfuge.  Symphysis  ossium  pubis  (204).  Die  Schambeinsymphyse 
verbindet  die  beiden  Hüftbeine  in  der  vorderen  Mittellinie  miteinander.  Die  beiden 
Schambeine  wenden  sich  elliptische  Flächen  zu,  welche  von  hyalinem  Knorpel  bedeckt 
sind.  Von  ihm  geht  eine  teils  faserknorpelige,  teils  rein  bindegewebige  Schichte, 
Lamina  fibrocartilaginea  interpubica  aus,  welche  die  beiden  Flächen  mit- 
einander in  Zusammenhang  setzt.  Ihre  Fasern  verlaufen  im  Centrum  vorwiegend 
quer,  in  der  Peripherie  mit  gekreuzten  Bündeln,  ganz  wie  bei  den  Faserringen  der 
Intervertebralscheiben.  Die  hyaline  Schichte  ist  in  der  Jugend,  die  faserknorpelige 
im  Alter  mächtiger.  An  der  dem  Beckeninneren  zugekehrten  Rückseite  überragen 
die  Weichteile  der  Symphyse  die  angrenzende  glatte  Knochenfläche  in  Form  eines 
longitudinalen  Wulstes  [207,  208).  Von  da  aus  laufen  die  beiden  Knochenoberflächen 
in  der  hinteren  Hälfte  einander  parallel,  dann  divergieren  sie  stark,  so  daß  die  vordere 
Oberfläche  der  Symphyse  mehr  als  doppelt  so  breit  erscheint,  wie  die  hintere. 

Regelmäßig  findet  sich,  zumeist  im  hinteren  oberen  Teil  der  fibrösen  Verbindung 
eine  lineare  Spalte  von  sehr  variabler  Ausdehnung  (208). 

In  der  Schwangerschaft  lockert  sich  das  Gewebe  der  Symphyse  und  die  Höhle 
wird  größer  (Fick). 

Die  Schamfuge  wird  durch  Bandmassen  verstärkt  und  in  ihrer  Festigkeit  ver- 
sichert. Auf  der  Vorderseite  kreuzen  sich  die  Sehnen  der  sämtlichen  dort  angehefteten 
Muskeln  und  bilden  eine  dicke  Bindege websplatte.  Am  oberen  Ende  der  Symphyse 
laufen  quere  Verstärkungsfasern,  Ligamentum  pubicum  superius  (204),  von  einem 
Tuberculum  pubicum  zum  anderen.  Nach  unten  hin  setzt  sich  die  Fasermasse  der 
Symphyse  in  das  Ligamentum  arcuatum  pubis1)  fort,  welches  den  Schambogen 
ausrundet.  In  der  Mitte  besitzt  es  einen  scharfen  freien  Rand,  weiter  seitlich  legt 
es  sich  den  unteren  Schambeinästen  an. 

Die  Blutversorgung  der  Schamfuge  ist  eine  gute  und  wird  besonders  in  der 
Schwangerschaft  eine  sehr  reichliche.  Die  Arterien  stammen  zumeist  aus  der  A. 
obturatoria  und  pudenda  externa. 

4.  Das  Becken,  Pelvis. 

Das  Becken  im  ganzen  (204,  205,  209 — 213)  besteht  aus  den  beiden  Hüftbeinen 
und  dem  Kreuzbein.  Das  an  letzterem  hängende  Steißbein  gehört  ihm  zwar  natür- 
lich auch  zu,  ist  aber  für  seinen  Aufbau  ohne  größere  Bedeutung.  Es  setzt  sich  aus 
zwei  Teilen  zusammen,   dem  großen  Becken,   Pelvis  major,   und  dem  kleinen 


1)   Ligamentum  pelvis  anterior  trianguläre. 


Becken.  149 

Becken,  Pelvis  minor,  welche  durch  eine  Grenzlinie,  Linea  terminalis1),  von- 
einander getrennt  sind.  Diese  beginnt  an  der  Wirbelsäule  mit  dem  Promontorium 
(S.  31),  geht  von  ihm  aus  auf  die  abgerundete  Kante  über,  welche  die  obere  Fläche 
von  der  vorderen  der  Seitenteile  des  Kreuzbeines  trennt  und  folgt  dann  der  Linea 
arcuata  pelvis  und  dein  Pecten  ossis  pubis  bis  zur  Symphyse. 

Das  große  Becken  besteht  aus  den  beiden  Darmbeinschaufeln,  der  oberen  Fläche 
der  Seitenteile  des  Kreuzbeines  und  den  Bändern,  welche  sich  von  der  Wirbelsäule 
zum  Darmbein  ausspannen.  Zwischen  den  vorderen  Rändern  der  beiden  Darmbeine 
ist  es  weit  ollen.  Topographisch  gehört  es  insofern  noch  der  Bauchgegend  an,  als 
es  die  Unterlage  für  die  in  der  Bauchhöhle  gelegenen  Eingeweide  bildet. 

Das  kleine  Becken  ist  ein  Kanal,  welcher  nur  dicht  unter  der  Linea  terminalis 
zu  einem  kaum  mehr  als  fingerbreiten  knöchernen  King  geschlossen  ist.  Unter  ihm 
wird  die  Wand  vorne  ergänzt  durch  die  Membrana  obturatoria,  weiter  hinten  ist  sie 
beiderseits  durch  den  großen  Einschnitt,  der  Incisura  sacroischiadica,  unterbrochen, 
welcher  durch  die  Ligamenta  sacrotuberosum  und  sacrospinosum  nur  unvollkommen 
geschlossi  n  wird.  Den  vollständigen  Vera  hluß  haben  dort  die  Wei  hteile  zu  besorgen, 
weli  he  die  Foramina  ischiadica  majus  und  minus  passieren. 

Der  Beckenkanal  besitzt  eine  gekrümmte  Form  mit  vorderer  kürzerer  und 
hinterer  längerer  Wand.  Seine  ebenfalls  gekrümmte  Achse  nennt  man  Führungs- 
linie, Axis  pelvis  )213). 

Al>  Beckeneingang,  Apertura  pelvis  superior2),  bezeichnet  man  die 
vom  Promontorium  und  der  Linea  terminalis  gebildete  Linie.  Sie  umschließt  eine 
Ebene,  welche  sowohl  vorne  wie  hinten  aufwärts  gebogen  ist. 

Der  Beckenausgang,  Apertura  pelvis  inferior3),  welcher  durch  die  Weich- 
teile des  Beckenbodens  verschlossen  wird,  ist  von  sehr  unregelmäßiger  Gestalt.  Er 
beginnt  vorne  mit  dem  unteren  Ende  der  Symphyse,  eigentlich  mit  dem  freien  Rand 
des  Ligamentum  arcuatum,  von  welchem  aus  nach  beiden  Seiten  die  Schamsitzbein- 
äste absteigen.  Sie  schließen  miteinander  beim  Manne  einen  Winkel,  Angulus  pubis 
(210)  ein,  welcher  sich  bei  der  Frau  bogenförmig  zum  Arcus  pubis  (212)  abrundet. 
Die  tiefste  Stelle  des  Beckenausganges  wird  jederseits  vom  Sitzknorren  gebildet;  von 
diesem  aus  steigt  er  in  den  Ligamenta  sacrotuberosa  zum  unteren  Ende  des  Kreuz- 
beines auf.  Das  Steißbein  springt  in  der  dorsalen  Mittellinie  nach  vorne  gekrümmt 
in  den  Beckenausgang  vor  (209,  211),  doch  kann  es  wegen  seiner  normalerweise 
vorhandenen    Beweglichkeit   nach  hinten  abgebogen  werden. 

Die  Stellung  des  Beckens  wechselt  je  nach  der  Stellung,  welche  der  Gesamt- 
körper einnimmt.  Bei  einem  aufrechtstehenden  Menschen  (213)  ist  es  in  der  Art 
geneigt,  daß  Spina  iliaca  anterior  superior  und  Tuberculum  pubis  in  die  Frontalebene 
lallen.  Zieht  man  ferner  eine  Linie  von  dem  oberen  Symphysenpunkt  bis  zum 
Mittelpunkt  der  Vorderfläche  des  dritten  Kreuzwirbels  (Normalconjugata, 
11.  Meyer,  C853),  dann  neigt  sich  dieselbe  bei  aufrechter  Stellung  um  300  gegen 
die  1  torizontalebene. 

Das  Becken  lugt  im  Mittelpunkt  des  ganzen  Körpers  und  enthäll  den  Schwer- 
punkt desselben  nahe  unter  dem  Promontorium  (Braune  und  Fis<  her  [889).  Seine 
wichtigste  statische   Funktion  besteht   dann,  den   Druck  aufzunehmen,  welchen  bei 

l)   Linea  innominata, 
:)   [ntroitus  pel\  1 3. 
3)   Exitus  pelvis. 


150  Becken. 

aufrechter  Haltung  die  Last  des  Oberkörpers  ausübt,  und  auf  die  beiden  von  den 
unteren  Extremitäten  dargestellten  Stützen  zu  übertragen.  Diese  Übertragung  ge- 
schieht vom  Kreuzbein  aus  durch  Vermittelung  der  Pars  pelvina  der  Darmbeine. 
Kreuzbein  und  Darmbeine  bilden  in  ihrer  Vereinigung  ein  sphärisches,  noch  öfter  ein 
elliptisches  Gewölbe,  welches  auf  den  Oberschenkelköpfchen  ruht.  Die  Schambeine 
mit  ihrem  medialen  Schluß  in  der  Schambeinsymphyse  stellen  die  Verankerung  dieses 
Gewölbes  dar  (Leßhaft  1893).  Das  Os  ischii  ist  beim  aufrechtstehenden  Menschen 
statisch  nicht  beteiligt,  es  tritt  beim  Sitzen  in  Funktion,  wobei  nicht  der  Oberschenkel- 
kopf des  anders  gesteUten  Beckens  die  Rumpflast  aufnimmt,  sondern  eben  das  Sitz- 
bein. Auch  dieses  ist  fest  verankert  durch  die  pf  eiler  artig  vom  Sitzknorren  zur 
Schambeinsymphyse  aufsteigenden  unteren  Sitzschambeinäste.  Die  Ligamenta  sacro- 
tuberosum  und  sacrospinosum,  besonders  das  erstere,  tragen  zur  Festigkeit  des 
Beckens  bei,  sie  sorgen  in  jeder  Lage  dafür,  daß  sich  das  Kreuzbein  nicht  vom  Tuber 
ischiadicum  entfernen  kann.  Daß  auch  die  innere  Struktur  der  Hüftbeine  den 
statischen  Bedürfnissen  entspricht,  wurde  bereits  oben   (S.  144)  erwähnt. 

Geschlechtsverschiedenheiten  (209 — 212).  Bei  keinem  anderen  Teil  des 
Skeletes  sind  die  Geschlechtsverschiedenheiten  so  deutlich  ausgeprägt,  wie  beim  Becken, 
was  darauf  zurückzuführen  ist,  daß  zu  den  Funktionen,  welche  es  beim  Manne  auszuüben 
hat,  bei  der  Frau  noch  die  hochwichtige  Funktion  als  Geburtskanal  hinzukommt.  Es 
sind  die  folgenden:  1.  Das  weibliche  Becken  ist  im  ganzen  graziler  wie  das  männliche. 
2.  Das  weibliche  Kreuzbein  ist  häufig,  jedoch  nicht  immer,  verhältnismäßig  breiter 
als  das  männliche;  der  obere  Teil  der  Kreuzbeinkrümmung  ist  bei  der  Frau  tiefer, 
die  Krümmung  im  ganzen  aber  flacher  wie  beim  Mann.  3.  Die  Vorderwand  des  weib- 
lichen Beckens  ist  im  ganzen  niederer,  wie  die  des  männlichen.  4.  Die  Symphyse 
und  der  ganze  Raum  zwischen  den  beiden  Foramina  obturatoria  ist  bei  der  Frau  breiter 
als  beim  Mann.  5.  Die  Foramina  obturatoria  des  weiblichen  Beckens  sind  niederer 
als  die  des  männlichen.  6.  Der  Angulus  pubis  des  Mannes  besitzt  einen  Winkel  von 
70 — 750,  der  Arcus  pubis  der  Frau  von  90 — ioo°.  Die  Knochenränder  des  Arcus 
sind  bei  der  Frau  stark  nach  außen  umgebogen.  7.  Die  weibliche  Beckenhöhle  ist 
geräumiger  wie  die  männliche.  8.  Der  weibliche  Beckeneingang  besitzt  ein  weniger 
vorspringendes  Promontorium  und  eine  größere  Ouerspannung  als  das  männliche. 
9.  Der  weibliche  Beckenausgang  hat  durch  größere  Entfernung  der  Sitzknorren  von- 
einander und  den  größeren  Schambogen  eine  größere  Weite  als  der  männliche. 

Da  die  Geburtshilfe  das  größte  Interesse  daran  hat,  die  mittleren  Dimensionen 
des  weiblichen  Beckens  zu  erkennen,  hat  man  den  Maßen  von  jeher  große  Aufmerksam- 
keit gewidmet.  Mittelmaße  aber  lassen  sich  deshalb  aufstellen,  weil  die  Größe  des 
normalen  Beckens  in  viel  engeren  Grenzen  schwankt  als  die  des  Skeletes  im  ganzen, 
so  daß  also  eine  größere  Frau  ein  relativ  kleines,  eine  kleinere  ein  relativ  großes  Becken 
besitzt  (211,   213). 

Man  hat  folgende  Zahlen  festgestellt   (Runge  1909): 
Beckeneingang: 

Gerader  Durchmesser,  Conjugata  vera  1),  kürzeste  Entfernung  zwischen 
Promontorium,  Schamfuge:  11,0  cm. 

Querer  Durchmesser,  Diameter  transversa,  weiteste  Entfernung  zwischen 
beiden  Lineae  terminales:  13,5  cm. 


^  Diameter  anterio-posterior. 


Becken.  151 

Schräger  Durchmesser,   Diameter  obliqua,    von    der    einen   Articulatio 
sacroiliaca  zur  Eminentia  ileopectinea  der  anderen  Seite:  12  cm. 
Beckenweite: 

Das  ist  eine  Ebene  gelegt  durch  die  Vereinigung  des  zweiten  und  dritten 
Kreuzwirbels,  Mitte  der  Pfannengegend  und  Mitte  der  Symphyse. 

Gerader  Durchmesser:  12,5  cm. 

Querer  Durchmesser,  zwischen  den  Mitten  der  Pfannengegenden:    12,5  cm. 

Schräger  Durchmesser,  Mitte  des  oberen  Randes  der  einen  Incisura  ischiadica 
zur  Mitte  des  gegenüberliegenden  Sulcus  obturatorius:    13,5  cm. 
Beckenenge: 

Das  ist  die  Ebene,  welche  durch  die  Spitze  des  Kreuzbeines,  die  Sitzbein- 
stacheln und  den  unteren  Rand  der  Symphyse  gelegt  wird. 

Gerader  Durchmesser:   11,5  cm. 

Querer  Durchmesser,  Entfernung  zwischen  beiden  Sitzbeinstacheln:  10,5  cm. 

Schräger  Durchmesser:   Müßte  von  dem  hinteren  Ende  des   Ligamentum 
sacrotuberosum  ausgehen.     Inkonstant. 
Beckenausgang: 

Gerader  Durchmesser,  geht  vom  unteren  Rand  der  Symphyse  zur  Steiß- 
beinspitze: 9  cm.  Kann  unter  der  Geburt  durch  Zurückdrängen  des  Steißbeines 
um  2 — 2,5  cm  vergrößert  werden. 

Querer  Durchmesser,  verbindet  beide  Tubera  ischiadica:  11  cm. 

Schräger  Durchmesser:  Inkonstant,  weil  vom  Bandapparat  ausgehend. 

Conjugata  diagonalis,  kürzeste  Entfernung  vom  unteren  Rand  der  Scham- 
beinsymphyse  zum  vorragendsten  Punkt  des  Promontoriums:  12,5 — 13  cm.  Ein 
besonders  wichtiges  Maß,  da  man  es  leicht  an  der  Lebenden  gewinnen  kann.  Um  aus 
der  Conjugata  diagonalis  die  Conjugata  vera  zu  berechnen,  hat  man  durchschnittlich 
1,8 — 2  cm  abzuziehen. 

In  der  Absicht,  durch  Messungen  am  großen  Becken  Rückschlüsse  auf  das  kleine 
Becken  zu  machen,  ermittelt  man  auch  die  Entfernung  der  Spinae  iliacae  anteriores 
superiores  voneinander:  am  trockenen  Becken  23  cm,  an  der  Lebenden  26  cm;  ferner 
die  größte  Entfernung  zwischen  den  Darmbeinkämmen:  25  cm;  bei  der  Lebenden: 
29  cm. 

Obgleich  die  Verbindung  zwischen  Kreuzbein  und  Hüftbeinen  eine  außerordent- 
lich feste  ist,  hat  doch  Klein  nachzuweisen  vermocht,  daß  eine  geringe  Beweglichkeit 
vorhanden  ist.  Bei  einer  Belastung  der  Hüftbeine  durch  die  herabhängenden  Beine 
ist  die  Conjugata  am  größten,  sie  wird  um  so  kleiner,  je  mehr  sich  die  Beine  dem  Rumpfe 
nähern.  Auch  durch  eine  Durchschneidung  der  Schamfuge  läßt  sieh  der  Beckenein- 
gang, und  zwar  nicht  unerheblich,  vergrößern,  was  ebenfalls  auf  eine  Bewegung  in 
der  Kreuzbein-Hüftbeinverbindung  zurückzuführen  ist.  Die  starke  Durchfeuchtung 
der  Bandmassen  derselben  bei  Schwangeren  erleichtert  eine  Lockerung. 

Altersverschiedenheiten.  Beim  Neugeborenen  ist  das  Becken  klein  und 
besitzt  eine  so  enge  Höhle,  daß  die  später  in  ihm  liegenden  Organe  zum  großen  Teil 
gezwungen  sind,  in  die  Bauchhöhle  aufzusteigen.  Ein  Promontorium  ist  noch  nicht 
ausgebildet,  Das  Kreuzbein  ist  in  allen  Dimensionen  relativ  größer  als  später.  Der 
Beckenraum  i>t  höher,  die  Foramina  obturata  sind  naher  zusammengerückt.  Vor- 
handene geringe  Geschlechtsunterschiede  (Fehling  1876)  gehen  im  Laufe  des  kind- 
lichen Wachstums  verloren;  vom  zehnten  Lebensjahr  ab  bildet  sich  d.»>  männliche 


152  Becken. 

Becken  gleichmäßig  weiter,  ohne  den  kindlichen  Typus  zu  verlieren,  das  weibliche 
erhält  seine  charakteristische  Gestalt  erst  mit  dem  Eintritt  der  Pubertätsentwickelung 
(Merkel  1902). 

Auch  Rassen  Verschiedenheiten  des  Beckens  werden  beobachtet. 

Varietäten.  Es  gibt  Becken  mit  hochstehendem  und  tiefstehendem  Promontorium 
(Froriep  1881).  Der  Unterschied  kann  eine  ganze  Wirbelhöhe  betragen.  Das  Becken  mit  tief- 
stehendem Promontorium  pflegt  man  als  das  normale  anzusehen,  das  mit  hochstehendem  steht 
der  kindlichen  Form  näher.  Die  Darmbeinschaufeln  sind  in  einer  Reihe  von  Fällen  steiler  auf- 
gerichtet als  gewöhnlich,  was  ebenfalls  kindlich  ist  (Merkel).  Die  Form  des  Beckeneinganges 
kann  mehr  kartenherzartig  oder  elliptisch  oder  rundlich  gestaltet  sein,  ohne  daß  man  dabei  von 
Abnormitäten  sprechen  könnte.  Das  Becken  kann  in  seiner  ganzen  Ausbildung  die  Merkmale 
des  kindlichen  Typus  behalten,  es  kann  im  allgemeinen  zu  klein,  es  kann  auch  zu  groß  sein.  Die 
Beckenhöhle  kann  durch  Krankheiten  (Rachitis,  Osteomalacie,  Hüftgelenksleiden)  abgeplattet 
werden,  oder  eine  Dreiecksform  mit  schnabelförmig  vorspringender  Symphvse  annehmen,  oder 
auch  schräg  verengt  erscheinen. 

Eine  wichtige,  aber  sehr  seltene  Varietät  des  Kreuzbeines  ist  es,  daß  seine  Seitenteile  rudi- 
mentär ausgebildet  sind.  Die  ganze  Beckenform  wird  dadurch  verändert  und  der  Beckeneingang 
von  beiden  Seiten  her  so  stark  verengt,  daß  das  Durchtreten  des  Kinderkopfes  bei  der  Geburt 
unmöglich  wird. 

Ist  der  erste  Kreuzwirbel  nur  einseitig  assimiliert  oder  steigt  die  Zahl  der  Kreuzwirbel 
auf  sechs,  dann  kommt  es  oft  zur  Ausbildung  eines  doppelten  Promontoriums  (S.  33).  An 
den  zuweilen  vorkommenden  Stachel  im  Verlauf  der  Linea  terminalis  (S.  145)  sei  erinnert,  er 
kann  ein  Geburtshindernis  abgeben.  Es  können  auch  an  anderen  Stellen  Vorsprünge  vorhanden 
sein,  welche  gelegentlich  geburtshilflich  von  Bedeutung  werden,  so  kann  das  Promontorium  un- 
gewöhnlich eckig  und  scharf  sein,  die  Rückseite  der  Symphyse  kann  sich  zu  einem  scharfen  Grat 
umwandeln,  am  Ansatz  des  M.  piriformis  können  kleine  Knochenzapfen  (Waldever)  vorhanden 
sein.  Die  Eminentia  ileopubica  und  die  Vereinigung  der  unteren  Scham-  und  Sitzbeinäste  kann 
zu  einer  starken  Rauhigkeit  umgewandelt  erscheinen.  In  allen  Bändern  werden  gelegentlich 
Knocheneinlagerungen  beobachtet.  Umgekehrt  bleibt  die  Knochenbildung  auch  zuweilen  aus, 
so  an  den  unteren  Scham-  und  Sitzbeinästen  (Hyrtl).  Besonders  wichtig  ist  der  Fall,  in  welchem 
durch  eine  Entwickelungshemmung  die  beiden  Schambeine  nicht  zum  Schluß  in  der  Schambein- 
symphyse  kommen.  In  höheren  Graden  entsteht  dann  Ektopie  und  Spaltung  der  Blase  und 
die  ganze  Beckenform  wird  durch  das  Fehlen  der  Gewölbeverankerung  verändert. 

Praktische  Bemerkungen.  Das  Iliosacralgelenk  ist  hinten  weit  besser  geschützt 
als  von  vorn;  es  operativ  zu  lösen,  dürfte  bei  Erwachsenen  wohl  schwerlich  möglich  sein.  Bei 
Kindern  gelingt  ein  Eindringen  in  das  Gelenk  und  ein  Vorbiegen  des  unvollständigen  Becken- 
ringes bei  Inversio  vesicae,  doch  folgt  dabei  das  Messer  keineswegs  streng  der  Gelenkspalte.  Da 
das  Gelenk  vorne  nur  w-enig  geschützt  ist,  können  Durchbrüche  dort  leichter  erfolgen,  wie  hinten. 
Bei  Symphyseotomie  wird  man  es  vermeiden,  von  vorne  nach  hinten  durchzuschneiden,  da  man 
bei  der  Verschmälerung  der  Schamfuge  nach  hinten  nicht  sicher  sein  kann,  ihren  Verlauf  genau 
einzuhalten;  von  innen  her  kann  man  sie  aber  sehr  leicht  finden,  da  sie  dort  als  eine  Firste  fühlbar 
ist  und  ohne  Schwierigkeit  die  Trennung  nach  außen  durchführen.  Die  Gefährlichkeit  der  Opera- 
tion hegt  nicht  in  dem  Verhalten  der  Symphyse  selbst,  sondern  in  dem  der  ihr  benachbarten  Ge- 
fäße und  Eingeweideteile.  Auch  Verletzungen  des  Beckens  werden  nicht  selten  dadurch  be- 
sonders schwer,  daß  die  in  und  an  ihm  liegenden  Weichteile  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden, 
so  können  sie  bei  Frakturen  durch  eindringende  Knochensplitter  mehr  oder  weniger  geschädigt 
werden,  sie  können  mit  dem  Bruche  des  Knochens  zerreißen  u.  dgl.  mehr.  Die  Frakturen  können 
einzelne  Teile  des  Beckens  betreffen,  indem  z.  B.  ein  Teil  der  Darmbeinschaufel  oder  der  Sitz- 
knorren abbricht  oder  ein  Schamsitzbeinast  eine  Kontinuitätstrennung  erfährt,  oder  wenn  durch 
Fall  auf  das  Gesäß  das  Kreuzbein  quer  durchbricht.  Sie  können  auch  den  Beckenring  im  ganzen 
betreffen,  wenn  eine  schwere  Last  auf  ihn  fällt,  oder  ein  Wagenrad  ihn  zusammenpreßt.  Es  ent- 
steht dann  auf  der  einen  Seite  durch  Druck,  auf  der  anderen  durch  Riß  eine  Trennung.  Typische 
Frakturstellen  sind  einerseits  die  mediale  Umrandung  der  Foramina  obturata,  anderseits  die  Stelle 
in  oder  neben  der  Articulatio  sacroiliaca.  Hier  können  auch  die  übermäßig  gespannten  Bänder 
die  Spina  iliaca  poster.  super,  oder  Teile  des  Darmbeinkammes  abreißen,  während  sie  selbst  ihrer 
Stärke  wegen  unzerrissen  bleiben.     Die  schwächste   Stelle  des   Kreuzbeins  ist  in  den   Spangen 


Oberschenkelbein.  153 

zu  suchen,  welche  die  Foramina  sacralia  voneinander  trennen.  Bei  jungen  Leuten  ist  die  Elastizität 
des  Beckenringes  so  groß,  daß  er  vermöge  seiner  Federkraft  ohne  Fraktur  davon  kommt,  auch  bei 
Gewalteinwirkungen,  von  welchen  man  eine  solche  erwarten  könnte.  Bei  ihnen  kommt  es  zuweilen 
zu  einer  Trennung  der  transitorischen  Xähte,  welche  im  Acetabulum  zusammenstoßen.  Die  Pfanne 
hat  einen  so  dünnen  Boden,  daß  ihn  der  Oberschenkelkopf  sprengen  und  in  das  Innere  des  Beckens 
eindringen  kann.  —  Alle  Bandverbindungen  können  sich  bei  schweren  Gewalteinwirkungen  lösen, 
die  Articulatio  sacroiliaca,  die  Symphysis  ossium  pubis,  die  Verbindung  zwischen  Kreuz-  und 
Steißbein. 

b)  Oberschenkelbein,  Femur. 

Das  Oberschenkelbein  (214,  215,  216)  ist  der  längste  Knochen  des  Skeletes. 
Sein  proximales  Ende  verbindet  sich  mit  dem  Becken,  sein  distales  mit  dem  Schien- 
bein. Das  proximale  Ende  endigt  in  dem  Oberschenkelkopf,  Caput  femoris, 
dessen  überknorpelte  Gelenkfläche  etwa  zwei  Drittel  einer  Kugel  ausmacht.  Etwas 
unterhalb  seines  Gipfels  findet  man  ein  rauhes  Grübchen,  Fovea  capitis,  zur  An- 
heftung des  Ligamentum  teres.  An  den  Kopf  schließt  sich  ein  relativ  langer  Hals, 
Collum  femoris,  an,  welcher  in  seinem  lateralen  Teil  verbreitert  und  von  vorn 
nach  hinten  etwas  abgeplattet,  im  Winkel  an  den  Schaft  angesetzt  ist.  Dieser  Winkel 
beträgt  im  Mittel  1270  (Charpy  1892),  doch  schwankt  er  in  weiten  Grenzen;  immer- 
hin kann  man  sagen,  daß  er  bei  kurzen  Oberschenkelbeinen,  wühl  auch  bei  breiterem 
Becken  kleiner  ist.  Da  nun  die  Frauen  kürzere  Oberschenkel  und  ein  breiti  n  s 
Becken  haben  als  die  Männer,   pflegt  er  bei  ihnen  kleiner  zu  sein. 

Der  Winkel,  in  welchem  der  Schenkelhals  gegen  die  Achse  des  Kniegelenkes 
gedreht  ist,  schwankt  in  weiten  Grenzen;  im  Mittel  kann  man  vielleicht  120  an- 
nehmen. 

An  den  Hals  schließen  sich  wie  am  Oberarm  zwei  Höcker  an,  die  Rollhügel, 
Trochanter  major  und  Trochanter  minor.  An  dem  ersteren  läuft  die  laterale 
Seite  des  Schaftes  aus;  er  ist  hakenförmig  median wärts  umgebogen  und  zeigt  sich 
gegen  den  Hals  hin  grubig  zur  Fossa  trochanterica  vertieft.  Der  letztere  ist  von 
kegelförmiger  Gestalt,  er  sieht  nach  hinten  und  medial  und  steht  dort,  wo  der  Schaft 
in  die  Unterseite  des  Halses  umbiegt.  Beide  Trochanteren  werden  über  die  Rück- 
seite des  Knochens  hin  durch  die  Crista  intertrochanterica  l)  (218)  verbunden, 
einen  Wulst,  aus  welchem  sich  der  Hals  heraushebt.  An  Trochanter  major,  Fossa 
trochanterica  und  Crista  intertrochanterica  setzen  sich  die  Rollmuskeln  des  Ober- 
schenkels  an,  an  den  Trochanter  minor  der  M.  iliopsoas. 

Der  Schaft  des  Oberschenkelbeines  ist  vorwärts  konvex  gebogen  (216).  Sein  Quer- 
schnitt ist  im  größten  Teil  seiner  Länge  rundlich,  doch  nähert  er  sich  der  dreiseitig 
prismatischen  Form  durch  das  Vorhandensein  zweier  longitudinaler  Kanten.  Die 
eme,  Angulus  medialis,  ist  glatt  und  stark  abgerundet;  sie  verläuft  über  die  mediale 
Seite  vom  unteren  l  "mlane,  de-  Halses  an  bis  lnrab  zum  Epicondylus  medialis.  Die 
andere  ist  rauh,  kräftig  vorspringend,  und  zieht  über  die  Rückseite  des  Knochens 
herab.  Sie  wird  als  Linea  aspera2)  bezeichnet.  In  der  Mitte  des  Oberschenkel- 
beines ist  sie  am  kräftigsten  ausgebildet  und  besitzt  dort  zwei  mehr  oder  weniger  deut- 
liche Kanten,  Labium  mediale  und  Labium  laterale  (215).  An  ihr  setzen  sich 
die  meisten  am  Oberschenkelbein  entspringenden  oder  an  ihm  endenden  Muskeln  an. 
Die  beiden  Lippen  der  Linea  aspera  weichen  proximalwärts  auseinander.    Die  laterale 


')  Linea  intertrochanterica. 
-)  Crista  femoris. 


154  Oberschenkelbein. 

endet  unter  dem  Trochanter  major  mit  einer  Rauhigkeit,  Tuberositas  glutaea, 
zum  Ansatz  des  M.  glutaeus  maximus.  Sie  schwillt  manchmal  zu  einem  stumpfen, 
in  die  Länge  gezogenen  Höcker,  Trochanter  tertius,  an,  welcher  bei  manchen  Säuge- 
tieren die  Regel  ist.  Die  mediale  Lippe  zerfällt  in  zwei  Teile;  der  eine  steigt  zum 
Trochanter  minor  auf  J) ,  der  andere  biegt  unter  ihm  nach  vorne  ab  und  steigt  über 
die  Vorderseite  des  Knochens  als  die  rauhe  Linea  obliqua  femoris2)  (214)  bis 
zum  Trochanter  major  auf;  an  ihr  heften  sich  die  von  oben  herkommenden  Kapsel- 
bänder und  die   nach   unten   gehenden  obersten  Bündel  des  M.  vastus  medialis  an. 

Nach  dem  distalen  Ende  hin  verbreitert  sich  der  Schaft  immer  mehr,  so  daß 
sein  Querschnitt  eine  querovale  Form  annimmt.  Dort  divergieren  die  beiden  Lippen 
der  Linea  aspera  und  erstrecken  sich  beiderseits  bis  zu  den  Epicondylen.  Die  mediale 
Lippe  endigt  mit  einer  Muskelrauhigkeit  (Hentzelt  1911).  Sie  fassen  die  oben  glatte, 
unten  rauhe  und  von  zahlreichen  Gefäßöffnungen  durchbohrte  Kniekehlenfläche, 
Planum  popliteum3),  zwischen  sich    (215). 

Das  distale  Ende  trägt  die  Gelenkfläche  zur  Artikulation  mit  der  Tibia.  Die- 
selbe ist  geteilt  und  nimmt  zwei  kräftige,  aus  der  Rückfläche  des  Knochens  vortretende 
Vorsprünge,  Condylus  medialis  und  Condylus  lateralis,  ein.  Beide  sind  durch 
eine  tiefe  Grube,  Fossa  intercondyloidea4),  voneinander  getrennt.  Eine  rauhe 
transversale  Kante,  Linea  intercondyloidea,  verbindet  die  oberen  Enden  der 
beiden  Condylen  und  setzt  dadurch  die  Grube  gegen  das  Planum  popliteum  ab.  Die 
überknorpelten  Gelenkflächen  der  Condylen  sind  in  sagittaler  Richtung  gewölbt  (215). 
Nach  der  vorderen  Seite  des  Femurendes  hin  fließen  die  Gelenkflächen  zu  einer  einzigen 
zusammen,  welche  nicht  mehr  mit  dem  Schienbein,  sondern  mit  der  Kniescheibe 
artikuliert,  weshalb  sie  den  Namen  Facies  patellaris  führt  (214).  Die  Fläche  ist 
in  der  Art  verschoben,  daß  sie  lateral  etwas  weiter  heraufreicht,  wie  medial,  und 
daß  eine  vertikale  Rinne,  welche  sie  trägt,  etwas  nach  der  medialen  Seite  hin  gerückt 
ist.  Von  den  Gelenkflächen  der  Condylen  hebt  sich  die  Facies  patellaris  durch 
eine  seichte  Furche  ab. 

Auf  den  beiden  Seitenflächen  der  Condylen  erheben  sich  stumpfe  und  niedere 
Höcker,  Epicondylus  lateralis  und  Epicondylus  medialis5).  An  sie  setzen 
sich  Bänder  und  Muskeln  fest.  Der  Epicondylus  lateralis  ist  an  seinem  distalen  Um- 
fang durch  eine  breite  Furche  abgesetzt,  der  Epicondylus  medialis  ist  höher  und  zer- 
fällt nicht  selten  durch  eine  flache  Grube  in  eine  untere  und  obere  Erhebung 
(Tuberculum  supracondyloideum). 

Das  Oberschenkelbein  ist  so  gleichmäßig  von  Weichteilen  bedeckt,  daß  nur 
die  beiden  Seiten  des  distalen  Endes  einer  unmittelbaren  Untersuchung  zugänglich 
sind.  Auch  der  Trochanter  major  ist  durch  die  Haut  zu  fühlen,  was  deshalb  von 
Bedeutung  ist,  weil  er  ungefähr  in  gleicher  Höhe  mit  der  Fossa  capitis  steht,  so  daß 
seine  Stellung  einen  Schluß  auf  die  Stellung  des  Oberschenkelkopfes  zuläßt.  Da 
die  Oberschenkelknochen  proximal  durch  die  Breite  des  Beckens  voneinander  getrennt 
sind,  mit  ihren  distalen  Enden  an  den  Knien  sich  aber  berühren,  sind  ihre  Achsen 
schief  nach  unten  und  medial  gerichtet.     Um  die  schiefe   Stellung  unschädlich  zu 


1)  Linea  pectinea. 

2)  Linea  intertrochanterica.     Diese  Bezeichnung  ist  unzutreffend,   da  die  Linie  mit  dem 
Trochanter  minor  nichts  zu  tun  hat. 

3)  Von  Poples,   Kniekehle. 

4)  Fossa  poplitea. 

5)  Condylus  lateralis  und  medialis. 


Oberschenkelbein.  155 

machen,  ragt  der  Condylus  medialis  weiter  vor  als  der  Condylus  lateralis.  Man  über- 
zeugt sich  davon  am  besten,  wenn  man  den  Knochen  mit  seinem  distalen  Ende  auf 
eine  horizontale  Unterlage,  den  Tisch  oder  auch  auf  die  Gelenkfläche  der  Tibia  stellt. 

Der  Oberschenkel  ist  ein  typischer  Röhrenknochen  mit  einer  sehr  festen  und 
dicken  Compacta  und  einem,  besonders  in  der  Mitte  seiner  Länge,  relativ  engen  Mark- 
kanal. An  beiden  Enden  blättert  sich  die  Compacta,  wie  an  jedem  Röhrenknochen 
zur  Spongiosa  auf;  diese  aber  besitzt  im  Zusammenhang  mit  den  statischen  Verhält- 
nissen eine  Struktur  spezifischer  Art.  Am  proximalen  Ende  sind  die  Lamellensysteme, 
entsprechend  seiner  gebogenen  Form,  in  ihrem  Verlauf  modifiziert  und  dazu  kommt 
noch  das  System  des  Schenkelspornes  (Merkel  1874) 1),  einer  Leiste  von  kompakter 
Knochensubstanz,  welche  von  der  hinteren  Seite  des  Halses  ab,  am  Trochanter  minor 
vorbei  in  das  Innere  des  Knochens  vorspringt.  Von  ihr  strahlen  Spongiosabälkchen 
radiär  nach  allen  Seiten  aus  und  verbinden  sich  mit  der  dünnen  Corticalis.  In  höherem 
Alter  schwindet  der  Schenkelsporn  mit  dem  allgemeinen  Schwinden  der  Knochen- 
substanz fast  vollständig.  Am  distalen  Ende  des  Knochens  strahlt  in  die  regelmäßig 
sich  kreuzenden  Züge  der  Spongiosabälkchen  ein  System  radiärer  Bälkchen  ein,  welches 
von  einer  etwas  verdickten  Stelle  der  Corticalis  in  der  Gegend  der  Fossa  intercondylo- 
idea  ausgeht   (Unterer  Schenkelsporn,  Albert  1900). 

Das  kräftige  Periost  läßt  sich  vom  Schaft  des  Knochens  leicht  abschaben,  nur 
an  der  Linea  aspera  adhäriert  es  äußerst  fest. 

Arteriae  nutriciae  sind  eine  oder  zwei  vorhanden ;  sie  werden  von  den  Artt.  per- 
forantes  abgegeben.  Sie  betreten  den  Knochen  durch  Löcher,  welche  auf  oder  neben 
der  Linea  aspera  stehen  und  in  proximal  gerichtete  Kanälchen  führen.  Weite  Gefäß- 
löcher stehen  am  proximalen  Knde  in  größerer  Zahl  auf  der  Crista  intertrochanterica 
und  nelien  ihr  auf  dem  Collum  femoris,  am  distalen  Ende  sowohl  vorne,  wie  besonders 
hinten  am  Ende  des  Planum  popliteum. 

Entwickclung  [274,  275).  In  der  Mitte  der  Diaphyse  des  Oberschenkels  erscheint  ein  Kern 
in  der  siebenten  bis  achten  Fetaiwoche.  Beim  Neugeborenen  ist  das  proximale  und  distale  Ende 
des  Knochens  noch  knorpelig,  doch  enthält  das  distale  Ende  in  der  Regel  einen  kurz  vorher  auf- 
getretenen Knochenkern,  welcher  als,  freilich  nicht  untrügliches,  Mittel  die  Reife  der  Frucht 
zu  bestimmen  eine  forensische  Bedeutung  erlangt  hat.  Am  Oberschenkel  des  Neugeborenen 
ist  der  Hals  noch  sehr  kurz,  er  erhält  erst  im  Laufe  der  ersten  Lebensjahre  seine  definitive  Gestalt. 
Ende  des  ersten  Lebensjahres  entsteht  ein  Kern  im  Kopfe  des  Oberschenkels:  im  dritten  bis  vierten 
Jahr  kommt  ein  Kern  im  Trochanter  major,  im  12.  bis  14.  ein  solcher  im  Trochanter  minor  hinzu. 
Dieser  letztere  verschmilzt  mit  dem  Körper  im  17.  Jahr,  ihm  folgt  der  des  Trochanter  major, 
dann  der  des  Kopfes  und  zuletzt  im  20. — 24.  Jahr  vereinigt  sich  die  untere  Epiphyse  mit  dem 
Körper. 

Varietäten.  Das  Tuberculum  supracondyloideum  (mediale)  kann  so  groß  werden,  daß 
es  am  Lebenden  durch  die  Haut  zu  fühlen  ist.  Auch  ein  Tuberculum  supracondyloideum  laterale 
kommt  zuweilen  vor.  Am  lateralen  Kand  des  Oberschenkels  kommt  zuweilen  am  l'rsprung  des 
kurzen  Bicepskopfes  ein  platter,  kammartiger  Fortsatz  vor   (Wilbrand). 

Praktische  Bemerkungen.  Der  Winkel,  welchen  der  Hals  des  Oberschenkels  mit 
dessen  Körper  bildet,  ist  in  der  Jugend  größer  als  beim  Erwachsenen,  er  verkleinert  sich  durch 
die  Belastung.  Fällt  diese  im  Kindesalter  fort,  wie  bei  dauernder  Bettlägerigkeit,  bei  Lähmungen, 
nach  Amputationen,  dann  bleibt  auch  der  Winkel  größer.  Das  Schwinden  des  Schenkelspornes 
in  späteren  Lebensjahren  erklärt  das  leichte  Eintreten  von  Schenkelhalsbrüchen  im  Greisen- 
alter, Auch  bei  jüngeren  Personen  kennen  jedoch  Brüche  des  Schenkelhalses  entstehen,  was 
bei  der  eigenartigen  Winkelstellung  desselben  leicht  verständlich  ist.  Von  ihrem  Verhalten  sur 
Gelenkkapsel  und  unten  die  Rede  sein.  Der  [rochanter  major  kann  gesondert  abbrechen,  der 
Trochanter  minoi    kann   vom  M.  iliopsoas  abgerissen  werden. 


')    l.aiuina    leuioialis   interna,    Krause. 


156  Hüftgelenk. 

Die  konvexe  Biegung  des  Körpers  nimmt  bei  Rachitis  zu. .  Die  Biegung  erleichtert  die 
Entstehung  von  Frakturen,  wenn  den  hohl  liegenden  Oberschenkelschaft  eines  am  Boden  aus- 
gestreckten Menschen  von  vorne  her  eine  Gewalteinwirkung  trifft,  oder  wenn  bei  Fall  auf  die  Füße 
die  Biegung  vergrößert  wird,  so  daß  der  Knochen  an  der  Konvexität  einreißt,  an  der  Konkavität 
durchbricht.  Frakturen  können  nach  Art  und  Richtung  der  Gewalteinwirkung  an  jeder  Stelle 
des  Schaftes  eintreten,  seine  gleichartige  Struktur  schreibt  ihnen  keine  besondere  Richtung  vor. 
Wegen  der  zahlreichen  Ansätze  starker  Muskeln  ist  die  Gefahr  einer  Dislokation  der  Bruchenden 
und  einer  Verkürzung  des  Gliedes  bei  der  Heilung  groß.  Ist  das  kräftige  Periost  bei  reinen  Quer- 
brüchen jugendlicher  Personen  erhalten,  dann  kann  es  eine  Dislokation  verhindern.  Am  distalen 
Ende  kann  einer  der  Condylen  abbrechen;  auch  T-Brüche,  ähnlich  denen  des  distalen  Humerus- 
endes,  kommen  vor.  —  Lösungen  sind  an  sämtlichen  Epiphysen  beobachtet  worden.  (S.  auch 
unten  beim  Kniegelenk.) 

c)  Hüftgelenk,  Articulatio  coxae. 

Das  Hüftgelenk  stellt  die  Abart  des  Kugelgelenkes  dar,  welche  man  als  Nuss- 
gelenk,  Enarthrosis,  bezeichnet.  Es  ist  ein  Gelenk,  dessen  Bewegungen  von  denen 
des  Schultergelenkes  im  wesentlichen  nicht  verschieden  sind.  Am  freiesten  sind  sie 
in  halber  Beugung,  wie  sie  die  normale  Stellung  eines  vierfüßig  gehenden  Säugetieres 
ist.  In  der  aufrechten  Stellung,  welche  der  Mensch  angenommen  hat,  ist  das  Gelenk 
in  starker  Streckung,  die  vorderen  Bänder  sind  gespannt  und  die  Kapsel  ist  einiger- 
maßen torquiert,  wodurch  die  Freiheit  der  Bewegung  eine  Einbuße  erleidet.  Für 
die  Tätigkeit  des  Gelenkes  ist  es  ferner  nicht  günstig,  daß  im  Gegensatz  zu  dem  gewöhn- 
lichen Vorkommen  die  mehr  als  halbkugelige  Pfanne  an  Ausdehnung  die  Größe  des 
Kopfes  übertrifft ;  dies  wird  aber  dadurch  wett  gemacht,  daß  der  Hals  des  Oberschenkels 
zum  großen  Teil  in  die  Kapsel  einbezogen  ist.  Wenn  der  überknorpelte  Kopf  bei  ex- 
tremen Bewegungen  auf  der  einen  Seite  über  den  Rand  der  Pfanne  heraustritt,  kann 
auf  der  gegenüberliegenden  der  im  Verhältnis  zum  Gelenkkopf  schlanke  Hals  in  die 
Pfanne  eintreten,  so  daß  die  Bewegungen  ungehindert  vor  sich  gehen  können;  wäre 
der  Hals  so  kurz,  wie  am  Oberarm,  dann  würden  sie  nicht  ausführbar  sein. 

Der  Gelenkkopf,  welcher,  wie  oben  S.  153  erwähnt  wurde,  etwa  zwei  Drittel 
einer  Kugel  ausmacht,  hat  eine  regelmäßig  gekrümmte  Oberfläche,  welche  beim 
Mann  einen  Halbmesser  von  etwa  2,6  cm,  bei  der  Frau  von  2,4  cm  besitzt.  Der  ihn 
bedeckende  Gelenkknorpel  endigt  nicht  überall  in  einer  geraden  ihn  umkreisenden 
Linie,  sondern  buchtet  sich  vorne  oben  und  hinten  unten  leicht  konkav  ein.  Am 
dicksten  ist  der  Knorpel  vorn  unten. 

Die  Pfanne  trägt  nur  auf  der  Facies  lunata  Knorpelbelag,  welcher  oben  und 
hinten  dicker  ist  als  vorne.  Sie  wird  durch  eine  Gelenklippe,  Labrum  glenoidale1) 
(217,  217a),  zu  einer  mehr  als  halbkugeligen  Höhle  ergänzt.  Dieselbe  ist  eine  aus 
Faserknorpel  und  Bindegewebe  bestehende,  5 — 6  mm  hohe  Verlängerung  des  Pfannen- 
randes, welche  an  diesem  breit  entspringt  und  sich  an  ihrem  freien  Rande  zuschärft. 
Sie  umkreist  den  Rand  der  Pfanne  vollständig  und  verbreitert  sich  an  der  Incisura 
acetabuli  zu  dem  kräftigen,  rein  bindegewebigen  Ligamentum  transversum 
acetabuli  (204,  217  a),  welches  dieselbe  überbrückt,  aber  nicht  ganz  ausfüllt,  so  daß 
zwischen  dem  Ligament  und  dem  inneren  Rand  der  Incisur  eine  Lücke  bleibt,  durch 
welche  Fett  und  Blutgefäße  von  außen  her  in  die  Fossa  acetabuli  eintreten.  Erst 
durch  die  Gelenklippe  wird  der  Schenkelkopf  so  weit  umschlossen,  daß  er  in  der 
Pfanne  festgehalten  wird;  will  man  ihn  exartikulieren,  dann  muß  man  sie  ein- 
schneiden; es  dringt  dann  Luft  in  die  Pfanne  ein  und  der  Kopf  läßt  sich  nun  nach 


J)  Linibus  cartilagineus. 


Hüftgelenk.  157 

Aufhebung  des  Luftdruckes,  der  vorher  die  Gelenklippe  fest  andrückte,  leicht  aus 
der  Pfanne  herausziehen. 

Im  Inneren  des  Gelenkes  werden  Pfanne  und  Kopf  verbunden  durch  das  Liga- 
mentum teres  femoris  (217, 217  a),  ein  Band,  welches  bei  niederen  Wirbeltieren,  selbst 
noch  bei  manchen  Säugern  außerhalb  des  Hüftgelenkes  liegt,  in  der  Tierreihe  dann 
aber  immer  weiter  in  das  Gelenk  hineinrückt,  bis  es  endlich,  wie  beim  Menschen,  frei  in 
dessen  Innenraum  zu  liegen  kommt.  Es  entspringt  breit  an  beiden  Enden  der  Facies 
lunata  und  an  dem  zwischen  ihnen  ausgespannten  Ligamentum  transversum  und 
nimmt  noch  Fasern  von  außen  her  mit,  welche  durch  die  Lücke  hinter  diesem  Band 
in  das  Gelenk  eintreten.  Von  diesem  Ursprung  aus  erhebt  sich  das  Band  als  ein  drei- 
seitiger Bindegewebskörper,  welcher  sich  nach  oben  verjüngt,  um  sich  in  der  Fossa 
capitis  festzuheften.  Von  seiner  Insertion  strahlen  Bindegewebszüge  einige  Millimeter 
weit  auf  die  benachbarte  Knorpelfläche  aus.  Es  liegt  gefaltet  zwischen  dem  Gelenk- 
kopf und  dem  die  Fossa  acetabuli  ausfüllenden  Fett.  Es  enthält  Gefäße,  welche  in 
der  Jugend,  in  manchen  Fällen  auch  noch  beim  Erwachsenen,  bis  in  den  Schenkel- 
kopf vordringen,   ohne  demselben  aber  eine  nennenswerte  Menge  Blutes  zuzuführen. 

Seine  mechanische  Bedeutung  ist  eine  geringe;  am  schlaffsten  ist  es  bei  schräg 
seitwärts  und  vorwärts  gehobenem  und  etwas  einwärts  gerolltem  Schenkel.  Es  unter- 
stützt das  Lig.  iliofemorale  in  seiner  Wirkung  und  spannt  sich,  wenn  das  nach  vorn 
erhobene  Bein  nach  auswärts  gerollt  oder  adduziert  wird  (Fick). 

Die  starke  und  feste  Kapsel  des  Hüftgelenkes  ist  in  ihrer  größten  Ausdehnung 
am  knöchernen  Rand  der  Pfanne  angeheftet,  so  daß  das  Labrum  glenoidale  fast 
vollständig  in  das  Innere  der  Gelenkhöhle  zu  liegen  kommt;  nur  an  der  Vorderseite 
entspringt  die  Kapsel  von  der  äußeren  Fläche  der  Lippe  nahe  ihrer  Basis.  Das  Liga- 
mentum transversum  setzt  sich  zuweilen  ohne  Grenze  in  die  Kapselmembran  fort. 
Am  Oberschenkel  überragt  die  Kapsel  den  Kopf  weit.  Vorne  gelangt  sie  bis  zur  Linea 
obliqua,  welche  sie  an  der  Basis  einerseits  des  Trochantcr  major,  anderseits  des  Tro- 
chanter  minor  verläßt.  Sie  geht  an  diesen  vorbei  auf  die  Rückseite  des  Schenkelhalses, 
wo  sie  sich  parallel  der  Crista  intertrochanterica,  jedoch  etwa  fingerbreit  von  ihr  ent- 
lernt, anheftet.  Der  Schenkelhals  liegt  also  zu  einem  großen  Teil  im  Inneren  des 
Gelenkes,  in  besonders  großer  Ausdehnung  im  unteren  Teil  der  Rückseite  (M.). 

Die  äußerst  kräftigen  Bänder,  welche  die  Kapsel  verstärken,  sind  so  lest  mit 
ihr  verwebt,  daß  es  unmöglich  ist,  sie  von  ihr  zu  trennen;  sie  verlaufen  ringförmig 
und  longitudinal. 

Das  Ringband,  Zona  orbicularis1)  {217),  ist  nirgends  mit  dem  Knochen  ver- 
bunden. Bei  der  Präparation  von  außen  her  sieht  man  es  nicht,  in  das  Innere  der 
Kapsel  tritt  es  wulstartig  vor.  Ks  legt  sich  um  den  dünnsten  Teil  des  Schenkel- 
halses, wird  aller  wegen  seiner  Verbindung  mit  den  Längsbändern  bei  den  Bewegung  n 
des*  Oberschenkels  hin  und  her  verschoben.  Bei  Streckung  nähert  es  sich  dem  Schenkel- 
kopf, bei  Beugung    gleitet    es   abwart  >    I  W  e  I  e  k  e  |     [876). 

Die  longitudinal  verlaufenden  Bänderzüge  entspringen  vom  knöchernen  Pfannen- 
rand, nicht  aber  vom  Ligamentum  transversum.  Obgleich  sie  eine  ziemlich  lückenlose 
Faserlage  darstellen,  welche  nur  an  der  vorderen  Seite  besonders  mächtig  ist,  trennt 
man  sie  doch,  entsprechend  den  drei  Teilen,  in  welche  das  Hüftbein  vor  der 
vollendeten  Verknöcherung  zerfallt,  in  drei  Abteilungen. 


')  Zona  orbicularis  Weben,  big.  zonale,  Lig.  anulare. 


158  Hüftgelenk. 

Ligamentum  iliofemorale  a)  (218).  Sehr  starkes  Band.  Es  entspringt  am 
Hüftbein  unter  der  Spina  iliaca  anterior  inferior  und  teilt  sich  meist  in  zwei  Schenkel, 
zwischen  welchen  an  der  Vorderseite  der  Kapsel  ein  zwickeiförmiger  Raum  bleibt, 
in  welchem  die  Kapsel  verdünnt  ist.  Der  obere  sehr  kräftige  Schenkel  setzt  sich  an 
einen  Höcker  des  oberen  Endes  der  Linea  obliqua  femoris  an,  er  hemmt  die  Rück- 
wärtsbewegung, Einwärtsrollung  und  Adduktion  (Fick).  Der  vordere  dünnere 
geht  steil  abwärts  zum  untersten  Teil  der  Linea  obliqua,  wo  sie  in  die  Linea  aspera 
umbiegen  will.  Er  hemmt  die  Streckung  und  etwas  die  Einwärtsrollung,  bei  Aus- 
wärtsrollung  wird  er  schlaff. 

Ligamentum  pubofemorale2)  (218).  Das  schwächste  der  drei  Bänder.  Ur- 
sprung von  der  Crista  obturatoria  des  Schambeines,  der  Eminentia  üiopectinea  und 
dem  Pfannenrand;  setzt  sich  an  die  gleiche  Stelle  der  Linea  obliqua  an,  an  welcher 
sich  die  vordere  Abteilung  des  Ligamentum  iliofemorale  anheftet.  Es  wird  verstärkt 
durch  Zuzüge  von  der  Scheidewand  zwischen  M.  pectineus  und  iliopsoas  und  vom 
Ligamentum  obturatorium  her.  Es  spannt  sich  bei  Abduktion  und  AuswärtsroUung 
des  abduzierten  Beines. 

Ligamentum  ischiofemorale  3)  (219).  Von  der  Incisura  ischiadica  minor 
quer  über  die  hintere  und  obere  Seite  des  Schenkelhalses  zur  Fossa  trochanterica. 
Hemmt  Einwärtsrollung  und  Adduktion  (Fick). 

Bei  aufrechter  Stellung  drückt  das  gespannte  Ligamentum  iliofemorale  den 
Schenkelkopf  fest  in  die  Pfanne  hinein,  bei  halber  Beugung  befinden  sich  sämtliche 
Bänder  in  geringster  Spannung. 

Zwischen  den  einzelnen  Verstärkungsbändern  ist  die  Kapsel  am  dünnsten,  be- 
sonders unter  der  Eminentia  üiopectinea,  wo  sogar  die  auf  ihr  liegende  Bursa  üio- 
pectinea in  io  %  der  FäUe  durch  eine  rundliche  Öffnung  mit  dem  Gelenk  in  Ver- 
bindung steht.  Auch  über  dem  Trochanter  minor  zwischen  Ligamentum  üiofemorale 
und  pubofemorale  ist  die  Kapsel  dünn  und  leicht  auszudehnen.  Abduziert  man  den 
Schenkel,  dann  spannen  sich  die  Ränder  der  beiden  Bänder  wie  zwei  Pfeiler,  zwischen 
welchen  die  dünnwandige  Stehe  liegt. 

Die  Intima,  welche  das  Hüftgelenk  auskleidet,  ist  dünn  aber  fest  und  läßt  sich 
von  der  unterliegenden  Kapsel  leicht  abpräparieren.  Sie  überzieht  das  Fettpolster 
der  Fossa  acetabuli  und  das  Ligamentum  teres  und  bedeckt  auch  den  Schenkelhals. 
An  der  hinteren  und  unteren  Seite  desselben  sendet  sie  von  der  Gegend  des  Trochanter 
minor  aus  eine  größere  Falte4)  in  den  Gelenkraum,  auch  von  der  Oberfläche  des  Liga- 
mentum teres  gehen  Falten  und  Lappen  in  wechselnder  Zahl  aus.  Fadenförmige 
Zotten  sind  in  wechselnder  Zahl  und  an  wechselnder  Stehe  zu  finden. 

Die  Arterien  des  Hüftgelenkes  werden  von  den  Aa.  circumflexae  medialis  und 
lateralis,  vom  Ramus  posterior  der  A.  obturatoria  und  den  Aa.  glutaeae  superior 
und  inferior  geliefert.  Sie  dringen  von  vorne  und  von  hinten  her  in  die  Kapsel  ein, 
einige  Äste  gelangen  auch  durch  die  Incisura  acetabuli  hinter  dem  Ligamentum  trans- 
versum  ins  Gelenk,  wo  sie  das  Fettpolster  und  das  Ligamentum  teres  versorgen.  Die 
Venen  begleiten  die  Arterien.  Die  Nerven  werden  vorne  von  den  am  Gelenk  vorüber- 
ziehenden Ästen  des  Plexus  lumbalis,  hinten  von  denen  des  Plexus  sacralis  gehefert. 


1)  Ligamentum  Bertini. 

2)  Ligamentum   pubocapsulare.      Diese   Bezeichnung   trifft   nicht   zu,   weil   das   Band   bis 
zum  Oberschenkelbein  reicht.     Ebenso  das  folgende  Band. 

3)  Ligamentum  ischiocapsulare. 

4)  Plica  pectineo-fovealis  Arnantini. 


Hüftgelenk.  159 

Der  Zusammenhalt  der  Gelenkflächen  wird,  abgesehen  von  dem  Bandapparat, 
dadurch  bewirkt,  daß  die  Gelenklippe  den  Kopf  über  seinen  Halbmesser  hinaus  um- 
schließt, doch  ist  ihr  Widerstand  nicht  allzu  groß.  Wirksamer  ist  der  Muskelzug 
und  besonders  der  Luftdruck,  welcher  die  Gelenkflächen  aneinander  preßt.  Der- 
selbe kann  aber  durch  Extensionsvorrichtungen  soweit  überwunden  werden,  daß 
zwischen  den  Gelenkflächen  ein  Spalt  entsteht.  Die  Chirurgie  macht  von  dieser  Mög- 
lichkeit bei  Gelenkleiden  erfolgreich  Gebrauch. 

Die  Lage  des  Gelenkes  ist  eine  sehr  geschützte,  so  daß  man  den  Gelenkkopf  nur 
bei  sehr  schwacher  Ausbildung  der  Muskulatur  und  äußerster  Abmagerung  fühlen, 
sogar  zuweilen  als  einen  gerundeten  Yorsprung  unter  dem  Ligamentum  inguinale 
sehen  kann.  Über  die  Vorderseite  des  Gelenkes  ziehen  M.  iliopsoas  und  pectineus, 
oben  ist  es  gedeckt  vom  M.  glutaeus  minimus,  unten  wird  es  unterstützt  vom  M.  ob- 
turator  externus,  über  die  Rückseite  ziehen  die  Enden  der  Rollmuskeln  des  Ober- 
schenkels. Soweit  die  Muskeln  schon  in  ihre  Endsehnen  übergegangen  sind,  ver- 
wachsen sie  mit  der  Kapsel. 

Der  Mittelpunkt  des  Gelenkes  befindet  sich  in  der  Streckstellung  in  der  Höhe 
der  Spitze  des  Trochanter  major  (S.  154). 

Varietäten.  Am  Anfang  der  Pfanne  zieht  sich  die  Intima  zuweilen  in  kleine  buchtige 
Nischen  aus,  welche  sich  zu  ganglienartigen  Cysten  erweitern  können  (Poirier  1S99).  Das  Liga- 
mentum teres  femoris  ist  sehr  verschieden  lang,  auch  seine  Stärke  ist  wechselnd,  bald  ist  es  so 
kräftig,  daß  es  bis  zu  60  kg  tragen  kann,  bald  ist  es  auf  wenige  Bindegewebszüge  reduziert,  es 
kann  auch  ganz  fehlen   (Moser  1892). 

Praktische  Bemerkungen.  Luxationen  des  Hüftgelenkes  sind  nicht  häufig,  was  bei 
der  ganzen  Form  des  Gelenkes,  bei  der  Stärke  seines  Bandapparates  und  bei  dem  durch  die  be- 
deckenden Muskeln  gegebenen  Schutz  nicht  verwundern  kann.  Bei  ihnen  kann  die  Gelenklippe 
ihrer  Elastizität  wegen  standhalten.  Das  Lig.  teres  reißt  aber  beim  Austreten  des  Schenkel- 
kopfes ab.  Wenn  nicht  ganz  außerordentliche  Gewalten  einwirken,  bleibt  das  Ligamentum  ilio- 
femoralc  bei  Luxationen  erhalten.  Es  läßt  dann  ein  weiteres  Fortrücken  des  luxierten  Kopfes 
von  der  Pfanne,  aus  welcher  er  ausgetreten  ist,  nicht  zu  und  bestimmt  zu  nicht  geringem  Grad 
die  Stellung  des  Oberschenkels,  ob  die  Verrenkung  nach  hinten  oder  nach  vorne  erfolgt  ist.  Der 
Kapselriß  erfolgt  am  leichtesten  an  den  zwischen  den  longitudinalen  Bändern  befindlichen  dünneren 
Stellen. 

Die  Entstehung  der  angeborenen  Hüftluxation  ist  noch  immer  nicht  genügend  klar  gestellt; 
man  könnte  wohl  an  eine  Entwickelungshemmung  der  Pfanne  denken. 

Bei  den  Frakturen  des  Schenkelhalses  kommt  es  in  bezug  auf  die  Kapsel  des  Hüftgelenkes 
darauf  an,  ob  der  Bruch  im  lateralen  Teil  desselben  oder  unmittelbar  am  Kopf  stattfindet,  Bricht 
der  Schenkelhals  in  seinem  lateralen  Teil,  dann  ist  dies  an  einer  Stelle,  an  welcher  die  Corticalis, 
besonders  im  vorderen  Umfang,  ziemlich  widerstandskräftig  ist  und  es  keilt  sich  der  festere  ab- 
gebrochene Hals  häufig  in  die  weichere  Spongiosa  des  Schaftes  ein.  Die  Bruchlinie  verläuft  im 
ganzen  extrakapsulär,  doch  erstreikt  sie  sich  besonders  vorne,  wo  die  Kapsel  weit  lateralwärts 
reii  iii.  in  sie  hinein.  Kein  intrakapsuläre  Frakturen  sprengen  den  Kopl  .in  seiner  Grenze  gegen 
den  Hals  ab,  was  durch  die  große  Dünne  der  Corticalis  an  dieser  Stelle  begünstigt  wird.  Das 
Ligamentum  teres  hält  in  diesen  fallen  den  Kopf  in  der  Pfanne  fest.  Der  Heilung  eines  extra- 
kapsulären Bruches  steht  nichts  im  Wege,  da  die  Blutversorgung  vom  Periost  und  vom  Knochen- 
mark des  Schaftes  aus  eine  gelingende  ist.  Ein  intrnk.ipsiil.ii-  abgetrennter  Gelenkkopl  aber  ist 
von  der  Blutversorgung  so  gut  wie  vollständig  abgeschnitten,  er  wird  sieh  daher  nicht  mit  dem 
llnls  vereinigen,  sondern  einer  regressiven  Metamorphose  anheimfallen. 

Kpiphysenlösungcn  sind  in  i\m  früheren  Kinderjahren  stets  extrakapsulär,  da  die  Epi- 
physengrenze  ganz  außerhalb  der  Kapsel  verläuft.  In  den  spateren  Jugendjahren  verläuft  die 
Epiphysenlinie  ganz  so,  daß  es  scheint,  als  wäre  eine  1  ösung  notwendig  mil  einer  Eröffnung  der 
Kapsel  verbunden,  Doch  läßt  sieh  die  Intima,  wie  ein. ihm.  leicht  vom  Schenkelhals  ablösen, 
so  daß  d.mu  dm  h  die  Integrität  der  Gelenkhöhle  gewahrt  bleiben  kann  (v.  Brunn  r88i).  Das 
Fettpolster  in  der  I;.^m  ai  etabuli  kann  bei  einet  l  ösung  des  Scham-  und  Sitzbeinastes  voneinander 
eine  direkte  Eröffnung  der  Gelenkhöhle  hintanhalten. 


160  Kniescheibe.     Unterschenkelknochen. 

Bei  Ergüssen  in  die  Gelenkhöhle,  wie  sie  bei  Coxitis  stattfinden,  wird  der  Oberschenkel 
abduziert,  nach  außen  rotiert  und  leicht  flektiert  gehalten.  Diese  Stellung  wird  verschieden 
erklärt;  am  einfachsten  scheint  es  anzunehmen,  daß  das  Bein  so  gehalten  wird,  daß  es  dem 
Patienten  am  wenigsten  Schmerzen  und  andere  Unbequemlichkeiten  bereitet.  Dies  wird  dadurch 
erreicht  werden,  daß  die  Bänder  tunlichst  entspannt  werden  und  daß  der  Binnenraum  so  ge- 
räumig wie  möglich  gestaltet  wird.  Bei  künstlicher  Füllung  des  Gelenkes  an  der  Leiche  stellt 
sich  der  Schenkel  in  die  erwähnte  Lage  ein,  ein  Beweis  dafür,  daß  bei  ihr  jede  Muskel  Wirkung 
auf  den  ganzen  Bandapparat  ausgeschlossen  ist,  und  gerade  die  an  diesem  befestigten  Sehnen 
müssen  bei  anderer  Stellung  des  Beines  bald  hier,  bald  dort  an  der  Kapsel  ziehen,  was  der  Pa- 
tient vermeiden  will.  Gehen  die  Patienten  mit  einem  derartigen  Leiden,  dann  senken  sie  das 
Becken  im  gesunden  Hüftgelenk,  um  mit  dem  kranken  die  bequemste  Stellung  einnehmen  zu 
können.  Ein  Eiterdurchbruch  erfolgt  am  leichtesten  nach  der  Bursa  iliopectinea  hin  und  am 
unteren  Umfang  des  Gelenkes  oberhalb  des  Trochanter  minor,  am  Rand  des  M.  obturator  externus. 
Auch  die  dünne   Stelle  in  der  Mitte  der  Pfanne  ist  gefährdet. 

Für  die  Stellung  einer  Diagnose  bei  Verletzungen  und  Erkrankungen  des  Hüftgelenkes 
ist  es  von  Bedeutung  genau  zu  wissen,  ob  der  Gelenkkopf  in  seiner  Pfanne  liegt  oder  nicht;  da 
er  nun  einer  direkten  Untersuchung  nicht  zugänglich  ist,  wendet  man  sich  an  den  Trochanter 
major,  welcher,  wie  oben  erwähnt  wurde,  mit  dem  Centrum  des  Kopfes  in  gleicher  Höhe  steht. 
Eine  Linie,  welche  man  von  der  Spina  iliaca  anterior  superior  um  den  Schenkel  herum  zum  Tuber 
ischiadicum  zieht  (Roser-Nela  ton  sehe  Linie),  schneidet  bei  richtig  stehendem  Schenkel  gerade 
die  Trochanterspitze  ab.  Legt  man  an  diese  Linie  einen  rechten  Winkel  an,  dessen  einer  Schenkel 
ein  von  der  Spina  gefälltes  Lot  ist,  dann  entsteht  ein  Dreieck  (Bryantsches  Dreieck),  welches 
seine  Gestalt  je  nach  der  Verschiebung  des  Trochanter  in  medialer  und  lateraler  Richtung  ändert. 

d)  Kniescheibe,  Patella1). 

Die  Kniescheibe  (220,  221)  ist  ein  abgeplatteter,  elliptischer  Knochen,  welcher  in 
die  Sehne  des  M.  quadrieeps  femoris  eingebettet  und  als  ein  Sesambein  anzusehen  ist. 
Die  konvexe  Vorderseite  ist  rauh  und  mit  Gefäßlöchern  versehen,  die  leicht  konkave 
Rückseite  ist  überknorpelt.  Dieselbe  liegt  auf  der  Facies  patellaris  des  Oberschenkels 
und  trägt  eine  Längsfirste,  welche  in  die  vertikale  Rinne  dieser  Fläche  paßt.  Die 
Firste  scheidet  eine  laterale  größere  und  eine  mediale  kleinere  Facette  der  Gelenkfläche 
voneinander,  wie  sie  zu  den  entsprechenden  Flächen  des  Oberschenkels  passen.  Der 
obere  Rand,  Basis  patellae,  ist  gerundet,  der  untere  Rand  zieht  sich  in  eine  stumpfe 
Spitze,  Apex  patellae,  aus,  welche  von  dem  Ursprung  des  Ligamentum  patellae 
umfaßt  wird. 

Die  Struktur  der  Kniescheibe  ist  die  eines  spongiösen  Knochens.  Ihr  Periost 
ist  mit  den  Sehnenfasern  des  M.  quadrieeps  untrennbar  verbunden. 

Entwickelung.  Die  Verknöcherung  beginnt  im  dritten  bis  vierten  Lebensjahr,  sie  ist 
im  15.  bis  20.   Jahr  vollendet. 

Varietäten.  Die  Kniescheibe  kann  kongenital  schlecht  entwickelt  sein,  selbst  ganz 
fehlen. 

e)  Unterschenkelknochen,  Ossa  cruris. 

Das  Skelet  des  Unterschenkels  (222—225)  besteht  aus  dem  Schienbein,  Tibia, 
und  dem  Wadenbein,  Fibula,  von  welchen  die  Tibia  dem  Radius,  die  Fibula  der  Ulna 
homolog  ist.  Bei  niederen  Formen  sind  die  beiden  Knochen  einander  mehr  oder  weniger 
gleichwertig,  bei  Menschen  aber  sind  sie  im  Gegensatz  zu  den  Knochen  des  Unterarmes 
sehr  ungleich  ausgebildet,  und  es  hat  die  starke  Tibiä  allein  die  Last  des  Körpers  zu 
tragen,  während  die  schwache  Fibula  durch  die  kräftige  Entwickelung  des  proximalen 
Tibiaendes  vom  Oberschenkel  abgedrängt  und  von  der  Artikulation  mit    ihm  ganz 


l)  Rotula. 


Schienbein.  181 

ausgeschlossen  wird.  Sie  wird  im  wesentlichen  zum  Ansatz  von  Muskeln  benützt, 
doch  wäre  es  unrichtig,  wenn  man  ihr  jede  Bedeutung  für  das  Stehen  und  Gehen  ab- 
sprechen wollte,  indem  ihr  distales  Ende  den  Fuß  an  seiner  lateralen  Seite  in  der  Lage 
hält  und  ihn  vor  dem  seitlichen  Abgleiten  von  der  Tibia  und  vor  dem  Umknicken 
bewahrt. 

a)   Schienbein,  Tibia. 

Die  Tibia  (222,  224)  ist  ein  schlanker  Röhrenknochen  von  dreiseitig  prismatischer 
■Gestalt.  Sein  proximales  Ende  ist  nach  Art  eines  Säulenkapitels  verbreitert  und  etwas 
rückwärts  geneigt.  Die  Artikulation  mit  den  Condylen  des  Oberschenkels  übernehmen 
zwei  flach  vertiefte  Gelenkflächen,  Condylus  medialis  und  lateralis,  von  welchen 
der  crsterc  längsoval  und  stärker  vertieft,  der  letztere  mehr  dreieckig  und  flach  ist. 
Sie  werden  voneinander  durch  einen  sanduhrförmig  gestalteten  Zwischenraum  ge- 
trennt, welcher  an  der  schmälsten  Stelle  in  der  Mitte  eine  Hervorragung  Eminentia 
intercondyloidea  trägt.  Dieselbe  läuft  in  zwei  Spitzen,  Tuberculum  mediale 
und  laterale,  aus,  an  welchen  sich  beiderseits  die  Gelenkflächen  hinaufziehen.  An 
die  vordere  und  hintere  Seite  der  Eminentia  intercondyloidea  schließen  sich  rauhe  Gruben 
an,  Fossa  intercondyloidea  anterior  und  posterior,  in  welchen  die  Ligamenta 
cruciata  entspringen.  Die  proximale  Endfläche  der  Tibia  wird  durch  einen  ringsum 
laufenden,  fast  vertikal  abfallenden  Rand,  Margo  infraglenoidalis  nach  unten  ab- 
gegrenzt ;  hinten  ist  er  durch  die  Fossa  intercondyloidea  posterior  unterbrochen. 
Unmittelbar  an  seinen  lateral  hinteren  Umfang  schließt  sich  eine  kleine,  ovale  oder 
dreieckige  Gelenkfläche,  Facies  articularis  fibularis  an,  zur  Artikulation  mit  dem 
Köpfchen  der  Fibula.  Dieser  Gelenkfläche  gegenüber,  am  lateral  vorderen  Umfang, 
bezeichnet  ein  stumpfer  Höcker  den  Ansatz  des  Tractus  iliotibialis  der  Oberschenkel- 
fascie. 

An  dem  dreiseitigen  Schaft  des  Schienbeines,  zu  welchem  sich  sein  proximales 
Ende  verjüngt,  stoßen  die  mediale  und  laterale  Fläche  in  einer  scharfen,  nach  vorne 
gerichteten  und  leicht  S-förmig  gebogenen  Kante,  Crista  anterior,  zusammen. 
Dieselbe  läuft  proximalwärts  nächst  dem  oberen  Ende  in  einen  rauhen  Höcker,  Tubero- 
sitas  tibiac1),  aus,  an  welchem  sich  das  Ligamentum  patellae  befestigt.  Die  hintere 
Fläche  des  Schaftes  wird  gegen  die  laterale  durch  eine  eckige  Kante,  die  Crista  in- 
terossea  abgegrenzt,  an  welcher  sich  die  Membrana  interossea  anheftet,  gegen  die 
mediale  durch  einen  proximal  wenig  deutlichen  gerundeten  Margo  medialis.  Über 
das  proximale  Ende  der  hinteren  Fläche  zieht,  unter  der  Facies  articularis  fibularis 
beginnend,  die  Linea  poplitea2)  in  schiefem  Verlauf  zur  medialen  Kante  herab ;  sie 
bezeichnet  die'  Grenze  zwischen  dem  unteren  Rand  des  M.  popliteus  und  dem  M.  soleus. 

Das  distale  Lude  der  Tibia  schwill!  wieder  etwas  an,  jedoch  erheblich  weniger, 
wie  das  proximale;  es  ist  von  vierseitiger  Gestalt.  Die  vordere  Kante  verstreicht, 
die  laterale  Fläche  wendet  sich  nach  vorne  und  zwischen  die  Crista  interossea  und 
die  hinten'  Fläche  schiebt  sieh  die  Dach  vertiefte  [ncisura  fibularis3)  ein,  in  welcher 
das  untere  Ende  des  Wadenbeines  ruht.  Die  mediale  Fläche  des  Schaftes  setzt  sich 
in  einen  stumpfen  Fortsatz,  den  medialen  Knöchel,  Malleolus  medialis,  fort. 
Derselbe  trägt  an  seiner  Rückseite  den  Sulcus  malleoli  medialis.  in  welchem  die 

')  Tuberositas  patellaris. 

-)   I  m.  .i  obliqua. 

3)   [ncisura   peronaea,    [ncisura  semüunaris 

Merkel,  AnMomic  11.    Skelctlehrc.  II 


162  Wadenbein. 

Sehnen  der  Beugemuskeln  gleiten.  Die  Gelenkfläche  für  den  Talus,  welche  das  distale 
Ende  abschließt,  Facies  articularis  inferior1),  ist  vierseitig  begrenzt  und  schwach 
konkav,  sie  setzt  sich  als  Facies  articularis  malleolaris  auf  die  Innenseite  des 
Malleus  medialis  fort. 

ß)  Wadenbein,  Fibula. 

Dünner  Röhrenknochen  (223,  225).  Das  Wadenbein  ist  ebenso  lang  wie  das 
Schienbein,  aber  in  der  Art  gegen  dieses  verschoben,  daß  es  sich  proximalwärts  weniger 
weit  hinauf  erstreckt,  wie  dieses,  dagegen  mit  seinem  distalen  Ende  weiter  herabreicht. 

Das  proximale  Ende  verdickt  sich  zum  Köpfchen,  Capitulum,  welches  sich 
nach  oben  und  hinten  in  einen  stumpfen  Höcker,  Apex  capituli  fibulae,  auszieht. 
An  ihm  setzt  sich  der  M.  biceps  femoris  an;  an  einem  niederen  Höckerchen  davor 
entspringt  ein  Teil  des  M.  peronaeus  longus,  an  einem  ebensolchen  dahinter  ein  Teil 
des  M.  soleus.  An  seiner  medial  oberen  Seite  besitzt  das  Köpfchen  eine  Gelenkfläche, 
welche  mit  der  entsprechenden  der  Tibia  artikuliert. 

Der  Schaft  ist  dreiseitig.  Die  drei  Flächen  werden  durch  ebensoviele  Kanten, 
Crista  anterior,  lateralis  und  posterior,  voneinander  getrennt.  Die  vordere 
Firste  ist  die  schärfste,  die  laterale  die  stumpfste  und  die  mediale  die  kürzeste;  sie 
ist  besonders  deutlich  in  der  Mitte  des  Schaftes.  Dazu  kommt  noch  die  rauhe  Crista 
interossea  zur  Anheftung  der  Membrana  interossea,  welche  über  die  mediale  Fläche 
herabläuft.  Sie  ist  sehr  verschieden  ausgebildet  und  verläuft  nicht  immer  gerade 
gestreckt,  sondern  fließt  gelegentlich  für  eine  Strecke  mit  einer  der  benachbarten 
Kanten  zusammen. 

Gegen  das  distale  Ende  verdickt  sich  der  Schaft  wieder,  dabei  weicht  die  vordere 
Kante  in  zwei  Linien  auseinander,  die  laterale  geht  in  spiraligem  Verlauf  nach  hinten 
und  die  mediale  verschwindet  ganz.  Der  Knochen  endet  mit  dem  lateralen  Knöchel, 
Malleolus  lateralis2).  In  einer  Furche  von  dessen  Rückseite,  Sulcus  malleoli 
lateralis,  gleiten  die  Sehnen  der  Mm.  peronaei,  an  seiner  medialen,  der  Tibia  zuge- 
wandten Seite,  trägt  er  eine  dreiseitige  Gelenkfläche,  welche  die  angrenzende  Gelenk- 
fläche der  Tibia  zu  der  Rolle  ergänzt,  in  welche  das  Sprungbein  eingreift.  An  die 
nach  oben  gerichtete  Basis  der  Gelenkfläche  schließt  sich  eine  gleichfalls  dreieckige 
rauhe  Fläche  an,  welche  von  den  auseinanderweichenden  Schenkeln  der  Crista  interossea 
begrenzt  wird.     Sie  paßt  in  die  Incisura  fibularis  der  Tibia. 

Die  mediale  Fläche  des  Schienbeines  liegt  in  ihrer  ganzen  Länge  frei  unter  der 
Haut  und  sie  ist,  ganz  besonders  die  vordere  Kante  des  Knochens,  am  Lebenden 
leicht  durchzufühlen.  Von  der  Fibula  dagegen  liegt  nur  das  Köpfchen  und  das  distale 
Ende  frei.  Nerven  und  Gefäße  liegen  den  Knochen  im  allgemeinen  nicht  unmittelbar 
an,  nur  kommen  oben  der  N.  peronaeus  dem  Köpfchen  der  Fibula,  unten  N.  imd  V. 
tibialia  dem  medialen  Knöchel  nahe. 

Was  die  Struktur  der  beiden  Unterschenkelknochen  anlangt,  so  ist  hervor- 
zuheben, daß  ihre  Corticalis  besonders  dick  ist,  während  die  Markhöhlen  verhältnis- 
mäßig eng  sind.  Dieselben  sind  auch  besonders  kurz,  die  der  Tibia  nimmt  nur  das 
mittlere  Drittel  des  Knochens  ein  und  wird  dann  nach  beiden  Enden  hin  durch  eine 
zarte  aber  dichte  Spongiosa  abgelöst.     Das  Foramen  nutricium  der  Tibia  liegt  hinter 


a)  Cavitas  inferior  tibiae. 
2)  Malleolus  externus. 


Kniegelenk.  163 

der  Crista  interossea  an  der  Grenze  zwischen  oberem  und  mittlerem  Drittel,  das  der 
Fibula  an  ähnlicher  Stelle,  aber  etwas  tiefer.  Die  inneren  Öffnungen  beider  Er- 
nährungskanäle stehen  ziemlich  genau  in  der  Mitte  der  Länge  beider  Knochen. 

Entwickelung  (276— 279).  Der  Knochenkern  in  der  Diaphyse  der  Tibia  erscheint  in  der 
siebenten  bis  achten  Woche,  einige  Tage  nach  dem  des  Oberschenkels.  Der  Knochenkern  der  Fibula 
tritt  etwas  später  auf.  In  den  zur  Zeit  der  Geburt  noch  knorpeligen  Epiphyscn  geht  die  Knochen- 
bildung bei  der  Tibia  der  bei  der  Fibula  voran.  In  der  proximalen  Epiphyse  des  Schienbeines 
ist  zur  Zeit  der  Geburt  meist  schon  ein  Kern  vorhanden,  die  Verknöcherung  der  distalen  beginnt 
im  zweiten  Lebensjahr.  In  dem  Wadenbein  erhält  die  distale  Epiphyse  ihren  Kern  im  zweiten 
Lebensjahr,  die  proximale  noch  später.  Die  Epiphyscn  verbinden  sich  mit  dem  Körper  der  Tibia 
im  16. — 24.  Lebensjahr,  die  der  Fibula  folgen.  —  In  der  Tuberositas  tibiae  und  im  medialen 
Knöchel  können  accessorische  Knochenkerne  auftreten.  —  Bei  Neugeborenen  ist  das  proximale 
Ende  der  Tibia  stärker  zurückgebogen,  als  bei  Erwachsenen,  was  mit  der  starken  Beugung  des 
Knies  im  l'terus  zusammenhängt  (Hüter).  Bis  zum  sechsten  Lebensmonat  pflegt  der  definitive 
Zustand  erreicht  zu  sein   (G.  Retzius). 

V arietäten.  Das  Schienbein  ist  nicht  selten  von  einer  Seite  zur  anderen  abgeplattet 
(Pia  tycnemie).  Die  höchsten  Grade  dieser  Abplattung  findet  man  an  den  Skeleten  prähistori- 
scher und  niedrigstehender  Rassen.  An  den  Knochen  des  Unterschenkels  werden  zuweilen  kon- 
genitale Defekte  und  Deformitäten  beobachtet,  vollständiges  oder  teilweises  Fehlen  des  einen 
der  beiden  Knochen,  wobei  eine  starke  Verkürzung  und  Verbiegung  des  Unterschenkels  vorhanden 
ist.     Kongenitale  Vcrbiegungcn  kommen  auch  ohne  Defektbildung  vor. 

Praktische  Bemerkungen.  Die  Unterschenkelknochen  sind  ihrer  ganzen  Lage  nach 
Frakturen  besonders  ausgesetzt.  An  der  Tibia  sind  sie  ihrer  freien  Lage  wegen  weit  leichter  durch 
die  Betastung  nachzuweisen,  wie  an  der  von  Weichteilen  eingehüllten  Fibula.  Bricht  einer  der 
Knochen  allein,  dann  wird  sich  der  erhalten  gebliebene  einer  größeren  Dislokation  der  Bruch- 
enden widersetzen.  Bei  einem  isolierten  Schienbeinbruch  kann  sekundär  auch  das  Wadenbein 
brechen,  wenn  bei  Gehversuchen  die  ganze  Last  des  Körpers  auf  dem  zu  schwachen  Knochen 
ruht.  Die  schwächste  Stelle  der  Tibia  ist  die  Grenze  zwischen  mittlerem  und  unterem  Drittel, 
weil  dort  der  Knochen  am  schlanksten  ist.  An  dieser  Stelle  erfolgt  auch  am  leichtesten  die  bei 
Rachitis  so  häufige  Auswärtsbiegung.  Bei  Amputationen  hat  man  sich  daran  zu  erinnern,  daß 
die  Vorderkante  der  Tibia  am  Knochenstumpfe  eine  scharf  vortretende  Ecke  bildet  und  wird 
sie  abrunden,  damit  sie  nach  der  Heilung  nicht  durch  die  Haut  schneidet.  Ein  Durchschneiden 
der  Haut  von  innen  heraus  kann  diese  Kante  auch  am  unverletzten  Bein  bewirken,  wenn  man 
mit  ihr  gegen  einen  harten  Gegenstand,   z.  B.  eine  Treppenstufe,  fällt. 

f)  Kniegelenk,  Articulatio  genus. 

Das  Kniegelenk  [226 — 23S)  ist  das  größte  und  geräumigste  Gelenk  des  Körpers. 
Ks  treffen  in  ihm  Fcmur  und  Tibia  zusammen,  zu  welchen  noch  die  Kniescheibe  kommt, 
um  die  Gelenkhöhle  von  vorn  her  abzuschließen,  wie  man  Ähnliches  bei  anderen  Sesam- 
beinen, wenn  auch  in  kleinerem  Maßstab  findet.  Daß  die  Fibula  ganz  von  der  Bildung 
des  Kniegelenkes  ausgeschlossen  ist,  bedingt  eine  nicht  geringe  Stabilität  des  Ge- 
lenkes und  des  ganzen  Unterschenkels;  die  Pronations-  und  Supinationsmöglichkcit 
wie  sie  heim  Unterarm  vorhanden  ist,  fällt  damit  jedoch  ganz  fort.  Was  zur  Ausführung 
des  Schrittes  an  Rotation  nötig  ist,  leistet  die  Tibia  durch  eine  Drehung  um  ihre  Längs- 
achse allein;  um  diese  Drehung  zu  ermöglichen,  können  aber  ihre  Gelenk  flächen  nicht 
denen  des  Femur  entsprechend  konkav  gekrümmt  sein,  da  sonst,  wie  bei  Humerus 
und  l'lna,  nur  eine  Winkelbewegung  möglich  wäre,  sie  sind  vielmehr  so  flach,  daß 
die  Oberschenkelcondylen  auf  ihnen  liegen,  wie  auf  einem  Teller.  Dies  i>t  jedoch 
wieder  für  die  Haltbarkeit  des  Gelenkes  ungünstig  und  muss  durch  die  große  Festig- 
keit des  Bandapparates  und  die  zweckentsprechende  Lagerung  der  das  C,  nk  um- 
gebenden Muskeln  und  Sehnen  ausgeglichen  werden.  In  wie  naher  Beziehung  gerade 
die  Sehnen  zu  den  Gelenken  treten,  ist  hier  bei  den  großen  Verhältnissen  besonders 

deutlich. 


164  Kniegelenk. 

Was  zuerst  das  Oberschenkelkniescheibengelenk  anlangt,  so  wurde  die  allgemeine 
Form  der  Gelenkflächen  schon  bei  Betrachtung  der  Knochen  beschrieben.  Die  Knorpel- 
bedeckungen bringen  in  derselben  keine  Änderung  hervor.  Die  Dicke  des  Gelenk- 
knorpels am  Oberschenkel  ist  am  größten  in  der  Tiefe  seiner  Furche  (bis  zu  3,7  mm, 
Werner),  auf  der  entsprechenden  Firste  der  Kniescheibe  beträgt  sie  gar  bis  zu  6,4  mm; 
es  ist  dies  der  dickste  Gelenkknorpel  des  ganzen  Körpers.  Die  Facies  patellaris  des 
Oberschenkels  ist  konvex  gekrümmt  mit  einem  Halbmesser  von  etwa  2  cm.  Die 
Kniescheibe  ist  nicht  entsprechend  konkav,  weshalb  sich  beide  bei  keiner  Stellung 
des  Gelenkes  in  ganzer  Ausdehnung  berühren;  es  schiebt  sich  vielmehr  zwischen  beide 
eine  Fettzotte  ein,  von  welcher  unten  noch  zu  sprechen  sein  wird. 

Für  die  Artikulation  mit  der  Tibia  sind  die  rollenförmigen  Gelenkflächen  der 
Condylen  des  Oberschenkels  bestimmt.  Sie  divergieren  etwas  nach  hinten,  wodurch 
die  Breite  des  Gelenkes  dorsalwärts  wächst.  Ihre  Krümmungsachsen  stehen  nicht 
horizontal,  sondern  sind  nach  beiden  Seiten  hin  abwärts  geneigt.  Vorne  besitzen  die 
Condylen  in  sagittaler  Richtung  keine  gleichmäßige  Krümmung,  sondern  es  ist  nach 
Art  einer  Spirale  der  Radius  der  vorderen  Teile  ein  größerer  wie  der  der  hinteren,  doch 
sind  die  Radien  beider  Condylen  keineswegs  identisch  miteinander.  Die  Krümmung 
in  frontaler  Richtung,  ist  an  dem  medialen  Condylus  eine  stärkere  (Radius  1,7  cm), 
als  an  der  lateralen  (2,3  cm)  (Fick).  Auch  im  übrigen  sind  die  beiden  Condylen  ein- 
ander durchaus  nicht  völlig  gleich.  Die  schräge  Stellung  des  Oberschenkelbeines 
im  ganzen  (S.  154)  bedingt  es,  daß  der  mediale  Condylus  tiefer  steht  wie  der  laterale, 
ferner  ist  die  Gelenkfläche  des  medialen- um  2  cm  länger  wie  die  des  lateralen  (10  cm 
zu  8  cm) ;  überdies  zieht  sich  erstere  in  ihrem  hinteren  Ende  in  eine  Spitze  aus,  welche 
meist  durch  eine  wohl  ausgesprochene  Kante  von  der  Gelenkfläche  im  übrigen  abgesetzt 
ist.     Die  individuellen  Unterschiede  in  allen  diesen  Dingen  sind  erheblich  (M.). 

Die  Gelenkflächen  der  Tibia  sind  flacher,  als  es  die  Krümmung  der  Condylen  des 
Oberschenkels  verlangt,  weshalb  zur  Ausgleichung  der  Inkongruenz  zwei  Bandscheiben 
eingeschoben  sind  (230,  234).  Die  Gelenkflächen  besitzen  die  Form  von  Ovalen, 
deren  lange  Achse  bei  aufrechtem  Stehen  nicht  ganz  sagittal  steht,  sondern  nach 
vorn  hin  ein  wenig  seitlich  abweicht;  auch  sind  sie  um  8 — 10  Grad  nach  hinten  ab- 
wärts geneigt.  Die  mediale  Gelenkfläche  ist  etwas  länger  als  die  laterale  und  zeigt 
sich  von  vorn  nach  hinten  konkav  gehöhlt,  während  die  laterale  nicht  selten  konvex 
erscheint.  Auch  ist  diese  letztere  an  ihrem  hinteren  Rand  noch  etwas  auf  den  Margo 
infraglenoidalis  abgebogen   (M.). 

Der  Knorpelüberzug  der  beiden  Condylen  des  Femur  ist  gleich  mächtig;  am 
dicksten  erweist  er  sich  an  der  Grenze  zwischen  mittlerem  und  hinterem  Drittel  und 
etwas  centralwärts  von  der  Mitte  der  Querkrümmung.  Er  besitzt  dort  eine  Dicke 
von  etwa  2,6 — 3,2  mm.  Am  dünnsten  ist  er  an  der  Grenze  gegen  die  Facies  patellaris. 
Die  Knorpelbedeckung  der  Condylen  der  Tibia  ist  in  der  Mitte  der  Länge,  aber  etwas 
nach  der  Eminentia  intercondyloidea  hin,  am  dicksten  (etwa  4 — 5  mm) .  Die  Knorpel- 
überzügc  des  ganzen  Kniegelenkes  sind  sehr  elastisch,  was  sich  durch  ihre  beträchtliche 
Dicke  erklärt.  Sie  berühren  sich  deshalb  in  der  belasteten  Extremität  weit  inniger, 
als  in  der  unbelasteten   (M.). 

Die  Gelenkflächen  der  Tibia  werden  durch  die  beiden  schon  erwähnten  Band- 
scheiben, Meniscus1)  medialis  und  lateralis  (234)  vervollständigt,  welche  die 
Pfanne  ergänzen  und  vertiefen;  dadurch,  daß  sie  sich  bei  den  Bewegungen  im  Gelenk 


J)  Fibrocartilago  falciformis.     Cartilago  semilunaris. 


Kniegelenk.  165 

verschieben,  bilden  sie  in  jeder  Stellung  eine  geeignete  Unterlage  für  die  Condvlen  des 
Oberschenkels.  Sie  bestehen  aus  einer  bindegewebigen  Grundlage,  welche  mit  einer 
dünnen  Lage  von  Faserknorpel  überzogen  ist.  Die  Bandscheiben  sind  sichelförmig, 
von  ihrem  äußeren  größtenteils  an  die  Kapsel  angewachsenen  Rande  gegen  den  inneren 
Rand  zugeschärft,  mit  den  Spitzen  an  die  Eminentia  intercondyloidea  befestigt.  Der 
Meniscus  medialis  ist  schmäler  und  halbmondförmig,  der  Meniscus  lateralis 
breiter  und  fast  ringförmig.  Er  wird  von  den  Enden  der  medialen  Bandscheibe  um- 
faßt. Diese  letztere  ist  mit  ihrem  vorderen  Ende  an  der  Yorderfläche  des  Randes 
der  Tibia,  mit  dem  hinteren  an  der  vorderen  Wand  der  Fossa  intercondyloidea  posterior 
angeheftet.  Das  vordere  Ende  der  lateralen  Bandscheibe  ist  in  einer  Grube  dicht 
vor  «br  Eminentia  intercondyloidea  befestigt,  das  hintere  Ende  ist  in  zwei  Zipfel 
geteilt,  wel<  he  sich  an  die  mediale  und  lateral'-  Zacke  der  Eminentia  intercondyloidea 
festsetzen.  Außerdem  pflegt  sie  einen  Strang1)  nach  oben  in  den  Verlauf  des  Liga- 
mentum cruciatum  posterius  auszusenden  (230).  Derselbe  ist  beim  Embryo  sehr 
stark,  kann  sich  aber  beim  Erwachsenen  beträchtlich  reduziert  zeigen  (Bernays  1S7N). 
Die  vorderen  konvexen  Ränder  der  beiden  Bandscheiben  werden  durch  ein  Bündel 
transversaler  Fasern,  Ligamentum  transversum  genus2)  (229),  miteinander  ver- 
bunden, welches  in  Länge  wie  Dicke  äußerst  variabel  ist,  zuweilen  selbst  vollkommen 
fehlt.  Auf  den  Knorpelüberzügen  von  Femur  und  Tibia  bringen  die  freien  Ränd<  r 
der  Bandscheibe  deutliche  Eindrücke  hervor  (M.). 

Wie  die  beiden  Bandscheiben,  so  üben  auch  die  beiden  Kreuzbänder  einen  be- 
deutenden Einfluß  auf  die  Gestaltung  der  Höhle  und  den  Mechanismus  des  Gelenkes 
aus,  sie  sind  deshalb  jetzt  sogleich  zu  betrachten.  Das  Ligamentum  cruciatum3) 
anterius  (229)  entspringt,  gedeckt  von  der  Insertion  der  lateralen  Bandscheibe,  breit 
und  platt  aus  der  Fossa  intercondyloidea  anterior;  es  steigt  als  platt-rundlicher  Strang 
nach  hinten  und  medianwärts  auf,  um  sich  fächerförmig  ausgebreitet  an  der  der 
Fossa  intercondyloidea  zugekehrten  Wand  des  Condylus  lateralis  des  Oberschenkel- 
anzuheften. Das  Ligamentum  cruciatum  posterius  (230)  ist  noch  stärker  als 
das  vordere.  Es  entspringt  in  der  ganzen  Ausdehnung  der  Fossa  intercondyloidea 
posterior  tibiae,  steigt  steiler  auf  als  das  vordere  und  endet  verbreitert  am  unteren 
Teil  der  vorderen  und  medialen  Wand  der  Fossa  intercondyloidea  femoris.  Seine 
Faserbünde]  erfahren  eine  Drehung  in  der  Art,  daß  die  an  der  Tibia  hintere  Fläche 
des  Bandes  am  Femur  zur  lateralen   wird. 

Die  Kapsel  <les  Kniegelenkes  ist  an  der  Vorderseite  des  Oberschenkels  in  der 
Mitte  1  2  cm  vom  Rand  des  Gelenkknorpels  entfernt  angeheftet;  von  dorl  steigt 
der  Ansatz  nach  beiden  Seiten  zu  den  Epicondylen  ab,  lateral  etwas  steiler  als  medial: 
er  läßt  diese  außerhalb  der  Gelenkhöhle  und  wendet  sich  nun  nahe  dem  Knorpelrand 
nach  hinten,  wo  er  sieh  wieder  ungefähr  um  1  cm  von  ihm  entlernt.  Zwis<  hen  den  beiden 
Condvlen  des  Oberschenkels  überzieht  die  Kapsel  die  Vorderseite  der  beiden  Kreuz- 
bänder, doch  spannt  sieh  ein  kräftiges  Blatt  auch  hinter  diesen  von  einem  Condylus 
zum  anderen  aus,  so  daß  die  Ligamenta  1  ruei.it, 1  eigentlich  von  dei   Kap-'  I  ehlges«  blossen 

werden.  An  der  Tibia  setzt  sie  sieh  unter  dem  Rand  des  Gelenkknorpels  fest,  an  der 
Kniescheibe  folgt  sie  demselben  fast  ganz.  Der  äußere  Umfang  der  beiden  Band- 
scheiben ist  mit  der  vorüberziehenden  Kapsel  verwachsen,  nur  dort,  wo  sich  der  Popli- 

teussehleimbeutel   ausbuchtet ,    bleibt    diese    Verwaehsimg   aus    |M.I. 

')  Ligamentum  menisci  lateralis  Roberti. 
'-)  Ligamentum  jugale 
:l)   1  igamenl  um  obliquum. 


166  Kniegelenk. 

Die  Kapsel  ist  oberhalb  und  unterhalb  der  Kniescheibe  dünn  und  zart,  im  übrigen 
wird  sie  durch  deckende  Bänder  und  Muskelsehnen  erheblich  verstärkt.  In  etwa 
10  %  der  Fälle  ist  auf  dem  lateralen  Condylus  femoris  in  die  Kapsel  ein  Sesambein 
eingeschlossen  (Pfitzner  1892).  Sehr  selten  ist  ein  solches  auch  über  dem  medialen 
Condylus  zu  finden   (Stieda  1902). 

Die  Gelenkhöhle  ist  nicht  allein  die  größte  des  Körpers,  sondern  auch  die  weitaus 
komplizierteste,  weil  in  sie  Falten  und  Platten  vorspringen  und  weil  sie  Ausbuchtungen 
zeigt,  indem  sie  mit  den  Schleimbeuteln  benachbarter  Muskeln  teils  mehr,  teils  weniger 
konstant  in  Verbindung  tritt. 

Wie  erwähnt,  springen  in  sie  von  beiden  Seiten  her  die  Bandscheiben  vor,  welche 
sie  unvollkommen  in  eine  obere  und  untere  Kammer  teilen;  von  hinten  her  drängen 
die  Kreuzbänder  die  Kapselintima  als  eine  Falte  in  das  Innere  des  Gelenkes  vor  und 
trennen  so  eine  linke  und  rechte  Gelenkhälfte  voneinander.  Diese  Trennung  wird 
noch  vervollständigt  durch  die  Plica  synovialis  patellaris  x)  (228,  235),  welche 
beim  Embryo  weit  vollständiger  ist  als  beim  Erwachsenen  (Gegenbau r).  Bei 
diesem  besteht  sie  aus  einem  in  seiner  Stärke  wechselnden  Bindegewebsstrang, 
welcher  sich  unten  vom  vorderen  Rand  der  Fossa  intercondyloidea  anterior  des 
Schienbeines  erhebt,  und  sich  oben  am  vorderen  Rand  der  Fossa  intercondyloidea 
des  Oberschenkels  befestigt.  Zu  beiden  Seiten  schließen  sich  an  diese  Falte  die 
Plicae  alares2)  (228)  an,  stark  fetthaltige  Polster  von  unregelmäßiger  Form, 
deren  Bewegungen  durch  die  beiderseits  befestigte  Synovialfalte  geregelt  werden. 

Ihr  Ursprung  erstreckt  sich  vom  oberen  Ende  der  Tibia  aus  am  Ligamentum 
patellae  entlang  bis  zum  unteren  Ende  der  Kniescheibe  hin;  ihre  Basis  erstreckt  sich 
meist  zu  beiden  Seiten  der  Kniescheibe  noch  eine  Strecke  weit  in  die  Höhe,  so  daß 
diese  wie  in  Fett  eingebettet  aussieht.  Ihre  zugeschärften  Ränder  ragen  in  die  Ge- 
lenkhöhle hinein.  Vermöge  ihrer  Weichheit  sind  sie  sehr  geeignet,  den  Formände- 
rungen nachzugeben,  welche  der  von  ihnen  eingenommene  Raum  zwischen  Patella, 
Tibia  und  Femur  bei  den  Bewegungen  des  Gelenkes  erleidet.  An  der  unversehrten 
Kniegegend  eines  aufrecht  stehenden  Menschen  bauschen  sie  sich  als  sieht-  und  fühl- 
bare Wülste  beiderseits  unter  der  Kniescheibe  vor. 

In  den  Gelenkraum  treten  noch  andere  Fettfalten  vor,  um  die  zahlreichen  In- 
kongruenzen der  Gelenkflächen  auszugleichen,  so  an  den  Kreuzbändern,  an  der  Rück- 
wand des  Gelenkes,  unter  den  Bandscheiben.  Auch  einfache  Zotten  der  Intima  findet 
man  allenthalben,  am  zahlreichsten  in  der  Vorderwand  und  im  oberen  Recessus  (Fick). 
Wenn  durch  alle  diese  Dinge  auch  eine  leidlich  passende  Pfanne  für  die  Condylen  des 
Oberschenkels  gebildet  wird,  so  fehlt  es  doch  nicht  an  allerlei  weiteren  und  engeren 
Spalten,  deren  Raum  nur  von  Synovia  eingenommen  wird. 

Der  an  sich  sehr  geräumige  und  an  Abteilungen  reiche  Gelenkraum  wird  noch 
dadurch  vergrößert  und  kompliziert,  daß  er  eine  Anzahl  von  Ausbuchtungen  zeigt. 
Einige  derselben  sind  wahre  Ausstülpungen  der  Synovialhaut  an  verschiedenen  Stellen 
des  Gelenkes,  besonders  an  dessen  Rückseite,  andere  erklären  sich  dadurch,  daß 
Schleimbeutel,  welche  den  Muskelsehnen  der  Kniegegend  angehören,  mit  dem  Gelenk 
in  Verbindung  treten.     (Abbildungen  s.  Atlas  zur  dritten  Abteilung.) 

1.  Bursa  suprapatellaris  3)  (235).  Erstreckt  sich  zwei  bis  drei  Finger  breit, 
manchmal  noch  weiter  über  den  proximalen  Rand  der  Kniescheibe  aufwärts.  Ursprüng- 

x)  Ligamentum  plicae  synovialis  patell.     Lig.  mueosum.     Lig.  adiposum. 

2)  Processus  aliformis  mediale  und  laterale. 

3)  Bursa  subcruralis. 


Kniegelenk.  161 

lieh  bildet  sich  beim  Embryo  eine  Ausbuchtung  der  Höhle  des  Kniegelenkes  zwischen 
dem  Femurschaft  und  der  Sehne  des  M.  quadrieeps,  und  vor  ihm  ein  besonderer  Schleim- 
beutel. Die  Wand  zwischen  beiden  bricht  in  der  Regel  schon  während  des  letzten 
Fetalmonats  durch,  so  daß  bei  der  Geburt  beide  bereits  in  Verbindung  stehen.  Die 
Trennungshaut  bleibt  nicht  selten  auch  noch  beim  Erwachsenen  als  eine  ringförmige, 
vorspringende  Falte  bei  Bestand.     In  seltenen  Fällen  bleibt  der  Durchbruch  ganz  aus. 

2.  Bursa  M.  semimembranosi.  Ansehnlich,  meist  bohnengroß;  an  der 
hinteren  medialen  Ecke  der  Kapsel  unter  den  Sehnen  des  M.  semimembranosus  und 
des  medialen  Kopfes  des  M.  gastroenemius.  Bei  Neugeborenen  ist  eine  Verbindung 
mit  der  Gelenkhöhle  fast  nie  vorhanden  (Fick),  bei  Erwachsenen  hängt  sie  unt(  i 
drei  Fällen  einmal  mit  dem  Gelenk  zusammen,  häufiger  rechts  und  häufiger  bei  kräftigen 
Personen.  Die  Kommunikation  erfolgt  durch  einen  Defekt  der  hinteren  Wand  der 
oberen  Kammer  des  Gelenkes;  bei  gestrecktem  Knie  ist  die  Öffnung  weit,  bei  ge- 
beugtem erscheint  sie  als  schmale   Querspalte. 

3.  Bursa  M.  gastroenemii  medialis  l).  Der  nicht  immer  vorhandene  Schleim- 
beutel liegt  neben  dem  vorigen  unter  der  Ursprungssehne  des  Muskels.  Er  kann  sowohl 
mit  der  Bursa  M.  semimembranosi,  wie  mit  dem  Gelenk  direkt  in  Verbindung  treten. 
Fick  ist  der  Ansicht,  daß  der  Zusammenhang  der  Bursa  M.  semimembranosi  mit  dem 
Gelenk  fast  immer  durch  Vermittelung  der  Verbindung  mit  der  in  Rede  stehenden 
Bursa  zustande  kommt. 

4.  Bursa  M.  poplit ei  anterior  2).  Konstant  unter  der  Sehne  des  M.  popliteus. 
Nach  Moser  (1892)  entsteht  sie  aus  einer  Ausstülpung  oberhalb  des  Meniscus  lateralis 
und  einer  ebensolchen  unterhalb  desselben.  Beide  fließen  bald  zusammen  und  bilden 
schon  beim  Neugeborenen  eine  einfache  Höhle.  Der  Schleimbeutcl  liegt  unmittelbar 
auf  dem  Rand  der  lateralen  Bandscheibe  und  die  Sehne  des  M.  popliteus  wird  von  ihr 
mehr  oder  weniger  weit  umhüllt.  Nur  die  Öffnung  oberhalb  der  Bandscheibe  ist  kon- 
stant i-V/).  In  etwa  14",,  der  Fälle  steht  der  Schleimbeutel  mit  dem  oberen  Tibio- 
fibulargelenk  in  Zusammenhang. 

5.  Bursa  M.  poplitei  posterior  (Fick).  Klein,  häufig  vorhanden.  Zwischen 
der  Rückseite  der  Sehne  des  M.  popliteus  und  dem  Ligamentum  collaterale  mediale. 
Stellt  fast  immer  in  ziemlich  weiter  Verbindung  mit  dem  Gelenk.  Mit  dem  vorge- 
nannten Schleimbeutel  besteht  kein  Zusammenhang. 

Weniger  häufig  stehen  auch  andere  Schleimbeutel  mit  der  Gelenkhöhle  in  Ver- 
bindung und  zwar: 

6.  Bursa  semimembranosa  propria.  Konstant  zwischen  t'ondylus medialis 
tibiae  und  Sehne  des  M.  semimembranosus.  Verbindet  sich  zuweilen  mit  der  unteren 
Abteilung  des  Gelenkes. 

7.  Bursa  M.  gastroenemii  lateralis8).  Klein.  Unter  sechs  bis  sieben  Knien 
einmal  vorhanden  (Gruber);  er  stein  hie  und  da  mit  der  Gelenkhöhle  in  Verbindung, 

In  der  Umgebung  des  Kniegelenkes  finden  sich  noch  andere  zahlreiche  Schleim- 
beutel, welche  mit  dem  Gelenk  niemals  in  Zusammenhang  treten.  Sie  weiden  an 
anderer  Stelle  ihre  Würdigung  linden,  hier  seien  nur  die  wichtigsten  kurz  erwähnt. 
Vorne  sind  vorhanden  die  Bursa  praepatellaris  subcutanea  [235),  subfascialis 
und  subtendinea.  Sie  liegen  zwischen  der  Haut  und  der  Vorderseite  der  Knie- 
scheibe und  fehlen  bei  Kindern,  woraus  hervorgeht,  daß  sie  sich  erst  durch  den  Ge- 


')    Ullis. 1    supei.  <>ncl\  leide. 1    medialis. 

-)   Bursa  infracondyloidea  externa. 
')    Bursa  gastrocnemialis  extern. 1. 


1G8  Kniegelenk. 

brauch  des  Knies  ausbilden.  Zwischen  der  Haut  und  dem  Ligamentum  patellae, 
ebenso  zwischen  ihr  und  der  Tuberositas  tibiae  finden  sich  ebenfalls  Schleimbeutel. 
Eine  Bursa  infrapatellaris  profunda  (235)  liegt  zwischen  der  dem  Gelenk  zuge- 
kehrten Seite  des  Ligamentum  patellae,  der  Vorderfläche  der  Tibia  und  dem  Fett- 
polster des  Kniegelenkes.  Obgleich  sie  diesem  letzteren  nahe  kommt,  steht  sie  mit  ihm 
doch  nicht  in  Verbindung.  Unter  den  zu  beiden  Seiten  des  Gelenkes  ist  die  kon- 
stante Bursa  anserina  hervorzuheben,  welche  zwischen  den  Sehnen  der  Mm. 
sartorius,  gracilis  und  semitendinosus  einerseits  und  der  Tibia  andererseits  liegt. 

Der  Bandapparat,  welcher  die  Kapsel  des  Kniegelenkes  an  ihrer  Außenseite 
umgibt,  steht  zum  größten  Teil  mit  den  Sehnen  der  die  Kniegegend  umgebenden 
Muskeln  in  engstem  Zusammenhang,  wenn  es  auch  an  Bändern,  welche  von  dieser 
unabhängig  sind,  nicht  fehlt. 

Die  Vorderseite  des  Gelenkes  wird  von  der  Kniescheibe  gedeckt,  welche  wie 
gesagt,  als  Sesambein  in  die  Sehne  des  M.  quadriceps  femoris  eingelassen  ist.  Ober- 
flächlich liegende  Züge  werden  oben  und  auf  beiden  Seiten  von  den  Sehnen  der  Mm. 
rectus,  vastus,  lateralis  und  medialis  abgegeben;  sie  durchkreuzen  sich  vor  der  Knie- 
scheibe und  decken  sie  kappenartig;  tiefere  gehen  an  beiden  Seiten  der  Kniescheibe 
entlang  bis  zur  Tuberositas  tibiae.  Die  Hauptmasse  der  Sehnen  aber  wird  durch  diese 
unterbrochen.  Vom  Oberschenkel  herkommend  setzen  sich  die  Züge  an  die  Basis 
und  die  Seitenränder  der  Kniescheibe  fest  und  von  ihr  entspringen  wieder  Fasern, 
welche  zur  Tibia  gelangen.  Der  mittlere  sehr  starke  Zug  wird  Ligamentum  pa- 
tellae1) (226)  genannt;  er  entspringt  am  Apex  patellae  und  geht  zur  Tuberositas 
tibiae ;  vom  Gelenk  ist  er  durch  eine  Fettmasse  und  von  dem  oberen  Ende  der  Tibia 
durch  die  erwähnte  Bursa  infrapatellaris  profunda  getrennt  (23-5).  Die  an  den 
Seitenrändern  entspringenden  Faserzüge,  Retinacula  patellae  verticalia, 
mediale  und  laterale  (226),  sind  erheblich  schwächer,  sie  setzen  sich  am  Schien- 
bein unter  dem  Margo  infraglenoidalis  fest.  Sie  lassen  sich,  wenn  auch  einigermaßen 
künstlich  vom  Ligamentum  patellae  trennen.  Außerdem  wird  die  Kniescheibe  noch 
durch  tiefliegende,  quere  Faserzüge,  Retinacula  patellae  horizontalia  late- 
rale (231)  und  mediale  (232)  (Fick)  in  ihrer  Lage  festgehalten.  Sie  kommen 
von  den  beiden  Epicondylen  des  Femur  und  heften  sich  fächerförmig  ausgebreitet 
an  ihren  Seitenrändern  fest.  Sie  hegen  unmittelbar  auf  der  Kapsel.  Das  mediale 
ist  kräftiger  und  besser  begrenzt  als  das  laterale,  welches  meist  nur  einen  schmalen 
Bandstreifen  darstellt. 

Zu  beiden  Seiten  des  Kniegelenkes  verlaufen  die  Seitenbänder.  Das  Liga- 
mentum collaterale  fibulare2)  (230,231)  ist  ein  plattrundlicher  Strang,  welcher 
von  der  Gelenkkapsel  durch  eine  ansehnliche  Schichte  von  fetthaltigem  Bindegewebe 
getrennt  ist.  Es  entspringt  am  Epicondylus  lateralis  des  Oberschenkels  unter  der  An- 
heftung des  Septum  intermusculare  laterale  und  endigt  am  lateralen  Rand  des  Köpf- 
chens der  Fibula;  ein  Teü  der  Fasern  des  Bandes  setzt  sich  vorwärts  umbiegend  in  die 
Bandscheibe  fort.  Das  Ligamentum  collaterale  tibiale3)  (232)  ist  platt,  breiter 
als  das  vorgenannte  und  mit  der  Kapsel  fest  verbunden.  Es  entspringt  vom  Epicon- 
dylus medialis  und  zerfällt  in  seinem  Verlauf  in  einen  langen  vorderen,  oberflächlicher 
gelegenen  und  in  einen  kurzen,  hinteren  tiefer  gelegenen  Teil.    Der  erstere  besteht  aus 


x)   Ligamentum  patellae  inferius  oder  proprium. 

2)  Ligamentum  laterale  externum.     Lig.  accessorium  laterale. 

3)  Lig.  lat.  internum.     Lig.  accessorium  mediale. 


Kniegelenk.  100 

starken,  gerade  abwärts  gehenden  Faserbündeln,  welche  weit  an  der  Tibia  herab- 
laufen und  sich  an  ihrer  medialen  Fläche  5 — 8  cm  weit  unter  dem  Marge  infraglenoidalis 
ansetzen.  Während  sie  über  diesen  Rand  hinwegziehen,  decken  sie  die  Yasa  genus 
mediales  inferiores  und  dann  die  vorwärts  umbiegende  Sehne  des  M.  semimembranosus. 
Der  kurze  hintere  Teil  des  Bandes  strahlt  vom  Ursprung  an  fächerförmig  aus;  er  ge- 
langt nur  bis  zur  Bandscheibe,  an  welcher  er  sich  anheftet. 

An  der  Rückseite  des  Gelenkes  wird  die  Kapsel  beiderseits  verstärkt  durch  die 
Ursprungssehnen  der  Köpfe  des  M.  gastroenemius  und  M.  plantaris,  welche  untrennbar 
mit  ihr  verwachsen.  Der  M.  semimembranosus  läßt  einen  beträchtlichen  Teil  seiner 
Sehne  im  Winkel  in  die  hintere  Kapselwand  umbiegen,  in  welcher  sie  als  Ligamentum 
popliteum  obliquum  (227)  schräg  lateralwärts  und  aufwärts  bis  zum  Ursprung 
von  M.  plantaris  und  gastroenemius  lateralis  verläuft.  Das  Band  ist  der  Kapsel  fest 
eingewebt.  Bei  Kontraktionen  des  M.  semimembranosus  spannt  sich  das  Band 
und  hebt  die  Kapsel  in  eine  Falte  auf,  deren  Kante  es  bildet   (M.i. 

An  dem  lateralen  Teil  der  Rückseite  wird  ein  Ligamentum  arcuatum  {227) 
beschrieben  als  eine  aufwärts  konkave  Schleife,  welche  am  lateralen  Epicondylus  ent- 
springt, sich  unter  dem  Ligamentum  popliteum  obliquum  in  der  Kapsel  verliert  und 
durch  einen  an  das  Köpfchen  der  Fibula  absteigenden  Strang,  Retinaculum  liga- 
menti  arcuati1)  abwärts  festgehalten  wird.  Diese  Beschreibung  trifft  nur  in  einem 
Teil  der  Fälle  zu  und  man  findet  oft  nur  einen  Zug,  welcher  sich  vom  Epicondylus 
zum  Köpfchen  der  Fibula  erstreckt;  selbst  dieser  kann  in  seinem  proximalen  Teil 
schwach  entwickelt  sein.  Das  Band  bedeckt  die  Anheftung  des  M.  popliteus  und  dient 
einem  Teil  seiner  Fasern  als  Ansatzpunkt. 

Soweit  die  hintere  Kapselwand  nicht  von  Bändern  verstärkt  wird,  zeigt  sie 
dünne  Stellen  und  Lücken,  durch  welche  Gefäße  in  das  Gelenk  gelangen  und  in  wel  he 
sich  Fettträubchen  eindrängen. 

Die  Bewegungen  des  Kniegelenkes  bestehen  einerseits  in  Beugung  und  Stivk- 
kung,  andererseits  in  Rotation  mit  der  Fußspitze  medianwärts  (Pronation)  und  mit 
der  Fußspitze  lateralwärts  (Supination).  Mit  der  Beugung  verbindet  sich  stets  eine 
Rollung,  welche  die  Fußspitze  medianwärts  führt,  mit  der  vollendeten  Streckung 
eine  Rotation  in  umgekehrtem  Sinne.  Ist  die  Streckung  eine  extreme  wie  beim  auf- 
rechten Stehen,  dann  kann  eine  Rotation  nur  im  Hüftgelenk  vorgenommen  werden, 
im  Kniegelenk  ist  sie  unmöglich,  da  sie  durch  Spannung  sämtlicher  Bänder  verhindert 
wird.  Die  Spannung  wird  durch  die  erwähnte  Spiralform  der  Oberschenkelcondyli  n 
hervorgerufen,  indem  in  der  Streckung  ihre  proximalen  und  distalen  Ansätze  am 
weitesten  voneinander  entfernt  sind.  Die  Hemmung  der  Streckbewegung  wird  neben 
den  Bändern  auch  von  der  sehr  kräftigen  hinteren  Kapselwand  bewirkt;  die  vordere 
Kapselwand  legi  sich  bei  dieser  Stellung  nicht  in  Falten,  sie  wird  von  den  mit  ihr 
eng  verbundenen  Muskeln  straff  erhalten.  Bei  der  Beugung  nähern  sich  die  An- 
heftungsstellen  i\<v  Bänder  einander,  und  in  halber  Flexion  zeigt  der  Bandapparat 
die  geringste  Spannung.  Dehnt  ein  Erguß  im  Leben  oder  [njektionsmasse  ani  Präparat 
das  Gelenk  ad  maximum  aus.  dann  stellt  es  sich  stets  in  halbe  Beugung.  Bei  keiner 
Stellung  des  Kniegelenkes  sind  jedoch  sämtliche  Bänder  erschlafft  und  zwar  halten 
besonders  die  beiden  Kreuzbänder  die  Gelenkflächen  aneinander.  Nach  einer  von  Fick 
(1911)  aufgestellten  Tabelle  verhalten  sie  sich  folgendermaßen: 

')   Ligamentum  popliteum  externum. 


170 


Kniegelenk. 


Streckung 


Mittel- 
stellung 


Beugung 


Vorderes   Kreuzband : 
Vorderes,   oberes,   mediales  Bündel 
Hinteres,   unteres,   laterales  Bündel 

Hinteres  Kreuzband: 
Vorderes,  laterales  Bündel 
Hinteres,   mediales   Bündel     . 


straff 
schlaff 

schlaff 
straff 


straff 
schlaff 

straff 
schlaff 


schlaff 
straffer 

straff 
sehr  straff 


Von  den  Collateralbändern  ist  das  laterale  nur  in  der  Streckung  in  Spannung, 
bei  der  Beugung  wird  es  schlaff;  von  dem  medialen  entspannt  sich  zwar  der  Haupt- 
teil bei  stärkster  Beugung,  die  hinteren  kürzeren  Züge  sind  aber  selbst  bei  maximaler 
Beugung  noch  gespannt.  Die  Seitenbänder  verhindern  ein  Umknicken  des  Knies, 
sowie  eine  Parallelverschiebung  nach  beiden  Seiten.  Die  seitlichen  Kapselwände 
sind  in  jeder  Stellung  des  Gelenkes  glatt  und  straff,  die  hintere  Kapselwand  faltet 
sich  in  der  Beugung,  wie  erwähnt,  durch  Vermittelung  des  Ligamentum  obliquum. 

Der  Vorgang  der  Bewegung  spielt  sich  in  der  Art  ab,  daß  die  Condylen  des 
Oberschenkels  auf  den  beiden  Bandscheiben  rollen  und  daß  diese  zu  gleicher  Zeit 
auf  der  Tibia  gleiten.  Sie  ändern  ihre  Form  und  Stellung  beständig;  bei  der  Beugung 
bewegen  sie  sich  nach  hinten  und  drehen  sich,  der  laterale  im  Sinne  des  Uhrzeigers, 
der  mediale  umgekehrt.  Zugleich  ziehen  sie  sich  in  die  Breite,  während  sie  bei  der 
Streckung  in  die  Länge  gezogen  und  verschmälert  erscheinen.  Die  mit  Beugung 
und  Streckung  verbundenen  Rotationen  haben  ihren  Grund  in  der  Gestalt  der  Con- 
dylen des  Femur  und  in  dem  Verhalten  der  Bandscheiben.  Die  ersteren  stellen  eine 
Art  von  Kegelmantel  dar,  welcher  sich  um  den  Kegel  bewegt,  der  von  den  beiden 
Kreuzbändern  nebst  der  Eminentia  intercondyloidea  gebildet  wird.  Die  Kreuzbänder 
spannen  sich  demgemäß  auch  bei  der  Einwärtsrollung  und  wickeln  sich  bei  der  Aus- 
wärtsrollung  voneinander  ab. 

Außer  der  Rotation  des  Unterschenkels,  welche  bei  Beugung  und  Streckung 
unwillkürlich  erfolgt,  kann  derselbe  auch  willkürlich  nach  außen  (Supination)  und  nach 
innen  (Pronation)  gedreht  werden,  abgesehen  allerdings  von  der  extremen  Streck- 
stellung, wie  dies  oben  schon  erwähnt  wurde.  Die  Drehung  erfolgt  um  eine  Achse, 
welche  nicht  durch  die  Mitte  des  Kniegelenkes  geht,  sondern  welche  im  Gebiet  der 
medialen  Pfanne  liegt.  Die  beiden  Bandscheiben  verschieben  sich  dabei  gegen  den 
Oberschenkel  nur  wenig  und  es  geht  die  Bewegung  im  wesentlichen  zwischen  ihnen 
und  dem  Schienbein  vor  sich.  Die  beiden  Gelenkflächen  des  Schienbeines  bewegen 
sich  dabei  in  verschiedenem  Grad,  die  laterale  stärker  als  die  mediale;  die  laterale 
geht  bei  der  Supination  rückwärts,  bei  der  Pronation  vorwärts,  während  die  mediale 
die  umgekehrten  Bewegungen  ausführt   (Fick). 

Die  Arterien  des  Kniegelenkes  sind  entsprechend  seiner  Größe  stark  und  zahl- 
reich. Es  sind  dies  die  sechs  Arteriae  genus,  eine  vordere,  welche  von  der  Schenkel- 
arterie abgegeben  wird  und  fünf  hintere,  welche  aus  der  A.  poplitea  stammen.  Außer- 
dem treten  noch  die  Aa.  recurrens  tibialis  anterior  und  posterior,  sowie  der  R.  fibularis 
der  vorderen  Schienbeinarterie  an  das  Gelenk.  Alle  diese  Arterien  vereinigen  sich 
zum  Rete  articulare  genus,  von  welchem  aus  das  Gelenk  versorgt  wird.  Die  Venen 
begleiten  die  Arterien;  die  Lymphgefäße  ergießen  sich  in  die  Lymphdrüsen  der  Knie- 
kehle.    Die  Nerven  des  Kniegelenkes  stammen  vom  N.  tibialis  und  peronaeus  ab, 


Kniegelenk.  171 

sie  begleiten  die  hinteren  Arterien,  ein  Ast  des  X.  femoralis  die  vordere  Kniegelenks- 
arterie. Vom  hinteren  Ast  des  N.  obturatorius  gelangt  ein  Zweig  am  M.  adductor 
magnus  entlang  ins  Gelenk. 

Die  Lage  des  Kniegelenkes  ist  eine  wenig  geschützte.  Bei  einem  aufrechtstehen- 
den Menschen  ist  vorne  die  Kniescheibe  sehr  leicht  zu  sehen  und  abzutasten.  Von 
den  durch  die  Fettpolster  des  Gelenkes  hervorgerufenen  Wülsten  war  schon  oben  (S.  166) 
die  Rede.  An  der  lateralen  Seite  fühlt  man  deutlich  den  Epicondylus  lateralis  und 
darunter  das  Köpfchen  der  Fibula,  sowie  das  beide  verbindende  Ligamentum  colla- 
terale  libulare.  Vor  dem  Köpfchen  der  Fibula  trifft  der  untersuchende  Finger  auf 
den  Condvlus  lateralis  tibiae  und  über  ihm  auf  die  Gelenkspalt'  .  Am  h  das  vortretende 
Ende  des  Tractus  iliotibialis  fasciac  latac  und  dahinter  die  Bicepssehne  sind  zu  fühlen. 
An  der  medialen  Seite  fließen  Epicondylus  mcdialis  und  Ende  der  Tibia  für  das  Ge- 
liihl  meist  zu  einem  gerundeten  Vorsprung  zusammen,  doch  kann  man  bei  stärkerem 
Druck  die  Gclenkspalte  wahrnehmen.  Auch  das  Ende  des  M.  sartorius  ist  lieraus- 
zutasten.  X.  saphenus  und  V.  saphena,  welche  vor  der  Sartoriussehne  liegen,  geben 
sich  der  Palpation  nicht  kund.  An  der  Rückseite  fühlt  und  sieht  man  bei  gestrecktem 
Knie  einen  leichten  Wulst  und  durchaus  keine  Vertiefung. 

Die  Lage  Veränderungen,  welche  die  am  Kniegelenk  beteiligten  Gebilde  bei 
seinen  Bewegungen  erleiden,  sind  erheblich.  Die  Kniescheibe  wird  in  der  Streckung 
soweit  gehoben,  daß  sie  mit  ihrem  proximalen  Teil  die  Facies  patellaris  femoris  über- 
ragt. Da  sie  von  dem  Ligamentum  patellae  an  der  Tibia  festgehalten  wird,  stellt 
sie  si>  li  bei  der  Beugung  erst  auf  die  Facies  patellaris  des  Oberschenkels,  wodurch  sie 
stark  vortritt,  so  daß  nun  das  Knie  eine  gerundete  Fenn  erhält,  dann  aber  sinkt  sie 
in  die  immer  tiefer  werdende  Kerbe  /wischen  Femur  und  Tibia  hinein,  wo  sie  jetzt 
größtenteils  auf  dem  Fett  der  Plicae  alares  ruht.  Sie  ist  nun  auch  für  Gesicht  und 
Gefühl  mehr  und  mehr  verschwunden,  während  dagegen  die  Condylen  des  Femur 
und  das  obere  Ende  der  Tibia  ebenso  wie  die  zwischen  beiden  liegende  Gelenkspalte 
durchgefühlt  werden  können.  Dies  ist  deshalb  so  leicht  möglich,  weil  die  bedeckenden 
Weichteile  liier  auf  der  Vorderseite  des  Gelenkes  spärlich  sind;  sie  bestehen  aus  Haut, 
Subcutangewebe,  Fascie  und  Sehnen  mit  den  eingeschobenen  Schleimbeuteln.  Über- 
dies sind  die  Weichteile  nicht  einmal  scharf  voneinander  getrennt,  so  daß  eine  rein- 
liehe Präparation  nicht  selten  unmöglich  ist. 

Zu  beiden  Seiten  bringen  die  Bewegungen  keine  größeren  Änderungen  zuwege, 
wohl  aber  hinten.  Beugt  man  das  Knie,  dann  tritt  dort  jederseits  ein  starker  gespannter 
Wulsl  hervor,  während  sich  die  Mitte  zu  einer  tiefen  Grübe,  der  Kniekehle,  Fossa 
Poplitea  umwandelt.  Die  beidenWülste  werden  durch  die  vom  Oberschenkel  her- 
kommenden kontrahierten  Beugemuskeln  gebildet,  welche  in  der  Kniegegend  aus- 
einanderweichen, um  sich  zu  beiden  Seiten  an  Tibia  und  Fibula  anzusetzen.  Von 
ihren  Enden  gedeckt,  entspringen  in  nächster  Nähe  des  Gelenkes  beiderseits  die  nach 
dem  Unterschenkel  gehenden  Köpfe  Ar^  M.  gastroenemius,  an  der  lateralen  Seite 
auch  der  M.  plantaris;  sie  nähern  sich  rasch  der  Mitte  des  Schenkels  und  legen  -ich 
aneinander.  Die  von  oben  kommenden  und  nach  unten  gehenden  Muskeln  umschließen 
einen  rhombischen  Kaum  mit  proximal  spitzerem  und  distal  stumpferem  Winkel. 
i  ben  die  Kniekehle.  Sie  wird  von  einem  niemals  vollständig  schwindenden  Fett- 
polster ausgefüllt.  Aui  ihm  liegl  die  V.  saphena  parva,  in  ihm  eingeschlossen  die 
Nerven  und  Gefäßi  der  Kniekehle,  \  ,i-,i  poplitea  und  N.  tibialis.  Her  \.  peronaeus 
schließl  sich  dem  Rand  de-  lateralen  Muskelwulstes  an.  Das  in  der  Streckung  ziemlich 
Eesl  sich  anfühlende  Fettpolster  wird  in  der  Beugung  weicher.  -,.  daß  man  die  beiden 


172  Kniegelenk. 

Köpfe  des  M.  gastrocnemius  durchfühlen,  bei  mageren  Leuten  selbst  den  N.  tibialis 
und  den  Puls  der  A.  poplitea  nachweisen  kann. 

Varietäten.  Durch  die  Hockerstellung,  welche  gewisse  Völkerschaften  mit  Vorliebe 
einnehmen,  wird  die  Krümmung  der  Femurrollen  leicht  abgeflacht.  —  Die  laterale  Bandscheibe 
ist  zuweilen  abnorm  verbreitert.  —  Das  Ligamentum  collaterale  fibulare  kann  sich  verdoppeln, 
es  kann  auch  ganz  fehlen  (Fick).  —  Selten  besteht  ein  Zusammenhang  der  beiden  Gelenkhälften 
hinter  den  Kreuzbändern  (Fick).  —  Das  Kniegelenk  steht  nicht  selten  mit  dem  benachbarten 
Tibiofibulargelenk  in  Zusammenhang. 

Praktische  Bemerkungen.  Die  Erkrankungen  des  Kniegelenkes  sind  sehr  zahlreich 
und  oft  schwer,  was  sich  durch  seine  anatomischen  Verhältnisse  erklärt.  Die  sehr  ausgedehnte 
Synovialis,  die  buchtige  Form  der  Gelenkhöhle,  der  sehr  komplizierte  Bandapparat,  die  Art  der 
Bewegungen,  die  besonders  starke  Inanspruchnahme  des  Gelenkes  —  all  dieses  birgt  die  Keime 
von  Erkrankungen  verschiedener  Art  in  sich.  Die  exponierte  Lage  begünstigt  Verletzungen 
aller  Art  und  man  fürchtet  diese  wegen  ihrer  Bedenklichkeit  für  Gesundheit  und  Leben  auch 
heute  noch,  da  Bewegungen,  welche  bei  eröffnetem  Gelenk  ausgeführt  werden,  eine  Saugwirkung 
ausüben,  durch  welche  Luft  und  andere  unerwünschte  Stoffe  in  den  Gelenkraum  gebracht  werden 
können. 

Stichverletzungen,  wie  sie  bei  Gewerben,  welche  harte  Gegenstände  mit  sehr  scharfen 
Werkzeugen  bearbeiten,  z.  B.  Schuster,  Zimmerleute,  durch  Ausfahren  der  Instrumente  leicht 
vorkommen  können,  werden  je  nach  der  Stellung  des  Gelenkes  verschiedene  Teile  desselben  treffen 
können  und  ist  nach  der  Verwundung  die  Stellung  verändert,  dann  kann  der  Stichkanal  teilweise 
verlegt  werden  und  kürzer  erscheinen  als  er  in  Wirklichkeit  ist.  Bei  Schußwunden  ist  natürlich 
das  gleiche  der  Fall;  bei  ihnen  sind  Stellungen  denkbar,  in  welchen  keiner  der  das  Kniegelenk 
zusammensetzenden  Knochen  eine  Verletzung  erfahren  hat.  Bei  Wunden,  welche  die  Kniegegend 
an  ihrer  proximalen  Seite  treffen,  wird  man  auf  eine  Eröffnung  der  Kapsel  schon  drei  Finger  breit 
über  dem  oberen  Rand  der  Kniescheibe  gefaßt  sein  müssen,  da  dort  der  suprapatellare  Schleim- 
beutel so  weit  hinaufreicht.  Unten  und  zu  beiden  Seiten  setzt  sich  die  Kapsel  nahe  an  den  Ge- 
lenkrändern fest,  so  daß  noch  einen  Finger  breit  von  diesen  eine  Eröffnung  des  Binnenraumes 
nicht  zu  erfolgen  braucht. 

Seröse,  eiterige  oder  blutige  Ergüsse  dehnen  das  Gelenk  oft  beträchtlich  aus;  sie  füllen 
natürlich  auch  die  mit  dem  Gelenk  in  Zusammenhang  stehenden  Nebenräume.  Klopft  man  mit 
dem  Finger  auf  die  Kniescheibe,  welche  auf  dem  Erguß  schwimmt,  dann  kann  man  sie  zum  An- 
schlagen an  die  Condylen  des  Femur  bringen,  was  der  Untersucher  deutlich  fühlt.  Eine  Ver- 
wechselung des  angeschwollenen  Gelenkes  mit  einer  Ausdehnung  der  präpatellaren  Schleimbeutel 
ist  leicht  zu  vermeiden,  da  bei  diesen  die  Kniescheibe  fest  auf  der  Unterlage  ruht  und  die  Schwel- 
lung über  ihr  liegt. 

Von  den  sehr  dicken  Gelenkknorpeln  können  sich,  selbst  wenn  sie  ganz  gesund  sind,  Stück- 
chen ablösen,  welche  dann  frei  im  Gelenkraum  liegen,  man  nennt  sie  „Gelenkmäuse".  Sind  sie 
in  eine  Seitenbucht  geglitten,  dann  machen  sie  keine  Symptome,  klemmen  sie  sich  aber  zwischen 
irgend  welche  Teile  des  Gelenkes  ein,  dann  hemmen  sie  oft  ganz  plötzlich  die  Bewegung  und  ver- 
ursachen einen  lebhaften  Schmerz.  Man  muß  sich  hüten,  das  Sesambein  der  Gastrocnemius- 
sehne  im  Röntgenbild  für  eine  Gelenkmaus  zu  halten. 

Die  Stellung  des  Gelenkes  ist  pathologisch  zu  nennen,  wenn  die  Belastungslinie,  welche 
normalerweise  durch  seine  Mitte  geht,  mehr  als  2  cm  nach  der  einen  oder  anderen  Seite  von  dieser 
abweicht,  wie  es  bei  Genuvalgum,  sogenannten  X-Beinen  und  Genu  varum,  sogenannten 
O-Beinen  der  Fall  ist.  Die  Untersuchungen  von  Mikulicz  (1878)  haben  ergeben,  daß  für  deren 
Entstehung  nicht  das  Kniegelenk  zu  beschuldigen  ist,  sondern  daß  Oberschenkelbein  und  Schien- 
bein Verbiegungen  erleiden.  Man  versteht  jedoch  leicht,  daß  besonders  bei  Genu  valgum  die 
abnorme  Belastung  in  der  Folge  auch  das  Gelenk  schädigt.  Es  tritt  vorne  ein  Schwund  des  Con- 
dylus  lateralis  femoris,  hinten  ein  solcher  des  Schienbeines  ein.  Das  Gelenk  wird  im  Stehen 
hyperextendiert  und  stärker  rotiert,  als  in  der  Norm.  Andauernde  Belastung  kann  den.  Band- 
apparat so  weit  lockern,  daß  eine  abnorme  Überstreckung  stattfindet  (Genu  recurbatum); 
auch  Muskellähmungen  können  den  gleichen  Erfolg  haben. 

Luxationen  des  Kniegelenkes  sind  selten,  was  auf  die  Größe  der  Gelenkflächen  und  auf 
die  ungemein  große  Festigkeit  des  Bandapparates,  besonders  der  Kreuzbänder  zurückzuführen 
ist.  Doch  kommen  sie  immerhin  vor  und  zwar  nach  hinten  und  vorn,  ebenso  wie  nach  beiden  Seiten. 
Der  Kapselriß  kann  ein  großer  sein,  oft  aber  findet  man  davon  berichtet,  daß  er  nur  klein  war, 


Wadenbeinköpfchengelenk.  173 

was  sich  durch  die  Festigkeit  der  Kapsel  mit  ihren  Bändern  leicht  erklärt.  Bei  Luxationen  nach 
hinten  oder  vorn  werden  die  Nerven  und  Gefäße  der  Kniekehle  stark  gespannt,  sie  können  selbst 
zerreißen.  Selten  erleidet  die  Kniescheibe  allein  eine  Verrenkung,  und  zwar  so  gut  wie  ausnahms- 
los nach  der  lateralen  Seite  hin.  Wahrscheinlich  ist  die  mehr  gerundete  Form  des  medialen  Con- 
dylus  die  Ursache,  daß  sie  bei  einer  medianwärts  gerichteten  Verschiebung  leicht  wieder  in  ihr 
Lager  zurückgleitet.  Die  Kniescheibe  kann  sich  auch  um  ihre  Längsachse  drehen,  meist  un- 
vollständig, äußerst  selten  so,  daß  ihre  Außenseite  sich  vollständig  nach  innen  wendet. 

Auch  die  Bandscheiben  können  eine  isolierte  Luxation  erleiden,  wenn  das  gebeugte  Knie 
eine  heftige  Rotation  ausführt.  Am  häufigsten  kommt  sie  bei  Sportspielen,  wie  Fußball  u.  dgl. 
vor.  Weit  öfter  verrenkt  sich  der  mediale  Meniscus,  was  darauf  zurückzuführen  sein  dürfte, 
daß  er  schwächere  Bänder  besitzt,  wie  der  laterale.  Die  Bandscheibe  reißt  meist  an  ihrer  vorderen 
Insertion   ab  und   kann  sich  zwischen  die   Gelenkenden  einklemmen. 

Mußten  verrenkte  Bandscheiben  entfernt  werden,  dann  ist  die  Streckung  des  Knies  beim 
Treppensteigen   und   ähnlichen   Bewegungen   meist  erschwert    (König   1907). 

Von  Brüchen  der  Gelenkenden  ist  zu  erwähnen,  daß  die  beiden  Condylen  des  Femur  durch 
die  Kniescheibe  wie  durch  einen  Keil  auseinander  getrieben  werden  können.  Das  obere  Ende 
der  Tibia  kann  dadurch  platzen,  daß  sich  bei  einem  Fall  auf  die  Füße  die  Femurcondylen  mit 
großer  Gewalt  dagegen  anstemmen.  Am  häufigsten  sind  Frakturen  der  Kniescheibe;  sie  können 
schon  durch  einfachen  Muskelzug  entstehen.  Die  exponierte  Lage  des  Knochens  begünstigt 
aber  auch  sehr  die  Einwirkung  direkter  Gewalt.  Ihr  anatomischer  Bau  weist  den  Brüchen  keine 
bestimmte  Richtung  an.  Ist  sie  zerbrochen,  ohne  daß  die  bedeckenden  Weichteile  zerrissen  sind, 
dann  bleiben  die  Bruchenden  ohne  Verschiebung  in  ihrer  Lage,  was  man  nach  den  vorhandenen 
anatomischen  Verhältnissen  nur  natürlich  finden  wird.  Zerreißen  dieselben  aber,  dann  legen  sich 
leicht  die  Fetzen  der  bindegewebigen  Membranen  zwischen  die  Bruchenden  und  hindern  dadurch 
die  Vereinigung.  Daß  bei  einem  Querbruch  der  M.  rectus  femoris  überdies  das  obere  Stück  stark 
in  die  Höhe  ziehen  wird,  versteht  sich  von  selbst.  Ebenso  klar  ist  es  nach  der  Art  der  Anheftung 
der  Mm.  vasti,  daß  dabei  nicht  jede  Funktionsmöglichkeit  aufgehoben  sein  wird,  da  ihre  seitlichen 
Teile,  welche  den  unteren  Teil  der  Patclla,  das  Ligamentum  patcllae  und  die  Tibia  erreichen, 
ungestört  weiter  funktionieren  können.  Bei  der  Behandlung  der  Luxationen  und  Frakturen 
der  Patella  wird  man  nicht  allein  das  Kniegelenk  strecken,  sondern  auch  das  Hüftgelenk  beugen, 
um  den  M.  extensor  quadrieeps  in  allen  seinen  Teilen  zu  entspannen. 

Epiphysenlösungen  bewirken  eine  Eröffnung  des  Gelenkes  nicht.  Auch  die  mit  dem  Gelenk 
zusammenhängenden  Schleimbeutel  sind  nicht  wesentlich  gefährdet.  Zwar  reicht  die  Bursa 
suprapatellaris  noch  über  die  Epiphysengrenzc  hinauf,  doch  ist  ihre  Verletzung  wegen  der  dicken 
Fettschicht,  welche  sie  vom  Knochen  trennt,  unwahrscheinlich.  Die  Bursa  m.  semimembranosi 
reicht  nicht  bis  unter  den  Epiphyscnknorpel,  ebensowenig  die  Bursa  m.  poplitei  (v.  Brunn 
1881,  M.).  Anhaltendes  Stehen,  wie  es  gewisse  Gewerbe  verlangen  (Bäcker,  Kellner  u.  a.),  alte- 
riert  im  jugendlichen  Alter  leicht  die  Epiphyscngrenze  des  distalen  Femurendcs.  wodurch  dann 
eine  Verkrümmung  dieses  letzteren  hervorgerufen  wird,  es  entsteht  dann  Gcnu  valgum  (X-Bcine), 
weniger  häufig   Gcnu  varum   (O-Beine). 

g)  Wadenbeinköpfchengelenk,  Articulatio  tibiofibularis. 

In  unmittelbarer  Nachbarschaft  des  Kniegelenkes.  Die  Gelenkfläche  des  Waden- 
beines, ist  etwas  größer  als  die  des  Schienbeines.  Der  Knorpelbezug  ist  am  proximalen 
Teil  beider  Gelenkflächen  dicker  als  am  distalen.  Die  Kapsel  folgt  nichl  überall 
genau  dem  Knorpelrand.  Auf  der  Vorderseite  wird  sie  verstärkt  durch  ein  sehr  kräftiges 
Band,  Ligamentum  capituli  Eibulae  anterius  [226,  231),  dessen  Züge  teils 
emer,  teils  schräg  lateral  abwärts  verlaufen.  Ein  Ligamentum  capituli  Eibulae 
posterius,  dessen  Fasern  ebenfalls  transversal  gerichtel  sind,  ist  schwächer,  es  kann 
selbst  ganz  fehlen.     Die  obere  Wand  des  Gelenkes  is1  am  wenigsten  geschützt. 

Die  Mehle  des  Gelenkes  stehl  in  '/■'•  der  Fälle  (Fi<  k)  mit  dem  Popliteusschleim- 
beutel  und  dadurch  indirekt  mit  dem  Kniegelenk  in  Verbindung.  Die  Bewegungen 
lies  Gelenkes  bestehen  in  geringfügigen  Verschiebungen,  man  kann  es  als  Amphi- 
ai  i  hrose  betrachten, 


174  Membrana  interossea  cruris.     Knochen  des  Fußes. 

Seine  unbedeutenden  Gefäße  erhält  es  aus  der  A.  genus  inferior  lateralis  und  aus 
der  A.  recurrens  tibialis  anterior,  die  Nervenfädchen  vom  Gelenkast  des  N.  peronaeus. 

An  seiner  Vorderseite  wird  das  Gelenk  gedeckt  vom  Ansatz  des  M.  biceps  femoris 
und  es  entspringen  von  ihm  Fasern  des  M.  peronaeus  longus  und  M.  extensor  digi- 
torum  pedis  longus.  Auf  seiner  Rückseite  liegt  der  Popliteusschleimbeutel  und  der 
Ursprung  des  M.  soleus.  Zwischen  den  Muskelursprüngen  und  dem  Köpfchen  der 
Fibula  wendet  sich  der  N.  peronaeus  auf  die  Vorderseite  des  Unterschenkels;  er  kann 
bei  Verletzungen  des  Fibulaköpfchens  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden.  Luxationen 
sind  selten. 

h)  Membrana  interossea  cruris1). 

Ähnlich  der  gleichnamigen  Membran  des  Unterarmes  spannt  sie  sich  zwischen  den 
beiden  Cristae  interosseae  der  beiden  Unterschenkelknochen  aus  (236) .  In  ihrem  proxi- 
malen Teil  ist  sie  dünn,  am  distalen  Ende  weicht  sie  in  mehrere  Platten  auseinander, 
zwischen  welche  sich  Fett  einschiebt.  Am  proximalen  Ende  der  Membran  ist  eine 
ovale  Lücke  ausgespart,  welche  an  ihrer  lateralen  Seite  von  der  Fibula  begrenzt  wird. 
Durch  sie  gelangen  die  von  Fett  umschlossenen  Vasa  tibialia  anteriora  nach  vorne. 
Auch  am  distalen  Ende  findet  man  eine  (kleinere)  Lücke,  welche  mit  ihrer  medialen 
Seite  an  die  Tibia  grenzt;    sie  läßt  den  Ramus  perforans  der  A.  peronaea  passieren. 

Der  Verlauf  ihrer  Fasern  ist  von  der  Tibia  aus  schräg  abwärts  zur  Fibula  ge- 
richtet, was  mit  dem  Faserverlauf  in  der  Membrana  interossea  antebrachii  deshalb 
übereinstimmt,  weil  man  die  Tibia  dem  Radius,  die  Fibula  der  Ulna  gleichzusetzen 
hat.  Doch  fehlt  es  auch  nicht  an  Fasern,  welche  umgekehrt  von  der  Fibula  schräg 
abwärts  zur  Tibia  verlaufen.  Solche  sind  sowohl  auf  der  Vorderseite,  wie  auf  der 
Rückseite  vorhanden.  Am  proximalen  Ende  der  Vorderseite  begegnet  man  einem 
Faserzug,  welcher  nach  seinem  Verlauf  der  Chorda  obliqua  des  Unterarmes  gleicht. 

Die  Festigkeit  und  Elastizität  der  Membran  ist  bedeutend  (Fe ß ler  1894).  Von 
ihren  beiden  Flächen  entspringen  Streck-  und  Beugemuskeln  des  Lnterschenkels. 

Die  distalen  Enden  der  beiden  Unterschenkelknochen  werden  durch  Bandfasern, 
welche  von  einem  Knochen  zum  anderen  überspringen,  fest  aneinander  geheftet; 
zwischen  sie  erstreckt  sich  von  unten  her  eine  schmale,  mit  Gelenkintima  ausgekleidete 
Spalte  hinein.  Es  wird  auf  diese  Dinge  unten  bei  Beschreibung  des  Knöchelgelenkes 
zurückzukommen  sein. 

i)  Knochen  des  Fußes,  Ossa  pedis. 

Ebenso  wie  schon  in  den  proximalen  Teilen  des  Skeletes  der  unteren  Extremität, 
tritt  auch  in  dem  des  Fußes  die  Bestimmung  zum  Tragen  der  Körperlast  hervor.  Wenn 
auch  im  ganzen  und  großen  die  Verhältnisse  der  Hand  wiederkehren,  so  ist  doch  die 
Übereinstimmung  im  einzelnen  nur  eine  geringe.  Die  Hand  behält  die  Richtung  des 
Unterarmes  bei,  ihre  Knochen  liegen  sämtlich  in  der  gleichen  Fläche,  die  Handwurzel 
ist  kurz  und  gerade,  die  Finger  sind  lang  und  sehr  beweglich.  Dies  alles  wirkt  zu- 
sammen, um  sie  zu  befähigen,  die  ergriffenen  Gegenstände  gut  zu  umfassen  und  fest- 
zuhalten. Demgegenüber  ist  der  Fuß  gegen  den  Unterschenkel  winkelig  abgeknickt; 
die  Fußwurzel  ist  lang  und  sehr  kräftig,  die  Zehen  sind  kurz  und  besitzen  eine  geringere 
Beweglichkeit  als  die  Finger.  Die  proximalen  Fußwurzelknochen  sind  übereinander 
gelagert,  während  die  vorderen  und  die  Mittelfußknochen  nebeneinander  hegen  und  es 


x)  Ligamentum  interosseum. 


Fußwurzelknochen.  175 

läßt  sich  der  Fuß  der  Länge  nach  in  zwei  Strahlen  oder  Abteilungen  zerlegen,  eine 
mediale,  welche  aus  Talus,  Os  naviculare,  Ossa  cuneiformia  sowie  den  drei  ersten 
Metatarsalknochen  und  Zehen  besteht,  und  eine  laterale,  welche  sich  aus  Calcaneus, 
Os  cuneiforme  und  den  beiden  anderen  Metatarsalknochen  und  Zehen  zusammensetzt 
(246).  Dabei  ruht  der  hintere  Teil  der  dreizehigen  Abteilung  auf  dem  der  zweizeiligen. 

u)  Fußwurzelknochen,   Ossa  tarsi. 

Die  Fußwurzelknochen  sind:  Das  Sprungbein,  Talus1).  Fersenbein,  Cal- 
caneus, Kahnbein,  Os  naviculare2)  pedis,  die  drei  Keilbeine,  Os  cunei- 
forme3)  primum,  seeundum,   tertium,  das  Würfelbein,  Os  cuboideum4j. 

Schon  die  Aufzählung  ergibt,  daß  die  Fußwurzelknochen  ebensowenig,  wie  die 
Handwurzelknochen  dem  Grundtypus  (S.  106)  ganz  entsprechen.  Als  das  an  der 
Hand  ganz  zurückgebildete  Os  centrale  ist  das  Os  naviculare  anzusehen ;  im  Talus  ist  das 
Os  tibiale  und  intermedium  enthalten,  der  Calcaneus  entspricht  dem  Os  fibulare,  welches 
von  der  Verbindung  mit  den  Unterschenkelknochen  ganz  abgedrängt  ist.  Wie  an  der 
Hand  sind  auch  hier  am  Fuß  nur  die  drei  ersten  Ossa  tarsalia  voneinander  getrennt, 
während  das  vierte  und  fünfte  im  Os  cuneiforme  vereinigt  sind. 

Die  Grundform  der  einzelnen  Fußwurzelknochen  kann  man  zwar  wie  bei  dm 
Handwurzelknochen  als  die  eines  Würfels  ansehen,  doch  ist  sie  noch  weniger  streng 
durchgeführt,  wie  bei  diesen.  Auch  die  Fußwurzelknochen  wenden  dem  Fußrücken 
und  der  Sohle  rauhe  Oberflächen  zu,  die  Flächen  aber,  welche  sie  einander  zu- 
kehren, sind  nur  zum  Teil  überknorpclt,  ein  Teil  von  ihnen  bleibt  zum  Ansatz  von 
Bändern  rauh. 

Das  Sprungbein  (237 ,  238)  zerfällt  durch  eine  rauhe  Einschnürung,  Collum 
tali,  in  einen  hinteren  Teil,  Corpus  und  einen  vorderen,  Caput.  Am  Körper  be- 
merkt man  zwei  Fortsätze,  einen  Processus  posterior  und  lateralis.  Der  erstere 
tritt  unter  dem  hinteren  Rand  der  Rolle  hervor,  er  ist  niedrig  und  rauh.  Seine  Spitze 
zerfällt  gewöhnlich  durch  eine  tiefe  Furche  für  die  Sehne  des  M.  flexor  hallucis  longus 
in  zwei  rauhe  Höcker,  Tuberculum  mediale  und  laterale.  Der  letztere  bildet 
eine  vorspringende  Ecke,  in  welche  sich  der  seitliche  Rand  des  Knochens  auszieht.  Er 
ist  an  seiner  oberen  und  unteren  Seite  überknorpclt.  Seine  Anwesenheit  erklärt  si  h 
dadurch,  daß  Sprungbein  und  Fersenbein  in  der  Art  gegeneinander  verschoben  sind, 
daß  das  erstere  medial,  das  letztere'  lateral  übersteht.  Der  laterale  Fortsat/  des  Sprung- 
beines hat  die  Deckung  der  oberen  Fläche  des  Fersenbeines  zu  vervollständigen. 

An  seiner  oberen  Fläche  trägt  der  Körper  e'ine'  rollenfönnige  Gelenkfläche, 
Trochlea,  zur  Artikulation  mit  dem  Schienbein.  Dieselbe  ist  im  sagittalen  Durch- 
messer konvex,  im  transversalen  leicht  konkav;  von  vorn  nach  hinten  i-t  sie  etwas 
verschmälert,  so  daß  sie  bei  gehobenem  Fuß  fester  /.wischen  den  Enden  der  beiden 
Unterschenkelknochen  stehl  als  bei  gesenktem.  Zu  beiden  Semiten  ist  di<  Rolle  durch 
eine  lateral  schärfere,  medial  stumpfere  Kante  abgesetzt.  Die  Überknorpelung  aber 
>etxt  sieh  ohne  Grenze  über  diese  Kanten  hinweg  auf  die  Seitenflächen  des  Knochens 
Eort,  Facies  mallcolaris  lateralis  und  medialis,  welche  mit  den  Innenseiten 
der  beiden  Knöchel  artikulieren.    Da  der  laterale  Knöchel  weiter  herabragt,  ist  auch 


M    Vstragalus. 

3)  Os  scaphoideum,  centrale,   Schiffbein. 

•'I   (  Issa   tarsalia    1-  III. 

i)  i  is  tarsale  [V. 


17G  Fußwurzelknochen. 

die  laterale  Fläche  größer,  sie  besitzt  eine  dreiseitige  Form  und  ist  leicht  konkav. 
Die  mediale  ist  kleiner,  sie  stellt  nur  einen  schmalen,  sichelförmig  gestalteten  Saum 
mit  ebener  Oberfläche  dar.     Unter  ihr  ist  die  mediale  Seitenfläche  rauh. 

Der  Kopf  des  Sprungbeines  trägt  eine  kugelförmige  Gelenkfläche,  Facies  arti- 
cularis  navicularis,  welche  in  einer  vom  Schiffbein  und  vom  Ligamentum  calcaneo- 
naviculare  plantare  gebildeten  Pfanne  ruht.  Der  diesem  Band  entsprechende  Streifen 
der  Gelenkfläche  ist  nicht  selten  durch  eine  stumpfe  Kante  von  dem  mit  dem  Schiffbein 
in  Verbindung  stehenden  Teil  abgesetzt. 

Die  untere  Seite  des  Sprungbeines  (238)  besitzt  zwei  Gelenkflächen,  welche  mit 
dem  Fersenbein  in.  Kontakt  stehen;  sie  sind  voneinander  durch  eine  rauhe  Furche, 
Sulcus  tali,  getrennt.  Die  hintere,  lateralwärts  verschobene  Fläche,  Facies  arti- 
culariscalcanea  posterior,  ist  tief  gehöhlt,  die  vordere,  weiter  medial  stehende, 
besitzt  zwei  Facetten,  von  welchen  die  eine,  Facies  articularis  media,  vom 
Sustentaculum  tali,  die  andere,  Facies  articularis  anterior,  vom  Körper  des 
Fersenbeines  getragen  wird.  Nicht  selten  werden  die  Facetten  durch  eine  acces- 
sorische  Furche  völlig  voneinander  getrennt. 

Das  Fersenbein  (239 — 241)  ist  der  größte  Fußwurzelknochen;  es  besitzt 
eine  länglich  vierseitige  Gestalt.  Mit  seinem  hinteren  verdickten  Teil,  Tuber 
calcanei,  tritt  es  frei  hervor  und  bildet  die  Ferse.  Die  hintere  Oberfläche  des 
Tuber  ist  in  der  oberen  Hälfte  glatt  zur  Anlagerung  eines  Schleimbeutels,  in  der 
unteren  Hälfte  rauh  zum  Ansatz  der  Achillessehne.  Am  unteren  Rand  zieht  sich 
diese  Oberfläche  beiderseits  in. einen  kleinen  Fortsatz  aus,  einen  medialen  größeren, 
Processus  medialis  und  einen  lateralen  kleineren,  Processus  lateralis  tuberis 
calcanei  (239,  240),  welche  auf  dem  Fußboden  ruhen. 

Der  vordere  von  dem  Sprungbein  gedeckte  Teil,  Corpus,  ist,  wie  gesagt  (S.  175), 
gegen  dieses  lateralwärts  verschoben;  um  es  ausreichend  zu  unterstützen,  ragt  an 
seiner  medialen  Seite  ein  platter,  halbkreisförmiger  Fortsatz  hervor,  Sustentaculum 
tali1)  (240).  Die  obere  Fläche  des  Körpers  ist  stufenförmig  gestaltet.  Der  hintere  höhere 
Teil  trägt  eine  konvexe,  nach  vorn  absteigende  Gelenkfläche,  Facies  articularis 
posterior,  zur  Artikulation  mit  der  gleichnamigen  des  Sprungbeines,  der  vordere 
niedrigere,  eine  Facies  articularis  media  und  anterior,  von  welchen  die  erstere 
dem  Sustentaculum  tali,  die  letztere  der  vorderen  medialen  Ecke  des  Körpers  angehört. 
Sie  verhalten  sich  ganz  ebenso,  wie  die  mit  ihnen  in  Gelenkverbindung  stehenden 
gleichnamigen  Flächen  des  Sprungbeines.  Ebenso  wie  diese  werden  sie  von  der  hinteren 
Gelenkfläche  durch  einen  rauhen  Sulcus  calcanei  getrennt.  Die  einander  zuge- 
kehrten Rinnen  von  Sprungbein  und  Fersenbein  bilden  zusammen  eine  von  der  lateralen 
Seite  her  zugängliche  Grube,  Sinus  tarsi  (248),  welche  sich  median wärts  zu  einem 
kanalartigen  Gang,  Canalis  tarsi,  verengert.  Sie  enthält  einen  starken  Band- 
apparat. Ein  accessorischer  Sulcus  kann  natürlich  ebenso  vorhanden  sein,  wie  beim 
Sprungbein. 

Die  vordere  Fläche  des  Fersenbeines  wird  von  der  dreiseitigen  Facies  arti- 
cularis  cuboidea  eingenommen,  welche  sich  an  das  Würfelbein  anlegt. 

Von  den  Seitenflächen  wird  die  mediale  (240)  von  dem  Sustentaculum  tali  über- 
ragt; an  dessen  Unterseite  zieht  eine  Furche  hin,  Sulcus  m.  flexoris  hallucis 
longi,  die  Fortsetzung  der  gleichnamigen  Rinne  des  Sprungbeines.  Auf  der  lateralen 
Seitenfläche  (239)  verläuft  die  Sehne  des  M.  peronaeus  longus  im  Sulcus  m.  peronaei 


x)  Processus  medialis .  calcanei. 


i'ußwurzelknochcn.  177 

longi  schräg  ab-  und  vorwärts.  Nicht  selten  erhebt  sich  ihr  oberer  Rand  zu  einem 
höckcr-  oder  leistenförmigen   rauhen   Fortsatz,   Processus   trochleari-. 

Das  Kahnbein  [242,  243)  ist  ein  verhältnismäßig  flacher  Knochen.  Eine  hintere 
konvexe  Gelenkfläche  (242)  nimmt  den  Kopf  des  Sprungbeines  auf,  eine  vordere  (2 43) 
ist  in  drei  Facetten  geteilt,  an  welche  sich  die  drei  Keilbeine  anlegen.  Die  dem 
medialen  Fußrand  angehörige  Seitenfläche  ist  in  einen  stumpfen  Höcker,  Tuberositas 
ossis  navicularis  ausgezogen.  Ihm  gegenüber  auf  der  lateralen  Seitenfläche 
findet  man  häufig  eine  überknorpelte  Stelle   zur  Artikulation   mit  dem  Würfelbein. 

Die  drei  Keilbeine  [24-1,  24ö).  Das  erste  an  der  Großzehenseite  des  Fußes 
gelegene  ist  das  größte,  das  zweite  das  kleinste.  Dieses  letztere  ist  auch  in  sagittaler 
Richtung  kürzer,  als  die  anderen,  so  daß  zwischen  deren  vorderen  Enden  eine  ein- 
springende Bucht  vorhanden  ist,  welche  von  der  Basis  des  zweiten  Mittelfußknochens 
ausgefüllt  wird  (246,  250).  Das  erste  wendet  die  Schneide  des  Keiles  dem  Fußrücken, 
das  zweite  und  dritte  der  Sohle  zu.  Die  plantar  liegende  breite  Seite  des  ersten  Keil- 
beines ist  rauh,  gewulstet  und  geht  ohne  Grenze  in  die  mediale  Seitenfläche  über. 
Die  dem  Fußrücken  zugewandten  Breitseiten  des  zweiten  und  dritten  Keilbeines 
sind  von  annähernd  quadratischer  Form.  Das  zweite  Keilbein  ist  so  kurz,  daß  seine 
Schneide  ganz  versteckt  liegt,  wenn  man  das  Fußskelet  von  der  Sohle  her  betrachtet. 

Durch  die  Gelenkflächen  ihrer  hinteren  Seiten  stehen  die  Keilbeine  mit  dem  Kahn- 
bein (244)  in  Verbindung,  durch  die  der  vorderen  Seiten  (24ö)  mit  den  drei  ersten 
Mittelfußknochen.  Die  Seitenflächen  besitzen  nur  längs  der  dorsalen  Ränder  Gelenk- 
flächen, mittelst  deren  sie  mit  den  jedesmal  benachbarten  Knochen  artikulieren,  weiter 
plantarwärts  sind  sie  rauh.  Eine  vom  Dorsum  zur  Planta  hin  winkelig  gestaltete 
Gelenkfläche  der  lateralen  Seite  des  ersten  Keilbeines  steht  in  Kontakt  mit  einer 
entsprechend  geformten  des  /weiten;  an  eine  rundliche  Facette  vor  ihr  legt  sich  der 
Mittelfußknochen  der  zweiten  Zehe  an.  Zweites  und  drittes  Keilbein  berühren  sich 
mit  schmalen  Gelenkflächen,  das  dritte  trägt  davor  noch  eine  kleine,  für  den  anstoßenden 
zweiten  Mittelfußknochen.  Eine  Gelenkfläche  der  lateralen  Seite  des  dritten  Keilbeines 
legt  sich  an  das  Würfelbein  an,  eine  kleine  Facette  vor  ihr  an  den  vierten  Mittelfuß- 
knochen. 

Das  Würfelbein  (244,  245)  entspricht  seinem  Namen  nur  wenig,  es  ist  vielmehr 
eher  fünfseitig  zu  nennen  und  zeigt  sich  lateralwärts  verschmälert.  Seine  hintere  Seite 
artikuliert  mit  dem  Fersenbein,  seine  vordere,  in  zwei  Facetten  geteilte,  mit  dem  vierten 
und  fünften  Mittelfußknochen.  An  der  medialen  Seite  befinden  sich  in  der  Nähe  des 
cberen  Randes  zwei  durch  eine  stumpfe  Kante  geschiedene  Gelenkflächen,  die  eine 
zur  Verbindung  mit  dem  dritten  Keilbein,  die  andere  zu  der  mit  dem  Kahnbein  be- 
stimmt. An  der  lateralen  Seite  nimmt  ein  Einschnitt  die  Sehne  des  M.  peronaeus 
longus  auf;  er  Eührl  in  .ine  tiefe  Rinne  der  Suhle.  Sulcus  m.  peronaei  longi  [241  . 
welche  an  ihrer  Rückseite  durch  eine  schräge,  stumpfe  Erhabenheit,  Tuberositas 

Össis   cuboidei1),   begrenzt    wird. 

I  >ie  Struktur  der  Fußwurzelknochen  ist  eine  spongiöse  und  /war  sind  die  Knochen- 
bälkchen  in  ausgesprochener  Weise  den  Belastungsverhältnissen  angepaßt,  unter 
welchen  die  Knochen  stehen.  Weitei  unten  wird  darauf  zurückzukommen  sein.  Die 
Blutversorgung  wird  von  den  benachbarten  Arterienästen  geliefert  und  je  größer 
ein  Knochen  ist,  um  so  mannigfaltiger  sind  seine  Gefäßi  .  Per  Calcaneus  erhält  soll  he 
von  den  Rami  calcanei  und  von  der  A.  plantaris  lateralis,  welch«'  von  unten  herantritt. 


'i   i  niiiK'iiü.i  obliqua,     Tuberculum  transversum. 

Merkel,  Anatomie  11.    Skdetlchre.  12 


178  Mittelfußknochen. 

In  den  Talus  führen  Gefäßlöcher  von  der  medialen  Seite  und  von  seinem  Halse  herein, 
besonders  große  auch  aus  dem  Sinus  tarsi,  wo  sich  ein  Ast  der  A.  tibialis  posterior  ver- 
zweigt. Auch  die  A.  malleolaris  anterior  lateralis  sendet  Ästchen  in  den  Sinus  tarsi. 
Die  weiter  distal  gelegenen  Fußwurzelknochen  beziehen  ihre  Arterien  teils  vom  Fuß- 
rücken her  aus  den  Zweigen  der  A.  dorsalis  pedis,  teils  von  der  Sohle  aus  von  den 
Aa.  plantaris  medialis  und  lateralis.  Wie  bei  den  Handwurzelknochen  fehlen  die  Gefäß- 
löcher da,  wo  sich  stärkere  Bänder  oder  Sehnen  an  den  Knochen  anheften. 

Die  Nerven  der  Fußwurzelknochen  werden  an  der  Dorsalseite  vom  N.  peronaeus 
profundus,  an  der  Plantarseite  von  den  Nn.  plantaris  lateralis  und  medialis  abgegeben. 

E  n  t  \v  i  c  k  e  1  u  n  g  (280, 281).  Der  Calcaneus  erhält  einen  Knochenkern  im  sechsten  Fetalmonat, 
der  Talus  ein  wenig  später.  Zur  Zeit  der  Geburt  pflegt  auch  das  Würfelbein  einen  solchen  zu  be- 
sitzen. Von  den  Keilbeinen  zeigt  das  dritte  zuerst  einen  Knochenkern  und  zwar  im  ersten  Lebens- 
jahr, dann  folgt  das  erste  und  das  zweite  bis  vierte,  zuletzt  das  zweite  im  dritten  bis  vierten  Jahr. 
Etwa  im  zehnten  Lebensjahr  tritt  ein  Epiphysenkern  im  Calcaneus  auf.  Er  bildet  sich  zu  einer 
platten,  gebogenen  Scheibe  aus,  die  der  hinteren  Fläche  des  Knochens  aufsitzt  und  nach  der 
Pubertätsentwickelung  mit  dem  Knochen  verschmilzt. 

Varietäten  der  Fußwurzelknochen  sind  zahlreich.  Ihre  Formen  können  ungewöhn- 
liche sein,  auch  können  ungewöhnliche  Gelenkflächen  vorkommen,  nicht  selten  in  Verbindung 
mit  ungewöhnlicher  Form.  Neben  den  normalen  vorkommende  überzählige  Knochen  können 
insoferne  eine  praktische  Bedeutung  gewinnen,  als  sie  bei  der  jetzt  so  viel  geübten  Lhtersuchung 
mit  Röntgenstrahlen  leicht  für  pathologisch  abgetrennte  Skeletstücke  gehalten  werden  könnten. 
Dieselben  können  mit  den  normalen  Knochen  in  Gelenkverbindung  treten,  sie  können  mit  ihnen 
auch  secundär  verwachsen.  Aus  einer  sehr  gründlichen  Arbeit  von  Pfitzner  (1896)  sei  folgendes 
hervorgehoben:  Die  hintere  Ecke  des  Talus,  lateral  vom  Sulcus  m.  flexoris  hallucis  longi  gliedert 
sich  zuweilen  als  Os  trigonum  ab.  Das  gleiche  kann  mit  der  hinteren  Ecke  des  Sustentaculum 
tali  der  Fall  sein.  Ebenso  kann  sich  die  Tuberositas  ossis  navicularis  abtrennen,  sie  kann  sogar 
als  Sesambein  in  die  Sehne  des  M.  tibialis  posterior  abwandern.  Die  vordere  obere  Ecke  des 
Fersenbeinkörpers  kann  selbständig  werden.  —  Das  erste  Keilbein  kann  sich  in  eine  dorsale  und 
plantare  Hälfte  teilen.  —  In  der  Sehne  des  M.  peronaeus  longus  kommt  ein  Sesambein  vor,  dort, 
wo  sie  sich  um  das  Würfelbein  herumschlägt.  —  An  der  Dorsalseite  des  Fußes  kann  im  Winkel 
zwischen  erstem  Keilbein  nnd  erstem  und  zweitem  Mittelfußknochen  ein  kleines  Knöchelchen 
eingeschaltet  sein. 

Verschmelzungen  können,  wie  es  scheint,  zwischen  allen  aneinander  stoßenden  Flächen 
zweier  Fußwurzelknochen  vorhanden  sein,  wobei  es  sich  keineswegs  um  pathologische  Verwach- 
sungen handelt   (Leboucq  1890). 

Der  Processus  trochlearis  des  Fersenbeines  ist  zuweilen  sehr  groß;  auch  an  einzelnen 
anderen  Fußwurzelknochen  kann  es  zur  Ausbildung  von  Trochlearfortsätzen  kommen,  so  am 
Sprungbein,  am  Kahnbein. 

ß)  Mittelfußknochen,  Ossa  metatarsalia. 

Den  Mittelhandknochen  durchaus  ähnlich  (246,  247).  Man  unterscheidet  wie 
bei  diesen  eine  proximale  Basis,  ein  distales  Capitulum  und  zwischen  beiden  einen 
Körper.  Der  Metatarsalknochen  der  großen  Zehe  ist  weitaus  der  dickste,  der  der 
zweiten  der  längste;  von  ihm  ab  werden  die  übrigen  rasch  kürzer.  Die  Basen 
tragen  Gelenkflächen  zur  Artikulation  mit  den  drei  Keilbeinen  und  dem  Würfelbein, 
welche  nicht  rein  sagittal  stehen,  sondern  mit  ihrer  lateralen  Seite  nach  hinten  ab- 
weichen. Die  einander  zugewandten  Seiten  der  Basen  stehen  durch  überknorpelte 
Flächen  miteinander  in  Berührung,  nur  der  aus  der  Reihe  zurückspringende  zweite  {246) 
macht  insofern  eine  Ausnahme,  als  seine  mediale  Seite  nicht  mit  dem  ersten 
Metatarsalknochen,  sondern  mit  dem  vorderen  Rand  des  ersten  Keilbeines  in  Ver- 
bindung steht,  an  seiner  Kleinzehenseite  besitzt  derselbe  Mittelfußknochen  neben 
der  Facette  für  den  dritten  noch  eine  kleine  für  den  distalen  Rand  des  dritten  Keil- 


Zehenknochen.     Sesambeine.  170 

beines.  Die  Plantarseite  der  Basis  des  ersten  Metatarsalknochens  ist  zu  einem 
lateral wärts  vorragenden  Höcker  ausgezogen,  Tuberositas  ossis  metatarsalis 
primi  (247);  an  ihn  setzt  sich  die  Sehne  des  M.  peronaeus  longus  an.  Von  der  Basis 
des  fünften  Metatarsalknochens  erstreckt  sich  ein  Muskelhöcker,  Tuberositas  ossis 
metatarsalis  quinti  (247),  zur  Seite,  welcher  auch  beim  Lebenden  leicht  durch- 
zufühlen ist. 

Die  plantarwärts  gekrümmten  Körper  der  Metatarsalknochen  sind  dreiseitig 
prismatisch.  Die  Köpfchen  sind  denen  der  Mittelhandknochen  (S.  129)  so  ähnlich, 
daß  sich  eine  Beschreibung  erübrigt.  Die  plantare  Seite  des  Köpfchens  des  ersten 
Metatarsalknochens  teilt  eine  sagittal  gestellte  stumpfe  Kante  in  zwei  sattelförmige 
Furchen,  in  welchen  die  Sesambeine  gleiten. 

Die  Mittelfußknochen  sind  typische  Röhrenknochen.  Die  Foramina  nutricia 
finden  sich  an  den  vier  ersten  in  der  Regel  an  der  lateralen  Seite,  am  fünften  an  der 
medialen.  Am  ersten  verläuft  der  an  die  Löcher  sich  anschließende  Gefäßkanal  in 
distaler,  bei  den  vier  anderen  in  proximaler  Richtung. 

y)  Zehenknochen,  Ph alanges. 

Sie  gleichen  ganz  den  Fingerphalangen  {246,  247),  unterscheiden  sich  aber  von 
ihnen  durch  ihre  geringere  Grüße.  Nur  die  e,n>l.ie  Zehe  macht  eine  Ausnahme,  indem 
sie  ganz  besonders  stark  ausgebildet  ist;  trotzdem  daß  sie  nur  zwei  Phalangen  be- 
sitzt, kommt  sie  deshalb  der  zweiten  an  Länge  fast  gleich.  Die  dritte  Zehe  ist  nur 
wenig  kürzer  als  die  zweite,  die  vierte  verkürzt  sich  stärker  und  die  fünfte  macht 
einen  geradezu  rudimentären  Eindruck.  Die  zum  Teil  sehr  geringe  Länge  der  Mittel- 
phalangen bringt  es  mit  sieh,  daß  sie  nicht  selten  aussehen,  wie  zwei  Gelcnkenden, 
welche  nur  durch  eine  sanduhrförmige  Einziehung  voneinander  getrennt  sind.  Die 
Gelenkflächen  der  kleineren  Gelenke  sind  weniger  ausgearbeitet,  wie  an  den  Fingern; 
.Mittel-  und  Endphalanx  der  kleinen  Zehe  sind  sogar  in  36  Prozent  der  Fälle 
knöchern  miteinander  verbunden.     Zuweilen  wird  gleiches  auch  an  der  vierten  Zehe 

beobachtet.      Die  Verwai  hsuni;    isl     nach     Pl'itzners    11N I  ntersuehungen    nicht 

etwa  auf  den  Druck  schlecht  passenden  Schuhwerkes  zurückzuführen,  wie  man 
früher  vielfach  angenommen  hat,  da  sie  schon  während  der  Embryonalzeit  auftritt. 

Sesambeine,   Ossa  sesamoidea. 

Die  Sesambeine  der  großen  Zehe  [247),  welche  niemals  fehlen,  sind  in  gut  aus- 
.■_■■■  1  >  1 1 ■  I ■  ■!■  m  Zustand  etwas  mein  wie  erbsengroß,  das  fibulare  ist  häufig  kleine]  und 
schlechter  entwickelt,  weit  seltener  ist  das  tibial  gelegene  das  kleinere.  Das  letztere 
kann  sich  teilen.  Außerdem  kommen  Sesambeine  noch  vor  an  der  zweiten  und 
fünften  Zehe,  jedoch  weit  seltener  als  an  der  Hand  (Pfitzner  [892). 

In   etwa  der  Hälfte  der  Fälle  findet  man  ein  Sesambein  im  [nterdigitalgelenk 

der  großen    Zehe. 

Entwickelung  (2S0,  281).  Sie  erfolgt  bei  den  Mittelfußknochen  und  den  Phalangen  ganz 
ebenso  wie  an  der  Hand  (S.  [31 ).  Wie  dort  ist  auch  hier  die  Schlußentwickelung  des  weiblichen  Fußes 
dem  des  männlichen  um  etwa  zwei  bis  drei  Jahre  voraus  (Hasselwander).  Die  Diaphysenkerne 
der  Mittelfußknochen  erscheinen  in  der  S. — 10.  Fetalwoche,  und  /.war  zuerst  der  des  .unten, 
dann  folgen  >,.  \,  1,  5,  also  nicht  ganz  genau  so,  wie  bei  den  Mittelhandknochen.  Die  Kerne  der 
Phalangen  treten  im  dritten  bis  vierten  Fetalmonat  auf.  Die  Epiphysenkerne  erscheinen  wie  an 
der  11. imi  im  distalen  Ende  der  Mittelhandknochen  und  im  proximalen  der  Phalangen.  Nur  der 
Mittelfußknochcn  der  großen  /eln>  macht  die  gleiche  Ausnahme,  wie  der  Mittelhandknochen 
des  Daumens;  er  hat   seine  Epiphyse  am  proximalen  Ende.     Die  Epiphysenkerne  der  Mct.it.irs.il- 

12« 


180  Gelenke  und  Bänder  an  der  Fußwurzel.     Knöchelgelenk. 

knochen  erscheinen  im  dritten  bis  achten  Jahr,  die  der  Phalangen  im  dritten  bis  vierten,  nur  der 
in  der  Endphalanx  der  großen  Zehe  eilt  den  anderen  voran.  Die  Vereinigung  der  Epiphysen 
mit  den  Diaphysen  erfolgt  im  männlichen  Geschlecht  um  das  16.  bis  21.  Jahr,  im  weiblichen, 
wie  gesagt,  früher. 

Varietäten.  Die  Tuberositas  ossis  metatarsalis  V.  kann  selbständig  werden.  Die  Mittel- 
fußknochen zeigen  Variationen  in  Länge  und  Stärke.  Die  Grundphalangen  der  fibularen  Zehen 
können  verdickt  sein,  die  Mittelphalangen  sind  verkürzt,  Phalangen  sind  miteinander  verschmolzen. 
Im  übrigen  kommen  ganz  die  gleichen  Varietäten  wie  bei  den  Fingern  vor,  es  ist  deshalb  auf  das 
dort  Gesagte   (S.   131)  hinzuweisen. 

k)  Gelenke  und  Bänder  an  der  Fußwurzel. 

Die  Gelenke  der  Fußwurzel  unterscheiden  sich  von  denen  der  Handwurzel  in 
mehrfacher  Art.  So  ist  hervorzuheben,  daß  die  Gelenke  hier  besser  voneinander 
getrennt  sind,  wie  dort ;  der  ganze  Aufbau  und  die  Tätigkeit  des  Fußes  erfordert  ferner 
andere  Kombinationen  und  man  sieht,  daß  die  um  das  Sprungbein  gruppierten  Gelenke 
die  größte  Freiheit  und  Selbständigkeit  besitzen,  die  übrigen  erscheinen  als  Amphi- 
arthrosen  und  zeigen  sich  im  Zusammenhang  mit  ihrer  geringen  Beweglichkeit  auch 
oft  genug  nur  mangelhaft  ausgebildet.  Die  Hilfsbänder  sind  entsprechend  der  physio- 
logischen Funktion  des  Fußes  weit  kräftiger  entwickelt  wie  an  der  Handwurzel. 

Die  einzelnen  Gelenke  sind  die  folgenden:  1.  Knöchelgelenk1),  Articulatio 
talocruralis.  2.  Hinteres  Sprungbeingelenk,  Art.  talocalcanea.  3.  Vorderes  Sprung- 
beingelenk, Articulatio  talocalcaneo-navicularis.  4.  Fersen -Würfelbeingelenk,  Arti- 
culatio calcaneo-cuboidea.  5.  .  Kahn- Keilbeingelenk,  Articulatio  cuneonavicularis. 
6.  Fußwurzel-  und  Mittelfußgelenke,  Articulationes  tarsometatarseae.  7.  Mittelfuß- 
gelenke, Articulationes  intermetatarseae. 

a)   Knöchelgelenk,  Articulatio  talocruralis. 

Die  Pfanne  wird  von  den  distalen  Enden  des  Schienbeins  und  Wadenbeines 
gebildet,  der  Kopf  von  der  Rolle  des  Sprungbeines.  Die  Unterschenkelknochen  werden 
durch  die  Ligamenta  malleoli  lateralis  anterius  und  posterius  (253,  2öö) 
sehr  fest  aneinander  gehalten.  Sie  entspringen  vorne  und  hinten  am  unteren  Rand 
des  Schienbeines  und  setzen  sich  an  den  vorderen  und  hinteren  Rand  der  Gelenkfläche 
des  Wadenbeines  an.  Das  hintere  Knöchelband  ist  erheblich  kräftiger  als  das  vordere. 
Während  die  Bänder  den  Raum  zwischen  den  beiden  Knochen  überbrücken,  beteiligt 
sich  eine  kleine  dreieckige  Fläche  von  ihnen  direkt  an  der  Pfannenbildung.  Die 
Pfanne  ist  eine  eckige  Gabel,  welche  die  Gelenkfläche  des  Sprungbeines  aufnimmt. 
Die  Rolle  des  Sprungbeines  steht  mit  der  unteren  Fläche  des  Schienbeines  in  Verbin- 
dung und  beide  sind  einander  entsprechend  gestaltet.  Zu  beiden  Seiten  setzt  sich 
die  Gelenkfläche  der  Pfanne  auf  die  Innenseite  der  beiden  Knöchel  fort,  wo  sie  mit 
den  oben  beschriebenen  seitlichen  Gelenkflächen  des  Sprungbeines  (S.  175),  welchen 
sie  ganz  gleich  gestaltet  sind,  in  Verbindung  treten  (251).  Die  Gelenkfläche  des 
lateralen  Knöchels  ist  danach  dreiseitig,  nach  außen  abgebogen  und  ragt  weiter 
abwärts  als  die  Gelenkfläche  des  medialen  Knöchels,  welche  eine  sichelförmige 
Gestalt  besitzt.  Die  Krümmung  der  Hauptartikulationsebene  ist  ungefähr  kreis- 
förmig mit  einem  Radius  von  etwa  2  cm.  Der  Bogenwert  der  Pfanne  beträgt 
70 — 8o°,  der  der  Rolle  des  Sprungbeines  1200,  weshalb  bei  jeder  Stellung  des  Fußes 
immer  ein  Teil  der  letzteren  von    der  Pfanne  unbedeckt   bleibt    (Fick  1904).     Im 


l)   Oberes  Sprungbeingelenk. 


Hinteres  und  vorderes  Sprungbeingelenk.  181 

aufrechten  Stehen  auf  ebenem  Boden  entsprechen  sich  die  Gelenkflächen  von  Kopf 
und  Pfanne  genau,  hebt  man  aber  die  Fußspitze,  dann  stellt  sich,  wie  oben  (S.  1751 
bemerkt,  der  Fuß  fest,  weil  sich  nun  der  breite  vordere  Teil  der  Rolle  zwischen  die 
Unterschenkelknochen  klemmt,  wobei  sich  die  Ligamenta  malleoli  lateralis  anspannen. 
Bei  der  Senkung,  bei  welcher  der  schmälste  Teil  der  Rolle  zwischen  die  Unterschenkel- 
knochen tritt,  erschlaffen  diese  Bänder  und  die  Stabilität  des  Gelenkes  wird  geringer. 

Die  Knorpelbedeckung  der  Gelenkflächen  ist  in  der  Mitte  der  Rolle  und  Pfanne 
am  dicksten  (2  mm),  an  den  Enden  der  seitlichen  Gelenkflächen  am  dünnsten. 

Die  Kapsel  setzt  sich  im  allgemeinen  dicht  am  Gelenkknorpel  an,  nur  vorne 
greift  sie  über  ihn  hinaus,  am  Sprungbein  mehr,  am  Schienbein  etwas  weniger.  Wie 
bei  allen  Gelenken,  welche  eine  Winkelbewegung  ausführen,  ist  sie  vorne  und  hinten 
weit,  mit  Fett  durchwachsen  und  leicht  verletzlich.  Sie  ist  dort  nur  durch  vorüber- 
ziehende Muskelsehnen  unvollkommen  geschützt.  Zu  beiden  Seiten  ist  sie  straff  und 
mit  kräftigen  Haftbändern  versehen. 

Die  Gelenkhöhle  ist  geräumig  und  enthält  viel  Synovia.  Sie  setzt  sich  nach 
oben  hin  in  eine  enge  Synovialtasche  zwischen  den  aneinander  liegenden  Enden  der 
beiden  Unterschenkelknochcn  fort  (2öl).  Eine  Intimafalte  springt  entweder  vom  blinden 
Ende  oder  auch  vom  unteren  fibularen  Rand  der  Tasche  vor;  in  letzterem  Fall  schließt 
sie  dieselbe  nach  Art  einer  Klappe  ab.  Andere  Intimafalten  treten  als  qucrgesteUte 
Fettlappen  von  hinten  und  von  vorne  her  in  die  Gelenkhöhle  vor.  Sie  sind  nur  durch 
sehr  zarte  Kapselblätter  von  den  auf  den  Außenseiten  des  Gelenkes  liegenden  Fett- 
massen getrennt. 

ti)    Hinteres   Sprungbeingelenk.  Articulatio  talo-calcanea. 

Die  artikulierenden  Flächen  sind  die  hinteren,  an  der  Unterseite  des  Sprung- 
beines und  der  Oberseite  des  Fersenbeines  befindlichen  Gelenkflächen  {257).  Die  Artiku- 
lationsebene stellt  ein  Stück  einer  Zylinderfläche  oder  eines  Kegels  dar,  mit  einem  Radius 
von  etwa  2S  mm  Länge,  dessen  Achse  die  Längsachse  des  Fußes  unter  einem  Winkel 
von  etwa  300  schneidet  und  zwar  bei  aufrechtem  Stehen,  wo  der  Fuß  mit  der  Spitze 
lateral  abweicht.  Sie  läuft  der  Medianebene  fast  parallel  (M.-H.).  Die  Form  der  Gelenk- 
flächen ist  zahlreichen  individuellen  Variationen  unterworfen.  Vorkommende  In- 
kongruenzen werden  durch  Fettpolster  ausgeglichen. 

Der  Gelenkknorpel  ist  in  der  Mitte  der  Gelenkflächen  am  dicksten  (1.5  mm). 
Die  dünne  und  schlaffe  Kapsel  setzt  sich  im  allgemeinen  dicht  am  Knorpelrand  an. 
hinlen-lateral  aber  entfernt  sie  sich  am  Fersenbein  von  ihm  bis  fast  1  cm  weit.  Im 
Sinus  tarsi  und  an  der  Hinterseite  wird  die  Kapsel  von  reichlichem  Fett  gedeckt.  Die 
Gelenkhöhle  bietet  keine  Besonderheiten,  nur  ist  zu  erwähnen,  daß  eine  klein.-  Aus- 
sackung drr  hinteren  lateralen  Ecke  de-  Gelenkes,  besonder-*  bei  älteren  Leuten, 
nicht  ganz  selten  mit  dem   Knöchelgelenk  in   Verbindung  stein    (Fick). 

;')  Vorderes  Sprungbeingelenk,  Articulatio  talo-calcaneo- 

na  v  icul  a  r  i  s. 

Der  im  wesentlichen  kugelige  Kopf  des  Sprungbeines  ruht  in  rinn-  Pfanne,  welche 
gebildet  wird  von  drr  Facies  articularis  media  und  anterior  des  Fersenbeines,  der 
hinteren  konkaven  Gelenkfläche  des  Kahnbeines  und  einem  sehr  starken  Band,  Liga- 
mentum calcaneo-naviculare  plantare,  welches  an  seiner  dem  Gelenkinneren 


182  Fersen-Würfelbeingelenk.     Kahn-Keilbeingelenk.     Fußwurzel-Mittelfußgelenk. 

zugewandten  Seite  eine  faserknorpelige  Schichte,  Fibrocartilago  navicularis  x) 
trägt  {257) .  Nicht  selten  findet  man  den  Kopf  den  Abteilungen  der  Pfanne  ungefähr 
entsprechend  facettiert.  Varietäten  in  der  Form  der  Gelenkflächen  sind  häufig,  doch 
steht  ihre  Krümmung  stets  in  Korrelation  mit  der  des  hinteren  Sprungbeingelenkes. 
Da  beide  stets  zusammenwirken,  müssen  ihre  Artikulationsebenen  auch  den  gleichen 
Radius  haben. 

Der  Gelenkknorpel  besitzt  eine  Dicke  von  etwa  i  mm.  Die  Kapsel  folgt  am 
Fersenbein  dem  Knorpelrand,  am  Sprungbein,  ebenso  auch  am  Kahnbein  entfernt 
sie  sich  mehr  oder  weniger  von  ihm ;  besonders  an  der  medialen  Seite  erstreckt  sie  sich 
bis  gegen  das  Knöchelgelenk.  Die  Gelenkhöhle  ist  in  der  Regel  eine  einheitliche,  doch 
kommt  es  bei  starker  Entwickelung  des  accessorischen  Sinus  tarsi  vor,  daß  der  von  den 
medialen  Gelenkflächen  gebildete  Teil  sich  vollkommen  vom  übrigen  sondert.  Die 
Unregelmäßigkeiten  der  Pfannenoberfläche  werden  durch  Fettfalten  ausgeglichen. 

d)  Fersen-Würfelbeingelenk,  Articulatio  calcaneo-cuboidea. 

Die  Artikulationsflächen  besitzen  eine  dreiseitige  Gestalt,  die  Krümmung  der 
Artikulationsebene  ist  sattelförmig,  in  vertikaler  Richtung  vorwärts  konkav,  in  horizon- 
taler vorwärts  konvex.  Der  Gelenkknorpel  ist  0,5  bis  1  mm  dick.  Die  Kapsel  ist  lateral 
schlaff  und  heftet  sich  in  einiger  Entfernung  von  den  Knorpelrändern  an,  medial  ist 
sie  straff  und  dicht  am  Knorpel  befestigt  (Fick). 

Vorderes  Sprungbeingelenk  und  Fersen-  und  Würfelbeingelenk  bilden  zusammen 
das  sogenannte  Chopartsche  Gelenk,  Articulus  tarsi  transversus  (s.  unten). 

s)  Kahn-Keilbeingelenk,  Articulatio  cuneo-navicularis. 

Man  kann  unter  diesem  Namen  folgende  Gelenkspalten  zusammenfassen: 
1.  Das  Gelenk,  in  welchem  die  vordere  Fläche  des  Kahnbeines  mit  den  hinteren  Flächen 
der  drei  Keilbeine  artikuliert,  2.  die  Gelenke,  mit  welchen  die  Seitenflächen  der  drei 
Keilbeine  unter  sich  artikulieren,  3.  die  Gelenke,  welche  die  mediale  Seite  des  Würfel- 
beines  mit  den  angrenzenden  Flächen  des  Kahnbeines  und  des  dritten  Keilbeines  in 
Verbindung  setzen.  Diese  Vielheit  von  Gelenken  miteinander  zu  vereinigen,  ist  deshalb 
berechtigt,  weil  sie  von  einer  gemeinsamen  Kapsel  umschlossen,  ohne  Abgrenzung 
miteinander  zusammenzuhängen  pflegen  (250).  Man  kann  mit  Henle  sagen,  daß 
sie  eine  spaltförmige  Höhle  bilden,  welche  im  wesentlichen  frontal  gestellt  ist,  die  aber 
drei  sagittale  Ausbuchtungen  hat,  von  welchen  zwei  nach  vorn  zwischen  die  Keil- 
beine, die  dritte  nach  vorn  und  zugleich  um  den  lateralen  Rand  des  Kahnbeines  nach 
hinten  längs  der  medialen   Gelenkfläche  des  Würfelbeines  sich  erstrecken. 

Die  Form  der  Gelenkflächen  ist  von  der  Beschreibung  der  Knochen  bekannt.  Der 
Knorpelüberzug  derselben  ist  0,5 — 1,5  mm  dick;  die  Kapsel  setzt  sich  dicht  an  den 
Rändern  der  Gelenkflächen  an.     Fettfalten  gleichen  Inkongruenzen  aus. 

;)  Fußwurzel-Mittelfußgelenke,   Articulationes  tarso-metatarseae2) 
und  Mittelfußgelenke,  Articulationes  intermetatarseae. 

Der  Mittelfußknochen  der  großen  Zehe  ist  in  der  Regel  mit  dem  ersten  Keilbein 
durch  ein  ringsum  abgeschlossenes  Gelenk  verbunden.  Ein  zweiter  Gelenkraum  umfaßt 


J)  Ligamentum  cartilagineum. 

2)   Lisfrancsches  Gelenk   (s.  unten). 


Haft-  und  Unterstützungsbänder  der  Fußwurzel.  183 

die  Artikulationen  zwischen  zweitem  und  drittem  Keilbein  und  den  gleichen  Mittel- 
fußknochen (250).  Er  ist  jedoch  nicht  ganz  abgeschlossen,  sondern  steht  nach  hinten 
fast  immer  mit  dem  Gelenkspalt  zwischen  erstem  und  zweitem  Keilbein  und  dadurch 
mit  der  Gesamtheit  der  Spalten  des  Kahn-Keilbeingelenkes  in  offener  Verbindung. 
Nach  vorne  erstreckt  sich  der  Gelenkraum  meist  ohne  Grenze  in  die  Intermetatarsal- 
gelenke  zwischen  zweitem  und  drittem,  drittem  und  viertem  Mittelfußknochen  hinein. 
Der  dritte  Gelenkraum  umfaßt  die  Verbindung  zwischen  Würfelbein  und  dem  vierten 
und  fünften  Mittelfußknochen.  Die  Gelenkspalte  besitzt  gegen  das  Intermetatarsal- 
gelenk  zwischen  viertem  und  fünftem  Mittelfußknochen  keine  Abgrenzung. 

Gelenkflächcn,  ihre  Überknorpelung  und  die  Kapsel  wie  beim  Kahn-Keilbein- 
gelenk. 

Varietäten  der  unter  <>,  e  und  J  genannten  Gelenke  werden  vielfach  beobachtet.  Es 
können  sonst  vorhandene  Scheidewände  zwischen  zwei  Gelenken  fehlen,  es  können  an  sonst  un- 
gewöhnlichen Stellen  Abschlüsse  vorhanden  sein.  Barkow  sagt,  wenn  alle  Kommunikationen, 
welche  beobachtet  worden  sind,  an  einem  Fuße  zusammen  vorkämen,  so  würden  sämtliche  Ge- 
lenkhöhlen miteinander  vereinigt  sein;  wären  umgekehrt  alle  beobachteten  Scheidewände  an 
einem  und  demselben  Fuß  vorhanden,  dann  stiege  die  Zahl  der  Gelenkhöhlen  auf  neun. 

Die  praktischen  Bedürfnisse  der  Chirurgen  haben  Veranlassung  gegeben,  zwei 
Gelenklinien  mit  besonderen  Namen  zu  bezeichnen  (250).  Articulatio  tarsi  trans- 
versa, Chopartsches  Gelenk,  nennt  man  die  Linie,  welche  die  hintere  Gruppe  der 
Fäißwurzelknochen,  bestehend  aus  Sprungbein  und  Fersenbein,  von  der  vorderen 
trennt.  Sie  umfaßt  das  vordere  Sprungbeingelenk  und  das  Ferscnbein-YYürfelbeingelenk. 
Dieselben  haben  funktionell  nichts  miteinander  zu  tun,  besitzen  auch  getrennte  Kapseln, 
liegen  aber  in  einer  Ebene,  welche  es  erlaubt,  in  ihr  Amputationen  vorzunehmen.  Die 
Linie  ist  leicht  S-förmig  gebogen,  indem  die  Artikulationsebene  des  vorderen  Sprung- 
beingelenkes  nach  vorn  konvex,  die  der  Articulatio  calcaneo-cuboidea  nach  vorne  konkav 
gekrümmt  ist.  Man  kann  sich  über  die  Lage  des  Chopart sehen  Gelenkes  in  der  Art 
am  Lebenden  orientieren,  daß  man  einerseits  die  Tuberositas  ossis  navicularis,  anderer- 
seits die  Tuberositas  ossis  metatarsi  V.  herausfühlt.  Nahe  hinter  der  ersteren  findet 
man  den  medialen  Anfang  der  Spalte,  etwa  2  cm  hinter  der  letzteren  das  laterale  Ende. 

Als  Lisfrancsches  Gelenk  wird  von  den  Chirurgen  die  Articulatio  tarso- 
metatarsea  bezeichnet.  Für  eine  Operation  ist  der  Verlauf  der  Gelenkspalte  nicht 
bequem;  sie  zeigt  einen  mehrfach  gebrochenen  Verlauf,  indem  das  erste  und  dritte 
Keilbein  vorspringt,  während  das  zweite  Keilbein  und  das  YYürfelbein  zurücktritt.  Der 
i  ipi  rateui  hat  also  die  vorspringe  nden  Knoi  henenden  zu  umgehen,  um  die  Abu-  onung 
der  Metatarsalknnchen  ausführen  zu  können.  Das  laterale  Ende  der  Spalte  beginnt 
dieht  hinter  der  Tuberositas  ossis  metatarsi  V.,  ist  also  leicht  festzustellen,  das  mediale 
Ende  liegt  3-  4  cm  distalwärts  von  der  Tuberosität  des  Kahnbeines. 

tj)  Haft-  und  Unterstützungsbänder  der  Fußwurzel. 

Sie  haben  erstens  den  Fuß  lest  und  sieher  mit  dem  Unterschenke]  zusammen- 
zuhalten, sie  haben  zweitens  die  einzelnen  Elemente  der  Fußwurzel  so  fest  miteinander 
zu  verbinden,  daß  ein  Auseinanderweichen  derselben  bei  der  Belastung  verhindert 
wird  und  haben  sich  drittens  an  der  Aufrechterhaltung  der  Gewölbeform  des  ganzen 
Fußes  zu  beteiligen.  Diese  Tätigkeiten  bedingen  eine  ganz  bedeutende  Stärke  der  haupt- 
säi  blieb  beanspruchten  Bänderzüge;  trotzdem  aber  reichen  sie,  besonders  für  die  letzt- 
genannte Funktion  nicht  vollständig  aus,  sondern  müssen  noch  durch  die  Wirkung 
von  Muskeln  und  deren  Sehnen  unterstützt  werden.    Wenn  auch  eine  scharfe  Trennung 


184  Bänder  zwischen  Unterschenkel  und  Fuß;  am  hinteren  Teile  der  Fußwurzel. 

nicht  möglich  ist,  so  lassen  sich  doch  im  großen  und  ganzen  vier  Gruppen  unterscheiden 
und  zwar  i.  die  Bänder  zwischen  Unterschenkel  und  Fuß;  2.  die  Bänder  am  hinteren 
Teil  der  Fußwurzel,  welcher  bewegliche  Gelenke  besitzt,  3.  die  Bänder,  welche  hinteren 
und  vorderen  Teil  des  Fußes  miteinander  verbinden,  und  4.  die  Bänder  des  vorderen 
Teiles  der  Fußwurzel,  dessen  Gelenke  Amphiarthrosen  sind.  In  den  einzelnen  Gruppen 
sind  die  Bänder  nicht  immer  so  scharf  voneinander  geschieden,  daß  kein  Zweifel  über 
ihre  Abgrenzung  bestehen  kann,  was  Veranlassung  zu  manchen  Verschiedenheiten 
in  den  Beschreibungen   der  einzelnen  Autoren  gegeben  hat. 

1.  Bänder  zwischen  Unterschenkel  und  Fuß. 

Den  Bandapparat  der  tibialen  Seite  faßt  man  seiner  dreiseitigen  Form  wegen 
unter  dem  Namen  Ligamentum  deltoideum1)  (254)  zusammen.  Er  erstreckt  sich 
vom  medialen  Knöchel  aus,  fächerförmig  ausstrahlend,  sowohl  zum  Sprungbein  und 
über  dasselbe  hinaus  bis  zum  Kahnbein,  .als  auch  zum  Fersenbein.  Seme  einzelnen 
Züge  sind  mehr  oder  minder  deutlich  voneinander  getrennt  und  werden  mit  besonderen 
Namen  belegt.  Der  vordere  Teil  ist  das  Ligamentum  tibio-talo-naviculare 
(Fick).'  Entspringt  vom  vorderen  Rand  und  der  Spitze  des  medialen  Knöchels.  Seine 
oberflächlichen  Fasern2)  erreichen  das  Kahnbein,  die  tieferen3),  oft  durch  einge- 
schobenes Fett  von  den  oberflächlichen  getrennt,  inserieren  sich  hinter  der  abgerundeten 
Spitze  der  vorderen  Gelenkfläche  des  Sprungbeines.  Das  Band  ist  mit  der  Kapsel 
untrennbar  verwachsen.  Der  mittlere  Teil,  Ligamentum  calcaneo-tibiale4), 
ist  sehr  kräftig;  es  verläuft  vom  medialen  Knöchel  fast  vertikal  zum  Sustentaculum 
tali.  Von  der  Kapsel  ist  es  unabhängig.  Der  hintere  Teil,  Ligamentum  talotibiale 
posterius  (253),  ist  der  stärkste,  ein  kurzer  Strang,  welcher  von  dem  hinteren 
Teil  des  medialen  Knöchels  entspringt  und  schräg  rückwärts  zum  Sprungbein  zieht, 
wo  er  sich  neben  dem  medialen  Höcker  des  Processus  posterior  tali  anheftet. 

Der  Bandapparat  der  fibularen  Seite  (255)  zerfällt  in  drei  Bänder,  welche  stets 
voneinander  ganz  unabhängig  sind.  Das  vordere  Band,  Ligamentum  talofibulare 
a  n  t  e  r  i  u  s ,  ist  nicht  allzu  kräftig.  Es  verläuft  vom  vorderen  Rand  des  lateralen  Knöchels 
vorwärts  zum  Rand  der  hinteren  Gelenkfläche  des  Sprungbeines ;  es  ist  mit  der  Kapsel 
verwachsen.  Das  mittlere  Band,  Ligamentum  calcaneo-fibulare,  ist  dick  und 
plattzylindrisch.  Es  entspringt  von  der  Vorderseite  des  lateralen  Knöchels  bis  gegen 
dessen  Spitze  herab  und  geht  schräg  rückwärts  zur  Seitenfläche  des  Fersenbeines. 
Das  hintere  Band,  Ligamentum  talo-fibulare  posterius  (253),  ist  abgeplattet 
und  zeigt  sich  als  der  stärkste  der  lateralen  Bänderzüge.  Es  entspringt  aus  einer 
Grube  des  Wadenbeines  hinter  dessen  Knöchelgelenkfläche  und  verläuft  in  fast  querer 
Richtung  medianwärts  zur  Rückseite  des  Sprungbeines,  wo  es  sich  bis  an  den  Processus 
posterior  hin  anheftet.  Es  ist  mit  der  Kapsel  des  Knöchel-  und  hinteren  Sprung- 
beingelenkes verwachsen. 

2.  Bänder  am  hinteren  Teile  der  Fußwurzel. 

Die  von  Sprungbein  und  Fersenbein  gebildete  Gruppe  der  Fußwurzelknochen 
wird  durch  einen  eigenen  Bandapparat  fest  verbunden ;  derselbe  schützt  und  umgibt 
das  hintere  Sprungbeingelenk  von  allen  vier  Seiten.     Das  stärkste  von  allen  ist  das 


1)  Lig.  collaterale  mediale.     Lig.  laterale  internum. 

2)  Ligamentum  tibionaviculare. 

3)  Ligamentum  talotibiale  anter. 

4)  Ligamentum  trapezium. 


Bändcr.zwischen  hinterem  und  vorderem  Teil  des  Fußes.  185 

Ligamentum  talocalcaneum  interosseum  Jj  (255).  Man  versteht  unter  diesem 
Namen  die  Bandmaße,  welche  den  Sinus  und  Canalis  tarsi  ausfüllt.  Es  besteht  aus 
mehreren  platten  Faserzügen,  welche  durch  Fett  und  lockeres  Bindegewebe  vonein- 
ander getrennt  sind.  An  der  Rückwand  des  Sinus  tarsi,  von  dem  oben  genannten  Band 
öfters  durch  einen  Schleimbeutel,  Bursa  sinus  tarsi,  geschieden,  liegt  unmittel- 
bar auf  der  Kapsel  das  vordere  Band,  Ligamentum  talocalcaneum  an terius(- 
es  ist  platt  und  verbindet  die  Ränder  der  Gelenkflächen  beider  Knochen  miteinander. 
Das  Band  der  lateralen  Seite,  Ligamentum  talocalcaneum  laterale,  geht  vom 
lateralen  Rand  der  Knöchelgelenkfläche  und  vom  Processus  lateralis  des  Sprungbeines 
zur  Seitenfläche  des  Fersenbeines  dicht  unter  dem  Rand  von  dessen  oberer  Gelenk- 
fläche. Von  dem  benachbarten  Ligamentum  calcaneo-fibulare  ist  es  nicht  immer 
deutlich  zu  isolieren;  gedeckt  wird  es  vom  M.  extensor  digitorum  brevis.  Sind  die 
lateralen  Knöchelbänder  stark,  dann  ist  das  Ligamentum  talocalcaneum  laterale 
schwach  und  umgekehrt.  Das  hintere  Band,  Ligamentum  talocalcaneum  poste- 
rius (253),  entspringt  vom  Tuberculum  laterale  des  Processus  posterior  tali  und  in- 
seriert sich  fächerförmig  ausgebreitet  oder  in  zwei  Zipfel  gespalten  an  der  oberen  und 
medialen  Seite  des  Fersenbeines.  Das  mediale  Band,  Ligamentum  talocalcaneum 
mediale2),  ist  ein  schmaler  Bandstreifen,  welcher  in  fast  horizontalem  Verlauf  das 
Tuberculum  mediale  '  des  Processus  posterior  tali  mit  dem  hinteren  Rand  des 
Sustentaculum  tali  des  Fersenbeines  verbindet   (Henle)  3). 

3.  Bänder  zwischen  hinterem  und  vorderem  Teil  des  Fußes. 

Die  Gruppe  der  beiden  hinteren  Fußwurzelknochen  ist  mit  der  Gruppe  der  vor- 
deren durch  sehr  kräftige  und  feste  Bänder  verbunden;  dieselben  haben  demnach 
die  Funktion  das  Chopartsche  Gelenk  zu  sichern.  Auf  dem  Fußrücken  ist,  wenn 
man  von  der  medialen  Seite  her  beginnt,  zuerst  das  Ligamentum  calcaneonavicu- 
lare  dorsale  zu  nennen,  welches  oft  von  den  Fasern  des  Ligamentum  deltoideum 
verdeckt  wird,  dann  folgt  das  Ligamentum  talonaviculare  dorsale  (254,  256), 
welches  vom  Hals  des  Sprungbeines  dicht  an  dem  Kapselansatz  des  Knöchelgelenkes 
entspringt  und  zum  Rücken  des  Kahnbeines  hingeht.  Seine  Fasern  konvergieren  meist, 
so  daß  sein  Ansatz  verschmälert  erscheint.  Lateral  von  ihm  folgt  das  Ligamentum 
bifurcatum  ('■!■'>■'>),  ein  besonders  starkes  und  wichtiges  Band.  Es  entspringt  von  der 
vorderen  und  medialen  Ecke  des  Fersenbeines  und  teilt  sich  in  zwei  Züge;  dereine,  Pars 
calcaneo-nayicularis,  geht  zur  hinteren  lateralen  Ecke  des  Kahnbeines,  der  andere. 
Pars  calcaneo-cuboidea,  zur  Rückenfläche  des  Würfelbeines.  Der  erstere  Teil 
stellt  eine  dieke.  vertikal  stehende  Platte  dar,  welche  fast  bis  zur  Sohle  herabreicht. 
Von  oben  her  übersieht  man  nur  die  obere  Kante  des  Bandes,  und  ist  das  Messer  bei 
der  Trennung  nicht  weil  genug  in  die  Tiefe  gedrungen,  dann  ist  es  nicht  möglich, 
den  vorderen  Teil  des  Fußes  vom  hinteren  zu  lösen  *).  Noch  weiter  seitlich  folgt  endlich 
das  Ligamentum  calcaneocuboideum  dorsale  (256),  ein  platter  Bänderzug, 
welcher  vom  Rücken  des  Fersenbeines  zu  dem  des  Würfelbeines  verläuft. 

Geht  man  an  der  Sohle  von  der  lateralen  Seite  aus,  dann  trifft  man  zuerst  aui 
das  Ligamentum  plantare  longum-'1)    l-->M.     Dasselbe  ist  das  längste  Band  der 

')  Massa  ligamentosa. 

2)  In  Fig.   'Jö-'S  unter  dem   I.ig.   tulotib.   post.   versteckt. 

:i)  Ligamentum  talo-calcaneurrj  superficiale  horizontale   (Fieki. 

4)  Daher  der  Name  „Schlüssel  des  Chopartschen  Gelenkes'  ,  welcher  für  d;  rur- 

catum  zuweilen  gebraucht  wird. 

6)  Ligamentum  calcnnco-cuboideum  longum.  I  laciniatum.  L.  cuboideo-metatarseum 
longum. 


186  Bänder  am  vorderen  Teil  der  Fußwurzel. 

Sohle  und  ganz  außerordentlich  stark.  Es  entspringt  von  der  ganzen  Sohlenfläche  des 
Fersenbeines  und  besteht  aus  zwei  Schichten.  Die  oberflächliche  läuft  über  die  Sehne 
des  M.  peronaeus  longus  hinweg  und  erreicht  mit  mehreren  Zipfeln  die  Basen  einer 
wechselnden  Zahl  von  Metatarsalknochen ;  die  tiefere  Schichte  ist  kürzer,  sie  erstreckt 
sich  nur  bis  zur  Tuberosität  des  Würfelbeines.  Unter  dem  medialen  Rand  dieses 
Bandes  kommen  die  sehr  kräftigen  Züge  eines  anderen,  schräg  medial  und  vorwärts 
ziehenden  Bandes,  Ligamentum  calcaneocuboideum  plantare  (258,  259),  zum 
Vorschein,  welches  man  aber  erst  vollständig  übersieht,  wenn  man  das  Ligamentum 
plantare  longum  entfernt  hat.  Wie  der  Name  sagt,  verbindet  es  Fersenbein  und 
Würfelbein  miteinander.  An  die  mediale  Seite  dieses  Bandes  schließt  sich  das  sehr 
starke  Ligamentum  calcaneonaviculare  plantare  (259)  an,  welches  die 
Lücke  zwischen  Fersenbein  und  Kahnbein  überbrückt.  An  seiner  dem  Inneren  des 
vorderen  Sprungbeingelenkes  zugekehrten  Seite  trägt  es  die  Fibrocartilago  navicularis 
(S.  182),  welche  die  Pfanne  für  den  Sprungbeinkopf  bilden  hilft.  Es  ist  breit  und 
außerordentlich  stark,  oft  über  einen  halben  Centimeter  dick.  Vom  vorderen  Rand 
des  Sustentaculum  tali  ab  entspringt  es  am  Rande  des  Fersenbeines  und  heftet  sich 
an  der  medialen  und  unteren    Seite   des   Kahnbeines   an. 

4.  Bänder  am  vorderen  Teil  der  Fußwurzel. 

Die  dorsalen  Bänder  des  vorderen  Teiles  der  Fußwurzel  bilden  einen  medialen 
und  einen  lateralen  schief  vorwärts  laufenden  Zug,  welche  sich  teilweise  durchkreuzen  ; 
sie  lassen  sich  vom  Sprungbein  und  Fersenbein  bis  zu  den  Metatarsalknochen  hin 
verfolgen  (H.  v.  Meyer  1886).  Beide  Züge  werden  durch  die  in  sie  eingeschalteten 
Knochen  in  eine  Reihe  von  Einzelbändern  zerlegt.  Der  mediale  Zug  beginnt  am 
Sprungbein  und  zwar  mit  den  obersten  Fasern  des  bis  zum  Fußrücken  hinauf  sich 
erstreckenden  Ligamentum  calcaneonaviculare  plantare.  Vom  vorderen  Rande  des 
Kahnbeines  strahlen  die  Ligamenta  naviculari-cuneiformia  dorsalia  (255)  zu 
den  drei  Keilbeinen  aus;  ihre  Richtung  wird  fortgesetzt  von  den  Ligamenta  tarso- 
metatarsalia  dorsalia  des  ersten  bis  vierten  Mittelfußknochens.  Der  zum  fünften 
Mittelfußknochen  gehende  Bänderzug  beginnt  mit  dem  Ligamentum  cuboideo- 
naviculare  dorsale  (255,  256)  und  setzt  sich  in  das  Tarsometatarsalband  fort. 
Der  laterale  Bänderzug  beginnt  am  Fersenbein  mit  dem  Ligamentum  calcaneo- 
cuboideum dorsale  (S.  185)  und  setzt  sich  nach  vorne  fort  in  das  Ligamentum 
cuneocuboideum  dorsale  (255),  zwischen  Würfelbein  und  drittem  Keilbein  und 
dann  in  das  Tarsometatarsalband,  welches  von  letzterem  Knochen  zum  Metatarsal- 
knochen der  zweiten  Zehe  gelangt. 

Außer  diesen  longitudinal  verlaufenden  Bänderzügen  findet  man  auch  quere, 
und  zwar  weiter  proximal  die  Ligamenta  intercuneiformia  dorsalia,  welche 
die  drei  Keilbeine  verbinden  und  das  Ligamentum  cuneocuboideum  interosseum 
dorsale  (255),  welches  das  dritte  Keilbein  mit  dem  Würfelbein  zusammenhält. 
Weiter  distal  sind  es  die  Ligamenta  basium  ossium  metatarsalium x) 
dorsalia  (255,  256),  welche  sich  ganz  ähnlich  den  gleichnamigen  Bändern  der 
Hand  verhalten. 

An  der  Sohlenfläche  der  distalen  Fußwurzelabteilung  wird  der  Verlauf  der  Bänder 
dadurch  kompliziert,  daß  mit  ihnen  Muskelfasern  und  deren  Scheiden  stellenweise 
so  eng  verflochten  und  verbunden  sind,  daß  eine  reinliche  Trennung  nur  künstlich  ge- 
lingt.    Gedeckt  von  der  oberflächlichen  Schichte  des  Ligamentum  plantare  longum 


1)   Ligamenta  intermetatarsea  interossea. 


Bänder  am  vorderen  Teil  der  Fußwurzel.  187 

geht  die  Sehne  des  M.  peronaeus  longus  in  eine  Scheide  eingeschlossen  schräg  vor- 
wärts nach  der  Tuberosität  des  Mittelfußknochens  der  großen  Zehe  hin;  die  Sehne 
des  M.  tibialis  posterior  sendet  von  ihrem  lateralen  Rand  kräftige  Züge  bis  zum  Mittel- 
fußknochen der  dritten  Zehe.  Entfernt  man  sie,  so  gut  es  geht,  dann  sieht  man,  daß 
das  dritte  Keilbein  mit  dem  Kopfbein  der  Handwurzel  insofern  eine  gewisse  Analogie 
zeigt,  als  auch  von  ihm,  wenn  auch  nicht  so  regelmäßig  wie  vom  Kopfbein,  Bänder- 
züge in  radiärer  Richtung  nach  allen  Seiten  ausstrahlen,  welche  es  mit  der  ganzen 
Umgebung  fest  verbinden.  Man  unterscheidet  ein  Ligamentum  naviculari- 
euneiforme  plantare  und  ein  Ligamentum  euneoeuboideum  plantare, 
sowie  auch  Ligamenta  tarsometatarsea  plantaria  (2-59).  Die  letzteren  sind 
freilich  keineswegs  auf  das  dritte  Keilbein  beschränkt,  nur  ein  laterales  verbindet 
dasselbe  mit  dem  fünften  Mittelfußknochen,  ein  mediales  verläuft  vom  ersten  Keil- 
bein zum  dritten  oder  vierten  Mittelfußknochen.  Auch  eine  straffe  Bandverbindung 
zwischen  Kahnbein  und  Würfelbcin,  Ligamentum  cuboideonavicularc,  hat 
natürlich  mit  den  Keilbeinen  nichts  zu  tun. 

Die  meisten  dieser  Bänder  verlaufen,  wenn  auch  nicht  quer,  so  doch  schräg  und 
dienen  dazu,  die  Querverbindung  der  Fußwurzelknochen  zu  sichern;  diesem  Zweck 
dienen  noch  andere,  zwar  kurze,  aber  sehr  kräftige  Bänder,  welche  von  der  Sohle 
aus  die  einander  zugewandten  Flächen  der  Fußwurzelknochen  miteinander  ver- 
binden. Es  sind  dies  die  Ligamenta  intereuneiformia  interossea  und  das 
Ligamentum  euneoeuboideum  interosseum  (260).  Sie  reichen  bis  zu  den 
gleichnamigen  Bändern  des  Fußrückens  in  die  Höhe.  Ebenso  wie  am  Fußrücken 
findet  man  auch  an  der  Sohle  die  starken,  querverlaufenden  Ligamenta  basium 
ossium  metatarsalium  plantaria  [258,259),  welchen  sich  die  Lig.  basium 
interossea  anschließen.  Die  sehr  feste  Verbindung  der  Mittclfußknochen,  welche 
durch  die  letztgenannten  Bänder  gegeben  ist,  erstreckt  sich  medial  nicht  bis  zum 
Metatarsus  hallucis,  sondern  das  Zwischenknochenband  endigt  dort  am  ersten  Keil- 
bein, so  daß  hier  ein  Ligamentum  cuneo-metatarsale  interosseum  zu  ver- 
zeichnen ist.  Die  große  Zehe  wird  dadurch  in  ihren  Bewegungen  freier,  wie  die 
übrigen. 

Die  Bewegungen,  welche  die  Teile  des  Fußes  von  den  Unterschenkelknochen  bis 
zu  den  Mittelfußknochen  ausführen  können,  sind  einfachere,  wie  die  der  Hand.  Im 
Knöchelgelenk  ist  nur  eine  reine  Winkelbewegung  möglich;  bei  gesenktem  Fuß  ist  die 
Festigkeit  des  Gelenkes  eine  geringere,  da  dabei  der  schmalere  hintere  Teil  der  Talus- 
rolle  in  die  von  den  beiden  l'nterschcnkelknochen  gebildete  Gabel  tritt.  Hinteres  und 
vorderes  Sprungbeingelenk  nebst  der  Articulatio  calcanco-cuboidea  wirken  stets  zu- 
sammen, sie  heben  abwechselnd  den  medialen  Fußrand  (Supination)  und  den  lateralen 
(Pronation)  und  führen  zu  gleicher  Zeit  die  Fußspitze  medianwärts  oder  lateralwärts 
(Ailduktimi  und  Abduktion).  Supination  und  Adduktion  einerseits,  Pronation  und 
Abduktion  andererseits  können  nicht  voneinander  getrennt  werden,  sie  verlaufen 
stets  miteinander.  Kombiniert  sieh  die  Tätigkeit  des  hinteren  und  vorderen  Sprung- 
gelenkes mit  der  des  Knöchelgelenkes,  dann  sind  die  Bewegungen  immerhin  ziemlich 
mannigfaltig. 

Die  übrigen  Gelenke  der  Fußwurzel  bis  zu  den  Basen  der  Mittelfußkm 
einschließlich  sind  Amphiarthrosen  mit  nur  unbedeutender  Beweglichkeit.     Es  handelt 
sich  im  wesentlichen  um  ein  geringes  Gleiten  der  Gelenkflächen  aneinander,  doch 
kann  dadurch  immerhin  die  Form  des  Fußes  beeinflußt  werden  und  man  kann  sagen, 
daß  ihnen  dieser  --eine  Elastizität   verdankt.     Von  den  Ttrsometatarsalgelenken  ist 


188  Mittelfuß-Zehengelenke. 

das  dritte  am  wenigsten  beweglich,  die  lateral  von  ihm  gelegenen  Metatarsalknochen 
zeigen  eine  etwas  größere  Beweglichkeit,  welche  wesentlich  in  vertikaler  Richtung 
möglich  ist   (H.  v.  Meyer  1886). 

Gefäße  und  Nerven  der  vorstehend  beschriebenen  Gelenke  und  Bänder  stammen 
aus  denselben  Quellen,  wie  diejenigen  der  von  ihnen  in  Verbindung  gesetzten  Knochen. 

Die  Lage  von  Fußwurzel  und  Mittelfuß  ist  an  der  dorsalen  Seite  eine  sehr  freie, 
indem  das  Skelet  dort  nur  von  wenigen  Weichteilen  bedeckt  ist.  Die  Haut  ist  sehr 
verschieblich;  in  dem  lockeren  und  wenig  fettreichen  Unterhautbindegewebe  liegen 
die  Hautvenen  und  Hautnerven,  dann  folgt  die  Fascie,  in  welche  in  der  Gegend  des 
Knöchelgelenkes  das  Ligamentum  cruciatum  eingewebt  ist;  darunter  kommen  die 
Sehnen  der  Streckmuskeln,  in  drei  Sehnenscheiden  eingeschlossen.  Unter  ihnen 
liegen  die  dünnen  M.  extensores  breves  und  dann  gelangt  man  sogleich  auf  den  dorsalen 
Bandapparat.  Vor  dem  unteren  Umfang  des  medialen  Knöchels  trifft  man  auf  eine 
Vertiefung,  den  Eingang  in  den  Sinus  tarsi.  Die  tieferen  Nerven  und  Gefäße  des  Fuß- 
rückens sind  nicht  stark,  sie  liegen  auf  dem  Skelet.  An  der  Hinterseite  des  Fußes 
tritt  das  Tuber  calcanei  als  Ferse  kräftig  vor,  ebenso  über  ihr  die  Achillessehne.  Neben 
und  vor  dieser  letzteren  stößt  man  auf  Fett,  welches  sich  bis  zu  dem  Knöchelgelenk 
und  seinem  Bandapparat  in  die  Tiefe  erstreckt.  An  der  medialen  Seite  des  Fußes 
ist  der  Knöchel  leicht  abzutasten;  um  ihn  schlingen  sich  die  Sehnen  des  M.  tibialis 
posterior  und  des  M.  flexor  digitorum  longus,  etwas  tiefer  liegt  auch  die  Sehne  des- 
M.  flexor  hallucis  longus.  Auf  der  letzteren  findet  man  die  A.  tibialis  posterior,  deren 
Puls  man  hinter  und  unter  dem  Knöchel  fühlen  kann;  sie  ist  von  ihren  Venen  und 
dem  N.  tibialis  posterior  begleitet.  Weiter  nach  vorne  ist  auf  der  Grenze  zwischen 
Seitenwand  und  Sohle  die  Tuberositas  ossis  navicularis  deutlich  zu  fühlen.  An  der 
lateralen  Seite  verlaufen  um  den  lateralen  Knöchel  die  Sehnen  der  Mm.  peronaeus 
brevis  und  longus  und  weiter  rückwärts  Nerven  und  Gefäße,  welche  weniger  bedeutend 
sind,  wie  medial.  Weiter  vorne  stößt  man  auf  die  deutlich  fühlbare  Tuberositas  ossis 
metatarsalis  V. 

Die  Sohle  ist  von  einem  so  dicken  Weichteillager  bedeckt,  daß  es  nicht  gelingt,, 
dort  etwas  vom  Skelet  durchzutasten.  Unter  der  dicken  Haut  und  dem  ebenfalls 
dicken  und  sehr  elastischen  Subcutanpolster  folgt  die  sehr  starke  Plantaraponeurose, 
welche  neben  ihren  anderen  Funktionen  auch  für  die  Aufrechterhaltung  der  Längs- 
wölbung von  Bedeutung  ist.  Unter  ihr  liegt  ein  dickes,  aus  Muskel  und  Sehnen  be- 
stehendes Polster,  in  welches  die  Nerven  und  Gefäße  eingeschlossen  sind.  Ganz  in 
der  Tiefe  auf  den  Knochen  liegt  der  Arterienbogen,  welcher  dem  tiefen  Bogen  der 
Hohlhand  analog  ist. 

1)  Mittelfuß-Zehengelenke,  Articulationes  metatarso-phalangeae. 

Die  Gelenkköpfchen  der  vier  lateralen  Mittelfußknochen  (252)  erstrecken  sich 
nach  der  plantaren  Seite  weiter,  als  nach  der  dorsalen.  Ihre  Krümmung  ist  nicht 
ganz  regelmäßig  kugelig,  indem  der  plantare  Teil  einen  Krümmungsradius  von  10  mm, 
der  dorsale  einen  solchen'von  5  mm  besitzt.  Bei  der  Beugung  der  Zehen,  wo  die  Pfanne 
auf  den  plantaren  Teil  des  Köpfchens  tritt,  entstehen  deshalb  Inkongruenzen,  welche 
durch  Synovialfalten  oder  nur  durch  Synovia  ausgeglichen  werden.  Die  Dicke  des 
Gelenkknorpels  schwankt  zwischen  1,0  und  0,5  mm.  Die  Kapseln  sind  schlaff  und 
an  der  Dorsalseite  sehr  innig  mit  den  darüber  hinziehenden  Strecksehnen  verwachsen. 
Die  Ligamenta  transversa  (261)  verhalten  sich  genau  wie  an  den  Fingern  der  Hand, 


Zehengelenke.     Der  Fuß  im  ganzen. 

ebenso  die  starken  Ligamenta  collateralia,  von  welchen  das  fibulare  das  stärkere 
zu  sein  pflegt. 

Die  Gelenkflächen  des  Mittelfußzehengelenkes  der  großen  Zehe  sind  absolut 
und  relativ  breiter  als  die  der  übrigen  Zehen.  Die  plantare  Seit"  seiner  Kapsel  ist 
besonders  stark  und  kräftig,  sie  enthält  die  beiden  großen  Sesambeine.  Dieselben 
sind  sattelförmig  gekrümmt,  konkav  im  sagittalen,  konvex  im  transversalen  Durch- 
messer. Daß  sie  durch  eine  Firste  der  Gelenkfläche  des  Mittelfußknochens  voneinander 
getrennt  sind,  wurde  oben  (S.  179)  bereits  mitgeteilt.  Die  Sesambeine  werden  durch 
ein  starkes  Ligamentum  accessorium  plantare  (261)  verbunden,  so  daß  eine 
höchst  widerstandskräftige  Gelenkpfanne  entsteht.  Die  Außenseite  der  Kapsel  wird 
durch  die  zwischen  den  Sesambeinen  hinlaufende  Sehne  des  langen  Beugers  der 
großen   Zehe  rinnenförmig  eingedrückt. 

m)  Zehengelenke,  Articulationes  digitorum  pedis. 

Die  Einrichtung  derselben  ist  ganz  die  gleiche,  wie  die  der  Fingergelenke,  nur 
ist  das  Relief  der  Gelenkflächen  weniger  scharf  herausgearbeitet  (261). 

Die  Zehen  berühren  bei  ruhigem  Stehen  den  Boden  nicht;  sie  haben  nur  bei 
der  Ausführung  des  Schrittes  den  Fuß  abzustoßen,  was  freilich  für  die  Freiheit  und 
Elastizität  des  Ganges  von  großer  Bedeutung  ist.  Dabei  berührt  jedoch  nicht  ihre 
ganze  plantare  Fläche,  sondern  nur  ihre  Spitze  den  Boden,  da  sie  krallenartig  ge- 
krümmt sind  (252).  Nur  die  große  Zehe  macht  eine  Ausnahme,  sie  liegt  beim  Ab- 
wickeln des  Fußes  mit  ihrer  ganzen  Plantarfläche  dem  Boden  auf. 

n)  Der  Fuß  im  ganzen. 

Wie  sehr  sich  der  ganze  Aufbau  des  Fußes  von  dem  der  Hand  unterscheidet, 
wurde  schon  oben  (S.  174)  erwähnt.  Seine  Stabilität  und  Tragfähigkeit  erklärt  sich 
dadurch,  daß  er  nach  Art  eines  halben,  eines  sogenannten  Nischengewölbes  konstruiert 
ist.  Dasselbe  entsteht  dadurch,  daß  sich  ähnlich  zwei  Stäben  eines  Fächers  der  Groß- 
zehenstrahl  (S.  175)  hinten  auf  den  Kleinzehenstrahl  legt,  während  die  vorderen  Teile 
der  beiden  Längsabteilungen  nebeneinander  liegen.  Auf  der  Großzehenseite  entsteht 
so  ein  hoehgewblbter  Bogen,  wahrend  auf  dn-  Kleinz.ehenseite  nur  ein  ganz  flacher  vor- 
handen ist.  Beide  Bogen  besitzen  ihre  Fußpunkte  hinten  in  der  Ferse,  vorne  in  den 
Köpfchen  der  Metatarsalknochen.  Der  Großzehenbogen  beginnt  in  der  medialen 
Hälfte  des  Tuber  calcanei;  von  dort  steigt  er  in  das  Sprungbein  auf,  in  dessen  Rolle 
sein  Gipfel  liegt.  Sein  vorderer  Teil  geht  durch  das  Kahnbein  auf  die  drei  Keilbi  in 
und  dann  auf  die  an  diesen  befestigten  Mittelf ußknochen  über,  per  flache  Klein- 
zehenbogen  hat  mit  dem  Sprungbein  nichts  zu  tun;  dieses  besitzt  für  ihn  nur  den 
Wert  eines  Zwischenstückes,  welches  den  vom  Unterschenkel  ausgeübten  Druck  auf 
den  B..gen  überträgt.  Von  seinem  Anfang  im  lateralen  Teil  des  tubi  r  calcanei  erhebl 
er  sich  zu  seinem  Gipfelpunkt  in  der  Gelenkfläche  des  Fersenbeines  für  das  hinter.' 
Sprunggelenk;  von  dort  senk!  er  sich  in  flachem  Verlauf  dur<  h  das  Würfelbein  zu  den 
beiden  letzten  Mittelfußknoi  heu. 

I  i<  k  (1911)  zieht  es  vor,  die  I  ängswölbung  des  Fußes  in  fünf  einzelne  Gewölbe- 
bögen, entsprechend  den  fünf  Mittelfußknochen,  zu  zerlegen,  welche  nach  hinten 
in  dem  Fersenhöcker  konvergieren.  .,l>ie  Körperlast  drückt  vermittelst  des  Sprung- 
beines aul  das  mit  seinem  Vorderteil  schräg  aufgerichtete  Fersenbein  und  sucht  dies  - 
niederzudrücken.     P.i-  vorn  erhobene  Fersenbein  wird  aber  nun  oben  von  den  fünf 


190  Der  Fuß  im  ganzen. 

nach  hinten  konvergierenden  Gewölbebögen  gestützt."  „Die  größte  Stützkraft  hat 
wohl  der  zweite  Bogen,  weil  er  ziemlich  in  der  Mitte  liegt  und  der  höchste  ist." 

Außer  der  Längswölbung  besitzt  der  Fuß  auch  eine  Ouerwölbung.  Dieselbe 
ist  nur  am  vorderen  Teil  des  Fußes  gut  ausgebildet,  wo  die  Form  und  Verbindung  der 
Keilbeine,  des  Würfelbeines,  der  Basen  der  Mittelfußknochen  sie  hervorbringen.  Mit 
dem  Tragen  der  Körperlast  hat  das  quere  Fußgewölbe  direkt  nichts  zu  tun  (Fick). 

Von  großem  Interesse  ist  es,  daß  sich  die  Struktur  der  Spongiosa  der  Fußwurzel- 
knochen (18)  vollkommen  der  Gewölbekonstruktion  anschließt.  Die  Lamellen  und  Balken 
erstrecken  sich  in  der  Richtung  der  Längswölbungen  durch  die  Knochen  hindurch, 
unbekümmert  um  die  Gelenke,  als  wenn  nur  solide  Stücke  vorhanden  wären.  Neben 
diesen  leicht  zu  deutenden  Zügen  fehlen  jedoch  auch  solche  nicht,  welche  andere 
mechanische  Aufgaben  zu  erfüllen  haben,  im  Fersenbein  wendet  ein  System  seinen 
Gipfel  sogar  der  Sohle  zu.  In  den  der  Quere  nach  besonders  fest  verbundenen  Knochen, 
den  drei  Keilbeinen  und  dem  Würfelbein,  bilden  die  quer  verlaufenden  Spongiosa- 
bälkchen   eine  genaue   Fortsetzung  der  zwischen  ihnen  ausgespannten  Bänder. 

Durch  die  beschriebenen  Bänder  wird  Zusammenhalt  und  Form  des  Fußes 
in  ausgiebiger  Weise  versichert.  Gleich  beim  Knöchelgelenk  findet  man  den  lateralen 
Bandapparat  stärker  ausgebildet,  als  den  medialen,  was  einem  Umknicken  des  Fußes 
entgegenwirkt.  Das  Gewölbe,  welches  der  Fuß  bildet,  würde  natürlich  fester  sein, 
wenn  es  aus  einem  Guß  bestände,  es  wird  aber  durch  die  Zusammensetzung  aus  einer 
Anzahl  von  Stücken  dem  Fuß  eine  freiere  Aktion  gesichert,  es  kann  auch  die  Be- 
lastung in  viel  weiteren  Grenzen  variieren,  als  dies  bei  einem  starren  Gewölbe  möglich 
sein  würde.  Um  aber  doch  die  nötige  Festigkeit  zu  haben,  werden  die  einzelnen  Fuß- 
wurzelknochen durch  den  überaus  kräftigen  Bandapparat  zusammengehalten,  welcher 
oben  beschrieben  wurde.  Außerdem  sind  die  Wölbungen  zu  versichern  und  es  sind 
überdies  noch  gewisse  in  der  Anordnung  der  Teile  des  Skeletes  liegende  Unvollkommen- 
heiten  zu  korrigieren.  Dabei  verlangen  es  die  mechanischen  Verhältnisse,  daß  die  an 
der  Sohle  befindlichen  Bänder  die  Hauptarbeit  leisten,  weshalb  auch  sie  erheblich  stärker 
sind  als  die  des  Fußrückens.  Der  flache  Bogen  der  Kleinzehenseite  bedarf  keiner 
komplizierten  Einrichtung,  dort  vermag  der  kräftige,  sagittale  Zug  des  Ligamentum 
plantare  longum  alles  zu  leisten,  was  verlangt  wird.  Der  höher  gespannte  Bogen  der 
Großzehenseite  aber  bedarf  eines  komplizierteren  Bandapparates,  dort  ist  auch  das 
Sprungbein,  welches  doch  gerade  den  Schlußstein  des  Bogens  bildet  und  die  Belastung 
zu  allererst  aufzunehmen  hat,  in  zweierlei  Art  gefährdet.  Erstens  steht  es  nicht  über 
der  Mitte  des  Fußes  und  ist  somit  in  gewisser  Gefahr,  nach  der  medialen  Seite  hin 
abzugleiten  und  zweitens  wird  ein  großer  Teil  seines  Kopfes  nicht  durch  eine  knöcherne 
Pfanne  unterstützt,  was  ihn  in  die  Gefahr  bringt,  zwischen  Sustentaculum  tali  und 
Kahnbein  sohlenwärts  durchzurutschen.  Ersteres  wird  durch  die  gewaltigen  Band- 
massen abgewendet,  welche  Sinus  und  Canalis  tarsi  ausfüllen,  letzteres  durch  das 
sehr  starke  Ligamentum  calcaneo-naviculare,  welches  den  Kopf  des  Sprungbeines 
unterstützt.  Die  Wirkung  beider  Bänder  wird  durch  den  Verlauf  und  den  Ansatz 
der  Sehne  des  M.  tibialis  posterior  vervollständigt. 

Was  die  Ouerwölbung  anlangt,  so  hat  die  Beschreibung  sehr  zahlreiche  und 
starke  Bänder  kennen  gelehrt,  welche  diesem  Zwecke  dienen ;  sie  werden  in  ausgezeich- 
neter Weise  ergänzt  durch  den  Verlauf  der  Sehne  des  M.  peronaeus  longus,  welche 
schief  durch  die  Sohle  bis  zum  Mittelfußknochen  der  großen  Zehe  verläuft  und  ihn 
auf  diese  Art  dem  der  kleinen  Zehe  tunlichst  nähert. 


Der  Fuß  im  ganzen.  191 

Die  Form  des  ganzen  Fußes  wechselt  in  weiten  individuellen  Grenzen,  das  eine 
Mal  ist  er  breit  und  kurz,  das  andere  Mal  schmal  und  lang,  das  eine  Mal  hoch  gewölbt, 
das  andere  Mal  flacher,  ohne  jedoch  pathologisch  zu  sein.  Ein  hochgewölbter  Fuß 
ist  schöner,  für  seine  Funktion  auch  besser  geeignet,  als  ein  flacher. 

Altersunterschiede.  Die  Sohle  des  Fußes  der  Neugeborenen  berührt  den  Boden  nicht 
und  es  ist  der  laterale  Fußrand  gesenkt,  der  mediale  gehoben ;  es  erklärt  sich  dies  dadurch,  daß 
Sprungbein  und  Fersenbein  noch  eine  andere  Form  zeigen,  wie  später.  Die  Rolle  des  Sprung- 
beines ist  mehr  latcrahvärts  gewendet,  das  Felsenbein  steht  steiler.  Die  Stellung  der  Flächen 
des  hinteren  Sprunggelenkes  ist  noch  eine  andere,  wie  später,  das  Sustentaculum  tali  ist  geringer 
ausgebildet.     Die  Haltung  der  Zehen  ist  gestreckter,  als  später. 

Praktische  Bemerkungen.  Der  Fuß  ist  einer  der  Körperteile,  welche  am  meisten 
unter  künstlicher  Verstümmelung  zu  leiden  haben  und  es  ist  wahrhaft  betrübend,  daß  man  in 
unserer  Zeit,  in  welcher  anatomisch  einwandfreies  und  auch  gefällig  aussehendes  Schuhwerk 
wohl  bekannt  ist,  keineswegs  bis  zu  den  chinesischen  Frauen  zu  gehen  braucht,  um  einer  gänz- 
lich irrationellen  Fußbekleidung  zu  begegnen.  Besonders  ist  es  die  nicht  auszurottende  Mode 
der  spitzen  Schuhe,  welche  die  Zehen  außerordentlich  schädigt;  die  große  Zehe  wird  im  Mittel- 
fußzchengelenk  lateralwärts  abgeknickt  und  eine  der  anderen  Zehen,  welche  keinen  Platz  in  dem 
zu  engen  Stiefel  findet,  meist  die  dritte,  tritt  aus  der  Reihe  und  legt  sich  über  oder  unter  die  benach- 
barten. Die  hohen  Absätze  ferner  haben  schon  manche  leichtere  und  schwerere  Läsion  der  Knöchel- 
gegend  herbeigeführt.  Ein  seitliches  Umknicken  des  Fußes  int  Knöchelgelenk  ist  auch  bei  ratio- 
nellem Schuhwerk  leicht  möglich,  dabei  ist  eine  Verletzung  der  Kapsel  keineswegs  ausgeschlossen, 
da  die  Bänder  teilweise  mit  derselben  eng  zusammenhängen.  Dehnen  sich  die  Bänder  stark, 
dann  leidet  nicht  selten  ihre  Elastizität  und  sie  bleiben  verlängert,  was  wieder  ein  erneutes  Um- 
knicken erleichtert.  Bei  der  großen  Festigkeit  der  Knöchclbänder  sieht  man  jedoch  auch  häufig, 
daß  beim  Umknicken  eher  der  Knöchel  abreißt,  als  sie.  Bricht  der  mediale  Knöchel  ab  und  wird 
das  Sprungbein  mit  Gewalt  gegen  die  Fibula  gedrängt,  dann  sieht  man  auch  diese  ctw.is  oberhalb 
der  Knöchelgcgend  brechen.  Das  Knöchelgelcnk  ist  auch  sonst  vielfachen  Läsionen  ausgesetzt 
Bei  Ergüssen  dehnen  sich  die  dünnsten  und  am  wenigsten  geschützten  Stellen  der  Kapsel  natür- 
lich zuerst  aus,  in  erster  Linie  am  Fußrücken  neben  den  Strecksehnen,  dann  auch  zwischen  den 
I  hindern  der  lateralen  Seite  und  hinten.  Auch  in  anderen  Gelenken  können  natürlich  Erkran- 
kungen und  Verletzungen  Ergüsse  veranlassen,  deren  Verbreitung  wegen  der  sehr  variablen  Zu- 
sammenhänge der  einzelnen  Gclcnkspaltcn  untereinander  ganz  unberechenbar  ist.  Schwel- 
lungen bei  Entzündung  und  Eiterung  können  erhebliche  Dimensionen  annehmen,  machen  sich 
jedoch  fast  ausnahmslos  nur  auf  dem  Fußrücken  geltend,  wo  der  Bandapparat  dünn  und  die  Weich- 
teilbedeckung gering  ist.  Auch  Durchbrüchen  von  Eiterherden  setzt  der  Fußrücken  geringeren 
Widerstand  entgegen,  als  die  stark  versicherte   Sohle. 

Carics  des  Fußskcletes  macht  nicht  selten  Operationen  nötig.  Um  zum  Sprungbein 
vorzudringen,  hat  die  Chirurgie  eine  große  Anzahl  von  Methoden  vorgeschlagen,  man  geht  von 
vorne,  von  der  Seite,  von  hinten  her  auf  dasselbe  ein,  man  schont  Seimen,  Nerven  und  Gefäße, 
man  durchschneidet  sie  rücksichtslos.  Will  man  von  der  Seite  her  vordringen,  dann  hat  man 
sich  daran  zu  erinnern,  daß  der  mediale  Knöchel  weniger  weil  herabreicht,  als  der  laterale,  daß 
aber  in  seiner  unmittelbaren  Nähe  wichtige  Gefäße  und  Nerven  verlaufen.  Wie  man  .im  leichte- 
sten zu  den  anderen  Fußwurzelknochen  vordringt,  geht  aus  ihrer  oben  geschilderten  Lage  her- 
vor.  l  her  die  anatomischen  Verhältnisse  des  Chopartschen  und  Lisfrancschen  i 
geben  die  obenstehenden  Bemerkungen  (S.  183)  Aufschluß.  Wenn  auch  Röntgenphotographien 
gerade  hiei  am  Fuß  unschätzbare  Dienste  leisten  können,  so  ist  die  alte  chirurgische  Regel  noch 
nicht  antiquiert,  daß  man  sowohl  bei  Operationen  wie  bei  der  diagnostischen  Beurteilung  von 
Erkrankungen  und  Verletzungen  stets  ein  montiertes  Fußskelel  zur  Hand  haben  sollte,  da  es 
ohne  ein  solches  recht  schwierig  sein  Kann,  die  topographischen  Verhältnisse  ganz  richtig  zu 
beurteilen. 

Frakturen  kommen  natürlich  an  Fußwurzelknochen  und  Mittelfuß  leicht  zustande,  es 
braucht  ja  nur  ein  schwerer  Gegenstand  auf  den  Fuß  zu  fallen,  Das  Fersenbein  kann  auch  durch 
lall  ani  die  Füße  zermalmt  werden;  das  Sustentaculum  tali  kann  abbrechen,  die  schlanken  Mittel- 
Eußknochen  brechen  zuweilen  sehen  durch  geringe  Gewalt,  so  z.  B.  beim  Marschieren  auf  sehr 
hartem  odei  festgefrorenem  Moden.  Man  hat  sieh  beim  Verdacht  eines  I '.1  uches  an  der  t'ußu  urzel 
davor  /.u  hüten,  im  Röntgenbild  einen  Überzähligen  Tarsusknochen  für  ein  abgebrochenes  Stück 
zu  halten,  d.u  i  aber  auch  nicht   in  den  entgegengesetzten   Fehler  verfallen. 


192  Der  Fuß  im  ganzen.  - 

Die  Entstehung  der  verschiedenen  Stellungsanomalien,  wie  Spitzfuß  (Pes  equinus), 
Hackenfuß  (Pes  calcaneus),  Klumpfuß  (Pes  varus),  Plattfuß  {Pes  valgus),  ist  nicht  auf 
Einflüsse  zurückzuführen,  welche  sich  genauer  an  die  Anatomie  des  Fußes  anschließen,  sondern 
auf  pathologischen,  intrauterinen  Druck,  auf  Bildungsanomalien,  auf  eine  zu  starke  Belastung 
des  Fußes  im  Jünglingsalter,  auf  Knochenverletzungen  u.  a.  m.  Diese  Einflüsse  sind  aber  sehr 
geeignet,  auf  die  einer  Umbildung  sehr  geneigten  Teile  des  Skeletes  und  seiner  Verbindungen, 
ja  selbst  auf  die  an  den  Knochen  angehefteten  Muskeln  einen  unheilvollen  Einfluß  auszuüben. 
Die  Knochen  deformieren  sich,  die  Bänder  und  Muskeln  werden  an  der  einen  Stelle  kürzer, 
an  der  anderen  länger,  Muskeln  können  auch  verfetten.  Betrachtet  man  z.  B.  einen  Plattfuß, 
dann  sieht  man,  wie  der  Kopf  des  Sprungbeines  zwischen  Sustentaculum  tali  und  Schiffbein 
heruntergesunken  ist,  wie  das  Ligamentum  calcaneo-naviculare  und  andere  Sohlenbänder  er- 
schlafft und  verlängert  sind,  bei  hohen  Graden  des  Leidens  auch,  wie  die  Mm.  tibialis 
posterior  und  peronaeus  longus  verfettet  sind.  Wie  außerordentlich  die  noch  nicht  verknöcherten 
Teile  des  Fußskeletes  deformiert  werden  können,  zeigen  nebeneinander  gestellte  Abbildungen 
des  Klumpfußes  eines  Neugeborenen  neben  denen  eines  normalen   (Volk mann). 


Sachregister, 


A. 

Acetabulum   143. 
\,  h  1  oskelet  3. 
Acromion  108. 
Aggcr  nasi  68. 
Ala  magna,  angulus  parietalis 

53- 

-  facics    infratemporalis 

53- 

-  facics  orbitalis  53. 
facics    sphenomaxillaris 

53- 

ni.irgo    frontalis    53. 
margo  squamosus  53. 
margo  zygomaticus  53. 
spina  angularis  53. 

-  ossis  ilium    142. 
AI, ic  vomefis  70. 
Angulus  costae  y>. 

-  ethmolacrimalis  73. 

-  infrasternalis  42. 
Ludovici  37,    13. 

—  mandibulae  82. 
pubis   [49. 

—  Storni  37. 
Anulus  fibrosus  22. 

tympanicus  60. 
Apcrtura  cxteni.i   ;i<|u;ti'< liu-t  11s 
vestilnili    =,(>. 

•  .1  naliculi    Cochleae    58. 
inferior  canaliculi  tympanii  1 

57- 

-  pelvis  inferior   1  \g. 

superior   1  p>. 

pii  iformis  93. 

superior     canaliculi     tym 

panii  1    ;6. 

thoracis  inferior    |J. 
superior   |j. 
\|m  \   1  ,i|.ii uli   fibulae    [62. 

patellae  [60. 
\pn|iii\  .1 .  1 1 
Vquaedui  ins    vestibuli      ,  ■ 


Arcus  pubis  149. 

—  superciliaris  64. 

—  vertcbrae  14. 

—  zygomaticus  59,   jy. 
Articulatio  acromioclavicularis 

in. 

-  atlanto-occipitalis  27. 

—  calcanco-cuboidea  182. 

—  carpomctacarpea  133. 
pollicis   1 34. 

—  cochlearis  9. 

—  coxac   156. 

—  cubiti  120. 

—  cunco-navicularis  182. 

—  clliptica  10. 

—  genus   163. 

-  humcri  116. 

—  humeroradialis  121. 

-  humeroulnaris  121. 

—  intercarpea   133. 

—  mandibularis  83. 

—  ossis  pisiformis   134. 

-  petro-occipitalis  85. 

-  radiocarpoa    132. 
radio-ulnaris  distalis  123. 

proximalis   121. 

-  sacroiliaca   146. 
sellaris  10. 

-  sphaerica   10. 
sternoi  l.i\  icularis    in. 
talo  1  all  inea    [81. 

-  talo  -call  anei  1  -  navicul 

1  S|  . 

talocruralis   [80, 

tarsi  transversa   [83. 

1  ibio-fibularis   1  73. 

1  n  11  In  lides  9. 
Artirnl.it iones  atlanto  epistro- 

phicae  27. 

1  apil  uloi  um    1 1  starum    38. 
itransversai  iae  38. 

digitoi  um  in. ums   1  |8 
pedis   189. 


Merkel,   Anatomie  II.    Skclctlchrc,     I  ■     t, 


Articulationes    intermetatar- 
seae  182. 

—  metacarpophalangeae   137. 

—  metatarso-phalangcae    1S8. 

—  tarso-metatarseae   182. 
Artikulationsebene  12. 
Asterion  10 1. 

Atlas  18. 

Atmungstypus  44. 
Augenhöhle  94. 
Axis   pelvis   149. 


B. 

Bänder  zwischen  Unterschenkel 

und  Fuß   [84. 
Basis  cranii  89. 

externa  92. 

interna  90. 

—  patellae   160. 
Bathrocephalus  103. 
Becken   14S. 

—  Altersverschiedenheiten 
131. 

ausgang   1  \g. 

—  -eingang   [49. 

—  Geschlechtsverschieden- 
heiten  130. 

großes   1  \8, 

—  kleines   1  p>. 
Maße   [50. 

—  Stellung   1  p>. 
I  Seugeu  irbel   1  \. 
Brachycephalen  98. 
Brachyprosopie 
Bregma   um. 
Brustbein 

—  Bänder  am  ventralen  Teil 
der  Kippen  und  des  Brust- 
beines   \o. 

I  landappara 
1  u  ustkorb,     Utersunterschiede 
13- 

13 


194 


Sachregister. 


Brustkorb ,     Geschlechtsunter- 
schiede 43. 

—  im  ganzen  41. 
Brustwirbel  15. 
Bryantsches  Dreieck  160. 
Bulla  ethmoidalis  68, 
Bursa  anserina  168. 

—  infrapatellaris    profunda 
168. 

—  m.    gastrocnemii    lateralis 
167. 

medialis  167.. 

■ — ■  —  poplitei  anterior  167. 

posterior  167. 

semimembranosi  167. 

—  mucosa  subscapularis    117. 

—  praepatellaris   167. 

—  semimembranosa    propria 
167. 

—  sinus  tarsi  185. 

—  suprapatellaris  166, 
Bursae  synoviales   n. 


Calcaneus  176. 

Calvaria  89,  90. 

Canaliculi     carotico-tympanici 

58. 
Canaliculus  Cochleae  58. 

—  chordae  tympani  58. 

—  mastoideus  57,   58. 

—  sphenoidalis  55. 
Canales  alveolares  72. 

—  basipharyngeus  54. 

—  caroticus  57,  58. 

—  carpi   135. 

—  condyloideus  48. 

—  craniopharyngeus  54. 

—  epicondyloideus   115. 

—  facialis  58. 

—  incisivus  75. 

■ —  infraorbitalis  73. 

—  mandibulae  83. 

—  musculi    tensoris    tympani 

57- 

—  musculotubarius    57,  96. 

—  nasolacrimalis  73. 

—  nervi    hypoglossi    48. 

—  obturatorius  146. 

—  palatini  80. 

—  pterygoideus    (Vidii)    54. 

—  sacralis  21. 

—  tarsi  176. 

—  tubae  auditivae  57. 

—  vertebralis   14. 

—  vomerobasilaris  70. 


Capitulum  costae  35. 

—  fibulae  162. 

—  humeri  114. 

-  mandibulae  83. 

—  radii  119. 

-  ulnae  119. 

Capsula    articularis    8,    9. 
Capsulae    articulares    verte- 

brarum  25. 
Caput  femoris   153. 
Caput  humeri  113. 
Cartilago  costalis  35. 
Cavum  6. 

—  auris  96. 

—  nasi  93. 

-  oris  96. 

—  tympani  96. 

Cellulae  ethmoidales  66,   67. 

—  mastoideae  59. 
Chamaecephalen  98. 
Chamaeprosopie  98. 
Choanae  94. 

Chopartsches  Gelenk  182,  183. 
Chorda    obliqua    antebrachii 

I25- 
Cingulüm    extremitatis   inferi- 
oris  141. 

—  —  superioris   106. 
Clinocephalus   103. 
Circumferentia  articularis  radii 

119. 
ulnae  119. 

Clavicula  109. 
Clivus  48. 
Collum  costae  35. 

—  .femoris   153. 

—  humeri    (anatomicum)    113. 
(chirurgicum)    114. 

—  mandibulae  83. 

—  radii  119. 

—  scapulae  107. 

—  tali  175. 

Columna  vertebralis   14,  31. 
Conchae  66. 
Concha  inferior  69. 

—  media  67. 

—  sphenoidalis  52. 

—  superior  67. 

—  suprema  68. 
Conjugatae  pelvis  150. 
Condyli  femoris  154. 
Condylus  9. 

—  occipitalis  48. 
Cornua  cöccygea  21. 

—  sacralia  21. 
Corpus  costae  35. 

—  mandibulae  81. 


Corpus  sterni  37. 

—  vertebrae   14. 
Costae  35. 

—  fluctuantes  35. 

—  spuriae  35. 

—  verae  35. 
Craniologie  89. 
Cranium  46. 
Cribra  cranii  103. 
Crista  6. 

—  buccinatoria  82. 

—  capituli  costae  35. 

—  colli  costae  35. 

—  conchalis  74,   80. 

—  ethmoidalis  74,   80. 
■ —  frontalis  63. 

—  galli  67. 

—  iliaca  141. 

—  incisiva  y$. 

—  infratemporalis  53. 

—  interossea  119. 

—  intertrochanterica  153. 

—  lacrimalis  73. 
posterior  70. 

—  nasalis  75,   79. 

—  obturatoria  144. 

—  occipitalis  externa  49. 

—  —  interna  50. 

—  sacralis  media  21. 

—  supramastoidea  59. 

—  tuberculi  majoris   114. 
minoris  114. 

Cristae  sacrales  articulares  21. 

laterales  21. 

Cubitus  valgus  121. 


D. 

Darmbein  142. 

Darmbeingrube  142. 

Darmbeinkamm  141. 

Darmbeinschaufel   142. 

Darmbeinstachel  142. 

Diarthrosis  8. 

Diploe  6. 

Discus  articularis   n,   63. 

Dolichocephalen  98. 

Dolichoprosopie  98. 

Dornfortsatz   15. 

Dorsum  nasi  93. 

—  sellae  51. 

Dreher  18. 

Dreh  wirbel  18. 

Dura  mater  99. 

Dyostosis  cleidocranialis     iro. 


Sachregister. 


195 


I  i   'lenk  10. 
Ellbogcngelenk   120. 
Elle   inj. 
Eminentia  arcuata  56. 

—  cruciat;i    \g. 
iliopectinea  142. 

—  intercondyloidea   161. 
Enarthrosis    10,    156. 
Epicondyli   femoris  154. 

I  picondylus    liumcri    lateralis 
115. 

medialis    115. 

Epistropheus  18. 
Erbsenbein  128. 
Extremitas  inferior  141. 

—  superior  106. 
Extremitäten   105. 


F. 

Facies   articularis   atlantis  19. 
epistrophei  posterior  19. 

fibularis  161. 

inferior  atlantis   14. 

malleolaris   162. 

-  auricularis  2r,    142,    [43. 

-  lunata   144. 

-  patcllaris    154. 
symphyseos   142. 

Felsenbein  55. 
Femur  153. 
Fersenbein   176. 
Fersen-Würfelbeingelenk     1S2. 
Fibrocartilaymi/s     interverte- 

brales  xi. 
Fibrocartilago  8. 

-  navicularis  182. 
I  il'iil.i    11.2. 
Fingergelenke   1  |8. 
Fingerknochen    1  30. 

Fissura  petrosquamosa  56,  37. 

pel  ro1 5  mpanii  .1  .57 

tympanii  o-mastoidi  ,1  59. 
Flügelfortsatz  .5.}. 
Flügelgaumengrube  '17. 
1  1  mtanellen  6 3,    too,    ioi, 
Fontanellknochen   [03. 
Fonl ii  uli  63,    um . 
I  1 .1.1111. 11  .  aei  um  6  ; 
—  costotransversarium  3c, 

iiuiM\  um   75. 

infraorbitale  72. 

intervertebrale   >;,   15. 

in,  in.i.ii,  um  majus   1  j8. 
minus    1  |S. 


Foramen  laccrum  91. 

—  mandibulare  82. 

—  obturatum   144. 

—  occipitale  magnum  47. 

—  opticum   52. 

—  ovale  53. 

—  palatinum   majus   80. 

—  parietale  62. 

—  rotundum  52. 

—  sinuum  sphenoidalium  52. 

—  sphenopalatinum  80. 

—  spinosum  $2. 

—  stylomas^oideum  57,   58. 

—  transversarium    II,      17. 

—  vertebrale   14. 

—  zygomatico-faciale  78. 
orbitale  78. 

—  —  -temporale  78. 
Foramina  alveolaria  72. 

—  ethmoidalia  67. 

—  mastoidea  58. 

—  nasalia  71. 

—  palatina  minora  80. 

—  sacralia  20. 
Fossa  6. 

—  acetabuli    141. 

—  canina  72. 

—  condvl'iidc.-i     pi. 

—  coronoidea    114. 

—  cranii  anterior  90. 

media  90. 

posterior  90. 

—  digastrica  82. 

—  glandulae   lacrimalis  64. 

—  glenoidalis  9. 

—  hypophyseos  .51 . 

—  iliaca  142. 

—  infraspinata  107. 

—  infratemporalis  97. 

—  intercondyloidea   154,    161. 

—  jugularis  37. 
mandibularis  59. 

-  olecrani   1 1  |. 
Poplitea    171. 

—  ptei  j  gi  lidea  g  |. 
pterygopalatina  .17. 
radialis   1 1  \. 

—  sacci  lacrimalis   7".   73. 

—  scaphi  üdea  g  |. 

ill  Ml'.  II  '!..     S1'.    i>i  • 

—  subsi  apulaj  1-   1 

—  supra  meatum  60, 

—  supr.ispin.il. 1    107. 
temporalis  .17. 

—  trochanterica   153. 
Fossae  mentales  81. 

trosa  57. 
Fovea  '.. 


Fovea  costalis  inferior  15. 

Processus  transversi  16. 

superior  15. 

—  pterygoidea  83. 

—  trochlearis  64. 
Freie  Extremität  113. 
Frons  90. 
Führungslinie  149. 

Fuß,  Bänder  zwischen  hinterem 
und  vorderem  Teil  1S5. 

—  im  ganzen  189. 

—  Pronation  187. 

—  Sesambeine  179. 

—  Supination  187. 

Fuß  wurzel,  Bänder  am  hiuteren 
Teil  184. 

—  Bänder   am    vorderen   Teil 
186. 

—  Gelenke   und    Bänder    1S0. 

—  Haft-  und  Unterstützungs- 
bänder 183. 

Fußwurzelknochen    175. 
Fußwurzel-Mittelfußgelenke 
182. 


G. 

Gaumenbein   79. 
Gaumenspalte  76. 
Gehörgang,  äußerer  60. 
Gelenk  8. 

—  einfaches  9. 

—  straffes  9. 

—  zusammengesetztes  y. 
Gelenke,   Bau   1 1 . 

—  bewegliche  9. 

—  straffe  9. 
Gelenkenden,   Formen  8. 
i  Jelenkfortsätze   15. 
Gelenkhöhle   12. 
Gelenkkapseln  8,   10. 
Gelenkkopf  9. 
Gelenklippen   11. 
Gelenkpfanne  9. 

i  ielenkschmiere   1 2. 
Genu  recurbatum   1  72. 
valgum   172. 

\  .11  um    1  72. 

htssi  h  idel   88,  92. 
Ginglymus  9. 
Glabella  64. 
Gliedmaßen   105. 
Griffelfortsatz  57. 
Großes  vieleckiges  Bein  128. 
Gürtel  dir  oberen  Extremität 
106. 

—  der  unteren  Extremität  141. 

13» 


196 


Sachregister. 


H. 

Hackenfuß  192. 
Hahnenkamm  67. 
Hakenbein   128. 
Halbgelenk  8. 
Halswirbel   16. 
Hamulus   lacrimalis  70. 

—  pterygoideus   54. 
Hand  im  ganzen   139. 

—  Knochen  126. 
Handwurzel,     Gelenke     und 

Bänder   131. 

—  Haftbänder   134. 
Handwurzelknochen   126. 
Harmonia  7,   100. 
Hasenscharte  76. 
Hautskelet  3. 

Hiatus   canalis   facialis   56. 

—  maxillaris  y^. 

—  sacralis  21. 

—  semilunaris  68. 
Hilfsbänder  10,    11. 
Hinterhaupt  90. 
Hinterhauptsbein  47. 

—  Basalteil  47. 

—  Schuppe  49. 

—  Seitenteile  48. 
Hirnschädel  88,   89. 
Hüftbein  141. 
Hüftbeine,  Bänder  145. 
Hüftgelenk  156. 
Hüftgelenksluxation,     ange- 
borene  145. 

Humerus   113. 
Hypsicephalen  98. 


I. 

Impressio  6. 

—  trigemini  56. 
Impressiones   digitatae  90. 
Incisura  6. 

—  acetabuli  144. 

—  fibularis  161. 

—  ischiadica  142. 

—  jugularis  48,   56. 

—  lacrimalis  73. 

—  mandibulae  82. 

—  mastoidea  59. 

—  parietalis  59. 

—  radialis  ulnae  119. 

—  sacro-ischiadica  148. 

—  scapulae  107. 

—  semilunaris  ulnae   119. 
■ —  sphenopalatina  80. 

—  supraorbitalis  64. 


Incisura  ulnaris  radii  120. 
—  vertebralis   14. 
Indices  99. 
Infundibulum  68. 


J- 

Jochbogen  59,   77. 
Jochfortsatz  59. 
Juga  alveolaria  74. 

—  —  mandibulae  81. 

—  cerebralia  90. 


K. 

Kahnbein  127,    177. 
Kahn-Keilbeingelenk  182. 
Kapselspanner  10. 
Keilbein  51. 

—  großer  Flügel  52. 

—  kleiner  Flügel  52. 

—  Körper  51. 
Keilbeine   177. 
Kiefergelenk  85. 
Kinnbildung  83. 

Kleines   vieleckiges   Bein    12S 
Klumpfuß   192. 
Kniegelenk   163. 

—  Bewegungen   169. 
Kniekehle   171. 
Kniescheibe  160. 
Knöchelgelenk  180. 
Knochen,  Architektur  6. 

—  ausgebildeter  4. 

—  des  Fußes   174. 

—  Dornen  6. 

—  Eindrücke  6. 

—  Einschnitte  6. 

—  Elastizität  6. 

—  Entstehung   3. 

—  Festigkeit  6. 

—  Firsten  6. 

—  Fortsätze  6. 

—  Furchen  6. 

—  Fuge  8. 

—  Gruben  6. 

—  Höcker  6. 

—  Höhlungen  6. 

—  Material  3. 

—  Nähte  7. 

— :  Rauhigkeiten  6. 

—  Regeneration  4. 
Knochenstruktur  99. 
Knochen,   Suturae  7. 

—  Verbindungen  7. 

—  Vorsprünge  6. 


Kopfbein  128. 
Kranznaht  100. 
Kreuzbein  20. 
Kugelgelenk  10. 


Labrum  glenoidale   n. 
Labyrinthus     ethmoidalis     67. 

—  osseus  96. 
Lambda  101. 
Lambdanaht  101. 
Lamina  cribrosa  67. 

—  fibrocartilaginea     inter- 
pubica  148. 

—  orbitalis  74. 

—  pap3'racea  67. 

—  perpendicularis  67. 

—  vitrea  104. 

Laminae    fibro-cartilagineae 
volares  138. 

Lendenwirbel  17. 

Leptoprosopie  98. 

Ligamenta    s.    auch   Ligamen- 
tum. 

Ligamenta  accessoria  10,   138. 

—  alaria  28. 

—  cruciata  165. 

—  basium    interossea  187. 

ossium  metacarpea  136. 

— metatarsalium     186. 

— plantaria    187. 

—  capitulorum  costae  radiata 

39- 

—  carpometacarpea    dorsalia 

L35- 

—  collateralia  manus  138. 

—  —  pedis  189. 

radiale  135. 

ulnare   135. 

—  costoxiphoidea  41. 

—  flava  25. 

—  glenohumeralia   117. 

—  intercarpea     dorsalia     135. 
volaria  136. 

—  intercostalia  externa  41. 

—  intercuneiformia   dorsalia 
186. 

interossea  187. 

—  interspinalia  26. 

—  intertransversaria  26. 
- —  malleoli  lateralis  180. 

—  metacarpea  volaria  136. 

—  naviculari-cuneiformia  dor- 
.  salia  186. 

—  propria   12. 

—  —  scapulae  110. 


Sachregister. 


107 


I        inenta    stcrnocostalia    ra- 
diata  40. 

—  tarsometatarsalia     dorsalia 
186. 

t.n  50mi  t  itarsalia  plan: 
187. 

—  transversa  capitulorum  13S. 
pedis  188. 

imentum     s.     auch    Liga- 
menta. 
Ligamentum  accessorium  plan- 
tare   ! 

—  anulare  radii  122. 

-  apicis  dentis  29. 

—  arcuatum  169. 
pubis    1  (.8. 

—  bifurcatum   185. 

—  calcaneo-cuboidcum  dor- 
sale  185,   186. 

— plantare   186. 

fibulare   184. 

-naviculare  181. 

dorsale   185. 

plantare   186. 

tibialc   1S4. 

—  capitato-hamatum   133. 

-  capituli  costae  interarticu- 
lare  38. 

fibulac   173. 

—  carpi  arcuatum  dorsale  [35. 

-  volare   135. 

radiatum   136. 

transversum    135. 

—  carpo-metacarpeum     inter- 
osseum    [34. 

-  collaterale  fibulare  168. 
tibialc   168. 

radiale  122. 

ulnare    122. 

-  colli  costae   39. 

-  conoideum    1  t  1 . 

-  coracoacromiale   110. 

-  coracoclaviculare   tu. 

anterius  1 1 2. 

-  coracohumerale   1  1  7. 

-  costoclaviculare   1 1 2. 
costotransversarium     anti 
rius  39. 

posterius    :■• 
cruciatum  atlantis  28. 

culi(iidei)Ua\  lenlare    187. 

cuboideonaviculare  doi  alt 
186. 

—  euneoeuboideum    dorsale 
t86. 

interosseum   187. 
dorsale  186. 

—  —   plantare    |S;. 


Ligamentum     eunco-metatar- 

!];.      I   -  7. 

—  deltoideum   184. 

—  iliofemorale  158. 

—  iliolumbale   1  1  7. 

—  interclaviculare   112. 

—  intercostale     internum     39. 

—  interosseum    132. 

lunato-pyramidalc    132. 

scaphoideum  132. 

—  tschiofemorale  158. 

—  longitudinale    anterius    24. 
posterius   24. 

—  lumbocostalc  39. 

—  lunato-scaphoideum   132. 

—  naviculari-euneiforme  plan- 
tare 187. 

—  nuchae  26. 

—  patellac   168. 

—  pisohamatum   136. 

—  pisometacarpeum  136. 

—  plantare  longum   185. 

—  ptcrygospinosum  85. 

—  pubicum  superius   148. 

—  pubofemoralc  158. 

—  radiocarpeum   dorsale    1-4. 

—  volare   134. 

—  sacroiliacum    anterius    146. 

interosseum   147. 

posterius   147. 

—  sacrospinosum    147. 

—  sacrotuberosum   1  1  -. 

—  sphenomandibulare  86. 

—  sternoclaviculare   anterius 
1 1 2. 

posterius    112. 

—  sternocostale     interarticu- 
lare  40. 

—  st\  lohyoideum  S7. 
stylomandibulare  86. 

—  supraspinale  26. 

taloi  alcaneum  anterius  1  85. 

interosseum    185. 

laterale   185. 

mediale   1  - 

posterius   1  >ss. 

talofibularc   [84. 
posterius    [84. 

1  alona'N  i<  ulare  dorsali 

—  talotibiale   [84. 

—  temporomandibulare  85. 

—  tetes    femoris    13  7- 

tibio  talo-na\  iculare   18  |. 
-  transversum  acetabuli   1  ;6. 

—  —   atlantis    28. 

— .  -     genus   1 1 

scapulae    inferius     1 1". 

superius    1 


Ligamentum  trapezoideo-capi- 
tatum  133. 

—  trapezoideum   m. 

—  trapezo-trapezoideum    133. 

—  tuberculi  costae  superior  39. 

—  ulnocarpeum    135. 
Limbus  alveolaris  74. 

—  sphenoidalis  51. 
Linea  arcuata  142. 

—  aspera   153. 

—  glutaea    1  13. 

—  intercondyloidea   154. 

—  mylohyoidea  82. 

—  obliqua  femoris   154. 
mandibulae  82. 

—  Poplitea  161. 

—  temporalis   inferior   59,   62. 
superior  62. 

—  terminalis  149. 
Lineae  nuchae  49. 
Lingula  mandibulae  82. 

—  sphenoidalis    52. 
I.isfrancsches  Gelenk  183. 
Louisscher  Winkel  45. 


M. 

Malleolus  lateralis    [62. 
Mandibula  81. 
Manubrium  sterni  37. 
Margo  lacrimalis   73. 

—  lambdoideus  49. 

—  mastoideus  49. 

-  supraorbitalis  64. 
Massac  laterales  1  5. 
Maxilla  72. 

—  incisura  nasalis   72. 

—  Processus   alveolaris    74. 

—  proeessus    front  dis 

palatinus    75. 

zygomaticus  7  \. 

Meatus  acusticus  externus  6o, 

96. 

—  —  internus   56,   96. 

—  nasi   68,  94. 

intci  Lor   69 

medius  69. 

Mei  kelscher  Kumpel  83. 
Membrana.-    atlanto-epistri 
phicae  20. 

—  —   -oeeipitales    29. 

—  im  12. 

— -  —  antebrachii   124. 
,  1  inis   174. 

obturatoria   1  1  s 

sterni    |i. 
torio   -•■! 


198 


Sachregister. 


Meniscus  articularis   u. 

—  lateralis   164. 

—  medialis   164. 
Mittelfußgelenke  182. 
Mittelfußknochen  178. 
Mittelfuß-Zehengelenke  188. 
Mittelhandfingergelenke   137. 
Mittelhandknochen  129. 
Mondbein   127. 
Mundhöhle  96. 

Muscheln  66. 


N. 

Nähte  100. 
Nasenbein   71. 
Nasenhöhle  93. 
Nasion  101. 
Neurocranium  46. 
Normalconjugata  149. 
Nucleus  pulposus  22. 
Nußgelenk  10,   156. 


0. 

Oberarmbein  113. 
Obere  Extremität  106. 
Oberkieferbein  72. 
Oberschenkelbein  153. 
Oberschenkelkopf  153. 
Occiput  90. 
Ohrenhöhle  96. 
Olecranon  119. 
Orbita  94. 
Orthocephalen  98. 
Orthognathie  98. 
Os  acetabuli  145. 

—  capitatum   128. 

—  coccygis  21. 

—  costale  35. 

—  coxae   141. 

—  cuboideum  177. 

—  ethmoidale  66. 

—  frontale  63. 

margo   parietalis   63. 

pars  nasalis  64. 

partes  orbitales  63. 

—  hamatum  128. 

—  hyoideum  87. 

—  ilium  142. 

—  incisivum  74. 

—  ischii  143. 

—  lacrimale  69. 

—  lunatum  127. 

—  nasale  71. 


Os  naviculare  177. 
manus   127. 

—  occipitale  47. 

—  occipitale,     pars    basilaris 

47- 
partes  laterales  48. 

—  palatinum  79. 

Processus  orbitalis  80. 

Processus     pyramidalis 

80. 
sphenoidalis  80. 

—  parietale  61. 

angulus  frontalis  62. 

mastoideus  62. 

occipitalis  62. 

sphenoidalis  62. 

margo  frontalis  62. 

occipitalis  62. 

sagittalis  62. 

squamosus  62. 

—  petrosum  55. 

—  pisiforme   128. 

—  pubis  143. 

—  pyramidale  127. 

—  sacrum  20. 

—  sphenoidale  51. 

ala  magna  52. 

; —  parva  52. 

corpus  51. 

—  suprasternale  43. 

—  temporale  55. 

—  trapezium   128. 

—  trapezoides   128. 

—  trigonum   178. 

—  tympanicum  56. 

—  zygomaticum  77. 
Ossa  antebrachii  118. 

—  carpi  126. 

—  cruris  160. 

—  cuneiformia  177. 

—  epactalia  101. 

—  metacarpi  129.   • 

—  metatarsalia  178. 

—  pedis   174. 

—  sesamoidea  130. 
pedis  179. 

—  suturarum  101. 

—  tarsi  175. 
Ossicula  mentalia  83. 


P. 

Pars  alveolaris  mandibulae  81. 

—  mastoidea  58. 

—  squamosa  59. 
Patella   160. 


Pecten  carinatum  44. 

—  ossis  pubis   142. 
Pelvis  148. 

—  major  148. 

—  minor  149. 
Pericranium  99. 
Pes  calcaneus  192. 

—  equinus   192. 

—  valgus  192. 

—  varus  192. 
Pfeilnaht  100. 
Pflugscharbein  70. 
Phalanges   130. 

—  pedis  179. 
Plana  temporalia  90. 
Planum  nuchale  49. 

—  occipitale  49. 

—  popliteum   154. 

—  sternale  41. 

—  temporale  97. 
Plattfuß   192. 
Platycemie   163. 
Plicae  alares   166. 

—  synoviales   n. 

Plica  synovialis  patellaris  166. 
Porus    acusticus    externus    96. 

internus  56,   96. 

Primordialcranium  46. 
Processus  6. 

—  accessorius   16,   18. 

—  alaris  67. 

—  articulares   15. 

—  asteriacus  61. 

—  clinoidei  posteriores   51. 

—  clinoideus  anterior  52. 

—  condyloideus  48. 
mandibulae  83. 

—  coracoideus   107. 

—  coronoideus  83. 
ulnae  119. 

—  costarius   17. 

—  ethmoidalis  69. 

—  falciformis   147. 

—  intrajugularis  48,  56. 

—  jugularis  48. 

—  lacrimalis  69. 

—  lateralis  tali  175. 

—  mamillaris  16,   18. 

—  mastoideus  58. 

—  maxillaris  69. 

—  paramastoideus  49. 
1 —  posterior  tali  175. 

—  pterygoideus  53. 

—  pterygospinosus    (Civinini) 

.  55- 

—  retromastoideus  50. 

—  spinosus  15. 


Sachregister. 


199 


Processus  styloideus  57. 

mctacarpi  III   129. 

radii   120. 

ulnae  119. 

—  supracondyloideus   115. 

—  trans  versus   15. 

—  trochlearis  177. 

—  tubarius  54. 

—  uncinatus  68. 

—  vaginalis  54. 

—  xiphoideus  37. 

—  zygomaticus  59,   64. 
Prognathie  98. 
Promontorium  31,   149. 

—  doppeltes   15.:. 
Pronation  126. 
Protuberantia  mentalis   81. 

—  occipitalis  externa  49. 

interna  40. 

Pseudarthrosc  8. 
Pterion   101. 
Pyramidenbein  127. 


Querfortsatz  15. 


Radius  119. 

Radix  arcus  vertebrae    14. 

—  nasi  93. 

Kanins  mandibulae  82. 
Recessus  saeeiformis  122,  125. 
splii'Mnel  lim.  >icl;ilis   w  |. 

Kell'    ,11  I  I.  ul.llV     1  j. 

Retinacula  patellae  168. 

Kit  111.M  1 1 1 11111   lienuirnl  1  arcu.it  1 
169. 

Rippen  35. 

Bandapparal   38. 

I  tänder  am  di  irsalen  I  <  - 1 1  38. 

—  Bänder  am    ventralen   Teil 
40. 

Rollgelenk  9. 
Rollhügel   [53. 

Roser-Nelatonsche    l  inie    160. 
Rostrum  sphenoidale   52. 
Rumpfskelel    13. 


Sattelgelenk   10. 
Scaphocephalus  103. 
Scapula   100. 


Schädel  46. 

—  Altersunterschiede   102. 

—  Bandverbindungen  84. 
Schädeldeckc  89. 
Schädelformen  97. 
Schädclgrund  89. 
Schädel  im  ganzen  88. 

—  praktische  Bemerkungen 
103. 

—  Rasseverschiedenheiten  98. 

—  Varietäten  103. 

Schädellehre  89. 
Schaltknochen   100,  101. 
Schambein   143. 
Schambeinkamm   142. 
Scham  fuge  148. 
Scheitel  90. 
Scheitelbein  61. 
Schienbein  161. 
Schläfenbein  55. 

—  Pyramide  55. 
Schläfengrube  97. 
Schleimbeutel  11. 
Schlüsselbein  109. 
Schraubengelenk  9. 
Schulterblatt  106. 
Schultergelenk  116. 

—  Labrum   glenoidale   116. 

—  Bandapparat  110. 

—  Gelenke   111. 

—  Hilfsbänder   1 1 1 . 
Schuppenteil  59. 
Schwcrlinie  des   Körpers   ^,2. 
Scoliose  34. 

Seitliche   Massen    15. 
Sella  turcica  51. 
Scptum  nasi  osseum  93. 
Sesambeine  130. 
Siebbein  66. 
Sicbbeinlabx  rinth   67. 
Sinn-,  frontalis  65. 

—  maxilluris   75. 
sphenoidales   s-- 

—  tarsi   1  7'  >. 
Sitzbein   1  13. 

Skelel .  1  Gestaltung  5. 
Spatia   intercostalia    \:. 

—  interossea   manu-,   1 29. 

he   1  ml 

Spina    6. 

—  cristae  tliai  ae   1  (2. 
frontalis  6 1. 
iliaca    1  1  j. 

—  mentalis   82. 

—  m.    recti    lateralis   53. 

—  nasalis   anterior    75. 

— ■  —  posterior   79. 


Spina      (Processus)      tympani 

anterior  60. 
posterior  60. 

—  recti  lateralis  ^^. 

—  scapulae  107. 

—  supra  meatum  60. 

—  trochlearis  64. 
Spitzfuß   192. 
Splanchnocranium  46. 
Sprungbein   175. 
Sprungbeingelenk,     hinteres 

181. 

—  oberes  180. 

—  vorderes  1S1. 
Squama  frontalis  63. 

—  occipitalis  49. 
Steißbein  21. 
Stephanion    101. 
Sternum  37. 
Stirnbein  63. 
Stirne  90. 
Stirnglatze  64. 
Stimhöcker  64. 
Stirnhöhlen  64,  65. 
Stirnnaht   100. 
Substantia  compaeta  6. 

—  spongiosa  6. 
Sulcus  6. 

—  arteriac    occipitalis    59. 
subclaviae  36. 

—  calcanei  176. 

—  caroticus  51. 

—  chiasmatis  51. 

—  costalis   36. 

—  ethmoidalis  71. 

—  hamuli  54. 

—  iniraorbitalis  73. 

—  intertubercularis   114. 

—  lacrimalis  70,   73. 

—  malleolaris  60. 

—  malleoli  lateralis   [62 

—  malleoli  medialis   im. 

—  m.    flexoris    ballucis    longi 

1  7"- 
peronaei  longi  170.  1-7. 

—  myloliv  oideus  82. 

nervi    petrosi    superficialis 
majoris  56. 

— ■  —   radialis    114. 

ulnaris   1 1  5, 

—  obturatorius   1  1 1. 

—  paraglenoidalis  1  \6. 

—  petrosus  inferior    j8,    56. 
superior  56. 

pterygo-palatinus    54,    73, 
So 

Utahs   50,    62 

—  tali   1  70. 


200 


Sachregister. 


Sulcus  tympanicus  60. 
Supercilium  acetabuli  143. 
Supination  126. 
Sustentaculum  tali  176. 
Sutura  coronalis   100. 

—  frontalis  100. 

—  incisiva  75. 

■ —  infraorbitalis  74. 
transversa  76. 

—  lambdoidea  101. 

—  mendosa  50. 

—  palatina  mediana  75. 
transversa  75,   79.' 

—  sagittalis  100. 

—  serrata  7,   100. 

—  squamosa  7,   100. 
Symphysis   ossium  pubis   148. 

—  sacrococcygea  23. 
Synarthrosis  8. 
Synchondrosis  8.  ■ 

—  petrooccipitalis  84. 

—  sphenopetrosa  84. 
Syndesmosis  S.- 
Synovia 12. 


Talus  175. 

Tegmen  tympani  56. 

Thorax  41. 

Thyrsocephalus  103. 

Tibia  161. 

Torus  occipitalis  50. 

Träger  18. 

Tränenbein  '69. 

Trichterbrust  44. 

Trigonum  palatinurn  72. 

Trochanter  153. 

—  tertius  154. 
Trochlea  humeri  114. 

—  tali  175. 
Tubera  frontalia  64. 
Tuberculi  humeri  113,   114. 
Tuber  6. 

—  calcanei  176. 

—  ischiadicum  142. 

—  parietale  62. 
Tuberculum  6. 

—  articulare  59. 


Tuberculum  costae  35. 

—  jugulare  48. 

—  Lisfranci  36. 

—  mentale  81. 

—  obturatorium  144. 

—  pharyngeum  48. 

—  pubicum  142. 

—  scaleni  36. 

—  sellae  51. 

—  supracondyloideum  154. 

—  supramastoideum  posterius 
61. 

Tuberositas  6. 

—  costae  II  36. 

—  deltoidea  114. 

—  glutaea  154. 

—  iliaca  143. 

—  malaris  78.. 

—  masseterica.  82. 

—  ossis  cuboidei  177. 

metatarsalis  primi   179. 

quinti  179. 

navicularis  177. 

—  Processus  transversi  16. 

—  pterygoidea  82. 

—  radii.  119. 

—  tibiae  161. 

—  ulnae  119. 

— -  unguicularis  130. 


U. 

Ulna  119. 

Unterarm,  Haftbänder  124. 
Unterarmknochen  118. 
Untere  Extremität  141. 
—  Muschel  69. 
Unterkiefer  81. 
Unterschenkelknochen  160. 
Unterschläfengrube  97. 


V. 

Vertebra  prominens  17. 
Vertebrae  cervicales  16. 

—  lumbares   17. 

—  thoracicae  15. 


Vertex  90. 

Villi  synoviales   11. 

Vomer  70. 

W. 

Wadenbein   162. 
Wadenbeinköpfchengelenk 

Wangenbein  77. 
Warzenfortsatz  58. 
Warzenteil  58. 
Winkelgelenk  9. 
Wirbel,   Bandscheiben  22. 
Wirbelbogen   14. 

—  Bänder  25. 
Wirbeldornen,    Bänder    26. 
Wirbel,  Faserring  22. 

—  Gallertkern  22. 
Wirbelkanal  14,  33. 
Wirbelkörper  14. 

—  Bänder  22. 
Wirbelloch   14. 

Wirbelquerfortsätze,  Bänder  26. 
Wirbelsäule   14. 

—  Altersunterschiede  33. 

—  Bandapparat  am  cranialen 
Ende  27. 

am  caudalen  Ende    30. 

—  Bänder  22. 

—  Belastung  31. 

—  Beweglichkeit  32. 

—  Geschlechtsunterschiede  33. 

—  im  ganzen  31. 

—  Krümmungen  31. 
-  Länge  31. 

Wirbel,   Struktur  21. 
Würfelbein  177. 


Z. 

Zehengelenke  189. 
Zehenknochen  179. 
Zona  orbicularis   137. 
Zungenbein  87. 
Zwerchfellphänomen  45. 
Zwischenkiefer  74. 
Zwischen  wirbelloch   15. 


~ 


\'erlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 

Grundriss 

der 

Chirurgisch  topographischen  Anatomie 

mit  Einschluss  der 

Untersuchung  am  Lebenden. 

Von 

Geh.  Med.-Rat  Dr.  Otto  Hildebrand, 

ord.  Professor  der  Chirurgie  an  der  Universität  Berlin. 

Dritte  verbesserte  und  vermehrte  Auflage. 

Mit  10-1  leih  mehrfarbigen  Abbildungen  im   Text. 

Preis  gebunden  Mk.  12.60. 


Verfasser  gibt  eine  klare,  gut  verständliche  Darstellung  i.' er  topo- 
graphischen Anatomie,  wie  sie  für  den  Chirurgen  die  Grandlage  bei  den 
Operationen  bilden  soll.  Der  grosse  Vorteil  des  Buches  besteht  darin,  dass 
die  trockene  Materie  durch  eine  anschauliche  Schilderung  der  Untersuchungs- 
methoden am  Lebenden  ergänzt  wird.  Ferner  gibt  der  Verfasser  nicht  nur 
eine  Beschreibung  der  anatomischen  Verhältnisse  der  einzelnen  Körperregionen, 
sondern  er  schildert  gleichzeitig  die  für  die  einzelnen  Operationen  wichtigen 
Lymphbahnen,  wodurch  eine  den  modernen  Ansprüchen  genügende  Chirurgie 
der  bösartigen  Geschwülste  erleichtert  wird.  Ausserdem  ist  jedem  Kapitel  des 
Buches  eine  Darstellung  des  Nervensystems  der  verschiedenen  Körpergegeuden 
angefügt  worden.  Eine  grosse  Anzahl  guter  Abbildungen,  die  teilweise  mehr- 
farbig sind,  bilden  eine  wertvolle  Ergänzung  des  vorliegenden  Grundrisses, 
dem  die  weiteste  Verbreitung  unter  den  Chirurgen  und  Studenten  zu 
wünschen  ist.  Medissinüche   Klinik. 

Vor  uns  liegt  eine  neue  Auflage  von  II  i  1  d  ob  ra  n  d  s  Grundriss  der 
chirurgisch-topographischen  Anatomie.  Ein  Buch,  das  sich  so  viele  Freunde 
erworben  hat,  wird  jedermann  mit  grossem  Interesse  zur  Hand  nehmen  und 
studieren,  wenn  es  in  mm jiinutrr  l'onn  uns  dargeboten  wiitl.  Line  Neubearbeitung 
und  Ergänzung  war  nötig  geworden,  denn  in  den  let/.ten  zehn  Jahren  entstand 
manche  neue  Operation  und  winde  manche  netio  Technik  geübt,  die  zu  neuen 
Gesichtspunkten  in  der  Lagebe/.iehung  der  einzelnen  Orgaue  zueinander  führten. 
Zahlreiche  lo-ne  Abbildungen  sind  hinzugekommen,  namentlich  bei  den  llnut- 
nerven  und  Lymphbahnen, 

Die  äussere  Ausstattung  ist  vorzüglich,  der  Preis  dabei  so  gering,  dass 
das  Buch  nicht  nur  für  den  Chirurgen,  sondern  auch  ganz  besonders  für  den 
Studierenden  in  Betracht  kommt.  Gerade  der  angehende  Arzt  wird 
aus  dem  Buche  lernen,  wie  man  die  Topographie  am  Lebenden 
studieren    kann,   so   weit    das   möglich    ist. 

Deutsche  Zeitschrift  f.  Chirurgie. 


.L. 


II 

_ — .  -. 

Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 


Lehrbuch 

der 

Ohren-,  Nasen-  und  Kehlkopf- 
Krankheiten. 

Von 

Geh.  Med.-Rat  Dr.  Otto  Körner, 

o.  ö.  Professor  der  Medizin  und  Direktor  der  TJniversitäts-Ohren-  und  Kehlkopf-Klinik 

in  Rostock. 

Dritte,  völlig  umgearbeitete  und  vermehrte  Auflage. 

Mit  219  Texlabbildungen  und  1   Tafel. 
Preis  gebunden  Mk.  11.—. 

Aus  Besprechungen: 

Von  dem  beliebten  Lehrbuch,  dessen  1.  Auflage  im  Jahre  1906  erschien, 
liegt  nun  die  3.  Auflage  vor.  K.  hat  die  Kapitel  über  Nasen-  und  Kehlkopf  krank- 
heiten  in  dankenswerter  Weise  erweitert.  Trotzdem  bleibt  sein  Lehrbach  noch 
immer  eines  der  kompendiösesten,  und  es  gehörte  die  reiche  persönliche  Erfahrung 
und  die  vollendete  Darstellungsweise  des  akademischen  Lehrers  dazu,  um  auf  so 
knappem  Raum  alles  für  den  Praktiker  Wichtige  zu  bringen.  Ein  besonderer 
Vorzug  liegt  daviu,  dass  es  K.  nicht  nur  gelungen  ist,  dieses  Postulat  zu  erfüllen, 
sondern  dass  er  es  auch  verstanden  hat,  dem  NichtSpezialisten  zu  zeigen,  wo  er 
sich  aus  didaktischen  Gründen  beschränkt  und  das  Thema  nicht  erschöpfen  will. 
Auf  diese  Weise  wird  das  Buch  nicht  nur  der  Einführung  in  die  Spezialdisziplin 
dienen,  sondern  auch  zur  Vertiefung  der  Kenntnisse  anregen. 

Schmidts  Jahrbücher  für  die  gesamte  Medizin. 

Das  günstige  Urteil  des  Ref.  über  die  beiden  ersten  Auflagen  des  Körner- 
schen  Lehrbuches  gilt  in  vollem  Masse  auch  für  diese  dritte  Auflage.  Den  von 
verschiedenen  Kritikern  ausgesprochenen  Wünschen  nach  einer  Vervollständigung  des 
rhinologischen  Teils  ist  Verf.  in  auerkennenswerter  AVeise  nachgekommen.  Es  wurde 
eine  Beschreibung  der  Autoskopie,  der  Tracheo-,  Bronchoskopie  und  der  endolaryn- 
gealen  Operationsmethoden  neu .  eingefügt  und  verschiedene  andere  Kapitel  wie  die 
über  die  Erkrankungen  der  Nasennebenhöhlen  und  über  die  Fremdkörper  in  den 
tiefen  Luftwegen  völlig  umgearbeitet.  Auch  die  neue  Auflage  ist  im  wesentlichen 
für  Allgemeinpraktiker  und  Studierende  bestimmt,  ist  aber  auch  für  Ohren-  und  Kehl- 
kopfärzte wertvoll,  da  es  manche  anderweitig  nicht  veröffentlichte  Erfahrungen  und 
Ansichten  des  Verf.  enthält.  Berliner  klinische  Wochenschrift. 


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Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in   Wiesbaden. 

Grundriss 

der 

pathologischen   Anatomie. 

Von 

Professor  Dr.  Hans  Schmaus  in  München. 
Zehnte  Auflage. 

Neu  bearbeitet  und  herausgegeben  von 

Professor  Dr.  Gotthold  Herxheimer  in  Wiesbaden. 

Mit   752  gronslentelU  farbigen  Abbildungen  Im  Text  und  auf  7  Tafeln. 

Preis  gebunden  Mk.  18.—. 


Wenn  man  die  neue  Auflage  des  Grundrisses  durchblättert,  so  könnte  man 
fast  glauben,  ein  völlig  neues  Werk  vor  sich  zu  haben.  Während  näm- 
lich die  früheren  Auflagen  nur  wenige  makroskopische  Abbildungen  enthielten  und 
auch  die  9.  Auflage  deren  kaum  100  zählte,  sind  in  der  vorliegenden  die  anatomi- 
schen Abbildungen  um  nicht  weniger  als  über  200  vermehrt  worden.  I > i •  -  meisten 
dieser  Abbildungen  sind  nach  photographischen  Aufnahmen  hergestellt  und  in  hohem 
Masse  geeignet,  den  Text  zu  heieben,  sein  Verständnis  zu  erleichtern  und  das 
Interesse  des  Lesers  zu  wecken. 

.  .  .  Auch  der  Text  hat  sehr  wesentliche  Änderungen  erfahren.  Zahlreiche 
Kapitel,  wie  namentlich  über  Verfettung,  Aneurysmen,  Nierenentzündungen,  Wirbel- 
säulenverkrümmungen und  andere,  haben  eine  zum  Teil  recht  wesentlich  erweiterte 
Darstellung,   zum   Teil  auch   eine   präzisere  und   übersichtlichere  Disposition  erhalten. 

.  .  .  Man  muss  anerkennen,  dass  das  Werk  diese  Anforderungen  von  Auflage  zu 
Auflage  in  gesteigertem  Masse  erfüllt  hat  uud  es  ist  daher  auch  nicht  zu  zweifeln, 
dass  die  vorliegende  Auflage  der  wärmsten  Aufnahme  bei  den  Studierenden  sich 
erfreuen   wird.  Münehener  med.    Wochenschrift. 

Schon  zwei  Jahre  nach  der  neunten  Auflage  ist  die  zehnte  notwendig  ge- 
worden. Dieser  Umstand  zeigt,  dass  das  Werk  durch  die  Bearbeitung  des  bekannten 
Schinaub'schen  Lehrbuches  in  seiner  Beliebtheil  nicht  verringert  wurde,  sondern  im 
Gegenteil  vielleicht  eher  noch  gestiegen  ist.  Diese  neue  Auflage  bringt  nun  inso- 
fern eine  wesentliche  Verbesserung,  als  die  Abbildungen  hauptsächlich  durch 
makroskopische  Darstellungen  vermehrt  wurden.  Ausserdem  sind  aber  auch  eine 
ganze  Reihe  von  Abschnitten  neu  bearbeitet  und  den  modernen  Anschauungen  an- 
gcpassl  worden.  Wir  sind  überzeugt,  dass  das  hier  in  allen  früheren  Auflagert 
ebenfalls  referierte  Werk  sieh  in  Zukunft  der  gleichen  Beliebtheit  erfreut,  wie 
bisher,  Berliner  klin.   Wochenschrift. 

„Unter  dem  Gesichtswinkel   der  Zusammenfassung   des  Zusammengehörenden 
mit  möglichster  Vermeidung  von  Wiederholungen  und  der  Klarheit  des  Ausdruckes 
wurde   das  ganze  Werk  neu  durchgearbeitet  "     II.    hat   geändert,   ergänzt,  ans-. 
Die    Abbildungen   sind    am    171    vermehrt    —   das   vortreffliche    Buch    steht    allen 
Wissbcgiorigen  in  neuer  tadelloser  Verfassung  zur  Verfügung. 

Schmidt*  Jahrbücher  der  Medizin. 


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T 


Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 

Technik  der  Pathologisch- 
histologischen  Untersuchung. 

Von 
Prof.  Dr.  Gotthold  Herxheimer, 

Prosettor  am  städt.  Krankenhaus  in  Wiesbaden. 
Preis  gebunden  21k.  10. — . 


Das  vorliegende  Werk  gibt  eine  möglichst  vollständige  Darstellung  der 
ijatkologisch-kistologisclien  Untersuchungsrnethoden,  wie  sie  hauptsächlich  in 
Instituten  und  Laboratorien  zur  Verwendung  kommen.  Aus  dem  Werke  spricht 
eine  reiche  persönliche  Ei-fahrung  des  Verfassers,  denn  wir  begesnen  an  zahl- 
reichen Stellen  wertvollen  Winken  und  Urteilen,  welche  die  Auswahl  unter 
den  verschiedenen  Methoden  erleichtern.  Wer  weiss,  wie  sehr  die  mikro- 
skopische Forschung  von  einer  guten  Technik  abhängig  ist  und  wieviel  Zeit 
hiemit  erspart  werden  kann,   wird  gerade  hiefiir  dem  Verfasser  Dank  wissen. 

Das  Herxheimersche  Werk  wird  sich  nebenden  älteren  Büchern  wohl 
rasch  einbürgern  und  jedem,- der  sich  mit  pathologischer  Histologie  beschäftigt, 
ein  ausgezeichneter  Ratgeber  sein.         Korrespondenzblatt  für  Schweizer  Ärzte. 

Taschenbuch 

der 

Medizinisch-klinischen  Diagnostik. 

Von 

Dr.  Otto  Seifert,        und        Dr.  Friedr.  Müller, 

Professor  in  Würzburg  Professor  in  München. 

Sechzehnte,  gänzlich  umgearbeitete  Auflage. 

Mit  104  teilweise  farbigen  Abbildungen. 

Preis  gebunden  Mk.  5. — . 

Das  ausgezeichnete  und  unglaublich  reichhaltige  Büchlein  von  Seifert 
und  Müller  liegt  bereits  in  der  14.  Auflage  vor. 

„Das  Buch  soll  nicht  nur  dem  Anfänger  die  Grundzüge  der  Untersuchungs- 
methoden in  leicht  fasslicher  Form  einprägen,  sondern  auch  dem  Praktikanten, 
Assistenten  und  dem  Arzt  eine  Hilfe  sein  bei  der  Krankenuntersuchung. 

Es  soll  hauptsächlich  zum  Nachschlagen  dienen,  es  will  und  darf  nicht 
die  ausführlichen  Lehrbücher  der  Diagnostik  entbehrlich  machen.  Würde  es 
diesen  Anspruch  erheben,  so  würde  es  mehr  Schaden  als  Nutzen  stiften." 

Es  gibt  wenige  Bücher,  die  dem,  was  sie  wollen,  in  so  hohem  Masse 
gerecht  werden.  Eine  Empfehlung  dieses  klassischen  Werkcuens,  das  seit 
18S6    14  Auflagen  erlebt  hat,  ist  wirklich  überflüssig. 

Yolhard-Mannheim  in    Münchener  med.    Wochenschr. 


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Yerlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 


Lehrbuch 

der 

Lokalanästhesie 

für  Studierende  und  Arzte. 

Von 
Privatdozent  Dr.  Georg  Hirschel,  Heidelberg. 

Mit  einem  Vorwort 

von 

Prof.  Dr.  Wilms,  Heidelberg. 

Mit  103  Abbildungen  im  Text. 

Preis  gebunden  Mk.  5.80. 


Aus  Besprechungen. 

Die  Lokalanästhesie  hat  bei  mehr  als  der  Hälfte  aller  Operationen  die 
Inhalationsnarkose  verdrängt,  sie  hat  dem  operierenden  Chirurgen  selbst  neue 
Aufgaben  gestellt,  die  ihn  zwingen,  sein  anatomisches  Wissen  für  diese  Zwecke 
zu  vertiefen;  dies  ist  ihm  aus  Hirsch  eis  Buche  in  bester  Weise 
möglich.  Bei  der  Beschreibung  der  Technik  finden  wir  ausser  dem  Bekannten 
vielo  gute  Ratschläge  aus  eigener  Erfahrung  des  Autors,  so  dass  auch  der 
Chirurg,  welcher  die  bisherigen  Fortschritte  des  Verfahrens  selbst  praktisch 
mit  verfolgt  hat,  vieles  Nützliche  aus  dem  Buche  lernen  kann.  Das 
lllustrationsniaterial  ist  vorzüglich,  die  Ausstattung  des  Buches  die  bewährte 
des  Be  rgm  an  tischen  Verlages,  trotzdem  der  Preis  ein  massiger. 

Präger  Medizin.    W        ntchrifl. 

Die  lokale  Anästhesie  ist  rasch  über  die  ersten  schüchternen  Anfänge 
hinausgekommen  und  hat  sich  mit  ungeahnter  Schnelligkeit  ein  Operations- 
gebiet nach  dem  andern  erobert.  Ein  Lehrbuch,  das  diese  Verhältnisse  hervor- 
hebt und  im  Anschluss  daran  die  Technik  der  lokalen  Anästhesie  schildert, 
ist  darum  nicht  nur  dem  Chirurgen  sehr  erwünscht,  sondern  für  den  praktischen 
Arzt  und  den  Studenten  ein  Bedürfnis.  Hirschel,  dein  die  lokale  Anästhesie 
selbst  manche  Förderung  verdankt,  hat  die  Aufgabe,  die  er  sich  gestellt, 
glänzend  gelöst.  Der  Text  ist  kurz  und  präzis.  Man  kann  sieh  so  rasch  vor 
jeder  Operation  orientieren  und  die  beste  Art  der  Anästhesie  för  den  jeweiligen 
Fall  wählen.  Hervorzuheben  wäre,  dass  nicht  nur  nie  grossen  l 
Berücksichtigung  linden,  sondern  auch  die  kleinen,  wie  B  die  Zahn- 
extraktionen. Ins  schein!  das  Buch  deswegen  gerade  für  den  Praktiker 
zugeschnitten  zu  sein.  Die  äussere  Ausstattung  des  Puehs  u-st  nichts  zu 
wünschen  uhrig.  l>ic  Abbildungen  sind  vorzüglich,  Form,  Druck  und  Papier 
tadellos.  Da  nun  auch  d  i  Preis  des  loehes  als  ein  sehr  massiger  zu  bezeichnen 
ist,  so  wird  es  mit   Hecht  grossen  Anklang  linden. 

Deutsche  Zeitschrift  f.   Chitin 


I 


Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 

Die  operative  Geburtshilfe 

der  Praxis   und   Klinik. 

In  zweiundzwanzig  Vorträgen 


Geh.  Med.-Rat  Dr.  Hermann  Fehling, 

ord.  Professor  der  Geburtshilfe  und  Gynäkologie, 
Direktor  der  Kaiserl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Strassburg  im  Eis. 

Zweite  umgearbeitete  und  vermehrte  Auflage. 

Mit  80  zum  Teil  farbigen  Abbildungen. 
^=^=  Preis  gebunden  Mk.  5. — .  ^^^= 

Das  Buch,  ist  als  ein  vorzüglicher  Leitfaden  für  die  Studierenden  bei 
der  Absolvieruug  des  geburtshilflichen  Operationskursus  zu  empfehlen;  auch 
der  Geburtshilfe  treibende  Praktiker  findet  in  demselben  Belehrung  über  die 
Fortschritte  der  operativen  Geburtshilfe  in  den  letzten  Jahren  und  über  den 
heutigen  Standpunkt  der  geburtshilflichen  Wissenschaft. 

Münchener  Med.   Wochenschrift. 

Physiologisches  Praktikum 

für  Mediziner. 

Von 
Dr.  med.  R.  F.  Fuchs, 

Professor  an  der  Universität  Breslau. 

Zweite  verbesserte  und  erweiterte  Auflage. 


Mit  110  Abbildungen  und  vier  Tafeln. 
Preis  gebunden  Mk,  8. — . 

Das  bekannte  Fuchs  sehe  Praktikum  der  Physiologie  hat  in  der  zweiten 
Auflage  seine  Vorzüge  und  bewährten  Besonderheiten  beibehalten,  insbesondere 
die  Zuverlässigkeit  der  Darstellung  und  ein  solches  Eingehen  auf  alle  Einzel- 
heiten und  Kleinigkeiten,  dass  der  Studierende  auch  ohne  dauernde  mündliche 
Anleitung  sich  zurechtfindet.  Der  Inhalt  ist  nicht  unbeträchtlich  er- 
weitert, und  die  Zusätze  betreffen  fast  alle  Kapitel.  Hinzuge- 
kommen ist  die  Spektraluntersuchung  des  Blutes,  die  Beobachtung  der  Blutplätt- 
chen, der  Pulsgeschwindigkeit  beim  Menschen;  die  graphische  Aufnahme  der 
Darmbewegungen,  der  Muskelermüdungskurve  des  Menschen.  Die  physiologische 
Optik  ist  um  eine  ganze  Reihe  von  neuen  Versuchen  bereichert.  Hervorzu- 
heben ist,  dass  viele  Versuche  speziell  der  Physiologie  des  Menschen  an- 
gepasst  sind.  Berliner  klin.   Wochenschrift. 


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Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 

Lehrbuch  der  topographischen  Anatomie 

für 

Studierende  und  Arzte. 
Von  Dr.  H.  K.  Corning, 

Professor  o.  o.  und  Prosektor  an  der  Universität  Basel. 

Vierte,  vollständig  umgearbeitete  Auflage. 

Mit  667  Abbildungen,  davon  420  in  Farben. 
Preis  gebunden  MI:.    16.60. 

Comings  Buch  bat  in  der  neuen  Auflage  eine  grosse  Bereicherung  an 
Text  und  Abbildungen  erfahren.  Ich  verweise  auf  die  Abbildungen  über  die 
Lage  der  Hypophysis,  über  die  Topographie  der  Gehirnventrikel  und  viele 
andere.  Auf  den  meisten  Gebieten  ist  Neues  hinzugekommen,  was  buchst  in- 
struktiv ist.  Dem  Chirurgen  bietet  das  Buch  eine  Fülle  von  Belehrung.  Durch 
die  richtige  Mischung  von  Text  und  Abbildungen,  und  durch  die  Vorzüglich- 
keit beider  ist  das  Buch  zurzeit  das  beste,  was  wir  besitzen. 

Jahresbericht  für  Chirurgie. 


Duet.  paroticus 


Glnnd.  parotis 


M.  masseter 


M.  buccinator 


Fig.   115. 


A.  maxUl.  Bit, 
Lymphoglandulae  bueoinatoriae  auf  der  äusseren   Fläche  des 
M,  buccinator   und   des   Unterkiefers  (a,  b,  c). 


Das  Buch  ist  mit  seiner  Seitenzahl  von  808  Seiten  in  gleicher  Stärke  nach 
Ablauf  von  l1  i  Jahren  wiederum  neu  verlegt  worden,  und  zwar  zum  vierten 
Male  seit  19U7,  was  seinen   Wert  wohl  am  boten  charakterisieren  dürfte. 

Die  äusseren  Vorzüge  dos  Buches  sind  der  klare,  gut  leserliche  Druck. 
Dazu  kommt  die  übersichtliche  Einteilung  der  einzelnen  Kapitel,  die  durch  das 
ausführliche  Inhaltsverzeichnis  mul  das  weitgehende  alphabetische  Register 
unterstützt  werden.  Der  Hauptwert  des  Buches  I  iegt  jedoch  zwei  fel- 
los  in  seiner  grossen  Anschaulichkeit  durch  zahlreiche  Abbil- 
d  un gen. 

Das  Buch  ist  somit  Lehrbuch  und  Atlas  zugleich  und  einhält  667  Ab- 
bildungen,  davon    l'J  )   in    Farben.     Die    Abbildungen,   die   teilweise   si  hematisehe 

sind,  grossenteils  aber  klare,  getreue  Wiedergabe  von  vortrefflichen  Präparaten 

ilaistollcn,   sind    fast    duichw  eg    iniistoi  gülli 

Der  ausserordentlich  niedrige  Preis  von  gebdn.  16.60  Mk.  ist  dazu  angetan, 
dem   r.uche  eine  weite  Verbreitung  zu  verschaffen.      ZentralblaU  /'.  Chirurgie, 


-kt. 


V 


Verlag  von  J.  F.  Bergmann  in  Wiesbaden. 

Handbuch  der  Frauenheilkunde 

für  Arzte  und  Studierende. 

Bearbeitet  vpn 

Prof.  Dr.  Amann-München,  Prof.  Dr.  Baisch-München,  Prof.  Dr.  Beuttner-Genf,  Prof.  Dr. 
v.  Frnnque-Bonn,  Prof.  Dr.  Füth-Köln,  Prof.  Dr.  Halban-Wien,  Priv.-Doz.  Dr.  Jaschke- 
Giessen,  Prof.  Dr.  Jung-Göttingen,  Prof.  Dr.  Knauer-Graz,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Menge- 
Heidelberg,  Prof.  Dr.  Opitz-Giessen,  Prof.  Dr.  Pankow-Düsseldorf,  Prof.  Dr.  Schröder-Dort- 
mund, Prof.  Dr.  Sellhcim-Tübingen,  Prof.  Dr.  Tandler- Wien,  Prof.  Dr.  Walthard-Frankfurt  a.  M. 

Herausgegeben  von 

C.  3Ienge,  und  E.  Opitz. 

Heidelberg  Giessen. 

Mit  374  zum  Teil  farbigen   Abbildungen. 

Preis  geheftet  Mk.  15. — ,    gebunden  Mk.  16. — . 


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Allgemeiner    Teil. 
I.  Entwiekelungsgeschichte.     Von  J.  Tandler,  Wien. 
II.  Anatomie.     Von  J.  Tandler,   Wien. 

III.  Physiologie    der    weiblichen    Genitalien.      Von    H.    Schröder, 
Dortmund. 

IV.  Hygiene  und  Diätetik  des  Weibes.     Von  C.  Menge,    Heidelberg. 
V.  Allgemeine  Symptomatologie.     Von  K.  Baisch,  München. 

VI.  Lieber   den  Einflnss    von  Allgemeinerkranklingen    des  Körpers 
auf  den  Genitalapparat  nnd  umgekehrt.    Von  M.  Walthard, 
Frankfurt  a.  M. 
VII.  Beziehungen  der  Erkrankungen  der  Genitalien  zn  den  Nachbar- 

Organen  und  umgekehrt.     Von  Erich  Opitz,  Giessen. 
VIII.  Die    gynäkologischen    Untersuchungsmethoden.     Von    H.    Seil- 
heim,    Tübingen. 
IX.  Allgemeine  Therapie.     Von  Ei  ich  Opitz,   Giessen. 
X.  Asepsis  und  Antisepsis.     Von  Erich  Opitz,  Giessen. 

Besonderer    Teil. 

1.  Systeme] krankungen. 
XI.  Die  Sterilität.     Von  K.  Baisch,    München. 

XII.  Die    gonorrhoischen    Erkrankungen    des     weiblichen    Genital- 
traktus.     Von  J.  A.  Amann,  München. 

XIII.  Ulcus  molle  und  Lues.     Von  H.  Füth,    Köln. 

XIV.  Tuberkulose.     Von  H.  Füth,    Köln. 
XV.  Septische  Erkrankungen.     Von  Erich  Opitz,    Giessen. 

XVI.  Verletzungen.  Fremdkörper  und  deren  Folgen  (Fisteln)  ausschliesslich 

Verlagerungen.     Von  G.  Knauer,  Graz. 
XVII.  Pathologische  Lage  und  Gestaltsveränderungen  der  weiblichen 

Geschlechtsorgane.     Von  J.  Halban,   Wien. 
XVIII.  Missbildungen.     Von  0.  Pankow,    Düsseldorf. 
XIX.  Tierische  Parasiten.     Von  H.  Füth,    Köln. 

2.  Oiganerkrankungen. 
XX.  Die  Erkrankungen  der  Vulva.     Von  Rud    Th.  Jasehke,  Giessen. 

XXI.  Erkrankungen  der  Vagina.     Von  Rud.  Th.  Jasehke,  Giessen. 
XXII.  Uterus.   Von  Erich  Opitz,  Giessen. 

XXIII.  Erkrankungen  der  Eileiter.    Von  0.  von  Franque,   Bonn. 

XXIV.  Erkrankungen  des  Eierstocks.     Von  0    von  Franque,  Bonn. 
XXV.  Beckenbindegewebe  nnd  Beckenbauchfell.    Von  Ph.  Jung,  Göt- 
tingen. 

XXVI.  Die  Erkrankungen  der  weiblichen  Harnorgane.    Von  0.  Beutt- 

ner,    Genf. 
XXVII.  Darm.     Von  Erich  Opitz,   Giessen. 

Als  Ziel  hat  vor  allem  vorgeschwebt  ein  Buch  zu  schaffen,  das  dem 
praktischen  Arzte  ermöglicht,  wirklich  Rat  und  Anleitung  für  die  allgemeine 
Praxis,  soweit  sie  sich  mit  Frauenleiden  beschäftigt,  zu  finden. 

In  den  übrigen  Lehrbüchern  sind  ja  diese  Fragen  meist  etwas  stiefmütter- 
lich behandelt,  weil  da  mehr  die  rein  spezialisiische  Behandlung  in  den  Vorder- 
grund gestellt  ist,  während  diese  spezialistische  Behandlung  schliesslich  meist 
doch  nicht  Sache  des  praktischen  Arztes  ist. 

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