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FRIEDRICH MERKEL
DIE ANATOMIE
DES MENSCHEN
ZWEITE ABTEILUNG:
SKELETLEHRE: PASSIVER BEWEGUNGS-
APPARAT, KNOCHEN UND BÄNDER
TEXT
West Virginia University Libraries
3 0802 101940309 6
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MEDICAL CENTER LI
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in 2011 with funding from
LYRASIS Members and Sloan Foundation
http://www.archive.org/details/dieanatomiedesme02merk
Die
Anatomie des Menschen
Mit Hinweisen auf die ärztliche Praxis
Von
Dr. Friedrich Merkel
Professor in Göttingen
Zweite Abteilung:
Skeletlehre
Passiver Bewegungsapparat: Knochen und Bänder
Mit 2 Abbildungen im Text
Wiesbaden
Verlag von J. F. Bergmann
1913
Skeletlehre
Passiver Bewegungsapparat:
Knochen und Bänder
Von
Dr. Friedrich Merkel
Professor in Göttingen
Mit 2 Abbildungen im Text
Wiesbaden
Verlag von J. F. Bergmann
1913
Nachdruck verboten.
Übersetzungsrecht in alle Sprachen, auch in die russische und ungarische, vorbehalten.
Copyright by J. F. Bergmann, Wiesbaden 1913.
Druck der Königl. Universitätsdruckerei H. Stflrtz A. G., Würzburg.
Vorbemerkung.
n dem Vorwort zur ersten Abteilung wurde gesagt, daß das vor-
liegende Buch bemüht sein werde, auf die für die ärztliche Praxis
besonders wichtigen anatomischen Tatsachen aufmerksam zu machen.
Wo es sich so schickte, ist dies im Text geschehen, wo es den Zusammen-
hang unterbrochen, oder die Darstellung unübersichtlich gemacht haben würde,
wurden den einzelnen Abschnitten besondere »praktische Bemerkungen" an-
gefügt.
Die angewendete Nomenklatur folgt mit wenigen Ausnahmen der bekannten
Baseler Vereinbarung (1895). Ich hielt mich zurzeit nicht für berechtigt
daran zu rütteln, um nicht neue Verwirrung in ein Gebiet hineinzutragen,
in welchem erst vor Kurzem mit großer Mühe und gegenseitigem Nachgeben
Ordnung geschaffen wurde. Daß die Bezeichnungen in sprachlicher Hinsicht
vieles zu wünschen übrig lassen, ist offenkundig genug, doch ist nicht ein-
zusehen, warum sie gerade ciceronianisch sein sollen, stehen doch die Wurzeln
unserer Namensgebung im mittelalterlichen Latein, welches sich von der Periode,
welche den Philologen als die klassische gilt, sehr weit entfernt hatte. Wenn
eine spätere Generation das Bedürfnis haben sollte, sich dieser klassischen
Periode mehr zu nähern, steht ja bei vorhandener allgemeiner Überein-
stimmung einer Änderung nichts im Wege.
Fr. Merkel.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Allgemeines • 3
I. Rumpfskelet 13
1. Wirbelsäule, Columna vcrtebralis 14
a) Beugewirbel 14
b) Drehwirbel 18
c) Falsche Wirbel 20
2. Bänder der Wirbelsäule 22
a) Bänder der Wirbelkörper 22
b) Gelenkkapseln, Capsulae articulares 25
c) Bänder der Wirbelbogen. Ligamenta flava 25
d) Bänder der Wirbeldornen 26
e) Bänder der Wirbelquerfortsätze. Ligamenta intertransversaria .... 26
f) Bandapparat am cranialen Ende der Wirbelsäule 27
g) Bandapparat am caudalen Ende der Wirbelsäule 30
h) Wirbelsäule, Columna vertebralis, im ganzen 31
3. Rippen, Costae, und Brustbein, Sternum 35
4. Bandapparat der Rippen und des Brustbeins 38
a) Bänder am dorsalen Teil der Rippen 38
b) Bänder am ventralen Teil der Rippen und am Brustbein 40
5. Der Brustkorb, Thorax, im ganzen 41
II. Schädel, Cranium 46
1. Hinterhauptsbein, Os occipitale 47
2. Keilbein, Os sphenoidale 51
3. Schläfenbein, Os temporale 55
4. Scheitelbein, Os parietale 61
5. Stirnbein, Os frontale 63
6. Siebbein, Os ethmoidale 66
7. Untere Muschel, Concha inferior 69
8. Tränenbein, Oslacrimale 69
9. P f 1 u g s c h a r b e i n , V o m e r 70
10. .Nasenbein, Os nasale 71
11. Oberkieferbein, Maxiila 72
12. Jochbein, Os zygomaticum 77
13. Gaumenbein, Os palatinum 79
14. Unterkiefer, Mandibula 81
15. Band Verbindungen des Schädels . , S4
16. Kief ergclen k, Articulatio mandibularis 85
17. Zungenbein, Oshyoideum 87
18. Schädel im ganzen 88
a) Hirnschädel 89
b) Gesichtsschädel 92
c) Schädelformen 97
d) Knochenstruktur 99
e) Nähte, Schaltknochcn, Fontanellen 100
VIII Inhaltsverzeichnis.
Seite
III. Gliedmaßen, Extremitates 105
1. Obere Extremität, Extremitas superior 106
a) Gürtel, Cingulum 106
a) Schulterblatt, Scapula 106
ß) Schlüsselbein, Clavicula 109
y) Bandapparat des Schultergürtels 110
1. Ligamenta propria scapulae 110
2. Gelenke des Schultergürtels . . in
3. Hilfsbänder des Schultergürtels in
b) Freie Extremität 113
a) Oberarmbein, Humerus 113
c) Schultergelenk, Articulatio humeri 116
d) Unterarmknochen, Ossa antebrachii 118
a) Elle, Ulna 119
ß) Speiche, Radius 119
e) Ellbogengelenk, Articulatio cubiti 120
f) Haftbänder des Unterarmes 124
a) Membrana interossea antebrachii 124
ß) Chorda obliqua antebrachii 125
g) Articulatio radio-ulnaris distalis 125
h) Knochen der Hand ? 126
a) Handwurzelknochen, Ossa carpi 126
ß) Mittelhandknochen, Ossa metacarpi 129
7) Fingerknochen, Phalanges 130
Sesambeine, Ossa sesamoidea 130
i) Gelenke und Bänder an der Handwurzel 131
o) Articulatio radiocarpea 132
ß) Articulatio intercarpea 133
y) Articulatio carpometacarpea 133
<5) Articulatio carpometacarpea pollicis 134
e) Articulatio ossis pisiformis 134
f) Haftbänder an der Handwurzel 134
k) Mittelhandfingergelenke, Articulationes metacarpophalangeae 137
1) Fingergelenke, Articulationes digitorum manus 138
m) Die Hand im ganzen 139
2. Untere Extremität, Extremitas inferior 141
a) Gürtel, Cingulum ■ 141
a) Hüftbein, Os coxae 141
ß) Bänder der Hüftbeine 145
1. Eigenes Band des Hüftbeines 145
2. Verbindungen der Hüftbeine mit dem Rumpf 146
3. Verbindungen der Hüftbeine unter sich 148
4. Das Becken, Pelvis 148
b) Oberschenkelbein, Femur I53
c) Hüftgelenk, Articulatio coxae 156
d) Kniescheibe, Patella 160
e) Unterschenkelknochen, Ossa cruris 160
a) Schienbein, Tibia - ■ ■ I^1
ß) Wadenbein, Fibula 162
f) Kniegelenk, Articulatio genus I(>3
g) Wadenbeinköpfchengelenk, Articulatio tibiofibularis 173
h) Membrana interossea cruris ■ - J74
i) Knochen des Fußes, Ossa pedis 174
a) Fußwurzelknochen, Ossa tarsi . . . ■ I75
ß) Mittelfußknochen, Ossa metatarsalia 178
y) Zehenknochen, Phalanges . . • • J79
Sesambeine, Ossa sesamoidea J79
Inhaltsverzeichnis. IX
Seite
k) Gelenke und Bänder an der Fußwurzel 180
a) Knöchelgelenk, Articulatio talocruralis 180
,?) Hinteres Sprungbeingelenk, Articulatio talo-calcanea 181
■* Vorderes Sprungbeingelenk, Articulatio talo-calcaneo-navicularis . . 1S1
6) Fersen-Würfelbeingelenk, Articulatio calcaneo-cuboidea 182
e) Kahn- Keilbeingelenk, Articulatio cuneo-navicularis 182
f) Fußwurzel - Mittelf ußgelenke , Articulationes tarso - metatarseae und
Mittelfußgelenke, Articulationes intermetatarseae . 182
);) Haft- und Unterstützungsbänder der Fußwurzel 183
1. Bänder zwischen Unterschenkel und Fuß 1S4
2. Bänder am hinteren Teile der Fußwurzel 1S4
3. Bänder zwischen hinterem und vorderem Teil des Fußes . . . 185
4. Bänder am vorderen Teile der Fußwurzel 186
1) Mittelfuß-Zehengelenke, Articulationes metatarso-phalangeae 188
m) Zehengelenke, Articulationes digitorum pedis 189
n) Der Fuß im ganzen 189
Sachregister 193
Skeletlehre.
Merkel, Anatomie II. Skeletlehre^
Bemerkung.
Die im Text in Klammer stehenden Zahlen, z. B. (10) , bezeichnen die Nummern der
Figuren des Atlas, welche die Beschreibung illustrieren.
Skeletlehre.
|[ie Körperform kann nur durch das Vorhandensein von Stützgebilden auf-
recht erhalten werden, wir sehen deshalb schon bei Protozoen solche
in großer Mannigfaltigkeit und oft in sehr zierlicher Form auftreten.
Bei den Metazoen sind sie ausnahmslos vorhanden, wenn auch von sehr
verschiedener Herkunft, in sehr verschiedener Gestalt und Ausbildung und aus sehr
verschiedenem Material bestehend. Bei den niedersten Formen durchsetzt das
Stützgerüst den ganzen Körper, oft ohne in eine ganz bestimmte Form gegossen
zu sein, bei den höheren tritt immer deutlicher eine Lokalisation hervor; entweder
handelt es sich um festere Oberflächenschichten oder um axiale Stränge, von welchen
beiden dann allerlei Fortsätze in den Körper eindringen können, um ihm Stütze und
Halt zu verleihen. Das Hautskelet ist das primäre, es kommt bei den meisten
wirbellosen Tieren zu reiner Ausbildung, bei den Wirbeltieren und dem Menschen
dagegen das Achsenskelet, ohne daß doch bei ihnen das Hautskelet völlig ver-
schwände; je höher man aber in der Reihe aufsteigt, um so mehr tritt es zurück.
Das Material, aus welchem sich die Stützgebilde aufbauen, wechselt außer-
ordentlich. Einmal findet man nur eine festere Gallerte, welche der Erhaltung der
Körperform zu dienen hat, ein andermal ist es Chitin, oder es sind Hornfasern, oder
Knorpel. Diesen rein or-anix hen Stullen stehen rein anorganische gegenüber, und
zwar Skeletstücke aus Kalk und Kieselerde. In der Mitte zwischen beiden steht
ein Material, welches sich aus einer Mischung von organischen und anorganischen
Bestandteilen aufbaut; dies i-t der Knochen, welcher das Skelet der Wirbeltiere
und des Menschen bildet.
Entstehung der Knochen. Die am niedersten stehenden Repräsentanten
der Wirbeltierreihe besitzen nur den Anfang eines Skeletes in der Chorda dorsalis.
Bei den etwas höher stehenden Formen kommt zu ihr ein Knorpelskelet, welches
auch verkalken kann und erst zuletzt tritt echter Knochen auf. Die gleichen Stufen
wie in der Phylogenie sind auch in der Ontogenie /.u durchlaufen. Der menschliche
Embryo besitzt am Anfang nur die i horda, dann -teilt sich, von deren Umgebung
ausgehend, ein knorpelhaltiges Skelel ein und aui dieses folg! endlich da- knöcherne.
Die Zeit, /u welcher die Anlagen ersl verknorpeln, dann verknöchern, t-t für die ein-
zelnen Skeletstücke -ein- verschieden und es spiell der ganze Vorgang noch weit
in das extrauterine Leben hinein, der Abl.iui im einzelnen aber i-t immer der gleiche.
Es tritt im Mesenchymgewebe zuerst Knorpel auf, welcher sich so weil verbreitet,
bis die durch Vererbung festgelegte Form de- nachherigen Knochens erreicht t-t.
Später, und zwar für die einzelnen Knochen gesetzmäßig zu bestimmter Zeit,
4 Entstehung der Knochen. Ausgebildete Knochen.
erscheint dann ein Ossifikationspunkt oder Knochenkern (s. I. Abt. S. 68 f.) von
welchem aus die Verknöcherung fortschreitet. An den Röhrenknochen, bei welchen
die Verhältnisse am übersichtlichsten sind, ist dies immer in der Mitte der Länge
der Fall. Von ihm aus wird zuerst eine Knochenschale um den Schaft (Dia-
physe) herum gebildet, während die beiden Enden (Epiphysen) noch knorpelig
bleiben (I. Abt. Fig. 68). In diesen letzteren treten später ebenfalls Kerne auf,
von welchen aus sie zu Knochen umgestaltet werden (10). Man sieht, daß die
Knochenkerne in den einzelnen Knochen immer an denjenigen Stellen zuerst er-
scheinen, welche für die Funktion die wichtigsten sind (Julien 1892). Auch die
Zeitfolge im Auftreten der Knochenkerne des Skeletes im ganzen regelt sich offenbar
nach dem funktionellen Bedürfnis, so daß diejenigen Knochen, welche am wenigsten
mechanisch beansprucht werden, zuletzt den widerstandskräftigen Knochen mit dem
weicheren Knorpel vertauschen und umgekehrt. Diaphysen und Epiphysen bleiben
durch un verknöcherte Knorpelplatten von einander getrennt (11); von ihnen geht
das Längenwachstum aus (s. I. Abt. S. 70), solange ein solches noch möglich ist; bei
seinem Abschluß verknöchern auch sie. Apophysen (s. unten) besitzen meist ihre
eigenen kleinen Knochenkerne, welche sich erst spät mit dem übrigen Knochen zu
vereinigen pflegen.
Bei anders gestalteten Knochen geht die Verknöcherung in ähnlicher, den
speziellen Verhältnissen angepaßter Weise vor sich.
Am Schädel findet man Knochen, deren Entwickelung von der der übrigen
Skeletknochen abweicht. Einige besitzen zwar ein knorpeliges Modell, treten aber
nicht unter dessen Vernichtung an seine Stelle, sondern sind ihm als rein periostal
entstehende Gebilde aufgelagert; erst in der Folge schwindet dann der Knorpel mehr
oder weniger vollständig. Andere haben überhaupt keinen knorpeligen Vorläufer,
sondern entstehen ohne einen solchen im Bindegewebe (I. Abt. S. 68). Man nennt
sie Hautknochen oder Deck- oder Belegknochen.
Die Knochen von Neugeborenen und gar die von Feten weichen nicht nur in
den Größendimensionen, sondern auch in ihrer äußeren Gestalt oft bedeutend von
denen des Erwachsenen ab (2G4. — 2S1). Die Vorgänge der Apposition auf der einen,
der Resorption auf der anderen Seite haben im Laufe der Jugend die Aufgabe, die
definitive Gestalt zu modellieren.
Eine praktisch überaus wichtige Tätigkeit des knochenbildenden Gewebes ist
die Regeneration. Nach Frakturen und anderen Verletzungen des Knochens er-
folgt dieselbe durch Wucherung der im Periost und Mark vorhandenen Osteoblasten
und es entsteht eine spongiös gebaute Auftreibung des Knochens, der Callus (12),
welcher die Bruchenden vereinigt. An der Substantia corticalis der Röhrenknochen ist
er meist umfangreich, an Knochen, welche im wesentlichen aus Substantia spongiosa
bestehen, spärlich. In der Folge verschwinden die nicht mechanisch in Anspruch
genommenen Teile des Callus und der geheilte Knochen kann sich nach längerer
Zeit seiner ursprünglichen Form wieder so sehr nähern, daß man nur noch sehr
wenig von der stattgehabten Verletzung wahrnimmt.
Auch das der Fraktur benachbarte Bindegewebe kann infolge des gesetzten
Reizes zur Knochenbildung herangezogen werden. Unter pathologischen Umständen
ist das Bindegewebe gelegentlich fähig, in weiter Ausdehnung Knochensubstanz zu
bilden (Myositis ossificans).
Ausgebildete Knochen. Dieselben bestehen aus der eigentlichen Knochen-
substanz, dem in seinen Hohlräumen befindlichen Knochenmark, den hyalinen
Gestaltung des Skeletes. 5
Gelenkknorpeln, welche den spärlichen Rest der ursprünglichen Knorpt-lanlage dar-
stellen und dem deckenden Periost. Diese Bauelemente sind sämtlich im histologi-
schen Teil beschrieben worden. Die Blutversorgung der Knochen ist in zwei Bezirke
zu teilen, in die Gefäße der eigentlichen Knochensubstanz und in die des Knochen-
markes. Beide stehen jedoch in vielfachem Zusammenhang. Die Arterien der Knochen-
substanz treten vom Periost aus in vielen kleinen Zweigen in dies System der Havers-
schen Kanälchen ein und bilden ein den ganzen Knochen durchziehendes Netz. Im
Gegensatz dazu gehen die Gefäße des Markes aus einer einzigen oder doch nur wenigen
Arterien hervor, welche in einem oder einigen Kanälen, Canales nutricii (IS), den
Knochen durchsetzen, um in das Mark zu gelangen. Sie sind ursprünglich die Arterien
für die Knochenkerne, welche auf dem kürzesten Weg von der Oberfläche aus in diese
eingedrungen waren. Wie die Knochenkerne es sind, so ist auch die Eintrittsstelle
der Arterien in den Knochen konstant. Da die Diaphysen der langen Knochen an
ihren beiden Enden meist eine verschiedene Wachstumsenergie zeigen, entstehen
innere Verschiebungen des Knochens, welche die Kanäle zwingen, sich immer schiefer
zu stellen. Im Mark selbst teilen sich die Arterien sogleich, um dasselbe nach allen
Seiten hin zu versorgen (14). An den Röhrenknochen sind zwei Bezirke der Art.
nutriciae zu unterscheiden, ein der Diaphyse und ein jeder Epiphyse angehöriger.
Zu ihnen kommt oft noch ein dritter, welcher eine Anzahl kleiner, der Knochenfuge
angehöriger Gefäße umfaßt (Lex er 1904).
Die austretenden Venen schließen sich an den Diaphysen den Arterien an,
aus den spongiös gebauten Knochen treten sie durch zahlreiche weite Öffnungen
heraus.
Die Lymphgefäße der Knochensubstanz verlaufen perivaskulär mit den Blut-
gefäßen.
Die Nerven der Knochen sind zahlreich, auch sie verlaufen mit den Blutge-
fäßen. Bei Knochenerkrankungen und Amputationen verursachen sie erhebliche
Schmerzen.
Gestaltung des Skeletes. Skelet und Weichteile des Körpers werden
bei der Entwickelung zu gleicher Zeit und in genauester Verbindung miteinander
angelegt. Sie beeinflussen sieh dabei gegenseitig auf da> Innigste, so daß das eine
ohne das andere gar nicht denkbar ist. Diese Zusammengehörigkeit spricht sich
auch in der Ausbildung des Skeletes im ganzen und in der der Knochen im ein-
zelnen so klar aus, daß es den Geologen oft gelingt, aus dem allein übrig gebliebenen
Skelet längs! ausgestorbener Tierarten auch die Weichteile derselben annähernd
zu rekonstruieren. Mit der ganzen Form des Körpers sind auch dessen Proportionen
(/ /) wiedergegeben und hat man nur einen einzigen der Röhrenknochen von Arm
oder Bein, dann vermag man aus ihm sehr wohl einen Schluß auf die Körperlänge
im ganzen zu ziehen (Manouvrier 1002).
Das Knochengerüsl i-t das eine Mal grazil, da- andere Mal plump gebaut und
zwar haben Angehörige wilder Völker grazilere und festere, solche zivilisierter Kassen
im allgemeinen plumpere und weichere Knochen, ganz ähnlich wie man es auch b< 1
wilden und domestizierten Tieren beobachtet.
Da das Skelet die Form des Körpers wiedergibt, müssen seine ein/einen
Knochen auch dieser entsprechend gestalte! -ein. In der Umgebung der großen
Körperhöhlen sind sie platt, an den Extremitäten sind sie zumeist lang mit zylin-
drischer Grundform. Auch mechanische Gründe können neben den entwickelungs-
geschichtlichen für die Knochenform maßgebend sein. In der Wirbelsäule, welche
6 Elastizität, Festigkeit, Architektur des Knochens.
sich als ein langer Stab nach verschiedenen Richtungen biegen soll, sind die sie
aufbauenden Knochen kurz. Das gleiche ist der Fall an Hand- und Fußwurzel,
welche den Einwirkungen des Druckes oder Muskelzuges nachzugeben, oder umge-
kehrt, Widerstand zu leisten haben. Fehlen solche mechanische Gründe, dann ver-
wachsen die getrennt angelegten Stücke miteinander, Wie es z. B. beim Hüftbein
der Fall ist.
Die einzelnen Knochen lassen in ihrer feineren Modellierung die Beeinflussung
durch Weichteile allenthalben erkennen; so werden durch sie bewirkt: Fortsätze
(Processus), Vorsprünge (Apophysis), Höcker (Tuber, Tuberculum),
Dornen (Spina), Firsten (Crista), Rauhigkeiten (Tuberositas). Eine
Anzahl von ihnen, besonders die größeren, entsteht schon bei .der ersten Entwicke-
lung durch Vererbung, andere treten erst während der fortschreitenden Ausbildung
des Knochengerüstes hervor, weshalb auch in der Jugend die Knochen weniger
durchgearbeitet erscheinen wie später. Alle die genannten Hervorragungen stehen
in Zusammenhang mit der Anheftung von bindegewebigen Gebilden, entweder
Sehnen oder Bändern oder Fascien. Muskeln, welche sich ohne Vermittelung einer
sichtbaren Sehne am Knochen anheften, verursachen keine Rauhigkeiten. Umgekehrt
findet man auch Vertiefungen der Knochen, so sieht man Gruben (Fossa, Fovea),
Eindrücke (Impressio), Furchen (Sulcus), Einschnitte (Incisura). Die
Knochen können selbst Höhlungen (Cavum) zeigen. Die Vertiefungen werden
durch verschiedene Organe hervorgebracht, welche dem Knochen anliegen, z. B.
Gefäße, Nerven, Sehnen. In einigen Knochen des Schädels entstehen im Laufe
der Jugendjahre luftführende (pneumatische) Höhlen, welche von Nase und Ohr
ausgehen.
Elastizität, Festigkeit, Architektur des Knochens. Elastizität und
Festigkeit des Knochens werden, wie erwähnt, durch die in ihm vorhandene Mischung
von organischer und anorganischer Substanz bedingt. Seine Elastizität ist erheb-
lich, besonders gilt dies für solche Skeletstücke, welche nach der Fläche gebogen
sind, wie es am Rumpf und Schädel der Fall ist. Sie wird beim Skelet im ganzen
erhöht durch Einschiebung von Knorpel oder durch das Zerfallen von größeren Skelet-
teilen in einzelne Stücke, welche, wenn auch oft nur minimal, gegeneinander verschieb-
lich sind. Im Leben ist die Elastizität größer als es nach den Versuchen am toten
Knochen scheinen könnte.
Die Zugfestigkeit des Knochens nähert sich der des Messings und Gußeisens,
die Druckfestigkeit der des Schmiedeeisens (Rauber-Kopsch 1908). Die Festig-
keit wird erhöht durch die Widerstandskraft des festen und mit elastischen Fasern
versehenen Periostes.
Die Festigkeit des Knochens bei zugleich vorhandener größtmöglicher Leichtig-
keit wird ganz besonders gewährleistet durch seine Architektur. Die Röhren der
langen Knochen bestehen aus einer soliden und kräftigen Substantia com pacta
(13), in welcher bei geringem Gewicht doch eine bedeutende Festigkeit erzielt wird.
Die Epiphysen, die kurzen und platten Knochen, bauen sich im Gegensatz dazu aus
einer großen Zahl dünner Bälkchen und Plättchen, der Substantia spongiosa,
auf, welche durch ihre Häufung ebenfalls eine große Haltbarkeit besitzen, wie man
gleiches an jedem aus vielen dünnen Einzeldrähten bestehenden Drahtseil beob-
achten kann (lö — 18). Die meist engmaschige Spongiosa der platten Knochen wird
als Diploe bezeichnet (148).
Beschreibung der Knochen. Verbindungen der Knochen. 7
Würden die Spongiosabälkchen regellos durcheinander laufen, so könnte der
beabsichtigte Effekt nicht erzielt werden, sie müssen vielmehr nach den Gesetzen der
Statik und Mechanik orientiert sein, was durch die Studien von H. v. Meyer klar-
gestellt wurde. Sie sind in großen Zügen durch das ganze Skelet hindurch bei all'-n
Individuen in gleicher Weise angeordnet und es werden die Bälkchensysteme des einen
Knochens von dem angrenzenden aufgenommen und weitergeführt (15 - 18). Die Sub-
stantia compaeta stellt keine Unterbrechung der Systeme dar, sie kann vielmehr als
eine Zusammendrängung von Spongiosabälkchen aufgefaßt werden; diese nehmen die
Beanspruchung auf und übertragen sie auf die in der Substantia compaeta gegebene
Hauptstütze (Gebhardt 1910). Auch im Innern von solchen Knochen, welche im
übrigen aus Spongiosa bestehen, kommt es gelegentlich zur Ausbildung von rundlichen
oder länglichen Compactamassen, wenn es die statischen Verhältnisse verlangen. Man
kann die- ganze Architektur des Knochengerüstes mit den wenigen Worten zusammen-
fassen, daß durch eine sinnvolle Struktur mit einem möglichst geringen Aufwand
an Material die größtmögliche Widerstandsfähigkeit den Einwirkungen des Zuges
und Druckes gegenüber erreicht ist, gleichgültig, ob diese Einwirkungen äußere oder
innere, d. h. im Körper selbst gelegene Ursachen haben, wie es vor allem der Muskel-
zug ist.
Werden die statischen Verhältnisse verändert, wie es bei schlecht geheilten
Frakturen oder bei den Verbicgungen rachitischer Knochen der Fall sein kann, dann
können sich auch die Zugrichtungen der Spongiosabälkchen in zweckentsprechender
Weise umgestalten, was sich daraus erklärt, daß die mechanisch am meisten in An-
spruch genommenen Teile des ganzen Systems bypertrophieren, die in Untätigkeit
versetzten atrophisch werden.
Der Beschreibung der Knochen legt man mazerierte Präparate zugrunde,
d. h. solche, bei welchen man durch Fäulnis oder durch Kochen oder sonstwie sämt-
liche Weichteile entfernt hat. Dabei wird, nicht ganz konsequent, nicht immer nur
der Zustand des Skeletes im voll ausgebildeten Körper zugrunde gelegt, es wird viel-
mehr in einzelnen Fällen, besonders bei Beschreibung des Schädels und Beckens, auf
den Jugendzustand zurückgegriffen.
Verbindungen der Knochen. Die Vereinigung der einzelnen Knochen
zum Skelet wird in der einfachsten Weise in der Art bewirkt, daß die Knochenenden
durch zwischen sie eingeschaltetes Bindegewebe, den Rest des ursprünglichen Bil-
dungsgewebes, miteinander verbunden werden, während das Periost des einen
Knochens sich über die Trennungsstelle hinweg kontinuierlich auf den anderen fort-
setzt. So findet man es meist noch lebenslänglich bei den Fischen, so findet man
es auch in der ersten Entwickelung der höheren Tiere und des Menschen. Die Fort- '
bildung besteht darin, daß in der Verbindungsmasse der aneinander stoßenden
Knochenenden eine Spalte entsteht, welche dieselben mehr oder weniger vollständ
voneinander trennt. Die Entwickelung kann nach Bedürfnis früher oder spater Halt
machen und noch beim erwachsenen Menschen findet man alle Möglichkeiten von
der primitivsten bis zur ausgebildetsten Form verwirklicht.
Das zwischen die Knochen eingelagerte Bindegewebe kann sehr spärlich sein.
wie dies am Schädel der Fall ist. Dort stellt es die Nähte, Suturae, <\^\ (19 . welche
wieder nach der Art des [neinandergreifens der Knochen als einfache Alieinander-
lagerungen, Harmonia, als Sutura serrata oder Sutura squamosa bezeichnet
werden. Die Nähte dienen nichl der Verschiebung der ein/einen Knochen aneinander.
sondern smd als die St« Heu anzusehen, von welchen aus die Schädelknochen
8 Verbindungen der Knochen. Gelenke.
wachsen. Soll eine Verschiebungsmöglichkeit der aneinander stoßenden Knochen-
enden vorhanden sein, dann muß sich zwischen sie eine größere Menge von Zwischen-
gewebe einfügen. Man bezeichnet eine solche Verbindungsart als Fuge, Synar-
throsis1) (20). Besteht eine solche nur aus Bindegewebe, dann nennt man sie Syn-
des mosis2), ist sie zu Knorpelgewebe umgewandelt, dann wird sie zur Synchon-
drosis3). Eine Mischung von Bindegewebe und Knorpel führt den Namen Fibro-
cartilago. Will man einen indifferenten Namen wählen, welcher die Struktur
nicht berücksichtigt, dann spricht man von Symphysis4).
Wird die Heilung eines Knochenbruches gestört, dann können sich die beiden
Bruchenden syndesmotisch miteinander verbinden (Pseudarthrose).
Bildet sich in einer Symphyse eine Spalte aus, dann entsteht eine Verbindung,
welche Luschka als Halbgelenk bezeichnet hat. Die Spaltbildung kann indi-
viduell und nach dem Lebensalter wechseln, sie kann auch regelmäßig vorhanden sein.
An sie schließt sich das eigentliche Gelenk, Diarthrosis, an (22). Bei ihm ist
stets eine Gelenkspalte vorhanden, in welcher sich die überknorpelten Knochen-
enden direkt berühren. Das bei den weniger weit fortgebildeten Verbindungen vor-
handene bindegewebige Zwischengewebe ist vollständig geschwunden. Die Gelenk-
enden werden durch einen aus derberem Bindegewebe gebildeten Schlauch zusammen-
gehalten, welcher jederseits in das Periost übergeht, die Gelenkkapsel5), Cap-
sula articularis. Es ist klar, daß bei einer solchen Verbindung die Beweglichkeit
der Knochen gegeneinander am freiesten sein muß, daß aber auf der anderen Seite
die Festigkeit des Zusammenhaltes gefährdet ist. Diese Gefahr wird jedoch be-
seitigt durch die rein physikalischen Wirkungen der Adhäsion der Gelenkflächen
aneinander und des Luftdruckes, welcher auf den allseitig geschlossenen Höhlen
lastet. Dazu kommt noch der sehr wirksame Zug der das Gelenk umgebenden Mus-
keln, welcher die Gelenkflächen aneinander preßt und die Anspannung, welche die
den Gelenken eigenen Bänder bei gewissen Stellungen erfahren.
Die Gelenkspalten erscheinen bei der Entwickelung sehr frühe; bei einem zehn
Wochen alten Embryo sind sie sämtlich schon vorhanden (Fick 1904). Zu gleicher
Zeit sind auch bereits die Gelenkkapseln zu erkennen.
Die Funktion der Gelenke besteht darin, die Knochen, welche sie miteinander
verbinden, in bestimmter Weise zu bewegen. Hierzu ist folgendes nötig: 1. Die
Gelenkenden der Knochen müssen eine zweckentsprechende Form besitzen. 2. Die
Kapseln müssen den für die Bewegungen notwendigen Spielraum lassen. 3. Die
Kapseln müssen so fest sein, daß sie einwirkenden Gewalten, welche unzweckmäßige
Verschiebungen herbeizuführen streben, erfolgreich Widerstand leisten. Dazu kommt
noch, daß die Muskeln, welche die normalen Bewegungen bewirken, bei ihrem Ver-
lauf über die Gelenke hin häufig zu ihnen in nähere Beziehung treten.
Was zuerst die Formen der Gelenkenden betrifft, so sind dieselben für
jeden Einzelfall speziell gestaltet und man kann sagen, daß nicht zwei Gelenke des
Körpers ganz genau die gleiche Bildung zeigen. Die Formen entstehen durch Ver-
erbung sehr frühe und lassen sich schon erkennen, ehe die Gelenkspalten erschienen
sind. Freilich sind sie anfänglich nur im allgemeinen angelegt und bedürfen noch
x) uq&qov Gelenk.
2) avvöeafiog Verbindungsband.
3) %6v6qos Knorpel.
4) ovfitpvco zusan menwachsen.
5) Kapselband.
Gelenke. 9
einer genaueren Modellierung, welche im späteren Fetalleben und noch nach der
Geburt durch die Tätigkeit der auf das einzelne Gelenk wirkenden Muskeln be-
wirkt wird.
Wenn aber erste Entwicklung und spätere Ausarbeitung zusammenwirken,
um die Gelenke zu formen, dann versteht man, daß bei aller Übereinstimmung im
ganzen und großen bei den verschiedenen Menschen doch kleine Abweichungen vor-
handen sind, welche den Bewegungen oft ein überraschend individuelles Gepräge
geben. Wie charakteristisch ist oft der Gang oder die Bewegung der Hände und
wie treu vererben sie sich von den Eltern auf die Kinder. Auch Bewegungen, welche
gewohnheitsgemäß immer wiederholt werden, wie es bei gewissen Gewerben nötig
ist, können die gebrauchten Gelenke einigermaßen modifizieren. Selbst pathologi-
sche Vorkommnisse, wie die Lähmung einzelner Muskeln oder Muskelgruppen, üben
ihren Einfluß auf die Gestaltung der Gelenkenden aus.
Die Einteilung der Gelenke berücksichtigt außer der Form auch noch andere
Gesichtspunkte; zuerst die Zahl der artikulierenden Knochen. Sind ihrer zwei in
einem Gelenk vereinigt, dann nennt man dies ein einfaches Gelenk. Werden mehr
als zwei Knochenenden von einer Kapsel umschlossen, dann spricht man von einem
zusammengesetzten Gelenk, gleichgültig, ob dasselbe eine einfache Höhle be-
sitzt oder durch Scheidewände in zwei oder mehr Höhlen geteilt wird.
Sodann unterscheidet man nach dem Grad der Beweglichkeit straffe Ge-
lenke '). welche wenig oder gar nicht beweglich sind, und bewegliche Gelenke.
Die Gelenkflächen der straffen Gelenke sind meist von planer Form und von nahezu
gleichem Umfang, was eine ausgiebigere Verschiebung verhindert (21). Die beweg-
lichen Gelenke zeigen eine wechselnde Form und ihre Gelenkflächen sind von ver-
schiedenem Umfang, was eine mehr oder weniger große Verschiebung gestattet.
Bei den beweglichen Gelenken ist in der überwiegenden Zahl der Fälle das eine
Knochenende zu einem Gelenkkopf, Caput, Condylus 2) gerundet, das andere
zu einer Gelenkpfanne, Fossa glenoidalis 3) gehöhlt (22). Man unterscheidet
sie nach gedachten Achsen, um welche sie sich zu drehen vermögen in ver-
schiedene Unterabteilungen.
a) Einachsige Gelenke.
Winkelgelenk, Ginglymus4). Der Gelenkkopf ist ein Teil einer zylindri-
schen Walze, welche im rechten Winkel zur Längsachse des Knochens orientiert ist.
Sie greift in eine entsprechend gekrümmte Pfanne ein. Beispiel: Fingergelenke.
Ks gibt auch ähnlich gehaute Gelenke, deren Achse nicht quer, sondern schräg
gestelH ist.
Schraubengelenk, Articulatio cochlearis. Ähnlich dem vorigen, nur
sind die Gelenkflächen nicht walzen-, sondern schraubenförmig gestaltet. Beispiel:
Ellbogengelenk. Es kommt auch ein Schraubengelenk mit längsgestellter Achse
vor, das Atlas-Zahngelenk.
Rollgelenk, Articulatio trochoidea*^). Ahnlich dem Winkelgelenk, nur
i>t die Gelenkachse der Längsachse der artikulierenden Knochen parallel gestellt. I '• i
'i Die Bezeichnung Amphiarthrosis für dieselben wird besser vermieden, weil er in der
Französischen Literatur in anderer Bedeutung gebraucht wird.
') *6vSvAo$ rundlicher Gelenkkopi
•') yX<tp>rk flache Gelenkgrube.
') Scharniergelenk, Gewerbegelenk, yfyyAvftog Türangel.
) Radgelenk, Rotationsgelenk, Rotatio.
10 Gelenke.
ihm wird die Pfanne meist durch Bänder zu einem Ring vervollständigt, in welchem
■sich der Kopf dreht. Das Gelenk gleicht daher einer Türangel mehr als der Ginglymus.
Beispiel: Proximales Radioulnargelenk.
b) Zweiachsige Gelenke.
Eigelenk, Articulatio elliptica1). Der Kopf dreht sich in der Pfanne um
die lange und kurze Achse des Ellipsoids. Durch Kombinationen der beiden Be-
wegungsmöglichkeiten wird das Gelenk zu einem sehr freien. Beispiel: Radiocarpal-
gelenk.
Sattelgelenk, Articulatio sellaris. Beide Gelenkflächen sind einander ent-
sprechend, nach der einen Richtung konvex, nach der anderen konkav gekrümmt.
Sie greifen so zusammen, als wenn man die Sitzflächen zweier Sättel kreuzweise auf-
einander legte. Beispiel: Daumencarpalgelenk.
c) Mehrachsige Gelenke.
Kugelgelenk, Articulatio sphaerica2). Der Kopf entspricht einer Voll-
kugel, die Pfanne dem Abschnitt einer Kugelschale. Beispiel: Schultergelenk.
Wird der Gelenkkopf über seinen Äquator hinaus von der Pfanne umschlossen,
dann entsteht das Nußgelenk, Enarthrosis. Beispiel: Hüftgelenk.
Die Kapseln, welche die Gelenke umschließen, müssen so viel Spielraum
geben, daß sich die durch die Form der Gelenkflächen vorgeschriebenen Bewegungen
vollziehen können. Bei den um mehrere Achsen beweglichen Gelenken stellen sie
daher eine schlaffe Röhre dar, welche sich je nach der Stellung der Gelenkenden an
der einen Stelle spannt, an der anderen faltet. Bei einachsigen Gelenken ist die Kapsel
nur an den Stellen weit und nachgiebig, wo es die Bewegung verlangt. An den
beiden Seiten, an welchen die gedachte Achse aus dem Gelenk austritt, ist sie straff.
Ergüsse drängen die Kapsel an den weitesten Stellen vor, verhindern dadurch eine
freie Bewegung und zwingen das Gelenk, in einer Mittelstellung zu verharren.
Die Gelenkkapseln sind an sich nicht stark, sie werden aber an vielen Stellen
durch Bänderzüge, Hilfsbänder3), Ligamenta accessoria, verstärkt (z. B. SIS),
welche nicht selten eine beträchtliche Mächtigkeit erreichen. Entweder sind dieselben
so fest mit der Kapsel verwebt, daß es Mühe macht, sie von ihr zu unterscheiden,
oder sie verlaufen mehr oder weniger isoliert. Sie erhöhen die Festigkeit der Kapseln
und sichern durch ihre Lage zugleich den physiologischen Ablauf der Bewegungen.
Dadurch, daß sie sich bei gewissen Stellungen spannen, hemmen sie aber auch diese
Bewegungen und zwar schon früher als es die Form der Gelenkflächen selbst tun
würde. Forcierte Bewegungen können sie daher zur Zerreißung bringen.
Die Festigkeit der Gelenke wird an vielen Stellen erhöht durch Muskeln, welche
über sie hinziehen und sich dabei der Kapsel innig anlegen, noch mehr aber durch
Muskelsehnen, welche sich mit der Kapsel verweben und ihr dadurch die Dienste von
Bändern leisten, auch in manchen Fällen als solche beschrieben werden. Die Be-
wegungen der zu diesen Sehnen gehörigen Muskeln zwingen zugleich die Kapsel,
sich jedesmal in zweckmäßiger Weise zu falten, nicht zu spannen, was in dem für
solche Muskeln allgemein gebrauchten Namen „Kapselspanner" zu liegen
scheint.
1) Knopfgelenk. Articulus ovalis, Articulatio ellipsoideä. Condylarthrosis.
2) In der deutschen Literatur gewöhnlich als Arthrodia benannt, eine Bezeichnung, welche
in der Literatur anderer Nationen für unsere Amphiarthrose (s. oben) gebraucht wird. Syn.
Articulus globoideus, Fick. Enarthrosis.
3) Haftbänder, Verstärkungsbänder.
Gelenke. 11
Bau der Gelenke. Der die Gclenkenden deckende Knorpel ist mit ganz
seltenen Ausnahmen hyalin. Seine Dicke ist in den einzelnen Gelenken sehr ver-
schieden und man findet, daß gut aufeinander passende Knochenenden meist einen
dünneren Knorpelüberzug haben, als schlecht passende (Braune und Fischer 1896).
Bei ihnen wirkt die große Elastizität des Knorpels ausgleichend. Die freie Oberfläche
der Gelenkknorpel ist für die Betrachtung mit bloßem Auge glatt, mikroskopisch
zeigt sie Zeichen von Abnutzung. Gegen den Knochen hin gleicht der Knorpel die
kleinen Unregelmäßigkeiten an dessen Oberfläche aus. Manche Gelenkpfannen werden
durch Anfügung von faserknorpeligen Gelenklippen, Labrum glenoidale 1),
(z. B. 217) vergrößert. Dieselben gehen entweder ohne scharfe Grenze in die Kapsel
und Gclcnkfläche über oder sind durch eine Furche abgesetzt. Sie schließen die Ge-
lenkpfannen ventilartig ab. Sind die Gelenkflächen inkongruent, dann schiebt sich
zwischen sie ein von der Kapsel ausgehender Keil faserig-knorpeligen Gewebes ein,
Discus oder Meniscus articularis2) (SS), ein Rest des ursprünglichen Bildungs-
gewebes. In einer Anzahl von Fällen bleibt das Zwischengewebe zwischen beiden
Gelenkenden in voller Ausdehnung erhalten, wodurch die Gelenkhöhle in zwei ganz
voneinander getrennte Kammern geteilt wird. Die Bandscheiben besitzen eine
für die Funktion des Gelenkes wichtige Bedeutung.
Auch kleinere Reste des ursprünglichen Bildungsgewebes können in den Kapsel-
raum hineinragen als mehr oder weniger große, oft fetthaltige Falten. Plica syn-
oviales3) (22), oder als Zotten, Villi synoviales4) (24). Diese letzteren sind oft
so klein, daß man sie mit bloßem Auge kaum sieht.
Die Kapsel selbst besteht aus einer dünnen Innenschichte (Intima) 5), welche
sich bis zum Gelenkknorpel erstreckt, welchen sie frei läßt. An ihrer Oberfläche
besitzt sie keinen Epithclüberzug (Hammar, H. Braun 1894). Sie ist, besond* :rs
nach der Gelenkhöhle zu, zellenreich. Die erwähnten Falten und Zotten gehen von
der Innenhaut aus. Nach außen von ihr folgt eine faserreiche und zellenärmere
Bindegewebsschichte, Stratum fibrosum. An Stellen der Kapsel, an welchen die
Intima nicht von dem Stratum fibrosum gedeckt wird, ist sie schwach und kann
sich zu kleineren oder größeren Säckchen ausstülpen. Dies geschieht besonders bei
pathologischen Ergüssen in die Gelenke. Erfolgt bei solchen ein Durchbruch der
Kapsel, dann geschieht dies in der Regel an solchen schwachen Stellen.
Die Schleimbeutel, Bursae synoviales, welche an größeren Gelenken
oft als geräumige Ausstülpungen der Gelenkhöhle erseheinen, gehören in Wahrheit
nicht den Gelenken an, sondern den über sie hinziehenden Muskeln. Sie sind ersl
sekundär mit ersteren in Verbindung getreten.
Die Hilfsbänder bestehen zumeist aus sehnenähnlich angeordneten Binde-
gewebszügen. Sie sind dementsprechend sehr fest und so widerstandskräftig, daß
bei Zerrungen manchmal eher der Knochen bricht oder vom Hand abreißt, ehe dieses
selbst eine Kontinuitätstrennimg erfährt. Infolge ihrer Struktur sind die Bänder
wenig elastisch, weshalb sie bei Überdehnung leicht schlaff werden und ihren Diensl
dann für längere Zeit nicht mehr in genügender Weise verrichten.
') Limbus cartilagineus. Annulus Eibrocartilagineus.
-) Fibrocartilago intercalaris, Fick.
:l) Plicae articulares (Fi< k), PI. serosae (1 riepel), adiposae, vasculares, l igamenta mueosa,
') Villi intraarticulares, Fick; V1II1 serosae, ["riepel.
6) Synovialmembran, Stratum synoviale. Stratum serosum, Triepel.
12 Gelenke. Membranae interosseae. Ligg. propria.
Die Blutversorgung der Gelenke ist eine reiche; sie wird dadurch sorgfältig
geregelt, daß die sämtlichen, an dem Gelenk vorbei ziehenden Arterien Äste absenden,
welche durch Anastomosen zu einem Netz, Rete articulare, zusammentreten.
Von ihm aus dringen Zweige in die Kapsel ein, wo sie besonders die Intima reichlich
mit Blut versorgen. Diese Haut ist es deshalb auch, welche von Entzündungen am
schwersten betroffen wird.
Die feinen Nervenfäden, welche an die Gelenke herantreten, werden von den-
jenigen Stämmen abgegeben, welche die auf das Gelenk wirkenden Muskeln versorgen.
In der unmittelbaren Umgebung der Kapsel und in der Intima endigen viele von
ihnen mit Kolbenkörperchen. Sie sind für das Allgemeingefühl von großer Be-
deutung.
Die Gelenkhöhle besteht in der Norm nur aus einer schmalen Spalte1). Die
Gelenkenden liegen unmittelbar aufeinander, sie werden durch eine dünne Schichte
von Gelenkschmiere, Synovia2), verbunden, einer gelblichen, zähen und faden-
ziehenden Flüssigkeit, welche ein Transsudat der Gelenkwand darstellt (Gerken
1895) und eine große Menge von verflüssigten Abnützungsprodukten der Wände
des Gelenkes enthält (Harn mar 1894). Ihre ganze Beschaffenheit befördert die
Adhäsion der Gelenkenden aneinander. An diese letzteren wird von den Seiten her
auch die Kapsel, wie schon erwähnt, durch die auf ihr liegenden Bänder, den Druck
der über sie hinziehenden Muskeln (S. 10) und den auf ihr lastenden Luftdruck
angepreßt. Zieht man die Knochen auseinander, dann drängt der Luftdruck die
Kapsel ein wenig in das Innere- des Gelenkes hinein und man sieht an der Stelle der
Gelenkspalte eine leichte Einziehung (Gelenklinie) entstehen, welche dem Operateur
bei der Eröffnung des Gelenkes einen erwünschten Wegweiser darstellt. Erst wenn
ein pathologischer Erguß von Flüssigkeit in das Gelenk hinein stattgefunden hat,
erweitert sich die Kapsel. Die Resorptionseinrichtungen der Intima sind wenig
ausgebildet, und will man rasches Verschwinden eines Ergusses erzielen, dann muß
man ihn mit Massage in das umgebende Gewebe und die in ihm enthaltenen Lymph-
gefäße hineinzupressen versuchen. Ist bei einer Verletzung die Intima gerissen,
wodurch die Abflußwege weiter geöffnet werden, dann geht das Verschwinden eines
Ergusses rascher vor sich.
Die sehr verschieden gestaltete Ebene, welche die Gelenkspalten der einzelnen
Gelenke darstellt, wird Artikulationsebene genannt.
Membranae interosseae und Ligg. propria. Es gibt auch Bänder, welche
mit Gelenken nichts zu tun haben, welche vielmehr als häutig gebliebene Vervoll-
ständigungen des knöchernen Skeletes anzusehen sind. Spannen sie sich zwischen
zwei verschiedenen Knochen aus, dann nennt man sie Membranae interosseae
(z._ B. 236), vereinigen sie verschiedene Punkte eines und desselben Knochens mit-
einander, dann heißen sie Ligg. propria (z. B. 170). Wie sehr die letzteren als
Teile des Skeletes anzusehen sind, geht daraus hervor, daß sie außerordentlich
geneigt sind, sich teilweise oder ganz in Knochensubstanz umzuwandeln.
Der Bandapparat des ganzen Körpers steht in engstem Zusammenhang mit
dem Verhalten des Bindesubstanzsystems im ganzen. Man findet deshalb die Bänder
das eine Mal schwach und leicht verletzlich, das andere Mal kräftig und stark. Aber
J) In den Figg. 21, 22 und 23 des Atlas sind die Gelenkspalten zu weit gezeichnet,
um sie deutlich sichtbar zu machen.
-) Humor articularis, Fick; Serum articulare, Triepel.
Rumpfskelet.
13
auch im einzelnen sind die Bänderzüge von der individuellen Ausbildung des Bewe-
gungsapparates abhängig, woher es kommt, daß einmal ein Bänderzug stark, ein
andermal schwach ausgebildet ist und es kommen genug Fälle vor, in welchen es dem
subjektiven Ermessen des Beschreibers überlassen bleiben muß, ob er ein Band für
physiologisch oder morphologisch wichtig genug hält, um es mit einem eigenen Namen
zu benennen. Ein Blick in die Beschreibungen der verschiedenen Autoren gibt davon
beredtes Zeugnis.
Die Einteilung des Skeletes schließt sich, wie dies selbstverständlich ist, auf
das engste an die Einteilung des ganzen Körpers an. Man hat demgemäß das Skelet
des Stammes und der Extremitäten und an ersterem wieder Rumpfskelet und
Schädel zu unterscheiden. Die Beschreibung ist also in folgende Abschnitte zu
teilen.
I. Rumpfskelet.
II. Schädel.
III. Extremitäten.
I. Rumpfskelet.
rtebra
Costa
Den Rumpf durchzieht der Länge nach ein Achsenstab, an welchen sich die
bogenförmigen Stützen des Neuralrohres und Visceralrohres anschließen, erstere an
seiner dorsalen, letztere an seiner ventralen Seite. Da der Umfang des Visceralrohres
ganz bedeutend größer ist, wie der des Neuralrohres, so liegt der Achsenstab nicht
im Centrum des Körperquerschnittes,
sondern ist bedeutend nach der dorsalen
Seite hin verschoben (Fig. i). Sämt-
liche Teile des Rumpfskeletes sind seg-
mental gegliedert, wenn sich auch die
Gliederung nicht allenthalben lebens-
länglich erhält. Sie werden durch
Weichteile zu einem Ganzen verbunden.
Während das Neuralrohr, mit Ausnahme
seines alleruntersten Abschnittes, knö-
chern geschützt ist, erweist sich das
Skelet des Yisceraln ihres nur in seinem
Mittelteil so vollständig, wie es das
Schema (Fig. i) darstellt, weiter oben
und weiter unten ist es rudimentär
gebildet.
Die Bogen des Neuralrohres sind
beim erwachsenen Menschen allenthalben
mit dem A.chsenstab knöchern verbunden,
bei den Bogen des Visceralrohres ist dies, soweit >ie zu voller Ausbildung gekommen
sind, nicht der Fall; sie zerlallen sogar selbst wieder in zwei symmetrische Teile
und ein vorderes unpaariges Mittelstück (Fig. i). Sind sie rudimentär geblieben,
dann treten sie im Laufe der Entwickelung mit dem Achsenstab in knöchernen Zu-
sammenhang1.
Fig. i.
Schematischei Querschnitt des Rumpfskelets
14 Wirbelsäule. Beugewirbel.
Die segmentalen Teile des Achsenstabes mit denjenigen Teilen der Bogen,
welche knöchern mit ihnen vereinigt sind, und mit den Gelenk- und Muskelfortsätzen,
welche von ihnen ausgehen, bezeichnet man als Wirbel, Vertebrae. Sie schichten
sich aufeinander zur Wirbelsäule, Co.lumna vertebralis. Die symmetrischen
Teile des Visceralrohres sind die Rippen, Costae, das unpaarige Mittelstück ist das
Brustbein, Sternum. Die mittleren Wirbel, die Rippen und das Brustbein ver-
einigen sich zum Brustkorb, Thorax.
1. Wirbelsäule, Columna vertebralis1).
Die Wirbelsäule zerfällt in 33 bis 35 einzelne Wirbel, deren Mehrzahl beim
Embryo, selbst noch beim Neugeborenen, in ihrer Form noch recht gleichartig er-
scheint. Im Laufe der Jugendentwickelung aber bilden sich im Zusammenhang mit
der Verschiedenheit der Funktion im einzelnen nicht ganz unbeträchtliche Ver-
schiedenheiten aus, welche es nötig machen, größere Abteilungen voneinander zu
trennen, welche es sogar erlauben, die Ordnungszahl einer Anzahl von Wirbeln,
auch wenn man sie einzeln vor sich hat, zu bestimmen. Man unterscheidet sieben
Halswirbel, Vertebrae cervicales2), zwölf Brustwirbel, Vertebrae thora-
cicae3), fünf Lendenwirbel, Vertebrae lumbares4), fünf Kreuzwirbel,
Vertebrae sacrales, und vier bis sechs Steißwirbel, Vertebrae coccygeae5).
Die Kreuzwirbel des Erwachsenen sind miteinander knöchern verbunden, die Steiß-
wirbel sind rudimentär geblieben; dies hat Anlaß gegeben, die beiden Gruppen als
falsche Wirbel, Vertebrae spuriae, von den übrigen, den wahren Wirbeln,
Vertebrae verae, zu unterscheiden. In der Reihe der letzteren trennt man
wieder die beiden obersten, welche den Bewegungen des Kopfes dienen und zu diesem
Zweck in bemerkenswerter Weise umgestaltet sind, als Drehwirbel von den übrigen,
welche man Beugewirbel nennt, da sie die Beugungen des Rumpfes besorgen.
a) Beugewirbel.
Ein typischer Wirbel besteht aus dem Wirbelkörper, Corpus vertebrae,
und dem Wirbelbogen, Arcus vertebrae. Der erstere ist der dem Einzelwirbel
zugehörige Teil des Achsenstabes, der letztere der dem Einzelwirbel zugehörige Teil
der Umschließung des Neuralrohres {36). Beide umgeben im Verein das Wirbelloch,
Foramen vertebrale, den dem Einzelwirbel zugehörigen Teil des Wirbel-
kanales, Canalis vertebralis, welcher das Rückenmark beherbergt. Der Wirbel-
körper ist an seiner oberen und unteren, den benachbarten Wirbeln zugekehrten Fläche
plan, an seiner vorderen und seitlichen Fläche, welche sich dem Visceralrohr zuwendet,
konkav geschweift (25). Seine hintere, in den Wirbelkanal sehende Fläche ist ent-
weder plan oder bildet eine flache Längsrinne.
Der Wirbelbogen geht vom Körper mit einem gerundeten Stück ab, der Bogen-
wurzel, Radix arcus vertebrae. Da sie niederer ist als der Körper, so bleibt an
ihrer oberen und unteren Seite ein Ausschnitt, Incisura vertebralis super, und
x) Columna spinalis, Spina dorsalis.
-) Vert. colli.
3) Rückenwirbel. Vert. thoracales, Vert. dorsales.
4) Bauchwirbel, Vert. lumbales, Vert. abdominales.
5) Schwanzwirbel, Vert. coccygicae, Triepel, caudales.
Brustwirbel. 15
infer. ; er legt sich mit dem benachbarten Ausschnitt des nächsten Wirbels zu dem
Zwischenwirbelloch, Foramen intervertebrale, zusammen 35 , durch welches
die Spinalnerven den Wirbelkanal verlassen. Jenseits der Incisur erhöht sich der
Bogen beträchtlich, indem er dort die Gelenkfortsätze, Processus articu-
lares1), superior und inferior (25,38,32) trägt, welche mit den gleichen Fort-
sätzen des nächstoberen und nächstunteren Wirbels ein Gelenk zu bilden bestimmt
sind. Von der gleichen Stelle des Bogens, welche die Gelenkfortsätze absendet, geht
auch der Querfortsatz, Processus transvcrsus (26), ab. Die Stelle des
Bogens, an welcher die drei Fortsätze abgehen, kann man die seitlichen Massen,
Massae laterales (26), nennen. Hinter ihnen folgt der Bogenschluß, welcher
von seinem hinteren Umfang in der Medianlinie den unpaarigen Dornfortsatz,
Processus spinosus (25,26), absendet. Die dem Wirbclkanal zugewendete Fläche
des Bogenschlusses ist in der Art schräg gestellt, daß der untere Umfang des Wirbel-
loches jedesmal weiter ist, als der obere. Die Spitze des Dornfortsatzes steht nicht
immer ganz genau in der Medianebene, sie kann aus ihr nach der einen oder
anderen Seite etwas abgebogen sein.
Es wird nun zu untersuchen sein, inwieweit die einzelnen Wirbelgruppen
dem Typus entsprechen oder von ihm abweichen.
u) Brustwirbel, Vertebrae thoracicae2) (25,20.27). Da das Rumpfskelet
im Bereich des Brustkorbes am vollkommensten ausgebildet ist, stehen auch die
Brustwirbel dem Grundtypus am nächsten. Doch ist ihre Form nur im Mittelteil der
Brustregion ganz unbeeinflußt, höher oben und weiter unten bietet sie Übergänge
zu den Formen der benachbarten Wirbelgruppen. Die Wirbelkörper nehmen von
oben nach unten stets im vertikalen und im sagittalen Durchmesser zu (47),
während der transversale an den mittleren Brustwirbeln sich nicht vergrößert.
Diese zeigen an ihrem vorderen Umfang eine mehr oder weniger deutlich vor-
tretende kielförmige Zuschärfung, so daß ihre Endflächen oft deutlich dreiseitig
gestaltet sind. Entsprechend der nach vorne konkaven Krümmung der Brustwirbel-
säule im ganzen sind die Endflächen nach vorne leicht gegeneinander geneigt.
An der hinteren Ecke, zunächst der Wurzel des Bogens, tragen die Brust-
wirbelkörper jederseits oben und unten je eine halbe Gelenkgrube, Fovea costalis
superior und inferior (25). Die einander entsprechenden Gruben zweier Wirbel
setzen sich nebst der zwischen ihnen liegenden Bandscheibe zu einer ganzen Planne
zusammen, mit welcher das entsprechende Rippenköpfchen articuliert. Da der letzte
Halswirbel in der Kegel sieh nicht an der Herstellung der Planne für die oberste
Rippe beteiligt, so trägt der erste Brustwirbelkörper oben eine ganze Pfanne. Nach
den unteren Brustwirbeln hm weicht die obere Halbpfanne immer weiter bis auf
die Wurzel des Bogens zurück, und es wird der obere Teil der Gesamtgelenkfläche
immer kleiner, der untere größer. Au den beiden letzten Brustwirbelkörpem rückt
sie ganz auf deren Seitenfläche, so daß diese je eine einzige Pfanne für die elfte
und zwölfte Rippe tragen ■':■'> .
Die Wurzeln der Bogen sind an den Brustwirbeln sagittal gestellt. Sie gehen
vom oberen Teil des Wirbelkörpers ab, so daß die [ncisura super, erheblich flacher
ist, als dir [ncisura infer. Richtige Gelenkfortsätze tragen sie nur oben. Ihre Gelenk-
flächen sind last kreisrund, sie neigen sich schräg von oben und vorn nach hinten
') Processus obliqui.
-) Vertebrae dorsales.
16 Halswirbel.
und unten. Die entsprechenden unteren Gelenkflächen sind nur Facetten auf der
gegen den Wirbelkanal hin stehenden Vorderfläche der Bogen.
Der obere Gelenkfortsatz des ersten Brustwirbels gleicht schon vollständig
dem der Halswirbel, der untere des zwölften dem der Bauchwirbel.
Die Querfortsätze sind kräftig. Sie gehen von den seitlichen Massen schräg
nach hinten ab. Im einzelnen wird ihre Ausbildung durch ihre Doppelfunktion als
Stützen für die Rippen und als Muskelansatzpunkte beeinflußt. Je länger die an
einem Ouerfortsatz befestigte Rippe ist, um so länger und stärker wird auch der
Querfortsatz, um so mehr ist er nach hinten abgebogen. Der Rippenhöcker stemmt
sich gegen eine kreisrunde, schwach vertiefte Gelenkfläche, Fovea costalis proc.
trän sv., welche die Vorderseite der Spitze des Querfortsatzes einnimmt. Die beiden
letzten rudimentär ausgebildeten Rippen stehen mit den Querfortsätzen der ent-
sprechenden Wirbel nicht mehr durch Gelenke, sondern nur durch Syndesmose in
Zusammenhang; deshalb ist auch der des elften Brustwirbels nur kurz, der des
zwölften kommt so gut wie gar nicht mehr zur Entwickelung (35).
Als Muskelansatz dient eine Rauhigkeit, Tuberositas processus trans-
versi (25, 26), welche sich vom hinteren Umfang der Spitze des Querfortsatzes an
seinem oberen Rand nach seiner Wurzel hinzieht. Im Zusammenhang mit der
stärkeren Ausbildung der Rückenmuskulatur nach unten hin nimmt besonders der Teil
der Rauhigkeit an Größe und Umfang zu, welcher nach der Wurzel des Querfortsatzes
hingeht. Auch an den letzten beiden Brustwirbeln, wo der Querfortsatz so wenig
ausgebildet ist, kann die Rauhigkeit nicht entbehrt werden, am zwölften Brust-
wirbel bleibt sogar vom Ouerfortsatz außer einem ganz unbedeutenden seitlichen
Höckerchen nichts weiter übrig wie die Tuberosität, welche jetzt bis auf die Gegend
der Gelenkfortsätze sich zurückgezogen hat. Sie hat sich dabei, ihrer ansehnlichen
Ausbildung entsprechend, in zwei Höcker geteilt, welche man nun als Processus
mamillaris und Pr. accessorius bezeichnet (35).
Die langen Dornfortsätze der Brustwirbel sind dreiseitig prismatisch mit
einer oberen Kante und unteren, schwach gehöhlten Fläche. An den mittleren Brust-
wirbeln sind sie stark abwärts geneigt und decken sich dachziegelförmig. Nach oben
und unten richten sie sich immer mehr auf und gleichen auch in ihrer Form immer
mehr einerseits den Dornen der Halswirbel, andererseits denen der Bauch-
wirbel.
ß) Halswirbel, Vertebrae cervicales *) (28, 29, 30). Von ihnen sind einst-
weilen nur die fünf unteren zu betrachten, da die beiden obersten als Drehwirbel
nachher für sich zu besprechen sein werden. Der Körper der Halswirbel nimmt
nach oben immer mehr an Volumen ab. Er besitzt querelliptische Endflächen,
von welchen die obere in transversaler, die untere in sagittaler Richtung konkav
ist. Die einander zugewandten Flächen zweier Wirbelkörper liegen so aufeinander,
wie zwei Hände beim Handschlag. Der Wirbelkanal ist im Bereich der Halswirbel
besonders geräumig; bei der Kleinheit der Wirbelkörper sind deshalb die Wurzeln
der Bogen gezwungen, stark seitwärts abzuweichen, um ihn umfassen zu können.
Die Gelenkfortsätze ragen nur wenig hervor. Die verhältnismäßig großen rundlichen
Gelenkflächen sind so gestellt, daß sich die Artikulationsebene nach dem Schädel zu
immer mehr nach vorn neigt.
x) Vertebrae colli.
Lendenwirbel. 17
Die Querfortsätze bestehen aus zwei Elementen, dem echten Querfortsatz und
dem Rudiment einer mit dem Wirbel verwachsenen Rippe (Processus costariusj
{30). Der erstere entspringt an der ihm zukommenden Stelle zwischen den Querfort-
sätzen, der letztere an der Stelle des Körpers, gegen welche sich bei den Brustwirbeln
das Rippenköpfchen anstemmt. Beide Fortsätze fassen ein Loch zwischen sich, das
Foramen transversarium, durch welches vom sechsten Halswirbel ab die Art.
vertebralis zum Schädel aufsteigt. Am lateralen Umfang des Loches, da wo der
Höcker der freien Rippen mit der Spitze des Ouerfortsatzes der Brustwirbel ver-
bunden ist, fließen die beiden Fortsätze zusammen. Ihre Spitzen treten am seitlichen
Ende des Ouerfortsatzes als Tuberculum anterius und posterius eckig vor.
Nur am Querfortsatz des siebenten Halswirbels fehlt die vordere Ecke, was sich
daraus erklärt, daß hier die Art. vertebralis über den Processus costarius hinzieht,
um in das Ouerfortsatzloch des sechsten Halswirbels zu gelangen (31). Die obere
Fläche des Querfortsatzes des dritten bis sechsten Halswirbels ist dadurch, daß
sich der Proc. costarius etwas nach oben umlegt, rinnenförmig vertieft, um den aus
dem Wirbelkanal austretenden Nerven aufzunehmen (28, 29).
Die Dornfortsätze der Halswirbel sind kurz, oben konvex und mit einer Firste
versehen, unten konkav. Sie sind nur wenig abwärts geneigt. Ihre Spitze ist in zwei,
oft ungleich ausgebildete Zacken gespalten, zwischen welche sich das Lig. nuchae einfügt
(29, 30). Der Dornfortsatz des siebenten Halswirbels ist länger als die übrigen und
seine Spitze ist nicht gespalten, sondern knaufförmig verdickt, da das Nackenband,
welches nur bis zur oberen Fläche dieses Domes herabreicht, sie frei läßt. Betastet
man am Lebenden die hintere Mittellinie vom Kopfe aus, dann fühlt man die Dornen
der Halswirbel des Nackenbandes wegen nur ganz undeutlich oder gar nicht, nur die
Spitze des siebenten springt sehr deutlich hervor, was diesem Wirbel den Namen
Vertebra prominens eingetragen hat (31). Bei der Bestimmung der Ordnungszahl
der am Rücken fühlbaren Wirbel spielt die Vertebra prominens eine wichtige Rolle.
y) Lendenwirbel, Vertebra elumbarcs1) 1 32. 33. 34) . Die Körper derselben
sind sowohl im queren wie im sagittalen Durchmesser am größten; in vertikaler Rich-
tung ist der dritte und vierte Lendenwirbel am höchsten. Die Endflächen sind nieren-
förmig, was sich schon an den letzten Brustwirbeln vorbereitet hatte. Am letzten
Lendenwirbelkörper konvergieren die Endflächen nach hinten, so daß er keilförmig
gestaltet ist, was mit der Krümmung der Wirbelsäule im ganzen ebenso zusammen-
hängt, wie die umgekehrte Gestaltung der mittleren Hrustwirbelkörper. Die Wurzeln
des Rogens sind im Verhältnis zu dem hohen Körpei nieder, so daß die obere, be-
sonders aber die untere Incisur und damit das Foramen intervertebrale geräumig
wird (3ö). Sie gehen in sagittaler Richtung vom Körper ab. Die Gelenkfortsätze
sind kräftig und ragen in vertikaler Richtung stark hervor. Die Gelenkflächen haben
sich vom Gelenk zwischen letztem Brustwirbel und erstem Bauchwirbel so gedreht,
daß die des oberen Wirbels immer lateral, die des unteren medianwarts gerichtet,
ist, so daß die unteren Gelenkfortsätze von den'oberen des folgenden Wirbels um-
faßt werden. Nur an dem Gelenk des letzten Bauchwirbels mit dem Kreuzbein
stehen die Gelenkflächen wieder mein frontal. Die oberen Gelenkflächen sind kon-
kav, die unteren entsprechend konvex gestalte! [33, 34).
In die Bildung der Querfortsätze der Bauchwirbel ist ebenso wie in die der
Halswirbel, ein Rippenrudiment einbezogen, was schon daraus zu entnehmen ist.
') Wrtt'hr.u' .ilnlonunales.
Merkel, Anatomie II. Skcletlchrc.
18 Drehwirbel.
daß sie trotz des Fehlens einer freien Rippe doch weit stärker entwickelt sind, als
an dem letzten Brustwirbel. Sie sind lang und sagittal abgeplattet. Klarer noch
als aus der Form geht die Bedeutung der Ouerfortsätze der Lendenwirbel daraus
hervor, daß sie nicht nur von den Massae laterales der Bogen ausgehen, sondern daß
sie auch durch eine Art Leiste mit dem Teil des Wirbelkörpers verbunden sind, an
welchem bei den Brustwirbeln die Fovea costalis sup. steht (33). Zuweilen vorkommende
freie Bauchrippen sind ebenfalls unwiderlegliche Beweise für die Bedeutung der
Ouerfortsätze. Von den erwähnten Muskelerhabenheiten rückt der Proc. mamil-
laris ganz auf die Außenseite des oberen Gelenkfortsatzes, der Proc. accessorius
nimmt die Rückseite der Wurzel des Ouerfortsatzes ein (32). An den unteren
Bauchwirbeln verbreitert er sich und zerfällt in mehrere kleine Hervorragungen.
Der Dornfortsatz der Bauchwirbel ist von beiden Seiten komprimiert und
zeigt zwei breite Seitenflächen und eine obere und untere Kante. Seine Spitze ist
senkrecht abgeschnitten und gewulstet.
Am cranialen und caudalen Ende der Wirbelsäule machen die physiologischen
Bedürfnisse der angrenzenden Gebiete ihren Einfluß auf die Wirbelsäule in entgegen-
gesetzter Weise geltend; oben ist der Kopf frei beweglich zu machen, unten hat um-
gekehrt die Wirbelsäule dazu mitzuwirken, um die Verbindung der unteren Extremi-
täten mit dem Rumpf so stabil wie möglich zu gestalten. Beides wird dadurch er-
reicht, daß die in ihrer ersten ent wickelungsgeschichtlichen Anlage nicht von dem
Typus abweichenden Wirbel sich in eigenartiger Weise ausbilden, daß einerseits
sonst ungewohnte Trennungen, andererseits ungewohnte Verwachsungen stattfinden,
daß an der einen Stelle sonst verknöcherte Teile bindegewebig bleiben, an einer
anderen Stelle sonst als Bänder auftretende sich in Knochen umwandeln.
b) Drehwirbel.
Der dem Kopf zunächst liegende erste Halswirbel ist der Träger, Atlas
(36,37,39), der zweite der Dreher, Epistropheus1) (38.39.40). Die entwicke-
lungsgeschichtlichen Anlagen der beiden Wirbel sind mit denen der anderen Wirbel
ganz identisch, nur zeigt besonders der erste ein größeres Breitenwachstum. In der
Folge aber verknorpelt und verknöchert die hypochordale Spange (I. Abt. S. 209) des
ersten Wirbels, verbindet sich mit dem Bogen und gestaltet auf diese Art den Wirbel
zu einem Ring. Der Körper des ersten Wirbels verbreitert sich an seiner dem
zweiten Wirbel zugekehrten Seite zu einer nach beiden Seiten hin ausladenden
Konsole, während sich der gegen den Schädel hin gerichtete Teil zu einem konischen
Zapfen verjüngt (40). Der in dieser Art modifizierte Wirbelkörper vereinigt sich
nicht mit den anderen entwickelungsgeschichtlich zu ihm gehörigen Teilen, sondern
mit dem zweiten Wirbel. Das Gelenk, durch welches Atlas und Epistropheus mit-
einander zusammenhängen, ist nicht den übrigen Wirbelgelenken homolog, sondern
gehört lediglich den durch den Gang der Entwickelung voneinander getrennten Teilen
des Atlas an.
Der ausgebildete Epistropheus besitzt einen höheren Körper als die übrigen
Halswirbel, weil er ja auch den des Atlas enthält. In seinem unteren Teil ist dieser
Wirbel den übrigen Halswirbeln gleich gestaltet. Sein Gelenkfortsatz geht von der
J) Axis.
Dreh wirbel. 19
Massa lateralis des Bogens ab, auch sein Querfortsatz mit dem Proc. costarius und
dem For. transversale unterscheidet sich nicht von denen der übrigen Halswirbel,
nur ist der Proc. costalis etwas nach abwärts gedrängt und sein Tuberculum anterius
ist nicht zur Ausbildung gekommen. An der dem Atlas zugekehrten Seite des Epi-
stropheus aber existiert ein Proc. articularis nicht, die Stelle des Bogens, an welcher
er sein sollte, ist vielmehr glattrandig. Die Facies articulares superiores
stehen vorne über den Seitenteilen des Körpers; sie sind von ovaler Form, flach
gewölbt und seitlich abwärts geneigt. In der Mitte zwischen ihnen erhebt sich der
zapfenförmige, nach oben zugespitzte Zahn, Dens, an dessen Vorderseite eine
Facies articularis anterior der Articulation mit dem vorderen Bogen des Atlas
dient, während sich an eine oft nicht ganz deutlich abgegrenzte Facies articu-
laris posterior der Rückseite das quere Atlasband anlagert.
Der Atlas besteht aus einem vorderen und hinteren Bogen, Arcus anterior
und posterior. In der Mitte des äußeren Umfanges trägt jeder einen kleinen Höcker,
Tuberculum anterius und posterius, ersterer durch den Ansatz von Muskeln
hervorgerufen, letzterer den Dornfortsätzen der übrigen Wirbel homolog. An der
Innenseite des vorderen Bogens findet man dem Tuberculum anterius gegenüber eine
flache Gelenkgrube für die Gelenkverbindung mit dem Zahn des Epistropheus, die
Fovea dentis1). Die beiden Bogen werden durch die Massae laterales2) mit-
einander verbunden, kräftige Knochenmassen, welche die Gelenkflächen tragen. Die
oberen, Foveae articulares superiores, sind zur Articulation mit dem Schädel
brstinuut, sie sind von elliptischer Form, konkav und nicht selten durch eine Ouer-
furche geteilt. Der hintere Teil der Gelenkfläche ragt als Fortsatz frei hervor und
hat unter sich eine Furche für die Art. vertebralis, Sulcus art. vertebralis.
Durch Yerknöcherung eines Bandes, welches sich hinter der Arterie von der Spitze
der Gelcnkfläche zum hinteren Bogen erstreckt, wird der Sulcus nicht selten in ein
Foramen verwandelt. Die unteren Gelenkflächen, Facies articulares inferiores
für die Gelenkverbindung mit dem Epistropheus bestimmt, sind rund, leicht konvex
und den oberen Gelenkflächen des Epistropheus entsprechend geneigt.
Da die Gelenke an der oberen und unteren Seite des Atlas seinem Körper und
nicht dem Bogen angehören, verhalten sich ihnen gegenüber die Teile des weit nach
der Seite hin vortretenden Ouerfortsatzes anders wie bei den Beugewirbeln. Die
Spanne des Querfortsatzes im engeren Sinne geht ohne einen Absatz aus dem hinteren
Bogen hervor, der Proc. costarius entspringt mitten /.wischen der oberen und unteren
Gelenkfläche. Incisuren und Zwisehenwirbellöchcr, wie bei den Beugewirbeln, kann
es wegen dieser Lage der Gelenke nicht geben; es erstreckt sich vielmehr ein einfach« r
weitet' Spalt oberhalb und unterhalb des Atlas um seinen hinteren Bogen herum,
von einem Gelenk zum andern :;:> und die den Rückenmarkskanal verlassenden
Nerven treten durch dessen vordersten Teil nach außen.
Der Wirbelkanal scheint im Bereich des Atlas außerordentlich weit zu si in,
dies ist jedoch deshalb eine Täuschung, weil ja die vordere Hälfte des geräumigen
Wirbelloches durch den Zahn des Epistropheus und seinen Bandapparat aus-
gefüllt wird.
') Fossa articularis posterior.
') Die Massae laterales des Vtlas sind mit den gleichnamigen Teilen der Beugewirbel nicht
identisch, Letztere liegen weiter zurück.
20 Falsche Wirbel.
c) Falsche Wirbel.
Das Endstück der Wirbelsäule, welches immer rudimentärer wird, je mehr es
sich seinem Abschluß nähert, zerfällt in Kreuzbein und Steißbein.
a) Das Kreuzbein, Ossacrum (41 — 44), besteht, wie oben erwähnt, aus fünf
Wirbeln, welche sich ganz ebenso getrennt voneinander anlegen, wie andere Wirbel
auch (66, 67), Da sie aber für die untere Extremität eine feste Stütze abzugeben
haben, verschmelzen sie miteinander und bilden beim Erwachsenen ein solides
Knochenstück. Die Rippenrudimente, welche bei den angrenzenden Lendenwirbeln
nicht eben stark entwickelt sind, werden an den drei oberen Kreuzwirbeln, gegen
welche sich der Gürtel der Extremität anstemmt, zu kräftigen Knochenstützen, an
den beiden letzten, mit welchen die Extremität nichts mehr zu tun hat, bilden sie
sich stark zurück. Die Seitetiteile, Partes laterales1) des Kreuzbeines werden
im wesentlichen von den miteinander verwachsenen Rippenrudimenten dargestellt.
Das Kreuzbein des Erwachsenen ist ein platter, muschelartig gewölbter und
keilförmig nach seinem Ende verjüngter Knochen. Das craniale Ende wird als Basis,
das caudale als Spitze, Apex, bezeichnet. Die Basis erscheint in ihrem Mittelteil wie
ein Bauchwirbel (4.3) , auch die Proc. articulares sind denen des letzten Bauchwirbels,
mit welchen sie zusammengreifen, entsprechend gestaltet (42). Die obere Fläche der
Seitenteüe verbreitert sich lateralwärts beträchtlich, nach hinten erkennt man noch
den rückwärts geneigten Ouerfortsatz, nach vorne ist das mit ihm verwachsene
Rippenrudiment durch eine stumpfe Kante gegen die Vorderfläche des Knochens
abgegrenzt. Die untere Spitze des Kreuzbeins besteht lediglich aus der quer-
elliptischen Endfläche des letzten Kreuzwirbels.
Die vordere, konkav gebogene Fläche des Kreuzbeines, Facies pelvina, sieht
nach dem Beckenraum hin, die hintere konvexe, Facies dorsalis, wendet sich
dem Rücken zu. Sie wird zum Teil durch Muskeln bedeckt, die Mitte aber liegt dicht
unter der Haut, so daß diese bei langem Liegen auf dem Rücken so gedrückt werden
kann, daß Decubitus entsteht. An der Beckenfläche erkennt man die ursprüngliche
Zusammensetzung aus einzelnen Wirbeln noch im ausgebildeten Zustand an queren
Leisten, Lineae transversae, den Vereinigungsstellen der früher getrennten Kreuz-
wirbelkörper. Der Körper des dritten Kreuzwirbels zeigt an seiner Vorderfläche
eine mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Knickung (44), welche der Stelle
entspricht, an der seitlich die enge Verbindung mit dem Hüftbein aufhört. An die
Seiten der Lineae transversae schließen sich vier Forami na sacralia anteriora
an, welche von oben nach unten immer enger werden. Für sie findet man an den
freien Wirbeln scheinbar keine Analoga. Sie existieren jedoch dort ebenfalls, nur
werden sie an ihrer lateralen Seite durch die Ligg. costotransversaria umschlossen,
welche bei der Mazeration fortfallen, während sie am Kreuzbein in der Knochenmasse
der Seitenteile enthalten sind. Die Löcher sind zum Austritt von Nerven bestimmt.
Lateral von ihnen folgt die Vorderfläche der Seitenteile, auf welcher sich der Proc.
costarius jedesmal als eine gerundete Leiste geltend macht.
Ihnen gegenüber, auf der dorsalen Fläche des Kreuzbeines, findet man vier
Foramina sacralia posteriora. Vordere und hintere Kreuzbeinlöcher sind die
Öffnungen von kurzen Kanälen, welche den Knochen in sagittaler Richtung durch-
setzen. Auch aus den hinteren Kreuzbeinlöchern treten Nerven aus.
Partes costales, Gegenbau r.
• Falsche Wirbel. Struktur der Wirbel. 21
Die Dornen, die Spitzen der Ouerfortsätze und die Gelenkfortsatze der Kreuz-
wirbel ragen auf der dorsalen Fläche des Knochens noch so weit aus der allgemeinen
Knochenmasse heraus, daß man sie unschwer erkennen kann. Die Dornfortsätze
sind mit den sie verbindenden Bändern mehr oder weniger vollständig zu einer me-
dianen Leiste, Crista sacralis media1) zusammengeflossen. Am letzten Kreuz-
wirbel jedoch, oft auch noch höher oben, fehlt der knöcherne Bogenschluß und mit
ihm natürlich auch der Rest des Dornfortsatzes vollständig ; es öffnet sich daselbst eine
nach oben zwickeiförmig zugespitzte Lücke, Hiatus sacralis. An dem medialen
Umfang der hinteren Kreuzbeinlöcher tauchen die Gelenkfortsätze, Cristae sa-
crales articulares2) als kurze Zacken oder Leisten aus der Knochenmasse auf.
Die Seitenteile des letzten Kreuzwirbels mit ihren Gelenkfortsätzen bleiben als kleine
griffeiförmige Zapfen, Cornua sacralia (42) neben dem Hiatus sacralis erhalten,
sie ragen nach unten und verbinden sich mit ähnlichen Fortsätzen des ersten Steiß-
wirbels. Die Spitzen der Ouerfortsätze treten als kleine Höcker am lateralen Um-
fang der hinteren Kreuzbeinlöcher hervor, Cristae sacrales laterales3). Sie
sind besonders an den unteren Kreuzwirbeln nur wenig ausgesprochen.
Die Seitenteile des Kreuzbeines tragen an ihrer lateralen Seite eine S-förmig
gestaltete Gelenkfläche, Facies auricularis, zur Verbindung mit dem Hüftbein.
Dieselbe erstreckt sich caudahvärts nur bis in das Gebiet des dritten Kreuzwirbels,
bis zur Horizontalen der oben erwähnten Knickung seines Körpers. Unter der Ge-
lenkfläche schärft sich der Seitenrand des Kreuzbeines allmählich zu. An der
dorsalen Seite der Seitenteile, hinter der Facies auricularis, findet man ein sehr un-
regelmäßig gestaltetes, mit Höckern und Vertiefungen versehenes Feld, Tubero-
sitas sacralis, zum Ansatz sehr kräftiger Bandmassen.
Der Wirbelkanal des Kreuzbeines, Canalis sacralis (44), ist dreiseitig; er
verjüngt sich caudalwärts. Von ihm gehen nach beiden Seiten die Foramina
intervertebralia ab, ganz wie zwischen den freien Wirbeln; sie stoßen im rechten
Winkel auf die erwähnten kurzen Kanäle, welche die vorderen und hinteren Kreuz-
beinlöcher miteinander verbinden.
ß) Das Steißbein, Os coecygis4) (41,42), ist der stark verkümmerte Rest
des Schwanzskeletes der Säuger. Es besteht aus drei bis sechs, meist vier, durch
Synchondrose oder Synostose verbundenen Wirbelrudimenten. Der erste Steißwirbel
besitzt noch eine Andeutung von Gelenkfortsätzen in den Cornua coccygea, welche
mit den Kreuzbeinhörnern durch Syndesmose zusammenhängen, oft auch knöchern
mit ihnen verbunden sind. Platte dreiseitige Seitenteile erinnern an diejenigen di -
Kreuzbeines. Im übrigen ist von einem Wirbelbogen nichts erhalten. Am zweiten
Steißwirbel sind die Seitenteile noch angedeutet, die letzten sind auf kleine rund-
liehe Knochenstückchen reduziert, in welchen nur die Wirbelkörper zu erblicken sind.
Ihrer Struktur nach sind die Wirbel spongiöse Knochen; die (leckende Corti-
calis ist dünn. Nur am Ursprung des Bogens findet man eine etwa- stärker aus-
gebildete kompakte Substanz. Die SpongiosabäUcchen kreuzen sich im allgemeinen
rechtwinkelig, doch strahlen auch schiefe Systeme von den Gelenkfortsätzen aus
l) Pro« essus spinosi spurii.
-'I Processus articulares spurii.
3) Processus transversi spurii.
4) Schwanzbein, Os caudae.
22 Wirbelgefäße. Bänder der Wirbelsäule.
in die Wirbelkörper ein. Die Wirbelsäule im ganzen stellt eine Fachwerkskonstruk-
tion dar (Bardeleben 1874). Das feste Periost ist mit der Oberfläche inniger ver-
bunden als mit der der Bogen.
Die Arterien der Wirbel (Zaleski 1898) stammen am Halse von den Aa. verte-
brales, welche ihr Versorgungsgebiet bis zum sechsten Halswirbel hinab ausdehnen.
Den siebenten Halswirbel und ersten Brustwirbel versorgt die A. cervicalis profunda
mit Blut. Von da ab geben die segmentalen Gefäße des Rumpfes, Intercostal- und
Lumbaiarterien, Äste an sie ab. Das Kreuz- und Steißbein erhält seine Gefäßver-
zweigungen von den Aa. sacrales, media und lateralis. Die Gefäße bilden anastomo-
tische Netze, erstens auf der Vorderseite der Wirbelkörper, sodann auf deren Rück-
seite und endlich auf der Vorderseite der Wirbelbogen und der Ligamenta flava;
von allen Seiten dringen Äste in den Knochen ein. Die Venen, welche das Blut aus
den Wirbeln zurückführen, sind außerordentlich groß; man sieht an jedem maze-
rierten Wirbel die Mündungen als weite Löcher, welche besonders an der Rückseite
der Körper auffallen. Sie ergießen sich in die Plexus der Wirbelhöhle (M.).
2. Bänder der Wirbelsäule.
Die Einzelwirbel können sich nur in beschränktem Maße als solche Geltung
verschaffen, ihre wahre Bedeutung erlangen sie erst in ihrer Zusammenfügung zur
Wirbelsäule durch den Bandapparat. Erst durch das Zusammenwirken von Wirbeln
und Bändern gewinnt der Rumpf im ganzen einerseits seinen Halt, andererseits seine
Beweglichkeit. Eine weitere wichtige Funktion des Bandapparates ist es, den Wirbel-
kanal vollständig zu verschließen und dadurch dessen Inhalt zu schützen. Die
osteologischen Verhältnisse bringen es mit sich, daß einerseits die Wirbelkörper, anderer-
seits die Wirbelbogen ihre besonderen Bandverbindungen haben und daß am cra-
nialen Ende die Drehwirbel, am caudalen die falschen Wirbel mit Bändern besonderer
Bedeutung ausgestattet sind.
a) Bänder der Wirbelkörper.
a) Bandscheiben. Die Endflächen der Wirbelkörper werden in ihrer
ganzen Ausdehnung durch Bandscheiben, Fibrocartilagines interverte-
brales 1) miteinander verbunden (48, 49, 50). Sie bestehen aus einem im
Inneren liegenden Gallertkern, Nucleus pulposus, und einem Faserring,
Anulus fibrosus, welcher den Gallertkern umschließt. Dieser letztere liegt
meist nicht genau in der Mitte, sondern ist ein wenig nach dem hinteren Umfang
der Bandscheibe verschoben. Bei Kindern bis zum siebenten Jahr enthält er
neben sehr weichem Bindegewebe und Knorpelelementen bedeutende Reste der
Chorda dorsalis. In den späteren Lebensjahren gehen die Chordareste immer
mehr zurück, ohne jedoch bis ins Greisenalter völlig zu verschwinden; das Binde-
gewebe vermehrt sich und es entsteht im Kern eine später immer mehr zerklüftete
Höhle, deren Wände von dem flockig aufgefaserten Gewebe des Nucleus pulposus
gebildet werden. Eine scharfe Grenze gegen den Faserring ist nicht vorhanden,
Dieser letztere besteht aus etwa 70 miteinander durchflochtenen Schichten von
x) Zwischenwirbelscheiben, Ligg. intervertebralia, Cartilagines fibrosae intervert., Triepel;
Synchondroses vertebrales, Fick.
Bänder der Wirbelkörper. 23
lamellenartig angeordneten Bindegewcbszügen, welche in weitläufigen Spiraltouren
die beiden Wirbelcndflächen miteinander verbinden. Ihr Verlauf kreuzt sich in
der Art, daß die Fasern der einen Schichte von unten links nach oben rechts auf-
steigen, die der nächsten von unten rechts nach oben links. Auf einem Horizontal-
schnitt der Bandscheibe entsteht dadurch eine konzentrische Zeichnung, welche
sich aus hellen und dunklen Streifen zusammensetzt. Dreht man den YVirbelkörper
langsam um seine Achse, dann sieht man, wie die erst hellen Streifen dunkel werden
und umgekehrt. Dies erklärt sich dadurch, daß das Licht verschieden reflektiert
wird, je nach dem Einfallswinkel, in welchem es die schief verlaufenden Fasern der
Lamellen trifft. Man kann sich die Lichtwirkung durch Betrachtung eines Tisch-
tuches mit Damastmuster klar machen, bei welchem die Leinenfasern so angeordnet
sind, daß es ebenfalls lediglich auf den Lichteinfall ankommt, ob das Muster dunkel
auf hellem Grund oder hell auf dunklem Grund erscheint.
Die Bandscheiben gehen in i mm dicke Schichten hyalinen Knorpels über,
welche die Endflächen der Wirbel überkleiden.
Die Bandscheiben gleichen alle Unregelmäßigkeiten, welche die Endflächen
der durch sie verbundenen Wirbel zeigen, aus, auch sind sie im einzelnen so ge-
gestaltet, daß sie die Wirbelkörper bei der Herstellung der physiologischen Krüm-
mung an der Wirbelsäule auf das wirksamste unterstützen. Sie sind daher an der
einen Stelle nach vorne, an der anderen nach hinten einigermaßen keilförmig zuge-
schärft. Gefrorene Medianschnitte des Gesamtkörpers zeigen, daß die Höhe der Band-
scheiben im ganzen in der Gegend des dritten bis sechsten Halswirbels am geringsten
ist. Von hier aus nimmt sie nach beiden Seiten zu; am Hals steigt sie von zwei auf
etwas über drei Millimeter, nur die oberste Bandscheibe zwischen zweitem und drittem
Halswirbel ist niederer; am Bauch wächst die Höhe bedeutend und zwar auf etwa
elf Millimeter heran. Ihre Höhe beträgt am Hals ein Fünftel, an der Brust ein Siebentel,
am Bauch ein Drittel der Höhe der Wirbclkörper (Fick 1904).
Der eigenartige Bau der Bandscheiben ist für ihre physiologische Leistung von
Bedeutung. Der Gallertkern ist außerordentlich quellbar, er kann sich auf das
Doppelte seines Volumens vergrößern. Durch den Faserring wird er unter starkem
Druck gehalten. Man erkennt dies an einem Medianschnitt der Wirbelsäule, an
welchem die von diesem Druck befreiten Gallertkerne auf der Schnittfläche stark
hervorquellen. Sie bilden ein elastisches Polster, dessen Form sich den Bewegungen
der Wirbelsäule in geeigneter Weise anbequemt. Der Faserring, welcher den Gallert-
kern einpreßt, wird von diesem wieder umgekehrt in so beträchtliche Spannung ver-
setzt, daß er sich an seiner Oberfläche ringsum ein wenig vorbauscht. Es ist durch
diese Wechselwirkung sowohl die Beweglichkeit wie die Festigkeit der Wirbelsäule
auf das beste gewährleistet.
An der Halswirbelsäule werden von Luschka kleine Gelenke beschrieben, welche
die erhöhten Seitenränder der oberen Endflächen der Wirbelkörper mit den ent-
sprechenden Flächen des nächsthöheren Wirbels verbinden. Sie sollen zuweilen von
Entzündungen befallen weiden können.
Die Körper dir falschen Wirbel sind anfänglich durch Bandscheiben ver-
bunden, welche sich nicht von denen der beweglichen Wirbel unterscheiden (66 61
[hre Verknöcherung setzt sich vom letzten Kreuzwirbel aus cranialwärts fort. Die Ver-
bindung /.wischen Kreuzbein und Steißbein bezeichnet man als Symphysis sacro-
coecygea. Sie enthält nieist statt des Gallertkernes eine kleine Höhle. Im männ-
lichen Geschlecht neigt sie zur Verknöcherung, im weiblichen erhält sie sich gewöhn-
24 Bänder der Wirbelkörper.
lieh lange unverknöchert. Die untersten Steißwirbel sind meist knöchern mit-
einander verwachsen.
Die Knochenumwandlung der Bandscheiben der falschen Wirbel beginnt in
deren Randpartien; im Innern findet man noch im späteren Alter einen weichen
Kern (44).
Die Synchondrose zwischen Körper und Zahn des Epistropheus wandelt sich im
Laufe der Kinderjahre in eine Synostose um.
Es ist hervorzuheben, daß die Bandscheiben der beweglichen Wirbel zur
Verknöcherung durchaus nicht neigen, man findet sie vielmehr noch im höchsten
Alter unverknöchert.
Die Zusammenfügung der Wirbelkörper zum Achsenstab des Rumpfes wird
unterstützt durch Bänderzüge, welche sie an ihrer vorderen, dem Visceralrqhr und
an ihrer hinteren, dem Xeuralrohr zugekehrten Oberfläche überziehen. Sie ver-
halten sich ähnlich wie der Bewurf einer Hauswand, welcher die Fugen glättet und
unter einer gleichmäßigen Oberflächenschichte verschwinden läßt. Doch trifft der
Vergleich deshalb nicht ganz zu, weil die Oberflächen der Wirbelkörper noch mit
Gebilden in Beziehung stehen, welche die deckenden Bänderzüge nicht unwesent-
lich beeinflussen.
ß) Das vordere Längsband, Lig. longitudinale anterius1) (51), überzieht den
vorderen Umfang der Wirbelkörper. Es füllt die Hohlkehlen ihrer Vorderseite aus
und verbindet sich mit den zwischen ihnen liegenden Bandscheiben. Es erstreckt
sich ununterbrochen vom Schädel bis zum Kreuzbein, wobei jedoch die einzelnen
Faserzüge nicht über die ganze Wirbelsäule hin, sondern in den oberflächlichen Lagen
über vier bis fünf Wirbel, in den tiefen nur von einem zum andern verlaufen. Das
Band beginnt am Tuberculum pharyngeum des Hinterhauptsbeines. Gleich nach seinem
Ursprung wird es von beiden Seiten her durch die zum Schädel aufsteigenden Mm.
longi cap. eingeengt, so daß es nur ein schmales Septum zwischen ihnen bildet.
Schon vom unteren Teil des Epistropheus ab verbreitert es sich, da nun die Jim. longi
mehr aus einander weichen. Bis zu deren Ende am dritten Brustwirbel bleibt das
Verhalten das gleiche und das Band wird durch die Insertionen der Sehnenfasern
der genannten Muskeln verstärkt. Von da ab breitet es sich über den ganzen
vorderen Umfang der Y\ "irbelkörper aus, wobei jedoch der Mittelteil immer nicht
unerheblich dicker bleibt als die Seitenteile. Beide werden durch schlitzförmige
Spalten für den Durchtritt der Wirbelgefäße unvollkommen voneinander getrennt.
Im Bauchteil wird das Band von den Seiten her wieder durch die Ursprünge des
M. psoas eingeengt, deren Sehnenbogen bis zu seinem Mittelteil heranreichen. In
der Bauchgegend erhält es beträchtliche Verstärkungen durch das Einstrahlen der
Sehnen des Zwerchfelles.
Das Band erstreckt sich bis zum zweiten Kreuzwirbel oder noch weiter
herab.
Im Gegensatz zu dem Verhalten der Bandscheiben steht es, daß eine teilweise
Verknöcherung des Lig. longitud. anter. im Greisenalter nicht selten beobachtet wird.
;') Das hintere Längsband, Lig. longitudinale posterras2) (52), überblickt
man, wenn man nach Fortnahme der Bogen die Rückseite der Wirbelkörper betrachtet.
Es ist dünner als das vordere Längsband und enthält zahlreiche elastische Fasern.
J) Ligamentum commune vertebrarum anterius.
2) Ligamentum commune vertebrarum posticum.
Wirbelgelenke. Bänder der Wirbelbogen. 25
Es beginnt am Schädel und reicht caudalwärts bis zum Steißbein. Sein Anfang ist
bis zum unteren Teil des Epistropheus mit den benachbarten Bandschichten so
innig verbunden, daß man es von denselben nur künstlich zu trennen vermag, wo-
durch sich die einigermaßen verschiedenen Beschreibungen dieses Teiles erklären.
Von da ab gewinnt es nun größere Selbständigkeit. Am Hals bedeckt es gleichmäßig
breit die ganze Rückseite der Wirbelkörper, an Brust und Bauch ist es im Bereich
der Wirbelkörper jedesmal verschmälert, während es mit den Bandscheiben in ihrer
ganzen Breite verbunden ist. Dadurch entsteht jederseits ein bogenförmig ge-
zackter Rand.
Der gezackte Rand des Bandes erklärt sich durch das Verhalten der zahlreichen
Venen an der Rückseite der Wirbelkörper. Sie bilden zwei Geflechte, welche der
Länge nach vom Hinterhauptsloch bis zum Ende des Kreuzbeines neben und auf
dem Band verlaufen. Sie werden durch Oueranastomosen in der Höhe jedes Wirbel-
körpers miteinander verbunden, welche unter dem Band, d. h. zwischen ihm und
dem Wirbelkörper liegen. Die aus dem Wirbel selbst austretenden Venen gelangen
beiderseits an den Stellen in die Plexus, von welchen die Oueranastomosen ab-
gehen. Die Bogen des Bandes sind nichts anderes als Sehnenbogen, unter welchen
sich die oberflächlichen und tiefen Venen miteinander verbinden. Daß an der Hals-
wirbelsäule die Sehnenbogen nicht ausgebildet sind, erklärt sich daraus, daß dort
die Venengeflechte weit zur Seite, bis auf die Wurzeln der Wirbelbogen ge-
rückt sind.
Mit der Dura mater spinalis ist das hintere Längsband durch Bindegewebs-
st ränge verbunden, welche im Brustteil locker und spärlich sind. Cranial- und caudal-
wärts verstärken sie sich; im Kreuzbeinkanal sind sie am kräftigsten.
b) Gelenkkapseln, Capsulae articulares.
Die Stellung und Form der Gelenkflächen der Beugewirbel sind bei Betrach-
tung der Knochen geschildert worden. Ihr Knorpelüberzug ist an den Lenden-
wirbeln am dicksten, dann folgen die Halswirbel, am dünnsten ist er an den Brust-
wirbelgelenken. Die Kapseln setzen sich unmittelbar am Rand der überknorpelten
Gelenkflächen an 53, 54). Sie sind am beweglichsten Teile der Wirheisäule, an
den Halswirbeln, am schlaffsten, dann folgen die Bauchwirbel und am straffsten
sind sie an den Brustwirbelgelenken. In das Innere der Gelenkhöhlen treten oft
platte Synovialialten vor. Verstärkt werden die Kapselbänder vorne durch die
über sie hinwegziehenden gelben Bänder, hinten und außen durch Faserzüge, welche
an den Halswirbelgelenken am schwächsten, an den Lendenwirbeln am stärksten
ausgebildet sind.
An den drei oberen Kivu/.wirbeln erhalten sieh die Gelenke bis zum is. Lebens-
jahr, erst dann beginnen sie zu ankylosieren (Retzius 1895).
c) Bänder der Wirbelbogen. Ligamenta flava ').
Sie füllen die Zwischenräume zwischen den Wirbelbogen vollständig aus und
verschließen dadurch den WirbelkanaJ von hinten her so vollständig, daß er nur
durch die For. intervertebralia mit dei Peripherie in Znsammenhang stehl 55 . Sie
beginnen jedesmal an einer rauhen Stelle auf der dem Wirbelkanal zugekehrten Seite
') Ligg. intcrcrui.ili a.
26 Bänder der Wirbeldornen und der Querfortsätze.
des Bogens des einen Wirbels und setzen sich an einer ebensolchen auf der Dorsal-
seite des Bogenrandes des nächstunteren fest. Ihre Verbindung mit den Wirbelbogen
ist so orientiert, daß sie die Rückseite des Wirbelkanales vollständig glätten. An
der Halswirbelsäule sind sie am dünnsten, an der Lendenwirbelsäule am dicksten.
Das einzelne Band ist im hinteren Umfang am dicksten, seitlich, wo es bis auf
die Vorderfläche der Gelenkkapseln reicht, wird es immer dünner. An der dem
Wirbelkanal zugekehrten Seite findet man in der Medianlinie einen feinen Längsspalt
zum Durchtritt von Gefäßen.
Ihrem Bau nach bestehen die in Rede stehenden Bänder fast ausschließlich
aus elastischen Fasern, was ihre gelbe Farbe erklärt. Die große, ihnen innewohnende
Elastizität bringt es mit sich, daß sie bei jeder Stellung der Wirbelsäule immer in
gleicher Weise gespannt sind und die Oberfläche des Wirbelkanales glatt er-
halten.
Über die den gelben Bändern entsprechenden Bänder am oberen und unteren
Ende der Wirbelsäule soll nachher gesprochen werden.
d) Bänder der Wirbeldornen.
An die gelben Bänder der Wirbelbogen schließen sich ohne Unterbrechung
Bindegewebsplatten an, die Ligg. interspinalia (56), welche die Zwischenräume
zwischen den Dornen der aufeinander folgenden Wirbel ausfüllen und demnach
ganz so gestaltet sind, wie es die Form dieser Zwischenräume jedesmal mit sich
bringt. An der Basis der Dornen sind sie deshalb auch verbreitert, gegen
die Spitze hin werden sie dünner. Hinter den Spitzen der Dornen fließen die
Bandmassen zu einem sehnenartigen rundlichen Strang zusammen, welcher sich
von der Vertebra prominens bis zum Kreuzbein hinzieht, Ligamentum supra-
spinale1) (56). An der Halswirbelsäule folgt die Fortsetzung des Ligamentum
supraspinale nicht der Spitze der Dornfortsätze, sondern zieht in einer nur wenig
konkav geschweiften Linie zur Protuberantia occipitalis empor. Der dreieckige Raum,
welcher zwischen den geteilten Spitzen der Dornen und diesem Strang bleibt, wird
durch eine dünne, nicht selten durchbrochene Bindegewebsplatte ausgefüllt, welche
sich von der Vertebra prominens aufwärts bis zur Crista occipitalis erstreckt. Die
ganze Platte wird unter dem Namen Ligamentum nuchae (56) zusammengefaßt.
Bei dem aufrecht stehenden Menschen ist es schwächer entwickelt, als bei vierfüßig
gehenden Tieren. Besonders stark und fast ausschließlich aus dicken elastischen
Fasern bestehend, findet man es bei geweih- und hörnertragenden Tieren, um dem
Zug des schweren Kopfes entgegenzuwirken.
Der eben besprochene Bandapparat bildet mit den Wirbeldornen eine median-
stehende Leiste, welche die Rückenmuskeln beider Seiten voneinander trennt und
ihnen zugleich Ansatzflächen bietet. Die sich an die Bänder der Wirbeldornen an-
haftenden Muskelsehnen tragen denn auch zu ihrer Verstärkung bei.
e) Bänder der Wirbelquerfortsätze. Ligamenta intertransversaria 2).
Dünne rundliche oder platte Faserzüge, welche. in senkrechtem Verlauf je zwei
Ouerfortsätze miteinander verbinden (77). Am Hals vermißt man sie so gut wie
x) Ligamentum apicum.
2) Ligamenta tuberositatum vertebralium.
Bandapparat am cranialen Ende der Wirbelsäule. 27
vollständig, an den Brustwirbeln verlaufen sie von der Tuberosität des Ouerfortsatzes
eines Wirbels zu der des andern, an den Lendenwirbeln sind sie schlecht begrenzte
Platten. Sie sind an Brust und Bauch von verschiedener Bedeutung. An ersterer
Stelle hat man lediglich Muskelansatzpunkte in ihnen zu sehen, an letzterer gehören
sie zum Bandapparat der Rippenrudimente. Sie sind unbeständig.
f) Bandapparat am cranialen Ende der Wirbelsäule.
Daß die Drehwirbel die Yermittelung zwischen Wirbelsäule und Schädel zu
übernehmen haben, tritt in ihrem Bandapparat noch deutlicher hervor wie in ihrer
osteologischen Erscheinung. Derselbe erstreckt sich vom Epistropheus bis zum Hinter-
hauptsbein. Die Bewegungen werden um drei Achsen ausgeführt und gehen eigent-
lich -amtlich im Bereich des Atlas vor sich, da ja der Zahn und die obere Gelenk-
fläche des Epistropheus genetisch dem ersten Halswirbel angehören. Sehr feste Haft-
bänder halten alles zusammen, und breite Membranen schließen die zwischen beiden
Wirbeln und dem Hinterhaupt klaffenden Lücken zu und glätten die Oberfläche des
Wirbelkanales.
a) Articulatio atlanto-occipitalis (57 — 59). Die Form der Gelenkflächen
des Atlas wurde oben (S. 19) beschrieben, die des Hinterhauptes sind entsprechend
gebildet. Die Gelenke beider Seiten müssen stets zusammenwirken, sie stellen seit-
liche Abschnitte eines einzigen und zwar elliptischen Rotationskörpers dar. Die
Gclenkflächen konvergieren nach vorn in individuell wechselndem Grad; ihr lateraler
Rand liegt etwas höher, als ihr medialer. Die Pfannen des Atlas sind in der Rich-
tung von vorn nach hinten kürzer als die Gelenkflächen des Hinterhauptes, was
eine größere Beweglichkeit um eine quergestellte Achse begünstigt. Diese Achse
geht beiderseits durch den unteren Teil des Warzenfortsatzes (Fick 1904). Die
kürzere sagittale Achse ist schräg von hinten unten nach vorn oben gerichtet; die
Bewegung um sie ist wenig ausgiebig. Die Kapsel ist, besonders vorn und hinten,
weit und schlaff, sie setzt sich nicht überall unmittelbar an der überknorpelten Ge-
lenkfläche an. Von ihrer medialen Seite aus ragen Synovialfalten in das Gelenk hinein.
Sie wird vorn und hinten durch verstärkende Bindegewebszüge gesichert, nur an
der medialen Seite ist sie sehr zart, sie grenzt dort an das venenreiche und lockere
Bindegewebe des Rückcnmarkskanales.
ß) Articulationes atlantoepistrophicae (57 — 59). Atlas und Epistropheus
sind durch vier Gelenke in Verbindung gesetzt, welche sämtlich Abschnitte eines kegel-
ähnlichen Körpers darstellen, dessen Achse senkrecht durch die Mitte des Zahnes
des Epistropheus gelegt zu denken ist. Um diese Achse drehen sich die Gelenke
stets zusammen. Zwei seitliche Gelenke sind paarig, die beiden mittleren gehören
dem Zahn an.
Die seitlichen Gelenke werden von den schon beschriebenen oberen Gelenk-
flächen des Epistropheus und den unteren des Atlas gebildet, Sie sind beide konvex
und müssen daher inkongruent sein. Sieht der Kopf gerade nach vorne, dann be-
rühren sie sieh nur in einer transversalen Linie. Dreht man den Kopf zur Seite, dann
gleitet in dem Gelenk der einen Seite die hintere Hälfte der Gelenkfläche de- Atlas
auf die vordere der des Epistropheus herab, in dem Gelenk der anderen Seite geschieht
das Umgekehrte. I lenke nennt die Bewegung eine Schraubenbewegung, doch hat
man dabei an eine Schraube mit doppeltem Gang zu denken. Man kann auch
beim hebenden n.u hweisen, daß der Kopf mit dem Atlas bei der Seitwärtsdrehung
2S Bandapparat am cranialen Ende der Wirbelsäule.
etwas herabsteigt. Es ist klar, daß dieses Herabsteigen einer Zerrung der Weich-
teile in der Umgebung der Gelenke entgegenwirkt.
Da die miteinander verbundenen Gelenkflächen ziemlich gleich groß sind,
sind die starken Verschiebungen, welche sie bei der Drehung erleiden, nur dadurch
möglich, daß sich die Kapseln in ziemlicher Entfernung vom Knorpelrand ansetzen,
auch müssen sie sehr schlaff sein, um die eigenartigen Bewegungen zu ermöglichen.
Von vorn und hinten ragen Synovialfalten in den Gelenkraum hinein, sie sind jedoch
weit davon entfernt, ihn auszufüllen. Eigene Verstärkungsbänder besitzen die Ge-
lenke nicht, doch wird ihr nach dem Wirbelkanal sehender Teil von den dort ver-
laufenden Bändern geschützt.
Der Zahn bewegt sich nach Art eines Rollgelenkes, indem er in einem Ring
läuft, welcher vorne von dem vorderen Atlasbogen, hinten von dem Lig. trans-
versum atlantis gebildet wird (60 a) . Im Zusammenhang mit der verschiedenen Her-
kunft und Bedeutung der beiden Teile des Ringes steht es, daß nicht eine einzige
ringförmige Gelenkhöhle vorhanden ist, sondern eine vordere und eine hintere, welche
durch eine geringe Menge lockeren Bindegewebes voneinander getrennt sind *) (60a) .
Die Knorpelüberzüge der Gelenkflächen des vorderen Zahngelenkes scheinen meist
faserknorpelig zu sein, der Knorpel an der Rückseite des Zahnes ist es in der Tat
(Fick). Auch das Lig. transversum atlantis besitzt einen faserknorpeligen Über-
zug. Die Kapseln beider Gelenke sind sehr zart und schlaff.
In der Umgebung des Zahnes finden sich mehrere Schleimbeutel, welche mit
den Gelenken durch engere oder weitere Öffnungen in Verbindung stehen. Auch mit
den beiden seitlichen Gelenken können sie kommunizieren, so daß dann alle in Rede
stehenden Gelenkhöhlen miteinander zusammenhängen. Entzündungsprozesse und
Ergüsse können sich in solchen Fällen ohne weiteres durch den ganzen Gelenk-
apparat verbreiten.
Drehwirbel und Hinterhauptsbein sind so lose aufeinandergestellt, daß man
auf den ersten Blick darüber verwundert sein könnte, daß doch alles so fest
zusammenhält. Die um den Zahn gruppierten Bänder sind es, welche dem ganzen
Apparat einen so festen Halt geben, daß eher die oberflächliche Knochenschichte
mit dem Band abreißt, ehe das Band selbst eine Kontinuitätstrennung erfährt.
Zuerst ist das vorhin schon erwähnte Lig. transversum atlantis2) (58) zu nennen.
Es setzt sich beiderseits an der Innenfläche der Seitenteile des Atlas an und umfaßt
den Zahn an seiner Rückseite so eng, daß es ihn einschnürt. Nach oben und unten
entsendet es je einen Schenkel, welcher sich nach seinem Ende hin verschmächtigt.
Der obere gelangt bis zum Rande des Hinterhauptsloches und verbindet sich auf
seinem Wege mit der Spitze des Zahnes, der untere setzt sich an der Rückseite des
Epistropheuskörpers fest. Die beiden Schenkel verhindern eine Verschiebung des
Ouerbandes nach oben und unten. Die ganze Einrichtung führt den Namen Lig.
cruciatum atlantis3).
Die Ligg. alaria (öS, 5.9) sind außerordentlich starke und kurze Stränge, welche
in nur wenig schiefer Richtung vom hinteren Umfang des Zahnes zum vorderen
Teil des medialen Randes der Gelenkfläche des Hinterhauptes emporsteigen. Man
beobachtet oft eine oberflächliche Schichte, welche hinter dem Zahn festonartig
J) Das hintere Gelenk wird von manchen Autoren als Schleimbeutel beschrieben.
2) Ligamentum transversum dentis.
3) Ligamentum cruciatum epistrophei.
Bandapparat am cranialen Ende der Wirbelsäule. 29
gebogen von einer Hinterhauptsseite zur anderen hinüberzieht. Die beiden Bänder
hemmen die Drehbewegung des Kopfes. Es ist zu beachten, daß die Ligg. alaria
unter Übergehung des Atlas den Epistropheus direkt mit dem Hinterhaupt in Verbin-
dung setzen, was die Festigkeit der ganzen Drehwirbeleinrichtung wesentlich erhöht.
Das Lig. apicis dentis1) (59, 60) ist ein dünner Strang, welcher von der Kuppe
des Zahnes an die Mitte des vorderen Umfanges des Hinterhauptsloches geht. Es
ist ohne jede mechansiche Bedeutung, aber deshalb interessant, weil es der Zwischen-
wirbelscheibe entspricht, welche den Körper des ersten Wirbels mit dem Hinterhaupt
verbindet. Es geht dies daraus hervor, daß es einen Rest der Chorda dorsalis ent-
hält. Bei Erwachsenen findet man in ihm auch nicht selten einen hyalinen Knorpel-
strang.
Die Membrana tectoria (ö7) kann als die Fortsetzung des Lig. longitudinale
poster. der Wirbelkörper betrachtet werden. Ihre oberflächlichen Faserzüge gehen
direkt aus dem Längsband hervor, die tieferen entspringen am Körper des Epistro-
pheus. Die kräftige Membran steigt über den Zahn des Epistropheus mit seinem
Bandapparat empor, deckt ihn, die Schleimbeutel und die Venenplexus in seiner
Umgebung zu und glättet den vorderen Umfang des Wirbelkanales. Sie ist über das
Hinterhauptsloch hinauf bis auf den Clivus zu verfolgen, wo sie einerseits mit dem
Periost, andererseits mit der Dura mater fest verbunden ist.
Die starke Rückbildung des Atlas bringt es mit sich, daß über und unter ihm
sowohl an der Vorderseite wie an der Rückseite der Wirbelsäule klaffende Spalten
bleiben. Sie werden von bindegewebigen Membranen ausgefüllt, welche den Wirbel-
kanal verschließen, einer Membrana atlanto-occipitalis ant. undpost. und einer
Membrana atlanto-epistrophica ant. undpost.2) (56). Die beiden vorderen
Membranen stehen mit dem vorderen Längsband in unmittelbarem Zusammenhang, sie
sind gewissermaßen Verbreiterungen desselben, welche sich unter den M. longi seit-
wärts bis auf die Gelenke hinziehen. Die hinteren Membranen sind höher und breiter
als die vorderen, da die Spalten, welche sie zu verschließen haben, geräumiger sind.
Sie entsprechen den Ligg. flava der Beugewirbel, sind aber weniger dick wie diese.
enthalten auch weniger elastische Fasern. Da an den Drehwirbeln die Gelenkfort-
sätze der Beugewirbel fehlen, reichen die hinteren Membranen bis zu den Austritts-
stellen der Spinalnerven hin und bilden also die hintere Begrenzung der Foramina
intervertebralia, welche bei den Beugewirbeln von deren Gelenkfortsätzen geliefert
wird. Die A. vcrtebralis durchsetzt die Membr. atlanto-occipitalis poster. an der
gleichen Stelle, an welcher der oberste Rückenmarksnerv austritt.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß in der Articulatio atlanto-occipitalis
die Nickbewegung vorgenommen wird, daß außerdem aber auch eine geringe Seiten-
neigung ausgeführt werden kann. In der Articulatio atlanto-epistrophica erfolg!
die Drehbewegung des Kopfes, wie bei der Bewegung der Verneinung. Sie erfolgl
um eine vertikale Achse, welche durch den Zahn des Epistropheus gelegt ist. Es
dreht sich dabei der Kopf mit dem Atlas. Auch Vor- und Rückbeugung sind im unteren
Kopigelenk nicht ganz ausgeschlossen (Fick IQll). Die Nickbewegung ist eine
nicht sehr ausgiebige und sie wird ergänzt durch die Beugung der ganzen Halswirbel-
säule, welche überhaupt bei allen Bewegungen des Kopfes mitarbeitet. Läßt man
nur das Atlas-Hinterhauptsgelenk allein wirken, dann macht dies einen steilen und
ungeschickten Eindruck.
') Lig. Suspensorium dentis.
-) Membranae obturatoriae.
30 Bandapparat am caudalen Ende der Wirbelsäule.
Praktische Bemerkungen. Der Bandapparat der Drehwirbelgelenke ist so überaus
fest, daß man einen Menschen mit den nötigen Kautelen am Kopf aufhängen kann, ohne die Bänder
zu schädigen (Sayre). Das Aufhängen zum Zweck des Selbstmordes oder zur Vollstreckung
der Todesstrafe zerreißt die Bänder nicht und bringt keine Luxation des Zahnes des Epistropheus
mit Quetschung des verlängerten Markes hervor, wie man früher wohl annahm. Es handelt sich
dabei vielmehr um eine Schädigung der Weichteile des Halses und Sistierung der Atmung. Der
Widerstand des Bandapparates einwirkenden Gewalten gegenüber ist so erfolgreich, daß nicht
selten eher die oberflächliche Knochenschichte mit einem der Bänder abreißt, ehe das Band selbst
eine Kontinuitätstrennung erfährt. Immerhin aber sind Fälle von Zerreißungen beobachtet
worden, so erwähnt König (1889) einen solchen, in welchem die beiden Ligg. alaria abgerissen
waren und wo dann der Zahnfortsatz unter dem Lig. transversum hervor und nach hinten ge-
treten war. Es kann eben eine Luxation nur dann eintreten, wenn entweder ein oder beide Ligg.
alaria oder das Lig. transversum zerreißt. Die Gewalten, welche eine solche Zerreißung herbei-
führen, sind meist so erhebliche, daß der Tod rasch herbeigeführt wird. Nur bei Spondylarthro-
kace (einer tuberkulösen Erkrankung der Wirbel und ihrer Gelenke) können sich die Bänder ganz
allmählich lockern, wodurch eine Luxation des Atlas entstehen kann. Die gewöhnliche und tvpische
Verletzung des ganzen Drehwirbelapparates ist die, daß die Bänder halten, daß aber der Zahn
abbricht, welcher dann leicht in das Centralorgan eindringt. Die Kasuistik weist eine Menge
von Fällen auf, in welchen nach Brüchen des Zahnes die Patienten kürzere oder längere Zeit ver-
hältnismäßig wohl gewesen waren, bis dann eine unbedachte Bewegung eine Dislokation des
abgebrochenen Zahnes, Eindringen in das Centralorgan und damit augenblicklichen Tod gebracht
hatte. Es ist deshalb in solchen Fällen die peinlichste Feststellung des Kopfes erste ärztliche
Regel.
g) Bandapparat am caudalen Ende der Wirbelsäule.
Von den Bandscheiben der falschen Wirbel war schon oben (S. 23) die Rede.
Die übrigen Bänder erweisen sich, wie die Knochen, stark reduziert. Das Lig. longi-
tudinale ant., welches am zweiten Kreuzwirbel endigt, tritt am Ende des Kreuzbeins
wieder auf als die tiefste Schichte des Lig. sacrococcygeum anter. (81). Die ober-
flächliche Schichte dieses Bandes entspricht dem Lig. longit. anter. nicht, was daraus
hervorgeht, daß das Ende des N. sympathicus und die Art. sacralis media hinter ihr
liegen, während an Brust und Bauch die entsprechenden Nerven und Gefäße vor
dem Längsband verlaufen. Sie ist als umgewandelter Rest der Schwanzmuskulatur
zu deuten. Das Lig. longitud. poster. wird vom zweiten Kreuzwirbel ab zu einem
schmalen medianen Streifen reduziert, an welchem man aber noch immer die oben
erwähnten Zacken erkennen kann. Sein Ende auf der Rückseite der Steißwirbel-
körper wird als Lig. sacrococcygeum poster. profundum (61) besonders be-
nannt. Von den Gelenken der Kreuzwirbel wurde schon oben (S. 25) berichtet.
Die Gelenkverbindung zwischen den Kreuzbein- und Steißbeinhörnern wird
durch ein kleines Band, Lig. sacrococcygeum articulare (61) ersetzt, dessen
Bedeutung daraus klar hervorgeht, daß der letzte Kreuzbeinnerv vor ihm austritt,
also zu , ihm die gleiche Lage hat, wie die höher gelegenen Spinalnerven zu den
Gelenken der Beugewirbel.
Die knöchernen Wirbelbogen fehlen am Ende des Kreuzbeins und am Steiß-
bein; sie werden zusammen mit den Ligg. flava und den Bändern der Dornen durch
eine elastische Membran ersetzt, Lig. sacrococcygeum superficiale (61). Meist
weicht das Band an seinem Ende in zwei Zipfel auseinander, welche sich an den zweiten
oder dritten Steißwirbel anheften.
Das Lig. sacrococcygeum laterale (61) ist eine ziemlich kräftige Bandver-
bindung zwischen dem unteren Ende der Pars lateralis des Kreuzbeins und der
Seitenkante des ersten Steißwirbels. Es entspricht demnach den in den Seitenteilen
Wirbelsäule im ganzen. 31
des Kreuzbeins vereinigten Knochen- und Bandelementen. Wie das Lig. sacro-
coecygeum articulare verknöchert es häufig und bildet dann die laterale Umrandung
eines fünften Kreuzbeinloches, durch welches der vordere Ast des fünften Kreuzbein-
nerven passiert.
h) Wirbelsäule, Columna vertebralis '), im ganzen.
Länge. Die Länge der Wirbelsäule schwankt natürlich mit der Körperlänge
im ganzen, bei einem Menschen mittlerer Größe aber beträgt sie in der Vertikalen
gemessen 70 — 71 cm. Davon entfallen auf den Halsteil 62, auf den Brustteil 30, den
Bauchteil 17 und die falschen Wirbel 12 cm. Sie beträgt zwischen 42 und 43 % der
gesamten Körpergröße, doch ist zu bemerken, daß die Länge der Beine stärker schwankt,
wie die Länge der Wirbelsäule, so daß kleine Leute oft kurze Beine und einen ver-
hältnismäßig langen Rumpf besitzen, und große Leute umgekehrt lange Beine und
einen kurzen Rumpf.
Belastung und Krümmungen. Da die Wirbelsäule das Achsenskelet des
Rumpfes bildet, so begreift man, daß sie dessen Verhalten stark beeinflußt, man be-
greift aber auch, daß umgekehrt nicht nur die verschiedenen Teile des Rumpfes, sondern
der ganze Körper einen sehr merklichen Einfluß auf die Wirbelsäule ausüben. In
erster Linie ist es die Belastung, welche auf die Gestaltung der Wirbelsäule maßgebend
einwirkt. Die Wirbelkörper werden caudalwärts immer voluminöser, je mehr die
Last, welche sie zu tragen haben, wächst. Da aber die Belastung vom ersten Kreuz-
wirbel aus durch Vermittelung des Beckens auf die Beine übertragen wird, so werden
die nicht mehr nach dieser Richtung beanspruchten weiteren Wirbelkörper rasch
kleiner.
Die Verbindung der Brustwirbelsäule mit Rippen und Brustbein zum Thorax
bringt es mit sich, daß dieser Abschnitt in seiner Form besonders stabil ist. Er zeigt
eine nach vorn konkave Krümmung, welche sich auch bei stärkster Dorsalbeugung
nicht wesentlich ändert, auch schon deshalb nicht ändern kann, weil dies die dach-
ziegelförmig aufeinander liegenden Dornfortsätze der mittleren Brustwirbel verhindern.
Der aufrecht stehende Mensch kann wegen dieser Krümmung der Brustwirbelsäule sein
Gleichgewicht nur dadurch erhalten, daß er die beweglichen Abschnitte der Wirbel-
säule an Hals und Bauch kompensatorische Krümmungen annehmen läßt, deren Kon-
vexität nach vorne gelichtet ist. Die ganze bewegliche Wirbelsäule isl also in einer
Schlangenlinie gekrümmt, am Halse vorne konvex, an der Brust vorne konkav, am
Bauch wilder vorne konvex (47). Im Zusammenhang mit der Übertragung der B
lastung auf die Beine isl das Kreuzbein scharf abgeknickt. Die Verbindung desselben
mit der beweglichen Wirbelsäule tritt dadurch in besonders charakteristischer Weisi
hervor, sie führt den Namen Promontorium (■!?). Für die Geburtshilfe ist das-
selbe von hoher Wichtigkeit.
Jedermann weiß, daß die Körperhaltung individuell und selbsl nach Rassi n
verschieden ist, daß einmal eine stramme, ein andermal eine nachlässigere Haltung
bevorzug! wird. In Verbindung damit steht natürlich auch eine etwas verschiedene
Form der Wirbelsäulenkrümmungen.
Außer den drei Krümmungen in der Sagittalebene besitzt die Wirbelsäule auch
eine solche in der Frontalebene, welche ihre Konvexitäl mit wenigen Ausnahmen
nach rechts wendet. Auch für sie sind jedenfalls statische Moment«' maßgebend.
l) Columna spinalis,
32 Wirbelsäule im ganzen.
wenn auch über die Einzelheiten eine Einigkeit der Ansichten noch nicht erzielt
worden ist.
Daß die Krümmungen der Wirbelsäule in der Tat das Resultat der Belastung
sind, geht daraus hervor, daß sie beim Neugeborenen kaum angedeutet sind, nur das
Promontorium ist etwas besser ausgebildet. Sie treten erst auf, wenn sich das Kind
aufrichtet und zu stehen beginnt.
Obgleich nur der Mittelteil der Wirbelsäule seine Krümmung im wesentlichen
stets beibehält, während Hals- und Bauchteil ausgiebige Bewegungen auszuführen
imstande sind, so adaptieren sich doch im Laufe der Jugendentwickelung alle Teile
in Knochen und Bändern den Bedürfnissen des aufrechten Stehens so sehr, daß eine
völlig freipräparierte Wirbelsäule, ja sogar die Säule der Wirbelkörper allein, die
Krümmungen beibehält.
Pathologische Fälle beweisen hinwiederum, daß diese dem physiologischen
Postulat angepaßte Form der Wirbelsäule nicht unveränderlich ist. Wird durch eine
Erkrankung der Wirbelsäule ihre Krümmung an ein«r Stelle eine von der Norm ab-
weichende, dann ändern auch die anderen Abschnitte die ihrige in entsprechender
Weise.
Die Schwerlinie des Körpers, welche oben dicht vor dem vorderen Umfang
des Atlas beginnt, schneidet den zweiten bis sechsten Halswirbelkörper, ebenso den
zweiten bis fünften Lendenwirbel. Alle anderen Teile der Wirbelsäule hegen hinter
ihr. Im Becken schneidet sie die Verbindungslinie der beiden Hüftgelenke und er-
reicht den Fußboden in der Gegend zwischen vorderer und hinterer Hälfte des Cal-
caneus beider Füße.
Sämtliche Krümmungen der Wirbelsäule werden stärker bei wachsender Be-
lastung und umgekehrt so daß ein liegender Mensch länger ist, als ein stehender.
Außerdem wird durch die Belastung auch die Gesamtheit der Bandscheiben zusammen-
gepreßt, so daß sie im Laufe eines Tages soviel an Höhe verlieren, daß sich die Wirbel-
säule um etwa 3 cm ver kürzt, ein Verlust, der dann durch die Nachtruhe wieder aus-
geglichen wird.
Beweglichkeit. Die Wirbelsäule besitzt eine freie und allseitige Beweglich-
keit; sie ist nicht nur zu Biegungen nach jeder Seite hin befähigt, sondern auch zu
Torsionen um die Längsachse. Dabei sind nur die Bandscheiben ausschlaggebend
in der Art, daß die relativ höchsten die freieste, die relativ niedersten die geringste
Bewegung gestatten. Die relativ höchsten sind die der Halswirbelsäule, dann folgen
die der Lendenwirbelsäule und die relativ niedersten sind die der Brustwirbelsäule.
Die Wirbelgelenke sind ohne größere Bedeutung, sie setzen nur den' Bewegungen
kein wesentliches Hindernis entgegen, obschon dies nach der Form der Bauchwirbel-
gelenke (54) nicht der Fall zu sein scheint. Die große Beugungsmöglichkeit der Hals-
wirbelsäule nach allen Seiten wird begünstigt durch die flache Stellung der Wirbel-
bogen mit ihren Fortsätzen, welche alles vermeidet, was die Bewegungen hemmen
könnte. Dies ist ganz anders in der Brustwirbelsäule, wo neben allem anderen, wie
erwähnt, die dachziegelförmig liegenden Dornfortsätze die Rückwärtsbeugung beträcht-
lich einschränken müssen. Für die Ausführung der Bewegungen der Lenden Wirbel-
säule müssen zu ihr auch noch die beiden letzten Brustwirbel gerechnet werden, da
sie ihrer kurzen und freien Rippen wegen sich wie Bauchwirbel verhalten. Wenn
nun auch die Bauchwirbelsäule in der Beugungsmöglichkeit der Halswirbelsäule nach-
steht, so ist diese doch keine geringe.
Wirbelsäule im ganzen. 33
Die Möglichkeit der Torsion um die Längsachse ist in der Lendenwirbelsäule
am geringsten, sie wächst nach oben immer mehr und ist am stärksten in der Hals-
wirbelsäulc (H. Meyer 1873).
Der Wirbelkanal besitzt in der Brust einen kreisförmigen Querschnitt, an
Hals und Bauch hat der Querschnitt die Gestalt eines Dreiecks mit vorderer Basis.
Im Kreuzbein behält er erst die Dreiecksform bei, dann wird er halbmondförmig,
endlich ganz abgeflacht. Der Kanal ist am weitesten am Hals, vom siebenten Hals-
wirbel ab beginnt er sich zu verengern. Seine engste Stelle befindet sich oft, aber
nicht immer, im Bereich des neunten Brustwirbels. An der Bauchwirbelsäule erweitert
er sich wieder und bleibt weiter bis ins Kreuzbein hinein. Sein Ende findet er am
Steißbein, wo sich seine vordere und hintere Wand aneinander legen und verwachsen.
Es wäre irriif. wenn man annehmen wollte, daß die Erweiterungen des Kanals mit
dem Vorhandensein der Cervical- und Lumbalanschwellung des Rückenmarks zu-
sammenhinge, er ist vielmehr an denjenigen Stellen weit, an welchen die Wirbelsäule
die größte Beweglichkeit hat (Cruveilhier 1843). Was die Foramina intervertebralia
anlangt, so sind sie am geräumigsten zwischen den Lendenwirbeln. Nach oben ver-
engern sie sich, um an der Halsgegend wieder weiter zu werden. Ihre Weite steht
im Verhältnis zu den sie passierenden Venen, nicht zu den Nerven.
Ent wickclung (62—67) . Ende des zweiten Fetalmonats entsteht ein Knochenkern im Wirbel-
körper und einer in jeder Bogenhälfte. Die letzteren liefern die Bogen selbst und ihre Fortsätze.
Zur Zeit der Geburt sind die Bogen bis zur Wurzel des Dornfortsatzes bereits verknöchert. Am
Atlas ist zu dieser Zeit der vordere Bogen noch knorpelig, der hintere ist ebenso weit ausgebildet,
wie bei den übrigen Wirbeln. Der Epistropheus besitzt natürlich im Zahn einen besonderen Kno-
chenkern. Die Krcuzwirbel unterscheiden sich von den übrigen nicht, doch besitzen die drei
obersten beim Neugeborenen noch je einen besonderen Kern in den Sakralrippen, aus welchen
sich der Hauptteil der Partes laterales entwickelt. Ein oder zwei Knochenkerne treten im vor-
deren Bogen des Atlas im Verlauf des ersten Lebensjahres auf. Die Steißwirbel verknöchern
zuweilen von zwei Stücken aus, caudalwärts fortschreitend im 7. — 12. Lebensjahr, selbst noch
später. Die knöcherne Vereinigung der Bogenstückc unter sich erfolgt im 1. — 13. Jahr, von der
Brust nach oben und unten fortschreitend, zuletzt am Atlas. Im dritten Jahr beginnt die Ver-
schmelzung von Körper und Bogen, sie ist im sechsten Jahr vollendet. Körper und Zahn des
Epistropheus vereinigen sich im fünften Jahr. Die Kreuzwirbelkörpcr verschmelzen von unten
beginnend, die Bogenteile vereinigen sich früher mit dem Körper, als unter sich. In den Seiten-
teilen der Stcißwirbcl entstehen besondere Knochenkerne, welche denen der Bogen ausgebildeter
Wirbel entsprechen; sie bleiben bis zum 30. Jahr getrennt. Vom 1 2. Lebensjahr ab treten an den
Enden der Wirbelkörper scheibenförmige Epiphvscn auf, welche um das iS. Lebensjahr mit dem
Körpei verschmelzen, Um das 17. — [9. Lebensjahr findet man kleine Knochenkerne an den
Spitzen der Quer- und Ltornfortsätze, in den Proc. mamill. und access. der Bauchwirbel, in
den Proc. COStarii der Halswirbel.
Altersunterschiede. Das Wachstum der Wirbelsäule erfolgt in der Brust- und Becken-
wirbelsäule gleichmäßig, die Halswirbelsäule verlängert sich im Verhältnis etwas weniger, die
Lendenwirbelsäule etwas mehr. Die Bandscheiben wachsen an den Lendenwirbeln am stärksten
(Aeby [N7111. l>ie Seitenkrümmung tritt erst um das 7. — 8. Lebensjahr auf.
Cesi hlech tsunterschiede. Der Lendenteil d«r Wirbelsäule ist bei Frauen länger und
stärker gekrümmt, wie bei Männern.
Varietäten. Die Zahl der Wirbel i>t. abgesehen vom Steißbein, recht beständig, doch
und der letzte Wirbel einer Gruppe zuweilen an die nächste assimiliert. So trägt manchmal
der siebente Halswirbel eine mehr oder weniger ausgebildete treu- Kippe, eben-.) der erste Bauch-
wirbel Der letzte Bauchwirbel wird ganz oder nur einseitig in die Verknöcherung des Kreuz-
beines einbezogen, "der umgekehrt i-t der erste Kreuzwirbel n.mz oder teilweise wie ein freier
Bauchwirbel gestaltet. Sein- häufig ist der erste Steißwirbel, wie oben erwähnt, i;.inz mit dem
Kreuzbein verwachsen. Steigt die Zahl der Kreuzwirbel aui sechs, dann kommt es leicht zur
Ausbildung eines doppelten Promontoriums, was für die Geburtshilfe zu beachten ist. Übet
Merkel, Anatomie II. Skeletlehre. ^
34 Wirbelsäule im ganzen.
die phylogenetische Bedeutung dieser Varietäten sind zahlreiche Arbeiten erschienen (s. bei Fi-
schel 1906), ohne daß jedoch bisher eine Einigung in der Auffassung erzielt werden konnte.
Geringe Ausbildung der Rippenrudimente des Kreuzbeines kann es schmaler, sogar be-
trächtlich schmaler machen, als in der Norm. Die Zahl der Steißwirbel schwankt, wie oben er-
wähnt wurde. Der letzte Steißwirbel kann an seiner Spitze geteilt sein. Auch die Richtung des
Steißbeins weicht zuweilen von der normalen ab. Von geschwänzten Menschen war früher viel
die Rede. Eine genaue Untersuchung hat ergeben, daß Schwanzanhänge, welche zweifellos vor-
kommen, in der Regel keine Knocheneinlage enthalten. Besitzen sie aber eine solche, dann handelt
es sich nicht um eine Vermehrung der Caudalwirbel, sondern um eine Verlängerung derselben,
indem sie zu stäbchenartigen Gebilden heranwachsen (Wiedersheim 1902).
Die Verknöcherung, welche am cranialen und caudalen Ende der Wirbelsäule auch nor-
malerweise vom Typus abweicht, kann in manchen Fällen eine ganz ungewöhnliche werden. Am
Kreuzbein kommt es zuweilen nur in geringem Maße oder gar nicht zu einem knöchernen Ver-
schluß der Bogen. Ebenso fehlt der hintere Bogen des Atlas ganz oder zum Teil. Auch der vordere
Bogen kann fehlen, der Querfortsatz kann unvollständig sein. Sehr selten ist es, daß der Zahn
nicht mit dem Epistropheus verwächst, oder gar, daß er nach Art der übrigen Wirbel sich mit
dem Atlas vereinigt (Romiti 1886). — Der Atlas kann mit Teilen des Schädels in Gelenkverbin-
dung treten, er kann mit dem Hinterhauptsbein mehr oder minder vollständig kongenital ver-
wachsen sein. Die Spitze des Zahnes vom Epistropheus artikuliert zuweilen mit dem vorderen
Umfang des großen Hinterhauptsloches. — Das Foramen transversarium der Halswirbel ist manch-
mal durch eine schmale Knochenspange in zwei- Teile geteilt, am siebenten Halswirbel fehlt es
hier und da gänzlich. — Die Bogen benachbarter Wirbel können miteinander verwachsen oder
sich asymmetrisch vereinigen. Die seltene Varietät findet man an den Halswirbeln, manchmal
auch an den Kreuzwirbeln.
Praktische Bemerkungen. Erkrankungen und Verletzungen betreffen die Wirbel-
säule nicht überall in gleicher Weise, was sich aus dem verschiedenen anatomischen und mechani-
schen Verhalten der einzelnen Teile erklärt. Luxationen erfährt der so bewegliche Halsteil weitaus
am häufigsten. Er ist sogar der einzige Teil der Wirbelsäule, in welchem Luxationen ohne gleich-
zeitige Fraktur entstehen können, was sich durch die wenig schräge Stellung der Gelenkfortsätze
und die geringe Neigung der Dornen erklärt. Kompressionsbrüche der Wirbelkörper sieht man
meist in der Brustwirbelsäule auftreten, da sie ihrer relativen Starrheit wegen einwirkenden Ge-
walten durch Beugung nicht nachgeben kann. Tuberkulöse Erkrankungen betreffen am häufig-
sten die Übergänge des Brustteiles in Hals- und Lendenteil, also die Stellen, an welchen der starre
Teil in den beweglichen übergeht. Deformierende Wirbelerkrankungen mit nachfolgender Anky-
lose beginnen mit Vorliebe an der Lendenwirbelsäule; auch Krebs bevorzugt sie und die Brust-
wirbel. . Eine eigentümliche Erkrankung in der Gegend des Promontorium ist die Spondylolisthesis,
wobei der Körper des fünften Lendenwirbels auf der Basis des Kreuzbeines vorwärts gleitet.
Es wird dadurch der Beckeneingang in einer für den Geburtsvorgang gefahrdrohenden Weise
verengert.
Für die Diagnose von Wirbelerkrankungen kann Druck auf die Dornfortsätze oft gute
Dienste leisten, da dadurch in dem erkrankten Wirbel Schmerzempfindungen ausgelöst werden.
Auch der Druck der Körperlast kann Schmerzen hervorrufen, welche nachlassen, wenn durch
horizontale Lage die Belastung aufgehoben wird.
Eine Verschiebung der Schwerlinie muß eine Änderung der Wirbelsäulenkrümmung im
ganzen zur Folge haben (vgl. S. 31). Sinkt ein Wirbelkörper infolge von Erkrankung oder Ver-
letzung zusammen, dann entsteht eine Knickung, welche nun durch veränderte kompensatorische
Biegung der gesunden Wirbelsäulenabschnitte ausgeglichen werden muß. Auch ohne solche
Erkrankung kann die Krümmung der Wirbelsäule im ganzen Schaden leiden. Schlechte Haltung
infolge von fehlender Willensenergie, schlechte Konstruktion der Schulbänke, Schwäche der
Rückenmuskulatur und vieles andere führt zur Ausbildung eines „runden Rückens", Kyphose.
Eine seitliche Verkrümmung, Scoliose, wird durch die Art des Tragens und Führens rachitischer
Kinder seitens der Mutter oder Amme herbeigeführt, dann durch gewohnheitsmäßige schlechte
Haltung beim Schulunterricht, besonders beim Schreiben; sie ist meist im Brustteil der Wirbel-
säule rechts konvex, im Lendenteil rechts konkav (A. He nie). In höheren Graden ist sie mit
einer Torsion der Wirbelsäule verbunden, welche dem Einzelwirbel oft eine ganz absonderliche
Gestalt verleiht. Auch krankhafte Erscheinungen in der vegetativen Röhre, wie z, B. Lungen-
Rippen. 35
Schrumpfungen, können Scoliose hervorrufen, ebenso auch die Verkürzung eines Beines, wobei
sich die Lendenwirbelsäule auf der Seite des kürzeren Beines konvex krümmt (R. Fick).
Beim Fall auf das Gesäß können sowohl Luxationen wie Frakturen des Steißbeines ent-
stehen. Durch fortgesetzte Reizung der Steißwirbclverbindungen, wie sie bei Reitern, Radfahrern,
auch in gewissen Gewerben vorkommen, können Entzündungen mit nachfolgender Synostose
auftreten.
3. Rippen, Costae, und Brustbein, Sternum.
Wie schon aus vorstehendem hervorgeht, sind die Rippen nur in der Brust-
gegend voll entwickelt, jederseits zwölf an Zahl. Sie sind jedoch auch hier nicht alle
gleichmäßig ausgebildet, indem sie mit dem, Brustkorb von unten her eine Reduktion
erfahren. Bei ihrer Entstehung gehen sie dorsal von der Wirbelsäule aus und schieben
sich in den Myosepten ventralwärts vor. Ihre vorderen Enden vereinigen sich zu den
beiden Sternalleisten, welche sich einander bis zur Berührung nähern, um schließlich
zu dem unpaarigen Brustbein zu verschmelzen. Die caudalen Enden der Sternal-
leisten bleiben mit den zugehörigen Rippen nicht in dauerndem Zusammenhang, sie
bilden den frei hervorragenden Processus xiphoideus.
In ausgebildetem Zustand stehen die sieben cranialen Rippen mit dem Brust-
bein in direkter Verbindung, man nennt sie wahre Rippen, Costae verae1), die
übrigen werden als falsche Rippen, Costae spuriae2), bezeichnet (74). Das ventrale
Ende der achten bis zehnten Rippe ist jedesmal mit der vorhergehenden verbunden,
so daß sich ihre Tätigkeit von der der wahren Rippen nicht trennen kann. Die beiden
letzten sind soweit zurückgebildet, daß ihnen ein näherer Zusammenhang mit den
nächst höheren ?,ranz abgeht, sie führen den Namen freie Rippen: Costae fluctu-
antes.
Die ursprüngliche Knorpelanlage der Rippen bleibt in dem ventralen Teil der
ausgebildeten Rippen bei Bestand, man hat daher ein Os costale und eine Carti-
lago costalis zu unterscheiden.
Das dorsale Ende der Rippenknochen ist mit der Wirbelsäule verbunden. Es
beginnt mit einem verdickten Köpfchen, Capitulum costae, welches an seinem
freien Ende eine Gelenkfläche, Facies articularis cap. costae trägt. Dieselbe
ist von der zweiten bis zehnten Rippe durch eine Querleiste, Crista capituli, in
zwei Felder geteilt, da jede derselben mit zwei Wirbelkörpern in Zusammenhang
-teilt (6S). An der ersten, eilten und zwölften Rippe, welche nur mit je einem Wirbel-
körper verbunden sind, fehlt diese Leiste. Auf das Köpfchen folgt der Rippenhals,
Collum costae. Der obere Rand des Halses schärft sieh an den mittleren Rippen
zu einer breiten, platten, aufwärts konvexen Firste zu. Crista colli costae. Ander
ventralen Seite des unteren Randes findet man eine Hohlkehle, welche sich in den
Sulcus costalis des Rippenkörpers fortsetzt.
Aul den Hals folgt an der dorsalen Seite der Rippe der Rippenhöcker, Tuber-
culum costae. Kr ist in zwei Erhabenheiten geteilt; die untere trägt eine Gelenk-
fläche, Facies articularis tuberculi costae, zur Verbindung mit der an der
Spit/.e des Querfortsatzes befindlichen Fovea costalis. Die obere ist eine Rauhigkeit
zur Anhel'tuni; von Bändern (HS).
An den Rippenhöcker schließt sich der Rippenkörper, Corpus costae. an.
Er isl em Knochenband, welches nach der Fläche und nach der Kante gebogen und
') Costae sternales.
-) Costae liberae, Costae abdominales.
36 Rippen.
um die eigene Achse gedreht ist. Je nach der Stellung der einzelnen Rippen im Brust-
korb sind diese Krümmungen in verschiedener Weise ausgebildet. Die innere kon-
kave Seite des Rippenkörpers ist glatt, während die äußere konvexe eine Rauhigkeit,
Angulus costae, aufweist (68). Seinen Namen führt der Winkel deshalb, weil die
Rippe dort wie abgeknickt aussieht. Die Reihe der Rippenwinkel dient zum Ansatz von
Sehnen; sie begrenzt seitlich die Furche, welche zur Aufnahme der Streckmuskulatur
der Wirbelsäule dient. Da diese letztere nach oben hin einen immer schmaleren Raum
einnimmt, rückt auch der Angulus cranial wärts immer näher an das Tuberculum
heran, an der zweiten und ersten Rippe fällt es mit ihm zusammen (75). Die scharfe
Firste des Halses verliert sich jenseits des Höckers, deshalb ist der obere Rand des
Rippenkörpers gerundet. Der untere Rand dagegen erhebt sich vom Rippenhöcker
ab allmählich zu einer scharfen Leiste , welche am vorderen Drittel des Körpers
wieder verschwindet. An ihrer dem Innern des vegetativen Rohres zugewandten Seite
trägt sie eine Furche, Sulcus costalis, für den Verlauf der Intercostalnerven
und Gefäße (68).
Das leicht verdickte vordere Ende des Rippenknochens ist mit einer napfför-
migen Vertiefung versehen, in welche sich der Rippenknorpel legt. Der Rippen-
knorpel ist weniger platt, als der Rippenknochen, seine Ränder sind gerundet. Der
untere Rand des Knorpels der sechsten Rippe sendet in seinem dem Knochen benach-
barten Teil einen kurzen, abgestutzten Fortsatz ab, welcher mit einer flachen Delle des
oberen Randes der siebenten Rippe gelenkig verbunden ist (74) . Ein ähnliches Rippen-
knorpelgelenk findet man in einer größeren Anzahl von Fällen auch zwischen fünfter
und sechster Rippe (Fawkett, Bardeleben 1898). Die vorderen Enden der Knorpel
der achten bis zehnten Rippe sind zugespitzt, sie legen sich jedesmal an den vor-
hergehenden Knorpel an. Die beiden letzten Rippen tragen ganz kurze Knorpel-
enden.
Die Rippenknochen und Rippenknorpel bilden zusammen je einen nach oben
konkaven Bogen. Der Gipfel des Bogens ist an den oberen Rippen ungefähr da ge-
legen, wo Knorpel und Knochen zusammenstoßen, von der fünften an fällt er in den
Knorpel. Er wird von oben an an jeder folgenden Rippe immer steiler, da sich deren
Ansätze an dem relativ kurzen' Brustbein zusammendrängen. An der sechsten und
siebenten geht der Bogen sogar geradezu in eine Knickung über, um es ihnen zu er-
möglichen, das Brustbein noch zu erreichen (74).
Die erste Rippe (69) nimmt in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahmestellung ein.
Daß Tuberculum und Angulus bei ihr zusammenfallen, wurde schon erwähnt. Außer-
dem ist sie, entsprechend der kegelförmigen Zuspitzung des Brustkorbes, besonders
kurz und stark gekrümmt. Der Hals ist dünn, die Flächen sind breit. Sie sehen nach
oben und unten, die Kanten nach innen und außen. Am konkaven Rand besitzt die
erste Rippe in ihrer ventralen Hälfte eine Rauhigkeit oder ein kleines Höckerchen,
Tuberculum scaleni1), welches dem seitlichen Ende des M. scalenus anticus zum
Ansatz dient. Unmittelbar dahinter findet man eine breite, glatte, ganz schwach
vertiefte Fläche, Sulcus art. subclaviae, über welche sich die genannte Arterie
bei ihrem Austritt aus dem Brustkorb hinbiegt. Hinter ihr folgt dann wieder eine
Rauhigkeit, an welche sich der M. scalenus medius anheftet.
Der Körper der zweiten Rippe (70) trägt an der nach oben und lateral
gerichteten Fläche etwas hinter seiner Mitte eine breite Rauhigkeit, Tuberositas
costae II, zum Ansatz einer Zacke des M. serratus anterior.
M Tuberculum Lisfranci.
Brustbein. 37
An der elften und zwölften Rippe (71) vermißt man Tuberculum costae und
Crista capituli, an der zwölften auch den Rippen winkel.
Die Rippen sind blutreiche, spongiöse Knochen. Ihr Periost ist kräftig, es läßt
sich bei chirurgischen Operationen auf der Außenseite leicht abheben und erhalten;
auf der Innenseite ist es sehr fest mit dem Knochen verbunden. Bei Frakturen kann
es erhalten bleiben und dadurch eine Dislokation der Bruchenden verhindern. Die
Rippenknorpel sind hyalin; sie sind sehr geneigt zu entarten. Nach Freund (1906)
kann dies schon vom 16. Lebensjahr ab geschehen. Sie werden aufgetrieben, ver-
färben sich gelblich und nehmen eine faserige Struktur an. Endlich nehmen sie Kalk-
salzc auf und werden starr. Tritt die Entartung schon in jüngeren Lebensjahren
auf, dann befallt sie zunächst den zweiten und dritten Rippenknorpel und verbreitet
sich von dort aus allmählich über den ganzen Brustkorb; beginnt sie erst in höherem
Alter, dann werden häufig alle Rippenknorpel gleichzeitig befallen. Freund gibt
an, daß der erste Rippenknorpel immer zuletzt ergriffen würde.
Das Brustbein, Sternum1), bildet sich, wie gesagt, aus den Sternalleisten
der Rippen. Es müßte also eigentlich aus einer Anzahl von metamer angeordneten
Teilstückcn bestehen, welche durch Synchondrose miteinander verbunden sind2). An
die Teilstücke und an die sie trennenden Synchondrosen müßten sich die Rippen
in der Art ansetzen, wie sie dorsal jedesmal mit zwei Wirbeln und der zwischen ihnen
befindlichen Bandscheibe in Verbindung stehen. Im erwachsenen Zustand verwischen
sich jedoch diese Verhältnisse in mehrfacher Hinsicht, da erstens mehrere der Einzel-
stücke miteinander knöchern verwachsen und da zweitens das Brustbein an der Re-
duktion des ganzen Brustkorbes von unten her teilnimmt, wodurch sein caudaler Teil
ebenfalls der Reduktion verfällt.
Das Brustbein (72, 73) ist ein platter, schmaler und langer Knochen. Seine Stellung
und Krümmung wird von der Form des ganzen Brustkorbes maßgebend beeinflußt.
Es steht in der Art schräg, daß sein craniales Ende der Wirbelsäule mehr genähert
ist, als sein caudales und es zeigt sich bei hoch gewölbter Brust nach außen stärker
konvex gebogen, als bei flacher. In gewissen Fällen ist es an der Stelle zwischen den
Ansätzen der beiden zweiten Rippen winkelig geknickt 3), was man auch am Liebenden
als eine vorspringende Leiste erkennt. Unter dieser Stelle trägt die Außenfläche
drei meist nur schwach angedeutete Querleisten, Spuren von Synchondrosen, durch
welche einige Teilstücke in der Jugend miteinander verbunden wann. Die Hinter-
fläche ist glatt und Dach gehöhlt. l>a^ craniale Ende des Brustbeines i>t nicht un-
erheblich verbreitert, was damit zusammenhängt, dal.', es dort den Schlüsselbeincm
zur Anheftung und Stütze zu dienen hat. Bei Säugern, deren Schlüsselhein ver-
kümmert ist. ist auch der entsprechende Teil des Brustbeines zurückgebildet. Sein
caudales Ende, welches dir Verbindung mit den zugehörigen Rippen aufgegeben hat.
ist zu einem dünnen, zungenförmigen Blatt umgewandelt.
Die verschiedene Bedeutung der Teile des Brustbeines macht sich in der Art
geltend, daß es im erwachsenen Körper aus drei Stücken besteht, welche man im
Vergleich mit einem antiken Schwert als Handgriff, Manubrium, Körper, Corpus,
und Schwertfortsatz, Processus xiphoideus4), unterscheidet (72). Die Stücke
sind durch Synchondrosen miteinander verbunden,
') Os pectoris.
1 In Fig. 82 des \tl.is ist dies zufällig der Fall.
Vngulus sterni, A.ng. Ludovici.
') Processus ensiformis,
38 Bänder am dorsalen Teil der Rippen.
An seinem freien Rand trägt das Brustbein drei Ausschnitte; der mittlere, In-
cisura jugularis1), ist frei, an die beiden seitlichen, Incisurae claviculares,
lagern sich die medialen Enden der Schlüsselbeine (73). Die Incisura jugularis ist auch
am Lebenden durch die Haut zu fühlen, sie erscheint durch die verdickten Enden
der Schlüsselbeine, welche sie von beiden Seiten her flankieren, tiefer, als sie wirk-
lich ist. Nach dem Körper zu verschmälert sich der Handgriff. Der Körper verbrei-
tert sich nach unten etwas, um dann gerundet abzuschließen. Er ist bei Frauen breiter
und um rund 2 cm kürzer, als bei Männern (72). Es dürfte dies mit der geringeren
Ausbildung des weiblichen Brustkorbes im ganzen zusammenhängen.
Der Schwertfortsatz ist, wie andere rudimentäre Gebilde, von sehr wechselnder
Ausbildung. Einmal ist er spitz ausgezogen, ein andermal endet er gerundet. Er
kann in zwei Zacken auslaufen oder von einem Loch durchsetzt sein. Er kann nach
außen oder nach innen abgebogen sein. Er bleibt oft bis ins hohe Alter knorpelig.
An den Seitenrand des Brustbeins setzen sich die sieben wahren Rippen an,
die oberste unmittelbar unter den Schlüsselbeinausschnitten, die zweite an der Ver-
bindung von Handgriff und Körper, die folgenden in Grübchen am Körper selbst,
die siebente unmittelbar über der Verbindung von Körper und Schwertfortsatz. Die
Ansätze nähern sich einander um so mehr, je weiter caudalwärts sie liegen.
Das Brustbein besteht aus einer lockeren Spongiosa, welche von dünner Corti-
calis überzogen ist. Seine nicht geringe Widerstandskraft erklärt sich durch die Festig-
keit seines durch Bänder verstärkten Periostes.
4. Bandapparat der Rippen und des Brustbeins.
a) Bänder am dorsalen Teil der Rippen.
Die Rippen sind mit den Wirbeln durch Gelenke verbunden, von deren Gelenk-
flächen bereits die Rede war. Die Pfanne der Articulationes capitulorum co-
starum wird von den beiden Gelenkflächen der Wirbelkörper und der zwischen ihnen
liegenden Bandscheibe gebildet. Von der letzteren erstreckt sich das Lig. capituli
costae interarticulare2) zur Crista capituli (78) und verbindet sich mit ihr,
wodurch das Gelenk in ein zweikammeriges verwandelt wird. An den Gelenken der
ersten, elften und zwölften Rippen, welche nur mit einem einzigen Wirbelkörper arti-
kulieren, fehlt natürlich das interartikuläre Gelenkband. Die Gelenkenden sind an
den zweikammerigen Gelenken mit Faserknorpel, an den einkammerigen mit Hyalin-
knorpel bekleidet. Die Kapseln sind dünn, die Gelenkhöhlen eng.
Bei den Rippenhöckergelenken, Articulationes costotransversariae (79),
besitzen die Rippenhöcker eine leicht konvexe, die Spitzen der Ouerfortsätze leicht
konkave Gelenkfläche, beide sind mit hyalinem Knorpel überzogen. Die Kapseln
sind dünn und schlaff.
An dem Apparat der Haft- und Verstärkungsbänder des hinteren Endes der
Rippen ist Schutz und Verstärkung der Gelenkkapseln nicht das Ausschlaggebende,
sondern vielmehr die feste Verbindung der Rippen mit den Wirbeln, wodurch sie
den oft erheblichen Gewalten zu widerstehen vermögen, welche den Zusammenhang
zu lösen streben. Daß die Bänder im speziellen trotzdem in eine Anzahl verschiedener
J) Incisura semilunaris.
2) Cartilago interarticularis.
Bänder am dorsalen Teil der Rippen. 39
Züge zerfallen, kommt daher, daß die Wirbel mit ihrem Körper, Bogen und Quer-
fortsatz keine einheitliche Ansatzfläche darbieten, und daß die Nerven und Gefäße,
welche den Wirbelkanal verlassen oder ihn aufsuchen, die Bänderzüge zerspalten.
An der Vorderseite findet man die Ligg. capit. cost. radiata1) (76, 80), starke
Bänder, welche sich, vom Rippenköpfchen aus fächerförmig ausstrahlend, zu den
Wirbelkörpern herüber erstrecken. Sie heften sich an diesen unter dem Lig. commune
ant. an. Da sie zu den beiden beteiligten Wirbeln und der zwischen ihnen hegenden
Bandscheibe gehen, ist ihr Ansatz nicht selten in drei Abteilungen zerspalten. An
den oberen Rippen sind die oberen, an den unteren die unteren Züge des Bandes
stärker entwickelt (Fick). Auch an der Hals- und Lendenwirbelsäule finden sich
Bänderzüge, welche den Ligg. radiata entsprechen.
An der Rückseite der dorsalen Rippenenden strahlen die Bänderzüge ebenfalls
tiii liiTtV.nniin und zwar vom Rippenhöcker aus, doch sind sie hier, den osteologischen
Verhältnissen entsprechend, weit mehr individualisiert, wie vorne (77). Ein sehr starkes
und kurzes Band, Lig. tuberculi costae, geht von diesem zur Spitze des Ouerfort-
satzes des zugehörigen Wirbels. Ein zweites, Lig. costotransversarium poster.2),
geht vom Rippenhöcker schräg aufwärts zum Bogen in der Gegend der Wurzel des
Ouerfortsatzes des nächsthöheren Wirbels; durch Gefäße und Nerven, welche es nahe
seinem Ende durchsetzen, wird der Ansatz in zwei Bündel gespalten. Ein drittes
Band steigt noch steiler auf, vom Rippenhöcker zur Tuberosität des Querfortsatzes
des nächsthöheren Wirbels, Lig. tuberculi costae sup. Es ist in seiner Ausbil-
dung sehr variabel, bald stark, bald schwach.
Zu diesen radiär verlaufenden, ventral und dorsal gelegenen Bändern kommen
noch kräftige Bandmassen, welche den Raum zwischen Querfortsatz und Rippenhals
ganz ausfüllen, Lig. colli costae3) (79). Sie halten beide besonders wirksam zu-
sammen.
Die beiden einander gegenüberliegenden Ränder des dorsalen Teiles zweier
Rippen werden durch eine Membran miteinander verbunden, das Lig. intercostale
internum (77), welche aus der Fascie zwischen äußerem und innerem Intercostal-
muskel hervorgeht. Hört der letztere eine kurze Strecke vor dem dorsalen Ende der
Rippen auf, dann verstärkt sich die Fascie zu dem genannten Band. Das mediale
Ende desselben wird zu einem kräftigen, oft aus mehreren Schichten bestehenden
Bänderzug, dem Lig. costotransversarium anterius4) (76), welches von der
oberen scharfen Kante des Rippenhalscs zum unteren Rand der nächsthöheren Rippe
und zum Querfortsatz aufsteigt, mit welchem sie artikuliert. Zwischen dem medialen
Rand des Bandes und dem Wirbelkörper bleibt eine ovale Öffnung, Foramen
costotransversarium (80), in welcher die Teilung des Spinalnerven in seinen vor-
deren und hinteren Ast erfolgt. Das Loch entspricht den vorderen Kreuzbeinlöchern.
Zwischen der letzten Rippe und dem Hüftbeinrand spannt sich eine Membran
aus, Lig. lumbocostale5) (81). In ihrer Stärke schwankt sie sehr, bald ist sie kaum
zu präparieren, bald sehr kräftig, bald gleichmäßig dick, bald in der Mitte ihrer Länge
erheblich verdünnt. Sie besteht aus vielfach gekreuzten Bündeln, welche außer an
') l.i.HK. costo-veitcbralia radiata.
-) Lig. colli costae sup. ad arcum, Fick.
:1i Membrana obturatoria costo transvcrs.ui.i, l-'ick. Eine Unterscheidung in ein Lig,
c. c. sup. und inf., wie sie manche Autoren machen, is1 unnötig.
') Lig. colli ost.ie sup. ant., Fick.
r>) Vorderes Blatt der Fascia Lumbodorsalis.
40 Bänder am ventralen Teil der Rippen und am Brustbein.
Rippe und Hüftbeinrand auch an sämtlichen Ouerfortsätzen der Bauchwirbel fest-
geheftet ist. Sie setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Deutlich sind
die Lig. costotransversaria ant. kenntlich, welche wie an der Brust zur Herstellung
der For. costotransversaria beitragen. Die an sie angeschlossenen Ligg. intercost.
int. fließen mit der Sehne des M. transvers. abdom. zusammen. Bündel der Sehne
des M. quadratus lumborum hängen in breiten Platten oder in schmäleren Strängen
mit ihr zusammen. Das Band ist insoferne von topographischer Bedeutung, als es
die Grenzscheide zwischen der Bauchhöhle und den tiefen Rückenmuskeln bildet.
b) Bänder am ventralen Teil der Rippen und am Brustbein.
Wie oben schon erwähnt wurde, setzt sich die erste Rippe unmittelbar unter
den Schlüsselbeingruben an den Handgriff des Brustbeines fest, die zweite an die Ver-
bindung von Handgriff und Körper. Die dritte Rippe gelangt an die Stelle des Brust-
beinrandes, an welcher das erste und zweite primäre Teilstück des Körpers zusammen-
stoßen. Die Stelle befindet sich genau in der Mitte des ganzen Brustbeines, abgesehen
vom Schwertfortsatz. Die vierte Rippe setzt sich an die Grenze zwischen zweitem
und drittem, die fünfte zwischen drittem und viertem Teilstück an. Die beiden letzten
wahren Rippen drängen sich an diesem letzteren unmittelbar aneinander (82).
Die erste Rippe ist mit dem Brustbeinrand noch in ursprünglicher Weise in der
Art verbunden, daß ihr Knorpel direkt in diesen übergeht. An den folgenden Rippen
aber bilden sich Gelenke aus, bei welchen das Brustbein die Pfanne, das Rippenende
den Kopf liefert. Ähnlich den Rippenköpfchengelenken müßten diese Gelenke sämt-
lich ein interartikuläres Band, Lig. sternocostale interarticulare (82), besitzen,
welches die Synchondrosen zwischen den Teilstücken des Brustbeines mit dem von der
Spitze der Rippe gebildeten Gelenkkopf verbindet, so daß ein Gelenk mit zwei Kammern
entstünde. Ein solches findet man aber regelmäßig nur am Ansatz der zweiten Rippe,
wo ja zwischen Handgriff und Körper des Brustbeines die Synchondrose auch dauernd
erhalten bleibt. An den beim Erwachsenen verknöcherten Synchondrosen des Brust-
beinkörpers werden sie seltener. Schon an der dritten Rippe ist es nur in einem Fünftel
der Fälle erhalten, weiter unten in immer mehr abnehmender Zahl. Auch die Ge-
lenkhöhle selbst wird immer häufiger durch eine Synchondrose ersetzt, je weiter caudal-
wärts die Rippen liegen (Tschaussow 1891). Man sieht, daß die Reduktion des
Brustkorbes von unten nach oben auch in diesen Einzelheiten zur Geltung kommt.
Die Spitzen der falschen Rippen sind durch straffe Bänder mit der nächst oberen
zusammengehalten, doch kommt es auch hier zuweilen zur Ausbildung einer kleinen
Gelenkspalte. Die erwähnten Rippenknorpelgelenke an der oberen und unteren Seite
des sechsten Rippenknorpels (S. 36) sind vom Perichondrium überzogene Spalten,
welche zu Bemerkungen keinen Anlaß geben.
Von den Synchondrosen, welche die drei Teile des Brustbeines miteinander
verbinden, ist nur zu berichten, daß sie zunächst den Knochenenden aus hyalinem,
in der Mitte aus Faserknorpel bestehen. In der Verbindung zwischen Manubrium
und Corpus beobachtet man zuweilen das Auftreten eines Halbgelenkes. Eine knö-
cherne Ankylose dieser Synchondrose gehört zu den Seltenheiten.
Was die Haft- und Verstärkungsbänder anlangt, so strahlen von dem vorderen
Ende der Rippen in ganz ähnlicher Weise Bänderzüge fächerförmig auf die Vorder-
seite des Brustbeines aus, wie am hinteren Ende von den Rippenköpfchen auf- die
Wirbelkörper, die Ligg. sternocostalia radiata (83). Sie werden von oben nach
Der Brustkorb im ganzen. 41
unten immer stärker und durchflechten sich mit den gleichen Bändern der Xachbar-
rippen. Auch mit denen der Gegenseite tauschen sie Fasern aus, so daß aus der
Verfilzung aller dieser Züge nebst dem Periost und den Sehnenfasern der am
Brustbein angehefteten Muskeln eine kräftige Membran, Membrana sterni (83)
entsteht, welche dem Knochen eint- nicht gering anzuschlagende Widerstandskraft
verleiht.
An der Rückseite des Brustbeines (84) findet man ebenfalls radiäre, von den
Rippenenden ausgehende Faserzüge, doch sind sie weit weniger ausgebildet, wie vorne.
Hier verstärken hauptsächlich longitudinale Faserzüge das Periost. Man findet sie
nur im Mittelteil der Brustbeinfläche, da die beiden Seiten von den Ursprüngen
der Mm. transvers. thorac. eingenommen werden. Sie sind recht widerstandskräftig
und verhindern bei Oucrbrüchen des Brustbeines meist Dislokationen der Bruchenden
nach innen in den Brustraum.
Die Ligg. intercostalia ext. (83), welche die einander zugekehrten Ränder der
Rippenknorpel miteinander verbinden, sind insoferne von anderer Bedeutung, wie
die oben (S. 39) genannten Ligg. interc. int., als sie sich nicht aus Fascien fortsetzen,
sondern die sehnig gewordene Fortsetzung der äußeren Intercostalmuskeln darstellen.
Diese hören mit dem vorderen Ende der Rippenknochen auf und werden zwischen
den Knorpeln durch gleichgerichtete Bänderzüge ersetzt, welche sich bis zum Brust-
beinrand hin erstrecken.
Zu ihnen gehören die Bänderzüge, Ligg. costoxiphoidea (S3), welche den
Winkel zwischen dem Rippenbogen und dem Schwertfortsatz ausfüllen. Sie fließen
nach unten mit den Schnenfasern des M. obliqüus abdom. ext. zusammen.
An der Innenseite der Mm. intercostales int. findet man sowohl hinten wie vorne
derbere Bandstreifen, welche den Verlauf des M. subcostalis und M. transversus tho-
racis fortsetzen *).
5. Der Brustkorb, Thorax, im ganzen.
Die Grundform des Brustkorbes ist die eines Kegels mit unterer Basis und oberer
Spitze (74, 75). Sie entsteht dadurch, daß die Rippen von oben nach unten immer
länger werden. Der Querschnitt des Conus ist aber an keiner Stelle so groß, wie er sein
müßte, wenn die Rippen in der Horizontalen lägen. Sie wenden sich vermöge ihrer
Kantenkrümmung nach abwärts, wodurch der Brustkorb auf Kosten seiner Weite
an Länge gewinnt. Die vorhandene Abflachung des Brustkorbes steht in Zusammen-
hang mit der aufrechten Stellung des .Menschen; vierfüßig gehende Säugetiere besitzen
einen kielförmig gestalteten Thorax. Da die Rippen gleich von ihrem Ansatz an
den Wirbeln nach hinten ausbiegen, so zeigt der Thorax am Rücken zu beiden Seiten
der Wirbelsäule eine langgestreckte Wölbung, welche in der Mitte der hänge am stärk-
sten ausgebildet ist, um nach oben und unten flacher zu werden. Der Konvexität
außen entspricht eine Konkavität innen, Sulcu*s pulmonalis genannt (S. oben
Fig. c). In der Mitte zwischen den beiden Ausbiegungen springt die Reihe der Wirbel -
körper in das Innere des Brustraumes vor, wodurch dessen Querschnitt eine nieren-
törmige Gestalt annimmt. Weiter nach vorne wird die Biegung der Rippen flacher,
um im Brustbein ganz aufzuhören (Planum sternale).
') Sir werden von manchen Autoren als Ligg. intercostalia interna beschrieben; sind mit
diesen aber nichl zusammenzuwerfen, da sie eine andere morphologische Bedeutung haben.
42 Der Brustkorb im ganzen.
Die absteigende Richtung der Rippen ist nicht immer die gleiche; ist sie sehr
steil, dann wird der Thorax länger und flacher, wie dies bei weniger gut gebauten
Menschen der Fall ist. Bei kräftigen Personen sind die Rippen weniger gesenkt, der
ganze Brustkorb ist kürzer und in sagittaler Richtung stärker gewölbt.
Der skeletierte Brustkorb ist oben und unten offen, Apertura thoracis su-
per ior und inferior. Die erstere ist kartenherzförmig gestaltet und zeigt eine um
300 gegen die Horizontalebene absteigende Lage, so daß sie sich nach vorne um zwei
Wirbelhöhen senkt. Sie ist nicht immer gleich geräumig. Ist sie eng, dann wird
dadurch die Ventilation der von ihr umschlossenen Lungenspitze behindert und deren
tuberkulöse Erkrankung begünstigt. Die letztere hat eine sehr unregelmäßige Gestalt.
Da die unteren Rippen nach dem Brustbein aufsteigen, entsteht unter dem letzteren
ein winkeliger Ausschnitt, Angulus infrasternalis (74), welcher in der Norm einen
Winkel von etwa 700 umschließt, doch wechselt derselbe in gewissen Grenzen.
Die zwischen den Rippen bleibenden Räume, Spatia intercostalia, müssen
natürlich ganz der Form der Rippen folgen. Sie steigen also, wie sie, schräg von hinten
nach vorne ab. Der zweite und dritte ist in seiner ganzen Länge von gleicher Höhe,
der erste spitzt sich nach dem Brustbein ein wenig zu, die folgenden erweitern sich
nach vorne. Besonders gilt dies für den fünften und sechsten Intercostalraum, für
die tiefer gelegenen etwas weniger.
Die große Elastizität des Brustkorbes wird hervorgerufen durch die Federkraft
der Rippenknochen und besonders durch die der Rippenknorpel. Von diesen letzteren
ist der der ersten Rippe am kürzesten, der der zweiten übertrifft ihn kaum. Von
da ab werden die folgenden immer länger und es weicht die Linie, welche die Ver-
einigungspunkte von Knochen und Knorpel bilden, nach unten ganz allmählich lateral-
wärt s ab. Am längsten sind die Knorpel der sechsten und siebenten Rippe, was mit
deren Knickung zusammenhängt. Die Knorpel der falschen Rippen werden wieder
kürzer, da sie das Brustbein nicht mehr erreichen. Einem Druck, welcher den Brust-
korb trifft, gibt er dieser Beschaffenheit der Rippen wegen federnd nach und zwar
stärker einem solchen, der von vorne einwirkt, als einem von der Seite kommenden.
Man kann den Thorax auch manuell zusammendrücken. Sogar die Stellungen des
Körpers beeinflussen seine Form. In der Rückenlage wird er abgeflacht, ebenso wird
er in der Bauchlage zusammengedrückt. In der Seitenlage verringert sich die unten
liegende Seite, während die obere besonders frei und beweglich wird. Bei Erkrankungen
der einen Lunge legen sich die Patienten daher lieber auf die kranke Seite, um die
gesunde für die Atmung voll ausnützen zu können.
Die Bewegungen, welche der Brustkorb zum Zwecke der Atmung ausführt,
bestehen in einer Hebung und Senkung der Rippen. Die Hebung geschieht durch
reine Muskelaktion, während die Senkung durch Muskeltätigkeit, durch ein Zurück-
sinken in die Ruhelage und durch die Schwere des Bauches, welche die Rippen herab-
zieht, bedingt wird. Die beiden Gelenke am Wirbelende der Rippen wirken stets
zusammen und zwar dreht sich jedes Paar um Achsen, welche sich vor dem Wirbel-
körper in einem immer spitzeren Winkel schneiden, je weiter die Ouerfortsätze im
unteren Teil der Brustwirbelsäule zurückweichen. Wegen der schief abwärts gerichteten
Stellung der Rippenkörper werden dieselben bei der Bewegung nicht nur gehoben,
sondern es entfernt sich auch ihr vorderes Ende von der Wirbelsäule. Weiter bedingt
es die Neigung der Drehungsachse nach hinten, daß die Rippen außerdem noch eine
seitwärts gerichtete Ablenkung erfahren und zwar nach dem Gesagten je weiter nach
unten um so mehr. Der Brustraum wird also durch die Hebung der Rippen sowohl
Der Brustkorb im ganzen. 43
in sagittaler, wie in transversaler Richtung erweitert. Der Ausschlag, welchen die
Rippenhebungen machen, muß im Gipfel des von den Rippen gebildeten Bogens
am größten sein und muß sich auch mit der Länge der Rippen vergrößern. Man findet
danach, daß man die respiratorischen Exkursionen hinten am wenigsten, vorne am
ausgiebigsten wahrnimmt, und daß sie oben, wo die kürzesten Rippen sind, den weiter
unten gelegenen gegenüber am schwächsten zur Geltung kommen müssen. Dies
ist ein für die Ventilation der Lungenspitzen ungünstiges Verhalten.
Die Rippenknorpel sind durch ihre Elastizität befähigt, den Bewegungen der
Rippenknochen nachzugeben, ihre Winkel verkleinern oder vergrößern sich, sie er-
leiden eine Torsion. Erstarren die Knorpel durch Verkalkung (S. 37), dann werden
sie in Inspirationsstellung fixiert (Freund' 1906).
Auch das Brustbein nimmt in seiner Synchondrose zwischen Handgriff und
Körper an der Bewegung teil, und zwar erfährt der Winkel zwischen beiden (Angulus
Ludovici) *) bei der Einatmung eine Abflachung, bei der Ausatmung eine Ver-
stärkung. Die respiratorische Schwankung beträgt beim Manne 140, bei der Frau 120
(Rothschild 1899).
Wird die Inspiration sehr tief, dann sieht man, daß sich auch die Brustwirbel-
säule streckt, soweit dies möglich ist, um auch ihrerseits an der Erweiterung des Brust-
raumes mitzuwirken.
Entwickelung. Oben wurde bereits erwähnt, daß die Entwickelung der Rippen und
des Brustbeines eng zusammengehören. Die ersteren wachsen als dünne Knorpelstäbchen von
der Wirbelsäule aus in den Myosepten nach vorn. Sie vereinigen sich an ihren vorderen Enden
zu den Sternalleisten. Diese rücken sich immer näher und verschmelzen endlich in der Mittel-
linie von oben her beginnend am Ende des zweiten Monats zum knorpeligen Brustbein. Über dem
Manubrium erscheint beiderseits ein kleines Knorpelstückchen, Os suprasternale, welches
vermutlich mit einer unteren Halsrippe zusammengehört; es verschmilzt später mit dem Hand-
griff. Eine Knorpelplatte, welche am Sternalteil des Sternocla\-iculargelenkes auftritt, wird dem
Episternum der Säuger als gleichwertig erachtet (Bonnet 1909). Der Processus xiphoideus wird
von Rüge (1880) genetisch mit den Vorderenden der achten und neunten Rippe in Zusammen-
hang gebracht.
Die Verknöcherung der Rippen beginnt Ende des zweiten Fetalmonats von einem im
Rippenkörper auftretenden Ossificationspunkt aus. Derselbe breitet sich rasch nach beiden
Seiten hin aus. In Köpfchen und Höcker entstehen in der Zeit vom S. — 14. Lebensjahr Epi-
physen, welche nach dem 18. Jahr mit der Rippe verschmelzen (85, S6). Die Ossification des Brust-
beines beginnt im 6. Fctalmonat mit einem unpaarigen Knochenkern im Handgriff; ihm schließen
sich im Körper noch mehrere an, teils paarige, teils unpaarige, welche mehr oder weniger an eine
metamere Anordnung erinnern; doch ist die Unregelmäßigkeit groß. Die einzelnen Stücke des
Körpers sind zuletzt durch lineare Synchondrosen verbunden, ihre Verknöcherung erfolgt meist
von unten nach oben bis zum 20. Lebensjahr (87,88).
Altersunterschiede. Beim Neugeborenen ist der Brustkorb faßförmig, seine Wölbung
ist eine stärkere als beim Erwachsenen. Er dehnt sich in den ersten Lebenstagen mit der Rege-
lung der Atmung sichtlich aus. Das Wachstum schreitet in der Jugend in allen Dimensionen
gleichmäßig fort, am raschesten während der I'ubcitatscntw ickelune,. Lrst um das 30. Lebens-
jahr ist es vollständig abgeschlossen. In der Jugend ist^ der Brustkorb außerordentlich elastisch,
im Alter verknöchern die Kippenknorpel, wie es S. 37 bereits erwähnt wurde. Daß eine Ver-
knöcherung der Synchondrose zwischen Handgriff und Körper des Brustbeines selten ist. wurde
ebenfalls schon erwähnt, Körper und Schwertfortsatz ankylosieren im Alter sehr häufig.
Gest blech tsuntersehiede. her weibliche l'.rustkorb ist kleiner und besonders kürzer
als der männliche. Es hängt damit die erwähnte Kürze des weiblichen Brustbeinkörpers zusammen,
sowie ein weniger steiles Absteigen der Kippen. 1 >er weibliche Thorax ist jedoch nach dem Klicken
J) Der Name ist insoferne ohne Berechtigung, als Louis, nach welchem er genannt ist.
den Winkel gal nicht erwähnt.
44 Der Brustkorb im ganzen.
zu und in seinem oberen Teil stärker gewölbt als der männliche, es ist denn auch die Flächen-
krümmung des hinteren Rippenteiles bei der Frau stärker als beim Manne und ihre erste und
zweite Rippe ist absolut länger. Die größere Geräumigkeit des oberen Thoraxteiles bei der Frau,
die geringere beim Manne erklärt den verschiedenen Respirationstypus beider Geschlechter.
Der Mann benützt im ganzen lieber die Kontraktion des Zwerchfelles zur Erweiterung seines
Brustraumes (abdominaler Typus), die Frau die Hebung der Rippen und zwar besonders
die des oberen Thoraxteiles (costaler Typus). Doch wechselt der Typus bei der Frau vielfach.
Bei Kindern ist der Wechsel zwischen Thorax- und Zwerchfellatmung noch häufiger. Im Alter
kann auch die Frau wegen der aufgehobenen Beweglichkeit der Rippen nur nach abdominalem
Typus atmen.
Varietäten. Die Enden der siebenten Rippen kommen nicht selten vor der Synchon-
drose zwischen Körper und Schwertfortsatz des Brustbeines zusammen, Zuweilen ist auch die
achte Rippe mit dem Brustbein verbunden, in einem Fall sogar die neunte (Bardeleben). Selten
ist es, daß sich nur sechs am Brustbein anheften. Die Zahl der Rippen kann sich dadurch ver-
mehren, daß am siebenten, äußerst selten am sechsten Halswirbel eine freie Rippe auftritt, welche
meist nur kurz und stummeiförmig ist, aber zuweilen bis zum Ansatz am Brustbein ausgebildet
sein kann. Ist sie länger als 5,6 cm, dann übt sie auf die topographische Lage der benachbarten
Weichteile (M. scalenus ant., Art. subclavia, Pleurakuppel) einen maßgebenden Einfluß aus.
Auch am ersten Lendenwirbel, selbst an mehreren, kommen freie Rippen vor. Umgekehrt trägt
hie und da der letzte Brustwirbel keine solche. Die letzte Rippe schwankt überhaupt in ihrer
Ausbildung sehr, sie kann bis zur Länge des Querfortsatzes eines Bauchwirbels verkümmern.
In seltenen Fällen wird der vordere Teil der ersten Rippe durch einen bindegewebigen Strang
ersetzt. Rippen, welche sich in dem vorderen Teil ihres Körpers erst beträchtlich verbreitern
und dann gabeln, sind nicht selten. Sie setzen sich entweder mit zwei getrennten Knorpeln am
Brustbein fest oder sie fließen vor ihrem Ende wieder zu' einem einzigen zusammen. Auch zwei
normale Rippen können sich mittelst eines gemeinsamen Knorpels am Brustbein anheften. Zu-
weilen senden sich die Rippen in der Gegend der Höcker Fortsätze entgegen, welche miteinander
artikulieren (Tierähnlichkeit, Chelonier). In seltenen Fällen läßt das Brustbein vom Proc. xiphoideus
oder vom Körper Rippenrudimente ausgehen.
Die Form des Brustbeines weicht zuweilen von der normalen mehr oder weniger ab. Selten
ist, es, daß die mediane Verschmelzung der beiden Sternalleisten ausbleibt oder doch sehr un-
vollständig ist, so daß man die Pulsationen des nur von Weichteilen bedeckten Herzens durch
die Haut sieht (Fissura sterni congenita). Die geringsten Grade der Spaltung sind die häufig
beobachteten runden Löcher im Brustbein und im Schwertfortsatz und die gabeligen Teilungen des
letzteren. Ossa suprasternalia (S. 43) nennt man kleine, erbsenförmige Knöchelchen, welche dem
oberen Rand des Brustbeinkörpers neben der Incisura jugularis aufsitzen. Gegenbaur deutet
sie als Reste des'Episternums.
Praktische Bemerkungen. Der Brustkorb, sein Inhalt und seine Bedeckungen stehen
in innigen Wechselbeziehungen zueinander; es kann einerseits das Knochengerüst primär defor-
miert sein, wodurch der Inhalt des Brustraumes Lage- oder Volumensveränderungen erfährt,
es kann anderseits auch der Inhalt einen deutlichen Einfluß auf den Brustkorb ausüben. Die
äußere Besichtigung kann in dieser Hinsicht sehr belehrend sein. Das eine Mal ist die Brust schmal
und lang, was zu manchen Krankheiten, besonders solchen der Lungen, disponiert. Ein andermal
ist der Brustkorb übertrieben gewölbt und faßförmig gestaltet, wobei auch der Sternalwinkel
deutlicher hervortritt, was für höhere Grade von Lungenemphysem charakteristisch ist. Lungen-
schrumpfung ruft das Zusammensinken der einen Thoraxhälfte hervor, ein großer Erguß in die
Pleurahöhle kann sie ausdehnen.
Daß die weichen Rippenknorpel besonders leicht nachgeben, ist natürlich. Verbiegen
sich dieselben nach außen, dann entsteht das Pecten carinatum der Rachitischen, verbiegen
sie sich nach innen, dann entsteht die Trichterbrust, welche den Raum zwischen dem in die
Tiefe verlagerten Brustbein und der Wirbelsäule außerordentlich beengt.' Das Korsett drückt die
Rippenknorpel fast bis zum Verschwinden des Angulus hyposfernalis zusammen.
Bei geringen Graden von Verkrümmungen der Wirbelsäule erweisen sich die biegsamen
Rippenknorpel allein imstande, einen Ausgleich herbeizuführen. Bei höheren Graden müssen
sich auch die Rippenknochen den veränderten Verhältnissen anpassen. Dies geschieht oft so
gut, daß man erstaunt ist, bei Sektionen pathologische Veränderungen vorzufinden, welche man
in dieser Ausdehnung bei Untersuchung des Lebenden nicht erwartet hatte.
Der Brustkorb im ganzen. I",
Die Verbindung des Brustkorbes mit den Muskeln der Umgebung hat auch ihre Bedeutung.
So beeinflußt der Ansatz des Zwerchfelles an die Ränder der unteren Brustapertur deren Stellung
in der Art, daß man sie am Lebenden durch das regelmäßige Auf- und Absteigen einer schatten-
haften Linie erkennt (Zwerchfellphänomen). Durch Hochheben der Arme üben die
Ansätze der großen Extremitätenmuskeln am Thorax einen Zug auf diesen aus, wodurch sich
Kippen und Brustbein heben und so die Inspirationsstellung einnehmen. Man benützt dies zur
Einleitung der künstlichen Atmung. Diese Muskeln können, wenn auch selten, eine solche
Kraftwirkung entfalten, daß das Brustbein eine Kontinuitätstrennung erfährt.
Was Rippen und Brustbein im einzelnen betrifft, so ist die Elastizität der ersteren schon
mehrfach erwähnt worden. Sie ist in der Jugend so bedeutend, daß man bei schweren Insulten
durch Druck, Stoß od. dgl. manchmal eher eine Zerreißung der Organe des Brustraumes eintreten
sieht, che sie brechen. Trifft eine von der Seite her wirkende Gewalt die Rippen, dann können
Sie allerdings leicht eine Fraktur erleiden. Besonders gilt dies für die fünfte und sechste, da sie
stark exponiert und durch die Verhältnisse der Knorpel weniger begünstigt sind, als die ebenso
freiliegenden folgenden Rippen. Luxationen an den Enden der Rippen werden hinten niemals,
vorne äußerst selten beobachtet; der Bandapparat ist so haltbar, daß die Rippe schon bricht,
ehe er bis zum äußersten in Anspruch genommen ist. Subluxation der Knorpel-Brustbein-
gclenke kommen zuweilen bei ganz gesunden Personen vor. Sind im Alter die Rippenknorpel
verknöchert und hat überdies die Festigkeit der Rippenknochen durch Rarefikation gelitten,
dann kommen Rippenbrüche natürlich leichter zustande, wie in der Jugend. Halsrippen können
den Plexus brachialis komprimieren und dadurch Reiz- und Ausfallserscheinungen in dessen
Gebiet hervorrufen (Oppenheim 1908).
Das Brustbein ist schweren Verletzungen trotz seiner exponierten Lage nur wenig aus-
gesetzt, da es von den Rippenknorpeln federnd in seiner Lage gehalten wird und daher leicht nach-
geben kann. Auch sind die Bindegewebsbedeckungen seiner beiden Flächen außerordentlich
widerstandskräftig. Sic leisten einem konstant wirkenden Druck besser Widerstand, wie der
Knochen selbst, welcher durch andringende Aneurysmen und Tumoren früher konsumiert wird,
wie sie. Bei Verrenkungen zwischen Handgriff und Körper bleibt die zweite Rippe mit dem
■ersteren verbunden. Luxationen des Schwertfortsatzes werden nicht beobachtet, was sich aus
seiner großen Beweglichkeit bei erhaltener Synchondrose ohne weiteres erklärt.
Ist der Knorpel der ersten Rippe sehr kurz oder besonders steif, dann wird die Lungen-
spitze schlecht ventiliert, und es kommt leichter zur tuberkulösen Erkrankung der Lungenspitze,
als wenn er normal ausgebildet ist. Freund (185g — -1907) hat deshalb vorgeschlagen, in passenden
Fällen die erste Rippe operativ beweglicher zu machen. Die Operation soll in einer Reihe von
Fällen günstig gewirkt haben. Sumita (1911) ist im Gegensatz zu Freund der Ansicht, daß
•die Veränderung des Rippenknorpels eine Folgeerscheinung der Lungenspitzentuberkulose ist
und meint die Operation ablehnen zu sollen. Die gleichen Meinungsverschiedenheiten bestehen
in bezug auf die Veränderungen der Rippenknorpel bei Emphysem. Freund hält sie für primär,
das Emphysem für seeundär; Sumita ist der gegenteiligen Ansicht. Lies mag sein, wie es will,
jedenfalls ist die von Freund vorgeschlagene Durchschneidung einer starr gewordenen oberen
Rippe von wohltätigem Erfolg.
Der Louissche Winkel des Brustbeines soll nach älteren Angaben bei Phthisikern be-
sonders deutlich sein; dies ist jedoch nach neueren Untersuchungen nicht der Fall, sondern er
tritt vielmehr bei Emphysematikern stärker hervor, bei Phthisikern ist er sogar besonders flach.
Verknöcherung und Exostosenbildung an der Vorderseite des Brustbeines können bei Phthisikern
einen stärker ausgebildeten Louisschen Winkel vortäuschen (Rothschild).
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß das Korsett eine starke und dauernde De-
formierung des Brustkorbes hervorbringen kann, die Kippen steigen steil abwärts, die unteren
Knorpel sind stärker geknickt als gewöhnlich und sie können sieli der Mittellinie so sehr nähern,
daß das Kpigastrium, wie schon erwähnt, fast verschwindet. Die untere Brustapertur ist verengert.
46 Schädel.
II. Schädel, Cranium.
Der Kopf bildet das vordere Ende des Stammes der vierfüßig gehenden Wirbel-
tiere. An ihm findet sich der Anfang des Darmschlauches, in welchen die Nahrung
aufgenommen wird. In der unmittelbaren Nähe dieses Einganges sind die höheren
Sinnesorgane angebracht, welche bei dem Aufsuchen und Ergreifen der Beute wirk-
same Hilfe zu leisten haben. Die Sinnesorgane aber verlangen wieder die ausgiebige
Ausbildung des Vorderendes des Centralnervensystems zum Gehirn, in welchem die
gewonnenen Eindrücke zu verknüpfen und nutzbar zu machen sind. Alle diese Dinge
sind durch knöcherne Umhüllungen und Stützen gesichert und gebrauchsfähig ge-
macht. Dieselben setzen sich zum Schädel zusammen. Es ist danach klar, daß die
Bildung des Schädels mit der Ausbildung der in und an ihm angebrachten Organe
in 'der allerintimsten Wechselbeziehung stehen muß. Ein kleines Gehirn verlangt
auch nur eine kleine Schädelkapsel und umgekehrt. Die Beschaffenheit der Nahrung
und die Art ihrer Aufnahme beeinflußt maßgebend die knöcherne Umgebung der
Mund- und Rachenhöhle und kann ihren Einfluß selbst auf solche Teile des Schädels
erstrecken, welche ganz unbeteiligt zu sein scheinen (Kaumuskulatur). Die Kapseln
der Sinnesorgane sind ebenfalls von Bedeutung, da sie nach Bedarf das eine Mal ge-
räumiger, das andere Mal enger ausgebüdet sind. So kann man schon durch die Be-
trachtung des Schädelskeletes allein weitgehende Schlüsse auf die Weichteile des
Kopfes ziehen. Beim Menschen existiert auch eine Beziehung zwischen der aufrechten
Stellung des Körpers und der Schädelbildung, ohne entscheiden zu wollen, ob die auf-
rechte Stellung oder die Ausbildung der den Kopf zusammensetzenden Organe das
Primäre ist.
In seiner Entwickelung setzt sich der Schädel aus zwei Teilen zusammen, dem
knorpeligen Primordialer anium, welches die Unterlage für das Gehirn und die Kapseln
für Gehör- und Gesichtsorgane bildet, Neurocranium, und aus den Stützen für
den Anfang des Eingeweiderohres, Splanchnocranium. Im Primordialcranium hat
man wieder den chordalen Teil von dem prächordalen Teil zu unterscheiden.
Der erstere schließt sich durch den Besitz des vorderen Endes der Chorda dorsalis der
Wirbelsäule an, der letztere hat mit der Wirbelsäule keine nachweisbaren Beziehungen
mehr. Die knorpelige Schädelanlage wird ergänzt durch die erwähnten Deckknochen,
welche die Schädelkapsel schließen und den größten Teil des Gesichtsskeletes büden.
Es wäre nun erwünscht, wenn es möglich wäre, die Einteilung der Knochen des fertigen
Schädels ganz auf genetischer Basis aufzubauen. Daran ist aber nicht zu denken,
da sich die vorhandenen Unterschiede bei fortschreitender Entwickelung vielfach
verwischen und neue Anordnungen auftreten, welche in der ursprünglichen Anlage
nicht vorgesehen waren. Es entstehen einerseits Trennungen, andererseits Verwach- '
sungen, selbst solche von Teilen ganz verschiedener Herkunft. Primordiale Knochen
verschwinden ganz und es treten an ihre Stelle Belegknochen. Man wird natürlich
bei der Einteilung die entwickelungsgeschichtliche Seite stets so viel berücksichtigen,
wie es möglich ist, man wird aber auch der topographischen ihr Recht lassen müssen.
Daß dabei dem subjektiven Ermessen ein weiterer Spielraum bleibt, beweist ein Blick
in die verschiedenen Hand- und Lehrbücher, von welchen kaum zwei den Stoff in
gleicher Weise gliedern.
Es sollen hier unterschieden werden die Knochen des Hirnschädels und die des
Gesichtes :
Hinterhauptsbein. 47
Ossa cranii cerebralis.
i. Os occipitale.
2. Os sphenoidale.
3. Os temporale.
4. Os parietale.
5. Os frontale.
Ossa faciei.
6. Os ethmoidale.
7. Concha nasalis inferior.
8. Os lacrimale.
9. Vomer.
10. Os nasale.
11. .Maxiila.
12. Os palatinum.
13. Os zygomatienm.
14. Mandibula.
15. Os hyoideum.
Die beiden letztgenannten Knochen bilden den Hauptteil des Splanchnocraniums.
Zu ihnen gehören die Gehörknöchelchen, Malleus. Inctis und Stapes. Diese aber haben
sich von ihnen vollständig getrennt und sind in das Innere des Mittelohres verlagert.
Sie werden deshalb zweckmäßig hier zurückgestellt und bei der Besprechung des
1 iehörorganes abgehandelt.
1. Hinterhauptsbein, Os occipitale.
Die Synchondrose, welche das Hinterhauptsbein mit dem Keilbein verbindet,
verschwindet um das 16. bis 20. Lebensjahr, so daß dann die beiden Knochen nicht
mehr zu trennen sind. Dies hat Anlaß gegeben, sie als Os basilare1) zusammen-
zufassen. In folgendem sollen aber die beiden Knochen getrennt betrachtet werden.
Der Schädel hat die Ausdehnung, welche er durch die immer weiter gehende
Ausbildung des Gehirns in der Wirbeltierreihe nötig hat, durch Übergreifen auf die
Wirbelsäule und Assimilierung ihres angrenzenden Teiles gewonnen. Im Hinter-
hauptsbein gibt sich dies zuweilen in Varietäten noch deutlich kund (Manifestation
de-, ( )n ipitalwirbel-, Kollmann 11)07). In der Regel ist allerdings die Ähnlichkeit
mit einem Wirbel weniger in die Augen springend.
Fortsetzung und Abschluß des Wirbelkanales ist das Foramen occipitale
magnum {89, 90). Es enthält das Übergangsgebiel des Centrarnervensystems vom
Rückenmark zum Gehirn und daneben noch Nerven (Wurzeln dir ersten fervical-
nerven, Nn. accessorii), Arterien (Aa. vertebrales mit ihren Zweigen) und mächtige
Venengeflechte. Es wird begrenzt von den vier Teilen, aus welchen sich das Hinter-
hauptsbein zusammensetzt: dem Basalteil, der Schuppe und den paarigen Seitenteilen.
Her Basalteil, Pars basilaris2) {89, 90), welcher während der Entwicke-
lung die Fortsetzung der Chorda dorsalis enthält und deshalb einem Wirbelkörper
gleichzusetzen ist, ist keilförmig. Die Sehneide des Keiles bildet die vordere Um-
randung des Hinterhauptsloches, das vierseitige stumpfe Ende {89) wendet sich dem
') Os tribasilare.
-) Köi per, Corpus; Basioi 1 ipitale.
-48 Hinterhauptsbein.
Keilbein zu. Die innere Fläche ist glatt und von rechts nach links konkav. Sie
bildet mit einer gleichen Fläche des angrenzenden Keilbeines einen rinnenförmigen
Abhang, Clivus1), welcher sich schief absteigend bis zum Hinterhauptsloch er-
streckt. Auf ihm ruht das verlängerte Mark und die Brücke. Der äußerste Rand
der Innenfläche trägt eine schmale flache Rinne, welche sich mit einer gleichen der
angrenzenden Schläfenbeinpyramide zu einer Furche, Sulcus petrosus inferior (89),
ergänzt, zur Aufnahme des gleichnamigen Blutleiters.
Die äußere Seite des Basalteiles trägt in der Mitte einen flachen Höcker,
Tuberculum pharyngeum (91), zur Anheftung der Raphe des Schlundkopfes,
und neben ihm zu beiden Seiten die rauhe Ansatzlinie des M. rectus cap. anter.,
dahinter die leicht vertiefte Ansatzfläche für den M. long, capitis. Die Seitenränder
sind rauh, sie wenden sich der Spitze der Schläfenbeinpvramide zu.
Die Seitenteile, Partes laterales2), gehen hoch und schmal von dem Basal-
teil ab und verbinden sich platt und breit werdend mit der Schuppe. Ihr medialer
Rand beteiligt sich an der Umrandung des Hinterhauptsloches, der laterale besitzt
einen tiefen Ausschnitt, Incisura jugularis (91), der mit einem ähnlichen des
Schläfenbeines das Foramen jugulare bildet. Das Loch wird meist durch vorspringende
Zacken der beiden Knochen oder nur durch eine solche, Proc. intrajugularis (91),
unvollkommen in zwei Abteilungen geteilt, von welchen die größere hintere für die
V. jugularis, die kleinere vordere für den neunten, zehnten und elften Gehirnnerven
nebst der V. petrosa infer. bestimmt ist. Hinter der Incis. jugul. ladet der Rand
wieder seitlich aus und schwillt zu dem Proc. jugularis (90, 91) an. Dessen nach
dem Schläfenbein hinsehende drei- oder vierseitige Fläche ist in der Jugend über-
knorpelt und mit dem Schläfenbein durch ein straffes Gelenk verbunden, welches
-später ankylosiert. Der an den Jugularfortsatz angeschlossene hinterste Teil des
Randes ist eine zackige Nahtfläche zur Verbindung mit dem Schläfenbein.
Die Innenfläche der Seitenteile trägt an der Grenze gegen den Körper hin das
Tuberculum jugulare3) (89), einen stumpfen Höcker, welcher dem Kleinhirn zur
seitlichen Stütze dient. Unter ihm durchsetzt den Seitenteil ein verhältnismäßig ge-
räumiger Kanal, Canalis n.ervi hypoglossi4) (89), welcher außer diesem. Nerven
noch Venenplexus enthält. Seine innere Mündung befindet sich auf dem Abhang,
welcher zum Hinterhauptsloch herabführt, seine äußere nach vorne sehende, über dem
Condylus. Der Proc. jugularis wird von einer breiten Furche umgeben, dem Ende des
in das For. jugulare mündenden Sulcus sigmoideus (s. unten). Aus ihm führt ein
kurzer Kanal rückwärts, der Can. condyloideus5) (90). Er enthält ein venöses
Emissarium und ist, wie alle solche, unbeständig.
Die Außenseite wird zum größten Teil vom Condylus occipitalis6) (90, 91)
eingenommen, dem Negativ der mit ihm artikulierenden Gelenkfläche des Atlas. Die
Gelenkfläche ist von elliptischer Form, gewölbt und oft gleich der des Atlas einge-
schnürt, oder durch eine rauhe Ouerfurche geteilt. Beide Gelenkflächen konver-
gieren nach vorne. Da sie horizontal liegen, die Seitenteile im ganzen aber nach hinten
absteigen, steht ihr vorderes Ende auf einem Fortsatz, Processus condyloideus,
*) Clivus basilaris, Clivus Blumenbachi.
2) Exoccipitalia.
3) Processus anonymus.
4) Foramen condyloideum anterius.
5) For. condyl. poster.
6) Processus condyloideus.
Hinterhauptsbein. 49
welcher aus der Fläche des Knochens heraustritt, das hintere Ende dagegen sinkt
in eine Grube, Fossa condyloidea (91), ein. In dieser Grube ist dicht hinter
dem Ende des Condylus der Ausgang des erwähnten Canalis condyloideus. An
der Unterseite des Proc. jugularis beobachtet man oft, aber nicht immer, einen
stumpfen Höcker, Proc. paramastoideus (91), an welchen sich der M. rect. cap.
lat. anheftet. Bei vielen Säugetieren ist er stets vorhanden.
Die Schuppe, Squama occipitalis (89, 90), besteht aus zwei Teilen verschie-
dener entwickelungsgeschichtlicher Herkunft, dem unteren 1), der dem Primordial-
schädel angehört, und dem oberen2), welcher als Hautknochen entsteht. Sie hängen
am ausgewachsenen Knochen normalerweise ohne jede Spur der ehemaligen Trennung
zusammen. Ihr vorderer, tief ausgeschnittener Rand schließt das Hinterhauptsloch
ab. Die Seitenränder weichen vom Seitenteil ab erst auseinander bis zu einer Ecke
hin, von welcher aus sie wieder konvergieren, um in einer aufwärts sehenden Spitze
zu endigen. Sie bilden also im ganzen einen stumpfen Winkel. Die Ränder sind
/ a< kig, besonders im oberen Teil und stoßen bis zum Winkel mit dem Warzenteil
des Schläfenbeines zusammen (Margo mastoideus) {89), von da an mit den
Scheitelbeinen (Margo lambdoideus).
Die äußere Oberfläche der Schuppe zerfällt in zwei Teile, das Planum occi-
pitale oben, welches noch dem Schädeldach angehört, und das Planum nuchale3)
unten, welches sich, von Muskeln bedeckt, nach dem Nacken wendet (90). Die
Grenze zwischen beiden Flächen beginnt in der Mittellinie mit einem Höcker, Pro-
tuber an tia occipitalis externa1), von welchem nach beiden Seiten die bogen-
nig gestalteten Lineae nuchae5) supremae zum Seitenwinkel hingehen (90).
In geringer Entfernung unter ihnen folgen die Lin. nuchae superiores, welche mit
jenen mehr oder weniger parallel verlaufen und häufig nicht von der Protub. occ.
ext. ausgehen, sondern von einem besonderen kleinen Höcker unter ihr6). An dem
glatten Feld zwischen den beiden genannten Nackenlinien heftet sich der M. tra-
pezoideus an.
Die unter diesen Linien befindliche Nackenfläche der Schuppe wird durch eine
mediane Firste, Crista occipitalis externa, welche sich vom Hinterhauptshöcker
bis zum Hinterhauptsloch herabzieht, in zwei symmetrische Hälften geteilt. Am
Beginn der Lin. nuchae in f. ist sie nicht selten unterbrochen (Waldeyer 1909). Die
beiden Hälften sind uneben und werden von einer querstehenden zackigen Linie durch-
setzt. Linea nuchae inferior (90). Sie grenzt das Ansatzfeld des M. semispinalis
' .i|>. v<m dem der kurzen tiefen Nackenmuskeln ab. Auf letzterem trennt wieder
eine von der Lin. nuchae inferior zum Proc. jugularis ziehende, meist nur leicht an-
gedeutete Linie die Felder für den M. obliquus sup. und die beiden Mm. recti cap.
\ oneinander (Wa Ideyer).
I )ie innere ( »bei fluche der Schuppe besitzt dem äußeren Höcker ungefähr gegenüber
eine Prot uberant ia occipitalis interna (89), Dieselbe liegt im Kreuzungspunkt
von vier Furchen und Leisten (Eminentia cruciata), durch welche die ganze Fläche
in vier Felder geteilt wird. Na< h beiden Seiten gehen von ihr ab die Sulci transversi .
l) Os occipitale superius.
') Os interparietale.
Planum cervicale, TriepeL
'1 Spina occipitalis ext.
5) Lineae semicirculares.
6) Tuberculum linearum (Merkel).
Merkel, Anatomie II. Skelel
50 Hinterhauptsbein.
welche einen Teil des Blutleitersystems der harten Hirnhaut beherbergen. Sie treten
am Seitenwinkel auf das benachbarte Schläfenbein über, um von da aus als Sinus
sigmoideus in gekrümmtem Verlauf wieder auf die Seitenteile des Hinterhauptsbeines
zurückzukehren, wo sie wie erwähnt im For. jugulare endigen. Von der Spitze der
Schuppe her kommt in der Mittellinie der Sulcus sagittalis1) herab, welcher sich
an der Protub. occ. int. mit dem Sulc. transv. vereinigt ; meist biegt er nach der rechten
Seite ab, während der linke Sinus transversus wie an die Umbiegungsstelle angesetzt
erscheint. Nach unten geht von der Protub. occip. int. aus eine mediane Firste, Crista
occipitalis interna (89), welche bis zum Hinterhauptsloch herabsteigt, in dessen
Rand sie mit zwei Schenkeln übergeht. Sie steht mit dem Venensystem nicht in
näherer Verbindung, sondern wird nur durch Bindegewebszüge ansehnlicher gemacht.
Die sich kreuzenden Linien scheiden die innere Oberfläche der Schuppe in vier ver-
tiefte Felder; die beiden oberen beherbergen die hinteren Spitzen der Großhirnhemi-
sphären, die beiden unteren nehmen das Kleinhirn auf.
Entwickelung. Es wurde schon gesagt, daß die untere Hälfte des Hinterhauptsbeines
dem knorpeligen Primordialcranium angehört, während die obere ein Hautknochen ist. Zu An-
fang des dritten Fetalmonats tritt ein Ossifikationspunkt in der Pars basilaris auf, je einer in
den Seitenteilen und zwei sehr bald zusammenfließende in dem knorpelig angelegten Teil der
Schuppe. Im häutigen Teil derselben entstehen zuerst zwei Kerne, von welchen aus sich der Kno-
chen nach unten und nach den beiden Seiten hin verbreitet, jedoch die Mitte frei läßt. In dieser
erscheint dann ein weiteres Paar von Knochenkernen, von welchen aus der Rest der Schuppe
verknöchert. Häufig, aber nicht regelmäßig wird die Spitze von zwei selbständigen kleinen
Kernen aus gebildet (Spitzenknochen). Die sog. Sutura mendosa, welche noch bei Neuge-
borenen regelmäßig vom Seitenwinkel aus einschneidet, ist nicht zwischen Primordial- und Haut-
knochenteil der Schuppe gelegen, sondern in letzterem; sie trennt ein schmales unteres Band des
Hautknochens ab (Ranke 1899) (155). Schuppe und Seitenteile vereinigen sich im 1. — 2. Lebens-
jahr, der Basalteil bleibt bis zum sechsten Jahr von dem übrigen getrennt. Dem Basalteil ge-
hört auch der vordere Teil des Condylus bis zu der erwähnten Querfurche an.
Varietäten. Die Nähte des jugendlichen Hinterhauptsbeines können länger als ge-
wöhnlich offen bleiben; die der Schuppe können sich besonders lang erhalten. Die erwähnte
Sutura mendosa wird zuweilen noch beim Erwachsenen beobachtet, auch bleibt gelegentlich
die ganze Naht, von welcher die Sutura mendosa ein Stück bildet, offen, so daß das Os inter-
parietale 2) gänzlich vom Hinterhauptsbein getrennt ist, was man bei einer Reihe von Tieren
als Norm beobachtet. In der Lambdanaht kommen nicht selten Schaltknochen in größerer oder
geringerer Zahl vor; sie können eine bedeutende Größe erreichen, dürfen aber nicht mit dem
Os interparietale verwechselt werden. — Die Protub. occip. externa kann eine erhebliche Größe
erreichen, sie kann auch hakenförmig nach unten umgekrümmt sein. Die Fläche zwischen Linea
nuchae superior und suprema ist zuweilen zu einem mehr oder weniger dicken Wulst (Torus occi-
pitalis) umgestaltet; er entspricht der Crista occipitalis der Affen. Der Proc. paramastoideus
kann sich zapfenförmig verlängern und sogar mit dem Querfortsatz des Atlas in Gelenkverbin-
dung treten. Proc. retromastoideus. nennt Waldeyer (1909) einen Höcker, welcher in 15%
der Fälle vorkommt. Meist nur schwach ausgebildet, findet er sich nahe der Sutura occipito-
mastoidea in gleicher Höhe mit der Wurzel des Warzenfortsatzes an der Insertionsstelle des M.'
obliquus superior. — Vom Mittelohr aus können lufthaltige Zellen bis zum Condylus hin vor-
dringen.
Praktische Bemerkungen. Die Protuberantia occipitalis externa kann bei Erwachsenen
meist deutlich durch die Haut gefühlt werden, sie ist daher als Orientierungspunkt von Bedeutung.
Die Sutura mendosa der Neugeborenen darf nicht mit einer Fraktur verwechselt werden; auch
die Nähte von Schaltknochen, welche sich an ungewohnter Stelle finden, können Fissuren vor-
täuschen.
x) Sulcus longitudinalis.
2) Os Incae, weil öfter bei Peruanerschädeln beobachtet.
Keilbein. 51
2. Keilbein, Os sphenoidale1).
Man hat im Keilbein die Gegend zu sehen, in welcher der chordale Teil des Pnm-
ordialcraniums endigt und der prächordale beginnt. Die beiden sind anfänglich
voneinander gesondert und bleiben dies auch bei einer Reihe von Säugern zeitlebens.
Beim Menschen aber verwachsen sie miteinander. Der unpaarige Mittelteil oder
Körper setzt sich danach zusammen aus einem hinteren Stück (Basisphenoid) und
einem vorderen (Präsphenoid). Jedem der beiden gehört ein Paar von Fortsätzen
an, dem vorderen die kleinen Flügel (Orbitosphcnoid), dem hinteren die großen Flügel
(Alisphenoid). Diese letzteren senden abwärts gerichtete flügeiförmige Fortsätze
aus. Mit den Flügelfortsätzen verbindet sich in der Folge ein aus der Schleimhaut
hervorgehender Belegknochen (Pterygoid). In fertigem Zustand sind alle diese Teile
Im im Menschen zu einem Ganzen verschmolzen.
Das Keilbein bildet das Centrum der Schädelbasis und steht dementsprechend
mit fast allen Knochen des Hirnschädels und mit einer Anzahl von solchen des Gesichts-
schädels in Verbindung.
Körper, Corpus. Er stellt einen nach unten etwas verjüngten Würfel dar.
Seine hintere Fläche ist schräg abwärts gerichtet; sie gleicht ganz der der vorderen.
der Pars basilaris oss. oeeip., mit welcher sie verbunden ist. Die obere Fläche kann man
in drei Felder teilen. Das vorderste, welches dem vorderen Keilbeinkörper angehört.
ist flach -). Sein vorderer Nahtrand tritt in der Mitte meist etwas vor 3) ; er verbindet
sich mit dem Siebbein; seitlich grenzt er an das Stirnbein. Nach hinten wird das
plane Feld vom Linibus sphenoidalis4) abgeschlossen, einer niedrigen Leiste, welche
zu beiden Seiten in die nachher zu erwähnenden Proc. clinoidei anteriores ausläuft.
Das Mittelfeld wird von dem Türkensattel, Sella turcica5), eingenommen, der
seinen Namen von einer gewissen Ähnlichkeit mit diesem Gerät erhalten hat. Hinter
dem Limbus sphenoidalis folgt zuerst eine seichte Furche, Sulcus chiasmatis6),
über welcher die Sehnervenkreuzung ihren Platz hat, und dahinter ein querer Wulst,
der Sattelknopf, Tuberculum sellae (94). Beiderseits neben ihm findet man eine
Knochenspitze, Processus clinoideus medius, von sehr verschiedener Ausbildung.
Nicht selten fehlt sie auch vollständig. An das Tuberculum schließt sich der eigentliche
Sitz des Sattels an, eine Grube, Fossa hypophyseos, zur Aufnahme des I lirnanhanges
bestimmt. Den Abschluß bildet die Sattellehne, Dorsum sellae, eine aufsteigende
Platte, mit zwei seitlichen Ecken, den Proc. clinoidei posteriores, an welche
sich der hintere Schenkel des Hirnzeltes anheftet. Hinter der Sattellehne folgt das
kurze hintere Feld, der Beginn des oben erwähnten Clivus. Die Hypophysengrube
und Sattellehne wird zu beiden Seiten durch den Sulcus caroticus flankiert, für
die /.um Gehirn aufsteigende A. carotis interna bestimmt {■)!). Hinten, wo die Ar-
terie aus der Tiefe auftaucht, ist er am tiefsten und wird dort an seiner lateralen Seite
') "<//,V Keil. Einem Keil gleicht der Knochen nur, wenn man alle Fortsätze wegnimmt.
Die Gestall des unverletzten Knochens gleicht eher einem fliegenden Insekt, daher das Synonym
Os spheeoides, Wespenbein, von "'/','; Wespe.
:) Planum s. jugum sphenoid.
:l) Spina ethmoidalis.
'i Jugum sphenoidale.
i Ephippium.
•) Sulcus opticus.
4*
52 Keilbein.
gegen den großen Flügel durch ein Knochenplättchen, Lingula sphenoidalis1),
abgeschlossen.
Die vordere und untere Seite des Keilbeinkörpers gehen gerundet ineinander über.
In der Mittellinie zieht die Crista sphenoid. herab, welche da, wo die beiden Seiten
miteinander zusammenstoßen, in eine platte, mehr oder weniger stark vortretende
Spitze ausläuft, Rostrum sphenoidale (92). Sie steht in Zusammenhang mit
den Teilen der Nasenscheidewand. Zu beiden Seiten von Crista und Rostrum werden
die in Rede stehenden Flächen von einem dünnen muschelförmig gebogenen Knochen-
plättchen bedeckt, der Concha sphenoidalis2) (92), welche genetisch dem Siebbein
zuzurechnen ist, mit dem sie sich auch häufig verwachsen zeigt. Sie deckt die untere
und vordere Seite des Keilbeinkörpers wie eine daraufgelegte hohle Hand. Schon
vom dritten Lebensjahre ab fällt der Keilbeinkörper von vorne her einer Resorption
anheim, von welcher jedoch die Conchae nicht berührt werden. So findet der Raum
der Nasenhöhle die Möglichkeit nach hinten vorzudringen in der Form von zwei von
den Keilbeinmuscheln gedeckten Höhlen, Sinus sphenoidales 3) (14-5) , welche
durch eine Öffnung, Foramen sinuum sphen. (92), über dem oberen Rand der
Conchae zugänglich sind. Die Höhlen sind durch eine von der Crista ausgehende
Scheidewand, Septum, getrennt. Dieselbe steht sehr gewöhnlich nicht ganz median,
so daß die beiden Sinus eine verschiedene Größe haben. Nach hinten erstrecken
sich die beiden verschieden weit, bisweilen bis in den Basalteü des Hinterhauptsbeines
hinein. Sie fehlen zuweilen (vergl. Bertini 1911).
Die beiden Seitenflächen des Keilbeinkörpers sind nicht frei, von ihnen gehen
die Flügel aus.
Kleiner Flügel, Ala parva4). Er entspringt jederseits vom Körper mit zwei
Wurzeln. Die obere setzt sich breit aus der erwähnten planen Fläche des vorderen
Keilbeinkörpers fort, die untere ist schmäler, sie erhebt sich von der Seitenfläche des
Körpers. Beide Wurzeln fassen das Foramen opticum5) (94) zwischen sich,
eigentlich einen kurzen nach vorne etwas erweiterten Kanal, durch welchen der Seh-
nerv und die A. ophthalmica in die Augenhöhle gelangen. Der vordere Rand des
kleinen Flügels stellt eine Nahtfläche dar, welche sich mit dem Stirnbein verbindet,
der hintere Rand ist frei, er bildet die konkav geschweifte Grenzlinie zwischen vor-
derer und mittlerer Schädelgrube. An seinem medialen Ende läuft er jederseits in
den zapfenförmig verdickten Proc. clinoideus anterior aus, an welchen sich der
vordere Schenkel des Himzeltes anheftet. Am lateralen Ende nähert sich der hintere
Rand immer mehr dem vorderen bis er sich mit ihm zu einer seitwärts gerichteten
Spitze vereinigt (92, 93, 94). Die obere Fläche der Ala parva setzt die plane Fläche
des vorderen Keilbeinkörpers nach der Seite hin fort und bildet einen Teü der vor-
deren Schädelgrube, die untere sieht nach der Fissura orbitalis superior. Sie trägt
eine stumpfe Kante, welche die mittlere Schädelgrube von der Augenhöhle scheidet.
Großer Flügel, Ala magna6) (92, 93, 94). Seine an die Seitenfläche des
Körpers angeheftete Wurzel ist von zwei Löchern durchbohrt, vorne von dem For.
rotundum, einem kurzen vorwärts gerichteten Kanal für den Austritt des N. maxil-
1) Lingula carotica.
2) Ossicula Bertini.
3) Antrum sphenoidale.
4) Alae minores; Alae orbitales.
s) Canalis opticus.
6) Ala temporalis.
Keilbein. 53
laris aus der Schädelhöhle, hinten von dem größeren For. ovale für den Durchtritt
des N. mandibularis. Ein kleineres Loch neben diesem zunächst der hinteren Spitze
des Flügels ist das For. spinosum; es wird von der A. meningea media und dem
X. spinosus durchsetzt. Der von der Wurzel ausgehende Flügel erstreckt sich weiter
nach vorne wie nach hinten, sein vorderster Teil ragt noch über die Frontalebene
des kleinen Flügels hinaus.
Der vordere Rand ist in seinem medialen Teil zu einer Kante zugeschärft, welche
die unten- Grenze der Fissura orbitalis superior bildet, so daß also diese Spalte von
den beiden Flügeln des Keilbeines umschlossen wird (93). Der laterale Teil, Margo
frontalis (94), i-t eine rauhe, dreiseitig gestaltete Nahtfläche, an welche sich das
Stirnbein anlegt. Das oberste Ende derselben, Angulus parietalis (93), steht mit
dem Scheitelbein in Verbindung. Der seitliche Rand, Margo squamosus (94), ist
konkav ausgeschnitten und ebenfalls zackig, an ihn legt sich die Schuppe des
Schläfenbeines an. Der hintere Rand ist wieder scharf, er bildet die vordere Be-
grenzung der Fissura sphenopetrosa. Lateraler und hinterer Rand stoßen in einer
Spitze zusammen, welche zwischen Schuppe und Pyramide des Schläfenbeines einspringt
und an der Außenseite- in eine Zacke ausgezogen ist, die Spina angularis1) (94),
an welche sich der Tubenknorpel anlehnt.
Die innere Fläche des großen Flügels, Facies cerebralis (94), ist, abgesehen
von einem Jugum cerebrale, welches von der Gegend des For. rotundum ausgeht,
glatt; auf ihr ruht ein Teil des Schläfenlappens des Großhirns. Die äußere Fläche
vermittelt den Zusammenhang mit dem Gesichtsskelet. Eine zackige Xahtfläche,
welche auf einer stark vorspringenden, last vertikal gestellten Leiste sitzt, Margo
zygomaticus (92), verbindet sich mit dem Jochbein. Das median von ihr gelegene
trapezförmige Feld, Facies orbitalis, bildet den größten Teil der lateralen Wand
der Augenhöhle; es erstreckt sich zwischen den beiden Fissurae orbitales, sup. und
inf. Xahe dem oberen Rand trägt es eine mehr oder minder deutlich ausgesprochene
Zai ke, zur Anheftung des M. rectus lateralis oculi, Spina recti lat. (92). Das lateral
vom Jochbeinrand gelegene langgestreckte Feld bildet den vorderen Teil der Wand
der Schläfengrube. Es wird nach unten durch die Crista in f ratemporalis ab-
geschlossen. Diese i-t verschieden stark ausgebildet, endigt aber immer neben der
Fissura orbitalis inf. mit einem stachelartigen Vorsprung. Von ihr aus biegt sich die
Oberfläche des großen Flügels nach der Schädelbasis als Facies infratemporalis
92) um und bildet das Dach der Unterschläfengrube.
Die Orbitalfläche endigt nach unten mit der Crista orbitalis, dem scharten hinteren
Rand der Fissura orbitalis inferior. Unter ihr leitet ein kleine-, dreiseitig gestaltetes
I Id, Fai ies sphenomaxillaris (92), zum Proc. pterygoideus über. Sie bildet die
hintere Wand der mit ihr gleichnamigen Fissur. Von der Facies infratemporalis ist
die Facies sphenomaxillaris durch eine Leiste getrennt, die Crista sphenomaxil-
laris (92).
Der Flügelfiirtsatz, Processus pterygoideus, setzt sich, wie oben er-
wähnt wurde, aus zwei Platten von verschiedener entwickelungsgeschichtlicher Her-
kunft zusammen, dem Alisphenoid und dem Pterygoid. Man bezeichnet sie als La mina
lateralis und medialis (92). Die letztere steht sagittal, die erstere ist in der Art
schräg gerichtet, daß sie sich jener nach vorne nähert und mit ihr verwächst. Ganz
oben aber und am unteren Ende bleiben sie voneinander getrennt. Oben ist /.wischen
-'
') Spina sphenoidalis, AJa parva Ingrassiae.
54 Keilbein.
beiden eine Öffnung ausgespart, der Canalis pterygoideus (Vidii) 1) (92, 93) zum
Durchtritt eines Nerven und einer Arterie gleichen Namens, unten befindet sich ein
tiefer Einschnitt, Fissura pterygoidea (93), welche durch einen Fortsatz des
Gaumenbeines ausgefüllt wird.
An der Rückseite des Flügelfortsatzes bleibt zwischen den beiden Platten eine
tiefe Grube, Fossa pterygoidea (93), in welcher der, M. pterygoideus internus ent-
springt. Über die schmale Vorderseite des Fortsatzes, welche durch die Vereinigung
seiner beiden Platten entsteht, zieht eine flache Rinne herab, Sulcus pterygo-
palatinus, welche mit einer ebensolchen des Oberkiefers zu dem gleichnamigen
Kanal zusammentritt.
Die laterale Lamelle ist breiter und an ihrer lateralen Fläche mit einigen Rauhig-
keiten für den Ansatz des M. pterygoideus externus versehen. Die mediale Lamelle
sendet von ihrer Anheftung an den Körper ein medial gerichtetes Knochenplättchen
aus, Processus vaginalis2) (92), welches mit der Unterfläche des Körpers und der
benachbarten Pflugschar zusammen ein Kanälchen, Canalis basipharyngeus3),
zum Durchtritt feiner Gefäßchen bildet. Der hintere Rand dieser Platte zeigt an seinem
oberen Ende eine schmale, medianwärts absteigende Grube, Fossa scaphoidea4)
(93), in welcher der knorpelige Teil der Tuba auditiva ruht. Unter ihr trägt derselbe
Rand eine mehr oder weniger deutlich vortretende platte Zacke für die Anheftung des
Endes der Ohrtrompete, Processus tubarius (93). Das untere Ende der medialen
Platte verlängert sich in einen hakenförmigen Fortsatz, Hamulus pterygoideus
(92, 93), um welchen sich in einer Rinne, Sulcus hamuli (92), der lateralen Seite
die Sehne des M. tensor veli palat. schlingt.
Was die Lage des Flügelfortsatzes anlangt, so steht er zu beiden Seiten der
Choanen, wie die Pfosten neben der Türe (142).
Entwickelung (156). Der erste Knochenkern des Keilbeines erscheint im zweiten Fetal-
monat im großen Flügel; im dritten Monat treten solche im hinteren und vorderen Körper, sowie
im kleinen Flügel auf. Das Pterygoid bleibt bei einer Reihe von Säugetieren lebenslänglich selb-
ständig; beim Menschen vereinigt es sich mit dem Alisphenoid schon im siebenten Fetalmonat.
Im sechsten bis siebenten Fetalmonat verwachsen kleiner Flügel und vorderer Körper miteinander ;
zur Zeit der Geburt beginnt die Verwachsung des vorderen und hinteren Körpers und zwar oben
und seitlich, während von unten her der Knorpel erst etwas später schwindet. Knorpelreste
im Innern des scheinbar soliden Körpers sind oft noch bis zum 13. Lebensjahr nachzuweisen.
Dorsum sellae und Oberfläche des Clivus sind beim Neugeborenen noch knorpelig. Der Knorpel
auf letzterem atrophiert in der Folge in seinen oberflächlichen Lagen, weshalb auch noch beim
Erwachsenen der dem Keilbein angehörige Teil des Clivus eine rauhe Beschaffenheit zeigt. Im
Laufe des ersten Lebensjahres verwachsen die großen Flügel mit dem hinteren Körper. — Die
erste Spur des Knochens der Conchae sphenoidales tritt um die Zeit der Geburt auf; im ersten
bis zweiten Lebensjahr erscheinen sie als dünne, nahezu kreisförmige Plättchen, um allmählich
ihre definitive Gestalt zu gewinnen. Sie verwachsen gegen das achte Jahr mit dem Körper. —
Die Proportionen der Flügel sind beim Neugeborenen andere, als beim Erwachsenen. Der Körper
ist stark in die Länge gestreckt, die kleinen Flügel sind größer, die großen kleiner, als später.
Die Fissura orbitalis superior ist weit. Der Proc. pterygoideus ist noch sehr kurz.
Varietäten. Selten wird das Basisphenoid von einem medianen Kanal durchsetzt, welcher
von der unteren Fläche ausgeht und in die Hypophysengrube führt. Es ist dies der normaler-
weise in früher Embryonalzeit verschwindende Canalis craniopharyngeus. — Teile des knor-
peligen Primordialcraniums, welche in der Regel verschwinden, oder durch Bindegewebszüge
ersetzt werden, können sich in verknöchertem Zustand erhalten. Zu diesen gehört die häufig
1) Canalis Vidianus.
2) Processus ad vomerem.
3) Canaliculus pharyngeus.
4) Fossa tubae Eustachii.
Schläfenbein. 55
vorkommende knöcherne Verbindung zwischen Proc. clinoideus ant. und med.; durch sie wird
ein [.och erzeugt, welches von der A. carotis int. zum Durchtritt benutzt wird. Auch zum Proc.
clin. post. kann vom Proc. clin. ant. oder medius eine Knochenspange verlaufen. — Im Foramen
opticum scheidet ein Knochenplättchcn den nervösen vom arteriellen Teil. — Kleine Knochen-
plättchcn und -Stäbchen bilden sich in der harten Hirnhaut zunächst dem Keilbeinkörper. —
Dil Lingula sphcnoidalis kann als isoliertes Knochenplättchcn auftreten. Gegenüber der Lin-
gula wird auch die mediale Seite des Sulcus caroticus durch ein gebogenes Knochenplättchcn
begrenzt. An der Orbitalfläche des großen Flügels kommt zunächst der Fiss. orbit. sup. fast
konstant die erwähnte Zacke vor, Spina m. recti lat., für den Ursprung dieses Muskels.
Als Processus pt erygospinosus (Civinini) wird die teilweise Yerknöcherung eines
Bandes beschrieben, welches sich brückenförmig von der lateralen Platte des Proc. pteryg. zur
Spina angularis erstreckt. Ist es in seiner ganzen Länge verknöchert, dann entsteht ein Foramen
pterygospinosum. Es wird von den Xervcn und Gefäßen des M. pteryg. int. zum Durchtritt
benutzt. — Neben dem lateralen Ende der Fiss. orbital, sup. beobachtet man zuweilen ein Kanäl-
i Ihm Im einen Zweig der A. meningea media. — Canaliculus sphenoidalis wird ein Kanäl-
i luii genannt, welches an der lateralen Seite der Fossa scaphoidea beginnt und mit einem medialen
Teilungsast im Canalis pterygoideus, mit einem lateralen zwischen Lingula und For. ovale mündet.
Es enthält die Xn. sphenoid. medialis und lateralis. — Die Basis der Spina angularis kann von
einem Kanälchen für den X. petros. superfic. minor durchbohrt sein (Can. innominatus Arnold).
Häufig ist ein Kanal für ein Emissarium sphenoidale x) medianwärts vom Foramen ovale. —
Foramen ovale und spinosum fließen zusammen; es fehlt ihnen zuweilen der hintere Abschluß
1 1 lemmungsbildung).
3. Schläfenbein, Os temporale.
Das Schläfenbein füllt die zu beiden Seiten zwischen den beiden Teilen des
Os basilare (Hinterhaupts- und Keilbein) bleibende Lücke aus. Es ist ein entwickelungs-
geschichtlich sehr komplizierter Knochen, welcher sich zusammensetzt: i. aus einem
Teil des Primordialcraniums (Ohrkapsel), es liefert den Felsenteil mit dem Warzen-
teil; 2. aus einem Deckknochen des Hirnschädels, dem Schuppenteil; 3. aus einem
weiteren Deckknochen, dem Paukenteil, und 4. aus einem Stück des Schlundbogen-
skeletes, dem Griffelfortsatz. Bei einer Reihe von Tieren bleiben diese Stücke mehr
oder weniger voneinander getrennt, beim Menschen vereinigen sie sieh zu einem Knochen,
an welchem dir ursprünglichen Verhältnisse stark verwischt sind.
So berechtigt auch der Wunsch ist, die entwickelungsgeschichtliche Stellung
der verschiedenen Teile auch bei der Darstellung des fertigen Schläfenbeines zur
Geltung zu bringen, so läßt sich dem doch nicht ohne einen gewissen Zwang voll-
ständig entsprechen und es empfiehlt sieh, bei dessen Besehreibung den mit dem
Felsenbein gemeinsam entstehenden WarzenteD von ihm zu trennen, dagegen den
von ihm getrennt entstehenden Paukenteil und den Griffelfortsatz mit ihm unter
dem Namen „Pyramide" zu vereinigen. Es wird danach also einzuteilen sein in
1 Pyramide, 1. Warzenteil, 3. Schuppe.
Pyramide. Ihr Hauptteil, da- Felsenbein, Os petrosum, umschließt
da- Gehörlabyrinth, bestehend aus dem Vorhofj, Vestibulum, der Schnecke, Cochlea
und dendrei Bogengängen, ('anales semicirculares, einem lateralen, oberen und hinteren.
Di'' knöcherne Kapsel de- Labyrinthes ist von elfenbeinerner Haiti' und Zähigkeit,
was dm Namen Felsenbein veranlaßl hat. Sie ist in einer weniger harten Knochen-
substanz eingelassen, nur an ihrer lateralen Oberfläche fehlt solche, dort stößt sie an
eine flache Grube, die Paukenhöhle. An diese wieder lagert sieh der andere Teil der
') Foramen Vesalii.
56 Schläfenbein.
Pyramide an, das Paukenbein, Os tympanicum. Anfänglich nur ein flacher
Knochenring (101), wird es im Laufe der ersten Lebensjahre zu einer kurzen und
tiefen Rinne. Dieselbe wird durch den untersten Teil der Schuppe von dem Felsen-
teil abgedrängt und von ihr zum äußeren Gehörgang ergänzt.
Die Pyramide ist vierseitig und besitzt demnach vier Kanten und vier Flächen.
Die obere Kante bildet die Grenze zwischen mittlerer und hinterer Schädelgrube
und es setzt sich an sie das Tentorium cerebelli an. In dessen Ansatz ist ein Blut-
leiter eingeschlossen, welcher eine rinnenförmige Vertiefung der Kante, Sulcus pe-
trosus superior (96), veranlaßt. Von der oberen Kante aus dachen sich die beiden
der inneren Schädelbasis zugehörigen Flächen ab.
Die hintere, innere Fläche (96) sieht in die hintere Schädelgrube. Ungefähr
in der Mitte ihrer Länge findet sich der Porus acusticus internus, welcher in den
blind endigenden Meatus acusticus. internus führt. Er enthält den N. acusticus,
N. facialis und die Art. auditiva int., welche von einer gleichnamigen Vene begleitet
ist. Lateral vom inneren Gehörgang trifft man auf eine enge und unscheinbare Spalte,
die Apertura externa aquaeductus vestibuli. Nächst dem oberen Rand der
in Rede stehenden Fläche ist die Fossa subarcuata gelegen, eine unvollständig
ausgefüllte Grube unter dem oberen Bogengang. Längs dem unteren Rand bildet
der Sulcus petrosus inferior mit der gleichnamigen Furche des Hinterhaupts-
beines eine Rinne für den Sinus petros. infer.
Die vordere innere Fläche (97) sieht nach der mittleren Schädelgrube hin; sie
wird nicht nur vom Körper des eigentlichen Felsenbeines gebildet, sondern auch von
einer dünnen, von diesem ausgehenden Platte, dem Dach der Paukenhöhle, Tegmen
tympani. Dasselbe stützt sich gegen die Innenseite der Schuppe und ist von ihr
durch eine Naht (Fissurä petrosquamosa) getrennt, welche noch beim Erwachsenen
längere Zeit offen bleibt. Der im Felsenbein verborgene obere Bogengang bewirkt
auf der vorderen inneren Fläche eine mehr oder weniger deutlich vortretende Wölbung,
Eminentia arcuata1). Weiter medianwärts und zwar an der Grenze zwischen
Felsenbeinkörper und Tegmen tympani findet man den Hiatus canalis facialis2),
die Eintrittsöffnung des N. petros. superficial, major, zu welcher dieser Nerv vom
For. lacerum her in einer seichten Furche, Sulcus n. petrosi superficialis
majoris, gelangt. Dicht vor dem Hiatus can. fac. läßt eine feine Öffnung,
Apertura superior canaliculi tympanici, den N. petrosus superfic. minor ein-
treten; auch zu ihr führt oft eine seichte Furche, welche der des N. petrosus superfic.
major parallel, verläuft. Das an der Spitze der Pyramide gelegene mediale Ende
der vorderen inneren Fläche wird von der Impressio trigemini eingenommen,
einem oft aus zwei bis drei ganz flachen Gruben bestehenden Eindruck (Zander
1894), auf welchem die Wurzel und das Ganglion semilunare des fünften Gehirn-
nerven ruht.
Die beiden beschriebenen Flächen der Schläfenbeinpyramide werden nach unten
durch die vordere und hintere Kante abgeschlossen. Die hintere Kante grenzt
an das Hinterhauptsbein und es trägt ihr lateraler Teil einen Ausschnitt, Incisura
jugularis (98), welcher sich mit dem entsprechenden des Hinterhauptsbeines zum
Foramen jugulare ergänzt. Wie die Incisur des Hinterhauptsbeines trägt auch die der
Schläfenbeinkante einen Vorsprung, Processus intrajugularis (vergl. S. 48). Die
vordere Kante lehnt sich in ihrem lateralen Teil an den Schuppenteil; sie gehört
x) Jugum petrosum.
2) Hiatus can. Falloppiae, Apertura spuria can. Falloppiae.
Schläfenbein. 57
dort dem Tcgmcn tympani an. Der Rand desselben sendet einen Fortsatz nach
abwärts, an dessen beiden Seiten sich Spalten befinden (100). Die vordere, Fissur a
petrosquamosa, ist mit Bindegewebe ausgefüllt und verstreicht früher oder später
vollständig, die hintere, Fissura petrotympanica1) (98,100) läßt die A. tympanica
und die Chorda tympani passieren und bleibt deshalb während des ganzen Lebens
soweit wegsam, wie es diese Gebilde erfordern. Der mediale Teil der Kante ist
eine nur schwach vortretende Leiste, welche den hinteren Rand der Fissura spheno-
petrosa bildet.
Die vordere äußere Fläche (98) der Pyramide ist hinter der Gelenkgrube für
den Unterkiefer an der äußeren Schädelbasis zu suchen. In ihrem lateralen Teil wird
sie von der glatten Oberfläche des Paukenbeines gebildet ; an dem medialen Teil,
welcher dem Felsenbein angehört, sieht man neben dem Ansatz der Schuppe an die
Pyramide die Mündung des Canalis musculo-tubarius, welcher in die Pauken-
höhle hineinführt. Er wird durch ein dünnes von der hinteren Wand ausgehendes
Knochenplättchen, Septum canalis musculo-tub., unvollkommen in zwei
Teile geschieden, einen oberen, Canalis musculi tensoris tympani (99) und
einen unteren, Canalis tubae auditivae 2). Ihr Inhalt ist durch den Namen
gekennzeichnet.
Der ausgezackte untere Rand des Paukenbeines bildet die untere Kante der
Pyramide. Da sie mit dem Os tympanicum aufhört, erreicht sie die Spitze der Pyra-
mide nicht, weshalb dort die beiden äußeren Flächen der Pyramide gerundet ineinander
übergehen.
Die hintere äußere Fläche (98) liegt wie die vordere, an der äußeren Schädel-
basis, sie sieht gerade nach, unten; sie ist die am reichsten gegliederte. Überblickt
mau sie von ihrem lateralen Ende aus, welches sich an den Warzenteil anlehnt, dann
trifft man zuerst auf das Foramen stylomastoideum, die äußere Mündung des
Canalis facialis. Dann folgen vier Zonen (Hcnlc), deren erste den Griffelfortsatz,
Processus styloideus (95 — 98) trägt, einen Knochenstab, welcher einmal mehrere
Centimeter lang, ein andermal sehr kurz sein kann. Er gehört, wie oben erwähnt,
nicht ursprünglich dem Schläfenbein an, sondern entstammt dem oberen Teil des
/.weiten Kiemenbogens. Bei Kindern ist er immer knorpelig, so daß man an den
mazerierten Schläfenbeinen von solchen niemals einen Griffelfortsatz findet. Sein
der übrigen Pyramide fremdartiger Ursprung bringt es auch mit sich, daß er wie in
sie eingeschoben erscheint (99) und bei seinem Abgang von ihr hülsenartig umrahmt
wird, Vagina proc. styl. Den hinteren Teil der in Rede stellenden Zone nimmt eine
Gelenkfläche ein, welche mit der bei Beschreibung des Hinterhauptsbeines erwähnten
(S. 48) in Gelenkverbindung steht. Medianwärts von der ersten Zone folgt die
zweite, welche ganz von der kuppeiförmig vertieften Fossa jugularis eingenommen
wird; in ihr ruht der Anfang der Vena jugularis. Den vorderen Rand der Grubi
durchzieht eine unscheinbare Furche, welche in , der feinen unteren Mündung des
Canaliculus mastoideus (98) endet. Die Zone, welche auf die Fossa jugularis
folgt, zeigt vorne den weiten Eingang des Canalis caroticus. Zwischen ihm und
der Fossa jugularis sieht man in der Tiefe eines seichten Grübchens, Fossula
petrosa, den nadelstichähnlichen Eingang in ein Kanälchen. Apertura inferior
canaliculi tympanici, in welchem der Kam. tympanic. des N. glossopharyngi
') Fissura Glaseri.
'-) Semicanalis m. tensoris tympani e1 tubae auditivae.
53 Schläfenbein.
das Schläfenbein betritt. Nächst dem hinteren Rand dieses Feldes findet man eine
dreieckige Vertiefung, in deren Grund die Aperturä externa canaliculi Cochleae
mündet. Die medialste Zone der hinteren äußeren Fläche der Pyramide ist rauh
zur Anlagerung festen Bindegewebes und für den Ursprung des M. levator veli
palatini.
Von den großen und kleinen Kanälen, welche die Schläfenbeinpyramide durch-
setzen, war zwar schon mehrfach die Rede, doch ist über sie noch einiges nachzu-
tragen. Der größte Kanal ist der Canaliscaroticus. Von seiner erwähnten Öffnung
an der hinteren äußeren Fläche aus steigt er auf, biegt sich dann medianwärts um
und endet an der Spitze der Pyramide (99). Er enthält die A. carotis interna, umgeben
von einem Venengeflecht und einem Geflecht sympathischer Nerven. Von diesem
letzteren gehen Fäden aus, welche durch zwei enge Kanälchen Canaliculi carotico-
tympanici in die Paukenhöhle gelangen. Der Canalis facialis enthält den N.
facialis. Er beginnt auf dem Grund des inneren Gehörganges, verläuft im Knochen
erst eine kurze Strecke in der Achse dieses Ganges, biegt dann knieförmig um und zieht
an der medialen Wand der Paukenhöhle abwärts zu seinem Ausgang im For. stylo-
mastoideum (99). Von der Paukenhöhle ist er nur durch eine ganz dünne und leicht
verletzliche Knochenlamelle getrennt. In dem Knie des Kanales mündet der er-
wähnte, mit dem Hiatus canalis facialis beginnende Gang. Der absteigende Teil des
Facialkanales läßt den feinen Canaliculus chordae tympani abgehen, welcher
die Chorda in die Paukenhöhle leitet. Sie verläßt die Paukenhöhle auf der anderen
Seite durch ein Kanälchen, welches in der erwähnten Fissura petrotympanica mündet.
Der Canaliculus mastoideus, dessen Eingang in der Fossa jugularis genannt
wurde, gelangt in querem Verlauf durch den Knochen bis zu seiner Mündung dicht
neben dem äußeren Gehörgang; auf seinem Weg durchsetzt er den Facialkanal. Er
enthält den Ramus auricularis n. vagi. Der Kanal für den Aquaeductus vestibuli,
dessen Mündung sich auf der inneren hinteren Fläche der Pyramide befindet, geht
von dem Vestibulum des Gehörlabyrinthes aus; er enthält eine Fortsetzung des endo-
lymphathischen Raumes. Der Canaliculus Cochleae beginnt am Anfang der Scala
tympani der Schnecke, er verbindet den perilymphatischen Raum des inneren Ohres
mit dem subarachnoidalen Raum der Schädelhöhle.
Der Warzenteil ist eine dicke Knochenplatte, welche die Pyramide nach außen
hin abschließt und ihre Basis bildet. Von der Schuppe ist er noch beim Neugeborenen
(157) durch eine Naht getrennt, welche manchmal selbst noch bei jüngeren Erwachsenen
in Resten nachgewiesen werden kann. Ein oberer gezackter Nahtrand steht mit dem
Scheitelbein in Verbindung; er biegt dann im Winkel nach unten um. Auf die hier-
durch entstehende Ecke trifft die Lambdanaht, an den abwärts ziehenden Teil des
Nahtrandes, der sich bis zu dem erwähnten Gelenk zwischen Pyramide und Hinter-
hauptsbein erstreckt, stößt der untere Teil der Hinterhauptsschuppe. In der Naht
oder dicht neben ihr wird der Knochen von einem oder mehreren Emissarien durch-
setzt (Forr. mastoidea) (1-12)., welche jedoch, wie alle Emissarien, von sehr ver-
schiedener Weite sind, selbst ganz fehlen können.
Über die Innenfläche des Warzenteiles verläuft, soweit sie nicht von dem An-
satz der Pars petrosa verdeckt wird, der zuweilen sehr tief gehöhlte, abwärts gebogene
Schenkel des Sulcus transversus unter dem Namen Sulcus sigmoideus (96); von
ihm geht das erwähnte Emissarium mastoideum aus. Auf der Außenseite des
Warzenteiles ragt der von Muskeln als Ansatzpunkt benützte Warzenfortsatz,
Processus mastoideus (95, 98), zapfenförmig nach unten. Er besitzt eine laterale
Schläfenbein. 59
konvexe und eine mediale plane Fläche. Auf der lateralen Fläche findet man an
der Basis des Fortsatzes eine schräg aufsteigende, auch am Lebenden hinter dem
Ohre fühlbare Firste, Crista supramastoidea (95), welche nach vom in die Wurzel
des Jochbogens, nach hinten und oben in die Linea temporalis inferior übergeht.
Die mediale Fläche ist durch eine tiefe Furche, Incisura mastoidea (98), begrenzt,
aus welcher der hintere Bauch des M. digastricus entspringt. Medial neben ihr
enthält eine seichte Rinne, Sulcus a. occipitalis (98), die Hinterhauptsarterie.
Der hintere Rand des Warzenfortsatzes liegt frei und ist durch die Haut zu fühlen,
an den vorderen Rand legt sich das Paukenbein an, von welchem er jedoch durch
die Fissura tympanico-mastoidea (9ö) getrennt ist. In ihr mündet der erwähnte
Canaliculus mastoideus. Bei vollentwickelten Erwachsenen enthält der Warzenfort-
satz pneumatische Hohlräume, Cellulae mastoideae (99), welche von der Pauken-
höhle ausgehen. Oft sind sie nur von einer so dünnen Knochenlamelle bedeckt,
daß dieselbe durchscheinend ist.
Der Schuppenteil (95 — 97) gleicht einer kreisförmigen Scheibe, aus deren
unterem Teil ein Stück ausgeschnitten ist. Ihr hinterer Umfang bildet mit dem
oberen Rand des Warzenteiles einen einspringenden Winkel, Incisura parietalis
(95), in welchen sich die hintere untere Ecke des Scheitelbeines legt. Der bogen-
förmige Rand ist im oberen Umfang auf Kosten der inneren Fläche zugeschärft
und schuppenförmig mit dem unteren Rand des Scheitelbeines verbunden ; vorne,
wo er sich mit dem großen Keilbeinflügel verbindet, ist umgekehrt die äußere Tafel
kürzer als die innere
Die innere Oberfläche (97) zerfällt durch den an sie angestemmten Rand des
Tegmen tympani in zwei Teile. Der obere weitaus größere Teil, Facies cerebralis,
gehört der Seitenwand der mittleren Schädelgrube an; er zeigt Juga cerebralia und
Impressiones digitatae und eine bogenförmige Gefäßfurche für die A. meningea media
(90). Der kleine untere Teil von halbmondförmiger Gestalt, Facies tympanica,
sieht in die Paukenhöhle, deren laterale Wand er bilden hilft.
Die äußere Oberfläche läßt den Jochfortsatz, Processus zygomaticus (95),
abgehen. An seinem Ursprung breil and mi1 oberei und unterei Fläche versehen,
dreht er sich alsbald um seine Achse, sei daß eine mediale und laterale Fläche und ein
oberer und unterer Rand entsteht. Fr geht im Bogen vorwärts und endet mit einer
rauhen Nahtfläche, welche sieh mit dem Jochbein zum Jochbogen, Arcus zygo-
maticus (I l<>), verbindet. Der hintere Rand der Wurzel, mit welcher sich der Joch-
Eortsatz aus der Schuppe erhebt, setzt sieh nach hinten in die erwähnte Crista supra-
mastoidea und durch sie in die Linea temporalis inferior fort, der vordere Rand
biegt nach vorne ab und bildet den Anfang der bei Betrachtung des Keilbeines er-
wähnten Crista infratemporalis.
Die oberhalb der Wurzel des Jochfortsatzes gelegene Fläche, Facies temporalis
(95, 140). gehör! der Schläfengrube an, sie ist ziemlich glatt und dient Fasern des M,
temporalis zum Ursprung. Oberhalb des äußeren Gehörganges steig! eine seichte,
nieht immer deutliche Furche fast senkrecht auf, in welcher die A. temporalis media
verläuft (95). Unterhalb der Wurzel des Jochfortsatzes biegt die Schuppe medianwärts
uin. Aul der hier gelegenen Fläche, Facies articularis, fällt sogleich eine trans-
versalgestellte Vertiefung auf, die Gelenkgrube für den Unterkiefer, Fossa mandi-
bularis1) (98). Vor ihr steht eine Erhöhung, Tuberculum articulare, auf
') Caritas glenoidea,
60 Schläfenbein.
welche der Gelenkfortsatz des Unterkiefers bei Öffnung des Mundes vortritt. Ein
ganz kleines Feld vor dem Tuberculum hilft das Dach der Fossa infratemporalis
bilden. An ihrem hinteren Rand wird die Gelenkgrube von einem parallel mit ihr
verlauf enden Wulst x) begrenzt, welcher den Gelenkteil der Schuppe von dem Gehör-
gangsteil abgrenzt. Der letztere stellt eine rinnenförmige Vertiefung dar, an welche
sich von unten her das ebenfalls rinnenförmig gestaltete Paukenbein anlegt, so daß
die Schuppe die Decke, das Paukenbein den Boden des äußeren Gehörganges,
Meatus acusticus externus, darstellt (95). Ein nach dem Umfang des Gehör-
ganges gekrümmtes Leistchen, Spina suprameatum (95), bezeichnet den eigent-
lichen oberen Rand des Einganges derselben. Sie ist nicht immer gleich deutlich
ausgebildet; besonders gut tritt sie hervor, wenn hinter ihr eine kleine Grube, Fossa
supra meatum, vorhanden ist. Bei Operationen in der Gegend kann die Spina als
wertvoller Wegweiser dienen.
Ent wickelung (102, 157). Eingangs wurde schon erwähnt, daß das Schläfenbein sich zu-
sammensetzt: i. aus einem Teil des Primordialschädels (Ohrkapsel), welcher den Felsen-Warzenteil
liefert; 2. aus einem Deckknochen des Hirnschädels, dem Schuppenteil; 3. aus einem weiteren
Deckknochen, dem Paukenteil; und 4. aus einem Teil des Schlundbogenskeletes, dem Griffelfort-
satz. In der knorpeligen Ohrkapsel treten im zweiten bis fünften Fetalmonat sechs kleine Knochen-
kerne auf, welche in der Folge zusammenfließen. Von ihnen aus verbreitet sich die Knochen-
substanz auch in die Pars mastoidea hinein. Ende des sechsten Monats ist das häutige Labyrinth
völlig von Knochen umschlossen. Das Tegmen tympani verknöchert teils von der Ohrkapsel
aus, teils entsteht es als Hautknochen. Die in der Umgebung der Ohr kapsei verlaufenden Gefäße
und Nerven, sowie die Tube, sind .vom knorpeligen Primordialcranium nicht umschlossen, sie
gelangen in den Verband des Schläfenbeines erst dadurch, daß sie bei der Verknöcherung von
der sich ausbreitenden Knochensubstanz umgeben werden; nur der Beginn des Facialkanales
vom inneren Gehörgang bis zum Knie verläuft von Anfang an in einer kurzen Röhre des Chondro-
craniums. In seinem weiteren Verlauf ist der siebente Gehirnnerv anfänglich eingeklemmt zwischen
dem Paukenbein und der Pars mastoidea, die Chorda tympani zwischen Paukenbein und Schuppe,
■die Tube zwischen Paukenbein und Schneckenteil des Jochbeines (Bardeen 1910).
Beim Neugeborenen hängen die drei ossificierten Stücke des Schläfenbeines in der Regel
schon knöchern, jedoch teilweise noch leicht trennbar, zusammen (101,102). Am festesten ist die
Verbindung des Paukenteiles mit der Schuppe, während die Nähte, welche den Felsenwarzenteil
mit dem Schuppenpaukenteil zusammenhalten, noch überall sehr deutlich sind. Mit dem ersten
Lebensjahr pflegt die Verknöcherung vollendet zu sein, doch besteht die Fissura petrosquamosa,
wie erwähnt, das ganze Leben. Auch die Sutura squamoso-mastoidea kann sich zuweilen länger
erhalten. Der Proc. styloideus ist bei der Geburt noch ganz knorpelig, er verknöchert in der
Folge von der Basis aus, zum Teil auch von der Spitze aufwärts, woher es kommt, daß er zu-
weilen aus mehreren Stücken besteht. Etwa um die Zeit der Pubertätsentwickelung verwächst
er mit dem Felsenbein.
Die Gestalt des Schläfenbeines des Neugeborenen (157) weicht beträchtlich von der des Er-
wachsenen ab. Die Schuppe ist sehr flach, der Jochfortsatz hat noch nicht seine gebogene Gestalt,
er geht fast gerade nach vorne, die Fossa mandibularis ist nicht gehöhlt, sondern stellt ein fast
planes, in der Fläche der Schuppe hegendes Feld dar. Der Paukenteil weicht noch mehr von
seinem späteren Aussehen ab, er besteht lediglich aus einem ringförmigen Knochenstreifen, Anulus
tympanicus, welcher nur oben, wo er sich an die Schuppe anlegt, nicht ganz vollständig ist (101).
In einen Falz dieses Ringes, Sulcus tympanicus, ist das Trommelfell wie in einen Rahmen
eingelassen. Außerdem zeigt der Ring noch nahe dem Ansatz seines vorderen Endes an der Schuppe
an der medialen Seite eine schräg abwärts ziehende Furche, Sulcus malleolaris, welche den
langen Fortsatz des Hammers sowie die durch die spätere Fissura petrotympanica aus- und ein-
tretenden Weichteile aufnimmt. Die obere Begrenzung dieser Fläche wird durch eine scharfe
Kante gebildet, welche beiderseits in eine vorragende Spitze ausläuft, Spina (Processus) tym-
pan. ant. und post.
2) Tuberculum tympanicum.
Scheitelbein. 61
Canalis musculotubarius und Fissura petrotympanica sind am Schläfenbein des Neu-
geborenen noch nicht getrennt. Die Scheidung erfolgt durch Entwickelung des unteren Fort-
satzes des Tegmen tympani, welcher dann unterhalb oder vor dem Sulcus malleolaris mit dem
oberen Rande des Paukenringes verwächst. Dies geschieht meist erst im dritten bis vierten Lebens-
jahr, oft noch später. Die Spina tymp. ant. verschmilzt beim Erwachsenen mit dem Tegmen
tympani und trägt so zum Abschluß der Fiss. petrotymp. bei, die Spina tymp. post. ist eine blei-
bende Bildung.
Ein knöcherner Gehörgang ist beim Neugeborenen natürlich noch nicht vorhanden; der-
selbe bildet sich in der Art, daß schon gleich nach der Geburt auf der (lateralen) Außenseite des
glatten Anulus tvmpanicus zwei Sprossen auftreten, eine vordere und eine hintere. Sie wachsen
sich entgegen und vereinigen sich endlich, wodurch ein Loch in der vorderen Wand des Pauken-
beincs entsteht. Dieses Loch ist im zweiten bis dritten Lebensjahr stets ringsum von Knochen-
substanz umschlossen. Seine Existenz bringt die Gefahr mit sich, daß sich Entzündungen u. dgl.
aus dem Gehörgang leicht in die Umgebung fortsetzen können. Auch das Umgekehrte kann ein-
treten. Der völlige Verschluß der Öffnung soll normalerweise bis zum fünften Lebensjahr voll-
endet sein. Die Rinne, zu welcher sich nun der Paukenteil vervollständigt hat, bildet die untere
und vordere Wand des knöchernen äußeren Gehörganges; die obere Wand wird durch immer
stärkeres Vortreten der Wurzel des Jochbogens, die hintere durch Anschwellen der Pars masto-
idea gebildet.
Der Felsenwarzenteil entwickelt sich in seinen beiden Teilen verschieden. Der Felsen-
teil bildet sich frühzeitig aus und ist zur Zeit der Geburt überraschend weit fortgeschritten; der
Warzenteil ist stark zurückgeblieben. Der erstere ist anfangs genauer nach der Form des Laby-
rinthes, insbesondere der Bogengänge modelliert, l'nter dem oberen vorderen Bogengang findet
sich noch beim Neugeborenen eine tiefe, von Knorpel ausgefüllte Grube, welche sich mehr und
mehr verkleinert, aber auch beim Erwachsenen noch als eine Spalte persistiert, es ist dies die
erwähnte Fossa subarcuata. An letzterem, dem Warzenteil, entsteht ersteinige Zeit nach der
Geburt die Andeutung eines Warzenfortsatzes, doch hat im zweiten und dritten Jahre der Proc.
und die Incisura mastoid. die dem reifen Zustand entsprechende Größe. Zellig und lufthaltig
wird der Warzen fortsatz aber erst gegen die Zeit der Pubertät oder noch später. iM.-H.)
Varietäten sind, abgesehen von der Kapsel des Labyrinthes, nicht selten. Schaltknochcn
und Nahtanomalien werden an der Schuppe beobachtet; von ihnen verdient besonders ein platter
Fortsatz hervorgehoben zu werden, welcher zwischen Keilbeinflügel und Scheitelbein bis zum
hinteren Rand des Stirnbeines gelangt. Diese Anomalie, welche die Aufmerksamkeit besonders
der Anthropologen erregt hat, entsteht dadurch, daß ein in der vorderen Seitenfontanelle auf-
tretender Schaltknochen nicht, wie gewöhnlich, mit dem Scheitel- oder Keilbein, sondern mit
der Schläfenbeinschuppe verschmilzt. — In der Schuppe können Löcher für den Durchtritt von
Gefäßen vorkommen. Das Foramen mastoideum wird zuweilen sehr groß, so daß es imstande
im, das Foramen jugularc zum Teil oder selbst ganz zu ersetzen. Man beobachtet dergleichen sehr
oft bei rachitischer Abknickung der Schädelbasis.
Das Tegmen tvmpani wird zuweilen von einer Naht durchsetzt. Durch Dehiscenzen des
sehr dünnen Knochens können pathologische Prozesse aus der Paukenhöhle in die Schädelhöhle
hinein Eortgeleitet werden.
Das normalerweise in der Kindheit verschlossene Loch in der vorderen Wand des äußeren
Gehörgangs erhall sich zuweilen auch beim Erwachsenen.
Hinter der Crista supramastoidea, da wo der Winkel des Scheitelbeines an das Schläfen-
bein anstößt, findel man zuweilen einen kleinen Höcker, luluri uhi m su pra mastoideu in
posterius (Waldeyei 1909). Greift er aui das benachbarte Scheitelbein über, dann kann man
ihn Processus asteriacus (Haferland 1905) aenne^n.
4. Scheitelbein, Os parietale.
Die beiden Scheitelbeine bilden den größten Teil der Seitenwand des Hirn-
schädels, indem sie sich wie Spreizen zwischen Stirnbein und Hinterhauptsbein ein-
schieben. Sil' sind platt und von ziemlich regelmäßiger vierseitigei Gestalt. Da sio
nach der Form des Schädeldaches gebogen sind, erscheinen sie außen konvex, innen
62 Scheitelbein.
konkav gewölbt (103, 104). Die Ränder sind mit Ausnahme des unteren stark
gezahnt. Der obere Rand, Margo sagittalis1), vereinigt sich mit dem gleichen des
Scheitelbeines der anderen Seite zur Sutura sagittalis; der vordere Rand, Margo
frontalis2), mit dem Stirnbein zur Sutura coronalis; der hintere, Margo occipi-
talis3), mit der Schuppe des Hinterhauptsbeines zur Sutura lambdoidea. Der untere
Rand, Margo squamosus4) ist zugeschärft und verbindet sich mit der Schuppe
des Schläfenbeines.
Was die vier Winkel des Scheitelbeines anlangt, so sind die beiden oberen, An-
gulus frontalis und occipitalis, mit den in ihrem Namen genannten Knochen
in Verbindung. Von den unteren stößt der vordere, Angulus sphenoidalis, an die
Spitze des großen Keilbeinflügels, der hintere, Angulus mastoideus, fügt sich
in den einspringenden Winkel zwischen Pars squamosa und mastoidea des Schläfen-
beines.
Die Außenfläche (103) trägt im Centrum ihrer konvexen Wölbung eine Hervor-
ragung, Tuber parietale, welche auch beim Lebenden sichtbar ist und deutlich
gefühlt werden kann. Unter ihr verlaufen dem Margo squamosus parallel zwei
gebogene Linien, Linea temporalis superior und inferior5), welche zwischen
sich ein Feld von besonders glatter Beschaffenheit fassen. Sie bilden die Grenze
zwischen dem Planum temporale, von welchem der M. temporalis entspringt, und der
Scheitelgegend. An dem glatten Feld zwischen beiden Temporallinien haftet die
Knochenhaut besonders fest.
Die stark konkave Innenfläche (104) ist an der Stelle des Scheitelhöckers leicht
grubenförmig vertieft. Sie zeigt ein System verzweigter, rückwärts verlaufender Furchen
für die A. meningea media; es sind ihrer gewöhnlich drei an Zahl. Die vordere betritt
die Fläche am vorderen unteren Winkel, die mittlere ein wenig hinter demselben,
die hintere, kleinste, nächst dem hinteren unteren Winkel. Unmittelbar am oberen
Rand wird die Innenfläche von einer halben Längsrinne eingenommen, welche sich
mit einer ebensolchen des anderen Scheitelbeines zum Sulcus sagittalis6) für den
gleichnamigen Blutleiter ergänzt. Von ihm geht das Foramen parietale aus,
welches ein Emissarium enthält. Dasselbe ist 2 — 3 cm von der Spitze der Lambdanaht
entfernt. Wie die anderen Emissarien so ist auch dieses sehr variabel, es schwankt
von Nadelstichgröße bis zum Durchmesser von einem Centimeter, es kann auch ganz
fehlen (104). Mit der Entwickelung des Loches hängt es zusammen, daß die stark
geschlängelte Zahnung der Sagittalnaht in der Gegend zwischen den Forr. parietalia
sich mehr oder weniger streckt. Am unteren hinteren Winkel greift auf der Innen-
fläche der am Scheitelbein vorüberziehende Sulcus transversus gewöhnlich noch mit
einer kleinen Strecke auf das Scheitelbein über.
Außer den arteriellen und venösen Gefäßfurchen findet man auf der Innen-
fläche des Scheitelbeines auch Impressiones digitatae und Juga cerebralia, sowie kleine
Grübchen (144) zur Aufnahme von Arachnoidealzotten in wechselnder Zahl und an
wechselnder Stelle, doch bevorzugen sie den obersten Teil der Fläche.
x) Margo parietalis.
2) Margo coronalis.
3) Margo lambdoideus.
4) Margo temporalis.
5) Linea semicircularis sup. und inf.
6) Semisulcus sagittalis, S. longitudinalis.
Stirnbein. 63
Entwickelung (158). Das Scheitelbein ist ein reiner Hautknochen, welcher sich von zwei
vertikal übereinander liegenden Ossifikationspunktcn aus entwickelt. Dieselben treten um den
45. Tag des Fetallebens an der Stelle des späteren Tuber par. auf. Im vierten Monat fließen sie
zusammen. Von ihnen aus breitet sich die Knochenbildung strahlenförmig nach allen Seiten
hin aus. Zur Zeit der Geburt ist jedoch die Verknöcherung noch nicht bis zu den vier Ecken
vorgedrungen, diese sind vielmehr noch häutig und werden als Fontanellen, Fonticuli {154),
bezeichnet. I!<i Neugeborenen und Kindern treten die Tubera parietalia stärker hervor, als
bei Erwachsenen.
An der Stelle der For. parietalia beider Seiten zögert die Verknöcherung ebenfalls, und
im fünften Fetalmonat findet man dort noch einen ziemlich breiten, häutig ausgefüllten Zwischen-
raum, welcher auch als Fontic. sagittalis benannt worden ist. In der letzten Zeit des Fetallebens
sieht man nur noch Spalten, welche den Sagittalrand einkerben ; zuletzt schließen sich die Löcher
beider Seiten knöchern, haben aber zwischen sich auch später noch den erwähnten gestreckten
Teil der Sagittalnaht,
In hohem Alter kann die Diploe der Scheitelbeine soweit verschwinden, daß die äußere
Tafel einsinkt und große durchscheinende Stellen entstehen.
Varietäten. Eine Naht teilt zuweilen das Scheitelbein in eine obere und untere Hälfte,
was sich daraus erklärt, daß die beiden ursprünglichen Ossifikationspunktc nicht miteinander
verschmelzen. — Außer den erwähnten großen Furchen für die Blutleiter kommen öfters noch
kleinere vor, welche sich nach dem Sulcus sagittalis hin wenden (Schultze 1899).
5. Stirnbein, Os frontale.
Das unpaarige Stirnbein liefert den vorderen Abschluß der Schädelkapsel. Es
besteht aus einem aufsteigenden Schuppenteil, Squama frontalis1), der Grundlage
der Stirne und den horizontal liegenden Partes orbitales2), welche die Dächer
beider Augenhöhlen bilden. In der Mitte zwischen ihnen ist in einem tiefen Ein-
schnitt, [ncisura ethmoidalis, das Siebbein eingefügt.
Der hintere Rand des Stirnbeines steht im größten Teil seines Umfanges mit
den beiden Scheitelbeinen in Nahtverbindung (Margo parietalis), unten aber mit
den großen und kleinen Flügeln des Keilbeines.
An der inneren Oberfläche, Facies cerebralis (106), gehen die beiden Teile des
Stirnbeines ohne scharfe Grenze ineinander über. Sie zeigt median unten am vorderen
Ende der [ncisura ethmoidalis den Einbaut; in einen kurzen, blind endigenden Kanal.
Foramen caecum, welcher entweder vom Stirnbein allein oder von ihm in Ver-
bindung mit dem Siebbein umschlossen wird. Es nimmt einen Fortsatz, der harten
Hirnhaut auf. Zu beiden Seiten desselben lagern sich an kleine rauhe Flächen die
Processus alares der Crista galü des Siebbeines an. Vom For. caecum aus erliebt sich
in der Mittellinie ein Kamm, Crista frontalis; er weicht nach oben in zwei Schenkel
auseinander, welche den Sulcus sagittalis zwischen sich lassen, der dann vom
Stirnbein auf das Scheitelbein (S. 62) übergeht. Die breiten Flächen zu beiden
Seiten der Mittellinie zeigen die vordersten Ausläufer der Furchen für ehe A. meningea
media, sowie Grübchen zur Aufnahme von Arachnoidealzotten. Juga cerebralia und
fmpressiones digitatae sind an der Innenseite der Schuppe schwach, an der Oberseiti
der Partes orbitales stark ausgebildet.
An der Außenseite des Stirnbeine- (105, 107] wird die Schuppe von den horizon-
talen Teilen scharf getrennt. In der Mitte der Grenzlinie findel man den vorderen
Umfang einer sehr rauhen Nahtfläche, an welche sich die Nasenwurzel anlegt. Zu
') Pars perpendicularis,
-) l'.iis hm i/entalis.
ßi Stirnbein.
beiden Seiten schließt sich dann der obere Rand der Augenhöhlen, Margo supra-
orbitalis, an. In der Nähe seines medialen Endes zeigt derselbe eine flache Furche,
Incisura frontalis, lateral von ihr einen meist etwas tieferen Ausschnitt, Incisura
supraorbitalis, beide für die gleichnamigen Nerven und Gefäße bestimmt. Sie
können durch Knochenbrücken zu Löchern geschlossen werden. Der seitliche Teil
des Supraorbitalrandes ist besonders scharf; bei Fall auf einer glatten Fläche, z. B.
auf der Eisbahn, auf die Seite ' des Gesichtes, kann er von innen nach außen die
Haut durchschneiden.
Die Außenfläche der Schuppe ist nur von einer dünnen Weichteilschichte über-
zogen, so daß man' ihre Form auch am Lebenden leicht erkennt. Nahe der Haargrenze
treten beiderseits die Stirnhöcker, Tubera frontalia (1 05), hervor, bei dem einen
Schädel stärker, bei dem anderen schwächer. Unter ihnen folgt eine ganz leichte- Ein-
senkung. Zunächst dem Supraorbitalrand kommt dann, ihm ungefähr parallel verlaufend,
ein Wulst, Arcus superciliaris, ebenfalls von verschiedener Ausbüdung. Daß er
nichts mit den Augenbrauen zu tun hat, wie sein Name vermuten lassen könnte, lehrt
die Betastung am Lebenden. Die Braue folgt dem Augenhöhlenrand, die Arcus super-
ciliares aber werden hervorgerufen durch die hinter ihm liegenden Stirnhöhlen.
Die Stelle zwischen den beiden Arcus superciliares über der Nasenwurzel trägt den
Namen Stirnglatze, Glabella, weil dort am unversehrten Kopf die beiden Brauen
in der Regel zwischen sich eine unbehaarte Stelle lassen.
Die Stirnfläche, Facies frontalis, der Schuppe wird beiderseits begrenzt
durch den erst einfachen Anfang der Linea temporalis, welche sich nachher beim
Übergang auf das Scheitelbein ('S. 62) teilt. Hinter ihr folgt die kleine Facies tem-
poralis (105), welche sich mit der entsprechenden Fläche des Scheitelbeines zur
Bildung des Planum temporale vereinigt. Das vordere Ende der Linea temporalis
und das laterale des Margo supraorbitalis gehen auf einen dreiseitig prismatischen
Vorsprung über, Processus zygomaticus, welcher sich einerseits an der Bildung
der Facies orbitalis, andererseits an der der Facies temporalis beteiligt. Die untere
Fläche des Fortsatzes ist durch eine rauhe Naht mit dem Jochbein verbunden.
Die Pars nasalis (107) besteht aus einem hufeisenförmig gebogenen Rand.
Derselbe trägt vorne eine sehr rauhe Nahtfläche für Anheftung der Nasenbeine und des
Proc. frontalis des Oberkiefers. Die Nasenbeine werden noch durch einen median
stehenden, seitlich abgeplatteten Fortsatz von individuell verschiedener Länge, Spina
frontalis (105), besonders gestützt. An die hintere Kante der Spina legt sich die
Lamina perpendicularis des Siebbeins, im Inneren beherbergt sie das oben erwähnte
Foramen caecum; beide stehen und fallen miteinander (Holl 1893). Zu beiden Seiten
ist die Oberfläche des Nasenteiles zellig gebaut, zur Ergänzung der an sie sich an-
legenden Zellen des Siebbeines. Zwischen dem Stirnfortsatz des Oberkiefers und dem
Siebbein legt sich der obere Rand des Tränenbeines an den Nasenteil des Stirn-
beines an.
Die Orbitalflächen, Facies orbitales (107), verschmälern sich nach hinten,
so daß sie eine fast dreiseitige Gestalt zeigen. Nahe dem medialen Ende des Supra-
orbitalrandes findet man ein nicht immer gleich gut ausgebildetes Grübchen, Fovea
trochlearis, zur Anheftung der Schlinge, in welcher die Sehne des M. obliquus oculi
sup. läuft. In selteneren Fällen steht neben und hinter der Fovea ein kurzer Stachel,
Spina trochlearis. An der lateralen Seite der Orbitalfläche findet man nächst
dem Jochfortsatz eine schlecht begrenzte Vertiefung, welche eine Fingerkuppe auf-
nehmen kann, für die obere Tränendrüse, Fössa glandulae lacrimalis.
Stirnbein. 65
Der rauhe laterale Rand des Orbitalteiles steht vorne mit dem Jochbein, hinten
mit dem großen Kcilbeinflügel in Verbindung.
Die Stirnhöhlen, Sinus frontales1) (112, 113), sind pneumatische Neben-
höhlen der Nase. Beim Erwachsenen sind sie normalerweise von Keil- oder Dreiecks-
form. Sie überragen bei mittlerer Ausbildung den Augenbrauenwulst kaum und
erstrecken sich dicht hinter dem Augenhöhlenrand auf das medialste Ende des
Orbitaldaches. Sic sind nicht immer symmetrisch. Voneinander getrennt werden sie
durch ein nicht immer genau median stehendes Septum. Dasselbe ist die letzte
Erinnerung an die paarige Entstehung des Stirnbeines.
Die Wand der Stirnhöhle ist vorne am stärksten, über der Orbita am dünnsten.
Die Oberflächen der Stirnhöhlen sind glatt,, doch springen nicht selten Leisten vor,
welche größere oder kleinere Nischen bilden können. Von ihrer Mündung im Infundi-
bulum des Siebbeines wird unten die Rede sein.
Entwickelung (159). Wie das Scheitelbein ist auch das Stirnbein ein reiner Hautknochen.
Es legt sich paarig an und zwar von zwei Ossifikationspunkten aus, welche an Stelle der späteren
Tubera frontalia gegen Ende des zweiten Fetalmonats auftreten. Von ihnen aus entsteht auch
die Pars orbitalis in der neunten Woche. Accessorische Knochenpunkte wurden von verschie-
denen Beobachtern gefunden: im Proc. zygomaticus (für ein Os postfrontale gehalten), im hinteren
Teil der Pars orbitalis, am spätesten auftretend in der Basis der Spina frontalis. Zur Zeit der
Geburt sind beide Stirnbeine noch voneinander getrennt. Ihre Verwachsung beginnt gegen Ende
des ersten Lebensjahres und zwar zuerst in dem mittleren Teil der sie verbindenden Naht. Nahe
der Nasenwurzel läßt zuweilen die Vereinigung etwas länger auf sich warten, man spricht dann
von einer Fontanella metopica. (Vgl. Schwalbe 1901). Gegen Ende des zweiten Lebensjahres
verschwindet die Stirnnaht, welche vorher zackig geworden war, vollständig.
Die Stirnhöhlen erscheinen in ihren ersten Spuren gegen Ende des ersten Lebensjahres,
indem die luftführenden Räume der Nase in das Stirnbein vordringen. Sie wachsen erst sehr
langsam hinter dem oberen Augenhöhlenrand hin, so daß das Orbitaldach bei ihrer pathologischen
Anschwellung in die Augenhöhle hinein vorgewölbt wird. Später vergrößern sie sich auch nach
oben; ihre volle Ausbildung erlangen sie erst zu Beginn der zwanziger Jahre. Durch ihr Wachsen
verändert sich während und nach der Pubertätsentwickelung die Physiognomie zuweilen be-
trächtlich, indem die kindlich stark gewölbte Stirn in ihrem unteren Teil flacher erscheint und
die Nasenwurzel vortritt. Ob die Stirnhöhlen bis ins Alter hinein sich immer weiter vergrößern
können, wie es von manchen Seiten behauptet wird, muß dahingestellt bleiben, da ihre defini-
tive Ausbildung auch in jüngeren Jahren eine überaus schwankende ist.
Varietäten. Spuren der Stirnnaht erhalten sich in ihrem untersten Teil über der Nasen-
wurzel häufig. Dort kombinieren sich auch mit dem erstmaligen Schluß sekundäre Knochcnbil-
dungen, welche Schwalbe (1901) beschreibt. In nicht allzu seltenen Fällen bleibt die Stirn-
naht auch beim Erwachsenen in ganzer Ausdehnung erhalten. Sic zeigt dann von allen Nähten
der Calvaria che geringste Neigung zur Obliteration. - - Wenn sich die Stirnhöhlen sehr stark
ausbreiten, dann treiben sie die Arcus superciliares stark vor und steigen oft beträchtlich wen
an der Stirnc empor. In etwa einem Drittel der Fälle (Witt 1000) erstrecken sie sieh auch über
das I »ach der Augenhöhle hin. Sie können bis gegen den Processus clinoideus anterior hin reichen.
Erfolgt in einem solchen Fall ein Bruch des Augenhöhlendaches, dann tritt von der Stirnhöhle
aus I ull in den Inhalt der ( hbit.i ein.
Auf der anderen Seite können sie auch bis in die Spina frontalis hinein sich erstrecken,
so daß sie bis unter d.is Nasendach reichen. Andererseits findet in.m sie gelegentlich verkümmert,
selbst ganz fehlend. Als Rasseneigentümlichkeit beobachtet man dies bei Australiern. Vom
Siebbein her können hohlkugckirlig .uiscebm htete pneumatische Kammern in die Stirnhöhlen
hinein vorgetrieben werden; dieselben haben natürlich eine besondere Mündung.
Praktische Bemerkungen, Da die <\vi Orbita zugekehrte Wand der Stirnhöhle am
dünnsten ist. und sie bei Empyemen am ersten vorgebuchtet. Eine Ektasie ist deshalb zuerst
über dem medialen Augenwinkel bemerkbar. Die Dicke der äußeren Wand bringt es mit sich,
') Antrum frontale.
Merkel. Anatomie II. Skelctlchr
66 Siebbein.
daß andringenden Gewalten ein Widerstand entgegengesetzt wird, welcher nicht geringer ist,
wie der des Schädeldaches im allgemeinen. Lückenbildung, sei es durch Entwickelungshemmung,
sei es durch Atrophie, kann alle Wände der Stirnhöhle, auch die Scheidewand, betreffen ; besondere
Gefahr bringt ein Defekt der hinteren Wand mit sich, da bei ihm die Weichteile der Stirnhöhle
mit denen der Schädelhöhle in unmittelbaren Kontakt treten. .
6. Siebbein, Os ethmoidale.
Die Ausbildung des menschlichen Siebbeines ist eine geringere als bei den
meisten Säugern, was im Zusammenhang mit den Umformungen steht, welche der
menschliche Schädel durch die übermächtige Entwickelung des. Vorderhirnes erfährt.
Das mehr nach vorne gerichtete Gesichtsskelet und Siebbein der niederer stehenden
Säuger zeigt sich beim Menschen nach unten verschoben und die Augenhöhlen rücken
näher zusammen, so daß der Raum zwischen ihnen, in welchen sich das Siebbein
einfügt, beengt wird. In Verbindung mit der Verschmälerung des Siebbeines steht
eine Reduktion des Geruchsorganes und derjenigen Teile des Knochens, welche dessen
Ausbreitung tragen.
Entwickelungsgeschichtlich geht das Siebbein aus dem hinteren Teil der Knorpel-
kapsel des Geruchsorganes hervor. Dieselbe ist anfänglich glattwandig, in der Folge
aber erheben sich an ihrer inneren Oberfläche Leisten, welche Schleimhautfalten
zu stützen haben (Conchae1), Muscheln). Die Ansatzlinie derselben geht von der
Lamina cribrosa aus auf die Seitenwand der Nasenkapsel über und ist von oben vorn,
nach hinten unten gerichtet. Die vergleichende Anatomie lehrt (Paulli 1900), daß
ihrer ursprünglich fünf vorhanden waren (Hauptmuscheln, Endoturbinalien), zu
welchen noch eine wechselnde Anzahl kleinerer (Nebenmuscheln, Ektoturbinalien)
kommen, welche nicht so weit gegen die Scheidewand hin vorspringen, wie jene, sondern
zwischen ihnen in der Tiefe verborgen sind. Eine große Anpassungsfähigkeit des
Siebbeines an die speziellen Bedürfnisse einer Species bringt es nun mit sich, daß
die Muscheln einerseits ungemein kompliziert werden können, indem sich der von einer
Basalplatte ausgehende freie Rand stark umrollt, indem von der Basalplatte selbst
Seitenplatten ausgehen, welche sich ebenfalls umrollen; andererseits können sie sich
außerordentlich vereinfachen, so daß ihr Rand nur wenig umgebogen erscheint. Sie
können ganz rudimentär werden, ein Teil von ihnen kann auch völlig verschwinden.
Beim Menschen sind sie sowohl in ihrem Bau wie auch an Zahl reduziert.
Durch Verwachsungsvorgänge und divertikelartige Ausstülpungen von Schleim-
hautsäckchen entsteht an der Innenwand des Siebbeins ein System von Kammern,
Cellulaeethmoidales, welche nach der Verknöcherung durch papier dünne Knochen-
plättchen voneinander getrennt werden. Sie liegen in drei (beim Vorhandensein
einer obersten Muschel in vier) Reihen übereinander und öffnen sich in die Spalten
zwischen den Muscheln (Seydel 1891). Die größten Räume dieser Art sind die Stirn-
höhle und die Kieferhöhle. Die- Keilbeinhöhle dagegen ist als der hinterste Teil der
Haupthöhle der Nase anzusehen, welcher sich von dieser abgesondert hat (Killian
1906) .
In ausgebildetem Zustand erscheint das Siebbein zusammengesetzt aus einer
horizontalen und einer vertikalen Platte, welche sich, im rechten Winkel durchkreuzen
und aus den Seitenteilen, welche von der horizontalen Platte ausgehen.
2) Ossa turbinata, turbinalia.
Siebbein. 67
Die vertikal stehende Platte ist ein Teil der medianen Scheidewand, welche
sich vom Innern der Schädelhöhle aus in die Nase bis zu deren Boden herab fortsetzt.
In der Nasenhöhle bildet sie die Lamina perpendicularis (108, 145), welche die
Form eines ungleichseitigen Viereckes besitzt. Hinten stößt sie an die Crista sphe-
noidalis, unten wird sie ergänzt durch die nachher zu beschreibende Pflugschar,
vorne oben legt sie sich an die Nasenbeine, vorne unten hängt sie zusammen mit emer
stets unverknöchert bleibenden Knorpelplatte, welche den vordersten Teil der Nasen-
scheidewand bildet. Jenseits der Lamina cribrosa in der Schädelhöhle setzt sich die
mediane Scheidewand fort als Hahnenkamm, Crista galli r) (108, 109), einen
vorne steil, nach hinten allmählich abfallenden, oft aufgetriebenen Vorsprung von
sehr verschiedener Größe, von welchem dann die im weiteren fibröse Scheidewand
des Schädelraumes, die Hirnsichel, nach oben ausgeht. Der vordere Rand der Crista
galli läuft jederseits in einen kleinen flügeiförmigen Fortsatz, Processus alaris
(109, 110), aus, welcher sich an das Stirnbein anlegt und sich an der Umschließung
des Foramen caecum beteiligt (S. 63).
Die horizontale Platte des Siebbeines, welche die beiden Teile der vertikalen
voneinander trennt, ist die Lamina cribrosa2) (110). Sie legt sich in die Incisnra
ethmoidalis des Stirnbeines hinein und grenzt hinten an den Körper des Keilbeines.
Auf ihr ruht der Bulbus olfactorius des Gehirns. Die von diesem ausgehenden Zweige
des N. olfactorius betreten durch die zahlreichen Löcher, welche die in Rede stehende
Platte siebförmig durchbrechen, die Nasenhöhle. Eines der vordersten Löcher, welches
schlitzförmig verlängert ist, läßt den N. ethmoidalis von der Schädelhöhle in die
Nasenhöhle gelangen.
Das Siebbeinlabyri.nth, Labyrinthus ethmoidalis (108), ist von einer
ungefähr würfelförmigen Gestalt. Es ist jederseits am Seitenrand der Siebplatte
befestigt und stößt oben an das Stirnbein, unten an das Oberkieferbein, hinten an den
Keilbeinkörper und das Gaumenbein, vorne an das Tränenbein. Im übrigen ist seine
seitliche Oberfläche als eine papierdünne Platte, Lamina papyracea (109), in
der Augenhöhle sichtbar, wo sie den Hauptteil von deren medialer Wand zu bilden
hat (114).
In der Augenhöhle findet man in der Naht zwischen Papierplatte und Stirn-
bein zwei Öffnungen, Forr. ethmoidalia, anterius und posterius (114), die
Eingänge von kurzen Kanälen, welche von aufeinander passenden Rinnen der beiden
Knochen gebildet werden oder auch nur einem derselben angehören. Sie enthalten
die gleichnamigen Nerven und Gefäße.
Die erwähnten Kammern, Cellulae ethmoidales (110), welche das Labyrinth.
bilden, werden im allgemeinen von der Papierplattc bedeckt; dort aber, wo sich das
Labyrinth an benachbarte Knochen anlegt, dringen sie gegen diese soweit vor, daß
sie in ihnen Aushöhlungen verursachen. Bei der Trennung der ein/einen Schädel-
knochen voneinander bleib! ein Teil dieser Zellen, an den deckenden Knochen hängen,
so daß der am Siebbein befindliche Teil mit weiter Öffnung klafft. Ahm benennt
diese letzteren Kammern als Cellulae frontales, maxillares, sphenoidales, palatinae,
lacrimales.
Von t\ry medialen Seite des I ..ibyrint lies gehen die Muscheln ans und zwar ge-
wöhnlich zwei, Concha superior3) und media (112). Sie sind schief nach hinten
') Crista etlimoidica, Triepel.
•) 1 amina cribrosiformis.
a) C'imi'liii Moi'n.i^niana. Os turbinatum sup.
5*
68 Siebbein.
absteigende Knochenplättchen mit rauher Oberfläche und einem lateralwärts um-
gerollten freien Rand (111). Ihre Ansätze fließen oben, wo sie von der Lamina
cribrosa ausgehen, zusammen, unten und hinten weichen sie auseinander, so daß der
Ansatz der oberen Muschel auf die Mitte des For. sphenopalatinum, der der mittleren
auf dessen unteren Umfang trifft. Die Spalte zwischen den beiden Muscheln wird
als oberer Nasengang, Meatus nasi superior, bezeichnet. In einer Anzahl
von Fällen kommt es oberhalb der Concha superior zur Ausbildung einer obersten
Muschel, Concha suprema1), welche einmal gut entwickelt, ein andermal rudi-
mentär ausgebildet ist.
Unter der mittleren Muschel, von ihr gedeckt, findet man ferner einen hohlen
Wulst, welcher einer Siebbeinzelle gleicht (Bulla ethmoidalis) (108. 113); sie ent-
spricht einer der erwähnten Nebenmuscheln. Vor der -vorderen Spitze der mittleren
Muschel endlich geht von einem kleinen, nicht immer deutlichen Wulst (Agger nasi)
(113) ein platter, dünner Fortsatz aus (Processus uncinatus) (108, 114), welcher
einen nach hinten gerichteten, gebogenen Verlauf zeigt. Agger nasi und Proc. unci-
natus stellen den verkümmerten Rest einer Muschel dar, des bei Säugetieren oft
mächtig ausgebildeten Os nasoturbinale. In der menschlichen Nase dient der Proc.
uncinatus nur dazu, die große Öffnung der Kieferhöhle teilweise zu verschließen.
Bulla ethmoidalis und Processus uncinatus begrenzen einen halbmondförmigen
Spalt, Hiatus semilunaris (113), den Eingang in einen Raum, Infundibulum,
von welchem aus man einerseits in die Kieferhöhle, andererseits in die Stirnhöhle
gelangt.
Ent wickelung. Die Formbildung des Siebbeinskeletes erfolgt unter dem Einfluß der
Weichteile, es schließt sich erst sekundär an diese an. Davon wird bei Betrachtung der Nase
im ganzen zu sprechen sein. Die Knochenentwickelung ist eine enchondrale; sie erfolgt spät,
erst vom fünften Fetalmonat ab. Zu dieser Zeit erscheint ein Knochenkern in der Lamina pa-
pyracea, dem sich andere anschließen. Noch zur Zeit der Geburt sind die beiden Labyrinthe
nicht knöchern mit dem übrigen verbunden. In der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres tritt
am Ansatz der Lamina cribrosa an die Lamina perpendicularis eine Reihe von Knochenpunkten
auf, danach auch in der Crista galli. Endlich fließt alles zusammen und etwa im sechsten Lebens-
jahr ist die Verknöcherung vollendet. Die Cellulae ethmoidales bilden sich teilweise erst während
des Ossifikationsprozesses vollständig aus.
Varietäten in der Ausbildung der Siebbeinlabyrinthe sind überaus häufig und vielseitig.
Die Muscheln sind einander in den einzelnen Fällen nicht immer homolog. Killian (1896), welcher
feststellt, daß beim Menschen sechs Hauptmuscheln zur Anlage kommen, zeigt, daß dieselben
während der Entwickelung in verschiedenen Kombinationen verschmelzen können und es kommen
Fälle vor, in welchen man über die morphologische Bedeutung der vorhandenen Muschelbil-
dungen im Zweifel sein kann. Von den pneumatischen Höhlen des Siebbeines sagt Paulli (1900),
daß die Systeme außerordentlich großen individuellen Verschiedenheiten unterworfen sind. Da
die Lage der Öffnungen in den Zwischenräumen der Muscheln ganz regellos ist und da Rückbil-
dungserscheinungen eine bedeutende Rolle spielen, erscheint die Fixierung der Lage jeder Öffnung
und die Homologisierung der einzelnen Höhlen außerordentlich erschwert. ,,Es werden einer-
seits Gänge verengt oder gar vernichtet und anderseits konfluieren sonst getrennte Räume und
es treten durch exzessive Größe ausgezeichnete Siebbeinzellen auf" (Zuckerkandl 1893). Die
Pneumatisation des Siebbeins wird nicht durch eine bestimmte pneumatische Höhle dargestellt,
weshalb sowohl die Zahl der frontalen Höhlen wie auch die Lage ihrer Öffnungen sehr bedeutende
individuelle Verschiedenheiten zeigen (Paulli).
Die Zellenbildung erstreckt sich in die mittlere Nasenmuschel, den Agger nasi und den
Processus uncinatus hinein (Schäffer 191 o).
1) Concha Santoriniana.
Untere Muschel. Tränenbein. 69
Das Siebbein wird durch einige kleinere Knochen zur Gesamtheit des Nasen-
skeletes vervollständigt und zwar durch die unteren Muscheln und die Tränenbeine,
welche das Labyrinth, und das Pflugscharbein, welche die mediane Scheidewand
ergänzen. Die Nasenbeine haben das Skelet der äußeren Nase zu bilden.
7. Untere Muschel, Concha inferior1).
In ausgebildetem Zustand bildet die untere Muschel einen separaten Knochen,
obwohl sie ebenfalls aus der knorpeligen Nasenkapsel hervorgeht. Sie bildet sich aus
dem unteren einwärts umgebogenen Rand derselben und ist deshalb den Siebbein-
muscheln nicht homolog. Der von diesen verschiedene Ursprung zeigt sich auch
darin, daß die Richtung ihres Ansatzes an der lateralen Nasenwand ein anderer ist.
Er verläuft fast horizontal von vorne nach hinten (112). Das Aussehen der unteren
Muschel ist freilich dem der Siebbeinmuscheln sehr ähnlich. Sie besteht aus einem
Körper und drei Fortsätzen.
Der Körper ist eine dünne konvex-konkav gestaltete Knochenplatte mit rauher
Oberfläche (113). Vorne und hinten zeigt sie sich zugespitzt. Das vordere Ende
des Körpers legt sich an die Crista conchalis des Oberkieferbeines, das hintere an
diejenige des Gaumenbeines an. Der Mittelteil überbrückt den Hiatus maxillaris
der Kieferhöhle.
Die Fortsätze gehen von dem Mittelteil des lateral-oberen Randes des Körpers
aus. Der Processus maxillaris (111), eine dreieckige oder halbmondförmig
Knochenplatte, ragt abwärts und verschließt den unteren Teil des Hiatus maxillaris.
Die beiden anderen Fortsätze sind aufwärts gerichtet. Der vordere, Processus
lacrimalis2) (113), ist ein vierseitiges Plättchen, welches sich in die Lücke zwischen
den Rändern des Sulcus lacrimalis des Oberkieferbeines einschiebt und auf diese Art
die mediale Wand des Tränennasenganges bildet. Nach oben stößt er an den unteren
Kund des Tränenbcincs. Der hintere Fortsatz, Processus ethmoidalis, ist un-
regelmäßig geformt und weniger konstant wie der vordere (113, 114). Er steigt
gegen (las Ende des Proc. uncinatus auf und ist oft mit ihm verwachsen. Wie der
Proc. maxillaris trägt auch er zur Verengerung des weiten Hiatus maxillaris bei.
Die Spalte /.wischen mittlerer und unterer Muschel wird als mittlerer, die zwischen
unterer Muschel und .Nasenhoden als unterer Xasengang, Meatus nasi medius
und in ferior bezeichnet (///).
Entwickelung. Die Verknöcherung geschieht unabhängig von der des Siebbeines im
fünften Ms siebenten Fetalmonat.
Varietäten. Die Krümmung der unteren Muschel ist eine sehr wechselnde, selbst in
den beiden Nasenhälften eines und desselben .Mensehen, es wird daduri li du- Weite des unteren
Nasenlanges ni.iüe.rlicnd InviulluLlt. Der Iren- Kund ist zuweilen mehr oder weniger tief ein-
gekerbt.
«
8. Tränenbein, Os lacrimale3).
Das Tränenbein (115, 116) ist von vierseitiger Gestalt. Es schließt sich an das
Siebbein an und ergänzt es in der Bedeckung seiner pneumatischen Räume. Es ist
') i IS tml>m.de. Muxille-Uubinale.
-') Processus nasalis.
;1) i »s unguis.
70 Pflugscharbein.
eine vierseitige, sehr dünne Knochenplatte, welche hinten an die Papierplatte des
Siebbeins, oben an das Stirnbein, unten an den Körper des Oberkieferbeines und
die untere Muschel, vorne an den Stirnfortsatz des Oberkiefers grenzt (114). Über
seine der Augenhöhle zugewandte äußere Oberfläche läuft eine scharfe Firste herab,
Crista lacrimalis posterior, welche unten mit einem vorwärts gekrümmten
Haken, Hamulus lacrimalis1), endigt. Die Firste trennt das hintere plane Feld
des Knochens, welches in der Flucht der Papierplatte liegt, von dem vorderen ge-
höhlten Feld, Sulcus lacrimalis, ab, welches zusammen mit einem gleichnamigen
Feld des Oberkiefers die Fossa sacci lacrimalis (114) bildet. Das untere Ende
der Tränenfurche berührt sich, wie erwähnt, mit dem erwähnten Proc. lacrimalis
der unteren Muschel; der Hamulus hilft den Eingang in den Tränennasenkanal
umranden.
Die innere Oberfläche zeigt blattrippenartig vorspringende Leistchen von hori-
zontalem und schrägem Verlauf, Grenzen der von dem Knochen gedeckten Siebbein-
zellen (116).
Entwickelung (160). Das Tränenbein entsteht als Deckknochen im dritten Fetalmonat
in der Regel von einem einzigen Knochenkern aus. Daß dies jedoch nicht ausnahmslos der Fall
sein muß, beweisen Fälle, in welchen es der Länge oder der Quere nach durch eine Naht geteilt
ist, oder in welchen der Hamulus ein besonderes Knöchelchen darstellt.
Varietäten sind zahlreich. Oft ist das Tränenbein von größeren oder kleineren Öff-
nungen durchbrochen ; die Zahl der Löcher kann so groß werden, daß nur ein Netz zarter Knochen-
leistchen übrig bleibt. Es kann sehr schmal werden, es kann (selten) selbst ganz fehlen und wird
dann durch die angrenzenden Knochen ersetzt. Der Hamulus kann sich verdoppeln (selten),
er kann reduziert sein oder fehlen, er kann verbreitert oder verlängert sein, er kann sich in den
Tränennasenkanal hinein senken. Eine Anzahl von Varietäten des Tränenbeines stellt Zustände
dar, wie sie bei gewissen Säugern normal sind. (Vgl. Zabel 1900.)
9. Pflugscharbein, Vomer.
Eine unregelmäßig vierseitige Platte (115), welche in der Fortsetzung der Lamina
perpendicularis des Siebbeines den unteren Teil der knöchernen Nasenscheidewand
bildet. Der obere, rinnenförmig vertiefte Rand der Pflugschar grenzt an die Perpen-
dikularplatte, überragt sie aber nach beiden Seiten ; hinten legt sie sich an den Körper
des Keübeines an, vorne an den knorpeligen Teil der Nasenscheidewand. Der untere
Rand steht auf der Crista nasalis des Nasenbodens, der ganz kurze vordere Rand
stemmt sich an die hintere Seite des Os incisivum, der hintere scharfe Rand ist frei
und bildet die Scheidewand der Choanen (142). Wo der obere Rand des Knochens
sich an das Keilbein anlegt, weicht er in zwei Blätter, Alae vomeris (119), aus-
einander, welche das Rostrum sphenoidale umfassen. Die Seitenränder der Flügel
stoßen an die Proc. vaginales des Keübeines und vor ihnen an die Proc. sphe-
noidales der Gaumenbeine.
Auf den Flächen der Vomerplatte verläuft jederseits eine nicht immer deutliche
Furche von hinten nach vorne, welche den N. nasopalatinus aufnimmt.
Von den Flügeln der Pflugschar und den angrenzenden Knochen werden drei inkonstante
Kanälchen gebildet, die Can. vomerobasilares, ein medianer (Can. vomeris) und zwei seit-
liche, ein oberer (der S. 54 erwähnte Can. basipharyngeus) und ein unterer (Can. pharyngeus).
Sie enthalten feine Gefäß- und Nervenzweige.
Entwickelung. Das Pflugscharbein ist ein Deckknochen, dessen erste Spur um die achte
Fetalwoche am unteren Rand der knorpeligen Xasenscheidewand erscheint. Die Ossifikation
x) Processus uncinatus.
Nasenbein. 71
breitet sich zu beiden Seiten derselben aus, so daß dann die knöcherne Pflugschar wie eine schmale
Tasche erscheint, in welche derScheidewandknorpel von oben her hineingelegt ist, wie die Klinge
eines Klappmessers in die Schale. So bleibt das Verhalten lange Zeit und die beiden Platten ver-
wachsen miteinander erst um die Zeit der Pubertät unter Verdrängung des Knorpels. Sehr oft
findet man, daß sich noch in späterer Lebenszeit größere oder kleinere Knorpelreste im Innern
des Knochens erhalten. Am oberen Rand bleibt als Erinnerung an den früheren Zustand stets,
wie erwähnt, eine rinnenförmige Spalte erhalten, in welcher der knorpelige Teil der Nasen-
scheidewand eingefalzt ist.
Varietäten. Ein schmaler, zungenförmiger Fortsatz der knorpeligen Nasenscheide-
wand kann sich zwischen Vomer und perpendikulärer Siebbeinplatte einschieben. Er kann sich
bis zum Keilbeinkörper erstrecken, so daß sich dann die beiden Teile der knöchernen Nasen-
scheidewand nirgends berühren.
Von hoher praktischer Wichtigkeit ist die Tatsache, daß die Nasenscheidewand in mehr
als der Hälfte der Fälle nach der einen oder der anderen Seite hin verbogen ist, wodurch natürlich
die eine Hälfte des Nasenraumes verengert, die andere erweitert wird. Die Knickungsstelle findet
sich ausnahmslos an der Verbindung der Pflugschar mit dem Scheidewandknorpel und es geht
die Knickungslinie von der Spina nasal, ant. zum Rostrum sphenoidale. Die Verbiegung ist nicht
selten S-förmig. Es kommen vor: i. Verbiegungen des Septum ohne Verdickung oder mit einer
solchen; 2. Leistenbildungen auf der Scheidewand, Cristae; 3. Bildung dornförmiger Vorsprünge,
Spinae. Die Verbiegungen haben ihre Konvexität öfter links wie rechts (Hartmann 1890,
1893). In den ersten Lebensjahren ist die Scheidewand gerade, doch treten die Verbiegungen
bereits im Kindesalter auf. Bei Europäern findet man sie häufiger als bei außereuropäischen
Rassen (Zuckerkandl).
10. Nasenbein, Os nasale.
Die Nasenbeine (114, 117 , 118) decken die Xasenkapscl von vorne her. Sie bilden
den knöchernen Nasenrücken und sind zwischen die Pars nasalis des Stirnbeines
und die Processus frontales der beiden Oberkieferbeine eingefügt. Sie sind von un-
gefähr vierseitiger Gestalt, sattelförmig gewölbt und erscheinen insoferne keilförmig,
als sich ihr oberer Teil verdickt, ihr unterer zugeschärft zeigt. Die medialen Ränder
der beiden Nasenbeine stehen in einer leicht geschlängelten Naht miteinander in
Verbindung. Sie verdicken sich auf der Innenseite zu einer Firste, welche sich ganz
oben auf den Processus nasalis des Stirnbeines und weiter auf den vorderen Rand
der Lamina perpendicularis des Siebbeines stützt. Werden durch einen Unfall die
Nasenbeine eingedrückt, dann muß demnach auch die knöcherne Nasenscheide-
wand einen Bruch erleiden. Der laterale Rand verbindet sich mit dem Stirnfort-
-.it/ <\<-- ( >li,i ki, l, Tbrinr-,, der obere, rauh gezahnte Rand mit dem Stirnbeine. Der
untere zugeschärfte Rand ist meist eingekerbt und beteiligt sieh an der Umgrenzung
der Apertura piriformis.
Die Gesichtsfläche ist glatt, die dem Naseninnern zugekehrte zeigt eine der
Länge nach herablaufende Furche, Suleus ethmoidalis (//•"»'), für den gleich-
namigen Nerven. Kleine, unbeständige Löcher, Forr. nasalia [117), lassen Gefäß-
oder Nervenästchen von der Nase aus nach"*außen zur deckenden Haut gelangen.
Entwickelung {160). Das Nasenbein ist ein Bclcgknochen, unter welchem der von
ilnn grdei Ui- l.il der knorpeligen Masenkapsel allmählich, und zwar erst nach der Geburt,
schwindet. Der einfache Knochenkern tritt um die Mitte des dritten Fetalmonats auf.
Varietäten in der Form der Nasenbeine sind sehr zahlreich, was schon aus der Betrach-
tung dei Nase lebender, besonders .null der Angehörigen verschiedener Rassen hervorgeht.
Sic können sein breil werden, sie können sich aneh bis zum Verschwinden verschmälern. Ott
sind die Nasenbeine ungleich, das eine auf Kosten des anderen vergrößert. Der obere Teil der
medianen Naht kann verstreichen; Verwachsung derselben in ganzer Länge ist selten [Affen-
72 Oberkieferbein.
ähnlichkeit). An der inneren Oberfläche der Nasenbeine beobachtet man zuweilen kleine platte
Knöchelchen, verknöcherte Reste des Knorpelskeletes. Am unteren Ende der Sutura inter-
nasalis vorkommende kleine Knöchelchen werden von mancher Seite als Tierähnlichkeit ge-
deutet.
11. Oberkieferbein, Maxiila1).
Die knöcherne Grundlage des Obergesichtes wird im wesentlichen vom Ober-
kieferbein gebildet. Es wird vervollständigt durch das Jochbein und Gaumenbein,
von welchen das erstere einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Ausprägung
der Physiognomie besitzt, während das letztere nur die inneren Teile des Gesichts-
skeletes ergänzt und deshalb für die äußere Gestaltung des Gesichtes ohne Ein-
fluß ist.
Die Oberkieferbeine beider Seiten stoßen mit ihren unteren Teilen, in welchen
die Ossa incisiva enthalten sind (s. unten), in der Mittellinie zusammen, oben schieben
sich die Teile der Nasenkapsel zwischen sie ein. Die unmittelbare Verbindung mit
dem Hirnschädel wird nur durch den an das Stirnbein heranreichenden Stirnfortsatz
hergestellt, im übrigen geschieht sie durch Vermittelung seiner beiden Ergänzungs-
knochen, des Jochbeines und Gaumenbeines.
Das Oberkieferbein besteht aus einem Körper und vier Fortsätzen: Processus
frontalis, zygomaticus, alveolaris und palatinus.
Der Körper ist von halbzylindrischer Form, oben und unten abgestutzt, mit
einer medialen planen und lateralen gerundeten Oberfläche. Die letztere wird durch den
aus ihr sich erhebenden Jochfortsatz in zwei Teile getrennt, eine Gesichtsfläche und
eine Infratemporalfläche (120). Die Gesichtsfläche des Oberkieferkörpers, Facies
anterior, schließt oben ab mit dem unteren Augenhöhlenrand, dessen mediale Hälfte
sie bildet. Der mediale Rand ist ausgeschnitten, Incisura nasalis, und bildet die
Umgrenzung des größeren Teiles der Apertura piriformis der Nase, lateral geht die
Gesichtsfläche in den Processus zygomaticus, unten in den Proc. alveolaris über.
Auf der Fläche selbst mündet nahe unter dem Infraorbitalrand der Infraorbitalkanal
in dem abwärts gerichteten Foramen infraorbitale (120). Unter diesem wieder
folgt eine Grube, welche das eine Mal so tief eingesunken ist, daß sie die Fingerspitze auf-
zunehmen vermag, ein anderes Mal aber kaum angedeutet erscheint, Fossacanina2).
In ihr entspringt der gleichnamige Muskel. Mit dem Eckzahn (Dens caninus) hat
die Grube, wie es dem Namen nach erscheinen könnte, nichts zu tun, ihre Tiefe hängt
vielmehr mit der größeren oder geringeren Aufblähung der Kieferhöhle zusammen.
Die Facies infratemporalis ist gerundet und zu einem Wulst, Tuber maxillare,
aufgetrieben. Ihr oberer Rand begrenzt zusammen mit dem großen Keilbeinflügel
die Fissura orbitalis inferior. Die mediale Ecke dieses Randes ist abgeschrägt, Tri-
gonum palatinum; auf ihm liegt der Orbitalfortsatz des Gaumenbeines (123). Ihr
unterer Rand geht, wie der der Gesichtsfläche, in den Proc. alveolaris über. Vom
Tuber maxillare aus führen zwei oder drei kleine Löcher, Foramina alveolaria, in
Canales alveolares (124), welche Nerven und Gefäße zu den Zähnen bringen.
Die Facies orbitalis bildet den Boden der Augenhöhle (123). Das eine Mal
etwas gewulstet, ist sie ein anderes Mal flach und lateral- vorwärts abfallend, je nach-
dem sie die Ausdehnung der Kieferhöhle mehr oder weniger vortreibt. Ihr medialer
x) Os maxillare superius.
2) Fossa maxillaris.
Oberkieferbein. 73
Rand besteht aus zwei von hinten und von vorne her leicht aufsteigenden Teilen,
v/elche sich ungefähr in der Mitte der ganzen Länge des Randes in einem stumpfen
Winkel, Angulus ethmolacrimalis (120, 121), treffen. Der hintere Teil steht
mit der Papierplatte des Siebbeines, der vordere mit dem Tränenbein in Verbin-
dung (114). Ganz vorne endet der Rand mit einem tiefen Ausschnitt, Incisura
lacrimalis (121), in welche sich der Haken des Tränenbeines legt. Der hintere
freie Rand der Orbitalfläche ist mit dem oberen der Infratemporalfläche identisch.
Ungefähr von der Mitte dieses letzteren geht der Sulcus infraorbitalis (123) aus,
welcher auf dem Boden der Augenhöhle vorwärts zieht. N. und A. infraorbitalis,
welche in ihm liegen, haben einen schräg vorwärts und abwärts gerichteten Verlauf,
weshalb auch der Sulcus sich senkt und bald zum Canalis infraorbitalis (124)
schließt, welcher in dem erwähnten an der Gesichtsfläche sichtbaren For. infraorbitale
mündet . Die den . Kanal deckende Knochenplatte gehört dem Processus zygo-
maticus an (s. unten).
Auf der Facies nasalis fällt am meisten eine große, unregelmäßige Öffnung,
Hiatus maxillaris (121), auf, der Zugang zur Kieferhöhle. Daß dieser Zugang am
unversehrten Schädel durch den Processus uncinatus des Siebbeines, sowie durch den Pro-
cessus maxillaris und ethmoidalis der unteren Muschel erheblich verkleinert wird, wurde
schon erwähnt ; auch das Gaumenbein trägt zu seinem Verschluß bei. Oberhalb des
Hiatus bleibt nur ein schmaler Streifen mit Nischen, welche den Verschluß der Cellulae
maxillares des Siebbeines bilden. Der vordere Rand des Hiatus erscheint in seinem
obersten Teil in Form eines halbmondförmigen Plättchens gleichsam nach vorne um-
geklappt, Lunula lacrimalis (121). Sie beteiligt sich an der Bildung der medialen
Wand des Tränennasenganges. Der vor dem Hiatus liegende Teil der Nasen fläche
ist glatt und eben und wird nur von Schleimhaut überzogen. Die hinter ihm gelegene
Fläche ist dagegen rauh; auf sie legt sich der perpendikuläre Teil des Gaumenbeines.
Oberkiefer- und Gaumenbeinfläche tragen je eine Rinne. Sulcus pterygopala-
tinus, welche sich zu dem gleichnamigen Kanal zusammenschließen. Die Rinne
am Oberkiefer ist flacher wie die am Gaumenbein.
Die untere Fläche des Oberkieferkörpers wird in ihrer ganzen Ausdehnung vom
Processus alveolaris gedeckt.
Der Stirnfortsatz, Processus frontalis1), erhebt sieh vorne von der oberen
medialen Ecke des Körpers. An seinem Ursprung ist er breit und dünn, nach oben
hin verschmälert er sich, wird aber dicker. Sein zackiger oberer Rand verbindet
sich mit dem Nasenteil des Stirnbeines, der vordere Rand mit dem Nasenbein. Sein
hinterer Rand weicht in zwei scharfe Ranten auseinander, die Crista lacrimalis
ant. vorn und lateral, den Margo lacrimalis hinten und medial. Die zwischen
1 leiden Kanten bleibende Rinne ist der Sulcus lacrimalis (120). Er erstreckt sich ab
wärts an der Grenze zwischen dem Stirnfortsatz und der Nasenfläche des Körpers.
Wie schon oben (S. 70) erwähnt wurde, bilden die beiden Sulci lacrimales des Tränen-
und Oberkieferbeines zusammen die Fossa saci 1 lacrimalis. Per Tränennasengang,
Canalis nasolacrimalis, welcher sieh an diese Grube anschließt, hat eine Wand,
deren lateraler Teil von der Fortsetzung des Sulcus lacrimalis gebildet wird, während
der mediale sieh zusammensetzt aus dem untersten nach hinten lappenförmig voi
springenden Teil der Crista lacrimalis anterior, der Lunula Lacrimalis, dem Ende des
vorderen Teiles des Tränenbeines und dem Proc. ethmoidalis der unteren Muschel (11 !).
') Processus iun.iUs.
74 Oberkieferbein.
Das vordere Ende dieser letzteren legt sich an eine Rauhigkeit, Crista con-
chalis1) an, welche unter fast rechtem Winkel aus dem Ende des Margo lacrimalis
des Stirnfortsatzes nach vorwärts umbiegt. Genau genommen, gehört diese Firste
nicht mehr dem Stirnfortsatz, sondern schon dem Körper des Oberkiefers an. Über
die innere Fläche des Stirnfortsatzes läuft etwa in der Mitte seiner Höhe eine der
Muschelfirste gleichgerichtete, jedoch weniger stark ausgeprägte Rauhigkeit, Crista
ethmoidalis 2) (121), an welche sich die dem Siebbein angehörige mittlere Muschel
anlegt. Über die Außenfläche des Stirnfortsatzes läuft von oben nach unten eine
schmale Venenrinne, welche einer Naht gleichen kann3).
Nach dem Gesagten ist der Stirnfortsatz des Oberkiefers von vielseitiger Be-
deutung. Er vermittelt den Zusammenhang des Knochens mit dem Hirnschädel,
bildet den seitlichen Teil des knöchernen Skeletes der äußeren Nase, stützt Siebbein
und untere Muschel und beteiligt sich an der Umrandung der Augenhöhle, sowie an der
Herstellung des Skeletes der Tränenwege.
Der Jochfortsatz, Processus zygomaticus4), springt als dreiseitiges Prisma
aus der gerundeten Seitenfläche des Körpers vor (120). Seine untere Kante trennt,
wie erwähnt, des letzteren Gesichtsfläche von der Infratemporalfläche. Auf seine sehr
rauhe, schräg aufwärts gewandte Endfläche stützt sich das Jochbein. Seine obere
Fläche büdet den lateralen Teü des Bodens der Augenhöhle, sie sendet die erwähnte
Platte, Lamina orbitalis (123), ab, welche den Infraorbitalkanal deckt. Sie ist durch
eine Naht, Sutura infraorbitalis, mit dem Körper der angrenzenden Fläche des
Oberkieferkörpers verbunden, welche sich über den Augenhöhlenrand weg bis zum
For. infraorbitale hin erstreckt. In späteren Lebensjahren verstreicht die Naht.
Das vorderste Ende der Lamina orbitalis, da wo sie an der Gesichtsfläche die mediale
LTmgrenzung des For. infraorbitale bildet, verhält sich oft sehr eigentümlich, indem
sie einen platten, spitzen Zahn absendet, welcher sich in eine Tasche des Oberkiefer-
körpers hineinlegt.
Der Zahnfortsatz, Processus alveolaris 5), deckt die untere Seite des
Körpers und geht aus dessen äußerer und innerer Fläche direkt hervor. Seine Breite
und Höhe richtet sich ganz nach den Zahnwurzeln, welche er beherbergt. Diese ver-
ursachen auf der äußeren Fläche Erhabenheiten, Juga alveolaria (120), welche
man auch am Lebenden leicht betasten kann; an der Gaumenseite des Fortsatzes
sind solche Erhabenheiten nicht zu finden.
Am freien Rand des Fortsatzes, Limbus alveolaris 6), sieht man auf die Zahn-
kronen oder, wenn die Zähne entfernt sind, auf die Mündungen der Alveolen, in deren
jede eine Zahnwurzel genau eingepaßt ist (122).
Der Zahnfortsatz setzt sich aus zwei Teüen von entwickelungsgeschichtlich
verschiedener Herkunft zusammen, aus einem echten Fortsatz des Oberkieferkörpers
und aus einem besonderen Knochen, dem Zwischenkiefer, Os incisivum7) (122),
welches beim Menschen jedoch schon sehr frühzeitig mit dem vom Oberkiefer selbst
gelieferten Fortsatz verschmüzt, bei der Mehrzahl der Säugetiere aber lebenslänglich
J) Crista turbinalis inf.
2) Crista turbinalis super.
3) Sutura imperfecta.
4) Proc. zygomatico-orbitalis; Proc. jugalis.
5) Processus dentalis.
6) Margo alveolaris, M. dentalis.
7) Os praemaxillare ; Os intermaxillare.
Oberkieferbein. 75
selbständig bleibt. Es bildet denjenigen Teil des Alveolarbogens, welcher den Ober-
kieferkörper medianwärts überragt und in der Mittellinie mit dem der anderen Seite
zusammentrifft. Er trägt die Schneidezähne und umrandet den unteren Teil der
Apertura piriformis der Nase. In der Mittellinie zeigt diese Umrandung eine von den
Knochen beider Seiten gelieferte spitze Hervorragung, Spina nasalis anterior
( 120) , von welcher aus sich eine Firste, die von den Knochen beider Seiten hergestellte
Crista incisiva (121) in die Nasenhöhle hinein erstreckt. Auf ihr ruht das vordere
Ende der knorpeligen Nasenscheidewand. Das hintere Ende des Os incisivum wird
durch den Canalis incisivus bezeichnet, von welchem sogleich zu sprechen sein wird.
Der Gaumenfortsatz, Processus palatinus, ist eine horizontale Platte,
welche sich von der Grenze zwischen der Nasenfläche des Körpers und dem Alveolar-
fortsatz nach der Mittellinie hin erstreckt, um sich dort in einer Naht, Sutura pala-
tina mediana (122), mit dem gleichnamigen Fortsatz der Gegenseite zu vereinigen.
Von ihr aus springt in die Nasenhöhle eine Firste, Crista nasalis, vor, an welche sich
der untere Rand der Pflugschar anlegt. Der hintere Rand des Gaumenfortsatzes
steht durch eine Naht, Sutura palatina transversa, mit der Pars horizontalis
des Gaumenbeines in Verbindung. Der vordere Rand ist mit dem Os incisivum ver-
bunden, welches sich aber von dem Gaumenfortsatz ohne Schwierigkeit unterscheiden
läßt. Denn erstens ist das Os incisivum höher als der Gaumenfortsatz, was man be-
sonders deutlich bei Betrachtung der Nahtfläche an einem isolierten Knochen erkennt,
und zweitens sind beide voneinander durch den Canalis incisivus1) (121) getrennt,
einem Gang, welcher in der Nase zu beiden Seiten der Mittellinie mit je einer Öffnung
beginnt, am Gaumen aber dicht hinter den Schneidezähnen mit einem median stehenden
Loch, Foramen incisivum (122), mündet. Der Kanal hat also die Form eines Y.
Er ist nichts anderes als die Stelle, an welcher die Vereinigung der aneinander stoßenden
Ecken der beiden Gaumenfortsätze und der beiden Ossa incisiva ausgeblieben ist.
Der Kanal leitet Nerven und Gefäße aus der Nase zum Gaumen. Vom Foramen
incisivum geht bei Kindern meistens, bei Erwachsenen seltener, eine feine Spalte,
Sutura incisiva (122), aus, welche sich im Bogen oder in einer gebrochenen Linie
gegen die Grenze zwischen lateralem Schneidezahn und Eckzahn hinzieht. Sie ist die
letzte Spur der Naht zwischen Processus alveolaris und Os incisivum.
Die Kieferhöhle, Sinus maxillaris2) (124), ist ein Raum von unregelmäßiger
Gestalt. Beim Erwachsenen hat sie soviel Platz erobert, daß sie die vom Oberkiefer-
körper gelieferten Wände zu dünnen, meist durchscheinenden Platten verdünnt und
daß sie selbst in die von dem Körper ausgehenden Fortsätze mehr oder weniger weit
vordringt. Daß die Höhle sich gewissermaßen aufblähen und ihre äußere, obere und
hintere Wand vorwölben kann, wurde schon erwähnt. Am dünnsten ist die Wand
an der Nasenseite, auch die obere, den Augenhöhlenboden bildende Wand, sowie
die hintere, mit dem Tuber maxillare identische, ist dünn; etwas dicker pflegt die der
Fossa canina zugekehrte Wand zu sein. Von besonderer Bedeutung ist es. daß der
Boden der Kieferhöhle von den Wurzeln der Mahlzähne nur durch eine äußerst dünne
Knochenlamelle getrennt wird, welche sogar von den Zahnwurzeln hügelig empor
gehoben, gelegentlich selbst ganz resorbiert sein kann (124), so daß dann die Weichteile
der Kieferhöhle und die der Zahnalveole in direktem Zusammenhang stellen. I >ie Wände
der Kieferhöhle sind glatt, die locken sind gerundet. In ihren Kaum springl von
') Cmalis nasopalatinus.
■') \ntrum Highmori. A. maxillare.
76 Oberkieferbein.
oben her regelmäßig ein Wulst vor, welcher den Infraorbitalkanal enthält. Von unten
her erheben sich in den Raum eine oder mehrere Leisten, welche zuweilen weit in die
Höhe reichen können. Die erwähnten, vom Infraorbitalkanal ausgehenden Kanälchen,
Canales alveolares, verlaufen in der äußeren Wand der Höhle; sie können sich
ganz oder teilweise zu offenen Rinnen umwandeln. Sie führen den Zähnen Nerven
und Gefäße zu.
Entwickelung (160). Der Oberkiefer entsteht als Deckknochen auf der lateralen Seite der
Nasenkapsel von vier, vielleicht fünf Kernen aus, welche im zweiten und dritten Fetalmonat
auftreten. Das Os incisivum, welches beim Menschen von einem einzigen Knochenkern ausgeht
(Th. Kölliker), verschmilzt schon sehr frühzeitig mit dem Oberkiefer. Gegen Ende des vierten
Fetalmonats ist alles vereinigt. Nach dem siebenten Fetalmonat schwindet die laterale Wand
der knorpeligen Nasenkapsel, so daß sich dann der Oberkiefer an der Begrenzung der Nasenhöhle
direkt beteiligen kann. „Die Form des fetalen Oberkieferbeines ist eine andere als später, es
ist sehr nieder, um so niederer, je jünger der Fetus, und es zeigt sich noch beim Neugeborenen
der untere Teil, auch abgesehen von dem fast ganz mangelnden Alveolarfortsatz, sehr wenig ent-
wickelt. Die Kieferhöhle existiert schon zur Zeit der Geburt, wenn auch als seichte Grube, ja
sie ist schon zu einer Zeit als Ausbuchtung der Nasenhöhle zu erkennen, zu welcher die knorpelige
Anlage des Oberkiefers noch nicht von den Belegknochen verdrängt worden ist. Der Canalis
infraorbitalis ist zur Zeit der Geburt noch spaltförmig offen. Die Sutura incisiva ist zu dieser
Zeit noch deutlich, sowohl an Nasen- wie an Gaumenfläche. Die Anlage der Zahnfächer schreitet,
wie die Bildung der Zahnsäckchen, mit welcher sie parallel geht, von vorn nach hinten fort, sie
ist demnach beim letzten Mahlzahn erst um das achtzehnte Lebensjahr beendet. Da sich noch
nach dem erfolgten Durchbruch des Weisheitszahnes an die hintere Wand der Alveole desselben
Knochensubstanz ansetzt, so vollendet sich die Ausbildung des Proc. alveolaris und mit diesem
auch des Tuber maxillare nicht vor' dem 24. bis 26. Lebensjahr (Toi dt). Fällt ein Zahn aus, dann
füllt sich die Alveole mit Knochensubstanz und atrophiert; fallen mehrere Zähne oder die ganze
Reihe aus, wie es in hohem Alter oft geschieht, dann verschwindet schließlich der ganze Alveolar-
fortsatz." (M.-H.)
Varietäten. Der Infraorbitalkanal kann im Bogen an der Grenze von Oberkiefer und
Jochbein verlaufen; er kann mit mehreren Mündungen versehen sein. Die Form der Mündung
schwankt, ebenso ihre Lage; sie kann über einen Centimeter vom Augenhöhlenrand entfernt
sein. Sutura infraorbitalis transversa (Halbertsma) nennt man eine Naht, welche bei
jungen Schädeln öfters von der Incisura lacrimalis parallel dem Infraorbitalrand und nahe hinter
ihm zur Sutura infraorbitalis hinzieht. Torus palatinus heißt ein zuweilen vorhandener wetz-
steinförmig zugespitzter Wulst, welcher von vorn nach hinten über die Mitte des harten Gaumens
verläuft. — Der Canalis incisivus ist von wechselnder Weite, er kann mehrfache Mündungen
haben, er kann auch von Nebenkanälchen flankiert sein. — Die Naht zwischen Oberkiefer und
Zwischenkiefer kann sich auch beim Erwachsenen mehr oder weniger deutlich erhalten. Die
Vereinigung zwischen beiden kann ganz ausbleiben (Hasenscharte); es kann auch die Ver-
einigung der Gaumenfortsätze beider Oberkiefer , ausbleiben (Gaumenspalte, Wolfsrachen).
Die Kieferhöhle ist von sehr wechselnden Dimensionen, selbst an den Kiefern der beiden
Seiten eines Individuums. Das eine Mal ist sie eng und zum Teil von spongiösem Knochen um-
geben, das andere Mal so weit, daß sie in. alle Fortsätze des Oberkiefers Ausbuchtungen sendet,
selbst bis ins Jochbein vordringt (Zuckerkandl). Gruber hat in 1,5 % der Fälle den Sinus
in zwei gesonderte Höhlen getrennt gefunden. Außerdem kommen Fälle vor, welche eine Zwei-
teilung dadurch vortäuschen, daß sich eine Cellula maxillaris als große Knochenblase in die Kiefer-
höhle hinein entwickelt hat (Zuckerkandl).
Praktische Bemerkungen. Die Verhältnisse des Oberkiefers geben vielfach Gelegen-
heit zu pathologischen Beobachtungen und zu therapeutischen Eingriffen, auch wenn man von
den im Augenblick nicht zu behandelnden Zähnen absieht. Besonders ist es die Kieferhöhle,
welche die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Für eine Beantwortung der Frage am Lebenden,
ob die Höhle eng oder weit ist, steht nur die Untersuchung der Fossa canina zur Verfügung, welche
man leicht abzutasten vermag. Ist sie tief eingesunken, dann darf man auf eine Höhle von geringer
Ausdehnung rechnen. Von praktischer Bedeutung kann ihr Verhältnis zu den Zahnwurzeln
werden. Ist die Höhle von geringen Dimensionen, dann kommt ihr Boden nur den Wurzeln der
Molarzähne sehr nahe, ist sie geräumig, dann nähert er sich auch denen der Prämolarzähne, selbst
Jochbein. , ,
bis zur Eckzahnwurzel kann er reichen (Zuckerkand 1). Will man die Kieferhöhle von einer
Alveole aus eröffnen, dann wird man am sichersten gehen, wenn man eine solche des zweiten
Molarzahncs wählt, da zwischen ihr und dem Höhlenboden in jedem Fall nur eine dünne Knochen-
lamelle vorhanden ist. Bei Zahnextraktionen passiert es zuweilen, daß die Kieferhöhle unbeab-
sichtigt eröffnet wird. Die Alveole eines schon vor längerer Zeit verloren gegangenen Zahnes
eignet sich nicht für die Eröffnung, da sie sich mit Knochensubstanz füllt, ehe sie vollständiger
Resorption anheimfällt. — Teilung der Kieferhöhle oder Vordringen einer großen Siebbeinzelle
in dieselbe können bei Operationen zu unerwarteten Vorkommnissen Veranlassung geben, indem
man bei Eröffnung des gesunden Teiles der Höhle das pathologische Verhalten nicht vorfindet,
auf welches man gerechnet hatte. Zur Eröffnung der Kieferhöhle eignet sich ihrer Dünne wegen
die Nasenhöhlenwand am besten, auch von der Fossa canina aus kann sie natürlich vorgenommen
werden. — Die sehr dünnen Wände einer weiten Kieferhöhle leisten andringenden Tumoren nur
wenig Widerstand, so können solche von ihr aus in' die Augenhöhle und umgekehrt durchbrechen.
Der Schutz, welchen die in den Wänden der Kieferhöhle verlaufenden Nerven durch den bedecken-
den Knochen erhalten, ist ein sehr schwacher und leicht zu überwindender.
Das häufige Vorkommen einer Hasenscharte gab Veranlassung zu einem genaueren Studium
der Entwickclung dieser Spaltbildung. Albrecht gelangte zu der Annahme, daß der Zwischen-
kiefer sich aus zwei Anlagen entwickelt, deren jede einen Schneidezahn trägt. Die Spaltbildung
soll zwischen medialem und lateralem Zwischenkiefer oder zwischen lateralem Zwischenkiefer
und dem eigentlichen Oberkiefer durchgehen können. Es soll nicht geleugnet werden, daß in
Ausnahmefällen ein Auftreten von zwei Ossifikationspunkten im Zwischenkiefer denkbar ist,
ebenso wie auch an anderen Stellen Anomalien der Verknöcherung vorkommen. Aus dem Ver-
halten der Zähne weitgehende Schlüsse zu ziehen, ist aber ganz unzulässig, da die Spaltbildung,
das heißt das Avisbleiben der normalen Vereinigung zu einer Zeit ihren Anfang nimmt, in welcher
die Zahnsäckchen noch gar nicht vorhanden sind. Auch v. Schumacher (1906) kommt zu der
Annahme, daß die Entwickclung der Zahnkeime und die der Knochen voneinander unabhängig
sind. Da durch die Spaltbildung das Gleichgewicht der nachfolgenden Entwickelung empfind-
lich gestört ist, kann man auch die Anlage und Fortbildung der angrenzenden Zähne nicht ohne
weiteres als der Norm entsprechend ansehen. In der Tat beobachtet man auch das eine Mal ein
Fehlen von Zähnen, welche vorhanden sein sollten, ein anderes Mal eine Überzahl solcher; selbst
das Vorhandensein der normalen Zahl gibt keineswegs die Garantie, daß man in ihnen auch die
normalen Anlagen vor sich hat, da sehr wohl eine der letzteren ausgefallen und dafür eine anor-
male eingetreten sein kann (vgl. Broca 1887). Die Zähne eines älteren Fetus oder gar eines ge-
borenen Menschen sind deshalb nur mit größter Vorsicht für eine Deutung der Stelle, an welcher
die ursprüngliche Spaltbildung stattgefunden hat, verwertbar. Wie sehr die Spaltbildung die
in ihrer l'mgcbung befindlichen Teile beeinflussen kann, dies erkennt man aus der oll sehr starken
Vcrbicgung der Nasenscheidewand bei einseitiger Gaumenspalte oder aus dem ungehinderten
Vorwachsen derselben mit dem an ihr hängenden Zwischenkiefer bei doppelseitiger, wodurch eine
eingreifende Operation nötig wird, um die Schneidezähne mit dem übrigen Zahnbogen in Har-
monie zu bringen.
12. Jochbein, Os zygomaticum1).
Das Jochbein schiebt sich zwischen Oberkiefer und Schläfenbein ein und bildi I
den Schlußstein des Jochbogens, Arcus zygomat ieus , dessen Anfang und Ende
von den Jochfortsätzen der genannten Knochen gebildet wird. Bei einer Reihe von
Säugetieren bleibt es bei einem einfachen Rogen, so daß über ihm Augenhöhle und
Schläfengrube zusammenfließen, bei anderen wird ein Fortsatz dem Stirnbein ent-
gegengeschickt, wieder bei anderen vereinigt sich Fortsatz und Stirnbein, so daß
eine knöcherne Umrandung des lateralen Umfangesder Augenhöhle entsteht. Zuletzt
bei den Primaten -endet dieser Rand noch eine Platte medianwärts ab. welche sich
mit dem großen Keilbeinflügel verbindet. Sie trennt dann erst definitiv Augenhöhle
und Schläfengrube voneinander. In erster Linie stehl die Ausbildung des Jochbogens
') Wangenbein. Os jttgale, Os malare.
78 Jochbein.
in Verbindung mit derjenigen der Kaumuskeln, speziell des M. masseter, wie man
durch Vergleichung verschiedener Tierspecies sehr leicht nachweisen kann, dann
aber beeinflußt er auch, und zwar gerade sein Jochbeinteil, die Physiognomie beträcht-
lich und jedermann weiß, daß einerseits vorspringende und breite, andererseits mehr
zurücktretende und schmale „Backenknochen" dem Gesicht nicht nur des Einzel-
individuums, sondern auch dem ganzer Rassen ein überaus charakteristisches Ge-
präge geben.
Bei der Betrachtung des menschlichen Jochbeines geht man am besten von der
gekrümmten Kante aus, welche den lateralen Augenhöhlenrand bildet. Von ihr gelangt
man einerseits zur Wangenplatte, Lamina malaris, welche den Hauptteil des
Knochens darstellt, andererseits zur Orbitalplatte, Lamina orbitalis (125), welche
eher einem Fortsatz der ersteren gleicht. Mit seiner Unterfläche ruht das Jochbein
auf der rauhen Nahtfläche des Jochfortsatzes vom Oberkiefer, nach hinten spitzt
es sich zum Processus temporalis zu, welcher mittelst einer schräg nach hinten
abfallenden, zackigen Nahtfläche mit dem Jochfortsatz des Schläfenbeines zusammen-
hängt, nach oben läuft der Knochen ebenfalls in einen Fortsatz, Processus fron-
talis x) aus, welcher den Processus zygomaticus des Stirnbeines erreicht (139, 140);
die sie verbindende Naht kann man auch am Lebenden leicht fühlen, wenn man
vom oberen Augenhöhlenrand her den Knochen abtastet. In der Fortsetzung der
Nahtfläche, welche die Verbindung mit dem Stirnbein herstellt, folgt längs der
Orbitalplatte ein Nahtrand, Margo sphenoidalis, zur Verbindung mit dem großen
Keilbeinflügel (125). Am unteren Ende dieses Randes stößt man öfters, aber nicht
immer auf eine kurze, glatte Stelle, welche das äußerste Ende der Fissura orbitalis
inferior umschließt. Der hintere nach der Schläfe hin sehende und der untere an
der Wange befindliche Rand der Wangenplatte ist frei. Der hintere Rand ist S-förmig
gebogen, oben konvex, unten, wo er in den oberen Rand des Jochfortsatzes vom
Schläfenbein umbiegt, konkav, Der untere Rand ist die Fortsetzung der unteren
Kante des Jochfortsatzes des Oberkiefers. Er ist von Muskelansätzen uneben und
erhebt sich gerade in der Naht oder in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu einer
abwärts gerichteten, stärker vortretenden Rauhigkeit, Tuberositas malaris, zum
Ansatz von Sehnenfasern des M. masseter.
Was die Flächen anlangt, so ist die Malarfläche von ungefähr vierseitiger Form
und leicht gewölbt. Die Orbitalfläche ist keilförmig nach unten zugespitzt und ent-
sprechend der Form der Augenhöhlenwand konkav. Die hinteren der Temporal-
grube zugekehrten Flächen der beiden Platten sind glatt und gehen gerundet in-
einander über.
Das Jochbein trägt an seiner Augenhöhlenplatte eine Furche oder ein Kanälchen
für den N. zygomaticus, in welches derselbe unten, nahe der Fiss. orbitalis inferior,
durch das Foramen zygomatico-orbitale 2) eintritt. Der Nerv und somit auch
das Kanälchen teilt sich in zwei Teile; der obere mündet in der Schläfengrube im
Foramen zygomatico-temporale3) (126), der untere auf der äußeren Fläche der
Wangenplatte im Foramen zygomatico-faciale4) (125).
x) Processus frontosphenoidalis.
2) Foramen zygomat. super.
3) Foramen zygomat. poster.
4) Foramen zygomat. anter.
Gaumenbein. ,'.)
Ent Wickelung. Deckknochen. Entsteht aus einem Knochenkern, welcher gegen Ende
des zweiten Fetalmonats erscheint. Die Ausbildung spielt sich in der Art ab, daß sich, der spä-
teren mechanischen Inanspruchnahme entsprechend, sekundäre Auflagerungen bilden, während
die primäre Platte schließlich im ersten Kindesalter ganz verschwindet. Zwischen den Auflage-
rungen bleiben erst Spalten, welche sich in der Folge schließen (Toldt jun. 1902). Bei jüngeren
Feten erstreckt sich das Jochbein sehr weit am unteren Augenhöhlenrand gegen die Xase hin,
um allmählich mehr und mehr zurückzuweichen.
Varietäten. Auch im späteren Leben erstreckt sich das Jochbein weiter nasalwärts
wie gewöhnlich. — Die Sutura zvgomatico-sphenoidalis wird zuweilen durch eine Spalte ersetzt
(Tierähnlichkeit). — Häufig erhebt sich die höchste Höhe des hinteren S-förmig gebogenen Randes
der Wangcnplatte in Form eines stumpferen oder spitzeren Vorsprunges, Processus margi-
nalis; er läßt ein Bündelchen der Temporalaponeurose entspringen. — Die Varietäten der Kanäle
für die Nn. zygomatico-facialis und zygomatico-terriporalis sind sehr zahlreich; zuweilen vermißt
man sie vollständig, in anderen Fällen können sie sich vervielfältigen. Die Lage ihrer Ausgangs-
öffnungen ist schwankend. — Die Kieferhöhle kann sich, wie oben erwähnt, bis ins Jochbein
hinein erstrecken. — Es gibt Jochbeine, welche durch eine Naht in zwei, selbst in drei Teile ge-
teilt sind. Diese Varietät wird nicht durch das Auftreten mehrerer Ossifikationspunkte erklärt,
sondern durch Erhaltenbleiben einer Spalte zwischen den erwähnten sekundären Auflagerungen.
Bei Japanern soll ein Os zygom. bipartitum in 7 % der Fälle vorkommen (Hilgendorf 1S73).
Sehr selten ist eine unvollständige Ausbildung des Jochbogens.
Praktische Bemerkung. Bei der Oberkieferresektion kümmert sich der Operateur
nicht um das Jochbein; er rechnet es zum Oberkiefer, weshalb auch stets ein Teil von ihm mit
fortgenommen wird.
13. Gaumenbein, Os palatinum.
Das Gaumenbein ist ein ganz unselbständiges Anhängsel des Oberkiefers, dessen
Bedeutung hauptsächlich darin liegt, daß seine Einschicbung die Wachstumsvorgänge
in den hinteren Teilen des Gesichtsskeletes erleichtert, indem sieh an seinen zahlreichen
Nahträndern und -Flächen die Knochenbildung ungehindert abspielt. Es beteiligt
sielt an der Bildung des Gaumens, ergänzt die seitliche Nasenwand, vermittelt die
Verbindung des Oberkiefers mit dem Flügel fortsatz und Körper des Keilbeines und
vervollständigt den Boden der Augenhöhle.
Es besteht aus zwei im rechten Winkel miteinander vereinigten Platten, Pars
horizontalis und perpendicularis und drei Fortsätzen, Processus orbitalis, sphenoidalis
und pyramidalis.
Die Pars horizontalis1) (122) ist die Fortsetzung des Gaumenfortsatzes des
( >berkiefers nach hinten. Ihr vorderer Rand steht mit diesem durch die erwähnte Sutu ra
palajtina transversa in Verbindung, ihr hinterer Rand ist frei und bildet das Ende
des harten Gaumens, an welches sich der weiche befestigt. Die hinteren Ränder der
Knochen beider Seiten sind ausgeschweift und treffen in der Mitte in einer platten,
abgerundeten Spitze, Spina nasalis posterior, zusammen. In ihr endigt die Crista
nasalis, welche sich ohne Änderung aus der Crista nasalis der Gaumenfortsätze
des Oberkiefers über die .Mittellinie der Gaumenbeine und der sie verbindenden Sutura
palat. mediana nach hinten erstreckt und ebenso, wie jene der Pflugschar, zur Anhef-
tung dient. Auch im übrigen unterscheidet sich die Nasenfläche, Facies nasalis,
in keiner Weise von der angrenzenden des Oberkiefers. Die Gaumenfläche, Facies
palatina, ist meisl glatter wie die des Oberkiefers.
Die Pars perpendicularis2) legt sich mit ihrem hinteren Rand an den Pro-
cessus pterygoideus des Keilbeines, mit ihrer rauhen, lateralen Fläche an die beschriebene
') Pars palatina.
-) Pars nasalis, Pars adscendens.
80 Gaumenbein.
rauhe Fläche der Facies nasalis des Oberkieferkörpers (129). Sie überragt dieselbe mehr
oder weniger weit nach vorne und trägt dadurch zum Verschluß des Hiatus maxillaris
bei. Wie die entsprechende Fläche des Oberkiefers trägt auch die des Gaumenbeines
den S. 73 erwähnten, nach unten immer tiefer werdenden, Sulcus pterygopala-
tinus, welcher sich mit dem des Oberkiefers zu dem gleichnamigen Kanal ergänzt.
Derselbe beginnt oben an der Incisura sphenopalatina und endigt an der hinteren
lateralen Ecke des harten Gaumens mit einer weiten Öffnung, Foramen palatinum
majus1) (122). Der Kanal führt Nerven und Gefäße zum Gaumen. Von den
ersteren zweigen sich Äste ab, meist zwei an Zahl, welche durch schräg abwärts
führende Kanälchen, Canales palatini, zu kleinen Öffnungen, Foramina pala-
tina minora, gelangen, welche hinter dem Foramen palatin. majus schon auf der
Basis des Processus pyramidalis münden.
Die dem Naseninneren zugekehrte mediale Fläche der perpendikulären Platte
(129) zeigt zwei sagittalstehende Firsten, eine Crista conchalis2) weiter unten und
eine Crista ethmoidalis3) höher oben, welche mit den gleichnamigen Firsten des
Oberkiefers insoferne korrespondieren, als sie die hinteren Enden der unteren und
mittleren Muschel tragen, wie jene die vorderen.
Unmittelbar oberhalb der Crista ethmoidalis weicht die perpendikuläre Platte
in zwei Fortsätze auseinander, welche durch einen tiefen, fast zum Kreis geschlossenen
Ausschnitt, Incisura sphenopalatina, voneinander getrennt werden (127, 129).
Der vordere der beiden stellt eine kleine hohle Pyramide dar, er ist der Processus
orbitalis. Lateralwärts geneigt, legt er sich auf das Trigonum palatinum des Ober-
kieferkörpers, während die Nische, welche er enthält, die untere, hintere Zelle des
Siebbeines zu schließen hat. Er ergänzt die hinterste Ecke der unteren Wand der
Augenhöhle und bildet die vordere Begrenzung des Anfanges der Fissura orbitalis
inferior (123). Der hintere Fortsatz, Processus sphenoidalis, ist nur ein vier-
seitiges Plättchen. Medianwärts umgebogen und rückwärts geneigt, legt er sich an
die untere Seite des Keilbeinkörpers an. Er beteiligt sich an dem Verschluß des
Canalis pharyngeus (s. S. 70).
Durch den Keilbeinkörper wird die Incisura sphenopalatina zum Foramen
sphenopalatinum geschlossen, welches aus der Fossa pterygopalatina Nerven und
Gefäße zur Nasenhöhle führt (114).
Der Processus pyramidalis geht von der Verbindungsstelle der perpendi-
kulären und horizontalen Platte nach hinten ab und ist in die Incisura palatina des
Processus pterygoideus des Keilbeines eingepaßt. Zu beiden Seiten nimmt er die
vorderen Ränder der Lamellen des Flügelfortsatzes in tiefe, rauhe Rinnen auf und
in der Mitte besitzt er eine glatte, nach oben zwickeiförmig zugespitzte Fläche, welche
das untere Ende der Fossa pterygoidea vervollständigt. Mit seiner vorderen lateralen
Fläche legt er sich an den Oberkiefer an (128).
Entwickelung. Im zweiten bis dritten Fetalmonat tritt ein, nach anderen Autoren
treten mehrere Knochenkerne auf. Um die 22. Fetalwoche ist das Gaumenbein fertig gebildet.
„Zusammenhängend mit der geringen Höhe des Obergesichtes im ganzen ist auch die perpendi-
kuläre Platte in der Fetalperiode und beim Neugeborenen sehr nieder; dabei ist sie stärker rück-
wärts geneigt. Der Proc. pyramidalis ist relativ groß; der Orbitalfortsatz ist ein solides dünnes
Plättchen. Erst mit der vollständigen Ausbildung der Verhältnisse des Gesichtsschädels gegen
die Zeit der Pubertätsentwickelung hin nimmt auch das Gaumenbein seine definitive Form an.
x) Foramen sphenopalatinum, Foramen pterygopalatinum.
2) Crista turbinalis inferior.
3) Crista turbinalis superior.
Unterkiefer. 81
Von Varietäten ist zu berichten, daß die erwähnten, das Gaumenbein durchsetzenden
Kanäle nach Zahl und Verlauf mancherlei Verschiedenheiten aufweisen. Die perpendikuläre
Platte sendet nicht selten einen sehr dünnen Fortsatz, Proc. nasalis, nach vorn, der einen Teil
des Hiatus maxillaris schließt" (M.-H.). Der Proc. orbitalis ist sehr variabel; er kann sehr redu-
ziert sein, er kann sich auch stark ausdehnen; er kann von einem Fortsatz des Oberkieferbeines
oder von einem solchen des Siebbeines ersetzt sein. Auch der Processus pyramidalis kann von
diesen beiden Knochen ausgehen. — Hyrtl hat einmal eine Naht zwischen horizontaler und
vertikaler Platte des Gaumenbeines beobachtet.
14. Unterkiefer, Mandibula1).
Der Unterkiefer nimmt den übrigen Schädelknochen gegenüber eine gewisse
Sonderstellung ein. Erstens ist er weit größer und massiger als alle anderen, zweitens
ist er der einzige Knochen, welcher mit dem Hirnschädel durch Gelenk verbunden
ist und drittens ist seine Entwickelung als ein Teil des Visceralskeletes aus dem ersten
Schlundbogen eine eigenartige.
Da der Unterkiefer mit dem Kaugeschäft betraut ist, findet man die Einzelheiten
seines Baues, die Verhältnisse des Kiefergelenkes und das durch die Muskelansätze
hervorgerufene Relief bei den verschiedenen Säugern in mannigfaltigster Weise
variiert, je nachdem sie ihre Nahrung als Raubtiere, als Nager usw. zerkleinern. Der
omnivore Mensch zeigt eine ziemlich gleichartige, mittlere Ausbildung der einzelnen
Teile.
Der Unterkiefer besteht aus dem Körper und den beiden Asten; beim Neuge-
borenen noch paarig, verwächst er bald zu einem unpaarigen Stück.
Der Körper, Corpus mandibulae (130), ist auf die Fläche hufeisenförmig
gebogen; auf ihn ist der Alveolarteil, Pars alveolaris, aufgesetzt, welcher sich aus
dem Körper ohne irgend eine Grenze erhebt, aber einen etwas kleineren Bogen macht,
wie dieser. Es sieht dadurch aus, als wäre sein hinterer Teil medianwärts verschoben,
so daß er außen ein wenig zurückspringt, an der Innenseite dagegen etwas vortritt
(130, 131). Die schon vom Alveolarfortsatz des Oberkiefers bekannten Bezeichnungen
kehren hier wieder: für den freien Rand, Limbus alveolaris, für die Wülste an
der Außenseite über den Zahnwurzeln, Juga alveolaria usw. Nach dein Verlust
der Zähne versehwindet auch der Alveolarteil des Unterkiefers vollständig.
Dir untere Rand des Unterkieferkörpers ist abgerundet und leicht verdickt.
Dir zu beiden Seiten von den Eckzähnen begrenzte Mittelteil trägt auf seiner Außen-
seite einen niei Haust eilenden Längswulst, weli her üben zwischen den mittleren Schneide-
zähnen schmal und nieder beginnt, nach unten hin aber sich erhöht und verbreitert,
die Protuberantia mentalis'-) (130). Am unteren Kieferrand endigt sie beider-
seits mit einem mein- oder weniger deutlich vorspringenden Höcker, Tuberculum
mentale (130, 132). Je nach ihrer Ausbildung beeinflussen diese Gebilde die in-
dividuelle Erscheinung des Kinnes maßgebend, das eine Mal tritl es stärker vor und
ist geradezu eckig, das andere Mal ist es wenig vortretend und gerundet. Bei niederen
Rassen und ihn ältesten prähistorischen Schädeln fehlt ein vortretendes Kinn mehr
oder weniger (Tierähnlichkeit). Zu beiden Seiten dei Protuberantia mentalis findet
man unter den lateralen Schneidezähnen die Oberfläche leicht zu den Fossae
mentales (130) vertieft. Auf dem seitlichen Teil des Körpers öffnet sich unter
') Maxiila inferior.
-) Spina mentalis externa,
Merkel, Anatomie II. Skelctlchrc. 6
S2 Unterkiefer.
dem zweiten Prämolarzahn nicht ganz in der Mitte der Höhe des Kiefers das
Foramen mentale zum Austritt von Nerven und Gefäßen. Von der Gegend
unter dem zweiten Molarzahn erhebt sich auf der Außenfläche des Kieferkörpers
die Linea obliqua (130), welche rückwärts aufsteigend in den vorderen Rand des
Astes übergeht. Sie stellt die Grenze des eigentlichen Kieferkörpers gegen den
einwärts gerückten Alveolarteil dar.
Die dem Innern des Mundes zugekehrte Fläche zeigt eine medianstehende,
meist geteilte Zacke, Spina mentalis1) (131, 132), zur Anheftung der Mm. genio-
glossi und darunter der Mm. geniohyoidei. Weiter unten, unmittelbar über dem
Kieferrand, trifft man jederseits auf eine flache Grube, Fossa digastrica (132),
in welcher sich der vordere Bauch des gleichnamigen Muskels anheftet. Seitlich
erhebt sich von der Gegend des ersten Molarzahnes aus die Linea mylohyoidea
(131), welche durch die median wärts über den Bogen des eigentlichen Kieferkörpers
eingerückte Zahnlade erzeugt wird. An ihr entspringt der M. mylohyoideus. Unter
ihr findet man eine schmale, ihr parallel verlaufende Rinne, Sulcus mylohyoideus,
für den gleichnamigen Nerven, welche besonders unter den letzten Backzähnen deut-
lich ist. Außerdem ist die Oberfläche des Knochens oberhalb und unterhalb der
Linea mylohyoidea leicht, manchmal kaum merklich, zu flachen Eindrücken vertieft,
oberhalb zur Fovea subungualis, unterhalb zur Fovea submaxillaris (131);
beide beherbergen Teile der gleichnamigen Drüsen.
Der Ast, Ramus mandibulae, erhebt sich vom hinteren Ende des Körpers,
wobei die freien nach unten und hinten gekehrten Ränder von Körper und Ast in einem
stumpfen Winkel, Angulus mandibulae (130 — 132), von individuell verschiedener
Größe zusammenstoßen. Der Rand des Winkels ist nach außen, mehr oder weniger
stark abgebogen. Er ist am Lebenden stets deutlich zu fühlen, bei mageren Personen
auch zu sehen. Der hintere Rand des Astes ist leicht S-förmig gekrümmt, der
vordere geht aus dem Körper in einer gebogenen Linie hervor, indem sich, wie
oben erwähnt, lateral die Linea obliqua in ihn fortsetzt. Sie ist als scharfe Kante
bis zum oberen Ende des Astes zu verfolgen. An der medialen Seite steigt die
Linea mylohyoidea ebenfalls nach dem Aste auf, doch wird sie rasch stumpfer und
verschwindet schließlich. Der vordere Rand besitzt zu Anfang, wo er aus dem Körper
abgeht, eine Breite, welche durch die des letzten Backenzahnes bestimmt wird. Er ist
hier zu einer flachen Rinne vertieft, welche durch eine schwache Firste, Crista
buccinatoria (130), in eine größere laterale und kleinere mediale Hälfte geteilt
wird. An ihr entspringt der M. buccinator. Nach oben schärft sich der vordere
Rand mehr und mehr zu.
Die Außenfläche des Astes wird von kleinen Leisten und Rauhigkeiten ein-
genommen, an welchen sich der M. masseter ansetzt, Tuberositas masseterica;'
ähnliche Rauhigkeiten der Innenfläche, Tuberositas pterygoidea, sind für den
Ansatz des M. pterygoideus internus bestimmt. Etwa in der Mitte der Höhe der
Innenfläche trifft man auf ein ansehnliches Loch, Foramen mandibulare (132),
und am vorderen Rand desselben auf die Lingula mandibulae, eine Knochen-
zacke, welche vom Lig. sphenomandibulare des Kiefergelenkes umfaßt wird.
An seinem oberen Rand wird der Unterkieferast durch einen bogenförmigen
Ausschnitt, Incisura mandibulae, in zwei Fortsätze geteilt (130, 131). Der vordere,
!) Spina mentalis interna.
Unterkiefer. 83
Proi i ssus coronoideus1), ist von beiden Seitenher abgeflacht und mehr oderweniger
rückwärts gekrümmt. Er dient lediglich dem M. temporalis zur Anheftung, weshalb
seine Ausbildung mit der dieses Muskels schwankt. Der hintere Fortsatz, Processus
condyloideus -i ist starker. Sein Ende verbreitert sich zu dem querelliptischen
Gelenkkopf, Capitulum mandibulae. welcher sich durch den eingeschnürten
Hals, Collum mandibulae, absetzt. Die Gelenkflächen beider Seiten sind nicht
nin transversal gestellt, sondern weichen mit dem medialen Ende rückwärts ab, so
daß sich die Verlängerungen ihrer Achsen ungefähr am vorderen Umfang des Hinter-
hauptsloches schneiden. Der Hals zeigt sich unter dem medialen Teil der Gelenk-
fläche leicht gehöhlt zum Ansatz des M. pterygoideus internus, Fovea pterygoidea.
Vom Foramen mandibulae erstreckt sich durch den Unterkiefer ein Kanal,
Canalis mandibulae, welcher den N. alveolaris inferior und die gleichnamigen
Gefäße enthält. Er verläuft ungefähr in Richtung und Höhe des Sulcus mylohyo-
ideus und liegt der inneren Oberfläche des Knochens näher wie der äußeren. Von
ihm aus gehen feine Kanälchen zu den Alveolen, um den Zahnwurzeln ihre Nerven
und Gefäße zuzuführen. Durch das Foramen mentale sendet er einen ansehnlichen
Teil seines Inhaltes, die Xn. und Vasa mentalia zum Kinn, weshalb sich sein Kaliber
von da ab plötzlich um mehr als die Hälfte verringert (132, 133). Er erstreckt sich
bis unter die mittleren Schneidezähne.
Über die Ursache der Kinnbildung, welche dem Menschen allein eigen ist, hat sich eine
Diskussion abgespielt, welche dadurch hervorgerufen wurde, daß Walkhoff (1902, 1909) be-
hauptete, daß das menschliche Kinn durch die Wirkung der Sprache entstanden sei. Dem traten
! her (1903) und Weidenreich (1904) entgegen. Der letztere sagt, wie mir scheint, richtig:
.,l>.is Auftreten des Kinnes beim Menschen als prominentester Teil des Unterkiefers ist ein rein
passiver Vorgang; nicht etwa Muskelwirkung, wie Walkhoff anzunehmen scheint, treibt das
Kmn vor den Alveolarteil nach vorn, sondern der Alvcolarteil schiebt sich infolge der Reduk-
tion der Zähne über den dadurch nun vorspringenden Basalteil zurück." Toldt (1904) stimmt
dem allerdings nicht zu, er hält vielmehr die Ausbildung eines Kinnes beim Menschen für eine
Folge der Verbreiterung des Zahnbogens. Die beträchtliche Querspannung des Kieferbogens
bedarf einer Verstärkung der Knochenmasse, welche durch das Kinn gegeben ist.
Entwickelung {101). Der Knorpelstab in der Achse des ersten Schlundbogcns (Meckel-
scher Knorpel 1 isf von einem bindegewebigen Keimgewebe umgeben, welches schon vor Beginn
der Verknöcherung die Form des späteren Unterkiefers erkennen läßt (Reuter 1896). Von der
Mitte des zweiten Fetalmonats ab treten in ihm mehrere Knochenkerne als Belegknochen des
Knorpels auf. Sie fließen zusammen und bilden eine nicht ganz geschlossene Röhre, in welcher der
immer mehr zurückgehende Meckelschc Knorpel eingeschlossen ist. An ihrem oberen Rande
treten mit den Zahnanlagen auch die Alveolen auf. Endlich verschwindet der Meckelsche
Knorpel ganz, nur sein vorderster Teil ist direkt an der Knochenbildung beteiligt. Accessorische
Knorpelkerne entstehen im Processus condyloideus, Proc. coronoideus, am Angulus mandibulae
und .1111 \h<olarrand.
Im Anfang ist ein Angulus mandibulae kaum zu finden, die Fortsätze liegen vielmehr
fast gan2 in der [flucht des Körpers mit ganz geringer Abweichung nach oben. Noch beim Neu-
geborenen ist der Asl nieder und stößl in einem sehr stumpfen Winkel mit dem Körper zusammen.
Außerdem erscheint er aufgetrieben durch die voluminösen in ihm enthaltenen Zahnanlagen.
Entsprechend --einer paarigen Bildung besteht der l'nterkiefer noch heim Neugeborenen, wie er-
wähnt, aus zwei seitlichen, durch eine mediane Symphyse verbundenen I Killten. Die Yerknöehc-
rung der Symphyse beginnt selten vor der Geburt, meist nachher und /war von mehreren Punkten
aus M.-ll.i. Linsenförmige platte Knochenscheibchen, Ossicula mentalia, entstehen als
kleine Schaltknochen in der unteren Hälfte der Symphyse in verschiedener Zahl. Weidenreich
v und Bardeleben 1905) lassen aus ihnen die Protuberantia mentalis hervorgehen. D
l) Von KOQtavös krumm, xogcäv^ Haken.
I tocessus articularis,
84 Bandverbindungen des Schädels.
Verwachsung sämtlicher Teile ist bis zum dritten oder vierten Lebensmonat meist schon vollendet,
nur zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen erhält sich nicht selten eine lineare Furche
bis ins reife Alter. Die Ausbildung des Unterkiefers hält im ganzen Schritt mit der Ausbildung
der Zähne. Da die Schneidezähne schon sehr frühzeitig weit fortgeschritten sind, umfaßt der
sie beherbergende Kieferteil schon im ersten Lebensjahr denselben Raum, wie beim Erwachsenen.
(Gr. Spee). Das Foramen mentale rückt während des Kieferwachstums um die Breite eines
Zahnes nach hinten. Bei zahnlosen Kiefern, deren Alveolarfortsatz verschwunden ist, liegt das
For. mentale nahezu auf der Kaufläche.
Varietäten. Der Winkel, welchen Körper und Ast miteinander bilden, schwankt, wie
schon erwähnt, nicht unbeträchtlich. Das Foramen mandibulare, öfter noch das Foramen men-
tale, kann sich verdoppeln, letzteres sich sogar verdreifachen. Der Canalis mandibularis wurde
ebenfalls schon doppelt gefunden. — Der Gelenkfortsatz ist in seiner Form zahlreichen indivi-
duellen Schwankungen unterworfen, selbst die Stellung der Achsen beider Gelenkfortsätze zu-
einander ist nicht ganz konstant. — Als Processus Sandiforti oder Processus lemurinicus
wird ein an der Ecke des Kieferwinkels vorkommender Vorsprung beschrieben, welcher nach
unten und außen gerichtet ist. Ob man es mit einem Analogon des Winkelfortsatzes gewisser
Säuger zu tun hat, oder nur mit einer individuellen Bildung, erscheint noch fraglich.
Praktische Bemerkungen. Die Lage des Unterkiefers ist eine sehr freie, weshalb man
ihn sowohl von außen her, wie von der Mundhöhle aus zum allergrößten Teil betasten kann; man
wird deshalb auch meist keine Schwierigkeit finden, vorhandene Brüche mit Sicherheit zu
erkennen. Seiner freien Lage wegen ist der Unterkiefer solchen mehr ausgesetzt als andere
Gesichtsknochen und wird durch Schlag, Schuß oder Fall leicht verletzt. Seiner Hufeisenform
wegen kann er auch bei Pressung eine Fraktur erleiden. Einem Bruch wirkt es entgegen, daß
er eine sehr kräftige Corticalis besitzt, welche die im Inneren befindliche Spongiosa schützt. Der
Canalis mandibularis und sein Inhalt" wird natürlich bei Brüchen, welche den Knochen senkrecht
oder schief durchsetzen, in Mitleidenschaft gezogen werden. Dislokationen der Bruchenden treten
sehr leicht auf, da die zahlreichen am Unterkiefer befestigten Muskeln an ihnen ziehen. Daß
die dünnen Außen- und Zwischenwände der Alveolen bei Zahnextraktionen verletzt werden können,
versteht man leicht.
Brüche der beiden Fortsätze- des Unterkiefers sind selten, doch werden sie immerhin
beobachtet.
15. Bandverbindungen des Schädels.
Entsprechend der verschiedenen entwickelungsgeschichtlichen Herkunft der
Schädelknochen sind auch die Weichteile zwischen ihnen histologisch verschieden
gebaut. Die Teile des knorpeligen Primordialschädels werden in der Jugend durch
hyalinen Knorpel miteinander verbunden, welcher sich jedoch später unter Auf-
nahme von fibrillärem Bindegewebe zu Faserknorpel umwandelt. Die auf rein binde-
gewebiger Grundlage entstehenden Deckknochen stehen immer durch reines Binde-
gewebe in Zusammenhang miteinander. Letzteres gilt für alle Nähte des Schädel-
daches und des Gesichtes, ersteres aber für die Verbindungen der Knochen der Schädel-
basis miteinander. Wie schon bekannt ist, findet man an dieser eine Anzahl transi-
torischer Synchondrosen, welche die in der Jugend getrennten Teile der verschiedenen
Knochen miteinander verbinden. Permanent sind nur die Synchondrosis spheno-
petrosa und petrooccipitalis in den Spalten zu beiden Seiten des Felsenbeines.
Sie setzen sich von der Spitze desselben in die Ausfüllung des Foramen lacerum fort.
Nächst den Rändern und Oberflächen der Teile des embryonalen Schädels ver^
laufen vielfach Gefäße und Nerven, welche bei der definitiven Ausbildung von Knochen
umschlossen werden, so daß sie durch Löcher desselben verlaufen. Nicht immer aber
kommt es zu einer Verknöcherung dieser umschließenden Spangen, in einer Reihe
von Fällen erhalten sie sich als Bänder, und zwar die eine häufiger, die andere seltener.
Es war davon schon bei Beschreibung der einzelnen Knochen die Rede. Hier sollen
Kiefergelenk. &5
nur die so häufig verknöcherten Verbindungen der Processus clinoidei des Keilbeines,
die Brücken über die Incisurae frontalis und supraorbitalis und das erwähnte Liga-
mentum pterygospinosum (Civinini) hervorgehoben werden; letzteres spannt sich
von einer Zacke am hinteren Rande der Lamina lateralis proc. pteryg. zur Spina
angularis herüber. Ferner soll erwähnt werden, daß Hinterhauptbein und Schläfen-
bein miteinander durch eine sehr festschließende Amphiarthrose , Articulatio
petro-occipitalis, verbunden sind, von deren Gelenkflächen oben (S. 57) die
Rede war. Nach Abschluß des Wachstums wird es durch Synostose ersetzt.
16. Kiefergelenk, Articulatio mandibularis.
Wie schon bei der Beschreibung des Unterkiefers erwähnt wurde, stehen die
transversalen Achsen der beiden Kiefergelenke so, daß sie sich in der Gegend der
vorderen Umrandung des Hinterhauptsloches schneiden. Das Gelenk „wird durch
eine elliptische, mit dem größten Durchmesser transversal gestellte Bandscheibe,
Discus articularis (13ö), in zwei Kammern geteilt. Dieselbe ist beiderseits konkav
und steht in der Ruhe am vorderen Abhang des Gelenkkopfes des Unterkiefers. Die
Kapsel ist ringsum mit der Bandscheibe verbunden und heftet sich an den beiden
Knochen der Artikulation so eigentümlich an, wie man es im übrigen Körper nicht
wiederfindet. Die scheinbar für Aufnahme des Gelenkkopfes bestimmte Pfanne ist
nur in ihrer vorderen Hälfte in die Kapsel einbezogen und dafür ist die hintere Hälfte
des vor der Pfanne gelegenen Höckers von der Kapselmembran umgeben. Dies i-r-
klärt sich durch die Kntwickelung. Beim Neugeborenen existiert weder ein deut-
ln hes Tuberculum articulare, noch ein ausgebildetes Os tympanicum, so daß die Ge-
lenkgrube lediglich aus einer median- und abwärts geneigten Fläche besteht, an welche
sich ringsum die Kapsel ansetzt. Der in der Folge heranwachsende Paukenteil, welcher
nun den hinteren Abhang der Pfannenvertiefung bildet, kann nicht weiter an der Her-
stellung des Gelenkes teilnehmen, weil er von Anfang an von ihm ausgeschlossen
war. Die im Gelenk liegende Erhöhung des Tuberculum articulare ist der allmählich
fortschreitenden Ausbildung des in ihr wurzelnden Arcus zygomaticus zu danken.
\in Proc. articularis des Unterkiefers setzt sich die Kapsel so an, daß sie ihn hinten
ziemlich weit umgreift, während sie vorn am gleichen Verhalten durch den hoch hinauf-
reii henden Ansatz des M. pterygoideus ext. gehindert wird. Die Kapsel isl im ganzen
dünn und sehr schlaff." (M.-H.)
Der Überzug der beiden GelenkQächen besteht nicht aus hyalinem Knorpel,
was nicht verwundern kann, da dieselben aus Bindegewebsknochen und nicht aus
Knorpelknochen hervorgehen. Der dünne Überzug ist vielmehr Bindegewebe, in
welches jedoch Knorpel/eilen, besonders in den tieferen Schichten, eingestreut sind.
Die Kapsel wird nur an ihrer lateralen Seite durch ein kurzes und platte-. Haft-
band verstärkt, das Ligamentum temporomandibulare1) [134). Es entspringt
vom hintersten Ende des Jochfortsatzes und hettet sich an den Kieferhals. 1 >i>-
vordersten kräftigeren Bündel laufen rückwärts, die hinteren schwächeren ziehen
vertikal herab. Die ersteren spannen sich bei Rückwärtsbewegung, die letzteren
bei Vorwärtsbewegung des Gelenkkopfes an.
An der medialen Seile wird die Kapsel nur durch einen schmalen, nicht einmal
ganz beständigen Bänderzug verstärkt.
') Lig. collaterale laterale; Lig. accessorium lat.
86 Kiefergelenk.
Von der Kapsel durch Gefäße, Nerven und Fett getrennt, läuft aber an der
medialen Seite des Kiefergelenkes noch eine streng genommen nicht mehr zu ihm
gehörige dünne Membran herab, Ligamentum sphenomandibulare x) (136).
Das Band entspringt neben dem Gelenk an der Spina angularis des Keilbeines und
teilt sich in zwei Blätter, von welchen das eine am Hals des Unterkiefers, das
andere an der Lingula mandibularis endigt.
Das Ligamentum stylomandibulare 2) steht dem Kiefergelenk noch femer;
es ist ein dünner Bänderzug mit aufwärts konvexem Rande, welcher vom Processus
styloideus entspringt und zum Kieferwinkel herabsteigt. Von ihm entspringen auch
Fasern des M. styloglossus.
Die von manchen Autoren zu den Kieferbändern gerechnete Raphe pterygomandi-
bularis wird bei Beschreibung der mit ihr zusammenhängenden Muskeln beschrieben werden.
Bei den Bewegungen des Unterkiefers wirken stets die Gelenke beider Seiten
miteinander. Die Stellung der Condylen ist dem nicht günstig, da ihre Querachsen,
wie erwähnt, keine einheitliche Linie bilden, sondern sich in stumpfem Winkel schneiden.
Eine ungehinderte Bewegung wird dadurch ermöglicht, daß der Gelenkkopf beim
weiteren Öffnen des Mundes seine Pfanne verläßt und sich auf das Tuberculum arti-
culare stellt. Die Bandscheibe, welche in der Ruhe mit ihrem hinteren Rand in der
tiefsten Stelle der Gelenkgrube stand, gleitet mit dem Unterkiefer vorwärts und gleicht
dadurch die Inkongruenz zwischen den beiden konvex gekrümmten Knochenflächen
aus. Die Bewegung ist bei mageren Leuten direkt zu sehen, bei jedermann deutlich
zu fühlen. Die lockere Bindegewebsmasse, welche die Bandscheibe mit der hinteren
Wand der Kapsel und der hinteren Hälfte der Fossa articularis verbindet, wird dabei
gespannt; kehrt der Kopf beim Schließen des Mundes wieder in die Pfanne zurück,
dann preßt er diese Bandmasse gegen deren Rückwand, während die Bandscheibe
zwischen die Vorderwand der Grube und den Gelenkkopf zu liegen kommt. Bei
den Verschiebungen des Gelenkkopfes muß man aber den Mund nicht notwendiger-
weise öffnen, man kann dabei auch die Zahnreihen in Kontakt lassen und auf diese
Art eine vor- und rückwärts reibende Bewegung ausführen. Eine seitliche Mal-
bewegung wird dadurch bewirkt, daß sich nur der Gelenkkopf der einen Seite auf
den Gelenkhöcker vorschiebt, während der andere an seiner Stelle bleibt; der
letztere bildet damit das Centrum eines Kreises, um dessen Peripherie sich der erstere
bewegt.
Bei der geschüderten Vorwärtsbewegung des Kopfes auf den Gelenkhöcker
kann die Achse, um welche sich der Kiefer dreht, nicht wie anderwärts im Gelenk
selbst liegen, sie ist vielmehr weiter unten zu suchen, und zwar fällt sie mit dem Ein-
gang in den Canalis mandibularis zusammen. Dieser ist also mit den in ihn eintretenden
Gefäßen und Nerven der unbeweglichste Punkt.
Das Kiefergelenk der Säugetiere und des Menschen ist dem der niederer stehenden Wirbel-
tiere nicht homolog. Die Säuger verwenden Teile, welche bei diesen zur Herstellung des Kiefer-
gelenkes benützt werden (Os palato-quadratum und articulare) zur Bildung der Gehörknöchelchen
und bilden zum Ersatz ein sekundäres Kiefergelenk aus.
Bei zahnlosem Mund atrophiert die Bandscheibe durch Nichtgebrauch (Kieffer 1907).
Varietät. Die Bandscheibe ist in seltenen Fällen in der Mitte durchbohrt.
Praktische Bemerkungen. Die Bildung und Funktion des Kiefergelenkes begünstigen
das Eintreten einer einseitigen, noch häufiger einer doppelseitigen Luxation nach vorne außer-
ordentlich. Sie tritt leicht ein bei übertriebener Bewegung beim Lachen, Gähnen, Erbrechen
2) L. spino-lingulare, Fick. Lig. accessorium mediale.
2) L. stylomyloideum.
Zungenbein. 87
usw. Der Gelenkkopf tritt dann über das Tuberculum articulare hinaus bis in den Anfang der
Lnterschläfengrube und wird dort vom Zug des angespannten Temporalmuskels festgehalten.
I )ie nachgiebige Kapsel spannt sich zwar stark, braucht aber nicht zu zerreißen. Bei der starken
Dehnung, welche sie erleidet, erklärt es sich, daß Rezidive häufig sind. Die größere Zartheit
des Bandapparates beim weiblichen Geschlecht macht es verständlich, daß bei ihm Luxationen
häufiger sind wie beim männlichen. Die sehr seltene Luxation nach hinten führt den Gelenk-
kopf unter dem Gehörgang bis zum Proc. mastoideus hin.
Wird durch Ankvlose das eine Kicfergelenk festgestellt, dann wird es auch das andere,
da ja eines allein für sich nicht zu funktionieren vermag. Da das Gelenk zwei vollständig von-
einander getrennte Höhlen besitzt, muß bei einer Erkrankung, welche sonst zur Ankylose führt,
die Bewegungsmöglichkeit nicht immer sogleich gänzlich aufgehoben sein, da es vorkommen
kann, daß nur die eine der beiden Gelenkkammern ergriffen ist.
In dir l'nigebung des Kiefergelcnkes finden sich wichtige Gefäße und Nerven: an der
lateralen Seite A. und Y. temporalis superficialis, X. auriculotemporalis und facialis, an der
medialen Seite Chorda tympani, A. und V. maxillaris interna, der Anfang des X. auriculotem-
poralis, auf welche sich bei einer Resektion die Aufmerksamkeit zu richten hat.
17. Zungenbein, Os hyoideum1).
Obgleich das Zungenbein seiner Lage nach dem Halse angehört, ist es seiner
Entwic ki hing nach doch dem Unterkiefer und dem Griffclfortsatz des Schläfenbeines
so nähr wrwandt, daß man es zum Schädel zu stellen hat. Auch im ausgebildeten
Zustand bildet es ein Mittelglied zwischen Kopf und Hals, indem es einerseits die
Basi> für dir Zunge darstellt, andererseits dem Kehlkopf als Aufhängevorrichtung dient.
Wie der Unterkiefer ist es hufeisenförmig gestaltet und man kann es bei etwas ge-
strecktem Hai- zwischen Kinn und Kehlkopf leicht durch die Haut fühlen.
Es besteht aus einem unpaarigen Körper, an welchen sich jederseits zwei Hörner
anschließen (117, 138).
Der Körper, Corpus-), ist eine ([Hergestellte, rechteckige Knochenplatte, welche
in transversaler und vertikaler Richtung nach außen gewölbt erscheint. Der obere
Rand ist zugescharrt und eben, der untere etwas verdickt und steigt seitlich zur Y. r-
bindung mit den großen Hörnern auf, an die beiden Seitenränder sind diese letzteren
angefügt. Die Vorderfläche wird durch eine Querfirste und eine nicht immer voll-
ständige Längsfirste in vier Felder geteilt, an welchen sich Muskeln (M. sterno-omo-
thyreo-genio-mylohyoideus) anheften. Die Rückseite i-t tief gehöhlt.
Das große Hörn, Cornu majus, ist, wie gesagt, jederseits mit dem Seiten-
rand des Körpers verbunden, steigt unter Verjüngung leicht nach hinten auf und
endigf mit einem zylindrischen Köpfchen. Das kleine Hörn, Cornu minus, ist
in der Regel ganz kurz, kegel- oder birnförmig und ragt von der Verbindungsstelle
des Körpers mit dein großen Hörn auf- und rückwärts; An beiden Hörnern setzen
sich zahlreiche Muskeln an und /war solche der Zunge, des Kehlkopfes und des Schlund-
kopfes.
Was die Bandeinrichtungen des Zungenbeines anlangt, so isl die Verbindung
zwischen Körper und großem Hunt eine Synchondrose, die des kleinen Homes ein
Gelenk. Ein Ligamentum stylohyoideum erstreckt sich vom Proc. styloideus
zum kleinen Hörn des Zungenbeines {136). Es geht, wie die Knochenstäbe, welchi
verbindet, aus einem Teil des /weiten Schlundbogens hervor. Je nachdem beider Ent-
') 65 Schwein. Vergleich des Buchstabens v und ebenso des Zungenbeins mit einem
Schweinsrüssel,
Basis.
88 Schädel im ganzen.
wickelung die Umwandlung in Knochen von oben oder unten her mehr oder weniger
weit fortschreitet, ist der Processus styloideus oder das kleine Hörn, oder es sind beide
kürzer oder länger und in entsprechender Art verhält sich dann das Band. Es können
sich sogar beide Stäbe berühren, so daß dann das Band ganz ausgeschaltet wird. Es
kann auch durch ein besonderes, zwischen beiden Endpunkten eingeschaltetes Knorpel-
oder Knochenstäbchen ersetzt sein (Tierähnlichkeit).
Entwickelung. Wie der Unterkiefer, so ist auch das Zungenbein ein Teil des Visceral-
skeletes, und zwar bildet sich, wie schon bemerkt wurde, das kleine Hörn, das Lig. stylohyoid.
und der Proc. stjdoideus aus einem Teil des zweiten, das große Hörn aus einem solchen des dritten
Schlundbogenknorpels. Der Körper entspricht einer Copula. Die Verknöcherung beginnt in
der letzten Zeit des Fetallebens. Das große Hörn geht von einem einzigen Kern aus, der Körper
von zweien, welche bald nach der Geburt miteinander verschmelzen. Das kleine Hörn kann sehr
lange, auch noch bei Erwachsenen knorpelig bleiben. In späterem Alter treten Körper und große
Hörner meist in knöchernen Zusammenhang; am längsten widerstehen die Gelenke der kleinen
Hörner einer Ankylose.
Praktische Bemerkungen. Seiner ziemlich exponierten Stellung wegen kann das
Zungenbein Frakturen erleiden, besonders wenn seine Teile miteinander verknöchert sind. Bei
Brüchen beobachtet man bedeutende Schlingbeschwerden, was sich daraus erklärt, daß die am
Zungenbein befestigten Muskeln, welche beim Schlingakt beteiligt sind, nun eines festen Angriffs-
punktes entbehren. Ausgedehnte A^erknöcherung im Bereich der vom Processus styloideus, Lig.
stylohyoideum und kleinem Hörn dargestellten Kette kann bei der Tonsillotomie von Bedeutung
werden (Dwight 1907).
18. Schädel im ganzen.
Schon bei Würmern, Mollusken und Arthropoden findet man den Mächtigsten
Teil des Nervensystems in nahe räumliche Beziehung zum Anfangsdarm gebracht.
Bei den Wirbeltieren ist dies nicht anders. An das Centrum des Nervensystems schließen
sich wieder die Hauptsinnesorgane nahe an. Die Gesamtheit dieser Gebilde stellt
den Kopf dar, welcher sich also auch beim Menschen aus dem Gehirn, den vier Haupt-
sinnesorganen und dem Beginn des Darmrohres zusammensetzt. Das letztere sondert
sich im Laufe der Entwickelung in zwei Abteilungen, den Anfang des Verdauungs-
kanals und dem des Respirationsorgans. Das Skelet faßt die sämtlichen im Kopf
vereinigten Organe zu einem Ganzen zusammen.
Das Wichtigste am ganzen Wirbeltierkopf ist die Entfaltung des Centralnerven-
systemszum Gehirn. Dieses wird von einer besonderen Kapsel umschlossen, welche
man als Hirnschädel bezeichnet. Der Anfang des Intestinaltractus und die um ihn
gruppierten Sinnesorgane sind in Höhlen untergebracht, welche sich zum Gesichts-
schädel zusammenschließen. Derselbe besteht danach beim Menschen aus der
Nasenhöhle, den Augenhöhlen, den Ohrenhöhlen, der Mundhöhle. Zu diesen kommen
noch Räume, welche Muskeln, Nerven und Gefäße für diese Höhlen aufzunehmen
haben, die Schläfengrube, Unterschläfengrube, die Flügelgaumenspalte. Der Ge-
sichtsschädel ist an die basale Seite des Hirnschädels angefügt.
Da sich der Schädel den an ihm angebrachten Weichteilen genau anpaßt, so
versteht man, daß er auch ohne sie, für sich allein betrachtet, wichtige Schlüsse auf
die Organisation dieser erlaubt, was besonders bei der vergleichenden Betrachtung
klar hervortritt. Das eine Mal beweist er, daß ein großes, das andere Mal, daß ein
kleines Gehirn vorhanden war, hier kann man ein enorm ausgebildetes, dort ein schwach
entwickeltes Geruchsorgan nachweisen, hier geben breite und massige Kiefer, dort
schmale und schwache, Kunde von der Beschaffenheit und der Art der ersten Ver-
Hirnschädel. 89
arbeitung der aufgenommenen Nahrung. Es mag aber ein Teil des Kopfes die anderen
noch so stark in seiner Ausbildung übertreffen, immer ist doch der Schädel zu einem
harmonischen Ganzen zusammengefügt, dem auch Bauelemente eigen sein können,
welche nicht unmittelbar für die in ihm vereinigten Organe nötig sein würden, welche
vielleicht mechanische Zwecke haben, oder welche als Waffen bezeichnet werden
können, selbst solche, welche nur der Proportionalität dienen, welche also, wenn man
sich so ausdrücken will, Schönheitszwecke verfolgen.
Von Interesse ist nach dieser Seite hin eine Vergleichung des Schädels des Men-
sehen mit dem der ihm nahestehenden Affen. Durch die übermäßige Ausbildung
des menschlichen Gehirns wird der vordere und hintere Teil des Hirnschädels herab-
iM drängt und gewissermaßen abgeknickt. Die erhebliche Breite des Stirnhirnes ver-
breitert beim Menschen die bei den Affen sehr schmale Nasenhöhle, die Augenhöhlen
treten infolgedessen weiter auseinander. Die den Affen gegenüber geringere Aus-
bildung des Gebisses verringert die Größe des Kieferapparates und verhindert da-
durch das schnauzenförmige Vortreten des Mundes. Mit der schwächeren Kiefer-
bildung steht in unmittelbarstem Zusammenhang die schwächere Bildung und ge-
ringere Ausbreitung der dem Kaugeschäft dienenden Muskeln, was wieder ein Zurück-
treten der von ihren Ansätzen hervorgerufenen Leisten und Rauhigkeiten bedingt.
Wie empfindlich die Skeletbildung auf die der Weichteile des Kopfes ant-
wi n'tct, dies beweist auch die Vergleichung der einzelnen Menschenschädel untereinander.
Ihr Bau ist keineswegs uniform zu nennen, und die Unterschiede in der Gestaltung
haben Veranlassung zur Begründung einer besonderen Wissenschaft gegeben, di r
Schädel lehre, Craniologie, deren Aufgabe es ist, die individuellen, die Stammes-
und Rassenunterschiede des menschlichen Schädels festzustellen und zu beschreiben.
a) Der Hirnschädel.
Der Hirnschädel besteht aus einer ungefähr eiförmigen Kapsel, deren spitzes
Ende nach vorne sieht und deren längster Durchmesser bei aufrecht getragenem Kopf
von vorne oben nach hinten unten absteigt (1-iö). Der obere und untere Teil der Kapsel
unterscheiden sich voneinander nicht nur in ihrer Entwickelung, sondern auch in
ihren Formen und in ihrer Bedeutung am ausgebildeten Skelet. Der obere Teil ist
eine durchaus" einfach gebaute, gleichartige Knochenkuppel, welche man als Schädel-
decke, Calvaria, bezeichnet. Der untere Teil ist der Schädelgrund, Basis
cranii. Er ist aus zahlreichen Teilen von verschiedener Art und Bedeutuni; zusammen-
gesetzt; in seinen Bau spielen die benachbarten Sinnesorgane hinein und "nahezu alles,
was in die Schädelhöhle gelangen oder sie verlassen will, muß in ihm ausgesparte Öff-
nungen passieren.
Aul dei Außenseite des Schädels grenzen sieh Calvaria und Basis deutlich von-
einander ab (140). Die Grenze beginnt hinteninder Protuberantia oeeipitahs externa,
setzt sich über die Linea nuchae suprema, und superior auf den Processus mastoideus
fort, gelangt dann zum oberen umfang der äußeren Ohröffnung, von ihm aus auf die
Gelenkgrube für den Unterkiefer. Über den Ursprung des Jochbogens folgt sie der
Crista infratemporalis und tritt dann auf den Rand des großen Keilbeinflügels, von
welchem aus sie den oberen Augenhöhlenrand erreicht, um endlieh in der Nasen-
wurzel die Grenzlinie der Gegenseite zu erreichen. Die vorderen Teile der Grenz-
linie werden natürlich streckenweise von dem an der Basis hängenden Gesichl ver-
deckt. Im Innern der Schädelhöhle ist eine scharfe Grenzlinie zwischen Schädel-
decke und Schädelgrund nur hinten im Sulcus transversus zu linden.
00 Calvaria. -Basis cranii externa.
Calvaria.
Über die Außenfläche der Schädeldecke verlaufen die beiden 8 Schläfenlinien,
welche vorne vom Proc. zygomaticus des Stirnbeines ausgehen und nach einem auf-
wärts konvex gebogenen Verlauf hinten in der Wurzel des Jochbogens endigen {140).
Sie fassen das oben erwähnte glatte Feld zwischen sich. Durch sie zerfällt die Cal-
varia in zwei Regionen, eine mittlere gewölbte, auf welcher nur die Stirn- und Scheitel-
höcker auffallen und zwei seitliche, etwas abgeplattete. Die mittlere Gegend bezeichnet
man von vorn nach hinten als Stirne, Frons1), Scheitel, Vertex, und Hinter-
haupt, Occiput. Die Seitenflächen ' sind die Plana temporalia. In der Mittel-
region ist die Oberfläche des Knochens durch unzählige feinste Gefäßöffnungen matt,
seitlich mehr glatt und glänzend.
Die innere Oberfläche der Schädeldecke (144) ist im allgemeinen glatt, doch zeigt
sie Systeme von Furchen ; die schmäleren entsprechen den Arterien (Aa. meningeae) .
Sie steigen von der Basis auf, verzweigen sich baumartig und verschmälern sich all-
mählich nach dem Scheitel zu. Die breiteren enthalten die Blutleiter (Sinus) der
harten Hirnhaut; sie besitzen einen gleichmäßigeren Durchmesser, hängen wohl unter-
einander zusammen, sind aber nicht so verzweigt, wie die Arterienfurchen. Es macht
keine Schwierigkeit, beide Arten voneinander zu unterscheiden. Eine Trennung
der Schädelhöhle in zwei symmetrische Hälften ist angedeutet durch die Crista galli,
Crista frontalis, Sulcus sagittalis und Crista occipitalis interna. Die erst- und letzt-
genannte Firste gehören schon der Basis an und die Crista occip. int. wird vom Ende
des Sulcus sagittalis durch die Protuberantia occip. interna und die von ihr ausgehenden
Sulci transversi getrennt. Kleine Grübchen für Arachnoidealzotten (Foveolae
granuläres) 2) findet man in wechselnder Anzahl und von wechselnder Tiefe zu
beiden Seiten der Mittellinie in einer Entfernung bis zu 2 cm von derselben.
Basis cranii interna (143).
Sie wird durch quere Kanten in drei Gruben eingeteilt, Fossa cranii
anterior, media und posterior. Dieselben sind terrassenförmig in der Art
angeordnet, daß die vorderste am höchsten, die hinterste am tiefsten liegt. Jede
derselben hat einen unpaarigen Mittelteil und zwei paarige Seitenteile. Die Mittel-
teile sind: in der vorderen Schädelgrube die Crista galli, von welcher aus sich die
Falx cerebri erhebt und der Beginn des Keilbeinkörpers, in der mittleren der
Türkensattel, welcher den Hirnanhang aufnimmt, in der hinteren der Clivus, auf
welchem die Brücke und Medulla oblongata liegen. Auf den Seitenteilen ruhen in
der vorderen Schädelgrube die Stirnlappen, in der mittleren die Schläfenlappen des
Großhirns, in der hinteren die Hemisphären des Kleinhirns. In der vorderen und mitt-
leren Schädelgrube schließt sich das Relief des Großhirns dem des Skeletes so eng
an, daß leichte Vertiefungen, Impressiones digitatae3), und die sie trennenden
Firsten, Juga cerebralia, dessen Windungen und Furchen wiedergeben. Sie ziehen
sich auch noch auf die Calvaria hinauf. Die vordere Grenzkante beginnt in der Mitte
mit dem Limbus sphenoidalis, geht von ihm auf die Processus clinoidei anteriores
über und setzt sich auf den geschweiften Rand des kleinen Keilbeinflügels fort. Die
hintere Kante beginnt mit der Sattellehne und geht von ihm aus auf den oberen Winkel
1) Sinciput bedeutet als Gegensatz von Occiput die ganze vordere Kopfhälfte.
2) Foveolae granuläres Pacchioni.
3) Impressiones interjugales, Triepel.
Basis cranü externa. 91
der Schläfenbeinpyramide über. Die vordere Schädelgrube ist in der Mitte am tief-
sten, seitlich wird ihr Boden durch den Inhalt der Augenhöhle aufwärts gewölbt.
Die mittlere Schädelgrube fällt im Gegensatz dazu von der Mitte aus nach beiden
Seiten ziemlich steil ab. Die hintere Schädelgrube senkt sich von allen Seiten stark
zum großen Hinterhauptsloch. Da die beiden Grenzkanten vom Türkensattel aus
nach vorn und hinten abweichen, sind die vordere und hintere Schädelgrube in der
Mitte am geräumigsten und seitlich schmaler, während bei der mittleren das Um-
gekehrte der Fall ist.
Was in den Schädelgruben von Furchen und sonstigen Vertiefungen und auch
was von Öffnungen in ihnen vorhanden ist, wurde zumeist schon bei den einzelnen
Schädelknochen beschrieben, so daß es sich' hier mit wenigen Ausnahmen nur noch
um eine kurze Wiederholung von bereits Bekanntem handelt.
Vordere Schädelgrube.
Foramen caecum, nimmt einen Fortsatz der harten Hirnhaut auf.
Foramina cribrosa: Austrittsöffnungen für die Zweige des N. olf actorius ; N. eth-
moidalis.
Mittlere Schädelgrube.
Foramen opticum: Austrittsöffnung für N. opticus und A. ophthalmica.
Fissura orbitalis superior: Austrittsöffnung für die Xn. oeculomotorius, troch-
learis, abducens, ophthalmicus. Eintrittsstelle der V. ophthalmica.
Foramen lacerum: Ist eine Lücke mit unregelmäßigen Rändern, welche sich
aus der Fissura sphenopetrosa medianwärts fortsetzt. Sie wird begrenzt vom Körper
und großem Flügel des Keilbeins, sowie von der Spitze der Schläfenbeinpyramide.
Das Loch ist sehr verschieden groß, je nachdem diese Spitze mehr oder weniger weit
gegen den Keilbeinkörper vorgeschoben ist. Es wird von Faserknorpel ausgefüllt,
welchen nur unbedeutende Nerven- und Gefäßästchen durchsetzen. Unmittelbar auf
dem Faserknorpel liegt die A. carotis interna, welche sich dann in den neben dem
Türkensattel befindlichen Sulcus caroticus erhebt.
Impressio N. trigemini: Hinter dem Foramen lacerum auf der Spitze der Schläfen-
beinpyramide, zur Aufnahme des Ganglion setnilunare des X. trigeminus bestimmt.
Weiter seitlich folgt:
Hiatus canalis facialis für den X. petrosus superficialis major. Sodann:
Eminentia arcuata. Darunter der obere Bogengang des Labyrinthes.
Eminentia mandibularis (Schwalbe). Leicht gewölbte Stelle über der Gelenk-
grube des Unterkiefers; fehlt nicht selten.
Foramen rotundum, hinter dem medialen Ende der Fissura orbitalis superior:
Austrittsstelle des N. maxillaris.
Foramen ovale: Austrittsstelle des X. mandibularis.
Foramen spinosum: Eintrittsstelle der A. meningea media und des N. spinosus.
Vom For. spinosum gehen die Arterien^urchen aus, welche sieh an der Calvaria ver-
ästeln.
Emissarium sphenoidale, zwischen Foramen ovale und Lingula carotica.
Sulcus petrosus superior auf der oberen Kante der ScMäfenbempyramide. Mit
seinem lateralen Ende mündet er in den Sulcus transversus, mit seinem medialen
Ende stehl er mit dem Sulcus petrosus inferior in Verbindung.
Hintere Seh.i delg 111 he.
Porus acusticus internus. Austrittsstelle der Nu. acusticus und facialis, sowie
der A. auditiva interna.
92 Basis cranii externa. Gesichtsschädel.
Aquaeductus vestibuli: Lateral und etwas nach unten vom inneren Gehörgang.
Er ist am unzerlegten Schädel schwer zu sehen, da seine Mündung abwärts gerichtet ist.
Fossa subarcuata^ oberhalb der Öffnung des Aquaeductus.
Foramen jugulare, zwischen Schläfenbein und Hinterhauptsbein gelegen; nimmt
in seiner größeren lateralen Abteilung den Sulcus transversus und petrosus inferior
auf. Die kleinere mediale passieren N. glossopharyngeus, vagus, accessorius. In
die Schädelhöhle zurück geht der Ramus meningeus n. vagi.
Canalis hypoglossi, unter dem Foramen jugulare für den gleichnamigen Nerven
und Venen.
Foramen occipitale magnum, an der tiefsten Stelle der hinteren Schädelgrube
für Medulla oblongata, Nn. accessorii, Aa. vertebrales und Venengeflechte.
Basis cranii externa {142).
Der vordere Teil ist durch den Ansatz des Gesichtes verdeckt ; er bildet die
obere Wand der Nasenhöhle und der Augenhöhlen. Der hintere Teil besteht aus der
Nackenfläche der Schuppe des Hinterhauptsbeines und ist bei diesem geschildert worden.
Es bedarf also nur der Mittelteil von der Gegend der Processus mastoidei bis zum
vorderen Rand der Gelenkgrube für den Unterkiefer einiger Worte. In der Mitte
lenken vor allem das Foramen occipitale magnum "und neben ihm die Condylen des
Hinterhauptes den Blick auf sich. Vor ihm trifft man auf die Basalfläche des Os
basilare, rauh für den Ansatz der tiefen Halsmuskeln. An sie schließt sich sogleich
der hintere Rand der Pflugschar an. Zu beiden Seiten folgt neben den Condylen
der Processus jugularis und neben ihm der Processus styloideus; beide ebenfalls zur
Anheftung von Muskeln benützt. Der Processus mastoideus mit den seine mediale
Seite flankierenden Furchen, welcher dann folgt, ist etwas weiter nach hinten ge-
rückt, wie die Condylen, was für die Wirkungsweise des an ihn angehefteten M. sterno-
cleidomastoideus von Bedeutung ist. Das Foramen st3Tlomastoideum lässt den N.
facialis austreten. Vor diesen Dingen schiebt sich beiderseits von lateral hinten nach
medial vorn die Schläfenbeinpyramide wie ein Keil in die Basis ein, und man sieht
an ihrer hinteren Seite das Foramen jugulare und vor diesem auf der Pyramide selbst
den Eingang in den Canalis caroticus. Vor der P}Tamide stößt man am weitesten
lateral auf die Gelenkgrube des Unterkiefers und an deren hinterem Rand auf die
Fissura petrotympanica für die A. tympanica und die Chorda tjmipani. Neben dem
medialen Ende der Unterkiefergrube folgt die Spina angularis. Neben ihr öffnet
sich das Foramen spinosum und zwischen diesem und der lateralen Wurzel des Pro-
cessus pterygoideus das Foramen ovale.
Von der Decke der Unterschläfengrube, welche vor der Unterkiefergrube und
neben dem Processus pten^goideus die Basis fortsetzt, wird weiter unten die Rede sein.
b) Gesichtsschädel.
Der Gesichtsschädel besteht, wie erwähnt, aus einem Komplex von Höhlen,
welche für die Aufnahme der Sinnesorgane und den Anfang des Respirations- und
Verdauungskanales bestimmt sind. Er ist an dem vorderen Teil der äußeren Schädel-
basis befestigt. Eine sehr widerstandskräftige Stütze liefert ihm der Jochbogen,-
welcher ihn mit der Seitenwand des Hirnschädels oberhalb der Ohröffnung vereinigt
und die Processus pterygoidei, welche sich wie Strebepfeüer an seine Rückseite an-
stemmen.
.Nasenhöhle. 93
Die äußere Oberfläche gleicht nur sehr im allgemeinen dem mit Weichteilen
überzogenen Gesicht und es geben ihm die weiten Öffnungen der Augenhöhlen, die
abgestutzte Nasenöffnung und die statt der Wangenrundung stark eingezogene Gegend,
welche vorn mit der Fossa canina beginnt und weiter hinten unter dem Jochbogen
auf dem Unterkieferast endigt, ein sehr charakteristisches Aussehen. Die Kinn-
und Jochbogenpartie erinnern am meisten an die gleichen Teile des Lebenden, da
sie nur mit verhältnismäßig dünnen Weichteilen überzogen sind.
Die Stirne, welche der Laie auch zum Gesicht zu rechnen pflegt, gehört, wie
bekannt, dem Hirnschädel an.
Nasenhöhle, Cavum nasi.
Sie wird bedeckt von dem Skelet der äußeren Xase, welches von den Nasenbeinen
und dm Stirnfortsätzen des Oberkiefers gebildet wird. Der Nasenrücken, Dorsum
nasi, setzt sich gegen die Stirne durch eine Einziehung, die Nasenwurzel, Radix
nasi (140), ab, welche bald flacher, bald tiefer eingezogen, bald breiter, bald schmaler
sein kann. Das Nasendach ist fest und vermag beträchtlichen Gewalten Widerstand
zu leisten. Caudal von ihm folgt der geräumige Eingang in die Nasenhöhle, Aper-
tura piriformis (139). Am Lebenden wird sie ergänzt durch das Knorpelskelet der
Nase, welches erst später beschrieben werden wird. Wie der Name sagt, ist die
Öffnung birnförmig, mit dem schmalen Ende nach oben, mit dem breiten nach unten
gerichtet. An ihrer Umrandung beteiligen sich die Nasenbeine, der Processus frontalis
und der Körper des Oberkiefers. Die Ränder sind scharf, sie lassen sich auch am
Lebenden durchfühlen, nur ist zuweilen der untere Umfang abgerundet, so daß
dann die Gesichtsfläche allmählich in die Fläche der inneren Nase übergeht. Die
dort in der Mittellinie vortretende Spina nasalis anterior ist ebenfalls am Lebenden
zu fühlen. Die Form der Apertur im einzelnen ist sehr verschieden, sie wechselt
mit dem ganzen Bau des Gesichtes. In nicht seltenen Fällen ist sie an der einen
Seite weiter ausgeschnitten, als an der anderen.
Die Nasenhöhle selbst ist schmal und hoch, auf dem Frontalschnitt vierseitig und
wird durch die Scheidewand in zwei symmetrische Teile geteilt (111). Das Septum
nasi osseum1), bestehend aus perpendikulärcr Platte des Siebbeines und Pflugschar,
reii ht oben von der Schädelbasis bis unten zum Boden der Nasenhöhle. Den winkeligen
Ausschnitt des vorderen Randes, in welchen sich die knorpelige Nasenscheidewand ein-
fügl <ll~>\, kann man schon von der Apertura piriformis aus betrachten (1 ■')!>), ebenso
.im li eine etwa vorhandene Verbiegung, deren konvexe Seite meist nach links gerichtet
i-t. Eine vordere Wand ist nur oben vorhanden, soweit der knöcherne Nasenrücken
reicht. Die Decke jeder Nasenhöhlenhälfte wird von der Lamina eribrosa des Sieb-
beines gebildet, welche nur, eine dünne und zerbrechlä he Scheidewand gegen die Schädel-
höhle hin darstellt. Der Boden i-t glatt und leicht rinnenförmig vertieft: er besteht
in- dem Gaumenfortsatz des Oberkiefers und der horizontalen Platte des Gaumen-
beines. Dicht aeben der Scheidewand und nahe dem vorderen Nasenstachel ist auf
dem Nasenboden der Eingang des Canalis incisivus gelegen; man kann in ihn von der
Apertura piriformis aus hineinsehen. Die komplizierteste Wand ist die seitliche.
In ihre Herstellung teilen sich Siebbein, Tränenbein. Oberkieferkörper, untere Muschel.
Gaumenbein und Flügelfortsatz de- Keilbeines. Von ihr gehen die pneumatischen
Nebenräume aus, sie -endet die drei Muscheln in das Innere der Nase hinein, deren
') Septum narium.
94 Augenhöhle.
Ansätze nach hinten konvergieren, an ihr findet man Processus uncinatus und Bulla
ethmoidalis. Die Spalten unter den Muscheln sind die Nasengänge, Meatus nasi
superior, zwischen oberer und mittlerer, Meatus nasi medius, zwischen mitt-
lerer und unterer, Meatus nasi inferior, zwischen unterer Muschel und Boden
der Nasenhöhle {112) . Der mittlere Nasengang ist der weiteste, der obere der engste
und kürzeste, der untere, rein horizontal gestellte, der zugänglichste. Das vordere
Ende der unteren Muschel überblickt man von der Apertura piriformis aus. Der
Spalt, welcher zwischen dem freien medialen Rand der Muscheln und der Nasen-
scheidewand bleibt, ist der Meatus nasi communis (111); er erstreckt sich von
der Decke bis zum Boden der Nasenhöhle. Carina nasi nennt man den Raum,
welcher sich vor den vorderen Enden der Muscheln unter der äußeren Nase hin von
der Apertura piriformis bis zur Lamina cribrosa erstreckt. Als Recessus spheno-
ethmoidalis (112) wird der Raum bezeichnet, welcher zwischen der hinteren (oberen)
Fläche der oberen Muschel und dem Keilbeinkörper vorhanden ist. Von den pneu-
matischen Nebenhöhlen münden Sinus frontalis und maxillaris in das Infundibulum
des mittleren Nasenganges, die Cellulae ethmoidales in den oberen und mittleren.
In den unteren Nasengang öffnet sich der Canalis nasolacrimalis. Im Recessus
sphenoethmoidalis findet man das geräumige Foramen sphenopalatinum, welches
Nerven und Gefäße aus der Fossa pterygopalatina in den Nasenraum bringt (114).
Eine hintere Nasenwand ist nur ganz oben vorhanden, wo sie vom Körper des
Keilbeines mit den Conchae sphenoidales gebildet wird. Die Mündung der Sinus
sphenoidales, welche eine andere Genese haben, wie die übrigen pneumatischen Neben-
räume der Nase (S. 52), öffnet, sich in den Recessus sphenoethmoidalis.
Unter ihr liegen die Choanae1) (142), die Öffnung der Nasenhöhle nach dem
Schlundraum zu. Sie sind von vierseitiger Gestalt und werden begrenzt oben vom
Keilbeinkörper mit den Alae vomeris, unten vom Rand des Horizontalteiles des
Gaumenbeins mit der Spina nasalis posterior, zu beiden Seiten von der medialen
Platte der Flügelfortsätze des Keilbeines. Die mediane Scheidewand der Nasen-
höhle reicht mit einem scharfen Rand an sie heran und teilt sie in zwei sym-
metrische Hälften. Im Gegensatz zu ihrem vorderen Teil ist die Nasenscheidewand
hier hinten niemals verbogen. Wenn man in die Choanen hineinsieht, überblickt man
die hinteren Enden aller drei Muscheln.
Die Anatomie und Variationen in der Ausbildung der Nebenhöhlen der Nase behandelt
Onodi (1907) zusammenfassend. Er weist darauf hin, daß sowohl Siebbeinzellen, wie auch die
Wand der Keilbeinhöhle dem Sehnervenkanal außerordentlich nahe kommen. Bei Erkrankungen
in ihrem Bereich kann daher der Sehnerv in Mitleidenschaft gezogen werden.
Augenhöhle, Orbita.
Die Augenhöhle stellt einen liegenden Kegel dar, oder, wie man sich ausdrücken
könnte, eine vierseitige Pyramide mit abgerundeten Kanten. Ihre in der Gesichts-
öffnung liegende Basis weicht lateral und nach hinten aus der Frontalebene ab, ihre
hinten gelegene Spitze erhebt sich etwa 15 bis 20 ° über den Horizont, ihre Achse
verläuft nach hinten und medianwärts: sie kreuzt sich mit der der Gegenseite in der
Gegend über dem Türkensattel.
Die obere Wand der Augenhöhle wird von der horizontalen Platte des Stirnbeines
gebildet, sie ist kuppelartig gewölbt und zwar am stärksten vorn, wo der überhängende
Orbitalrand sehr dazu beiträgt, die Wölbung tiefer erscheinen zu lassen. Auch' nach
yodviq Schmelzgrube, Trichter.
Augenhöhle. 95
den Seiten ist die Rundung so stark, daß sie ganz unmerklich in die Seitenwände
übergeht. Hier sind es nur die Knochennähte, welche das Stirnbein mit dem großen
Keilbeinflügel einerseits, mit der Papierplatte des Siebbeines andererseits verbinden,
die am Skelet eine Trennung zu machen erlauben. Die hinterste Ecke der oberen
Orbitalwand wird vom kleinen Keilbeinflügel gebildet. Diese obi re Wand ist im
allgemeinen glatt (107). Vorne nahe der Gesichtsöffnung aber findet man an der
lateralen Seite die Fossa glandulae lacrimalis für die obere Tränendrüse, an der
medialen die Fossa trochlearis für die Rolle des M. obliquus superior. Die Dicke der
oberen Wand ist sehr gering. Soweit die Stirnhöhlen nach hinten reichen, grenzt
sie an diese, im übrigen an die vordere Schädelgrube.
In der Grenze zwischen oberer und medialer Wand finden sich die Foramina
ethmoidalia anterior und posterior für die gleichnamigen Gefäße und Nerven.
Die mediale Wand (114, 139) ist entweder plan oder schwach nach der Augen-
höhle hin gewölbt. Sie setzt sich aus drei Knochenplatten zusammen, deren größte,
die Papierplatte des Siebbeins, in der glitte liegt. Nach vorn schließt sich an sie
das Tränenbein an, nach hinten trägt ein kleines Stück des Keilbeinkörpers zu
ihrer Vervollständigung bei. Sie ist bei weitem die dünnste Wand der Orbita und so
durchscheinend, daß man auch bei auffallendem Licht schein die Wände der Sieb-
beinzellen durchschimmern sieht. Alle Teile dieser Wand haben hinter sich Abtei-
lungen des Nasenraumes.
Die untere Wand (123) wird im wesentlichen von der Facies orbitalis des Ober-
kieferkörpers gebildet; sie wird vorn und lateral durch eine zungenförmige Platte de-
Jochbeins, hinten durch den Proc. orbitalis des Gaumenbeines vervollständigt. Sie stellt
eine fast ebene, nur sehr wenig konkave Platte dar, deren Fläche medial am höchsten
steht und sich nach vorn und lateral abwärts neigt. Zuweilen findet man diese Wand
gleichsam durch eine Aufblähung der Kieferhöhle in das Innere der Orbita hinein
vorgewölbt. Mit der medialen Wand ist sie durch eine einfache Naht verbunden
und grenzt lateral an die Fissura orbitalis inferior an. Über ihre Fläche verläuft der
Sulcus infraorbitalis für N. und A. infraorbitalis. Die untere Wand ist nicht dicker
als die obere, sie deckt die Kieferhöhle, nur unter ihrem medialsten Teil befinden
sich die Gelinkte maxillares des Siebbeines.
Die laterale Wand der Augenhöhle (139) wird hinten von der Ala magna des
Keilbeines, vorn von der orbitalen Platte des Jochbeines gebildet. Der Keilbeinteil
ist durch die beiden Fissurae orbitales von der oberen und unteren Wand getrennt.
Soweit die beiden Fissuren reichen, ist die Fläche der Wand pktn. weiter vorn geht
sie dann gewölbt in die anstoßenden Wände der Orbita über. Ihre Oberfläche ist im
ganzen glatt, nur in unmittelbarer Nähe der hinteren heke findet man die Spina
recti lateralis (S. 53), Weiter vorn trifft man auf die Öffnung der Kanälchen
oder auf die Rinnen des X. zygomaticus und seiner Aste. Die laterale Wand ist
bei weitem die kräftigste. (M.)
Der Augenhöhlenrand ist den Wänden der Orbita gegenüber beträchtlich ver-
dickt. An der lateralen Seite ist er ausgeschnitten und tritt dadurch zurück, an der
medialen nimmt er die Tränensackgrube, Fossa sacci lacrimalis dadurch in sich auf,
daß er nicht zum Ring geschlossen ist, sondern eine langgezogene Spirale bildet. D
untere Rand beginnt mit der Crista lacrimalis anterior, der obere endigt mit der Crista
lacrimalis posterior. Die Form der Gesichtsöffnung der Orbita ist individuell sehr
verschieden; durch ein Überhängen des oberen Augenhöhlenrandes macht sie ge-
wöhnlich einen breiteren Eindruck als die dahinter liegende Augenhöhle selbst. An
96 Ohrenhöhle. Mundhöhle.
die Incisura frontalis und supraorbitalis für die gleichnamigen Gefäße und Nerven
sei erinnert. Den Augenhöhlenrand kann man in seinem ganzen Umfang durch die
Haut fühlen, auch die Sutura zygomaticofrontalis ist deutlich.
Vom Hintergrund der Orbita sind noch die drei dort befindlichen Öffnungen zu
erwähnen (146). Das Foramen opticum, welches die Spitze des Kegels bildet, ist eigent-
lich ein kurzer Kanal, welcher sich nach vorne trichterförmig erweitert, um dort Platz
für den Ansatz der Sehnen der Augenmuskeln zu bieten. Die Fissura orbitalis superior
ist von keulenförmiger Gestalt, das spitze Ende lateral, das stumpfe medial gerichtet;
letzteres ist nur durch eine dünne Knochenspange vom Foramen opticum getrennt.
Sie führt, wie bekannt, in die mittlere Schädelgrube. Die Fissura orbitalis inferior
ist länger, als die superior. Sie konvergiert nach hinten mit dieser und fließt zuletzt
mit ihr zusammen. Meist ist sie im Gegensatz zur oberen an ihrem lateralen Ende
keulenförmig erweitert. Sie führt an ihrem medialen Ende in die Fossa pterygopala-
tina, im übrigen in die Fossa infratemporalis hinein. Durch sie gelangt der N. infra-
orbitalis mit seiner Begleitarterie und der N. zygomaticus in die Augenhöhle, Venen
treten aus ihr in die Infratemporalgrube.
Die Ohrenhöhle, Cavum auris,
ist weitaus die kleinste der Höhlen des Gesichtes; sie gehört ihm auch nur sehr
bedingt an, da ihr größter und ausschlaggebender Teil dem Primordialcranium ent-
stammt und in dem Felsenbein liegt, welches der Schädelbasis angehört. Es sei
deshalb hier nur gesagt, daß es von außen her im Porus und Meatus acusticus
externus, von der Schädelhöhle aus im Porus und Meatus acusticus internus
und vom Schlund her im Canalis musculotubarius zugänglich ist. Im Innern
trennt es sich in die Paukenhöhle, Cavum tympani (99, 101), und das Labyrinth,
Labyrinthus osseus. Für alles Nähere sei auf die Beschreibung des Gehörorgans
im ganzen verwiesen.
Mundhöhle, Cavum oris.
Ihr Skelet ist äußerst unvollständig (111). Die Decke wird gebildet vom harten
Gaumen und der äußere Umfang vom Unterkiefer; weder hinten noch unten sind
knöcherne Gebilde vorhanden. Der knöcherne Gaumen setzt sich aus dem Gaumen-
fortsatz des Oberkiefers und der horizontalen Platte des Gaumenbeines zusammen.
Seine kuppeiförmige Wölbung ist in allen Dimensionen individuell sehr verschieden.
Er zeigt eine Oberfläche, welche von hinten nach vorne rauher und unebener wird.
Vom Foramen palatinum majus erstrecken sich vorwärts und etwas median wärts
eine oder mehrere Rinnen, welche die aus dem genannten Loch austretenden Nerven
und Gefäße aufnehmen. Ganz vorne dicht hinter den mittleren Schneidezähnen
läßt das Foramen incisivum das Ende des N. nasopalatinus mit den ihn begleitenden
Gefäßen auf den Gaumen übertreten. Eine Beschreibung des auf der Innenseite
des Unterkiefers Bemerkenswerten soll hier nicht wiederholt werden (vgl. S. 82).
Außer diesen in erster Linie zu nennenden Höhlen des Gesichtsschädels sind
an seinen beiden Seitenflächen noch solche vorhanden, welche eine weniger selbstän-
dige Bedeutung haben, insoferne, als sie, wie oben bemerkt, nur Muskeln, Nerven
und Gefäße enthalten, welche für den Inhalt jener bestimmt sind. Man unterscheidet
ihrer, drei, obwohl sie ohne scharfe Grenze ineinander übergehen.
Schläfengrube. Unterschläfengrube. Flügelgaumengrube. Schädelformen. 97
Schläfengrube, Fossa temporalis (139).
Sie greift weit auf die Außenfläche des Hirnschädels nach oben über, indem
sie sich dort bis zur Linea temporalis inferior erstreckt. Unten wird sie begrenzt
von der Linea infratcmporalis, vorne reicht sie bis an die Wand der Augenhöhle;
außen ist sie überbrückt von dem Jochbogen. Von unten ragt in sie empor der Pro-
cessus coronoideus des Unterkiefers. An ihrem Aufbau beteiligen sich Jochbein, Stirn-
bein, Scheitelbein und Schuppe des Schläfenbeines. Der obere ganz flache Teil wird
als Planum temporale (140) von dem unteren tieferen, der eigentlichen Fossa,
unterschieden, doch ist eine Grenze zwischen beiden nicht vorhanden. Die Wand
der Schläfengrube zeigt in manchen Fällen leichte Prominenzen, welche unterliegen-
den Hirnwindungen entsprechen können (Schwalbe 1902), aber nicht müssen (F.
W. Müller 1908). Für die Praxis dürften sie nur geringe Bedeutung haben. Der
Hauptinhalt der Schläfengrube ist der M. temporalis.
Unterschläfengrube, Fossa infratemporalis (140).
Ist von der Schläfengrube nur durch die Linea infratemporalis getrennt. Ihre
Decke wird vom großen Keilbeinflügel und einem kleinen Teil der Schuppe des Schläfen-
beines gebildet, ihre laterale, unvollständige Wand vom Ast des Unterkiefers, ihre
vordere von der Facies infratemporalis des Oberkiefers, ihre mediale von der lateralen
Platte des Processus pterygoideus. Nach hinten und unten ist sie offen. Sie enthält
die Mm. pterygoidei, die A. maxillaris interna und die Äste des N. mandibularis.
Flügelgaumengrube, Fossa pterygopalatina1) (147).
Zwischen Oberkiefer und Processus pterygoideus. Sie entsteht dadurch, daß
sich der letztere nur mit seinem unteren Ende an den ersteren anlegt, während nach
oben ein Spalt zwischen beiden vorhanden ist, der sich bis zur Schädelbasis allmäh-
lich verbreitert. An ihrer lateralen Seite öffnet sich die Grube in die Unterschläfen-
grube, an ihrer medialen Seite wird sie durch den perpendikulären Teil des Gaumen-
beines verschlossen, vorne ist sie begrenzt vom Tuber maxillare des Oberkiefers, hinten
von der Facies sphenomaxillaris des großen Keilbeinflügels. So enge, wie sie ist, so
enthält sie doch wichtige Gebilde und zwar das Ende der A. maxillaris interna, welche
von der Unterschläfengrube her, und den N. maxillaris, welcher durch das Foramen
rotundum in sie eintritt. Beide entsenden von hier aus gemeinsam ihre Zweige und
/war nach unten durch den Canalis pterygopalatinus zum Gaumen, nach vorne durch
die Fissura orbitalis inferior in die Augenhöhle, nach hinten durch den Canalis ptery-
goideus (Yidii) zum Foramen lacerum, medianwärts durch das Knramen sphenopala-
tinum zur Nasenhöhle.
c) Schädelformen.
So sehr der Schädel von den in und an ihm vorhandenen Weichteüen beein-
flußt wird, so läßt sich ihm doch eine selbständige Bedeutung keineswegs absprechen.
Es greifen eben, wie überall, alle den Körper aufbauenden Elemente harmonisch
ineinander und beeinflußen sich gegenseitig. Ein großer Teil der Verschiedenheit
in den Schädelformen kommt auf Rechnung der dem Skelel selbständig innewohnen-
den Bildungsenergie.
1) Fissura sphenomaxillaris.
Merkel, Anatomie 11. Skeletlehre.
98 Schädelformen.
Der individuellen Verschiedenheiten sind es so viele, wie Individuen,
denn man kann sagen, daß kein Schädel dem anderen vollkommen gleicht, und
betrachtet man nur eine Anzahl von solchen, dann staunt man, welchen charakte-
ristischen Unterschieden im kleinen man begegnen kann, ohne daß sich die Formen
im großen zu ändern brauchen.
Geschlechtsverschiedenheiten. Neben der individuellen Bildung übt
auch das Geschlecht seine Wirkung auf die Schädelform aus, und hier sind es in vieler
Hinsicht die Weichteile, welche ihren Einfluß auf das Skelet bemerkbar machen.
Der weibliche Schädel ist kleiner und leichter als der männliche. Er steht in seiner
Form dem kindlichen näher, als der männliche, bildet gewissermaßen ein Zwischen-
glied zwischen beiden. Der weibliche Schädel zeigt eine geringere Höhe, er ist mehr
in die Breite entwickelt. Sein Hinterhaupt aber ist länger, als das des Mannes. Die
Schädelbasis der Frau ist schmäler und kürzer, das Gesicht kleiner als das des Mannes
und dabei orthognath. Da sich das Gesicht oben an den breiten Gehirnteil ansetzt, so
findet man die Nasenwurzel des Weibes relativ breit, die Orbitae geräumig. Da anderer-
seits aber der ganze weibliche Respirationsapparat in allen seinen Teilen eine geringere
Ausbildung zeigt, so sind auch die Choanen enger und niederer, die Kieferhöhlen
und damit der ganze Kieferapparat weniger entwickelt. Auch die Stirnhöhlen sind
zumeist wenig geräumig. Die Scheitelgegend ist im Bereich zwischen den vier Tubera
meist merklich abgeflacht. Die Abflachung geht ziemlich plötzlich einerseits in die
senkrechte Stirnlinie, andererseits in die abfallende Linie des Hinterhauptes über, so
daß beiderseits mehr oder weniger winkelige Biegungen entstehen (150). Der Grund
dieser Erscheinung liegt in Knickungen des Stirn- und Scheitelbeines, nicht etwa
in der Beschaffenheit der Tubera. Diese letzteren treten vielmehr beim weiblichen
Schädel sehr zurück, was man in der Vorder- und Rückansicht zu konstatieren ver-
mag, wo man bei der Frau einen völlig gerundeten Kontur wahrnimmt, während
die kräftig hervortretenden Tubera parietalia den Männerschädel eckig erscheinen
lassen (M.).
Rassenverschiedenheiten (119 — 153). Ferner ist der Stammes- und Rassen-
verschiedenheiten zu gedenken. Man unterscheidet verschiedene Formen des Hirn-
schädels, Langschädel, Dolichocephalen1), mittellange Schädel, Mesocephalen, Kurz-
schädel , Brachycephalen 2) , ferner Flachschädel , Chamaecephalen 3) , mittelhohe
Schädel, Orthocephalen 4) , Hochschädel, Hypsicephalen 5) . Beim Gesichtsschädel
spricht man von niederen und breiten Gesichtern (Brachyprosopie6), Chamaeprosopie),
von hohen und schmalen (Dolichoprosopie, Leptoprosopie7)). Man hat natürlich auch
die Höhlen des Gesichtes im einzelnen genau auf ihre Verschiedenheiten untersucht.
Man hat ferner untersucht, ob die Kiefer mehr oder weniger schnauzenförmig vor-
treten und hat danach die Schädel eingeteilt in prognathe 8) und orthognathe.
Endlich wird auch die Kapazität der Schädelhöhle verglichen.
3
1) do/w/ög lang.
2) ßQayvg kurz.
') %a(tai am Boden, niedrig.
4) öq&ös richtig, schicklich.
5) vtyi oben, empor.
6) ixqoooipig Antlitz.
') /?£.tto's dünn, mager.
8) yvä&os Kinnbacken.
Knochenstruktur des Schädels. 99
Um von den verschiedenen Formen einen klaren und exakten Ausdruck zu
gewinnen, bedient man sich der Messung und zwar wendet man außer der Yergleichung
der absoluten Maße mit großem Nutzen Verhältniszahlen, Indices, an. Man
berechnet sie aus einer Gleichung A : B = ioo : x, wobei A das gewöhnlich größere,
B das gewöhnlich kleinere Maß ist.
Es würde zu weit führen, wenn hier die für die Messungen benützten Punkte,
ihre Ausführung und ihre Resultate angegeben werden sollten. Interessenten seien
verwiesen auf E. Schmidt, Anthropologische Methoden, Leipzig 1888, A. v. Torök,
Grundzüge einer systematischen Craniometrie, Stuttgart 1890 u. a. m.
d) Knochenstruktur.
Eine gleichmäßige Struktur zeigt die Calvaria, an ihr findet man durchweg
eine äußere und innere Corticalis, Lamina externa und interna und dazwischen eine
Diploe (148). Die Mächtigkeit der Knochen ist am Scheitel geringer als nach der
Stirne und besonders nach dem Hinterhaupt zu, aber größer als in der Schläfen-
gegend. Bemerkenswert ist es, daß die Knochenstärke der Calvaria nicht mit der
des übrigen Skeletes in gleichem Schritt zu gehen braucht ; zuweilen ist sie bei einem
im allgemeinen robusten Knochenbau außerordentlich dünn. Die Elastizität der
Knochen des Schädeldaches ist erheblich. Sie sind blutreich; in ihrer Diploe sind
Kanäle ausgespart, in welchen Venae diploicae verlaufen, welche jedoch außerordent-
lich variabel sind. Außen das Periost (Pericranium) und innen die Dura mater
sind feste Membranen, hängen aber mit den Knochen nicht allzu innig zusammen.
Die Struktur der Schädelbasis und des Gesichtsskeletes steht in einem gewissen
Gegensatz zu der der Calvaria. Schon aus der Einzelbeschreibung geht hervor, daß
dort die Dicke der Knochen je nach der Stelle von Papierdünne bis zu einer Dicke
von 2 cm wechselt. Sehr dünne Stellen sind zu Usuren geneigt. Auch individuell
schwankt die Dicke, bei dem einen Schädel sind die Knochen schwer, massiv, derb,
bei dem anderen leicht, grazil, sehr dünn. Man findet auch manchmal am ganzen
Schädel, einschließlich der Calvaria, die Knochen sehr dick, dabei aber doch leicht;
es ist dann ihre Struktur eine porösere, als gewöhnlich. Besonders dünne Stellen
der Basis sind die Impressiones digitatae der vorderen Schädelgrube, die Stelle der
Gelenkgrube des Unterkiefers und die Tiefe der hinteren Schädelgrube. Sehr stark
und widerstandskräftig ist der Körper des Hinterhauptsbeines und die Stelle der Con-
dvlen des Hinterhauptes. Her festeste und zäheste Knochen der ganzen Basis ist
die Kapsel des Gehöiiabyrinthcs.
Die Höhlen des Gesichtsskeletes sind sehr dünnwandig und würden dadurch
einwirkenden Gewalten wenig Widerstand leisten, die /arten Knochen würden sogar
schon durch die physiologische Arbeit des Kaugeschäftes gefährdet sein, wenn nicht
doch feste Stützen vorhanden wären, wvlche dem entgegen wirken. In erster Linie
ist daran zu erinnern, daß der die Zähne tragende Alveolarteil an sich einen dicken
Bogen bildet, welcher außerdem durch die quere Spreize des kräftigen harten Gaumens
eine bedeutende Festigung erfährt. Außerdem sind auch noch pfeilerartige Verstär-
kungen vorhanden, welche die Tätigkeit der am stärksten benützten Zähne sichern.
Vom Eckzahn und ersten Prämolarzahn zieht sich eine festere Knochenstrebe auf-
wärts nach dem Stirnfortsatz des Oberkiefers, und dieser stemmt sich an die vordere
Schädelbasis an. Vom ersten Molarzahn aus, welcher von allen der stärkste und zur
größten Kraftleistung verwendete ist, gehl eine -ehr kräftige Stütze aufwärts zum
100 Nähte.
Jochbein, von welchem dann der Druck nach oben auf den Processus zygomaticus
des Stirnbeines, nach vorn auf den unteren Augenhöhlenrand und nach hinten auf
den Jochbogen abgeleitet wird.
Der Augenhöhlenrand ist am wenigsten gefährdet an seiner medialen Seite,
wo er durch die vorspringende Nase geschützt wird, am meisten an seiner ganz frei-
liegenden oberen und lateralen Seite ; er ist dort auch am stärksten und widerstands-
kräftigsten.
Das Periost der Basis und der Gesichtsknochen ist im allgemeinen dünn und
mit dem Knochen fest verbunden. Nur in der Augenhöhle (Periorbita), besonders
an deren Boden, ist es derb und leicht abzulösen.
Vom Unterkiefer wurde bereits oben (S. 84) berichtet.
Die ernährenden Gefäße stammen für die Schädelbasis von der A. meningea
posterior, A. carotis interna, A. meningea anterior und ethmoidalis. Dieselben senden
auch Zweige zum Schädeldach empor; die wesentlichste Arterie für die Calvaria ist
aber die A. meningea media. Das Schädeldach erhält auch Gefäße von dem engen
Geflecht, welches von den Arterien der Kopfschwarte gebildet wird. Die Venen (Venae
diploicae) ergießen sich in die Sinus durae matris. Die Gesichtsknochen werden von
den Aa. maxillares externa und interna und ihren Ästen versorgt.
e) Nähte, Schaltknochen, Fontanellen.
Die Nähte sind die Stellen, von welchen aus in der Jugend die Knochen wachsen,
sie sind deshalb für die ungehinderte Vergrößerung und Ausbildung des Schädels von
großer Bedeutung. In einer Anzahl von Fällen führen sie mitten durch Löcher und
Kanäle, so daß auch diese an den Vorteilen einer erleichterten Vergrößerung teilnehmen.
Doch darf nicht verschwiegen werden, daß eine Umformung auch ganz ohne Mit-
wirkung von Nähten vor sich gehen kann, daß auch Löcher und Kanäle sich vergrößern
und von ihrer Stelle rücken können, ohne daß sie mit Nähten in Beziehung stehen;
es muß dann neben der osteoblastischen Tätigkeit die Kleinarbeit der Osteoklasten
eine intensivere sein, als es beim Vorhandensein von Nähten nötig wäre.
Die Beschaffenheit und der Verlauf der Nähte ist verschieden. Oben (S. 7)
wurde davon gesprochen, daß man eine Sutura serrata, S. squamosa und Har-
monia unterscheidet. Bei der Zahnnaht greifen vorspringende, eichenblattähnliche
Zacken der beiden verbundenen Knochen ineinander, und zwar sind sie an der Außen-
seite des Schädels immer stärker ausgeprägt, als an der Innenseite. Bei der Schuppen-
naht decken sich die zugeschärften Ränder schuppenförmig, bei der Harmonia legen
sich die gar nicht oder nur wenig geschlängelten Ränder einfach aneinander. Die
gezackten Nähte sind am besten ausgeprägt an der Schädeldecke, durch Harmonie
sind die meisten Gesichtsknochen miteinander verbunden, eine Schuppennaht ist
am reinsten ausgesprochen an der Schuppe des Schläfenbeines.
Der Verlauf der Nähte ist am einfachsten an der Calvaria, dort ist eine mediane
Naht vorhanden, die Pfeilnaht, Sutura sagittalis 1), welche sich in die Stirn-
naht, Sutura frontalis fortsetzt, wenn dieselbe erhalten ist. Ein zweites sagit-
tales Nahtsystem verläuft seitlich. Es erstreckt sich am unteren Rand des Stirn-
und Scheitelbeines hin. Auf diesen sagittalen Nahtlinien stehen im rechten Winkel
vorne die Kranznaht, Sutura coronalis2), zwischen Scheitel- und Stirnbein
x) Sutura parietalis.
2) Unterhalb der Lineae temporales wandelt sie sich aus einer Sutura serrata in eine Sutura
squamosa um (Parsons 1906).
Schaltknochen. Fontanellen. 101
und die Lambdanaht, Sutura lambdoidea, zwischen Scheitel- und Hinter-
hauptsbein. An der komplizierter zusammengesetzten Schädelbasis und besonders
im Gesicht verlaufen die Xähte weniger einfach, stellenweise so, daß es nicht leicht
ist, ihre mechanische Bedeutung klarzulegen.
Was die Benennung der Nähte anlangt, so haben nur wenige von ihnen besondere
Namen, und zwar: Sutura sagittalis, coronalis, lambdoidea, Sutura squamae tempo-
ralis, internasalis, palatina mediana und transversa, alle anderen werden nach den
Knochen benannt, welche sie verbinden, z. B. Sutura sphenoethmoidalis, zygomatico-
maxillaris usw. Es ist ganz unnötig, sie im einzelnen aufzuzählen.
Gewisse Kreuzungspunkte von Nähten beanspruchen, besonders für die Zwecke anthropo-
logischer Messung, Bedeutung; man hat sie deshalb nach Brocas Vorschlag mit eigenen Namen
belegt {149):
Bregma, Stelle, an welcher Pfeilnaht und Kranznaht zusammentreffen.
Lambda, Stelle, an welcher die beiden Schenkel der Lambdanaht mit der Pfeilnaht zu-
sammentreffen.
Stephanion, Kreuzungspunkt der Kranznaht und der Lineae temporales.
Pterion, die Gegend, in welcher Stirnbein, Scheitelbein, Schläfenschuppe und Spitze
des großen Kcilbcinflügcls zusammenkommen.
Asterion, Kreuzungspunkt der Lambdanaht mit den beiden Abschnitten der Naht des
Warzcnteilcs des Schläfenbeines.
.Vision, Kreuzungspunkt der Sutura nasofrontalis und internasalis.
Unter dem Namen Schaltknochen, Ossa epaetalia1), hat man kleine Kno-
chen von verschiedener Bedeutung zusammengefaßt, i. Teile von Knochen, welche
sich dadurch abtrennen, daß gewöhnlich transitorische Nähte bestehen bleiben. Unter
ihnen ist besonders die Naht hervorzuheben, welche das Os interparietale der Schuppe
des Hinterhauptsheines von dem knorpelig präformierten Teil scheidet (Os Incae,
S. 50). Auch kann eine mediane Naht das Os interparietale in zwei symmetrische
Stücke teilen, 2. Eigentliche Nahtknochen, Ossa suturarum, das heißt Knochen,
welche im Verlauf der Nähte aus besonderen kleinen Ossifikationspunkten hervor-
gehen. Man kann sie gelegentlich fast in jeder Naht des Hirn- wie des Gesichts-
schädels finden. In einer Reihe von Fällen erscheinen sie bilateral symmetrisch.
Oft sind sie sehr klein, oft aber können sie auch eine erheblichere Größe erlangen.
Nicht überall erscheinen sie gleich häufig, am häufigsten und in größter Zahl trifft
man sie in der Lambdanaht. 3. Knocheninseln, welche inmitten einer sonst soliden
Kinn heut; ilel eingesprengt sind. Man findet sie nur selten. Zuweilen werden sie
vorgetäuscht durch Nahtzacken, welche vom Nachbarknochen her eindringen und
in der Nähe der Naht dann aus der Tiefe auftauchen. Bei starkem Hvdrocephalus
benhai htel man oft eine überaus große Zahl von Schaltknochen in den Nähten des
Hirnschädels.
Die AI tersu n terschiede der Nähte sind erheblich. Heim Neugeborenen sind sie meist
Doch mangelhaft ausgebildet, besonders gill <h<> Etu die Nahte des Schädeldaches. Da wo die
Winkel der Scheitelbeine mit den benachbarten Knochen zusammenstoßen, ist bei ihnen und
auch den letzteren die Ossifikation SO weil zurück, daß der Schädel Lücken /ci-t, welche noch
durch die ursprüngliche häutige Vnlage verschlossen sind, Sie heißen Fontanellen, Fonticuli,
sie spielen in der Geburtshilfe eine bedeutende Rolle (154). Die Stirnfontanelle, Fonticulus
frontalis, die größte derselben, ist an der Stelle des Bregma (s, eben) zu suchen. Sie hat die
Gestall eines Papierdrachens mit nach vorne gerichtetem spitzem Ende, Ihre größte Länge bei
reifen Früchten ist um Mittel 30mm, ihre -roßte Breite 24mm. l>ie Hinterhauptsfonta-
nelle, Fonticulus occipitalis, ist meisl kein eigentlicher Knochendefekt, sie besteht viel-
') Ossa suturarum, intercalaria, triquetra, raphogeminantia, Wormiana.
102 Altersunterschiede des Schädels.
mehr aus einer dreihörnigen Spalte an der Spitze der Lambdanaht, welche jedoch deutlich fühl-
bar ist. Die vordere Seitenfontanelle, Fonticulus sphenoidalis 1), zwischen Scheitelbein
und großem Keilbeinflügel ist eine längliche, horizontal gestellte Spalte. Sie ist deshalb ohne
praktische Bedeutung, weil sie unter dem M. temporalis verborgen ist. Die hintere Seitenfonta-
nelle, Fonticulus mastoideus 2), ist ein unregelmäßig buchtiger Spalt zwischen Scheitelbein,
Schuppe und Warzenteil des Schläfenbeines. Ihre praktische Bedeutung steht hinter der der
Scheitelfontanellen zurück. Am längsten bleibt die Stirnfontanelle offen, sie schließt sich nor-
malerweise in der ersten Hälfte des zweiten Lebensjahres.
Zu erwähnen ist weiter, daß bei Neugeborenen das Os interparietale noch durch Spalten,
welche sich von der hinteren Seitenfontanelle aus in den Knochen hineinziehen, teilweise vom
unteren Teil der Schuppe getrennt ist. Man hat sich zu hüten, sie für pathologische Fissuren
zu halten. Auch von der Spitze der Lambdanaht geht eine feine Spalte in den Knochen hinein.
Erst im Laufe des zweiten Lebensjahres beginnen an den Zahnnähten die Zacken zu erscheinen
und zwar zuerst an der Lambdanaht.
In höherem Alter schließen sich die Nähte und zwar in der Regel erst nach Überschreitung
der mittleren Lebensjahre. Die Obliteration tritt zuerst an der Innenseite auf und greift erst
später nach außen über. Den Anfang pflegt die Pfeilnaht zu machen, die Kranznaht ist meist
die letzte Naht, welche ergriffen wird. Bei außereuropäischen Rassen erfolgt die Obliteration
der Nähte nicht überall zu gleicherZeit und in gleicher Folge, wie bei Europäern (Hasebe 1909).
Altersunterschiede des Schädels. Dieselben sind auch, abgesehen von den eben
behandelten Nähten, beträchtlich. Das Periost des Schädeldaches vom Neugeborenen ist relativ
stark und leicht ablösbar. Es adhäriert später immer fester, am festesten im Greisenalter. Um-
gekehrt ist die Dura mater bei Kindern mit dem Knochen fester verbunden, als bei Erwachsenen.
Die Dicke des knöchernen Schädeldaches wächst in den ersten Lebensjahren langsam, dann rascher,
mit den zwanziger Jahren ist das Dickenwachstum vollendet. In hohem Alter zeigt der Schädel
außer dem schon erwähnten Verstreichen der Nähte noch einen weitgehenden Schwund von Kno-
chensubstanz, dünne Platten usurieren sogar vollständig. Der Schädel wird dabei auffallend
leicht.
Beim Neugeborenen sind Gehirn und Sinnesorgane in ihrer Ausbildung schon weit fort-
geschritten, „während der dem Respirations- und Verdauungsapparat angehörige Teil des Kopfes
noch wenig ausgebildet ist. Demgemäß ist auch der Hirnschädel, der das Ohr beherbergende
Knochen ( Schlaf enbeinpyramide), die Orbita, der obere Teil der Nase in der Entwickelung relativ
vorgeschritten, während der eigentliche Kieferapparat noch stark zurückgeblieben ist. Dabei
sehen die Kiefer wegen der in ihnen enthaltenen Zahnanlagen wie geschwollen aus. Der knöcherne
äußere Gehörgang fehlt, statt seiner ist nur ein zarter Knochenring vorhanden. Stark hervor-
ragende Höcker an Stirn- und Scheitelbein lassen den Schädel bei der Betrachtung von oben
fast viereckig erscheinen. Im übrigen bringt es die Kleinheit des Gesichtes, das Fehlen der später
entwickelten Höcker und Fortsätze mit sich, daß sich die ganze Schädelform weit mehr der Kugel
nähert, als dies später der Fall ist.
Die Weiterentwickelung des Schädels nach der Geburt zerfällt in zwei Wachstumsperioden.
Die erste reicht von der Geburt bis etwa zum siebenten Lebensjahre. Nun folgt ein völliger Still-
stand aller Teile bis zum Eintritt der Pubertät. Mit diesem Zeitpunkte tritt die zweite Wachs-
tumsperiode ein, welche bis zur vollkommenen Ausbildung des Schädels dauert. Die erste Periode
zerfällt in drei Phasen: In der ersten Phase (Geburt bis Schluß des ersten Lebensjahres) ist das
Wachstum fast in allen Teilen des Schädels ein gleichmäßiges. In der zweiten Phase (zweites
bis fünftes Jahr) wölbt sich Hinterhaupts- und Scheitelgegend. Die Schädelkapsel verbreitert
sich zugleich in allen Teilen bedeutend, auch das Gesicht wächst in die Breite. Die Basis ver-
längert sich immer weniger. In der dritten Phase (sechstes bis siebentes Jahr) tritt ein umge-
kehrtes Verhältnis ein. Die Knochen der Decke wachsen nur sehr unbedeutend, dagegen ver-
längert sich die ganze Schädelbasis. Damit steht im Zusammenhang eine stärkere Tiefenent-
wickelung des Gesichtes, welches auch . an Länge zunimmt. Mit Ende der ersten Wachstums-
periode ist die Länge des kompakten Grundbeinkörpers vollendet, ebenso die Größe des Foramen
magnum und die Breite zwischen den beiden Proc. pterygoidei. Auch haben das Felsenbein
und die horizontale Platte des Siebbeines ihre definitive Größe erreicht.
x) Fonticulus lateralis anterior.
2) Fonticulus lateralis posterior.
Varietäten. Praktische Bemerkungen. l(ß
Die zweite mit der Pubertät beginnende Periode bringt eine Verlängerung der Gesichts-
basis, an welche sich einerseits eine kräftige Entwickelung des Stirnbeines, andererseits eine Ver-
tiefung des Gesichtes anschließt. Der ganze Schädel verbreitert sich stark und zwar in beiden
Abteilungen allseitig. Der Jochbogen krümmt sich stärker. Das Gesicht verlängert sich bis zur
definitiven Ausbildung" (M.-H.). (Fr. Merkel, 1882.) Das Längenwachstum des Schädels allein
behandelt Neumayer (1909). Dem Greisengesicht verleiht das Fehlen der Zähne und der
Alveolarfortsätze ein höchst charakteristisches Aussehen.
Varietäten. Von den überaus zahlreichen individuellen Verschiedenheiten des Schädels
war schon die Rede. Außer ihnen ist zu erwähnen eine große Neigung zur Asymmetrie, doch
kompensieren sich die Unregelmäßigkeiten oft so gut, daß sie erst bei genauerer Betrachtung
bemerkt werden. Eine Anzahl von Varietäten steht an der Grenze der Pathologie, und zwar solche,
bei welchen Nähte, welche offen bleiben sollen, schön in frühem Alter verstreichen. Der Schädel
kann dann dort nicht mehr wachsen, sondern muß sich von anderen Nähten aus kompensatorisch
vergrößern, um dem sich ausdehnenden Gehirn den nötigen Platz gewähren zu können. Ob-
wohl dabei das Gehirn eine von der gewöhnlichen Form sehr abweichende Gestalt annimmt, bleibt
es doch in seinem inneren Bau und in seinen Funktionen durchaus intakt. Bei einer prämaturen
Verwachsung der quer verlaufenden Nähte entsteht ein Turmkopf, Thyrsocephalus 1), bei
Verwachsung der Sagittalnaht ein Kahnkopf, Scaphocephalus. Eine vorzeitige Verwachsung
der Nähte des Pterion kann eine halbringförmige Einziehung in der Gegend der Coronarnaht
hervorrufen. Der sehr häufig vorkommende Sattelkopf, Clinocephalus, entsteht dadurch,
daß in der Gegend des Bregma eine leichte Vertiefung auftritt, welche auf eine mangelhafte Ossi-
fikationstätigkeit in der Gegend der ehemaligen Stirnfontanelle hinweist. An dieser Stelle findet
man auch relativ häufig einen Nahtknochen (Fontanellknochen), ein Zeichen dafür, daß
gerade hier leicht Störungen eintreten. Die Nahtknochen in der Lambdanaht können eine so
erhebliche Zahl und Größe erreichen, daß sie wie Spreizen das Hinterhaupt vom Scheitel ab-
drängen, so daß ein stufenförmiger Absatz zwischen beiden entsteht, welcher auch am Lebenden
sehr wohl sichtbar ist: Stufenkopf, Bathrocephalus.
In seltenen Fällen wird eine weitgehende Störung des Verknöcherungsvorganges verbunden
mit Defekten einzelner Schädclknochcn beobachtet; sie ist merkwürdigerweise verbunden mit
Störung der Entwickelung des Schlüsselbeines (Dysostosis cleidocranialis, Hultkrantz 1909).
Zuletzt sei auch der Cribra cranii (Koganei 1911) gedacht, welche an der Grenze patho-
logischer Bildungen stehen. Es sind dies kleine geschlängelte Furchen, welche netzförmig mit-
einander verbunden sind und als kleinere oder größere meist matt erscheinende Flecken auf-
treten. Zuerst wurden sie von YVelcker an dem Augenhöhlendach (Cribra orbitalia 1888)
beobachtet. Sie kommen auch im Inneren der Schädclhöhle vor, am Stirnbein, Scheitelbein,
Hinterhauptsbein. Bei Kindern findet man sie öfter als bei Erwachsenen.
Praktische Bemerkungen. Nicht allein die erwähnten vorzeitigen Verwachsungen
von Nähten können die Form des Schädels stark beeinflussen, sondern auch Rachitis. Der weiche
Knochen wird an den Condylcn durch die Wirbelsäule gestützt und in seiner Lage gehalten,
davor und dahinter aber sinkt er herunter, wodurch der Clivus sehr steil gestellt und das Foramen
jugularc zusammengedrückt wird. Das Emissarium mastoideum erweitert sich dann abnorm,
um ili'ii Uitluß des Blutes aus dem Sinus transversus bewältigen zu können. Auch andere Emis-
sarien, die ja als Sicherheitsventile für die venöse Circulation in der Schädclhöhle zu betrachten
sind, können gelegentlich erheblich erweitert sein, ohne daß man Ereilich bei dein /utälligen Be-
fund an mazerierten Schädeln den eigentlichen Grund dafür erkennen könnte. Solche erweiterte
Venenöffnungen bringen gewisse Gefahren mit sich.
Besonders große praktische Bedeutung*haben die Verletzungen und Frakturen des Schädels.
Dabei verhalten sich seine drei reile: Calvaria, Basis und Gesicht, verschieden, nicht allein der
Lage wegen, welche bei der Basis eine wohlgeschützte ist. sondern auch in bezug auf ihre ver-
schiedene Struktur. Bei der Calvaria kommt es in erster Linie darauf an, ob sie dünn oder dick
ist, ob sie eine stärker oder schwächer ausgebildete lnploc besit/t. Hin Schlägerhieb, welcher
bei normalei Dicke nicht einmal die Larnina externa gespalten hätte, drang einem Studenten
durch die fasl kartenblattdünne Calvaria tut ins Gehirn. Man hat sich auch daran zu erinnern,
daß gelegentlich eine erhebliche lnk.de Verdünnung des Schädeldaches durch andringende Arach-
noidealzotten hervorgebracht werden kann, Bei einem unglücklichen Zufall konnte eine Ver-
*) Oxycephalus.
104 . Praktische Bemerkungen.
letzung gerade eine solche Stelle treffen. Auch die oft weiten diploischen Venen können Gefahren
mit sich bringen, an welche man nicht immer zu denken pflegt. An denen der Stirne hat man
Varicen gesehen.
Die Schädeldecke verhält sich andringenden Gewalten gegenüber wie eine homogen ge-
baute Kuppel; die dünnste Stelle in der Schläfengrube ist durch das darüber liegende Muskel-
polster geschützt. Die Nähte sind für Verletzungen ohne Einfluß ; Art und Verlauf von Frakturen
wird in der Regel nur durch die Stärke und Richtung der einwirkenden Gewalt bestimmt. Die
verzahnte Art der Nähte bildet im Gegenteil einen Schutz gegen ihre Trennung. Ihr mäandri-
scher Verlauf ist zu beachten, um sie nicht mit etwa vermuteten Fissuren zu verwechseln. Auch
wenn man sie an ungewohnter Stelle findet, brauchen sie nicht zu überraschen, da sie sehr wohl
einem Schaltknochen' angehören können.
Die Elastizität der Calvaria ist zwar individuell verschieden, aber wie erwähnt, bedeutend;
bei Kontinuitätstrennungen können Haare, Kugelfragmente, Hutfetzen u. dgl. mehr in die Spalt-
öffnung oder durch sie in die Schädelhöhle eindringen. Beim Aufhören der Gewaltwirkung schnap-
pen dann vielleicht die Ränder der Öffnung wieder zu und man findet nur eine scheinbar gering-
fügige lineare Fissur. Brüche können durch übermäßige Biegung oder Pressung entstehen,
übermäßige Dehnung kann Berstung veranlassen. Die Gewalteinwirkungen bedingen sowohl
ein Eindrücken des Knochens, wie auch Sprünge in demselben. In beiden Fällen pflegt die äußere
Corticaltafel in geringerem Umfang verletzt zu sein, wie die innere, ja es kann sogar vorkommen,
daß die äußere Tafel aus der stattgehabten Verbiegung ohne Schaden in ihre ursprüngliche Form
zurückkehrt, während bei der inneren die Elastizitätsgrenze überschritten wurde und sie eine
Fissur trägt. Man hat deshalb für diese den Namen Glastafel, Lamina vitrea, gebraucht.
Heute weiß man jedoch, daß die innere Tafel keineswegs brüchiger ist, wie die äußere, sondern
daß die Aufhebung des Zusammenhanges des Knochens etwa so vor sich geht, wie wenn man
einen Stock über dem Knie zerbricht (Teevan 1865). Hier entsteht an der freien, gedehnten
Seite zuerst ein Riß und es erfolgt erst dann eine Knickung der vom Knie unterstützten, ge-
drückten. Die Richtigkeit dieser Anschauung wird dadurch erwiesen, daß eine weitergehende
Splitterung der äußeren Tafel erfolgt, wenn die Gewalt von innen her einwirkt, wie z. B. wenn
sich ein Mensch durch Schuß in den Mund entleibt.
Ebenso wie bei der Calvaria kann auch an der Basis jede Stelle von einer Fraktur betroffen
werden. Sieht man aber von Fällen weitgehender Zertrümmerung ab, dann findet man, daß die
kräftig gebauten Basisteile von Brüchen verschont bleiben; dieselben sind die großen Keilbein-
flügel, der Clivus und das mittlere Drittel des Felsenbeines, welches die Schnecke enthält. Anderer-
seits sind die dünnsten Stellen der Basis von den Frakturen besonders bevorzugt. In der vor-
deren Schädelgrube suchen sie sich ihren Weg durch die Lamina cribrosa oder seitlich zwischen
den Juga cerebralia und kommen dann entweder in der Gegend des lateralen Endes der Fissura
orbitalis super, oder noch gewöhnlicher im Foramen opticum an. Nach hinten setzen sie sich
in das Foramen rotundum, ovale, spinosum fort. Der Türkensattel bricht am leichtesten in der
Quere an der Grenze zwischen dickem und dünnem Knochen, also in der Gegend der Sattellehne
und vorn, wo sich die Wurzeln des Processus clinoideus an ihn anstemmen und ihn verstärken.
Die Seitenteile der mittleren Schläfengrube brechen am leichtesten in der Gegend der Unter-
kiefergelenkgrube, entweder davor oder dahinter an der Grenze des Tegmen tympani. Die Fissura
sphenopetrosa ist für Fortleitung der Frakturen nach der Mittellinie hin sehr geeignet. Das
Felsenbein bricht am häufigsten quer, seltener an seinem lateralen Ende. In der hinteren Schädel-
grube lassen die Frakturen den medianen Stützbalken unberührt und ziehen sich durch die dünnen
Seitenteile der Hinterhauptsschuppe. Entsteht ein Bruch in der Gegend des Hinterhauptsloches,
dann umkreist derselbe von der dünnen Stelle über der Fossa condyloidea aus die Gelenkhöcker,
um auf das Foramen jugulare zu treffen, von wo er quer durch das Felsenbein oder der Fissura
petrooccipitalis folgend, zur Spitze der Schlaf enbeinpyramide hinzieht (M.). Anspannung des
Tentorium bei Pressung des Schädels kann zur. Absprengung des Proc. clinoideus ant. oder der
Sattellehne führen, auch die Spitze der Schläfenbeinpyramide kann abbrechen.
Direkte Verletzungen der Schädelbasis sind nur in sehr beschränktem Maße möglich und
zwar kann von der Orbita her deren Dach z. B. durch einen Stich getroffen werden, es kann auch
ein Instrument nach hinten durch die Fissura orbitalis sup. in die Schädelhöhle gleiten und dort
schwere Verletzungen verursachen. In die Nase eingeführte Gegenstände können in der Carina
nasi oder im Meatus nasi communis bis zur Lamina, cribrosa gelangen und sie zertrümmern.
Das Gesichtsskelet ist schweren Verletzungen besonders durch Hufschläge ausgesetzt.
An ihm erleiden die einzelnen Knochen am leichtesten Diastasen der Nähte, solche wurden in der
Gliedmaßen.
105
.Mittellinie beobachtet, man hat gesehen, daß sich das Jochbein, daß sich der Oberkiefer aus seinen
Verbindungen gelöst hat. Ohne gleichzeitige Frakturen pflegt es dabei freilich nicht abzugehen.
Man hat sich auch an die erwähnten Stützen und Strebepfeiler zu erinnern, welche geeignet sind,
gelegentlich einer Gewalteinwirkung erfolgreich Widerstand zu leisten. Der feste Bogen des
Alveolarfortsatzes kann im ganzen vom übrigen Oberkiefer abgesprengt werden; daß dabei die
Kieferhöhle eröffnet wird, versteht sich von selbst.
Von den für die Praxis in Frage kommenden Verhältnissen des Unterkiefers war oben
S. 84 schon die Rede.
Cingulum
exlremitatis
Humerus (Femur)
III. Gliedmaßen, Extremitates.
Ki in Wirbeltier besitzt mehr als zwei Extremitätenpaare, ein craniales, die
Schultcrgliedmaßcn, und ein caudales, die Beckengliedmaßen. Die freie Extremität
setzt sich niemals direkt an das
Rumpfskelet an, sondern stets
durch Vermittelung eines Gürtels,
Cingulum extremitatis, wel-
cher in seiner einfachsten Form
aus einem gekrümmten Stab
besteht. Bei weiterer Ausbildung
in der phylogenetischen Reihe
zerfällt derselbe in drei von' einem
Mittelpunkt aus divergierende
Stücke. Der Mittelpunkt selbst ist
die Stelle, von welcher die freie
Extremität ausgeht. Das Skelet
dieser letzteren besteht im wesent-
lii heu aus Stäben, welche sich in
distaler Richtung vermehren. Von
den zahlreichen Stabsystemen der
Fischflossen bleibt in der Folge nur
ein solches bestehen; es gt'ht vom
Gürtel ein einziger Stab aus, einer-
seits Oberarm, Humerus, anderer-
seits Oberschenkel, Femur, an
welchen sich zwei ansehließen,
welche man im ganzen als Unter-
arm, Antebrach i um, und l fnter-
schenkel, Crus, benennt. Die
beiden Knochenstäbe des Unter-
armes heißen Sprich
und Elle, Ulna, die
Si henkeis, Schienbein
Wadenbein, Fibula.
Ulna (Fibula) -
Ulnare (Fibulare)-
. Radius (Tibia)
Inlcrmciliuin
Kadiale (Tibiale)
CarpaleV ( Tar-.de\ '!— T^O'v}^- ' 'T ' ' ' ' " -•>'' '
Q
\\
Met u irpus
(Metatarsus)
V~ D
%
Radin s,
des Unter-
I 1 1 • 1 . 1 und
Aul diese
Fig.
Schema des Skeletbaues einer Extremität.
Knochenstäbe Eolgen als Zwischenglieder einige
kurze Knochen, I tandwurzel, Carpus, und Fußwurzel, Tarsus, an welche sich endlich
die Stabe der Fingerstrahlen und zwar im höchsten Falle ihrer tum anschließen.
106 Obere Extremität, Gürtel. Schulterblatt.
Als Grundtypus der Hand- und Fußwurzel ist es anzusehen, daß sich die Knochen,
welche sie bilden, um ein Os centrale gruppieren. Die proximalen sind drei an Zahl,
ein Os radiale (tibiale), ein Os intermedium und ein Os ulnare (fibulare);
die distalen sind ebensoviel wie Fingerstrahlen, also fünf, Os carpale (tarsale) I — V.
Die Fingerstrahlen zerfallen wieder in die Mittelhandknochen (Mittelfußknochen),
Ossa metacarpi (metatarsi) und die Finger, Digiti, deren einzelne Glieder man
als Phalanges bezeichnet.
Bei den einzelnen Tierarten sind die aufgezählten Teile keineswegs immer in
reiner Form anzutreffen, die Erscheinung der Extremitäten wechselt vielmehr in ge-
nauem Zusammenhang mit der Funktion in weiten Grenzen sowohl im Gürtel, wie
in der freien Extremität. Man findet hier eine exzessive Ausbildung, dort eine Re-
duktion bis zum völligen Verschwinden, man begegnet Verwachsungen und Ver-
schiebungen.
Der aufrecht stehende und gehende Mensch benützt nur die unteren (hinteren)
Extremitäten zur Fortbewegung, während die oberen (vorderen) zu Greiforganen
ausgebildet sind. Um der ihr obliegenden Funktion gerecht zu werden, ist die erstere
kräftig und fest gebaut und es kommt ihr eine bedeutende Stabilität zu, die letztere
dagegen ist leichter und beweglicher; sie besitzt eine Anzahl sehr freier Gelenke, so
daß man imstande ist, mit den Händen alle Teile der Körperoberfläche ohne Aus-
nahme zu erreichen.
1. Obere Extremität, Extremitas superior.
a) Gürtel, Cingulum.
Er besteht aus dem Schulterblatt, Scapula, und dem Schlüsselbein, Clavi-
cula. Das Schulterblatt setzt sich aus zweien der ursprünglichen Gürtelabteilungen
zusammen, aus dem eigentlichen Schulterblatt und aus dem bei niederen Tieren sehr
ansehnlichen und mit dem Brustbein in Verbindung stehenden Coracoidbein, welches
beim Menschen zu einem relativ kurzen Fortsatz des Schulterblattes, dem Processus
coracoideus reduziert ist. Als Vertreter des dritten ursprünglichen Teües ist das
Schlüsselbein anzusehen, welches mancherlei Wandlungen in der Tierreihe erfahren
hat. Es vermittelt den Zusammenhang des Schultergürtels mit dem Brustbein, erreicht
aber die Verbindung mit der den Oberarm tragenden Gelenkpfanne nicht, sondern
heftet sich am Acromion des Schulterblattes an.
a) Schulterblatt, Scapula1).
Dreiseitig, platt, schwach nach hinten gewölbt (162, 163). Der Körper des
Knochens ist gewöhnlich sehr dünn und in der Mitte durchscheinend. Das Schulterblatt
besitzt einen medialen, konvexen Rand, Margo vertebralis, einen lateralen, kon-
kaven, Margo axillaris, und einen oberen, verschieden geformten, Margo superior;
letzterer ist der kürzeste. Die Ränder stoßen in drei Winkeln zusammen, Angulus
inferior, medialis und lateralis. Die vordere Fläche, Facies costalis, ist den
Rippen, die hintere, Facies dorsalis, ist der Rückenoberfläche zugekehrt. Mit
dem Rumpf ist es nur durch einen ausgedehnten Muskelapparat zusammengehalten,
dessen ganzes Verhalten die Gestalt und das Relief des Knochens bei den verschiedenen
x) Scapulum, Omoplata.
Schulterblatt. 107
Ticrspecies maßgebend beeinflußt, was man durch vergleichende Betrachtung un-
schwer beweisen kann. Die zahlreichen Muskeln machen das Schulterblatt außerordent-
lich beweglich; seine Bewegungen sind bei mageren Leuten durch die Haut zu sehen,
bei allen zu fühlen. Bei ruhig herabhängenden Armen reicht es von der zweiten bis
zur achten Rippe.
Der verdickte laterale Winkel wird von der leicht konkaven Gelenkpfanne für
den Oberarm, Cavitas glenoidalis, eingenommen. Sie ist von birnförmiger Ge-
stalt, ist jedoch an ihrem vorderen Rand ein wenig ausgeschnitten. Sie setzt sich
durch eine ringsum laufende Einziehung, den Hals, Collum scapulae, vom übrigen
Knochen ab. Von einer Rauhigkeit am oberen Rand der Gelenkgrube, Tuberositas
supraglcnoidalis, entspringt der lange Kopf des M. bieeps, von einem etwas größeren
Höcker, Tuberositas infraglenoidalis 1), der lange Kopf des M. trieeps. Geht
man nun den Rändern und Winkeln des Knochens von der Gelenkpfanne aus nach,
dann stößt man unmittelbar neben der Tuberositas supraglenoidalis auf die Wurzel
des Hakenfortsatzes, Processus coraeoideus 2). Derselbe erhebt sich platt mit
einer hinteren und vorderen Fläche vom oberen Rand und sieht aus, als habe man
ihn nach vorne umgebogen und spiralig um seine eigene Achse gedreht, so daß sich
dann die hintere Fläche nach oben, die vordere nach unten wendet. Seine Spitze
ist abgerundet und läßt sich bei sehr mageren Personen unter dem Schlüsselbein durch
die Haut fühlen. Es heften sich sehr feste Bänder an ihn an, an seine Spitze auch
Muskeln und zwar der kurze Kopf des M. bieeps, M. coracobrachialis, M. pectoralis
minor. Dicht an der Wurzel des Processus coraeoideus und medianwärts von ihr ist
der obere Rand mehr oder weniger tief ausgeschnitten, Incisura scapulae (163),
um Nerven und Gefäße auf die dorsale Fläche des Schulterblattes passieren zu lassen.
Neben der Incisur entspringt der M. omohyoideus vom oberen Rand. Dieser letztere
ist im weiteren mehr oder weniger konkav gestaltet, je nachdem der mediale Winkel
stärker oder schwächer nach oben ausgezogen ist. Der vertebrale Rand ist leicht
konvex, er dient ganz oben dem M. levator scapulae und an ihn anschließend den
Min. rhomboidei zum Ansatz. Der untere Winkel ist abgerundet und nicht selten
in eine lateralwärts gerichtete platte Zacke ausgezogen. An ihm entspringt der M.
trres major. Der laterale Rand erhebt sich zu einer niederen scharfen Kante, hinter
welcher der M. teres minor entspringt. Verfolgt man diesen Rand nach oben, dann
gelangt man zuletzt auf die erwähnte Tuberositas infraglenoidalis.
Die leicht konkave vordere Fläche des Schulterblattes (163) wird als Fossa sub-
scapularis bezeichnet. Sie trägt mehrere gegen den Condvlus konvergierende, blatt-
rippenartige Leisten, von welchen die Sehnenstreifen des M. subscapularis ausgehen.
Am medialen Rand der Fläche zieht sich eine ganz schmale Furche hin. welche sich
sowohl oben, wie unten zu einem planen dreiseitigen Feld verbreitert: Insertions-
linie des M. serratus anterior.
Aus der hinteren konvexen Fläche des Schulterblattes erhebt sich die Spina
scapulae, durch welche sie in ein kleineres oberes und ein größeres unteres Feld
geteilt wird: Fossa supraspinata und in I ras pi na t a . in welchen die gleichnamigen
Muskeln liegen (162). Die Spina bildet eine Platte, welche am vertebralen Rand niedei
beginnl und nach dem axillaren Rand hin immer höher wird. Ihr Ansatz geht
an der Grenze des obersten und zweiten Viertels vom vertebralen Rande aus und
') Tuberculum supraglenoidale und infraglenoidale.
-) xo'(Krj Rabe, rabenschnabelähnliche, hakenförmige Krümmung.
108 Schulterblatt.
erstreckt sich sehr wenig aufsteigend bis zum Hals in der Höhe der Mitte der Gelenk-
pfanne hin. Die Platte ist schräg aufwärts gebogen, woher es kommt, daß die Fossa
supraspinata tief, die Fossa infraspinata flach erscheint. Der freie Rand der Spina
ist verdickt; er beginnt mit einem dreiseitig verbreiterten Feld an dem Margo verte-
bralis, wulstet sich dann, verdünnt sich gegenüber dem Processus coracoideus wieder
etwas und zieht sich an seinem lateralen Ende in einen platten Fortsatz, Acromion1),
aus, welcher sich über dem Schultergelenk nach vorne umbiegt. An der medialen
Kante seiner Spitze trägt er eine ebene elliptische Gelenkfläche, Facies articularis
acromii {163), zur Artikulation mit dem acromialen Ende des Schlüsselbeines. Von
oben her setzt sich an den Rand der Spina und das Acromion der M. trapezius an,
nach unten entspringt von ihm der M. deltoideus. Die eigentliche Kante liegt frei
unter der Haut.
Das Periost des Schulterblattes ist überall, wo Muskelsehnen in dasselbe ein-
strahlen, kräftig. Außerdem sind sehnenglänzende Züge in dasselbe eingelagert und
zwar an der Spina und am Processus coracoideus. Die ernährenden Arterien betreten
den Knochen in der Gegend des Halses.
Entwickelung (262,263). Die Verknöcherung des knorpelig angelegten Schulterblattes
beginnt im dritten Fetalmonat mit dem Auftreten eines Kernes in der Gegend neben dem Collum
scapulae. Von ihm aus verbreitet sich die Knochensubstanz über die Fläche des Schulterblattes
und in die Spina hinein. Das Schulterblatt des Neugeborenen ist in ansehnlichen Strecken noch
knorpelig. Bald nach der Geburt tritt im Proc. coracoideus, entsprechend seiner besonderen Be-
deutung, ein selbständiger Kern auf, der im 16. bis 18. Jahr mit der Scapula verschmilzt. Diese
Epiphyse umfaßt nicht nur den Processus coracoideus, sondern auch noch das obere Ende der
Pfanne des Schultergelenkes. Epiphysäre Kerne findet man an der Spitze des Schulterhakens
(Auftreten 16., Verschmelzung 17. Jahr), und an dessen oberer Ecke (Auftreten 16., Verschmelzung
20. Jahr). Im 14. bis 15. Jahr verbindet sich mit der Basis des Schulterhakens ein Kern, der im
oberen, dem Ursprung der Bicepssehne entsprechenden Teil des Condylus entstanden war. Im
unteren Winkel tritt um die Pubertätsentwickelung ein Kern auf, der sich nach den anstoßenden
Rändern fortsetzt und bald mit dem Hauptknochen verschmilzt. Auch der Rand des Schulter-
kammes besitzt zeitweilig eine Epiphyse. Das Acromion endlich läßt zwei Knochenkerne ent-
stehen. Der mehr nach der Spina hin gelegene erscheint zuerst um die Zeit der Pubertätsent-
wickelung; der nach der Spitze zu gelegene tritt ein bis zwei Jahre später auf. Die beiden Kerne
verschmelzen miteinander und um das 20. Jahr schließt sich auch die Naht, welche das Acromion
von der Spina trennt (M.).
Varietäten. Die Synchondrose zwischen Spina scapulae und Acromion erhält sich
zuweilen über die normale Zeit hinaus, kann sich selbst zu einem Gelenk umwandeln. —
Unterhalb des Condylus trifft man nicht selten am lateralen Rand und an der hinteren Fläche
einen rinnenförmigen Eindruck für die A. circumflexa scapulae. Ein konkaver vertebraler Rand
des Schulterblattes ist anomal (Graves 1910).
Praktische Bemerkungen. Die große Beweglichkeit des Schulterblattes erlaubt es,
daß sich dasselbe liebt und senkt, nach der Wirbelsäule hin und nach vorne verschiebt und daß
es um eine sagittale Achse rotiert. Seine therapeutische Fixierung ist deshalb schwieriger als
bei vielen anderen Knochen. Eine Betastung des Schulterblattes ist in großer Ausdehnung mög-
lich. Acromion und Spina sind in ihrer ganzen Länge befühlbar, auch den vertebralen Rand und
den unteren Winkel kann man bei gewissen Stellungen geradezu umgreifen. Der axillare Rand
wird immer undeutlicher, je mehr man sich dem Schultergelenk nähert und der obere Rand ist
unter dem M. trapezius ganz versteckt. Die exponierte Lage der Spina verschuldet es, daß auf
ihr Decubitus entstehen kann.
Wegen der großen Dünne des Schulterblattkörpers ist es möglich, den Knochen mit einem
kräftigen Messer zu durchschneiden oder zu durchstoßen. Frakturen halten sich im allgemeinen
nicht an einen bestimmten Verlauf, sie sind ganz von Art und Richtung der einwirkenden Gewalt
x) äy.Qog höchste Stelle, d>/.ios Schulter.
Schlüsselbein. 109
abhängig. Bricht der Condylus ab, was jedoch nur sehr selten vorkommt, dann geschieht dies
stets im Verein mit dem Processus coraeoideus. Dies hat den Chirurgen Veranlassung gegeben,
von dem Collum anatomicum ein Collum chirurgicum zu unterscheiden, welches eben den Proc.
coraeoideus mit umfaßt. Epiphysenlösungen dieser Gegend trennen nicht nur den Hakenfortsatz
ab, sondern auch noch den obersten Teil der Gelenkgrube, sie liegen also in ihrem unteren Teil
mirakapsulär. Isolierte Brüche des Proc. coraeoideus kommen seiner versteckten Lage wegen
kaum vor, sie sind immer von anderen Verletzungen in der Umgebung begleitet. Am unteren
Pfannenrand werden ebenfalls selten Absprengungen beobachtet, welche dann inrrakapsulär
verlaufen. Sowohl die Spina, wie auch das Acromion kann brechen. Frakturen des letzteren
können durch die Epiphysengrenze, noch leichter durch ein Acromialgelenk vorgetäuscht werden.
ß) Schlüsselbein; Clavicula1).
Das Schlüsselbein ist kein Teil des primären Schultcrgürtels ; die auch beim
Menschen bestehende Ausbildung wird, wie oben (S. 106) bemerkt wurde, vielmehr erst
nach mehrfachen Umformungen der ganzen Gegend erreicht. Durch die Herkunft
des Schlüsselbeines erklärt es sich auch, daß sein dorsales Ende mit der Gelenkpfanne
für den Oberannknochen nicht in Zusammenhang steht, sondern sich an das Acromion
des Schulterblattes anlegt. Sein ventrales Ende ist in die Incisura clavicularis des
Brustbeines eingelenkt. Die Lage des Knochens ist eine schiefe, von vorne unten
und medial nach hinten oben und lateral gerichtet. Dabei ist es in der Art S-förmig
gestaltet, daß seine größere mediale Hälfte nach vorne konvex, seine kleinere laterale
nach vorne konkav gekrümmt ist. Gewöhnlich ist das rechte Schlüsselbein starker
gekrümmt, als das linke, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, daß der rechte
Arm mehr gebraucht wird, als der linke und meist kräftiger ist, als dieser. Man findet
überhaupt, daß bei Leuten, welche manuell stark arbeiten, die Krümmungen stärker
ausgesprochen sind. Um vom Brustbein zum Acromion zu kommen, übersehreitet
das Schlüsselbein schräg die erste Rippe, welcher es sehr nahe kommt. Die Weich-
teile, welche zwischen beiden verlaufen, können bei geeigneter Bewegung der Clavicula
und des Thorax geklemmt werden.
Das Schlüsselbein liegt dicht unter der Haut und ist am Lebenden, wenn sein
Fettpolster nicht allzu stark ist, stets zu sehen. Der mediale Teil des Knochens ist
dreiseitig prismatisch; er endet mit der verdickten Extremitas sternalis, welche
eine ebenfalls dreiseitige oder mehr rundliche, flach gehöhlte Gelenkfläche, Facies
articularis sternalis, trägt (166). Der laterale Teil ist abgeplattet bis zu seinem
Ende, Extremitas acrpmialis. Dieses trägt an seiner Spitze eine flache ellip-
tische Gelenkfläche, Facies articularis acromialis (165). Die obere Fläche des
Knochens ist glatt, die untere mit zwei Rauhigkeiten versehen, einer Tuberositas
costalis am sternalen Ende, an welche sich das Lig. costoclaviculare anheftet.
und einer Tuberositas coracoi'dea am acromialen Ende für den Ansatz der
Ligg. corae<M lavieularia (166). Mine seichte Furche zwischen beiden Rauhigkeiten
dient dein M. subclavius zur Anheftung. Die anderen, meist großen und kräftigen
Muskeln, welche sieh am Schlüsselbein anheften, beeinflussen dessen Oberflächenreliel
nur wenig oder gar nicht, es sind dies die Mm. sternocleidomastoideus, pectoralis
major, deltoideus, trapezius, sternohyoideus.
Das Schlüsselbein ist zwar nach Art eine-, Röhrenknochens gebaut, doch birgl
es im Inneren meist keinen Markkanal, sondern spongiöse Knochensubstanz. Die
kompakte Rinde ist an der konkaven Seite der Krümmungen dicker, als an der kon-
M Clavis, Schlüssel; Stab /um Reifschlägen; mittelält. rürklinke.
110 Bandapparat des Schultergürtels.
vexen. Ein Ernährungsloch findet sich in der Mitte der Länge des Knochens in der
Furche für den M. subclavius. Das Periost ist dick, es wird durch einstrahlende Muskel-
sehnen verstärkt.
Entwickelung. Das Schlüsselbein ist der erste Knochen des Rumpfes, welcher ver-
knöchert; in der siebenten Fetalwoche erscheint in seiner Mitte ein aus zwei Anfängen zusammen-
fließender Knochenkern; er tritt in einem Gewebe auf, welches von den einen für prochondral,
von den anderen für bindegewebig angesehen wird. Zu beiden Seiten des Kernes verwandelt
sich dieses Gewebe in echten Knorpel. Im 15. bis 20. Jahr erscheint am Sternalende eine Epi-
physenplatte, welche sich einige Jahre später mit dem Körper verbindet.
Varietäten. ■ Das Schlüsselbein kann Entwickelungshemmungen bis zum vollständigen
Fehlen unterliegen (Dyostosis cleidocranialis. S. 103).
Praktische Bemerkungen. Brüche des Schlüsselbeines kommen wegen der expo-
nierten Lage des Knochens häufig vor, besonders ist das mittlere Drittel zwischen den Anheftungen
des M. pectoralis einerseits, des M. trapezius und deltoideus andererseits solchen ausgesetzt; die
nach vorne konvexe Krümmung des medialen Teiles bringt es mit sich, daß sie meist dem sternalen
Ende näher liegen, als dem acromialen. Bleibt das kräftige Periost erhalten, dann tritt eine Dis-
lokation der Bruchenden nicht ein, ist es zerrissen, dann kann der Zug der zahlreichen am Schlüssel-
bein befestigten Muskeln mehr oder weniger beträchtliche Verschiebungen der Bruchenden ver-
anlassen. Besonders stark tritt dies bei Brüchen des acromialen Endes hervor, bei welchen der
Zug des M. trapezius die Extremitas acromialis steil aufrichten kann. Die Muskeln sind so kräftig,
daß ihre übermäßig starke Anspannung hie und da allein genügt, um ein graziles Schlüsselbein
zu brechen.
y) Bandapparat des Schultergürtels.
1. Ligamenta propria scapulae.
Ligamentum transversum scapulae superius (171). Straffes und plattes
Band, welches die Incisura scapulae überbrückt und sie dadurch in ein Loch um-
wandelt. In der Regel besteht es aus zwei Abteilungen, zwischen welchen der N.
suprascapularis, von einer Vene begleitet, auf die Rückseite des Schulterblattes ge-
langt. Unter ihm liegt eine andere Vene, über ihm verläuft die A. transversa scapulae
nach der Fossa supraspinata (Fick 1904). Das Band neigt zur Verknöcherung.
Ligamentum transversum scapulae inferius (171). Weniger fest gewebte
Bindegewebszüge, die sich über die Rinne am Collum scapulae spannen, durch welche
Fossa supraspinata und infraspinata miteinander in Verbindung stehen. Es bedeckt
die Nerven- und Gefäßäste, welche von der Fossa supraspinata in die Fossa infra-
spinata verlaufen.
Ligamentum coraco-acromiale1) (170). Ein breites, plattes und sehr kräf-
tiges Band, vom vorderen Rande des Acromion zu der diesem zugewandten Kante des
Schulterhakens bis zu dessen Knickungswinkel hin. Es geht nach hinten in die Fascie
der hinteren Schultermuskeln über. Mit seinen beiden Anheftungspunkten bildet
das Band einen Schutzapparat für das Schultergelenk, Fornix humeri genannt.
Es wirkt wie eine Art zweiter erweiterter Pfanne, in welcher sich der Gelenkkopf
mit seiner Kapsel, seinen Höckern und den daran angehefteten Muskeln bewegt. Bei
Gelenkleiden kann das Schultergewölbe für Ausführung der Bewegungen von Be-
deutung werden. Zugleich schützt es das Gelenk gegen Insulten, welche es von oben
treffen, nach Art einer Epaulette. Endlich verhindert das Band eine Hebung des
Oberarmes über die Horizontale hinaus.
J) Ligamentum trianguläre,' L. triquetrum.
Bandapparat des Schultergürtels. 111
2. Gelenke des Schultergiirtels.
Articulatio acromioclavicularis {173). Die beiden Gelenkflächen sind
individuell verschieden geformt und verschieden groß. Bei kräftigen Leuten pflegen sie
größer zu sein, als bei schwächlichen (Fick). Die Artikulationsebene ist annähernd
sagittal und entweder rein vertikal gestellt, oder auch in der Art schräg, daß das
Schlüsselbein das Acromion etwas überragt. Der Binnenraum enthält eine keilförmig
gestaltete, faserknorpelige Masse, in welcher individuell sehr verschiedene Spalt' -n
auftreten. Bald ist eine ganz einfache vorhanden, bald teilt sie sich nach oben oder
nach unten, bald findet man zwei völlig voneinander getrennte Spalten. Die Kapsel
i^t schlaff, sie wird oben durch starke, unten durch etwas weniger kräftige Bänder-
züge verstärkt. Die Arterien werden vom Rete acromiale geliefert, die Nerven
stammen von den Nn. thoracales ant., dem N. suprascapularis und axillaris (Fick).
Articulatio sternoclavicularis (82,169). Die mit einer dicken Faserknorpel-
schichte überzogenen Gelenkflächen von Brust- und Schlüsselbein erscheinen sattelförmig
oder mehr eben. Sie sind jedoch individuell sehr verschieden gestaltet und sind in-
kongruent. Die Inkongruenz wird durch einen Discus articularis ausgeglichen,
welcher das Gelenk zu einem zweikammerigen macht. Er ist ringsum mit der Kapsel
verwachsen und zeigt sich oben auch mit dem Schlüsselbein in fester Verbindung.
Die Bandscheibe wird von Gegenbaur als Rudiment eines Os epistemale gedeutet,
welches bei vielen Säugern zwischen Schlüssel- und Brustbein eingeschaltet ist. Die
schlaffe Kapsel ist dickwandig und wird durch darüber hinziehende Bänder verstärkt ;
ihre schwächste Stelle ist die vordere untere Ecke des Gelenkes, hier stülpt sie sich auch
bei pathologischen Ergüssen hernienartig aus. Arterien des Gelenkes aus A. mammaria
interna, Nerven von den medialsten Zweigen der Nn. supraclaviculares (Fick).
3. Hilfsbänder des Schultergürtels.
Das Schulterblatt entbehrt eines durch Bänder hergestellten Zusammenhanges
mit dem Rumpf vollständig, es ist mit ihm lediglich durch Muskeln verbunden, wo-
durch die große Beweglichkeit gewährleistet wird, welche dem Gürtel und der oberen
Extremität im ganzen zukommt. Die vorhandenen Bänder versichern nur die
Gelenkverbindungen an den beiden Enden des Schlüsselbeines.
Das acromiale Ende liegt etwa i cm über dem Schulterhaken, von welchem
aus das Ligamentum coracoclaviculare1) (170) zur Tuberositas coraeoidea des
Schlüsselbeines aufsteigt. ' Es besteht aus zwei Abteilungen, einer lateral vorderen,
Ligamentum trapezoideum, und einer medial hinteren, Ligamentum conoideum.
Zwischen beiden gelangt der M. subclavius an seine Schlüsselbeininsertion. Das
Ligamentum trapezoideum ist platt und wendet sieh vom Schnabelfortsatz aus schräg
aufwärts, um zu seiner Insertion zu gelangen. Das Ligamentum conoideum breitet
sieh gegen seine Insertion am Schlüsselbein fächerförmig aus. Zwischen beiden findet
man meist einen Schleimbeutel; auch können die Bänderzüge, welche jedes derselben
zusammensetzen, sich in zwei Teile trennen, zwischen welchen dann ebenfalls kleine
Schleimbeute] eingeschaltel sind; heim Ligamentum trapezoideum is1 dies jn etwa zwei
Drittel der Fälle zu beobachten, beim Ligamentum conoideum seltener. Nähert
sieh das Schlüsselbein dem Schulterhaken durch Ausbildung einer kleinen Erhöhung
an seiner Unterseite bedeutend, dann kann sieh der zwischen beiden Bändern befind-
liche Schleimbeute] zu einem richtigen Gelenk ausbilden.
') Ligamentum coracoclaviculare posterius.
112 Bandapparat des Schultergürtels.
Das Ligamentum coracoclaviculare anterius (Henle) (170a) ist ein
dünner, aber fester, straffer und sehnig glänzender Bandstreifen, welcher von der
Spitze des Schulterhakens schräg medial aufwärts zur Unterfläche des Schlüssel-
beines zieht. Sein claviculares Ende ist in die Fascie des M. subclavius eingewebt.
Die Bänder am sternalen Ende des Schlüsselbeines sind ganz besonders kräftig,
da sie beim Aufhängen des Körpers an den Armen dessen Last im wesentlichen zu
tragen haben. Die Vorderseite wie die Rückseite der Kapsel des Sternoclavicular-
gelenkes wird von derben, straffen und kurzen Faserbündeln bedeckt, welche sich
zwischen dem Schlüsselbeinende einerseits, dem Brustbein und der ersten Rippe
andererseits ausspannen, Ligamentum sternoclaviculare anterius und poste-
rius. Unmittelbar an die obersten Züge derselben schließen sich solche an, welche
über die Incisura sterni hin die Sternalenden der beiden Schlüsselbeine miteinander
verbinden, Ligamentum interclaviculare (169). Die Ausbildung dieses Bandes
ist individuell sehr verschieden. Spannt es sich bei einer Senkung der Schlüsselbeine
an, dann kann man bei kräftiger Entwickelung seinen oberen Rand in der Drossel-
grube durch die Haut fühlen.
Das Lig. costoclaviculare besteht aus kräftigen, schräg von der ersten Rippe
zum Schlüsselbein aufsteigenden Fasern. Sie füllen den Winkel zwischen Rippe
und Schlüsselbein aus und reichen medianwärts an die Gelenkkapsel (169). Die Ur-
sprungssehne des M. subclavius liegt auf der Vorderfläche des Bandes; mit dem
lateralen Rande grenzt es unmittelbar an die V. subclavia. Inmitten des aus zwei
getrennten Lagen bestehenden Bandes liegt ein konstanter Schleimbeutel (Poirier)
(M.-H.).
Die Bewegungen des Schultergürtels werden in erster Linie im Dienste der freien
Extremität ausgeführt, doch können sie sich auch ganz selbständig abspielen. ,,Der
Schultergürtel ist so organisiert, daß das Schulterblatt unter sicherer Führung durch
das Schlüsselbein sehr leicht die verschiedensten Stellungen einnehmen kann" (H.
Meyer). Die Bewegungen gehen vom Sternoclaviculargelenk aus, welches die Fixie-
rung des Gürtels am Rumpf vermittelt. Von ihm aus übertragen sie sich auf das
Acromioclaviculargelenk und damit auf das Schulterblatt. Der Ausschlag ist natür-
lich am Brustbeinende des Schlüsselbeines am geringsten, während das Schulterblatt
beträchtliche Exkursionen auszuführen vermag, was sich bei mageren Personen direkt
durch die Haut wahrnehmen läßt. Ein aufmerksamer Beobachter kann aber auch
die Bewegungen im Sternoclaviculargelenk nicht übersehen. Dieses ist ein sehr freies
Gelenk, es übertrifft auch die Größe des vom Schlüsselbein gelieferten Gelenkkopfes,
die Ausdehnung der Pfanne am Brustbein nicht unbeträchtlich, wie es bei solchen
Gelenken immer der Fall ist. Man könnte es wohl mit einer Arthrodie vergleichen
(H. Meyer), indem seine Bewegungen um eine horizontale, eine vertikale und eine
in der Länge des Schlüsselbeines selbst liegende Achse ausgeführt werden. Das Acromio-
claviculargelenk unterstützt die Tätigkeit des Sternoclaviculargelenkes auf das beste,
indem es ebenfalls eine allseitige Beweglichkeit gestattet ; am freiesten ist die Drehung
um eine horizontale Achse, welche senkrecht auf den Berührungsflächen steht (H.
Meyer). Die so ausgiebigen Bewegungen des Schulterblattes bestehen in einer Hebung
und Senkung, in einer Verschiebung nach der Wirbelsäule zu und von ihr weg, in einer
Rotation der unteren Spitze lateralwärts und medialwärts und in einer Rotation
um eine vertikale Achse, welche den vertebralen Rand vom Rumpf abhebt oder
ihm nähert.
Freie Extremität. Oberarmbein. 113
Die starken Hilfsbänder haben die freie Extremität zu tragen und die Bewegungen
des Gürtels zu hemmen und zu regeln. Das Lig. coracoclaviculare trägt bei ruhiger,
aufrechter Haltung den Arm allein, ohne daß das Acromioclaviculargelenk in An-
spruch genommen wird (Mollier 1899). Seine beiden Abteilungen wirken zum Teil
verschieden ; das Lig. trapezoideum beschränkt die Schulterblattbewegung nach vorn,
das Lig. conoidcum nach hinten, das erstere spannt sich beim Drängen de* Armes nach
innen, das letztere beim Drängen der Schulter nach hinten. Das Lig. coraco-claviculare
anterius wird beim Auswärtsziehen des Armes angespannt.
Was die Bänder um das Sternoclaviculargelenk anlangt, so hemmt das Lig.
sternoclaviculare die Vor- und Rückwärtsbewegung, das Lig. interclaviculare die
Senkung, das Lig. costoclaviculare ebenfalls die Vor- und Rückwärtsbewegung, sowie
die Erhebung des sternalen Schlüsselbeinendes (Fick).
Varietäten. Das oben (S. 108) erwähnte Acromialgelenk kann ein wohl ausgebildetes
Gelenk oder auch ein Halbgelenk sein. Ist es vorhanden, dann erhält es sich bis ins höchste
Alter. Bei älteren Männern liegt nach Fick das laterale Schlüsselbeinende öfters höher, als
das Acromion; man darf das nicht für eine Subluxation halten. Im Lig. costoclaviculare kann
sich eine gelenkartige Spalte ausbilden.
Praktische Bemerkungen. Trotz seiner unter normalen Verhältnissen großen In-
anspruchnahme des Schlüsselbeines und seiner Gelenke ist es doch für den zweckdienlichen Ge-
brauch der oberen Extremität nicht absolut nötig, wie die Fälle von Hultkranz (S. 110) beweisen,
in welchen bei fast vollständigem Fehlen die Arbeitsfähigkeit kaum gestört war. Luxationen
am acromialen Ende des Schlüsselbeines vollziehen sich so, daß sich dasselbe über das Acromion
schiebt, was den Verhältnissen des Gelenkes und des Bandapparates durchaus entspricht, Luxa-
tionen nach unten sind überaus selten. Bei Verrenkungen am sternalen Ende des Schlüsselbeines
pflegt die Bandscheibe mit dem Schlüsselbein in Zusammenhang zu bleiben, da sie mit ihm, wie
oben erwähnt wurde, in fester Verbindung steht. Das Schlüsselbeinende kann nach vorne, nach
hinten und medianwärts luxiert werden. Bei einer Luxation nach hinten können die nahe dem
Gelenk verlaufenden Xn. subclavius, phrenicus und vagus alteriert werden, auch können durch
Druck aul Luft- und Speiseröhre Atem- und Schluckbeschwerden auftreten. Luxationen nach
vorne sind die häufigsten, es reißt bei ihnen die erwähnte schwache Stelle der vorderen Kapsel-
wand ein und läßt den Gelenkkopf austreten. Sie entsteht gewöhnlich durch starkes Zurück-
drängen der Schulter, z. B. bei Fall auf die vorgestreckten Hände, sie kann aber auch bei heftigen
Fortschleudern schwerer Gegenstände eintreten. Fick meint, daß dabei der Gelenkkopf mit
großer Gewalt an die gut versicherte Hinterwand des Gelenkes gepreßt wird, daß er dann nach
vorne ausgleitet und die schwache Stelle der Kapsel zerreißt. Der starke Bandapparat läßt
I uxationen an den beiden Schlüsselbeingelenken nur in geringer Häufigkeit zustande kommen;
<^ bricht bei einer Gewalteinwirkung der Knochen meist eher, als eine Verrenkung eintritt.
b) Freie Extremität.
«) Oberarmbein, Hu mein-.
Da^ Oberarmbein (167, 16S) ist ein schlanker Röhrenknochen, welcher an seinem
proximalen, verdickten Ende .inen Gelenkkopf zur Artikulation mit dem Schulterblatt,
an seinem distalen verbreiterten linde die Gelenkflächen für die Artikulation mit
den beiden rnterarmknoelieii besitzt. Der Sehalt des Knochens ist in der Art gedreht,
daß die Achsen des proximalen und distalen Gelenkendes einen Winkel einschließen,
welcher nach Individualität, Geschlecht und Rasse in weiten Grenzen schwankt.
Bei mitteleuropäischen Rassen betrag! er ro jo°.
Der Gelenkkopf des proximalen lindes, Caput humeri, ist halbkugelig -
staltel ; er wendet sieh median-rückwärts. Begrenzt wird er ringsum von einer furchen-
artigen Einschnürung, dem Hals, Collum humeri (anatomicum), welche ihn von
den beiden Höckern trennt. Der größere dieser letzteren, Tubeieulum majus,
Merkel, Anatomie!!. Skcletlctu. . S
114 Oberarmbein.
ist lateralwärts gerichtet. Er besitzt drei Facetten, an deren hinterste und zugleich
oberste sich der M. supraspinatus anheftet. An die mittlere, welche die größte ist,
gelangt der M. infraspinatus, an die vorderste und unterste der M. teres minor. Das
Tuberculum minus sieht nach vorn, es dient dem M. subscapularis zur Insertion.
Die beiden Höcker werden durch eine im oberen Teil überknorpelte Rinne voneinander
getrennt, Sulcus intertubercularis, in welcher die Sehne des langen Bicepskopf es
gleitet. Von jedem der Höcker geht eine Kante distalwärts ab, welche auf dem Schaft
bald verschwindet, Crista tuberculi majoris und minoris1). Erstere endigt
mit einer Rauhigkeit für den Ansatz des M. pectoralis major, letztere mit einer eben-
solchen zur Anheftung des M. latissimus dorsi und teres major.
Die Gegend unter den Höckern, wo sich der Knochen rasch zum Schaft ver-
jüngt, wird von den Praktikern als Collum chirurgicum bezeichnet. Der chirur-
gische Hals ist jedoch keine anatomisch scharf bestimmbare Stelle.
Das Mittelstück, Corpus humeri, ist in seinem proximalen Teil mehr zylindrisch,
gegen sein distales Ende plattet es sich ab. Es zeigt etwa in der Mitte seiner Länge
unter der Crista tuberculi majoris eine rauhe Fläche, Tuberositas deltoidea, zur
Anheftung des gleichnamigen Muskels, unter der Crista tuberculi minoris, aber etwas
mehr proximal gelegen, eine schwächere Rauhigkeit, die Insertionsstelle des M. coraco-
brachialis. Unmittelbar unter der Deltoideusrauhigkeit stößt man auf eine flache
Furche, welche sich in spiraligem Verlauf von der Rückseite her über die laterale
Seite des Knochens nach vorn zieht, in welcher der Radialnerv herabzieht, Sulcus
n. radialis.
Das verbreiterte distale Ende des Oberarmbeines läuft in den aus Trochlea
und Capitulum bestehenden Gelenkteil aus, wobei sich der Knochen im ganzen etwas
nach vorne krümmt. Die Trochlea ist zur Artikulation mit der Ulna, das Capitulum
zur Artikulation mit dem Radius bestimmt. Die erstere besitzt die Gestalt eines
Doppelkegels, dessen abgestumpfte Spitzen miteinander zusammenstoßen. Der
radial gelegene Kegel ist kürzer, etwa 8 mm lang und ist gegen das Capitulum durch
eine Rinne abgesetzt, der ulnare ist etwa 14 mm lang und zeigt eine schief abgeschnittene
Basis. Eine Hohlkehle in der Mitte des Doppelkegels bildet die Führungslinie für
eine entsprechende Firste der Gelenkfläche der Ulna. Die Längsachse der Trochlea
ist nach der ulnaren Seite schräg abwärts gerichtet. Das rundliche Capitulum ist
nur auf der Vorder- und Unterseite des Gelenkteües ausgebildet, es erreicht die Rück-
seite nicht.
Oberhalb der Trochlea findet man vorne wie hinten eine tiefe Grube, die erstere,
Fossa coronoidea2), hat bei der Beugung im EUbogengelenk den Processus coro-
noideus der Ulna aufzunehmen, die letztere, Fossa olecrani3), bei der Streckung das
Olecranon desselben Knochens. Die den Grund beider Gruben trennende Knochen-
schichte ist sehr dünn, oft durchscheinend; sie kann sogar durchbrochen sein, so daß
die beiden Gruben durch ein Loch (Foramen supracondyloideum) miteinander
in Verbindung stehen (Tierähnlichkeit). Oberhalb des Capitulum findet sich, jedoch
nur an der Vorderseite, eine seichte Vertiefung, Fossa radialis4), in welche sich
bei der Beugung das Radiusköpfchen legt.
x) Spina tuberculi maj. und min.
2) Fossa anterior major.
3) Fossa posterior.
4) Fossa anterior minor.
Oberarmbein. 115
Der Gelcnkteil wird zu beiden Seiten von Vorsprüngen flankiert, in welche
die beiden erwähnten seitlichen Kanten des Schaftes übergehen, Epicondylus late-
ralis und medialis. Der erstere ist kleiner, er läßt die Muskeln der Streckseite des
Unterarmes entspringen, der letztere erheblich größer, für den Ursprung der Muskeln
der Beugeseite des Unterarmes bestimmt. In einer Furche an der Rückseite des
Epicondylus medialis, Sulcus n. ulnaris, verläuft der X. ulnaris.
Der Schaft des Humerus ist allenthalben von Weichteilen umschlossen, auch
sein proximales Ende ist von solchen bedeckt, während das distale Ende zu beiden
Seiten einer manuellen Untersuchung zugänglich ist.
Das Oberarmbein ist, wie erwähnt, ein typischer Röhrenknochen mit einem
verdickten proximalen und distalen Ende.' Die kompakte Knochensubstanz der
Röhrenwand ist proximal am regelmäßigsten und dünnsten: distalwärts wird sie
kräftiger und erhält in der vorderen Kante noch eine Verstärkung. Diese teilt sich
in zwei Balken, welche zu beiden Seiten der Fossa coronoidea bis zur Trochlea herab-
steigen. Im Inneren beherbergt die Röhre beim Erwachsenen gelbes Knochenmark.
Ernährungslöcher findet man in der Nähe der Gelenkenden in größerer Zahl, in der
Mitte des Schaftes, nahe unter dem Ansatz des M. coracobrachialis ein Foramen
nutricium, welches auf oder vor der medialen Kante zu stehen pflegt, aber auch auf die
Rückseite, selbst auf die laterale Kante rücken kann. Der Kanal, welcher von ihm
ausgeht, ist schräg nach dem Ellbogen hin gerichtet. Die A. nutricia wird von der
A. brachialis oder von der A. profunda brachii oder von einem Ast derselben abgegeben.
Auf ihrem Weg durchsetzt sie die Sehne des M. coracobrachialis. Das Periost ist
dick und stark, es adhäriert den zahlreichen Rauhigkeiten und Vorsprüngen fester
als den glatten Flächen, von welchen es leichter ablösbar ist.
Ent wickclung (264, 265). In der achten Woche erscheint der Kern der Diaphyse in
deren Mitte. Zur Zeit der Geburt hat sich die Ossifikation so weit ausgedehnt, daß nur die
Enden des Armbeines noch vollständig knorpelig sind. Die Verknöcherung des Kopfes beginnt
um die Zeit der Geburt; am Schluß des ersten Jahres erscheint ein Kern im Tuberculum majus,
fünf bis sechs Wochen später ein solcher im Tub. minus. Das Auftreten dieser sämtlichen
Epiphysenkerne kann sich zuweilen verfrühen oder verzögern. Sic verwachsen um das Kndc des
vierten Lebensjahres. Hie Verwachsung zwischen Diaphvse und Epiphyse trifft in das 20. bis
22. Lebensjahr. Am unteren Ende des Armbeines geht beim Neugeborenen die Grenze zwischen
Knochen und Knorpel quer durch die Fossa olecrani und die Gegend der noch nicht ausgebildeten
vorderen Gruben. Es entstehen folgende Epiphysenkerne: 1. im Capitulum erstes bis zweites
Lebensjahr; J. im medialen, dann 3. im lateralen Epicondylus achtes bis zwölftes Jahr; 4. in der
Trochlea neuntes bis zehntes Jahr; Verschmelzung von eins und drei bald nach der Entstehung
von drei; von eins und vier im i|. bis 15. Jahr. Die Gesamtepiphyse verschmilzt mit der Diaphyse
im 15. bis 17. Jahre; z erst im iS. Jahr (M.-H.).
\ arietäten, In etwas mehr als 1 "„ der Fälle wird ein Processus supracondvloideus
beobachtet. Kr sitzt etwa lu'iii über dem Kpicnndvlus medialis und ist bei stärkerer Ausbildung
am lebenden durchzufühlen. Er stellt einen von vorn nach hinten plattgedrückten, oft haken-
förmig abwärts gebogenen Fortsatz dar. Von ihm geht ein Band zum Epicondylus med., so daß
eine ovale < Iffnung entsteht. An dem Band entspringt der M. pronator teres. Bei manchen Saugern
besteht ein ringsum knöchern geschlossene! ( analis epicondyloideus; ein solcher wird in seltenen
ballen auch beim Menschen gefunden (hwight [904) (M.). Schwegel sah den Sulcus inter-
tubercularis von einer ECnochenleiste überbrückt.
Praktische Bemerkungen, hie Kpiphysen des jugendlichen Oberarmbeines können
sieh ablösen, was dann Wachstumsstörungen im Gefolge hat, natürlich um so schwerere, je jünger
das geschädigte Individuum ist. Eine wahrend der Geburt entstandene l'reunung der proxi-
malen Epiphyse hat eine starke Verkürzung des l iberanncs zur Kok.- Krakturen kennen an den
verschiedensten Stellen entstehen, doch bihlil die härtere und sprödere Compacta 1111 allgemeinen
leichter, als die weichere Spongiosa. Ks kommen Brüche vor am anatomischen Hals (sehr selten),
8»
116 Schultergelenk.
dann in der Höhe der Tubercula, ferner unterhalb derselben am chirurgischen Hals (häufig).
Das Mittelstück kann bald höher, bald tiefer abbrechen; dabei kann der N. radialis, der dem
Knochen dicht anliegt, geschädigt werden. Durch Zerreißen der A. nutricia kann eine bedeutende
Blutung entstehen. Das kompliziert gebaute distale Ende ist sehr verschieden verlaufenden
Frakturen ausgesetzt. Es kann ein Querbruch über den Epicondylen durchlaufen, es kann auch
das Gelenkende allein abgebrochen sein. Schrägbrüche können lateral Epicondylus und Capi-
tulum abtrennen, medial Epicondylus und Trochlea (häufig). Auch Längsbrüche kommen vor;
er geht dann neben einer der erwähnten Knochenverstärkungen und am Angulus anterior ent-
lang nach oben. Endlich können auch die einzelnen Apophysen isoliert abbrechen, die beiden
Tubercula (selten, besonders Tub. minus), die beiden Epicondylen (medialis häufig, lateralis
sehr selten). Bei Brüchen im Bereich des Sulcus n. ulnaris kann natürlich auch dieser Nerv in
Mitleidenschaft gezogen werden. Dislokationen können (abgesehen von den durch Gewaltein-
wirkung hervorgerufenen) durch den Zug der am Oberarm angehefteten Muskeln entstehen, in
geeigneten Fällen können sie umgekehrt aber auch durch Muskelzug hintangehalten werden.
c) Schultergelenk, Articulatio humeri.
Das Schultergelenk ist die freieste Arthrodie des menschlichen Körpers, in ihm
kann der Arm in sagittaler Ebene in Pendelbewegung versetzt werden, er kann in
transversaler Richtung gehoben und gesenkt werden, er kann um seine eigene Längs-
achse rotiert werden. Durch Kombination der Einzelbewegungen kann der Arm
die allerverschiedensten Stellungen einnehmen. Um die Tätigkeit des Gelenkes zu
einer so freien zu machen, ist der Gelenkkopf groß, die Pfanne klein, sie verhalten
sich wie 6 : i.
An einem Oberarmbein mittlerer Größe ist der Gelenkkopf ein Kugelabschnitt
mit einem Radius von etwa 2,5 cm Länge; die Wölbung der Pfanne ist der des Kopfes
kongruent. Kleine Abweichungen von der mathematischen Form, wie sie bei jedem
Gelenk vorkommen, werden durch die Elastizität des Gelenkknorpels ausgeglichen.
Der Knorpel überzieht den Kopf bis zum Hals hin, seine Dicke ist in der Mitte am
größten; in der Pfanne ist das Umgekehrte der Fall.
Eine fibröse Gelenklippe, Labrum glenoidale1) (172, 173), vergrößert die
Pfanne, sie ist bis zu 3 mm breit, was eine ansehnliche Vergrößerung derselben be-
deutet. Am oberen Rand der Gelenklippe entspringt die Sehne des langen Biceps-
kopfes meist mit zwei getrennten Zipfeln. Sie verläuft frei durch das Gelenk (172).
Diese auffallende Tatsache erklärt sich durch Einwanderung der ursprünglich außer-
halb des Gelenkes gelegenen Sehne, wo sie bei einer Reihe von Säugetieren zeitlebens
verharrt. Bei anderen kann man verfolgen, wie sie immer weiter eindringt (Welcker
1878). Auch beim menschlichen Embryo liegt die Sehne anfänglich noch in der Kapsel-
wand, dann ist sie von einer mesenteriumartigen Platte derselben umschlossen, welche
sich selbst manchmal unvollständig noch beim Erwachsenen erhält.
Die Kapsel geht am Schulterblatt von dem scharfen Rand der Gelenklippe aus,
nur oben reicht ihr Ansatz hinter die Bicepssehne zurück und die Kapsel entspringt
dort von der Wurzel des Processus coracoideus. Am Armbein ist sie an dessen anatomi-
schen Hals angeheftet, nur am unteren Umfang biegt sie aus und zeigt dort eine düten-
förmige Verlängerung. Über die aus dem Gelenk austretende Bicepssehne und den
Sulcus intertubercularis spannt sie sich brückenförmig hin. Die Kapsel ist weit und
schlaff, was unerläßlich ist, wenn sie die beträchtlichen und allseitigen Bewegungen,
dessen das Gelenk fähig ist, zulassen soll. An frei präpariertem Gelenk erlaubt es
der weite Kapselschlauch dem Oberarmkopf, sich 2 — 3 cm von der Pfanne zu entfernen,
Limbus cartilagineus.
Schultergelenk. 117
auch im Leben können beide ihren Kontakt verlieren, wenn bei einer Lahmung der
sämtlichen das Schultergelenk umgebenden Muskeln der Arm durch seine eigene
Schwere herabsinkt.
Die Kapsel ist an sich dünn, doch wird sie durch einstrahlende Sehnenfasern
der an den Höckern sich anheftenden Muskeln beträchtlich verstärkt ; auch die Sehne
des langen Kopfes des M. triceps sendet Fasern in die Kapsel. Zwischen den von den
Sehnen der Rotationsmuskeln gelieferten Verstärkungen würde eine Strecke unver-
stärkt bleiben, wenn dort nicht das Ligamentum coracohumerale1) (171) vor-
handen wäre, welches vom lateralen Rand des Processus coracoideus breit in die
obere und hintere Wand der Kapsel ausstrahlt und bis zu den beiden Tubercula ge-
langt. Andere Verstärkungszüge ziehen von der Gelenklippe zum Armbein, man be-
schreibt sie als Ligamenta glenohumeralia (sup., med., inf.). Sie sind von
innen her an der geöffneten Kapsel zu sehen, doch sind sie nicht selten wenig
deutlich ausgebildet. Die schwächste Stelle der Kapsel befindet sich unten und vorne.
Bei den Bewegungen des Gelenkes legt sich die Kapsel an den Stellen, an welchen
sie sich spannt, dem Oberarmkopf glatt an, wo sie entspannt ist, bildet sie immer in
gleicher Weise wiederkehrende Falten, welche durch die Kontraktion der Muskeln
hervorgerufen werden, deren Sehnen mit der Kapsel verwachsen sind.
Von der Höhle des Schultergelenkes gehen zwei Synovialtaschen aus [172). Die
Vagina mueosa intertubercularis ist eine zylindrische Ausstülpung unter der
Sehne des langen Bicepskopfes im Sulcus intertubercularis; ihr blindes abgerundetes
Ende reicht bis zum oberen Rand der Insertion des M. pectoralis -major und latissimus
dorsi herab. Die Bursa mueosa subscapularis wird gedickt von der Sehne des
gleichnamigen Muskels und dringt unter der Wurzel des Proc. coracoideus gegen die
Fossa subscapularis vor. Sie ist von sehr unregelmäßiger Form und Größe. In der
Gelenkhöhle öffnet sie sich mit einer weiten, meist ovalen Mündung. Ein kleinerer
Schleimbeutel, welcher in der Regel über dem eben erwähnten liegt, stellt meist mit
ihm und mit dem Schultergelenk in Verbindung 2).
Die Intima sendet in das Innere der Gelenkhöhle Falten und Zotten hinein.
Rings um den Ursprung der Biccpssehnc stehen Falten, welche sie manschettenartig
umgeben; um den Eingang der Bursa subscapularis stehen zahlreiche feine Zotten,
ebenso an der Insertion der Kapsel am überarm.
Die Arterien des Schultergelenkes stammen von der A. circumflexa humeri
anterior und posterior, von der A. subscapularis und der A. transversa scapulae; die
stärksten gibt die erstgenannte ab. Die Nerven sind Ästchen des X. axillaris für
die andere uud des X. subscapularis für die hintere Kapselwand.
Das Schultergelenk ist sehr gut geschützt; von oben her wird es durch das
Scliultergcwölbe gedeckt, unter welchem Namen man das zwischen Acromion und Pro-
cessus coracoideus ausgespannte Ligamentum coracoacromiale versteht. Von außen her
ist das dicke Polster des M. deltoideus über das Gelenk hingebreitet, so daß man dort
die Bewegungen des Oberarmkopfes nur undeutlich durchfühlt. Vorn und hinten
ziehen über die Gelenkgegend die Rotationsmuskeln. Nur in der Achselhöhle fehlt
ein wirksamer Sehnt/, dort läuft aber über das Gelenk das dicke Bündel der Nerven
und Gefäße, welche in ein reichliches Fettpolster eingelassen sind.
') Ligamentum Suspensorium humeri.
-) Fick nennt ihn Bursa subscapularis und beschreibt den größeren als Bursa sub-
coraeoidea.
118 Unterarmknochen.
Varietäten. Die Gelenklippe zeigt in ihrer Erscheinung mancherlei Variationen. Im
Innern des Gelenkes findet man hie und da ein Band, welches ganz dem Lig. teres femoris ent-
spricht. Es ist wohl ein in das Gelenk eingewandertes Lig. glenohumerale. Aus dem Gelenkraum
können sich außer den genannten noch andere Schleimbeutel ausstülpen, auch können solche,
welche unter den benachbarten Muskeln liegen, mit dem Gelenkraum oder der Bursa subscapu-
laris in Verbindung treten.
Praktische Bemerkungen. Luxationen des Schultergelenkes sind sehr häufig, da
man ja den Arm absichtlich wie unwillkürlich benützt, um einwirkende Gewalten abzuwehren,
wobei die Kapsel leicht übermäßig gedehnt wird und einreißt. Selbst durch starke Kraftanstren-
gung beim Schleudern und ähnlichen Bewegungen können Verrenkungen entstehen. Mir ist ein
Fall bekannt, wo dies beim Säbelfechten vorkam. Am häufigsten ist die Luxation nach vorne, wo
auch die Kapsel am dünnsten ist. Der Gelenkkopf macht dann entweder auf dem Rand des
Schulterblattes Halt, oder gelangt gedeckt vom M. subscapularis in den Raum zwischen Schulter-
blatt und Brustkorb, oder er schiebt sich noch weiter medianwärts auf den Brustkorb herüber.
Auch nach unten kann sich der Gelenkkopf verschieben, sehr selten auch nach hinten. " Ein Aus-
weichen nach oben wird durch die über den Gelenkkopf laufende Bicepssehne und durch Anstoßen
derselben an das Schultergewölbe außerordentlich erschwert. Geschieht es dennoch, dann ist
damit notwendig ein Bruch des Schultergewölbes verbunden. Zur Diagnose hat man das Ge-
lenk sowohl von außen her durch den M. deltoideus zu betasten, wie auch von der Achselhöhle
her, wo man den Oberarmkopf sehr gut fühlen kann. Bei der Verrenkung nach vorne spannt
sich das Lig. coracohumerale sehr stark, gewöhnlich jedoch ohne zu zerreißen. Die umgebenden
Muskeln werden ebenfalls in starke Spannung versetzt, die Nerven in der Achselhöhle und am
chirurgischen Hals des Oberarmes werden gedehnt oder gedrückt, so daß Schmerzen auftreten,
welche bis in die Finger ausstrahlen, Ameisenlaufen, Taubheit, selbst Muskellähmung, besonders
solche des M. deltoideus u. dgl. In den die Nerven begleitenden Gefäßen kann die Circulation be-
hindert sein, so daß sich Cyanose oder Ödem des Armes einstellt. Auch bei Repositionsver-
suchen können Nerven und Gefäße zuweilen schwer leiden. Epiphysenlösung muß in den späteren
Kinderjahren immer intra- und extrakapsulär verlaufen, Bruch eines Tuberculum aber liegt
extrakapsulär. Die im Gelenk befindliche Bicepssehne und damit der ganze Muskel wird bei
Verrenkungen oft stark gespannt, wodurch sich dann der Arm in Beuge- und Supinationsstellung
einstellt. Die Sehne kann zuweilen abreißen, sowohl bei Luxationen, wie bei einer allzu heftigen
Kontraktion des Muskels.
Verbindet sich der Oberarmkopf mit dem Schulterblatt durch knöcherne Verwachsung,
dann ist eine Hebung des Armes nur in sehr beschränktem Maße möglich, soweit dies eben die
Bewegungen des Schulterblattes gestatten.
Bei chronischen Gelenkleiden wachsen die in der Norm kaum sichtbaren Synovialzotten
gelegentlich zu einer dichten Pelzmasse heran (24) . Die Bursa subscapularis kann im Anschluß an
Verletzungen der Schultergegend Sitz chronischer Entzündung werden mit Schrumpfung der
das Gelenk umgebenden Weichteile, welche eine erhebliche Beschränkung der Beweglichkeit
zur Folge hat. Auch tuberkulöse Hygrome dieses Schleimbeutels bis zu Apfelgröße kommen vor.
Die verborgene Lage erschwert die Operation (Fick).
Will man den Gelenkkopf resezieren, dann wird man durch einen Schnitt von vorne her
deshalb am besten zum Gelenk vordringen, weil dort wichtige Gefäße und Nerven, die geschont
werden müßten, nicht auf ihm liegen.
d) Unterarmknochen, Ossa antebrachii.
Das Skelet des Unterarmes wird von Ulna und Radius gebildet, wobei die
erstere den Zusammenhang mit dem Oberarm, der letztere den mit der Hand zu ver-
mitteln hat. Diese Funktionen beeinflussen die Gestalt der beiden Knochen insofern,
als die Ulna mit ihrem proximalen Ende den Radius, der Radius aber mit seinem
distalen Ende die Ulna überragt. Ferner erscheint die Ulna an ihrem proximalen Ende
verbreitert, an ihrem distalen verjüngt, während beim Radius das Umgekehrte der
Fall ist. Die Verbreiterungen bringen es mit sich, daß sich beide Knochen sowohl
an ihrem proximalen, wie an ihrem distalen Ende berühren, während im übrigen
Elle. Speiche. 119
ein langgezogener, spindelförmiger Raum zwischen ihnen bleibt, in welchem eine
Membran ausgespannt ist. Die beiden Knochen werden durch sie zu einer Skelet-
platte vereinigt, welche den Weichteilen des Unterarmes zur Unterlage dient.
a) Elle, Ulna.
Sie ist der längere der beiden Unterarmknochen, dreiseitig prismatisch, mit
einer medialen, einer vorderen volaren und einer hinteren dorsalen Fläche (17 5, 17\
Das proximale Ende besitzt eine nach vorn sehende Gelenkfläche, Incisura serai-
lunaris1), welche der Trochlea humeri, mit der sie artikuliert, entsprechend ausge-
schnitten ist. Sie ist in der Mitte eingeschnürt und trägt eine von hinten nach vorne
verlaufende Firste, welche sich in die Furche der Trochlea einpaßt (17 S). Den vorderen
Teil der Gelenkfläche trägt der nach-vorn vorspringende Processus coronoideus2),
unter welchem man eine große dreiseitige Rauhigkeit, Tuberositas ulnae, findet,
die Anheftungsstelle des M. brachialis. Der hintere Teil der Gelenkfläche zieht sich an
einem anderen in der Verlängerung des Schaftes aufragenden Fortsatz in die Höhe, dem
Olecranon3). Seine Rückfläche dient dem M. extensor trieeps zum Ansatz, an seiner
lateralen Seite befestigt sich der M. anconaeus, an der medialen der M. flexor carpi
ulnaris. An der lateralen Seite des Processus coronoideus befindet sich eine schwach
ausgehöhlte Gelenkfläche, welche mit der überknorpelten Fläche der Facies semi-
lunaris zusammenhängt, die Incisura radialis4); an sie legt sich der Seitenrand
des Radiusköpfchens an (178).
Der Schaft des Knochens trägt eine dem Radius zugekehrte kräftig vorspringende
Crista interossea, welche die vordere und hintere Fläche des Knochens von-
einander trennt.
Das distale Ende der Ulna ist als Gelenkkopf, Capitulum, ausgebildet (178a),
mit kreisrunder, schwach eingedrückter Gelenkfläche und einer gegen den Radius hin-
sehenden, ebenfalls überknorpelten Seitenfläche, Circumferentia articularis. Dieser
gegenüber ragt am medialen Rand der Processus styloideus hervor, an welchem
sich die Bandscheibe des Handgelenkes anheftet. An seiner Rückseite grenzt ihn
eine Rinne gegen das Köpfchen ab, in welcher die Sehne des M. extensor carpi
ulnaris läuft.
ti) Speiche, Radius.
I >,i- piuxiiii.ile linde, ( apitulum, ist ein kurzer l ylinder, dessen Leicht ver-
tiefte Oberfläche mit dem Capitulum des Oberarmbeines artikuliert. Der Knorpel-
iiberzug setzt sich auf die Seitenfläche des Köpfchens, Circumferentia articularis
fort, soweit sie auf der Incisura radialis der Ulna gleitet. Das Köpfchen sitzt auf einem
eingeschnittenen Hals, Collum, an welchen sich wieder ein vorwärts und median-
wärts sehend.!' Vorsprung mit rauher Oberfläche anschließt, Tuberositas radii,
an welchen sich die Sehne des M. bieeps brachii anheftet [174, 177).
Der Schaft des Radius ist nach hinten und lateral leicht konvex gekrümmt;
er ist dreiseitig, prismatisch, wie der der Ulna, jedoch sind seine Kanten stark ab-
giTiindct. fiine < rista interossea, welche gegen die der l'hia gerichtet ist, tritt
') Lncisura oder Fossa sigmoidea.
-) x<><K.'.jr, Kralic, Ilaken; oft mißverständlich als Kronenfortsatz übersetzt.
:1) !.'<///•», Ellbogen ; xiuii'»r Kopt, Helm.
4) Sinus lunatus.
120 Ellbogengelenk.
scharf hervor. An eine Rauhigkeit in der Mitte der lateralen Fläche heftet sich der
M. pronator teres.
Das distale Ende ist verdickt und vierseitig gestaltet (178 a). Es ward durch die
Artikulationsfläche für die Hand abgeschlossen, welche durch eine sagittal verlaufende
Kante in eine vierseitige leicht vertiefte Gelenkgrube für das Mondbein und eine lateral
davon gelegene abgerundete, dreiseitige, für das Kahnbein getrennt ward. An der
der Ulna zugekehrten Seitenfläche des distalen Endes weicht die Crista interossea in
zwei Schenkel auseinander; sie fassen am Rand des Knochens die Incisura ulnaris1)
zwischen sich (177), an welcher das Köpfchen der Ulna rotiert. An der gegenüber-
liegenden lateralen Seite zieht sich der Knochen in den stumpfen Processus stylo-
ideus radiiaus, an welchen sich der M. brachioradialis anheftet. Die Vorderseite
des distalen Radiusendes ist glatt, über die hintere Fläche läuft eine Anzahl von
Furchen herab, in welchen die Sehnen der Extensoren gleiten. Am tiefsten pflegt
die für den M. extensor longus pollicis zu sein.
Die Compacta der beiden Unterarmknochen ist relativ stark und widerstands-
kräftig, die Markhöhle eng. Die Spongiosa an den Enden ist ziemlich weitmaschig
und weich, nur am proximalen Ende der Ulna sind ihre Areolen eng, ihre Bälkchen
dick. Das Periost ist dünn, aber fest, die Foramina nutricia liegen auf der vorderen
Fläche beider Knochen, das der Ulna am Ende des proximalen Viertels, das des Radius
am Ende des proximalen Drittels ; das des letzteren Knochens steht der Crista interossea
näher, als das des ersteren. Die" Aa. nutriciae werden von der A. interossea volans
abgegeben.
Die hintere Kante der Ulna hegt in ihrer ganzen Länge frei unter der Haut,
was eine Untersuchung des Knochens sehr erleichtert. Der Radius ist in seinem proxi-
malen Teil von Weichteilen völlig gedeckt. Dann wird er für eine kurze Strecke frei,
um schließlich erst am distalen Ende einer Betastung zugänglicher zu werden.
Entwickelung (266 — 269). Wie beim Oberarmbein treten auch bei den beiden Unterarm-
knochen die Ossifikationspunkte der Diaphysen in der achten Embryonahvoche auf. Zur Zeit der
Geburt ist an der Ulna der obere Teil des Olecranon und das distale Ende des Knochens noch knor-
pelig, am Radius sind es beide Enden. An der Ulna entstehen im Olecranon im 12. Jahr 2 — 3 Kerne;
im 15. bis 16. Jahr ist das ganze obere Ende verknöchert. Am distalen Ende erscheint ein Knochen-
kern um die Wende des fünften und sechsten Lebensjahres. Im 14. bis 15. Jahr rückt er in den
Processus styloideus vor, welcher aber zuweilen auch eine eigene Epiphyse besitzt. Um das 20.
Jahr ist der Knochen in seiner ganzen Länge konsolidiert. Am proximalen Ende des Radius
erscheint ein Epiphvsenkern um das fünfte Lebensjahr, welcher im Laufe des 16. mit der Dia-
physe verschmilzt. Um die gleiche Zeit, meist kurz vor dem Erscheinen des Kernes im Köpfchen
der Ulna, tritt im distalen Ende des Radius ein Kern auf; im 12. Jahr erstreckt er sich in den
Processus styloideus, im ig. bis 20. Jahr ist er mit der Diaphvse vereinigt. Beide Knochen wachsen
hauptsächlich an ihrer distalen Epiphyse.
Varietäten. Man findet eine unvollständige Ausbildung der Fortsätze der Unterarm-
knochen, selbst eine Verkümmerung derselben, oder vollständiges Fehlen des einen, häufiger des
Radius. In solchen Fällen ist auch der vorhandene Knochen verkürzt oder verbogen. Die Knochen
können kongenital miteinander verwachsen sein. — Über dem Olecranon und vor der Spitze
des Processus coronoideus ulnae hat man Sesambeine beobachtet.
Praktische Bemerkungen s. S. 139.
e) Ellbogengelenk, Articulatio cubiti.
Das Ellbogengelenk (179 — 18J) vereinigt das distale Ende des Oberarmbeines und
die proximalen Enden der beiden Unterarmknochen miteinander, es gehört deshalb in
die Reihe der zusammengesetzten Gelenke. Man hat es zerlegt in eine Articulatio
J) Incisura semilunaris; Sinus lunatus.
Ellbogengelenk. 121
humeroulnaris, humeroradialis und radioulnaris proximalis. Es erlaubt
die Ausführung von zwei Bewegungen unabhängig voneinander. Erstens drehen sich
die beiden Unterarmknochen um das Gelenkende des Oberarmes und um eine wesent-
lich transversale Achse, welche lateralwärts nur wenig aufsteigt. In maximaler Streckung
bilden die Knochen des Ober- und Unterarmes einen gestreckten Winkel miteinander,
bei schwach ausgebildetem Skelet kann sogar eine Überstreckung eintreten, welche
jedoch unschön aussieht; die maximale Beugung kann soweit fortgeführt werden,
als es die aufeinander liegenden Weichteile an der Beugeseite des Ellbogengelenkes
erlauben. Zweitens dreht sich in jeder Stellung, welche der Unterarm gegen den
Oberarm einnimmt, die vertiefte Endfläche des Radiusköpfchens auf dem Köpfchen
des Armbeines und zugleich die Circumferentia articularis radii in der Incisura radialis
ulnae, welche durch das Ligamentum anulare radii zu einem Ring ergänzt wird.
Die Furche, welche die Trochlea von vorn nach hinten umkreist und die ent-
sprechende Firste der Incisura semilunaris ulnae verlaufen in der Form einer Kurve,
welche an der Ouerrinne dieser letzteren geknickt ist (Braune und Kyrklund)
oder in Form einer allerdings sehr flachen Spirale, das heißt also einer Schraube, deren
Steigung in der Art stattfindet, daß der Unterarm auf dem Oberarm seitwärts rückt.
Die Winkelbewegung, durch welche der Unterarm gegen den Oberarm gebeugt
wird, wird eigentlich nur zwischen Humerus und Ulna ausgeführt. Sie erfolgt jedoch
nicht um eine feststehende Achse, sondern um verschiedene um eine Mittelachse
schwankende Momentachsen (Hultkrantz, Fick). Diese Tatsache hat frühere
Untersucher zu der Meinung veranlaßt, das Ellbogengelenk sei ein Schraubengelenk.
In der Streckung liegt der Unterarm nicht ganz in der Richtung des Oberarmes, sondern
ist ein wenig radialwärts abgeknickt. Eine übermäßige Abknickung bezeichnen die
Praktiker als Cubitus valgus. Das Radiusköpfchen folgt rein passiv der Ulna, an
welcher es befestigt ist. Die Rotationsbewegung wird umgekehrt nur vom Radius-
köpfchen bewirkt, bei ihr sind Humerus und Ulna im wesentlichen unbeteiligt. Sie
wird dagegen ergänzt durch dieBewegung des unteren Radioulnargelenkes, von welchem
„nachher die Rede sein wird.
Die Knorpelbedeckung der Gelenkenden ist keine ganz gleichmäßige. Am
Humerus ist sie in der Mitte der Trochlea und an der Leiste zwischen Trochlea und
Capitulum am stärksten, höchstens 2 mm. Seitlich und besonders hinten wird sie
dünner. Der Knorpelüberzug der Incisura semilunaris ulnae ist dünn, in der queren
Furche derselben fehlt er in der Regel gänzlich. Am Radiusköpfchen ist der Knorpel
in der Randzone am stärksten, nach der Mitte der Grube wird er dünner. Die Circum-
ferentia articularis radii und die Incisura radialis ulnae sind von einem Knorpel be-
deckt, der an beiden in der Mitte am dicksten ist.
An einigen Stellen überschreitet der Knorpel die Berührungsflächen der Gelenk-
enden. Der laterale Rand des Capitulum humeri, auf dem das Ligamentum collaterale
radiale bei den Bewegungen unter stärkerem Druck gleitet, isl von einem dünnen
Knorpelsaum bedeckt. Am medialen scharfen Rand der Trochlea, an der Spit/e
des Processus coronoideus, an dein Schnabel des Olecranon und am lateralen Rand
des Radiuskopfes ist oft ein überknorpelter Streifen von wechselnder Breite zu linden.
der niemals mit anderen Knochen in Berührung tritt (M.i.
Die Kapsel umschließt die Enden der drei artikulierenden Knochen gemeinsam,
so daß also das Gelenk eine einfache, wenn auch buchtige Hohle darstelll [184 Sie
umschließl auch die ni< hl überknorpelten Gruben desArmbeines, in welche sich bei den
Bewegungen die Knden der Unterarmknochen hineinlegen. Vorne zieht sich dem-
122 Ellbogengelenk.
gemäß der Kapselraum an der Fossa coronoidea und radialis in je einen Zipfel aus,
hinten umgreift der Ansatz die Fossa olecrani bogenförmig. Am Hals des Radius
überschreitet sie ebenfalls die überknorpelte Fläche nach unten hin, sie ist dort unter-
halb des Ligamentum anulare radii schlaff und sehr dünnwandig, Recessus sacci-
formis (179), und erscheint nach Injektion der Gelenkhöhle mit erstarrenden Massen
wulstartig aufgetrieben. Die Spitze des Processus coronoideus und das Olecranon
sind in den Kapselraum einbezogen.
Die Dicke der Kapsel ist da, wo ihr Verstärkungen fehlen, nicht bedeutend, am
schwächsten ist sie an der hinteren Wand des Gelenkes (ISO), dort ist sie unter einem
Fettpolster versteckt und wird in ihrem unteren Teil durch transversale, in der Mitte
des oberen Teiles durch vertikale Fasern verstärkt; zu beiden Seiten dieser letzteren
ist sie ganz dünn und leicht zerreißlich. Vorne und unten sind in die Kapsel ebenfalls
stellenweise Faserzüge eingewebt, ohne daß sie sich jedoch als selbständige Haftbänder
abgrenzen ließen, solche sind nur zu beiden Seiten und um den Radiuskopf herum
vorhanden.
Das Ligamentum collaterale ulnare1) (182) besteht aus kurzen und straffen
Fasern, welche sich vom Epicondylus medialis humeri radienförmig divergierend
zum medialen Rand der Gelenkfläche der Ulna herüberstrecken. Zwischen einen
vorderen und einen hinteren stärkeren Faserzug ist eine etwas weniger kräftige Platte
eingeschaltet. Das Band verwebt sich mit Fasern, welche sich vom Olecranon zum
Processus coronoideus über den konkaven Rand der Incisura semilunaris straff herüber-
spannen '-) ; diese letzteren stehen in Beziehung zu den Ursprüngen der Beugemuskeln.
Das Ligamentum collaterale radiale3) (181) ist noch stärker als das ulnare.
Es entspringt am Epicondylus ulnaris und teilt sich sogleich in zwei kräftige Schenkel,
von welchen der vordere an den lateralen Rand des Processus coronoideus gelangt,
während der hintere an den hinteren Rand der Incisura radialis ulnae herantritt und
sich noch weiter distal bis zum Ursprung des M. supinator herab erstreckt. Das proxi-
male Ende des Radius wird also von diesem Bande durchaus nicht berührt, während
es mit dem Ringband untrennbar verwachsen ist.
Das Ligamentum anulare radii (183) ist ein Faserzug, welcher sich am
vorderen und hinteren Rand der Incisura radialis ulnae anheftet und sie so zu einem
nach unten trichterförmig verengten Ring ergänzt, welcher die Circumferentia radii eng
umschließt. Das Band läßt sich von den auf seiner Außenseite aufliegenden Schenkeln
des radialen Seitenbandes durchaus nicht sondern. Wo diese das Ringband ver-
stärken, ist es ausnehmend kräftig, zwischen ihnen ist es schwächer. An seinem
proximalen Umfang ist das Ringband vom Seitenband nicht scharf abgegrenzt,
distalwärts endet es dagegen meist mit einem scharfen Rand, an welchen sich un-
vermittelt die dünne Bedeckung des Recessus sacciformis anschließt.
An ihrer vorderen und hinteren Wand ist die Außenseite der Kapsel mit fett-
haltigem Bindegewebe bedeckt. Beiderseits gehen auch von ihrer Innenseite fett-
haltige Synovialfortsätze aus, welche die Räume auszufüllen haben, die bei Beugung
und Streckung abwechselnd vom Processus coronoideus und vom Olecranon freigelassen
werden. Das Radiusköpfchen ist allseitig von fetthaltigen Synovialfortsätzen um-
geben, welche vorhandene Inkongruenzen ausgleichen. Kleine fetthaltige oder fett-
x) Ligamentum accessorium mediale.
2) Ligamentum Cooperi.
3) Ligamentum accessorium laterale.
Ellbogengelenk. 123
lose Zotten und Falten gehen vom Armbein am vorderen und hinteren Rand der
Trochlea aus, andere auch vom Radius und von einzelnen Stellen der Kapsel.
Zur Spannung der Kapsel bei den verschiedenen Bewegungen des Gelenkes
sind die Sehnen einer ganzen Anzahl von in der Nähe sich anheftenden Muskeln mit
der Kapsel und ihren Verstärkungsbändern verwebt: M. brachialis, supinator, exten-
sores carpi, anconaeus, trieeps, flexor carpi ulnaris.
Die Arterien des Ellbogengelenkes werden vom Rete articulare cubiti abge-
geben, welches von sämtlichen benachbarten Arterien gespeist wird. A. collateralis
radialis und ulnaris werden durch eine stärkere quere Anastomose über dem Olecranon
verbunden. Das Netz der Vorderseite ist schwächer ausgebildet ; zu den Ästen, welche
die Aa. collaterales und recurrentes senden, kommt noch ein Zweig, welcher von der
A. brachialis oder ulnaris abgegeben wird und am unteren Ende des Ringbandes an
das Gelenk herantritt.
Die Nerven des Ellbogengelenkes werden ähnlich den Arterien von sämt-
lichen die Gegend passierenden Stämmen abgegeben: N. medianus, musculocutaneus,
ulnaris, radialis.
Das Ellbogengelenk ist an seiner Vorderseite durch ein dickes Weichteil-
polster, bestehend aus Muskeln und Sehnen, vortrefflich geschützt. Dort verlaufen
auch mit Ausnahme des N. ulnaris sämtliche Gefäße und Nerven der Gegend. Eine
Hautfalte zieht bei der Beugung von einem Epicondylus zum anderen, dieselbe liegt
jedoch nicht über der Gelenkspalte, sondern 17,5 mm proximal von ihr (Soulie 1901).
Die Epicondylen sind beiderseits leicht abzutasten, ebenso der N. und Sulcus ulnaris,
welche sich an der Rückseite des Epicondylus medialis unmittelbar auf dem Gelenk
finden. Hinten ist das Gelenk am wenigsten geschützt, dort kommt zu beiden Seiten
des Olecranon die Kapsel der Oberfläche sehr nahe. Verbindet man bei gestrecktem
Arm die beiden Epicondylen durch eine Linie, dann liegt die stärkste Hervorragung
des Olecranon auf ihr, jedoch nicht in der Mitte, sondern dem Epicondylus medialis
um etwa 1 cm näher. Es setzt sich distalwärts in die ebenfalls deutlich fühlbare Kante
der Ulna fort. An der medialen Seite des Olecranon wird das Gelenk gedeckt von
dem in seiner Rinne liegenden N. ulnaris, an der lateralen Seite kann man den lateralen
Rand der Trochlea heraustasten. Daneben folgt das Capitulum humeri, distal davon
die rinnenförmig sich anfühlende Gelenkspalte und endlich das Capitulum radii, alles
sehr deutlich. In der Beugestellung tritt das Olecranon herab und schließt mit den
beiden Epicondylen ein Dreieck mit oberer Basis und unterer Spitze ein. Bei recht-
winkeliger Beugung steht es ) cm, bei extremer Beugung 5 cm unter der die Epicondylen
verbindenden Linie. Das Capitulum humeri tritt jetzt deutlicher hervor, weil das
KudiusköplVhen nach vorn ausgewichen ist.
Praktische Bemerkungen. Kinder können in ihr Kei;el das Kllbogeni;elenk über-
strecken (Fick), auch bei erwachsenen Frauen, besonders grazilen Personen mit kleinerem Ole-
cranon beobachtet man nicht selten das gleiche. Man darf dies nicht tnr pathologisch halten.
Umgekehrt vermögen sehr muskclstarkc Männer das Gelenk oft nicht einmal bis zur Geraden
zu strecken. Die komplizierte Beschaffenheit des Ellbogengelenkes macht auch seine Erkran-
kungen und Verletzungen kompliziert, Bei einem in den Gelenkraum gesetzten Erguß stellt
sich das Gelenk in halbe Beugung, da in dieser Stellung der ( '.elenkraum am geräumigsten ist.
I ine [''liissigkeilsansanimlung dehnt die Kapsel am ersten an der lateralen Seite des Olecranon
zwischen ihm und dem Capitulum radii, da sie dort am dünnsten ist; an gleicher Stelle wird auch
am häufigsten ein I hirchbi uch der Kapsel beobachtet. Per Kcccssus saeeiformis, welcher eben-
falls von emer sehr dünnen Kapselmembran bedeckt wird, neigt dazu viel weniger, wohl weil auf
ihm der M. Supinator lest aufliegt. Die Kapsel und der ganze Handapparat ist in der Knuler-
zeit zart und schwach, so daß es sein leicht zu Luxationen und Subluxationen kommen kann.
124 Haftbänder des Unterarmes.
so besonders zu einem Herausschlüpfen des Radiuskopfes aus seinem Ringband. Die beiden Seiten-
bänder sind so kräftig, daß sie bei Verletzungen oft besser Widerstand leisten, wie der Knochen,
an dem sie befestigt sind, so daß dann ein Epicondylus abreißt, das Band aber intakt bleibt. Reißt
einmal das Ringband des Radiusköpfchens ab, dann geschieht dies häufiger an der Vorderseite,
weil es dort schwächer ist, wie hinten (Fick). Luxationen kommen am häufigsten nach hinten
vor; durch eine Überstreckung reißt die Vorderseite der Kapsel ein, die Unterarmknochen gleiten
nach hinten und der Proc. coronoideus ulnae stellt sich in die Fossa olecrani. Natürlich können
auch noch mancherlei andere Gewalteinwirkungen den gleichen Effekt erzielen. Luxationen
nach vorne sollte man aus anatomischen Gründen für unmöglich halten, da das Olecranon wie
ein Haken die Trochlea umgreift. Sie sind auch selten, doch kommen sie immerhin unzweifelhaft
vor und man versteht auch, daß eine heftige Gewalteinwirkung auf das Olecranon bei maximal
gebeugtem Gelenk dasselbe ohne Bruch nach vorwärts verschieben kann.- Seitliche Luxationen
sind gewöhnlich mit einer Fraktur desjenigen Epicondylus verbunden, von welchem die Unter-
armknochen wegrücken. Bei allen diesen Luxationen bleiben die beiden Unterarmknochen durch
das Ligamentum anulare radii verbunden, so daß auch eine gewisse Möglichkeit der Pronation
und Supination erhalten bleibt, wird aber bei einer Luxation die Ulna nach hinten, der Radius
nach vorne disloziert, was jedoch nur sehr selten vorkommt, dann zerreißt dabei das Ringband
des Radius, dasselbe geschieht auch bei isolierter Verrenkung des Radiusköpfchens.
Von den verschiedenen Frakturen, welche das Gelenkende des Humerus betreffen können,
war schon die Rede (S. 116), auch die proximalen Enden der beiden Unterarmknochen können
natürlich Frakturen erleiden; es kann das Olecranon, der Proc. coronoideus und das Radiusköpf-
chen abbrechen. Alle diese Brüche sind intrakapsulär und zugleich extrakapsulär. Bei einer
Fraktur des Olecranon zieht der an ihm befestigte M. triceps das abgebrochene Stück meist in
die Höhe, so daß eine Diastase der Bruchflächen entsteht.
Epiphysenlösungen kommen am Humerus und an den Unterarmknochen vor. ,, Bricht
die ganze Humerusepiphyse ab, so tritt aller Wahrscheinlichkeit nach eine Kapselzerreißung
in der Fossa olecrani ein; eine Fraktur des Gelenkknorpels wird erfolgen bei der — allein
freilich unwahrscheinlichen — Trennung der Trochleaepiphyse oder derjenigen des Capitulum
humeri mit oder ohne den Epicondylus lateralis. Unvermeidlich ist ferner eine Kapseleröffnung
bei der Ablösung des Olecranon. Am ehesten möglich ohne Zerreißung der Gelenkmembran
erscheint eine Abtrennung des Köpfchens des Radius — auszuschließen ist aber bei der Länge
des den oberen Teil des Knochens umhüllenden Kapselsackes diese Gefahr gewiß auch nicht"
(v. Brunn 1881). Bei einer Ablösung des Epicondylus medialis allein bleibt das Gelenk unberührt.
f) Haftbänder des Unterarmes.
a) Membrana interossea antebrachii1).
Eine Membran (185), welche zwischen den Cristae interosseae der beiden
Unter armknochen, wie in einem Rahmen ausgespannt ist. Sie begrenzt mit ihrem
oberen Rand die Lücke, durch welche die Vasa interossea posteriora zur Dorsalseite
des Armes gelangen und zeigt in der Nähe des unteren Randes regelmäßig ein Loch
zum Durchtritt des Endes der A. interossea anterior; auch andere variable Öffnungen
können in verschiedener Zahl vorhanden sein. Die Membran besteht aus sehnig-
glänzenden Faserzügen, welche im wesentlichen vom Radius zur Ulna schräg abwärts
verlaufen, doch kommen auch Fasern anderer Richtung vor, besonders am proximalen
und distalen Ende und auf der Rückseite. Die Membran ist an den beiden Unterarm-
knochen so befestigt, daß sie in der Mittelstellung am straffsten gespannt ist, während
sie bei vollendeter Pronation und Supination schlaffer wird. Bei ersterer wölbt
sie sich etwas nach hinten aus, bei letzterer nach vorn. Ihre mechanische Wirkung
aber vermag sie in jeder Stellung auszuüben, gleichgültig ob der Arm in Pronation
oder in Supination steht. Diese Wirkung schildert Feßler (1894) so, daß er sagt:
„Das eigentlich tragende und die Festigkeit des Unterarmes bedingende Moment
Ligamentum interosseum.
Articulatio radio-ulnaris distalis. 125
liegt nicht in dem einen oder dem anderen Ende der beiden Knochen allein, sondern
in ihrer Zusammengehörigkeit durch die fibröse Verbindung: es geht von der Hand
aus und der größte Teil einer ziehenden oder drückenden Kraft durch den Radius, von
diesem aber allmählich nach aufwärts auf die Ulna über, so daß im Ellbogengelenk
so ziemlich die ganze Kraft von der Ulna aufgenommen wird. Die Ebene, in welcher
die Kraft wirkt und die Zugachse des Unterarmes gehen also vom unteren Ende des
Radius (seiner breiten Basis) diagonal durch die Membrana intcrossea zum oberen
linde der Ulna (ihrer breiten Basis), ganz entsprechend der Konstruktion dieser
Knochen."
(i) Chorda obliquä antebrachii1).
Plattrundlicher Sehnenstreif [179, 185), welcher von der lateralen Seite der
Tuberositas ulnae schräg abwärts zum Radius verläuft, an welchen er sich unterhalb
seiner Tubcrosität anheftet. Beschränkt die Supination. Die Ausbildung des eigent-
lich nur dem Menschen zukommenden Bandstreifens wechselt sehr; man kann die
Chorda obliqua ganz vermissen, sie kann sich auch verdoppeln. Über ihre morpho-
logische Bedeutung herrschen Meinungsverschiedenheiten. Forster (1905) hält sie
einem accessorischen Muskelbündel für gleichwertig, welches ursprünglich zum
Flexor pollicis longus hinging.
Die stärkeren Faserzüge an der Rückseite der Membrana interossea, welche von der L'lna
zum Radius absteigen, bezeichnet Forster als Chorda obliqua antebrachii posterior; sie sollen
gleichwertig mit einem Muskelbündel des M. abduetor pollicis longus sein.
g) Articulatio radio-ulnaris distalis.
Als Pfanne für das Köpfchen der Ulna mit seiner Circumferentia articularis
dient die Incisura ulnaris radialis und eine von ihr ausgehende dreiseitige Bandscheibe,
Discus articularis2) {200), welche aus eng verfilzten! Bindegewebe besteht, dem einige
Knorpclzellen beigemischt sind. Einerseits geht sie vom unteren Rand der Incisura
ulnaris nulii aus und es setzt sich ihre distale Oberfläche geradezu aus dem Knorpel-
überzug der unteren Radiusfläche fort, andererseits heftet sie sich mit einem Strang
an der Wurzel des Griffelfortsatzes der Tina an, mit einem anderen an diesem selbst.
Der Raum zwischen beiden Strängen wird von einem lockeren, gefäßreichen Binde-
gewebe ausgefüllt 3).
In einer Reihe von Fällen (ca. 40",,. Testut) besitzt der Discus eine schlitz-
förmige Spalte, welche in (las Handgelenk hineinführt. Der Discus ist in der Mitte
am dünnsten; bei alten Leuten kann er dort von einem Luch durchbrochen sein (Fick).
Die Axtikulationsebene des Gelenkes ist im stumpfen Winkel geknickt, cm Teil
vertikal, /wischen Incisura ulnaris radii und Circumferentia articularis ulnae. der
andere schräg medianwärts abfallend zwischen der Endfläche der Ulna und ihr oberen
Fläche der Randscheibe (M.-H.).
Die Kapsel isl schlaff, aber stark. Sie ist an ihn Knorpelrändern und am Rande
des Discus angeheftet; sie hängt direkt mit der des Handgelenkes zusammen. Nur
nach oben, /wischen den beiden l nterarmknochen überschreitet sie den Knorpel-
rand mit einem blindsackähnlichen Fortsatz, Recessus saeeiformis. Synovial-
') Chorda transversa.
2) Meniscus.
:1) Daher der Name: Ligamentum suberuentum.
126 Handwurzelknochen.
zotten sind in individuell verschiedener Menge vorhanden. Präparierbare Verstär-
kungsbänder existieren nicht. Der M. pronator quadratus wirkt als Kapselspanner.
Arterien und Nerven werden von den A. und Nn. interossei dorsales und volares
geliefert.
Das distale Radioulnargelenk vervollständigt das proximale in seiner Wirkung.
Beide legen vereint den Radius bald schräg gekreuzt über die Ulna, bald diesem Knochen
parallel. Die erstere Bewegung bezeichnet man als Pronation, die letztere als Supi-
nation. Steht der Radius in der Diagonale, dann muß natürlich die Entfernung
vom Oberarm bis zu den Fingerspitzen etwas kürzer sein, als wenn er der Ulna parallel
steht, was man in der Tat leicht nachweisen kann, wenn man die Länge das eine Mal
in Pronation, das andere Mal in Supination mißt. Obgleich es auf den ersten Blick
verwundern könnte, so ist doch die Pronationsstellung die ungezwungene und natür-
liche, in welcher man unbewußt verharrt, wenn nicht ein besonderer Wülensakt den
Unterarm die Supinationsstellung einnehmen läßt.
Die Achse für die Rotationsbewegung geht proximal durch den Mittelpunkt
des Radiusköpfchens, distal durch den des Köpfchens der Ulna und es schwingt sich
das untere Ende des Radius um das letztere Ende herum, wobei die am Radius be-
festigte Hand dessen Drehungen passiv folgt. Die alte Streitfrage, ob sich die Ulna
an der Pronations- und Supinationsbewegung beteiligt, entscheidet Hultkrantz
(1897) dahin, daß dies eigentlich nicht der Fall ist. Geringe Bewegungen der Ulna
scheinen Wackelbewegungen zu sein, hervorgerufen durch die Ungenauigkeit der
Gelenkflächen und durch die Muskelaktionen. Reine Pronations- und Supinations-
bewegung im Bereich der Unterarmknochen werden für gewöhnlich nur bei gebeugtem
Ellbogengelenk ausgeführt, bei gestrecktem wird auch die Torsionsmöglichkeiti im
Oberarmgelenk mit herangezogen. Will man deshalb die beiden bei einer klinischen
Untersuchung sicher voneinander trennen, dann muß man die Prüfung bei gebeugtem
Ellbogengelenk vornehmen.
Praktische Bemerkungen. Bei Brüchen der beiden Unterarmknochen ist es von
Wichtigkeit, bei der Heilung eine Verwachsung der beiden unter sich zu vermeiden, welche da-
durch begünstigt wird, daß die beiden Pronatoren bestrebt sind, die Bruchenden beider Knochen
vermöge ihrer Insertionsverhältnisse einander zu nähern. Vom anatomischen Standpunkt ist
es am zweckmäßigsten, den Verband in der Mittelstellung anzulegen, da in dieser die Knochen
weiter voneinander entfernt sind, als bei der oft gewählten reinen Supinationsstellung (Fick 1911).
Isolierte Luxationen des unteren Radioulnargelenkes werden nicht häufig beobachtet,
meist sind sie mit Brüchen der Unterarmknochen verbunden.
h) Knochen der Hand.
a) Handwurzelknoehen, Ossa carpi.
Die Carpalknochen (186 — 193) sind in zwei Reihen angeordnet, einer proximalen
und einer distalen. Die erstere Reihe ist bogenförmig gestaltet (194), und es verbindet
sich mit der Konvexität des Bogens der Unterarm, während in die Konkavität die
distale Reihe eingreift. Diese steht ihrerseits wieder mit den Metatarsalknochen in
Verbindung. Die Namen der Handwurzelknochen sind von der Daumenseite aus
gezählt :
Proximale Reihe: Kahnbein, Os naviculare manus1), Mondbein, Os
lunatum2), Pyramidenbein, Os pyramidale3), Erbsenbein, Os pisiforme4).
1) Os scaphoideum. 2) Os semilunare.
3) Os triquetrum, trianguläre, cuneiforme.
4) Os subrotundum, rotundum, articulare.
Handwurzelknochen. 12 ■
Distale Reihe: Großes, vieleckiges Bein, Os trapezium '), kleines,
vieleckiges Bein, Os trapezoides2), Kopfbein, Os capitatum 3), Haken-
bein, Os hamatum ').
Schon aus der Aufzählung geht hervor, daß die Handwurzelknochen in mehr-
facher Hinsicht von dem oben (S. 105) gegebenen Schema abweichen. Die proximale
Reihe läßt allerdings im Kahnbein das Os radiale, im Mondbein das Os intermedium,
im Pyramidenbein das Os ulnare erkennen, das Erbsenbein aber ist diesem letzteren
an seiner volaren Seite aufgesetzt. Über seine Bedeutung gibt es verschiedene An-
sichten, am wahrscheinlichsten ist es als ein in der Sehne des M. flexor carpi ulnaris
liegendes Sesambein zu betrachten. Ein Os centrale vermißt man, dieser Knochen
wird allerdings während der Entwickelung angelegt, verschmilzt jedoch frühzeitig
mit dem Kahnbein. Die distale Reihe der Ossa carpalia müßte fünf Knochen enthalten,
sie enthält ihrer aber nur vier, da das Hakenbein zwei der im Schema getrennten
Knochen in sich vereinigt.
Betrachtet man für einen Augenblick jeden der Handwurzelknochen (abgesehu*
vom Erbsenbein) als einen Würfel, dann kann man sagen, daß er die eine Seite dem
Handrücken, die andere der Hohlhand zuwendet; beide sind rauh und werden von
Gefäßlöchern durchbohrt. Eine dritte und vierte Seite ist überknorpelt und dient
zur Verbindung einerseits mit dem Unterarm, andererseits zu der zwischen beiden
Reihen der Handwurzclknochen selbst und drittens zu der mit den Metacarpalknoelun;
eine fünfte und sechste Seite vermittelt den Zusammenhang der in jeder Reihe liegen-
den Knochen unter sich. Auch diese Seiten sind überknorpelt, nur an dem radialen
und ulnaren Rand der Handwurzel ist dies nicht der Fall, dort gehen die Dorsal- und
Volarliächen der abschließenden Knochen durch rauhe Seitenflächen ineinander über.
In Wirklichkeit weicht freilich die Form der einzelnen Handwurzelknochen
nicht unbeträchtlich von der eines Würfels ab.
Das Kahnbein (186) ist an der dem Radius zugekehrten Seite konvex, an
der dem Kopfbein zugekehrten konkav gewölbt. Dem Trapezbein wendet es eben-
falls eine konkave Seite zu, an der volaren Seite des Knochens schließt sich an
diese letztere Gelenkfläche ein glatter Vorsprang an, Tuberositas 5) ossis navi-
cularis. Die dorsale Fläche ist auf eine schmale, zwischen den Gelenkflächen
verlaufende rauhe Furche reduziert.
Das Mondbein (/<S7) ist ebenfalls konvex-konkav gestaltet, es steht einerseits
mit dem Radius, andererseits mit dem Kopfbein in Verbindung. Die übrigen Seiten
bieten nichts Bemerkenswertes, nur ist die dorsale {195) beträchtlich kleiner als
die volare.
Da> Pyramidenbein (188) trägt seinen Namen mit Recht, seine Gelenkflächen
wenden sich dem Hakenbein und dem Mondbein zu. Außerdem befindet sich an seiner
volaren Seite noch eine rundliehe Gelenkfläche, auf welcher das Erbsenbein ruht.
') ('s trapezoides, rhomboides, multangulum majus.
'-) Os trapezium minus, pyramidale, multangulum minus. hie oben benutzten Namen
< >s trapezium und trapezoides erweisen sich praktischer als die von der Nomenklaturkommission
\ 1 irgeschlagenen ; ( 's multangulum majus und minus, da sieh von diesen keine Zusammensetzungen
bilden lassen, wie man sie bei den Bändern gelegentlich nötig hat.
3) Os magnum.
') Os uneiforme, euneiforme.
5) Tuberculum.
128 Handwurzelknochen.
Das Erbsenbein (189) ist rundlich, mit einer Gelenkfläche für das Pyra-
midenbein versehen. Es ist an der Ulnarseite der Handwurzel leicht durch die Haut
zu fühlen.
Am Trapezbein (190) ist die sattelförmige Gelenkfläche für den Metacarpal-
knochen des Daumens besonders charakteristisch. Seine übrigen Gelenkflächen
wenden sich gegen das Kahnbein und das Trapezoidbein. Auch mit dem zweiten
Metacarpalknochen steht eine Facette in Verbindung. Die Rückseite trägt an der
ulnaren und radialen Ecke je einen kleinen Höcker, die Volarseite einen starken
Vorsprung, Tuberositas1), daneben eine tiefe Furche für die Sehne des M. flexor
carpi radialisä
Das Trapezoidbein (191) ist der kleinste Handwurzelknochen ; er trägt Gelenk-
flächen für das Trapezbein, Kahnbein, Kopfbein und den zweiten Mittelhandknochen.
Das Kopfbein (192) ist der größte Handwurzelknochen. Sein gerundeter
Kopf, Capitulum, liegt in der Höhlung des Kahn- und Mondbeines (194). Er ist
durch einen eingeschnürten Hals vom Körper des Knochens abgesetzt. Sein distales
Ende trägt eine Gelenkfläche zur Verbindung mit dem dritten Metacarpalknochen, an
der radialen Seite findet man eine solche für das Trapezoidbein und eine Facette für
den zweiten Mittelhandknochen, an der ulnaren für das Hakenbein nebst einer
Facette für den vierten Mittelhandknochen.
Das Hakenbein (193) artikuliert mit Pyramidenbein, Mondbein, Kopfbein und
dem vierten und fünften Mittelhandknochen. Es zeichnet sich besonders aus durch
seinen Haken, Hamulus2), einen platten Fortsatz mit radial konkaver, ulnar
konvexer Seite.
Wie oben schon erwähnt wurde, büden die Handwurzelknochen zwei Reihen,
von welchen die proximale bogenförmig gekrümmt ist. In die Höhlung des Bogens
legt sich Kopf- und Hakenbein. Die beiden anderen Knochen der distalen Reihe,
Trapez- und Trapezoidbein haben mit dem Bogen nichts zu tun, sie sind seitlich an
die proximale Reihe angesetzt (194). Außerdem besitzt die Dorsalfläche der Hand-
wurzel im ganzen eine konvexe, die Volarfläche eine konkave Krümmung. Die
Krümmung ist an sich gerade nicht bedeutend, die Konka'vität der Volarseite wird
aber erheblich vertieft durch die vorspringenden Eminentiae carpi (194), unter
welchem Namen man an der radialen Seite die Tuberositäten des Kahnbeines und
des Trapezbeines, an der ulnaren Erbsenbein und Haken des Hakenbeines versteht.
Die so entstehende grubenartige Vertiefung nennt man Sulcus carpi; sie wird durch
ein die Eminentiae verbindendes Band zum Canalis carpi ergänzt.
Die Struktur der Handwurzelknochen ist eine zart spongiöse. Ihr Periost wird
an vielen Stellen durch Bänder erheblich verstärkt. Jeder Handwurzelknochen erhält
mehrere Arterien aus dem Rete carpeum. Die stärksten treten von der Dorsalseite
heran und gelangen nur dort in sie hinein, wo sich keine Bänder anheften, sondern
wo sie nur von Periost überzogen sind.
Ent wickelung. Alle Handwurzelknochen sind zur Zeit der Geburt knorpelig; sie ver-
knöchern meist von einem einzigen Knochenkern aus, doch sind auch gelegentlich fast in allen
zwei Kerne beobachtet worden, welche dann in der Folge zusammenfließen. Nach Pryor (1908)
treten bei weiblichen Kindern die Knochenkerne früher auf, als bei männlichen. Im Laufe des
ersten Lebensjahres erscheinen sie erst im Os capitatum, dann im hamatum; im zweiten bis dritten
Jahr folgt das Os pyramidale, ein Jahr später das lunatum; wieder ein Jahr später das navicu-
*) Tuberculum.
2) Processus hamatus, Proc. uncinatus.
Mittelhandknochen. 129
larc. Im Os trapezium und trapezoides erscheinen die Kerne zwischen viertem und sechstem Jahr,
im pisiforme zuletzt, um das 10. — 12. Jahr herum. Der Haken des Hakenbeines beginnt eben-
falls erst um diese Zeit zu verknöchern, er besitzt zuweilen einen besonderen Knochenkern, welcher
eventuell dauernd isoliert bleiben kann.
Yarie täten. In seltenen Fällen hat man Verwachsungen von Handwurzelknochen be-
obachtet. Eine Vermehrung derselben ist dagegen häufig; dabei handelt es sich um ein Isoliert-
bleiben des Os centrale und um die Teilung von Handwurzelknochen dadurch, daß Knochen-
kerne, welche normalerweise zusammenfließen, getrennt bleiben. Allerdings hat man sich davor
zu hüten, alte Brüche eines Handwurzelknochens für eine ursprüngliche Teilung zu halten.
Pfitzner (1895) stellt in einer sorgfältigen Arbeit alle bisher beobachteten Varietäten zu-
sammen.
ß) Mittelhandknochen, Ossa metacarpi.
Die fünf Mittelhandknochen {194, 19-5) sind Röhrenknochen mit einem schlan-
keren Mittelstück und zwei verdickten Enden. Das proximale heißt Basis, das
distale Capitulum. Die Knochen sind im ganzen leicht volarwärts gekrümmt, eine
Krümmung, welche dadurch verstärkt ist, daß das Mittelstück an seiner volaren Seite
vom Capitulum überragt wird.
Die Mittclhandknochen der vier dreigliederigen Finger sind im wesentlichen
gleich gestaltet. Ihre Basen tragen je eine, eventuell auch zwei Gelenkflächen zur
Artikulation mit den Knochen der distalen Handwurzelreihe und an den einander
zugewandten Seiten ebenfalls überknorpelte Flächen zur Artikulation mit dem benach-
barten Metacarpalknochen. Distal von diesen bemerkt man Grübchen zum Ansatz
von Bändern. Die Basis des zweiten Mittelhandknochens ist tief eingeschnitten und
zweizackig, die dorsale Seite des dritten ist mit einer radial vorragenden Zacke ver-
sehen, Processus styloideus (195), an welche sich der M. extcnsor carpi radialis
brevis anheftet. Die Basis des fünften Mittelhandknochens trägt an ihrer freien
ulnaren Seite einen stumpfen Höcker.
Vi in der dorsalen Seite der Basis geht eine Kante aus, welche sich auf dem Körper
bald in zwei teilt, die bis zum Köpfchen hin zu verfolgen sind; sie fassen eine glatte,
zwickeiförmige Fläche zwischen sich. An der Volarseite findet das Umgekehrte statt.
Die Köpfchen besitzen eine nahezu kugelige Gelenkflächc, deren vorderer Rand
in zwei Zipfel ausläuft. Zu beiden Seiten des Köpfchens findet mau einen Eindruck
zur Aufnahme von Bändern.
Der Mittelharidknochen des Daumens trägt an seiner Basis eine sattelförmige
Gelenkfläche, welche mit der des Trapezbeines korrespondiert, überknorpelte Seiten-
flächen sind nichl vorhanden. Wie der Mittelhandknochen des kleinen Fingers besitzt
auch der des Daumens an seiner freien Seite einen stumpfen Höcker. Der Körper
isl dreiseitig prismatisch und es wird die glatte dorsal Fläche jederseits durch eine
Kante von der volaren getrennt. Die Gelenkfläche des Köpfchens ist mehr cylindrisch
gestaltet. Sie setzt sich volar in zwei besonders stark ausgebildete Zipfel fort, auf
welchen die beiden Sesamheine (siehe unten) artikulieren.
Dei Mittelhandknochen des Daumens ist der dickste und kürzeste, der des
zweiten Fingers der längste; von ihm aus nehmen die übrigen an Länge ab. Die ver-
dickten proximalen und distalen Enden der Mittelhandknochen der dreigliederigen
Finger stoßen aneinander. Zwischen den verschmächtigten Körpern aber bleiben
spindelförmig zugespitzte Räume, Spatia interossea, welche durch Muskeln aus-
gefüllt werden.
Merkel Anatomie II. Skelctlehre. o
130 Fingerknochenj Sesambeine.
Ihrer Struktur nach sind die Mittelhandknochen typische Röhrenknochen.
Die Ernährungslöcher der Körper liegen im zweiten bis fünften am Daumenrand
und führen in proximalwärts gerichtete Kanäle, im Körper des ersten liegt das Foramen
nutricium am Kleinfingerrand und geht in einen distalwärts gerichteten Kanal über.
y) Fingerknochen, Phalanges.
Die Fingerknochen (194, 195) sind, wie bekannt, am zweiten bis fünften Finger
drei, am Daumen zwei an Zahl. Sie sind wie die Mittelhandknochen Röhrenknochen und
ähneln diesen auch in ihrer ganzen Erscheinung. Man unterscheidet sie als Grund-
phalanx, Mittelphalanx und Endphalanx. Dem Daumen fehlt die Mittel-
phalanx. Nach der Fingerspitze zu werden die Phalangen immer kürzer und dünner.
Ihre Körper sind sämtlich wie die Mittelhandknochen der Länge nach dorsal konvex,
volar konkav gebogen. Die Konkavität wird noch dadurch verstärkt, daß sowohl das
proximale, wie das distale Ende volarwärts vorspringt. Die Dorsalfläche ist außerdem
in transversaler Richtung gewölbt, die volare Fläche plan oder leicht konkav. Letztere
wird beiderseits von einer rauhen und scharfen Kante zum Ansatz der Scheidenbänder
gegen die Dorsalfläche abgegrenzt.
Die Basis der Grundphalangen besitzt ein flach gehöhltes Gelenkgrübchen, der
Kopf eine querliegende, in der Mitte vertiefte Rolle, Trochlea. Ihr entspricht eine
Pfanne an der Basis der Mittelphalanx, welche mit einer Führungsleiste versehen ist,
die in die Vertiefung der Rolle der Grundphalanx eingreift. Distales Ende der Mittel-
phalanx und proximales der Endphalanx artikulieren in gleicher Weise. Das distale
Ende der Endphalanx ist zu einer breiten Platte umgewandelt, welche an ihrem freien
Ende von einem rauhen Saum umgeben ist, der oft mit spitzen, proximalwärts ge-
richteten Zacken den Seitenrand der Phalange überragt, Tuberositas unguicularis.
Vertiefungen zu beiden Seiten der Köpfchen der Grund- und Mittelphalangen sind
zur Aufnahme von Bändern bestimmt.
Die Länge der einzelnen Finger im Verhältnis zu den anderen Fingern derselben
Hand ist im ganzen ziemlich konstant. Der Mittelfinger ist am längsten, dann folgen
4, 2, 5, i. Die Länge von 4 und 2 differiert oft nur wenig. Die relative Länge der
Grundphalangen ist: 3, 4, 2, 5, 1, der Mittelphalangen 3, 4, 2, 5, die Endphalangen
sind sehr verschieden lang (Braune und Fischer 1887).
Die Ernährungslöcher haben eine unbeständige Lage auf der Volarfläche; die
Kanäle, in welche sie führen, sind distalwärts gerichtet (M.-H.).
Sesambeine, Ossa sesamoidea.
Die Sesambeine (194) führen ihren Namen von den Samenkörnern des Sesams,
denen sie hier an der Hand an Größe und Form nicht unähnlich sind. Sie gehören
dem Skelet im engeren Sinne nicht an, da sie knöcherne Einlagerungen in Sehnen
darstellen. Beim Menschen und den ihm nahestehenden Säugern sind sie als in Rück-
bildung begriffen anzusehen. Bei niederen Säugetieren sind sie weit besser ausge-
bildet. Ihrer zwei finden sich regelmäßig auf der Volarseite des Köpfchens des Mittel-
handknochens des Daumens. Auch den übrigen Fingern gehören nach Pfitzner
(1892) ursprünglich zwei solche an, ein radiales und ein ulnares. Doch sind sie in
Wirklichkeit sehr variabel und können an den dreigliederigen Fingern ganz fehlen.
Das ulnare Sesambein des kleinen Fingers kommt in 76,5 % der Fälle, das radiale
des Zeigefingers in 45,9 % vor. Alle übrigen sind selten. In der Kapsel des Inter-
phalangealgelenkes des Daumens ist ein Sesambein häufig, dreimal wurde ein solches
Gelenke und Bänder an der Handwurzel. 131
im distalen Interphalangealgelenk des Zeigefingers gefunden, an anderen Finger-
gelenken hat man sie nicht gesehen.
Entwickelung (270, 271). Die Elitwickelung im Schaft der Mittelhandknochen und der
Phalangen erfolgt allenthalben ganz in gleicher Weise und zur Zeit der Geburt sind nur die beiden
Enden derselben noch knorpelig. Im weiblichen Geschlecht erscheinen nach Prvor (1906) die Epi-
physen früher als im männlichen, und es ist die Schlußentwickclung der weiblichen Hand der der
männlichen um etwa zwei Jahre voraus. Die Kerne in den Mittelhandknochen beginnen in der
neunten Woche aufzutreten, in den Phalangen erst um die Mitte des dritten Fetalmonats. Eine Aus-
nahme macht die Endphalanx des Daumens, deren Kern schon um die siebente bis achte Fetalwoche
auftritt. Der erste Kern der Mittclhandknochcn ist der des zweiten Fingers, dann folgen dritter,
vierter, fünfter und zuletzt erster. Bei den Grundphalangen ist die Reihenfolge: 3, 4, 2, 5, 1;
bei den Mittclphalangcn ebenso, natürlich abgesehen vom Daumen, dem die Mittelphalanx fehlt.
Bei den Endphalangen eröffnet die Reihe, wie gesagt, der Daumen. In den Endphalangen er-
scheint der Diaphysenkern nicht in der Mitte des Schaftes, wie sonst in den Röhrenknochen,
sondern am distalen Ende. Man bekommt dadurch den Eindruck, als sei bei ihnen nur die proxi-
male Hälfte der knorpeligen Phalanx zur Ausbildung gekommen (M.-H.). Epiphvsenkerne treten
in dem distalen Ende der Mittelhandknochen und umgekehrt im proximalen der Phalangen im
zweiten bis dritten Jahr auf. Eine bemerkensw-erte Ausnahme macht der Metacarpus des Daumens,
welcher sich hierin wie eine Fingerphalanx verhält. Dies hat Veranlassung gegeben, ihn für die
eigentliche Grundphalanx zu halten und anzunehmen, daß diesem Finger ein Metacarpalknochen
gänzlich fehle. Trotzdem, daß auch die Form des ganzen Knochens in der Fetalzeit sehr an die
einer Phalange erinnert, ist eine solche Annahme doch unrichtig. Die vergleichende Anatomie
erweist, daß ursprünglich den Metacarpalknochen ein proximaler und distaler Epiphysenkern
zukommt, von welchen beim Menschen jedoch einerseits der distale, andererseits der proximale
allein zur Ausbildung kommt. Ausnahmsweise erhält auch der zweite Mittelhandknochen einen
bald mit der Diaphyse verschmelzenden proximalen Knochenkern und am Daumen ist ein rudi-
mentärer, distaler Epiphysenkern ganz gewöhnlich. Derselbe entsteht aber nicht gesondert,
sondern wird von der Diaphyse aus pilzförmig in das Köpfchen hinein vorgetrieben (M.-H.). Man
hat anzunehmen, daß das Mittelglied des Daumens aus einer Verschmelzung zweier Phalangen
hervorgegangen ist. Die Verschmelzung der Epiphysen und Diaphysen erfolgt allenthalben
um das 15. — 20. Lebensjahr.
Die Sesambeine sind beim Fetus zahlreicher, als beim ausgebildeten Menschen (Thile-
111 us). Ihre Verknöcherung erfolgt meist im 13. — 14. Lebensjahr.
Varietäten. Die Stellung der Fingerglieder kann abnorm sein, sie können dorsal, volar
und seitlich abweichen. Die meisten Varietäten der Mittelhandknochen und Fingerglieder bestehen
in Lritwickehmgsstörungcn. Sie können im ganzen oder im einzelnen die Norm überschreiten,
sie können umgekehrt auch zu kurz werden (Brachydaktylie). Man findet ein Fehlen oder eine
verkümmerte Ausbildung größerer oder kleinerer Teile des Handskeletes. Verdoppelungen werden
vielfach beobachtet, eine solche der ganzen Hand ist freilich eine sehr große Seltenheit. Ver-
vielfältigungen einzelner Finger aber sind häufig, am häufigsten findet man sechs Finger an einer
Hand, manchmal auch sieben. Mehr Finger, bis zu zehn, sind große Raritäten, welche meist
nur in CcsclLschaft mit anderen Bildungsfehlern beobachtet werden. Die überzähligen Finger
sitzen gewöhnlich am radialen oder ulnaren Rande der Hand. Von einem skeletlosen Haut-
anhang bis zu einem richtigen Finger, selbst mit Metacarpus, kommen alle Übergänge vor. Daß
einer der übrigen Finger verdoppelt ist, ist selten. Fälle von Überzahl der Finger kennen nicht
als Stützen für die Hypothese einer scchsh'ngcrigcn 1'ihand benutzt werden, es zeigt sich viel-
mehr stets, daß es sich lediglich um eine Spaltung von l''ingerstrahlen handelt, welche eigentlich
in normaler Zahl vorhanden sind. Ebenso wie Spaltungen, finden sich auch Verwachsungen
von Fingern. — Einzelne Phalangen können fehlen, sie können auch in dei I berzahl vorhanden
sein, besonders gilt letzteres für den Hauinen, welcher >\.\\\\\ drei Glieder besitzt. Line solche
Varietät spricht ohne weiteres gegen die Auffassung des Metacarpus des Daumens als Grund-
phalanx, denn er ist dabei als vollkommen normaler Mittelhandknochen ausgebildet.
i) Gelenke und Bänder an der Handwurzel.
Die Gelenke an der Handwurzel gehören vom Unterarm bis zu den Basen der
Mittelhandknochen anatomisch und physiologisch auf das Engste zusammen, sie stehen
9*
132 Gelenke und Bänder an der Handwurzel.
zumeist untereinander in offener Verbindung und wichtige Hilfsbänder erstrecken sich
über größere Teile der Handwurzel hin. Im einzelnen pflegt man folgende Gelenke
zu beschreiben: i. Radiocarpalgelenk, Articulatio radiocarpea, 2. Intercarpalgelenk,
Articulatio intercarpea, 3. Carpometacarpalgelenk , Articulatio carpometacarpea,
4. Daumencarpalgelenk, Articulatio carpometacarpea pollicis, 5. Erbsenbeingelenk,
Articulatio ossis pisiformis. Dazu kommen noch die Gelenke, welche die Knochen
der beiden Reihen der Handwurzel in querer Richtung miteinander verbinden.
a) Articulatio radiocarpea.
Der Gelenkkopf wird von der proximalen Reihe der Handwurzelknochen gebildet,
die Pfanne vom Radius und Discus articularis (200). Die Ulna ist ganz von der
Gelenkbildung ausgeschlossen, weshalb auch die allein am Radius hängende Hand
dessen Bewegungen bei der Pronation und Supination willenlos folgen muß.
Die Bandscheibe geht wie eine Art Fortsatz vom ulnaren Rand des Radius aus,
so daß also die Gelenkfläche eine vöUig ungeteilte ist. Sie verschmälert sich nach
beiden Seiten hin, ihre größte Breite fällt mit der Stelle zusammen, an welcher Radius
und Discus articularis zusammenstoßen. Der Gelenkkopf besteht aus den proximalen
Gelenkflächen von Kahnbein, Mondbein und Pyramidenbein. Sie werden durch
faserknorpelige Zwischenbänder (Ligamenta interossea, lunato-scaphoideum,
lunato-pyramidale) ebenfalls zu einer einheitlichen Gelenkfläche vereinigt. Bei
der Ruhestellung der Hand steht das Kahnbein dem erwähnten (S. 120) dreieckigen
Teil der Gelenkfläche des Radius gegenüber, das Mondbein mit zwei Dritteln seiner
Gelenkfläche der viereckigen, mit einem Drittel dem Discus ; das Pyramidenbein wendet
eine nur kleine überknorpelte Fläche dem Ansatz des Discus articularis am Processus
styloideus ulnae und der Kapsel zu. Der Gelenkkopf besitzt eine in jedem Durchmesser
erheblich größere Gelenkfläche, was auch für die ungehinderte Ausführung der Be-
wegungen notwendig ist.
Die Krümmung der Gelenkflächen ist eine ellipsoide und zwar beträgt die Länge
des Krümmungshalbmessers für die radioulnare Krümmung der Pfanne etwa 4 cm,
für die dorso-volare etwa 2 cm, die Bogenwerte sind 70 ° und 65 ° (Fick 1904). Die
Krümmung des Gelenkkopfes ist eine etwas stärkere. Die Gelenkflächen sind im ganzen
schief von proximal und ulnar nach distal und radial geneigt, wodurch die Möglichkeit
der Radialflexion eine geringere wird, wie die der Ulnarbeugung.
Der Knorpelüberzug des Radius wird ulnarwärts dicker, derjenige der Carpal-
knochen ist in der Mitte des Mondbeines am dicksten. Im ganzen bewegt sich die Dicke
um 1 mm herum. Die Kapsel setzt sich allenthalben dicht an den Rändern der Ge-
lenkknorpel an; am kürzesten und am wenigsten dehnbar ist sie zwischen Radius
und Mondbein. Sie ist geräumig und zeigt sich volar stärker als dorsal. Von der
hinteren Wand und der ulnaren Ecke aus ragen Falten in die Gelenkhöhle hinein,
von der vorderen und hinteren Wand springen sagittale, frenulumartige Bänder
mit konkavem Rand im Zusammenhang mit den Ligamenta interossea der Hand-
wurzelknochen in die Gelenkhöhle vor (He nie). Die Gelenkhöhle besitzt auch Aus-
buchtungen, welche in Form und Größe wechselnd zwischen den bedeckenden Bändern,
besonders an der Rückseite vortreten (M.).
Die Höhle des Radiocarpalgelenks ist öfters mit benachbarten Gelenken in
Verbindung: durch eine schlitzförmige Öffnung des Discus mit dem distalen Radio-
ulnargelenk, ferner mit dem Erbsenbeingelenk (nicht selten), und mit den Intercarpal-
gelenken.
Gelenke und Bänder an der Handwurzel. 133
Um die Gelenkspalte aufzufinden, wird man am besten von den beiden stets
leicht durchzufühlenden Processus styloidei ausgehen. Der Gipfel der gebogenen
Gelenklinie liegt etwa i cm proximal von der dieselben verbindenden Linie. Da aber
die beiden Enden der Gelenklinie die Linie der Griffelfortsätze in distaler Richtung
überschreiten, so kann man auch unterhalb derselben, besonders gut unter dem Pro-
cessus styloideus ulnac in das Gelenk gelangen (Friedrich 1901).
ß) Articulatio interc'arpea.
Das Intercarpalgelenk besitzt eine sehr komplizierte Form ; es besteht aus zwei
Abteilungen, von welchen die radiale die Artikulation des Trapez- und Trapezoidbeines
mit dem Kahnbein, die ulnare die Artikulation des Kopf- und Hakenbeines mit den
sämtlichen drei Knochen der ersten Reihe umfaßt. Die Krümmungen beider Teile
sind ganz verschiedene, auch werden die Knochen der zweiten Reihe innerhalb jeder
Abteilung fester zusammengehalten, während die beiden Abteilungen miteinander
weniger fest verbunden sind. Was die Krümmung der Gelenkflächen anlangt, so ist
in der radialen Abteilung die Gelenkfläche des Kahnbeins konvex, die des Trapez-
und Trapezoidbeins konkav gewölbt. In der ulnaren Abteilung ist es umgekehrt;
dort bilden die distalen Flächen von Kahn-, Mond- und Pyramidenbein eine gehöhlte
Pfanne, in welcher der konvex gekrümmte Gelenkkopf des Kopf- und Hakenbeines
gleitet. An der äußersten ulnaren Ecke kehrt sich die Krümmung wieder um, indem
dort einer kleinen konvexen Fläche des Os pyramidale eine ebenso kleine konkave
Fläi lie des Os hamatum gegenübersteht (M.).
Von dieser Gelenkhöhle gehen spaltförmige Fortsetzungen aus, welche sich
/wischen den planen Seitenflächen der Knochen beider Reihen der Handwurzel er-
strecken. Proximalwärts werden sie durch die erwähnten (S. 132) Zwischenknochen-
bänder abgeschlossen, auch distalwärts finden sich solche, ein Ligamentum trapezo-
trapezoideum,trapczoidco-capitatumundcapitato-hamatum(Fick) (200).
Das erstgenannte ist kurz und stark, es verbindet die distal-volaren Ecken der beiden
Knochen; das zweite ist nach der Ausbildung der Gelenkflächen verschieden gelagert.
Das dritte zeichnet sich durch seine Höhe aus; es erfüllt nicht den ganzen Zwischenraum
zwischen den Seitenflächen beiden- Knochen, dorsal von ihm erstreckt sich vielmehr
die Gelenkspalte bis zum Carpometacarpalgelenk.
Der Knorpelüberzug im Intercarpalgelenk sehwankt in seiner Dicke zwischen
0,5 und 1,0 mm. Sie wächst im ganzen nach der Mitte der beiden (■ 1 nkköpfe hin
(Werner). Der Knorpel gleicht Unebenheiten der Knochenoberflächen aus. Die
Kapsel setzt sich allenthalben dicb.1 an den Rand dei iiberknorpelten Gelenkflächen
an. Im Innern der Gelenkhöhlen findet man zahlreiche Synovialfalten, unter welchen
sieh eine volare und eine dorsale durch ihre Größe auszeii hnen. 1 »orsalwärts gerichb te
Divertikel der Innenhaut werden ebenso wie heim Radiocarpalgelenk beobachtet.
Zwischen ihnen und den benachbarten Sehnenscheiden können Kommunikationen
entstehen, welche für die Verbreitung pathologischer Ergüsse von Bedeutung sind (M.).
Die Gelenkspalte liegl distalwärts von den Processus styloidei der Vorderarmknochen,
da wo die Hand eben beginnt, sich zu verbreitern.
,) Articulatio carpometacarpea,
Das Carpometacarpalgelenk umfaßt die Verbindungen der distalen Reihe der
Handwurzelknochen mit den Mittelhandknochen der dreigliederigen Finger. Die
134 Gelenke und Bänder an der Handwurzel.
Gelenkspalte ist ganz unregelmäßig. Es ist hervorzuheben, daß die Basis des zweiten
Mittelhandknochens die breiteste ist, während das Trapezoidbein, mit welchem sie
artikuliert, gerade der kleinste Handwurzelknochen ist. Sie überragt ihn daher auch
nach beiden Seiten und stemmt sich dort an Facetten des Trapez- und Kopfbeines
an (220).
Die Gelenkhöhle ist sehr buchtig, sie setzt sich proximalwärts in die Spalten
zwischen den Knochen der zweiten Handwurzelreihe fort, distalwärts in die kleinen
Gelenkspalten zwischen den einander zugekehrten Seitenflächen der Basen der Mittel-
handknochen. Ein besonderer Typus der Überknorpelung ist nicht zu erkennen
(Werner). Die Dicke schwankt zwischen 1/± und i mm. Auch in dieses Gelenk ragen
Synovialfalten von der Kapsel hinein, welch letztere sich dicht an den Knorpelrändern
ansetzt. Ein Ligamentum carpo-metacarpeum interosseum durchsetzt die
Ausbuchtung zwischen dem dritten und vierten Mittelhandknochen und teilt dadurch
das kleine Gelenk in eine volare und eine dorsale Abteilung.
d) Articulatio carpometacarpea pollicis.
Ist gegen das Carpometacarpalgelenk der dreigliederigen Finger, mit dem es
niemals zusammenhängt, in einem Winkel von etwa 450 radialwärts geneigt. Es ist
das ausgesprochenste Sattelgelenk des Körpers. Die Gelenkfläche des Trapezbeines
ist in dorsovolarer Richtung konvex, in radioulnarer konkav, die Gelenkfläche des
Metacarpalknochens umgekehrt. Der Gelenkknorpel hat eine Dicke wie an den übrigen
Gelenken der Handwurzel ; die Kapsel setzt sich am Trapezbein hart am Knorpelrand
an, am Mittelhandknochen, besonders ulnar, bis zu 5 mm davon entfernt (Henle).
Wie es die große Freiheit des Gelenkes verlangt, ist sie weit und schlaff. Eine in die
Gelenkhöhle vorspringende ringförmige Synovialfalte gleicht Inkongruenzen aus.
a) Articulatio ossis pisiformis.
Gelenk zwischen Erbsenbein und volarer Fläche des Pyramidenbeines. Es
liegt zwar in der Nähe der beiden Carpalgelenke, hat aber mit ihnen an sich nichts
zu tun. Die Artikulationsebene ist ein sehr flacher Kugelabschnitt. Die fast gleich-
großen Gelenkflächen sind mit dünnem Knorpel überzogen; die Kapsel ist schlaff
und zeigt sich nicht ganz unmittelbar an den Knorpelrändern angeheftet (Henle).
Das Gelenk hängt nicht selten mit einer Aussackung am ulnaren Rand des Radiocarpal-
gelenkes zusammen.
C) Haftbänder an der Handwurzel.
Die Haft- und Verstärkungsbänder haben die Aufgabe, den Zusammenhang
der Handwurzel mit dem Unterarm zu sichern, die Carpalknochen selbst fest aneinander
zu halten und mit den Mittelhandknochen zu verbinden. Ein Teil dieser Aufgabe
muß stets in gleicher Weise, ein anderer Teil aber kann auch in individuell wechselnder
Weise gelöst werden, woher es kommt, daß die Bänder im einzelnen keineswegs in
allen Fähen ganz gleich verlaufen und gleich ausgebildet sind.
In erster Linie sind zu erwähnen die vom Radius zur Handwurzel ziehenden
Verstärkungsbänder, Ligamentum radiocarpeum volare1) und dorsale2)
(196, 199). Sie entspringen breit von dem volaren, beziehungsweise dorsalen Rand
*) Ligamentum rectum et obliquum.
2) Ligamentum rhomboideum.
Gelenke und Bänder an der Handwurzeli 135
der Gelenkfläche des Radius und von der Basis seines Griffelfortsatzes. Das volare
Band teilt sich in mehrere Züge, welche zu den drei Knochen der proximalen Reihe
und zum Kopfbein gelangen. Zwischen ihnen schieben sich divertikelartige Aus-
sackungen der Handgelenkskapsel vor. Das dorsale Band sendet die Hauptmasse
seiner Faserbündel zum Os pyramidale.
Auch vom Processus styloideus ulnae und dem Rand des Discus articularis gehen
stärkere oder schwächere Bänderzüge aus, welche sich ausbreitend zum Os hamatum,
pyramidale und capitatum gelangen : Ligamentum ulnocarpeum (Fick) (196). In
einer Reihe von Fällen machen die volar gelegenen, von beiden Seiten schief zusammen-
tretenden Fasern den Eindruck eines bogenförmigen Bänderzuges, was Veranlassung
gegeben hat, von einem Ligamentum carpi arcuatum volare zu sprechen.
Zu beiden Seiten findet man die Ligamenta collateralia, radiale und
ulnare1) (196), welche ebenfalls von den beiden Griffelfortsätzen ausgehen. Das radiale
ist kräftig, es setzt sich am Kahnbein bis zu seiner Tuberosität herab an, das ulnare
ist länger aber erheblich schwächer als das radiale; es gelangt zum Pyramiden- und
Erbsenbein. In einer Reihe von Fällen besteht es nur aus einer blätterigen Binde-
gewebslage, in welcher sich nicht selten von Flüssigkeit erfüllte, schleimbeutelartige
Räume finden (Henle). Auf die Pronation und Supination können die beiden Kolla-
teralbänder keinen wesentlichen Einfluß ausüben, sie hemmen nur die Radial- und
ülnarflexion.
Was die Bänder anlangt, welche die einzelnen Handwurzelknochen miteinander
verbinden, so sind dieselben an der Dorsalseite im ganzen einfacher. Dort bildet
das Pyramidenbein eine Art von Centralpunkt, an welchem sich wichtigere Bänder
zusammenfinden. Von der Ulna her kommen die hintersten, stärksten Züge des
Lig. collaterale ulnare, vom Radius das Lig. radiocarpeum dorsale. Von ihm gehen
Bänderzüge aus, welche zum Hakenbein und Kopfbein gelangen, von ihm geht auch
das Ligamentum carpi arcuatum dorsale (Günther) aus (199). Es zieht im
Bogen zur radialen Spitze des Kahnbeines hinüber, und es ruhen das Mondbein und
der größte Teil des Kahnbeines auf ihm wie auf einer Schlinge. Ms hemmt die Dorsal-
flexion. Im übrigen sind die einzelnen Knochen durch die kurzen Ligamenta inter-
carpea und carpometacarpea dorsalia miteinander verbunden. Der kräftigen
Züge, welche vom Pyramidenbein zum Haken- und Kopfbein gelangen, wurde schon
gedacht, von der distalen Seite des Lig. arcuatum gehen kräftige aber kurze und straffe
Händchen in der Richtung nach den Basen der Metacarpalknochen hin. Auch an
si hrägen und queren Verbindungen fehlt es nicht. Im ganzen sind sie auf der Ulnar-
seite kräftiger, als auf der Radialseite.
An der Volarseite ist zuerst des Ligamentum carpi transversum (196) zu
gedenken, eines sehr kräftigen und straffen Band«-, welchessich brückenförmig zwischen
den radialen und ulnaren Eminentiae carpi (S. uSi ausspannt. An seiner der Haut
zugekehrten Fläche verwächst es mit dem der Fascie angehörigen Lig. carpi volare
und der Sehne des M. palmaris longus, an der dem Knochen zugekehrten Seitewird
es durch Fasern der tiefen Volarbänder verstärkt. Zwischen ihm und den Handwurzel-
knochen bleibt ein tunnelförmiger Raum. ( analis carpi, durch welchen die Sehnen
der Beugemuskeln, sowie Nerven und Gefäße zur Hand und zu den Fingern gelangen
(M.-H.). Es Mehi in naher Beziehung zu den an der Handwurzel entspringenden
Muskeln.
'i Ligamenta carpi laterale, radiale und ulnare.
136 Gelenke und Bänder an der Handwurzel.
Von den tiefliegenden Bändern (197) ist besonders das Ligamentum carpi
radiatum hervorzuheben. Die centrale Lage des Os capitatum, besonders seines
Kopfes und Halses, macht diesen Knochen auch zum Centralpunkt für die Anheftung
von Bänderzügen, welche von seiner volaren Fläche nach allen Seiten hin ausstrahlen,
um sich an sämtlichen Knochen der Handwurzel anzuheften. Das Ligamentum radiatum
liegt unmittelbar auf den Kapseln und ist mit ihnen verwebt. Außerdem werden auch
die übrigen Knochen der Handwurzel'unter sich und mit den Basen der Mittelhand-
knochen durch die kurzen Ligamenta intercarpea volaria und metacarpea
volaria verbunden und ihre Gelenkkapseln durch sie verstärkt. Zwischen den Basen
der Mittelhandknochen verlaufen quer die straffen Ligamenta basium oss. meta-
carp. dorsalia, interossea und volaria.
Die Kapsel des Carpometacarpalgelenkes des Daumens wird sowohl volar, wie
dorsal durch kräftige Züge, welche vom Trapezbein zum Mittelhandknochen herab-
ziehen, verstärkt (196, 197, 199).
Das Erbsenbein ist, wie erwähnt, als Sesambein in die Sehne des M. flexor carpi
ulnaris eingelagert (S. 127). Diese tritt an den proximalen Umfang des Knochens
heran und setzt sich vom distalen aus zu den definitiven Anheftungsstellen fort. Diese
letzteren Sehnenzüge aber führen den Namen von Bändern, und zwar unterscheidet
man ein kräftiges Ligamentum pisometacarpeum vom distalen Rand des Erbsen-
beines zum Höcker des fünften Mittelhandknochens, und ein noch stärkeres Liga-
mentum pisohamatum, welches in schrägem Verlauf zum Haken des Haken-
beines gelangt, an welchem es sich sehr fest anheftet (196, 197).
Die Gelenke und Bänder an der Handwurzel beziehen ihr Blut vom Rete arti-
culare carpi, welches seinerseits von der A. ulnaris, radialis und interossea vol. ge-
speist wird. Das Netz der Rückseite ist das stärkere. Äste der Aa. ulnaris und radialis
gelangen von beiden Seiten her hinein, die A. interossea volaris durchbohrt die Mem-
brana interossea und löst sich dann in dem dorsalen Netz der Handwurzel auf. Das
volare Netz wird von feinen Ästen der gleichen Arterien und einem kleinen Zweig
des tiefen Hohlhandbogens versorgt. Die Nerven der Dorsalseite werden vom N.
interosseus dorsalis und Ramus dorsalis n. ulnaris abgegeben, die der Volarseite vom
N. interosseus volaris und vom tiefen Ast des N. ulnaris.
. Die Bewegungen des Handgelenkes vollziehen sich im Radiocarpalgelenk und
im Intercarpalgelenk. Sie spielen sich ab als Volar- und Dorsalflexion, als Ulnar-
und Radialflexion (oder -Abduktion). Die erstgenannte ist die am meisten, die letzt-
genannte die am wenigsten ausgiebige Bewegung. Sind Volar- und Dorsalflexion
ad maximum ausgeführt, dann sind die Randbewegungen nicht mehr möglich, welche
nun so gut es geht durch die Pronations- und Supinationsbewegungen des Radius
ersetzt werden.
Über die in Rede stehenden Bewegungen äußert sich Fick (1901) folgender-
maßen: „Die beiden Handgelenke stellen eine Knochenkombination dar, die an der
Leiche eine annäherungsweise allseitige Beweglichkeit besitzt nach Art eines Kugel-
gelenkes mit dem Drehpunkt in der Mitte des Kopfbeinkopfes. Aktive, d. h. will-,
kürliche Drehungen der Mittelhand gegen den Unterarm um die Längsachse (Pro-
und Supinationen) sind aber beim Lebenden unmöglich, hingegen kann die Hand nicht
nur dorsal- volarwärts, Speichen- und ellenwärts, sondern auch in beliebigen schrägen
Richtungen bewegt werden. Bei allen Bewegungen geschehen in beiden Haupt-
gelenken Verschiebungen, bei aUen ausgiebigen Bewegungen auch in den kleineren
Mittelhandfingergeleoke. 1-.
Gelenken zwischen den einzelnen Knochen der beiden Reihen. Sehr verwickelt i>t
der Vorgang bei den Randbewegungen der Hand, da die beiden Reihen sich dal» i
im wesentlichen so bewegen, als ob sie sich um zwei schräge, sich im Kopibink<>i>t
kreuzende Achsen drehten." „Einfacher ist der Vorgang bei der Volar- und Dorsal-
beugung, da sich dabei beide Reihen im wesentlichen im gleichen Sinn um eine gemein-
same quere Achse bewegen." Fick hebt noch besonders hervor, daß das Intercarpal-
gelenk nicht etwa unwichtig ist, sondern daß es für viele Bewegungen geradezu das
Hauptgelenk der Hand ist.
Was die Carpometacarpalgelenke anlangt, so sind die des zweiten und dritten
Mittelhandknochens als völlig unbeweglich' Amphiarthrosen zu betrachten. Der
vierte Mittelhandknochen ist einigermaßen, der fünfte sehr deutlich beweglich. Das
Carpometacarpalgelenk des Daumens aber läßt sehr ausgiebige Bewegungen zu und
/.war Abduktion und Adduktion von und zu den übrigen Fingern und Opposition,
das heißt eine Stellung, bei welcher die Volarseite des Daumens der Volarseite der
übrigen Finger gegenübergestellt wird. Kombinieren sich die Bewegungen, dann
nähern sie sich denen einer Arthrodie. In der Ruhestellung kann der Mittelhand-
knochen des Daumens niemals mit den übrigen in die gleiche Ebene gebracht werden,
er ist stets etwas volarwärts gewendet.
Über die topographischen Verhältnisse der in Rede stehenden Gegend i-t zu
sagen, daß eine Abgrenzung des Handrückens gegen den Unterarm nicht hervortritt :
seitlich aber sind die Griffelfortsätze der beiden Unterarmknochen sichere Führer
und volar läßt eine Hautfurche zwischen den beiden Griffelfortsätzen die Hand ab-
grenzen und die Lage des Radiocarpalgelenkes sicher bestimmen. Eine weitere Falte
liegt auf dem Intercarpalgelenk. Die Knochen des Carpus sind an der Volarseite
der Hand von Weichteilen so verdeckt, daß man sie nicht durchzufühlen vermag,
nicht einmal den Haken des Hakenbeines, nur das Erbsenbein ist sehr leicht heraus-
zutasten. Unter der Haut und dem Subcutangewebe folgt erst die starke Volar-
aponeurosc, dann der oberflächliche Artcrienbogen, unter ihm die Nerven, sodann
die Fingersehnen und zuletzt der tiefe Hohlhandbogen, welcher auf den Knochen
liegt. Auf dem Handrücken ist unter der dünnen und beweglichen Haut ein lockere;
und nicht selten fetthaltiges Subcutangewebe zu finden, in welchem Hautvenen und
Hautnerven liegen. Dann trifft man proximal auf das Ligamentum carpi dorsale,
unter welchem die Sehnen in fünf verschiedenen Sehnenscheiden gleiten. Weiter
distal liegen die Sehnen frei. Unter ihnen folgt das auf den Knochen liegend, Ar-
teriennetz.
Das Radiocarpalgelenk liegt etwa i cm proximalwärts von der an der Volarsi ite
gelegenen Verbindungslinie der beiden ( iiiil'ell'<>it-ät/.c. I>a- Intercarpalgelenk findet
man distalwärts von dieser Linie, doch i-t seiner eigentümlich gebogenen Gestalt
wegen eine bestimmte Stelle für dasselbe nicht anzugeben. Das Carpometacarpal-
gelenk des Daumen- i-t leicht heraus/uta-ten ; in der gleichen Tran-vei-allinie mit
ihm liegen die anderen Carpometacarpalgelenke.
k) MittelhandfinRergelenke, Articulationes metacarpophalangeae.
Die Köpfchen dieser Gelenke werden von den Mittelhandknochen, die Pfannen
von den Grundphalangen der Finger geliefert. Die ersteren sind Halbkugeln mit
einem Radius von - S nun, von welchen man aui beiden Seiten durch nicht ganz
parallele Schnitte je ein Segment abgetrennt hat. wodurch sich die Gelenkfläche
138 Fingergelenke.
dorsalwärts verschmälert. Zuweilen findet sich da, wo die Gelenkfläche nach der
Vola hin abfällt, eine mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Querleiste. Die
Pfannen sind etwas flacher gewölbt wie die Köpfchen, doch wird die dadurch ent-
stehende Inkongruenz durch eine ringförmige in das Gelenkinnere vorspringende
Synovialfalte ausgeglichen.
Die Dicke des Gelenkknorpels ist die gleiche, wie an den Gelenken der Hand-
wurzel. Die Kapseln sind schlaff; sie setzen sich hinten am Knorpelrand, vorne an
den Zipfeln der Gelenkflächen der Köpfchen (S. 129) an. Auf diesen Zipfeln gleiten
auch etwa in die Kapsel eingelagerte Sesambeine mit überknorpelten Gelenkflächen.
An der Dorsalseite sind die Metacarpophalangealgelenke durch eine Fortsetzung
der tiefen Fascie des Handrückens und die Sehnen des M. extensor digitorum com-
munis geschützt, welch letztere durch transversale Fasern fest an das Gelenk heran-
gezogen werden. Zu beiden Seiten verlaufen die Ligamenta collateralia (198). Sie
entspringen aus Gruben zu beiden Seiten der Gelenkköpfchen (S. 129) und ziehen als
starke Fasermassen schräg distalwärts zu einem Höcker am seitlichen Pfannenrand.
Gewöhnlich ist das radiale Seitenband kräftiger, als das ulnare (Fick). Die ex-
centrische Insertion bringt es mit sich, daß die Bänder bei der Beugung in Spannung
versetzt werden, wodurch im gebeugten Zustand die Seitenbewegungen der Finger
verhindert werden. Auf den Seitenbändern liegen die Sehnen der Mm. interossei, welche
eine weitere Verstärkung der Gelenkkapseln bedeuten. Die volare Seite der in Rede
stehenden Gelenke erhalten eine ■ sehr erhebliche Verstärkung durch faserknorpelige
Platten, welche beiderseits nahe dem Pfannenrand befestigt sind, Laminae fibro-
cartilagineae volares1) (Fick) (196). Sie sind an ihrer volaren Oberfläche rinnen-
förmig gestaltet und es gleiten auf ihr die Sehnen der Beugemuskeln der Finger. Beider-
seits setzen sie sich fort in die Ligamenta transversa capitulorum (196), kräftige
Bänder von etwa 1 cm Breite, welche außerdem auch noch mit dem übrigen Band-
apparat der Gelenke und der Fascie der Mm. interossei, aber nicht mit den Knochen
selbst verbunden sind. Sie verhindern ein zu starkes Spreizen der Mittelhandknochen.
Das Metacarpophalangealgelenk des Daumens besitzt sehr breite Gelenkflächen,
ist aber denen der übrigen Finger nicht unähnlich ; es ist daran zu erinnern, daß bei
ihm die Sesambeine immer vorhanden zu sein pflegen. Sie sind durch einen kräftigen
Bänderzug miteinander in Verbindung gesetzt. Das Ligamentum transversum er-
reicht den Daumen nicht, im übrigen gleicht der Bandapparat des Gelenkes dem
der übrigen Finger.
1) Fingergelenke, Articulationes digitorum manus.
Die am einfachsten gebauten Scharniergelenke des Körpers (201) . Die proximalen
Köpfchen sind mit dorsovolaren Furchen, die distalen Pfannen mit entsprechenden
Firsten versehen. Der Knorpelüberzug ist an den Köpfchen 0,5 — 1 mm, an den
Pfannen 0,2 — 0,5 mm dick. Die Kapseln setzen sich an der Volarseite der Rolle etwas
weiter vom Knorpelrand entfernt an, im übrigen ihm sehr nahe. Vorspringende
Synovialfalten können kleine Inkongruenzen der Gelenkflächen ausgleichen.
An der Dorsalseite sind die kleinen Gelenke durch die Sehnen des Streckmuskels
verstärkt, zu beiden Seiten findet man ebensolche Ligamenta collateralia (198),
wie bei den Metacarpophalangealgelenken, nur laufen sie etwas weniger schief. An
der Volarseite findet man ähnliche Faserknorpelplatten, Ligamenta access-oria
l) Ligg. accessoria.
Die Hand im ganzen. 139
(196), wie die Laminae fibrocartilagines der Mittelhandfingergelenke. Sie sind so in
die Kapsel eingewebt, daß sie wie eine von der Pfanne ausgehende Gelenklippe
erscheinen.
Es ist selbstverständlich, daß die sämtlichen Fingergelenke von den Mittelhand-
knochen ab ihre Gefäße und Nerven von den an ihnen vorbeiziehenden Stämmen
erhalten müssen.
m) Die Hand im ganzen.
Die menschliche Hand weicht in ihrer ganz spezifischen Ausbildung als Greif-
organ von der der meisten Säugetiere erbeblich ab. Bei diesen letzteren, welche
ja die Hand zumeist als Stützorgan benutzen, fällt die Möglichkeit eine Supinations-
stellung einzunehmen fort, sie verharren dauernd in Pronation, um die Vola auf
den Boden stützen zu können. Wenn aber die Drehung nicht ausgeführt werden
kann, wäre der Ausschluß des einen Unterarmknochens von der Artikulation mit der
Hand ohne jede Bedeutung, man sieht deshalb auch, daß bei sehr vielen Säugern
beide mit der Handwurzel in Zusammenhang stehen. Erst bei höher stehenden
Affen, deren Hand im Gebrauch der menschlichen immer ähnlicher wird, nähert
sich auch die Gelenkbildung der menschlichen mehr und mehr.
Die menschliche Hand ist ein flaches Gewölbe mit dorsaler Konvexität, doch
ist die Wölbung keineswegs so fest, daß sie einer schweren Belastung gegenüber un-
empfindlich bleibt. Man sieht auch in der Tat, daß sie sich bei einer solchen abflacht.
Am besten leistet die Handwurzel einer Belastung Widerstand, weit weniger die Reihe
dr Metacarpalknochen. Bei der ersteren trägt das Ligamentum carpi transversum
erheblich zur Sicherung bei, während das Ligamentum arcuatum dorsale umgekehrt
einer zu starken Ausprägung der Wölbung Widerstand leisten dürfte. Einen wichtigen
Anteil an einer festen Vereinigung der Knochen der Handwurzel haben auch die
vielen an ihr befestigten Sehnen. Bei den Metacarpalknochen bedingt ihre ganze
Gestaltung eine Längswölbung der Mittelhand. Stützt man sie auf die gespreizten
Finger, dann weicht zwar der erste und fünfte Mittelhandknochen seitlich aus, wo-
durch sich die Wölbung abflacht, das Ligamentum capitulorum transversum aber
läßt es nicht zu, daß diese Abflachung zu weit geht.
Praktische Bemerkungen. Brüche der Knochen des Unterarmes sind sehr häufig,
was nicht verwundern kann, da man ja bei Arbeiten aller Art den Unterarm braucht und da man
ihn bei drohender Gefahr absichtlich oder unwillkürlich zum Schutze vorstreckt, wodurch er ganz
I»' Icrs gefährdet erscheint. Brechen beide Knochen etwa in ihrem mittleren Drittel, was
am häufigsten vorkommt, dann kann auch die Membrana interossea eine erhebliche Verletzung
erfahren und die Bruchenden können sich verschieben, so daß dann eine Heilung erfolgt, welche
die Punktion der Pronation und Supination erheblich beeinträchtigt, selbst ganz aufhebt. Man
hat deshalb bei Anlegung des Verbandes sorgfältig darauf zu achten, daß die Bruchenden beider
Knochen richtig aneinander gepal.it werden, was sich dadurch am besten erreichen läßt, daß man
sie in Supinationsstellung fixiert. Die Bewegung der Membrana interossea kann durch einen
in unrichtiger Stellung geheilten Radius gehemmt werden, was die Supination ungunstig be-
einflußt.
Erleidet nur einer der beiden I 'nterarmknochen eine Fraktur im mittleren Teil, dann be-
triff! dies meist die rinn. i\a er beim Parieren eines von vorne kommenden Stoßes oder Schlages
der einwirkenden Gewall unwillkürlich entgegen gehalten wird. Schieben sich bei einem iso-
lierten Bruch der I Ina die Bruchenden aneinander vorbei, dann kann auch der Radius nicht
unbeeinflußt bleiben, es erfolgt eine Luxation seines Köpfchens, so i\.iV: sich nun der Unterarm
im ganzen verkürzt. Eine typische Fraktur erleidet der Radius an seinem distalen linde bei
Fall auf die Volarfläche der Hand. Bei der mit einem solchen verbundenen gewaltsamen Über-
streckung leistet das starke Ligamentum radiocarpeum volare erfolgreichen Widerstand und
reil.lt das Kadiiiscudc ab; ,l,i^ \bivil.Scn wird noch dadurch unterstützt, i\.\Ü sich die erste Reihe
140 Die Hand im ganzen.
der Carpalknochen gegen die Dorsalseite des Radius anstemmt und ihn abknickt. Bei einem Fall
auf die Dorsalseite der Hand spielt sich ganz der gleiche Vorgang, nur in umgekehrter Weise ab.
Sehr oft wird bei einer Fraktur des distalen Radiusendes auch der Processus styloideus ulnae
von dem radialwärts dislozierten Radiusende abgerissen.
Luxationen des distalen Radioulnargelenkes sind sehr selten, was nicht überraschen kann,
da Stöße und Schläge, welche die Gegend treffen, sehr eigentümlich wirken müssen, wenn das
untere Ende des Radius dem der Ulna nicht willenlos folgen soll.
In der Kinderzeit sind die Unterarmknochen noch so weich und biegsam, daß Gewalt-
einwirkungen oft keine Frakturen, sondern nur Verbiegungen oder Einknickungen veranlassen.
Beim Versuch der Geraderichtung können letztere allerdings leicht in völlige Frakturen übergehen.
Epiphysenlösungen kommen am unteren Radiusende nicht selten vor; sie verhalten sich nicht
anders, wie die Brüche dieser Stelle bei Erwachsenen. Trotzdem, daß die Kapsel des unteren
Radioulnargelenkes bei Kindern bis über die Epiphysengrenzen des Köpfchens der Ulna hinauf-
reicht, meint v. Brunn (1881) doch, daß das Gelenk bei Epiphysenlösungen nicht in Gefahr
käme, da sich die Kapsel leicht vom Knochen ablöst.
Das Handgelenk ist trotz seiner so mannigfaltigen und starken Inanspruchnahme Frak-
turen und Luxationen nur wenig ausgesetzt. Die große Anzahl der an ihm beteiligten Einzel-
stücke erlaubt so erhebliche Verschiebungen, daß es zu Verletzungen, welche bei einem Gelenk
mit massiven Knochenenden längst eingetreten wären, nicht zu kommen braucht. Die Luxa-
tionen in allen Teilen des Handgelenkes sind nicht häufig, am häufigsten ist noch eine isolierte
Verrenkung des Mondbeines, welches durch Gewalteinwirkung auf die Dorsalseite der Hand
volarwärts aus der Reihe herausgepreßt wird. Die Bandverbindung mit dem Radius kann dabei
erhalten bleiben, und um dieses Band findet dann eventuell eine Drehung des Knochens statt.
Von Brüchen der Carpalknochen hört man nicht -viel; am häufigsten bricht das Kahnbein, dann
das Mondbein, seltener die übrigen Knochen (König 1905). Frakturen und kongenitale Teilungen
der Handwurzelknochen können im Röntgenbild leicht miteinander verwechselt werden.
Die divertikelartigen Aussackungen der Kapseln des Handgelenkes können Veranlassung
geben zur Entstehung von Ganglien (Überbeinen), kleinen harten, knötchenartigen Geschwülsten,
mit derber Wand und gallertartigem Inhalt. Vereiterungen des Handgelenkes können sich weit-
hin erstrecken. Normalerweise ist zwar das Radiocarpalgelenk gegen die übrigen Gelenke ab-
geschlossen, doch steht es oft genug mit dem unteren Radioulnargelenk, mit dem Erbsenbein-
gelenk und mit dem Intercarpalgelenk in offener Verbindung. Intercarpalgelenk und Carpo-
metacarpalgelenk hängen, wie bekannt, stets ohne Abgrenzung miteinander zusammen.
Resektionen der Carpalknochen sind schwierig, erstens ihrer komplizierten Form wegen
und dann, weil sie von Gefäßen, Nerven und besonders auch von Sehnen umgeben werden, welche
alle geschont werden müssen, um die Beweglichkeit der Finger nicht allzu sehr zu beeinträchtigen.
Brüche der Metacarpalknochen sind nicht sehr selten, sie entstehen durch direkte Ge-
walteinwirkung. Dislokationen werden dabei durch die feste Aneinanderfügung der Knochen
meist verhindert. Daß Brüche der Phalangen häufig sind, versteht man leicht. Durch die den
kleinen Knochen eng angeschlossenen Sehnen und Scheiden werden sie förmlich geschient, so daß
die Heilung nicht schwierig ist. Luxationen in den Carpometacarpalgelenken sind sehr selten,
am häufigsten noch in dem des Daumens, was auch nach der Beschaffenheit des Gelenkes leicht
verständhch ist. Meist zeigt er sich dorsalwärts verrenkt. An den Metacarpophalangealgelenken
sind Luxationen ebenfalls nur am Daumen häufiger. Es tritt dabei stets die Basis der ersten
Phalanx auf die Dorsalseite über das Köpfchen des ersten Metacarpalknochens und die umgeben-
den Weichteile fixieren den Daumen in seiner fehlerhaften Stellung. Zwischenlagerung der
Kapsel, zuweilen auch der Sesambeine zwischen die Gelenkenden kann zu einem Repositions-
hindernis werden. Die Sehne des Flexor longus pollicis kann sich hinter der ulnaren Seite der
Gelenkfläche des Mittelhandknochens verhaken und dadurch die Reposition verhindern. Nicht
selten findet man Menschen, welche willkürlich eine Überstreckung des Daumens ausführen
können; Schlaffheit der Kapsel ist dafür verantwortlich zu machen. Luxationen der Finger-
gelenke dorsalwärts und volarwärts kommen öfter vor, sie sind leicht zu reponieren (Helfe-
rich 1910).
Bei Ergüssen in die Fingergelenke stellt sich das betreffende Gelenk in mittlere Beuge-
stellung, da in dieser die Kapsel am ausdehnungsfähigsten ist.
Bei der Amputation eines Fingergliedes hat man sich daran zu erinnern, daß am gebeugten
Finger die Gelenkspalte nicht auf der Höhe des Fingerknöchels, sondern distal davon steht.
Gürtel der unteren Extremität. Hüftbein. 141
2. Untere Extremität, Extremitas inferior.
a) Gürtel, Cingulum.
Der Grundbauplan des Extremitätengürtels (S. 105) ist bei dem der unteren
Extremität klarer verwirklicht, wie bei dem der oberen. Wie es das Schema ver-
langt, treffen die drei Stücke in der Gelenkgrube für den Oberschenkel zusammen;
zwei derselben senden sich Fortsätze zu, welche sich miteinander verbinden und dadurch
ein Loch, Foramen obturatum, umranden. Die Eigenschaft des Beines als Stützorgan
verlangt im Gegensatz zum Arm eine große Stabilität des Gürtels und man findet
.demgemäß, daß sich die drei ursprünglichen Teile beim Erwachsenen knöchern ver-
einigt haben und ein einziges Stück darstellen, das Hüftbein, Os coxae.
Wie die Beschreibung der oberen Extremität zeigte, hat deren Gürtel mit der
Leibeshöhle nichts zu schaffen; er ist deren Wand, die vom Brustkorb gebildet wird,
nur aufgelagert. An der unteren Extremität verhält sich die Sache anders. Rippen
fehlen zwar der Kreuzbeingegend nicht (S. 20), aber sie sind so rudimentär, daß der
Gürtel der Extremität den größten Teil der knöchernen Umrandung der Leibeshöhle
zu liefern hat.
Die beiden Hüftbeine sind in der vorderen Mittellinie fest miteinander verbunden
und hinten hängen sie mit dem Kreuzbein fast unbeweglich zusammen. Beide Hüft-
beine und das Kreuzbein vereinigen sich auf diese Art zu einem festen Gebilde, dem
Becken, Pelvis, welches im Innern sehr wichtige Eingeweide birgt und außen die
freie Extremität von sich abgehen läßt, welche an ihm einen überaus sicheren An-
griffspunkt findet.
a) Hüftbein, Os coxae.
Die drei Teile, ans welchen sich das Hüftbein in der Kinderzeit zusammensetzt
[272, 273) sind: 1. das Darmbein, Os ilium, 2. das Sitzbein, Os ischii, 3. das
Schambein, Os pubis. Zur Erleichterung der Beschreibung legt man derselben
in mehrfacher Hinsicht den jugendlichen, also cntwickelungsgeschichtlich unfertigen
Zustand zugrunde.
Da das Hüftbein den kaudalen Teil der Leibeshöhle umschließt, ist es nach
deren Umfang gebogen. Das Darmbein liegt in der Seitenwand, das Schambein
in der vorderen Wand des Rumpfes und das Sitzbein nimmt insofeme eine ver-
mittelnde Stellung ein, als es sich einerseits dem Darmbein, andererseits dem Schambein
anschließt.
Als Körper, Corpus, bezeichnet man bei allen drei Knochen denjenigen Teil,
welcher der Hüftgelenkspfanne angehört und ihr unmittelbar benachbart ist.
Ehe die Flächen der drei Abteilungen betrachtet werden, sollen zuersl die Ränder
des gesamten Hüftbeines ihre Beschreibung finden [202, 203) und zwar beginne ich mit
dem Darmbeinkamm, Crista iliaca, welcher als oberer Rand des Beckens auch
am 1. eilenden leicht durch die Haut gefühlt werden kann. Er ist S-förmig gebogen,
ziemlich rauh und trägt nach Art eines Dachfirsteseine mittlere erhöhte Kante, Linea
intei media [203), von welcher eine äußere und innere abgeschrägte Fläche, I abium
externum und internum, ausgeht; an der äußeren Fläche befestigt sich der M.
obliquus abdominis externus, an der Firste der M. obliquus internus, an der inneren
Fläche der M, transversus abdominis. Etwa .111 der Grenze zwischen vorderem und
mittlerem Drittel zieht sieh der laterale Rand des Darmbemkammes zu einer Hervor-
142 Hüftbein.
ragung, Spina cristae iliacae (202), aus, an welcher der Tractus iliotibialis der
Oberschenkelf ascie entspringt. Nach vorne endet der Darmbeinkamm mit einer
schwach hakenförmig nach unten und lateral wärts abgebogenen Spitze, dem vor-
deren oberen Darmbeinstachel, Spina iliaca anterior superior (203), dem
Ursprungspunkt der Mm. sartorius undtensor fasciae latae. Von hier aus fällt der Rand
steil ab. Seine konkave Krümmung wird über der Pfanne durch einen Höcker unter-
brochen, den vorderen unteren Darmbeinstachel, Spina iliaca anterior
inferior, den Ansatz des M. rectus femoris. Es folgt sodann eine flache Rauhigkeit,
Eminentia iliopectinea1) (203), die Stelle, an welcher sich Darmbein und Scham-
bein miteinander vereinigt haben. Auf das Schambein setzt sich der Rand als scharfe
Kante, Schambeinkamm, Pecten ossis pubis, fort. Sie endet nahe der Mittel-
linie mit einem vorwärts umgebogenen Höcker, Tuberculum pubicum, zum An-
satz von Muskeln und Bändern bestimmt. Medianwärts vom Höcker folgt die läng-
lich-ovale Facies symphyseos, zur Vereinigung mit der gleichnamigen Fläche der
anderen Seite.
Kehrt man wieder zum Darmbeinkamm zurück und verfolgt ihn nach hinten,
dann sieht man, daß er dort ebenfalls mit einem Höcker, Spina iliaca posterior
superior endigt; auf ihn folgt ein kleiner Ausschnitt, an welchen sich ein zweiter
Höcker anschließt, Spina iliaca posterior inferior. Dieser trägt an seiner medialen
Seite das nach hinten vortretende Ende der Facies auricularis (203). Von dem
hinteren unteren Darmbeinstachel aus ist der Rand tief eingeschnitten, Incisura
ischiadica major, in ihm geht der dem Darmbein angehörige Rand in den dem
Sitzbein angehörigen über. Die Incisur findet ihr Ende mit einem platten Fortsatz,
Spina ischiadica, die Ursprungsstätte des Lig. sacrospinosum und des M. coccygeus.
Ein kleinerer Einschnitt unter ihr ist die Incisura ischiadica minor, an welche
sich wieder ein rauher Fortsatz, der Sitzknorren, Tuber ischiadicum, an-
schließt. Von zwei Facetten seiner oberen Hälfte entspringt der Hauptteil der
Flexoren und ein Teil der Adduktoren des Oberschenkels. Der untere Teil ist rauh.
Vom Sitzknorren aus steigt der Rand zu der bereits erwähnten Facies symphyseos
auf. Er ist etwas nach außen umgebogen.
Das Darmbein entfaltet sich von dem Körper aus, welcher den oberen Um-
fang der Pfanne bildet, zu einer Platte, welche man als Darmbeinschaufel, Ala
ossis ilium, bezeichnet. Sie ist die Pars abdominalis des Darmbeines. Seine
innere Fläche ist, soweit sie sich der Leibeshöhle zuwendet, glatt, jedoch durch eine
vortretende Kante, Linea arcuata2) (203), in zwei ungleich große Teile geteilt. Die
Linie ist hinten an ihrem Abgang von der Facies auricularis verdickt und setzt sich
vorne direkt in den Schambeinkamm fort. Sie ist deshalb von Bedeutung, weil sie
einen Teil der Abgrenzung zwischen großem und kleinem Becken (s. unten) darstellt.
Der obere größere, dem großen Becken angehörige Teil ist leicht vertieft und wird
Darmbeingrube, Fossa iliaca, genannt; an ihrer tiefsten Stelle ist der Knochen
so erheblich verdünnt, daß er durchscheinend wird, in höherem Alter sogar häufig
durchbrochen ist. In ihr liegt zunächst der M. iliacus und auf diesem wieder liegen
Teile des Darmkanales. Der untere kleinere Teil, Pars pelvina, gehört der Wand
des kleinen Beckens an, er setzt sich ohne bestimmte Grenze in das anschließende
Sitzbein fort.
*) Tuberculum iliopubicum.
2) Linea iliopectinea. Linea inominata.
Hüftbein. 143
Der hintere Teil der inneren Darmbeinfläche wendet sich dem Kreuzbein zu.
Die Facies auricularis, von welcher, wie gesagt, die Linea arcuata ausgeht, ist
eine unebene, ohrförmige Gelenkfläche, welche mit der gleichnamigen Fläche des
Kreuzbeines in Verbindung tritt. Über ihr ist der Rest der Fläche sehr rauh und
uneben, Tuberositas iliaca, zur Anheftung des starken Bandapparates, welcher
Hüftbein und Kreuzbein miteinander zusammenhält. Facies auricularis und Tubero-
sitas iliaca bilden die Pars sacralis des Darmbeines (203).
Über die äußere Fläche der Darmbeinschaufel ziehen zwei rauhe Linien (202 .
Die eine, Linea glutaea anterior1), beginnt an der Spina iliaca ant. sup. und er-
streckt sich im Bogen bis gegen die tiefste .Einsenkung der Incisura ischiadica major.
Die andere, Linea glutaea posterior, erhebt sich nahe dem Ende der Linea glutaea
anterior von der Incisur und steigt von da zum Darmbeinkamm auf. Die beiden
Linien grenzen drei Felder ab, ein kleineres hinter der Linea glutaea posterior gelegenes,
an welchem ein Teil des M. glutaeus maximus entspringt, ein ohrförmiges zwischen
Darmbeinrand, Linea glutaea anterior und posterior zum Ursprung des M. glutaeus
medius und ein drittes unter der Linea glutaea anterior, an welcher sich der M. glutaeus
minimus anheftet. Eine Linea glutaea inferior, die untere Grenze des Feldes
für den letzteren Muskel ist sehr häufig undeutlich ausgebüdet oder gar nicht nach-
zuweisen.
Sitzbein (202, 203). Der Körper des Sitzbeines geht von dem unteren hinteren
Abschnitt der Gelenkpfanne aus. Sein hinterer Rand ist in die erwähnte Spina ischiadica
ausgezogen, sein vorderer Rand nimmt an der Begrenzung des Foramen obturatum teil.
Er steigt nahezu senkrecht in den Ramus superior2) ab, welcher an seiner Hinter-
seite das erwähnte Tuber ischiadicum trägt. Dasselbe ist vom unteren Rand
der Pfanne durch eine Rinne der Außenfläche getrennt. Vom Sitzknorren aus biegt
sich der Knochen hakenförmig um, um in den weit schwächeren, abgeplatteten Ramus
inferior3) überzugchen. Dieser steigt im aufrechtstehenden Menschen nur wenig
auf, er liegt fast horizontal. Die innere Fläche des Sitzbeines ist glatt, sie setzt sich
ohne Grenze aus der des Darmbeines fort und gehört ganz dem kleinen Becken an,
die äußere Fläche ist von zahlreichen Gefäßlöchern durchbohrt.
Schambein (202, 203). Das Gegenstück des Sitzbeines. Seine Grenze gegen das
Darmbein bildet die Eminentia ileopectinea. Der Körper geht vom unteren vorderen
Abschnitt der Pfanne aus. Der erwähnte Schambeinkamm teilt den oberen Ast des
Knochens in eine der Außenseite und eine der Innenseite des Beckens angehörige
Fläche. In der Syinphxsen^e^end verbreitert sieh das Schambein und es biegt dort
der obere Ast hakenförmig in den unteren um, welch Letzterer sieh mit dem entgegen-
kommenden Sitzbeinast vereinigt. 1 )ie Stelle der Vereinigung ist auch bei Erwachsenen
nicht selten noch zu erkennen. Die das kleine Becken vervollständigende Innenseite
ist glatt, cht' Außenseite zeigt eine Anzahl kleiner Gefäßlöcher; auf sie wird bei Be-
trachtung des Foramen obturatum zurückzukommen sein.
Acetabulum ') (202). Die Pfanne für den Kopf des Oberschenkels ist nach
Art einer halben Hohlkugel vertieft und mit einem aufgeworfenen Rand, Supercilium
acetabuli, versehen, der jedoch am unteren Umfang fehlt. Dort findet man viel-
') Linea arcuata externa, Linea semicircularis.
'-) Ramus descendens,
:i) Ramus ascendens,
') Vcetabulum, antikes Essignäpfchen, dem modernen Bierbecher ähnlich.
144 Hüftbein.
mehr einen Einschnitt, Incisura acetabuli, welche in eine nicht überknorpelte
Grube des Pfannengrundes, Fossa acetabuli, hineinführt. Die Wand dieser letzteren
zeigt sich soweit verdünnt, daß sie meist durchscheinend ist. Die überknorpelte Ge-
lenkfläche umgibt die Fossa acetabuli in Halbmondform, Facies lunata. Am vor-
deren Rand der Incisura acetabuli endet sie spitz, am hinteren abgerundet. Dort
tritt sie über die Knochenfläche etwas heraus und unter ihr liegt die oben (S. 143)
erwähnte Rinne.
Foramen obturatum1). Es ist von ovaler Gestalt; sein längster Durch-
messer liegt in einer Linie, welche man vom medialen Teil des Schambeinkammes
zum unteren Ende des Tuber ischiadicum ziehen kann. Es wird von den Teilen des
Scham- und Sitzbeines spiralig umrandet, indem der Grenzkontur an seinem oberen
Umfang nicht zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt. Der Rand beginnt am Tuber-
culum pubicum mit einer stumpfen Leiste, Crista obturatoria (202), welche sich
seitwärts zum vorderen Ende der Facies lunata hin erstreckt. Von da ab geht der Rand
erst an der Incisura acetabuli hin, dann weiter an den unteren Ästen des Sitz- und
Schambeines und gelangt endlich an seinem oberen Ende unter der Crista obturatoria
in das Innere des Beckens hinein. Dort bleibt also zwischen Anfang und Ende des
Randes eine kleine Rinne, Sulcus obturatorius (203). Die Rinne wird durch den
quer herübergespannten Rand der Membrana obturatoria zu einem Loch gestaltet
(s. unten). Dieser Rand der Membran spannt sich zwischen zwei kleinen Höckern aus,
von welchen der eine, Tuberculum obturatorium posterius, dort vorspringt, wo
der Knochenrand des Loches an der Incisura acetabuli vorbeizieht, während der an-
dere, Tuberculum obturatorium anterius, sich dort findet, wo die Knochen-
umrandung sich anschickt nach innen abzubiegen (203).
Wie die Form des Hüftbeines, so ist auch seine Struktur eine komplizierte. Am
dicksten ist die Knochenmasse an der Crista iliaca, am Sitzknorren und in der Richtung
der Linea arcuata von der Facies auricularis bis zum oberen Umfang des Acetabulum
hin. Dieser der Linea arcuata angehörige Teil ist auch statisch besonders bedeutsam,
da er das Zwischenstück zwischen Wirbelsäule und freier Extremität darstellt, auf
welchem der von der Wirbelsäule auf das Darmbein übertragene Druck lastet. Im
Stehen pflanzt sich dieser Druck von der Gegend des Acetabulum aus durch die oberen
Schambeinäste bis zur Symphyse fort, im Sitzen auf das durch die Unterlage unter-
stützte Sitzbein (Freund 1885). Die unteren Äste der beiden Knochen bilden nur
eine Spange, welche die im wesentlichen beanspruchten Balken verbindet und in
ihrer Lage hält. Entsprechend ihrer geringeren statischen Wichtigkeit sind sie auch
nur schwach.
Zwischen zwei dünnen Corticalistafeln beherbergt das Hüftbein im Innern eine
in der Jugend engmaschige, später immer weitmaschigere Spongiosa. Die Richtung
der Spongiosabälkchen geht, entsprechend den statischen Erfordernissen, von der
Facies auricularis aus, der Linea arcuata entlang nach der Kuppel des Acetabulum
hin, an welche sich besonders derbe, säulenartige Bälkchen stützen. Von dort wird
ein Zug über den oberen Rand der Kuppel in das Schambein entsendet, ein anderer
am unteren Rand derselben entlang in das Tuber ischiadicum.
Das Periost ist mit dem Knochen sehr fest verbunden an der Crista iliaca, an
der Vorderfläche der Scham- und Sitzbeine, an den Sitzknorren. Ganz locker ist es
dagegen in der Darmbeingrube befestigt, ebenso unter der Linea glutaea anterior.
1) Foramen obturatorium; Foramen ovale.
Bänder der Hüftbeine. Membrana obturatoria. 14Ö
Sehnige Züge, welche von den am Hüftbein befestigten Muskelsehnen und Bändern
;i 1 >i_M -. 1 >. n werden, verstärken cli< Knochenhaut an vielen Stellen. Ein besonders
kräftiger Zug folgt der Linea arcuata. Auf der Oberfläche des Schambeinkammes
spannt sich ein solcher Zug, wie eine Leiste 2) . Ganz unverstärkt bleibt der Periost
nur in der Darmbeingrube und in der Mitte der äußeren Fläche der Darmbeinschaufel.
Seine Arterien erhält das Hüftbein von mehreren Seiten her. In Ernährungs-
löcher der Darmbeingrube treten Aste der A. iliolumbalis ein. Auf der Außenseite
erhält das Darmbein einen Ast der A. glutaea sup. in einem größeren Emährungsloch,
dessen Lage wechselt. Scham- und Sitzbein werden im wesentlichen von der A. ob-
turatoria versorgt, welche eine Anzahl von Asten in verschiedene Ernährungslöcher
entsendet. Die Hauptaustrittsstcllen der Venen finden sich an der Crista iliaca, am
Rand des Acetabulum, im Pfannenboden, an der Vorderfläche der Schambeine, am
Tuber ischiadicum (Waldeyer 1899).
Entwickelung {272, 273). In dem knorpelig vorgebildeten Hüftbein entwickeln sich in der
Umgebung der Pfanne drei Knochenkerne; der erste oberhalb derselben erscheint zu Beginn des
dritten Fetalmonats; er bildet das Darmbein. Der zweite, unter ihr, tritt im vierten Monat auf;
er bildet das Sitzbein. Der dritte, vor der Pfanne, kommt erst um die Mitte der Schwangerschaft
zur Entwickelung, er bildet das Schambein. Zur Zeit der Geburt ist noch ein großer Teil des
Hüftbeines knorpelig; seine drei Stücke sind in der Pfanne weit voneinander getrennt; die Ver-
knöchcrung erstreckt sich am Darmbein nicht bis zum oberen Rande und beschränkt sich am
Scham- und Sitzbein auf den Körper und die oberen Äste. Gegen das sechste Jahr ist die Ver-
knöcherung der unteren Äste dieser Knochen vollendet. Bald folgt deren Verschmelzung. In
der Pfanne vereinigt sich das Darmbein mit dem Sitzbein, dann mit dem Schambein erst zur Zeit
der Pubertät, durch Vermittelung eines oder mehrerer platter Zwischenknochen, Os acetabuli,
welche sich im 9. bis 12. Jahre in der Y-förmigen Synchondrose entwickeln. Epiphvsen: 1. längs
dem ganzen oberen Rande des Darmbeines, Auftreten 13. bis 14. Jahr; 2. an der Spina iliaca
ant. infer. (unbeständig, 18. bis 20. Jahr); 3. am Sitzhöcker, Auftreten 15. bis 16. Jahr; 4. an der
Spina ischiadica; 5. an der Symphysenfläche der Schambeine; 6. im Tuberculum pubis, beide
ebenfalls um dieselbe Zeit. Verschmelzung sämtlicher Epiphvsen mit dem Körper im 22. bis
25. Jahre, am spätesten die am oberen Rande des Darmbeines (M.-H.).
Varietäten. Hinter der Eminentia iliopectinea wird manchmal ein stachelartiger Fort-
satz gefunden, an welchen sich ein Bündel der Sehne des M. psoas minor inseriert. Die äußere
Fläche dieses Fortsatzes ist gehöhlt, sie nimmt die Vasa femoralia auf. Bei manchen Säugern
ist der Fortsatz normal. Eine schwere Entwickelungshemmung des Hüftbeines besteht darin,
daß die Schambeine rudimentär ausgebildet sind und sich nicht bis zur Berührung nähern, was
eine Blasenspaltung zur Folge hat. Das Acetabulum kann rudimentär ausgebildet sein (ange-
borene Hüftgelenksluxaüon).
,i) Bänder der Hüftbeine.
Die Hüftbeine besitzen ein Ligamentum proprium und sind sowohl mit der
Wirbelsäule, wie auch unter sieh verbunden. Alle Bänder sind sehr stark und wider-
standskräftig und es wird durch sie das Bei ken zu dem festen Ring geschlossen, welcher
die Rumpflast zu tragen und der Extremität ihren stabilen Stützpunkt zu geben
vermag.
1. Eigenes Band des Hüftbeines.
Die Membrana obturatoria [204) vervollständigl da- Hüftbein durch Ver-
sehliei.mng des Foramcn ohturatum und es entspringen von ihr außen wie innen
Muskeln, die Mm. obturator extemus und internus. Sie ist so in das Loch eingefügt,
daß sie am medialen Umfang an der äußeren Lippe seines Randes, am unteren und
') I.ig. pubicum Coopeii.
Merkel, Anatomien. Skeletlehre,
146 Verbindungen der Hüftbeine mit dem Rumpf.
lateralen Umfang an der inneren haftet. Die Faserzüge des Bandes laufen im
wesentlichen transversal, zum Teil jedoch auch in anderer Richtung. Sie lassen
zwischen sich einzelne kleine Lücken. Ein größerer Kanal, Canalis ohturatorius,
bleibt am oberen, lateralen Umfang des Loches. Wie schon erwähnt, spannt sich
hier der Rand der Membran zwischen Tuberculum obturatorium anterius und
posterius aus; dieser Rand wird aber nicht nur von der Kante eines einfachen
Blattes gebildet, sondern er wird durch Verstärkungsbündel an der Außen- und
Innenseite der Membran beträchtlich verbreitert. Zwischen denselben ist Fett ein-
gelagert. Ein äußeres Bündel ist meist kräftig und überschreitet beiderseits mit
seinen Insertionen den Rand des Loches; an der lateralen Seite gelangt es bis zur
Hüftgelenkskapsel und wird durch Abduktions- und Rollbewegungen des Oberschenkels
gespannt. Der Canalis obturatorius, welcher oben vom Sulcus obturatorius' des
Schambeines, unten von den genannten membranösen Teilen begrenzt wird, ist bis
zu 3 cm lang und so weit, daß er eine Fingerkuppe aufnehmen kann. Es passieren
ihn, in Fett eingebettet, der N. und die Vasa obturatoria.
Praktische Bemerkungen. Der Canalis obturatorius kann sowohl von Eitersenkungen,
wie auch von Hernien zum Austritt aus dem Becken benützt werden. Die starren Wände des
Kanales verschulden es, daß dabei leicht ein Druck auf den N. obturatorius ausgeübt wird, welcher
zu Erscheinungen in dessen Verbreitungsbezirk führt.
2. Verbindungen der Hüftbeine mit dem Rumpf.
Articulatio sacroiliaca1) (206). In einer sehr straffen Amphiarthrose, Arti-
culatio sacroiliaca, stehen die Facies auricularis des Kreuz- und Hüftbeines mit-
einander in Verbindung. Die Artikulationsflächen der beiden Knochen sind einander
völlig kongruent und fast gleich groß ; immerhin ist die des Darmbeines meist um ein
paar Millimeter größer (Fick 1904), so daß kleine Verschiebungen nicht vollständig
ausgeschlossen sind. Bei Kindern sind sie ziemlich eben, bei Erwachsenen mit leichten
ineinander passenden Erhöhungen und Vertiefungen versehen. Die Artikulations-
ebene ist im Bereich des ersten Kreuzwirbels sehr wechselnd gestaltet, so daß sie auf
dem Querschnitt bald ziemlich gerade, bald nach außen konvex gebogen, bald S-förmig
gekrümmt erscheint. Im Bereich des zweiten Kreuzwirbels pflegt sie median wärts
konvex zu sein, im Bereich des dritten Kreuzwirbels ist sie ziemlich eben.
Der Knorpelüberzug der Gelenkflächen besteht in seinen oberflächlichen Lagen
aus Faserknorpel, er ist von feinsten Zöttchen bedeckt. Auf dem Kreuzbein ist er
1 — 4 mm dick, auf dem Darmbein nur 0,3 — 0,6 mm (Fick).
Die Kapsel spannt sich als eine Fortsetzung des Periostes beider Knochen über
die Gelenkspalte hin, an der Vorderseite ist sie in einer Rinne unmittelbar neben der
Facies auricularis des Darmbeines, Sulcus paraglenoidalis (203), stärker befestigt.
Das Iliosacralgelenk wird durch überaus kräftige Bänder verstärkt und in seiner
Lage gehalten; sie liegen zum Teil direkt auf dem Gelenk, zum Teil stehen sie auch
nicht mit ihm in direktem Zusammenhang, sondern halten Wirbelsäule und Hüft-
bein in einiger Entfernung von ihm zusammen.
Ligamentum sacroiliacum anterius (204, 206). An der dem Beckenraum
zugekehrten Seite des Gelenkes, welche bei einem aufrechtstehenden Menschen nach
unten sieht. Es besteht aus transversalen Fasern, welche vom oberen Ende des
Gelenkes nach unten zu an Stärke abnehmen.
S3'mphysis sacroiliaca.
Verbindungen der Hüftbeine mit dem Rumpf. 14.
Ligamentum sacroiliacum interosseum (206). Eine sehr starke Band-
masse auf der Rückseite des Gelenkes, welche den Raum zwischen der rauhen
Oberfläche der Tuberositas des Kreuzbeines und den Rauhigkeiten der Pars sacralis
des Darmbeines ausfüllt. Es besteht aus queren und schrägen Bündeln, welche so
orientiert sind, wie es in jedem einzelnen Fall die Bedürfnisse des Zuges und Druckes
verlangen. Die Bündel sind durch eingeschobenes Fett voneinander getrennt.
Ligamentum sacroiliacum posterius breve (205). Eine Anzahl von
kurzen aber kräftigen Bänderzügen, welche in schrägem Verlauf von den Gelenkfort-
sätzen des Kreuzbeines zum Hüftbein herüberziehen. Sie decken das Zwischen-
knochenband und werden gedeckt von den Ursprüngen der langen Rückenmuskeln.
Ligamentum sacroiliacum posterius longum (205). An der lateralen
Seite des kurzen Bandes gelegen. Es besteht aus starken, vertikalen Bündeln,
welche an der Spina iliaca posterior superior entspringen und sich zu den Cristae
sacrales laterales des dritten und vierten Kreuzwirbels erstrecken. Seine medialen
Faserzüge fließen mit den benachbarten kurzen Bändern zusammen, seine lateralen
gehen ohne bestimmte Grenze in die Anfänge des Ligamentum sacrotuberosum über.
Ligamentum iliolumbale (204, 205). Der Darmbeinrand erhebt sich von der
Spina iliaca posterior superior in steil aufsteigendem Bogen bis zur Höhe des vierten
Lendenwirbels und es erstrecken sich von den Ouerfortsätzen der beiden letzten
Lendenwirbel quere Faserzüge zum Darmbein hin. Die vom Ouerfortsatz des vierten
ausgehenden Züge gelangen an den Darmbeinrand, die vom fünften stammenden gehen
außerdem noch an den vordersten Teil der Pars sacralis des Darmbeines oberhalb
der Facies auricularis. Bei der Betrachtung von hinten her sieht man, daß die letzteren
die direkte Fortsetzung der Bündel des Ligamentum iliosacrale posterius breve sind.
Außer den queren Faserzügen sind auch schräg absteigende vorhanden, welche vom
Querfortsatz des vierten Lendenwirbels zu dem des fünften und von diesem über die
Vorderfläche des Iliosacralgelenkes bis zur Linea arcuata herablaufen. Sie entsprechen
den Ligamenta costotransversaria anteriora der höher gelegenen Wirbel. An den
oberen Rand des Bandes schließt sieh unmittelbar das Ligamentum lumbocostale
und die den JI. quadratus lumborum an seiner Vorderseite deckende Fascie an.
Ligamentum sacrotuberosum (205). Stellt mit dem [olgenden Band die
unterhalb des Iliosacralgelenkes gelegenen Verbindungen zwischen Kreuzbein und Hüft-
bein dar. Es entspringt in breiter Fläche und in mehreren Lagen, zwischen welchen
sich Fett und Gefäße einschieben, vom letzten Ende des oberen Hüftbeinrandes unter
den Ursprüngen des M. glutaeus maximus und vom freien Seitenrand des Kreuzbeines
bis herunter zum zweiten Steißwirbel. Die Ursprünge vereinigen sich zu einem dicken,
platten Strang von beträchtlicher Stärke, welcher schräg lateralwärts absteigend zum
medialen Rand des Sitzhöckers gelangt, Von der Insertion an zieht ein schmaler
Sehnenstreif, Processus Ealciformis1), längs dem unteren Rand de- unteren Sitz-
beinastes hin, weh her sieli aufwärts bis in die Fascie des M. obturator int. verfolgen
läßl (M.).
Das Ligamentum sacrotuberosum kann man auch am Lebenden vom unteren
Rand des M. glutaeus maximus und vom Mastdarm aus befühlen.
I igamentum sacrospinosum (205). Liegl unter dem vorigen, nach dem
Innern de- Recken- zu. Es fließt mit dem M. ygeus zu einer aus Bindegewebs-
') Falx ligamentosa.
io*
148 Verbindungen der Hüftbeine unter sich. Becken.
und Muskelbündeln zusammengesetzten dreieckigen Platte zusammen, in welcher die
Bandfasern zuweilen fast ganz von den Muskelfasern verdrängt werden. Es setzt sich
mit breiter Basis einerseits am Seitenrand des Kreuzbeines und am Steißbein fest
und gelangt andererseits an die hintere Fläche der Spina ischiadica (M.-H.).
Durch die beiden zuletzt genannten Bänder wird der große Einschnitt zwischen
Hüftbein und Kreuzbein, Incisura sacro-ischiadica, wie ihn das seiner Bänder
entkleidete Becken zeigt, in das Foramen ischiadicum majus oben und das
Foramen ischiadicum minus unten zerlegt. Ersteres ist von rundlicher Gestalt,
letzteres halbmondförmig oder dreieckig. Beide Löcher werden zum Durchtritt von
Muskeln, Gefäßen und Nerven benutzt.
3. Verbindungen der Hüftbeine unter sich.
Schamfuge. Symphysis ossium pubis (204). Die Schambeinsymphyse
verbindet die beiden Hüftbeine in der vorderen Mittellinie miteinander. Die beiden
Schambeine wenden sich elliptische Flächen zu, welche von hyalinem Knorpel bedeckt
sind. Von ihm geht eine teils faserknorpelige, teils rein bindegewebige Schichte,
Lamina fibrocartilaginea interpubica aus, welche die beiden Flächen mit-
einander in Zusammenhang setzt. Ihre Fasern verlaufen im Centrum vorwiegend
quer, in der Peripherie mit gekreuzten Bündeln, ganz wie bei den Faserringen der
Intervertebralscheiben. Die hyaline Schichte ist in der Jugend, die faserknorpelige
im Alter mächtiger. An der dem Beckeninneren zugekehrten Rückseite überragen
die Weichteile der Symphyse die angrenzende glatte Knochenfläche in Form eines
longitudinalen Wulstes [207, 208). Von da aus laufen die beiden Knochenoberflächen
in der hinteren Hälfte einander parallel, dann divergieren sie stark, so daß die vordere
Oberfläche der Symphyse mehr als doppelt so breit erscheint, wie die hintere.
Regelmäßig findet sich, zumeist im hinteren oberen Teil der fibrösen Verbindung
eine lineare Spalte von sehr variabler Ausdehnung (208).
In der Schwangerschaft lockert sich das Gewebe der Symphyse und die Höhle
wird größer (Fick).
Die Schamfuge wird durch Bandmassen verstärkt und in ihrer Festigkeit ver-
sichert. Auf der Vorderseite kreuzen sich die Sehnen der sämtlichen dort angehefteten
Muskeln und bilden eine dicke Bindege websplatte. Am oberen Ende der Symphyse
laufen quere Verstärkungsfasern, Ligamentum pubicum superius (204), von einem
Tuberculum pubicum zum anderen. Nach unten hin setzt sich die Fasermasse der
Symphyse in das Ligamentum arcuatum pubis1) fort, welches den Schambogen
ausrundet. In der Mitte besitzt es einen scharfen freien Rand, weiter seitlich legt
es sich den unteren Schambeinästen an.
Die Blutversorgung der Schamfuge ist eine gute und wird besonders in der
Schwangerschaft eine sehr reichliche. Die Arterien stammen zumeist aus der A.
obturatoria und pudenda externa.
4. Das Becken, Pelvis.
Das Becken im ganzen (204, 205, 209 — 213) besteht aus den beiden Hüftbeinen
und dem Kreuzbein. Das an letzterem hängende Steißbein gehört ihm zwar natür-
lich auch zu, ist aber für seinen Aufbau ohne größere Bedeutung. Es setzt sich aus
zwei Teilen zusammen, dem großen Becken, Pelvis major, und dem kleinen
1) Ligamentum pelvis anterior trianguläre.
Becken. 149
Becken, Pelvis minor, welche durch eine Grenzlinie, Linea terminalis1), von-
einander getrennt sind. Diese beginnt an der Wirbelsäule mit dem Promontorium
(S. 31), geht von ihm aus auf die abgerundete Kante über, welche die obere Fläche
von der vorderen der Seitenteile des Kreuzbeines trennt und folgt dann der Linea
arcuata pelvis und dein Pecten ossis pubis bis zur Symphyse.
Das große Becken besteht aus den beiden Darmbeinschaufeln, der oberen Fläche
der Seitenteile des Kreuzbeines und den Bändern, welche sich von der Wirbelsäule
zum Darmbein ausspannen. Zwischen den vorderen Rändern der beiden Darmbeine
ist es weit ollen. Topographisch gehört es insofern noch der Bauchgegend an, als
es die Unterlage für die in der Bauchhöhle gelegenen Eingeweide bildet.
Das kleine Becken ist ein Kanal, welcher nur dicht unter der Linea terminalis
zu einem kaum mehr als fingerbreiten knöchernen King geschlossen ist. Unter ihm
wird die Wand vorne ergänzt durch die Membrana obturatoria, weiter hinten ist sie
beiderseits durch den großen Einschnitt, der Incisura sacroischiadica, unterbrochen,
welcher durch die Ligamenta sacrotuberosum und sacrospinosum nur unvollkommen
geschlossi n wird. Den vollständigen Vera hluß haben dort die Wei hteile zu besorgen,
weli he die Foramina ischiadica majus und minus passieren.
Der Beckenkanal besitzt eine gekrümmte Form mit vorderer kürzerer und
hinterer längerer Wand. Seine ebenfalls gekrümmte Achse nennt man Führungs-
linie, Axis pelvis )213).
Al> Beckeneingang, Apertura pelvis superior2), bezeichnet man die
vom Promontorium und der Linea terminalis gebildete Linie. Sie umschließt eine
Ebene, welche sowohl vorne wie hinten aufwärts gebogen ist.
Der Beckenausgang, Apertura pelvis inferior3), welcher durch die Weich-
teile des Beckenbodens verschlossen wird, ist von sehr unregelmäßiger Gestalt. Er
beginnt vorne mit dem unteren Ende der Symphyse, eigentlich mit dem freien Rand
des Ligamentum arcuatum, von welchem aus nach beiden Seiten die Schamsitzbein-
äste absteigen. Sie schließen miteinander beim Manne einen Winkel, Angulus pubis
(210) ein, welcher sich bei der Frau bogenförmig zum Arcus pubis (212) abrundet.
Die tiefste Stelle des Beckenausganges wird jederseits vom Sitzknorren gebildet; von
diesem aus steigt er in den Ligamenta sacrotuberosa zum unteren Ende des Kreuz-
beines auf. Das Steißbein springt in der dorsalen Mittellinie nach vorne gekrümmt
in den Beckenausgang vor (209, 211), doch kann es wegen seiner normalerweise
vorhandenen Beweglichkeit nach hinten abgebogen werden.
Die Stellung des Beckens wechselt je nach der Stellung, welche der Gesamt-
körper einnimmt. Bei einem aufrechtstehenden Menschen (213) ist es in der Art
geneigt, daß Spina iliaca anterior superior und Tuberculum pubis in die Frontalebene
lallen. Zieht man ferner eine Linie von dem oberen Symphysenpunkt bis zum
Mittelpunkt der Vorderfläche des dritten Kreuzwirbels (Normalconjugata,
11. Meyer, C853), dann neigt sich dieselbe bei aufrechter Stellung um 300 gegen
die 1 torizontalebene.
Das Becken lugt im Mittelpunkt des ganzen Körpers und enthäll den Schwer-
punkt desselben nahe unter dem Promontorium (Braune und Fis< her [889). Seine
wichtigste statische Funktion besteht dann, den Druck aufzunehmen, welchen bei
l) Linea innominata,
:) [ntroitus pel\ 1 3.
3) Exitus pelvis.
150 Becken.
aufrechter Haltung die Last des Oberkörpers ausübt, und auf die beiden von den
unteren Extremitäten dargestellten Stützen zu übertragen. Diese Übertragung ge-
schieht vom Kreuzbein aus durch Vermittelung der Pars pelvina der Darmbeine.
Kreuzbein und Darmbeine bilden in ihrer Vereinigung ein sphärisches, noch öfter ein
elliptisches Gewölbe, welches auf den Oberschenkelköpfchen ruht. Die Schambeine
mit ihrem medialen Schluß in der Schambeinsymphyse stellen die Verankerung dieses
Gewölbes dar (Leßhaft 1893). Das Os ischii ist beim aufrechtstehenden Menschen
statisch nicht beteiligt, es tritt beim Sitzen in Funktion, wobei nicht der Oberschenkel-
kopf des anders gesteUten Beckens die Rumpflast aufnimmt, sondern eben das Sitz-
bein. Auch dieses ist fest verankert durch die pf eiler artig vom Sitzknorren zur
Schambeinsymphyse aufsteigenden unteren Sitzschambeinäste. Die Ligamenta sacro-
tuberosum und sacrospinosum, besonders das erstere, tragen zur Festigkeit des
Beckens bei, sie sorgen in jeder Lage dafür, daß sich das Kreuzbein nicht vom Tuber
ischiadicum entfernen kann. Daß auch die innere Struktur der Hüftbeine den
statischen Bedürfnissen entspricht, wurde bereits oben (S. 144) erwähnt.
Geschlechtsverschiedenheiten (209 — 212). Bei keinem anderen Teil des
Skeletes sind die Geschlechtsverschiedenheiten so deutlich ausgeprägt, wie beim Becken,
was darauf zurückzuführen ist, daß zu den Funktionen, welche es beim Manne auszuüben
hat, bei der Frau noch die hochwichtige Funktion als Geburtskanal hinzukommt. Es
sind die folgenden: 1. Das weibliche Becken ist im ganzen graziler wie das männliche.
2. Das weibliche Kreuzbein ist häufig, jedoch nicht immer, verhältnismäßig breiter
als das männliche; der obere Teil der Kreuzbeinkrümmung ist bei der Frau tiefer,
die Krümmung im ganzen aber flacher wie beim Mann. 3. Die Vorderwand des weib-
lichen Beckens ist im ganzen niederer, wie die des männlichen. 4. Die Symphyse
und der ganze Raum zwischen den beiden Foramina obturatoria ist bei der Frau breiter
als beim Mann. 5. Die Foramina obturatoria des weiblichen Beckens sind niederer
als die des männlichen. 6. Der Angulus pubis des Mannes besitzt einen Winkel von
70 — 750, der Arcus pubis der Frau von 90 — ioo°. Die Knochenränder des Arcus
sind bei der Frau stark nach außen umgebogen. 7. Die weibliche Beckenhöhle ist
geräumiger wie die männliche. 8. Der weibliche Beckeneingang besitzt ein weniger
vorspringendes Promontorium und eine größere Ouerspannung als das männliche.
9. Der weibliche Beckenausgang hat durch größere Entfernung der Sitzknorren von-
einander und den größeren Schambogen eine größere Weite als der männliche.
Da die Geburtshilfe das größte Interesse daran hat, die mittleren Dimensionen
des weiblichen Beckens zu erkennen, hat man den Maßen von jeher große Aufmerksam-
keit gewidmet. Mittelmaße aber lassen sich deshalb aufstellen, weil die Größe des
normalen Beckens in viel engeren Grenzen schwankt als die des Skeletes im ganzen,
so daß also eine größere Frau ein relativ kleines, eine kleinere ein relativ großes Becken
besitzt (211, 213).
Man hat folgende Zahlen festgestellt (Runge 1909):
Beckeneingang:
Gerader Durchmesser, Conjugata vera 1), kürzeste Entfernung zwischen
Promontorium, Schamfuge: 11,0 cm.
Querer Durchmesser, Diameter transversa, weiteste Entfernung zwischen
beiden Lineae terminales: 13,5 cm.
^ Diameter anterio-posterior.
Becken. 151
Schräger Durchmesser, Diameter obliqua, von der einen Articulatio
sacroiliaca zur Eminentia ileopectinea der anderen Seite: 12 cm.
Beckenweite:
Das ist eine Ebene gelegt durch die Vereinigung des zweiten und dritten
Kreuzwirbels, Mitte der Pfannengegend und Mitte der Symphyse.
Gerader Durchmesser: 12,5 cm.
Querer Durchmesser, zwischen den Mitten der Pfannengegenden: 12,5 cm.
Schräger Durchmesser, Mitte des oberen Randes der einen Incisura ischiadica
zur Mitte des gegenüberliegenden Sulcus obturatorius: 13,5 cm.
Beckenenge:
Das ist die Ebene, welche durch die Spitze des Kreuzbeines, die Sitzbein-
stacheln und den unteren Rand der Symphyse gelegt wird.
Gerader Durchmesser: 11,5 cm.
Querer Durchmesser, Entfernung zwischen beiden Sitzbeinstacheln: 10,5 cm.
Schräger Durchmesser: Müßte von dem hinteren Ende des Ligamentum
sacrotuberosum ausgehen. Inkonstant.
Beckenausgang:
Gerader Durchmesser, geht vom unteren Rand der Symphyse zur Steiß-
beinspitze: 9 cm. Kann unter der Geburt durch Zurückdrängen des Steißbeines
um 2 — 2,5 cm vergrößert werden.
Querer Durchmesser, verbindet beide Tubera ischiadica: 11 cm.
Schräger Durchmesser: Inkonstant, weil vom Bandapparat ausgehend.
Conjugata diagonalis, kürzeste Entfernung vom unteren Rand der Scham-
beinsymphyse zum vorragendsten Punkt des Promontoriums: 12,5 — 13 cm. Ein
besonders wichtiges Maß, da man es leicht an der Lebenden gewinnen kann. Um aus
der Conjugata diagonalis die Conjugata vera zu berechnen, hat man durchschnittlich
1,8 — 2 cm abzuziehen.
In der Absicht, durch Messungen am großen Becken Rückschlüsse auf das kleine
Becken zu machen, ermittelt man auch die Entfernung der Spinae iliacae anteriores
superiores voneinander: am trockenen Becken 23 cm, an der Lebenden 26 cm; ferner
die größte Entfernung zwischen den Darmbeinkämmen: 25 cm; bei der Lebenden:
29 cm.
Obgleich die Verbindung zwischen Kreuzbein und Hüftbeinen eine außerordent-
lich feste ist, hat doch Klein nachzuweisen vermocht, daß eine geringe Beweglichkeit
vorhanden ist. Bei einer Belastung der Hüftbeine durch die herabhängenden Beine
ist die Conjugata am größten, sie wird um so kleiner, je mehr sich die Beine dem Rumpfe
nähern. Auch durch eine Durchschneidung der Schamfuge läßt sieh der Beckenein-
gang, und zwar nicht unerheblich, vergrößern, was ebenfalls auf eine Bewegung in
der Kreuzbein-Hüftbeinverbindung zurückzuführen ist. Die starke Durchfeuchtung
der Bandmassen derselben bei Schwangeren erleichtert eine Lockerung.
Altersverschiedenheiten. Beim Neugeborenen ist das Becken klein und
besitzt eine so enge Höhle, daß die später in ihm liegenden Organe zum großen Teil
gezwungen sind, in die Bauchhöhle aufzusteigen. Ein Promontorium ist noch nicht
ausgebildet, Das Kreuzbein ist in allen Dimensionen relativ größer als später. Der
Beckenraum i>t höher, die Foramina obturata sind naher zusammengerückt. Vor-
handene geringe Geschlechtsunterschiede (Fehling 1876) gehen im Laufe des kind-
lichen Wachstums verloren; vom zehnten Lebensjahr ab bildet sich d.»> männliche
152 Becken.
Becken gleichmäßig weiter, ohne den kindlichen Typus zu verlieren, das weibliche
erhält seine charakteristische Gestalt erst mit dem Eintritt der Pubertätsentwickelung
(Merkel 1902).
Auch Rassen Verschiedenheiten des Beckens werden beobachtet.
Varietäten. Es gibt Becken mit hochstehendem und tiefstehendem Promontorium
(Froriep 1881). Der Unterschied kann eine ganze Wirbelhöhe betragen. Das Becken mit tief-
stehendem Promontorium pflegt man als das normale anzusehen, das mit hochstehendem steht
der kindlichen Form näher. Die Darmbeinschaufeln sind in einer Reihe von Fällen steiler auf-
gerichtet als gewöhnlich, was ebenfalls kindlich ist (Merkel). Die Form des Beckeneinganges
kann mehr kartenherzartig oder elliptisch oder rundlich gestaltet sein, ohne daß man dabei von
Abnormitäten sprechen könnte. Das Becken kann in seiner ganzen Ausbildung die Merkmale
des kindlichen Typus behalten, es kann im allgemeinen zu klein, es kann auch zu groß sein. Die
Beckenhöhle kann durch Krankheiten (Rachitis, Osteomalacie, Hüftgelenksleiden) abgeplattet
werden, oder eine Dreiecksform mit schnabelförmig vorspringender Symphvse annehmen, oder
auch schräg verengt erscheinen.
Eine wichtige, aber sehr seltene Varietät des Kreuzbeines ist es, daß seine Seitenteile rudi-
mentär ausgebildet sind. Die ganze Beckenform wird dadurch verändert und der Beckeneingang
von beiden Seiten her so stark verengt, daß das Durchtreten des Kinderkopfes bei der Geburt
unmöglich wird.
Ist der erste Kreuzwirbel nur einseitig assimiliert oder steigt die Zahl der Kreuzwirbel
auf sechs, dann kommt es oft zur Ausbildung eines doppelten Promontoriums (S. 33). An
den zuweilen vorkommenden Stachel im Verlauf der Linea terminalis (S. 145) sei erinnert, er
kann ein Geburtshindernis abgeben. Es können auch an anderen Stellen Vorsprünge vorhanden
sein, welche gelegentlich geburtshilflich von Bedeutung werden, so kann das Promontorium un-
gewöhnlich eckig und scharf sein, die Rückseite der Symphyse kann sich zu einem scharfen Grat
umwandeln, am Ansatz des M. piriformis können kleine Knochenzapfen (Waldever) vorhanden
sein. Die Eminentia ileopubica und die Vereinigung der unteren Scham- und Sitzbeinäste kann
zu einer starken Rauhigkeit umgewandelt erscheinen. In allen Bändern werden gelegentlich
Knocheneinlagerungen beobachtet. Umgekehrt bleibt die Knochenbildung auch zuweilen aus,
so an den unteren Scham- und Sitzbeinästen (Hyrtl). Besonders wichtig ist der Fall, in welchem
durch eine Entwickelungshemmung die beiden Schambeine nicht zum Schluß in der Schambein-
symphyse kommen. In höheren Graden entsteht dann Ektopie und Spaltung der Blase und
die ganze Beckenform wird durch das Fehlen der Gewölbeverankerung verändert.
Praktische Bemerkungen. Das Iliosacralgelenk ist hinten weit besser geschützt
als von vorn; es operativ zu lösen, dürfte bei Erwachsenen wohl schwerlich möglich sein. Bei
Kindern gelingt ein Eindringen in das Gelenk und ein Vorbiegen des unvollständigen Becken-
ringes bei Inversio vesicae, doch folgt dabei das Messer keineswegs streng der Gelenkspalte. Da
das Gelenk vorne nur w-enig geschützt ist, können Durchbrüche dort leichter erfolgen, wie hinten.
Bei Symphyseotomie wird man es vermeiden, von vorne nach hinten durchzuschneiden, da man
bei der Verschmälerung der Schamfuge nach hinten nicht sicher sein kann, ihren Verlauf genau
einzuhalten; von innen her kann man sie aber sehr leicht finden, da sie dort als eine Firste fühlbar
ist und ohne Schwierigkeit die Trennung nach außen durchführen. Die Gefährlichkeit der Opera-
tion hegt nicht in dem Verhalten der Symphyse selbst, sondern in dem der ihr benachbarten Ge-
fäße und Eingeweideteile. Auch Verletzungen des Beckens werden nicht selten dadurch be-
sonders schwer, daß die in und an ihm liegenden Weichteile in Mitleidenschaft gezogen werden,
so können sie bei Frakturen durch eindringende Knochensplitter mehr oder weniger geschädigt
werden, sie können mit dem Bruche des Knochens zerreißen u. dgl. mehr. Die Frakturen können
einzelne Teile des Beckens betreffen, indem z. B. ein Teil der Darmbeinschaufel oder der Sitz-
knorren abbricht oder ein Schamsitzbeinast eine Kontinuitätstrennung erfährt, oder wenn durch
Fall auf das Gesäß das Kreuzbein quer durchbricht. Sie können auch den Beckenring im ganzen
betreffen, wenn eine schwere Last auf ihn fällt, oder ein Wagenrad ihn zusammenpreßt. Es ent-
steht dann auf der einen Seite durch Druck, auf der anderen durch Riß eine Trennung. Typische
Frakturstellen sind einerseits die mediale Umrandung der Foramina obturata, anderseits die Stelle
in oder neben der Articulatio sacroiliaca. Hier können auch die übermäßig gespannten Bänder
die Spina iliaca poster. super, oder Teile des Darmbeinkammes abreißen, während sie selbst ihrer
Stärke wegen unzerrissen bleiben. Die schwächste Stelle des Kreuzbeins ist in den Spangen
Oberschenkelbein. 153
zu suchen, welche die Foramina sacralia voneinander trennen. Bei jungen Leuten ist die Elastizität
des Beckenringes so groß, daß er vermöge seiner Federkraft ohne Fraktur davon kommt, auch bei
Gewalteinwirkungen, von welchen man eine solche erwarten könnte. Bei ihnen kommt es zuweilen
zu einer Trennung der transitorischen Xähte, welche im Acetabulum zusammenstoßen. Die Pfanne
hat einen so dünnen Boden, daß ihn der Oberschenkelkopf sprengen und in das Innere des Beckens
eindringen kann. — Alle Bandverbindungen können sich bei schweren Gewalteinwirkungen lösen,
die Articulatio sacroiliaca, die Symphysis ossium pubis, die Verbindung zwischen Kreuz- und
Steißbein.
b) Oberschenkelbein, Femur.
Das Oberschenkelbein (214, 215, 216) ist der längste Knochen des Skeletes.
Sein proximales Ende verbindet sich mit dem Becken, sein distales mit dem Schien-
bein. Das proximale Ende endigt in dem Oberschenkelkopf, Caput femoris,
dessen überknorpelte Gelenkfläche etwa zwei Drittel einer Kugel ausmacht. Etwas
unterhalb seines Gipfels findet man ein rauhes Grübchen, Fovea capitis, zur An-
heftung des Ligamentum teres. An den Kopf schließt sich ein relativ langer Hals,
Collum femoris, an, welcher in seinem lateralen Teil verbreitert und von vorn
nach hinten etwas abgeplattet, im Winkel an den Schaft angesetzt ist. Dieser Winkel
beträgt im Mittel 1270 (Charpy 1892), doch schwankt er in weiten Grenzen; immer-
hin kann man sagen, daß er bei kurzen Oberschenkelbeinen, wühl auch bei breiterem
Becken kleiner ist. Da nun die Frauen kürzere Oberschenkel und ein breiti n s
Becken haben als die Männer, pflegt er bei ihnen kleiner zu sein.
Der Winkel, in welchem der Schenkelhals gegen die Achse des Kniegelenkes
gedreht ist, schwankt in weiten Grenzen; im Mittel kann man vielleicht 120 an-
nehmen.
An den Hals schließen sich wie am Oberarm zwei Höcker an, die Rollhügel,
Trochanter major und Trochanter minor. An dem ersteren läuft die laterale
Seite des Schaftes aus; er ist hakenförmig median wärts umgebogen und zeigt sich
gegen den Hals hin grubig zur Fossa trochanterica vertieft. Der letztere ist von
kegelförmiger Gestalt, er sieht nach hinten und medial und steht dort, wo der Schaft
in die Unterseite des Halses umbiegt. Beide Trochanteren werden über die Rück-
seite des Knochens hin durch die Crista intertrochanterica l) (218) verbunden,
einen Wulst, aus welchem sich der Hals heraushebt. An Trochanter major, Fossa
trochanterica und Crista intertrochanterica setzen sich die Rollmuskeln des Ober-
schenkels an, an den Trochanter minor der M. iliopsoas.
Der Schaft des Oberschenkelbeines ist vorwärts konvex gebogen (216). Sein Quer-
schnitt ist im größten Teil seiner Länge rundlich, doch nähert er sich der dreiseitig
prismatischen Form durch das Vorhandensein zweier longitudinaler Kanten. Die
eme, Angulus medialis, ist glatt und stark abgerundet; sie verläuft über die mediale
Seite vom unteren l "mlane, de- Halses an bis lnrab zum Epicondylus medialis. Die
andere ist rauh, kräftig vorspringend, und zieht über die Rückseite des Knochens
herab. Sie wird als Linea aspera2) bezeichnet. In der Mitte des Oberschenkel-
beines ist sie am kräftigsten ausgebildet und besitzt dort zwei mehr oder weniger deut-
liche Kanten, Labium mediale und Labium laterale (215). An ihr setzen sich
die meisten am Oberschenkelbein entspringenden oder an ihm endenden Muskeln an.
Die beiden Lippen der Linea aspera weichen proximalwärts auseinander. Die laterale
') Linea intertrochanterica.
-) Crista femoris.
154 Oberschenkelbein.
endet unter dem Trochanter major mit einer Rauhigkeit, Tuberositas glutaea,
zum Ansatz des M. glutaeus maximus. Sie schwillt manchmal zu einem stumpfen,
in die Länge gezogenen Höcker, Trochanter tertius, an, welcher bei manchen Säuge-
tieren die Regel ist. Die mediale Lippe zerfällt in zwei Teile; der eine steigt zum
Trochanter minor auf J) , der andere biegt unter ihm nach vorne ab und steigt über
die Vorderseite des Knochens als die rauhe Linea obliqua femoris2) (214) bis
zum Trochanter major auf; an ihr heften sich die von oben herkommenden Kapsel-
bänder und die nach unten gehenden obersten Bündel des M. vastus medialis an.
Nach dem distalen Ende hin verbreitert sich der Schaft immer mehr, so daß
sein Querschnitt eine querovale Form annimmt. Dort divergieren die beiden Lippen
der Linea aspera und erstrecken sich beiderseits bis zu den Epicondylen. Die mediale
Lippe endigt mit einer Muskelrauhigkeit (Hentzelt 1911). Sie fassen die oben glatte,
unten rauhe und von zahlreichen Gefäßöffnungen durchbohrte Kniekehlenfläche,
Planum popliteum3), zwischen sich (215).
Das distale Ende trägt die Gelenkfläche zur Artikulation mit der Tibia. Die-
selbe ist geteilt und nimmt zwei kräftige, aus der Rückfläche des Knochens vortretende
Vorsprünge, Condylus medialis und Condylus lateralis, ein. Beide sind durch
eine tiefe Grube, Fossa intercondyloidea4), voneinander getrennt. Eine rauhe
transversale Kante, Linea intercondyloidea, verbindet die oberen Enden der
beiden Condylen und setzt dadurch die Grube gegen das Planum popliteum ab. Die
überknorpelten Gelenkflächen der Condylen sind in sagittaler Richtung gewölbt (215).
Nach der vorderen Seite des Femurendes hin fließen die Gelenkflächen zu einer einzigen
zusammen, welche nicht mehr mit dem Schienbein, sondern mit der Kniescheibe
artikuliert, weshalb sie den Namen Facies patellaris führt (214). Die Fläche ist
in der Art verschoben, daß sie lateral etwas weiter heraufreicht, wie medial, und
daß eine vertikale Rinne, welche sie trägt, etwas nach der medialen Seite hin gerückt
ist. Von den Gelenkflächen der Condylen hebt sich die Facies patellaris durch
eine seichte Furche ab.
Auf den beiden Seitenflächen der Condylen erheben sich stumpfe und niedere
Höcker, Epicondylus lateralis und Epicondylus medialis5). An sie setzen
sich Bänder und Muskeln fest. Der Epicondylus lateralis ist an seinem distalen Um-
fang durch eine breite Furche abgesetzt, der Epicondylus medialis ist höher und zer-
fällt nicht selten durch eine flache Grube in eine untere und obere Erhebung
(Tuberculum supracondyloideum).
Das Oberschenkelbein ist so gleichmäßig von Weichteilen bedeckt, daß nur
die beiden Seiten des distalen Endes einer unmittelbaren Untersuchung zugänglich
sind. Auch der Trochanter major ist durch die Haut zu fühlen, was deshalb von
Bedeutung ist, weil er ungefähr in gleicher Höhe mit der Fossa capitis steht, so daß
seine Stellung einen Schluß auf die Stellung des Oberschenkelkopfes zuläßt. Da
die Oberschenkelknochen proximal durch die Breite des Beckens voneinander getrennt
sind, mit ihren distalen Enden an den Knien sich aber berühren, sind ihre Achsen
schief nach unten und medial gerichtet. Um die schiefe Stellung unschädlich zu
1) Linea pectinea.
2) Linea intertrochanterica. Diese Bezeichnung ist unzutreffend, da die Linie mit dem
Trochanter minor nichts zu tun hat.
3) Von Poples, Kniekehle.
4) Fossa poplitea.
5) Condylus lateralis und medialis.
Oberschenkelbein. 155
machen, ragt der Condylus medialis weiter vor als der Condylus lateralis. Man über-
zeugt sich davon am besten, wenn man den Knochen mit seinem distalen Ende auf
eine horizontale Unterlage, den Tisch oder auch auf die Gelenkfläche der Tibia stellt.
Der Oberschenkel ist ein typischer Röhrenknochen mit einer sehr festen und
dicken Compacta und einem, besonders in der Mitte seiner Länge, relativ engen Mark-
kanal. An beiden Enden blättert sich die Compacta, wie an jedem Röhrenknochen
zur Spongiosa auf; diese aber besitzt im Zusammenhang mit den statischen Verhält-
nissen eine Struktur spezifischer Art. Am proximalen Ende sind die Lamellensysteme,
entsprechend seiner gebogenen Form, in ihrem Verlauf modifiziert und dazu kommt
noch das System des Schenkelspornes (Merkel 1874) 1), einer Leiste von kompakter
Knochensubstanz, welche von der hinteren Seite des Halses ab, am Trochanter minor
vorbei in das Innere des Knochens vorspringt. Von ihr strahlen Spongiosabälkchen
radiär nach allen Seiten aus und verbinden sich mit der dünnen Corticalis. In höherem
Alter schwindet der Schenkelsporn mit dem allgemeinen Schwinden der Knochen-
substanz fast vollständig. Am distalen Ende des Knochens strahlt in die regelmäßig
sich kreuzenden Züge der Spongiosabälkchen ein System radiärer Bälkchen ein, welches
von einer etwas verdickten Stelle der Corticalis in der Gegend der Fossa intercondylo-
idea ausgeht (Unterer Schenkelsporn, Albert 1900).
Das kräftige Periost läßt sich vom Schaft des Knochens leicht abschaben, nur
an der Linea aspera adhäriert es äußerst fest.
Arteriae nutriciae sind eine oder zwei vorhanden ; sie werden von den Artt. per-
forantes abgegeben. Sie betreten den Knochen durch Löcher, welche auf oder neben
der Linea aspera stehen und in proximal gerichtete Kanälchen führen. Weite Gefäß-
löcher stehen am proximalen Knde in größerer Zahl auf der Crista intertrochanterica
und nelien ihr auf dem Collum femoris, am distalen Ende sowohl vorne, wie besonders
hinten am Ende des Planum popliteum.
Entwickclung [274, 275). In der Mitte der Diaphyse des Oberschenkels erscheint ein Kern
in der siebenten bis achten Fetaiwoche. Beim Neugeborenen ist das proximale und distale Ende
des Knochens noch knorpelig, doch enthält das distale Ende in der Regel einen kurz vorher auf-
getretenen Knochenkern, welcher als, freilich nicht untrügliches, Mittel die Reife der Frucht
zu bestimmen eine forensische Bedeutung erlangt hat. Am Oberschenkel des Neugeborenen
ist der Hals noch sehr kurz, er erhält erst im Laufe der ersten Lebensjahre seine definitive Gestalt.
Ende des ersten Lebensjahres entsteht ein Kern im Kopfe des Oberschenkels: im dritten bis vierten
Jahr kommt ein Kern im Trochanter major, im 12. bis 14. ein solcher im Trochanter minor hinzu.
Dieser letztere verschmilzt mit dem Körper im 17. Jahr, ihm folgt der des Trochanter major,
dann der des Kopfes und zuletzt im 20. — 24. Jahr vereinigt sich die untere Epiphyse mit dem
Körper.
Varietäten. Das Tuberculum supracondyloideum (mediale) kann so groß werden, daß
es am Lebenden durch die Haut zu fühlen ist. Auch ein Tuberculum supracondyloideum laterale
kommt zuweilen vor. Am lateralen Kand des Oberschenkels kommt zuweilen am l'rsprung des
kurzen Bicepskopfes ein platter, kammartiger Fortsatz vor (Wilbrand).
Praktische Bemerkungen. Der Winkel, welchen der Hals des Oberschenkels mit
dessen Körper bildet, ist in der Jugend größer als beim Erwachsenen, er verkleinert sich durch
die Belastung. Fällt diese im Kindesalter fort, wie bei dauernder Bettlägerigkeit, bei Lähmungen,
nach Amputationen, dann bleibt auch der Winkel größer. Das Schwinden des Schenkelspornes
in späteren Lebensjahren erklärt das leichte Eintreten von Schenkelhalsbrüchen im Greisen-
alter, Auch bei jüngeren Personen kennen jedoch Brüche des Schenkelhalses entstehen, was
bei der eigenartigen Winkelstellung desselben leicht verständlich ist. Von ihrem Verhalten sur
Gelenkkapsel und unten die Rede sein. Der [rochanter major kann gesondert abbrechen, der
Trochanter minoi kann vom M. iliopsoas abgerissen werden.
') l.aiuina leuioialis interna, Krause.
156 Hüftgelenk.
Die konvexe Biegung des Körpers nimmt bei Rachitis zu. . Die Biegung erleichtert die
Entstehung von Frakturen, wenn den hohl liegenden Oberschenkelschaft eines am Boden aus-
gestreckten Menschen von vorne her eine Gewalteinwirkung trifft, oder wenn bei Fall auf die Füße
die Biegung vergrößert wird, so daß der Knochen an der Konvexität einreißt, an der Konkavität
durchbricht. Frakturen können nach Art und Richtung der Gewalteinwirkung an jeder Stelle
des Schaftes eintreten, seine gleichartige Struktur schreibt ihnen keine besondere Richtung vor.
Wegen der zahlreichen Ansätze starker Muskeln ist die Gefahr einer Dislokation der Bruchenden
und einer Verkürzung des Gliedes bei der Heilung groß. Ist das kräftige Periost bei reinen Quer-
brüchen jugendlicher Personen erhalten, dann kann es eine Dislokation verhindern. Am distalen
Ende kann einer der Condylen abbrechen; auch T-Brüche, ähnlich denen des distalen Humerus-
endes, kommen vor. — Lösungen sind an sämtlichen Epiphysen beobachtet worden. (S. auch
unten beim Kniegelenk.)
c) Hüftgelenk, Articulatio coxae.
Das Hüftgelenk stellt die Abart des Kugelgelenkes dar, welche man als Nuss-
gelenk, Enarthrosis, bezeichnet. Es ist ein Gelenk, dessen Bewegungen von denen
des Schultergelenkes im wesentlichen nicht verschieden sind. Am freiesten sind sie
in halber Beugung, wie sie die normale Stellung eines vierfüßig gehenden Säugetieres
ist. In der aufrechten Stellung, welche der Mensch angenommen hat, ist das Gelenk
in starker Streckung, die vorderen Bänder sind gespannt und die Kapsel ist einiger-
maßen torquiert, wodurch die Freiheit der Bewegung eine Einbuße erleidet. Für
die Tätigkeit des Gelenkes ist es ferner nicht günstig, daß im Gegensatz zu dem gewöhn-
lichen Vorkommen die mehr als halbkugelige Pfanne an Ausdehnung die Größe des
Kopfes übertrifft ; dies wird aber dadurch wett gemacht, daß der Hals des Oberschenkels
zum großen Teil in die Kapsel einbezogen ist. Wenn der überknorpelte Kopf bei ex-
tremen Bewegungen auf der einen Seite über den Rand der Pfanne heraustritt, kann
auf der gegenüberliegenden der im Verhältnis zum Gelenkkopf schlanke Hals in die
Pfanne eintreten, so daß die Bewegungen ungehindert vor sich gehen können; wäre
der Hals so kurz, wie am Oberarm, dann würden sie nicht ausführbar sein.
Der Gelenkkopf, welcher, wie oben S. 153 erwähnt wurde, etwa zwei Drittel
einer Kugel ausmacht, hat eine regelmäßig gekrümmte Oberfläche, welche beim
Mann einen Halbmesser von etwa 2,6 cm, bei der Frau von 2,4 cm besitzt. Der ihn
bedeckende Gelenkknorpel endigt nicht überall in einer geraden ihn umkreisenden
Linie, sondern buchtet sich vorne oben und hinten unten leicht konkav ein. Am
dicksten ist der Knorpel vorn unten.
Die Pfanne trägt nur auf der Facies lunata Knorpelbelag, welcher oben und
hinten dicker ist als vorne. Sie wird durch eine Gelenklippe, Labrum glenoidale1)
(217, 217a), zu einer mehr als halbkugeligen Höhle ergänzt. Dieselbe ist eine aus
Faserknorpel und Bindegewebe bestehende, 5 — 6 mm hohe Verlängerung des Pfannen-
randes, welche an diesem breit entspringt und sich an ihrem freien Rande zuschärft.
Sie umkreist den Rand der Pfanne vollständig und verbreitert sich an der Incisura
acetabuli zu dem kräftigen, rein bindegewebigen Ligamentum transversum
acetabuli (204, 217 a), welches dieselbe überbrückt, aber nicht ganz ausfüllt, so daß
zwischen dem Ligament und dem inneren Rand der Incisur eine Lücke bleibt, durch
welche Fett und Blutgefäße von außen her in die Fossa acetabuli eintreten. Erst
durch die Gelenklippe wird der Schenkelkopf so weit umschlossen, daß er in der
Pfanne festgehalten wird; will man ihn exartikulieren, dann muß man sie ein-
schneiden; es dringt dann Luft in die Pfanne ein und der Kopf läßt sich nun nach
J) Linibus cartilagineus.
Hüftgelenk. 157
Aufhebung des Luftdruckes, der vorher die Gelenklippe fest andrückte, leicht aus
der Pfanne herausziehen.
Im Inneren des Gelenkes werden Pfanne und Kopf verbunden durch das Liga-
mentum teres femoris (217, 217 a), ein Band, welches bei niederen Wirbeltieren, selbst
noch bei manchen Säugern außerhalb des Hüftgelenkes liegt, in der Tierreihe dann
aber immer weiter in das Gelenk hineinrückt, bis es endlich, wie beim Menschen, frei in
dessen Innenraum zu liegen kommt. Es entspringt breit an beiden Enden der Facies
lunata und an dem zwischen ihnen ausgespannten Ligamentum transversum und
nimmt noch Fasern von außen her mit, welche durch die Lücke hinter diesem Band
in das Gelenk eintreten. Von diesem Ursprung aus erhebt sich das Band als ein drei-
seitiger Bindegewebskörper, welcher sich nach oben verjüngt, um sich in der Fossa
capitis festzuheften. Von seiner Insertion strahlen Bindegewebszüge einige Millimeter
weit auf die benachbarte Knorpelfläche aus. Es liegt gefaltet zwischen dem Gelenk-
kopf und dem die Fossa acetabuli ausfüllenden Fett. Es enthält Gefäße, welche in
der Jugend, in manchen Fällen auch noch beim Erwachsenen, bis in den Schenkel-
kopf vordringen, ohne demselben aber eine nennenswerte Menge Blutes zuzuführen.
Seine mechanische Bedeutung ist eine geringe; am schlaffsten ist es bei schräg
seitwärts und vorwärts gehobenem und etwas einwärts gerolltem Schenkel. Es unter-
stützt das Lig. iliofemorale in seiner Wirkung und spannt sich, wenn das nach vorn
erhobene Bein nach auswärts gerollt oder adduziert wird (Fick).
Die starke und feste Kapsel des Hüftgelenkes ist in ihrer größten Ausdehnung
am knöchernen Rand der Pfanne angeheftet, so daß das Labrum glenoidale fast
vollständig in das Innere der Gelenkhöhle zu liegen kommt; nur an der Vorderseite
entspringt die Kapsel von der äußeren Fläche der Lippe nahe ihrer Basis. Das Liga-
mentum transversum setzt sich zuweilen ohne Grenze in die Kapselmembran fort.
Am Oberschenkel überragt die Kapsel den Kopf weit. Vorne gelangt sie bis zur Linea
obliqua, welche sie an der Basis einerseits des Trochantcr major, anderseits des Tro-
chanter minor verläßt. Sie geht an diesen vorbei auf die Rückseite des Schenkelhalses,
wo sie sich parallel der Crista intertrochanterica, jedoch etwa fingerbreit von ihr ent-
lernt, anheftet. Der Schenkelhals liegt also zu einem großen Teil im Inneren des
Gelenkes, in besonders großer Ausdehnung im unteren Teil der Rückseite (M.).
Die äußerst kräftigen Bänder, welche die Kapsel verstärken, sind so lest mit
ihr verwebt, daß es unmöglich ist, sie von ihr zu trennen; sie verlaufen ringförmig
und longitudinal.
Das Ringband, Zona orbicularis1) {217), ist nirgends mit dem Knochen ver-
bunden. Bei der Präparation von außen her sieht man es nicht, in das Innere der
Kapsel tritt es wulstartig vor. Ks legt sich um den dünnsten Teil des Schenkel-
halses, wird aller wegen seiner Verbindung mit den Längsbändern bei den Bewegung n
des* Oberschenkels hin und her verschoben. Bei Streckung nähert es sich dem Schenkel-
kopf, bei Beugung gleitet es abwart > I W e I e k e | [876).
Die longitudinal verlaufenden Bänderzüge entspringen vom knöchernen Pfannen-
rand, nicht aber vom Ligamentum transversum. Obgleich sie eine ziemlich lückenlose
Faserlage darstellen, welche nur an der vorderen Seite besonders mächtig ist, trennt
man sie doch, entsprechend den drei Teilen, in welche das Hüftbein vor der
vollendeten Verknöcherung zerfallt, in drei Abteilungen.
') Zona orbicularis Weben, big. zonale, Lig. anulare.
158 Hüftgelenk.
Ligamentum iliofemorale a) (218). Sehr starkes Band. Es entspringt am
Hüftbein unter der Spina iliaca anterior inferior und teilt sich meist in zwei Schenkel,
zwischen welchen an der Vorderseite der Kapsel ein zwickeiförmiger Raum bleibt,
in welchem die Kapsel verdünnt ist. Der obere sehr kräftige Schenkel setzt sich an
einen Höcker des oberen Endes der Linea obliqua femoris an, er hemmt die Rück-
wärtsbewegung, Einwärtsrollung und Adduktion (Fick). Der vordere dünnere
geht steil abwärts zum untersten Teil der Linea obliqua, wo sie in die Linea aspera
umbiegen will. Er hemmt die Streckung und etwas die Einwärtsrollung, bei Aus-
wärtsrollung wird er schlaff.
Ligamentum pubofemorale2) (218). Das schwächste der drei Bänder. Ur-
sprung von der Crista obturatoria des Schambeines, der Eminentia üiopectinea und
dem Pfannenrand; setzt sich an die gleiche Stelle der Linea obliqua an, an welcher
sich die vordere Abteilung des Ligamentum iliofemorale anheftet. Es wird verstärkt
durch Zuzüge von der Scheidewand zwischen M. pectineus und iliopsoas und vom
Ligamentum obturatorium her. Es spannt sich bei Abduktion und AuswärtsroUung
des abduzierten Beines.
Ligamentum ischiofemorale 3) (219). Von der Incisura ischiadica minor
quer über die hintere und obere Seite des Schenkelhalses zur Fossa trochanterica.
Hemmt Einwärtsrollung und Adduktion (Fick).
Bei aufrechter Stellung drückt das gespannte Ligamentum iliofemorale den
Schenkelkopf fest in die Pfanne hinein, bei halber Beugung befinden sich sämtliche
Bänder in geringster Spannung.
Zwischen den einzelnen Verstärkungsbändern ist die Kapsel am dünnsten, be-
sonders unter der Eminentia üiopectinea, wo sogar die auf ihr liegende Bursa üio-
pectinea in io % der FäUe durch eine rundliche Öffnung mit dem Gelenk in Ver-
bindung steht. Auch über dem Trochanter minor zwischen Ligamentum üiofemorale
und pubofemorale ist die Kapsel dünn und leicht auszudehnen. Abduziert man den
Schenkel, dann spannen sich die Ränder der beiden Bänder wie zwei Pfeiler, zwischen
welchen die dünnwandige Stehe liegt.
Die Intima, welche das Hüftgelenk auskleidet, ist dünn aber fest und läßt sich
von der unterliegenden Kapsel leicht abpräparieren. Sie überzieht das Fettpolster
der Fossa acetabuli und das Ligamentum teres und bedeckt auch den Schenkelhals.
An der hinteren und unteren Seite desselben sendet sie von der Gegend des Trochanter
minor aus eine größere Falte4) in den Gelenkraum, auch von der Oberfläche des Liga-
mentum teres gehen Falten und Lappen in wechselnder Zahl aus. Fadenförmige
Zotten sind in wechselnder Zahl und an wechselnder Stehe zu finden.
Die Arterien des Hüftgelenkes werden von den Aa. circumflexae medialis und
lateralis, vom Ramus posterior der A. obturatoria und den Aa. glutaeae superior
und inferior geliefert. Sie dringen von vorne und von hinten her in die Kapsel ein,
einige Äste gelangen auch durch die Incisura acetabuli hinter dem Ligamentum trans-
versum ins Gelenk, wo sie das Fettpolster und das Ligamentum teres versorgen. Die
Venen begleiten die Arterien. Die Nerven werden vorne von den am Gelenk vorüber-
ziehenden Ästen des Plexus lumbalis, hinten von denen des Plexus sacralis gehefert.
1) Ligamentum Bertini.
2) Ligamentum pubocapsulare. Diese Bezeichnung trifft nicht zu, weil das Band bis
zum Oberschenkelbein reicht. Ebenso das folgende Band.
3) Ligamentum ischiocapsulare.
4) Plica pectineo-fovealis Arnantini.
Hüftgelenk. 159
Der Zusammenhalt der Gelenkflächen wird, abgesehen von dem Bandapparat,
dadurch bewirkt, daß die Gelenklippe den Kopf über seinen Halbmesser hinaus um-
schließt, doch ist ihr Widerstand nicht allzu groß. Wirksamer ist der Muskelzug
und besonders der Luftdruck, welcher die Gelenkflächen aneinander preßt. Der-
selbe kann aber durch Extensionsvorrichtungen soweit überwunden werden, daß
zwischen den Gelenkflächen ein Spalt entsteht. Die Chirurgie macht von dieser Mög-
lichkeit bei Gelenkleiden erfolgreich Gebrauch.
Die Lage des Gelenkes ist eine sehr geschützte, so daß man den Gelenkkopf nur
bei sehr schwacher Ausbildung der Muskulatur und äußerster Abmagerung fühlen,
sogar zuweilen als einen gerundeten Yorsprung unter dem Ligamentum inguinale
sehen kann. Über die Vorderseite des Gelenkes ziehen M. iliopsoas und pectineus,
oben ist es gedeckt vom M. glutaeus minimus, unten wird es unterstützt vom M. ob-
turator externus, über die Rückseite ziehen die Enden der Rollmuskeln des Ober-
schenkels. Soweit die Muskeln schon in ihre Endsehnen übergegangen sind, ver-
wachsen sie mit der Kapsel.
Der Mittelpunkt des Gelenkes befindet sich in der Streckstellung in der Höhe
der Spitze des Trochanter major (S. 154).
Varietäten. Am Anfang der Pfanne zieht sich die Intima zuweilen in kleine buchtige
Nischen aus, welche sich zu ganglienartigen Cysten erweitern können (Poirier 1S99). Das Liga-
mentum teres femoris ist sehr verschieden lang, auch seine Stärke ist wechselnd, bald ist es so
kräftig, daß es bis zu 60 kg tragen kann, bald ist es auf wenige Bindegewebszüge reduziert, es
kann auch ganz fehlen (Moser 1892).
Praktische Bemerkungen. Luxationen des Hüftgelenkes sind nicht häufig, was bei
der ganzen Form des Gelenkes, bei der Stärke seines Bandapparates und bei dem durch die be-
deckenden Muskeln gegebenen Schutz nicht verwundern kann. Bei ihnen kann die Gelenklippe
ihrer Elastizität wegen standhalten. Das Lig. teres reißt aber beim Austreten des Schenkel-
kopfes ab. Wenn nicht ganz außerordentliche Gewalten einwirken, bleibt das Ligamentum ilio-
femoralc bei Luxationen erhalten. Es läßt dann ein weiteres Fortrücken des luxierten Kopfes
von der Pfanne, aus welcher er ausgetreten ist, nicht zu und bestimmt zu nicht geringem Grad
die Stellung des Oberschenkels, ob die Verrenkung nach hinten oder nach vorne erfolgt ist. Der
Kapselriß erfolgt am leichtesten an den zwischen den longitudinalen Bändern befindlichen dünneren
Stellen.
Die Entstehung der angeborenen Hüftluxation ist noch immer nicht genügend klar gestellt;
man könnte wohl an eine Entwickelungshemmung der Pfanne denken.
Bei den Frakturen des Schenkelhalses kommt es in bezug auf die Kapsel des Hüftgelenkes
darauf an, ob der Bruch im lateralen Teil desselben oder unmittelbar am Kopf stattfindet, Bricht
der Schenkelhals in seinem lateralen Teil, dann ist dies an einer Stelle, an welcher die Corticalis,
besonders im vorderen Umfang, ziemlich widerstandskräftig ist und es keilt sich der festere ab-
gebrochene Hals häufig in die weichere Spongiosa des Schaftes ein. Die Bruchlinie verläuft im
ganzen extrakapsulär, doch erstreikt sie sich besonders vorne, wo die Kapsel weit lateralwärts
reii iii. in sie hinein. Kein intrakapsuläre Frakturen sprengen den Kopl .in seiner Grenze gegen
den Hals ab, was durch die große Dünne der Corticalis an dieser Stelle begünstigt wird. Das
Ligamentum teres hält in diesen fallen den Kopf in der Pfanne fest. Der Heilung eines extra-
kapsulären Bruches steht nichts im Wege, da die Blutversorgung vom Periost und vom Knochen-
mark des Schaftes aus eine gelingende ist. Ein intrnk.ipsiil.ii- abgetrennter Gelenkkopl aber ist
von der Blutversorgung so gut wie vollständig abgeschnitten, er wird sieh daher nicht mit dem
llnls vereinigen, sondern einer regressiven Metamorphose anheimfallen.
Kpiphysenlösungcn sind in i\m früheren Kinderjahren stets extrakapsulär, da die Epi-
physengrenze ganz außerhalb der Kapsel verläuft. In den spateren Jugendjahren verläuft die
Epiphysenlinie ganz so, daß es scheint, als wäre eine 1 ösung notwendig mil einer Eröffnung der
Kapsel verbunden, Doch läßt sieh die Intima, wie ein. ihm. leicht vom Schenkelhals ablösen,
so daß d.mu dm h die Integrität der Gelenkhöhle gewahrt bleiben kann (v. Brunn r88i). Das
Fettpolster in der I;.^m ai etabuli kann bei einet l ösung des Scham- und Sitzbeinastes voneinander
eine direkte Eröffnung der Gelenkhöhle hintanhalten.
160 Kniescheibe. Unterschenkelknochen.
Bei Ergüssen in die Gelenkhöhle, wie sie bei Coxitis stattfinden, wird der Oberschenkel
abduziert, nach außen rotiert und leicht flektiert gehalten. Diese Stellung wird verschieden
erklärt; am einfachsten scheint es anzunehmen, daß das Bein so gehalten wird, daß es dem
Patienten am wenigsten Schmerzen und andere Unbequemlichkeiten bereitet. Dies wird dadurch
erreicht werden, daß die Bänder tunlichst entspannt werden und daß der Binnenraum so ge-
räumig wie möglich gestaltet wird. Bei künstlicher Füllung des Gelenkes an der Leiche stellt
sich der Schenkel in die erwähnte Lage ein, ein Beweis dafür, daß bei ihr jede Muskel Wirkung
auf den ganzen Bandapparat ausgeschlossen ist, und gerade die an diesem befestigten Sehnen
müssen bei anderer Stellung des Beines bald hier, bald dort an der Kapsel ziehen, was der Pa-
tient vermeiden will. Gehen die Patienten mit einem derartigen Leiden, dann senken sie das
Becken im gesunden Hüftgelenk, um mit dem kranken die bequemste Stellung einnehmen zu
können. Ein Eiterdurchbruch erfolgt am leichtesten nach der Bursa iliopectinea hin und am
unteren Umfang des Gelenkes oberhalb des Trochanter minor, am Rand des M. obturator externus.
Auch die dünne Stelle in der Mitte der Pfanne ist gefährdet.
Für die Stellung einer Diagnose bei Verletzungen und Erkrankungen des Hüftgelenkes
ist es von Bedeutung genau zu wissen, ob der Gelenkkopf in seiner Pfanne liegt oder nicht; da
er nun einer direkten Untersuchung nicht zugänglich ist, wendet man sich an den Trochanter
major, welcher, wie oben erwähnt wurde, mit dem Centrum des Kopfes in gleicher Höhe steht.
Eine Linie, welche man von der Spina iliaca anterior superior um den Schenkel herum zum Tuber
ischiadicum zieht (Roser-Nela ton sehe Linie), schneidet bei richtig stehendem Schenkel gerade
die Trochanterspitze ab. Legt man an diese Linie einen rechten Winkel an, dessen einer Schenkel
ein von der Spina gefälltes Lot ist, dann entsteht ein Dreieck (Bryantsches Dreieck), welches
seine Gestalt je nach der Verschiebung des Trochanter in medialer und lateraler Richtung ändert.
d) Kniescheibe, Patella1).
Die Kniescheibe (220, 221) ist ein abgeplatteter, elliptischer Knochen, welcher in
die Sehne des M. quadrieeps femoris eingebettet und als ein Sesambein anzusehen ist.
Die konvexe Vorderseite ist rauh und mit Gefäßlöchern versehen, die leicht konkave
Rückseite ist überknorpelt. Dieselbe liegt auf der Facies patellaris des Oberschenkels
und trägt eine Längsfirste, welche in die vertikale Rinne dieser Fläche paßt. Die
Firste scheidet eine laterale größere und eine mediale kleinere Facette der Gelenkfläche
voneinander, wie sie zu den entsprechenden Flächen des Oberschenkels passen. Der
obere Rand, Basis patellae, ist gerundet, der untere Rand zieht sich in eine stumpfe
Spitze, Apex patellae, aus, welche von dem Ursprung des Ligamentum patellae
umfaßt wird.
Die Struktur der Kniescheibe ist die eines spongiösen Knochens. Ihr Periost
ist mit den Sehnenfasern des M. quadrieeps untrennbar verbunden.
Entwickelung. Die Verknöcherung beginnt im dritten bis vierten Lebensjahr, sie ist
im 15. bis 20. Jahr vollendet.
Varietäten. Die Kniescheibe kann kongenital schlecht entwickelt sein, selbst ganz
fehlen.
e) Unterschenkelknochen, Ossa cruris.
Das Skelet des Unterschenkels (222—225) besteht aus dem Schienbein, Tibia,
und dem Wadenbein, Fibula, von welchen die Tibia dem Radius, die Fibula der Ulna
homolog ist. Bei niederen Formen sind die beiden Knochen einander mehr oder weniger
gleichwertig, bei Menschen aber sind sie im Gegensatz zu den Knochen des Unterarmes
sehr ungleich ausgebildet, und es hat die starke Tibiä allein die Last des Körpers zu
tragen, während die schwache Fibula durch die kräftige Entwickelung des proximalen
Tibiaendes vom Oberschenkel abgedrängt und von der Artikulation mit ihm ganz
l) Rotula.
Schienbein. 181
ausgeschlossen wird. Sie wird im wesentlichen zum Ansatz von Muskeln benützt,
doch wäre es unrichtig, wenn man ihr jede Bedeutung für das Stehen und Gehen ab-
sprechen wollte, indem ihr distales Ende den Fuß an seiner lateralen Seite in der Lage
hält und ihn vor dem seitlichen Abgleiten von der Tibia und vor dem Umknicken
bewahrt.
a) Schienbein, Tibia.
Die Tibia (222, 224) ist ein schlanker Röhrenknochen von dreiseitig prismatischer
■Gestalt. Sein proximales Ende ist nach Art eines Säulenkapitels verbreitert und etwas
rückwärts geneigt. Die Artikulation mit den Condylen des Oberschenkels übernehmen
zwei flach vertiefte Gelenkflächen, Condylus medialis und lateralis, von welchen
der crsterc längsoval und stärker vertieft, der letztere mehr dreieckig und flach ist.
Sie werden voneinander durch einen sanduhrförmig gestalteten Zwischenraum ge-
trennt, welcher an der schmälsten Stelle in der Mitte eine Hervorragung Eminentia
intercondyloidea trägt. Dieselbe läuft in zwei Spitzen, Tuberculum mediale
und laterale, aus, an welchen sich beiderseits die Gelenkflächen hinaufziehen. An
die vordere und hintere Seite der Eminentia intercondyloidea schließen sich rauhe Gruben
an, Fossa intercondyloidea anterior und posterior, in welchen die Ligamenta
cruciata entspringen. Die proximale Endfläche der Tibia wird durch einen ringsum
laufenden, fast vertikal abfallenden Rand, Margo infraglenoidalis nach unten ab-
gegrenzt ; hinten ist er durch die Fossa intercondyloidea posterior unterbrochen.
Unmittelbar an seinen lateral hinteren Umfang schließt sich eine kleine, ovale oder
dreieckige Gelenkfläche, Facies articularis fibularis an, zur Artikulation mit dem
Köpfchen der Fibula. Dieser Gelenkfläche gegenüber, am lateral vorderen Umfang,
bezeichnet ein stumpfer Höcker den Ansatz des Tractus iliotibialis der Oberschenkel-
fascie.
An dem dreiseitigen Schaft des Schienbeines, zu welchem sich sein proximales
Ende verjüngt, stoßen die mediale und laterale Fläche in einer scharfen, nach vorne
gerichteten und leicht S-förmig gebogenen Kante, Crista anterior, zusammen.
Dieselbe läuft proximalwärts nächst dem oberen Ende in einen rauhen Höcker, Tubero-
sitas tibiac1), aus, an welchem sich das Ligamentum patellae befestigt. Die hintere
Fläche des Schaftes wird gegen die laterale durch eine eckige Kante, die Crista in-
terossea abgegrenzt, an welcher sich die Membrana interossea anheftet, gegen die
mediale durch einen proximal wenig deutlichen gerundeten Margo medialis. Über
das proximale Ende der hinteren Fläche zieht, unter der Facies articularis fibularis
beginnend, die Linea poplitea2) in schiefem Verlauf zur medialen Kante herab ; sie
bezeichnet die' Grenze zwischen dem unteren Rand des M. popliteus und dem M. soleus.
Das distale Lude der Tibia schwill! wieder etwas an, jedoch erheblich weniger,
wie das proximale; es ist von vierseitiger Gestalt. Die vordere Kante verstreicht,
die laterale Fläche wendet sich nach vorne und zwischen die Crista interossea und
die hinten' Fläche schiebt sieh die Dach vertiefte [ncisura fibularis3) ein, in welcher
das untere Ende des Wadenbeines ruht. Die mediale Fläche des Schaftes setzt sich
in einen stumpfen Fortsatz, den medialen Knöchel, Malleolus medialis, fort.
Derselbe trägt an seiner Rückseite den Sulcus malleoli medialis. in welchem die
') Tuberositas patellaris.
-) I m. .i obliqua.
3) [ncisura peronaea, [ncisura semüunaris
Merkel, AnMomic 11. Skelctlehrc. II
162 Wadenbein.
Sehnen der Beugemuskeln gleiten. Die Gelenkfläche für den Talus, welche das distale
Ende abschließt, Facies articularis inferior1), ist vierseitig begrenzt und schwach
konkav, sie setzt sich als Facies articularis malleolaris auf die Innenseite des
Malleus medialis fort.
ß) Wadenbein, Fibula.
Dünner Röhrenknochen (223, 225). Das Wadenbein ist ebenso lang wie das
Schienbein, aber in der Art gegen dieses verschoben, daß es sich proximalwärts weniger
weit hinauf erstreckt, wie dieses, dagegen mit seinem distalen Ende weiter herabreicht.
Das proximale Ende verdickt sich zum Köpfchen, Capitulum, welches sich
nach oben und hinten in einen stumpfen Höcker, Apex capituli fibulae, auszieht.
An ihm setzt sich der M. biceps femoris an; an einem niederen Höckerchen davor
entspringt ein Teil des M. peronaeus longus, an einem ebensolchen dahinter ein Teil
des M. soleus. An seiner medial oberen Seite besitzt das Köpfchen eine Gelenkfläche,
welche mit der entsprechenden der Tibia artikuliert.
Der Schaft ist dreiseitig. Die drei Flächen werden durch ebensoviele Kanten,
Crista anterior, lateralis und posterior, voneinander getrennt. Die vordere
Firste ist die schärfste, die laterale die stumpfste und die mediale die kürzeste; sie
ist besonders deutlich in der Mitte des Schaftes. Dazu kommt noch die rauhe Crista
interossea zur Anheftung der Membrana interossea, welche über die mediale Fläche
herabläuft. Sie ist sehr verschieden ausgebildet und verläuft nicht immer gerade
gestreckt, sondern fließt gelegentlich für eine Strecke mit einer der benachbarten
Kanten zusammen.
Gegen das distale Ende verdickt sich der Schaft wieder, dabei weicht die vordere
Kante in zwei Linien auseinander, die laterale geht in spiraligem Verlauf nach hinten
und die mediale verschwindet ganz. Der Knochen endet mit dem lateralen Knöchel,
Malleolus lateralis2). In einer Furche von dessen Rückseite, Sulcus malleoli
lateralis, gleiten die Sehnen der Mm. peronaei, an seiner medialen, der Tibia zuge-
wandten Seite, trägt er eine dreiseitige Gelenkfläche, welche die angrenzende Gelenk-
fläche der Tibia zu der Rolle ergänzt, in welche das Sprungbein eingreift. An die
nach oben gerichtete Basis der Gelenkfläche schließt sich eine gleichfalls dreieckige
rauhe Fläche an, welche von den auseinanderweichenden Schenkeln der Crista interossea
begrenzt wird. Sie paßt in die Incisura fibularis der Tibia.
Die mediale Fläche des Schienbeines liegt in ihrer ganzen Länge frei unter der
Haut und sie ist, ganz besonders die vordere Kante des Knochens, am Lebenden
leicht durchzufühlen. Von der Fibula dagegen liegt nur das Köpfchen und das distale
Ende frei. Nerven und Gefäße liegen den Knochen im allgemeinen nicht unmittelbar
an, nur kommen oben der N. peronaeus dem Köpfchen der Fibula, unten N. imd V.
tibialia dem medialen Knöchel nahe.
Was die Struktur der beiden Unterschenkelknochen anlangt, so ist hervor-
zuheben, daß ihre Corticalis besonders dick ist, während die Markhöhlen verhältnis-
mäßig eng sind. Dieselben sind auch besonders kurz, die der Tibia nimmt nur das
mittlere Drittel des Knochens ein und wird dann nach beiden Enden hin durch eine
zarte aber dichte Spongiosa abgelöst. Das Foramen nutricium der Tibia liegt hinter
a) Cavitas inferior tibiae.
2) Malleolus externus.
Kniegelenk. 163
der Crista interossea an der Grenze zwischen oberem und mittlerem Drittel, das der
Fibula an ähnlicher Stelle, aber etwas tiefer. Die inneren Öffnungen beider Er-
nährungskanäle stehen ziemlich genau in der Mitte der Länge beider Knochen.
Entwickelung (276— 279). Der Knochenkern in der Diaphyse der Tibia erscheint in der
siebenten bis achten Woche, einige Tage nach dem des Oberschenkels. Der Knochenkern der Fibula
tritt etwas später auf. In den zur Zeit der Geburt noch knorpeligen Epiphyscn geht die Knochen-
bildung bei der Tibia der bei der Fibula voran. In der proximalen Epiphyse des Schienbeines
ist zur Zeit der Geburt meist schon ein Kern vorhanden, die Verknöcherung der distalen beginnt
im zweiten Lebensjahr. In dem Wadenbein erhält die distale Epiphyse ihren Kern im zweiten
Lebensjahr, die proximale noch später. Die Epiphyscn verbinden sich mit dem Körper der Tibia
im 16. — 24. Lebensjahr, die der Fibula folgen. — In der Tuberositas tibiae und im medialen
Knöchel können accessorische Knochenkerne auftreten. — Bei Neugeborenen ist das proximale
Ende der Tibia stärker zurückgebogen, als bei Erwachsenen, was mit der starken Beugung des
Knies im l'terus zusammenhängt (Hüter). Bis zum sechsten Lebensmonat pflegt der definitive
Zustand erreicht zu sein (G. Retzius).
V arietäten. Das Schienbein ist nicht selten von einer Seite zur anderen abgeplattet
(Pia tycnemie). Die höchsten Grade dieser Abplattung findet man an den Skeleten prähistori-
scher und niedrigstehender Rassen. An den Knochen des Unterschenkels werden zuweilen kon-
genitale Defekte und Deformitäten beobachtet, vollständiges oder teilweises Fehlen des einen
der beiden Knochen, wobei eine starke Verkürzung und Verbiegung des Unterschenkels vorhanden
ist. Kongenitale Vcrbiegungcn kommen auch ohne Defektbildung vor.
Praktische Bemerkungen. Die Unterschenkelknochen sind ihrer ganzen Lage nach
Frakturen besonders ausgesetzt. An der Tibia sind sie ihrer freien Lage wegen weit leichter durch
die Betastung nachzuweisen, wie an der von Weichteilen eingehüllten Fibula. Bricht einer der
Knochen allein, dann wird sich der erhalten gebliebene einer größeren Dislokation der Bruch-
enden widersetzen. Bei einem isolierten Schienbeinbruch kann sekundär auch das Wadenbein
brechen, wenn bei Gehversuchen die ganze Last des Körpers auf dem zu schwachen Knochen
ruht. Die schwächste Stelle der Tibia ist die Grenze zwischen mittlerem und unterem Drittel,
weil dort der Knochen am schlanksten ist. An dieser Stelle erfolgt auch am leichtesten die bei
Rachitis so häufige Auswärtsbiegung. Bei Amputationen hat man sich daran zu erinnern, daß
die Vorderkante der Tibia am Knochenstumpfe eine scharf vortretende Ecke bildet und wird
sie abrunden, damit sie nach der Heilung nicht durch die Haut schneidet. Ein Durchschneiden
der Haut von innen heraus kann diese Kante auch am unverletzten Bein bewirken, wenn man
mit ihr gegen einen harten Gegenstand, z. B. eine Treppenstufe, fällt.
f) Kniegelenk, Articulatio genus.
Das Kniegelenk [226 — 23S) ist das größte und geräumigste Gelenk des Körpers.
Ks treffen in ihm Fcmur und Tibia zusammen, zu welchen noch die Kniescheibe kommt,
um die Gelenkhöhle von vorn her abzuschließen, wie man Ähnliches bei anderen Sesam-
beinen, wenn auch in kleinerem Maßstab findet. Daß die Fibula ganz von der Bildung
des Kniegelenkes ausgeschlossen ist, bedingt eine nicht geringe Stabilität des Ge-
lenkes und des ganzen Unterschenkels; die Pronations- und Supinationsmöglichkcit
wie sie heim Unterarm vorhanden ist, fällt damit jedoch ganz fort. Was zur Ausführung
des Schrittes an Rotation nötig ist, leistet die Tibia durch eine Drehung um ihre Längs-
achse allein; um diese Drehung zu ermöglichen, können aber ihre Gelenk flächen nicht
denen des Femur entsprechend konkav gekrümmt sein, da sonst, wie bei Humerus
und l'lna, nur eine Winkelbewegung möglich wäre, sie sind vielmehr so flach, daß
die Oberschenkelcondylen auf ihnen liegen, wie auf einem Teller. Dies i>t jedoch
wieder für die Haltbarkeit des Gelenkes ungünstig und muss durch die große Festig-
keit des Bandapparates und die zweckentsprechende Lagerung der das C, nk um-
gebenden Muskeln und Sehnen ausgeglichen werden. In wie naher Beziehung gerade
die Sehnen zu den Gelenken treten, ist hier bei den großen Verhältnissen besonders
deutlich.
164 Kniegelenk.
Was zuerst das Oberschenkelkniescheibengelenk anlangt, so wurde die allgemeine
Form der Gelenkflächen schon bei Betrachtung der Knochen beschrieben. Die Knorpel-
bedeckungen bringen in derselben keine Änderung hervor. Die Dicke des Gelenk-
knorpels am Oberschenkel ist am größten in der Tiefe seiner Furche (bis zu 3,7 mm,
Werner), auf der entsprechenden Firste der Kniescheibe beträgt sie gar bis zu 6,4 mm;
es ist dies der dickste Gelenkknorpel des ganzen Körpers. Die Facies patellaris des
Oberschenkels ist konvex gekrümmt mit einem Halbmesser von etwa 2 cm. Die
Kniescheibe ist nicht entsprechend konkav, weshalb sich beide bei keiner Stellung
des Gelenkes in ganzer Ausdehnung berühren; es schiebt sich vielmehr zwischen beide
eine Fettzotte ein, von welcher unten noch zu sprechen sein wird.
Für die Artikulation mit der Tibia sind die rollenförmigen Gelenkflächen der
Condylen des Oberschenkels bestimmt. Sie divergieren etwas nach hinten, wodurch
die Breite des Gelenkes dorsalwärts wächst. Ihre Krümmungsachsen stehen nicht
horizontal, sondern sind nach beiden Seiten hin abwärts geneigt. Vorne besitzen die
Condylen in sagittaler Richtung keine gleichmäßige Krümmung, sondern es ist nach
Art einer Spirale der Radius der vorderen Teile ein größerer wie der der hinteren, doch
sind die Radien beider Condylen keineswegs identisch miteinander. Die Krümmung
in frontaler Richtung, ist an dem medialen Condylus eine stärkere (Radius 1,7 cm),
als an der lateralen (2,3 cm) (Fick). Auch im übrigen sind die beiden Condylen ein-
ander durchaus nicht völlig gleich. Die schräge Stellung des Oberschenkelbeines
im ganzen (S. 154) bedingt es, daß der mediale Condylus tiefer steht wie der laterale,
ferner ist die Gelenkfläche des medialen- um 2 cm länger wie die des lateralen (10 cm
zu 8 cm) ; überdies zieht sich erstere in ihrem hinteren Ende in eine Spitze aus, welche
meist durch eine wohl ausgesprochene Kante von der Gelenkfläche im übrigen abgesetzt
ist. Die individuellen Unterschiede in allen diesen Dingen sind erheblich (M.).
Die Gelenkflächen der Tibia sind flacher, als es die Krümmung der Condylen des
Oberschenkels verlangt, weshalb zur Ausgleichung der Inkongruenz zwei Bandscheiben
eingeschoben sind (230, 234). Die Gelenkflächen besitzen die Form von Ovalen,
deren lange Achse bei aufrechtem Stehen nicht ganz sagittal steht, sondern nach
vorn hin ein wenig seitlich abweicht; auch sind sie um 8 — 10 Grad nach hinten ab-
wärts geneigt. Die mediale Gelenkfläche ist etwas länger als die laterale und zeigt
sich von vorn nach hinten konkav gehöhlt, während die laterale nicht selten konvex
erscheint. Auch ist diese letztere an ihrem hinteren Rand noch etwas auf den Margo
infraglenoidalis abgebogen (M.).
Der Knorpelüberzug der beiden Condylen des Femur ist gleich mächtig; am
dicksten erweist er sich an der Grenze zwischen mittlerem und hinterem Drittel und
etwas centralwärts von der Mitte der Querkrümmung. Er besitzt dort eine Dicke
von etwa 2,6 — 3,2 mm. Am dünnsten ist er an der Grenze gegen die Facies patellaris.
Die Knorpelbedeckung der Condylen der Tibia ist in der Mitte der Länge, aber etwas
nach der Eminentia intercondyloidea hin, am dicksten (etwa 4 — 5 mm) . Die Knorpel-
überzügc des ganzen Kniegelenkes sind sehr elastisch, was sich durch ihre beträchtliche
Dicke erklärt. Sie berühren sich deshalb in der belasteten Extremität weit inniger,
als in der unbelasteten (M.).
Die Gelenkflächen der Tibia werden durch die beiden schon erwähnten Band-
scheiben, Meniscus1) medialis und lateralis (234) vervollständigt, welche die
Pfanne ergänzen und vertiefen; dadurch, daß sie sich bei den Bewegungen im Gelenk
J) Fibrocartilago falciformis. Cartilago semilunaris.
Kniegelenk. 165
verschieben, bilden sie in jeder Stellung eine geeignete Unterlage für die Condvlen des
Oberschenkels. Sie bestehen aus einer bindegewebigen Grundlage, welche mit einer
dünnen Lage von Faserknorpel überzogen ist. Die Bandscheiben sind sichelförmig,
von ihrem äußeren größtenteils an die Kapsel angewachsenen Rande gegen den inneren
Rand zugeschärft, mit den Spitzen an die Eminentia intercondyloidea befestigt. Der
Meniscus medialis ist schmäler und halbmondförmig, der Meniscus lateralis
breiter und fast ringförmig. Er wird von den Enden der medialen Bandscheibe um-
faßt. Diese letztere ist mit ihrem vorderen Ende an der Yorderfläche des Randes
der Tibia, mit dem hinteren an der vorderen Wand der Fossa intercondyloidea posterior
angeheftet. Das vordere Ende der lateralen Bandscheibe ist in einer Grube dicht
vor «br Eminentia intercondyloidea befestigt, das hintere Ende ist in zwei Zipfel
geteilt, wel< he sich an die mediale und lateral'- Zacke der Eminentia intercondyloidea
festsetzen. Außerdem pflegt sie einen Strang1) nach oben in den Verlauf des Liga-
mentum cruciatum posterius auszusenden (230). Derselbe ist beim Embryo sehr
stark, kann sich aber beim Erwachsenen beträchtlich reduziert zeigen (Bernays 1S7N).
Die vorderen konvexen Ränder der beiden Bandscheiben werden durch ein Bündel
transversaler Fasern, Ligamentum transversum genus2) (229), miteinander ver-
bunden, welches in Länge wie Dicke äußerst variabel ist, zuweilen selbst vollkommen
fehlt. Auf den Knorpelüberzügen von Femur und Tibia bringen die freien Ränd< r
der Bandscheibe deutliche Eindrücke hervor (M.).
Wie die beiden Bandscheiben, so üben auch die beiden Kreuzbänder einen be-
deutenden Einfluß auf die Gestaltung der Höhle und den Mechanismus des Gelenkes
aus, sie sind deshalb jetzt sogleich zu betrachten. Das Ligamentum cruciatum3)
anterius (229) entspringt, gedeckt von der Insertion der lateralen Bandscheibe, breit
und platt aus der Fossa intercondyloidea anterior; es steigt als platt-rundlicher Strang
nach hinten und medianwärts auf, um sich fächerförmig ausgebreitet an der der
Fossa intercondyloidea zugekehrten Wand des Condylus lateralis des Oberschenkel-
anzuheften. Das Ligamentum cruciatum posterius (230) ist noch stärker als
das vordere. Es entspringt in der ganzen Ausdehnung der Fossa intercondyloidea
posterior tibiae, steigt steiler auf als das vordere und endet verbreitert am unteren
Teil der vorderen und medialen Wand der Fossa intercondyloidea femoris. Seine
Faserbünde] erfahren eine Drehung in der Art, daß die an der Tibia hintere Fläche
des Bandes am Femur zur lateralen wird.
Die Kapsel <les Kniegelenkes ist an der Vorderseite des Oberschenkels in der
Mitte 1 2 cm vom Rand des Gelenkknorpels entfernt angeheftet; von dorl steigt
der Ansatz nach beiden Seiten zu den Epicondylen ab, lateral etwas steiler als medial:
er läßt diese außerhalb der Gelenkhöhle und wendet sich nun nahe dem Knorpelrand
nach hinten, wo er sieh wieder ungefähr um 1 cm von ihm entlernt. Zwis< hen den beiden
Condvlen des Oberschenkels überzieht die Kapsel die Vorderseite der beiden Kreuz-
bänder, doch spannt sieh ein kräftiges Blatt auch hinter diesen von einem Condylus
zum anderen aus, so daß die Ligamenta 1 ruei.it, 1 eigentlich von dei Kap-' I ehlges« blossen
werden. An der Tibia setzt sie sieh unter dem Rand des Gelenkknorpels fest, an der
Kniescheibe folgt sie demselben fast ganz. Der äußere Umfang der beiden Band-
scheiben ist mit der vorüberziehenden Kapsel verwachsen, nur dort, wo sich der Popli-
teussehleimbeutel ausbuchtet , bleibt diese Verwaehsimg aus |M.I.
') Ligamentum menisci lateralis Roberti.
'-) Ligamentum jugale
:l) 1 igamenl um obliquum.
166 Kniegelenk.
Die Kapsel ist oberhalb und unterhalb der Kniescheibe dünn und zart, im übrigen
wird sie durch deckende Bänder und Muskelsehnen erheblich verstärkt. In etwa
10 % der Fälle ist auf dem lateralen Condylus femoris in die Kapsel ein Sesambein
eingeschlossen (Pfitzner 1892). Sehr selten ist ein solches auch über dem medialen
Condylus zu finden (Stieda 1902).
Die Gelenkhöhle ist nicht allein die größte des Körpers, sondern auch die weitaus
komplizierteste, weil in sie Falten und Platten vorspringen und weil sie Ausbuchtungen
zeigt, indem sie mit den Schleimbeuteln benachbarter Muskeln teils mehr, teils weniger
konstant in Verbindung tritt.
Wie erwähnt, springen in sie von beiden Seiten her die Bandscheiben vor, welche
sie unvollkommen in eine obere und untere Kammer teilen; von hinten her drängen
die Kreuzbänder die Kapselintima als eine Falte in das Innere des Gelenkes vor und
trennen so eine linke und rechte Gelenkhälfte voneinander. Diese Trennung wird
noch vervollständigt durch die Plica synovialis patellaris x) (228, 235), welche
beim Embryo weit vollständiger ist als beim Erwachsenen (Gegenbau r). Bei
diesem besteht sie aus einem in seiner Stärke wechselnden Bindegewebsstrang,
welcher sich unten vom vorderen Rand der Fossa intercondyloidea anterior des
Schienbeines erhebt, und sich oben am vorderen Rand der Fossa intercondyloidea
des Oberschenkels befestigt. Zu beiden Seiten schließen sich an diese Falte die
Plicae alares2) (228) an, stark fetthaltige Polster von unregelmäßiger Form,
deren Bewegungen durch die beiderseits befestigte Synovialfalte geregelt werden.
Ihr Ursprung erstreckt sich vom oberen Ende der Tibia aus am Ligamentum
patellae entlang bis zum unteren Ende der Kniescheibe hin; ihre Basis erstreckt sich
meist zu beiden Seiten der Kniescheibe noch eine Strecke weit in die Höhe, so daß
diese wie in Fett eingebettet aussieht. Ihre zugeschärften Ränder ragen in die Ge-
lenkhöhle hinein. Vermöge ihrer Weichheit sind sie sehr geeignet, den Formände-
rungen nachzugeben, welche der von ihnen eingenommene Raum zwischen Patella,
Tibia und Femur bei den Bewegungen des Gelenkes erleidet. An der unversehrten
Kniegegend eines aufrecht stehenden Menschen bauschen sie sich als sieht- und fühl-
bare Wülste beiderseits unter der Kniescheibe vor.
In den Gelenkraum treten noch andere Fettfalten vor, um die zahlreichen In-
kongruenzen der Gelenkflächen auszugleichen, so an den Kreuzbändern, an der Rück-
wand des Gelenkes, unter den Bandscheiben. Auch einfache Zotten der Intima findet
man allenthalben, am zahlreichsten in der Vorderwand und im oberen Recessus (Fick).
Wenn durch alle diese Dinge auch eine leidlich passende Pfanne für die Condylen des
Oberschenkels gebildet wird, so fehlt es doch nicht an allerlei weiteren und engeren
Spalten, deren Raum nur von Synovia eingenommen wird.
Der an sich sehr geräumige und an Abteilungen reiche Gelenkraum wird noch
dadurch vergrößert und kompliziert, daß er eine Anzahl von Ausbuchtungen zeigt.
Einige derselben sind wahre Ausstülpungen der Synovialhaut an verschiedenen Stellen
des Gelenkes, besonders an dessen Rückseite, andere erklären sich dadurch, daß
Schleimbeutel, welche den Muskelsehnen der Kniegegend angehören, mit dem Gelenk
in Verbindung treten. (Abbildungen s. Atlas zur dritten Abteilung.)
1. Bursa suprapatellaris 3) (235). Erstreckt sich zwei bis drei Finger breit,
manchmal noch weiter über den proximalen Rand der Kniescheibe aufwärts. Ursprüng-
x) Ligamentum plicae synovialis patell. Lig. mueosum. Lig. adiposum.
2) Processus aliformis mediale und laterale.
3) Bursa subcruralis.
Kniegelenk. 161
lieh bildet sich beim Embryo eine Ausbuchtung der Höhle des Kniegelenkes zwischen
dem Femurschaft und der Sehne des M. quadrieeps, und vor ihm ein besonderer Schleim-
beutel. Die Wand zwischen beiden bricht in der Regel schon während des letzten
Fetalmonats durch, so daß bei der Geburt beide bereits in Verbindung stehen. Die
Trennungshaut bleibt nicht selten auch noch beim Erwachsenen als eine ringförmige,
vorspringende Falte bei Bestand. In seltenen Fällen bleibt der Durchbruch ganz aus.
2. Bursa M. semimembranosi. Ansehnlich, meist bohnengroß; an der
hinteren medialen Ecke der Kapsel unter den Sehnen des M. semimembranosus und
des medialen Kopfes des M. gastroenemius. Bei Neugeborenen ist eine Verbindung
mit der Gelenkhöhle fast nie vorhanden (Fick), bei Erwachsenen hängt sie unt( i
drei Fällen einmal mit dem Gelenk zusammen, häufiger rechts und häufiger bei kräftigen
Personen. Die Kommunikation erfolgt durch einen Defekt der hinteren Wand der
oberen Kammer des Gelenkes; bei gestrecktem Knie ist die Öffnung weit, bei ge-
beugtem erscheint sie als schmale Querspalte.
3. Bursa M. gastroenemii medialis l). Der nicht immer vorhandene Schleim-
beutel liegt neben dem vorigen unter der Ursprungssehne des Muskels. Er kann sowohl
mit der Bursa M. semimembranosi, wie mit dem Gelenk direkt in Verbindung treten.
Fick ist der Ansicht, daß der Zusammenhang der Bursa M. semimembranosi mit dem
Gelenk fast immer durch Vermittelung der Verbindung mit der in Rede stehenden
Bursa zustande kommt.
4. Bursa M. poplit ei anterior 2). Konstant unter der Sehne des M. popliteus.
Nach Moser (1892) entsteht sie aus einer Ausstülpung oberhalb des Meniscus lateralis
und einer ebensolchen unterhalb desselben. Beide fließen bald zusammen und bilden
schon beim Neugeborenen eine einfache Höhle. Der Schleimbeutcl liegt unmittelbar
auf dem Rand der lateralen Bandscheibe und die Sehne des M. popliteus wird von ihr
mehr oder weniger weit umhüllt. Nur die Öffnung oberhalb der Bandscheibe ist kon-
stant i-V/). In etwa 14",, der Fälle steht der Schleimbeutel mit dem oberen Tibio-
fibulargelenk in Zusammenhang.
5. Bursa M. poplitei posterior (Fick). Klein, häufig vorhanden. Zwischen
der Rückseite der Sehne des M. popliteus und dem Ligamentum collaterale mediale.
Stellt fast immer in ziemlich weiter Verbindung mit dem Gelenk. Mit dem vorge-
nannten Schleimbeutel besteht kein Zusammenhang.
Weniger häufig stehen auch andere Schleimbeutel mit der Gelenkhöhle in Ver-
bindung und zwar:
6. Bursa semimembranosa propria. Konstant zwischen t'ondylus medialis
tibiae und Sehne des M. semimembranosus. Verbindet sich zuweilen mit der unteren
Abteilung des Gelenkes.
7. Bursa M. gastroenemii lateralis8). Klein. Unter sechs bis sieben Knien
einmal vorhanden (Gruber); er stein hie und da mit der Gelenkhöhle in Verbindung,
In der Umgebung des Kniegelenkes finden sich noch andere zahlreiche Schleim-
beutel, welche mit dem Gelenk niemals in Zusammenhang treten. Sie weiden an
anderer Stelle ihre Würdigung linden, hier seien nur die wichtigsten kurz erwähnt.
Vorne sind vorhanden die Bursa praepatellaris subcutanea [235), subfascialis
und subtendinea. Sie liegen zwischen der Haut und der Vorderseite der Knie-
scheibe und fehlen bei Kindern, woraus hervorgeht, daß sie sich erst durch den Ge-
') Ullis. 1 supei. <>ncl\ leide. 1 medialis.
-) Bursa infracondyloidea externa.
') Bursa gastrocnemialis extern. 1.
1G8 Kniegelenk.
brauch des Knies ausbilden. Zwischen der Haut und dem Ligamentum patellae,
ebenso zwischen ihr und der Tuberositas tibiae finden sich ebenfalls Schleimbeutel.
Eine Bursa infrapatellaris profunda (235) liegt zwischen der dem Gelenk zuge-
kehrten Seite des Ligamentum patellae, der Vorderfläche der Tibia und dem Fett-
polster des Kniegelenkes. Obgleich sie diesem letzteren nahe kommt, steht sie mit ihm
doch nicht in Verbindung. Unter den zu beiden Seiten des Gelenkes ist die kon-
stante Bursa anserina hervorzuheben, welche zwischen den Sehnen der Mm.
sartorius, gracilis und semitendinosus einerseits und der Tibia andererseits liegt.
Der Bandapparat, welcher die Kapsel des Kniegelenkes an ihrer Außenseite
umgibt, steht zum größten Teil mit den Sehnen der die Kniegegend umgebenden
Muskeln in engstem Zusammenhang, wenn es auch an Bändern, welche von dieser
unabhängig sind, nicht fehlt.
Die Vorderseite des Gelenkes wird von der Kniescheibe gedeckt, welche wie
gesagt, als Sesambein in die Sehne des M. quadriceps femoris eingelassen ist. Ober-
flächlich liegende Züge werden oben und auf beiden Seiten von den Sehnen der Mm.
rectus, vastus, lateralis und medialis abgegeben; sie durchkreuzen sich vor der Knie-
scheibe und decken sie kappenartig; tiefere gehen an beiden Seiten der Kniescheibe
entlang bis zur Tuberositas tibiae. Die Hauptmasse der Sehnen aber wird durch diese
unterbrochen. Vom Oberschenkel herkommend setzen sich die Züge an die Basis
und die Seitenränder der Kniescheibe fest und von ihr entspringen wieder Fasern,
welche zur Tibia gelangen. Der mittlere sehr starke Zug wird Ligamentum pa-
tellae1) (226) genannt; er entspringt am Apex patellae und geht zur Tuberositas
tibiae ; vom Gelenk ist er durch eine Fettmasse und von dem oberen Ende der Tibia
durch die erwähnte Bursa infrapatellaris profunda getrennt (23-5). Die an den
Seitenrändern entspringenden Faserzüge, Retinacula patellae verticalia,
mediale und laterale (226), sind erheblich schwächer, sie setzen sich am Schien-
bein unter dem Margo infraglenoidalis fest. Sie lassen sich, wenn auch einigermaßen
künstlich vom Ligamentum patellae trennen. Außerdem wird die Kniescheibe noch
durch tiefliegende, quere Faserzüge, Retinacula patellae horizontalia late-
rale (231) und mediale (232) (Fick) in ihrer Lage festgehalten. Sie kommen
von den beiden Epicondylen des Femur und heften sich fächerförmig ausgebreitet
an ihren Seitenrändern fest. Sie hegen unmittelbar auf der Kapsel. Das mediale
ist kräftiger und besser begrenzt als das laterale, welches meist nur einen schmalen
Bandstreifen darstellt.
Zu beiden Seiten des Kniegelenkes verlaufen die Seitenbänder. Das Liga-
mentum collaterale fibulare2) (230,231) ist ein plattrundlicher Strang, welcher
von der Gelenkkapsel durch eine ansehnliche Schichte von fetthaltigem Bindegewebe
getrennt ist. Es entspringt am Epicondylus lateralis des Oberschenkels unter der An-
heftung des Septum intermusculare laterale und endigt am lateralen Rand des Köpf-
chens der Fibula; ein Teü der Fasern des Bandes setzt sich vorwärts umbiegend in die
Bandscheibe fort. Das Ligamentum collaterale tibiale3) (232) ist platt, breiter
als das vorgenannte und mit der Kapsel fest verbunden. Es entspringt vom Epicon-
dylus medialis und zerfällt in seinem Verlauf in einen langen vorderen, oberflächlicher
gelegenen und in einen kurzen, hinteren tiefer gelegenen Teil. Der erstere besteht aus
x) Ligamentum patellae inferius oder proprium.
2) Ligamentum laterale externum. Lig. accessorium laterale.
3) Lig. lat. internum. Lig. accessorium mediale.
Kniegelenk. 100
starken, gerade abwärts gehenden Faserbündeln, welche weit an der Tibia herab-
laufen und sich an ihrer medialen Fläche 5 — 8 cm weit unter dem Marge infraglenoidalis
ansetzen. Während sie über diesen Rand hinwegziehen, decken sie die Yasa genus
mediales inferiores und dann die vorwärts umbiegende Sehne des M. semimembranosus.
Der kurze hintere Teil des Bandes strahlt vom Ursprung an fächerförmig aus; er ge-
langt nur bis zur Bandscheibe, an welcher er sich anheftet.
An der Rückseite des Gelenkes wird die Kapsel beiderseits verstärkt durch die
Ursprungssehnen der Köpfe des M. gastroenemius und M. plantaris, welche untrennbar
mit ihr verwachsen. Der M. semimembranosus läßt einen beträchtlichen Teil seiner
Sehne im Winkel in die hintere Kapselwand umbiegen, in welcher sie als Ligamentum
popliteum obliquum (227) schräg lateralwärts und aufwärts bis zum Ursprung
von M. plantaris und gastroenemius lateralis verläuft. Das Band ist der Kapsel fest
eingewebt. Bei Kontraktionen des M. semimembranosus spannt sich das Band
und hebt die Kapsel in eine Falte auf, deren Kante es bildet (M.i.
An dem lateralen Teil der Rückseite wird ein Ligamentum arcuatum {227)
beschrieben als eine aufwärts konkave Schleife, welche am lateralen Epicondylus ent-
springt, sich unter dem Ligamentum popliteum obliquum in der Kapsel verliert und
durch einen an das Köpfchen der Fibula absteigenden Strang, Retinaculum liga-
menti arcuati1) abwärts festgehalten wird. Diese Beschreibung trifft nur in einem
Teil der Fälle zu und man findet oft nur einen Zug, welcher sich vom Epicondylus
zum Köpfchen der Fibula erstreckt; selbst dieser kann in seinem proximalen Teil
schwach entwickelt sein. Das Band bedeckt die Anheftung des M. popliteus und dient
einem Teil seiner Fasern als Ansatzpunkt.
Soweit die hintere Kapselwand nicht von Bändern verstärkt wird, zeigt sie
dünne Stellen und Lücken, durch welche Gefäße in das Gelenk gelangen und in wel he
sich Fettträubchen eindrängen.
Die Bewegungen des Kniegelenkes bestehen einerseits in Beugung und Stivk-
kung, andererseits in Rotation mit der Fußspitze medianwärts (Pronation) und mit
der Fußspitze lateralwärts (Supination). Mit der Beugung verbindet sich stets eine
Rollung, welche die Fußspitze medianwärts führt, mit der vollendeten Streckung
eine Rotation in umgekehrtem Sinne. Ist die Streckung eine extreme wie beim auf-
rechten Stehen, dann kann eine Rotation nur im Hüftgelenk vorgenommen werden,
im Kniegelenk ist sie unmöglich, da sie durch Spannung sämtlicher Bänder verhindert
wird. Die Spannung wird durch die erwähnte Spiralform der Oberschenkelcondyli n
hervorgerufen, indem in der Streckung ihre proximalen und distalen Ansätze am
weitesten voneinander entfernt sind. Die Hemmung der Streckbewegung wird neben
den Bändern auch von der sehr kräftigen hinteren Kapselwand bewirkt; die vordere
Kapselwand legi sich bei dieser Stellung nicht in Falten, sie wird von den mit ihr
eng verbundenen Muskeln straff erhalten. Bei der Beugung nähern sich die An-
heftungsstellen i\<v Bänder einander, und in halber Flexion zeigt der Bandapparat
die geringste Spannung. Dehnt ein Erguß im Leben oder [njektionsmasse ani Präparat
das Gelenk ad maximum aus. dann stellt es sich stets in halbe Beugung. Bei keiner
Stellung des Kniegelenkes sind jedoch sämtliche Bänder erschlafft und zwar halten
besonders die beiden Kreuzbänder die Gelenkflächen aneinander. Nach einer von Fick
(1911) aufgestellten Tabelle verhalten sie sich folgendermaßen:
') Ligamentum popliteum externum.
170
Kniegelenk.
Streckung
Mittel-
stellung
Beugung
Vorderes Kreuzband :
Vorderes, oberes, mediales Bündel
Hinteres, unteres, laterales Bündel
Hinteres Kreuzband:
Vorderes, laterales Bündel
Hinteres, mediales Bündel .
straff
schlaff
schlaff
straff
straff
schlaff
straff
schlaff
schlaff
straffer
straff
sehr straff
Von den Collateralbändern ist das laterale nur in der Streckung in Spannung,
bei der Beugung wird es schlaff; von dem medialen entspannt sich zwar der Haupt-
teil bei stärkster Beugung, die hinteren kürzeren Züge sind aber selbst bei maximaler
Beugung noch gespannt. Die Seitenbänder verhindern ein Umknicken des Knies,
sowie eine Parallelverschiebung nach beiden Seiten. Die seitlichen Kapselwände
sind in jeder Stellung des Gelenkes glatt und straff, die hintere Kapselwand faltet
sich in der Beugung, wie erwähnt, durch Vermittelung des Ligamentum obliquum.
Der Vorgang der Bewegung spielt sich in der Art ab, daß die Condylen des
Oberschenkels auf den beiden Bandscheiben rollen und daß diese zu gleicher Zeit
auf der Tibia gleiten. Sie ändern ihre Form und Stellung beständig; bei der Beugung
bewegen sie sich nach hinten und drehen sich, der laterale im Sinne des Uhrzeigers,
der mediale umgekehrt. Zugleich ziehen sie sich in die Breite, während sie bei der
Streckung in die Länge gezogen und verschmälert erscheinen. Die mit Beugung
und Streckung verbundenen Rotationen haben ihren Grund in der Gestalt der Con-
dylen des Femur und in dem Verhalten der Bandscheiben. Die ersteren stellen eine
Art von Kegelmantel dar, welcher sich um den Kegel bewegt, der von den beiden
Kreuzbändern nebst der Eminentia intercondyloidea gebildet wird. Die Kreuzbänder
spannen sich demgemäß auch bei der Einwärtsrollung und wickeln sich bei der Aus-
wärtsrollung voneinander ab.
Außer der Rotation des Unterschenkels, welche bei Beugung und Streckung
unwillkürlich erfolgt, kann derselbe auch willkürlich nach außen (Supination) und nach
innen (Pronation) gedreht werden, abgesehen allerdings von der extremen Streck-
stellung, wie dies oben schon erwähnt wurde. Die Drehung erfolgt um eine Achse,
welche nicht durch die Mitte des Kniegelenkes geht, sondern welche im Gebiet der
medialen Pfanne liegt. Die beiden Bandscheiben verschieben sich dabei gegen den
Oberschenkel nur wenig und es geht die Bewegung im wesentlichen zwischen ihnen
und dem Schienbein vor sich. Die beiden Gelenkflächen des Schienbeines bewegen
sich dabei in verschiedenem Grad, die laterale stärker als die mediale; die laterale
geht bei der Supination rückwärts, bei der Pronation vorwärts, während die mediale
die umgekehrten Bewegungen ausführt (Fick).
Die Arterien des Kniegelenkes sind entsprechend seiner Größe stark und zahl-
reich. Es sind dies die sechs Arteriae genus, eine vordere, welche von der Schenkel-
arterie abgegeben wird und fünf hintere, welche aus der A. poplitea stammen. Außer-
dem treten noch die Aa. recurrens tibialis anterior und posterior, sowie der R. fibularis
der vorderen Schienbeinarterie an das Gelenk. Alle diese Arterien vereinigen sich
zum Rete articulare genus, von welchem aus das Gelenk versorgt wird. Die Venen
begleiten die Arterien; die Lymphgefäße ergießen sich in die Lymphdrüsen der Knie-
kehle. Die Nerven des Kniegelenkes stammen vom N. tibialis und peronaeus ab,
Kniegelenk. 171
sie begleiten die hinteren Arterien, ein Ast des X. femoralis die vordere Kniegelenks-
arterie. Vom hinteren Ast des N. obturatorius gelangt ein Zweig am M. adductor
magnus entlang ins Gelenk.
Die Lage des Kniegelenkes ist eine wenig geschützte. Bei einem aufrechtstehen-
den Menschen ist vorne die Kniescheibe sehr leicht zu sehen und abzutasten. Von
den durch die Fettpolster des Gelenkes hervorgerufenen Wülsten war schon oben (S. 166)
die Rede. An der lateralen Seite fühlt man deutlich den Epicondylus lateralis und
darunter das Köpfchen der Fibula, sowie das beide verbindende Ligamentum colla-
terale libulare. Vor dem Köpfchen der Fibula trifft der untersuchende Finger auf
den Condvlus lateralis tibiae und über ihm auf die Gelenkspalt' . Am h das vortretende
Ende des Tractus iliotibialis fasciac latac und dahinter die Bicepssehne sind zu fühlen.
An der medialen Seite fließen Epicondylus mcdialis und Ende der Tibia für das Ge-
liihl meist zu einem gerundeten Vorsprung zusammen, doch kann man bei stärkerem
Druck die Gclenkspalte wahrnehmen. Auch das Ende des M. sartorius ist lieraus-
zutasten. X. saphenus und V. saphena, welche vor der Sartoriussehne liegen, geben
sich der Palpation nicht kund. An der Rückseite fühlt und sieht man bei gestrecktem
Knie einen leichten Wulst und durchaus keine Vertiefung.
Die Lage Veränderungen, welche die am Kniegelenk beteiligten Gebilde bei
seinen Bewegungen erleiden, sind erheblich. Die Kniescheibe wird in der Streckung
soweit gehoben, daß sie mit ihrem proximalen Teil die Facies patellaris femoris über-
ragt. Da sie von dem Ligamentum patellae an der Tibia festgehalten wird, stellt
sie si> li bei der Beugung erst auf die Facies patellaris des Oberschenkels, wodurch sie
stark vortritt, so daß nun das Knie eine gerundete Fenn erhält, dann aber sinkt sie
in die immer tiefer werdende Kerbe /wischen Femur und Tibia hinein, wo sie jetzt
größtenteils auf dem Fett der Plicae alares ruht. Sie ist nun auch für Gesicht und
Gefühl mehr und mehr verschwunden, während dagegen die Condylen des Femur
und das obere Ende der Tibia ebenso wie die zwischen beiden liegende Gelenkspalte
durchgefühlt werden können. Dies ist deshalb so leicht möglich, weil die bedeckenden
Weichteile liier auf der Vorderseite des Gelenkes spärlich sind; sie bestehen aus Haut,
Subcutangewebe, Fascie und Sehnen mit den eingeschobenen Schleimbeuteln. Über-
dies sind die Weichteile nicht einmal scharf voneinander getrennt, so daß eine rein-
liehe Präparation nicht selten unmöglich ist.
Zu beiden Seiten bringen die Bewegungen keine größeren Änderungen zuwege,
wohl aber hinten. Beugt man das Knie, dann tritt dort jederseits ein starker gespannter
Wulsl hervor, während sich die Mitte zu einer tiefen Grübe, der Kniekehle, Fossa
Poplitea umwandelt. Die beidenWülste werden durch die vom Oberschenkel her-
kommenden kontrahierten Beugemuskeln gebildet, welche in der Kniegegend aus-
einanderweichen, um sich zu beiden Seiten an Tibia und Fibula anzusetzen. Von
ihren Enden gedeckt, entspringen in nächster Nähe des Gelenkes beiderseits die nach
dem Unterschenkel gehenden Köpfe Ar^ M. gastroenemius, an der lateralen Seite
auch der M. plantaris; sie nähern sich rasch der Mitte des Schenkels und legen -ich
aneinander. Die von oben kommenden und nach unten gehenden Muskeln umschließen
einen rhombischen Kaum mit proximal spitzerem und distal stumpferem Winkel.
i ben die Kniekehle. Sie wird von einem niemals vollständig schwindenden Fett-
polster ausgefüllt. Aui ihm liegl die V. saphena parva, in ihm eingeschlossen die
Nerven und Gefäßi der Kniekehle, \ ,i-,i poplitea und N. tibialis. Her \. peronaeus
schließl sich dem Rand de- lateralen Muskelwulstes an. Das in der Streckung ziemlich
Eesl sich anfühlende Fettpolster wird in der Beugung weicher. -,. daß man die beiden
172 Kniegelenk.
Köpfe des M. gastrocnemius durchfühlen, bei mageren Leuten selbst den N. tibialis
und den Puls der A. poplitea nachweisen kann.
Varietäten. Durch die Hockerstellung, welche gewisse Völkerschaften mit Vorliebe
einnehmen, wird die Krümmung der Femurrollen leicht abgeflacht. — Die laterale Bandscheibe
ist zuweilen abnorm verbreitert. — Das Ligamentum collaterale fibulare kann sich verdoppeln,
es kann auch ganz fehlen (Fick). — Selten besteht ein Zusammenhang der beiden Gelenkhälften
hinter den Kreuzbändern (Fick). — Das Kniegelenk steht nicht selten mit dem benachbarten
Tibiofibulargelenk in Zusammenhang.
Praktische Bemerkungen. Die Erkrankungen des Kniegelenkes sind sehr zahlreich
und oft schwer, was sich durch seine anatomischen Verhältnisse erklärt. Die sehr ausgedehnte
Synovialis, die buchtige Form der Gelenkhöhle, der sehr komplizierte Bandapparat, die Art der
Bewegungen, die besonders starke Inanspruchnahme des Gelenkes — all dieses birgt die Keime
von Erkrankungen verschiedener Art in sich. Die exponierte Lage begünstigt Verletzungen
aller Art und man fürchtet diese wegen ihrer Bedenklichkeit für Gesundheit und Leben auch
heute noch, da Bewegungen, welche bei eröffnetem Gelenk ausgeführt werden, eine Saugwirkung
ausüben, durch welche Luft und andere unerwünschte Stoffe in den Gelenkraum gebracht werden
können.
Stichverletzungen, wie sie bei Gewerben, welche harte Gegenstände mit sehr scharfen
Werkzeugen bearbeiten, z. B. Schuster, Zimmerleute, durch Ausfahren der Instrumente leicht
vorkommen können, werden je nach der Stellung des Gelenkes verschiedene Teile desselben treffen
können und ist nach der Verwundung die Stellung verändert, dann kann der Stichkanal teilweise
verlegt werden und kürzer erscheinen als er in Wirklichkeit ist. Bei Schußwunden ist natürlich
das gleiche der Fall; bei ihnen sind Stellungen denkbar, in welchen keiner der das Kniegelenk
zusammensetzenden Knochen eine Verletzung erfahren hat. Bei Wunden, welche die Kniegegend
an ihrer proximalen Seite treffen, wird man auf eine Eröffnung der Kapsel schon drei Finger breit
über dem oberen Rand der Kniescheibe gefaßt sein müssen, da dort der suprapatellare Schleim-
beutel so weit hinaufreicht. Unten und zu beiden Seiten setzt sich die Kapsel nahe an den Ge-
lenkrändern fest, so daß noch einen Finger breit von diesen eine Eröffnung des Binnenraumes
nicht zu erfolgen braucht.
Seröse, eiterige oder blutige Ergüsse dehnen das Gelenk oft beträchtlich aus; sie füllen
natürlich auch die mit dem Gelenk in Zusammenhang stehenden Nebenräume. Klopft man mit
dem Finger auf die Kniescheibe, welche auf dem Erguß schwimmt, dann kann man sie zum An-
schlagen an die Condylen des Femur bringen, was der Untersucher deutlich fühlt. Eine Ver-
wechselung des angeschwollenen Gelenkes mit einer Ausdehnung der präpatellaren Schleimbeutel
ist leicht zu vermeiden, da bei diesen die Kniescheibe fest auf der Unterlage ruht und die Schwel-
lung über ihr liegt.
Von den sehr dicken Gelenkknorpeln können sich, selbst wenn sie ganz gesund sind, Stück-
chen ablösen, welche dann frei im Gelenkraum liegen, man nennt sie „Gelenkmäuse". Sind sie
in eine Seitenbucht geglitten, dann machen sie keine Symptome, klemmen sie sich aber zwischen
irgend welche Teile des Gelenkes ein, dann hemmen sie oft ganz plötzlich die Bewegung und ver-
ursachen einen lebhaften Schmerz. Man muß sich hüten, das Sesambein der Gastrocnemius-
sehne im Röntgenbild für eine Gelenkmaus zu halten.
Die Stellung des Gelenkes ist pathologisch zu nennen, wenn die Belastungslinie, welche
normalerweise durch seine Mitte geht, mehr als 2 cm nach der einen oder anderen Seite von dieser
abweicht, wie es bei Genuvalgum, sogenannten X-Beinen und Genu varum, sogenannten
O-Beinen der Fall ist. Die Untersuchungen von Mikulicz (1878) haben ergeben, daß für deren
Entstehung nicht das Kniegelenk zu beschuldigen ist, sondern daß Oberschenkelbein und Schien-
bein Verbiegungen erleiden. Man versteht jedoch leicht, daß besonders bei Genu valgum die
abnorme Belastung in der Folge auch das Gelenk schädigt. Es tritt vorne ein Schwund des Con-
dylus lateralis femoris, hinten ein solcher des Schienbeines ein. Das Gelenk wird im Stehen
hyperextendiert und stärker rotiert, als in der Norm. Andauernde Belastung kann den. Band-
apparat so weit lockern, daß eine abnorme Überstreckung stattfindet (Genu recurbatum);
auch Muskellähmungen können den gleichen Erfolg haben.
Luxationen des Kniegelenkes sind selten, was auf die Größe der Gelenkflächen und auf
die ungemein große Festigkeit des Bandapparates, besonders der Kreuzbänder zurückzuführen
ist. Doch kommen sie immerhin vor und zwar nach hinten und vorn, ebenso wie nach beiden Seiten.
Der Kapselriß kann ein großer sein, oft aber findet man davon berichtet, daß er nur klein war,
Wadenbeinköpfchengelenk. 173
was sich durch die Festigkeit der Kapsel mit ihren Bändern leicht erklärt. Bei Luxationen nach
hinten oder vorn werden die Nerven und Gefäße der Kniekehle stark gespannt, sie können selbst
zerreißen. Selten erleidet die Kniescheibe allein eine Verrenkung, und zwar so gut wie ausnahms-
los nach der lateralen Seite hin. Wahrscheinlich ist die mehr gerundete Form des medialen Con-
dylus die Ursache, daß sie bei einer medianwärts gerichteten Verschiebung leicht wieder in ihr
Lager zurückgleitet. Die Kniescheibe kann sich auch um ihre Längsachse drehen, meist un-
vollständig, äußerst selten so, daß ihre Außenseite sich vollständig nach innen wendet.
Auch die Bandscheiben können eine isolierte Luxation erleiden, wenn das gebeugte Knie
eine heftige Rotation ausführt. Am häufigsten kommt sie bei Sportspielen, wie Fußball u. dgl.
vor. Weit öfter verrenkt sich der mediale Meniscus, was darauf zurückzuführen sein dürfte,
daß er schwächere Bänder besitzt, wie der laterale. Die Bandscheibe reißt meist an ihrer vorderen
Insertion ab und kann sich zwischen die Gelenkenden einklemmen.
Mußten verrenkte Bandscheiben entfernt werden, dann ist die Streckung des Knies beim
Treppensteigen und ähnlichen Bewegungen meist erschwert (König 1907).
Von Brüchen der Gelenkenden ist zu erwähnen, daß die beiden Condylen des Femur durch
die Kniescheibe wie durch einen Keil auseinander getrieben werden können. Das obere Ende
der Tibia kann dadurch platzen, daß sich bei einem Fall auf die Füße die Femurcondylen mit
großer Gewalt dagegen anstemmen. Am häufigsten sind Frakturen der Kniescheibe; sie können
schon durch einfachen Muskelzug entstehen. Die exponierte Lage des Knochens begünstigt
aber auch sehr die Einwirkung direkter Gewalt. Ihr anatomischer Bau weist den Brüchen keine
bestimmte Richtung an. Ist sie zerbrochen, ohne daß die bedeckenden Weichteile zerrissen sind,
dann bleiben die Bruchenden ohne Verschiebung in ihrer Lage, was man nach den vorhandenen
anatomischen Verhältnissen nur natürlich finden wird. Zerreißen dieselben aber, dann legen sich
leicht die Fetzen der bindegewebigen Membranen zwischen die Bruchenden und hindern dadurch
die Vereinigung. Daß bei einem Querbruch der M. rectus femoris überdies das obere Stück stark
in die Höhe ziehen wird, versteht sich von selbst. Ebenso klar ist es nach der Art der Anheftung
der Mm. vasti, daß dabei nicht jede Funktionsmöglichkeit aufgehoben sein wird, da ihre seitlichen
Teile, welche den unteren Teil der Patclla, das Ligamentum patcllae und die Tibia erreichen,
ungestört weiter funktionieren können. Bei der Behandlung der Luxationen und Frakturen
der Patella wird man nicht allein das Kniegelenk strecken, sondern auch das Hüftgelenk beugen,
um den M. extensor quadrieeps in allen seinen Teilen zu entspannen.
Epiphysenlösungen bewirken eine Eröffnung des Gelenkes nicht. Auch die mit dem Gelenk
zusammenhängenden Schleimbeutel sind nicht wesentlich gefährdet. Zwar reicht die Bursa
suprapatellaris noch über die Epiphysengrenzc hinauf, doch ist ihre Verletzung wegen der dicken
Fettschicht, welche sie vom Knochen trennt, unwahrscheinlich. Die Bursa m. semimembranosi
reicht nicht bis unter den Epiphyscnknorpel, ebensowenig die Bursa m. poplitei (v. Brunn
1881, M.). Anhaltendes Stehen, wie es gewisse Gewerbe verlangen (Bäcker, Kellner u. a.), alte-
riert im jugendlichen Alter leicht die Epiphyscngrenze des distalen Femurendcs. wodurch dann
eine Verkrümmung dieses letzteren hervorgerufen wird, es entsteht dann Gcnu valgum (X-Bcine),
weniger häufig Gcnu varum (O-Beine).
g) Wadenbeinköpfchengelenk, Articulatio tibiofibularis.
In unmittelbarer Nachbarschaft des Kniegelenkes. Die Gelenkfläche des Waden-
beines, ist etwas größer als die des Schienbeines. Der Knorpelbezug ist am proximalen
Teil beider Gelenkflächen dicker als am distalen. Die Kapsel folgt nichl überall
genau dem Knorpelrand. Auf der Vorderseite wird sie verstärkt durch ein sehr kräftiges
Band, Ligamentum capituli Eibulae anterius [226, 231), dessen Züge teils
emer, teils schräg lateral abwärts verlaufen. Ein Ligamentum capituli Eibulae
posterius, dessen Fasern ebenfalls transversal gerichtel sind, ist schwächer, es kann
selbst ganz fehlen. Die obere Wand des Gelenkes is1 am wenigsten geschützt.
Die Mehle des Gelenkes stehl in '/■'• der Fälle (Fi< k) mit dem Popliteusschleim-
beutel und dadurch indirekt mit dem Kniegelenk in Verbindung. Die Bewegungen
lies Gelenkes bestehen in geringfügigen Verschiebungen, man kann es als Amphi-
ai i hrose betrachten,
174 Membrana interossea cruris. Knochen des Fußes.
Seine unbedeutenden Gefäße erhält es aus der A. genus inferior lateralis und aus
der A. recurrens tibialis anterior, die Nervenfädchen vom Gelenkast des N. peronaeus.
An seiner Vorderseite wird das Gelenk gedeckt vom Ansatz des M. biceps femoris
und es entspringen von ihm Fasern des M. peronaeus longus und M. extensor digi-
torum pedis longus. Auf seiner Rückseite liegt der Popliteusschleimbeutel und der
Ursprung des M. soleus. Zwischen den Muskelursprüngen und dem Köpfchen der
Fibula wendet sich der N. peronaeus auf die Vorderseite des Unterschenkels; er kann
bei Verletzungen des Fibulaköpfchens in Mitleidenschaft gezogen werden. Luxationen
sind selten.
h) Membrana interossea cruris1).
Ähnlich der gleichnamigen Membran des Unterarmes spannt sie sich zwischen den
beiden Cristae interosseae der beiden Unterschenkelknochen aus (236) . In ihrem proxi-
malen Teil ist sie dünn, am distalen Ende weicht sie in mehrere Platten auseinander,
zwischen welche sich Fett einschiebt. Am proximalen Ende der Membran ist eine
ovale Lücke ausgespart, welche an ihrer lateralen Seite von der Fibula begrenzt wird.
Durch sie gelangen die von Fett umschlossenen Vasa tibialia anteriora nach vorne.
Auch am distalen Ende findet man eine (kleinere) Lücke, welche mit ihrer medialen
Seite an die Tibia grenzt; sie läßt den Ramus perforans der A. peronaea passieren.
Der Verlauf ihrer Fasern ist von der Tibia aus schräg abwärts zur Fibula ge-
richtet, was mit dem Faserverlauf in der Membrana interossea antebrachii deshalb
übereinstimmt, weil man die Tibia dem Radius, die Fibula der Ulna gleichzusetzen
hat. Doch fehlt es auch nicht an Fasern, welche umgekehrt von der Fibula schräg
abwärts zur Tibia verlaufen. Solche sind sowohl auf der Vorderseite, wie auf der
Rückseite vorhanden. Am proximalen Ende der Vorderseite begegnet man einem
Faserzug, welcher nach seinem Verlauf der Chorda obliqua des Unterarmes gleicht.
Die Festigkeit und Elastizität der Membran ist bedeutend (Fe ß ler 1894). Von
ihren beiden Flächen entspringen Streck- und Beugemuskeln des Lnterschenkels.
Die distalen Enden der beiden Unterschenkelknochen werden durch Bandfasern,
welche von einem Knochen zum anderen überspringen, fest aneinander geheftet;
zwischen sie erstreckt sich von unten her eine schmale, mit Gelenkintima ausgekleidete
Spalte hinein. Es wird auf diese Dinge unten bei Beschreibung des Knöchelgelenkes
zurückzukommen sein.
i) Knochen des Fußes, Ossa pedis.
Ebenso wie schon in den proximalen Teilen des Skeletes der unteren Extremität,
tritt auch in dem des Fußes die Bestimmung zum Tragen der Körperlast hervor. Wenn
auch im ganzen und großen die Verhältnisse der Hand wiederkehren, so ist doch die
Übereinstimmung im einzelnen nur eine geringe. Die Hand behält die Richtung des
Unterarmes bei, ihre Knochen liegen sämtlich in der gleichen Fläche, die Handwurzel
ist kurz und gerade, die Finger sind lang und sehr beweglich. Dies alles wirkt zu-
sammen, um sie zu befähigen, die ergriffenen Gegenstände gut zu umfassen und fest-
zuhalten. Demgegenüber ist der Fuß gegen den Unterschenkel winkelig abgeknickt;
die Fußwurzel ist lang und sehr kräftig, die Zehen sind kurz und besitzen eine geringere
Beweglichkeit als die Finger. Die proximalen Fußwurzelknochen sind übereinander
gelagert, während die vorderen und die Mittelfußknochen nebeneinander hegen und es
x) Ligamentum interosseum.
Fußwurzelknochen. 175
läßt sich der Fuß der Länge nach in zwei Strahlen oder Abteilungen zerlegen, eine
mediale, welche aus Talus, Os naviculare, Ossa cuneiformia sowie den drei ersten
Metatarsalknochen und Zehen besteht, und eine laterale, welche sich aus Calcaneus,
Os cuneiforme und den beiden anderen Metatarsalknochen und Zehen zusammensetzt
(246). Dabei ruht der hintere Teil der dreizehigen Abteilung auf dem der zweizeiligen.
u) Fußwurzelknochen, Ossa tarsi.
Die Fußwurzelknochen sind: Das Sprungbein, Talus1). Fersenbein, Cal-
caneus, Kahnbein, Os naviculare2) pedis, die drei Keilbeine, Os cunei-
forme3) primum, seeundum, tertium, das Würfelbein, Os cuboideum4j.
Schon die Aufzählung ergibt, daß die Fußwurzelknochen ebensowenig, wie die
Handwurzelknochen dem Grundtypus (S. 106) ganz entsprechen. Als das an der
Hand ganz zurückgebildete Os centrale ist das Os naviculare anzusehen ; im Talus ist das
Os tibiale und intermedium enthalten, der Calcaneus entspricht dem Os fibulare, welches
von der Verbindung mit den Unterschenkelknochen ganz abgedrängt ist. Wie an der
Hand sind auch hier am Fuß nur die drei ersten Ossa tarsalia voneinander getrennt,
während das vierte und fünfte im Os cuneiforme vereinigt sind.
Die Grundform der einzelnen Fußwurzelknochen kann man zwar wie bei dm
Handwurzelknochen als die eines Würfels ansehen, doch ist sie noch weniger streng
durchgeführt, wie bei diesen. Auch die Fußwurzelknochen wenden dem Fußrücken
und der Sohle rauhe Oberflächen zu, die Flächen aber, welche sie einander zu-
kehren, sind nur zum Teil überknorpclt, ein Teil von ihnen bleibt zum Ansatz von
Bändern rauh.
Das Sprungbein (237 , 238) zerfällt durch eine rauhe Einschnürung, Collum
tali, in einen hinteren Teil, Corpus und einen vorderen, Caput. Am Körper be-
merkt man zwei Fortsätze, einen Processus posterior und lateralis. Der erstere
tritt unter dem hinteren Rand der Rolle hervor, er ist niedrig und rauh. Seine Spitze
zerfällt gewöhnlich durch eine tiefe Furche für die Sehne des M. flexor hallucis longus
in zwei rauhe Höcker, Tuberculum mediale und laterale. Der letztere bildet
eine vorspringende Ecke, in welche sich der seitliche Rand des Knochens auszieht. Er
ist an seiner oberen und unteren Seite überknorpclt. Seine Anwesenheit erklärt si h
dadurch, daß Sprungbein und Fersenbein in der Art gegeneinander verschoben sind,
daß das erstere medial, das letztere' lateral übersteht. Der laterale Fortsat/ des Sprung-
beines hat die Deckung der oberen Fläche des Fersenbeines zu vervollständigen.
An seiner oberen Fläche trägt der Körper e'ine' rollenfönnige Gelenkfläche,
Trochlea, zur Artikulation mit dem Schienbein. Dieselbe ist im sagittalen Durch-
messer konvex, im transversalen leicht konkav; von vorn nach hinten i-t sie etwas
verschmälert, so daß sie bei gehobenem Fuß fester /.wischen den Enden der beiden
Unterschenkelknochen stehl als bei gesenktem. Zu beiden Semiten ist di< Rolle durch
eine lateral schärfere, medial stumpfere Kante abgesetzt. Die Überknorpelung aber
>etxt sieh ohne Grenze über diese Kanten hinweg auf die Seitenflächen des Knochens
Eort, Facies mallcolaris lateralis und medialis, welche mit den Innenseiten
der beiden Knöchel artikulieren. Da der laterale Knöchel weiter herabragt, ist auch
M Vstragalus.
3) Os scaphoideum, centrale, Schiffbein.
•'I ( Issa tarsalia 1- III.
i) i is tarsale [V.
17G Fußwurzelknochen.
die laterale Fläche größer, sie besitzt eine dreiseitige Form und ist leicht konkav.
Die mediale ist kleiner, sie stellt nur einen schmalen, sichelförmig gestalteten Saum
mit ebener Oberfläche dar. Unter ihr ist die mediale Seitenfläche rauh.
Der Kopf des Sprungbeines trägt eine kugelförmige Gelenkfläche, Facies arti-
cularis navicularis, welche in einer vom Schiffbein und vom Ligamentum calcaneo-
naviculare plantare gebildeten Pfanne ruht. Der diesem Band entsprechende Streifen
der Gelenkfläche ist nicht selten durch eine stumpfe Kante von dem mit dem Schiffbein
in Verbindung stehenden Teil abgesetzt.
Die untere Seite des Sprungbeines (238) besitzt zwei Gelenkflächen, welche mit
dem Fersenbein in. Kontakt stehen; sie sind voneinander durch eine rauhe Furche,
Sulcus tali, getrennt. Die hintere, lateralwärts verschobene Fläche, Facies arti-
culariscalcanea posterior, ist tief gehöhlt, die vordere, weiter medial stehende,
besitzt zwei Facetten, von welchen die eine, Facies articularis media, vom
Sustentaculum tali, die andere, Facies articularis anterior, vom Körper des
Fersenbeines getragen wird. Nicht selten werden die Facetten durch eine acces-
sorische Furche völlig voneinander getrennt.
Das Fersenbein (239 — 241) ist der größte Fußwurzelknochen; es besitzt
eine länglich vierseitige Gestalt. Mit seinem hinteren verdickten Teil, Tuber
calcanei, tritt es frei hervor und bildet die Ferse. Die hintere Oberfläche des
Tuber ist in der oberen Hälfte glatt zur Anlagerung eines Schleimbeutels, in der
unteren Hälfte rauh zum Ansatz der Achillessehne. Am unteren Rand zieht sich
diese Oberfläche beiderseits in. einen kleinen Fortsatz aus, einen medialen größeren,
Processus medialis und einen lateralen kleineren, Processus lateralis tuberis
calcanei (239, 240), welche auf dem Fußboden ruhen.
Der vordere von dem Sprungbein gedeckte Teil, Corpus, ist, wie gesagt (S. 175),
gegen dieses lateralwärts verschoben; um es ausreichend zu unterstützen, ragt an
seiner medialen Seite ein platter, halbkreisförmiger Fortsatz hervor, Sustentaculum
tali1) (240). Die obere Fläche des Körpers ist stufenförmig gestaltet. Der hintere höhere
Teil trägt eine konvexe, nach vorn absteigende Gelenkfläche, Facies articularis
posterior, zur Artikulation mit der gleichnamigen des Sprungbeines, der vordere
niedrigere, eine Facies articularis media und anterior, von welchen die erstere
dem Sustentaculum tali, die letztere der vorderen medialen Ecke des Körpers angehört.
Sie verhalten sich ganz ebenso, wie die mit ihnen in Gelenkverbindung stehenden
gleichnamigen Flächen des Sprungbeines. Ebenso wie diese werden sie von der hinteren
Gelenkfläche durch einen rauhen Sulcus calcanei getrennt. Die einander zuge-
kehrten Rinnen von Sprungbein und Fersenbein bilden zusammen eine von der lateralen
Seite her zugängliche Grube, Sinus tarsi (248), welche sich median wärts zu einem
kanalartigen Gang, Canalis tarsi, verengert. Sie enthält einen starken Band-
apparat. Ein accessorischer Sulcus kann natürlich ebenso vorhanden sein, wie beim
Sprungbein.
Die vordere Fläche des Fersenbeines wird von der dreiseitigen Facies arti-
cularis cuboidea eingenommen, welche sich an das Würfelbein anlegt.
Von den Seitenflächen wird die mediale (240) von dem Sustentaculum tali über-
ragt; an dessen Unterseite zieht eine Furche hin, Sulcus m. flexoris hallucis
longi, die Fortsetzung der gleichnamigen Rinne des Sprungbeines. Auf der lateralen
Seitenfläche (239) verläuft die Sehne des M. peronaeus longus im Sulcus m. peronaei
x) Processus medialis . calcanei.
i'ußwurzelknochcn. 177
longi schräg ab- und vorwärts. Nicht selten erhebt sich ihr oberer Rand zu einem
höckcr- oder leistenförmigen rauhen Fortsatz, Processus trochleari-.
Das Kahnbein [242, 243) ist ein verhältnismäßig flacher Knochen. Eine hintere
konvexe Gelenkfläche (242) nimmt den Kopf des Sprungbeines auf, eine vordere (2 43)
ist in drei Facetten geteilt, an welche sich die drei Keilbeine anlegen. Die dem
medialen Fußrand angehörige Seitenfläche ist in einen stumpfen Höcker, Tuberositas
ossis navicularis ausgezogen. Ihm gegenüber auf der lateralen Seitenfläche
findet man häufig eine überknorpelte Stelle zur Artikulation mit dem Würfelbein.
Die drei Keilbeine [24-1, 24ö). Das erste an der Großzehenseite des Fußes
gelegene ist das größte, das zweite das kleinste. Dieses letztere ist auch in sagittaler
Richtung kürzer, als die anderen, so daß zwischen deren vorderen Enden eine ein-
springende Bucht vorhanden ist, welche von der Basis des zweiten Mittelfußknochens
ausgefüllt wird (246, 250). Das erste wendet die Schneide des Keiles dem Fußrücken,
das zweite und dritte der Sohle zu. Die plantar liegende breite Seite des ersten Keil-
beines ist rauh, gewulstet und geht ohne Grenze in die mediale Seitenfläche über.
Die dem Fußrücken zugewandten Breitseiten des zweiten und dritten Keilbeines
sind von annähernd quadratischer Form. Das zweite Keilbein ist so kurz, daß seine
Schneide ganz versteckt liegt, wenn man das Fußskelet von der Sohle her betrachtet.
Durch die Gelenkflächen ihrer hinteren Seiten stehen die Keilbeine mit dem Kahn-
bein (244) in Verbindung, durch die der vorderen Seiten (24ö) mit den drei ersten
Mittelfußknochen. Die Seitenflächen besitzen nur längs der dorsalen Ränder Gelenk-
flächen, mittelst deren sie mit den jedesmal benachbarten Knochen artikulieren, weiter
plantarwärts sind sie rauh. Eine vom Dorsum zur Planta hin winkelig gestaltete
Gelenkfläche der lateralen Seite des ersten Keilbeines steht in Kontakt mit einer
entsprechend geformten des /weiten; an eine rundliche Facette vor ihr legt sich der
Mittelfußknochen der zweiten Zehe an. Zweites und drittes Keilbein berühren sich
mit schmalen Gelenkflächen, das dritte trägt davor noch eine kleine, für den anstoßenden
zweiten Mittelfußknochen. Eine Gelenkfläche der lateralen Seite des dritten Keilbeines
legt sich an das Würfelbein an, eine kleine Facette vor ihr an den vierten Mittelfuß-
knochen.
Das Würfelbein (244, 245) entspricht seinem Namen nur wenig, es ist vielmehr
eher fünfseitig zu nennen und zeigt sich lateralwärts verschmälert. Seine hintere Seite
artikuliert mit dem Fersenbein, seine vordere, in zwei Facetten geteilte, mit dem vierten
und fünften Mittelfußknochen. An der medialen Seite befinden sich in der Nähe des
cberen Randes zwei durch eine stumpfe Kante geschiedene Gelenkflächen, die eine
zur Verbindung mit dem dritten Keilbein, die andere zu der mit dem Kahnbein be-
stimmt. An der lateralen Seite nimmt ein Einschnitt die Sehne des M. peronaeus
longus auf; er Eührl in .ine tiefe Rinne der Suhle. Sulcus m. peronaei longi [241 .
welche an ihrer Rückseite durch eine schräge, stumpfe Erhabenheit, Tuberositas
Össis cuboidei1), begrenzt wird.
I >ie Struktur der Fußwurzelknochen ist eine spongiöse und /war sind die Knochen-
bälkchen in ausgesprochener Weise den Belastungsverhältnissen angepaßt, unter
welchen die Knochen stehen. Weitei unten wird darauf zurückzukommen sein. Die
Blutversorgung wird von den benachbarten Arterienästen geliefert und je größer
ein Knochen ist, um so mannigfaltiger sind seine Gefäßi . Per Calcaneus erhält soll he
von den Rami calcanei und von der A. plantaris lateralis, welch«' von unten herantritt.
'i i niiiK'iiü.i obliqua, Tuberculum transversum.
Merkel, Anatomie 11. Skdetlchre. 12
178 Mittelfußknochen.
In den Talus führen Gefäßlöcher von der medialen Seite und von seinem Halse herein,
besonders große auch aus dem Sinus tarsi, wo sich ein Ast der A. tibialis posterior ver-
zweigt. Auch die A. malleolaris anterior lateralis sendet Ästchen in den Sinus tarsi.
Die weiter distal gelegenen Fußwurzelknochen beziehen ihre Arterien teils vom Fuß-
rücken her aus den Zweigen der A. dorsalis pedis, teils von der Sohle aus von den
Aa. plantaris medialis und lateralis. Wie bei den Handwurzelknochen fehlen die Gefäß-
löcher da, wo sich stärkere Bänder oder Sehnen an den Knochen anheften.
Die Nerven der Fußwurzelknochen werden an der Dorsalseite vom N. peronaeus
profundus, an der Plantarseite von den Nn. plantaris lateralis und medialis abgegeben.
E n t \v i c k e 1 u n g (280, 281). Der Calcaneus erhält einen Knochenkern im sechsten Fetalmonat,
der Talus ein wenig später. Zur Zeit der Geburt pflegt auch das Würfelbein einen solchen zu be-
sitzen. Von den Keilbeinen zeigt das dritte zuerst einen Knochenkern und zwar im ersten Lebens-
jahr, dann folgt das erste und das zweite bis vierte, zuletzt das zweite im dritten bis vierten Jahr.
Etwa im zehnten Lebensjahr tritt ein Epiphysenkern im Calcaneus auf. Er bildet sich zu einer
platten, gebogenen Scheibe aus, die der hinteren Fläche des Knochens aufsitzt und nach der
Pubertätsentwickelung mit dem Knochen verschmilzt.
Varietäten der Fußwurzelknochen sind zahlreich. Ihre Formen können ungewöhn-
liche sein, auch können ungewöhnliche Gelenkflächen vorkommen, nicht selten in Verbindung
mit ungewöhnlicher Form. Neben den normalen vorkommende überzählige Knochen können
insoferne eine praktische Bedeutung gewinnen, als sie bei der jetzt so viel geübten Lhtersuchung
mit Röntgenstrahlen leicht für pathologisch abgetrennte Skeletstücke gehalten werden könnten.
Dieselben können mit den normalen Knochen in Gelenkverbindung treten, sie können mit ihnen
auch secundär verwachsen. Aus einer sehr gründlichen Arbeit von Pfitzner (1896) sei folgendes
hervorgehoben: Die hintere Ecke des Talus, lateral vom Sulcus m. flexoris hallucis longi gliedert
sich zuweilen als Os trigonum ab. Das gleiche kann mit der hinteren Ecke des Sustentaculum
tali der Fall sein. Ebenso kann sich die Tuberositas ossis navicularis abtrennen, sie kann sogar
als Sesambein in die Sehne des M. tibialis posterior abwandern. Die vordere obere Ecke des
Fersenbeinkörpers kann selbständig werden. — Das erste Keilbein kann sich in eine dorsale und
plantare Hälfte teilen. — In der Sehne des M. peronaeus longus kommt ein Sesambein vor, dort,
wo sie sich um das Würfelbein herumschlägt. — An der Dorsalseite des Fußes kann im Winkel
zwischen erstem Keilbein nnd erstem und zweitem Mittelfußknochen ein kleines Knöchelchen
eingeschaltet sein.
Verschmelzungen können, wie es scheint, zwischen allen aneinander stoßenden Flächen
zweier Fußwurzelknochen vorhanden sein, wobei es sich keineswegs um pathologische Verwach-
sungen handelt (Leboucq 1890).
Der Processus trochlearis des Fersenbeines ist zuweilen sehr groß; auch an einzelnen
anderen Fußwurzelknochen kann es zur Ausbildung von Trochlearfortsätzen kommen, so am
Sprungbein, am Kahnbein.
ß) Mittelfußknochen, Ossa metatarsalia.
Den Mittelhandknochen durchaus ähnlich (246, 247). Man unterscheidet wie
bei diesen eine proximale Basis, ein distales Capitulum und zwischen beiden einen
Körper. Der Metatarsalknochen der großen Zehe ist weitaus der dickste, der der
zweiten der längste; von ihm ab werden die übrigen rasch kürzer. Die Basen
tragen Gelenkflächen zur Artikulation mit den drei Keilbeinen und dem Würfelbein,
welche nicht rein sagittal stehen, sondern mit ihrer lateralen Seite nach hinten ab-
weichen. Die einander zugewandten Seiten der Basen stehen durch überknorpelte
Flächen miteinander in Berührung, nur der aus der Reihe zurückspringende zweite {246)
macht insofern eine Ausnahme, als seine mediale Seite nicht mit dem ersten
Metatarsalknochen, sondern mit dem vorderen Rand des ersten Keilbeines in Ver-
bindung steht, an seiner Kleinzehenseite besitzt derselbe Mittelfußknochen neben
der Facette für den dritten noch eine kleine für den distalen Rand des dritten Keil-
Zehenknochen. Sesambeine. 170
beines. Die Plantarseite der Basis des ersten Metatarsalknochens ist zu einem
lateral wärts vorragenden Höcker ausgezogen, Tuberositas ossis metatarsalis
primi (247); an ihn setzt sich die Sehne des M. peronaeus longus an. Von der Basis
des fünften Metatarsalknochens erstreckt sich ein Muskelhöcker, Tuberositas ossis
metatarsalis quinti (247), zur Seite, welcher auch beim Lebenden leicht durch-
zufühlen ist.
Die plantarwärts gekrümmten Körper der Metatarsalknochen sind dreiseitig
prismatisch. Die Köpfchen sind denen der Mittelhandknochen (S. 129) so ähnlich,
daß sich eine Beschreibung erübrigt. Die plantare Seite des Köpfchens des ersten
Metatarsalknochens teilt eine sagittal gestellte stumpfe Kante in zwei sattelförmige
Furchen, in welchen die Sesambeine gleiten.
Die Mittelfußknochen sind typische Röhrenknochen. Die Foramina nutricia
finden sich an den vier ersten in der Regel an der lateralen Seite, am fünften an der
medialen. Am ersten verläuft der an die Löcher sich anschließende Gefäßkanal in
distaler, bei den vier anderen in proximaler Richtung.
y) Zehenknochen, Ph alanges.
Sie gleichen ganz den Fingerphalangen {246, 247), unterscheiden sich aber von
ihnen durch ihre geringere Grüße. Nur die e,n>l.ie Zehe macht eine Ausnahme, indem
sie ganz besonders stark ausgebildet ist; trotzdem daß sie nur zwei Phalangen be-
sitzt, kommt sie deshalb der zweiten an Länge fast gleich. Die dritte Zehe ist nur
wenig kürzer als die zweite, die vierte verkürzt sich stärker und die fünfte macht
einen geradezu rudimentären Eindruck. Die zum Teil sehr geringe Länge der Mittel-
phalangen bringt es mit sieh, daß sie nicht selten aussehen, wie zwei Gelcnkenden,
welche nur durch eine sanduhrförmige Einziehung voneinander getrennt sind. Die
Gelenkflächen der kleineren Gelenke sind weniger ausgearbeitet, wie an den Fingern;
.Mittel- und Endphalanx der kleinen Zehe sind sogar in 36 Prozent der Fälle
knöchern miteinander verbunden. Zuweilen wird gleiches auch an der vierten Zehe
beobachtet. Die Verwai hsuni; isl nach Pl'itzners 11N I ntersuehungen nicht
etwa auf den Druck schlecht passenden Schuhwerkes zurückzuführen, wie man
früher vielfach angenommen hat, da sie schon während der Embryonalzeit auftritt.
Sesambeine, Ossa sesamoidea.
Die Sesambeine der großen Zehe [247), welche niemals fehlen, sind in gut aus-
.■_■■■ 1 > 1 1 ■ I ■ ■!■ m Zustand etwas mein wie erbsengroß, das fibulare ist häufig kleine] und
schlechter entwickelt, weit seltener ist das tibial gelegene das kleinere. Das letztere
kann sich teilen. Außerdem kommen Sesambeine noch vor an der zweiten und
fünften Zehe, jedoch weit seltener als an der Hand (Pfitzner [892).
In etwa der Hälfte der Fälle findet man ein Sesambein im [nterdigitalgelenk
der großen Zehe.
Entwickelung (2S0, 281). Sie erfolgt bei den Mittelfußknochen und den Phalangen ganz
ebenso wie an der Hand (S. [31 ). Wie dort ist auch hier die Schlußentwickelung des weiblichen Fußes
dem des männlichen um etwa zwei bis drei Jahre voraus (Hasselwander). Die Diaphysenkerne
der Mittelfußknochen erscheinen in der S. — 10. Fetalwoche, und /.war zuerst der des .unten,
dann folgen >,. \, 1, 5, also nicht ganz genau so, wie bei den Mittelhandknochen. Die Kerne der
Phalangen treten im dritten bis vierten Fetalmonat auf. Die Epiphysenkerne erscheinen wie an
der 11. imi im distalen Ende der Mittelhandknochen und im proximalen der Phalangen. Nur der
Mittelfußknochcn der großen /eln> macht die gleiche Ausnahme, wie der Mittelhandknochen
des Daumens; er hat seine Epiphyse am proximalen Ende. Die Epiphysenkerne der Mct.it.irs.il-
12«
180 Gelenke und Bänder an der Fußwurzel. Knöchelgelenk.
knochen erscheinen im dritten bis achten Jahr, die der Phalangen im dritten bis vierten, nur der
in der Endphalanx der großen Zehe eilt den anderen voran. Die Vereinigung der Epiphysen
mit den Diaphysen erfolgt im männlichen Geschlecht um das 16. bis 21. Jahr, im weiblichen,
wie gesagt, früher.
Varietäten. Die Tuberositas ossis metatarsalis V. kann selbständig werden. Die Mittel-
fußknochen zeigen Variationen in Länge und Stärke. Die Grundphalangen der fibularen Zehen
können verdickt sein, die Mittelphalangen sind verkürzt, Phalangen sind miteinander verschmolzen.
Im übrigen kommen ganz die gleichen Varietäten wie bei den Fingern vor, es ist deshalb auf das
dort Gesagte (S. 131) hinzuweisen.
k) Gelenke und Bänder an der Fußwurzel.
Die Gelenke der Fußwurzel unterscheiden sich von denen der Handwurzel in
mehrfacher Art. So ist hervorzuheben, daß die Gelenke hier besser voneinander
getrennt sind, wie dort ; der ganze Aufbau und die Tätigkeit des Fußes erfordert ferner
andere Kombinationen und man sieht, daß die um das Sprungbein gruppierten Gelenke
die größte Freiheit und Selbständigkeit besitzen, die übrigen erscheinen als Amphi-
arthrosen und zeigen sich im Zusammenhang mit ihrer geringen Beweglichkeit auch
oft genug nur mangelhaft ausgebildet. Die Hilfsbänder sind entsprechend der physio-
logischen Funktion des Fußes weit kräftiger entwickelt wie an der Handwurzel.
Die einzelnen Gelenke sind die folgenden: 1. Knöchelgelenk1), Articulatio
talocruralis. 2. Hinteres Sprungbeingelenk, Art. talocalcanea. 3. Vorderes Sprung-
beingelenk, Articulatio talocalcaneo-navicularis. 4. Fersen -Würfelbeingelenk, Arti-
culatio calcaneo-cuboidea. 5. . Kahn- Keilbeingelenk, Articulatio cuneonavicularis.
6. Fußwurzel- und Mittelfußgelenke, Articulationes tarsometatarseae. 7. Mittelfuß-
gelenke, Articulationes intermetatarseae.
a) Knöchelgelenk, Articulatio talocruralis.
Die Pfanne wird von den distalen Enden des Schienbeins und Wadenbeines
gebildet, der Kopf von der Rolle des Sprungbeines. Die Unterschenkelknochen werden
durch die Ligamenta malleoli lateralis anterius und posterius (253, 2öö)
sehr fest aneinander gehalten. Sie entspringen vorne und hinten am unteren Rand
des Schienbeines und setzen sich an den vorderen und hinteren Rand der Gelenkfläche
des Wadenbeines an. Das hintere Knöchelband ist erheblich kräftiger als das vordere.
Während die Bänder den Raum zwischen den beiden Knochen überbrücken, beteiligt
sich eine kleine dreieckige Fläche von ihnen direkt an der Pfannenbildung. Die
Pfanne ist eine eckige Gabel, welche die Gelenkfläche des Sprungbeines aufnimmt.
Die Rolle des Sprungbeines steht mit der unteren Fläche des Schienbeines in Verbin-
dung und beide sind einander entsprechend gestaltet. Zu beiden Seiten setzt sich
die Gelenkfläche der Pfanne auf die Innenseite der beiden Knöchel fort, wo sie mit
den oben beschriebenen seitlichen Gelenkflächen des Sprungbeines (S. 175), welchen
sie ganz gleich gestaltet sind, in Verbindung treten (251). Die Gelenkfläche des
lateralen Knöchels ist danach dreiseitig, nach außen abgebogen und ragt weiter
abwärts als die Gelenkfläche des medialen Knöchels, welche eine sichelförmige
Gestalt besitzt. Die Krümmung der Hauptartikulationsebene ist ungefähr kreis-
förmig mit einem Radius von etwa 2 cm. Der Bogenwert der Pfanne beträgt
70 — 8o°, der der Rolle des Sprungbeines 1200, weshalb bei jeder Stellung des Fußes
immer ein Teil der letzteren von der Pfanne unbedeckt bleibt (Fick 1904). Im
l) Oberes Sprungbeingelenk.
Hinteres und vorderes Sprungbeingelenk. 181
aufrechten Stehen auf ebenem Boden entsprechen sich die Gelenkflächen von Kopf
und Pfanne genau, hebt man aber die Fußspitze, dann stellt sich, wie oben (S. 1751
bemerkt, der Fuß fest, weil sich nun der breite vordere Teil der Rolle zwischen die
Unterschenkelknochen klemmt, wobei sich die Ligamenta malleoli lateralis anspannen.
Bei der Senkung, bei welcher der schmälste Teil der Rolle zwischen die Unterschenkel-
knochen tritt, erschlaffen diese Bänder und die Stabilität des Gelenkes wird geringer.
Die Knorpelbedeckung der Gelenkflächen ist in der Mitte der Rolle und Pfanne
am dicksten (2 mm), an den Enden der seitlichen Gelenkflächen am dünnsten.
Die Kapsel setzt sich im allgemeinen dicht am Gelenkknorpel an, nur vorne
greift sie über ihn hinaus, am Sprungbein mehr, am Schienbein etwas weniger. Wie
bei allen Gelenken, welche eine Winkelbewegung ausführen, ist sie vorne und hinten
weit, mit Fett durchwachsen und leicht verletzlich. Sie ist dort nur durch vorüber-
ziehende Muskelsehnen unvollkommen geschützt. Zu beiden Seiten ist sie straff und
mit kräftigen Haftbändern versehen.
Die Gelenkhöhle ist geräumig und enthält viel Synovia. Sie setzt sich nach
oben hin in eine enge Synovialtasche zwischen den aneinander liegenden Enden der
beiden Unterschenkelknochcn fort (2öl). Eine Intimafalte springt entweder vom blinden
Ende oder auch vom unteren fibularen Rand der Tasche vor; in letzterem Fall schließt
sie dieselbe nach Art einer Klappe ab. Andere Intimafalten treten als qucrgesteUte
Fettlappen von hinten und von vorne her in die Gelenkhöhle vor. Sie sind nur durch
sehr zarte Kapselblätter von den auf den Außenseiten des Gelenkes liegenden Fett-
massen getrennt.
ti) Hinteres Sprungbeingelenk. Articulatio talo-calcanea.
Die artikulierenden Flächen sind die hinteren, an der Unterseite des Sprung-
beines und der Oberseite des Fersenbeines befindlichen Gelenkflächen {257). Die Artiku-
lationsebene stellt ein Stück einer Zylinderfläche oder eines Kegels dar, mit einem Radius
von etwa 2S mm Länge, dessen Achse die Längsachse des Fußes unter einem Winkel
von etwa 300 schneidet und zwar bei aufrechtem Stehen, wo der Fuß mit der Spitze
lateral abweicht. Sie läuft der Medianebene fast parallel (M.-H.). Die Form der Gelenk-
flächen ist zahlreichen individuellen Variationen unterworfen. Vorkommende In-
kongruenzen werden durch Fettpolster ausgeglichen.
Der Gelenkknorpel ist in der Mitte der Gelenkflächen am dicksten (1.5 mm).
Die dünne und schlaffe Kapsel setzt sich im allgemeinen dicht am Knorpelrand an.
hinlen-lateral aber entfernt sie sich am Fersenbein von ihm bis fast 1 cm weit. Im
Sinus tarsi und an der Hinterseite wird die Kapsel von reichlichem Fett gedeckt. Die
Gelenkhöhle bietet keine Besonderheiten, nur ist zu erwähnen, daß eine klein.- Aus-
sackung drr hinteren lateralen Ecke de- Gelenkes, besonder-* bei älteren Leuten,
nicht ganz selten mit dem Knöchelgelenk in Verbindung stein (Fick).
;') Vorderes Sprungbeingelenk, Articulatio talo-calcaneo-
na v icul a r i s.
Der im wesentlichen kugelige Kopf des Sprungbeines ruht in rinn- Pfanne, welche
gebildet wird von drr Facies articularis media und anterior des Fersenbeines, der
hinteren konkaven Gelenkfläche des Kahnbeines und einem sehr starken Band, Liga-
mentum calcaneo-naviculare plantare, welches an seiner dem Gelenkinneren
182 Fersen-Würfelbeingelenk. Kahn-Keilbeingelenk. Fußwurzel-Mittelfußgelenk.
zugewandten Seite eine faserknorpelige Schichte, Fibrocartilago navicularis x)
trägt {257) . Nicht selten findet man den Kopf den Abteilungen der Pfanne ungefähr
entsprechend facettiert. Varietäten in der Form der Gelenkflächen sind häufig, doch
steht ihre Krümmung stets in Korrelation mit der des hinteren Sprungbeingelenkes.
Da beide stets zusammenwirken, müssen ihre Artikulationsebenen auch den gleichen
Radius haben.
Der Gelenkknorpel besitzt eine Dicke von etwa i mm. Die Kapsel folgt am
Fersenbein dem Knorpelrand, am Sprungbein, ebenso auch am Kahnbein entfernt
sie sich mehr oder weniger von ihm ; besonders an der medialen Seite erstreckt sie sich
bis gegen das Knöchelgelenk. Die Gelenkhöhle ist in der Regel eine einheitliche, doch
kommt es bei starker Entwickelung des accessorischen Sinus tarsi vor, daß der von den
medialen Gelenkflächen gebildete Teil sich vollkommen vom übrigen sondert. Die
Unregelmäßigkeiten der Pfannenoberfläche werden durch Fettfalten ausgeglichen.
d) Fersen-Würfelbeingelenk, Articulatio calcaneo-cuboidea.
Die Artikulationsflächen besitzen eine dreiseitige Gestalt, die Krümmung der
Artikulationsebene ist sattelförmig, in vertikaler Richtung vorwärts konkav, in horizon-
taler vorwärts konvex. Der Gelenkknorpel ist 0,5 bis 1 mm dick. Die Kapsel ist lateral
schlaff und heftet sich in einiger Entfernung von den Knorpelrändern an, medial ist
sie straff und dicht am Knorpel befestigt (Fick).
Vorderes Sprungbeingelenk und Fersen- und Würfelbeingelenk bilden zusammen
das sogenannte Chopartsche Gelenk, Articulus tarsi transversus (s. unten).
s) Kahn-Keilbeingelenk, Articulatio cuneo-navicularis.
Man kann unter diesem Namen folgende Gelenkspalten zusammenfassen:
1. Das Gelenk, in welchem die vordere Fläche des Kahnbeines mit den hinteren Flächen
der drei Keilbeine artikuliert, 2. die Gelenke, mit welchen die Seitenflächen der drei
Keilbeine unter sich artikulieren, 3. die Gelenke, welche die mediale Seite des Würfel-
beines mit den angrenzenden Flächen des Kahnbeines und des dritten Keilbeines in
Verbindung setzen. Diese Vielheit von Gelenken miteinander zu vereinigen, ist deshalb
berechtigt, weil sie von einer gemeinsamen Kapsel umschlossen, ohne Abgrenzung
miteinander zusammenzuhängen pflegen (250). Man kann mit Henle sagen, daß
sie eine spaltförmige Höhle bilden, welche im wesentlichen frontal gestellt ist, die aber
drei sagittale Ausbuchtungen hat, von welchen zwei nach vorn zwischen die Keil-
beine, die dritte nach vorn und zugleich um den lateralen Rand des Kahnbeines nach
hinten längs der medialen Gelenkfläche des Würfelbeines sich erstrecken.
Die Form der Gelenkflächen ist von der Beschreibung der Knochen bekannt. Der
Knorpelüberzug derselben ist 0,5 — 1,5 mm dick; die Kapsel setzt sich dicht an den
Rändern der Gelenkflächen an. Fettfalten gleichen Inkongruenzen aus.
;) Fußwurzel-Mittelfußgelenke, Articulationes tarso-metatarseae2)
und Mittelfußgelenke, Articulationes intermetatarseae.
Der Mittelfußknochen der großen Zehe ist in der Regel mit dem ersten Keilbein
durch ein ringsum abgeschlossenes Gelenk verbunden. Ein zweiter Gelenkraum umfaßt
J) Ligamentum cartilagineum.
2) Lisfrancsches Gelenk (s. unten).
Haft- und Unterstützungsbänder der Fußwurzel. 183
die Artikulationen zwischen zweitem und drittem Keilbein und den gleichen Mittel-
fußknochen (250). Er ist jedoch nicht ganz abgeschlossen, sondern steht nach hinten
fast immer mit dem Gelenkspalt zwischen erstem und zweitem Keilbein und dadurch
mit der Gesamtheit der Spalten des Kahn-Keilbeingelenkes in offener Verbindung.
Nach vorne erstreckt sich der Gelenkraum meist ohne Grenze in die Intermetatarsal-
gelenke zwischen zweitem und drittem, drittem und viertem Mittelfußknochen hinein.
Der dritte Gelenkraum umfaßt die Verbindung zwischen Würfelbein und dem vierten
und fünften Mittelfußknochen. Die Gelenkspalte besitzt gegen das Intermetatarsal-
gelenk zwischen viertem und fünftem Mittelfußknochen keine Abgrenzung.
Gelenkflächcn, ihre Überknorpelung und die Kapsel wie beim Kahn-Keilbein-
gelenk.
Varietäten der unter <>, e und J genannten Gelenke werden vielfach beobachtet. Es
können sonst vorhandene Scheidewände zwischen zwei Gelenken fehlen, es können an sonst un-
gewöhnlichen Stellen Abschlüsse vorhanden sein. Barkow sagt, wenn alle Kommunikationen,
welche beobachtet worden sind, an einem Fuße zusammen vorkämen, so würden sämtliche Ge-
lenkhöhlen miteinander vereinigt sein; wären umgekehrt alle beobachteten Scheidewände an
einem und demselben Fuß vorhanden, dann stiege die Zahl der Gelenkhöhlen auf neun.
Die praktischen Bedürfnisse der Chirurgen haben Veranlassung gegeben, zwei
Gelenklinien mit besonderen Namen zu bezeichnen (250). Articulatio tarsi trans-
versa, Chopartsches Gelenk, nennt man die Linie, welche die hintere Gruppe der
Fäißwurzelknochen, bestehend aus Sprungbein und Fersenbein, von der vorderen
trennt. Sie umfaßt das vordere Sprungbeingelenk und das Ferscnbein-YYürfelbeingelenk.
Dieselben haben funktionell nichts miteinander zu tun, besitzen auch getrennte Kapseln,
liegen aber in einer Ebene, welche es erlaubt, in ihr Amputationen vorzunehmen. Die
Linie ist leicht S-förmig gebogen, indem die Artikulationsebene des vorderen Sprung-
beingelenkes nach vorn konvex, die der Articulatio calcaneo-cuboidea nach vorne konkav
gekrümmt ist. Man kann sich über die Lage des Chopart sehen Gelenkes in der Art
am Lebenden orientieren, daß man einerseits die Tuberositas ossis navicularis, anderer-
seits die Tuberositas ossis metatarsi V. herausfühlt. Nahe hinter der ersteren findet
man den medialen Anfang der Spalte, etwa 2 cm hinter der letzteren das laterale Ende.
Als Lisfrancsches Gelenk wird von den Chirurgen die Articulatio tarso-
metatarsea bezeichnet. Für eine Operation ist der Verlauf der Gelenkspalte nicht
bequem; sie zeigt einen mehrfach gebrochenen Verlauf, indem das erste und dritte
Keilbein vorspringt, während das zweite Keilbein und das YYürfelbein zurücktritt. Der
i ipi rateui hat also die vorspringe nden Knoi henenden zu umgehen, um die Abu- onung
der Metatarsalknnchen ausführen zu können. Das laterale Ende der Spalte beginnt
dieht hinter der Tuberositas ossis metatarsi V., ist also leicht festzustellen, das mediale
Ende liegt 3- 4 cm distalwärts von der Tuberosität des Kahnbeines.
tj) Haft- und Unterstützungsbänder der Fußwurzel.
Sie haben erstens den Fuß lest und sieher mit dem Unterschenke] zusammen-
zuhalten, sie haben zweitens die einzelnen Elemente der Fußwurzel so fest miteinander
zu verbinden, daß ein Auseinanderweichen derselben bei der Belastung verhindert
wird und haben sich drittens an der Aufrechterhaltung der Gewölbeform des ganzen
Fußes zu beteiligen. Diese Tätigkeiten bedingen eine ganz bedeutende Stärke der haupt-
säi blieb beanspruchten Bänderzüge; trotzdem aber reichen sie, besonders für die letzt-
genannte Funktion nicht vollständig aus, sondern müssen noch durch die Wirkung
von Muskeln und deren Sehnen unterstützt werden. Wenn auch eine scharfe Trennung
184 Bänder zwischen Unterschenkel und Fuß; am hinteren Teile der Fußwurzel.
nicht möglich ist, so lassen sich doch im großen und ganzen vier Gruppen unterscheiden
und zwar i. die Bänder zwischen Unterschenkel und Fuß; 2. die Bänder am hinteren
Teil der Fußwurzel, welcher bewegliche Gelenke besitzt, 3. die Bänder, welche hinteren
und vorderen Teil des Fußes miteinander verbinden, und 4. die Bänder des vorderen
Teiles der Fußwurzel, dessen Gelenke Amphiarthrosen sind. In den einzelnen Gruppen
sind die Bänder nicht immer so scharf voneinander geschieden, daß kein Zweifel über
ihre Abgrenzung bestehen kann, was Veranlassung zu manchen Verschiedenheiten
in den Beschreibungen der einzelnen Autoren gegeben hat.
1. Bänder zwischen Unterschenkel und Fuß.
Den Bandapparat der tibialen Seite faßt man seiner dreiseitigen Form wegen
unter dem Namen Ligamentum deltoideum1) (254) zusammen. Er erstreckt sich
vom medialen Knöchel aus, fächerförmig ausstrahlend, sowohl zum Sprungbein und
über dasselbe hinaus bis zum Kahnbein, .als auch zum Fersenbein. Seme einzelnen
Züge sind mehr oder minder deutlich voneinander getrennt und werden mit besonderen
Namen belegt. Der vordere Teil ist das Ligamentum tibio-talo-naviculare
(Fick).' Entspringt vom vorderen Rand und der Spitze des medialen Knöchels. Seine
oberflächlichen Fasern2) erreichen das Kahnbein, die tieferen3), oft durch einge-
schobenes Fett von den oberflächlichen getrennt, inserieren sich hinter der abgerundeten
Spitze der vorderen Gelenkfläche des Sprungbeines. Das Band ist mit der Kapsel
untrennbar verwachsen. Der mittlere Teil, Ligamentum calcaneo-tibiale4),
ist sehr kräftig; es verläuft vom medialen Knöchel fast vertikal zum Sustentaculum
tali. Von der Kapsel ist es unabhängig. Der hintere Teil, Ligamentum talotibiale
posterius (253), ist der stärkste, ein kurzer Strang, welcher von dem hinteren
Teil des medialen Knöchels entspringt und schräg rückwärts zum Sprungbein zieht,
wo er sich neben dem medialen Höcker des Processus posterior tali anheftet.
Der Bandapparat der fibularen Seite (255) zerfällt in drei Bänder, welche stets
voneinander ganz unabhängig sind. Das vordere Band, Ligamentum talofibulare
a n t e r i u s , ist nicht allzu kräftig. Es verläuft vom vorderen Rand des lateralen Knöchels
vorwärts zum Rand der hinteren Gelenkfläche des Sprungbeines ; es ist mit der Kapsel
verwachsen. Das mittlere Band, Ligamentum calcaneo-fibulare, ist dick und
plattzylindrisch. Es entspringt von der Vorderseite des lateralen Knöchels bis gegen
dessen Spitze herab und geht schräg rückwärts zur Seitenfläche des Fersenbeines.
Das hintere Band, Ligamentum talo-fibulare posterius (253), ist abgeplattet
und zeigt sich als der stärkste der lateralen Bänderzüge. Es entspringt aus einer
Grube des Wadenbeines hinter dessen Knöchelgelenkfläche und verläuft in fast querer
Richtung medianwärts zur Rückseite des Sprungbeines, wo es sich bis an den Processus
posterior hin anheftet. Es ist mit der Kapsel des Knöchel- und hinteren Sprung-
beingelenkes verwachsen.
2. Bänder am hinteren Teile der Fußwurzel.
Die von Sprungbein und Fersenbein gebildete Gruppe der Fußwurzelknochen
wird durch einen eigenen Bandapparat fest verbunden ; derselbe schützt und umgibt
das hintere Sprungbeingelenk von allen vier Seiten. Das stärkste von allen ist das
1) Lig. collaterale mediale. Lig. laterale internum.
2) Ligamentum tibionaviculare.
3) Ligamentum talotibiale anter.
4) Ligamentum trapezium.
Bändcr.zwischen hinterem und vorderem Teil des Fußes. 185
Ligamentum talocalcaneum interosseum Jj (255). Man versteht unter diesem
Namen die Bandmaße, welche den Sinus und Canalis tarsi ausfüllt. Es besteht aus
mehreren platten Faserzügen, welche durch Fett und lockeres Bindegewebe vonein-
ander getrennt sind. An der Rückwand des Sinus tarsi, von dem oben genannten Band
öfters durch einen Schleimbeutel, Bursa sinus tarsi, geschieden, liegt unmittel-
bar auf der Kapsel das vordere Band, Ligamentum talocalcaneum an terius(-
es ist platt und verbindet die Ränder der Gelenkflächen beider Knochen miteinander.
Das Band der lateralen Seite, Ligamentum talocalcaneum laterale, geht vom
lateralen Rand der Knöchelgelenkfläche und vom Processus lateralis des Sprungbeines
zur Seitenfläche des Fersenbeines dicht unter dem Rand von dessen oberer Gelenk-
fläche. Von dem benachbarten Ligamentum calcaneo-fibulare ist es nicht immer
deutlich zu isolieren; gedeckt wird es vom M. extensor digitorum brevis. Sind die
lateralen Knöchelbänder stark, dann ist das Ligamentum talocalcaneum laterale
schwach und umgekehrt. Das hintere Band, Ligamentum talocalcaneum poste-
rius (253), entspringt vom Tuberculum laterale des Processus posterior tali und in-
seriert sich fächerförmig ausgebreitet oder in zwei Zipfel gespalten an der oberen und
medialen Seite des Fersenbeines. Das mediale Band, Ligamentum talocalcaneum
mediale2), ist ein schmaler Bandstreifen, welcher in fast horizontalem Verlauf das
Tuberculum mediale ' des Processus posterior tali mit dem hinteren Rand des
Sustentaculum tali des Fersenbeines verbindet (Henle) 3).
3. Bänder zwischen hinterem und vorderem Teil des Fußes.
Die Gruppe der beiden hinteren Fußwurzelknochen ist mit der Gruppe der vor-
deren durch sehr kräftige und feste Bänder verbunden; dieselben haben demnach
die Funktion das Chopartsche Gelenk zu sichern. Auf dem Fußrücken ist, wenn
man von der medialen Seite her beginnt, zuerst das Ligamentum calcaneonavicu-
lare dorsale zu nennen, welches oft von den Fasern des Ligamentum deltoideum
verdeckt wird, dann folgt das Ligamentum talonaviculare dorsale (254, 256),
welches vom Hals des Sprungbeines dicht an dem Kapselansatz des Knöchelgelenkes
entspringt und zum Rücken des Kahnbeines hingeht. Seine Fasern konvergieren meist,
so daß sein Ansatz verschmälert erscheint. Lateral von ihm folgt das Ligamentum
bifurcatum ('■!■'>■'>), ein besonders starkes und wichtiges Band. Es entspringt von der
vorderen und medialen Ecke des Fersenbeines und teilt sich in zwei Züge; dereine, Pars
calcaneo-nayicularis, geht zur hinteren lateralen Ecke des Kahnbeines, der andere.
Pars calcaneo-cuboidea, zur Rückenfläche des Würfelbeines. Der erstere Teil
stellt eine dieke. vertikal stehende Platte dar, welche fast bis zur Sohle herabreicht.
Von oben her übersieht man nur die obere Kante des Bandes, und ist das Messer bei
der Trennung nicht weil genug in die Tiefe gedrungen, dann ist es nicht möglich,
den vorderen Teil des Fußes vom hinteren zu lösen *). Noch weiter seitlich folgt endlich
das Ligamentum calcaneocuboideum dorsale (256), ein platter Bänderzug,
welcher vom Rücken des Fersenbeines zu dem des Würfelbeines verläuft.
Geht man an der Sohle von der lateralen Seite aus, dann trifft man zuerst aui
das Ligamentum plantare longum-'1) l-->M. Dasselbe ist das längste Band der
') Massa ligamentosa.
2) In Fig. 'Jö-'S unter dem I.ig. tulotib. post. versteckt.
:i) Ligamentum talo-calcaneurrj superficiale horizontale (Fieki.
4) Daher der Name „Schlüssel des Chopartschen Gelenkes' , welcher für d; rur-
catum zuweilen gebraucht wird.
6) Ligamentum calcnnco-cuboideum longum. I laciniatum. L. cuboideo-metatarseum
longum.
186 Bänder am vorderen Teil der Fußwurzel.
Sohle und ganz außerordentlich stark. Es entspringt von der ganzen Sohlenfläche des
Fersenbeines und besteht aus zwei Schichten. Die oberflächliche läuft über die Sehne
des M. peronaeus longus hinweg und erreicht mit mehreren Zipfeln die Basen einer
wechselnden Zahl von Metatarsalknochen ; die tiefere Schichte ist kürzer, sie erstreckt
sich nur bis zur Tuberosität des Würfelbeines. Unter dem medialen Rand dieses
Bandes kommen die sehr kräftigen Züge eines anderen, schräg medial und vorwärts
ziehenden Bandes, Ligamentum calcaneocuboideum plantare (258, 259), zum
Vorschein, welches man aber erst vollständig übersieht, wenn man das Ligamentum
plantare longum entfernt hat. Wie der Name sagt, verbindet es Fersenbein und
Würfelbein miteinander. An die mediale Seite dieses Bandes schließt sich das sehr
starke Ligamentum calcaneonaviculare plantare (259) an, welches die
Lücke zwischen Fersenbein und Kahnbein überbrückt. An seiner dem Inneren des
vorderen Sprungbeingelenkes zugekehrten Seite trägt es die Fibrocartilago navicularis
(S. 182), welche die Pfanne für den Sprungbeinkopf bilden hilft. Es ist breit und
außerordentlich stark, oft über einen halben Centimeter dick. Vom vorderen Rand
des Sustentaculum tali ab entspringt es am Rande des Fersenbeines und heftet sich
an der medialen und unteren Seite des Kahnbeines an.
4. Bänder am vorderen Teil der Fußwurzel.
Die dorsalen Bänder des vorderen Teiles der Fußwurzel bilden einen medialen
und einen lateralen schief vorwärts laufenden Zug, welche sich teilweise durchkreuzen ;
sie lassen sich vom Sprungbein und Fersenbein bis zu den Metatarsalknochen hin
verfolgen (H. v. Meyer 1886). Beide Züge werden durch die in sie eingeschalteten
Knochen in eine Reihe von Einzelbändern zerlegt. Der mediale Zug beginnt am
Sprungbein und zwar mit den obersten Fasern des bis zum Fußrücken hinauf sich
erstreckenden Ligamentum calcaneonaviculare plantare. Vom vorderen Rande des
Kahnbeines strahlen die Ligamenta naviculari-cuneiformia dorsalia (255) zu
den drei Keilbeinen aus; ihre Richtung wird fortgesetzt von den Ligamenta tarso-
metatarsalia dorsalia des ersten bis vierten Mittelfußknochens. Der zum fünften
Mittelfußknochen gehende Bänderzug beginnt mit dem Ligamentum cuboideo-
naviculare dorsale (255, 256) und setzt sich in das Tarsometatarsalband fort.
Der laterale Bänderzug beginnt am Fersenbein mit dem Ligamentum calcaneo-
cuboideum dorsale (S. 185) und setzt sich nach vorne fort in das Ligamentum
cuneocuboideum dorsale (255), zwischen Würfelbein und drittem Keilbein und
dann in das Tarsometatarsalband, welches von letzterem Knochen zum Metatarsal-
knochen der zweiten Zehe gelangt.
Außer diesen longitudinal verlaufenden Bänderzügen findet man auch quere,
und zwar weiter proximal die Ligamenta intercuneiformia dorsalia, welche
die drei Keilbeine verbinden und das Ligamentum cuneocuboideum interosseum
dorsale (255), welches das dritte Keilbein mit dem Würfelbein zusammenhält.
Weiter distal sind es die Ligamenta basium ossium metatarsalium x)
dorsalia (255, 256), welche sich ganz ähnlich den gleichnamigen Bändern der
Hand verhalten.
An der Sohlenfläche der distalen Fußwurzelabteilung wird der Verlauf der Bänder
dadurch kompliziert, daß mit ihnen Muskelfasern und deren Scheiden stellenweise
so eng verflochten und verbunden sind, daß eine reinliche Trennung nur künstlich ge-
lingt. Gedeckt von der oberflächlichen Schichte des Ligamentum plantare longum
1) Ligamenta intermetatarsea interossea.
Bänder am vorderen Teil der Fußwurzel. 187
geht die Sehne des M. peronaeus longus in eine Scheide eingeschlossen schräg vor-
wärts nach der Tuberosität des Mittelfußknochens der großen Zehe hin; die Sehne
des M. tibialis posterior sendet von ihrem lateralen Rand kräftige Züge bis zum Mittel-
fußknochen der dritten Zehe. Entfernt man sie, so gut es geht, dann sieht man, daß
das dritte Keilbein mit dem Kopfbein der Handwurzel insofern eine gewisse Analogie
zeigt, als auch von ihm, wenn auch nicht so regelmäßig wie vom Kopfbein, Bänder-
züge in radiärer Richtung nach allen Seiten ausstrahlen, welche es mit der ganzen
Umgebung fest verbinden. Man unterscheidet ein Ligamentum naviculari-
euneiforme plantare und ein Ligamentum euneoeuboideum plantare,
sowie auch Ligamenta tarsometatarsea plantaria (2-59). Die letzteren sind
freilich keineswegs auf das dritte Keilbein beschränkt, nur ein laterales verbindet
dasselbe mit dem fünften Mittelfußknochen, ein mediales verläuft vom ersten Keil-
bein zum dritten oder vierten Mittelfußknochen. Auch eine straffe Bandverbindung
zwischen Kahnbein und Würfelbcin, Ligamentum cuboideonavicularc, hat
natürlich mit den Keilbeinen nichts zu tun.
Die meisten dieser Bänder verlaufen, wenn auch nicht quer, so doch schräg und
dienen dazu, die Querverbindung der Fußwurzelknochen zu sichern; diesem Zweck
dienen noch andere, zwar kurze, aber sehr kräftige Bänder, welche von der Sohle
aus die einander zugewandten Flächen der Fußwurzelknochen miteinander ver-
binden. Es sind dies die Ligamenta intereuneiformia interossea und das
Ligamentum euneoeuboideum interosseum (260). Sie reichen bis zu den
gleichnamigen Bändern des Fußrückens in die Höhe. Ebenso wie am Fußrücken
findet man auch an der Sohle die starken, querverlaufenden Ligamenta basium
ossium metatarsalium plantaria [258,259), welchen sich die Lig. basium
interossea anschließen. Die sehr feste Verbindung der Mittclfußknochen, welche
durch die letztgenannten Bänder gegeben ist, erstreckt sich medial nicht bis zum
Metatarsus hallucis, sondern das Zwischenknochenband endigt dort am ersten Keil-
bein, so daß hier ein Ligamentum cuneo-metatarsale interosseum zu ver-
zeichnen ist. Die große Zehe wird dadurch in ihren Bewegungen freier, wie die
übrigen.
Die Bewegungen, welche die Teile des Fußes von den Unterschenkelknochen bis
zu den Mittelfußknochen ausführen können, sind einfachere, wie die der Hand. Im
Knöchelgelenk ist nur eine reine Winkelbewegung möglich; bei gesenktem Fuß ist die
Festigkeit des Gelenkes eine geringere, da dabei der schmalere hintere Teil der Talus-
rolle in die von den beiden l'nterschcnkelknochen gebildete Gabel tritt. Hinteres und
vorderes Sprungbeingelenk nebst der Articulatio calcanco-cuboidea wirken stets zu-
sammen, sie heben abwechselnd den medialen Fußrand (Supination) und den lateralen
(Pronation) und führen zu gleicher Zeit die Fußspitze medianwärts oder lateralwärts
(Ailduktimi und Abduktion). Supination und Adduktion einerseits, Pronation und
Abduktion andererseits können nicht voneinander getrennt werden, sie verlaufen
stets miteinander. Kombiniert sieh die Tätigkeit des hinteren und vorderen Sprung-
gelenkes mit der des Knöchelgelenkes, dann sind die Bewegungen immerhin ziemlich
mannigfaltig.
Die übrigen Gelenke der Fußwurzel bis zu den Basen der Mittelfußkm
einschließlich sind Amphiarthrosen mit nur unbedeutender Beweglichkeit. Es handelt
sich im wesentlichen um ein geringes Gleiten der Gelenkflächen aneinander, doch
kann dadurch immerhin die Form des Fußes beeinflußt werden und man kann sagen,
daß ihnen dieser --eine Elastizität verdankt. Von den Ttrsometatarsalgelenken ist
188 Mittelfuß-Zehengelenke.
das dritte am wenigsten beweglich, die lateral von ihm gelegenen Metatarsalknochen
zeigen eine etwas größere Beweglichkeit, welche wesentlich in vertikaler Richtung
möglich ist (H. v. Meyer 1886).
Gefäße und Nerven der vorstehend beschriebenen Gelenke und Bänder stammen
aus denselben Quellen, wie diejenigen der von ihnen in Verbindung gesetzten Knochen.
Die Lage von Fußwurzel und Mittelfuß ist an der dorsalen Seite eine sehr freie,
indem das Skelet dort nur von wenigen Weichteilen bedeckt ist. Die Haut ist sehr
verschieblich; in dem lockeren und wenig fettreichen Unterhautbindegewebe liegen
die Hautvenen und Hautnerven, dann folgt die Fascie, in welche in der Gegend des
Knöchelgelenkes das Ligamentum cruciatum eingewebt ist; darunter kommen die
Sehnen der Streckmuskeln, in drei Sehnenscheiden eingeschlossen. Unter ihnen
liegen die dünnen M. extensores breves und dann gelangt man sogleich auf den dorsalen
Bandapparat. Vor dem unteren Umfang des medialen Knöchels trifft man auf eine
Vertiefung, den Eingang in den Sinus tarsi. Die tieferen Nerven und Gefäße des Fuß-
rückens sind nicht stark, sie liegen auf dem Skelet. An der Hinterseite des Fußes
tritt das Tuber calcanei als Ferse kräftig vor, ebenso über ihr die Achillessehne. Neben
und vor dieser letzteren stößt man auf Fett, welches sich bis zu dem Knöchelgelenk
und seinem Bandapparat in die Tiefe erstreckt. An der medialen Seite des Fußes
ist der Knöchel leicht abzutasten; um ihn schlingen sich die Sehnen des M. tibialis
posterior und des M. flexor digitorum longus, etwas tiefer liegt auch die Sehne des-
M. flexor hallucis longus. Auf der letzteren findet man die A. tibialis posterior, deren
Puls man hinter und unter dem Knöchel fühlen kann; sie ist von ihren Venen und
dem N. tibialis posterior begleitet. Weiter nach vorne ist auf der Grenze zwischen
Seitenwand und Sohle die Tuberositas ossis navicularis deutlich zu fühlen. An der
lateralen Seite verlaufen um den lateralen Knöchel die Sehnen der Mm. peronaeus
brevis und longus und weiter rückwärts Nerven und Gefäße, welche weniger bedeutend
sind, wie medial. Weiter vorne stößt man auf die deutlich fühlbare Tuberositas ossis
metatarsalis V.
Die Sohle ist von einem so dicken Weichteillager bedeckt, daß es nicht gelingt,,
dort etwas vom Skelet durchzutasten. Unter der dicken Haut und dem ebenfalls
dicken und sehr elastischen Subcutanpolster folgt die sehr starke Plantaraponeurose,
welche neben ihren anderen Funktionen auch für die Aufrechterhaltung der Längs-
wölbung von Bedeutung ist. Unter ihr liegt ein dickes, aus Muskel und Sehnen be-
stehendes Polster, in welches die Nerven und Gefäße eingeschlossen sind. Ganz in
der Tiefe auf den Knochen liegt der Arterienbogen, welcher dem tiefen Bogen der
Hohlhand analog ist.
1) Mittelfuß-Zehengelenke, Articulationes metatarso-phalangeae.
Die Gelenkköpfchen der vier lateralen Mittelfußknochen (252) erstrecken sich
nach der plantaren Seite weiter, als nach der dorsalen. Ihre Krümmung ist nicht
ganz regelmäßig kugelig, indem der plantare Teil einen Krümmungsradius von 10 mm,
der dorsale einen solchen'von 5 mm besitzt. Bei der Beugung der Zehen, wo die Pfanne
auf den plantaren Teil des Köpfchens tritt, entstehen deshalb Inkongruenzen, welche
durch Synovialfalten oder nur durch Synovia ausgeglichen werden. Die Dicke des
Gelenkknorpels schwankt zwischen 1,0 und 0,5 mm. Die Kapseln sind schlaff und
an der Dorsalseite sehr innig mit den darüber hinziehenden Strecksehnen verwachsen.
Die Ligamenta transversa (261) verhalten sich genau wie an den Fingern der Hand,
Zehengelenke. Der Fuß im ganzen.
ebenso die starken Ligamenta collateralia, von welchen das fibulare das stärkere
zu sein pflegt.
Die Gelenkflächen des Mittelfußzehengelenkes der großen Zehe sind absolut
und relativ breiter als die der übrigen Zehen. Die plantare Seit" seiner Kapsel ist
besonders stark und kräftig, sie enthält die beiden großen Sesambeine. Dieselben
sind sattelförmig gekrümmt, konkav im sagittalen, konvex im transversalen Durch-
messer. Daß sie durch eine Firste der Gelenkfläche des Mittelfußknochens voneinander
getrennt sind, wurde oben (S. 179) bereits mitgeteilt. Die Sesambeine werden durch
ein starkes Ligamentum accessorium plantare (261) verbunden, so daß eine
höchst widerstandskräftige Gelenkpfanne entsteht. Die Außenseite der Kapsel wird
durch die zwischen den Sesambeinen hinlaufende Sehne des langen Beugers der
großen Zehe rinnenförmig eingedrückt.
m) Zehengelenke, Articulationes digitorum pedis.
Die Einrichtung derselben ist ganz die gleiche, wie die der Fingergelenke, nur
ist das Relief der Gelenkflächen weniger scharf herausgearbeitet (261).
Die Zehen berühren bei ruhigem Stehen den Boden nicht; sie haben nur bei
der Ausführung des Schrittes den Fuß abzustoßen, was freilich für die Freiheit und
Elastizität des Ganges von großer Bedeutung ist. Dabei berührt jedoch nicht ihre
ganze plantare Fläche, sondern nur ihre Spitze den Boden, da sie krallenartig ge-
krümmt sind (252). Nur die große Zehe macht eine Ausnahme, sie liegt beim Ab-
wickeln des Fußes mit ihrer ganzen Plantarfläche dem Boden auf.
n) Der Fuß im ganzen.
Wie sehr sich der ganze Aufbau des Fußes von dem der Hand unterscheidet,
wurde schon oben (S. 174) erwähnt. Seine Stabilität und Tragfähigkeit erklärt sich
dadurch, daß er nach Art eines halben, eines sogenannten Nischengewölbes konstruiert
ist. Dasselbe entsteht dadurch, daß sich ähnlich zwei Stäben eines Fächers der Groß-
zehenstrahl (S. 175) hinten auf den Kleinzehenstrahl legt, während die vorderen Teile
der beiden Längsabteilungen nebeneinander liegen. Auf der Großzehenseite entsteht
so ein hoehgewblbter Bogen, wahrend auf dn- Kleinz.ehenseite nur ein ganz flacher vor-
handen ist. Beide Bogen besitzen ihre Fußpunkte hinten in der Ferse, vorne in den
Köpfchen der Metatarsalknochen. Der Großzehenbogen beginnt in der medialen
Hälfte des Tuber calcanei; von dort steigt er in das Sprungbein auf, in dessen Rolle
sein Gipfel liegt. Sein vorderer Teil geht durch das Kahnbein auf die drei Keilbi in
und dann auf die an diesen befestigten Mittelf ußknochen über, per flache Klein-
zehenbogen hat mit dem Sprungbein nichts zu tun; dieses besitzt für ihn nur den
Wert eines Zwischenstückes, welches den vom Unterschenkel ausgeübten Druck auf
den B..gen überträgt. Von seinem Anfang im lateralen Teil des tubi r calcanei erhebl
er sich zu seinem Gipfelpunkt in der Gelenkfläche des Fersenbeines für das hinter.'
Sprunggelenk; von dort senk! er sich in flachem Verlauf dur< h das Würfelbein zu den
beiden letzten Mittelfußknoi heu.
I i< k (1911) zieht es vor, die I ängswölbung des Fußes in fünf einzelne Gewölbe-
bögen, entsprechend den fünf Mittelfußknochen, zu zerlegen, welche nach hinten
in dem Fersenhöcker konvergieren. .,l>ie Körperlast drückt vermittelst des Sprung-
beines aul das mit seinem Vorderteil schräg aufgerichtete Fersenbein und sucht dies -
niederzudrücken. P.i- vorn erhobene Fersenbein wird aber nun oben von den fünf
190 Der Fuß im ganzen.
nach hinten konvergierenden Gewölbebögen gestützt." „Die größte Stützkraft hat
wohl der zweite Bogen, weil er ziemlich in der Mitte liegt und der höchste ist."
Außer der Längswölbung besitzt der Fuß auch eine Ouerwölbung. Dieselbe
ist nur am vorderen Teil des Fußes gut ausgebildet, wo die Form und Verbindung der
Keilbeine, des Würfelbeines, der Basen der Mittelfußknochen sie hervorbringen. Mit
dem Tragen der Körperlast hat das quere Fußgewölbe direkt nichts zu tun (Fick).
Von großem Interesse ist es, daß sich die Struktur der Spongiosa der Fußwurzel-
knochen (18) vollkommen der Gewölbekonstruktion anschließt. Die Lamellen und Balken
erstrecken sich in der Richtung der Längswölbungen durch die Knochen hindurch,
unbekümmert um die Gelenke, als wenn nur solide Stücke vorhanden wären. Neben
diesen leicht zu deutenden Zügen fehlen jedoch auch solche nicht, welche andere
mechanische Aufgaben zu erfüllen haben, im Fersenbein wendet ein System seinen
Gipfel sogar der Sohle zu. In den der Quere nach besonders fest verbundenen Knochen,
den drei Keilbeinen und dem Würfelbein, bilden die quer verlaufenden Spongiosa-
bälkchen eine genaue Fortsetzung der zwischen ihnen ausgespannten Bänder.
Durch die beschriebenen Bänder wird Zusammenhalt und Form des Fußes
in ausgiebiger Weise versichert. Gleich beim Knöchelgelenk findet man den lateralen
Bandapparat stärker ausgebildet, als den medialen, was einem Umknicken des Fußes
entgegenwirkt. Das Gewölbe, welches der Fuß bildet, würde natürlich fester sein,
wenn es aus einem Guß bestände, es wird aber durch die Zusammensetzung aus einer
Anzahl von Stücken dem Fuß eine freiere Aktion gesichert, es kann auch die Be-
lastung in viel weiteren Grenzen variieren, als dies bei einem starren Gewölbe möglich
sein würde. Um aber doch die nötige Festigkeit zu haben, werden die einzelnen Fuß-
wurzelknochen durch den überaus kräftigen Bandapparat zusammengehalten, welcher
oben beschrieben wurde. Außerdem sind die Wölbungen zu versichern und es sind
überdies noch gewisse in der Anordnung der Teile des Skeletes liegende Unvollkommen-
heiten zu korrigieren. Dabei verlangen es die mechanischen Verhältnisse, daß die an
der Sohle befindlichen Bänder die Hauptarbeit leisten, weshalb auch sie erheblich stärker
sind als die des Fußrückens. Der flache Bogen der Kleinzehenseite bedarf keiner
komplizierten Einrichtung, dort vermag der kräftige, sagittale Zug des Ligamentum
plantare longum alles zu leisten, was verlangt wird. Der höher gespannte Bogen der
Großzehenseite aber bedarf eines komplizierteren Bandapparates, dort ist auch das
Sprungbein, welches doch gerade den Schlußstein des Bogens bildet und die Belastung
zu allererst aufzunehmen hat, in zweierlei Art gefährdet. Erstens steht es nicht über
der Mitte des Fußes und ist somit in gewisser Gefahr, nach der medialen Seite hin
abzugleiten und zweitens wird ein großer Teil seines Kopfes nicht durch eine knöcherne
Pfanne unterstützt, was ihn in die Gefahr bringt, zwischen Sustentaculum tali und
Kahnbein sohlenwärts durchzurutschen. Ersteres wird durch die gewaltigen Band-
massen abgewendet, welche Sinus und Canalis tarsi ausfüllen, letzteres durch das
sehr starke Ligamentum calcaneo-naviculare, welches den Kopf des Sprungbeines
unterstützt. Die Wirkung beider Bänder wird durch den Verlauf und den Ansatz
der Sehne des M. tibialis posterior vervollständigt.
Was die Ouerwölbung anlangt, so hat die Beschreibung sehr zahlreiche und
starke Bänder kennen gelehrt, welche diesem Zwecke dienen ; sie werden in ausgezeich-
neter Weise ergänzt durch den Verlauf der Sehne des M. peronaeus longus, welche
schief durch die Sohle bis zum Mittelfußknochen der großen Zehe verläuft und ihn
auf diese Art dem der kleinen Zehe tunlichst nähert.
Der Fuß im ganzen. 191
Die Form des ganzen Fußes wechselt in weiten individuellen Grenzen, das eine
Mal ist er breit und kurz, das andere Mal schmal und lang, das eine Mal hoch gewölbt,
das andere Mal flacher, ohne jedoch pathologisch zu sein. Ein hochgewölbter Fuß
ist schöner, für seine Funktion auch besser geeignet, als ein flacher.
Altersunterschiede. Die Sohle des Fußes der Neugeborenen berührt den Boden nicht
und es ist der laterale Fußrand gesenkt, der mediale gehoben ; es erklärt sich dies dadurch, daß
Sprungbein und Fersenbein noch eine andere Form zeigen, wie später. Die Rolle des Sprung-
beines ist mehr latcrahvärts gewendet, das Felsenbein steht steiler. Die Stellung der Flächen
des hinteren Sprunggelenkes ist noch eine andere, wie später, das Sustentaculum tali ist geringer
ausgebildet. Die Haltung der Zehen ist gestreckter, als später.
Praktische Bemerkungen. Der Fuß ist einer der Körperteile, welche am meisten
unter künstlicher Verstümmelung zu leiden haben und es ist wahrhaft betrübend, daß man in
unserer Zeit, in welcher anatomisch einwandfreies und auch gefällig aussehendes Schuhwerk
wohl bekannt ist, keineswegs bis zu den chinesischen Frauen zu gehen braucht, um einer gänz-
lich irrationellen Fußbekleidung zu begegnen. Besonders ist es die nicht auszurottende Mode
der spitzen Schuhe, welche die Zehen außerordentlich schädigt; die große Zehe wird im Mittel-
fußzchengelenk lateralwärts abgeknickt und eine der anderen Zehen, welche keinen Platz in dem
zu engen Stiefel findet, meist die dritte, tritt aus der Reihe und legt sich über oder unter die benach-
barten. Die hohen Absätze ferner haben schon manche leichtere und schwerere Läsion der Knöchel-
gegend herbeigeführt. Ein seitliches Umknicken des Fußes int Knöchelgelenk ist auch bei ratio-
nellem Schuhwerk leicht möglich, dabei ist eine Verletzung der Kapsel keineswegs ausgeschlossen,
da die Bänder teilweise mit derselben eng zusammenhängen. Dehnen sich die Bänder stark,
dann leidet nicht selten ihre Elastizität und sie bleiben verlängert, was wieder ein erneutes Um-
knicken erleichtert. Bei der großen Festigkeit der Knöchclbänder sieht man jedoch auch häufig,
daß beim Umknicken eher der Knöchel abreißt, als sie. Bricht der mediale Knöchel ab und wird
das Sprungbein mit Gewalt gegen die Fibula gedrängt, dann sieht man auch diese ctw.is oberhalb
der Knöchelgcgend brechen. Das Knöchelgelcnk ist auch sonst vielfachen Läsionen ausgesetzt
Bei Ergüssen dehnen sich die dünnsten und am wenigsten geschützten Stellen der Kapsel natür-
lich zuerst aus, in erster Linie am Fußrücken neben den Strecksehnen, dann auch zwischen den
I hindern der lateralen Seite und hinten. Auch in anderen Gelenken können natürlich Erkran-
kungen und Verletzungen Ergüsse veranlassen, deren Verbreitung wegen der sehr variablen Zu-
sammenhänge der einzelnen Gclcnkspaltcn untereinander ganz unberechenbar ist. Schwel-
lungen bei Entzündung und Eiterung können erhebliche Dimensionen annehmen, machen sich
jedoch fast ausnahmslos nur auf dem Fußrücken geltend, wo der Bandapparat dünn und die Weich-
teilbedeckung gering ist. Auch Durchbrüchen von Eiterherden setzt der Fußrücken geringeren
Widerstand entgegen, als die stark versicherte Sohle.
Carics des Fußskcletes macht nicht selten Operationen nötig. Um zum Sprungbein
vorzudringen, hat die Chirurgie eine große Anzahl von Methoden vorgeschlagen, man geht von
vorne, von der Seite, von hinten her auf dasselbe ein, man schont Seimen, Nerven und Gefäße,
man durchschneidet sie rücksichtslos. Will man von der Seite her vordringen, dann hat man
sich daran zu erinnern, daß der mediale Knöchel weniger weil herabreicht, als der laterale, daß
aber in seiner unmittelbaren Nähe wichtige Gefäße und Nerven verlaufen. Wie man .im leichte-
sten zu den anderen Fußwurzelknochen vordringt, geht aus ihrer oben geschilderten Lage her-
vor. l her die anatomischen Verhältnisse des Chopartschen und Lisfrancschen i
geben die obenstehenden Bemerkungen (S. 183) Aufschluß. Wenn auch Röntgenphotographien
gerade hiei am Fuß unschätzbare Dienste leisten können, so ist die alte chirurgische Regel noch
nicht antiquiert, daß man sowohl bei Operationen wie bei der diagnostischen Beurteilung von
Erkrankungen und Verletzungen stets ein montiertes Fußskelel zur Hand haben sollte, da es
ohne ein solches recht schwierig sein Kann, die topographischen Verhältnisse ganz richtig zu
beurteilen.
Frakturen kommen natürlich an Fußwurzelknochen und Mittelfuß leicht zustande, es
braucht ja nur ein schwerer Gegenstand auf den Fuß zu fallen, Das Fersenbein kann auch durch
lall ani die Füße zermalmt werden; das Sustentaculum tali kann abbrechen, die schlanken Mittel-
Eußknochen brechen zuweilen sehen durch geringe Gewalt, so z. B. beim Marschieren auf sehr
hartem odei festgefrorenem Moden. Man hat sieh beim Verdacht eines I '.1 uches an der t'ußu urzel
davor /.u hüten, im Röntgenbild einen Überzähligen Tarsusknochen für ein abgebrochenes Stück
zu halten, d.u i aber auch nicht in den entgegengesetzten Fehler verfallen.
192 Der Fuß im ganzen. -
Die Entstehung der verschiedenen Stellungsanomalien, wie Spitzfuß (Pes equinus),
Hackenfuß (Pes calcaneus), Klumpfuß (Pes varus), Plattfuß {Pes valgus), ist nicht auf
Einflüsse zurückzuführen, welche sich genauer an die Anatomie des Fußes anschließen, sondern
auf pathologischen, intrauterinen Druck, auf Bildungsanomalien, auf eine zu starke Belastung
des Fußes im Jünglingsalter, auf Knochenverletzungen u. a. m. Diese Einflüsse sind aber sehr
geeignet, auf die einer Umbildung sehr geneigten Teile des Skeletes und seiner Verbindungen,
ja selbst auf die an den Knochen angehefteten Muskeln einen unheilvollen Einfluß auszuüben.
Die Knochen deformieren sich, die Bänder und Muskeln werden an der einen Stelle kürzer,
an der anderen länger, Muskeln können auch verfetten. Betrachtet man z. B. einen Plattfuß,
dann sieht man, wie der Kopf des Sprungbeines zwischen Sustentaculum tali und Schiffbein
heruntergesunken ist, wie das Ligamentum calcaneo-naviculare und andere Sohlenbänder er-
schlafft und verlängert sind, bei hohen Graden des Leidens auch, wie die Mm. tibialis
posterior und peronaeus longus verfettet sind. Wie außerordentlich die noch nicht verknöcherten
Teile des Fußskeletes deformiert werden können, zeigen nebeneinander gestellte Abbildungen
des Klumpfußes eines Neugeborenen neben denen eines normalen (Volk mann).
Sachregister,
A.
Acetabulum 143.
\, h 1 oskelet 3.
Acromion 108.
Aggcr nasi 68.
Ala magna, angulus parietalis
53-
- facics infratemporalis
53-
- facics orbitalis 53.
facics sphenomaxillaris
53-
ni.irgo frontalis 53.
margo squamosus 53.
margo zygomaticus 53.
spina angularis 53.
- ossis ilium 142.
AI, ic vomefis 70.
Angulus costae y>.
- ethmolacrimalis 73.
- infrasternalis 42.
Ludovici 37, 13.
— mandibulae 82.
pubis [49.
— Storni 37.
Anulus fibrosus 22.
tympanicus 60.
Apcrtura cxteni.i ;i<|u;ti'< liu-t 11s
vestilnili =,(>.
• .1 naliculi Cochleae 58.
inferior canaliculi tympanii 1
57-
- pelvis inferior 1 \g.
superior 1 p>.
pii iformis 93.
superior canaliculi tym
panii 1 ;6.
thoracis inferior |J.
superior |j.
\|m \ 1 ,i|.ii uli fibulae [62.
patellae [60.
\pn|iii\ .1 . 1 1
Vquaedui ins vestibuli , ■
Arcus pubis 149.
— superciliaris 64.
— vertcbrae 14.
— zygomaticus 59, jy.
Articulatio acromioclavicularis
in.
- atlanto-occipitalis 27.
— calcanco-cuboidea 182.
— carpomctacarpea 133.
pollicis 1 34.
— cochlearis 9.
— coxac 156.
— cubiti 120.
— cunco-navicularis 182.
— clliptica 10.
— genus 163.
- humcri 116.
— humeroradialis 121.
- humeroulnaris 121.
— intercarpea 133.
— mandibularis 83.
— ossis pisiformis 134.
- petro-occipitalis 85.
- radiocarpoa 132.
radio-ulnaris distalis 123.
proximalis 121.
- sacroiliaca 146.
sellaris 10.
- sphaerica 10.
sternoi l.i\ icularis in.
talo 1 all inea [81.
- talo -call anei 1 - navicul
1 S| .
talocruralis [80,
tarsi transversa [83.
1 ibio-fibularis 1 73.
1 n 11 In lides 9.
Artirnl.it iones atlanto epistro-
phicae 27.
1 apil uloi um 1 1 starum 38.
itransversai iae 38.
digitoi um in. ums 1 |8
pedis 189.
Merkel, Anatomie II. Skclctlchrc, I ■ t,
Articulationes intermetatar-
seae 182.
— metacarpophalangeae 137.
— metatarso-phalangcae 1S8.
— tarso-metatarseae 182.
Artikulationsebene 12.
Asterion 10 1.
Atlas 18.
Atmungstypus 44.
Augenhöhle 94.
Axis pelvis 149.
B.
Bänder zwischen Unterschenkel
und Fuß [84.
Basis cranii 89.
externa 92.
interna 90.
— patellae 160.
Bathrocephalus 103.
Becken 14S.
— Altersverschiedenheiten
131.
ausgang 1 \g.
— -eingang [49.
— Geschlechtsverschieden-
heiten 130.
großes 1 \8,
— kleines 1 p>.
Maße [50.
— Stellung 1 p>.
I Seugeu irbel 1 \.
Brachycephalen 98.
Brachyprosopie
Bregma um.
Brustbein
— Bänder am ventralen Teil
der Kippen und des Brust-
beines \o.
I landappara
1 u ustkorb, Utersunterschiede
13-
13
194
Sachregister.
Brustkorb , Geschlechtsunter-
schiede 43.
— im ganzen 41.
Brustwirbel 15.
Bryantsches Dreieck 160.
Bulla ethmoidalis 68,
Bursa anserina 168.
— infrapatellaris profunda
168.
— m. gastrocnemii lateralis
167.
medialis 167..
■ — ■ — poplitei anterior 167.
posterior 167.
semimembranosi 167.
— mucosa subscapularis 117.
— praepatellaris 167.
— semimembranosa propria
167.
— sinus tarsi 185.
— suprapatellaris 166,
Bursae synoviales n.
Calcaneus 176.
Calvaria 89, 90.
Canaliculi carotico-tympanici
58.
Canaliculus Cochleae 58.
— chordae tympani 58.
— mastoideus 57, 58.
— sphenoidalis 55.
Canales alveolares 72.
— basipharyngeus 54.
— caroticus 57, 58.
— carpi 135.
— condyloideus 48.
— craniopharyngeus 54.
— epicondyloideus 115.
— facialis 58.
— incisivus 75.
■ — infraorbitalis 73.
— mandibulae 83.
— musculi tensoris tympani
57-
— musculotubarius 57, 96.
— nasolacrimalis 73.
— nervi hypoglossi 48.
— obturatorius 146.
— palatini 80.
— pterygoideus (Vidii) 54.
— sacralis 21.
— tarsi 176.
— tubae auditivae 57.
— vertebralis 14.
— vomerobasilaris 70.
Capitulum costae 35.
— fibulae 162.
— humeri 114.
- mandibulae 83.
— radii 119.
- ulnae 119.
Capsula articularis 8, 9.
Capsulae articulares verte-
brarum 25.
Caput femoris 153.
Caput humeri 113.
Cartilago costalis 35.
Cavum 6.
— auris 96.
— nasi 93.
- oris 96.
— tympani 96.
Cellulae ethmoidales 66, 67.
— mastoideae 59.
Chamaecephalen 98.
Chamaeprosopie 98.
Choanae 94.
Chopartsches Gelenk 182, 183.
Chorda obliqua antebrachii
I25-
Cingulüm extremitatis inferi-
oris 141.
— — superioris 106.
Clinocephalus 103.
Circumferentia articularis radii
119.
ulnae 119.
Clavicula 109.
Clivus 48.
Collum costae 35.
— .femoris 153.
— humeri (anatomicum) 113.
(chirurgicum) 114.
— mandibulae 83.
— radii 119.
— scapulae 107.
— tali 175.
Columna vertebralis 14, 31.
Conchae 66.
Concha inferior 69.
— media 67.
— sphenoidalis 52.
— superior 67.
— suprema 68.
Conjugatae pelvis 150.
Condyli femoris 154.
Condylus 9.
— occipitalis 48.
Cornua cöccygea 21.
— sacralia 21.
Corpus costae 35.
— mandibulae 81.
Corpus sterni 37.
— vertebrae 14.
Costae 35.
— fluctuantes 35.
— spuriae 35.
— verae 35.
Craniologie 89.
Cranium 46.
Cribra cranii 103.
Crista 6.
— buccinatoria 82.
— capituli costae 35.
— colli costae 35.
— conchalis 74, 80.
— ethmoidalis 74, 80.
■ — frontalis 63.
— galli 67.
— iliaca 141.
— incisiva y$.
— infratemporalis 53.
— interossea 119.
— intertrochanterica 153.
— lacrimalis 73.
posterior 70.
— nasalis 75, 79.
— obturatoria 144.
— occipitalis externa 49.
— — interna 50.
— sacralis media 21.
— supramastoidea 59.
— tuberculi majoris 114.
minoris 114.
Cristae sacrales articulares 21.
laterales 21.
Cubitus valgus 121.
D.
Darmbein 142.
Darmbeingrube 142.
Darmbeinkamm 141.
Darmbeinschaufel 142.
Darmbeinstachel 142.
Diarthrosis 8.
Diploe 6.
Discus articularis n, 63.
Dolichocephalen 98.
Dolichoprosopie 98.
Dornfortsatz 15.
Dorsum nasi 93.
— sellae 51.
Dreher 18.
Dreh wirbel 18.
Dura mater 99.
Dyostosis cleidocranialis iro.
Sachregister.
195
I i 'lenk 10.
Ellbogcngelenk 120.
Elle inj.
Eminentia arcuata 56.
— cruciat;i \g.
iliopectinea 142.
— intercondyloidea 161.
Enarthrosis 10, 156.
Epicondyli femoris 154.
I picondylus liumcri lateralis
115.
medialis 115.
Epistropheus 18.
Erbsenbein 128.
Extremitas inferior 141.
— superior 106.
Extremitäten 105.
F.
Facies articularis atlantis 19.
epistrophei posterior 19.
fibularis 161.
inferior atlantis 14.
malleolaris 162.
- auricularis 2r, 142, [43.
- lunata 144.
- patcllaris 154.
symphyseos 142.
Felsenbein 55.
Femur 153.
Fersenbein 176.
Fersen-Würfelbeingelenk 1S2.
Fibrocartilaymi/s interverte-
brales xi.
Fibrocartilago 8.
- navicularis 182.
I il'iil.i 11.2.
Fingergelenke 1 |8.
Fingerknochen 1 30.
Fissura petrosquamosa 56, 37.
pel ro1 5 mpanii .1 .57
tympanii o-mastoidi ,1 59.
Flügelfortsatz .5.}.
Flügelgaumengrube '17.
1 1 mtanellen 6 3, too, ioi,
Fontanellknochen [03.
Fonl ii uli 63, um .
I 1 .1.1111. 11 . aei um 6 ;
— costotransversarium 3c,
iiuiM\ um 75.
infraorbitale 72.
intervertebrale >;, 15.
in, in.i.ii, um majus 1 j8.
minus 1 |S.
Foramen laccrum 91.
— mandibulare 82.
— obturatum 144.
— occipitale magnum 47.
— opticum 52.
— ovale 53.
— palatinum majus 80.
— parietale 62.
— rotundum 52.
— sinuum sphenoidalium 52.
— sphenopalatinum 80.
— spinosum $2.
— stylomas^oideum 57, 58.
— transversarium II, 17.
— vertebrale 14.
— zygomatico-faciale 78.
orbitale 78.
— — -temporale 78.
Foramina alveolaria 72.
— ethmoidalia 67.
— mastoidea 58.
— nasalia 71.
— palatina minora 80.
— sacralia 20.
Fossa 6.
— acetabuli 141.
— canina 72.
— condvl'iidc.-i pi.
— coronoidea 114.
— cranii anterior 90.
media 90.
posterior 90.
— digastrica 82.
— glandulae lacrimalis 64.
— glenoidalis 9.
— hypophyseos .51 .
— iliaca 142.
— infraspinata 107.
— infratemporalis 97.
— intercondyloidea 154, 161.
— jugularis 37.
mandibularis 59.
- olecrani 1 1 |.
Poplitea 171.
— ptei j gi lidea g |.
pterygopalatina .17.
radialis 1 1 \.
— sacci lacrimalis 7". 73.
— scaphi üdea g |.
ill Ml'. II '!.. S1'. i>i •
— subsi apulaj 1- 1
— supra meatum 60,
— supr.ispin.il. 1 107.
temporalis .17.
— trochanterica 153.
Fossae mentales 81.
trosa 57.
Fovea '..
Fovea costalis inferior 15.
Processus transversi 16.
superior 15.
— pterygoidea 83.
— trochlearis 64.
Freie Extremität 113.
Frons 90.
Führungslinie 149.
Fuß, Bänder zwischen hinterem
und vorderem Teil 1S5.
— im ganzen 189.
— Pronation 187.
— Sesambeine 179.
— Supination 187.
Fuß wurzel, Bänder am hiuteren
Teil 184.
— Bänder am vorderen Teil
186.
— Gelenke und Bänder 1S0.
— Haft- und Unterstützungs-
bänder 183.
Fußwurzelknochen 175.
Fußwurzel-Mittelfußgelenke
182.
G.
Gaumenbein 79.
Gaumenspalte 76.
Gehörgang, äußerer 60.
Gelenk 8.
— einfaches 9.
— straffes 9.
— zusammengesetztes y.
Gelenke, Bau 1 1 .
— bewegliche 9.
— straffe 9.
Gelenkenden, Formen 8.
i Jelenkfortsätze 15.
Gelenkhöhle 12.
Gelenkkapseln 8, 10.
Gelenkkopf 9.
Gelenklippen 11.
Gelenkpfanne 9.
i ielenkschmiere 1 2.
Genu recurbatum 1 72.
valgum 172.
\ .11 um 1 72.
htssi h idel 88, 92.
Ginglymus 9.
Glabella 64.
Gliedmaßen 105.
Griffelfortsatz 57.
Großes vieleckiges Bein 128.
Gürtel dir oberen Extremität
106.
— der unteren Extremität 141.
13»
196
Sachregister.
H.
Hackenfuß 192.
Hahnenkamm 67.
Hakenbein 128.
Halbgelenk 8.
Halswirbel 16.
Hamulus lacrimalis 70.
— pterygoideus 54.
Hand im ganzen 139.
— Knochen 126.
Handwurzel, Gelenke und
Bänder 131.
— Haftbänder 134.
Handwurzelknochen 126.
Harmonia 7, 100.
Hasenscharte 76.
Hautskelet 3.
Hiatus canalis facialis 56.
— maxillaris y^.
— sacralis 21.
— semilunaris 68.
Hilfsbänder 10, 11.
Hinterhaupt 90.
Hinterhauptsbein 47.
— Basalteil 47.
— Schuppe 49.
— Seitenteile 48.
Hirnschädel 88, 89.
Hüftbein 141.
Hüftbeine, Bänder 145.
Hüftgelenk 156.
Hüftgelenksluxation, ange-
borene 145.
Humerus 113.
Hypsicephalen 98.
I.
Impressio 6.
— trigemini 56.
Impressiones digitatae 90.
Incisura 6.
— acetabuli 144.
— fibularis 161.
— ischiadica 142.
— jugularis 48, 56.
— lacrimalis 73.
— mandibulae 82.
— mastoidea 59.
— parietalis 59.
— radialis ulnae 119.
— sacro-ischiadica 148.
— scapulae 107.
— semilunaris ulnae 119.
■ — sphenopalatina 80.
— supraorbitalis 64.
Incisura ulnaris radii 120.
— vertebralis 14.
Indices 99.
Infundibulum 68.
J-
Jochbogen 59, 77.
Jochfortsatz 59.
Juga alveolaria 74.
— — mandibulae 81.
— cerebralia 90.
K.
Kahnbein 127, 177.
Kahn-Keilbeingelenk 182.
Kapselspanner 10.
Keilbein 51.
— großer Flügel 52.
— kleiner Flügel 52.
— Körper 51.
Keilbeine 177.
Kiefergelenk 85.
Kinnbildung 83.
Kleines vieleckiges Bein 12S
Klumpfuß 192.
Kniegelenk 163.
— Bewegungen 169.
Kniekehle 171.
Kniescheibe 160.
Knöchelgelenk 180.
Knochen, Architektur 6.
— ausgebildeter 4.
— des Fußes 174.
— Dornen 6.
— Eindrücke 6.
— Einschnitte 6.
— Elastizität 6.
— Entstehung 3.
— Festigkeit 6.
— Firsten 6.
— Fortsätze 6.
— Furchen 6.
— Fuge 8.
— Gruben 6.
— Höcker 6.
— Höhlungen 6.
— Material 3.
— Nähte 7.
— : Rauhigkeiten 6.
— Regeneration 4.
Knochenstruktur 99.
Knochen, Suturae 7.
— Verbindungen 7.
— Vorsprünge 6.
Kopfbein 128.
Kranznaht 100.
Kreuzbein 20.
Kugelgelenk 10.
Labrum glenoidale n.
Labyrinthus ethmoidalis 67.
— osseus 96.
Lambda 101.
Lambdanaht 101.
Lamina cribrosa 67.
— fibrocartilaginea inter-
pubica 148.
— orbitalis 74.
— pap3'racea 67.
— perpendicularis 67.
— vitrea 104.
Laminae fibro-cartilagineae
volares 138.
Lendenwirbel 17.
Leptoprosopie 98.
Ligamenta s. auch Ligamen-
tum.
Ligamenta accessoria 10, 138.
— alaria 28.
— cruciata 165.
— basium interossea 187.
ossium metacarpea 136.
— metatarsalium 186.
— plantaria 187.
— capitulorum costae radiata
39-
— carpometacarpea dorsalia
L35-
— collateralia manus 138.
— — pedis 189.
radiale 135.
ulnare 135.
— costoxiphoidea 41.
— flava 25.
— glenohumeralia 117.
— intercarpea dorsalia 135.
volaria 136.
— intercostalia externa 41.
— intercuneiformia dorsalia
186.
interossea 187.
— interspinalia 26.
— intertransversaria 26.
- — malleoli lateralis 180.
— metacarpea volaria 136.
— naviculari-cuneiformia dor-
. salia 186.
— propria 12.
— — scapulae 110.
Sachregister.
107
I inenta stcrnocostalia ra-
diata 40.
— tarsometatarsalia dorsalia
186.
t.n 50mi t itarsalia plan:
187.
— transversa capitulorum 13S.
pedis 188.
imentum s. auch Liga-
menta.
Ligamentum accessorium plan-
tare !
— anulare radii 122.
- apicis dentis 29.
— arcuatum 169.
pubis 1 (.8.
— bifurcatum 185.
— calcaneo-cuboidcum dor-
sale 185, 186.
— plantare 186.
fibulare 184.
-naviculare 181.
dorsale 185.
plantare 186.
tibialc 1S4.
— capitato-hamatum 133.
- capituli costae interarticu-
lare 38.
fibulac 173.
— carpi arcuatum dorsale [35.
- volare 135.
radiatum 136.
transversum 135.
— carpo-metacarpeum inter-
osseum [34.
- collaterale fibulare 168.
tibialc 168.
radiale 122.
ulnare 122.
- colli costae 39.
- conoideum 1 t 1 .
- coracoacromiale 110.
- coracoclaviculare tu.
anterius 1 1 2.
- coracohumerale 1 1 7.
- costoclaviculare 1 1 2.
costotransversarium anti
rius 39.
posterius :■•
cruciatum atlantis 28.
culi(iidei)Ua\ lenlare 187.
cuboideonaviculare doi alt
186.
— euneoeuboideum dorsale
t86.
interosseum 187.
dorsale 186.
— — plantare |S;.
Ligamentum eunco-metatar-
!];. I - 7.
— deltoideum 184.
— iliofemorale 158.
— iliolumbale 1 1 7.
— interclaviculare 112.
— intercostale internum 39.
— interosseum 132.
lunato-pyramidalc 132.
scaphoideum 132.
— tschiofemorale 158.
— longitudinale anterius 24.
posterius 24.
— lumbocostalc 39.
— lunato-scaphoideum 132.
— naviculari-euneiforme plan-
tare 187.
— nuchae 26.
— patellac 168.
— pisohamatum 136.
— pisometacarpeum 136.
— plantare longum 185.
— ptcrygospinosum 85.
— pubicum superius 148.
— pubofemoralc 158.
— radiocarpeum dorsale 1-4.
— volare 134.
— sacroiliacum anterius 146.
interosseum 147.
posterius 147.
— sacrospinosum 147.
— sacrotuberosum 1 1 -.
— sphenomandibulare 86.
— sternoclaviculare anterius
1 1 2.
posterius 112.
— sternocostale interarticu-
lare 40.
— st\ lohyoideum S7.
stylomandibulare 86.
— supraspinale 26.
taloi alcaneum anterius 1 85.
interosseum 185.
laterale 185.
mediale 1 -
posterius 1 >ss.
talofibularc [84.
posterius [84.
1 alona'N i< ulare dorsali
— talotibiale [84.
— temporomandibulare 85.
— tetes femoris 13 7-
tibio talo-na\ iculare 18 |.
- transversum acetabuli 1 ;6.
— — atlantis 28.
— . - genus 1 1
scapulae inferius 1 1".
superius 1
Ligamentum trapezoideo-capi-
tatum 133.
— trapezoideum m.
— trapezo-trapezoideum 133.
— tuberculi costae superior 39.
— ulnocarpeum 135.
Limbus alveolaris 74.
— sphenoidalis 51.
Linea arcuata 142.
— aspera 153.
— glutaea 1 13.
— intercondyloidea 154.
— mylohyoidea 82.
— obliqua femoris 154.
mandibulae 82.
— Poplitea 161.
— temporalis inferior 59, 62.
superior 62.
— terminalis 149.
Lineae nuchae 49.
Lingula mandibulae 82.
— sphenoidalis 52.
I.isfrancsches Gelenk 183.
Louisscher Winkel 45.
M.
Malleolus lateralis [62.
Mandibula 81.
Manubrium sterni 37.
Margo lacrimalis 73.
— lambdoideus 49.
— mastoideus 49.
- supraorbitalis 64.
Massac laterales 1 5.
Maxilla 72.
— incisura nasalis 72.
— Processus alveolaris 74.
— proeessus front dis
palatinus 75.
zygomaticus 7 \.
Meatus acusticus externus 6o,
96.
— — internus 56, 96.
— nasi 68, 94.
intci Lor 69
medius 69.
Mei kelscher Kumpel 83.
Membrana.- atlanto-epistri
phicae 20.
— — -oeeipitales 29.
— im 12.
— - — antebrachii 124.
, 1 inis 174.
obturatoria 1 1 s
sterni |i.
torio -•■!
198
Sachregister.
Meniscus articularis u.
— lateralis 164.
— medialis 164.
Mittelfußgelenke 182.
Mittelfußknochen 178.
Mittelfuß-Zehengelenke 188.
Mittelhandfingergelenke 137.
Mittelhandknochen 129.
Mondbein 127.
Mundhöhle 96.
Muscheln 66.
N.
Nähte 100.
Nasenbein 71.
Nasenhöhle 93.
Nasion 101.
Neurocranium 46.
Normalconjugata 149.
Nucleus pulposus 22.
Nußgelenk 10, 156.
0.
Oberarmbein 113.
Obere Extremität 106.
Oberkieferbein 72.
Oberschenkelbein 153.
Oberschenkelkopf 153.
Occiput 90.
Ohrenhöhle 96.
Olecranon 119.
Orbita 94.
Orthocephalen 98.
Orthognathie 98.
Os acetabuli 145.
— capitatum 128.
— coccygis 21.
— costale 35.
— coxae 141.
— cuboideum 177.
— ethmoidale 66.
— frontale 63.
margo parietalis 63.
pars nasalis 64.
partes orbitales 63.
— hamatum 128.
— hyoideum 87.
— ilium 142.
— incisivum 74.
— ischii 143.
— lacrimale 69.
— lunatum 127.
— nasale 71.
Os naviculare 177.
manus 127.
— occipitale 47.
— occipitale, pars basilaris
47-
partes laterales 48.
— palatinum 79.
Processus orbitalis 80.
Processus pyramidalis
80.
sphenoidalis 80.
— parietale 61.
angulus frontalis 62.
mastoideus 62.
occipitalis 62.
sphenoidalis 62.
margo frontalis 62.
occipitalis 62.
sagittalis 62.
squamosus 62.
— petrosum 55.
— pisiforme 128.
— pubis 143.
— pyramidale 127.
— sacrum 20.
— sphenoidale 51.
ala magna 52.
; — parva 52.
corpus 51.
— suprasternale 43.
— temporale 55.
— trapezium 128.
— trapezoides 128.
— trigonum 178.
— tympanicum 56.
— zygomaticum 77.
Ossa antebrachii 118.
— carpi 126.
— cruris 160.
— cuneiformia 177.
— epactalia 101.
— metacarpi 129. •
— metatarsalia 178.
— pedis 174.
— sesamoidea 130.
pedis 179.
— suturarum 101.
— tarsi 175.
Ossicula mentalia 83.
P.
Pars alveolaris mandibulae 81.
— mastoidea 58.
— squamosa 59.
Patella 160.
Pecten carinatum 44.
— ossis pubis 142.
Pelvis 148.
— major 148.
— minor 149.
Pericranium 99.
Pes calcaneus 192.
— equinus 192.
— valgus 192.
— varus 192.
Pfeilnaht 100.
Pflugscharbein 70.
Phalanges 130.
— pedis 179.
Plana temporalia 90.
Planum nuchale 49.
— occipitale 49.
— popliteum 154.
— sternale 41.
— temporale 97.
Plattfuß 192.
Platycemie 163.
Plicae alares 166.
— synoviales n.
Plica synovialis patellaris 166.
Porus acusticus externus 96.
internus 56, 96.
Primordialcranium 46.
Processus 6.
— accessorius 16, 18.
— alaris 67.
— articulares 15.
— asteriacus 61.
— clinoidei posteriores 51.
— clinoideus anterior 52.
— condyloideus 48.
mandibulae 83.
— coracoideus 107.
— coronoideus 83.
ulnae 119.
— costarius 17.
— ethmoidalis 69.
— falciformis 147.
— intrajugularis 48, 56.
— jugularis 48.
— lacrimalis 69.
— lateralis tali 175.
— mamillaris 16, 18.
— mastoideus 58.
— maxillaris 69.
— paramastoideus 49.
1 — posterior tali 175.
— pterygoideus 53.
— pterygospinosus (Civinini)
. 55-
— retromastoideus 50.
— spinosus 15.
Sachregister.
199
Processus styloideus 57.
mctacarpi III 129.
radii 120.
ulnae 119.
— supracondyloideus 115.
— trans versus 15.
— trochlearis 177.
— tubarius 54.
— uncinatus 68.
— vaginalis 54.
— xiphoideus 37.
— zygomaticus 59, 64.
Prognathie 98.
Promontorium 31, 149.
— doppeltes 15.:.
Pronation 126.
Protuberantia mentalis 81.
— occipitalis externa 49.
interna 40.
Pseudarthrosc 8.
Pterion 101.
Pyramidenbein 127.
Querfortsatz 15.
Radius 119.
Radix arcus vertebrae 14.
— nasi 93.
Kanins mandibulae 82.
Recessus saeeiformis 122, 125.
splii'Mnel lim. >icl;ilis w |.
Kell' ,11 I I. ul.llV 1 j.
Retinacula patellae 168.
Kit 111.M 1 1 1 11111 lienuirnl 1 arcu.it 1
169.
Rippen 35.
Bandapparal 38.
I tänder am di irsalen I < - 1 1 38.
— Bänder am ventralen Teil
40.
Rollgelenk 9.
Rollhügel [53.
Roser-Nelatonsche l inie 160.
Rostrum sphenoidale 52.
Rumpfskelel 13.
Sattelgelenk 10.
Scaphocephalus 103.
Scapula 100.
Schädel 46.
— Altersunterschiede 102.
— Bandverbindungen 84.
Schädeldeckc 89.
Schädelformen 97.
Schädclgrund 89.
Schädel im ganzen 88.
— praktische Bemerkungen
103.
— Rasseverschiedenheiten 98.
— Varietäten 103.
Schädellehre 89.
Schaltknochen 100, 101.
Schambein 143.
Schambeinkamm 142.
Scham fuge 148.
Scheitel 90.
Scheitelbein 61.
Schienbein 161.
Schläfenbein 55.
— Pyramide 55.
Schläfengrube 97.
Schleimbeutel 11.
Schlüsselbein 109.
Schraubengelenk 9.
Schulterblatt 106.
Schultergelenk 116.
— Labrum glenoidale 116.
— Bandapparat 110.
— Gelenke 111.
— Hilfsbänder 1 1 1 .
Schuppenteil 59.
Schwcrlinie des Körpers ^,2.
Scoliose 34.
Seitliche Massen 15.
Sella turcica 51.
Scptum nasi osseum 93.
Sesambeine 130.
Siebbein 66.
Sicbbeinlabx rinth 67.
Sinn-, frontalis 65.
— maxilluris 75.
sphenoidales s--
— tarsi 1 7' >.
Sitzbein 1 13.
Skelel . 1 Gestaltung 5.
Spatia intercostalia \:.
— interossea manu-, 1 29.
he 1 ml
Spina 6.
— cristae tliai ae 1 (2.
frontalis 6 1.
iliaca 1 1 j.
— mentalis 82.
— m. recti lateralis 53.
— nasalis anterior 75.
— ■ — posterior 79.
Spina (Processus) tympani
anterior 60.
posterior 60.
— recti lateralis ^^.
— scapulae 107.
— supra meatum 60.
— trochlearis 64.
Spitzfuß 192.
Splanchnocranium 46.
Sprungbein 175.
Sprungbeingelenk, hinteres
181.
— oberes 180.
— vorderes 1S1.
Squama frontalis 63.
— occipitalis 49.
Steißbein 21.
Stephanion 101.
Sternum 37.
Stirnbein 63.
Stirne 90.
Stirnglatze 64.
Stimhöcker 64.
Stirnhöhlen 64, 65.
Stirnnaht 100.
Substantia compaeta 6.
— spongiosa 6.
Sulcus 6.
— arteriac occipitalis 59.
subclaviae 36.
— calcanei 176.
— caroticus 51.
— chiasmatis 51.
— costalis 36.
— ethmoidalis 71.
— hamuli 54.
— iniraorbitalis 73.
— intertubercularis 114.
— lacrimalis 70, 73.
— malleolaris 60.
— malleoli lateralis [62
— malleoli medialis im.
— m. flexoris ballucis longi
1 7"-
peronaei longi 170. 1-7.
— myloliv oideus 82.
nervi petrosi superficialis
majoris 56.
— ■ — radialis 114.
ulnaris 1 1 5,
— obturatorius 1 1 1.
— paraglenoidalis 1 \6.
— petrosus inferior j8, 56.
superior 56.
pterygo-palatinus 54, 73,
So
Utahs 50, 62
— tali 1 70.
200
Sachregister.
Sulcus tympanicus 60.
Supercilium acetabuli 143.
Supination 126.
Sustentaculum tali 176.
Sutura coronalis 100.
— frontalis 100.
— incisiva 75.
■ — infraorbitalis 74.
transversa 76.
— lambdoidea 101.
— mendosa 50.
— palatina mediana 75.
transversa 75, 79.'
— sagittalis 100.
— serrata 7, 100.
— squamosa 7, 100.
Symphysis ossium pubis 148.
— sacrococcygea 23.
Synarthrosis 8.
Synchondrosis 8. ■
— petrooccipitalis 84.
— sphenopetrosa 84.
Syndesmosis S.-
Synovia 12.
Talus 175.
Tegmen tympani 56.
Thorax 41.
Thyrsocephalus 103.
Tibia 161.
Torus occipitalis 50.
Träger 18.
Tränenbein '69.
Trichterbrust 44.
Trigonum palatinurn 72.
Trochanter 153.
— tertius 154.
Trochlea humeri 114.
— tali 175.
Tubera frontalia 64.
Tuberculi humeri 113, 114.
Tuber 6.
— calcanei 176.
— ischiadicum 142.
— parietale 62.
Tuberculum 6.
— articulare 59.
Tuberculum costae 35.
— jugulare 48.
— Lisfranci 36.
— mentale 81.
— obturatorium 144.
— pharyngeum 48.
— pubicum 142.
— scaleni 36.
— sellae 51.
— supracondyloideum 154.
— supramastoideum posterius
61.
Tuberositas 6.
— costae II 36.
— deltoidea 114.
— glutaea 154.
— iliaca 143.
— malaris 78..
— masseterica. 82.
— ossis cuboidei 177.
metatarsalis primi 179.
quinti 179.
navicularis 177.
— Processus transversi 16.
— pterygoidea 82.
— radii. 119.
— tibiae 161.
— ulnae 119.
— - unguicularis 130.
U.
Ulna 119.
Unterarm, Haftbänder 124.
Unterarmknochen 118.
Untere Extremität 141.
— Muschel 69.
Unterkiefer 81.
Unterschenkelknochen 160.
Unterschläfengrube 97.
V.
Vertebra prominens 17.
Vertebrae cervicales 16.
— lumbares 17.
— thoracicae 15.
Vertex 90.
Villi synoviales 11.
Vomer 70.
W.
Wadenbein 162.
Wadenbeinköpfchengelenk
Wangenbein 77.
Warzenfortsatz 58.
Warzenteil 58.
Winkelgelenk 9.
Wirbel, Bandscheiben 22.
Wirbelbogen 14.
— Bänder 25.
Wirbeldornen, Bänder 26.
Wirbel, Faserring 22.
— Gallertkern 22.
Wirbelkanal 14, 33.
Wirbelkörper 14.
— Bänder 22.
Wirbelloch 14.
Wirbelquerfortsätze, Bänder 26.
Wirbelsäule 14.
— Altersunterschiede 33.
— Bandapparat am cranialen
Ende 27.
am caudalen Ende 30.
— Bänder 22.
— Belastung 31.
— Beweglichkeit 32.
— Geschlechtsunterschiede 33.
— im ganzen 31.
— Krümmungen 31.
- Länge 31.
Wirbel, Struktur 21.
Würfelbein 177.
Z.
Zehengelenke 189.
Zehenknochen 179.
Zona orbicularis 137.
Zungenbein 87.
Zwerchfellphänomen 45.
Zwischenkiefer 74.
Zwischen wirbelloch 15.
~
\'erlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Grundriss
der
Chirurgisch topographischen Anatomie
mit Einschluss der
Untersuchung am Lebenden.
Von
Geh. Med.-Rat Dr. Otto Hildebrand,
ord. Professor der Chirurgie an der Universität Berlin.
Dritte verbesserte und vermehrte Auflage.
Mit 10-1 leih mehrfarbigen Abbildungen im Text.
Preis gebunden Mk. 12.60.
Verfasser gibt eine klare, gut verständliche Darstellung i.' er topo-
graphischen Anatomie, wie sie für den Chirurgen die Grandlage bei den
Operationen bilden soll. Der grosse Vorteil des Buches besteht darin, dass
die trockene Materie durch eine anschauliche Schilderung der Untersuchungs-
methoden am Lebenden ergänzt wird. Ferner gibt der Verfasser nicht nur
eine Beschreibung der anatomischen Verhältnisse der einzelnen Körperregionen,
sondern er schildert gleichzeitig die für die einzelnen Operationen wichtigen
Lymphbahnen, wodurch eine den modernen Ansprüchen genügende Chirurgie
der bösartigen Geschwülste erleichtert wird. Ausserdem ist jedem Kapitel des
Buches eine Darstellung des Nervensystems der verschiedenen Körpergegeuden
angefügt worden. Eine grosse Anzahl guter Abbildungen, die teilweise mehr-
farbig sind, bilden eine wertvolle Ergänzung des vorliegenden Grundrisses,
dem die weiteste Verbreitung unter den Chirurgen und Studenten zu
wünschen ist. Medissinüche Klinik.
Vor uns liegt eine neue Auflage von II i 1 d ob ra n d s Grundriss der
chirurgisch-topographischen Anatomie. Ein Buch, das sich so viele Freunde
erworben hat, wird jedermann mit grossem Interesse zur Hand nehmen und
studieren, wenn es in mm jiinutrr l'onn uns dargeboten wiitl. Line Neubearbeitung
und Ergänzung war nötig geworden, denn in den let/.ten zehn Jahren entstand
manche neue Operation und winde manche netio Technik geübt, die zu neuen
Gesichtspunkten in der Lagebe/.iehung der einzelnen Orgaue zueinander führten.
Zahlreiche lo-ne Abbildungen sind hinzugekommen, namentlich bei den llnut-
nerven und Lymphbahnen,
Die äussere Ausstattung ist vorzüglich, der Preis dabei so gering, dass
das Buch nicht nur für den Chirurgen, sondern auch ganz besonders für den
Studierenden in Betracht kommt. Gerade der angehende Arzt wird
aus dem Buche lernen, wie man die Topographie am Lebenden
studieren kann, so weit das möglich ist.
Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie.
.L.
II
_ — . -.
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Lehrbuch
der
Ohren-, Nasen- und Kehlkopf-
Krankheiten.
Von
Geh. Med.-Rat Dr. Otto Körner,
o. ö. Professor der Medizin und Direktor der TJniversitäts-Ohren- und Kehlkopf-Klinik
in Rostock.
Dritte, völlig umgearbeitete und vermehrte Auflage.
Mit 219 Texlabbildungen und 1 Tafel.
Preis gebunden Mk. 11.—.
Aus Besprechungen:
Von dem beliebten Lehrbuch, dessen 1. Auflage im Jahre 1906 erschien,
liegt nun die 3. Auflage vor. K. hat die Kapitel über Nasen- und Kehlkopf krank-
heiten in dankenswerter Weise erweitert. Trotzdem bleibt sein Lehrbach noch
immer eines der kompendiösesten, und es gehörte die reiche persönliche Erfahrung
und die vollendete Darstellungsweise des akademischen Lehrers dazu, um auf so
knappem Raum alles für den Praktiker Wichtige zu bringen. Ein besonderer
Vorzug liegt daviu, dass es K. nicht nur gelungen ist, dieses Postulat zu erfüllen,
sondern dass er es auch verstanden hat, dem NichtSpezialisten zu zeigen, wo er
sich aus didaktischen Gründen beschränkt und das Thema nicht erschöpfen will.
Auf diese Weise wird das Buch nicht nur der Einführung in die Spezialdisziplin
dienen, sondern auch zur Vertiefung der Kenntnisse anregen.
Schmidts Jahrbücher für die gesamte Medizin.
Das günstige Urteil des Ref. über die beiden ersten Auflagen des Körner-
schen Lehrbuches gilt in vollem Masse auch für diese dritte Auflage. Den von
verschiedenen Kritikern ausgesprochenen Wünschen nach einer Vervollständigung des
rhinologischen Teils ist Verf. in auerkennenswerter AVeise nachgekommen. Es wurde
eine Beschreibung der Autoskopie, der Tracheo-, Bronchoskopie und der endolaryn-
gealen Operationsmethoden neu . eingefügt und verschiedene andere Kapitel wie die
über die Erkrankungen der Nasennebenhöhlen und über die Fremdkörper in den
tiefen Luftwegen völlig umgearbeitet. Auch die neue Auflage ist im wesentlichen
für Allgemeinpraktiker und Studierende bestimmt, ist aber auch für Ohren- und Kehl-
kopfärzte wertvoll, da es manche anderweitig nicht veröffentlichte Erfahrungen und
Ansichten des Verf. enthält. Berliner klinische Wochenschrift.
ai
-r
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Grundriss
der
pathologischen Anatomie.
Von
Professor Dr. Hans Schmaus in München.
Zehnte Auflage.
Neu bearbeitet und herausgegeben von
Professor Dr. Gotthold Herxheimer in Wiesbaden.
Mit 752 gronslentelU farbigen Abbildungen Im Text und auf 7 Tafeln.
Preis gebunden Mk. 18.—.
Wenn man die neue Auflage des Grundrisses durchblättert, so könnte man
fast glauben, ein völlig neues Werk vor sich zu haben. Während näm-
lich die früheren Auflagen nur wenige makroskopische Abbildungen enthielten und
auch die 9. Auflage deren kaum 100 zählte, sind in der vorliegenden die anatomi-
schen Abbildungen um nicht weniger als über 200 vermehrt worden. I > i • - meisten
dieser Abbildungen sind nach photographischen Aufnahmen hergestellt und in hohem
Masse geeignet, den Text zu heieben, sein Verständnis zu erleichtern und das
Interesse des Lesers zu wecken.
. . . Auch der Text hat sehr wesentliche Änderungen erfahren. Zahlreiche
Kapitel, wie namentlich über Verfettung, Aneurysmen, Nierenentzündungen, Wirbel-
säulenverkrümmungen und andere, haben eine zum Teil recht wesentlich erweiterte
Darstellung, zum Teil auch eine präzisere und übersichtlichere Disposition erhalten.
. . . Man muss anerkennen, dass das Werk diese Anforderungen von Auflage zu
Auflage in gesteigertem Masse erfüllt hat uud es ist daher auch nicht zu zweifeln,
dass die vorliegende Auflage der wärmsten Aufnahme bei den Studierenden sich
erfreuen wird. Münehener med. Wochenschrift.
Schon zwei Jahre nach der neunten Auflage ist die zehnte notwendig ge-
worden. Dieser Umstand zeigt, dass das Werk durch die Bearbeitung des bekannten
Schinaub'schen Lehrbuches in seiner Beliebtheil nicht verringert wurde, sondern im
Gegenteil vielleicht eher noch gestiegen ist. Diese neue Auflage bringt nun inso-
fern eine wesentliche Verbesserung, als die Abbildungen hauptsächlich durch
makroskopische Darstellungen vermehrt wurden. Ausserdem sind aber auch eine
ganze Reihe von Abschnitten neu bearbeitet und den modernen Anschauungen an-
gcpassl worden. Wir sind überzeugt, dass das hier in allen früheren Auflagert
ebenfalls referierte Werk sieh in Zukunft der gleichen Beliebtheit erfreut, wie
bisher, Berliner klin. Wochenschrift.
„Unter dem Gesichtswinkel der Zusammenfassung des Zusammengehörenden
mit möglichster Vermeidung von Wiederholungen und der Klarheit des Ausdruckes
wurde das ganze Werk neu durchgearbeitet " II. hat geändert, ergänzt, ans-.
Die Abbildungen sind am 171 vermehrt — das vortreffliche Buch steht allen
Wissbcgiorigen in neuer tadelloser Verfassung zur Verfügung.
Schmidt* Jahrbücher der Medizin.
..±~
T
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Technik der Pathologisch-
histologischen Untersuchung.
Von
Prof. Dr. Gotthold Herxheimer,
Prosettor am städt. Krankenhaus in Wiesbaden.
Preis gebunden 21k. 10. — .
Das vorliegende Werk gibt eine möglichst vollständige Darstellung der
ijatkologisch-kistologisclien Untersuchungsrnethoden, wie sie hauptsächlich in
Instituten und Laboratorien zur Verwendung kommen. Aus dem Werke spricht
eine reiche persönliche Ei-fahrung des Verfassers, denn wir begesnen an zahl-
reichen Stellen wertvollen Winken und Urteilen, welche die Auswahl unter
den verschiedenen Methoden erleichtern. Wer weiss, wie sehr die mikro-
skopische Forschung von einer guten Technik abhängig ist und wieviel Zeit
hiemit erspart werden kann, wird gerade hiefiir dem Verfasser Dank wissen.
Das Herxheimersche Werk wird sich nebenden älteren Büchern wohl
rasch einbürgern und jedem,- der sich mit pathologischer Histologie beschäftigt,
ein ausgezeichneter Ratgeber sein. Korrespondenzblatt für Schweizer Ärzte.
Taschenbuch
der
Medizinisch-klinischen Diagnostik.
Von
Dr. Otto Seifert, und Dr. Friedr. Müller,
Professor in Würzburg Professor in München.
Sechzehnte, gänzlich umgearbeitete Auflage.
Mit 104 teilweise farbigen Abbildungen.
Preis gebunden Mk. 5. — .
Das ausgezeichnete und unglaublich reichhaltige Büchlein von Seifert
und Müller liegt bereits in der 14. Auflage vor.
„Das Buch soll nicht nur dem Anfänger die Grundzüge der Untersuchungs-
methoden in leicht fasslicher Form einprägen, sondern auch dem Praktikanten,
Assistenten und dem Arzt eine Hilfe sein bei der Krankenuntersuchung.
Es soll hauptsächlich zum Nachschlagen dienen, es will und darf nicht
die ausführlichen Lehrbücher der Diagnostik entbehrlich machen. Würde es
diesen Anspruch erheben, so würde es mehr Schaden als Nutzen stiften."
Es gibt wenige Bücher, die dem, was sie wollen, in so hohem Masse
gerecht werden. Eine Empfehlung dieses klassischen Werkcuens, das seit
18S6 14 Auflagen erlebt hat, ist wirklich überflüssig.
Yolhard-Mannheim in Münchener med. Wochenschr.
-^
f
-N-
Yerlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Lehrbuch
der
Lokalanästhesie
für Studierende und Arzte.
Von
Privatdozent Dr. Georg Hirschel, Heidelberg.
Mit einem Vorwort
von
Prof. Dr. Wilms, Heidelberg.
Mit 103 Abbildungen im Text.
Preis gebunden Mk. 5.80.
Aus Besprechungen.
Die Lokalanästhesie hat bei mehr als der Hälfte aller Operationen die
Inhalationsnarkose verdrängt, sie hat dem operierenden Chirurgen selbst neue
Aufgaben gestellt, die ihn zwingen, sein anatomisches Wissen für diese Zwecke
zu vertiefen; dies ist ihm aus Hirsch eis Buche in bester Weise
möglich. Bei der Beschreibung der Technik finden wir ausser dem Bekannten
vielo gute Ratschläge aus eigener Erfahrung des Autors, so dass auch der
Chirurg, welcher die bisherigen Fortschritte des Verfahrens selbst praktisch
mit verfolgt hat, vieles Nützliche aus dem Buche lernen kann. Das
lllustrationsniaterial ist vorzüglich, die Ausstattung des Buches die bewährte
des Be rgm an tischen Verlages, trotzdem der Preis ein massiger.
Präger Medizin. W ntchrifl.
Die lokale Anästhesie ist rasch über die ersten schüchternen Anfänge
hinausgekommen und hat sich mit ungeahnter Schnelligkeit ein Operations-
gebiet nach dem andern erobert. Ein Lehrbuch, das diese Verhältnisse hervor-
hebt und im Anschluss daran die Technik der lokalen Anästhesie schildert,
ist darum nicht nur dem Chirurgen sehr erwünscht, sondern für den praktischen
Arzt und den Studenten ein Bedürfnis. Hirschel, dein die lokale Anästhesie
selbst manche Förderung verdankt, hat die Aufgabe, die er sich gestellt,
glänzend gelöst. Der Text ist kurz und präzis. Man kann sieh so rasch vor
jeder Operation orientieren und die beste Art der Anästhesie för den jeweiligen
Fall wählen. Hervorzuheben wäre, dass nicht nur nie grossen l
Berücksichtigung linden, sondern auch die kleinen, wie B die Zahn-
extraktionen. Ins schein! das Buch deswegen gerade für den Praktiker
zugeschnitten zu sein. Die äussere Ausstattung des Puehs u-st nichts zu
wünschen uhrig. l>ic Abbildungen sind vorzüglich, Form, Druck und Papier
tadellos. Da nun auch d i Preis des loehes als ein sehr massiger zu bezeichnen
ist, so wird es mit Hecht grossen Anklang linden.
Deutsche Zeitschrift f. Chitin
I
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Die operative Geburtshilfe
der Praxis und Klinik.
In zweiundzwanzig Vorträgen
Geh. Med.-Rat Dr. Hermann Fehling,
ord. Professor der Geburtshilfe und Gynäkologie,
Direktor der Kaiserl. Universitäts-Frauenklinik zu Strassburg im Eis.
Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage.
Mit 80 zum Teil farbigen Abbildungen.
^=^= Preis gebunden Mk. 5. — . ^^^=
Das Buch, ist als ein vorzüglicher Leitfaden für die Studierenden bei
der Absolvieruug des geburtshilflichen Operationskursus zu empfehlen; auch
der Geburtshilfe treibende Praktiker findet in demselben Belehrung über die
Fortschritte der operativen Geburtshilfe in den letzten Jahren und über den
heutigen Standpunkt der geburtshilflichen Wissenschaft.
Münchener Med. Wochenschrift.
Physiologisches Praktikum
für Mediziner.
Von
Dr. med. R. F. Fuchs,
Professor an der Universität Breslau.
Zweite verbesserte und erweiterte Auflage.
Mit 110 Abbildungen und vier Tafeln.
Preis gebunden Mk, 8. — .
Das bekannte Fuchs sehe Praktikum der Physiologie hat in der zweiten
Auflage seine Vorzüge und bewährten Besonderheiten beibehalten, insbesondere
die Zuverlässigkeit der Darstellung und ein solches Eingehen auf alle Einzel-
heiten und Kleinigkeiten, dass der Studierende auch ohne dauernde mündliche
Anleitung sich zurechtfindet. Der Inhalt ist nicht unbeträchtlich er-
weitert, und die Zusätze betreffen fast alle Kapitel. Hinzuge-
kommen ist die Spektraluntersuchung des Blutes, die Beobachtung der Blutplätt-
chen, der Pulsgeschwindigkeit beim Menschen; die graphische Aufnahme der
Darmbewegungen, der Muskelermüdungskurve des Menschen. Die physiologische
Optik ist um eine ganze Reihe von neuen Versuchen bereichert. Hervorzu-
heben ist, dass viele Versuche speziell der Physiologie des Menschen an-
gepasst sind. Berliner klin. Wochenschrift.
.^
+-
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Lehrbuch der topographischen Anatomie
für
Studierende und Arzte.
Von Dr. H. K. Corning,
Professor o. o. und Prosektor an der Universität Basel.
Vierte, vollständig umgearbeitete Auflage.
Mit 667 Abbildungen, davon 420 in Farben.
Preis gebunden MI:. 16.60.
Comings Buch bat in der neuen Auflage eine grosse Bereicherung an
Text und Abbildungen erfahren. Ich verweise auf die Abbildungen über die
Lage der Hypophysis, über die Topographie der Gehirnventrikel und viele
andere. Auf den meisten Gebieten ist Neues hinzugekommen, was buchst in-
struktiv ist. Dem Chirurgen bietet das Buch eine Fülle von Belehrung. Durch
die richtige Mischung von Text und Abbildungen, und durch die Vorzüglich-
keit beider ist das Buch zurzeit das beste, was wir besitzen.
Jahresbericht für Chirurgie.
Duet. paroticus
Glnnd. parotis
M. masseter
M. buccinator
Fig. 115.
A. maxUl. Bit,
Lymphoglandulae bueoinatoriae auf der äusseren Fläche des
M, buccinator und des Unterkiefers (a, b, c).
Das Buch ist mit seiner Seitenzahl von 808 Seiten in gleicher Stärke nach
Ablauf von l1 i Jahren wiederum neu verlegt worden, und zwar zum vierten
Male seit 19U7, was seinen Wert wohl am boten charakterisieren dürfte.
Die äusseren Vorzüge dos Buches sind der klare, gut leserliche Druck.
Dazu kommt die übersichtliche Einteilung der einzelnen Kapitel, die durch das
ausführliche Inhaltsverzeichnis mul das weitgehende alphabetische Register
unterstützt werden. Der Hauptwert des Buches I iegt jedoch zwei fel-
los in seiner grossen Anschaulichkeit durch zahlreiche Abbil-
d un gen.
Das Buch ist somit Lehrbuch und Atlas zugleich und einhält 667 Ab-
bildungen, davon l'J ) in Farben. Die Abbildungen, die teilweise si hematisehe
sind, grossenteils aber klare, getreue Wiedergabe von vortrefflichen Präparaten
ilaistollcn, sind fast duichw eg iniistoi gülli
Der ausserordentlich niedrige Preis von gebdn. 16.60 Mk. ist dazu angetan,
dem r.uche eine weite Verbreitung zu verschaffen. ZentralblaU /'. Chirurgie,
-kt.
V
Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden.
Handbuch der Frauenheilkunde
für Arzte und Studierende.
Bearbeitet vpn
Prof. Dr. Amann-München, Prof. Dr. Baisch-München, Prof. Dr. Beuttner-Genf, Prof. Dr.
v. Frnnque-Bonn, Prof. Dr. Füth-Köln, Prof. Dr. Halban-Wien, Priv.-Doz. Dr. Jaschke-
Giessen, Prof. Dr. Jung-Göttingen, Prof. Dr. Knauer-Graz, Geh. Hofrat Prof. Dr. Menge-
Heidelberg, Prof. Dr. Opitz-Giessen, Prof. Dr. Pankow-Düsseldorf, Prof. Dr. Schröder-Dort-
mund, Prof. Dr. Sellhcim-Tübingen, Prof. Dr. Tandler- Wien, Prof. Dr. Walthard-Frankfurt a. M.
Herausgegeben von
C. 3Ienge, und E. Opitz.
Heidelberg Giessen.
Mit 374 zum Teil farbigen Abbildungen.
Preis geheftet Mk. 15. — , gebunden Mk. 16. — .
■T
Allgemeiner Teil.
I. Entwiekelungsgeschichte. Von J. Tandler, Wien.
II. Anatomie. Von J. Tandler, Wien.
III. Physiologie der weiblichen Genitalien. Von H. Schröder,
Dortmund.
IV. Hygiene und Diätetik des Weibes. Von C. Menge, Heidelberg.
V. Allgemeine Symptomatologie. Von K. Baisch, München.
VI. Lieber den Einflnss von Allgemeinerkranklingen des Körpers
auf den Genitalapparat nnd umgekehrt. Von M. Walthard,
Frankfurt a. M.
VII. Beziehungen der Erkrankungen der Genitalien zn den Nachbar-
Organen und umgekehrt. Von Erich Opitz, Giessen.
VIII. Die gynäkologischen Untersuchungsmethoden. Von H. Seil-
heim, Tübingen.
IX. Allgemeine Therapie. Von Ei ich Opitz, Giessen.
X. Asepsis und Antisepsis. Von Erich Opitz, Giessen.
Besonderer Teil.
1. Systeme] krankungen.
XI. Die Sterilität. Von K. Baisch, München.
XII. Die gonorrhoischen Erkrankungen des weiblichen Genital-
traktus. Von J. A. Amann, München.
XIII. Ulcus molle und Lues. Von H. Füth, Köln.
XIV. Tuberkulose. Von H. Füth, Köln.
XV. Septische Erkrankungen. Von Erich Opitz, Giessen.
XVI. Verletzungen. Fremdkörper und deren Folgen (Fisteln) ausschliesslich
Verlagerungen. Von G. Knauer, Graz.
XVII. Pathologische Lage und Gestaltsveränderungen der weiblichen
Geschlechtsorgane. Von J. Halban, Wien.
XVIII. Missbildungen. Von 0. Pankow, Düsseldorf.
XIX. Tierische Parasiten. Von H. Füth, Köln.
2. Oiganerkrankungen.
XX. Die Erkrankungen der Vulva. Von Rud Th. Jasehke, Giessen.
XXI. Erkrankungen der Vagina. Von Rud. Th. Jasehke, Giessen.
XXII. Uterus. Von Erich Opitz, Giessen.
XXIII. Erkrankungen der Eileiter. Von 0. von Franque, Bonn.
XXIV. Erkrankungen des Eierstocks. Von 0 von Franque, Bonn.
XXV. Beckenbindegewebe nnd Beckenbauchfell. Von Ph. Jung, Göt-
tingen.
XXVI. Die Erkrankungen der weiblichen Harnorgane. Von 0. Beutt-
ner, Genf.
XXVII. Darm. Von Erich Opitz, Giessen.
Als Ziel hat vor allem vorgeschwebt ein Buch zu schaffen, das dem
praktischen Arzte ermöglicht, wirklich Rat und Anleitung für die allgemeine
Praxis, soweit sie sich mit Frauenleiden beschäftigt, zu finden.
In den übrigen Lehrbüchern sind ja diese Fragen meist etwas stiefmütter-
lich behandelt, weil da mehr die rein spezialisiische Behandlung in den Vorder-
grund gestellt ist, während diese spezialistische Behandlung schliesslich meist
doch nicht Sache des praktischen Arztes ist.
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