J\i D. H. HILL LIBI^;^
NORTH C;«0Lm>4 STATE C0LLC6E
ENT0M0L0eiC4L COLLECTION
This book may be kept out TWO WEEKS
ONLY, and is subject to a fine of FIVE
CENTS a day thereafter. It is due on the
day indicated below:
50M— May-54 — Form 3
DIE NATURGESCHICHTE
DES
CAJÜS PLINIÜS SECÜNDÜS.
DRITTER BAND.
DIE
NATURGESCHICHTE
- DES
CA JUS PLINIUS SECÜIDÜS.
INS DEUTSCHE ÜBERSETZT
UND MIT ANMERKUNGEN VERSEHEN
Prof. Dr. G. C. WITTSTEIN
in München.
DEITTER BAND:
(XII- XIX. Buch)
Naturgeschichte der Pflanzen.
LEIPZIG.
Druck und Verlag von Gressner & Schramm.
Zwölftes Euch.
Von den Bäumen.
1.
So verhält es sieh mit den Gattungen und G-lied-
maassen aller Tbiere, von denen wir haben Kenntniss
erlangen können. Es bleiben uns nun noch diejenigen
Naturwunder übrig, denen zwar auch die Seele nicht fehlt
(denn ohne sie ist nichts lebensfähig), welche aber aus
der Erde hervorgehen, und diese wollen wir jetzt in Be-
tracht ziehen, damit kein Werk der Natur mit Stillschwei-
gen übergangen werde. Lange Zeit blieben die Wohl-
thaten der Natur verborgen, und die Menschen sahen nur
Bäume und Wälder als das höchste ihnen verliehene Ge-
schenk an; hiervon nahmen sie ihre erste Nahrung, von
ihrem Laube machten sie sich ein weicheres Lager, von
ihrem Baste Kleider; und noch jetzt leben manche Völker
auf diese Weise. Um so mehr muss man sich wundern,
dass schon von jener Zeit an Berge zu Marmorwänden
ausgehauen, Kleider von den Serern geholt, Perlen in der
Tiefe des rotheu Meeres und Smaragde im Schoosse der
Erde gesucht worden sind. Dazu erdachte man noch
Wunden in die Ohren, vielleicht weil es zu wenig war,
Schmuck an den Händen, am Halse und in den Haaren
zu tragen, wenn der Körper nicht auch deshalb angebohrt
würde. Daher scheint es billig, dass wir der Ordnung des
Lebens folgen und zuerst von den Bäumen reden, um so
den Sitten ihren ersten Anfang zu zeigen.
Wittstein: Plinius. HI. Bd. 1
2 Zwölftes Buch.
2.
Die Bäume waren die Tempel der Götter, und noch
jetzt weihen, nach alter Weise, die einfachen Landleute
einen schönen Baum der Gottheit. Wir verehren die von
Gold und Elfenbein schimmernden Bilder nicht mehr als
die Haine, und die in ihnen herrschende Stille. Diejenigen
Baumgattungen, welche gewissen Gottheiten ausschliesslich
geweihet sind, werden beständig so beibehalten, z. B. die
Speiseeiche i) dem Jupiter, der Lorbeerbaum dem Apollo,
der Oelbaum der Minerva, die Myrte der Venus, die
Pappel dem Herkules. Ja wir glauben, dass die Sjivane,
Faune, und mehrere Göttinnen den Wäldern als eigenthüm-
liche Gottheiten, ebenso wie der Himmel die seiuigen hat,
zugetheilt sind. Die Bäume haben nachher durch die an-
genehmen Säfte ihrer Früchte den Menschen milder gemacht»
Von ihnen kommt das die Glieder erquiekende Oel und
der die Kräfte stärkende Trank des Weines; ferner so
viele jährlich von selbst wachsende wohlschmeckende
Sachen, und die auch noch jetzt gebräuchlichen Nachtische
(obgleich man ihretwegen mit wilden Thieren kämpft, und
die mit den Leibern der Schiffbrüchigen gemästeten Fische
aufsucht). Ausserdem verschaffen sie uns tausendfältigen
Nutzen, ohne welchen wir nicht leben könnten. Mit einem
Baume durchschneiden wir die Meere und nähern uns an-
dern Ländern; aus Bäumen erbauen wir unsere Wohnungen.
Aus Bäumen wurden auch früher die Bilder der Götter
geschnitzt, als noch keine Preise für die Leiber ungeheuerer
Thiere erdacht waren, bevor man noch, gleichsam als ob
das Recht der Schvvelgerei von den Göttern herkäme, aus
ein und demselben Elfenbeine die Gesichter der Götter
und die Füsse der Tische sah. Mau sagt, die Gallier^
deren Gebiet durch die Alpen, dieses unüberwindliche
Bollwerk, eingeschlossen ist, hätten sich zuerst vorgenom-
men Italien zu überströmen, als Helico, einer von ihren
Landsleuten aus Helvetien, welcher sich der Schmiedekunst
*) Esculus. Quercus Esculus L.
Zwölftes Buch. 3
wegen in Rom aufgehalten hatte, eine trockne Feige, eine
Traube, und vom besten Oel und Weine bei seiner Rück-
kehr mit in die Heimath brachte. Daher mag es ent-
schuldigt werden, dass man dergleichen sogar durch Krieg
zu erhalten sucht.
3.
Aber wer sollte sich nicht mit Recht darüber wun-
dern, dass man einen Baum bloss seines Schattens wegen
aus einem andern Welttheile geholt hat? Dieser Baum
ist die Platane i), welcher über das ionische Meer zuerst
auf die Insel des Diomedes wegen dessen Grabhügels ge-
bracht, von da nach Sicilien verpflanzt, sodann, und zwar
unter allen fremden Bäumen am frühesten nach Italien,
und jetzt schon bis in das Gebiet der Moriner, welches
ebenfalls zum zinsbaren Grunde gehört, gewandert ist,
sodass die Völker selbst für seinen Schatten Steuer geben.
Der ältere Dionysius, Tyrann von Sicilien, hat sie in die
Stadt Rhegium gebracht; sie waren dort eine merkwürdige
Erscheinung bei seinem Hause, w^orin später eine Fechter-
schule eingerichtet wurde, und mehrere Schriftsteller führen
an, sie hätten nicht an Umfang zunehmen können, auch
habe es damals noch andere in Italien, und namentlich
aus Spanien eingeführte, gegeben.
4.
Diess geschah ungefähr um die Zeit der Einnahme
Rom's. Später ist das Ansehen dieser Bäume so sehr ge-
stiegen, dass man sie mit lauterm Weine begiesst, weil
man wahrgenommen, dass dieser den Wurzeln am besten
zusagt. So haben wir denn sogar Bäumen das Weiutrinken
gelehrt!
5.
Den ersten Ruf haben die Platanen in der Allee der
Academie zu Athen erlangt, denn sie messen dort von der
Wurzel bis zur ersten Verzweigung 33 Cubitus. In Lycicu
steht eine berühmte Platane in der Nähe einer liebliclien
*) Platanus orientalis L.
4 Zwölftes Buch.
kalten Quelle, am Wege, deren Stamm zu einer Wohnung-
ausgehöhlt ist, die 81 Fuss misst: sie hat gewaltige, Bäu-
men gleichende Aeste, ihr waldiger Gipfel bedeckt durch
den Schatten ganze Felder, und um das Bild einer Grotte
zu vollenden, so wird sie im Innern durch einen Kreis von
Mauerwerk aus bemoosten Sandsteinen eingeschlossen.
Dieser Baum war ein solcher Gegenstand der Bewun-
derung, dass Licinius Mutianus, welcher dreimal Consul
und vor Kurzem Statthalter in jener Provinz war, der
Nachwelt berichten zu müssen glaubte, er habe in demsel-
ben mit 18 seiner Begleiter gespeist, das Laub ihnen
allen bequeme Sitze verschafft, sie seien vor jedem Winde
geschützt gewesen, er habe sich das Rauschen des Eegeus
durch die Blätter gewünscht, und vergnügter in ihm ge-
sessen als beim Glänze des Marmors , vielen Gemälden
und goldenen Decken. Ein anderes Beispiel der Art haben
wir vom Prinzen Cajus, welcher *im veliternischen Gebiete
an einem solchen Baume die verschiedenen Stockwerke
und die auf den als Balken dienenden Aesten freistehenden
Bänke bewunderte, auch auf demselben auf einem Räume
der 15 Gäste und die Dienerschaft fasste, ein Gastmahl
gab, welches er mit dem Namen „das Nest" belegte. Zu
Gortyna auf der Insel Greta steht neben einer Quelle eine
Platane, welche durch mehrere Schriften in beiden Sprachen
berühmt geworden ist, und niemals die Blätter verliert,
auch war das fabelsüchtige Griechenland sogleich bereit
zu erzählen, Jupiter habe mit der Europa unter ihr zuge-
bracht. Als wenn nicht andere derselben Art sich auch in
Cypern befänden! Von jenen Baume aber sind zuerst auf
Greta selbst andere Platanen gezogen (wie denn die Men-
schen immer nach Neuem haschen) und haben obige Sage
erneuert, obgleich dieser Baum sich eben durch nichts an-
deres besonders auszeichnet, als dass er im Sommer die
Sonne abhält und im Winter zulässt. Hernach brachte,
unter der Regierung des Kaiser Glaudius, ein Freigelasse-
ner des Marcellus Aeserninus, der sich aber seiner Macht
wegen unter die Freigelassenen des Kaisers hatte rechneu
Zwölftes Buch. 5
lassen, und ein reicher Verschnittener aus Thessalien war,
diesen Baum nach Italien und auf seine Landgüter, so
dass er mit Kecht den Namen Dionysius verdiente. Es
giebt auch noch jetzt manche Wunderdinge anderer Län-
der in Italien, nicht zu gedenken derer, die Italien selbst
ausgedacht hat.
6.
Diejenigen Platanen , welche man mit Fleiss nicht
hoch wachsen lässt, nennt man Zwergplatanen i); wir
finden nämlich auch unter den Bäumen Missgeburteu, und
diesen kann man überhaupt den Namen Zwergbildungen
geben. Man bringt sie aber durch Säen und Beschneiden
hervor. C. Matius ein Ritter und Freund des Kaiser Au-
gustus hat innerhalb der letztverflossenen Jahre zuerst das
Beschneiden der Bäume eingeführt.
7.
Fremd sind die Kirschen- und Pfirsichbäume nebst
allen solchen, deren Namen griechisch oder ausländisch;
diejenigen aber, welche unter dieser Zahl schon bei uns
einheimisch geworden, werde ich unter den fruchttragenden
anführen. Gegenwärtig wollen wir die auswärtigen durch-
geben, und dabei der Heilkräftigen zuerst gedenken. Der
assyrische Apfelbaum 2), welchen Einige den medischen
nennen, enthält ein Arzneimittel gegen Gifte. Sein Blatt
gleicht dem des Unedo 3), besonders durch die darin befind-
lichen Rippen. Der Apfel selbst wird sonst nicht gegessen,
aber sein Geruch übertrifft selbst den der Blätter, zieht in
die Kleider, wenn man ihn dazwischen legt, und hält das
Ungeziefer ab. Der Baum trägt beständig Früchte, während
die einen abfallen, werden die andern reif und noch andere
entstehen. Mehrere Völker haben versucht, diesen Baum
wegen seiner vortrefflichen Heilkraft in irdenen Gefässen,
welche mit Luftlöchern für die Wurzeln versehen waren,
') Chamaeplatani.
2) Malus assyria. Diess ist die Pompelmuse: Citrus decumana L.
3) Unedo. Arbutus Unedo L.
6 Zwölftes Buch.
ZU sich zu bringen, und man wird woliltliun, sich ein für
alle Male zu merken, dass auf diese Weise alles, was
weiter verschickt werden soll, aufs engste verpflanzt und
verpackt werden kann. Doch hat er nirgends als in Me-
dien und Persien gedeihen wollen. Diess ist aber derselbe
Baum, von dem wir gesagt haben ^), dass die vornehmen
Parther dessen Kerne mit ihren Speisen kochen, damit ihr
Athem einen angenehmen Geruch bekommen. In Medien
preist man ausser ihm keinen andern Baum.
8.
Von den wolletragenden Bäumen der Serer haben wir
bei Erwähnung dieses Volkes gesprochen; desgleichen von
der Grösse der indischen Bäume. Einen der in Indien
einheimischen Bäume, den Ebenbaum-) rühmt Virgil
mit dem Beisatze, er käme sonst nirgends vor. Herodat
hält Aethiopien für das Vaterland desselben, und sagt, die
Aethiopier hätten den Königen von Persien alle 3 Jahre
als Tribut 100 Stämme davon nebst Gold und Elfenbein
geliefert. Auch will ich nicht unerwähnt lassen, dass er
sagt, die Aethiopier pflegten aus gleicher Ursache 20 grosse
Elepbantenzähne abzugeben. In so grossem Ansehen stand
also das Elfenbein im 310. Jahre unserer Stadt; und da-
mals verfasste dieser Schriftsteller seine Geschichte zu
Thurii in Italien. Um so merkwürdiger ist es, dass wir
ihm glauben, da er den Fluss Po gesehen hatte, welcher
bis zu dieser Zeit Niemanden in Asien, Griechenland oder
ihm selbst bekannt war. Die Karte von Aethiopien, welche,
wie wir gesagt haben, neulich dem Kaiser Nero überbracht
wurde, hat uns gelehrt, dass dieser seltene Baum von
Syene, der Gränze unseres Reichs, nach Meroe, 896,000
Schritte weit gebracht sei und zu keinem andern Geschlechte
als dem der Palme gehöre. Daher hat vielleicht der Eben-
baum unter den werth vollen Gegenständen der Abgaben
den dritten Rang bekommen.
') XI. B. 115. Cap.
-) Ebenum. Diospyros Ebenum Retz.
Zwölftes Buch. 7
9.
In Rom zeigte den Ebenbaum Pompejus der Grosse
bei seinem Triumphe über Mithridates. Fabianus giebt an,
«r brenne nicht, verbreite aber in der Hitze einen ange-
nehmen Geruch. Es giebt 2 Arten; die seltene und zugleich
bessere ist ein ganz knotenloser Baum, dessen Holz schwarz,
glänzend und selbst unverarbeitet schön aussieht; die an-
dere ist ein dem Cytisus ^) ähnlicher und in ganz Indien
verbreiteter Strauch.
10.
Diesem ähnlieh ist ein in Indien einheimisches
Dorngewächs2), welches schnell Feuer fängt, und zu
Fackeln benutzt wird. Nun will ich von den Bäumen reden,
welche das siegreiche Heer Alexanders des Grossen be-
wunderte, als jener Erdtheil ^) sich ihm öffnete.
11.
Der indische Feigenbaum^) trägt sehr kleine Früchte,
pflanzt sich immer von selbst fort, und streckt seine Aeste
weithin aus, von denen die untersten sich so tief zur Erde
herabneigen, dass sie innerhalb eines Jahres fest wachsen,
und auf diese Weise rund um den Mutterstamm eine wie
durch Kunst angelegte Pflanzschule bilden. Innerhalb dieser
Umzäunung, welche zugleich schattig, und durch die Stämme
selbst geschützt ist, halten sich die Hirten im Sommer auf.
Im Innern hat sie ein stattliches Ansehen und von Weiten
sieht das Ganze einem runden Gewölbe gleich. Die obern
Zweige ragen in zahlreicher Menge empor, und der Mutter-
baum dehnt sich so sehr aus, dass er einen Kreis von
^0 Schritten beschreibt, sein Schatten aber eine Fläche von
2 Stadien einnimmt. Die Blätter haben die Gestalt eines
Amazonen-Schildes, bedecken wegen ihrer Breite die Früchte,
und sind daher ihrem Wachsthum hinderlich. Diese finden
*) Cytisus. Medicago arborea L.
2) Spina. Acacia vera W.
3) Nämlich Indien.
*) Ficus indica.
8 Zwölftes Buch.
sich nur einzeln, weiden nicht grösser als eine Bohne, habe»
aber, wenn die Sonne sie durch die Blätter hindurch zur
Reife gebracht hat, einen sehr süssen Geschmack, und sind
dieses merkwürdigen Baumes würdig. Er wächst am häu-
figsten am Flusse Acesines.
12.
Ein anderer Baum ist grösser, und übertrifft jenen
durch den angenehmen Geschmack seiner Frucht, von der
die indischen Weisen leben. Sein Blatt hat Aebnlichkeit
mit den Flügeln der Vögel, ist 3 Cubitus lang und 2 breit.
Die Frucht kommt aus der Rinde, und schmeckt so ausser*
ordentlich süss, dass der 4. Theil von einer schon sättigt.
Der Baum heisst Pala*), die Frucht Ariena. Man trifft
ihn vorzüglich in Sydracieu, da wo die Grenze von
Alexanders Eroberungen ist. Es giebt noch einen andern
diesem ähnlichen Baum, dessen Frucht noch süsser, aber
den Eingeweiden nachtheilig ist. Alexander hatte den Be-
fehl gegeben, keiner von seinem Heere sollte davon essen.
13.
Die Macedonier haben verschiedene Arten indischer
Bäume, jedoch grösstentheils ohne Namen, angeführt..
So sieht einer im Uebrigen der Terebinthe, in der Frucht
aber dem Mandelbaume ähnlich, doch ist sie kleiner und
von sehr angenehmem Geschmacke. In Bactrien halten
ihn Eiqige eher für eine besondere Art der Terebinthe,.
als für einen ihr gleichen Baum. Der Baum aber, von dem
man dort die leinenen Kleider macht, hat Blätter wie
der Maulbeerbaum, und einen Fruchtkelch wie die Hage-
butten. Man pflanzt ihn auf Felder, und kein Baum giebt
den Landgütern einen angenehmeren Anblick.
14.
Der indische Olivenbaum taugt nicht und trägt nur die
') Die Pisangfeige, Musa paradisiaca L. Musa ist das Arabische
mauza, welche aus dem Sanskritworte moko hervorging. Pala oder
phala heisst in Sanskrit Frucht im Allgemeinen und wurde also nur
aus Missverständniss für den Namen der Pflanze gebraucht.
Zwölftes Buch. 9
Früchte des wilden Oelbaümes ^). Hin und wieder kommen
dort Pfefferbäurae^) vor, die unserm Wacbholder ähn-
lich sind; obgleich Einige bericbtet haben, sie wüchsen nur
an der vordem, der Sonne entgegen liegenden Seite des
Caucasus. Die Samen unterscheiden sich von denen des
Wachholders dadurch, dass sie in kleinen, unsern Schling-
bohnen ähnlichen Schoten stecken. Wenn diese, bevor sie
aufbrechen, abgenommen, und an der Sonne gedörrt waren,
so stellen sie den sogenannten langen Pfeifer 3) dar; lässt
man sie aber reif werden, so bersten sie und enthalten
nun den weissen Pfeffer, welcher an der Sonne gedörrt,
dunkelfarbig und runzlig wird. Aber auch diese Schoten
können Schaden leiden, und werden bei ungünstigem Wetter
brandig, ihre Samen aber taub und leer, und diess Uebel
nennt man Brechma, was in der Sprache der Indier so
viel bedeutet als todt. Diese Sorte ist von allen die schärfste,
leichteste und von Farbe bleich, angenehmer ist der schwarze
und milder als beide ist der weisse. Was man Zimpiberi
oder Zingiberi^) nennt ist keineswegs, wie Einige glauben,
die Wurzel dieses Baumes, obgleich es im Geschmacke
dem Pfeffer nahe kommt. Der Ingber nämlich wächst in
Arabien und im Lande der Troglodyten in Dörfern, hat
ein kleines Kraut und eine weisse Wurzel. Obgleich sie
ausserordentlich scharf ist, so wird sie doch bald wurm-
stichig. Das Pfund davon kostet 6 Denare. Der lange
Pfeffer wird häufig durch alexandrinischen Senf verfälscht.
Man kauft 1 Pfund für 15 Denare, 1 Pfund des weissen
für 7, 1 Pfund des schwarzen für 4 Denare. Man muss
sich wundern, dass er so allgemein in Gebrauch gekommen
ist. Bei Einigen hat der angenehme Geschmack gereizt,
bei Andern das Ansehen gelockt; hier empfiehlt sich weder
ein Apfel, noch eine Beere, nur seine Bitterkeit gefällt,
») Oleaster.
2) Piper. Piper nigrum L.
3) Piper longum L.
*) Amonium Zingiber L.
10 Zwölftes Buch.
und zwar deshalb, weil er aus Indien kommt. Wer hatte
zuerst Lust, ihn den Speisen zuzusetzen? Oder wem ge-
ntigte bei dem Wunsche zu essen nicht der Hunger ? Beide
Dinge finden sich bei den dortigen Völkern wild, und doch
verkauft man sie nach dem Gewichte, wie Gold oder Silber.
Den Pfefferbaum sieht man auch schon in Italien; er ist
grösser als die Myrte , und dieser nicht unähnlich. Man
glaubt, sein Korn habe dieselbe Schärfe wie frischer Pfeffer;
nur fehlt ihm jene Dürre und Reife, mithin auch die Aehn-
lichkeit in den Runzeln und der Farbe. Mau verfälscht
ihn mit Wachholderbeeren, die ihm merkwürdiger Weise
seine Kraft entziehen; auch hinsichtlich des Gewichts wird
mancher Betrug damit getrieben.
15.
Ausserdem giebt es in Indien noch ein dem Pfeffer
ähnliches Korn, welches Gary ophy Hon ^) genannt wird, aber
grösser und zerbrechlicher ist. Es soll in einem indischen
Haine wachsen, und wird seines Geruchs wegen zu uns
gebracht. Auch ein Dornstrauch 2) trägt eine dem Pfeffer
ähnliche Frucht von ausserordentlicher Schärfe; er hat
kleine, dichtstehende Blätter wie der Cyprus ^), 3 Cubitus
lange Aeste, eine bleiche Rinde, und eine breite holzige,
buxbaumfarbige Wurzel. Aus Letzterer nebst den Samen
bereitet man durch Kochen mit Wasser in einem kupfer-
nen Gefässe eine Arznei, welche Lycium genannt wird.
Derselbe Dornstrauch kommt auch auf dem Berge Pelius
vor und damit verfälscht man das Arzneimittel, desgleichen
mit der Affodillwurzel, mit Ochsengalle oder Wermuth,
oder Sumach^), oder Oelschaum-^). Dasjenige Lycion,
welches schaumig ist, eignet sich am besten zum Arznei-
gebrauch. Die ludier schicken uns dasselbe in Schläuchen
') Diess ist der Piment, Semen Amomi von Myrtus Pimenta L.
2) Spina. Rliamnus infectoria L.
3) S. 51. Cap.
•*) Rhus. Rhus coriaria L.
*) Amui'ca,
Zwölftes Buch. 11
von Kameel- oder Rhinocerosliäuten. In Griechenland heisst
jenes Dorngewächs der chironische Buxdorni).
16.
Auch das Macir wird aus Indien gebracht; es ist die
rothe Rinde einer grossen Wurzel, und führt den Namen
des Baumes, von welchem sie kommt. Ueber den Baum
selbst habe ich jedoch nichts Näheres erfahren können.
Mit Honig abgekocht liefert sie ein vorzügliches Mittel
wider den Durchfall.
17.
Der Zucker kommt auch aus Arabien, der indische
hat jedoch den Vorzug. Er ist aus Rohr gesammelter
Honig, weiss wie Gummi, zwischen den Zähnen zerbrech-
lich, höchstens von der Grösse einer Haselnuss, und findet
bloss Anwendung in der Medicin.
18.
An die Indier grenzt das Volk der Arianer, in deren
Gebiete ein Dornstrauch wächst, welcher ein köstliches der
Myrrhe ähnliches Harz in Gestalt von Thränen liefert, zu
dem man aber wegen der vielen Stacheln nur mit Mühe
gelangen kann. Dort ist auch ein giftiger, dem Rettig
ähnlicher Strauch mit lorbeerartigen Blättern, der durch
seinen Geruch die Pferde anlockt, und Alexandern bei
seinem ersten Eintritte in diess Land beinahe der ganzen
Reiterei beraubt hätte. Dasselbe Ungemach widerfuhr ihm
bei den Gedrosern. Ferner soll sich dort ein Dornge-
wächs mit Lorbeerblättern finden, dessen Saft, in die Augen
gespritzt, alle Thiere blind mache. Ferner ein stark
riechendes Kraut, welches voll von kleinen Schlangen sitzt,
deren Stich augenblicklich den Tod nach sich zöge. One-
sicritus meldet, in den Thälern Hyrcaniens wüchsen
feigenähnliche Bäume, welche Occhi hiessen, aus denen
2 Stunden lang des Morgens Honig flösse.
19.
An Hyrcanien grenzt Bactrien, dessen Bdellium am
•) Pyxacanthus,
12 Zwölftes Buch.
berühmtesten ist. Diess ist ein schwarzer Baum von der
Grösse des Oelbaumes, mit Eichenblättern, seiner Frucht
und übrigen Beschaffenheit nach dem wilden Feigenbaume
ähnlich. Das Gummi i) nennen Einige Brochon, Andere
Malacham, noch Andere Malodacon; das schwarze aber,
welches in Kuchen gedreht ist, heisst Hadrobolou 2). Es
muss durchscheinend wie Wachs, geruchvoll, fettig anzu-
fühlen, von Geschmacke bitter, jedoch nicht scharf sein.
Bei den Opfern, wo es mit Wein angefeuchtet wird, riecht
es noch stärker. Es kommt auch in Arabien, Indien, Me-
dien und Babylon vor. Einige nennen dasjenige, welches
aus Medien kommt, das peratische; es ist zerbrechlicher,
rindiger und bitterer, das indische hingegen feuchter und
gummig. Es wird mit Mandeln verfälscht, die übrigen
Arten auch mit der Rinde des Scordastum; so heisst
nämlich ein Baum, der ein ähnliches Gummi liefert. Man
erkennt sie aber alle (was auch in Bezug auf die übrigen
Räucherspecies ein für allemal hier gesagt sein mag) am
Gerüche, der Farbe, der Schwere, dem Geschmacke und
dem Verhalten am Feuer. Das bactrianische hat einen
trocknen Glanz und viele weisse Stellen, ausserdem ein
eigenthümliches Gewicht, das nicht zu schwer und nicht zu
leicht sein darf. Von dem reinen kostet das Pfund
3 Denare.
20.
An die Gebiete der oben genannten Völker grenzt
Persien, in welchem am rotlien Meere, welches wir da-
selbst das persische genannt haben, weil es sein Wasser
weit ins Land hinein schickt, Bäume von wunderbarer Be-
schaffenheit vorkommen. Denn sie werden vom Salzwasser
losgerissen, gleichen herangetriebenen und verlassenen,
und man sieht sie an der trocknen Küste mit ihren nakten
Wurzeln, gleich Polypen, den unfruchtbaren Sand umfassen.
•) Heisst noch jetzt Bdellium und die Mutterpflanze ist ein Bal-
samodendron.
^) D. h. in Klumpen zusammengehäuft.
Zwölftes Buch. 13
Obgleich die Wogen des anströmenden Meeres beständig
daran schlagen, so bleiben sie doch unbeweglich stehen.
Bei voller Fluth werden sie sogar ganz von Wasser be-
deckt, und alles deutet darauf hin, dass das scharfe Wasser
sie ernährt. Sie sind ausserordentlich gross, vom Ansehen
des Unedo, ihre Frucht gleicht von aussen einer Mandel,
und enthält gedrehte Kerne.
21.
Die in demselben Meerbusen belegene Insel Tylos ist
auf der nach Osten gekehrten Seite ganz mit Wald be-
wachsen, und wird hier von der Meeresfluth überschwemmt.
Die Bäume haben die Grösse des Feigenbaumes, Blütheu
von unbeschreiblicher Anmuth, und Früchte ähnlich denen
der Wolfsbohue i), aber so herbe, dass kein Thier sie an-
rührt. Auf einem erhabenen Theile dieser Insel stehen
Wolle tragende Bäume, jedoch von anderer Art als die
bei den Serern vorkommenden. Sie haben unfruchtbare
Blätter, welche man, wenn sie nicht zu klein wären, für
Weinblätter halten könnte, tragen Fruchtköpfe 2) von dem
Umfange eines Quittenapfels, welche bei der Reife bersten
und Ballen zarter Wolle enthalten, aus denen man Kleider
von köstlichem Gewebe fertigt. Man nennt die Bäume
Gossypini3), Auf der kleinern Insel Tylos, welche von
der grössern 10,000 Schritte entfernt ist, finden sie sich in
noch zahlreicherer Menge.
22.
Juba berichtet, die zarte Wolle komme von einem
Strauche, und die daraus bereiteten Zeuge seien besser als
die indischen. Die Bäume in Arabien aber, aus denen
man Kleider mache, hiessen Chynas, und ihre Blätter
seien denen der Palmen ähnlich. So kleiden sich die In-
dier durch Hülfe ihrer Bäume. Auf den beiden Inseln Ty-
') Lupinus. Lupinus hirsutus L.
-) Cucurbitae.
3) Gossypium arboreum L und Bombax gossypinus , von denen
die Baumwolle kommt.
14 Zwölftes Buch.
lus aber wächst noch ein anderer Baum, dessen Blüthe der
weissen Viole gleicht, aber viermal grösser ist, und — was
bei einer Blume in jenen Ländern merkwürdig erscheint
— keinen Geruch hat.
23.
Es giebt noch einen anderen diesem ähnlichen Baum,
der jedoch blattreicher ist und eine rosenartige Blüthe hat,
welche sich des Nachts schliesst, beim Aufgange der Sonne
zu öffnen beginnt, und Mittags ganz ausbreitet. Die Ein-
wohner nennen diese Erscheinung den Schlaf. Dieselbe
Insel bringt auch Palmen, Oelbäume, Weinstöcke, Feigen
und andere Obstarten hervor. Kein Baum verliert da-
selbst seine Blätter. Die Bewässerung geschieht durch
kalte Quellen und Regen.
24.
Die Erzeugnisse des benachbarten Arabiens sind von
verschiedener Art, denn sie bestehen in Wurzeln, Stauden,
Rinden, Säften, Thränen, Holz, Sprösslingen, Blüthen,
Blättern und Früchten.
25.
Die Wurzeln und Blätter stehen bei den Indiern im
höchsten Preise. Die Wurzel des Costus') hat einen
brennenden Geschmack, und vortrefflichen Geruch, der
Stengel aber ist unbrauchbar. Gleich beim ersten Eintritt
des Flusses Indus, bei der Insel Patale, wachsen 2 Arten
davon, eine schwarze, und eine weisse die besser ist. Das
Pfund davon kostet 3 Denare.
26.
Von der Pflanze Nardus muss ich etwas aus-
führlicher reden, da sie als ein Hauptingredienz der Salben
dient. Eine Art ist ein Strauch mit einer schweren, dicken,
aber kurzen und schwarzen und obwohl fetten, dennoch
zerbrechlichen, gleich der Cyperwurzel nach Schimmel
riechenden und herbe schmeckenden Wurzel. Die Blätter
sind klein und stehen dicht. Der oberste Theil (der Wurzel)
') Costus speciosus L.
Zwölftes Buch. 15
trägt rundum grannenartige Fäden; man preist daher vor-
züglich zwei Theile an dieser Pflanze, die ährenähnliche
Wurzel und die Blätter"). Eine andere Art, welche am
Ganges wächst, heisst Ozänitis, riecht giftig und wird gänz-
lich verworfen. Man verfälscht auch die Narde mit der
unächten2), welche allenthalben wächst, ein dickeres, brei-
teres Blatt, und eine matte ins Weisse fallende Farbe hat;
desgleichen mit ihrer Wurzel, die man, um das Gewicht
zu vermehren, untermischt, auch mit Harz, Silberglätte,
Spiessglanz, Cyperus oder deren Einde. Die echte erkennt
man an ihrer Leichtigkeit, röthlichen Farbe, dem angenehmen
Gerüche, an ihrer Eigenschaft beim Kosten den Mund aus-
zutrocknen und an ihrem angenehmen Geschmacke. 1 Pfund
Aehren kostet 100 Denare. Die jährigen unterscheidet
man am Blatte; die grossblättrige nennt man die gross-
runde 3), und ihr Preis ist 50 Denare; die kleinblättrige
heisst die mittelrunde ^), und kostet GO Denare. Die beste
ist die kleinrunde 'O, mit den kleinsten Blättern und ihr
Preis 75 Denare. Geruch haben sie alle, am meisten aber
wenn sie noch frisch sind. Die schwarze Narde 6) bekommt,
wenn sie alt wird, eine bessere Farbe. In unserm Welt-
theile wird die syrische ') am meisten geschätzt, dann folgt
die gallische *) und hierauf die cietische ■% welche von Ei-
nigen die wilde, von Andern Phu genannt wird; sie hat
Blätter wie das Olusatrum ^% der Stengel ist 1 Cubitus
lang, gekniet, purpurroth und weisslich, die Wurzel schräg,
') Diese Art ist Valeriana Jatamansi Jones.
■•') Pseuclonarclus. Valeriana celtica L.?
3) Haclrosphaerum.
•*) Mesosphaeruni.
5) Microspliaerum.
•=) Valeriana Hardwickii Wall.
') Valeriana scabiosaefolia Fisch.
*) Valeriana celtica L.
*) Valeriana tuberosa L.
>o) Smyrnium Olusatrum L.
1(3 Zwölftes Buch.
t
zottig und von der Form der Vogelftisse. Die Land-Narde i)
heisst Baccharis und von dieser wollen wir bei den Blumen
reden 2). Alle diese Arten aber sind Kräuter, ausge-
nommen die indische ^). Unter ihnen wird die gallische
mit der Wurzel ausgezogen, in Wein abgewaschen und
bündelweise in Papier gewickelt; von der indischen ist sie
nicht sehr verschieden, jedoch leichter als die syrische.
10 Pfund kosten 3 Ass. Die einzige Probe ihrer Güte be-
steht darin, dass die Blätter nicht zerbrechlich, und mehr
dürr als trocken sind. In Gesellschaft der gallischen Narde
wächst stets ein Kraut, welches wegen seines starken Ge-
ruches und seiner Aehnlichkeit, Böckchen ^) genannt wird,
und womit man sie am meisten verfälscht. Diess unter-
scheidet sich aber von ihr dadurch, dass es ohne Stengel
ist, kleinere Blätter und eine weder bitter schmeckende
noch riechende Wurzel hat.
27.
Die Haselwurz^) besitzt die Kräfte der Narde, und
wird daher von Einigen wilde Narde genannt, hat aber
Blätter wie Epheu, nur dass sie runder und weicher sind,
eine purpurrothe Blume, eine Wurzel wie die gallische
Narde, einen der Weinbeeren ähnlichen Samen, und schmeckt
erwärmend und weinartig. Auf schattigen Bergen blühet
sie des Jahres zweimal. Die beste wächst in Pontus, dann
folgt die phrygische, und auf diese die illyrische. Man
gräbt sie, wenn die Blätter anfangen auszubrechen, und
trocknet sie an der Sonne, weil sie sonst leicht schimmlig
und grau wird. Neulich hat man auch in Griechenland ein
Kraut gefunden, dessen Blätter sich in nichts von der in-
dischen Narde unterscheiden.
>) Valeriana Dioscoridis Hawk.
2) Vergl. XXI. B. 16. Cap.
3) Obige V. Jatamansi.
^) Hirculus. Saxifraga Hirculus L. Diese Pflanze liat aber aller-
dings einen Stengel, was Plinius leugnet.
^) Asarum. Asarum europaeum L.
-Zwölftes Buch. 17
28.
Von dem Arno m um ist die Traube im Gebrauche.
Einige glauben sie komme von der indischen wilden Rebe*),
einem myrtenartigem handhohem Strauche. Man sammelt
es mit der Wurzel, und jedesmal eine Hand voll behutsam
zusammen gelegt, weil es sonst leicht zerbricht. Dasjenige
wird für das beste gehalten, was denen des Granatbaumes
ähnliche, nicht runzlige und röthliche Blätter hat. Das
blasse bildet die zweite Sorte, noch schlechter ist das gras-
artige, und am schlechtesten das weisse, welche Farbe es
im Alter bekommt. Von der Traube kostet 1 Pfund
öO Denare, von dem zerriebeneu Amomum aber 49. Es
wächst auch in dem armenischen Distrikte Otene in Me-
dien und in Pontus. Man verfälscht es mit Granatblättern
und flüssigem Gummi, damit es zusammenhält und die
Form einer Traube bekommt. Es giebt noch eine andere
Art, Amomis genannt, welche weniger aderig, härter und
von geringerem Gerüche ist; woraus hervorgeht, dass sie
entweder etwas Anderes als das Amomum sei, oder unreif
eingesammelt werde.
29.
Diesen im Namen und Ansehen ähnlich ist das Car-
damomum^) mit länglichen Samen, wird auch in Arabien
zu denselben Preisen verkauft. Es giebt 4 Arten davon;
-die grünste und fette mit spitzen Ecken und schwer zu
zerreiben, wird am meisten geschätzt; die zweite ist röth-
lichweiss, die dritte kürzer und schwärzer. Noch schlechter
ist die scheckige, die sich leicht zerreiben lässt und wenig
Geruch besitzt. Die ächte muss dem Costus nahe kommen.
Auch dieses Gewächs trifft man in Medien. Der Preis von
1 Pfund des besten Cardamom beträgt 3 Denare.
30.
Den nächsten Rang würde nun der Zimmt verdienen,
'Wenn es nicht passender wäre, zuvor die Reichthümer
•) Vitis Labrusca. Soll N'itis vitigiaea L. sein.
^) Amomum Cardamomum L.
Wittstein: Plinius. in. Bd.
18 Zwölftes Buch.
Arabiens zu nennen, und die Ursachen anzugeben, welc lie
ihm den Namen des glücklichen und gesegneten verliehen
haben. Die vorzüglichsten Erzeugnisse daselbst sind der
Weihrauch^) und die Myrrhe; letztere kommt auch im
Lande der Troglodyten vor, der Weihrauch aber in keinem
andern Lande als in Arabien, und nicht einmal hier über-
all. Fast in der Mitte desselben wohnen die Atramiter,.
ein Stamm der Sabäer mit der Hauptstadt Sabota auf einem
hohen Berge, und 8 Stationen weiter davon entfernt liegt
ihre Weihrauchtragende Gegend, Saba genannt, was nach
griechischer Auslegung soviel als mysterium heisst. Sie
liegt gegen Osten, ist allenthalben durch Felsen und von
der rechten Seite durch Meeresklippen unzugänglich. Hier
allein soll das Meer röthlichmilchweiss sein. Die Länge
der Wälder beträgt 20 Schönus und die Breite halb so viel.
Ein Schönus misst nach Eratosthenes 40 Stadien oder
5000 Schritte, nach Andern nur 32 Stadien. Dort erheben
sich hohe Hügel, und laufen in eine Ebene, wo jene Bäume
wildwachsen, aus. Man kommt darin überein, dass das
Erdreich thonig ist, und wenige natronhaltige Quellen hat.
Es wird von einem andern Bezirke, in welchem die Minäer
wohnen, begrenzt, durch welchen man den Weihrauch auf
einem engen Wege ausführt. Dieses Volk hat den Handel
damit angefangen, betreibt ihn am stärksten, und nach ihm
wird er auch Minäum genannt. Ausser den Minäern sieht
kein Araber und unter ihnen nicht einmal ein jeder den
Weihrauchbaum. Ihre Anzahl soll sich nur auf 3000 Fa-
milien belaufen, welche sich das Eecht durch Erbfolge zu
erhalten wissen. Sie sollen deshalb auch heilige genannt
werden, und während dem Einschneiden der Bäume oder
dem Absammeln sich nicht durch Berührung von Frauen
oder Leichen verunreinigen. Durch diese religiösen Beo-
bachtungen höben sie den Preis der Waare. Einige be-
richten, diese Völker hätten ohne Unterschied Weihrauch,
*) Thus. Boswellia thurifera Roxb.
Zwölftes Buch. 19
in diesen Wäldern; andern Nachrichten zufolge theilen sie
ihn jährlich abwechselnd unter sich.
OL.
Von der Gestalt des Baumes selbst weiss man auch
nichts. Wir haben Kriege in Arabien geführt und die rö-
mischen Waffen sind in einen grossen Theil desselben ein-
gedrungen; selbst Cajus Cäsar, der Sohn des Augustus,
strebte dort nach Euhm, und dennoch ist (so viel ich weiss)
von keinem Lateiner der Baum beschrieben worden. Die
Angaben der Griechen weichen sehr von einander ab. Ei-
nige berichten, er habe Blätter wie ein Birnbaum, nur seien
sie kleiner und von grasgrüner Farbe, Andere sagen, er
sei dem Mastixbaum i) ähnlich und habe röthliche Blätter.
Noch Andere halten ihn für eine Terebinthe 2), und diess
hat auch dem Könige Antigonus, dem ein junger Stamm
gebracht wurde, so geschienen. Der König Juba erzählt
in den Büchern, die er an C. Cäsar, den Sohn des Augu-
stus, der sich in Arabien Ruhm zu erwerben wünschte,
schrieb: er habe einen gewundenen Stamm, Aeste wie der
Ahorn, besonders der pontische, und lasse einen Saft wie
der Mandelbaum von sich; solche sähe man auch in Car-
manien , und in Aegypten wären sie durch die Bemühungen
der dort regierenden Ptolemäer angepflanzt. Gewiss ist,
dass er eine dem Lorbeerbaum ähnliche Rinde hat, und
Einige sagen, auch das Blatt gleiche ihm. Wenigstens
haben die Sarder solche Bäume gehabt, denn auch die
Könige in Asien verwandten Sorgfalt auf ihre Anpflanzung.
Die Gesandten, welche zu meiner Zeit aus Arabien kamen,
haben alles noch ungewisser gemacht, worüber man sich
mit Recht wundern muss, da sie sogar Zweige von Bäumen
mit zu uns brachten; diesen kann man es glauben, dass
auch ein Baum mit rundem, knotenlosem Stamme Zweige
treibe.
') Lentiscus. Pistacia Lentiscus L.
^) Terebinthus. Pistacia Terebinthus L.
20 Zwölftes Buch.
32.
Als sich uoch weniger Gelegenheit zum Verkaufe dar-
bot, pflegte mau den Weihrauch nur einmal im Jahre zu
sammeln. Jetzt macht die häufigere Nachfrage danach eine
zweite Erndte erforderlich. Die erste und natürliche Lese
geschieht, wenn der Hundsstern aufgeht, bei der grössten
Hitze, indem man da, wo der Baum am saftreichsten scheint
und die Rinde am dünnsten ist. Einschnitte macht. Diese
Stelle wird nun erweitert, jedoch die Rinde nicht wegge-
nommen, worauf aus der Wunde ein fetter Schaum quillt
welcher gerinnt, sich verdichtet, und wo es die Beschaffen-
heit des Orts erfordert auf einer Palmmatte, sonst aber
auf dem Boden, der ringsumher festgeschlagen ist, aufge-
fangen wird. Auf jene Weise erhält man Weihrauch
reiner, auf diese dichter. Was am Baume hängen bleibt,
wird mit einem Eisen abgeschabt, enthält daher Rinden-
theile. Der Wald, welcher in gewisse Theile geschieden
ist, bleibt durch gegenseitige Rechtlichkeit gesichert, und
man bewacht weder die angeritzten Bäume, uoch entwen-
det Einer dem Andern etwas. Man bedenke dagegen: in
Alexandrien, wo der Weihrauch noch gekünstelt wird,
können die Werkstätten nicht genug bewacht werden.
Hier wird der Schurz des Arbeiters bezeichnet, sein Kopf
mit einer Maske und einem dichten Netze versehen, ja sie
müssen nackt herausgehen. Folglich macht bei uns die
Strafe noch weniger treu, wie dort die Wälder. Im Herbste
sammelt man den, welcher sich im Sommer erzeugt hat.
Dieser ist weiss und am reinsten. Die zweite Lese ge-
schieht im Frühlinge, und zu ihrem Behuf wird die Rinde
im Winter eingeschnitten. Dieser fliesst röthlich hervor
und hält mit dem erstem keinen Vergleich aus. Jener
heisst der carphiatische, dieser der dathiatische. Man
glaubt, der Weihrauch von jungen Bäumen sei weisser, der
von alten wohlriechender. Einige sind der Meinung, von
den Inseln sei er besser; Juba aber sagt, auf Inseln komme
gar keiner vor.
Derjenige Weihrauch, welcher runde Tropfen bildet,
■ Zwölftes Buch. 21
heisst der männliclie, obgleich man sonst nicht leicht etwas
männlich nennt, von dem nichts weibliches existirt. Aus
Keligiosität hat man das andere Geschlecht dabei nicht ge-
braucht. Einige sind der Meinung, der männliche habe
seinen Namen wiegen der Aehnlichkeit mit den Hoden er-
halten. Besonders beliebt aber ist der zizenförmige, bei
dem ein Tropfen sich mit einem andern vermischt hat. Ich
finde angeführt, dass ein solches Stück eine Hand ausge-
füllt hat, als die Sucht die Bäume zu plündern noch ge-
ringer war und diesen zur Erzeugung des Weihrauchs Zeit
gelassen wurde. Die Griechen nennen solchen Weihrauch
den geflossenen ^) und den untheilbaren -), den kleinern
aber Erbsenrauch 3). Die Brocken, welche abgesprungen
sind, nennen wir Manna. Doch findet man auch noch jetzt
Körner, welche dem 3. Theile einer Mine, d. i. dem Ge-
wichte von 28 Denaren gleich kommen. Alexander dem
Grossen sagte sein Erzieher Leonides, als er in seiner Kind-
heit den Weihrauch zu verschwenderisch auf den Altar
streuete, er möge auf solche Art opfern, wenn er die Weih-
rauch-Völker besiegt hätte. Jener aber schickte diesem,
als er Arabien erobert hatte, ein mit Weihrauch beladenes
Schiff, und Hess ihm sagen, er möge davon den Göttern
reichlich spenden.
Der gesammelte Weihrauch wird auf Kameelen nach
Sabota, der einzigen dahinführenden Pforte gebracht. Nach
den Gesetzen steht Todesstrafe darauf, vom Wege abzu-
weichen. Dort empfangen die Priester für den Gott, welchen
sie Sabis nennen, den 10. Theil dem Maasse, nicht dem
Gewichte nach; eher darf nichts davon verkauft werden.
Von jenem Antheile werden die öffentlichen Kosten be-
stritten, denn der Gott unterhält die Fremden eine gewisse
Anzahl von Tagereisen hindurch. Er kann i'nicht anders
als durch das Land der Gebaniter ausgeführt werden, da-
her wird auch dem Könige derselben ein Zoll erlegt. Ihre
') stagonias. ^) atomum.
^) Orobias; von orobus (oQoßog) die Kichererbse.
22 Zwölftes Buch.
Hauptstadt Thomna ist von der auf unserer Küste belege-
nen jüdischen Stadt Gaza, 4,436,000 Schritte entfernt, welche
Strecke in 65 Kameel-Stationen getheilt wird. Auch den
Priestern und Schreibern der Könige werden bestimmte
Antheile gegeben. Ausser diesen plündern noch die Wäch-
ter, Trabanten, Pförtner und Bedienten davon. Wohin ihr
Weg geht, müssen sie hier für Wasser, dort für Futter,
oder für das Quartier und allerlei Zölle zahlen, so dass
die Kosten für jedes Kameel sich bis an unsere Küste auf
688 Denare belaufen, und dann wird noch an die Zoll-
pächter unseres Reiches abgegeben. Daher kostet 1 Pfund
des besten Weihrauchs 6, die 2. Sorte 5 und die 3. 3 De-
nare. Man verfälscht ihn bei uns mit Thränen eines weissen
Harzes, die ihm ähnlich sind, erkennt diesen Betrug aber
auf die angeführte Weise. Bei seiner Prüfung nimmt man
Rücksicht auf seine Weisse, seinen Umfang, seine Zerbrech-
lichkeit, die Kohle, die er giebt, und seine leichte Brenn-
barkeit. Auch darf er von den Zähnen keinen Eindruck
annehmen, sondern muss in Stücke springen.
33.
Einige haben berichtet, der Myrrhenbaum ^) wachse
in denselben Wäldern unter den übrigen Bäumen, nach An-
dern steht er abgesondert; übrigens kommt er an vielen
Orten Arabiens vor, wie bei den einzelnen Arten gezeigt
werden soll. Auch die Inseln liefern eine gute Sorte, und
die Sabäer fahren sogar über das Meer und holen Myrrhe
von den Troglodyten. Man trifft auch den Myerhnebaum
angepflanzt, und dieser liefert ein besseres Produkt als der
wilde. Er gedeihet besonders gut, wenn er behackt und
mit einem Graben umzogen wird, wodurch die Wurzeln sich
abkühlen.
34.
Die Höhe des Baumes beträgt 5 Cubitus; er ist mit
Dornen versehen, der Stamm hart, gewunden und dicker
') Myn-ha. Amyris Kataf Forsk. (ßalsamodeudron Myrrha
Ehrenb.)
' Zwölftes Buch. 23
als der Weihrauchbaum, jedoch mehr in der Nähe der
Wurzel als an seinen übrigen Theilen. Einige haben die
Kinde für glatt und dem Unedo ähnlich, Andere für rauh
und dornig ausgegeben. Das Blatt gleicht dem des Oel-
baumes, ist aber rauher und stachelig; Juba vergleicht es
mit dem Blatt vom Olusatrum. Nach Einigen ist der Baum
dem Wachholder ähnlich, nur noch rauher und voller Dor-
nen, das Blatt runder, aber vom Geschmacke des Wach-
holders. Es gab sogar Leute, welche die falsche Meinung
aussprachen, beide Gummiharze wüchsen auf dem Weih-
rauchbaume.
35.
Die Myrrhenbäume werden ebenfalls zweimal und
zu derselben Zeit, aber von der Wurzel an bis zu den
Aesten eingeschnitten, wenn die Bäume saftreich sind. Sie
schwitzen von selbst, bevor sie gereizt werden, die soge-
nannte Tropfmyrrhe i) aus, welche alle übrigen Sorten
übertrifft. Nach dieser kommt die von angepflanzten
Bäumen gewonnene, und unter denjenigen von wilden
Stämmen hat die Sommermyrrhe den Vorzug. Von der
Myrrhe giebt man der Gottheit keinen Antheil, weil sie
auch bei andern Völkern vorkommt, doch erhält der König
der Gebaniter den 4. Theil davon, Uebrigens kauft man
sie hie und da von den gemeinen Leuten zusammen, und
packt sie in Schläuche, unsere Salbenhändler wissen sie
aber leicht nach dem Gerüche und der Fettigkeit zu
Sortiren.
Es giebt mehrere Sorten Myrrhe. Unter denen von
wilden Bäumen ist die troglodytische die erste, dann folgt
die miuäische, zu welcher auch die atramitische und die
au sari tische in dem Königreiche der Gebaniter gehört. Die
dritte ist die dianitische; die vierte die zusammengetragne 2) •
die fünfte die sambracenische, sogenannt von der nahe am
») Stacte.
^) CoDatitia,
24 Zwölftes Buch.
Meere liegenden Stadt im Reiche der Sabäer.; die sechste
die sogenannte dusaiitische. Es giebt auch eine weisse»
jedoch nur an einem einzigen Orte, die in der Stadt Messa-
lum zusammengebracht wird, Die troglodytische erkennt
man an ihrer Fettigkeit und daran, dass sie im Ansehen
trockner, auch schmutzig und rauh, aber schärfer als die
übrigen ist. Die sambracenische hat die ebengenannten
Fehler nicht, ist von Aussen hübscher als die andern, je-
doch nicht kräftig. üeberhaupt aber erkennt man die
Güte einer Myrrhe an den kleinen, nicht runden, im Innern
weissen und matten, beim Brechen weisse Splitter bildenden
und gelinde bitter schmeckenden Körnern. Die inwendig
scheckig aussehende bildet die zweite Sorte; die im Innern
schwarze ist noch schlechter, und am schlechtesten, wenn
sie auch ausserhalb so aussieht. Die Preise sind nach den
mehr oder weniger günstigen Gelegenheiten, die sich den
Käufern darbieten, verschieden. Die Tropfmyrrhe variirt
im Preise von 3 bis zu 50 Denaren, die gebauete kostet
höchstens bis 11, die erythräische, d. i. die arabische, bis
16, der Kern der troglodytischen 16, die sogenannte
Räuchermyrrhe aber 14 Denare. Man verfälscht sie mit
Mastixkörnern und Gummi, desgleichen mit Gurkensaft der
Bitterkeit wegen, sowie mit Silberglätte, um das Gewicht
zu vermehren. Die übrigen Fehler findet man durch den
Geschmack, denn das Gummi wird zwischen den Zähnen
weich. Die schändlichste Verfälschung ist aber die mit
indischer Myrrhe, welche von einem gewissen Dornge-
wächse daselbst gesammelt wird, der einzige schlechte
Stoff aus Indien ist, und sich an ihrer verwerflichen Be-
schaffenheit leicht erkennen lässt.
36.
Wir gehen nun zum Mastix über, welcher von einem
andern Dornbaume Indiens, der aber auch in Arabien wächst
und Laina heisst, gewonnen wird. Auch vom Mastix giebt
es 2 Sorten; denn sowohl in Asien als in Griechenland
findet sich eine krautartige Pflanze mit Wurzelblättern und
einem, mit Samen erfüllten und einem Apfel ähnlichen-
■ Zwölftes Buch. 25>
Distelkopfe, aus dessen obersten Theile, wenn er geritzt
wird, ein Saft quillt, der kaum von dem wahren Mastix
unterschieden werden kann ^) In Pontus giebt es noch eine
dritte Sorte, die aber mehr dem Erdpech gleicht. Der beste
ist der weisse von Chios, von dem das Pfund 20 Ass, von
dem schwarzen aber 12 Ass kostet. Man sagt, der chio-
tische schwitze wie ein Gummi aus dem Lentiscus^). Er
wird, gleich dem Weihrauche, mit Harz verfälscht.
37.
Arabien rühmt sich ferner des Ladanum^). Viele
haben berichtet, diess entstehe von ohngefähr und durch
Zufall, sowie durch Verderbniss eines andern Rauchwerks-
Die Ziegen, ein sonst den Zweigen schädliches und nach
wohlriechenden Sträuchern begierigeres Thier, sollen, als
wenn sie den Werth derselben wüssten, die von süssem
Safte strotzenden Stengel der Pflanzen benagen, und den
daraus tröpfelnden Saft durch zufällige Berührung mit ihren
frechen Barthaaren abwischen. Dieser werde durch hinzu-
kommenden Staub geballt und an der Sonne verdickt; da-
her fände man auch im Ladanum Ziegenhaare. Diese Ein-
sammlungsweise soll aber nur bei den Nabatäern, welche
zu den an Syrien grenzenden Arabern gehören, vorkommen.
Die neuern Schriftstellern nennen das Ladanum Stobolon
oder Storbon, und sagen, das Buschwerk in Arabien werde
durch die weidenden Ziegen gebrochen, und dabei hänge sich
der Saft in ihre Haare, das wahre Ladanum sei aber auf der
Insel Cypern. Diess entstehe (um hier überhaupt von den
Rauchwerken, wenn auch nicht nach der Ordnung der
Länder, zu reden) daselbst auf ähnliche Weise, und es sei
eine Art Schmutz ^), die sich an die Barte und haarigen
Kniee der Böcke hänge, besonders, wenn sie früh Morgens,
wo die Insel voll Thau ist, die Epheublüthen benagen.
1) Die Mutterpflanze heisst Atractylis gumraifera L,
2) Pistacia Lentiscus L.
^) Die wahre Mutterpflanze desselben heisst Cistus creticus L..
Dann wird es aber auch von C. monspeliensis L gesammelt,
■*) Oesypus,
26 Zwölftes Buch.
Nachher, weuii die Souue den Nebel zerstreuet habe, hafte
der Staub auf den nassen Haaren, und nun werde das
Ladanum abgekämmt.
Einige sagen, es käme von einem auf Cypern wach-
senden Kraute, welches sie Leda, und das davon gewonnene
Harz Ledanuni nennen. Das Kraut enthalte ein Fett, man
zöge es daher mit Schnüren zusammen, rolle es auf und
mache Kugeln daraus. Es giebt also bei beiden Völkern
2 Arten von Ladanum, ein irdisches (natürliches) und
künstliches; ersteres ist zerreiblich, letzteres zähe.
Auch in Carmanieu soll es einen Ladanum- Strauch
geben, und nach Aegypten durch die Ptolemäer mit andern
Pflanzen gebracht worden sein; oder (nach Andern) käme
es mit von dem Weihrauchbaume, werde wie Gummi durch
Einschneiden der Rinde gesammelt und in Ziegenfellen
aufbewahrt. Von der besten Sorte kostet das Pfund 40 Ass.
Es wird mit Myrteubeeren und mehreren Schmutztheilen
von Thieren verfälscht. Der Geruch des reinen muss wild
sein, und gewissermaassen an die Einsamkeit erinnern;
es muss trocken aussehen, aber beim Anfassen sogleich
weich werden, angezündet hell brennen, und einen starken
augenehmen Geruch verbreiten. Das mit Myrten versetzte
erkennt man au dem Prasseln im Feuer. Ausserdem
stecken in dem echten mehr Steinchen von Felsen, als
feines Pulver.
38.
In Arabien liefert auch der Oelbaum einen tropfenden
Saft, woraus eine Arznei bereitet wird, die bei den
Griechen die blutstillende ^) genannt wird, und sich ganz
besonders wirksam zeigt, Wunden zusammenzuziehen und
zu vernarben. An den Seeküsten werden diese Bäume
durch die Fluth der Wellen bedeckt; doch schadet diess
den Beeren nicht, denn man weiss, dass das Seesalz selbst
auf den Blättern zurückbleibt. Diess ist Arabien eigen-
thümlich, und ausserdem hat es noch Einiges mit andern
*) enhaemum.
. Zwölftes Buch. 27
Ländern gemeinschaftlich, wovon wir aber an einem andern
Orte reden wollen, weil es darin von andern Ländern
übertroffen wird. Die Araber holen merkwürdigerweise
bei auswärtigen Völkern fremde Rauch werke. So leicht
werden die Menschen ihrer eignen Sachen überdrüssig, und
so begierig sind sie nach fremden.
39.
Sie reisen nämlich zu den Elymäern, um den Bratus^)
zu lioleu. Dieser gleicht einer ausgebreiteten Cypresse,
hat weissliche Aeste, riecht angezündet angenehm, und ist
in dem Geschichtsbüchern des Kaisers Claudius, welcher
angiebt, die Parther streueten davon in ihre Getränke,
wunderbar gepriesen worden. Im Gerüche soll er der Ceder
am nächsten kommen, und sein Rauch gut für anderes
Holz sein. Er wächst jenseits des Pasitigris an den Grenzen
der Stadt Sittaca auf dem Berge Zagrus.
40.
Auch zu den Carmanern reisen sie wegen des Baumes
Strobus^), mit dem sie räuchern, zu welchem Zwecke sie
ihn mit Palmwein übergiessen und dann anzünden. Sein
Geruch geht von der Decke zum Fussboden, ist augenehm,
beschwert aber den Kopf, jedoch ohne Schmerzen. Sie
suchen damit den Kranken Schlaf zu verschaffen. Durch
diesen Handel haben sie den Weg zur Stadt Carrhä ge-
öffnet, welche ihr Marktplatz ist. Von da pflegten sie alle
nach Gabba, welches 20 Tagereisen weit liegt, und nach
Palästina in Syrien zu reisen. Nach Juba's Berichte fingen
sie hernach aus demselben Grunde an, nach Charace und
in die Reiche der Parther zu ziehen. Mir scheint auch,
nach dem Zeugnisse Herodots, dass sie deshalb eher zu
den Persern, als nach Syrien und Aegypten gereist sind,
denn er erzählt, sie hätten alle Jahre den Königen von
Persien 1000 Talente an Weihrauch als Zoll bezahlt.
') luniperus Sabina L.
-) Pinus Cenibra L.
28 Zwölftes Buch.
Aus Syrien holen sie den Styrax^), um durch dessen
scharfen Geruch den unangenehmen Dunst ihrer eigenen
Eauehwerke von den Heerden zu vertreiben. Uebrigens
sind bei ihnen keine andern Holzarten im Gebrauche als
wohlriechende ; die Sabäer kochen ihre Speisen bei Weih-
rauchholze, Andere bei Myrrhenholze, und in ihren Städten
und Dörfern herrscht ein Geruch und Duft, wie auf Altären.
Um diesen nun zu entfernen, brennen sie Styrax auf Bock-
fellen und durchräuchern damit die Häuser. So giebt es
denn kein Vergnügen, welches nicht bei längerer Dauer
Ekel erregt. Dieses Brennen geschieht auch, um die
Schlangen zu verjagen, welche sich in den Balsamwäldern
in grosser Menge aufhalten.
41.
Zimmt^) und Cassia^) haben die Araber nicht, und
doch nennt man ihr Land das glückliche, ein Beiname,
den es mit Unrecht und Undank führt, da es das Em-
pfangene den obern Göttern spendet, und doch eher den
untern schuldig ist. Selbst die Schwelgerei der Menschen
im Tode hat es glückselig gemacht, weil sie dasjenige,
von welchen sie wussten, dass es für die Götter erzeugt
war, zur Verbrennung der Todten verwenden. Sachkundige
versichern, das Land bringe in einem Jahre nicht soviel
hervor, als der Kaiser Nero an dem Bestattungstage seiner
Gemahlin Poppaea verbrannt habe. Nun rechne man jähr-
lich die Menge von Leichen auf der ganzen Erde, und die
zur Ehre der Todten haufenweise zusammengebrachten Spe-
cereien, welche den Göttern nur brockenweise gegeben
werden. Und doch waren sie denen, welche mit Schrot und
Salz opferten, nicht weniger geneigt, ja sogar (wie klar
am Tage liegt) noch geneigter. Aber das arabische Meer
ist noch glücklicher, denn aus demselben kommen die
Perlen zu uns. Nach dem geringsten Anschlage entziehen
*) Styrax officinalis L.
2) Laurus Cinnamomum L.
^) Laurus Cassia L.
' Zwölftes Buch. 29
Indien, die Serer und diese Halbinsel unserm Reiche alle
Jahre 100,000,000 Sesterzen. So viel kosten uns die Ver-
gnügungen und die Weiber. Denn welcher Tbeil davon
kommt, frage ich, an die Götter oder die Verstorbenen?
42.
Die Alten und besonders Herodotus erzählen fabel-
hafterweise, der Zimmt und die Cassia würden aus ' den
Nestern der Vögel und besonders des Phönix, in der Ge-
gend Avo Bacchus erzogen wäre, auf unwegsamen Felsen
und Bäumen entweder durch das Gewicht des Fleisches,
welches sie selbst hineintrügen, herab geworfen, oder mit
bleibeschlagenen Pfeilen herabgeschossen. Ebenso wachse die
Cassiain der NähevouSümpfen,wo eine scheussliche Art Fleder-
mäuse mit ihren Krallen, und geflügelte Schlangen den
Zugang verwehrten. Durch solche Erdichtungen haben sie
den Preis der Dinge erhöhet. Noch ein Mährchen ist dazu
gekommen; durch das Zurückprallen der Mittagssonne soll
sich nämlich die Luft mit einem unaussprechlichen Dufte
über die ganze Halbinsel erfüllen, indem die Ausdünstungen
so vielerlei Arten von wohlriechenden Pflanzen sich ver-
einigen, und hiedurch sich auf hohem Meere der Flotte
Alexanders des Grossen zuerst die Nähe Arabiens ange-
kündigt haben. Alle diese Erzählungen sind falsch, denn
das Cinnamomum und Cinnamum wächst in Aethiopien,
dessen Bewohner mit den Troglodyten durch Heirathen
vermischt sind. Diese kaufen die Waaren von ihren Grenz-
nachbaren, und fahren sie über weite Meere auf Flössen^
welche durch keine Steuerruder gelenkt, durch keine Ruder
weiter getrieben werden, keine Segel haben und keiner ge-
schickten Leitung, sondern nur der Kühnheit dieser Men-
schen anvertrauet sind. Ueberdiess befahren sie das Meer
mitten im Winter, wo die Ostwinde wehen, welche ihre
Fahrzeuge geradeswegs durch die Meerbusen treiben und
mit einem Nordwest um ein Vorgebirge herum in den Hafen
der Gebaniter, welcher Ocilia heisst, bringen. Deswegen
besuchen sie diesen Hafen am meisten, kehren, wie man
behauptet, kaum vor dem 5. Jahre wieder zurück, und viele
30 Zwölftes Buch.
von ihnen kommen um. Sie führen dagegen gläserne, und
kupferne Gesehirre, Kleider, Schnallen, Armbänder und
Halsbänder mit sich zurück. Dieser Handel besteht also
hauptsächlich der Eitelkeit der Frauen wegen.
Der Strauch selbst wird höchstens 2 Cubitus hoch,
4 Finger dick, theilt sich gleich über der Erde in 6 Aeste,
und sieht aus, als wenn er trocken wäre. Wenn er grünt
hat er keinen Geruch, ein Blatt wie Origauum , liebt die
Trockenheit, ist unfruchtbarer bei Regenwetter, und lässt
sich leicht abhauen. Er wächst zwar in Ebenen, aber in
den dichtesten Hecken und Dorngesträucb, und ist daher
schwer zu sammeln. Man holt nicht davon, wenn es nicht
der Gott erlaubt hat. (Einige verstehen darunter den Ju-
piter, den jene Völker Assabinus nennen.) Durch ein Opfer
von 44 Stieren, Ziegen und Widdern erlangt man die Er-
laubniss zu hauen, was jedoch weder vor Sonnenaufgang
noch nach Sonnenuntergang gestattet ist. Die Zweige zer-
theilt der Priester mit einem Beile, und legt einen Theil
für die Gotthoit zurück; das Uebrige bindet der Kaufmann
in Bündel. Man giebt auch an , es werde durch die
Sonnenwärme in 3 Theile getheilt, hernach 2 Theile da-
von genommen, was nämlich der Sonne gewichen wäre?
bliebe zurück und verbrenne von selbst.
Die dünnsten Theile der Reiser, von der Länge einer
Palme, sind von vorzüglichster Güte. Dann folgt dasjenige,
was ihm am nächsten steht, aber kürzer ist, und so der
Ordnung nach weiter. Das schlechteste befindet sich in
der Nähe der Wurzel, weil daselbst am wenigsten Rinde
ist, und die Rinde gerade das angenehmste Aroma enthält^
Aus diesem Grunde zieht man die obersten Spitzen, wo=
die meiste Rinde ist, vor. Das Holz selbst wird wegen
seiner Schärfe, die dem Origanum gleicht, verworfen und
heisst Holzzimmti). Ein Pfund Zimmt kostet 10 Denare.^
Einige führen 2 Arten Zimmt an, eine weisse und eine
schwärzliche. Ehemals ward die weisse vorgezogen, jetzt
•) Xylocinnamomum.
• Zwölftes Buch. 31
hingegen schätzt man die schwarze, und zieht selbst die
scheckige der weissen vor. Die sicherste Probe der Güte
ist, dass er nicht rauh sei, und wenn man ihn aneinander
reibt, sich nicht leicht abschabe. Man verwirft namentlich
den weichen, und dessen Rinde wenig Zusammenhang hat.
Das Recht ihn zu verhandeln geht allein vom Könige
der Gebaniter aus, welcher den Verkauf desselben öffent-
lich ankündigen lässt. Ehemals kostete das Pfund
1000 Denare. Dieser Preis wurde um die Hälfte vermehrt,
weil, wie man sagt, die Barbaren aus Zorn die Wälder an-
gezündet hätten; ob diess wegen Ungerechtigkeiten der
Machthaber oder von ohngefähr geschehen ist, weiss man
nicht genau. Bei mehrern Schriftstellern finde ich auge-
führt, dort weheten so heisse Südwinde, dass sie im Sommer
die Wälder in Brand steckten. Kronen von Zimmt, in mit
Figuren geschmückten Golde eingeschlossen hat zuerst der
Kaiser Vespasiamus in den Tempeln des Capitols und des
Friedens geweihet. Eine Wurzel des Zimmtbaumes von
bedeutendem Gewichte haben wir in dem Tempel des Pa-
latii, welchen dem Kaiser Augustus seine Gemahlin er-
richtet hatte, gesehen; sie lag iu einer goldenen Schale,
und die aus ihr fliessenden Tropfen erhärteten alljährig zu
Körnern, bis endlich diess Heiligthum durch eine Feuers-
brunst zerstört wurde.
43.
Die Cassia ist ebenfalls ein Strauch, wächst in der
Nähe der Zimmtfelder, wird aber auf Bergen dicker, hat
mehr eine dünne Haut als Rinde, und erhält im Gegensatz
zum Zimmt dann Werth, wenn man diese von ihm abnehmen
oder dünner machen kann. Er wird 3 Cubitus hoch, und
seine Farbe ist dreifach; von seinem ersten Heryorsprossen
an bis zu 1 Fuss Höhe erscheint er weiss, dann bis zu
IV2 Fuss Höhe röthlich und hierauf schwarz. In letzterm
Zustande schätzt man ihn am meisten, auf ihn folgt der
röthliche, den weissen aber verwirft man. Man schneidet
die Reiser in einer Länge von 2 Fingern ab und nähet sie
in frische Häute von vierfüssigen Thieren, die zu dem Ende
32 Zwölftes Buch.
getödtet werden, damit die durch Fäulniss derselben ent-
stehenden Würmer das Holz abnagen und die Rinde aus-
höhlen, welche wegen ihrer Bitterkeit vor dem Anfressen
gesichert ist. Man hält diejenige Rinde für die beste, welche
frisch ist, den zartesten Geruch besitzt, im Munde eher ein
scharfes Brennen als Beissen verursacht, purpurfarbig aus-
sieht uijd von der die grösste Menge verhältnissmässig am
wenigsten wiegt; auch sollen die Röhren der Rinde kurz
und nicht zerbrechlich sein. Man belegt eine solche mit
dem ausländischen Namen Lada. Eine andere Sorte heisst
wegen ihres Geruchs Cassiabalsamodes, schmeckt aber bitter,
und eignet sich daher besser zum Arzneigebrauch, sowie
die schwarze zu Salben, Bei keiner Waare sind die Preise
verschiedener, denn von der besten kostet das Pfund 50,
von den übrigen das Pfund 5 Denare.
Die Aufkäufer haben noch eine Sorte gemacht, welche
sie die lorbeerartige i), mit dem Beinamen zimmtähnliche
nennen, und in Quantitäten von 1 Pfund für 300 Denare
ausbieten. Man verfälscht sie mit Styrax, und, wegen der
Aehnlichkeit der Rinde, mit sehr dünnen Reisern des Lor-
beerbaumes. Ja sie wird auch in unserm Welttheile ange-
pflanzt, und wächst an der äussserten Grenze unseres
Reiches, da wo es der Rhein bespült, in den Bienengärten.
Ihm mangelt aber jene von der Sonne gedörrte Farbe, und
daher auch zugleich jener Geruch.
44.
Aus dem an die Cassia und den Zimmt grenzenden
Distrikte wird auch das Cancamum^) und das Tarum^)
eingeführt, aber durch das Gebiet der nabatäischen Troglo-
dyten, welche von den Nabatäern weggezogen sind und
«ich daselbst festgesetzt haben.
45.
Daher wird auch das Serichatum und Gabalium
*) Daphnoides.
2) Ein Gummi. Etwa der Stocklack? Nach Sprengel soll es eine
-Art MyiThe sein. 3) Aloeholz von Aloexylon Agallochum L.
Zwölftes Buch. 33
gebracht, welche die Araber unter sich verbrauchen; sie sind
in unserm Welttheile nur dem Namen nach bekannt, wachsen
jedoch mit dem Zimmt und der Cassia zusammen. In-
dessen kommt das Serichatum mitunter zu uns und wird
von Einigen uuter die Salben gethan. Für 1 Pfund bezahlt
man 6 Denare.
46.
Der Myrobalanenbaum 1) wächst in Troglodytice,
Thebais und dem Theile von Arabien, welcher Judäa von
Aegypten scheidet, und findet Anwendung bei Salben, wie
schon sein Name sagt, der ferner anzeigt, dass die Frucht
eine Eichel ist. Das Blatt sieht dem des Heliotropium, von
welchem wir bei den Kräutern reden werden 2), ähnlich.
Die Frucht hat die Grösse einer Haselnuss; die in Arabien
wachsende heisst die syrische und ist weiss, die aus The-
bais kommende sieht dagegen schwarz aus. Jene hat den
Vorzug wegen des vortrefflichen Oeles, welches aus ihr ge-
presst wird, die thebaische giebt aber eine reichlichere Menge
Oel. Die troglodytische ist die geringste Sorte. Einige
ziehen allen diesen die äthiopische vor, welche auf Feldern
wächst, schwarz, ohne Fett ist, einen kleinen Kern hat,
deren ausgepresster Saft aber stärker riecht. Die ägyp-
tische soll fetter sein, eine dickere Rinde und röthliche
J Farbe haben; auch soll sie, ob sie gleich in Sümpfen
wächst, kürzer und trockner sein, hingegen die arabische
grün und zarter, und, weil sie auf Bergen wächst, dichter.
Die beste soll die peträische sein, welche aus einer bereits
angeführten Stadt kommt, eine schwarze Rinde und einen
weissen Kern hat. Die Salbenhändler pressen nur die
Schale aus, die Aerzte nur den Kern, indem sie sie zuvor
unter zuweiligem Zusätze von warmem Wasser zerstossen.
47.
Aehnlich wie die Myrobalane und ihr zunächst ge-
braucht man zu Salben eine Palme in Aegypten, welche
') Myrobalanuin. Hyperanthera Moringa Yahl; die Behennuss.
2) Im XXII. B. 29. Cap.
Wittstein: Plinius. m. Bd. q
34 Zwölftes Buch.
Adipsos genannt wird, deren Frucht grün ist, den Geruch
eines Quittenapfels hat, und inwendig kein Holz enthält ').
Man sammelt sie kurz vor der Reife ein. Die Frucht^
welche man auf dem Baume zurücklässt, heisst Phönico-
balanus^), wird schwarz, und berauscht die davon Essen-
den. Von der Myrobalaue kostet das Pfund 2 Denare. Die
Salbenbereiter benennen auch das Unreine (den Absatz)
der Salben mit diesem Namen.
48.
Auch der wohlriechende Calamus^), der in Ara-
bien wächst, kommt in Indien und Syrien und in letzterm
Lande in einer Entfernung von 50 Stadien vom Meere ^)
am meisten vor. Zwischen dem Berge Libanus, und einem
andern unbekannten, nicht (wie einige geglaubt haben)
dem Antilibanus, in einem nicht sehr grossen Thale neben
einem See, dessen Sumpf wasser im Sommer austrocknet,
und 30 Stadien vom Antilibanus wächst der wohlriechende
Calamus und der wohlriechende Juncus 5). Ich will
jetzt auch den letztern abhandeln, da gerade von den
Stoffen zu den Salben die Rede ist, obgleich ich den Kräu-
tern ein anderes Buch gewidmet habe. Beide sind dem
Ansehn nach von den übrigen Pflanzen ihrer Art nicht
verschieden; der Calamus aber besitzt einen vortrefflichen
Geruch, und lockt dadurch schon von Weitem an, ist auch
weicher anzufühlen. Die bessere Qualität davon bricht
weniger leicht und mehr spahnweise nach Art des Rettigs.
Im Rohrstengel befindet sich ein spinugewebeartiges Mark,
welches die Blume heisst; jemehr davon vorhanden, um so-
besser ist das Rohr. Ausserdem wird das geschätzt, wel~
ches schwarz ist; an andern Orten hingegen verwirft man
diess. Je kürzer und dicker, und je zäher beim Brechen,.
*) D. h. keinen Samen hat.
2) Plinius versteht darunter die unreife Frucht der Dattelpalme,
Phoenix dactylifera.
3) Calamus odoratus. Acorus Calamus L?
'') D. i. dem mittelländischen.
^) luncus odoratus. Cyperus rotundus L.
Zwölftes Buch. 35
um so besser ist es. Vom Calamus kostet das Pfund 11,
vom Juncus 15 Denare. Der wohlriechende Juncus soll
sich auch in Campanien finden,
49.
Wir sind jetzt von den gegen den Ocean hin liegen-
den Ländern in diejenigen gekommen, welche sich in un-
sere Meere beugen. In Afrika, welches zunächst unter
Aethiopien liegt, tröpfelt innerhalb seiner Sandwüsten das
Hammoniacum .gleich einem Harze oder Gummi her-
vor; diesen Namen hat es von dem Orakel des Hammon,
in dessen Nähe der Baum, den man Metopion nennt, wächst ^).
Es giebt zwei Arten, das bröckliche -), welches dem männ-
lichen Weihrauch ähnlich sieht, und am meisten geschätzt
wird, und das massige 3), welches fett und harzig ist.
Man verfälscht es mit Sand, und zwar so, dass es aussieht,
als ob es im Entstehungsmomente damit in Berührung
gekommen wäre. Dasjenige ist daher das beste, was aus
den kleinsten und reinsten Körnern besteht, und von diesem
kostet das Pfund 40 Ass.
50.
Von dem Sphagnos, was unterhalb dieser Gegenden
wächst, wird das von der eyrenaischen Provinz kommende
am meisten gelobt. Andere nennen es Bryon. Die zweite
Sorte bildet das cyprische, die dritte das phönicische. Es
soll auch in Aegypten, ja sogar in Gallien vorkommen,
und ich möchte es auch nicht bezweifeln, denn es giebt
unter diesem Namen eine Art grauen haarigen Mooses an
den Bäumen, besonders den Eichen, welches aber vortreff-
lich riecht. Den ersten Rang verdient das weisseste und
höchste, den zweiten das röthliche; das schwarze, desglei-
chen das auf Inseln und Felsen wachsende, sowie das,
was den Geruch von den Palmen und nicht seinen eigenen
hat, werden verworfen.
') Das Ammoniacum, ein Gummiharz, kommt von keinem Bamne
sondern von einem Doldengewäche , Ferula Orientalis oder Dorema
armeniacum.
^) thrauston. ^) phyrama.
3*
36 Zwölftes Buch.
51.
In Aegypten wächst ein Baum Namens Cypros^) mit
Blättern desZiziphus 2), und dem Coriander ähnlichen, weissen,
wohlriechenden Samen. Diesen kocht man in Oel, drückt
aus, und giebt ihm nun den Namen Cyprus. Ein Pfund
davon kostet 5 Denare. Der beste Cyprus wird aus dem
canopischen, welcher an den Ufern des Nils wächst, berei-
tet, der zweite kommt von Ascalon in Judäa, der dritte
von der Insel Cypern und besitzt einen angenehmen Ge-
ruch. Einige sagen, diess sei derselbe Baum, welcher in
Italien Rainweide ^) genannt wird.
52.
In demselben Distrikte wächst auch der Aspalathos^),
ein weisser Dornstrauch, von der Grösse eines gewöhnlichen
Baumes, und mit rosenrother Blüthe. Die Wurzel dient
zu Salben. Man sagt, nur die Sträucher, auf welche sich
der Regenbogen herabkrümme, erhielten jenen angenehmen
Geruch, wie der Aspalathos, dieser aber bekäme dadurch
einen äusserst lieblichen. Einige nennen ihn Erysiscep-
trum^). Andere Sceptrum. Seine gute Beschaffenheit be-
steht in der röthlichen oder feurigen Farbe, in der Dichtig-
keit beim Anfühlen und in dem Gerüche nach Bibergeil.
1 Pfuiid davon kostet 5 Denare.
53.
In Aegypten wächst auch das Maron^), was aber
schlechter als das lydische ist, und grössere scheckige
Blätter, während dieses kurze, kleine und wohlriechende
hat.
54.
Aber allen wohlriechenden Specereien wird der ßal-
') Lawsonia alba Lam.
2) Rhamnus Zizj'j^hus L. Sextus Pampinius brachte diesen Strauch
zu Augusts Zeiten aus Syrien nach Italien. Brustbeerenbaum.
3) Ligustruiii. Ligustrum vulgare L.
^) Genista acanthoclada Dec; nach Andern: Aquilaria- Arten.
Aloeholz? ^) Vergl. XXIV. B. 69, Cap.
^) Origanuna sipyleum L.
Zwölftes Buch. 37
sambaum') vorgezogen, der nur allein dem jüdischen
Lande verliehen ist, und ehedem nur in 2 königlichen Gär-
ten anzutreffen war, von denen der eine nicht mehr als
20 Jugera und der andere noch weniger umfasst. Die
beiden Kaiser Vespasian zeigten diess Bäumchen zuerst
in Rom, und es muss rühmlich erwähnt werden, dass wir
seit dem grossen Pompejus auch Bäume im Triumphe auf-
geführt haben. Jetzt dient er uns, jetzt ist er uns sammt
seinem Volke zinsbar, und wir finden ihn von ganz ande-
rer Beschaffenheit, als ihn unsere und auswärtige Schrift-
steller beschrieben haben; denn er gleicht mehr einem
Weinstocke als einer Myrte. Man sagt, er werde wie der
Weinstock, kurz nach dem Binden durch Schösslinge fort-
gepflanzt; er bedeckt die Hügel nach Art der Weinpflan-
zungen, und die Pflanzen halten sich selbst ohne Stützen.
Auf gleiche Weise beschneidet man ihn wenn er buschig
wird; durch Behacken gewinnt er an Ansehn, wächst schnell
und trägt im 3. Jahre Früchte. Die Blätter, welche ihm
nie mangeln, sehen denen der Gartenraute ähnlich. Die
Juden haben wider ihn gewüthet, wie gegen ihr eigenes
Leben; dagegen vertheidigten ihn die Römer, und so ist
denn sogar für einen Strauch gefochten worden. Jetzt
lässt ihn die kaiserliche Casse pflanzen, und niemals war
er früher in grösserer Menge und höher vorhanden. Seine
Höhe beträgt nicht über 2 Cubitus.
Es giebt drei Arten dieses Baumes. Eine mit dünnem
und haarigem Schöpfe heisst der leicht zu beschneidende 2);
die zweite von rauhem Ansehn, gekrümmt, buschig und
wohlriechender: der rauhe ^); die dritte mit glatter Rinde
heisst die lange ^) , weil er höher als die übrigen ist.
Letzterer hat den 2. Rang, am schlechtesten ist der erst-
genannte. Der Same kommt im Geschmack dem Weine
am nächsten, hat eine röthliche Farbe und enthält etwas
Fett; die leichten und grünen Körner sind schlechter; die
') Balsamum. Amyris Gileadensis L.
2) eutheriston. ^) trachy. ^) eumeces
38 Zwölftes Buch.
Aeste dicker wie die der Myrte. Er wird mit Glas, Steinen
oder knöchernen Messern geritzt. Man darf ihn im leben-
den Zustande nicht mit einem Eisen verletzen, sonst stirbt
er sogleich ab, dennoch kann man das Ueberflüssige ohne
Schaden damit abschneiden. Die Hand dessen, der ihn
anschneidet, muss so gelenkt werden, dass sie mit dem In-
strumente nicht tiefer als in die Rinde kommt.
Aus dem Schnitte fliesst ein Saft, der Opobalsamum
genannt wird, einen äusserst lieblichen Geruch besitzt, aber
nur in kleiuen Tro))feu hervorquillt, und mittelst Wolle in
kleinen Hörnern aufgefangen wird. Aus diesen wird er in
neue irdene Geschirre gethan, gleicht jetzt einem dicken
Oele und sieht, so lange er noch frisch ist, weiss aus.
Später wird er röthlich, dabei zugleich hart und durch-
scheinend. Als Alexander der Grosse dort Krieg führte,
war das rechte Maass an einem Sommertage eine Muschel
voll. Die ganze Erndte aber betrug aus dem grossen
Garten 6, aus dem kleinen 1 Congius, und diese Quantität
wurde mit dem doppelten Gewichte Silber aufgewogen.
Jetzt geben die einzelnen Bäume eine reichlichere Ausbeute;
man ritzt sie jeden Sommer und berechnet nachher den Preis.
Auch die Reiser machen einen Handelsartikel aus. Das
Abschneiden der Sprösslinge, welche nur alle 5 Jahre
genommen werden können, ist um 800 Sesterzen verpachtet.
Man nennt die Reiser Xylobalsamum und kocht sie zur
Bereitung von Salben aus. Die Officinen haben ihn statt
des Saftes untergeschoben. Auch die Rinde hat ihren Werth
zur Darstellung von Arzneien. Den ersten Rang behaupten
aber die Thränen, den zweiten die Samen, den dritten die
Rinde, und am schlechtesten ist das Holz. Von letzterm
ist das buxbaumgelbe, welches am angenehmsten riecht,
das beste; von dem Samen aber verdient der den Vorzug,
welcher am grössten, und am schwersten ist, auf der Zunge
beisst und im Munde brennt. Man verfälscht ihn mit derü
Samen vom Hypericum petraeum J); diesen Betrug erkennt
•) Hypericum crispum L,
Zwölftes Buch. 39
man aber an der Grösse, Leere, Länge, dem schwachen
Gerüche und pfefferartigen Geschmacke desselben.
Proben der Aechtheit der Thränen sind, dass sie fett,
klein, schwach röthlich und beim Reiben angenehm riechen-
Die weisse Farbe ist hier im Range die zweite, noch
schlechter die grüne und dichte, am schlechtesten die
schwarze; der Balsam wird nämlich, wie das Oel, durchs
Alter immer dunkler. Von allen Sorten schätzt man die,
welche vor der öamenreife geflossen ist, am meisten.
Man verfälscht den Opobalsam auch mit dem Safte des
Samens selbst, und diesen Betrug kann man nur an dem
bitterern Geschmacke erkennen, denn er muss milde, nicht
säuerlich, und bloss von scharfem Gerüche sein. Er wird
auch mit dem Oele der Rose, des Cyprus, Mastix, der Ba-
lane, Terebinthe, Myrte, mit Harz, Galbanum, cyprischem
Wachse, jenachdem man eines oder das andere passend
findet, verfälscht. Am wenigsten taugt das Gummi dazu,
weil dieses, wenn man es in der Hand wendet, schon von
selbst anklebt und im Wasser untersinkt, also auf doppelte
Weise erkannt werden kann. Auch der reine muss an-
kleben, aber der mit Gummi versetzte wird trocken und
zerbricht in Blättern. Auch durch den Geschmack kann
man ihn untersuchen. Der mit Wachs oder Harz ver-
fälschte bildet beim Verbrennen eine schwärzere Flamme.
Der, welcher Honig enthält, zieht, wenn man ihn in der
Hand hält, sogleich die Fliegen herbei. Ausserdem wird
ein Tropfen des echten im warmen Wasser verdickt und
sinkt zu Boden, der verfälschte schwimmt, wie Oel, oben-
auf, und der Metopium i) haltige ist dann mit einem
weissen Ringe umgebeu. Die beste Probe besteht darin,
dass er Milch zum Gerinnen bringt, und in Kleidern keine
Flecke macht. Bei keinem andern Gegenstande ist der
Betrug augenscheinlicher, denn man verkauft den Sextarius,
welchen di« Regierung für 1000 Denare ablässt, zu 300 De-
') Das ausgepresste Oel der bittern Mandehi. Vergl. XIII. B^
'-2. Caip.
40 Zwölftes Buch..
Daren. So weit geht man, diesen Saft zu verdünnen! Vomv
Xylobalsam kostet das Pfund 6 Denare.
55.
Syrien, welches oberhalb Phönicien an Judäa grenzt,
liefert aus der Gegend von Gabala^ Marathus und vom
Berge Casius in Seleucia den Styrax^). Der Baum hat
denselben Namen und gleicht einem Quittenbaume; das
Auströpfelnde schmeckt anfangs herbe, dann angenehm.
Der Stamm hat in seinem Innern Aehnlichkeit mit einem
Rohre und strotzt von Safte. Beim Aufgange des Hunds-
sternes fliegen kleine geflügelte Wünaaer auf ihn und nagen
ihn an, daher sieht er von den anhängenden Spähneß
schmutzig aus. Ausser dem an obigen Orten vorkommen-
den Styrax schätzt man auch den von Pisidien, Sidon, Cy-
pern, Cilicien; der schlechteste ist der cretische. Den vom
Amanus in Syrien ziehen die Aerzte, aber noch mehr die
Salbenhändler, alle Völker aber den vor, welcher röthlich^
fettig und zähe ist; eine schlechtere Sorte bildet der kleien-
artige 2) und mit grauem Schimmel überzogene. Man ver-
fälscht ihn mit Cedernharz oder Gummi, auch mit Honig
oder bittern Mandeln; alle diese Untugenden erkennt man
am Geschmacke. Von dem besten kostet das Pfund
17 Denare. Auch aus Pamphylien führt man Styrax aus,
der aber schärfer und minder saftig ist»
56.
Auch Galbanum liefert Syrien von demselben Berge
Amanus; die Mutterpflanze ist eine Art Steckenkraut^),
welche man von dem diesem Gummiharze gleichfalls ge-
gebenen Namen Stagonitis nennt. Das am meisten ge-
schätzte ist knorpelig, ähnlich dem Hammoniakum, und nicht
holzig. Es wird mit Bohnenmehl oder Sagapenum ver-
fälscht Das reine verjagt beim Brennen durch seinem
•) Styraxofficinalis L.
2) Unser Styrax calamitus.
3) Ferula. Die wahre Mutterpflanze ist noch nicht mit Sicher-
.^eit bekannt.
Zwölftes Buch. 4'I
Dunst die Schlangen. 1 Pfund davon kostet 5 Denare..
Es dient bloss zu Arzneien.
57.
Dort wächst auch die Pflanze Panax^), welche zu:
Salben gebraucht wird, sie kommt aber auch in Psophis,
einer Landschaft Arcadiens, bei den Quellen des Eryman-
thus, in Afrika und Macedonien vor, Es ist eine beson-
dere Art Steckenkraut, 5 Cubitus hoch, hat anfangs 4,
später 6 Blätter die auf der Erde liegen, sehr gross und-
rund sind, an der Spitze aber dem Oelblatte gleichen, und
Samen, welche wie bei der Fernla in Büscheln '^) herab-
hängen. Der Saft wird durch Einschneiden und zwar zur
Zeit der Erndte vom Stengel, und im Herbste von der
Wurzel gesammelt. Man schätzt von dem frischgesammel-
ten den weissen, später, auf der Waage, den blassen; der
schwarze wird verworfen. 1 Pfund des besten kostet
2 Denare.
58.
Von dieser Pflanze unterscheidet sich das sogenannte
Spondylion^) nur durch die Blätter, welche bei letzterem
kleiner, und wie die der Platane, getheilt sind. Es wächst
auch an schattigen Orten. Der Same hat denselben Namen,
ist dem Silis ähnlich, und wird bloss in der Arzneikundc
angewandt.
59.
In Syrien wächst ferner der Malobathron*), ein Baum
mit aufgerollten und dürr aussehenden Blättern, aus denen
ein zu Salben dienendes Oel gepresst wird. In Aegypten
findet er sich noch häufiger, aber besser ist das indische
Oel. Man berichtet, er wüchse dort in Sümpfen wie die
Linse, das Oel röche stärker als Safran, sei schwärzlich,
rauh, und schmecke salzig. Das weisse ist weniger be-
liebt. Wenn es alt wird, bedeckt es sich rasch mit
') Panax. Pastinaca Opopanax L. ^) Muscaria.
3) Heracleum Spondylion L. '*) Laurus Cassia oder L. Malaba--
thrum L.
42 Zwölftes Buch.
Schimmel. Auf der Zunge muss es ähnlich wie die Narde
schmecken. Sein Geruch aber, wenn es mit Wein erhitzt
wird, übertrifft alle anderen. Es steht in erstaunlich
hohem Preise, denn 1 Pfund kostet 300 Denare; von der
andern Sorte kostet 1 Pfund 60 Denare.
60.
Es giebt auch ein Oel Namens Omphacium. Man
bereitet es aus 2 Arten, nemlich aus der Olive und den
Weinbeeren, und auf gleiche Weise; eine Sorte presst man
aus den Oliven die noch weiss sind, die andere, schlechtere
aus der Druppa, so heisst nemlich die Olive bevor sie zum
Essen reif ist, aber ihre Farbe schon verändert. Der
Unterschied besteht darin, dass dieses Oel grün, jenes weiss
aussieht. Aus dem Weinstocke bereitet man die Psythia
oder Amminea i), wenn die Beeren von der Grösse einer
Kichererbse sind, vor dem Aufgange des Hundssterns. So-
bald die Trauben weich werden, wird der Saft 2) ihnen ge-
nommen, und an der Sonne gezeitigt. Nächtlicher Thau
muss dabei abgehalten werden. Der Saft wird in einem
irdenen, zuweilen auch in einem kupfernen Gefässe aufbe-
wahrt. Der röthliche, pikante und trocknende ist der
beste. 1 Pfund Omphacium kostet 6 Denare. Man berei-
tet ihn auch auf andere Weise, indem man nemlich die un.
reifen Trauben im Mörser zerstösst, an der Sonne trocknet
und darauf in kleine Brode formt.
61.
Hierher gehört auch dasBryon, die Traube der weissen
Pappel. Das beste findet sich bei Gnidus und in Carlen
an dürren, rauhen Orten; eine zweite Sorte auf der Ceder
in Lycien. Ferner gehört hieher die Oenanthe, die
Traube des wilden Weinstocks ^) ; man sammelt sie zur
'.Zeit der Blüthe, d. i. wenn sie am besten riecht, trocknet
sie im Schatten auf Leinwand, und thut sie in Gefässe.
Die beste kommt aus Parapotamia, die zweite von Antio-
') Rosinenwein. ^) melligo.
•'j Vitis Labrusca L.
■ Zwölftes Buch. 43
chia und Laodicea in Syrien, die dritte von den medischen
Bergen. Letztere eignet sich besser zu Arzneien. Einige
ziehen allen diesen diejenige vor, welche auf der Insel
Cypern vorkommt. Die in Afrika vrachsende wird nur
von den Aerzten angewandt, und heisst Massaris. Alle
aber sind besser veu der weissen, als von der schwarzen
wilden Rebe.
62.
Ausserdem giebt es noch einen Baum, der zu denselben
Salben dient, und den Einige Elate, was bei uns Tanne
heisst, Andere Palme, noch andere Spat he nennen. Am
meisten schätzt man die ammoniacische , dann folgt die
ägyptische, dann die syrische; sie ist nur an dürren Orten
wohlriechend, und schwitzt einen fetten Saft aus, der den
Salben zugesetzt wird, um das Oel milder zu machen.
63.
In Syrien wächst auch eine Art Zimmt, den man
Comacum^) nennt. Aus dessen Nuss wird ein Saft ge-
presst, der zwar sehr von dem des echten Zimmt abweicht,
jedoch fast eben so angenehm riecht. Ein Pfund kostet
40 Ass.
') Muthmaasslich Myristica moschata L, die freilich nicht in
Syrien wächst.
Dreizehntes Euch.
Von den fremden Bäumen, den Salben und Balsamen.
1.
Bisher besassen nur die Wälder die schätzbarsten
Bauch werke, und jedes derselben wurde bewundert; dem
Luxus hat es aber gefallen, sie zn vermischen, und aus
allen ein einziges zu bereiten. So entstanden denn die
wohlriechenden Balsame i). Wer' sie zuerst bereitet hat,
ist nicht angegeben. In den Zeiten Troja's kannte man
sie noch nicht, auch opferte man damals nicht mit Weih-
rauch, sondern man wusste bloss von dem Dufte, der sich
aus dem bei dem Gottesdienste brennenden Cedern- und
Citronenholze entwickelte. Der Rosensaft war aber schon
erfunden; wir werden ihn noch bei dem Lobe des Oeles
anführen. Die Salben müssen eine Erfindung der Perser
sein, denn diese triefen davon, und vertilgen durch Anwen-
dung künstlicher Wohlgerüche den aus ihrem Halse sich
entwickelnden Gestank. Zuerst hat, so viel ich wenigteus
finde, Alexander bei der Eroberung des Lagers des Königs,
Darius unter andern Geräthschaften desselben eineni
Schrank mit Salben erbeutet. Nachher wurde das Ver-
gnügen daran von den Römern sogar unter die löblichsteui
und anständigsten Güter des Lebens gerechnet, und man.
fing selbst an, diese Ehre den Verstorbeneu angedeihen zu:
lassen, weshalb wir ausführlicher davon reden müssen..
*) unguenta, Salben.
Dreizehntes Buch. 45
Diejenigen Arten unter ihnen, welche nicht von Strauciige-
■wäcbsen kommen, sollen jetzt bloss dem Namen nach an-
gezeigt werden; das Nähere über sie wird an ihren Orten
berichtet.
2.
Einige Salben haben ihre Beinamen von dem Vater-
lande, andere von den in ihnen enthaltenen Säften, andere
von den Bäumen, andere aus andern Ursachen bekommen.
Zuerst ist zu wissen nöthig, dass sich die Mode oft geän-
dert, und der Euhm der einen auf andere tibergegangen ist.
Vormals war die auf der Insel Delos die geschätzteste, her-
nach ward es die meudesische. Der Grund davon liegt
nicht allein in der Mischung und Zusammensetzung, sondern
ein und dieselben Säfte haben bald hier bald da den Vor-
zug gehabt, oder sind ausgeartet. Der Lilienbalsam i)
von Corinth stand lange Zeit im Ansehn, später der von
€ycicum; ebenso der Rosenbalsam von Phaselus, dessen
Ruf jetzt auf Neapel, Capua und Präneste übergegangen
ist. Der Safranbalsam zu Soli in Cilicien stand lange Zeit
im Rufe, nachher der rhodische. Ebenso der Traubenbal-
sam-) auf Cypern, dann in Aegypten und hierauf zu
Adramytteum. Der Majoranbalsam 3) auf Cos, später eben-
daselbst der Quittenbalsam 4). Der cyrische auf Cypern,
hernach in Aegypten, wo auch auf einmal der mendesische
und metopische angenehmer bereitet ward. Bald darauf
vertrieb der Palmbalsam ■^) diese, und Hess Aegypten das
Lob des cyprischen. Athen hat den Ruf seines parathe-
näischen beständig behalten. Es gab auch einen Parderbal-
sam in Tarsus, dessen Zusammensetzung und Anfertigung
aber in Vergessenheit gekommen ist. Auch der Narcissen-
balsam aus der Narcissenblume wird nicht mehr bereitet.
Die Zubereitung ist doppelter Art, man macht sie
nämlich entweder flüssig oder fest. Der flüssige Balsam
*) Irinum. '■') Oenanthinum. ^) Amaracinum. *) Melinum.
') Phönice.
46 Dreizehntes Buch.
besteht fast nur aus verschiedenen Oelen, der feste aus
wohlriechenden Specereien; diese heissen Stymmata, jene
Hedysmata. Ein dritter unter diesen ist der gefärbte, der
aber von Vielen nicht geachtet wird, und um desswillen
man Drachenblut ^) und rothe Ochsenzunge -) anwendet.
Zusatz von Salz mässigt die Natur des Oeles. Zu denen
man Ochsenzunge setzt, wird kein Salz gethan. Harz und
Gummi fügt man dem festen Balsam zu, um den Geruch
zu binden; denn werden sie nicht zugesetzt, so verschwin-
det und verfliegt dieser äusserst schnell.
Der am leichtesten anzufertigende und auch wahr-
scheinlich der erste unter den Balsamen war der aus Bryum
und Balanenöl bereitete, von denen oben schon die Rede
war. Darauf wurde der mendesische vermehrt, indem man
dem Balanenöl 3), Myrrhe und noch Metopium zumischte.
Letzteres ist ein Oel, was in Aegypten aus bittern Mandeln
gepresst wird. Hiezu hat man noch Traubenkernöl, Car-
damom, Juncus, Calmus, Honig, Wein, Myrrhe, Samen vom
Balsambaum, Galbanum undTerebinthenharz gethan. Heut-
zutage rechnet man den, welcher aus Myrtenöl, Calamus,
Cypresse, Cyprus, Mastix und Granatschale besteht, unter
die geringsten, und glaubt daher, dass es der älteste sei.
Ich möchte aber annehmen, dass die Rosen-Balsame am
meisten verbreitet sind, weil diese Blume überall häufig
wächst. Die Zubereitung des Rosen -Balsams war daher
auch lange Zeit sehr einfach, denn man setzte zum Ompha-
cium Rosenblüthe, Safranbalsam, Drachenblut, Calamus,
Honig, Gewürzbinsen, reines Salz oder Ochsenzunge und
Wein. Ebenso bereitete man den Safranbalsam; jedoch
mit mehr Drachenblut, Ochsenzunge und Wein, desgleichen
den Majoranbalsam, aber mit mehr Omphacium und Cal-
mus. Letzterer wird am besten in Cypern und Mitylene
bereitet, wo der Majoran ^) in reichlicher Menge wächst.
Man vermischt auch wohlfeilere Oelarten aus Myrten, Lor-
') cinnabaris. ^) anchusa. Anchusa tinctoria L.
3) Behenöl. ■*) sampsuchus. Origanum Majorana L.
Dreizehntes Buch. 47
beeren, und setzt ihnen Majoranbalsam, Lilien, Bockshorn-
samen, Myrrhe, Cassia, Narde, Gewürzbinsen und Zimmt
hinzu. Auch aus den Quittenäpfeln und der Seifenpflanze *)
bereitet man, wie wir noch anführen werden, das Quittenöl,
welches unter Zusatz von Omphacium, Cyperbalsam,
Sesamöl , Opobalsam , Binsen, Cassia und Stabwurz -) in
Balsame eingeht. Der susische Balsam ist der feinste von
allen; er besteht aus Lilien, Balanen, Calamus, Honig,
Zimmt, Safran und Myrrhe. Der cyprische enthält Cyprus,
Omphacium, Cardamom, Calmus, Rosenholz und Stabwurz;
Einige setzen ihm noch Myrrhe und Panace zu. Der beste
kommt von Sidon, dann folgt der ägyptische, wenn man
kein Sesam 3) hinzuthut. Er hält sich 4 Jahre lang. Durch
Zimmt wird er wieder aufgefrischt. Den Bockshornbalsam ^)
bereitet man aus frischem Oele, Cyperus, Calamus, Stein-
klee, Bockhorn, Honig, Marum und Majoran. Dieser war
zur Zeit des Lustspieldichters Menander der berühmteste.
Lange nachher folgte der seines Rufes wegen sogenannte
Grosse •>), dessen Bestandtheile ßalanenöl, Opobalsam, Ca-
lamus, Binse, Xylobalsam, Cassia und Harz waren. Eine
besondere Eigenschaft desselben ist, dass, wenn er beim
Kochen so lange bewegt wird, bis er nicht mehr riechr,
er nach dem Erkalten seinen Geruch wieder annimmt.
Auch aus einzelnen Säften werden schöne Balsame be-
reitet. Dahin gehört vorzüglich das Malabathrum; sodann
die illyrische Schwertlilie und der cyzinische Majoran, bei-
des krautartige Pflanzen. Diesen setzt man wenig mehr
zu, jedoch die Einen diess, die Andern jenes, und die,
welche am meisten zumischeu, thun zu einem von beiden
Honig, reines Salz ß), Omphacium, Keuschbaumblätter ") und
Panace, lauter auswärtige Dinge. Am kostbarsten ist der
•) struthium. Saponaria officinalis L,
2) Abrotanum. Artemisia Abrotanum L.
3) Sehamum Orientale L.
") Telinum von der Pflanze Telis: Trigonella Foenum graecum L.
*) Megalium. «) flos salis. ') folia agni. Vitex Agnus castus L.
.48 Dreizehntes Buch.
Zimmtbalsam; hiezu nimmt man Zimmt, Balaneuöl, Xylo-
balsam, Calamus, Juncus, Samen vom Balsambaum, Myrrhe,
und wohlriechenden Honig; er ist der dickste von allen
Balsamen. 1 Pfund davon kostet 25 bis 300 Denare. Der
Narden- oder Blattbalsam besteht aus Omphacium, Bala-
nenöl, Juncus, Costus, Nardus, Amomum, Myrrhe und Opo-
balsam. Bei dieser Gelegenheit wird es passend sein, daran
zu erinnern, dass wir 9 Arten von Kräutern genannt haben,
welche der indischen Narde ähnlich sind; so reichlich ist
der Stoff zur Verfälschung vorhanden. Alle Balsame
werden durch Costus und Amomum, welche am meisten in
die Nase beissen, schärfer, durch Myrrhe dicker und ange-
nehmer, durch Safran aber zum Arzneigebrauch dienlicher,
und am schärfsten durch Amomum allein, welches auch
Kopfweh verursacht. Einige begnügen sich damit, die
theuersten Ingredienzien nur auf die übrigen, nachdem diese
ausgekocht sind, zu sprengen, um die grossen Kosten zu
ersparen; allein dadurch erreicht man nicht den Zweck, wie
mit dem Zusammenkochen. Die Myrrhe liefert schon für
sich allein, ohne Oel, einen Balsam; ausserdem macht sie
zu bitter. Durch cyprinischen Balsam wird er grün, durch
susinischen fettig, durch mendesischen schwarz, durch Rosen-
balsam weiss, durch Myrrhe blass. Diess sind nun die
Balsam-Arten alter Erfindung, mit welchen uns hernach die
Anfertiger betrogen haben. Jetzt wollen wir noch von der
ausserordentlich grossen Liebhaberei und dem Ansehen,^zu
welchem die Balsame gelangt sind, reden.
Königs-Balsam heisst derjenige, welcher für die par-
thischen Könige bereitet wird; er besteht aus Myrobalanen,
Costus, Amomum, Zimmt, Comacum, Cardamom, Narden-
ähren, Marum, Myrrhe, Cassia, Styrax, Ladanum, Opobal-
sam, Calamus, Juncus, wilder Weintraube, Malobathrum,
Serichatum, Cyprus, Aspalathum, Panace, Safran, Cypirus,
Majoran, Lotus, Honig und Wein. Nichts hiervon wächst
in Italien, der Besiegeriu aller Völker, ja in ganz Europa,
ausser der illyrischen Schwerdtlilie und der gallischen
.Narde; denn dass der Wein, die Kose, Myrtenblätter und
Dreizehntes Buch. 49
Oel fast allen Ländern gemein sind, versteht sich von
selbst.
3.
Was man Räucher-Species i) nennt, besteht aus
trocknen wohlriechenden Dingen. Der Absatz der Salben
heisst Magma. Unter allen Parfümen riecht das am
stärksten, welches zuletzt zugethan wird. Salben werden
am besten in Alabasterbtichsen, riechende Sachen am besten
in Oel aufbewahrt, und je fetter das Oel, um so grösser
ist seine Erhaltungsfähigkeit, wie z. B. das Mandelöl. Auch
selbst die Salben verbessern sich durch das Alter. Das
Sonnenlicht schadet ihnen; man bewahrt sie daher im
Schatten in bleiernen Gefässen. Proben davon nimmt man
auf die äussere Seite der Hand, damit die Wärme des
.fleischigen Theils ihnen nicht schade.
4.
Die Parftimerien sind unter den Gegenständen des
Luxus die aller überflüssigsten; denn Perlen und Edelsteine
kommen doch auf die Erben, Kleider dauern eine Zeit lang,
allein die Balsame verdunsten rasch, und gehen in der-
selben Stunde, wo sie gebraucht, werden, zu Grunde. Da-
durch empfehlen sie sich am meisten, dass, wenn ein Frauen-
zimmer vorbeigeht, ihr Geruch auch die, welche nicht
daran denken, anlockt. Das Pfund wird bis zu 40 Denaren
verkauft. So theuer kauft man ein Vergnügen, was nur
Andere gemessen, denn wer einen Balsam an sich trägt,
riecht ihn selbst nicht. Aber auch hier müssen wir einige
Unterschiede bemerklich machen. In den Schriften des
Cicero ist angegeben, dass diejenigen Salben, welche nach
Erde schmecken, mehr Beifall finden, als die, welche nach
Safran schmecken; empfiehlt sich ja selbst bei der grössten
Verdorbenheit mehr eine gewisse strenge Beharrlichkeit im
Sündigen! Einige haben es lieber, wenn die Salben recht
dick sind, und es genügt ihnen noch nicht, wenn ihr Leinen -
zeug davon durchdrungen ist. Ich habe sogar die Fuss-
*) diapasmata.
Wittstein: Pliniua. U. Bd.
50 Dreizehntes Buch.
sohlen mit Salben bestreichen sehen, und man sagte,
M. Otho habe diess dem Prinzen Nero gezeigt. Wie konnte
man wohl, frage ich, die Salben von diesem Theile des
Körpers her wahrnehmen, und wozu nützten sie folglich
da? Auch habe ich gehört, ein Privatmann habe die
Wände seiner Badestube mit Balsam besprengen, und der
Prinz Cajus den Sitzboden damit bestreichen lassen, und,
damit diess nicht für ein fürstliches Gut angesehen werde,
sei ihm einer von den Sclaven des Nero bald hierin nach-
gefolgt. Jedoch am meisten muss man es bewundern, dass
dergleichen Parfümerien auch ins Lager gedrungen sind;
wenigstens werden die Adler und Feldzeichen, wenn sie
staubig und schmutzig aussehen, an festlichen Tagen ge-
salbt. Könnte ich doch angeben, wer diess zuerst einge-
führt hat! So ist's, ohne Zweifel haben unsere Adler, durch
diesen Lohn bestochen, den Erdkreis besiegt. Solchen
Schutz suchen wir für das Laster, damit wir uns dadurch
ein Recht nehmen können, unter dem Helme Salben zu
tragen.
5.
Wann die Mode, sich zu parfümiren, zuerst zu den
Römern gelangt ist, lässt sich kaum sicher bestimmen.
So viel ist gewiss, dass nach der Ueberwindung des Königs
Antiochus und Asiens, im 565. Jahre der Stadt, die Cen-
soren P. Licinius Crassus und L. Julias Cäsar eine Ver-
ordnung erlassen haben, nach welcher Niemand auslän-
dische Salben (denn so nannten sie dieselben) verkaufen
sollte. Aber wahrlich! jetzt thut man sie schon ins Ge-
tränk, und schätzt die Bitterkeit so hoch, dass man sie in
reichlichem Maasse mit beiden Theilen des Körpers i) ge-
niesst. Es ist bekannt, dass L. Plotius, ein Bruder des
L. Plankus , der zweimal Consul und Censor gewesen war,
als die Triumviren ihn in die Acht erklärt hatten, in einem
Schlupfwinkel im Salernitanischen durch den Geruch seiner
Salben sich verrieth, durch welchen Umstand die Achtser-
') Nemlich mit dem Munde und der Nase.
Dreizehntes Buch.
51
klärung in volle Wirksamkeit trat. Denn wer sollte nicht
der Meinung sein, dass solche Menschen mit Recht um-
kommen?
6.
Aegypten ist unter allen Ländern das passendste für
die Anfertigung der Salben; nächstdem Campanien wegen
der Menge Rosen. Judäa aber zeichnet sich mehr durch
die Palmen^) aus, von denen nun die Rede sein soll. Es
giebt ihrer zwar auch in Europa, und häufig in Italien, sie
sind aber unfruchtbar. In den Seedistrikten Spaniens
tragen sie Früchte, jedoch herbe; die afrikanischen tragen
süsse, welche aber bald verderben. Im Oriente dagegen
macht man aus ihnen Wein, einige Völker aueh Brot, und
den meisten vierfüssigen Thieren dienen sie zur Nahrung.
Man nennt sie daher mit Recht ausländische. Keine von
ihnen wächst in Italien wild, auch sonst nirgends als in
warmen Ländern, und trä^t nur in heissen Früchte.
1.
D(e Palme wächst in einer leichten, sandigen, grössten-
theils auch nitrösen Erde» Sie steht auch gern an feuchten
Orten, und in einem trocknen Jahre will sie beständig be-
"wässel't sein. Mist soll ihr schaden, besonders wenn er,
wie ein Theil der Assyrier glaubt, nicht durch Wasser ge-
netzt ist. Es giebt viele Aften derselben. Die erste wird
nicht höher als ein Strauch, ist unfruchtbar, an einige!>^
Orten jedoch auch fruchfbar, ihre Aeste bilden einen kurzen ;
Umkreis, sind aber sehr laubreich. An den meisten Orten
dienen sie zur Bedee'kung der Wände wider das Anscl^lagen
des Regens. Die höhern Bäume bilden eine Art Wa\d, aus
denen rund heraßi die Stacheln der Blätter wie ein Eamm ,
hervorbrechen, daher man sie noth wendig für wild halten .
muss. Vermöge einer nicht näher bekanntep Geilheit .
mischen sie sich unter die Zahmen. Die übrigen Palmen
sind rund und schlank, und durch die dicht und stufen-.
') Piinius hat in den Capiteln von den Palmen hauptsächlich
die DatteJpahue, Phoenix dactylifera, im Sinne.
X*
52 Dreizehntes Buch.
weise übereinander befindlichen ringförmigen Absätze der
Rinde machen sie es den Völkern des Morgenlandes leicht,
sie zu ersteigen, denn man kann auf diesen, den Baum wie
einen geflochtenen Ring umgebenden Bekleidungen äusserst
schnell hinaufkommen. Alles Laub sitzt an der Spitze, die
Frucht nicht zwischen den Blättern, wie bei andern Bäumen,
sondern zwischen den Aesten an eigenen Zweigen ^) in
Trauben, und hat beiderlei Natur, die einer Traube und
eines Apfels. Die Blätter haben eine messerartige Spitze,
sind an den Seiten doppelt gespalten, und haben zuerst die
doppelte Kriegsweise gelehrt 2); jetzt werden sie zu Stricken,
und andern nützlichen Geflechten, wie zu leichten Schirmen
für den Kopf gebraucht.
Die in der Naturkunde erfahrensten Schriftsteller geben
an, dass alle Bäume, ja selbst die Kräuter, beide Ge-
schlechter hätten. Ich begnüge mich, diess ein für allemal
hier gesagt zu haben. Bei keinem Baume ist es aber augen-
scheinlicher als bei der Palme. Die männliche Palme trägt
Blüthen an eigenen Zweigen, die weibliche treibt bloss in
Form einer Aehre, ohne Blüthe. Bei beiden wächst das
Fleisch der Frucht zuerst, später in ihrem Innern das Holz,
d. i. ihr Same, und ein Beweis dafür ist, dass man an ein
und demselben Zweige noch kleine Früchte ohne Samen
findet. Der Same ist länglich, nicht rund wie bei den
Oliven, ausserdem am Rücken eingeschnitten mit erhöheten
Rändern zu beiden Seiten des Einschnitts, und mitten auf
der untern Seite bei den meisten genabelt. Von diesem
Punkte aus entwickelt sich beim Keimen zuerst die Wurzel.
Man pflanzt die Samen, indem man 2 neben einander mit
dem Rücken nach unten legt, und ebenso viele darauf,
weil die Pflanze aus einem gezogen zu schwach wird.
Die 4 Samen verwachsen dann miteinander. Dieser
') palmites.
'-) Plinius will wahrscheinlich damit sagen, die Spitze der Palm-
blätter hätten zur Anwendung der Spiesse, und die Schneide der
Blätter zur Anwendunsr der Schwerdter im Kriege geführt.
Dreizehntes Buch. 53
holzige Kern wird durch mehrere weisse Häute, deren ei-
nige ihm anhängen, vom Fleische getrennt, liegt übrigens
lose und ist nur an seiner Spitze an einem Faden befestigt.
Das Fleisch wird in einem Jahre reif. Obgleich es in
einigen Gegenden, z. B. in Cypern nicht zur Reife gelangt,
so hat es doch einen angenehmen süssen Geschmack; das
Blatt des Baumes ist dort auch breiter, die Frucht runder,
und nicht so beschaffen, dass sie ganz verzehrt werden
kann, sondern nachdem der Saft ausgesogen worden, wirft
man sie weg. Auch in Arabien sollen die Palmen nur
wenig süss schmeckende Früchte tragen, obgleich Juba die
im Lande der scenitischen Araber vorkommenden Früchte,
welche dort Dabla heissen, allen andern im Geschraacke
vorzieht. — Uebrigens wird versichert, dass die wildwach-
senden weiblichen Bäume ohne männliche keine Früchte
tragen, und um jeden männlichen ständen mehrere weib-
liche und neigten ihre Zweige lüstern nach ihm hin. Er
richte dann die seinigen starr empor, und befruchte durch
seinen Anblick, Anhauch und Blüthenstaub die weiblichen.
Werde ein solcher männlicher Baum abgehauen, so blieben
die gleichsam verwittweten Waisen unfruchtbar. Die
Menschen, welche die Nothwendigkeit dieser Befruchtung
eingesehen, haben sie sogar künstlich bewerkstelligt, da-
durch, dass sie den Blumenstaub der Männchen auf die
Weibchen streueten.
8.
Die Palmen werden auch durch den Stamm fortge-
pflanzt, indem man 2 Cubitus lange Stücke von der Spitze
des Baumes abhauet, zerspaltet, und eingräbt. Auch abge-
rissene Theile der Wurzel, sowie die zartesten Zweige,
gehen an. In Assyrien treibt selbst ein gefällter Baum in
einem feuchten Erdreiche Wurzeln , aber keinen Stamm
mehr, sondern nur Strauchwerk. Daher die Einrichtung der
Pflanzschulen, aus denen man die jährigen Reiser versetzt,
und diese wieder wenn sie 2 Jahre alt sind. Sie lieben
nämlich die Veränderung des Standorts; diess geschieht
sonst im Frühjahre, in Assyrien aber beim Aufgange des
54 Dreizelintes Buch.
Hundssterns. Daselbst berührt man auch die jungen
Sprossen nicht mit einem Eisen, sondern bindet das Laub
auf, damit sie in die Höhe gehen. Sind sie stark genug
so werden sie, um an Dicke zu gewinnen, beschnitten, je-
doch 1/2 Fuss lange Stümpfe der Aeste stehen gelassen;
wollte man auch diese abhauen, so würde der Baum zu
Grunde gehen. Dass sie einen salzigen Boden lieben,
haben wir bereits gesagt; ist daher ein solcher nicht vor-
handen, se streuet man Salz, jedoch nicht an die Wurzeln
sondern etwas weiter entfernt. Einige in Syrien und in
Aegypten theilen sich in 2 Stämme; in Cypern auch in
3 und selbst in 5. Sie tragen gleich im 3. Jahre; in Cy-
pern, Syrien und Aegypten aber einige im 4., andere im
5., bei einer Höhe eines Menschen, haben aber, so lange
sie jung sind, keinen Holzkern in der Frucht, und heissen
deshalb Entmannte.
9.
Es giebt viele Arten von ihnen. Der unfruchtbaren
bedient man sich in Assyrien und ganz Persien zu Nutz-
holz und prächtigem Bauwerken. Es giebt auch Palmen-
wälder, welche ausgehauen werden und wiederum aus der
Wurzel ausschlagen. Im Gipfel haben sie süsses Mark,
welches Gehirn genannt wird; nimmt man es ihnen, so
bleiben sie, was bei andern Bäumen nicht der Fall ist,
dennoch am Leben. Diejenigen mit etwas breiten und
weichen Blättern, welche sich vorzüglich gut zu Flechtwerk
eignen, heissen Zwergpalmen *). Sie wachsen häufig in
Greta, noch häufiger aber in Sicilien. Die Palmen geben
eine lebhaft brennende Kohle und verbrennen langsam.
Die fruchttragenden Palmen haben theils einen kurzen,
theils längern, weichern oder härtern, einige einen knochen-
harten und mondförmigen Kern, der gegen Zauberkünste
dient und feierlich mit einem Zahne geglättet wird. Die
einen sind mit mehreren oder weniger Häuten bedeckt, die
Cliamaerepes. Chemaerops humilis L.
Di?eizehntes Buch. 55
andern mit dickem oder dünnern. So erhalten wir 49 Arten,
wenn man alle, auch die fremden Namen, und die ver-
schiedenen aus ihnen bereiteten Weine hinzurechnen will.
Am berühmtesten unter ihnen sind die geworden, welche
man der ihnen angethanen Ehre wegen die königlichen ge-
nannt hat, weil sie bloss für die persischen Könige zu
Babylon in einem Garten Namens Bagou gezogen wurden;
mit diesem Namen bezeichnet man nämlich die Ver-
schnittenen, welche auch bei den Persern regiert haben.
Dieser Garten war nie in eines Andern als des Hofes Be-
sitz. In dem südlichen Theile des Erdkreises aber haben
diejenigen, welche Syagri i) und demnächst die, welche
Margariden 2) heissen, das meiste Ansehen. Diese 3) sind
weiss, kurz, rund. Beeren ähnlicher als Balanen, und daher
auch nach den Perlen benannt worden. Es soll nur ein
Baum davon in Chora sein, auch soll es nur einen von den
Syagern geben. Vom letzterm habe ich eine wunderbare
Geschichte erfahren; er soll nämlich mit dem Vogel Phönix,
Ton dem man glaubt, dass er von der Beschaffenheit dieses
Baumes seinen Namen erhalten habe, sterben und aus sich
selbst wieder hervorwachsen. Er trägt aber, da ich diess
schreibe, Früchte. Die Frucht selbst ist gross, hart, rauh,
mid von den übrigen Arten durch einen ähnlichen Wildge-
schmack unterschieden, wie wir ihn von den wilden
Schweine kennen, und diess ist wohl die unzweideutigste
Ursache seines Namens. Den vierten Rang behaupten die
von der Aehnlickeit ihrer Frucht sogenannten Sandaliden *).
An der Grenze von Aethiopien sollen ihrer 5 und nicht
mehr stehen, und sie verdienen nicht sowohl wegen ihrer
Seltenheit, als wegen ihres angenehmen Aeussern Bewun-
derung.
Nächst diesen sind die Caryoten^), welche das meiste
*) wörtlich: wilde Schweine. ^) Perlen.
3) Nämlich die Früchte der Margariden.
*) Pantoffelpalmen, von sandalium, Pantoffel.
^) Von Caryota urens L.
56 Dreizehntes Buch.
Fleisch und den meisten Saft haben, die geschätztesten^
Aus ihnen bereiten die Morgenländer vorzügliche Weine^
welche den Kopf einnehmen, daher der Name der Frucht ^).
Sowie sie hier in grosser Menge vorkommen, sind sie in
Judäa von edler Art, aber nicht im ganzen Lande, sondern
vorzüglich nur bei Jericho; jedoch werden auch die in den
dortigen Thälern Archelais, Phaseiis und Livias wachsen-
den gelobt. Ihr Hauptvorzug besteht darin, dass sie von
fettem Safte träufeln, und neben der Süsse des Honigs
einen gewissen Weingeschmaek haben. Die sogenannte»
Nicolaen unter ihnen sind trockner, aber von bedeutender
Grösse, da 4 derselben 1 Elle messen. Weniger schön,,
aber dem Geschmacke nach die Schwestern der Caryoten,.
und darum Adelphiden genannt, kommen ihnen an Lieb-
lichkeit zwar nahe, jedoch nicht gleich. Die dritte Art, die
Pateten 2) haben zu viel Saft, und dieser Ueberfluss bricht
sogar, wenn die Frucht noch am Baume hängt, aus der-
selben hervor, als wenn er gekeltert würde.
Von den trocknen bilden die fingerförmigen, welche
sich wegen ihrer Länge und Dünne zuweilen krümmen^
eine eigene Art. Diejenigen unter ihnen, welche wir den
Göttern weihen, haben die Bewohner Judäa's, ein Volk,
welches durch Schmähung der Götter bekannt ist, die
schlechten 3) genannt. Die thebaischen und arabischen sind
überhaupt trocken, klein und mager, durch die beständige
Hitze ausgedörrt und eher mit einer Kruste als Haut über-
zogen. Diese Frucht ist so dürre, dass sie in Aethiopien.
gerieben und als Mehl zu Brot verbacken wird. Sie wächst
auf einem Strauche mit ellenlangen Aesten und breiten
Blättern, ist rund aber grösser als ein Apfel und heisst
Coica *). Sie wird in 3 Jahren reif; der Strauch hat immer
Früchte, da stets welche nachwachsen. Die Frucht in The-
bais wird unmittelbar nach ihrer Abnahme in Fässer ge-
*) von caryon (xaQvov) Kopf.
2) von TiarrjTog getreten, gekeltert. ^) chydaei.
*) Von Hyphaena coriacea Gäxtn.
Dreizehntes Buch. 57
than; geschieht diess nicht, so verraucht die ausdünstende
Feuchtigkeit hald, und sie verwelkt, wenn man sie nicht
in Oefen neu bäckt. Die Früchte der übrigen Arten scheinen
geringe zu sein, und heissen der Nachtisch i). Die in
einem Theile Phöniciens und Siciliens vorkommenden führen
bei uns den Volksnamen Eicheln, und bilden gleichfalls
mehrere Arten, die sich in Ansehung der Runde oder Länge
sowie durch eine mehr oder weniger schwarze und rothe
Farbe unterscheiden. Sie sollen nicht weniger Farbe haben
als die Feigen; am beliebtesten sind aber die weissen.
Auch in der Grösse weichen sie von einander ab, und viele
sind einen Cubitus lang, dagegen manche nicht grösser als
eine Bohne, Diejenigen endlich, welche auf salzigem und
sandigem Boden, wie in Judäa und im cyrenaischen Afrika
wachsen, hebt man auf, nicht aber die in Aegypten, Cypern^
Syrien und Seienden in Assyrien. Daher werden die
Schweine und andere Thiere damit gemästet. Wenn die
Frucht verdirbt oder alt wird, fällt die weisse Warze, wo-
mit sie am Stengel fest gesessen hat, ab. Alexander'»
Soldaten erstickten an grünen Palmfrüchten, und zwar war
im Lande der Gedroser die Art, anderwärts die Menge der
Früchte daran schuld; im frischen Zustande schmecken sie
nämlich so angenehm, dass man nicht eher zu essen auf-
hört, bis Gefahr sich zeigt.
10.
In Syrien giebt es ausserdem noch andere diesem
Lande eigenthtimliche Bäume. Unter den Arten mit Nüssen
ist die Pistacie^) bekannt. Sie soll, im Getränk sowohl
wie in Speisen genossen, ein Mittel gegen den Biss der
Schlangen sein. Von Feigen giebt es dort die Caricae^),
und eine kleinere Sorte davon, welche man Gott an a nennt;
ferner Pflaumen, welche auf dem Berge Damascus
wachsen^), und Sebesten^), welche beide in Italien schon
') tragemata.
^) Pistacia vera L. ^) Ficus Carica L,
*) Prunus domestica L. ^) Myxae. Cordia Myxa L.
58 Dreizehntes Buch.
ganz einheimisch sind. Aus den Sebesten macht man in
Aegypten auch Wein.
11.
Die Phönicier haben auch einen kleinen Cedernbaum,
der dem Wachholder ähnlich ist. Es giebt 2 Arten davon,
den lycischen und phönicischen. Sie unterscheiden sich
durchs Blatt; der nämlich, welcher ein hartes, spitzes stach-
liches hat, heisst Oxycedrus i), ist ästig und an den Knoten
stechend. Der andere hat einen bessern Geruch 2). Sie
tragen eine Frucht von der Grösse der Myrte, und süssem
Geschmacke. Auch von der grössern Ceder^) giebt es
2 Arten. Welche blüht, trägt keine Frucht; die fruchttra-
gende blühet nicht, und es folgt auf die vorhergehende
Frucht sogleich wieder eine neue. Ihr Same ist dem der
Cypresse ähnlich. Einige nennen sie Cedertanne 4). Von
dieser kommt das beste Harz. Das Holz selbst aber ist
unverweslich, daher hat man die Standbider der Götter
aus demselben gemacht. Der sosianische Apollo in einem
Tempel zu Rom, den man von Seleucien hergebracht, ist
von Cedernholz. In Arkadien wächst ein Baum, welcher
der Ceder gleicht; in Phrygien wird ein Strauch Cedris
genannt.
12.
In Syrien wächst auch die Terebinthe^). Der
Stamm derselben trägt keine Früchte. Weibliche giebt es
2 Arten, eine mit röthlicher Frucht von der Grösse einer
Linse, die andere mit blasser Frucht, welche mit der
Weinbeere zugleich reif wird, nicht grösser als eine Bohne
ist, angenehmer riecht und sich harzig anfühlt. Am Ida
in Troas und in Macedonien ist dieser Baum niedrig und
strauchartig, in Damascus aber gross. Sein Holz ist sehr
zähe, empfieht sich durch seine Dauer und hat einen
^) luniperus Oxycedrus L.
2) Scheint Juniperus phoenicea L. zu sein.
3) Pinus Cedrus L.
'') Cedrelate.
5) Terebinthus. Pistacia Terebinthus L.
Dreizehntes Buch. 59
schwarzen Glanz; die Blüthe ist traubig wie beim Oelbaum,
aber röthlich; die Blätter stehen dicht. Er trägt kleine
Anschwellungen i) aus dene u mückenartige Thiere kriechen,
und die ein ähnliches zähes Harz, wie es aus der Rinde her-
vorbricht, ausschwitzen.
13.
In Syrien trägt nur der männliche R h u s 2) Früchte,
der weibliche nicht. Sein Blatt ist etwas länger als das
der Ulme und haarig, die Blattstiele stehen an einem
dünneu und kurzen Aste einander stets gegenüber, und
dienen zum Weissmachen der Häute. Der Same gleicht
einer Linse, und ist, wenn er mit der Traube roth wird,
in welchem Zustande er Rhus heisst, ein nothwendiger
Bestandtheil der Arzneimittel.
14.
In Aegypten giebt es viele Arten von Bäumen, wel-
che anderswo nicht vorkommen. Vor allen gehört dahin
der Feigenbaum 3) welcher daher auch den Beinamen
der ägyptische erhalten hat. Er ist im Blatte, Ansehn und
in der Grösse dem Maulbeerbaume ähnlich, und trägt die
Frucht nicht an den Aesten sondern am Stamme selbst.
Diess ist die sehr süsse Feige, welche inwendig keine
Körner hat, und in ausserordentlicher Menge vorkommt,
man muss sie jedoch nur mit eisernen Nägeln ritzen, sonst
wird sie nicht reif. Am 4, Tage aber, nachdem diess ge-
schehen, wird sie gepflückt, indem sogleich wiederum eine
neue nachwächst, und diese Vermehrung dauert so fort
bis zum 7. Nachwüchse, denn der Baum enthält im Sommer
stets einen grossen Vorrath von Milchsaft. Das Nach-
wachsen findet auch statt, wenn man nicht ritzt, und zwar
4 mal im Sommer, dabei stösst die folgende Frucht die
erstere noch unreif ab. Das Holz ist von eigenthümlicher
Art und gehört zu den nützlichsten. Sobald es gehauen
ist, wird es ins Wasser gesenkt, was man sein Trocknen
nennt; anfänglich sinkt es nämlich unter, begiebt sich
aber später in die Höhe, und man darf nicht zweifeln,
•) folliculi, eine Art Galläpfel.
^) Rhus. Rhus Coriaria L. ^) Ficus. Ficus Sycomorus L.
60 Dreizehntes Buch.
dass ein fremdartiger Saft, der sonst alles andere Holz
feucht macht, dasselbe aussaugt (d, h. das Holz verlässt.)
Sobald es anfängt zu schwimmen, ist es zur Verarbeitung
hinreichend vorbereitet.
15.
Ihm sieht der sogenannte cyprische Feigenbaum i)
in Greta einigermaassen ähnlich, denn auch dieser trägt
die Früchte am Stamme selbst, jedoch auch an den Aesten
wenn sie gehörig dick sind. Er treibt einen Sprössling
ohne alle Blätter und vom Ansehn einer Wurzel. Der
Stamm sieht dem der Pappel und das Blatt dem der Ulme
ähnlich. Er setzt 4 mal Früchte und ebenso oft Knospen
an. Die Frucht wird aber nur dann reif, wenn durch
einen Einschnitt die Milch abgelassen wird. Sie hat den
angenehmen Geschmack und das Innere einer andern
Feige, und die Grösse einer Sorbus-Frucht. 2)
16.
Ein ähnlicher Baum, den die Jonier Johannisbrot-
baum 3) nennen, trägt auch am Stamme selbst Früchte,
aber Schoten, und ist von Einigen, jedoch offenbar irrthüm-
licherweise, der ägyptische Feigenbaum genannt worden,
denn er wächst nicht in Aegypten, sondern in Syrien,
Jonien, bei Gnidus und auf Rhodus, hat beständig grüne
Blätter, weisse starkriechende Blüthen, treibt unten Schöss-
linge und sieht, weil diese ihm den Saft nehmen, ganz
unten blassgelb aus. Wenn man die Frucht vom vorigen
Jahre beim Aufgange des Hundssterns abnimmt, so wächst
sogleich eine neue; nachher, beim Aufgange des Arcturus.
kommt die Blüthe, und den Winter über entwickelt sich
die Frucht.
17.
In Aegypten wächst auch eine besondere Art von
Pfirsichbaum 4), der dem Birnbäume gleicht und sein
•) Varietät des vorigen.
2) Vergl. XV. B. 23. Cap. 3) Ceraunia. Ceratonia Siliqua L.
■*) arbor persica. Amygdalus persica L.
Dreizehntes Buch. Q\
Laub nicht abwirft. Er trägt beständig Früchte, indem
den folgenden Tag schon wieder eine neue nachwächst;
beim Wehen der Passatwinde werden sie reif. Die Frucht
ist grösser als eine Birne, wird von einer der Mandel ähn-
lichen Hülle eingeschlossen und hat eine grasgrüne Haut;
doch während bei jener eine Nuss, ist hier eine Fleisch-
frucht 1), die sich auch noch durch ihre Kürze und Weich-
heit unterscheidet, und obgleich sie durch ihre angenehme
Süssigkeit den Geschmack sehr reitzt, nicht schadet. Das
Holz unterscheidet sich in der Güte, Festigkeit und Schwärze
in nichts von dem des Lotusbaums. Man hat Statuen aus
ihnen gemacht, die, obwohl dauerhaft, allerdings nicht so
schön aussehen wie die von dem Baume, welchen wir
Baianus genannt haben, und der grösstentheils gewunden
ist. Es dient daher jetzt nur zum Schiffbaue.
18.
Dagegen aber steht der Kokosbaum2) welcher den
Palmen gleicht, in grossem Ansehn, denn seine Blätter
gebraucht man auch zu Flechtwerken. Er unterscheidet
sich nur dadurch, dass er seine Aeste armförmig ausbreitet.
Die Frucht ist so gross, dass sie eine Hand füllt, von
Farbe braungelb, und enthält einen Saft von angenehmem
süsslich zusammenziehendem Geschmack. Der darin be-
findliche Samen 3) ist gross, ausserordentlich hart und wird
zu Siegelringen verarbeitet; er enthält einen in frischem
Zustande süssen Kern, der aber durch Trocknen so hart
wird, dass er nur dann gekauet werden kann, wenn er
zuvor mehrere Tage lang eingeweicht war. Das Holz ist
schön gemasert, und deshalb bei den Persern sehr hoch
geschätzt.
19.
Nicht minder berühmt ist in jenem Lande *) der Dor n-
baum^), jedoch nur der schwarze, denn sein Holz hält
') prunum.
-) Cuci. Cocos nucifera L. ^j Die eigentliche Nuss.
"*) Nämlich in Aegypten.
'') Spina. Acacia vera W.
(32 Dreizehntes Buch.
sich im Wasser unverändert, und giebt deshalb das beste
Material zu Schiflfskielen. Der weisse fault leicht. Auch
die Blätter haben Stacheln. Der Same liegt in Schoten
und dient zur Bereitung des Leders statt der Galläpfel..
Die Blume nimmt sich schön in Kränzen aus und wird
auch zu Arzneimitteln angewandt. Es fliesst auch ein
Gummi aus diesem Baume, aber ganz besonders nützlich;
wird er dadurch, dass er abgehauen im 3. Jahre wieder
aufschiesst. Er wächst um Theben, wo auch die Eiche,,
der Pfirsich- und der Oelbaum vorkommen, 300 Stadien
vom Nile in einer waldigen Gegend, welche durch die
Quellen dieses Flusses bewässert wird. Dort wächst auch
die ägyptische Pflaume, welche dem eben erwähnten
Dornbaume nicht unähnlich ist, eine der Mispel ähnliche,.
im Winter reifende Frucht hat und die Blätter nicht ver-
liert. Der Stein in der Frucht ist gross, das Fleisch aber
liefert seiner Beschaffenheit und Menge nach den dortigen
Bewohnern gleichsam eine Erndte. Nachdem sie es ge-
reinigt haben, stossen sie es und bewahren es in Klossen
auf. In einem waldigen Districte um Memphis giebt es.
so starke Bäume davon, dass 3 Menschen sie nicht um-,
spannen können. Einer von diesen ist besonders merk-
würdig, nicht seiner Frucht oder seines Nutzens, sondern
einer besondern Eigenthümlichkeit wegen; denn er hat
das Ansehn eines Dornbaumes, Blätter wie Federn, welche,
sobald ein Mensch die Aeste berührt, abfallen, und sicl^
hierauf wiedererzeugen.
20,
Das Gummi vom ägyptischen Dorubaume, welches
für das beste gehalten wird, ist wurmförmig, graugrün,
rein, ohne Kindentheile und hängt sich an die Zähne.
1 Pfund desselben kostet 3 Denare. Schlechter ist das-
jenige von dem bittern Mandel- und Kirschbaume, am
schlechtesten das vom Pflaumenbaume. Auch aus den
Weinstöcken fliesst ein Gummi, welches bei Geschwüren
an Kindern die besten Dienste leistet; auch mitunter aus
dem Oelbaume, was gut für Zahnweh ist, ferner liefert
Dreizehntes Buch. 63
der Ulmenbaum auf dem Berge Corycum in Cilicien und
der Wachholder Gummi, das aber nichts taugt. Aus dem
Ulmengummi entstehen aber daselbst die Mücken. Auch
aus der Sarkokolle i), einem Baume, fliesst Gummi,
welches von den Malern und Aerzten viel gebraucht wird ;
es sieht dem zerriebenem Weihrauche ähnlich, ist daher
weiss besser als röthlich und hat mit dem obigen Gummi
einen Preis.
21.
Wir haben die Sumpfpflanzen und die an den Flüssen
wachsenden Sträucher noch nicht berührt. Ehe wir jedocU
Aegypten verlassen, müssen wir von der Papierstaude *)
reden, weil hauptsächlich der Gebrauch des Papiers uns
die Mittel an die Hand giebt, Kenntnisse zu erwerben und
der Vergessenheit zu entziehen. Das Papier soll, wie
M. Varro berichtet, durch den Sieg Alexanders des Grossen,
als er Alexandrien in Aegypten erbau ete, erfunden sein;
vorher habe man es nicht gekannt, sondern erst auf Palm-
blättcr, später auf den Bast gewisser Bäume geschrieben;
hierauf die öffentlichen Urkunden auf bleierne Rollen, dann
die Privatnachrichten auf Leinwand oder auf Wachs ge-
tragen; dass aber schon vor dem trojanischen Kriege die
Schreibtafeln im Gebrauch gewesen sind, finden wir bei
Homer angeführt. Nach Varro existirte aber damals noch
nicht all' das Land, was wir jetzt Aegypten nennen, (er
sagt nämlich, die Papierstaude wüchse nur im sebenny-
tischen Distrikte Lais), sondern wurde später erst durch
den Nil angeschwemmt; denn seiner Angabe nach musste
man von der Insel Pharus aus, welche jetzt durch eine
Brücke mit Alexandrien verbunden ist, einen Tag und eine
Nacht lang segeln, um ans feste Land zu kommen. Eben-
derselbe erzählt, dass bald darauf, als die Könige Ptole-
mäus und Eumenes wegen ihrer Büchersammlungen eifer-
*) Sarcocolla. Ist botanisch noch nicht festgestellt.
2) Papyruni. Cyperus Papyrus L.
g4 Dreizehntes Buch.
süchtig auf einander wurden, und Ptolemäus das Papier
zurückhielt, die Schreibhäute zu Pergamus ^) erfunden sei-
en. Nachher aber konnte sich Jeder ohne Unterschied
eines Gegenstandes bedienen, der die Menschheit unsterb-
lich gemacht hat.
22.
Die Papierstaude wächst in Aegypten an sumpfigen
Orten oder in stillstehendem Nilwasser, welches nach
seinem Austreten Teiche bildet, in denen das Wasser nicht
über 2 Cubitus tief ist. Die Wurzel wächst schräg, ist
armdick, dreieckig, und treibt einen dünnen, höchstens 10
Cubitus hohen Schaft, dessen Spitze aber einen Strauss
bildet, der weder Samen trägt, noch irgend einen andern
Nutzen gewährt, als dass man die Götter damit bekränzt.
Die Wurzel gebrauchen die Bewohner als Holz, und nicht
bloss zum Brennen sondern auch zur Verfertigung nützlicher
Geschirre. Aus dem Schafte flechten sie Fahrzeuge, aus
dem Baste Segel, Decken, auch Kleider, Matratzen und
Stricke. Sie kauen ihn auch roh und abgesotten, und ver-
schlucken bloss den Saft davon. Diese Pflanze wächst
auch in Syrien an dem See, wo der wohlriechende Calamus
vorkommt, und der König Antigonus hatte keine anderen
Seile an seinen Schiffen im Gebrauch als von ihr, weil das
Pfriemenkraut ^) noch nicht bekannt war. Vor kurzem hat
man gefunden, dass die am Euphrat bei Babylon wachsende
Papierstaude ebenfalls zur Bereitung des Papiers brauchbar
ist; und doch ziehen es die Parther vor, die Buchstaben
in ihre Kleider einzuweben.
23.
Man bereitet nun daraus das Papier, indem man die
Pflanze mit Hülfe eines spitzen Instruments in äusserst
dünne und möglichst breite Häute ^) zertheilt. Das beste
kommt aus der Mitte, und von da ab nach Ordnung der
Spaltung. Ehemals hiess dasjenige, welches bloss zu reli-
•) Pergament. -) Spartum. Spartium junceum L.
3) Philurae.
Dreizehntes Buch. t>5
.:giö8en Schriften bestimmt war, das heilige, jetzt benennt
man es aus Schmeichelei gegen den Kaiser Angustus, mit
seinem Namen, sowie die zweite Sorte nach seiner Gemahlin
Livia. Daher hat jetzt das heilige den dritten Rang be-
kommen. Die nächste Sorte, von dem Orte seiner Verfer-
tigung das ampbitheatralische genannt, wurde in der
sinnreichen Werkstätte des Fannius zu Rom durch beson-
dere Handgriffe dünner gemacht, dadurch eine der besten
Sorten und mit dem Namen dieses Mannes bezeichnet.
Was diese Umarbeitung nicht erlitten hatte, behielt seinen
alten Namen amphitheatralisches. Hierauf folgt das säi-
tische, so genannt von der Stadt, wo es in grösster Menge
und zwar von den schlechtem Schnittsein bereitet wird.
Noch näher der Rinde ist das leneotische, welches den
Namen von einem benachbarten Orte hat, und das schon
nach dem Gewichte, nicht nach der Qualität verkauft wird.
Das Packpapier taugt nicht zum Schreiben, und wird
bloss zu Umschlägen für anderes Papier, sowie zum Ein-
wickeln der Waaren gebraucht; daher hat es auch den
Zunamen von den Kaufleuten bekommen. Nach diesem
kommt das Papier von der äussersten Rindensubstanz,
welches Binsen ähnlich ist, und nur zu Stricken taugt, die
der Feuchtigkeit ausgesetzt sind.
Alles Papier wird auf einer Tafel mittelst Nilwasser
bereitet; das trübe Wasser vertritt dabei die Stelle des
Leims. Zuerst klebt man ein abgelöstes möglichst langes
Blatt, an welchem zu beiden Seiten die Schnitzel entfernt
sind, auf die Tafel, legt dann eine Lage der Quere nach
auf, presst hierauf das Ganze, trocknet die Bogen an der
Sonne, und verbindet sie untereinander, indem man bei
den besten anfängt und bei den schlechtesten aufhört.
Niemals sind mehr als 20 Bogen in einer solchen Rolle.
24.
Die Breite des Papieres ist sehr verschieden; das
beste ist 13, das heilige 11, das fannianische 10, das am-
pbitheatralische 9 Finger breit, das saitische noch schmäler,
hält auch die Hammerschläge nicht aus, und das Packpa-
Wittstein: Pliuius. III. Bd. 5
QQ Dreizehntes Buch.
pier misst nichf über 6 Zoll. Ausserdem berücksichtigt-
man bei dem Papiere die Dünne, Festigkeit, Weisse und
Glätte. Die erste Sorte, das augustische hat der Kaiser
Claudius verändern lassen, denn es war zu dünn um dem
Drueke der Feder zu widerstehen; zu dem schlug es durch,
sodass man befürchten musste, auf der andern Seite etwas
ausgestrichen zu sehen, und sah auch, weil es sehr durch-
scheinend war, nicht schön aus. Man gab ihr daher eine
Unterlage von der zweiten Haut, und machte aus der ersten
Haut Gewebe. Auch seine Grösse hat man vermehrt.
Das Regalpapier ^) war einen Fuss breit und l Cubitus
lang, allein man sah den Nachtheil davon ein, weil man
durch Abreissen eines Blättchens viele Bogen beschädigte..
Daher zog man das claudische Papier allen andern vor,
bei Briefen hält man noch das augustische in Ehren; das
livianische hat sein Ansehn, als 2. Sorte behalten.
25.
Das rauhe Papier wird mit einem Zahne oder einer
Muschel geglättet, aber die Schrift hält sich nicht lange
darauf. Geglättetes Papier zieht weniger an, und glänzt
mehr. Die Nässe, welche ihm zuerst aus Nachlässigkeit
gegeben worden, wirkt nachtheilig darauf ein, und diess
zeigt sich beim Daraufschlagen mit dem Hammer, oder
auch durch den Geruch, wenn noch weniger Sorgfalt dabei
verwandt ist. Das fleckige erkennt man am Ansehn , die
Streifen aber an den Stellen, wo es zusammengeleimt ist;
und wenn es, gleich einem Schwämme, Feuchtigkeit ein-
saugt, so fliesst die Schrift aus. Soviel Betrug findet da-
bei statt! Man hat nun die Arbeit, es zu verleimen, von
Neuem.
26.
Der gemeine Leim wird aus dem feinsten Mehle mit
siedendem Wasser und etwas wenigem Essig bereitet, denn
der Tischlerleim und das Gummi sind zu zerbrechlich.
Noch besser thut man, wenn man sich des durchgeseiheten>
') macrocollum.
Dreizehntes Buch. g7
Wassers von gesäuertem Brote bedient, denn auf diese
Weise kommt am wenigsten Unreinigkeit darunter; auch
ist diess besser als Leimsamenschleim. Aller Leim darf
nicht älter und nicht frischer als einen Tag sein. Hierauf
wird das Papier mit dem Hammer dünn geschlagan, noch-
mals durch den Leim gezogen, wenn es sich gerunzelt hat
geebnet, und wiederum geschlagen. Durch diese Bearbei-
tung haben sich die Schriften von der Hand der Gracchen
Tiberius und Cajus, welche ich bei Pomponius Secundus,
einem hochbertihmten Dichter und Bürger, fast 200 Jahre
nachher gesehen habe, so lange gehalten. Die Schriften
des Cicero, Kaiser Augustus und Virgilius habe ich oft
Gelegenheit zu sehen.
27.
Gegen die oben ^) mitgetheilte Meinung Varro's über
das Papier liegen aber gewichtige Thatsachen vor. Cas-
sius Hemina ^), der älteste Annalenschreiber , erzählt näm-
lich im 4. Buche derselben, der Schreiber Cn. Terentius
habe, als er seinen Acker auf dem Janikulus-Berge umgrub,
eine Kiste gefunden, in welchem der römische König Nu-
ma, gelegen sei. In eben derselben Kiste habe man auch
unter den Consuln P. Cornelius, L. F. Cethegus, M. Bäbius
unter Q. F. Tamphilus, bis zu deren Zeit von Numa's Re-
gierung an 535 Jahre verstrichen waren, dessen Bücher
gefunden, und diese seien von Papier gewesen. Noch
mehr muss man sich wundern, dass sie sich so viele Jahre
hindurch in der Frde vergraben erhalten haben, ich will
deshalb bei dieser so wichtigen Begebenheit Hemina's eig-
nen Worte anführen. Einige fanden es nämlich wunderbar
wie die Bücher so lange hätten unversehrt bleiben können;
er erklärt es aber auf folgende Weise: Es habe mitten
in der Kiste ein viereckiger Stein gelegen, welcher allent-
halben mit Talglichtern umwunden gewesen sei; die Bücher
') Im 21. Cap.
2) Lebte zur Zeit des 2. punischen Krieges; seine Annalen sind
verloren.
6g Dreizehntes Buch.
hätten in diesen Steine gelegen, und deshalb, wie er glaube^
nicht faulen können. Auch wären die Bücher mit Citro-
nenöl bestrichen gewesen, und daher möchten sie die
Motten vielleicht nicht angefressen haben. In diese Bücher
war die Philosophie des Pythagoras eingeschrieben, und
sie sollen, weil es philosophische Schriften waren, von dem
Prätor Q. Petilius verbrannt worden sein. Dasselbe be-
richtet L. Piso Censorius im ersten seiner Commentare
doch sagt er, 7 Bücher hätten vom Priesterrechte gehan-
delt, und ebenso viele wären pythagorischen Inhalts ge-
wesen. Tudetanus ^) giebt im 14. Buche seiner Schriften
an, sie hätten die Gesetze Numa's enthalten; selbst Varro
sagt im 7. Buche seiner menschlichen Alterthumskunde,
und Antias im 2, es wären 12 lateinische Bücher vom
Priesterrechte, und ebenso viele griechische, welche die
Lehren der Philosophie enthalten hätten, gewesen. Letz-
terer meldet noch im 3., man habe den Beschluss gefasst
sie zu verbrennen. Darin aber stimmen alle überein, eine
gewisse Sibylle habe dem Tarquinius Superbus 3 Bücher
gebracht; von diesen sind 2 von ihm selbst, das dritte aber
mit dem Capitolium zu den Zeiten Sulla's verbrannt.
Ausserdem schreibt Mutianus, welcher dreimal Consul war,
er habe neulich, als er Lycien verwaltete, in einem Tem-
pel einen von Troja her auf das Papier geschriebenen
Brief Sarpedon's gelesen. Ich wundere mich hierüber um
so mehr, wenn zu der Zeit, als Homer sein Gedicht schrieb,
Aegypten noch nicht da war; 2) oder warum er, wenn man
schon den Gebrauch des Papiers kannte, auf bleierne oder
leinene Rollen schrieb? Ferner, warum Homer sagt, dass
selbst in diesem Lycien dem Bellerophon eine Schreibtafel
und nicht ein Brief mitgegeben sei? — Auch die Papier-
staude missräth zuweilen, und man sah sich schon unter
der Regierung des Tiberius aus Mangel am Papier veran-
lasst, von Seite des Senats Schiedsrichter zur Vertheilung
') Ein unbekannter Schriftsteller.
2) D. h. in der jetzigen Ausdehnung Vgl. Cap. 21. dieses Buches.
Dreizehntes Buch. 69
desselben zu ernennen, sonst wäre das ganze Leben in
Verwirrung gerathen.
28.
Aethiopien, welches an Aegypten grenzt, hat beinahe
gar keine ausgezeichneten Bäume, ausser den wolletra-
genden, von denen schon bei Beschreibung Indiens und
Arabiens die Rede war. Diese Wolle nähert sich jedoch
mehr der Natur der Schafwolle, die Fruchtkapsel ist
grösser als ein Granatapfel, und die Bäume selbst sind
unter sich einander gleich. Ausserdem giebt es daselbst
auch Palmen, wie wir sie beschrieben haben. Die Bäume
der um Aethiopien liegenden Inseln und die wohlriechenden
Wälder sind schon bei diesen Inseln selbst angeführt
worden.
29.
Man erzählt von einem auf dem Berge Atlas befind-
lichen merkwürdigen Walde, dessen wir bereits erwähnt
haben i). An diesen grenzen die Mauren, in deren Lande
der Citrusbaum^) sehr häufig wächst, aus dem man
Tische verfertigt, die zu unsinniger Verschwendung Anlass
geben, und deren Anschaffung die Weiber ihren Perlen
gegenüber den Männern zum Vorwurfe machen könnten.
Noch jetzt existirt ein solcher Tisch des M. Cicero, der
beidem damaligen Geldmangel, und was noch mehr zu bewun-
dern ist, in jenem Zeitalter für L Million Sesterzen gekauft
wurde. Auch wird eines Tisches des Gallus Asinius ge-
dacht, der 1,100,000 Sesterzen kostete. Ferner sind 2
Tische des Königs Juba verkauft worden, von denen der
eine um 1,200,000 Sesterzen, der andere zu einem etwas
geringern Preise wegkam. Neulich verbrannte ein von
dem Cethegern herstammender, der um 1,400,000 Sesterzen
erstanden war — eine Summe, für welche man ein grosses
Landgut kaufen könnte. Der grösste unter allen war bis
jetzt der des Königs Ptolemäus in Mauritanien, welcher
') V. B. 1. Cap.
^) Citrus. Thuja articulata Vahl,
70 Dreizehntes Buch.
aus 2 halben Zirkeln zusammengesetzt war, 41/2 Fuss im
Durchmesser und 1/4 Fuss in der Dicke hatte. An ihm
musste man die Kunst bewundern, denn die Fugen waren
so verborgen, als wenn die Natur sie gemacht hätte. Des-
gleichen einer aus einem Stücke, welcher von Nomius,
einem Freigelassenen des Kaiser Tiberius, einen Beinamen
erhielt, 4 Fuss weniger 3/^ ZolP) gross und V2 Fuss we-
niger 3/4 Zoll dick war. Hierbei glaube ich nicht uner-
wähnt lassen zu dürfen, dass der Kaiser Tiberius einen
Tisch gehabt hat, der ^6 Sicilicus mehr als 4 Fuss gross,
durchaus aber nur anderthalb Zoll dick, und mit
einer Platte tiberdeckt war, während -doch sein Freigelas-
sener einen so vorzüglichen besass. Das Material zu
diesen Tischen ist der knollige Auswuchs einer Wurzel,
und derjenige Theil davon, welcher ganz unter der Erde steckt,
wird am meisten geschätzt, aber weit seltener gefunden, als ein
über der Erde oder auch an den Zweigen befindlicher. Was zu
so hohen Preisen gekauft wird, ist eigentlich ein krankhaftes
Erzeugniss der Bäume, deren Umfang und Wurzeln man aus
den Ringen beurtheilen kann. Sie sind aber dem wilden
Cypressenbaume im Blatte, Gerüche und Stamme ähnlich.
Ein Berg im diesseitigen Mauritanien, genannt der Anker-
berg 2), lieferte die besten Citrusbäume, ist aber jetzt er-
schöpft.
30.
Die Tische mit krausen Adern oder kleinen Wirbeln
haben den Vorzug. Jene laufen längs dem Holze, woher
letzteres denn auch getigert genannt wird, diese entstehen
durch Einwärtsdrehen, und solches Holz heisst gepanthert.
Es giebt auch Tische mit wellenförmig krauser Zeichnung,
und diese sind noch beliebter, wenn sie den Pfauenfeder-
augen gleichen. Nächst ihnen stehen auch, ausser den
schon genannten, die im Ansehen, welche wie mit einem
dichten Haufen Körnern gesprengt sind, und aus diesem
Grunde die getüpfelten 3) genannt werden. Ihr höchster
') Tres sicilici. -) ancorarins. ^) apiatae.
Dreizehntes Buch. 71
Weith beruht aber bei allen auf der Farbe; am beliebte-
sten ist die Farbe des Mostes, welche aus seinen Adern
schimmert. Dann folgt ihre Grösse; man hat sie entweder
aus einem Stamme, oder aus mehreren Stämmen verbunden.
Fehler eines Tisches sind; das Holz d. i. der todte
Stamm, oder die ungeordnete Einfachheit, oder die Ver-
theilung nach Art der Platanenblätter; ferner die Aehn-
lichkeit mit den Adern oder der Farbe der Eiche, sowie
Risse oder Rissen gleiche Fasern, welche sie durch Ein-
fiuss von Hitze und Wind bekommen haben. Sodann ein
durchlaufender schwarzer Streif), die Einfassung mit ver-
schiedenen krummen Punkten gleich Mohnsaamen, und
überhaupt die dem Schwarzen sich mehr nähernde Farbe
oder mehrfarbige Flecke. Die Barbaren vergraben das
grüne Holz in die Erde, und bestreichen es mit Wachs;
die Künstler aber legen es 7 Tage lang in Getreidehaufen,
und ebenso lange heraus, und es ist merkwürdig, wie viel
dadurch am Gewichte abgeht. Neulich sind wir durch
Schiffbrüche belehrt worden, dass diess Holz auch im
Meere austrocknet, und, ohne Verminderung seiner Härte,
auf keine andere Weise dichter wird. Man conservirt
diese Tische am besten und erhält sie glänzend, wenn
man sie mit trockner Hand, besonders gleich nach dem
Bade, reibt; auch macht der Wein auf ihnen kleine Flecke,
wie er es auf seinem eignen Holze thut.
Dieser Baum gehört unter die seltenern Geräthe eines
glänzendem Hausstandes; daher wollen wir noch ein wenig
bei ihm verweilen. Auch Homer kannte ihn; im Griechi-
schen heisst er Thyon ^), bei Andern Thya, und seiner Aus-
sage nach wird das Holz nebst anderen Rauch werken, zu
Ehren der Circe, welche er für eine Göttin ausgiebt, an-
gezündet. Wer aber unter jenem Worte Thya Parfüme
versteht, irret sehr, denn er spricht vorzüglich in diesem
Verse vom Brennen der Ceder und Lärchentanne, und es
') muraena.
2) Der göttliche.
72 Dreizehntes Buch.
ist klar, dass nur von Bäumen die Rede ist. Theophrastus^
der nächste Schriftsteller nach dem Zeitalter Alexanders
des Grossen, um das Jahr 440 nach Rom's Erbauung, er-
weist diesem Baume schon grosse Ehre, und meldet, dass
aus ihm das Gebälk der alten Tempel gemacht sei, und
dass das Holz wegen seiner Fehlerlosigkeit und Dauer-
haftigkeit ein unverwesliches Material zu Häusern abgebe.
Nichts sei krauser als seine Wurzel, und nichts liefere
kostbarere Werke. Von . vorzüglicher Beschaffenheit
aber sei er beim Tempel des Hammon, doch wachse er
auch im untern Theile der cyrenaischen Provinz. Von
Tischen sagt er jedoch nichts, auch findet man vor dem
ciceronianischen keines älteren erwähnt, woraus hervorgeht,
dass sie etwas Neues sind.
31.
Ein anderer Citrusbaum trägt eine Frucht; die-
bei Einigen wegen ihres Geruchs und ihrer Bitterkeit ver-
hasst, bei Andern beliebt ist, auch zur Ausschmückung der
Häuser dient; doch wollen wir uns nicht länger dabei
aufhalten.
32.
In dem uns gegenüberliegenden Theile Afrikas wächst
auch der berühmte Baum Lotus, den man Celtis i) nennt^
und der auch in Italien bekannt, aber durch den Boden
verändert ist. Am besten findet er sich bei den Syrten.
und den Nasamonen. Er hat die Grösse eines Birnbaumes,-
obgleich Cornelius Nepos ihn für niedrig ausgiebt. Sein
Blatt ist mehrfach eingeschnitten, wie das der Eiche. Es
giebt verschiedene Abarten, die am besten durch die Frucht
bestimmt werden. Diese hat die Grösse einer Bohne, eine
safranartige Farbe, erscheint jedoch vor der Reife bald so,.
bald so gefärbt, wie man es bei den Weintrauben sieht.
Er wächst mit dichten Zweigen gleich der Myrte, nicht,,
wie in Italien, gleich dem Kirschbaum, und giebt doit auch..
') Celtis australis L.
Dreizehntes Bach. 73
eine so süsse Speise ')» dass das Volk und Land, deren
grosse Gastfreundschaft die Ankömmlinge ihr Vaterland
vergessen lassen, den Namen davon bekommen hat. Die,
welche davon essen, sollen kein Bauchgrimmen bekommen.
Sie ist besser ohne den Innern Kern, der bei einer andern
Art Knochenhärte hat. Man presst auch einen Wein daraus,
der dem Moste ähnlich ist, und nach demselben Nepos
sich nicht über 10 Tage halten soll; auch werden die
Beeren zerschnitten und mit Graupen zur Speise in Fässer
gepackt. Ja wir haben selbst erfahren, dass ganze Kriegs-
heere auf ihren Zügen durch Afrika sich davon genährt
haben. Das Holz hat eine schwarze Farbe, und wird zur
Verfertigung von Flöten sehr gesucht. Aus der Wurzel
macht man Messergriffe und andere kleine Geräthschaften.
Diess ist die Natur des dortigen Baumes Lotus.
Unter demselben Namen giebt es auch ein Kraut 2)^
und in Aegypten unter den Sumpfgewächsen ein Stengel-
gewächs 3). Wenn nämlich das ausgetretene Nilwasser
wieder abnimmt, so kommt ein bohnenähnlicher Stengel
hervor, der dicht mit Blättern besetzt ist, nur dass diese
dünner und kürzer sind wie bei der Bohne, und an der
Spitze eine Frucht trägt, welche durch ihre Einschnitte
sowohl wie in jeder andern Hinsicht dem Mohne gleicht
und im Innern hirseartige Samen hat. Die Einwohner
lassen die Köpfe auf einem Haufen faulen, trennen dann
die Samen durch Waschen, trocknen, stossen sie, und be-
dienen sich derselben statt des Brotes. Ausserdem erzählt
man noch folgendes Merkwürdige davon: diese dem Mohn
ähnlichen Köpfe schliessen sich beim Untergange der Sonne
*) Plinius verwechselt hier Celtis australis mit anderen Pflanzen,
denn erstere hat eine unschmackhafte Frucht. Der Lotus mit süsser
Frucht ist entweder Zizyphus Lotus W, oder Diospyros Lotus, oder
man begriff darunter beide zusammen.
^) Melilotus messanensis L.
3) caulis. Hierher gehören 2 Species , Nymphaea Lotus und'
Nymphaea Nelumbo (Nelumbium speciosum).
74 Dreizehntes Buch.
und bedecken sich mit den Blättern, bei Sonnenaufgange
aber öffnen sie sich, bis sie endlich reifen, und die Blüthe,
welche weiss ist, abfällt.
Ferner wird berichtet, der Kopf und die Blume tauchen
im Euphrat vom Abend bis Mitternacht unter, und gehen
ganz in die Tiefe hinab, so dass mau sie mit ausgestreckter
Hand nicht fassen könne. Dann kehre die Pflanze um, er-
hebe sich allmählig, steige beim Aufgange der Sonne
wiederum aus dem Wasser, öffne ihre Blume, und erhöbe
sich soweit, dass sie hoch über dem Wasser stehe. Diese
Lotuspflanze hat eine Wurzel von der Grösse eines Quitten -
apfels, welche mit einer schwarzen Rinde, ähnlich der,
welche die Kastanien umschliesst, bedeckt ist. Inwendig
befindet sich ein weisses, angenehm schmeckendes Fleisch,
das jedoch in Wasser gekocht oder auf Kohlen gebraten
noch besser mundet. Die Abfälle davon sind die beste
Mästung für die Schweine.
33.
In der cyrenaischen Provinz zieht man den
Paliurus^) dem Lotus vor. Er hat mehr das Ansehen
eines Strauchs, die Frucht ist röthlicher (der Kern wird
nicht mitgegessen), schmeckt an und für sich schon ange-
nehm, aber noch angenehmer mit Wein, ja ihr Saft erhöht
den Geschmack des Weines. Das innere Afrika bis zu
dem Gebiete der Garamanter und die Wüsten sind durch
ihre grossen und schönen Palmbäume, von denen die auö-
gezeichnetsten beim Tempel des Hammon stehen, bekannt.
34.
Aber um Carthago behauptet der punische Apfel 2)
selbst durch seinen Beinamen, den ersten Rang. Er heisst
auch Granatapfel und wird in mehrere Arten getheilt.
Diejenige, welche keinen holzigen Kern hat, heisst die
kernlose, ist von Natur weisser, die Kerne milder, und
durch weniger bittere Häute getrennt. Sonst besitzen sie
*) Rhamnus Paliurus L.
^) Punicmii malum. Punica Granatum.
Dreizehntes Buch. 75
alle gemeinschaftlich einen besondern, dem der Bieuen-
scheiben ähnlichen Bau. Fünf Arten haben Kerne, nemlich
süsse, scharfe, vermischte, saure, weinige. Die samnische
und ägyptische unterscheidet man als rothlaubige und
weisslaubige. Von den herben eignet sich die Einde besser
zum Gerben. Die Blume heisst Balaustium, dient zu
Arzneien und zum Färben der Kleider, deren Farbe davon
benannt wird.
35.
In Asien und Griechenland wachsen unter andern
folgende Sträucher : Epipactis 1), welche Einige Helleborine
nennen, mit kleinen Blättern, aus denen man einen Trank
gegen Gifte bereitet; ebenso dienen die derErice^) gegen
den Schlangenbiss. Ferner die Pflanze, auf welcher das
gnidische Korn wächst, das verschiedene Namen führt,
nämlich: Linum, Thymeläa, Chameläa, Pyrosachne,
Cnestron, Cneoron^). Der Strauch selbst ist dem wilden
Oelbaume ähnlich, hat aber schmalere Blätter, die gekauet
Harzgehalt zeigen, und die Grösse einer Myrte. Der Same
gleicht in der Farbe und Gestalt dem Getreide. Es wird
nur in der Medicin Anwendung davon gemacht.
36.
Der Strauch Tragion*) wächst allein auf der Insel
€reta, gleicht der Terebinthe, auch im Samen, und dieser
soll das wirksamste Mittel gegen die Pfeilwunden sein.
Auch kommt dort der Bocksdorn'') mit einer der des
•) Epipactis grandiflora Sm.
2) Erica arborea L.
3) Plinius verwechselt hier mehrere Arten Daphne mit einander.
Das gnidische Korn und die Thymelaea ist D. Gnidium L.; Chame-
laea und Cnestron ist D. oleoides L.; Cneoron ist D. Tartonraira L.
die übrigen Namen im Texte gehören der einen oder andern dieser
Arten an, nur lässt sich bei der mangelhaften Beschreibung nicht
sagen welcher?
*) Ohne Zweifel ein Astragalus.
^) Tragacanthe. Astragalus Tragacantha L. (A. aristatus L'Her.
und A. creticus Sibth).
76 Dreizehntes Buch.
weissen Dornstrauchs gleichen Wurzel vor , welche der in
Medien und Achaja wachsenden weit vorgezogen wird.
10 Pfund davon kosten 3 Ass.
37.
Auch Asien hat einen Tragus ') oder sogenannten
Scorpion, einen Dornstrauch ohne Blätter, und mit röth-
lichen Trauben, der in der Medicin gebraucht wird. In
Italien wächst die Myrice, welche Einige Tamarisce^)
nennen; in Achaja die wilde Brya, an welcher das merk-
würdig ist, dass nur die angebauete eine dem Galläpfel
ähnliche Frucht trägt. In Syrien und Aegypten wächst
diese Pflanze häufig; ihr Holz nennen wir das unglückliche^),
jedoch hat Griechenland ein noch unglücklicheres Gewächs,
nämlich den Baum Ostrys, von Einigen auch Ostrya*)
genannt, einzeln an Klippen im Wasser, dessen Rinde und
Aeste denen der Esche, dessen Blätter denen des Birn-
baumes ähnlich sehen, nur dass sie etwas länger und dicker
sind, Einschnitte und Runzeln, welche ganz hindurch laufen,
haben. Der Same gleicht in Gestalt und Farbe der Gerste,
Sein Holz ist hart und fest, und soll in ein Haus gebracht
schwere Geburten und einen kläglichen Tod bewirken,
38.
Eben so unheilbringend ist der sogenannte Spindel-
baum 5) auf der Insel Lesbos, der dem Granatbaum etwas
gleich sieht; sein Blatt hält das Mittel in der Grösse
zwischen dem des Granatbaums und des Lorbeers, hat
aber die Gestalt und Weichheit des erstem, die Blume
mehr weiss. Er ist stets der Verkündiger der Pest. Seine
Schoten sind denen des Sesams ähnlich, die darin befind-
lichen Körner viereckig, dicht und den Thieren tödtlich;
die Blätter haben dieselbe Wirkung. Zuweilen hilft eine
schnelle Ausleerung des Leibes dagegen.
') Ephedra distachya L. "■') Tamarice. Tamarix africana Desf^
^) Nämlich zu Vorbedeutungen.
^) Ostrya vulgaris W, die Hopfenbuche.
^) Evonymus. Evonymus latifolius Scop.
Dreizehntes Buch. 77
39.
Alexander Cornelius neunt den Baum, aus welchem
das Schiff Argo gemacht sei, Eon; er sei der Eiche, welche
die Mistel trägt *■), ähnlich, und könne gleich der Mistel
weder durch Wasser noch durch Feuer zerstört werden.
So viel ich weiss, kennt ihn Niemand weiter.
40.
Den Namen Andrachle übersetzen fast alle Griechen
mit Portulaca, während dieses doch ein Kraut ist, und,
durch einen einzigen Buchstaben unterschieden, Andrachne
genannt wird. Uebrigens ist der Andrachle 2) ein wilder
Baum, der nicht in Ebenen wächst, und dem Unedo gleicht,
nur dass sein Blatt kleiner ist und niemals abfällt. Seine
Rinde ist zwar nicht rauh, scheint aber rundum beinahe
wie gefroren, so traurig ist sein Ansehen.
41.
Der Coccygia^) gleicht ihm im Blatte, ist aber kleiner.
Er besitzt die Eigenschaft, die Frucht zu verlieren, wenn
dieselbe eine wollige Krone (das sogenannte Pappus) hat,
was man bei keinem andern Baume findet. Ihm ähnlich
ist der Apharce, der gleich dem Andrachle 2 mal trägt;
die erste Frucht wird reif, wenn die Weintraube anzusetzen
beginnt, die zweite im Anfange des Winters; wie sie be-
schaffen sind, ist nicht angegeben.
42.
Es wird auch passend sein, das wir die Ferula unter
den ausländischen Gewächsen abhandeln und den Bäumen
zurechnen, denn einige Bäume haben (wie wir den Unter-
schied gefunden haben) alles Holz an der Stelle der Rinde,
•) Die eigentliche Mistel, Viscum album, kommt fast nie auf
Eichen, sondern auf Aepfel- Birnbäumen, Pappeln Linden und
Tannen vor; dagegen findet sich ein der Mistel sehr verwandtes
Schmarotzergewächs, di« Riemenblume, Loranthus europaeus auf
Eichen, namentlich auf Quercus pubesceus W. und austriaca W.
in Oesterreich, Schlesien.
■^) Arbutus Andrachne.
^) Rhus Cotinus L.
78 Dreizehntes Buch.
d. h. auswärts, statt des Holzes aber inwendig ein
schwammiges Mark, wie die Hollunderbäume; andere da-
gegen sind inwendig leer, wie die Schilfe. Die Ferula
wächst in warmen Gegenden jenseits des Meeres, und hat
einen knotig geknieeten Stengel. Es giebt 2 Arten davon;
die, welche hoch aufschiesst nennen die Griechen Nartheca ^),
die andere, niedrige aber Narthecya 2). Die grössten Blätter
stehen der Erde am nächsten, und entspringen an den
Knieen. Uebrigens kommt die Pflanze mit dem Anethum^)
überein, auch sehen sich die Früchte einander ähnlich;
ferner ist keine Staude leichter als diese, daher sie auch,
alten Leuten als Stock dient.
43.
Den Samen der Ferula haben Einige Thapsia ge-
nannt, allein sie täuschten sich dadurch, dass die Ferula
unbezweifelt eine Thapsia ist; jedoch begreift man unter
letzterm Namen wiederum eine besondere Gattung mit
fenchelartigen Blättern, hohlem Stengel von der Länge eines
Spazierstocks, Samen ähnlich der Ferula und weisser
Wurzel"*). Beim Einschneiden fliesst Milch daraus; zer-
stösst man sie, so bekommt man einen Saft. Auch die
Kinde verwirft man nicht. Alle Theile sind giftig, ja selbst
denen, welche sie graben, schadet sie; wenn der geringste
Luftstrom entsteht, schwillt ihr Leib auf, und im Gesichte
entsteht die Rose, daher sie dasselbe zuvor mit einer
Wachssalbe bestreichen. Doch soll sie nach Aussage der
Aerzte, wenn sie mit andern Stoffen vermischt wird, in
einigen Krankheiten Hülfe leisten, auch beim Ausfallen der
Haare, bei Beulen und blauen Flecken gut sein, als ob es
an Heilmitteln fehle, um so gefährliche Dinge zu gebrauchen!
Aber man liebt es, schädlichen Mitteln ein unschuldiges
Gewand anzuziehen, und ist so unverschämt, die Leute
glaubend zu machen, Gift gehöre mit zur Kunst. In Afrika^
') Ferula communis L.
^) Ferula nodiflora L. ^) Anethuni
'') Thapsia garganica L.
graveolens L.
Dreizehntes Buch. 79
ist die Thapsia am giftigsteo. Einige ritzen den Stengel
zur Zeit der Erndte, höhlen ihn an der Wurzel aus, damit
der Saft zusammenfliesst, und wenn dieser trocken ge-
worden ist, nehmen sie ihn heraus. Andere zerstossen.
Blätter, Stengel und Wurzel in einem Mörser, lassen den
Saft an der Sonne verdicken und bilden daraus kleine
Kuchen- Der Kaiser Nero hat im Anfange seiner Regierung
dieser Pflanze Ruf erworben; ihm wurde nämlich bei seinen
nächtlichen Schwärmereien das Gesicht damit zerschlagen,
er aber bestrich es sich mit Weihrauch und Wachs, und
konnte nun am folgenden Tage, dem Gerüchte zuwider,
seine unbeschädigte Haut zeigen, Dass sich in dem Stecken-
kraute das Feuer am besten hält 1), und dass es in Aegypten
deshalb andern dergl. Mitteln vorgezogen wird, ist gewiss-
44.
Dort wächst auch die Capparis^), ein Strauch mit
ziemlich hartem Holze, dessen Same eine allgemeine Speise
ausmacht und mit dem man auch meistentheils den Zweig
abnimmt. Man muss sich vor den ausländischen Arten hüten,,
denn die arabische ist giftig, die afrikanische schadet dem
Zahnfleische, die marmarische den weiblichen Geschlechts-
theilen und macht Blähungen, die apulische erregt Brechen,,
und schadet dem Magen und Unterleibe. Einige nennen
sie Cynosbatos 3), Andere Opheostaphylos.
45.
Auch das Sari 3), welches am Nile wächst, gehört zu
den Sträuchern, ist beinahe 2 Cubitus hoch, einen Daumen
dick, hat Blätter wie der Papyrus, und wird wie dieser
gegessen. Die Wurzel wird in den Schmieden sehr ge-
schätzt, weil sie harte Kohlen giebt.
46.
Auch dürfen wir den Strauch nicht übergehen, welcher
zu Babylon auf die Dornbäume gesäet wird, weil er, gleich.
') Das Mark der Ferula communis diente nämlich als Zunder.
2) Capparis spinosa L,
ä) Diess ist Rosa sempervirens L. ■*) Cyperus comosus L.
.gQ Dreizehntes Buch.
wie die Mistel auf Bäumen, sonst nirgends anders fort-
kommt; man trifft ihn aber nur auf den sogenannten könig-
lichen Dornbäumen. Merkwürdig ist, dass der Same
an demselben Tage, wo er darauf geworfen wird, schon
keimt — diess geschieht aber beim Aufgange des Hunds-
sterns — und äusserst schnell in den Baum eindringt.
Man würzt den Wein damit und cultivirt ihn deshalb.
Jener Dornbaum i) wächst auch in Athen an den langen
Mauern.
47.
Strauchartig ist auch der Cytisus 2), welcher von dem
Athenienser Aristomachus ^) mit ausserordentlichem Lobe
als Futter für die Schafe, trocken aber auch für die Schweine
gepriesen wird, und von einem Morgen selbst mittelmässigen
Bodens jährlich 1000 Sesterzen Einkünfte liefert. Er hat
denselben Nutzen wie die Erve*), sättigt aber mehr, und
vierftissige Thiere werden von einer massigen Quantität so
fett, dass das Zugvieh selbst die Gerste nicht anrührt. Der
Genuss keines andern Futters giebt mehr und bessere
Milch, und ausserdem ist es ein Arzneimittel bei allen Vieh-
krankheiten. Ja er empfiehlt sogar, es den Ammen bei
Mangel an Milch, getrocknet in Wasser gekocht, mit Wein
zu trinken zu geben; die Kinder würden dadurch kräftiger
und grösser. Auch den Hühnern soll man es grün oder,
ist es trocken, angefeuchtet geben. Democritus und Aristo-
machus versichern, wo der Cytisus wachse, würde es nie
an Bienen fehlen. Kein anderes Futter kostet weniger.
Man säet es mit der Gerste im Frühlinge, wie das Porrum,
oder setzt die Pflanze im Herbste vor dem December. Der
Same muss feucht erhalten, und bei Mangel an Regen
begossen werden. Die Pflanzen werden, wenn sie 1 Cubi-
') Nämlich der königliche.
") Medicago arborea L.
3) Schrieb über Wein- und Pflanzenkultur , seine Schriften sind
;aber verloren gegangen.
*) Ervum, eine Hülsenfrucht, Ervum Ervilia L.
Dreizehntes Buch. gl
-tus lang sind, in fusstiefe Löcher gesetzt; diess geschieht
zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche, wo der Strauch noch
zart ist, und in 3 Jahren ist er völlig ausgewachsen. Man
schneidet ihn im Fröhlings-Aequinoctium, wenn er ausge-
blühet hat, ab, und diess ist die leichteste Arbeit für einen
Knaben oder eine alte Frau. Er sieht grau aus, und ist,
will man die Aehnlichkeit kurz ausdrücken, ein Strauch
mit kleinem Dreiblatt. Man giebt ihn den Thieren allemal
nach 2 Tagen, im Winter aber, wo er trocken ist, ange-
feuchtet. Pferde werden von 10 Pfunden, und die kleinern
Thiere nach Verhältniss von geringern Mengen satt. Säet
man zwischen die Reihen Knoblauch und Zwiebeln dünn
aus, so vermehrt diess den Ertrag. Man fand diesen Strauch
zuerst auf der Insel Cythnus, brachte ihn dann auf alle
Cycladeu, später in die griechischen Städte, wodurch die
Bereitung des Käse sich sehr vermehrte; ich wundere mich
daher nicht wenig, dass er in Italien so selten vorkommt.
Er leidet weder von der Hitze, noch von der Kälte, dem
Hagel oder dem Schnee. Hyginus i) fügt hinzu, auch von
Feinden habe er nichts zu fürchten, denn sein Holz stehe
in keinem Werthe.
48.
Auch im Meere wachsen Sträucher und Bäume, doch
sind die in dem unsrigen kleiner, das rothe Meer und-
der ganze östliche Ocean aber mit Wäldern augefüllt. In
keiner andern Sprache giebt es ein Wort für das, was die
Griechen Phycos2) nennen, denn mit dem Worte alga be-
zeichnet man mehr ein krautartiges Gewächs; jenes aber
ist ein Strauch. Er hat breite grüne Blätter, welche Einige
Prason, Andere Zostera3) nennen. Eine andere ähnliche
Art mit haarartigem, dem Fenchel gleichem Blatte, wächst
auf Felsen, das vorige au seichten Orten nicht weit vom
•j C. Julius Hjginus aus Spanien oder Alexandrien, um 10 n.
Chr., Freigelassener des Augustus, Freund Ovids, Aufseher über
die palatin. Bibliothek.
-) Fucus, Seetang. ») Zostera niarinä L.
Wittstein: Pliiuiis. III. Bd. c
g2 Dreizehntes Buch.
Ufer, beide im Fiühlinge, und vergehen im Herbste. Mit
dem, was bei der Insel Greta an Felsen wächst, färbt man
auch Purpurzeuge, und am besten ist das, was gegen Norden
oder an Schwämmen wächst. Die dritte Art sieht dem»
Grase gleich, hat eine knotige Wurzel und einen rohrartigen
Stängel.
49.
Eine andere strauchartige Gattung nennt man See-
moos^), es hat ein dem Lattich ähnliches, aber runzliges
Blatt, und wächst schon weiter ins Meer hinein. Auf dem
hohen Meere aber finden sich die Seetanne und Seeeiche
von der Höhe eines Cubitus. An ihren Aesten hängen
Muscheln. Die Seeeiche soll zum Färben der Wolle ange-
wandt werden; auch sollen einige, wie Schiffbrüchige und
Taucher gefunden haben, Eicheln tragen. Noch andere bei
Sicyon vorkommende giebt man für ausserordentlich gross
aus. Der Weinstock wächst an mehreren Orten, der
Feigenbaum aber ohne Blätter und mit rother Rinde. Auch
eine strauchartige Palme wächst im Meer, Jenseits der
Säulen des Herkules steht ein Strauch mit Blättern wie
Lauch, ein anderer mit Lorbeer- und Thymianblättern ;
werden diese beiden vom Wasser ausgeworfen, so ver-
wandeln sie sich in Stein 2).
50.
Merkwürdig ist im Oriente, dass unmittelbar von Copto s
an in den Wüsten nichts als ein Dornbaum, welcher der
Durstende heisst, und selbst dieser nur selten vorkommt;
ferner, dass es im rothen Meere ganze Wälder, nament-
lich von Lorbeer- und Oelbäumen, welche Früchte tragen,
und, wenn es regnet, Schwämme gibt, die von der Sonne
beschienen zu Stein werden. Die Höhe der Sträucher selbst
beträgt 3 Cubitus; sie sitzen voller Haifische, welche kaum
aus dem Schiffe zu sehen gestatten und sehr oft die Ruder
anfallen.
*) Bryon. ^) pumex.
Dreizehntes Buch. 83
51.
Alexander's Soldaten, welche zu Schiffe nach Indien
gekommen waren, erzählten, das Laub der Seebäume sei
im Wasser grün, vertrockne aber, so bald es herausge-
nommen würde, an der Sonne zu einer Salzmasse. Auch
gäbe es au den Küsten steinerne, den ächten ähnliche
Binsen, und in der Tiefe einige Bäume von der Farbe der
Ochsenhörner, ästig, und an den Spitzen röthlich; sie Hessen
sich wie Glas brechen, im Feuer aber glüheten sie wie
Eisen, und wenn sie abgelöscht wären, kehrte ihre vorige
Farbe wieder zurück. Ebendaselbst bedeckt die Fluth auf
Inseln ganze Wälder, obgleich sie höher als die Platanen
und höchsten Pappeln sind. Diese Bäume haben Blätter
wie der Lorbeer, Blüthen gleich den Violen an Geruch
und Farbe, Beeren wie Oliven, welche auch angenehm
riechen und im Herbste reifen. Die Blätter fallen niemals
ab. Die kleinen Bäume bedeckt das Meer gänzlich; von
den grössten ragen nur die Gipfel hervor, an welche man
die Schiffe befestigt, und ist Ebbe eingetreten, so bindet
man sie unten an die Stämme. Ebendieselben haben auch
erzählt, man sehe auf dem hohen Meere Bäume, welche be-
ständig ihre Blätter behielten, und deren Frucht der Wolfs -
bohne gleiche.
52.
Juba schreibt, bei den Inseln der Troglodyten wachse
im Meere ein Strauch, der Isis haar hiesse, einer Koralle
gleiche, und keine Blätter habe; schneide man ihn ab, so
werde er schwarz und hart, und wenn er falle, so zerbreche
er. Ein anderer, das sogenannte Liebesauge ^) sei wirk-
sam in Liebessachen; die Weiber sollen sich daraus Arm-
bänder und Halsgeschmeide machen. Dieser Strauch soll
es merken, wenn er gefasst wird, und so hart wie ein
Hörn werden, auch die Schneide eiserner Werkzeuge stumpf
machen. Wenn er den Nachstellungen nicht entgangen
ist, soll er sich in Stein verwandeln.
') Charitoblephavon.
Vierzehntes Buch.
Von dem Weinstocke und dem Weine.
1.
Wir haben bis jetzt die ausländischen Bäume und die,
welche nur da gedeihen, wo sie entsprossen sind und nicht
in fremde Länder einwandern, fast sämmtlich kennen ge-
lernt. Nun erlaube ich mir, von den allgemein verbreiteten
zu reden, für deren aller besonderes Vaterland Italien an-
gesehen werden kann. Kenner mögen sich indessen erin-
nern, dass wir nur von ihrer Beschaffenheit, nicht von ihrer
Cultur reden, obgleich der grösste Theil ihrer Wartung
auf ihrer Natur beruht. Ich kann mich nicht genug da-
rüber wundern, dass die Nachrichten von einigen, ja selbst
die Keuntniss der von den Schriftstellern angegebeneu
Namen verloren gegangen sind. Denn wer sollte nicht
meinen, dass, nachdem der ganze Erdkreis unter dem
Scepter des römischen Reichs vereinigt ist, auch dem Leben
Vortheile aus dem gegenseitigen Verkehr und dem geselli-
gen Frieden erwachsen, und alles, was vorher vorborgen
war, in allgemeinen Gebrauch gekommen sein müsste?
Aber wahrlich, man findet Niemanden, der viel von dem,
was die Alten uns überliefert haben, weiss. Wie viel
fruchtbarer war dagegen die Sorgfalt der Alten, wie viel
glücklicher ihr Fleiss, denn schon vor ICOO Jahren, wo
die Wissenschaften erst anfingen, gab Hesiodus Vorschriften
für die Ackerleute heraus, und ihm sind nicht Wenige mit
gleicher Sorgfalt nachgefolgt. Daher kommt es, dass uns
Vierzehntes Buch. 85
die Arbeit gewachsen ist, denn nicht allein das was nach-
her erfunden wurde, sondern auch das von den Alten Er-
fundene muss wieder aufgesucht werden, weil durch den
Verlust des Andenkens eine gewisse Unthätigkeit darin
Platz gegriffen hat. Wer kann von dieser Schläfrigkeit
andere, als allgemeine Welt-Ursachen angeben? Es sind
nämlich andere Gebräuche aufgekommen, der menschliche
Geist wird von andern Dingen gefesselt, und man übt nur
die Künste der Habsucht. Früher als die Eeiche der ein-
zelnen Völker mit ihnen selbst ein abgeschlossenes Ganze
bildeten, mithin auch ihre geistigen Anlagen innerhalb der-
selben blieben, machte es gleichsam die Unfruchtbarkeit
des Glücks ') nothwendig, den Geist in Thätigkeit zu
setzen; sehr viele Könige wurden als Verehrer der Künste
gepriesen, sie suchten einen Ruhm darin, diese höher zu
stellen als Reichthümer, und glaubten, sich dadurch die
Unsterblichkeit erwerben zu können. Daher waren sowohl
Vortheile als Arbeiten im Leben zum Ueberflusse vorhan-
den. Den Nachkommen gereichte die Weitläufigkeit der
Welt und die Menge der Dinge zum Schaden, nachdem
man angefangen hatte, einen Senator nach seinem Ver-
mögen zu wählen. Jemand durch seinen Reichthum zum
Richter wurde, und nichts eine Magistratsperson und einen
Feldherrn mehr zierte als Geld, nachdem das höchste An-
sehn und die höchste Gewalt verloren gegangen, dagegen
ein Streben nach dem reichsten Gewinne an die Stelle
getreten sind, und die einzige Freude im Besitzen besteht.
So sind denn die Vortheile des Lebens zu Grunde gegan-
gen, alle nach dem höchsten Gute ^) sogenannte Künste in
das Gegentheil verfallen, und nur aus der Sclaverei hat
man Nutzen zu ziehen begonnen. Diese verehrt der Eine
so, der Andere so, doch streben Aller Wünsche dahin, ihre
Hoffnungen erfüllt zu sehen. Zuweilen wollen selbst vor-
') D. h. es fehlte an Gelegenheit zu Eroberungen.
-) Nämlich der Freiheit.
86 Vierzehntes Buch.
treffliche Männer lieber fremde Laster üben als ihre eigenen
Güter benutzen. Also hat in der That die Wollust ihr
Leben begonnen, und das Leben selbst hat aufgehört.
Aber wir wollen auch das längst Vergessene erforschen,
und die Geringfügigkeit mancher Gegenstände soll uns
hier ebenso wenig abschrecken, wie sie es bei den Thieren
gethan hat, obgleich wir sehen, dass der vortreffliche Dichter
Virgil aus diesem Grunde die Beschreibung der Erzeugnisse
der Gärten vermieden, und von so wichtigen Dingen, die
er behandelte, nur das Vornehmste berührt hat. Ihn
machte schon der Beifall glücklich, obgleich er im Ganzen
nur 15 Arten Trauben, 3 Arten Oliven, ebenso viele Birnen,
und unter den Aepfeln nur den assyrischen genannt, die
übrigen aber übergangen hat.
2.
Wo aber können wir passender anfangen als beim
Weinstocke ^), wodurch Italien so ausserordentlich bevor-
zugt ist, dass es scheinen möchte, dieses Land übertreffe
durch ihn allein schon alle Güter, ja selbst die wohlrie-
chenden der übrigen Völker, denn nichts riecht angenehmer
als die (in Blüthen) ausbrechenden Stöcke! Der Weinstock
wurde seiner Grösse wegen von den Alten mit Recht zu
den Bäumen gezählt. In der Stadt Populonium sieht mau
eine Statue Jupiters, die aus einem Stamm geschnitzt,
und viele Jahrhunderte hindurch unversehrt geblieben ist.
Ebenso befindet sich zu Massilia eine Schale aus einem
Stücke. Zu Metapontus steht ein Tempel der Juno auf
Säulen von Weiuholz. Auf das Dach des Tempels der
Diana zu Ephesus steigt man noch jetzt auf einer Treppe,
die, wie man sagt, aus einem Weinstocke von der Insel
Cypern wo sie zu einem ausserordentlichen Umfange heran-
wachsen, gefertigt ist. Kein Holz ist unverweslicher. Ich
glaube aber, dass man wilde Weinstöcke dazu genommen
hat.
') \ itis. Vitis vinifera L.
Vierzehntes Buch. 87
3.
Die andern (zahmen) Weinstöcke werden durch das
jährliche Beschneiden im Wachsthum gehindert, alle ihre
Kraft geht in die Sprösslinge und Ableger, und diess ge-
schieht bloss deshalb, um einen angenehmen, nach dem
Klima und dem Boden verschiedenen Saft daraus zu ge-
winnen. In Campanien vereinigen sie sich mit den Pappeln;
sie umschlingen deren Weibchen, und steigen mit ihren
geilen Armen durch deren Zweige im gedreheten Laufe
bis zu solcher Höhe hinan, dass der gedungene Winzer bei
seiner Arbeit wie auf Seheiterhaufen und Hügeln steht.
Sie wachsen ohne Aufhöreu, und können von denselben
weder getrennt, noch losgerissen werden. Auch Valerianus
Cornelius hat es vor allem für bemerkenswerth gehalten,
dass durch die Zweige und biegsamen Ranken einzelne
Weinstöcke ganze Land- und andere Häuser umkleidet
werden. Ein Weinstock in den Gallerien der Livia zu Rom
schützt die offenen Spaziergänge durch sein dichtes Laub-
werk vor den Sonnenstrahlen, und liefert 12 Amphoren
Most. Fast überall werden sie höher als die Ulmen, und
man sagt, Cineas, der Gesandte des Königs Pyrrhus, habe
zu Aricia ihre Höhe bewundert, und im Scherze über den
herben Geschmack des Weines mit den Worten gespottet:
„ Die Mutter desselben i) hinge mit Recht au einem so
hohen Kreuze". Rumbotinus wird die italienische Pappel
jenseits des Po genannt; dessen rund herum offenstehende
Zweigreihen füllen sie aus, und vertheilen, wenn sie durch
eine alte Rebe 2) auf dessen Hauptstamm gelangt sind,
ihre Rauken unter den aufgerichteten Reisern der Aeste.
Sie stehen auch, durch Pfähle gestüzt, in mittlerer Höhe
eines Menschen gerade auf, und bilden so einen Weinberg;
andere kriechen kühn umher, und bedecken durch ihre
grosse Menge von Ranken die Mitte der Vorhöfe in weiter
Ausdehnung. So grosse Verschiedenheiten hat Italien
') Nämlich des Weines. '•') Draco.
88 "Vierzehntes Buch.
allein aufzuweisen. In einigen Provinzen steht der Wein-
stock ohne alle Bepfählung frei, zieht seine Bogen mehr
in sich zusammen, und ersetzt in der Dicke, was ihm an
Länge abgeht. An andern Orten verhindern diess die
Winde, wie in Afrika und in einigen Distrikten der narbo-
nensischen Provinz. Wenn man sie nicht über ihre jähr-
lichen Sätze 1) schiessen lässt, und sie den behackten
immer gleich hält, so verbreiten sie sich gleich den Kräu-
tern über die Felder, und ziehen zuweilen durch die
Trauben den Saft aus der Erde, welche daher in dem
innern Theile Afrika's kleine Kinder an Grösse übertreffen.
Nirgends giebt es schlechtere Weine als dort, aber ande-
rerseits empfiehlt sich keine andere Traube mehr durch
ihre harte Haut, daher sie auch mit dem Namen der hart-
häutigen belegt wurde.
Die durch Grösse, Farbe, Geschmack und Beeren ver-
schiedenen Arten von Trauben sind unzählig, und werden
noch durch die Weine vermehrt. Hier sind sie purpurn,
dort rosenroth, dort grün; denn die weissliche und schwarze
Farbe gehören zu den gemeinen. Die grossbeerigen stro-
tzen gleich Brüsten. Die Dactylen tragen sehr lange Bee-
ren. Es ist ein Spiel der Natur, dass an sehr grossen
kleine, angenehme und. mit jenen im Geschmacke wett-
eifernde hängen, die man Zwergbeeren 2) nennt. Einige
halten sich den Winter über, wenn sie an einer Schnur an
der Decke aufgehängt werden. Andere werden nur in
ihrer eigenen Ausdünstung erhalten, wenn man sie in ir-
dene Töpfe und diese noch in Fässer, welche mit schwit-
zenden 3) Weintrestern umgeben sind, einschliesst. Andern
giebt, sowie den Weinen, der Rauch aus den Schmieden
einen angenehmen Geschmack, und diesen hat in den
Oefen Afrikas das Ansehn des Kaiser Tiberius ganz be-
sondern Ruhm verschafft. Vor ihm hatten die rhätischen
und die im veronensischen Gebiete wachsenden Trauben
') pollices.
') leptorages. ^) D, i. gährenden.
Vierzehntes Buch. 89-
den Vorzug auf den Tischen. Ja die getrockneten i) Bee-
ren haben sogar von der Geduld 2) ihren Namen bekommen.
Auch bewahrt man Trauben im Moste, und berauscht sie
selbst mit ihrem eigenen Weine. Andere werden durch
Kochen in Most versüsst; andere aber erwarten, in ein
durchsichtiges Glas eingeschlossen, an der Mutter selbst
einen neuen Zuwachs, und Pech auf den Stengel gegossen
giebt durch seine Schärfe den Beere© dieselbe dauernde
Festigksit, die sie in Fässern und Krügen bekommen.
Jetzt kennt man auch eine Art Trauben, deren Wein an
und für sich schon nach Pech schmeckt; durch ihn ist das
vienuensische Gebiet berühmt geworden, welches sich auch
durch die arvernische, sequanische und helvische Art aus-
zeichnet. Diese waren zu Zeiten des Dichters Virgil, der
vor 90 Jahren starb, unbekannt. Und sind sie nicht jetzt
im Lager eingeführt und halten die höchsten Angelegen-
heiten und das Reich zusammen? Der Weinstok befindet
sich in den Händen der Centurionen, führt mit reichlichem
Lohne die trägen Reihen zu den langsamen Adlern, und
ehrt selbst die Strafe beim Verbrechen. Die Weinstöcke
haben uns auch eine gewisse Art von Belagerung ver-
schafft. Ferner behaupten sie unter den Arzneimitteln
einen so ansehnlichen Platz, dass sie selbst durch ihren
Wein schon als Arzneien dienen.
4.
Nur Democritus hat geglaubt, man könne die Arten
des Weinstocks in einer Zahl umfassen; indem er vor-
gab , alle in Griechenland vorkommenden wären ihm be-
kannt. Die übrigen Schriftsteller haben sie für unzählig
und unendlich gehalten, und dass diess wahrer sei, wird
aus den Weinen erhellen. Ich will aber nicht alle, sondern
') passae d. i. Rosinen.
^) patientia. Die hier von Plinius gegebene Etymologie ist un-
richtig, denn passus muss hier nicht von patior passus suni, pati
dulden, sondern von pando, pandi, pansum und passum, pandere.
ausbreiten, trocknen, abgeleitet werden.
90 Vierzehntes Buch.
nur die ausgezeichnetsten anführen, denn es giebt ihrer
beinahe ebenso viele, als Aeker. Daher wird es hinreichend
sein, nur die berühmtesten Weinstöcke, und die, welche
durch besondere Eigenthümlichkeit Bewunderung verdienen,
anzuzeigen.
Den ammineischen räumt man wegen ihrer Festig-
keit und weil ihr Wein durchs Alter an Güte gewinnt,
den Vorzug ein. Es giebt 5 Arten davon; die ächte hat
kleinere Beeren, blühet besser ab, und erträgt leicht Regen
und Stürme; die grössere thut diess nicht, doch leidet sie
weniger davon an Bäumen als auf Bergen, Die Zwillings-
trauben, welche deshalb so heissen, weil immer 2 Trauben
beisammen stehen, sclimecken am herbsten, haben aber
vorzügliche Kräfte. Den kleinem davon schadet der Süd-
wind, die übrigen gedeihen beim Winde besser, wie z. B.
die auf dem Vesuv und auf den surrentinischen Hügeln.
Im übrigen Italien ist sie nur gewohnt an Bäumen zu
wachsen. Die fünfte Art ist die wollichte, welche, damit
wir die Serer und Indier nicht zu bewundern brauchen,
ganz mit Wolle umkleidet ist. Die Trauben des amminei-
schen Weinstocks werden am frühesten reif und am schnell-
sten faul.
Den nächsten Rang haben die nomentanischen, deren
Holz röthlich ist, daher Einige diese Weinstöcke die röth-
lichen nennen. Sie geben weniger Ausbeute, denn sie ent-
halten zu viel Hülsen und Hefen; gegen Reife sind sie
am empfindlichsten, und leiden durch Trockniss oder Hitze
mehr als durch Regen oder Kälte. Daher behaupten sie
in kalten und feuchten Gegenden den Vorrang. Die Art,
welche kleinere Beeren und ein weniger eingeschnittenes
Blatt hat, ist fruchtbarer.
Die apianischen haben diesen Beinamen von den
Bienen bekommen, welche sehr begierig danach sind. Es
giebt 2 Arten, und diese sind ebenfalls wollig. Ihr Unter-
schied besteht darin, dass die eine früher reift, obgleich
die andere auch zu den zeitigen gehört. Sie gedeihen auch
jin kalten Gegenden, und dennoch werden keine andern
Vierzehntes Buch. 91
schneller reif; Regen macht sie aber faul. Der davon be-
reitete Wein ist anfangs süss, bekommt aber nach Jahren
-einen herben Geschmack. Am meisten findet sieh dieser
Weinstock in Etrurien. Die bis hieher als die besten ge-
nannten Gewächse sind in Italien einheimisch und ihm
eigenthümlich.
Die übrigen sind von Chios und Thasos zu uns ge-
kommen. Der griechische steht dem ammineischen an
Güte nicht nach, hat eine sehr zarte Beere, und selbst die
Traube ist so klein, dass es nur auf dem fettesten Boden
der Mühe lohnt, ihn zu bauen. Von den taurominitanischen
Hügeln haben wir den mit einem edlern Beinamen ge-
nannten „Eugenischen" erhalten, jedoch nur für das alba-
nische Gebiet, denn wird er von da versetzt, so verändert
er sich bald. Einige lieben nämlich ihre Standörter so
sehr, dass sie all' ihren Ruhm zurücklassen, und nirgends-
hin ganz unverändert übergehen. Diess ist auch der Fall
mit dem rhätischen und allobrogischen, die wir oben die
gepichten genannt haben, denn zu Hause sind sie edle Ge-
wächse, anderswo erkennt man sie nicht wieder. Sie sind
jedoch sehr fruchtbar und ersetzen das, was ihnen an Güte
abgeht, durch die Menge, und zwar der eugenische an
beissen, der rhätische an gemässigten, der allobrogische an
kalten Orten. Letzterer reift bei der Kälte und hat eine
schwarze Farbe. Die Weine von den bis jetzt genannten
Arten, ja selbst von den schwarzen Arten werden durchs
Alter weiss. Die übrigen werden nicht geschätzt, dennoch
aber zuweilen durch Hülfe der Witterung und des Bodens
dauerhaft, wie die fecenische und die mit ihr blühende
biturigische, deren Beeren dünner stehen, und in der Bltithe
nicht leiden, weil sie früher kommen, auch Wind und Regen
widerstehen; sie gerathen aber besser an kalten und
feuchten als an warmen nnd trocknen Orten. Der visu-
lische Stock leidet mehr durch unbeständige Witterung als
durch zu reichlichen Ertrag an Trauben, ist hingegen bei
lortdauernder Kälte oder Hitze gesund. Die kleinere Sorte
von dieser Art ist die bessere. Bei der Wahl des Bodens
92 Vierzehntes Buch.
zeigt er sich eigensinnig, denn in einem fetten fault er, und
in einem magern kommt er gar nicht fort. Zärtlich ver-
langt er eine mittlere Temperatur, und ist deshalb auf den
sabinischen Bergen ganz zu Hause. Seine Traube sieht
hässlich aus, schmeckt aber angenehm, und wenn man sie
nicht gleich abnimmt, so fällt sie, auch ohne gefault zu
sein, ab. Gegen Hagel schützen sie seine breiten und
harten Blätter.
Ausgezeichnet durch die Farbe sind die röthlichen,
welche das Mittel zwischen den purpurnen und schwarzen
halten, öfters die Farbe ändern, und deshalb von Einigen
die vielfarbigen genannt sind. Unter ihnen wird die
schwärzere Art vorgezogen; beide tragen ein Jahr um das
andere, und je weniger, um so besser wird der Wein. Auch
von den Frühtrauben unterscheidet man 2 Arten durch die
Grösse der Beeren; sie haben das meiste Holz, ihre Trauben
bewahrt man am besten in Töpfen auf, ihr Blatt gleicht
der Petersilie, die Dyrrachiner preisen die sogenannte
Königstraube, welche die Spanier Coccolobis nennen; sie
ist lockerer, erträgt Hitze und Südwinde, giebt reichliche
Erndte, verursacht aber Kopfweh. In Spanien unter-
scheidet man zwei Arten davon, eine mit länglichen, die
andere mit runden Beeren; die letztern keltern sie. Je
süsser die Coccolobis, um so besser ist sie. Aber auch
die herbe wird durchs Alter süss, und die, welche süss
war, herbe; hierin kommen sie mit dem albanischen Weine
überein. Dieser Wein soll wider Blasenkrankheiten am
dienlichsten sein. Der albulische Stock ist oben, und der
visulische unten an den Bäumen fruchtbarer; wenn man sie
daher um sie pflanzt, so geben sie wegen ihrer verschie-
denen Natur eine reichliche Erndte. Von den schwarzen
hat man eine Art die träge genannt, welche vielmehr den
Namen der nüchternen verdient; sie empfiehlt sich durch
den aus ihr gewonnenen und altgewordenen Wein, der
zwar kräftig aber unschädlich ist, denn es ist der einzige,
der keinen Schwindel bewirkt.
Die übrigen empfehlen sieh durch ihre Fruchtbarkeit^
Vierzehntes Buch. 93
vorzüglich der blasse. Es giebt 2 Arten davon, die
grössere, welche Einige die lange, und die kleinere, welche
sie Emarcum nennen; letztere ist nicht so fruchtbar, liefert
aber einen angenehmer schmeckenden Wein. Man unter-
scheidet sie durch ihr zirkelruudes Blatt, beide sind aber
schwach, müssen durch Gabeln gestützt werden, wenn sie
reichlich tragen sollen, lieben den Wind vom Meere her,
und duften nach Thau. Kein Weinstock hat sich weniger
in Italien accUmatisirt, denn er ist hier selten, klein und
fault leicht; auch der Wein, der von ihm kommt, hält sich
nicht länger als einen Sommer; ferner liebt keiner mehr
einen magern Boden. Gräcinus i), der sonst den Cornelius
Celsus abgeschrieben hat, glaubt, seine Natur widerspreche
dem Boden und Klima Italiens nicht, sondern seine Cultur,
denn man sei zu sehr bemüht, ihn in Reben schiessen zu
lassen; dadurch werde aber seine Fruchtbarkeit verändert,
wenn nicht ein äusserst fetter Boden das matie Gewächs
erhielte. Man sagt, er leide nicht vom Brande — ein
grosser Vorzug, wenn es wahr ist, dass das Wetter keinen
Einfluss auf eioen Weinstock ausübe.
Der Spionia, den Einige den Dornigen nennen, erträgt
Hitze, und erstarkt im Herbste und durch Regen. Ja selbst
durch Nebel wird er allein ernährt und ist deshalb im
ravennatischen Lande zu Haus. Den veniculischen, der
unter die am besten abblühenden und zur Aufbewahrung geeig-
netsten gehört, wollen die Campauer lieber Scircula, Andere
Stacula genannt wissen. Bei Terracina ist der numisia-
nische, der keine eigenen Kräfte hat, sondern dessen Werth
sich ganz nach dem Boden richtet. Doch die Surrentiner
haben bis an den Vesuv hin die besten zum Aufbewahren,
denn dort ist der murgentinische, der stärkste aus Sicilien,
den Einige den pompejanischen nennen, und der auch in
Latium trägt; sowie der horconische nur in Campanien.
') Julius Giaecinus, Senator, Philosoph und Redner, sollte den
• Silanus anklagen und wurde, diess verweigernd, hingerichtet.
94 Vierzehntes Buch.
Dagegen macht der argeische, von Virgil Argistis ') ge-
nannt, den Boden sogar fruchtbarer, und leidet weder
durch Regen noch durch Alter, der von ihm gewonnene Wein
aber hält sich kaum ein Jahr und taugt seiner geringen Güte
wegen bloss zu Speisen, wird aber in reichlicher Menge
erhalten. Der metische dauert auch mehrere Jahre, wider-
steht allen Einflüssen der Atmosphäre am kräftigsten, hat
schwarze Beeren und der Wein wird durchs Alter röthlich.
Bis jetzt haben wir bloss die allgemein verbreiteten
Arten genannt; die übrigen gehören besondern Gegenden
und Orten, oder sie sind aus diesen durch Propfen unter
einander entstanden. Bloss bei den Tuscern nämlich ist
der tudernische, sowie der tudernisch-florentinische ein-
heimisch. Aretium hat den hewlichen talponischen, ete-
sischen und gemengten 2). Die schwarze talponische Traube
giebt einen weissen Most. Der etesische ist trüglich, je-
mehr er trägt, desto besser wird der Wein davon, und, was
zu bewundern ist, wenn er reichlich getragen hat, liefert
er nichts mehr. Der gemengte ist schwarz, sein Wein hält
sich gar nicht , dagegen die Traube sehr lange; man nimmt
sie 15 Tage später als alle anderen ab, sie giebt eine
reichliche Erndte, dient aber bloss zu Speisen. Die Blätter
dieser Art werden, gleich denen der wilden Rebe, blutroth,
bevor sie abfallen. Dasselbe tritt bei einigen andern Arten
ein, und ist ein Beweis, dass sie zu den schlechtesten ge-
hören. Die irtiolische ist in Umbrien, dem nevanatischen
und picenischen Gebiete einheimisch, die Pumula zu Ami-
terninum. Ebendaselbst gedeihet der bannauische nicht
immer, und dennoch liebt man ihn. Die Traube dieser
Freistadt heisst die pompejauische, obgleich sie bei den
Clusinern häufiger wächst. Auch die Tiburter haben nach
ihrer Freistadt eine Traube benannt, obgleich sie dieselbe,
von der Aehnlichkeit der Olive, olivenartig befunden haben.
Diess ist die neueste unter den Trauben, welche bis jetzt
') D. h. ein Weinstock mit weissen Trauben.
2) conseminia.
.Vierzehntes Buch. 95,
bekannt geworden sind. Die vinaciolische kennen nur die
Sabiner und Laurentier; denn ich weiss, dass die gaurani-
schen, welche man vom falernischen Gebiete dahin gebracht
hat, die falernischen genannt werden. Diese arten überall
sehr schnell aus. Einige nennen auch eine tarentinische
Art mit sehr süsser Traube. Die, welche Capnias, Bucco-
niatis und Tarrupia heissen, werden auf den thurinischen
Hügeln nicht eher gelesen, bis Frost eingetreten ist. Pisa
hat die parische Traube, Mutina die prusinische mit schwarzen
Beeren, deren Wein innerhalb 4 Jahren weiss wird. Als
Merkwürdigkeit führe ich eine dortige Traube an, welche
sich mit der Sonne dreht, und deshalb die Wendetraube
heisst; ebenso, dass in Italien die gallische, jenseits der
Alpen aber die picenische beliebt ist. Virgil hat noch die
thasischen, mareotidischen und hasenfarbigen Trauben, und
noch mehrere auswärtige, welche in Italien nicht vorkommen,
angeführt.
Doch es sind noch einige Weinstöcke ihrer Trauben,
nicht aber ihres Weines wegen bemerkenswerth, als die
ambrosische und die harte, welche sich ohne alles Geschirr
am Stocke aufbewahren lässt, so sehr widersteht sie der
Kälte, Hitze und andern atmosphärischen Einflüssen. Der
sogenannte gerade Stock bedarf keines Baumes oder Pfahls,
sondern hält sich selbst aufrecht, nicht aber der Finger-
stock, der nicht dicker als ein Finger ist. Die Tauben-
trauben sind die vollsten, und die mehr purpurrothen haben
den Namen zweibrüstige, da sie keine neuen Trauben,
sondern nur neue Beeren führen. Desgleichen der drei-
füssige, welcher von seiner Länge so genannt ist. Der
Scirpula mit trocknen Beeren. Der in den Seealpen vor-
kommende sogenannte rhätische, welcher dem schon ange-
führten nicht gleicht, denn dieser ist klein, voll von Beeren,
welche sciilechten Wein geben, aber von allen die dünnste
Haut, einen einzigen äusserst kleinen Kern, welchen man
den chiischen nennt, und hie und da eine sehr grosse Beere
haben. Es giebt auch einen schwarzen aramineischen, der
'96 Vierzehntes Buch.
den Namen syrischer bekommen hat. Ferner eine spanische
Alt, die unter den unedlen noch die beste ist.
Zu Weingeländern werden die sogenannten escarischen
gesetzt, welche zu den Harten gehören, und schwarze und
weisse Trauben haben; ferner die grosstraubigen, welche
in denselben Farben vorkommen, und die noch nicht ge-
nannten ägischen, rbodischen und die zweilöthigen, die
diesen Namen von dem Gewichte der Beeren haben. Des-
gleichen die Pechtraube, welche von allen die schwärzeste
ist, die von einem Spiele der Natur sogenannte bekränzte,
zwischen deren Beeren das Laub durchläuft, und die soge-
nannten Markttrauben, welche schnell heranwachsen, durch
ihr Ansehen zum Kaufe einladen, und leicht zu tragen sind.
Dagegen verwirft man die, welche aschgrau, grauschwarz
und eselsgrau aussehen; weniger jedoch die von der Aehn-
lichkeit mit einem Fuchsschwänze sogenannte Alopecis-Art.
Der sogenannte alexaudrinische Weinstock wächst um Pha-
lacra, ist klein, hat ellenlange Aeste, schwarze Beeren von
der Grösse einer Bohne, mit einem weichen sehr kleinen
Kerne, die Trauben stehen schief und schmecken sehr süss,
das Blatt ist klein, rund und ungetheilt. Vor 7 Jahren
ward zu Alba Helvia in der narbouensischen Provinz ein
Weinstock gefunden, der in einem Tage abblühet und da-
her der sicherste von allen ist! Man nennt ihn den narbo-
nischen, und pflanzt ihn jetzt dort in der ganzen Provinz.
5.
Cato, der erste unter den Männern dieses Namens, vor
allem ausgezeichnet als Triumphator und Censor, noch mehr
aber durch seineu wissenschaftlichen Ruhm und durch die
Vorschriften, welche er dem römischen Volke über alle zu
erzielenden Dinge, namentlich über den Ackerbau gab, und
der nach dem Geständnisse seiner Zeitgenossen der beste
und erfahrenste Ackersmaun war, hat nur wenige Arten
des Weinstocks angeführt, von deren einigen selbst die
Namen schon verschollen sind. Dieses Mannes Ansichten
müssen wir in dieser ganzen Abhandlung berücksichtigen,
damit man bei jeder Art erfahre, welches im 600. Jahre
• Vierzehntes Buch. 97
Eoms um die Zeit der Eroberung Carthago's und Corinths,
wo er starb, die berühmtesten waren, und was für Vor-
theile das Leben in den 230 Jahren später in dieser Be-
ziehung gewonnen hat.
Cato schreibt also über Weinstöcke und Trauben Fol-
gendes: Bepflanze den für den Wein geeignetsten, an der
Sonnenseite gelegenen Ort mit kleinen ammiueischen,
zwillingseugenischen und kleinen helvinischen Stöcken;
-einen dumpfigem oder nebligem hingegen mit grossen
ammineischen, murgentinischen, apicischen oder lucanischen.
Die übrigen eignen sich meistens ohne Unterschied für
Jeden Boden. Man bewahrt den Wein zweckmässig in
Schläuchen. Die harten, grössern ammineischen Trauben
hebt man am besten auf, wenn man sie aufhängt oder in
^iner Schmiede austrocknen lässt. Aeltere Vorschriften hat
man über diese Gegenstände in lateinischer Sprache nicht;
so nahe sind wir dem Ursprünge derselben. Den so eben
genannten ammineischen nennt Varro den scantianischen.
Zu unserer Zeit gab es noch wenige Beispiele von
Vollkommenheit in dieser Kunst, wir dürfen sie aber um
^0 weniger übergehen, damit wir auch ihren Nutzen kennen
lernen, worauf .man doch immer am meisten sehen muss.
Den grössten Ruhm darin hat Acilius Sthenelus, ein Frei-
gelassener aus der gemeinen Klasse, erlangt, der im nomen-
tanischen Gebiete Weinberge von nicht grösserm Umfange
als 60 Jugern bebauete und für 40,000,000 Sesterzen ver-
kaufte. Auf gleiche Weise machte sich der freigelassene
Vetulenus Aegialus im literninischen Districte von Cam-
panien berühmt, und zwar noch mehr durch die Gunst der
Menschen, denn er bauete selbst den Verbannungsort des
Africanus ') an. Allein das grösste Lob erwarb sich, durch
Hülfe des genannten Sthenelus, Rhemmius Palämon (der
«onst auch als Grammatiker ausgezeichnet war), denn dieser
kaufte in den letzten 20 Jahren in eben demselben nomen-
*) Scipio Africanus.
wittstein: Plinius. III. Bd.
98 Vierzehntes Buch.
anischen Gebiete, 10 Meilensteine von Rom entfernt, ein
Land für 60,000,000 Sesterzen. Nun ist aber bekannt, wie
wenig alle Landgüter, zumal dort kosten, und er wählte ge-
rade solche, welche aus Nachlässigkeit heruntergekommen
waren und unter den schlechtesten nicht einmal solche, die
einen bessern Boden hatten, denn seine Absicht ging dahin,,
sie zu cultiviren, aber nicht etwa aus Liebe zur Sache,,
sondern Anfangs aus Eitelkeit, die er bekanntlich in hohem
Grade besass. Er liess also durch Sthenelus die Wein-
berge von Neuem umackern, wobei er einem Landwirthe
nachahmte, und trieb sie zu einem fast unglaublichen
Werthe, denn im 8. Jahre wurden die am Stocke hängen-
den Trauben einem Käufer für 40,000,000 Sesterzen zuge-
schlagen. Auch kam Jemand dahin, um die Haufen von
Trauben in diesen Weinbergen zu sehen, und entschuldigte
sich gegen den Anschein, er sei ein fauler Nachbar, damit,,
dass er höhere Wissenschaften übe; und vor nicht langer
Zeit wurde Annäus Seneca, damals der erste Gelehrte und
vermöge seiner Macht, die ihn zuletzt unterdrückte, gewiss^
kein Bewunderer unbedeutender Dinge, so sehr von jenem
Landgute eingenommen, dass er sich nicht schämte, dem
Besitzer, obgleich er ihn hasste und dieser mit seinem Gute
nur prahlen wollte, einen solchen Vorziis: zu geben, dass
er jene Weinberge, nachdem sie beinahe 10 Jahre lang
cultivirt waren, um den 4 fachen Preis kaufte. Dergleichen
Sorgfalt wäre werth, auf die cäcubischen und setinischen
Aecker verwandt zu werden, denn später gab noch jeder
Morgen 7 Culei d. 1. 140 Amphoren Most. Doch damit
Niemand glaube, das Alterthum sei hierin übertroffen, so
bemerken wir noch aus Cato's Schriften, dass aus 1 Morgen
zehn Culei gewonnen wurden, — kräftige Beispiele, dass.
weder die beunruhigten Meere, noch die von den Küsten
des rothen und indischen Meeres geholten Waaren dem
Kaufmann mehr einbringen als eine fleissig betriebene
Landwirthschaft.
6.
Den ältesten Ruf hat der maroneische Wein, der, wie
■Vierzehntes Buch. 99
Homer berichtet, in dem Küstenstriche von Thracien
wächst; denn wir folgen keinen fabelhaften oder über den
Ursprung von diesem oder jenem auf verschiedene Weise
erzählten Nachrichten, und führen nur noch an, dass Ari-
stäus unter jenem Volke der erste war, welcher Honig
unter den Wein mischte, weil beide, von der Natur von
selbst hervorgebrachte Erzeugnisse eine besondere Lieb-
lichkeit besitzen. Homer sagt, man müsse den maroneischen
Wein mit der 20fachen Menge Wasser mischen; und doch
behält dieser im Lande noch eben dieselbe Stärke und
das unbezwingliche Feuer. Auch hat Mucianus, der 3 mal
Consul war, unter Denen, welche erst ganz kürzlich darüber
geschrieben haben, selbst in jenem Laude erfahren, dass
man unter 1 Sextar Wein 8 Sextar Wasser mische; der
Wein sei aber schwarz, starkriechend und werde durchs
Alter fett. Auch der von Homer gespriesene pramnische
Wein steht noch in hohem Ansehen, und wächst in der
Gegend von Smyrna neben einem Tempel der Cybele. Von
den übrigen Sorten ist keine recht berühmt gewesen. In
dem 633. Jahre Roms, wo L. Opimius Consul war und der
Tribun C. Gracchus, welcher das Volk zum Aufruhr reitzte,
umgebracht wurde, gerieth aller Wein gut, denn die Sonne
bewirkte, dass diejenige gemässigte Witterung herrschte,
welche man das Kochen nennt. Man hat noch jetzt Weine
von beinahe 200 Jahren her, die wie ein rauher Honig aus-
sehen (denn so sind die Weine im Alter beschaifen), auch
für sich nicht getrunken werden können, wenn sie nicht
zuvor mit Wasser vermischt sind, denn das Alter hat
ihnen eine ausserordentliche Bitterkeit verliehen. Aber
werden sie den übrigen Weinen in sehr geringer Menge
zugesetzt, so verbessern sie sie und sind ihnen gleichsam
eine Arznei. Damals kostete eine Amphore 100 Sesterzen,
und ich habe durch ein merkwürdiges Beispiel gezeigt, als
ich das Leben des Dichters Pomponius Secundus und das
Gastmahl, was er dem Sohne des Cajus Cäsar Germanicus
gab, beschrieb, dass, wenn die Zinsen, zu V2V0 gerechnet,
was bürgerlich und gerecht ist, hinzugezählt werden, nach
100 Vierzehntes Buch.
160 Jahren 1 Uncia desselben Weines ebensoviel kostet.
So viel Geld steckt in den Weinkellern. Kein anderer
Gegenstand vertbeuert sieb bis zum 20. Jahre mehr, oder
bringt, wenn der Preis niebt steigt, mehr Verlust. Selten,
und nur bei Scbwelgereien, bat bisber eine Flascbe Wein
1000 Sesterzen gekostet. Man glaubt, die Viennenser allein
verkauften ihre gepichten Weine, deren Arten wir ange-
führt babeu, höher, jedoch aus Patriotismus nur unter sich.
Diese Weine werden, kalt getrunken, für kälter gebalten.
7,
Die Wirkung^) des Weines besteht darin, dass er
getrunken durch seine Wärme die Eingeweide erhitzt, aussen
aufgegossen kühlt. Es dürfte nicht unpassend sein, bei
dieser Gelegenheit das anzuführen, was Androcydes, ein
berühmter Weise, an Alexander den Grossen geschrieben
hat, um dessen Unmässigkeit Einhalt zu thun: „Erinnere
dich, König, dass du im Weine das Blut der Erde trinkst;
der Schierling ist ein Gift für die Menschen und der Wein
ein Gift für den Schierling." Hätte er diese Lehren be-
folgt, wahrlich dann hätte er seine Freunde nicht in der
Trunkenheit getödtet. Man kann daher wohl mit Recht,
sagen, nichts sei den Kräften des Körpers dienlicher, nichts
aber auch für die Schwelgsucht verderblicher, wenn das
Maass überschritten wird.
8.
Wer wird aber bezweifeln, dass ein Wein angenehmer
als der andere sei? oder, dass aus ein und demselben Be-
hälter einmal ein besserer hervorgeht als das andere Mal,
liege es nun an dem irdenen Geschirre oder an zufälligen
Umständen? Daher mag ein Jeder selbst über die Weine,
welche die besten sind, entscheiden. Die Kaiserin Julia
brachte die 82 Jahre ihres Lebens auf Rechnung des puci-
nischen Weines, denn sie trank keinen andern. Dieser
wächst an einem Busen des adriatischen Meeres, nicht weit
von der Quelle Timavus, an einem steinigen Hügel, und
') Das Wesen, natura."
•Vierzehntes Buch. 101
liefert wegen der Seeluft nur wenige Amphoren reife Aus-
beute. Kein Wein soll besser zu Arzneien sein. Diess
ist wahrscheinlich derselbe Wein, den die Griechen aus
einem adriatischen Busen geholt, Prätetianum genannt und
mit ausserordentlichen Lobsprüchen verherrlicht haben. Der
Kaiser Augustus zog den Setinischen allen übrigen Sorten
vor und ihm ahmten alle seine Nachfolger hierin nach, weil
die Erfahrung zeigte, dass er nicht leicht schädliche Be-
standtheile im Speichel zurück lässt. Er wächst hinter
Forum Appii ^). Früher behauptete der cäcubische Wein
aus den sumpfigen Pappelwäldern im amyelanischen Busen
den ersten Rang, doch ist derselbe jetzt durch die Nach-
lässigkeit der Anbauer und den engen Raum des Lokals,
noch mehr aber durch den Graben, welchen Nero vom
avernischen See an bis nach Ostia schiffbar zu machen be-
absichtigte, ganz zurückgekommen.
Den zweiten Rang behauptete das falernische Land,
in ihm vorzüglich der faustianische Distrikt, und diesen
hatte es sich selbst durch die darauf verwendete Sorgfalt
und Pflege geschaffen. Auch er verliert, weil man jetzt
mehr auf die Menge als auf die Güte bedacht ist. Das
falenische Land beginnt bei der Campanischen Brücke da,
wo man links nach der sullanischen Colonie Urbana, die
kürzlich zu Capua geschlagen ist, geht; der faustianische
Districkt aber ungefähr 4 Meilen von einem bei Cediciae
liegenden Dorfe, welches von Sinuessa 6000 Schritte ent-
fernt liegt. Kein Ort ist berühmter durch seinen Wein, der
sich auch einzig dadurch auszeichnet, dass er sich anzünden
lässt. Es giebt 3 Arten davon, herben, süssen und leichten.
Einige unterscheiden ihn also: oben auf den Hügeln wachse
der caucinische, mitten der faustianische und unten der
falernische Wein. Wir wollen es auch nicht unbemerkt
lassen, dass von keinem Stocke, dessen Wein geschätzt
wird, die Trauben angenehm schmecken.
') Flecken in Etrurien. hiess später Regeta: jetzt Dorf Foro
Ajijüo.
102 Vierzehntes Buch.
Zum dritten Range sind abwechselnd die albanischen
Weine gekommen, welche in der Nähe von Rom wachsen,
sehr süss und selten herbe schmecken; ferner die surren-
tinischen, welche nur in Weinbergen wachsen, und, wegen
ihrer Leichtigkeit und heilsamen Wirkung sich für Recon-
valescenten am meisten eignen. Der Kaiser Tiberius sagte,
die Aerzte hätten beschlossen, den surrentiuischen edel zu
machen, denn er sei sonst nur ein guter Essig. Der Kaiser
Cajus, welcher ihm folgte, nannte ihn einen berühmten
kahmigen Wein *). Mit diesen streiten um den Rang die
massischen Weine, und die, welche von der nach Puteoli
und Bajä gerichteten Seite des Berges Gaurus kommen.
Denn die statanischen Weine von der falernischen Grenze
sind ohne Zweifel zur höchsten Ehre gelangt, und haben
dadurch klar gezeigt, dass alle Länder, gleichwie der Ur-
sprung und Untergang der Dinge, ihre Zeiten haben. Der
ihm benachbarte calenische und der fundanische, welcher
in Weinbergen und an Bäumen wächst, pflegten zuweilen
noch vorgezogen zu werden. Andere Weine aus der Nähe
Roms sind der veliterninische und der privernatische.
Denn der, welcher zu Signia gewonnen, und seiner ausser-
ordentlichen Herbigkeit wegen gegen den Durchfall ge-
braucht wird, ist ein Arzneimittel.
Den vierten Rang bei den öffentlichen Gastmählern
hat der mamertinische, der bei Messana in Sicilien wächst,
von Julius Cäsar erhalten, denn er verschaffte ihm, wie
aus seinen Briefen erhellt, zuerst dieses Ansehen. Nächst
ihm wird der von seinem Erfinder sogenannte potulanische,
welcher von einem, Italien zunächst liegenden Distrikte
kommt, am meisten geschätzt. Auch steht der tauromini-
tanische in Sicilien in Ansehen, und werden die damit ge-
füllten Flaschen sehr oft dem mamertinischen untergeschoben.
Unter den übrigen aber sind diejenigen zu nennen,
welche am obern Meere zu Prätutia und Ankona wachsen,
') vappa.
Vierzehntes Buch. 103
und welche wir, weil sie von einer Palme und zwar viel-
leicht von einer Art derselben kommen, palmensische ge-
nannt haben. Mitten im Lande aber der cäsenatische und
mäcenatianische. Ferner im Veronesischen der rhätische,
■der von Virgil nur dem falernischen nachgesetzt wird.
Nicht sehr fern davon, an dem innersten Theile des Meer-
husens der adrianische; am untern Meere aber der latinien-
«ische, graviscanische, statoniensische. In Etrurien hat
Luna den Vorzug, in Ligurien Genua. Massilien, welches
zwischen den Pyrenäen und den Alpen liegt, hat Wein
von doppeltem Geschmacke, denn dort wächst auch einer,
der fetter ist, daher zur Verbesserung anderer dient und
■der saftige genannt wird. Inneröalb Gallien steht der
Wein von Bäterrä im Ansehen. Von den übrigen in der
narbonensischen Provinz vorkommenden Arten kann man
diess nicht sagen, denn man hat dort eine Fabrik ange-
legt, um ihn zu räuchern. Wollte Gott, sie thäten es nicht
auch mit schädlichen Kräutern und Arzneimitteln; denn
sie kaufen sogar Aloe, um Geschmack und Farbe damit
zu verfälschen.
Doch auch die entfernten italienischen Weine sind
nicht unrühmlich bekannt, als die vom ausonischen Meere,
der tarentinische, servitianische, der zu Consentia, Tempsa,
Babia und Thurini, welcher letztere vor dem lucanischen
den Vorzug hat. Unter allen aber behaupten der zu Mes-
sala und der lagarinische, welcher nicht weit von Grumen-
tum wächst, den ersten Rang hinsichtlich ihres Geschmacks
und ihrer Zuträglichkeit für die Gesundheit. In Campanien
haben neulich, entweder durch Sorgfalt oder durch Zufall,
neue Namen Ansehen bekommen, nemlich vier Meilensteine
von Neapolis der trebellische, bei Capua der cauliuische,
und auf ihrem eignen Acker der trebulanische, Sorten, die
sonst nur unter den gemeinen und bei den Trifolinern
«inigen Ruf haben. Der Pompejanische gewinnt höchstens
bis zum 10. Jahre an Güte, ein höheres Alter hilft ihm
nichts; auch verursacht er Kopfweh, welches bis zur sech-
sten Stunde des folgenden Tages dauert. Diese Beispiele
104 Vierzehntes Bach.
beweisen, wenn ich nicht irre, dass bei den Weinen da&
Vaterland und der Boden, nicht die Traube, von Einfluss
ist, und dass es eine unnütze Arbeit sein würde, die Sorten,
alle aufzuzählen, da ein und derselbe Weinstock an ver-
schiedenen Orten verschiedene Kräfte zeigt. In Spanien
schätzt man den laletanischen wegen seiner Einträglichkeit^
den tarraconensischen und lauronensischen aber wegen
seiner Vortrefflichkeit, und der von den balearischen Inseln
wird den ersten Weinen Italiens zur Seite gesetzt. Ich
weiss wohl, dass Viele glauben werden, ich habe vieles
ausgelassen, denn einem Jeden gefällt das Seinige, und
wohin man geht, findet man mährchenhafte Berichte. Einer
von den Freigelassenen des Kaisers Augustus, der dessen
Urtheil und Geschmack am besten kannte und den Wein
zu dessen Gastmählern aussuchte, soll zu einem Gaste in
Bezug auf einen einheimischen Wein gesagt haben: Der
Geschmack desselben komme ihm zwar neu vor, und es
sei keine von den bessern Sorten, allein der Kaiser würde
keinen andern trinken. Ich will nicht leugnen, dass auch
andere Sorten ruhmwürdig sind, aber diejenigen, welche
unser Zeitalter einstimmig gut befunden, habe ich an-
geführt.
9.
Nun wollen wir auch die überseeischen Weine
nennen. Nächst dem homerischen, von dem schon oben
die Rede war, standen der thasische und chiotische, und
von letzterm der sogenannte arvisische im höchsten Ruhme.
Zu diesen hat Erasistratus '), der grösste Arzt, etwa um
das Jahr 450 nach Roms Erbauung, den lesbischen zuge-
sellt. Jetzt hat der clazomenische vor allen den Vorzugs
seitdem er weniger mit Seewasser vermischt wird. Der
lesbische schmeckt von Natur salzig. Der tmolitische wird
an und für sich nicht als Wein geschätzt, sondern, da er
süss ist, unter andern gemischt, wodurch diese ihre Rauh-
') Aus Julis auf Cos, Schüler des Chrysippus , lebte um 300 \v
Chr. erst am Hofe des Seleukos Nikator. dann zu Alexandrien.
yierzehntes Buch. 105
igkeit verlieren und einen angenehmen Gesehmacii be-
kommen, auch dann gleich älter zu sein scheinen. Auf
die eben genannten folgen zunächst der sicyonische, cy-
])rische, telmesische, tripolitische, berytische, tyrische, se^
bamytische. Letzterer wächst in Aegypten, und zwar giebt
es daselbst 3 sehr edle Arten Trauben, welche die 3 Sorten,
den thasischen, aethalischen und Peuce liefern. Nach
diesen stehen im Ansehen: der Hippodamantische , mysti-.
sehe, comtharitische, gnidische Protopus^), catacecaume-
nitische, petritische, mycouische. Denn dass der mesogi-
tische Kopfschmerzen verursacht, hat die Erfahrung gelehrt ;
auch der ephesische ist nicht gesund, weil er mit See-
wasser und eingekochtem Most 2) vermischt wird. Der
apamenische soll, gleich wie der prätutische in Italien zu
Weinmeth sich besonders eignen. Auch dadurch entstehen
eigenthümliche Arten, dass die süssen nicht gänzlich unter
sich übereinkommen. Auch der Protagion, welchen die
Schulen des Asclepiades den italienischen zunächst gestellt
hatten, ist ausser Gebrauch gekommen. Der Arzt Apollo^
dorus 3) hat in dem Buche, worin er dem Könige Ptole-
mäus rieth, was er für Weine trinken sollte, da die ita^
lienischen damals noch unbekannt waren, in Pontus den
naspercenitischen, dann den oretischen, öneatischen, leuca-
di sehen, ambraciotischen, und den peparethischen, welchen
er allen andern vorzog, empfohlen, doch sagt er, dieser
stehe weniger im Rufe, weil er vor dem sechsten Jahre
nicht besonders schmecke.
10.
Bis hieher wurden den Völkern gute Weine zu Theil,
Bei den Griechen erhielt der sogenannte Lebenswein mit
Recht den berühmtesten Namen, der, wie wir in dem
medicinischen Abschnitte sagen werden, zur mannigfaltig-
sten Anwendung für die Gesundheit erfunden worden ist.
') protopus, ein Wein der ohne Presse abläuft.
■■*) detrutum.
') Von Lemnos, übrigens nicht näher bekannt.
106 Vierzehntes Buch.
Er wird auf folgende Art bereitet: die Trauben werden
kurz vor der Reife abgenommen, an der Sonne getrocknet,
3 Tage lang täglich 3 mal umgewendet, am 4. Tage aus-
gedrückt, und der Saft in Gefässen an der Sonne gezeitigt.
Die Coer mischen hiezu eine reichliche Menge Seewasser,
(ein Zusatz, der von dem Diebstahle eines Sclaven, um das
richtige Maass wieder herzustellen, herrührt), und wenn
diess Gemisch zu weissem Moste gegeben ist, bekommt es
den Namen weisser coischer Wein. Bei andern Völkern
heisst der auf dieselbe Weise dargestellte Salzwein; man
nennt ihn aber Seewein, wenn die mit Most gefüllten
Fässer ins Meer versenkt werden, wodurch er eher alt
wird. Auch bei uns hat Cato ein Verfahren angegeben,
aus italienischem Weine coischen zu machen, wobei er
unter andern vorschreibt, ihn 4 Jahre lang der Sonne aus-
zusetzen. Der rhodische Wein gleicht dem coischen. Der
phorineische ist salziger als der coische. Alle übersee-
ischen Weine sollen in 7 oder 6 Jahren ihr mittleres Alter
erreichen.
11.
Aller süsse Wein hat weniger Geruch; je dünner
aber der Wein, um so stärker riecht er. Der Wein hat
4 Farben, es giebt nämlich weissen, gelben, rothen und
schwarzen. Der psythische und melampsythische sind
Rosinenweine 1), die einen eigenen und keinen Weinge-
schmack haben; der Scybilites aber ist eine Art Most, der
in Galatien, sowie das Aluntium in Sicilien gewonnen wird.
Der siräische, den Einige Hepsema, wir aber Sapa nennen,
ist ein Werk der Kunst und nicht der Natur, nemlich ein
bis zum dritten Theile seines Maasses eingekochter
Most; geschieht diess nur bis zur Hälfte, so nennen wir
ihn defrutum. Alle diese hat man zur Verfälschung des
Honigs ausgedacht; die erstem aber bestehen aus Trauben
und Erde. Nächst dem cretischeu Rosinenweine ist der
•) passum sc. vinum.
Vierzehntes Buch. 107
cilicische und afrikanische sowohl in Italien als auch in
den angrenzenden Provinzen der beliebteste. Man weiss
mit Sicherheit, dass er aus einer Traube , welche die
Griechen Sticha, wir aber Apiana nennen, sowie aus der
Scirpula, welche beide längere Zeit am Stocke durch die
Sonne oder aber in einem heissen Fasse gedörrt werden,
bereitet wird. Einige machen ihn aus jeder süssen Traube,
indem sie vorher den weissen Most absieden, dann die
Beeren an der Sonne trocknen, bis noch etwas mehr als
die Hälfte des Gewichts übrig ist, stossen und gelinde aus-
drücken. Nachdem sie nun ausgepresst haben, geben sie
unter die Weintrester Brunnenwasser, um so eine zweite
Sorte Rosiuenwein zu bekommen. Aufmerksamere Leute
trocknen sie ebenso, pflücken aber die Beeren ab, be-
feuchten dieselben, ohne die Stiele, mit einem vorzüglichen
Weine, bis sie aufschwellen und pressen dann. Letztere
Sorte hat den Vorzug vor den übrigen, und aus ihren
Pressrückständen macht man ebenfalls durch Zusatz von
Wasser eine zweite Sorte.
Ein Mittelding zwischen den süssen Getränken und
dem Weine nennen die Griechen Aigleucos i), d. h. be-
ständiger Most. Dieser wird durch besondere sorgfältige
Behandlung gewonnen, denn man lässt ihn nicht gähren;
unter gähren versteht man nemlich den Uebergang des
Mostes in Wein. Sobald der Most aus der Kelter gelaufen,
wird er sogleich in Fässer gefüllt und diese versenkt man
ins Meer bis der kürzeste Tag vorüber und der Wein die
Kälte gewohnt ist. Man hat noch eine andere eigenthüm-
liche Sorte der Art, welche man in der narbonensischen
Provinz, und hier namentlich bei den Vocontiern findet
und den süssen nennt. Dieserhalb lässt man die Traube
längere Zeit am Stocke und verdrehet den Blüthenstiel.
Von Einigen wird der Zweig selbst bis aufs Mark einge-
schnitten, von Andern die Traube auf Ziegelsteinen ge-
') aSL immer und yhtvxoq Most.
108 Vierzehntes Buch.
trocknet, und zu diesem Endzwecke benutzt man die Hel-
venacischen Weinstöcke. Einige setzen noch das sogenannte
diachyton hinzu, welches entsteht, wenn die Trauben an
einem verschlossenen Orte 7 Tage lang auf 7 Fuss hoch
von der Erde stehenden Hürden an der Sonne getrocknet,
des Nachts vor dem Thaue geschützt, und am 8. gekeltert
werden. Dadurch soll der Wein den besten Geruch und
Geschmack erhalten. Zu den süssen Getränken gehört
auch der Honigwein. Er unterscheidet sich vom Methe
dadurch, dass er aus Most bereitet wird; man siedet näm-
lich 5 Congii herben Most, 1 Congius Honig und 1 Cyathus
Salz miteinander. Er schmeckt herbe. Aber unter diese
Arten von Getränken muss ich auch den Protopus setzen,
— so heisst nämlich bei Einigen der von selbst aus den
Trauben fliessende Most, bevor sie gekeltert werden. Man
zieht ihn sogleich auf Flaschen, lässt ihn abgähren, und
setzt ihn dann im folgenden Sommer beim Aufgange des
Hundssterns 40 Tage lang der Sonne aus.
12.
Was die Griechen Deuteria ^), Cato und wir aber
Lora nennen, und aus den Weintrestern durch Einweichen
in Wasser bereitet wird, können wir füglich nicht Wein
nennen, demungeachtet aber rechnet man dieses Getränk
unter die Weine der Arbeitsleute. Es giebt 3 Sorten da-
von. Die eine wird erhalten, wenn man den Trestern den
zehnten Theil des erhaltenen Mostes Wasser hinzufügt, das
Ganze einen Tag und eine Nacht stehen lässt und dann
wiederum presst; die zweite, wenn man, wie es die
Griechen gemacht haben, den 3. Theil des Mostes Wasser
nimmt, und das Ausgepresste bis auf ein Drittheil ein-
kocht; die dritte wird aus den Weinhefen gepresst, und
heisst bei Cato Hefenwein. Keine derselben hält sich
länger als ein Jahr.
13.
Hiebei fällt mir ein, dass, während es auf dem ganzen
') Von dfvTfQog, der zweite, also Weine zweiter Qualität.
Vierzehntes Buch. 109
Erdkreise beinahe 80 edle Sorten von dem, was wir eigent-
lich unter Wein verstehen, giebt, 2/3 von dieser Anzahl
Italien angehören, und dieses Land in dieser Hinsicht
also den übrigen weit voran steht. Es lässt sieh daher
schwer begreifen, woher es kommt, dass Italien nicht von
Anfang an, sondern erst 600 Jahre nach Erbauung Roms
zu diesem Ansehen gelangt ist.
14.
Dass Romulus nicht mit Wein, sondern mit Milch
opferte, beweisen die von ihm angeordneten Opfer, welche
noch heutigen Tages ebenso beobachtet werden. Das po-
stumische Gesetz Numa's lautet: den Scheiterhaufen sollst
du nicht mit Wein benetzen. Und Niemand wird bezwei-
feln, dass er diess aus Mangel an Wein verordnet habe.
Durch dasselbe Gesetz hat er es für ein Vergehen er-
klärt, wenn man den Göttern Wein von einem unbe-
schnittenen Stocke weihe, und zwar aus dem guten Grunde,
um diejenigen, welche bloss Ackerbau trieben und zu faul
waren sich der Baumzucht anzunehmen, zum Beschneiden
der Reben zu zwingen. M. Varro berichtet, der etrurische
König Mezentius i) habe für die Hülfe, welche er den Ru-
tulern wider die Lateiner geleistet, den Wein, der damals
im lateinischen Gebiete war, bekommen.
Den Weibern in Rom war es nicht gestattet, Wein zu
trinken. Unter andern finde ich einen Fall, wo die Gattin
des Egnatius Macenius, welche Wein aus einem Fasse ge-
trunken hatte, von ihrem Manne todtgeprügelt, und dieser
durch Romulus von dem Morde freigesprochen wurde.
Fabius Pictor erzählt in seinen Jahrbüchern, eine Frau
vom Stande sei, weil sie einen Schrank, worin die Schlüssel
zum Weinkeller waren, geöffnet hatte, von ihren Ange-
hörigen zum Hungertode verdammt worden. Cato sagt,
Frauenzimmer würden deshalb von ihren Verwandten ge-
*) Tapferer aber grausamer Fürst zu Caere in Etrurien, Vater
des Lausus, wurde von seinen Unterthanen verjagt und focht im
Heere des Turnus gegen Aeneas, der ihn erlegte.
110 Vierzehntes Buch.
kiisst, damit diese erführen, ob sie nach berauschendem
Getränke ^) röchen. So hiess damals der Wein, und davon
hat der Rausch -) seinen Namen. Der Richter Cn. Domitius
bestrafte eine Frau, die ohne Vorwissen ihres Mannes mehr,
als der Gesundheit zuträglich war, getrunken hatte, mit
dem Verluste der Mitgift. Lange Zeit war der Wein spar-
sam in Gebrauch. Als der Oberfeldherr L. Papirius gegen
die Samniter streiten wollte, gelobte er, im Falle ihm der
Sieg zu Theil würde, dem Jupiter einen kleinen Becher
Wein. Endlich finde ich, dass man zum Geschenke einen
Sextarius Milch, niemals aber Wein gab. Als ebenderselbe
Cato nach Spanien, von wo er im Triumphe zurückkehrte,
segelte, trank er keinen andern Wein, als die Ruderknechte;
so sehr war dieser Mann von denen verschieden, welche
sogar den Gästen andern Wein als sich selbst vorsetzen,
oder während der Tafel unterschieben.
15.
Die geschätztesten Weine der Alten waren die, welche
man mit -Myrrhe versetzt hatte, wie aus dem Schauspiel
des Plautus ^), das den Titel Persa hat, erhält, obgleich er
sagt, man solle auch Calmus dazu thun. Daher glauben
Einige, sie hätten den gewürzten Wein am meisten geliebt.
Allein Fabius Dossennus^) entscheidet die Sache in folgen-
den Versen:
„Ich sandte schönen Myrrhen- Wein."
Und im Acharistion:
„Brot, Graupen und Myrrhen-Wein."
') temetum.
^) temulentia.
3) M. Accius Plautus aus Sarsina in Umbi-ien, 227 bis 184 v.
Chr., lebte zu Rom, Unternehmer und Vorsteher eines komischen
Theaters.
■') Fabius Dossennus Mundus, ein alter römischer Dichter, schrieb
Atellanen (Schauspiele, nach der oscischen Stadt Atella in Campa-
nien benannt, weil sie angeblich in der oscischon Mundart aufge-
führt wurden. Die Darsteller waren keine Histrionen, sondern junge
freie Römer).
Vierzehntes Buch. 111
Ich sehe, dass auch Scävola i), Lälius 2) und Attejus
Capito 3) derselben Meinung gewesen sind, weil im Pseudo-
lus steht:
„Wenn es nöthig ist, dass er hernach etwas Süsses
gebe, hat er auch wohl dergleichen?
Char: Du fragst? Myrrhenwein, Rosinenwein, Meth,
Honig "
Es ist demnach klar, dass der Myrrhenwein nicht nur
unter die Weine, sondern selbst unter die süssen ge-
rechnet wurde.
16.
Der opimianische Wein giebt den unzweifelhafte-
sten Beweis, dass bereits im 633. Jahre der Stadt Wein-
keller^) existirten und Wein auf Flaschen gezogen wurde,
Italien also schon damals sein Gut erkannte. Jedoch
standen jene vielen Arten noch nicht im Rufe, und führten
sie alle den einzigen Namen des Consuls. Auch wurden
noch lange nachher, und zwar bis zu unserer Grossväter
Zeiten, ja selbst als man den falernischen schon kannte,
die überseeischen Weine geschätzt, wie folgender Vers
jenes Lustspieldiehters besagt:
„Ich hole 5 Flaschen thasischen und 2 Flaschen faler-
nischen Weines herbei."
Die Censoren P. Licinius Crassus und L. Julius Cäsar
erliessen im Jahre 665 der Stadt eine Verordnung mit fol-
genden Worten: Niemand solle ein Quadrantal griechischen
und ammineischen Weines um 8 Ass verkaufen. Der grie-
chische Wein ward aber so hoch gehalten, dass jeder Gast
nur einmal davon zu trinken bekam.
17.
Welche Weine bei Tische beliebt waren, sagt uns
') Es gab mehrere berühmte Römer dieses Namens; welcher
hier gemeint ist, lässt sich nicht bestimmen.
^) C. Laelius, Freund des Scipio Aeniilianus, Held , Staatsmann,
Gelehrter, Philosoph, 140 Consul.
^) L. Attejus Capito, berühmter Jurist, Consul unter Augustus.
'') apothecae.
112 Vierzehntes Buch.
M. Vasi'o mit folgenden Worten: „L. Lucullus sab als
Knabe bei seinem Vater nie ein prächtiges Gastmahl, bei
welchem mehr als einmal griechischer Wein gereicht
wurde. Als er aus Asien zurückkehrte, theilte er 1100 Ca-
dus zum Geschenke aus. C. Sentius, den ich als Prätor
gekannt habe, sagte, erst damals sei chiischer Wein in
sein Haus gebracht worden, als ihm der Arzt davon gegen
Magenbeschwerden gegeben hätte. Horteusius hinterliess
seinem Erben über 10,000 Cadus Wein." Soweit Varro.
Doch, hat nicht auch der Dictator Cäsar bei seinem Sieges-
mahle für die Tafeln Amphoren falernischen, und Cadi
chiischen Weines aufsetzen lassen? Bei seinem spanischen
Triumphe gab er chiischen und falernischen Wein, bei
seinem dritten Consulate falernischen, chiischen, lesbischen
und mamertinischen, und es ist bekannt, dass zu dieser
Zeit zum ersten Male 4 Sorten Wein auf die Tafel
gesetzt worden sind. Nachher, etwa im 700. Jahre der
Stadt, kamen alle übrigen in Ruf.
• 18.
Ich wundere mich daher nicht, dass schon vor vielen
Jahrhunderten fast unzählige Arten gekünstelter Weine er-
funden sind, welche wir nun anführen wollen, und die alle
zum Arzneigebrauch dienen. Wie das Omphacium bereitet
wird, haben wir im vorigen Buche, der Salben wegen, an-
gegeben. Das sogenannte Oeuanthinum wird aus der
Labruscai), d. h. der wilden Rebe gewonnen, indem man
von ihren Blumen 2 Pfund in einem Cadus Most einweicht,
und nach 30 Tagen wieder herausnimmt. Ausserdem
dienen die Wurzel und die Beeren des wilden Weinstocks
zur Bereitung des Leders. Die Beeren sind kurz nach dem
Abblühen ein vorzügliches Mittel, um bei Krankheiten die
körperliche Hitze zu mildern, da sie von äusserst kalter
Natur sein sollen. Ein Theil davon geht durch die Hitze
zu Grunde, und zwar eher als die übrigen, welche man
Sommerbeeren nennt. Alle werden niemals reif, und wenn
•) Vitis Labrusca L.
yierzehntes Buch. 113
<nan eine Traube, ehe sie ganz reif ist, den Hühnern abge-
sotten unter das Futter giebt, so bekommen sie einen
?«olchen Ekel vor Trauben, dass sie keine mehr anrühren.
19.
Den ersten gekünstelten Wein, den man den
^schwachen nennt, macht man aus Wein selbst auf folgende
Art: zwanzig Sextarien weissen Most und halb so viel
Wasser kocht man so lange bis so viel, als Wasser ge-
nommen war, eingekocht ist. Andere lassen 10 Sextarien
Seewasser und ebenso viel Regenwasser 40 Tage lang an
der Sonne stehen. Man giebt diess Getränk den Kranken,
bei denen man Naehtheil vom Genüsse des Weines be-
sorgt.
Die nächste Sorte bereitet man aus reifem Hirsesameu,
von denen man 1^/4 Pfund mit den Halmen in 2 Congius
Most einweicht, und nach 7 Tagen durchseihet. Wie die
Arten aus dem Baume, Strauche und Kraute Lotus bereitet
werden, ist schon angegeben.
Auch aus Obst macht man dergleichen Getränke, wie
wir sogleich anführen und nur die nöthigsten Erklärungen
beifügen wollen. Das erste, dessen sich die Parther, Indier
iind der ganze übrige Orient bedienen, wird von Palm-
früchten bereitet, indem man 1 Modius reife, welche die
gemeinen heissen, in 3 Congius Wasser einweicht und dann
Äuspresst. Auf dieselbe Weise erhält man von den Feigen
den Feigenwein, den Einige Palmiprimum, Andere Cator-
chites nennen. Will man denselben nicht gern süss haben,
so thut man statt des Wassers ebenso viele Weinhülseu
hinzu. Aus der cyprischen Feige macht man auch einen
vortrefflichen Essig, und aus der alexandrinischen einen
noch bessern. Man bereitet auch Wein aus der syrischen
Schote, aus Birnen und allen Arten von Aepfeln; ferner
aus Granaten, welchen man Rhoites nennt, aus Kornel-
kirschen, Mispeln, Arjesbeeren, trocknen Maulbeeren, Pinien-
nüssen. Letztere werden mit Most angefeuchtet ausgedrückt,
die obigen sind an sich milde. Die Bereitungsweise des
Myrtenweins, welche uns Cato gelehrt hat, werden wir bald
Wittstein: Pliaiua. III. BJ. ft
114 Vierzehntes Buch.
mittheilen. Die Griechen naachen ihn aber auf andere
Weise. Sie sieden die zarten Zweige mit den daran be-
findlichen Blättern in weissem Moste, zerstossen sie, und
lassen 1 Pfund in 3 Congius Most soweit einkochen, bis
noch 2 Congius übrig sind. Das Getränk, welches auf
diese Weise von den Beeren der wilden Myrte gemacht
wird, heisst Myrtidanum und färbt die Hände.
Von folgenden Gartengewächsen macht man Wein:
Rettig, Spargel, Cunila, Origanum, Petersiliensamen, Abro-
tanum, wilder Münze, Raute, Nepeta, Quendel, Andorn.
Man giebt 2 Hände voll davon zu einem Cadus Most,
1 Sextar gekochten Most und 1 Hemina Seewasser. Aus
Steckrüben stellt man ihn dar, wenn man 2 Denare schwer
zu 2 Sextar Most giebt; ebenso aus der MeerzwiebelwurzeL
Unter den Blumen nimmt man die Rosenblätter zu Wein;
man zerstösst sie, bindet sie in Leinentuch und hängt diess
in den Most, nachdem man ein kleines Gewicht, damit es
niedersinkt, daran befestigt hat. 40 Denare schwer kommen
zu 20 Sextar Most, und das Fass wird vor 3 Monaten nicht
geöffnet. Ebenso verfährt man mit der gallischen wilden
Narde.
Ich finde auch, dass man durch Zusammensetzung fast
aller Specereien Gewürzwein gemacht hat, und zwar zuerst
aus Myrrhe, wie schon angeführt wurde, dann aus celtischer
Narde, Calamus, Aspalathum, von denen man Stückchen in
Most oder süssen Wein that. Andere bereiteten auf dieselbe
Weise dergleichen aus Calamus, Juncus, Costus, syrischer
Narde, Amomum, Cassia, Zimmt, Safran, Palmfrüchten,
Asarum. Noch Andere thun Narde und Malobathrum, von
jedem 1/2 Pfund, in 2 Congius Most; man macht sie auch
jetzt noch durch Zusatz von Pfeffer und Honig, was Einige
Gewürzwein, Andere Pfefferwein nennen. Man findet ferner
Necktartrank aus einem Kraute bereitet, welches Helenium,
Medica, Symphytum, Idäa, Orestium oder Nectarea heisst,
indem man 40 Denare schwer davon gleichfalls in Lein-
wand gebunden mit 6 Sextar Most in Berührung bringt.
Aus den übrigen Kräutern bereitet man: den Wermuthwein,
Vierzehntes Buch. 1^5
wozu man 1 Pfund pontischen Wermuth mit 40 Sextar Most
bis zum dritten Theile einkocht, oder Büschel-Wermuth in
den Wein hängt. Ebenso der Isopwein aus cilicischem
Isop, von dem man 3 Unzen in 2 Congius Most wirft oder
zerstossen in den Wein thut. Beide macht man auch auf
andere Art, wenn man jene Kräuter um die Wurzeln der
Weinstöcke säet. So lehrt auch Cato den Nieswurzwein
aus dem Veratrum nigrum darstellen. Auf 'dieselbe Weise
wird auch der Scammoniumwein gemacht. Merkwürdig ist
die Eigenschaft der Weinstöcke, einen fremdartigen Ge-
schmack anzunehmen: so riechen die Trauben, welche in
den sumpfigen Gegenden von Padua wachsen, nach Weiden.
So säet man in Thasus Nieswurz, wilde Gurken und
Scammonium, und der dabei wachsende Wein heisst der
Verderber, weil er die Geburt abtreibt.
Auch macht man Weine von andern Kräutern, welche
an ihren Orten näher beschrieben werden sollen, nemlich
vom Stöchas, der Enzianwurzel, dem Tragoriganum, Dictara,
Asarum, Daucus, Elelisphacum, Panax, Acorus, Conyza,
Thymian, Mandragora, Juncus. Man findet auch noch an-
dere Sorten unter den Namen Scyzinum, Itäomelis und
Lectiphagites angeführt, deren Bereitungsart aber verloren
gegangen ist.
Ferner werden Weine bereitet aus der Familie der
Strauch er, aus den beiden Cedern, der Cypresse, dem Lor-
beer, dem Wachholder, der Terebinthe, dem Mastixbaume
in Gallien, indem man die Beeren oder das frische Holz
im Most abkocht. Ebenso verfährt man mit dem Holze
Chamelaea, Chamaepitys und Chamaedrys, und von der
Blüthe nimmt man 10 Denare schwer auf 1 Congius Most.
20.
Man macht auch bloss aus Wasser und Honig Wein,
und soll zu diesem Behuf das Regenwasser 5 Jahre lang
aufbewahren. Einige thuen klüger, indem sie dasselbe so-
gleich zu 1/3 einsieden, den dritten Theil alten Honig hin-
zu setzen, und vom Aufgange des Hundssterns an 40 Tage
lang an der Sonne stehen lassen. Andere vörschliessen die
11(3 Vierzehntes Buch.
damit gefüllten Gefässe am 10. Tage. Mau nennt diess
Getränk Meth^); im Alter bekommt es den Geschmack
des Weines und nirgends ist es vortreft'licher als in
Phrygieu.
21.
Sogar den Essig versetzt man mit Honig, hat also im
Leben nichts unversucht gelassen. Ein solches Gemisch
lieisst öauerhonig-), und wird durch zehnmaliges Sieden
von 10 Pfd. Honig, 5 Hemina alten Essig, 1 Pfund Seesalz
und 5 Sestarien Regeuwasser, Ausgiessen und Hinstelleu
zum Altwerdeu bereitet. Alle diese Getränke sind von
dem berühmten Schriftsteller Themison 3) verworfen, und
in der That kann ihr Gebrauch nur als erzwungen ange-
sehen werden, wenn man nicht annimmt, der Gewürz wein
und die aus Specereien bereiteten seien ein Werk der Na-
tur, oder diese habe die Sträucher geschaffen, damit sie
getrunken werden sollten. Es ist interessant zu wissen,
wie der Erfindungsgeist des Menschen alles ausforscht. Man
darf als gewiss annehmen, dass keiner von denselben, aus-
genommen die, welche, wie wir gesagt haben, durchs Alter
erst das werden was sie sind, sich ein Jahr, ja einige nicht
einmal 30 Tage lang halten.
22.
Auch der Wein ist eine Quelle für Wunder. In Ar-
cadien soll es einen geben, wovon Weiber fruchtbar, Männer
rasend werden. In Achaja aber, besonders um Cerynia
soll der Wein die Frucht abtreiben, auch selbst wen;i
Schwangere nur eine Traube essen, obgleich sie sich durch
den Geschmack nicht von andern unterscheiden. Diejenigen,
welche trözenischen Wein trinken, sollen keine Kinder
zeugen. Von den Thasern erzählt man, dass sie 2 ver-
schiedene Sorten Wein machen; durch den einen werde
der Schlaf befördert, durch den andern vertrieben. Bei
>} hydromeli. "VN'assenneth. ^) Oxymeli.
3) Arzt aus Laodicea, kui-z-v. Chr.. Schüler des Asclepiades,
Gründer der methodischen vSchule. Seine Schriften sind verloren.
Vierzehntes Buch. 117
ebendenselben heisst ein Weinstock der giftwidrige, weil
dessen Wein und Traube gegen den Schlangenbiss helfen.
Der Libanios riecht nach Weihrauch, und von ihm spendet
man den Göttern. Der Aspendios hingegen wird zum Ge-
brauche auf Altären verworfen; auch soll ihn niemals ein
Vogel berühren. In Aegypten wächst eine Traube, welche
die thasische heisst und den Leib öffnet; in Lycien hin-
gegen ist eine, welche die entgegengesetzte Wirkung hat
In Aegypten wächst auch der Ecbolas, der die Frucht ab-
treibt. Beim Aufgange des Hundssterns werden einige
Weine in den Kellern verändert, nehmen aber nachher ihre
vorige Beschaffenheit wieder an. Ebenso bemerkt man
beim Fahren auf dem Meere, dass das Schütteln denen,
welche schon ausgedauert haben, dasjenige, was sie gehabt
hatten, wieder giebt.
23.
Weil das Leben im Dienste der Götter besteht, so hält
man es für sträflich, ihnen Wein von einem unbeschnittenen
Stocke, einem, den der Blitz getroffen, neben welchen ein
Mensch an einem Stricke gehangen hat, oder der mit ver-
wundeten Füssen getreten ist, dessen Beeren zerschnitten
und ausgelaufen sind, oder der durch etwas von oben
Heruntergefallenes verunreinigt ist; desgleichen die grie-
chischen Weine, weil sie Wasser enthalten, — zu opfern.
Auch der Weinstock selbst wird gegessen; man kocht nem-
lich die obersten Schösslinge ab und macht sie in Essig
und Salzwasser ein.
24.
Aber ich muss nun auch von den bei der Bereitung
(los Weines gebräuchlichen Materialien reden , da die
Griechen besondere Vorschriften dazu gegeben und eine
eigene Kunst daraus gemacht haben, wie Euphronius i),
Aristomachus, Commiades 2) und Hicesius 3) berichten. In
') Ein nicht näher bekannter Schriftsteller.
'^) Ebenfalls unbekannt.
ä) Desgleichen.
118 Vierzehntes Buch.
Afrika benimmt man ihm die Rauhigkeit durch Gyps, und
in einigen Gegenden daselbst durch Kalk. Die Griechen
machen ihn durch Thon, Marmor, Salz oder Seewasser
milde; Ein Theil von Italiens Bewohnern durch schwarzes
Pech, und sie, nebst den angrenzenden Provinzen, behan-
deln gewöhnlich den Most mit Harz. An einigen Orten
versetzt man denselben mit Hefen vom früheren Weine oder
mit Essig. Auch selbst aus dem Moste macht man Arz-
neien; man kocht ihn, damit er im Verhältniss seiner
Kräfte süss werde. Ein solcher soll sich aber nicht über
ein Jahr lang halten. An einigen Orten siedet man den
Most bis zur Sapa ^) ein, und durch Zugiessen desselben
benimmt man dem Weine das Feuer. Doch bei dieser und
jeder andern Art thun die Fässer selbst durch ihre Aus-
pichung Dienste, und wie man diese bewerkstelligt, wollen
wir im nächsten Abschnitte sagen.
25.
Von den Bäumen, aus denen gleich einem Safte Pech
und Harz fliesst, haben einige den Orient, andere Europa
zum Vaterlande. Asien, welches dazwischen liegt, hat auf
beiden Seiten einige. Im Oriente geben die Terebinthen
das beste und dünnste, die Mastixbäume den sogenannten
Mastix, ferner die Cy pressen das schärfste vom Geschmack.
Alle diese Bäume enthalten einen flüssigen Saft, der nur
Harz ist, die Ceder aber einen diekern und zur Bereitung
von Pech geeigneten. Das arabische Harz ist weiss, von
scharfem Geruch und schwer zu schmelzen, das jüdische
ist zäher, der Terpenthin noch stärker riechend; das syrische
sieht dem attischen Honige gleich; das cyprische übertrifft
alle andern, ist aber honigfarben und fleischig; das colopho-
nische dunkler als die übrigen, wird durch Reiben weiss,
hat einen starken Geruch und wird deshalb von den Salben-
händlern nicht gebraucht. Was man in Asien von der
Picea 2) macht, ist sehr weiss und heisst Spagas. Alles
Harz löst sich in Oel auf. Einige glauben, diess geschehe
») Vergl. 11. Capitel.
■'') Pinus Abies L. die Rothtanne.
Vierzehntes Buch. 119
auch durch Töpferkreide. Ich schäme mich zu sagen, dass
es jetzt am meisten wegen seines Gebrauchs, die Haare
am Körper des Mannes auszurotten, geschätzt wird.
Der Most wird verbessert, wenn man zu Anfang der
Gährung, welche meistens nach 9 Tagen zu Ende ist, Pech
hineinstreuet, damit der Wein davon Geruch und einen
scharfen Geschmack annimmt. Man glaubt, diess werde
durch den rohen Anbruch des Harzes in noch höherra
Orade bewirkt und der Wein dadurch milde. Andererseits
werde durch abgesottenes Pech •) seine allzugrosse Wild-
heit gemildert, und sein Feuer geschwächt, oder wenn er
matt und fade ist, ihm dadurch Feuer gegeben. In Ligurien
und den Gegenden um den Po wird der Nutzen der Crapula
beim Moste auf folgende Art unterschieden: In starkbrau-
senden Most wird mehr, in schwachen weniger gethan.
Einige wollen, man solle ihn auf beiderlei Weise verbessern.
Aber das Pech besitzt ausser seiner Einwirkung auf den
Most auch noch andere gute Eigenschaften. An einigen
Orten hat der Most den Fehler, nochmals von selbst zu
gähren; er verliert dadurch den Geschmack, und bekommt
dann den Namen Vappa, womit man auch einen Menschen,
dessen Gemiith verdorben ist, schimpflicherweise benennt
Verdorbener Wein hat die Kraft des Essigs, welcher so
mannigfaltige Anwendung findet und ohne welchen das
feinere Leben nicht bestehen könnte.
Uebrigens trägt man für die Verbesserung der Weine
so grosse Sorge, dass er bei Einigen durch Asche, bei
Andern durch Gyps, oder auf die bereits angeführten Weisen
verbessert wird. Man zieht aber die Asche von Weinstock-
reisern oder von der Eiche vor. Sogar wird vorgeschrieben,
man solle zu diesem Behufe Seewasser vom hohen Meere
holen, dasselbe vom Frühlings -Aequinoctium an aufbe-
wahren, oder wenigstens in einer Nacht zur Zeit der
Sonnenwende oder während der Aquilo wehet, schöpfen.
') ci-apula.
120 Vierzehntes Bach.
oder aber, wenn es um die Zeit der Weinlese geschöpft
werde, absieden.
Zu Weinfässern wird in Italien das bruttische Pech am
meisten geschätzt. Man bereitet es aus dem Harze der
Rothtanne; in Spanien aus wilden Fichten, aber diess wird
gar nicht gelobt, denn das Harz derselben ist bitter, trocken
und stark riechend. Den Unterschied und die Bereitungs-
art wollen wir im nächsten Buche bei den wilden Bäumen
angeben. Seine Fehler sind, ausser den angezeigten, eine
gewisse Schärfe und ein rauchiger Gestank, bei dem
Peche aber das Angebranntsein. Man erkennt diess, wenn
die Bruchstücke etwas glänzen, zwischen den Zähnen weich
werden, und dabei eine angenehme Schärfe entwickeln.
Die Asiaten halten das idäische Pech für das beste, die
Griechen das pierische, Virgil das narycische. Sorgfältigere
Landwirthe mischen schwarzen Mastix hinzu, der im Pon-
tus gewonnen wird und dem Erdpech gleicht, ferner die
Wurzel und das Oel der Iris hinzu, denn die Erfahrung
hat gelehrt, dass, wenn man W^achs in die Fässer thut, die
Weine sauer werden. Dagegen ist es besser, den Wein
in solche Fässer zu bringen, in denen Essig gewesen ist,
als in solche, welche süssen Wein oder Meth enthielten.
Cato befiehlt, den Wein mit dem 40. Theile Aschenlauge,
die mit gesottenem Weine gekocht ist oder mit Vj^ Pfund
Salz, zuweilen auch mit zerstossenem Mamor in einem
Culeus zu beschicken ^) (denn dieses Wortes bedient er
sich). Er erwähnt auch des Schwefels, des Harzes aber
nur zuletzt. Vor allem aber soll man dem Weine, wenn
er zeitig wird, Most hinzuthun, den er Keltermost 2) nennt;
wir verstehen aber darunter den zuletzt gepressten. Auch
setzt mau, um ihn zu färben, verschiedene Farbstoffe hin
zu, wodurch er dann auch fetter werden soll. Durch s(v
viele schädliche Künsteleien bestrebt man sich, den Wein
angenehm zu machen und wir wundern uns noch, dass er
') concinnari. ■-*) tortivum.
Vierzehntes Buch. 121
schädlich ist. Die Probe, ob ein Wein verderbe, ist, wenn
eine Bleiplatte in demselben ihre Farbe verändert.
26.
Unter den Flüssigkeiten hat der Wein die Eigentbüm-
lichkeit, kahmig zu werden und sich in Essig zu ver-
wandeln, und es existiren ganze Bücher darüber, wie man
ihm helfen soll. Die getrocknete Weinhefe fängt Feuer,
und brennt ohne andere Nahrung von selbst. Die Asche
hat die Natur des Natrons und dieselben Kräfte, ja noch
mehr, je fetter sie sich zeigt.
27.
Hinsichtlich des nun eingebrachten Weines zeigt sich
ein grosser Unterschied in dem Keller. Am Fusse der
Alpen verwahrt man ihn in hölzernen Gefässen, umgiebt
diese mit Reifen, und hält in starken Wintern durch Feuer
die Kälte davon ab. Es klingt wunderbar, ist aber doch
zuweilen beobachtet worden, dass, wenn die Gefässe ge-
sprungen waren, der Wein eine eisige Masse bildete, und
so als ein Wunderzeichen galt, denn der Wein hat von
Natur die Eigenschaft nicht, zu Eis zu gefrieren, sondern
erstarrt nur bei starker Kälte. In milderen Himmelsstrichen
hält man ihn in Fässern, und vergräbt diese ganz oder
zum Thei], je nach der Lage, in die Erde. Auch lässt man
ihn unter freiem Himmel, an andern Orten aber macht
man Dächer darüber. Ferner werden folgende Vorschriften
gegeben: Eine Seite des Kellers oder wenigstens die Fenster
sollen nach Norden, oder gegen den Aequinoctial-Aufgang
gerichtet sein. Misthaufen und Baumwurzeln sollen fern
davon sein, und Gerüche aller Art, weil sie leicht in den
Wein übergehen, ferner zahme und wilde Feigenbäume ver-
mieden werden. Zwischen den Fässern soll man Raum
lassen , damit das Verderben nicht weiter greife, weil ein
Wein den andeni äusserst schnell ansteckt. Auch von
der Gestalt der Gefässe hänge viel ab, denn die bauchigen
und weiten wären minder gut. Beim Aufgange des Hunds-
sterns müsse man sogleich auspichen, sodann mit See- oder
Salzwasser ausspülen , hierauf mit Reiserasche oder Thon
122 Vierzehntes Buch.
bestreuen; wären sie darauf abgewischt, sie und öfters auch
die Keller mit Myrrhe ausräuchern. Schwache Weine soll
man in Fässern, welche in die Erde vergraben sind, aufbe-
wahren, starke dagegen in solchen, die an der Luft stehen.
Nie soll man die Fässer ganz anfüllen, und den leeren
Raum mit Rosinenweine oder abgesottenem Weine, worunter
man Safran, altes Pech und eingedickten Most gethan, aus-
streichen; ebenso müsse man mit den Deckeln der Fässer
verfahren, und ausserdem noch Mastix und bruttisches Pech
darunter mischen. Die Gefässe öffne man nur an heitern
Tagen, auch nicht bei Südwinde oder Vollmonde. Der
Schaum i) des Weines soll weiss sein; die rothe Farbe des-
selben ist ein trauriges Zeichen, wenn der Wein selbst
nicht diese Farbe hat; ebenso, wenn die Fässer warm
werden und die Deckel schwitzen. Der Wein, welcher
schnell zu schäumen anfängt, und einen Geruch bekommt,
soll sich nicht lange halten. Gesottenen und eingekochten
Most soll man nur an Tagen, wenn kein Mond am Himmel
ist, d. h. bei der Zusammenkunft dieses Gestirns, und sonst
nicht, bereiten, ferner dieses nicht in kupfernen sondern in
bleiernen Gefässen vornehmen, auch welsche Nüsse hinzu-
fügen, denn diese zögen den Rauch an sich. Es scheint
am zweckmässigsten, dass man die edelsten Weine Cam-
paniens der freien Luft, und dem Einflüsse der Sonne, des
Mondes und Regens aussetze.
28.
Wahrlich, bei reiflichem Nachdenken wird man finden,
dass die Menschen in keiner andern Hinsicht emsiger sind,
als ob uns die Natur nicht das Wasser, dessen sich alle
übrigen Thiere bedienen, zum Getränke gegeben hätte.
Aber wir zwingen selbst die Lastthiere Wein zu trinken,
und soviel Mühe, soviel Arbeit und Kosten macht dasjenige?
was des Menschen Verstand verwirrt, und bei denen, welche
ihm ergeben sind, eine unsinnige Lust zu tausend Lastern
erzeugt, denn sie finden ein solches Vergnügen darin, dass
') flos.
Vierzehntes Buch. 123
die Meisten unter ihnen nichts Anderes des Lebens werth-
achten. Ja, wir schwächen sogar, um desto mehr nehmen
zu können, seine Stärke durch Durchseihen; man ersinnt
noch andere Reizmittel und bereitet Gift, um es zu trinken,
denn Einige nehmen vorher Schierling zu sich, damit die
Todesfurcht sie zum Trinken zwinge, Andere gestossenen
Bimsstein, und noch andere Dinge die ich mich zu nennen
schäme. Wir sehen, dass die vorsichtigsten unter ihnen
in den Bädern fast gekocht, und halbtodt herausgetragen
werden; Andere können nicht einmal das Lager oder ihr
Kleid erwarten, sondern noch nackend greifen sie sehn-
süchtig nach den grossen Humpen, als wenn sie ihre Kräfte
zeigen wollten, giessen sie in sich hinein, um das Genommene
sogleich wieder von sich zu geben und dann wieder zu
trinken, und wiederholen diess noch zwei- oder dreimal.
Als wenn diese Menschen dazu auf der Welt wären, um
die Weine zu verderben, und der Wein nicht anders als
durch den menschlichen Körper gegossen werden könne!
Dahin gehören auch die fremdartigen Uebungen, das Herum-
wälzen im Koth, das Vorstrecken der Brust und das Zurück-
biegen des Halses. Durch alles diess, heisst es, mache man
sich Durst. Und hat man nicht selbst an den Trinkge-
schirren ehrbrecheiische Bilder angebracht? Als wenn die
Trunkenheit nicht schon an und für sich Wollust erzeuge.
Man trinkt also Wein aus Geilheit, ladet durch Belohnungen
zur Trunkenheit ein, und erkauft sie also. Dieser bekommt,
wenn er so viel isst als er getrunken hat, nach dem Ge-
setze eine Belohnung für seine Trinkbegierde; Jener trinkt
so viel, als er im Spiele gewonnen hat. Dann suchen die
gierigen Augen die Ehefrau, und die matten verrathen sich
dem Manne; dann werden die Geheimnisse der Seele aus-
gesprochen. Einige machen ihr Testament, Andere führen
verderbenbringende Reden und halten die Worte nicht in
ihrer Kehle zurück, wenn auch noch so Viele auf solche
Art ums Leben gekommen sind. Schon allgemein hat man
dem Weine Wahrheit zugeschrieben. Wenn es noch gut
abgeht, sehen die Trinker die aufgehende Sonne nicht, und
124 Vierzehntes Buch.
erreichen kein hohes Alter. Daher die Blässe, die hängen-
den Wangen, die eiternden Augen, die vom Ausleeren der
vollen Becher zitternden Hände, und (was die unmittelbare
Strafe ist) die schrecklichen Träume, die nächtliche Un-
ruhe, endlich — der grösste Lohn der Trunkenheit — eine
unbändige Wollust und ein Vergnügen zu sündigen. Den
folgenden Tag die Ausdünstung vom Weinfasse aus dem
Munde, Vergessenheit aller Dinge und der Verlust des Ge-
dächtnisses. Sie rühmen sich, auf solche Weise schneller
zu leben, da sie den vorigen Tag jedesmal verlieren, allein
auch den bevorstehenden verlieren sie.
Unter der Regierung des Kaisers Tiberius Claudius,
vor 40 Jahren, fing man an, nüchtern zu trinken, und den
Wein dem Essen vorangehen zu lassen. Diess war auch
eine von den fremden Künsten, und eine Vorschrift von
Aerzten, welche sich durch Neuerungen beliebt machen
wollen. Die Parther suchen hierin einen Ruhm, bei den
Griechen erwarb sich Alcibiades dadurch einen Ruf, und
bei uns hat Novellius Torquatus ein Mailänder, der die
Ehrenstellen von der Prätur an bis zum Proconsulate ver-
waltete, sogar einen Beinamen davon erlangt, denn er
trank 3 Congius (von denen er den Beinamen erhielt) auf
einmal aus. Ihm sah der Kaiser Tiberius, der damals schon
alt und mürrisch und zuweilen selbst grausam, in seiner
Jugend aber auch ein grosser Liebhaber vom Weine war,
Wunders halber zu. Man hat geglaubt, dass L. Piso sich
eben dadurch bei ihm beliebt gemacht und die Verwaltung
der Stadt Rom bekommen habe, weil er bei ihm, als er
schon Kaiser war, 2 Tage und Nächte hindurch in einem
Trinkgelage ausgehalten hätte. Man will wissen, Drusus
Cäsar habe in keiner andern Hinsicht seinem Vater Tiberius
mehr geglichen. Dem Torquatus ward der seltene Ruhm
(denn auch diese Kunst hat ihre Gesetze) in der Rede
nicht gestockt, noch sich durch Brechen oder durch einen
andern Theil des Körpers erleichtert zu haben, während
er trank; ferner hat er seine Frühwachen gehalten, das
Meiste in einem Zuge getrunken, ausserdem noch am
Vierzehntes Buch. 125
meisten in andern kleinern Trunken hinzugefügt , am auf-
richtigsten das Nichtabsetzen beim Trinken und das Nicht-
ausspucken gehalten, und, um auf dem Fussboden einen
Schall hervorzubringen i), nichts von dem Weine zurück-
gelassen, denn diess ist ein Hauptgesetz, um dem Betrüge
beim Trinken zu begegnen. Tergilla 2) wirft dem Jüngern
Äl. Cicero vor, er habe gewöhnlich 2 Congius getrunken,
und im Taumel dem Marcus Agrippa einen Becher an den
Hals geworfen. Das sind nämlich die Werke des Rausches.
Allein, gewiss hat Cicero dem Mörder seines Vaters, dem
M. Antonius, diese Ehre streitig machen wollen; denn dieser
hatte vor ihm sehr begierig darnach gestrebt, und sogar
von seiner Trinksucht ein Buch herausgegeben, und da er
in demselben sich selbst zu vertheidigen versuchte, so be-
wies er (meines Bedtinkeus) klar, welches Unheil von ihm
durch die Trunkheit über den Erdkreis gebracht worden
ist. Kurze Zeit vor der Schlacht bei Actium vollendete er
das Buch, man sieht also leicht ein, dass er schon vom
Bürgerblute berauscht und um so begieriger nach dem-
selben war, denn dieses Laster hat die noth wendige Folge,
dass die Gewohnheit zu trinken die Begierde danach ver-
mehrt; und sehr richtig sind die Worte eines scy tischen
Gesandten: jemehr die Parther trinken, desto mehr
dürstet sie-
29.
Die Völker des Occidents haben ebenfalls berausch e ad e
Getränke und zwar von benetztem Getreide 3); man macht
sie in Gallien und Spanien auf verschiedene Weise, giebt
ihnen auch mehrere Namen, doch sind sie in der Haupt-
sache einerlei. Die Spanier haben auch schon gelehrt, die-
selben lange aufzubewahren. In Aegypten bereitet man
ähnliche Getränke aus Getreide, kurz es fehlt nirgends in
der Welt an dergleichen. Man trinkt sie unvermischt, ver-
') Nämlich durch das Niedersetzen des Trinkgefässes.
■-) Ein nicht näher bekannter Autor.
•■') D. h. Malz. Plinius meint also hier das Bier.
126 Vierzehntes Buch.
dünnt sie nicht wie Wein durch Wasser; und in der That
scheint die Erde dort nichts als Getreide hervorzubringen.
— Ach, über die grenzenlose Sucht nach Lastern! Man
hat sogar das Wasser berauschend machen gelernt! Zwei
Flüssigkeiten sind dem menschlichen Körper die angenehm-
sten, inwendig Wein, auswendig Oel, beide die vornehm-
sten aus dem Geschlechte der Bäume; das Oel aber ist
noth wendig, und der Mensch hat nicht wenig Fleiss darauf
verwendet. Allein wie viel erfindungsreicher erscheint er
nicht hinsichtlich- der Getränke, da es 195 Gattungen, und,
wenn man die Species mitrechnet, beinahe doppelt so viele,
vom Oele aber um so wenigere giebt, und von diesem
wollen wir im folgenden Buche handeln.
Fünfzehntes Euch.
Von den obsttragenden Bäumen.
Theophrastus , einer der berühmtesten griechischen
Schriftsteller, etwa um das Jahr 440 nach der Erbauung
Roms, sagt, der Oelbaumi) wachse nur innerhalb einer
Entfernung von 40,000 Schritten vom Meere; Fenestella
aber berichtet, er sei zur Zeit der Regierung des Tarqui-
nius Priscus, 170 Jahre nach der Gründung des römischen
Reichs, in Italien, Spanien und Afrika noch gar nicht vor-
gekommen, während er jetzt sogar über die Alpen mitten
nach Gallien und Spanien gewandert ist. Im 505. Jahre
der Stadt, unter den Consuln Appius Claudius, des Cäcus
Enkel, und L. Junius, kosteten 12 Pfund Oel einen Ass.
Bald darauf im 680. Jahre verschaffte M. Sejus, des Lucius
Sohn, als Aedilis curulis dem römischen Volke das ganze
Jahr hindurch 10 Pfund Oel für 1 Ass. Man wird sich
weniger darüber wundern, wenn man weiss, dass 22 Jahre
später während des 3. Consulats des Cn. Pompejus von
Italien aus Oel in die Provinzen geschickt wurde. Hesio-
dus, welcher ganz besonders darauf bedacht war, den
Menschen den Ackerbau zu lehren, sagt, dass ein Oelbaum-
pflanzer nie Früchte 2) von seinen Bäumen gehabt habe.
So langsam entwickelte sich damals diess Geschäft. Jetzt
') Olea. Olea europaea.
2) D. h. keinen Nutzen.
128 Fünfzehntes Buch.
säet man sie in Baumschulen, und pflückt von den versetzten
schon im zweiten Jahre Früchte.
2.
Nach Fabianus wächst der Oelbaum weder in sehr
kalten, noch in sehr heissen Ländern. Virgil giebt 3 Arten
davon an, Orchites, Radii und Posiä, und sagt, man brauche •
sie weder zu behacken, noch zu beschneiden, noch sonst
zu warten. Ohne Zweifel kommt bei ihnen am meisten
auf den Boden und das KUma an. Jedoch werden sie auch
beschnitten, und zwar zu gleicher Zeit mit den Wein-
stöcken; auch nützt ihnen das Auflockern des Bodens.
Die Olivenerndte folgt auf die der Trauben, und
die Kunst gutes Oel zu bereiten, ist noch grösser als die
Erzielung eines guten Weines. Die Säfte aus ein und der-
selben Olive sind nämlich von verschiedener Art. Zuerst
macht man Oel aus der rohen, welche noch nicht zu reifen
angefangen hat, und dieses schmeckt am vortrefflichsten.
Von diesem ist wiederum das zuerst aus der Presse
fliessende das beliebteste, hernach nimmt es immer mehr
an Güte ab; das Pressen geschieht entweder in geflochtenen
Körben oder, nach neuerer Erfindung, zwischen Platten. Je
reifer die Beere, desto fetter und weniger angenehm fällt
ihr Saft aus. Die beste Zeit zum Pflücken, hinsichtlich der *
Menge und Güte ist, wenn die Beeren anfangen schwarz
zu werden. Wir nennen die Früchte Drupä i), die Griechen
aber Drypetä. üebrigens ist es nicht einerlei, ob die
Beere jene Keife in der Presse oder am Baume bekomme
ob der Baum nass gewesen sei, oder ob die Beere bloss
ihren eigenen Saft und nichts anderes als den Thau des
Himmels aufgenommen habe.
3.
Durchs Alter verdirbt das Oel, nicht so der Wein,
und sein höchstes Alter, wo es gut bleibt, beträgt 1 Jahr.
Die Natur hat darin (wenn man es nur einsehen will) weise
gehandelt; denn, da die Weine zur Schwelgerei wachsen,
') Steinfrüchte.
Fvinfzehntes Buch. 129
ist ihr Gebrauch nicht nothwendig, vielmehr reizt ihre
durch Altwerden gewinnende Annehmlichkeit, sie aufzube-
wahren. Das Oel dagegen wollte sie nicht geschont wissen,
und brachte es wegen des unausbleiblichen Verderbens
häufig und allgemein hervor. Den Vorzug in diesem Gute
erhielt vor allen Ländern Italien, besonders das veuafra-
nische Gebiet und der Theil desselben, welcher das lici-
nianische Oel liefert. Daher ist auch die Olive von Lici-
nien die berühmteste. Die Salben haben ihr diesen Ruhm
verliehen, da ihr Geruch sich am besten für dieselben eig-
net. Auch im Geschmacke stehen sie, nach der Meinung
feiner . Zungen, oben an. Sonst rührt kein Vogel die lici-
nische Beere an. Uebrigens kämpfen ^) Istrien und Biitika
mit gleichen Waffen. Die Oliven der Provinzen kommen
diesen an Güte nahe, mit Ausnahme des getreidereichen
Bodens von Afrika, welchen die Natur gänzlich dem Ge-
treide eingeräumt hat, nicht etwa, weil sie ihm Oel und
Wein missgönnte, sondern weil sie dessen Ruf in seine
reichen Erndten setzte. Die übrigen Nachrichten sind voll
Irrthum, und wir werden zeigen, dass derselbe in keinem
Zweige des menschlichen Lebens häufiger auftritt.
Die Oliven bestehen aus dem Kerne, dem Oele, dem
Fleische und der Oelhefe^). Letztere ist ein bitterer Saft
desselben, entsteht durch Wasser, ist daher in trocknen
Zeiten nur gering, bei Nässe dagegen in grösserer Menge
vorhanden. Der eigeuthümliche Saft der Olive ist das Oel
und diess ersehen wir besonders an den unreifen, wie bei
der Beschreibung des Omphaciums^) gezeigt wurde. Das
Oel vermehrt sich bis zum Aufgange des Arcturus, am
15. September, nachher nehmen die Kerne und das Fleisch
zu. Wenn auf Dürre häufige Regenschauer folgen, verdirbt
das Oel und verwandelt sich in die Amurca. Die Farbe
derselben macht die Olive schwarz; sobald also diese an-
fängt schwarz zu werden, enthält sie eine geringe Menge
') Wegen der Güte der Oliven,
^) amurca. Oelsatz.
3) XII. B. 60. C.
Wittstein: Pliuius. in. Bd o
130 Fünfzehntes Buch.
davon, vorher aber gar nichts. Es ist mithin ein offen-
barer Irrthum, wenn man das für den Anfang der Reife
hält, was die beginnende Verderbniss anzeigt; ferner, dass
das Oel mit dem Wachsen des Fleisches zunähme, da doch
aller Saft in die festen Theile übergeht, und inwendig der
Same gross wird. Daher werden sie dann am meisten be-
gossen. Geschieht diess häufig, oder fällt viel Regen, so
wird alles Oel verzehrt, wenn nicht heiteres Wetter darauf
folgt, welches die festen Theile auflockert. Ueberhaupt ist,
nach Theophrastus Meinung, die Wärme die Ursache des
Oeles. und man bedient sich daher beim Pressen und schon
in den Kellern des Feuers. Ein drittes Verfahren liegt in
dem Geize, weil man, um die Kosten des Abpflückens zu
ersparen, die Zeit abwartet, wenn die Olive abfällt. Die-
jenigen, welche hierin den Mittelweg gehen, schlagen sie
mit Stangen ab, schaden aber den Bäumen, und haben im
nächsten Jahre Verlust. Ein uraltes Gesetz der Oliven-
bauer sagt nämlich: den Oelbaum sollst du weder streifen
noch schlagen. Am vorsichtigsten verfahren die, welche
mit einem Rohrstocke sanft abschlagen und die Aeste nicht
berühren. So wird auch der Baum gezwungen, wenn die
Sprösslinge entfernt sind, neue Früchte anzusetzen; ebenso,
wenn man wartet bis sie abfallen, denn wenn sie über ihre
Zeit hängen bleiben, nehmen sie den neu ankommenden
die Nahrung, und halten ihren Ort besetzt. Ein Beweis
dafür ist, dass, wenn sie vor dem Frühlinge nicht ge-
sammelt sind, sie wiederum neue Kräfte bekommen und
nun schwieriger abfallen.
4.
Die erste also, welche durch einen Fehler ihrer War-
tung und nicht der Natur im Herbste gesammelt wird, ist
die Posia, und diese hat das meiste Fleisch; hierauf die
Orchites, mit dem meisten Oele und dann die Radius.
Letztere werden nämlich, weil sie die zartesten sind, im
Sommer am schnellsten von der Amurca ergriffen und fallen
ab. Das Sammeln der dickhäutigen aber verschiebt man
sogar bis in den Monat März, denn sie widerstehen der
Fünfzehntes Buch. 131
Feuchtigkeit und sind deshalb am kleinsten, als die licini-
sche, cominische, contische, sergisebe, die von den Sabinern
die königliehe genannt wird. Alle diese werden vor dem
Wehen des Favonius, d. i. vor dem 7. Februar, nicht
schwarz. Dann, glaubt man, werden sie reif, und weil aus
ihnen das beste Oel gewonnen wird, so scheint der Irr-
thum einen Grund zu bekommen. Auch soll durch Kälte
eine schlechte, durch Reif aber eine reichliche Erndte ent-
stehen, allein jene Güte liegt nicht in der Zeit sondern in
der Art, welche sehr langsam in den fauligen Zustand über-
geht. Ebenso ist es ein Fehler, die gesammelten Früchte
auf Böden zu bewahren, und nicht eher auszupressen, bis
sie schwitzen, weil jede Stunde einen Verlust an Oel mit
sich bringt und die Amurca vermehrt. Daher sagt man,
dass gewöhnlich nicht mehr als 6 Pfund Oel aus 1 Modius
gepresst werden; aber keiner misst die Amurca, welche
sich mit Zunahme der Tage in ein und derselben Art um
so häufiger findet.
Ueberhaupt irren die Menschen allgemein darin, dass
sie glauben, mit dem Wachsen der Olive vermehre sich
auch ihr Oel; während doch die Oliven, welche königliche,
oder majorinische oder auch phaulische genannt werden,
zum Beweise dienen, das die Menge des Oels nicht in der
Grösse besteht, und die grössten oft am wenigsten Oel
haben. Auch in Aegypten haben die fleischigsten sehr
wenig Oel. Zu Decapolis in Syrien giebt es sehr kleine,
die nicht grösser als Kappern, aber ihres Fleisches wegen
geschätzt sind. Daher werden die überseeischen den itali-
enischen zu Speisen vorgezogen, obgleich sie hinsichtlich
des Oeles von ihnen tibertroffen werden; selbst in Italien
giebt man den picenischen und sidicinischen vor den übrigen
den Vorzug. Diese werden eigends in Salz eingemacht,
und wie die übrigen in Amurca und gesottenen Wein, ei-
nige, die sogenannten Colymbaden i), schwimmen auch ohne
weitere Würzung in ihrem eigenen Oele; man zerbricht sie
') Von ieoXvpßaiu schwimmen.
132 Fünfzehntes Buch.
und macht sie mit schmackhaften grünen Kiäutern ein,
zeitigt sie auch duTch Aufgiessen siedenden Wassers, wenn
sie noch nicht reif sind; und es ist merkwürdig, dass die
Oliven einen süssen Saft in sich ziehen und einen fremden
Geschmack annehmen. Es giebt auch unter ihnen purpur-
farbene, welche, wie die Trauben, ins Schwarze übergehen,
nämlich die posischen. Ferner: edle, ausser den schon ge-
nannten; sehr süsse, die für sich getrocknet werden, süsser
als Rosinen, aber sehr selten sind, in Afrika und bei
Emerita in Portugal vorkommen. Das Oel selbst wird
durch Salz von dem Verderben geschützt. Durch zer-
schnittene Oelbaumrinde bekommt es den Geruch eines
Arzneimittels, wie der Wein, hat aber sonst keinen sehr
angenehmen Geschmack. Jedoch giebt es nicht so zahl-
reiche Sorten davon, sondern man unterscheidet höchstens
3 gute. Das Dünne hat einen scharfem Geruch; dieser ist
jedoch, selbst bei dem besten, nicht dauernd.
5.
Das Oel hat die Eigenschaft den Körper zu erwärmen
und ihn gegen Kälte zu schützen, auch die Hitze des
Kopfes abzukühlen. Die Griechen, die Erfinder aller Laster,
haben seinen Gebrauch auf die Ueppigkeit erstreckt, denn
sie bedienen sich desselben allgemein in den Fechterschulen.
Es ist bekannt, dass Magistratspersonen, die eine grosse
Ehre darein setzten, solche Oelschmiere ') für 80 Sesterzen
gekauft haben. Der hohe römische Staat hat dem Oelbaume
grosse Ehre erwiesen, denn er lässt am 15. Julius die
Reiter-Geschwader damit bekränzen; auch die im kleinen
Triumphe einziehenden werden damit bekränzt. Athen
krönt auch seine Sieger mit Oelzweigen, die Griechen aber
die olympischen Sieger mit Laube vom wilden Oelbaum.
') Strigmenta olei. Die Fechter bestrichen sich bekanntlich mit
Oel. Wenn sie nun beim Ringen zufällig mit dem Körper an den
Wänden rieben, so wui'den diese davon schmutzig. Diesen Schmutz,
der eine Heilkraft besitzen sollte, Hessen die Aufseher sorgfältig
abkratzen und verkauften ihn theuer.
Fünfzehntes Buch. 133
6.
Nun wollen wir Cato's Ansichten von den Oliven an-
führen. Die grössere radisehe, salentinische, orehitische,
posische, sergianische, cominianische und gelbweisse solle
man in einen warmen und fetten Boden pflanzen; und mit
grosser Klugheit setzt er hinzu, welche unter ihnen man
in den einzelnen Arten für die besten hält. In einem
kalten und magern Boden mttsse die licinische stehen, denn
in einem fetten und heisseu verderbe ihr Oel, und der
Baum selbst sterbe durch zu grosse Fruchtbarkeit ab.
Ausserdem schade ihm das rothe Moos. Die Oelbaumgärten
sollen gegen Abend an einem der Sonne zugänglichen Orte
liegen; jede andere Lage derselben tadelt er. Zum Ein-
macheu eigneten sich am besten die Orchiten und Posiä,
entweder grün in Salzwasser, oder, zerbrochen in Mastix-
baum-Oel. Die herbeste Olive gebe das beste Oel. Ue-
brigens müssen sie sobald als möglich von der Erde auf-
gelesen, und, wenn sie schmutzig sind, gewaschen werden.
Ein Stägiges Trocknen sei hinreichend. Wenn es fröre,
mtissten sie am 4. Tage gepresst werden und dann be-
streue mau sie mit Salz. Durch Liegen auf dem Boden
vermindere sich das Oel und werde schlechter, ebenso,
wenn sie Amurca oder zu viel Fraces enthalten; dieses ist
nämlich das Fleisch, jenes ein Abschaum. Daher müsse
man es täglich mehrere Male abgiessen, und zwar in Mu-
scheln und bleierne Kessel, denn Kupfer werde davon an-
gegriffen. Alles diess müsse in heissen und verschlossenen
Kelterstuben, in denen so wenig als möglich Zugwind
herrscht, geschehen. Aus diesem Grunde solle man kein
Holz darin hauen, und am passendsten sei ein Feuer aus
den Steinkernen der Oliven. Aus den Kesseln müsse das
Oel in Wannen gegossen werden, damit es von dem Ab-
schäume und den Fleischtheilen befreiet werde. Daher
soll man oft die Gefässe wechseln, und die Körbe mit
einem Schwämme abtrocknen, damit es recht rein und lauter
werde. Später hat man erfunden, die Oliven mit heissem
Wasser zu waschen, sogleich ganz unter die Presse zu
134 Fünfzehntes Buch.
bringen, um die Amurca zu entfernen, und dann erst, nach-
dem sie gestossen sind, nochmals zu pressen. Man soll
nicht mehr als 100 Modius pressen, und er nennt diess den
Presssatz. Was in der Mühle zuerst ausfliesst, heisst die
Blume. 3 Presssätze können von 4 Menschen in 1 Tage
und 1 Nacht mit 2 Gefässen recht gut bewerkstelligt
werden.
T.
Damals hatte man noch keine gekünstelten Oele;
daher erkläre ich mir das Schweigen Cato's darüber. Jetzt
giebt es mehrere Arten davon. Zuerst will ich die an-
führen, welche ihren Ursprung von Bäumen haben, und
unter diesen vor allen die vom wilden Oelbaume i). Das-
selbe ist dünner und weit bitterer als das vom Oelbaume,
und wird nur als Medicament benutzt. Ihm am ähnlichsten
ist das von der Chamelaea, einem auf Felsen wachsenden,
nicht über 1 Fuss hohem Strauche, mit Blättern und Beeren
gleich denen des Oleaster. Das diesem am nächsten stehende
kommt von dem Cici, einem in Aegypteu häufig wachsen-
dem Baume, den Einige Cr o ton. Andere Sili, noch Andere
wildenSesamum nennen; erst unlängst hat man dort ange-
fangen, es zu bereiten. Er wächst auch in Spanien schnell
zu der Höhe eines Oelbaumes heran, hat einen dem Stecken-
kraute ähnlichen Stengel, Blätter wie der Weinstock, und
Samen gleich denen kleiner und blasser Trauben. Bei uns
nennt man ihn wiegen der Aehnlichkeit seines Samens
Läusebaum -). Man kocht den Samen mit Wasser und
schöpft das obenschwimmende Oel ab. In Aegypten da-
gegen, wo derselbe in reichlicher Menge vorkommt, presst
man ihn, nachdem er mit Salz bestreuet ist, ohne Anwen-
dung von Feuer und Wasser aus. Zu Speisen eignet es
sich nicht, wohl aber zum Brennen. Das Mandelöl, welches
') Oleaster, ohne Zweifel ist hier eine wilde Spielart der Olea
europaea gemeint, nicht Elaeagnus angustifolia, deren Frucht durch
Pressen kein Oel giebt.
^) Ricinus: Ricinus communis L,
Fünfzehntes Buch. 135
Einige Metopium nennen, wird aus bittern Mandeln, welche
zuvor gedörrt, kleingestossen, mit Wasser besprengt und
wiederum gestossen sind, gepresst. Auch vom Lorbeerbaum
macht man Oel, indem man Oel von Steinfrüchten hinzu
mischt. Einige pressen es bloss aus den Beeren, Andere
bloss aus den Blättern, noch Andere aus den Blättern und
Schalen der Beeren, thun auch Styrax und andere wohl-
riechende Stoffe hinzu. Am besten eignet sich der breit-
blättrige wilde Lorbeer mit schwarzen Beeren zu diesem
Behuf. Aehulich ist das Oel von der schwarzen Myrte,
und auch hier hat die breitblättrige den Vorzug. Man
stösst die Beeren unter Zusatz von warmem Wasser und
kocht sie dann aus. Andere kochen die zartesten Blätter
in Oel und drücken aus; noch Andere legen sie in's Oel
und lassen sie an der Sonne ausziehen. Ebenso verfährt
man auch mit der Gartenmyrte ') ; man zieht aber die wilde
Myrte 2) mit kleinern Samen vor, die von Einigen die
Spitzenmyrte 3), von Andern die Zwergmyrte *), von Andern,
wegen der Aehnlichkeit, Acoros genannt wird; denn sie
ist niedrig und strauchartig. Andere Oele sind: von der
Citrone, Cypresse, den welschen Nüssen, welches Kernöl
heisst, und von den Cedern- Aepfeln, das sogenannte Kienöl •').
Ferner: aus dem gnidischen Samen, nachdem er gereinigt
und gestossen ist; vom Mastix. Vom Cyprinusöl und dem
aus der ägyptischen Eichel, welche des Wohlgeruchs wegen
bereitet werden, ist schon die Kede gewesen. Die Indier
sollen Oel aus Kastanien, Sesam und Reis machen, die
Ichthyophagen aus Fischen. Das Bedürfniss zwingt auch
zuweilen die Menschen, um Licht zu haben, dergleichen aus
Platanen-Beeren, die mit Salzwasser eingeweicht werden,
zu bereiten. Das wilde Rebenöl wird aus der Pflanze ^)
selbst gemacht, wie bei den Salben bereits gesagt ist. In
') Myrtus communis L.
2) Myrtus sylvestris; Ruscus aculeatus L.
3) Oxymyrsine. *) Chamaemyrsine.
*) Pisselaeon. ^) Oenanthe.
136 Fünfzelintes Buch.
das Mostöl wird bei gelindem Feuer Most eingekocht; An-
dere thun diess ohne Feuer, indem sie 22 Tage hindurch,
jeden Tag 2 mal Weinhülsen herum legen, wodurch der
Most vom Oele verzehrt wird. Andere setzen nicht nur
Majoran, sondern auch noch kostbarere Specereien hinzu.
Auch in den Fechtschulen versetzt man es mit dergleichen,
aber von sehr geringem Werthe.
Ferner bereitet man Oel: aus Aspalathum, Calamus,
Balsambaum, Iris, Cardamom, Steinklee, gallischer Narde,
Panax, Majoran, Alant und Zimmtwurzel, deren Säfte alle
durch Oel ausgezogen, und dann durch Pressen geschieden
werden. So auch das Eosenöl von den Rosen, das Binsenöl
von den Binsen, welches dem Rosenöle am meisten gleich
kommt; desgleichen vom Bilsen , den Wolfsbohnen und
der Narcisse. Am häufigsten wird aber in Aegypten Oel
aus den Rettigsamen oder einem Grase bereitet, was sie
Grasöl nennen; auch aus Sesam und Nesseln, welches sie
Nesselöl nennen. Anderswo bereitet man Oel aus Lilien
unter freiem Himmel, welches durch Sonne, Mond und Reif
gezeitigt wird. Zwischen Cappadocien und Galatien ver-
fertigt man ein Oel aus besondern Kräutern, welches sel-
gisches heisst und die Nerven stärkt. Ein ähnliches macht
man in Italien zu Iguvinum. Das Pechöl bereitet man
durch Kochen von Pech, über dessen Dampf man Felle
ausspannt und dann ausdrückt; das beste kommt aus Bru-
tien, denn diess ist am fettesten und harzigsten. Die Farbe
dieses Oeles ist braungelb. An der Küste von Syrien er-
zeugt es sich von selbst und heisst Oelhonig. Es flies st
aus Bäumen, ist fett, dicker als Honig, dünner als Harz,
von süssem Geschmacke, und wird von den Aerzten ge-
braucht. Altes ist auch bei manchen Krankheiten von
Nutzen; ferner glaubt man, dass es das Elfenbein vor dem
Anfressen schütze, wenigstens ist das Standbild des Saturn,
in Rom inwendig mit Oel ausgefüllt.
8.
Ueber alles aber erhebt Cato die Oelhefe*) mit Lob-
•) amurca.
Fünfzehntes Buch. 137
Sprüchen. Mit derselben würden die Oelfässer und Töpfe
angefeuchtet, damit sie kein Oel anziehen; auch bestriche
man die Tennen, auf denen das Getreide gedroschen wird,
damit, um Risse zu verhüten und die Ameisen abzuhalten,
ja man besprenge selbst mit ihr den Leim der Wände, die
Decken und Böden der Kornmagazine, und die Kleider-
schränke zur Abhaltung der Motten und anderer schädlichen
Thiere. Ferner tränke man damit die Saatkörner, heile die
Krankheiten der vierfüssigen Thiere und Bäume, und sie
sei ein wirksames' Mittel gegen Geschwüre, welche sich
im Munde des Menschen erzeugen. Man schmiere damit,
nachdem sie gesotten worden, Riemen, alles Lederwerk,
Schuhe und Räderachsen ein, auch kupferne Geschirre, um
den Grünspan abzuhalten und ihnen ein glänzenderes An-
sehen zu geben, desgleichen alles hölzerne Hausgeräth und
irdenen Gefässe, in denen man trockne Feigen aufbewahren,
oder wenn man die Blätter und Beeren an Myrtenzweigen
oder andern ähnlichen Arten erhalten will. Endlich soll
Holz, welches von Amurca durchdrungen ist, beim Brennen
keinen lästigen Rauch verbreiten. M. Varro sagt, wenn
eine Ziege den Oelbaum mit ihrer Zunge belecke, und die
ersten Sprossen abfrässe, so bliebe er unfruchtbar. Soweit
vom Oelbaum und vom Oele.
9.
Die übrigen Baumfrüchte können kaum nach ihrem
Ansehen und ihrer Gestalt, geschweige denn nach ihrem
Geschmacke, und ihren so vielfältig gemischten und einge-
sogenen Säften aufgezählt werden.
Die Frucht der Pinien *) ist am grössten und hängt
am höchsten; inwendig schliesst sie in hohlen Lagern kleine
Kerne ein, die ausserdem noch mit einer rostfarbigen
Hülle bekleidet sind, — so wunderbar sorgfältig verfährt
die Natur, um den Samen ein weiches Bette zu gehen.
Eine zweite Art derselben sind die terentinischen, deren
Schale mit den Fingern zerbrochen werden kann, und
') Pineae. Pinus Pinea L.
138 Fünfzehntes Buch.
welche die Vögel vom Baume rauben. Eine dritte sind die
sappinisehen, von der zahmen Tanne, deren Kerne mehr
eine Haut als eine Schale haben, die so weich ist, dass
sie mitge^essen wird. Eine vierte hat den Namen pityidi-
sche, kommt von dem Piuaster i), und ist ein ausgezeich-
netes Mittel wider den Husten. Die in Honig abgekochten
Kerne nennen die Tauriner Aquiceli. Mit einem Pinien-
kranze werden die Sieger auf dem Isthmus gekrönt.
10.
Hinen kommen die Quitten 2) in der Grösse, welche
von den Griechen cydonische Aepfel genannt werden, und
von der Insel Greta stammen, am nächsten. Der Baum
schiesst krumme Aeste, und verhindert daher den Haupt-
stamm zu wachsen. Es giebt mehrere Arten: Goldquitten,
mit Einschnitten und einer ins Goldgelbe sich neigenden
Farbe. Die weissem, welche wir inländisohe nennen, haben
den herrlichsten Geruch. Auch die neapolitanischen stehen
im Ansehen; die kleinem von dieser Art, welche Sperlings -
äpfeP) heissen, riechen durchdringender, kommen spät,
reifen aber bald. Wenn man auf die Sperlingsäpfel andere
Quitten propft, so erhält man eine besondere Art, die mul-
vianische, welche unter diesen allein auch roh gegessen
wird. Alle Arten bewahrt man in den Besuchszimmern
der Männer, und legt sie auf die Bilder derer, welche man
Abends erwartet. Es giebt auch noch kleine wilde, die
nächst den Sperlingsäpfeln am stärksten riechen und in
Hecken wachsen.
11.
Auch andere Früchte nennen wir Aepfel, obgleich sie
verschieden davon sind, wie die Pfirsiche^) und Granaten,
von welchen letztern wir bei den Granatbäumen 9 Arten
angeführt haben. Diese haben unter der Schale inwendig
Kerne, jene einen Holzkern in ihrem Fleische. Von den
•) Pinus Pinaster L.
2) Mala cotonea: Pyrus Cydonia L.
3) struthea.
^) Mala persica. Amygdalus persica L.
Fünfzehntes Buch. I39
Birnen hat man einige Pfundbirnen genannt, weil sie so
schwer wie ein Pfund wiegen. Unter den Pfirsichen steht
die harthäutige oben an; die gallische und asiatische haben
von den Völkerschaften diese Namen. Sie reifen nach
dem Herbste, die zeitigen schon im Sommer; man kennt
sie erst seit 30 Jahren und verkaufte Anfangs das Stück
um 1 Denar. Die feinen kommen von den Sabinern, die
gewöhnlichen allenthalben her. Es ist ein unschädliches
Obst, welches auch die Kranken geniessen können, keins
aber wohl je theurer gewesen, denn ein Stück hat schon
30 Sesterzen gekostet, worüber man sich wundern muss,
da keine Frucht vergänglicher ist. Sie hält sich gepflückt
längstens 2 Tage, und zwingt den Besitzer, sie zu ver-
kaufen.
12.
Nun folgt eine grosse Anzahl Pflaumen i): die bunte,
schwarze, weisse, die von der zu gleicher Zeit mit der
Gerste erfolgenden Reife sogenannte Gerstenpflaume. Es
giebt noch andere von derselben Farbe die später kommen
und grösser sind, und wegen ihrer geringen Qualität Esels-
pflaumen genannt werden. Ferner: onyxfarbige, doch sind
die wachsgelben und purpurfarbigen beliebter; desgleichen
die von einem fremden Volke benannten armenischen -),
welche sieh schon durch ihren Geruch empfehlen. Dieje-
nigen, welche auf Nussbäume gepropft sind, haben das
Eigenthümliche, in der Gestalt der Mutter und im Safte
dem neuen Stamme zu gleichen, und werden daher Nuss-
pflaumen genannt. Diese, sowie die Pfirsiche, die wachs-
gelben und wilden 3) Pflaumen halten sich, wenn sie wie
die Trauben in Töpfe eingemacht werden, so lange, bis
wieder neue wachsen; die übrigen reifen schnell, halten
sich aber nicht lange. Kürzlich hat man auch in Bätica
-angefangen, durch Propfen auf Apfelbäume sogenannte
') Pruni. Prunus domestica und P. insititia L, wo keine andere
Namen angegeben sind.
^) Prunus armeniaca L. Die Aprikose.
') Prunus spinosa L., die Schlehe.
140 Fünfzehntes Buch.
Aepfelpflaumen, sowie auf Mandelbäumen sogenannte Mandel-
pflaumeu zu ziehen. Diese haben innerhalb des Steines
einen Mandelkern, und kein anderes Obst ist sinnreicher
gepaart worden. Unter den fremden Bäumen haben wir
die damascener Pflaumen, sogenannt von Damascus 'in Sy-
rien, aufgefühlt, welche aber bereits in Italien einheimisch
sind; sie haben einen grössern Stein, weniger Fleisch, und
bekommen beim Trocknen niemals Runzeln, weil ihnen die
eigenthümliche Wärme fehlt. Die Sebesten i), welche man
jetzt zu Rom auf Sorbi -) gepropft hat, können hier zu-
gleich als die Landsleute der Damascener genannt werden.
13.
Ueberhaupt ist es aus dem Namen augenscheinlich,
dass die Pfirsiche auch in Asien und Griechenland Fremd-
linge und von Persien dahin gebracht worden sind; hin-
gegen wachsen die wilden Pflaumen sicherlich allenthalben.
Um so mehr wundert es mich, dass Cato dieses Obstes
gar nicht erwähnt, da er doch angiebt, wie man auch wilde
Früchte einmachen solle. Die Pfirsichbäume sind spät und
mit vielen Schwierigkeiten in andere Länder gebracht
worden, so z. B. tragen sie auf Rhodus nichts, weil sie zu-
erst von Aegypten dahin gekommen waren. Es ist un-,
richtig, dass sie in Persien giftig sind und grosse Schmerzen
erregen, daher zur Vollziehung von Strafen von den Königen
nach Aegypten gebracht, und durch den Boden milder ge-
worden sind; denn genauere Schriftsteller melden diess von
der Persea^), einem ganz anderen Gewächse, ähnlich den
rothen Sebesten, und der noch nirgends anders als im
Oriente fortgekommen ist. Gelehrtere sagen auch, er sei
niemals wegen Strafen aus Persien ausgeführt, sondern
von Perseus zu Memphis gepflanzt worden. Deshalb habe
auch Alexander zu Ehren seines Urältervaters angeordnet,
dass die Sieger damit gekrönt würden. Dieser Baum hat
beständig Blätter und Früchte, da immer neue nachwachsen..
') Myxae, Cordia Myxa L. -) S. 23. Cap.
^) Die bereits genannte Cordia Myxa.
Fünfzehntes Buch. 141
Es ist aber auch offenbar, dass alle Pflaumen erst nach
"Cato's Zeitalter aufgekommen sind.
14.
Aepfel *) giebt es mehrere Arten. Von den Citronen
haben wir schon bei ihren Bäumen geredet; die Griechen
nennen sie nach dem Vaterlande medische Aepfel. Gleich-
falls fremd sind die ßrustbeeren 2) und die Tuberes, welche
beide erst kürzlich, diese aus Afrika, jene aus Syrien nach
Italien gekommen sind. Sex. Papinius, den ich als Consul
gekannt habe, brachte sie zuerst zu uns in den letzten
Lebensjahren des Kaisers Augustus, und Hess sie im Lager
anpflanzen. Sie gleichen mehr den Beeren als den Aepfeln,
dienen aber den Wällen zur grossen Zierde, denn sie
reichen jetzt schon bis an die Dächer. Von den Tuberes
giebt es 2 Arten, eine weisse, und eine von ihrer Farbe
sogenannte syrische 3). Sie sind fast als Fremdlinge zu
betrachten, und in ganz Italien wachsen nur im veronen-
sischen Gebiete sogenannte wollige, mit einem ähnlichen
Wollüberzuge, wie er an den Vogelquitten und Pfirsichen
sehr häufig ist, und wovon sie, da sie sich durch nichts
, anderes besonders empfehlen, jenen Beinamen führen.
15.
Warum sollte ich nicht gern die übrigen Apfelarten
noch namentlich anführen, da sie ihren Entdeckern, gleich-
; sam als eine herrliche That ihres Lebens, ein ewiges An-
; denken gestiftet haben? Wenn ich nicht irre, so datirt
; • sich hieraus die Kunst des Propfens, und dass nichts so
'; klein sei, was nicht den Keim eines Ruhmes in sich
^ schliesse. Sie haben also ihren Ursprung vom Matius,
Cestius, Mallius und Scandius. Diejenigen, welche von
^ Appins, aus dem Claudischen Geschlechte, auf Quitten ge-
\ propft sind, heissen appianische, riechen wie Quitten, sind
\ so gross als die scandianischen und von röthlicher Farbe.
') Mala. Pjrus Malus L.
-) Zizipha. Rhamnus Ziziphus L.
^) Die syrische Farbe war röthlich.
142 Fünfzehntes Buch.
Damit aber Niemand glaube, dieser Name sei aus
Schmeichelei gegen eine berühmte Familie angenommen
worden, so bemerken wir, dass es auch sceptianische giebt,
so geuannnt nach ihrem Erfinder, einem Freigelassenen,
und ausgezeichnet durch ihre Kunde. Cato fügt noch die
quirinianischen und die scandianischen, welche man in
Fässern aufbewahren soll, hinzu. Ganz kürzlich sind noch
kleine, von sehr angenehmem Geschmacke, welche petisi-
sche genannt werden, hinzugekommen. Die amerinischen
und gräculischeu haben ihr Vaterland berühmt gemacht.
Die übrigen führen ihre Namen aus andern Ursachen ; von
ihrer Verbindung die Zusammenhängenden und Zwillinge,
weil die Frucht nie einzeln steht; von der Farbe die sy-
rischen; von ihrer Aehnliclikeit die Birnenäpfel; von der
Schnelligkeit im Reifen die Jüngern, welche jetzt wegen
ihres Honiggeschmacks Houigäpfel heissen. Kreisrunde,
von der Gestalt einer runden Scheibe; dass diese in Epirus
zuerst waren, beweisen die Griechen, welche sie epirotische
nennen. Hochbrüstige, von der Gestalt der Brüste. Wegen
der Beschaffenheit des verstümmelten Samens nennen die
Beiger einige die verschnittenen. Den Blattäpfeln wächst
mitten an der Seite eins oder zuweilen auch 2 Blätter
heraus. Die Eunzeläpfel welken bald und bekommen
Falten. Die Lungenäpfel schwellen eigenthttmlich dick auf.
Die Blutfarbigen haben ihre Farbe vom Propfen auf Maul-
beerbäume bekommen. Die übrigen sind an der, der
Sonne zugekehrten Seite röthlich. Es giebt auch kleine,
die ihres Geschmackes und schärfern Geruchs wegen wilde
heissen, also von schlecbter Beschaffenheit und so sauer
sind, dass der Saft ein scharfes Schwerdt stumpf macht.
Den schlechtesten hat ihre mehlige Beschaffenheit einen
Namen gegeben; sie kommen am frühesten und müssen
schnell gepflückt werden.
16.
Eben diesen Umstand tadelt man an den sogenannten.
Fünjfzehntes Buch. 143
Muscatellerbiinen ^), welche klein sind, aber sehr schnell
reifen. Unter allen Birnen 2) aber empfehlen sich die
crustumischen am meisten. Dann kommen zunächst die
falernischen, sogenannt von dem Weine, weil sie eine so
ausserordentliche Menge Saft (der Milch genannt wird) ent-
halten; unter ihnen giebt es einige von schwarzer Farbe,
welche in Syrien vorkommen. Die übrigen werden an
einem Orte so, am andern so genannt. Allein folgende
haben durch Benennungen, welche von Rom ausgegangen
sind, ihre Urheber berühmt gemacht; die decimianischen,
und die von ihr abstammenden pseudodecimianischen, die
dolabellianischen mit den längsten Stielen, die pomponia-
nischen mit dem Beinamen der zitzenförmigeu, die liceria-
nischeu, sevianischen und die von diesen abstammenden
turranianischen, welche sich durch die Länge des Stiels
unterscheiden. Die rothen favonianischen, etwas grösser
als die Muscateller, die laterianischen, anitianischen, die
im Spätherbst kommen und augenehm sauer schmecken.
Tiberianische heissen die, welche dem Kaiser Tiberius am
besten gefallen haben; sie färben sich mehr an der Sonne
und werden gross, sonst kämen sie mit den licerianischen
überein. Die nach ihrem Vaterlande benannten sind die
spätesten von allen, nämlich die amerinischen, picentini-
schen, numantinischen, alexandrinischen, uumidianischen,
griechischen und unter diesen die tarentinischen, die signi-
nischen, welche Andere von der Farbe die erdfarbigen,
onychinischen und purpurnen nennen. Nach dem Gerüche
benannt sind die Balsam-, Lorbeer- und Myrtenbirne; nach
der Zeit die Gerstenbirne; nach ihrem Halse die Flaschen-
birne; nach ihrer Güte die coriolanische, bruttische; nach
ihrer Aehnlichkeit die Kürbisbirne, und nach ihrem Safte
die säuerliche. Warum man einige Birnen barbarische,
andere Venusbirnen oder gefärbte nennt, ist nicht mit Be-
stimmtheit anzugeben; ebense ist es mit den königlichen,
welche an sehr kleinen Stielen sitzen, den patricischen
*) Superbiae. ^) Pyri. Pyrus communis L.
144 Fünfzehntes Buch.
voconischen, grünen und länglichen. Ausserdem nennt
Virgil eine Sorte Volema i), ein Ausdruck den er vom Cato
entlehnt hat, giebt ihnen aber auch den Namen Saatbirnen
und Mostbirnen.
17.
Diese Seite des Lebens hat schon längst den Gipfel
erreicht, denn die Menschen haben darin alles versucht.
So sagt Virgil, man propfe den Arbutus mit Nüssen, die
Platane mit Aepfeln, die Ulme mit Kirschen. Weiter kann
nichts mehr ausgedacht werden, und man findet auch in
d(Br That seit langer Zeit kein neues Obst mehr. Jedoch
muss man nicht alles ohne Unterschied durch Propfen ver-
mischen, sowie keine Dornbusche bepropfeu, weil man da-
durch die Blitze nicht leicht abwenden kann, denn so
viele Arten man gepropft hat, so oft hat sich der Blitz
durch einen Schlag angekündigt.
Die Birnen haben eine mehr ki'eiselförmige Gestalt.
Die späten unter ihnen hängen bis zum Winter am Baume,
und werden durch die Kälte reif, als: die griechischen,
Flaschen- und Lorbeerbirnen, unter den Aepfeln die ameri-
nischen und scandianischen. Die Birnen bewahrt man auf
eben die Weise wie die Trauben auf, und kein anderes
Obst, ausser den Pflaumen, in Flaschen. Die Aepfel und
Birnen haben (in ihrem Safte) die Eigenschaft des Weines,
und ebenso wie bei diesem, geben auch bei jenem die
Aerzte den Kranken Vorschriften; sie werden auch in Wein
und Wasser gekocht und vertreten die Stelle des Gemüses,
jedoch nur die grossen und Sperlingsquitten.
18.
Ueberhaupt giebt man folgende Vorschriften für die
Aufbewahrung des Obstes; Die Obstböden müssen an
einem kühlen und trocknen Orte angelegt werden, die
Fenster sollen gegen NoMen liegen und an heitern
Tagen offen stehen; die Südwinde, auch der Nordwind,
'■) Faustbirne.
Fünfzehntes Buch. 145
durch welchen das Obst zusammenschrumpft, durch Glas-
scheiben abgehalten werden. Das Obst muss nach dem
Herbst- Aequinoctium, und weder 16 Tage vor Neumond,
noch vor der ersten Stunde i) gesammelt werden. Das
abgefallene soll man von dem übrigen trennen, und Stroh,
Matten oder Spreu unterlegen. Es soll nicht zu dicht ge-
legt werden, damit die Luft überall Zutritt habe. Die
amerinischen Aepfel halten sich am besten, die Honigäpfel
am wenigsten.
Die Quitten soll man zur Abhaltung aller Luft ver-
sah Hessen, oder in Honig einkochen und untertauchen. Die
Granatäpfel müssen in siedendem Seewasser gehärtet, dann
3 Tage lang an der Sonne getrocknet, aufgehängt, doch so,
dass der nächtliche Thau sie nicht berührt, und wenn man
will, in heissem Wasser ausgewaschen werden. M. Varro
empfiehlt, sie in mit Sand gefüllten Fässern aufzubewahren,
und die unreifen in Töpfen, deren Boden herausgeschlagen
ist, in die Erde zuvergraben, doch keine Luft hinzuzulassen
und den Stiel mit Pech zu verschmieren; sie wüchsen so
grösser, als sie am Baume werden könnten. Die übrigen
Aepfel müsse man einzeln in Feigenblätter, aber keine ab-
gefallene, wickeln, und in Körben aufbewahren oder mit
Töpferkreide bestreichen.
Die Birnen müssen in verpichten umgekehrten Gefässen
in Gruben verscharrt werden. Die tarentinischen sind am
spätesten einzusammeln. Die anicianischen werden auch
in Rosinenwein aufbewahrt. Die Speierlinge thue man
auch in Gruben, verschliesse den Deckel mit Gyps, und
werfe zwei Fuss hoch Erde darüber; wähle aber einen
sonnigen Ort, kehre die Gefässe um, und in Fässern hänge
man sie, gleich den Weintrauben, mit den Aesten auf.
Einige der neuesten Schriftsteller verlangen eine noch
grössere Sorgfalt; sjie schreiben nemlich vor, man solle zu
diesem Behufe die Aepfelbäume und die Weinstöcke so-
gleich bei abnehmendem Monde, nach der 3. Stunde des
*) D. h. vor 6 Uhr Morgens.
Wittstein: Pliniue. III. Bd. 10
146 Fünfzehntes Buch.
Tages, bei heitern Himmel und trocknen Winden abnehmen,
ferner solche von trocknen Orten und vor der vollständigen
Reife, wenn der Mond unter der Erde sei, auswählen; die
Trauben mit einem Theil harten Reises, nachdem die an-
gegangenen Beeren mit einer Zange entfernt worden, in
einem neuen gepichten Fasse aufhängen, und alle Luft
durch einen Deckel und Gyps abhalten. Eben so solle
man mit den Birnen und Speierlingen verfahren, bei allen
aber die Stiele mit Pech verstreichen. In der Nähe der
Fässer darf kein Wasser sein. Einige bewahren sie so
mit dem Zweige in Gyps, dass sie die Enden desselben in
eine Meerzwiebel stecken. Andere hängen sie in Wein-
fässer, doch so, dass die Trauben den Wein nicht berühren.
Andere bringen auch Aepfel, die in irdenen Geschirren
schwimmen, hinein, und glauben, dass auch der Wein einen
Geruch davon annehme. Andere ziehen es vor, alle diese
Früchte in Hirse zu legen. Die Meisten legen das Obst in
Gruben auf eine 2 Fuss hohe Lage von Sand, verschliesseu
mit einem irdenen Deckel, und bringen auf diesen noch
Erde. Einige bestreichen auch die Trauben mit Töpfer-
kreide, trocknen an der Sonne und hängen sie auf; beim
Gebrauche spülen sie die Kreide wieder ab. Bei den
Aepfeln vermischen sie die Kreide mit Wein. Die edel-
sten Aepfel überziehen sie ebenso mit Gyps oder Wachs;
wenn sie aber nicht ganz reif waren, wachsen sie fort und
durchbrechen die gemachte Hülle. Stets jedoch werden
sie auf den Stiel gestellt. Einige pflücken sie mit kleinen
Zweigen ab, stecken diese in Hollundermark, und vergraben
sie auf die oben beschriebene Weise. Andere nehmen zu
jedem Apfel und jeder Birne ein besonderes irdenes Ge-
schirr, verpicben ihre Deckel und verschliessen sie sämmt-
lich in ein Fass; Andere in Wolle und Kästen, die sie
mittelst Leim, dem Spreu beigemischt ist, verstreichen;
Andere in irdenen Schüsseln, oder in Gruben mit einer
Unterlage von Sand, und bedecken sie sogleich trocken
mit Erde. Manche bestreichen die Quitten mit pontischem
Wachse und tauchen sie in Honig. Columella sagt, man
Fünfzehntes Buch. 147
solle sie in Brunnen und Cisternen, welche gut ausgepicht
wären, versenken. In Ligurien, welches am Meere und
den Alpen sehr nahe liegt, trocknet man die Trauben an
der Sonne, wickelt sie in Binsenbündel ein, legt sie in
Fässer und verschliesst diese mit Gyps. Ebendiess^) thun
die Griechen mit Platanen- oder Wein- oder Feigenblättern,
trocknen sie 1 Tag im Schatten und legen im Fasse Wein-
trester dazwischen. Auf diese Weise werden die coischen
und berytischen Trauben,, welche keinen andern an ange-
nehmem Geschmacke nachstehen, aufbewahrt. Einige
tunken die Trauben, um sie den ebengenannten ähnlich zu
machen, in Aschenlauge sobald sie vom Stocke genommen
sind, trocknen sie darauf an der Sonne, tauchen die ge-
trockneten in warmes Wasser und legen sie abermals au
die Sonne; dann wickeln sie dieselben auf die oben be-
schriebene Weise in Blätter und legen sie mit Weintrestern
zusammen. Manche ziehen es vor, die Trauben in Säge-
und andern Spähnen von Tannen. Pappeln, Eschen zu be-
wahren. Andere schreiben vor, man solle sie fern von
Aepfeln und sogleich auf Speichern aufhängen, weil es am
besten sei, wenn sie im Hängen vom Staube bedeckt werden.
Gegen die Nachstellungen der Wespen bespritzt man sie
mit Oel aus dem Munde. Von den Palmen haben wir
schon geredet.
19.
Unter den übrigen Obstarteu sind die Feigen'^) die
stärkste, denn manche gleichen den Birnen au Grösse.
Von den Wundern Aegyptens und Cyperns in dieser Be-
ziehung haben wir bei den ausländischen Bäumen ge-
sprochen. Die idäische Feige ist roth, so gross wie eine
Olive, nur etwas runder und schmeckt wie die Mispel.
Dort heisst diejenige die alexaudrinische, deren Stamm die
Dicke einer Elle, viele Aeste, hartes zähes Holz, keinen
Milchsaft, eine grüne Rinde und ein lindenartiges, aber
*) Nämlich das Einwickeln.
-) Flcus. Ficus Carica L.
10*
148 Fünfzehntes Buch.
weiches Blatt hat. Onesicritus erzählt, in Hyreanien fanden;
sieh weit süssere und fruchtbarere Feigenbäume als bei
uns, von denen einer 270 Modius trüge. Zu uns sind sie
von andern Ländern, z. B. von Chalcis und Chios ge-
kommen. Es giebt mehrere Arten; so hat man lydische,
welche purpurfarben sind, und warzenförmige, welche ihnen
gleichen; ferner schöngeformte i) , welche etwas besser
schmecken, aber unter allen Feigen die kältesten sind.
Von den afrikanischen, welche Viele den übrigen vorziehen,
ist die Frage noch unentschieden, und da diese Art erst
neuerdings nach Afrika gekommen ist, so behält sie den
Namen des Vaterlandes bei. Die alexandrinische gehört
unter die schwarzen, hat einen weisslichen Streifen und
führt den Beinamen der köstlichen. Auch die rhodische
ist schwarz und die tiburtinische gehört zu den frühzeitigen.
Einige führen auch die Namen von Schriftstellern, wie die
livische und pompejische; letztere eignet sich nebst den
Mariscen, und denen, welche ein Fleck vom Blatte des
Schilfes färbt, zum Trocknen an der Sonne für den jähr-
lichen Gebrauch am besten. Es giebt auch eine hercu-
lauische, wachsartig weisse und weisse aratische, welche
den kleinsten Stiel hat, aber am grössten ist. Zuerst ent-
wickelt sich die purpurfarbige, mit dem längsten Stiele..
Sie begleitet eine von den kleinsten und schlechtesten, die
gemeine genannt. Am spätesten hingegen im Winter reift
die Schwalbenfeige. Ausserdem sind oft ein und dieselben
spät und frühtragend, doppeltragend, weiss und schwarz,
welche zugleich mit dem Getreide und den Trauben reif
werden. Die Spätlinge werden auch nach ihrer harten
Haut benannt. Von den chalcidischen tragen einige drei-
mal. Zu Tarent wachsen nur ganz süsse, welche Onä
heissen.
Cato giebt für die Feigen folgende Regeln: Die Maris-
cen säe an einen kreidigen oder freien Ort; an einen
fettern und gedüngten aber die afrikanischen, herculanischen^
") Kalistruthiae.
Fünfzehntes Buch. 149
saguntinischen, die Winterfeigen und die schwarzen tela-
nischen mit langem Stiele. Später sind so viele Namen
und Arten aufgekommen, dass, wenn man nur diess allein
erwägt, es schon einleuchtet, dass die Lebensweise sich ge-
ändert habe. Es giebt auch in einigen Ländern, wie in
Mösien, Winterfeigen, allein sie sind es nicht von Natur,
sondern durch Kunst. Man bedeckt nach dem Herbste
eine Art kleine Bäume und die im Winter hervorkömmende
unreife Frucht mit Mist, gräbt beide bei milderem Wetter
wieder auf und bringt sie ans Licht, wo sie dann die
Sonnenstrahlen, welche ihnen neu und von anderer Art
sind als die, bei denen sie früher lebten, begierig und
gleichsam neu geboren anziehen und mit der Ankunft der
Blüthe reif werden, also in dem ihnen nicht eignen Jahre,
auch in der kältesten Gegend zeitig erscheinen.
20.
Aber die schon damals von Cato genannte afrikanische
Feige erinnert mich au Afrika, weil er sich dieser Frucht
zu einem Beweise bediente, der wichtige Folgen nach sich
zog. Denn er, der einen tödtlichen Hass gegen Carthago
hegte, und, für das Wohl der Enkel besorgt, in jeder Se-
natsversammlung rief, Carthago müsse zerstört werden,
brachte eines Tages eine frühzeitige Feige aus jenem
Lande in den Rath, zeigte sie der Versammlung und
sprach: Ich frage Euch, wann glaubt Ihr, dass diese Frucht
vom Baume gepflückt sei? Da nun Alle darin überein-
kamen, dass sie noch frisch sei, fuhr er fort; So wisset
denn, dass sie vor 3 Tagen zu Carthago gepflückt ist; so
nahe bei unsern Mauern haben wir den Feind. Gleich
darauf unternahm mau den dritten punischen Krieg, in
welchem Carthago zerstört wurde, was aber Cato nicht
mehr erlebte, denn er starb im folgenden Jahre. Was
sollen wir hiebei zuerst bewundern? seinen tiefen Scharf-
sinn oder die zufällige Gelegenheit, die schnelle Fahrt oder
den Eifer dieses Mannes? Vor allem aber halte ich das
für das Wunderbarste, dass jene grosse Stadt, welche in
der Weltherrschaft 120 Jahre lang die Nebenbuhlereien
150 Fünfzehntes- Buchi
Rom's war, durch den Beweis eines Stück Obstes zerstört
worden ist, was weder Trebia, noch der trasymenische See
noch Cannä, welche Orte i) durch die Gräber der Römer
berühmt geworden sind, nicht haben vollbringen können;
auch nicht das verschanzte punische Lager 3 Meilen von
Eom, nicht Hannibal selbst, der bis ans collinische Thor
ritt. So viel näher hat Cato durch jenes Obst Carthago
gebracht.
Mau unterhält einen Feigenbaum, der auf dem Markt-
und Versammlungsplatze zu Rom selbst hervorgewachsen
ist, und durch die darin verborgenen Blitze (?), noch mehr
aber zum Andenken an die Amme des Romulus und Remus
heilig gehalten und Ruminalis genannt wird, denn unter
demselben fand man die Wölfin,^ welche den Kindern das
Euter 2) (so nannte man die Zitzen) gab. Daneben hat
der Augur Attus Navius diese wunderbare Begebenheit in
Erz so dargestellt, als wenn sie von selbst auf den Platz
gekommen wäre. Er vergeht immer in Folge einer
Weissagung, wird aber von den Priestern jedesmal wiederum
sorgfältig gepflanzt. Ehemals stand auch einer vor dem-
Tempel des Saturn, kam aber im 260. Jahre der Stadt,
als die Vestalinnen eine Feier hatten, weg, wobei er das
Standbild des Silvanus umriss. Ein anderer, von selbst
aus der Erde gewachsen, steht mitten auf dem Forum, dav
wo Curtius die durch ein unglückliches Wunderzeichen -
sinkenden Grundvesten des Reiches durch die grössten
Güter des Lebens d. i. durch Tapferkeit und Vaterlandsliebe
und durch den Tod wieder hergestellt hatte. Ebenso be-
finden sich an demselben Orte zufällig ein Weinstock und.
ein Oelbaum, welche beide des Schattens wegen vom Volke
gepflanzt sind. Der Altar ist wegen des vom göttlichen
Julius gegebenen Fechterspiels, welches jüngst auf dem
Forum gehalten wurde, von da weggenommen.
•) An diesen 3 Orten wurden die Römer geschlagen.
*) rumen.
Fünfzehntes Buch. 151
21.
Zu bewundern ist das schnelle Wachsen dieser Frucht,
welche einzig unter allen durch die Kunst eher zur Reife
gelangt. Eine wilde Feigenart, welche Caprificus ge-
nannt wird, trägt nie reife Früchte, giebt aber andern, was
sie selbst nicht bat, denn der Uebergang der Wirkungen
liegt in der Natur, und aus faulenden Stoffen wird
wiederum etwas anderes hervorgebracht. Jener wilde
Feigenbaum erzeugt nämlich Mücken ^) ; wenn diese in
ihrer Mutter ^), welche in Fäulniss übergegangen ist, keine
Nahrung mehr finden, so fliegen sie zu der verwandten Art
hin, öffnen durch häufiges Anbeissen, d. h. durch begieriges
Fressen davon ihre Flächen, dringen dann hinein und
lassen auf diese Weise die Sonnenstrahlen, und die reifende
Luft in das Innere. Sie verzehren dann den milchichten
Saft ,d. h. die Kindheit der Frucht, der auch von selbst
ausfliesst. Man setzt daher den Caprificus dahin, wo der
Wind nach den Feigengärteu zieht, damit derselbe die aus-
fliegenden Insekten auf die Feigenbäume bringe. Noch
ein anderes Mittel hat man ausfindig gemacht; man legt
nemlich jene, wenn man sie anderswo her bringt, zusammen-
gebunden auf den zahmen Baum. Doch ist diess auf einem
magern und gegen Norden gelegenen Boden nicht nöthig,
weil sie dort von selbst trocken werden, und die entstehen-
den Risse dieselbe Wirkung, wie durch die Thiere hervor-
bringen; auch da nicht, wo viel Staub ist z. B. neben einer
fahrbaren Strasse, denn der Staub hat ebenfalls die Kraft
auszutrocknen und den Milchsaft zu absorbiren. Diess Ver-
fahren durch Caprification sowie durch Staub hat noch den
Vortheil, dass die Früchte nicht abfallen, wenn ihr zarter,
unbeständiger und schwerer Saft verzehrt ist.
Die Feigen fühlen sich alle weich an; im reifen Zu-
stande haben sie Körner 3) in sich; während des Reifens
') Culices. Das Insect heisst: Cynips Psenes L.
=*) Nämlich der Frucht des Capiificus.
3) frumenta.
152 Fünfzehntes Buch.
ist ihr Saft milchartig, wenn sie aber reif sind, honigartig.
Sie werden auf den Bäumen alt, und schwitzen eine gummi-
artige Feuchtigkeit in Thränen aus. Von den trocknen be-
wahrt man die guten der Ehre wegen in Kästen auf; die
besten und grössten kommen von der Insel Ebusus, und
auf sie folgen die von den Marrucinen. Wo sie aber in
Menge vorkommen, füllt man Tonneu damit an wie in
Asien, oder Töpfe wie in der Stadt Ruspina in Afrika.
Trocken vertreten sie zugleich die Stelle des Brotes und.
des Zubrotes, denn Cato sagt, da wo er den Arbeitsleuten
auf dem Felde ihre Kost gleichsam gesetzlich bestimmt,
man solle sie zur Zeit der Feigenreife vermindern. Man
hat neulich erfunden, gesalzene Speisen mit frischen Feigen
statt Käse zu essen. Zu dieser Obstart gehören , wie wir
bereits gesagt haben, die Cottaneu und Caricä, und die ver-
hängnissvollen 1), welche dem M. Crassus, als er wider die
Parther zu Schiffe ging, ein böses Omen wurden, denn es
rief sie gerade Jemand zum Verkaufe aus. Alle diese
Sorten hat L. Vitellius, welcher später Censor war, in der
letzten Lebenszeit des Kaisers Tiberius, aus Syrien, wo er
die Statthalterschaft bekleidete, in das albanische Gebiet
gebracht.
22.
Den Aepfeln und Birnen werden mit Recht auch die
Mispeln 2) und Speierlinge 3) beigezählt. Von der Mis-
pel giebt es 3 Arten: Anthedon^), die setanische und die
gallische "■), welche ausartet, jedoch der erstem ähnlich
sieht. Die setanische trägt einen grössern und weissem
Apfel mit weichern Kernen; die übrigen haben eine klei-
nerne, aber besser riechende und haltbarere Frucht. Der
Baum selbst gehört unter diejenigen, welche den grössten
') caunaeae, von xavvoq Loos.
2) Mespila. Mespilus germanica L.
3) Sorba. Sorbus domestica L.
■*) Anthedon. Crataegns tanacetifolia Pers.
^) Mespilus Chamaemespilus L. (?). Die setanische ist M. ger-
manica.
Fünfzehntes Buch. I53
Umfang einnehmen. Die Blätter werden, bevor sie abfallen,
rotii; die Wurzeln sind in zahlreicher Menge vorhanden
und gehen so tief, dass man sie nicht ausrotten kann. Zu
den Zeiten Cato's war dieser Baum in Italien noch nicht.
23.
Von den Speierlingen hat man 4 verschiedene Arten ;
einige sind nämlich rund wie ein Apfel, andere kreisei-
förmig wie die Birne, einige eirund i) wie manche Aepfel.
Letztere werden leicht sauer. Im Geruch und Geschmack
sind die runden am besten; die übrigen haben einen Wein-
geschmack. Am edelsten sind diejenigen, deren Stiele mit
zarten Blättern umgeben sind. Die vierte Art heisst die
Grimmbeere 2); sie dient wahrscheinlich nur zu Arzneien,
trägt beständig, hat die kleinste Frucht und sieht den an-
dern nicht ähnlich, denn ihr Blatt gleicht dem der Platane.
Keine von diesen Arten trägt vor dem dritten Jahre. Cato
sagt, die Speierlingsäpfel würden auch im gesottenen Wein
eingemacht.
24.
Auf diese folgen nun zunächst ihrer Grösse wegen die
welschen Nüsse ^), stehen ihnen aber an Werth nach,
obgleich sie bei den muthwilligen Hochzeitsgesängen ^) eine
Rolle spielen. Sie sind weit kleiner als die ganze Pinien-
frucht, jedoch übertrifft ihr Kern den der letztern. Auch
hat ihnen die Natur den besondern Vorzug verliehen, eine
doppelte Schale zu besitzen, nemlich eine äussere weiche,
und eine innere holzige. Aus diesem Grunde haben sie
eine heilige Bedeutung bei Hochzeiten bekommen, weil die
Frucht im Mutterleibe ebenso vielfach geschützt wird, und
>) Hier scheint Crataegus Oxyacantha L. gemeint zu sein, wäh-
rend die kugeh-unden und kreiseiförmigen zu Sorbus domestica ge-
hören.
-} Torminalis. Crataegus torminalis L. Der Elzbeerbaum.
3) Nuces juglandes. luglans regia L.
*) Nuptiales Fascennini, so genannt von Fescenna, einer Stadt
in Etrurien, welche wegen ihrer muthwilligen, schäckerhaften, auch
theils unzüchtigen Gedichte und Lieder bekannt war.
154 Fünfzehntes Buch.
diess ist wahrscheinlicher, als, weil sie beim Fallen springen
und Geräusch machen. Dass sie ebenfalls von den Königen
aus Persien zu uns gebracht sind, beweisen die griechischen
Namen, denn die beste Art heisst die persische und könig-
liche, und hierait bezeichnete man sie am frühesten. All-
gemein nimmt man an, dass sie wegen der Beschwerde,
welche ihr starker Geruch dem Kopfe verursacht, Caryon
genannt worden ist. Mit ihrer Schale färbt man Wolle,
und mit den eben hervorkommenden Nüsschen macht man
das Haar braun, ein Verfahren, auf welches man durch
das Braunwerden der Hände, worin man die Früchte hält,
kam. Durchs Alter werden sie fetter.
Der ganze Unterschied der Arten besteht in der harten
oder zerbrechlichen, dünnen oder dicken, mehrfächrigen
oder einfachen Schale. Es ist die einzige Frucht, welche
die Natur mit aufeinander passenden Deckeln verschlossen
hat, denn die Schale theilt sich in 2 nachenartige Hälften,
der Kern ist vierfach getheilt und von hölzernen Häuten
durchzogen. Bei den übrigen Nüssen ist die Schale durch-
aus fest, und der Kern ein Ganzes, wie z. B. bei den
Haselnüssen!) und derjenigen Art, welche früher nach
ihrem Vaterlande abellinische genannt wurden. Andere
sind aus Pontus nach Asien und Griechenland gekommen
und deshalb pontische Nüsse genannt worden. Diese um-
giebt noch ein weicher Bart, allein Schale und Kern bilden
jeder ein rundes Ganze. Sie werden auch geröstet. Ihr
Nabel ist mitten am Bauche. Eine dritte Art sind die
Mandeln 2), deren äusserste Bedeckung derjenigen der
Nussschale gleich, aber dünner ist. Auch ihre zweite
Schale gleicht derjenigen bei der Nuss. Der Kern ist ihr
wegen seiner Breite unähnlich und hat eine bittere Haut.
Ob dieser Baum zu Cato's Zeiten schon in Italien gewesen
sei, ist ungewiss, denn er nennt seine Früchte griechische
Nüsse, mit welchem Namen Einige auch die welschen
•) Avellanae. Corylus Avellana L.
*) Amj^gdali. Amygdalus communis L.
Fünfzehntes Buch» 155>
Nüsse noch belegen. Er führt ausserdem noch die Hasel-
nüsse, die Galbae und pränestinischen an,, welche letztere
er am meisten lobt und von denen er anführt, man thue
sie noch grün in Töpfe und vergrabe diese in die Erde..
Jetzt rühmt man die thasischen, albensischen und 2 Arten
der tarentinischen mit zerbrechlicher und harter Schale,
welche zugleich die grössten und am wenigsten runden
sind. Es giebt ferner dünnschalige, deren Schale berstet.
Einige erweisen ihnen grosse Ehre, indem sie sie ^) Jupiters-
Eichel nennen. Kürzlich sagte mir ein Consular, er habe
auch welsche Nussbäume, die zweimal im Jahre trügen.
Von den Pistacien und den Nussarten selbst ist schon die
Rede gewesen 2); diese brachte zu derselben Zeit eben jener
Vitellius 3) nach Italien, und der römische Ritter Fla'ccus
Pompejus, welcher mit ihm diente, nach Spanien.
25.
Auch die Kastanien*) nennen wir Nüsse, obgleich:
sie eher zu den Eicheln gehören. Sie sind von einer stach-
lichen Hülle umgeben, während die Eicheln nur zum Theil'
umhüllt werden. Man muss sich wundern, dass die Natur
die gemeinste Frucht so sorgfältig verwahrt hat. Eine
Hülle enthält zuweilen 3 Kerne, deren jede eine zähe Rinde
umgiebt. Aber die dem Kerne nächste Haut verdirbt bei
diesem wie bei den Nüssen den Geschmack, wenn sie
nicht abgezogen wird. Es ist besser, sie zum Speisen zu
rösten; auch werden sie gemahlen, und beim Fasten der
Frauen vertreten sie die Stelle des Brotes. Die ersten
kamen aus Sardes; sie heissen daher bei den Griechen,
sardianische Eicheln und den durch Cultur verbesserten
gaben sie später den Namen Jupiters-Eichel. Jetzt giebt
') Die welschen Nüsse.
2) Im XIII. B. 10. Cap.
^) Plinius meint wahrscheinlich den kurz vorher genannten Con-
sular. Lucius Vitellius war 34 n. Chr. Consul, dann Proconsul ia
Syrien.
-*) Castaneae. Castanea vesca. Gaertn.
156 Fünfzehntes Buch.
es mehrere Arten davon. Die tarentinisehen sind leicht,
gut zu verdauen und flach von Gestalt. Die sogenannte
Balanitis ist runder, springt von selbst heraus und lässt
sich am leichtesten reinigen. Unter ihnen ist die salaria-
nische auch rein und flach, die tarentinische nicht so gut;
besser ist die corellianische und die von ihr auf die beim
Propfen angezeigte Weise abstammende eterejanische mit
röthlicher Schale, welche den dreieckigen und gemeinen
schwarzen, die Kochkastanien heissen, vorgezogen werden.
Das Vaterland der besten ist Tarent und Neapel in Cam-
panien. Die übrigen, welche auch zwischen den Kernen
Rinde haben, dienen zum Füttern der Schweine.
26.
Das süsse Johannisbrot i) möchte hievon nicht sehr
verschieden sein, nur isst man bei diesem die Schale selbst
mit. Es hat die Länge eines menschlichen Fingers, ist
zuweilen sichelförmig gekrümmt, und einen Daumen breit.
Die Eicheln kann man nicht unter das Obst rechnen, wir
wollen deshalb besonders von ihnen reden.
27.
Die übrigen Obstarten sind fleischig, und unter-
scheiden sich durch ihre Beeren und ihr Fleisch. Anders
ist das Fleisch bei Traubenbeeren 2), Maulbeeren, Meer-
kirschen 3); anders bei erstem zwischen der Haut und dem
Safte, anders bei den Sebesten und den den Oliven ähn-
lichen Früchten. Die Maulbeeren 4) haben einen weinigen
Saft in ihrem Fleische, und eine dreifache Farbe, zuerst
die weisse, dann die rothe und, wenn sie reif sind, die
schwarze. Sie blühen am spätesten und werden am frühe-
sten reif. Der Saft der reifen färbt die Hände, der der
unreifen macht sie wieder rein. Der Erfindungsgeist hat
bei diesem Baume am wenigsten geleistet, weder, was
Namen, noch Propfen, noch etwas Anderes anbelangt; bloss
*) Praedulces siliquae. Ceratoaia Siliqua L.
2) acini. ^) unedones.
*) Mori. Morus alba L. nigra L.
Fünfzehntes Buch. 15T'
die Grösse der Früchte hat mau vermehrt. In Rom unter-
scheidet man die ostiensischen und tusculanischen. Es
wachsen auch deren auf den Brombeersträuchen i), sind
aber durch die Haut unterschieden.
28.
Von anderer Beschaffenheit sind die Erdbeeren ^),
sowie die ihnen verwandten Meerkirschen 3), welche
das einzige Obst sind, das einer Erdfrucht^) gleicht. Der
Baum selbst ist strauchig. Die Frucht wird in einem Jahre
reif; während die eine blühet, reift die andere. Ob der
männliche oder weibliche Stamm unfruchtbar sei, darüber
sprechen sich die Schriftsteller nicht bestimmt aus. Diese
Frucht wird nicht geachtet, denn sie hat ihren Namen
(unedo) davon bekommen, dass man nur eine davon essen
solle. Jedoch geben ihnen die Griechen 2 Namen, Cornaron
und Memecylon, woraus hervorgeht, dass es auch 2 Arten
davon giebt. Der andere bei uns gebräuchliche Name ist
Arbutus. Nach Juba soll es in Arabien 50 Ellen hohe
geben.
29.
Es giebt auch sehr verschiedene Traubenbeeren ^)..
Zuerst unter den Weinbeeren selbst hinsichtlich der Zart-
heit und Dicke der Haut, des Innern Holzkerns, der bei
einigen klein, bei andern selbst doppelt ist, und diese
letztern geben sehr wenig Most. Am meisten unterschieden
sind die Epheu- und Hollunderbeerenj der Gestalt nach
auch die Granatbeeren, welche allein eckig sind. Eine
jede hat auch nur eine Haut, die weiss ist. Sie bestehen,
namentlich diejenigen, welche nur einen kleinen Kern haben,
ganz aus Saft und Fleisch.
Auch bei den einzelnen Beeren^) findet grosse Ver-
*) Rubi. Rubus fruticosus L.
2) Fraga teiTestria. Fragaria vesca L.
3) Unedones. Arbutus Unedo L.
■*) D. h. der Frucht einer kleinen krautartigen Pflanze.
*) acini.
*) baccae.
'9.58 Fünfzehntes Buch.
sehiedenheit statt. Andere hat der Oelbaum, der Lorbeer,
der Lotus, der Kornelkirsclienbaum, die Myrte, der Lentis-
-iius. Die der Stechpalme und des Dornbaums sind saftlos';
die Kirschen aber stehen mitten zwischen den Trauben
und einzelnen Beeren. Die genannten Bäume haben zuerst
eine weisse Frucht und fast alle einzelne Beeren; bei ei-
nigen wird sie bald darauf grün, wie bei den Oliven und
Lorbeeren, bei andern aber roth, wie bei den Maulbeeren,
Kirschen und Kornelkirschen, hierauf bei den Maulbeeren,
Kirschen und Oliven schwarz.
30.
Die Kirscheubäume ^) waren vor dem Siege des
L. Lucullus über Mithridates noch nicht in Italien. Lucullus
brachte sie im 680. Jahre der Stadt zuerst aus Pontus mit,
und 120 Jahre später kamen sie über den Ocean bis nach
Britannien. In Aegypten hat man sie, wie schon erwähnt,
nicht acclimatisiren können. Die apronianischen Kirschen
sind am röthesten, die lutatischen am schwärzesten, die
cäcilianischeu aber zugleich rund. Die junianischen schmecken
angenehm, aber fast nur unter ihrem Baume, denn sie lei-
den, ihrer Zartheit wegen, durch den Transport. Den ersten
Rang behaupten die harthäutigen, welche mau in Cam-
panien die plinianischen, in Belgien die lusitanischen nennt.
An den Ufern des Eheins giebt es auch welche von einer
dritten Farbe, nemlich aus schwarz, roth und grün gemischt,
gleichsam als ob sie stets reiften. Es sind noch keine
5 Jahre her, dass die sogenannten Lorbeerkirscheu, welche
auf Lorbeerbäume gepropft werden, und angenehm bitter
schmecken, aufgekommen. Es giebt auch macedonische '^),
von einem kleineu, selten über 3 Ellen hohen Baume, und
die Zwergkirschen ^) von einem noch kleinern Strauche.
Dieses Obst gehört vorzüglich unter diejenigen, welche dem
Landmann jährlich eine reichliche Erndte bringen. Es liebt
*i Ceiasi. Prunus Cerasus L. und Prunus avium L.
-) Prunus Mahaleb L.
•*j ChamaecerasT. Prunu.s prostrata Bill.
Fünfzehntes Buch. 159
die Nordseite und kalte Lage, wird auch an der Sonne
getrocknet, und, gleich wie die Oliven, in Töpfe einge-
macht.
31.
Dieselbe Sorgfalt verwendet man auf die Kornel-
kirsche 1) und den Mastixbaum 2), damit es den Anschein
habe, dass alles für den menschlichen Leib geschaffen sei.
Man mischt verschieden schmeckende Dinge zusammen, und
das eine muss das andere verbessern. Aber selbst Länder
und verschiedene Himmelsstriche werden vermischt. Zu
einer Art Speise wird Indien, zu einer andern Aegypten,
Greta, Cyrene und andere Länder in Anspruch genommen.
Der Mensch greift selbst zu Giften, um nur alles zu ver-
schlingen. Diess wird sich bei Beschreibung der Kräuter
iioch deutlicher herausstellen.
32.
Inzwischen findet man 13 Arten des Geschmackes,
welche dem Obste und allen Säften zukommen: den
süssen, angenehmen, fetten, bittern, herben, scharfen, stechen-
den, strengen, sauren, salzigen. Die übrigen 3 sind von
wunderbarer Beschaffenheit. Einer, in welchen mau mehreres
zugleich zu schmecken glaubt, wie z. B. beim Weine; denn
in ihm findet mau den herben, stechenden, süssen und au-
genehmen — lauter einander fremdartige — vereinigt. Der
zweite ist derjenige, in welchem sich zwar auch ein fremd-
artiger, aber auch ein eigener und besonderer Geschmack
befindet, wie z. B. in der Milch, denn sie enthält etwas,
was streng genommen weder süss, noch fett, noch auge-
nehm genannt werden kann, und das Milde, was dem Ge-
schmacke folgt und seine Stelle vertritt, waltet vor. Keine
von diesen Arten besitzt das Wasser, nicht einmal einen
saftigen, jedoch schmeckt es nach etwas, und bildet daher
eine eigeue Art. Es ist sogar ein Fehler, wenn das Wasser
irgend einen Geschmack besitzt. Bei allen diesen Ge-
') Com US uiascula L. -) Lentiscu?. Pistaria Lentiscus L.
160 Fünfzehntes Buch.
schmäcken spielt der Geruch eine bedeutende Rolle, und
beide stehen in genauer Verwandtschaft zu einander. Das
"Wasser hat auch keinen Geruch, und taucht nicht, wenn
es riecht. Merkwürdigerweise sind die 3 vornehmsten Ele-
mente der Natur, Wasser, Luft und Feuer, geschmack- upd
geruchlos.
33.
Einen weinigen Saft haben die Birnen, Maulbeeren und
Myrten; die Weintrauben (was zu bewundern ist) am we-
nigsten. Fett ist er bei den Oliven, Lorbeeren, welschen
Nüssen, Mandeln; süss bei den Weinbeeren, Feigen, Datteln;
wässrig bei den Pflaumen. Auch in ihrer Farbe sind die
Säfte verschieden. Blutroth ist er bei den Maulbeeren,
Kirschen, Kornelkirschen, schwarzen Weinbeeren; weiss
aber bei den weissen Weinbeeren. Im obern Theile der
Feige ist er milchig, nicht aber in der Mitte; schaumähn-
lich bei den Aepfeln, ungefärbt bei den Pfirsichen, unter
denen die harthäutigen sehr saftreich sind; aber Wer wird
diesen nach irgend einer Farbe benennen können? Auch
hinsichtlich des Geruchs findet sich manches Merkwürdige.
Die Aepfel haben einen stechenden, die Pfirsiche einen
schwachen, die süssen Früchte gar keinen Geruch; auch
der süsse Wein ist geruchlos, der dünne dagegen riecht
schon weit mehr, und dringt schneller in die Nase als die
fetten Sorten. Früchte, welche stark riechen, empfehlen
sich nicht durch den Geschmack, denn Geruch und Ge-
schmack sind nicht ein und dasselbe. Daher haben die
Citronen, welche sehr durchdringend riechen, einen äusserst
rauhen Geschmack; die Quitten gewissermaassen auch.
Die Feigen riechen gar nicht.
34.
Soweit von den Arten des Obstes; wir wollen nun
noch ihre verschiedene Beschaffenheit etwas kürzer
zusammen fassen. Einige, die an sich süss sind, aber
einen bittern Samen einschliessen, wachsen in Schoten;
während in den meisten Früchten die Samen verwendet
werden, verwirft man die in den Schoten befindlichen.
Fünfzehn tes Bück 161
-Andere biMen Beeren, bei den«n inwendig ein Holzkern,
aussen das Fleisch ist, wie bei den Oliven und Kirschen;
bei einigen ist innen der weiche, aussen der harte Theil,
z, B. diejenigen, welche, wie wir gesagt haben, in Aegypten
wachsen. Wie die Beeren, so sind auch die Aepfel be-
schaffen. Bei einigen ist inwendig das Fleisch, auswendig der
Holzkern, z.B. den Nüssen; bei andern aussen das Fleisch, innen
das Holz, wie bei den Pfirsichen und Pflaumen; hier ist das
Unnütze von der Frucht umgeben, während sonst das Un-
' nütze die Frucht umgiebt. Die Nüsse sind in eine harte
Schale, die Kastanien in eine lederartige Hülle einge-
schlossen; diese zieht man sich vorher ab, aber bei den
Mispeln wird sie mitgegessen. Die Eicheln umgiebt eine
Kruste, die Weinbeeren eine Haut, die Granatäpfel eine
lederartige Hülle und dünne Haut. Die Maulbeeren be-
stehen aus Fleisch und Saft, die Kirschen aus Haut und
Saft. Einige sondern sich gleich vom Kerne, wie die Nüsse
und Datteln; andere sitzen fest daran, wie die Oliven und
Lorbeeren. Bei einigen, z. B. den Pfirsichen, trifft man
beides, denn die harthäutige sitzt fest, und lässt sich nicht
von dem Steine ablösen, die übrigen aber trennen sich
leicht davon. Einige haben weder innen noch aussen Holz,
wie z. B. manche Palmfrüchte. Bei andern wird der Kern
selbst als Obst benutzt, z. B. bei derjenigen Art Mandeln,
welche, wie oben gesagt, in Aegypten wächst. Bei einigen,
z. B. den Kastanien, Mandeln und welschen Nüssen, findet
man 2 äussere, nutzlose Decken. Einige bestehen aus
3 Theilen, dem Fleische, dem darauf folgenden Steine und
dem in diesem befindlichen Samen, z. B. die Pfirsiche.
Einige sitzen zahlreich beisammen, wie die Weinbeeren und
Speierlinge, welche die Aeste umgeben, und überall in
Trauben herabhängen. Andere wachsen einzeln, wie die
Pfirsiche. Einige befinden sich in einer Hülle, wie die Gra-
naten; andere hängen an Stielen, wie die Birnen; andere
an Kämmen, wie die Weinbeeren und Palmfrüchte ; andere
an Stielen und Kämmen, wie die Epheu- und Hollunder-
beeren; andere an Zweigen, wie die Lorbeeren; andere
Wittstein: Plinius. III. Bd. H
162 Fünfzehntes Buch.
auf beiderlei Art, wie die Oliven, denn sie haben kurze-
und lange Stiele. Einige enthalten Samenkapseln wie die
Granaten, Mispeln und der Lotus in Aegypten und am
Euphrat.
Die Güte der Früchte ist sehr verschieden und auf
eben so mannigfaltige Weise empfehlen sie sich. An den
Datteln liebt man das Fleisch, an den thebaischen die
Schale, an den Weinbeeren und Caryoten i) den Saft, an
den Birnen und Aepfeln die harte Haut, an den Honig-
äpfeln das Fleisch, an den Maulbeeren das Knorpelige, an
den Nüssen den Kern, an einigen Früchten Aegyptens, z. B.
den Feigen, die Haut. Letztere zieht man, wie eine Schale,
den grünen Feigen ab, und an den trocknen schätzt man
sie am meisten. An der Papierpflanze, der Ferula und
dem weissen Dornstrauche ist der Stengel selbst das Obst..
Es giebt auch feigenartige Stengel. Unter den Sträuchern
ist es die Kapper, bei welche der Stiel die Frucht be-
gleitet; was wird aber an den Schoten anderes, als Holz,
gegessen? Hiebei dürfen wir die Beschaffenheit ihrer Samen
nicht zu erwähnen vergessen, denn man kann sie weder
Fleisch, noch Holz, noch Knorpel nennen, noch einen an-
dern Namen für sie ausfindig machen.
35.
Besondere Bewunderung verdient der Saft in der
Myrte 2), denn er ist der einzige, woraus 2 Sorten Oel und
Wein bereitet werden; auch geht er in das schon erwähnte
Myrtidanum^) ein. Der Beeren bedienten sich die Alten,
ehe der Pfeffer bekannt wurde, an dessen Statt, und daher
schreibt sich der Name eines köstlichen Zugemüses, welches
noch jetzt das myrtenhaltige genannt wird. Ferner beruht
hierauf der gepriesene Wohlgeschmack des wilden Schweine-
fleisches, denn zu der Sauce setzte man meistentheils Myrte.
36.
Der Myrtenbaum soll in dem diesseitigen Theile
Europa's, welcher von den ceraunischen Bergen anfängt,.
') Eine Art grosser Datteln, wie Nüsse aussehend.
2) Myrtus communis L. 3) XIV. B. 19. Cap.
Fünfzehntes Buch. 163
zuerst zu Civceji auf dem Grabe Elpenor's i) gesehen
worden sein; er hat seinen griechischen Namen behalten,
ein Beweis, dass er ein Fremdling ist. Wo jetzt Rom steht,
war er schon, als die Stadt gebauet wurde; man berichtet
nemlich, die Römer und Sabiner wären, als sie wegen der
geraubten Jungfrauen hätten streiten wollen, nach Ablegung
der Waffen an demselben Orte, wo jetzt die Bildnisse der
cluacinischen Venus stehen, durch einen geheiligten Myrten-
zweig gereinigt; cluere nannten aber die Alten reinigen.
An diesem Baume befindet sich auch eine Art Rauchwerk.
Man wählte denselben damals deshalb , weil Venus sowohl
die Ehen als auch diesen Baum schützt. Ich weiss nicht,
ob er nicht unter allen zuerst aus Anlass einer Weissagung
und merkwürdigen Vorbedeutung an öffentliche Orte Rom's
gepflanzt ist. Unter die ältesten Tempel gehört nemlich
der des Quirinus, d. i. des Romulus; vor demselben standen
lange Zeit hindurch 2 heilige Myrten, von denen die eine
die patricische, die andere die plebejische genannt wurde.
Viele Jahre hindurch, so lange der Senat im Flore stand,
hatte die patricische den Vorzug, denn sie wuchs üppig
und lebhaft heran, während die plebejische dürr und unan-
sehnlich war. Als diese sich aber im marsischen Kriege
wieder erholte, wurde die andere gelb, und auch die Sena-
toren verloren am Ansehen; kurz nachher welkte der statt-
liche Baum und ward dürre. Es gab auch einen alten
Altar, welcher der Venus Myrtea, welche jetzt Murcia
heisst, geweihet war.
37.
Gate nennt 3 Arten der Myrte, die schwarze, weisse
und die eonjugulische (vielleicht so genannt von den Heit
rathen'-), welche zu jener clucianischen gehört. Jetzt theil-
man sie auch noch anders ein, nemlich in zahme und
wilde, und bei beiden unterscheidet man wieder die breit-
blättrigen. Unter die wilden gehört besonders der Myrten-
*) Gefährte des Ulysses, schlief betrunken auf dem Dache des
Palastes der Circe, fiel herunter und starb. -) conjugia.
11*
164 Fünfzehntes Buch.
dorn'). Die zabineu Arten verdanken ihr Entstehen den
Kunstgärtnern, als die tarentinische mit kleinen Blättern;
die unsrige mit breiten; die sechsreihige mit den dichte-
sten, denn sie bilden 6 Reihen. Letztere wird nicht ge-
braucht; die beiden andern sind ästig. Ich glaube die con-
jugulische heisst jetzt die unsrige. Die Myrte riecht in
Aegypteu am schönsten. Cato hat uns gelehrt, aus der
schwarzen einen Wein zu bereiten; man solle sie uemlich
im Schatten völlig austrocknen und dann in Most thun.
Wenn die Beeren nicht zuvor getrocknet würden, erzeuge
sich daraus Oel. Nachher hat man erfunden, aus der
weissen einen weissen Wein zu machen, wenn man 2 Sex-
tarius davon stösst, in 3 Hemina Wein einweicht und aus-
presst. Die getrockneten Blätter gebraucht man zu Pulver
gestossen als Heilmittel für Geschwüre am menschlichen
Körper; diess Pulver ist etwas beissend und kühlt den
Schweiss ab. Ja selbst das Oel hat merkwürdigerweise
einen weinartigen Geschmack, und besitzt in hohem Grade
die Eigenschaft, den Wein zu verbessern, wenn die Seihe-
tücher vorher damit durchfeuchtet sind. Es enthält nem-
lich Satz 2), lässt daher nur die reine Flüssigkeit hindurch-
gehen, und verleihet letzterer, indem es sich damit ver-
einigt, einen sehr angenehmen Geschmack. Dünne Zweige
davon in der Hand gehalten leisten einem Fussgänger auf
langem Wege gute Dienste. Ja, Ringe die aus seinen
lleiseru geflochten sind, heilen, wenn kein Eisen daran ist,
die Geschwulst der Schamtheile.
38.
Auch bei Kriegsangelegenheiten wird die Myrte ge-
braucht. Als Postumius Tubertus (der erste welcher zu
Pferde in Rom einzog ^), weil er den Krieg milde, ohne
•) Oxymyi-sine. Ruscus aculeatus L.
2) faeces.
3) ovans. Eine ovatio, kleiner Triumph, war ein solcher, wo
der Feldherr nach erhaltenem Siege nur zu Pferde oder zu Fuss
seinen Einzug hielt, und einen MjTtenkranz auf dem Kopfe hatte.
Fünfzehntes Buch. 165
Blutvergiessen geführt hatte) währeud seines Consulats
über die Sabiner Triumph hielt, war er mit einer Myrte
der Venus Victrix bekränzt, und machte dadurch auch den
Feinden diesen Baum wünschenswerth. Später diente er
zum Kranze der kleineu Triumphatoreu, mit Ausnahme
des M. Crassus, der nach dem Siege über die Flüchtlinge
und den Spartacus mit einem Lorbeerkranze einzog. Ma-
surius erzählt, auch die im Wagen Triumphirenden hätten
Myrtenkränze getragen. Nach L. Piso's Berichte pflegte
Papirius Maso, welcher zuerst auf dem albanischen Berge
über die Corsen triumphirte, mit Myrte bekränzt die cir-
censischen Spiele anzusehen. Diess war der Grossvater
des zweiten Afrikanus mütterlicher Seite. Marcus Valerius
trug in Folge eines Gelübdes 2, einen Lorbeer- und einen
Myrtenkranz.
39.
Der Lorbeer 1) ist ganz besonders den Triumphen
gewidmet, und bildet gewiss den schönsten Pförtner der
Wohnungen der Kaiser und Hohepriester; er allein schmückt
die Häuser, und bewacht die Schwellen. Cato führt 2
Arten von ihm an, den delphischen und cyprischen. Pom-
pejus Lenäus 2) fügt noch eine Art hinzu, die er Mustace
nennt, weil er zu den Kuchen 3) gesetzt wird; dieser soll
ein sehr grosses, schlaffes und weissliches Blatt haben, der
delphische von ähnlicher Farbe, aber mehr grün sein und
sehr grosse grünrothe Beeren tragen. Hiermit wurden die
Sieger zu Delphi und die Triumphatoreu zu Rom gekrönt.
Der cyprische soll kurze, schwarze, am Rande schuppige
und krause Blätter haben. Später sind noch folgende
Arten hinzu gekommen: Tinus*), worunter Einige den
wilden Lorbeer, Andere eine eigne Art verstehen ; und der
blaue Beeren hat. Ferner die königliche, welche man
jetzt Augusta nennt, deren Stamm und Blatt am grössten
unter allen sind, und deren Beeren auch keinen rauhen
') Laurus. Laurus nobilis L. *) Ein nicht näher bekannter Autor.
•') Mustacea. sc. liba. '*) Tinus occidentalis L.
166 Fünfzehntes Buch.
Geschmack besitzen. Einige meinen, diese beiden seien
nicht eins, und sie machen den königlichen zu einer eige-
nen Art mit längern und breitern Blättern, nennen ferner
einen andern, der am gemeinsten ist und die meisten
Beeren trägt, den Beerenlorbeer, den unfruchtbaren aber
(was mich sehr wundert) den Siegeslorbeer, weil die
Triumphatoren sich desselben bedienten; es sei denn,
dass diess vom Kaiser Augustus an mit dem Lorbeer auf-
gekommen sei, welcher, wie wir noch anführen werden,
ihm vom Himmel gesandt wurde, und der unter allen die
geringste Höhe, kleine krause Blätter hat, und selten ist.
Hiezu kommt noch in den Kunstgärten der Taxlorbeer, aus
dessen Blatte in der Mitte noch ein kleines, wie ein
Läppchen heraus wächst. Ausserdem noch der verschnittene,
welcher den Schatten ganz vorzüglich liebt, und im Schatten
sich weithin ausbreitet.
Es giebt auch noch einen wilden strauchigen Zwerg-
lorbeer i); ferner den alexandrinischen 2), den Einige den
idäischen, Andere Hipoglottion, Danae, Caryophyllon, Hy-
pelate nennen. Er schickt spannenlange Aeste von der
Wurzel aus, eignet sich für Kunstgärten und zu Kränzen,
hat ein spitzeres, weicheres und weisseres Blatt als die
Myrte, und zwischen den Blättern rothe Samen. Er wächst
sehr häufig auf dem Ida und bei Heraclea in Pontus, je-
doch immer nur auf Bergen. Auch diejenige Art, welche
die lorbeerartige ^) heisst, hat mehrere Namen; denn Einige
nennen sie die pelasgische, Andere das Schönblatt, Andere
die Alexanderskrone. Dieser Strauch ist gleichfalls ästig,
sein Blatt, welches dicker und weicher als beim echten
Lorbeer ist, entzündet beim Kauen Mund und Kehle; die
Beeren sind schwarzroth. Die Alten führen an, früher sei
in Corsica keine Art Lorbeer gewesen, jetzt wird er dort
gepflanzt und gedeihet auch.
•) Chamaedaphne. Ruscus hypoglossum L.
2) Ruscus h^'pophyllum L.
^) Daphnoides. Daphne alpina L
Fünfzehntes Buch. 167
40.
Der Lorbeerbaum ist ein Zeichen des Friedens, und
bewirkt selbst, wenn man ihn unter bewaffneten Feinden
vorzeigt, Ruhe, Bei den Kömern namentlich wird er als
Freuden- und Siegesbote an die Briefe, sowie an die
Lanzen und Öpiesse der Soldaten gesteckt. Auch ziert er
die Gerichtsbündel der Kaiser. Von diesen wird er in
den Schooss des grossen Jupiter niedergelegt, so oft ein
neuer Sieg Freude verkündigt, Diess geschieht aber nicht,
weil er beständig grünt oder der Friedensbote ist, denn in
beiden Stücken musste ihm der Oelbaum vorgezogen
werden, sondern weil er der ansehnlichste Baum auf dem
Berge Parnassus ist. Aus demselben Grunde liebt ihn auch
Appollo, dem nach L. Brutus i) Zeugniss, schon die römi-
schen Könige Geschenke zu schicken und um Orakel an-
zugehen pflegten. Vielleicht auch zum Beweise, dass dieser
Mann, der nach dem göttlichen Ausspruche jenes lorbeer-
tragende Land küsste, die öffentliche Freiheit verdient
hätte; oder auch deshalb, weil dieser Baum mit der Hand
gesäet und in ein Haus aufgenommen, der einzige ist,
welcher vom Blitze nicht getroffen wird. Ich wenigstens
glaube, dass ihm mehr der eben angeführten Gründe wegen
die Ehre bei Triumphen widerfahren sei, als weil er, wie
Masurius angiebt, nach der Niederlage des Feindes als
Rauchwerk und Reinigungsmittel diene. Es ist daher nicht
erlaubt, sich des Lorbeers und Oelbaums zu unheiligen
Gebräuchen zu bedienen, und nicht einmal zur Versöhnung
der Götter darf davon auf Altären gebrannt werden. Der
Lorbeer zeigt (beim Brennen) durch lautes Knistern eine
Art Widerwillen oder Abscheu vor dem Feuer; das Holz
belästigt auch kranke Eingeweide und Nerven. Der Kaiser Ti-
berius soll jedesmal bei Gewittern, aus Furcht vom Blitze er-
schlagen zu werden, einen Lorbeerkranz aufgesetzt haben.
') Derselbe, welche die Vertreibung des letzten römischen Kö-
nigs Tarquinius im Jahre R. 245 veranlasste , und so die römische
Republik begründete.
168 Fünfeebntes Buch.
Hiebei müssen wir auch einige merk würdige^ Begeben*
heiten aus dem Leben des Kaisers Augustus erzählen. Als
Livia Drusilla, welche nach ihrer Verheirathung den Namen«
Augusta annahm, mit diesem Kaiser versprochen war, warf
ihr ein Adler eine schneeweisse Henne unverletzt aus der
Luft in den Schooss. Während sie sich unerschrocken
darüber verwunderte, zeigte sich, noch eine Merkwürdig-
keit, denn die Henne hielt einen Lorbeerzweig voller
Beeren in ihrem SchnabeL Die Vogeldeuter riethen, das
Thier und dessen Nachkommenschaft zu erhalten, den.
Zweig aber zu pflanzen und sorgfältig zu bewahren. Diess
geschah auch auf dem kaiserlichen Landgute, welches an
dem Flusse Tiber nahe bei dem 9; Meilensteine auf der
flaminischen Strasse liegt, und davon den Namen „ das
Haus zu den Hennen" bekommen hat. Der Zweig hat
merkwürdigerweise einem ganzen Walde sein Entstehen,
gegeben. Aus diesem hielt später der Kaiser beim Tri--
umphe einen Zweig in der Hand, und trug einen Kranz,
welche Sitte alle nachfolgenden Kaiser, wenn sie siegreich
zurückkehrten, beibehielten. Ebenso wurden die von ihnen .
getragenen Zweige jedesmal gepflanzt; es existiren davon,
noch die nach ihnen benannten Wälder,, und vielleicht hat
man deswegen die Siegeszeichen verändert. Nur allein
der Name dieses Baumes wird in der lateinischen Sprache
den Männern beigelegt. Bloss sein Laub wird, durch eine
eigene Benennung von ihm unterschieden, denn wir nennen
es laurea. In Rom giebt es auch einen nach ihm be-
nannten Ort, nemlich Loretum auf dem Aventinisehen
Berge, wo ehemals ein Lorbeerwald war. Derselbe Baum
dient endlich noch zu (feierlichen); Reinigungen, und im
Vorbeigehen will ich nur bemei'ken, das« er durch Zweige
fortgepflanzt wird, weil Democrit und Theophrast daran,
gezweifelt haben.
Nun wollen wir von den wilden Bäumen handeln...
Sechszehntes Buch.
Von den wilden Bäumen.
1.
Die unter den bis jetzt beschriebenen Bäumen befind -
liehen obsttragenden haben vermöge ihrer milden Säfte
den Speisen zuerst einen angenehmen Geschmack ertheilt,
und den nothwendigen Nahrungsmitteln Leckerbissen bei-
zumischen gelehrt, sei es nun, dass sie ursprünglich diese
Lieblichkeit in sich tragen, oder durch den Menschen ihnen
dieselbe erst mittelst Annahme anderer oder durch Ver-
mischung verschiedener Arten entlockt worden ist, — ein
Geschenk, welches auch die wilden Thiere und Vögel von
uns empfangen haben. Es läge nun am nächsten, auch
die eicheltragenden Bäume aufzuzählen, welche den
Menschen zuerst ernährten, als er sich noch in einem arm-
seligen und wilden Zustande befand, wenn uns nicht die
durch die Erfahrung begründete Bewunderung nöthigte, zu-
vor anzugeben, wie diejenigen, in deren Ländern kein
Baum oder Strauch wächst, ihr Leben hinbringen.
Wir haben viele Völker im Oriente und am Welt-
meere angeführt, welchen die Bäume fehlen. Unter
andern leben im Norden die sogenannten grossen und
kleinen Chaucer, woselbst auf einer Ungeheuern, 2 Tage-
und 2 Nachtreisen grossen Strecke der Ocean weit und,
breit übertritt, dadurch einen ewigen Streit der Natur her-
vorruft und es zweifelhaft lässt, ob dieser Strich zum Fest-
lande oder zum Meere gehöre. Hier bewohnt diess armselige^
170 Sechszehntes Buch.
Volk hohe Hügel oder Bühnen, die nach den Erfahrungen,
wie hoch die Fluth steigt, mit den Händen errichtet sind
und auf welchen ihre Hütten stehen. Sie gleichen den
Schwimmenden, wenn das Wasser rund umher alles be-
deckt, den Schiffbrüchigen aber, wenn es zurückgetreten
ist, und auf die mit dem Meere forteilenden Fische machen
sie bei ihren Hütten Jagd. Sie können weder Vieh halten
noch Milch trinken wie ihre Nachbarn, ja nicht einmal mit
wilden Thieren streiten, denn alles Gesträuch ist aus ihrer
Nähe verbannt. Sie flechten sich aus Seetangen und Sumpf-
binsen Stricke, um den Fischen Netze zu stellen, trocknen
den mit den Händen aufgenommenen Schlamm mehr durch
den Wind als durch die Sonne, versetzen damit ihre
Nahrung, und erwärmen dadurch ihre von der nördlichen
Kälte starren Glieder. Zum Getränk dient ihnen bloss
Kegenwasser, welches sie vor ihren Häusern in Gruben
aufbewahren. Und dennoch, sollten diese Völker von den
Eömern besiegt werden, so würden sie sich für Sclaven
halten. Aber so ist es; das Glück verschont Viele zu
ihrer eigenen Strafe.
2.
Ein anderer Gegenstand der Bewunderung sind die
Wälder. Sie erstrecken sich über das ganze übrige
Deutschland, und machen es kalt und schattig, der entfern-
teste Theil davon ist jedoch nicht weit von den genannten
Chaucern, und liegt grösstentheils an 2 Seen. Selbst an
den Küsten stehen Eichen im üppigsten Wachsthum;
werden diese von den Wogen untergraben oder von den
Winden fortgerissen, so nehmen sie vermöge ihres starken
Geflechts von Wurzeln ganze Inseln mit sich. Auf diese
Weise schiffen sie im Gleichgewichte stehend mit ihren
grossen, dem Takelwerk gleichenden Zweigen, haben auch
schon oft unsere Flotten in Schrecken gesetzt, denn sie
wurden, gleichwie mit Fleiss, von den Wellen auf die
Vordertheile der des Nachts vor Anker liegenden Schiffe
getrieben und die Mannschaft wusste kein anderes Mittel,
als wider die Bäume ein Seetreffen anzustellen.
Sechszehntes Buch. 171
In derselben nördlichen Gegend, und zwar in dem
liercynischen Walde, übertrifft die ungeheuere Grösse der
Eichen, welche Jahrhunderte hindurch nicht berührt worden
sind, und mit der Welt gleiches Alter haben, durch ihr
fast unsterbliches Loos alle Wunder. Um vieles Andere,
was sich nicht verbürgen lässt, zu übergehen, so ist doch
so viel bekannt, dass durch die sich begegnenden und
zurückprallenden Wurzeln ganze Hügel entstehen, oder da,
wo die Erde nicht mitgehobeu ist, sich dieselben bis zu
den Zweigen hinauf zu Bögen, gleich offenen Thoren,
krümmen, unter denen ganze Keiterhaufen durchkommen
können. Alle diese Bäume gehören zu den eichel-
tragenden und werden von den Römern stets in Ehren
gehalten.
3.
Von ihnen machte man die Bürgerkrone i), das
rühmlichste Ehrenzeichen eines tapfern Soldaten, seit
längerer Zeit auch schon der Gnade der Feldherren, nach-
dem mau in den schaudervollen Bürgerkriegen es für ein
Verdienst zu halten anfing, einen Bürger nicht zu tödten.
Diesen stehen die Mauerkronen 2), Wallkronen 3) und goldenen
nach, während sie ihnen dem Werthe nach vorangehen.
Auch die Schiffsschnabelkronen *) werden nicht so hoch
geschätzt, obgleich sie bis zu unserer Zeit durch 2 Männer
hochberühmt geworden sind, nemlich durch M. Varro, der
sie, nach den Kriegen mit den Seeräubern, von dem grossen
Pompejus erhielt, und durch M. Agrippa, dem sie der
Kaiser'') nach den sicilischen Kriegen, welche gleichfalls
gegen die Seeräuber geführt waren, zuertheilte. Früher
wurden die Schnäbel von den eroberten Schiffen vor dem
Rathhause zur Zierde des Marktes aufgestellt, und bildeten
so gleichsam eine Krone für das römische Volk selbst.
*) Corona ci\-ica.
-) murales, welche denen, die im Kriege zuerst die Mauern einer
•Stadt erstiegen hatten, verliehen wurden.
3) vallares, für Ersteigung eines Walles verliehen.
*; rostratae. *) Augustus.
172 Sechszehntes Buch.
Als man aber bei den tribunitischen Aufständen sie zu,-
betreten und zu verunreinigen angefangen batte, als die
Kräfte des Staates mebr zu besondern Vortbeilen und für
einzelne Bürger in Anspruch genommen wurden, und alles
unverletzlich Heilige zum Gemeinen herabgewürdigt ward,
da wanderten die Schnäbel von den Füssen auf die Köpfe
der Bürger. Augustus gab diese Krone dem Agrippa, er
selbst aber empfing von der Menschheit die Btirgerkrone.
4.
In alten Zeiten gab man nur den Göttern Kränze;
Homer theilt sie daher auch bloss dem Himmel und der
ganzen Schlacht, nicht aber einem einzelnen Manne, selbst
nicht beim Zweikampfe zu. Bacchus soll sich zuerst einen
Kranz von Epheu aufgesetzt haben. Nachher bedienten
sich ihrer auch diejenigen, welche den Göttern zu Ehren
opferten, und schmückten auch zugleich die Opferthiere
damit. Seit kurzem haben sie auch in den heiligen Kampf-
spielen Eingang gefunden, und heutigen Tages giebt man
sie darin nicht dem Sieger, sondern sein Vaterland wird
als von ihm gekrönt ausgerufen. Daher entstand der Ge-
brauch, dass sie von denen, welche triumphiren wollen, ge-
tragen werden, um sie hernach in die Tempel zu weihen;
bald darauf wurden sie auch in den Fechterspielen gegeben.
Es wäre zu zeitraubend vyid unserm Zwecke entgegen,
wenn wir untersuchen wollten, wer unter den Römern zu-
erst einen Kranz empfangen habe; denn sie kannten keine
andern, als militairische. So viel aber ist gewiss, dass
dieses Volk mehr Arten Kränze hat, als alle übrigen Na-
tionen zusammen.
5.
Romulus setzte dem Hostus Hostilius, dem Grossvater
des TuUus Hostilius, einen Laubkranz auf, weil dieser
zuerst in Fidena eingedrungen war. Im samnitischen.
Kriege, in welchem der Consul Cornelius Cossus den Ober-
befehl hatte, wurde der Kriegstribun P. Decius der Vater
von dem durch ihn geretteten Kriegsheere mit einem Laub-
kranze beschenkt. Die Bürgerkrone war zuerst von Stech-
Sechszehntes Buch. 173
eichenlaub '), spä ter zog man es vor, sie aus dem Laube
der Speiseiche 2), welche dem Jupiter geheiligt ist, zu
machen. Man hat auch abwechselnd die gemeine Eiche
dazu genommen, und überall das, was gerade da war, ver-
wendet, jedoch behielten nur die eicheltragenden Bäume
diese Ehre. Man gab in dieser Hinsicht strenge und hoch-
trabende Gesetze, welche man mit jenem höchsten Gesetze
der Griechen vergleichen kann, wo der Kranz unter freiem
Himmel verliehen wird, und das Vaterland dem, der ihn
trägt, freudig die Mauern einreisst. Die Bedingungen, unter
welchen ein Kranz ertheilt wird, sind nemlich folgende :
Man muss einen Bürger gerettet, einen Feind getödtet, und
dieser den Ort, wo es geschehen, noch an demselben Tage
inne gehabt haben; der Gerettete muss das Factum aus-
sagen, denn Zeugen gelten dabei nicht, und er muss ein
römischer Bürger gewesen sein. Die Hülfsvölker verhelfen
zu dieser Ehre nicht, selbst wenn einem Könige darunter
das Leben gerettet wäre. Auch gewinnt die Ehre nicht
dadurch, dass ein Feldherr gerettet ist, weil die Gründer
derselben einen jeden Bürger im höchsten Werthe er-
scheinen lassen wollten. Der Empfänger darf sich des
Kranzes immer bedienen. Kommt er in's Schauspiel, so
steht Jeder, selbst der Senator, vor ihm auf; auch darf er
sich den Senatoren zunächst niedersetzen. Er ist von
allen Diensten frei, und diess erstreckt sich auch auf seinen
Vater und Grossvater von väterlicher Seite. Siccius Den-
tatus erhielt, wie wir an seinem Orte gesagt haben, 14;
der Capitolinus 6, unter diesen auch einen wegen Rettung
des Feldherrn Servilius. Africanus wollte wegen der Ret-
tung seines Vaterlandes bei der Trebia keinen annehmen.
0, ewig würdige Sitten, welche so wichtige Thaten bloss
mit der Ehre belohnten, und, während sie den Werth der
übrigen Kronen durch Gold erhöheten, für die Erhaltung
eines Bürgers keinen Preis bestimmen wollten! Sie gaben
') iligna. Quercus Ilex L.
*) Esculus. Quercus Esculus L.
174 Sechszehntes Buch.
dadurch deutlich zu erkennen, dass die Rettung eines
Menschen um des Gewinnes willen ein Verbrechen sei.
6.
Es ist ausgemacht, dass noch jetzt die Eicheln der
ganze Reichthum vieler Völker, auch in Zeiten des Friedens,
sind. Jedoch dörret man sie auch bei Mangel an Getreide,
macht Mehl daraus, und bäckt diess zu Brot. Ja noch
heutigen Tages wird in Spanien die Eichel mit dem Nach-
tische aufgesetzt. In Asche gebraten schmeckt sie süsser.
Uebrigens ist es durch ein Gesetz in den 12 Tafeln ver-
boten, Eicheln, die auf fremden Grund fallen, aufzulesen.
Es giebt viele Arten davon. Sie unterscheiden sich durch
Gestalt, Vorkommen, Geschlecht und Geschmack, denn an-
ders ist die Gestalt der Buchen-, Eichen- und Stecheichen-
frucht, und jede Art bietet selbst wieder unter sich Ab-
weichungen dar. Sodann sind einige wild, andere zahmer,
und diese werden angebauet. Ferner ist es nicht einerlei,
ob sie auf Bergen oder in Ebenen stehen; auch giebt es
Bäume männlichen und Bäume weiblichen Geschlechts,
und endlich weichen sie im Geschmacke von einander ab.
Die süsseste Frucht unter ihnen hat die Buche i), mit
welcher sich nach Cornelius Alexander die in der Stadt
Chius belagerten Einwohner genährt haben. Mir scheint
es nicht passend, die Arten durch Namen zu unterscheiden,
denn sie heissen hier so, dort so. Während wir nemlich
die gemeinen Eicheln überall wachsen sehen, bemerken
wir die Speiseiche seltener, und die sogenannte Cerreiche ■■^),
die vierte dieser Arten, ist in dem grössten Theile Italiens
nicht einmal bekannt. Wir wollen sie daher zur Unter-
scheidung ihre Eigenschaften, und da, wo es nöthig ist,
auch ihre griechischen Namen zu Hülfe nehmen.
7.
Die Bucheiehel gleicht den Kernen, und wird von
einer dreieckigen Haut eingeschlossen. Das Blatt ist dünn,.
•) Fagus. Fagus hyluatica L.
^) Cerrus. Quercus Cen-is L.
Sechszehntea Buch. 175
sehr leicht, dem der Pappel ähnlich, und wird schnell gelb;
auf der Mitte desselben entsteht oberhalb sehr häufig eine
kleine grüne, an der Spitze stachlichte Beere ^). Die Buch-
eicheln lieben die Mäuse ganz vorziiglicl), daher kommen
diese mit ihnen zugleich hervor; auch die Siebenschläfer -)
werden davon fett, und die Drosseln suchen sie auf. Die
Fruchtbarkeit wechselt fast bei allen Bäumen, am meisten
aber bei der Buche.
8.
Diejenige Frucht, welche man im engern Sinne Eichel
nennt, wächst auf der gemeinen Eiche 3), Speiseiche, Cerr-
eiche, Stecheiche und Korkeiche^). Sie sitzt in einem
rauhen Kelche, der in den einzelnen Arten mehr oder we-
niger Haut umschliesst. Die Blätter sind, mit Ausnahme
der Stecheiche, schwer, fleischig, lang, an den Seiten aus-
geschweift, werden nicht, wie bei der Buche, gelb, wenn
sie abfallen, und sind bei den verschiedenen Arten kürzer
oder länger. Von der Stecheiche giebt es 2 Arten; das
Blatt der in Italien wachsenden weicht nicht viel vom Oel-
blatte ab, und diese heisst hei einigen Griechen Smilax '").
Die in den Provinzen wachsende hat stachliche Blätter.
Die Frucht dieser beiden Arten ist kürzer und dünner;
Homer nennt sie Acylos, und unterscheidet sie durch die-
sen Namen von der gewöhnlichen Eichel. Die männlichen
Stecheichen sollen nicht tragen.
Die beste und grösste Eichel wächst auf der gemeinen
Eiche; dann folgt die der Speiseiche; die der Robur ist
klein, die der Cerreiche hässlich, rauh und mit stachlichem
Kelche wie die Kastanie umgeben. Aber auch unter den
eigentlichen Eicheln sind einige süsser, die weiblichen
weicher, die männlichen fester. Am meisten werden die
sogenannten breitblättrigen geschätzt. Unter sieh weichen.
•) Diess ist eine durch Insektenstiche bewirkte Anschwellung des -
Blattes.
*) Glires. Sciurus Glis L.
3) Robur. Quercus Robur L. und Q. pedunculata Erh.
^) Suber. Quercus Suber L. ^) Diess ist Quereus Ballota Desf. .
176 Sechszehntes Buch.
sie in der Grösse und in der mehr oder weniger dünnen
Haut, ferner dadurch von einander ab, dass bei einigen die
Haut inwendig rostroth und rauh ist, bei andern sogleich
■das weisse Fleisch folgt. Auch lobt man die, an deren
Eichel das äusserste Ende an beiden Seiten der Länge
nach steinhart, und noch mehr, wenn diess an der Schale,
als wenn es am Fleische der Fall ist; beides zeigt sich
indessen nur beim Männchen. Ueberdiess haben einige
eine eiförmige, andere eine runde, noch andere eine spitzige
Gestalt. So giebt es auch dunkler und hellergefärbte, von
denen die letztern den Vorzug verdienen. An den äusser-
sten Enden sind sie bitter, in der Mitte süss. Ja selbst
die verschiedene Länge des Fruchtstiels giebt einen Unter-
schied ab.
Unter den Bäumen selbst wird derjenige, welcher die
:grössten Früchte trägt, Hemeris^) genannt; er ist niedriger
als andere, rundum belaubt, und seine ausgebreiteten Aeste
sind hohl gebogen. Die gemeine Eiche hat stärkeres und
dauerhafteres Holz, sie ist auch sehr ästig, jedoch höher
und dicker im Stamm. Am höchsten steigt aber die
Knoppereiche 2) , welche gern an unbebaueteu Plätzen
wächst. Ihr kommt in der Höhe die breitblättrige am
nächsten, eignet sich aber nicht besonders zu Bauten und
zu Kohlen. Nach dem Behauen ist sie verschiedenen
Fehlern unterworfen, daher wendet man sie ganz an. Die
Kohle gebraucht man nur in den Werkstätten der Kupfer-
schmiede, und da sie, wenn das Blasen aufhört, sogleich
verlöscht, so kann sie öfters wieder angebrannt werden,
giebt übrigens sehr viele Funken. Besser ist die Kohle
von Jüngern Stämmen. Zur Gewinnung der Kohlen bauet
man ganze Haufen von frischen Scheiten mittelst Lehm,
wie einen Ofen auf, zündet den Stoss an, und sticht mit
Stangen in die hartwerdende Decke, um dem Schweisse
') Quercus pubescens W. Vielleicht gehört auch Q. infectoria
"Oliv, hierher.
2) Aegilops. Quercus Aegilops L.
Seöhszehntes Buch. 177
(dem Rauche und der Feuchtigkeit) einen Ausweg zu ver-
schaffen.
Der schlechteste Baum sowohl zu Kohlen als auch zu
Bauten ist der sogenannte Haliphlöus ') ; er hat die stärkste
Rinde und den stärksten Stamm, und ist meistens hohl und
schwammig. Kein anderer aus dieser Gattung als dieser
fault schon bei Lebzeiten. In ihn schlägt sogar der Blitz
am häufigsten, obgleich er nicht sehr hoch ist; daher darf
man sich seines Holzes beim Opfern nicht bedienen. Er
trägt selten Eicheln, und im günstigen Falle bittere, die,
ausser den Schweinen, kein Thier anrührt, und selbst diese
nicht, wenn sie anderes Futter haben. Das gehört auch
noch unter die Ueberbleibsel des vernachlässigten Gottes-
dienstes, dass man nach verlöschter Kohle opfert.
Die Bucheicheln machen die Schweine munter, das
Fleisch leicht kochbar, leicht verdaulich und gesund für
den Magen; von der Stecheichel werden sie schmal, glän-
zend, mager und schwer; von der gemeinen Eichel, welche
die schwerste und süsseste ist, am dicksten. Ihr zunächst
stellt Nigidius die Cerreichel, denn keine andere hätte ein
festeres Fleisch, aber es sei hart. Von der Stech eichel
sollen die Schweine krank werden, wenn man sie ihnen
nicht nach und nach giebt. Diese fiele am spätesten ab.
Das Fleisch der Speiseichel, gemeinen und Korkeichel sei
schwammig.
9.
Alle Bäume, welche Eicheln tragen, haben auch Gall-
äpfel, und ein Jahr um das andere Eicheln. Die Gall-
äpfel von der Hemeris sind aber die besten und zur Be-
reitung des Leders geeignetsten. Die der breitblättrigen
gleichen diesen, sind aber leichter und weit weniger ge-
schätzt. Letzterer trägt auch schwarze, (denn es giebt
2 Arten) und diese haben den Vorzug in der Färberei. —
Die Galläpfel entstehen, wenn die Sonne aus dem Zeichen
*) D. h. Meeninde, die schon oben genannte Korkeiche : Quercus
Suber.
Wittstein: Plinius. III. Bd. 12
178 Sechszehntes Buch.
der Zwillinge tritt, und brechen alle zugleich des Nachts
aus; schon nach eintägigem Wachsen werden sie weisser,
und wenn sie die Hitze getroffen hat, vertrocknen sie auf
der Stelle und bilden sich nicht gehörig aus, d. h. dann
haben sie einen Kern von der Grösse einer Bohne. Die
schwarzen erhalten sich länger grün, und wachsen zuweilen
bis zur Grösse eines Apfels heran. Die besten sind die
commagenischen, die schlechtesten die von der gemeinen
Eiche. Ihre Güte erkennt man an den durchscheinenden
Höhlen.
10.
Die gemeine Eiche trägt ausser ihrer Frucht noch
vieles Andere; denn auf ihr finden sich beide Arten Gall-
äpfel, ferner eine Art Maulbeeren, von denen sie sich aber
dui-ch ihre Trockenheit und Härte unterscheiden, welche
gewöhnlich Aehnlichkeit mit einem Stierkopfe haben, und
eine den Olivenkernen gleichende Frucht einschliessen.
Auch Avachsen auf derselben kleine, den Nüssen nicht un-
ähnliche Kügelchen, in denen sich weiche Flocken befinden,
welche zum Brennen in den Laternen gebraucht werden
können, denn sie brennen auch ohne Oel wie die schwarzen
Galläpfel. Noch ein anderes, behaartes, Kügelchen trägt
sie, welches aber keinen Nutzen hat, jedoch im Frühlinge
einen honigartigen Saft enthält. Auch die Verzweigungen
der Aeste tragen Kügelchen, die, ohne Stiel, mit dem
Körper selbst daranhängen; sie sind am Nabel weiss,
in der Mitte scharlachroth, übrigens aber schwarz gefleckt,
im Geschmacke bitter und inwendig hohl. Zuweilen
kommen auch auf der Eiche steinartige Körper i), ferner
aus Blättern zusammengewickelte Kügelchen und auf den
rothwerdendcB Blättern wässrige, weissliche und so lange
sie noch weich sind, durchscheinende Kerne vor, in welchen
sich Fliegen erzeugen, und die, nach Art der Galläpfel, reif
werden.
1) Pumices.
Se,chszehntes Buch. 179
11.
Die gemeinen Eichen tragen auch die Cachrys^), so
heisst nemlich ■ ein Kügelchen, welches Brennen verur-
sacht und in der Medicin gebraucht wird. Sie wächst auch
auf Rothtannen, dem Lerchenbaume, der Weisstanne, der
Linde, dem Nussbaume und der Platane, nachdem die
Blätter abgefallen sind und dauert den Winter über aus.
Sie enthält einen den Pinien ähnlichen Kern, wächst im
Winter, im Frühlinge aber öffnet sich das ganze Gewächs
und fällt ab, wenn die Blätter auszuschlagen anfangen. So
vielerlei tragen die Eichen ausser den Eicheln! Ja selbst
essbare Pilze und gemeine Erdschwämme erzeugen sie;
diess sind die neuesten Reizmittel des Gaumens, welche
an ihren Wurzeln wachsen. Die von der gemeinen Eiche
sind am besten, von der Cypresse und Fichte aber schäd-
lich. Auch soll auf Eichen die Mistel 2) wachsen, und nach
Hesiodus Honig vorkommen. So viel ist bekannt, dass der
Honigthau, welcher, wie wir gesagt haben, vom Himmel
herabfällt, sich auf kein anderes Laub mehr als auf dieses
setzt. Auch weiss man, dass die Eichenasche natron-
haltig ist.
12.
Doch alle diese Vorzüge werden von der Stecheiche
durch die Kermesbeere^) allein übertroffen. Dieses Korn,
welches, zuerst wie ein rauher Körper, auf der kleinen
stachligen Stecheiche ^) sitzt, heisst Ousculium, und ver-
schafft den armen Leuten in Spanien die Hälfte ihrer Ab-
gaben. Von ihrer nützlichen Anwendung habe ich bei Ge-
legenheit der Muscheln gesprochen^). Sie wächst in Ga-
latien, Afrika, Pisidien, Cilicien, die schlechteste in
Sardinien.
') Siehe auch XXIV. B. 59 und 60. Cap.
-) Viscum. Diess ist nicht Viscum album, sondern Loranthus
europaeus.
3) Coccus.
*) Hex aquifolia parva. Quercus coccifera L. Die Kermeseiche.
*) Vergl. IX. B. 65. Cap.
12*
180 Sechszehntes Buch.
13.
Den Agaricus^) bringen vorzüglich die eiclieltragen-
den Bäume Galliens hervor. Es ist diess ein weisser,
wohlriechender Pilz, der ein wirksames Gegengift abgiebt,
auf den Gipfeln der Bäume sitzt und Nachts leuchtet.
Durch letztere Eigenschaft ist man im Stande ihn im Fin-
stern abzubrechen. Unter den eicheltragenden Bäumen
trägt allein die Knoppereiche trockne, von moosartigem
grauem Filze bedeckte Lappen, die sowohl von der Rinde,
als von den Aesten 1 Cubitus lang herabhängen und, wie
bei den Salben angeführt wurde, wohlriechend sind.
Der Korkbaum ist der kleinste, und trägt die schlechte-
sten und wenigsten Eicheln; nur seine Rinde, welche sehr
dick ist, sich wieder ersetzt und nach allen Seiten bis zu
10 Fuss ausbreitet, wird benutzt. Man bedient sich der-
selben am meisten zu den Ankertauen der Schiffe, zu
Fischernetzen und zu Fassspunden, auch zu Winterschuhen
für Frauen. Daher nennen ihn die Griechen nicht un-
passend den Rindenbaum; Einige heissen ihn auch den
weiblichen Hex, und da wo kein Hex wächst, soll man sich
statt seiner des Korkbaumes zu den Arbeiten der Stell-
macher bedienen, wie z. B. um Elis und Laeedämon. Er
wächst aber weder in ganz Italien, noch überhaupt in
Gallien.
14.
Auch die Rinden der Buche, Linde, Tanne werden
auf dem Lande vielfältig benutzt. Man macht daraus Ge-
schirre, Körbe und noch grössere Geräthschaften zur Ein-
sammlung des Getreides und der Trauben; auch dienen sie
zu Zäunen um die Hütten. Auf die frischen Rinden schreibt
der Kundschafter an den Feldlierru, indem er die Buch-
staben hineinschneidet, welche dann der Saft kenntlich
macht. Auch zu gewissen heiligen Gebräuchen ist die
Buchenrinde bestimmt; der Baum (das Holz) selbst aber
hält sich nicht.
') Asaiicus drvinus Pers.
.Sechszehntes Buch. 281
15.
Die eichenen Schindeln sind die besten, dann folgen
die von den übrigen eicheltragenden Bäumen und der
Buche. Sie lassen sich am leichtesten von den harzführen-
den Bäumen machen; diese nutzen sich aber, bis auf die-
jenigen von der Fichte, sehr bald ab. Cornelius Nepos be-
richtet, Rom sei 470 Jahre lang bis zum Kriege mit Pyr-
rhus, mit Schindeln gedeckt gewesen. Wenigstens ist so
viel gewiss, dass mehrere Wälder dastanden, durch welche
es getrennt wurde; so steht noch jetzt der Jupiter Faguta-
lus da, wo ein Buchenhain war; ferner hatte man ein
Eichenthor, einen Hügel, von welchem man Reisholz holte,
und viele andere Haine, unter ihnen auch einige doppelt ').
Der Dictator Q. Hortensius gab, als das Volk sich auf den
Janiculus gezogen hatte, auf dem Esculetus das Gesetz,
dass alles, was dasselbe befohlen hätte, die Römer thun
sollten.
16.
Damals hielt man die Fichte, Tanne und alle Bäume,
welche Pech tragen, für fremde, weil sie sich nicht bei der
Stadt befanden, und von diesen wollen wir jetzt reden, da-
mit man zugleich den Ursprung derjenigen Stoffe, die zur
Aufbewahrung des Weines dienen, kennen lerne. Einige
unter den vorgenannten erzeugen in Asien und im Oriente
Pech; in Europa tragen 6 Arten verwandter Bäume das-
selbe. Von diesen haben die Fichte 2) und der Pinaster^)
ein Blatt, welches so dünn wie ein Haar, lang und stachel-
spitzig ist. Die Fichte führt am wenigsten Harz, zuweilen
an den Zapfen selbst, von denen wir bereits geredet haben,
so dass sie kaum dieser Art zugeschrieben wird *).
') Plinius will wohl damit sagen, manche Haine hätten aus
zweierlei Holzarten bestanden.
'^) Pinus. Pinus sylvestris L., Kiefer.
*) Pinus Pinaster Ait.
*) Nämlich den harzfiihrenden Bäumen.
182 Sechszehntes Buch.
17.
Der Pinaster ist nichts anderes als ein wilder Fichten-
baum, erreicht eine bedeutende Höhe, und breitet sich von
der Mitte, die Fichte dagegen erst vom Gipfel an ästig
aus. Er giebt mehr Harz, dessen Gewinnungsweise später
angezeigt werden soll, gedeihet auch in ebenen Gegeudeu.
Die Meisten glauben, diese Bäume wären dieselben, welche
unter anderen Namen an der Küste Italiens wachsen und
Tibuli heissen, aber letztere sind dünner, kürzer und knoten-
los, werden zu liburnischen Fahrzeugen verwendet und
enthalten fast gar kein Harz.
18.
Die Rothtanne 1) liebt bergige und kalte Plätze; sie
ist ein Trauer verkündender Baum; denn man setzt ihn,
wenn sich eine Leiche im Hause befindet, vor die Thtir,
und bringt ihn grün auf die Scheiterhaufen; jedoch hat
man ihn jetzt auch in die Häuser aufgenommen, weil er
sich leicht beschneiden lässt. Er liefert das meiste Harz,
unter dem auch weisse Kugelchen vorkommen, die dem
Weihrauche so ähnlich sind, dass sie, unter diesen gemischt,
durch das Auge nicht zu erkennen sind. Hierauf beruht
der Betrug mit den seplasischen Salben'-).
Die Blätter aller dieser Arten bilden kurze dicke und
harte Borsten, ähnlich denen der Cypresse. Die Aeste der
Rothtanne hängen gleich von der Wurzel an in massiger
Grösse gleich Armen an den Seiten; auf dieselbe Weise
auch an der Weisstanne^), deren Holz zum Schiffbau
dient. Ihr Stand ist auf den Gipfeln der Berge, als wenn
sie vor dem Meere flöhe; auch weicht sie in ihrem Aeussern
(von jener) nicht ab. Das Holz passt ganz vorzüglich gut
zu Balken und vielen andern Dingen im Leben. Das Harz
ist eine Krankheit an ihnen, und vertritt die Stelle der
Frucht; bei Sonnenschein quillt es mitunter sparsam her-
') Picea. Pinus Abies L.
-) Seplasia. sc. platea, eine Gasse in Capua, wo Salben verkauft
wurden.
3) Abies. Pinus Picea L. (Abies pectinata Dec)?
Sechszehntes Buch. 183
vor. Dahingegen wird das Holz, welches bei der Weiss-
tanne am schönsten ist, von der Rothtanne zu gespalteneu
Schindeln, Fässern und noch einigen andern Gegenständen
gebraucht.
19.
Die fünfte Art hat denselben Standort und dieselbe
Gestalt; sie heisst Lärchenbaum i). Sein Holz ist weit
vortrefflicher, verdirbt nicht, stirbt nur sehr langsam ab,
hat ausserdem eine röthliche Farbe und einen scharfem
Geruch. Aus ihm bricht etwas mehr Feuchtigkeit hervor,
die die Farbe des Honigs hat, aber zäher ist und nie
hart wird.
Die sechste Art ist die eigentlicii sogenannte Harz-
Fichte'^), welche mehr Saft als die vorige, aber weniger
und ihn flüssiger als die Weisstanne hat, auch gern zum
Feuer und zu Fackeln bei Opfern gebraucht wird. Dieser,
aber nur das Männchen, trägt auch das, was die Griechen
Syce nennen, und äusserst stark riecht. Beim Lärchen-
baume ist es eine Krankheit, wenn er zum Harzbaume wird.
Alle diese Arten brennen mit starkem Rauche, werfen
unter knisterndem Geräusche die Kohlen aus und weit
um sich her, der Lärchenbaum ausgenommen, der weder
brennt, noch sich verkohlt, und durchs Feuer nicht anders
verzehrt wird als die Steine. Sie grünen beständig, und
werden selbst von Kennern nur schwierig an ihrem Laube
unterschieden; so gross ist die Vermischung ihres Ursprungs.
Die Weisstanne aber ist weniger hoch als der Lärchen-
baum. Dieser hat eine dickere und leichtere Rinde,
wolligere, fettere, dichter stehende, weichere und biegsamere
Blätter; die Rothtanne dagegen hat einzelne, trocknere,
dünnere und steifere Nadeln, ist weit rauher, und mit
Harz durchtränkt; das Holz gleicht dem der Weisstanne.
Wenn die Wurzeln des Lärchenbaumes verbrannt sind,
schlägt er nicht wieder aus, wie es auf Lesbos geschah,
als der pyrrhäische Wald in Brand gerathen war.
') Larix. Pinus Larix L.
2) Taeda. Pinus Taeda L.
184 Sechszehntes Buch.
Hinsichtlich des Geschlechts bieten diese Arten noch
einen andern Unterschied dar. Das Männchen ist niedriger
und härter, das Weibchen höher, hat fettere, einfache und
nicht steife Nadeln. Das Holz des Männchens ist hart und
zeigt sich beim Zimmern gewunden, das des Weibchens
weicher, und unter der Axt erkennt man den Unterschied
stets ganz deutlich, denn diese dringt in das männliche
Holz nur schwierig ein, erzeugt beim Hauen einen grössern
Schall und lässt sich nicht so leicht wieder herausziehen.
Das Holz selbst ist dürr, und die männlichen Bäume haben
eine schwärzere Wurzel. Am Ida in Troas unterscheidet
man auch die auf Bergen und die an der Meeresküste
wachsenden. Aber in Macedonien, Arkadien und um Elis
verwechselt man die Namen, und die Schriftsteller stimmen
in dem Namen, welchen sie einer jeden Art beilegen, nicht
tiberein; wir unterscheiden sie nach dem Urtheile der
Römer. Die Weisstanne ist unter allen die breiteste, und
ihr Weibchen streckt die Aeste noch weiter vor; ihr Holz
ist weicher und tauglicher, am Stamme runder, die Blätter
stehen dicht und gefiedert, so dass sie den Regen nicht
durchlassen, und überhaupt hat sie ein gefälligeres Aeussere.
Von den Aesten dieser Arten hängen, gleich Büscheln,
schuppig vereinigte Nüsse herab, ausgenommen vom Lärchen-
baume. Bei der männlichen Weisstanne haben dieselben i)
am vordem Theile Kerne, nicht aber bei der weiblichen.
Die Rothtannen aber tragen in ihren ganzen Zapfen, welche
kleiner und schmaler sind, sehr kleine, schwarze Kerne,
werden daher von den Griechen Phthirophoros 2) genannt.
An eben diesen stehen bei den Männchen die Früchtchen
dichter beisammen, und sind nicht so klebrig von Harz.
20.
Ihnen gleicht auch noch im Aeussern, damit wir nichts
übergehen, der Eibenbaum 3), welcher schmutziggrün,
dünn, traurig und Unglück verkündend ist, keinen Saft
') Nämlich die Früchte (Zapfen). -) Läuseträger.
3) Taxus. Taxus baccata L.
Sechszehntes Buch. Ig5
führt, und allein unter allen diesen eine Beere trägt. Die
Frucht des Männchens ist schädlich, in den Beeren befindet
sich nemlich, besonders in Spanien, ein Gift. Auch hat
man die Erfahrung gemacht, dass aus seinem Holze in
Gallien gefertigte Reiseflaschen dem darin aufbewahrten
Weine tödtliche Eigenschaften verliehen. Sextius ^) sagt,
die Griechen nennten ihn Smilax, und in Arkadien sei der-
selbe so giftig, dass Personen, welche unter ihm schliefen
oder speiseten, stürben. Nach Einigen soll von diesem
Baume das Gift, in welches die Pfeile getaucht werden,
das taxische genannt sein, das nun den Namen toxisches
bekommen hat. Man hat gefunden, dass es unschädlich
wird , wenn man einen ehernen Nagel in den Baum ein-
schlägt.
21.
Den The er 2) bereitet man in Europa aus der Harz^
flehte, und gebraucht ihn zum Dichtmachen der Fahrzeuge
und zu vielen andern Zwecken. Das Holz wird in Stücke
gesägt, und in einem Ofen, der von aussen allenthalben mit
Feuer umgeben ist, geschwelt. Das zuerst Uebergehende
läuft wie Wasser in einer Rinne ab, heisst in Syrien Ce-
drium und besitzt eine solche Kraft, dass man in Aegyp-
ten menschliche Leichname damit übergiesst und dadurch
conservirt.
22.
Die nachfolgende Flüssigkeit ist schon dicker nnd
liefert den The er. Dieser wird auf's Neue in kupferne
Pfannen gegossen, und durch Essig verdickt; wenn er ge-
ronnen ist, bekommt er den Beinamen brutischer, wird
bloss zu Fässern und andern Geräthschaften gebraucht,
und unterscheidet sich von dem andern Theer durch seine
Zähigkeit, röthliche Farbe und grössere Fettigkeit. Zu
allen diesen Operationen dient die Rothtanne; das Harz
*) Ein von Plinius häutig benutzter Schriftsteller, dessen Lebens-
verhältnisse uns aber nicht bekannt sind.
■■*) Pix liquida.
186 Sechs zehntes Buch,
schmilzt man durch heisse Steine in Trögen von starkem
Eichenholz oder, wenn man keine Tröge hat, in meiler-
artigen Haufen, wodurch es eine schwärzere Farbe be-
kommt, stösst es dann zu feinem Mehle #ind thut es in den
Wein. Wenn man eben dasselbe Harz mit Wasser gelinde
kocht und dann durchseihet, wird es braunroth und zähe,
und heisst Tropfharz. Hiezu verwendet man aber in der
Regel nur das schlechtere Harz und die Rinde. Das ge-
sottene Pech 1) bereitet man auch noch auf andere Weise.
Man nimmt nemlich das feinere, rohe Harz nebst vielen
kleinen und zarten Spähnen vom Baume ab, zerkleinert
und siebt es durch, und kocht es hierauf mit Wasser aus.
Das davon durch Auspressen erhaltene Fett giebt ein vor-
zügliches, seltenes Harz, was bloss an wenigen Orten Ita-
liens in der Nähe der Alpen zu ärztlicher Anwendung ge-
wonnen wird. Man kocht dort 1 Congius Harz mit 2 Con-
gius Regenwasser. Einige halten für besser, es ohne
Wasser einen ganzen Tag hindurch bei gelindem Feuer zu
schmelzen, und anderswo bedient man sich dazu eines
kupfernen Gefässes. Ferner siedet man dort den Terpen-
thin, den man den übrigen Harzen vorzieht, in einer
Pfanne. Nach diesem folgt zunächst das Harz des Mastix-
baumes.
23.
Wir dürfen nicht unberührt lassen, dass eben dieselben
unter dem Namen Zopissa das von den Seeschiffen abge-
kratzte und mit Wachs vereinigte Pech verstehen (da
denn im Leben nichts unversucht gelassen wird), welches
sich in jeder Beziehung wirksamer als Pech und Harz
zeigt, wenn man es mit einer Schicht Salz bedeckt.
Die Rothtanne wird an der Sonnenseite, aber nicht
durch einen Längsschnitt, sondern durch das Abziehen der
Rinde, meistens in einer Weite von 2 Fuss und in einem
Abstände von mindestens 1 Cubitus von der Erde, geöffnet.
•) crapula.
Sech§zehntes Buch. 187
Mau schont auch selbst des Holzes nicht, wie bei den
übrigen Bäumen, weil die Spähne gleichfalls benutzt weiden.
Doch schätzt man diese nur, wenn sie dicht von der Erde
sind, höher hinauf schmecken sie bitter. Nachher fliesst
aller Saft aus dem ganzen Baume in die Wunde und eben-
so ist es bei der Harzfichte. Wenn die Wunde nicht mehr
fliesst, wird auf dieselbe Weise au einer andern Seite eine
neue gemacht, und hierauf noch eine. Dann hauet man
den ganzen Baum um, und brennt das Mark aus. So wird
auch in Syrien die Kinde von den Aesten und Wurzeln
der Terebinthe abgezogen, während man (bei uns) das
Harz von diesen Theilen verwirft. In Macedonien brennt
man den männlichen Lärchenbaum, von dem weiblichen
aber nur die Wurzeln. Theopompus berichtet, im Gebiete
der Apolloniater werde ein fossiles Pech gefunden, welches
dem macedonischen nicht nachstehe. Das beste Pech wird
von Bäumen, welche an sonnigen, gegen Norden gelegenen
Orten stehen, gewonnen; das aus schattigen Gegenden ist
rauher und führt einen schädlichen Stoff bei sich. In kalten
Wintern erhält man es schlechter, in geringerer Menge
und bleich. Einige glauben, an bergigen Orten sei es häu-
figer, von besserer Farbe, auch süsser und rieche ange-
nehmer, so lange es noch Harz sei; durch Absieden liefere
es aber weniger Pech, weil es in eine Art Wasser i) über-
gehe. Selbst die Bäume wären hier dünner als in Ebenen,
und diese sowohl als jene bei heiterm Wetter unfrucht-
barer. Einige tragen im nächsten Jahre nach ihrem An-
schnitte Frucht, andere im zweiten, noch andere im dritten.
Die Wunde füllet sich aber mit Harz an, nicht mit Einde
oder durch Vernarbung, denn letztere findet bei diesen
Bäumen nicht Statt.
Einige haben unter diesen Arten noch eine eigene,
Sapium, aufgestellt, weil sie aus der Vermischung jener
ebenso entsteht, wie wir es bei den Kernfrüchten gesagt
haben; die untersten Theile dieses Baumes nennen sie
') Serum.
188 Sechszehntes Buch.
Fackelholz ^). Allein er [ist nichts anderes als ', eine Roth-
tanne, deren Wildheit durch die Cultur etwas gemildert
ist, denn das Sapiumholz wird, wie ich noch zeigen
werde, aus den gefällten Stämmen der übrigen Arten ge-
macht.
24.
Die übrigen Bäume aber, und ganz vorzüglich die
Esche 2), hat die Natur des Holzes wegen hervorgebracht.
Die Esche ist hoch und rund, trägt gefiederte Blätter, und
ist durch das Lob Homer's und den daraus verfertigten
Spiess des Achilles zu grosser Berühmtheit gelangt. Ihr
Holz hat vielfache Anwendung. Dasjenige, was auf dem
Ida in Troas wächst, gleicht dem Cedernholze so sehr,
dass man damit nach abgezogener Einde die Käufer be-
trügt. Die Griechen unterscheiden 2 Arten, die lange ohne
Knoten, und die kurze, welche härter, dunkler ist und lor-
beerartige Blätter hat. Diejenige, welche sich am weitesten
ausbreitet und am zähesteu ist, heisst in Macedonien die
grosskopfige ^). Andere theilen sie nach ihren Standörtern
ein; die in Ebenen wachsenden sollen nämlich krauses
und die auf den Bergen dichtes Laub haben. Griechischen
Berichten zufolge sind die Blätter dem Zugvieh tödtlich,
den übrigen Wiederkauern hingegen unschädlich. In Italien
schaden sie selbst dem Zugvieh nicht. Gegen den Biss
der Schlangen erweist sich der ausgepresste Saft im Tranke
und auf Geschwüre geschlagen heilsam, und zwar mehr
als jedes andere Mittel. Der Baum hat eine solche Kraft,
dass die Schlangen weder früh Morgens noch Abends in
seinen Schatten kommen, dieser mag sich noch so weit
ausdehnen, ja selbst weit vor ihm fliehen. Als Augenzeuge
berichten wir, dass wenn in einen Kreis dieses Laubes
eine Schlange und Feuer eingeschlossen wird, dieselbe eher
ins Feuer als in das Eschenlaub läuft. Die Natur zeigt
') Taedae.
^) Fraxinus. Fraxinus excelsior L.
3) ßumelia.
Sechszehntes Buch. 189
sich darin ganz besonders gütig, dass der Eschenbaum
blühet, bevor die Schlangen hervorkommen, und sein Laub
nicht eher fallen lässt , bis diese sich wieder verborgen
haben.
25.
Der männliche und w^eibliche Lindenbaum i) sind in
jeder Hinsicht von einander verschieden; denn das Holz
des erstem ist hart, röther, knotig und geruchvoller, die
Rinde ist dicker, und nach dem Abziehen vom Stamme
unbiegsam, er trägt auch keinen Samen oder Blüthe wie
der weibliche, welcher einen dickern Stamm, weisseres und
besseres Holz hat. Es ist merkwürdig, dass die Frucht
dieses Baumes von keinem Thiere angerührt wird, obgleich
der Saft der Blätter und Rinde süss schmeckt. Zwischen
der Rinde und dem Holze befinden sich vielfache Lagen
dünner Häute, von welchen die Lindenbinden ihren Namen
haben; die zartesten von ihnen heissen Philyrae und sind
durch die Kranzbinden, welche bei den Alten sehr im An-
sehen standen, berühmt geworden. Das Holz wird von
Würmern nicht angefressen, ist zwar nicht besonders lang,
aber sehr nützlich.
26.
Der Ahornbaum 2) wird fast ebenso gross, und steht,
was Schönheit und Zartheit der daraus verfertigten Ar-
beiten betrifft, nur dem Citrus ^) nach. Es giebt mehrere
Arten. Der weisse, von vorzüglicher Schönheit, heisst der
gallische, und wächst in Italien jenseits des Po's, sowie
hinter den Alpen. Die zweite Art hat krausdurchlaufende
Flecke; die bessere Varietät davon führt von der Aehnlich-
keit mit dem Pfauenschwanze diesen Namen und findet
sich am besten in Istrien und Rhätien. Die schlechtere
Art heisst die grobaderige. Die Griechen unterscheiden
sie nach ihren Standorten. Die auf Ebenen wachsende
soll nämlich weiss, nicht kraus sein, und heisst Glinon*);
') Tilia. Tilia argentea Desf.
-) Acer. .^) Vergl. XIII. B. 29. Cap. *) Acer creticum.
190 Sechszehntes Buch.
der Bergahorn i) dagegen sei krauser und härter , auch
habe der männliche mehr Masse und die daraus gefertigten
Arbeiten verdienten den Vorzug. Eine dritte Art, Zygia 2),
sei roth, habe ein leicht spaltbares Holz, und eine bleifar-
bige, rauhe Rinde. Andere verstehen hierunter eine eigene
Gattung, und nennen sie im Lateinischen Carpinus ^).
27.
Von besonderer Schönheit ist das Bruscum, und noch
viel vortrefflicher das Molluscum; beide sind Auswüchse
des Ahorns, das erstere mehr krausgedrehet, das Mollus-
cum einfacher geädert, und hätten sie die zu Tischen er-
forderliche Grösse, so würden sie ohne Zweifel dem Citrus
vorgezogen werden. So aber sieht man sie nur selten an
Schreibtafeln und Stühlen als kleine Platten eingelegt.
Auch an der Erle 4) findet sich ein Auswuchs, der aber
um so viel schlechter ist, als sich die Erle von dem xlhorn
selbst unterscheidet. Die Männchen des Ahorns blühen
eher; auch zieht man die an trocknen Stellen wachsenden
denen von nassen vor, wie diess ebenfalls bei der Esche
geschieht. Jenseits der Alpen wächst ein dem weissen
Ahorn sehr ähnlicher Baum, welcher Pimpernuss^) heisst
und Schoten trägt, deren Kerne wie Haselnüsse schmecken.
28.
DerBuxbaumß) steht besonders seines Holzes wegen
sehr im Ansehen, denn dasselbe ist selten, und nur in der
Wurzel knorrig, empfiehlt sich auch durch eine gewisse
milde Ruhe, durch Härte und Blässe, der Baum selbst aber
zu Gartenanlagen. Es giebt 3 Arten: den gallischen, der
zu Spitzsäulen und auch wohl etwas breiter gezogen wird;
') Acer luontanum L. (A. Pseudoplatanus) und A, platanoides.
-) Acer campestre L.
^) Carpinus Betulus L., die Hainbuche.
■*) Alnus. Betula Alnus L.
^) Staphylodendron. Staphylea pinnata L.
'') Buxus. Buxus sempervirens L.
Sechszehntes Buch. 191
den Oleaster, welcher zu nichts taugt und einen starken
Geruch besitzt; endlich den sogenannten unsrigen, welcher,
wie ich glaube, ein durch Cultur verbesserter wilder ist,
sich mehr ausbreitet, dichte Wände bildet, beständig grünt
und sich beschneiden lässt. Der Buxbaum wächst sehr
häufig auf den pyrenäischen und cytorischen Grebirgen und
in dem berecynthischen Distrikte, wird in Corsika am dick-
sten, seine Blüthe ist nicht unansehnlich, macht aber den
Honig bitter, und seinen Samen meiden alle Thiere. Auf
dem Olymp in Macedonien ist er schlanker aber niedriger.
Er liebt kalte, sonnige Standplätze. Im Feuer ist er so
hart wie Eisen, giebt weder eine Flamme noch brauchbare
Kohle.
29.
Zwischen diese und die fruchttragenden Bäume stellt
man wegen ihres Holzes und ihrer Freundschaft mit dem
Weinstock, die Ulme^). Die Griechen kennen zwei Arten,
eine auf Bergen wachsende, welche grösser, und eine in
Ebenen, die strauchartig ist. In Italien neunt man die
höchsten atinische 2), und zieht unter diesen die trocknen
nicht feucht stehenden vor. Die zweite Art heisst die galli-
sche, die dritte, welche dichteres Laub und daher mehr Stiele
hat, die unsrige, die vierte die wilde. Die atinischen tragen
keine Flügelfrüchte (so heisst nämlich der Samen der
Ulme) und pflanzen sich durch Wurzelschösslinge fort,
während die übrigen aus dem Samen entstehen.
30.
Nachdem wir nun die vornehmsten Bäume angeführt
haben, müssen wir von allen einige allgemeine Bemerkungen
einschalten. Die Ceder, der Lärchenbaum, die Harzfichte
und die übrigen, welche Harz liefern, lieben die Berge;
desgleichen die Kermeseiche, der Buxbaum, die Stecheiche,
der Wachholder, die Terebinthe, Pappel, die Mannaesche ^),
M Ulmus. Ulmus campestris und effusa L.
2) Die Varietät Ulmus suberosa Wild.
^) Ornus, Fraxinus Ornus L.
192 Sechszehntes Buch.
die Kornelkirsche, die Hainbuche. Auf dem Apennin findet
sich ein Strauch, der Cotinus ^ heisst und durch die
von ihm kommende Conchylienfarbe bekannt ist , welche
aber nur zu leinenen Bändern gebraucht wird. Berge und
Thäler liebt die Tanne, Eiche, Kastanie, Linde, Stecheiche
und Kornelkirsche. Auf wasserreichen Bergen gedeihen
der Ahorn, die Esche, der Speierling, die Linde und Kirsche
gut. Nicht leicht sieht man auf Bergen die Pflaume, Gra-
nate, den wilden Oelbaum, die welsche Nuss, die Maulbeere,
den Hollunder. Auch in die Ebenen steigen herab: die
Kornelkirsche, die Haselnuss, die Eiche, Mannaesche, der
Ahorn, die Esche, Buche, Hainbuche. Ebenso findet man
auch auf Bergen: die Ulme, den Apfelbaum, Birnbaum,
Lorbeer, die Myrte, die blutrothen Sträucher -), die Stech-
eiche und den zum Färben dienenden Ginster ^), Einen
kalten Standort liebt der Speierling, und noch mehr die
Birke ^). Diess ist ein gallischer Baum von ausgezeichneter
Weisse und Zartheit (der äussersten Rindenschicht), und
schreckbar durch die obrigkeitlichen Ruthen; er lässt sich
wegen seiner Biegsamkeit zu Tonnenreifen, sowie zu
Korbrippen gebrauchen. Die Gallier kochen aus ihr ein
Bitumen^). Dort wächst auch ein Dornbaum, welcher zu
Hochzeitsfackeln das glückbringendste Gewächs ist, weil,
wie Masurius berichtet, die Hirten, welche die Sabinerinnen
raubten, die ihrigen daraus gemacht hatten. Jetzt gebraucht
man zu Hochzeitsfackeln am meisten die Hainbuche und
die Haselstaude.
3L
Die Cypresse, welsche Nuss, Kastanie und der Bohnen-
baum''') lieben die Nässe nicht. Letzterer ist ein nicht
allgemein bekannter Alpenbaum mit hartem, weissem Holze,
») Rhus Cotinus L.?
2) Wahrscheinlich Cornus alba und sanguinea.
3) Genista, G. tinctoria L. ") Betula. B. alba L.
^) Den Birkentheer.
^) Laburnum, Cytisus Laburnum L.
Sechszehntes Buch. 193
dessen ellenlange Blütbeu ') die Bienen nicht berühren.
Auch steht nicht gern uass der sogenannte Jupitersbart 2),
der sich als Zierpflanze empfiehlt, beschneiden lässt, rund
und dicht wächst und ein silberfarbiges Blatt hat. Nur
an wässrigen Plätzen gedeihen: die Weiden, Erlen, Pappeln,
der Siler 3) und die Rainweide, welche die besten Würfel
liefert. Ferner die Vaccinia ^), welche man in Italien zum
Verkauf pflanzt; in Gallien giebt es aber rothe •■) , mit
denen die Kleider der Sclaven gefärbt werden. Alle
Bäume, welche auf Bergen und in Ebenen wachsen, werden
in diesen grösser und bekommen ein besseres Ansehen; da-
gegen haben sie auf Bergen besseres und mehr gemasertes
Holz mit Ausnahme der Aepfel- und Birnbäume.
32.
Ferner fallen von einigen Bäumen die Blätter ab,
andere sind immerwährend grlinbelaubt. Jedoch noch ein
anderer Unterschied muss diesem vorhergehen; denn einige
Bäume sind gänzlich wild, andere milder, und nach diesen
Namen wollen wir sie unterscheiden. Zahme Bäume sind
aber diejenigen, welche durch ihre Früchte, ihren Schatten
oder durch sonst etwas dem Menschen nützlich werden,
und daher nicht unpassend städtische genannt werden
könnten.
33.
Folgende Arten verlieren ihre Blätter nicht: Der
Oelbaum, der Lorbeer, die Palme, Myrte, Cypresse, Fichte,
der Epheu, Oleander 0) und (obgleich er ein Kraut ge-
nannt wird) der Sadebaum ^). Der Oleander kommt, wie
aus dem Namen erhellet, von den Griechen. Einige nennen
ihn Neriuni, Andere Rhododaphne; er behält beständig
') Worunter der ganze (traubige) Blüthenstand zu verstehen
ist. 2) Jovis barba. Anthyllis cretica W.
3) Siler. Nach Caesalpin: Der Spindelbaum, Evonymus euro-
paeus L. *) Vaccinium Myrtillus L.
^) Vaccinium Vitis idaea L.
") Rhododendron. Neriuni Oleander L.
') Sabina. Juniperus Sabina L.
Wittstein: PliniuB. III. Bd. J3
194 Sechszeimtes Buch.
sein Laub, hat Aehnliclikeit mit der Rose, und einen strauch-
artigen Stengel. Für das Zugvieh, die Ziegen und Schafe
ist er ein Gift; der Mensch aber gebraucht ihn als Heil-
mittel gegen das Gift der Schlangen.
Unter den wilden Bäumen behalten die Blätter: Die
Tanne, der Lärchenbaum i), der Pinaster, Wachholder, die
Ceder, Terebinthe, der Buxbaum, die Stecheiche, Kermes-
eiche, Korkeiche, der Eibenbaum, die Tamariske. Das
Mittel zwischen beiden Reihen halten der Andrachne in
Griechenland und der Unedo allenthalben, denn diese ver-
lieren alle Blätter mit Ausnahme der obersten. Auch
unter den Sträuchern wirft sie ein Rubus und das Rohr
nicht ab. Im thurinischen Gebiete, da wo Sybaris stand,
sah man von der Stadt aus eine Eiche, welche die Blätter
niemals verlor, auch immer erst nach der ersten Hälfte
des Sommers ausschlug; und es ist zu bewundern, dass
griechische Schriftsteller diess berichtet, und die unsrigen
davon geschwiegen haben. Manche Gegenden besitzen in
der That eine solche Kraft, dass z. B. um Memphis in
Aegypten und zu Elephantine in Thebais kein Baum,
nicht einmal der Weinstock, das Laub verliert.
34.
Ausser den früher genannten verlieren alle übrigen
(welche aufzuzählen zu lange dauern würde) die Blätter,
und man hat bemerkt, dass nur allein die dünnen, breiten
und weichen Blätter vertrocknen, und dass die nicht abfal-
lenden dick und schmal sind. Es ist eine falsche Meinung,
die Bäume, deren Saft fett sei, verlören sie nicht; denn
wie lässt sich diess auf die Stecheiche einwenden? Der
Mathematiker Timäus glaubt, die Blätter fielen, wenn die
Sonne durch den Scorpion gehe, durch die Wirkung des
Gestirnes und ein gewisses Gift der Luft, ab. Allein da
müssen wir mit Recht bewundern, warum diese Ursache
nicht auf alle Bäume gleichen Einfluss ausübe. Von den
•) Dieser verliert allerdings jährlich die Nadeln.
S^chszehntes Buch. 5^95
meisten Bäumen fällt das Laub im Herbste; einige ver-
lieren es später und behalten es bis zum Winter. Die^s
richtet sich jedoch nicht nach dem frühem Ausschlagen,
denn einige, obwohl sie sehr früh ausschlagen, werden
mit am spätesten kahl, wie die Mandeln, Eschen, Hollun-
der. Der Maulbeerbaum aber schlägt am spätesten aus,
und ist einer der ersten, die die Blätter wieder verlieren.
Der Erdboden übt hierbei auch seinen Einfluss aus Von
Bäumen, welche an trocknen und magern Plätzen stehen,
fallen die Blätter eher ab, desgleichen von alten Bäumen,
auch von vielen, ehe die Frucht reif ist; so kann man an
der späten Feige, der Winterbirne und dem Grauatbaum3
das blosse Obst an der Mutter hängen sehen. Aber auch
auf den Bäumen, welche ihr Laub behalten, bleiben nicht
fortwährend dieselben Blätter, sondern es wachsen andere
nach, während die alten trocken werden, und diess geschieht
vorzüglich in den längsten Tagen.
35.
Eine jede Pflanzenart hat nur Blätter von einerlei
Beschaffenheit, ausgenommen die Pappel, der Epheu und
der Wunderbaum, der, wie wir gesagt haben 1), auch Cici
genannt wird. Es giebt drei Arten Pappeln, weisse 2),
schwarze^), und die sogenannte Libj^sche*), welche die
kleinsten Blätter hat, die schwärzeste ist, und wegen der
an ihr wachsenden Schwämme am meisten geschätzt wird.
Das Blatt der weissen Pappel ist zweifarbig, oben weiss
unterhalb grün. Diese, die schwarze und der Wunderbaum
haben anfangs cirkelrunde Blätter, werden dieselben jedoch
älter, so gehen sie in Ecken aus. Dahingegen werden die
anfangs eckigen Blätter des Epheus rund. Von den Pap-
pelblättern fliegt eine sehr grosse Menge Wolle in die
Luft''); von der weissen, die, wie schon erwähnt, dichter
•) XV. B. 7. Cap. -') Populus alba L. 3) Populus nigra L.
■*) Populus treraula L.
5) Die herumfliegende Wolle kommt nicht von den Blättern,
sondern aus den berstenden Früchten.
13*
19(3 Sechszelmtes Buch.
belaubt ist, bildet dieselbe weisse lauge Zotteu. Die
Blätter des Granat- uud des Mandelbaums sind röthlieh.
86.
Ich muss hier eines besonders merkwürdigen Umstan-
des erwähnen, den man bei der Ulme, Linde, dem Oel-
baume, der weissen Pappel und Weide bemerkt. Ihre
Blätter drehen sieh nämlich nach der Sonnenwende
herum, und diess ist der sicherste Beweis, dass diess Ge-
stirn seinen Lauf vollendet hat; sie bieten auch noch
einige allgemeine Unterschiede dar, denn die untere Fläche
hat eine grasgrüne Farbe, die obere ist glatter und auf
ihr befinden sich die Rippen, die stärkere Haut und die
Glieder, die Einschnitte aber unterhalb wie bei der mensch-
hchen Hand. Die Blätter des Oelbaums und Epheus sind
oben weisser und weniger glatt. Alle Blätter aber wenden
sich täglich nach der Sonne, denn auch die untern Theile
wollen erwärmt sein. Die obere Fläche hat immer einen
wollartigen Ueberzug, der bei einigen Völkern die Stelle
der Wolle vertritt.
37.
Es wurde bereits angeführt, dass man im Oriente aus
Palmenblättern starke Stricke macht, die besonders in
der Kasse sehr brauchbar sind. Auch bei uns sammelt
man solche Blätter nach der Erute von Palmen ein.
Unter diesen sind diejenigen, welche sich nicht zertheilt
haben, die bessern. Man trocknet sie 4 Tage lang unter
einem Dache, breitet sie dann an der Sonne aus, lässt sie
auch des Nachts an der Luft, bis sie weiss und dürr ge-
worden sind, und spaltet sie dann zur weitern Verarbeitung.
38.
Die breitesten Blätter hat die Feige, der Weiustock
und die Platane; schmale die Myrte, der Grauatbaum uud
Oelbaum; haarartige die Fichte und Ceder; stachliche die
Kermeseiche und die Stecheiche, und der Wachholder
statt der Blätter Dornen; fleischige die Cy presse und Ta-
mariske; sehr dicke die Erle; lange das Rohr und die
Weide; sogar doppelte die Palme; runde die Birne; kurz-
Öcchszehntes Buch. 197
stachlichte der Apfelbaum; eckige der Epheii; lappige die
Platane; kamraartig eiiigesclinittene die Tanuen; am
ganzen Umfange buchtige die gemeine Eiche; auf der
Fläche dornige der Brombeerstrauch. Stechende Blätter
haben die Fichte, die Tannen, der Lärchenbaum, die Ceder
und die Kermeseichen. Einen kurzen Stiel haben die
Blätter des Oelbaums und der Stecheiche; einen langen die
des Weinstocks, einen zitternden die der Pappeln, welche
allein unter sich ein Geräusch machen. Ja selbst aus
Früchten, z. B. aus einer Art Aepfeln, wachsen ein, zuwei-
len auch zwei Blätter heraus. Bei einigen sitzen sie an den
Aesten herum, bei andern an der Spitze derselben, bei
der Eiche am Stamme selbst. Bald stehen sie dicht, bald
einzeln; die breiten stehen stets mehr vereinzelt. An der
Myrte finden sie sich regelmässig geordnet, am Bux-
baume hohl, den Apfelbäumen ohne Ordnung. An den
Apfel- und Birnbäumen kommen mehrere aus einem Stiele
hervor. Bei der Ulme und dem Cytisus sind sie voll
kleiner Aeste. Hierzu fügt Cato noch die abfallenden
wnd sagt, man solle die Pappel- und Eichenblätter dem
Vieh nicht zu trocken geben, und dem Rindvieh auch das
Laub von der Feige, Stecheiche und dem Epheu. Man giebt
ihnen auch das vom Schilfe und Lorbeer. Vom Speierlings-
baume fällt alles Laub auf einmal, von den übrigen Bäumen
nur nach und nach ab. So viel von den Blättern.
39.
Die jährliche Ordnung in der Natur ist aber fol-
gende. Zuerst findet die Befruchtung statt, und zwar
wenn der Westwind zu wehen anfängt, etwa am 18. Fe-
bruar. Durch ihn wird alles, was aus der Erde hervor-
kommt, befruchtet, ja selbst die Stuten in Spanien, wie
wir bereits gesagt haben. Er ist der erzeugende Hauch
des Weltalls, und hat daher auch, wie Einige glauben,
vom brüten i) seinen Namen erhalten. Er wehet gerade
von Westen her und eröffnet den Frühling. Die Bauern
nennen es die Brunstzeit, wenn die Natur begierig ist,
') favere, davon Favonius.
198 Sechszehntes Buch.
Samen zu empfangen und dem ganzen Gewächsreiehe Le-
ben damit einzuhauchen. Die Pflanzen werden in ver-
schiedenen Tagen und eine jede ihrer Natur gemäss be-
fruchtet. Einige tragen bald darauf Früchte, wie manche
Thiere; andere erst später und gehen gleichsam länger
damit schwanger, was daher das Hervorsprossen *) genannt
wird. Sie gebären aber, wenn sie blühen, und ihre Blüthe
besteht aus zerrissenen Bälgen. Die Erziehung findet an
der Frucht statt; diess ist nämlich auch ein Act des
Sprossens.
40.
Die Blüthe zeigt den vollen Frühling und das wieder
neugeborene Jahr an; sie ist die Freude der Bäume.
Dann zeigen diese sich neu und anders als zuvor; dann
schwelgen sie bis zum Wettstreite in üppigem Farben-
wechsel. Jedoch ist dieser Vorzug sehr vielen unter ihnen
versagt, denn nicht alle tragen Blüthen, sondern manche
sind traurig, und fühlen die Freuden des Jahreswechsels
nicht. Denn weder die Stecheiche, noch die Tanne, Lärche
und Fichte freuen sich der Blüthen oder versprechen das
Entstehen ihrer Früchte durch jährliche Wiederkehr von
bunten Vorboten; auch die zahmen und wilden Feigen
blühen nicht, denn mit den Blüthen kommt auch zugleich
die Frucht. Bei den Feigen ist das Fehlschlagen mancher
Früchte, die reif werden, merkwürdig. Auch der Wach-
holder^) blüht nicht. Einige geben 2 Arten davon an,
von denen angeblich eine blühe und nicht trage, an der-
jenigen aber, welche nicht blühe, entständen sogleich
Beeren, die 2 Jahre lang hängen blieben. Allein diess ist
unrichtig ^), denn sie sehen alle beständig widrig aus. So
entbehrt denn auch das Schicksal vieler Menschen der
Blüthe.
*) germinatio.
-) Juniperus. Juniperus comuiunis L.
'•>) Im Gegentheile ist hier des Plinius Ansicht falsch, und das
Gesagte richtig.
Sechszehntes Buch. 199
41.
Alle Bäume aber, selbst die welche nicht blühen,
schlagen aus, jedoch findet dabei hinsichtlich des Stand-
ortes ein grosser Unterschied statt. Diejenigen von ein
und demselben Geschlechte, welche in Sümpfen stehen,
kommen zuerst, dann die auf Ebenen und zuletzt die in
Wäldern; die Holzbirnen überhaupt aber später als die
übrigen Bäume. Sobald der Westwind zu wehen beginnt,
schlägt die Kornelkirsche aus, dann zunächst der Lorbeer,
kurz vor dem Aequinoctium die Linde, der Ahorn. Unter
die ersten gehört ferner die Pappel, Ulme, Weide, Erle
und die Nuss. Auch die Platane kommt zeitig. Die
übrigen beim Beginn des Frühlings, als die Kermeseiche,
Terebinthe, der Judendorn i), die Castanie und die Eichel-
bäume. Später der Apfelbaum und am spätesten die Kork-
eiche. Bei einigen findet ein doppeltes Ausschlagen statt,
was entweder von zu grosser Fruchtbarkeit des Bodens
oder von der reizenden Wollust der Luft herrührt; doch
trifft man diess mehr bei dem Kraute der Feldsaaten. Bei
Bäumen verursacht das zu starke Treiben eine gewisse
Erschlaffung.
Manchen Bäumen sind, ausser dem im Frühlinge statt-
findenden, noch andere Arten des Sprossens natürlich eigen,
welche mit ihren Gestirnen im Zusammenhange stehen,
und wovon wir die Ursache passender im dritten auf dieses
folgenden Buche angeben werden. Der Wiutertrieb ge-
schieht beim Aufgange des Adlers, der Sommertrieb beim
Aufgange des Hundssterns, der dritte beim Aufgange des
Arcturs. Einige glauben, die beiden letzteren seien allen
Bäumen gemein, man bemerke sie aber am meisten bei
der Feige, dem Weinstock und der Granate, denn um
diese Zeit brechen z. B. die Feigen in Thessalien und
Macedonien am meisten aus. Doch findet diess in Aegyp-
ten am augenscheinlichsten Statt. Die übrigen Bäume
') Paliurus Rhamnus Paliurus L.
200 Sechszehntes Buch.
setzen ihren Trieb, wie sie ihn angefangen haben, fort.
Die Eiche, Tanne und Lärche setzen 3 mal ab, und treiben
3 Knospen, daher sie auch 3 mal aus der Rinde Augen
treiben, was bei allen Bäumen während des Triebes erfolgt,
weil durch das Strotzen die Rinde zersprengt wird. Ihr
erster Trieb geschieht mit dem Anfange des Frühlings in
etwa 15 Tagen; dann treiben sie vom Neuem, wenn die
Sonne durch die Zwillinge geht. Daher kommt es, dass
die ersten Spitzen von den nachfolgenden durch einen
gelenkartigen Anwuchs fortgetrieben zu werden scheinen.
Der dritte und kürzeste Trieb fällt in die Zeit der Sonnen-
wende , und dauert nicht länger als 7 Tage. Alsdann
sieht man auch deutlich die Gliederung der heranwachsen-
den Spitzen. Nur der Weinstock treibt zweimal, zuerst
wenn er die Trauben ansetzt und zweitens, wenn deren
Saft sich ausbildet. Diejenigen, welche nicht blühen, zeigen
bloss den Fruchtansatz und ihr Reifwerden. Einige blühen,
sobald sie ausschlagen und eilen damit, bringen aber spät
reife Früchte, wie z. B. die Weinstöcke. Einige blühen
bei sehr spätem Ausschlagen, und reifen schnell, wie der
Maulbeerbaum, welcher unter den zahmen am spätesten,
und nicht eher, bis keine Kälte mehr eintritt, sich belaubt;
daher wird er auch der klügste Baum genannt. Fängt
er aber einmal au, so dauert sein ganzes Ausschlagen
nicht länger als eine Nacht und ist sogar mit Geräusch
verbunden.
42.
Von denen, welche, wie wir gesagt haben, im Winter
beim Aufgange des Adlers treiben, blühet der Mandelbaum
zuerst unter allen im Januar, seine Frucht kommt aber
erst im März zur Reife. Demnächst blühen die armeni-
schen, knolligen und frühen Pflaumen, jene als Fremdlinge,
diese als getrieben. In natürlicher Ordnung aber unter
den wilden zuerst der Hollunder, welcher das meiste Mark
hat, und der männliche Kornelkirscheubaum, in welchem
gar keins ist; unter den zahmen der Apfelbaum, und kurze
Zeit darauf, so dass man es zugleich sehen kann, der
Sechszehntes Buch. 201
Biiii', Kirsch- und Pflaumenbaum. Nun folgt der Lorbeer,
auf diesen die Cypresse, dann die Granate und Feige.
Der Weinstoek und Oelbaum aber schlagen erst aus, wenn
jene schon blühen; sie treiben beim Aufgange des Sieben-
gestirns, diess ist nämlich ihr Gestirn. Der Weinstock,
blühet bei der Sonnenwende, und etwas später der Oel-
baum. Alle Bäume blühen nicht schneller als in 7 Tagen
ab, einige brauchen noch länger dazu, jedoch niemals mehr
als 14 Tage, und zwar stets noch vor dem 8. Juli, welcher
den Passatwinden vorhergeht.
43.
Bei einigen Bäumen folgt auf die Bliithe nicht sogleich
die Frucht. Der Kornelkirschenbaum ') bringt um den
längsten Tag seine Frucht, und zwar ist sie erst weiss,
dann roth. Das Weibchen derselben Art trägt nach dem
Herbste herbe und für alle Thiere ungeniessbare Beeren;
auch ist sein Holz schwammig und unbrauchbar, während
das der Männchen zu den festesten gehört. So gross ist
der Unterschied in ein und derselben Art. Aber auch die
Terebinthe, der Ahorn und die Esche haben erst zur Zeit
dei" Ernte reifen Samen; der Nuss-, Apfel- und Birnbaum,
das Winterobst und das frühzeitige ausgenommen, im
Herbste. Die . eicheltragenden Bäume noch später, beim
Untergange des Siebengestirns, die Speiseiche nur im Herbste,
beim Beginn des Winters aber einige Apfel- und Birnarten und
die Korkeiche. Die Weisstanne trägt zur Zeit der Sonnen-
wende safranfarbige Blüthen und nach dem Untergange
des Siebengestirns Samen. Die Fichte und Rothtanne
kommen ihm mit dem Ausschlagen beinahe 15 Tage zuvor,,
führen aber auch erst gleichzeitig mit ihm Samen.
44.
Von dem Citrus, dem Wachholder und der Stecheiche
glaubt man, dass sie ihre Früchte 1 Jahr lang tragen,
denn die neue hängt zugleich mit der vorjährigen an
ihnen. Die meiste Bewunderung verdient aber die Fichte,
') Cornus. Coinus mascula L.
202 Sechszehntes Buch.
denn sie trägt zugleich reifende Früchte, solche die im
nächsten, und solche die im 3. Jahre reif werden; kein
Baum wächst auch begieriger. In demselben Monate, wo
man eine Nuss von ihm abbricht, wird wieder eine andere
reif, und es ist so eingerichtet, dass in jedem Monate einige
reif werden. Diejenigen, welche sich auf dem Stamme
selbst aufschlitzen, heissen Dürräpfel i); werden diese nicht
abgenommen, so verderben sie die übrigen.
' 45.
Unter allen Bäumen sind es folgende, welche keine
Frucht, d. h. nicht einmal Samen tragen: die Tamariske,
welche bloss um der Besen willen wächst, die Pappel,
Erle, atinische Ulme, der Alaternusstrauch 2), dessen Blätter
das Mittel zwischen denen der Stecheiche und des Oel-
baums halten. Man bezeichnet aber die Bäume, welche
weder gepflanzt werden noch Früchte tragen, für unglück-
lich und durch die Religion verworfen. Cremutius berich-
tet, der Baum, au welchen sich die Phyllis aufgehängt
habe, grüne niemals. Die Harzbäume werden nach dem
Ausschlagen geöffnet, das Harz aber wird nicht eher dick,
bis die Frucht abgenommen ist.
46.
Junge Bäume haben, so lange sie wachsen, keine
Frucht. Der Palmen-, Feigen-, Mandel-, Apfel- und Birn-
baum verlieren ihre Frucht sehr leicht vor der Reife ;
ebenso der Granatbaum, von dem sogar durch zu viel Thau
und Reif die Blüthen abfallen. Daher biegen sich seine
Aeste einwärts, um nicht, in aufrechter Stellung, die schäd-
liche Feuchtigkeit aufzunehmen und zurückzuhalten. Der
Birn- und Mandelbaum verlieren, auch wenn es nicht regnet,
sondern schon bei Südwind und nebligem Himmel ihre
') Azaniae von at^avoj ausdörren. Andere Lesarten haben: Za-
iniae von t,7ifiia: Schaden.
2) Alaternus. Rhamnus Alaternus. Dass Phnius die eben ge-
nannten Bäume für unfruchtbar hält, beweist nur die OberflächUch-
keit seiner Beobachtungen.
Öechszehntes Buch. 203
ßliithen und, wenn nach dem Abblühen solche Tage ein-
treten, ihre ersten Früchte. Am schnellsten aber verliert
die Weide ihren Samen, denn er fällt schon vor der völ-
ligen Eeife ab, daher sie auch Homer die Fruchtabv^er-
fende ^) nennt. In der Folge hat die Lasterhaftigkeit der
Menschen diesem Ausspruche seine Deutung gegeben, denn
bekanntlich wird der Same als ein Mittel zur Unfruchtbar-
keit der Weiber angewendet. Aber auch hierin zeigte
sich die Vorsehung der Natur dadurch, dass sie bei der
Weide, welche leicht, und schon aus einem einge-
steckten Reise hervorwächst, sorgloser hinsichtlich des Sa-
mens verfuhr. Eine Weide jedoch, welche auf der Insel
Greta, am Eingange in die Höhle des Jupiters steht,
soll ihre Samen zur Reife bringen, diese sind aber hässlieh,
holzig und von der Grösse einer Kichererbse.
47.
Einige sind in Folge eines fehlerhaften Bodens un-
fruchtbar, wie z, B. die, welche im Walde Parus gehauen
werden und nichts tragen. Die Pfirsichbäume auf Rhodus
blühen bloss. Ein solcher Fall rührt auch von dem Ge-
schlechte her, denn die männlichen Bäume bringen keine
Früchte hervor. Andere Leute kehren diess um und sagen,
die Männchen seien es, welche trügen. Eine andere Ur-
sache der Unfruchtbarkeit ist die Dichtigkeit.
48.
Unter den fruchtbringenden tragen einige au den
Seiten und Spitzen der Aeste, wie die Birn-, Granaten-,
Feigen- und Myrtenbäume, übrigens auf dieselbe Weise
wie bei den Feldfrüchten; denn bei diesen entsteht auch
die Aehre an der Spitze, die Schote an den Seiten. Die
Palme allein hat, wie wir gesagt haben, ihre Früchte in
Scheiden, aus welchen sie traubig herabhängen.
49.
Bei den übrigen sitzt die Frucht unter dem Blatte,
damit sie geschützt werde, mit Ausnahme der Feige, denn
M Frugiperda.
204 Sechszehntes Buch.
diese hat das grösste und schattenreichste Blatt und daher
die Frucht über demselben; auch kommt ihr Blatt spä-
ter als die Frucht. Man erzählt als eine Merkwürdig-
keit von einer Art Feigen in Cilicien, Cyperu und Hellas,
welche unter den Blättern sitzen, aber erst nach der Ent-
wicklung der Blätter kommen. Es giebt auch Frühfeigen,
welche zu Athen die Vorläufer heissen. Unter der la-
conischen Art giebt es die grössten.
50.
Es giebt Feigenbäume, welche zweimal (jährlicli)
tragen. Auf der Insel Cea tragen die wilden Feigen-
bäume dreimal. Durch die erste Frucht wird die zweite,
uud durch diese die dritte hervorgerufen, und zwar ge-
schieht diess durch die Caprification. Die wilden Feigen
wachsen auch den Blättern gegenüber. Auch unter den
Apfel- und Birnbäumen giebt es solche, welche zweimal
tragen, sowie frühe. Der wilde Apfelbaum trägt zweimal;
seine zweite Frucht erscheint, besonders an sonnigen
Stellen, nach dem Aufgange des Arcturus. Es giebt sogar
Weinstöcke, welche dreimal tragen, uud deswegen die un-
bändigen heissen, denn man findet au ihnen zugleich reife
Früchte, wachsende und Blütheu. M. Varro erzählt, zu
Smyrna bei Matrous habe ein Weinstock, uud im consen-
tinischen Gebiete ein Apfelbaum zweimal getragen. Diess ge-
schieht aber fortwährend in Afrika im tacapensischem Ge-
biete (worüber wir später noch ausführlicher reden werden);
so gross ist die Fruchtbarkeit jenes Bodens. Auch die Cy-
presse trägt dreimal; denn man sammelt von ihr die Kerne
im Januar, Mai und September, und diese sind von dreier-
lei Grösse.
Auch hinsichtlich der Vertheilung der Früchte auf den
Bäumen finden sich Verschiedenheiten. Der Erdbeerbaum
und die Eiche sind an ihrer obern Hälfte am fruchtbarsten,
die Wallnuss- und ordinären Feigenbäume an ihrer untern.
Alle Bäume tragen um so zeitiger, je älter sie werden, und
namentlich an sonnigen Plätzen, nicht aber in einem fetten
Boden; alle wilden Bäume hingegen später. Einige von
Sechszehntes Buch. 205
diesen bringen gar nichts zur Reife. Die, welche behackt
und an der Wurzel gesäubert werden, tragen schneller als
solche, bei denen diess nicht geschieht, sind auch frucht-
barer.
51.
Einen Unterschied macht ferner das Alter; denn der
Mandel- und Birnbaum sind im Alter am fruchtbarsten,
ebenso die eicheltragenden Bäume und eine Art Feigen.
Die übrigen und die später reifenden in der Jugend, was
man am meisten an den Weinstöcken bemerkt, denn die
alten geben bessern, die jungen aber mehr Wein. Der
Apfelbaum aber altert sehr schnell und trägt im Alter
schlechtere Früchte; diese sind nemlich dann kleiner und
dem Wurmstich unterworfen, ja die Würmer entstehen so-
gar im Baume selbst. Die Feige ist die einzige Frucht,
welche durch Insekten zur Reife gebracht wird; sie gehört
zu den Seltsamkeiten, weil alles Verkehrte einen höhern
Werth hat. Alle Bäume, welche allzu fruchtbar sind, werden
schneller alt; ja einige gehen sogleich aus, wenn die Wit-
terung alle ihre Fruchtbarkeit hervorgelockt hat, ein Um-
stand, der sich bei den Weinstöckeu vorzüglich ereignet.
Der Maulbeerbaum hingegen, der durch seine Frucht nicht
erschöpft wird, altert sehr langsam; desgleichen werden
die Bäume mit aderigem Holze, wie der Ahorn, die Palme
und Pa])pel, spät alt; diejenigen aber, welche mau unten
aufackert, früher, sehr spät hingegen die wilden. Im
Ganzen kann man annehmen, dass Sorgfalt die Fruchtbar-
keit, und diese das Alter herbeiführt; daher blühen solche
auch früher, schlagen früher aus, und sind überhaupt zeitiger,
weil alles, w^as schwach, der Einwirkung der Witterung
mehr unterworfen ist.
52.
Viele Bäume tragen mehrerlei, wie wir bereits bei
den eicheltragenden gesagt haben. Unter diesen hat der
Lorbeer seine Trauben, und der, w'elcher nichts weiter
trägt, ist sehr unfruchtbar und wird daher für das Männchen
gehalten. Auch die Haselsträuche tragen in eine Haut ein-
206 Sechszehntes Buch.
geschlossene Kätzchen, welche zu nichts gebraucht werden
können. Der Buxbaum aber trägt das meiste Verschieden-
artige, nämlich seinen Samen, ferner ein Korn, welches
Cratägus genannt wird, gegen Norden die Mistel und
gegen Süden den Hyphear i), worüber wir bald mehr
sagen werden. Zuweilen enthält er diese 4 Gegenstände
zugleich.
53.
Einige Bäume wachsen einfach, indem von der Wurzel
nur 1 Stamm und (oben) zahlreiche Aeste ausgehen, wie
die Oel- und Feigenbäume und Weinstöcke. Andere sind
strauchig, wie der Paliurus, die Myrte und die Haselnuss;
letztere trägt sogar bessere und häufigere Früchte, wenn
sie in viele Aeste zertheilt ist. Andere haben gar keinen
Samen, wie eine Art Buxbaum und der überseeische Lotus .
Einige haben 2 Stämme , ja man trifft sogar 5 theilige
Stämme an. Einige sind getheilt und nicht ästig, wie der
HoUunder; andere ungetheilt und ästig, wie die Tannen.
An einigen sitzen die Aeste in einer gewissen Ordnung,
z. B. an den Tannen; an andern ohne Ordnung, wie an
der Eiche, dem Apfel- und Birnbäume. Die Tanne beson-
ders zeigt eine gerade Theilung und zum Himmel gerich-
tete, nicht flach liegende Aeste. Merkwürdig ist, dass,
wenn man die Spitzen derselben abhauet, der Baum ver-
trocknet, hingegen am Leben bleibt, wenn sie ganz weg-
genommen werden; auch wenn er unterhalb der Zweige
abgehauen wird, gedeihet er fort, nimmt man ihm aber
nur den Gipfel, so stirbt er. Einige Bäume th eilen sich
von der Wurzel an armförmig aus, wie die Ulme. Andere
sind an der Spitze ästig, wie die Fichte und der Lotus
oder die griechische Bohne 2)^ welche man in Rom von
ihrer wohlschmeckenden, zwar wilden aber den Kirschen
nahe kommenden Frucht, Lotos nennt. Man zieht ihn be-
sonders gern an Häusern, weil er einen kurzen Stamm hat
') Im 93. Cap. dieses Buches.
-) Die Dattelpflaume, Diospyros Lotus L
Sechszehntes Buch. 207
und durcb seine ausscbweifenden Aeste, die sieh oft bis zu
den Nachbarhäusern erstrecken, viel Schatten verbreitet.
Kein Baum verleihet auf kürzere Zeit Schatten, denn im
Winter hält er die Sonne nicht ab, weil er dann keine
Blätter bat; keiner hat eine angenehmere und für die Augen
gefälligere Rinde, und keiner längere und stärkere oder
mebr Aeste, so dass man sie eben so viele Bäume nennen
könnte. Mit seiner Rinde färbt man Häute, und mit der
Wurzel Wolle. Von den Aepfeln hat man noch eine bO'
sondere Art, die wilden nämlich, welche wie Schnäbel aus-
sehen, denn an einem grossen hängen noch mehrere kleine.
54.
Einige Aeste sind blind und schlagen nicht aus; diess
iceschieht entweder von Natur, wenn sie nicht kräftig genug
dazu sind, oder zur Strafe, wenn beim Abhauen die Wunde
nicht sorgfältig wieder vernarbt ist. Den Aesten der ge-
theilten Bäume entsprechen die Augen des Weinstocks und
die Gelenkknoten des Robrs. Alle Theile, welche der Erde
am nächsten stehen, sind dicker. In die Länge wachsen
die Tanne, Lärche, Palme, Cy presse, Ulme, und die sonst
einstämmig sind. Unter die ästigen gehört auch der Kirsch-
baum, von dem man 40 Cubitus lange, und überall 2 Cu-
bitus dicke Balken findet. Einige breiten sich sogleich in
Aeste aus, wie die Apfelbäume.
55.
Die Rinde ist an einigen dünn, z. B. am Lorbeer, der
Linde; an andern dick, wie an der Eiche; au andern glatt ^
wie am Apfel- und Feigenbaume; an andern rauh, wie an
der Eiche und Palme. Bei allen ist sie im Alter runzliger .
Bei einigen, z. B. dem Weinstocke, platzt sie von selbst;
von einigen fällt sie ab, wie vom Apfelbaume und dem
Unedo; bei einigen ist sie fleischig, z. B. bei der Korkeiche
und Pappel; häutig, wie bei dem Weinstock und Schilfe ;
bastähnlich beim Kirschbaume; vielhäutig beim Weinstock,
der Linde und Tanne; einfach beim Feigenbaume und
Schilfe.
208 Sechszehntes Buch.
56.
Die Wurzeln sind sehr verschieden unter einander.
Sehr zahlreiche haben die Feige, Eiche und Platane; kurze
und dünne der Apfelbaum; ganz besondere die Tanne und
Lärche, denn sie stützen sich darauf, obgleich die kleineu
auf die Seiten vertheilt sind. Der Lorbeer hat dickere
und ungleiche, ebenso der Oelbaum, bei dem sie auch ästig
sind. Die Eiche hat fleischige, tief in die Erde gehende.
Wenn wir Virgil glauben wollen, so steigt die Speiseiche
mit ihrer Wurzel so tief, als sie mit dem Stamme über
der Erde hervorragt. Die Wurzeln des Oelbaumes, des
Apfelbaumes und der Cypresse verbreiten sich nur oben
unter dem Rasen. Einige laufen gerade aus wie die des
Lorbeers und Oelbaumes, andere in Krümmungen, wde die
des Feigenbaumes. Einige sind durch kleine Haarfasern
rauh wie bei der Tanne und vielen wilden Bäumen, aus
denen die Gebirgsbewohner ansehnliche Flaschen und an-
dere Gefässe flechten, nachdem sie die dünnen Fasern ab-
geschnitten haben. Manche sagen, die Wurzeln gingen
nur so tief, als die Sonne sie erwärmen könnte, und diess
hänge von dem lockern oder festern Boden ab; allein ich
halte diess für unrichtig. Wenigstens findet man bei
mehreren Schriftstellern angeführt, dass eine Tanne, welche
versetzt wurde, 8 Cubitus tief gehende Wurzeln hatte, und
nicht einmal ganz ausgegraben, sondern abgerissen war.
Der Citrus hat die ausgedehnteste und vollste Wurzel;
hierauf folgen die Platane, Eiche und die übrigen eichel-
tragenden Bäume. Bei einigen zeigt sich die Wurzel lebens-
kräftiger als der Obertheil, wie z. B. beim Lorbeer; ist
daher sein Stamm vertrocknet und man hauet ihn ab, so
wächst bald wieder ein neuer hervor. Manche sind der
Meinung, dass Bäume mit kurzen Wurzeln eher alt würden;
dem widersprechen jedoch die Feigenbäume, welche sehr
lange Wurzeln haben und sehr schnell altern. Ich halte
auch das, was Andere berichtet haben, für falsch, dass näm-
lich die Wurzeln der Bäume durchs Alter sich vermindern;
denn ich habe eine alte durch den Sturmwind umgerissene
Sechszehntes Buch. 209
Eiche gesehen, deren Wurzeln ein Jugerum Landes ein-
nahmen.
57.
Es ist nichts Ungewöhnliches, dass umgeworfene Bäume
sich erholt, und in einem Erdrisse wieder ausge-
schlagen haben. Bei den Platanen tritt diess oft ein,
weil die Aeste wegen ihrer dichten Stellung sehr viel Wind
fassen; nachdem diese abgeschnitten sind, werden die da-
durch erleichterten Bäume in ihre (selbst gemachte) Grube
wiederum eingesetzt. Auf gleiche Weise ist man auch
schon mit den Wallnuss-, Oel- und andern Bäumen ver-
fahren. Man hat Beispiele, dass viele Bäume ohne Mit-
wirkung des Sturmes oder einer andern Ursache als durch
ein Wunder niedergefallen und sich von selbst wieder auf-
gerichtet haben. Ein solches Ereignis« widerfuhr den rö-
mischen Bürgern im cimbrischen Kriege zu Nuceria im
Haine der Juno mit einer Ulme, deren Spitze, nachdem sie
abgehauen war, weil sie auf den Altar herabhiug, sich von
selbs't wieder herstellte, so dass sie bald darauf Blüthen
trug, und von dieser Zeit an hob sich das Ansehen des
römischen Volkes wieder, welches vorher durch mehrere
Niederlagen geschwächt war. Etwas ähnliches soll zu Phi-
lipp! mit einer umgefallenen und abgebrochenen Weide,
desgleichen zu Stagira im Museum mit einer weissen Pap-
pel geschehen sein. Alles diess waren gute Vorbedeutungen.
Aber das grösste Wunder ist, dass eine Platane zu Autan-
drus von 15 Cubitus Länge und 4 Ellen Dicke, welche
s^chon ringsum behauen war, sich von selbst wieder aufge-
richtet und gegrünt hat.
58.
Bäume, welche uns die Natur liefert, entstehen auf
dreierlei Weise, von selbst, aus dem Samen oder aus der
Wurzel. Die Kunst kennt noch zahlreichere Methoden, von
denen wir jedoch in einem eigenen Buche reden werden i),
') Im XVII. B.
VVittstein: Pliuius. III. Bd.
14
210 Sechszehntes Buch.
denn jetzt beschäftigen wir uns noch mit der Natur, die
uns so vieles Merkwürdige und Wunderbare darbietet. Wir
haben nemlich schon gezeigt, dass nicht Jedes überall
wächst, und dass Manches, was versetzt wird, nicht fort-
kommt. Diess rührt bald von dem Widerwillen, bald von
dem Eigensinn, öfters noch von der Zartheit dessen, was
versetzt wird, mitunter auch von widerstrebendem Klima
oder Boden her.
59.
Der Balsambaum wächst nirgends anders, der assyrische
Apfelbaum trägt nirgends anders (als in seinem Vaterlande);
ebenso geht es mit dem Wachsen oder Tragen der Palme,
ja, wenn sie Früchte bekommt, so werden sie nicht reif,
gleichsam als wenn sie sie wider Willen hervorgebracht
hätte. Der Zimmtstrauch hat nicht die Kraft, in die Nach-
barschaft Syriens zu kommen. Die Gewürze Amomum
und Nardus vertragen es nicht, zu Schiffe aus Indien nach
Arabien zu wandern; einen derartigen Versuch machte
nemlich Seleucus. Am meisten muss man sich darüber
wundern, dass man Bäume beim Transporte lebend erhält,
und zuweilen dem Boden eine solche Beschaffenheit geben
kann, dass fremde Bäume darin gedeihen; das Klima aber
lässt sich durch kein Mittel verändern, In Italien lebt der
Pfeffer bäum, die Cassia selbst im nördlichen Theile dieses
Landes; in Lydien ist auch der Weihrauchbäum fortge-
kommen. Allein woher soll man die Sonnenstrahlen nehmen,
welche allen Saft aus ihnen ziehen, und das Harz voll-
kommen ausbilden?
Fast ebenso merkwürdig ist es, dass die Natur dieser
Bäume sich verändert, und daher in ihren Wirkungen ohne
Unterschied dieselbe ist. Die Ceder gab sie den heissen
Ländern; sie wächst aber auch auf den lycischen und phry-
gischen Bergen, Den Lorbeer hatte sie zur Feindin der
Kälte gemacht, und doch ist kein Baum häufiger auf dem
Olymp. Am cimmerschen Bosporus in der Stadt Pantica-
paeum gaben sich der König Mithridates und die übrigen
Einwohner alle mögliche Mühe, wenigstens um der Opfer
Sechszehntes Buch. 211
willen Lorbeer und Myrte zu ziehen, allein es glückte
ihnen nicht, obgleich es dort warm genug für Bäume ist,
auch Granaten, Feigen und die köstlichsten Birnen und
Aepfel daselbst wachsen. Auch hat die Natur dort keine
an Kälte gewöhnte Bäume erzeugt wie die Fichten und
Tannen. Doch was haben wir nöthig bis nach dem Pontus
zu gehen? Selbst in der Nähe von Rom kommen die Ka-
-stanien und Kirschen, im Tusculanischen die Pfirsiche
schwer fort, und kaum lassen sich daselbst die Mandeln
acclimatisiren, während es zu Terracina ganze Wälder da-
von giebt.
60.
Die Cypressei) war vormals bei uns ein Fremdling
und gedieh nur sehr mühsam, so dass Cato ausführlicher
und öfter von ihr redet, als von allen andern Bäumen.
Sie wächst schwer, trägt überflüssig viele Früchte, welche
herbe Beeren darstellen, hat bittere Blätter, einen sehr
starken Geruch, giebt wenig Schatten, und hat wenig Holz,
so dass sie fast zu den Sträuchern gehört. Sie ist dem
Pluto geweihet und wird daher vor die Häuser zum Zeichen
einer darin befindlichen Leiche gesetzt. Das Weibchen
bleibt lauge unfruchtbar. Endlich hat man ihn doch in
Form von Spitzsäulen nicht verschmähet, um dadurch we-
nigstens die Reihen der Fichtenbäume zu unterscheiden;
jetzt aber beschneidet man ihn zu dichten Wänden, und
zwingt ihn gleichsam dadurch immer dünn und zart zu
bleiben. Man nimmt ihn auch zu Landschafts-Gemälden,
und bekleidet Jagden, Flotten und Bilder anderer Gegen-
stände mit seinen dünnen, kurzen und immer grünen
Blättern. Es giebt 2 Arten : die pyramidenförmige, welche
bis zur Spitze hinauf gewunden ist, und das Weibchen ge-
nannt wird. Die andere, das Männchen, breitet ihre Aeste
nach aussen hin, und wird beschnitten. Von beiden hauet
man die Aeste und versetzt sie zu Pfählen und Latten,
von denen im 13. Jahre das Stück 1 Denar kostet. Ein
') Cupi-essus. C. sempervirens L.
14*
212 Sechszehntes Buch.
Wald solcher Bäume bringt durch seine Anpflanzung ausser-
ordentlichen Gewinn; daher nannten auch die Alten solche
Pflauzschulen die Mitgift der Töchter. Das Vaterland der
Cypresse ist die Insel Greta; zwar nennt Cato sie die ta-
rentinische, und, wie ich glaube, deshalb, weil man sie zu-
erst dahin gebracht hat. Auf Aenaria wächst sie wieder,
wenn man sie abgehauen hat. Auf Creta entsteht sie selbst
durch die Kraft der Natur, wenn man irgendwo die Erde
aufwühlt, und schiesst bald daranf hervor; anch sogar ohne
Bearbeitung des Bodens gedeihet sie, und diess nament-
lich auf den idäischen Bergen, den sogenannten weissen
Bergen, und den höchsten Jochen, welche immer mit Schnee
bedeckt sind, — was merkwürdig ist, da sie anderswo nur
iu einem warmen Himmelsstriche fortkommt, und nicht
jeder Erdboden ihr zusagt.
61.
Bei den Bäumen kommt es nicht nur auf die Be-
schaffenheit des Bodens und des Klimas an, sondern auch
die zu Zeiten fallenden Regen üben ihren Einfluss aus.
Die Wasser führen nemlich meistens Samen mit sich, und
enthalten bald diese bald jene Art, zuweilen selbst eine
unbekannte. Der letztere Fall ereignete sich im Cyre-
naischen, wo zuerst das Laserpitium, wie wir bei den
Kräutern noch anführen werden i), hervorkam. So ist auch
nahe bei Rom, ungefähr im 430. Jahre der Stadt, ein Wald
in Folge eines pechschwarzen dichten Regens entstanden.
62.
Der Epheu2) soll jetzt in Asien wachsen; Theophrastus
hatte diess geleugnet und gesagt, er fände sich auch nicht
in Indien, sondern nur auf dem Berge Meros. Ja Harpalus
soll sich alle Mühe gegeben haben, ihn in Medien anzu-
pflanzen, doch vergebens; Alexander aber soll der Selten-
heit wegen sein Heer damit haben bekränzen lassen und
so, gleich dem Bacchus, als Sieger aus Indien zurückgekehrt
«) Im XIX. B. 15. Cap.
2) Edera. Hedera Halix L.
Se'chszelmtes Buch. / 213
sein. Jetzt schmückt der Epheii den Stab, Helm und Schild
dieses Gottes bei den feierlichen Opfern der thracischen
Völker. Er ist ein Feind der Bäume und aller Saaten,
durchbricht Grabmäler und Mauern, und verschafft den
Sehlaugen eine angenehme Kühle, so dass es zu bewundern
ist, warum man ihn so in Ehren hält.
Seine beiden Hauptarten sind, wie bei den übrigen,
das Männchen und. das Weibchen. Das Männchen soll
einen grössern Stamm, härtere und fettere Blätter und eine
ins Purpurrothe übergehende Blüthe haben. Die Blüthe
beider gleicht aber der wilden Rose, nur dass sie nicht
riecht. Von diesen Arten giebt es noch 3 Unterarten, denn
man hat einen weissen, schwarzen Epheu, und sogenannten
Helix. Selbst diese Unterarten werden noch in andere
eingetheilt, nemlich in solche mit weissen Früchten, und
solche die auch weisse Blätter haben. Von denen mit
weisser Frucht haben einige, festere und grössere Beeren,
und Trauben, welche in einen Kreis gestellt sind und
Doldentrauben genannt werden. Ferner der Mondepheu,
mit kleinern Beeren und lockerern Trauben. Eben diess
findet sich auch bei den schwarzen. Einige haben schwarzen,
andere safrangelben Samen. Derjenige, dessen sich die
Dichter zu Kränzen bedienen, hat minder schwarze Blattei-
die grössten Doldentrauben unter den schwarzen, und heisst
bei Einigen der nysische, bei andern der bacchische. Ei-
nige griechische Schriftsteller unterscheiden ausserdem
noch 2 Arten nach der Farbe der Beeren, nemlich die
rothe und goldfarbige.
Der Helix bietet jedoch, und zwar hinsichtlich der
Blätter, die meisten Unterschiede dar; diese sind nemlich
klein, eckig und netter, während die der übrigen Arten
einfach sind. Er weicht ferner ab in der Länge der Ge-
lenkschüsse, vorzüglich aber durch seine Unfruchtbarkeit,
denn er trägt nichts. Einige meinen, der Grund davon
läge im Alter und nicht in der Art, denn was erst Helix
sei, werde später Edera. Diess ist ein offenbarer Irrthum,
denn man findet mehrere Arten des Helix, aber 3 beson-
214 Sechszebntes Buch.
ders kenntliche: eine krautartige und grüne am häufigsten,
zweitens eine mit weissen Blättern, und drittens eine bunte,
welche die thracische heisst. Auch sind die Blätter der
krautartigen zarter, in gewisse Ordnung gestellt und dichter.
Bei der andern Art^) sind alle diese Theile ganz anders.
Auch unter den bunten findet sich eine Abart mit dünnern
und gleichfalls geordnet und dichter stehenden Blättern;
bei der andern Art ist diess alles nicht der Fall. Die
Blätter sind ferner grösser oder kleiner und ungleich ge-
fleckt; bei den weissen auch einige weisser. Die kraut-
artige wächst am meisten in die Länge; die weisse aber
tödtet die Bäume, und da sie allen Saft in sich zieht,
nimmt sie so sehr in der Dicke zu, dass sie selbst ein
Baum wird. Man erkennt dieselbe an den sehr grossen
und breiten Blättern, an den aufwärts gerichteten Erhöhungen
der Rinde 2), die bei den übrigen einwärts gebogen sind,
an den stehenden und aufrechten Trauben. Obgleich alle
Arten des Epheus wurzelständige Aeste haben, so sind sie
doch an dieser am ästigsten und stärksten, und nächst ihr
steht in dieser Beziehung der schwarze. Der weisse Epheu
hat das Eigenthümliche, mitten zwischen den Blättern Aeste
auszuschiessen, und dadurch überall Alles zu umfassen, und
diess findet auch an Mauern statt, obgleich er diese nicht
umfassen kann. Wenn er auch an mehreren Stellen ab-
geschnitten wird, so bleibt er dennoch am Leben, denn er
hat so viele Wurzelansätze, als Banken, womit er sich er-
hält und feststeht, andere Bäume aussaugt und erstickt.
Auch die Frucht bietet einen Unterschied zwischen dem
weissen und schwarzen Epheu dar, denn einige haben so
bittere Beeren, dass sie kein Vogel anrührt. Es giebt noch
einen steifen Epheu, der ohne Stützen steht, und deshalb
unter allen Arten allein Cissus genannt wird. Dahingegen
heisst der, welcher auf der Erde hinkriecht, Zwergepheu ^).
•) Nämlich der Edera.
-) maminae.
■'') Chamaecissos. Antirrhinum Asarina L.
Sechszehntes Buch. 215
63.
Dem Epheu ähnlich ist die zuerst aus Cilicien ge-
kommene, in Giiechenlaud aber häufigere sogenannte
Stechwinde^); sie hat dichte knotige Stengel, buschichte
Zweige mit Dornen, epheuartige, kleine, nicht eckige
Blätter, Ranken welche vom Fruchtstiele ausgehen, weisse
Blüthen und riecht wie Lilien. Ihre Trauben gleichen
denen des wilden Weinstocks, nicht des Epheu, sind roth
gefärbt, die grösseren Beeren haben jedesmal 3 Kerne, die
kleinern nur einen, welche hart und schwarz sind. Man
hält sie bei allen heiligen Gebräuchen und in Kränzen für
uuglückbringend, weil sie einen traurigen Ursprung hat;
eine Jungfrau dieses Namens wurde nemlich aus Liebe zu
einem Jünglinge Crocus in diesen Strauch verwandelt. Der
gemeine Mann, der diess nicht weiss, verunreinigt dadurch
meistens seine Feste, indem er ihn für einen Epheu hält;
denn wer weiss nicht, dass sie sich damit als Dichter,
Bacchus oder Silenus bekränzen? Aus der Stechwinde
macht man Schreibtafeln, und das Holz hat die Eigenschaft,
einen gelinden Laut von sich zu geben, wenn man es au's
Ohr hält. Der Epheu soll eine merkwürdige Eigenschaft
haben, die ihn zur Prüfung der Weine fähig mache; ein aus
seinem Holze gefertigtes Gefäss soll nemlich den reinen
Wein hindurch lassen, und das etwa beigemischte Wasser
zurückhalten.
64.
Unter den Pflanzen, welche einen kalten Standort
Heben, müssen wir billig auch die Wassersträucher an-
führen. Von diesen nimmt das gemeine Rohr 2), welches
durch die Erfahrung im Kriege und Frieden noth wendig
geworden, und selbst als Leckerbissen beliebt ist, den
ersten Platz ein. Die nördlichen Völker decken damit ihre
Häuser, und dergleichen hohe Dächer erhalten sich ganze
Menschenalter hindurch. In den übrigen Theilen des Erd-
kreises hängt man es an die Decken. Die Halme beson-
') Smilax. Smilax aspera L.
^) Arando. Arundo phragmites L., Schilf.
21^ Sechszehntes Buch.
ders der ägyptischen, welche gewissermaassen verwandt
mit der Papierstaude sind, dienen zur Bereitung von Pa-
pier; doch hält man das gnidische und das, was in Asien
am anoitischen See wächst, für besser. Das unsrige ist
schwammiger, die Haut zieht Feuchtigkeit an, der Stiel ist
innen hohl, zeigt aussen dünnes trocknes Holz, lässt sich
spalten, bildet schneidend scharfe Stöcke, und hat Knie-
gelenke; ist übrigens dünn, durch Knoten abgetheilt, geht
allmählig nach oben spitz zu, und trägt einen dicken
Schopf, der nicht ohne Nutzen ist. Man füllt nemlich da-
mit, statt der Federn, die Betten in den Wirthshäusern aus;
oder, man stösst es wo es holziger und härter ist, wie in
Belgien, und kalfatert damit die Schiffe, denn es macht
die Fugen dicht, ist zäher als Leim, und eignet sich besser
zum Ausfüllen der Ritze, als Pech.
65.
Die Völker des Orients führen Kriege mit Rohren i),
an welche sie Spitzen befestigt haben, die der daran be-
findlichen Widerhaken wegen nicht wieder aus der Wunde
gezogen werden können. Den Tod beschleunigen sie da-
durch, dass sie das Rohr befiedern 2), und bricht der Pfeil
«elbst in den Wunden ab, so wird aus ihm ein neuer.
Mit diesen Geschossen verdunkeln sie sogar die Sonne;
daher wünschen sie auch vorzugsweise heitere Tage und
hassen Wind und Regen, welche sie Friede untereinander
zu halten zwingen. Und wenn man nun die Aethiopier,
Aegypter, Araber, Indier, Scythen, Bactrier, die vielen sar-
matischen und orientalischen Völkerschaften und alle
Reiche der Parther zusammenrechnet, so ist ein fast gleich
grosser Theil der Menschen auf der ganzen Welt durch
Rohr überwunden. Hauptsächlich sind durch seinen Ge-
brauch die Krieger in Greta berühmt geworden. Sowie
aber in allen übrigen Dingen, besitzt auch in diesem Ita-
lien die Krone, denn kein Rohr eignet sich besser zu
*) Calami.
^) Weil dadurch der Pfeil schneller fliegt und sein Ziel erreicht»
Sechszebntes Buch. 217
Pfeilen, als das im Rhenus, einem bononiensi sehen Flusse
wachsende, welches am meisten Mark enthält, dieses Ge-
wichts wegen sehr schnell fliegt und selbst gegen den
Wind das Gleichgewicht behauptet. Das belgische hat
diese Vorzüge nicht. Das cretische gehört zu den bessern,
doch wird ihm das indische vorgezogen, unter welchem
manches von anderer Beschaffenheit zu sein scheint, da es
mit langen Spitzen beschlagen wird und die Stelle der
Wurfspiesse vertritt. Das indische Rohr i) ist so gross wie
ein Baum, und wir sehen dergleichen häufig in den Tem-
peln der Götter. Wie die Indier sagen, unterscheidet sich
auch hier das Männchen von dem Weibchen, jenes soll
nemlich dichteres, und dieses mehr Holz haben. Wenn wir
den Berichten glauben wollen, so dienen einzelne Schüsse -)
als Fahrzeuge. Es wächst am meisten um den Fluss
Acesines.
Aus einem Stocke kommen stets viele Rohre, und
schneidet mau sie ab, so wachsen sie noch zahlreicher
nach. Die Wurzel ist sehr lebenskräftig, und gleichfalls
voller Gelenke. Nur das indische Rohr hat kurze Blätter;
diese wachsen aber allemal aus einem Knoten und über-
ziehen sich rund herum mit einer dünnen Haut, doch hört
diese Bekleidung meistens vom mittelsten Schusse an auf,
und sie senken sich nieder. Das Schilf und Rohr haben
in der Runde zwei Seiten, da ein ums andere über den
Knoten ein Auge ^) ist, so dass abwechselnd eins zur
Rechten, das andere an dem höhern Gelenk zur Linken
liegt. Hier kommen zuweilen Aeste heraus, welches dünne
Rohre sind.
66.
Es giebt vom Rohre viele Arten. Eins ist dichter,
hat mehr Knoten und kurze Internodien; ein anderes, we-
nigere und grössere, und das Rohr selbst ist dünner. Noch
') D. i. Bambusrohr, Bambusa arundinacea L.
^) internodia.
^) inguen.
218 Sechszehntes Buch,
ein anderes aber, das sogenannte syringische, ist durchaus
hohl, und eignet sieh am besten zu Pfeifen, weil es
keinen Knorpel und kein Fleisch hat i). Dasorchomenische
ist sogleich mit einer Oeflfnung versehen, und heisst daher
das Flötenrohr; es dient besonders zu Flöten, jenes zu
Pfeifen. Ein anderes hat einen dickem Holzkörper, eine
kleinere Oeffmmg, und ist ganz mit schwammigem Marke
angefüllt. Eins ist kürzer, ein anderes grösser, eins dünner
und eins dicker. Das strauchigste ist das sogenannte donax -),
welches nur im Wasser wächst; denn auch hierin liegt
ein Unterschied, weil das an trocknen Stellen vorkommende
weit mehr vorgezogen wird. Das Pfeilrohr bildet, wie be-
reits erwähnt, eine eigene Art, doch hat das cretische die
längsten Internodien, und lässt sich, warm gemacht, be-
liebig biegen. Auch die Blätter bieten Unterschiede dar,
nicht durch ihre Menge, sondern durch ihre Farbe. Das
lakonische hat bunte und an ihrem untersten Theile dich-
tere Blätter; solches soll überhaupt am stehenden Wasser
wachsen, dem Flussrohre unähnlich, von langen Häuten
umkleidet sein, und nach oben an Dicke zunehmen. Es
giebt auch ein schiefes Kohr, welches nicht gerade in die
Höhe wächst, sondern sich, wie ein Gesträuch auf der Erde
ausbreitet, und wegen seiner Zartheit von den Thieren sehr
gesucht wird. Einige nennen es das vorzügliche 3). In
Italien wächst auch eins, Namens Adarca, in Sümpfen,
dessen unmittelbar unter dem Schöpfe befindliche Rinde
sehr gut für die Zähne ist, denn sie besitzt dieselbe Kraft
wie der Senf.
Die Bewunderung des Alterthums nöthigt mich, von
den Rohrgebüschen des orchomenischen See's etwas aus-
führlicher zu reden. Das dickere und stärkere nennt mau
Pfahlrohr 1), das schwächere aber Schwimmrohr''); dieses
ist auf schwimmenden Inseln, jenes an den Ufern des aus-
getretenen See's entstanden. Eine dritte Art ist das zu
*) Saccharum Ravennae L.
^) 6ova§, der gi-iechische Name des Rohrs. Arund o Donax L.
3) elegia. ^) Characias. *) Plotias.
Sechszehntes Buch. 219
Flöten dienende Rohr, welches auch deshalb Flötenrohr
heisst. Dieses entstand im 9. Jahre; der See erreichte
nemlich in diesem Zeiträume seinen hohen Stand, und man
hielt es für ein Wunder, wenn er einmal innerhalb 2 Jahren
angeschwollen war, was man bei Chaeronea, in der un-
glücklichen Schlacht der Athenienser, und öfters zu Lebadia
beim Einflüsse des Cephissus bemerkt hat. Wenn nun
die Ueberschwemmung 1 Jahr gedauert hat, so bekommt
es eine solche Stärke, dass es zum Vogelfange gebraucht
werden kann, und heisst alsdann Sprenkelwehr i). Da-
gegen fand sich, wenn das Wasser früher zurücktrat, das
dünne Seidenrohr 2), dessen Weibchen breitere und weissere
Blätter, wenig oder gar keine Wolle haben und wovon die
besten den Namen Verschnittene führen. Diess lieferte das
Material zu den Flöten, und wir wollen die auf diesen
Zweig der Kunst verwendete wunderbare Sorgfalt, welche
es verzeihlich macht, dass man jetzt auf silbernen Flöten
bläst, nicht mit Stillschweigen übergehen. Bis zur Zeit
des Flötenspielers Antigenides, als man sich noch der ein-
fachen Spielkunst bediente, pflegte man diess Rohr zur
rechten Zeit, wenn der Arcturus scheint, zu schneiden, und
so vorbereitet fing es nach einigen Jahren an, brauchbar
zu werden. Alsdann musste man es noch durch viele
Hebung brauchbar machen, und durch Zusammenziehung
der Häutchen ^) die Flöten gleichsam selbst zum Spielen
abrichten, wodurch sie geeigneter bei den Schauspielen
wurden. Als aber die Veränderung eintrat, dass selbst die
Musik zur Ueppigkeit wurde, fing man an, es vor dem
längsten Tage abzuschneiden, wodurch es im 3. Jahre seine
Brauchbarkeit erlangte, denn die Hautfalten standen jetzt
mehr offen, um die Töne zu brechen, und so ist es auch
noch heutigen Tages. Damals war man aber noch der
Meinung, dass nur Flöten aus ein und demselben Rohre
zusammenstimmten, und dass die der Wurzel zunächst ge-
') Zeugites. -) Bombycia. ^) ligulae.
220 Sechszehntes Buch.
standene sich zur linken ^), und die der Spitze nächste sich
zur rechten eigne. Hiebei gab man denen, welche der Ce-
phissus selbst bespühlt hatte, einen weit grösseren Vorzug.
Jetzt macht man die Opferflöten der Tuscer aus Buxbaum,
die Schauspielflöteu aus Lotus, Eselsknocheu und Silber.
Zum Vogelstellen ist das panhormische, und zum Fisch-
fange das abaritanische aus Afrika das beste.
67.
Das italienische Kohr wird am meisten in den Wein-
bergen benutzt. Nach Cato soll man es in feuchtes Erd-
reich, welches zuvor mit dem Doppelspaten umgegraben
ist, einsetzen, die Augen aber 3 Fuss weit von einander
legen. Daneben soll der wilde Spargel 2), aus dem der
essbare wird, stehen, denn beide hielten freundschaftlich
zusammen; um dasselbe herum aber die Weide, ein Baum,
der keinem Wassergewächse an Nützlichkeit nachsteht,
während die Pappeln den Weinstöcken gefallen und den
cäcubischeu Wein aufziehen, die Erlen, ans Wasser ge-
pflanzt, das Land durch ihre Verzäunung schützen, und die
Felder gegen den Andrang der anschwellenden Flüsse
gleichwie eine Ufermauer bewahren, und, wenn sie behauen
sind, noch durch ihre dichtstehenden und zahlreichen
Schösslinge nützlich werden.
68.
Von der Weide 3) führen wir sogleich mehrere Arten
an. Einige nemlich schiessen hoch auf, liefern für die
Weingärten die Querlatten, und von ihrer gürtelartigen
Rinde Bänder. Andere geben Ruthen, welche die zum
Binden nöthige Zähigkeit besitzen; von andern, sehr dünnen,
werden feine Flechtwerke gemacht. Noch andere, welche
fester sind, dienen zu Körben und viele andere zum Haus-
') Tibia laeva (sinistra) hielt der Pfeifer in der Unken Hand;
sie war kürzer als die rechte, hatte mehrere Löcher, und gab einen
höhern Ton an. T. dextra hielt er in der rechten; sie war länger,
hatte weniger Löcher, und gab einen tiefern Ton an.
^) Corruda. Asparagus acutifolius L.
^) SaUx. Mehrere Species, als fragilis, alba, HeUx etc.
Sechszehntes Buch. 221
geräth der Landleute. Nach Hinwegnahme der Riude sind
sie weisser, lassen sich leicht biegen, und geben wohlfeilere
Geschirre, welche so fest wie aus Leder bereitet, sind,
eignen sich auch besonders gut zu bequemen Lehnsesseln.
Durch das Behauen wird die Weide fruchtbar, der behauene
Theil wird dichter und treibt eher aus einem kurzen
Knollen, als Aeste. Dieser Baum verdient daher, wie mir
scheint, eine besondere Beachtung; denn keiner giebt
sicherere Einkünfte, macht weniger Unkosten, und trotzt
der Witterung mehr.
69.
Cato räumte der Weide bei der Schätzung eines Land-
guts den dritten Platz ein, und setzte ihn vor die Oelbäume,
das Getreide und die Wiesen; aber nicht etwa deshalb,
weil es au sonstigem Bindwerke fehlt, denn auch die
Ginster, Pappeln, Ulmen, rothen Sträucher, Birken, das
gespaltene Rohr, die Rohrblätter wie in Ligurien, selbst
der Weinstock, die von den Stacheln befreieten Brombeer-
sträuche, und der einwärts gedrehete Haselstrauch dienen
zum Binden, und es ist merkwürdig, dass, wenn man das
Holz von einer dieser Arten klopft, die bindende Kraft er-
höhet wird. Die Weide hat jedoch hierin einen besondern
Vorzug. Die griechische röthliche wird gespalten; ebenso
die weissere amerinische 0, doch ist diese etwas zerbrech-
licher, man bindet daher mit dem ganzen Zweige. In
Asien kommen 3 Arten vor: die schwarze, welche die besten
Flechtruthen liefert, die weisse zum Gebrauche der Land-
leute, und die dritte, welche am kleinsten ist und Helix
heisst. Bei uns belegen Viele ebenso viele Arten mit
Namen; die eine nennen sie Flechtweide oder die purpur-
rothe, die zweite, welche zarter ist, die eichhornfarbige,
und die dritte, dünnste, die gallische.
70.
Die zerbrechlichen Sumpfbinsen 2), welche zu Dächern
') Diess ist keine Weide, sondern Vitex Agnus castus.
^) Scirpi palustres.
222 Sechszelintes Buch.
und Decken gebraucht werden, kann man weder zu den
Sträuchern, noch zu den Dornen, Stengeln, Kräutern oder
sonst wozu rechnen, sondern muss eine eigene Gattung
aus ihnen machen. Sie dienen auch, nachdem man die
Rinde abgezogen hat, zu Lichtern in Lampen und bei
Leichenbegängnissen. An manchen Orten sind sie etwas
steifer und fester; denn mit ihnen segeln nicht nur die
Schiffer auf dem Po, sondern auch der afrikanische Fischer,
welcher, verkehrter Weise, die Segel zwischen den Mast-
bäumen aufspannt. Auch bedecken die Mauren ihre Hütten
damit, und der genauere Beobachter wird finden, dass diese
Binsen dasselbe sind, was am untern Theile des Xils den
Gebrauch der Papierstaude vertritt.
7L
Unter die strauchartigen Wassergewächse werden auch
die Brombeere') und der HoUunder-) gerechnet,
welche zu den schwammigen Arten gehörigen, aber doch
anders als die Gartenstauden beschaffen sind, denn der
Hollunder hat wenigstens mehr Holz. Die Hirten glauben,
er gäbe eine besser klingende Trompete und Hörn, wenn
sie ihn da abschneiden, wo er das Krähen des Hahnes
nicht hört. Die Brombeersträuche tragen maulbeerartige
Früchte 3), und auf einer andern Art wächst etwas der
Rose ähnliches, welche Hagebutte^) heisst. Die dritte Art
heisst bei den Griechen nach ihrem Yaterlaude die idäische ^),
ist dünner als die übrigen, hat nicht so viele und weniger
gekrümmte Stacheln. Hire Blüthe wendet man mit Honig
zum Auflegen auf triefende Augen und auf die Rose an;
gegen Magenübel trinkt man auch eine wässrige Abkochung
davon. Der Hollunder trägt kleine schwarze Beeren, welche
eine zähe, zum Färben der Haare sehr taugliche Feuchtig-
keit enthalten; auch werden sie mit Wasser gekocht
gegessen.
*) Rubus. -) Sambucus. Sambucus nigra L.
3) Diess ist Rubus fruticosus L. ^) Cynosbatos.
^) Rubus idaeus L.
Sechszehntes Buch. 223
72.
Auch in der Rinde der Bäume befindet sich eine
Feuchtigkeit, welche als ihr Blut angesehen werden kann,
jedoch nicht bei allen gleich ist. Die Feigen haben einen
milchigen Saft, und dieser besitzt die Kraft des Labs beim
Käsemachen; die Kirschen einen gummigen, die Ulmen
einen speichelartigen, die Aepfel einen zähen und fetten,
die Weinstöcke und Birnen einen wässrigen. Die mit zähen
Safte begabten leben länger. Ueberhaupt sind die Bäume,
gleich den übrigen Thieren, mit Haut, Blut, Fleisch, Nerven,
Adern, Knochen und Mark versehen, und ihre Rinde ver-
tritt die Stelle der Haut. Eine merkwürdige Erscheinung
ist, dass, wenn die Aerzte im Frühling Morgens um die
zweite Stunde vom Maulbeerbaume Saft holen wollen, der-
selbe durch Anschlagen mit einem Steine ausfliesst, sammelt
man ihn dagegen später, so erscheint er trocken. Dann
folgt bei den meisten zunächst das Fett, was von seiner
Farbe der Splint genannt wird, den weichen und schlech-
testen Theil des Holzes bildet, selbst an der Eiche leicht
fault, und dem Wurmfrasse ausgesetzt ist, daher stets hin-
weggenommen werden muss. Unter diesem liegt das
Fleisch, und darunter die Knochen, d. h. der beste Theil
des Holzes. Die Früchte wechseln bei denjenigen Bäumen,
welche trockenes Holz haben, wie bei den Oelbäumen,
mehr ab, als bei denen mit saftigerm Holze, wie z. B. den
Kirschen. Auch haben manche Bäume, ebenso wie die
reissendsten Thiere, nur wenig Fett und Fleisch. Der Bux-
baum, die Kornelkirsche und der Oelbaum haben keins
von beiden, auch kein Mark und nur äusserst wenig Blut.
Die Speierlinge haben keine Knochen, die Hollunder kein
Fleisch, (beide aber sehr viel Mark) und die Rohre fast
gar keins.
73.
In dem Fleische^) einiger Bäume sind weichere
') D. i. Holze.
224 Sechszehntes Buch.
Theile^) und Adern (härtere Fasern). Beide lassen sieh
leicht von einander unterscheiden, denn in dem spaltbaren
Holze sind die Adern breiter und die weichem Theile
weisser. Daher kommt es, dass, wenn man das Ohr an
das Ende eines sehr ^angen Balkens hält, man den am
andern Ende, selbst mit einem Griffel gethauen Schlag
hört, denn der Schall dringt durch die geraden Gänge.
Ebenhieraus wird man auch gewahr, ob das Holz gedreht
oder durch Knoten unterbrochen ist. An einigen befinden
sich Auswüchse, sowie im Fleische Drüsen; in diesen sind
weder Adern noch weiche Theile, weil hier das harte
Holz gleichsam in sich selbst zusammengewickelt ist. Diess
ist eben das schätzbarste an dem Citrus und dem Ahorn.
Die übrigen Tische werden aus Bäumen, welche den
weichern Theilen entlang gespalten sind, gedrehet, denn
das in der Quere geschnittene Holz wäre wegen der Adern
zu zerbrechlich. Bei der Buche gehen Querfasern durch
weichere Theile, daher standen die daraus bereiteten Ge-
fässe bei den Alten im Ansehen. Manius Curius schwor,
er habe von der Beute nichts angerührt als eine buchene
Giesskanne, um damit zu opfern. Das Holz wird der
Länge nach immer lockerer, denn der der Wurzel zunächst
befindliche Theil ist der festere. Bei einigen haben die
weichern Theile keine Adern, sondern bestehen bloss aus
dünnen Fasern, und diese lassen sich am besten spalten.
Andere, denen die weichern Theile fehlen, brechen leichter
als sie sich spalten, wie die Oelbäume und Weinstöcke.
Dahingegen besteht der ganze Körper des Feigenbaumes
aus Fleisch. Ganz knochenartig ist es bei der Stecheiche,
Kornelkirsche, der gemeinen Eiche, dem Cytisus, dem Maul-
beerbaum, dem Ebenbaum, dem Lotos, und denen, welche,
wie schon gesagt wurde, kein Mark haben.
Die übrigen haben eine schwärzliche Farbe, das Fleisch
der Kornelkirsche eine gelbliche, welche an Jagdspiessen
schön aussieht, wenn es zur Zierde gelenkweise eiuge-
') Pulpae.
Sechszehntes Buch. 225
schnitten ist. Die Ceder, der Lärchenbaum und Wachhol-
der haben röthliches. Das Fleisch der weiblichen Lärche,
welches bei den Griechen Schildholz heisst, ist von honig-
gelber Farbe, liegt zunächst dem Marke, und man hat ge-
funden, dass dasselbe für die Tafeln der Maler ewig hält,
denn es bekommt keine Risse. Bei der Tanne nennen es
die Griechen das steinige. Auch an der Ceder ist das dem
Marke am nächsten liegende das Härteste, sowie am Körper
die Knochen, wenn man nur den Schleim davon abschabt.
Ferner soll das Innere des Holländers ausserordentlich
hart sein, denn die Verfertiger von Jagdspiessen ziehen es
allen andern vor, weil es aus Haut und Knochen besteht.
74.
Diejenigen Bäume, welche geschält, und zu Tempeln
und anderm Behufe gerundet werden sollen, muss man
fällen, wenn sie ausschlagen, denn sonst kriegt man die
Rinde nicht los, der Wurm entsteht darunter, und das Holz
wird schwarz. Bauholz und solches, denen die Axt die
Rinde nimmt, fällt man vom kürzesten Tage an bis zum
Favonius, oder wenn man eher dazu genöthigt ist, beim
Untergange des Arcturus, und vor ihm bei Untergange der
Leyer i), nach neuestem Dafürhalten aber im Solstitium.
Die Tage dieser Gestirne sollen gehörigen Orts angeführt
werden 2). Gewöhnlich glaubt man, es sei hinreichend,
wenn Bäume nicht eher gehauen werden, bis sie ihre
Früchte getragen haben. Im Frühlinge gefälltes Eichen-
holz wird wurmstichig, im Winter darf es weder gefahren,
noch an die Luft gelegt werden, sonst ist es leicht dem
Fehler, sich zu krümmen und zu reissen, ausgesetzt, was
bei der Korkeiche selbst dann stattfindet, wenn sie zur
rechten Zeit gefällt war. Auch auf den Mond kommt sehr
viel an, und man soll nur vom 20. bis zum 30. Tage Holz
schlagen; Alle kommen aber darin überein, es geschehe
am zweckmässigsten bei der Zusammenkunft dieses Ge-
») Fidicula. -) Siehe XVIII. B. 59. Cap.
Wittsteiu: Pliimis. III. Bd. I5
226 Sechszehntes Buch.
stirns, welchen Tag Einige den Neumond, Andere den
schweigenden Mond nennen. Wenigstens befahl der Kaiser
Tiberius, als die Schiffkampfbriicke abgebrannt war, dass
die zur Wiederherstellung derselben erforderlichen Lärchen-
bäume in Rhätien um jene Zeit gefällt werden sollten^
Einige sagen, es müsse geschehen, wenn der Mond in der
Zusammenkunft und unter der Erde sei; diess (letztere)
kann aber nur des Nachts eintreten. Fällt die Zusammen-
kunft auf den kürzesten Tag, so soll das Holz unveränder-
lich bleiben, und ihm zunächst stehe das, was zur Zeit der
obengenannten Gestirne geschlagen ist. Einige fügen noch
den Aufgang des Hundssterns hinzu und zu dieser Zeit soll
das Holz zum Forum des Augustus gefällt worden sein.
Doch eignen sich weder ganz junge, noch ganz alte Bäume
gut zu Nutzholze. Manche lassen die bis auf's Mark an-
gehauenen Bäume noch einige Zeit stehen, was den Nutzen
hat, dass alle Feuchtigkeit von ihnen abläuft. Merkwürdig
ist die Thatsache, dass im ersten punischen Kriege die
Flotte des Feldherrn Duillius schon am 60. Tage, nachdem
das Holz dazu gehauen war, absegelte. L. Piso schreibt
sogar, eine gegen den König Hiero i) bestimmte Flotte von
220 Schiffen sei in 45 Tagen gezimmert worden. Auch
im 2. punischen Kriege war die Flotte des Scipio 40 Tage
nach c'er Fällung des dazu verwendeten Holzes segelfertig.
Soviel vermag selbst in der grössten Eile die rechte Zeit.
75.
Cato, der unter den Männern, welche nützliche Anwei-
sungen gaben, den ersten Rang behauptet, sagt über die
verschiedenen Hölzer noch folgendes. „Die Presse mache
vorzugsweise aus der schwarzen Tanne. Ulmen, Fichten,
Nussbüume und alles andere Bauholz musst du im abneh-
menden Monde Nachmittags wenn kein Südwind weht, und
zwar dann ausgraben, wenn der Same reif ist. Hüte dich,
') Hiero II. Sohn des Hierokles, ward -270 König von Syrakus
und regierte bis 215 v. Chr. Er soll Bücher über den Ackerbau ge-
schrieben haben.
S'echszehntes Buch. 227
es durch Thau zu ziehen, oder in demselben zu behauen."
Weiter fügt derselbe hinzu: „Rühre das Holz nur beim
Neumonde oder halben Monde an. Grabe es alsdann nicht
aus oder haue es an der Erde ab; die nächsten sieben
Tage nach Vollmond sind, die besten zum Ausgraben.
Hüte dich überhaupt, schwarzes Holz zu behauen, zu fällen
oder zu berühren, wenn es nicht trocken, auch dann nicht,
wenn es gefroren oder bethauet ist." Tiberius liess sich
immer nur beim Neumonde die Haare schneiden. M. Varro
räth wider das Ausfallen der Haare, man solle sich die-
selben gleich nach dem Vollmonde schneiden lassen.
7(3.
Aus der gefällten Lärche und noch mehr aus der
Tanne, fliesst der Saft noch lange Zeit aus; sie sind unter
allen Bäumen die höchsten und geradesten. Zu Mastbäu-
men und Segelstangen zieht man, der Leichtigkeit wegen,
die Tanne vor. Sie haben das mit der Fichte gemein,
dass sie 4theilige oder 2 theilige oder bloss einzelne Ader-
läufe enthalten. Zu den innern Arbeiten der Tischler
lässt sich das Mark zerschneiden. Das beste Holz haben
die 4 aderigen; auch ist es weicher als an andern Bäumen.
Sachkundige sehen diess ^) gleich an der Rinde. Der der
Erde zunächst stehende Theil der Tanne hat keine Kno-
ten; er wird auf die bereits angezeigte Weise gewässert und
geschält und heisst nun Saftstück 2). Der obere Theil ist
knotig, härter und heisst das Knorrenstück 3). An den
Räumen selbst aber ist die Nordseite die kräftigere. Ue-
berhaupt liefern die auf feuchtem und schattigem Boden
wachsenden Bäume schlechteres, die von sonnigem Boden
dagegen dichteres und dauerhafteres Holz. Daher werden
zu Rom die Tannen aus Unteritalien denen von Oberitalieu
vorgezogen. Auch ist es nicht einerlei, aus welcher Gegend
sie kommen. Auf den Alpen und dem Apennin, in Gallien
auf dem Jura und den Vogesen, ferner in Corsica, Bithy-
') Nämlich, ob ein Stamm 4aderig ist. -) Sapinus.
^) Fusterna von fustis, Knüttel.
15*
228 Sechszehntes Buch.
uien, Pontus uud Macedouieu fiudeu sich die besten.
Schlechter sind die äueatisclien und arcadischen, am schlech-
testen die parnassischen und euböischen, weil diese viel
Aeste und Knorren haben und leicht faul werden. Die
Ceder von Greta, Afrika und Syrien ist die beste. Holz,
was mit Cederöl bestrichen ist, wird weder wurmstichig
noch faul. Dieselbe schützende Kraft besitzt der "Wach-
holder. Dieser wird in Spanien, besonders im Gebiete der
Vaccäer sehr gross; sein Mark ist auch überall fester als
das der Ceder. Ein allgemeiner Fehler alles Holzes sind
die Krümmungen '), wo sich die Adern und Knoten in ein-
ander gewickelt haben. In einigen Bäumen finden sich
auch, ebenso wie im Marmor, sogenannte Härten -), welche
so hart wie ein Nagel sind und den Sägen sehr schaden;
einige von diesen kommen zufällig in den Baum, wenn
ein Stein oder ein Ast eines andern Baumes ins Holz ein-
wächst.
Zu Megara stand lange Zeit hindurch ein wilder Oel-
baum auf dem Markte, an welchem tapfere Männer ihre
Waffen befestigt hatten, die mit der Zeit durch die da-
rüberwachseude Rinde verborgen wurden. Dieser Baum
ward unheilbringend für die Stadt, denn das Orakel hatte
ihr den Untergang prophezeihet, wenn ein Baum Waffen
trüge; diess war denn auch der Fall, als man den Baum
umhieb, denn mau fand darin Beinharnische uud Helme.
Man sagt, die Steine welche man in Bäumen fände, wären
ein Mittel, die Frucht zu erhalten. Für den grössten Baum
bis auf diese Zeit wird der gehalten, welchen man in Rom
gesehen hat, und den der Kaiser Tiberius der Merkwür-
digkeit wegen auf derselben Schiffkampfbrücke *) nebst dem
übrigen Holze hatte ausstellen lassen, und der daselbst
bis zum Bau des Amphitheaters des Kaisers Nero blieb.
Man hatte auch einen Balken von einem Lärchenbaume,
der 120 Fuss lang und überall 2 Fuss dick war. Hieraus
') Spirae. ^j Centra.
3) pons iiauniachiarius, von der im 74. Cap. die Rede war.
Sechszehntes Buch. 229
konnte man abnehmen, dass seine ganze Höhe bis zuv
Spitze fast ins Unglaubliche ging. In unserer Zeit fand
sich auch einer, den M. Agrippa in den Gallerien der
.Schranken i) der Merkwürdigkeit wegen liegen gelassen
hatte,- der bei dem Bau des Diribitorium's 2) übrig geblieben,
20 Fuss kürzer, und anderthalb Fuss dick war. Eine ganz
besonders bewuudernswerthe Tanne sah man auf einem
Schifife, welches auf Befehl des Kaisers Cajus den auf dem
vaticanischen Circus errichteten Obelisk und 4 Steinblöcke
zu dessen Grundlage aus Aegypten brachte; und gewiss
trug das Meer nie etwas Staunenswertheres als dieses
Schiff, denn es führte 120,000 Modius Linsen als Ballast.
Seine Länge nahm grösstentheils den linken Raum des
ostiensischen Hafens ein, denn dort Hess es der Kaiser
Claudius nebst drei auf demselben aus puteolanischer Erde
erbaueten thurmhohen Massen versenken. Um den Baum
zu umspannen, waren 4 Menschen nothwendig. Man hört
insgemein, dass Stämme zu Mastbäumen für 80 und
mehr Sesterzen, die meisten daraus zusammengesetzten
Flösse aber für 40,000 Sesterzen verkauft werden. Die
Könige in Aegypten und Syrien sollen aus Mangel au
Tannen, Cedern zu ihren Flotten genommen haben.
Die grösste von diesen war angeblich in Cypern zu der
elfrudrigen Galeere des Demetrius gefällt, 130 Fuss lang,
und so dick, dass erst 3 Männer sie umspannen konnten.
Die deutschen Seeräuber fahren in einzelnen ausgehöhlten
Bäumen, von denen manche 30 Menschen tragen.
Für das dichteste, mithin auch das schwerste Holz
hält man den Eben- und Buxbaum, welche beide von Na-
tur dünn sind; keines von beiden schwimmt in Wasser,
auch nicht das Korkholz nach hinweggenommener Rinde,
und das Lärchenholz, Von den übrigen hat der in Rom
sogenannte Lotus das trockenste; auf diesen folgt die vom
') septa, innerhalb welchen das römische Volk in Comitiis votirte.
■-) sc. aedificium, ein Gebäude, wo die Täfelchen zum Votiren
ausf'etheilt wurden.
230 Sechszehntes Buch.
Splinte befieiete Eiche, deren Farbe schwärzlich ist, noch
mehr aber ist diess beim Cytisus der Fall, welcher dem
Ebenholze am nächsten zu kommen scheint. Doch behaup-
ten Viele, die syrischen Terebinthen seien schwärzer.
Auch rühmt man einem gewissen Thericles, der aus Tere-
binthenholze Becher mit dem Dreheisen, welches zum
Untersuchen des Holzes dient, verfertigt habe. Dieses
Holz ist das einzige, welches mit Oel geschmiert und da-
durch besser wird. Seine Farbe wird dadurch sehr ver-
fälscht, dass man Holz vom Nussbaum und der wilden
Birne färbt und in irgend einem Mittel abkocht. Alle eben
genannten Hölzer sind dicht und fest. Ihnen zunächst
kommt die Kornelkirsche; da ihr Holz aber so ausseror-
dentlich dünn ist, kann man es fast zu nichts andern als
zu Radspeichen, oder wenn etwas im Holze zu verkeilen
oder wie mit eiserneu Nägeln zu befestigen ist, gebrauchen ;
desgleichen die Stecheiche, der wilde und zahme Oelbaum,
die Kastanie, Hainbuche und Pappel. Letztere hat, gleich
dem Ahorn, krauses Holz, und eignet sich ganz besonders
zum Bauen, wenn man die Aeste oft abhauet; durch eine
solche Verstümmlung werden ihr aber die Kräfte genommmen.
Uebrigens haben die meisten von diesen, namentlich aber
die Eiche, eine solche Härte, dass sie nur im befeuchteten
Zustande gebohrt werden können, und ein eingeschlagener
Kagel nicht wieder heraus zu reissen ist. Dahingegen
haftet kein Nagel im Cederholze. Am weichsten und wie
es scheint auch am wärmsten, ist das Lindenholz, denn es
macht, wie mau sagt, die Aexte sehr schnell stumpf. Auch
die Maulbeere, der Lorbeer, der Epheu und alle die, aus
denen man Feuerzeuge fertigt, haben warmes Holz.
77.
Die Kundschafter im Lager und die Hirten erfanden
den Gebrauch der Feuerzeuge, weil mau nicht immer
Steine zum Feuerschlagen bei der Hand hat. Man reibt
nämlich Holz an Holz, bis es Feuer fasst, und fängt diess
in trocknem Zunder, Schwämme oder Blatte sehr leicht auf.
Nichts eignet sich besser, um gerieben zu werden als
Sechszehntes Buch. 231
Epheu-, und zum Reiben als Lorbeerliolz. Auch eine Art
wilden Weins, aber verschieden von der Labrusca, welche
ebenso wie der Epheu an Bäumen hinauf klettert, passt
recht gut dazu. — Alle Wassergewächse sind sehr kalt, aber
sehr zähe, und daher zur Verfertigung von Schilden ganz
besonders verwendbar, denn ein hineingekommener Hieb-
riss zieht sich bald wieder zusammen , und die Wunde
schliesst sich, daher Eisen nur mit Mühe hindurchgeht.
Hierher gehören die Feigen, Weide, Linde, Birke, derHoUunder
und die Pappeln. Unter diesen ist die Feige und Weide am leich-
testen,unddaher am nützlichsten; alle aber eignen sich zu Kisten
und zu geflochtenem Behältern. Sie sind auch weiss, steif und
leicht zu Schnitzwerken zu verarbeiten. Die Platane und
Erle sind zähe aber nass. Letztere ist trockner als die
Ulme, Esche, Maulbeere und Kirsche, aber schwerer. Die
Ulme behält ihre Steifigkeit am längsten, daher i3as8t sie
sehr gut zu Angeln und dichten Besetzungen i) der Thüren,
weil sie sich fast gar nicht krümmt, nur muss man sie so
stellen, dass ihre Spitze nach der untern Angel, ihre Basis
nach der obern gerichtet ist. Das Holz der Palme und
Korkeiche ist weich; das des Apfel- und Birnbaumes dicht;
desgleichen das des Ahorns, aber zerbrechlich wie alles
Maserholz, Unter allen vermehren die wilden und männ-
lichen Bäume die Unterschiede einer jeden Art. Auch
sind unfruchtbare fester von Holz als fruchtbare, wenn sie
nicht in einer Art Männchen tragen, wie die Cy presse und
Kornelkirsche.
78.
Weder faul noch alt werden die Cy presse, Ceder,
der Ebenbaura, Lotus, Buxbaum, Taxus, Wachholder, wilde
und zahme Oelbaum; von den übrigen am spätesten die
Lärche, gemeine Eiche, Korkeiche, Kastanie, welsche Nuss.
Weder Spalten noch Risse kriegt von selbst die Ceder,
Cypresse, der Oelbaum und Buxbaum.
79.
Für die unvergänglichsten Hölzer hält man das
') crassamenta.
232 ;Sechszehntes Buch.
des Ebenbaumes, der Cypresse und Ceder, wozu die Be-
weise am Tempel der Diana zu Epbesus klar vorliegeu>
welcher mit Hülfe von ganz Asien in 400 Jahren vollendet
wurde. Darüber ist man einig, dass das Dach aus Ceder-
balken besteht; wegen des Bildnisses der Göttin selbst
walten noch Zweifel ob; Andere sagen, es sei von Eben-
holz, Mucianus aber, der 3 mal Consul war, berichtet laut
Denen, welche nach eigner Anschauung darüber geschrie-
ben haben, es sei von Weinrebenholze, und, während der
Tempel 7 mal wieder aufgebauet wurde, niemals verändert
worden. Er nennt sogar einen Künstler Pandemion, der
diess Holz ausgesucht habe, was mich sehr wundert, da er
ihm ein höheres Alter nicht nur als dem Bacchus, sondern
auch als der Minerva beigelegt. Er setzt noch hinzu, diess
Standbild werde durch viele Löcher mit Nardenöl befeuch-
tet, damit es nicht verderbe, und die Fugen dicht bleiben
— W'Obei ich wiederum bewundere, dass ein so massiges
Bild dergleichen i) hat. Die Thorflügel sollen von Cypres-
senholz sein und, obschon nun fast 400 Jahre alt, noch
wie neu aussehen; auch bedenke man, dass sie 4 Jahre
lang im Leim 2) gestanden haben. Man wählte Cypressen-
holz dazu, weil bei ihm allein der Glanz unvergänglich
ist. Existirt nicht noch die aus Cypressenholz gefertigte
Statue Jupiter's auf der Burg, welche im 55L Jahre der
Stadt eingeweihet wurde? Merkwürdig ist auch der Tem-
pel des Apollo zu Utika, worin die Balken von numidi-
schen Cedern noch ganz so, wie sie bei Erbauung dieser
Stadt vor 1178 Jahren gelegt wurden, beschaffen sind.
Auch soll, wie Bocchus =^) erzählt, zu Sagunt in Spanien
ein Tempel der 200 Jahre vor der Zerstörung Troja's mit
den Erbauern von Zacynthus her dorthin gekommenen
Göttin Diana unterhalb der Stadt stehen, den Hannibal
aus Ehrfurcht verschonte, und dessen Wachholderbalken
noch jetzt vorhanden sind. Vor allem aber wird eines
') Nämlich Fugen. -) In glutinis compage.
3) Ein nicht näher bekannter römischer Schriftsteller.
Sechszehntes Buch. 233
Tempels derselben Göttin in Aulis erwähnt, der mehrere
Jahrhunderte vor dem trojanischen Kriege erbauet worden
ist, und dessen Holzwerk man nicht mehr kennt. Ueber-
haupt kann man sagen, dass alles Holz, welches einen
starken Geruch besitzt, ewig dauert.
Auf die vorgenannten folgt hinsichtlich der Güte zu-
nächst der Maulbeerbaum, dessen Holz durch Alter schwarz
wird. Doch zeigt sich manches Holz zu einem Behufe
dauerhafter, wie zum andern. Die Ulme ist fest in freier
Luft, die Steineiche in der Erde, die geraeine Eiche im
Wasser; die aus letzterer gefertigten Gegenstände bekom-
men über der Erde Risse und krümmen sich. Die Lärche
und schwarze Erle sind besonders da brauchbar, wo es
feucht ist. Das Eichenholz verdirbt durch Seewasser.
Auch die Buche und welsche Nuss eignen sich zu Wasser-
bauten, aber vielleicht am besten zum Einsetzen in die
Erde; ebenso der Wach holder, welcher auch zu Bauten in
freier Luft ganz vorzüglich ist. Die Buche und Cerreiche
werden schnell welk (morsch). Auch die Speiseiche ver-
trägt keine Nässe. Wird hingegen die Erle an sumpfigen
Orten in die Erde getrieben, so hält sie ewig, und trägt
jede Last. Das Kirschholz ist fest; Ulmen- und Eschen-
holz sind zähe aber leicht hin und her zu biegen, und
wenn sie rund herum angeschnitten auf dem Stamme ge-
trocknet sind, noch besser. Man sagt, in Seeschiffen sei
das Lärchenholz, ja selbst alles aus dem wilden und zah-
men Oelbaume dem Wurmstiche unterworfen. Das eine
verdirbt nämlich eher im Meere, das andere eher auf dem
Lande.
80.
Es giebt vier Arten Würmer, welche das Holz an-
fressen. Der Teredo, welcher einen verhältnissmässig
sehr grossen Kopf hat, nagt mit den Zähnen, lebt nur im
Meere, und ist der einzige seines Namens. Die auf dem
Lande befindlichen heissen Tineae und die, welche den
Mücken gleichen, Thripä. Die vierte Art gehört ebenfalls
zu den Würmern; einige von ihnen entstehen aus dem
234 Sechszehntes Buch.
faulenden Safte des Holzes selbst, andere, wie z. B. die
auf Bäumen, werden von dem sogenannten Kornkäfer er-
zeugt. Wenn dieser so weit um sich gefressen hat,, dass
er sich umdrehen kann, so erzeugt er ein Junges. In
manchem Holze wird die Entstehung dieses Ungeziefers
durch dessen Bitterkeit verhütet, s. B. in der Cypresse;
in andern durch die Härte z. B. im Buxbaum. Man sagt
auch, dass die Tanne, wenn sie in dem von uns gegebe-
nen Mondesstande während ihres Ausschiagens geschält
wird, in Wasser nicht verderbe. Die Gefährten Alexanders
des Grossen haben erzählt, auf der Insel Tylus im rothen
Meere gebe es Bäume, aus denen man Schiffe baue, die
200 Jahre lang brauchbar wären, und, wenn sie untergin-
gen, niclit verfaulten. Eben daselbst wachse auch ein
Strauch, der Stämme nicht dicker als ein gewöhnlicher
Stock trüge, welche tigerartig gefleckt und schwer wären;
fielen diese auf etwas hartes, so zerbrächen sie wie Glas.
81.
Bei uns spaltet sich manches Holz von selbst, daber
lassen die Baumeister solches mit Mist bedecken und so
trocknen, damit ihm die Luft nicht schade. Zum Tragen
von Lasten sind am stärksten: die Tanne und der Lär-
chenbaum, auch wenn sie quer gelegt werden. Die Eiche
und der Oelbaum krümmen sich und geben nach; jene
aber halten, brechen nicht leicht, und werden eher morsch,
als dass sie ihre Kräfte verlieren. Auch die Palme ist gleich-
wie die Pappel stark, aber sie krümmt sich i^der Last)
entgegen und wölbt sich, während alle übrigen Bäume
sich nach unten beugen. Die Fichte und Cypresse werden
am wenigsten morsch und wurmstichig. Das Wallnussholz
krümmt sich leicht (denn auch aus ihm macht man Balken)
und zeigt durch Krachen an, dass es brechen will — ein
Vorfall, der sich zu Antandrus ereignete, wo die Leute,
durch das Geräusch geschreckt, aus den Bädern flohen.
Die Fichte, Rothtanne und Erle werden auch zu Wasser-
leitungsröhren au!?gebohrt. Unter der Erde bleiben sie
viele Jahre hindurch brauchbar; sind sie aber nicht damit
Sechszehntes Buch. 235
bedeckt, so verderben sie bald, halten sich dagegen un-
gleich länger, wenn sie auch von aussen Wasser haben.
82.
Das Tannenholz ist zu Dächern das festeste, sowie
es sich am besten zu Thürriegeln, und allen Holzsachen im
Innern des Hauses eignet, und den griechischen, campa-
nischen und sicilischen Tischlerarbeiten ein schönes An-
sehen giebt, denn bei dem schnellen Ansätze des Hobels
drehen sich die Spähne stets in lankenförmigem Kreise.
Es lässt sich auch mittelst Leim sehr gut zu Wägen ver-
binden, so dass es sogar eher im festen Holze als an den
verleimten Theilen reisst.
83.
Hinsichtlich der Gegenstände welche mit Holzplatten
und auf andere Weise belegt werden, kommt sehr viel auf
den Leim an. Man wählt besonders zu diesem Behuf die
fadigen Streifen, und nennt sie überall, weil sie franzig
kraus sind, der Aehnlichkeit wegen die ferulaartigen.
Manche Holzarten nehmen den Leim nicht an, und lassen
sich durch denselben weder unter sich noch mit andern
vereinigen, wie z. B. das Eichenholz. Auch haften Dinge
von verschiedener Natur nicht leicht aneinander; so z. B.
wird Niemand Holz und Stein durch Leim verbinden kön-
nen. Mit der Kornelkirsche hängt am leichtesten der
Speierling, die Hainbuche, der Buxbaum und hiernach erst
die Linde zusammen. Die Holzarten, welche wir zähe
nannten, sind alle biegsam und leicht zu jeder Arbeit zu
gebrauchen; dahin gehören ferner noch der Maulbeer- und
wilde Feigenbaum. Holz, was nicht zu feucht ist, lässt
sich leicht sägen und schneiden; das trockne wird von der
Säge nicht so leicht angegriffen, das grüne aber, ausser
dem Eichen- und Buxbaumholze, widersteht ihr noch mehr,
und füllt durch seine träge Gleichartigkeit die Zähne der
Säge an, daher man durch abwechselndes Neigen das
Sägemehl herausschaffen muss. Die Esche lässt sich in
jeder Beziehung am besten bearbeiten; zu Spiessen ist sie
besser als der Haselstrauch, leichter als die Kornelkirsche,
23t3 Sechszehntes Buch.
und zähev als der Speierling. Die gallische passt auch
wegen ihrer Biegsamkeit zu Wagen. Die Ulme würde dem
Weinstocke gleichen, wenn sie nicht zu schwer wäre.
84.
Die Buche bearbeitet sich leicht, obgleich sie zer-
brechlich und zart ist; biegt sich in dünnen Brettern,
und passt daher nur zu Kisten und Schränken. Auch die
Stecheiche sägt man in ganz dünne Bretter; sie hat auch
keine üble Farbe und liefert das beste Material zu solchen
Gegenständen, welche der Reibung ausgesetzt sind, wie zu
Radaxen. Zu diesen erweist sich die Esche wegen ihrer
Zähigkeit, die Stecheiche wegen ihrer Härte, und um
beider Eigenschaften willen die Ulme nützlich. Manche
Bäume sind aber auch wegen ihres Nutzens zu kleineu Gegen-
ständen der Holzarbeiter bemerkenswerth, denn man findet
angegeben, dass vom wilden Oelbaum, Buxbaum, der
Stecheiche, Ulme, Esche die besten Griffe zu Bohrern ge-
macht werden; ebenso auch zu Hämmern, jedoch die grös-
sern von der Fichte und Stecheiche. Diese muss man
auch der Festigkeit wegen eher zu rechter Zeit, als zu
früh fällen, denn man weiss, dass Thürangeln, aus dem
Oelbaume, dem härtesten Holze, verfertigt, welche längere
Zeit unbewegt standen, wie ein Baum ausgeschlagen sind.
Nach Cato soll man Hebebäume aus der Stecheiche, dem
Lorbeer und der Ulme, und nach Hyginus die Handheben
für die Bauern aus der Hainbuche, Steineiche und Ceri-
eiche machen.
Hölzer, welche in dünne Blätter gesägt und zur Ue-
berkleidung andern Holzes gebraucht werden, sind vor-
nehmlich das des Citrus, der Terebinthe, der Ahorne, des
Buxbaumes, der Palme, Kermeseiche, Stecheiche, HoUunder-
wurzel und Pappel. Auch giebt die Erle, wie schon ge-
sagt, gleich dem Citrus und dem Ahorn, eine Maser zum
Furnireu. Andere Maserarten werden nicht geschätzt. Der
mittlere Theil des Holzes ist krauser, und je näher der
Wurzel, um so kleiner und verschlungener sind die Flecken.
Das war der Anfang des Luxus, dass man einen Baum
Secliszehntes Buch. 237
mit einem andern überkleidete und diejenigen, welche
schlechteres Holz haben, durch einen Ueberzug werthvoller
machte. Damit also ein Baum mehrere Male verkauft
werde, hat man dünne Blätter von Holz zu verfertigen er-
dacht. Noch nicht genug! Man hat angefangen, die Hörner
der Thiere zu färben, ihre Zähne zu zersägen, das Holz
mit Elfenbein auszulegen und zu überdecken. Hierauf
holte mau das Holz aus dem Meere; indem man die Schild-
kröten zerschnitt. Kürzlich unter der Regierung Nero's,
haben sogar seltsame Köpfe erfunden, das Schildpatt
durch Uebermalen zu verbergen, und es durch Nachahmung
des Holzes noch theuerer zu machen. Auf solche Art
macht man die Preise für die Betten, so bewirkt man,
dass sich das Terebinthenholz selbst übertreffe, dass der
Citrus werthvoller und der Ahorn betrogen werde. Der
Luxus war mit dem Holze nicht allein zufrieden, denn
jetzt bedient man sich an seiner Statt der Schildkröte.
85.
Die Lebensdauer mancher Bäume kann man für un-
endlich lange halten, wenn man die Grösse der Welt und
die vielen noch unbetretenen Wälder in Anschlag bringt.
Aber unter denen, von welchen die Menschen das Andenken
erhalten haben, befinden sich im Literninischen die von
dem altern Afrikanus mit eigner Hand gepflanzten Oel-
bäume; ferner eine Myrte von bedeutender Grösse an dem-
selben Orte. Bei derselben ist eine Höhle, wo, der Sage
nach, ein Drache seine ^) Manen bewacht. Zu Rom aber
steht ein Lotus auf der Area des Tempels der Lucina,
w^elcher im 379. Jahre der Stadt, wo es keine Magistrats-
pei sonen gab, erbauet wurde. Man weiss nicht, um wie
viel älter der Baum ist; dass er aber älter, leidet keinen
Zweifel, denn Lucina, deren Name jetzt ungefähr 350 Jahre
alt ist, wurde nach jenem Haine -) benannt. Noch älter,
allein von nicht gewiss zu ermittelndem Alter ist der so-
') Nämlich des Scipio Afrikanus. -) lucus.
238 Sechszehntes Buch.
genannte Haaibaum, dem das Haar der vestalischen Jung-
frauen dargebracht wird.
So.
Noch ein anderer Lotus steht auf dem Vulkanal,
(welchen Romulus nach dem Siege aus den Zehnten ange-
bauet hat), der, wie Massurius schreibt, in gleichem Alter
mit unserer Stadt ist. Seine Wurzeln reichen bis auf das
Forum Cäsars durch die Standplätze der Freistädte.
Gleiches Alter mit ihm hatte eine Cypresse, die aber in
der letzten Lebenszeit des Kaisers Nero vernachlässigt
wurde und ausging.
87.
Noch älter als die Stadt selbst ist eine Stecheiche auf
dem Vatican, an welcher eine in Erz gegrabene etruscische
Aufschrift besagt, dass sie schon damals der Gottesver-
ehrung würdig gewesen sei. Die Tiburter, welche eben-
falls schon lange vor Erbauung der Stadt Rom existirteu,
haben 3 Stecheichen, die noch älter als ihr Stifter Tibur-
tus sind, denn man sagt, er sei bei denselben eingeweihet;
er selbst aber soll ein Sohn des Amphiaraus, der bei Theben
um 1 Menschenalter i) früher, als der trojonische Krieg aus-
brach, starb, gewesen sein.
88.
Einige Schriftsteller berichten, die delphisehe Platane
und noch eine andere im Haine zu Caphys in Arcadien sei
von Agamemnon selbst gepflanzt. Noch jetzt stehen der
Stadt Troja gegenüber am Hellesponte auf dem Grabmal
des Protesilaus Bäume, welche jedesmal, wenn sie so hoch
gewachsen sind, dass sie Troja sehen können, vertrocknen,
und dann wiederum von Neuem ausschlagen. Bei dieser
Stadt aber stehen auf dem Grabe des Bus Eichen, welche
damals, als man die Stadt Blum zu nennen anfing, gepflanzt
sein sollen.
89.
Zu Argos soll jetzt noch der Oelbaum stehen, an
') 30 Jahre.
Sechszehntes Buch. 239
welchen Argus die in eine Kuli verwandelte Jo ange-
bunden habe. Bei Heraelea in Pontus stehen Altäre des
Jupiter Stratius, und daneben Eichen, welche Hercules ge-
pflanzt hat. In derselben Gegend ist ein Hafen durch die
Ermordung des Amycus, eines Königs der Bebrycer, be-
kannt; auf dessen Grabe steht seitdem ein Lorbeerbaum,
den man den tollen nennt, denn wenn man etwas von ihm
abreisst und mit auf das Schiff nimmt, so entsteht Zank,
und dieser hört nicht eher auf, bis es weggeworfen wird.
Wir haben von der Gegend Aulocrene, durch welche man
von Apamia nach Phrygien kommt, geredet; hier zeigt man
die Platane, an welcher der vom Apollo überwundene Mar-
syos hing, und die sich schon damals durch ihre Grösse
auszeichnete. Auch sieht man zu Delos eine Palme, welche
noch aus dem Zeitalter dieses Gottes herstammt. Zu
Olympia wird noch ein wilder Oelbaum, von welchem Her-
cules zuerst bekränzt wurde, heilig aufbewahrt. Auch zu
Athen soll noch der Oelbaum stehen, den Minerva in einem
Wettstreite schuf.
90.
Eine sehr kurze Lebensdauer dagegen haben die
Granaten-, Feigen- und der Apfelbaum, und unter diesen
eher die frühen als die späten, eher die süssen als die
scharfen, und von den Granaten die süsseren. Ebenso ist
es bei den Weinstöcken und besonders den fruchtbarem.
Gräcinus sagt, der Weinstock lebe 60 Jahre. Auch die
Wassergewächse scheinen schneller zu vergeheo. Der Lor-
beer-, die Aepfel- und Granatbäume werden zwar schnell
alt, sprossen aber aus der Wurzel wiederum hervor. Die
Oelbäume sind also am lebenskräftigsten, denn die Schrift-
steller kommen darin überein, dass sie 200 Jahre alt
werden.
9L
Auf einem der Stadt Rom naheliegenden Hügel des
tusculanischen Gebietes liegt ein von den Lateinern der
Diana aus religiöser Verehrung geweiheter Hain, Namens
Corne, von Buchen, deren Kronen wie durch Kunst be-
240 Sechszehntes Buch.
schnitten sind. Einen darin befindlichen Baum von bedeu-
tender Grösse liebte in unserer Zeit Passienus Crispus, der
2 mal Consul sowie auch Eedner war, und hernach durch
seine Hairath mit der Agrippina und durch seinen Stief-
sohn Nero noch berühmter wurde; er pflegte ihn zu küssen,
zu umarmen, unter ihm zu liegen und ihn mit Wein zu
begiessen. Nahe bei diesem Haine steht auch eine ihres
Stammes wegen berühmte Stecheiche, die 34 Fuss im Um-
fange hat, zehn Bäume von ansehnlicher Grösse getrieben
hat, und allein einen Wald ausmacht.
92.
Dass der Epheu die Bäume tödtet, weiss man. Das-
selbe thut die Mistel ^), doch soll es mit dieser, welche an
den Bäumen, ausser ihren Früchten, keine der geringsten
Merkwürdigkeiten ausmacht, etwas langsamer gehen. Ei-
nige Gewächse, wie die Mistel, können nemlich nicht in
der Erde, sondern nur auf Bäumen wachsen und leben, da
sie keinen eigenen Wohnsitz haben, auf fremden. Auch in
Syrien giebt es ein Kraut, Cadytas^), was sich nicht
allein um Bäume, sondern auch um Dornen herumschlingt.
Ebenso im thessalischen Tempe das sogenannte Engel-
süss ^), das Dolichos^) und der Quendel^). Was auf abge-
hauenem Oleaster wächst, heisst Phaunos. Das auf der
Walkerdistel 6) heisst Hippophäston, hat leere Köpfe,
kleine Blätter, und eine weisse Wurzel, deren Saft in der
Epilepsie zu Abführungen aus dem Körper sehr geschätzt
wird.
93.
Von der Mistel giebt es 3 Arten. In Euböa nemlich
nennt man die auf der Tanne und Lärche wachsende
Stelis, die in Arcadien vorkommende heisst Hyphear.
Von den Meisten wird aber die, welche auf der Eiche, der
wilden Pflaume, der Terebinthe und auf sonst keinem an-
1) Viscum. ^) Cuscuta Epilinum W.
3) Polypodium. PoljTpodium vulgare L.
^) Phaseolus vulgaris L. ^) Serpyllum. Thymus Serpyllum L.
") Spina fullonia. Dipsacus fullonum L,
Sechszehntes Buch. 241
dern Baume wächst, Vis cum genannt. Die am häufigsten
auf der Eiche vorkommende heisst Hyphear Dryos. Auf
allen Bäumen, mit Ausnahme der Stech- und gemeinen
Eiche, giebt der Geruch, der Saft und der unangenehme
Geschmack der Blätter den Unterschied. Beide sind bei
der Mistel bitter und zähe. Der Hyphear dient vornehm-
lich zum Mästen des Viehes; zuerst führt er die unreinen
Stoffe hinweg, dann, nach vollbrachter Reinigung, macht
er fett. Thiere, welche die Auszehrung haben, halten diese
im Sommer 40 Tage lang dauernde Kur nicht aus. Man
giebt noch folgenden Unterschied bei der Mistel an; auf
Bäumen, welche ihr Laub abwerfen, solle sie das ihrige
auch verlieren, dahingegen auf immergrünenden ebenfalls
behalten i). Ueberhaupt aber wächst sie nicht, wenn sie
ausgesäet wird, sondern nur, wenn Vögel, namentlich die
wilden Tauben und Krammetsvögel, den Samen verzehren
und durch den After wieder von sich geben. Er muss
nemlich, um aufzugehen, zuvor im Leibe der Vögel zur
Reife gelangen. Die Mistel wird nicht über eine Elle hoch,
ist stets strauchig und grün, das Männchen fruchtbar, das
Weibchen unfruchtbar, zuweilen trägt aber auch jenes nicht.
94.
Den Vogelleim bereitet man aus den Beeren der
Mistel, welche zur Zeit der Erndte unreif eingesammelt
werden; denn kommt Regen dazu, so werden sie zwar
grösser, aber am Stamme schlaff. Diirauf trocknet man sie,
zerstösst sie, und legt sie zum Faulen beinahe 12 Tage
lang in's Wasser (es ist die einzige Materie, welche durch
Fäuluiss erst ihre Güte bekommt); hierauf klopft man sie
aufs Neue mit einem Hammer in fliessendem Wasser,
wodurch die Hülsen abfallen und das inwendige Fleisch
zähe wird. Diess ist der Vogelleim, an dem die Federn
*) Plinius vermengt hier 2 einander ähnliche Schmarotzerge-
wächse, nämlich Loranthus europaeus und Viscum alhum. Ersteres
findet sich fast nur auf Eichen und verliert alljährlich seine Blätter,
dagegen letzteres immer grünend ist. Yergl. die Anmerkung im
XIII. B. 39. Cap.
vVittsteiu: Plinius. III. Bd. 16
242 Sechszehntes Buch.
der Vögel beim Berühren festhaften, und den man mit Oel
vermischt, wenn man dieselben fangen will.
95.
Bei dieser Gelegenheit dürfen wir die wunderbaren
Nachrichten von den Galliern nicht mit Stillschweigen über-
gehen. Die Druiden (so heissen nemlich ihre Zauberer)
halten nichts heiliger als die Mistel und den Baum, auf
welchen sie wächst (namentlich wenn es eine Eiche ist).
Sie wählen an sich schon die Eichenhaine, und verrichten
ohne deren Laub kein Opfer, so dass es nach griechischer
Deutung scheint, sie hätten davon den Namen Druiden
erhalten. Ja sie glauben, alles was an den Eichen wächst,
sei vom Himmel gesandt, und sehen diess als einen Be-
weis an, dass die Gottheit selbst sich diesen Baum erwählt
habe. Die Mistel ist aber nur sehr selten; hat man sie
gefunden, so wird mit grosser Feierlichkeit dahin gezogen,
und vor allem am 6. Tage nach dem (Neu)-Monde, welcher
bei ihnen den Anfang der Monate und Jahre, und nach
Verlauf von 30 Jahren den eines neuen Seculum's macht,
weil alsdann der Mond schon Kräfte genug habe, und noch
nicht halb voll sei. Sie nennen diesen Tag mit einem
eigenen Worte den allheilenden, bereiten Opfer und Mahle
unter dem Baume, und führen 2 weisse Stiere herbei, deren
Hörner dann zum ersten Male umbunden werden. Der
Priester in weissem Kleide besteigt hierauf den Baum und
schneidet mit einer goldenen Sichel die Mistel ab, welche
in einem weissen Tuche aufgefangen wird. Sodann opfern
sie Thiere, und bitten die Gottheit, sie wolle ihr Geschenk
Denen, welchen sie es gegeben hat, segnen. Sie glauben,
ein von diesem Gewächs bereiteter Tränk mache ein jedes
unfruchtbare Thier fruchtbar; auch sei es ein Hülfsmittel
wider alle Gifte. Soviel Verehrung bezeugen oft ganze
Völker den gewöhnlichsten Dingen.
Siebenzehntes Euch.
Von den angepflanzten Bäumen.
1.
Wir haben bisher von den Bäumen gehandelt, welche auf
dem Lande und im Meere wild vorkommen. Jetzt bleiben
uns noch diejenigen übrig, welche eher der Kunst und dem
menschlichen Scharfsinne ihr Dasein verdanken. Vorher
aber sei es erlaubt, unsere Bewunderung darüber auszu-
drücken, dass das was der Mensch aus Noth den wilden
Thieren als ihr ungetheiltes Eigenthum entriss, indem er
mit ihnen um die herabgefallenen Früchte und mit den
Vögeln um die hängend gebliebenen stritt, unter den
Gegenständen des Wohllebens zu so hohen Preisen gestiegen
ist, wovon L. Crassus und Cn. Domitius Ahenobarbus den
deutlichsten Beweis geliefert haben. Crassus war einer
der berühmtesten Redner unter den Römern, und hatte ein
prächtiges Haus; Q. Catulus, der mit C. Marius die Cim-
bern schlug, besass auf demselben palatinischen Hügel
ein noch prächtigeres; am schönsten aber war, nach Aller
Meinung, in jener Zeit das auf dem viminalischen Hügel
stehende des römischen Ritters C. Aquilius, der auch
hierdurch berühmter als durch seine Kenntniss des bürger-
lichen Rechts wurde, während mau dem Crassus das sei-
nige zum Vorwurf machte. Beide, Crassus und Domitius,
aus den vornehmsten Familien führten zugleich nach dem
Consulate das Censoramt im 662. Jahre der Stadt, und
wzar, wegen der Ungleichheit ihres Charakters, unter
häufigen Zänkereien. Cn. Domitius, der von Natur heftig
16*
244 Siebenzeliutes Buch.
und ausserdem vom Hasse (welcher durch die Eifersucht
am heftigsten wird) entbrannt war, tadelte es laut, dass
ein Censor so prächtig- wohne, und bot mehrere Male für
dessen Haus 1,000,000, Sesterzen. Crassus hingegen, der
sich stets zu helfen wusste, und erfinderisch in treffendem
Witze war, antwortete, er wolle ihm das Haus abtreten,
aber mit Ausnahme von 6 Bäumen. Nein, sagte Domitius,
ich will es nicht für einen Denar, wenn diese weggenom-
men werden. Wie Domitius, evwiederte Crassus, gebe ich
nun ein so anstössiges Beispiel, um von meinem Amte
selbst bestraft zu werden, dass ich in einem geerbten
Hause angenehm wohne; oder du, der du 6 Bäume 1 Mil-
lion Sesterzen werth hältst? Diess waren Lotusbäume,
welche durch die Ausdehnung ihrer Aeste einen bedeuten-
den Kaum beschatteten, und die in meiner Jugend Caecines
Largus, einer der vornehmsten Männer, oft in seinem Hause
zeigte. Sie blieben auch (wie wir denn bereits von dem
Alter dieser Bäume geredet haben) bis zu der vom Kaiser
Nero angelegten Feuersbruust, welche die Stadt einäscherte,
180 Jahre lang grün und gesund, und würden noch älter
geworden sein, wenn dieser Fürst nicht auch ihren Unter-
gang beschleunigt hätte. Damit übrigens Niemand das
Crassushaus für gering halte, und glaube, Domitius habe
nur der Bäume wegen seine Galle darüber ausgeschüttet
so bemerke ich, dass jeuer in dem Vorhofe 4 Säulen von
hymettischem Marmor zur Ausschmückung der Schaubühne
bei Gelegenheit seines Aedilamtes bereits hatte errichtei;
lassen, als an öffentlichen Plätzen dergleichen noch nicht
von Marmor standen. So neu ist noch die grosse Pracht,
und so viel ehrwürdiger machten damals Bäume ein Haus,
dass ohne dieselben Domitius aus Feindschaft nicht ein-
mal einem Hause seinen Werth zuerkannte.
Von Bäumen führten die Alten auch Beinamen. Fron-
ditius hiess jener Soldat, welcher mit einem über sein
Haupt gelegten Zweige über den ^'ulturnus^) schwamm,
*) Flu SS in Campanien.
Sielienzelmtes Buch. 245
und lierrlicbe Thaten gegen Hannibal ausführte. Die lici-
niscbe Familie hatte den Beinamen Stolonen; so heissen
nemlich die unnützen Reiser an den Bäumen, und derjenige
von ihnen, welcher die Ausschneidung derselben erfand, er-
hielt zuerst den Namen Stolo. Selbst in den alten Ge-
setzen ist der Sorgfalt für die Bäume gedacht; es lieisst
nemlich in den 12 Tafeln, wer fremde Bäume unherech-
tigterweise umhaue, solle für jeden 25 Ass Strafe geben.
Was glauben wir nun wohl, sollten Jene, die die frucht-
tragenden Bäume so hoch schätzten, vermuthet haben, dass
die oben angeführten zu einem so enormen Preise steigen
würden? Das Obst ist kein geringerer Gegenstand der
Bewunderung, denn die Früchte mancher Bäume in der
Nähe der Stadt werden jährlieh zu 2000 Sesterzeu ver-
pachtet, und ein Baum bringt jetzt mehr Gewinn als bei
den Alten ein ganzes Landgut. Darum ist das Propfen
und der Ehebruch unter den Bäumen ausgedacht, damit
für die Armen kein Obst wachse. Wir wollen daher jetzt
anführen, auf welche AVeise man hieraus den grössten Ge-
winn zieht, und wie diese Art der Cultur am besten und
vollständigsten betrieben wird. Jedoch werden wir weder
ganz gewöhnliche, noch bereits bekannte Gegenstände, son-
dern nur solche abhandeln, die ungewiss und zweifelhaft
sind, und am meisten zu Irrungen im Leben veranlassen;
denn es ist unsere Sache nicht, da, wo es unnöthig er-
scheint, einen unzeitigen Fleiss zu zeigen. Vor allem soll
nun überhaupt von dem Einfluss des Himmels und der
Erde, und im Allgemeinen von dem, was auf alle Arten
von Bäumen Bezug hat, die Rede sein.
2.
Die Bäume stehen am liebsten gegen Nordost, und
werden durch den aus dieser Himmelsgegend kommenden
Wind dichter, schöner und fester. Gerade hierin irren die
Meisten, denn in den Weinbergen müssen die Pfähle
diesem Winde nicht entgegen gesetzt werden, sondern diess
soll man nur gegen -Mitternacht beobachten. Ja selbst
Kälte, wenn sie zu rechter Zeit kommt, giebt den Bäumen
246 Siebenzehntes Buch.
viel Festigkeit, und macht, dass sie am besten ausschlagen;
werden sie aber von lauen Südwinden ange wehet, so ver-
lieren sie, und zwar vorzugsweise in der Blütbe, ihre Kräfte.
Folgen sogleich nach dem Abblühen starke Regenschauer,
so geht das Obst gänzlich verloren. Daher verlieren Mandel-
und Birnbäume, wenn es beständig neblig ist und der Süd-
wind wehet, ihre Früchte. Regen zur Zeit des Siebenge-
stirns ist dem Weinstock und Oelbaum äusserst schädlich,
weil sie sich dann befruchten; diess ist für die Oelbäume
der entscheidende 4tägige Zeitpunkt, diess ist die Periode
des schlechten, nebligen, von Südwinden begleiteten Wetters,
von denen wir bereits geredet haben. Das Getreide wird
auch bei Südwind nicht so gut, obgleich schneller reif. Die
Kälte, welche von Korden oder zur unrechten Zeit kommt,
ist schädlich. Wenn im Winter der Wind aus Nordost
wehet, gedeihen die Saaten am besten. Dass aber alsdann
der Regen wüuschenswerth sei, ist einleuchtend, denn die
Bäume haben sich durch die Frucht erschöpft, sind durch
den Verlust der Blätter matt geworden, und fühlen also
natürlich heftigen Durst; der Regen aber ist ihre Nahrung.
Man hält daher nach längerer Erfahrung einen milden
Winter, in welchem die Bäume sogleich nach abgenommener
Frucht wieder eine neue Befruchtung erleiden, d. h. aus-
schlagen, imd worauf dann eine neue Entkräftung durch
das Blühen erfolgt, für sehr schädlich. Ja, wenn mehrere
solcher Jahre auf einander folgen, sollen die Bäume sogar
absterben, denn ein Jeder weiss, dass die Folge davon
Hungersnoth unter den Landleuten ist. Wer also heitere
Winter wünscht, der hat dabei das Beste der Bäume nicht
im Auge. Dem Weinstocke schadet auch bei der Sonnen-
wende der Regen. Dass durch den Winterstaub die Erndten
besser ausfallen, hat wohl ein witziger Kopf aus Muth-
willen gesagt. Uebrigens muss mau den Bäumen sowohl
wie dem Getreide wünschen, dass der Schnee lange liegen
bleibe, und zwar nicht allein, weil er das belebende Prin-
cip der Erde, welches durch die Ausdünstung verloren gehen
würde, einschliesst und zurückhält, und zu den Kräften der
Siebenzehntes Buch. 247
Saaten und den Wurzeln zurückführt, sondern auch, weil
-er ihnen allmählig eine reine und äusserst leichte Feuchtig-
keit mittheilt, denn der Schnee ist der Schaum des himm-
lischen Wassers. Diese Feuchtigkeit also dringt nicht gänz-
lich hinein und zertheilt, sondern tröpfelt nur nach Bedürf-
niss zu, und nähret gleichwie aus einer Brust alles, was
sie bedeckt. Die Erde wird selbst auf diese Weise locker,
von Safte erfüllt, für die saugenden Saaten nicht entkräftet,
und lacht, wenn sie sich später öffnet, den warmen Tagen
entgegen. So wird das Getreide am fettesten, ausgenommen
da, wo die Luft beständig warm ist, wie in Aegypten, denn
Dauer und Gewohnheit bewirken das, was anderwärts das
Maass thut, und allenthalben besteht der grösste Nutzen
in der Abwesenheit aller schädlichen Elemente. Auf dem
grössern Theile des Erdkreises werden die sehr früh aus-
gebrochenen Knospen, welche durch milde Witterung her-
vorgelockt sind, durch später eintretende Kälte zerstört.
Daher schaden späte Fröste auch den wilden Bäumen, und
diese leiden noch mehr dadurch, dass ihr Schatten sie ver-
grössert, und kein Hülfsmittel dagegen schützt, denn bei
den wilden ist es nicht rathsam, die zarten mit Stroh zu
umwickeln. Daher kommt das Wasser rechtzeitig, zuerst
in den Winterregen, sodann in denen, welche der Keimung
vorangehen, drittens, wenn die Frucht ansetzt, jedoch nicht
im Anfange, sondern wenn dieselbe nicht ganz klein mehr
ist. Denjenigen Bäumen, welche ihre Früchte lauge be-
halten und längere Zeit Nahrung bedürfen, wie dem Wein-
stock, Oelbaum und der Granate, ist später Regen zuträg-
lich; doch bedürfen die verschiedenen Arten der Bäume
diesen Regen auf verschiedene Weise, da die einen zu
dieser, die andern zu jener Zeit reife Früchte bringen.
Daher sieht man, dass durch ein und denselben Regen
dem einen geschadet, dem andern genützt wird, ja diess
sogar bei einer Art, wie bei den Birnen, denn die Winter-
birnen bedürfen den Regen zu einer andern Zeit, als die
Frühbirnen, haben ihn also gleichsam zu allen Zeiten nöthig.
Die Winterzeit geht dem Ausschlagen voraus, und dieses
248 Siebenzelintes Buch.
erfolgt besser beim Nordost als beim Südwinde. Daher
zieht man auch die Gegenden mitten im Lande denen an
der Seeküste (denn diese sind meistens kälter), ferner
bergichte Gegenden den Flächen und nächtlichen Regen
dem täglichen vor. Die Saaten haben mehr Nutzen von
dem Wasser, wenn es nicht sogleich wieder von der Sonne
weggenommen wird.
Bei der Anlage von Weinbergen und Baumpflanzungen
wird auch erwogen, nach welcher Himmels- Gegend hin sie
sehen sollen. Virgil widerräth, sie gegen Abend an-
zulegen; Andere dagegen ziehen diese Lage derjenigen
gegen Osten vor. Ich finde, dass die Meisten die Mittags-
gegend gut heissen, glaube aber, dass sich hierüber nichts
allgemein Gültiges bestimmen lässt. Man muss vielmehr
die Beschaifenheit des Bodens, die örtlichen und klimati-
schen Verhältnisse hiebei in Erwägung ziehen. Die Lage
der Weinberge in Afrika gegen Mittag ist dem Weinstocke
schädlich und dem Landmanne unzuträglich, weil das Land
selbst in der Mittagslinie liegt; legt er ihn aber gegen
Abend oder Mitternacht an, so wird er eine glückliche
Mischung zwischen dem Boden und dem Himmel bewirken,
obgleich Virgil die Abendseite nicht lobt. Wegen der Mitter-
nachtseite scheint kein Zweifel mehr übrig zu sein, denn
in dem diesseits der Alpen belegenen Italien haben die
Weinberge grösstentheils diese Lage, und doch sind, wie
man weiss, keine fruchtbarer.
Sehr viel kommt ferner auf die Winde an. In der
narbonensischen Provinz, in Ligurien und einem Theile
von Etrurien hält man es für einen Beweis von Unerfahren-
heit, Weinberge gegen Nordnordwest anzulegen, hingegen
von Vorsichtigkeit, denselben zur Seite zu haben; denn er
mildert dort die Hitze, aber meistens mit solcher Heftig-
keit, dass er die Häuser abdeckt. Einige zwingen den
Himmel, der Erde zu gehorchen, indem das, was sie an
trockne Orte säen, gegen Morgen und Mitternacht, und w^as
sie an feuchte säen, gegen Mittag liegen muss. Selbst bei
den Weinstöcken borgen sie fremde Ursachen, indem sie
Siebenzehntes Buch. 249
an kalte Orte die frühen pflanzen, damit sie vor dem Ein-
tritt der Kälte reif werden. Die Obstbäume und Wein-
stöeke, welchen der Thau schadet, setzen sie gegen Osten,
damit ihn die Sonne sogleich wegnimmt; die, welchen der
Thau wohlthut, gegen Abend, oder selbst gegen Mitter-
nacht, damit sie ihn um so länger geniessen können. Die
Uebrigen sind, fast immer den Regeln der Natur gefolgt,
und haben Weinstöcke und Bäume gegen Nordost zu setzen
empfohlen. Democrit meint auch, ein solche Frucht bekomme
einen besseren Geruch. Die Lage des Aquilo und der
übrigen Winde haben wir bereits im 2. Buche angegeben;
im nächstfolgenden werden wir noch mehr auf den
Himmel Bezügliches sagen. Inzwischen scheint in dessen i)
Lage ein offenbarer Beweis seiner Gesundheit begründet,
denn von Bäumen, welche gegen Mittag stehen, fällt das
Laub immer früher ab.
Aehnlich verhält es sich mit den Küstenländern; denn
in einigen Gegenden sind die vom Meere her webenden
Winde schädlich, in den meisten aber von günstiger Wir-
kung. Einigen Pflanzen ist es dienlich, das Meer von ferne
im Angesicht zu haben, näberhin schadet ihnen dessen
Ausdünstung. Gleiche Rücksichten erfordern die P'lüsse
und Seen; sie zerstören durch ihre Nebel oder erkälten die
hitzigen. Einige, welche wir bereits genannt haben, lieben
den Schatten und selbst Kälte. Daher muss man den Er-
fahrungen den meisten Glauben schenken.
3.
Nächst der Luft müssen wir zuerst von der Beschaffen-
heit des Erdreichs handeln, eine Materie, deren Durch-
führung nicht geringere Schwierigkeiten darbietet, denn in
den meisten Fällen eignet sich ein und derselbe Boden
nicht für Bäume und Getreide. Selbst die schwarze, welche
in Campanien vorkommt, oder die, welche feine Nebel aus-
haucht, ist für den Weinstock nicht überall die beste; auch.
*) Nämlich des Aquilo.
250 Siebenzehntes Buch.
ivird die rothe von Vielen nicht gelobt. Den Kalk im Ge-
biete der pompejanischen Albenser und den Thon zieht
man in Weinbergen allen übrigen Arten vor, obgleich beide
sehr fett sind, was bei diesem Gewächse eine Ausnahme
macht. Dahingegen ist im Ticinensischen der weisse, und
an vielen Orten der schwarze und rothe Sand, wenn er
auch mit fetter Erde vermischt wird, unfruchtbar.
Die Schlüsse der darüber Urtheilenden trügen auch
öfters. Fruchtbar ist nicht gerade ein Boden, in welchem
hohe Bäume prangen, sondern es liegt an diesen Bäumen
selbst. Denn was ist höher als die Tanne? Und, welcher
andere Baum kann an derselben Stelle ausdauern? Auch
sind reiche Weiden nicht immer ein Beweis eines fetten
Bodens; denn welche Futterkräuter sind besser als die
deutschen? Und gleichwohl findet man dort unter einer
sehr dünnen Rasenschicht sogleich Sand. Nicht immer ist
das Erdreich, auf welchem hohe Kräuter wachsen, bewässert;
gewiss nicht mehr, als das, was au den Fingern hängen
bleibt, fett ist, wie die Thonarten beweisen. Erde, welche
in ein ausgegrabenes Loch wieder zurückgeworfen wird,
füllt dasselbe nicht wieder ganz aus; man kann daher eine
dichte und lockere auf diese Weise nicht erkennen, und
jede Erdart überzieht das Eisen mit Rost. Auch lässt sich
eine schwerere oder leichtere nicht wohl durchs Gewicht
bestimmen, denn welches Gewicht wäre als das richtige
der Erde zu betrachten? Auch das durch Flüsse ange-
schwemmte Land kann man nicht immer loben, weil einige
Pflanzen durch das Wasser matt werden. Selbst die Erde,
welche man gut nennt, erweist sich, ausgenommen bei den
Weiden, nicht auf lange Zeit dienlich. Ein Beweis davon
sind unter andern die Halme, welche in dem berühmten
laborinischen Felde Canpaniens so stark werden, dass sie
die Stelle des Holzes vertreten. Aber dieser Boden ist müh-
sam zu beackern und zu bestellen, und quält den Land-
mann durch seine Vorzüge fast mehr, als er es durch
Fehler thuu könnte. Die sogenannte Carbunkel-Erde soll
durch magere Weinstöcke verbessert werden. Selbst der
Siebenzelintes Buch. 251
rauhe, von Natur leicht zerreibliche Tofstein wird von den
Schriftstellern nicht verworfen. Virgil hält die, in welcher
Farnkraut wächst, für nicht unpassend zu Weinstöcken.
Viele Gewächse sollen zweckmässiger in salzige Erde ge-
pflanzt werden, weil sie darin vor den Nachstellungen der
in der Erde wohnenden Thiere sicherer sind. Die Hügel
werden, wenn man vorsichtig gräbt, durch die Bearbeitung
nicht entblösst. Alle Felder bekommen nicht weniger
Sonne und Wind, als uöthig ist. Dass einigen Weiustöcken
Reif und Nebel zur Nahrung dienen, haben wir bereits ge-
sagt. Alle Dinge haben ihre tiefen Geheimnisse, welche
ein Jeder mit seinem Verstände erforschen muss.
Verändert sich nicht oft das, was man für gut hielt,
und durch lange Erfahrung bewährt fand? Die Gegend um
Larissa iu Thessalien wurde, nachdem man einen See ab-
gelassen hatte, kälter und die dortigen Oelbäume gingen
aus. Ebenso erfroren um dieselbe Zeit die Weinstöcke der
Stadt Aenos, als der Hebrus näher geleitet war. Bei Phi-
lippi trocknete man den Boden aus, und darauf änderte
sich das Klima. Im syracusanischen Gebiete aber verlor
ein neu angekommener Landwirth, der sein Feld von Steinen
befreiet hatte, sein Getreide so lange im Kothe, bis er die
Steine wieder zurückbrachte. In Syrien zieht man mit der
Pflugschar nur eine schmale Furche, weil Felsen darunter
sind, die im Sommer die Saat verbrennen würden. An
einigen Orten gleichen sich die Wirkungen einer über-
mässigen Hitze und Kälte. Thracien ist durch die Kälte,
Afrika und Aegypteu durch die Hitze fruchtbar an Ge-
treide. Auf Chalcia, einer Insel der Rhodier, ist eine Stelle
so fruchtbar, dass man die zur gewöhnlichen Zeit gesäete
Gerste abmähen, das freie Feld sogleich wieder damit be-
säen, und mit andern Getreide noch einerndten kann. Der
kiesige Boden erweist sich im Venafranischen, und der
fetteste in Bätica für die Oelbäume als der beste. Der
pucinische Wein reift auf Felsen, der cäcubische iu den
pontinischen Sümpfen. So . grosse Unterschiede zeigt der
Boden in seiner Natur und so verschieden sind die Beweise
252 Siebenzehntes Buch.
für seine (gute oder schlechte) Beschaffenheit. Als Cäsar-
Vopiscus seine Rechtssache bei den Censoren vertheidigte,
sagte er, die Felder von Rosea seien das Fett Italiens,
denn das Gras auf denselben bedecke eine gestern dort
zurlickgelassene Stange; allein man schätzt sie nur als
Viehweiden, Doch wollte uns die Natur nicht unwissend
lassen, denn sie zeigte uns da, wo sie das Gute nicht deut-
lich an den Tag gelegt hatte, die Fehler, und von diesen
wollen wir zuerst reden.
Einen bittern und magern Boden erkennt man an den
schwarzen und entarteten Kräutern, einen kalten an den
dürren, einen sumpfigen an den traurig aussehenden, einen
röthelartigen und thonigen an den Augen. Letztere beiden
Erdarten sind am schwersten zu bearbeiten, und beschweren
die Hacken und Pflüge, an welche sie sich in grossen
Klössen anhängen; indessen erstreckt sich das Widerwär-
tige bei ihrer Bestellung nicht auf die in ihnen gezogenen
Früchte. Das Gegentheil findet bei der aschartigen und
weissen sandigen statt. Eine unfruchtbare erkennt man
leicht an ihrer dichten Oberschicht, sowie beim Einstechen
mit einem Spiesse. Cato bezeichnet die Fehler auf kurze
und ihm eigeuthtimliche Weise: „Treibe weder Wagen
noch Vieh auf dürre Erde." Was glauben wir wohl, warum
er in diesen Worten eine solche Furcht zu erkennen giebt,
dass er beinahe verbietet, den Fuss darauf zu setzen? Wir
wollen zur Fäulniss des Holzes zurückkehren, und werden
dann die Fehler finden, welche er so sehr verabscheuet;
sie bestehen in der Trockenheit, Löcherigkeit, Rauheit, der
grauen Farbe, dem Ausgefressen- und dem Blasigsein. Er
hat durch eine Bezeichnung mehr gesagt, als er mit vielen
Worten hätte ausdrücken können. Bei der Besprechung
der Fehler ist zu errinnern, dass manche Erde nicht durch's
Alter (denn davon kann bei ihr keine Rede sein) sondern
von Natur veraltet und mithin in jeder Beziehung unfrucht-
bar und schwach ist.
Ebenderselbe hält denjenigen Acker für den besten,
welcher am Fusse eines Berges liegt und gegen Mittag
Siebenzehntes Buch. 253
eben ausläuft. Ganz Italien hat diese Lage. Die Erde
aber soll nach ihm die zarte, sogenannte schwarze sein.
Diese wird sich also zur Bearbeitung und für die Gewächse
am besten eignen. Wenn man nun erwägt, dass sie mit
dem wunderbaren Ausdruck „die zarte" belegt worden ist,
so wird man in diesem Worte alles, was man nur wünschen
kann, vereinigt finden. Sie ist gemässigt fruchtbar, weich
und leicht zu bearbeiten, weder nass noch dürre, und glänzt,
nachdem die Pflugschar sie durchschnitten; Homer, die
Quelle des Scharfsinns, sagt, sie sei von einem Gotte auf
den Waffen eingeprägt, und fügt als ein Wunder hinzu,
sie habe, obgleich in Gold gearbeitet, schwärzlich ausge-
sehen. Frisch abgeschnitten wird sie von den unersättlichen
Vögeln, welche die Pflugschar begleiten, durchspähet, wobei
die ßaben fast die Fersen des Pflügenden benagen.
Bei dieser Gelegenheit müssen wir auch einen Aus-
spruch, der sich auf Gegenstände des Luxus bezieht, sowie
einiges andere hierher Gehörige anführen. Cicero, der
zweite Stern der Gelehrsamkeit, sagt: „Die Salben, welche
nach Erde schmecken, sind besser, als die, welche nach
Safran schmecken." Er sagte diess nämlich lieber, als:
„welche — riechen". Wahrlich, so ist es; diejenige Erde,
welche nach Salben schmeckt, wird die beste sein. Wenn
wir veranlasst sind, anzugeben, von welcher Art der Geruch
der Erde sei den Avir suchen, so gelingt uns diess auch oft,
wenn sie ruhet, gegen den Untergang der Sonne hin, da,
wo der Regenbogen sich mit seinen Enden hingeneigt hat;
ferner, wenn die Erde nach anhaltender Dürre durch Kegen
nass geworden ist, denn dann haucht sie ihren von der
Sonne empfangenen himmlischen Dunst, welcher eine unver-
gleichliche Anmuth besitzt, aus. Eben dieser Geruch muss
in ihr sein, wenn sie aufgegraben wird, und ist er vorhan-
den, so kann- er Niemandem entgehen. Der Geruch fällt
das sicherste Urtheil über die Erde. Von solcher Be-
schaffenheit findet er sich auf neuen Aeckern, wo ein alter
Wald ausgehauen ist, und wird hier allgemein als ein gutes
"Merkmal angesehen.
254 Siebenzehntes Buch.
In Betreff der Feldfrüchte hält man ein und dieselbe
Erde für besser, wenn sie durch Brachliegen ausgeruhet
hat; was bei den Weinbergen nicht der Fall ist. Um so
sorgfältiger muss man sie aussuchen, damit nicht die Mei-
nung Derer, welche geglaubt haben, der Boden von Italien
sei schon erschöpft, Wurzel fasse. Die Möglichkeit des
Feldbaues beruht bei einigen Erdarten auch auf der Witte-
rung, denn manche kann nach dem Regen nicht gepflügt
werden, weil sie durch zu viel Feuchtigkeit zähe wird.
Dahingegen haben wir im Byzacischen Gebiete von Afrika
ein bis zum 150. Korne fruchtbares Feld gesehen, welches
trocken durch keine Stiere gepflügt werden konnte, nach
dem Regen aber durch einen schlechten Esel, an dessen
anderer Seite ein altes Weib den Pflug mit zog, beackert
ward. Erde aber durch Erde zu verbessern, (wie Einige
lehren), indem man auf magere Erde fette, oder auf feuchte
und allzufette magere und sandige werfen solle, ist ein
thörichtes Bemühen; denn was kann der hoffen, der eine
solche Erde bebauet?
Eine andere Methode, Erde durch Erde zu düngen,
haben die Britannier und Gallier erfunden, und nennen
diese Erdart Mergel. Er besitzt eine dichtere "Reichhaltig-
keit und ist gleichsam das Schmalz der Erde, in welcher
sich, wie in den Drüsen des Körpers, ein Kern von Fett
verdichtet. Auch diess ist den Griechen nicht entgangen,
denn was haben die nicht alles versucht? Leucargillon
nennen sie einen weissen Thon, dessen sie sich in dem
megarischen Gebiete, jedoch nur in feuchter und kalter
Erde, bedienen.
Jene Erde, welche Gallien und Britannien reich machen,
müssen Avir sorgfältig in Betracht ziehen. Früher gab es
nur 2 Arten davon; kürzlich aber hat man in Folge der
fortgeschrittenen Kenntnisse, noch mehrere einzuführen an-
gefangen, denn es giebt eine weisse, röthliche, taubenfarbige,
thonartige, tofartige und sandige. Ihre Beschaffenheit ist
zweifach, entweder rauh oder fett; Beides erkennt man.
Siebenzehntes Buch. 255-
durch die Hand. Auch ihr Gebrauch ist zweifach, ent-
weder dienen sie bloss zum Ernähren der Feld-
früchte oder sie bringen auch Viehfutter hervor. Früchte
■wachsen auf der weissen tofartigen, und findet sie sich
zwischen Quellen, so ist sie ins Unendliche fruchtbar; sie
fühlt sich aber rauh an und wird zu viel davon auf den
Boden gebracht, so verbrennt sie ihn. Ihr am nächsten
steht die röthliche, welche Rauchmergel genannt wird, und
aus Steinen mit untermischter feiner, sandiger Erde besteht.
Die Steine werden auf dem Felde selbst zerstossen, und in
den ersten Jahren lassen sich deshalb die Halme schwierig
abmähen. Er wird jedoch mit den geringsten Kosten her-
beigeschafft, da er um die Hälfte leichter als die übrige
ist. Man streuet ihu dünn aus; er soll mit Salz vermischt
werden. Wenn diese beiden Arten nur einmal auf den
Acker gestreuet sind, so zeigt sich ihre Wirkung 50 Jahre
lang durch den bedeutenden Ertrag von Getreide und Heu.
Unter den sogenannten fetten ist die weisse die vor-
züglichste, und zerfällt wieder in mehrere Arten. Von der
fressendsten haben wir schon oben geredet. Die zweite
Art der weissen heisst Tripel ^); man holt sie tief aus der
Erde hervor, zu welchem Behuf man gegen 100 Fuss tiefe
Schächte gräbt, die oben enge sind, und innerhalb, gleich-
wie in den Bergwerken, weite Gänge haben. Dieser be-
dient man sich in Britannien am meisten. Sie hält 80 Jahre
lang an, und man kennt kein Beispiel, dass Jemand die-
selbe 2 mal auf sein Land gebracht hat. Die dritte Art
der weissen heisst Gleissmergel 2), ist eine mit fetter Erde
vermischte Walkerkreide, und giebt mehr Futterkräuter als
Getreide, dergestalt, dass nach vollendeter Erndte vor der
neuen Saatzeit noch eine reichliche j\[euge davon er-
halten werden kann. Ist sie auf einem Kornfelde, so lässt
sie kein anderes Gras aufkommen; sie hält 30 Jahre lang
an, liegt sie aber zu dicht, so erstickt sie wie die Signi-
nische den Boden. Den taubenfarbigen Mergel nennen die
') Greta argentaria, zum Poliren des Silbers.
-) Glyssomarga. von Altdeutschen: glizen d. h, gleissen, glänzen.
25(3 Siebenzehntes Buch.
Gallier in ihrer Sprache Eglecopala; er wird wie Steine in
grossen Klösseu ausgegraben, durch Sonne und Kälte aber
so locker gemacht, dass er in sehr dünne Blätter zerfällt,
und ist ebenso fruchtbar wie der vorige. Des sandigen
bedienen sie sich, wenn sie keinen anderen haben, auf
sumpfigem Boden aber stets, auch wenn es an anderen nicht
fehlt. Die Ubier sind die einzigen Völker, welche den
fruchtbarsten Boden bebauen, jeden Acker über 3 Fuss tief
ausgraben, und durch 1 Fuss hoch darüber gestreueten
Mergel düngen; aber er nützt nicht länger als 10 Jahre.
Die Heduer und Pictoner haben ihre Aecker durch Kalk
sehr fruchtbar gemacht, und in der That findet man den-
selben für Oelbäume und Weinstöcke sehr zuträglich. Aller
Mergel muss aber auf gepflügtes Land geworfen werden,
damit dieses Verbesserungsmittel schnell eindringe; der-
jenige, welcher anfangs mehr rauh ist, sowie der, welcher
nicht auf Gras geworfen wird, erfordert ein wenig Mist,
sonst schadet er, von welcher Art er auch sei, durch seine
Keuheit dem Boden, den er zeigt sich nicht einmal im nächst-
folgenden Jahre fruchtbar. Es ist auch nicht einerlei, auf
welchen Boden er gebracht wird, denn der trockene
eignet sich eher für einen feuchten, der fette für einen
trockenen, die Greta oder der taubenfarbige Mergel aber
für einen nicht zu feuchten und zu trockenen.
5.
Die Völker jenseits des Po's lieben den Gebrauch der
Asche so sehr, dass sie dieselbe dem Miste des Zugviehs
vorziehen, und da dieser sehr leicht ist, so brennen sie ihn
aus. Jedoch bedienen sie sich beider nicht zugleich auf
ein und demselben Felde, auch, wie wir bereits gesagt
haben, der Asche nicht in "Weingärten ^) oder auf gewissen
Saatfeldern. Einige sind der Meinung, die Trauben er-
nährten sich vom Staube, bestreuen daher die heranwach-
senden und die Wurzeln der Weinstöcke und Bäume damit.
Soviel ist gewiss, dass in der narbonensischen Provinz der
M Avbusta. in denen der Wein an Bäumen sezo^en wird.
Siebenzehnte^ Buch. 257
Wein eher dadurch reif wird, denn dort trägt der Staub
mehr dazu bei als die Sonne.
6.
Der Mist bietet mehrere Unterschiede dar; sein Ge-
brauch selbst ist sehr alt. Schon bei Homer findet man
einen königlichen Greis, welcher auf diese Weise seinen
Acker mit seinen Händen düngt. Man sagt, der König
Augias in Griechenland habe seine Anwendung erfunden,
Herkules sie aber in Italien verbreitet, und dieses Land
erkannte seinem Könige Stercutus, einem Sohne des Faunus,
wegen jener Erfindung die Unsterblichkeit zu. M. Varro
giebt dem Drosselmiste aus den Vogelhäusern den Vozug
vor allen anderen; auch zur Weide für Ochsen und Schweine
schätzt er ihn hoch, und versichert, dass sie bei keinem
anderen Futter schneller fett würden. Man kann aus unseren
Sitten gute Hoffnungen schöpfen, wenn unsere Vorfahren
so grosse Vogelhäuser gehabt haben, um daraus die Felder
düngen zu können. Den nächsten Rang räumt Columella
dem Tauben- und nach diesem dem Hühnermiste ein, ver-
wirft aber den der Schwimmvögel. Die übrigen Schrift-
steller bezeichnen einstimmig den Menschenkoth als ein
vorzügliches Düngemittel. Einige von diesen ziehen den
Urin vor, mit welchem in den Gerbereien die Haare ange-
feuchtet waren. Andere wenden ihn für sich an, mischen
aber Wasser hinzu, und zwar noch reichlicher als man es
trinkt; denn hier giebt es noch mehr Böses zu mildern, weil
zu dem Gifte des Weines auch noch das des Menschen
kommt. Diess sind die eifrigen Bemühungen, denen sich
die Menschen hingegeben haben, um die Erde zu ernähren.
Nächstdem loben sie den Koth der Schweine, nur Colu-
mella verwirft ihn. Andere loben den Mist eines jeden
vierfüssigen Tliieres, welches Cytisus frisst. Andere
ziehen den Taubenmist vor. Dann folgt der der Ziegen,
hierauf der der Schafe, des Rindvieh's und endlich der
Pferde. Diess waren die verschiedenen Miste bei den Alten,
diess (wie ich finde) die Vorschriften zu seiner Anwendung,
und man muss gestehen, dass es auch hierin früher besser
wittstein: Plinius. lU. Bd. 17
258 Siebenzehntes Buch.
stand als jetzt. Bei einigen Bewohnern der Provinzen^
welche eine bedeutende Menge Vieh besitzen, sieht man-
sogar, dass der Mist gleich dem Mehle durch Siebe ge-
schlagen wird, nachdem der Geruch und das Ansehen durch
die Kraft der Zeit eine gewisse Annehmlichkeit bekommen,
haben. Neulich fand man, dass die Asche aus Kalköfen
der beste Dünger für die Oelbäume ist.
Vavro fügt diesen Vorschriften noch hinzu, mit Pferde-^
mist, welcher am leichtesten sei, solle mau die Saaten
düngen; die Wiesen aber mit schwererem, der aus dem Ge-
nuss der Gerste hervorginge und viel Gras erzeuge. Einige^
ziehen den Mist des Zugvieh's dem Kuhmiste, den Schaf-
mist dem Ziegenmiste, den Eselsmist aber allen anderen
vor, weil diese Thiere am langsamsten kauen; allein
nichts gegen beides spricht die Erfahrung. Gewiss ist aber
besser als das Kraut der Wolfsbohne, ehe es Schoten
treibt, mit dem Pfluge oder der Hacke unterzuackern, oder
Hände voll davon abzuschneiden und an die Wurzeln der
Bäume und Weinstöcke zu verscharren. Auch da, wo kein
Vieh sei, düngt man, wie es heisst, selbst durch Stroh oder
Farnkraut.
Cato giebt folgende Vorschriften zur Bereitung de»
Düngers: Man nehme Stroh, Wolfsbohne, Spreu, Bohnenkraut,.
Laub von Stecheichen und gemeinen Eichen; ferner sammele
man von den Saatfeldern: Attich, Schierling, sowie d<xs
um die Weidenbüsche häufig wachsende Kraut und Wasser-
gras 1). Dieses und faules Laub streue man den Schafen
unter. Wenn dein Weinberg mager wird, so verbrenne
Weinreben und pflüge die Asche davon in demselben unter.
Da wo du Getreide säen willst, lass die Schafe weiden.
7.
Cato sagt auch, dass selbst durch einige Saaten der
Boden genährt werde. Die Felder werden durch fol-
gende Getreidearten gedüngt: Wolfsbohnen, Saubohnen und
Wicken. Ebenso wirken auf entgegengesetzte Weise die
«) Ulva.
Siebenzehntes Buch. ' 259
Kichererbse, weil sie ausgezogen wird und salzig ist, die
Gerste, der Bockshorn, die Erve; alle diese, sowie alles,
was ausgerissen wird, saugen die Saatfelder aus. Man
streue keine Kerne in die Saaten. Virgil ist der Meinung,
die Felder würden auch durch Lein, Hafer und Mohn aus-
gebrannt (ausgesogen).
8.
Die Mistgruben soll man unter freiem Himmel an einem
tiefen Platze, wo sich die Feuchtigkeit sammeln kann, an-
legen, mit Stroh bedecken, und mit eichenen Pfählen um-
geben; auf diese Weise werden keine Schlangen darin ent-
stehen. Es ist äusserst vortheilhaft, den Mist mit Erde
zu vermischen, wenn der Favonius wehet und der Mond
dürstet i). Viele verstehen diess unrichtig und glauben, es
müsse beim Anfange des Favonius und bloss im Februar
geschehen, während doch die meisten Pflanzen diess in an-
deren Monaten erfordern. Thue man es nun, wann man
wolle, so muss man dafür Sorge tragen, dass es geschieht,
wenn der Wind gerade von Abend her wehet, und der Mond
abnimmt und trocken ist. Beobachtet man diess, so wird die
Fruchtbarkeit und die Wirkung auf eine wunderbare Weise
vergrössert.
9.
Nachdem wir nun von der Beschaffenheit der Luft und
der Erde ausführlich geredet haben, wollen wir von den
Bäumen sprechen, welche durch menschliche Sorgfalt und
Kunst hervorkommen. Es giebt deren eben so viele Arten
(als wilde); so reichlich haben wir der Natur unseren Dank
abgestattet. Man zieht sie entweder durch Samen, oder
aus Wurzeln, Schösslingen, Abreissern, Reisern oder aus
einem eingepropften und eingeschnitteneu Stamme eines
Baumes; denn mich wundert es sehr, dass Trogus ge-
') Nach älterer Idee nährte sich der Mond und andere Gestirne
von den Erddünsten, welche auch sein Leuchten verursachen sollten.
Im Neumond verzehrte ihm die Sonne die Feuchtigkeit, und der
Mond sei daher durstig'.
17*
260 Siebenzehntes Buch.
glaubt hat, die Babylonier pflanzten Palmblätter, aus
denen Bäume würden. Einige werden auf mehrere, andere
auf alle Weise erzielt.
10.
Die meisten Verfahrungsarten hat uns die Katur selbst
gelehrt, besonders den Samen zu säen, da derselbe ab-
fällt, von der Erde aufgefangen wird und keimt. Einige
Bäume pflanzen sich aber anders nicht fort, wie z. B. die
Kastanien und welschen Nüsse, ausgenommen wenn sie
abgehauen werden. Aus dem Samen entstehen, obwohl er
sich nicht gleich ist, auch die Bäume, welche auf andere
Weise fortgepflanzt werden, wie die Weinstöcke, Aepfel und
Birnen, denn hier dient der Kern statt des Samens und
nicht, wie bei den obengenannten, die Frucht selbst. Auch
die Mispeln können aus Samen gezogen werden. Alle
diese entwickeln sich langsam, arten aus, und müssen
durch Propfen erst wieder veredelt werden. Auch die
Kastanien sind zuweilen in diesem Falle.
11.
Einige Bäume sind so beschaffen, dass sie, wie man
sie auch pflanzt, niemals ausarten, wie die Cypressen,
Palmen und Lorbeeren; denn auch der Lorbeer wird auf
mehrfache Weise fortgepflanzt. Unter seinen schon ge-
nannten Arten bauet man den Kaiserlorbeer, 'den Beeren
tragenden und den Tinus auf gleiche Weise. Im Januar
werden die durch den Nordostwind getrockneten Beeren
eingesammelt, und dünn ausgestreut, damit sie sich nicht
erhitzen. Hierauf bereitet mau einige mit Mist zum Säen
zu, und benetzt sie mit Urin. Andere treten sie mit den
Füssen in einem geflochtenen Korbe im Wasser, bis die
Haut abgeht; sonst schadet ihnen die Erdfeuchtigkeit, und
hindert sie am Wachsen. In eine aufgehackte handbreit
hohe Furche legt man sie im März etwa zu '20 auf einen
Haufen. Man pflanzt diese auch durch Ableger^), den
Triumphlorbeer aber nur durch Schnittlinge 2) fort. Alle
Arten der Myrte werden in Campanien durch Beeren, im
') propagines. ^) taleae.
Siebenzehnfces Buch. 261
Tarentinischen bei Rom durch Ableger fortgepflanzt. De -
mocritus hat uns noch ein anderes Verfahren gelehrt, man
solle nämlich die grössten Beeren gelinde stossen, damit
die Kerne nicht zerbrechen, ein rauhes Seil damit bestreichen
und diess so pflanzen, dadurch entstehe eine dichte Wand,
aus welcher Reiser genommen werden könnten. Man säet
auch Dornsträucher zu Hecken auf die Weise , dass mau
ein Seil mit den Dornbeeren bestreicht. Die kleinen Pflänz-
chen vom Lorbeer und der Myrte kann man, wenn Mangel
ist, im 3. Jahre recht gut versetzen. Unter den Bäumen,
welche aus Samen gezogen werden, handelt Mago ^) von
den Nüssen sehr ausführlich. Die Mandeln soll man nach
ihm in weichen Thon an die Mittagsseite pflanzen; sie hätten
auch gern ein hartes und warmes Erdreich, in einem fetten
oder feuchten gingen sie zu Grunde oder würden unfrucht-
bar. Man müsste vorzugsweise die sichelförmigen und die
frischen pflanzen, und diese 3 Tage lang in mit Wasser verdünn-
tem Mist, oder Tags vor dem Pflanzen in Wassermeth ein-
weichen. Sie sollen mit der Spitze in die Erde gebracht
und die scharfe Seite gegen Nordost gerichtet werden; drei
soll man auf einmal in einem Dreieck pflanzen, doch so,
dass sie eine handbreit von einander entfernt sind, und
10 Tage lang sie begiessen, bis sie anfangen zu wachsen.
Die welschen Nüsse werden platt gelegt, so dass die
Fugen liegen. Pinienkerue thut man man etwa zu 7 in
einen durchlöcherten Topf, oder man verfährt damit wie
beim Lorbeer, dessen Beeren man pflanzt. Die Citronen-
bäume pflanzt man durch Samenkerne oder durch Ableger
fort, die Speierlinge durch Samen, sowie die Absenker 2)
und Ausreisser 3). Aber jene kommen nur in warmen,
') Vater des Hamilkar und Hasdrubal, im 5. Jahrhundert v. Chr.
verdienter Suffet in Carthago, schrieb über den Ackerbau. Sein
Werk wurde von Cassius Dionysius aus Utika ins Lateinische über-
setzt.
^) planta a radice.
=*) avulsio.
262 Siebenzehntes Buch.
die Speieilinge jedoch auch in kalten und feuchten Gegen-
den fort.
12.
Die Natur hat uns auch ein Vorbild von Pflanzschulen
gegeben, denn aus den Wurzeln vieler Bäume schiessen
zahlreiche Sprösslinge hervor, und die Mutter zeugt Kinder,
welche sie wiederum tödtet, denn durch ihren Schatten wird
der unordentliche Haufe erstickt, wie z. B. bei dem Lorbeer,
der Granate, Platane, Kirsche, Pflaume. Bei wenigen dieser
Arten schonen die Aeste des jungen Anwuchses, z. B. bei
den Ulmen und Palmen. Aber nur solche, deren Wurzeln
Sonne und Regen lieben und sich in der obersten Erdschicht
ausbreiten, bekommen dergleichen Sprösslinge. Man be-
obachtet die Regel, sie nicht sogleich an den für sie be-
stimmten Platz zu setzen, sondern sie zuvor einem nähren-
den Erdreiche anzuvertrauen, in Baumschulen heranwachsen
zu lassen, und dann erst wieder zu verpflanzen. Diese
Versetzung macht auch die wilden Bäume auf eine wunder-
bare Weise zahm, es sei nun, dass die Bäume, gleich den
Menschen, nach Neuerungen und Wanderungen begierig
sind, oder dass sie, wenn sie ihren Standort verlassen, ihre
schädlichen Theile^) zurücklassen, und von der Wurzel ab-
gerissen, gleich den wilden Thieren, unter den Händen des
Menschen zahm werden.
13.
Noch eine andere, ähnliche Art (der Vermehrung) hat
uns die Natur gelehrt, denn es giebt Beispiele, dass Reiser,
welche von Bäumen abgerissen waren, fortgekommen sind.
Bei diesen Arten werden sie auch mit ihrem Stammauge 2)
abgerissen, und nehmen dadurch, dass an ihrem unteren
Ende einige Fasern bleiben, einen Theil von dem Leibe
des Mutterstammes mit sich fort. Auf solche Weise ver-
pflanzt man Granaten, Haselstauden, Aepfel, Speierlinge,
Mispeln, Eschen, Feigen und namentlich Weinstöcke. Wird
') virus.
-) perna.
Siebenzehntes Buch. 263
«die Quitte dieser Behandlung unterworfen, so artet sie aus.
Hieraus entsprang auch die Erfindung, abgeschnittene
Heiser zu pflanzen; zuerst geschah es um der Hecken
•willen, indem man Hollunder, Quitten und Brombeersträucher
in die Erde steckte, bald nachher aber auch der Kultur
wegen, wie bei den Pappeln, Erlen und Weiden, welche
letztere sogar mit der Spitze nach unten gekehrt verpflanzt
werden. Alle diese setzt man sogleich dahin, wohin man
^sie haben will. Es scheint daher am passendsten, vor Be-
sprechung der übrigen Vermehrungsmethoden erst über die
Anlegung der Baumschulen zu handeln.
14.
Zu den Baumschulen muss man einen besonders
guten Boden wählen, weil es oft nöthig ist, dass die Pflege-
-«rde milder sei als diejenige, worin der Mutterbaum steht.
Sie sei also trocken, saftig, mit einem Spaten umgearbeitet,
zur Aufnahme der Ankömmlinge geeignet, und soviel als
möglich der Erde, aus welcher die zu versetzenden Reiser
kommen, gleich. Vor allem muss sie von Steinen befreiet,
und gegen das Eindringen der flühner geschützt sein, und
keine Risse haben, damit die Sonne die zarten Fasern nicht
verbrenne. Die Pflanzen müssen anderthalb Fuss von ein-
ander entfernt sein, damit sie sich nicht berühren. Ausser
anderen Fehlern sind sie auch dem Wurmfrasse ausgesetzt,
daher muss man sie oft behacken und das Unkraut aus-
gäten. Ausserdem soll man die ausschlagenden Reiser ab-
schneiden und sie so an das Messer gewöhnen,
Cato schreibt vor, man solle Hürden mittelst Stützen
in Manneshöhe darüber legen, um die Sonnenstrahlen auf-
zufangen, und sie zur Abhaltung der Kälte mit Stroh be-
decken; auf diese Weise würden die jungen Birnen-, Aepfel-,
Pinienbäume und selbst die aus Samen gezogenen Cypressen
erhalten. Letzterer Samen bildet so kleine Körner, dass
man sie kaum sehen kann, und doch entstehen daraus —
als ein Wunder der Natur, welches wir nicht übergehen
dürfen — Bäume, während doch die Weizen- und Gersten-
körner, der Bohnen nicht zu gedenken, viel grösser sind.
264 Siebenzehntes Buch.
Welche Aehnlichkeit haben die Aepfel und Birnen mit ihrem
Ursprünge? Entsteht nicht aus ihren Samen Holz, welches
der Axt widersteht; Pressen, die durch ungeheure Lasten
nicht überwältigt werden, Bäume für die Segel und Sturm-
bocke zum Einrennen der Thürme und Mauern? Diess ist
die Kraft, diess die Macht der Natur. Doch über alles geht^
dass aus einem Tropfen etwas entsteht, wie wir an seinem
Orte sagen werden. Man sammelt also von der weiblichen
Cypresse (denn die männliche trägt, wie schon erwähnt
wurde, nichts) die kleinen Beeren in den von mir bezeich-
neten Monaten, und trocknet sie an der Sonne. Sie bersten
dann und lassen einen Samen fallen, nach welchem die
Ameisen sehr begierig sind, und dadurch, dass ein so kleine»
Thier sich mit etwas ernährt, was so grossen Bäumen ihre
Entstehung giebt, wird das Wunderbare noch vermehrt..
Man säet ihn im April auf einem Platze, der mit Walzen
oder Stampfen gleichgemacht ist, dicht aus, und siebt da-
rauf 1 Zoll hoch Erde. Gegen eine sehr grosse Last kann
er sich nicht erheben, sondern er beugt sich in diesem Falle
in die Erde; daher vermeidet man auch das Gehen auf
einem solchen Boden. Man begiesst ihn drei Tage lang
sanft nach dem Untergange der Sonne, damit er überall
gleich feucht sei, bis die Samen hervorbrechen. Nach Ver-
lauf eines Jahres sind es 1 Spanne lange Pflänzchen; sie
werden nun versetzt, jedoch unter strenger Beobachtung
des Wetters, denn das Verpflanzen muss bei heiterem Himmel
und Windstille geschehen. Merkwürdigerweise drohet ihnen
nur an diesem Tage Gefahr, wenn auch sehr wenig Regen
darauf tröpfelt, oder ein Luftzug sie anwehet. Ausserdem
sind sie stets sicher, und hassen das Wasser. Auch die
Samen der Brustbeeren werden im Monat April gesäet. Die
Nusspfirschen i) werden zweckmässiger auf wilde Pflaumen^
Quitten und den Calabrix d. i. wilder Dornstrauch 2) ge-
pfropft. Jede dieser Arten nimmt auch am besten die Se-
besten ^), und mit Nutzen die Speierlinge auf. Dass die
') Tuberes. ^) Spina sylvestris. Rhamnus cathartica?
^J Myxae. Cordia Myxa L,
Siebenzehntes Buch. 265
Pflanzen aus einer Baumschule in die andere gesetzt wer-
den, bevor sie an den für sie bestimmten Standort kommen^
glaube ich gründlich auseinandersetzen zu müssen, wenn
auch nur durch das Versetzen die Blätter Hoffnung geben,,
breiter zu werden.
15.
Die Flügelfrucht der Ulmen muss man, bevor die
Blätter kommen, zu Anfange des Märzes, wo sie anfangen
gelb zu werden, sammeln, 2 Tage lang im Schatten trocknen,,
auf gepflügtes Land dicht aussäen, und Erde so hoch wie
bei den Cypressen fein darauf sieben. Wenn kein Regen
fällt, muss man sie begiessen. Nach 1 Jahre müssen sie
von diesen Beeten weg in die Ulmenpflanzungen versetzt
werden, dabei aber alle 1 Fuss weit von einander abstehen.
Die männlichen Ulmen pflanzt man am besten im Herbste,
weil sie keinen Samen haben; denn diese zieht man aus
Pflanzen. Bei Rom bringt man dieselben in die Wein-
gärten, wenn sie 5 Jahre alt, oder (wie es Einigen besser
scheint) wenn sie 20 Fuss hoch sind. Diess geschieht in
Gruben, die man neunfüssige nennt, 3 Fuss hoch, 3 lang
und. 3 breit sind, und um die gesetzten Stämme wird rund
herum 3 Fuss hoch feste Erde gebracht. Dergleichen Vor-
richtungen heissen in Campanien kleine Altäre. Die Zwi-
schenräume richten sich nach der Beschaffenheit des Ortes.
Auf Feldern muss man sie weitläufiger pflanzen. Die Pappeln
und Eschen müssen, weil sie schneller ausschlagen, früher
d. h. am 13. Februar gesetzt werden; sie wachsen auch
aus Pflanzen. Beim Setzen der Bäume in Gärten und
Weinbergen ist die Fünfstellung ^) die allgemeine und noth-
wendige; sie verschafft nicht nur dem Winde freien Zutritt^
sondern hat auch ein gefälliges Ansehen, denn wohin man
das Auge wendet, laufen die Bäume in einer Reihe hin.
') Ordo quincuncialis, so genannt, weil 3 Bäume jedesmal eine
römische V beschreiben, wie folgende Stellung zeigt:
266 Siebenzehntes Buch.
Mit dem Samen der Pappeln verfährt man ebenso wie mit
dem der Ulmen, auch versetzt man sie ebenso aus den Pflanz-
schulen und Wäldern.
16.
Vor allen muss man sie daher in eine ähnliche oder
bessere Erde setzen, nicht aber aus warmen und frühreifen-
den Gegenden in kalte und späte, sowie auch nicht aus
diesen in jene. Die Pflanz-Gruben müssen vorher, und
womöglich um so viel früher gemacht werden, damit sie
sich mit einem fetten Rasen überziehen. Nach Mago soll
es ein Jahr vorher geschehen, damit Sonne und Regen
hineindringen; oder, wenn die Umstände diess nicht erlauben,
soll man 2 Monate vorher in dieselben Feuer machen, und
die Bäume nicht eher als nach einem Regen hineinsetzen.
Die Tiefe der Gruben soll in einem thonigen oder harten
Erdreiche überall 3 Ellen betragen, an geneigten Stellen
aber noch eine Handbreit i) mehr, und sie sollen gewölbt
sein, sodass die Oeffnung enger ist. In schwarzer Erde
aber sollen sie 2 Ellen und eine Handbreit haben und recht-
winklig sein. Die griechischen Schriftsteller stimmen mit
diesem Maasse überein, sagen aber, die Gruben müssten nicht
tiefer als 2^/2 und nicht breiter als 2 Fuss, nirgends aber
niedriger als I1/2 Fuss sein, weil man an einem sumpfigen
Orte leicht auf Wasser komme.
Cato spricht sich folgendermaassen aus: Wenn der Ort
wässrig ist, so mache sie oben 3 Fuss, unten 1 Fuss und
1 Palme breit und 4 Fuss tief, pflastere sie mit Steinen,
oder in Ermangelung dieser mit grünen Weidenstöcken, oder,
fehlen auch diese, mit Reisern, sodass sie ^1^ Fuss hoch
zu liegen kommen. Mir scheint, ich müsse nach der oben
angeführten Beschaffenheit der Bäume noch hinzufügen,
dass man diejenigen, welche gern oben an der Erde stehen,
wie die Esche und der Oelbaum, tiefer setzen. Diese und
ähnliche müssen 4 Fuss tief in die Erde; die übrigen
*) palmus.
Siebenzehntes Buch. 267
Ijrauchen nicht tiefer als 3 Fuss gesetzt zu werden. „Haue
diese Wurzel ab", sprach der Feldherr Papirius Cursor zum
Schrecken des Heerführers der Pränestiner, und befahl, dass
die Aexte hervorgezogen werden sollten. Es ist unschäd-
lich, die Theile der Wurzel, welche (von Erde) entblösst
sind, abzuhauen. Einige schreiben vor, man solle Scherben,
Andere, man solle runde Steine darunter legen, um die
Feuchtigkeit aufzuhalten und dann weiter zu schicken; man
dürfe aber keine platten Steine nehmen, weil sie die Wurzel
von der Erde abhielten. Kies darunter zu schütten, ist
eine Meinung, die zwischen jenen beiden stehen mag.
Einige schreiben vor, keinen Baum unter 2, und keinen
über 3 Jahren zu verpflanzen; Andere, wenn er ein Jahr
alt, Cato sagt^ wenn er über 5 Finger dick sei. Derselbe
hätte, wenn etwas darauf ankäme, gewiss nicht vergessen
zu bemerken, dass man die Mittagsseite an der Rinde no-
tiren müsse, damit der Baum beim Versetzen wieder in
seine gewohnte Lage komme, die Nordseite gegen Mittag
gekehrt durch die Sonne nicht gespalten werde, und
die mittägige gegen Norden hin nicht erfröre. Einige
thun hierin mit Fleiss gerade das Gegentheil, indem sie
den Weinstock und den Feigenbaum verkehrt setzen, denn
sie glauben, die Bäume würden so dichter belaubt, wodurch
die Frucht besser gedeckt und weniger dem Abfallen aus-
gesetzt wäre; auch würde der Feigenbaum auf diese Weise
so stark, dass man ihn ersteigen könne. Die Meisten sorgen
nur dafür, dass die Stelle des gekappten Gipfels nach Mit-
tag sehe, wissen aber nicht, dass durch zu grosse Hitze
Risse entstehen. Ich halte die Stellung gegen Südwest für
die zweckmässigste. Auch will ich die wohl zu beachtende,
aber unbekannte Regel anführen, dass man die Wurzel nicht
durch Zögern trocken werden lasse, und dass man, wenn
der Nordwind wehet, oder derselbe von daher nach Süd-
ost zieht, die Bäume nicht ausgrabe, oder wenigstens die
Wurzeln dem Winde nicht entgegen stelle. Diess ist die
Ursache, dass sie absterben, was aber die Landleute nicht
wissen. Cato will, dass die Versetzung weder bei Wind
268 Siebenzehntes Buch.
noch bei Regen geschehen solle. Es ist auch vortheilhafl^
wenn den Wurzeln soviel als möglich von der Erde, m
welcher sie gelebt haben, anhängen bleibt, und dieselben
mit Rasen umgeben sind; Cato lässt sie daher auch in
Körben transportiren — ohne Zweifel das beste Verfahren..
Ebenderselbe begnügt sich auch damit, die oberste Erde
darunter zu legen. Einige geben an, wenn man unter die-
Granatbäume Steine lege, so bersteten die Aepfel auf dem.
Baume nicht. Es ist besser, die Wurzeln einwärts gebogen
zu setzen; nothwendig aber, den Baum so zu pflanzen, dass
er genau in die Mitte der Grube kommt. Man sagt, der
Feigenbaum trage, wenn man Meerzwiebeln (eine Art
Zwiebelgewächs) dabei säe, sehr schnell Früchte und werde
nicht vom Wurm angefressen; ein Fehler, von dem die
übrigen auf ähnliche Weise gepflanzten Obstbäume nicht
frei sind. Dass man auf die Wurzeln dieses Baumes grosse
Sorgfalt verwenden müsse, damit sie herausgehoben und
nicht herausgerissen erscheinen, wer wird diess bezweifeln?
Daher übergehen wir auch das übrige schon Bekannte, ferner
die Vorschrift, dass die Erde um die Wurzeln mit einem
Schlägel fest gemacht werden muss, was dem Cato das
richtigste hierbei zu sein scheint. Derselbe schreibt auch
vor, der Schnitt am Stamme müsse mit Mist verstrichen
und mit Blättern verbunden werden.
17.
Ein anderer Theil dieser allgemeinen Vorschriften
handelt von dem Abstände der Bäume von einander.
Einige sind der Ansicht, die Granaten, Myrten und Lor-
beeren müssten dichter, jedoch immer 9 Fuss von einander
entfernt gesetzt werden; die Aepfelbäume etwas weiter,
noch weiter die Birnbäume, und noch mehr die Mandeln
und Feigen. Am besten werden diese Weiten durch die
Ausdehnung der Aeste, die Grösse der Plätze und durch
den Schatten, welchen die Bäume werfen, bestimmt werden
können, denn auch auf diesen muss man sein Augenmerk
richten. Manche niedrige Bäume, wie die Aepfel und Birnen,,
welche ihre Aeste in einen Kreis ausbreiten, werden doch
Siebenzehntes Buch. 269
ZU den grossen gerechnet Dagegen stehen sie hei den
Kirschen und Lorbeeren unregelmässig und hoch empor.
18.
Der Schatten hat auch gewisse Eigenschaften. Für
die welschen Nüsse ist er beschwerlich und schädlich, eben
so für das menschliche Haupt und für fast alle Saaten.
Auch die Fichte erstickt das Gras, aber den Winden wider-
stehen beide, und dienen daher zu Schutzdächern der Wein-
berge. Die Traufe von der Fichte, der gemeinen und Stech-
eiche ist die schwerste. Von der Cypresse kommt gar keine,
ihr Schatten ist am kleinsten und. in sich gerollt '). Die
Feigenbäume werfen einen dünnen , obgleich weit ver-
breiteten; daher darf man sie auch in die Weinberge
pflanzen. Der Schatten der Ulmen ist mild und nährend,
wohin er auch fallen mag. Atticus^) hält ihn für den be-
schwerlichsten; ich bezweifle diess nicht, wenn man den
Baum sich in Aeste ausbreiten lässt, bindet man sie aber
zusammen, so wird er, meiner Meinung nach, keinen Scha-
den thun. Auch der der Platane ist, wenn auch dicht,
dennoch angenehm; zwar kann man sich auf das Gras
allein nicht verlassen, obwohl keiner schöner dessen Tep-
piche bedeckt. Die Pappel hat keinen, da ihre Blätter
flattern, die Erle einen starken, aber die Pflanzen nähren-
den. Der Weinstock wirft sich selbst genug Schatten, sein
Laub ist sehr beweglich, mässigt durch häufiges Hin- und
Hergehen die Sonnenhitze und bildet beim Regen eine starke
Decke. Fast alle Bäume mit langen Blattstielen haben
schwachen Schatten. Man muss diese Kenntniss vom
Schatten nicht gering achten und zu den überflüssigen
Dingen rechnen, da derselbe für die Gewächse entweder
eine Pflegerin oder Stiefmutter abgiebt. Dass der Schatten
der welschen Nüsse, Fichten und Tannen für die damit in
Berührung kommenden Pflanzen ein Gift ist, leidet keinen
Zweifel.
') D. h. auf kleinen Raum vereinigt.
^) Julius Atticus, ein nicht näher bekannter Schriftsteller.
270 Siebenzehntes Buch.
19.
Die Traufe lässt sich kurz erklären. Alle Bäume-
nämlich, welche durch Vorstreckung ihrer Blätter so ge-
schützt werden, dass der Regen durch sie selbst nicht
dringen kann, lassen mächtige Tropfen fallen. Daher wird
in Ahsicht dieses Gegenstandes sehr viel darauf ankommen,,
in wie weit die Erde, in welche wir Bäume verpflanzen
wollen, dieselben ernährt. Die Hügel erfordern schon an
sich kleinere Zwischenräume. An windigen Orten muss
man sie dichter setzen. Der Oelbaum erfordert jedoch den
grössten Platz, und Cato's auf Itahen gerichteter Ausspruch
ist: man setze ihn mindestens 25 und höchstens 30 Fus»
von einander. Allein diess ändert sich nach der Beschaffen-
heit der Gegenden. In der Provinz Bätica ist kein Baum
grösser. Man schreibt (doch das mögen die Schriftsteller
verantworten), in Afrika würden viele Oelbäume von dem
Gewichte des Oel's, welches man jährlich von ihnen gewänne,.
Tausendbäume genannt. Daher giebt ihnen Mago rings-
herum einen Raum von 75 Fuss, oder in einem magern,
harten und dem Winde ausgesetzten Boden, von wenigstens
45 Fuss. Bätica schätzt ihren Oelertrag zu der reichsten
Erndte. Es ist gewiss eine Unwissenheit, deren man sich
schämen muss, die herangewachsenen Bäume mehr als er-
forderlich auszulichten und dadurch bald alt zu machen,
oder sie ganz auszuschneiden (wobei meistens die, welche
sie gesetzt haben, ihre Unerfahrenheit beweisen). Nichts
ist für die Landleute schimpflicher, als die Reue über ein
solches Unternehmen, und es wäre allerdings besser, die
Bäume in ihrer Ausgedehntheit zu lassen.
20. ,
Einige Bäume wachsen von Natur langsam, und
zwar besonders die, welche nur aus dem Samen hervor-
gehen und sehr alt werden; diejenigen aber, welche schnell
absterben, wachsen rasch, wie die Feige, Granate, Pflaume,
der Apfel, die Birne, Myrte, Weide; und doch übertreffen
sie jene an reichem Ertrage, denn sie fangen schon im
dritten Jahre an zu tragen, zeigen auch wohl schon eher
Siebenzehntes Buch. 271
ihre Frucht. Die Birne ist unter ihnen die langsamste.
Der schnellste unter allen ist der Cyprus und der unechte
Cyprus, ein Strauch, denn sie blühen sogleich und tragen
Früchte. Alle aber wachsen schneller in die Höhe, wenn
die Schösslinge entfernt sind, wodurch die Nahrung in
einen Stamm getrieben wird.
21.
Die Natur hat uns auch die Fortpflanzung durch
Ableger (Absenker) gelehrt. Die durch ihre dünne und
bedeutende Länge gekrümmten Brombeersträucher befestigen
nämlich ihre Spitzen in die Erde, wachsen wiederum aus
sich selbst hervor, und würden, wenn man sie nicht daran
hinderte, alles überdecken, — was uns deutlich beweiset,
dass die Menschen um der Erde willen geschaffen sind.
So hat die schlimmste und verwünschteste Sache doch die
Ableger und Setzlinge ^) zu machen gelehrt. Ebenso ver-
hält es sich auch mit dem Epheu. Cato sagt, ausser dem
Weinstocke würden auch die Feige, der Oelbaura, die Gra-
naten, alle Obstarten, der Lorbeer, die Pflaumen, Myrten,
die avellanischen und pränestinischen Nüsse und die Pla-
tane durch Ableger fortgepflanzt.
Es giebt 2 Arten des Absenkens; die eine besteht da-
rin, dass man einen Zweig von dem Baume herab in eine
Grube drückt, welche überall 4 Fuss weit ist, ihn nach 2
Jahren an der Biegung abschneidet, und die neue Pflanze
im dritten Jahre versetzt. Will man sie weit transportiren,
so ist es am besten, die Zweige gleich in die Körbe oder
iidenen Gefässe zu senken, in welchen sie fortgebracht
werden sollen. Die zweite Art ist noch fruchtbarer, denn
man erzeugt am Baume selbst Wurzeln, indem man die
Zweige durch irdene Gefässe oder Körbe zieht, und sie
rings herum mit Erde umgiebt. Durch diese Behandlung
erhält man zwischen dem Obste und den Spitzen Wurzeln
(denn man nimmt die Operation an den höchsten Spitzen
') viviradix.
272 Siebenzehntes Buch.
vor) und erzeugt durch kühnen Scharfsinn weit von der
Erde einen anderen Baum, indem man nach einem Zeit-
räume von 2 Jahren, wie oben, den Ableger abschneidet
und mit dem denselben umgebendem Gefässe pflanzt. Der
Sadebaum wird durch Ableger und Abreisser fortgepflanzt,
und soll durch Weinhefe oder zerstossene Ziegelsteine aus
Wänden ausserordentlich genährt werden. Auf gleiche
Weise pflanzt man den Rosmarin durch Zweige fort, denn
keiner von Beiden trägt Samen; den Oleander aber durch
Ableger und Samen.
22.
Die Natur lehrte uns ferner, durch Samen einen
Baum auf den andern zu versetzen. Der Samen
nämlich, welcher von hungrigen Vögeln verschluckt ist,
bleibt ganz, wird durch die Wärme ihres Leibes erweicht,
durch fruchtbaren Mist gedüngt auf die weichen Astachseln,
und oft durch Winde in etwaige Risse der Rinde gebracht.
Wir sehen daher Kirschen auf Weiden, Platanen auf Lor-
beereo, den Lorbeer auf dem Kirschbaume, also auf einem
Baume Beeren von verschiedener Farbe. Auch die Dohlen,
welche sich Samen in Höhlungen aufhäufen, sollen die Ur-
sache davon sein
23.
Hieraus ist das Versetzen durch Augen i) entstan-
den. Mit einem dem Schusterkneif ähnlichen Instrumente
nimmt man nämlich durch Ablösen der Rinde ein Auge
von einem Baume, und schiebt ein von einem anderen
Baume genommenes unter jene Rinde. Bei den Feigen
und Aepfeln ist diese Operation nichts Neues mehr. Die
Virgilianische Methode besteht darin, dass man eine Ver-
tiefung an dem Augenknoten der weggenommenen Rinde
sucht und die Knospen von dem anderen Baume dort
einschliesst. Soweit von dem, was uns die Natur ge-
lehrt hat.
') Inoculatio.
Siebenzehntes Buch. 273
24.
Das Pfropfen^) aber leinte der Zufall, ein anderer
und fast noch häufigerer Lehrmeister, auf folgende Weise.
Ein Landmann, der seine Hütte mit einem dauerhaften
Zaune versehen wollte, legte unter die Pfähle, damit sie
weniger faulten, eine Sehwelle von Epheuholz. Jene aber
erhielten, sobald sie in die Löcher des noch lebenden Holzes
kamen, von dem fremden Leben ein eigenes, und es schien,
als wenn der Balken ihnen statt der Erde diente. Man
sägt daher den Stamm gerade ab, und macht die Fläche mit
dem Gartenmesser gleich. Hierauf verfährt man auf zweier-
lei Weise. Die erste besteht darin, das Reis zwischen die
Rinde und das Holz zu setzen. Die Alten fürchteten sich
den Stamm zu spalten; später wurden sie so dreist, den-
selben bis auf die Mitte zu bearbeiten, indem sie selbst
ins Mark ein Reis setzten, jedoch nur eins, denn das Mark
konnte nicht mehrere fassen. Eine feiner erdachte Methode
hat die Zahl der Reiser sogar auf 6 vermehrt, um ihrer
Vergänglichkeit durch die Zahl zu Hülfe zu kommen. Man
spaltet nämlich den Stamm behutsam mitten durch, und
hält die Spalte durch einen dünnen Keil so lange offen,
bis man das spitz zugeschnittene Pfropfreis 2) hinein ge-
steckt hat.
Hierbei ist vieles zu beobachten, und vor allen Dingen,
welcher Baum, und wessen Baumes Reis eine solche Be-
gattung duldet. Der. Saft ist auch verschieden, und nicht
an allen Theilen überall gleich. Bei dem Weinstocke und
dem Feigenbaume ist der mittlere Theil der trocknere, und
die Fruchtbarkeit findet sich am oberen Theile, daher muss
man von da die Reiser nehmen. Die Oelbäume haben ihren
Saft in der Mitte; deshalb nimmt man auch die Reiser von
daher; die Spitzen dagegen sind dürr. Diejenigen Reiser
wachsen am leichtesten zusammen, deren Rinde gleicher
Art mit der des Baumes ist, welche zugleich blühen, zu
') Insitio.
^) calamus.
Wittstein: Plinius. III. Bd. 18
274 Siebenzehntes Buch.
ein und derselben Zeit ausschlagen, und verwandte Säfte
haben. Denn es geht immer langsam, wenn trockene Rinde
mit feuchter, weiche mit harter zu kämpfen hat. Ausser-
dem ist zu beobachten, dass die Spalte nicht bei einem
Knoten gemacht werde, denn die Härte desselben stösst
den Ankömmling ungastlich von sich; ferner dass sie sich
am besten Theile (des Baumes) befinde, nicht über 3 Finger
breit lang, nicht schief oder durchschimmernd sei. Virgil
widerräth, Reiser von der Spitze zu pfropfen. Es ist auch
ausgemacht, dass man die Pfropfreiser von den Baumästen,
welche gegen Osten gerichtet sind, sowie von tragbaren
und von einem jungen Schusse nehmen muss, wenn sie
nicht auf einen alten Baum gepfropft werden; denn für
diese müssen sie etwas stärker sein. Ausserdem sollen
sie strotzende, d. h. ausschlagsnahe Augen, welche in dem-
selben Jahre schon Früchte gebracht haben würden, ent-
halten. Man nimmt in der Regel 2 zugleich, und nie dünner
als der kleine Finger. Sie werden auch umgekehrt ge-
pfropft, und zwar deshalb, damit ihr Wachsthum mehr in
die Breite als in die Höhe gehen soll. Vor allem wird es
gut sein, dass die treibenden Reiser ein nettes Aeussere
haben, und weder wund noch dürr sind. Viel Hoffnung^
des Gelingens giebt das Mark des Reises, wenn es in der
Fuge mit dem Holze und der Rinde des Stammes verbun-
den wird; denn diessist besser, als wenn es aussen mit der
Rinde in Berührung kommt. Beim Zuspitzen des Reises
darf man sein Mark nicht entblössen, doch muss es nur
durch eine dünne darum liegende Röhre bedeckt sein, so
dass die Zuspitzung in einen schrägen, nicht mehr als 3
Finger breit langen Kiel ausläuft. Man erreicht diess am
leichtesten, wenn man das Reis ins Wasser tunkt und dann
abschabt. Es darf nicht im Winde zugespitzt werden, auch
darf weder bei dem einen noch bei dem andern die Rinde
vom Holze abgehen. Das Reis muss bis an seine Rinde
eingesetzt, dabei nicht verletzt, noch seine Rinde in Runzeln
geschoben werden. Daher muss man keine thränenden
Reiser und ebensowenig trockene Reiser pfropfen; denn
Siebenzehntes Buch. 275
dort hängt der zu vielen Feuchtigkeit wegen die Rinde
locker, hier wird dasselbe aus Maugel an Lebenssaft nicht
angefeuchtet, und kann nicht anwachsen. Einige setzen es
aus Aberglauben im zunehmenden Monde und drücken es
mit beiden Händen ein. Uebrigens werden bei dieser Ar-
beit 2 Hände weniger angestrengt, nur ist hier der ge-
hörige Grad von Kraft nöthig. Senkt man sie stärker ein,
so tragen sie später und dauern länger; wo nicht, so erfolgt
das Gegentheil. Die Spalte muss nicht so weit offenstehen,
und das Reis weder zu schlaff noch zu eng fassen; sie kann
es aussprengen oder durch Zusammendrücken ersticken.
Hierauf muss man am meisten Acht haben, nämlich, dass
das Reis, wenn es vom Stamme kräftig gefasst wird, in
der Mitte der Spalte bleibe, fiiüige verbinden, nachdem
die Spur der Spalte mit dem Messer gemacht ist, den Rand
selbst mit Weidenruthen, und setzen dann Keile hinein:
durch das Band wird dann das Aufreissen der Spalte ver-
hindert. Einige Bäume, welche man in der Pflanzschule
gepfropft hat, werden an eben demselben Tage versetzt.
Soll ein dicker Stamm gepropft werden, so geschieht diess
besser zwischen der Rinde und dem Holze, und zwar mit
einem recht harten Keile, damit derselbe nach geöffneter
Rinde nicht platze. Die Kirschbäume werden gespalten,
nachdem der Bast weggenommen worden ist; sie allein
pfropft man nach dem kürzesten Tage. Nach Hinwegnahme
des Bastes bleibt noch ein wolliger Ueberzug; kommt dieser
an das Pfropfreis, so wird es faul. "Wird das Reis unver-
sehrt an den Keil gebracht, so kann man es dadurch am
besten verbinden. Es ist am besten, der Erde so nahe als
möglich zu pfropfen, wenn es anders die Beschaffenheit des
Stammes und der Astknoten erlaubt. Die Reiser dürfen
nicht länger als 6 Finger hoch hervorstehen.
Cato räth, Thon oder Creta mit Sand und Kuhmist zu
vermischen, den Teig so lange zu kneten, bis er zähe wird,
und ihn zwischen die Fugen und aussen herum zu schmieren.
Aus seinen Angaben erhellet, dass man zu jener Zeit nicht
anders als zwischen Rinde und Holz pfropfte, und das Reis
18*
276 Siebenzehntes Buch.
nicht tiefer als 2 Finger breit einliess. Nach ihm soll man
Birnen und Aepfel den Frühling über, 50 Tage nach der
Sonnenwende und nach der Weinlese, Oel- und Feigenbäume
aber nur im Frühlinge, wenn der Mond durstig d. h. trocken
ist ^), ausserdem nach Mittag und wenn kein Südwind wehet,
pfropfen. Man muss sieh wundern, dass er sich nicht damit
begnügte, das Pfropfreis auf die angegebene Weise zu ver-
wahren, und durch Käsen und zarte gespaltene Weideuruthen
gegen Regen und Kälte zu schützen; nein, er befiehlt sogar,
man solle es noch mit Ochsenzunge (einer Art Kraut) 2)
bedecken und dasselbe mit Stroh belegt darauf binden.
Jetzt hält man es für mehr als hinreichend, die Rinde mit
einem spreuhaltigen Kitte zu verwahren, so dass das Reis
2 Finger breit hervorragt. Diejenigen, welche im Frühjahre
pfropfen, müssen sieh beeilen, weil die Knospen bald aus-
brechen , ausgenommen beim Oelbaume , dessen Augen
äusserst langsam hervorkommen, und die unter der Rinde
äusserst wenig Saft haben, denn eine zu grosse Menge von
letzterem schadet den Reisern. Bei der Granate und Feige
aber darf man, obgleich sie sonst trocken sind, nicht säumig
sein. Ein Reis vom Birnbäume kann man sogar, wenn es
blühet, pfropfen, und die Versetzung selbst bis in den Mai
hinausschieben. Werden die Reiser von Obstbäumen weit
hergebracht, so hält man, zur Bewahrung ihres Saftes, es
für das Beste, sie in eine Rübe zu stecken; man kann sie
auch zwischen 2 Hohlziegeln, die von beiden Seiten mit
Erde verstopft sind, neben Bächen oder Fischteichen auf-
bewahren. Die Reiser vom Weinstock verwahrt man in
trocknen Gruben, welche mit Stroh bedeckt und dann so
weit mit Erde überworfen werden, dass sie nur mit der
Spitze hervorragen.
25.
Cato pfropft den Weinstock auf dreierlei Weise.
Die erste Methode besteht darin, den abgeschnittenen
>) D. i. im Neumonde. ^) S. XXV. B. 40. Cap.
Siebenzehntes Buch. 277
Stamm durch das Mark hindurch zu spalten, in dieses die
(auf die bereits angegebene Weise) zugespitzten Reiser zu
stecken, und so Mark mit Mark zu vereinigen. Die zweite
wird angewandt, wenn die Weinstöcke einander berühren;
man soll nämlich die entgegengesetzten Seiten beider schräg
abschaben, Mark an Mark bringen, und sie so zusammen-
binden. Nach der dritten soll mau den Stamm schräg bis
aufs Mark anbohren, ein 2 Fuss langes Reis einstecken^
verbinden, und, wenn dasselbe gerade in die Höhe gerichtet
ist, aiit durchkneteter Erde bestreichen. In unserer Zeit
ist diese Methode verbessert worden, man bedient sich
nämlich eines gallischen Bohrers, welcher das Holz aushöhlt
und nicht erhitzt, denn alle Erhitzung schwächt. Auch
muss man ein Reis nehmen, was schon anfängt auszu-
schlagen; dasselbe muss von der Stelle an, wo es hervor-
steht, nicht mehr als 2 Augen haben, mit Ulmenruthen
festgebunden und von 2 Seiten in eine doppelte Spitze zu-
schärft werden, damit der Schleim, welcher den Weinstöcken
sehr schadet, besser abtröpfele. Wenn nun die Reben-
schösslinge 2 Fuss hoch geworden sind, muss mau den
Verband einschneiden, damit auch das Wachsthum in die
Dicke stattfinden kann. Die Zeit zum Pfropfen der Wein-
stöcke hat man vom Herbstäquinoctium bis zum Anfange des
Ausschiagens festgesetzt. Zahme Pflanzen werden auf
Wurzeln von wilden, welche von Natur trockener sind, ge-
pfropft. Pfropft man zahme auf wilde, so arten sie in wilde
aus. Das Uebrige wird durch die Witterung bedingt.
Trocknes Wetter eignet sich für die Reiser am besten; zu
ihrer Erholung setzt man neben sie irdene Gefässe, aus
welchen durch Asche etwas Feuchtigkeit tröpfelt. Inocu-
lirte Gewächse gedeihen gut bei massigem Thau.
26.
Die Methode, ein Rindenpflaster i) einzulegen, scheint
aus der Inoculation entstanden zu sein. Sie ist am anwend-
barsten bei einer dicken Rinde, dergleichen der Feigen-
•) Emplastrum.
278 Siebenzehntes Buch.
bäum hat. Mau schneidet nämlich alle Aeste ab, damit
diese den Saft nicht an sich ziehen, nimmt an der besten
Stelle, da wo der Baum am gesundesten aussieht, eine
4 eckige Scheibe aus der Rinde (doch so, dass das Messer
nicht tiefer geht), drückt in die Stelle ein gleiches Stück
Rinde von einem andern Baume, woran eine schwellende
Knospe ist, und verdichtet die Fuge so, dass keine Ritze
übrig bleibt, alles gleich gemacht ist, und weder Nässe
noch Wind hinzutreten können. Besser aber, man verstreicht
noch mit Lehm und umbindet das Ganze. Leute, welche
den Neuerungen mehr huldigen, sagen, diese Methode sei
erst vor Kurzem erfunden; allein man findet sie schon bei
den alten Griechen und bei Cato, welcher den Oel- und
Feigenbaum so zu pfropfen lehrt, und dabei, seiner gewöhn-
lichen Sorgfalt gemäss, sogar das Maass vorschreibt. Man
soll nämlich mit einem Messer ein 4 Finger breit langes
und 3 Finger breites Stück ausschneiden, wie oben gesagt
einfügen, und mit gekneteter Erde überstreichen. Eben so
soll mau beim Apfelbaume verfahren.
Manche haben die Spalte an den Weinstöcken mit
dieser Art vermischt, weil man zuvor ein 4 eckiges Stück
Rinde hinwegnimmt, wenn ein Reis an der flachen Seite
angebracht werden soll. Ich habe bei den tullianischen
Tiburten einen auf so vielerlei Weise gepfropften Baum ge-
sehen, der mit allen Arten von Obst behangen war, an
einem Aste waren nämlich Nüsse, an einem andern Beeren,
da Weintrauben, dort Feigen, Birnen, Granaten und andere
Arten von Aepfeln; er lebte aber nicht lange. Durch unsere
Experimente können wir jedoch der Natur nicht in jeder
Beziehung gleich kommen; einige Bäume nämlich gedeihen
nicht anders als von selbst, und kommen nur an unge-
baueten und wüsten Orten vor. Auf die Platane soll man
am leichtesten pfropfen können, dann folgt die gemeine
Eiche, allein beide verderben den Geschmack (der Früchte).
Auf einige, wie z. B. die Feige und Granate, kann man
alles pfropfen. Der Weiustoek, ferner solche Bäume, welche
eine dünne, hinfällige oder rissige Rinde haben, nehmen
Siebenzehntes Buch. 279
das Rindenpflaster nicht an. Zur Inoculation eignen sieh
keine trockene, oder wenig Feuchtigkeit enthaltende Bäume.
Die Inoculation ist unter allen Methoden die fruchtbarste,
dann folgt das Emplastriren; beide aber sind am unzuver-
lässigsten, denn wenn die Rinde dünn ist oder die Luft
stark wehet, geht das Auge zu Grunde. Am sichersten
ist das Pfropfen, und es zeigt sich fruchtbarer als das
Säen.
Ein Beispiel darf ich der Seltenheit wegen nicht über-
gehen. Corellius, ein römischer Ritter aus Ateste, pfropfte
im Neapolitanischen Gebiete eine Kastanie mit ihrem eigenen
Reise. Daraus ward eine der besten Arten von Kastanien,
welche nun nach ihm den Namen erhielt. Später pfropfte
der Freigelassene Eterejus wiederum die corellianische.
Zwischen beiden findet nun der Unterschied statt, dass
jene mehr, die eterejanische dagegen bessere Früchte trägt.
27.
Auch auf die übrigen Arten der Vermehrung undVeredlung
verhalf der Zufall, denn als man sah, dass eingeschlagene
Pfähle Wurzeln treiben, fing man auch an, abgebrochene
Zweige zu pflanzen. Auf diese Weise pflanzt man viele
Bäume, und besonders den Feigenbaum, der auf jede Art,
nur nicht durch einen Schnittling gezogen werden kann;
am besten kommt er fort, wenn ein starker Zweig, wie ein
Pfahl zugespitzt, tief in die Erde gesetzt wird, so dass nur
ein kurzer Theil über der Erde bleibt, den man gleichfalls
mit Sand bedeckt. Auch vom Granatbaum werden Zweige
gepflanzt, nachdem man zuvor ein Loch mit einem Pfahle
gemacht hat; ebenso die Myrte. Alle diese Aeste müssen
S Fuss lang, fast wie ein Arm dick sein, die Rinde muss
sorgfältig in Acht genommen und das Stämmchen selbst
zugespitzt werden.
• 28.
Die Myrte wird auch durch Schnittlinge fortgepflanzt;
der Maulbeerbaum nur durch diese, weil die Furcht vor
dem Blitze ihn auf die Ulme zu pfropfen hindert. Wir
müssen daher jetzt von dem Pflanzen der Schnittlinge reden.
280 Siebenzehntes Buch.
Dabei ist vor allem zu beobachten, dass man die Schnitt-
linge von tragbaren Bäumen nehme, dass sie weder krumm,
noch gabelig, noch ästig seien, ferner nicht dünner, als die
Hand zu füllen, nicht kürzer als einen Fuss, dass die Rinde
nicht verletzt sei, dass allemal der untere Schnitt, und was
der Wurzel nahe ist, gesetzt werde, und dass man die
Knospen so lange mit Erde überdecke, bis die Pflanze
kräftig zu werden anfängt.
29.
Was Cato in Betreff der Cultur der Oelbäume vor-
schreibt, können wir am besten mit seinen eigenen Worten
wiedergeben. Die Schnittliuge der Oelbäume, welche in
eine Grube gepflanzt werden sollen, nehme man 3 Fuss
lang, und verfahre beim Abhauen oder Abschneiden mit
Vorsicht, damit die Rinde nicht beschädigt wird. Die für
die Pflanzschule bestimmten mache man 1 Fuss lang und
setze sie folgendermaassen ein: Der Platz muss umgegraben
und wohl aufgelockert sein. Wird der Schnittling einge-
setzt, so trete man ihn mit dem Fusse ein; geht er nicht
gut hinein, so treibe man ihn mit dem Hammer oder dem
Schlägel ein, aber hüte sich, dass man dabei den Bast nicht
spaltet. Macht man zuvor mit einem Pfahle ein Loch zum
Einsetzen des Schnittlings, so wird er besser angehen. Sind
die Pflanzen nun 3 Jahre alt, so muss man darauf Acht
haben, wohin sich der Bast wendet i). Pflanzt man in
Gräben oder Furchen, so stecke man jedes Mal 3 Schnitt-
linge, und decke soviel Erde darüber, dass sie nicht mehr
als 4 Finger breit herausstehen, und die Knospe oder das
Auge verwahrt sei. Den Oelbaum muss man behutsam
ausgraben, und an den Wurzeln muss so viel Erde wie
möglich hängen bleiben. Die Wurzeln bedecke man gut
und trete die Erde rund herum fest, damit sie keinen
Schaderi leiden.
') D. h. nach welcher Himmelsgegend er gerichtet ist, damit das
Stämmchen beim Versetzen wieder dieselbe Stellung bekommt.
Siebenzehntes Buch. 281
30.
Auf die Frage, welches die rechte Zeit zum Pflanzen
sei, antworte ich: auf trocknen Acker während der Säezeit,
auf fruchtbaren im Frühlinge. Einen Oelgarten fange man
15 Tage vor dem Frtihlingsäquinoctium an zu beschneiden,
und von dieser Zeit an kann es 40 Tage lang geschehen.
Das Beschneiden selbst wird auf folgende Art ausgeführt.
An recht fruchtbaren Plätzen nehme man alles was trocken
ist und was der Wind zerbrochen hat, weg; an unfrucht-
baren schneide man mehr weg, und mache durch Pflügen
und Ausschneiden der Knoten die Stämme leicht. Um die Oel-
bäume mache man Gruben und umgebe sie mit Mist. Wer
seinen Oelgarten häufig und tief umarbeitet, wird die zar-
testen Wurzeln herauspflügen. Kommen die Wurzeln in
die Höhe, so werden sie dicker, denn dann gehen die Kräfte
des Oelbaumes in die Wurzeln über.
Welches die verschiedenen Arten des Oelbaumes sind,
in was für einer Erde sie leben und gepflanzt werden, und
welche Lage die Oelgarten haben müssen, haben wir be-
reits bei der Beschreibung des Oelbaumes augegeben.
Mago sagt, man solle sie auf Hügeln, trocknem Boden und
Thon zwischen dem Herbste und Winter, in dichter, nasser
oder etwas feuchter aber von der Erndtezeit an bis zum
Winter pflanzen. Es ist augenscheinlich, dass er diese
Vorschriften nur in Bezug auf Afrika gegeben hat. In
Italien pflanzt man sie jetzt meistens im Frühjahre. Will
man es aber im Herbste thun, so geschehe es 40 Tage
nach dem Aequinoctium bis zum Untergange des Sieben-
gestirns. Bloss 4 Tage giebt es, welche dem Anpflanzen
schädlich sind. Nur in Afrika pfropft man den zahmen
Oelbaum auf den wilden. Sie behalten bei ihrem Altwerden
doch eine gewisse Unvergänglichkeit, denn zur nächsten
Fortpflanzung schiesst aus ihnen ein Zweig hervor, ein
anderer, junger Baum erhebt sich aus ihm, und diess ge-
schieht jedesmal so oft es nöthig ist, so dass ein und der-
selbe Baum Jahrhunderte lang besteht. Man pfropft einen
wilden Oelbaum durch ein Reis oder durch Inoculation.
282 Siebenzehntes Buch.
Ein Oelbaum darf nicht dahin gesetzt werden, wo eine
Eiche ausgegraben ist, denn in der Eichenwurzel entsteht
eine Art Würmer, welche Raucä heissen und in den neuen
Baum übergehen. Man hat es für besser befunden, die
Schnittlinge nicht in die Erde zu scharren oder zu trocknen,
bevor sie gepflanzt werden. Ferner hat es sich vortheil-
haft bewiesen, einen alten Oelgarten vom Frühlingsäqui-
noctium an während dem Aufgange des Siebengestirns ein
Jahr um das andere umzuackern, Moos um die Wurzeln
zu legen, um diese aber alle Jahr vom Solstitium an einen
2 Cubitus breiten und 1 Fuss tiefen Graben zu machen, und
im 3. Jahre zu düngen.
Mago räth, die Mandelbäume vom Untergange des Arc-
turus an bis zum kürzesten Tage, alle Birnen aber nicht
zu ein und derselben Zeit zu pflanzen, weil sie nicht zu
gleicher Zeit blühen, die länglichen und runden vom Unter-
gange des Siebengestirns an bis zum kürzesten Tage, die
übrigen, gegen Norden und Osten hin stehenden, mitten im
Winter nach dem Untergange des Schützen; den Lorbeer
vom Untergange des Adlers an bis zum Untergange des
Schützen. Die Pflanzzeit beruhet nämlich gleichfalls auf
Gründen. Man hat geglaubt, das Pflanzen müsse vorzüg-
lich im Frühjahre und Herbste geschehen; es giebt aber
noch eine andere, in den Aufgang des Hundssterns fallende
(günstige) Zeit, die nur Wenigen bekannt ist, weil man sie
nicht an allen Orten gleich nützlich befunden hat, und die
wir nicht übergehen dürfen, weil wir nicht von der Be-
schaffenheit einer einzelnen Gegend, sondern der ganzen
Natur handeln. In der cyrenaischen Provinz und in Griechen-
land pflanzt man nämlich beim Wehen der Passatwinde,
in Laconien namentlich den Oelbaum und auf der Insel
Cos auch die Weinstöcke. Die übrigen Griechen tragen
kein Bedenken, zu inoculiren und zu pfropfen, allein Bäume
pflanzen sie nicht. Hierbei hängt von der Beschaffenheit
des Ortes das Meiste ab; denn in Aegypten und wo im
Sommer kein Regen fällt, wie in Indien und Aethiopien
Siebenzehntes Buch. 283
säet man alte Monate. Nächstdem werden die Bäume
nothwendigerweise im Herbste gepflanzt.
Drei Zeiten sind sich also hinsichtlich des Ausschiagens
gleich : der Frühling, der Aufgang des Hundssterns und der
Aufgang des Arcturus; denn nicht allein die Thiere haben
eine Begierde sich zu begatten, sondern diese ist in der
Erde und in allen Pflanzen noch viel stärker, und sie recht-
zeitig zu benutzen, trägt sehr viel zur Fruchtbarkeit bei.
Oanz besonders gewahrt mau sie bei den Pfropfreisern, wo
sich von beiden Seiten ein Streben zur Vereinigung zeigt.
Diejenigen, welche den Frühling vorziehen, fangen gleich
vom Aequinoctium an, denn sie sagen, jetzt trieben die
Pflanzen Knospen, und daher fasse die Rinde alles leicht.
Welche den Herbst vorziehen, beginnen gleich nach dem
Aufgange des Arcturus, weil dann die Reiser gleich einige
Wurzeln schlügen, also zubereitet in den Frühling kämen,
und das Ausschlagen ihnen nicht sobald die Kräfte raube.
Doch haben einige Bäume tiberall eine bestimmte Jahres-
zeit, in der sie gepflanzt oder gepfropft werden, wie z. B.
die Kirschen und Mandeln um den kürzesten Tag. Bei
vielen wird die Lage der Gegend die beste Entscheidung
abgeben; denn solche Gegenden, welche kalt und feucht
liegen, muss man im Frühlinge, dagegen trockne und warme
im Herbste bepflanzen.
In Italien theilt man allgemein die Zeiten zum Pflanzen
etc. auf folgende Weise ein: den Maulbeerbaum pflanzt man
vom 13. Februar bis zum Aequinoctium; die Birne im Herbste,
und zwar nicht weniger als 15 Tage vor dem kürzesten;
die Sommeräpfel, Quitten, Speierlinge und Pflaumen nach
der Glitte des Winters bis zum 13. Februar; das Johannis-
brot und die Pfirsiche den Herbst über vor dem kürzesten
Tage; die Nussarten, als die welschen, Pinien-, Hasel- und
griechischen Nüsse und die Castanien vom 1. bis 15. März;
die Weide, den Ginster um den ersten März, und dieser
wird, wie wir bereits gesagt haben, aus Samen an trock-
nen Orten, jene aus Stecklingen an feuchten Orten ge-
zogen.
284 Siebenzehntes Buch.
Um nun wissentlich nichts von dem, 'was ich ge-
funden habe, zu tibergehen, so führe ich noch eine neue
Art zu pfropfen an, welche Columella nach seiner eignen
Versicherung erfunden hat, und durch welche Bäume von
verschiedener und widerstrebender Natur, wie Feigen- und
Oelbäume, miteinander verbunden werden. Man soll näm-
lich neben einen Oelbaum einen Feigenbaum pflanzen, je-
doch nicht weiter davon entfernt, als der Oelzweig welcher
sehr biegsam ist und nachfolgt, jenen erreichen kann und
ihn die ganze Zeit hindurch durch Krümmen zu gewöhnen
suchen. Nachdem nun der Feigenbaum gehörige Kräfte
gesammelt hat (was im 3. oder spätestens im 5. Jahre ein-
einzutreten pflegt), so nimmt man seine Krone hinweg,
schabt auf die schon angezeigte Weise die Fläche glatt,
befestigt jenen Ast in den Stamm des Feigenbaumes, und
bindet ihn fest, damit er der Krümmung wegen nicht wie-
der herausschnellt. So muss er, als ein Mittelding zwischen
Senker und Propfreis, 3 Jahre lang zwischen den beiden
Mutterstämmen wachsen. Im 4. Jahre schneidet man ihn
ab, und nun gehört er ganz der neuen Mutter. Diese Me-
thode ist, so viel ich wenigstens weiss, noch nicht allgemein
verbreitet.
31.
Ausserdem hat jene bereits oben angeführte Berück-
sichtigung in Bezug auf warmen und kalten, feuchten und
trocknen Standort uns auch gelehrt. Pflanzgruben anzu-
legen. An wässrigen Orten wird man wohl thun, sie weder
tief noch weit zu machen; anders ist es auf warmem und
trocknem Boden, damit sie eher das Wasser anziehen und
behalten können. Auf diese Weise pflegt man auch alte
Bäume; denn an heissen Stellen behäufelt und bedeckt man
Wurzeln, damit sie die Sonnenhitze nicht verbrennt. Anders-
wo zieht man Gräben um sie, damit die Luft Zutritt hat,
und schützt sie im Winter durch Behäufeln vor der Kälte.
Jene dagegen decken im Winter die Erde von ihnen auf,
und suchen ihnen, wenn sie trocken sind, Feuchtigkeit zu
verschaffen. Das Aufgraben der Erde unter den Bäumen
Siebenzehntes Buch. 285
geschieht überall 3 Fuss im Kreise herum, jedoch nicht
auf Wiesen, weil die Wurzeln aus Neigung zum Sonnen-
scheine und zur Feuchtigkeit oben unter der Erdlläche
hinkriechen.
So viel von den Bäumen, die der Früchte wegen ge-
pflanzt und gepfropft werden müssen.
32.
Jetzt sind noch diejenigen Bäume übrig, welche mau
um anderer Willen und besonders wegen der Weinberge
bauet, und deren Holz deshalb gefällt wird. Unter ihnen
behaupten die Weiden den ersten Platz; man pflanzt sie
an feuchte Orte, die man aber 2^/2 Fuss tief aufgräbt, und
nimmt dazu 1^2 Fuss lange Schnittliuge oder Stämme, welche
je voller, desto besser sind. Sie müssen 6 Fuss weit von
einander stehen. Wenn sie 3 Jahre alt sind, werden sie
2 Fuss von der Erde durch Beschneiden gezwungen, sich
in die Breite auszudehnen, um sie ohne Leiter schneiden
zu können. Die Weide ist nämlich um so fruchtbarer, je
näher sie der Erde steht. Man schreibt auch vor, sie all-
jährlich im Monat April umzugraben. Diess ist die Wartung
der Ruthenweiden. Die Stangenweiden werden als Zweig
oder Schnittling in dieselbe Grube gepflanzt. Das vierte
Jahr ist die rechte Zeit, Stangen aus ihr zu hauen. Sie
ersetzen aber die Stelle der altern durch neue Schüsse,
wenn man eine Stange hineinsteckt und nach einem Jahre
abschneidet. Ein Morgen Ruthenweiden reicht für 25 Morgen
Weinland hin. Aus gleicher Ursache wird auch die weisse
Pappel gepflanzt; man gräbt zu diesem Behuf 2 Fuss tief,
steckt 11 2 Fuss lange Schnittlinge, die 2 Tage lang ge-
trocknet sind, in einem Abstände von 1^4 Fuss ein, und
wirft 2 Ellen hoch Erde darüber.
33.
Das Rohr liebt einen noch lockerern (nassern) Boden als
jene. Man pflanzt dessen Wurzelzwiebeln, welche Einige
Augen nennen, in spannegrosse Löcher 2V> Fuss weit von
einander. Es wächst, wenn das alte Rohr ausgerissen ist,
von selbst wieder, und diess hat sich besser bewährt, als
286 Siebenzehntes Buch.
das früher hier befolgte Abschneiden, denn in letzterem
Falle schlingen sich die Wurzeln in einander, und werden
dadurch erstickt. Die Zeit, dasselbe zu pflanzen ist, bevor
die Augen gross werden d. i. vor dem ersten März, Es
wächst bis in den Winter, und hört auf, wenn es anfängt
zu erhärten. Dieses ist der rechte Zeitpunkt, dasselbe zu
schneiden, und es geschieht so oft man glaubt den Wein-
berg umgraben zu müssen. Das Rohr wird auch schräg
in die Quere gepflanzt, und nicht tief gelegt; aus jedem
Auge bricht eine eigene Pflanze hervor. Man pflanzt ferner
abgebrochenes Rohr in fussgrosse Furchen, so dass 2 Augen
mit Erde bedeckt werden, und der 3. Knoten die Erde nur
berührt; die Spitze wird gebogen, damit sie keinen Thau
annimmt. Man schneidet es bei abnehmendem Monde. Für
Weinberge ist das, was ein Jahr getrocknet hat, besser als
das grüne.
34.
Die Kastanie wird zu Pfählen allen andern Holzarten
vorgezogen, weil sie sich leicht behandeln lässt, sehr dauer-
haft ist, und der Stamm, nachdem er abgehauen, im Wie-
derausschlagen die Weide noch übertrifft. Sie verlangt
einen leichten, aber nicht trocken sandigen, sondern beson-
ders einen feuchten sandigen, oder schwärzlichen sowie
toffigen Boden, wenn er auch noch so schattig, nördlich,
kalt oder abschüssig liegt. Dahingegen gedeihet sie nicht
auf Kies, Röthel, Greta oder sonst irgend einem frucht-
baren Boden. Wir haben bereits gesagt, dass sie durch
die Nüsse fortgepflanzt wird, aber nur die grössten sind
keimungsfähig, und auch nur dann, wenn ihrer 5 zusammen-
gelegt werden. Die darüber befindliche Erde muss vom
Monat November bis in den Februar durchbrochen werden;
sie fallen um diese Zeit vom Baume und wachsen, wenn
sie dann in. die lockere Erde kommen, hervor. Sie müssen
1 Fuss weit von einander entfernt, und in einer allenthalben
Spannengrossen Furche stehen. Aus dieser Pflanzschule
werden sie nach mehr als 2 Jahren in einen andern Boden
gesetzt, und zwar je 2 Fuss weit von einander. Kein Baum
Siebenzehntes Bucli. 287
bekommt leichter Wurzelschösslinge. Wenn man die Wurzel
entblösst, und ihn ganz in einen Graben hinstreckt, so
wächst er aus der über der Erde gelassenen Spitze wieder
hervor, und aus der Wurzel entsteht noch ein anderer
Baum. Versetzt man ihn aber, so gewöhnt er sich nicht
leicht an den neuen Platz, scheuet die neue Veränderung
und schiesst erst fast zwei Jahre danach in die Höhe. Da-
her bauet man in die zu behauenden Pflanzschulen lieber
Nüsse, als Wurzelreiser. Er braucht keine andere Wartung,
als dass man ihn 2 Jahre lang umgräbt und unten be-
schneidet; hernach zieht er sich selbst und tödtet durch
seinen Schatten die überflüssigen Schösslinge. Im 7. Jahre
wird er gehauen. Sein Pfahlholz von 1 Morgen reicht für
20 Morgen Weinland hin, wenn auch die Pfähle aus 2 mal
gespaltenen Stämmen gemacht werden, und dauert länger
als zum Wiedereintritt der folgenden Hauungszeit.
Die Speiseiche gedeihet unter ähnlichen Umständen,
wird 3 Jahre später gehauen, wächst aber weniger langsam.
Sie kann in jedes Erdreich gesetzt werden, wächst aus der
Eichel, jedoch nur aus der ihrigen, in spannenweiten und
zwei Fuss von einander entfernten Gruben. Man pflanzt
sie viermal im Jahre dünn aus. Ausserdem lassen sich
auch noch andere Bäume, welche wir bereits angeführt
haben, nämlich die Esche, der Lorbeer, der Pfirsich, die
Haselnuss, der Apfelbaum behauen, allein sie wachsen zu
langsam, ertragen kaum die Erde, in welche sie gesetzt
sind, und ebenso wenig die Feuchtigkeit. Der Hollunder
hingegen ist sehr dauerhaft zu Pfählen, und wird wie die
Pappel aus Schnittlingen gezogen. Von der Cypresse haben
wir schon ausführlich geredet.
35.
Nachdem wir im Vorigen gleichsam die Hülfs-Materia-
lien für die Weinberge genannt haben, bleibt uns noch
die Beschaffenheit der letztern und die auf sie zu
verwendende Sorgfalt näher zu betrachten übrig.
An den Reisern der Weinstöcke und einiger andern
Bäume, welche im Innern etwas schwammig sind, durch-
288 Siebenzehntes Buch.
setzen die Gelenkknoten das Mark. Die dünnen Zweige
selbst sind kurz, gegen den Gipfel zu noch kürzer, und
schliessen gewöhnlich ihre Schüsse in 2 Gelenkknoten ein.
Das Mark, welches vielleicht das belebende Organ ist,
schiebt vor sich her und treibt in die Länge, so lange die
Röhre an den Knoten den Durchgang gestattet. Wem aber
die verwachsenen Gelenke ihm den Durchgang verwehren,
wird es zurückgetrieben und bricht an seinem untersten
Ende neben dem vorhergehenden Knoten, und zwar wie
bereits beim Schilfe und Gartenkraute gesagt wurde, an
den Stellen, wo die Aeste sitzen (die sich immer an den
abwechselnden Seiten befinden), von denen man die rechte
am untersten Gliede, die linke an dem darauf folgenden
u. s. w. wahrnimmt. Diese Stelle nennt man am Wein-
stocke die Knospe, wenn sie sich daselbst grünend aus-
breitet. Bevor diess aber geschieht, liegt das Auge in einer
Höhlung, und die Knospe selbst an der Spitze. So ent-
stehen die Zweige, Trauben, Blätter und Ranken; und es
ist merkwürdig, dass das, was auf der rechten Seite wächst,
stärker ist.
Beim Pflanzen der Reiser nun werden die Knoten in
der Mitte durchgeschnitten, damit das Mark nicht heraus-
fliesst. Vom Feigenbaume nimmt man sie spannenlaug und
macht vor dem Einsetzen ein Loch mit einem Pflock in
die Erde, dergestalt, dass das, was dem Baume am nächsten
war, in die Erde kommt, und 2 Augen aus der Erde her-
vorragen. Augen nennt man aber an den Zweigen die
Stelleu, wo sie ausschlagen. Daher tragen sie auch in den
Pflanzschulen zuweilen in demselben Jahre die Früchte,
welche sie auf dem (vorigen) Baume getragen haben wür-
den, denn werden sie in ihrem vollen Triebe zu rechter
Zeit verpflanzt, so bildet sich die begonnene Frucht auch
anderswo aus. Feigen, die auf diese Weise gepflanzt sind,
können leicht im 3. Jahre versetzt werden. Zum Ersatz
für das schnelle Altern dieses Baumes hat er das Gute,
äusserst schnell aufzukommen.
Bei den Weinstöcken ist das Pflanzen häufiger. Vor
Siebenzehntes Buch. 289
allen Dingen wird von ihnen nur das verpflanzt, was un-
tauglich ist und sich beim Beschneiden unter den Schöss-
iingen findet. Man schneidet aber dasjenige ab, was zuletzt
Früchte getragen hat. Ehemals pflegte man Reiser aus
hartem Holze, die an beiden Enden knotig waren, zu pflan-
zen; und daher heissen sie noch jetzt Hämmerchen. Nach-
her fing man an, sie mit ihrem Ansätze abzutrennen, wie
es z. B. beim Feigenbaum geschieht, und so wächst er am
besten empor. Eine dritte Art geht noch schneller, ohne
Ansatz, und heisst Pfeilrebe, weil sie eingekrümmt gepflanzt
wird; wird sie aber nicht gebogen, so heisst sie die drei-
iiugige. Auf diese Weise entstehen aus einem Reise
mehrere Stämme. Fruchtlose Zweige geben unfruchtbare
Stöcke, daher müssen tragende zum Pflanzen genommen
werden. Zweige mit langen Schüssen werden gleichfalls
für unfruchtbar gehalten; wogegen dichte Knospen ein
Zeichen von Fruchtbarkeit sind. Einige geben an, man
solle nur solche Reiser, welche bereits geblühet haben,
pflanzen. Pfeilreben zu pflanzen ist weniger vortheilhaft,
weil das, was gekrümmt war, beim Versetzen leicht bricht.
Man pflanzt sie nicht kürzer als 1 Fuss lang und mit 5
bis 6 Knoten, und von dieser Länge können keine weniger
als 3 Augen haben. Am besten ist es, sie an demselben
Tage, wo sie geschnitten sind, zu setzen. Wenn man ge-
nöthigt ist, sie aufzuheben und lange Zeit nachher erst
zu pflanzen, so muss man sich, wie bereits gezeigt wurde,
hüten, dass sie nicht ausserhalb der Erde liegen und von
der Sonne trocken- werden, oder durch Wind und Kälte
verkümmern. Welche längere Zeit trocken gelegen haben,
müssen vor dem Einsetzen mehrere Tage lang in Wasser
aufgefrischt werden.
In der Pflanzschule oder im Weinberge soll der Boden
gegen die Sonne hinliegen und möglichst geräumig sein;
«r muss mit einem 3 Fuss langen Doppelspaten aufge-
graben, und mit einem 4 Fuss langen Haken aufgeworfen
werden, so dass der Graben 2 Fuss tief fortläuft. Der
Graben muss gereinigt und geräumig gemacht, damit nichts
Wittstein: Plinius. III. Bd. 19
290 Siebenzehntes Buch.
Fremdartiges darin bleibt, hiebei aber auch das Maass be-
rücksichtigt werden. Schlecht gegrabenes Land erkennt
man an den ungleichen Tritten. Auch muss man den Theil
der Rabatten, der dazwischen liegt, messen. Die Setzlinge
pflanzt man in Gruben und längere Furchen und wirft die
lockerste Erde darüber; aber von einem magern Boden
würde man vergebens etwas hoffen, wenn nicht eine fettere
Schicht darunter gelegt wird. Man darf nicht weniger als
2 einsetzen, und diese müssen die nächste Erdschicht ^)
berühren, i^it ein und demselben Pflocke eingetrieben und
fest gestampft werden. In der Pflanzschule muss zwischen
je 2 Reben ein Raum von Vj^ Fuss in der Breite, und
halb so viel in der Länge bleiben. Die so gepflanzten
Reben müssen im 24. Monate bis zum untersten Gliede^
wenn man dasselbe nicht schonen will, abgeschnitten wer-
den; dann brechen die Augen hervor, und mit diesen ver-
setzt man das Stämmchen im 36. Monate.
Es giebt auch eine üppige Methode, Weinstöcke za
pflanzen; man bindet nämlich 4 Reiser an ihren frucht-
barsten Theilen zusammen, steckt sie durch den Beinknochen
eines Ochsen oder ein irdenes Geschirr, und vergräbt sie
so, dass nur 2 Augen hervorragen. Auf diese Weise ziehen
sie Feuchtigkeit an, und schiessen in einen Stamm hervor.
Später zerbricht man die sie umgebende Röhre, die nun
freie Wurzel schöpft Kräfte, und die nachher kommenden
Trauben tragen alle Arten Beeren der gepflanzten Reiser.
Bei einer andern Weise neuerer Erfindung wird das Reis
gespalten, das Mark herausgekratzt, und die beiden Stücke
wieder zusammengebunden, doch so dass die Knospen mög-
lichst geschont werden. Darauf setzt mau das Reis in mit
Mist vermengte Erde, schneidet es, wenn sich Aeste bilden
wollen, ab, und gräbt oft um. Die Beeren von solchen
Trauben sollen, wie Columella versichert, keine Kerne ent-
halten; und es erscheint schon wunderbar, dass dergleichen
') Unterhalb nämlich.
Siebenzehntes Buch. 291
des Markes beraubte Reiser, am Leben bleiben. Wir dürfen
auch nicht anzuführen unterlassen, dass selbst Reiser, denen
die Gliederung des Baumes fehlt, wachsen; denn wenn man
5 oder 6 sehr dünne Zweige vom Buxbaume zusammen-
bindet und einsetzt, so kommen sie fort. Ehemals nahm
man sie nur von einem unbeschnittenen Buxbaume, in der
Meinung, dass sie anders nicht gedeihen würden; allein
Versuche haben gezeigt, dass diess nicht gerade nothwen-
dig sei.
Nach Besprechung der Pflanzschulen lassen wir jetzt
die Besorgung der Weinberge folgen. Es giebt 5 Arten
Weinberge, die Reben stehen nämlich zerstreut im Lande,
oder für sich aufrecht, oder auf Stützen ohne Querlatten,
oder bepfählt und an einfachen Querlatten oder an in vier-
eckiger Gestalt zusammengefügten Querlatten. Wie die be-
pfählten, ebenso werden auch die ohne Stützen stehenden
Stöcke behandelt, denn bei diesen iässt man die Pfähle bloss
aus Mangel daran weg. Die mit der einfachen Querlatte be-
stehen aus einer langen Reihe, welche man Weingeländer
nennt. Ein solches eignet sich dann eher für den Wein,
wenn es sich selbst keinen Schatten macht, beständig den
Sonnenstrahlen ausgesetzt ist, dem Winde freien Durchzug
gestattet, und den Thau rasch verliert. Auch Iässt es sich
leicht abblättern, behacken und gestattet, auch die übrigen
Arbeiten daran leicht auszuführen. Vor allen andern blühet
es besser ab. Die Querlatte macht man aus Stöcken, Rohr,
Haaren oder Stricken wie in Spanien und zu Brundusium.
Die durch Vierecke vereinigten Stöcke sind ergiebiger an
Wein; sie haben ihren Namen von den hohlen (leeren) vier-
eckigen Höfen der Tempel. Wir wollen die Methode, wie
sie gesetzt werden, jetzt angeben, denn sie gilt für alle
Arten, und es findet nur der Unterschied statt, dass bei
jener zahlreichere Modificationen vorkommen.
Das Setzen geschieht auf folgende 3 Weisen; am besten
in umgegrabenem Lande, nächstdem in einer Furche, und
hierauf in einer Grube. Vom Umgraben war schon die
Rede. Zu einer Furche ist die Breite des Spatens hin-
19*
292 Siebenzehntes Buch.
reichend, die Grube aber muss überall 3 Fuss breit sein,
die Tiefe in jedem Falle 3 Fuss betragen, daher auch kein
kürzerer Stock versetzt werden darf, denn 2 Knospen sollen
noch hervorragen. Es ist nothweudig, die Erde in der Grube
durch kleine Furchen aufzulockern und mit Mist zu ver-
mengen. Ein hügeliger Boden erheischt tiefere Gruben,
und ausserdem muss man die abschüssigen Seiten noch
durch Aufwerfen von Rändern erhöhen. Diejenigen Gruben,
welche so laug gemacht werden, dass sie 2 Stöcke hinter-
einander aufnehmen können, heissen Betten. Die Wurzel
des Weiustocks muss in der Mitte der Grube stehen, der
Stock selbst aber, da wo er auf etwas Festes gestützt ist,
gegen Osten gerichtet sein und seine erste Stütze vom Rohr
erhalten.
Man muss durch die Weinberge einen Hauptgang von
18 Fuss Breite, um mit dem Wagen hindurch fahren zu
können, auch mitten durch die Morgen noch andere Gänge
von 10 Fuss Breite machen. Hat mau mehr Platz, so macht
man die Nebeugänge eben so breit wie den Hauptgang.
Stets aber muss man von 5 zu* 5 pflanzen, d. h. zwischen
je 2 Reihen muss ein Raum bleiben, der so breit ist, als
5 mit einander verbundene Pfähle einnehmen.
Nur in einen festen Boden soll man ein Wurzelreis
setzen, und auch dann nur, wenn er gehörig umgegl'aben
ist; in einem zarten und lockern auch wohl ein Senkreis
in eine Furche oder Grube. Auf Anhöhen ist es besser
Querfurchen zu ziehen, als umzuackern, damit die dadurch
gebildeten Seitenwäude das abfliessende Wasser aufnehmen
können. Senkreiser kann man bei regnigem Wetter oder
bei trocknem Boden im Herbste pflanzen, es sei denn, dass
die Beschaffenheit der Gegend es anders erheischt. Denn
trockne und warme Landstriche müssen im Herbste, feuchte
und kalte im Ausgange des Frühjahrs bepflanzt werden.
In einen trocknen Boden wird ein Wurzelreis umsonst ein-
gesetzt, auch kommen die Senkreiser auf trocknem Lande
schlecht fort, und am besten noch nach einem Regen. In
feuchtem Erdreich aber geht selbst der belaubte Weinstock,
Siebenzehntes Buch. 293
und zwar bis zum Solstitium, wie z. B. in Spanien an. Am
besten ist es, wenn an dem Tage, wo gepflanzt wird,
kein Wind wehet. Die Meisten wünschen dabei Südwind,
Cato hingegen verwirft ihn.
Das mittlere Maass zwischen 2 Weinstöcken soll 5 Fuss,
auf einem fruchtbaren Boden aber mindesten 4, und auf
einem magern höchstens 8 sein. Die Umbrer und Marser
lassen in den sogenannten Weinbeeten des Pflügens wegen
einen bis zu 20 Fuss breiten Raum. An einem feuchten
und dunkeln Orte muss man die Stöcke weitläufiger, an
einem trocknen dagegen dichter setzen. Der Scharfsinn
hat der* Sparsamkeit einen Vortheil erdacht, nämlich bei
Anlage eines Weinbergs auf beackertem Boden zugleich
eine Pflauzschule einzurichten, so dass das Wurzelreis an
seinen Platz und das zu verpflanzende Senkreis zwischen
die Weinstöcke und Reihen gesetzt wird. Auf diese Weise
bekommt man auf einen Morgen 16,000 Wurzelreiser. Nur
erfolgt die Frucht um 2 Jahre später, weil der Stock da,
wo er gepflanzt wird, später trägt, als da, wohin er versetzt
wird. Ein Wurzelreis, welches in einen Weinberg gesetzt
ist, wird nach einem Jahre bis an die Erde abgeschnitten,
so dass nur 1 Auge hervorragt, sodann ein Pfahl daneben
gesteckt und Mist hinzugebracht. Ebenso schneidet man
ihn im 2. Jahre ab, wodurch er kräftig wird und die Fähig-
keit behält, künftig Früchte zu tragen; lässt man ihn aber
schnell heranwachsen, so wird er schwach und dünn, und
geht, wenn man ihn nicht durch den Schnitt zurückhält,
ganz in Knospen über. Nichts wächst begieriger, und würde
man seine Kräfte nicht für die Frucht aufbewahren, so ent-
ständen lauter Ranken daraus.
Das beste Pfahlwerk ist das bereits von mir angeführte.
Die Weinpfähle macht man aus Eichen und Oelbäumen, oder
in Ermangelung dieser, aus Waehholder, Cypressen, dem
Bohnenbaum und Hollunder. Die Pfähle anderer Holzarten
werden alle Jahre nachgespitzt. Zu Querlatten eignet sich
das in Bündel gebundene Rohr am besten; es hält 5 Jahre
aus. Wenn kürzere Reben durch Reiser, wie durch Stricke,
294 Siebenzehntes Buch.
verbunden werden, so heisst der daraus gebildete Bogen
gebundener Wein.
Im 3. Jabre schickt der Weinstock einen schnellen und
kräftigen Stamm hervor, der mit der Zeit zum eigentlichen
Weinstocke wird, und dieser rankt an den Querlatten hin.
Einige nehmen ihn alsdann mit dem Messer die Augen weg,
um ihn länger zu treiben, — ein Verfahren, dass keine
Billigung verdient. Besser ist es, ihn Früchte treiben zu
lassen, und ihn, wenn er bepfählt ist, von der zu grossen
Menge Laubwerk zu befreien, so lange man ihn will Kräfte
sammeln lassen. Einige wollen, dass man ih» im 1. Jahre
nach seiner Versetzung nicht anrühre, und nicht vor dem
60. Monate beschneide, dann aber alles bis auf 3 Augen
wegnehme. Andere beschneiden ihn zwar schon im ersten
Jahre, lassen ihm aber jedes Jahr 3 bis 4 Schüsse mehr,
und ziehen ihn im 4. Jahre an die Querlatten. Diess bei-
des liefert in Folge des zwergigen Wuchses späte, dürre
und knotige Früchte. Am besten ist ein kräftiger Stock,
von dem dann auch eine kräftige Frucht kommt. Nicht
immer liefern die Stöcke, welche voll Narben sind, sichere
Resultate, wie Unerfahrene irrigerweise glauben. Bei sol-
chen findet das Wachsen aus den Seiten und nicht aus dem
Stamme statt. Der Weinstock hat aber alle Kräfte bei-
sammen, wenn man ihn stark werden lässt, und bekommt
ganz den jährlichen Zuwachs, wenn er sich frei entwickeln
kann. Die Natur bringt nichts stückweise hervor. Wenn
er nun gehörig ausgewachsen ist, muss er sogleich an die
Querlatten gebracht werden, und sollte er ja noch etwas
schwach sein, so beschneide man ihn, nachdem er schon
unter den Latten steht. Man entscheidet hierbei nach den
Kräften, nicht nach dem Alter. Es ist unbesonnen, den
Weinstock, bevorer die Dicke einesDaumenshat,zwingeuzuwol-
len. Im folgenden Jahre muss man, je nach den Kräften des
Stammes, 1 oder 2 Zweige stehen lassen ; im zweiten ebenso viele
unter halten, wenn die Schwäche des Stocks es fordert, undim
dritten endlich noch 2 mehr. Niemals aber dürfen mehr
als 4 bleiben, — kurz, man darf hierbei nichts ausser
Siebenzehntes Buch. 295
Acht lassen, sondern muss das Fruchttreiben verhindern,
denn er will von Natur lieber Früchte treiben als (lange)
leben. Alles was ihm am Holze entzogen, wird durch die
Frucht ersetzt. Er will lieber Samen erzeugen als Frucht,
weil diese etwas Vergängliches ist. So treibt er auf tippige
Weise zu seinem Verderben, und erweitert sich nicht, son-
•dern entleert (entkräftet) sich.
Auch die Kenntniss der Beschaffenheit des Bodens wird
uns hierbei von Nutzen sein. In einem magern Erdreiche
muss der Stock, auch wenn er kräftig ist, beschnitten unter
der Querlatte bleiben, damit alle Triebe unter derselben aus-
gehen. Jedoch soll der Abstand von der Latte nur sehr
gering sein, so dass er sie kaum erreicht, aber doch nicht
ganz fasst, mithin weder darauf liegen, noch sich ihr an-
schmiegend ausbreiten kann. Auf diese Weise suche man
es dahin zu bringen, das er lieber wächst als trägt.
Die Rebe muss unter der Querlatte (Joch) 2 oder 3
Augen haben, aus welchem das Holz wächst, dann bis zur
Querlatte steigen und fest gebunden werden, so dass sie
von derselben untersttitzt wird und nicht herbhängt. Beim
3. Auge muss sie bald durch ein Band befestigt werden,
denn hierdurch wird auch der Trieb des Holzes beschränkt,
und das Entstehen stärkern Laubes bezweckt. Die Spitze
will man nicht angebunden wissen. Beim Weinstocke giebt
der niedergedrückte oder ungebundene Theil, namentlich
aber die Krümmung selbst die Frucht. Was darunter ist,
treibt Holz, weil, wie ich glaube, die Luft und das Mark,
von dem bereits die Rede war, daselbst Widerstand finden.
Der so hervorgekommene Holztrieb wird im folgenden Jahre
Früchte tragen.
Demnach giebt es 2 Arten Rebenschüsse; kommt er
aus hartem Holze und erhält er schon im folgenden Jahre
Holz, so heisst er Rankenrebe; befindet er sich aber über
der Narbe, Fruchtrebe. Der andere kommt immer aus ein-
jährigen Stöcken, ist stets eine Fruchtrebe, wird stets unter
dem Joche gelassen und heisst der Wächter; er ist ein
neuer Schoss, nicht länger als 3 Augen, und setzt im fol-
296 Siebenzehntes Buch.
genden Jahre Holz an, wenn der Stock durch üppiges
Wachsthum sich aufgerieben hat. Noch ein anderer neben
ihm hat die Grösse einer Warze, lieisst der Räuber, und
wird gesetzt, wenn vielleicht der Wächter ausgehen sollte.
Bevor der Weinstock, vom Reise au gerechnet, das
siebente Jahr zurückgelegt hat, darf man ihn keine Früchte
tragen lassen, sonst wird er dürr und stirbt ab. Auch taugt
es nicht, eine alte Rebe in die Länge und bis zum vierten
Pfahle zu ziehen, was Einige Drachen, Andere Juniculi
nennen, und diese bilden die sogenannten Masculata i).
Wenn der Weinstock schon hart geworden ist, darf man
ihn nicht mehr in den Weinberg verpflanzen. Im 5.
Jahre werden die Reben gekrümmt, treiben, jede für sich,^
Holzschüsse, diess geht so fort aus den nächstfolgenden^
und die früheren schneidet man ab. Man muss stets den.
Wächter stehen lassen, dieser aber dem Stocke am nächsten^
und nicht länger sein als bereits gesagt wurde; auch soll
man ihn krümmen, wenn die Reben zu sehr gewuchert
haben, damit er 4 oder 2 Holzschüsse treibe, wenn der
Weinberg einjochig ist.
Wenn man den Weinstock für sich ohne Pfahlwerk
anpflanzt, so muss er im Anfange irgend eine Stütze haben,
bis er allein stehen und gerade aufsteigen kann. Uebrigens
kommt seine erste Behandlung mit der vorigen überein.
Beim Beschneiden aber müssen die kurzen Zweige überall
gleichmässig vertheilt werden, damit die Frucht nicht nach
einer Seite hin zu schwer werde, denn wenn letztere zu-
gleich herabdrückt, so hindert sie das Wachsen in die Höhe.
Derartige Stöcke nicken schon, wenn sie höher als 3 Fuss
sind, die übrigen bei 5 Fuss Höhe, dürfen daher die ge-
wöhnliche Mannshöhe nicht überschreiten. Auch die Reben,
welche auf der Erde zerstreuet liegen, umgiebt man zur
Stütze mit kurzen Rohren, und macht Vertiefungen rund
um sie herum, damit sich die kriechenden Ranken nicht
1) D. i. Orte, wo Weinstöcke männlichen Geschlechts gepflanzt
sind.
Siebenzehntes Buch. 297
durch Begegnen hindern. In den meisten Ländern, nämlich
in Afrika, Aegj'pten, Syrien, ganz Asien und an vielen
Orten in Europa ist dieser Gebrauch, auf der Erde liegende
Trauben zu sammeln, vorherrschend. Hier muss also der
Stock an die Erde gedrückt werden, während die Wurzel
auf eben dieselbe Weise genährt wird, wie in einer Joch-
pflanzung; man darf stets nur kurze Zweige lassen (besser
viele Zweige, als lange), und diese in einem fruchtbaren
Boden mit 3 Augen, in einem magern aber mit 5. Was
wir von der Beschaffenheit des Badens gesagt haben, wird,
gehörig befolgt, um so wirksamer sich zeigen, je näher die
Traube der Erde ist.
Es ist sehr zweckmässig, die verschiedenen Arten zu
trennen, und einer jeden ein besonderes Terrain anzuweisen.
Denn ihre Vermischung erweist sich nicht bloss im Moste
sondern auch im Weine nachtheilig. Will man sie aber
doch vermischen, so dürfen wenigstens nur solche, welche
zugleich reifen, vereinigt werden. Je fruchtbarer und flacher
der Boden ist, um so höber müssen die Geländer sein; hohe
Geländer eignen sich auch für feuchte, neblige und weniger
windige Orte, hingegen niedrige für ein mageres, trocknes,
heisses und den Winden ausgesetztes Erdreich. Die Quer-
latten muss man möglichst fest an die Pfähle binden, die
Weinstöcke aber nur locker daran legen. Welche Arten
des Weinstocks, in was für einen Boden und in welchem
Klima sie gepflanzt werden müssen, haben wir schon früher
angeführt, als von ihnen und den Weinen die Rede war *).
In Bezug auf die übrige Behandlung herrschen sehr
abweichende Ansichten. Die Meisten wollen, man solle den
ganzen Sommer hindurch nach jedesmaligem Thauen den
Weinberg umgraben. Andere verbieten diess während der
Zeit des Ausschiagens, denn sonst würden die Augen ab-
geschlagen, und von den zwischen den Stöcken durchgehen-
den Arbeitern abgetreten. Aus gleicher Ursache müsse man
») Im XIV. B.
298 Siebenzehntes Buch.
auch alles Hornvieh, namentlich die Schafe nicht hinein-
lassen, weil diese die Augen gern abfressen. Ferner sei
es nicht gut, während dem Heranwachsen der Trauben zu
hacken, und es reiche hin, wenn der Weinberg jährlich
3 mal umgegraben würde, nämlich nach dem Frühlingsäqui-
noctium beim Aufgange des Siebengestirns, beim Aufgange
des Hundssterns, und wenn die Beere anfange sich dunkel
zu färben. Einige machen folgende Bestimmungen: man
beackere einen alten Weinberg einmal nach der Weinlese
vor dem Eintritt des Winters, während Andere das Gäten
und Düngen für hinreichend halten; ferner nachdem 13. April,
vor dem Ausschlagen, d. i. vor dem 9. Mai; hierauf bevor
der Stock anfängt zu blühen, wenn er abgeblühet hat, und
wenn die Traube sich färbt. Erfahrene Landwirthe be-
haupten, wenn man zu oft umgrabe, so würden die Beeren
so zart dass sie platzten. Das Graben geschieht zweck-
mässig, ehe die Tageshitze zu gross wird. Weichen (ko-
thigen) Boden muss man weder pflügen noch graben. Der
Staub, welcher durch das Graben entsteht, soll wider die
Sonnenhitze und Nebel gut sein.
Das bekannte Abblättern im Frühjahre geschieht nach
dem 15. Mai, innerhalb 10 Tagen, bevor die Blüthe erscheint,
und zwar muss es unterhalb der Querlatten vorgenommen
werden. Ueber das nun Folgende sind die Meinungen ge-
theilt. Einige sagen, man müsse nach der Blüthezeit, An-
dere, man müsse während dem Reifen der Trauben ab-
blättern. Doch hierüber können Cato's Vorschriften ent-
scheiden, denn wir müssen auch vom Beschneiden sprechen.
Man beginnt damit sogleich nach der Weinlese, wenn
die Witterung günstig ist; niemals aber darf es, aus natür-
lichen Gründen, vor dem Aufgange des Adlers geschehen,
wie wir im nächsten Buche bei den Wirkungen der Ge-
stirne lehren werden. Es kann selbst zu Anfang des Fe-
bruars vorgenommen werden, weil zu grosse Eilfertigkeit
leicht Nachtheil bringen möchte. Wenn die durch den an
sich heilsamen Schnitt erzeugten Wunden von der Kälte
ergriffen werden, so leiden sicherlich davon die Augen, die
Siebenzehntes Buch. 299
Schnittstellen klaffen, und die Augen, aus welchen der Saft
tröpfelt, vertrocknen. Denn wer weiss nicht, dass sie vom
Froste zerbrechlich werden? Auf grossen Landgütern ver-
fahren die Arbeiter eigennützigerweise auf jene Art, die
Natur aber treibt sie nicht zu solcher Eile. Je zeitiger die
Weinstöcke an passenden Tagen beschnitten werden, desto
mehr Holz setzen sie an, und je später, desto reichlichere
Früchte tragen sie. Es ist daher besser, die schwächern
zuerst, und die stärkern zuletzt zu beschneiden. Jeder
Schnitt muss schräg geschehen, damit der Regen davon
leicht ablaufen kann, ferner nach der Erde zu gehen, die
Narbe möglichst schwach, was durch grosse Schärfe des
Messers bezweckt wird, und der Schnitt glatt sein. Man
muss stets zwischen zwei Augen schneiden, damit an dem
beschnittenen Theile kein Auge verwundet werde. Man
glaubt, dieser sei schwarz, und man müsse so lange schnei-
den, bis man auf gutes Holz komme, weil aus verdorbenem
kein gutes wachsen könne. Wenn ein schwacher Stock
keine guten Reben habe, sei es am besten ihn dicht an der
Erde abzuschneiden, und neue treiben zu lassen. Beim Ab-
blättern soll man das Laub (die Ranken), was um die
Trauben sitzt, nicht wegnehmen, denn dadurch fallen die
Trauben ab, ausgenommen in einem neuen Weinberge. Das
aus den Seiten und nicht aus einem Auge kommende Laub,
sowie die Traube, welche aus einem harten steifen Stiele
hervorwächst, so dass sie nur mit Hülfe eines Messers ab-
genommen werden kann, hält man für unnütz. Einige
sind der Meinung, es sei besser, das Pfahlwerk zwischen
zwei Weinstöcke zu stellen; auf diese Weise können sie
leichter behackt werden, auch ist diess Verfahren zweck-
mässiger für einen einjochigen Weinberg, wenn anders die
Querlatten stark genug sind, und die Gegend dem Winde
nicht ausgesetzt ist. In einem vierfach bepfählten muss
die Stütze der Last sehr nahe sein, doch, damit man beim
Behacken nicht gehindert werde, nicht mehr als eine Elle
Raum bleiben. Man soll aber das Behacken eher vornehmen
als das Beschneiden.
300 Siebenzehntes Buch.
Cato spricht sich über die ganze Cultur der Wein-
stöcke folgendermaassen aus: Lege den Weinberg so hoch
wie möglich an, binde die Stöcke gut, jedoch nicht zu fest
an, und behandle sie also. Umgrabe die beschnittenen
Spitzen der Weinstöcke, und fange an zu pflügen; führe
diess- und jenseits fortlaufende Furchen. Zarte Stöcke
pflanze sobald als möglich fort, alte beschneide so wenig
als möglich, ziehe sie vielmehr, wenn es nöthig ist, abwärts
und schneide sie nach 2 Jahren ab. Die rechte Zeit, einen
jungen Stock abzuschneiden, wird sein, wenn er kräftig
genug ist. Wenn der Weinberg von Stöcken entblösst ist,
ziehe Furchen, und setze Wurzelableger hinein. Von den
Furchen entferne allen Schatten, und grabe öfters. In einen
alten Weinberg säe Basilienkraut ^); ist er mager, so säe
nichts was Samen bringt, und lege um die Ranken Mist,
Spreu, Weinhtilsen oder dergleichen. Wenn der Weinstock
grün geworden ist, so blättere ab. Junge Stöcke binde
fleissig an, damit die Stämme nicht abbrechen. Stöcke,
deren Stamm schon pfahlartig wird, binde an den zarten
Ranken gelinde fest, und führe diese weiter; wenn diese
recht stehen, und die Traube angefangen hat sich zu färben,
80 binde die Stöcke unten an.
Eine Pfropfung des Weinstocks geschieht im Frühjahre,
eine andere während der Blüthezeit, und diese ist die beste.
Wenn du einen alten Weinstock an einen andern Ort ver-
setzen willst, so musst du wenigstens zuerst den dicken
Stamm abschneiden, nicht mehr als 2 Augen sitzen lassen,
mit den Wurzeln wohl ausgraben und dich hüten, dieselben
zu beschädigen. Ist diess geschehen, so setze ihn in eine
Grube oder Furche, und bedecke ihn gut mit Erde. Auf
dieselbe Weise bepflanze einen (neuen) Weinberg, binde
die Stöcke fest, biege sie wie sie vorher waren, und grabe
oft um. Das Basilienkraut, welches Cato in den Weinberg
gepflanzt wissen will, nannten die Alten Futterkraut; es
kann im Schatten stehen und kommt schnell fort.
') Ocimum. Ocimum basilicum L.
Siebenzehntes Buch. 301
Wir kommen nun auf die Art und Weise, den Wein-
stock an Bäumen zu ziehen i), die von Saserna Vater
und Sohn'-), gänzlich verworfen, von Scrofa gepriesen wird
— beide sind nächst Cato die ältesten und erfahrensten
Männer ; Scrofa ^) erachtet sie aber nur für Italien zulässig.
Man schliesst aus langjähriger Erfahrung, dass die edlen
Weine nur an Bäumen wachsen, und zwar geben die höch-
sten Trauben den besten, die niedrigsten den meisten Wein.
So viel Vortheil bringt die Höhe. Daher wählt man auch
die Bäume zum Anbinden der Stöcke. Den ersten Raug
unter ihnen hat in dieser Beziehung die Ulme, ausgenom-
men die atinische, wegen ihres starken Laubes, Dann
folgt die schwarze Pappel, welche aus demselben Grunde
nicht zu dicht belaubt sein darf. Viele verachten auch die
Esche, den Feigenbaum und Oelbaum nicht, wenn ihre
Zweige nicht zu viel Schatten geben. Die Pflanzung und
Cultur dieser Bäume haben wir schon ausführlich beschrieben.
Man darf solche Stöcke nicht vor dem 36. Monate mit der Sichel
berühren. Man lässt einen Zweig um den andern stehen, be-
schneidet ein Jahr um das andere, und zieht im sechsten
Jahre den Stock an dem Baume hinauf. In dem jenseits
des Po gelegenen Theile von Italien bepflanzt man die
Weinäcker, ausser oben genannten Bäumen, mit Kornel-
kirschen, Pappeln, Linden, Ahorn, Eschen, Hainbuchen,
Eichen; zu Venedig, wegen des sumpfigen Bodens, mit Wei-
den. Die Ulme wird auch in der Mitte abgehauen, in Ast-
absätze vertheilt, und dadurch kein Baum höher als 20
Fuss. Die Stockwerke davon verbreitet man auf Hügeln
und trocknen Aeckern vom 8. Fusse ihrer Höhe an, auf
flachen und feuchten Feldern aber vom 12. Fusse an. Die
höchsten Stämme müssen gegen die Mittagssonne gerichtet
sein; die Aeste an ihren hervorragenden Spitzen aufgerichtet,
und das Laub der dünnen Zweige beschnitten werden, damit
sie keinen Schatten machen. Der richtige Zwischenraum
zwischen den Bäumen, wenn der Boden gepflügt wird, ist
') Arbusti ratio. ^) Nicht näher bekannte römische Schriftsteller.
3) Ebenfalls unbekannt.
302 Siebenzehntes Buch.
nach hinten und vorn je 40 Fuss, und nach den Seiten 20
Fuss; wird nicht gepflügt, überall zwanzig. Oft zieht man
an einem Baume zehn Stöcke, und man tadelt den Landmann,
der weniger als 3 zieht. Man darf nur starke Bäume zu
diesem Behufe nehmen, denn sonst werden sie durch das
schnelle Wachsthum der Weinstöcke erstickt. Man muss diese
in eine 3 Fuss breite Grube pflanzen, so dass sie unter
sich und vom Baume immer 1 Fuss abstehen. Hierbei hat
man keine Mühe mit den Schösslingen und keine Unkosten
für das Behacken und Graben, und diese Methode des
Weinbaues hat noch den besondern Vortheil, dass man in
denselben Boden Getreide säen kann, was den Weinstöcken
sehr zuträglich ist. Ueberdem braucht man, da die Höhe
hier ein Schutzmittel abgiebt, nicht wie in Weinbergen,
theuere Schutzwehren als Zäune, Hecken oder Gräben, um
das Eindringen des Viehes abzuhalten.
Beim Ziehen der Weinstöcke an Bäumen bedient man
sich bloss der Wurzelsprossen, sowie der Ableger und dieser
doppelt, wie wir bereits angegeben haben. Sie in Körben
auf das Stockwerk selbst zu legen, wird für das beste ge-
halten, weil sie dann vor dem Vieh am sichersten sind.
Ein anderes Verfahren besteht darin, den Weinstock oder
einen Zweig davon neben seinen Baum, oder um den näch-
sten noch unumschlungenen nieder zu biegen. Was von
dem Mutterstamme über der Erde ist, muss abgeschnitten
werden, damit es nicht buschig ausschlage. In der Erde
werden nicht weniger als 4 Augen, um Wurzel zu fassen,
bedeckt, und nur 2 aussen frei gelassen. Der Weinstock
an einem Baume erfordert eine Furche von 4 Fuss in der
Länge, 3 Fuss in der Breite, und 2V2 Fuss Tiefe. Nach
einem Jahre wird das Reis bis aufs Mark eingeschnitten,
damit es sich allmählig an seine Wurzeln gewöhne; den
Stengel schneidet man bis auf 2 Augen ab. Im 3. Jahre
wird der ganze Senker abgeschnitten, und tiefer in die
Erde gesetzt, damit er an dem beschnittenen Ende nicht
austreibe. Das Wurzelreis muss gleich nach der Weinlese
ausgehoben werden.
Siebenzebntes Buch. 303
Kürzlich hat man die Erfindung gemacht, einen Drachen
neben einen Baum zu pflanzen, — so nennt man nämlich eine
ausgediente Rebe, weche schon mehrere Jahre hindurch
erhärtet ist. Man schneidet diese recht weit ab, schabt
auf 3 Theile seiner Länge die Rinde, so weit sie in die
Erde kommen soll (daher man sie auch die Schaberebe
nennt), ab, senkt sie in eine Furche und lehnt den übrigen
Theil an einen Baum hinauf. Auf diese Weise geht es mit
dem Weinstocke am schnellsten. Wenn der Stock oder die
Erde unkräftig ist, so pflegt man ihn nahe an der Erde
abzuschneiden, bis sich die Wurzel befestigt, ihn auch an
keinen feuchten oder dem Nordwinde ausgesetzten Ort zu
pflanzen. Die Stöcke selbst müssen gegen Nordost, ihre
Reben aber gegen Mittag stehen.
Mit dem Beschneiden eines jungen Stocks darf man
nicht sehr eilen, sein Stamm soll sich vielmehr erst rund
um den Baum schlingen, und nur die bereits kräftigen soll
man beschneiden. An Bäumen gezogene Stöcke tragen fast
ein ganzes Jahr später Früchte als die an Geländern.
Einige sagen, man solle sie nicht eher beschneiden, bis sie
die Höhe des Baumes erreicht haben. Zuerst werden sie
6 Fuss von der Erde beschnitten; unten bleibt ein Schoss
stehen, und diesen zwingt man durch Krümmung des
Stammes zum Wachsen. Beim Beschneiden darf man nicht
mehr als 3 Augen übrig lassen. Die aus diesen getriebenen
Schösslinge müssen im nächsten Jahre bis zu den untersten
Astabsätzen getrieben werden, und so jedes Jahr um einen
höher steigen, wobei man ihnen in jedem Stockwerk eine
verholzte Rebe und eine erst jüngst entstandene, welche
man nach Belieben leitet, lässt. Uebrigens müssen bei
jedesmaligem Beschneiden diejenigen Ranken, welche zu-
letzt getragen haben, hinweggenommen und neue auf den
Stockwerken ausgebreitet werden. Bei uns nimmt man den
Aesten der Weinstöcke die Gabeln '), umkleidet den Baum,
und entblösst selbst die Trauben von den Gabeln; in Gal-
') crines.
304 Siebenzelintes Bucli.
lien wird diess sogar auf die Senkreben ausgedehnt, und
am ämiliselien Wege auf die Wurzeln der die atiuisclien
Ulmen umschlingenden, weil man deren Laub fürchtet.
Einige begehen die Unklugheit, den Weinstock unter-
halb des Zweiges an einem Bande aufzuhängen, denn hier-
durch wird er erstickt; er muss vielmehr durch eine Ruthe
angehalten, aber nicht festgeschnürt werden. Diejenigen,
welche Weiden genug haben, ziehen zu jenem Behufe dieses
weiche Bandwerk, sowie ein Kraut, welches die Sicilier
Weiubund ^) nennen, vor; in ganz Griechenland aber be-
dient man sich der Binsen, des Cypergrases und Wasser-
grases. Man löst auch wohl ihre Baude, lässt sie einige
Tage hindurch frei, sich nach Belieben ausbreiten, und auf
die Erde, welche sie das ganze Jahr hindurch angesehen
haben, niederlegen; denn sowie dem Zugvieh nach dem
Ausspannen, und den Hunden nach dem Laufen das Wälzen
wohlthut, ebenso strecken sich die Weinstöcke auch gern
einmal aus. Selbst der Baum freuet sich dann über die
Abnahme seiner beständigen Last und scheint sich wieder
zu erholen. Es giebt nichts in der Natur, was nicht, gleich
dem Beispiele von Tag und Nacht, einigen Wechsel zum
Ruhen begehrte. Daher wird das Beschneiden gleich nach
der Weinlese nicht für gut gehalten, weil 4ann die Stöcke
noch von dem Fruchttragen ermüdet sind. Die beschnittenen
Stöcke müssen an einer andern Stelle festgebunden wer-
den, denn sie fühlen bei der offenbaren Reibung die Ringe
ihrer Bande.
Nach der in Gallien befolgten Cultur sind an beiden
Seiten 2 Senkreben, wenn der Raum vom Stamme ab 40
Fuss beträgt, 4 aber bei 20 Fuss Entfernung; sie werden
da wo sie sich begegnen, vermischt, und so vereinigt an-
gebunden; auch da wo es nöthig ist, durch angebrachtes
Ruthenwerk steif gehalten, oder, wenn sie zu kurz sind,
durch einen angebundenen Haken nach einem ledigen
Baume hingeleitet. Dort pflegte man früher eine zweijäh-
') Ampelodesmos.
Siebenzehntes Buch. 305
i'ige Senkrebe abzuschneiden. Es ist aber besser, alten
Bäumen, wenn es ihre Dicke erlaubt, Zeit zu lassen, damit
sie einen vorspringenden Schuss machen; sonst muss man
die dicken Schüsse zu Drachen ziehen.
Es giebt noch eine Art, welche zwischen dieser und
den Ablegern das Mittel hält, nämlich, ganze Weinstöcke
in die Erde zu pflanzen, sie mit Keilen zu spalten, aus
einem mehrere zugleich in Furchen zu ziehen, die einzelnen
dünnen Stämme an Pfählen zu befestigen, und die seit-
wärts auslaufenden Ranken nicht abzuschneiden. Die Land-
leute zu Novara sind mit vielen Senkreben und Zweigen
noch nicht zufrieden, sondern bringen noch Staugen darüber
an und wickeln die Keben darum. Daher werden die Weine,
ausser durch den nacbtheiligen Einfluss des Bodens, auch
noch durch die Cultur herbe. Einen andern Fehler begeht
man in der Nähe von Rom mit den varracinischeu Stöcken,
w^elche ein Jahr um das andere beschnitten werden, nicht,
weil ihnen diess zuträglich, sondern weil er so schlecht ist,
dass die Unkosten die Einkünfte übersteigen. Im Carseo-
lauischen schlägt man den Mittelweg ein; man schneidet
nämlich nur die laubigen Theile des Stocks und
die, welche trocken werden wollen, ab, und lässt das
Uebrige bei der Traube zurück; hierdurch wird die über-
flüssige Last entfernt, und statt der Ernährung dient das
seltene Beschneiden. Diese Behandlungsweise veranlasst
aber das Ausarten in wilden Wein, wenn der Boden nicht
fett ist.
Die mit Bäumen verpflanzten Weinfelder *) müssen sehr
tief gepflügt werden, wenngleich das darauf gesäete Ge-
treide diess nicht erheischt. Man pflegt sie nicht abzulauben,
und dadurch erspart man sich eine Mühe. Man beschnei-
det sie zugleich mit den andern Weinstöcken, und lichtet
die dichtsteheuden Zweige, welche überflüssig sind und die
Nahrung wegziehen. Wir haben gesagt, sie dürften nicht
gegen Norden oder Süden stehen; besser wäre es auch,
*] arbusta.
Wittstein: Pliaius. III. Bd. 20
306 Siebenzelintes Buch.
wenn sie nicht gegen Westen ständen. Schnitte, welche
bei zu starker Kälte oder Hitze gemacht sind, bleiben lange
wund und heilen schwer. Mit den gewöhnlichen Weinstöcken
darf man nicht so fein umgehen, wie mit den an Bäumen
gezogenen, denn hier ist es leichter, gewisse Theile zu ver-
bergen und zu drehen, wohin man will. Die Bäume muss
man von oben herunter in Form eines Kelchs beschneiden,
damit die Feuchtigkeit nicht auf ihnen stehen bleibt.
36.
Man muss dem Weinstocke Stützen geben, welche
gross genug sind, dass er an ihnen hinaufsteigen kann.
Man räth, die Geländer edler Weine am fünftägigen Minerva-
feste ^) und die, deren Trauben man aufbewahren will, im
abnehmenden Monde zu beschneiden; welche aber beim
Wechsel des Mondes beschnitten wären, würden von
keinem Thiere beschädigt. Andere meinen, das Be-
schneiden müsse des Nachts beim Vollmonde, und zwar
wenn dieser im Löwen, Scorpion, Schützen oder Stiere
stehe, geschehen, und überhaupt müsse mau den Weinstock
bei vollem oder zunehmendem Monde pflanzen. In Italien
reichen 10 Arbeiter auf 100 Morgen Weinland aus.
37.
Nachdem wir von der Pflanzung und Wartung der
Bäume, sowie unter den fremden Bäumen, von den Palmen
und dem Cytisus ausführlich gehandelt haben, müssen wir
der Vollständigkeit wegen auch der übrigen Umstände ge-
denken, welche mit dem bisher Vorgetragenen im engen
Verbände stehen. Die Bäume werden nämlich auch von
Krankheiten befallen; denn welches Geschöpf bleibt
wohl frei von diesen Uebeln? Zwar sagt man, den wilden
Bäumen seien sie nicht gefährlich, und sie litten bloss
während des Ausschiagens oder Blühens vom Hagel; aber
ihnen schaden Hitze oder kalte Winde zu unrechter Zeit,
denn die Kälte ist, wie wir bereits gesagt haben, zu ihrer
') Quinquatria, begonnen den 19. März.
Siebenzehntes Buch. 307
Zeit auch dienlich. Wie? erfrieren nicht selbst Weinstöcke?
Diess ist es eben, woran man den Fehler des Bodens er-
kennt, denn nur in kaltem Erdreiche widerfährt ihm diess.
Daher haben wir den Winter über gern Kälte in der Luft,
aber nicht im Erdboden. Es sind nicht die schwächsten,
sondern die grössten Bäume, denen die Kälte schadet, und
an ihnen vertrocknen zuerst die Gipfel, weil die durch die
Kälte gebundene Feuchtigkeit nicht dahin gelangen konnte.
Einige Krankheiten treffen alle Bäume, andere nur
gewisse Arten. Allgemein sind: der Wurmstich, der Brand i),
der Gliederschmerz, woher die Schwäche der Theile kommt,
— lauter Namen, deren Bedeutungen mit den Uebeln der
Menschen übereinstimmen. Wir sagen auch, die Körper
sind verstümmelt, die Augen der Sprossen sind ausgebrannt,
und andere ähnliche Redensarten. Ebenso leiden die Pflan-
zen auch Hunger, und an Unverdaulichkeit, beides wegen
zu vieler Feuchtigkeit. Andere haben zu viel Fett; so
werden alle Harzführenden durch die grosse Menge Fett
in Kienholz verwandelt und sterben, und wenn die Wurzeln
auch anfangen, fett zu werden, wie die Thiere durch das
allzuviele Fett. Zuweilen verbreitet sich unter manchen
Arten eine ansteckende Seuche, wie unter den Menschen
bald die Sclaven, bald die gemeine Classe, bald die Bauern
von dergleichen befallen werden.
Einige Bäume leiden mehr, andere weniger vom Wurm-
stiche, doch ganz wird keiner davon verschont, und diess
erkennen die Vögel an dem Schalle der hohlen Rinde.
Solche Würmer sind schon ein Gegenstand der Schwelgerei
geworden, die grossen im Eichenholze (welche den Namen
cossi führen) gehören unter die feinen Gerichte und, da
man sie sogar schon mit Mehl mästet, bereits unter das
Mastvieh. Unter den Bäumen leiden die Birn-, Aepfel- und
Feigenbäume am meisten davon; weniger die, welche bitter
und wohlriechend sind. Von den Würmern, welche sich auf
den Feigenbäumen befinden, wachsen einige aus ihnen selbst
') sideratio.
20*
308 Siebeuzeliates Buch.
heraus, andere erzeugt der sogenannte Kornkäfer, alle aber
werden in Hornkäfer verwandelt, und geben einen gelinde
rauschenden Ton von sich. Auch der Speierling wird von
rothen haarigen Würmern (Raupen) angefressen, und stirbt
dadurch ab. Der Mispel bäum ist im Alter derselben Krank-
heit unterworfen.
Der Braud entsteht ausschliesslich durch atmosphä-
rische Einflüsse; daher muss man zu den Ursachen seiner
Erzeugung auch den Hagel, die Bereifung und andere aus
dem Reif entspringende Uebel rechnen. Dieser setzt sich
auf die zarten Pflanzen, welche durch die Frühlings wärme
gelockt hervorbrechen wollen, verbrennt die milchenden
Augen der Knospen, und diess nennt man bei den Blüthen
den Carbunkel. Der Reif ist von Natur um so verderb-
licher, weil er da, wo er hinfällt, festsitzt, anfriert, und
durch die Luft nicht weggetrieben wird, weil er nur bei stiller
und heiterer Luft sich erzeugt. Das eigentliche Wesen des
Brandes jedoch ist die dürre Ausdünstung beim Aufgange
des Hundssterns, woran die gepfropften und jungen Bäume,
besonders Feigen und Weinsöcke sterben. Der Oelbaum
wird ausser dem Wurmstich, woran auch der Feigenbaum
leidet, auch noch vou der Warze ^) (die man auch wohl
Schwamm oder Schüssel nennen kann) befallen, welche
durch die Sonnenhitze entsteht. Cato sagt, auch das rothe
Moos sei schädlich. Die Weinstöcke und Oelbäume leiden
grösstentheils durch zu grosse Fruchtbarkeit. Von der
Räude werden alle befallen. Die Flechte -) und die ge-
wöhnlich daran wachsenden Schnecken sind eigenthümliche
Krankheiten des Feigenbaums, jedoch nicht überall, denn
einige Uebel finden sich nur an gewissen Orten.
Aber so wie den Menschen die Nerven schmerzen, so
auch den Baum, und gleichfalls auf zweierlei Weise, denn
der Krankheitsstoff kommt entweder in die Füsse, d. i. in
die Wurzeln, oder in die Glieder, d. i. in die dünnen Ver-
') clavus. -I Impetigo.
Siebenzehntes Buch. - ' 309
zweiguDgen der Krone, welche am längsten vom Stamme
ausgehen. Alsdann vertrocknen sie, und die Griechen ha-
ben für beide Uebel besondere Namen. Zuerst entstehen
überall Schmerzen, darauf folgt Abnahme und Zerbrechlich-
keit der Theile, zuletzt Auszehrung und der Tod, wenn
entweder der Saft nicht eindringt oder nicht durchkommen
kann. Am meisten tritt diess bei den Feigenbäumen ein; der
wilde Feigenbaum hingegen wird von allen den bis jetzt ge-
nannten Uebeln nicht befallen. Die Räude entsteht durch
den klebrigen Thau nach dem Aufgange des Siebengestirns.
Wenn er seltener fällt, durchnässt er den Baum, frisst ihn
jedoch nicht an; fällt er aber stark oder regnet es sehr
häufig, so leidet der Feigenbaum, weil dann seine Wurzeln
nass stehen, an einem andern Uebel.
Die Weinstöcke haben ausser dem Wurmstiche und
dem Brande noch eine besondere Krankheit, nämlich an
den Knoten. Sie entsteht aus 3 Ursachen; erstens, wenn
dm-ch stürmisches Wetter die Knospen abgerissen, zweitens,
nach Theophrast's Bemerkung, wenn sie von hinten ausge-
schnitten, und drittens, wenn sie unvorsichtiger Weise ver-
letzt werden. Alle ihnen widerfahrene Verletzungen haben
auf die Knoten Einfluss. Eine Art Brand an den Wein-
stöcken, wenn sie ausgeblühet haben, ist das Thauen, oder,
wenn die Beeren, bevor sie wachsen, sich in einen harten Kör-
per verwandeln. Die Weinstöcke erkranken auch, wenn sie
Frost gelitten haben, und die Augen der beschnittenen
durch Brand verletzt sind. Diess geschieht auch durch un-
zeitige Hitze, denn bei Allem muss ein gewisses Maass und
Mittelweg sein. Auch kommt es wohl von einem Versehen
der Bebauer her, wenn sie sie, wie bereits gesagt wurde,
zu fest schnüren, oder wenn der Gräber sie durch einen
heftigen Stoss verletzt, oder auch, wenn der, welcher unter
ihnen pflügte, aus Unachtsamkeit die Wurzeln beschädigt,
oder die Rinde abgelöst hat. Auch wirkt ein stumpfes
Messer nachtheilig. Unter diesen Umständen ertragen sie
Kälte und Hitze weit schwieriger, weil alle nachtheiligen
Einflüsse von aussen in die Wunde dring-en. Der schwächste
310 Siebenzehntes Buch.
aller Bäume ist der Apfelbaum, und besonders der süsse.
Bei einigen wird durch Schwäche Unfruchtbarkeit, aber
nicht der Tod herbeigeführt, z. B. wenn man einer Fichte
oder Palme den Gipfel nimmt, denn dann sterben sie zwar
n icht ab, werden aber unfruchtbar. Zuweilen erkrankt auch
das Obst an sich ohne den Baum, wenn der nöthige Regen,
Wind oder Wärme fehlten, oder im Gegentheil sich zu viel
davon einstellte; denn alsdann fällt es ab und wird schlech-
ter. Das grösste aller Uebel ist, wenn ein Platzregen auf
einen abblühenden Weinstock oder Oelbaum fällt, weil da-
durch zugleich auch die Frucht verloren geht.
Dieselbe Ursache veranlasst die Entstehung der Raupen,
eines scheusslicheu Thieres, von denen einige das Laub,
andere die Blüthen und zwar selbst von den Oliven, wie
zu Milet abnagen, und den abgefressenen Baum in einem
hässlichen Ausehen hinterlassen. Dieses Ungeziefer entsteht
bei feuchter und anhaltender Wärme, und aus ihm noch
ein anderes, wenn die darauf folgenden heissen Sonnen-
strahlen das Schadhafte (gleichsam) einbrennen und somit
verändern. Die Oliven und Weinstöcke sind noch einer be-
sondern Krankheit, dem sogenannten Spinnengewebe, aus-
gesetzt, wobei eine Art Gewebe die Frucht einhüllt und
verzehrt. Ferner schaden manche Winde den Oliven sehr,
jedoch auch andern Früchten. Wurmstichig wird auch das
Obst selbst an sich in manchen Jahren, z. B. die Aepfel,
Birnen, Mispeln, Granaten. Bei der Olive ist der Erfolg
des Wurmstichs zweifach; kommt nämlich der Wurm nach
ihrer Entstehung unter die Haut, so verdirbt die Frucht,
ist er aber in dem Kern selbst gewesen und hat ihn zer-
fressen, so vergrössert sich die Frucht. Regen, der nach
dem Arcturus kommt, verhindert die Entstehung der Würmer;
kommt er aber von Süden, so erzeugt er sie, und selbst in
den Steinfrüchten, welche dann am meisten abfallen. Letz-
teres ereignet sich mehr in feuchten Gegenden, und fallen
sie dann auch nicht ab, so schmecken sie doch nicht gut.
Auch einige Arten von Mücken schaden manchen Früchten,
wie z. B. den Eicheln und Feigen, und jene scheinen aus
Siebenzehntes Buch. 311
dem alsdann unter der Rinde befindlichen süssen Safte
zu entstehen. Diess sind so ziemlich die Krankheiten der
Bäume.
Manche Wirkungen, welche in der Zeit und 0 ertlich-
keit ihre Ursachen haben, können nicht füglich Krankheiten
genannt werden, weil sie sogleich tödten, sowie z. B. ein
Baum von der Auszehrung, oder Dörrung oder einem irgend
einer Gegend eigenthümlichen Winde, wie der Atabulus in
Apulien, der Olympias in Euböa ist, ergriffen wird. Wenn
letzterer um den kürzesten Tag wehet, dörrt und verdirbt
er alles durch Kälte, so dass nachher die Sonnenstrahlen
die Pflanzen nicht wieder ins Leben zurückrufen können.
Diesem Unfälle sind die Thäler und an Flüssen gelegenen
Gegenden, und unter den Gewächsen besonders der Wein-
stock, Oelbaum und Feigenbaum ausgesetzt. Man entdeckt
ihn sogleich beim Ausschlagen, bei der Olive jedoch später,
bei allen aber ist es ein Beweis ihres Wiederauflebens,
wenn sie die Blätter verloren haben, ausserdem sterben
die, welche man fiir die kräftigsten halten sollte. Zuweilen
vertrocknen die Blätter und werden wieder grün. Einige
Bäume in nördlichen Gegenden, wie in Pontus, Phrygien,
leiden von Frost und Kälte, wenn diese noch 40 Tage nach
dem kürzesten anhalten. Dort aber und in andern Ländern
wirkt ein bald nach Hervorbrechung der Frucht eintreten-
der starker Frost, sogar in wenigen Tagen tödtlich.
Eine zweite Art von Ursachen der Krankheiten sind
die, welche aus den Verletzungen durch Menschen hervor-
gehen. Pech, Oel, Fett schaden namentlich den jungen
Bäumen. Wenn man rundherum die Rinde abschält, stirbt
der Baum, mit Ausnahme der Korkeiche, der diess sogar
dienlich ist, denn wenn deren Rinde dick wird, so schnürt
sie den Stamm ein und erstickt ihn. Auch dem Erdbeer-
baume schadet es nicht, wenn man nur nicht ins Holz
schneidet. Ferner blättert sich auch vom Kirschbaume,
der Linde und dem Weinstocke die Rinde ab, aber nicht
die lebende und dem Holze zunächst liegende, sondern die,
welche von der darunter nachwachsenden fortgeschoben
312 Siebenzehntes Buch.
wird. Einge Bäume, z. B. die Platanen, haben von Natur
eine rissige Rinde. Bei der Linde wächst sie nicht ganz
wieder nach. Daher muss man den Bäumen, deren Rinden
Narben hinterlassen, mit Lehm und Mist zu Hülfe kommen;
und mitunter nützt es, wenn nicht zu starke Kälte oder
Hitze darauf folgt. Einige sterben auf diese Weise nicht
so schnell, z. B. die gemeine Eiche. Hierbei kommt es
auch auf die Jahreszeit an. Denn nimmt man, wenn die
Sonne durch das Zeichen des Stiers oder der Zwillinge
geht, der Tanne oder Fichte um die Zeit des Ausschiagens
die Rinde, so gehen sie auf der Stelle aus. Thut mau es
hingegen im Winter, so halten sie länger aus. Ebenso
verhalten sich die Stech-, Wald- und gemeine Eiche. Er-
streckt sich die Abschälung nicht weit, so schadet sie den
genannten Bäumen nicht; wird aber schwächern oder auf
einem magern Boden wachsenden nur an einer Seite die
Rinde abgezogen, so gehen sie aus. Gleiche Bewandtniss
hat es mit der Abköpfung der Cypresse, Rothtanne und
Ceder, denn wird diesen der Gipfel genommen oder durch
Feuer angebrannt, so sterben sie. Dasselbe erfolgt durch
das Abfressen der Thiere. Der Oelbaum soll, wie Varro
sagt und wir bereits angeführt haben, sogar schon absterben,
wenn ihn eine Ziege beleckt. Einige sterben von dieser
Beschädigung, andere arten nur aus, wie die Mandeln,
welche aus süssen in bittere verwandelt werden; noch an-
dere verbessern sich sogar, wie der sogenannte phocische
Birnbaum bei den Chieru. Welchen Bäumen das Abstam-
men dienlich ist, haben wir bereits gesagt. Die Meisten
sterben auch, wenn der Stamm gespalten wird, mit Aus-
nahme des Weinstocks, Apfel-, Feigen- und Granatbaums.
Einige sterben schon an einer blossen Wunde, aber dem
Feigenbaume, sowie allen harzführenden schadet diess nicht.
Dass durch Abschneiden der Wurzeln der Tod erfolgt, ist
nicht zu verwundern; die meisten sterben jedoch nur, wenn
ihnen nicht alle, sondern die grössten oder die, welche
unter ihnen die Lebenswuraeln sind, abgeschnitten werden.
Die Bäume tödten sich selbst unter einander durch
Siebenzehntes Buch. 313
den Schatten, oder durch ihr dichtes Beisammensein, oder
durch das Entziehen der Nahrung. Auch der Epheu tödtet
sie durch Umschlingen; die Mistel nützt ebenfalls nicht,
und der Cytisus wird durch das, was die Griechen Hali-
mon ') nennen, getödtet. Manche Gewächse tödten zwar
als solche nicht, schaden aber durch ihren Geruch oder
die Einmischung ihres Saftes, wie der Rettig und Lorbeer
dem Weinstocke, denn man bemerkt den scharfen Geruch,
der ihn so wunderbar ergreift; er soll daher, wenn er jenen
nahe steht, zurückweichen und den feindlichen Geruch fliehen.
Hierin erkannte Androcydes ein Mittel wider die Trunken-
heit, und schrieb zu diesem Behufe vor, Rettig zu essen.
Der Weinsiock hasst auch den Kohl, alle Küchenkräuter,
die Haselstaude; stehen sie nicht weit von ihm entfernt
so ist er traurig und krank. Endlich sind auch Natron,
Alaun, warmes Meerwasser und Bohnen- oder Erbsenhülsen
Gifte für die Bäume.
38.
Unter den Fehlern oder Gebrechen der Bäume nehmen
auch die seltsamen Erscheinungen einen Platz ein.
Wir finden nämlich Bäume, welche ohne Blätter aufge-
wachsen sind; Weinstöcke und Granaten, welche ihre
Früchte nicht an Aesten oder Ranken, sondern am Stamme
tragen; Weinstöcke mit Trauben und ohne Blätter; Oel-
bäume, welche die Blätter verlieren, während die Früchte
hängen bleiben. Ferner giebt es zufällige Wunder; denn
ein Oelbaum, der ganz angebrannt war, lebte wieder auf,
und in Böotien schlugen von den Heuschrecken abgefressene
Feigenbäume wiederum aus. Die Bäume ändern auch ihre
Farbe, und aus echwarzen werden weisse, ohne dass diess
allemal was Wunderbares wäre; am meisten kommt der-
gleichen bei solchen vor, welche aus dem Samen wachsen,
wie denn die weisse Pappel in die schwarze übergeht.
Einige meinen auch, der Speierling werde, wenn er in
wärmere Gegenden komme, unfruchtbar. Wunderbarer
») Atriplex Halimus L. S. auch XXII. B. 33. Cap.
14 Siebenzehntes Buch.
Weise entsteht aber aus süssem Obste saures, oder aus
saurem süsses, aus wilden Feigen zahme, oder umgekehrt,
durch ein mächtiges Wunderzeicben, wenn sie sich in
schlechtere Sorten umwandeln, wie echte Oelbäume in
wilde, weisse Trauben und Feigen in schwarze. So wurde
bei der Ankunft des Xerxes zu Laodicea eine Platane in
einen Oelbaum verwandelt. Von solchen Wundern strotzen
— damit wir uns nicht zuweit darin verlieren — bei den
Griechen Aristanders ^) Buch, bei uns aber C. Epidius' 2)
schriftliche Aufsätze, in denen man sogar von Bäumen
liest, welche geredet haben. Im Cumanischen Gebiete ver-
sank durch ein mächtiges Wunderzeichen, kurz vor den
Bürgerkriegen des grossen Pompejus, ein Baum so weit,
dass nur noch wenige Zweige hervorragten. Man fand
nämlich in den sibyllinisehen Büchern aufgezeichnet, es
würde eine grosse Niederlage von Menschen kommen, und
diese um so viel grösser werden, je näher sie bei Rom
wäre. Zu den Wundern gehört auch, wenn Bäume an un-
gewöhnlichen Orten hervorwachsen, wie auf den Köpfen
von Bildsäulen, auf Altären, oder wenn auf Bäumen selbst
fremdartige Dinge wachsen. So wuchs zu Cyzicum, vor der
Belagerung, eine Feige auf einem Lorbeerbaume, zu Tralles
eine Palme auf dem Fussgestelle des Dictators Cäsar zur
Zeit seiner Bürgerkriege. Eine zweimal aus einem Kopfe
hervorgewachsene Palme zu Rom auf dem Capitolium im
Kriege gegen Perseus bedeutete Sieg und Triumphe; nach-
dem diese durch Sturm umgeworfen war, wuchs, als die
Censoren M. Messala und C. Cassius das Sühnopfer hielten,
an eben derselben Stelle ein Feigenbaum hervor. Von
dieser Zeit an sei, schreibt Piso, ein angesehener Schrift-
steller, alle Sittsamkeit vernichtet, lieber alles, was jemals ge-
hört worden ist, geht aber das Wunder, was sich zu unsern
') Von Telmessus, Günstling Philipps und dessen Sohnes Alexanders
(den er nach Indien begleitete) wegen Traumdeutungen; schrieb ein
(verloren gegangenes) Buch de portentis.
=*; Ein nicht näher bekannter Autor.
Siebenzehntes Buch. 315
Zeiten beim Sturze des Kaisers Nero im marrucinischen
Gebiete ereignet hat; der ganze Oelgarten des Vectius
Marcellus, eines der ersten aus dem Ritterorden, ging näm-
lich über den öffentlichen Weg auf die Felder, und die
Felder nahmen die Stelle des Oelgartens ein.
39.
Nachdem wir von den Krankheiten der Bäume geredet
haben, müssen wir auch die Hülfsmittel gegen dieselben
anführen. Von diesen passen einige für alle, andere aber
nur für einzelne. Allgemeine Hülfsmittel sind: das Ab-
blättern, das Behäufeln, das Lüften oder Bedecken der
Wurzeln, dass. man denen, welche begossen werden, Wasser
giebt oder nimmt, sie durch Mistjauche erquickt, und durch
Beschneiden ihrer Last entledigt. Einige heilt man durch
Ablassen des Saftes, gleichsam wie durch einen Aderlass,
durch Beschälung der Rinde; die Weinstöcke durch Aus-
schneiden und Zurückhalten der Reben. Sind die Knospen
durch die Kälte struppig und rauh geworden, so hilft man
ihnen durch Glätten und Putzen. Einige Bäume lieben
diese Mittel mehr, andere weniger, wie denn der Cypressen-
baum weder bewässert, noch gedüngt, noch umgraben, noch
beschnitten sein will, und alle Mittel hasst, ja sogar davon
stirbt. Der Weiustock und die Granate werden besonders
durch Begiesseu erhalten; dem Feigenbaume selbst ist das
Begiessen heilsam, sein Obst aber welkt dadurch. Wenn
die Mandelbäume umgraben werden, verlieren sie die
Blüthen. Gepropfte Bäume muss man nicht eher umgraben,
bis sie stark sind und angefangen haben zu tragen. Die
Meisten aber wollen, dass man ihnen alles Lästige und
Ueberflüssige nehme, gleich wie wir es mit den Nägeln
und Haaren machen. Alte werden ganz gekappt und
schlagen in einem Reise wieder aus; doch thun diess nicht
alle, sondern nur die, deren Beschaffenheit es, wie wir ge-
sagt haben, zulässt.
40.
Das Begiessen ist während der Sommerhitze von
Nutzen, im Winter schädlich, im Herbst von veränderlicher
316 Siebenzehntes Buch..
Wirkung und richtet sich nach der Natur des Bodens, wie
denn der Winzer in Spanien die Trauben abschneidet, wenn
der Boden ganz unter Wasser steht. Uebrigens ist es auf
dem grössten Theile der Erde gut, das herbstliche ßegen-
wasser abzuleiten. Das Begiessen bewährt sich am besten
um die Zeit, wenn der Hundsstern aufgeht, aber auch dann
darf es nicht zu reichlich geschehen, weil die Wurzeln da-
durch Schaden leiden. Auch nach dem Alter der Bäume
richtet sich das Maass der Bewässerung; denn junge Bäume
verlangen weniger, diejeoigen aber, welche daran gewöhnt
sind, fordern am meisten. Dahingegen bedürfen die an trock-
nen Orten stehenden Gewächse nicht mehr als die noth-
wendige Feuchtigkeit.
41.
In sulmonensischen Kreise Italiens, im Fabianischen
Bezirke, wo man auch die Felder bewässert, müssen die
rauhern Weine begossen werden; merkwürdigerweise ster-
ben die Kräuter von dem Wasser, das Getreide aber wird
dadurch ernährt, und die Bewässerung dient ihm statt des
Behackens. Ebendaselbst begiesst man mitten im Winter,
und um so mehr wenn Schnee liegt und es friert, die Wein-
stöcke rundherum, damit sie nicht erfrieren, und nennt diess
dort das Erwärmen. Hierbei ist besonders die Beschaffen-
heit des Wassers dieses Flusses zu bewundern; aber eben
dasselbe besitzt im Sommer eine fast unerträgliche Kälte.
42.
Die Mittel wider den Carbunkel und Eost \ .^hn wir
im nächsten Buche angeben. Unter die Hülfsmittel gehört
auch eine Art Schröpfen i). Wenn nämlich die kranke
dörrende Rinde sich zusammenzieht und die lebenden Theile
des Baumes zu sehr presst, so drückt man eine recht scharfe
Sichel mit beiden Händen hinein, führt einen ununter-
brochenen Schnitt hindurch, und öffnet so gleichsam die
Haut. Als Beweis, dass diess geholfen, dienen die erwei-
*) scarificatio.
Siebenzehntes Buch. 317
terteu Narben, welche durch dazwischen gewachsenes Holz
ausgefüllt sind.
43.
Die Heilung der Menschen und der Bäume istsichgrössten-
theils gleich, denn man durchbohrt auch deren Knochen
(Aeste etc.). Aus bittern Mandeln werden süsse, wenn man
den Stamm umgräbt, unten ringsum einbohrt, und den aus-
fliessenden schleimigen Saft wegnimmt. Auch den Ulmen
nimmt man den schädlichen Saft, wenn man sie im Alter
oder auch wenn man merkt, dasssiezu viel Saft haben, über
der Erde bis aufs Mark anbohrt. Auch den Feigenbäumen
entzieht man ihn durch schräge Einschnitte in die strotz-
ende Rinde, und bewirkt dadurch, dass die Frucht nicht
abfällt. Obstbäume, welche grünen und keine Früchte
tragen, macht man dadurch fruchtbar, dass man die Wurzel
spaltet und einen Stein hineinlegt. Dasselbe bewirkt man
bei den Mandelbäumen durch Hineintreiben eines Keils von
Eichenholz. Bei den Birnen und Speierlingen nimmt man
einen von Kienholz und bedeckt ihn mit Asche und Erde.
Es ist auch gut, die Wurzeln der üppig wachsenden Wein-
stöcke und Feigenbäume ringsherum zu beschneiden, und
Asche an die Stellen zu streuen. Die Feigen werden spät
reif, wenn die ersten unreifen, sobald sie grösser als eine
Bohne sind, abgebrochen werden, denn die dann noch wach-
senden reifen später. Wenn die Feigenbäume Laub be-
kommen, und man jedem Zweige die Spitze nimmt, werden
sie stärker und fruchtbarer.
44.
Offenbar werden in denjenigen Feigen, welche durch
die Fliegen reif werden, wenn sie noch unreif sind,
jene Fliegen erzeugt, denn nach ihrem Ausfliegen findet
man keinen Kern mehr darin, ein Beweis, dass diese in
jene verwandelt sind. Diese Thiere haben eine solche Be-
gierde auszufliegen, dass die meisten von ihnen mit Zurtick-
lassung eines Fusses oder Flügels zugleich hervorbrechen.
Es giebt noch eine andere Art Fliegen, welche Spornfliegen
heissen, an Faulheit und Bösartigkeit den Hummeln gleichen,
318 Siebenzehntes Buch.
und wie diese zum Untergange der ächten und nützlichen
da sind, denn sie bringen die letztern um und sterben dann
selbst. Auch die Motten verderben die Samen der Feigen.
Ein Mittel gegen sie ist, dass man in dieselbe Grube ein
Reis vom Mastixbaume eingi*äbt, jedoch so, dass das obere
Ende nach unten zu stehen kommt. Am reichlichsten tra-
gen aber die Feigenbäume, wenn man um die Zeit, wo sie
zu grünen anfangen, verdünnten rothen Oelschaum nebst
Mist an die Wurzeln giesst. Unter den wilden Feigen-
bäumen lobt man am meisten die schwarzen, und die auf
felsigen Plätzen stehenden, weil soicue die meisten Kerne
haben. Die Caprificatiou selbst geschieht nach einem
Regen. ^)
45.
Vorzüglich muss man sieh hüten, dass die Hülfsmittel
keinen Schaden verursachen, ein Umstand, der sich ereignet,
wenn sie zu reichlich und zur Unzeit angewandt werden.
Das Lichtmachen nützt den Bäumen, aber das alljährige
Niedermetzeln schadet ihnen. Nur der Weinstock muss
alljährig beschnitten werden, ein Jahr um's andere aber die
Myrte, Granate, der Oelbaum, weil sie schnell strauchig
werden. Die übrigen Bäume werden seltener und niemals
im Herbste beschnitten; auch dürfen sie nur im Frühjahre
beim Beschneiden abgeputzt werden. Alle überflüssigen
Schnitte bedrohen das Leben.
46.
Mit dem Miste hat es dieselbe Bewandniss, die Bäume
haben ihn gern, aber man muss sich hüten, ihn bei Sonnen-
hitze, oder unreif, oder stärker als nöthig ist, hinzuzubringeu.
Der Schweinemist verbrennt die Weinberge, wenn er nicht
zuvor 5 Jahre lang gelegen hat und durch Wasser ver-
dünnt worden ist; eben die Wirkung hat der Abgang der
Lederarbeiter, wenn kein Wasser hinzugesetzt wird; des-
gleichen zu reichlicher Mist. 3 Modius auf 10 Quadratfuss
') Ueber die Caprification siehe auch im XV. B. 21. Cap.
Siebenzehntes Buch. 319
hält man für die richtige Menge. Doch entscheidet hier
die Beschaffenheit des Bodens.
47.
Durch Tauben- und Schweinemist heilt man auch die
Wunden an Bäumen. Wenn die Granatäpfel sauer sind,
räumt man um die Wurzel die Erde weg und bringt
Schweinemist hinzu, wodurch sie in demselben Jahre weiu-
säuerlich und im nächsten süss werden. Andere rathen,
man solle sie mit Wasser, dem Menschenurin zugemischt
ist, 4 mal im Jahre und jedesmal mit einer Amphora voll,
oder die Spitzen mit Wein, worin Teufelsdreck aufgelöst
worden, befeuchten. Wenn sie sich auf dem Baume spalten,
soll man den Stiel umdrehen. An Feigenbäume giesse man
besonders Oelschaum, an andere kranke Bäume Weinhefe,
oder man pflanze Wolfsbob nen um ihre Wurzeln. Auch
das Wasser von gekochten Wolfsbohnen wirkt um die
Bäume gegossen vortbeilhaft auf das Obst. Die Feigen
fallen ab, wenn es zur Zeit der Vulcanalien i) donnert; ein
Hülfsmittel dagegen ist, dass man vorher die Plätze mit
Gersten Stroh umgiebt. Kalk an die Wurzeln gebracht macht
frühzeitige Kirschen, und zwingt sie zu reifen. Noch besser
ist es, wenn man von ihnen, sowie von allen andern Obst-
arten einige abpflückt, damit die zurückgebliebenen gross
werden.
Einige Bäume werden durch Strafe verbesserf, oder
durch beissende Dinge angereizt, wie die Palmen und
Mastixbäume, denn sie gedeihen gut durch Salzwasser. Die
Asche hat gleichfalls die Kraft des Salzes, ist aber milder;
daher streuet man sie an die Feigenbäume und die Raute,
damit sie nicht wurmstichig werden, und die Wurzeln nicht
faulen. Man soll sogar an die Wurzeln der Weiustöcke
Salzwasser giessen, wenn sie thränen; wenn aber ihre
Frucht abfällt, soll man Asche mit Essig befeuchten, und
sie damit bestreichen, oder mit Sandarach^), wenn die
') Im August.
2) Schwefelarsen.
320 Siebenzehntes Buch.
Traube fault. Sind sie aber nicht fruchtbar, so soll man
sie mit durch starken Essig versetzter Asche bestreichen.
Wird die Frucht nicht reif, und eher trocken, so schneide
man die Stöcke an der Wurzel ab, benetze die Schnittfläche
und die Fasern mit scharfem Essig und altem Urin, be-
decke sie mit demselben Leime und grabe oft um. Wenn
die Oelbäume nicht viel Frucht versprechen, so setzt man
die entblössten Wurzeln der Winterkälte aus, und durch
diese Art von Züchtigung werden sie verbessert. Alle diese
Mittel richten sich in ihrer Anwendung nach dei- Witte-
rung, und müssen daher mitunter früher, mitunter später
angewandt werden. Auch das Feuer hilft etwas, wie z. B.
bei dem Schilfe, denn, wenn es rundum etwas angebrannt
ist, wächst es dichter und milder hervor.
Auch Cato führt einige Arzneimittel an, und unter-
scheidet dabei selbst das Quantum, nämlich: für die Wurzeln
grösserer Bäume eine Amphora, kleinerer eine Urne voll
Oelsatz und ein gleiches Maass Wasser, und diese Flüssig-
keit soll nach und nach an die zuvor abgeräumten Wurzeln
gegossen werden. Ferner solle man um den Oel- und
Feigenbaum zuvor Stroh legen. Namentlich bei den Wur-
zeln des letztern müsse mau die Erde im Frühjahre an-
häufen, denn dann fielen die unreifen Früchte nicht ab, ihre
Anzahl würde grösser, und es wüchsen keine rauhen. Eben-
so müsse man, damit die Wickelraupe nicht im Weinberge ent-
stehe, 2 Congius Oelsatz zur Dicke des Honigs einkochen,
und darauf mit 1/3 Erdpech und 1/4 Schwefel kochen, aber
unter freiem Himmel, weil die Masse unter einem Dach
Feuer fängt. Hiermit müssten die Spitzen und Zweig-
achseln der Weinstöcke bestrichen werden, und dann ent-
stehe keine Wickelraupe. Einige begnügen sich, mit dem
Rauche von jener Mischung die Weinberge 3 Tage hin-
durch bei günstigem Winde zu räuchern. Sehr Viele ver-
sprechen sich von dem Urine denselben günstigen Erfolg,
wie Cato von der Oelhefe, wenn nur ein gleiches Mass
Wasser hinzugesetzt würde, dann allein schade er. Einige
nennen ein gewisses Thier, welches die reifenden Trauben
Siebenzehntes Buch. 321
Ibenagt, die Spinnraupe ; zu deren Abwehr wischen sie die
Sicheln, nachdem sie gewetzt sind, mit Bieberfell ab, und
beschneiden alsdann; nach dem Schneiden solle man die
Stöcke mit Bärenblut bestreichen. Auch die Ameisen sind
den Bäumen verderblich. Man vertreibt sie durch Be-
schmieren der Stämme mit Röthel und Theer; auch bringt
man sie durch Aufhängen eines Fisches in ihrer Nähe auf
einen Punkt zusammen, oder man bestreicht die Wurzeln
mit in Oel abgeriebenen Wolfsbohnen. Viele tödten auch
die Maulwürfe durch Oelsatz, und rathen, gegen die Raupen
und das Faulen des Obstes, die Gipfel mit der Haut einer
grünen Eidechse zu berühren. Besonders zur Vertreibung
der Raupen soll eine Weibsperson, welche die monatliche
Reinigung hat, mit blossen Füssen um jeden Baum gehen.
Ferner, damit kein Thier durch schädliche Bisse das Laub
abnage, soll man die Blätter, so oft ein Regen fällt, mit
Rindermistjauche besprengen, weil dadurch der giftige Stoff
weggespült werde. Alles diess hat der menschliche Scharf-
sinn wunderbar ausgedacht. Ja, viele Menschen glauben
sogar, man könne durch eine Zauberformel den Hagel ab-
wenden. Ich getraue mir nicht, die Worte eines Schrift-
stellers im Ernste anzuführen, obgleich sie Cato aufgezeich-
net hat, nämlich : um verrenkte Glieder zu heilen, soll man
dieselben in die Spalte eines Rohrs stecken. Ebenderselbe
hat auch erlaubt, geheiligte Bäume und Haine zu fällen,
wenn man vorher geopfert hätte, wovon er in eben dem-
selben Buche die Art und Weise sowie die Gebetformeln
iinsiiebt.
"Wittsteiu: Plinius. III, Ed. 21
Achtzehntes Euch.
Von den Feldfrüchten.
1.
Nun folgt die Naturgeschichte der Feldfrüchte, der
Gärten, Blumen und was sonst, ausser Bäumen und Sträu-
chern, aus der gütigen Erde hervorkommt. Hiervon ist
allein schon die Betrachtung der Kräuter von ungeheuer m
Umfange, wenn man ihre Verschiedenheit, Anzahl, ihre
Blumen, Gerüche, Farben, Säfte und Kräfte, welche von der
Natur zum Heile und Vergnügen der Menschen erzeugt
werden, in Erwägung zieht. In dieser Beziehung will ich
gern zuerst die Erde in Schutz nehmen und der Mutter
aller Dinge beistehen, obgleich sie schon im Eingange
des Werkes vertheidigt worden ist. Weil aber ihr innerer
Stoff uns zu der Meinung verleitet, sie erzeuge auch schäd-
liche Dinge, so beladen wir sie nichts desto weniger mit
unsern Verbrechen, und rechnen ihr unsere Schuld an.
Sie hat Gifte erzeugt; gut, aber wer anders als der Mensch
hat sie aufgefunden? Den Vögeln und wilden Thieren
reicht es hin, sich davor zu hüten. Die Elephanten wetzen
und schärfen ihre Zähne, die Ure ihre Hörner an Bäumen,
die Riüocerosse ihre Hörner an Felsen, die Eber die Spitzen
ihrer Zähne an beiden, und diese Thiere wissen, dass sie
sie, um andern zu schaden, in Vertheidigungsstand setzen;
wer also, ausser dem Menschen, taucht seine Waffen in
Gift? Wir benetzen auch die Pfeile damit, und geben dem
Eisen eine noch schädlichere Eigenschaft, als es schon hat.
Wir vergiften die Flüsse und die Elemente der Natur.
Achtzehntes Buch. 323
Selbst die Luft, in der wir leben, machen wir verderblich.
Wir dürfen nicht glauben, dass diess die Thiere nicht wis-
sen; wir haben bereits angeführt, was sie gegen den Kampf mit
den Schlangen zubereiten, und was sie nach dem Streite
zur Heilung ausdenken. Kein Geschöpf, ausgenommen der
Mensch, streitet mit fremdem Gifte. Bekennen wir also
unsere Schuld, denn wir sind nicht einmal mit dem zu-
frieden was wächst, sondern bereiten noch mehrere andere
Gifte mit unsern Händen. Ja, werden nicht selbst Men-
schen mit Giften geboren? Ihre schwarze Zunge zischt
gleich der der Schlangen, und die Pest ihrer Seele verdirbt
alles, was sie berühren; gleich den Schuldigen und schreck-
lichen Vögeln hüllen sie sich auch in Finsterniss, miss-
gönnen selbst den Nächten die Ruhe, und verhindern durch
ihr Stöhnen, gleich jenen unglückbringenden Vögeln, wem
sie begegnen, zu handeln oder dem Leben nützlich zu sein.
Hir schändliches Herz kennt auch keinen andern Geuuss,
als alles zu hassen. Aber darin zeigt sich die Hoheit der
Natur, dass sie um so mehr gute Menschen geschaffen hat,
als sie in Erzeugung derjenigen Gewächse, welche nützen
und ernähren, fruchtbarer war. In Anerkennung und Freude
darüber wollen wir jener Klasse von Menschen ihren Eifer
lassen, uns bemühen, die guten Seiten des Lebens zu stu-
dieren, und hierbei um so mehr verharren, da wir mehr
nach Thätigkeit als nach Ruhme streben. Denn wir
werden jetzt vom Lande und von nützlichen ländlichen An-
gelegenheiten handeln — eine Materie, in deren Ausübung die
Alten die höchste Ehre ihres Lebens setzten.
2.
Ackerpriester hat zuerst Romulus errichtet, und sich
unter ihnen den zwölften Bruder genannt. Diesen wurde in
ihrem Priesterthum, von seiner Amme Acca Laurentia zum
feierlichsten Zeichen ein mit einer weissen Binde versehener
Aehrenkranz gegeben. Dieser war der erste Kranz bei
den Römern; die Ehre ihn zu tragen, endigt nur mit dem
Leben, und begleitet auch Verbannte und Gefangene. Da-
mals begnügte sich das römische Volk mit 2 Jugern Land,
21*
324 Achtzehntes Buch.
und es verlieli auch Keinem mehr; dagegen haben kurz vor
meiner Zeit die Sclaveu des Kaisers Nero Gärten von dieser
Grösse verachtet, und noch gössere Fischteiche haben wollen;
und es ist viel, dass man nicht schon so grosse Küchen ver-
langt hat. Numa ordnete an, die Götter mit Feldfrüchten
zu verehren, Getreide mit Salz zu opfern, und, wie Hemina
schreibt, Dinkel ^) zu rösten, weil er sich dann besser zur
Nahrung eigne. Diess allein hatte zur Folge, dass man
hernach sagte, nur das geröstete sei zum Gottesdienste i-ein.
Derselbe setzte auch die Fornacalien2) zur Feier des Korn-
röstens ein, die eben so heilig gehalten werden, wie die
Grenzen der Aecker. Dergleichen Gottheiten kannte man
damals am besten; eine nannte man Seja vom Säen, eine
andere Segesta von den Saaten. Ihre Standbilder sehen
wir noch jetzt im Circus. Die dritte von diesen im Hause
zu nennen ist bedenklich. Auch kostete man damals nicht
eher die neuen Früchte und Weine, bis die Priester die
Erstlinge geopfert hatten.
3.
Jugum nannte man eine Strecke, welche mit einem
Joch Ochsen in einem Tage umgepflügt werden kann. Actus
hiess der Weg, in welchem die Ochsen in einem Zuge
gehalten wurden; dieser Weg betrug 120 Fuss, und noch
einmal so lang machte er ein Jugerum aus. Die reichsten
Geschenke für Feldherren und tapfere Bürger waren so viel
Land, als Jemand in einem Tage umpflügen konnte; ferner
mit Korn gefüllte Quartarii oder Heminä, welche das Volk
zusammenschoss. Daher schreiben sich auch die Beinamen:
Pilumnus, der die Stampfkeule in der Mühle erfunden hatte,
Piso, vom Stampfen, die Fabier, Lentuler, Ciceronen, von
denen Jeder die nach ihm benannten Früchte am besten
baute. Die Familien der Junier nannten den, welcher die
Stiere am besten zu gebrauchen wusste, Bubulcus. Ja
1) far. Triticuni Spelta L.
-) Zu Ehren der Göttin Fornax , die man wegen des Backens
verehrte.
Achtzehntes Buch. 325
selbst unter den heiligen Gebräuchen war nichts feierlicher
als ein durch Opfergetreide geschlossenes Eheband, und
hierbei trug man vor der neu Vermählten einen Dinkel-
kuchen her. Seinen Acker schlecht bestellen, hielt man
für eine grosse Schande; und wen man (wie Cato sagt)
einen guten Landmann nannte, dem glaubte man die meiste
Ehre erwiesen zu haben. Daher nannte man auch die-
jenigen reich i), welche viele Plätze d. h. Aecker besassen^).
Selbst das Geld ward nach dem Vieh s) benannt. Auch
noch jetzt heisst in den Listen der Censoren alles das-
jenige Weiden^), woraus das Volk seine Einkünfte zieht,
weil jene lange Zeit hindurch die einzige Quelle ihres Ge-
winns waren. Auch wurden bloss Strafen auf Kosten von
Schafen und Ochsen auferlegt, und hierbei ist die Milde
der alten Gesetze nicht zu übersehen, denn es war festge-
setzt, dass der, welcher die Strafe anzeigte, nicht eher
einen Ochsen als ein Schaf nennen sollte. Spiele, welche
um Ochsen gehalten wurden, hiessen Bubetii. Der König
Servius Hess zuerst Münzen mit den Bildnissen von Ochsen
und Schafen prägen. Wer heimlich des Nachts Feldfrüchte,
die mit dem Pfluge bestellt waren, abweidete oder abschnitt,
wurde, falls er schon erwachsen war, nach den 12 Tafeln
mit dem Tode bestraft, und zwar sollte er der Ceres auf-
gehängt werden, erlitt also eine schwerere Strafe wie Einer,
der einen Mord begangen hatte. Ein Unmündiger dagegen
sollte nach dem Gutbefinden des Prätors gegeisselt und in
die doppelte Schadenerstattung verurtheilt werden.
Damals suchte man die Auszeichnung und Ehre der
Stadt noch in nichts Anderm. Unter denjenigen Einwohnern,
welche Länder hatten, waren die ländlichen Tribus die an-
gesehensten; die städtischen dagegen hiessen der Faulheit
zum Schimpfe so, und es war eine Schande, in diese ver-
setzt zu werden. Daher gab es auch nur 4, welche von
den Theilen der Stadt, in welchen sie wohnten, benannt
waren, nämlich die suburranische, palatiuische, collinische
•) locupletes. '^) loci plenos. ^) pecus : pecunia. ^) pascua.
326 Achtzehntes Buch.
und exquilinische. Alle 9 Tage ^) besuchten sie die Stadt
wieder, und es war nicht gestattet, an Markttagen Volks-
versammlungen zu halten, damit den Landleuten kein
Hinderniss in den Weg gelegt werde. Man ruhete und
sehlief auf Stroh. Den Ruhm selbst nannte man zur Ehre
des Dinkels den Dinkelruhm. Ich bewundere auch die
alte Bezeichungsweise durch Wörter. So heisst es in den
Priesterverordnuugen: Die Tage zum Weissagen aus Hun-
den sollen gehalten werden, ehe das Getreide aus seinen
Scheiden geht, und ehe es in Aehren ausgewachsen ist.
4
Unter solchen Umständen reichten, obgleich Italien von
keiner andern Provinz her Zufuhr erhielt, die Feldfrüchte
zum Unterhalte nicht nur hin, sondern sie standen auch
in unglaublich niedrigem Preise. Der Volks- Aedil Manius
Marcius gab zuerst den Modius Getreide für ein Ass.
Minutius Augurinus, der elfte Volks-Tribun, welcher gegen
Sp. Melius gezeugt hatte, brachte den Preis des Dinkels
an 3 Markttagen auf 1 Ass; darum setzte ihm das Volk
vor dem dreifachen Thore eine Ehrensäule, deren Kosten
durch eine veranstaltete Collecte bestritten wurden. Tre-
bius verschaffte während seines Adilamtes dem Volke Ge-
treide für 1 Ass, daher ihm auf dem Capitolium und Pala-
tium Bildsäulen geweihet, und er selbst nach seinem Tode
von dem Volke auf den Schultern zum Scheiterhaufen ge-
tragen wurde. Man berichtet, dass in dem Jahre, wo die
Mutter der Götter 2) nach Rom gefahren wurde, die Erndte
reichlicher als in den vorhergehenden 10 Jahren ausge-
fallen sei. Nach M. Varro kostete um die Zeit, als L. Me-
tellus mehrere Elephanten im Triumphe mit sich führte,
der Modius Dinkel, ferner 1 Congius Wein, 30 Pfund trockne
Feigen, 10 Pfund Oel, 12 Pfund Fleisch, jedes nur 1 Ass.
Diess kam auch nicht von den grossen Landgütern Ein-
zelner her, welche die Nachbarn vom Verkauf ausschlössen.
*) Jedesmal den neunten Tag war Markt.
2) Cybele.
Achtzehntes Buch. 327
•denn nach dem Gesetze des Stolo Licinius war die Grösse
derselben auf 500 Morgen eingeschränkt, und er wurde
selbst nach seinem eignen Gesetze bestraft, weil er unter
der eingeschobenen Person seines Sohnes mehr besass. Und
diess war schon das Maass eines üppigen Staates. Es ist ja
die Rede des Manius Curius bekannt, welche er nach
mehreren Triumphen, in Folge deren das römische Reich
einen Ungeheuern Zuwachs an Ländern bekam, hielt, und
worin er sagte: Der Bürger, dem 7 Morgen nicht genügten,
müsse für gefährlich gehalten werden. Dieses Maass wurde
aber dem Volke nach Vertreibung der Könige zuertheilt.
Was war nun die Ursache so grosser Fruchtbarkeit?
Die Feldherren bebaueten damals die Aecker mit ihren
eigenen Händen, und es ist wohl glaublich, dass die Erde
sich über die lorbeerbekränzte Pflugschar und den im
Triumph eingezogenen Ackersmann freuete; sei es nun,
dass jene mit derselben Sorgfalt den Samen behandelten
wie die Kriege, und die Felder ebenso fleissig bestellten
als die Lager; oder sei es, dass unter ehrenvollen Händen
alles besser gedeihet, weil es zugleich mit mehr Sorgfalt
geschieht. Den Seranus fand man bei Uebertragung der
Ehrenstellen mit Säen beschäftigt, und daher kommt sein
Zuname. Als Cincinnatus seine 4 Morgen auf dem vati-
canischen Hügel, welche die quinctischen Wiesen hiessen,
beackerte, brachte ihm ein Gerichtsbote die Dictatur, und
zwar soll er gerade nackend, und sein Gesicht voll
Staub gewesen sein. Der Bote sprach zu ihm: bekleide
dich, damit ich die Befehle des Senats und des römi-
schen Volks dir vortragen kann. Solche Gerichtsboten
hatte man auch damals, denn ihren Namen i) erhielten
sie, weil sie zuweilen Senatoren und Feldherren von
'den Aeckern zusammen rufen mussten. Jetzt aber ver-
richten diess alles gefesselte Füsse, verurtheilte Hände und
Lgebranntmarkte Gesichter; jedoch ist die Erde, welche Mutter
*) viator.
328 Achtzehntes Buch.
genannt und selbst verehrt wird, nicht taub dagegen, dass
man diesen die Ehre anthut und glaubt, sie sähe diess
nicht ungern und werde nicht unwillig darüber. Und doch
wundern wir uns, dass die Arbeit der Selaven nicht den
Vortheil schafft, wie vormals die der Feldherren.
5.
Auch bei den Ausländern gehörte es zu den fürstlichen
Beschäftigungen, über den Ackerbau zu schreiben; denn die-
Könige Hiero, Attalus Philometor, Archelaus, ferner die Feld-
herren Xeuophou^) und der Carthaginienser Mago haben diess
gethan. Letzterem erwies auch unser Senat nach der Einnahme
von Carthago so viel Ehre, dass er bei Verschenkung der
Büchersammlungen an die kleinen Könige in Afrika die
28 Bücher dieses Mannes allein in die lateinische Sprache
übersetzen zu lassen beschloss (obgleich M. Cato damals
schon seine Vorschriften entworfen hatte), und diese Arbeit
den in der punischen Sprache bewandertsten Männern,
unter denen D. Silanus 2)^ aus einer berühmten Familie,
alle andern übertraf, übergeben Hess. Es haben aber viele
gelehrte Männer, welche wir im Inhaltsverzeichniss dieses
Buches der Reihe nach genannt, in diesem Fache
gearbeitet, und unter ihnen müssen wir dankbar den
M. Varro nennen, welcher selbst noch im 81. Jahre darin,
thätig war.
Die Römer begannen den Weinbau viel später und be-
stellten zuerst, der Nothwendigkeit wegen, bloss die Felder.
Wir wollen jetzt diesen Gegenstand nicht allzu gewöhnlich
behandeln, sondern wie wir bisher gethan, Altes sowohl,
als Neues mit aller Sorgfalt erforschen, und die Ursachen >
und Gründe zugleich zu ermitteln suchen. Wir wollen auch
von den Sternen reden, und von ihnen selbst unzweifelhafte
Zeichen für die Erde angeben , weil es sonst scheinen
könnte, als wenn Diejenigen, welche mit noch mehr Fleiss
•) Aus Athen, der bekannte Philosoph und Historiker , geb. 446
T. Chr., starb 356 zu Skillos in Elis. Er schrieb unter andern eine
Philosophie des Hauswesens.
2) Vielleicht der Consul Decius Junius Silanus, 62 v. Chr.
Achtzehntes Buch. 32^
davon gehandelt haben, eher für jeden andern als für den
Landmann geschrieben hätten.
6.
Vor allem müssen wir uns grösstentheils nach weisen
Aussprüchen, welche in keinem andern Verhältnisse des
Lebens zahlreicher und gewisser sind, richten. Denn warum
sollen wir das nicht als Orakel betrachten, was von einem
ganz bestimmten Tage und von der bewährtesten Erfahrung
ausgeht. Den Anfang machen wir aber bei Cato.
Die tapfersten Männer, die dauerhaftesten Soldaten
und die besten Charakter werden unter den Landleuten
gezogen. Kaufe nicht begierig ein Landgut. Spare keine
Mühe in der Landwirthschaft, am wenigsten beim Ankauf
eines Ackers. Was übel gekauft ist, reuet stets. Die,
welche einen Acker anschaffen wollen, müssen vor allen
auf das "Wasser, den Weg und das Nachbarland sehen,
denn diese Dinge geben zu wichtigen und unzweifelhaften
Aufklärungen Anlass. Nach Cato soll man unter den an-
grenzenden Ländern dasjenige um so höher schätzen, wel-
ches mehr glänzt, denn, sagt er, in einer guten Gegend
glänzen die Acker stark. Attilius Regulus, der im punischen
Kriege zweimal Consul war, sagte, man müsse weder an
sehr fruchtbaren Orten einen schlechten, noch an erschöpften
den besten Acker wählen. Die gesunde Lage einer Gegend
erkennt man nicht immer an der Farbe der Einwohner,
denn Leute, die daran gewöhnt sind, können auch an un-
gesunden Orten leben. Ueberdiess sind manche Gegenden
nur zu gewissen Zeilen des Jahres gesund; keiner aber
verdient gesund genannt zu werden, welcher es nicht das
das ganze Jahr hindurch ist. Das ist ein schlechter Acker,,
mit welchem der Eigenthümer zu kämpfen hat. Cato rätb,
man solle vorzüglich darauf sehen, dass der Boden durch
seine Wirksamkeit gelte, d. h. dass viele Arbeiter und eine
ansehnliche Stadt in der Nähe seien, dass man zu Schiffe
oder auf guten Wegen dazu gelangen könne, und dass er
gut bebauet und beackert sei — ein Punkt, worin die
Meisten sich betrügen. Sie glauben nämlich, die Faulheit
:330 Achtzehntes Buch.
-des vorigen Herrn komme dem Käufer zu statten. Nichts
ist übler als ein verwahrloster Acker. Daher meint Cato,
man kaufe besser von einem guten Herrn, und müsse nicht
geradezu den Fleiss Anderer verachten; es gehe dem Acker
v^rie dem Menschen, wenn viel Einnahme und grosser Auf-
wand zusammenkomme, so bleibe nicht viel übrig. Er hält
den Weinstock für das vortheilhafteste Gewächs auf einem
Acker und mit Recht, denn dieser sichert vor allen die
Deckung der Unkosten. Nächstdem nennt er die bewässer-
ten Gärten, wenn sie in der Nähe einer Stadt sind. Die
Wiesen i) nannten die Alten parata. Als Cato gefragt wurde,
welches der gewisseste Gewinn sei, antwortete er: „Wenn
du gute Weide hast." Was folgt dann zunächst? „Wenn
du mittelmässige Weide hast." Es handelte sich wohl
hierbei hauptsächlich darum, dass dasjenige, was die wenig-
sten Unkosten verursache, am meisten einbringe. Je nach
den verschiedenen Gegenden urtheilt man hier so, dort so.
Dahin gehören auch seine Worte: ein Landmann müsse
gern verkaufen. Ein Gut muss man in der Jugend unver-
weilt besäen, aber nicht eher bauen 2), als bis der Acker
bestellt ist; auch dann muss es noch langsam geschehen,
und am besten ist es (wie das Sprichwort sagt), aus den
Thorheiteu Anderer Nutzen zu ziehen, jedoch so, dass die
Unterhaltung der Landhäuser einem nicht zur Last falle.
Derjenige, welcher gut wohnt, kommt oft auf den Acker,
und die lügen nicht, welche sagen, die Stirn des Herrn
nütze mehr als sein Hinterhaupt.
7.
Das richtige Verhältniss besteht darin, dass man bei
einem Landgute nicht das Landhaus, und bei diesem
nicht den Grund und Boden zu suchen braucht. Man muss
es nicht machen, wie L. Lucullus und Q. Scävola zu ein
und derselben Zeit in entgegengesetzter Richtung, denn das
Land des Scävola war ohne Gebäude, und das Landhaus
') prata.
^) aedificare.
Achtzehntes Buch. 331
lies LucuUus ohne Land. Ehemals bestraften die Censoren
den, der weniger säete als fegte. Und diess erfordert
auch Kunst. Ganz kürzlich hat C. Marius, der 7 mal Con-
sul war, im Gebiete von Misenum ein Landgut, ganz in
der Art wie ein Lager errichtet wird, angelegt, so dass
Sulla der Glückliche Andere im Vergleich mit diesem blinde
nannte.
Darin ist man einig, dass ein Landgut weder bei
Sümpfen, noch einem Strome entgegen liegen müsse, ob-
schon Homer sehr richtig alle vor Aufgang der Sonne aus
einem Flusse steigende Dünste ungesund nennt. In heissen
Gegenden muss es gegen Norden, in kalten gegen Mittag
und in gemässigten gegen Nordost liegen. Ob es gleich
scheinen kann, dass wir, als von den Erdarten die Rede
war, die Merkmale, woran die Güte eines Bodens erkannt
wird, hinreichend angegeben haben, so wollen wir doch
noch die darüber niedergelegten Bemerkungen, und zwar
vorzüglich mit Cato's Worten, hier anzeigen. Attich, wilde
Pflaumen, Brombeeren, kleine Zwiebeln, Klee, Gras, Eichen,
wilde Birnen oder wilde Aepfel, ferner schwarze und asch-
graue Erde sind Merkmale eines Getreidebodens. Jede
Kalkart zeitigt, wenn sie nicht zu mager, Sand, wenn er
nicht zu fein ist, und alles diess zeigt sich wirksamer auf
flachem Boden als auf hügeligem.
Die Alten waren der Ansicht, man müsse nicht zu viel
Land haben, und sagten, es sei besser, weniger säen und
besser pflügen. Ich finde, dass Virgil derselben Meinung
ist. Wenn wir die Wahrheit sagen sollen, so haben die
ausgedehnten Ländereibesitzungen Italien, ja selbst schon
die Provinzen zu Grunde gerichtet. Sechs Herren besassen
die Hälfte von Afrika, als der Kaiser Nero sie tödtete.
Auch hierin zeigte sich (wir dürfen es nicht verschweigen)
die Grösse des Pompejus, dass er niemals einen an den
seinen grenzenden Acker kaufte. Mago sagt, man müsse
nach Ankauf des Ackers sein Haus ohne Schonung und
ohne Nutzen davon dem Publikum entziehen zu wollen
verkaufen; mit diesem Eingänge beginnt er seine Lehren
332 Achtzehntes Buch.
vorzutragen, und man sieht daraus, dass er anhaltenden
Fleiss verlangt.
Demnächst mnss man sieh um einen erfahrenen Guts-
verwalter umsehen; Cato giebt hierüber viele Vorschriften.
Wir begnügen uns zu bemerken, er soll nächst dem Herrn
der klügste sein , sich selbst aber dieses Ansehen nicht
geben wollen. Die Bestellung des Landes durch Sclaven,
sowie überhaupt alles, was von verzweifelten Menschen ge-
schieht, taugt nicht. Es dürfte verwegen scheinen, einen
Ausdruck der Alten anzuführen, der vielleicht für ganz un-
glaublich gehalten werden möchte, nämlich: nichts sei
weniger zuträglich als sein Land aufs Beste anbauen.
L. Tarius Kufus, ein Mann von ganz geringem Herkommen^
der sich durch seine ausgezeichneten Militärdienste das
Consulat erworben hatte, und sonst nach Art der Alten
sehr sparsam war, brachte durch Ankauf und Anbau von
Aeckern im Picenischen gegen 1 Million Sesterzen, die er
der Freigebigkeit des Kaisers Augustus verdankte, so weit
durch, dass Niemand sein Erbe sein wollte. Sollen wir
nun Verlust des Vermögens und Hunger für etwas Rühm-
liches halten? Ja wahrlich, Massigkeit ist in jeder Be-
ziehung das beste. Den Acker wohl zu bauen, erscheint
nothwendig, aber ihn aufs Beste bestellen, schädlich, es
sei denn durch seine Hausgenossen, Pächter oder Leute,,
die man doch ernähren muss. Ferner bringt es dem Acker-
bau treibenden Herrn auch keinen Nutzen, einige Male zu
erndten, wenn man die Kosten der Arbeit rechnet. Man soll
nicht zu rasch in der Olivenkultur sein, auch manches Land
nicht oft bebauen, wie z. B. in Sicilien; denn die Ansiedler
würden dadurch betrogen werden.
8.
Auf welche Weise werden nun die Aeckeram besten
bebauet? Nach dem Ausspruch eines Orakels: durch gute
Uebel *). Ich muss aber hier unsere Vorfahren verthei-
digen, deren Vorschriften für das Leben sorgten; denn was
') malis bonis.
Achtzehntes Buch. 333
sie Uebel nannten, sollte das Wohlfeilste bedeuten. Am
meisten sahen sie darauf, dass die Unkosten gering waren.
Solche Verordnungen gaben Männer, welche es Einem, der
triumphirt hatte, zum Verbrechen anrechneten, wenn er
10 Pfund silbernes Hausgeräth besass; welche verlangten,
man solle, wenn der Verwalter mit Tode abgegangen sei,
die Siege verlassen und zu seinen Ländereien zurückkehren;
deren Güter der Staat zu bebauen übernahm, und die der
Senat verwaltete, während sie Kriegsheere anfahrten. Da-
her schrieben sich auch die übrigen denkwürdigen Aus-
sprüche: Der sei kein guter Landmann, welcher etwas
kaufe, was ihm sein Acker liefern könne. Das sei ein
schlechter Hausvater, der bei Tage thäte, was er des Nachts
thun könne, wenn die Witterung ihm nicht hinderlich wäre;
der sei noch schlechter, welcher das, was an Feiertagen
geschehen könne, an Werktage verrichte; und der am
"schlechtesten, welcher an heitern Tagen mehr im Hause
als auf dem Felde arbeite.
Ich kann nicht umhin, wenigstens ein Beispiel aus dem
Alterthume anzuführen, woraus man ersehen mag, dass es
auch unter dem Volke üblich war, über den Ackerbau zu
verhandeln, und wie dergleichen Männer in Schutz genommen
zu werden pflegten. Als C. Furius Cresinus nach seiner
Befreiung aus der Sclaverei, auf seinem kleinen Acker
weit mehr Früchte erndtete als seine Nachbaren auf ihren
weitläufigen Gründen, beneidete man ihn deshalb und be-
schuldigte ihn, er brächte fremde Früchte durch Zauberei
auf sein Feld. Er wurde deshalb von Sp. Albinus vor Gericht
geladen, und aus Furcht verurtheilt zu werden (weil die
Zünfte darüber stimmen mussten), brachte er all sein Acker-
geräth auf den Marktplatz, nahm seine kräftige und (wie
Piso sagt) wohlgenährte und gekleidete Familie, ferner vor-
trefflich gemachtes Eiseuzeug, starke Hacken, gewichtige
Pflugscharen, und gemästete Ochsen mit sich, und sprach :
„Diess, Römer, sind meine Zaubermittel; mein nächtliches
Arbeiten, mein Wachen und meinen Schweiss kann ich Euch
aber nicht zeigen oder auf das Forum briuseu." Er wurde
334 Achtzehntes Buch.
emstimmig freigesprochen. Wahrlieh, der Ackerbau fordert
keine Unkosten, sondern Fleiss. Daher sagten auch die
Alten, das fruchtbarste auf dem Acker sei das Auge des
Herrn.
Die übrigen Vorschriften sollen an den ihnen zukom-
menden Orten angeführt werden; indessen wollen wir die
allgemeinen, welche uns beifallen, hierhersetzen. Vor allen
ist folgende des Cato höchst nützlich und nachahmungs-
würdig: Trachte dahin, dass die Nachbarn dich lieben.
Er giebt auch Gründe dafür an, welche meiner Meinung
nach Jedem einleuchten werden. Ganz besonders hebt er
hervor, die Leute im Hause sollen nicht böse gegeneinander
gesinnt sein. Alle stimmen darin überein, beim Ackerbau
dürfe nichts zu spät geschehen, und alles müsse zu rechter
Zeit vollbracht werden, denn das Versäumte könne nicht
wieder nachgeholt werden. Dass Cato eine zu trockne
Erde verwirft, haben wir zur Genüge angegeben, schweigen
also jetzt, obgleich er gar nicht aufhört, davon zu reden.
Alles was durch einen Esel verrichtet werden kann, kostet
am wenigsten. Das Farnkraut stirbt nach 2 Jahren ab,
wenn man es nicht Blätter treiben lässt. Diess geschieht
am sichersten, wenn man in der Periode des Ausschiagens
die Zweige mit einem Stocke abschlägt, denn der Saft,
welcher ihm entquillt, tödtet die Wurzel. Auch sollen sie
nicht wieder wachsen, wenn man sie zur Zeit der Sonnen-
wende abreisst; ferner nicht, wenn man sie durch Rohr
anschneidet, oder durch einen mit Rohr belegten Pflug aus-
pflügt. Ebenso solle man das Rohr durch Farnkraut, welches
auf den Pflug gelegt worden, auspflügen. Ein mit Binsen
bewachsener Acker muss mit einem Spaten, ein steiniger
mit einer zweizinkigen Hacke bearbeitet werden. Strauch-
werk entfernt man am besten durch Feuer. Wird ein zu
feuchter Acker mit Gräben durchschnitten und dadurch
ausgetrocknet, so bringt er grossen Nutzen. Die Gräben
aber muss man an kalkigen Stellen offen lassen, in einem
zu losen Boden jedoch mit Zäunen befestigen, damit sie
nicht einfallen, oder die Seiten müssen nicht zu sehr ge-
Achtzehntes Buch. 335.
neigt liegen. Einige muss man bedecken und in grössere
und breitere leiten und womöglich mit Kieselsteinen und
Kies auspflastern. Ihre Mündungen müssen auf beiden Sei-
ten mit 2 Steinen gestützt und mit einem andern überdeckt
werden. Wie man einen Wald ausrottet, hat Democrit an-
gegeben; es wird nämlich die Blüthe der Wolfsbohne einen
Tag lang in Schierlingssaft eingeweicht, und mit diesem
besprengt man die Wurzeln.
9.
Nachdem nun der Acker zugerichtet ist, wollen wir
auch die Feldfrüchte näher angeben. Es giebt vorzüg-
lich 2 Arten derselben, nämlich Getreide wie z. B. der
Weizen, die Gerste, und Hülsenfrüchte, wie die Bohnen und
die Futtererbsen. Wie sich beide von einander unter-
scheiden, ist zu bekannt, als dass es hier angegeben zu
werden braucht.
10.
Vom Getreide selbst giebt es wieder ebenso viele
Arten, welche sich durch die Zeit der Aussaat unterschei-
den. Wintergetreide heisst das, was gegen den Untergang
des Siebengestirns gesäet und den Winter über durch die
Erde genährt wird, wie der Weizen, der Dinkel i), die Gerste.
Sommergetreide wird im Sommer vor dem Aufgange des
Siebengestirns gesäet, wie die Hirse 2), Mohrenhirse 3)^
Sesam ^), Horminum^), Irio*'); jedoch ist diess nur in Italien
gebräuchlich. Anderswo, wie in Griechenland und in Asien
wird alles beim Untergange des Siebengestirns gesäet;.
Manches aber in Italien zu beiden Zeiten, ja Einiges auch
zu einer dritten Zeit, nämlich im Friihlinge. Einige nennen,
die Hirse, Mohrenhirse, Linse ^), Kicher ^), Alica'^) Früh-.
•) far. Triticum Spelta L.
2) Milium. Panicum miliaceum L.
^) Panicum. Holcus Sorghum L.
'') Sesama. Sesamum Orientale L. *) Salvia Horminum L?
^) Irio. Sisymbrium Irio. '') Lens. Ervum Lens L.
*) Cicer. Cicer arietinum L. ») Eine Art Dinkel.
33G Achtzehntes Buch.
flüchte; den Weizen, die Gerste, Bohne i), Napus^), Rapa^)
Saatfrüchte. Unter dem Weizen giebt es eine Art, welche
nur zum Futtern der vierfüssigen Thiere dient, und Farrago
heisst; unter den Hülsenfrüchten vertritt die Wicke diese
Stelle. Die Wolfsbohne*) aber wird zum Gebrauche für
Menschen und Vieh gebauet.
Alle Hülsenfrüchte, ausser der Bohne, haben einfache
holzige Wurzeln, die sich nicht in mehrere zertheilen, die
tiefsten hat die Kicher. Die Getreidearten dagegen wurzeln
mit vielen Fasern ohne Zweige. Die Gerste bricht am
7. Tage nach der Aussaat hervor, die Hülsenfrüchte am
4., spätestens am 7.; die Bohne am 15. bis 20., die Hülsen-
früchte in Aegypten am 3. Tage. Von dem Gersteukorne
geht das eine Ende in die Wurzel, das andere in den
Stengel über, und dieser blühet auch zuerst; das dickere
Ende wird zur Wurzel, das dünnere zur Blüthe. Bei den
übrigen Samenkörnern bildet ein und derselbe Theil die
Wurzel und Blüthe (den Stengel).
Das Getreide hat im Winter nur Blätter; im Frühjahre
wächst das Wintergetreide in den Stengel aus, aber die
Hirse und Mohrenhirse in einen knotigen, hohlen, der Se-
sam in einen ruthenartigen (doldigen) Halm. Die Frucht
aller Saaten befindet sich entweder in Aehren, wie die des
Weizens, der Gerste, und wird durch eine vierfache Be-
deckung von Grannen geschützt; oder sie ist in Hülsen
eingeschlossen wie bei den Hülsenfrüchten, oder aber in
Gehäusen wie beim Sesam, Mohn. Nur die Hirse und
Mohrenhirse sind ein gemeinschaftliches Gut, und den
kleinen Vögeln zugänglich; sie haben nämlich keine Waffen,
sondern sind nur in Häuten enthalten. Das Panicum hat
seinen Namen von den Büscheln ^), welche an seiner Spitze
schlaff niederhängen, denn sein Halm verdünnt sich all-
. niälig in ein feines Reis, wovon sehr dichte Körner in einer
1) Faba. Vicia faba L. -) Brassica campestris Napobrassica L.
3) Brassica Rapa L.
^) Lupinus. L. hirsutus L. und L. angustifoUus L.
^) paniculae, Risj)en.
Achtzöliiltes Buch. 337
■fusslangen Doldentraube i) angehäuft sind. Die feinen Fa-
sern, welche die Körner der Hirse umfassen, endigen in ge-
krümmte und gefranzte Haare. Vom Panicum giebt es
mehrere Arten; man hat nämlich ein zizenförmiges, wo aus
einer Anschwellung kleine traubenartige Büschel ausgehen
und die Spitze doppelt ist. Ja selbst in der Farbe findet
ein Unterschied statt, denn es giebt weisses, schwarzes,
röthliches und purpurfarbiges. Aus der Hirse bäckt mau
auf vielerlei Weise Brot, aus dem Panicum selten; kein
Getreide aber ist schwerer oder schwillt beim Kochen mehr
auf als dieses. Ein Modius giebt 60 Pfund Brot, und 3
Sextare geben durch Anwässern 1 Modius Teig. Während
der letzten 10 Jahre ist aus Indien eine Art Hirse nach
Italien gekommen, welche eine schwarze Farbe, eiu grosses
-Korn und einen rohrartigen Halm hat^). Sie treibt sehr
lange Halme, erreicht eine Höhe von 7 Fuss, heisst Lobä
und ist unter allen Feldfrüchten die fruchtbarste, denn
ein Korn liefert 3 Sextarieu. Sie verlangt eiu feuchtes
Erdreich.
Einige Getreidearten beginnen am 3. Knoten die Aehre
zu treiben, andere am 4., doch ist sie dann noch verborgen.
Der Weizen hat 4 solche Halmknoteu, der Dinkel 6, die
Gerste 8. Vor der so eben genannten Anzahl Knoten be-
ginnt die Aehre nicht; sobald sie aber hervorbrechen will,
fäugt die Pflanze am 4. oder spätestens am 5. Tage darauf
IUI zu blühen, und in ebenso viel oder etwas mehr Tagen
tragen blühet sie ab; die Gerste hingegen spätestens in 7.
Varro sagt, die Feldfrüchte erlangten in 36 Tagen ihre
Vollkommenheit und würden im 9. Monate eingeerntet.
Die Bohnen brechen in Blättern hervor, und treiben
■dann einen Stengel ohne Knoten. Die übrigen Hülsenfrüchte
haben staudige ^) Stengel, und unter ihnen die Kicher, Erve ^)
') obba, eigentlich ein Trinkgeschirr mit weitem Bauche; hiei-
im figurlichem Sinne.
2) Ohne Zweifel eine Varietät des Holcus Sorghum.
^) surculosus, holzig (fest).
*) Ervum. Vicia Ervilia L.
Wittstein: Pliuius. III. Bil. '>•)
338 Achtzehntes Buch.
und Linse ästige. Die Stengel mancher breiten sich auf
der Erde aus, wenn sie keine Stützen haben, wie z. B. die
der Erbsen 1); und fehlen sie ihnen, so arten sie aus. Unter
den Hülsenfrüchten haben nur die Bohne und Wolfsbohne
einen einfachen Stengel; bei den übrigen ist er hart und
ästig, bei allen aber hohl.
Einige treiben die Blätter an der Wurzel hervor, andere
an der Spitze. Die Getreidearten, Gerste, Wicke und alles,
was Halme hat, trägt am Ende nur 1 Blatt. Die Gerste
hat rauhe, die übrigen glatte Blätter; vielfach sind sie da-
gegen bei der Bohne, Kicher und Erbse. Die Getreide-
arten haben ein schilfartiges Blatt, die Bohne und die
meisten Hülsenfrüchte ein rundes; bei der Ervilie 2) und
Erbse sind die Blätter mehr länglich, bei der Schwert-
bohne 3) aderig, beim Sesam und dem Irio blutroth. Nur
von der Wolfsbohne und dem Mohne fallen die Blätter ab.
Die Hülsenfrüchte blühen länger als andere, besonders die
Erve und Kicher, am längsten aber die Bohne, nämlich
40 Tage, jedoch nicht jeder Blüthenstiel so lange, denn
wenn der eine aufgehört hat, fängt der andere an; auch
nicht das ganze Feld auf einmal, wie beim Getreide. Sie.
setzen aber alle in verschiedenen Tagen und zwar am
untersten Ende zuerst, Hülsen an, während allmählig neue
Blüthen nachkommen.
Wenn das Getreide verblühet ist, schwillt es und wird
längstens in 40 Tagen reif; ebenso die Bohne, die Kicher
aber in sehr wenigen Tagen, denn diese ist schon 40 Tage-
nach der Aussaat reif. Hirse, Panicum, Sesam und alle»
Sommergetreide wird in 40 Tagen, von der Blüthe an ge-
rechnet, reif; dabei sind aber Boden und Klima von grossem
Einflüsse. Denn in Aegypten schneidet man die Gerste im
6. Monate nach der Aussaat, das übrige Getreide im 7.;
in Hellas die Gerste im 7., im Peloponnes im 8., und das
') Pisa. Pisum sativum L.
2) Lathyrus Cicera L.
') Faseoli. Phaseolus vulgaris L.
Achtzehntes Buch. 339
Übrige noch später. Die Körner sitzen auf dem Halme in
von haarigem Gewebe umgebenen Aehren. Die Bohne und
die Hülsenfrüchte tragen die Schoten abwechselnd. Das
Getreide zeigt sich dauerhafter gegen den Winter. Die
Hülsenfrüchte dienen zur Speise.
Das Getreide hat mehrere häutige Hüllen. Die Gerste
und die Arincai) sind am nacktesten; ebenso der Hafer.
Das übrige Getreide hat längere Halme als die Gerste,
diese aber schärfere Grannen. Auf der Tenne werden Wei-
zen 2), Siligo^) und Gerste ausgedroschen. Man säet sie
auch so rein, wie sie gemahlen werden, ohne vorherige
Dörrung. Dagegen können Dinkel, Hirse, Panicum, ohne
erst gedörrt zu sein, nicht gereinigt werden; und deshalb
säet man diese roh, mit ihren Hüllen. Auch den Dinkel
dörrt man nicht, sondern hebt ihn in den Hüllen zur
Saat auf.
11.
Am leichtesten unter allen diesen ist die Gerste, denn
sie übersteigt selten das Gewicht von 15 Pfund; die Bohne
wiegt 22 Pfund*). Schwerer ist der Dinkel und noch
schwerer der Weizen. In Aegypten macht man Brot-Mehl^)
aus der Olyra^^), welche dort die 3. Art der Aehrenfrucht
ist. Auch in Gallien hat man eine Art Brot-Mehl, welches
dort Brace, bei uns Sandala heisst, von sehr glänzendem
Korne ist, und sich noch dadurch unterscheidet, dass es
fast 4 Pfund Brot mehr giebt, als jedes andere Getreide.
Verrius sagt, das römische Volk habe sich 300 Jahre lang
bloss des (groben) Brot-Mehls vom Getreide bedient.
12.
Vom Weizen giebt es mehrere Arten, welche ihre
*) Ist nach Cap. 20 identisch mit Olyra (Triticum Zea Host).
2) Winterweizen. Triticum vulgare, «) hibernum L.
^) Sommerweizen. Triticum vulgare, ß) aestivum L.
*) Das Gemäss, welches hierbei zur Norm diente, ist der Modius.
^) Far, Schrot oder grobes Mehl; also wohl zu unterscheiden
von dem Dinkel, welchen Phnius auch far nennt.
^) Triticum Zea Host.
22*
340 Achtzehntes Buch.
Entstehung den Völkern zu verdanken haben. Dem italie-
nischen möchte ich keinen an Weisse und Schwere, welche
Merkmale den Hauptunterschied ausmachen, gleich setzen,
nnd nur dem auf den bergigen Aeckern Italiens wachsenden,
den ausländischen, von dem der böotische den Vorzug ver-
dient; dann folgt der sicilische und hierauf der afrikanische.
Das dritte Gewicht i) hatte der thracische, syrische und
ägyptische. Hiermit stimmt auch die Meinung der Athleten
iiberein, welche in der Gefrässigkeit dem Rindvieh gleichen
und die eben eingeführte Ordnung gemacht haben. In
Griechenland lobt man auch den pontischen. der noch nicht
nach Italien gekommen ist. Unter allen Arten schätzte
man daselbst vorzüglich den dracontischen, strangischen
und salenusischeu wegen des sehr dicken Rohres, und säete
daher diese auf fetten Boden. Den leichtesten und leersten^
sowie denjenigen mit dünnstem Halme säete mau an feuchte
Plätze, weil er der meisten Nahrung bedürfe. Diess waren
die Meinungen Griechenlands, als Alexander der Grosse
herrschte, als diess Land am berühmtesten, und auf der
ganzen Erde am mächtigsten war; und doch ist nicht zu
übersehen, dass beinahe vor dessen Tode der Dichter
Sophocles in dem Schauspiel Triptolemus dem italienischen
Getreide den Vorzug vor allem andern einräumte, und zwar
mit den Worten:
„ Und das durch weisses Korn beglückte Italien besingen. "
Diess Lob gehört dem italienischen bis jetzt noch an,
und ich wundere mich um so mehr, dass die spätem Grie-
chen dessen gar nicht erwähnt haben.
Jetzt ist von den Arten, welche nach Rom eingeführt
worden, die gallische und die, welche vom Chersones kommt,
die leichteste, denn es gehen, wenn man das Korn selbst
wiegt, nicht über 20 Pfund auf den Modius. Der sardische
Weizen wiegt V2 Pfund, der alexandriuische noch V^ mehr,
und dasselbe Gewicht hat der sicilische. Der böotische
') D. h. den dritten Rang.
Achtzehntes Buch. 341
wiegt noch 1 Pfund mehr, und der afrikanische ^U. Ich
weiss, dass in Italien jenseits des Po ein Modius Brot-Mehl
25 Pfund wiegt, bei Clusium auch wohl 26 Pfund. Es ist
ein natürlich begründetes Gesetz, dass in jeder Art Com-
missbrot i) der dritte Theil zum Gewichte des Korns noch
hinzukommt 2); und dasjenige Getreide ist am besten, wel-
ches beim Kneten 1 Congius Wasser aufnimmt. Einige
Arten haben ein besonderes Gewicht, wie die balearische,
von welcher 1 Modius 35 Pfund Brot giebt; andere wenn sie
zu zweien miteinander gemischt werden, wie die cyprische
und alexandrinische, von denen das Brot nicht über 20
Pfund wiegt. Der cyprische Weizen ist braun und giebt
schwarzes Brot; daher mengt man weissen alexandrinischen
darunter und erhält dann 25 Pfund. Die thebaische giebt
noch 1 Pfund mehr. Mit Seewasser zu kneten, was Viele
in den Ktistenortschaften thuu, um das Salz zu sparen, taugt
nicht, denn nichts disponirt den Körper mehr zu Krank-
heiten als der Genuss eines solchen Brotes. In Gallien
und Spanien bedient man sich statt des Sauerteigs des
verdichteten Schaumes 3), welcher entsteht, wenn aus den
bereits angegebenen Getreidearten ein Trank bereitet wird ;
daher ist dort das Brot leichter als bei andern Völkern.
Auch im Halme liegt ein Unterscheidungsmerkmal; der
dickere deutet auf eine bessere Art. Der thracische Weizen
ist mit vielen Hüllen umgeben, und eignet sich für dieses
Land wegen der darin herrschenden grössern Kälte. Aus
eben derselben Ursache erfand man, weil der Schnee so
lange die Erde bedeckt, dreimonatlichen Weizen, welcher
von der Saatzeit an im 3. Monate auch in den übrigen
Ländern geschnitten wird. Dieser ist im ganzen Alpenge-
birge bekannt, und kein Getreide wächst in diesen kalten
Himmelsstrichen üppiger; es treibt nur einen Halm, breitet
') panis militaris.
-) D. h. das Brot ist um Va schwerer, als das dazu genommene
Getreide.
3) D. i. Hefe.
342 Achtzehntes Buch.
sich nicht aus und wird nur in dünne Erdschicht gesäet.
Es giebt auch bei Aenus in Thracien zweimonatlichen
Weizen, welcher am 40. Tage nach der Aussaat reif wird,
und merkwürdigerweise schwerer und an Kleie ärmer als
jedes andere Getreide ist. Man bauet ihn in Sicilien und
Achaja in bergigen Gegenden, auch in Euböa bei Carystus.
Columella irrt sehr, wenn er glaubt, der 3 monatliche wäre
nicht einmal eine besondere Art, während er doch schon
sehr alt ist. Die Griechen nennen ihn Setanion. Man
erzählt, inBactrien gebe es Weizenkörner von solcher Grösse,
dass eins so'gross sei wie bei uns eine ganze Aehre.
13.
Unter allen Getreidearten wird die Gerste i) zuerst
gesäet. Wenn wir jede Art einzeln abgehandelt haben,
wollen wir auch ihre Säezeit aageben. Die Indier haben
eine angebauete und wilde Gerste, aus welch' letzterer sie
hauptsächlich ihr Brot backen und Alica -) bereiten. Am
meisten aber bauen sie Reis^), wovon sie einen Trank ^)
darstellen, den alle übrigen Menschen aus Gerste machen.
Die Blätter des Reises sind fleischig, dem Lauche ähnlich
aber breiter, die Pflanze selbst hat 1 Cubitus Höhe, pur-
purrothe Blumen, und eine knospenartig runde Wurzel.
14.
Die Gerste ist am frühesten zur Speise angewandt
worden, wie, dem Schriftsteller Menander zufolge, aus dem
Gebrauche der Athenienser und aus dem Zunamen der
Fechter, welche Gerstenesser hiessen, erhellet. Die Grie-
chen ziehen auch die Graupen der Gerste^) allen andern
vor. Man bereitet dieselbe auf mehrfache Weise. Die
Griechen übergiessen die Gerste mit Wasser, lassen eine
Nacht über stehen, trocknen sie dann, rösten und mahlen
') Horcleum. Hordeum vulgare, H. clistichon und H. hexasti-
chum L.
2) Eine Art Graupen. Näheres im 29. Cap.
3) Oryza. 0. sativa L. ^) ptisana.
^) polenta.
Achtzehntes Buch. , 343
sie. Manche rösten sie stärker, besprengen sie dann wie-
derum mit etwas Wasser und trocken sie vor dem Mahlen;
Andere aber reinigen die frisch aus den Aehren geschlagene
Gerste, stampfen sie noch feucht in einem Mörser, waschen
sie in Körben aus, stossen sie, nachdem sie an der Sonne
getrocknet worden, wieder und mahlen sie. Was für ein
Verfahren nun auch angewandt worden ist, so mischt man
in der Mühle zu 20 Pfund Gerste, 3 Pfund Leinsamen,
V2 Pfund Coriander und ein Acetabulum Essig. Wer sie
länger aufbewahren will, der thut sie in neue irdene Ge-
fässe und überdeckt sie mit Gerstenmehl und Gerstenkleie.
In Italien röstet man sie ohne vorheriges Anbrühen und
mahlt sie, nachdem derselbe Zusatz und ausserdem noch
Hirse hinzugekommen, in der Mühle fein. Das bei den
Alten gebräuchliche Gerstenbrot hat man zum Genuss für
Menschen verworfen, so dass es fast nur noch ein Nahrungs-
mittel für das Vieh ist.
15.
Seitdem schätzt man den sehr kräftigen und gesunden
"Gerstentrank 1) um so mehr. Hippocrates, einer der be-
rühmtesten Aerzte, hat zum Lobe desselben ein ganzes
Buch geschrieben. Der uticensische wird für vorzüglich
gut gehalten; in Aegypten aber der, welcher aus zwei-
eckiger (zweizeiliger) Gerste bereitet wird. Turranius nennt
die Art, aus der man in Bätika und Afrika den Trank
macht, die glatte; glaubt auch, Olyra und Oryza sei ein
und dasselbe. Die Bereitungsart des Tranks ist allgemein
bekannt.
16.
Auf ähnliche Weise macht man, doch nur in Campanien
und Aegypten, aus dem Weizeukorne das Tragum^).
17.
Das Stärkmehl gewinnt man aus allen Weizen-
arten und dem Siligo, das beste aber aus dem dreimonat-
lichen. Diese Erfindung verdankt man der Insel Chios;
') ptisana.
^) ein gewisser Brei.
344 Achtzehntes Buch.
auch noch jetzt kommt von dorther das beste. Den Nameit
Amylum i) hat es daher bekommen, weil es ohne Mühle-
bereitet wird. DienächstbesteSorte liefert derjenigedreimonat-
liche Weizen, welcher zu den leichtesten gehört. Man
ttbergiesst ihn in hölzernen Gefässen mit soviel süssem
Wasser, dass er davon bedeckt ist, und rührt den Tag über
5 mal um. Besser ist es, wenn das Umrühren auch des
Nachts geschieht, damit sich alles gleichförmig mische.
Das so erweichte Gemisch wird, bevor es anfängt sauer za
werden, durch Leinwand öder Körbe geseihet, auf Ziegeln,
welche mit Hefe bestrichen sind, gegossen, und an der
Sonne getrocknet. Nach dem chiischen Stärkmehle schätzt
man das cretische am meisten; dann folgt das ägyptische.
Seine Güte beurtheilt man nach der Glätte, Leichtigkeit
und Frische, wie Cato schon angegeben hat.
18.
Bei uns bedient man sich auch des Gerstenmehls
in der Heilkunde. Es ist merkwürdig, welchen Nutzen
dasselbe beim Zugvieh schafft; wenn man nämlich Gerste
am Feuer dörrt, dann mahlt, Klösse daraus macht und
diese mit der Hand ihnen einstopft, so werden sie kräftiger
und beleibter. Manche Aehren haben 2 Reihen, manche
mehrere bis zu 6. Das Korn ist dadurch unterschieden,
dass es länger, leichter, oder kürzer, runder, weisser, schwär-
zer oder purpurner ist. Letztere Sorte ist zur Bereitung
der Graupen, die weisse gegen Sturmwind die schwächste.
Die Gerste ist die weichste aller Feldfrüchte und darf nur
in trocknes, lockeres und fruchtbares Erdreich gesäet wer-
den. Ihre Spreu gehört zu der besten, und ihrem Strohe
kommt kein anderes gleich. Die Gerste leidet von allen
Getreidearten am wenigsten Wetterschaden, weil sie eher
geschnitten wird als der Brand den Weizen befällt; daher
sähen kluge Landleute den Weizen nur zum Futter. Man.
sagt, die Gerste werde mittelst der Hacke in's Land ge-
*) Zusammengesetzt aus « und fivXov.
Achtzehntes Buch. 345
bracht; daher geht sie auch am schnellsten auf. Am frucht-
barsten ist die, welche in Spanien und Carthago im Monat
April geerndtet wird; in Celtiberien säet man sie in dem -
selben Monate, und erndtet sie zweimal im Jahre. Alle
Gerste wird sogleich nach der Reife eher geschnitten als
die übrigen Getreidearten, denn ihr Halm bricht leicht und
das Korn befindet sich in einer äusserst dünnen Hülle.
Auch sollen bessere Graupen erhalten werden, wenn die
Gerste vor völliger Reife abgeschnitten wird.
19.
Nicht überall hat man ein und dieselben Arten von
Getreide, und, wo sie sind, führen sie nicht einerlei
Namen. Am gemeinsten sind der Dinkel, welchen die Alten
Adoreum genannt haben, Siligo und Weizen, denn sie fin-
den sich in den meisten Ländern. Die Arinca^) ist in
Gallien einheimisch, wächst aber auch häufig in Italien.
Zea2), Olyra, Tiphe3)sind in Aegypten, Syrien, Cilicien,
Asien und Griechenland zu Hause. In Aegypten macht
man aus dem dortigen Weizen ein feines MehH), was aber
dem italienischen nicht gleichkommt. Diejenigen Völker,,
welche sich der Zea bedienen, haben keinen Dinkel. Auch
dieser wächst in Italien, namentlich in Campauien und wird
„der Same" genannt. Diesen Namen führt, wie wir bald
zeigen werden, ein berühmter Gegenstand, weshalb Homer
ihn den frucht spenden den Acker ^) genannt hat, und nicht
wie Einige glauben, weil er das Leben verliehe. Aus dem-
selben macht man auch Stärkmehl, was sich von dem ge-
») S. im 10 Cap.
2) Ob hier Plinius Zea mit Olyra (Triticum Zea Host) verwech-
selt, oder eine andere Art "Weizen, oder endlich gar Zea Mays L.
(über dessen Vaterland man nicht einig ist, das aber höchst wahr-
scheinhch den Alten schon bekannt war und nicht erst von der Ent-
deckung Amerikas her datdirt) meint, lässt sich nicht entscheiden.,
3) Triticum monococcum L.
'*) Similago.
*) ZsiöoDQoq l'QOVQa.
346 Achtzehntes Buch.
wohnlichen nur durch etwas gröbere Beschaffenheit unter-
scheidet.
Der Dinkel ist das härteste und gegen den Winter
dauerhafteste Getreide. Er verträgt das kälteste Klima
und wächst in schlecht gepflügtem, heissem und trocknem
Boden. Dass er bei den alten Bewohnern Latium's die
erste Nahrung war, beweisen die Dinkelgeschenke, von
denen wir bereits geredet haben. Dass aber die Kömer
lange Zeit hindurch von Brei uud nicht von Brot gelebt
haben, ist offenbar, denn noch heutigen Tages haben die
Zugemüse^) davon ihren Namen. Eunius, der älteste
Dichter sagt, indem er die Hungersuoth bei einer Belage-
rung ausdrücken will, die Väter hätten den weinenden
Kindern den Kloss'^) entrissen. Noch jetzt werden bei
alten Feierlichkeiten und Geburtstagen Brei uud Kuchen
bereitet, und es scheint, dass in Griechenland der Brei so
unbekannt war, wie in Italien die Graupen.
20.
Kein Same ist begieriger als der Weizen, und keiner
zieht mehr Nahrung an sich. Den Siligo möchte ich wohl
den leckern Weizen nennen, denn er ist weiss, ohne Kraft
und Gewicht, und passt für feuchte Gegenden, wie sie in
Italien uud in Gallia comata sind. Aber beständig zeigt
er sich nur jenseits der Alpen im Lande der Allobroger
uud Meminer, in den übrigen Ländern verwandelt er sich
nach 2 Jahren in gewöhnlichen Weizen. Man verhütet
diess, wenn man nur die schwersten Körner säet. Der
Siligo giebt das beste Brot und die schönste Waare der
Bäckereien. In Italien erhält man ganz vorzügliche Ge-
bäcke, wenn man den campanischen zu dem pisanischeu
mischt; jener ist mehr röthlich, der pisauische aber weisser
lind der auf thonigen Boden gewachsene schwerer. Von
demjenigen campanischen Korne, welches das gereinigte
heisst, muss 1 Modius 4 Sextarien Mehl 3), oder von dem
gemeinen, nicht gesiebten, 5 Sextarien und ausserdem noch
') pulmentaria. ^) offa. ') siligo.
Achtzehntes Buch. 347
V2 Modius Blüthenmehl ^) geben; ferner vom Speisekorn
Avelehes die zweite Sorte heisst, 4 Sextarien und ebenso-
viel Kleien; vom pisanischen aber 5 Sextarien Mehl und,
4 Sextarien Kleie. Das clusinische und aretinische Korn
giebt noch ein Sextarius Mehl mehr, kommt aber sonst mit
den übrigen überein. Wenn man aber Staubmehl 2) machen
will, so erhält mau 16 Pfund Brot, 3 Pfund Speisemehl und
1/2 Modius Kleien. Hier liegt der Unterschied im Mahlen;
denn was trocken gemahlen wird, giebt mehr Mehl, was
mit Salzwasser besprengt wird , einen weissem Kern,
lässt aber mehr iu der Kleie zurück. Dass das Mehl ^)
vom Dinkel^) benannt sei, erhellet schon aus dem Namen.
1 Modius gallisches Siligo-Mehl giebt 22 Pfund Brot, das
italische 2 oder 3 Pfund mehr beim Bäckerbrote, denn bei
Brot, was im Backofeu gebacken ist, rechnet man in jeder
Art noch 2 Pfund hinzu.
Das beste Semmelmehl*) giebt der Weizen. Von
dem afrikanischen soll 1 Modiu^ einen halben und 5 Sex-
tarien Staubmehl geben; so heisst nämlich das vom Weizen,
was man vom Siligo Blüthenmehl nennt. Die Erzarbeiter
und Papiermacher bedienen sich desselben. Ausserdem
giebt es noch 4 Sextarien Nachmehl uud ebenso viel Kleien.
Aus 1 Modius Semmelmehl bäckt man 122 Brote, aus 1
Modius Blüthenmehl 117. Der jährliche Mittelpreis eines
Modius Mehl ist 40 Ass; gesiebtes Semmelmehl kostet 8
Ass mehr; gesiebtes Siligomehl doppelt so viel. Noch ein
anderer Unterschied, der einmal zur Zeit des L. Paullus
sich ereignete, findet statt; man machte nämlich damals
die Beobachtung, dass von 17 Pfund, 18 Pfund Brot ge-
wonnen wurden, vom dritten 19 V3, und vom Nachmehle
21/2 Pfund Brot, ebenso viel Speisemehl und 6 Sextarien
Kleie.
Der Siligo wird nie zugleich reif, und keine Saat leidet
das Ausbreiten weniger als diese, denn sie ist sehr zart,
und die zur Keife gelangten Halme lassen sogleich ihre
0 flos. -) poUeu. ^) farina. ^) far. ^j similago.
348 Achtzehntes Buch.
Körner fallen. Aber weniger als die übrigen Getreide-
arten leidet er geschnitten, denn er hat immer eine be-
deckte Aehre, und hält den Thau, welcher leicht Brand
verursacht, nicht an sich.
Die Arinca giebt das süsseste Brot; sie selbst ist dichter
als der Dinkel, die Aehre grösser und schwerer. Selten
dass 1 Modius nicht volle 16 Pfund giebt. In Griechen-
land lässt sie sich schwer austreten, daher man sie, wie
Homer berichtet, dem Zugvieh giebt, denn diess ist es, was
er Olyra nennt. In Aegypten lässt sie sich leicht austreten
und ist fruchtbar. Der Dinkel hat keine Grannen; ebenso
der Siligo, ausgenommen der, welcher lakonischer heisst..
Zu diesen Arten kommen noch: der Bromus i), der auser-
lesene Siligo, und der Tragos, sämmtlich ausländische, aus
dem Orient eingeführte und dem Reis ähnliche Gewächse.
Auch die Tiphe gehört zu der Art, welche bei uns der
Reis liefert. Bei den Griechen ist diess die Zea, und man
sagt, dass diese und die Tiphe, wenn sie ausgeartet sind
und zerstampft gesäet werden, zwar nicht sogleich, aber
doch im dritten Jahre wiederum zu gutem Getreide werden.
21.
Nichts ist fruchtbarer als der Weizen; die Natur gab
ihm diese gute Eigenschaft, weil sie durch ihn den Men-
schen am meisten ernährt, denn ein Modius giebt auf einem
dazu geeigneten Boden, wie z. B. der im Byzacischen Ge-
biete in Afrika ist, 150 Modius. Von daher schickte der
Statthalter des Kaiser Augustus diesem aus 1 Korne (was
unglaublich scheint) nahe an 40 Sprossen. Die Briefe
darüber sind noch vorhanden. Ebenso sandte er dem
Nero 360 Halme aus einem Korne. Das hundertste Korn
geben die Leontinischen Felder in Sicilien und andere, ganz
Bätika und namentlich Aegypten. Unter die fruchtbarsten
Arten des Weizens gehört der ästige, oder der sogenannte
hundertkörnige. Man hat auch schon Stauden gefunden,
die 100 Bohnen trugen.
') Ist Avena sativa, der Hafer.
Achtzehntes Buch. 349
22.
Wir haben als Sommergetreide den Sesam, die Hirse
und Mohrenhirse bezeichnet i). Der Sesam kommt aus
Indien; man macht aus ihm auch ein Oel, und seine Farbe
ist weiss. Diesen ähnlich sieht das in Asien und Griechen-
land wachsende Erysimum, — dasselbe, was man bei
uns Irio nennt, nur ist jenes fetter, und wird mehr zu den
Arzneigewächsen als zu den Feldfrüchten gezählt. Dieselbe
Beschaffenheit hat das von den Griechen sogenannte Hör -
minum, sieht aber dem Cyminum^) ähnlich, und wird mit
dem Sesam gesäet. Dieses und das Irio frisst kein Thier,
so lange sie grün sind.
23.
Nicht alles Getreide lässt sich leicht mahlen; in
Etrurien nämlich stampft man die gedörrten Aehren des
Dinkels mittelst einer mit Eisen beschlagenen Keule, einer
mit Sägezähnen versehenen Röhre und eines inwendig ge-
zähnten Sterns, so dass, wenn nicht vorsichtig gestampft
wird, die Körner zu Grunde gehen und das Eisen zerbricht.
In Italien bedient man sich grösstentheils eines unbeschla-
genen Stempels, auch der Kader, welche von oben auf-
fiiessendes Wasser umdrehet, und so das Mahlen bewirkt.
In Betreff des Mahlens selbst will ich Mago's Ansicht hier
anführen; er sagt nämlich, man solle zuvor den Weizen mit
vielem Wasser begiessen, dann aushülsen, hierauf an der
Sonne trocknen und mit dem Stempel bearbeiten. Ebenso
werde die Gerste behandelt. Auf 20 Sextarien davon nähme
man 2 Sextarien Wasser. Die Linsen müssen erst gedörrt,
dann mit den Kleien leicht gestampft werden; oder man
müsse zu 20 Sextarien 1 Stück Ziegelstein und 1/2 Modius
Sand setzen. Die Ervilie wird wie die Linse behandelt.
Den Sesam muss man in warmes Wasser legen, dass die
Spreu oben schwimmt, wieder an der Sonne auf Tüchern
ausbreiten; doch muss diess alles möglichst schnell ge-
schehen, sonst bekommt er eine hässliche Farbe und schim-
') Sielje 10. Cap. -) Cuiiiinum Cj'miuuni L.
350 Achtzehntes Buch.
melt. Aber auch die Getreidearten, welche ausgehülset wer-
den, erleiden eine verschiedene Behandlung beim Stampfen.
Hülse 1) sagt man dann, wenn bloss die Aehre für sich zum
Gebrauche der Goldarbeiter gestossen wird; wenn sie aber
auf der Tenne ausgedroschen wird, so heisst sie Spreu, wie
es in den meisten Ländern zum Futtern des Viehes ge-
schieht. Das was beim Reinigen der Hirse, des Panicums
und Sesams abfällt, heisst Apluda, hat aber an andern
Orten andere Namen.
24.
In Campanien giebt es besonders viel Hirse 2), aus
der man einen weissen Brei bereitet. Sie liefert ein sehr
süsses Brot. Auch die Sarmater leben grossentheils von
solchem Brei, sowie von rohem Mehle, welchem sie Pferde-
milch oder aus Beinadern gelassenes Blut zumischen.
Die Aethiopier kennen kein anderes Getreide als Hirse
und Gerste.
25.
Die Gallier und namentlich die Aquitanier bauen das
Panicum; desgleichen die Italiener am Po, doch bedienen
sich diese desselben nicht allein, sondern in Verbindung
mit Bohnen, ohne welche sie nichts zurichten. Die pon-
tischen Völker ziehen dem Panicum keine Speise vor.
Uebrigens ist allem Sommergetreide das Begiessen zuträg-
licher als viel Regen. Hirse und Panicum leiden sehr durch
Wasser, wenn sie Blätter treiben; man will auch nicht, dass
sie zwischen Weinstöcke oder Obstbäume gesäet werden,
weil dadurch der Boden ausgesogen werde.
26.
Hirse, welche mit Most angemacht ist, liefert einen
guten Sauerteig, der sich ein Jahr lang hält. Einen ähn-
lichen bereitet man aus der besten zerkleinerten Kleie des
Weizens dadurch, dass man sie mit weissem, 3 Tage altem
Moste ernährt und an der Sonne trocknet. Beim Brotbacken
«) acus. ^) S. im 10. Cap.
Achtzehntes Buch. 351
weicht man ein Stück davon ein, erhitzt es mit feinem
Mehle und mischt dieses unter das übrige Mehl. So be-
reitetes Brot hält man für das beste. Die Griechen sagen,
auf 1 Modius Mehl reiche Vs Pfund Sauerteig hin. Diese
Art Brot bäckt man nur während der Weinlese; zu jeder-
andern beliebigen Zeit aber werden aus Wasser und Gerste
gemachte Klumpen von 2 Pfund auf einem heissen Herde
oder in einer irdenen Schüssel üßer Kohlen und Asche so
lange geröstet, bis sie röthlich sind, hierauf in bedeckten
Gefässen aufbewahrt bis sie sauer werden, und dienen dann
als Sauerteig. Als man noch Brot aus Gerste backte, wurde
aus dem Mehle der Erve oder Kicher der Sauerteig ge-
macht, und von diesem nahm man 2 Pfund auf 5 halbe
Modius. Jetzt macht man den Sauerteig aus dem Mehle
selbst, welches vor dem Zusätze des Salzes geknetet, zum
Brei eingekocht und dieser bis zum Sauerwerden hingestellt
wird. Gemeiniglich aber erhitzt man ihn nicht, sondern
bedient sich bloss des vom vorhergehenden Tage aufge-
hobenen Teiges. Oifenbar entsteht die Gährung durch die
Säure; und das sind die gesundesten Menschen, welche ge-
säuertes Brot essen, wie denn auch die Alten den schwer-
sten Weizen für den gesundesten gehalten haben.
27.
Die verschiedenen Arten Brote selbst durchzugehen,
scheint mir überflüssig. Entweder benannte man das Brot
nach der Zuspeise, z. B. Austerbrot; oder nach seiner Fein-
heit, z. B. Kuchenbrot; oder nach der schnellen Bereitung,^
z. B. Schnellbrot; ferner nach der Art und Weise des
Backens, als Ofenbrot, in Artopten oder in Clibaneni) ge-
backnes. Unlängst hat man auch eine Art Brot von den
Parthern eingeführt, welches Wasserbrot heisst, weil es
durch Wasser gezogen wird, dünn und hohl wie ein Schwamm
ist, und von jenem Volke auch den Namen parthisches Brot
führt. Die Güte des Brotes beruhet auf der des Mehles
und auf der Feinheit des Siebes. Einige kneten es mit
') Artopta, clibanus, Geschirre für feine Bäckereien,
352 Aclitzelintes Buch.
Eiern und Milch an; mit Butter aber einige in Ruhe lebende
Völker, welche ihre Sorgfalt jetzt auf die Bäckerei wenden.
Picenum ist noch immer wegen der Erfindung des Brotes
aus demjenigen Getreide, welches auch zur Bereitung der
Alica dient, berühmt. Man lässt nämlich dort dasselbe 9
Tage lang einweichen, knetet am zehnten den Teig mit
Rosinensaft zu Broten, und bäckt diese in Oefen, nachdem
sie in Töpfen gethan sind, welche darin zerspringen. Ge-
gessen kann es nur werden, wenn es zuvor aufgeweicht ist,
was grösstentheils mit Milch und Honig geschieht.
28.
Bis zum persischen Kriege, mehr als 580 Jahre nach
Erbauung der Stadt, gab es in Rom noch keine Bäcker.
Die Römer backten sich ihr Brot selbst, und diess war, wie
noch jetzt bei den meisten Völkern, das Geschäft der Wei-
ber. Plautus nennt in dem von ihm unter dem Namen
Aulularia geschriebenen Lustspiele einen Bäcker i), was
unter den Gelehrten zu einem grossen Streite über die
Frage: ob jener Vers auch diesem Dichter angehöre? An-
lass gegeben hat. Soviel geht aus der Aussage des A. Atte-
jus Capito hervor, dass die Köche damals für die Vor-
nehmem Brot backten, und dass nur diejenigen, welche
das Getreide stampften, pistores^) genannt wurden. Man
hatte aber unter der Dienerschaft keine Köche, sondern
miethete sie von der Fleischbank. — Die Gallier haben die
Siebe aus Pferdehaaren, die Spanier die Beutelsiebe 3) und
Staubsiebe ^) aus Leinwand, die Aegypter die Siebe aus
Papyrus und Binsen erfunden.
29.
Vor allen Dingen müssen wir auch der vortrefflichen
und heilsamen Alica 5) gedenken, welche Krone aller Ge-
treidearteu ohne Zweifel Italien gebührt. Gewiss ist, dass
man sie auch in Aegypten bereitet, diese taugt aber nichts.
1) artopta. ^j D. i. Stampfei- von piso.
2) excussoria. '*) pollinaria.
^j Hier eine Art Graupen aus der gleichnamigen Pflanze (IJ. C.)
Achtzehntes Buch. 353
In Italien giebt es mehrere Gegenden, wo sie bereitet wird,
z. B. das veronensische, pisanische Gebiet, die beste aber
liefert Campanieu. Dort befindet sich ein 40,000 Schritte
grosses, am Fusse nebelumhüllter Berge belegenes Feld
dessen Erdreich (damit wir sogleich auch die Beschaffen-
heit des Bodens anführen) oben staubig, weiter unten locker
und porös wie Bimsstein ist. Dadurch geschieht es, dass
der Schaden, den sonst die Berge anrichten würden, hier
zum Nutzen gereicht, denn der häufig fallende Regen
sickert durch, und der Boden braucht nicht, um leichter
bestellt zu werden, durchweicht und genässt zu werden.
Er giebt die empfangene Feuchtigkeit nicht wieder an
Quellen ab, sondern vertheilt sie, und hält sie verarbeitend
gleichwie einen Saft an sich. Man besäet jenes Feld das
ganze Jahr hindurch, einmal mit Panicum und zweimal mit
Dinkel. Und dennoch geben die Saatfelder, welche brach
gelegen haben, im Frtihlinge Rosen, welche angenehmer
riechen als die angebaueten; diess Land hört also nicht
auf zu tragen. Daher kommt das gewöhnliche Sprichwort:
in Campanien giebt es mehr Balsam als anderswo Oel.
Wie sehr aber Campanien alle Länder übertrifft, ebenso
wird es selbst von einem Theile übertroffen, welcher La-
boria 1), von den Griechen aber das phlegräische (Cam-
panien) genannt wird. Laboria wird zu beiden Seiten
von dem consularischen Wege, welcher von Puteoli und
von Cumä nach Capua führt, begränzt.
Die Alica bereitet man aus der Zea, einem bereits
genannten Samen 2). Diese wird in einem hölzernen Mörser
gestossen (denn mit einem harten Steine geht es nicht),
die feinere Sorte aber bekanntlich mit einer Keule von
Sträflingen als Zwangsarbeit zugerichtet. In dem Mörser
befindet sich eine eiserne Büchse. Sind die Hülsen ausge-
schüttet, so wird mit denselben Werkzeugen der innere
Kern gestossen. Auf diese Weise bekommt man 3 Sorten
Alica: die kleinste, die mittlere und die grösste oder soge-
•) D. h. das arbeitsame. -) Siehe das 19. Cap.
Wittstein: Plinius. III. Bd. 23
354 Achtzehntes Buch.
nannte abgezogene i). Noch haben sie jetzt ihre Weisse^
die sie so auszeichnet, nicht, werden aber doch schon der
alexandrinischen vorgezogen. Nun mischt man (merkwür-
digerweise) Greta 2) hinzu, welche in das Korn einzieht und
ihm Farbe und Zartheit ertheilt. Diese Greta findet sich
zwischen Puteoli und Neapolis auf einem Hügel, welcher
der weisserdige heisst. Es ist noch eine Verordnung des
Kaiser Augustus vorhanden, nach welcher den Neapoli-
tanern jährlich für denselben 20,000 Sesterzen aus dem
kaiserlichen Schatze ausgezahlt werden, seitdem er eine Go-
lonie nach Gapua brachte, und zwar, wie es in jener Ver-
ordnung heisst, desshalb, weil die Gampaner gesagt hatten^
ohne diese Erde könnte sie keine Alica machen. Jener
Hügel enthält auch Schwefel, sowie die Quellen des Oraxus^
welche klare Augen machen, Wunden heilen, und die Zähne
befestigen.
Unechte Alica wird zwar meistens von der Zea ge-
macht, aber von der, welche in Afrika ausartet. Diese hat
breitere und schwärzere Aehren und einen kürzern Halm.
Man stösst sie mit Sand, und selbst dadurch gehen die
Hülsen schwierig ab. Enthülset misst sie nur halb soviel
als vorher. Hierauf streuet man den vierten Theil Gyps
darunter, und sobald dieser haftet, schlägt man durch ein
Mehlsieb ab. Was zurückbleibt heisst die aufgehaltene
und sie ist zugleich die grösste. Die durchgegangene heisst,
wenn sie durch ein noch engeres Sieb geschlagen ist, die
mittlere; die in dem 3., engsten, Siebe zurückgebliebene,
welche nur den Sand hindurchgelassen hat, die gesiebte.
Ausserdem verfälscht man sie noch auf andere Weise. Man
liest nämlich vom Weizen die weissesten und grössten
Körner aus, kocht sie in Töpfen halb gar, trocknet sie
dann erst etwas an der Sonne, feuchtet sie wiederum
schwach an, und schrotet sie in Mühlen. Die Zea giebt
') aphaerema.
2) Greta ist nicht unsere Kreide sondern eine thonige Erde. S.
XXXV. B. 57. Cap.
Achtzehntes Buch. 355
ein schöneres Korn als der Weizen, obgleich diess ein
Fehler der Alica ist. Weisse erhält sie aber statt durch
Greta, durch die Vermischung mit darangekochter Milch.
30.
Wir wollen nun von den Hülsenfrüchten reden,
unter denendiegrosseB oh nei)ammeisten geachtet zu werden
verdient, denn man hat sogar aus ihr Brot zu backen ver-
sucht. Ihr Mehl heisst Lomentum, und übertrifft an Ge-
wicht das der Getreidearten und aller übrigen Hülsen-
früchte. Die Bohne wird bereits als Futter verkauft, und
ist von vielfältigem Nutzen für alle vierfiissigen Thiere,
ganz vorzüglich aber für den Menschen. Die meisten Völker
mengen sie sogar unter das Getreide, am meisten ganz
unter das Panicum, und noch besser gescbroten. Ja, einem
alten Gebrauche zufolge, ist der Bohnenbrei ein würdiges
Opfer bei gottesdienstlicheu Handlungen. Sie ist kräftiger
als alles andere Zugemüse, und man glaubt, sie mache die
Sinne stumpf und errege Schlaflosigkeit. Deshalb, oder,
wie Andere angeben, weil die Seelen der Verstorbenen
darin wären, verbot Pythagoras, sie zu essen. Aus letzterm
Grunde nimmt man sie gewöhnlich zu den Todtenopfern.
Varro berichtet, dieserhalb und weil in ihrer Blüthe trau-
rige Buchstaben ständen, esse sie der Oberpriester nicht.
Bei der Bohne beobachtet man einen eigenthümlichen reli-
giösen Gebrauch; man bringt nämlich, eines guten Anfangs
wegen, die Bohne unter allen Feldfrüchten zuerst ein, und
davon führt sie den Namen die Vorgängerin, Man hält sie
auch für Gewinn bringend, wenn sie bei Versteigerungen
mitgenommen wird. Sie ist die einzige Frucht, welche,
wenn gleich ausgefressen, doch bei zunehmendem Monde
wieder vollwächst. In Seewasser oder anderm gesalzenem
Wasser lässt sie sich nicht kochen.
Die Bohne wird unter allen Hülsenfrüchten zuerst, vor
dem Untergange des Siebengestirns gesäet, so dass sie noch
dem Winter vorhergeht. Nach Virgil soll man sie im Frtih-
') faba. Vicia Faba L., die Saubohne.
23*
356 Achtzelintes Bucb.
ling säen, wie es die Italiener am Po tliun; aber die Mei-
sten wollen lieber zeitig bestellte Bolinenfelder, als in 3
Monaten die Frucht, denn ihre Hülsen und Stengel werden
vom Vieh sehr gern gefressen. Während der Blüthezeit
verlangen sie viel, späterhin aber nur wenig Wasser. Für
den Boden, in welchem sie stehen, versehen sie die Stelle
des Düngers; daher pflügt man in Macedonien und Thessa-
lien die Felder um, sobald sie anfangen zu blühen.
Sie wächst an vielen Orten wild, wie z. B. auf den
Inseln des nördlichen Oceaus, welche wir daher die Bohuen-
inseln nennen; ferner in Mauritanien, wo sie aber sehr hart
ist und nicht weich gekocht werden kann. — In Aegypten
wächst die Bohne i) an einem dornigen Stengel; daher wird
sie von den Crocodilen, welche ihrer Augen wegen besorgt
sind, gemieden. Ihr Stengel misst 4 Cubitus, ist sehr dick,
hat keine Gelenke und eine weiche Consistenz; in einer
dem Mohnkopfe ähnlichen rosenrothen Frucht sitzen nicht
über 30 Bohnen. Die Blätter sind breit, die Frucht schmeckt
bitter und riecht, aber die Wurzel ist roh oder gekocht eine
beliebte Speise der dortigen Bewohner, und sieht der Rohr-
wurzel ähnlich. Sie wächst auch in Syrien, Cilicien nnd
am See Toro in Chalcis.
31.
Unter den Hülsenfrüchten wird im November bei uns
die Linse, und in Griechenland die Erbse gesäet. Die
Linse liebt eher einen magern als fetten Boden und trockne
Luft. Es giebt davon 2 Arten in Aegypten; die eine ist
runder und schwärzer, die andere hat die gewöhnliche Ge-
stalt. Von den Linsen hat man nach dem verschiedenen
Gebrauche den Namen auf gewisse Geschirre 2) übertragen.
Ich finde bei mehreru Schriftstellern angeführt, dass das
Linsenessen die Menschen gelassen mache. Die Erbse muss
an sonnige Plätze gesäet werden, weil sie sehr empfindlich
gegen die Kälte ist; daher säet man sie in Italien und in
1) Diese ägyptische Bohne kommt von Nelumbium speciosum
(Nymphaea Nelumbo). -) knticulae.
Achtzehntes Buch. 357
rauhem Himmelsstriclien nur im Frühlioge, und zwar auf
leichten und lockern Boden.
32.
Zugleich mit der Kichererbse erzeugt sich ein sal-
ziger Körper, und daher kommt es, dass sie den Boden
ausdörrt. Sie darf nicht anders, als Tags vorher angenetzt,
gesäet werden. Es giebt mehrere Arten und diese unter-
scheiden sich durch die Grösse, Gestalt, Farbe und den
Geschmack. Eine nämlich gleicht einem Widderkopfe, wo-
her sie auch ihren Namen hat i), ist schwarz und weiss.
Eine andere, Taubenkicher oder Venuskicher genannt, ist
weiss, rund, leicht, kleiner als die widderköpfige, und dient
bei gottesdienstlichen Handlungen in den Nachtwachen.
Eine dritte 2) ist klein, ungleich und eckig wie die Erbse.
Am süssesten aber ist die, welche der Erve gleicht. Die
schwarze und röthliche ist fester als die weisse.
33.
Die Kicher hat eine runde Schote, die übrigen Hülsen -
gewäclise hingegen eine längliche, und nach der Gestalt ihres
Samens breite; die Erbse eine cylindrische. Die Schoten
von den Schwer tbohuen 3) isst man mit den Samen.
Man kann sie in jedes beliebige Erdreich von Mitte October
bis Anfang November säen. Die Hülsenfrüchte muss man,
sobald sie reif werden, einbringen, weil sie bald aufspringen,
und, einmal abgefallen, nicht gut zu finden sind. Dasselbe
gilt von der Wolfsbohne. Doch, wir wollen erst von den
Rüben reden.
34.
Die weissen Rüben ^) sind von den römischen Schrift-
stellern nur flüchtig berührt, von den Griechen etwas aus-
führlicher, jedoch mit unter den Gartengewächsen beschrie-
ben worden. Wenn es der Ordnung nach gehen sollte, so
•) Cicer arietinum L.
2) Cicercula. Lathyrus sativus L.
3) faseoli. Phaseolus vulg, L.
^) Rapa. Brassica Rapa L,
358 Achtzehntes Buch.
müsste man sie unmittelbar nach dem Getreide oder wenig-
stens nach den Bohnen abhandeln, weil nächst diesen kein
Gewächs nützlicher ist. Denn vor allen andern dienen sie zur
Nahrung sämmtlicherThiere, und sind nicht das schlechteste
Futter für das Federvieh auf dem Lande, zumal wenn sie
in Wasser abgesotten werden. Die vierfüssigen Thiere
fressen auch die Blätter gern. Selbst der Mensch liebt zu
seiner Zeit das Kraut nicht weniger als die jungen Spros-
sen, und sogar die gelblichen und in den Kellern fast ab-
gestorbenen Rüben mehr als die frischen. Sie halten sich,
wenn man sie in ihrer Erde i) aufbewahrt, und dann zum
Trocknen hinlegt, so lange bis wieder neue da sind; auch
beugen sie dem Hunger vor. Nächst dem Weine und Ge-
treide ist die Rübe die dritte Frucht, welche den Völkern
jenseits des Po Gewinn bringt. Sie bedarf keines sorg-
fältig ausgesuchten Bodens, sondern wächst da, wo sonst
nichts fortkommt. Selbst durch Nebel, Reif und Kälte ge-
deihet sie zu ausserordentlichem Umfange; ich habe welche
gesehen, die über 40 Pfund wogen. Zu unsern Speisen
eignet sie sich auf mehrfache Weise; zu andern wird sie
genommen, wenn dieselben durch die Schärfe des Senfs ge-
mildert sind. Ferner wird sie, ausser ihrer eignen, noch
mit 6 andern Farben, sogar mit Purpur, bemalt. Ausser-
dem taugt das Färben für keine der übrigen Speisen.
Die Griechen unterscheiden 2 Hauptarteii, ein Männchen
und ein Weibchen, welche beide aus ein und demselben
Samen entstehen; wird nämlich dieser etwas dicht gesäet,
oder in einen schweren Boden gebracht, so wächst das
Männchen daraus. Je feiner der Same, um so besser ist
er. Ueberhaupt aber giebt es 3 Arten , denn entweder
breiten sie sich weit aus, oder werden kugelrund, oder
haben (und diese dritte Art heisst die wilde) eine lang
auslaufende Wurzel, wie der Rettig, eckige rauhe Blätter
und einen scharfen Saft, welcher, um die Zeit der Erndte
entnommen und mit Frauenmilch vermischt, die Augen
') D. h. in welcher sie srewachsen sind.
Achtzehntes Buch. 359
reinigt und klar macht. Man glaubt, die Rüben würden
durch Kälte süsser und grösser; Wärme macht, dass sie in
Blätter schiessen. Die besten wachsen im Nursinischen
Gebiete, kosten pro Pfund 1 Sesterz, und, sind sie selten,
zwei. Die nächste (2.) Sorte wächst im Algidischen.
35.
Die amiterninischen Steckrüben i), welche jenen sehr
nahe kommen, lieben gleichfalls die Kälte. Man säet sie
vor Anfang März, und zwar auf 1 Jugerum 4 Sextarien.
Genauere Landwirthe sagen, man müsse die Steckrübe in
die fünfte, die weisse in die 4. Furche säen, und beide
düngen. Die weissen Rüben sollen üppiger wachsen, wenn
sie sammt den Hülsen gesäet werden. Der Säemann soll
unbekleidet sein und beten: er säe für sich und die Nach-
barn. Die rechte Säezeit für beide Arten liegt zwischen
den Festen der beiden^ Gottheiten Neptun und Vulkan-).
Einer scharfsinnigen Beobachtung zufolge sollen sie ausser-
ordentlich gut gedeihen, wenn sie innerhalb der soeben
festgesetzten Zeit an demselben Monatstage gesäet werden,
an welchem im vergangenen Winter der erste Schnee ge-
fallen war. In warmen und feuchten Gegenden säet man
sie auch im Frtihlinge.
36.
Hierauf folgt hinsichtlich des Nutzens die W o If s b o h n e 3),
denn sie ist sowohl für die Menschen als auch für die klauen-
fübrenden Vierfüsser ein Nahrungsmittel. Man muss darauf
achten, dass sie den Schnittern nicht durch Aufspringen
entwischt, oder vom Regen weggeführt wird. Keine andere
Pflanze, welche gesäet wird, zeigt eine wunderbarere An-
hänglichkeit an die Erde als diese. Erstens drehet sie sich
täglich mit der Sonne herum, und giebt auch bei trübem
Wetter dem Landmann die Tageszeit an. Ferner blühet
sie dreimal; sie liebt die Erde und will nicht von der Erde
*) Napi. Brassica campestris. var. Napobrassica L.
2) Das Fest des Neptun fiel in den August.
•=•; Lupinus. Lupinus hirsutus L. und L. angustifolius L.
360 Achtzehntes Buch.
bedeckt sein. Sie allein wird auf ungepflügtes Land ge-
säet, liebt vorzüglich sandigen, trocknen, ja selbst steinigen
Boden, und entbehrt am liebsten aller Wartung. Sie liebt
die Erde so sehr, dass, wenn man sie auf einem mit Ge-
sträuch überwachsenen Boden unter Laub und Dornen wirft,
sie dennoch mit ihrer Wurzel zur Erde gelangt. Dass sie
die Aecker und Weinberge dünge, haben wir bereits ge-
sagt; und sie bedarf so wenig des Mistes, dass sie die
Stelle des besten vertritt. Kein anderes Gewächs macht
weniger Unkosten, denn man braucht sie nicht einmal da-
hin zu bringen, wohin man sie säen will; das Säen ge-
schieht gleich auf dem Felde, und da sie von selbst aus-
fällt, so bedarf sie des Ausstreuens nicht. Sie wird zuerst
gesäet und zuletzt eingeerntet; beides geschieht im Sep-
tember, weil die Kälte ihr leicht Schaden bringen kann.
Uebrigens liegt sie ganz sicher, wenn sie auch vergessen
wird, vorausgesetzt, dass nicht plötzlich eintretende Regen-
güsse sie in die Erde drücken, denn vor den Thieren schützt
sie ihre Bitterkeit, Jedoch pflegt man sie in einer schwa-
chen Vertiefung zu halten. Von den dichtem Erdarten
liebt sie am meisten die rothe. Um diese zu düngen, muss
-sie nach der dritten Blüthe, im Sande aber nach der zwei-
ten unterpflügt werden. In thonigem, sowie in schlammigem
Boden gedeihet sie nicht. In warmem Wasser eingeweicht
dient sie auch dem Menschen zur Speise. Einen Ochsen
macht 1 Modius satt und stark. Kindern auf den Leib ge-
legt wirkt sie als Heilmittel. Am besten bewahrt man sie
im Rauche auf, weil an feuchten Orten Würmer ihren
Keim anfressen und sie unfruchtbar machen. Wenn man
ihr Laub hat abweiden lassen, muss man das Feld sogleich
umpflügen.
37.
Auch die Wicke ^) macht den Acker fett und dem
Landmann wenig Mühe. Sie wird in Furchen gesäet, weder
behackt noch gedüngt, sondern nur beegget. Man säet sie^
1) Vicia. Vicia sativa L.
Achtzehntes Buch. 361
zu 3 Jahreszeiten: beim Untergange des Bären, um im
December abgeweidet zu werden, welches die beste Zeit
zum Samenziehen ist, denn sie trägt auch abgeweidet gut.
Die zweite Periode fällt in den Januar, die letzte in den
März, und diese eignet sich am besten zum grünen Futter.
Unter allen Gewächsen, welche gesäet werden, liebt sie
die Trockenheit am meisten, steht aber auch gern schattig.
Ihre Samenhtilsen werden, wenn sie reif eingesammelt ist.
allen andern vorgezogen. Den Weinstöcken entzieht sie den
Saft, und diese werden entkräftet, wenn man sie auf Aecker,
wo der Wein an Bäumen gezogen wird, säet.
38.
Ebenso erfordert die Erve*) keine mühsame Wartung.
Sie wird mehr als die Wicke gegätet, und besitzt selbst
arzneiliche Kräfte. In den Briefen des Kaisers Augustus
heisst es, er sei durch Erven genesen. Die Aussaat von
.5 Modius reicht gerade für ein paar Ochsen hin. Die im
März gesäete soll dem Rindvieh schädlich sein, die im
Herbste gesäete erzeuge Schnupfen, aber die im Anfange
des Frühlings gesäete sei unschädlich.
39.
Auch der Bockshorn 2), das ist der griechische Heu-
same, wird in Furchen, die nicht tiefer als 4 Finger breit
sind, gesäet, und je schlechter er behandelt wird, desto-
besser kommt er fort. Es ist gewiss eine seltsame Be-
hauptung, dass es etwas gäbe, was durch Vernachlässigung
am besten gedeihe. Das was man Seeale und Farrago
nennt, braucht bloss geegget zu werden.
40.
Das Seeale ^) heisst zu Turin an den Alpen Asia,
ist eine der schlechtesten Kornarten und dient bloss zur
Verhütung von Hungersnoth; sein Halm ist fruchtbar aber
schwach, von traurig schwarzer Farbe, aber bedeutendem.
') Ervum Vicia Ervilia L.
'■^) Silicia. Trigonella Foenum graecum L.
3) Secale cereale L., der Roggen.
362 Achtzehntes Buch.
Gewichte. Um seine Bitterkeit zu mildern, vermischt man
es mit Dinkel, und dessen ungeachtet bekommt es dem
Magen nicht gut. Es giebt auf jedem Boden hundertfäl-
tiges Korn, und dient sogar demselben zur Erfrischung.
41.
Farrago heisst das Korn, was durch dichtes Aussäen
des Abgangs vom Dinkel, dem mitunter auch noch Wicken
beigemengt sind, gewonnen wird. In Afrika liefert die
Gerste das Material dazu. Alles diess dient zum Futter für
das Vieh, desgleichen die von den Hülsenfrüchten aus-
artende sogenannte Vogelwicke ^), welche die Tauben
sogern fressen, dass, wenn man sie einmal damit gefüttert
hat, sie niemals von dem Orte wegfliegen.
42.
Die Alten hatten eine Futterart, welche Cato Ocimum^)
nennt, Avomit sie beim Kindvieh den Durchfall curirten. Es
gehörte zu den Kräutern, welche man grün abmähen musste,
bevor es fror. Sura Mamilius ^) spricht sich anders darüber
aus, denn er sagt, man habe 10 Modius Bohnen, 2 Wicken
und ebenso viel Ervilie^) untereinander gemischt und im
Herbste auf 1 Jugerun Land gesäet. Besser sei es, griechi-
schen Hafer (dessen Same nicht abfällt) darunter zu mischen.
Dieses habe man Ocymum genannt und bloss für das
Rindvieh gesäet. Varro glaubt, es sei wegen der Schnellig-
keit seines Wachsthums, nach dem griechischen Worte
<üiivg ^) benannt worden.
43,
Die Luzerne 6) ist ebenfalls in Griechenland nicht
einheimisch, sondern erst durch die Kriege der Perser,
womit Darius Medien überzog, dort eingeführt, verdient
aber einer besondern Erwähnung, deun sie giebt so reich-
>) Cracca. Yicia Cracca L.
^) Das Basilienkraut, Ocimuui Basilicum L. kann hier unmöglich
gemeint sein. ^) Ein nicht näher bekannter Autor.
'*) Lathyrus Cicera L. ^) schnell,
ß) Medica. Medicago sativa L.
Achtzehntes Buch. 3()3
lieh aus, dass sie, einmal gesäet, mehr als 30 Jahre aus-
ilauert. Sie gleicht dem Klee, Steugel und Blätter sind
geknieet, und alles was au dem Stengel empor wächst,
wird zu Blättern. Von ihr und dem Cytisus i) hat Amphi-
loehus 2) ein Buch geschrieben, worin er sie mit einander
verwechselt. Der Boden, in welchen man sie säet, wird
von Steinen gereinigt und im Herbste umgeackert, nach
dem Pflügen und Eggen aber nochmals und ein drittes Mal,
jedes Mal nach 5 Tagen, unter Zusatz von Mist mit einer
•Egge tiberfahren. Sie erfordert einen trocknen aber saft-
reichen oder bewässerten Boden. Nach diesen Vorberei-
tungen säet man sie im Mai; widrigenfalls leidet sie vom
Reif. Der Same muss so dicht liegen, dass keine andern
Kräuter neben ihm aufkommen können, was man erreicht,
wenn man auf 1 Jugerum 20 Modius nimmt. Damit er
sieb nicht brenne, muss er sogleich mit Erde bedeckt wer-
den. Ist der Boden feucht oder grasig, so wird die Luzerne
unterdrückt und das Land zur Wiese; daher muss sofort
alles Gras, sobald es nur 1 Zoll hoch ist, entfernt werden,
was besser mit der Hand als mit dem Spaten geschieht.
Sie wird geschnitten, sobald sie zu blühen beginnt und
so oft sie wieder Blüthen ansetzt, was jährlich 6 mal, min-
destens aber 4 mal eintritt. Das Reifen des Samens ver-
hüte man, denn bis in's dritte Jahr bringt sie als Futter
mehr Nutzen. Im Frühlinge muss sie gesäet, auch von
allen Kräutern befreiet werden; bis in's dritte Jahr säubere
man sie am Boden mit Hacken. Auf diese Weise gehen
die übrigen Kräuter zu Grunde, ohne dass sie selbst Scha-
den leiden, denn ihre Wurzeln steigen tief hinab. Wenn
das Unkraut die Oberhand bekommen hat, so hilft weiter
nichts, als das Land so lange umzuackern, bis alle fremd-
artigen Wurzeln vertilgt sind. Dem Vieh darf man nicht
so viel davon geben bis es gesättigt ist, weil man ihm
') Medicago arborea L.
2) Aus Athen; seine übrigen Lebenverhältnisse sind unbekannt
auch seine Schiiften nicht mehr vorhanden.
364 Achtzehntes Buch.
sonst Blut lassen muss. Im grünen Zustande ist sie ein
besseres Futter. Sie vertrocknet wie Holz und zerfällt zu-
letzt zu einem unbrauchbaren Pulver. Vom Cytisus, der
gleichfalls einen vorzüglichen Rang unter den Futterge-
wächsen einnimmt, haben wir bei den Sträuchern schon
ausführlich geredet. Jetzt wollen wir von der Natur aller
Feldfrüchte handeln, und ein besonderes Capitel ihren
Krankheiten widmen.
44.
Die erste aller Untugenden des Getreides, in welche
auch die Gerste ausartet, ist der Hafer ^). Er ist gleich-
falls eine Art Getreide, denn die Völker Deutschlands bauen
ihn und bedienen sich keines andern Teiges. Das Aus-
arten in Hafer rührt hauptsächlich von feuchter Luft und
Boden her. Eine zweite Ursache liegt in der Schwäche
des Samens, wenn er zu lange in der Erde liegt bis er zu
keimen beginnt und hervorbricht; desgleichen, wenn er
schon beim Säen wurmstichig war. Man erkennt diesen
Fehler aber sogleich beim Hervorbrechen aus der Erde, ein
Beweis, dass das Uebel in der Wurzel liegt. Eine andere
dem Hafer verwandte Untugend ist die, wenn das Korn
angefangen hat zu quellen, aber in noch unreifem Zustande
(bevor es stark genug geworden), durch schädlichen Luft-
zug entleert wird, und so, gleichsam wie durch eine un-
zeitige Geburt, in der Aehre verschwindet 2).
Die Winde schaden zu 3 Zeiten dem Getreide und der
Gerste: während der Blüthe, kurz nach derselben und beim
Beginn der Fruchtreife. Im letztern Falle werden die Körner
taub, in den beiden erstem wird ihre Bildung verhindert.
Auch die Sonne schadet, wenn sie oft durch Wolken bricht.
Ferner erzeugen sich Würmer an der Wurzel, wenn nach
der Aussaat Regen gefallen ist, und plötzlich eintretende
Wärme die Feuchtigkeit eingeschlossen hält; sie entstehen
im Korne, wenn die Hitze die Regentropfen in der Aehre
') Avena. Avena fativa L.
*) Plinius meint hier den tauben Hafer, Avena fatua L,
Achtzehntes Buch. 365
erwärmt. Auch giebt es einen kleinen Käfer, welcher Can-
tharis heisst, und das Getreide benagt. Alle diese Thiere
sterben, sobald ihre Nahrung aufgezehrt ist. Oel, Pech und
Schmalz schaden den Samen, man muss sich daher hüten,
«olche zu säen, welche damit in Berührung gekommen sind.
Regen ist nur dann dienlich, wenn die Pflanzen erst Blätter
getrieben; sobald Getreide und Gerste blühen, schadet er
ihnen, nicht aber den Hülsenfrüchten, mit Ausnahme der
Kicher. Reifendes Getreide und noch mehr die Gerste
leidet vom Regen. Es giebt auch ein weisses, dem Pani-
cum ähnliches Kraut, welches die Aecker überzieht, und
auf das Vieh tödtlich wirkt. Den Lolch i), den Felddorn 2),
die Disteln und Kletten, desgleichen die Brombeersträuche,
möchte ich dagegen eher zu den Krankheiten der Feld-
früchte als zu den seuchenartigen Auswüchsen der Erde
rechnen. Ein aus der Luft herrührendes, den Feldfrüchten
und Weiustöcken nicht weniger schädliches Uebel ist der
Brand. Er entsteht am häufigsten in thaureichen Gegenden,
in Thäleru und da, wo kein Luftzug stattfindet; dahingegen
trifft man ihn nicht in solchen, welche dem Winde ausge-
setzt sind und hoch liegen. Zu den Fehlern des Getreides
gehört auch das Wuchern, in Folge dessen es unter der
Last seiner Frucht erliegt. Eine Krankheit aber, welche
alle Saaten miteinander theilen, ist die sogenannte Raupe 3);
sie befällt auch die Kicher, wenn der Regen ihren Salz-
gehalt wegspült und sie dadurch süsser macht.
Ein Kraut, Namens Ervenwürger *), tödtet die Kicher
und Erve durch Umschlingen; der Weizen erleidet dasselbe
Schicksal durch die Aera ^), die Gerste durch die Festuca,
welche Aegilops ß) heisst, die Linse durch das Beilkraut ''),
welches die Griechen wegen der Aehnlichkeit mit einem
•) Lolium. L. temulentum L. -) Tribulus. Tr. ten-estris L.
3) urica.
^) Orobanche. Nicht unsere 0., sondern Lathyrus Aphaca L.
Orobanche des Dioscorides ist dagegen die Schmarotzerpflanze Oro
banche grandiflora Bory. ^) Aera. Ist Lolium temulentum L.
ßj Aegilops ovata L. '} Securidaca. Coronilla securidaca L.
366 Achtzelintes Buch,
Beil Pelecinon *) nennen. Alle diese tödten durch Um-^
schlingen. Bei Philippi nennt man ein Kraut, welches auf
fettem Boden wächst und die Bohne tödtet, Ateramnon;
Teramnon aber, wenn diess auf magerm Boden geschieht,
wo dann der Wind die Feuchtigkeit heranwehet. Die Aera
trägt äusserst kleine Körner in stachlichten Hüllen; im
Brote genossen erregt sie bald Schwindel, und in Asien
und Griechenland sollen die Bader, wenn sie zu viele
Menschen vertreiben wollen, diesen Samen auf Kohlen
streuen. In der Erve entsteht auch, wenn der Winter feucht
ist, eine Art giftiger Spinnen. In den Wicken entstehen
Schnecken, und zuweilen kommen aus der Erde kleine
Schnecken, von welchen sie merkwürdigerweise ganz zer-
nagt werden. — Diess sind so ziemlich die Krankheiten
der Feldfrtichte.
45.
Die Hülfsmittel dagegen sind in Bezug auf die
Kräuter die Hacke, und, wenn der Same ausgeworfen wird,
die Asche. Diejenigen Krankheiten aber, welche im Samen
und der Wurzel ihren Sitz haben, müssen von vornherein
sorgfältig vermieden werden. Samen, welche vorher in
Wein gelegen, sollen weniger zum Erkranken geneigt sein.
Virgil empfielt, die Bohnen in Soda und Oelsatz einzuwei-
chen, wodurch sie zugleich recht gross würden. Einige aber
sind der Meinung, sie wüchsen vorzüglich, wenn sie 3 Tage
vor der Aussaat in Urin und Wasser eingeweicht würden.
Wenn man sie 3 mal gäte, so gäbe 1 Modius ganze 1 Mo-
dius geschrotete. Die übrigen Samen wären dem Wurm-
frasse nicht ausgesetzt, wenn man sie mit zerstossenen
Cypressenblättern vermische, oder auch wenn sie während
des Neumondes gesäet würden. Viele geben an, man solle,
um die Hirse zu schützen, des Nachts eine Kröte um das
Feld tragen, bevor es gegätet würde, und dieselbe mitten
darauf in einem irdenen Geschirr vergraben; diess halte
die Sperlinge und Würmer ab. Die Kröte mtisste aber,.
•) von TteXexvd Beil.
Achtzehntes Buch. 367"
vor dem Schneiden der Hirse, wieder herausgescharrt wer-
den, sonst würde diese bitter. Ja, wenn man die Samen
mit dem Vorderbug eines Maulwurfs berühre, so gäben sie
eine reichere Erndte. Democritus sehreibt vor, alle Samen
vor dem Säen mit dem Safte eines Krautes, welches Immer-
grün 1), lateinisch aber Sedum oder Digitellum heisst, und
auf Dächern und Brettern wächst, zu behandeln. Gewöhn-
lich aber, wenn die Süssigkeit schädlich sein könnte oder
Würmer sich an die Wurzeln setzen, hilft man dadurch^
dass man die Samen mit blossem Oelsatze ohne Salz be-
sprengt, dann gätet, und wenn die Saat 1 Schuss getrieben
hat, wieder reinigt, damit das Unkraut nicht überhand
nimmt. Um die verderblichen Schwärme der Staare und
Sperlinge von der Hirse und dem Panicum abzuhalten,,
gräbt man, wie ich weiss, ein Kraut, dessen Name nicht
bekannt ist, an den 4 Ecken des Saatfeldes ein, und merk-
würdigerweise berührt dann kein Vogel dasselbe. Die
Mäuse vertreibt man, wenn man die Samen mit der Asche
eines Wiesels oder einer Katze, welche in Wasser eingerührt
war, oder mit der Abkochung dieser Thiere in Wasser be-
sprengt. Allein, da der üble Geruch dieser Thiere sich auch
dem Brote mittheilt, so zieht man es vor, den Samen mit
Ochsengalle zu befeuchten. Der Brand, dieses grösste
Uebel der Saaten, geht aus dem Acker in die Blätter über,
wenn man Lorbeerzweige in das Land steckt. Das wuchernde
Wachsthum der Saaten wird, wenigstens so lange sie bloss
Blätter getrieben haben, durch Rindviehzähne gedämpft, und
wenn sie gleich öfter abgeweidet werden, so schadet diess
der nachherigen Frucht doch nichts. So viel ist gewiss,
dass nach einmaligem Schnitt das Korn länger aber taub
wird, und keinen Samen bringt. Bei Babylon schneiden
sie 2 mal, und zum dritten Male lassen sie abweiden; sonst
triebe die Pflanze nichts als Blätter. So giebt selbst ein
schlechter Boden fünfzigfachen, ja umsichtigem Landwirthen
hundertfachen Ertrag. Es ist auch keine grosse Mühe, so
•) Aizoon. Sempervivum tectorum L, Hauslauch.
368 Achtzelintes Buch.
lange als möglieb zu begiessen, damit die allzufette und
zu sehr angehäufte fruchtbare Materie vertheilt werde. Der
Euphrat und Tigris führen keinen Schlamm zu wie der Kil
in Aegypten; auch erzeugt das Land selbst keine Kräuter,
(Unkraut); die dortige Gegend ist aber so fruchtbar, dass
sich im folgenden Jahre die Saat von selbst wieder her-
stellt, wenn die Samen durch Eintreten in die Erde ge-
bracht sind. Diese grosse Verschiedenheit des Bodens be-
stimmt mich, die Bodenarten nach den Feidfrüchten ein-
zutheilen.
46.
Cato's ürtheil darüber lautet: In dichten und frucht-
baren Boden säe man Getreide, ist aber viel Nebel vor-
handen, Rettig, Hirse, Panicum. An kalten und feuchten
Orten müsse man zuerst säen, sodann an warmen. In roth-
lehmigen, schwarzen oder sandigen Boden säe, wenn er
nicht wässrig ist, Wolfsbohnen; in kalkigen, rotherdigen
und wässerigen: Adoreum; in trocknen, nicht mit Unkraut,
bewachsenen, auch nicht schattigen: Weizen; in kräftigen:
grosse Bohnen. Wicken niemals in wässrigen und grasigen;
Siligo und Weizen in offenen und hochliegenden, welcher
der Sonne am längsten ausgesetzt ist; die Linse in mit
Gebüsch bewachsenen und röthelartigeu, aber nicht grasigen;
die Gerste in Brachland und solches, was jährlich wieder
bebauet werden kann; dreimonatliches Korn aber, wenn
die Aussaat nicht zur Reife gebracht werden kann und das
Land so dicht ist, dass es das künftigie Jahr wieder zu
bebauen ist. Auch folgende Ansicht zeugt von Scharfsinn:
man müsse das, was nicht viel Saft nöthig hätte, z. B. den
Cytisus, in lockeres Erdreich säen, und, mit Ausnahme der
Kicher, müssten alle Hülsengewächse, welche aus der
Erde gerissen werden, nicht abgeschnitten werden. Daher
haben sie auch den Namen Legumina bekommen, weil sie
auf diese Weise eingesammelt^) werden. In einen fetten
Boden aber gehört das, was mehr Nahrung liefert, wie Kohl,
Weizen, Siligo und Lein. Daher wird man der Gerste einen
'j leguntur.
Achtzehntes Buch. 369
magern Boden geben, denn ihre Wurzel bedarf weniger
Kahrung; dem Weizen ein leichteres und dichteres Erdreich.
An einen niedrigen Ort soll man lieber Dinkel als Weizen
säen, an einen gemässigten Weizen und Gerste. Auf Hü-
geln wächst kräftigerer aber weniger Weizen. Dinkel und
Siligo stehen gern in kalkigem und sumpfigem Boden.
Mit den Feldfrüchten hat sich (so viel ich gefunden habe)
einmal ein Wunder ereignet; in demselben Jahre, als Han-
nibal unter dem Consulate des P. Aelius und Cn. Cornelius be-
siegt ward, soll nämlich Getreide auf Bäumen gewachsen sein.
47.
Nachdem wir von den Arten der Feldfrüchte und des
Bodens ausführlich geredet haben, wollen wir vom Pflügen
handeln, und zuerst der Leichtigkeit, mit welcher diese Ar-
beit in Aegypten verrichtet wird, erwähnen. Der Nil ver-
sieht daselbst die Stelle des Ackermannes; er fängt, wie
früher gesagt, mit der Sonnenwende und dem Neumonde
an erst langsam, hiernach stärker, und so lange als die
Sonne im Löwen steht, zu steigen. Bald nachher, wenu
die Sonne in's Zeichen der Jungfrau getreten ist, wird er
träger, und wenn die Sonne in der Waage steht, bleibt er
ganz ruhig. Wenn er nicht über 12 Ellen gegangen ist,
erfolgt unausbleiblich Hungersnoth; ebenso wenn sein Stei-
gen mehr als 16 Ellen beträgt. Denn je höher er gestiegen,
um so langsamer fällt er wieder, und hindert das Säen.
Man glaubte sonst allgemein, dass, sobald er zurückgetreten
sei, die Einwohner gesäet, dann Schweine darauf getrieben
hätten, welche die Saat mit ihren Füssen in den nassen
Boden eintraten; und ich glaube auch, dass diess vor Zeiten
geschehen ist. Jetzt giebt man sich indessen keine viel
grössere Mühe, allein so viel ist gewiss, dass man das
zuvor in den Schlamm des zurückgetretenen Flusses ge-
brachte Korn, d. h. im Anfange des Novembers unterpflügt.
Einige gäten nachher und nennen diese Operation Botauis-
mus. Die Uebrigen sehen ihr Land nicht eher wieder als
mit der Sichel in der Hand, kurz vor dem Anfange des
Aprils. Die Erndte wird im Mai vollendet; die Halme sind
Wittstein: Plinius. III. Bd. 24
370 Achtzehntes Buch.
niemals 1 Elle hoch, denn unten liegt Sand, und der Same
hält sich nur in dem Schlamm. Das Getreide im theba-
nischen Gebiete ist vorzüglicher, weil Aegypten sumpfig
ist. Eine ähnliche aber viel glücklichere Productionsweise
bietet das seleucische Babylon, wo der Euphrat und Tigris
überschwemmen, dar, weil dort die Bewässerung durch
Menschenhände regulirt wird. In Syrien pflügt mau auch
schwache Furchen, während in Italien oft 8 Ochsen vor
1 Pfluge keuchen. In jedem Theile des Ackerbaues, be-
sonders aber in diesem, gilt der alte Spruch: dass eine jede
Gegend ihre Mängel hat.
48.
Es giebt mehrere Arten von Pflugscharen. Messer
nennt man diejenige, womit man sehr festes Land durch-
schneidet, bevor es völlig umgearbeitet wird, und womit
man die Spur der künftigen Furchen durch blosse Ein-
schnitte angedeutet, die der zurückgebogene Pflug später
durchbrechen soll. Die zweite Art, mit vorstehendem Eisen,
ist die gewöhnliche. Eine dritte, an welcher der Schar-
baum nicht ganz fortläuft, sondern nur vorn eine kleine
Spitze hat, wird in leichtem Boden gebraucht. Diese Spitze
ist in der vierten Art breiter, aber vorn mehr zugespitzt
und geschärft, um mit dieser Schneide den Boden und die
Wurzeln des Unkrauts zu spalten. Diese letztere Art hat
man unlängst im rhätischen Gallien erfunden; Andere geben
ihr noch 2 kleine Räder, und nennen nun diese Art einen
Flachpflug. Die Schneide hat die Gestalt eines Spatens.
Sie säen also nur auf beackertes und gleichsam neues Land.
Die breite Seite des Pfluges wendet die Käsen um. Den
Samen werfen sie sogleich hinein und ziehen mit Eggen
darüber hin. Bei diesem Verfahren darf die Saat nicht
behackt werden. Sie pflügen aber auf die beschriebene
Weise mit 2 oder 3 Zügen Ochsen. Auf 1 Paar Ochsen
kann man jährlich vierzig Jugera leichten, dreissig Jugera
aber schweren Boden rechnen.
49.
Beim Pflügen beachte man wohl den weisen Aus-
Achtzehntes Buch. 371
Spruch Catö's: Was ist das Erste? Den Acker wohl zu
bearheiten. Was das Zweite? Gut zu pflügen. Was das
Dritte? Gut zu düngen. Man pflüge nicht verschiedene
Furchen. Man pflüge zu rechter Zeit. In warmen Gegen-
den muss man das Land nach dem kürzesten Tage, in
kältern nach dem Frühlings-Aequinoctium brechen; früher,
wo es trocken, als wo es feucht ist; früher ein festes als
lockeres Erdreich; früher ein fettes als mageres. Wo trockne
und heisse Sommer herrschen, wird ein kalkiger oder magerer
Boden besser zwischen dem (Sommer-) Solstitium und dem
Herbst- Aequinoctium gepflügt. Wo gelinde Hitze, häufiger
Hegen, fetter und grasiger Boden ist, da geschieht es zweck-
mässig mitten in der heissen Zeit. Einen tiefen und schweren
Boden ackere man auch im Winter auf; einen sehr leichten
und trocknen kurz vor der Säezeit.
Auch hierüber hat er Vorschriften gegeben. Einen
kothigen Boden rühre nicht an. Pflüge mit aller Kraft;
bevor du pflügst, schneide ein; diess hat den Nutzen, dass
wenn der Käsen umgekehrt ist, die Wurzeln der Gräser
absterben. Einige wollen, man solle in der Regel nach
dem Frühlings-Aequinoctium einschneiden (brechen). Das
Land, was im Frühjahre einmal gepflügt ist, wird nach
dieser Zeit „das im Frühling gepflügte" genannt. Diese
Behandlungsweise ist bei einem neuen Acker gleichfalls
nothwendig. Neuen Acker (Brachacker) nennt man den,
welcher ein Jahr um das andere bebauet wird. Die Pflug-
ochsen muss man eng zusammenspannen, damit sie mit auf-
gehobenem Kopfe ziehen, denn so scheuern sie sich die
Hälse am wenigsten. Wird unter Bäumen und Weinstöcken
gepflügt, muss man ihnen Maulkörbe anlegen, damit sie die
zarten Schösslinge nicht abnagen. An der Pflugschar muss
ein kleines Beil hängen, um damit die Wurzeln durchzu-
hauen; denn diess ist besser, als wenn man sie mit dem
Pfluge abreissen und die Ochsen zerren lässt. Beim Pflügen
muss man die Furche vollenden, und nicht mitten in der
Arbeit innehalten. An einem Tage lässt sich ein Morgen
in spannengrossen Furchen brechen, und wenn der Boden
24*
372 Achtzehntes Buch.
leicht ist, kann man IV2 Morgen nachpflügen; wo nicht, so
breche man die Hälfte, und pflüge 1 Morgen nach, denn
die Natur hat auch für die Arbeit der Thiere Gesetze ge-
geben. In jedem Acker müssen erst gerade (Längs-) Furchen,
dann Querfurchen gezogen werden. An Hügeln wird bloss
in schräger Lage gepflügt, so dass die Spitze der Pflugschar
bald nach oben, bald nach unten gerichtet ist. Der Mensch
muss sogar mitunter die schwere Arbeit der Ochsen ver-
sehen, denn die Gebirgsvölker bearbeiten ohne diese
Thiere ihr Land, und zwar mit dem Spaten. Wenn
der Pflüger nicht gekrümmt geht, hält er keinen geraden
Strich ^), welcher Fehler auch auf gerichtliche Angelegen-
heiten übertragen ist^). Man verhüte ihn daher da, wo er er-
funden wurde. Die Pflugschar muss man zuweilen mit der
am Ende des Treibstachels befindlichen Reute reinigen.
Die Erhöhungen zwischen 2 Furchen sollen nicht roh blei-
ben, und die Erdschollen nicht hervorstehen. Es taugt nicht
ein Feld zu pflügen, wenn das Eggen für die Saaten aus-
reicht. Der Acker ist dann gut bearbeitet, wenn man nicht
sieht, wohin der Pflug gegangen ist. Man pflegt da, wo
es erforderlich, Wasserrinnen in Form von breitern Furchen
zu ziehen, welche das Wasser in die Gräben leiten.
Nachdem das Pflügen in die Quere wiederholt worden,
folgt das Eggen, je nach Umständen mit der Egge oder Karate,
und wird nach erfolgter Aussaat wiederholt. Auch letzteres
geschieht entweder mit der Egge oder mit einer an den
Pflug befestigten Platte, welche die Samen bedeckt, und
diese Operation heisst das Eineggen 3), Davon stammt die
Benennung deliratio*) ab. Es scheint, Virgil will, man solle
in die vierte Furche säen, denn er sagt, die Saat sei die
beste, auf welche zweimal die Sonne und zweimal die Kälte
1) iDraevaricatur.
-) Praevaricari hatte auch die Bedeutung: nicht recht handeln,
seine Pflicht überschreiten, besonders vor Gericht, wenn man nur
zum Scheine Jemanden anklagt oder vertheidigt, im Herzen es aber
mit der Gegenparthei hält. ^) lirare.
*) Wörtüch: Das Gehen aus der Furche. — Der Wahnwitz.
Achtzehntes Buch. 373
eingewirkt hätte. In einem dichten Boden, wie er sich in
Italien grösstentheils findet, wird zweckmässiger die fünfte
Furche, in Thusoien aber die neunte besäet. Viel Mühe
erspart man dadurch, dass man Bohnen und Wicken ohne
Nachtheil in nicht gebrochenes Land säen kann.
Noch eine Art des Pflügens, welche im transpadanischen
Italien in Folge der Kriege entstanden ist, dürfen wir nicht
tibergehen. Als die Salasser die am Fasse der Alpen ge-
legenen Felder plünderten, fielen sie auch über hervorge-
wachsene Hirse und das Panicum, und da die Natur ihr
Vorhaben vereitelte, pflügten sie sie unter. Die dadurch
vervielfältigte Ernte lehrte das, was man jetst artrare nennt
d. h. aratrare, wie man wahrscheinlich damals gesagt hat.
Die Zeit, wann diess geschieht, ist, wenn die Pflanze be-
reits 2 — 3 Blätter getrieben und der Halm sich gebildet
hat. Als eine Neuigkeit wollen wir ferner anführen, was
man vor 3 Jahren im treverischen Gebiete beobachtete.
Als nämlich die Feldfrüchte durch den sehr kalten Winter
gelitten hatten, hackte man im März die Felder wieder
um, säete von Neuem, und erhielt die reichlichste Ernte.
Nun wollen wir das, was über die Kultur der Feld-
früchte noch zu sagen übrig ist, nach den Arten derselben
vortragen.
50.
Siligo, Dinkel, Weizen und Gerste egge, behacke und
gäte an den besagten Tagen. Zu jeder Art wird l Ar-
beiter auf 1 Morgen Land ausreichen. Durch Behacken im
Frühjahr wird der durch die Winterkälte verhärtete Boden
wieder aufgeschlossen und den Sonnenstrahlen von Neuem
der Zutritt gestattet. Wer behackt, hüte sich die Wurzeln
des Getreides zu durchstechen. Es ist gut, den Weizen,
die Gerste und die Bohne 2 mal zu behacken. Das Gäten
befreiet, wenn die Saat Knoten setzt, durch Ausreissen des
Unkrautes die Wurzeln und trennt die Saat von dem Reifen.
Unter den Hülsenfrüchten erfordert die Kicher dieselbe
Behandlung wie der Dinkel. Die Bohne braucht man nicht
zu gäten, weil sie des Unkrauts Herr wird, und nur bei
374 Achtzelintes Buch.
den Wolfsbolmen geschieht es. Die Hirse uud das Pani-
cum egget und behackt man, und wiederholt diess nicht
noch einmal, noch gätet man. Der Bockshorn und die
Schwertbohne werden bloss geegget. Es giebt Aecker,
deren Fruchtbarkeit es erforderlich macht, die Saat unter-
zueggen i), — unter pecten versteht man nämlich auch eiue
Art Egge, mit zahnartig gestellten eisernen Spitzen — und
nichts destoweniger lässt man sie noch abweiden. Die
abgeweideten Felder müssen wieder aufgehackt werden.
In Baktrien, Afrika und Cyrene aber macht das günstige
Klima alle diese Arbeiten überflüssig, und nachdem gesäet
worden, geht man erst zur Zeit der Ernte wieder aufs
Land, weil die Trockniss das Unkraut nicht aufkommen
lässt, und die Saat durch den nächtlichen Thau ernährt
wird. Virgil will, man solle ein Feld um das andere brach
liegen lassen, was, wenn die Grösse der Ländereien es er-
laubt, unbezweifelt das Beste ist. Gestatten diess die Um-
stände nicht, so säe man Dinkel oder etwas anderes, was
die Erde erfrischt, dahin, wo Wolfsbohnen, Wicken oder
grosse Bohnen standen. Ganz besonders ist auch zu be-
merken, dass Manches um andern willen zugleich gesäet wird;
aber schon im vorigen Buche haben wir gesagt (damit wir nicht
ein und dasselbe öfter wiederholen), dass dergleichen nicht
gut gedeihet, denn die Beschaffenheit des Bodens hat gros-
sen Einfluss darauf.
51.
Ein Stadtbezirk in Afrika, Namens Tacape, mitten im
Sande auf dem Wege zu den Syrten und Gross-Leptis ^)
bat einen wunderbar glücklichen, feuchten Boden. Kings-
um in einer Ausdehnung von 3000 Schritten befindet sich
eine Quelle, welche zwar reichlich läuft, aber nach be-
stimmten Stunden-unter die Bewohner sich vertheilt. Unter
sehr hohen Palmen stehen Oelbäume, unter diesen Feigen-
bäume, dann folgen Granaten und Weinstöcke; unter letztere
säet man Getreide, hierauf Hülsenfrüchte und endlich Kohl,
•) pectinari.
2) Vergl. V. B. 4. Cap.-
Achtzehntes Buch. 375
alles in ein und demselben Jahre, und alles wächst in frem-
dem Schatten. Von diesem Boden kosten 4 Quadrat-Cubitus,
aber nicht solche, deren Länge sich auf die ausgestreckten
Finger, sondern auf die eingezogenen (geballte Faust) be-
zieht, 4 Denare, lieber alles aber geht die Thatsache
dass der Weinstock 2 mal im Jahre trägt. Wenn nicht
durch vielfachen Anbau die ausserordentliche Fruchtbar-
keit etwas vermindert wird, so gehen die Früchte in zu
tippigem Wachsthum verloren. So aber erndtet man das
ganze Jahr hindurch etwas ein, und es ist ausgemacht, dass
die Menschen die Fruchtbarkeit nicht beeinträchtigen. Auch
im Wasser, welches zum Befeuchten des Bodens dient, liegt
ein bedeutender Unterschied. In der narbonensischen Pro-
vinz befindet sich eine berühmte Quelle, Namens Orge; in
dieser wachsen Kräuter, welche die Ochsen so gern fressen,
dass sie die Köpfe ganz untertauchen, um sie zu suchen;
aber so viel ist gewiss, dass diese im Wasser wachsenden
Kräuter nur durch den Regen ernährt werden. Daher muss
ein Jeder sein Land und Wasser kennen.
52.
In solche Erde, welche wir „zarte" genannt haben,
kann nach dem Einerndten der Gerste Hirse gesäet wer-
den; ist diese eingebracht, Raps, nach diesem wieder
Gerste oder Weizen, wie z. B. in Campanien; und es reicht
aus, wenn man diese Erde vor dem Säen pflügt. Nach
einer andern Ordnung lässt man das Land, auf welchem
Getreide gestanden, die 4 Wintermonate hindurch liegen,
und bepflanzt es dann mit den Frtihbohnen, so dass es vor
der Winterbohne in Thätigkeit ist. Ein zu fetter Acker
kann dadurch gewechselt werden, dass man nach dem Ein-
erndten des Getreides im 3. Jahre Hülsenfrüchte darauf säet;
ein magerer kann auch bis in's dritte Jahr brach liegen.
Nach Einigen soll man das Getreide nur in solchen Boden
säen, der das Jahr zuvor brach gelegen hat.
53.
Ein äusserst wichtiger Punkt ist das Düngen, wovon
wir bereits im vorigen Buche geredet haben. Soviel wenig-
376 Achtzehntes Buch.
stens steht fest; man darf nur in gedüngtes Land säen;
doch finden auch hier besondere Gesetze statt. Hirse, Pani-
cum, weisse Rüben und Steckrüben säe man nur in gedüng-
ten Boden. In nicht gedüngten säe eher anderes Getreide
als Gerste; ebenso auch in Brachland, obgleich man es
vorzieht, in dieses, sowie in ein frisch gedüngtes Bohnen
zu säen. Wer im Herbste säen will, der pflüge im Sep-
tember nach einem Regen den Mist unter; und wer im
Frühjahre säen will, vertheile während des Winters den
Mist. Auf einen Morgen gehören 18 Fuder; man muss ihn
aber ausstreuen bevor er. trocknet, oder wenn die Aussaat
geschehen ist. Hat man diese Düngung unterlassen, so ge-
schieht die folgende, vor dem Behacken, mit dem Staube
aus Vogelhäusern. Um hierbei Alles recht sorgfältig zu
bestimmen, fügen wir hinzu, dass das Fuder Mist 1 Denar
kostet, dass auf jedes kleinere Thier 1 Fuder, auf jedes
grössere aber 10 gerechnet werden, und dass, wenn diess
nicht eintrifft, der Landmann offenbar nicht gut unterge-
streuet hat. Einige sind der Meinung, der Dünger sei
dann am besten, wenn das Vieh unter freien Himmel in
Netze eingeschlossen verbleibe. Ein Acker, der nicht ge-
düngt wird, erfriert; wird er zu stark gedüngt, so verbrennt
er, und es ist besser, öfters als zu viel auf einmal zu dün-
gen. Je hitziger der Acker, desto weniger darf gedüngt
werden.
54.
Der beste Same ist der jährige, schlechter der 2-, am
schlechtesten der 3jährige, und der über diess Alter hinaus-
geht ist unfruchtbar ^). Bei allen Arten von Samen gilt
es als Regel; Was sich auf der Tenne zu unterst gesetzt
hat, muss zur Saat aufbewahrt werden, denn der beste
Same ist am schwerstsn, und lässt sich auf keine andere
Weise besser unterscheiden. Die Aehre, welche nicht voll
ist, sondern Zwischenräume zwischen den Samen hat, muss
Eine übertriebene Behauptung.
Achtzehntes Buch. 377
verworfen werden. Am besten ist das Korn, welches
röthlich aussieht, und mit den Zähnen zerbissen diese
Farbe behält; das inwendig mehr weisse steht ihm nach.
Man weiss, dass diess Land mehr Samen, jenes wenige^*
aufnimmt; in diesem Umstände erblicken die Landleute
die erste Vorbedeutung, sie glauben nämlich, das Land
sei hungrig, wenn es den Samen begierig aufnehme, und
verzehre ihn. Das Aussäen muss an feuchten Orten schneller
(eher) geschehen, damit der Samen vom Regen nicht faule,
an trocknen hingegen später, damit der Regen auf dasselbe
folge, denn liegt er zu lange vor dem Keimen, so vergeht
er. Auch muss man bei frühem Aussäen dicht streuen,
weil das Korn langsam keimt, bei spätem aber dünn, weil
es sonst erstickt wird. Es gehört eine gewisse Kunstfer-
tigkeit dazu, gleichmässig zu säen. Ueberhaupt muss die
Hand mit dem Schritte zusammentreffen, und zwar allemal
mit dem rechten Fusse. Einige wissen auf geheime Weise
ihren Wurf glücklich und fruchtbar zu machen. Man darf
den Samen aus kalten Gegenden nicht in warme, noch aus
frühtreibenden in spättreibende bringen, während Manche
in falschem Eifer das Umgekehrte anempfehlen.
55.
Zum Besäen eines Jugerum von gemässigtem Bo-
den reichen 5 Modius Weizen oder Siligo hin, 10 Modius
Dinkel oder Samen (wie wir diese Art Getreide genannt
haben), 6 Modius Gerste, 6 Bohnen, 12 Wicken, 3 Kicher,
ihre kleinere Art und Erbsen, 10 Wolfsbohnen, 3 Linsen,
doch letztere mit trocknem Miste vermengt; 6 Erven, 6
Bockshorn, 4 Schwertbohnen, 20 Futterkraut, 4 Hirse und
4 Sextarien Panicum — in einem fetten Bodenmehr, in einem
magern weniger. Man macht noch einen andern Unter-
schied. In einen dichten, thonigen oder sumpfigen Boden
6 Modius Weizen oder Siligo, in einen nakten, lockern,
trocknen und frischen 4. Ein magerer Boden nämlich
macht, wenn die Halme nicht dünn stehen, die Aehren
klein und taub. Fette Felder treiben aus 1 Korne zahl-
reiche Reiser, und liefern aus wenig Samen dichte Saat.
378 Achtzehntes Buch.
Daher rechnet man je nach der Beschaffenheit des Bodens
4 und 6 Modius, Andere aber säen nicht weniger als 5 und
noch mehr, auch in bepflanzten, bergigen oder magern Bo-
den. Hierher gehört noch jener wohl zu beachtende, weise
Ausspruch: Deinen Acker sollst du nicht überhäufen.
Accius ^) fügt in seinem praktischen Rathgeber noch hinzu,
man solle säen, wenn der Mond im Widder, den Zwilhn-
gen, dem Löwen, der Wage und dem Wassermanne stehe.
Nach Zoroaster ist die rechte Zeit, wenn die Sonne 12
Grade jenseits des Scorpions, und der Mond im Stiere
steht.
56.
Ich komme nun auf die bis jetzt verschobene, die
grösste Sorgfalt bedürfende Untersuchung über die rechte
Säezeit der Feldfrüchte, welche meistentheils mit dem
Laufe der Gestirne im Zusammenhange steht, und will
alle hierher gehörige Ansichten mittheilen. Hesiodus, der
erste welcher über den Ackerbau handelte, setzte eine
Saatzeit, nämlich nach dem Untergange des Siebengestirns
fest. Er schrieb nämlich in Böotien, einem Theile von
Hellas, wo, wie wir bereits gesagt haben, um jene Zeit
gesäet wird. Die aufmerksamsten Landwirthe kommen
darin überein, dass, sowie den Vögeln und vierfüssigen
Thieren, auch der Erde ein gewisser Trieb zur Begattung
innewohne, was die Griechen daran erkennen, wenn sie warm
und feucht ist. Nach Virgil soll man den Weizen und
Dinkel nach dem Untergange des Siebengestirns, die Gerste
zwischen den Hei-bstäquinoctium und dem kürzesten Tage,
die Wicke, Schwertbohne und Linse nach dem Untergange
des Bootes säen. Daher müssen der Aufgang und Unter-
gang dieser und anderer Gestirne auf ihre Tage zurück-
geführt werden. Nach Einigen soll man, wenigstens in
trocknes Land und in heissen Gegenden, schon vor dem
Untergänge des Siebengestirns säen; denn der Same werde
1) Welcher Accius diess ist, lässt sich nicht entscheiden; vielleicht
der Wahrsager Accius Naevins zu Rom unter Tarquinius Priscus.
Achtzehntes Buch. 379
hier gegen die zerstörende Nässe geschützt, und breche
nach dem nächsten Eegen in einem Tage hervor. Andere
säen sogleich nach dem Untergange des Siebengestirns,
denn sieben Tage später falle Regen. Einige schreiben
vor, in kalten Gegenden nach dem Herbstäquinoctium, in
warmen dagegen später zu säen, damit die Pflanzen vor
dem Winter nicht üppig aufschiessen. Alle aber kommen
darin tiberein, um die Zeit des kürzesten Tages müsse
man nicht säen, und zwar aus dem wichtigen Grunde,
weil die vor dieser Zeit in die Erde gekommenen Winter-
saaten schon am 7., die nach den kürzesten Tage gesäeten
kaum am 40. Tage hervorbrechen. Einige sind sehr eil-
fertig, denn sie sagen, frühes Säen betrüge oft, spätes
immer. Im Gegentheil sagen Andere: säe lieber im Früh-
jahre als in einem schlechten Herbste, und wo es erforder-
lich ist, in der Zeit zwischen dem Wehen des Favonius
und dem Frühlingsäquinoctium.
Manche lassen den Einfluss des Himmels als etwas
Unnützes unbeachtet, und bestimmen die Säezeit nach den
Jahreszeiten. Lein, Hafer und Mohn im Frühlinge, und
wie es noch jetzt bei den Völkern jenseits des Po geschieht,
bis zum Feste der Minerva; Bohnen und Siligo im Novem-
ber; Dinkel am Schlüsse des Septembers bis zur Mitte des
Octobers, nach Andern von hier an bis zum ersten No-
vember. Man sieht, dass diese Leute sich um die Natur
nicht kümmern, vielmehr eine ängstliche und daher blinde
Genauigkeit beobachten. Aber diess darf nicht. Wunder
nehmen, wenn man bedenkt, dass den Landleuten welche
so handeln, die Kenntniss der Gestirne und anderer Wissen-
schaften abgeht. Gleichwohl muss man gestehen, dass fast
Alles auf den Himmel ankommt. So sagt Virgil, man solle
sich namentlich mit den Winden und dem Laufe der Ge-
stirne vertraut machen, und sie ebenso wie die Seefahrer
beobachten. Es ist eine schwierige und grossartige Hoff-
nung, zu glauben, die himmlische Gottheit könne sich mit
380 Achtzehntes Buch.
der Unwissenheit ') einlassen, nichtsdestoweniger aber muss
man sie zu einem so bedeutenden Lebenszwecke zu erlangen
suchen. Zuvor jedoch haben wir die Schwierigkeit bei der
Beobachtung der Gestirne, welche selbst Unterrichtete
eingesehen, in Erwägung zu ziehen, und dann erst möge
man freudigeren Sinpes vom Himmel abgehen, und die
Thatsachen wahrnehmen, welche man nicht vorher wissen
kann.
57.
Vor Allem bietet selbst die Berechnung der Tage des
Jahres und der Bewegung der Sonne fast unauflösliche
Schwierigkeiten dar. Zu den 365 Tagen zählt man noch
eingeschaltete Viertel des Tages und der Nacht, und diess
macht, dass die Zeiten der Gestirne nicht sicher an-
gegeben werden können. Dazu kommt noch die anerkannte
Dunkelheit des Gegenstandes, denn bald geht die Anzeige
der Witterung vorher, und zwar nicht wenige Tage, was
die Griechen mit dem Namen „vorhergehendes Winter-
wetter" 2)^ bald folgt sie nach, was sie „nachfolgendes
Winterwetter" ^) nennen. Die Wirkung des Himmels kommt
also bald schnell, bald langsamer zur Erde, und wir hören,
wenn gutes Wetter eingetreten ist , gemeiniglich sagen,
das Gestirn sei wieder vollendet. Da diess alles sich auf
die beständigen und am Himmel befestigten Sterne bezieht,
und bei der Bewegung der Sterne Hagel und Regen, selbst
unter nicht unbedeutender Wirkung, wie bereits angegeben
wurde, zwischen sie treten, so entsteht dadurch eine Stö-
rung der Ordnung und der gehegten Hoffnung, Man
glaube aber nicht, dass dergleichen bloss uns Menschen
begegen, nein auch die Thiere, welche doch in dieser Be-
ziehung viel schlauer sind, weil ihre Existenz damit ver-
knüpft ist, werden dadurch betrogen, denn unzeitige oder
zu frühe Fröste tödten die Sommervögel, Hitze die Winter-
vögel. Daher schreibt Virgil vor, man solle sich mit
*) D. i. rait dem Menschen.
^) TtQOxeifiaaiq. ^) eTtixeifxaoig.
Achtzehntes Buch. 381
den Irrsternen *) bekannt machen, uiid den Durchgang des
kalten Sternes Saturn beobachten. Einige halten das Er-
scheinen des Schmetterlings für das sicherste Zeichen des
Frühlings, weil dieses Thier so schwach sei; allein selbst
in dem Jahre, wo ich dieses schreibe, hat man beobachtet,
dass ihre Brut 3 mal durch die Kälte vernichtet wurde
und dass die am 27. Januar angelangten Vögel, von denen
man sich einen baldigen Frühling versprach, bald darauf
mit der heftigsten Kälte zu kämpfen hatten.
Die Sache ist also zweifelhaft; zuerst muss man das
Gesetz vom Himmel hernehmen, darauf dasselbe durch
Gründe zu unterstützen suchen. Die Hauptsache liegt in
der gewölbten Form des Himmels, und in der Verschieden-
heit der Länder unseres Erdballes, denn ein und dasselbe
Gestirn erscheint in dieser Zeit diesem, in. jener jenem
Volke, und daher kommt es; dass dessen Wirkung in ein
und denselben Tagen nicht überall gleich stark ist. Die
Schriftsteller haben die Schwierigkeit noch dadurch ver-
mehrt, dass sie theils an verschiedenen Orten beobachteten,
theils an ein und demselben sogar Verschiedenes aufzeich-
neten. Es gab in der Sternkunde 3 Schulen: die chal-
däische, ägyptische und griechische. Dazu fügte der Dic-
tator Caesar noch eine vierte; er regulirte nämlich unter
Mitwirkung des in diesem Fache gelehrten Sosigenes ein
jedes Jahr nach dem Laufe der Sonne. Aber auch die
Berechnung selbst wurde, nachdem man den Fehler einge-
sehen, verbessert, so, dass man 12 Jahre hintereinander
nichts einschaltete, weil das Jahr, welches früher vorher-
ging, angefangen hatte die Gestirne aufzuhalten. Und
selbst Sosigenes trug, obgleich er gelehrter als die übrigen
war, in 3 Abhandlungen kein Bedenken, seine Zweifel aus-
zusprechen und sich selbst zu verbessern. Die Schrift-
steller, welche wir vor diesem Buche angeführt haben,
theilen diess mit, aber selten stimmt die Aussage des
Einen mit der des Andern überein. Bei den übrigen ist
») D. i. Planeten.
382 Achtzehntes Buch.
diess noch weniger zu verwundern, denn sie werden durch
die verschiedenen Aufenthaltsorte entschuldigt. Von denen,
welche in ein und derselben Gegend abweichen, will ich
nur eine widersprechende Angabe als Beispiel anführen.
Hesiodus nämlich (denn auch unter seinem Namen existirt
eine Schule der Astrologie) sagt, der Morgenuntergang des
Siebengestirns finde statt, wenn das Herbstäquinoctium vor-
bei sei; Thaies, am 25. Tage nach demselben; Anaximander,
am neunundzwanzigsten; Euctemon ^), am achtundvierzigsten.
Wir wollen den Beobachtungen Caesar's folgen, weil
sie für Italien wohl am zutreffendsten sein möchten; doch
auch Anderer Meinungen sollen nicht verschwiegen werden,
denn wir beschreiben ja nicht bloss ein Land, sondern die
ganze Natur, nicht die Schriftsteller (denn diess würde
sehr weitläufig sein), sondern die Gegenden. Nur mögen
sieb die Leser erinnern, dass wenn Attika genannt wird,
wir der Kürze wegen zugleich die Cycladischen Inseln mit
verstehen; bei Macedouien auch Magnesien und Thracieu;
bei Aegypteu auch Phönicien, Cypern und Cilicien; bei
Böotien auch Locris, Phocis und stets die angrenzenden
Landstriche; beim Hellesponte den Chersones und den
Distrikt bis zum Berge Athos; bei Jonien auch Asien und
dessen Inseln; beim Peloponnes auch Achaja und die gegen
Abend gelegenen Länder. Die Chaldäer begriffen in ihre
Beobachtungen zugleich auch Assyrien und Babylon. Dass
wir von Afrika, Spanien und Gallien schweigen, wird Nie-
manden wundern, denn in diesen Ländern hat von denen,
welche den Aufgang der Gestirne angegeben, Keiner Beo-
bachtungen angestellt; doch wird man sie auch hier nicht
schwer erkennen, wenn man die Eintheilung der Himmels-
striche, wie wir sie im 6. Buche gemacht haben, berück-
sichtigt. Hieraus erkennt man die Verwandtschaft des
Himmels, nicht nur mit den Völkern, sondern auch mit
einzelnen Städten; bekannt ist sie bereits von den oben
') Atheniensischer Astronom um 432 v. Chr.
Achtzehntes Buch. 383
genannten Ländern, wenn man die krumme Linie des Zir-
kels, welcher zu den Ländern, die man sucht und die zu dem
Aufgange ihrer Gestirne gehört , durch gleiche Schatten
aller Zirkel zieht. Auch ist zu bemerken, dass die Wit-
terung innerhalb 4 Jahren einen besondern Höhepunkt hat,
und dass sie mit geringem durch die Sonne bewirktem
Unterschiede wiederkehrt, in 8 Jahren aber, wenn der
Mond zum hundertsten Male wieder scheint, vermehrt wird.
58.
Diess ganze Verhalten hat man auf dreierlei Weise
beobachtet, durch den Aufgang der Gestirne, durch
ihren Untergang, und durch die Cardinalzeiten i) selbst.
Den Aufgang und Untergang erkennt man auf zweierlei
Weise; entweder werden die Sterne durch die Ankunft
der Sonne verborgen und dadurch unsichtbar, oder sie treten
bei deren Fortgänge wieder hervor. Letztere Erscheinung
hätte man lieber den Austritt als den Aufgang, und erstere
lieber die Verdeckung als den Untergang nennen sollen.
Ferner beobachtet man, an welchem Tage sie erscheinen
oder verschwinden, beim Aufgange oder Untergange der
Sonne, daher man sie Morgen- oder Abendsterne nennt, je
nachdem sich diess bei ihnen Frühmorgens oder Abends
ereignet. Es sind wenigstens 3/4 Stunden Zeit vor dem
Aufgange oder nach dem Untergange der Sonne erforder-
lich, um sie zu sehen. Ausserdem gehen einige zweimal
auf und unter. Alles diess bezieht sich auf solche Sterne,
welche, wie wir gesagt haben, am Himmel festsitzen.
59.
Die Cardinalzeiten beruhen auf der Eintheilung des
Jahres in 4 Theile, nach der Zunahme des Lichts. Dieses
vermehrt sich vom kürzesten Tage an, und kommt nach
90 Tagen, um 3 Stunden verlängert, in dem Frühlings- Ae-
quinoctium, der Nacht gleich. Hierauf tibertrifft es nach
93 Tagen, zur Zeit des Sommer-Solstitiums , die Nacht
um 12 Stunden, nimmt dann wieder ab, und verliert, nach-
M D. i. Frühlings-, Sommers-, Herbst- und Winters-Anfang.
384 Achtzehntes Buch.
dem im Herbst-Aequinoetium Tag und Nacht gleich ge-
worden sind, bis zum kürzesten Tage, in 89 Tagen, noch
3 Stunden. Bei allen diesen Zunahmen werden Aequinoc-
tial-Stunden, nicht solche eines jeden andern Tages gerech-
net, und alle diese Abweichungen geschehen in den achten
Theilen (Graden) der himmlischen Zeichen. Den kürzesten
Tag haben wir im Steinbocke, am 23. December; das
Frühhngs-Aequinoctium im Widder, das Solstitium im
Krebse, das Herbst-Aequinoetium in der Waage. Diese
Tage dienen nicht selten als Wetterpropheten.
Diese Cardinalzeiten werden noch in einzelne Zeit-
punkte getheilt, welche sich nach der mittleren Zeit aller
Tage richten. Nämlich zwischen dem Solstitium und dem
Herbst-Aequinoetium, am 46. Tage, beginnt mit dem Untei-
gange der Leyer der Herbst; von diesem Aequinoctium an
bis zum kürzesten Tage, am 44. Tage, mit dem Morgen-
untergange des Siebengestirns der Winter; zwischen dem
kürzesten Tage und dem Frühlings- Aequinoctium, am 45.
Tage, mit dem Wehen des Favonius der Frühling; endlich
beginnt am 48. Tage nach dem Frtihlings-Aquinoctium, mit
dem Morgenaufgange des Siebengestirns der Sommer. Wir
wollen mit der Säezeit des Getreides, d. h. mit dem Mor-
genuntergange des Siebengestirns anfangen, ohne aber her-
nach unsere Untersuchung durch Anführen der kleinern
Gestirne zu zerstückeln, was die Schwierigkeit nur vermeh-
ren würde, denn der heftige Stern Orion weicht an jenen
Tagen weit ab.
60.
Die Meisten benutzen die Zeiten zum Säen vorher,
und bringen ihr Getreide 11 Tage nach dem Herbstäqui-
noctium in die Erde, wenn sich die Krone ihrem Aufgange
nähert, weil sie dann eines mehrtägigen Regens fast ge-
wiss sind. Xenophon sagt, Gott müsse erst das Zeichen
dazu gegeben hat. Cicero meint, darunter sei der Regen
im November zu verstehen; denn man dürfe nicht eher
säen, als bis die Blätter anfingen abzufallen. Einige meinen,
wie bereits gesagt wurde, dass diess beim Untergange des
Achtzehntes Buch. 385
Siebengestirns selbst, am 11. November geschehe. Diess
Gestirn ist am leichtesten am Himmel zu bemerken, und
auch die Kleiderverkäufer beobachten es; aus dessen Un-
tergange nämlich schliessen die, welche, durch die Habsucht
des Kaufmanns verleitet, Andere zu betrügen trachten, auf
den Winter. Geht es neblicht unter, so deutet diess auf
einen regnichten Winter und sogleich steigen die Preise
der Eegenkleider. Ist der Untergang heiter, so wird der
Winter strenge, und die Preise der übrigen Kleider gehen
in die Höhe. Derjenige Landraann aber, welcher die
himmlischen Zeichen nicht kennt, halte sich nur an das
Zeichen in seinen Dornhecken, und wenn er auf seinem
Boden abgefallene Blätter sieht. So kündigt sich die jähr-
liche Witterung da früher, dort später an. Man säet daher
nach der Beschaffenheit des Wetters und Bodens, und diess
Verfahren verdient deshalb den Vorzug, weil es in der
ganzen Welt allgemein anwendbar und einer jeden Gegend
eigenthümlich ist. Wundern wird sich Der darüber, wel-
cher nicht weiss, dass selbst am kürzesten Tage der Polei
in den Speisekammern blähet. Die Natur wollte nichts
verborgen sein lassen, gab daher diess Zeichen zum Säen.
Dns ist die wahre Erklärung, welche den Beweis aus der
Natur in sich schliesst; diese räth nämlich die Erde zu
suchen, verspricht gleichsam eine Art Dünger, verkündigt
sie wolle das Erdreich gegen Kälte und Winde schüzen,
und mahnt zur Eile.
61.
Varro hat vorgeschrieben, beim Säen der Bohnen die
soeben erwähnte Betrachtung zur Kichtschnur zu nehmen.
Nach Andern soll man sie zur Zeit des Vollmondes säen,
die Linsen aber vom 25. bis zum 30. Tage, die Wicken
an denselben Tagen; dadurch würden die Schnecken von
ihnen abgehalten. Einige wollen, man solle sie zur Fütte-
rung in der genannten Zeit, des Samens wegen aber im
Frlihlinge säen. Es giebt eine noch augenscheinlichere Be-
rechnung, welche uns die Vorsorge der Natur noch mehr
Wlttstein : Plinius. lU. Bd. 25
386 Achtzehntes tJucü.
bewundern lehrt, wesshalb wir den darauf bezüglichen
Ausspruch Cicero's hier wörtlich wiedergeben wollen.
Der stets grüne und stets beschwerte
Mastixbaum pflegt dreimal befeuchtet zu schwellen;
Dreimal trägt er Früchte, und zeigt die drei
Zeiten des Pflügens an.
Eine von diesen Zeiten ist die, wo der Lein und
Mohni) gesäet werden muss. Cato sagt vom Mohne fol-
gendes: dünne Stengel und Schösslinge, welche überflüssig
sind, verbrenne auf dem Saatfelde. Auf die Stelle, wo du
sie verbrannt hast, säe wilden Mohn. Wird dieser mit
Honig gesotten, so giebt er ein vortrefi'liches Heilmittel
gegen Halsübel. Der Gartenmohn hat auch die Kraft,
Schlaf zu erregen. — Soviel von der Wintersaat.
62.
Um gleichsam einen kurzen Abriss des ganzen
Ackerbaues zu geben, so bemerken wir: Zu ein und
derselben Zeit müssen die Bäume gedüngt und die Wein-
stöcke gehäufelt werden; auf 1 Jugerum reicht ein Arbeiter
aus. Da wo die Beschaffenheit der Gegend es erlaubt,
müssen die Bäume in den Weingärten und die Weinstöcke
beschnitten, ferner der Boden in den Pflanzschulen mit
einem Spaten umgearbeitet, die Wassergräben geöffnet,
das Wasser vom Acker geschafft und die Kelter gewaschen
und aufbewahrt werden. Nach dem ersten November lege
den Hühnern nicht eher wieder Eier unter, bis der kürzeste
Tag vorüber ist. Von diesem Tage an lege jedesmal 13
den ganzen Sommer über, im Winter weniger, jedoch nicht
weniger als 9 unter. Democritus glaubt, der Winter werd e
so werden, wie der kürzeste und die ihm nächsten 3 Tage
gewesen wären; ebenso habe die Sommersonnenwende Ein-
fluss auf den Sommer. Um den kürzesten Tag ist meisten-
theils 14 Tage lang, wo die Eisvögel hecken und kein
Wind wehet, gelinde Witterung; aber zu dieser, sowie zu
allen andern Zeiten müssen die Gestirne nach dem Erfolge
») S. XX. B. 76. 77. und 78. Cap
Achtzehntes Buch. 387
der Anzeigen betrachtet, und Prophezeiungen der Witterung
nicht auf bestimmte Tage erwartet werden.
63.
Den Winter über lass den Weinstock ruhen. Hygi-
nus sagt, zu dieser Zeit müsse man den Wein von der
Hefe befreien, oder auch umfüllen, und zwar sieben Tage
später, besonders wenn der siebente Tag des Monats be-
damit zusammentrifft. Kirschen setze man um den kürze-
sten Tag. Alsdann weiche man auch für das Rindvieh
Eicheln, 1 Modius auf je zwei ein; reichlicher gegeben
schaden sie ihnen, und werden sie, wann es auch sei,
nicht 30 Tage lang hintereinander gereicht, so soll das
Vieh dann die Krätze im Frühjahre bekommen. Diese
Zeit haben wir auch zur Fällung des Holzes bestimmt.
Die übrigen Arbeiten werden meistens bei nächtlicher
Weile verrichtet, denn die Nächte sind um jene Zeit sehr
lang. Da giebt es allerlei Körbe und Hürden zu flechten,
Fackeln zu schneiden, viereckige Weinpfosten, bei Tage
30, und runde Pfähle, täglich 60 Stück zu machen; Abends
bei Licht 5 Weinpfosten und 10 Pfähle und ebenso viele
Morgens vor Tage.
64.
Vom kürzesten Tage an bis zum Wehen des
Favonius zeigen sich (regieren) nach Caesar drei wichtige
Gestirne; am 30. December früh der untergehende Hunds-
stern, an welchem Tage in Attika und den angrenzenden
Ländern der Adler untergehen soll. Am vierten Januar
früh Morgens geht nach Caesar der Delphin auf, den fol-
genden Tag die Leier, und zu derselben Zeit geht in Ae-
gypten der Schütze Abends unter. Den 8. Januar, wenn
Abends der Delphin untergeht, ist in Italien mehrere Tage
hindurch starke Kälte, desgleichen, wenn die Sonne in das
Zeichen des Wassermanns treten will, was ungefähr in
der Mitte des Januar geschieht. Am 25. Januar geht nach
Tubero i) der sogenannte königliche Stern in der Brust
*) Q. Aelius Tubero, Freund des Laelius und h-üher auch des
Ti. Gracchus, war ein Anhänger der stoischen Philosophie, auch Jurist.
•25*
388 Achtzehntes Buch.
des Löwen unter, und den vierten Februar Abends die
Leier. In den letzten Tagen dieses Zeitraums muss man,
wenn das Klima es erlaubt, die Erde zum Setzen der Ro-
sen und Weinstöcke mit einem Spaten umgraben; für 1
Jugerum reichen 60 Arbeiter aus. Auch die Gräben müssen
gereinigt und neue gemacht werden. Morgens vor Tage
schärfe man das Eisenwerk, mache die Handhaben zurecht,
bessere die zerbrochenen Fässer aus, scheuere die Dauben
ab und mache neue.
65.
Vom Wehen des ersten Frühlings wind es an bis
zum Frühliugs-Aequinoctium äussern sich um die
Mitte des Februar nach Caesar drei Tage auf verschiedene
Weise. Aehnlich gehe es mit dem 2L Februar, wo man
die Schwalben sieht, mit dem folgenden Tage wo der Arc-
tur Abends aufgeht, und mit dem 4. März beim Aufgange
des Krebses; nach den meisten Schriftstellern aber, beim
Aufgange des Winzersterns, mit dem achten März beim
Aufgange des nördlichen Fisches und mit dem folgenden
Tage beim Aufgange des Orions. In Attika bemerkt man,
dass sich um diese Zeit der Geyer zeigt. Caesar hat auch
den ihm tödtlichen 15. März ^) durch den Untergang des
Scorpions bezeichnet; ferner zeigt sich nach ihm am 17.
März in Italien der Geyer, und am 20. früh gehe das Pferd
unter.
Dieser Zeitraum setzt die Landleute am meisten in
Bewegung und ist für sie der mühsamste, in welchem sie
sich vornehmlich täuschen. Denn nicht an dem Tage, wo
der Favonius wehen soll, sondern wo er anfängt zu wehen,
werden sie zur Arbeit gerufen. Diesen Tag muss man
sehr genau beachten. Gott gab, zufolge einer gewiss un-
trüglichen oder unzweifelhaften Beobachtung, dem Aufmerk-
samen solche Anzeige in jenem Monate. Woher aber die-
ser Wind wehet, und aus welcher Weltgegend er kommt,
das haben wir bereits im zweiten Baude ^) gesagt, und
*) Wo er ermordet wurde. 44 J. v. Chr. ^j j^^ 4(3. Cap.
Achtzehntes Buch. 389
bald werden wir noch mehr davon reden. Inzwischen
müssen von dem Tage an (er sei nun welcher er wolle),
wo er zu wehen anfängt, wenigstens nicht am 8. Februar,
sondern entweder früher, im Falle der Frühling zeitig
kommt, oder später, wenn der Winter lange anhält; unmit-
telbar nach diesem Tage, sage ich, müssen d'ie Landleute
ununterbrochen beschäftigt sein, und zuerst dasjenige voll-
bringen, was nicht aufgeschoben werden kann. Die drei-
monatlichen Saaten müssen in die Erde, die Weinstücke
auf die bereits angegebene Weise beschnitten, die Oel-
bäume besorgt, die Obstbäume gesetzt und gepfropft, die
Weinberge umgehackt, die Schösslinge zurecht gesetzt, an-
dere wieder erneuert, Rohr, Weiden, Ginster gesetzt und
behauen werden. Ulmen, Pappeln und Platanen setze man
auf die beschriebene Weise. Dann muss man auch die
Saatfelder reinigen, und das Wintergetreide behacken, vor-
züglich den Dinkel, und zwar dann, wenn er 4 Blätter ge-
trieben hat; die Bohne nicht eher, bis 3 Blätter da sind;
auch dann grabe man nicht, sondern behacke sie nur sanft.
Während sie blühet, rühre man sie 15 Tage lang nicht
an. Die Gerste behacke man nur bei trocknem Wetter.
Das Beschneiden muss bis zum Aequinoctium vollbracht
sein. 1 Jugerum Weinland beschneiden und binden 4 Ar-
beiter; in den Wein-Baumgärten reicht für 15 Bäume Einer
hin. In derselben Zeit besorgt man auch die Gärten uud
Rosenhecken, worüber wir noch besonders im nächsten
Buche reden werden; ferner die Kunstgärten. Alsdann
macht man am besten die Gruben. Die Erde wird für
spätere Zeit zertheilt, damit sie von der Sonne durchdrungen
werde — eine Arbeit, die von Virgil vorzüglich angerathen
wird. Gründlicher ist die Ansicht, nach welcher nur ein
mittelmässiger Boden in der Mitte des Frühlinges gepflügt
werden soll, denn in einem fetten nimmt das Unkraut so-
gleich die Furchen ein, und ein magerer wird durch die
nachfolgende Hitze ausgetrocknet; in beiden Fällen aber
dem (später) hineinkommenden Samen der Saft entzogen.
Solciie Aecker pflügt man zweckmässiger im Herbste. Cato
390 Achtzehntes Buch.
setzt die Arbeitendes Frühlings folgendermaassen fest: Man
mache Pflanzgruben, besorge die Baumschulen, setze an
dichte und feuchte Orte Ulmen, Feigen-, Aepfel- und Oel-
bäume, düage die Wiesen im Neumonde, wenn sie trocken
liegen, schütze gegen denFavonius, reinige, reisse das Unkraut
mit der Wurzel aus, putze die Feigenbäume ab, lege neue
Pflanzschulen an und verbessere die alten. Alles diess ge-
schehe, ehe der Weinstock anfängt zu blühen. Wenn der
Birnbaum zu blühen beginnt, pflüge man die magern und
sandigen Aecker, nachher die schweren und wasserreichsten.
Die Pflügezeit hat daher folgende Merkmale: wenn der
Mastixbaum die erste Frucht treibt, und wenn die Birne
blühet. Noch ein dritter Zeitpunkt ist der, wenn die Meer-
zwiebel gesetzt wird, desgleichen die Kranz-Narcisse, denn
auch diese blühet dreimal. Ihre erste Blüthezeit zeigt die
erste Zeit des Pflügens an, iure mittlere die zweite und
ihre dritte die letzte. So dient Eins dem Andern unter
sich zum Merkmale. Ganz besonders hüte man sich, wäh-
rend die Bohnen blühen, den Epheu zu berühren, denn
diese Zeit ist ihm schädlich und selbst tödtlich. Einige
Gewächse, z. B. die Feigen haben auch ihre eigenen Merkmale;
wenn nämlich enige Blätter am Gipfel in Form eines Essigfläsch-
chens ausschlagen, dann muss man sie Yornehmlich pflanzen.
6Q.
Die Frühlings-Tag- und Nachtgleiche scheint am 24.
März beendigt zu sein. Von da bis zum Frühaufgange
des Siebengestirns kommt nach Caesar der erste April.
Am 3. April geht in Attika das Siebengestirn Abends
unter, Tags darauf in Böotien, nach Caesar und den Chal-
däern aber am 5.; in Aegypten fangen dann der Orion
und das Schwert an sich zu verdunkeln. Nach Caesar
deutet der 8. auf Regen, wenn die Wage untergeht. Am
17. Abends geht in Aegypten das Gestirn Suculae, welches
sich äusserst heftig zeigt, und zu Land und Wasser stür-
misch wirkt, unter; in Attika am 15. nach Caesar den 16.
und nach ihm herrscht er 3 Tage hintereinander; in Assy-
rien aber am 19. Diess Gestirn nennt man gewöhnlich
Achtzehntes Buch. 391
den Geburtsstern, weil am 20. April der Geburtstag Rom's,
und die Beobachtung, dass an diesem Tage fast immier
schönes Wetter ist, hat ihn so berühmt gemacht; die Grie-
chen hingegen nennen diess Gestirn wegen des dadurch
herbeigeführten Regens „Die Hyaden". Die Römer glaubten
wegen der Aehnlichkeit des Namens mit vg (Schwein), die
Griechen hätten ihm davon denselben beigelegt, und nannten
ihn in dieser irrigen Ansicht Suculae (von sus). Caesar
giebt den 23. April an. Den 24. April gehen in Aegypten
die Böcke auf. Den 25. Abends geht in Böotien und Attika
der Hundsstern unter. Früh Morgens geht die Leier auf.
Am 26. wird in Assyrien der Orion am 28. aber der Hunds-
stern ganz unsichtbar. Den 2. Mai früh Morgens geht nach
Caesar das Gestirn Suculae, und den 8. die regnichte Ziege
auf. In Aegypten aber wird am Abende desselben Tages
der Hundsstern unsichtbar. So durchlaufen denn die Ge-
stirne bis zum 10. Mai, der Aufgangszeit des Siebengestirns,
ihre Bahn.
Während dieses Zeitraums, in den ersten 15 Tagen,
muss sich der Landmann mit denjenigen Arbeiten, welche
er vor dem Aequinoctium nicht vollenden konnte, beeilen;
denn bekanntlich datirt sich daher der schimpfliche Vor-
wurf gegen diejenigen, welche den Weinstock dann be-
schneiden, wenn ein gewisser Zugvogel, den man Kukuk
nennt, schreiet. Man hält es nämlich für schimpflich, wenn
nach dem Erscheinen dieses Vogels eine Sichel am Wein-
stocke bemerkt wird, und deshalb ergötzt man sich beim
Beginn des Frühlings mit muthwilligen Scherzen. Dennoch
scheinen diese Vögel zu Anspielen verwerflich. So beruhet
auch das Geringste in der Landwirthschaft auf natürlichen
Gründen. Am Schlüsse jener Zeit aber muss Panicum und
Hirse gesäet werden. Es ist zweckmässig, diese zu säen,
wenn die Gerste reif ist, und auf ebendenselben Acker,
und, eine gemeinschaftliche Anzeige , dass diese reif ist
und jene gesäet werden müssen, geben uns die des Nachts
auf den Feldern leuchtenden Johanniswürmchen, welche bei
den Bauern fliegende Sterne, bei den Griechen aber Leuoht-
392 Achtzehntes Buch.
fliegen heissen. In diesen Geschöpfen hat uns die Natur
einen neuen Beweis ihrer überschwenglichen Güte gegeben.
67.
Das Siebengestirn hat die Natur am Himmel schon
durch seine grosse Schaar bemerkbar gemacht, doch, damit
nicht zufrieden, schuf sie noch andere irdische Sterne,
gleichsam ausrufend: Warum, Landmann, schauest du den
Himmel an? Bauer, warum suchst du die Sterne auf? Schon
halten dich Ermüdeten die Nächte in kürzerm Schlafe.
Siehe, ich streue unter deine Kräuter besondere Sterne,
und zeige sie dir Abends, wenn du von der Arbeit gehst;
und damit du nicht so vorbeigehen mögest, errege ich
deine Aufmerksamkeit durch eine wunderbare Erscheinung.
Siehst du nicht, dass ein feuerähnlicher Glanz durch da^
Zusammendrücken der Flügel bedeckt wird, und auch bei
Nacht Licht in sich trägt? Ich habe dir Pflanzen gegeben,
welche die Stunden anzeigen; und damit du nicht einmal
der Sonne wegen deine Augen von der Erde zu wenden
brauchst, so lasse ich das Heliotropium ^) und die Wolfs-
bohne mit jener sich herumdrehen. Warum blickst du
nun noch in die Höhe und spähest am Himmel? Siehe,
vor deinen Füssen ist ja das Siebengestirn; es kommt an
bestimmten Tagen zum Vorschein, bleibt im Bündniss mit
jenem am Himmel, gleichlange sichtbar, und ist unbezwei-
felt eine Ausgeburt desselben. Wer daher vor demselben
die Sommerfrüchte säet, betrügt sich selbst. Auch zu die-
ser Zeit zeigt die hervorkommende Biene an, dass die
Bohne blühet, denn die blühende Bohne lockt jene hervor.
Ich will noch eine andere Anzeige des Aufhörens der Kälte
geben, und diess ist das Ausschlagen des Maulbeerbaums.
Nunmehro ist folgendes zu besorgen: Man lege die
Schnittlinge der Oelbäume, putze diese selbst aus, bewässere
in den ersten Tagen nach dem Aequinoctium die Wiesen,
halte das Wasser ab, wenn das Gras in Halme schiesst,
ranke die Weiustöcke ab, und zwar letztere, wenn die
') Heliotropium villos^nni Dosf.
Achtzehntes Buch. 393.
Ranken 4 Fioger lang geworden sind. Ein Arbeiter rankt
1 Morgen Weinland ab. Ferner hacke man die Saatfelder
wieder um, was 20 Tage hindurch geschehen kann; nach
dem Aequinoctium soll es dem Weinpflanzungen und den
Saaten schädlich sein. Um diese Zeit müssen auch die
Schafe gewaschen werden.
Nach dem Aufgange des Siebengestirns tritt nach
Caesar Tags darauf der Friihuntergang des Avcturus ein,
am 13. Mai der Aufgang der Leyer, am 20. Mai die Abends
untergehende Ziege, und in Attika der Hundsstern. Am
21. fängt nach Caesar das Schwert des Orions an unter-
zugehen; am 3. Juni sieht man nach Caesar und in Assy-
rien den Adler des Abends; am 6. früh geht der Arcturus
auf, in Italien am 8., am 10. Abends der Delphin, am 15.
das Schwert des Orion, in Aegypteu jedoch 4 Tage später.
Am 20. desselben Monats fängt nach Caesar das Schwert
des Orions an unterzugehen. Am 23. Junlus aber tritt mit
dem längsten Tage und der kürzesten Nacht die Sonnen-
wende ein.
In diesem Zeiträume werden die Weinstöcke abge-
blattet, ein alter Weinberg einmal, ein neuer zvYeimal um-
gegraben, die Schafe geschoren, die Wolfsbohneu behufs
der Düngung umgegraben, die Erde gebrochen, die Wicke
zur Fütterung gemähet, die Bohne geschnitten und ge-
droschen.
Die Wiesen werden zu Anfang des Junius gemähet.
Von ihnen, deren Besorgung dem Landmann am wenigsten
Mühe verursacht, müssen wir folgendes sagen. Solche,
welche ein fruchtbares, feuchtes oder gewässertes Erdreich
haben, überlasse man sich selbst, aber die an öffentlichen
Wegen liegenden benetze man mit Regenwasser. Es ist
zugleich für das Gras von grossem Nutzen, wenn man
pflügt und dann egget, oder den Samen von den Heuböden
und den, welcher vom Heu aus den Krippen gefallen i^t,
säet, bevor man egget. Man darf dann aber im ersten
Jahre nicht bewässern, und vor der zweiten Heuerndte kein
Vieh darauf treiben, damit die Halme nicht ausgerissen
394 Achtzehntes Buch,
und niedergetreten werden. Mit der Zeit nehmen die Wie-
sen ab, und müssen daher durch Aussäen von Bohnen,
ßtiben oder Hirsen verbessert werden. Im folgenden Jahre
säet man Getreide darauf, und tiberlässt sie alsdann wie-
derum sich selbst. Ausserdem muss jedesmal nachgemähet,
d, h. was die Mäher stehen gelassen haben, geschnitten
werden, denn es ist sehr nützlich, wenn ein Theil Gras zu
Samen auswächst. Das beste Kraut auf den Wiesen ist
der Klee, dann folgt das Gras, und am schlechtesten ist
der Mimmulus, dessen Schoten sehr schädlich sind. Auch
den Pferdeschwanz i), der von der Aehnlichkeit mit einem
Pferdeschweif seinen Namen hat, sieht man ungern. Wenn
die Aehren anfangen abzublühen und steif zu werden, ohne
schon einzutrocknen, muss man mähen. Cato sagt: mähe
das Gras nicht spät, sondern bevor der Same reif ist. Ei-
nige netzen die Wiesen den Tag zuvor, wenn sie Wasser-
gräben haben. Es ist besser, in thaureichen Nächten zu
mähen. In mehreren Gegenden von Italien mähet man
nach der Erndte.
Auch diese Arbeit machte den Alten mehr Unkosten,
denn damals kannte man nur cretische und andere über-
seeische Wetzsteine, und schärfte die Sichel bloss mit Oel,
daher auch die Mäher ein am Beine befestigtes Hörn zum
Aufbewahren des Oeles trugen. Jetzt liefert Italien die
Wasser Wetzsteine, welche, gleich einer Feile, das Eisen
schärfen, aber leicht grün werden. Es giebt zweierlei
Sicheln; die italienische ist kürzer, und kann auch zwischen
Dornhecken gebraucht werden. Auf den grossen Gütern
in Gallien verfährt man weit kürzer, denn dort mähet man
die Halme mitten ab, und lässt die kürzern stehen. Der
italienische Mäher schneidet bloss mit der rechten Hand.
Ein Arbeiter muss in einem Tage 1 Morgen abmähen, und
1200 Bunde, jedes zu 4 Pfund, binden. Das gemähete
Gras muss an der Sonne ausgebreitet und erst nach dem
Trocknen aufgerichtet werden; versäumt man diese Vor-
*) Equisetum, entweder unser Equisetum oder Hippuras.
Achtzehntes Buch. 395
sieht, so kann man sicher sein, dass die Schober des Mor-
gens Nebel ausstossen, dann durch die Sonne entzündet
werden und verbrennen, i) Abgemähete Wiesen müssen
wiederum bewässert werden, damit das Herbstbeu, welches
Grummet heisst, geschnitten werden kann. Zu Interamna
in Umbrien mähet man selbst die nicht gewässerten Wiesen
viermal jährlich, an den meisten Orten aber dreimal, und
nachher ist die Weide noch ebenso vortheilhaft als das
Heu. Hierbei wird die Sorge für die Heerden, und die
Rindviehzucht, am meisten aber der von den Pferden zu
ziehende Nutzen einem Jeden den besten Rath an die Hand
geben.
68.
Wir haben bereits gesagt, dass die Sommer-Sonnen-
wende im achten Grade des Krebses und am 24. Junius
eintritt. Diess ist der grosse Wechsel des Jahres, die
grosse Begebenheit im Laufe der Welt. Bis zu dieser
Zeit haben vom kürzesten Tage an, die Tage 6 Monate
lang immer zugenommen. Die Sonne selbst, welche .bis
zum Adler (nach Osten) hinaufstieg und hoch empor ge-
langte, beginnt von da an sich zu wenden und gegen Süden
abzuweichen, um die 6 folgenden Monate hindurch die
Nächte zu verlängern, und das Maass der Tage zu verkür-
zen. Nun folgt die Zeit, wo bald diese bald jene Frucht
abgenommen und eingefahren wird, wo man gegen den
rauhen Winter schützende Maassregeln trifft, und es war
billig, dass uns die Natur auf diesen Wechsel durch sichere
Zeichen aufmerksam machte. Diese Zeichen legte sie da-
her sogar dem Landmann in die Hände, indem sie an jenem
Tage die Blätter umkehrte und hiermit den vollendeten
Lauf des Gestirnes anzeigte. Jedoch sind es nicht bloss
die wilden und entfernten Bäume, damit man die erwähnten
Erscheinungen nicht in entlegenen Gebirgen zu suchen
braucht, auch nicht die in Lustgärten gezogenen, obgleich
sie auch an diesen wahrgenommen werden; sondern aucli
*) Das feuchte Heu erhitzt sich bis zur Selbstentzündung.
396 Achtzehntes Buch.
der Oelbaum, welcher dicht vor unsere Fiisse gepflanzt wird,
auch die Linde, die zu tausend Zwecken dient, auch die
weisse Pappel die vom Weinstocke umschlungen ist, drehet
das Laub. Aber, spricht die Natur, diess ist noch zu
wenig, du hast die mit dem Weinstocke umrankte Ulme,
auch ihre Blätter will ich umwenden; ihre Blätter streifst
du zum Futter ab, und den Weinstock beschneidest du.
Siehe sie an, und du kennst den Lauf des Gestirns. Ihre
Blätter sind jetzt mit der andern Fläche gegen den Himmel
gerichtet, als am Tage zuvor. Mit der Weide, dem nie-
drigsten Baume, den du selbst um einen Kopf hoch an
Länge übertriffst, bindest du alles fest; auch ihre Blätter
will ich umkehren. Worüber klagst du nun noch, Land-
mann? Es liegt nicht an mir, wenn du vom Himmel und
den himmlischen Zeichen nichts weisst. Auch deinen Oh-
ren will ich ein Zeichen geben. Du wirst um jene Zeit
gewöhnlich die Tauben girren hören. Glaube nicht, dass
die Sonnenwende vorüber sei, ehe du die Ringeltaube hast
brüten sehen.
Von der Sonnenwende an bis zum Untergange der
Leier, am 25. Juni geht nach Caesar der Orion auf, sein
Gürtel aber am 4. Juli in Assyrien; in Aegypten früh
Morgens der heisse Procyon auf, ein Gestirn, welches bei
den Römern keinen Namen hat, wenn man nicht darunter
die Canicula, d. h. den kleinen Hund, wie er unter den
Sternbildern abgebildet wird, verstehen will. Dieser Stern
bat einen gewaltigen Einfluss, wie wir bald nachher zeigen
werden. Den 5. Julius geht bei den Chaldäern früh Mor-
gens die Krone unter, in Attika wird an demselben Tage
der ganze Orion sichtbar. Den 14. Juli fängt bei den Ae-
gyptern der Orion an zu verschwinden; den 16. geht in
Assyrien der Procyon auf. Den Tag darauf zeigt sich das
vor allem bekannte Gestirn, welches wir den Hundsaufgang
nennen, wenn die Sonne in den ersten Grad des Löwen
getreten ist, nämlich am 23. Tage nach der Sonnenwende.
Sein Einfluss erstreckt sich auf Meer und Land, ja selbst
auf viele wilde Thiere, wie bereits angegeben wurde. Es
Achtzehntes Buch. 3i)7
wird auch nicht minder verehrt, als diejenigen Sterne,
welche den Göttern zugetheilt sind, erhitzt die Sonne, und
hat bedeutenden Antheil an der grossen Hitze. Am 19.
Juli früh geht in Aegypten der Adler unter, und nun kom-
men die Vorläufer der Passatwinde, die, nach Caesars An-
sieht, am 22. in ganz Italien herrschen. Der Adler geht
in Attika früh Morgens unter. Am 29. wird nach Caesar
der königliche Stern auf der Brust des Löwen unsichtbar.
Am 6. August geht der mittlere Arcturus unter; am 11.
beginnt, wie Ebenderselbe bemerkt, mit dem Untergange
der Leier der Herbst; jedoch der wahren Berechnung zu-
folge, am 8. desselben Monats.
In diesem Zeiträume wird die wichtigste Arbeit an
den Weinstöcken verrichtet, denn jenes sogenannte Hunds-
gestirn bestimmt das Schicksal der Trauben. Daher sagt
mau, sie haben Brandbeulen, wenn gewisse Stellen wie
mir glühenden Kohlen ausgebrannt sind. Mit diesem Uebel
ist weder Hagel, noch Sturmwind zu vergleichen, welche
niemals zur Theuerung beigetragen haben. Letztere sind
nämlich Unfälle, die dem Acker begegnen; die Brandbeulen
aber erstrecken sich über ausgedehnte Landstriche, wären
indessen leicht zu beseitigen, wenn die Menschen nur nicht
lieber die Natur lästern, als sich selbst Nutzen schaffen
wollten. Democritus, welcher zuerst den Zusammenhang
zwischen Himmel und Erde einsah und zeigte, während
die reichsten Leute diese Sorgfalt verachteten, soll, als er
aus dem künftigen Aufgange des Siebengestirns eine Theue-
rung des Oeles voraussah, (sowie wir es bereits angegeben
haben und noch ausführlicher zeigen werden) bei dem we-
gen der Hoffnung auf eine reiche Olivenerndte damals nie-
drigen Preise alles Oel in der ganzen Gegend aufgekauft
haben; worüber sich Die wunderten, welche wussten, dass
er arm sei und ihm in seinen wissenschaftlichen Studien
Ruhe am Herzen liege. Nachdem aber die Ursache davon
und der ungeheuere Anwuchs seines Vermögens bekannt
geworden war, soll er den in Angst und Reue versetzten
Herren ihr Geld wiedergegeben, und sich damit begnügt
398 Acliizeüiiteri Uucu.
haben, dass er den Beweis abgelegt, es sei ihm, wenn er
wolle, leicht reich zu werden. Dasselbe that später Sex-
tius, einer von den römischen Anhängern der Weltweisheit
in Athen. So glänzende Gelegenheit haben die Wissen-
schaften, sich geltend zu machen, und ich will suchen, sie
so klar und verständlich wie möglich in die landwirthschaft-
lichen Arbeiten einzuflechten. Die Meisten behaupten, der
durch starke Sonnenhitze gebrannte Thau sei die Ursache
des Rests am Getreide und der Brandbeulen am Weinstocke;
doch diess halte ich zum Theil für unrichtig, glaube viel-
mehr, dass aller Brand von der Kälte allein herrührt, und
die Sonne keinen Einfluss in dieser Beziehung ausübt.
Aufmerksamen wird diess leicht augenscheinlich werden,
denn vor Allem werden sie wahrnehmen, dass es nur des
Nachts und bevor der Tag heiss wird, geschieht. Alles
aber kommt auf den Stand des Mondes an, denn jenes
Uebel erscheint nur im Neumonde oder im Vollmonde d.
h. wenn er das Uebergewicht bat, in beiden Fällen näm-
lich ist er, wie schon oft gesagt wurde, voll^ im Neumonde
aber führt er alles von der Sonne empfangene Licht dem
Himmel wieder zu. Beide Stellungen bieten einen ebenso
grossen als offenkundigen Unterschied dar, denn zur Zeit
des Neumondes ist es im Sommer am wärmsten, im Winter
am kältesten. Im Gegentheil haben wir während des Voll-
mondes im Sommer kalte, im Winter laue Nächte. Die
Ursache davon liegt klar, aber von Fabianus i) und den
griechischen Schriftstellern wird eine andere angegeben. Im
Sommer nämlich muss es während des Neumondes wärmer
sein, weil der Mond mit der Sonne in einem uns sehr nahen
Kreise läuft, und von dem so nahe empfangenen Feuer
glühet; im Winter aber muss er im Neumonde entfernt
sein, weil auch die Sonne von uns abgeht. Ebenso muss
er im Vollmonde des Sommers, der Sonne entgegen, fern
sein, im Winter aber durch den Sommerzirkel näher /u
*) Ein nicht näher bekannter Schriftsteller.
Achtzehntes Buch. 399
uns gelangen. Da er nun an sich schon bei niederer Tem-
peratur den Thau befördert, so lässt sich daraus abnehmen^
wie sehr er dann fallenden Reif erkältet.
69.
Vor allem aber muss man sich erinnern, dass es zwei
Arten der durch den Einfluss des Himmels erzeugten Un-
fälle giebt. Eine nennen wir Ungewitter, und verstehen
darunter Hagel, Sturm und dergleichen, und wenn diese
kommen, bezeichnen wir sie als die grössere Kraft; sie
gehen, wie wir schon öfters gesagt haben, von rauhen Ge-
stirnen, wie dem Aicturus, Orion und den Böcken aus.
Die andern Unfälle entstehen bei ruhiger Luft in heitern
Nächten, und werden nicht eher wahrgenommen, bis sie
geschehen sind. Sie sind allgemein und sehr verschieden
von den erstem, heissen bei Einigen Rost, bei Andern
Brand, bei Andern Karbunkel, bei Allen aber Unfrucht-
barkeit. Von dieser zweiten Art, welche vor mir noch
kein Schriftsteller behandelt hat, wollen wir nunmehr re-
den, vorher jedoch die Ursachen ihrer Entstehung angeben.
Ausser dem Einflüsse des Mondes sind noch 2 Ursachen
vorhanden, und diese bestehen nur an wenigen Stellen des
Himmels. Das Siebengestirn nämlich wirkt ausschliesslich
auf die Feldfrüchte, denn bei seinem Aufgange beginnt der
Sommer, bei seinem Untergange der Winter, und es umfasst
in diesem halbjährigen Zeiträume die Erndte, die Weinlese
und das Reifwerden aller Früchte. Ferner befindet sich
am Himmel die sogenannte Milchstrasse, welche schon mit
blossem Auge leicht zu sehen ist. Durch ihren Ausfluss
werden, wie aus einer Brust, alle Saaten genährt, wozu
noch 2 Gestirne in Betracht kommen, der Adler in der
nördlichen und der Hundsstern in der südlichen Region,
dessen wir bereits an seinem Orte erwähnt haben.
Sie selbst geht durch den Schützen und die Zwillinge,
und schneidet im Mittelpunkte der Sonne zweimal
den Aequinoctialzirkel, dessen Fugen an der einen
Seite der Adler, an der andern der Hundsstern einnimmt.
Desshalb also erstreckt sich beider Wirkung auf alle
400 Achtzehntes Buch.
fruchttragenden Länder, weil bloss an diesen Orten die
Mittelpunkte der Sonne und Erde zusammentreffen. Daher
wachsen an den Tagen dieser Gestirne, wenn eine reine
und milde Luft jenen schaffenden Milchsaft zur Erde sen-
det, die Saaten fröhlich empor. Wenn aber der Mond auf
die schon angegebene Weise seine thauige Kälte darunter
mischt, so tödtet die hinzugekommene Bitterkeit, wie bei
der Milch, die Frucht. Das Maass dieses Unfalls in den
Ländern, welches er bei jeder Krümmung macht, ist von
beiden Ursachen begleitet; daher nimmt man ihn nicht zu-
gleich auf der ganzen Erde, auch nicht am Tage wahr.
Wir haben gesagt, dass der Adler in Italien am 19. De-
cember aufgeht, und die Natur leidet nicht, dass man vor
diesem Tage sichere Hoffnung auf die Saaten baue. Wenn aber
Neumond eintritt, müssen alle Winter- und Frühsaaten leiden.
Das Leben der Alten war rauh und unwissenschaft-
lich; dass aber ihre Beobachtungen nicht minder scharf-
sinnig waren, als jetzt die Gründe, wird sogleich erhellen.
Sie fürchteten nämlich für ihre Früchte 3 Zeiten, um deret-
willen sie auch Feiertage und Feste anordneten: das Korn-
brandfest, das Blüthenfest und das Weinfest. Das Korn-
brandfest stiftete Numa im 11. Jahre seiner Regierung;
jetzt wird es am 24. April gefeiert, weil etwa um diese
Zeit die Saaten vom Brande befallen werden. Eben diesen
Zeitpunkt setzt Varro, wie es damals die Rechnung mit
sich brachte, in die Periode, wo die Sonne im 10. Grade
des Stiers steht. Die wahre Ursache ist aber, dass 19
Tage nach dem Frühlings-Aequinoctium, jene 4 Tage hin-
durch, nach verschiedener Völker Meinung am 27. April,
der an und für sich heftige Hundsstern, vor welchem noch
der kleine Hund untergehen niuss, verschwindet. Unsere
Vorfahren setzten auch auf den 27. April nach dem Aus-
spruche der Sibylla im 516. Jahre der Stadt, das Blüthen-
fest ein, damit alles besser abblühete. Varro verlegt diesen
Tag in die Zeit, wo die Sonne im 4. Grade des Stiers
steht. Wenn also in diese 4 Tage der Vollmond fällt, so
muss alles, was blühet, leiden. Das erste Weinfest, wel-
Achtzehntes Buch. 401
ches vor diese Tage auf den 22. April zum Behuf des
Weinkostens eingesetzt ist, hat mit den Früchten nichts
gemein; ebensowenig die bisher angeführten Feste mit den
Weinstöcken und Oelbäumen, weil deren Fruchtansatz mit
■dem Aufgange des Siebengestirns am 10. Mai, wie schon
gesagt, beginnt. Diess ist ein anderer Zeitraum vou 4
Tagen, in dem selbst die Benetzung mit Thau schadet,
denn jene Gewächse fürchten den Tags darauf untergehen-
den kalten Arcturus; noch mehr Nachtheil aber bringt
ihnen der Vollmond.
Am 1, Juuius geht Abends der Adler wieder auf, und
diess ist ein entscheidender Tag für die blühenden Oel-
bäume und Weinstöcke, wenn gerade Vollmond eintritt.
Ich möchte die Sonnenwende am 23. Juni aus demselben
Grunde anführen, sowie den 23 Tage darauf erfolgenden
Aufgang des Hundssterns, doch nur beim Vollmonde, weil
in seinem Dunste die Schuld liegt, dass die Beeren hart
werden. Wiederum nachtheilig ist der Vollmond am 4.
Juli, wenn in Aegypten der kleine Hund aufgeht, oder we-
nigstens am 16. Juli, wenn er in Italien sichtbar wird; des-
gleichen am 19. Juli, wenn der Adler untergeht^ bis zum
22. desselben Monats. Ausserdem giebt es noch ein zwei-
tes Weinfest am 19. August. Varro setzt es in die Zeit,
wo die Leier anfängt, früh Morgens unterzugehen, nimmt
auch damit zugleich den Beginn des Herbstes an, und
sagt, dieser Festtag sei zur Milderung der üngewitter ein-
geführt. Jetzt beobachtet man den Untergang der Leier
am 8. August.
In diese Periode fällt die Unfruchtbarkeit, welche vom
Einflüsse des Himmels herrührt; doch will ich nicht in Ab-
rede stellen, dass sie sich nach dem Gutachten der Leser,
wenn sie die Beschaffenheit der Länder erwägen, ändere.
Indessen genügt es, die Ursachen angegeben zu haben;
das Uebrige richtet sich nach eines Jeden Beobachtung.
Dass aber eins von beiden, entweder der Vollmond oder
der Neumond, die Ursache sei, leidet keinen Zweifel.
Hierbei kann man nicht umhin, die Güte der Vorsehung
Wittstein: Plimus. III. Bd. 26
402 Achtzehntes Buch.
ZU bewundern; denn erstens kann dieser Unfall sich wegem
des bestimmten Laufes der Gestirne nicht alle Jahre, fer-
ner nur in wenig Nächten ereignen, und man kann es
leicht vorher wissen, wann er komipt. Und damit man
nicht alle Monate in Furcht zu sein braucht, besteht die
gesetzmässige Eintheilung, dass im Sommer die Neumonde,
im Winter die Vollmonde, mit Ausnahme von 2 Tagen,,
sicher sind; auch ist die Furcht nur in den kürzesten
Sommernächten gegründet, am Tage dagegen überflüssig.
Noch ist hierzu zu merken, dass die Ameise, ein ausser-
ordentlich kleines Thier, bei Neumonde ruhet, bei Voll-
monde aber selbst des Nachts arbeitet. Der Vogel Parra^) lässt
sich, wenn der Hundstern aufgeht, am Tage nicht sehen,
so lange bis jener untergeht; hingegen kommt der Vireo 2)
am Tage der Sonnenwende zum Vorschein. Keiner von
beiden Mondständen aber ist schädlich, selbst nicht bei
Nacht, wenn diese nicht heiter sind und keine Luft geht,
weil weder bei bewölktem Himmel noch beim Winde Thau
fällt. Auch stehen uns noch einige Hülfsmittel dagegen
zu Gebote.
70.
Wenn du dergleichen besorgest, so zünde Reiser, Hau-
fen von Spreu, ausgerissenes Gras und Strauchwerk in den
Weinbergen und Feldern an; der Rauch davon hilft. Der
Spreurauch erweist sich auch da nützlich gegen Nebel, wo
diese schaden. Einige rathen, 3 lebendige Krebse in den
Baum- Weingärten zu verbrennen, um die Karbunkeln un-
schädlich zu machen; Andere, Fleisch vom Welse da, wo
der Wind herkommt, langsam zu rösten, damit der Rauch
durch die ganze Pflanzung verbreitet werde. Varro sagt
wenn beim Untergange der Leier, d. i. zu Anfang des
Herbstes, eine gemalte Taube zwischen den Weinstöcken
geweihet werde, so sei das Ungewitter weniger schädlich.
Archibius ^) schrieb an den König Antiochus von Syrien,,
') Der Grünspecht oder Kiebitz. ^) Grünfinke.
3) Griechischer Grammatiker um 80 v. Chr.
Achtzehntes Buch. 403
das Ungewitter thäte keinen Schaden, wenn ein Laubfrosch
in einem neuen irdenen Geschirre mitten im Felde ein-
gescharrt würde.
71.
Die Landarbeiten nach der Sommer-Sonnen-
wende sind: aufackern der Erde, pflügen, umgraben der
Bäume, und, in heissen Regionen, behäufeln. Alles was
treibt muss man nicht umgraben, es sei denn in einem
üppigen Boden. Die Baumschulen reinige man mit der
Hacke. Ferner erndte man die Gerste ein. Nach Cato
soll man die Dreschtenne mit Greta, welche mit Oelsatz
durchknetet ist, belegen; Virgil hält diess jedoch für zu
mühsam. Die Meisten ebnen sie bloss, und bestreichen
sie mit magerm Kuhmist, was zur Verhütung des Staubens
hinreichend erscheint.
72.
Die Erndte selbst geschieht auf mehrfache Weise.
Auf den grossen Gütern in Gallien, werden grosse, am
Rande mit scharfen Zähnen versehene Wannen i) auf 2
Rädern von ein Paar hinten angespannten Ochsen durch
das Getreidefeld getrieben, wobei die abgerissenen Aehren
in die Wanne fallen. An andern Orten schneidet man die
Halme in der Mitte mit der Sichel, und streift die Aehren
zwischen zwei Gabeln 2) ab. Wiederum anderswo reisst
man die Halme an der Wurzel ab, und nennt diess: den
Acker an seiner Oberfläche brechen, wobei man aber den
Saft auszieht. Wo die Häuser mit Stroh gedeckt werden,
lässt man dasselbe so lang als möglich; wo Mangel an
Heu ist, verwendet man Spreu zum Streuen. Mit Panicum-
stroh deckt man nicht; Hirsestroh wird in der Regel ver-
brannt. Gerstenstroh ist das beste Futter für's Rindvieh
und wird zu diesem Zwecke aufbewahrt. In Gallien sam-
melt man Panicum und Hirse besonders mit einer Hand-
hechel.
Das eingebrachte Getreide wird auf der Tenne an eini-
gen Orten mit Dreschwalzen 3), an andern durch Stutenhufe
*) valli. ^) mergites. ^) tribula.
26*
404 Achtzehntes Buch.
an andern mit Flegeln ausgehülst. Je später der Weizen
geschnitten wird, um so voller findet man ihn; je früher
aber, um so schöner und kräftiger fällt er aus. Die passend-
ste Zeit ist, bevor das Korn hart wird und wenn es sich
schon gefärbt hat. Ein weiser Ausspruch aber ist: erndte
lieber 2 Tage zu früh als 2 Tage zu spät. Der Siligo und
gewöhnliche Weizen haben selbst ihre eigne Behandlungs-
weise auf der Tenne und im Speicher. Der Dinkel muss,
weil er schwer auszudrescheu ist^ sammt der Spreu auf-
gehäuft werden, und wird bloss von den Halmen und
Acheln befreiet.
Die meisten Völker bedienen sich der Spreu statt des
Heues. Am besten ist die dünne, kleine und dem Staube
sich nähernde; daher wird sie von der Hirse am vorzüg-
lichsten geliefert, dann folgt die der Gerste und am schlech-
testen ist die des Weizens, ausgenommen für das arbeitende
Zugvieh. Die Halme auf steinigem Boden bricht mau,
wenn sie trocken sind, mit einem Stabe, und streuet sie
dem Viehe unter. Wenn es an Spreu fehlt, werden auch
die Halme zerrieben; man schneidet sie nämlich etwas
früh, besprengt sie längere Zeit hindurch mit Salzwasser,
trocknet sie hierauf, wickelt sie in Bündel und giebt sie
so dem Rindvieh statt des Heues. Einige verbrennen das
Stroh auf dem Felde, was Virgil sehr lobt; der Haupt-
nutzen dabei ist aber, dass die Samen des Unkrauts zer-
stört werden. Die verschiedenen Gebräuche haben ihren
Grund in der Menge des Getreides und dem Mangel au
Arbeitsleuten.
73.
Hieran knüptt sich die Aufbewahrungsweise des
Getreides. Nach Einigen soll man sich die Mühe geben,
3 Fuss dicke Magazine von Ziegelwänden zu erbauen,
weder Luft zulassen, noch Fenster anbringen, und sie von
oben anfüllen. Andere schreiben vor, sie nur gegen Mor-
gen oder Mitternacht anzulegen, und keinen Kalk dabei
zu verwenden, weil dieser dem Getreide sehr schädlich
sei; was sie aber in Bezug auf den Oelsatz empfohlen
Achtzehntes Buch. 405
haben, ist bereits von uns mitgetheilt worden. An manchen
Orten bauet man hölzerne Kornböden auf Säulen, und lässt
die Luft überall, selbst vom Boden aus hinzu. Andere
glauben, auf schwebenden Böden werden die Körner klei-
ner, und wenn sie unter Dach lägen, erhitzten sie sich.
Viele widerrathen auch das Umschaufeln, denn der Korn-
wurm gehe nur 4 Finger tief, und tiefer sei nichts zu
fürchten. Nach Columella soll man den Westwind zum
Getreide lassen, was mich sehr wundert, da dieser sonst
der trockenste ist. Einige wollen, man solle, vor dem Ein-
fahren des Getreides, an der Schwelle der Scheune einen
Laubfrosch an einem der längern Öeine aufhängen. Wir
glauben, es kommt am meisten auf die rechte Zeit des
Einbringens an; denn, wenn es nicht trocken genug oder
sehr kräftig oder warm ist, so müssen allerhand Schädlich-
keiten darin aufkeimen.
Es giebt mehrere Ursachen, die auf die Dauer Ein-
fluss haben. Entweder liegt es an der Haut des Kornes
selbst, wenn sie zu dick ist, wie bei der Hirse; oder an
der Fettigkeit des Saftes, der allein schon zum Feucht-
werden hinreicht, wie beim Sesam; oder an der Bittterkeit
wie bei der Wolfsbohne und kleinen Kicher, Am meisten
wachsen in dem Weizen Thiere, weil er sich seiner Dicke
wegen leicht erhitzt, und mit einer dicken Kleie umgeben
ist. Die Spreu der Gerste ist dünner, die der Hülsenfrüchte
noch mehr, und daher entstehen sie nicht darin. Die Bohne
erhitzt sich leicht, weil sie dicke Häute hat. Einige be-
sprengen den Weizen, um ihn zu conserviren, mit Oelsatz
und nehmen auf 1000 Modius 1 Quadrantal; Andere be-
streuen ihn mit chaldäischer oder carischer Erde, oder auch
mit Wermuth. Zu Olynthus und Cerinthus in Euböa giebt
es eine Erde, welche vor dem Verderben schützt. Die in
den Aehren aufbewahrten Samen verderben nicht leicht.
Die beste Aufbewahrungsweise ist jedoch die in Gruben,
welche man Siri nennt, wie in Cappadocien nnd Thracien
geschieht. In Spanien und Afrika sorgt man besonders
dafür, dass sie auf einem trocknen Boden angelegt werden,
406 Achtzehntes Buch.
und dass Spreu die Unterlage bilde. Ausserdem bewahrt
man das Getreide mit der Aehre auf, und so ist man, wenn
keine Luft hinzutritt, sicher, dass nichts Schädliches sich
darin erzeugt. Varro behauptet, auf diese Art verwahrter
Weizen halte sich 50, Hirse aber 100 Jahre. Bohnen und
andere Htilsentrtichte können in mit Asche verstrichenen
Oelfässern lange Zeit conservirt werden. Derselbe sagt, es
seien während des Seeräuberkrieges des grossen Pompejus
in einer Höhle zu Ambracien gut erhaltene Bohnen gefun-
den worden, welche aus der Zeit des Königs Pyrrhus, also
ohngefähr 120 Jahre alt waren. Nur allein in der Kicher-
erbse wächst kein Ungeziefer in den Scheunen. Einige
häufen um mit Essig gefüllte Krüge, unter welche Asche
gestreuet worden, und die damit bestreichen sind, Hülsen-
früchte an, in der Meinung, dass dann kein Ungeziefer da-
rin entstehe. Andere bringen sie in Fässer, in denen ge-
salzene Fische waren, und verstrichen mit Gyps; noch An-
dere besprengen die Linsen mit Essig, in welchem Laser-
saft 2) aufgelöst ist, und tränken sie nach dem Trocknen
mit Oel. Die beste Regel aber ist, alles was nicht verderben
soll, sammele im Neumonde. Daher kommt sehr viel
darauf an, ob man sein Getreide aufbewahren oder ver-
kaufen will; denn mit dem zunehmenden Monde wird es
grösser.
74.
Nach der Eintheilung der Zeiten folgt nun der Herbst,
dauert vom Untergange der Leier bis zum Aequinoctium,
und weiter bis zum Untergange des Siebengestirns und
zum Anfange des Winters. In diesen Zeitabschnitten sind
das am 12. August in Attika Abends aufgehende Pferd,
und der in Aegypten und nach Caesar untergehende Del-
phin von Bedeutung. Am 21. August geht nach Caesar
und in Assyrien der sogenannte Winzer-Stern früh auf,
und kündigt das Reifwerdeu der Trauben an, denn von
dieser Zeit an bekommen die Beeren eine andere Farbe.
») S. XIX. B. 15. Cap.
Achtzehntes Buch. 407
-Am 2^7. geht in Assyrien der Schütze unter, und von da
an hören die Passatwinde auf. Am 5. September geht in
Aegypten der Winzer-Stern auf. In Attika geht früh Mor-
gens der Arctur und der Schütze unter. Am 9. September
geht bei Caesar die Ziege des Abends auf; der mittlere
Stern des Arcturs aber am 12., zu Wasser und zu Lande
5 Tage lang die heftigsten Wirkungen drohend. Man
schliesst darüber: wenn es beim Untergange des Delphins
geregnet hat, so würde der Arctur keinen Regen bringen.
Als ein Zeichen, dass dieses Gestirn aufgeht, merke man
sich den Abzug der Schwalben, denn wenn es seinen Ein-
fluss auf diese ausübt, so müssen sie sterben. Am 15.
September geht in Aegypten die Aehre, welche die Jung-
frau hält, früh auf, und zugleich lassen die Passatwinde
nach. Eben dieses trifft nach Caesar am 17., in, Assyrien
am 18. ein; am 20. geht nach Caesar die Fuge der Fische
unter, und am 23. das Gestirn des Aequinoctii selbst.
Hierauf stimmen (was eine Seltenheit ist) Philippus ^), Cal-
lippus^), Dositheus^), Parmeniscus*), Conon^), Criton^),
Democritus, Eudoxus darin tiberein, dass am 27. September
früh die Ziege, und am 28. die Böcke aufgehen. Am 2.
October früh geht in Attika die Krone auf. In Asien und
nach Caesar geht am 26. September früh der Fuhrmann
unter. Am 28. fängt nach Caesar die Krone an aufzugehen,
und den folgenden Tag gehen Abends die Böcke unter.
Am 8. October geht nach Caesar der glänzende Stern in
der Krone, am 13. Abends das Siebengestirn und am 15.
die ganze Krone auf. Am 26. geht Abends das Siebenge-
stirn auf. Am 31. geht nach Caesar der Arctur unter, und
') Der Arzt Alexanders des Grossen, aus Akarnanien.
^) Aus Cyzicum, Astronom um 330 v. Chr.
3) Griechischer Grammatiker des 3. Jahrh. v. Chr.
■*) Ein nicht näher bekannter Gelehrter.
5) Aus Samos, Astronom um 300 v. Chr.; von ihm ward Bereni-
•ce's Haupthaar an den Hmimel versetzt.
6) Aus Athen, 400 v. Chr.; Schüler und Freund des Socrates.
408 Achtzehntes Buch.
das Siebengestirn mit der Sonne auf. Am 2. November
Abends geht der Arctur unter. Am 9. fängt das Schwerdt
des Orion an, unterzugehen. Endlich am 11. geht das
Siebengestirn unter.
In diesem Zeiträume sind die Landarbeiten: Steckrü-
ben, Kettige säen an den bereits bezeichneten Tagen zu
verrichten. Das gemeine Landvolk glaubt, die weisse Rübe
müsse nicht nach dem Abzüge des Storchs gesäet werden;
uns dünkt, es müsse jedenfalls nach dem Feste des Vulkan
geschehen, die frühzeitigen aber zugleich mit dem Panicum.
Nach dem Untergänge der Leier: Wicken, Schwerdtbohnen
und Futterkraut, letzteres jedoch nur, wenn der Mond nicht
scheint. Diess ist auch die Zeit, in welcher das Laub ge-
sammelt wird. Ein Laubscheerer soll in 1 Tage 4 Laub-
körbe voll sammeln. Es fault nicht, wenn es im abneh-
menden Monde gesammelt wird. Trocknes muss man nicht
lesen.
Die Alten waren der Meinung, die Weintrauben seien
vor dem Aequinoctium nicht reif zur Lese; jetzt sehe
ich, dass man an verschiedenen Orten sehr damit eilt, und
ich will daher auch die hiezu zweckmässigste Zeit durch
bestimmte Merkmale und Gründe bezeichnen. Folgende
Regeln sind dabei zu beobachten: Liess keine warme d.
h. trockne Traube, und, wenn kein Regen inzwischen ge-
fallen ist. Lies sie nicht bethauet, d. h. wenn es die
Nacht zuvor gethauet, und nicht eher, als bis die Sonne
den Thau verzehrt hat. Beginne die Weinlese, wenn das
Blatt sich an die Rebe zu legen anfängt, oder wenn nach
Herausnahme eines Kernes der Zwischenraum wegen Dich-
tigkeit der Masse sich nicht auszufüllen scheint, und die
Beere selbst nicht mehr wächst. Es ist von grossem Nutzen
für die Beeren, wenn sie bei zunehmendem Monde gesam-
melt werden können. Eine Kelterung muss 20 Culei an-
füllen; diess ist das rechte Maass. Zu ebenso vielen Cu-
leis und Kübeln reicht auf 20 Jugera 1 Kelter hin. Einige
keltera nur mit einer, besser ist es aber mit zweien, wenn,
eine auch noch so geräumig ist; denn hier kommt es auf
Achtzehntes Buch. 409'
die Länge und nicht auf die Dicke an. Geräumige Keltern
sind besser. Die Alten zogen sie mit Stricken, ledernen
Riemen und Hebebäumen. In den letzten 100 Jahren
wurden die griechischen Keltern erfunden, an denen
die Falten des Press-Baumes durch Schrauben gehen,
mittelst Pfählen ein Kreuz an dem Baume befestigt ist,
und der Baum an diesen Pfählen Steinkisten mit sich in
die Höhe hebt. Diese Einrichtung wird sehr gut befanden.
Innerhalb der verflossenen 22 Jahre hat man die Erfindung
gemacht, mit kleinern Pressen und weniger auf einmal zu
keltern; die ganze Maschine ist kürzer, der Baum steht in
der Mitte fest, über die Weinbeeren werden Bretter gelegt,
welche von oben herab mit ihrem ganzen Gewichte drücken,
und über der Presse bringt man die Steinkisten an.
Diess ist auch die Zeit der Obsterndte, dereu Zeit-
punkt man daran erkennt, dass Obst der Reife wegen,
nicht durch Sturm herabfällt. Ferner fällt in diese Zeit
das Auspressen der Hefen, und das Kochen des Mostsaftes,
Avas bei Neumonde des Nachts, bei Vollmonde am Tage,
an den übrigen Tagen aber entweder vor dem Aufgange
des Mondes oder nach dessen Untergange geschieht. Man
nehme dazu keine Trauben von jungen oder sumpfig stehen-
den Stöcken, auch nur reife, und schäume nur mit Blättern
ab, denn wenn man das Gefäss mit Holz berührt, so soll
er anbrennen und räucherich werden. Die rechte Zeit der
AVeinlese dauert 44 Tage lang, vom Aequinoctium bis zum
Untergange des Siebengestirns. Von diesem Tage an gilt
der Spruch: was kalt gepicht wird, taugt nichts. Ich habe
schon gesehen, dass Einige wegen Mangel an Fässern erst
zu Anfange des Januar Weinlese hielten, dass man den
Most in Fischbehältern aufbewahrte, oder den vorigen Wein
ausgoss, um zweifelhaften einzufüllen. Diess geschieht
nicht sowohl wegen allzureifer Erndte, sondern aus Wuth
derjenigen, welche auf Theuerung lauern. Der Hausvater
thut aber wohl, den Ertrag eines jeden Jahres zu benutzen ;
und dabei steht man sich überhaupt am besten. Was noch
von den Weinen zu sagen wäre, ist schon früher mitgetheilt
410 Achtzehntes Buch.
worden; ebenso, dass man nach der Weinlese die Oliven
schnell einsammeln müsse, ferner was das Oel betrifft, und
was beim Untergange des Siebengestirns zu verrichten sei.
75.
Wir wollen jetzt noch das Nöthige von dem Monde,
d«n Winden und den Voranzeigen hinzulügen, um hiermit
die ganze Materie von den Sternen abzuschliessen. Auch
Virgil, welcher der Prahlerei Democrits gefolgt ist, hat ge-
glaubt, nach den Mondeszahlen etwas eintheilen zu müssen.
Der Nutzen dieser Gesetze zeigt sich uns, gleichwie in
der ganzen Sache, so auch in diesem Theile. Alles was
geschnitten, gebrochen und eingesammelt wird, geschieht
besser im abnehmenden Monde als im zunehmenden. Dünger
rühre man nur im abnehmenden Monde an; vorzüglich
dünge man im Neumonde und im letzten Viertel. Eber,
junge Stiere, Widder, Böcke verschneide im abnehmenden
Monde. Eier lege im Neumonde unter. Pflanzgruben
mache des Nachts bei Vollmonde. Baumwurzeln bedecke
bei Vollmonde. An feuchten Orten säe im Neumonde und
vier Tage später. Man räth auch, Getreide nnd Hülsen-
früchte gegen Ende des letzten Viertels umzuschaufeln und
einzufahren ; die Pflanzschulen zu machen, wenn der Mond
über der Erde ist; Most zu bereiten, wenn der Mond unter
der Erde ist; ebenso, Holz zu fällen und alles das zu ver-
richten, was wir gehörigen Orts besprochen haben. Die
Beobachtung selbst, von der schon im 2. Buche die Rede
war, ist sehr leicht; aber damit auch der Landmann Kennt-
niss davon bekomme, bemerke ich noch folgendes: So oft
man den Mond gleich nach dem Untergange der Sonne
sieht, und er in den ersten Stunden der Nacht scheint,
nimmt er zu und erscheint dem Auge halb; wenn er aber
bei untergehender Sonne gerade gegenüber aufgeht, so dass
man beide Gestirne zugleich sieht, dann haben wir Voll-
mond. Geht er nach dem Aufgange der Sonne hervor,
entzieht ihr in den ersten Stunden der Nacht das Licht,
und scheint bis zum Tage, so nimmt er ab und wird wie-
der halb. In der Zusammenkunft, dem sogenannten Neu-
Achtzehntes Buch. 411
monde, befindet er sieh, wenn er nicht mehr scheint; wäh-
rend des Neumondes aber ist er so lange als die Sonne,
und. den ersten ganzen Tag über der Erde; am zweiten
Vio und V48 Stunde weniger, vom dritten bis fünfzehnten
in derselben Weise weiter, indem diese Stundentheile sieh
vervielfältigen; am 15. ist er die ganze Nacht unter, und
den ganzen Tag über der Erde. Am 16. Tage bringt er
1/10 und 1/4S Stunde der Nacht unter der Erde zu, und
diese Stundentheile kommen jeden Tag bis zum Neumonde
hinzu. So viel er in den ersten Theilen der Nacht für
das Verweilen unter der Erde abnimmt, ebensoviel fügt
er den letzten von dem Tage über der Erde hinzu. Einen
Monat um den andern macht er die Zahl 30 voll, oder
nimmt eins davon ab. So verhält es sich mit dem Monde.
76.
Die Kenntniss der Winde ist weit schwieriger. Man
merke sich an einem beliebigen Tage die Gegend, wo die
Sonne aufgeht, und stelle sich in der sechsten Tagesstunde^)
so, dass man den Sonnenaufgang an der linken Schulter
hat, so sieht man gerade gegen Mittag, und im Kücken ist
Mitternacht. Die Grenze, welche in dieser Richtung durch
den Acker geht, heisst die Hauptgrenze. Es ist besser,
sich nun umzudrehen, damit man seinen Schatten sieht,
denn sonst ist er hinter der Gestalt. Hat man sich also
so weit umgedrehet, dass der Sonnenaufgang desselben
Tages an der rechten Schulter, der Untergang an der lin-
ken liegt, so ist dann Mittag, wenn mitten vor der Gestalt
der kleinste Schatten sich zeigt. Mitten durch denselben
der Länge nach ziehe man mit dem Spaten eine Furche,
oder mit Asche einen Strich am besten von etwa 20 Fuss
Länge; die Mitte desselben, d. h. von jedem Ende 10 Fuss
entfernt, umgebe man mit einen kleinem Kreise, welcher
Nabel genannt wird. Da wo der Scheitel des Schattens
liegt, ist die Region des Nordwindes. Lass, Baumbeschneider,
die Bäume nicht dahin sehen, ebensowenig die Weinbaum-
») Um Mittag.
412 Achtzehntes Buch.
gärten und Weinberge, ausgenommen in Afrika, Cyrene
und in Aegypten. Weht der Wind daher, so pflüge weder,
noch versäume die Vorschriften, welche ich bereits darüber
gegeben habe, zu befolgen. Der zu den Füssen des Schat-
tens liegende Theil der Linie sieht nach Mittag, und von
daher kommt der Südwind, welchen die Griechen, wie
schon bemerkt, Notus nennen. Wehet dieser Wind, so be-
arbeite der Landmann weder Holz noch Weinpflanzungen.
In Italien ist er feucht und schwül; in Afrika bringt er
brennende Hitze und heitern Himmel. Die Schösslinge der
Reben sollen in Italien gegen ihn gerichtet sein, nicht aber
die Bäume und Weinstöcke. Vor ihm hüte sich der Oel-
baumpflanzer in den 4 Tagen des Siebengestirns, der Pfropfer
der Reiser und Einsetzer der Augen. Es wird gut sein,
wenn wir selbst über die Stunde dieser Gegend einige
Worte vorausschicken. Der Baumgärtner haue um Mittag
kein Laub ab. Wenn der Hirte merkt, dass es Mittag ist
(um welche Zeit sich im Sommer der Schatten verkürzt),
so soll er das Vieh aus der Sonne in den Schatten treiben.
Wer im Sommer weiden lässt, der sehe vor Mittag gegen
Abend, Nachmittags gegen Morgen, sonst wird er Nachtheil
haben, ebenso wie im Winter und Frühlinge, wenn er das
Vieh auf bethauete Plätze treibt. Auch treibe er nicht
gegen den oben genannten Nordwind, denn sonst wird das
Vieh lahm, bekommt triefende Augen, und erliegt schnell
dem Durchfalle. Wer trächtige Weibchen haben will, lasse
sie gegen diesen Wind gerichtet bespringen.
77.
Wir haben gesagt, in der Mitte jener Linie solle ein
Nabel gezeichnet werden. Quer mitten durch denselben
ziehe man eine andere; diese geht vom Aequinoctial- Auf-
gange zum Untergange, und die Grenze, welche auf diese
Weise den Acker durchschneidet, heisst die grosse. Man
zieht hierauf noch 2 Linien schräg ins Kreuz so, dass sie
von der rechten und linken Seite des Nordens zur Rechten
und Linken des Südens gehen. Alle gehen durch ein und
denselben Mittelpunkt, alle müssen unter einander gleich.
Achtzehntes Buch. 413
und zwischen allen gleiche Zwischenräume sein. Diese
Anordnung muss man auch einmal auf dem Acker, oder,
wenn man sich ihr öfter bedienen will, auf einer kleinen,
runden Scheibe von Holz ausführen. Auf diese Weise
muss man dem Verstände des Ungebildeten zu Hülfe
kommen. Am besten ist es, die Mittagszeit zu erforschen,
weil sie stets dieselbe bleibt; die Sonne aber gebt immer
an einem andern Punkte des Himmels als den Tag zuvor
auf, und man darf daher nicht glauben, den Strich nach
dem Aufgange richten zu müssen. Ist die Gegend des
Himmels erforscht, wo die Spitze des Striches dem Norden
von Osten an gerechnet, zunächst liegt, so hat man den
Solstitial-Aufgang, des längsten Tages nämlich, und den
Nordostwind i), welchen die Griechen Boreas nennen. Ge-
gen diesen setze man Bäume und Weinstöcke; pflüge aber
nicht wenn er wehet, säe kein Getreide und werfe keinen
Samen aus, denn er verdichtet und reitzt die Wurzeln der
Bäume, die man versetzen will. Man bedenke, dass Diess
für kräftige. Jenes für schwache passt. Ich erinnere mich
auch, dass die Griechen in diese Richtung einen Wind
setzen, welchen sie Caecias nennen. Aber eben jener
scharfsinnige Aristoteles, der diess gethau, führt als Grund
die convexe Gestalt der Welt au, vermöge dessen der
Aquilo dem Südwestwinde 2) entgegen blase. Doch fürchtet
ihn der Landmann bei den angeführten Arbeiten nicht das
ganze Jahr hindurch. Mitten im Sommer mildert ihn die
Sonne, und dann wechselt er seinen Namen und heisst
Etesias. Daher hüte dich vor ihm, wenn es kalt wird ; und
so sehr man auch vor dem Nordostwinde warnt, so ist der
Nordwind doch noch verderblicher. Gegen diesen müssen
die Weinbaumgärteu und Weinberge in Asien, Griechenland,
Spanien, an der italienischen Küste, in Campanien und
Apulien liegen. Wer gern männliche Zucht haben will,
der weide das Vieh gegen diesen Wind, damit ihn dasselbe
cinathme. Vom Winteruntergange her wehet dem Aquilo
') Aquilo. -) Afrious
414 Achtzehntes Buch,
entgegen der Africus, welchen die Griechen Liba nennen.
Wenn sich das Vieh beim Begatten gegen ihn wendet, so
wirft es lauter Weibchen.
Die dritte von Norden her gehende Linie, welche wir
der Breite nach durch den Schatten gezogen und die grosse
genannt haben, hält die Richtung des Aequinoctial-Aufganges,
und bezeichnet den Ostwind ^), den die Griechen Apeliotes
nennen. In gesunden Gegenden müssen ihn die Landhäuser
und Weinberge im Angesicht haben. Er bringt gern Regen,
doch ist der Westwind 2), welcher ihm entgegen weht, und
der bei den Griechen Zephyr heisst, trockner. Nach Cato
sollen die Oelbaumpflanzungen gegen den letztern gerichtet
sein. Er bringt den Frühling, öffnet das Erdreich und ist
seiner milden Kälte wegen gesund. Sobald er wehet, darf
man die Weinstöcke beschneiden, die Feldfrüchte besorgen,
die Bäume pflanzen, die Obstbäume pfropfen, die Oelbäume
ausputzen, und er wird einen nährenden Einfluss ausüben.
Die vierte Linie, von Norden an gezählt, welche von
Morgen her dem Südwinde zunächst liegt, bezeichnet den
Winteraufgang und den Südostwind 3) , bei den Griechen
Eurus genannt, der trockner und wärmer ist. Die Bienen-
stöcke und Weinberge in Italien und Gallien sollen nach
ihm gerichtet sein. Dem Südostwinde entgegen wehet vom
Solstitial-Untergange und der westlichen Seite des Nordens
her der Nordwestwind ^), bei den Griechen Argestes ge-
nannt, welcher gleichwie alle von Norden her wehenden,
sehr kalt ist. Er bringt Hagel, und man muss sich vor
ihm ebenso hüten wie vor dem Nordwinde. Wenn der
Südostwind aus einer heitern Himmelsgegend wehet, so
dauert er nicht bis zur Nacht; der Ostwind hingegen hält
bis über die Hälfte der Nacht aus. Sobald ein Wind,
gleichviel welcher, heiss ist, dauert er mehrere Tage hin-
durch. Der Nordostwind wird durch das plötzliche Trocken-
•) Subsolanus ^) Favonius. ^) Vulturnus. *) Corus.
Achtzehntes Buch.
41;
werden des Erdreichs, und der Südwind durch Feuchtwerden
von unsichtbarem Thau vorher verkündigt i).
78.
Nachdem nun die Winde abgehandelt sind, wollen wir,^
um nicht oft ein und dasselbe zu sagen, zu den übrigen
Voranzeigen der Witterung übergehen, weil ich finde,^
dass Virgil sehr darauf gehalten hat, denn er sagt, selbst
in der Erndte lieferten die Winde dem Unkundigen oft ge-
fährliche Treffen. Man erzählt, der (bereits genannte) De-
mocritus habe seinen Bruder Damasus, welcher in der
brennendsten Hitze einerndtete, gebeten, das übrige Ge-
treide stehen zu lassen und das bereits geschnittene schnell
unter Dach zu bringen, und wenige Stunden später habe
ein heftiger Platzregen seine Weissagung bestättigt. Man .
soll sogar das Rohr nur säen, wenn Regen drohet, und das
Getreide nach dem Regen. Wir wollen daher diesen Ge-
genstand, der allerdings genau erforscht zu werden ver-
dient, hier kurz behandeln.
*) Zur leichtern Uebersicht der Winde setzen wir hier eine Wind-
rose mit den Namen der in diesem Capitel abgehandelten Winde her.
^ o
•
Corus
(Argestes) v
/
Aquilo
(Caecias)
Favonius
\
/
^
Subsolanus
(Zephyrus)
/
\
(Apeliotes)
Africus /
(Liba)
'S
o
>
^
Vulturnus
(Eurus)
416 Achtzehntes Buch.
Zuerst die Voranzeigen von der Sonne. Geht sie
rein und feurig auf, so verkündet sie einen heitern Tag,
ist sie blass, einen stürmischen Hagel. Wenn sie den Tag
vorher heiter unterging und ebenso wieder aufgeht, kann
man um so sicherer auf schönes Wetter bauen. Wenn
sie hohl aufgeht, zeigt sie Regen an, ebenso wenn unter
rothen Wolken schwarze sind, und Winde, wenn die Wol-
ken vor ihrem Aufgänge roth werden. Wenn ihre Strahlen
beim Auf- und Untergange roth sind, wird viel Regen fallen.
Wenn die um ihr stehenden Wolken beim Untergange roth
sind, wird der folgende Tag heiter sein. Stehen beim Auf-
gange die Wolken gegen Süden und Nordost zerstreuet, so
kündigen diese, wenn auch der Himmel um sie herum klar
ist, Regen und Wind an. Wenn die Strahlen beim Auf-
und Untergange kurz erscheinen, erfolgt Regen. Regnet
es bei ihrem Untergange, oder ziehen die Strahlen Wolken
an, so bedeutet diess ungestümes Wetter am folgenden
Tage. Wenn die Strahlen beim Aufgange, auch ohne von
Wolken umgeben zu sein, nicht schimmernd hervorbrechen,
so kündigen sie Regen an. Wenn sich die Wolken vor
dem Aufgange haufenweise vereinigen, so prophezeien sie
einen rauhen Winter; werden sie aber von Morgen gegen
Abend getrieben, heiteres Wetter. Wenn die Wolken die
Sonne einschliessen, so wird die Witterung um so stürmi-
scher, je weniger Licht sie durchlassen; ist aber der sie
umgebende Kreis doppelt, um so heftiger. Findet solches
beim Aufgange Statt, und sind dabei die Wolken zugleich
roth, so darf man des heftigsten Sturmes gewärtig sein.
Umgeben sie die Wolken nicht, sondern stehen sie über
ihr, so zeigen sie, welcher Wind auch wehen mag, dasselbe
an. Kommen sie von Süden, bedeuten sie Regen. Wenn
die aufgehende Sonne mit einem Kreise umgeben ist, so
darf man von der Seite, wo er sich öffnet, Wind erwarten ;
vertheilt sich aber der Kreis gleichmäsbig, so erfolgt heite-
res Wetter. Wenn die Sonne beim Aufgange ihre Strahlen
weit durch die Wolken schickt, aber mitten frei davon ist,
so zeigt diess Regen an; wem sich vor dem Aufgange
Achtzehntes Buch. 417
"Strahlen zeigen, Nässe und Wind. Steht beim Untergange
ein weisser Kreis um dieselbe, so tritt in der Nacht gelin-
der Sturm ein; ist Nebel vorhanden, so wird der Sturm
heftiger; scheint die Sonne durch denselben, so giebt es
Wind. Ist der Kreis schwarz, so kommt starker Wind da-
her, wo derselbe sich öflfnet.
79.
Mit Recht lassen wir hierauf zunächst die Voranzei-
gen des Mondes folgen. Den vierten Tag desselben be-
rücksichtigt man am meisten in Aegypten. Wenn er mit
reinem Glänze aufgeht und hell scheint, so verkündigt er
heiteres Wetter; ist er röthlich. Wind; ist er schwarz, so
vermuthet man Regen. Am fünften Tage deuten seine
stumpfen Ausläufer (Enden) Regen an; sind dieselben hoch-
gerichtet und spitz, stets Wind, doch meistens am 4. Ist
seine nördliche Spitze scharf und starr, erfolgt Nordwind;
ist die untere Spitze so beschaffen, wird Südwind kommen,
und stehen sie beide gerade, gewärtigt man eine windige
Nacht. Umgiebt ihn am 4. Tage ein röthlicher Kreis, so
kündigt er Wind und Platzregen an. Varro sagt folgendes
hierüber: Wenn der Mond am 4. Tage gerade steht, so
deutet er auf grossen Seesturm, ausgenommen, wenn ihn
ein klarer Kranz umgiebt, denn diess zeigt an, dass es vor
dem Vollmonde nicht stürmt. Ist er im Vollmonde zur
Hälfte klar, so folgen heitere Tage; ist er roth, Winde, und
ist er schwarz, Regen. Schliesst sein dunkler Kreis eine
Wolke ein, so erfolgt Wind, und zwar daher, wo jene sich
bricht; umgeben ihn 2 Kreise, grosser Sturm, und noch
grösserer, wenn 3 Kreise vorhanden, oder wenn sie schwarz,
unterbrochen und zerrissen sind. Wenn der zunehmende
Mond mit der obern verdunkelten Spitze aufgeht, bringt er
beim Abnehmen Regen; findet diess an der untern Spitze
Statt, so regnet es vor dem Vollmonde, und ist er in der
Mitte schwarz, während des Vollmondes. Wenn der Voll-
mond einen Kreis (Hof) um sich hat, bekommen wir Wind
von der Seite, wo er am meisten glänzt. Sind beim Auf-
gange die Spitzen dick, so stellt sich höchst rauhe Witte-
Wittstein: Plinius. m. Bd. 27
418 Achtzehntes Buch.
rung ein. Wenn er vor dem 4. Tage nicht zum Vorschein
kommt, und der Westwind wehet, wird es den ganzen
Monat hindurch kalt sein. Wenn er am 16. Tage feurig
ist, kündigt er rauhe Witterung an. Auch hat der Mond
selbst 8 Knoten i) ; er bildet nämlich mit der Sonne eben-
soviele Winkel, und die Meisten beobachten seine Vorbe-
deutungen nur innerhalb derselben, d. h. am 3., 7., IL, 15.,
19., 23., 27. Tage und im Neumonde.
80.
Den dritten Rang muss die Beobachtung der Sterne
einnehmen. Sie scheinen zuweilen hin und her zu laufen,
und bald darauf kommt Wind. Sie geben in dieser Beziehung;
folgende Anzeigen: Wenn der ganze Himmel in den bereits
genannten Zeitabschnitten gleichmässig glänzt, wird der
Herbst heiter und kalt sein. Wenn der Frühling und
Herbst etwas nass waren, machen sie den Herbst heiter,
kräftig und minder windig. Einem heitern Herbste folgt
ein windiger Winter. Wenn der Glanz der Sterne plötz-
lich, und weder durch Wolken noch durch Finsterniss ver-
dunkelt wird, erfolgt Regen und schweres Ungewitter.
Wenn viele Sterne umherzufliegen scheinen, kündigen sie
Wind aus derjenigen Gegend an, wohin sie mit weissem
Lichte ziehen; wenn sie oft hin und her laufen, bestimmte^
wenn diess von vielen Seiten her geschieht, unbeständige
Winde. Wird irgend ein Irrstern von Kreisen eingeschlos-
sen, so entsteht Regen. Im Zeichen des Krebses befinden
sich 2 Sterne, genannt die Eselchen, zwischen welchen
ein dunkler Fleck ^j, die sogenannte Krippe, einen sehr
kleinen Raum einnimmt; wird diese bei heiterm Himmel
unsichtbar, so bekommen wir einen strengen Winter. Wenn
der eine von diesen Sternen, der gegen Osten steht ver-
dunkelt wird, tobt der Südwind; verdeckt sich der südliche,
so stürmt der Nordostwind. Ein doppelter Regenbogen be-
deutet Regen; nach dem Regen, nicht immer dauernde
*) articuli, Zeitabschnitte.
*) nubecula.
Achtzehntes Buch. 419
Heiterkeit. Neue Kreise um gewisse Sterne kündigen
Kegen an.
81.
Wenn es im Sommer heftiger donnert als blitzt, so
entsteht Wind, und zwar aus der Gegend woher der Schall
kommt; ist hingegen der Donner schwächer, Regen. Wenn
es bei heiterem Himmel blitzt und donnert, so wird Sturm
eintreten, und dieser am heftigsten sein, wenn es in allen
4 Weltgegenden blitzt. Geschieht es bloss in Nordost, so
regnet es den folgenden Tag; in Norden, so deutet es die-
sen Wind an. Hat es im Süden, Westen oder Nordwesten
bei heiterer Nacht geblitzt, so erfolgt aus der betreffenden
Gegend her Wind und Regen. Donner des Morgens be-
deutet Wind, des Mittags Regen.
82.
Von wo bei heiterm Himmel die Wolken kommen, ist
Wind zu erwarten: häufen sie sich daselbst, so werden sie
sich bei Annäherung der Sonne zerstreuen. Geschieht
diess in Nordost, so stellt sich Wind, im Süden Regen ein.
Wenn beim Untergange der Sonne die Wolken von beiden
Seiten des Himmels emporsteigen, entsteht Sturm. Ziehen
schwarze Wolken von Osten heftig her, regnet es in der
Nacht, und von Westen, den folgenden Tag. Wenn sich
die Wolken, gleich der Schafwolle, von Osten her zerstreuen,
fallt den dritten Tag nachher Regen. Senken sich die
Wolken auf die Gipfel der Berge, wird es winterlich; er-
scheinen aber diese wieder klar, erfolgt Heiterkeit. Er-
scheint eine schwere weisse Wolke, welche man mit dem
Namen weisses Ungewitter bezeichnet, so drohet Hagel.
Entsteht ein noch so kleines Wölkchen an dem übrigens
heitern Himmel, darf man auf stürmischen Wind rechnen.
83.
Nebel, der von den Bergen herabsteigt oder vom
Himmel fällt oder sich in Thäler lagert, verspricht heiteres
Wetter.
84.
Nächst diesen ist das irdische Feuer am bezeichnet-
27*
420 Achtzehntes Buch.
sten für die Witterung. Brennt es nämlich blass und ge-
räuschvoll, so deutet es auf Sturm. Regen zeigen auch
die Dochte in den Lampen an; wenn die Flamme hin und
her fliegt, auch wenn die Lichter Flammen aussprühen und
sich mit Mühe anzünden lassen, kommt Wind. Ferner,
wenn die daran hängenden Funken sich häufen, oder, wenn
man einen Topf vom Feuer nimmt und es bleibt eine Kohle
daran hängen; oder, wenn bedecktes Feuer glühende Asche
ausstreuet oder Funken aussprühet; oder, wenn die Asche
auf dem Herde zusammenbackt, und die Kohlen stark leuchten.
85.
Auch das Wässer hat seine Bedeutung. Wenn das
Meer nach dem Einlaufen in den Hafen ruhig steht und
in sich murmelt, kündigt es Wind au. Geschieht es öfter,
so erfolgt Sturm und Regen. Wenn die Küsten und Ufer
bei ruhigem Wetter rauschen, so wird heftiger Sturm ein-
treten; ebenso, wenn bei ruhigem Wetter das Meer rauscht,
der Schaum sich weit zerstreuet oder das Wasser Blasen
wirft. Wenn sich die sogenannten Seelungeu auf dem
Meere zeigen, ist mehrere Tage lang anhaltendes ungestümes
Wetter die Folge davon. Oft schwillt auch das Meer in
der Ruhe an und zeigt dann durch das ungewöhnliche hohe
Aufblähen, dass schon Wind in ihm enthalten ist.
86.
Selbst das Geräusch in den Bergen, und das Getöse
in den Wäldern sind weissagend; desgleichen das ohne
merklichen Luftzug spielende Laub, die herumfliegende
Wolle des Pappelbaums oder Dornstrauchs, und Federn,
welche auf dem Wasser schwimmen. Sogar auf den Fel-
dern verkündigt ein eignes Krachen (Reissen) einen heran-
nahenden Sturm. Auch giebt das Summen in der Luft
eine bestimmte Anzeige.
87.
Auch Thiere prophezeien die Witterung. Wenn die
Delphine bei ruhiger See umherspringen, deuten sie Wind
von der Seite an, von welcher sie kommen; wenn sie bei
stürmischer See Wasser umher spritzen, ruhiges Wetter.
Achtzehntes Buch. 421
Wenn der Tintefisch springt, die Muscheln sich festhängen,
die Seeigel sich ansaugen oder sich in Sand einscharren,
tritt Sturm ein. Dasselbe erfolgt, wenn die Frösche unge-
wöhnlich laut quaken, und die Blässhühner ^) des Morgens
schreien. Wenn die Taucher und Enten niit dem Schnabel
ihre Federn putzen, die übrigen Wasservögel sich schaaren-
weise versammeln, die Kraniche auf das feste Land eilen, die
Taucher das Meer oder die Teiche verlassen, kommt Wind.
Wenn die Kraniche ruhig empor fliegen, tritt heiteres Wetter
ein; ebenso, wenn die Nachteule beim Regen schreiet;
thut sie diess aber bei schönem Wetter, so wird es stür-
misch. Wenn die Raben beim Schreien gleichsam schluch-
zen, und sich anhaltend schlagen, zeigen sie Wind an;
wenn sie aber theilw eise .die Stimme an sich halten, Wind
und Regen. Wenn die Krähen von ihrer Nahrung spät
zurückkehren, tritt stürmisches Wetter ein. Desgleichen
wenn die weissen Vögel sich versammeln, die Landvögel,
vorzüglich die Krähen, gegen das Wasser gerichtet schreien
und sich begiessen; auch wenn die Schwalben so nahe
über dem Wasser hinfliegen, dass ihre Flügel zuweilen hin-
durch schlagen. Ferner, wenn die auf den Bäumen leben-
den Vögel in ihre Nester eilen, die Gänse zur ungewöhn-
lichen Zeit fortwährend schnattern, und der Reiher mitten
auf sandigem Boden traurig steht.
88.
Es ist kein Wunder, dass Wasserthiere oder Vögel
überhaupt die bevorstehenden Ereignisse in der Luft fühlen.
Aber auch sogar das Hornvieh kündigt durch Springen
und ungestüme Lustigkeit die Witterung an. Die Ochsen,
wenn sie gegen den Himmel an schnauben und sich den
Haaren entgegen lecken; die hässlichen Schweine, wenn
sie die sonst unbeachteten Heubündel auseinanderzerren;
die Ameisen, wenn sie träge und gegen ihren sonstigen
') fulicae.
422 Achtzehntes Buch.
Fleiss, sich verbergen oder zusammenlaufen oder ihre Eier
forttragen; die Erdwürmer, wenn sie hervorbrechen.
89.
Es ist Thatsache, dass auch der Klee emporstarrt,
und seine Blätter gegen den Sturm aufrichtet.
90.
Bei unsern Gastmählern und auf unsern Tischen kün-
digen die Gefässe in denen die Speisen aufgetragen wer-
den, wenn sie auf ihren Gestellen Feuchtigkeit zurücklassen,,
heftigen Sturm und Regen an.
Neunzehntes Euch.
Von dem Leine und der Cultur der Gartengewächse.
1.
So haben wir denn auch das Verhalten der Gestirne
•nnd der Witterung auf eine, selbst für die Unkundigen
klare und leichtfassliche Weise auseinandergesetzt und
gezeigt, dass dem Verständigen nicht weniger das Feld
dazu dient, den Himmel zu erforschen, als dem Ackerbau
die Sternkunde Nutzen schafft. Die meisten Schriftsteller
sind nächst diesem auf den Gartenbau übergegangen;
allein diess scheint mir etwas zu voreilig. Ich wundere
mich selbst, dass Einige aus wissenschaftlichem Eifer, um
den Ruhm ihrer Gelehrsamkeit daraus zu schöpfen, so Vie-
les nicht berücksichtigt, so viele von selbst und durch
Pflege emporwachsende Pflanzen unerwähnt gelassen habeu,
da doch mehrere unter ihnen, ihres Werthes und ihres
Gebrauches im Leben wegen, noch höher geschätzt werden
als das Getreide. Und um sogleich mit den anerkannt
nützlichen, welche sich nicht nur über alle Länder, sondern
auch über die Meere verbreitet haben, zu beginnen — man
bauet Lein'), ein Gewächs, was weder zu den Getreide-
arten noch zu den Gartenpflanzen gezählt werden kann.
Wo im Leben trifft man nicht den Flachs an? Wo giebt
es ein grösseres Wunder, als, dass ein Kraut es ist, wel-
ches Aegypten Italien nahe bringt, so zwar, dass Galerius
*) Linum. Linum usitatissimum L., Flachs.
424 Neunzehntes Buch.
aus der Meerenge von Sieilien am 7. Tage, Babilius ams
6. (Beide waren Feldherren), im letzten Sommer aber Va-
lerius Marianus, einer von den früher das Amt eines Prä-
tors bekleidenden Senatoren, von Puteoli bei sehr gelinden
Winde am neunten Tage nach Alexandrien kam? Ein
Kraut, welches Gades an den Säulen des Herkules am 7.
Tage, das diesseitige Spanien am 4., die narbonensische
Provinz am 3. und Afrika am 2. nach Ostia bringt, was
C. Flavius, oberstem Amtsgehülfen des Proconsul Vibius
Crispus glückte? Ob, verwegene, gottlose Menschheit, die
etwas säet, um Wind und Sturm aufzufangen, der es nicht
genügt, durch die Wellen allein fortgebracht zu werden.
Schon reichen die Schiffe an Grösse übertreffenden Segel
nicht mehr aus, denn obgleich ganze Bäume für die Länge
der Segelstangen dienen, spannt man dennoch über diese
noch andere Segel, ausserdem welche am Vorder- und Hin-
tertheil auf, und lockt so auf mehrfache Weise den Tod
herbei. Endlich muss man bewundern, dass das, was über
den Erdkreis, bald hier bald dahin führt, aus einem so
kleinen Samen entsteht, einen so schwachen Halm hat,
und sich nur wenig über die Erde erhebt; dass es nicht
ursprünglich diese Kraft besitzt, sondern erst durch Brechen,
Stossen und Verwandeln in eine weiche Wolle, kurz durch
Gewalt und ungeheuere Kühnheit, dahin gebracht wird.
Keine Verwünschung gegen den Erfinder, welchen wir ge-
hörigen Orts genannt haben, kann gross genug sein, denn
ihm war es nicht hinreichend, dass der Mensch auf dem
Lande sterbe, nein, auch unbegraben sollte er vergehen.
Im vorigen Buche riethen wir, der Feldfrüchte und anderer
Nahrungsmittel wegen sich vor Regen und Wind zu hüten,
und siehe, jetzt säet des Menschen Hand und erndtet sein
Witz das, was sich auf dem Meere den Wind wünscht.
Doch, damit wir inne werden die Strafen zu fürchten, wächst
nichts leichter; damit wir erfahren, es geschehe wider Wil-
len der Natur, so saugt es den Acker aus, und verdirbt-
den Boden.
Neunzehntes Buch. 425^
2.
Der Lein wird meistentheils an sandigen Orten, und
in eine Furche gesäet, und wächst schneller als alle an-
dern Pflanzen. Im Frühjahre gesäet, reisst man ihn im
Sommer aus, und diess ist gleichfalls ein Uebel, welches
dem Erdreich widerfährt. Doch möchte sein Anbau Aegyp-
ten noch verziehen werden, weil es die Waaren Arabiens
und Indiens einführt; aber schätzt man nicht auch Gallien
nach solchen Einkünften? Ist es nicht genug, dass dem
Meere Berge entgegengesetzt sind, und dass nach der Seite
des Oceans hin die sogenannte Leere sich befindet? Die
Cadurcer, Caleter, Rutener, Bituriger und die für die ent-
ferntesten Menschen gehaltenen Moriner, ja sogar ganz
Gallien webt Segel. Schon sind unsere Feinde jenseits
des Rheins vertraut damit, und ihre Frauen kennen keinen
schönern Stoff zu Kleidern. Mir fällt bei dieser Gelegen-
heit die Bemerkung M. Varro's ein, in der Familie der Se-
raner sei es eingeführt, dass die Frauen keine leinenen
Kleider tragen. In Deutschland verrichtet man diese Ar-
beit in tief in die Erde gegrabenen Räumen; desgleichen
in Italien in der allianischen Landschaft zwischen den
Flüssen Po und Ticino, deren Lein unter allen europäischen
den dritten Rang nach Setabis hat, während das dem Allia-
nischen nahe Retovinische, und das Faventinische an der
ämilischen Strasse den zweiten Rang einnimmt. Hinsicht-
lieh der Weisse wird der faventinische Flachs dem allia-
nischen stets vorgezogen; der retovinische ist am zartesten
und dichtesten, ebenso weiss als der faventinische, aber
nicht wollig, um deretwillen er dem Einen gefällt, dem
Andern nicht. Der Faden ist stark und gleichartiger, fast
so wie die Spinngewebe, und klingt, wenn man ihn zwi-
schen den Zähnen versucht; sein Preis beträgt daher dop-
pelt so viel als der der übrigen.
Auch der Flachs im diesseitigen Spanien hat einen
ausgezeichneten Glanz, welchen er durch Waschen in dem
bei Tarragona vorbeifliessenden Strome erhält; er ist ferner
höchst fein, und eben dort erfand man zuerst die feinen
-426 Neunzehntes Buch.
Gewebe, welche Carbasa beissen. Erst unlängst kam
aus demselben Spanien der zölische nach Italien, welcher
sich zu Jägernetzen sehr gut eignet. Die Stadt Zoelae
liegt in Gallizien nicht weit vom Meere. Auch der cuma-
nische in Campanien ist wegen seiner Anwendung zu Fisch-,
Vogel- und andern Jagdnetzen berühmt, denn wir legen
nicht minder allen Thieren wie uns selbst mit dem Leine
Fallen. Mit den cumanischen Netzen fängt man sogar
wilde Schweine, sie sind besser als Jägergarn i) und Schwer-
ter, und ich habe sie schon so fein gesehen, dass sie
sammt den Schnüren durch eines Menschen King gezogen
werden konnten, und dass ein Mann so viele trug, um ein
ganzes Revier damit zu umziehen. Ja, was noch merk-
würdiger ist, ein einzelner Faden bestand aus 150 andern,
von welcher Art diejenigen des Julius Lupus, der als
Statthalter von Aegypten starb, waren. Doch darüber
werden sich nur die wundern, welche nicht wissen, dass
in einem Tempel der Minerva auf der Insel Rhodus ein
Brustkleid des ehemaligen aegyptischen Königs Amasis ge-
eigt wird, dessen Fäden 365 dräthig sind. Mucianus, der
3 mal Consul war, theilte uns neulich die Nachricht in
Rom nebst dem Zusätze mit, dass er sich selbst davon
überzeugt habe, und dass in Folge der Verletzungen, welche
durch ähnliche Untersuchungen entstanden, nur noch we-
nige Ueberbleibsel davon vorhanden seien. Noch einen
brauchbaren Flachs giebt es in Italien und bei den Peli-
gnern, dessen sich aber nur die Walker bedienen, und der
-die übrigen Sorten an Weisse und Wolligkeit übertrifft.
Der cadurcische wird vornehmlich zu Polstern angewandt,
welche nebst den Stopfwerken von den Galliern erfunden
sind. In Italien nennt man noch jetzt die Matratzen so.
Der ägyptische Flachs besitzt am wenigsten Festigkeit,
bringt aber den meisten Gewinn. Es giebt dort 4 Arten,
der tanitische, pelusische, butische und tentyritische, welche
Namen von den Distrikten, wo sie wachsen, hergeleitet
*) casses.
Neunzehntes Buch. 427
sind. In Ober-Aegypten, gegen Arabien hin wächst ein
Strauch, welchen Einige Gossypioni), Andere Xylon und
daher die davon bereiteten Gewebe, xylina nennen; er ist
klein und trägt eine der Bartnuss ähnliche Frucht, in deren
Innern sich die Baumwolle befindet, welche gleich der
Wolle gesponnen wird. Sie übertrifft an Weisse und Weich-
heit alle übrigen Arten. Die daraus bereiteten Kleider
lieben die ägyptischen Priester ganz besonders. Die vierte
Art heisst die orchomenische, und wird aus einem rohrartigen
Sumpfgewächs, doch nur aus dessen Blüthenbüschel darge-
stellt. In Asien bereitet man aus der Geniste, durch 10
tägiges Einweichen des Strauches, Flachs, der sich beson-
ders zu Netzen für den Fischfang eignet, in Aethiopien
und Indien von Apfelbäumen, in Arabien aus Kürbissen,
welche, wie wir gesagt haben, auf Bäumen wachsen.
3.
Die Reife des Flachses erkennt man bei uns auf
zweifache Weise, an dem Anschwellen des Samens und an
dem Gelb werden. Alsdann wird er ausgerissen und in
Handbüschel gebunden an der Sonne getrocknet, indem
man ihn am ersten Tage mit den Wurzeln nach Oben ge-
richtet aufhängt, an den folgenden 5 Tagen aber so, dass
die Spitzen der Büschel gegen einander zugekehrt sind,
damit der Same in die Mitte falle. Letzterer hat medici-
nische Kräfte, und in Italien jenseits des Po bereitet man
daraus bei den Landleuten eine süsse Speise, die aber
schon längst bloss noch bei Opfern gebräuchlich ist. Hier-
auf taucht man nach der Weizenerndte die Bündel selbst
in Wasser, was durch die Sonne lau geworden ist, und
beschwert sie mit Gewichten, denn nichts ist leichter als
diese Stengel. Den Zeitpunkt, wo er hinreichend einge-
weicht ist, erkennt man an dem Ablösen der Oberhaut; man
wendet ihn dann wieder um, trocknet ihn wie vorher an
der Sonne, dörrt ihn dann noch auf Steinen und schlägt
1) Bombax gossypinus L. und auch wohl Gossypium arboreum L.
428 Neunzehntes Buch.
ihn mit dem Flachsbläuel. Was zunächst unter der Ober-
haut liegt, heisst Werg, ist schlechter als Flachs, eignet
sich aber sehr gut zu Lampendochten. Man hechelt ihn
auch, um alle äussere Haut davon zu entfernen. Das Mark
ist hinsichtlich der Weisse und Weichheit sehr verschieden.
Flachs zu spinnen, geziemt auch den Männern. Die ent-
fernte Oberhaut (die Schabe) lässt sich in Back- und an-
dern Oefen nützlich verwenden. Es ist eine Kunst gut zu
hecheln und zuzurichten; aus 50 Pfund Leinbiindeln müssen
15 Pfund gekrämpelt werden. Das Garn wird noch einmal
geglättet, indem man es anfeuchtet und wiederholt auf
Steine schlägt; auch die Leinwand wird wiederum mit
Hämmern geklopft, und durch dergleichen gewaltsame Be-
handlung verbessert sie sich immer mehr.
4.
Man hat auch Flachs entdeckt, welcher durch
Feuer nicht verzehrt wird; er heisst der lebendige, und
ich habe daraus bereitete Tischtücher gesehen, welche bei
Gastmählern auf dem Heerde brannten, und nachdem der
Schmutz verzehrt war, sauberer waren, als das Wasser sie
gemacht haben würde. Man verfertigt daraus Kleider für
die Leichname der Könige, um die Asche derselben von der
übrigen getrennt zu erhalten. Dieser unverbrennliche Flachs
kommt in den von der Sonne ausgebrannten Wüsten In-
diens, wo kein Regen fällt, in der Nähe scheusslicher Schlan-
gen vor, und ist es gewohnt, im Feuer nicht zu vergehen;
findet sich aber selten, und lässt sich wegen seiner Kürze
schwer weben (spinnen). Seine von Natur röthliche Farbe
wird im Feuer weiss. Anfangs stand er mit den besten
Perlen in gleichem Preise. Die Griechen nennen ihm
seiner Eigenschaft wegen, Asbest i). Anaxilaus^) giebt
an, wenn ein Baum damit damit umbunden und dann ge-
*) asbestinum (sc. linum)von « und qßevvv/xi auslöschen, vertilgen..
Daher, unzerstörbarer Flachs.
^) Von Larissa, Neupythagoräer, beschäftigte sich viel ruit
Magie; wurde, der Zauberei verklagt, von Augustus aus Rom ver-
bannt.
Neunzehntes Buch. 429
•fällt würde, so klängen die Hiebe so schwach, dass man
sie gar nicht höre. Diese Leinwand wird daher überall
jeder andern vorgezogen. Auf sie folgen zunächst die
baumwollenen Zeuge ^), diese Lieblinge der Weiber, wozu
Elis in Achaja das Material liefert, und wovon, wie ich
finde, 1 Scrupel zu 4 Denaren, also dem Golde gleich,
verkauft worden ist. Scharpie von Leinwand, besonders
von den Segeln der Seeschiffe, wird viel in der Medicin
gebraucht, und ihre Asche wirkt so kräftig wie Spodium 2).
Es giebt eine Art Mohn, wodurch der Leinwand ein vor-
züglicher Glanz ertheilt wird.
5.
Man hat versucht, Flachs zu färben, um ihm die
Pracht der Kleider zu geben. Diess geschah zuerst auf
der Flotte Alexanders des Grossen, als er auf dem Indus
fuhr, wo die vornehmsten Befehlshaber in einem gewissen
Kampfe die Flaggen wechselten, und der Wind verschieden-
farbige Segel anschwellte, worüber die Bewohner der Ufer
in Staunen geriethen. Mit einem purpurfarbenen Segel
kam Cleopatra mit M. Antonius nach Actium, und mit
ebendemselben entfloh sie. Ein solches Segel war das
Abzeichen des Admiralschiffes.
6.
Später hat man bloss in den Theatern (mit Vorhän-
gen) Schatten gemacht, was Q. Catulus bei der Einweihung
des Capitoliums zuerst einführte. Hierauf soll zuerst Len-
tulus Spinther carbasanische Vorhänge bei den apollina-
rischen Spielen im Theater aufgehängt haben. Bald nach-
her tiberzog der Dictator Cäsar das ganze Forum Roma-
11 um und den heiligen Weg von seinem Hause an bis zum
capitohnischen Hügel (mit Leinwand), und diess soll sich
merkwürdiger ausgenommen haben, als die Fechterspiele
selbst. Darnach hat Marcellus, der Sohn der Octavia,
einer Schwester des Augustus, während seines Aedilamtes,
') byssinum.
•■') S. XXXIV. B. 34. und 52. Cap.
430 Neunzehntes Buch.
und ohne Spiele zu halten, zur Zeit als sein Onkel zum
elften Male Consul war, am 1. August das Forum mit
Leinwand überschattet, damit die streitenden Personen ge-
schützter ständen.
Wie haben sich doch die Gebräuche geändert! denn
der Censor Cato rieth, das Forum mit spitzigen Muscheln
zu bestreuen ^). Kürzlich wurden im Amphitheater des
Kaisers Nero himmelblaue gestirnte Segeltlicher über die
Seile gezogen. Im Innern der Häuser sind sie von rother
Farbe, und halten die Fliegen gegen die Sonnenseite hin
ab. Uebrigeus behielt die weisse Leinwand doch stets den
Vorzug. Schon im trojanischen Kriege stand die Leinwand
im Ansehn, und warum sollte sie auch nicht ebenso gut
in Schlachten wie bei Schiffbrüchen sein? Jedoch sollen
damals, wie Homer bezeugt, nur Wenige in leinenen Wämm-
sen gefochten haben. Gelehrtere Männer behaupten, schon
damals sei das Tau- und Segelwerk der Schiffe aus Flachs
gemacht gewesen, denn was Homer sparta nenne, be-
zeichne den Lein.
7.
Mehrere Jahrhunderte später, und nicht vor Beginn
der Kriege mit den Carthaginiensern, welche zuerst in
Spanien einfielen, fing der Gebrauch des Spartum^) an.
Diess ist ein wildes Gewächs, welches nicht gesäet werden
kann, eine Art Binse, wächst auf trocknem Boden und ge-
reicht diesem zum Verderben, denn in solcher Erde kommt
weiter nichts fort. Das, was in Afrika wächst, ist klein
und untauglich. In dem Gebiete von Carthago, im dies-
seitigen Spanien, bedeckt das Spartum ganze Berge. Aus
ihm bereiten sich die dortigen Bauern ihre Betten, Lampen-
dochte, Fackeln, Schuhe und die Hirten ihre Kleider; den
Thieren ist sein Genuss, mit Ausnahme der zarten Gipfel,
schädlich. Zu den übrigen Anwendungen wird es ausge-
•) Damit das Volk vom Forum und dadurch von Zank und Streit
abgehalten würde.
2) Spartium junceum L.
Neunzehntes Buch. 431
rissen, was viele Mühe kostet, und man bedeckt bei dieser
Arbeit die Füsse mit Stiefeln, die Hände mit Handschuhen,
und wickelt es mit leinenen und hölzernen Werkzeugen
zusammen. Jetzt geschiebt diess kurz vor dem Winter,
am leichtesten aber von der Mitte des Mai bis zur Mitte
des Juni, um welche Zeit es reif ist.
8.
Nachdem es ausgerauft ist, lässt man es in Bündeln
2 Tage lang auf einem Haufen gähren, am dritten wird es
wieder aufgebunden, ausgestreuet, an der Sonne getrocknet
und abermals eingebunden unter Dach gebracht. Hierauf
wird es am besten in Seewasser, oder auch, in Ermange-
lung dessen, in süssem Wasser eingeweicht, an der Sonne
getrocknet, und wiederum benetzt. Wenn man Eile hat,
kann die Arbeit dadurch beschleunigt werden, dass man
es in einem Kübel mit warmem Wasser anbrühet und stehend
trocknen lässt. Zuletzt wird es noch gebrochen, und ist
dann zur Anwendung vorbereitet. Die daraus verfertigten
Stricke u. s. w. zeigen sich besonders dauerhaft in süssem
und Seewasser, während man im Trocknen die Seile von
Hanf vorzieht. Das Spartum verbessert sich sogar im
Wasser, gleichsam als wollte es sich für die Dürre seines
Standorts entschädigen. Es lässt sich auch ausbessern,
und man kann nach Belieben altes mit neuem vermischen.
Um zur Bewunderung hingerissen zu werden, bedenke man,
wie viel von dieser Pflanze in allen Ländern, auf den aus-
gerüsteten Schiffen, an den Baugerüsten und zu andern
Lebensbedürfnissen in Gebrauch ist, und dass alles, was
hierzu erfordert wird, auf einem Terrain wächst, welches
sich von der Küste bei Neu-Carthago an kaum 30,00J
Schritte weit ins Land erstreckt, und dessen Breite 100
Schritte weniger beträgt. Es wird nicht ausgeführt, weil
die Unkosten zu bedeutend sind.
9.
Dass sich die Griechen dieser Binse zur Verfertigung
von Stricken bedient haben, erhellt aus dem Namen, wo-
-432 Neunzehntes Buch.
mit sie dieselbe benennen i); gewiss ist aber, däss sie
sich nachher der Palmenblätter und des Lindenbastes be-
dienten, und sehr wahrscheinlich führten die Carthager
von dort den Gebrauch des Spartum ein.
10.
Nach Theophrasts Angabe wächst an den Ufern der
Flüsse eine Zwiebelpflanze, zwischen deren äusserster
Haut und demjenigen Theile, welcher gegessen wird, sich
eine Art Wolle befindet, aus welcher Schuhe und Kleider
gemacht werden. Allein er theilt in den Exemplaren,
welche ich vorgefunden habe, weder den Namen der Län-
der, wo diess geschieht, noch etwas Näheres darüber mit,
ausser, dass die Pflanze Eriophoron 2) heisse; auch erwähnt
er gar keiner andern ähnlichen, obgleich er, wie wir schon
an einem andern Orte gesagt haben, 390 Jahre vor uns
alles mit grösster Sorgfalt beschrieben hat, woraus her-
vorgeht, dass erst nach jener Zeit das Spartum in An-
wendung gekommen ist.
IL
Weil ich einmal von wunderbaren Dingen zu reden
angefangen habe, will ich auch gleich darin fortfahren, und
«agen, was wohl am seltsamsten scheint, dass es Pflan-
zen giebt, die ohne Wurzel entstehen und leben. Sie
heissen Trüffeln 3), sind allenthalben von Erde umgeben
weder mit Fasern noch mit Haaren besetzt, die Erde, in
welcher sie wachsen, zeigt weder Erhabenheiten noch
Risse; sie selbst hängen nicht mit der Erde zusammen,
werden auch von einer Hülle umschlossen, daher man sie
nicht wohl Erde, sondern einen Auswuchs der Erde nennen
kann. Sie wachsen fast immer an trocknen, sandigen und
strauchichten Plätzen, erreichen oft die Grösse einer Quitte
und die Schwere von 1 Pfund. Es giebt 2 Arten, eine
') TOCnaQVOv lieisst nämlich der Strick.
2) Gossypium herbaceum L.
3) tubera. Plinius versteht unter diesem Namen, ausser Tuber
cibarium, ohne Zweifel auch mehre Boletus-Arten.
Neunzehntes Buch. 433
Teine, und eine sandige, welche den Zähnen schadet; die
röthliche, schwarze und innen weisse Farbe liefern die
Unterscheidungsmerkmale. Die beste wächst in Afrika.
Ob dieses Uebel der Erde (denn als etwas anderes kann
Juan es nicht wohl betrachten) wirklich wächst, oder von
Anfang an dieselbe kugelartige Ausdehnung hat, wie es
später erscheint, ob es lebt oder nicht, ist meiner Meinung
«ach schwer zu entscheiden. Die Eigenschaft zu faulen
theilt es mit dem Holze. Ich weiss, dass dem Lartius Li-
cinius, der Prätor gewesen war und zu Carthagena in Spa-
nien Processe führte, als er vor einigen Jahren in eine
Trüffel biss, ein darin steckender Denar die Vorderzähne
krumm bog, und dieser Vorfall beweist offenbar, dass die
Erde selbst solche runde Ballen bilde. So viel steht fest,
-dass dergleichen Dinge entstehen und nicht gesäet werden
können.
12.
Ein ähnliches Gewächs, in der cyrenäischen Provinz
IVIisyi) genannt, hat einen sehr angenehmen Geruch und
Oeschmack und mehr Fleisch als jenes. In Thracien heisst
es Iton, und in Griechenland Geranion.
13.
Von den Trüffeln ist noch folgendes zu bemerken.
Sie entstehen im Herbste nach häufigem Regen und Donner,
oind besonders gleich nach Gewittern, werden nicht über
1 Jahr alt, und sind im Frühlinge am zartesten. In einigen
Gegenden kommen sie nach Ueberschwemmungen zum
Vorschein, so z. B. giebt es zu Mitylene keine, wenn der
Keim dazu nicht von Tiara herab durch die Flüsse ange-
■schwemmt wird. Die besten findet man in Asien um Lamp-
«acus und Alopeconnesus, und in Griechenland um Elis.
14.
Zu den Pilzen gehören auch die bei den Griechen so
genannten Pezicä^), welche weder Wurzel noch Stengel
baben.
') Boletus suaveolens?
2) gr. nei,iat, unser Bovist (Lycoperdon Bovista).
Wittstein: Pliniua. III. Bd. 28
434 Neunzehntes Buch.
15.
Hiernächst verdient das so überaus berühmte Laser-
pitiumi) genannt zu werden, welches bei den Griechen
Silphion heisst; es wächst in der cyrenaischen Provinz, sein
Saft, Laser 2) genannt, wird viel und mit vortrefflichem
Erfolge in der Medicin angewandt, und mit Silberdenar en
aufgewogen. Schon seit vielen Jahren findet man es nicht
mehr in diesem Lande, weil die Pächter, welche die Weiden
miethen, den Ertrag des Viehfutters höher schätzen, und.
daher jene Pflanze vertilgen. So lange ich denken kann,,
hat man nicht mehr als 1 Stock davon gefunden, welcher
an den Kaiser Nero geschickt wurde. Wenn etwa das-
Vieh auf eine solche keimende Pflanze stösst, so merkt
man diess am Schafe daran, dass es, nachdem es davon
gefressen, sogleich in Schlaf fällt, an der Ziege, dass sie
niest. Schon seit langer Zeit wird bei uns kein anderer
Laser eingeführt, als der in Persien, Medien und Armenien
reichlich vorkommende, der an Güte aber dem cyrenaischen
sehr nachsteht, auch mit Gummi, Sagapenum oder gestos-
senen Bohnen verfälscht wird. Daher dürfen wir um sa
weniger zu erwähnen unterlassen, dass unter dem Consu-
late des C. Valerius und M. Herennius 30 Pfund Laser
auf Staatskosten von Cyrene nach Rom gebracht wurden;
ferner dass der Dictator Cäsar zu Anfange des Bürgerkriege»
unter Gold und Silber 1500 Pfund Laser aus der Schatz-
kammer brachte. Bei den glaubwürdigsten griechischen
Schriftstellern finde ich aufgezeichnet, dass diess Gewächs
durch plötzliche Benetzung der Erde mit einem pechartigen
Regen in der Nähe der Gärten der Hesperiden und der
grossen Syrte, 7 Jahre vor Erbauung der Stadt Cyrenae-
welche im 143. Jahre Roms gegründet wurde, entstanden
sei, und die Wirkung davon sich bis auf 4000 Stadien ins-
1) Thapsia Silphium Viv.
*) Oder cyrenaischer Saft, während unter den Namen syrischer,
medischer, persischer Laser, der Saft der Ferula asa foetida zu ver-
atehen ist.
Neunzehntes ßuch. 435
Land hinein erstreckt habe. Auf diesem Terrain wachse
nur vorzüglich das Laserpitium ; es sei eine wilde und
widerspenstige Pflanze; wolle man sie cultiviren, so flöhe
sie in die Wüsten, ihre Wurzel sei gross und dick, der
Stengel gertenartig oder ebenso dick, als der des Gerten-
krauts. Die Blätter, welche denen des Eppichs sehr ähn-
lich sind, hiessen Maspetum; vom Vieh genossen reinigen
sie erst, machen dann bald fett, und ertheilen dem Fleische
einen äusserst angenehmen Geschmack. Nachdem die
Blätter abgefallen sind, werden die Stengel von den Men-
schen gekocht, gebraten und gedämpft gegessen, und auch
diese reinigen die ersten 40 Tage hindurch den Körper
von jedem Uebel. Den Saft gewann man auf doppelte
Weise, nämlich aus dem Stengel und der Wurzel, und
nannte diese Rhizias, jenen Caulias. Der letztere war von
geringerer Güte und ging leicht in Fäulniss über. Die
Wurzel hat eine schwarze Rinde, welche zur Verfälschung
der Waare dient. Der Saft selbst wurde in ein Gefäss ge-
than, Kleie hinzugemischt, und durch öfteres Umarbeiten
zur Reife gebracht; ohne diese Behandlung faule er gern.
Die gehörige Reife erkannte man an der Farbe und der
Trockenheit nach beendigtem Schwitzen. Einige sagen,
die Wurzel des Laserpitium sei über 1 Cubitus lang ge-
wesen, und habe oberhalb der Erde einen Knollen getragen;
beim Ritzen des letztern sei ein milchähnlicher Saft heraus-
geflossen, und hierauf der Stengel darüber emporgewachsen
welcher Magydaris genannt wurde. Die goldgelben
Blätter, welche nach dem Aufgange des Hundssterns beim
Südwinde fielen, hätten die Function des Samens vertreten,
aus ihnen sei gewöhnlich die Pflanze entstanden, und Wurzel
und Stengel hätten sich in Jahresfrist vollkommen ausge-
bildet. Man habe auch die Pflanzen gewöhnlich umgraben ;
auf das Vieh hätten sie nicht eröffend gewirkt, sondern
die kranken wären entweder davon genesen oder sogleich
gestorben, was aber nur in wenigen Fällen geschehen sei.
Die erstere Ansicht passt auf das persische Silphium.
28*
436 Neunzehntes Buch.
16.
Die andere Art, welche Mygdaris ') heisst, ist zarter,
weniger scharf, saftlos, wächst in Syrien, und kommt in
Cyrene nicht vor, aber häufig auf dem Berge Parnassus.
Einige nennen sie Laserpitium, und durch dergleichen Ver-
wechselungen wird das Vertrauen zu den heilsamsten und
nützlichsten Dingen geschmälert. Die Aechtheit dieser Art
erkennt man hauptsächlich an der massig rothen Farbe;
auf dem frischen Bruche ist sie weiss und bald nachher
durchscheinend, im Wasser oder Speichel zergeht sie. Sie
macht einen Bestandtheil von vielen Arzneimitteln aus.
17.
Es giebt noch 2 Arten, die bloss dem gemeinen Volke
bekannt sind, nichts desto weniger aber viel einbringen.
Eine von ihnen ist die Färberröthe^), welche man zum
Färben der Wolle und des Leders braucht; die beste liefert
Italien und namentlich die Umgegend von Rom, in fast
allen Provinzen aber wird sie in reichlicher Menge gebauet-
Sie wächst wild, wird auch gesäet und sieht der Ervilie
ähnlich, ihr Stengel ist aber borstig, knotig und um jeden
Knoten stehen 5 Blätter im Kreise. Der Same ist roth.
Ueber ihre Anwendung in der Arzneikunde werde ich am
gehörigen Orte reden.
18.
Die sogenannte Radicula enthält einen Saft, welcher
zum Waschen der Wolle gebraucht wird, die davon eine
ausserordentliche Weisse und Weichheit erhält. Sie kann
überall angebaut werden, wild findet sie sich besonders in
Asien und Syrien an steinigen und rauhen Orten. Die
jenseits des Euphrat wachsende ist aber die beste; diese
hat einen gertenartigen, dünnen Stengel, der eine beliebte
Speise der dortigen Bewohner ausmacht, zu Salben dient
und alles, was damit gekocht wird, färbt; die Blätter glei-
•) Ode^- Magydaris, wahrscheinlich der der Asa foetida sehr ähn-
liche Saft von Ferula tingitana.
') Rubia. Rubia tinctorum L.
Neunzehntes Buch. 437
eben denen des Oelbaums. Die Griechen nennen sie Stru-
thioni); die Blüthen, welche im Sommer erscheinen, sehen
schön aus, riechen aber nicht, der Stengel ist borsig und
wollig. Sie trägt keinen Samen, hat aber eine grosse
Wurzel, die zu dem genannten Zwecke gesammelt wird.
19.
Es bleibt uns nun noch übrig, von dem Gartenbau
zu reden, nicht allein desshalb, weil er an und für sich
schon der Erwähnung werth ist, sondern auch, weil die
Geschichte viele wunderbare Thatsachen davon aus frühern
Zeiten überliefert hat, z. B. die Gärten der Hesperiden,
der Könige Adonis und Alcinous, und die hängenden Gärten,
welche entweder Semiramis oder der assyrische König
Cyrus anlegte, und von denen wir in einem andern Buche
reden wollen. Die römischen Könige bebaueten ihre Gärten
selbst, und Tarquinius Superbus sandte jenen grausamen
und blutdürstigen Boten aus dem Garten an seinen Sohn.
In unsern 12 Gesetztafeln wird niemals der Name villa
gebraucht, sondern statt dessen hortus, und statt „Garten"
Erbgut. Hiermit stand auch ein gewisser religiöser Ge-
brauch in Verbindung, die Gärten und Heerde wurden näm-
lich gegen die Behexungen der Neider geweihet, und zwar
mit satyrischen Zeichen, obwohl Plautus die Gärten unter
den Schutz der Venus stellt. Jetzt besitzt man unter dem
Namen der Gärten sogar in Rom selbst Lustplätze, Aecker
und Landgüter. Epikur, der Lehrer des Müssiggangs, machte
dergleichen Anlagen zuerst in Athen; denn bis zu seiner
Zeit bewohnte man noch nicht in den Städten das Land,
zu Rom wenigstens war der Garten der Acker eines Armen.
Für den gemeinen Mann war der Garten sein Fleisch- und
Gemüsemarkt, und wie unschuldig war diese Lebensweise,
in Vergleich mit dem jetzigen Luxus! Gewiss besser, wie
') Saponaria officinalis L., Plinius wirft aber damit die levantische
Seifenwurzel (von Gypsophila Struthium L.) zusammen, denn er sagt,
sie habe eine grosse Wurzel, was doch nur auf diese, nicht auf Sa-
ponaria oft", zu beziehen ist.
438 Neunzehntes Buch.
ich glaube, als wenn man ins Meer taucht und Austern
beim Sturme sucht, Vögeln hinter dem Flusse Phasis nach-
stellt, die zwar der fabelhaften Schreckensnachrichten wegen
sicher, aber desshalb um so kostbarer sind, andere in Nu-
midien und auf den Gräbern in Aethiopien sucht, oder,
als wenn man mit wilden Thieren kämpft, und derjenige
gefressen wird, welcher das zu fangen wünscht, was ein
Anderer verzehren soll. Und wie billig sind in der That
alle jene Gartenspeisen, wie sehr sind sie zum Vergnügen
und zur Sättigung geeignet:^ aber wie überall, verleidet auch
hier derUebermuth ihren Genuss! Es möchte noch hingehen,
dass Obstarten gezogen werden, die sich theils durch den
Geschmack, theils durch ihre Grösse, theils durch ihre
Seltsamkeit auszeichnen, und den Armen nicht zu gute
kommen; dass man Weine alt werden lässt und in Schläu-
chen verschneidet; dass Niemand so lange lebt, der nicht
vor seiner Zeit gewonnenen "Wein trinkt; dass der Luxus
sogar aus dem Getreide eine gewisse Speise, nämlich das
blosse Mark desselben, zu ziehen gewusst hat; ja, dass man
von den Arbeiten und Künsteleien der Bäcker lebt, die
Vornehmen ein anderes Brot als die Armen haben, und
dass das Korn seinen Weg in so vielen Arten bis zum
gemeinen Manne nimmt. Hat man nicht auch unter den
Kräutern einen Unterschied gefunden, hat der Reichthum
nicht auch Speisen unterschieden, die man noch um 1 Ass
kaufen kann? Der Bürger bekennet, dass selbst unter den
Kräutern Manches wächst, was ihm zu kostbar ist, denn
die Stengel werden durch Cultur von solcher Stärke ge-
wonnen, dass sie den Tisch eines Armen nicht erreichen.
Die Natur gab uns wilden Spargel *), damit sich ein Jeder
davon ausstechen könne; doch siehe, jetzt hat man gemä-
steten Spargel 2), und in Ravenna wiegen 3 Stück 1 Pfund.
Oh, seltsame Begierde des Magens! Es wäre ein Wunder,
wenn es dem Vieh nicht gestattet sei, Disteln zu fressen,
*) Corruda sylvestris. Asparagus acutifolius L.
2) Asparagus altilis. Asparagus officinalis L.
Neunzehntes Buch. 439
der gemeine Mann aber kann sie nicht haben 0- Sogar
das Wasser wird geschieden, und somit Kraft des Geldes
selbst das natürliche Element sortirt. Diese trinken Schnee-
wasser, jene Eiswasser, und die Uebel der Berge gebraucht
man zum Kitzeln des Gaumens. Kälte wird für die Hitze
aufbewahrt 2), und man bringt es dahin, dass der Schnee in
aussergewöhnlichen Monaten kalt macht. Einige kochen
das Wasser und kühlen es bald darauf ab. Dem Menschen
gefällt also nichts in der Art, wie es die Natur geschaffen
hat. Und wachsen denn gewisse Pflanzen bloss für die
Reichen? Niemand sieht sich nach dem heiligen und aven-
tinischem Berge und nach den entfernten Plätzen des er-
bitterten Pöbels um, denn der Tod wird gewiss die gleich-
stellen, welche das Geld unterschieden hat. Daher betrug
in der That keine Marktsteuer zu Rom mehr als diese,
bis endlich, nachdem das Volk bei allen Fürsten seinen
Unwillen durch Tumult zu erkennen gegeben hatte, die
auf dieser Waare lastende Abgabe erlassen war; und die
Erfahrung hat gezeigt, dass der Census kein vortheilhaf-
teres, sichereres und weniger vom Glücke abhängiges Re-
sultat liefert, als wenn eine solche Abgabe in den Händen
der Armen bleibt. Hier befindet sich im Boden der Bürge,
unter freiem Himmel das Einkommen, und die Oberfläche
gedeihet in jeder Witterung. Cato rühmt die Stengel
{Kohl) der Gärten. Nach der Kunst ihres Anbaues wurden
vormals die Landleute taxirt, und man urtheilte, eine Haus-
frau, deren Garten nicht gut bestellt wäre (denn diess ge-
hörte zu den Geschäften der Frau) erfülle ihre Pflicht
nicht, weil man dann genöthigt sei, die Lebensmittel aus
der Speisekammer und von der Fleischbank zu holen*
Man zog aber nicht, wie jetzt die Kohlärten allen andern
vor, und verwarf die Zugemüse, welche noch eines andern
Zugemüses bedürfen; diess geschah, um das Oel zu sparen,
*) Wahrscheinlich eine Anspielung auf die Artischoke (Cynara
Scolymus).
*) D. h. Eis für den Sommer.
440 Neunzehntes Buch.
und man schämte sich des Gelüstes nach kostbaren Fisch-
brtihen. Den Gärten schenkten sie vorzügliche Aufmerk-
samkeit, weil diese keines Feuers bedurften, Holz ersparten,
und ihre Producte immer fertig zubereitet waren. Daher
nannte man auch Salatkräuter diejenigen, welche leicht
verdaulich sind, den Körper nicht belästigen, und die Be-
gierde nach Brot am wenigsten reizen. Aus einem Theile
derselben, den gewürzhaften, zog man den geeigneten Vor-
theil für den Hausbedarf, und verlangte nicht indischen.
Pfeffer, den wir über das Meer herholen. Ehedem hatte
das Volk in der Stadt in seinen Gärten gleichsam ein.
stetes Bild des Landes vor den Augen, bis endlich durch
die Habgierde einer unzähligen Menge jede Aussicht ver-
sperret wurde. Darum lasse man auch diesen Kräutern,
einige Ehre, und benehme ihnen, ihres geringen Werthes-
wegen, ihr Ansehn nicht; sehen wir doch sogar, dass die
Beinamen einiger vornehmen Personen davon abgeleitet
sind, z. B. in der Valerischen Familie einige nicht ver-
schmähet haben, sich Lactuciner zu nennen, und in Be-
tracht, dass selbst Virgil bekennt, wie schwer es sei so-
geringe Dinge würdig zu rühmen, gebührt unserer Mühe
und Sorgfalt allerdings einiger Anspruch auf Dank.
20.
Man muss, diess ist kein Zweifel, die Gärten mit den)
Landgütern vereinigen, und sie namentlich mit Wasser
versehen, womöglich durch Hülfe eines vorbeifliessenden.
Flusses , oder statt dessen dasselbe aus einem Brunnen
mittelst Rädern, Pumpen oder Schwengeln schöpfen. Gleich,
nachdem der Favonius zu wehen begonnen, muss der Bo-
den gepflügt, 14 Tage nach Herbstanfang zubereitet und
diess vor dem kürzesten Tage noch einmal wiederholt
werden. Die Arbeiter müssen, je einer, 8 Morgen Land
bepfählen, den Mist 3 Fuss tief mit der Erde vermischen,,
die Beete abtheilen, ihre Erhöhungen abschüssig machen,
und Gänge um dieselben ziehen, damit die Menschen hin-^
zukommen und das Wasser ablaufen könne.
Neunzehntes Buch. 441
21.
Unter den Gartengewächsen ist dieses wegen der
Zwiebel, jenes wegen des Kopfes, des Stengels, des Blattes,
oder beider wegen, wegen des Samens, der Rinde, der
Haut, der knorpeligen Theile, des Fleisches oder der flei-
schigen Häute beliebt.
22.
An einigen befindet sich die Frucht in der Erde, bei
andern auch ausserhalb, und an noch andern bloss aussen.
Einige wachsen liegend, wie der Kürbiss und die Gurke.
Ihre Früchte hängen, obgleich sie viel schwerer sind al»
Baumfrüchte, die Gurke vermittelst ihrer zähen Theile, und nur
dessen Rinde verwandelt sich beim Reifen in Samen.
Von der Erde bedeckt werden die Rettige, Steckrüben,
weissen Rüben, und, doch auf eine andere Weise, der Alant i),
die Zuckerwurzel 2), der Pastinak 3). Einige wollen wir
gertenartige (stabartige) nennen, wie den Dill*) und die
Malve ^), denn die Schriftsteller berichten, in Arabien er-
reichten die Malven im 7. Monate eine baumartige Höhe
und würden dann zu Stäben benutzt. In einem Sumpfe ^)
bei der Stadt Lixus in Mauritanien, wo die Gärten der
Hesperiden gewesen sein sollen, 200 Schritte vom Ocean
entfernt, neben einem Tempel des Herkules, der älter als
der gaditanische ist, steht eine baumartige Malve '^) von
20 Fuss Höhe und so dick, dass Niemand sie umspannen
kann. Zu jener Abtheilung kann auch der Hanf *) gerech-
net werden. Mehrere andere wollen wir fleischige nennen,
wie die Schwämme, welche auf feuchten Wiesen wachsen,
denn von den Baumschwämmen haben wir, als vom Holze
•) Inula. Inula Helenium L. ^) Siser. Sium Sisarum L.
') Pastinaca sativa L. *) Anethum. Anethum graveolons L.
') Malva sylvestris L.
6) aestuarixun, eine Vertiefung im Lande, in welche das Meer
zur Fluthzeit tritt.
') Wahrscheinlich Lavatera arborea L.
») Cannabis. Cannabis sativa L.
442 Neunzehntes Buch.
und den Bäumen die Rede war, und von den Erdschwäm-
men erst vor Kurzem gesprochen.
23.
Von knorpeliger 1) Beschaffenheit und ausserhalb
der Erde ist die Gurke 2), welche ein besonderer Lecker-
bissen des Kaisers Tiberius war, und keinen Tag auf seiner
Tafel fehlte, denn die Gärtner schoben ihre hängenden
Gärten auf Rädern an die Sonne, und brachten sie bei
rauhem Wetter hinter Glaswände. Bei alten griechischen
Schriftstellern findet sich angegeben, wenn man den Gur-
kensamen 2 Tage lang in Milchmeth einweiche und dann
säe, so würden die Früchte süsser. Die Gurken nehmen
jede Gestalt, die man ihnen beim Wachsen giebt, an. Die
italienischen sind grün und sehr klein, die in den Provinzen
sehr gross, gelb und schwarz. Man liebt die afrikanischen,
welche in bedeutender Menge vorkommen, und die mösi-
schen, welche sehr gross sind. Die ausserordentlich grossen
heissen Peponen ^). Wer sie gegessen hat, spürt sie noch
am folgenden Tage im Magen, sie zergehen nicht unter
andern Speisen, sind jedoch meistentheils nicht ungesund.
Oel ist ihnen von Natur zuwider, Wasser hingegen lieben
sie, denn selbst abgeschnitten kriechen sie zu demselben
hin, wenn es nicht zu weit entfernt ist, und liegt etwas
im Wege, so drehen oder krümmen sie sich darum. Diess
kann man schon nach einer Nacht wahrnehmen; setzt man
nämlich ein Gefäss mit Wasser in einer Entfernung von 4
Fingerbreit darunter, so sind sie noch, ehe es Tag wird,
so weit herabgekommen, aber, nahm man statt des Wassers
Oel, so haben sie *) sich hakenförmig gekrümmt. Steckt
man sie, nachdem die Blüthe abgefallen ist, in eine Röhre,
so wachsen sie zu einer bedeutenden Länge heran. Eine
ganz neue Art davon kommt in Campanien in Form einer
•) Unter .knorpelig" muss hier wohl die markig-fleischige Be-
schaffenheit verstanden werden.
'j Cucumis. Cucumis sativus L.
3) Cucurbita Pepo L. ■<) D. h. die Fruchtstiele.
Neunzehntes Buch. 443
Quitte vor; zufällig soll eine solche entstanden, und aus
deren Samen hernacli jene besondere Art hervorgegangen
sein. Man nennt sie Melonen i). Sie hängen nicht, son-
dern runden sich auf der Erde. Ausser der Gestalt, der
Farbe, und dem Gerüche ist an ihnen bemerkenswerth,
dass sie gleich nach erlangter Reife vom Stengel sich ab-
trennen, obgleich sie nicht hängen 2). Columella schreibt
als seine eigene Erfindung vor, man solle, damit man die
Melone das ganze Jahr hindurch haben könne, einen sehr
ausgebreiteten Brombeerstrauch in den Tagen der Früh-
lings- Tag- und Nachtgleiche an einen sonnigen Ort setzen,
so weit beschneiden, dass nur 2 Finger hoch vom Stamme
ü brig bleiben, in das Mark desselben den Samen einlegen,
und das Ganze mit feiner Erde und Mist verwahren; da-
durch blieben die Wurzeln vor dem Einflüsse der Kälte
geschützt. Die Griechen uitterscheiden 3 Arten Gurken
die lakonische, scytaliscke und böotische. Von diesen soll
bloss die lakonische das Wasser lieben. Einige schreiben
vor, den Gurkensamen mit dem zerriebenen Kraute Culix
einzuweichen, wenn man Früchte ohne Kerne haben will.
24.
Von ähnlicher Beschaffenheit, wenigstens hinsichtlich
des Wachsens, sind die Kürbisse 3); sie vertragen keine
Kälte, und verlangen Feuchtigkeit und Dünger. Beide säet
man in anderthalbfussige Furchen, zwischen dem Frählings-
Aequinoctium und dem Solstitium, am besten am Feste
der Pares"*). Einige ziehen es vor, die Kürbisse am 1.
März, die Gurken am 7. und während des Minervafestes ^)
zu säen. Die Ranken beider steigen an rauhen Wänden
bis zum Dache hinan, denn sie lieben von Natur die Höhe.
Ohne Stützen können sie sich nicht aufrecht halten, sie
') Melopeponas. Cucumis Melo L.
2) Das ist die Springgurke s. XX. B. 2. C.
3) Cucurbitae. Cucurbita lagenaria L.
*) Parilia, oder Palilia, Fest der Pales, der Göttin der Hirten
und Heerden, das am 21. April, dem Stiftungstage Roms, gefeiert
wurde. *) Quinquatrus.
444 Neunzehntes Buch.
schiessen schnell empor und geben Zimmern und Lauben
einen angenehmen Schatten. Hiernach unterscheidet man
zuerst folgende 2 Arten, den Zimmerkürbiss und den ge-
meinen, welcher auf der Erde kriecht. An der ersten Art
hängt an einem äusserst dünnen Stiele eine schwere Last
unbeweglich in der Luft. Auch der Kürbiss kann In jeder
spitzigen Form erhalten werden, namentlich in geflochtenen
schmalen Behältern (Scheiden), in welche man ihn nach
dem Abblühen steckt, und nimmt beim Wachsen jede Ge-
stalt, z. B. die eines gekrümmten Drachen an. Lässt man
ihn frei hängen, so kann er, wie man aus Erfahrung weiss,
sogar 9 Fuss lang werden. Die Gurke blüht theilweise i),
ihre Frucht trägt noch die Blüthe an ihrer Spitze, kommt
an mehr trocknen Plätzen fort und ist, am meisten während
des Wachsens, mit einer weissen Wolle überzogen. Die
Kürbisse benutzt man vielfältiger. Die ersten Ranken-
schösslinge werden gegessen, und zeigen eine von den
übrigen Theilen ganz verschiedene Beschaffenheit. Vor
Kurzem hat man die Früchte in den Bädern statt der
Krüge eingeführt, seit längerer Zeit aber dienen sie schon
statt der Fässer zur Aufbewahrung des Weines. Die Schale
der grünen ist zart, wird aber demungeachtet beim Ver-
speisen entfernt. Man hält sie in mehrfacher Beziehung
für eine gesunde und milde Nahrung, die zwar vom mensch-
lichen Magen nicht (ganz) verdauet wird, aber doch auch
nicht aufschwillt. Die zu oberst sitzenden Kerne bringen
lange Früchte, auch die untersten, obgleich diese jenen
weit nachstehen, die mittleren: runde, und die seitenständigen:
dicke sehr kurze; man trocknet sie im Schatten, und weicht
sie vor der Aussaat in Wasser ein. Je länger und dünner
die Früchte sind, desto besser schmecken sie; die hängen-
den sind am gesundesten, haben auch die wenigsten Kerne,
denn durch deren Härte wird der Wohlgeschmack beein-
trächtigt. Diejenigen Früchte, welche zur Aussaat bestimmt
') D. h. die ganze Pflanze blühet nicht zu gleicher Zeit.
Neunzehntes Buch. 445
«ind, pflegt man vor dem Winter nicht abzuschneiden.
Nachher trocknet man sie im Rauche, um die Samen, im
Vorrath aufbewahren zu können. Man hat auch eine Me-
thode ausfindig gemacht, sie ebenso wie die Gurken zum
Essen aufzubewahren, bis es beinahe wieder neue giebt, und
diess geschieht in Salzwasser. Aber auch in Gruben, die
nn einem schattigen Orte liegen, soll man sie mit Sand
überstreuet, mit trocknem Heu und hierauf mit Erde be-
deckt, grün erhalten können. Es giebt von beiden Arten,
sowie von fast allen Gartengewächsen, auch wilde, welche
wir aber, da sie nur in der Arzneikunde Anwendung finden,
später 1) abhandeln wollen.
25.
Von den übrigen knorpelartigen 2) Gartengewächsen
stecken die nutzbaren Theile in der Erde. Es könnte
scheinen, dass wir die weissen Rüben genügend abgehan-
delt hätten, wenn nicht die Aerzte die runden unter ihnen
als männliche, die breiten und hohlen aber als weibliche
unterschieden, welche schmackhafter, leichter zu würzen
seien und nach mehrmaliger Aussaat in männliche über-
gingen. Ebendieselben stellen 5 Arten Steckrüben auf,
die corinthische, cleonäische, liothasische, böotische und
die sogenannte grüne. Von diesen wächst die corinthische
in die Breite, und ihre Wurzel steht fast ganz bloss, denn
sie hat ein Bestreben nach Oben zu wachsen, und nicht in
die Erde wie die andern. Die liothasische, von Einigem
auch die thracische genannt, widersteht der Kälte am besten.
Die böotische ist süss, und durch ihre Kürze und Runde
ausgezeichnet, die cleonäische sehr lang. Ueberhaupt aber
sind sie um so süsser, je zartere Blätter sie haben, und um
«0 bitterer, je rauher, eckiger und steifer jene sind. Aus-
serdem giebt es eine wilde Art, deren Blätter denen des
weissen Senfs gleichen. In Rom schätzt man die amiter-
nischen am meisten, dann folgen die nursinischen und
') Im XX. B. 1. 2. etc. Cap. '^) (fleischigen).
446 Neunzehntes Buch.
hierauf unsere eigenen. Was sonst noch über ihren Anbau
zu sagen wäre, ist bereits bei den Rüben i) mitgetheilt.
26.
Die Rettige 2) bestehen aus Rinde und Mark, und
viele haben selbst eine dickere Rinde als manche Bäume.
Sie besitzen die meiste Bitterkeit (Schärfe), doch wechselt
diese je nach der Dicke der Rinde; zuweilen finden sich
auch holzige unter ihnen. Sie haben eine ausserordentliche
Kraft, das Athmen und Aufstossen zu befördern, sind daher
eine Anstand-widrige Speise, besonders wenn man gleich
darauf Gemüse isst; werden sie aber gemeinschaftlich mit
Oliven verzehrt, so ist das Aufstossen seltener und minder
übelriechend. In Aegypten schätzt man sie besonders we-
gen des reichlichen, aus ihren Samen erhaltenen Oeles,
und möchte sie, wenn es nur anginge (erlaubt sei), gern
noch mehr anbauen, weil die dortigen Bewohner mehr Ge-
winn daraus ziehen als aus dem Getreide, weniger Abgaben
dafür zahlen und mehr Oel als aus andern Pflanzen davon
erhalten. Die Griechen unterscheiden 3 Arten, eine mit
krausen, eine zweite mit glatten Blättern und eine dritte
wilde, die zwar auch glatte, aber kürzere, runde und viele
buschigstehende Blätter hat, rauh schmeckt und als Arznei-
mittel zum Abführen dient. Doch weichen die beiden ersten
Arten auch im Samen von einander ab, die krausblättrige
nämlich trägt schlechten, oder nur wenig Samen. Die
Römer nehmen andere Arten an: die algidensische, so ge-
nannt nach dem Standorte, ist lang und durchscheinend;
eine andere von der Gestalt der Rübe heisst die syrische,
gehört zu den wohlschmeckendsten und zartesten und lässt
sich überwintern. Die vorzüglichste aber scheint erst seit
Kurzem aus Syrien zu uns gebracht zu sein, denn man
findet sie bei den Schriftstellern nicht genannt; sie hält
sich den ganzen Winter hindurch. Noch giebt es eine
»)" Im X'VIII. Buche, Cap. 34 und 35.
') Raphani, Raphanus sativus L., der eigentliche Rettig. und
R. Radicula (Radieschen).
Neunzehntes Buch. 447
wilde, welche die Griechen Agrion, die Ponter Armon,
Andere Leuce, die Römer Armoracia i) nennen, und deren
Laub stärker als der Stamm ist. Im Allgemeinen berück-
sichtigt man bei der Beurtheilung der Güte den Stengel;
bei den rauhen ist er runder, dicker und langröhrig, die
Blätter haben ein trauriges Ansehn und sind an den Ecken
steif.
Der Rettig muss in ein lockeres, feuchtes Erdreich ge-
säet werden; Mist bedarf er nicht, sondern nur Spreu zur
Düngung. In der Kälte gedeihet er so gut, dass z. B. in
Deutschland solche von der Grösse kleiner Kinder 2) vor-
kommen. Man säet ihn nach dem 13. Februar, und diess
ist der frühzeitige; der aber um die Zeit des Vulkanfestes 3)
gesäet wird, giebt eine bessere Sorte. Viele säen ihn auch
im März, April und September. Wenn er anfängt zu schies-
sen, muss man ein Blatt um das andere ringsum ein-
scharren, die Pflanze selbst aber behäufeln, denn wenn die
Wurzel aus der Erde hervorragt, wird sie hart und schwam-
mig. Aristomachus empfieht, während des Winters die
Blätter wegzunehmen und, damit sich kein Wasser darum
ansammle, zu behäufeln; diese Fürsorge mache ihn im
Sommer recht gross. Einige geben an, wenn man in einen
Pfahl eine Höhlung mache, diese 6 Fingerbreit tief mit
Spreu ausstreue, dann den Samen und hierauf Mist und
Erde bringe, so werde der Rettig so gross als die Höhlung
sei. Salzigen Boden lieben sie am meisten; man begiesst
sie daher auch mit Salzwasser, und in Aegypten, wo sie
am schmackhaftesten sind, mit Natronlauge. Ueberhaupt
nimmt ihnen das Salz die Bitterkeit und macht sie den
gekochten ähnlich, denn auch durch Kochen werden sie
süss und schmecken dann ohngefähr wie die Rüben. Die
Aerzte empfehlen, um die Schärfe der Eingeweide zu sam-
meln, dieselben roh mit Salz nüchtern zu essen, wodurch
der Weg zum Brechen gebahnt werde. Auch behaupten
•) Meerrettig. Cochlearia Armoracia L.
*) Nämlich der Köpfe kleiner Kinder. ') Im August.
448 Neunzehntes Buch.
sie, der Saft sei ein nothwendiges Heilmittel für die Brust,
denn die ina Innern des Herzens sitzende Schwindsucht
könne durch nichts anderes gehoben werden; welche Er-
fahrung in Aegypten gemacht worden sei, wo die Könige,
um die Krankheiten zu erforschen, die Leichen seciren
lassen hätten. Als eine griechische Windbeutelei erzählt
man auch, dass in dem Tempel des Apollo zu Delphi der Rettig
einen solchen Vorzug vor den übrigen Speisen gehabt
habe, dass er in goldenen Gefässen, die Beta in Silber, und
die Rübe in Blei geweihet sei. Und damit man wisse, dass
der Feldherr Manius Curius nicht dort geboren sei, will ich
anführen, was nnsere Annalen berichten, dass er nämlich
gerade Rüben auf dem Heerde röstete, als er das Gold,
was ihm die Gesandten der Samniter anboten, ausschlug.
Ueber den Rettig hat auch ein Grieche, Namens Moschion i)
geschrieben. Für am besten zum Verspeisen hält man sie
zur Winterszeit; den Zähnen schaden sie jedoch immer,
denn sie greifen dieselben an, und man weiss, dass Elfen-
l)ein damit polirt werden kann. Zwischen den Rettigeu
und dem Weinstocke besteht eine Art von Hass, denn
dieser entfernt sich, wenn sie daneben gesäet werden.
27.
Die übrigen Gewächse, welche wir unter die knorpeli-
gen reihen, haben eine mehr holzige Beschaffenheit, merk-
würdig aber ist es. dass sie alle scharf schmecken. Unter
ihnen befindet sich eine wilde Art Pastinak, welche die
Griechen Staphylinos 2) nennen. Die andere Art zieht man
aus Wurzeln oder Samen im Frühlinge und im Herbste,
nach Hygin im Februar, August, September und October,
in einem möglichst tief aufgegrabenen Boden. Einjährig
kann sie schon gebraucht werden, nach 2 Jahren ist sie
aber besser, im Herbste verdient sie, namentlich zum Braten
den Vorzug, und auch so (zubereitet) hat sie noch einen
beissenden Geschmack. Der Eibisch 3) unterscheidet sich
•) Arzt, zur Zeit Nero's. ^) Daucas Carota L.
^) Hibiscum. Althaea off. L.
Neunzehntes Buch. 449
vom Pastinak durch seinen dünnen und schlanken Wuchs;
er wird nicht verspeist, sondern nur in der Medizin ange-
wandt. Noch eine vierte, gleichfalls dem Pastinak ähnliche
Art nennen wir die gallische, die Griechen aber Daucos,
aus welcher sie sogar 4 Arten gemacht haben, die unter
den Arzneigewächsen angeführt werden sollen ').
' 28.
Die Pflanze Siser^) verdankt ihren Ruf dem Kaiser
Tiberius, der sie jährlich aus Deutschland kommen
Hess. Die wohlschmeckendste wächst bei der am Rheine
belegenen Festung Gelduba, was beweist, dass ihr ein kaltes
Klima zuträglich ist. Sie enthält in ihrem Innern der Lauge
nach einen Nerven, der aus der gekochten herausgezogen
wird, jedoch einen grossen Theil der Bitterkeit zurücklässt;
diese wird dann vor dem Essen durch Honigmeth gemil-
dert, und dadurch der Geschmack verbessert. Auch die
grössere Pastinaka, jedoch nur die einjährige, hat einen
solchen Nerven. Das Säen des Sisers geschieht in den
Monaten Februar, März, April, August, September und Oc-
tober.
29.
Niedriger als diese, aber dicker und bitterer ist der
Alant 3), welcher an und für sich dem Magen schadet,
aber mit Süssigkeiten vermischt sehr gut bekommt. Ist
der unangenehme Geschmack beseitigt, was auf mehrfache
Weise geschieht, so giebt er eine angenehme Speise ab.
Zu diesem Behufe stösst mau ihn trocken zu feiuem Pulver,
mischt eine süsse Flüssigkeit hinzu, giesst gekochten sauren
Wein^) daran, und setzt eingesottenen Most, oder durch-
kneteten Honig, oder Rosinen oder fleischige Datteln hinzu.
Mit Quitten, Speierlingen oder Pflaumen, zuweilen auch
mit Pfeffer oder Thymian gewürzt, dient er zur Stärkung
eines schwachen Magens. Die grösste Berühmtheit hat er
dadurch erlangt, dass er eine tägliche Speise der Julia
■ ») XX. B. 14. Cap. XXV. B. 64. C.
-) Sium Sisarum L.
^) Inula. Inula Helenium L. •') posca.
Wittstein: Plinius. III. Bd. 29
450 Neunzehntes Buch.
Augusta war. Sein Same ist überflüssig, denn er lässt
sich durch die aus der Wurzel kommenden Augen, gleich-
wie das Schilfrohr, fortpflanzen. Ihr Anbau geschieht aber,
wie beim Siser und Pastinak, in weiten Zwischenräumen
zur Zeit des Frühlings und Herbstes, und zwar wenigstens
3 Fuss weit, weil er sich sehr strauchig ausbreitet. Der
Siser muss übrigens umgesetzt werden.
30.
Nächst diesen folgen die Zwiebelgewächse, welche
Cato vorzüglich zum Aubau empfiehlt, und unter denen er
die megarischen rühmt. Vor allen schätzbar ist aber die
Meerzwiebel); ob sie gleich nur in der Medicin und
zum Schärfen des Essigs gebraucht wird. Keine andere
Zwiebel ist grösser und schärfer als diese. Es giebt 2
medicinische Arten, von denen die eine weisse -), die andere
schwarze Blätter hat. Eine dritte, essbare Art heisst Epi-
menidium ^) , hat schmälere und minder rauhe Blätter.
Alle tragen viel Samen, lassen sich aber durch seitlich
auswachsende Zwiebeln leichter ziehen. Um das Wachsen
zu befördern, biegt man ihre grössten Blätter herab und
bedeckt sie mit Erde, in Folge dessen die Köpfe allen
Saft an sich ziehen. Sie wachsen in grosser Menge wild
auf den Balearen, auf der Insel Ebusus^) und in Spanien.
Der Philosoph Pythagoras hat über die Meerzwiebeln ein
Buch geschrieben, welches ihre arzneilichen Kräfte enthält,
von denen wir im nächsten Bande reden wollen. Die
übrigen Zwiebelgewächse unterscheiden sich durch die
Farbe, Grösse, den angenehmen Geschmack, sodass man
einige sogar noch essen kann, wie die im taurischen Cher-
sones vorkommenden, und nächst diesen die afrikanischen
und apulischen. Die Griechen haben folgende Arten auf-
gestellt: Bulbine^), Setanion, Pythion, Acrocorion, Aegilops,
Sisyrinchium '^). An letzterer wachsen merkwürdigerweise
') Scilla. Scilla maritima L.
^) Diess ist Pancratium maritimum L.
3) Ornithogaium pyrenaicum L. '>) Ibiza.
*) Ornithogaium umbellatum L. ^) Iris Sisyrinchium L.
Neunzehntes Buch. 451
die Wurzeln im Winter tief in die Erde, werden aber
im Frühling, wenn das Veilchen kommt, kleiner, ziehen
sich zusammen und bilden eine fleischige Zwiebel.
Hierher gehört auch das Gewächs, welches in Aegyp-
ten Aron ^) heisst; es kommt in der Grösse der Meerzwie-
bel am nächsten, hat Blätter wie der Ampfer, einen gera-
den, zwei Cubitus langen Stengel von der Dicke eines
Stockes, und eine so weiche Wurzel, dass man sie auch
roh essen kann. Die Knollen werden vor dem Frühjahre
ausgegraben, denn später sind sie nicht mehr so gut. Ihre
Reife erkennt man daran, dass die Blätter von unten auf
vertrocknen. Die alten, sowie die kleinen und langen tau-
gen nichts; die röthlichen, runden und grossen aber werden
geschätzt. Oben sind die meisten bitter, in der Mitte süss.
Aeltere Schriftsteller geben an, die Zwiebeln entständen
nicht anders als aus Samen, allein auf den Feldern bei
Präneste, und in unzähliger Menge bei Remi wachsen sie
wild.
31.
Fast alle Gartenkräuter haben eine einfache Wur-
zel; wie der Rettig, die Beta ^j, der Eppich 3), dieMalve^);
die grösste hat der Ampfer s), welche 3 Cubitus tief geht,
bei der wilden ist sie aber kürzer und saftig, und hält
sich nach dem Ausgraben noch lange Zeit frisch. Einige
haben faserige Wurzeln, wie der Eppich, die Malve; andere
reisige, wie das Basilienkraut; andere: fleischige, wie die
Beta, und noch mehr der Safran •»); bei andern bestehen
sie aus Rinde und Fleisch wie beim Rettig und den weissen
Rüben; andere haben knotige, wie das Gras. Diejenigen
welche keine gerade Wurzel haben, bilden gleich viele
Fasern , wie die Atriplex ") und das Blitum ^). Die Meer-
*) Aus clei- Beschreibung folgt, dass hier Arum Dracunculus L.
gemeint ist.
2) S. 40. Cap. 3) S. 37. Cap. ^) S. XX. ß. 74. Cap.
5) S. XX. B. 7.5. Cap. 6) S. XXI. B. 81. Cap.
■<) S. XX. B. 83. Cap. «) S. XX. B. 93. Cap.
•29*
452 Neunzehntes Buch.
Zwiebel aber, die Zwiebeln, die Zipolle i) und der Knob-
lauch ^) treiben bloss gerade Wurzeln. Einige wilde haben
mehr Wurzeln als Blätter, wie der Aspalax, das Perdicium ^),
der Safran. Dicht gedrängt^) blühen der Quendel^) das
Abrotanum ^) die Steckrübe, der ßettig, die Minze ^), die
Gartenraute; sie und die übrigen fangen mit dem Aufbrechen
auch schon an abzublühen, das Basilienkraut hingegen
blühet stückweise und fängt damit von unten an, daher es
auch am längsten Blüthen trägt. Dasselbe ist mit dem
Heliotropium ^) der Fall. Einige haben weisse , andere
gelbe, andere purpurrothe Blüthen. Die Blätter fallen
von der Spitze an ab bei dem Origanum ^), dem Alant und
zuweilen auch bei der Gartenraute, wenn sie verletzt ist.
Hohle Blätter haben vornehmlich die Zipolle und das Ge-
thyum to).
32.
Den Knoblauch und die Zipollen rechnen die Aegypter
beim Eidschwören unter die Götter. Die Griechen unter-
scheiden folgende Arten der Zipolle: die sardische, sa-
mothracische, alsidenische, setanische, gespaltene und die
askalonische, welche diesen Namen von einer Stadt in Ju-
däa bekommen hat. Alle und vorzüglich die cyprische,
am wenigsten aber die gnidische, reizen, wenn man daran
riecht, zu Thräneu. Alle bestehen ganz und gar aus einem
fetten Knorpel. Die setanische ist, mit Ausnahme der
tusculanischen, die kleinste unter ihnen, schmeckt aber
süss. Die gespaltene und askalonische werden eingemacht.
Die gespaltene lässt man im Winter mit den Blättern ste-
hen, im Frühjahre aber nimmt man diese hinweg, und
dann wachsen aus den Abschnitten neue nach, woher die
') Caepe. AUium Cepa L. die gemeine Zwiebel.
•-) Allium. Allium sativum L. 3) S. XXII. B. 20. Cap.
■*) D. i. alle Blüthen entfalten sich auf einmal.
5) Serpyllum. Thymus Serpyllum L. c) S. XXI. B. 34. Cap.
^) S. 47. Cap. 8j S. XXll. B. 29. Cap. <>) S. XX. B. 62. Cap.
'•') Allium fistulosum L.
Neunzehntes Buch. 453
Pflanze auch benannt worden ist. Dieselbe Beliandlungs-
weise empfiehlt man auch für die übrigen Arten, damit sie
mehr in Knollen als in Samen übergehen. Die alkaloni-
sche 1) ist von ganz eigentbümlicher Beschaffenheit, denn
sie zeigt sich von der Wurzel an gleichsam unfruchtbar,
und deshalb wollen die Griechen sie nicht, gesäet sondern
gepflanzt wissen; ferner soll sie später im Frühlinge, wenn
sie ausschlägt, versetzt werden. Hierdurch nimmt sie an
Dicke zu und wiegt durch schnelles Wachsen den frühem
Zeitverlust auf. Man muss sich aber mit ihnen beeilen,
denn sobald sie reif geworden sind, fangen sie an zu faulen.
Werden sie gepflanzt, so erzeugen sie Stengel und Samen,
und verschwinden selbst ^). Auch die Farbe ist nicht gleich,
denn bei Issus und Sardes giebt es schneeweisse. Die
cretischen sind gleichfalls geschätzt; ob diese mit den as-
kalonischen identisch sind, wird noch bezweifelt, denn sie
bekommen dicke Köpfe, und wenn sie gepflanzt sind, Sten-
gel und Samen. Bloss in ihrem süssen Geschmacke liegt
ein Unterschied. Bei uns giebt es 2 vorzügliche Sorten,
von denen die eine, welche bei den Griechen Gethyon, bei
uns Pallanaca heisst, zum Würzen dient, und in den Mo-
naten März, April und Mai gesäet wird. Die andere Art
der kopftragenden ^) säet man nach dem Herbst-Aequinoc-
tium oder zu Anfang des Frühlings. Hinsichtlich des
scharfen Geschmacks folgen die Arten also: die afrikanische,
gallische, tusculanische, askalouische und amiternische. Die
rundesten sind auch zugleich die besten. Die röthlichen
besitzen mehr Schärfe als die weissen, die trocknen mehr
als die grünen, die rohen mehr als die gekochten, die
dürren mehr als die eingemachten. Die amiternische bauet
man an kalten und feuchten Stellen, und zwar nur, gleich
dem Knoblauch, vermittelst des Kopfes, die übrigen dagegen
durch den Samen. Im ersten Sommer treiben sie keinen
') Allium ascalonicum L.
2) Nämlich unten, d. h. der Wurzelstock nimmt ab.
•'') Allium Porruni L.
454 Neunzehntes Buch.
Samen, sondern nur den Kopf, welcher vertrocknet; im
folgenden Jahre findet das Umgekehrte statt, der Same
hildet sich aus und der Kopf geht zu Grunde. Daher wird
alljährlich der Same um der Zwiebel, und die Zwiebel um
des Samens willen gesetzt. Man verwahrt sie am besten
in Spreu. Das Gethyum hat fast gar keinen Kopf, sondern
gleichsam nur einen langen Hals, schiesst mithin ganz in's
Laub, und wird, wie das Porrum, oft abgeschnitten. Aus
diesem Grunde pflanzt man es auch nicht, sondern säet
es. Die Zwiebeln soll man in einen 3 mal gegrabenen
Boden, in welchem die Wurzeln des Unkrauts ausgerottet
sind, und zwar 10 Pfund auf jeden Morgen säen, Saturey i)
dazwischen bauen, weil dieser dann besser gedeihet, und
wenigstens 4 mal gäten und behacken. Bei uns säet man
die askalonische im Februar. Den Zwiebelsamen erndtet
man ein, wenn er anfängt schwarz zu werden, und bevor
er trocken ist.
33.
Es wird auch schicklich sein, das verwandte Porrum
hier anzuführen, zumal da der Kaiser Nero dieses Schnitt-
lauch in Ruf gebracht hat, denn er ass dasselbe mit Oel
zubereitet jeden Monat an bestimmten Tagen, und nahm
dann ausserdem weiter nichts, nicht einmal Brot zu sich.
Man bauet es durch den Samen nach dem Herbst- Aequi-
noctium, und, wenn es Schnittlauch werden soll, etwas
dichter. Es wird auf demselben Beete geschnitten und
gedüngt, bis es aufgeht. Wird es vor dem Schneiden zu
Köpfen gezogen, so pflanzt man es auch nach dem Auf-
schiessen auf ein anderes Beet, schneidet jedoch zuvor die
obersten Blätter bis auf die Basis ab, und zieht die Köpfe
und die äussersten Häute weg. Die Alten erweiterten die
Köpfe durch Auflegen von Kieselsteinen und Dachziegeln,
und eben so behandelten sie die Zwiebeln. Jetzt werden
die Wurzeln mit einer Hacke sanft aufgerissen, damit sie
etwas gelähmt, bloss nähren und nichts zerstreuen. Es is;;
') Satureja. Satureja hortensis L.
Neunzehntes Buch. 455
bemerkenswerth, dass diess Gewächs, während es Dünger
und einen fruchtbaren Boden gern hat, Nässe verschmähet
und dennoch in jedwedem Boden fortkommt. Das beste
Porrum kommt aus Aegypten, dann folgt das von Ostia
und Aricia. Es giebt 2 Arten Schnittlauch, das krautartige ^)
mit deutlich eingeschnittenen Blättern, welches zu Medica-
menten dient, und dasjenige mit blassern rundern Blättern
und schwächern Einschnitten ^). Man sagt, der römische
Ritter Mela habe, als er angeklagt und vom Kaiser Tibe-
rius von seiner Verwaltungsstelle abberufen wurde, in höch-
ster Verzweiflung eine 3 Silberdenare schwere Menge Por-
rumsaft verschluckt, und gleich darauf ohne schmerzhafte
Symptome den Geist aufgegeben. Eine grössere Quantität
davon soll aber unschädlich sein.
34.
Den Knoblauch 3) hält man für ein ausgezeichnetes
Heilmittel unter den Landleuten. Er ist von leicht trenn-
baren und sehr zarten allgemeinen Häuten eingeschlossen,
unter welchen sich mehrere, wiederum besonders eingeklei-
dete Knollen befinden. Er besitzt einen sehr scharfen und
um so stärkern Geschmack, jemehr Knollen er hat. Sein
Genuss ertheilt, gleichwie die Zipollen, dem Athem einen
unangenehmen Geruch, doch nur dann, wenn er nicht ge-
kocht war. Seine Arten unterscheiden sich nach der Jah-
reszeit; der frühzeitige wird in 60 Tagen reif. Ein anderes
Merkmal liegt in der Grösse. Die Art Ulpicum^) nennen
die Griechen cyprischen Knoblauch, Andere Antiscorodon ;
er steht besonders in Afrika als Landgemüse in Ruf und
ist grösser als der gewöhnliche. Mit Oel und Essig abge-
rieben macht er ausserordentlich viel Schaum. Diesen und
den gewöhnlichen Knoblauch soll man nicht auf Ebenen
sondern auf einzelne Erdhaufen, die 3 Fuss von einander
entfernt sind, säen. Die Körner müssen fingerbreit von
') Allium Scorodoprasum L. ^) Alliuni Schoenoprasuni L.
3) Allium. A. sativum L.
*) Nach Columella der ffrosszwiebelige Knoblauch.
456 Neunzehntes Buch.
einander abstehen, und die Pflanzen, sobald 3 Blätter her-
vorgebrochen sind, behackt werden. Je öfter man sie be-
hackt, um so grösser werden sie. Ist der Stengel ausge-
wachsen, so biegt man ihn herab und scharret ihn in die
Erde, um den zu grossen Blatttrieb zu verhüten. In kalten
Gegenden wird er zweckmässiger im Frühlinge als im
Herbste gesäet. Uebrigens sollen alle diese Gewächse,
damit sie nicht riechen, gesäet werden wenn der Mond
unter der Erde ist, und gesammelt, wenn er sich in der
Zusammenkunft befindet. Ausserdem sollen, dem griechi-
schen Schriftsteller Menander i) zufolge, Personen, welche
Knoblauch und hinterher auf Kohlen geröstete Beten essen,
den Geruch verlieren. Einige halten es für das beste, das
Ulpicum zwischen dem Feste der Lares compitales ^) und
dem des Saturns zu säen. Der Knoblauch entwickelt sich
auch aus dem Samen, aber langsam; im ersten Jahre näm-
lich erlangt der Kopf (die Zwiebel) die Dicke des Porrum,
im zweiten theilt er sich, und erst im dritten gelangt er
zur vollständigen Ausbildung. Hier und da zieht man
solches Gewächs vor. Man muss ihn nicht in Samen
schiessen lassen, sondern den Stengel umbiegen, damit der
Kopf, behufs der Fortpflanzung, stärker werde. Will man
Knoblauch und Zipollen alt werden lassen, so taucht man
sie in warmes Salzwasser; diess macht sie nun wohl dauer-
hafter und zum häuslichen Gebrauch besser, vernichtet aber
ihre Fähigkeit, sich fortzupflanzen. Einige begnügen sich
damit, sie erst über glühende Kohlen zu hängen, und glau-
ben dadurch das Auskeimen zu verhüten, aber diess er-
reicht man auch, wenn sie ausserhalb der Erde sind, selbst
der schon vorhandene Stengel vergeht dann. Andere glauben,
der Knoblauch werde am besten in Spreu aufbewahrt. Es
giebt auch eine Art Knoblauch, welche auf Feldern wild
') Ein nicht näher bekannter Autor, schrieb nach Plinius nütz-
liche Bemerkungen für das Leben [Bio^Q-rioxa).
-) Diese standen an den Scheidewegen. Das Fest wurde am Ende
des Jahres gefeiert.
Neunzehntes Buch. 457
wächst imd Alum genannt wird; diesen kocht man, damit
er nicht wieder keimt, und streuet ihn für die Vögel, wel-
che die Aussaat wegfressen. Sobald diese davon verzehrt
haben, werden sie so betäubt, dass man sie mit der Hand
fangen kann, und wenn man ein wenig wartet, so verfallen
sie in tiefen Schlaf. Eine andere wilde Art, Bärenlauch i)
genannt, hat einen milden Geruch, kleinen Knollen und
grosse Blätter.
35.
Unter den Gärtengewächsen schiesst am schnellsten:
die Basilie, das Blitum, die Steckrübe und die Eruca 2)^
denn sie brechen schon am dritten Tage hervor; der Dill
am vierten, der Lattich am fünften, der Rettig am sechsten^
die Gurke und der Kürbiss am siebenten, jedoch die Gurke
etwas früher, das Nasturtium 3) und der Senf ^) am fünften,
die Beta im Sommer am sechsten, im Winter am zehnten,
die Atriplex am achten, die Zipolle am neunzehnten oder
zwanzigsten, das Gethyum am zehnten oder zwölften, der
Coriander •■^) etwas später, die Cunila»^) und das Origanum
nach dem dreissigsten, am spätesten aber der Eppich, denn
er braucht mindestens 40, gewöhnlich aber 50 Tage zum
Aufbrechen. Einigen Einfluss hat auch das Alter der Sa->
men; vom Porrum, Gethyum, der Gurke und dem Kürbiss
geht frischer Same früher auf, vom Eppich , der Beta dem
Nasturtium, der Cunila, dem Origanum und Coriander hin-
gegen treibt alter schneller. Merkwürdig ist es am Beten-
Samen, dass er im ersten Jahre nur theilweise aufgeht,
und von dem zurückgebliebenen ein Theil im zweiten, und
der andere erst im dritten nachkommt; daher entspricht
die Summe der aufgehenden Pflanzen in jedem Jahre keines-
wegs den ausgestreueten Samen. Einige Gewächse tragen bloss
in dem Jahre ihrer Entwicklung Samen ''), andere öfter, wie der
Eppich, das Porrum, das Gethyum. Sind diese letztern einmal
gesäet, so bleiben sie eine Reihe von Jahren hindurch fruchtbar^
») ursinum. Allium ursinum L. ^) S, 44. Cap. ») s. 44. Cap.
-») Sinapis. Sinapis alba L. ^) Coriandrura sativum L.
6) S. XX. B. 61. Cap. etc. ') D. h. es sind einjährige.
458 Neunzehntes Bucli,
36.
Die meisten Gewächse haben runde Samen, einige
längliche, nur wenige blattartige und breite, wie die Atri-
plex, einige dünne und gerinnelte, wie das Cuminum. Auch
durch die Farbe unterscheiden sie sich, denn es giebt
schwarze und weisse, desgleichen durch die holzige Härte.
In Kapseln eingeschlossen sind sie beim Rettig, dem Senf
und der weissen Rübe. Nakte Samen hat der Eppich, Co-
riander, Dill, Fenchel, das Cuminum; in eine Haut geklei-
dete das Blitum, die Beta, Melde, das Basilienkraut; woll-
haarige der Lattich. Keins ist fruchtbarer als das Basilien-
kraut; man schreibt vor, dasselbe mit Fluchen und Ver-
wünschungen zu säen, damit es leichter aufwachse. Nach-
dem es gesäet, wird die Erde fest gestampft. Die das
€uminum Säenden beten, damit er nicht ausgehe. Der
Same, welcher in einer Hülle sitzt, trocknet schwierig aus,
z. B. der des Basilienkrautes und Gith i); allderartiger
Same wird künstlich getrocknet und ist fruchtbar. In der
Regel wächst der Same besser, wenn er gehäuft, als wenn
er dünn ausgestreuet liegt, nnd bekanntlich säet man das
Porrum und den Knoblauch in kleinen Bündeln einge-
schlossen, auch den Eppich in ein mit einem Pflock ge-
machtes und mit Mist versehenes Loch. Alle Pflanzen
aber wachsen entweder aus Samen oder aus Abreissern,
einige aus Samen und Reisern, wie die Raute, das Origa-
uum, das Ocimum; letzteres nämlich wird auch, wenn es
handhoch ist, abgeschnitten. Andere hingegen aus der
Wurzel und dem Samen, wie die ZipoUe, der Knoblauch,
die Knollengewächse, und diejenigen, deren Wurzeln, wenn
sie 1 Jahr getragen haben, in der Erde stehen geblieben
sind. Diejenigen, welche aus der Wurzel hervorwachsen,
haben eine dauerhafte und feste, wie die Knollengewächse,
das Gethyum und die Meerzwiebel. Einige wachsen stau-
denartig und ohne Köpfe, wie der Eppich, die Beta. Wenn
•) S. 52. Cap.
Neunzehntes Buch. 459
man den Stengel abschneidet, so sehlagen die meisten,
ausgenommen die welche keinen rauhen Stengel haben,
wieder aus. Diese Eigenschaft benutzt man beim Ocimum,
dem Rettig und dem Lattich, und hält den nachgewachsenen
Theil für wohlschmeckender. Der Rettig wird sicher schmack-
hafter, wenn man ihm die Blätter nimmt, bevor der Stengel
treibt. Ebenso die Steckrüben, denn auch sie wachsen,
nach Wegnahme der Blätter, mit Erde bedeckt und halten
sich den Sommer über.
37.
Von folgenden Gewächsen giebt es nur eine Art: von
Ocimum, Ampfer, Blitum, Nasturtium, Eruca, Atriplex, Co-
riander, Dill, denn sie sind sich überall gleich, und an
einem Orte nicht besser wie am andern. Nur glaubt man,
gestohlene Raute sei fruchtbarer, wogegen gestohlene Birnen
am schlechtesten gedeihen. Einige entstehen, ohne gesäet
zu sein, wie die wilde Minze i), die Katzenminze 2), die
Cichorie, der Poley. Viele Arten aberhaben die, welche
wir bereits angeführt haben und noch nennen werden, be-
sonders der Eppich. Diejenige Art davon, welche an
teuchteu Plätzen wächst, heisst Helioselinum ^) und hat nur
ein *), unbehaartes Blatt; die an trocknen Orten vorkommende
heisst Hipposelinum •'), sieht jeuer ähnlich, hat aber meh-
rere Blätter. Die dritte Art hat Blätter wie der Schierling,
eine dünne Wurzel, Samen wie der Dill, nur etwas kleiner,
und heisst Oreoselinum ß). Auch der angebauete kommt
mit dichten, krausen, dünnen und schwachen Blättern, mit
dünnem und dickem Stengel vor; letzterer ist ferner bei einigen
weiss, bei andern purpurroth oder bunt.
38.
' Die Griechen unterscheiden 3 Arten Lattich; eine
») Mentastrum. ^} Nepeta. Nepeta cataria L.
3) Apium graveoleus L.
<) In Theophrast steht /j.avo (fvklov, (dünnes Blatt), was Plinius
wahrscheinlich für [xovo (pvXXov gelesen hat.
^) Smyrnium olusatrum L.
•*) Seseli annuum L.?
460 Neunzehntes Buch.
davon hat einen so breiten Stengel, dass daraus sogar
kleine Gartenthüren gemacht werden sollen, die Blätter
sind etwas grösser als Grasblätter und ganz sehmal, gleich-
sam als wenn die Pflanze ihre Nahrung vorzüglich nur
auf andere Theile tibertragen habe. Die zweite Art hat
einen runden Stengel, die dritte sitzt (an der Erde) und
heisst die laconische. Andere theilen die Arten nach der
Farbe und Saatzeit ein, nämlich eine schwarze, die im
Januar, eine weisse, die im März, und eine röthliche, die
im April gesäet würde, und alle würden 2 Monate später
versetzt. Genauere Landwirthe unterscheiden noch mehr
Arten: eine purpurrothe, krause, cappadocische, griechisch»
mit längern Blättern und breitem Stengel, ferner mit langen
und schmalen Blättern wie die Cichorie. Die schlechteste
Art ist wegen ihrer abscheulichen Bitterkeit Picris i) ge-
nannt worden. Noch eine andere Art, die schwarze, heisst
Mecoiiis wegen des in grosser Menge darin enthaltenen
Schlaf erregenden Milchsaftes, doch sollen auch die übrigen
diese Wirkung haben. Unsere Vorfahren in Italien kannten
nur diese Art allein, und nannten sie desshalb Lactuca ^).
Die purpurrothe, welche die grösste Wurzel hat, heisst die
cäcilianische, die runde, mit der kleinsten Wurzel und
breiten Blättern: die stengellose, nach Andern die entmannte,
weil ihr Genuss der Liebe am meisten widerstehen machen
soll. Doch sind sie alle von Natur kühlend und daher im
Sommer eine angenehme Speise, benehmen auch den Ekel
und machen Appetit. Man weiss, dass der Kaiser Augustus
durch die Geschicklichkeit des Arztes Musa mittelst Lattich
von einer Krankheit geheilt worden ist. Während die Alten
den Lattich zu sehr vernachlässigten, ist er dagegen jetzt
so ausserordentlich beliebt, dass man ausfindig gemacht
hat, ihn in Sauerhonig für diejenigen Monate, in welchen
er nicht frisch zu haben ist, aufzubewahren. Man glaubt
auch, dass er das Blut vermehre. Es giebt noch eine Art
') Urospermum echioides L. -) von lac. Lactuca sativa L.
Neunzehntes Buch. 461
der sogenannte Ziegenlattich, dessen wir unter den Arznei-
gewächsen näher erwähnen wollen i). Unter den Garten-
gewächsen beginnt die sehr beliebte Art Lattich, welche
die cilicische heisst und ein der cappadocischen ähnliches
jedoch krauses und breites Blatt hat, Eingang zu finden.
39.
Die lutubi *) können weder zu derselben Art, noch
zu einer andern gerechnet werden; sie sind nicht so em-
j'^ndlich gegen den Winter, scheinen giftige Eigenschaften
zu haben, liefern aber nicht minder wohlschmeckende Sten-
gel. Es giebt auch einen sich weit ausbreitenden Intubus,
welcher in Aegypten Cichorium heisst, von dem wir aber
ein anderes Mal reden wollen ^). Man hat ausfindig gemacht,
alle Sträusse und Blätter der Latticharten durch Einschlie-
ssen in Krüge auf lange Zeit zu conserviren und die so
frisch erhaltenen in Pfannen zu kochen. Lattich säet man
das ganze Jahr hindurch auf fruchtbaren, feuchten und
gedüngten Boden; zwischen der Aussaat und der Reife der
Pfianze verlaufen 2 Monate. Doch soll man eigentlich
gleich nach dem kürzesten Tage aussäen, und zu Anfang
des Frühlings die Pflanzen versetzen, oder um diese Zeit
säen, und im Frühlings- Aequinoctium versetzen. Die wei-
ssen vertragen die Kälte am besten. Alle Gartengewächse
lieben Feuchtigkeit und Dünger, vorzüglich der Lattich
und noch mehr der Intubus. Es ist auch von Nutzen, die
"Wurzel vor dem Setzen mit Mist zu bestreichen, und die
durch Umgraben entstandenen Vertiefungen mit Erde aus-
zufüllen. Einige befördern auch die Ausbreitung der Ge-
wächse dadurch, dass sie dieselben, wenn sie V2 Fuss hoch
sind, abschneiden, und mit frischem Schweinmiste bestrei-
chen. Man glaubt, nur diejenigen würden weiss, welche
aus weissem Samen wüchsen, wenn vom Beginn des Wach-
sens an Ufersand zwischen sie gestreuet wird, und die
ii S. XX. B. 24. Cap.
■•') Intubi. Cichorium Intylaif; L. und Cichorium Endivia L.
=) S. XX. B. -29. Cap.
462 Neunzehntes Buch.
sich ausbildenden Blätter an den Stengel hinaufgebunden
werden.
40.
Der Mangold 1) ist unter allen Gartengewächsen das
leichteste. Die Griechen unterscheiden 2 Arten desselben
nach der Farbe, die schwarze 2) und weisse^); letztere wird
vorgezogen, hat sehr wenige Samen, heisst die sicilische,
und wird, was die Farbe anbetrifft, noch dem Lattich vor-
gezogen. Wir theilen denselben, nach der Zeit der Aus-
saat, in den Frühlings- und Herbst-Mangold, doch säet man
ihn auch im Juni. Er wird gleichfalls verpflanzt, und es
ist zweckmässig, die Wurzeln mit Mist zu bestreichen und
den Boden recht feucht zu halten. Man gebraucht ihn mit
Linsen und Bohnen, und ebenso wie Kohl, namentlich aber
in Verbindung mit Senf, um seine Milde mit Schärfe zu
paaren. Die Aerzte sind der Meinung, er sei schädlicher
als Kohl; ich erinnere mich auch nicht, ihn auf dem Tische
gesehen zu haben, denn man hält es für bedenklich, ihn
zu kosten, und nur für kräftige Personen möchte er sich
eignen. Er ist von doppelter Natur, nämlich wie der
Kohl und wie die Zwiebel, und die Güte hängt von der
Breite ab. Diese erlangt er, wenn, wie beim Lattich, im
Anbeginn der Färbung ein leichtes Gewicht darauf gelegt
wird. Kein anderes Gewächs breitet sich mehr als dieses
aus, mitunter bis auf 2 Fuss, was übrigens viel von der
Beschaffenheit des Bodens abhängt. Im circeiensischen
Gebiete findet man die grössten. Manche glauben, die
beste Säezeit sei, wenn der Granatapfel blüht, uud die
beste Verpflanzung, wenn 5 Blätter zum Vorschein gekom-
men sind. Merkwürdig ist der, wenn anders gegründete
Unterschied, dass der Genuss der weissen: Oefifnung, der
der schwarzen: Verstopfung bewirkt, und dass, wenn der
Geschmack des Weines in einem Fasse durch Kohl ver-
») Beta. 2) Beta vulgaris L.; die rothe Spielart.
3) Beta cicla L.
Neunzehntes Buch. 465
dorben ist, eingetauchte Mangoldblätter ihn wieder ver-
bessern.
41.
Dass Kohl und Krauts), welche gegenwärtig die
wichtigsten Gärtengewächse sind, von den Griechen beson-
ders geachtet wurden, finde ich nirgends angeführt. Cato
aber macht auf den Kohl grosse Lebenserhebungen, die
wir bei den Arzneien gehörigen Orts anführen wollen. Er
unterscheidet 3 Arten, eine mit ausgedehnten Blättern und
grossem Stengel, eine andere mit krausen Blättern, welche
er Eppichkohl ^) nennt , eine dritte mit kleinen Stengeln^
mild und zart, aber am werthlosesten. Kohl wird das
ganze Jahr hindurch gesäet und geschnitten, am zweckmä-
ssigsten säet man ihn jedoch nach dem Herbst-Aequinoctium^
und versetzt ihn, wenn er 5 Blätter hat. Die jungen Spro-
ssen vom ersten Schnitte sind im folgenden Friihliuge am
besten; diess sind nämlich an den Stengeln selbst wach-
sende feinere und zartere Stengel, welche von dem Schwel-
ger Apicius und durch diesen vom Drusus Cäser verschmä-
het wurden, und weshalb dieser von seinem Vater Tiberius
Strafe bekam. Nach jenen Sprossen schiessen aus derselben
Kohlstaude die Sommer-, Herbst- und Winterstengelchen,
dann wiederum Sprossen — denn keine Art ist so frucht-
bar als diese — bis sie durch ihre eigene Fruchtbarkeit
aufgerieben wird. Die dritte Art wird im Solstitium gesäet
und bei feuchtem Boden im Sommer, bei trockuem im
Herbste verpflanzt. Mangel an Mist und Feuchtigkeit be-
dingen einen angenehmem Geschmack, und Ueberfluss au
beiden grössere Fruchtbarkeit. Eselsmist leistet hier die
besten Dienste. Auch diess Gewächs gehört zu den Lecke-
reien, daher wir uns wohl etwas ausführlicher darüber
verbreiten müssen. Ganz besonders schmackhaft und gross
wird der Kohl, wenn man ihn in zweimal gegrabene Erde
säet die über die Erde sich erhebenden Stengel au dem
' Olus et caules. Brassica oleracea L. und deren Varietäten.
2) apiana.
4(54 Neunzehntes Buch.
Boden abschneidet und an die, welche sich im üppigen
Wüchse vom Boden erheben, soviel andere Erde häuft,
dass nur die Spitzen hervorragen. Man nennt diese Art,
wobei man Unkosten und Verdruss doppelt rechnen muss,
die dreifache. Der übrigen Arten sind noch eine ziemliche
Anzahl. Die cumanische bat sitzende Blätter und einen
offnen Kopf; die ariciniscbe ist nicht höher, hat mehr, aber
weniger zarte Blätter, und wird für die beste gehalten,
weil sie fast unter allen Blättern besondere Stiele treibt.
Die pompejanische ist höher, der Stengel von der Wurzel
an dünn, in der Nähe der Blätter aber dick, die Blätter
sind weniger zahlreich und schmäler, aber ihrer Zartheit
wegen geschätzt, verlieren jedoch durch Kälte. Dagegen
ist die Kälte der brutianischen Art mit grossen Blättern,
dünnem Stengel und vom scharfen Geschmacke zuträglich.
Die sabellische Art hat ausgezeichnet krause Blätter, deren
Dicke den Stengel selbst (scheinbar) dünne macht, und
wird für die süsseste von allen gehalten. Vor Kurzem ist
auch die seethurraige aus dem aricinischen Thale, wo ehe-
mals ein See war und noch ein Thurm steht, bekannt ge-
worden, welche einen sehr grossen Kopf und zahllose
Blätter trägt, und von der einige sich rundum ausdehnen,
andere in die Breite wachsen. Auch hat keine, nächst
der dreifachen, einen grössern Kopf, der zuweilen 1 Fuss
misst, und keine bekommt die Sprossen später. Alle Arten
macht der Keif delikater, wenn aber das Mark nicht durch
einen Querschnitt geschützt wird, so schadet er sehr. Kohl,
der zur Saat bestimmt ist, wird nicht geschnitten. Auch
derjenige, welcher den Habitus der Pflanze nie überschreitet,
ist vorzüglich gut; er heisät Seekohl i), weil er nur am
Meere wächst, und hält sich selbst auf langer Seefahrt
grün. Nachdem er abgeschnitten, thut man ihn sogleich,
ohne dass er die Erde berührt hat, in kurz zuvor getrock-
nete Oelfässer, und verschliesst diese sorgfältig vor dem
Zutritt der Luft. Einige glauben, die Pflanze komme schneller
') halniyviiHa. Crambe maritima L.?
Neunzehntes Buch. 465
zur Reife, wenn man beim Versetzen Seegras und so viel
Natron, als man mit 3 Fingern fassen kann, unter den
Stengel lege. Andere streuen ein Gemenge von Kleesamen
und Natron auf die Blätter. Ein Zusatz von Natron beim
Kochen erhält sie auch grün, oder, wenn man sie, nach
apicianischer Weise, vor dem Kochen in Oel und Salz ein-
weicht. Auch bei den Kräutern bedient man sich einer
Art Pfropfens, indem man die Sprossenaugen des Stengels
abschneidet und in das Mark Samen von andern Pflanzen
steckt. Diess geschieht unter andern bei der wilden Gurke.
Es giebt noch einen wilden Kohl mit 3 Blättern, welcher
durch die Gedichte des göttlichen Julius (Caesar) und
durch Soldatenscherze berühmt geworden ist, denn in einem
Verse um den andern warfen sie ihm vor, dass sie bei
Dyrrachium von Lapsana i) hätten leben müssen, und spot-
teten über seine Sparsamkeit bei Austheilung der Geschenke.
Diese Pflanze ist aber der wilde Kohl.
42.
Unter allen Gartengewächsen wird die meiste Sorgfalt
auf den Spargel^) verwendet. Ueber seinen Ursprung
wurde bei den wilden Kräutern genügend gesprochen und
ebendaselbst angeführt, wie er, nach Cato's Anleitung, in
Rohrgebüsche zu säen sei. Es giebt noch eine andere Art,
welche weniger angebaut ist als der Gartenspargel, milder
als der Corruda^) schmeckt, hin und wieder auf Bergen,
und Felderweise im obern Deutschland wächst, und von
dem der Kaiser Tiberius die witzige Aeusserung machte,
es wachse dort ein dem Gartenspargel sehr ähnliches
Kraut. Derjenige aber, welcher auf der campanischen In-
sel Nesis wild wächst, wird für den besten gehalten. Man
pflanzt den Gartenspargel durch Wurzeln *) fort, denn er
hat deren sehr viele und geht sehr tief. Zuerst bricht ein
Strunk hervor, der, zum Stengel aufwachsend, sich mit der
•) Sinapis incana L., oder vielleicht eher Raphanus Raphanistrum.
'■') Asparagus officinalis L. ») Asparagus acutifolius L.
'*) spTongiae.
Wittstein: Plinius. UI. Bd. 30
466 Neunzehntes Buch.
Zeit hoch erhebt und in breite Büsche vertheilt. Man kann
ihn auch aus dem Samen ziehen. Cato hat keine Materie
fleissiger bearbeitet, und sie umfasst das Letzte seines
Werks, woraus erhellet, dass dieser Mann dem Spargel
auf einmal ganz zuletzt seine Sorge widmete. Man soll
nach Ihm einen feuchten und dichten Boden zurichten, und
den Spargel nach allen Seiten hin i;, Fuss weit von ein-
ander pflanzen, damit er nicht zertreten werde. Ausserdem
soll man der Schnur entlang 2 bis 3 Körner mittelst
eines Pflockes (denn damals zog man den Spargel bloss
aus Samen) und zwar nach dem Frühlings-Aequinoctium
einsetzen. Man müsse ferner gut düngen, fleissig gäten,
und sich vorsehen, dass mit dem Unkraute nicht auch der
Spargel herrausgerissen werde. Im ersten Jahre bedecke
man ihn im Winter mit Stroh, im Frühjahre lüfte man
wieder, behacke und gäte, im dritten Frühlinge aber zünde
man ihn an. Je zeitiger man ihn anzündet, desto besser
gedeihet er. Daher steht er am zweckmässigsten in Rohr-
gebüschen, weil diese früh angezündet werden. Cato sagt,
man müsse ihn nicht früher behacken, bis er emporge-
wachsen sei, damit die Wurzeln nicht verletzt würden.
Hierauf müsse der Spargel nahe an der Wurzel abgerissen
werden, denn bräche man ihn ab, so verholze er und sterbe
ab. Dass Abreissen kann so lange geschehen, bis der
Same ansetzt. Dieser werde aber im Frühjahre reif, dann
wird angezündet, und wenn der Stengel neuerdings erscheint,
behacke und dünge man. Nach neun Jahren setze man
ihn in geackertes und gedüngtes Land, und pflanze ihn
durch Wurzeln, welche 1 Fuss weit von einander entfernt
sind, fort. Man soll namentlich Schafmist gebrauchen, weil
aller andere leicht Unkraut erzeugt. Hernach fand man
es am zweckmässigsten, um die Mitte des Februars Samen,
welcher haufenweise vergraben, und besonders in Mist ein-
geweicht ist, in kleine Gruben zu säen. Wenn dann die
Wurzeln sich in einander verflochten haben, versetzt man
nach dem Herbst-Aequinoctium 1 Fuss weit von einander,
was eine zehnjährige Fruchtbarkeit zur Folge hat. Kein
Neunzehntes Buch. 4(57
Boden eignet sich besser für ihn als das Gartenland zu
Ravenna. — Unter dem bereits erwähnten Corruda verstehe
ich den wilden Spargel, welchen die Griechen Hormenum,
Myacanthum oder auch anderes nennen. Ich finde, dass
der Spargel auch gut wachsen soll, wenn man ihn mit
zerstossenen Widderhörnern düngt.
43.
Es könnte nun scheinen, als haben wir alles, was ei-
nigen Werth hat, angeführt, wenn nicht noch des bedeu-
tenden Ertrags von einem Gegenstande, dessen man nicht
ohne Schaam erwähnen kann, gedacht werden müsste.
Man bauet nämlich, namentlich bei Carthagena und Cor-
duba Disteln 0, welche von kleinen Feldern einen Ge-
winn von 6000 Sesterzien abwerfen; denn wir bringen auch
die hässlicben Ausgeburten der Erde, ja selbst das was
die damit vertrauten Thiere vermeiden, zu Leckereien in
die Küche. Man bauet diese Disteln auf zweierlei Weise,
durch junge Pflanzen im. Herbste und durch Samen vor
dem 7. März; die Pflanzen davon werden vor Mitte No-
vember oder in kalten Gegenden im Februar versetzt,
merkwürdiger Weise auch gedüngt und gedeihen dann
besser, ferner in mit Essig vermischtem Honig eingemacht,
und Laserwurzel nebst Rosskümmel zugesetzt, damit kein
Tag ohne Disteln hingeht.
44.
Die übrigen Gewächse brauche ich nur kurz anzu-
deuten. Das Ocimum soll am Feste der Pales gesäet
werden, doch kann diess auch im Herbste geschehen; wenn
aber die Aussaat im Winter vorgenommen werden soll,
so müsse man den Samen in Essig einweichen. Die Eruca 2)
und die Brunnenkresse 3) säet naan gleichfalls um die-
selbe Zeit, und beide wachsen im Sommer oder Winter am
besten heran. Namentlich widersteht die Eruca der Kälte
sehr gut, ist von dem Lattich verschieden und reizt zum
') Cardui. Cynara Scolymus L. die Artischoke.
2) Eruca sativa L. 3) Nasturtium. Nasturtium officinale Br.
30*
4ßg Neunzehntes Buch.
Geschlechtstrieb, daher man sie mit jenem vermischt ver-
speist, um allzugrosse Kälte durch Hitze zu massigen.
Die Brunnenkresse hat ihren Namen von dem Reize, den
sie auf die Nase ausübt i). Mau gebraucht daher diess
Wort als Redensart zur Bezeichnung der Lebhaftigkeit,
welche auf einen trägen (gleichsam der Betäubung ähn-
lichen) Zustand erfolgt ist. In Arabien soll sie eine ausser-
ordentliche Grösse erlangen.
45.
Die Raute-) wird gleichfalls im ersten Frühlinge und
nach dem Herbst- Aequinoctium gesäet; Kälte, Feuchtigkeit
und Mist schaden ihr, an sonnigen und trocknen Plätzen
sowie in Ziegelerde gedeihet sie gut. Sie muss mit Asche
gedüngt werden, und zur Abhaltung der Raupen mischt
man dieselbe unter den Samen. Bei den Alten stand diess
Gewächs in besonderm Ansehn. Ich finde, dass Corne-
lius Cethegus, der College des Quintius Flamininus
im Consulate, dem Volke nach Beendigung des Wahlaktes
Rautenmost reichen Hess. Die Raute ist dem Feigenbaume
so befreundet, dass sie nirgends besser als unter diesem
gedeihet. Sie wird auch durch Reiser fortgepflanzt, und
diess geschieht zweckmässig dadurch, dass man ein solches
in eine durchbohrte Bohne steckt, deren Saft den Steckling
nährt. Endlich zieht man sie durch sich selbst; wenn man
nämlich die Spitze eines Astes zur Erde biegt, so schlägt
er gleich Wurzeln. Dieselbe Eigenschaft besitzt das Ba-
silienkraut, nur wächst dieses nicht so leicht. Sobald die
Pflanze einige Festigkeit erlangt, wird sie gesäubert, was
etwas schwierig ist, weil sie leicht juckende Geschwüre
erzeugt, wenn man die Hände nicht vorher mit Oel be-
strichen hat. Man hebt die Blätter in Bändeln auf.
46.
Den Eppich bauet man nach dem Frühlings-Aequinoc-
tium, und stösst zuvor den Samen ein wenig im Mörser,
denn durch diese Behandlung, oder auch, wenn man die
>) -a narium tonnento. -) Ruta. Rata greveoleus L.
Neunzehntes Buch. 469
Saat mit einer Walze oder mit den Füssen eintritt, soll er
krauser werden. Er hat das Eigenthümliche, die Farbe zu
wechseln. In Acbaja widerfährt ihm die Ehre, dass die
Sieger in den heiligen Nemeischen Kampf-Spieleu damit
bekränzt werden.
47.
Um dieselbe Zeit wird die, Minze durch die Pflanze i)
oder, wenn sie noch nicht ausgeschlagen ist, durch die
"Wurzel gebauet. Sie liebt trocknen Boden. Im Sommer
ist sie grttn, im Winter gelblich. Eine wilde Art, die
Rossminze 2), wird entweder auf ähnliche Weise wie der
Weinstock oder durch Umkehren der Aeste fortgepflanzt.
Den Namen mentha hat sie bei den Griechen des ange-
nehmen Geruchs wegen bekommen, denn sie hiess sonst
mintha, und davon haben unsere Vorfahren den Namen
abgeleitet. Seit Kurzem bezeichnet man sie auch mit
'HSvoafxog. Bei ländlichen Gastmahlen duften die Tische
vom Aroma der Minze. Einmal gesäet dauert sie eine
Reihe von Jahren hindurch aus. Ihr nahe steht der Poley 3),
der, wie ich bereits angeführt habe, die Eigenschaft hat,
in den Speisekammern nochmals zu blühen. Minze, Poley
und Nepeta werden auf gleiche Weise aufbewahrt. Doch,
wenn wir auch alle übrigen Gewürze verwerfen wollen, so
bleibt doch der RosskümmeH) das beliebteste. Er wur-
zelt nur in der obersten Erdschicht, sodass er kaum darin
befestigt ist, und wächst hoch empor. Man muss ihn
namentlich an warme, und faulende Stoffe enthaltende
Plätze mitten im Frühlinge säen. Die wilde Art, welche
Einige den Bauernkümmel, Andere den thebaischen nennen,
hilft zerrieben mit Wasser getninken, gegen Magenschmerzen.
In unserm Welttheile ist der carpetanische der beste,
ausserdem hat der aethiopische und afrikanische den Vor-
1) D. i. durch Reiser.
-) Mentastrum. Mentha sylvestris L. Unter der nicht wilden
Art ist vorzüglich Mentha piperita L. zu verstehen.
3) Pulegium. Mentha Pulegium L.
^) Cuminum. Cuminum Cyminum L.
470 Neunzehntes Buch.
zug, und Einige schätzen den ägyptischen noch höher als
diesen.
48.
Von ganz wunderbarer Beschaffenheit ist das Olusa-
trum^), welches die Griechen Hipposelinum 2), Andere
Smyrnium nennen. Es wächst aus dem Thränensafte seines
Stengels, wird aber auch mittelst der Wurzel fortgepflanzt.
Der davon gesammelte Saft soll wie Myrrhe schmecken,
und nach Theophrast's Angabe wäre diess Gewächs aus
gesäeter Myrrhe entstanden. Die Alten bauten die Pferde-
silge an wüste, steinige Plätze neben Gartenmauern, jetzt
geschieht es auf zweimal geackertem Boden vom Beginn
des Frühlings bis nach dem Herbst-Aequinoctium. Ebenso
säet man auch die Kapper in trocknes Erdreich, dessen
Fläche man beim Graben hohl macht und allenthalben mit
einer Steinwand umgiebt, weil sie sonst den Acker durch-
wuchert und unfruchtbar macht. Sie blühet im Sommer,
bleibt bis zum Untergange des Siebengestirns grün, und
liebt besonders sandigen Boden. Die Fehler dieses über-
seeischen Gewächses haben wir bei den fremden Stauden
genannt.
49.
Auch der FeldkümmeH), der nach einem Volke
benannt ist, gehört zu den ausländischen Gewächsen. Er
wird viel in der Küche gebraucht, und erfordert denselben
Boden wie die Pferdesilge. Der beste kommt aus Carlen,
und auf diesen folgt zunächst der phrygische.
50.
Das wilde Ligusticum^) wächst auf den Bergen seines
Vaterlandes Ligurien; man säet es überall, das angebauete
ist zwar milder aber nicht kräftig. Einige nennen es Pa-
*) Smyrnium Olusatrum L.
-) Pferdesilge.
3) Careum. Carum Carvi L.
^) Laserpitium Siler L.; nach Dierbach ist es Trochiscanthes
nodiflorus Koch.
Neunzehntes Buch. 471
Dax. Unter den Griechen benennt Cratevas i) die Ochsen-
Cuuila 2) mit diesem Namen, sonst alle Uebrigen die Conyza
d. i. Cunilago; die Thymbra^) aber ist die (echte) Cunila-
Letztere bat bei uns den Namen Satureja und gehört zu
den Gewürzen. Man säet diess Kraut im Februar; es ist
ein Nebenbuhler des Origanum, und wegen seiner ähnlichen
Wirkung wendet man niemals beide zugleich an. Doch
zieht man das ägyptische Origanum der Cunila vor.
51.
Das Lepidium*) gehörte auch früher zu den fremden
Gewächsen. Man säet es zu Anfang des Frühlings, schneidet
es , nachdem sich ein Stengel gebildet hat, nahe an der
Erde ab, behackt und düngt. Diese Behandlung wird zwei
Jahre lang befolgt. Später benutzt man seine Stengel-
schüsse, wenn die Winterkälte ihm nicht geschadet hat,
denn gegen diese ist es sehr empfindlich. Es wird ein Cu-
bitus hoch, hat Blätter von der Form des Lorbeerbaums,
aber von weicher Consistenz und wird stets mit Milch ver-
speist.
52.
Das Gith^) wird in den Bäckereien, der Anis und
Dill in den Küchen und zu Arzneien gebraucht. Das Sa-
copenium'^) wird auch in Gärten gebauet, dient aber nur
als Arzneimittel.
53.
Einige Gewächse werden zusammen mit andern ge-
säet, wie z. B. der Mohn mit dem Kohl und Portulak''),
und die Eruca mit dem Lattich. Vom Mohn giebt es drei
Arten; von dem weissen wurde der Samen bei den Alten
geröstet, und mit Honig beim Nachtische aufgesetzt, auch
>) Rhizotom zur Zeit des Mithridates, dem er ein Werk von den
med. Kräften der Pflanzen zueignete.
2) S. XX. B. 61. Cap.
^) Satureja hortensis L. und Satureja Thymbra L.
'') Lepidum latifolium L. und Lepidium sativum L., Kresse.
5) Nigella sativa L., der schwarze Kümmel.
6) S. XX. B. 75. Cap. ■>) S. XX. B. 81. Cap.
^72 Neunzehntes Buch.
spreogt man ihn, mit einem Ei vermischt, auf die (obere)
Rinde des Bauernbrotes, dessen untere mit Petersilie und
Schwarzkümmel gewürzt wird. Die zweite Art ist der
schwarze ^), aus dessen Stengel durch Ritzen ein Milchsaft
gewonnen wird. Die dritte nennen die Griechen Rhöas^),
die Römer den umherschweifenden 3); er wächst wild, be-
sonders auf Aeckern zwischen der Gerste, ähnelt der Eruca,
ist ein Cubitus hoch, seine Blüthe ist roth und fällt bald
ab, daher die Griechen ihm obigen Namen gegeben haben ^).
Von den übrigen Arten des wilden Mohns wollen wir bei
den Arzneigewächsen reden ^). Dass aber der Mohn bei
den Römern stets geschätzt worden ist, beweist Tarqui-
nius Superbus, welcher in seinem Garten in Gegenwart
der von seinem Sohne abgeschickten Gesandten die höchsten
Mohnköpfe abschlug, und durch diese versteckte Hand-
lungsweise jene blutdürstige Antwort gab.
54.
Wiederum werden im Herbst-Aequinoctium zu-
sammen gesäet: Coriander, Dill, Melde, Malve, Ampfer,
KörbeP), den die Griechen Päderos nennen, und Senf
welcher einen äusserst scharfen Geschmack, eine feurige
Wirkung und heilsame Kräfte besitzt, keiner Cultur bedarf,
aber besser gedeihet, wenn er versetzt wird. Ja, ist er
einmal gesäet, so lässt sich das Feld kaum wieder davon
befreien, denn ein jedes Korn, welches zur Erde fällt, fängt
sogleich an zu keimen. Man speist ihn auch in kleinen
Schüsseln gekocht als Gemüse, nimmt dann aber keine
Schärfe mehr an ihm wahr. Ferner kocht man die Blätter
gleich andern Kohlarten. Es giebt drei Arten; die eine ist
dünn, die andere hat Blätter wie die Rübe, und die dritte
solche wie die Eruca. Der beste Same kommt aus Ae-
•) Papaver album et nigrum. Papaver somniferum L.
^) Papaver Argemone L. und Papaver Rhoeas L. 3) erraticum.
■*) von Qscj, fliessen, abfallen. *) S. XX. B. 76. Cap. etc.
*) Caerefolium. ScanFix Cerefolium L.
Neunzehntes Buch. 473
gypten. Die Athenienser nennen ihn Napy, Andere Thapsi^
und wieder Andere Saurion i).
55.
VomSerpyllum2)und Sisymbrium ^) sind die meisten
Berge bedeckt, z. B. in Thracien; von diesen, sowie von
den Bergen bei Sieyon und vom Hymettus bei Athen trägt
man die abgerissenen Zweige dieser Gewächse herunter
und streuet sie aus. Das Sisymbrium wächst am tippigsten
an den Seiten der Brunnen, an Fischteichen und Pfützen.
56.
Die übrigen sind ruthenartige ^) Gewächse, wie
der Fenchel ^), welchen, wie bereits angegeben wurde , die
Schlangen sehr gern fressen, und der getrocknet häufig als
Gewürz dient. Ihm ist die Thapsia, welche wir unter den
fremden Stauden nannten ß), ähnlich. Der zur Verfertigung
von Stricken viel benutzte Hanf ^) wird gleich zu Anfang
des Frühlings gesäet. Je dichter er ist, um so feiner fällt
er aus. Der Same wird nach seiner Reife im Herbst-
Aequinoctium abgestreift und entweder an der Sonne oder
im Winde oder im Rauche getrocknet, die Pflanze selbst
nach der Weinlese ausgerissen und in den Abendstunden
durch Abschälen gereinigt. Der beste ist der alabandische,
und dient besonders zu Netzen. Es giebt dort 3 Arten;
der schlechteste befindet sich zunächst der Rinde und dem
Marke, am besten ist der mittlere, welcher Mittelhanf ge-
nannt wird, und der zweite heisst mylaseischer. Hin-
sichtlich seiner Höhe bemerke ich, dass der roseische im
sabinischen Gebiete die Grösse der Bäume erreicht. Von
der Ferula haben wir unter den fremden Stauden zwei Arten
angeführt. Ihr Same wird in Italien gegessen; man macht
ihn nämlich ein und erhält ihn so in Krügen etwa ein Jahr
1) Dfe angeblichen 3 Arten gehören wahrscheinlich sämmtlich
zu Sinapis alba L. *) Thymus Serpyllum L.
3) Nasturtium offic. Br. Vielleicht möchte auch die Mentha aqua-
tica L. hierher zu ziehen sein.
■*) ferulacea. *) Foeniculum. Anethum Foeniculum L.
«) Vergl. XIII. B. 43. Cap. ') Cannabis. Cannabis sativa L.
474
Neunzehntes Buch.
laug. Man unterscheidet Stengel und Traube; letztere
nennt man Corymbia, und, was man einmacht, Corymbi.
57.
Die Gartengewächse werden ebenso wie die übrigen
Pflanzen von Krankheiten heimgesucht. Das Basilien-
kraut geht im Alter in Quendel, und das Sisymbrium in
Calaminthe ^) über. Aus altem Kohlsamen werden Rüben,
und umgekehrt. Der Rosskümmel wird, wenn man ihn
reinigt, Yom Limodorum 2) getödtet. Letzteres hat einen
einfachen Stengel, eine zwiebelartige Wurzel, und wächst
bloss auf magerm Boden. Eine andere Krankheit des Ross-
kümmels ist die Räude. Das Basilienkraut wird beim Auf-
gange des Hundssterns bleich. Alle Kräuter werden gelb,
wenn ein menstruirendes Frauenzimmer sich ihnen nähert.
Es entstehen auch mehre Arten kleiner Thierchen auf
Pflanzen, Mücken auf den Steckrüben, Raupen und Würmer
auf dem Rettig, dem Lattich und Kohl, und noch mehr als
diese, verschiedene Schnecken. Ferner noch besondere
Thiere, welche man am leichtesten durch Aufwerfen von
Mist , in welchem sie sich verkriechen , fängt. Sabinus
Tiro ^) sagt in seinem Buche „über den Gartenbau *)",
welches er dem Mäcenas widmete, es sei nicht gut, Raute,
Saturei, Minze und Basilienkraut mit Eisen zu berühren.
58.
Eben derselbe hat auch wider die Ameisen, diese
Plage derjenigen Gärten, welche ohne Wasser sind, ein
Mittel angegeben, nämlich ihre Löcher mit Meerschlamm
oder Asche zu verstopfen. Allein am besten vertilgt sie
-das Kraut Heliotropium. Einige sind auch der Meinung,
Wasser, in welches rohe Ziegelsteine geweicht, sei ihnen
') Unter diesem Namen begriffen die Alten mehrere Gewächse:
Melissa altissima Sibth., Thymus Calamintha L., und Mentha tomen-
tella Lk. Nehmen wir das im 55. Cap. genannte Sisymbrium für
Mentha aquatica, so erklärt sich der angebliche Uebergang durch
<Jie Aehnlichkeit beider Pflanzen.
2) Limodorum abortivum Sw. ?
^) Dichter unter Augustus, grosser Feinschmecker. •*) Cepuricon.
Neunzehntes Buch. 475
schädlich. Die Rüben weiden durch Zwischensäen von
Schotenkraut 1), und der Kohl durch Kichererbsen vor den
Raupen geschützt. Hat man diese Vorsicht nicht be-
obachtet, und haben sich die Thiere schon erzeugt, so be-
sprenge man die Pflanzen mit einer Abkochung von Wer-
muth und Hauslauch, welches Aizoon beisst und dessen
bereits früher gedacht wurde. Wenn in den Saft dieses
Gewächses der Kohlsame eingeweicht wird, so sollen sich
auf den daraus entstehenden Pflanzen niemals schädliche
Thiere flnden, überhaupt aber keine Raupen, wenn man
die Kopfknochen eines Pferdes, namentlich eines weiblichen,
auf Pfählen in den Gärten aufstellt. Auch soll ein mitten
im Garten aufgehangener Flusskrebs die Raupen abhalten.
Einige berühren die Pflanzen mit blutrothen Ruthen 2), um
das Ungeziefer abzuhalten. Die Mücken schaden beson-
ders den bewässerten Gärten, wenn kleine Bäume darin
stehen. Man vertreibt sie durch Räuchern mit Galbanum.
Was die Veränderung der Samen betrifft, so besitzen
mancbe eine grössere Dauerhaftigkeit, wie der des Cori-
- anders, der Beta, des Porrum, der Brunnenkresse, des
Senfs, der Eruca, der Saturey und fast alle scharfen. Ver-
gänglicher sind die der Melde, des Basilienkrauts, des
Kürbiss, der Gurke; die Samen der Sommergewächse
halten sich länger als die der Wintergewächse, am wenig-
tsen aber der des Gethyum. Aber auch die besten taugen
nach vier Jahren nicht mehr zum Säen, können jedoch
noch in der Küche gebraucht werden.
59.
Ein eigenthümliches Hülfsmittel für den Rettig, die
Beta, Raute, Saturey ist das Salzwasser, welches auch
ausserdem dieselben wohlschmeckend und fruchtbar macht.
Den übrigen Gewächsen nützt das Begiessen mit süssem
*) Siliqua. Trigonella Foenum graecum L.
^) Virgae sanguineae. Entweder meint PI. hier die rothen Zweige
von Comus sanguinea L., oder überhaupt Zweige, welche mit Blut
benetzt sind.
476 Neunzehntes Buch.
Wasser, und unter diesem ist das kälteste und trinkbarste
das beste; weniger gut das Wasser aus Teichen und
Gräben, denn diess führt die Samen von Unkraut mit sich.
Am nährendsten jedoch das Regenwasser, denn es tödtet da<^
Ungeziefer.
60.
Man muss des Morgens früh und des Abends be-
giessen, damit das Wasser nicht von der Sonne erhitzt
werde, nur das Basilienkraut auch Mittags; dessen Same
soll sehr rasch aufgehen, wenn man im Anfange mit heissem
Wasser begiesst. Alle Pflanzen werden durchs Versetzen
besser und grösser, besonders Porrum und Steckrüben.
Das Versetzen ist auch zugleich eine Art Arzneimittel,
denn manche hören dann auf zu kränkeln, z. B. Gethyum^
Porrum, Rettig, Eppig, Lattich, Rübe und Gurke. Fast
alle wilden Gewächse haben kleinere Blätter und Stengel
und schärfere Säfte, wie die Saturey, der Dost, die Raute.
Unter allen ist nur der wilde Ampfer i) besser; der auge-
bauete heisst Rumex, und wird sehr kräftig, wenigstens
dauert er, einmal gesäet, sehr lange aus, und lässt sich,^
besonders am Wasser, nicht ausrotten. Mit Gerstengraupen
gekocht, ertheilt er der Speise bloss einen mildern und ange-
nehmem Geschmack. Der wilde findet mannichfache An-
wendung in der Medizin. Die Sorgfalt im Gartenbau geht
so weit, dass ich in einem Gedichte die Bemerkung finde,
wenn man Samen von Porrum, Eruca, Lattich, Eppich, Ci-
chorie, Kresse in ausgehöhlten Ziegenmist thue und dann
aussäe, so gediehen sie vortrefflich zu Pflanzen. Werden
die wilden Gewächse angebauet, so bekommen sie mehr
Trockenheit und Schärfe.
61.
Wir müssen auch der Verschiedenheit der Säfte
und ihres Geschmacks gedenken, der bei den Garten-
gewächsen grösser als bei dem Obste ist. Scharf schmecken
die Saturei, der Dost, die Kresse, der Senf; bitter: der
•) S. XX. B. 85 und 86. Cap.
Neunzehntes Buch. 477
"Wermuth, das Tausendgüldenkraut i); wässerig: die Gurke,
der Kürbiss, Lattich; heiss: der Thymian und die Saturei;
heiss und balsamisch: der Eppich, Dill, Fenchel. Einen
rein salzigen Geschmack findet man nicht, sondern das
Salz setzt sich nur zuweilen aussen als ein Pulver, z. B.
an den Kichererbsen 2), ab.
62.
Aber damit man inne wird, dass die Ansichten im ge-
meinen Leben oft trügen, so führe ich an, dass das Pa-
nax wie Pfeffer schmeckt, noch mehr aber das Siliquas-
trum, welches daher auch den Namen Pfefferkraut 3)
bekommen hat; die Libanotis*) wie Weihrauch, das
Smyrnium'') wie Myrrhe riecht. Von dem Panax habe
ich schon ausführlich gehandelt 6). Die Libanotis wird an
faulige, magere und thauige Plätze gesäet; ihre Wurzel
gleicht der des Olusatrum, und riecht ganz so wie Weih-
rauch. Ein Jahr alt ist sie ein vortreffliches Magenmittel.
Einige nennen sie Rosmarinus^). Das Smyrnium wird an
denselben Plätzen gebauet; seine Wurzel schmeckt wie
Myrrhe. Ebenso bauet man das Pfefferkraut. Die übrigen
sind im Geruch und Geschmack von andern verschieden,
wie der Dill, und Unterschied und Kraft oft so gross, dass
nicht allein das Eine durch das Andere verändert, sondern
sogar gänzlich aufgehoben wird. Durch Petersilie benehmen
die Köche dem Gemüse die Säure, und die Kellermeister
durch die in Säcke gebundene Petersilie dem Weine den
üblen Geruch.
Bis jetzt haben wir von den Gartenkräutern nur in
Hinsicht ihres Gebrauchs als Nahrungsmittel geredet. Es
•) Centaureum, Erythraea Centaurium Pars.
^) Dieses Salz ist Kleesäure. ^) Piperitis. Capsicum longum Dec.
*) Cachrys Libanotis L. *) Smj'rnium perfoliatum L.
6) Im XII. B. 57. Cap.
'') Allerdings wurde mit dem Namen Libanotis auch der Rosma-
rin bezeichnet, allein hier scheint Plinius die Cachrys Libanotis im
Auge gehabt zu haben.
478 Neunzehntes Buch.
bleibt uns, nachdem wir auch ihres Vorkommens und
einiger allgemeiner Beziehungen gedacht, nun noch das
Wichtigste, was ihnen die Natur verlieh, anzuführen übrig.
Die wahre Natur eines jeden Gewächses kann aber nur
aus seiner medizinischen Wirkung erkannt werden, und
hierin liegt ein grosses Werk der Gottheit, dem an Er-
habenheit keines gleichkommt, verborgen. Aus guten
Gründen haben wir unterlassen, diese Materie bei der Be-
schreibung jeder einzelnen Pflanze hinzuzufügen, denn Manche
wünschen bloss die Arzneikräfte kennen zu lernen; und
hätten wir beides zusammen abgehandelt, so würden beide
Theile lange aufgehalten worden sein. So aber ist Eins
von dem Andern gesondert, und die es wünschen, können
ja beides mit einander vereinigen.
DIE
NATURGESCHICHTE
DES
CAJÜS PLINIÜS SECUNDÜS.
INS DEUTSCHE ÜBERSETZT
UND MIT ANMERKUNGEN VERSEHEN
Prof. Dr. G. C. WITTSTEIN
in München.
VIEKTEK BAND;
(XX-XXVII. Buch)
Arzneimittel von den Pflanzen.
LEIPZIG.
Druck und Verlag von Gressner & Schramm.
1881.
Zwanzigstes Buch.
Arzneimittel von den Gartengewächsen.
Jetzt wollen wir zu dem wichtigsten Werke der Natur
libergehen, die für den Menschen bestimmten Speisen auf-
zählen und ihn zu dem Geständniss zwingen, er kenne das
nicht, wovon er lebt. Niemand lasse sich durch die Ge-
ringfügigkeit der Namen verleiten, diese Materie für klein
und mittelmässig zu halten. Wir werden dabei vom Frieden
und Kriege der Natur, vom Hasse und Freundschaft der
fühllosen und der Sinne ermangelnden Geschöpfe reden,
und müssen es um so mehr bewundern, dass alles diess um
der Menschen willen existirt. Dieses Verhältniss, wodurch
alles besteht, Wasser das Feuer auslöscht, die Sonne das
Wasser verzehrt, der Mond dasselbe erzeugt, das eine Ge-
stirn durch die Gewalt des andern verfinstert wird, haben die
Griechen Sympathie und Antipathie genannt. Und um uns von
erhabenem Gegenständen zu niedrigem zu wenden, so be-
denke man, dass ein Magnet das Eisen anzieht, der andere
es abstösst, dass der Diamant, die Freude der Reichen,
durch keine mechanische Gewalt gebrochen und besiegt
wird, aber in Bocksblute zerspringt und dergleichen ähn-
liche und noch grössere Wunder mehr, von denen wir ge-
hörigen Ortes ausführlicher sprechen wollen. Nur verzeihe
man mir, wenn ich mit den kleinsten, aber heilsamsten,
nämlich den Gartengewächsen beginne.
Wittstein: Plinius. IV. Bd. 1
2 Zwanzigstes Buch,
2.
Ich habe bereits gesagt i), dass die wilde Gurke ^)'
viel kleiner als die angebauete ist. Aus ihrem Samen be-
reitet man durch Auspressen ein Arzneimittel, welches E 1 a -
terium genannt wird. Wenn man sie zu diesem Behufe
nicht zeitig genug aufschneidet, so wird der Same (und
Saft) herausgeschleudert, und wenn er ins Gesicht spritzt, den
Augen leicht gefährlich. Nachdem sie abgepflückt worden,
lässt man sie eine Nacht über liegen, und ritzt sie am fol-
genden Tage mit einem Rohre auf. Der Same wird auch,
um den zu reichlichen Abfluss des Saftes zu verhindern,
mit Asche bestreuet; man presst aus, fängt den Saft in
Regenwasser auf, lässt absetzen, darauf an der Sonne ver-
dunsten, und formt aus der verdickten Masse Kügel-
chen, die eine ausgedehnte Anwendung im menschlichen
Leben haben. Man heilt damit die Trübheit und an-
dere Fehler der Augen und die Geschwüre der Wangen.
Wenn die Wurzeln der Weinstöcke mit diesem Safte be-
strichen werden, sollen die Vögel die Trauben nicht ab-
fressen. Die Wurzel (der Eselsgurke) wird, mit Essig ge-
kocht, gegen das Podagra aufgelegt und der Saft dient
gegen Zahnschmerzen. Trocken mit Harz vermengt heilt
sie die Räude und Krätze, welche man Aussatz und Flechte
nennt, ferner Ohren- und andere Geschwüre, und giebt den
Narben die (natürliche) Farbe wieder. Der Saft der Blätter
wird bei Taubheit, mit Essig vermischt, in die Ohren ge-
tröpfelt.
3.
Das Elaterium ist im Herbste zum Einsammeln reif,
und hält sich unter allen Arzneimitteln am längsten. Man
wendet es erst nach 3 Jahren an; soll es früher gebraucht
werden, so müssen die Kügelchen in einem neuen irdenen
Geschirre über gelindem Feuer mit Essig gemildert werden.
') S. XIX. B. 23. Cap.
2) Cucumis sylvestris. Momordica Elaterium L. Eselskürbiss, Spring-
gurke.
Zwanzigstes Buch. 3
Je älter, um so besser ist es, und nach Theophrastus hat
es schon 200 Jahre altes gegeben. Noch bis zum 50. Jahre
löscht es das Licht der Lampen aus. Das echte zeichnet sich
dadurch aus, dass es der Flamme genähert, dieselbe vor dem
Auslöschen auf- und abwärts funkeln macht. Das blasse, glatte
und gelinde bittere ist besser als das grasgrüne und rauhe
(körnige). Der Same soll, wenn er die Erde nicht berührt
hat, an den Leib gebunden das Empfangen befördern, das
Gebären aber, wenn er einer Frau, ohne dass sie es wisse,
in Widderwolle auf die Lenden gebunden, jedoch gleich
nach der Geburt aus dem Hause geschafft würde. Die Ver-
ehrer dieses Gewächses sagen, das beste wachse in Arabien,
demnächst in Arcadien, nach Andern in Cyrene, sei der
Sonnenwende ähnlich, und die Wallnuss- grossen Früchte
ständön zwischen den Blättern und Zweigen, die Samen
aber hätten einen Scorpionschwanz ähnlich gekrümmten,
weissen Schweif. Daher nennen Einige diese Pflanze Scor-
pionsgurke, und rühmen den Samen sowie den Saft als ein
kräftiges Mittel gegen die Stiche der Scorpione und zur
Reinigung des Uterus und des Unterleibes. Die Gabe steigt
je nach der Constitution von ^2 bis zu 1 Obolus; eine
grössere Dosis wirkt tödtlich. Man bereitet auch daraus
einen Trank gegen die Läuse- und Wassersucht. Mit Honig
und altem Oele vermischt aufgestrichen ist es heilsam für
Bräune und Fehler der Luftröhre.
4.
Viele sind der Meinung, die Eselsgurke sei dasselbe,
was bei uns Schlangengurke, von Andern wilde ^) heisst.
Was mit dem Absude derselben besprengt wird, rühren die
Mäuse nicht an. Werden die Glieder der Podagristen mit
dem Essigabsude bestrichen, so erfolgt baldige Heilung;
gegen Lendenschmerz gebraucht man den Samen, welcher
an der Sonne getrocknet, zerrieben und zu 30 Denaren
schwer in 1 Hemina Wasser gereicht wird. Mit Frauen-
milch vermischt aufgelegt heilt er plötzlich entstehende
•) erraticus.
4 Zwanzigstes Buch.
Geschwüre. Das Elaterium reinigt die Frauen, aber bei
schwängern bewirkt es unzeitige Geburt; auf Engbrüstige
wirkt es wohlthätig, und wider die Gelbsucht steckt man
es in die Nase. An der Sonne aufgestricheu vertreibt es
Flecken und Maale aus dem Gesichte.
5.
Viele schreiben alle diese Wirkungen der Garten-
gurke zu, denn auch diese enthält wirksame Theile.
Ihr Same wirkt gegen den Husten, wenn man so viel
davon, als 3 Finger fassen können, mit Kosskümmel zu-
sammenreibt und mit Wein vermischt trinkt; feruer für
Wahnwitzige mit Frauenmilch genommen, und bei Dysen-
terie ein Acetabulum voll, für Eiteraiiswerfende mit gleich
viel Rosskümmel, bei Leberkrankheiten mit Honigwasser.
Mit süssem Weine vermischt genommen treibt er den Harn
aus, und bei Kierenschmerzen wird er zugleich mit Ross-
kümmel zu Klystiereu verwendet.
6.
Die sogenannten Peponen kühlen verspeist sehr stark
und machen weiche Stuhlgänge. Ihr Fleisch legt man auf
fliessende und schmerzende Augen. Die Wurzel heilt die
nach Art der Bienenwaben zusammengewachsenen, und
davon sogenannten Wacbsgeschwüre. Sie erregen Er-
brechen; die Dosis der getrockneten und fein gepulverten
ist 4 Oboli, welche von dem Patienten, der hernach 500
Schritte gehen muss, in Honig wasser genommen werden.
Dieses Pulver wird auch zu Seifen gemischt. Auch die
Schaale bewirkt Erbrechen, und reinigt das Gesicht, was
aber ebenfalls durch Auflegen der Blätter einer jeden
Gartengurke erreicht wird. Diese Blätter heilen mit Honig
die Nachtblattern i), mit Wein den Biss der Hunde und
Tausendfüsse, eines länglichen, rauhfüssigen, dem Hornvieh
besonders schädlichen Thieres, welches die Griechen Sepa
nennen. Die Folge seines Bisses ist eine Anschwellung
und Faulung der Stelle. Der Geruch der Gurken vertreibt
*) epinyctides, die des Nachts aufzubrechen pflegen.
Zwanzigstes Buch. 5
die Ohnmacht. Wenn sie, zuvor geschält, mit Oel und
Honig gekocht werden, schmecken sie weit angenehmer.
7.
Man findet auch wilde Kürbisse, bei den Griechen
Spongos genannt, weicheleer sind (wovon sie diesen Namen i)
führen), die Dicke eines Fingers haben und auf steinigem
Boden wachsen. Der durch Kauen derselben entwickelte
Saft stärkt den Magen.
8.
Eine andere Art heisst Coloquinte^), ist voll Samen,
aber kleiner als die Gartengurke. Die blasse eignet sich
zur medicinischen Anwendung am besten; die grüne führt
getrocknet schon für sich genommen ab. Ihr Aufguss dient
zu Klystieren, heilt alle Uebel der Eingeweide, Nieren,
Lenden und die Gicht; man wirft zu diesem Behuf die
Samen heraus und kocht das Mark mit Honigwasser zur
Hälfte ein, am besten jedesmal ein Gewicht von 4 Obolen.
Die trockne Frucht gepulvert und mit eingekochtem Honig
in Pillenform genommen, stärkt den Magen. In der Gelb-
sucht erweisen sich die Samen, mit Honigwasser genommen,
wohlthätig. Das Fleisch derselben mit Wermuth und Salz
angewendet vertreibt das Zahnweh. Der mit Essig erhitzte
Saft befestigt die losen Zähne. Mit Oel eingerieben lindert
sie die Schmerzen der Lenden, Hüfte und des Rückgrats,
und merkwürdigerweise sollen die Samen, in gerader Zahl
angebunden, dasjenige Fieber heilen, welches die Griechen
das wechselnde nennen. Der Saft der abgeschälten Garten-
gurke heilt erwärmt die Ohren; das von den Sameu befreite
Fleisch die Hühueraugeu und die von den Griechen Aposte-
mata genannten Geschwüre. Der Absud der ganzen Frucht
aber befestigt die wackelnden Zähne und lindert die Zahn-
schmerzen, damit siedend gemachter Wein heilt entzündete
Augen. Die Blätter mit frischem Cypressenlaub gestossen
') Nämlich spongos, anoyyoq, Schwamm. Der Ausdruck leer
(inanis) soll wohl kernlos bedeuten.'
2) Colocynthis. Cucumis Colocynthis L.
g Zwanzigstes Bucli.
und aufgelegt, oder sie selbst in einem irdenen Geschirr
gebrannt und mit Gänzefett vermischt, heilen Wunden. Mit
den abgeschälten Rindenstücken kühlt man die erst jüngst
vom Podogra befallenen Theile und Kopfschmerzen, beson-
ders bei Kindern, und durch Auflegen der Abschnitzel oder
der Samen die Rose. Der Saft von den Abschnitzeln kühlt,
mit Rosenwasser und Essig aufgestrichen, die Fieberhitze.
Die Asche getrockneter Gurken heilt auf Brandstellen ge-
legt wunderbar. Der Arzt Chrysippus i) will sie nicht
verspeist wissen; man hält sie aber allgemein zuträglich
für den Magen und für Vereiterungen der Innern Theile,
besonders der Blase.
9.
Auch die weisse Rübe hat medicinische Kräfte. Heiss
aufgelegt heilt sie die Frostbeulen, und treibt die Kälte
aus den Füssen, der heisse Absud derselben das kalte
Podagra, und roh mit Salz gestossen alle Fussübel. Der
aufgelegte oder in Wein getrunkene Same soll gegen
Schlangen und Gifte heilsam sein, und viele halten ihn, mit
Wein und Oel genommen, für ein kräftiges Gegengift.
Democritus hat die Rüben, wegen ihrer Eigenschaft
Blähungen zu erzeugen, von den Speisen gänzlich ausge-
schlossen. Diocles 2) dagegen preist sie ausnehmend,
und sagt , sie reizten auch zum Beischlaf; Dyonysius ^)
stimmt darin bei, die Wirkung werde aber durch Würzen
mit Eruca noch verstärkt. Mit Schmalz gebraten heben
sie die Gliederschmerzen.
10.
Die wilde Rübe*) wächst hauptsächlich auf Aeckern,
ist staudig und hat weisse Samen, welche doppelt so gross
als die des Mohns sind. Des Samens bedient man sich, in
') Aus Knidos, um die Mitte des 4. Jahrh. v. Chr., verwarf Ader-
lassen und Purgiren, maass dagegen dem Kohle grosse Heilkräfte bei,
2) Aus Karystos, lebte nicht lange nach Hippocrates.
3) Dieser Arzt ist nicht näher bekannt.
*) Rapum sylvestre. Wahrscheinlich Sinapis arvsnsis L.
Zwanzigstes Buch. 7
Verbindung mit gleichen Theilen Erven-, Gersten-, Weizen -
und Bohnenmebl, um die Haut im Gesichte und am übrigen
Körper glatt und zart zu machen. Die Wurzel lässt sich
zu nichts gebrauchen.
11.
Die Griechen unterscheiden auch in medicinischer Be-
ziehung 2 Arten Steckrüben. Eine, mit eckigen Blatt-
stielen heisst Bunioni), dient abgesotten zur Keinigung
der Frauen, der Blase und des Harns, und wird mit Honig-
wasser oder als Saft zu 1 Drachma genommen; den Samen
giebt man geröstet und in warmem Wasser zerrieben zu
4 Bechern in der Ruhr; wird aber nicht zugleich Leinsamen
mit eingenommen, so erfolgt Harnstrenge. Die andere Art
beisst Bunias, gleicht dem Rettig und der Rübe, und ent-
hält in ihrem Samen ein ausgezeichnetes Gegengift, welches
auch zu diesem Behufe angewendet wird.
12.
Wir haben gesagt, es gäbe auch wilden Rettig; er
wächst zwar in mehrern Gegenden, doch findet sich in Ar-
kadien der beste, der namentlich sehr harntreibend ist.
Uebrigens wird in Italien der Sommerrettig oder soge-
nannte Meer rettig gebraucht.
13.
Ausser dem, was wir bereits vom Gartenrettig er-
wähnt haben, reinigt derselbe den Magen, verflüssigt den
Schleim, reizt zum Harnen, und führt die Galle ab. Ferner
dient ein weiniger Absud der Schalen, früh Morgens zu 3
Bechern getrunken, zur Zerkleinerung und Austreibung der
Harnsteine. Gegen Schlangenbisse werden die Schalen in
saurem Weine gekocht aufgelegt. Der Rettig lindert auch,
des Morgens früh nüchtern mit Honig genommen, den
Husten, sein Same geröstet und gekauet das Bauchgrimmen,
der wässrige Absud der Blätter oder ihr Saft, zu 2 Bechern
genommen, bekommt den Schwindsichtigen gut, zer-
stossen aufgelegt heilen sie Geschwulste 2), die Schale
*) ßunium pumilum Sm.?
2) Phlegmone.
Q Zwanzigstes Buch.
aber mit Honig übergeschlagen vertreibt blaue Flecken.-
Schlafsücbtige müssen die schärfsten, und Engbrüstige den
gerösteten und mit Honig vermischten Samen kauen. Sie
erweisen sich auch als Gegengifte wirksam. Den Horn-
schlangen und Scorpionen ist der Rettig zuwider, ja wenn
man mit dessen Safte die Hände bestreicht oder die Samen
darin hält, so kann man diese Thiere ohne Gefahr an-
greifen, und die Scorpionen sterben, wenn man Rettig auf
sie legt. Nach Nicanders *) Angabe ist er auch heilsam
gegen giftige Pilze und Bilsenkraut. Ferner rathen die
beiden ApoUodori 2), ihn gegen das Viscum zu geben,
nämlich der Citier den mit Wasser zerriebenen Samen,
der Tarentiner den Saft. Rettig vermindert die Milz, heilt
Leber und Lendenschmerzen, mit Essig genommen Wasser-
sucht und mit Senf Schlafsucht. Praxagoras ^) empfiehlt
ihn den Darmgichtigen, Plistonikus ^) den an Verstopfung
Leidenden. Mit Honig gegessen heilt er die Geschwüre
der Eingeweide und die Eiterblasen des Netzes. Einige
empfehlen, sie zu diesem Behufe mit Lehm bestrichen zu
kochen, und so zubereitet dienten sie auch als Reinigungs-
mittel der Frauen. Mit Essig und Honig genommen treiben
sie die Eingeweide-Würmer ab. Wein, welcher bis zu * 3
damit eingekocht ist, getrunken heilt den Darmbruch, ver-
treibt auch das unnütze Blut. Medius ^) verordnet sie
gekocht zu diesem Behufe, sowie denen, welche Blut spucken,
und zur Vermehrung der Milch der Wöchnerinnen. Nach
Hippocrates soll man die kahlen Stellen des Kopfes bei
den Weibern mit Rettig einreiben, und ihn gegen die
Schmerzen der Scheide über den Nabel schlagen. Auch
*) Aus Colopbon, um 160 v. Chr., Arzt nnd Sprachlehrer.
^) Aerzte, der Eine aus Citium, der Andere aus Tarent, beide
übrigens nicht näher bekannt.
3) Aus Kos, im 4. Jahrh. v. Chr. Asclepiade, Lehrer des Hero-
philus, Entdecker des Unterschieds der Schlag- und Venenadern,,
wovon er erstere für luftführend hielt und Arterien nannte.
'') Ein nicht näher bekannter Arzt.
^) Ein gleichfalls unbekannter Arzt.
Zwanzigstes Buch. 9
erhalten Narben dadurch die (natürliche) Farbe wieder.
Der mit Wasser übergeschlagene Same hemmt die weitere
Ausbreitung der sogenannten um sich fressenden Geschwüre.
Democritus giebt an, der Rettig reize zum Beischlafe;
und ■vielleicht auf diess gestützt haben Einige gesagt, er
schade der Stimme. Die Blätter, wenigstens die, welche
auf den länglichen Pflanzen wachsen, sollen die Sehkraft
schärfen. Wenn bei der mediciniscben Anwendung des
Rettigs, derselbe zu heftig wirken sollte, so müsste man
gleich darauf Hyssopus^) geben, denn beide widerstreben
einander. Bei Schwerhörigkeit tröpfelt man Rettigsaft in
die Ohren. Diejenigen, welche sieb erbrechen wollen, machen
den Rettig am zweckmässigsten zur letzten Speise.
14.
Der dem Pastinak ähnliche Eibisch 2), welchen Einige
wilde Malache, Andere Plistolochia nennen, heilt Kuor-
pelgeschwüre und Knochenbrüche. Der aus den Blättern
bereitete wässrige Trank macht Oeffnung und vertreibt
die Würmer. Aufgelegt heilen sie die Stiche der Bienen,
Wespen und Hornisse. Die vor Sonnenaufgang ausge-
grabene Wurzel wickelt man in rohe Wolle von einem
Schafe, welches ein Weibchen geworfen hat, und bindet
sie auf Kröpfe und eiternde Geschwüre. Einige sagen, man
müsste sie zu diesem Behufe mit einem goldnen Gerätbe
ausgraben, und verhüten, dass sie die Erde berühre. Celsus
lässt die Wurzel mit Wein kochen und gegen Podagra,
welches nicht mit Geschwulst verbunden ist, auflegen.
15.
Die andere Art heisst Staphylinos oder wilder
Pastinak. Dessen Same heilt, gestossen und mit Wein
getrunken, den geschwollenen Leib und die Mutterbe-
schwerden der Weiber und lindert die Schmerzen so sehr,
dass er die Scheide wieder in Ordnung bringt, auch mit
Rosinenwein aufgelegt ihrem Leibe woblthut; Männern aber
') Nach Sprengel nicht unser Isop, sondern Origanum smyrnae-
um L. •■') Hibiscum S. XIX. B. 27. Cap.
JO Zwanzigstes Buch.
dient er mit gleichen Theilen Brot zusammengerieben und
mit Wein getrunken, gegen Leibweh. Er treibt auch den
Urin, und hemmt, frisch mit Honig aufgelegt oder trocken
iüit Mehl eingestreuet, das Umsichfressen der Geschwüre.
Dieuches i) empfiehlt die Wurzel mit Honigwasser gegen
die Leiden der Leber, Milz, Gedärme, Lenden und Nieren
zvi nehmen, Cleophantus 2) auch bei veralteten Kuhren.
Philistion 3) lässt die Wurzel in Milch kochen und zu 4
Unzen gegen Harnstrenge geben, in Wasser gegen Wasser-
sucht, Opisthotonie *), Seitenstechen und Epilepsie. Wer
sie bei sich trägt, soll von Schlangen nicht gebissen, wer
vorher davon gegessen hat, nicht verletzt werden. Auf ge-
schlagene Theile legt man sie mit Fett; die Blätter werden
gegen Unverdaulichkeit gekauet. Orpheus sagt, dieser
Pastinak enthalte ein Liebesmitttel, vielleicht weil sein
Genuss zum Beischlaf reizt, und daher geben Einige an,
■er befördere das Empfangen. Uebrigens hat auch der
Oartenpastinak Kräfte, jedoch ist der wilde, namentlich
der auf felsigem Boden wachsende, wirksamer. Der Same
Jes gebaueten erweist sich, mit Wein oder saurem Wein
genommen, auch heilsam gegen den Biss der Schlangen.
Wenn man mit der Wurzel an den Zähnen herum kratzt,
hören sie auf zu schmerzen.
16.
In Syrien wird der Gartenbau am emsigsten betrieben,
<iaher hat man in Griechenland das Sprichwort: Die vielen
Küchenkräuter der Syrier. Man bauet daselbst ein dem
Staphylinos sehr ähnliches Kraut, welches Einige Gingi-
4ion5) nennen; es ist nur zarter und bitterer, besitzt aber
-sonst dieselbe Wirkung. Man isst dasselbe gekocht und roh
als Magenmittel; auch trocknet es alle (überflüssige) Feuch-
tigkeit dieses Organs aus dem Grunde.
*) Ein nicht näher bekannter Arzt.
■*) Desgleichen. ^) Desgleichen.
*) Opisthotonus, von oniqd^ev hinten und xovoo) spannen, eine
Krankheit, wo der Kopf krampfhaft nach hinten gebogen wird.
^) Gingidion. Daucus Gingidium L.
Zwanzigstes Buch. H
17.
Der wilde Siser ist dem zahmen auch in der Wirkung
ähnlich; mit Essig aus Laserpitium oder mit Pfefifer und
Meth oder mit Fischbrühe genommen, reizt er den Magen
und benimmt die Appetitlosigkeit. Er wirkt auf den Harn
und den Geschlechtstrieb, wie Opion behauptet, und Dio-
cles beipflichtet. Auch soll er bei Wiedergenesenden das
Herz stärken, so wie nach häufigem Erbrechen wohlthätig
wirken. Heraklides ^) hat ihn gegen das Quecksilber,
gegen die Stockung des Geschlechtstriebes und für Recon-
valescenten verwendet. Hicesius 2) hält diess Gewächs
deshalb für ein Magenmittel, weil Niemand 3 Stück hinter-
einander essen könne, doch bekomme es den Genesenden,
welche wieder anfingen Wein zu trinken, gut. Der Same
des zahmen hemmt, mit Ziegenmilch getrunken, den Durchfall.
18.
Da die Aehnlichkeit der griechischen Namen die Meisten
irre macht, so wollen wir auch vomSili^), einer allgemein
bekannten Pflanze reden. Das beste kommt von Marseille,
und hat breite und fahlgelbe Samen; dann folgt das äthio-
pische, welches schwärzer ist, das cretische aber riecht
am stärksten. Die Wurzel besitzt einen angenehmen Ge-
ruch. Den Samen sollen die Geier gern fressen; er leistet
wohlthätige Dienste bei langwierigem Husten, wenn man
ihn zerkleinert mit weissem Weine trinkt, ferner zu 2 bis
3 Löffeln voll gegen Opisthotonie, Leberleiden, Leibweh
und Harnstrenge. Die Blätter werden zur Erleichterung
des Gebarens, selbst bei vierfüssigen Thieren angewandt,
und Hirschkühe, welche werfen wollen, sollen davon fressen.
Bei der Rose schlägt man dieselben über, und am Ende der
Mahlzeit isst man die Blätter oder den Samen zur Beför-
derung der Verdauung. Der Same stillt auch den Durch-
fall bei den Säugethieren, wenn man ihn gestossen in den
1) Aus Kos, Arzt, Vater des Hippocrates.
'^) Ein nicht näher bekannter Arzt.
3) Auch Seseli genannt, ist Tordylium officinale L.
12 Zwanzigstes Buch.
Trank thut, oder mit Salz unter das Futter mengt. Dem
kranken Rindvieh wird er gepulvert eingegeben.
19.
Der Alant 1) befestigt, nüchtern gekauet, die Zähne,
wenn er beim Ausgraben die Erde nicht berührt hat, und
stillt eingemacht den Husten. Mit dem Absude der Wurzel
vertreibt man die Motten; an der Sonne getrocknet und
gestossen wird sie gegen Husten, Verzückungen, Blähungen
und Luftröhrenleiden gebraucht. Ferner heilt er die Bisse
giftiger Thiere. Die Blätter werden in Wein geweicht und
bei Lendenschmerzen aufgelegt.
20.
Von den Zipollen giebt es keine wilde. Die ange-
baueten heilen schon durch ihren Geruch und ihr Reizen
zu Thränen die Schwäche der Augen, noch mehr aber, wenn,
man ihren Saft aufstreicht. Sie sollen auch Schlaferregen,
mit Brot genossen Mundgeschwüre heilen, sowie gegen
Hundsbiss gut sein, wenn sie grün mit Essig oder trocken
mit Honig oder Wein aufgelegt und erst nach drei Tagen
wieder weggenommen werden, in welchem Zeiträume die
Wirkung schon erfolgt. Denselben Zweck erreicht man
durch Aufreiben derselben. Viele braten sie in Asche und
legen sie mit Gerstenmehl bei Augenflüssen und bei Ge-
schwüren der Schaamtheile auf. Den Saft streicht man auf
Wunden, weisse Flecke und Geschwüre in den Augen, mit
Honig vermischt auf Schlangenbisse und sonstige Wunden,
mit Frauenmilch auf Ohrengeschwüre, und bei Sausen in
den Ohren und Schwerhörigkeit tröpfelt man ihn mit Gänse-
schmalz oder Honig ein. Hat Jemand plötzlich die Sprache
verloren, so lässt man ihn mit Wasser trinken. Bei Zahn-
weh tröpfelt man ihn ein, um den Zahn zu reinigen, des-
gleichen in die durch den Stich von Thieren, besonders
der Scorpione, entstandene Wunden. Mit zerquetschten
Zwiebeln reibt man Glatzen und Flechten ein. Abgesotten
Inula. S. XIX. B. 29. Cap.
Zwanzigstes Buch. 13
giebt man sie gegen Ruhr und Lendenschmerzen. Die Ab-
schnitzel 1) werden zu Asche verbrannt und mit Essig gegen
Schlangenbiss, die Zwiebeln selbst aber ebenso gegen As-
selnbiss aufgelegt. Uebrigens sind die Meinungen der Aerzte
über diess Gewächs sehr getheilt. Die neuern sagen,
es tauge nicht für Brust und Verdauung, verursache
Blähungen und Durst. Nach der Lehre der Asklepiadischen
Schule giebt der Genuss der Zwiebeln eine gesunde Farbe,
und wenn man sie täglich nüchtern esse, sei man sicher
vor Krankheiten, auch wirkten sie durch das Aufstossen
wohlthätig auf den Magen, erweichten den Leib, vertrieben
als Zäpfchen applicirt die Hämorrhoiden; der Saft mit
Fenchelsaft gegeben thue wunderbare Wirkung bei anfan-
gender Wassersucht, sowie mit Raute und Honig wider die
Bräune, und Schlafsüchtige werden dadurch ermuntert.
Varro sagt, Zwiebeln, welche mit Salz und Essig ange-
stossen und getrocknet würden, frässen die Würmer nicht an.
21.
Das Schnittlauch stillt das Nasenbluten, wenn man
es zerreibt und die Nasenlöcher damit verstopft, oder mit
Gallapfel oder Minze vermischt, ferner die Blutflüsse nach
unzeitigen Geburten, wenn der Saft desselben mit Frauen-
milch getrunken wird. Auch gebraucht man es gegen
langwierigen Husten, Brust- und Lungenübel. Durch Auf-
legen der Blätter werden Brandschäden und die sogenannten
Epinyctiden oder Syce, ein Geschwür, welches in den Augen-
winkeln entsteht und beständig läuft, geheilt; mit letztern
Namen belegen auch Einige gewisse bleifarbige Blattern,
die des Nachts so beschwerlich fallen. Ferner heilt der
Schnittlauch, mit Honig zerrieben, noch andere Geschwüre,
mit Essig die Bisse wilder Thiere und Schlangen; mit
Ziegengalle oder gleichviel Honigmeth die Ohrenübel, mit
Frauenmilch das Brausen in den Ohren, in die Nasenlöcher
gebracht das Kopfweh, und den Schlafsüchtigen giesst man
ein Gemisch von 2 Löffel voll Lauchsaft und 1 Löffel
*) i)urgainenta, der Ausschuss.
;j^^ Zwanzigstes Buch.
voll Honig in die Ohren. Den Saft trinkt man bei Schlangen-
und Scorpionsbissen mit lauterm Weine, und bei Lenden-
schmerzen mit einer Hemina gewöhnlichem Wein. Gegen
Blutspeien, Schwindsucht und langwierigen Schnupfen hilft
der Saft oder der Genuss des Lauches selbst; desgleichen
gegen Gelbsucht, Wassersucht, Nierenschmerzen, 1 Ace-
tabulum voll mit Gerstentrank. Ein gleiches Quantum mit
Honig genommen reinigt die weibliche Schaam. Man isst
es gegen giftige Pilse und legt es auf Wunden. Es reizt
zum Beischlaf, stillt den Durst und vertreibt die Trunken-
heit, soll aber die Augen schwächen und Blähungen er-
regen, welche jedoch dem Magen nicht schaden und den
Leib erregen. Die Stimme macht es hell.
22.
Das Kopflauch 1) wirkt in allen jenen Fällen noch
kräftiger. Der Saft desselben wird mit gestossenen Gall-
äpfeln, Weihrauch oder Acaciensaft^) gegen Blutspeien ge-
geben. Hippocrates lässt ihn unverraischt nehmen, und
glaubt, er öffne die zusammengezogene Gebärmutter und
vermehre die Fruchtbarkeit der Weiber. Mit Honig zu-
sammengerieben reinigt es die Geschwüre. Husten, Brust-
catarrh, Leiden der Lunge und Luftröhre heilt es mit
Gerstengraupen im Tranke oder roh ohne die Köpfe, einen
um den andern Tag, auch wenn Eiter ausgeworfen wird,
genommen. Die Stimme, den Geschlechtstrieb und Schlaf
befördert es ebenfalls. Die Köpfe, zweimal in gewechseltem
Wasser gekocht, hemmen langwierige Durchfälle. Die ab-
gekochte und aufgelegte Rinde färbt graue Haare (schwarz).
23.
Der Knoblauch besitzt bedeutende Kräfte, und er-
weist sich sehr heilsam gegen den Wechsel des Wassers
und der Wohnorte. Sein Geruch vertreibt Schlangen und
Scorpionen, und wie Einige angeben, hilft er, verspeist,
im Tranke oder aufgelegt wider den Biss jedes wilden
•) Allium capitatum. Allium Porrum L.
2) Gummi arabicum.
Zwanzigstes Buch. 15^
Tbieres. Besonders dient er, mit Wein ausgebrochen, gegen
Hämorrhoiden. Und damit wir uns nicht darüber wundern,
dass er den giftigen Biss der Spitzmäuse heilt, so bedenke
man, dass er das Aconitum, welches auch Pardalianches ^)
heisst, den Bilsen 2) und den Hundsbiss, in dessen Wunden
er mit Honig gebracht wird, unschädlich macht. Gegen
Schlangenbiss kann er zwar mit den Blättern getrunken
werden, jedoch am wirksamsten zeigt er sich mit Oel über-
geschlagen, ferner gegen gescheuerte Theile des Körpers,
wenn sie auch schon in Blasen aufgeschwollen sind. Hip-
pocrates sagt. Räuchern mit Knoblauch befördere die Nach-
geburt, und die Asche desselben mit Oel aufgestrichen heile
laufende Geschwüre vollständig. Engbrüstigen giebt man
denselben roh zerrieben oder gekocht. Diocles empfiehlt
ihn den Wassersüchtigen mit Tausendgüldenkraut oder mit
dem Doppelten Feigen zur Ausleerung des Leibes, und
diese Wirkung erreicht man noch vollständiger, wenn er
grün mit Coriander in reinem Weine genommen wird. Einige
geben ihn in Milch vertheilt den Engbrüstigen. Praxagoras
mischte ihn auch gegeu Gelbsucht mit Wein, gegen Darm-
gicht mit Oel und Brei, und äusserlich gegen Kröpfe. Die
Alten gaben ihn auch roh den Wahnsinnigen; Diocles ge-
sotten den Verrückten. Wider die Bräune legt man ihn
zerrieben auf und gurgelt sich damit. Das Zahnweh ver-
geht, wenn man 3 Köpfe in Essig zerreibt, oder den Mund
mit Knoblauchabsud ausspühlt und ihn selbst in die hohlen
Zähne steckt. Den Saft tröpfelt man mit Gänsefett ver-
mischt in die Ohren; die Knollen mit Essig und NatroR
vermischt eingenommen heilen Läusesucht und Räude, mit
Milch oder mit weichem Käse zerrieben die Flüsse, auf
dieselbe Weise die Heiserkeit, oder mit Bohnen getrunken
die Schwindsucht. Ueberhaupt ist er gekocht besser als
roh . und gedämpft besser als gebraten , in welcher
Form er auch die Stimme verbessert. In Essigmeth ge-
>) Nicht unser Aconitum, sondern Doronicum Pardalianches L.
*) Hyoscyamus.
2^j Zwanzigstes Buch.
kocht treibt er die Spulilwürmer und alle übrigen Einge-
weidethiere aus. Er heilt den Stuhlgang in einem Breie
gegeben, die Sehmerzen der Schläfen gekocht aufgelegt,
das Roth lauf mit Honig gekocht und zerrieben; den Husten
mit altem Fette oder Milch gekocht, oder bei Blut- und
Eiterauswurf unter Kohlen gebraten und mit ebensoviel
Honig, Verrenkungen und Bauchschäden mit Salz und Oel
genommen. Mit Schmalz heilt er verdächtige Geschwulste.
Mit Schwefel und Harz vermischt zieht er das Schädliche
aus Fistelgeschwüren, und mit Pech die Pfeile heraus. Mit
Dost allein, oder seine Asche mit Oel und Fischtunke auf-
gelegt zieht er Krätze, Flechten, Sommerfiecken und die
Rose aus und heilt sie. Gebrannt und mit Honig vermischt,
giebt er aufgelaufenen und blauen Stellen ihre vorige Farbe
wieder. Auch die Epilepsie soll geheilt werden, wenn der
damit Behaftete Knoblauch isst, oder einen Trank davon
nimmt, und ein Knollen mit 1 Obolus Laserpitium in herbem
Wein genommen soll das 4tägige Fieber vertreiben. Husten
und jegliche Brusteiterung heilt er, wenn man ihn mit
zerbrochenen Bohnen kocht und diess Gemenge bis zur
Genesung speiset. Er macht auch Schlaf und verleiht dem
Körper eine röthere Farbe. Mit grünem Coriander zer-
rieben und mit lauterm Weine getrunken reizt er zum Bei-
schlafe. Seine nicht empfehlenden Eigenschaften bestehen
darin, die Sehkraft zu verringern, Blähungen zu erregen,
zu reichlich genommen den Magen zu schwächen und Durst
zu erzeugen. Unter das Futterkorn gemengt heilt er den
Pips bei den Hühnervögeln. Wenn mau die Zeugungstheile
des Zugviehes mit zerriebenem Knoblauch bestreicht, so
soll es den Harn leicht lassen und keine Schmerzen dabei
haben.
24.
Unter den wildwachsenden Arten des Lattichs ist
diejenige die erste, welche man Ziegenlattich nennt;
wirft man diesen ins Meer, so sterben die in der Nähe be-
findlichen Fische augenblicklich. Von dem eingedickten
Milchsäfte desselben giebt man den Wassersüchtigen 2
Zwanzigstes Buch. 17
Obolus schwer in Essig und mit 2 Bechern Wasser ver-
setzt. Der zerstossenen und mit Salz bestreueten Stengel
und Blätter bedient man sich zur Heilung zerschnittener
Nerven. Spühlt man mit denselben in Essig zerriebenen
Pflanzentheilen zweimal des Monats den Mund früh
Morgens aus, so bekommt man kein Zahnweh.
25.
Eine zweite Art nennen die Griechen Caesapon; sie
kommt auf Aeckern vor, und ihre Blätter werden zerrieben
und mit Gerstenbrei auf Geschwüre gelegt. Die dritte, in
Wäldern wachsende Art heisst Waid^); ihre Blätter ge-
braucht man, wie die der vorigen zur Heilung von Wunden.
Die vierte Art wird von den Wollfärbern benutzt 2); ihre
Blätter sind denen des wilden Ampfers ähnlich, aber zahl-
reicher vorhanden und schwärzer. Diese Pflanze stillt das
Blut, heilt um sich fressende und faulige Geschwüre, sowie
Geschwulste, wenn sie noch nicht eitern. Gegen die Rose
dienen Wurzel und Blätter, und ein Trank davon lindert
Milzkrankheiten. Diess sind die Eigenschaften der einzelnen
Arten.
26.
Alle wildwachsenden Arten haben im Allgemeinen ein
helleres Ansehn, und oft ellenhohe Stengel, welche, gleich
den Blättern , rauhhaarig sind. Unter diesen heisst die
mit runden, kurzen Blättern Habichtskraut 3), weil die
Habichte es aufschlitzen, wenn sie nicht gut sehen können,
und mit dem Safte die Augen benetzen. Bei allen ist der
Saft weiss, und besitzt dem Mohne ähnliche Kräfte; er wird
durch Einschneiden des Stengels gewonnen, in einem neuen
irdenen Gefässe aufbewahrt, und leistet in vielen Fällen
vortreffliche Dienste. Mit Frauenmilch vermischt heilt er
alle Augenübel, Nebelflecken , Narben, alle Arten Entzün-
dungen und besonders die Dunkelheit der Augen. Auch
,) Isatis. Isatis sylvestris L.
2) Diess ist Isatis tinctoria L.
3) Hieracia. Tragopogon picioicles L.
Wittstein: Plinius. IV. Bd.
^Q Zwanzigstes Buch.
gegen Flüsse im Auge wird er mit Wolle aufgelegt. In
saurem Wein zu 2 Obolen schwer getrunken reinigt er den
Leib, mit Wein vermischt heilt er die Schlangenbisse. Auch
die Blätter und die Bltithenbüschel werden mit Essig zer-
rieben getrunken; namentlich aber streicht man sie auf
Wunden, die durch Scorpionbisse entstanden sind, und mit
Wein und Essig auf Bissstellen von Spitzmäusen. Ferner
vernichten sie ändere Gifte, mit Ausnahme derjenigen,
welche durch Ersticken tödten oder welche der Blase
schädlich sind, sowie des Bleiweisses. Zur Beseitigung der
Unterleibsbeschwerden legt man sie mit Honig und Essig
auf den Bauch. Der Saft hebt das schwere Harnen. Cra-
tevas empfiehlt ihn den Wassersüchtigen zu 2 Obolen
schwer mit Essig und einem Becher Wein zu geben. Einige
sammeln auch einen, jedoch minder wirksamen Saft aus
dem angebaueten Lattich. Die vorzüglichem Kräfte dieser
Gewächse sind zum Theil schon angeführt, nämlich, dass
sie Schlaf verursachen, die Lust zum Beischlaf benehmen,,
die Hitze mildern, den Magen reinigen und das Blut ver-
mehren; aber noch mehrere sind zu nennen übrig, denn
sie vertreiben auch die Blähungen und befördern das Auf-
stossen. Nichts reizt und stillt die Esslust mehr, und zu.
ein und dem andern gehört ein gewisses Maass. So machen
sie auch in Menge genossen Oeffnung, weniger davon be-
wirkt das Gegentheil. Sie zertheilen den zähen Schleim,
und nach Einigen reinigen sie die Sinne. Gegen verdor-
benen Mägen zeigen sie sich sehr wirksam; zu diesem Be-
hufe fügt man einige Obolen scharfe Tunke ^) und etwas
Süsses zur Milderung hinzu; ist der Schleim sehr dick,
Meerzwiebeln oder Wermuth-Wein, und wenn man Husten
verspürt, Hyssop-Wein. Mit wilden Endivien giebt man
sie bei Verstopfungen und gegen Verhärtungen der Brust.
Melancholische und an Blasenübeln Leidende bekommen
meistens die weissen Arten. Praxagoras gab sie auch
gegen Durchfall. Mit Salz auf frische Brandwunden ge-
*) Oxypori.
Zwanzigstes Buch. 19
legt, bevor Blasen entständen sind, heilen sie. Um sich
fressende Geschwüre werden aufgehalten, wenn ihre An-
wendung erst mit Aphronitrum i), und später mit Wein
geschieht. Auf die Rose legt man sie zerrieben. Die
Stengel lindern mit Graupen und kaltem Wasser verrieben
Verrenkungen und Bauchschäden, und mit Graupen und
Wein den Ausbruch der Blattern. In der Gallensucht gab
man sie sogar schüssel weise, und hiezu nahm man die,
welche die grössten Stengel haben und bitter schmecken.
Einige bereiten einen Aufguss mit Milch. Abgekocht sollen
diese Stengel dem Magen sehr zuträglich sein, sowie der
bittere und milchende Sommerlattich, welcher Mohnlattich 2)
heisst, am meisten Schlaf erregt. Dieser Milchsaft soll, mit
Frauenmilch früh Morgens auf den Kopf eingerieben, die
Augen klar machen, auch diejenigen Augenkrankheiten,
welche durch Erkältung entstanden sind, heilen. Ich finde
noch verschiedene andere vorzüglichere Eigenschaften der-
selben angeführt. Brustübel sollen dadurch ebenso wie
durch das Abrotanum geheilt werden, zu welchem Behufe
man attischen Honig damit vermischt; Frauen werden da-
durch gereinigt. Den Samen des Gartenlattichs giebt man
gegen Scorpionbisse; ferner nimmt man ihn in Wein gegen
üppige Träume. Denen, welche Lattich essen, soll unge-
sundes Wasser nicht schädlich sein. Doch sagen Einige,
der zu häufige Genuss des Lattichs schade den Augen.
27.
Die beiden Arten der Beta besitzen auch medicinische
Kräfte. Die frische, angefeuchtete und an einem Faden
aufgehängte Wurzel der weissen oder schwarzen Art soll
gegen Schlangenbisse helfen; die weisse gekocht und mit
rohem Knoblauch genommen, gegen die Würmer; die
schwarze gleichfalls gekocht, vertreibt den Grind, und
überhaupt soll diese am kräftigsten sein. Ihr Saft stillt
altes Kopfweh, Schwindel, auch das Klingen der Ohren,
>) Eine salzige Auswitterung an Mauern.
2) Meconis.
2*
20 Zwanzigstes Buch.
wenn er in dieselben gegossen wird. Er treibt den Urin,
heilt den Durchfall und die Gelbsucht, aufgestrichen die
Zahnschmerzen; und, wenn er aus der Wurzel gepresst ist,
die Schlaugenbisse. Der Absud der Pflanze selbst heilt
die Frostbeulen. Der Saft der weissen hebt, auf die Stirn
gestrichen, die Flüsse in den Augen; mit etwas Alaun
vermischt, die Rose. Auch ohne Zusatz von Oel gerieben,
heilt sie Brandschäden. Man wendet sie auch gegen den
Ausbruch der Blattern an, und legt sie gekocht auf fressende
Geschwüre; im rohen Zustande aber auf kahle Stellen und
fliessende Geschwüre des Kopfes. Wird der Saft mit Ho-
nig vermischt in die Nasenlöcher gestrichen, so reinigt er
das Haupt. Mit Linsen und Essig gekocht dient sie zum
Erweichen des Leibes. Stärker gekocht hemmt sie die
Flüsse des Magens und Unterleibes.
28.
Es giebt auch eine wilde Bete, welche Einige Limo-
niumi), Andere Nervenkraut 2) nennen; sie hat viel
kleinere, dünnere und dichtere Blätter, deren Zahl oft 11
beträgt, und einen lilienartigen Stengel. Die Blätter, wel-
che beim Kauen den Mund zusammenziehen, heilen Brand-
schäden. Der Same hilft zu 1 Acetabulum genommen,
bei der Ruhr. Mit dem Absude der Wurzel soll man Fle-
cken in den Kleidern und im Pergament vertilgen können.
29.
Auch die Intubi sind nicht ohne arzneiliche Kräfte.
Ihr Saft lindert mit Rosenessenz und Essig vermischt das
Kopfweh, mit Wein genommen die Schmerzen der Leber
und Blase; auch legt man ihn gegen Augenflüsse auf. Den
wilden nennen bei uns Einige den Wanderer 3). In Ae-
gypten heisst der wilde Cichorium, der zahme aber Seris *),
und dieser ist kleiner und aderiger.
30.
Die Cichorien) kühlt. Verspeist und aufgelegt, zer-
*) Limorium: Statice Limonium L. -) Neuroicles.
3) Ambula. '■) Cichorium Enclivia L.
5) Cichorium: C. Tntubus L.
Zwanzigstes Buch. 21
theilt sie Geschwülste, und ihr abgekochter Saft öffnet den
Leib. Sie wirkt vortheilhaft auf Leber, Nieren und Magen;
hebt in Essig gekocht die Schmerzen beim Urinireu, auch
mit Houigtrank bereitet die Gelbsucht, wenn kein Fieber
vorhanden ist. Blasenleiden werden dadurch gehoben. In
Wasser gekocht zeigt sie sich zur Keinigung der Frauen
so wirksam, dass sie sogar todte Kinder abführt. Die
Magier sagen, wenn man sich mit dem mit Oel vermisch-
ten Safte der ganze Pflanze bestriche, so würde man von
Andern mehr Gunstbezeigungen, und alles, was man wollte,
erhalten. Wegen ihrer besondern Heilkraft wird sie von
Einigen die Nützliche ^j, von Andern die Allkräftige^)
genannt.
31.
Die wilde Art mit breitern Blättern nennen Einige
Hedypnois. Sie stärkt gekocht den schwachen Magen;
und stopft roh genossen den Durchfall. Sie heilt, besonders
in Verbindung mit Linsen, die Kuhr. Zerrissene und ver-
renkte Theile werden von beiden Arten geheilt; auch hilft
sie denen, w^elche aus Schwäche, in Folge von Krankheit,
den Samenfluss haben.
32.
Der Salat 3) sieht dem Lattich selbst sehr ähnlich
und hat 2 Arten, von denen die wilde, welche schwarz und
ein Sommergewächs ist, den Vorzug verdient, während die
schlechtere Art eine hellere Farbe hat und im Winter ge-
deihet. Beide Arten sind für die mit Flüssen Behafteten
vorzügliche Magenmittel. Mit Essig verspeist oder aufge-
legt kühlen sie, und vertreiben auch andere Flüsse als die
des Magens. Die Wurzeln der wilden werden mit Graupen
für den Magen genommen, und gegen Magenübel auf die
linke Brust gelegt. Alle diese erweisen sich auch den mit
dem Podagra, Blutspeien, Samenfluss Behafteten, einen um
den andern Tag getrunken wohlthätig. Petronius Diodo-
») Chrestos. "■') Pancijation
3) Seris.
22 Zwanzigstes Buch.
tus 1), welcher Blumenlesen geschrieben hat, verwirft den
Salat gänzlich und führt mehrere nachtheilige Wirkungen
von ihm an; aber die Ansichten Anderer weichen sehr
davon ab.
33.
Vielseitig sind die Vorzüge des Kohls 2), denn der
Arzt Chrysippus hat ihm ein eignes, über alle Glieder des
menschlichen Körpers sich erstreckendes Buch gewidmet,
und Dieuches, vor allen aber Pythagoras und Cato sind
seines Ruhmes voll. In die Ansichten des letztern müssen
wir um so genauer eingehen, damit mau wisse, welcher
Arznei sich das römische Volk seit 600 Jahren bedient bat.
Die ältesten Griechen unterschieden 3 Arten; den krausen,
nach der Aehnlichkeit mit den Blättern des Eppichs der
eppichartige 3) genannt, welcher dem Magen dienlich ist
und auf den Unterleib gelinde erweichend wirkt. Die
zweite heisst Lea^), hat breite aus dem Stengel gehende
Blätter, weshalb ihn Einige den Stengelkohl ^) nennen, und
ist in medicinischer Beziehung von keiner Bedeutung. Die
dritte Art heisst Crambe, hat einfache, zartere und dicht
stehende Blätter, schmeckt bitterer, ist aber die kräftigste.
Cato schätzt am meisten den krausen, dann den glatten
mit grossen Blättern und Stengel. Er rühmt ihn für Kopf-
weh, Dunkelheit und Blinzeln der Augen, die Milz, den
Magen und die Brust, zu welchen Zwecken man ihn roh
mit Essig und Honig, Coriandei-, Raute, Minze und Laser-
wurzel früh Morgens zu 2 Acetabeln nehmen soll; seine
Kraft sei so gross, dass schon der, welcher diese Mischung
bereite, sich dadurch gestärkt fühle. Um so grösser müsse
die Wirkung sein, wenn die Mischung selbst oder der Kohl
da hineingetaucht genommen werde. Gegen Podagra und
Gliederkrankheiteu soll er mit Raute, Coriander, Salz und
Gerstenmebl aufgelegt werden; und sein Absud den Nerven
*) Ein unbekannter Arzt.
^) Brassica oleracea L. und deren Varietäten. ^) selinoidea.
^) von ?.eioq: glatt. ^) Caulades.
Zwanzigstes Buch. 23
und Gelenken sehr zuträglieh sein. Umschläge davon auf
neue und alte Wunden, selbst auf Krebsschäden gelegt,
helfen, wenn auch kein anderes Mittel mehr anschlägt, zu
diesem Behufe aber solle man ihn erst mit warmem Wasser
anbrühen und dann zerquetscht zweimal des Tags auflegen.
So heile man auch Fistelschäden, Verrenkungen, Flüsse
und was sonst zu zertheilen ist. Gekocht und nüchtern
reichlich mit Gel und Salz gegessen vertreibe er die
Schlaflosigkeit; und nochmals gekocht, mit Zusatz von Gel,
Salz und Graupen das Leibweh. Isst man ihn so zubereitet
ohne Brot, so soll er noch wirksamer sein. Mit schwarzem
Weine genommen vertreibt er auch die Galle. Den Harn
Dessen, der Kohl gegessen hat, hebe man auf, denn er ist
warm gemacht, gut für die ISferven. Der Deutlichkeit
wegen will ich die eigenen Worte dieses Schriftstellers
anführen: „Wenn du kleine Knaben in solchem Urin wäschst,
werden sie nie schwächlich." Er räth auch, gegen das
schwere Hören den Saft warm mit Wein vermischt in die
Ohren zu tröpfeln, sowie gegen die Flechte anzuwenden,
welche dadurch heile ohne Geschwüre zu bilden.
34.
Nun wollen wir um Cato's willen auch die Verord-
nungen der Griechen, wenigstens diejenigen, welche er
ausgelassen hat, hier mittheilen. Ihrer Ansicht zufolge
führt der nicht gekochte Kohl die Galle ab und öffnet,
der zweimal gekochte (aufgewärmte) dagegen stopft. Er
soll ein Feind des Weins und des Weinstocks sein; vor
der Mahlzeit gegessen verhüte er das Trunkenwerden,
nach derselben vertreibe er den Rausch. Diese Speise be-
fördere sehr die Helligkeit der Augen, am meisten aber
der Saft des rohen Kohls, wenn er mit attischem Honig
vermischt in die Augenwinkel getupft wird. Er soll sehr
leicht verdauet werden und die Sinne reinigen. Die Schüler
des Erasistratus behaupten, nichts sei dem Magen und den
Nerven dienlicher, weshalb sie ihn auch bei Lähmungen,
Zittern und Blutspeien verordnen. Hippocrates empfiehlt
ihn zweimal gekocht mit Salz den an Verstopfung, Ruhr,
24 Zwanzigstes Buch.
Stuhlzwang und den Nieren Leidenden, auch vermehre er
bei den Wöchnerinnen die Milch und reinige die Frauen^
Das Kauen des rohen Stengels befördert den Abgang
todter Geburten. Apollodorus verordnet den Samen oder
Saft gegen giftige Pilze, Philistion den Saft mit Ziegen-
milch, Salz und Honig gegen Opisthotonie. Ich finde auch^
dass an Podagra Leidende durch Essen von Kohl oder
Trinken der Kohlbrühe geheilt worden sind. Die Suppe
giebt man terner mit Salz den mit Magenschmerzen und
Epilepsie Behafteten, desgleichen den Milzsüchtigen mit
weissem Weine 40 Tage lang. Gegen Gelbsucht, auch
Wahnsinn soll man mit dem Safte der rohen Wurzel gur-
geln und ihn trinken; gegen das Schlucken aber mit Co-
riander, Dill, Honig, Pfeflfer und Essig. Bei Blähungen im
Magen, gegen Schlangenbisse, alte und faule Geschwüre
legt man entweder das (davon abgekochte) Wasser mit
Gerstenmehl, oder den mit Essig bereiteten Saft nebst
Bockshornsamen auf. Einige legen ihn auch auf gegen
Gliederweh und Gicht. Hitzige Blattern oder andere um
sich fressende Uebel heilt er durch Auflegen, desgleichen
plötzliche Verdunkelung der Augen, wenn man ihn mit
Essig verzehrt, blaue Flecken durch blosses Ueberschlagen
des Krauts, Schorf und Krätze mit Zusatz von rundem
Alaun und Essig. Auch befestigt er ausfallende Haare.
Epicharmus i) empfiehlt ihn als vorzüglich wirksam gegen
Hoden- und andere Krankheiten der Geschlechtswerkzeuge
äusserlich angewandt, und noch besser in Verbindung mit
Bohnenmehl; desgleichen gegen Verstauchungen mit Raute,
gegen Fieberhitze, Magenübel und zum Abführen der Nach-
geburt mit Rautensamen. Die Bisse der Spitzmäuse reinigt
das Pulver der Blätter in beiderlei Weise angewandt.
35.
Unter allen Kohlarten ist der Sprossenkohl 2) die
') Arzt, wahrscheinlich nicht identisch mit dem Philosophea
Epicharmos aus Kos, der grösstentheils in Sicilien lebte und daselbst
477 V. Chr. starb.
-) cyma, Blumenkohl?
Zwanzigstes Buch. 25
lieblichste, doch wird sie für undienlich gehalten, kocht
sich schwer und wirkt nachtheilig auf die Nieren. Auch
will ich noch bemerken, dass die wässrige Abkochung des
Kohls, welche so vielfältige nützliche Anwendung gestattet,
auf die Erde gegossen übel riecht. Die Asche von getrock-
neten Kohlstengeln ist ein Aetzmittel; man gebraucht sie
mit altem Schmalze vermischt gegen Hüftschmerzen, und
statt einer Haare vertilgenden Salbe mit Laser und Essig
auf ausgerissene Haare gelegt hindert sie das Wachsen
neuer Haare, Sie wird auch mit Oel erwärmt oder für
sich allein gesotten bei innerlichen Verstauchungen und
beim Fallen von einer Höhe eingenommen. Besitzt denn
aber der Kohl gar keine üblen Eigenschaften? Allerdings,
denn er soll schweres Athmen erzeugen, und den Zähnen
und dem Zahnfleische schädlich sein. In Aegypten isst
man ihn wegen seiner Bitterkeit nicht.
36.
Den wilden oder Feld kohl rühmt Cato noch weit
mehr, und versichert, dass wenn man ihn gepulvert in
einer Büchse aufbewahre und nur den Geruch davon in
die Nase ziehen lasse, dadurch die Krankheiten dieses Or-
gans und der üble Geruch desselben gehoben würden.
Diese Art, welche bei Einigen Steinkohl heisst, ist ein
solcher Feind des Weines, dass der Weinstock selbst davor
fliehet, und, wenn ihm diess unmöglich ist, ausgeht. Er
hat gleichstehende, kleine, runde, glatte Blätter, sieht dem
Küchenkohl mehr ähnlich, und ist heller und rauher als
der Gartenkohl. Chrysippus sagt, er heile die Blähungen,
auch die Melancholie und frische Wunden mit Honig, wenn
sie vor dem siebenten Tage nicht neu verbunden würden;
mit Wasser angestosseu Kröpfe und Fisteln. Nach Andern
hemmt er das Umsichfressen der sogenannten Nomen-Ge-
schwüre, vertilgt Auswüchse und ebnet Narben. Durch
Kauen, Kochen und Gurgeln des Saftes mit Honig werden
Mundgeschwüre und geschwollene Mandeln, durch Auflegen
eines Gemisches von 3 Theilen Kraut und 2 Tbeilen Alaun
in Essig alter Schorf und Krätze geheilt. Epicharmus hat
2Ö Zwanzigstes Buch.
es für hinreichend, ihn gegen den tollen Hundsbiss aufzu-
legen, besser aber ist es, wenn man Laser und Essig hin-
zufügt; auch sollen die Hunde, welchen er mit Fleisch ge-
geben wird, dadurch getödtet werden. Der geröstete Same
hilft gegen Schlangen, Pilze und Ochsenblut. Die gekochten
Blätter werden mit Vortheil den Milzsücbtigen gegeben,
auch roh mit Schwefel und Natron hiebei sowohl wie gegen
verhärtete Brüste anfgelegt. Die Asche der Wurzeln heilt
durch Berühren das geschwollene Zäpfchen im Halse, un-
terdrückt mit Honig aufgelegt die Geschwüre hinter den
Ohren, und heilt die Schlangenbisse. Noch will ich einen
bedeutenden und wunderbaren Beweis von der Kraft des
Kohls anführen. Wenn Gefässe, in welchen bloss Wasser
gekocht wird, inwendig ganz mit einer Rinde überzogen
sind, und diese nicht losgemacht werden kann, so geht
«ie, sobald Kohl darin gesotten wird, gleich ab.
37.
Unter die wilden Kohlarten gehört auch die L ap sa-
tt a^) welche 1 Fuss hoch wird, rauhe Blätter hat, und dem
l!^apus sehr ähnlich ist, nur dass ihre Blüthen blässer sind.
Man kocht sie zur Speise, und ihre Wirkung besteht im
gelinden Erweichen des Unterleibes.
38.
Der Meerkohl 2) reitzt unter allen Arten den Unter-
leib am meisten. Seiner Schärfe wegen wird er mit fettem
Fleische gekocht, schadet aber dem Magen sehr.
39.
Unter den Meerzwiebelarten heisst die weisse das
Männchen, die schwarze das Weibchen. Je weisser, um
so besser ist sie auch. Man zieht ihr die trocknen Häute
ab, schneidet die darunter liegenden lebenden Theile aus
einander, und hängt sie an Fäden in geringem Abstände
von einander auf. Hierauf taucht man die trocknen Stücke
in ein mit scharfem Essig gefülltes Gefäss so, dass sie die
*) Sinapis incana L. oder vielleiclit eher Raphanus Raphanistrum.
-) Brassica marina. Crainbe maritima L,?
Zwanzigstes Buch. 27
Wände des letztem nirgends berüliren. Diess geschieht
48 Tage vor dem Sommer-Solstitium. Das Gefäss wird
nun mit Gyps verstrichen und unter ein Dach gestellt,
welches den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt ist. Nach
Verlauf dieser Zeit wird das Gefäss hinweggestellt, die
Meerzwiebel herausgenommen und der Essig durchgeseihet.
Er macht klare Augen, hilft alle 2 Tage in geringer Dosis
genommen für Magen- und Seitenstechen, seine Kraft ist
aber so gross, dass dem, welcher ihn etwas zu schnell
trinkt, der Athem auszugehen drohet. Für das Zahnfleisch
und die Zähne kauet man die Wurzel selbst. Mit Essig
und Honig genommen vertreibt sie die Würmer und son-
stigen Eingeweide-Thiere. Legt man sie den Wassersüch-
tigen unter die Zunge, so fühlen sie keinen Durst. Man
kocht sie auf verschiedene Weise, entweder in einem Toj^fe,
der in ein anderes Gefäss oder in einen Ofen gesetzt wird,
oder mit Fett und Leim bestrichen oder stückweise in
Schüsseln. Sie wird auch roh getrocknet, dann zerschnitten,
in Essig gekocht und auf Bisswunden von Schlangen ge-
legt. Ferner röstet man sie, reinigt sie dann, und kocht
den mittleren Theil davon nochmals in Wasser. So zuge-
richtet findet sie in der Wassersucht Anwendung, und als
Diureticum wird sie zu 3 Obolen schwer mit Honig und
Essig eingegeben; auch gegen Milz- und Magenbeschwerden
(wenn keine Geschwüre vorhanden sind) bei denen, welche
an Verdauung leiden; gegen Bauchgrimmen, Gelbsucht und
langwierigen mit Engbrüstigkeit begleiteten Husten. Die
Blätter, alle 4 Tage neu aufgelegt, vertreiben die Kröpfe;
mit Oel gekocht die Schuppen und nassen Geschwüre des
Kopfes. Man kocht sie auch zum Verspeisen mit Honig
um die Verdauung zu befördern, und die Innern Theile zu
reinigen. In Oel gekocht und mit Harz vermischt heilt
sie aufgebrochene Füsse. Bei Lendenweh wird ihr Same
mit Honig aufgelegt. Pythagoras sagt, wenn man die
Meerzwiebel an der Thürschwelle aufhänge, so verhindere
sie den Eintritt von Gift und andern schädlichen Einflüssen.
28 Zwanzigstes Buch.
40.
Ausserdem heilen die Zwiebeln i) mit Essig und
Schwefel die Wunden im Gesicht; für sich zerrieben den
Nervenkrampf, mit "Wein den Grind, mit Honig den Biss
der tollen Hunde, wobei Erasistratus den Zusatz von Pech
vorschreibt. Ebenderselbe giebt an, mit Honig aufgelegt
stillten sie das Blut. Andere setzen, wenn das Blut aus
der Nase kommt, Coriander und Mehl hinzu. Theodorus 2)
heilte auch die Flechten mit Zwiebeln und Essig, und auf
dem Kopfe aufbrechende Geschwüre mit saurem Wein und
einem Ei; ferner legte er auf Augenflüsse Zwiebeln und
heilte so das Triefen der Augen. Die röthlichen unter die-
sen Zwiebeln heilen Fehler im Gesichte, wenn sie an der
Sonne mit Honig und Natron, und die Sommersprossen,
wenn sie mit Wein oder gekochten Gurken aufgelegt wer-
den. Bei Wunden zeigen sie sich ganz besonders wirksam
theils allein, theils, wie Damion ^) angiebt, mit Honigtrank,
wenn der Verband alle 5 Tage erneuert wird. Dieser Arzt
heilt ferner damit verletzte Ohren und Schleim an den Ho-
den. Bei Gliederschmerzen vermischt man sie mit Mehl.
In Wein gekocht und auf den Leib gelegt, machen sie die
Brust weich. Den Ruhrkränken giebt man sie in Wein
und Regenwasser eingeweicht; bei innerlichen Verrenkungen
mit Silphium^) in Kügelchen von der Grösse einer Bohne.
Für den Schweiss werden sie gestossen aufgelegt. Sie
erweisen sich heilsam für die Nerven, daher man sie auch
bei Lähmungen eingiebt. Die röthlichen heilen mit Honig
und Salz Fussverrenkungen sehr schnell. Die, welche um
Megara wachsen, reizen zum Beischlaf; die Gartenzwiebeln
befördern mit eingekochtem oder Rosinenwein genommen
die Geburt; die wilden heilen mit Silphium in Pillenform
genommen innerliche Wunden und andere Fehler. Der
Same der zahmen wird gegen Spitzmäuse mit Wein ge-
*) bulbi. Muscari comosum L.
2) Ein nicht näher bekannter Arzt. ^) Desgleichen.
'') Oder Laserpitium.
Zwanzigstes Buch. 29
trunken ; die Zwiebeln selbst legt man mit Essig gegen
Schlangenbisse auf. Die Alten gaben auch Rasenden den
Samen in einem Tranke ein. Die zarteren Theile der
Zwiebel werden zerrieben gegen Flecke an den Beinen und
verschiedene andere durchs Feuer entstandene Fehler ange-
wendet. Diocles glaubt, die Augen würden dadurch ge-
schwächt; gesotten wären sie nicht so gut als gebraten,
und im Allgemeinen schwer zu verdauen.
41.
Bulbinei) nennen die Griechen ein Kraut mit lauch-
artigen Blättern und röthlicher Zwiebel, welches besonders
bei frischen Wunden wunderbare Dienste leisten soll. Das-
jenige Zwiebelgewächs, welches wegen seiner Wirkung
Brechzwiebel 2) heisst, hat schwarze und längere Blätter
als die andern.
42.
Der Spargel soll sehr gut für den Magen sein. Aller-
dings vertreibt er mit Rossktimmel genommen die Blähun-
gen, macht auch in Wein gekocht klare Augen, eröffnet
gelinde, lindert Brust- und Rückenschmerzen und andere
innerliche Uebel. Bei Lenden- und Nierenschmerzen nimmt
man 3 Obolen des Samens mit gleichviel Rosskümmel im
Tranke. Er reizt zum Beischlaf, ist ein vortreffliches Harn
treibendes Mittel, macht aber die Blase wund. Die Wurzel
führt sogar, nach Angabe Vieler, mit weissem Wein einge-
geben die Blasensteine ab, und heilt Lenden- und Nieren-
schmerzen. Einige verordnen auch dieselbe mit süssem
Wein bei Schmerzen der weiblichen Geschlechtstheile. In
Essig gekocht erweist sie sich nützlich beim Aussatz. Wer
sich mit einem Gemisch aus Spargel und Oel bestreicht,
soll von den Birnen nicht gestochen werden.
43.
Den wilden Spargel nennen Einige den lybischen
') Grnithogalum umbellatum L,
2) Bulbus vomitorius. Omithogalum nutans L.
30 Zwanzigstes Buch.
die Attiker Scharlei i). Er besitzt für die genannten Uebel
noch grössere Kräfte, und ist namentlich dem weissen vor-
zuziehen. Er vertreibt die Gelbsucht. Zur Beförderung
des Beischlafs soll man den Absud zu 1 Hemina trinken,
sowie 3 Obolen des Samens mit ebensoviel Dill nehmen.
Der gekochte Saft wird auch gegen Schlangenbisse gegeben.
Die Wurzel ist in Verbindung mit der des Fenchels eine
der kräftigsten Arzneien. Nach Chrysippus soll man bei
blutigem Harnen 3 Obolen Spargel-, Eppich- und Ross-
kümmel-Samen in 2 Bechern Wein alle 5 Tage nehmen.
Ihm zufolge schadet er den Wassersüchtigen, obgleich er
urintreibend wirkt, auch dem Beischlafe und der Blase,
wenn er nicht gekocht ist. Von dem Absude sollen Hunde
getödtet werden. Wird der mit Wein gekochte Saft in
Wunden gehalten, so vertreibt er das Zahnweh.
44.
Die Kräfte des Eppichs (Sellerie) sind allgemein be-
kannt, denn sein Kraut wird in reichlicher Menge in die
Suppen gethan, und hat unter den Gewürzen einen beson-
dern Werth. Mit Honig wird es zweckmässig auf die Augen
gelegt, auch brühet man mit dem heissen Safte die Augen
und andere Glieder. Flüsse werden gleichfalls dadurch
geheilt; für sich zerrieben oder mit Brot oder Graupen auf-
gelegt, leistet er vortreffliche Dienste. Auch den Fischen,
welche in den Teichen erkranken, kommt man mit grünem
Sellerie zu Hülfe. Doch herrscht bei den Gelehrten über
nichts, was aus der Erde gegraben wird, eine grössere
Meinungsverschiedenheit, als über diess Gewächs. Man
unterscheidet ihn nach dem Geschlecht. Chrysippus nennt
das Weibchen die Art mit krausern und harten Blättern,
dickem Stengel, und brennend scharfem Geschmack, Dio-
nisius die schwärzern, mit kürzerer Wurzel, welche Würmer
erzeuge. Beide Autoren verbieten, diese Arten zur Speise
zu gebrauchen, und halten es sogar für ein Verbrechen,
*) Hormenum. Salvia Horminum L., was indessen eine von dem
wilden Spargel ganz verschiedene Pflanze ist.
Zwanzigstes Buch. 32
denn diess Kraut sei den traurigen Todtenmahlen geweihet^
und wirke nachtheilig auf die Augen. Im Stengel des
Weibchens entstehen Würmer, und Alle die davon essenr
es seien männliche oder weibliche Personen, werden un-
fruchtbar, säugender Mütter Kinder aber bekommen in
diesem Falle die Epilepsie. Die männliche Pflanze soll
weniger schädlich sein, und daher zählt man sie nicht zu
den verbotenen Kräutern. Durch Auflegen der Blätter
werden harte Brüste weich. In Wasser gekocht ertheilt
er demselben einen angenehmen Geschmack. Der Saft,,
namentlich aus der Wurzel, lindert mit Wein die Lenden-
schmerzen, und heilt, ins Ohr getröpfelt, die Schwerhörigkeit.
Der Same treibt den Harn, den Monatsfluss und die Nach-
geburt ab, und von dem gekochten Samen gemachte
Umschläge geben blau angelaufenen Stellen ihre vorige
Farbe wieder. Mit dem Weissen vom Ei aufgelegt oder
mit Wasser gekocht und getrunken, heilt er die Nieren, mit
kaltem Wasser zerrieben die Mundgeschwüre. Wird der
Same mit Wein, oder die Wurzel mit altem Weine ge-
nommen, so werden dadurch die Blasensteine zerkleinert.
Den Samen giebt man auch mit weissem Wein den Gelb-
süchtigen.
45.
Das Apiastrum nennt Hyginus zwar Melissophyl-
lum, es ist aber offenbar zu verwerfen und in Sardinien
besitzt es giftige Eigenschaften. Wir müssen jedoch alles
berücksichtigen, was bei den Griechen unter demselben
Namen gemeint ist.
46.
Das Olusatrum, welches auch Pferdesilge *) heisst
ist den Scorpionen zuwider. Der aus dem Samen bereitete
Trank heilt innerliche Schmerzen, und mit Honigmeth die
Harnstrenge. Die Wurzel vertreibt mit Wein gekocht den
Stein, sowie Lenden- und Seitenschmerzen. Tolle Hunds-
bisse werden davon durch innerliche und äusserliche An-
•) Hipposeljnum.
32 Zwanzigstes Buch.
Wendung geheilt. Der Saft erwärmt Frierende. Einige
machen daraus eine vierte Art, die Bergpetersilie i),
deren Stengel 1 Palme hoch und aufrecht ist, der Same
sieht dem Rossktimmel ähnlich. Sie erweist sich bei Urin-
verhaltungen und beim Mouatsfluss wirksam. Der Sumpf-
eppich 2) besitzt eine besondere Kraft gegen die Spinneu.
Samen von Bergpetersilie in Wein getrunken reinigt die
Weiber.
47.
Eine andere Art nennen Einige Petersilie^), weil sie
auf Felsen wächst; sie zeigt sich besonders wirksam bei
Blutgeschwüren, wenn man 2 Löfifel voll Saft in einem
Becher Andornsaft thut, und diess Gemisch mit 3 Bechern
warmen Wassers einnimmt. Einige fügen noch den soge-
nannten Ochseneppich 4) hinzu, der sich von dem ange-
baueten durch den kurzen Stengel und die röthlich gefärbte
Wurzel unterscheidet, aber ganz dieselbe Wirkung besitzt.
Er soll, innerlich und äusserlich angewandt, ein gutes Mittel
gegen die Schlangen sein.
48.
Auch das Basilienkraut'^) hat Chrysippus nicht
wenig mitgenommen; nach ihm soll es nämlich dem Magen,
Urin und den Augen schädlich sein, Wahnwitz, Schlafsucht
und Leberleiden erzeugen, und selbst von den Ziegen nicht
augerührt werden, daher es auch von den Menschen nicht
gebraucht werden müsse. Einige fügen noch hinzu, es er-
zeuge zerrieben und mit einem Steine bedeckt, Scorpione,
und gekauet an die Sonne gelegt, Würmer. Die Afrikaner
sagen, wenn Jemand an demselben Tage, wo er Basilien-
kraut gegessen habe, von einem Scorpione gestochen würde,
so sei er unheilbar. Andere geben sogar an, wenn man
10 See- oder Flusskrebse mit diesem Kraute zerriebe, so
kämen die in der Nähe befindlichen Scorpione heran.
') Oreoselinum. ^) Heleoselinum.
3) Petroselinum. Apium Petroselinuni L, •*) Buselinura.
^) Ocimum.
Zwanzigstes Buch. 33
Diodotus 1) sagt in seinen praktischen Erfahrungen, der
Genuss des Basilienkrautes erzeuge Läuse. In der nach-
folgenden Zeit wurde es eifrig vertlieidigt, denn man be-
hauptete, dass die Ziegen es frässen, dass Niemand dadurch
irre geworden sei, und dass durch den Genuss desselben
mit Wein und etwas Essig die Stiche der Land-Scorpione
und Vergiftungen durch Seegeschöpfe geheilt würden. Die
Erfahrung hat ferner bewiesen, dass Ohnmächtige, welche
an den damit bereiteten Essig riechen, wieder zu sich selbst
kommen, und dass es bei Schlafsucht und Eutzimdungeu
Kühlung gewährt. Mit Rosenöl, Myrtenöl oder Essig auf-
gelegt heilt es das Kopfweh, und mit Wein die Augenge-
schwüre. Es ist auch dem Magen zuträglich, lindert in
Essig genommen Blähungen und Aufstosseu, hemmt aufge-
legt den Bauchfluss, reizt zum Harnen, soll auch gegen
Gelbsucht und Wassersucht dienlich sein, Gallensucht und
Durchfall heilen. Daher verordnete es Philistion bei Ver-
stopfungen, und Plistouicus in der Abkochung bei Durchfall
und Kolik; Einige mit Wein bei Stuhlzwang und Blut-
speien, sowie bei verhärteter Brust. Auf die Brüste ge-
legt vertreibt es die Milch. Für die Ohren der Kinder
erweist es sich besonders mit Gänsefett sehr nützlich. Der
gestossene Same in die Nase geschnupft erregt Niesen und
auf den Kopf gelegt den Schnupfen; mit Essig eingenommen
reinigt er die weiblichen Geschlechtstheile. Mit Schuster-
schwärze vermischt, vertilgt er die Warzen, und reizt zur
Begattung, daher er atich den Pferden und Eseln zur Zeit
der Beschälung eingegeben wird.
Das wilde Basilienkraut besitzt noch grössere Wirk-
samkeit in denselben Fällen, besonders bei solchen Krank-
heiten, welche durch häufiges Erbrechen entstanden sind,
und seine Wurzel wird in Wein mit dem besten Erfolge
gegen die Eiterbeulen der weiblichen Schaam und Bisse
wilder Thiere angewandt.
') Petronius Diodotus.
Wittstein: Pliuius. IV. Bd.
34 Zwanzigstes Buch.
49.
Der Same der Eruea heilt die giftigen Bisse der
Scorpione und Spitzmäuse. Er vertreibt alle im Körper
befindlichen Thierehen, mit Honig aufgelegt die Hautschäden
im Gesichte, mit Essig die Sommersprossen, macht mit
Ochsengalle schwarze Narben wieder weiss. Man sagt,
wenn Leute, welche geprügelt werden sollen, den Samen
mit Wein tränken, so fühlten sie die Schläge nicht so sehr.
Er ist ein so angenehmes Gewürz für die Zuspeisen, dass
die Griechen ihm den Namen Tafelwürze ^) gegeben haben.
Die Augen sollen mit Eruca gebrühet, klar werden, und
die Kinder den Husten dadurch verlieren. Die mit Wasser
gekochte Wurzel zieht zerl)rocheue Knochen aus. Von ihrer
Wirkung, zum Beischlafe zu reizen, habe ich schon ge-
sprochen 2); man bricht zu diesem Behufe 3 Blätter der
wilden Art mit der linken Hand ab; zerreibt sie mit Wasser
und trinkt diesen Brei.
50.
Die Brunnenkresse 3) dagegen unterdrückt den Ge-
schlechtstrieb, und belebt, wie schon erwähnt^) den Geist»
Es giebt 2 Arten, die weisse reinigt und entfernt, mit dem
zehnfachen Gewichte Wasser genommen, die Galle. Mit
Bohnenbrei auf Kröpfe gelegt und mit einem Kohlblatt be-
deckt, heilt sie vortrefflich. Die andere Art, welche dunkler
ist, reinigt die Kopfübel, das Gesicht, beruhigt mit Essig
genommen, aufgeregte Gemüther, stillt mit Wein oder Feigen
Milzkrankheiten, und täglich nüchtefn mit Honig genommen
den Husten. Der Same vertilgt mit Wein, oder besser
wenn noch wilde Minze hinzugethan wird, alle Eingeweide-
würmer. Er hilft auch mit Most und süssem Wein gegen
Engbrüstigkeit und Husten, und in Ziegenmilch gekocht
bei Brustschmerzen. Mit Pech zertheilt er Geschwulste,
zieht Splitter aus dem Leibe, und mit Essig vertreibt er
Flecken. Gegen Krebsgeschwüre wird das Weisse vom Ei
>) enzomon. 2) s. XIX. B. 44. Cap. ^) Nasturtium.
") XIX. B. 41. Cap.
Zwanzigstes Buch. 35
hiii'.ugesetzt. Mit Essig legt man ihn bei Milzleiden auf,
den Kindern aber giebt man ihn am zweckmässigsten mit
Honig. Sextius sagt, geröstet solle die Brunnenkresse die
Sclilangen veitreiben und den Scorpionen zuwider sein,
zerrieben mit Senf versetzt Kopfweh und Glatzen, mit
Feigen auf die Ohren gelegt die Schwerhörigkeit, als Saft
in die Ohren gegossen die Zahnschmerzen, und mit Gänse-
schmalz vermischt Grind und andere Kopfgeschwüre ver-
treiben. Kleine entzündliche Geschwüre heilt sie mit Sauer-
teig, Karbunkeln bringt sie zur Reife und Oeffnung. Um
sich fressende Geschwüre reinigt sie mit Honig. Auf Hüften
und Lenden legt man sie mit Essig, desgleichen auf Flechten
und böse Nägel, denn sie besitzt eine ätzende Kraft. Die
beste wächst um Babylon; die wilde ist aber die kräftigste.
51.
Zu den vorzüglichem Arzneikräutern wird auch die
Raute gezählt. Die Gartenraute hat breitere Blätter und
buschigere Zweige. Die wilde wirkt strenger und ist in
jeder Beziehung schärfer. Der durch Zerstampfen der Pflanze
mit etwas Wasser und Auspressen bereitete Saft wird in
einer kupfernen Büchse aufbewahrt. In grössern Gaben
wirkt derselbe giftig, und zwar besonders der von der am
Flusse Aliacmon in Macedonien wachsenden Pflanze. Merk-
würdigerweise wird sein nachtheiliger Einfluss auf den
Organismus durch Schierlingssaft aufgehoben; so ist ein
Gift dem andern entgegen, denn durch Schierlingssaft
schützt man auch die Hände derer, welche Raute ein-
sammeln. Sonst gehört sie, namentlich die galatische, zu
den ersten Gegengiften; doch ist auch jede Raute schon an
"und für sich ein Gegengift, wenn ihre Blätter zerrieben
und mit Wein genommen werden, vorzüglich wider das
Aconitum, Viscum, die Pilze, zu welchem Behuf mau sie
entweder als Trank und in Substanz eingiebt; desgleichen
wider die Schlangenbisse; ja selbst die Wiesel, welche mit
ihnen kämpfen wollen, wafl'nen sich durch den Genuss von
Raute. Ferner helfen die Blätter wider die Stiche der
Scorpione, Spinnen, Bienen, Hornisse und Wespen, wider
3*
3(5 Zwanzigstes Buch.
spanische Fliegen, yalamander und tolle Hundsbisse, zu
welchen Zwecken man 1 Acetabulum voll Saft mit Wein
trinkt, und die zerriebenen Blätter entweder gekauet mit
Honig und Salz oder mit Essig und Pech gekocht auflegt.
Wer sich mit dem Safte bestreicht oder das Kraut bei sich
trägt, soll von jenen Thieren nicht verletzt werden, und
die Schlangen sollen den Dunst von brennender Raute
fliehen. Doch ist die Wurzel der wilden Raute am kräf-
tigsten, und noch mehr, wie man sagt, wenn ein Trank
davon unter freiem Himmel eingenommen werde. Pytha-
goras unterscheidet männliche Raute mit kleinern gras-
grünen, und weibliche mit breitern, heuern Blättern, hält
sie für schädlich den Augen, jedoch mit Unrecht, denn die
Steinschneider und Maler essen sie mit Brot oder Kresse
zur Schärf iing der Augen, und wie man sagt, sollen die
wilden Ziegen sie aus demselben Grunde verzehren. Viele
sollen von blöden Augen dadurch befreit worden sein, dass
sie den Saft mit attischem Honig oder mit Milch von einer
Frau, die einen Knaben geboren, vermischten, oder auch
allein in die Augenwinkel gestrichen. Mit Graupen auf-
gelegt lindert sie die Augenflüsse, mit Wein getrunken oder
mit Essig und Rosenessenz aufgelegt die Kopfschmerzen,
anhaltendes Kopfweh aber mit Gerstenmehl und Essig.
Sie hebt Unverdaulichkeit, Blähungen und langandauernde
Leibschmerzen. Sie öffnet die Gebärmutter und bringt sie
wieder in die rechte Lage, wenn sie mit Honig auf den ganzen
Leib und die Brust gelegt wird. Mit Feigen zur Hälfte einge-
kocht und mit Wein eingenommen wirkt sie wohlthätig bei der
Wassersucht. Ebenso zubereitet bedient man sich ihrer bei
Brust-j Seiten- und Lendenschmerzen, Husten, Engbrüstigkeit)
Leiden der Lunge, Leber und Nieren, und kalten Schauern.
Gegen Berauschung trinkt man einen Absud der Blätter. Auch
roh, gekocht oder eingemacht verspeist ist sie dienlich, mit
Hyssop und Wein gekocht heilt sie das Bauchgrimmen.
Sie stillt das innerliche Blut und in die Nase gesteckt,
das Nasenbluten, wirkt auch erhaltend auf die Zähne, wenn
man den Mund damit ausspült. Bei Ohrenschmerzen wird
Zwanzigstes Buch. 37
der Saft der wilden in dem besagten Maasse in die Ohren
gegossen; bei Schwerhörigkeit und Klingen der Ohren aber
mit Rosenöl, Lorbeeröl, oder Rosskümmel und Honig. Den
Wahnsinnigen tröpfelt man den durch Abreiben mit Essig
bereiteten Saft auf die Schläfen und das Gehirn; Einige
fügen noch Quendel und Lorbeer hinzu, und bestreichen
Kopf und Hals. Man giebt sie auch den Schlafsüchtigen
mit Essig zum Riechen, den Epileptischen den gekochten
Saft zu 4 Bechern vor den Anfällen, welche mit unerträg-
licher Kälte verbunden sind, zum Trinken, den Frostigen
roh zu essen. Sie treibt sogar den blutigen Harn ab,
ferner, wie Hippocrates behauptet, mit schwarzem süssem
Wein getrunken die Nachgeburt und todte Kinder. Zu
demselben Zweck soll man auch die Schaam damit belegen
und räuchern. Diocles legt sie bei Magenbeschwerden mit
Essig, Honig und Gerstenmehl auf, auch gegen die Darm-
gicht, wenn das Pulver derselben in Oel gekocht und in
einem Felle aufbewahrt wird. Viele empfehlen, bei eite-
rigem Auswurf 2 Drachmen trockne Raute mit anderthalb
Drachmen Schwefel, und beim Blutspeien 3 Zweige in Wein
gekocht zu nehmen. In der Ruhr giebt man sie mit Käse
und Wein vermischt, bei schwerem Athem mit Pech als
Trank, und ist jemand von einer Höhe gefallen, so ver-
ordnet man ihm 3 Unzen Samen. Auf verbrannte Stelleu
legt man die Blätter, nachdem sie in 1 Pfunde Oel und 1
Sextarius Wein gekocht sind. Wenn sie harntreibend wirkt,
wie Hippocrates sagt, so ist zu verwundern, dass Einige sie
als, das Trinken verhindernd, gegen die Unenthaltsamkeit
des Urins empfehlen. Grind und Krätze heilt sie mit Honig
und Alaun aufgelegt, desgleichen Leberflecken, Warzen,
Kröpfe u. s. w. mit Strychnos i), Schweinefett und Ochsen-
talg, die Rose mit Essig, Oel oder Blei weiss, Karbunkeln
mit Essig. Einige lassen Laser mit auflegen, aber ohne
denselben heilen sie die des Nachts ausbrechenden Hitz-
blattern. Abgekocht werden sie auf geschwollene Brüste,
') S XXI. B. 1).-). Ciip.
38 Zwanzigstes Buch.
Diit Wachs auf Schleimausbrüche, mit dünueu Lorbeer-
zweigen auf Hodenflüsse gelegt, und ihre Wirkung auf diese
Theile soll so eigenthümlich sein, dass Brüche durch äusser-
liche Behandlung von wilder Raute und altem Fett kurirt
werden. Auch gebrochene Glieder heilt man mit dem mit
Wachs vermischten Samen. Die Wurzel der Raute würd
äusserlich bei Anhäufungen von Blut an den Augen und
zur Vertilgung von Narben und Flecken angewandt. Unter
dem, was man noch von ihrer Wirksamkeit angiebt, ist
das merkwürdig (da doch die Raute hifziger Natur ist),
dass ein Bündel davon mit Rosenöl gekocht, mit 1 Unze
Aloe versetzt und aufgelegt, den Schweiss unterdrücken
soll. Auch soll ihr Genuss die Zeugung verhindern; daher
giebt man sie denen, welche den Samenfluss und im Schlafe
geile Vorstellungen haben. Schwangere dürfen diess Kraut
nicht gebrauchen, denn es tödtet, wie ich angegeben finde,
die Leibesfrucht. Unter allen angebaueten Gewächsen wird
die Raute am meisten bei den Krankheiten der Säugethiere
angewandt; wenn sie schwer athmeu oder von giftigen
Thieren verletzt sind, giesst man ihnen einen weinigen
Auszug in die Nase; wenn ein Blutegel sie angesogen hat,
nimmt man statt Wein den Essig. Ausserdem dient sie zur
Heilung derselben Krankheiten wie bei den Menschen.
52.
Die wilde Minze heisst Mentastrum; sie unterscheidet
sich durch die Gestalt der Blätter, welche denen des Ba-
silienkrauts ähnlich sind und die Farbe des Polei haben,
daher sie auch Einige wilden Polei nennen. Gekaut und
aufgelegt soll sie den Aussatz, welcher Elephantiasis ge-
nannt wird, heilen, und diese Entdeckung machte man zur
Zeit des grossen Pompejus zufällig, als Jemand sich aus
Schaam das Gesicht damit bedeckte. Man legt die Blätter
auf und nimmt sie in Aufguss gegen die Bisse der Scolo-
pender und Schlangen, zu 2 Drachmen in 2 Bechern Wein,
gegen die Stiche der Scorpione mit Salz, Oel und Essig,
sowie gegen die Scolopender im Absud. Gegen alle Arten
von Gift hebt man die gepulverten Blätter auf. Ausge-
Zwanzigstes Buch. 39
streuet und angezündet verscheuclit sie auch die Scorpione.
Als Trank führt sie die Geburt ab, tödtet sie aber auch
zugleich. Wider Brüche, Verrenkungen (jedoch weniger),
wider das Uebel, nur im Stehen athmen zu können, bei
Bauchgrimmen und Gallensucht zeigt sie sich sehr wirk-
sam; desgleichen bei Lenden weh und Podagra aufgelegt.
Der Saft wird in die Ohren getröpfelt, wenn Würmer darin
sind. In der Gelbsucht nimmt man sie ein, und gegen
Kröpfe schlägt man sie über. Sie hindert geile Träume,
vertreibt mit Essig getrunken die Spuhlwürmer, und heilt,
an der Sonne mit Essig auf den Kopf gelegt, den Grind.
53.
Der Geruch der Minze >) erfrischt das Gemüth und
ihr Genuss macht Appetit, daher sie gewöhnlich den Tunken
zugesetzt wird. Sie verhindert das Sauer- und Dickwerden
der Milch, dient daher als Zusatz zu den Milchtränken
damit die Trinkenden nicht durch die geronnene erstickt
werden. Man giebt sie in Wasser oder Meth. Ebenso soll
sie der Zeugung entgegen wirken, weil sie die Geschlechts-
theile nicht straff mache. Bei Männern und Frauen stillt
sie das Blut, und verhindert die Reinigung der letztern;
mit Stärkmehl und Wasser heilt sie Uuterleibsbeschwerden.
Sie vertreibt die Geilheit und die Beulen der weiblichen
Schaam, Leberleiden zu 3 Obolen in Meth genommen, und
das Blutspeien. Geschwüre auf den Köpfen der Kinder
heilt sie vortrefflich, trocknet feuchte Luftröhren, und zieht
trockne zusammen. Bösartigen Schleim reinigt sie mit Meth
und Wasser; der Saft verbessert die Stimme im Streite, bei
geschwollenem Zapfen gurgelt man sich damit unter Zusatz
von Raute, Coriander und Milch. Sie leistet auch gute
Dienste bei geschwollenen Mandeln mit Alaun, bei rauher
Stimme mit Honig, und für sich allein ])ei innerlichen Ver-
renkungen und Lungenübeln. Das Schlucken und Erbrechen
liemmt sie, wie Democrit angiebt, mit Granatsaft. Der Saft
der frischen Minze in die Nase eingezogen heilt die Fehler
') D. h. der nicht wilden.
40 Zwanzigstes Buch,
dieses Organs, das Kraut selbst zerrieben und mit Essig
eingenommen die Gallensuelit; innere Blutfliisse mit Graupen
aufgelegt die Darmgieht und geschwollene Brüste. Bei
Kopfweh legt man es auf die Schläfe, gegen Scolopender
Scorpione und fSchlangen nimmt man es ein. Gegen Flüsse,
jede Art von Kopfausschlag, Afterübel wird es äusserlieh
angewandt, hindert auch, bloss in der Hand gehalten, das
Wundwerden beim Gehen, Mit Meth tröpfelt man es ins
Ohr. Es soll auch die Milz heilen, wenn man davon, ohne
es abzupflücken, 9 Tage lang in einem Garten isst und
dabei sagt, man heile seine Milz. Von dem Pulver soviel
in Wasser eingenommen, wie man mit 3 Fingern fassen
kann, vertreibt die Magenschmerzen und die Eingeweide-
würmer.
54.
Der Pol ei kommt darin, dass er Ohnmächtige wieder
zu sich selbst bringt, wenn man Zweige davon in Glas-
flaschen mit Essig einweicht, der Raute sehr nahe; daher
empfahl Varro einen Kranz von Polei als passender, wie
einen Kranz von Rosen, für unsere Schlafzimmer, denn auf
den Kopf gelegt soll er die Schmerzen desselben vertreiben.
Sogar sein Geruch soll den Kopf gegen Kälte, Hitze und
Durst bewahren, und Diejenigen, welche 2 Stengel Polei
hinter den Ohren stecken haben, sollen in der Sonne nicht
schwitzen. Gegen Schmerzen legt man ihn mit Graupen
und Essig auf. Das Weibchen ist wirksamer und trägt
purpurrothe Blüthen, das Männchen weisse. Mit Salz und
Graupen in kaltem Wasser getrunken, benimmt er den
Ekel, Brust- und Leibweh, Reissen im Magen mit Wasser
und Erbrechen mit Essig und Graupen. Mit Honig und
Natron gekocht, heilt er innere Uebel, mit Wein wirkt er
harntreibend, und mit ammineischem Weine vertreibt er
die Harnsteine und alle innerlichen Schmerzen, Mit Honig
und Essig wirkt er heilsam auf den Monatsfluss und die
Nachgeburt, bringt die Geschlechtstheile wieder in die
rechte Lage und treibt todte Kinder ab. Die, welche die
Sprache verloren haben , lässt man an den Samen riechen,
Zwanzigstes Buch. 41
Epileptiscben giebt man 1 Becher voll davon in Essig.
Verdorbenes Wasser macht man durch Hineinvrerfen des
gestossenen Samens trinkbar; mit Wein eingenommen
vermindert er die Salzigkeit der Säfte; für die Nerven, bei
Krämpfen und Lähmung des Rückgrats zerreibt man ihn
mit Salz, Essig und Honig. Den Absud giebt man gegen
Schlangenbisse, das Pulver besonders desjenigen Samens,
welcher an trocknen Plätzen gewachsen ist, gegen Scor-
pionstiche. Bei Mundgeschwüren und Husten soll er gute
Dienste leisten. Der Dunst von brennender frischer Polei-
blüthe tödtet die Flöhe. Xeuocrates ^) empfiehlt, beim drei-
tägigen Fieber einen Zweig Polei in Wolle einzuwickeln
und vor dem Anfalle daran zu riechen, oder denselben auf
das Lager und den Patienten darauf zu legen.
55.
Der wilde Polei, welcher dem Origanum ähnlich ist,
besitzt grössere Wirksamkeit, hat kleinere Blätter als der
angebauete, und wird auch Dictammus 2) genannt. Schafe
und Ziegen werden durch dessen Genuss zum Blöken ge-
reizt, daher einige Griechen ihm den Namen Blechon 3) ge-
geben haben. Er reizt so stark, dass er aufgelegt Ge-
schwüre hervorbringt. Beim Husten ist es gut, sich vor
dem Bade, ferner bei Krämpfen und Bauchgrimmen vor
dem Anfalle damit zu reiben. Gegen Podagra leistet er
vortreffliche Dienste. Bei Leberleiden giebt man ihn mit
Honig und Salz im Tranke, und bei Lungeuübeln befördert
er den Auswurf. Bei Milzkrankheiten wird er mit Salz,
bei Blasenkrankheiten, Engbrüstigkeit und Blähungen ge-
kocht angewandt, heilt auch die weibliche Schaam, die
Bisse der Land- und See- Scolopender, der Scorpione und
ganz besonders der Menschen. Gegen wachsende Geschwüre
erweist sich die frische Wurzel am kräftigsten; die trockne
aber verbessert die Narben.
') Arzt aus Aphrodisias in Cilicien, lebte im 1. Jahrhundert
V. Chr. '^) Origanum Dictamnus L.
') von ßXrj/ao/.tai, blöken.
42 Zwanzigstes Buch.
56.
Mit dem Polei hat auch die Nepeta eine gewisse
üebeieinstimmung. Denn mit Wasser bis zu einem Drittel
eingekocht, vertreiben sie die Kälte, und befördern den
-Monatsfluss; im Sommer wirken sie kühlend. Die Nepeta
besitzt auch Kräfte gegen die Schlangen; diese fliehen
nämlich den Rauch und Geruch derselben. Man legt sie
zweckmässig denen unter, welche vor dem Einschlafen
furchtsam sind. Zerstosseu wird sie bei Thränenfisteln,
frisch mit 1/3 Bj'ot in Essig eingeweicht bei Kopfweh auf-
gelegt, der Saft bei Nasenbluten in die Käse getröpfelt;
die Wurzel mit Myrtensamen in warmem Rosinenweiu ge-
weicht, und mit diesem Aufgusse bei der Bräune gegurgelt.
57.
Der wilde Rosskiimmel i) ist eine zarte Pflanze mit
4 bis 5 gezähnten Blättern, und wird, gleich dem ange-
baueten, häufig und namentlich als Magenmittel gebraucht.
Er zertheilt, zerrieben mit Brot genommen oder mit Wasser
und Wein getrunken, Schleim und Blähungen, sowie Bauch-
grimmen und Schmerzen in den Eingeweiden; der Genuss
desselben erzeugt aber Blässe. Wenigstens erzählt man,
die Anhänger des berühmten Lehrers der Beredtsamkeit,
Porcius Latro, hätten damit dessen durch anhaltende Stu-
dien zugezogene Blässe im Gesicht nachgeahmt, und etwas
früher habe Julius Vindex, der uns von der Tyrannei des
Nero befreiete, diesem dadurch mit der baldigen Hoffnung
auf Erbschaft geschmeichelt. In Form von Zeltchen oder
in Essig eingeweicht in die Nase gesteckt, stillt er das
Blut. Auf Augeuflüsse legt man es für sich, und auf ge-
schwollene Theile mit Honig. Kindern braucht man ihn
bloss auf den Leib zu legen. In der Gelbsucht wird er
nach dem Bade mit weissem Wein, der äthiopische meist
in saurem Wein und in einem Lecksaft 2) mit Honig gege-
'j Cmninum sjlvestre. Nigella aiistata Sm.
-) Ligiiia, von ?.iyjicm lecken; soviel als Looeb, Linctus.
Zwanzigstes Buch. 43
ben. Der afrikanische soll die Unenthaltsamkeit des Urins
etwas heben. Der Garten-Rosskümmel ') wird geröstet
und mit Essig zerrieben bei Leberleiden, auch beim Schwin-
del gegeben; denen aber, welche beim flarnen Brennen
verspüren, in süssem Wein; bei Fehlern der weiblichen
Schaam in Wein, wobei ausserdem die Blätter mit Wolle
aufgelegt werden; bei angeschwollenen Hoden geröstet und
mit Honig oder Rosenessenz und Wachs. Der wilde besitzt
in jeder Beziehung grössere Wirksamkeit, und dient auch
in Verbindung mit Oel bei Schlangen-, Scorpionen- und
Scolopender- Wunden. Wenn man so viel, als man mit 3
Fingern fassen kann, in Wein einnimmt, so wird die Nei-
gung zum Brechen und der Ekel gehoben. Gegen Kolik
wird er innerlich gegeben und aufgelegt oder heiss mit
Schwämmen und Binden angedrückt. Zu 3 Drachmen in
3 Bechern Wein genommen hebt er die Zusammenschnürung
der Gebärmutter. Wider das Klingen und Sausen der Oluen
wird ein Gemisch Rosskümmel, Kalbstalg und Honig ein-
getröpfelt. Auf blaue Flecken legt man ihn mit Honig,
Rosinen wein und Essig , und auf schwarze Sommer-
sprossen mit Essig auf.
58.
Mit dem Namen Amnii^) bezeichnen die Griechen
eine dem Rosskümmel sehr ähnliche Pflanze; nach Andern
soll diess der äthiopische Rosskümmel sein. Hippocrates
nennt es den königlichen, weil er es für kräftiger als den
ägyptischen hält. Die Meisten bezeichnen es als eine
andere Art, weil es kleiner und heller ist. Doch ist seine
Anwendung dieselbe, denn man setzt es den alexandrischen
Broten und den Gewürzen hinzu. Es vertreibt Blähungen
und Bauchgrimmen, reitzt zum Harnen und zur Menstruatiou,
lindert unterlaufene Stellen und Augenflusse, heilt zu 2
Drachmen mit Leinsamen in AVein genommen die Stiche
') Cuminuni sativum. Cuminum Cj'minum L.
-; Ammi majus L. und Ammi Visnaga L.
44 Zwanzigstes Buch.
der Scorpione, und mit gleichen Theilen Myribe die Bisse
der Hörn schlangen. Sein Gebrauch zieht ebenfalls eine
blasse Farbe nach sich. Mit Rosinen und Pech geräuchert
reinigt es die Mutter. Weiber, welche während des Bei-
schlafs daran riechen, sollen leichter empfangen.
59.
Vom Kappergewächse haben wir unter den auslän-
dischen Sträuchern ^) bereits ausführlich gesprochen. Die
überseeischen sind nicht zu gebrauchen, die in Italien vor-
kommenden dagegen unschädlicher. Der tägliche Genuss
derselben soll vor Lähmung und Milzschmerzen bewahren.
Die Wurzel vertreibt die weissen Leberflecken, wenn man
sie damit in der Sonne reibt. Wenn Milzstichtige 2 Drach-
men der Wurzelrinde in Wein nehmen und sich des Ge-
brauchs der Bäder enthalten, so werden sie geheilt, denn
nach 35 Tagen soll durch den Urin und die Excremente
die Milz gänzlich entfernt werden. Bei Lenden- und Gicht-
schmerzen macht man einen Trank davon. Der in Essig
gekochte Same oder die gekauete Wurzel stillt das Zahn-
weh. Ein Absud in Oel wird bei Ohrenschmerzen" einge-
gossen. Umsichfressende Geschwüre heilen die Blätter
und die frische Wurzel mit Honig. Die in Wasser gekochte
Wurzel vertreibt auch Kröpfe, Ohrengeschwüre und Würmer;
hebt Leberleiden, führt mit Essig und Honig eingenommen
den Bandwurm ab, heilt in Essig gekocht Mundgeschwüre,
schadet aber nach dem übereinstimmenden Urtheile der
Schriftsteller dem Magen.
60.
Das Ligusticum, von Einigen Panax genannt, hilft
für den Magen, für Convulsionen und Blähungen. Andere
nennen ihn auch, jedoch, wie wir bereits gesagt haben,
irrigerweise Ochsen-Cuuila^)
6L
Ausser der Garten-Cunila werden noch mehrere andere
1) Im XIII. B. 44. Cap.
2) Im XIX. Buche, 50. Cap.
Zwanzigstes Buch. 45
Alten in der Medicin gebraucht. Die sogenannte Oclisen-
Cunila') trägt einen dem Polei ähnlichen Samen, welcher
gekanet auf Wunden gelegt und am fünften Tage wieder
abgenommen wird. Gegen Schlangenbisse wird er in Wein
getrunken und zerrieben aufgelegt, auch reibt man solche
Wunden damit ein. Ebenso schützen sich die Schildkröten,
wenn sie mit den Schlangen kämpfen wollen, dadurch, und
desshalb nennen Einige die Pflanze Heilkraut (Panax). Sie
vertreibt Geschwulste und Wunden der männlichen Ge-
schlechtslheile, wenn sie trocken oder die Blätter zerquetscht
angewandt werden; zu jeglichem Gebrauch eignet sie sich
am besten in Verbindung mit Wein.
62.
Eine andere Art heisst Hühner-Cunila^) , bei den
Griechen herakleotischer Dost. Mit Zusatz von Salz zerrie-
ben wird sie bei den Augenkrankheiten gebraucht, heilt
Husten und Leberleiden, mit Mehl, Oel und Essig zum
Tranke bereitet Seitenstechen, besonders aber Schlangenbisse.
63.
Die dritte Art, welche von den Griechen die männliche,
bei uns aber Cunilago genannt wird, hat eine holzige
Wurzel, rauhe Blätter und riecht unangenehm Sie soll
die stärkste Wirkung besitzen; streuet man eine Hand voll
davon aus, so kommen alle Schaben aus dem ganzen Hause
zusammen. Besonders dient sie mit saurem Wein wider
die Scorpionen. Wenn mau sich mit einem Aufguss von
3 Blättern in Oel einreibt, so werden die Schlangen ver-
trieben.
64.
Die weiche Cunila dagegen, welche haarigere Blätter
imd stachliche Zweige hat, riecht zerrieben wie Honig, und
klebt beim Berühren an den Fingern. Eine andere Art,
die Weihrauch-Cunila, heisst Libanotis. Beide werden
mit Wein oder Essig gegen Schlangen angewandt; mit
') Cunila bubula. Ein Origanum, und wahrgcheinlicb ebenso
alle folgende Cunilae.
^) Cunila gallinacea. Origanum heracleoticuni L.
46 Zwanzigstes Buch.
Wasser angerieben und dieses ausgesprengt tödten sie die
Flöhe.
65.
Auch die Garten-Cunila hat ihren Nutzen. Ihr Saft
heilt mit Rosenessenz vermischt die Ohrläppchen, in Sub-
stanz nimmt man sie gegen Schlangenbisse ein. Aus ihr
entsteht die dem Quendel ähnliche Berg-Cunila, welche
ein wirksames Mittel wider Schlangen ist, Sie treibt deu
Harn und reinigt die Weiber nach der Geburt. Beide be-
föidern die Verdauung und Esslust, wenn sie nüchtern im
Getränk genommen werden. Auch bei Verrenkungen sind
sie heilsam, namentlich aber in Verbindung mit Gerstenmehl
und saurem Wein gegen die Stiche der W^espen und anderer
Insekten. Von der Libauotis werden wir die übrigen Arten
gehörigen Orts anführen.
66.
Das Pfeffer kraut, welches wir auch Siliquastrum
genannt haben i), wird gegen Epilepsie im Tranke genom-
men. Nach Castor -) hat es einen rothen langen Stengel,
dicke Kniegelenke, lorbeerartige Blätter, weisse kleine wie
Pfeffer schmeckende Samen, stärkt das Zahnfleisch, macht
angenehmen Athem und befördert das Aufstosseu.
67.
Das Origanum, welches im Geschmack, wie erwähnt,
der Cunila ähnlich ist, hat mehrere Arten, die in der Arz-
neikunde gebraucht werden; eine davon heisst Onitis'j
oder Prasion und sieht dem Hyssop ähnlich. Besonders
wendet man ihn mit lauwarmem Wasser gegen Magenkräm-
pfe und Unverdaulichkeit, mit weissem Wein gegen Spinnen
und Scorpione, und mit Essig, Oel und Wolle gegen Ver-
renkungen und Stossbeulen an.
68.
Das Tragoriganum^) gleicht mehr dem wilden Quen-
>) S. XIX. B. 62. Cap.
*) Antonius Castor, ein nicht näher bekannter römischer Schrift-
steller. 3) Origanum creticum L.
^) Thymus graveolens Sibth. und Satureja .Tuliana L.
Zwanzigstes Buch 47
del; es treibt den Urin, vertheilt Geschwulste, wirkt sehr
kräfti^^ gegen die Mistel, Vipernbisse, bei sauer aufstossen-
dern Magen und für die Brust. Mit Honig giebt man ihu
gegen Husten, Seitenstechen und Lungensucht.
69.
Der herakleische Dost hat 3 Arten; eine dunkle,
mit breiten und klebrigen Blättern; eine andere mit klei-
nern weichern Blättern, ähnlich dem Majoran, und von
Einigen Prasion genannt; die dritte hält das Mittel zwischen
beiden, und besitzt die geringste Wirksamkeit. Die beste
ist aber die cretische, welche auch zugleich angenehm
riecht. Nächst dieser kommt die smyrnaische von stärke-
rem Gerüche. Die herakleotische, mit dem Beinamen Oni-
tis eignet sich besser zum Trank. Sie werden aber allge-
mein gebraucht, um die Schlangen zu vertreiben, den Ge-
bissenen giebt man sie im Absude zu essen. Sie treiben
als Getränk eingenommen, den Urin, heilen zerrissene und
verrenkte Theile mit der Wurzel des Pauax, Wassersüch-
tige mit einer Abkochung von 1 Acetabulum nebst Feigen
und Hyssop bis zum sechsten Theile; desgleichen Krätze,
Schorf und Grind, wenn man beim Einsteigen ins Bad sich
derselben bedient. Der Saft wird mit Milch in die Ohren
gegossen. Geschwollene Drüsen, Zäpfchen und Kopfge-
schwüre bringt das Kraut zum Heilen. Der Absud mit
Asche und Wein getrunken tödtet die Giftigkeit des Opiums
und Gypses. Ein Acetabulum voll führt gelinde ab, mit
Honig und Natron wird es auf Stossbeulen, sowie beim
Schmerzen der Zähne, die es auch weiss macht, aufgelegt.
Es stillt das Nasenbluten. Zur Heilung der Ohrengeschwüre
wird es mit Gerstenmehl gekocht, gegen rauhen Hals mit
Gallapfel und Honig zerrieben; für die Milz giebt man die
Blätter mit Honig und Salz. Dicken und schwarzen Schleim
zertheilt es mit Essig und Salz gekocht, und zuweilen
davon getrunken. Bei der Gelbsucht wird es mit Oel
abgerieben in die Nase gebracht. Matte werden damit ein-
gerieben, ohne dass man jedoch den Bauch dabei berührt.
Es heilt mit Pech die Hitzblattern, öffnet mit Feigen ab-
48 Zwanzigstes Buch.
gerieben die Schwären, vertreibt mit Oel, Essig und Ger-
stenmehl die Kröpfe, mit Feigen aufgelegt die Seitenschmer-
zen, mit Essig aufgelegt den Blutfluss der Geschlechtstheile
und führt die Nachgeburt ab.
70.
Die Kresse 1) wird unter die brennendscharfen Kräu-
ter gezählt. Sie verbessert durch Wundmachen die Haut,
welche dann mit Wachs und Kosenöl geheilt werden kann,
vertilgt auch leicht Schorf, Grind und Narbeugeschwüre.
Zahnweh soll sie vertreiben, wenn man sie an der Seite,
wo der Schmerz ist, auf den Arm bindet.
71.
Den schwären Kümmel-) nennen einige Griechen
Schwarzkraut ^) andere Schwarzsame. Am besten ist
derjenige, welcher am stärksten riecht und am schwärzesten
aussieht. Er heilt die Stiche der Schlangen und Seorpione.
Ich finde, dass mau ihn mit Essig und Honig auflegt und
anzündet, um die Schlangen zu vertreiben. Gegen die
Spinnen nimmt man 1 Drachme im Getränk. .Zerstosseu in
ein Leintuch gebunden und davon gerochen heilt er den
Schnupfen, mit Essig aufgelegt und in die Nase gebracht
das Kopfweh, mit Schwertelsaft die Augenflüsse und Ge-
schwulste, mit Essig gekocht die Zahnschmerzen, zerrieben
oder gekauet die Mundgeschwüre; mit Essig Schorf und
Sommersprossen, mit Natron eingenommen das beschwer-
liche Athmen, aufgelegt alte verhärtete Geschwüre und
Eiterwmnden. Einige Tage hintereinander genommen ver-
mehrt er die Milch bei den Frauen. Sein Saft wird eben-
so wie der des Bilsenkrauts gesammelt, und ebenso ist er
in grösserer Menge ein Gift, was um so mehr auffallen
muss, da der Same dem Brote eine angenehme Würze er-
theilt. Er reinigt auch die Augen, befördert das Harnen
und den Mouatsfluss, ja 30 Körner in ein Läppehen ein-
gebunden sollen sogar die Nachgeburt abtreiben. Ferner
behauptet man, mit Urin abgerieben heile er die Hühner-
•) Lepidium. -) Gith. ^) Melanthiuiii.
Zwanzigstes Buch. 49
äugen, und damit geräuchert tödte er die Mücken und
Fliegen.
72.
Auch der Anis') dient gegen die Scorpione mit Wein
eingenommen, und gehört zu den wenigen Gewächsen,
denen das Lob des Pythagoras zu Theil geworden ist. Man
nimmt ihn sehr gern, roh oder gesotten, grün oder troclien
zu allem, was gewürzt und eingemacht wird, streuet ihn
auch auf die untere Rinde des Brotes, und legt ihn nebst
bittern Nüssen (Mandeln) in Säckchen, um den Wein zu
verbessern. Er macht den Athera wohlriechend und ver-
treibt den üblen Geruch aus dem Munde, wenn man ihn
früh Morgens mit Smyrnium und etwas Honig kauet, und
hierauf den Mund mit Wein ausspühlt. Er giebt ein jün-
geres Aussehen, erleichtert, wenn man ihn so über dem
Bette aufhängt, dass die Schlafenden den Geruch davon
einziehen können, das Träumen, und macht Appetit, wes-
halb man sich seiner bedient, wenn man nach der Arbeit
nicht mehr hungrig wird; daher haben ihm auch Einige
den Namen der Unbesiegte 2) gegeben.
73.
Der beste Anis ist der cretische, und dann folgt
der ägyptische, welcher statt des Ligustieum als Gewürz
benutzt wird. Kopfweh vertreibt er, wenn mau die Nase
damit räuchert. Evenor 3) legt die zerstossene Wurzel gegen
Augenflüsse auf, JoUas *) den Samen mit Safran und Wein
und mit Graupen abgerieben gegen das Triefen der Augen
und um das, was etwa hineingekommen ist, herauszuziehen.
Mit Wasser aufgelegt vertreibt er die Krebsgeschwüre in
der Nase; mit Honig, Hyssop und Essig gegurgelt heilt er
die Bräune; mit Rosenöl bringt man ihn in die Ohren, und
geröstet oder besser mit Honig eingenommen entfernt er
den Schleim von der Brust. Bei Husten nehme man eiuen
') Anisum. Pimpinella Anisum L.
'^) anicetum von avtxTJtog. ') Ein unbekannter Arzt.
^) Desgleichen.
Wlttsteia: Pliaiua. IV. Bd A.
50 Zwanzigstes Buch.
aus 1 Acetabulum Anis, 50 geschälten bittern Mandeln und
Honig bereiteten Brei ein. Noch besser für diesen Zweck
mischt man 3 Drachmen Anis, 2 Drachmen Mohnsamen
und Honig, soviel wie eine Bohne gross, untereinander,
und gebraucht diess 3 Tage lang. Er befördert ganz be-
sonders das Aufstossen, daher er auch Blähungen, Bauch-
grimmen und Verstopfung hebt. Er vertreibt, im Absude
getrunken, das Schlucken und den üblen Geruch. Die ge-
kochten Blätter sind gut gegen Unverdaulichkeit. Riecht
man an einen mit Eppich gemachten Absud, so vergeht
das Niesen. Ein Trank davon bringt Schlaf, führt die Bla-
sensteine ab, hindert das Erbrechen und vertreibt Auf-
schwellungen der Brust, wirkt auch heilsam auf andere
Brustübel und die den Leib umgürtenden Nerven. Bei
Kopfschmerzen wird der Absud mit Oel vermischt aufge-
tröpfelt. Nichts soll besser für den Unterleib und die Ein-
geweide sein, daher giebt man ihn geröstet gegen Ruhr
und Stuhlzwang. Einige setzen noch Opium hinzu, bereiten
daraus Pillen von der Grösse einer Wolfsbohue und nehmen
ä glich 3 davon in einem Becher Wein. Dieuches bediente
sich gegen Lendenschmerzen des Saftes; den Samen gab
er mit Minze zerrieben gegen Wassersucht und Verstopfung,
die Wurzel Evenor für die Nieren. Der Kräuterkenner
Dalion ') machte den in den Kinds wehen Liegenden einen
Umschlag davon mit Eppich, wandte dasselbe bei Schmerzen
der Gebärmutter an, und verordnete der Patientin ein aus
Dill und Anis bereitetes Getränk. Den Wahnsinnigen, auch
Kindern, welche an Epilepsie und Krämpfen leiden, legt
man ihn frisch mit Graupen auf; Pythagoras behauptet sogar,
wer ihn in der Hand halte, werde von der Epilepsie nicht
befallen, daher solle ihn jeder für sich recht reichlich an-
bauen; die daran riechen, sollen leichter gebären, und gleich
nach der Geburt soll man ihn der Mutter im Tranke nebst
Graupen geben. Sosimenes 2) gab ihn mit Essig wider alle
Verhärtungen , und mit Oel und Natron gekocht wider
') Desgleichen. -) Desgleichen.
Zwanzigstes Buch. 51
Mattigkeit. Der Gebrauch des Samens als Getränk gewährt
den Fussgängern Hülfe gegen Müdigkeit. Heraclides i) gab
bei Blähungen des Magens ein Gemisch von einer Pugille -)
Samen, 2 Obolen Bibergeil und Meth; ferner bei Blähungen
im Bauche und den übrigen Eingeweiden, sowie bei Eng-
brüstigkeit 1 Pugille Anis mit ebenso viel Bilsen und
Eselsmilch. Viele rathen Denen, welche Neigung zum
Brechen haben, 1 Acetabulum Anis und 10 Lorbeerblätter
mit Wasser abzureiben, und diess während der Mahlzeit
zu trinken. Der Anis hebt das Zusammenziehen der Ge-
bärmutter, wenn man ihn kaut und warm auflegt, oder mit
Bibergeil in Essig und Wein einnimmt. Zu 1 Pugille mit
ebenso viel Gurken- und Leinsamen in 3 Bechern weissen
Wein genommen, vertreibt er den nach dem Gebären ein-
tretenden Schwindel. Tlepolemus ^) verordnete beim vier-
tägigen Fieber 1 Pugille Anis und Fenchel mit Essig und
Honig. Mit bittern Mandeln aufgelegt hilft er gegen Glie-
derkrankheiten. Einige sind der Meinung, er hebe die
Wirkung des Giftes der kleinen Giftschlangen auf. Er
treibt den- Urin, stillt den Durst, reitzt zum Beischlaf, be-
wirkt mit Wein genommen massigen Schweiss, hält auch
die Motten von den Kleidern ab. Je frischer und dunkler
um so besser ist er. Dem Magen bekommt er, ausser bei
Blähungen, nicht gut.
74.
Auch der DilH) befördert das Aufstossen, hebt das
Bauchgrimmen, und hemmt den Durchfall. Mit Wasser
oder Wein legt mau die Wurzeln auf Flüsse. Der heisse
Same vertreibt durch Aufriechen das Schlucken. Mit Was-
ser eingenommen heilt er die Unverdaulichkeit. Die Asche
davon hebt Zäpfchen im Munde, schwächt die Augen und
Geschlechtstheile.
75.
Das Sacopenium, welches bei uns vorkommt, ist von
Von Kos. -) So viel man mit 3 Fingern fassen kann.
3) Gleichfalls ein unbekannter Arzt.
Anethum.
52 Zwanzigstes Buch.
dem überseeischen ganz verschieden, denn diess ähnelt den
Thränen des Ammoniakum und wird Sagapenum^) ge-
nannt. Es hilft bei Seiten- und Brustschmerzen, Krämpfen,
anhaltendem Husten, Auswurf, und geschwollenen Brüsten;
vertreibt den Schwindel, das Zittern, die Opisthotonie, heilt
Milz, Lenden- und Reibwunden. Man mischt auch Essig
dazu, und lässt bei Zusammenziehuugen der Gebärmutter
daran riechen. Andern giebt man es im Getränk und reibt
CS mit Oel ein. Es ist auch ein Mittel wider Gifte.
76.
Von dem Garteumohn haben wir 3 Arten angeführt,
und dort versprochen, die des wilden Mohns nachzutragen 2).
Von dem Garteumohn zerreibt mau die Kapsel des weissen
mit Wein und nimmt davon zur Beförderung des Schlafes
ein. Der Same heilt die Elephantiasis. Aus dem schwar-
zen gewinnt man einen Saft durch Einschneiden des Sten-
gels, nach Diagoras^), während er im vollen Wachsen,
nach JoUas nach der Blüthe zu einer heitern Tageszeit, d.
h. wenn der Thau schon abgetrocknet ist. Man schreibt
auch vor, ihn unter dem Kopfe und diesen selbst zu ritzen,
während bei keiner andern Art die Kapsel selbst einge-
schnitten wird. Der Saft wird, wie es auch bei jedem an-
dern Kraute geschieht, in Wolle, oder, wenn, wie beim
Lattich, nur sehr wenig da ist, auf dem Daumennagel auf-
gefangen, meistens aber erst am folgenden Tage das, was
trocken geworden, abgenommen. Der reichlich ausfliessende
Saft des Mohns wird eingedickt, in Kügelchen geformt und
im Schatten getrocknet; er erregt nicht allein Schlaf, son-
dern kann, in grösserer Menge genommen, selbst den Tod
nach sich ziehen. Man nennt ihn Opium. So wissen wir,
um nur ein Beispiel anzuführen, dass der Vater des Cou-
sulars Licinius Caecina zu Bavilis in Spanien aus Lebens-
überfluss in Folge einer bösen Krankheit sich damit das
Leben genommen hat. Daraus entspann sich eine grosse
•) Der Milchsaft von Ferula persica L.
■-) Im XIX. Buch. 53. Cap. 3) Ein unbekannter Arzt.
Zwanzigstes Buch. 53
MeinuDgsverschiedenheit. Diagoras und Erasistratus ver-
warfen ihn gänzlich als ein tödtliehes Gift, und warnten
auch deshalb, ihn einzunehmen, weil er den Augen nach-
theilig sei. Andreas i) fügt hinzu, man würde darum nicht
so leicht davon blind, weil man ihn in Alexandrien ver-
fälsche. Späterhin jedoch hat man keinen Anstand ge-
nommen, ihn der berühmten Arznei, welche Diacodion heisst,
hinzuzusetzen. Der Same wird zerrieben, in Kügelchen ge-
formt und mit Milch für den Schlaf, auch mit Rosenöl gegen
Kopfweh eingenommen; gegen Ohrenweh tröpfelt man letz-
teres Gemisch in die Ohren. Mit Frauenmilch legt mau
ihn (ebenso die Blätter) gegen Gift auf; mit Essig gegen
die Rose und Wunden. Ich kann es nicht gutheisseu, ihn
den Augensalben, und noch viel weniger den sogenannten
Fieber-, Verdauungs- und eröffnenden Mitteln zuzusetzen.
Der schwarze wird jedoch den an Verstopfung Leidenden
mit Wein gegeben. Der Gartenmohn ist stets grösser und
hat runde Köpfe, der wilde längliche und kleine, und be-
sitzt mehr Wirksamkeit. Man kocht daraus einen Trank
gegen die Schlaflosigkeit, und sptihlt damit den Mund aus.
Der beste wächst in trocknen Gegenden und wo es selten
regnet. Der aus den Köpfen und Blättern gekochte Saft
heisst Meconium, und ist viel schwächer als das Opium.
Das erste Prüfungsmittel des Opiums ist der Geruch, denn
der des ächten ist fast unerträglich; nächstdem seine Ver-
brennung, das reine nämlich giebt eine leuchtende Flamme
und riecht nach dem Verlöschen; das verfälschte zeigt diese
Merkmale nicht, lässt sich schwieriger anzünden und ver-
löscht leicht wieder. Auch erzeugt das ächte in Wasser
eine Trübung, das nachgemachte dagegen bildet Bläschen.
Merkwürdigerweise lässt es sich auch an der Sonne prüfen,
das ächte nämlich wird weich und zuletzt so dünn, wie
der frische Saft. Mnesides 2) ist der Meinung, es lasse sich
') Aus Karystos, nach Andern aus Panormos, Leibarzt des
Ptolemaeus Philopator. -) Ein unbekannter Arzt.
54 Zwanzigstes Buch.
am besten mit Zusatz von Bilsensamen aufbewahren; An-
dere empfehlen dazu eine Bohne.
77.
Zwischen dem Garten- und wilden Mohn steht eine
andere Art, welche sowohl auf Feldern als wild wächst,
und Khoeas oder der umherschweifende genannt wird.
Einige brechen ihn ohne Weiteres ab und kauen ihn sammt
der Kapsel. Ein Absud von 5 Köpfen in 3 Hemiuen Wein
macht OeffnuDg und Schlaf.
78.
Eine andere wilde Art heisst gehörnter Mohn i);
er ist schwarz, 1 Elle hoch, hat eine dicke, rindige Wurzel,
eine hornartig gebogene Kapsel, und kleinere, dünnere
Blätter als die übrigen. Der kleine Same wird zur Zeit
der Erndte reif; ein halbes Acetabulum davon in Meth ge-
nommen führt ab. Die mit Oel abgeriebenen Blätter heilen
die kleinen Augengeschwüre des Zugviehes. Eine Ab-
kochung von 1 Acetabulum der Wurzel in 2 Sextarien
Wasser bis auf die Hälfte heilt Lenden- und Leberleiden.
Gegen Karbunkeln gebraucht man die Blätter mit Honig.
Einige nennen diese ArtGlaucium, Andere Paralium^),
denn sie wächst am Gestade des Meeres oder an Plätzen,
wo Natron vorkommt.
79.
Noch eine andere wilde Mohnart heisst Heraclium,
bei Andern Aphron ^); ihre Blätter sehen von fern betrach-
tet wie Sperlinge aus, die Wurzel steht nahe an der Ober-
fläche der Erde. Der schaumige Same verleihet der Lein-
wand im Sommer ihren Glanz. Gegen Epilepsie stösst man
die Pflanze mit 1 Acetabulum weissen Weines, und nimmt
davon zum Brechen ein. Sie eignet sich am besten zu der
Arznei, welche Diacodium oder Luftröhrentrank genannt
wird, und die man also darstellt. 120 Kapseln dieses
') ceiatitis, Chelidonium Glaucium L.
-) von 7ia(}aXiog: am Meere wachsend.
3) Euphorbia Peplus L.V
Zwanzigstes Buch. 55
Mohns oder einer andern Art werden in o Sextarien Re-
genwasser 2 Tage lang eingeweicht, hierauf gekocht, durch-
geseihet, die Flüssigkeit abermals mit Honig bis zur Hälfte
langsam eingedampft, und mit 6 Drachmen Safran, 1 Sex-
tarius Hypocist, Weihrauch, arabischem Gummi und ere-
tischem Rosinenwein versetzt. Doch ist diess ein Luxus,
denn nach älterer, einfacher Vorschrift bereitet man das
Mittel ebenso zweckmässig bloss aus Mohn und Honig.
80.
Eine dritte Art heisst Tithymälum i), Mecon oder
Paralium, hat weisse, dem Lein ähnliche Blätter und
Kapseln von der Grösse einer Bohne. Man sammelt sie
wenn der Weinstock blüht, und trocknet sie im Schatten.
Ein halbes Acetabulum des Samens in Meth genommen
führt ab. Die Kapsel jedweden Mohns frisch oder trocken
aufgelegt, heilt die Augentlüsse. Wird Opium mit reinem
Weine sogleich eingegeben, so heilt es die Scorpionsstiche.
Einige schreiben diese Wirkung nur dem schwarzen Mohn
zu, dessen Kapseln und Blätter zu jenem Zwecke zerrieben
werden.
81.
Die Porcilaca^), welche Peplis heisst, ist nicht viel
wirksamer als die angebaute. Von ihr erzählt man merk-
würdige Dinge; das Gift der Pfeile, Blut und Brenn-Schlan-
gen soll sie, innerlich und äusserlich angewandt, vertilgen,
ebenso das Bilsengift , wenn der ausgepresste Saft mit
Rosinenwein getrunken wird. In Ermangelung der Pflanze
selbst bedient man sich zu demselben Zweck des Samens.
Mit Wein gestossen und aufgelegt hebt sie die schädlichen
Wirkungen des Wassers, Kopfweh und Kopf-Geschwüre.
Andere Geschwüre heilt sie, wenn man sie kauet und mit
Honig auflegt. Den Kindern legt man sie auf den Kopf
und- ausgetretenen Nabel, bei allen aber mit Polenta auf
♦) Euphorbia Characias L.?
-) Portulaca oleracea L. Plinius verwechselt sie aber mit Eu-
phorbia Peplis.
56 Zwanzigstes Buch.
Flüsse, Stirn und Schläfe; auf die Augen mit Milch und
Honig; wenn die Augen hervortreten, reibt man die Blätter
mit Bohnenschalen, gegen Hitzblattern mit Polenta, Salz
und Essig. Roh gekauet heilt sie Mundgeschwüre, geschwol-
lenes Zahnfleisch und Zahnschmerzen; der Absud geschwol-
lene Mandeln. Einige setzen ein wenig Myrrhe hinzu.
Gekauet befestigt sie auch lose Zähne. Sie ist gut gegen
Unverdaulichkeit, kräftigt die Stimme und stillt den Durst.
Mit gleichen Theilen Gallapfel, Leinsamen und Honig heilt
sie die Schmerzen des Genicks, mit Honig und cimolischer
Kreide die kranken Brüste. Engbrüstige sollen den Samen
mit Honig einnehmen. Als Salat gegessen stärkt sie den
Magen. Bei hitzigen Fiebern wird sie mit Polenta aufge-
legt. Roh gegessen kühlt sie die Eingeweide ab. Sie
stillt das Brechen. Gegen Durchfall und Blutgeschwüre
isst man sie mit Essig, oder bereitet einen Trank davon
mit Zusatz von RosskUmmel. Beim Stuhlzwang leistet sie
gekocht und in der Epilepsie in Substanz oder als Trank
gute Dienste; 1 Acetabulum voll mit eingekochtem Most
genommen reinigt die Weiber; gegen hitziges Podagra und
die Rose legt man sie mit Salz auf. Ihr Saft wird für
Nieren und Blase eingenommen, vertreibt auch die Einge-
weide-Würmer. Mit Oel und Polenta legt man sie auf
schmerzende Wunden. Steife Sehnen macht sie weich.
Metrodorus i), welcher eine Schrift über das Kräutersammlen 2)
verfasst hat, empfiehlt, sie zur Reinigung nach der Ent-
bindung zu geben. Sie vertreibt die Geilheit und die gei-
len Träume. Ich weiss, dass der Vater eines gewesenen
Piätors, welcher die erste Stelle in Spanien bekleidete,
wegen unleidlichen Schmerzen des Zäpfchens die Wurzel
dieser Pflanze an einem Faden fortwährend, ausgenommen
im Bade, am Halse trug, und dadurch von seinem Uebel
befreiet wurde. Einige Autoren geben auch an, wer den
Kopf damit bedecke, bekäme das ganze Jahr hindurch
') Ein nicht näher bekannter Arzt.
Zwanzigstes Buch. 57
keinen Schnupfen. Den Augen soll sie jedoch nachtheilig^
sein.
82.
Der Coriander') wird unter den wildwachsenden
Kräutern nicht angetroffen. Am besten ist der ägyptische.
Innerlich und äusserlich angewandt hilft er wider diejenige
Art Schlangen , welche man Doppelgänger '^) nennt. Er
heilt zerrieben auch andere Wunden, Hitzblattern und Bläs-
chen, mit Honig oder Rosinen alle Arten Geschwulste und
Anhäufungen, mit Essig zerrieben die Fettbeulen. Beim
dreitägigen Fieber soll man 3 Samenkörner vor dem Anfalle
verschlucken, oder auch einige mehr auf die Stirn binden.
Einige empfehlen auch, sie vor Sonnenaufgang unter das
Kopfkissen zu legen. Das frische Kraut besitzt eine sehr
kühlende Kraft, heilt auch um sich fressende Geschwüre
mit Honig und Rosinen, desgleichen die Hoden, Brandstellen ^
Karbunkeln und wunde Ohren; mit Frauenmilch die Augen-
flüsse; der Same in Wasser genommen die Bauchflüsse.
Mit Raute wird er im Tranke gegen die Gallensucht, mit
dem Safte der Granatäpfel und Oel gegen die Eingeweide-
würmer angewandt. Xenocrates erzählt eine merkwürdige
Wirkung des Corianders (wenn sie gegründet ist); wenn
nämlich Frauenzimmer 1 Korn davon einnähme, so bliebe
ihr Monatsfluss 1 Tag aus, wenn sie zwei, 2 Tage, und sa
fort. Marcus Varro sagt, mit Essig zerriebener Coriander
schütze das Fleisch im Sommer vor dem Verderben.
83.
Auch von der Melde ^) giebt es eine wilde und zahme.
Pythagoras beschuldigt sie, sie erzeuge Wassersucht, Gelb-
sucht und Blässe, sei schwer zu verdauen, und alles, was
in den Gärten neben ihr stünde, wachse langsam. Nach
Dionysius und Diocles sollen sehr viele Krankheiten da-
') Coriandrum sativum L.
'*) Amphisbaenae, von denen man glaubte, sie hätten hinten und
vorn einen Kopf.
3) Atriplex. Atriplex hortensis L.
5ii Zwanzigstes Buch.
durch entstehen; das Wasser, worin sie gekocht werde,
müsse man oft erneuern, sie schade dem Magen, und er-
zeuge Sommerflecken und Blattern. Mich wundert, dass
Solon von Smyrna ^) angiebt, sie komme in Italien schwie-
rig fort. Hippocrates applicirt sie mit Bete bei kranken
weiblichen Geburtsgliedern. Der Neapolitaner Lycus 2)
giebt sie als Trank gegen die Canthariden. Gegen begin-
nende Fettbeulen, hitzige Geschwüre und alle Arten von
Verhärtungen solle man sie gekocht oder roh auflegen,
ebenso mit Honig, Essig und Natron gegen die Rose und
das Podagra. Sie soll schlimme Nägel ohne Schwären
ausziehen. Einige geben gegen Gelbsucht den Samen mit
Honig, reiben mit Zusatz von Natron Hals und Mandeln
ein, und befördern damit die Oeffnung. Koh oder gekocht
oder mit Malve und Linsen genommen erregen sie Brechen.
Die wilde Melde gebraucht man zum Färben der Haare
80wie in allen den genannten Fällen gleich der zahmen.
84.
Dahingegen steht die wilde und zahme Malve sehr
im Euf. Die beiden Arten werden nach der Grösse der
Blätter unterschieden. Die grössere unter den Gartenmalven
nennen die Griechen Malope^); die andere soll von ihrer
Eigenschaft, den Leib zu erweichen, Malache*) genannt
worden sein. Unter den wilden heisst diejenige mit grossen
Blättern und weisser Wurzel Althaea^), und, ihrer vor-
trefflichen Wirkung wegen, Plistolochia'^), Sie machen
den Boden fetter. Der Eibisch wird mit Erfolg gegen alle
Stiche, besonders der Scorpione, Wespen und dergleichen,
auch gegen die Bisse der Spitzmäuse gebraucht. Wer sich
mit einem Gemisch einer dieser Arten und Oel bestreicht,
oder sie nur bei sich trägt, wird nicht gestochen. Die
>) Ein nicht näher bekannter Arzt. -) Desgleichen.
3) Lavatera arborea L., auch Althaea rosea L.
■*) Malva sylvestris u. M. rotundifolia L. die Käsepappel.
•'') Althaea officinalis L. Eibisch.
®) Von n/MoTOQ (am meisten) und loyela (Reinigung der Kind-
betterinnen).
Zwanzigstes i5uch. 59
aufgelegten Blätter machen die Scorpione erstarren, dienen
auch als Mittel wider Gifte, ziehen roh mit Natron auf-
gelegt alle Stacheln aus, vernichten sammt der Wurzel ge-
kocht und davon getrunken, das Gift des Seehasen, und
sind nach Einigen gut wenn man bricht. Man erzählt noch
andere, wunderbare Dinge von ihrer Wirkung; namentlich
soll der, welcher täglich einen halben Becher des Saftes
einer dieser Arten trinkt, von keiner Krankheit befallen
werden. Längere Zeit in Urin geweicht heilen sie fliesseude
Kopfgeschwüre, mit Honig Flechten und Mundgeschwüre;
die abgekochte Wurzel vertreibt die Schuppen auf dem
Kopfe und befestigt die Zähne. Mit der Wurzel derjenigen
Art, welche nur einen Stengel hat, stochert man so lange
um den leidenden Zahn, bis der Schmerz vergangen ist.
Sie reinigt auch mit Zusatz von menschlichem Speichel
Kröpfe, Ohrengesehwüre und Fettbeulen, ohne wund zu
machen. Der Same befreiet in schwarzem Weine genommen
von Schleim und Ekel. Die Wurzel heilt, in schwarzer
Wolle aufgebunden, kranke Brüste, vertreibt in Milch ge-
kocht und als Trank genommen, in 5 Tagen den Husten.
Nach Sextius Niger taugt sie nicht für den Magen; nach
Olympias •) aus Theben treibt sie mit Gänsefett die Leibes-
frucht ab; die Blätter sollen, zu 1 Hand voll in Oel und
Wein genommen, die Frauen reinigen. Gewiss ist, dass
Schwangere, wenn man ihnen die Blätter unterlegt, leichter
entbinden; gleich nach erfolgter Geburt müssen sie aber
wieder weggenommen werden, sonst geht die Gebärmutter
auch mit ab. Frauen, welche gebären wollen, giebt man
nüchtern 1 Hemina mit Wein gekochten Saft. Sogar den
Samen bindet man denen, welche den Samen nicht halten
können, auf den Arm. Diese Kräuter wirken so sehr auf
die Wollust, dass wenn man, wie Xenocrates erzählt, den
Frauen die Samen der einstengligen Art an die Geschlechts-
theile streuet, oder '6 Wurzeln daran bindet, diese im höch-
*) Schiiftstellernde Hebamme, von der wir nichts weiter wissen.
60 Zwanzigstes Buch.
sten Grade geil werden. Bei Stuhlzwang, Ruhr und wun-
dem Hintern gebraucht man sie zum Trank oder auch zu
Blähungen. Gegen Melancholie giebt man 3 und gegen
Wahnsinn 4 Becher warmen Saft; gegen Epilepsie 1 Hemin?.
gekochten Saft. Diesen sowie den am Stein, Bähunger..
Bauchgrimmen oder Rtickgiatkrampfe Leidenden schlägt
man den Saft auch warm über. Gegen die Rose umi
Brandstellen legt man die in Oel gekochten Blätter, und
bei heftigem Schmerz der Wunden dieselben roh mit Honig
auf. Eine Abkochung derselben ist gut für die Nerven,
Blase und das Reissen in den Gedärmen. In Substanz ge-
nossen oder mit Oel applicirt, erweichen sie die Gebär-
mutter; der Absud erzeugt gelinden Seh weiss. Die Wurzel
des Eibisch besitzt gegen alle genannten üebel noch grö-
ssere Wirksamkeit, namentlich bei verrenkten und zerrisse-
nen Gliedern. Die wässrige Abkochung derselben hemmt
den Durchfall. Die Abkochung der Wurzel sowie der
Blätter innerlich und äusserlich angewandt, vertreibt Kröpfe,
Ohiengeschwüre, Entzündungen der Brüste und Fettbeulen:
Trocken mit Milch gekocht heben sie sehr schnell den
Husten. Hippocrates gab die Abkochung der Wurzel Ver-
wundeten und denen, welche aus Mangel au Blut Durst
leiden, und die Wurzel selbst äusserlich mit Honig und
Harz gegen Wunden; ebenso legte er sie bei Contusionen,
Verrenkungen, geschwollenen Muskeln, Sehnen und Gliedern
auf, und liess sie mit Wein gegen Asthma und Ruhr ein-
nehmen. Merkwürdig ist, dass das Wasser, worin diese
Wurzel liegt, unter freiem Himmel dick und milchig wird.
Je frischer, um so kräftiger ist sie auch.
85.
Das Lapathumi) besitzt ähnliche Wirkungen. Die
wilde Art 2), welche Einige Oxalis nennen, schmeckt wie
die zahme, hat spitze Blätter, die Farbe der weissen Bete,
eine sehr kleine Wurzel, und heisst bei uns Rum ex, bei
') Der Ampfer.
^ ^) sylvestre. Rumex bucephalophovvis L.
Zwanzigstes Buch. Q\
Andern Lapathum cautherinum i); mit Fett liefert sie
ein wirksames Mittel gegen Kröpfe. Eine andere Art,
Oxy lapathum 2) sieht dem Gartenampfer sehr ähnlich,
hat aber spitzigere und röthere Blätter und wächst nur
in Sümpfen. Einige führen auch eine in Wasser wachsende
Art unter dem Namen Hydrolapathum ^) an; ferner das
Hippolapathum^), welches grösser, hellerund fleischiger
als der Gartenampfer ist. Die wilden Arten heilen die
Scorpionsstiche und wer sie bei sich trägt, wird nicht ge-
stochen. Der mit Essig bereitete Absud der Wurzel ist
ein Mittel gegen Zahnweh, und innerlich genommen gegen
Gelbsucht. Der Same hebt unheilbare Magenübel. Die
Wurzeln des Hippolapathum dienen noch besonders zum
Ausziehen schlimmer Nägel. Der Same heilt zu 2 Drach-
men mit Wein genommen die Ruhr. Der mit Regenwasser
gewaschene Same des Oxylapathum wird mit Zusatz eines
1 Linse grossen Stückes Acaciensaft gegen Blutspeien ge-
braucht. Aus den Blättern und Wurzeln bereitet mau mit
Zusatz von etwas Natron und Weihrauch die vortrefflichsten
Zeltchen, welche beim Gebrauch mit Essig versetzt werden.
86.
Den Gartenampfer 5) legt man gegen Augenflüsse
auf die Stirn. Mit der Wurzel heilt man Flechte und
Grind; in Wein gekocht Kröpfe, Ohrengeschwüre und
Steinbeschwerden; mit Wein genommen und aufgelegt die
Milzkrankheiten, Verstopfung, Durchfall und Stuhlzwaug.
Gegen alle diese Uebel erweist sich die Ampfersuppe wirk-
samer; sie macht Aufstossen, treibt den Harn, giebt den
Augen Klarheit und hebt das Jucken am Körper, wenn
man sie in die Badewannen legt oder vorher ohne Zusatz
von Gel auflegt. Die Wurzel gekauet befestigt die Zähne,
mit Wein gekocht, hebt sie den Durchfall; die Blätter da-
') Rossampfer.
-) Rumex crispus L,
5) Rumex maritimus L.? ') Rumex aquaticus L.
'') Lapathum sativum. Rumex Patientia L.
62 Zwanzigstes Buch.
gegen machen offenen Leib. Selon führt (damit wir nichts
übergehen) noch das Bulapathum*) an, welches sich nur
durch seine ansehnliche Wurzel auszeichnet, und mit Wein
eingenommen, die Ruhr heilt.
87.
Der Senf, von welchem wir unter den Gartengewächsen
3 Arten angeführt haben 2), nimmt nach Pythagoras
den ersten Platz unter denjenigen Pflanzen ein , deren
Kräfte nach oben gehen , denn nichts dringe mehr in die
Nase und das Gehirn. Man legt ihn, mit Essig eingerieben,
auf Wunden, die durch Schlangen und Scorpione entstan-
den sind. Er vernichtet das Gift der Pilze. Gegen
Schleimansammlung hält man ihn so lange im Munde, bis
er zergangen ist, oder benutzt ihn mit Milch zum Gurgeln.
Gegen Zahnweh wird er gekauet, und bei geschwollenem
Zapfen in Essig und Honig zum Gurgeln benutzt. Er ist
ein vorzügliches Mittel gegen alle Magen- und Lungenübel.
Sein Genuss befördert den Auswurf; man giebt ihn gegen
Engbrüstigkeit und lauwarm mit Gurkeusaft gegen Epilepsie.
Er reinigt die Sinne und durch Niesen den Kopf, macht
weiche Stuhlgänge, befördert den Monatsfluss und die Urin-
absonderung. Mit 3 Theilen Feigen und Rosskümmel an-
gestossen, legt man ihn den Wassersüchtigen auf. Gegen
Epilepsie, Gebärmutterkrankheit und Schlafsucht giebt man
ihn mit Essig zum Riechen, thut auch wohl Tordylium, d. i.
Seselsamen, hinzu. Sind die Schlafsiichtigen schwer zu
erwecken, so legt man ihnen Senf mit Feigen und Essig
auf Schienbeine und Kopf. Anhaltende Schmerzen der
Brust, Lenden, Hüfte, Schulter und alle körperlichen üebel,
die aus dem Innern herausgezogen werden müssen, lindert
er, aufgelegt, durch seine ätzende Kraft, indem er Blasen
erzeugt. Bei bedeutenden Verhärtungen legt man ihn ohne
Feigen, und, wenn man zu starke Reizung besorgt, in dop-
pelten Tüchern auf. Gegen Glatzen, Schorf, Grind, Läu^e-
») Rumex scutatus? -) XIX, B. 54. Cap.
Zwanzigstes Buch. 63;
sucht, Steinbeschwerden und Rückgratskrampf wird er mit
Röthel angewandt. Auf rauhe Wangen und trübe Auge»
streicht man ein Gemisch von Senf und Honig. Den Saft
des Senfes presst man auf dreierlei Art aus, und stellt ihn
in einem irdenen Geschirr an die Sonne. Der Stengel
giebt einen Milchsaft, welcher eingetrocknet gegen Zahn-
weli gebraucht wird. Der Same und die Wurzel werden
mit Most zerrieben und zu einer Handvoll zur Stärkung-^
des Schlundes, Magens, der Augen, des Kopfes und aller
Sinne , auch gegen Mattigkeit der Frauen mit dem besten
Erfolge eingenommen. In Essig getrunken, zerkleinert er
die Blasensteino. Auf Stoss- und Quetschbeulen legt man
ihn mit Honig und Gänsefett oder cyprischem Wachse.
Aus dem Samen presst msn, nachdem er in Oel eingeweicht
ist , ein Oel , welches zum Einreiben der steifen Sehnen^
Lenden und Hüfte benutzt wird.
88.
Die Adarcai), welche in Wäldern, an der Rinde des
Rohrs unter dem Blüthenbüschel wächst, soll die Natur
und Wirkung des Senfs haben.
89.
Den Andorn^), welchen die meisten Schritsteller zu den
vorzüglichsten Kräutern zählen, nennen die Griechen Pra-
sion, Andere Linostrophon, Einige Philo päs oder Philo-
chares; er ist so bekannt, dass eine nähere Beschreibung
überflüssig erscheint. Seine Blätter und Samen zusammen-
gerieben , sind ein gutes Mittel gegen Schlangen , Brust-
und Seitenschmerzen , und anhaltenden Husten. Auch
denen, welche Blut ausbrechen, ist er sehr heilsam, und
zu diesem Zwecke wird er mit Panicum in Wasser ge-
kocht, um seine Schärfe etwas zu mildern. Mit Fett legt
man ihn auf Kröpfe. Einige kochen wider den Husten
Alldornsamen, soviel man mit 2 Fingern fassen kann, mit
einer Pugille Dinkel , setzen etwas Oel und Salz hinzu
*) Vielleicht Typha latifolia L., die Rohrkolbe.
Maviubium. Marrubium albiim und M. creticum L.
^4 Zwanzigstes Buch.
und trinken davon nüchtern. Nach Andern ist in dies'em
Falle nichts besser, als wenn man Andorn und Fenchel
«.uspresst , 3 Sextarien dieses Saftes auf 2 einkocht,
1 Sextarius Honig zusetzt, wiederum auf 2 einkocht , und
täglich davon 1 Löffel voll in 1 Becher Wasser einnimmt.
Mit Honig verrieben heilt er vortrefflich die kranken
männlichen Geschlechtstheile. Mit Essig reinigt er die
Flechten; dient auch zur Heilung zerrissener, verrenkter
und krampfhaft zusammengezogener Adern. Mit Salz und
Essig genommen öffnet er, befördert den Abgang des
monatlichen Blutflusses und der Nachgeburt. Das trockne
Pulver davon wird mit Honig bei trocknem Husten, Krebs
lind einer gewissen Augenkrankheit i) mit dem besten Er-
folge angewandt. Der Saft ist mit Honig vermischt ein
Mittel für Ohren, Nase, Gelbsucht, zur Verminderung der
Galle, und namentlich gegen Gifte. Das Kraut, mit
Schwertel und Honig eingenommen, reinigt den Magen
und die Brust vom Schleime; es wirkt auch harntreibend,
jedoch darf man es nicht bei wunder Blase und bei Nieren-
leiden gebrauchen. Der Saft soll die Augen klar machen.
Castor führt 2 Arten Andorn an, eine schwarze, welche
zugleich die bessere ist, und eine weisse. Ebenderselbe
thut den Saft in ein leeres Ei, setzt gleiche Theile Honig
hinzu, erwärmt, und rühmt diess Gemisch zum Aufziehen,
Reinigen und Heilen der Eiterbeulen; auch empfiehlt er
das Kraut zu stosseu und mit altem Fett . auf Bisswunden
von Hunden zu legen.
90.
Der Quendel'-) soll seinen Namen von dem kriechen-
den Wachsthum haben , was allerdings bei dem wilden,
namentlich dem auf Felsen wachsenden der Fall ist. Der
zahme kriecht jedoch nicht, sondern wächst wie eine Palme
hoch empor. Der wilde ist fetter, hat hellere Blätter und
Zweige, und wird, in Wein gekocht, gegen Schlangen, ua-
') pteiygium.
2) Serpyllum.
Zwanzigstes Buch. 65
meiitlich die Kenchris, Land- und See-Scolopender und
Scorpione gebraucht. Angezündet vertreibt sein Rauch
alle diese Thiere. Er hilft auch gegen die giftigen
Seethiere. In Essig gekocht und mit Rosenöl auf Schläfe
und Stirn gelegt, vertreibt er Kopfweh, Wahnsinn und
Schlafsucht; wider Bauchgrimmen, Urinbeschwerden, Bräune,
und Erbrechen werden 4 Drachmen eingegeben. Gegen
Leberleiden bereitet man einen wässrigen Trank. Für die
Milz verordnet man 4 Obolen Kraut mit Essig. Bei Blut-
auswurf bedient man sich eines Gemisches von Quendel
und 2 Bechern Essig mit Honig,
91.
Das wilde Sisymbrium^) oder Thymbraeum wird
nur 1 Fuss hoch. Dasjenige, welches an nassen Plätzen
wächst, heisst Brunnenkresse'-). Beide sind wirksame
Mittel gegen gestachelte Thiere, als Hornisse u. s. w. Das
auf trocknem Boden vorkommende hat schmalere Blätter,
ist wohlriechend und wird in Kränze eingeflochten. Beide
stillen Kopfschmerzen, und, nach Philinus^), Augenflüsse.
Einige setzen Brot sinzu. Andere kochen es für sich mit
Wein. Es heilt auch Hitzblattern und Hautschäden ioi
Gesichte der Frauen, wenn es 4 Nächte lang aufgelegt
und am Tage abgenommen wird. Verspeist oder als Saft
getrunken hebt es das Erbrechen , Schlucken und Bauch-
grimmen und die Schwäche des Magens. Schwangere
dürfen es nicht essen, denn es tödtet die Leibesfrucht;
sogar aufgelegt treibt es dieselbe ab. Mit Wein ge-
nommen, treibt es den Harn, das wilde auch den Stein.
Um wach zu bleiben, giesst mau einen Aufguss davon in
Essig auf den Kopf.
92.
Der Leinsamen wird auch mit andern Mitteln ge-
meinschaftlich angewandt; für sich allein verbessert er die
Haut im Gesichte der Frauen. Sein Saft schärft die Seh-
kraft. Mit Weihrauch und Wasser oder mit Myrrhe und
') Mentha aquatica L.V ^) Nasturtiuiu.
3) Von Kos, Arzt und Schüler des Herophüus.
Wittstein: Plinius. rv'. Bil. ^
gg Zwanzigstes Buch.
Wein stillt er die Flüsse, mit Houig oder Fett oder Wacli8
die Ohrengeschwüre, nach Art der Polenta aufgestreuet,
die Schwäche des Magens, in Wasser und Oel gekocht
und mit Anis aufgelegt die Bräune. Gegen den Durchfall
wird er geröstet, bei Verstopfung und Ruhr mit Essig auf-
gelegt. Bei Leberschmerzen isst man ihn mit Rosinen;
gegen Schwindsucht wendet man mit bestem Erfolge eine
aus dem Samen bereitete Latwerge an. Verhärtungen der
Muskeln, Nerven, Glieder und des Nackens, sowie die
Häute des Gehirns erweicht ein Gemisch aus Leinsamen-
mehl, Natron oder Salz oder Asche. Ebendieselben Theile
werden mit Leinsamen und Feigen zur gehörigen Reife
gebracht. Mit wilder Gurkenwurzel zieht er alles, was im
Körper steckt, sogar gebrochene Knochen, aus. In Wein
gekocht hindert er das Umsichfressen der Geschwüre, uud
mit Honig den Schleimauswurf. Gleich wie die Brunnen-
kresse heilt er schlimme Nägel, mit Harz und Myrrhe
Hoden und Brüche, mit Wasser den Krebs, mit 1 Sextarius
Bockshornsamen in Meth gekocht , Magenschmerzen, mit
Oel oder Honig im Klystier Brust- und Eingeweide-
Schäden.
93.
Das Blitumi) besitzt keinen besondern Geschmack
und scheint ohne alle Kräfte zu sein, daher die Ehemänner
bei Menander ihn zum Schimpfwort auf die Frauen ge-
brauchen. Für den Magen taucht er nicht, und Einigen
macht er so viel Unruhe, dass daraus die Cholera entsteht.
Jedoch soll er, in Wein getrunken, gegen Scorpione, auf-
gelegt gegen Fussbeulen, und mit Oel augewandt gegen
Milz- und Schläfeschmerzen gut sein. Hipporates sagt,
sein Genuss hemme den Monatsfluss.
94.
Das Meum2) wird in Italien nur von Aerzten und
auch bloss von wenigen gesäet. Es giebt 2 Arten; die
') Amarantus Blitum L.
=*) Meum athamanticura Jacq.
Zwanzigstes Buch. (57
bessere heisst das athamantische, nach Einigen, weil
Athamas es zuerst entdeckt hat, nach Andern, weil das
beste zu Athamas vorkommt. Die Blätter sind denen des
Anis ähnlich, der Stengel wird mitunter 2 Cubitus hoch,
die zahlreichen, mitunter sehr langen Wurzeln haben eine
schwärzliche Farbe , keine röthliche wie die der anderen
Art. Ein Trank von der Wurzel, oder sie selbst zerklei-
nert oder abgekocht genossen treibt den Urin. Die Blä-
hungen des Magens vertreibt sie vortrefflich , ebenso das
Bauchgrimmen und die Blasenleiden; mit Honig auf die
Schaam, und mit Eppich den Kindern aufgelegt, lockt sie
den Urin tief aus dem Leibe hervor.
95.
Der FencheD) hat durch die Schlangen Berühmtheit
erlangt, denn diese sollen ihn fressen, um die alte Haut
loszuwerden und ihre Augen zu stärken , was zu der Mei-
nnng Anlass gab, dass auch bei den Menschen die trüben
Augen dadurch geheilt werden könnten. Man sammelt ihn
(den Saft) , wenn der Stengel ausgewachsen ist , trocknet
ihn an der Sonne und streicht ihn mit Honig auf. Der
Fenchel findet sich iiberall. Der beste Saft kommt aus
Iberien, wird aus dem frischen Samen gewonnen und bildet
Thränen. Man bereitet ihn auch aus der Wurzel, welche
zu diesem Behufe bald nach dem Ausschlagen geritzt
wird.
96.
Hierher gehört noch ein wilder Fenchel, welchen Einige
Hippomarathrum'^), Andere Myrsineum nennen; er hat
grössere Blätter, einen schärfern Geschmack, einen höhern,
armsdicken Stengel und eine weisse Wurzel. Man findet ihn
an warmen, steinigen Plätzen. Diocles erwähnt noch eines
andern Hippomarathrums') mit langen schmalen Blättern und
dem Coriander ähnlichen Samen. Der Same des angebaueten
') Foeniculum. Anethum Foeniculum.
2) Seseli Hippomarathrum L.; Rossfenchel.
3) Anethum segetumV
gg Zwanzigstes Buch.
wild mit Wein gegen die Stiche der Scorpione und
Schlangen eingenommen. Den Saft tröpfelt man in die
Ohren, um die darin befindlichen Würmer zu tödten. Das
Kraut selbst setzt man fast zu allen Würzen, am besten
zu den sauren Tunken; auch wird das Brot von Aussen
damit bestreuet i). Der Same stärkt den schwachen Magen
und vertreibt das Fieber, In Wasser abgerieben vertreibt
er den Ekel, und heilt Lungen- und Leberleiden. In
kleinen Dosen genommen , hemmt er den Durchfall, treibt
den Urin, mildert das Bauchgrimmen, und erfüllt die
Brüste mit Milch. Die Wurzel mit Gerstentrank oder
bloss als Absud, oder auch der Same als Substanz
angewandt, reinigt die Nieren. Die mit Wein gekochte
Wurzel hilft auch bei Wassersucht und Krämpfen. Die
Blätter werden mit Essig auf brennende Geschwülste ge-
legt, führen auch die Blasensteine ab. Wird die Pflanze
auf was immer für eine Weise eingenommen, so vermehrt
sie den Samen. Auf die Schaamglieder wirkt sie ganz
besonders wohlthätig, wenn man dieselben entweder mit
dem weinigen Absude der Wurzel berührt, oder letztere mit
Oel abgerieben auflegt. Viele legen eine mit Wachs be-
reitete Salbe auf Geschwülste^und Stossbeulen, nnd bedienen
sich des Saftes der Wurzel mit Honig gegen Hundsbisse
und mit Wein gegen die Vielfusse. Der Rossfenchel ist
in jeder Beziehung kräftiger , namentlich führt er die
Blasensteiue ab. Mit schwachem Weine heilt er die Blase
und befördert den Monatsfluss. Sein Samen besitzt mehr
Wirksamkeit als die Wurzel; von beiden wird aber soviel
als man mit 2 Fingern fassen kann zum Tranke ge-
nommen. Petrichus^), welcher über die Schlangen, und
Micton ^), welcher über die Wurzeln geschrieben hat, sagen,
gegen Schlangen sei nichts besser als der Rossfenchel.
Auch Nicander zählt ihn zu den vorzüglichen Arznei
gewachsen.
') Wie noch jetzt in Bayern.
-) Ein unbekannter Arzt. ^) Desgleichen.
Zwanzigstes Buch. 09
97.
Der Hanf wuchs anfangs nur in Wäldern, seine
Blätter sind dunkler und rauher'). Der Same soll die
Zeugungskraft des männlichen Geschlechts vernichten. Der
Saft desselben vertreibt die Würmer und andere Thiere
aus den Ohren, macht aber Kopfweh; seine Kraft ist so
gross, dass er, wie man angiebt, das Wasser verdickt, wiid
daher in Wasser den Lastthieren mit Nutzen für den Leib
gegeben. Die Wurzel in Wasser gekocht erweicht steif
gewordene Glieder, heilt das Podagra und ähnliche Uebel.
Eoh legt man sie auf Brandstellen , doch muss man sie
jedesmal, b^yor sie trocken geworden, wegnehmen und er-
neuern.
98.
Das Steckenkraut-^) hat einen dem Dill ähnlichen
Samen; dasjenige, dessen Stengel sich oben theilt, heisst
das weibliche. Die Stengel werden gekocht verspeist,
und mit Most und Honig für den Magen empfohlen; in zu
grosser Menge genossen machen sie jedoch Kopfweh Die
Wurzel zu 1 Denar in 2 Bechern Wein genommen, hilft
gegen die Schlangen; auch legt mau sie selbst auf.
Ebenso vertreibt sie das Bauchgrimmen , mit Oel und
Essig übermässigen Schweiss und Fieber. Der Saft des
Krautes, wie eine Bohne gross genommen, bewirkt Oeff-
nung. Das Mark des grünen Krautes heilt alle Krank-
heiten der Gebärmutter. Zur Stillung des Blutes werden
10 Samenkörner zerrieben und entweder für sich oder mit
Wein eingenommen. Einige verordnen gegen Epilepsie einen
Löffel voll am vierten, sechsten und siebenten Tage nach
dem Vollmonde. Den Muränen ist das Steckenkraut
höchst verderblich, denn, wenn man sie nur damit berührt,
so sterben sie. Castor rühmt den Saft der Wurzel als ein
Mittel, die Augen klar zu machen.
99.
• Da wir bei den Gartengewächsen von dem Anbau der
•) Als die des Fenchels. '^) Fei-ula. Fei-ula communis L.
70 Zwanzigstes Buch.
Disteln 1) gesprochen habend), so wollen wir auch hiervon
ihrer medicinischen Anwendung handeln. Es giebt 2 wilde
Arten, eine davon breitet sich gleich vom Boden an strauchig
aus, die andere hat nur einen oben dicken Stengel, beide
nur wenige, stachelige und zugespitzte Blätter. Die eine
treibt mitten aus Stacheln eine purpurrothe, schnell grau-
werdende und in die Luft sich zerstreuende Bliithe; die
Griechen nennen sie Scolymus^j. Diese wird vor der
Blüthezeit zerstampft, ausgepresst und der Saft auf
Glatzen gestrichen. Die Wurzel beider Arten in Wasser
iiekocht, soll bei Trinkern Durst erregen. Sie stärkt den
Magen, soll auch (wenn wir es glauben wollen), dergestalt
auf die Gebärmutter wirken, dass Knaben geboren wer-
den — so schreiben nämlich der Athenienser Chaereas
und Glaucias*), welcher letztere die Disteln am sorg-
fältigsten beschrieben zu haben scheint. Kauen von Disteln
macht den Athem wohlriechend.
100.
Ehe wir die Gartengewächse verlassen, wollen wir
ein daraus bereitetes, berühmtes Gemisch gegen giftige
Thiere anführen, welches an der Schwelle des Tempels
des Aesculaps in Stein gehauen ist. Nimm Quendel,
Opopanax und Meum, von jedem 2 Denare schwer, Bitter-
klee 1 Denar, Anis-, Fenchel-, Amrai- und Petersilien-
samen von jedem 6 Denare, Ervenmehl 12 Denare;
stosse alles, siebe es durch, und bereite daraus mit der
besten Sorte Wein Kügelchen von der Schwere einer
Siegesmünze''). Ein einzelnes Kügelchen wird mit 3
Bechern gemischten Weines eingenommen. Dieses Theriaks
soll sich der König Antiochus der Grosse gegen alle Gifte
bedient haben.
•) Cardui. -) XIX. B. 43 Cap. ^) Cynara Scolymus L.
^) Zwei unbekannte Schriftsteller.
*) victoriatus, ein halber Denar.
Eiziundzwanzigstes Euch.
Von den Blumen und Kränzen.
1.
Kianzblumeni) befahl schon Cato zu bauen. Ihre
ausserordentliche Zartheit ist erstaunenswerth und nicht
so leicht mit Worten auszudrucken, als die Natur sie zu
färben vermag, welche sich hierin vorzüglich verschwen-
derisch zeigt, und mit ihrer grossen Productivität ein so
mannichfach freudiges Spiel treibt. Alles Uebrige schafft
sie zur Nahrung und andern Zwecken , und ertheilt ihm
daher Jahre, ja Jahrhunderte lange Brauchbarkeit; die
Blumen aber und deren Riechstoff erzeugt sie nur auf
Tagesdauer , und — was die Menschen wohl beherzigen
mögen — diejenigen, welche am schönsten sind, werden
am schnellsten welk. Und nicht zufrieden mit schönen
Bildern und verschiedenen Tönen , worin die Farben der
Blumen auftreten, schlingt sie das Colorit noch vielfältig
und abwechselnd in einander, besondere Arten von Bän-
dern laufen kreisförmig, schräg und am Rande hin, und
Kränze winden sich durch Kränze hindurch.
2.
Die Alten gebrauchten ganz dünne Kränze, welche sie
Bänder^) nannten, und davon entstanden die Kränzchen^).
Ja selbst dieser Name wurde erst spät allgemein, denn
nur bei den Opfern und den Kriegs-Belohnungen bebaup-
') Coronamenta. -) stroppi. ^) strophiola.
72 Einund zwanzigstes Buch.
leten die Kränze ihren Namen. Da man aber aus Blumen
Guirlanden^) machte, so nannte man sie vom Zusammen-
knüpfen Blumensträusse 2) , was bei den Griechen auch
noch nicht sehr lange üblich ist.
3.
Zuerst war es Sitte, die Sieger in den heiligen
Kämpfen mit Baumzweigen zu bekränzen. Später ver-
tauschte man sie mit einem bunten Gemisch von Blumen
verschiedener Farben und Gerüche, nach der Erfindung
des Malers Pausias von Sicyon und der von ihm heiss ge-
liebten Kranzwinderin Glycera, deren Arbeit er durch
Malen nachahmte, und der, indem er sie zur Mannigfaltig-
keit in ihren Producten bewog , auch die Zahl seiner ver-
schiedenen Gemälde vermehrte, so dass in dieser Beziehung
ein Wettstreit zwischen Natur und Kunst hervorgerufen
wurde. Derartige Gemälde jenes Künstlers sind jetzt noch
vorhanden, und besonders zeichnet sich unter ihnen eins
aus, die Kranzwinderin genannt, auf welchem er sie selbst
abbildete. Diess geschah nach der hundertsten Olym-
piade^). Als nun Kränze^) aus Blumen eingeführt waren,
entstanden auch bald die sogenannten ägyptischen und
dann die winterlichen, welche letztere, weil im Winter die
Erde keine Blumen hervorbringt, aus gefärbten Stückchen
von Hörnern gemacht wurden. Etwas später kam auch
zu Kom jene Benennung auf, man nannte aber die Kränze
anfangs wegen ihrer Kleinheit Kränzchen^), und hernach,
als sie aus dünnen vergoldeten und versilberten Kupfer-
blechen gefertigt wurden, Kranzgeschenke •*).
4.
Der reiche Crassus ahmte zuerst die Blätter in Gold
und Silber nach, und schenkte dergleichen Kränze in den
von ihm veranstalteten Spielen. Später kamen noch die
Bänder') hinzu, was eine besondere Auszeichnung,
der hetrurischen, an welche nur goldene gebunden werden
* serta. -) serviae. ^) 375 J. v. Chr. G.
'') coronae. ') corollae. *) coiollaria. ') lemnisci.
Einundzwanzigstes Buch. 73
durften, war. Lange Zeit hindurch machte man sie ganz
einfach; P. Claudius Pulcher aber war der erste, der sie
von getriebener Arbeit ausführen liess, und dem Bande
noch Blätter hinzufügte.
5.
Auch die in den Schauspielen erworbenen Kränze
standen immer sehr in Ansehn; denn zu den dabei statt-
findenden Kämpfen gingen entweder die Herren selbst in
den Circus oder schickten ihre Sclaven hin. Darauf be-
zieht sich ein Gesetz der 12 Tafeln: „Wer selbst oder für
sein Geld einen Kranz gewinnt, der hat ein Unterpfand
seiner Tapferkeit". Es war kein Zweifel, dass das Gesetz
mit den Worten „für sein Geld" verstanden wissen wollte
was die Sclaven und Pferde gewonnen hätten. Worin
bestand nun die Ehre? dass, wenn die Sieger oder ihre
Eltern starben, ihnen, während sie auf dem Paradebette
lagen, oder hinausgetragen wurden, der Kranz ohne Scheu
(Betrug) aufgesetzt werden konnte. Uebrigens durfte man
sich nicht einmal der in den Scherzspielen gewonneneu
ohne Unterschied bedienen.
6.
Es herrschte nämlich beim Gebrauch der Kränze
eine grosse Strenge. Der während des zweiten puni-
schen Krieges lebende Wechsler L. Fulvius, welcher, mit
einem Rosenkranze auf dem Haupte aus seinem Laden auf
den Markt gesehen hatte, wurde auf Befehl des Senats
ins Gefängniss gebracht, und erst nach Beendigung des
Krieges wieder entlassen. Als P. Munatius dem Marsyas
einen Blumenkranz abgenommen und sich selbst aufgesetzt
hatte, und dieserhalb auf Befehl der Triumviren gefäng-
lich eingezogen werden sollte, appellirte er an die Volks-
Tribunen; allein diese legten sich nicht für ihn ins Mittel.
Anders war es in Athen, wo die zusammenspeisenden
Jünglinge selbst vor Mittag die Lehrstunden damit be-
suchten. Bei uns kennt man kein anderes Beispiel solcher
Freiheit , als die Tochter des vergötterten Augustus , bei
74 Einundzwanzigstes Buch.
deren nächtlicher Schwelgerei, wie die Briefe dieses
Mannes klagen, der Marsyas bekränzt wurde.
7.
Nur allein den Scipio beehrte das römische Volk mit
«inem Blumenkranze. Wegen seiner Aehnlichkeit mit
einem gewissen ScLweinhändler bekam er den Namen
Serapio. Deshalb liebte ihn das Volk während seines
Amtes als Tribun und betrachtete ihn als ein würdiges
Familienglied der Afrikaner. Da er nicht soviel hinterliess,
um sein Begräbniss zu bestreiten, so gab ein Jeder 1 Ass
her, und beim Hinaustragen der Leiche streuete man aus
^Uen Fenstern, wo sie vorbeikam, Blumen.
8.
Noch damals waren die Kränze eine Ehrenbezeugung
der Götter, der öffentlichen und häuslichen Laren, der
Oräber und Manen, und im höchsten Ansehn stand die
Friedenskrone. Zusammengebundene Kränze finden
wir bei den Opfern der Priester des'Mars, und prachtvolle
bei den Mahlzeiten. Hernach kamen die Rosenkränze auf,
und die Ueppigkeit ging so weit, dass nur die aus blossen
Blättern gemachten im Ansehn standen, und die zusammen-
gebundenen aus Indien und noch weiter hergeholt wurden.
Am beliebtesten und nobelsten sind die aus Narden-
blättern gefertigten, oder bunt mit Seidenzeug durch-
flochten en und mit Balsamen bestrichenen Kränze. Letz-
tere verdanken ihr Entstehen der Prunkliebe der Weiber.
9.
Unter den Griechen haben die Aerzte Mnesitheus und
Callimachus *) über Kränze geschrieben, welche dem Kopfe
schaden, denn auch hierin kommt die Gesundheit in so
fern mit ins Spiel, dass bei Trank und Fröhlichkeit die
Ausdünstung der Blumen leicht unvermerkt ihre verderbliche
Wirkung ausüben kann. Ein Beispiel hiervon giebt uns
die schändliche List der Cleopatra. Als nämlich zur Zeit
') Beide unbekannt.
Einundzwanzigstes Buch. 75
der Zurüstung zum actianischen Kriege Antonius wegen
der Gunst der Königin besorgt war und keine andere als
zuvor gekostete Speise ass, soll sie seine Furcht zu einem
Scherz benutzt haben, indem sie die äussersten Blumen
eines Kranzes mit Gift bestrich, sich denselben aufsetzte
und als man recht fröhlich war, den Antonius aufforderte,
die Kränze zu trinken. Wer hätte hier etwas argwöhnen
sollen? Sie zerpflückte hierauf ihren Kranz, warf die Stücke
in den Becher , hielt aber , sobald er trinkan wollte , die
Hand davor und sprach: Nun Marcus Antonius, ich bin
die, welche du, wie aus der Thätigkeit deiner Vor-
schmecker hervorgeht, fürchtest; du siehst, es fehlt mir
nicht an Mitteln und Gelegenheit, wenn ich ohne dich
leben könnte. Sie Hess darauf einen Gefangeneu vorführen,
befahl ihm den Becher auszuleeren, und jener starb auf
der Stelle. — Unter den Griechen schrieb , ausser den
Obengenannten , auch Theophrastus über die Blumen.
Von den römischen Schriftstellern haben einige ihren
Werken den Namen Blumenlese i) gegeben, doch handelte
Niemand, so viel ich weiss, darin von Blumen. Auch wir
wollen jetzt keine Kränze winden (denn das sind Tände-
leien), sondern von den Blumen dasjenige, was uns werth
genug scheint, mittheilen.
10.
Die Römer kannten unter den Gartengewächsen sehr
wenige Arten , welche zu Kränzen gebraucht werden , ja
fast nur die Violen und Rosen. Die Rose 2) ist mehr ein
Dorngewächs als ein Strauch, kommt auch auf einem
Rubus vor ^) , wo sie zwar angenehm aber schwach riecht.
Jegliche Rose ist anfangs in eine drüsige Schale ge-
schlossen; diese schwillt an, schiesst in einen birn formigen
Kelch hervor, welcher allmählich sich erweiternd rötbliche
1) anthologicon.
') Rosa centifolia, R. gallica und die Spielarten derselben.
3) Plinius meint liier wahrscheinlich die Heckenrose: Rosa ca*
nina L.
76 Einundzwanzigstes Buch.
Blätter durchblicken lässt, sich endlich ganz aufschliesst,
und in Mitte der von ihm umgebenen Blumenkrone gelbe
Staubgefässei) enthält. Zu Kränzen wird sie fast gar
nicht gebraucht. Man macht sie in Oel ein, was nach
Homer schon zur Zeit des trojanischen Krieges geschah,
bedient sie ihr auch, wie wir bereits gesagt haben 2), zu
Salben, und selbst für sich allein besitzt sie schon Heil-
kräfte. Ihrer gelinden Schärfe wegen geht sie in Pflaster
und Augensalben ein , auch werden die Leckereien der
Tafel ohne Gefahr damit parftimirt. Bei uns sind die
pränestinische und campanische die berühmtesten Arten,
Einige nehmen dazu noch die milesische, welche die feu-
rigste Farbe und nicht über 12 Blumenblätter hat. Nächst
dieser kommt die blassere trachinische, dann die alaban-
dische mit weisslichen Blättern, und die allergeringste
hat die meisten, aber sehr kleine Blätter und kleine Dor-
nen; man unterscheidet nämlich die Arten nach der Menge,
Rauheit, Glätte, Farbe und dem Gerüche der Blumen-
blätter. Die geringste Zahl der Blumenblätter ist 5, ihre
Menge steigt aber so sehr, dass eine Art die hundert-
blättrige genannt wird, und diese kommt in Italien zu
Campanien und in Griechendland um Philippi , jedoch
nicht wild, vor. In der Nähe des Berges Pangaeus wächst
eine Art mit zahlreichen kleinen Blättern, welche von den
dortigen Bewohnern auf ihren Aeckeru gebauet wird uud
ihnen einen Nahrungszweig verschafft. Doch besitzt weder
diese, noch die mit den grössten Blättern den stärksten
Geruch. Alle mit einem rauhen Kelche versehenen Rosen
riechen am besten. Caepio^), welcher unter der Regierung
des Kaisers Tiberius lebte, sagt, Rosen würden nicht zu
Kränzen genommen, ausgenommen etwa an die äussersten
Enden derselben. Eine Art, welche weder durch Geruch
noch Ansehn ausgezeichnet ist, nennt man bei uns die
griechische Rose, bei den Griechen Lychnis^), sie wächst
') apices. «) im XIII. Buche.
^) Ein nicht näher bekannter Schriftsteller.
'') Agrostenima coronaria L?
Einundzwanzigstes Buch. 77
mu- an feuchten Plätzen, hat nie über 5 Blumenblätter von
der Grösse einer Viole, und riecht nicht. Eine andere
Art, die kleine griechische genannt, erscheint immer mit
zusammengeschlagenen Blättern, springt nur auf, wenn
mau sie mit der Hand berührt, uud sieht stets aus, als
wenn sie eben erst aufbräche; ihre (Blümen-)Blätter sind
sehr gross. Noch eine andere Art bricht aus einem malven-
artigen Stengel, hat Blätter wie der Oelbaum, und heisst
die sprossende. Zwischen diesen steht die Herbstrose,
welche Kranzrose genannt wird, hinsichtlich der Grösse in
der Mitte. Nur allein diese und die auf dem Rubus wach-
sende besitzen Geruch, — so viele unächte giebt es. Auch
die echte Rose ist in ihrer Qualität gar sehr von dem
Boden abhängig. Die zu Cyrene wachsende riecht am
besten, daher kommt von dort die beste Rosensalbe; zu
Carthago in Spanien blühet sie den ganzen Winter hin-
durch. Auch hat die Witterung Einfluss darauf, denn nicht
jedes Jahr riecht die Rose gleich stark. Sie liebt keine
fette, thonige und feuchte Plätze, dagegen magere, und
namentlich wüste. Die campanische blühet früh, die mile-
sische spät und die pränestinische am spätesten. Man
setzt sie tiefer als die Feldfrüchte, aber nicht so tief als
die Weinstöcke. Der Same, welcher im Kelche unter der
Blume in Wolle gehüllt liegt, geht sehr langsam auf,
daher pflanzt man sie lieber durch Stecklinge und Wurzel-
augen, wie das Schilf, fort. Nur eine Art der blassen,
liinf blättrigen, vieldoruigen mit sehr langen Zweigen, welche
unter den griechischen die zweite ist, säet man. Alle
Rosen aber werden durch Beschneiden und Brennen ver-
bessert; auch durch Versetzen kommen sie, gleich dem
Weinstock, rasch fort, wenn man 4 Zoll oder darüber nach
dem Untergange des Siebengestirns pflanzt, diese, zur Zeit
des Favonius , 1 Fuss weit von einander versetzt und oft
umgräbt. Um früh Rosen zu bekommen, macht man, wenn
die Knospen sich zeigen, eine fusstiefe Grube um die
Wurzel, und begiesst mit warmem Wasser.
78 Einundzwanzigstes Buch.
11.
Die Lilie') steht an Weith der Rose am nächsten;
auch bereitet man aus ihr eine ähnliche Salbe wie ein
Oel, welches Lilienöl genannt wird. Sie ist eine Zierde
der Rosenpflanzungen, wenn man sie dazwischen setzt,
denn sie fängt dann an zu blühen, wenn jene in voller
Pracht stehen. Keine andere Blume schiesst höher empor,
denn der Stengel ist oft 3 Ellen lang, aber so schwach, dass
er kaum die Krone zu tragen vermag. Sie besitzt eine
blendende Weisse, die Kronblätter sind aussen gestreift,
gehen aus einem engen Grunde allmählig ins Breite, nach
Art eines Korbes, über, sind am äussern Rande umge-
schlagen, und innerhalb stehen Samengehäuse und gold-
farbige Fäden (Staubbeutel). Ihr Geruch ist ein doppelter,
denn die Krone riecht anders als die Staubgefässe , doch
ist der Unterschied nicht gross. Zur Bereitung der Salbe und
des Oeles bedient man sich aber auch der Steugelblätter,
Die Blume ist derjenigen, welche die in den Hecken wach-
sende Windet) trägt, nicht unähnlich, aber letztere besitzt
keinen Geruch , auch nicht die gelben Staubbeutel im In-
nern, sondern bloss die weisse Farbe, und liefert nur ein
Beispiel, wie die Natur eine Lilie zu bilden anfängt. Die
weissen Lilien werden ganz ebenso wie die Rosen gebauet,
aber auch, wie das Hipposelinum , durch den auströpfeln-
den Saft, und nichts ist fruchtbarer, denn eine einzige
Wurzel treibt oft 50 Zwiebeln. Es giebt auch eine rothe
Lilie, welche die Griechen Crinon^), Andere, was die Blume
selbst betrifft Cynorrhodon nennen. Die besten wachsen
in Antiochien|, zu Laodicea in Syrien, ferner zu Phaseiis;
den vierten Rang nimmt die in Italien vorkommende ein.
12.
Es giebt auch purpurrothe Lilien, welche zuweilen
einen zweifachen gespaltenen Stengel, eine fleischigere.
') Lilium candiclum L.
^) Convolvulus. Convolvulus sepium L.
^) Lilium bulbifevum L.
Einundzwanzigstes Buch. T^
grössere, aber nur einfache Zwiebelwurzel haben, und
Narcisseni) genannt werden. Eine andere Art hat eine
weisse Blüthe und purpurrothe Kelche 2). Die Narcissen
unterscheiden sich von den Lilien auch dadurch, dass ihre
Blätter aus der Wurzel entspringen. Die vorzüglichsten
wachsen auf den lycischen Bergen. Die dritte Art weicht
nur darin ab, dass ihr Kelch grün ist ^). Alle blühen spät,
nämlich erst nach dem Untergange des Arcturus und wäh-
rend des Herbst-Aequinoctii.
13.
Der Erfindungsgeist der Menschen hat auch folgende
seltsame Fortpflanzungsw^eise ausgemittelt. Im Monat Juli
werden nämlich die trocknen Stengel der Lilie abge-
schnitten und in den Bauch gehängt. Wenn sich hiedurch
die Samenkapseln geöffnet haben, nimmt man sie ab, weicht sie
im März in Hefe von dunkeln oder griechischem Wein ein,
damit sie die Farbe davon annehmen, säet sie in
kleine Furchen und begiesst sie mit einer Hemina Hefen.
Auf diese Weise entstehen rothe Lilien, und es ist merk»
würdig, dass Gefärbtes Gefärbtes erzeugt.
14.
Zunächst im Werthe folgen nun die Violen, von
denen es viele Arten giebt, nämlich rothe, gelbe^) und
weisse^), welche alle, wie der Kohl, aus Pflanzen gezogen
werden. Unter denen aber, welche an sonnigen und ma-
gern Plätzen wild vorkommen, schiessen die purpurrothen
mit breiten Blättern unmittelbar aus einer fleischigen
Wurzel hervor, und sie allein werden von den übrigen
durch einen griechischen Namen 6) unterschieden , wovon
die blauen Kleider ihre Benennung haben. Unter den an-
gebaueten schätzt man die gelben am meisten; ihre Arten
heissen die tuskulanische , und die Seeviole, deren Blatt
') Narcissus serotinus L.'?
^) Narcissus poeticus L. *) Narcissus Tazetta L.
*) Cheiranthus Cheiri L.
*) Cheiranthus incanus und Ch. annuus L.
*) ia von lov das Veilchen.
^0 Einundzwanzigstes Buch.
etwas breiter, die aber nicht so wohlriechend ist. Die
Korbviolei) bat gar keinen Geruch, kleine Blätter und
kommt im Herbste zur Blüthe, die übrigen im Frühlinge.
15.
Die Caltha^), welche eine grosse einfarbige Krone
trägt, steht der obengenannten am nächsten. Sie hat mehr
Blätter als die Seeviole, deren Zahl nie über 5 geht, auch
besitzt sie einen unangenehmem Geruch als letztere. Nicht
minder widrig riechen die Stengelblätter des sogenannten
königlichen Zweigs^).
16.
Die Baccharis^), welche von einigen Bauernnarde^)
genannt wird , riecht nur an der Wurzel. In früheren
Zeiten bereitete man, nach dem Zeugniss des alten Schau-
spieldichters Aristophanes , aus dieser Wurzel Salben.
Einige nennen sie auch wohl aus Irrthum die barbarische.
Ihr Geruch kommt dem des Zimmts sehr nahe. Sie wächst
auf magerm, trocknem Boden. Eine ihr sehr ähnliche
Pflanze ist das Combretum, welches Blätter so dünn wie
ein Faden hat, aber höher wird. Die Ansicht Derer,
welche die Baccharis Bauernnarde genannt haben, bedarf
einer Berichtigung, denn unter diesem Namen existirt ein
anderes Kraut, welches bei den Griechen Asarum heisst,
und dessen wir bereits bei den Arten der Narde gedacht
habend). Ihren Namen (asaron)^) soll sie daher haben,
weil sie nicht zu den Kränzen genommen wird.
17.
Der wilde Safran ist der beste; es ist nicht vortheil-
haft, ihn in Italien zu bauen, denn die Aecker werden
dadurch bis auf den Stein ausgesogen. Man bauet ihn
*) calathiana. nach C. Bauhin: Digitalis lutea.
^) Caltha palustris L. seheint hier gut zu passen, demungeachtet
deutet man gewöhnlich auf Calendula arvensis L.
3) scopa regia. Chenopodiura Scoparia L. Nach Andern Achillaea
nobilis L. '*) Gnaphalium sanguineum L.?
*) Nardum inisticum, welches Valeriana Dioscoridis Hawk. ist.
*) Im XII. Buche. 27. Cap. ') von « nicht, und aaoovj fegen,
also ungefegt. d. h. sclimutzig, unansehnlich.
Einundzwanzigstes Buch. 81
durch Zwiebeln. Der Gartensafran ist breiter^), grösser
und glänzender, aber viel schwächer und artet überall aus,
ist auch selbst zu Cyrene, wo sonst immer die besten
Blüthen wachsen, nicht immer fruchtbar. Im höchsten An-
sehn steht der in Cicilien und hier namentlich auf dem
Berge Cyricus wachsende , dann folgt der lycische , olym-
pische und centuripinische in Sicilien. Andere geben dem
phlegräischen den zweiten Rang. Nichts wird so sehr
verfälscht als der Safran. Der echte muss, in der Hand
gehalten, rauschen, als wenn er zerbräche; denn der
feuchte, welcher diesen Zustand einer Künstelei ver-
dankt, giebt beim Drücken nach. Eine andere Probe
besteht darin, dass er, wenn man ihn ans Gesicht hält,
Haut und Augen beissen muss. Unter den Arten des an-
gebaueten Safrans giebt es eine allgemein beliebte, welche
ihrer Farbe wegen die weissbunte genannt wird. Die
cyrenaische hat den Fehler, dunkler zu sein als alle übri-
gen Arten und schnell zu verwelken. Diejenige Sorte ist
allemal die beste, welche am meisten Fett und kurze
Fäden bat, am schlechtesten aber die, welche nach Schim-
mel riecht. Nach Mucianus versetzt man in Lycien den
Safran im siebenten oder achten Jahre in gepflügtes Land,
und verhindert auf solche Weise das Ausarten. Zu Kränzen
wird er nirgends genommen, denn seine Blätter sind
schmal, fast herzförmig, aber als Zusatz zum Weine, na-
mentlich dem süssen , eignet er sich vortrefflich. Sein
Pulver wird als Parfüm in die Theater gestreut. Die
Bltithe bricht beim Untergange des Siebengestirns zwischen
den Blättern hervor, hält sich aber nur wenige Tage. Zur
Zeit des kürzesten Tages steht er in voller Kraft, wird
dann eingesammelt, und im Schatten, am besten an einem
kalten Orte, getrocknet. Die fleischige Wurzel bleibt
länger als bei andern Gewächsen kräftig. Durch Treten
und Reiben wird sie besser, und dem Verderben schon
nahe erholt sie sich dadurch wieder, daher ihr bester
*) Crocus sativus L.
Wittstein: Plinius. IV. Bd.
82 Einundzwanzigstes Buch.
Standort Pfade und Quellen sind. Schon in den trojani-
schen Zeiten wurde der Safran geschätzt, wenigstens
rühmt Homer die drei Pflanzen Lotus , Safran und Hya-
cinthe.
18.
Alle geruchvollen Pflanzen und daher auch die Kräuter
unterscheiden sich durch Farbe, Geruch und Saft. Rie-
chende Gewächse schmecken fast alle bitter; hingegen be-
sitzen die süssschmeckenden keinen Geruch. Daher riecht
auch der Weib stärker als der Most, und alle wilden
Pflanzen stärker als die angebaueten. Einige riechen in
der Ferne angenehmer als in der Nähe, wie z. B. die Viole.
Eine frische Rose riecht mehr in der Ferne, eine trockne
mehr in der Nähe, alle aber stärker im Frühlinge und
früh Morgens, denn gegen den Mittag hin wird der Geruch
immer schwächer. Eine junge riecht auch weniger als eine
alte; alle aber besitzen mitten im Sommer den stärksten
Geruch. Rosen und Safran riechen stärker wenn sie bei
heiterm Wetter gesammelt werden, ebenso riechen alle
Gewächse mehr, die an warmen, als die an kalten Plätzen
wachsen. In Aegypten besitzen die Blumen den schwäch-
sten Geruch, weil da die Luft durch den Nil mit Nebel
und Thau erfüllt ist. Mancher an sich angenehme Geruch
hat etwas Beschwerliches. Einige riechen wegen allzu
vieler Feuchtigkeit im lebenden Zustande nicht, wie das
Foenum graecum. Einige sind starkriechend und zugleich
saftig, wie die Viole, Rose, der Safran; bei denjenigen aber,
welche keinen Saft haben, ist der Geruch unangenehm,
Avie bei beiden Arten der Lilie. Das Abrotanum und der
Majoran riechen scharf. Von einigen Pflanzen riechen nur
die Blumen angenehm, die übrigen Theile gar nicht, wie
bei den Violen und Rosen. Die trocknen Gartengewächse,
und die, welche an trocknen Plätzen vorkommen, wie die
Raute, Minze, der Eppich, riechen sehr stark. Einige wer-
den durchs Alter wohlriechender, wie die Quitten, und
diese noch mehr, wenn sie nicht mehr am Baume hängen.
Einige riechen nur nach dem Zerbrechen oder Zerreiben,
Einundzwanzigstes Buch. g3
andere nur, wenn die Schale abgezogen ist, wiederum an-
dere nur beim Verbrennen, wie der Weihrauch und die
Myrrhe. Zerriebene ßlüthen sind allemal bitterer als ganze.
Einige behalten getrocknet den Geruch sehr lange, wie der
Steinklee. Einige machen den Ort selbst, wo sie stehen,
wohlriechend, wie die Iris, ja diese sogar den ganzen
Baum, dessen Wurzeln sie berührt. Die Nachtviole i) riecht
des Nachts stärker und hat daher ihren Namen bekommen.
Kein Thier besitzt etwas Wohlriechendes, man miisste
denn das, was ich von den Panthern 2) gesagt habe, für wahr
halten.
19.
Wir müssen auch des Umstandes gedenken, dass viele
riechende Gewächse nicht zu den Kranzblumen gehören,
wie die Iris^) und die Narde, obgleich beide vortrefflich
riechen. Von der Iris wird nur die Wurzel benutzt, und
zwar nur zu Salben und Arzneien. Die beste wächst in
Illyrien, aber nicht am Meere, sondern in den Wäldern
von Drilon und Naron; dann folgt die macedonische, deren
Wurzel sehr lang, weiss und dünn ist. Die afrikanische
bildet die dritte Sorte, ist am dicksten und schmeckt am
bittersten, Die illyrische bildet 2 Arten, den Raphanitis,
sogenannt von seiner Aehnlichkeit mit Retttg, und den
Rhizotomos, welcher röthlich aussieht und besser als jener
ist, Am besten ist die, welche beim Berühren Niesen er-
regt. Ihr Stengel ist aufrecht und 1 Cubitus hoch; ihre
Blüthen haben verschiedene Farben, ähnlich dem Regen-
bogen, und diess war der Grund, sie Iris zu nennen. Auch
die pisidische ist nicht zu verwerfen. Wenn man sie aus-
graben will, giesst man 3 Monate vorher Honigwasser um sie
herum, um durch Schmeichelei die Erde gleichsam zu ver-
söhnen, zieht mit der Spitze eines Schwertes einen drei-
fachen Kreis um sie , sticht die Wurzel aus und hält sie
sogleich gegen den Himmel empor. Sie ist von Natur
brennend, und erzeugt auf der Haut Blasen, wie wenn
>) Hesperis. ■') Im VIII. B. 23. Cap.
3) Iris. Iris florentina L. und T. germanica L. S. auch 83. Cap.
6*
g4 Einundzwanzigstes Buch.
mau sich verbrannt hätte. Man soll sie nur durch keusche
Leute sammeln lassen. Nicht nur trocken, sondern auch
an ihrem Standorte selbst wird sie gern von Würmern
angefressen. Das beste Irisöl wurde vormals aus Leu-
cadien und Elis (wo man sie seit langer Zeit bauet) be-
zogen; jetzt kommt es aus Pamphylien, aber dasjenige
aus Cilicien und aus den nördlichen Ländern hält man für
das beste.
20.
Die Saliunca^) hat kurze Blätter, welche nicht (zu
Kränzen) gewunden werden können, und mit zahlreichen
Wurzeln zusammenhängen, ist eher ein Gras als eine
Blume, dicht, als wenn sie mit der Hand zusammenge-
drückt wäre — kurz eine besondere Art Rasen. Sie
wächst auf sonnigen Plätzen in Pannonien, Noricum, den
Alpen und um die Städte in Eporadia, und ist so beliebt
wie ein Metall. Man legt sie gern zwischen die Kleider.
21.
Das bei den Griechen unter dem Namen P o 1 i u m 2) bekann-
te Kraut hat durch die Lobsprüche des Musaeus 3) und He-
siodus Ruf erlangt, denn sie sagen, es sei zu Allem, beson-
ders zu Ruhm und Würden dienlich; jedenfalls ist es
merkwürdig, dass (wie sie sagen) die Blätter desselben des
Morgens weiss, Mittags purpurroth und Abends blau aus-
sehen. Es giebt 2 Arten, eine auf Aeckern, welche gross,
und eine wilde, welche klein ist. Einige nennen es Teu-
thrium. Die Blätter ähneln den grauen Menschenhaaren,
entspringen unmittelbar aus der Wurzel und werden nicht
länger als 1 Palme.
22.
Hiermit schliesse ich die Beschreibung der wohlriechen-
den Blumen. Sowie aber der Luxus dahin gelangt ist,
*) "Valeriana Saliunca All.
2) Teucrium Polium L. Die grosse Art ist T. capitatum und riecht
nicht.
2) Wahrscheinlich der Grammatiker, dessen Lebenszeit ungewiss
ist.
Einundzwanzigstes Buch. 85
hierin die Natur durch wohlriechende Salben zu übertreffeu,
ebenso hat er versucht, die schöngefärbten Blumen in den
Kleidern künstlich nachzuahmen. Ich finde, dass
dazu namentlich 3 Arten gebraucht werden: rothe in der
Scharlachfarbe, welche von den Rosen abgenommen ist und
in den tyrischen Purpur, in die zweimal gefärbten und in
die lacedämonischen Kleider eingeht. Die zweite in der
Amethystfarbe, zu deren Typus die Viole dient und welche
in die purpurnen und vielfarbigen Stoffe eingeht. (Ich
spreche hier nur von Gattungen, welche noch in viele Arten
zerfallen). Die dritte ist die eigentliche Muschelfarbe,
von der es viele Nuancen giebt: eine heliotropartige helle
und dunkle, eine mal venartige die sich in Purpur zieht,
und eine herbstviolenartige welche die lebhafteste Muschel-
farbe ist. Jetzt stellt man ähnliche Farben künstlich dar,
sodass Natur und Luxus miteinander wetteifern. Die gelbe
Farbe steht, soviel ich weiss, seit den ältesten Zeiten in
Ansehn, und wurde von jeher nur allein für die Hochzeits-
schleier der Bräute verwendet, und diess vielleicht der
Grund, warum sie nicht unter die vornehmsten, das heisst,
dem männlichen und weiblichen Geschlechte gemeinschaft-
lichen gezählt wird, denn die Gemeinschaft ist es, welche
den Vorzug bestimmt hat.
23.
Der Amarant!) ^jj-d bekanntlich zu Kränzen genom-
men. Er ist mehr eine purpurfarbene Aehre als eine
Blume, und riecht nicht. Merkwürdig, dass die Aehre,
wenn sie abgepflückt ist, sich kräftiger wieder erneuert.
Im August bricht er aus und bleibt bis in den Herbst blü-
hend. Der alexandrische ist am besten; diesen bewahrt
man, dem Stengel entnommen, auf, und es bekommen die
welkgewordenen Blumen durch Befeuchten wiederum ihre
vorige Frische, daher man die Winterkränze daraus macht.
') amarantus. Amarantus caudatus L. lifxaQuv&oc des Diocori-
des dagegen ist Gnaphalium Stoechas L., welches goldgelbe Blumen
hat.
86 Einundzwanzigstes Buch.
Seine Eigenschafi, nicht (dauernd) zu verwelken, gab ihm
den Namen i).
24.
In den Namen Cyanus^) und Holochrysus^) Hegt
gleichfalls ihre Farbe. Alle diese Blumen waren aber zur
Zeit Alezanders des Grossen noch nicht gebräuchlich, son-
dern fanden offenbar erst später Eingang, denn die bald
nach seinem Tode lebenden Schriftsteller erwähnen ihrer
nicht. Wer möchte aber zweifeln, dass die Griechen sie
zuerst kennen gelernt haben, da man sich in Italien ihrer
Namen unverändert bedient?
25.
Aber das Petilium hat in Italien seinen Namen be-
kommen. Diese Pflanze wächst im Herbste um Dornsträu-
che und hat nur einigen Werth wegen der Farbe ihrer
Blüthe, die der wilden Rose gleicht. Die Blätter sind klein
und stehen zu 5. An der Blume ist merkwürdig, dass die
Blätter an der Spitze einwärts gebogen sind und nur um-
gedrehet erscheinen. Der Kelch ist klein, scheckig und
schliesst einen gelben Samen ein. Auch der gelbe Bellio*)
trägt kuchenartige Bltithen, welche durch 55 Bärtchen ge-
krönt sind. Diess sind Wiesenblumen, welche grösstentheils
keinen Nutzen und daher auch keinen Namen haben; doch
benennen sie Einige so, Andere so.
26.
Die Chrysocome^), auch Chrysitis genannt, hat
keinen lateinischen Namen, wird eine Palme hoch, trägt
goldglänzende feine Blüthenbüschel ; ihre Wurzel ist schwarz
und schmeckt süsslich herbe. Man findet sie auf steinigen
und schattigen Plätzen.
27.
Nachdem wir nun die vornehmsten Farben abgehan-
') von a nicht und ixaQalvio welken.
^) von xvavoq: blau. Centaurea Cyanus L.
') von oAo$: ganz und )^Qvooq golden. Gnaphalium Stoechas L.
•*) BiUis perennis L.
*) Chrysocoma Linosyris L.
Einundzwanzigstes Buch. 87
delt haben, wollen wir uns zu denjenigen Kränzen
wenden, welche nur bunt im Gebrauche sind. Es giebt
2 Arten, die eine besteht aus Bliithen, die andere aus
Blättern, Die Genisten möchte ich eher eine Blume nennen
(denn sie trägt gelbe), desgleichen die Rhododendra und
die Brustbeerensträuche, welche auch cappadocische genannt
werden, und ähnlich den Blüthen des Oelbaums riechen. In
Dornsträuchen wächst auch das Cyclamen, von dem wir
anderswo 1) ausführlicher sprechen wollen, und dessen
grosse Blume zu Kränzen genommen wird.
28.
Zu Kränzen gebraucht man die Blätter der Stech-
winde und des Epheu, und ihre Blüthenbüschel stehen, wie
wir bei der Beschreibung der Sträucher ausführlich gesagt
haben 2) , gleichfalls im Ansehn. Es giebt noch andere
Arten, welche ich mit griechischen Namen bezeichnen
muss, weil die Römer es sich selten angelegen sein Hessen,
dafür Namen aus ihrer Muttersprache zu bilden. Zwar
wachsen die meisten von ihnen in andern Ländern, allein
wir müssen sie dennoch berücksichtigen, denn unser Zweck
hier ist Beschreibung der Natur und nicht bloss Italiens.
29.
Es werden also ferner zu Kränzen genommen: die
Blätter des Melothron^), der Spiräa^), des Origauum,
des Cneorum, welches Hyginus Casia-^) nennt und einer
anderen Art desselben: Cunilago oder Couyzaß); ferner des
Melissophyllum'') oder Apiastrum, und des Melilotus^),
welcher campanischer Kranz genannt wird. Von letzterm
ist nämlich unter den italienischen der campanische , und
unter den griechischen der sunische der beste, dann folgt
der chalcidische und cretische, alle aber wachsen in rauhen
») XXV. B. 67. Cap. 2) XVI. B. 62. und 63. Cap.
3) Chematis Vitalba L.?
■*) Ligustrum vulgare? oder Viburnum. Lantana?
*) Daphne Gnidium L.
") S. 32. Cap. '') Melissa altissima Sibth.
®) Melüotus neopolitana Lam. M. vulgaris L. und M. cretica
gg Einundzwanzigstes Buct.
waldigen Gegenden. Dass daraus schon seit langer Zeit
Kränze geflochten werden, beweist sein Name*). Im Ge-
ruch und der Blüthe ähnelt er dem Safran , die übrige
Pflanze ist grau. Je kleiner und fetter die Blätter sind,
um so mehr wird er geschätzt.
30.
Auch das Dreiblatt'^) spendet seine Blätter zu Krän-
zen. Es giebt davon 3 Arten; die eine mit grossen Blät-
tern, von den Griechen die kurze Zeit blühende 3), von
Andern die nach Judenpech riechende^) genannt, gebrauchen
die Kranzflechter. Die zweite heisst nach der Form ihrer
Blätter die spitzblättrige, die dritte aber ist die kleinste
von allen''). Einige unter ihnen haben aderige Stengel,
wie der Fenchel, Rossfenchel und der Mäusetod^). Man
gebraucht sie in Verbindung mit den Zweigen, Büscheln
und roihen Blüthen des Epheu. Eine andere Art ist der
wilden Rose ähnlich. Bei ihnen kommt bloss die Farbe in
Betracht, denn Geruch besitzen sie nicht. Vom Cneorum
giebt es zwei Arten, eine schwarze'') und weisse ^); letztere
riecht auch, beide aber sind vielästig und blühen nach
dem Herbst-Aequinoctium. Ebenso viele Arten des Origanum
nimmt man zu den Kränzen, die eine trägt keinen Samen
und die andere, welche nicht riecht, heisst kretischer Dost'').
31.
Auch der Thymian^o) hat 2 Arten, eine weisse und
schwärzliche. Er blühet zur Zeit der Sommerweude, wo
dann die Bienen ihn besuchen , und giebt uns schon eine
Andeutung über die zukünftige Honigernte, denn, wenn er
reichlich blühet, so hoffen die Bienenzüchter auf eine gute
^) sertula.
-) trifolium. ^) minyanthes.
^) asplialtion. Psoralea bituminosa L.
*) Die zweite und dritte Art sind wahrscheinlich Meliloten.
*) myophonum. ') Passerima hirsuta L.
^) Daphne Tartonraira L. ^) Origanum creticum L.
'•') Thymus vulgaris L., dann die wohlriechende Art Thymus inca-
nus Sibth.
Einundzwanzigstes Buch. 89
Ausbeute. Durch starke Regengüsse leidet er und ver-
liert die Blüthen. Den Samen des Thymian sucht man
vergebens, während man doch den des Dostes, wenn er
auch sehr klein ist, bemerken kann. Doch was thuts, dass
die Natur ihn verborgen hat? denn die Blume selbst ist
es ja, welche durch Aussäen die Pflanze hervor-
bringt. Was haben die Menschen nicht alles versucht?
Der attische Honig behauptet unter allen Sorten den ersten
Rang; daher holte man den Thymian aus Attika, und
säete mühsam seine Blüthen aus. Allein ein Umstand stellte
sich hiebei hindernd in den Weg, der attische Thymian ge-
deihet nämlich nur in der Seeluft. Schon lange hatte man
diese Ansicht von allen Arten Thymian, und deshelb
wachse er auch nicht in Arcadien. Damals glaubte man
auch, der Oelbaum wachse nicht weiter als in einer Ent-
fernung von 300 Stadien vom Meere. Wir wissen aber,
dass jetzt die steinigen Felder in der narbonensischen
Provinz voll Thymian stehen, und dass er fast der einzige
Nahrungszweig der dortigen Bewohner ist, denn aus fernen
Gegenden wird das Vieh zu Tausenden dahin getrieben,
um den Thymian zu fressen.
32.
Zu Kränzen gebraucht man ferner 2 Arten Conyza,
die männliche 1) und die weibliche 2), welche sich durch die
Blätter von einander unterscheiden. Die weibliche Art hat
nämlich dünne und schmale, die männliche dagegen schup-
pige und stark aderige Blätter. Die Blume der letztern
glänzt auch mehr, bei beiden kommt sie aber spät, näm-
lich nach dem Scheinen des Arcturus. Das Männchen
riecht unangenehm, das Weibchen scharf und eignet sich
daher besser zum Gebrauch gegen die Bisse wilder
Thiere. Die Blätter des Weibchens riechen wie Honig.
Die Wurzel des Männchen nennen Einige Libanotis, wovon
bereits die Rede war 3).
') Erigeron viscosus L. ^) Erigeron graveolens L.
3) Im XIX. Buche 62. Cap.
90 Einund zwanzigstes Buch.
33.
Zu Kränzen bedient man sieh nur der Blätter von
folgenden Arten: Jupitersblume^), Majoran, Hemero-
callis^), Abrotanum, Helenium^), Sisymbrium, Quendel,
welche alle, gleich der Rose, holzig sind. Die Jupiters-
blume ist nur wegen ihrer Blume beliebt, denn Geruch be-
sitzt sie nicht; ebenso diejenige Pflanze, welche den grie-
chischen Namen Phlox 4) hat. Mit Ausnahme des Quendel,
sind die Zweige und Blätter der genannten Arten wohl-
riechend. Das Helenium soll aus den Thränen der He-
lena entstanden sein, daher wächst auch das beste auf der
Insel Helene; es ist ein Strauch mit spannenlangen auf
der Erde liegenden Zweigen und quendelartigen Blättern.
34.
Das Abrotanum^) riecht angenehm aber stark, und
trägt eine goldfarbige Blüthe. Das unfruchtbare wächst
wild, und pflanzt sich durch die Spitzen fort. Mau bauet
es aber zweckmässiger aus dem Samen, als aus der Wur-
zel und aus Ablegern, was jedoch einige Mühe kostet; die
jungen Pflänzchen werden versetzt. Ebenso verfährt man
mit der Adonis^);, und zwar bei beiden im Sommer, denn
sie sind empfindlich gegen die Kälte, leiden indessen auch
von zu starker Sommerhitze; wo sie aber einmal aufge-
kommen sind, breiten sie sich gleich der Raute aus. Das
Leucanthemum^) riecht ähnlich wie das Abrotanum, und
trägt eine weisse blattreiche Blume.
35.
Den Majoran nennen der Arzt Diocles und das sicilia-
nische Volk Amaracus ^), die Aegypter und Syrier Samp-
') rios Jovis. Dianthus arboreus Sibtb. -) HemerocoUis fulva.
') Hier ist Thymus incanus Sibth gemeint, nicht Inula Helenium.
■*) Silene vespertina Retz und ähnliche Arten.
^) Artemisia Abrotanum L. S. auch 92. Cap.
®) Adonis antumnalis L. '') Matricaria Chamomilla?
*) Origanum Majorana L.
Einundzwanzigstes Buch. 91
suchus. Man bauet ihn auf zweierlei Weise, durch
Samen und Ableger, er wächst rascher als die vorherge-
nannten Arten und riecht angenehmer, trägt ebenso zahl-
reiche Samen wie das Abrotanum, aber letzteres hat eine
tief in die Erde gehende Wurzel, während diese bei den
übrigen nur mit einer dünnen Erdschicht bedeckt ist. Die
übrigen werden mit Beginn des Herbstes, oder auch an
Plätzen, wo Schatten, Feuchtigkeit und Dünger ist, im
Frtihlinge gesäet.
36.
Die Nachtblume ^) gehört zu den wenigen Gewächsen
welche Democritus bewundert hat; sie ist, wie er sagt,
feuerfarbig, hat Blätter wie Dornen, erhebt sich nicht hoch
über die Erde, und gedeihet am besten in Gedrosien. Man
zieht sie nach dem Frühlings- Aequinoctium mit der Wurzel
aus, trocknet sie 30 Tage lang am Monde, und ertheilt ihr
dadurch die Eigenschaft bei Nacht zu leuchten. Die Ma-
gier und parthischen Könige sollen sich derselben bei Aus-
sprechung von Gelübden bedienen. Man nennt sie auch
Gänseschreck 2), weil die Gänse bei ihrem Anblick in
Furcht gerathen ; Andere nennen sie Nachtlicht 3) weil sie
des Nachts von ferne leuchtet.
37.
Der Melilotus^) wächst überall, der beste aber in
Attica; frisch ist er gewöhnlich nicht weiss, sondern sieht
dem Safran sehr ähnlich, doch kommt in Italien auch wei-
sser vor und dieser riecht besser.
38.
Die erste unter den Blumen, welche den Frühling
verkündigen, ist die weisse Viole; in wärmern Gegenden
bricht sie auch im Winter hervor. Hernach kommt die
purpurrothe, dann die brennende, welche auch Phlox heisst
und nur wild wächst. Das Cyclamen blüht zweimal des
Jahres, im Frühlinge und Herbste, denn der Sommer und
') nyctegretum, nach Harduin: Lunaria.
') chenomyehe. ^) nyctalops. ■*) S. 29. Cap.
92 Einundzwanzigates Buch.
Winter ist ihm nicht zuträglich. Etwas später erscheinen
die überseeische Narcisse und Lilie, iu Italien aber erst
nach der Rose, wie wir gesagt haben i). Noch später kommt
in Griechenland die Anemone, ein wildes Zwiebelgewächs
und nicht zu verwschseln mit derjenigen, von welcher wir
bei den Arzneien reden werden 2). Nun folgt die Oenan-
the^), das Melianthum^), unter den wilden das Helio-
chrysum^) ferner eine andere Art Anemone, welche Li-
monia^) heisst, der Gladiolus^), die Hyacinthe ^) und
endlich die Rose. Letztere blüht auch, mit Ausnahme der
angebaueten, am frühesten ab; unter den übrigen hält sich
die Hyacinthe, weisse Viole und Oenanthe am längsten,
doch letztere nur, wenn mau durch häufiges Abschneiden
die Bildung des Samens verhindert. Sie wächst an war-
men Plätzen, und hat ihren Namen 0) daher, dass sie wie
die Blüthe des Weiustocks riecht. Au die Hyacinthe knüpfen
sich zwei Fabeln; nach der einen nämlich zeigt sie die
Trauer des Jünglings, welchen Apollo liebte; nach der an-
dern ist sie aus dem Blute des Ajax entstanden, denn die
x\dern ihrer Blüthe sind so gestellt, als wenn die griechi-
schen Buchstaben A I darauf geschrieben wären. Das
Heliochrysum hat goldfarbige Blüthen, zarte Blätter und
einen dünnen aber harten Stengel. Hiermit bekränzen sich
die Magier, und sagen, wenn man Salben aus Gold bereitet,
welches noch nicht am Feuer gewesen ist, dazu nähme, so
verstriche das Leben angenehm und ruhmvoll. Soweit die
Frühlingsblumen.
39.
Es folgen nun die Sommerblumen: die Lychnis,
Jupitersblume, die zweite Art der Lilie, das Tiphyumi")^
') Im 11. und 12. Cap.
•-) Im 94. Cap.
^) Phytolacca decandra L.? oder Spiraea Ulmaria L.?
^) Nigella sativa L.? ^) Gnaphalium Stoechas L.
'') Anemone coronaria L.
') Gladiolus communis L. ») Gladiolus segetum Gawl.
'••) von oLVOq und avöoq. '•>) Scilla antumnalis L.?
Einundzwanzigstes Buch. 93
der phrygische Majoran. Am ansehnlichsten aber ist der
Pothos, wovon es 2 Arten giebt. die eine mit hyaciuthar-
tiger'), und die andere mit weisser 2) Bltithe, letztere auf
Hügeln und von längerer Dauer, Auch die Jris blühet im
Sommer. Diese welken und sterben ab, andere kommen
im Herbste wieder hervor. Die dritte Art der Lilie und
beide Arten Safran, von denen die eine riecht, die andere
nicht, brechen bei den ersten Eegenschauern aus. Die
Kranzflechter bedienen sich auch der Dornblüthe; von dem
weissen Dornstrauch werden die zarten Stengel eingemacht
und als ein Leckerbissen verspeist. Diess ist die Reihen-
folge des Aufbrechens der überseeischen Blüthen. In Italien
folgt auf die Violen die Rose, dazwischen kommt die Lilie,
nach der Rose die Kornblume und nach dieser der Ama-
rant. Die Vincapervinca 3) grünt ununterbrochen, ist
an den Knoten von den Blättern gleich einer Schnur um-
gürtet, ein Kraut der Kunstgärtner, und ersetzt mitunter
den Mangel an Blumen. Die Griechen nennen sie Chamae-
daphne.
40.
Am längsten hält sich die Viole, nämlich 3 Jahre hin-
durch; später artet sie aus. Die Rose dauert 5 Jahre aus,
ohne geschnitten und gebrannt zu werden; durch diese
Operationen wird sie nämlich wieder verjüngt. Doch hat
auch, wie wir gesagt haben 4), das Erdreich grossen Ein-
fluss, denn in Aegypten sind alle diese Gewächse geruch-
los, und bloss die Myrten riechen dort stark. In manchen
Gegenden findet das Ausschlagen 2 Monate früher statt.
Rosengärten müssen zu Anfang des Frühlings und mitten
im Sommer umgegraben, und in der Zwischenzeit gegätet
werden.
4L
Doch Garten- und Kranzblumeu passen am besten für
') Silene Sibthorpiana Rchb.
2) Silene Otites L. ^) Vinca minor L.
*) Im 10. Cap.
94 Einundzwanzigstes Buch.
die Bienen und die Bienenzucht, — ein Geschäft, welches
im günstigen Falle viel Gewinn bringt. Zu diesem Zwecke
muss man Thymian, Apiastium, Kosen, Violen, Lilien, Cy-
tisus, Bohnen, Wicken, Saturei, Mohn, Conyza, Casia, Stein-
klee, Melissophyllum und Wachsblumen i) bauen. Letz-
tere ist ein ellenhohes Kraut mit weissen krummen Blättern
und einer hohlen Blumenkrone, worin sich ein honigartiger
Saft befindet. Die Bienen sind nach diesen Blumen, und,
was zu bewundern, auch nach denen des Senfs sehr be-
gierig, während sie bekanntlich die des Oelbaumes nicht
anrühren; daher steht dieser Baum besser nicht zu nahe
bei den Bienenstöcken, während man andere, wodurch die
ausfliegenden Schwärme angelockt werden, zweckmässig in
ihre Nähe pflanzt, damit sie keinen zu weiten Weg zu
machen brauchen.
42.
Auch die Kornelkirsche muss man aus der Nähe der
Bienen bringen, denn wenn sie deren Blumen aussaugen^
so bekommen sie den Durchfall und sterben. Man heilt
sie wieder, wenn man ihnen gestossene Ariesbeeren mit
Honig, oder Urin vom Menschen oder Ochsen, oder Granat-
apfelkörner mit amineischem Weine benetzt vorsetzt. Am
besten zur Pflanzung um die Bienenstöcke passt der Ginster.
43.
Wunderbar und mittheilungswürdig ist, was ich von
der Ernährung der Bienen erfahren habe. Am Po liegt
ein Dorf Hostilia. dessen Einwohner, weil es rings umher
an Futter gebricht, die Bienenkörbe auf Schiffe setzen und
sie bei Nacht 5000 Schritte weit gegen den Strom hiuan-
fahren. Mit Anbruch des Tages fliegen die Bienen aus^
sammeln ein und kehren täglich zu den Schiffen zurück ;
letztere wechseln ihren Ankerplatz so lange, bis die Stöcke
voll sind, worauf zurückgefahren und der Honig ausgenom-
men wird. Aus gleicher Ursache führt man sie in Spanien
auf Mauleseln aus.
') cerinthe. Cerinthe major und minor L.
Einundzwanzigstes Buch. 95
44.
Das Futter ist so verschieden, dass sogar giftiger
Honig daraus entstehen kann. Zu Heraclea im Pontus
ist er in manchen Jahren höchst schädlich, obgleich er
immer von ein und denselben Bienen zubereitet wird. Kein
Autor giebt an, welche Blumen schuld daran sind; ich will
daher meine Erfahrungen darüber mittheilen. Es giebt
ein Kraut, welches von der tödtlichen Wirkung auf das
Hornvieh und namentlich die Ziegen, Ziegenpest *) ge-
nannt wird. Wenn dessen Blumen in einem nassen Frilh-
linge welk werden, so erzeugt sich ein schädliches Gift in
ihnen; daher tritt auch das Uebel nicht jedes Jahr auf.
Man erkennt den giftigen Honig daran, dass er nicht dick
wird, eine mehr röthliche Farbe besitzt, fremdartig riecht.
Niesen erregt und schwerer als der nicht giftige ist. Men-
schen, welche davon gegessen haben, werfen sich auf die
Erde nieder und suchen sich abzukühlen, denn sie triefen
von Schweiss. Es giebt viele Hülfsmittel dagegen, wel-
che wir gehörigen Orts anführen werden. Um aber doch
wegen der Grösse der Gefahr sogleich mit einigen bekannt
zu machen, so bemerken wir, dass alter, aus dem besten
Honig bereiteter Meth nebst Raute gut dagegen ist, ferner
eingesalzene Fische, doch dürfen diese nicht oft gegessen
werden, weil sie dann schaden. Gewiss ist auch, dass
diess Gift durch die Excremente auf Hunde übergehen und
sie ebenso quälen kann. Doch thut der Geuuss von Meth,
welcher aus dergleichen Honig bereitet war und längere
Zeit gelagert hat, keinen Schaden, und mit Kostus ange-
wandt soll nichts besser für die Haut der Frauen sein;
mit Aloe aber legt man ihn auf Stossbeulen.
45.
Bei den Saunern, deren Gebiet ebenfalls im Pontus liegt,
kommteineandere Art Honig vor, welcher Raserei bewirkt
und deshalb der rasende genannt wird. Die Ursache seiner
schädlichen Eigenschaft sollen die Blüthen des Rhododendron 2)
') aegolethron, von ca§ und okeÖQoq. Azalea pontica L.
^) Nerium Oleander L.
96 Einundzwanzigstes Buch.
sein, welches dort häufig in den Wäldern wächst. Jenes
Volk bringt den Römern das Wachs als Tribut, den Honig
aber verkauft es nicht, weil er giftig ist. Auch in Persien
und in der zum cäsariensischen Mauritanien gehörigen
Landschaft Gätulien, welche an das Gebiet der Massäsyler
grenzt, giebt es giftigen Honig, doch nicht durchgängig;
und nicht leicht existirt etwas, was trügerischer wäre als
solcher Honig, denn nur am Ansehen kann man ihn er-
kennen. Was für einen Zweck mag die Natur dabei im
Auge haben, dass ein und dieselben Bienen nicht jedes Jahr
und nicht in allen Stöcken giftigen Honig bereiten? Wäre
es nicht genug, dass sie etwas erzeugte, worin am leich-
testen Gift beigebracht wird, und musste sie es noch im
Honig so vielen Thieren verleihen? Was wollte sie anders,
als die Menschen vorsichtiger und weniger begierig machen?
Denn gab sie nicht schon den Bienen selbst Stacheln und
sogar giftige? Um diese Stiche zu heilen, ist es am besten,
den Saft von Malven oder Epheublättern einzureiben, oder
dieselben zu stossen und einzunehmen. Merkwürdig bleibt
es aber, dass Thiere, welche Gift im Munde tragen und es
erzeugen, nicht daran sterben; doch verlieh die Beherr-
scherin aller Dinge den Bienen jenes Vertheidigungsmittel,
sowie unter den Menschen den Psyllern und Marsern ein
solches gegen die Schlangen.
46.
Eine andere merkwürdige Art Honig kommt in Greta
vor. Auf dieser Insel liegt der 9000 Schritte im Umfange
haltende Berg Carina, an welchem keine Fliegen ge-
troffen werden, die den dort erzeugten Honig anrühren.
Aus diesem Grunde wählt man den letztern gern zu Arzneien.
47.
Die Bienenstöcke müssen gegen Osten hin stehen,
denn der Nordost- und Westwind ist ihnen uachtheilig.
Die besten Bienenkörbe macht man aus Baumrinde, eine zweite
Sorte aus Ruthen, eine dritte aus dünnen Reisern; Manche
haben auch welche aus Marienglas angefertigt, um die Thiere
bei ihrer Arbeit beobachten zu können. Es ist sehr zweck-
Einundzwanzigstes ßu(;h. 97
massig, die Körbe mit Kuhmist zu umgeben und den Deckel
hinten und verschiebbar anzubringen, um ihn hineinschieben
zu können, wenn der Korb zu gross ist oder nicht viel durch
die Arbeit beschafft wird, damit die Bienen nicht aus Ver-
zweiflung träge werden; nimmt ihr Fleiss zu, so kann man
den Deckel allmäh lig wieder nach Aussen ziehen. Im Winter
muss man die Körbe mit Stroh bedecken, und öfters, na-
mentlich mit Kuhmist räuchern; letzterer eignet sich des-
halb sehr gut dazu, weil er die etwa aufgekommenen fremd-
artigen Thiere als Spinnen, Schmetterlinge, Maden tödtet,
die Bienen selbst aber ermuntert. Die Spinnen sind nicht
so schädlich als die Schmetterlinge: diese vertreibt man
aber, wenn man zur Zeit der Malvenblüthe, bei Nacht,
Neumond und heiterem Himmel vor die Körbe ein bren-
nendes Licht hält, in welches sie hineinfliegen.
48.
Glaubt man, dass es den Bienen an Nahrung fehle, so
muss man vor die Oeffnungen trockene Rosinen und zer-
stossene Feigen, auch mit Rosinenwein abgesottenen Wein
oder mit Meth getränktes Wollenzeug, sowie rohes Hühner-
fleisch legen. Auch ist man in manchem Sommer genöthigt,
ihnen diese Speise zu geben, wenn sie wegen anhaltender
Dürre in den Blumen keine Nahrung finden. Soll der Honig
ausgenommen werden, so muss man das Flugloch der Körbe
mit zerstossenem Melissophyllum oder Ginster verstopfen,
oder dieselben in der Mitte mit weissen Weinruthen um-
binden, damit die Bienen nicht davonfliegen. Um einen
vortrefflichen Essig zu bekommen, soll man die Honiggefässe
und Waben mit Wasser abwaschen, und diese Flüssigkeit
einkochen.
49.
Das Wachs erhält mau durch Auspressen der Waben;
man reinigt nämlich dieselben zuvor mit Wasser, trocknet
sie 3 Tage lang an einem finstern Orte, bringt sie am
vierten Tage in einem neuen irdenen Geschirr mit Wasser
bedeckt aufs Feuer und seihet durch Körbe. Das Wachs
wird nun abermals in demselben Geschirr und mit dem-
Wittstein: Plinius. IV. Bd. '
9 g Einundzwauzigstes Buch.
selben Wasser gekocht und in ein anderes, mit Honig aus-
gestrichenes kaltes Geschirr» gegossen. Die heste Sorte ist das|
punische, dann folgt das dunkelgelbe, nach Honig riechende,
welches aus Pontus kommt und vom giftigen Honig ab-
stammt, hierauf das cretische, worin viel Verstoss (dessen
wir bei Beschreibung der Bienen gedacht haben i) enthalten
ist. Nächstdem das corsikanische, welchem man, weil es
vom Buxbaum bereitet wird, mediciuische Kräfte zuschreibt.
Das punische Wachs wird auf folgende Art bereitet: das
dunkelgelbe Wachs legt man oft an die frische Luft, siedet
es dann in Seewasser, was aus der Tiefe geholt ist, mit
Zusatz von Natron, schöpft mit einem Löffel die Blume d. i.
den weissesten Theil ab, und giesst in ein Gefäss, worin
sich etwas kaltes Wasser befindet. Mau kocht es nun
abermals mit Seewasser allein, und kühlt das Gefäss selbst
ab; wenn diese Operation dreimal gescheheu ist, trocknet
man es auf Binsenhiirden unter freiem Himmel bei Sounen-
und Mondeschein (denn der Mond macht es weiss, die Sonne
trocknet es) und bedeckt es mit dünner Leinwand, damit
es nicht flüssig wird. Am weissesten wird aber das Wachs,
wenn man es nach dem Bleichen noch einmal kocht. Das
punische eignet sich am besten zur medicinischen Anwen-
dung. Zusatz von Papierasche macht das Wachs schwarz,
Ochsenzungenwurzel roth; durch verschiedene Zusätze er-
zeugt man allerlei Farben, um Aehnlichkeiten mit andern
Dingen zu erzielen; die Menschen machen zahlreiche Anwen-
dungen davon, schützen auch die Wände und Waffen damit.
Was sonst noch vom Honig und den Bienen zu wissen nöthig
ist, haben wir bereits am gehörigen Orte mitgetheilt. Und
soweit wäre auch die Lehre von den Gärten und ihren Ge
wachsen fast ganz vollständig geschlossen.
50.
Es folgen nun die wildwachsenden Kräuter, deren
sich die meisten Völker zur Speise bedienen, namentlich die
Aegypter, deren Land schon so reich an Getreide ist, ob-
«) Im XI. Buche, 6. Cap.
Einundzwanzigstes Buch. 99
gleich sie desselben bei dem grossen Ueberfluss an Gemüse-
kiäutern fast gänzlich entbehren könnten. In Italien kenneu
wir nur wenige, als Erdbeeren i), Tamnus^), Ruscus^
Meer-Batis3), Garten-Batis*), welchen Einige gallischen
Spargel nennen, ferner Wiesen-Pastinak^) und Weiden-
Hopfen"), welcher eher eine Leckerei als Speise ist,
51.
In Aegypten wird die Colocasia^) welche Einige
Cyamos nennen, sehr hoch geschätzt. Man holt sie aus dem
Nile; der Stengel wird gekocht, zeigt aber beim Kauen
etwas Sandiges; der zwischen den Blättern hervorragende
Blüthenbtischel ist sehr gross, die Blätter haben in Vergleich
mit Baumblättern, eine bedeutende Oberfläche, und gleichen
denjenigen, welche in unsern Flüssen vorkommen nnd mas-
kirte genannt werden. Die Aegypter schätzen die Gaben
ihres Nils so sehr, dass sie z. B. die Blätter der Colocasia
in allerhand Formen von Trinkgeschirreu bringen und sich
mit grosser Vorliebe solcher zum Trinken bedienen. Jetzt
bauet man sie auch schon in Italien.
52.
Zunächst im Werthe steht in Aegypten die Cichorie,
welche wir wilden Intubus genannt haben. Sie entsteht
nach dem Scheine des Siebengestirns und blühet stellen-
weise. Die Wurzel wird wegen ihrer Zähigkeit zum Binden
gebraucht. Das Anthalium^) wächst weiter vom Flusse ab,
trägt Früchte von der Grösse und Gestalt der Mispel, aber
ohne Kern und Kelch, und seine Blätter gleichen denen des
Cypergrases. Am Feuer zubereitet geniesst man es gleich
dem Kraute Oetum, welches nur wenige und sehr gleiche
Blätter, aber eine grosse Wurzel hat. Auch isst man dort
die Kräuter Arachidna^) und Ar acosio)^ welche zahlreich
•) Fraga. Fragaria vesca L. -) Tamus communis L.
^) batis marina. Chrithmum maritimum L. "*) Crambe maritima?
*) Pastinaca sativa L.? ß) lupus salictarius. Humulus Lupulus L.
') Nicht Arum Colocosia, sondern Nymphaea Nelumbo L.
•) Cyperus esculentus L. *) Arachis hypogaea L.
"•) Lathyrus tuberosus L.
100 Einundzwanzigstes Buch.
verästelte Wurzeln, aber weder Blätter noch sonst etwas über
der Erde befindliebes tragen. Die Namen der übrigen bei
ibnen als Speise gebräuchlicben Kräuter sind: Condrilla i),
Hypobaeris2), Caucalis^), Anthriscus^), Scandix 5),
welche von andern Tragopogon^) genannt wird und Blätter
wie der Safran hat, Parthenium^), Strychnum^), C or-
chorus'^) und die zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche wach-
sende Aphaceio)^ Acinos") und das sogenannte Epi-
petroni2), welches niemals blühet. Am Acinos dagegen
bricht den ganzen Winter und Frühling hindurch bis zum
Sommer, sobald eine Blüthe welk wird, eine andere hervor.
53.
Ausserdem giebt es dort viele unansehnliche Kräuter, in
grossem Ansehen steht aber der in Italien unbekannte Cni-
cus, dessen man sich zwar nicht zur Speise, wohl aber zur
Bereitung eines Oels bedient. Den nächsten Unterschied macht
man zwischen dem wilden und angebaueten. Von dem wilden
giebt es 2 Arten, die eine fühlt sich milde an, ihr Stengel
auch, ist aber steif und diente vormals den Frauen zu Spin-
deln, wesshalb einige sie auch Spiudelkraut^^) nennen; der
Same ist weiss, gross und bitter. Die andere Art^^) ist rauh,
der Stengel knotig und liegt fast auf der Erde, der Same
klein. Diess Gewächs gehört zu den stachlichteu, denn auch
solche Arten muss man unterscheiden.
54.
Es giebt nämlich Gewächse mit Stacheln und solche
ohne Stacheln, und von den erstem haben wir viele Arten.
Ganz stachelig sind der Spargel und das Scorpionkraut i^),
») Chondrilla s. XXII. B. 45. Cap.
2) Hyoseris lucida? ^) Pimpinella Saxifraga L.
^) Scaudix australis L. ^} Scandix Pecten L.
^) Tragopogon porrifoLius L. also eine ganz andere Pflanze wie
Scandix. '') Matricaria Parthenium L. ^) S. 105 Cap.
") Auagallis arvensis L. ^°) Vicia Cracca L.
'M Thymus acinos L. *^) Frankenia pulverulenta L.
") atractjlis. Carthamus lanatus L.
'■') Cnicus benedictus Vaill.
'5) Genista acanthoclada Sni.
Einundzwanzigstes Buch. 101
denn ihnen fehlen die Blätter. Einige haben stachelige
Blätter, "wie Carduus, Mannstreu i), Süssholz^), Nessel;
an den Blättern aller dieser Pflanzen befinden sich scharfe
Stacheln. Einige haben auch neben den Stacheln die
Blätter, wie der Tribulus^) und die Ononis^). Andere
haben die Stacheln an den Blättern und am Stengel wie
die Phleos»), die auch den Namen Stoebe führt. Die Hip-
pophaes6) trägt die Stacheln an den Gelenken; der Tri-
bulus sogar auch an der Frucht.
55.
Unter allen diesen Arten ist die Urtica am bekann-
testen; sie wird oft zwei Ellen hoch, und in ihrer Blüthe
entwickelt sich ein Acetabulum voll purpurrother Wolle.
Es giebt mehrere Arten: eine wilde ^), welche auch das
Weibchen heisst, ist milder, eine andere, auch Hundsnessel ^)
genannt, ist schärfer, der Stengel besitzt gleichfalls Schärfe
und die Blätter sind gefranzt. Die Art aber, welche riecht,
heisst die herculanische''). Alle tragen zahlreiche, schwarze
Samen. Merkwürdig ist, dass nicht bloss die Stacheln son
dern auch die Wolle gefährlich ist, und bei der leisesten
Berührung Jucken und Blasen wie beim Verbrennen, erzeugt.
Ein bekanntes Hülfsmittel dagegen bietet Oel. Durch das
Kraut selbst entsteht nicht allemal gleich ein Brennen,
sondern erst dann, wenn es durch die Sonnenhitze steif ge-
worden ist. Zur Zeit des Frühlings, wo es sich erst ent-
wickelt, ist es eine nicht unangenehme Speise, von der
Viele glauben, dass sie das ganze Jahr hindurch vor Krank-
heiten schütze. Die Wurzeln der wilden Arten sind un-
schädlich, und mit dem Stengel gekocht machen sie diesen
zarter. Diejenige Art, welche nicht sticht, heisst taube
Nessel^o), Vom Scorpionkraut werde ich bei den Arz-
neien handeln 11).
') Eryngiuni-Axten. '^) Glycyrrhiza. G. echinata und G. glabra L.
3) Tribulus ten-estris L. ^) Ononis antiquorum L.
*) Poterium spinosum L. ^) Euphorbia spinosa L., nicht unsere
Hippophae rhamnoides L. ') Urtica urens L. *) Urtica dioica L.
^j Urtica püulifera L.
'") lamiuni. Lamium albuni L. '*) Im XXII. Buche, 17. Cap.
102 Einundzwanzigstes Buch.
56.
Carduus, Acornai), Leucacanthus^), Cbalceus^),
Cnieus, Polyacanthus, Onopyxus, Helxine*) und Sco-
lymus^) haben stachelwoUige Blätter und Stengel. Das
Chamaeleon^) hat keine Stacheln an den Blättern. Diese
Gewächse unterscheiden sich dadurch, dass einige mehrere
Stengel und Aeste haben wie der Carduus, andere nur 1
Stengel und keine Aeste wie der Cnieus. Einige tragen
nur an der Spitze Stacheln, wie das Eryngium. Einige
blühen im Sommer, wie die Tetralix^) und die Helxine.
Der Scolymus blühet spät und lange. Die Acorna unter-
scheidet sich bloss durch ihren röthlichen Stengel und fettern
Saft. Das Spindelkraut ist heller von Farbe und hat einen
blutrothen Saft. Die Acorna nennen auch Einige die böse,
weil sie unangenehm riecht und der Same erst spät (im
Herbste) reif wird, was man indessen von allen stachligen
Gewächsen sagen kann. Alle aber können aus Samen und
Ablegern gezogen werden. Der Scolymus unterscheidet sich
von den übrigen Distelarten dadurch, dass seine Wurzel gekocht
und verspeist wird. Merkwürdig ist, dass diese Pflanze den gan-
zen Sommer hindurch ununterbrochen blühet, denn während
eine Blüthe Samen setzt, bricht eine andere auf und eine dritte
entwickelt sich. Wenn die Blätter trocken werden, verlieren die
Stacheln ihre Eigenschaft zu stechen. Die Helxine findet sich sel-
ten und nicht in allen Ländern; sie ist gleich von der Wurzel
an stark beblättert, und mitten aus derselben ragt gleich-
sam das UebeP) bedeckt von den Blättern hervor. Ganz
oben aus den Blättern schwitzt eine angenehm schmeckende
Feuchtigkeit, welche Dornen-Mastixio) genannt wird.
') Cnieus Acama L. '^) Centaurea dalmatica Petter.
3) Carlma corymbosa L.? *) s. XXII. B. 19. Cap.
^) Scolymus maculatus und Cynara Scolymus L.
ß) Atractylis gummifera L. ') Centaurea solstitialis L.
*) phonos; (povog: Mord.
8) Die Stacheln nämlich.
'°) mastiche acanthice, bezieht sich aber eher auf Atractylis gum-
mifera.
Einundzwanzigstes Buch. X03
57.
Der Cactus^), welcher nur in Sicilien wächst, hat
ebenfalls sein Eigenthümliches; seine Stängel kriechen gleich
von der Wurzel an auf der Erde, die Blätter sind breit und
dornig. Die Stengel heissen Caeti und werden, wenn auch
alt, zu Speisen genommen, Sie haben einen geraden Stengel,
welcher P t e r n i x heisst, und zwar ebenso angenehm schmeckt,
aber durchs Alter unbrauchbar wird. An dem Samen hängt
ein wollartiger Körper, Pappus genannt; wird dieser und
die äussere (Kelch-) Hülle hinweggenommen, so findet man
ein zartes, dem Gipfelmark der Palmen ähnliches Fleisch,
welches den Namen Ascalia bekommen hat.
58.
Der Tribulus wächst nur in sumpfigen Gegenden,
wird fast überall verworfen, an den Flüssen Nil und Stry-
mon aber verspeist; er hängt ins Wasser, seine Blätter sehen
denen des ülmenbaumes ähnlich und sind langgestielt.
Ausserdem giebt es noch zwei Arten, eine mit kicherartigen,
die andere mit stachligen Blättern. Letztere blüht später
und findet sich häufig an den Zäunen der Landhäuser; ihr
Same ist rundlich, schwarz und steckt in einer Schote, der
der andern Art sandartig. Noch ein anderes stachliges Ge-
wächs ist die Hauhechel^); ihre Stacheln sitzen an den
Zweigen, die Blätter stehen ähnlich wie die der Raute und
bedecken den ganzen Stengel wie einen Kranz. Sie kommt
gleich nach der Getreideernte hervor, hindert beim Pflügen
und wächst üppig heran.
59.
Die Stengel mancher Stachelgewächse kriechen auf
der Erde hin, wie z. B. der Krähen fuss ^). Andere stehen
aufrecht, wie die Ochsenzunge*) deren Wurzel zum Fär-
') Gegen Cactus Opuntia spricht die (übrigens noch sehr zweifel-
hefte) Annahme, dass er aus Amerika stamme. Also wahrscheinlich
irgend ein Carduus, dessen genauere Deutung bis jetzt nicht gelun-
gen ist.
^) ononis. ^) coronopus. Lotus ornithopodioides L.
■*) anchusa. Anchusa tinctoria L.
104 Einundzwanzigstes Buch.
ben des Holzes und Wachses dient, und unter den mildern
(nicht stachligen) die Anthemis i), Phyllanthes, Anemone
und Aphace. Beblättert ist der Stengel bei Crepis und
Lotus 2).
60.
Die Verschiedenheit der Blätter beruhet auch hier,
wie bei den Bäumen, auf der Länge oder Kürze des Stiels,
auf der Schmalheit des Blattes selbst, auf der Breite, den
Ecken, Einschnitten, dem Geruch und der Bliithe. Letztere
ist bei einigen, welche nach und nach blühen, z. B. dem
Basilienkraut, Heliotropium 3), der Aphaca und Onochilis ^),
von längerer Dauer. Viele haben, gleich manchen Bäumen,
fortwährend Laub, namentlich das Heliotropium, das
Adiantum^) und das Polium^).
61.
Zu den Aehren tragenden Kräutern gehören: Cy-
nops^), Alopecurus ^), Stelephurus 9) (auch Ortyx
oder Plantago genannt, wovon wir bei den Arzneien ein
Mehreres sagen werden) und Tryallis^o^. Unter diesen
hat der Alopecurus eine weiche, wollige und dichte Aehre,
die einem Fuchsschwänze ähnlich sieht und die Ursache
des Namens dieser Pflanze ist. Ihm am ähnlichsten steht
der Stelephurus, nur mit dem Unterschiede, dass jeuer
theiweise blühet. Die Cichorie und ähnliche Arten haben
Blätter, welche rings umher auf der Erde liegen; sie schla-
gen nach dem Siebengestirn aus.
62.
Das Kebhühnerkraut 11), welches seinen Namen von
dem Vogel, welcher es vorzüglich ausscharrt, bekommen
hat, wird ausser den Aegyptern auch von andern Völkern
gegessen; es hat zahlreiche, dicke Wurzeln. Ferner die
') S. XXII. B. 26. Cap. -) Melilotus messanensis L.
^) Heliotropium villosmn Desf. ^) Ecliium rubrum Jacq.
5) s. XXII. B. 30. Cap. «) Teucrium Polium L.
') Plantago Cynops L.
*) Polypogon monspeliensis Desf. ^) Plantago Lagopus L.
'oj Sanguisorba off. L.? ") perdicium. Parietaria diffusa L.
Einundzwanzigstes Buch. 105
Vogelmilch i), welche einen zarten weissen Stengel und
eine halbfusslange, zwieblige weiche Wurzel, an welcher
noch 3 oder 4 andere sitzen, hat. Man kocht sie zu einem
Brei ein.
63.
Merkwürdig ist, dass der krautartige Lotus und der
Aegilops erst nach einem Jahre aus dem Samen her-
vorwächst; ferner, dass die Anthemis von oben zu blühen
beginnt, während doch bei allen übrigen, deren Blumen
sich nach und nach entwickeln, diess von unten herauf ge-
schieht.
64.
Auch von der Klette 2), welche sich (an die Kleider)
anhängt, ist bemerkenswerth, dass die Blume derselben
nicht sichtbar ist sondern ganz eingeschlossen bleibt, so
dass die Samen sich, gleich wie bei den Thieren welche
lebendige Junge gebären, im Innern der Hülle entwickeln.
Um Opus wächst die schmackhafte Opuntia^), welche
durch die Blätter fortgepflanzt wird, denn diese schlagen,
in die Erde gesteckt, Wurzeln.
65.
Die Jasione^) bat nur ein Blatt, diess ist aber so
ineinander gefaltet, dass es wie mehrere aussieht. Die
Chondrylla^) ist bitter und der Saft der Wurzel schmeckt
scharf. Bitter ist ferner die Aphace und die sogenannte
Picris 0), welche ihren Namen von dem bittern Geschmacke
bekommen hat, und das ganze Jahr hindurch blühet.
66.
Die Meerzwiebel und der Safran bilden zuerst den
Stengel und dann die Blätter, während bei allen übri-
gen Kräutern erst die Blätter und dann der Stengel
') ornitliogale. Ornithogalum umbellatum L.
-) lappa. Arctium Lappa L.
3) Cynara Cardunculus L.? Oder Cactus Opuntia L.?
■*) Convolvulus sepium L. ^} Chondrilla juncea L.
") Urospermuni echioides L.
106 Einundzwanzigstes Buch.
kommt; und zwar wird beim Safran die Blüthe mit dem
Stengel hervorgetrieben, bei der Meerzwiebel dagegen ent-
steht erst der Stengel und dann brechen aus diesem die
Blüthen hervor. Letztere blühet, wie wir bereits gesagt
haben i), dreimal, und zeigt damit die 3 Zeiten des Pflü-
gens an.
67.
Zu den Zwiebeln zählen Einige auch die Wurzel des
Cypirus d. h. des Gladiolus; sie ist süss, macht das Brot
wohlschmeckender und zugleich auch schwerer. Das The-
sium2) sieht ihr ähnlich, schmeckt aber rauh.
68.
Die übrigen Gewächse der Art unterscheiden sich
durch die Blätter. Der AffodilP) hat lange und schmale
Blätter, die Meerzwiebel breite und biegsame, der Schwertel
seinem Namen entsprechende. Vom Affodill wird sowohl
der geröstete Same als auch die Zwiebel gegessen, letztere
dörrt man aber in Asche, und setzt ihr hernach Salz und
Oel hinzu; ausserdem stösst man sie auch mit' Feigen, und
sie soll so bereitet nach Hesiodus ein Leckerbissen sein.
Wenn man sie vor die Thüren der Landhäuser pflanzt,
dient sie als Htilfsmittel gegen Zauberei. Auch Homer ^)
gedenkt des Affodills; seine Wurzel hat die Grösse mittle-
rer Rüben, und gedeihet so zahlreich, dass mitunter 80
Zwiebeln in einem Haufen beisammen sind. Theophrastus
und fast alle Griechen, namentlich Pythagoras nennen
seinen 1 — 2 Ellen langen, mit Blättern, welche dem wildem
Porrum gleichen, besetzten Stengel Antherikus, die Wurzel
(Zwiebel) aber Affodill. Wir Römer nennen dagegen jenen
Albucus, den Affodill aber Königsspiess; letzterer hat einen
drüsigen Stengel und bildet 2 Arten. Der Albucus hat
einen ellenlangen, dicken, nackten und glatten Stengel, den
man nach Mago im Ausgang März oder Anfang Aprils,
') Im XIX. B. 30. Cap.
2) Thesium linophyllum L. ^) Asphodelus. Asphodelus ramosus
L. ') Odyssee XI. 539. XXIV. 13.
Einundzwanzigstes Buch. 107
wenn er geblühet hat aber noch keinen reifen Samen t ragt,
absehneidet, spaltet, am vierten Tage an die Sonne legt
und nach dem Trocknen in Bündel bringt. Ebenderselbe
sagt auch, die Griechen nennten ein Kraut Pistana, wel-
ches wir unter den Wassergräsern aufgeführt und mit dem
Namen Pfeilkraut bezeichnet haben; diess solle man von
der Mitte des Mai bis zum October abschälen und an der
Sonne laugsam trocknen lassen. Auch den andern Schwer-
tel oder Cypirus, welcher gleichfalls in Sümpfen wächst,
lässt er während des ganzen Monats Juli bei der Wurzel
abschneiden und vom 3. Tage an der Sonne so lange aus-
setzen, bis er weiss ist; täglich müsse man ihn aber vor
Sonnenuntergang unter Dach bringen, weil den Sumpfge-
wächsen die nächtlichen Thaue schaden.
69.
Aehnliche Vorschriften giebt Mago in Bezug auf die-
jenige Binse ^) welche er Mariscus^) nennt und aus der
man Decken macht; sie wird vom Juni bis zur Mitte des
Juli gesammelt und ebenso getrocknet, wie wir bei dem
Wassergrase gesagt haben. Eine andere Art Binse ist
nach ihm die Seebinse, welche die Griechen Oxyschönus
nennen. Von dieser giebt es 3 Arten: eine spitze ^) un-
fruchtbare, bei den Griechen die männliche oder spitze ge-
nannt; die übrigen sind weiblich, eine davon trägt schwarze
Samen, heisst Schwarzknopf 4), und ist dick und strauchig.
Noch stärker ist die 3. Art, welche Holoschönus 5) genannt
wird. Von diesen wächst der Schwarzkuopf für sich allein,
der Oxyschönus und Holoschönus dagegen kommen in ein
und demselben Rasen vor. Der weiche fleischige Holoschö-
nus wird vorzüglich zu Flechtwerken benutzt; seine Frucht .
sieht aus wie ein Knäuel Eier. Die männliche Art pflanzt
sich selbst fort, wenn man ihre Spitze in die Erde steckt,
der Schwarzkuopf aber vermehrt sich durch Samen, Ue-
brigens sterben die Wurzeln aller Arten jedes Jahr ab.
') juncus. 2) Schoenus Mariscus L. 3) Juncus maritimus L.
'') melancranis. Schoenus nigricans L. ^) Scirpus Holoschoenus L.
108 Einundzwanzigstes Buch.
Man bedient sich ihrer zu Fischreusen, zierlichen Geflech-
ten (Körben), ihres Markes, welches in den Seealpen 1 Zoll
im Durchmesser beträgt, vorzüglich zu Lampenkerzen, und
in Aegypten werden aus den langen Stengeln Siebe ver-
fertigt, wozu sie sich vor allen andern vortrefflich eignen.
Einige führen noch eine dreieckige Binse an, welche sie
Cyperus nennen; Viele verstehen darunter den Cypirus,.
weil beide Namen einander so ähnlich sind; wir aber un-
terscheiden sie als zwei besondere Arten. Der Cypirus ist
nämlich, wie bereits gesagt, ein Gladiolus mit zwiebelarti-
ger Wurzel:^ der beste wächst auf der Insel Greta, dann
folgt der auf Naxos und nächstdem der tu Phönicien vor-
kommende. Der cretisehe gleicht an "Weisse und an Ge-
ruch der Karde, der naxische riecht schärfer, der phönici-
sche wenig und der ägyptische gar nicht, (denn auch in
diesem Lande kommt er vor). Er zertheilt Verhärtungen
im Körper. Wir wollen nämlich jetzt auch der Arzneimittel
gedenken, denn die Blüthen und riechenden Kräuter werden
in der Medicin vielfach angewendet. Hinsichtlich des Cy-
pirus will ich zwar dem Apollodorus folgen, welcher sagt,
man dürfe ihn nicht einnehmen, dennoch gesteht er, es sei
das kräftigste Mittel gegen den Stein, und lässt den Mund
damit ausspühlen. Er sagt ferner, es entständen dadurch
unzeitige Geburten, und erzählt als ein merkwürdiges Fac-
tum, die Barbaren zögen mit dem Munde den Rauch des
Krautes ein, um die Milz zu vertreiben, und gingen keinen
Tag eher aus, als bis sie diesen Rauch eingenommen
hätten, denn diess mache sie munterer und kräftiger. Beim
Wundgehen, bei schlimmen Achseln und Reibungen legt
man es zweckmässig mit Oel auf.
70.
Der Cyperus i) ist eine Art Binse, eckig, an der Ba-
sis weiss, au der Spitze schwarz und fleischig, die untersten
Blätter sind dünner als beim Lauch, die obersten sehr
klein und zwischen ihnen sitzt der Samen. Die Wurzel
') Cyperus longus L., zum Tbeil auch C. rotundus L.
Einundzwanzigstes Buch. 109
gleicht den schwarzen Oliven, heisst, wenn sie länglich ist,
Cyperis und wird häufig in der Medicin gebraucht. Am
besten ist der hammonische Cyperus, dann tolgt der rho-
dische, theräische und endlich der ägyptische, mit welchem
der ebenfalls dort wachsende Cypirus verwechselt wird.
Der letztere ist aber sehr hart und besitzt kaum etwas
Geruch, während die andern Arten der Narde ähnlich rie-
chen. Auch in Indien giebt es ein Kraut, welches Cypira^)
genannt wird, dem Ingwer gleicht, und beim Kauen die
Kraft des Safrans zeigt. Der Cyperus dient als Haarwuchs
beförderndes Mittel. Mau legt ihn auf kranke Augeu, Ge-
schwüre an den Geschlechtstheileu, im Munde und auf sol-
che, welche nass sind. Die Wurzel ist ein gutes Mittel
gegen Schlangenbisse und Scorpionstiche. Im Trank ge-
nommen öfinet sie die Gebärmutter, nimmt man aber zu
reichlich davon, so treibt sie dieselbe ab. Sie treibt auch
den Harn und die Blasensteine aus, daher sie bei Wasser-
süchtigen mit besten Erfolge angewandt wird. Man legt
sie auf fressende Geschwüre, besonders solche, welche im
Magen sind, mit Wein und Essig.
71.
Die Wurzel der Binse wird mit 3 Heminis Wasser zu
einem Dritttheil eingekocht gegen den Husten gebraucht;
der Same geröstet und in Wasser bei Husten und bei
fehlerhaftem Monatsfluss der Weiber genommen. Der soge-
nannte Holoschönus macht Kopfweh; die der Wurzel am
nächsten liegenden Theile aber werden gegen die Bisse
der Spinnen gekauet. Noch finde ich einer Art Binse ge-
dacht, welche Euripice genannt wird, dessen Same Schlaf
macht; doch muss man nicht zu viel davon nehmen, um
nicht betäubt zu werden.
72.
Auch der Avoblriechenden Binse,, welche (wie wir
bereits gemeldet haben 2) in Syria Coele wächst, müsseu
1) Curcuma longa L. -) Im XII. B. 48. Cap.
■\^\0 Einundzwanzigstes Buch.
wir in medicinischer Beziehung erwähnen. Die beste ist die
nabatäische, mit dem Beinamen die Gewaffnete*), dann
kommt die babylonische 2), am schlechtesten und ohne Ge-
ruch ist die afrikanische von runder Gestalt und weinartigem
Geschmack. Die ächte bildet beim Keiben röthliche Stück-
chen und riecht wie Kosen. Sie vertreibt die Blähungen,
ist daher sehr gut für den Magen sowie beim Auswerfen von
Galle und Blut, hebt das Schlucken, befördert das Aufstossen,
treibt den Urin und heilt die Blasenleiden. Zum Gebrauch
bei Frauenkrankheiten wird sie gekocht. Gegen Rückgrat-
krampf legt man sie mit trocknem Harz auf, um Erwärmung
zu bewirken.
73.
Die Rose zieht zusammen und kühlt. Bei ihrer An-
wendung unterscheidet man Blätter, Blüthen und Köpfe.
Die weissen Blatttheile heissen Nägel. Au der Blüthe unter-
scheidet man den Samen ^J und die Haare ^), an den Knos-
pen (Bltithenknospen oder Kapseln) die Rinde und den Kelch.
Die Blätter werden getrocknet oder auf dreierlei Weise aus-
gepresst: für sich allein, ohne die Nägel (in welchen sich
die meiste Feuchtigkeit befindet) abzuziehen, oder, nach
Entfernung der Nägel, mit Oel oder mit Wein in Glasge-
fässen an der Sonne digerirt. Einige setzen noch Salz
hinzu, Andere Ochsenzunge, Aspalathnm oder wohlriechende
Binse, weil diese sich bei Gebärmutter- Krankheiten und
Ruhr sehr wirksam zeigt. Das Ausdrücken der von den
Nägeln befreiten Blätter geschieht durch dichte Leinwand,
den Saft lässt man in ein kupfernes Gefäss laufen und
kocht ihn darin bei gelindem Feuer so lange, bis er die
Dicke des Honigs hat. Hiezu müssen die stark riechenden
Blätter ausgewählt werden. Von der Bereitung des Rosen-
weins haben wir beim Weine gesprochen 5), Den Saft ge-
braucht mau für die Ohren, den Mund, das Zahnfleisch, die
') teuchites. -) Alpinia Galanga L. ?
3) Die Staubbeutel. ^) Die Staubfäden.
5) Im XIV. Buche, 19. Cap.
Einundzwanzigstes Buch. Wl
Mandeln am Halse, zum Gurgeln, für'den Magen, die Gebär-
mutter, Lenden- und Kopfsclimerzen; bei Fiebern für sich
allein oder mit Essig bei Schlaflosigkeit und Uebelkeit. Die
Blätter werden zur Bereitung eines Augenmittels gebrannt.
Trocken streuet man sie auf die Schenkel und lindert da-
mit die Augenflüsse. Die Blumen machen Schlaf, in saurem
Weine genommen heilen sie die Flüsse der Weiber, beson-
ders den weissen und das Blutspeien, auch in 3 Bechern
Wein die Magenschmerzen. Am besten ist derjenige Same,
welcher die Farbe des Safrans hat und nicht über ein Jahr
alt ist : man trocknet ihn im Schatten. Der schwarze taugt
nichts. Aufgelegt hilft er gegen Zahnweh, treibt den Urin,
wirkt auch äusserlich gut auf den Magen und die Rose,
wenn sie nicht schon alt ist. In die Nase gezogen reinigt
er den Kopf. Ein aus den Köpfen bereiteter Trank stillt
den Durchfall und das Blut. Mit den Nägeln der Rose heilt
man Augenflüsse; denn die Augengeschwüre werden durch
Rosen aufgezogen, ausgenommen zu Anfang des Flusses, wo
man trockenes Brot auflegt. Die Blätter wendet man zu
Umschlägen bei Magenübeln und Krankheiten der übrigen
Eingeweide an. Zum Essen macht man sie ebenso wie den
Ampfer ein, hat aber dabei zu beachten, dass sich gerne
eine Schimmelbaut darauf bildet. Trocken und ausgepresst
haben sie gleichfalls ihren Nutzen. Man bereitet daraus ein
Pulver zur Verminderung des Schweisses, welches man nach
dem Bade auf dem Körper ein trocknen lässt, und hierauf mit
kaltem Wasser abwäscht. Kügelcheni) von wilden Rosen mit
Bärenfett vermischt, legt man mit bestem Erfolge auf Glatzen.
74.
Die Wurzeln der Lilie haben zum Ruhme ihrer Blüthen
nicht wenig beigetragen, denn mit Wein genommen helfen
sie gegen Schlangenbisse und giftige Pilze. Zur Vertreibung
der Hühneraugen werden sie in Wein gekocht und 3 Tage
lang liegen gelassen. Mit Schmalz und Oel gehocht rufen
feie an Brandstellen die Haare wieder hervor. Mit Meth
») pilulae, vielleicht die Samen.
112 Einundz wanzigstes Buch.
eingenommen führen sie das verdorbene Blut wieder durch
den After ab, dienen auch für die Milz, Brüche, Verrenk-
ungen und zur Beförderung der Menstruation. In Wein ab-
gekocht und mit Honig aufgelegt heilen sie zerschnittene
Nerven. Sie wirken wohlthätig gegen Flechte, Grind und
Schuppen im Gesichte, und befreien den Körper von Run-
zeln. Die in Essig gekochten Blätter legt mau auf Wunden,
auch mit Bilsen und Weizenmehl auf eiternde Hoden. Der
Same wird auf die Rose, Blüthen und Blätter auf alte Ge-
schwüre gelegt. Der aus den Blüthen gepresste Saft, von
Einigen Honig, von Andern syrischer Saft genannt, dient
zur Erweichung der Gebärmutter, zur Erzeugung von Schweiss
und zur Reifung von Geschwüren.
75.
Von der Narcisse gebrauchen die Aerzte 2 Arten, von
denen die eine purpurrothe Blüthen hat, die andere krautartig
ist. Letztere taugt nicht für den Magen, dient daher zum
Brechen und Purgiren, schadet den Nerven, nimmt den
Kopf ein und hat von dieser Eigenschaft des Betäubens^),
nicht aber von jenem fabelhaften Knaben ihren Namen.
Die Wurzel beider Arten schmeckt wie Meth; mit etwas
Honig legt man sie auf Brandstellen, mit Honig und Hafer-
mehl als Brot auf sonstige Wunden und verrenkte Theile,
und in derselben Form applicirt zieht sie alles, was im
Körper steckt, heraus. Als Polenta mit Oel zerrieben heilt
sie gequetschte und durch Werfen mit Steinen verletzte
Stellen, Mit Meth vermischt reinigt sie die Wunden, und
vertilgt die schwarzen Leberflecken. Aus der Blüthe be-
reitet man das Narcissenöl, welches zum Erweichen ver-
härteter und zum Erwärmen erfrorener Theile gebraucht
wird. Gegen Ohrenübel ist dasselbe ein gutes Mittel, macht
aber Kopfweh.
76.
Es gibt wilde und Garten -Vi ölen. Die purpurrothen
bewirken Kühlung. Wider Entzündungen legt man sie auf
') narce, vaQxt] i. q. torpor.
Einundzwanzigstes Bucli. 113
den Magen (Leib), auch auf die Stirn, namentlich aber auf
Augenflüsse, ausgetretenen Mastdarm und eiternde Ge-
schwüre. Legt man die daraus geflochtenen Kränze auf
den Kopf oder riecht daran, so verschwinden Rausch und
Schwere des Kopfes; ein Absud davon in Wasser innerlich
genommen heilt die Bräune. Die purpurnen Theile der
Violen heilen mit Wasser eingegeben die Epilepsie, beson-
ders bei Kindern. Der Same ist den Scorpioneu zuwider.
Die Blüthe der weissen Art öfi'net die Geschwüre, das Kraut
derselben heilt sie. Die weisse sowohl wie die gelbe ver-
mindern den Monatsfluss und treiben den Urin. Im frischen
Zustande besitzen sie weniger Kraft, daher man sie trocken
nach Jahresfrist anwenden muss. Ein halber Becher voll
der gelben mit 3 Bechern Wasser genommen befördert die
Menstruation. Die Wurzel derselben mit Essig aufgelgt
heilt die Milz, das Podagra, mit Myrrhen und Safran aber
Augenentzündungen. Die Blätter mit Honig applicirt rei-
nigen die Kopfgeschwüre , mit Wachssalbe aufgesprungene
Lenden und sonstige feuchte Stelleu. Mit Essig aber heilen
sie Anhäufungen von Säften.
77.
Die Baccharis, welche zumArzneigebrauch dient, nennen
einige römische Schriftsteller die gedrückte i). Sie ist ein
Mittel gegen Schlangen, Kopfweh, Hitze und Flüsse. Mau
legt sie auf die geschwollenen Brüste der Wöchnerinnen,
auf Thränenfisteln und die Nase. Ihre Ausdünstung be-
fördert den Schlaf Der Absud der Wurzel wird mit Er-
folg gebraucht bei Krämpfen, Verdrehungen und Engbrüstig-
keit. Gegen anhaltenden Husten kocht man 3 bis 4 Wurzeln
zu Vs ein. Ebenderselbe Trank reinigt auch die Frauen
nach einer unzeitigen Geburt. Sie vertreibt Seitenstechen
und Blasensteine. Zum Gebrauch als Kräuterkissen 2) zer-
störst man sie. Ihres Geruches wegen streuet mau sie
zwischen die Kleider. Das Combretum, welches, wie wir
') perpressa.
2) diapasmata.
Wittstein: Plinius. IV. Bd.
]^J4 Einundzwanzigstes Buch.
gesagt haben i), ihr ähnlich ist, heilt mit Sehmalz vermischt
die Wunden vortrefflich.
78.
Die Haselwurz 2) soll, zu 1 Unze in 1 Heraina ge-
mischten Meths genommen, gegen Leberleiden sehr wirksam
sein. Sie reinigt gleich dem EUeborus den Leib, hilft gegen
Wassersucht, Brustkrankheiten, Fehler der Gebärmutter und
Gelbsucht. Setzt man sie dem Moste hinzu, so bekommt
der daraus gewonnene Wein harntreibende Eigenschaften.
Sobald die Blätter zum Vorscheine kommen, gräbt man sie
aus und trocknet sie im Schatten. Sie ist dem Schimmeln
sehr unterworfen.
79.
Da, wie oben erwähnt, Einige die Wurzel der Baccharis
Bauernnarde genannt haben, so will ich die Arzneien der
gallischen Narde, von der unter den ausländischen Bäu-
men die Rede war^), auch gleich hier anknüpfen. Gegen
Schlangenbisse nimmt man 2 Drachmen mit Wein, gegen
Entzündungen des Mastdarms, der Leber, Nieren und gegen
ausgetretene Galle mit Wasser oder Wein, gegen Wasser-
sucht dieselbe allein oder mit Wermuth. Sie mildert die
zu heftige Reinigung der Weiber.
80.
Die Wurzel des ganzen Gewächses, welches wir an
demselben Orte Phu genannt haben, giebt man zerrieben
im Tranke oder in der Abkochung gegen Ersticken, Brust-
und Seitenschmerzen. Sie befördert auch die Menstruation
und wird mit Wein getrunken.
81.
Der Safran wird weder vom Honig noch sonst einem
Stoffe, wohl aber vom Wein oder Wasser aufgelöst, und
findet in der Arzneikunde vielfache Anwendung. Man be-
'.'^ahrt ihn in einer hörnernen Büchse auf. Mit Eiern auf-
') Im 16. Cap. 2) Asarum.
») Im XII. B. 26. Cap.
Einundzwanzigstes Buch. 115
gelegt, vertreibt er alle Entzündungen, namentlich die der
Augen. Ferner bebt er die Zusammensehnürungen der Ge-
bärmutter, die Geschwüre des Magens, der Brust, Nieren,
Leber, Lunge, Blase, wirkt namentlich der Entzündung dieser
Tb eile entgegen und befreiet von Husten und Seitenstechen
Er vertreibt auch das Jucken, und befördert die Absonde-
rung des Harns. Wenn man Safran eingenommen hat, so
bekommt man keinen Rausch, denn er widersteht der Trunken-
heit. Auch daraus gemachte Kränze mildern die Trunken-
heit. Er macht Schlaf, erregt den Kopf sanft und reizt zum
Beischlaf. Die Safranbltithe legt man mit cimolischer Lvreide
auf die Rose. Ausserdem bildet der Safran einen Bestand-
theil vieler anderer Arzneien.
82.
Dem Safran verdankt auch eine Augensalbe ihren
Namen. Der Satz seines ausgepressten Saftes wird nämlich
dazu benutzt, und diess Präparat, welches den Namen Safran-
gemisch führt, wendet man bei unterlaufenen Augen und
Urinverhaltungen an. Es erwärmt mehr als der Safran
allein. Der beste Safran ist der, welcher beim Kauen Speichel
und Zähne färbt.
83.
Die röthliche Iris ist besser als die weisse. Kindern,
welche Zähne bekommen, hängt man sie (die Wurzel) mit
Erfolg um, und wenn sie an Husten oder Würmern leiden,
giebt man ihnen davon ein. Uebrigens kommen ihre Wirk-
ungen fast mit. denen des Honigs überein. Sie reinigt Kopf-
geschwüre und alte Eiterwunden. 2 Drachmen mit Honig
genommen machen Oeffnung; als Getränk vertreiben sie
Husten, Bauchgrimmen und Blähungen, mit Essig Milzkrank-
heiten. Mit saurem Wein heilt sie Schlangen- und Spinnen-
bisse; 2 Drachmen mit Brot oder Wasser Scorpionstiche;
gegen Hundsbisse, Reibungen und Nervenschmerzen legt
man sie mit Oel, gegen Lenden- und Hüftschmerzen mit
Harz auf. Hire Wirkung besteht im Erwärmen. Geschnupft
erregt sie Niesen und reinigt den Kopf. Gegen Kopfweh wird
sie mit grossen oder kleinen Qnittenäpfeln aufgelegt. Sie
8*
l\Q Einundzwanzigstes Buch.
befreiet von Rausch und schwerem Athem, erregt, zu 2 Obolen
genommen, Brechen, und zieht mit Honig aufgelegt zerbrochene
Knochen heraus. Als Pulver gebraucht man sie zur Heilung
von Nietnägeln, mit Wein gegen Hühneraugen und Warzen,
zu welchem Behuf man das Gemisch 3 Tage lang liegen lässt.
Gekauet vertreibt sie den üblen Geruch aus dem Munde und
unter den Achseln. Ihr Saft vertreibt alle Verhärtungen.
Sie macht Schlaf, verzehrt aber den Samen, heilt ge-
borstene After, Geschwüre und alle Auswüchse am Leibe.
Einige nennen die wilde Art Xyris ^), diese zertheilt Kröpfe,
Geschwulste und aufgelaufene Schaamtheile. Zu diesem Be-
hufe soll sie mit der linken Hand ausgezogen werden, und
die sie sammeln, sollen dabei sagen, um wessen Menschen
Willen sie diess thun. Hiebei zeigt sich auch der Betrug der
Kräütersammler; sie heben nämlich einen Theil dieser Pflanze
sowie anderer z. B. der Plantago auf, und graben, wenn sie
zu wenig verdient zu haben glauben und neuerdings Arbeit
suchen, die aufbewahrten Theile an derselben Stelle wieder
ein, um, wie ich glaube, die Gebrechen derer, welche von
ihnen geheilt worden sind, wieder hervorzurufen. Die in
Wein gekochte Wurzel der Saliunca stillt das Brechen, und
stärkt den Magen.
84.
Mit dem Pol in m sollenj sich nach Musaeus und He-
siodus die, welche nach Würde und Ruhm streben, salben;
auch sollen sie es selbst bauen. Ferner empfehlen sie, diess
Gewächs gegen Schlangen unterzustreuen, zu verbrennen
oder bei sich zu tragen, auch frisch oder trocken in Wein
abzukochen und aufzulegen. Milzsüchtigen reicht man es
mit Essig, Gelbstichtigen mit Wein, denen, welche anfangen
an Wassersucht zu leiden, in Wein gekocht; auch legt man
es in dieser Form auf Wunden. Es treibt die Nachgeburt
und todte Leibesfrucht ab, hebt auch die Leibschmerzen,
entleert die Blase, wird auch auf Flüsse gelegt. Kein an-
deres Kraut passt besser zu derjenigen Arznei, welche Gegen-
') Iris foetidissiina L.
Einundzwanzigstes Buch. 117
gift genannt wird. Dass es jedoch, wie Einige behaupten,
dem Magen schade, den Kopf einnehme und unzeitige Ge-
burtsn bewirke, wenn man einen Trank davon nähme, wird
von Andern verneint. Der Abergkiube schreibt vor, man
solle es da. wo es vorkomme, sogleich aufbinden, um trie-
fende Augen zu heilen, und sich vorsehen, damit es nicht
auf die Erde falle. Seine Blätter sollen denen des Thymians
ähnlich, aber weicher und weisswollichter sein. Mit wilder
Raute in Regenwasser zerrieben, soll es das Schlangengift
unschädlich machen, und ebenso wie die Granatapfelblüthe
zieht es Wunden zusammen und hindert ihr Umsichfressen.
85.
Das Holochrysum heilt mit Wein genommen die
Harnstange und aufgelegt die Augeuflüsse, mit Weinhefe
oder mit Graupen gebrannt wirkt es wohlthätig auf Flech-
ten. Die Wurzel der Chrysocorae erwärmt und zieht zu-
sammen. Man gibt sie im Tranke bei Leiden der Leber,
Lunge, und in Meth gesotten gegen Gebärmutterschmerzen
Sie befördert die monatliche Reinigung, und treibt, roh ge-
gessen, das Wasser der Wassersüchtigen ab.
86.
Wenn man die Bienenkörbe mit Melissophyllum oder
Bienenkraut 1) reibt, so fliegen die Bienen nicht aus, denn
keine Blüthe ist ihnen lieber als diese, und hat man es in
hinreichender Menge, so bleiben die Schwärme leicht bei-
sammen. Es ist auch das beste Mittel gegen die Stiche
der Bienen, Wespen und ähnlicher Thiere, sowie der Spinnen
und Scorpione. Gegen die Zusammenschuürungen der Ge-
bärmutter wandet man es mit Natron, und gegen Bauch-
grimmen mit Wein an. Die Blätter werden auf Kröpfe
und mit Salz auf kranke After gelegt. Der Absud reinigt
die Frauen, hebt die Entzündungen und heilt Geschwüre,
Gliederkrankheiten und Hundsbisse. Die Pflanze ist ferner
gut für anhaltende Ruhr, Verstopfung, Engbrüstikeit, Milz-
') melittaena.
118 Einundzwanzigstes Buch.
leiden und Brustgeschwüie. Ihr Saft dient mit Honig als
ein vorzügliches Mittel gegen trübe Augen.
b7.
Mit dem Melilotus heilt man unter Zusatz des Gelben
vom Ei oder Leinsamen schlimme Augen. Derselbe lindert
auch mit Kosenöl Kinnladenschmerz und Kopfweh , des-
gleichen mit Rosinenwein Ohrenschmerz, geschwollene und
aufgebrochene Hände, mit Wein gekocht oder roh zerrieben
Magendrücken. Ebendieselbe Wirkung hat er auf die weib-
liche Schaam; alle Fehler der Hoden und des Afters heilt
er frisch mit Wasser oder Rosinenwein gekocht. Auf Krebs-
geschwüre legt man ihn mit Rosenöl. Man brühet ihn mit
süssem Wein an. Gegen die Honiggeschwulste zeigt er
sich namentlich sehr wirksam,
88.
So viel ich weiss, hält man das Dreiblatt für ein
wirksames Mittel gegen Verletzungen durch Schlangen und
Scorpione, und nimmt zu diesem Behuf 20 Samenkörner
mit gewöhnlichem oder saurem Weine, oder kocht die Blätter
und Stengel ab; auch soll man niemals Sehlaugen im Drei-
blatt finden. Ferner wird von berühmten Schriftstellern be-
hauptet, 25 Samenkörner des sogenannten Minyanthes seien
ein Antidot gegen alle Gifte, und ausserdem besitze er noch
viele andere heilsame Wirkungen. Allein gegen diese An-
sichten spricht das Urtheil eines sehr gewichtigen Mannes,
nämlich des Dichters Sophokles, welcher sagt, das Dreiblatt
sei giftig; auch der Arzt Simus^) giebt an, der Saft des
gekochten oder zerquetschten Dreiblatts bewirke, auf den
Körper gegossen, ein ähnliches Brennen, wie es nach dem
Bisse der Schlangen entstehe. Ich denke daher, dass mau
es nie anders als wider Gifte anwenden sollte, denn viel-
leicht besitzen diese Gifte eine dem Dreiblatte entgegen-
gesetzte Natur , wie wir dergleichen Fälle mehr haben.
Auch finde ich, dass die Samen derjenigen Art, welche die
M Nicht näher bekannt.
Einundzwanzigstes Buch, \\^
kleinsten Blätter hat, aufs Gesicht der Frauen gestrichen,
die Haut zart und schön erhält.
89.
Der Thymian muss während seiner Blüthezeit ge-
sammelt und im Schatten getrocknet werden. Es giebt 2 Arten,
eine weisse mit holziger Wurzel, welche auf Hügeln wächst
und besser ist, und eine dunklere mit dunkeln Blüthen. Beide
sollen, sowohl verspeist als medicinisch angewandt, die
Augen klar machen, auch langwierigen Husten vertreiben,
und als Latwerge mit Essig und Salz genommen, den Aus-
wurf befördern. Mit Honig gebraucht hindert er die Ver-
dickung des Blutes, vertreibt äusserlich mit Senf aufgelegt
die Flüsse der Kehle, sowie Magen- und Bauchübel. Doch
darf sein Gebrauch nur massig sein, denn er erhitzt, hemmt
aber den Durchfall; ist im Unterleib ein Geschwür, so
nimmt man 1 Denar schwer Thymian nebst 1 Sextarius
Essig und Honig. Dieselbe Mischung dient gegen Schmerzen
in der Seite, zwischen den Schultern, in der Brust, am
Herzen, bei Wahnsinn und Melancholie. Auch gegen Epi-
lepsie giebt man den Thymian, und wenn der daran Kranke
einen Anfall bekommt, hält man ihm demselben unter die
Nase; Einige meinen, es sei auch nöthig, dass er darauf
schlafe. Er ist ferner gut für Engbrüstige, Keuchende, zu-
rückbleibende Menstruation und todte Leibesfrüchte, zu
welchem Behufe man ihn mit Wasser zu einem Drittel ein-
kocht. Bei Männern wird er mit Honig und Essig gegen
Blähungen, bei Anschwellungen des Bauches und der Hoden
oder bei Blasenschmerz gegeben; Mit Wein vertreibt er
Geschwulste und Entzündungen, mit Essig Schwielen und
Warzen. Gepulvert und mit Zusatz von Gel in Wolle ge-
than legt man ihn bei Gliederkrankheiten und Verrenk-
ungen, mit Wein gegen Hüftweh auf. Man giebt auch den
Gliederkranken 3 Obolen schwer Thymian mit Essig und
Honig, bei üebelkeit Thymian mit Salz.
90.
Die Hemerocallis hat blassgrüne, weiche Blätter, und
eine wohlriechende, zwiebelige Wurzel, welche mit Honig
]^20 Einundzwanzigstes Buch.
auf den Unterleib gelegt, das Wasser und unnütze Blut ab-
treibt. Die Blätter werden auf Augenflü.sse und Brüste,
welche nach der Geburt schmerzen, gelegt.
91.
Das Heleninmi), welches von der Helena, wie wir
bereits gesagt haben, seinen Namen hat, soll die Schönheit
befördern, die Haut im Gesichte und an den übrigen Körper-
tbeilen der Weiber frisch und zart erhalten, und ihnen An-
mutli und Liebe zum andern Geschlecht ertheilen. Auch
soll es fröhlich machen und in Wein genommen ganz die-
selbe Wirkung hervorbingen, welche das von Homer 2) ge-
priesene Nepenthes hatte, wodurch alle Traurigkeit ver-
scheucht werde. Der Saft des Helenium schmeckt süss.
Aus der Wurzel wird ein Trank bereitet und dieser von
Engbrüstigen Morgens nüchtern getrunken. Die Wurzel
selbst ist inwendig weiss und süss^). Man giebt sie in Wein
gegen Schlangenbisse, und zuweilen soll sie die Mäuse ver-
tilgen.
92.
Vom Abrotanum werden 2 Arten angeführt, von denen
die eine auf Feldern^), die andere auf Bergen wächst 5),
jene ist das Weibchen, diese das Männchen. Beide schmecken
so bitter wie Wermuth. Die beste Sorte kommt aus Sicilien,
die zweite aus Galatien. Mau bedient sich zum Erwärmen
wohl auch der Blätter, aber mehr des Samens, denn er er-
weist sich kräftig bei Husten, Engbrüstigkeit, Krämpfen,
Verrenkungen der Lenden und Harnstrenge. Man bereitet
einen Trank, welcher aus einer Handvoll Abrotanum mit
Wasser zu einem Drittel eingekocht ist, und trinkt zur Zeit
4 Becher voll davon. Ferner giebt man 2 Drachmen Samen in
Wasser zerrieben; er wirkt woblthätig auf die Gebärmutter.
Mit Gerstenmehl zertheilt es Geschwulste, und mit gekochten
Quitteuäpfelu legt man es bei Augenentzündungen auf. Es
') S. 33 Cap. ■-•) Odyssee IV. 220,
3j Hier scheint wieder Inula Helenium L. gemeint zu sein.
■*) Artemisia campestris L.? ^) Artemisia Abrotanum L.
Einundzwanzigstes Buch. 121
verscheucht die Schlangen; gegen ihren Biss nimmt mau
es mit Wein und macht Umschläge davon. Es ist das
kräftigste Mittel gegen diejenigen Thiere, deren Gift Zittern
und Frost erregt, wie Scorpione und Spinnen; auch ver-
tilgt es andere Gifte, wenn es im Trank genommen wird,
vertreibt den Frost, Eingeweideübel und zieht alles, was im
Körper steckt, heraus. Ein Zweig davon unter das Kopf-
kissen gelegt, soll zum Beischlaf reitzen, und das Kraut
das wirksamste Mittel wider alle Zauberei, womit man den
Beischlaf hindern kann, sein.
93.
Das Leucanthemum mit 2 Theilen Essig vermischt,
hilft gegen schweren Athem. Der Majoran, welcher auf
Cypern am besten und wohlriechendsten vorkommt, heilt mit
Essig und Salz aufgelegt die Scorpionstiche. Auch befördert
er aufgelegt die monatliche Reinigung, wogegen er im Tranke
genommen weniger Wirksamkeit besitzt. Mit Polenta an-
gewandt, heilt er die Augeuflüsse. Der gekochte Saft hilft
gegen Bauchgrimmen, Urinkrankheiten und Wassersucht.
Trocken ist er ein Niesemittel. Mau bereitet auch ein Oel
daraus i), welches zur Erweichung und Erwärmung der Nerven
und Gebärmutter dient. Die Blätter werden mit Honig auf
Stossflecken und mit Wachs auf verrenkte Theile gelegt.
94.
Von der Anemone 2) haben wir bisher nur in Bezug
auf ihre Anwendung zu Kränzen geredet; jetzt wollen wir
nun auch ihre arzneilichen Wirkungen anführen. Sie wird
von Einigen Phrenium genannt und zählt 2 Arten, eine
wilde und angebauete, die aber beide sandigen Boden lieben.
Letztere zerfällt wieder in mehrere Unterarten , denn es
giebt eine mit scharlachrothen (die am häufigsten ist), mit
purpurrothen und mit milchweisen Blüthen, deren Blätter
aber alle denen des Eppichs ähnlich sind. Sie werden selten
*) sampsuchinum aut ainaracinum.
2) Windblume. Die weiterhin beschriebenen Arten sind Anemone
coronaria L. und A. hortensis L.
122 Einuiidzwauzigstes BucTi.
über V2 Fuss hoch und haben einen Gipfel wie der Spargel.
Die Blüthen öffnen sich nur, wenn der Wind weht und
ebendaher rührt ihr Name, Die wilde ist grösser, hat brei-
tere Blätter und rothe Blumen. Einige halten dieselbe
irriger Weise für den Feldmohn i), Andere für den Klatsch-
mohn 2), allein diese beiden unterscheiden sich schon dadurch
von jener, dass sie später blühen. Die Anemonen geben
auch keinen Saft wie jene, haben auch keinen Kelch, son-
dern einen spargelartigen Gipfel. Sie sind ein gutes Mittel
für Kopfweh, Entzündungen, die weibliche Schaam und
Milch. Mit Ptisane eingenommen oder mit Wolle aufgelegt,
befördern sie den Monatsfluss, die Wurzel befördert gekauet
die Absonderung des Schleimes, heilt die Zähne und gekocht
Augeufiüsse und Narben. Die Magier ertheilen ihnen viele
Heilkräfte; sie sagen, man müsse sie, sobald man sie im
Jahre zum ersten Male sehe, herausnehmen und gegen das
drei- und viertägige Fieber aufbewahren. Die Blumen solle
man in ein rosafarbiges Tuch binden, an einen schattigen
Ort legen und nöthigenfalls den Kranken auflegen. Legt
man die zerstossene Wurzel der rothblüthigen Art einem
Thiere auf, so erzeugt sie vermöge ihrer beissenden Eigen-
schaft ein Geschwür, daher sie auch zur Reinigung der Ge-
schwüre angewandt wird.
95.
Das Kraut Oenanthe^) wächst auf Felsen, hat Blätter
wie der Pastinak und grosse zahlreiche Wurzeln. Stengel
und Blätter mit Honig und schwarzem Weine eingenommen
bewirken eine leichte Geburt, treiben die Nachgeburt ab
befreien mit Honig vom Husten und befördern die Abson-
derung des Harns, Die Wurzel heilt auch die Blasenleiden.
Das Heliochrysum, von Einigen Chrysanthemum ge-
nannt, hat weisse Zweige, weissliche, dem Abrotauum ähn-
') argemone. ^) rhoeas.
3) S. 38. Cap.
Einundzwanzigstes Buch. 123
liehe Blätter, und kreisförmig steheudeDoldeutrauben, welche
von der Sonne beschienen, goldartig glänzen und niemals
welk werden, weshalb man auch die Götter damit be-
kränzt, was der ägyptische König Ptolemaeus am sorgfäl-
tigsten beobachtet hat. Es wächst in Gesträuchen; treibt
mit Wein genommen den Urin und den Monatsfluss, zer-
theilt Verhärtungen und Entzündungen, wird mit Honig auf
Brandwunden gelegt und gegen Schlaugenbisse und Lenden-
übel getrunken. Mit Meth gegeben entfernt es das im Bauche
oder in der Blase befindliche geronnene Blut. Die Blätter
zu 3 Obolen schwer mit weissem Wein genossen, stillen
die Blutflüsse der Frauen.
97.
Die Hyacinthe kommt in Gallien am häufigsten vor
und wird dort zum Dunkelrothfärben benutzt. Die zwiebel-
artige Wurzel ist den Sklavenhändlern wohl bekannt, denn
wenn sie mit süssem Wein aufgelegt wird, so tritt die Mann-
barkeit nicht hervor. Sie heilt Bauchgrimmen und Spinnen -
bisse, treibt den Harn; der Same wird nebst Abrotanum gegen
Schlaugen, Scorpione und Gelbsucht gegeben.
98.
Auch von der glänzenden Lychnis wird der Same mit
Wein gegen Schlangen, Scorpione, Hornisse und ähnliche
Thiere eingenommen. Die wilde Art taugt nicht für den
Magen. Sie macht Oeffuung, führt zu 2 Diachmeu genom-
men die Galle am kräftigsten ab, und ist den Scorpioueu
so zuwider, dass sie schon bei ihrem Anblick erstarren.
Die Wurzel, welche von den Asianern Bolites genannt wird,
soll auf die Augen gebunden die weissen Flecken vertreiben.
99.
Das Sinngrün 1) oder der Zwerglorbeer wird getrock-
net, zerstossen und den Wassersüchtigen zu 1 Löffel mit
Wasser eingegeben, worauf sehr bald Wasserentleeiung er-
folgt. In Asche gebraten und mit Wein benetzt, trocknet
*) Vincapex'vinca.
124 Einundzwanzigstes Buch,
es die Geschwulste aus. Sein Saft heilt schlimme Ohren.
Beim Durchfall aufgelegt soll es gute Dienste leisten.
100.
Der Absud der Wurzel des Ruscus wird bei Steinkrank-
heiten, schmerzhaftem und blutigem Harnen einen um den
andern Tag getrunken. Die Wurzel muss zu diesem Zweck
den Tag vorher ausgegraben, am Morgen darauf gekocht,
und 1 Sextarius des Absuds mit 2 Bechern Wein vermischt
werden. Manche nehmen auch die rohe mit Wasser zer-
riebene Wurzel ein, und allgemein hält man nichts wirk-
samer für die männlichen Geschlechtstheile als die mit
Essig abgeriebenen kleinen Zweige.
101.
DieBatis wirkt auch eröffnend. Roh und zerkleinert
legt man sie beim Podagra auf. Den Acinos bauen die
Aegypter zur Nahrung und zu Kränzen; er sieht dem Ba-
silienkraut sehr ähnlich, hat aber rauhere Aeste und Blätter
und riecht stark. Er befördert don Monatsfluss und |das
Harnen.
102.
Das Colocasia soll nach Glaucias die Schärfe im
Körper mildern und dem Magen zuträglich sein.
103.
Vom Anthalium weiss ich sonst keine Nutzanwendung,
als dass es in Aegypten gegessen wird. Aber von dem Kraute
Anthylliumi), welches andere Anthyllum nennen, giebt
es 2 Arten; seine Blätter und Zweige gleichen denen der
kleinen Linse, seine Grösse beträgt 1 Palme, es wächst auf
sandigen, sonnigen Plätzen und schmeckt etwas salzig. Die
zweite Art 2) ist der Chamaepitys^) ähnlich, aber kleiner und
rauher, blühet purpurfarbig, riecht unangenehm und wächst
auf steinigen Plätzen. Die erstere heilt mit Rosenöl und
Milch aufgelegt die Gebärmutter und Wunden. Gegen Harn-
strenge und Nierenleiden gebraucht man einen aus 3 Drach-
i) Cressa cretica L. ^) Frankema birsuta L.?
3) S. XXIV. B. 20. Cap.
Einundzwanzigstes Buch. 225
men bereiteten Trank. Die zweite Art nimmt man gleich
als Trank zu 4 Drachmen mit Honig und Essig gegen Ver-
härtungen der Gebärmutter, Bauchgrimmen und Epilepsie.
104.
Das Parthenium nennen Einige Leucanthes, Andere
Amnacum, unter unsern Landsleuten Celsus Rebbübuer-
und Mauerkraut 1). Es wächst in Gartenzäunen, blübt weiss,
riecbt wie Aepfel und schmeckt bitter. Bei Verhärtungen
und Entzündungen der Gebärmutter wird ein Absud davon
bereitet, über welchen der Kranke sich setzt. Trocken mit
Honig und Essig aufgelegt treibt es die schwarze Galle ab;
daher auch sein Nutzen bei Schwindel und Nierenkrank-
heit. Mit altem Fett legt man es auf die Nase und auf
Kröpfe. Die Magier schreiben vor, gegen das dreitägige
Fieber das Mutterkraut mit der linken Hand auszuziehen,
dabei zu sagen, warum man es ausziehe und nicht rück-
wärts zu sehen; darauf dem Kranken ein Blatt davon unter
die Zunge zu legen, und es ihn bald nacher mit 1 Becher
Wasser verschlucken zu lassen.
105.
Es wäre zu wünschen, dass sich die Kranzflechter in
Aegypten des Trychnon'-), welchen Einige Strychnon
nennen, nicht bedienten; die Aehnlichkeit der Blumen bei
beiden Arten verleitet sie dazu. Die eine derselben, welche
rothe Beeren und körnige Balgkapseln hat, nennen Einige
Halicacabum^), Andere Gallium, wir aber Blasengewächs,
weil es für Blase und Steine gut ist. Es ist eher ein Strauch
als ein Kraut und hat grosse kegelförmige Balgkapseln,
in welcher sich eine grosse Beere befindet, die im November
reif wird. Die dritte Art hat Blätter wie das Basilienkraut
und verdient von denen, welche Arzneimittel und keine Gifte
') Plinius verwechselt hier offenbar mehrere Pflanzen miteinan-
der, welche allerdings silramtlich Parthenium hiessen. In diesem Cap.
ist aber speciell nur von der Matricaxia Parthenium L. (Mutterkraut)
die Rede.
2) Etwa Solanum nigrum L.?
3) Meerkirsche. Physalis somnifera L.
226 Einundzwanzigstes Buch.
beschreiben, nicht berücksichtigt zu werden, denn ihr Saft
erzeugt, selbst in geringer Menge genommen, Wahnsinn^
Die griechischen Schriftsteller machen zwar einen Scherz
daraus, indem sie sagen, 1 Drachme desselben bewirke, dass
man mit der Schaamhaftigkeit sein Spiel treiben könne,
denn man bekäme dann allerlei Gestalten und Vorstel-
lungen in den Kopf; verdopple man aber die Dosis, so wäre
ein völliger Wahnsinn die Folge davon, und nehme man
noch mehr, so müsse man sterben. Diess ist dasselbe Gift,
welches die glaubwürdigsten Schriftsteller Dorycniumi)
genannt haben, weil damit in den Gegenden, wo es häufig
wächst, die in den Kriegen dienenden Lanzen benetzt wur-
den. Diejenigen, welche nicht so sorgfältig nachforschten,
nannten es Manicon^); welche es böswilligerweise verhehl-
ten, Erythron^) oder Neuras^), Andere Perisson^), —
was alles sorgfältig anzuführen ich für nothwendig halte,
damit man sich davor in Acht nimmt. Auch die zweite
Art, welche Halicacabum heisst, erregt Schlaf und führt
noch schneller als das Opium zum Tode; es wird von einigen
Morion^), von Andern Moly genannt. Diocles und Evenor
dagegen loben diess Gewächs, undTimaristus^) sogar in einem
Gedichte, wobei man sich über ihr Nichtbeachten von dessen
Schädlichkeit wundern muss, weil sie einen weinigen Auf-
guss davon zum Ausspühlen des Mundes, um lose Zähne zu
befestigen, als ein schnell wirkendes Mittel empfehlen; doch
soll, wie sie hinzufügen, diese Kur nicht zu lange dauern,
denn sonst entstehe dadurch Wahnsinn. Mau empfiehlt also
Mittel, deren Anwendung ein noch grösseres üebel nach
sich ziehen kann! So rechnet man auch die dritte Art zu
den essbaren Gewächsen und die in Gärten wachsenden
werden ihres Geschmackes wegen vorgezogen. Xenocrate^
') Lanzengift. Convolvulns Dorycnium L. ?
2) Tollkraut. Atropa Belladonna L.? 3) Rothkraut.
*) Nervenkraut. ^) Nutzloses Kraut. Datura Stramonium L.?
^) Narrenkraut.
■') Ein nicht näher bekannter Arzt.
Einundzwanzigstes Buch. ]^27
sagt, es gebe kein körperliches Uebel, für welches das
Strychnon nicht heilsam sei; allein sein Nutzen ist nicht
der Art^ dass ich mich ausführlich darüber verbreiten kann,
zumal wir eine so grosse Anzahl unschädlicher Medika-
mente besitzen. Die, welche im Wahrsagen bewandert sind,
nehmen einen aus der Wurzel der Meerkirsche bereiteten
Trank zu sich, um sich, zur Bestärkung des Aberglaubens,
das Ansehen eines Wahnsinnigen zu geben. Ein Hülfs
mittel dagegen (was ich um so lieber hier mittheile) ist
häufiges Trinken von warmem Meth. Ferner will ich nicht
übergehen, dass die Meerkirsche den Giftschlangen so zu-
wider ist, dass, wenn man die Wurzel ihnen nähert, sie
einschlafen und dadurch ihre gefährlichen Eigenschaften
verlieren. Daher legt mau auch die mit Oel abgeriebene
Wurzel auf solche Bisswunden.
106.
Der Corchorus ist ein Kraut mit zusammengerollten,
dem Maulbeerbaume ähnlichen Blättern, welches in Alexan-
drien zur Speise dient; es soll für Brust, Kahlköpfigkeit
und Sommersprossen gut sein. Auch finde ich bei Nican-
der, dass es, vor der Blüthezeit gesammelt, die Räude des
Rindviehs und die Bisse der Schlangen aufs schnellste heilt.
107.
Des Cnicus oder Atractylis, eines ägyptischen Krautes,
brauchte ich uicht weiter zu erwähnen, wenn es nicht ein
bewährtes Mittel wider giftige Thiere und Pilze gäbe.
Wenn Menschen, die von Scorpionen gestochen sind, diess
Kraut in die Hand nehmen, so fühlen sie, so lange sie es
halten, keinen Schmerz.
108.
Die Persoluta wird in den ägyptischen Gärten um
der Kränze willen gebauet. Es giebt 2 Arten, eine männ-
liche und weibliche; beide sollen untergelegt bei Männern
die Lust zum Beischlafe benehmen.
109.
Weil wir uns bei Maass und Gewicht häufig grie-
128 Einundzwanzigstes Buch.
chischer Namen bedienen müssen , so wollen wir jetzt die-
selben bier ein für allemal näber bezeichnen. Die attische
Drachme (denn die attische gebrauchen die Aerzte fast
durchgehends) ist 1 Silberdeuar schwer und gleich 6 Obo-
len, 1 Obolus zu 10 Chalci gerechnet. 1 Becher; wiegt 10
Drachmen. 1 Acetabulum ist der vierte Theil einer Hemina
oder 15 Drachmen. 1 Mna, welche wir Mina nennen, wiegt
100 attische Drachmen.
•) cyathus.
Zweiundzwanzigstes Buch.
Von dem Ansehn und Werthe der Kräuter und Feldfrüchte.
1.
Erwägt man bloss die zahlreichen; im vorigen Buche
genannten Kräuter, welche zum Nutzen nud Vergnügen der
Menschen geschaffen sind, so muss man gestehen, dass
Natur und Erde schon darum ihre Wunder vollendet haben.
Allein wie vieles weit Erstaunenswertheres bleibt uns noch
übrig? denn jene Gewächse verdanken ihre zahlreiche An-
wendung grösstentheils ihrer Geniessbarkeit, sowie ihrem
Gerüche und ihrer Schönheit, die übrigen aber beweisen
durch ihre Kräfte, dass die Natur nichts ohne, wenn auch
weniger offenkundige Ursache erzeugt.
2.
Ich finde ferner, dass mehrere auswärtige Völker sich
verschiedener Kräuter wegen ihrer Gestalt und nach
alter Sitte an ihren Körpern bedienen. Wenigstens be-
streichen manche Frauen unter den Barbaren das Gesicht
und unter den Daciern und Sarmaten die Männer den Leib
damit. In Gallien wird ein dem Wegebreit ähnliches Kraut
Trauerkraut 1) genannt; mit diesem färben sich die alten
und jungen Weiber in Britanien bei gewissen religiösen
Handlungen den ganzen Körper nach Art der Mohren und
gehen dann nackend einher.
•) glastum, von xkaiu) weinen. Isatis tinctoria L, s. XX. 25.
wittstein: Plinius. IV. Bd. 9
y^Q Zweiundzwanzigstes Buch.
3.
Bekanntlich werden jetzt die Kleider äusserst schön
purpurn gefärbt und nicht zu gedenken der zu den Kaiser-
mänteln angewandten Coccusfarbe aus Galatien, Afrika und
Lusitanien, so bringt man jetzt im transalpinischen Gallien
die tyrische, die Conchylien- und alle andern Farben mit
Kräutern hervor. Die dortigen Bewohner suchen keine
Stachelschnecken in der Tiefe des Meeres, bieten nicht selbst
ihr Leben feil, um den Meerungeheuern etwas zu entreissen,
und durchspähen nicht die von den Ankern noch unberühten
Gründe, um etwas zu finden, wodurch die Frau dem Ehe-
brecher sich gefällig macht, und der Verführer die Ehe-
gattin heranlockt; sondern sie sammeln das Material gleich
den Feldfrücbten im Trocknen. Allein leider ist dessen
Gebrauch nicht allgemein geworden, sonst könnte der Luxus
sich recht glänzend und doch vorwurfsfreier darin zeigen.
Unsere Absicht geht jetzt nicht dahin, diess Kapitel weiter
zu besprechen, sondern wir wollen, den Luxus weniger be-
achtend, solidere Dinge in Untersuchung ziehen, denn sonst
müssten wir auch von dem Färben der Steine und dem
Bemalen der Wände mit Kräutern reden. Wir würden jedoch
die Färbekunst nicht übergangen haben, wenn sie jemals
zu den freien Künsten gezählt worden wäre. Indessen steigt
hiedurch das Ansehen der Kräuter, nnd in welchem Grade
es selbst den tauben, d. h. unansehnlichen zukomme, wer-
den wir angeben. Die Stifter des römischen Reichs wähl-
ten nämlich aus diesen ihren bedeutenden Bedarf, denn
wozu anders gehören die als allgemeine Heilmittel ge-
brauchten Sagmina und die bei Opfern und Gesandschaften
dienenden Verbenen? Wenigstens bezeichnen beide Namen
ein und dasselbe, d. i. Gras, welches auf einer Anhöhe mit
der Erde ausgerissen ist, und jedesmal hiess einer von den
Gesandten , welche zum Feinde geschickt wurden um Ge-
nugthuung ') d. h. die Wiedererstattung der geraubten Sachen
mit lauter Stimme zu verlangen, der Grasträger. 2)
*) adclarigatum. ^) Verbenarius.
Zweiunclzwanzigstes Buch. 131
4.
Zur Bezeichnung der Würde des miicbtigsten Volks
auf Erden und zu Belohnungen für erworbenen Ruhm stand
kein Kranz mehr im Ansehn als der Graskranz. Später
kamen die mit Gold und Edelsteinen besetzten, die Wall-,
Mauer-, Schiffs-, Bürger- und Triumphkiionen auf, aber erst
lange Zeit nacher, und sehr verschieden unter sich selbst.
Alle übrigen gaben einzelne Personen selbst Feldherren
und Kaiser ihren Soldaten und mitunter auch ihren Amts-
genossen, die Triumphkrone aber ward durch Beschluss des
Senats, wenn er der Kriegssorge enthoben war, und des in
Ruhe lebenden Volks, und die Graskorue nicht anders als
in der höchsten Noth, wenn Jemand z. B. ein ganzes Kriegs-
heer gerettet hatte, erhielt. Die übrigen gab der Feldherr,
letztere allein der Soldat dem Feldherrn. Die sogenannte
Belagerungskrone bezieht sich auf die Befreiung eines
ganzen Lagers von der Belagerung und einem schmäh-
lichen Untergange. Wenn man schon die Ehre der Bürger-
krone für die Rettung eines wenn auch noch so geringen
Bürgers für ansehnlich und heilig hält, wie hoch verdient
dann die Rettung eines ganzen Heeres durch eines Einzigen
Tapferkeit angeschlagen zu werden? Die für solche Fälle
bestimmte Krone wurde aus Gras, welches da, wo die That
geschehen war, geflochten; es galt nämlich bei den Alten
als ein Zeichen des vollständigsten Sieges, wenn die Be-
siegten Kraut überreichten, d. i. die Erde, ihre Ernährerin
und Grabstätte, abtraten, welche Sitte, soviel ich weiss,
jetzt noch bei den Germanen besteht.
5.
Mit einem Graskranze ist nur einmal L. Siccius Den-
tatus, welcher schon 14 Bürgerkronen verdient und in 120
Schlachten stets als Sieger gefochten hatte, beschenkt worden;
so selten ist es, dass die Geretteten den Retter beschenkten.
Mehrere Feldherrn haben sie öfter bekommen, z. B. der Kriegs-
tribun P. Decius Mus eine von dem Heere, eine zweite von
denen, welche in der Festung belagert waren; und wie gross
die ihm damit bewiesene Ehre war, bewies er dadurch, dass er
9*
232 Zweiundzwanzigstes Buch.
dem Mars einen weissen Ochsen und 100 gelbliehe, die er
zuo-leich von jenen erhalten hatte, weibete. Derselbe Decius
opferte sieh später als Consul unterj der Tyrannei seines
CoUegen für den Sieg auf. Auch der Senat und das römische
Volk verlieh (was ich für das Ruhm würdigste und Erhabenste
unter allen Dingen halte) eine Graskrone dem Fabius,
welcher, ohne zu streiten, das römische Reich wiederher-
stellte; er bekam sie dagegen nicht, als er den Oberbefehls-
haber der Reiterei und das Heer gerettet hatte. Damals
hielt man es für besser, ihm einen neuen Namen zu geben,
und die Geretteten nannten ihn Vater; aber nachdem er
Hannibai aus Italien vertrieben, ward ihm die besagte Ehren-
bezeugung einstimmig zu Theil. Dieser Kranz ist noch der
einzige, welcher mit den Händen des Staats, und, was eigen-
thümlich erscheint, allein von ganz Italien aufgesetzt wird.
6.
Ausserdem ward die Ehre dieser Krone dem P. Cal-
purnius Flamma, einem Kriegstribun in Sicilien, bis auf diese
Zeit aber nur einem einzigen Centurio, dem Cn. Petrejus
Atinas, im cimbrischen Kriege zu Theil. Letzterer, welcher
unter Catulus als erster Hauptmann diente, feuerte seine vom
Feinde abgeschnittene Legion an, tödtete seinen Obersten,
welcher Bedenken trug, das feindliche Lager zu durch-
brechen und führte das Heer glücklich hindurch. Ich finde
ferner aufgezeichnet, dass derselbe ausser dieser Ehrenbe-
zeugung mit einer Prätexta bekleidet in Gegenwart der
Consuln Marius und Catulus auf einem kleinen eigens
errichteten Altare beim Klange der Flöten geopfert. Der
Dictator Sulla schreibt, dass auch er und zwar bei Nola
als Unterfeldherr (legatus) im marsischen Kriege vom Heere
damit bekränzt worden sei, und diese Begebenheit Hess er
sogar in seinem Landhause zu Tusculum, welches später
dem Cicero gehörte, bildlich darstelleu. Wenn diess wahr
ist, so erscheint er in meinen Augen noch verabscheuungs-
würdiger, denn durch seine Achtserklärung riss er sich
die Krone selbst vom Haupte, weil er später um so mehr
Bürger umbrachte, als er früher wenige gerettet hatte.
Zweiundzwanzigstes Buch. 133
Mochte er auch dieser Ehre noch den stolzen Beinamen
des Glücklichen hinzufügen, so musste er doch, da die Be-
lagerten auf dem ganzen Erdkreise verachtet werden, jene
Krone dem Sertorius überlassen. Varro berichtet, auch Aemi-
lianus Scipio sei unter dem Consulate des Manilius mit einer
Belagerungskrone in Afrika, wo er 3 Coborten gerettet und
zu diesem Zwecke eben so viele ausgeführt hatte, beschenkt
worden. Der Kaiser Augustus Hess diess Ereigniss an seiner
auf dem Forum errichteten Bildsäule eingraben. Dem Au-
gustus selbst schenkte der Senat am 13. September unter
dem Consulate des Jüngern Cicero die Belagerungskrone,
denn die Bürgerkrone schien ihm keine hinreichende Be-
lohnung. Ausserdem ist mir Niemand bekannt, der damit
beschenkt worden sei.
7.
Zu einer solchen Ehrenbezeugung gebrauchte man aber
keine besfimmten Kräuter, sondern die, welche gerade an
dem Orte der Gefahr wuchsen, denn, so unansehnlich und
unbedeutend sie auch waren, gereichten sie doch zu hoher
Ehre. Dass diess bei uns so unbekannt ist, nimmt mich
wenig Wunder, weil ich sehe, dass man selbst das verachtet,
was zur Erhaltung der Gesundheit, zur Entfernung der kör-
perlichen Uebel und Abhaltung des Todes dient. Doch wer
möchte nicht mit Recht unsere Sitten strafen? Leckerei und
Luxus haben den Werth des Lebens erhöht. Niemals war
die Sucht zu leben grösser und die Sorge dafür geringer
als jetzt. Wir glauben, Anderen käme diese Mühe zu. An-
dere mtissten diess auch ohne unsern Befehl thun, und den
Äerzten läge die Sorge für unser leibliches Wohl ob. Wir
selbst geniessen die Vergnügungen und (was ich für das
Schändlichste halte) wir leben im Vertrauen auf Andere.
Ja ich, der ich diess schreibe, werde sogar den Meisten zum
Gelächter, man beschuldigt mich, ich beschäftige mich mit
unnützen Dingen, und verachtet den mit einer so unge-
heuren Arbeit verbundenen Trost sammt der Natur selbst;
doch ich will wenigstens zeigen, dass diese mir nicht fremd
ist, und dass sie unscheinbaren Kräutern, sogar stachlich-
j^34 Zweiundzwanzigstes Buch.
ten, Heilkräfte verliehen hat, Sie schliessen sich zunächst
an die in vorigem Buche genannten, und reissen mich zur
Bewunderung und Verehrung der Vorsehung hin, denn sie
schuf, wie bereits angeführt, weiche und schmaclvhafte,
malte die Arzneimittel in die Blumen gleichsam hinein und
lud durch deren Aussehn die Menschen ein, verband also
Heil und Freude miteinander. Ferner brachte sie solche
hervor, welche rauh aussehen, gefährlich anzurühren sind,
und uns fast die Stimme des Schöpfers und seine Absicht
vernehmen lassen; denn er schützte dieselben mit Stacheln
und waffnete sie mit Geschossen, damit die gefrässigen
Thiere sie nicht verzehren, muthw^illige Hände sie nicht
abreissen, keine Fustritte sie vernichten, keine Vögel sich
darauf setzen und sie zerbrechen, sondern ihre Heilkräfte
unversehrt erhalten werden. So ist auch das, was wir an
ihnen hassen, um der Menschen willen vorhanden.
8.
Unter den stachlichten Gewächsen ist ganz besonders
die Mannstreu^) berühmt, denn sie wird gegen Schlangen
und alle andern Gifte gebraucht. Wider Stiche und Bisse
nimmt man ihre Wurzel zu 1 Drachme mit Wein, oder
wenn Fieber damit verbunden, mit Wasser. Man legt sie
auf Wunden und besonders wirksam ist sie gegen Land-
hydern und Frösche. Der Arzt Heraclides hält sie in Gänse-
brühe gekocht für das wirksamste Mittel gegen Aconitum
und andere Gifte. Apollodorus lässt sie wider Gift mit
Fröschen absieden, die Uebrigen bloss mit Wasser. Das Ge-
wächs selbst ist hart, staudig, 1 Elle und darüber hoch,
weisslich oder schwarz, hat einen gegliederten Stengel,
stachlichte Blätter, eine wohlriechende Wurzel und wird
angebauet, kommt jedoch auch wild an rauhen steinigten
Plätzen und an der Meeresküste vor, erscheint dann aber
noch fester und dunkler; ihre Blätter sehen denen des Eppichs
ähnlich.
•)EryngesivcEryngiuni.Eryngium campestre, maritimum, graecum.
Zweiundzwanzigstes Buch. 135
9.
Die weisse Art derselben nennt man bei uns Hundert-
kopf. Sie besitzt ganz dieselben Wirkungen; Stengel und
Wurzel werden bei den Griechen rohoder gekocht verspeist, i)
Merkwürdig ist es, was davon erzählt wird; die Wurzel soll
nämlich in der Gestalt Aehnlichkeit mit einem Menschen
(männlichen oder weiblichen Geschlechts) haben, schwer zu
finden sein, und die Männer, wenn sie das Männchen be-
kommen, liebenswürdig machen. Diess sei auch die Ursache,
warum Sappho den Phaon aus Lesbos geliebt habe. Nicht
nur die Magier, sondern auch die Pythagoräer haben mit
dieser Wurzel viele Thorheiten begangen. Ausser in den
oben genannten P'ällen dient sie bei Blähungen, Bauch-
grimmen, Herz-, Magen-, Leber- und Brustleiden in Meth,
und für die Milz in saurem Wein genommen; ferner mit
Meth bei Nierenleiden, Harnstrenge, Rückgratkrämpfen,
Lendenweh, Wassersucht, Epilepsie, unterdrückter und zu
reichlicher Menstruation, und allen Krankheiten der Gebär-
mutter. Mit Honig zieht sie alle^s, was im Körper steckt,
heraus. Mit gesalzenem Fett und Gerat heilt sie Kröpfe,
Ohrengeschwüre, Geschwulste, das von den Knochen sich
ablösende Fleisch und Bruchschäden. Vorher genommen
hindert sie das Berauschtwerden, hemmt auch den Durch-
fall. Einige römische Schriftsteller sagen, sie müsse wäh-
rend der Sonnenwende eingesammelt werden; mit Regen-
wasser aufgelegt heile sie alle Krankheiten des Nackens,
und aufgebunden die weissen Flecken auf den Augen.
10.
Einige rechnen zu der Mannstreu das Acanum^), ein
kleines stachlichtes breites Kraut mit breiten Stacheln; es
soll aufgelegt die Kraft, das Blut zu stillen, in hohem Grade
besitzen.
») Die Arten Eryngium graecum und maritimnm.
^) Onopordon Acanthium und 0. illyricum.
23g Zweiundzwanzigstes Buch.
11.
Andere sind der irrigen Ansicht, Mannstreu und Süss-
holz*) seien ein und dasselbe Gewächs, daher wir von
letzterem sogleich das Nöthige mittheilen wollen. Das^
Süssholz gehört unbezweifelt auch zu den stachlichten
Pflanzen, denn es hat stachlichte Blätter, die sich fett und
schleimig anfühlen, ein strauchiges Ansehn, eine Höhe von
2 Ellen, Blüthen wie |die Hyacinthe und Früchte von der
Grösse der Platanenkugeln. Das beste wächst in Cicilien
dann folgt das pontische, die Wurzel ist süss und nur allein
im Gebrauche, wird beim Untergange des Siebengestirns
gegraben und hat die Längo der Weinranken; die buchs-
baumfarbige und zähe ist besser als die dunkle und spröde.
Zum Unterlegen kocht man sie zu einem Drittheil ein,
ausserdem bis zur Consistenz des Honigs, zuweilen zerstösst
man sie auch und legt sie in dieser Form auf Wunden und
und alle Fehler im Schlünde. Der verdickte Saft wird zur
Verbesserung der Stimme unter die Zunge gestrichen, auch
für Brust und Leber angewandt. Dass die Wurzel Hunger
und Durst stille, haben wir bereits gesagt. Darum nannten
sie auch Einige die du rstver treibende 2) und verordneten
sie den Wassersüchtigen gegen den Durst, Man kauet sie
ferner als Magenmittel und streuet sie auf Mundgeschwüre
und das Fell im Auge. Sie heilt Blasengeschwüre, kranke
Nieren, Geschwulst am After und Geschwüre an den Ge-
schlechtstheilen. Einige geben sie im Tranke, zu 2 Drach-
men mit Pfeffer und 1 Hemina Wasser gegen das vier-
tägige Fieber. Gekaut hemmt sie den Blutfluss aus Wun-
den. Nach der Behauptung Einiger soll sie auch die Blasen-
steine abtreiben.
12.
Vom Tribulus wächst eine Art in den Gärten, die
andern nur an Flüssen. Der Saft wird zu Augenmitteln
und wegen seiner kühlenden Eigenschaft namentlich gegen
») Glycyi-rhiza. ^) Adipsos.
Zweiundzwanzigstes Buch. 137
Entzündungen und Zusammenbäufungen von Haften ange-
wandt. Die von selbst aufbrechenden Geschwüre, besonders
im Munde, sowie die geschwollenen Mandeln am Halse heilt
er mit Honig, im Tranke genommen zerkleinert er den
Blasenstein. Die Thracier, welche am Strymon wohnen>
füttern ihre Pferde mit den Blättern; sie selbst leben von,
den Samenkernen, aus welchen sie ein sehr süsses Brot be-
reiten, das Verstopfung bewirkt. Wenn die Wurzel von
keuschen und reinen Personen gesammelt wird, so lassen
sich die Kröpfe damit zertheilen. Der Same stillt aufge-
bunden die Schmerzen in den Krampfadern und tödtet, in
Wasser vertheilt, die Flöhe.
13.
Die Stoebe*), welche von Einigen Pheos genannt wird,
heilt mit Wein abgekocht eitrige Ohren, blutig geschlagene
Augen und aufgegossen Blutfltisse und Durchfall.
14.
Die Hippophyes2) wächstauf sandigen Stellen sowie
am Meere und hat weisse Dornen. Sie trägt Trauben wie
der Epheu. mit weissen und röthlichea Beeren. Die Wurzel
trieft von Saft und wird entweder für sich oder in Mehl-
brötchen aufbewahrt. Zu 1 Obolus schwer eingenommen,
namentlich in Meth, treibt sie die Galle ab. Eine zweite
Art hat weder Stengel noch Blüthen und nur sehr kleine
Blätter; ihr Saft wird, mit Erfolg bei Wassersüchtigen an-
gewandt. Diese Gewächse müssen den Pferden zuträglich
sein und davon ihren Namen bekommen haben; denn manche
Pflanzen sind als Heilmittel für die Thiere da, und wir
sehen hieraus, wie unerschöpflich die Gottheit in der Spen-
dung von Hülfe ist. Ja, wir können ihre Weisheit nicht
genug bewundern, da sie ihre Hülfe nach den Arten, Ur-
sachen und Zeiten einrichtet, das eine zu dieser, das andere
') Poterium spinosum L.
^) von Innoq Pferd und <pvri Natur. Die bereits XXI. B. 54. Cap,
unter dem Nameu Hippopbaes vorgekommene Pflanze (Euphorbia
spinosa).
138 Zweiundzwanzigstes Buch.
ZU jener Stunde nützt, und fast jeder Tag ein Heilmittel
bringt.
15.
Was kann verachteter sein als die Nessel?^) Und
doch enthält sie ausser einem Oele, welches, wie wir an-
gegeben habend), iu Aegypteu daraus bereitet wird, eine
Menge Heilmittel. Ihr Same hebt nach Nicander die Wirk-
ung des Schierlings, der Pilze und des Quecksilbers auf,
mit Schildkröteubrühe gekocht nach Apollodorus auch die
der Salamander, des Bilsen, der Schlangen und Scorpione.
Selbst das Kraut treibt, vermöge seiner scharfen Bitterkeit,
durch blosse Berührung das Zäpfchen im Munde, die vor-
getretene Gebärmutter und den ausgetretenen After der
Kinder zurück, und iu tiefen Schlaf Verfallene erwachen,
wenn man ihre Schienbeine oder noch besser ihre Stirn
damit berührt. Mit Salz heilt sie die Hundsbisse, als Pulver
(namentlich das der Wurzel) in die Nase geschnupft den
Blutfluss; ferner mit Salz die Krebs- und eiternden Ge-
schwüre, Verrenkungen, Blutbeulen, Ohrengeschwüre und
das von den Knochen sich ablösende Fleisch. Der Same
bebt mit eingekochtem Moste genommen die Zusammen-
sehnürungen der Gebärmutter und stopft aufgelegt den Ka-
tarrh der Nase. Zu 2 Obolen mit Meth nach dem Essen
genommen, befördert er das Brechen, zu 1 Obolus mit Wein
vertreibt er die Mattigkeit. 1 Acetabulum voll gerösteter
Same heilt die Krankheiten der Gebärmutter, und in ge-
kochtem Most getrunken die Blähungen im Magen. Mit
Honig ist er gut für Engbrüstige und reinigt die Brust, mit
Leinsamen, wozu auch wohl Hyssop und Pfeffer gesetzt wird,
vertreibt er das Seitenstechen. Für die Milz legt man ihn
auf; geröstet verspeist macht er Oeffnung. Nach Hippocrates
soll er als Trank gebraucht die Gebärmutter reinigen, ge-
röstet zu 1 Acetabulum voll in süssem Trank genommen
und mit Malvensaft aufgelegt die Schmerzen lindern, mit
Honigmeth und Salz die Eingeweidewürmer abtreiben, und
«) Urtica. ») Im XXI. Buche, 55 Cap.
Zweiundzwanzigstes Buch. 139
auf den Kopf gelegt das Haar schön herabwallen machen.
Gegen Gliederkrankheiten und Podagra legen die Meisten
den Samen mit altem Oele oder die Blätter mit Bärenfett
vermischt auf. Wider dieselben Uebel, sowie für die Milz
erweist sich auch die mit Essig angestossene Wurzel wirk-
sam. Ferner zertheilt die Wurzel in Wein gesotten und mit
altem gesalzenem Fett vermischt die Blutbeulen, und trocken
dient sie als haarvertreibendes Mittel. Der Naturforscher
Phaniasi) erwähnt ihrer mit grossem Lobe und sagt, sie
sei als Speise gekocht und eingemacht gut für die Luft-
röhre, den Husten, Bauchfluss, Magen, Blutbeulen, Ohren-
geschwüre und Frostbeulen, errege mit Oel Schweiss, mache
mit Muscheln gekocht Oeffnung, reinige mit Ptisane die
Brust und die Menstruation, und verhindere mit Salz das
Umsichfressen der Geschwüre. Auch der Saft wird ange-
wandt; auf die Stirn gestrichen hemmt er das Nasenbluten,
getrunken treibt er den Harn, zerbricht die Blasensteiue,
und als Gurgelwasser benutzt heilt er das Zäpfchen. Der
Same muss während der Erndte eingesammelt werden; der
beste ist der alexandrinische. Gegen alle genannte Uebel
zeigen sich besonders die wilden und zarten Pflanzen, na-
mentlich aber jene wilde Art wirksam, welche auch in Wein
genommen den Aussatz im Gesicht vertreibt. Wenn vier-
lüssige Thiere sich nicht begatten wollen, soll man die Ge-
schlechtstheile mit Nesseln einreiben.
16.
Auch die Art, welche wir taube Nessel 2) genannt
haben, und die sehr milde und ohne stechende Blätter ist,
heilt mit etwas Salz Stoss-, Schlag-, Brandbeulen, Kröpfe,
Geschwulste, Podagra und Wunden. Mitten auf ihren Blät-
tern befindet sich ein weisser Fleck, und diese Stelle wird
für die Nase gebraucht. Einige römische Schriftsteller
unterscheiden ihre Arten nach der Zeit. Die Wurzel der
Herbstnessel heilt aufgebunden das dreitägige und viertägige
Fieber, wenn, wie man angiebt, beim Ausgraben derselben
") Nicht näher bekannt. ') Lamium.
140 Zweiundzwanzigstes Buch.
der Name des Kranken genannt und hinzugefügt wird, für
wessen Sohn diess geschehe. Ebendieselbe Wurzel soll mit
Zusatz von Salz alles im Körper Steckende heraus ziehen.
Durch die Blätter sollen mit Zusatz von Fett die Kröpfe
zertheilt, oder, wenn sie schwären, weggebeizt und geheilt
werden.
17.
Das Scorpionkrauti) verdankt seinen Namen dem
Scorpionschwanz ähnlichen Samen; es hat nur wenige
Blätter. Man wendet es auch gegen das gleichnamige
Thier an; ebenso ein anderes^), welches keine Blätter,
einen dem Spargel ähnlichen Stengel und an der Spitze
einen Stachel hat, von dem es seinen Namen führt.
18.
Die Leucacantha, auch Phyllon, Ischias, Poly-
gonatum^) genannt, hat eine dem Cyperus ähnliche Wurzel,
welche gekauet das Zahnweh vertreibt; nach Hicesius
heilt man mit einem Tranke aus 8 Drachmen Samen oder
mit dem Safte Seiten- und Lendenschmerzen. Auch wendet
man diess Gewächs bei zerrissenen oder verrenkten Glie-
dern an.
19.
Die Helxine^) nennen Einige Perdicium, weil die Reb-
hühner dasselbe gerne fressen, Andere Sideritis, auch Par-
thenium. Ihre Blätter sind theils dem Plantago theils dem
Marrubium ähnlich, die Stengel sind röthlich und stehen
dicht, die Samen stecken in klettenartigen Köpfen, hängen
sich leicht an die Kleider, und diess soll die Ursache des
•) Genista acanthoclada L. -) Asparagus spinosus.
^) Plinius wirft liier oflenbar mehrere Gewächse zusammen. Leu-
cacantheistCentaureadalmaticaPetter; Phyllon ist Mercurialisperennis,
Ischias ist wahrscheinlich Theophrasts iayaq: Euphorbia Apios L.
und Polygonatum ist ConvaUaria Polygonatum L.
"*) Diese kann nicht Parietaria, sondern muss jedenfalls eine
Distelart sein, wie aus der Beschreibung im XXI. B. 56. Cap. und
im gegenwärtigen Cap. hervorgeht. Etwa Carthamus tinctorius?
Zweiundzwanzigstes Buch. 141
iSIames Helxine^) sein; welches die wahre Helxine ist, haben
wir im vorigem Bucbe gesagt. Sie dient zum Färben der
Wolle, heilt die Nase, Geschwulste, alle Arten von An-
sammlungen und Brandstelleu, ibr Saft mit Bleiweiss Blut-
beulen und geschwollenen Hals, zu 1 Becher voll getrunken
anhaltenden Husten, Flüsse, sowie mit Rosenessenz ge-
schwollene Mandeln und Krampfadern. Mit Ziegentalg und
cyprischem Wachse legt man sie gegen Podagra auf.
20.
Das Perdicium2) oder Parthenium (denn die Side-
ritis ist eine andere Pflanze) wird bei uns Krugkraut^),
von Andern Sternkraut^) genannt, hat dem Basilienkraute
ähnliche aber dunklere Blätter, und wächst auf Dächern
und Mauern. Man gebraucht es mit Salz abgerieben in
allen den Fällen und auf dieselbe Weise wie die taube
Nessel, der Saft wird gegen Eiterbeulen warm getrunken,
aber ausgezeichnete Wirkung besitzt es gegen Geschwüre
und Verletzungen durcb Fallen, Herabstürzen oder Um-
stürzens des Wagens. Ein bei dem atheniensischen Regenten
Perikles in hoher Gunst stehender Sklave''), welcher, als jener
einen Tempel auf der Burg bauen liess, auf dessen Gipfel
geklettert und heruntergefallen war, soll durch dieses Kraut,
das Minerva dem Perikles im Schlafe zeigte, gerettet wor-
den sein. Daher bekam es den Namen Partheninm") und
wurde der Göttin geweihet. Diess ist derselbe kleine Sklave,
dessen Bild in Erz gegossen ist und unter dem Namen
Splanchnoptes^) Berühmtheit erlangt hat.
') von skxü) ziehen, zerren. Uebrigens kommt (bei Dioskorides)
unter dem Namen sX^ivtj auch Convolvulus arvensis L. vor.
2) Parietaria diffusa L.
3) Urceolaris, zum Reinigen der Krüge.
^) Astericum.
^) vema, ein Sclave, der in seines Herrn Hause von einer Sclavin
geboren ist.
ß) von nuQ&svoQ, Jungfrau.
■'j von gTtXäyxvcc Eingeweide und otcto) sehen d. h. eine Statue,
an der man die Eingeweide (deutlich) sehen kann.
242 Zweiundzwanzigstes Bucli.
21.
Das Chamaeleoni) von Einigen Ixia genannt, bildet
2 Arten, von denen die hellere rauhere Blätter hat, auf der
Erde kriecht, ihre Stacheln gleich einem Igel emporreckt,
eine süsse Wurzel trägt und äusserst heftig riecht. In einigen
Gegenden bildet sich, namentlich uni die Zeit des Aufgangs
des Hundsterns, in den Achseln der Blätter ein weisser Leim'-^),
der gleich wie der Weihrauch entsteht, und hievon heisst die
Pflanze Ixia^). Die Weiber bedienen sich desselben ebenso
wie des Mastix. Den Namen Chamaeleon verdankt sie den
verschiedenen Farben ihrer Blätter, denn sie ändert die-
selben je nach dem Erdreiche, da sie hier schwarz, dort
grün, dort blau, dort safranfarbig etc. ist. Der gekochte
Saft der Wurzel von der weissen Art heilt die Wasser-
sucht , man nimmt auch 1 Drachme in Rosinenwein. 1 Ace-
tabulum voll von demselben Safte mit herbem Weine und
Doststengeln genommen treibt die Eingeweidewürmer ab.
Er bewirkt aber schweres Harnen. Mit Polenta eingegeben
tödtet er Hunde und Schweine. Mit Wasser und Oel ver-
mischt lockt er die Mäuse hervor und wenn sie davon
fressen, sterben sie, falls sie nicht gleich Wasser saufen
können. Einige schreiben vor, die Wurzel an Fäden auf-
gereihet zu verwahren, und sie gegen diejenigen Flüsse^
welche die Griechen Kheumatismen nennen, gekocht zu ver-
speisen. Von der dunkeln Art haben Einige die mit pur-
purrothen Blüthen das Männchen und die mit violetten das
Weibchen genannt. Ihr Stengel hat eine Höhe von 1 Elle
und eine Dicke von 1 Finger. Die Wurzeln dienen, mit
Schwefel und Pech gekocht, zur Heilung der Flechte, ge-
kauet oder in Essig gekocht zur Befestigung loser Zähne.
Mit dem Safte curirt man auch die Räude des Viehes; die
Läuse der Hunde werden davon getödtet, auch bekommen
die Kälber durch ihren Genuss die Bräune und sterben,
daher die Pflanze von Einigen die tödtliche^) oder auch
•) Atractyhs gummifera L. -) viscum album.
^) tgi« /. q. viscum. '') ulophonos: ovXocpovoq.
Zweiundzwanzigstes Buch. 143
wegen ihres unangenehmen Geruchs, Hundsgestank i) ge-
nannt wird. Aber erwähnter Leim soll ein gutes Heilmittel
für Geschwüre sein. Die Wurzel aller dieser Arten ist den
Scorpionen nachtheilig.
22.
Der Krähenfuss'^) ist eine längliche Pflanze mit Ein-
schnitten. Man bauet sie hie und da an, denn die in
Asche gebratene Wurzel leistet bei den Verstopfungen gute
Dienste.
23.
Auch die Wurzel der rothen Ochsenzunge"), welche
1 Finger dick ist, wird gebraucht. Man spaltet sie wie den
Papyrus; sIq färbt die Hände blutroth und giebt der Wolle
ein vortreffliches Colorit. Mit Gerat heilt sie Geschwüre,
besonders alter Leute, und Brandwunden. Die ächte er-
kennt man daran, das sich der Farbestoff nicht in Wasser,
sondern in Gel auflöst. Bei Niereuschmerzen giebt man 1
Drachme mit Wein, bei Fieber mit Dattelnabsud; ferner
wird sie bei Leiden der Leber, Milz und bei ausgetretener
Galle angewandt. Gegen Schorf und Sommersprossen legt
mau sie mit Essig auf. Die Blätter werden mit Honig und
Meth abgerieben auf verrenkte Stellen gelegt, und zu 2
Drachmen mit Meth gegen den Durchfall eingenommen.
Die mit Wasser gekochte Wurzel soll die Flöhe tödten.
24.
Eine andere ihr ähnliche Pflanze heisst falsche An-
chusa, auch Echis^), Doris u. s. w., ist wolliger, weniger
saftig, und hat dünnere und mildere Blätter. Ihre Wurzel
ertheilt dem Gele keine rothe Farbe uud unterscheidet sich
hierdurch von der ächten Auchusa. Gegen Schlangen wird
ein aus den Blättern oder Samen bereiteter Trank mit
bestem Erfolge angewandt; die Blätter selbst legt man auf
') cynozolos: xvcof und o'QokTjg.
-) coronopus. Lotus ovnithopodioides L.
3) anchusa. Anchusa tinctoria L.
^) Echium vulgare L.
■^^^ Zweiundzwanzigstes Buch.
Bisswnnden. Sie vernichtet nämlich das Gift der Schlangen,
wird aber auch für das Rückgrat im Tranke verordnet,
die Magier sagen, man müsse die Blätter mit der linken
Hand abpflücken, dabei sagen, warum es geschehe, und sie
gegen das dreitägige Fieber aufbinden.
25.
Weiter führt eine andre Pflanze den eigenthümlichen Namen
Onochiles, 1) wird auch Anchusa, Arcebium, Onochelis,
Rhexia, Enchusa genannt, bildet eine kleine Staude mit
purpurrothen Blüthen, rauhen Blättern und Zweigen, einer
zur Zeit der Erndte bluthrothen, sonst schwarzen Wurzel,
wächst an sandigen Stellen, und besitzt in der Wurzel und
den Blättern, die man in Substanz und als Trank anwendet,
ausgezeichnete Wirksamkeit gegen Schlangen und nament-
lich Vipern. Während der Erndte ist sie am kräftigsten.
Wenn mau die Blätter zerreibt, so entwickelt sie einen den
Gurken ähnlichen Geruch. Bei vorgetretener Gebärmutter
wird sie in 3 Bechern gegeben. Mit Isop treibt sie die
Würmer ab; bei Nieren- oder Leberschmejzen nimmt man
sie, wenn Fieber vorhanden, mit Wassermeth, ausserdem
mit Wein. Die Wurzel wird auf Sommersprossen und Schorf
gelegt. Wer sie bei sich führt, soll von den Schlangen
nicht gebissen werden. — Eine andere ihr ähnliche Pflanze,
die aber kleiner ist und rothe Blüthen trägt, dient zu den-
selben Zwecken ; wenn man diese kaue und auf Schlangen
spucke, so sollen sie sterben.
26.
Der Anthemis wird von Asclepiades mit grossem Lobe
gedacht. Sie führt verschiedene Namen, nämlich Leucan-
themis, Leucanthemum, Eranthemum, weil sie im Früh-
linge blühet, Chamaemelon, weil sie wie Aepfel riecht,
und Melanthemum. Ihre 3 Arten sind bloss durch die
Blüthe unterschieden, werden nicht über 1 Palme gross,
und tragen kleine, wie die der Raute grosse, weisse^),
*) Echium rubrum L.
2) Matricaria Chamomilla L, Ohne Zweifel auch Anthemis
Chia L.
Zweiundzwanzigstes Buch, 145
lioiiiggelbe 1) oder purpurrothe^) Blüthen. Man sammelt sie
von dürren Stellen an Fusssteigen im Frühjahre und hebt
«ie zu Kränzen auf. Um dieselbe Zeit holen auch die Aerzte
die Blätter, Blüthen und Wurzeln , stossen und formen sie
zu Kügelcheu. Ein Gemisch aller Theile der Pflanze wird
zu 1 Drachme gegen die Bisse aller Schlangen gegeben.
Sie treibt todte Kinder ab, befördert auch als Trank ge-
braucht die Menstruation, das Harnen und befreit vom
Blasensteine. Sie heilt, wenn man sie kauet, Blähungen,
Leberleiden, ausgetretene Galle, Thränenfisteln und flies-
send c Geschwüre. Zur Vertreibung des Blasensteins zeigt
sich die rothblüthige Art, welche höher ist, grössere Blätter
hat und insbesondere nur den Namen Eranthemum führt,
am wirksamsten.
27.
Diejenigen, welche glauben, es gäbe unter dem Namen
Lotus 3) nur einen Baum, können schon durch Homer wider-
legt werden, denn dieser Dichter nennt unter denjenigen
Kräutern, welche zu Ehren der Götter wachsen, zuerst den
Lotus, Die Blätter desselben, mit Honig angewandt, ent-
fernen Wunden, Geschwüre und Nebelflecken an den Augen.
28.
Aus dem angebauten Lotus entsteht die Lotometra,
aus deren der Hirse ähnlichem Samen die Hirten in Aegyp-
ten mittelst Wasser und Milch Brot backen. Nichts soll
gesunder und leichter zu verdauen sein als diess Brot, so
lange es warm ist; kalt wird es nicht so gut vertragen
und beschwert den Magen. Soviel ist gewiss, dass die
Menschen, welche davon leben, weder vom Durchfall, noch
vom Stuhlzwange, noch von andern Krankheiten des Leibes
heimgesucht werden, und deshalb zählt man es unter diese
Art von Arzneimitteln.
') Anthemis tinctoria L. '^) Anthemis rosea,
3) Melilotus messanensis L. — Lotus war auch bei den Alten
Appellativname für die insbesondere zur Fütterung tauglichen
Kleearten, unter denen aber Trifolium fragiferum bei weitem alle
übertrifft. Der hier gemeinte Homerische Lotus dürfte daher wohl
Trifolium fragiferum sein.
Wittstein: Plinius. IV. Bd. 10
246 Zweiundzwanzigstes Buch.
29.
Wir haben schon mehrere Male der wunderbaren Eigen-
schaft des Heliotropiumi) gedacht, sich auch an trüben
Tagen nach der Sonne zu drehen, so gross ist die Liebe
dieses Gewächses zu diesem Himmelskörper; des Nachts
soll es gleichsam aus (nicht gestillter) Sehnsucht seine
blaue Blüthe schliessen. Es giebt 2 Arten, das Tricoccum
und das Helioscopium; beide werden über i 2 Fuss hoch,
letzteres ist aber die grössere Art und verzweigt sich gleich
von der Wurzel an. Die Samen stecken in einer Balgkapsel
und werden zur Zeit der Erndte eingesammelt. Es wächst
nur in fettem und bebautem Erdreich, das Tricoccum da-
gegen allenthalben. Gekocht sind sie eine beliebte Speise,
mit Milch zubereitet erweichen sie den Leib gelinde, und
der eingesottene Saft ist ein |vorzügliches Abführungsmittel.
Von der grössern Art sammelt mnn den Saft um die Mit-
tagszeit; mit Wein vermischt ist er kräftiger und mit Zu-
satz von Rosenessenz vertreibt er die Kopfschmerzen. Der
Saft der Blätter nimmt, mit Salz angewandt, die Warzen
hinweg, daher Einige diese Pflanze Warzenkraut 2) nen-
nen; sie verdient aber ihrer übrigen Wirkungen wegen
einen noch würdigeren Namen, denn nach Apollophanes ^)
und Apollodorus widersteht sie mit Wein oder Wassermeth
eingenommen den Schlangen und Scorpionen. Die Blätter
heilen denjenigen Katarrh der Kinder, welchen man Siriasis
nennt, auch Krämpfe, selbst wenn sie epileptischer Art sind.
Mit der Abkochung wird der Mund ansgespühlt. Ein davon
bereiteter Trank führt Wärmer und Nierengries ab. Mit
Zusatz von Kosskümmel werden dadurch die Blasensteine
zerkleinert. Die Wurzel] wird gekocht und nebst den Blättern
und Hammeltalg beim Podagra aufgelegt. Das Tricoccum,
•) Heliotropium villosuin Desf.
^) Verrucaria.
3) Von Seleucia, Arzt Antiochus des Grossen, nach Einigea
Stifter der medic. Schule eu Smyrna, um 200 v. Chr.
Zweiundzwanzigstes Buch. I47
auch Scorpionschwanz genannt, hat kleinere, zur Erde
geneigte Blätter, und Samen, welche die Gestalt eines
Scorpionschwanz haben; daher der Name i). Aufgelegt wirkt
es allen Giften, den Spinnen und namentlich den Scorpionen
kräftig entgegen. Wer es bei sich trägt, wird nicht ge-
stochen; zieht man mit einem Zweige vom Heliotropium
einen Kreis auf die Erde, so sollen die Scorpione nicht
daraus gehen, lege man aber das Kraut auf sie, oder be-
spritze sie mit dessen Safte, so stürben sie auf der Stelle.
4 Samen im Trank genommen sollen das viertägige Fieber
vertreiben, drei das dreitägige, welches letztere auch ver-
gehen soll, wenn man das Kraut dreimal um den Kranken
herumträgt und ihm dann unter den Kopf legt. Der Same
reizt auch zum Beischlafe, zertheilt mit Honig aufgelegt
Geschwulste und Warzen, und Auswüchse am After zieht
diess Gewächs rein aus. Der Same entfernt aufgelegt und
in Hühnersuppe oder mit Beten und Linsen gekocht ein-
genommen das verdorbene Blut aus Rückgrat und Lenden.
Die Kinde verleihet den blauen Flecken ihre vorige Farbe
wieder. Die Magier sagen, diess Kraut müssten sich die
Kranken selbst, in viertägigem Fieber viermal, in drei-
tägigem dreimal, anbinden, dabei beten, wenn sie geheilt
würden, wollten sie die Knoten lösen, und diess dann, ohne
aber das Kraut wegzunehmen, thun.
30.
Beim Adiantum'-) finden wir ein anderes Wunder; es
grünt im Sommer, wird im Winter nicht welk und ist ein
Feind des Wassers, denn wenn man es auch damit über-
giesst oder hineintaucht, so sieht es doch wie vertrocknet
aus; diese Eigenschaft verlieh diesem in Kunstgärten häu-
figen Strauche jenen griechischen Namen. Einige nennen
1) Die scorpionschwanzähnliche Form bezieht sich auf den ganzen
Blüthenstand.
2) adiantum , von a nicht und Siaivoj benetzen. Adiantum
Capillus Veneria L.
10*
1^^ Zweiundzwanzigstes Buch.
<lie Pflanze nach ihren Wirkungen Seliönhaari), Viel-
liaar2), denn sie färbt das Haar, zu welchem Behuf sie mit
Petersiliensamen und Wein, nebst Zusatz von viel Oel, um die
Haare kraus und dicht zu machen, gekocht wird, und ver-
hindert das Ausfallen derselben. Es giebt 2 Arten, eine
weisse und schwarze; letztere ist kleiner, die andere, grös-
sere heisst Polytrichum oder auch Feinhaar^). Die Aeste
beider Arten haben eine glänzend schwarze Farbe, und
tragen Farnkraut ähnliche Blätter, von denen die untern
rauh und braun sind, und gleich den übrigen dicht gedrängt
einander gegenüber stehen; eine Wurzel ist nicht vorhanden.
Es wächst an beschatteten Steinen, feuchten Mauern, von
Quellen durchrieselten Grotten und tröpfelnden Felsen, was
zu bewundern ist, da das Wasser nicht darauf einwirkt.
Es zermalmt und vertreibt die Blasensteine, besonders das
schwarze, weshalb ich glaube, dass es eher wegen dieser
Wirkung, als weil es auf Steinen wächst, bei uns Stein-
brech^) genannt wird. Aus so viel, als man mit 3 Fingern
fassen kann, wird mit Wein ein Trank bereitet. Es treibt
den TJrin, vertilgt das Gift der Schlangen und Spinnen,
hemmt mit Wein gekocht den Durchfall, und ein daraus
geflochtener Kranz stillt die Kopfschmerzen. Gegen die Stiche
des Scorpions lege man es auf; erneuere es aber öfters, da-
mit es sich nicht brenne; desgleichen auf Glatzen. Es
vertreibt die Kröpfe, die Schuppan im Gesichte und die
fliessenden Kopfgeschwüre. Ein davon bereiteter Absud ist
gut für Engbrüstigkeit, Leber, Milz ausgetretene Galle und
Wassersucht. Bei Harnstrenge und Nierenleiden legt man
es mit Wermuth auf. Es befördert den Abgang der Nachge-
burt und den Monatsfluss. Mit Essig oder Himbeersaft ge-
nommen stillt es den Blutfluss. Mit Schwären behaftete
Kinder wäscht man erst mit Wein und reibt sie dann mit
einem Gemisch aus Adiantum und Rosenessenz ein. Wer-
') callitrichum. ^) polytrichum.
3) trichomanes. Asplenium Trichomanes L?
'') saxifraga.
Zweiundzwanzigstes Buch. 149
den die Blätter in den Urin eines unmündigen Knaben ge-
weicht, mit Mauersalpeter vermischt und auf den Leib eines
Frauenzimmers gelegt, so entstehen keine Runzeln. Reb-
hühner und ähnliche Vögel, denen man es unter das Futter
mengt, sollen kampflustiger werden; auch soll sein Geuuss
dem Hornvieh zuträglich sein.
31.
Die Picris besitzt, wie bereits angegeben wurde i),
eine ausserordentliche Bitterkeit, hat runde Blätter und ist
ein gutes Mittel gegen Warzen. Das T h e s i u m schmeckt
fast ebenso bitter, und wird mit Wasser zerrieben zum Ab-
führen gebraucht.
32.
Der Affodill gehört zu den berühmtesten Kräutern,
und wird von Einigen Heldenkraut genannt. Hesiodus sagt?
er wachse auch in den Wäldern, und Dionysius unter-
scheidet eine männliche und eine weibliche Art. Die mit
Ptisane gekochten Zwiebeln werden gegen Schwäche und
Schwindsucht gerühmt, und das daraus mit Mehl bereitete
Brot soll sehr gesund sein. Gegen Schlaugen und Scorpione
verordnet Nicander den Stengel, welchen wir Antericus ge-
nannt haben 2), oder den Samen oder die Zwiebeln zu 3
Drachmen mit Wein, und lässt ihn wider die Furcht im
Schlafe unterlegen. Auch giebt man ihn wider giftige
Seethiere und Land-Scolopender. In Carapanien suchen die
Schnecken den Stengel begierig auf und saugen ihn ganz
trocken. Die Blätter legt man mit Wein auf Giftwunden,
die mit Polenta angestossenen Zwiebeln auf Sehnen und
Gelenke. Man zerschneidet sie auch, thut Essig hinzu und
reibt die Flechten damit ein; auf faulige Geschwüre, ent-
zündete Brüste und Hoden legt man sie mit Wasser. In
Weinhefe gekocht und in einem Läppchen aufgelegt, heilen
sie die Augenflüsse. Fast in jeder Krankheit wendet man
sie vorzugsweise gekocht an; getrocknet und gepulvert aber
>) Im XXI. ß. 65. Cap.
2) Im XXI. B. 68. Cap.
I^Q Zweiund zwanzigstes Buch.
für die hässlichen Beingeschwüve und alle Arten von Rissen
am Kör}3er. Man sammelt sie im Herbste, wo sie am heil-
kräftigsten sind. Der durch Stossen, Kochen und Aus-
pressen erhaltene Saft hilft mit Honig genommen gegen
Leibschmerz, und wird nebst trockener Iris und etwas Salz
von denen gebraucht, welche ihren Körper wohlriechend
machen wollen. Die Blätter heilen ausserdem in Wein ge-
kocht, Kröpfe, Geschwulste und Geschwüre im Gesichte.
Die zu Asche gebrannte Wurzel wird für Kablköpfigkeit
und aufgesprungene Füsse, und der Saft der in Oel ge-
kochten gegen Frost- und Brandbeulen gebraucht. Gegen
Schwerhörigkeit giesst man davon in die Ohren, und bei
Zahnweh in das entgegengesetzte Ohr. Ein aus der Wurzel
bereiteter Trank wird bei Urinverhaltungen , gestörtem
Monatsfluss und Seitenschmerzen genommen; bei Verrenk-
ungen, Bruchwunden und Husten 1 Drachme mit Wein.
Gekauet befördert sie das Brechen. Der Same wirkt auf-
regend auf den Leib. Chrysermus^) hat mit der in Wein
gekochten Wurzel die Ohrengeschwüre, und mit Zusatz von
Cachrys die Kröpfe geheilt. Einige geben an, wenn man
einen Theil der aufgelegten Wurzel in Rauch hänge und
am vierten Tage wieder wegnehme, so solle mit der Wurzel
zugleich der Kropf vertrocknen. Sophocles bediente sich der
rohen und gekochten gegen das Podagra; gegen Frostbeulen
gab er sie mit Oel gekocht und den Gallenkranken und
Wassersüchtigen mit Wein. Mit Wein und Honig genommen
soll sie auch zum Beischlaf reitzen. Xenocrates sagt, die in
Essig gekochte Wurzel vertreibe Flechte, Schorf und Krätze;
ferner mit Bilsen und Theer gekocht die Fehler unter den
Armen und an den Schenkeln, und wenn der Kopf abrasirt
und mit der Wurzel gerieben würde, so wüchse das Haar
krauser. Simus trieb mit einer weinigen Abkochung der-
selben die Nierensteine ab. Hippocrates empfiehlt den
Samen innerlich gegen Milzbeschwerden. Wird die Wurzel
oder ihr gekochter Saft auf schwärende und räudige Stellen
') Ein unbekannter Arzt.
Zweiundzwanzigstes Buch. 151
am Zugvieh gestrichen, so wachsen aus denselben die Haare
wieder. Die Mäuse werden dadurch vertrieben und, wenn
mau ihre Löcher damit verstopft, so kommen sie um.
33.
Einige sind der Meinung, der Affodill werde von He-
siodus A lim um genannt, was ich aber für unrichtig halte,
•denn dieser Name bezeichnet ein eigenes Kraut, über
welches die Schriftsteller sehr irrige Ansichten haben.
Einige sagen nämlich, es sei ein dichter, weisser, dornloser
Strauch mit Blättern, ähnlich denen des Oelbaums aber
weicher, und werde als Speise gekocht. Die Wurzel zu
1 Drachme in Wassermeth genommen, vertreibe Bauch-
grimmen, Verrenkungen und Brüche. Andere verstehen
darunter einen salzigen Meerkohl (daher der Name ^) mit
länglich-runden Blättern, der ein beliebtes Gericht sei.
Es giebt übrigens 2 Arten, eine wilde und eine zahme;
beide sollen mit Brot gegen Durchfall und Geschwüre, mit
Essig aber für den Magen sehr dienlich sein. Man legt
sie roh auf alte Geschwüre, lindert damit den heftigen
Schmerz frischer Wunden, verrenkter Füsse und der Blase.
Die wilde Art hat dünnere Blätter, ist aber wirksamer, heilt
auch die Krätze bei Menschen und Vieh. Durch Reiben
mit der Wurzel macht man den Körper glatt und die Zähne
weiss; legt man den Samen unter die Zunge, so wird man
nicht durstig. Letzteren kauet man auch, und beide wer-
den eingemacht. Cratevas erwähnt noch einer dritten Art
mit längern, rauheren Blättern und Cypressen ähnlichem
Gerüche; sie soll vorzüglich unter dem Epheu wachsen, und
zu 3 Obolen in 1 Sextarius Wasser genommen den Rück-
gratskrampf und die Contraction der Nerven heilen.
34.
Der Acanthus findet sich in Kunstgärten und Städten,
hat aufrechte, lange Blätter und bekleidet die Erhöhungen
der Feldränder, sowie die Rabatten. Es giebt 2 Arten,
•) aXifioq salzig. Atriplex Halimus L.
252 Zweiundzwanzigstes Buch,
eine stachlichte und krause, i) welche kleiner ist, und eine
glatte,2)dievonEinigen Päderos, auch Melamphyllum ge-
nanntwird. Die Wurzeln der letzteren leisten als Speise, beson-
ders mit Ptisane gekocht, vortreffliche Dienste bei verrenkten,
verbrannten, zerbrochenen und verdrehten Gliedern, sowie
wenn man die Schwindsucht zu bekommen fürchtet.
Zerrieben und erwärmt legt man sie auch gegen hitziges
Podagra auf.
35.
Das Bupleurum,^) welches die Griechen zu den wild-
wachsenden Kohlarten zählen, hat einen ellenhohen Stengel,
zahlreiche lange Blätter, einen dem Dill ähnlichen Kopf
(Blüthenstand), und wird von Hippocrates als Gemüse, von
Glaucon und Nicander als Arzneimittel gerühmt. Der Same
hilft wider die Schlangenbisse. Zur Beförderung des Ab-
gangs der weiblichen Nachgeburt legt man die Blätter oder
den mit Wein bereiteten Saft, zur Vertreibung der Kröpfe
die Blätter mit Salz und Wein auf. Die Wurzel giebt man
mit Wein gegen die Schlangen und gegen Harnstrenge.
36.
Die Buprestis*) wird, jedoch mit wenig Ueberein-
stimmung, von den Griechen zu den beliebten Gemüsearten
gerechnet; auch hält man sie für heilkräftig wider Gifte»
Allein ihr Name 5) zeigt schon an, dass sie wenigstens für
das Rindvieh ein Gift ist, denn wenn diess davon frisst,
soll es bersten. Aus diesem Grunde wollen wir auch
nicht weiter davon reden. Wir haben aber Ursache, auch
unter den Kranzkräutern die giftigen anzuzeigen; vielleicht
möchte sie auch Jemand aus Wollust einsammeln, denn
nichts soll dieselbe mehr reizen, als ein daraus bereiteter
Trank.
*) Acanthus spinosus L. -) Acanthus mollis L,
3) Bupleurum protractum Lk.
■*) Identisch mit dem Bupleurum.
*) ßövq Stier und TtQijd^u) brennen, anschwellen.
Zweiundzwanzigstes Buch. 153
37.
Das sogenannte Hirschfuttei-i) ist eine fingersdicke
gertenartige Pflanze mit Knoten, deren Samen traubenartig
herabhängen, an Gestalt denen des Silis gleichen, aber
bitter schmecken, und deren Blätter dem Olusatrum ähnlich
sind. Es ist eine beliebte Speise; eingemacht hält man sie
vorräthig zur Beförderung des Hamens, zur Vertreibung
der Seitenschmerzen, Heilung von Brüchen und Verrenkungen,
Blähungen und Bauchgrimmen, Schlangenbissen und Stichen
gestachelter Thiere. Auch sollen es die Hirsehe zum Schutze
gegen Schlangen fressen. Die Wurzel dient mit Natron
aufgelegt zur Heilung der Fistelschäden; zu diesem Behuf
muss sie aber zuvor getrocknet werden, damit sie ihren
Saft, wecher sie für die Schlangen verderblicher macht,
nicht verliert.
38.
Auch die Scandix^) wird, wie Opion und Erasistratus
angeben , von den Griechen zu den wilden Kohlarten
gezählt. Gekocht hemmt sie den Durchfall, der Same mit
Essig genommen vertreibt augenblicklich das Schlucken.
Man legt sie auf Brandschäden , gebraucht sie auch zur
Beförderung des Hamens. Der Absud derselben ist ein
Mittel für den Magen, die Leber, Nieren und Blase. Diess
ist dieselbe Pflanze, womit Aristophanes dem Dichter
Euripides^) scherzend vorwirft: seine Mutter habe statt
ächten Kohl, Scandix verkauft. Der Anthriscus*) ist ihr
am ähnlichsten, hat aber dünnere und wohlriechendere
Blätter. Ihr besonderer Ruf besteht darin, dass sie den
durch häufigen Beischlaf ermatteten Körper wieder kräftigt
und schwache alte Leute noch zum Liebesgenuss reizt.
Sie hemmt auch den weissen FIuss der Frauen.
•) elaphoboscon. Pastinaca sativa L.
2) Scandix Pecten L.
^) Geb. 480 V. Chr. auf Salamis, starb 407 am Hofe des Königs
Archelaus v, Macedonien.
*) Scandix australis L.
254 Zweiundzwanzigstes Buch.
39.
Für eine wilde Kohlart hält man ferner die Jasione,
welche auf der Erde kriecht, eine bedeutende Menge Milch-
saft hat, weisse Blumen trägt und der Gesellschafter i) genannt
wird. Man empfiehlt sie als Reizmittel zum Beischlaf.
Roh mit Essig verspeist, verleihet sie den "Weibern reich-
liche Milch. Auf das Haupt der Kinder gelegt, befördert
sie den Haarwuchs und macht die Haut fester.
40.
Auch die Caucalis^) wird gegessen, sieht dem Fenchel
ähnlich, hat einen kurzen Stengel, weisse Blüthen, und wird
für das Herz angewendet. Auch ihren Saft trinkt man für
den Magen, Urin, gegen Steine, Gries und Blasenjucken.
Sie vermindert den Schleim der Milz, Leber und Nieren.
Der Same befördert die Menstruation und trocknet die Galle
nach der Geburt; wird auch gegen den männlichen Samen-
fluss gegeben. Chrysippus sagt, mit Wein nüchtern genommen
befördere er die Empfängniss. Wie Petrichus in seinem
Gedichte angiebt, wird ein Umschlag davon gegen das Gift
der Seethiere gebraucht.
41.
Hierher gehört auchdasSium,^) welches breiter, fetter
und dunkler als die Petersilie ist, im Wasser wächst,
vielen Samen trägt und im Geschmack der Brunnenkresse
gleicht. Es wird roh oder gekocht oder als Absud oder
der Same zu 2 Drachmen mit Wein für den Harn, die
Nieren, Milz und Menstruation gegeben. Es zermalmt den
Harnstein und wirkt dem Wasser, welches ihn erzeugt,
entgegen. Ein Aufguss davon ist gut gegen die Ruhr; zur
Vertreibung der Sommersprossen und anderer Fehler im
Gesichte der Weiber legt man es über Nacht auf, denn es
verbessert die Haut augenblicklich, heilt auch Brüche und
Räude bei Pferden.
*) conciliuni, walirscheinlich weil sie gruppenweise vorkommt.
2) Pimpinella Saxifraga L.
3) Sium latifolium L.
Zweiundzwanzigstes Buch. 155
42.
Das Silybum^), welches dem weissen Chamaeleon
ähnlich und ebenso stachlicht ist, verlohnt nicht einmal in
Cilicien, Syrien oder Phönicien, wo es wächst, des Kochens,
denn seine Znrichtung wird als sehr mühsam geschildert
Arzneiliche Anwendung hat es nicht.
43.
Das Scolimum2), welches auch Limoniura heisst.
wird im Oriente verspeist. Es wird nicht üher eine Elle
hoch, die Blätter sind kammartig eingeschnitten, die Wurzel
schwarz und süss; Eratosthenes empfiehlt es zur Nahrung
für arme Leute. Es soll den Harn treiben, mit Essig Flechte
und Ausschlag heilen, und nach Hesiodus und Alcäus^) in
Wein genommen zum Beischlaf reizen. Nach denselben
Schriftstellern zirpen um die Zeit, wenn diess Gewächs
blühet, die Cicaden am lautesten, sind die W^eiber am
geilsten und die Männer zum Beischlafe am wenigsten
geneigt, wesshalb die Vorsehung demselben in jener Periode
die grösste Wirksamkeit verliehen habe. Gegen den Übeln
Geruch unter den Armen nimmt man eine Unze von der
Wurzel, welche vom Marke befreit worden ist, kocht sie
mit drei Heminis falernischen Weines zu einem Drittbeil
ein und trinkt davon nach dem Bade nüchtern oder nach
dem Essen einen Becher voll. Merkwürdig ist , was
Xeuocrates aus Erfahrung gestützt mittheilt; jenes Uebel
unter den Armen soll nämlich durch den Urin abgehen.
44.
Ferner isst man den Sonchus*) (welchen beim Calli-
machus Hecale dem Theseus vorsetzt) und zwar beide
') Weil Plinius diese Pflanze als eine schlechte Speise schildert,
so scheint er nicht Silybum marianum (Carduus marianus), sondern
Carhna corymbosa oder Acarna cancellata gemeint zu haben.
2) Scolymus maculatus L.
3) Aus Mitylene, um 600 v. Chr., Ij'rischer Dichter, Zeitgenoss
der Sappho.
'') Sonchus oleraceus und arvensisL; auch Helminthiai echioides L.
Die weisse Art ist S. oleraceus.
256 Zweiunclzwanzigstes Buch.
Arten, den weissen und schwarzen; beide gleichen dem
Lattich, tragen aber Stacheln, ihre Stengel werden eine
Elle hoch, sind eckig, innen hohl und geben beim Verletzen
eine bedeutende Menge Milchsaft von sich. Der weisse,
welcher sein Aussehen dem Milchsafte verdankt, wird gegen
Engbrüstigkeit wie die Latticharten in einer Tunke gegessen.
Erasistratus sagt, er treibe die Steine durch den Urin ab
und diene gekauet zur Verbesserung des üblen Geruchs
aus dem Munde. Der Saft zu 3 Bechern mit weissem Wein
und Oel erwärmt befördert die Entbindung, so dass die
Wöchnerinnen gleich nachher wieder umhergehen können.
Man reicht ihn auch als Brühe. Der gekochte Stengel
giebt den Ammen reichliche Milch, den Kindern ein gesundes
Aussehen, und ist besonders denen zu empfehlen, welche
fühlen, dass ihre Milch gerinnt. Der Saft wird in die Ohren
getröpfelt, gegen Harnstrenge zu 1 Becher warm getrunken
und gegen Magendrücken mit Gurken- und Piniensamen
genommen. Gegen Flüsse am After legt man das Kraut
auf. Gegen Schlangen- und Scorpionstiche wird ein Trank
davon bereitet, die Wurzel aber aufgelegt. Letztere wird
gegen Ohrenkrankheiten mit Granatapfelschale in Oel
gekocht. Zu allen ebengenannten Zwecken dient die weisse
Art. Cleemporus^) stimmt damit überein und warnt vor
dem Genüsse der schwarzen, welche Krankheiten erzeuge.
Agathocles^) empfiehlt auch den Saft gegen die Wirkung
des Rindsbluts. Doch ist soviel ausgemacht, dass die schwarze
Art kühlende Kräfte besitzt, daher sie auch mit Polenta
zu Umschlägen gebraucht wird. Zeno^) sagt, die Wurzel
der weissen Art heile die Harnstrenge.
45.
Das Condrillum oder die Condrille^) trägt Blätter,
welche denen des Intubus ähnlich und rundum wie abge-
') Unbekannter Schriftsteller.
2) Von Chios, ein nicht näher bekannter Schriftsteller.
3) Welcher Zeno hier gemeint ist, lässt sich nicht bestimmen;
es gab mehrere Aerzte dieses Namens.
") Chondrilla juncea L. und Cbondrilla ramosissima Sm.
Zweiundzwanzigstes Buch. 157
nagt sind, der Stengel wird nicbt ganz 1 Fuss hoch und
stiozt von bitterem Safte, die Wurzel gleicht einer Bohne
und ist mitunter in zahlreicher Menge vorhanden. Zunächst
der Erde findet sich am Stengel ein Harz von der Grösse
einer Bohne, welches aufgelegt den Monatsfluss der Frauen
befördern soll. Die ganze Pflanze sammt der Wurzel wird
zerstossen und zu Kügelchen wider die Schlangen geformt,
denn man weiss, dass die von Schlangen gebissenen Feld-
mäuse diess Gewächs fressen. Der mit Wein bereitete Ab-
sud hemmt den Durchfall. Statt eines Gummi angewandt,
werden dadurch die Haare der Augenlider in Ordnung ge-
halten. Dorotbeus i) lobt die Pflanze in seinen Gedichten
als Magen- und Verdauungsmittel. Einige glauben, sie schade
den Frauen, den Augen und Zeugungstheilen der Männer.
46.
Zu denjenigen Gewächsen, welche ohne Weiteres ge-
gessen werden, kann ich zwar mit Recht auch die Boleti
rechnen, denn sie sind eine köstlicbe Speise, allein sie haben,
wie aus vielen Beispielen erhellet, auch zu verbreche-
rischen Absichten gedient; unter anderm vergiftete damit
Agrippina ihren Ehegatten, den Kaiser Tiberius Claudius,
und bereitete dadurch der Welt und sich selbst ein noch
grösseres Gift, ihren Sohn Nero. Die giftigen Arten dieser
Pilze erkennt mau leicht an der blassrothen Farbe, dem
hässlichen Ansehen, der bläulieben Farbe im Innern, den
furchigen Streifen und dem ringsum bleichen Kande. Bei
einigen findet man diese Merkmale nicht; solche sind aber
trocken, dem Natron ähnlich, und haben oben auf ihrer
Haut weisse Tropfen - ähnliche Tupfen. Zuerst bildet sich
nämlich an denselben die Hülle, und später in dieser, wie
in einem Eie das Gelbe, der Kern. An den jungen Pilzen
ist diese Haut gleichfalls wohlschmeckend. Letztere berstet,
so wie der Pilz hervorkommt, dessen ganze Substanz später
in den Stiel (welcher selten zu zweien erscheint) übergeht.
Die erste Ursache ihrer Bildung liegt in dem Schlamme
*) Aus Athen, übrigens nicht näher bekannt.
J58 Zweiundzwanzigstes Buch.
und der scharfen Feuchtigkeit der Erde oder einer eichel-
tragenden Wurzel; Anfangs sind sie zäher als Schaum, dann
stellen sie einen häutigen Körper dar und endlich bilden
sie sich gänzlich aus. Diese Giftpilze müssen, wie gesagt,
durchaus verworfen werden. Denn wenn da, wo sie wachsen,
ein Schuhnagel, ein rostiges Stück Eisen oder ein morsches
Stück Tuch liegt, so ziehen sie sogleich allen fremden Saft
und Geschmack in sich und bilden daraus Gift; wer aber
anders als die Landleute und die, welche sie sammeln,
kann das wissen? Sie ziehen auch noch andere Gifte ein,
z. B. wenn sich neben ihnen eine Schlangenhöhle befindet,
oder wenn eine Schlange einen eben sich öffnenden Pilz
anhaucht, denn ein Gift besitzt die Fähigkeit, noch ein an-
deres aufzunehmen. Es ist daher Vorsicht anzurathen, ehe
Schlangen sich verkriechen; diess merkt man an einer Menge
von Kräu:jern, Bäumen und Sträuchern, welche von ihrem
Hervorkommen an bis zu der Zeit, wo sie sich verkriechen,
grünen und schon allein die Blätter der Esche zeigen es
an, da sie weder nachher wachsen, noch vorher abfallen.
Die ganze Lebensdauer der Boleten erstreckt sich auf 7
Tage.
47.
Die Pilze 1) bilden zahlreichere Arten, sind milder und
entstehen nur aus dem Schleime der Bäume. Am unschäd-
lichsten sind die mit rother, und zwar dunklerer Haut 2)
als bei den Boleten; dann folgen die weissen, mit ansehn-
lichen den Priestermützen ähnlichen Stielen. Die dritte Art
wird Saupilze genannt, und passt am besten zu Vergiftungen,
denn durch diese sind kürzlich ganze Familien und Gast-
gesellschaften ums Leben gekommen, wie Annaeus Serenus,
der Befehlshaber der Leibwache des Nero, die Tribunen
und Centurionen. Wie kann man eine so gefährliche Speise
lieben? Einige unterscheiden die Pilze nach den Bäumen,
nämlich der Feige, der Ferula nnd den Gummi tragenden-
den, oder wie bei uns nach der Buche, Eiche, Cypresse, wie
fungi. 2) Boletus edulis.
Zweiundzwanzigstes Buch. 159
wir gesagt haben. Aber wer steht gut dafür, dass nur diese
verkauft werden? Alle haben eine bläuliehe i) Farbe, und
diese zeigt dann die giftige Beschaffenheit an, wenn sie
der Farbe der Feigenfrucht ähnlich ist. Hülfsmittel dagegen
haben wir schon angeführt uud werden deren in der Folge
noch nennen; inzwischen gebraucht man einige Pilze auch
als Heilmittel. Glaucias sagt, die Boleteu wären gut für
den Magen. Die Saupilze werden an Binsenhalme gereihet
zum Trocknen aufgehängt und in solchen Bündeln aus Bi-
thynien gebracht. Man gebraucht sie gegen diejenigen
Bauchflüsse, welche Eheumatismen genannt werden und
gegen die fleischigen Auswüchse am After, welche dadurch
nach und nach gänzlich verschwinden; ferner gegen Som-
mersprossen und andere Fehler im Gesichte der Frauen.
Gleich dem Blei dienen sie zum Waschen der Augen. Auf
eiternde Geschwüre und Ausbrüche des Kopfes, sowie auf
Hundsbisse legt man sie mit Wasser. In Bezug auf das
Kochen der Pilze will ich noch einige allgemeine Regeln
bei jeder Art anführen, denn die Leckerei geht soweit, dass
man nur allein diese Speise mit eigenen Händen bereitet
und, bernsteinene Messer und silberne Geschirre dabei ge-
brauchend, sie schon vorher in Gedanken schmeckt. Die-
jenigen Pilze, welche beim Kochen härter werden, sind ver-
dächtig; kochen sie sich aber unter Zusatz von Natron ganz
weich, so kann man sie ohne Gefahr essen. Noch sicherer
ist es, sie mit dem Fleische oder den Stielen der Birnen
zu kochen; zweckmässig isst man auch gleich darauf
Birnen. Desgleichen vernichtet der Essig ihre schädliche
Wirkung, denn er ist ihnen von Natur zuwider.
48.
Alle Pilze schiessen nach Regengüssen hervor. Das-
selbe ist der Fall beim Silphium, welches, wie wir gesagt
haben 2), zuerst aus Cyrene gebracht wurde. Jetzt kommt
es meistens aus Syrien, ist aber schlechter als das pan-
*) lividus.
2) XIX. B. 15 Cap.
jßO Zweundzwanzigstes Buch.
thische, jedoch besser als das medische, denn das cyrenischc
kommt, wie schon angeführt, nicht mehr vor. Es wird in
der Arzneikunde gebraucht; die Blätter werden in weissem
wohlriechendem Wein gekocht und von diesem Absude giebt
man 1 Acetabulum voll nach dem Bade zur Reinigung der
Gebärmutter und zur Abtreibung todter Kinder. Die Wurzel
dient für rauhe Luftröhren, wird auf Stellen, wo sich das
Blut augesammelt hat, gelegt, ist aber schwer zu verdauen,
verursacht BlähungeUj Aufstossen und schadet dem Urine.
Mit Wein und Oel legt man sie zweckmässig auf blaue
Flecken, mit Wachs auf Kröpfe, und wenn die Warzen am
After damit geräuchert werden, so fallen sie ab.
49.
Der Laser, welcher, wie wir angegeben i), aus dem
Silphium fiiesst, gehört zu den vorzüglichsten Geschenken
der Natur und geht in sehr viele Mischungen ein. Für
sich genommen vertreibt er den Frost und als Trank die
Krankheiten der Nerven. Den Frauen giebt man ihn in
Wein. In weiche Wolle gewickelt legt man ihn an die
weibliche Schaam, um die Menstruation zu befördern. Mit
Wachs vermischt zieht er die Hühneraugen aus, wenn sie
zuvor mit einem eisernen Instrumente ringsum gelöst wor-
den. Eine Erbse gross aufgelöst genommen, befördert das
Harnen, Andreas versichert, sein öfterer Gebrauch verur-
sache keine Blähungen, befördere besonders bei alten Leuten
und Weibern die Verdauung, bekomme im Winter besser
als im Sommer, namentlich denen, welche Wasser trinken;
doch müsse man sich desselben enthalten, wenn im Körper
ein Geschwür sei. Zur Beförderung des Geuesens nach
Krankheiten setzt mau ihn zweckmässig den Speisen zu.
Zu rechter Zeit angewandt, besitzt er die Kraft eines Aetz-
mittels, ist ferner denen zuträglicher, welche daran gewöhnt
sind als Anderen. Auch als Mittel gegen äusserliche Uebel
des Körpers hat sich sein Ruf fest begründet. Im Trank
genommen vernichtet er das Gift der Pfeile und Schlangen;
>) XIX. B. 15. Cap.
Zweiundzwanzigstes Bu(;h. Jßl
mit Wasser vermischt streicht man ihn um derartige Wun-
den, mit Oel nur auf Scorpioustiche, mit Gerstenmehl und
trockenen Feigen auf unreife Geschwüre; mit Raute und
Honig oder für sich, vermittelst Vogelleims zum Zweck des
Festhaftens, auf Karbunkeln und Hundsbisse; mit Granat-
apfelschalen in Essig gekocht auf Auswüchse am After,
mit Zusatz von Natron auf Leichdornen, welche abgestorbene
genannt werden. Ein Gemisch aus Natron und Laser, mit
Wein und Safran oder Pfeffer oder Mäusekoth und Essig
versetzt, erfüllt kahle Stellen auf dem Kopfe wieder mit
Haaren. Mit Wein oder Oel gekocht wird er auf Frost-
beulen und Schwielen gelegt. Besonders gut ist er für
Leichdornen, wenn sie zuvor abgeschält sind; ferner wider
schlechtes Wasser, ungesunde Gegenden und Tage, Husten,
geschwollenes Zäpfchen, lange dauernden Austritt der Galle,
Wassersucht und Heiserkeit, denn er reinigt sogleich den
Hals nnd stellt die Stimme wieder her. In saurem Weine
gelöst und mit einem Schwämme aufgelegt, lindert er das
Podagra. Gegen Seitenstechen nimmt man ihn in einer
Brühe ein und trinkt Wein nach; gegen Zusaramenziehungen
und Rückgratskrämpfe legt man ein erbsengrosses Stück
mit Wachs bestrichen auf. Gegen die Bräune setzt mau
es dem Gurgelwasser zu. Denen, welche schwer athmen
und anhaltend husten, giebt man ihn mit Lauch und Essig
auch denen, welche geronnene Milch getrunken haben;
in Wein gegen Brustleiden, Abzehrung und Epilepsie, in
Wassermeth gegen Lähmung der Zunge. Gegen Hüften-
und Lendenschmerzen wird er mit gekochtem Honig auf-
gelegt. Ich kann dem, was die Schriftsteller unter andern
angeben, nämlich, man solle gegen Zahnweh ein Stück
Laser mit Wachs umgeben in den hohlen Zahn stecken,
nicht beipflichten, denn ich weiss, dass sich ein Mensch in
Folge dieser Anwendung von einer Höhe herabgestürzt hat.
Wird er den Stieren auf die Nase gestrichen, so macht
er sie gleichfalls wüthend, und wenn Schlangen (die
sehr begierig nach Wein sind) in Wein aufgelösten Laser
verschluckt haben, so müssen sie bersten. Auch möchte
Wittsteiii. Plinius. IV. Bd. ^^
1Q2 Zweiundzwanzigstes Buch.
ich nicht rathen, ihn mit attischem Honig zu vermischen,
wie Einige vorschreiben. Es würde ins Unendliche gehen,
alle die nützlichen Anwendungen, deren er in Verbindung
mit andern Stoffen fähig ist, anzuführen; wir handeln hier
bloss von einfachen Arzneien, denn diese bieten uns ihre
natürlichen Heilkünste dar, die zusammengesetzten dagegen
täuschen oft die von ihnen gehegten Erwartungen, weil
die Eintracht und Zwietracht der Naturkörper in den Ge-
mischen noch nicht hinreichend erkannt worden ist. Ueber
diese Materie werden wir bald mehr reden.
50.
Der Honig würde ebenso hoch geschätzt werden als
der Laser, wenn er weniger häufig vorkäme. Der Laser
wird von der Natur ursprünglich erzeugt, zu jenem aber
dient bekanntlich ein Tljier und seine Anwendung geht ins
Unzählige, wenn man bedenkt, wie oft er vermischt wird.
Das Stopfwachs (von dem früher die Rede war') zieht
Stacheln und alles, was sonst im Körper steckt, heraus,
zertheilt Geschwülste, erweicht Verhärtungen, lindert die
Schmerzen der Nerven, und überzieht Geschwüre, an deren
Heilung man schon verzweifelt, mit einer Narbe. Der Honig
selbst hat die Eigenschaft, das Faulen der Körper zu ver-
hüten, schmeckt milde und angenehm, und unterscheidet
sich in seiner Natur von dem Salze; er ist ein vortreffliches
Mittel für Hals, Drüsen, Bräune, alle Mundkraukheiten und
Trockenheit der Zunge bei Fiebern; gekocht für Lungen-
sucht, Seitenweh, Schlangenbisse und giftige Pilze. Bei
Lähmungen dient er in der Form des Meths, dessen Nütz-
lichkeit auch in andern Fällen hinlänglich bekannt ist.
Mit Rosenessenz wird der Honig in die Ohren getröpfelt;
Nisse und Ungeziefer auf dem Kopfe vertilgt er. Zweck-
mässiger bedient man sich immer des abgeschäumten; es
muss jedoch bemerkt werden, dass er den Magen aufblähet
die Galle vermehrt, Ekel verursacht, und, wie manche glauben,
den Augen schadet. Andere dagegen empfehlen ihn zum
«) XI. B. 6. Cap.
Zweiundzwanzigstes Buch. 163
Bestreichen gescliworener Augenwinkel Von den verschie-
denen Sorten des Honigs, ihrem Vaterlande u. s. w. haben
wir bereits bei den Bienen und Blumen gesprochen, i) denn
die Anlage unseres Werkes machte es nöthig, für diejenigen,
welche die Naturdinge kennen lernen wollen, das zu ver-
theilen, was wir nun wiederum verbinden.
51.
Bei Gelegenheit des Honigs müssen wir auch des
Wassermeths gedenken, von dem man zwei Arten, frischen
und alten, unterscheidet. Der aus abgeschäumtem Honig
schnell bereitete, eignet sich vorzüglich zu leichter Kranken-
speise, nämlich zu gewaschener Alica, um die verlorenen
Kräfte wieder zu ersetzen, Mund und Magen geschmeidig
zu machen, und die Hitze zu vertreiben; denn die Schrift-
steller sagen, er müsse, um den Leib zu erweichen, kalt
getrunken werden. Desselben Trankes sollen sich Frostige,
Kleinmüthige und Aengstliche (denen man den Namen
Mikropsychi-) gegeben hat) bedienen. Plato stellte nämlich
mit grossem Scharfsinn den Satz auf, dass das Glatte,
Rauhe, Eckige und Runde der Körper zu der (ähnlichen)
Beschaffenheit anderer mehr oder weniger passe; daher
ein und dasselbe nicht für einen Jeden bitter oder süss sei.
So sollen auch müde und durstige Menschen leichter zum
Jähzorn geneigt sein. Daher wird jene Rauheit des Geistes
oder vielmehr des Athems durch einen süssen Saft gemildert.
Er erleichtert den Durchgang der Luft, denn er macht den
Weg weich und hindert die Unterbrechung im Ein- und
Ausathmen. Ein Jeder kann an sich selbst die Erfahrung
machen, denn Zorn, Betrübniss und alle Art Gemüthsbewe-
gungen werden durch seinen Genuss gemildert. Wir sehen
also, dass auch diejenigen Mittel Beachtung verdienen,
welche nicht bloss den Körper heilen, sondern auch die
Sitten verbessern.
•) Im XI. und XXI. Buche.
2) von /xixQoq klein und xpi'xv die Seele.
iß^ Zweiundzwanzigstes Buch.
52.
Der Wassermeth vertreibt den Husten; erwärmt be-
fördert er das Brechen. Die giftige Wirkung des Bleiweisses
vernichtet er mit Zusatz von Oel; die des Bilsen mit Esels-
milcli und, wie bereits angeführt, des Halicacabum. ') Man
tröpfelt ihn in die Obren und in die Fistelscbäden der
Gescblechtstbeile. Auf die weiblicbe Scbaam, plötzlicb
entstehende Gescbwulste und Verrenkungen wird er zur
Linderung mit weichem Brot gelegt. Spätere Autoren
verbieten den Gebraucb des alten Metbs, denn er sei scbäd-
licber als Wasser und weniger kräftig als Wein. Durcb
sehr langes Liegen aber verwandelt er sich bekanntlicb in
Wein, scbadet jedoch aucli dem Magen und den Nerven.
53.
Metb aus altem Wein ist immer der beste und lässt
sich mit Honig am leichtesten vereinigen, was bei dem
süssen niemals angeht. Der aus herbem Weine, sowie der
aus gekochtem Honig bereitete, beschwert den Magen nicht,
macht auch, was sonst häufig geschieht, keine Blähungen,
und stellt den Appetit nach Speisen wieder her. Kalt
getrunken macht er Oeffnung, warm bei den Meisten Ver-
stopfung, und giebt dem Körper Stärke und Festigkeit.
Viele haben bloss durch den Genuss des Weinmeths und
nichts anderem ein hohes Alter erreicht. Unter diesen ist
Pollio Romilius ein berühmtes Beispieh Als derselbe, nach
bereits zurückgelegtem hundertstem Lebensjahre, einst beim
Kaisei Augustus zu Gaste war, und dieser ihn fragte, wo-
durch er sich so lebenskräftigen Geist und Körper erhalten
hätte, antwortete er: innerlich durch Weiumeth, äusserlieh
durch Oel. Varro sagt, die Gelbsucht sei deshalb die
königliche Krankheit 2) genannt worden, weil sie mittelst
Weinmeth curirt werde.
54.
Wie der aus Honig und Most bestehende Honigtrank
«) Im XXI. B. 105. Cap.
*) morbus arquatus.
Zweiundzwanzigstes Buch. Iß5
bereitet wird, haben wir bei der Beschreibung des Weines
mitgetheilt.i) Ich glaube, dass dieses so leicht Blähungen
verursachende Getränk schon seit Jahrhunderten nicht
mehr gemacht wird. Man gab es gewöhnlich alt bei
Fiebern zur Oeifuung, ferner in der Gliederkrankbeit, Per-
sonen, welche schwache Nerven haben und Weibern, die
keinen Wein trinken.
55.
An den Honig knüpft sich zunächst das Wachs, über
dessen Ursprung, Güte, Sorten wir bereits gesprochen
haben. 2) Alles Wachs, besonders das frische, erweicht
erwärmt und füllt den Körper aus. Man giebt es in einer
Brühe gegen die Ruhr, auch die Waben selbst in einem
Brei von gerösteter Alica. Es widersteht von Natur
der Milch , und wenn man 10 Hirsekörner grosse Krumen
Wachs einnimmt, so wird die Gerinnung der Milch im
Magen verhindert. Die Geschwulst der Schaamtheile
kann durch Auflegen von Wachs auf die Haare vertrieben
werden.
56.
Die verschiedenen medicinischen Anwendungen, deren
das Wachs mit andern Stoffen verbunden fähig ist, lassen
sich ebenso wenig aufzählen, wie die der übrigen Mittel in
ihren Mischungen. Sie beruhen, wie wir gesagt haben, 3)
alle auf dem Erfindungsgeiste, denn die Gerate, Umschläge,
Pflaster, Augeiisalben und Gegengifte sind keine Geburten
jener göttlichen Schöpferin, sondern der Officinen oder,
richtiger gesagt, der Habsucht. Die Werke der Natur gehen
fertig und vollkommen aus ihrem Schoosse hervor; nur
wenige Stoffe dienen aus Gründen, nicht aus Muthmaas-
sungen, zu ihrer Bildung, um das Trockne mit dem Feuchten
oder in andern Fällen das Feuchte mit dem Trocknen
zweckmässig zu verschmelzen. Aber die Kräfte nach
») Im XIV. Buche.
2) XXI. B. 49. Cap.
3) In diesem Buche. Cap. 49.
IßQ Zweiundzwanzigstes Buch.
Scrupelgewicht zu sammeln und zu vermischen, ist nicht
das Werk menschlicher Deutung, sondern der Unverschämt-
heit. Wir benutzen weder die Arzneikräfte der indischen
und arabischen Waaren , noch die der aus entferntem
Ländern kommenden; wir lieben so entfernt wachsende
Heilmittel, die unserm Vaterlande fehlen, nicht, aber auch
bei jenen Bewohnern sind sie nicht beliebt, denn sonst
würden sie sie nicht verkaufen. Zu Parfümen, Salben und
anderen Luxus-Gegenständen, selbst aus Aberglauben mag
man sie kaufen, denn wir huldigen den Göttern mit
Weihrauch und Kostus. Dass die Gesundheit auch ohne
dieselben bestehen könne, wollen wir besonders desshalb
beweisen, damit sich der Luxus seiner selbst wegen schäme.
57.
Nachdem wir nun die Heilkräfte der Blumen, Kranz,-
Garten- und essbareu Kräuter augeführt haben, wäre es
wohl billig, der Feldfrüchte nicht zu gedenken? Nein,
auch diese verdienen berücksichtigt zu werden. Bekanntlich
sind diejenigen Thiere, welche von Feldfrüchten leben, am
klügsten. Geröstete und mit ammineischem Weine geriebene
Körner vom Siligo stillen äusserlich angewandt, die Augen-
flüsse, in eisernem Geschirr geröstete Triticum-Köruer aber
sind ein bewährtes Mittel gegen erfrorene Glieder. Mit
Essig gekochtes Weizenmehl heilt Nerven- Contractionen,
die Kleien aber wendet man mit Rosenessenz, trocknen
Feigen und gekochten Sebesten als Gurgelwasser für ge-
schwollene Mandeln und Hals an. Als Sextus Pomponius,
der Vater des gewesenen Prätors und vornehmste Mann
im diesseitigen Spanien, einst in seiner Scheune sass, wo
man Getreide umstach, und vom Podagra sehr geplagt
wurde, steckte er die Beine bis über die Knie in den
Weizen, wodurch dieselben trocken wurden und er sich so
bedeutend erleichtert fühlte, dass er sich dieses Mittels
auch nachher bediente. Seine Kraft ist so gross, dass er
volle Weinfässer austrocknet. Auch empfehlen erfahrene
Männer, warme Spreu vom Weizen oder Gerste auf Brüche
zu legen, und mit der Abkochung davon Umschläge zu
Zweiundzwänzigstes Buch. 167
machen. In demFav findet sich eine Art Holzwurm, welcher
mit Wachs in hohle Zähne gesteckt oder auch daran ge-
rieben bewirkt, dass dieselben ausfallen. Was Olyra oder
Arinca genannt wird, haben wir schon angezeigt, i) Hiervon
bereitet man eine Arznei, wxlche die Aegypter Athera
nennen, und die sich besonders für Kinder eignet; doch
legt man sie auch erwachsenen Personen auf.
58.
Das Mehl der Gerste zertheilt, lindert und reift roh
oder gekocht Anschwellungen und sonstige Anfälle. Ausser-
dem kocht man es mit Wassermeth oder trocknen Feigen.
Gegen Leberschmerzen muss man es mit saurem oder gutem
Weine absieden. Verfährt man aber beim Kochen und Zu-
richten mit Sorgfalt, so geschieht es besser mit Essig,
Essighefen, gesottenen Quitten oder Birnen. Wider die
Bisse der Asseln gebraucht man es mit Honig, wider die
der Schlangen mit Essig, zur Reinigung eiternder Gesebwüre
mit saurem Wein, Harz und Galläpfeln; zum Reifen alter
Geschwüre mit Harz, gegen Verhärtungen mit Taubenmist,
trocknen Feigen oder Asche; gegen Entzündungen der
Nerven, Eingeweide und Seiten, Schmerzen des männlichen
Gliedes und wenn sich das Fleisch von den Knochen ab-
löst, mit Mohn oder Steinklee; gegen Kröpfe mit Pech und
dem Harn eines unmündigen Knaben, sowie mit Oel; gegen
Brustanschwellungen mit Bockshorn; gegen Fieber mit
Honig oder altem Fett. Für Eiterwunden eignet sich das
Weizenmehl wegen seiner Milde besser. Mit Bilsensaft
vermischt streicht man es auf die Sehnen, mit Essig und
Honig auf Sommersprossen. Das Mehl der Zea, welche,
wie wir schon früher gesagt haben, 2) die Alica liefert,
scheint noch wirksamer zu sein als das Gerstenmehl. Die
nach drei Monaten reifende Art ist aber zarter. Gegen
Scorpionstiche, Blutspeien und Fehler der Luftröhre wird
es in rothem Wein erwärmt; gegen Husten mit Bockstalg
») XVIII. B. 19 Cap.
2) XVIII. B. 29. Cap.
168 Zweiundzwanzigstes Buch.
der Butter. Der Bockshorn liefert das allerzarteste Mehl;
es heilt mit Wein und Katron gekocht fliessende Geschwüre,
Schuppen am Körper, Magenschmerzen, wehe Ftisse und
Brüste. Mehl von Aera reinigt und heilt am besten alte
Geschwüre und Krebsschäden, mit Rettig, Salz und Essig
Flechten, mit natürlichem Schwefel die Krätze, und mit
Gänsefett auf die Stirn gelegt Kopfweh. Mit Taubenmist,
Leinsamen und Wein gesotten, zertheilt es Kröpfe und
andere Geschwulste.
59.
Von den verschiedenen Arten Polen ta haben wir unter
den Feldfrüchten in Bezug auf die Länder, wo sie bereitet
werden, hinreichend gesprochen, i) Sie unterscheiden sich
von dem Gerstenmehle dadurch, dass sie gedörrt werden,
und sind daher zuträglich für den Magen. Sie hemmen
den Durchfall ucd heilen entzündliche Geschwulste. Mit
Minze oder anderen kühlenden Kräutern legt man sie wider
schlimme Augen und Kopfweh auf, mit Wein auf Frostbeulen,
Schlangenbisse und Brandschäden.
60.
Das feine Staubmehl besitzt die Kraft, Feuchtigkeiten
anzuziehen, daher es von mit Blut unterlaufenen Stellen
das Blut bis in die Binden führt; durch dickgekochten
Most wird seine Wirkung erhöhet. Man legt es auch auf
Fussbeulen und Leichdornen. Mit altem Oele und Pech
gekocht und so warm als möglich auf Geschwulste und
andere Uebel des Afters gelegt, heilt es dieselben auf
bewunderungswerthe Weise. Der davon bereitete Brei
macht den Körper stark. Das Mehl, womit das Papier
zusammen geklebt wird, giebt man als Suppe zweck-
mässig gegen Blutspeien.
6L
Die Alica wurde vor nicht sehr langer Zeit von den
Eömern erfunden; sonst hätten die Griechen ihre Ptisane,
«) XVIII. B. 14. Cap.
• Zweiundzwanzigstes Buch. 169
nicht so sehr gerühmt. Ich glaube, sie war noch nicht
einmal zur Zeit des grossen Pompejus in Gebrauch, daher
die asclepiadische Schule kaum etwas Schriftliches von ihr
aufzuweisen hat. Niemand stellt in Abrede, dass sie sehr
brauchbar ist; man giebt sie entweder gewaschen mit
Wassermeth oder zur Brühe gekocht oder auch als dicken
Brei. Zur Hemmung des Durchfalls wird sie erst geröstet
und hierauf mit dem Wachse der Bienenwaben gekocht,
wie wir oben gesagt haben. Besonders wohltliätig wirkt
sie auf solche, welche in Folge einer langen Krankheit ab-
gezehrt sind; zu diesem Behuf kocht man 3 Becher voll
davon mit 1 Sextarins Wasser langsam so lange ein, bis
alles Wasser verdampft ist, setzt dann 1 Sextarins Ziegen-
oder Schafmilch während eines Zeitraumes von mehreren
Tagen, und endlich Honig hinzu. Dieser Trank ist gut
gegen Entkräftung.
62.
Die Hirse stopft und vertreibt das Bauchgrimmen,
wenn sie zuvor geröstet wird. Bei Schmerzen der Nerven
und anderen Theilen legt man sie heiss in einem Säckchen
auf, und sie ist wegen ihrer Leichtigkeit, Zartheit und
Fähigkeit, die Hitze an sich zu halten, zu diesem Zwecke
das beste Mittel, wird daher in allen Fällen, wo Wärme
von Nutzen ist, angewandt. Fein gestossen und mit Theer
vermischt, legt man sie auf Wunden, die durch Schlangen
und Asseln entstanden sind.
63.
Das Panicum nennt der Arzt Diocles den Honig der
Feldfrüchte. Es besitzt dieselben Wirkungen wie die Hirse;
mit Wein genommen heilt es die Ruhr, auch wird es, gleich
jener, erwärmt auf solche Theile gelegt, die heiss werden
sollen. Mit Ziegenmilch gekocht uud täglich zweimal davon
getrunken hemmt es den Durchfall und vertreibt das
Bauchweh.
64.
Der Sesam wird zerrieben mit Wein wider das Er-
brechen eingenommen. Er wird auf entzündete Ohren und
^^YO Zweiundzwanzigstes Buch.
Brandwunden gelegt, und zwar schon mit demselben
o-iinstigen Erfolge, wenn er auch erst Blätter getrieben hat.
Ferner legt man ihn in AVein gekocht auf die Augen.
Für den Magen taucht er nicht, macht auch den Athem
übelriechend, ist aber gut wider die Bisse der Sterneidechsen
und die sogenannten unheilbaren Geschwüre. Das daraus
bereitete Oel tröpfelt man in die Ohren. Das Kraut
Sesamoidesi) verdankt seinen Namen der Aehnlichkeit
mit jenem; es hat aber kleinere Blätter, bittere Samen und
wächst an kiesigen Stellen. Mit Wasser genommen führt
es die Galle ab; der Same wird auf die Rose gelegt, ver-
theilt auch die Fettbeulen. — Noch ein anderes ähnliches
Kraut wächst zu Anticyra, hat daher von einigen den
Namen Anticyricum bekommen, sieht übrigens fast wie
das Erigeron, von dem wir später reden werden, aus,
und trägt Samen wie der Sesam. Man giebt davon soviel
man mit drei Fingern fassen kann mit süssem Wein zum
Abführen, setzt auch wohl anderthalb Obolen weisse Nies-
wurz hinzu und verordnet diess Purgirmittel besonders den
an Wahnsinn, Melancholie, Epilepsie und Podagra Leidenden.
Auch für sich allein zu 1 Drachme genommen macht es
Ausleerung.
65.
Die beste Gerste ist die hellste. Sie wird mit Regen-
wasser gekocht, in Kügelchen geformt, und diese gegen
innerliche Geschwüre und kranke Gebärmutter eingenommen.
Die durch Verbrennen gewonnene Asche streuet man auf
Brandwunden, auf Fleisch was sich von den Knochen
ablöst, auf Schleimflüsse und Biss wunden der Spitzmäuse;
mit Salz und Honig vermischt dient sie um die Zähne
weiss und glänzend und den Athem wohlriechend zu macheu.
Wer Gerstenbrot isst, soll keine Fusskrankheit bekommen.
Ferner wird angegeben, wenn man neun Gerstenkörner in die
') Aubrietia deltoidea Dec. — Dioscorides unterscheidet noch
ein grosses Sesamoides, welches Reseda undata L., und vielleicht
das Anticyricum des Plinius ist.
Zweiundzwanzigstes Buch. 171
liuke Hand nehme, dreimal damit um entzündliche Geschwüre
fahre und sie dann ins Feuer werfe, so erfolge sofortige
Heilung. — Ein anderes Kraut, welches die Griechen das
phöuicischei) nennen, heisst bei uns Mauergerste; es
befördert zerrieben und mit Wein getrunken die monatliche
Reinigung.
66.
Alle Lobsprüche auf die aus der Gerste bereitete
Ptisana, welche Hippocrates in einem Buche niedergelegt
bat, gehen nunmehr auf die Alica über, denn um wie viel
unschädlicher ist diese? Hippocrates rühmte jene zum l'ranke,
weil sie wegen ihrer Schlüpfrigkeit leicht zu nehmen sei,
den Durst stille, keine Blähungen verursache, leicht wieder
abginge und denen, welche daran gewöhnt sind, bei Fiebern
zweimal des Tages als einzige Nahrung gegeben werden
könne; so sehr wich er von denen ab, welche durch Hunger
die Kranken curiren. Er warnte jedoch vor dem Genüsse
des ganzen Breies, sondern empfahl nur die Brühe davon,
und Hess, so lange die Füsse kalt waren, auch diese nicht
einmal trinken. Aus dem Weizen bereitet man eine Ptisane,
welche klebriger ist und gegen Geschwüre in der Luftröhre
mit günstigem Erfolge gebraucht wird.
67.
Das Stärkmehl macht blöde Augen, und ist, gegen
die gewöhnliche Ansicht, schädlich für den Hals. Ferner
hemmt es den Durchfall, wirkt den Augenflüssen entgegen,
heilt Geschwüre, Blutblasen und Blutflüsse, und erweicht
harte Backen. Gegen Blutspeien wird es mit einem Eie,
gegen Blasenschmerzen zu 1/2 Unze mit einem Eie und drei
Unzen Rosinenwein erwärmt, nach dem Bade genommen.
Auch das in Essig gekochte Mehl des Hafers vertreibt
Muttermale.
Selbst das Brot, wovon man lebt, dient in unzähligen
Fällen als Arzneimittel. Mit Wasser und Oel oder Rosen-
•) Ist Lolium perenne L.
172 Zweiundzwanzigstes Buch.
essenz vermengt erweicht es allerlei Anschwellungen, und
mit Wassermeth am besten die Verhärtungen. Mit Wein
gieht man es, um alles was im Umsichfressen gehemmt
werden muss, zu vertheilen, und bei grösserer Gefahr mit
Essig gegen die scharfen Schleimflüsse, welche die Griechen
Rheumatismen nennen. Desgleichen bei Schlagwunden und
Verrenkungen, Zu allen diesen Zwecken verdient das
gesäuerte Brot, welches man selbstgebackenes i) nennt, den
Vorzug. In Essig geweicht legt man es auf Nietnägel und
Fussschwielen. Altes Brot oder Schiffszwieback hemmt,
gestossen und abermals gebacken, den Durchfall. Diejenigen,
welche eine reine Stimme behalten wollen, und an Schnupfen
Leidende müssen es bei Tische immer zuerst und zwar
trocken essen. Brot von dreimonatlichem Getreide heilt
mit Honig die Schlagwunden und Schuppen im Gesichte
am besten. Weissbrot in warmes oder kaltes Wasser ge-
weicht ist für Kranke die leichteste Speise. Mit Wein
legt man es auf geschwollene Augen; in eben derselben
Form oder mit Zusatz von trockner Myrte auf Blasen am
Kopfe. Menschen, welche zittern, sollen gleich nach dem
Bade nüchtern Brot und Wasser verzehren. Im Schlaf-
zimmer verbrannt vertreibt es den üblen Geruch; der Wein
wird durch Einhängen eines mit Brot gefüllten Beutels
verbessert.
69.
Auch die Bohne wird als Medicament gebraucht.
Ganz geröstet und noch heiss in scharfen Essig geworfen,
vertreibt sie das Bauchgrimmen. Zerrieben und mit Knob-
lauch gekocht wird sie wider unheilbaren Husten und Ge-
schwüre in der Brust täglich genossen, auch mit nüchternem
Munde gekauet auf hitzige Geschwüre zum Reifen und
Vertheilen, und in Wein gekocht aufgeschwollene Geschlechts-
theile gelegt. Mit Bohnenmehlbrei, welcher mit Essig
bereitet worden, bringt man Geschwulste zur Oeffnung und
Reife, heilt auch damit blaue Flecken und Brandwunden.
•) autopyrus.
Zweiundzwanzigstes Buch. I73
VaiTO giebt an, durch Bohnen würde die Stimme hell und
rein. Die Asche von Bohnenstengeln und Hülsen wird mit
altem Schweinefett vermischt, zweckmässig gegen Hüft-
und anhaltende Nervenschmerzen aufgelegt. Die Hülsen
allein hemmen, zum dritten Theile eingekocht, den Durchfall.
70.
Die besten Linsen sind die, welche sich leicht weich
kochen und viel Wasser verschlucken. Sie vermindern
zwar die Schärfe der Augen und verursachen Blähungen,
hemmen aber verspeist, wenn sie mit Regenwasser gekocht
sind, den Durchfall; öffnen dagegen, sobald sie noch nicht
völlig weich geworden. Sie öffnen den auf den Geschwüren
sitzenden Schorf, reinigen die Fehler des Mundes und heilen
sie. Alle Arten von Anhäufungen, besonders die eiterigen
und rissigen, vertreiben sie aufgelegt; die Augeufiüsse mit
Steinklee und Quitten. Mit Polenta gebraucht man sie
äusserlich gegen Schwären. Die davon erhaltene Abkochung
wendet man bei Geschwüren des Mundes und der Geschlehts-
theile an, für den After mit Rosenessenz oder Quitten;
gegen Uebel, welche ein kräftigeres Mittel erfordern, mit
Granatapfelschale und Honig an, wozu noch, um das rasche
Trocknen zu verhüten, Ruukelrübenblätter gesetzt werden.
In Essig gekocht legt man sie auf Kröpfe und Fettge-
schwulste, die entweder schon reif sind oder erst werden;
mit Wassermeth bereitet auf Risse, mit Grauatsehalen auf
Krebsschäden; mit Pofenta auf das Zipperleiu, die weibliche
Schaam, Nieren, Frostbeulen und schwierig vernarbende
Geschwüre. Gegen Schwäche des Magens nimmt mau 30
Liusenkörner ein. Bei der Galleusucht und Ruhr ist ihre
Wirkung kräftiger, wenn sie drei mal in Wasser gekocht
und noch besser, wenn sie zuvor gedörrt und gestossen
werden, damit sie möglichst fein vertheilt in den IMageu
gelangen; in diesen Fällen wendet man sie nun entweder
für sich allein, oder mit Quitten, Birnen, Myrte, wilder
Endivie, schwarzer Bete oder Wegebreit an. Schädlich
sind die Linsen für die Lunge, Nerven, Galle, bei Kopfweh,
bewirken auch Schlaflosigkeit, zeigen sich aber, in Meer-
274 Zweiundzwanzigstes Buch.
wasser gekocht, wirksam für Bläschen, die Rose uud Brüste,
und vertheilen in Essig gekocht Verhärtungen uud Kröpfe.
Für den Magen streuet man sie, gleich der Polenta, in den
Trank. In Wasser halb weich gekocht, dann zerrieben
und durch ein Sieb von den Hülsen befreit benutzt man
sie gegen Brandschäden , und wenn die Heilung schon
voranschreitet, setzt man noch Honig hinzu. Für die Kehle
kocht man sie mit saurem Wein. — Es giebt auch Sumpf-
linsen 1), welche wild, in stehenden Gewässern vorkommen,
kühlende Eigenschaften besitzen, und daher für sich allein
oder mit Polenta gegen Geschwulste und Podagra aufgelegt
werden. Auch befestigen sie die vortretenden Eingeweide.
71.
Zu den wilden Linsen gehört auch die Art, welche
von den Griechen Drehlinse,^) von Anderen Sphacus
genannt wird; sie ist leichter als die angebauete, hat kleinere,
trocknere, und geruch vollere Blätter. Eine zweite Abart
dieser wilden riecht unangenehm, ist aber milder, hat
Blätter ähnlich denen der Quitte, aber kleiner und heller
von Farbe; man siedet dieselben mit den Zweigen ab.
Sie befördert den Monatsfluss und das Harnen, und heilt
die Stiche des Stachelrochen, lähmt aber die gestochene
Stelle. Man trinkt sie mit Wermuth für die Ruhr. Mit
Wein befördert sie die Menstruation, ist aber der Blutfluss
zu stark, so trinkt man einen Absud davon. Das Kraut
stillt für sich aufgelegt das Bluten der Wunden. Heilt
auch die Schlangenbisse und vertreibt in Wein gekocht
das Jucken der Hoden. Unsere jetzigen Kräuterkenner
nennen die Drehlinse Salvia und sagen, sie sei der Minze
ähnlich, graufilzig und rieche stark. Aufgelegt befördert
sie den Abgang todter Kinder, vertreibt die Würmer aus
den Ohren und Geschwüren.
72.
Auch die Kichererbse wächst wild, hat der ange-
') Lens palustris. Lemna minor L.
2) elelisphacus. Salvia pomifera, calycina und officinalis L.
vorzüglich aber die erstere Art.
Zweiundzwanzigstes Buch. 175
baueten ähnliche Blätter und einen unangenehmen Geruch.
In reichlicher Gabe genommen, öffnet sie den Leib, vertreibt
Blähungen und Bauchgrimmen, wird jedoch im gerösteten
Zustande für wirksamer gehalten. Die kleine Kicher
leistet noch bessere Dienste für den Leib. Das Mehl von
beiden, besonders der wilden, heilt nasse Kopfgeschwüre,
Epilepsie, Lebergeschwulste und Schlangenbisse. Den
Monatsfluss und das Harnen befördert am besten der Same.
Mau heilt damit Flechten, entzündete Hoden, Gelbsucht und
Wassersucht, schadet aber damit eitrigen Nieren und Blasen.
Gegen Krebs und sogenannte unheilbare Geschwüre bedient
man sich ihrer besser mit Honig. Zur Vertreibung aller
Arten von Warzen berührt man im Neumonde eine jede
mit einem besondern Samenkorne der Kicher, bindet dann
diese Körner in ein Läppchen, wirft sie hinter sich, und
glaubt, dass das Uebel nun fortgehe, l^ömische Schrift-
steller verordnen gegen Harnstrenge, die Widderkicheri)
mit Salz und Wasser zu kochen und zwei Becher davon zu
trinken. In derselben Form treibt sie auch die Blasensteine
ab und heilt die Gelbsucht. Der aus den Blättern und
Zweigen durch Kochen mit Wasser bereitete Brei heilt, so
warm als möglich übergeschlagen, die Krankheiten der
Füsse, zu welchem Behuf man auch die ganze Pflanze
zerreibt und erwärmt. Die Taubenkicher mit Wasser gekocht
soll den Schauer im drei- und viertägigen Fieber vertreiben;
die schwarze aber mit der Hälfte Galläpfel und Rosinen -
wein vermischt heilt die Augengeschwüre.
73.
Von der Erve haben wir bereits Einiges mitgeth'eilt^).
Die Alten hielten sie für ebenso wirksam als den Kohl.
Sie dient mit Essig gegen die Bisse der Schlangen, Kroko-
dile und Menschen. Wer täglich nüchtern Erven isst,
verliert nach Versicherung der glaubwürdigsten Schriftsteller
die Milz. Das Mehl vertreibt Maale und Flecken am ganzen
>) d. h. dessen Same einige Aehnlichkeit mit einem Widderkopfe
hat. 2) XVIir. B. 38 Cap.
j^yg Zweiundzwanzigstes Buch.
Körper, bindert das Umsicbfressen der Geschwüre, bietet
ein vortreffliches Heilmittel für die Brüste dar und öffnet
mit Zusatz von Wein die Feuerbeulen. Geröstet und zu
einer Haselnuss gross mit Honig vermischt eingenommen
ist sie ein gutes Mittel gegen Harnstrenge, Blähungen,
Leberleiden, Stuhlzwang, Schwindsucht, und mit Essig ge-
kocht aufgelegt und am vierten Tage abgenommen, gegen
Flechten. Mit Honig auf Fettbeulen applicirt verhindert
sie das Schwären derselben. Umschläge von Wasser, worin
Erven gekocht worden, heilen die Frostbeulen und das Jucken.
Wer täglich nüchtern Erventrank zu sich nimmt, soll am
ganzen Körper eine bessere Farbe bekommen. Als Speise
ist sie nicht sehr zu empfehlen, denn sie erregt Brechen,
Bauchgrimmen, beschwert den Kopf und Magen und ermüdet
die Kuiee. Durch mehrtägiges Einweichen wird sie dagegen
milde, ist ein gutes Futter für das Rind- und übrige Zug-
vieh. Die grünen weichen Hülsen, Stengel und Blätter können
zerrieben zum Schwarzfärben der Haare angewandt werden.
74.
Es giebt auch w'ilde Wolfsbohnen; sie stehen in jeder
Beziehung den angebaueten nach, sind aber bitterer. Unter
allen Feldfrüchten wiegt keine im trocknen Zustande leichter,
und ist nützlicher. Durch Asche oder warmes Wasser werden
sie milde. Wer sie oft isst, bekommt eine frische Farbe.
Die bittern sind gut wider die Giftschlangen. Getrocknet,
abgeschält, zerrieben und. in einem Tuche eingeschlagen
aufgelegt, machen sie die Stellen, wo sich schwarze Ge-
schwüre befinden, wieder gesund. In Essig gesotten ver-
theilen sie Kröpfe und Ohrengeschwüre. Die mit Raute und
Pfeffer bereitete Abkochung giebt man Personen unter 30
Jahren selbst im Fieber zur Abtreibung der Würmer; Knaben
legt mau sie nüchtern auf den Leib, röstet sie auch und
lässt sie mit gesottenem Most oder Honig einnehmen. Sie
machen Appetit und benehmen den Ekel. Das i\[ehl wird
mit Essig vermengt beim Baden wider die Blattern und das
Jucken aufgelegt, trocknet auch, für sich angewandt, die
Geschwüre aus. Es vertreibt die blauen Flecken und mit
Zweiundzwanzigstes Buch. 177
Polenta die Entzündungen. Die wilde Art besitzt grössere
Wirksamkeit gegen Schwäche in den Hüften und Lenden.
Der Absud davon vertreibt durch Brühen die Sommersprossen
und sonstigen Hautfehler; kocht man aber bis zur Honig-
dicke ein, so nimmt selbst die angebauete die schwarzen
Hautflecken und den Schorf weg. Die zahmen Wolfsbohnen
öffnen auch aufgelegt die Karbunkeln, vermindern die Fett-
beulen und Kröpfe oder machen sie reif, und verleihen mit
Essig gekocht den Narben die weisse Farbe wieder; siedet
mau sie aber mit Regenwasser, so bekommt man eine Art
Salbe, welche man mit bestem Erfolge gegen Krebs, Schleim-
ausbrüche und eiternde Geschwüre anwendet. Für die Milz
und den stockenden Mouatsfluss werden sie mit Honig ein-
genommen; im ersten Falle auch roh mit trocknen Feigen in
Essig vermischt aufgelegt. Die Wurzel befördert, in Wasser
gekocht, das Harnen. Als Vieharznei werden die Wolfsbohnen
mit dem Kraute Chamaeleon gekocht und in das Getränk
gethan. Mit Oelschaum gekocht, oder für sich gesotten und
mit ersterem vermischt heilen sie die Räude aller vier-
füssigen Thiere. Der beim Brennen derselben aufsteigende
Rauch tödtet die Mücken.
75.
Bei Beschreibung der Feldfrüchte haben wir gesagt i),
dass der Irio dem Sesam ähnlich sei, von den Griechen
Erysimum und von den Galliern Vela genannt werde. Er
ist strauchig, hat Blätter wie die Eruca, nur etwas schmäler,
und Samen wie das Nasturtium. Man gebraucht ihn mit
Honig gegen Husten und eitrigen Brustauswurf; ferner gegen
Gelbsucht, Lenden-, Seiten-, Bauchweh und Verstopfung.
Wider Ohrengeschwüre, Krebs und entzündete Hoden legt
man ihn mit Wasser, sonst mit Honig auf. Auch Kindern
bekommt er gut; auf kranken After und Gliederleiden
wendet man ihn mit Honig und Feigen an. Als Trank ist
er wider Gifte wirksam. Leute, die mit Engbrüstigkeit uud
«) XVIII. ß. 22. Cap.
Wittstein: Plinius. IV. Bd. 12
J78 Zweiundzwanzigstes Buch.
Fistelschäden behaftet sind, müssen sieh derselben mit altem
Fett, jedoch nicht innerlich, bedienen.
76.
Das Horminum hat (wie erwähnt i) im Samen Aehn-
lichkeit mit dem Rosskümmel, sieht übrigens dem Porrum
gleich und wird eine Spanne hoch. Es giebt 2 Arten, deren
eine mit dunklerm, länglichem Samen, als Reizmittel zum
Beischlaf, für entzündete nnd blöde Augen gebraucht wird.
Die andere Art hat weisse runde Samen. Beide ziehen,
zerstossen und mit Wasser aufgelegt, die Splitter aus dem
Körper, die Blätter werden mit Essig oder mit Honig zum
Vertheilen der Fettbeulen, feurigen Geschwulste, bevor die-
selben eine Spitze bekommen, und jede Art von Schärfe
aufgelegt.
77.
Selbst Kräuter, welche den Feldfrüchten verderblich
sind, wendet man arzneilich an. So wird der Lolch 2), den
Virgil den unglücklichen nennt, gemahlen, mit Essig ge-
kocht und gegen Räude aufgelegt; die Heilung erfolgt um
so schneller, je öfter mit dem Umschlage gewechselt wird.
Auch mit Sauerhonig dient er für Podagra und andere
Schmerzen. Diese Behandlung ist von andern verschiedeu;
man muss nämlich auf 2 Unzen Honig 1 Sextarius Essig
nehmen, von diesem Gemisch 3 Sextarieu mit 2 Sextarieu
Lolchmehl dick einkochen, und die Masse noch warm auf
die schmerzenden Theile legen. Elx'n dieses Mehl zieht
auch zerbrochene Knochen aus dem Körper.
78.
Hirsetodä) nennt man ein Kraut, welches die Hirse
erstickt. Es soll zerrieben und mit Wein in ein Hörn ein-
gegossen die kranken Beine des Zugviehes heilen.
79.
Der Bromus^) ist ein ährentragendes Gewächs; welches
') XVIII. B. 22. Cap.
2) Lolium. L. temulentum L.
3) miliaria. Wahrscheinlich eine Cuscuta.
■*) Bromus secalinus L. und ähnliche Arten.
Zweiundzwanzigstes Buch. I79
ZU den dem Getreide schädlichen Gewächsen gehört, sieht
dem Hafer ähnlich und hat Blätter und Halm wie der Weizen.
An der Spitze hängen gleichsam kleine Heuschrecken herab i).
Der Same wird, wie die Gerste und ähnliche, zu Umschlägen
gebraucht.
80.
Orobanche^) nennen wir eine Pflanze, welche die Erve
und Hülsenfrüchte erstickt; Andere nennen dieselbe wegen
ihrer Aehulichkeit mit dem Zeugungsglied der Hunde, Hunde-
glied3). Der Stengel ist saftlos und bei den Blättern röth-
lich. Das noch junge und zarte Gewächs wird gekocht und
aus Schüsseln gegessen.
81.
Auf den Hülsenfrüchten kommen auch kleine gif-
tige Thiere aus dem Geschlechte der Giftameisen ^) vor,
welche in die Hände stechen und das Leben in Gefahr
bringen. Man gebraucht gegen diese dieselben Hülfsmittel,
wie gegen die Erdspinnen und ähnliche giftige Geschöpfe.
— Hiemit schliessen wir die Betrachtung der medicinisch
gebräuchlichen Feldfrüchte.
82.
Man bereitet aus ihnen auch ein Getränk, welches in
Aegypten Zythus, in Spanien Celia und Ceria, in Gallien
und andern Ländern cerevisia^) genannt wird, und dessen
Schaum (Hefe) die Haut im Gesichte der Frauen conservirt.
Was aber die Getränke selbst betrifft, so wollen wir jetzt
zur Betrachtung des Weines übergeheu und mit dem Wein-
stocke die Arzneien der Bäume vorzuführen anfangen.
') nämlich die grünlichen Aehrchen.
2) XVIII. B. 44 Cap. 3) Cynomorion.
^) solipugae. *) Bier.
12*
Dreiundswansigstes Buch.
Arzneimittel von den cultivirten Bäumen.
1.
Somit haben wir nun aucli die Betrachtung der Heil-
kräfte des Getreides, aller essbaren Kräuter und solcher,
welche der Blumen oder des Geruchs wegen aus der Erde
hervorkommen, vollständig durchgeführt. Hinter ihnen ist
aber Pomona nicht zurückgelieben, denn sie hat selbst
den hängenden Früchten Arzneikräfte verliehen, nicht da-
mit zufrieden, die genannten Gewächse im Schatten der
Bäume zu schützen und zu nähren, ja gleichsam entrüstet
darüber, dass die, welche weiter vom Himmel entfernt sind
und erst später in Gebrauch kamen, mehr Wirksamkeit
besitzen sollten; da bekanntlich die Menschen sich An-
fangs von den Bäumen ihre Nahrung holten und dadurch
veranlasst wurden, den Himmel anzuschauen, auch jetzt
noch ohne Feldfrüchte leben könnten.
2.
In der That stattete sie den Weinstock vor allem mit
Arzneikräften aus, obgleich sie ihm schon in dem Ompha-
cium, der Oeuanthe und Massaris (von denen bereits die
Rede war i) nicht wenig Annehmlichkeit und balsamischen
Duft gegeben hatte. „Von mir, spricht sie, rührt grössten-
theils die Annehmlichkeit des menschlichen Lebens her;
ich schaffe Traubensaft, Oel, Palmen, so viele Arten Obst,
') Till XU. B. 60. und 61. Cap.
Dreiundzwanzigstes Buch. X81
und alles diess nicht, wie die Erde, auf eine mühevolle
Weise durch Pflügen mit Stieren, Dreschen auf Tennen,
Zerkleinern zwischen Steinen, um endlich nach einer Reihe
von Arbeiten verspeisbar zu sein! Nein, von mir kommt
alles zubereitet; meine Erzeugnisse brauchen nicht müh-
sam gebauet zu werden, sondern bieten sich von selbst dar,
und fallen, wenn man sie nicht abnehmen will, auch so-
gar ab." Sie bat auch mit sieh selbst gewetteifert und
mehr zum Nutzen als zum Vergnügen geschaffen.
3.
Die Blätter und Ranken des Weinstocks lindern
mit Polenta Brustweh und Entzündungen, die Blätter
allein mit kaltem Wasser die Hitze im Magen, mit Ger-
stenmehl aber die Gliederkrankheiten. Die Ranken wer-
den zerrieben aufgelegt, um alle Arten von Geschwulsten
auszutrocknen; den Saft derselben gebraucht man inner-
lich gegen Ruhr. Die Thränen des Weinstocks, welche
eine Art Gummi sind, heilen mit Natron vermischt Schorf,
Flechte und Krätze; wirken mit Oel ins Haar gestrichen
haarvertilgend, noch besser aber bedient mau sich zu die-
sem Zweck, sowie zur Vertreibung der Warzen, der durch
Anzünden der grünen Weinreben ausschwitzenden Tropfen.
Die Rauken dienen im Tranke gegen Blutspeien und gegen
Ohnmächten der Frauen nach der Entbindung. Die Rinde
des Weinstocks und die trocknen Blätter stillen das Bluten
der Wunden und heilen die letztern zu. Der durch Stossen
der frischen weissen Weinrebe") erhaltene Saft vertreibt
die Flechte. Die Asche der jungen Schösslinge, Zweige
und Trester heilen mit Essig die Beulen und andere Uebel
des Afters, mit Rosenessenz, Raute und Essig Verren-
kungen, Brandschäden und die geschwollene Milz. Auch
wird sie ohne Oel mit Wein auf die Rose und durch
Reiben wundgewordene Stellen gelegt, sowie zur Vertil-
gung der Haare gebraucht. Ferner giebt mau für die
») 16. Cap.
182 Dreiundzwanzigstes Buch.
Milz einen Trank aus Weinrebenasehe, welche mit etwas
Essig versetzt worden ist, nämlich 2 Becher in lauwarmem
Wasser, wobei der Patient sich auf die Seite, wo die Milz
sitzt, legen muss. Selbst die Gabeln, mittelst deren der
Weinstock emporkriecht, vertreiben, mit Wasser genommen,
das öfter wiederkehrende Erbrechen. Die mit altem Fett
vermischte Asche des Weinstocks ist gut gegen Geschwulste,
reinigt die Fisteln und heilt sie bald, desgleichen die
durch Erkältung entstandenen Nervenschmerzen und Con-
tractionen, gequetschte Theile aber mit Oel, an den Kno-
chen ausgewachsenes Fleisch mit Essig und Natron, Scor-
pionstiche und Hundebisse mit Oel. Die Asche der Rinde
allein ruft auf verbrannten Stellen die Haare wieder hervor.
4.
Wie das Omphacium aus eben hervorsprossenden
Trauben bereitet wird, haben wir bei den Salben i) mit-
getheilt; jetzt wollen wir von seiner arzneilichen Anwen-
pung reden. Es heilt die feuchten Geschwüre des Mundes,
der Mandeln und Geschlechtstheile, macht klare Augen,
hilft auch gegen rauhe Wangen, geschworne Augenwinkel.
Nebelflecke, alle Arten triefender Geschwüre, verschrumpfte
Narben und schleimig eiternde Knochen. Mit Honig oder
Kosinenwein wirkt man seiner zu starken Kraft entgegen
Ferner dient es gegen Ruhr, Blutspeien und Bräune.
5.
Mit dem Omphacium ist die auf dem wilden Wein-
stocke vorkommende Oenanthe, von der wir ebenfalls bei
den Salben sprachen, verwandt. Die beste kommt in
Syrien, besonders auf den Bergen von Antiochien und
Laodicea an dem weissen Weinstocke vor; sie kühlt, zieht
zusammen, wird auf Wunden und den Magen gelegt, hilft
gegen Urinbeschwerden, Leberleiden, Kopfweh und Ruhr.
Um den Ekel zu vertreiben, nimmt mau 1 Obolus schwer
mit Essig. Sie trocknet fliessende Kopfwunden, wirkt sehr
kräftig gegen Uebel an feuchten Stellen, daher auch gegen
») XIII. B.
Dreiundzwanzigstes Buch. 183
Geschwüre im Muüde, an den Sehaamtheilen und am After
mit Honig und Safran. Sie hemmt den Durchfall, heilt den
Ausschlag auf den Wangeu und das Thränen der Augen,
mit Wein die Schwäche im Magen und mit kaltem Wasser
das Blutspeien. Ihre Asche benutzt man zu Augensalben,
zur Reinigung der Geschwüre, gegen Nietnägel und das
Fell auf dem Auge. Sie wird in einem Ofen so lange er-
hitzt, als zum Brotbacken nothig ist. Die Massaris dient
bloss als Parfüm; dergleichen Dinge sucht aber der mensch-
liche Erfindungsgeist begierig auf und verleihet ihnen da-
durch Werth.
6.
Unter den reifen Trauben sind die schwarzen am
strengsten, daher der daraus bereitete Wein auch weniger
mundet; die weissen schmecken angenehmer, denn sie
nehmen wegen ihrer Durchsichtigkeit die Luft leichter auf.
Die frischen blähen den Magen und die Luftröhre auf,
und verursachen Bauchgrimmen, daher ihr zu reichlicher
Genuss bei Fiebern schadet, denn sie machen schläfrig und
den Kopf schwer. Wenn sie nach dem Abpflücken längere
Zeit in der Luft gehangen haben, sind sie weniger nachtheilig
für den Magen und bekommen wegen ihrer Eigenschaft
gelinde zu kühlen und die Appetitlosigkeit zu benehmen,
selbst den Kranken gut.
7.
Die in süssem Wein eingemachten Trauben nehmen
den Kopf ein. Den aufgehäugten kommen die welche man
in Spreu eingemacht hat, am nächsten, während die in
den Trestern gelegenen für Kopf, Blase und Magen schäd-
lich sind; doch hemmen sie den Durchfall und Blutaus-
wurf. Noch schädlichere Eigenschaften besitzen die im
Moste eingemachten, und ebendasselbe gilt von denen in
eingekochtem Moste. Die Aerzte halten die in Regen-
wasser aufbewahrtem für die gesundesten, wenn ihr Ge-
schmack nicht besonders ist; ihre heilsame Wirkung zeigt
sich besonders bei Magenbrennen, Bitterkeit der Leber,
Erbrechen von Galle, Wassersucht und hitzigen Fieber-
;lg4 Dreiundzwanzigstes Buch.
krankheiten. Die in Töpfen aufbewahrten aber schmecken
angenehm und machen Appetit; doch hält man sie wegen
der Ausdunstung der BeerenhUlsen für schwer verdaulich.
Wenn man den Hühnern Weinblüthen unter das Futter
mengt, so rühren sie die Trauben nicht an.
8.
Die Stiele der Weinbeeren besitzen adstriugierende
Eigenschaften, und sind in Töpfen aufbewahrt noch kräf-
tiger.
9.
Die Kerne der Beeren haben dieselbe Kraft. Von
ihnen bekommt der Wein die Eigenschaft, Kopfweh zu er-
zeugen. Geröstet und zerrieben sind sie ein gutes Magen-
mittel. Das Mehl derselben wird, wie die Polenta, gegen
Ruhr, Verstopfung und Magenschwiicbe unter das Getränk
gemischt. Ein davon bereiteter Absud wird mit Erfolg zu
Umschlägen gegen Schorf und Jucken angewandt.
10.
Die Weiubeer hülsen schaden an und für sich dem
Kopfe und der Blase weniger als die Kerne. Mit Salz zu-
sammeugerieben gebraucht man sie mit Erfolg bei entzün-
deten Brüsten, und ein' Absud davon wird innerlich und
äusserlich gegen anthaltende Ruhr und Darmgicht gegeben.
11.
Die Theriaktraube, von der wir gehörigen Orts
geredet haben, wird gegen Schlangenbisse gegessen. Auch
empfiehlt man, deren Ranken zu geniessen und aufzulegen;
ferner soll der daraus bereitete Wein und Essig ganz die-
selbe Kraft besitzen,
12.
Die getrockneten Trauben, welche Rosinen^) heissen,
würden den Magen, Unterleib und Eingeweiden schaden,
wenn nicht die in ihnen befindlichen Kerne gerade ein
Hülfsmittel dagegen wären- nach Entfernung letzterer wendet
man sie bei Blasenbeschwerden und die weisse Art
wider den Husten an. Sie sind ferner der Luftröhre und
') astaphis.
Dreiundzwanzigstes Buch. X85
den Nieren zuträglicb, und der daraus gesottene Wen
wirkt besonders kräftig gegen die Bisse der Blutschlangen.
Auf entzündete Hoden legt man sie mit gestossenem Ross-
kümmel oder Koriander; nach Entfernung der Kerne mit
Raute auf Karbunkeln und kranke Glieder; Geschwüre
muss man zuvor mit Wein bähen. Mit den Kernen dienen
sie zur Heilung der Hitzblattern, Cerien und der Ruhr.
In Oel gekocht werden sie mit Rettigschaleu und Honig
auf den Krebs gelegt. Gegen Gicht und lose Nägel kauet
man sie mit Panax, und zur Reinigung des Mundes und
Kopfes mit Pfeffer.
13.
Die wilde Astaphis oder Staphis'), welche Einige
irrigerweise taminische Traube^) nennen (denn sie ist
eine eigene Art mit schwarzen aufrechten Stengeln und
der Labrusca ähnlichen Blättern), trägt grüne, den Kicher-
erbsen ähnliche, eher den Kamen Kapseln als Beeren ver-
dienende Früchte, in welchen sich dreieckige Samen befin-
den. Die Früchte werden zur Zeit der Weinlese reif und
sehen dann schwärzlich aus, während bekanntlich die Ta-
minien rothe Beeren haben, jene an sonnigen, diese an
schattigen Orten wachsen. Vor dem Gebrauch ihrer Beeren
zum Abführen muss ich warnen, denn sie bewirken ge-
fährliche Zusammenschnürungen; auch hüte man sich, den
Schleim im Munde damit auszutrocknen, weil sie den
Schlund angreifen. Zerrieben für sich, noch besser aber
mit Realgar 3) angewandt, tödten. sie die Läuse auf dem
Kopfe und an den übrigen Tlieilen des Körpers, vertrei-
ben auch das Jucken und den Schorf. In Essig kocht
man sie wider Zahnschmerzen, Ohrenübel, rheumatische
Wunden und nasse Geschwüre. Die Blüthen werden zer-
rieben mit Wein gegen Schlangenbisse eingenommen; den
Samen dagegen möchte ich wegen seiner brennenden
Schärfe nicht hiezu empfehlen. Einige nennen diese Pflanze
') Delphinium Staphisagria L.
2) S. das folgende Cap.
') Sandaracha, rother Schwefel arsenik.
186 Dreiundzwanzigstes Buch.
auch Schleimkraut,!) und legen sie auf Schlangenbisse.
14.
Auch die Labrusca^) trägt die oft genannte Oenanthe;
jene, von den Griechen auch wilde Rebe genannt, hat
dicke weissliche Blätter, Kniegelenke und eine rissige
Rinde. Ihre kermesrothen Trauben reinigen die Haut und
Flecken im Gesichte der Weiber, und der durch Zerstos-
sen derselben sammt den Blättern erhaltene Saft zeigt
sich heilsam bei Hüften- und Lendenleiden. Die in Was-
ser gekochte und mit 2 Bechern coischen Weines genom-
mene Wurzel entfernt die (überflüssige) Feuchtigkeit aus
dem Leibe und wird daher den Wassersüchtigen gegeben.
Ich halte diese Pflanze für die, welche man gemeinhin
ta minische Traube nennt. Man bedient sich derselben
als Amulet, auch gegen Blutspeien, doch nur als Gurgel-
arznei, mit der Vorsicht, dass man nichts hinunterschlukt,
und unter Zusatz von Thymian, Salz und Essigmeth. Ihre
Anwendung als Abführmittel scheint bedenklich.
15.
Es giebt eine der vorigen ähnliche Pflanze, welche
zwischen Weidengebüsch wächst, und, da sie zu denselben
Zwecken (wie die Weide) gebraucht wird, den Namen
Salicastrum führt. Mit Essigmeth dient sie als wirk-
sames Mittel wider Krätze und Grind bei Menschen und
Säugethieren.
16.
Die Vitis alba^) nennen die Griechen Ampeloleuce,
Andere Ophiostaphylos, Melothrus, Psilothrus, Ar-
chezostis, Cedrostis oder auch Madus. Ihre langen
dünnen Ranken sind mit weit abstehenden Knoten ver-
sehen und wachsen klimmend heran; die Blätter haben die
Grösse der Epheublätter und dem gewöhnlichen Weinblät-
tern ähnliche Einschnitte. Die Wurzel ist weiss, gross,
fast dem Rettig gleich und schickt Spargel- ähnliche Stengel
') Pituitaria. ^) Vitis Labrusca L. Oder etwa Bryonia dioica L?
3) Bryonia cretica L.
Dreiundzwanzigstes Buch. lg 7
aus. Letztere bewirken^ gekocht verspeist, Oefifnung und
reichliches Harnen. Blätter und Stengel erregen Geschwüre
am Körper; doch werden sie auf fressende Geschwüre,
Krebs und übelriechende Beinwunden mit 8alz gelegt. Die
Beeren bilden eine lockere hängende Traube und enthal-
ten einen erst röthlichen, dann safraufarbigen Saft. Die
Samen werden von den Lederbereitern benutzt; auch legt
man sie auf Grind und Schorf, und ein mit Zusatz von
Weizen daraus bereiteter Trank befördert die Secretiou der
Milch. Die Wurzel steht ihrer zahlreichen nützlichen An-
wendungen wegen sehr in Ruf; gegen Schlangenbiss giebt
man 2 Drachmen derselben zerrieben im Tranke. Sie ver-
bessert, in Oel gekocht, die Fehler der Haut im Gesichte,
als Maale und Sommersprossen, sowie blaue Flecken und
Narben. Denen, welche an Epilepsie, Geisteskrankheiten
und am Schwindel leiden, reicht man ein ganzes Jahr hin-
durch täglich einen aus einer Drachme Wurzel bereiteten
Trank. In grösserer Gabe genossen reinigt sie die Sinne.
Wie die Zaunrübe besitzt sie die vortreffliche Eigenschaft,
mit Wasser aufgelegt zerbrochene Knochen herauszuziehen,
und wird daher auch wohl weisse Zaunrübe 1) genannt. Eine
andere, schwarze Art aber erweist sich mit Honig und
Weihrauch zu demselben Zwecke noch wirksamer. Sie
zertheilt junge Eitergeschwüre, reift und reinigt alte; be-
fördert auch die monatliche Reinigung und die Harnent-
leerung. Eine daraus bereitete Latwerge gebraucht man
gegen Engbrüstigkeit. Seitenschmerzen, Verrenkungen und
Brüche. Zu 3 Obolen 30 Tage lang im Getränk genommen
verzehrt sie die Milz. Mit Feigen legt man sie auf die
Finger, wenn sich die Haut mit Schmerz davon ablöst. Mit
Wein aufgelegt zieht sie die Nachgeburt der Frauen, und
zu 1 Drachme mit Wassermeth eingenommen, den Schleim
hervor. Der Saft der Wurzel muss vor der Reife des
Sommers gesammelt werden; für sich oder mit Erven auf-
gelegt, schmückt er den Körper mit einer lebhaften Farbe
*) Bryonia alba.
Igg Dreiundzwanzigstes Buch.
und macht die Haut zarter. Die Wurzel selbst dient, mit
fleischigßn Feigen gestossen, zur Vertreibung der Runzeln,
wenn man gleich darauf 2 Stadien weit geht; ausserdem
brennt sie, wenn sie nicht mit kaltem Wasser abgewaschen
wird. Noch besser ist zu diesem Zweck die schwarze Art,
denn die weisse bewirkt Jucken auf der Haut.
17.
Die Vitis nigra^), welche eigentlich Bryonia, oder
auch Chirouia, Gyuäcanthe, Apronia genannt wird, ist
also, ausgenommen in der Farbe, der vorigen ähnlich. Die
jungen Schösslinge sind nach Diocles, zum Zweck der Urin-
absonderung und Milzverminderung, eine noch wirksamere
Speise als der wahre Spargel. Sie wächst meistentheils
zwischen Gesträuchen und Schilf. Die aussen schwarze und
innen buxbaumfarbige Wurzel zieht noch besser als die
oben angeführte Knochen aus dem Körper. Ausserdem ist
sie ein Specificum zur Heilung des Nackens beim Zugvieh.
Wenn man sein Landhaus damit bepflanzt, so sollen sich
die Habichte nicht nähern und das Plausgeflügel keiner
Gefahr ausgesetzt sein. Man heilt auch damit durch An-
binden beim Menschen und Zugvieh Schleim und Blut, welche
bis zu den Fersen hinabgerounen sind. — Soweit von den
Weinstöcken.
18.
Der Most ist von Natur darin verschieden, dass er
entweder schwarz oder weiss aussieht oder das Mittel
zwischen beiden hält, dass man aus dem einen Wein, aus
dem andern gekochten Most 2) bereitet. Die Kunst hat aber
unzählige Unterschiede ins Leben gerufen, was wir hiemit
ein für allemal ohne weitere Ausfülirung gesagt haben wollen.
Alle Arten Most sind nicht gut für den Magen, den Adern
hingegen zuträglich. Wird er nach dem Bade unmittelbar,
ohne sich vorher etwas erholt zu haben, getrunken, so wirkt
') Bryonia alba L.
') passum.
Dreiundzwanzigstes Buch. 189
er tödtlich. Den spanischen Fliegen, Schlangen, besonders
den Blutschlangen und Salamandern ist er von Natur zu-
wider. Er enegt Kopfweh und wirkt nicht gut auf den Hals,
aber wohlthätig auf die Nieren, Leber und Blase. Er dient
ferner wider den Buprestis >), das Meconium, die Gewinnung
der Milch, Schierling, Lanzen- und andere Gifte, zu welchem
Behuf er mit Oel getrunken und wieder ausgebrochen wird.
Der weisse Most ist weniger kräftig, der eingesottene schmeckt
angenehmer und macht weniger Kopfweh.
li).
Die vielen Arten des Weines und deren Eigenschaften
haben wir schon ausführlich besprochen'-). Keine Materie
ist wegen ihrer Reichhaltigkeit schwieriger zu behandeln,
und dann kommt noch der bedenkliche Umstand hinzu, ob
es mehr nütze als schade. Ueberdem lässt sich nicht so
leicht entscheiden, ob sein Genuss Hülfe oder Gift dem
Körper zufahrt (denn wir reden jetzt bloss von den medi-
cinischen Wirkungen auf den Körper). Asclepiades hat ein
eigens benanntes Buch über die Anwendung des Weines
geschrieben; unzählig sind aber die, welche später über
jenes verfasst wurden. Wir wollen nun mit römischer
Ernsthaftigkeit und jeuer Vorliebe für die freien Künste
nicht als Aerzte sondern als Richter über das menschliche
Wohl das hieher Gehörige genau mittheilen. Von deu ein-
zelnen Arten ausführlich zu handeln, würde bei den wider-
sprechenden Ansichten der Aerzte eine unermessliche ja un-
mögliche Arbeit sein,
20.
Vor Alters nahmunter den Weinen der surrentinische,
später der albanische oder falernische den ersten Rang
ein. In der Folge zogen Einige diese, Andere jene Sorte
vor, allein es muss höchst unbillig erscheinen, wenn Einer
•) ein Insekt, dessen Gift die Kühe aufbläht.
2) Im XIV. Buche.
190 Dreiundzwanzigstes Buch.
den Wein, welcher nach seiner Ansicht der beste ist, vor
allen Uebrigen als solchen genommen wissen will. Gesetzt aber
auch, die Meinungen stimmten überein, wie viele Menschen
würden davon Gebrauch machen können? Jetzt gemessen
schon nicht einmal die Reichen mehr reine Sorten. Es ist
schon so weit gekommen, dass die blossen Namen aus den
Kellern verkauft und die Weine schon in den Keltern ver-
fälscht werden. Ja wahrlich, so wunderbar es klingt, so
richtig ist es, je schlechter die Sorte desto reiner. Indessen
scheinen doch die Arten, deren wir oben gedachten, stets
obenan zu stehen. Um einen Unterschied anzugeben, so
bemerken wir, dass der falernische weder zu jung noch
zu alt gut bekommt, sein mittleres Alter beginnt mit dem
fünfzehnten Jahre, und er darf weder zu kalt noch zu warm
getrunken werden. Bei anhaltendem Husten und im vier-
tägigen Fieber nimmt man ihn unvermischt nüchtern. Kein
Wein erhitzt das Geblüt so sehr, als dieser. Er stillt den
Durchfall und nährt. Man glaubt, er mache dunkle Augen,
schade den Nerven und der Blase. Der albanische Wein ist
den Nerven zuträglicher; die süssen Sorten passen nicht
für den Magen, die herben aber sind besser als der faler-
nische. Zur Verdauung eignen sie sich weniger, denn sie
machen den Magen zu voll. Der surrentinische besitzt diese
Nachtheile nicht, nimmt auch den Kopf nicht ein, und beugt
den Rheumatismen des Magens und der Gedärme vor. Cä-
cubischen Wein giebt es nicht mehr.
21.
Der noch vorhandene setinische Wein hilft zur Ver-
dauung der Speisen. Der surrentinische ist kräftiger, der
albanische herber und der falernische schwächer; letzterm
kommt der statanische am nächsten. Der signinische
wird zweckmässig gegen den Durchfall getrunken.
22.
Die übrigen Weine wollen wir insgesammt abhandeln.
Der Wein verschafft den Menschen Kräfte, Blut und eine
gesunde Farbe. Hiedurch unterscheidet sich auch der mittlere
Theil des Erdkreises und die mildere Zone von den an-
Dreiundswanzigstes Buch. J91
grenzenden; was den Bewohnern der letztern Länder die
Rauheit des Klimas an Kräften verleihet, das giebt uns
jener Saft. Die Milch ernährt die Knochen, die Feldfrucht
die Nerven und das Wasser das Fleisch; daher besitzt der
Körper jener Menschen weniger Röthe, weniger Stärke und
weniger Ausdauer im Arbeiten. Durch massigen Genuss
des Weines werden die Nerven und Augen gestärkt, durch
allzureichen geschwächt. Der Magen wird dadurch erquickt
Appetit erregt, Traurigkeit und Sorge verscheucht, Harn und
Kälte ausgetrieben und Schlaf hervorgerufen. Ferner stillt
er das Brechen, und vertreibt, äusserlich mit Wolle auf-
gelegt, die Flüsse. Asclepiades sagt, der Nutzen des Weines
könne beinahe der göttlichen Macht gleich geachtet werden.
Alter Wein wird mit viel Wasser vermischt und wirkt mehr
harntreibend, stillt aber den Durst nicht so gut. Der süsse
berauscht weniger, bleibt aber länger im Magen, während
der herbe leichter verdauet wird. Am leichtesten ist der,
welcher am schnellsten alt wird. Der durchs Alter süss
werdende greift die Nerven nicht sehr an. Der fette dunkle
ist nicht gut für den Magen, nährt aber besser; der dünne
herbe nährt weniger, bekommt aber dem Magen wohl. Je
schneller er durch den Harn wieder abgeht, um so mehr
nimmt er den Kopf ein, — was, wie ich hier ein für allemal
bemerkt haben will, gleichfalls von einem jeden andei-n
Safte gilt. Im Rauche alt gewordener Wein ist höchst un-
gesund. Die Weinhändler haben diese Erfahrung i) in ihren
Vorrathskellern gemacht; auch schon die Familienväter wissen
dem schimmlig gewordenen künstlich ein gewisses Alter zu
ertheilen. Die Alten sind uns hiebei mit gutem Rathe voran
gegangen, denn sie fanden, dass der Rauch den Schimmel
im Holze zerstört; wir aber lassen uns bereden, dass der
Wein durch die Bitterkeit des Rauches an Alter gewinne.
Sehr blasse Weine werden durch langes Liegen ungesund.
Je edler der Wein ist, um so dicker wird er durchs Alter,
')' nämlich, den Wein durch Rauch zu behandeln.
2^2 Dreiundzwanzigstes Buch.
und zugleich nimmt er eine dem Körper wenig zusagende
Bitterkeit an. Es taugt niclit, einen jungem Wein damit
zu versetzen. Bei einer jeden Sorte Wein ist der ihm eigene
natürliche Geschmack am unschädlichsteu, und das mittlere
Alter am besten.
23.
Wer am Körper zunehmen oder Oeffnung haben will,
muss den Wein während des Essens trinken; um das Gegen-
theil zu bemerken, trinke man ihn erst nach der Mahlzeit
und massig. Aber, wie man ganz neuerlich angefangen hat,
den Wein nüchtern zu trinken, ist für die, welche mit Sorg-
falt und aufgewecktem Geiste an ihre Geschäfte gehen
wollen, ganz unzuträglich; dass jene Helena bei Homer ihn
vor der Tafel reichte, hatte offenbar den Zweck, Schlaf und
Sorglosigkeit zu bewirken. So ist denn das Sprichwort ent-
standen, der Wein verdunkle die Weisheit. Dem Weine haben
wir Menschen es zu danken, dass wir unter allen lebenden
Geschöpfen allein trinken, ohne durstig zu sein. Es ist sehr
gut, zwischen dem Weine Wasser, oder auch beide vermischt
zu trinken; auch vertreibt ein Trunk kalten Wassers sofort
den Rausch. Hesiodus empfiehlt, 20 Tage vor und ebenso-
lange nach dem Aufgange des Hundsterns reinen Wein zu
trinken. Der reine Wein ist ein Hülfsmittel wider Schier-
ling, Coriander, Aconitum, Viscum, Meconium, Quecksilber,
Bienen, Wespen, Hornisse, Spinneu, Schlangen, Scorpione
und alles, was durch Erkältung schadet, namentlich wider
Hämorrboiden-Schlangen, Brennschlangeni) und Pilze; ferner
gegen Blähungen und nagenden Schmerz in der Brust, Nei-
gung zum Erbrechen und Flüsse im Leibe. Unversetzter
Wein dient weiter gegen Ruhr, starkes Schwitzen, anhal-
tenden Husten und Augenflüsse; gegen Herzkrankheiten
legt man einen damit getränkten Schwamm auf die linke
Brust. Zu allen diesen Zwecken verdient alter weisser Wein
den Vorzug. Das männliche Glied der Zugthiere wäscht
') presteres, deren Biss brennenden Durst verursacht.
Dreiundzwanzigstes Buch. 193
man zweckmässig mit warmem Weine; giesst man ihnen
davon mittelst eines Hornes ein, so sollen sie wieder munter
nnd kräftig werden. Affen und andere Vierhänder sollen,
wenn sie öfters Wein trinken, nicht wachsen.
24.
Nun wollen wir von dem Weine in Bezug auf die
Krankheiten handeln. Dem frei Geborenen ist jede leichte
campanische Sorte, dem niedern Volke aber jede kräftige
Sorte am zuträglichsten. Allen bekommt derjenige am
besten , dessen Kräfte durch ein Säckchen gebrochen sind.
Wir müssen bedenken, dass der Wein eine Flüssigkeit ist,
welche durch Gährung die Kräfte des Mostes sich angeeignet
hat. Ein Gemisch aus mehreren Sorten kann niemals ge-
sund sein. Am heilsamsten ist der Wein, dessen Most keinen
Zusatz bekommen hat, und dessen Gefäss kein Pech ent-
hält, denn, sollte nicht selbst der Gesunde vor einem Weine
erschrecken, der mit Marmor, Gyps oder Kalk versetzt ist?
Ganz besonders erweist sich der mit Seewasser vermischte
Wein ungesund für Magen, Nerven und Blase. Die
Harz enthaltenden sollen für Kälte im Magen gut sein
aber Denen, welche leicht brechen, ebenso wenig helfen
wie Most, eingesottener Wein und Rosinenwein. Junger
mit Harz zugerichteter Wein bekommt Niemandem gut, macht
Kopfweh und Schwindel und ist die Ursache, dass man den
Rausch mit dem Worte crapula^) bezeichnet. Für Plusten,
Rheumatismus, Verstopfung, Ruhr und monatliche Reinigung
w'endet man die genannten Sorten mit Nutzen au, und unter
ihnen erweist sich der rothe oder schwarze mehr befestigend
und erwärmend. Am unschuldigsten ist der mit Pecli, d. h.
geschmolzenem und gebranntem Plarz, zugerichtete Wein,
denn er wirkt erwärmend, verdauend, reinigend für die
Brust, den Unterleib, Schmerzen in der Gebärmutter, weun
kein Fieber vorhanden ist, für andauernden Rheumatismus,
Geschwüre, zerrissene, eitrige und verrenkte Theile, schwache
Nerven, Blähungen, Husten und schweren Athem, weun man
^) von xuQCi Kopf und naXXio zittern.
Wittstein Plinius. IV. Bd.
194 Dreiundzwanzigstes Buch.
ihn mit frisch geschorner Wolle auflegt. Noch empfehlender
für diese Uehel ist diejenige Sorte, welche schon von Natur
Pech enthält und Pechwein genannt wird. Doch nimmt der
blassrothe, in zu reichlichem Maasse genossen, den Kopf ein.
Bei Fieber darf er nur alten Leuten und wenn die Krank-
heit in der Abnahme begriffen ist, gegeben werden. In
acuten Krankheiten nur Denen, welche (Fieber)-freie Perio-
den haben, denn die Gefahr ist nur halb so gross, wenn
sie ihn des Nachts d. h. in der Hoffnung, dass Schlaf ein-
trete,nehmen; ferner nicht: den Wöchnerinnen, den aus Geil-
heit Kranken, den an Kopfweh Leidenden, Denen, deren
Anfälle mit Kälte der Extremitäten beginnen, beim Husten
in Fiebern, beim Zittern und Nerven- oder Schlundscbmerzen
oder wenn dieser Zustand bedenklich erscheint; nicht bei
Brustverhärtung, Entzündung der Adern, Rückgratkrampf,
Schlucken und schwerem Athmen während des Fiebers. Eben-
sowenig bei starrenden Augen, steifen, schv/achen und
schweren Wangen, wenn die Augenlider geschlossen, aber die
Augen doch sichtbar sind, wenn die Augenlider sich gar nicht
sehliessen, auch, wenn diess während des Schlafes stattfindet,
wenn die Augen mit Blut unterlaufen oder voll Eiter sind; wenn
die Zunge schwammig ist und das Sprechen nur schwer
und zuweilen unvollständig von Statten geht; bei schwerem
Harnen, plötzlichem Erschrecken, Zuckungen und darauf
folgendem Erstarren und Abgange des Samens im Schlafe
25.
Es ist ausgemacht, dass die Herzkranken ihre einzige
Hoffnung im Weine finden. Einige meinen, man müsse ihn
nur beim Anfalle, Andere, man müsse ihn nur in der freien
Zeit reichen; Jene beabsichtigen damit den Seh weiss zu
mindern, diese halten die Kur für wirksamer, wenn die
Krankheit den heftigen Charakter verloren hat, und diess
scheint die allgemeinste Ansicht zu sein. Er darf auch nicht
anders als mit Speisen gegeben werden, nicht nach dem
Schlafe, nicht wenn man schon etwas Anderes getrunken
hat, d. h. beim Durst, und nur in der äussersten Noth; auch
eher einem Manne als einer Frau, eher einem Greise als
Dreiiindzwanzigstes Bucb. I95
einem Jünglinge, eher einem Jünglinge als einem Knaben,
eher im Winter als im Sommer, eher Denen, die daran ge-
wöhnt sind als Anderen. Die Dosis richtet sich nach der
Stärke und Mischung des Weines, gewöhnlich mischt man
zu einem Becher Wein zwei Becher Wasser. Man muss ihn
geben, wenn der Magen schwach ist und die Speisen nicht
hinabgehen wollen.
26.
, Von denjenigen Wein Sorten, welche, wie ich schon
früher sagte ^), künstlich dargestellt, jetzt aber, wie ich
glaube, nicht mehr bereitet werden, will ich noch den (nun
überflüssigen) Nutzen und die Bestandtheile, welche zu ihrer
Darstellung dienen, mittheilen. Die Aerzte gingen hiebei
in ihrer Prahlerei zu weit, denn sie sagten, Wein aus Rüben
sei gut für die durch Waffenübuug und Reiten herbeigeführte
Müdigkeit, ebenso, um nur noch Eines zn erwähnen, der
Wachholderweiu. Wer möchte es aber wohl für besser halten,
lieber den Wermuthwein als den Wermuth zu gebrauchen?
Unter andern wollen wir auch den Palmwein übergehen,
welcher dem Kopfe schadet und bloss einigen Werth bei
hartem Stuhlgang und beim Blutspeien hat. Der sogenannte
Lebenswein kann nicht zu den künstlichen gerechnet wer-
den, denn bei ihm kommt statt der Kunst nur die Eile in
Betracht. Er hilft für Schwäche des Magens oder für Un-
verdaulichkeit, bei Schwängern, Ohnmächtigen, Lahmen, Zit-
ternden, bei Schwindel, Bauchgrimmen und Hüftsschmerzen.
Auch bei Seuchen und auf Wanderungen soll er sich äusserst
wirksam zeigen.
27.
Auch der verdorbene Wein 2) gehört zu den Heilmitteln.
Der Essig wirkt hauptsächlich kühlend und zertheilend,
daher das Schäumen, wenn man ihn auf die Efrde giesst^).
Wir haben seiner schon oft gedacht, und werden ihn, so
oft er mit andern Dingen angewandt wird, noch nennen.
1) Im XIV. ß. 19. Cap.
'■^) Vitium vini. ^) cl. h. eine Erde, welche kohlensaure Verbin-
dungen enthält.
13*
^(jß Dreiundzwanzigstes Buch.
Für sich genommen vertreibt er den Ekel, das Schlucken,
und daran gerochen, das Niesen. Während des Bades im
Munde gehalten, mässigt er die Hitze. Man trinkt ihn auch
mit Wasser. Er ist ein zweckmässiges Gurgelmittel für den
Magen, fördert die Wiedergenesung, kühlt die Sonnenhitze
und stärkt die Augen. Innerlich genommen heilt er die
Stiche der Blutigel, die Krätze, Schuppen auf der Haut,
fliessende Geschwüre, Hundsbisse, Stiche der Skorpione,
Skolopender, Spitzmäuse und anderer giftigen Stachelthieve,
das danach folgende Jucken sowie den Biss des Vielfusses.
Zur Heilung des kranken Afters thut man zu drei Sextaiien
Essig einen Sextarius Schwefel oder ein Büschel Hyssop
und legt in einem Schwämme auf; bei Blutflüssen nach dem
Steinschnitt und in allen andern Fällen legt man ihn äusser-
lich in einem Schwämme auf und trinkt zwei Becher von der
schärfsten Sorte. Ferner zertheilt er geronnenes Blut, heilt
innerlich und äusserlich angewandt die Flechte, stillt ein-
genommen den Durchfall, Bauchfluss, und verhindert das
Austreten des Mastdarmes und der Gebärmutter. Er ver-
treibt anhaltenden Husten, Ausflüsse des Schlundes, Eng-
brüstigkeit und befestigt lose Zähne. Bei Schwäche der
Blase und Nerven ist er schädlich. Seine Heilkraft wider
die Giftschlangen blieb den Aerzten bis jetzt unbekannt.
Vor Kurzem trat Jemand, der einen Schlauch voll Essig
trug, auf eine Schlange und wurde von ihr gebissen; so oft
er nun den Schlauch ablegte, fühlte er den Biss, nahm er
ihn wieder auf, so war es ihm, als sei er nicht gebissen,
und hiedurch kam man auf den Gedanken, in solchem Falle
Essig als Hülfsmittel zu trinken. Diejenigen, welche Gift
aussaugen, spülen mit nichts anderm als mit Essig den Mund
aus. Ueberkaupt besitzt der Essig die Kraft, nicht nur die
Speisen, sondern auch andere Dinge zu bändigen. Fels-
stücke, die nicht durch Feuer bezwungen werden können
zerkleinert er. Keine andere Flüssigkeit macht die Speisen
schmackhafter und pikanter, zu welchem Zwecke er durch
gebranntes Brot oder Wein geschwächt, oder durch Pfeffer
und Laser geschärft wird. Auch Salz macht ihn gelinder.
Dreiundzwanzigstes Buch. 197
Hiebei können wir nicht umhin, ein merkwürdiges Faktum
mitzutlieilen. M. Agrippa litt nämlich in seinen letzten Lebens-
jahren sehr heftig an der Fussgieht, und da der Schmerz zu
sehr überhand nahm, steckte er auf den Eath eines seiner
Aerzte und ohne Wissen des Augustus, die Beine in warmen
Essig, indem er lieber den Gebrauch und die Empfindung
seiner Füsse aufgeben, als die Qualen länger erdulden wollte.
28.
Der Meerzwiebelessig nimmt mit dem Alter an Güte
zu. Ausser in den vorgenannten Fällen ist er gut für sauer-
werdende Speisen (denn sein Genuss hebt die nachtheilige
Wirkung derselben) und für Personen, welche sich nüchtern
erbrechen, denn er macht den Schlund und Magen weniger
reizbar; vertreibt ferner den üblen Geruch aus dem Munde,
stärkt das Zahnfleisch, befestigt die Zähne und verleihet
eine bessere Hautfarbe. Als Gurgelwasser angewandt, reinigt
er die Ohren und öffnet die Gehörgange. Er schärft auch
das Gesicht, ist gut für Epilepsie, Melancholie, Schwindel,
Zusammenschnürungen der Gebärmutter, Geschlagene und
Gefallene bei denen das Blut geronnen ist, schwache Nerven
und kranke Niereu. Bei Eiterwunden darf man ihn nicht
gebrauchen.
29.
Den Sauerhonig bereiteten, wie Dieuches berichtet,
die Alten auf folgende Weise: 10 Minen Honig, 5 Heminä
alten Essig und I1/4 Pfund Seesalz kochten sie mit 5 Sex-
tarien Seewasser in einem Kessel zehnmal auf, gössen aus
und Hessen längere Zeit stehen. Asclepiades verwarf diese
Zubereitung gänzlich, denn man gab sie auch bei Fiebern.
Doch soll der Sauerhonig gegen die Art von Schlangen,
welche Sepae heissen, gegen Meconium undViscum, gegen
Bräune warm damit gegurgelt, gegen Ohren-, Mund- und
Schlundweh gute Dienste geleistet haben, welche Uebel alle
jetzt mit Salzbrühe, die am kräftigsten aus frischem Essig
und Salz ist, behandelt werden.
30.
Dem Weine verwandt ist die Sapa, ein bis zum dritten
19b DreiuiidzAvanzigstes Buch.
Theile eingekochter Most. Der von weissen Trauben
bereitete bat den Vorzug. Man gebraucht ihn wider die
Cantbariden, Buprestisi), die Ficbtenraupen, welche Pityo-
campä^) heissen, die Salamander und andern giftig beissen-
den Tbiere. Mit Zwiebel eingenommen treibt er todte
Leibesfrüchte und unzeitige Geburten ab. Fabianus sagt,
er wirke giftig, wenn er nüchtern nach dem Bade getrunken
würde.
31.
Hierauf lassen wir die Weinhefe folgen, die je nach
der Beschaffenheit des Weines verschieden ist. Sie besitzt
eine solche Kraft, dass Die, welche in die Fässer steigen,
davon getödtet werden^). Man steckt daher zuvor ein bren-
nendes Licht hinein, welches, so lange es noch verlöscht,
Gefahr anzeigt. Man mischt die Weinhefe ungewaschen
unter die Arzneien, Mit gleichen Theilen Violenwurzel legt
man sie auf Schleimflüsse, trocken oder feucht wider Erd-
spinnen, entzündete Hoden und Brüste, oder auch andere
körperliche Uebel. Ferner wird sie mit Gerstenmehl, Weih-
rauchstaub und Wein gekocht, eingetrocknet und gebrannt.
Ob sie gehörig gekocht ist, erkennt man daran, dass sie
nach dem Erkalten auf die Zunge gebracht ein gewisses
Brennen verursacht. Nicht sorgfältig verschlossen verliert
sie bald ihre Kraft. Durchs Brennen wird ihre Wirksam-
keit erhöht. Mit Feigen gekocht heilt sie die Flechten und
Hautschuppen vortrefflich; auch auf Schorf und nasse Ge-
schwüre wird sie mit Erfolg gelegt. Als Getränk oder noch
besser roh genommen vernichtet sie die giftige Wirkung der
Pilze. Augenmitteln setzt man sie gekocht und gewaschen
zu. Aufgelegt heilt sie kranke Geschlechtstheile, mit Wein
getrunken die Harnstrenge. Auch dann, wenn sie ausge-
dunstet hat, dient sie noch zum Waschen des Körpers und
der Kleider, und wird dann wie der Acaciensaft gebraucht.
') Ein Insekt, welches die Kühe sticht und aufblähet.
^) von TtiTvg Fichte und xafin?] Raupe.
3) Das Tödtliche ist das in den Fässern verbreitete kohlen-
saure Gas.
Dreiundzwanzigstes Buch. 199
32.
Die Essighefe muss ihrer Natur nach schärfer sein
und mehr zum Schwären wirken. Aufgelegt hemmt sie das
zu starke Eitern und wirkt wohlthätig auf den Magen, die
Eingeweide und den Unterleib, stillt auch die Flüsse dieser
Theile und die (zu starke) monatliche Reinigung. Sie ver-
theilt mit Wachs vermischt die noch nicht schwärenden Ge-
schwulste, die Halsdrüsen und die Rose. Brüste, welche zu
viel Milch enthalten, heilt sie, und schadhafte Nägel nimmt
sie weg. Wider die Hornschlangeu ist sie in Verbindung
mit Polenta, wider die Bisse des Krokodils und Hundes mit
schwarzem Kümmel am kräftigsten. Durch Brennen (Rösten)
wird ihre Wirkung gleichfalls verstärkt; streicht man sie ^ so
vorbereitet mit Mastixöl in die Haare, so färbt sie dieselben
in einer Nacht roth, und mit Wasser in einem Läppchen
aufgelegt reinigt sie die weibliche Schaam.
33.
Mit Hefe von gekochtem Moste heilt man, am besten
unter Zusatz von Schilfwolle, Brandschäden, und mit einem
Absude derselben innerlich anhaltenden Husten. Man kocht
sie auch mit Salz und Fett und legt sie auf geseh wollene
Kinnladen und Nacken.
34.
Die nächste Beachtung verdienen nun billigerweise die
Oelbäume. Ihre Blätter ziehen ausserordentlich zusam-
men, reinigen und stopfen. Daher werden sie zur Heilung
von Geschwüren gekauet und gegen Kopfweh mit Oel auf-
gelegt. Ein Absud derselben mit Honig versetzt heilt die
Theile, welche die Aerzte gebrannt haben, auch Entzündungen
des Zahnfleisches, Nietnägel, schmutzige und faule Geschwüre,
und verhindert den Blutfluss aus nervösen Theilen. Der Saft
der Blätter zeigt sich wirksam bei feurigen Geschwüren um
die Augen, Bläschen und Vortreten der Pupille, daher er
den Augensalben hinzugesetzt wird; heilt auch anhaltendes
Thränen der Augen und zernagte Wangen. Man bereitet
den Saft durch Zerstossen der Blätter unter Zusatz von Wein
und Regenwaser, Auspressen, Eintrocknen der Flüssigkeit
200 Dreiundzwanzigstes Buch.
und Formen zu Ktigelchen. In Wolle der weibliehen Schaam
angebunden hemmt er den (zu starken) Mouatsfluss, heilt
ferner eitrige Wunden, Geschwulste am After, die Rose, um-
sichfressende Greschwtire und bösartige Blattern.
35.
Die Blüthen des Oelbaums besitzen dieselben Wir-
kungen. Man verbrennt sie sammt ihren Stielen und bedient
sieh der Asche anstatt des Hütteurauchs i); diese übergiesst
man auch mit Wein und brennt sie abermals. Mit dieser
Asche nun, oder auch mit den mit Honig angestossenen
Blättern belegt man eiternde und geschwollene Theile, in
Verbindung mit Polenta aber die Augen. Der von einem
frischen angezündeten Oelstrauche tröpfelnde Saft heilt
Flechten, Schuppen auf der Haut und feuchte Geschwüre.
Aber wundern muss ich mich sehr darüber, dass Einige die
Thränen, welche aus dem Baume selbst, namentlich der
äthiopischen Art, fliessen, an schmerzende Zähne zu legen
empfohlen haben, da sie doch sagen, sie seien ein Gift, was
auch der wilde Oelbaum enthalte. Die von der Wurzel
eines noch ganz jungen Oelbaums abgeschälte Rinde heilt,
oft mit Honig gegessen, das Blutspeien und den Auswurf
von Eiter. Die mit Fett vermischte Asche des Holzes zieht
aus Fisteln die Unreinigkeiten und heilt diese sowie auch
Geschwülste.
36.
Die weissen Oliven sind gut für den Magen, aber
nachtheilig für den Unterleib. Frisch vor dem Einmachen
genossen besitzen sie vortreffliche Wirkung, denn sie heilen
den griesigen Harn und die durch das Kauen des Fleisches
abgeriebenen und lose gewordenen Zähne. Die schwarzen
Oliven bekommen dem Unterleibe besser als dem Magen,
taugen auch nicht für den Kopf und die Augen. Beide legt
man in zerriebenem Zustande mit Nutzen auf Brandwunden.
Wenn man die schwarzen kauet und unmittelbar aus dem
») spodium s. XXXIV. B. 34. Cap.
Dreiundzwanzigstes Buch. 201
Munde genommen applicirt, entstehen keine Blasen. Ein-
gemachte Oliven!) reinigen schmutzige Geschwüre, dürfen
aber bei Harnstrenge nicht angewandt werden.
37.
Es könnte scheinen, dass ich, auf Cato's Autorität ge-
stützt, den Oelsatz2) bereits hinreichend besprochen hätte;
allein auch seine medicinischeu Kräfte verdienen erwähnt
zu werden. Er ist ein vortrefi"liches Mittel für das Zahn-
fleisch, Mundgeschwüre und zum Befestigen der Zähne,
desgleichen für Rothlauf und um sich fressende Geschwüre.
Für Frostbeulen, sowie für Bähungen bei Kindern eignet
sich der Oelsatz von schwarzen Oliven besser; der von
weissen gewonnene wird mit Wolle auf die weibliche Schaam
gelegt. Aller Oelsatz ist aber im eingekochten Zustande
kräftiger; das Einkochen selbst geschieht in einem
kupfernen Gefässe und wird bis zur Honigdicke fortgesetzt.
Mit Essig, altem Wein oder Most dient er, je nach
Erforderuiss zur Heilung des Mundes, der Zähne, Ohren,
eiternder Geschwüre, der Geschlechtstheile und der aufge-
sprungenen Haut. Auf Wunden legt man ihn mit Leinwand,
auf verrenkte Stellen mit Wolle; auch wenn er sehr alt ist,
leistet er noch sehr gute Dienste, namentlich bei Fisteln
als Aufguss bei Geschwüren am After, an männlichen und
weiblichen Geschlechtstheilen, aufgestrichen bei anfangendem
Podagra und Gliederkraukheiten. Mit Omphacium zur Honig-
dicke eingekocht, besitzt er die Eigenschaft, lose Zähne heraus-
zuziehen, und mit Wolfsbohnen und Chamäleonkraut gekocht,
die Käude des Hornviehs zu heilen. Den rohen Oelsatz
wendet man auch zweckmässig zu Bähungen beim Podagra an.
38.
Die Blätter des wilden Oelbaums besitzen ähnliche
Eigenschaften. Die aus den Stielen bereitete Asche hilft
gegen Rheumatismus, Augenentzündungen, reinigt Geschwüre,
füllt leergewordene Stellen wieder aus, ätzt sanft das wilde
Fleisch, trocknet und heilt Wunden. Im Uebrigen gilt hier
dasselbe, was bei den (zahmen) Oelbäumen gesagt worden
') calymbades. '*) amurca.
202 Dreiundzwanzigstes Buch.
ist. Die Blätter des wilden zeichnen sich noch dadurch
aus, dass sie mit Honig gekocht und löffelweise genommen
ein gutes Mittel gegen Blutspeien sind. Das Oel aber ist
schärfer und wirksamer; zum Befestigen der Zähne spült
man den Mund damit aus. Mit Wein legt man die Blätter
auf Nagelgeschwüre, Hitzblattern und alle Arten von Saft-
ansammhmgen, mit Honig auf Stellen, welche gereinigt
werden sollen. Den Absud der Blätter und den Saft des
Baumes setzt man den Augenmitteln zu, tröpfelt ihn ferner
mit Honig in die Ohren, namentlich wenn aus denselben
Eiter fliesst. Die Blüthe des Baums schlägt man auf Ge-
schwulste und schnell ausbrechende Hitzblattern, mit Gersten-
mehl auf den Unterleib bei Rheumatismus, mit Oel auf den
Kopf bei Kopfweh. Wenn die Haut auf dem Kopfe sich von
der Hiinschaale ablöst, schlägt man einen Absud der Stiele
mit Honig über. Die reife Frucht wird gegen Diarrhoe ge-
gessen; geröstet und mit Honig vermischt, reinigt sie fres-
sende Geschwüre und öffnet die Hitzblattern.
39.
Von dem Oele und seinen Kräften habe ich bereits
genügend gesprochen. Zum medicinischen Gebrauche eignet
sich das Omphaeiumi) am besten, dann folgt das grüne;
übrigens muss es möglichst frisch (es sei denn, dass man
es ausdrücklich recht alt verlaugt), dünn, wohlriechend und
milde (ganz entgegengesetzt dem zu Speisen dienenden)
sein. Das Omphacium ist gut für das Zahnfleisch. Im
Munde gehalten, conservirt es die (weisse) Farbe der Zähne
mehr als jedes andere Mittel; vermindert auch den Schweiss.
40.
Das Oel aus den Trauben des wilden Wein-
stocks^) besitzt dieselbe Wirksamkeit wie das Rosenöl.
Eine jede Art von Oel erweicht den Leib, macht munter
und stark, ist aber dem Magen nicht dienlich. Es vergrössert
die Geschwüre, bewirkt Rauhigkeit des Halses; schwächt
die Wirkung aller Gifte, besonders des Bleiweisses und
') Oel aus unreifen Oliven.
2) oenantliinum.
Dieiundzwanzigstes Buch. 203
Gypses, wenn es mit Wassermeth oder einem Absud trockener
Feigen, des Meconiums, der Cantbaviden, Rinderbremsen,
Salamander und Fichtenraupen, wenn es mit Wasser ein-
genommen wird; für sich genommen und wieder ausge-
brochen hat es dieselben Wirkungen. Auch bei Schlaffheit
der Glieder und Erkältung tbut es gute Dienste. Zu sechs
Bechern warm getrunken und noch mehr, wenu es mit
Raute gesotten ist, vertreibt es das Bauchgrimmen und die
Würmer. Eine Hemina voll mit Wein und Wasser oder
Ptisane getrunken, bewirkt Stuhlgang. Auch dient es zu
Mundpflastern und reinigt das Gesicht. Den Ochsen in die
Nasenlöcher gegossen, bis sie aufstossen, befreiet es sie von
Blähungen. Altes Oel aber erwärmt den Körper und ver-
theilt den Schweiss mehr. Verhärtungen werden dadurch
vertheilt. Schlaf süchtige ermuntert und die Krankheits-Krisen
beschleunigt. Mit gleichen Theilen ungeräuchertem Honig i)
vermehrt es die Klarheit der Augen. Mit Wasser dient es
gegen Kopfweh und Fieberhitze. Steht kein altes Oel zu
Gebote, so koche man neues; es erhält dadurch die Eigen-
schaften des alten.
41.
Das CiciöP) trinkt man mit gleichen Theilen warmen
Wassers zum Abführen; namentlich aber soll es das
Zwerchfell reinigen. Auch hilft es bei Gliederkrankheiten,
allen Arten von Verhärtungen, bei Krankheiten der weiblichen
Schaam, der Ohren , bei Brandwunden, in Verbindung mit
der Asche der Stachelschnecke aber bei Entzündung des
Afters und bei Krätze. Es verbessert die Farbe der H^ut
und bewirkt, dass auf Glatzen das Haar wieder wächst.
Den Samen, woraus es bereitet wird, rührt kein Thier an.
Aus den Trauben macht man hellbrennende Lampendochte.
Das Oel selbst aber giebt wegen seiner zu grossen Fettig-
keit nur ein dunkles Licht. Die Blätter legt man frisch
auf Brüste und Augenflüsse, mit Essig auf die Rose, in
•) mel acapnon, Honig der ohne (Vertreibung der Bienen durch)
Rauch aus den Waben genommen ist.
2) "Vom Cicibaume (Ricinus communis) s. XV. B. 7. Cap.
204 Dreiundzwanzigstes Buch,
Wein gekocht mit Zusatz von Gerstengraupen und Safran
auf entzündete Tbeile. Für sieh drei Tage lang aufs Gesicht
gelegt, reinigen sie dasselbe.
42.
Das Mandelöl reinigt, erweicht den Körper, glättet
die Haut, verleihet ihr ein gefälliges Ansehn, und nimmt
mit Zusatz von Honig die Flecken aus dem Gesichte.
Mit Kosenöl, Honig und Granatapfelkernen gekocht, tödtet
es die kleinen Würmer in den Ohren, vertreibt Schwer-
hörigkeit, Summen und Klingen in denselben , und gleich-
zeitig damit Kopf- und Augenweh. Mit Wachs heilt es
entzündliche Geschwüre und von der Sonne verbrannte
Stellen. Mit Wein reinigt es eiternde Geschwüre und die
Haut von Schuppen, mit Steinklee Aftergeschwüre. Für
sich auf den Kopf gestrichen, führt es Schlaf herbei.
43.
Das Lorbeeröl ist je frischer und grüner, um so besser.
Es besitzt erwärmende Eigenschaften, wird daher bei
Lähmungen, Krämpfen, Hüftweh, Contusiouen, Kopfweh,
anhaltendem Katarrh, Ohrenweh in einer Granatschale
warm aufgelegt.
44.
Aehnlich verhält sich das Myrtenöl; es zieht zusammen,
verhärtet, heilt mit Kupferschlacken und Honig angewandt
Zahnfleisch, Zahnweh, Dysenterie, Geschwüre der weiblichen
Schaam, Blasenleiden, alte und eiternde Geschwüre, Aus-
schlag und Brandübel. Eingerieben vertreibt es die Schuppen
und Sprünge auf der Haut, Aftergeschwüre, Verrenkungen,
und übelriechende Leibesausdünstungen. Es wirkt den
Canthariden, Rindsbremsen und anderen, durch Ausseh wären
schadenden Giften entgegen.
45.
Das Zwerg- oder SpitzmyrteuölO besitzt dieselben
Kräfte, ebenso das Cypressenöl und CitronenöL Das
Oel der luglans, welches ich Nussöl genannt habe, erweist
•) Chamaemyrsine sive oxymyrsine, s. XV. B. 7. Cap.
Dreiundzwanzigstes Buch. 205
sich wirksam bei Glatzen, Schwerhörigkeit und Kopfweh,
zeigt aber ausserdem wenig Wirkung, schmeckt unangenehm,
und enthielte]! die Kerne, woraus es bereitet ist, faule
Theile, so nützt es gar nichts. Das Gnideröl reihet sich
an das Ciciöl. Das Mastix öl ist ein vorzügliches Mittel
gegen Müdigkeit; dem Rosenöle steht es nur darin nach,
dass es sich etwas härter (weniger geschmeidig) erweist.
Man gebraucht es ferner wider starke Schweisse und die
daraus entstehenden Blattern. Die Räude des Rindviehs
wird dadurch vollkommen vertrieben. Dattelnöl reinigt
die Flecken im Gesichte, Hitzblatteru, Sommersprossen und
das Zahnfleisch.
46.
Was der C^'prus ist und wie mau daraus ein Oel
bereitet, habe ich bereits mitgetheilt.i) Es hat die Eigen-
schaft zu erwärmen und die Sehnen zu erweichen. Die
Blätter legt man auf die Magengegend und mit dem Safte
bestreicht man die entzündete weibliche Schaam, Frische,
gekauete Blätter heilen die feuchten Geschwüre auf dem
Kopfe und am Munde , auch die Zusammenhäufungen von
Säften und die Aftergeschwüre. Eine Abkochung der Blätter
ist gut für Brandwunden und Verrenkungen. Werden die
Blätter zerstampft und mit Quittensaft versetzt, so geben
sie ein Mittel zum Rothfärben der Haare ab. Die Blüthen
vertreiben, mit Essig aufgelegt, das Kopfweh; in einem
neuen Topfe verbrannt heilen sie für sich oder mit Honig
krebsartige Wunden und faule Geschwüre. Der Geruch
der Blüthen ist stark und macht schläfrig. Das mit Most
vermischte Oel'^) kühlt ähnlich wie das Oel aus den
Trauben des wilden Weinstocks.
47.
Das Balsam öl ist, wie ich bereits bei den Salben
erwähnt habe, das vortrefflichste aller Oele, und ein wirk-
sames Mittel gegen alle Arten Schlangen. Es macht die
») XII. B. .51. Cap.
2) gleuciuum.
206 Dreiundzwanzigstes Buch.
Augen klar, erleichtert das Athmen, erweicht Geschwulste
und alle Verhärtungen, verhütet die allzugrosse Verdickung
des Blutes, reinigt die Geschwüre, und erweist sich auch
sehr dienlichbei Ohrenschmerzen, Kopfweh, Zittern, Krämpfen
und innerlichen Verletzungen. Mit Milch genommen ver-
nichtet es die giftigen Wirkungen des Aconits. Bestreicht
man sich damit, so mildert es die mit Schauder verbundenen
Fieberanfälle. Sein Gebrauch erfordert jedoch Vorsicht,
denn es macht Hitze und verschlimmert sogar die Uebel,
wenn man zuviel davon nimmt.
48.
Das Malobathrumöl wurde ebenfalls schon in Betreff
seiner Natur und verschiedenen Arten besprochen. Es
treibt den Urin; mit Wein ausgepresst legt man es mit
Nutzen bei Augenflüssen auf, desgleichen auf die Stirn
um Schlaf hervorzurufen, und seine Wirkung wird noch
erhöhet, wenn man die Nase damit bestreicht oder es mit
Wasser trinkt. Legt man die Blätter des Gewächses unter
die Zunge, so wird der Athem wohlriechend; ebenso ver-
leihen sie den Kleidungsstücken einen angenehmen Geruch.
49.
Das Bilsenöl ist ein gutes Erweichungsmittel, schadet
aber den Nerven. Innerlich angewandt regt es das Gehirn
auf. Das Wolfsbohnenöl erweicht ebenfalls und schliesst
sich an das Rosenöl. Des Narcissenöls wurde bei diesen
Blumen gedacht. Das Rettigöl vertreibt die durch lang-
wierige Krankheit entstandene Läusesucht und die Rauheit
der Haut im Gesichte. DasSesamöl heilt Ohrenschmerzen,
umsichfressende und sogenannte unheilbare Geschwüre.
Das Lilienöl, welches ich auch mit dem Namen Bohnenöl
und syrisches Oel bezeichnet habe, ist gut für die Nieren
macht Seh weiss, erweicht die Gebärmutter und befördert
die Verdauung. Das selgitische Oel sowie dasjenige
Kräuteröl, welches die Iguviner an der flamiuischen Strasse
verkaufen, besitzt, wie bereits erwähnt, gleichfalls nerven-
stärkende Kräfte.
Dreiundzwanzigstes Buch. 207
50.
Das Honigöl, von dem ich früher berichtet habe,
dass es aus den Oelbäumen selbst quillt, schmeckt wie
Honig, obschon etwas widrig und bewirkt Stuhlgang; zwei
Becher davon mit einer Hemina Wasser getrunken führen
die Galle ab; die Patienten verfallen dabei in Erstarrung
und fahren häufig auf. Personen, welche einen Wettstreit
im Trinken eingehen wollen, nehmen zuvor von diesem
Oele einen Becher voll zu sich. Das Pech öl erweist sich
nützlich bei der Räude der Thiere.
51.
Nach den Weinstöcken und Oelbäumen gebührt den
Palmen die vorzüglichste Beachtung. Frische Palmeufrüchte
(Datteln) berauschen und verursachen Kopfweh; trockne
sind milder, aber, wie es scheint, nicht gut für den Magen,
vermehren den Husten , nähren jedoch. Den gekochten
Saft, namentlich der thebaischen Früchte, gaben die Alten
statt Honigmeth den Kranken zur Stärkung und zum
Stillen des Durstes. Als solche verspeist, erweisen sie sich
bei Blutspeien heilsam. Bei Uebeln des Magens, der Blase,
des Unterleibs und der Eingeweide legt man die nussartigen
Datteln 1) mit Quitten, Wachs und Safran auf. Unterlau-
fene Schäden werden dadurch geheilt. Wenn man die
Kerne in einem neuen irdenen Geschirr verbrennt und den
Rückstand auslaugt, so erhält man eine Art Spodium,
welches den Augensalben beigemischt wird und mit Zusatz
von Narde ein gutes Mittel für die Augenlider abgiebt.
52.
Diejenige Palme, auf welcher die Myrobalane wächst,
findet sich am vorzüglichsten in Aegypteu und ist daran
kenntlich, dass die Frucht keinen Stein in ihrem Innern
hat. Man verordnet die Frucht mit herbem Wein zur Be-
förderung des Stuhlgangs und des weiblichen Monatsflusses^
auch zur Heilung von Wunden.
') caryotae.
208 Dreiundzwanzigstes Buch.
53.
Von der Palme Elate oder Spathe gebraucht man
<iie Knospen , Blätter und Rinde in der Mediciu. Die
Blätter legt man bei Leiden des Zwercbfells, Magens, der
Leber, bei umsicbfressenden und nicht leicht vernarbenden
Geschwüren auf. Die dünne Rinde heilt im Verein mit
Harz und Wachs die Krätze in Zeit von 20 Tagen; gegen
Hodenübel kocht man sie ab. Durch Räuchern mit der
Rinde wird das Haar geschwärzt und die Leibesfrucht ab-
getrieben. Bei Fehlern der Nieren, Blase und des Zwerch-
fells giebt mau einen daraus bereiteten Trank; Kopf und
Nerven ist sie aber schädlich. Ein Absud davon hemmt
die Flüsse der Gebärmutter und des Unterleibs. Die Asche
der Rinde giebt man mit Wein gegen Bauchgrimmen und
ganz vorzüglich bei Krankheiten der Gebärmutter.
54.
Wir kommen nun zu der Betrachtung der Arten und
Arzneien der Aepfel. Die Frühlingsäpfel sind sauer,
bekommen dem Magen nicht gut, regen den Unterleib und
die Blase auf, greifen die Nerven an; gekocht besitzen sie
bessere Eigenschaften. Die gekochten Quitten sind noch
milder, erweisen sich jedoch im rohen, wenn nur reifen
Zustande heilsam bei Blutspeien, Dysenterie, Galleufieber
und Darmgicht; ja die gekochten nützen in diesen Fällen
gar nichts, weil sie durch das Kochen ihre zusammenzie-
henden Eigenschaften verlieren. Nichtsdestoweniger kocht
man sie für dieselben Zwecke, sowie zum Auflegen auf
die Brust bei Fieberhitze, in Regenwasser ab. Gegen
Magenschmerzen werden sie roh oder gekocht nach Art
eines Geräts aufgelegt. Der wollige Theili) der Quitten
heilt Carbuukeln. In Wein gekocht und mit Wachs auf-
gestrichen, rufen sie auf Glatzen das Haar wieder hervor.
Roh in Honig eingemacht bewirken sie Oeffnung; dem
Honig selbst verleihen sie einen angenehmem Geschmack
*) lanugo.
Dreiundzwanzigstes Buch. 209
und bewirken, dass derselbe dem Magen besser bekommt.
Zuvor aber gekocht und in Honig eingemacht, giebt man
sie mit gesotteneu Rosenblättern abgerieben als Speise bei
Magenübeln. Der Saft der rohen Quitten ist ein gutes
Mittel für Milz, schweren Athem, Wassersucht, Fehler der
Brüste, Aftergeschwüre und Wadenkrampf, Die frische
sowohl als die trockne Blüthe heilt Augenentzündungen,
Blutspeien und krankhafte Menstruation. Mit süssem Wein
angestossen liefert sie einen milden Saft, der bei Verstopfung
und Leberleiden angewendet wird. Wedn die Gebärmutter
und andere innere Theile ausgetreten sind, benutzt man
eine Abkochung davon zu Bähungen. Man bereitet auch
ein Oel daraus, welches man Apfelöl nennt, doch werden
dazu nur BJütheu von trocknen Standorten genommen,
daher auch die siciliauischen die besten sind. Die Sper-
lingsäpfeli) sind, obgleich den Quitten nahe verwandt,
weniger gut anzuwenden. Die Wurzel dieses Gewächses 2)
wird auf die Weise ausgegraben, dass man zuvor mit
der linken Hand einen Kreis um das Erdreich zieht und
während der Operation spricht, was man thut und warum
man es thut; die Wurzel dient nämlich, in Bündeln aufbe-
wahrt, als Kropfmittel.
55.
Die sogenannten Honigäpfel und übrigen süssen Aepfel
erleichtern den Magen und Unterleib, macheu Durst und
Hitze, schaden aber den Nerven nicht. Die kugelrunden
hemmen Durchfall und Brechen und treiben den Harn.
Die den sauren Frühlingsäpfelu ähnlichen Holzäpfel stopfen
gleichfalls; denselben Zweck erfüllen aber auch die unreifen
Aepfel.
56.
Die Citronen oder auch nur ihre Kerne trinkt man
') struthia, eine kleine Art Quitten.
2) Offenbar findet hier eine Verwechselung der Pflanzen statt;
denn das Gewächs, von dessen Wurzel Plinius redet, ist sicherHch
nicht eine Art Quittenbaum, sondern das HtQOv&iov der Alten
(Saponaria officinalis}.
Wittstein: Plinius. IV. Bd. '"i
210 Dreiundzwanzigstes Buch.
mit Wein gegen Vergiftungen. Spühlt man mit ihrem
Absude oder auch mit dem ausgepressten Safte den Mund
aus, so bekommt der Athem einen angenehmen Geruch.
Den Schwängern, welche keinen Appetit haben, empfiehlt
man den Genuss der Kerne; die Frucht selbst aber ver-
speist man bei schwachem Magen, doch selten ohne Zusatz
von Essig.
57.
Die neun Arten des Granatapfels brauche ich nicht
noch einmal aufzuzählen. Die sogenannten kernlosen, süssen,
sollen für den Magen nicht gut sein, verursachen Blähungen,
greifen die Zähne und das Zahnfleisch an. Die diesen am
nächsten stehenden sogenannten weinigen mit kleinen Kernen
werden für besser gehalten; sie heben den Durchfall, doch
muss man sie nur massig und niemals bis zum Sattwerden
geni essen. Bei Fiebern dürfen sie durchaus nicht gegeben
werden, denn der fleischige Theil sowohl wie der Saft
würde da von keinem Nutzen sein; ebenso muss man sich
ihrer bei Erbrechungen und Auswurf von Galle enthalten.
Die Natur hat in diesen beiden Fruchtarten eine Art Wein-
beere geschaffen, welche keinen Most, sondern unmittelbar
sogleich den Wein selbst enthält. Ihre Rinde ist rauh
und die der herben Art stark im Gebrauche, denn in den
Gewerben bedient man sich ihrer zur Lederbereitung und
aus diesem Grunde nennen die Aerzte die Frucht Leder-
apfel i). Die Rinde soll auch urintreibend wirken, und mit
Galläpfeln in Essig gekocht lose Zähne befestigen. Man
empfiehlt sie ferner nachdrücklich den Schwangern bei
Mangel an Appetit, denn sie bewirkt, dass die Leibesfrucht
sieb bewegt. Der zerschnittene Apfel wird drei Tage
lang in Regenwasser eingeweicht, bei Unterleibsbeschwerden
und Blutspeien kalt gegeben.
58.
Aus den herben Granatäpfeln bereitet man eine sogc-
malicorium.
Dreiundzwanzigstes Buch. 211
nannte Mundavzuei, welche sieh bei üebeln des Mundes,
der Nase, Ohren, Augen, Geschlechtstheile, bei Krebsschäden
und wildem Fleisch äusserst wirksam zeigt. Wider den
Seehasen fertigt man folgendes Mittel an: man entfernt
die äussere Schale, zerstösst die Kerne upd kocht sie mit
einem halben Pfunde Safran, gestossenem Alaun, Myrrhe
und attischem Honig zu zwei Drittel ein. Man stampft
auch mehrere herbe Früchte, kocht den Saft in einem
neuen Topfe zur Honigdicke ein und wendet diess Präparat
bei Schwäche der männlichen Geschlechtstheile, Uebeln
des Afters und allen was mittelst des Lycium geheilt wird,
triefenden Ohren und Augen und bei rothen Flecken an.
Hält man die Aeste des Granatbaums in den Händen, so
werden die Schlangen verjagt. Frostbeulen heilt mau durch
Auflegen der mit Wein gekochten Schale. Zur Vertreibung
der Leibschmerzen und Bandwürmer kocht man eiuen
Granatapfel mit drei Heminis Wein zu einer Hemina ein.
Gegen Durchfall und Leibschmerzen brennt man einen
Granatapfel in einem neuen bedeckten und verstrichenen
Topfe bis zur Verkohlung , zerreibt den Rückstand und
trinkt ihn mit Wein.
59.
lieber die Blüthenknospe des Granatbaums, welche bei
den Griechen Cytinus genannt wird, hat man im Laufe
der Zeit merkwürdige Beobachtungen gemacht. W^enu
Jemand, der weder einen Gürtel, noch Schuhe, noch einen
Ring trägt, mit dem Daumen und vierten Finger der linken
Hand eine solche Knospe abpflückt, sanft damit die offnen
Augen berührt, dann dieselbe in den Mund steckt und
ohne mit den Zähnen in Berührung zu kommen, hinunter-
schluckt, so- soll derselbe während des ganzen Jahres von
Augenschwäche befreit sein. Die getrocknete und zerriebene
Knospe verhütet die Bildung von wildem Fleisch, heilt
Zahnfleisch und Zähne, und im Falle letztere lose sind,
bedient man sich eines Absudes. Als Umschläge wendet
man die Knospen bei umsichfressenden und faulenden
Geschwüren, Entzündungen der Augen und Eingeweide und
14*
212 Dreiundzwanzigstes Buch.
bei fast allen liebeln, wozu man sieb der Granatscbalen
bedient, an. Aucb sind sie ein Mittel gegen die Seorpione.
60.
Die Sorgfalt und den Fleiss der Alten, welcbe alles
durcbforscbten und nicbts unversuebt Hessen, kann man
nicbt genug bewundern. Bevor nämlicb die Frucht selbst
bervortrit, entfalten sich aus jener Knospe kleine Blumen,
welche, wie schon früher erwähnt, Balaustium genannt
werden; und auch diese hat man als Mittel wider die
Seorpione erkannt. Als Trank genommen massigen sie
den übermässigen Monatsfluss der Frauen, heilen Muudge-
schwüre, Drüsen, das Zäpfchen, Blutspeieu, Durchfall, die
Geschlechtstheile und umsichfresseuden Gescbwüre. Ferner
stellte man damit im trocknen Zustande Versuche an und
rettete durch Anwendung des Pulvers an der Dysenterie
Leidende vom Tode. Ja man gab sich sogar die Mühe,
den Inhalt der Kerne hinsichtlicb ihrer Wirkung zu prüfen
und fand, dass derselbe geröstet und gestossen iu Speise
oder Trank genommen, den Magen stärkt, und mit Regeu-
wasser genommen den Durchfall hebt. Der Saft von einem
halben Denar der Wurzel tödtet die Bandwürmer. Der
Absud der Wurzel besitzt ähnliche Kräfte wie das Lycium.
61.
Es giebt auch einen wilden Granatbaum, der dem
vorigen ähnlich ist. Nimmt man einen Denar schwer der
mit einer rothen Rinde überzogenen Wurzel als weinigen
Trank zu sich, so verfällt man in Schlaf. Ein aus dem
Samen bereiteter Trank trocknet das unter der Haut an-
gesammelte Wasser. Wenn man mit Granatapfelrinde
räuchert, werden die Mücken vertrieben.
62.
Alle Arten Birnen sind in rohem Zustande selbst für
Gesunde eine schwer verdauliche Speise; auch den Krauken
untersagt man sie wie den Wein. Gekocht hingegen schmecken
sie angenehm und bekommen gut, und in dieser Beziehung
zeichnen sich besonders die crustuminischeui) aus. Alle
*) von den Ufern des Flusses Crustumium in Umbrien, jetzt Conza.
Dreiundz wanzigstes Buch. 213
stärken, mit Honig gekocht, den Magen, Umschläge von
Birnen wendet man zum Vertlieileu, Abkochungen davon
gegen Verhärtungen an. Sie sind auch ein Gegenmittel der
schädlichen Pilze und treiben vermöge ihrer Schwere und
ihres widerstrebenden Saftes dieselben ab. Die Holzbirnen
werden sehr spät reif; gegen Abweichen verordnet man die
zerschnittenen und an Fäden getrockneten, sowie einen
durch Kochen derselben bereiteten Trank. Zu demselben
Zweck kocht man auch die Blätter mit der Frucht. Gegen
Giftpilze erweist sich die Asche des Birnbaumholzes noch
wirksamer. Aepfel und Birnen zu tragen, fällt dem Zug-
vieh sehr schwer; leichter soll es diesen Thieren werden,
wenn man ihnen zuvor einige davon zu fressen giebt oder
auch nur zeigt.
63.
Der Milchsaft der Feigen verhält sich wie Essig, denn
er bringt die Milch zum Gerinnen. Man sammelt ihn vor
der Reife der Frucht, trocknet ihn im Schatten und legt
ihn mit Eigelb abgerieben zum Oeffnen der Geschwüre und
zur Beförderung der Menstruatien auf oder bereitet daraus
mit Zusatz von Stärkmehl einen Trank. Bei Podagra wendet
man ihn nebst Bockshornsamen und Essig als Umschlag an.
Er besitzt auch die Eigenschaft, Haare wegzubeitzen, den
Schorf der Augenlider, Flechte und Krätze zu heilen und
Oeftuung zu machen. Die Feigenmilch ist ein Antidot des
Giftes der Hornisse, Wespen und ähnlicher Thiere, nament-
lich aber der Seorpione. Mit Fett vermischt vertreibt sie
die Warzen. Die Blätter und die nicht reif gewordenen
Feigen legt man auf Kröpfe und überhaupt auf solche Stellen
des Körpers, welche erweicht oder vertheilt werden sollen.
Denselben Zweck erreicht man auch mit den blossen Blät-
tern; sie haben aber noch einen andern Nutzen, man reibt
sie nämlich bei Flechten, Glatzen und um Geschwüre her-
vorzurufen ein. Die zartesten Zweige legt man gegen den
Biss toller Hunde auf, desgleichen mit Honig auf soge-
genannte wachsähnliche Geschwüre; mit wilden Mohnblät-
tern zugleich angewandt ziehen sie zerbrochene Knochen
214 Dreiunclzwanzigstes Buch.
aus dem Körper. Der Biss toller Kunde \\ird unscliädlicli,
wenn mau die Wunde mit in Essig abgeriebenen Feigen-
blättern behandelt. Die Sprösslinge des schwarzen Feigen-
baums legt man mit Wachs auf entzündete Geschwüre und
die Bisse der Spitzmäuse. Die Asche der Blätter desselben
Baums ist ein gutes Mittel zur Heilung des Krebses und
wildwachsenden Fleisches. Reife Feigen sind harntreibend,
abführend, erzeugen Schweiss und Hitzblattern; daher ist
es nicht gut, sie im Herbste zu essen, weil der Körper,
wenn er dadurch in Schweiss gekommen, sich dann leicht
eine Erkältung zuzieht. Sie beschweren auch den Magen,
jedoch nicht dauernd, und sollen der Stimme schaden, die
späten sind gesunder als die frühen, eignen sich aber nicht
zum medicinischen Gebrauche. Sie verleihen den Jünglingen
Kraft, älteru Personen eine dauerhaftere Gesundheit und
verhüten die zu frühe Bildung von Runzeln. Ferner stillen
sie den Durst, kühlen ab, und verdienen daher bei den ge-
bundenen Fiebern 1), welche die Griechen Stegnae nennen,
Beachtung. Trockene Feigen sind nicht gut für den Magen,
vortrefflich aber für Kehle und Schlund; sie erwärmen,
machen Durst, weichen Stuhlgang, heilen rheumatische Uebel,
Leber-, Nieren-, Milzleiden, bekommen den Keuchenden und
Engbrüstigen. Sie stärken auch den Körper und verleihen
ilim mehr Kraft, werden daher von den Athleten gegessen
und der Meister Pythagoras empfahl zuerst ihren Genuss
zu diesem Zweck. Sie bekommen den Reconvalescenten,
sowie den Epileptischen und Wassersüchtigen ausserordent-
lich gut; ferner legt man sie auf Schäden, welche zur Reife
gebracht oder vertheilt werden sollen, und vermehrt ihre
Wirkung noch durch Zusatz von Kalk und Natron. Mit
Hyssop gekocht reinigen sie die Brust vom Schleim, be-
freien vom hartnäckigen Husten; mit Wein aber legt man
sie auf den After, geschwollene Kinnladen, entzündliche Ge-
schwüre, Fett- und Ohrenübel. Zu Bähungen benutzen die
*) febres constrictae; walu-scheinlich meint Plinius hier clit
Wechselfieber, weil sie an eine bestimmte Zeit gebunden sind.
Dreiundzwanzigstes Buch. 215
Frauen einen Absud der Feigen. Gegen Seitenstechen und
Lungensucht kocht man sie zweckmässig mit Bockshorn-
samen. Mit Raute gekocht heilen sie Bauchgrimmen, mit
Kupferrost Beingeschwüre, mit Granatäpfeln die mit einem
Fell überzogeneu Augeu, mit Wachs Brandschäden und
Frostbeulen. Den Wassersüchtigen giebt man sie in Wein
mit Zusatz von Wermuth, Gerstenmehl und Natron gekocht.
Gekauet hemmen sie den Durchfall; gegen die Stiche der
Scorpione legt man sie mit Salz zerrieben auf. Mit Wein
eingekocht und aufgelegt, ziehen sie die Carbunkeln auf.
Um Krebsschäden, welche nicht schwären, desgleichen um
fiessende Geschwüre zu heilen, giebt es fast kein anderes
Mittel als die äusserliche Anwendung "sehr saftiger Feigen.
Die Asche des Feigeuholzes ist schärfer als die aller an-
dern Bäume; sie reinigt, verkittet, füllt aus und zieht zu-
sammen. Man nimmt sie in einem Tranke zur Vertheilung
des geronnenen Bluts; auch mit einem Becher Wasser und
Oel, bei Contusiouen, Fallschäden, Verrenkungen und der-
gleichen, ferner bei Krämpfen, Verstopfung und Dysenterie.
Wer sich mit Oel, worin Feigeuasche vertheilt ist, einreibt,
fühlt eine merkliche Wärme. Ein Gemenge dieser Asche mit
Wachs und Rosenöl tiberzieht Brandwunden mit einer nur
wenig merklichen Narbe. Mit Oel aufgelegt verbessert sie
die Blödsichtigkeit, und für sich ist sie ein gutes Zahnpulver.
Man sagt auch, wenn Jemand von einem niedergebogenen
Baume rücklings einen Knoten abbeisst, ohne dass es ein
Anderer sieht, denselben in feines Leder bindet und an
einem Faden um den Hals hängt, so -würden Kröpfe und
Ohrengeschwüre vertheilt. Die mit Oel abgeriebene Rinde
heilt Bauchgeschwüre. Rohe unreife Feigen tilgen mit Zu-
satz von Natron und Mehl Warzen und [ähnliche Schäden.
Die Asche der aus der Wurzel schlagenden Triebe vertritt
die Stelle des Hüttenrauchs; zur Heilung von Augengeschwüren
und Krätze brennt man sie zweimal, setzt Bleiweiss hinzu
und formt daraus Kügelchen.
64.
Die wilde Feige besitzt noch grössere Wirksamkeit
216 Dreiund zwanzigstes Buch.
als die zahme. Sie hat weniger Milchsaft, derselbe bringt
aber ebenfalls die Milch zum Gerinnen. Der eingetrocknete
Milchsaft ist ein gutes Mittel für die fleischigen Theile des
Leibes. Mit Essig vermischt dient er zum Einreiben; man
setzt ihn auch den bei Geschwüren anzuwendenden Medica-
menten zu. Die Frucht selbst wirkt abführend und öffnet,
mit Stärkmehl versetzt, die Gebärmutter, Mit dem Gelben
von einem Ei genossen befördert sie die Menstruation. Bei
Gift wird sie mit gestossenem Bockshornsamen aufgelegt.
Sie vertreibt Schorf, Grind, Flechte, Sommerflecken, heilt
die Stiche giftiger Thiere und den Biss toller Hunde. Legt
man den Saft mit Wolle an die Zähne und in die Höhlungen
derselben, so werden die Schmerzen gehoben. Die zarten
Stiele und die Blätter machen, mit Zusatz von Erven oder
auch Wein, den Biss giftiger Seethiere unschädlich. Wenn
man jene Stiele dem Rindfleisch zusetzt, so wird dasselbe
mit weit geringerem Aufwand von Brennmaterial mürbe
gekocht. Aufgelegte unreife Früchte erweichen und ver-
theilen die Kröpfe und ähnliche Ansammlungen. Dieselbe
Kraft besitzen auch in gewissem Grade die Blätter; die
zartesten der letztern heilen mit Essig fliessende Geschwüre,
Hitzblattern und Hautschuppen. Ferner wendet man die
Blätter mit Honig gegen sogenannte Honiggeschwüre und
tolle Hundsbisse, mit Wein gegen frische, fressende Ge-
schwüre, mit Mohnblättern zur Ausziehung von Knochen an.
Die unreifen Feigen vertreiben, wenn man damit räuchert,
die Blähungen, als Trank genommen machen sie ver-
schlucktes Ochsenblut, Bleiweiss und geronnene Milch un-
schädlich. Mit Wasser gekocht und aufgelegt heilen sie
Ohrengeschwüre. Die zarten Stiele und die unreifen, mög-
lichst kleinen Früchte trinkt man mit Wein gegen den Stich
der Scorpione. Die Milch tröpfelt man auch in Wunden und
die Blätter legt man in ähnlichen Fällen, sowie gegen das
Gift der Spitzmäuse auf. Die Asche der Stiele heilt den
geschwollenen Zapfen im Halse, die Asche des Holzes mit
Honig die Risse in der Haut, die mit Wein abgebrühete
Wurzel das Zahnweh. Die Winterfeige wird gegen Flechte
Dreiundzwanzigstes Buch. 317
mit Essig gekocht und zerrieben. Auch den innern Theil
der Rinde legt man auf, nachdem er so fein wie Sägespäne
zermalmt ist. Von dem wilden Feigenbaume erzählt man
sich nachfolgende, an's Wunderbare grenzende Kraft; wenn
ein Knabe die noch ganz junge Rinde eines abgebrochenen
Zweiges mit den Zähnen abzieht und den markigen Theil
vor Sonnenaufgang an sich bindet, so bekomme er keinen
Kropf. Bindet man Ochsen einen Zweig des Baumes um
den Hals, so werden sie, wenn auch noch so wild, so zahm,
dass sie unbeweglich stehen bleiben.
65.
Ich muss auch hier eines verwandten Krauts, das die
Griechen Erineusi) genannt haben, gedenken. Es wird
eine Hand hoch, hat gewöhnlich 5 Stengel, ähnelt dem Ba-
silioumkraute, trägt weisse Blumen, kleine schwarze Samen,
und entlässt beim Verletzen einen süssen Milchaft in reich-
licher Menge. Mit attischem Honig vermischt heilt es Augen-
geschwüre, mit etwas Natron Ohrenschmerzeu; auch ist es
ein Mittel wider Gifte.
QQ.
Die Blätter des Pflaumenbaums wendet man gekocht
bei geschwollenen Drüsen und Zahnfleisch an; mit einem
weinigen Dekokte spühlt man zur Heilung des Zäpfchens
zuweilen den Mund aus. Die Frucht selbst bewirkt Oeff-
nung, bekommt aber dem Magen nicht besonders gut, doch
hält letztere Wirkung nur kurze Zeit an.
67.
Besser sind die Pfirsiche und ihr Saft, zumal wenn
sie mit Zusatz von Wein oder Essig ausgepresst werden.
Sie gehören zu den unschädlichsten Obstarten, haben keinen
Geruch, und sehr viel Saft, der indessen Durst verursacht.
Die Blätter werden zerrieben gegen BlutflLisse, die Frucht-
kerne mit Essig und Oel gegen Kopfweh aufgelegt.
') Eine Art Campanula; nach Einigen C. Rapunculus L., wahr-
scheinlicher C. ramosissima Sibth.
218 Dreiundzwanzigstes Buct.
68.
Die Frucht oder Wurzeliiude des wilden Pflaumen-
baums wendet man, mit 1 Hemiua herben Weines auf ein
Drittel eingekocht und zu 1 Becher voll davon getrunken,
gegen Durchfall und Leibschmerzen au.
69.
Der an wilden und zahmen Pflaumenbäumen sich fin-
dende schmutzige Auswuchs 3), welchen die Griechen
Flechte nennen, ist ein sehr gutes Mittel gegen Eisse in
der Haut und Aftergeschwiire.
70.
Die Maulbeerbäume in Aegypten undCypern, welche,
wie bereits angegeben, dort eine eigene Art bilden, geben
nach Entfernung der äussersten Rinde eine reichliche Menge
Saft von sich; Bäume höheren Standorts sind merkwürdiger-
weise von trockener Beschaffenheit. Dieser Saft vernichtet
die Wirkung des Schlangengifts, hilft gegen Dysenterie,
zertheilt Fettbeuleu und alle Anschwellungen, schliesst
Wunden, stillt Kopf- und Ohrenweh; bei Milzleiden und Er-
kältungen wendet man ihn innerlich und äusserlich an. Er
verdirbt sehr bald und enthält dann Würmer. Auch bei uns
bedient man sich häufig dieses Saftes. Mit Wein trinkt man
ihn gegen Aconit und giftige Spinnen; er macht Oeffnung,
vertreibt auch den Schleim-, Band- und ähnliche Leibes-
würmer, und dieselbe Wirkung hat die Rinde. Zum Färben
der Haare kocht man die Blätter mit der Rinde des schwarzen
Feigenbaums und Weinstocks in Regenwasser, Der Saft
der Maulbeerfrucht führt unmittelbar ab; die Frucht selbst
ist gut für den Magen, kühlt, und macht Durst; isst man
aber nichts anderes hinterher, so verursacht sie Aufblähen.
Der Saft der unreifen Frucht bewirkt Verstopfung , und so
zeigt denn dieser Baum, gleich wie gewisse Thiere, wunder-
bare Eigenschaften, von deneu wir schon früher zu sprechen
Gelegenheit gehabt haben.
71.
Aus der Maulbeerfrucht bereitet man eine sehr heilsame
') limus.
Dreiundzwanzigstes Buch. 219
Mundarznei (auch Luftröhrenarznei genannt) auf die Weise,
dass man 3 Sextare Saft in gelinder Wärme zur Honigdicke
verdampft, und hierauf 2 Denare schwer trockenes Ompha-
cium, oder 1 Denar Myrrhe und 1 Denar Safran hinzusetzt;
oder man kocht 2 Sextare Saft und 1 Hectar attischen
Honig zusammen ein. Es giebt kein besseres Mittel für
den Mund, die Luftröhre, das Zäpfchen und den Magen.
Von dem Maulbeerbäume werden ausserdem noch wun-
derbare Dinge erzählt. Wenn man im Frühjahre, vor dem
Ausschlagen der Blätter, die ersten Ansätze der Frucht,
welche die Griechen Ricini nennen, mit der linken Hand
abbricht und dieselben, bevor sie die Erde berührt haben,
um den Leib bindet, so sollen sie das Blut stillen, es mag
aus einer Wunde, aus dem Munde, der Nase oder aus den
Hämorrhoideu-Beulen kommen. Zu diesem Zwecke hebt man
jene Fruchtansätze auch auf. Gleiche Wirkung sollen die
Aeste haben, w^enn man sie zur Zeit der Fruchtbildung ab-
bricht und nicht auf die Erde fallen lässt; gegen zu starken
Monatsfluss bindet mau sie auch den Weibern auf den Arm,
ja die Aeste versagen in letzterer Beziehung ihren Dienst
zu keiner Zeit, wenn sie nur von den Weibern selbst mit
der angegebenen Vorsicht abgebrochen werden. Die Blätter
gebraucht man als Abkochung innerlich und äusserlich gegeu
Schlangenbiss. Der Saft der Wurzelrinde wird mit Wein
oder einem Gemisch von Essig und Wasser gegen Scorpion-
stiche getrunken.
Die Alten haben uns auch einige Vorschriftten zu Mund-
arzneien hinterlassen. Sie kochten den Saft der reifen und
und unreifen Maulbeeren zusammen in einem kupfernen
Geschirre zur Honigdicke ein; Einige setzten noch Myrrhe
und Cypresse hinzu und Hessen das Ganze, unter drei-
maligem Umrühren des Tags mit einem Spatel, an der Sonne
eintrocknen. Dieses Präparat diente unter andern zur Hei-
lung von Wunden, Ein anderes Verfahren bestand darin,
die getrocknete Frucht auszupressen; der dadurch erhaltene
Saft wurde dem Gemüse zugesetzt, um ihm einen angeneh-
mem Geschmack zu ertheilen, auch in der Arzneikunde
220 Dreiundzwanzigstes Bucb.
gegen fressende Geschwüre, Sebleim auf der Brust, zur
Vereinigung innerer Theile und zum Reinigen der Zähne an-
gewandt. Eine dritte Arznei, durch Kochen des Saftes der
Blätter und Wurzel bereitet, wurde mit Oel auf Brandschäden
gelegt. Auch die Blätter für sich dienen als TJmschlag.
Wenn man die Wurzel zur Zeit der Ernte anschneidet, so
erhält man einen Saft, welcher für Zahnweh, Geschwulste,
eiternde Wunden und zur Keinigung des Unterleibs gut ist.
Im Urin eingeweichte Maulbeerblätter beitzen die Haare
vom Leder weg.
72.
Die Kirschen bewirken Stuhlgang und sind dem Magen
nicht dienlich; getrocknet hingegen verstopfen sie und treiben
den Harn. Einige Schriftsteller geben an, wenn ein Kranker
die mit dem Morgenthau bedeckten Kirschen sammt den
Kernen verschlucke, so fühle er sich so erleichtert, dass
die Füsse ihren Dienst nicht versagen.
73.
Die Mispeln, mit Ausnahme der setanischen, welche
in ihrer Wirkung den Aepfeln näher stehen, ziehen den
Magen zusammen und verstopfen. Dasselbe ist mit den
trocknen Arlesbeereni) der Fall; im frischen Zustande
hingegen bekommen die letztem dem Magen und Unter-
leibe gut.
74.
Die harzhaltigen Piniennüsse wendet man, gröblich
gestossen und je zu einer mit einem Sextar Wasser auf die
Hälfte eingekocht, gegen Blutspeien an; die Dosis dieses
Trunkes ist zwei Becher voll. Ein weiniger Absud der Rinde
des Baums wird gegen Leibschmerzen verordnet. Die Kerne
der Pininennüsse stillen den Durst, die Schärfe und das
Schneiden im Magen und die darin sich findenden fremd-
artigen Säfte, machen kräftig, bekommen den Nieren und
der Blase gut. Doch wird durch ihren Genuss der Hals
rauh und Husten erzeugt. Mit Wasser, Wein, Rosinentrauk
') sorba.
Dreiundzwanzigstes Buch. 221
oder Dattelnabsud genommen treiben sie die Galle aus.
Wider heftiges Reissen im Magen nimmt man sie mitGurken-
saraen und Portulaksaft. Wegen ihrer harntreibenden Eigen-
schaften werden sie auch gegen Blasengeschwüre und
Nierenleiden angewandt.
75.
Ein Absud der Wurzel des bitteiu Mandelbaums
verbessert die Haut im Gesicht und giebt ihm eine gesun-
dere Farbe. Die Nüsse (Mandeln) selbst bewirken Schlaf
und Appetit, befördern die Harnabsouderung und Meu-
struatiou. Aufgelegt werden sie gegen Kopfweh und ganz
vorzüglich gegen Fieber; sind diese Uebel aber eine Folge
der Trunkenheit, so setzt mau noch Essig, Rosineuöl und
1 Sextar Waser hinzu. Mit Stärkmehl und Miuze hemmen
sie den Blutfluss. Auch gegen Schlafsucht und Epilepsie
erweisen sie sich heilsam. Auf den Kopf gelegt heilen sie
die Hitzblattern, mit Zusatz von altem Wein umgeschlagene
faulige Geschwüre, mit Honig tolle Hundsbisse und Schuppen
im Gesicht; mit Wasser getrunken oder auch mit Terpen-
thinharz als Latwerge Leber- und Nierenleiden. Gegen
Steinbeschwerden und Harnstrenge, wie auch zum Reinigen
der Haut wendet man einen Trank aus zerstossenen bittern
Mandeln und Honigwasser an. Mit einem massigen Zusatz
von Salvei als Latwerge gegeben , heilen sie auch Leiden
der Leber, Eingeweide und vertreiben den Husten. Wenn
man sie mit Honig nimmt, so ist die Dosis des letztern eine
Haselnuss gross. Wer zuvor fünf bittere Mandeln gegessen
hat, soll nicht berauscht werden, und die Füchse sollen
sterben, wenn sie nach dem Genuss von bittern Mandeln
nicht sogleich Gelegenheit haben, Wasser zu saufen. —
In der Heilkunst haben die süssen Manaeln weniger Werth
doch wirken sie auch reinigend und harntreibend. Frische
Mandeln blähen den Magen auf.
76.
Die süssen Mandeln sollen mit Wermuthsamen und
Essig eingenommen, die Gelbsucht, für sich äusserlich an-
222 Dreiundzwanzigstes Buch.
gewandt Schäden an den Lenden und besonders Afterge-
schwüre heilen, auch gegen Husten und BlutsiDcien gut sein.
77.
Die welschen Nüsse haben ihren griechischen Na-
men i) wegen der eingreifenden Wirkung, welche sie auf
den Kopf ausüben, erhalten; denn die Kräfte der Bäume
und ihrer Theile dringen selbst bis in das Gehirn, obwohl
der Genuss der Kerne noch am wenigsten uachtheilig ist.
Die frischen Kerne schmecken angenehmer als die alten
die trocknen sind ölreicher und nicht gut für den Magen,
schwer verdaulich, machen Kopfweh, schaden Denen, welche
an Husten leiden und nüchtern brechen wollen, und er-
weisen sich nur bei Stuhlzwang dienlich, weil sie den Schleim
entfernen. Isst man sie vorher, so machen sie verschlucktes
Gift unwirksam. Mit Raute und Oel heilen sie die Bräune.
Ferner mildern sie die Schärfe der Zwiebeln. Mit etwas
Honig legt man sie auf entzündete Ohren, mit Raute auf
die Brüste und verrenkte Glieder, mit Zwiebeln, Salz und
Honig auf Bisse von tollen Hunden und Menschen. Mit
der Nussschale brennt man hohle Zähne aus. Die Asche der
Schalen legt man mit Oel und Wein abgerieben auf den
Kopf der Kinder, um das Wachsen der Haare zu befördern,
und dieselbe Mischung wird bei Glatzen angewandt. Je
mehr Nüsse man isst, desto leichter gehen die Würmer ab.
Sehr alte Nüsse heilen Krebsschäden, Karbunkeln und Blut-
beulen. Die Rinde des Baums hilft wider Flechten, Dysen-
terie, die mit Essig abgeriebenen Blätter wider Ohren-
schmerzen. In den innersten Gemächern der Wohnung des
Mithridates, des grössten aller besiegten Könige, fand Cn.
Pompejus in einem besondern, von des Königs eigener
Hand geschriebenen Aktenstück die Vorschrift zu einem
Gegengift, welches nüchtern genommen, alle an demselben
Tage verschluckten Gifte unwirksam machen soll; dasselbe
wird aus zwei trocknen Nüssen, zwei Feigen, zwanzig
Rautenblättern und einem Korn Salz durch Zusammenreiben
') die Griechen nannten sie xuqvov, na^vöca, von xaiJu: Kopf.
Dreiundzwaiizigstes Buch. . 223
bereitet. Gegen tollen Hundsbiss wird empfohlen, einen
Nusskern nüchtern zu kauen und <auf die Wunden zu legen.
78.,
Die Haselnüsse verur?aclien Kopfweh, Blähungen im
Magen und machen den Körper fetter, als man von vorn-
herein glauben sollte. Geröstet heilen sie den Schnupfen,
zerrieben mit Wassermeth getrunken anhaltenden Husten;
Einige thun Pfefferkörner hinzu, Andere nehmen statt Wasser-
meth Rosinenwein. Die Pistacien werden ebenso ange-
wandt und haben dieselbe Wirkung wie die Piniennüsse,
dienen aber auch als Speise und im Getränk gegen Schlangen-
bisse. Die Kastanien sind ein kräftiges Mittel gegen Magen-
und Bauchfliisse; sie befördern auch den Stuhlgang, heben
das Blutbrechen uud nähren den Körper.
79.
Das Johannisbrot bekommt frisch dem Magen nicht
gut und bewirkt Diarrhoe. Trocken zeigt es entgegenge-
setzte und harntreibende Eigenschaften. Gegen Magen-
schmerzen kocht man 3 Schoten syrisches Johannisbrot mit
o Sextaren Wasser zur Hälfte ein und trinkt diesen Absud.
Flechten, welche eben erst entstanden sind, heilt man auf
die Weise, dass man eine glühende Platte Eisen einem
Zweige vom Kornelkirschenbaum nähert, doch so, dass
derselbe nicht davon berührt wird, den ausquellenden Saft
auf das Metall fallen lässt und den dadurch erzeugten
Eisenrost als Salbe applicirt. Der Strauch Arbutus oder
Unedo trägt eine Frucht, welche schwer verdaulich ist und
den Magen belästigt.
80.
Der Lorbeer besitzt in den BUltttern, der Rinde und
den Beeren wärmende Kräfte; man bedient sich daher einer
Abkochung derselben, namentlich der Blätter, mit gutem
Erfolge bei Fehlern der weiblichen Schaam und der Harn-
blase. Aeusserlich wendet man sie gegen das Gift der
Wespen, Hornisse, Bären, Schlangen und ähnlicher Thiere
an. Mit Oel gekocht bei der monatlichen Reinigung, mit
feingestossenen Gerstengraupen bei Augenentzündungen, mit
224 Dreiundzwanzigstes Bucli.
Raute bei Hodenentzünduugen, mit Rosen- oder Lilienöl bei
Kopfschmerzen. Kauet man die Blätter und verschluckt
sie dann, und setzt man diese Kur drei Tage lang fort, so
wird man vom Husten befreit. Gegen Engbrüstigkeit nimmt
man die Blätter mit Honig ein. Die Wurzelrinde ist den
Schwangern schädlich. Die Wurzel selbst zerkleinert die
Blasensteine; bei Leberleiden bereitet man einen Trank
aus drei Obolen der Wurzel mit Gewürzwein. Ein aus den
Blättern bereiteter Trank erregt Brechen. Die Beeren be-
fördern aufgelegt oder genossen die Menstruation. Zwei
Lorbeeren, welche man von der äusseren Schale befreiet
hat, trinkt man mit Wein gegen anhaltenden Husten und
schweren Athem, bei gleichzeitigen Fieberanfälleu bereitet
man daraus einen wässerigen Trank oder eine Latwerge
mit Wassermeth oder Rosinenwein. In derselben Form
dienen sie bei Schwindsucht und allen Arten von Brust-
Rheumatismus, denn sie zeitigen den Schleim und entfer-
nen ihn. Gegen die Scorpione nimmt man vier Stück auf
einmal in einem weinigen Tranke. Mit Oel aufgelegt heilen
sie Hitzblattern, Leberflecken, eiternde Geschwüre, Mund-
geschwüre, Schuppen auf der Haut, als Saft das Jucken
der Haut und die Läusesucht. Bei Ohrenschmerzen und
Harthörigkeit tröpfelt man ein Gemisch von Lorbeeren,
altem Wein und Rosenöl ein. Vor Personen, welche sich
mit Lorbeeröl eingerieben haben, fliehen alle giftigen Thiere.
Gegen bösartige Stiche erweist sich ein Lorbeertrank,
namentlich von einem zartblättrigen Baume, beilsam. Die
mit Wein zubereiteten Beeren sind ein Mittel wider Schlan-
gen, Scorpionen und Spinnen. Mit Oel und Essig wendet
man sie äusserlich gegen Milz und Leberleiden, mit Honig
gegen den Krebs au. Bei Müdigkeit und Erkältung wird
der mit Natron versetzte Saft eingerieben. Ein aus der
Wurzel bereiteter Trank soll, zu 1 Acetabulum genommen,
die Entbindung beschleunigen, und zu diesem Zwecke die
frische Wurzel besser sein als die trockne. Gegen die
Stiche der Scorpione empfiehlt man einen aus 10 Beeren
bereiteten Trauk; zur Heilung des Zäpfchens ein aus
Dreiundzwanzigstes Buch. 225
J 4 Pfuud Beeren oder Blättern mit 3 Sextaren Wasser auf
ein Drittel eingekochtes und noch warmes Gurgehvasser;
gegen Kopfweh ein warmes Gemisch von einer unpaaren
Anzahl Beeren und Gel. — Wenn man an die zerriebenen
oder nocli besser an die bis zum Verbrennen erhitzten
Blätter des delphischen Lorbeers riecht, wird man nicht
selten vor dem Anstecken der Pest geschüzt. Das aus
dem delphischen Lorbeer bereitete Gel dient mit Erfolg zu
Wachssalben und stärkenden Arzneien, bei Erkältungen,
Schlaffheit der Nerven, Seitenstechen und Fieber, desglei-
chen in einer Granatschale warm gemacht, bei Ghren-
schmerzen. Ein durch Kochen der Blätter mit Wasser bis
auf ein Drittel bereiteter Absud heilt, wenn man sich da-
mit gurgelt, das Zäpfchen, innerlich angewandt Schmerzen
im Unterleibe; die zartesten Blätter legt man mit Wein
abgerieben. Nachts gegen Hitzblattern und Jucken auf. Die
übrigen Lorbeer-Arten kommen in ihrer arzneilichen Wirk-
samkeit der delphischen sehr nahe. Der alexandrinische
oder idäische Lorbeer beschleunigt die Entbindungen, wenn
man von der Wurzel 3 Denare schwer mit 3 Bechern süssen
Weines einnimmt; auch treibt er die Nachgeburt aus und
befördert die Menstruation. Zu demselben Zwecke dient
der daphuische Lorbeer i) (dessen übrige Namen ich am
geeigneten Orte mitgetheilt habe.) Auch der wilde Lorbeer
hat seinen Nutzen; 3 Drachmen der frischen oder trocknen
Blätter mit Salz und Meth genommen bewirken Stuhlgang;
die Blätter treiben ferner den Schleim ab und erregen
Brechen, bekommen aber dem Magen nicht gut. 5 his 10
Beeren wirken gleichfalls innerlich genommen als Purgans.
8L
Die weisse angebaute Myrte eignet sich nicht so gut
zum arzneilichen Gebrauch als die schwarze. Der Same
wird gegen Blutspeien und mit Wein gegen giftige Pilze
verordnet. Wenn man ihn Tags zuvor gekauet hat, erhält
der Athem einen augenehmen Geruch; daher essen ihn
'j l)apluioides; Daphiie alpina L.
Wittstein: Pliuius. IV. Bd. 15
226 Dreiundzwanzigstes Buch.
auch bei Menander die zusammenscbmausendeu Weiber i).
Man giebt ihn zu 1 Denar schwer mit Wein gegen Dysen-
terie. Mit Wein aufgekocht heilt er bösartige Geschwüre
an den Extremitäten. Mit Gerstengraupen legt man ihn
auf triefende Augen und bei Herzklopfen auf die linke
Brust, mit unvermischtem Wein auf Scorpionstiche, wider
Blasenübel, Kopfweh und noch nicht schwärende Thiänen-
fisteln, Geschwulste, und nach Entfernung der Kerne, mit
altem Wein abgerieben wider schleimige Flüsse. Der Saft
des Samens hemmt den Durchfall und treibt den Harn.
Wider aufbrechende Pusteln und schleimige Flüsse, sowie
wider die giftigen Spinnen legt man ihn mit Wachssalbe
auf. Auch färbt er das Haar schwarz. Das Oel dieser
Myrte ist milder als der Saft; noch milder ist der daraus
bereitete Wein, denn er berauscht niemals, und wenn er
alt geworden, stopft er Bauch- und Magenflüsse, vertreibt
Leibschmerzen und macht Appetit. Das aus den trocknen
Blättern bereitete feine Pulver streuet man wider Schweiss
und Fieber auf; es leistet auch als Bähung gute Dienste
bei Verstopfung, Vorfall der Gebärmutter, Afterschäden,
eiternden Geschwüren, Rose, Ausfallen der Haare, Schuppen
auf der Haut und ähnlichen Fehlern, sowie bei Brandwun-
den. Man setzt es ferner derjenigen Arznei zu, welche den
Namen fettige Mittel führt, und wendet dieselbe dann zu
denselben Zwecken an wie das Myrtenöl, nämlich gegen
Schäden an feuchten Stellen, wie im Munde und der weib-
lichen Schaam. Die mit Wein abgeriebenen Blätter wer-
den gegen giftige Pilze, und die mit Wachs versetzten gegen
Gliederkrankheiten und Geschwülste gebraucht. Ein da-
raus mit Wein bereiteter Trank heilt Dysenterie und
Wassersucht. Ferner wird das Pulver der Blätter auf Ge-
schwüre und Blutflüsse gestreuet. Sie reinigen auch in Ver-
bindung mit Wachssalbe, Leberflecke, dunkle Augen, Niet-
nägel, Hitzblattern, Aftergeschwüre, Hodenübel, stinkende
Sehwären und Brandwunden, Bei eiternden Ohren wendet
*) Synaristosae (simul prandentes), der Titel einer Komödie des
Menander,
Dreiundzwanzigstes Buch. 227
man die Blätter verbrannt als Saft und als Abkochung an.
Als Gegengift brennt mau dieselben, wie auch die von
den Blüthen abgepflückten Stielchen in einem neuen irdenen
bedeckten Topfe in einem Ofen, und reibt alsdann den Rück-
stand mit Wein ab. Die Asche der BLätterheilt auch Brand-
wunden. Um zu verhüten, dass die Schaamtheile in Folge
eines Geschwüres aufschwellen, genügt es, einen dünnen
Myrtenzweig, der weder mit einem Eisen noch mit der
Erde in Berührung gekommen ist, bei sich zu tragen.
82.
Wie das Myrtidanum bereitet wird, ist schon früher
angegeben worden. 1) Man wendet es äusserlich bei Fehlern
der weiblichen Schaam an, und seine Wirksamkeit wird noch
erhöhet, wenn man zu seiner Darstellung Rinde, Blätter und
Samen nimmt. Die zartesten Blätter stösst man auch in einem
Mörser unter Zusatz von herbem Wein oder Regenwasser,
presst aus und bedient sich dieses Saftes wider Geschwüre
des Mundes, Afters, der weiblichen Schaam, zum Schwärzen
der Haare, Reinigen der Zähne, Leberflecken und überall,
wo etwas zu vereinigen ist.
83.
Die wilde Myrte, Oxymyrsine oder Chamaemyrsine
unterscheidet sich von der zahmen durch ihre röthlichen
Beeren und geringere Grösse. Ihre Wurzel ist sehr heil-
sam; man wendet sie in Wein gekocht innerlich bei Ner-
venschmerzen, Harnstrenge (zumal wenn der Harn dicklich
und übelriechend), Gelbsucht und mit Wein abgerieben zur
Reinigung der Gebärmutter an. Die jungen Sprossen ver-
speist man in heisser Asche gekocht wie Spargel. Den
Samen nimmt man mit W^ein, Oel oder Essig gegen Blasen-
steine ein; mit Essig und Rosenöl vermengt aufgelegt ver-
treibt er die Kopfschmezen und eingenommen die Gelbsucht.
Castor hat dieses mit spitzen Blätter versehene Gewächs
Ruscus genannt, weil man auf dem Lande2)Besen darausmacht.
Soweit von den Arzneimitteln der edleren 3) Bäume.
Gehen wir nun zu den wilden Bäumen über.
»j XIV. B. 19. Cap. ^) ruri. 3) -urbanae.
15*
Vierundswanzigstes Buch.
Arzneimittel von den wilden Bäumen.
1.
Nicht einmal die Wälder und die unansehnlich eu Pro-
drukte der Katur sind ohne arzneiliche Kräfte; die heilige
Scliöpferin aller Dinge hat den Menschen überall Heil-
mittel zur Benutzung gespendet, damit selbst die Einsam-
keit zur Arznei würde und ihre Wunder den Erscheinungen
der Eintracht und Zwietracht zuvorkämen^). Die Eiche
und der Oelbaum hassen sich einander so sehr, dass, wenn
man den einen dahin versetzt wo der andere gestanden
hat, er sogleich zu Grunde geht; ebenso stirbt die Eiche
neben einem Wallnussbaume ab. Die Kohlpflanze steht
dem Weinstock feindlich gegenüber, und während jene die-
sen vertreibt, vertrocknet sie selbst in der Nähe von Cy-
clamen und Origanum. Ja man giebt sogar an, dass alte
Bäume schwieriger zu fällen sind und schneller trocken
werden, wenn man sie eher mit der Hand als mit dem
Eisen berühre. Die Schwere des Obstes sollen die Last-
thiere sogleich empfinden, und falls man es ihnen nicht
vorher zeigt, so gerathen sie, sobald es ihnen aufgeladen
ist, in Seh weiss, wenn dessen Zahl auch nur wenig be-
trägt. Das Gertenkraut 2) ist das beste Futter für die Esel,
') d. h. das Missverhältniss zwischen den Naturprodukten in
Bezug auf ihr Aeusseres etc. ist dadurch ausgegliclien , dass auch
die unansehnlichem Gewächse etc. Arzneikräfte enthalten.
-) ferula.
Vierundzwanzigstes Buch. 229
ein schuelles Gift aber für die übrigen Lastthiere, daher
jenes Gewächs sowohl wie der Esel dem Vater Bacchus
geweüiet. Selbst unbedeutende und kleine Dinge haben ihr
Gift und Gegengift. Durch Zusatz von Lindenstaub mil-
dern die Köche die allzugrosse Schärfe der Speisen. Das
Salz benimmt den zu süssen Speisen den widerigen Ge-
schmack. Alkalische und bittere Wässer werden durch
Zusatz von Gerstengraupen (welche in ein Weinsäckchen
gebunden sind) dergestalt gemildert, dass man sie inner-
halb zwei Stunden trinken kann. Dieselbe Eigenschaft besitzt
die rhodische Kreide und unser Thon. Aber auch Beispiele
von Eintracht finden wir in der Natur; so wird das Pech
vom Oele aufgenommen, denn beide sind von fettiger Be-
schaffenheit. Oel lässt sich mit Kalk vermischen, wäh);eud
beide für sich dem Wasser widerstreben. Gummi löst
sich leichter in Essig, Atramentumi) leichter in Wasser.
So giebt es noch unzählige Fälle der Art, welche ich ge-
eigneten Orts mittheileu werde. Allen diesen Erscheinungen
verdankt die Heilkunde ihr Entstehen. Die Vorsehung
wollte, dass nur dasjenige als Arzneimittel dienen sollte,
was allgemein vorhanden, leicht und ohne Kosten zu ver-
schaffen sei, und zur Nahrung diene. Später jedoch erfand
der Betrug und die Raffinerie der Menschen jene Werk-
stätten, in denen ihnen das Leben und die Gesundheit für
Geld verheissen wird, und wo man die verwickeltsten Com-
positionen und Mixturen anpreist. Man glaubt sich hier
mitten nach Arabien und Indien versetzt; für ein kleines
Geschwür wird eine Arznei vom rothen Meere verordnet,
während der ärmste Mensch täglich die wahren Mittel als
Speise geniesst. Wenn man die letztern aus dem Garten,
von Kräutern und Sträuchern holen würde, so wäre keine
Kunst schlichter als die Medicin. Aber so ist es in der
That, je mehr das römische Volk an Macht und Grösse
seiner Besitzungen gewonnen, desto mehr hat es seine alten
Sitten und Gebräuche verloren, durch Siege sind wir be-
') S. XXXIV. B. 32. Cap.
230 Vierundzwanzigstes Buch.
siegt weiden. Wir gehorchen den Ausländern und eine
der Künste herrscht sogar über die Kaiser. Doch hiervon
später mehr.
2.
Des Lotus, welcher auch der ägyptische Lotus oder
der syrtische Baum genannt wird, haben wir bereits früher
gedacht. Bei uns nennt man ihn griechische Bohne ^).
Seine Beeren hemmen den Durchfall. Das zerkleinerte
Holz ist in Wein gekocht gut für Dysenterie, Menstruation,
vSchwindel und Epilepsie, hindert auch das Ausfallen der
Haare. Merkwürdigerweise schmeckt das Holz äusserst
bitter, während die Beeren zu den süssesten Früchten ge-
hören. Aus den Sägespänen bereitet man durch Abkochen
mit Myrtenwasser, Kneten und Formen in Kügelchen ein
Miltel, welches sich, zu 1/2 Denar mit 3 Bechern Wasser
genommen, bei Dysenterie äusserst wirksam zeigt.
3.
Die Früchte der Eiche heilen mit Schmalz vermischt,
diejenigen Verhärtungen, welche man unheilbare zu nennen
pflegt. Noch kräftiger wirkt das Holz, die Rinde und vor
allem der Bast. Letzterer wird bei Verstopfung abgesotten
und bei Dysenterie, wie die Eichel selbst, aufgelegt; ist
auch ein Mittel bei Schlangeubiss, Rheumatismus und Ge-
schwüren. Blätter, Frucht, Rinde und der abgkochte Saft
werden als Gegengifte angewandt. Auf Schlangenbisse
legt man die mit Kuhmilch gesottene Rinde, und gegen
Dysenterie giebt man sie mit Wein. Dieselbe Wirkung
besitzt die Steineiche.
4.
Die Kermesbeeren^) legt man mit Essig auf frische
Wunden, mit Wasser auf Augenflüsse und mit Blut unter-
laufene Augen. Eine Art davon, welche in Attika und
Asien vorkommt, sich schnell in einen Wurm umwandelt
') Diospyros Lotus L. S. XVI. B. 53. Cap.
2) coccus ilicis.
Vierundzwanzigstes Buch. 231
und daher Wttrmcheni) genannt wird, taugt nicht. Die
hauptsächlichsten Arten habe ich schon früher besprochen"'^).
5.
Von den Galläpfeln habe ich ebenfalls mehrere Arten
aufgeführt, nämlich dichte, durchlöcherte, weisse, schwarze,
grosse und kleine. Sie besitzen alle gleiche Wirksamkeit,
doch sind die commagenischen die besten. Sie vertreiben
die Auswüchse am Leibe, heilen das Zahnfleisch, Zäpfchen,
die Muudgeschwüre, werden gebrannt und in Wein abge-
löscht wider Darmgicht und Dysenterie, mit Honig auf Nä-
gelgeschwüre, rauhe Nägel, Augenfell, Afterschäden, lau-
fende und um sich fressende Geschwüre gelegt. Einen
weinigen Absud tröpfelt man in die Ohren, mit Essig legt
man sie auf die Augen wider Ausbrüche und Geschwulste.
Die innersten Theile der Galläpfel kauet man gegen Zahn-
weh, oder legt sie auf den (durch Gehen oder Reiten ent-
standenen) sogenannten Wolf, sowie auf Brandwunden.
Trinkt man unreife Galläpfel mit Essig, so vergeht die
Milz; brennt man dieselben und löscht sie in salzhaltigem
Essig ab, so dienen sie als wirksamer Umschlag bei der
monatlichen Reinigung und bei ausgetretener Gebärmutter.
Alle Arten fiirben das Haar schwarz.
6.
Ich habe bereits mitgetheilt, dass die Mistel vor-
züglich auf Eichen vorkommt, und wie der Vogelleim be-
reitet wird 3). Einige stossen sie^) und kochen sie so lange
mit Wasser, bis sie oben auf schwimmen. Andere kauen
die Beeren und spucken die Schale aus. Am besten sind
die, welche nur wenig Schale haben, sehr leicht, aussen
gelb, innen lauchgrau und sehr klebrig sind. Sie erwei-
chen, vertheilen die Geschwulste und trocknen die Kröpfe.
Mit Harz und Wachs vertreiben sie alle Arten von Beulen;
man setzt auch Galbanura hinzu und zwar von jedem der
') scolecion.
2) XVI. B. 12. Cap.
3) Im XVI. B. 94. und 95. C.
*) Nämlich die Beeren.
232 Vierundzwanzigstes Buch.
IngTedienzieu ein g-leiches Gewicht, und wendet dieses
Mittel zu demselben Zwecke wie auch bei Wunden an.
Rauhe Nägel werden glatt, wenn man die Beeren alle
7 Tage frisch auflegt und den schadhaften Theil jedesmal
mit Natronlösung wäscht. Einige meinen, ihre Wirkung
sei noch kräftiger, wenn man sie zur Zeit des Neumondes
ohne Hülfe eines eisernen Instrumentes von der Eiche
sammle. Wenn sie die Erde nicht berührt haben, sollen
sie die Epilepsie vertreiben, und wenn Frauen sie bei
sich tragen, sollen sie leichter empfangen. Gekauet und
aufgelegt heilen sie die Geschwüre. vollkommen aus.
7.
Die Kügelchen der Eichel) rufen auf Glatzen die
Haare wieder hervor, wenn sie mit Bärenfett vermischt
aufgestrichen werden. Die Blätter, Rinde und Früchte der
C erreiche trocknen flüssige Ansammlungen, Sehwären und
hemmen die Flüsse. Einen Absud davon benutzt man als
Bähung, um erstarrte Glieder zu kräftigen; und setzt man
sich darüber, so trocknet er und zieht zusammen. Die
Wurzel der Cerreiche ist ein Mittel wider die Scorpionen.
8.
Die Rinde der Korkeiche wird zerrieben und mit
warmem Wasser gegen alle Arten von Blutfltissen getrun-
ken. Hire Asche empfiehlt man mit warmem Leim als ein
vorzügliches Mittel gegen Blutspeien.
9.
Die Rinde der Buche kauet man bei Fehlern des
Zahnfleisches und der Lippe, die Asche der Frucht legt
man gegen Steinbeschwerden, mit Honig gegen Glatzen auf.
10.
Die Blätter der Cypresse legt man zerrieben auf
Schlangenbisse, mit Polenta auf den Kopf, wenn derselbe
in Folge der Sonnenhitze schmerzt; desgleichen auf Brüche,
zu welchem Zweck man sie auch als Trank anwendet.
') pilulae. Wahrscheinlich meint Plinius die galläpfelartigen
Auswüchse auf den Blättern unserer Eichen.
Vierundzwanzigstes Buch. 233
Auf geschwollene Hoden legt man sie mit Wachs. In Ver-
bindung mit Essig schwärzen sie das Haar. Mit zwei Thei-
len weichen Brotes vermischt und mit amineischem Weine
angeknetet stillen sie die Schmerzen der Füsse und Sehnen.
Die Früchte 1) trinkt man gegen Schlangenbisse und Blut-
speien. Bei Saftanhäufungeu wendet mau sie äusserlich
an. Wenn sie noch jung sind, werden sie bei Brüchen mit
Schmalz und Bohnenmehl aufgelegt oder auch als Trank
genommen. Gegen Ohrentibel und Kröpfe legt man sie mit
Getreidemehl auf. Bei Blödigkeit der Augen wendet man
den ausgepressten Saft der Früchte mit Oel vermischt an.
Nimmt man ^2 Deuar' schwer von den Früchten als weini-
gen Trank und wendet man diess Mittel mit einer von den
Kernen befreiten, trocknen weichen Feige äusserlich an,
so werden die Hodenübel und Geschwulste geheilt. Mit
Hefe vermischt heilen sie die Kröpfe. Wurzel und Blätter
werden zerrieben als Trank gegen Blasenübel, Harnstrenge
und Erdspinnen verordnet. Ein aus den Holzspänen be-
reiteter Trank befördert die Menstruation und heilt die
Stiche der Scorpione.
11,
Die grosse Ceder-) liefert eine Art Pech, welches
man Cedria nennt. Dasselbe ist ein gutes Mittel bei Zahn-
übeln, denn es zermalmt die Zähne, treibt sie aus und stillt
den Schmerz. Der Cedernsaft, dessen Bereitung ich früher
angegeben habe, würde als Beleuchtungsmittel von grossem
Nutzen sein, wenn er kein Kopfweh verursachte, Todte
Körper schützt er auf lange^Zeit vor der Fäulniss, lebende
vernichtet er; sonderbare Erscheinung entgegengesetzter
Wirkung einer und derselben Substanz, dem Lebenden das
Leben zu nehmen , und den Todten gleichsam lebendig zu
machen! Er verdirbt auch die Kleider und tödtet die
Thiere. Ich kann daher denen nicht beistimmen, welche
jenes Mittel innerlich bei Bräune und Unverdauliehkeit
') pilulae.
2) Cedrelate; Pinus Cedrus L.
234 Vierundzwanzigstes Buch.
empfehlen; möchte auch selbst Anstand nehmen, bei Zahn-
schmerzen den Mund mit einer Mischung von Cedernsatt
und Essig auszuspülen, oder ihn bei Schwerhörigkeit und
Würmern in die Ohren zu tröpfeln. Folgende seltsame
Wirkung schreibt man dem Cedernsafte zu; wenn nämlich
das männliche Glied damit benetzt werde, so soll bei nach-
heriger Pflegung des Beischlafs die Leibesfrucht abgehen.
Dagegen trage ich kein Bedenken, ihn als Einreibemittel
bei Läusesucht, hartnäckigem Grind und Aussatz zu em-
pfehlen. Wider das Gift des Seehasen verordnet man ihn
innerlich mit Rosinenwein. Einige Schriftsteller lassen bös-
artige und wildes Fleisch enthaltende Geschwüre, sowie
schwache Augen damit einreiben, gegen Lungengeschwüre
und Bandwürmer aber einen Becher voll davon trinken
Man bereitet daraus ein Oel, welches Pechöl genannt wird
und eine noch stärkere Wirkung besitzt. Die Sägespäne
der Ceder vertreiben die Schlangen; dieselbe Wirkung
haben die mit Oel abgeriebenen Beeren, wenn man sich
damit bestreicht.
12.
Die Cederfrüchte sind gut für den Husten, harntrei-
bend, hemmen den Durchfall, und erweisen sich auch wirk-
sam bei Brüchen, Verrenkungen, Krämpfen, Harnstrenge
und Uebeln der weiblichen Schaam, wenn man sie auflegt;
mau wendet sie ferner wider den Seehasen, Geschwulste,
Entzündungen u. s. w. an.
13.
Das Galbanum, von dem schon früher die Rede war,
soll weder zu trocken noch zu schmierig, sondern so be-
schaffen sein, wie ich es beschrieben habe. Man verord-
net es für sich als Trank bei anhaltendem Husten, schwerem
Athem, Brüchen und Verrenkungen; äusserlich bei Hüftweh,
Seitenstechen, Fettbeulen, Hitzblattern, Ablösung des Flei-
sches von den Knochen, Kröpfen, Gichtknoten und Zahn-
schmerzen, mit Honig bei Kopfgeschwüren. Mit Rosenöl oder
Karde tröpfelt man es in eiternde Ohren. Vermöge seines Ge-
ruchs(ätherischen Oeles)hilft es schon bei Epilepsie, Zusammen-
Vierundzwanzigstes Buch. 235
schnürung der Gebärmutter und Magenkrampf. Legt man
es auf oder räuchert man damit, oder legt man damit be-
strichene Stengel der Nieswurz unter, so befördert es den
Abgang unzeitiger Geburten. Dass die Schlangen durch
den beim Brennen des Galbanums sich entwickelnden
Rauch vertrieben werden, habe ich bereits mitgetheilt; sie
fliehen auch vor Personen, welche damit bestrichen sind.
Auch Scorpionstiche heilt man damit. Bei schweren Ge-
burten und bei unrichtiger Lage der Gebärmutter verordnet
man Galbanum von der Grösse einer Bohne mit einem
Becher Wein. Mit Myrrhe und Wein genommen treibt es
todte Kinder ab, vernichtet auch die Wirkung der Gifte.
Wenn Schlangen eine Mischung von Galbanum, Oel und
Spondylion berühren, werden sie getödtet. Man glaubt, das
Galbanum sei dem Urin schädlich.
14.
Aehuliche Eigenschaften hat das Ammoniakum; es
erweicht, erwärmt, vertheilt und löst. In Augensalben be-
wirkt es besonders, dass die Augen hell werden. Es ver-
treibt auch das Jucken, befördert die Vernarbung; stillt
Zahnschmerzen, besonders wenn man damit räuchert. Als
Trank genommen wendet man es bei beschwerlichem Athem,
Seitenstechen, Luugenübeln, Blutharnen, Milzkrankheiten,
Hüftweh und Verstopfung an. Mit einem gleichen Gewichte
Pech oder Wachs und Rosenöl gekocht legt man es bei
Gliederkrankheiten und Podagra auf. Es zeitigt die Fett-
beulen, zieht mit Honig die Hühneraugen aus, und erweicht
Verhärtungen. Auf die Milzgegend legt man es unter Zu-
satz von Essig und cyprischem Wachs oder Rosenöl mit
bestem Erfolge. Schlaffe Glieder werden mit einer Mischung
von Ammoniakum, Essig, Oel und ein wenig Natron ein-
gerieben.
15.
Auch vom Styrax habe ich bereits bei den ausländi-
schen Bäumen gesprochen. Ausser den dort angeführten
Sorten schätzt man besonders den fetten, reinen und mit
weissen Stücken durchsetzten. Er dient bei Husten, Hals,
236 Vierundzwanzigstes Buch.
Brust, verschlossener und verhärteter Gebärmutter. Als Trank
genommen oder aufgelegt befördert er den Monatsfluss und
erweicht den Unterleib. Geringe Dosen des daraus berei-
teten Trankes sollen die Schwermuth lindern, grössere Dosen
dieselbe ganz vertreiben. Giesst man es in die Ohren, so
vergeht das Sausen derselben; aufgelegt heilt es Kröpfe
und knotige Sehnen. Es widersteht denjenigen Giften,
welche vermöge ihrer erkältenden Wirkung schaden und
daher auch dem Schierlinge.
16.
Das ebenfalls schon erwähnte Spondylioni)wird inForm
eines Aufgusses den Wahnsinnigen, Schlafsüchtigen und an
Kopfschmerzen Leidenden auf den Kopf gelegt. Mit altem
Oele nimmt man es innerlich oder räuchert damit bei Le-
berleiden, Gelbsucht, Epilepsie, Engbrüstigkeit, Zusammen-
schnürung der Gebärmutter und Verstopfung. Mit Raute
legt man es auf fressende Geschwüre. Die Blüthe des
Gewächses heilt eiternde Ohren, wenn man den Saft da-
von hinein tröpfelt; dieser Saft muss gut bedeckt aufbe-
wahrt werden, denn die Fliegen und ähnliche Insekten
sind sehr begierig danach. Die abgeschabte Wurzel legt
man auf Fistelschäden, um die schwieligen Theile weg-
zubeitzen; setzt sie auch dem in die Ohren zu tröpfelnden
Safte zu, verordnet sie ferner ohne weitern Zusatz gegen
Gelbsucht, Krankheiten der Leber und Gebärmutter. In Form
einer Salbe ins Haar gestrichen, macht sie dieselben kraus.
17.
Das Sphagnum, Sphacum oder Bryum, welches wie
gesagt auch in Gallien vorkommt, heilt die Gebärmutter,
wenn man sich über die Abkochung desselben setzt, mit
Brunnenkresse und Salzwasser abgerieben heilt es geschwol-
lene Knie und Schenkel. Mit Wein und trocknem (altem)
Harze getrunken, wirkt es stark auf die Harnsekretion,
mit Wein und Wachholderbeeren getrunken befreit es die
Wassersüchtigen vom Wasser.
') XII. B. 58. Cap.
Tierundzwanzigstes Buch. 237
1«.
Von der Terebinthe legt mau die Blätter und Wur-
zeln auf angeschwollene Theile. Ein Absud davon stärkt
den Magen. Den Samen nimmt man mit Wein gegen
Kopfwell und Harustrenge; er wirkt gelinde auf den Stuhl-
gang und reizt zum Beiscblafe.
19.
Die Blätter der Rothtanne und des Lärehenbaumes
werden gegen Zahnweh zerrieben und in Essig gekocht;
die Asche ihrer Rinden dient zur Heilung des sogenannten
Wolfs und der Brandwunden. Ein daraus bereiteter Trank
hemmt den Durchfall und treibt den Harn. Bei Fehlern
der weiblichen Schaam räuchert man damit. Die Blätter der
Rothtanne werden zu 1 Drachme schwer in Wassermeth mit
Essig gegen Leberleideu getrunken. Die Erfahrung hat
gelehrt, dass die Pech und Harz liefernden Wälder den
Schwindsüchtigen und solchen Personen, welche sich von
einer langwierigen Krankheit nicht leicht erholen können,
ein höchst zuträglicher Aufenthaltsort sind, die dort herr-
schende Luft ihnen jedenfalls besser bekommt als eine
Reise nach Aegypten oder der Genuss des Saftes frischer
Bergkräuter während des Sommers.
20.
Die Feldcypressei) führt bei uns den Namen Trei-
bekraut 2) wegen ihrer abtreibenden Wirkung. Einige nennen
sie auch Erdweihrauch; sie hat ellenlange Zweige, ihre
Blttthen und ihr Geruch erinnern an die Fichte. Eine
zweite Art ist kleiner und etwas gekrümmt 3). Eine dritte
Art, ebenso benannt und von gleichem Gerüche, ist noch
kleiner, der Stengel hat die Dicke eines Fingers, die Blät-
ter sind rauh, sehr klein, weiss und findet sich auf Fel-
sen^). Alle drei sind Kräuter, aber wegen der Aehnlichkeit
ihrer Namen nicht von einander zu unterscheiden. Man be-
•) Chamaepitys; Ajuga Iva L.
-) abiga. ^) Diess ist Passerina hirsuta L.
•') Diess ist Ajuga Chia oder A. Chamaepitys L.
238 Vierundzwanzigstes Buch.
nutzt sie mit Zusatz von Datteln und Quitten äusserlich
gegen Seorpionstiche und Leberleiden, mit Geistenmehl
gekocht bei Fehlern der Nieren und Blase. Gegen Gelbsucht
und schweres Harnen trinkt man einen Absud davon. Die
dritte Art ist mit Zusatz von Honig ein Mittel gegen
Schlangen; aufgelegt reinigt sie auch die Gebärmutter, als
Trank genommen entfernt sie verdicktes Blut. Wer sich
damit einreibt, geräth in Schweiss und spürt Linderung in
den Nieren. Man bereitet auch daraus Pillen gegen Was-
sersucht; und nimmt man dieselben mit Feigen ein, so
führen sie ab. ^2 Denar schwer mit Wein genommen ver-
treibt die Lendenschmerzen und den erst entstehenden
Husten. Ein mit Essig bereiteter Trank soll die todte
Leibesfrucht sogleich abtreiben.
2L
Auch der Pityusa^), welche von Einigen zu den Tithy-
malus-Arten gezählt wird , muss ich hier billigerweise
gedenken. Sie bildet einen der Rothtanne ähnlichen Strauch
mit kleinen purpurrothen Blumen. Ein Absud der Wurzel
zu einer Hemina oder einen Löfl'el voll Samen in einer
Dattel genommen, führt Galle und Schleim durch den
After ab. Die in Essig gekochten Blätter entfernen die
Schuppen von der Haut, sind auch gut für die Brüste, für
Bauchgrimmen , Schlaiigenbisse und eben erst entstandene
Anschwellungen, wenn man Bautendekokt hiuzumischt.
n.
Ich habe bereits angegeben , dass die oben genannten
Bäume Harz liefern; ferner habe ich die Arten desselben
und ihre Herkunft in Bezug auf den Wein und später auch
bei den einzelnen Bäumen selbst besprochen. Es giebt
zwei Hauptarten, trocknes und flüssiges. ■ Das trockne
erhält man von der Fichte und Tanne, das flüssige von
der Terebinthe, dem Lärchenbaum, Mastixbaum und der
Cypresse, denn auch diese letzten (beiden) führen solches
•) Euphorbia Pityusa L.
Vierundzwanzigstes Buch. 239
in Asieu und Syrien. Es ist ein Iirthum, das Haiz der
Tanne und des Lärchenbaums für ein und dasselbe zu
halten; denn das Tannenharz ist fett und saftig wie der
Weihrauch, das Lärcheuharz hingegen mager, honigdick und
übelriechend. Die Aerzte bedienen sieh des flüssigen
Lärchenharzes nur selten und fast nur mit einem Ei ver-
setzt bei Husten und Geschwüren in den Eingeweiden,
des Fiehteuharzes auch nicht häufig, und der übrigen nur im
gekochten Zustande. Auch die Zubereitungsweise durch
Kochen habe ich früher angegeben. In Bezug auf den
Unterschied der Bäume erscheint das Harz der Terebiuthe
als das wohlriechendste und leichteste; in Rücksicht auf
das Vaterland verdient das cyprische und syrische den
Vorzug, beide haben die Farbe des attischen Honigs, doch
ist das cyprische fleischiger und trockner. Von der trocknen
Art zieht man diejenigen Sorten vor, welche weiss, rein
und durchsichtig sind; von allen Arten aber diejenigen,
welche von auf Bergen und gegen Norden stehenden Bäumen
gesammelt waren. Zum Gebrauch für Wunden und zu
weichen Salben löst man das Harz in Oel auf; zu Tränken
versetzt man es mit bitteren Mandeln. Die Heilkraft des
Terebinthenharzes besteht darin, die Wunden zusammenzu-
' ziehen, zu reinigen, Anschwellungen und Fehler in der Brust
zu zertheilen. Man streicht es warm auf schmerzende
Glieder und solche Theile, die durch Einwirkung der Sonne
gelitten haben. Die Quacksalber empfehlen als Mittel
wider die Magerkeit, den ganzen Körper damit zu überziehen,
weil es die Haut an allen Gliedern ausdehne und in Folge
davon den Körper fähig mache, mehr Speise zu sich zu
nehmen. Dem Terebinthenharze steht das des Mastixbaums
am nächsten; es zieht zusammen und wirkt namentlich
harntreibend. Die übrigen Arten erweichen den Leib,
befördern die Verdauung, vertreiben anhaltenden Husten
und wenn man damit räuchert, die Beschwerden der Gebär-
mutter. Der Mistel wirken sie entgegen. Fettbeulen und
ähnliche Uebel heilen sie mit Kindstalg und Honig. Der
Mastix verleihet den Augenlidern eine ausserordentliche
240 Vierundzwanzigstes Buch.
Geschmeidig'keit, erweist sieh auch sehr wirksam bei zer-
brochenen Gliedern, eiternden Ohren und juckenden Ge-
schlechtstheilen. Kopfwunden heilt man am besten mit
Fichtenharz.
23.
Wie das Pech bereitet wird und dass es zwei Arten,
festes und flüssiges (Theer) giebt, habe ich ebenfalls
schon mitgetheilt. Unter den Sorten des festen ist das
brutische für den medicinisehen Gebrauch am besten, denn
es besitzt die g-rösste Fettigkeit und Klebrigkeit und sieht
daher auch mehr roth aus als die übrigen. Dagegen halte
ich die Angabe, dass das vom männlichen Baume besser
sei, für unbegründet. Das Pech besitzt die Kraft zu
erwärmen und auszufüllen. Besonders heilt es mit Polenta
die Bisse der Hornschlangen, mit Honig die Bräune, den
Schnupfen und das Niesen, Mit Rosenöl tröpfelt mau es
in die Ohren, mit Wachs streicht man es auf. Es heilt
Flechten, macht offnen Leib, befördert als Latwerge genommen
den Auswurf und heilt mit Honig aufgelegt die geschwol-
lenen Mandeln. Daher reinigt und füllt es auch die Ge-
schwüre aus; mit Rosenwein und Schmalz die Carbunkeln
und eiternden Geschwüre; mit Fichtenriude oder Schwefel
die umsichfressenden Geschwüre. Einige verordnen es auch
zu einem Becher voll gegen Schwindsucht und anhaltenden
Husten. Es heilt die aufgesprungene Haut an After und
Füssen, die Fettbeulen und rauhen Nägel, vermöge seines
riechenden Princips Verhärtungen und Verdrehungen der
Gebärmutter sowie die Schlafsucht. Mit Gerstenmehl und
Kindsharn gekocht bringt es die Kröpfe zum Schwären.
Auch gegen Glatzen bedient man sich des trocknen Pechs;
auf weibliche Brüste legt man brutisches Pech , welches
mit feinstem Mehle und Wein gekocht ist, so warm als
möglich auf.
24.
Der Theer und das Theeröl ist ebenfalls schon be-
sprochen worden. Einige kochen den Theer noch einmal
und nennen ihn dann zweimal gesottenen. Bei Bräune und
Vierundzwanzigstes Buch. . 241
gesehwollenen Zäpfchen bestreicht man die leidenden Theile
damit. Ebenso bei Olirenschmerzen, Augenschwäche, Miind-
übclu, Engbrüstigkeit, Gebärmutterleiden, anhaltendem
Husten, heftigem ßrustkatarrh, Krämpfen, Zittern, krampf-
hafter Zurückbiegung des Kopfes, Lähmung und Schmerz
in den Sehnen. Er ist das beste Mittel gegen die Räude
der Hunde und Lastthiere.
25.
Es giebt auch Asphaltpech, welches eine natürliche
Mischung von Asphalt und Pech ist und im Gebiete der
Apolloniater^) gefunden wird. Einige bereiten es künst-
lich durch Mischung. Man empfiehlt es besonders gegen
die Räude des Rindviehs und wenn die Ziegen durch das
Säugen verletzt sind. Das ist das beste, welches beim
Schmelzen obenaufschwimmt.
26.
Ich habe angegeben, dass das, was man von den
Schiffen abschabt, wenn das Wachs durch Einwirkung des
Seewassers verändert ist, Zopissa genannt wird. Das
beste erhält mau von solchen Schiffen, welche noch nicht
lange im Gebrauch gewesen sind. Man setzt es den zur
Vertheilung von Geschwulsten dienenden Mitteln zu.
27.
Vom Tädabaume bereitet man mit Essig einen Ab-
■id zum Ausspühlen des Mundes bei Zahnschmerzen.
28.
Der Same, die Rinde und die Harzthränen des Mastix-
baums wirken harntreibend und auf den Mastdarm stopfend.
Eine Abkochung davon dient zu Bähungen bei um sich
fressenden Geschwüren, zu Umschlägen auf feuchte Stellen
und auf die Rose, und zum Abspühlen des Zahnfleisches.
Schmerzende Zähne reibt man mit den Blättern, und wenn
sie lose sind, spült mau mit einem Absude derselben den
Mund aus; auch färben sie das Haar. Die Harzthränen
') In Assyrien, am östlichen Ufer des Tigris.
Wittstein: PUnius. IV. Bd. ]6
242 ■ Yierundzwanzigstes Buch.
dienen zum Austrocknen und Erwärmen von Afteriibelu.
Ein Absud derselben ist gut für den Magen, befördert das
Aufstossen und Uriniren; gegen Kopfweh setzt man ihm
Gerstengraupen zu und macht Ueberschläge. Die jungen
Blätter legt man auf entzündete Augen. Das Mastixharz
verwendet man auch, um die Augenlider wieder in ihre ge-
hörige Lage zu bringen, die Haut im Gesichte auszudehnen
und zu reinigen, den Auswurf des Blutes, anhaltenden Husten
zu vertreiben; es hat überhaupt ähnliche Wirkung wie das
Ammoniacum. Ferner heilt es durch Reiben entstandene
Verletzungen, wenn man es mit dem Oele des Mastixsamens
und Wachs oder mit den in Oel gekochten Blättern versetzt.
Mit einer wässerigen Abkochung des Mastix bähet mau das
männliche Glied. Ich weiss, das der Arzt Demokrates der
kranken Considia, der Tochter des gewesenen Consuls M.
Servilius, welche sich zu keiner strengen Kur verstehen
wollte, längere Zeit mit Nutzen Milch von Ziegen, welche
er mit Mastixblättern fütterte, verordnet hat.
29.
Die Platanen werden von den Fledermäusen gemie-
den. Die runden Früchte heilen, vier Denare schwer mit
Wein getrunken die Bisse der Schlangen, Stiche der Scor-
pione und Brandschäden. Mit scharfem und noch besser mit
Meerzwiebel-Essig stillen sie alle Blutflüsse; mit Honig ver-
treiben sie Sommersprossen, Krebsgeschwüre und alte
schwarze Hautflecken. Blätter und Rinde, wie auch deren
Abkochung wendet man äusserlich bei Geschwulsten und
eiternden Schäden an. Eine Abkochung der Rinde mit
Essig ist ein Mittel für die Zähne und eine Abkochung der
zartesten Blätter mit weissem Wein ein Mittel für die Augen.
Der zarte Flaum der Blätter schadet Ohren und Augen. Die
Asche der Früchte heilt verbrannte uud erfrorene Glieder.
Die Rinde giebt man mit Wein gegen die Stiche der Scor-
pione.
30.
Die Esche besitzt, wie schon früher berichtet, bedeu-
tende Kräfte wider die Schlangen. In ihren Blättern steckt
Vierundzwanzigstes Buch. 243
ein Same ^), welcher mit Wein genommen Leber- und Seiten-
sobmerzeu, auch das. unter der Haut angesammelte Wasser
vertreibt. Die Blätter giebt mau in Wein vertbeilt fetten
Personen, um sie mager zu machen und zwar Knaben 5
Blätter mit 3 Bechern Wein, Erwachsenen 7 Blätter mit 5
Bechern. Ich darf hier nicht unberührt lassen, dass Einige
augegeben haben, man solle sich vor den grübern und fei-
nern Spänen des Eschenholzes in Acht nehmen.
31.
Die Wurzel des Ahorns wird mit Wein angestossen
bei Leberleiden mit bestem Erfolge aufgelegt.
32.
Der Anwendung der Trauben (Kätzchen) der weissen
Pappel habe ich bereits gedacht. Ein aus der Rinde be-
reiteter Trank erweist sich heilsam bei Hüftweh und Harn-
strenge, der Saft der Blätter wird warm in schmerzende
Ohren getröpfelt. Wer einen dünnen Pappelzweig in der
Hand hält, geht sich keinen Wolf. Die schwarze Pappel,
welche in Greta wächst, soll am wirksamsten sein. Ihren
Samen wendet man mit Nutzen gegen Epilepsie an. Das
aus diesem Samen in geringer Menge quellende Harz wird
erweichenden Pflastern zugemischt. Die Blätter legt man
in Essig gesotten auf gichtische Theile. Der aus hohlen
Stellen der schwarzen Pappel fliessende Saft vertilgt Warzen
und durch Eeiben entstandene Hitzblattern. Aus der Feuch-
tigkeit, welche sich auf den Pappelblättern findet, bereiten
die Bienen das Stopf wachs; sie besitzt, mit Wasser zube-
reitet, ähnliche Kräfte wie das Stopfwachs selbst.
33.
Die Blätter, Rinde und Zweige der Ulme wirken auf
Wunden verdichtend und zusammenziehend. Vorzüglich
heilen der innere, bastartige Theil der Rinde und die
') d. h. die ganze Frucht ist dünn, blattartig, eine sogenannte
Flügelfrucht (saniara). Setzt man im Texte statt folüs: folhculis
(wie denn auch im 33. Cap. die Flügelfrucht der Ulme folliculus
genannt wird), so ist der Sinn des Satzes sogleich klar.
16*
244 Vierundzwanzigstes Buch.
Blätter, mit Essig aufgelegt, die Krätze, Die Rinde zu einem
Denar schwer mit einer Hemina kalten Wassers getrunken,
reinigt den Unterleib, entfernt den Schleim und die wäss-
rigen Theile. Die aus dem Stamm thränenartig ausquel-
lende Substanz kocht man mit Wasser zu Bähungen für
geschwollene Stellen, Wunden und Brandschäden. Die in
den Fruchtbälgen sich vorfindende Feuclitigkeit macht die
Haut glänzend und giebt dem Gesichte ein besseres Aus-
si-hen. Die jungen Blattstiele heilen, mit Wein gekocht, die
Geschwülste und entfernen sie durch Fisteln; ebenso wirkt
dev Bast. Viele halten die gekauete Rinde für ein sehr wirk-
sames Mittel bei Wunden, und die mit etwas Wasser zer-
quetschten Blätter sollen geschwollene Füsse heilen. Auch
die Feuchtigkeit, welche, wie ich angegeben, aus dem Marke
des verschnittenen Baumes fliesst, hat ihren Nutzen; streicht
II. an sie auf den Kopf, so ruft sie auf kahlen Stelleu die
Haare wieder hervor und hindert das Ausfallen der noch
vorhandenen.
34.
Die Linde und der wilde Oelbaum können in ähn-
1 ciien Fällen angewandt werden. Doch sind die Blätter
1 ur im Gebrauche, und ZAvar gekauet bei Geschwüren der
K'nder im Munde; gekocht wirken sie harntreibend, aufge-
legt massigen sie den zu reichlichen Monatsfluss, und in
<' uem Tranke genommen, führen sie das Blut ab.
35.
Vom Ho 11 und er giebt es noch eine zweite, wildere
Art, welche kleiner ist, von den Griechen Chamaeacte, von
l.'uigen Heiion genannt wird. i) Ein mit altem Wein berei-
tMicr Absud der Blätter, Samen oder Rinde beider Arten
z'i /.wei Bechern getrunken, beschwert den Magen und macht
iiiä-sigeu Stuhlgang. Er kühlt auch die Hitze, namentlich
tiischer Brandwunden und der tollen Hundsbisse, wenn mau
') Diess ist der Atticli, Sambucus Ebulus L. — Die grössere
Art ist Sambucus ui":ra L.
Viei-undzwanzigstes Buch. 245
die zartesten Blätter mit Polenta auflegt. Der Saft wird
gegen Ansammlungen im Gehirn und unter der Gebirnhaut
als Umschlag empfohlen. Die Beeren besitzen weniger
Wirksamkeit als die übrigen Tlieile des Gewächses, färben
aber die Haare. Ein Acetabulum voll reifer Beeren wirkt
harntreibend. Die jungen Blätter speist man mit Oel und
Essig, um Schleim und Galle abzuführen. Die niedrige Art
ist in jeder Beziehung kräftiger. Zwei Becher voll des weinigen
Dekokts der Wurzel befreien die Hydropischen vom Was.ser
und erweichen die Gebärmutter; der letztere Zweck wird
auch erreicht, wenn man sich über ein Dekokt der Blätter
setzt. Die in Pfannen gekochten jungen Stengel des Hol-
lunders öffnen den Leib. Gegen Schlangenbisse trinkt man
die Blätter mit Wein. Die jungen Stengel legt man auch
mit Bockstalg auf gichtische Glieder mit bestem Erfolge;
um die Flöhe zu tödten, weicht man sie in Wasser ein und
sprengt damit. Ebenso werden die Fliegen getödtet, wenn
man mit einem Absud der Blätter sprengt. Einen Kranken,
der an den sogenannten rothen Blattern i) leidet, peitscht
man mit Hollunderzweigen. Die innere Rinde wird mit
weissem Wein zum Abführen eingenommen.
36.
Der Wach hol der besitzt ausgezeichnete erwärmende
und verdünnende Kräfte, und steht der Ceder^) sehr nahe.
Auch von ihm giebt es eine grössere und kleinere Art.
Beide Arten vertreiben, wenn man sie anzündet, die Schlangen.
Die Samen (Beeren) sind gut für Magen-, Brust- und Seiten-
stechen, Blähungen, Erkältungen, Husten und Verhärtungen.
Geschwulste vertreiben sie, wenn man sie auflegt, und den
Durchfall hemmen sie, wenn man sie mit dunkelrothem
W^ein trinkt. Man setzt sie auch den schnellwirkenden
Gegengiften zu. Die Harnabsonderung wird durch ihren
Genuss befördert. Bei Augengeschwüren wendet man sie
äusserlich an. Wider verrenkte und zerbrochene Glieder,
') boa. 2) Es ]jann hier natürlich nicht Pinus Cedrus, sondern
nur ein anderer Juniperus, etwa T. Oxycedrus gemeint sein.
246 Vierundzwanzigstes Buch.
Baucl]grimmen, Fehler der weiblichen Schaam und Hüftweh
giebt man 4 Beeren mit weissem Wein oder einen aus 20
Beeren bereiteten weinigen Trank. Wer sich vor Schlangen
fürchtet, reibt sich den Leib mit Wachholderbeereu ein.
37.
Die Frucht der Weide zeigt vor der Reife einen spinn-
gewebeartigen Flaum; sammelt man sie vor dieser Periode i),
so ist sie ein gutes Mittel bei Blutspeien. Die Asche der
von jungen Zweigen gesammelten Rinde heilt mit Zusatz
von Wasser Hühneraugen und Schwielen, und verbessert
mit Zusatz des Saftes der frischen Rinde selbst die Fehler
der Haut im Gesichte. Es giebt aber 3 Arten dieses Saftes.
Die eine Art schwitzt aus dem Stamme gleich einem Gummi.
Die andere Art quillt aus einem während der Bltithezeit
in die Rinde drei Finger lang gemachten Einschnitte, dient
zum Reinigen der Augen, zum Verdichten, zur Beförderung
der Harusecretion und zur Entfernung aller im Innern des
Körpers entstandenen Ansammlungen. Die diitte Art ist
derjenige Saft, welcher beim Abstutzen der Zweige mittelst
des Gartenmessers von diesem abläuft. Die eine oder an-
dere Art wird mit Rosenöl in einer Granatapfelschale er-
wärmt in die Ohren gegossen; zu demselben Zwecke sowie
gegen Gift legt man auch die gekochten und mit Wachs
vermischten Blätter auf. Die Blüthe mit den Blättern ab
gerieben vertreibt die Schuppen im Gesichte. Die zerriebenen
und in einem Tranke eingenommenen Blätter schwächen
die Lust zum Beischlaf, und wenn man diese Kur längere
Zeit fortsetzt, so benehmen sie alle Neigung dazu. Ein Ge-
misch von gleichen Theilen der schwarzen am er in i scheu
Weide und Silberglätte ist ein Mittel zum Wegbeitzen der
Haare, wenn man es gleich nach dem Bade auflegt.
38.
Der Keusch bäum 2) steht in Bezug auf die Anwendung
') d. li. bevor sie aufspringt und ihre mit "Wolle bekleideten
Samen ausstreuet.
-) Vitex. Vitex agnus castus L.
Vierundzwanzigstes Buch. 247
seiner Reiser zu Körben und wegen der Aelmliclikeit der
Blätter der Weide nahe, riecht aber angenehmer; die
Griechen nennen ihn Lygos, Andere Agnos, weil die vor-
nehmen Frauen in Athen beim Feste der Ceres ihr Lager
mit den Blättern bestreuen, um ihre Keuschheit zu bewahren.
Es giebt zwei Arten; die grössere erhebt sich \\'ie die Weide
zur Höhe eines Baumes, die kleinere ist sehr ästig, hat hellere
und filzigere Blätter. Erstere heisst, wenn sie weissröthliche
Blumen trägt, die weisse, wenn sie nur purpui'rothe trägt,
die schwarze Art. Ihr Standort sind saftige Triften. Ein
aus dem Samen bereiteter Trank schmeckt weinartig und
soll das Fieber vertreiben; Einreibungen mit einer Mischung
von Oel und dem Samen sollen Schweiss hervorrufen und
die Müdigkeit heben. Sie befördern den Abgang des Harns
und des Monatsflusses; steigen wie der Wein zu Kopfe (rie-
chen auch weinartig), führen die Blähungen durch den After
üh, hemmen den Durchfall, sind auch gut bei Wassersucht
und Milzleiden, vermehren die Secretion der Milch und ver-
nichten die Wirkung des Schlaugengiftes, namentlich des-
jenigen, welches Kälte verursacht. Die kleinere Art erweist
sich in letzterer Beziehung kräftiger und zwar nimmt man
davon eine Drachme Samen oder zwei ganz junge Blätter
mit Wein oder Dünnbier. Gegen die Bisse giftiger Spinnen
legt man beide auf, oder reibt sich damit ein, oder räuchert
damit oder legt sie auch bloss unter. Sie schwächen
die Begierde zum Beischlaf, sind daher auch ein Mittel
gegen die Erdspinneu, deren Biss die Geschlechtstheile
reizt. Kopfschmerzen, welche in Folge von Berauschung
entstanden sind, werden durch die mit Rosenöl versetzten
Blüthen und zarten Stiele vertrieben. Durch Bähung mit
einem Absud der Samen lindert man heftigere Kopfschmerzen;
legt man die Samen auf oder räuchert damit, so wird die
Gebärmutter gereinigt. Zum Abführen nimmt man einen
aus den Samen, Polei und Honig bereiteten Trank ein.
Mit Zusatz von Gerstenmehl werden die Eiter- und Fett-
beulen erweicht. Ferner heilen die Samen mit Mauersal-
peter und Essig versetzt Flechten, Sommersprossen, mit
248 Vierundzwanzigstes Buch.
Honig Geschwüre und Ausschlag am Munde, mit Butter und
Weinlaub Hodengeschwiire, mit Wasser aufgelegt Eisse in
den Lenden, mit Salz, Natron und Wacbs, Verrenkungen.
Samen und Blätter setzt man den Nerven- und Gichtpflastern
zu. Gegen Schlafsucht und Wahnsinn tröpfelt man Oel,
worin die Samen gekocht sind, auf den Kopf. Wer einen
Zweig des Keuschbaums in der Hand hält oder umgebunden
hat, soll sich keinen Wolf gehen.
39.
Einen von der Mvricai) nicht sehr verschiedenen Strauch,
der in Farbe und Blatt auch dem Rosmarin nahe steht,
nennen die Griechen Erica. 2) Derselbe soll für die Schlan-
gen ein Gift sein.
40.
Der Ginster 3) dient ebenfalls zum Binden. Die Blumen
werden von den Bienen sehr gesucht. Ich zweifle, dass
diess dieselbe Art ist, welche bei den griechischen Autoren
den Namen Sparton*) führt und aus der, wie ich mitgetheilt
habe, dort Fischernetze gemacht werden; auch glaube ich
nicht', dass Homer jene Art im Sinne hat, wenn er sagt,
die Schiffstaue ^) seien zerrissen. Soviel ist gewiss, dass-
damals das afrikanische und spanische Spartum noch nicht
im Gebrauche war, und da man in jenen Zeiten die Schifl"e
zusammen nähete*^), so geht schon hieraus hervor, dass
diess mit Flachs und nicht mit Spartum geschah. Der
Same, den die Griechen ebenso nennen und der nach Art
der Schminkbohnen in Hülsen steckt, reinigt wie die Nies-
wurz, wenn man anderthalb Drachmen davon mit vier
Bechern voll Wassermeth nüchtern nimmt. Die noch mit
den Blättern versehenen Zweige weicht man mehrere Tage
lang in Essig ein, stösst sie dann mit der Flüssigkeit zu-
') S. das 41. Cap. -) Erica arLorea L.
3) Genista; Genista liispanica L.
*) Diess ist Spartium junceum L.
^) sparta navium. *') d. h. die einzelnen Theile durch Zusammen-
nähen vereinigte.
Vierundzwanzigstes Buch. 249
samnieu und trinkt bei Hüftweh einen Becher voll davon.
Einige empfehlen, diess Einweichen mittelst Seewasser vor-
zunehmen und die Flüssigkeit als Klystier anzuwenden.
Auch reiben sie die Hüftkranken mit einer Mischung von
Oel und dem Safte des Ginsters ein. Einige wenden den
Samen bei Harnstrenge an. Ginster mit Zusatz von Schmalz
zerstampft heilt Knieschmerzeu.
41.
Die Myrica*), welche Lenaeus^J Erica nennt, und von
der er angiebt, dass sie dem amerinischen Besenkraut
ähnlich sei, soll die Krebsgeschwüre heilen, wenn man sie
mit Wein kocht , dann mit Honig mengt und auflegt.
Einige meinen, diess sei die Tamariske, 3) aber diese
wird vorzüglich bei Milzleiden angewandt, zu welchem
Behuf man den daraus gepresisten Saft mit Wein trinkt.
Sie soll , wie Einige versichern , diesem Leibesorgan so
entgegenwirken, dass Schweine, welche aus Trögen die
von Tamariskenholz gefertigt sind, fressen, dasselbe ver-
lieren. Man giebt daher auch milzsüchtigen Menschen
Speise und Trank in daraus bereiteten Gefässeu. Ein
angesehener medicinischer Schriftsteller behauptet, ein von
diesem Gewächs abgebrochener Zweig, der weder mit der
Erde noch mit Eisen in Berührung gekommen sei, vertreibe
die Leibschmerzen, wenn man ihn über die Tunika fest
um den Leib binde. Der gemeine Mann nennt diess Ge-
wächs ein unglückliches, weil es nichts (Nützliches) trägt
und nicht angebauet wird.
42.
Zu Corinth und in dessen Umgegend nennt man ein
Gewächs Brya*) und unterscheidet zwei Arten davon, eine
') Taxnaiix africana Desf.
*) Pomponius Lenaeus , ein nicht näher bekannter römischer
Schriftsteller.
^) Tamarix gallica oder noch wahrscheinlicher T. germanica.
''^ Vielleicht Bryonia, wenigstens in Bezug auf die wilde Art.
S. XIII. B. 37. Cap.
250 Vierundzwanzigstes Buch.
wilde unfruchtbare und eine bessere. Letztere Art kommt
auch in Aegypten und Syrien vor, trägt zahlreiche holzige
Früchte, welche grösser als Galläpfel sind, herbe schmecken
und von den Aerzten statt der Galläpfel zu denjenigen
Compositionen verwendet werden, die den Namen Anthe-
raei) führen. Zu demselben Zwecke bedient man sich
auch des Holzes, der Blumen, Blätter und Rinde, doch sind
diese Theile nicht so kräftig. Die zerriebene Rinde giebt
man gegen Blutspeien, weibliche Flüsse und Verstopfung;
zerstossen und aufgelegt beugt sie allen Anhäufungen vor.
Der aus den Blättern gepresste Saft hat denselben Zweck.
Man kocht sie auch mit Wein, und legt sie mit Honig auf
Krebsschäden. Ein weiniger Absud derselben heilt inner-
lieh genommen oder mit Rosenöl und Wachs aufgelegt
ebenfalls den Krebs wie auch die Hitzblattern. Ein wäss-
riger Absud der Blätter, desgleichen der Wurzel vertreibt
Zahn- und Ohrenschmerzen. Ferner legt man die Blätter
mit Polenta auf fressende Geschwüre. Von den Samen
nimmt man eine Drachme in einem Trank gegen giftige
Spinnen, und mit dem Fette von Mastvieh legt man ihn
auf feurige Beulen. Auch zeigt er sich wirksam gegen die
Bisse der Schlangen, ausgenommen der Aspiden. Ein
Absud desselben hilft bei Gelbsucht, Läusesucht, Kopfnissen,
ein Aufguss vermindert den zu reichlichen Monatsfluss des
weiblichen Geschlechts. Die Asche des Gewächses kann
zu demselben Zwecke benutzt w^erden. Wenn die Asche
mit dem Harn eines verschnittenen Ochsen versetzt und
diese Mischung unter Speise und Trank gethan wird, soll
die Lust zum Beischlaf vergehen. Die aus der Pflanze
bereitete Kohle wird in demselben Harne ausgelöscht und
im Schatten aufbewahrt; zündet man sie an, so vertreibt
sie ebenfalls die Geilheit. Die Magier geben an, der Harn
eines verschnittenen Menschen habe dieselbe Kraft.
') So nennt Galenu s eine trocknende, vorzüglich aus metallischen
Ingredienzien bestehende Arznei.
Vierimdzwanzigstes Buch. 251
43.
Die Blutrathe^) hält man für nicht hesser; ihre
innere Rinde öffnet die zu frühe zugeheilten Narben.
44.
Die Blätter des Siler legt man gegen Kopfweh auf
die Stirn; sein mit Oel abgeriebener Samen hindert die
Verbreitung der Läusesueht. Auch diesen Strauch fliehen
die Schlangen, und daher tragen die Bauern davon geschnit-
tene Stöcke.
45.
Der Hartriegel"^), welcher vielleicht derselbe Baum
ist, der im Oriente Cyprus heisst^), hat auch in Europa
seinen Nutzen. Sein Saft ist ein gutes Mittel für Sehnen,
Glieder und Erkältungen, seine Blätter wendet man nebst
etwas Salz stets mit Erfolg bei alten Mund-Geschwüren
an; die Beeren gegen die Läusesueht, ferner gegen den Pips
der Hühner, die Beeren oder auch die Blätter gegen das
Wolfgehen.
46.
Die Blätter der Erle sind das sicherste Mittel gegen
Geschwulste, wenn man sie mit heissem Wasser anbrühet.
47.
Vom Epheu habe ich 20 Arten beschrieben. Die me-
dicinische Wirkung aller ist doppelter Natur. Nimmt man
einen daraus bereiteten Trank in etwas reichlicher Menge,
so verwirrt er die Sinne und reinigt den Kopf. Innerlich
schadet der Epheu den Nerven, äusserlich bekommt er ihnen
gut. In Bezug auf seine Kräfte kann man ihn mit
dem Essig vergleichen. Er kühlt, treibt als Trank den
Harn, entfernt die Schmerzen des Kopfs; die zarten Blätter
erweisen sich heilsam für das Gehirn und die dasselbe um-
gebende Haut, wenn man sie mit Essig und Rosenöl an-
') Virga sanguinea; Cornus sanguinea L.
-) Ligustrum, L. vulgare L.
3) Plinius iiTet hier, denn der Cyprus der Orientalen ist Law-
sonia alba Lam.
252 Vierundzwanzigstes Buch.
reibt, koebt und bierauf nocbmals mit Rosenöl versetzt.
Man legt sie aucb auf die Stirn, spült mit einem daraus
bereiteten Absude den Mund aus und maebt davon Kopf-
übersebläge. Gegen Milzleiden trinkt man sie und legt sie
auf. Gegen Fieberscbauder und Scbleimauswurf bilft ein
Absud davon oder ein mit Wein bereiteter Trank. Auch
die Blüthenbüschel bellen innerlicb und äusserlicb ange-
wandt die kranke Milz, äusserlicb Leberleiden. An die
Schaam gelegt, befördern sie den Monatsfluss. Der Saft des
Epbeu, namentlicb des weissen Gartenepbeu vertreibt den
aus der Nase sich entwickelnden üblen Geruch; für sich
oder noch besser nach Zusatz von Natron in die Nase ein-
gezogen reinigt er den Kopf; in eiternde oder schmerzende
Obren tröpfelt man ihn mit Oel; Vernarbungen kommt er
aufs beste zu Hilfe. Der Saft des weissen ist wirksamer
bei Milzleiden, %venn er in Eisen erwärmt wird, und man
braucht nur sechs Beeren in zwei Bechern Wein zu nehmen.
Drei Beeren von weissem Epbeu in Essigmeth getrunken
und gleichzeitig dann auf den Unterleib gelegt, vertreiben
die Würmer. Nach Erasistratus führen 20 Beeren des gold-
farbigen Epheus, wenn sie mit einem Sextar Wein abge-
rieben werden und wenn man je drei Becher davon trinkt,
das unter der Haut angesammelte Wasser durch den Harn
ab. Fünf Beeren von eben derselben Art reibt man mit
Rosenöl, erwärmt das Gemisch in einer Granatapfel schale
und tröpfelt es bei Zahnweh in das dem schmerzenden
Zahne gegenüberliegende Ohr. Nimmt man die mit einem
safrangelben Safte versehenen Beeren vor dem Trinken ein,
so verhüten sie das Berauschtwerden; auch helfen sie bei
Blutspeien und Bauchgrimmen. Die weisslichen Blüthen-
büschel des schwarzen Epheus machen den Mann unfrucht-
bar, wenn er einen daraus bereiteten Trank einnimmt. Auf
alle Arten von Geschwüren, selbst auf die sogenannten un-
heilbaren, legt man den Epbeu mit Wein. Der als Thräneu
daraus quellende Saft vertreibt die Haare und die Läuse-
sucht; drei Finger voll Epheublüthe, zweimal des Tags mit
saurem Wein genommen, heilen Dysenterie und andere Unter-
Vierundzwanzigstes Buch. 253
leibsübel. Auf Brandwunden legt man sie zweckmässig mit
Wachs. Die Blüthenbüscbel färben auch das Haar schwarz.
Den Saft der Wurzel verordnet man mit Essig gegen die
Erdspiunen. Milzsücbtige sollen genesen, wenn sie aus
einem Gefässe von Epbeuholz trinken. Die Beeren zerreibt
man auch, verbrennt sie und legt den Rückstand auf zuvor
mit warmem Wasser befeucbtete Brandwunden. Einige be-
dienen sich auch des durch Einschnitte gewonnenen Saftes
bei hohlen Zähnen, welche dadurch zerbröckelt werden sollen,
nur müsse man die benachbarten gesunden Zähne mit
Wachs umgeben, weil diese sonst auch angegriffen würden.
Man sammelt auch vom Epheu eine Art Gummi und wendet
es mit Essig bei Zahnübeln an.
48.
Mit dem (dem Epheu •) verwandten Namen) C i s t u s
bezeichnen die Griechen einen Strauch, der grösser als der
Thymian ist und Blätter wie das Oeimum hat. Es giebt
zwei Arten, eine männliche mit rosenrothen und eine weib-
liche mit weissen Blumen 2). Beide wendet man mit Erfolg
bei heftigem Durchfall in der Weise an, dass man einen
aus drei Fingern voll Blüthen und herbem Wein bereiteten
Trank zweimal des Tages nimmt; auf alle Geschwüre und
Brandschäden legt man sie mit Wachs und auf Mundgeschwüre
ohne andern Zusatz. An ihrer Basis wächst besonders
der Hypocist, dessen wir bei den Kräutern gedacht haben.
49.
ßothen Cissus^) nennen die Griechen ein dem Epheu
ähnliches Gewächs, von dem man mit Wein einen Trank
gegen Hüft- und Lendentibel anwendet. Seine Beeren sollen
die Eigenschaft besitzen, das Blut durch den Harn abzu-
führen. Mit dem Namen Zwergcissus^) bezeichnen sie
eine Art Epheu, die sich nicht von der Erde erhebt. Dieser wird
') KiaooQ. -) Cistus villosus und C. salvifolius.
3) Cissus erythranus, diess ist Cissus (Vitis) hederacea, dessen
Blätter im Herbste roth werden.
*) Chamaecissus; Antivrliinum asarinum.
254 Vierundzwanzigstes Buch.
mit einem Acetabulum voll Essig zerstossen gegen die Milz
verordnet; die Blätter heilen mit Fett Brandwunden. Auch
die Smilaxi), welche den Namen Siegesverkünderin'^) führt,
sieht dem Epheu ähnlich, hat jedoch kleinere Blätter. Ein
aus einer ungleichen Anzahl ihrer Blätter gemachter Kranz
auf den Kopf gesetzt, soll das Kopfweh vertreiben. Einige
führen zwei Arten davon an; die eine nähert sich der Un-
sterblichkeit 3), wächst in schattigen Thälern, klimmt an
Bäumen in die Höhe, und trägt haarige Beerentrauben,
welche gegen alle Vergiftungen aufs kräftigste wirken, ja
selbst Kinder vor spätem Vergiftungen schützen, wenn man
ihnen den Saft öfters eingiebt. Die andere Art wächst gern
auf bebaueten Feldern, ist aber ohne Wirkung. Die erstere
Art ist dieselbe Pflanze, von der ich angegeben habe, dass
das Holz vor den Ohren klingt. Ein ähnliches Gewächs,
welches an den Bäumen hinkriecht und einen knotigen
Stängel hat, heisst Clematis^). Dessen Blätter reinigen
den. Aussatz; der Same eröffnet zu einem Acetabulum voll
mit einer Hemina Wasser oder Wassermeth, oder auch als
Absud genommen.
50.
Die medicinischen Eigenschaften des Schilfs, von der
ich 29 Arten aufgeführt habe, ergeben sich wohl am klarsten
aus der Art und Weise, wie ich sie in diesen aufeinander-
folgenden Büchern beschreibe. So zieht die Wurzel, wenn
man sie zerreibt und auflegt, den Stiel des Farnkrauts, um-
gekehrt die Wurzel des Farnkrauts den Stiel des Schilfs
aus dem Leibe. Um aber auch einen Unterschied in den
Arten zu machen, so treibt das in Judäa und Syrien wach-
sende und zu Parfümerien und Salben dienende den Harn,
wenn es mit Gras und Eppichsamen abgekocht, und den
Monatsfluss, wenn es aufgelegt wird. Zu zwei Obolen schwer
in einem Tranke genommen heilt es Krämpfe, Leber, Nieren,
») Smilax aspera L. S. XVI. B. 63. Cap.
-) nicophorus. ^) Plinius will damit sagen, sie gedeihet sehr
lange. *) Clematis cü-rhosa L.
Vierundzwanzigstes Buch. 25 5'
Wassersucht, durch Räuchern, besonders mit Zusatz von
Harz, den Husten, mit Myrrhe abgesotten Hautschuppen und
fliessende Geschwüre. Es liefert auch einen dem Elaterium
ähnlichen Saft. Von allen Theileu der Schilfpflanze ist aber
derjenige am wirksamsten, welcher sich der Wurzel am
nächsten befindet. Auch die Knoten haben ihre Kräfte.
Das cyprische Schilf, welches den Namen Donax führt, heilt
Glatzen und faulige Geschwüre, zu welchem Behufe man
seine Rinde zu Asche verbrennt. Seiner Blätter bedient man
sich zum Ausziehen von Stacheln, wider die Rose und alle
Arten von Anschwellungen. Das gemeine Schilf hat frisch
gestossen, und nicht bloss in der Wurzel eine ausziehende
Kraft. Die Wurzel heilt mit Essig aufgelegt, Verrenkungen
und Rückgratschmerzen; frisch mit Wein getrunken reizt
sie zum Beischlaf. Die Wolle vom Schilf stumpft, ins Ohr
gesteckt, das Gehör ab.
51.
Dem Schilfe verwandt ist die in Aegypten vorkommende
Papier st au de. Getrocknet erweist sie sich sehr heilsam
zur Erweiterung und Austrocknung der Fisteln, indem sie
anschwellt und so den Arzneien den Eingang erleichtert.
Das daraus bereitete Papier dient verbrannt als Aetzmittel.
Die Asche macht, mit Wein getrunken. Schlaf und die Pflanze
selbst heilt mit Wasser aufgelegt, Schwielen.
52.
Der Ebenbaum wächst, wie ich augegeben habe, nicht
einmal in Aegypten; auch würde ich seiner hier nicht ge-
denken, weil ich keine fremden Erdtheile in die Medicin auf-
nehmen will, wenn es nicht eines bemerkenswerthen Um-
standes wegen geschähe. Die davon abfallenden Sägespäne
sollen nämlich für die Augen ganz besonders heilsam sein;
mit dem auf einem Steine geriebenen und mit Rosinenwein
versetzten Holze vertreibt man die Dunkelheit derselben,
mit der Wurzel und Wasser aber die weissen Flecken darin;
ferner mit der Wurzel und einem gleichen Gewichte Es-
dragon nebst Honig den Husten. Die Aerzte zählen den
Ebenbaum zu den ausfressenden Mitteln.
256 Vierundzwanzigstes Buch.
53.
Der Rliododeudvon, auch Rhododapline oder Nerium
genannt, hat noch nicht einmal einen lateinischen Namen
bekommen. Seltsamerweise wirken die Blätter auf vier-
füssige Thiere giftig, während sie von dem i\Ienschen mit
Eaute in weinigem Tranke genommen, alsSchutzmitel gegen
Schlangen dienen. Sogar Rindvieh und Ziegen, welche
Wasser, worin die Blätter gelegen haben, saufen, sollen
sterben.
54.
Auch der Rhus hat keinen lateinischen Namen, obgleich
er vielfach gebraucht wird. Er ist krautartig, wächst wild,
hat myrtenartige Blätter, kurze Stengel und dient zur Ab-
führung der Würmer 1). Auch bezeichnet man mit jenem
Namen einen röthlichen, ellenhohen, fingerdicken Gerber-
strauch 2), mit dessen trocknen Blättern man wie mit Granat-
apfelschalen gerbt. Die Aerzte bedienen sich des Rhus mit
Honig und Essig äusserlich bei Contusionen, Verstopfung,
After- und um sich fressenden Geschwüren, Einen Absud
davon tröpfelt man in eiternde Ohren. Aus den Aesten be-
reitet man durch Kochen eine Mundarznei, welche zu den-
selben Zwecken verwendet wird wie diejenige aus Maul-
beeren, und durch Zusatz von Alaun noch kräftiger werden
kann. Endlich macht man auch Umschläge davon, um die
Geschwulste der Wassersüchtigen zu heilen.
55.
Der sogenannte vothe Rhus ist der Same des ebener-
wähuten Gerberstrauchs. Derselbe zieht zusammen und kühlt.
Man streuet ihn auch auf Speisen statt Salz. Er macht
Oeffnung und verleihet mit Zusatz vonSilphium dem Fleische
ein gutes Aussehen. Mit Honig heilt er fliessende Geschwüre,
belegte Zungen, Quetschungen, unterlaufene Stellen und
schuppichte Haut. Er heilt Kopfgeschwüre in kürzester Zeit,
und wenn Frauen davon essen, so verhindert er zu reich-
liche Menstruation.
*) Rhus Cotinus L.
^) frutex coriarius; Rhus coriaria L.
Vierundzwanzigstes Buch. 257
56.
Eia anderes Gewächs ist die Fürberröthe^), von
Einigen Ereuthodanus, bei uns Rubia genannt, womit man
Wolle färbt und Häute gabr macht. Sie treibt den Harn,
heilt mit Wassermeth die Gelbsucht, mit Essig aufgelegt
die Flechten; auch Hüftweh und Lähmung wenn die daran
Leidenden einen Trank davon gebrauchen und sich täglich
baden. Wurzel und Samen befördern die Menstruation,
hemmen den Bauchfluss und vertheilen Anschwellungen.
Stengel und Blätter legt man gegen die Schlangen auf.
Die Blätter färben auch das Haar. Ich finde angegeben,
die Gelbsucht werde geheilt, wenn der Kranke diess Ge-
wächs nur an sich binde und ansehe.
57.
Das Alyssum"-) unterscheidet sich von dem vorigen
nur durch kleinere Blätter und Zweige; seinen Namen hat
es davon bekommen, dass es den Ausbruch der Wuth bei
von tollen Hunden Gebissenen verhütet, wenn man es mit
Essig einnimmt und anbindet. Man behauptet sogar, der
Wiithschaum vertrockne, sobald der Kranke die Pflanze nur
ansehe.
58.
Die Radicula, welche die zum Färben bestimmte
Wolle vorbereitet, heisst bei den Griechen, wie ich früher
angegeben habe, Struthion. Ein daraus bereiteter Trank
heilt Gelbsucht und Brustübel, treibt den Harn, macht
Oeffnuug, reinigt die Gebärmutter, und wird daher von den
Aerzten der goidne Trank genannt. Mit Honig zu einen
Löffel voll ist sie auch ein gutes Mittel bei Husten und
Engbrüstigkeit. Mit Polenta und Essig vertreibt sie die
Hautausschläge. Mit Panax und Cappernwurzel zermalmt
sie die Blasensteine und führt sie ab. Mit Gerstenmehl
und Wein gekocht zertheilt sie die Fettbeulen. Um die
Augen klar und hell zu machen, setzt man sie den Augen-
') Erythroclanus; Rubia tinctorum L.
-) Rubia lucida L.
Wittstein: Plinius. IV. Bd. 17
258 Vierundzwanzigstes Buch.
salben zu. Ferner ist sie ein vorzügliches Mittel zum
Niesen, sowie bei Milz- und Leberleiden. Zu einem Denar
schwer mit Wassermeth genommen, hebt sie das beschwer-
liche Athmen. — Das Apocynum/) ein Strauch mit epheu-
artigen, aber weichern Blättern, kurzem Zweigen , spitzen,
getheilten, haarigen, stark riechenden Samen, wird gegen
alle Arten von Seitenschmerzen angewandt und zwar der
Same innerlich als Trank. Mengt man ihn den Hunden
und übrigen vierfüssigen Thieren unter das Futter, so gehen
sie zu Grunde.
59.
Von den beiden Arten des Rosmarins ist die eine
unfruchtbar, die andere hat einen harzigen Stengel und
Samen, welch letzterer Cachrys heisst. Die Blätter riechen
wie Weihrauch. Die frisch aufgelegte Wurzel heilt Wunden,
ausgetretenen Mastdarm, Aftergeschwüre und Hämorrhoiden;
der Saft der ganzen Pflanze die Gelbsucht und ähnliche
Gebrechen, schärft auch die Sehkraft. Den Samen giebt
man als Trank wider alte ßrustübel, mit Wein und Pfeffer
bei Krankheiten der Gebärmutter; er befördert die Menstrua-
tion, heilt mit Ervenmehl aufgelegt das Podagra, reinigt
die Leberflecken, erwärmt, ruft Schweiss hervor und ver-
treibt die Krämpfe. Wird der Same oder auch die Wurzel
mit Wein genommen, so erfolgt reichlichere Milchsecretion.
Die Blätter legt man mit Essig auf Kröpfe, und bei Husten
wendet man sie mit Honig an.
60.
Es giebt, wie bereits erwähnt, viele Arten der Cachrys.'-)
Die aus dem oben genannten Rosmarin entstehende zeigt
sich beim Reiben von harziger Beschafi"enheit. Sie wider-
steht den Giften und giftigen Thieren , nur nicht den
Schlangen, erregt Schweiss, vertreibt Bauchgrimmen und
befördert die Milchbildung.
•) Apocynum erectum L.
2) S. XVI. B. 11. Cap.
Vierundzwan7.igstes Buch. 259
61.
Die Sabina, bei den Griecheu Biatliy genannt, hat
zwei Arten; die eine ähnelt im Blatte der Tamaiiska, die
andere der Cypresse, daher sie auch bei Einigen cretische
Cypresse heisst. Man bedient sieb ihrer häufig statt des
Weihrauchs zum Eäuchern; als Medicament soll sie dieselbe
Wirkung haben wie der Zimmt, wenn man doppelt soviel
davon als von letzterm nimmt. Sie vertheilt Saftanhäufungen,
hindert das Weitergreifen fressender Geschwüre und reinigt
sie, treibt auch aufgebunden und damit geräuchert, todte
Leibesfrüchte ab. Gegen die Rose und Feuerbeuleu wendet
man sie als Umschlag an; gegen die Gelbsucht innerlich
mit Honig und Wein. Auch soll, wenn man damit räuchert,
der Pips der Hühner geheilt werden.
(32.
Der Sabina ähnlich ist die Selago.') Man sammelt sie
ohne Hülfe eines Messers mit der rechten Hand durch die
Tunika hindurch 2), und streckt die linke Hand daraus
hervor als ob man etwas stehlen wolle; dabei muss mau
weiss gekleidet sein, in nackten, sauber gewaschenen
Füssen gehen und zuvor mit Brot und Wein geopfert haben.
Das gesammelte Kraut wird in einem neuen Leinentueh
nach Haus getragen. Nach der Behauptung der gallischen
Druiden soll es gegen alle Uebel, und sein Rauch gegen
alle Augenkrankheiten helfen.
63.
Eben diese Druiden nennen ein gewisses, an feuchten
Plätzen wachsendes Kraut Samolus^); sammle man das-
selbe nüchtern mit der Hand, sehe sich dabei nicht um,
lege es nirgends anders hin als in eine Rinne, zerkleinere
es darin und lasse es von Schweinen und Rindvieh fressen,
so schütze es diese Thiere gegen Krankheiten.
') Lycopodium Selago L.?
^) d. h. die Hand ist dabei mit der Tunika bedeckt, damit sie
die Pflanze nicht unmittelbar berühre.
3) Samolus Valerandi L?
17*
2(30 Vierundzwanzigstes Buch.
64.
Die verschiedenen Gummi-Arten habe ich bereits
früher besprochen; von den reinern kann man auch eine
bessere Wirkung erwarten. Den Zähnen sind sie schädlich.
Das Blut wird davon verdickt, daher sie auch bei Blutspeien
verordnet werden ; desgleichen bei Brandschäden und
Krankheiten der Luftröhre. Fehlerhaften Harn treiben sie
ab, bittern Geschmack vermindern sie. Das Gummi vom
bittern Mandelbaume verdickt mehr und erwärmt; doch
zieht man gewöhnlich das von Pflaumen- und Kirschbäumen
und vom Weinstock vor. Aufgelegt trocknet es und zieht
zusammen, mit Essig heilt es die Flechten bei Kindern.
Zu vier Obolen schwer verordnet man es als Trank bei
anhaltendem Husten. Es soll auch der Haut eine bessere
Farbe verleihen, Appetit erregen und mit Rosinenwein den
an Blasensteinen Leidenden dienlich sein. Bei Augenübeln
und Wunden erweist es sich besonders heilsam.
65.
Des ägyptischen oder arabischen Dorngewäch-
ses i) habe ich bei den Parfürmerien lobend erwähnt; es ver-
dickt und hemmt alle Arten von Flüssen, Blutauswurf, zu
reichlichen Monatsfluss. Die Wurzel zeigt diese Eigen-
schaften am kräftigsten.
Der Same des weissen Dorugewächses^) ist ein
Mittel gegen Scorpione. Gegen Kopfweh setzt man einen
aus dieser Pflanze gemachten Kranz auf. Ein ähnliches
Gewächs ist das von den Griechen sogenannte Acanthium^),
nur hat es kleinere, an den Enden gestachelte und mit
einer spinngewebeartigen Wolle überzogene Blätter. Aus
dieser Wolle fertigt mau im Oriente Kleider, welche den
seidenen nicht sehr nachstehen. Die Blätter selbst und
die Wurzel verordnet man als Trank bei krampfhaftem
Zurückbiegen des Kopfes.
') Spina Aegyptiae sive Arabicae. Acacia vera W.
-) Spina alba. Acacia Farnesiana.
2) Onopordon Acanthium L.
VieiundzAvanzigstcs Ihich. 2*11
07.
Auch die dornige Acacie') liefert eiüen Saft. In A'.-
g7pten gewinnt man ihn von der weissen, schwarzen und
grünen Art, doch ist der von den beiden ersteren besser.
In Galatien wählt man zu diesem Behufe den kleinsten aber
dornigsten Stamm, Der Same aller dieser Arten ist klein,
linsenförmig, sitzt in einer Hülse und wird am besten im
Herbste gesammelt, früher zeigt er sich weniger wirksam.
Die Hülsen weicht man in Regenwasser ein, zerquetscht sie
in einem Mörser, presst sie aus, verdunstet den Saft an
der Sonne und formt daraus Kiigelchen. Ein ähnliches, aber
schwächeres Präparat liefern die Blätter. Des Samens be-
dient man sich statt der Galläpfel zum Gerben. Der Saft
der Blätter der galatischen Acacie ist sehr schwarz und
verwerflich; ebensowenig taugt derrothe. Der purpurfarbige,
grau weisse und leicht lösliche besitzen die stärkste ver-
dickende und kühlende Kraft, werden daher zu Augen-
arzneien vorgezogen. Einige waschen die Kügelcheu zu
diesem Behufe ab. Andrere dörren sie. Man färbt auch das
Haar damit, heilt die Kose, umsichfressende Geschwüre,
feuchte Leibesübel, Geschwulste, Quetschungen, Frostbeulen
und Nabelgeschwüre. Sie hemmen den zu reichlichen Monats-
fluss, treiben die ausgetretene Gebärmutter und den ausge-
tretenen Mastdarm zurück, heilen Augen, Mund und Ge-
schlechtstheile.
68.
Auch das gemeine Dorngewächs, dessen sich die Walker
bedienen 2), besitzt in der Wurzel arzneiliche Kräfte. In
Spanien, wo es Aspalathus heisst, bedient man sich
desselben häufig zu wohlriechenden Mitteln und zu Salben.
Es ist kein Zweifel, dass jener Name auf den im Oriente
wachsenden wilden Dornbaum passt, welcher, wie ich an-
') Obige Acacia vera W.
2) Plinius ineint hier die Walkerdistel: Dipsacus fuUonum L
und wirft sie mit dem echten Aspalathus (S. Xll. B. 52. Cap.)
zusammen.
262 Vierundzwanzigstes Bucli.
gegeben, weiss aussieht und die Grösse eines gewöLulichen
Baumes erreicht.
69. .
Ein uiediigerer, aber ebenfalls dorniger Strauch, der
auf den Inseln Nisyrus und Rhodus vorkommt, heisst bei
Einigen Erysisceptrum^) , bei Andern Adipsatheum
oder auch Diachetum. Am besten ist er, wenn er wenig
in Zweige geschossen und nach Wegnahme der iünde, roth
bis purpurfarben erscheint. Er ist weit verbreitet, aber nicht
überall wohlriechend. Was er für Kräfte erhält, wenn der
Regenbogen ihn berührt, habe ich bereits angegeben. Er
heilt stinkende Mundgeschwlire, Schmerzen in der Nase,
schwärende oder entzündete Geschlechtstheile, Risse in der
Haut; innerlich Blähungen und Harnstrenge. Die Rinde wird
gegen Blutharnen verordnet; ein Absud davon hemmt den
Durchfall. Die wilde Art soll dieselben Dienste leisten.
70.
Eine Art Dornstrauch wird Hängedorn^) genannt, weil
seine rothen Beeren den Namen Anhänge führen. Letztere
hemmen, frisch für sich oder trocken mit Wein gekocht ge-
genossen, den Durchfall und vertreiben das Bauchgrimmen.
Die Beeren der Pyracautha verordnet man als Trank
gegen Schlaugenbisse.
71.
Auch der Paliurus ist ein dorniges Gewächs. Sein
Same, von den Afrikanern Zura genannt, erweist sich sehr
wirksam gegen Scorpione, Blasensteine und Husten. Die
Blätter sind zusammenziehend. Die AVurzel zertheilt Fett-
beulen, Geschwulste, Eiterbeulen, und befördert innerlich
genommen das Harnen. Ein weiniges Dekokt davon hemmt
den Durchfall und heilt Schlangenbisse. Ueberhaupt giebt
mau die Wurzel vorzugsweise mit Wein.
') XII. B. 52. Cap. wird diess Gewächs mit dem Aspalathus
identificirt, allein es ist Dipsacus sylvestris L.
-) Spi a appendix. Berberis vulgaris L.
Vierundzwanzigstes Buch. 263
72.
Die Blätter des Aquifoliumi) wendet man mit Zusatz
von Salz gegen Gliederkrankheiten an, die Beeren als Rei-
nigungsmittel der Frauen, gegen Darmgicht, Dysenterie und
Gallentieber. Die Wurzel zieht, gesotten und aufgelegt,
alles was im Körper steckt heraus, ist auch gut für Ver-
renkungen und Geschwulste. Wenn man den Baum neben
ein Haus oder Landgut pflanzt, so werden alle giftigen
Thiere davon aligehalteu. Pythagoras giebt an, durch die
Bliithe werde das Wasser in Eis verwandelt; ferner, wenn
man einen aus dem Stamme geschnittenen Stock nach einem
Thiere werfe, und derselbe wegen mangelnder Kraft des
W^erfenden letzteres auch nicht ganz erreiche, so flöge er
doch von selbst wieder auf und bis zum Thiere hin — von
so besonderer Beschaffenheit sei dieser Baum. — Wenn man
mit Taxus räuchert, gehen die Mäuse zu Grunde.
73.
Die Rubus-Arten hat die Vorsehung nicht bloss zu
schädlichen Zwecken geschaffen, denn ihre Beeren dienen
selbst den Menschen zur Nahrung. Sie haben trocknende und
abstriugirende Eigenschaften, eignen sich daher für das Zahn-
fleisch, die Mandeln am Halse und die Genitalien. Blüthe
und Beeren sind Mittel gegen die gefährlichsten Schlangen,
nämlich die Haemorrhois und Prester. Sie heilen die von
Scorpionstichen herrührenden Wunden, ohne dass diese an-
schwellen, wirken auch harntreibend. Die jungen Stengel
werden gestossen, gepresst, der Saft an der Sonne zur
Honigdicke verdunstet und innerlich wie äusserlich gegen
Mund- und Augenübel, Blutspeien, Bräune, Fehler der Ge-
bärmutter und des Afters und gegen Darmgicht angewandt.
Gegen Mundübel kauet man auch die Blätter, gegen flies-
sende und alle Arten von Kopfgeschwüren legt man sie auf.
Koh legt man sie bei Herzübeln auf die linke Brust, des-
gleichen bei Magenschmerzen und ausgetretenen Augen.
Hir Saft wird in die Ohren getröpfelt; mit Rosenöl in einer
'; S. XYI. B. 12. Cap. Ob etwa auch Hex Aquifolium?
264 Vierundzwanzigstes Buch.
Wachssalbe heilt er Aftergeschwüre. Ein Absud der jungen
Stengel in Wein ist ein schnell wirkendes Mittel bei ge-
schwollenem Zapfen; man verspeist sie auch wie Kohlsprossen
oder kocht in herbem Wein zur Befestigung loser Zähne;
sie heben den Durchfall und Blutfluss, heilen die Rose ; die
Asche der im Schatten getrockneten Stengel drückt das
Zäpfchen wieder nieder. Die getrockneten und zerstossenen
Blätter sollen auch bei Geschwüren des Zugviehs anwendbar
sein. Die Beeren der wilden Art geben eine wirksamere
Mundarznei als die des Garteu-Rubus. In dieser Form oder
auch bloss mit Hypocist und Honig nimmt man sie bei
Gallenfieber, Herzübeln und wider giftige Schlangen. Unter
den sogenannten styptischen Arzneien eignet sich nichts
besser als die Wurzel eines Beeren tragenden Rubus, in
Wein zu einem Dritttheil eingekocht, zum Ausspühlen des
Mundes und zum Bähen des Afters, wenn Geschwüre vor-
handen sind; ja ihre Kraft ist so gross, dass selbst Schwämme
zu Stein werden.
74.
Eine andere Art Rubus, welche Rosen trägt, hat eine
kastanienähnliche Frucht^), die besonders gegen Steinbe-
schwerden angewandt wird. Noch eine andere ist die Hunds-
rose-), von welcher ich im folgenden Buche sprechen will.
Den Cynosbatus3) nennen Einige Cynospastus, Andere
Nevrospastus; seine Blätter haben die Form eines Menschen-
fusses, die Beeren sind scliwarz und in den Kernen findet
sich ein Nerv, daher der Name Nevrospastus. Er ist ver-
schieden von der Kapper, welche die Aerzte Cynosbatus
genannt haben. Der Blüthenstrauss desselben wird mit
Essig eingemacht und bei Milzleiden und Blähungen ge-
gessen. Der vorhin erwähnte Nerv wird zur Reinigung des
Mundes mit chiischem Mastix gekauet. Die roseuartige
Rubusblüthe ruft mit Schmalz auf Glatzen die Haare wieder
hervor. Die Beeren färben mit Oel aus unreifen Oliven das
>) pilula. 2) cynorrhodon S. XXV. B. 6. Cap.
3) Rosa sempervirens L.
Vierundzwanzigstes Buch. 2(55
Kopfhaar. Die liubusblütbe sammelt man zur Zeit der
Ernte; die weisse verordnet man als weinigen Trank be-
sonders bei Seitenstechen und Darmgicht. Die Wurzel
hemmt, 7ai einem Drittel eingekocht, den Durchfall und
Blutfluss; bei Zahniibeln spült man mit demselben Absude
den Mund aus, und Geschwüre am After und an den Ge-
schlechtstheilen bähet man damit. Die Asche der Wurzel
drückt das Zäpfchen herunter.
7ö.
Der ßubus idaeus hat seinen Namen dem Umstände
zu verdanken, dass er nirgend anders als auf dem Berge
Ida wächst!). Er ist zart, klein, hat wenige schwach stache-
lige Stengel, und wächst im Schatten der Bäume. Seine
Blumen legt man mit Honig auf Augengeschwüre und die
Rose; für den Magen bereitet man einen massigen Trank
daraus. Im Uebrigen dient er zu denselben Zwecken wie
die oben genannten Arten.
76.
Eine weissere und strauchartigere ßubusart heisst bei
den Griechen Rhamnus. Derselbe blühet, hat Aeste mit
geraden, nicht wie die übrigen mit krummen Dornen und
grössere Blätter 2). Eine andere Art 3) wächst wild, ist dunkler,
fast röthlich und trägt eine Art Hülse; aus der Wurzel
bereitet man durch Kochen mit Wasser das sogenannte Ly-
cium; der Same treibt die Nachgeburt ab. Jene weissere
Art zieht mehr zusammen, kühlt und eignet sich besser für
Geschwulste und Wunden. Die Blätter beider Arten wer-
den roh oder gekocht mit Oel aufgelegt.
77.
Das Medicament Lycium soll wirksamer sein, wenn
es aus demjenigem Dorngewächs bereitet wird, welches
chironischer Pyxacanthus^) heisst und dessen ich bei den
*) Worin Plinius gewaltig irrt , wenn sein R. idaeus unsere
Himbeere ist.
-) Rhamnus saxatilis L.
^) Rhamnus Paliurus L. und R. oleoides L.
^) S. XII. B. 15. Cap. Rhamnus infectoria L.
266 Vierundzwanzigstes Buch.
indischen Bäumen gedacht habe; in der That scliätzt man
auch das indische Lycinm am höchsten. Man erhält es
durch dreitägiges Kochen der höchst bitter schmeckenden,
zerkleinerten Aeste und Wurzeln mit Wasser und nachheriges
Eindicken des Absudes zur Honigconsistenz. Man verfälscht
es mit bittern Säften, Oelhefe und Ochsengalle. Der sich
oben absetzende Schaum oder die sogenannte Blüthe setzt
man den Augenmitteln hinzu. Der Saft selbst reinigt das
Gesicht, heilt die Krätze, angefressene Augenwinkel, alte
Flüsse, eiternde Ohren, geschwollene Drüsen, das Zahn-
fleisch, Husten und Blutspeien, wenn man eine Bohne gross
davon nimmt; äusserlich wendet man ihn bei fliessenden
Wunden, Bissen in der Haut, Geschwüren an den Geschlechts-
theilen, durch Reiben entstandenen Wunden, frischen, fressen-
den und fauligen Geschwüren, Warzen in der Nase und
Eiterbeulen an. Frauenzimmer trinken ihn mit Milch wider
Blutflüsse. Das indische Lycium zeichnet sich dadurch aus,
dass die Klös^se aussen schwarz, innen röthlich sind, aber
bald, nachdem sie auseinandergebrochen, schwarz werden.
Es ist sehr abstringirend und bitter, dient zu all' den
Zwecken wie jenes, erweist sich aber ganz besonders
wirksam bei den Geschlechtstheilen.
oz.
Die SarcocoUei), welche von Einigen für die Thränen
eines Dorngewächses gehalten wird, sieht dem Weihrauch-
staube ähnlich, schmeckt bitterlich süss und gummiartig;
hemmt mit Wein angestossen die Flüsse, wird auch Kin-
dern aufgelegt. Je weisser um so besser ist sie; mit dem
Alter wird die Farbe dunkler.
34.
Aus Arzneimitteln von Bäumen bereitet man noch ein
schätzbares Mittel, die Oporice, zur Heilung von Dysen-
terie und Magen Übeln auf folgende Weise: In einem Congius
weissen Most kocht man bei a^elinder Wärme fünf Quitten
') Abstammung noch unbekannt; die bisher angenommene (von
Penaea mucronata L.) ist falsch.
Vierundzwanzigstes Bucli. 267
mit den Kernen, ebensoviele Granatäpfel, einen Sextar Vogel-
beeren, ebensoviel syrischen Sumach und eine halbe Unze
Safran bis zur Honigdicke ein.
80.
Jetzt sollen diejenigen Gewächse folgen, von denen es
die Griechen, indem sie die Namen mitgetheilt, zweifelhaft
gelassen haben, ob sie zu den Bäumen gehören.
Chamaedrysi) ist ein Kraut, welches im Lateinischen
Trixago heisst, von Einigen auch Chamaerops oder
Teuer i um genannt wird; es hat Blätter von der Grösse
der Minze und von der Farbe und Getheiltheit der Eiche.
Einige geben an, es sei gesägt und von da datire sich der
Ursprung der Säge; die Blumen sind fast purpurfarbig.
Man sammelt es zur Zeit wo es recht saftreich ist, von
steinigen Standorten, und verwendet es innerlich und äusser-
lich mit bestem Erfolge ge.geTx Schlangengift, Magenübel,
anhaltenden Husten, im Halse festsitzenden Schleim, zer-
brochene und verrenkte Glieder; es befördert die Absonde-
rung des Harns und des Monatsflusses, ist daher auch bei
anfangender Wassersucht von Nutzen; man kocht zu diesem
Behufe eine Handvoll Stengel mit drei Hemiuis Wasser auf
ein Drittel ein, oder formt daraus durch Anstossen mit
Wasser Ktigelchen. Es heilt ferner mit Honig Eiterbeulen,
alte und schmutzige Geschwüre. Gegen Brustübel bereitet
man daraus einen weinigen Trank. Der Saft der Blätter
vertreibt mit Oel das Flimmern vor den Augen. Für die
Milz nimmt man es mit Essig. Es erwärmt, wenn man sich
damit einreibt.
81.
Die Chamaedaphne2) hat nur einen Stengel, der
fast ellenlang ist, und lorbeerähnliche, aber dünnere Blätter.
Der rothliche, an den Blättern haftende Same wird im
frischen Zustande gegen Kopfweh aufgelegt; er kühlt und
vertreibt mit Wein genommen das Bauchgrimmen. Sein
') Teucrium lucidum L., auch wohl T. flavum L.
^) Ruscus racemosus L.
2t)8 Vierundzwanzigstes Buch.
Saft befördert innerlich die Menstruation und das Harnen,
und mit Wolle aufgelegt erleichtert er das Gebären.
S2.
Die Blätter der Chamaeleai) haben Aehnlichkeit mit
denen des Oelbaums. Diese Pflanze wächst auf steinigem
Boden, wird nicht über eine Hand hoch, riecht angenehm
und schmeckt bitter. Einen aus den Blättern nebst zwei
Theilen Wermuth bereiteten und mit Honig versetzten
Absud trinkt man zur Keinigung des Unterleibes, um
Schleim und Galle zu entferneu. Geschwüre werden durch
Auflegen der Blätter gereinigt. Wenn Jemand die Pflanze
vor Sonnenaufgang sammelt und dabei sagt, er thue diess
um damit die weissen Flecken in den Augen zu vertreiben,
so soll sie wirklich diese Wirkung haben, wenn man sie
aufbindet; für die Augen des Zug- und Rindviehs soll sie
aber, auf was immer für eine Weise gesammelt, gut sein.
Ö3.
Die Chamaesyce^) hat linsenähnliche, herabhängende
Blätter, wächst auf trocknen, steinigen Plätzen, und ist ein
vorzügliches Mittel wider trübe und unterlaufene Augen,
befördert auch die Vernarbungen, wenn man sie mit Wein
kocht und auflegt. In einem Säckchen aufgelegt vertreibt
sie die Schmerzen der weiblichen Schaam; ferner alle
Arten von Warzen, bekommt auch Engbrüstigen gut.
84.
Der Chamaecissus3) hat weizenähnliche Aehren,
gewöhnlich fünf Zweige, viele Blätter, Blüthen wie die
weisse Viole und eine dünne Wurzel. Gegen Hüftweh
nimmt man sieben Tage lang drei 0 holen von den Blättern
mit zwei Bechern Wein. Dieses Mittel schmeckt sehr bitter.
85.
Die Chamaeleuce^) heisst bei uns Farfarum oder
') Daphne oleoides L.
-) Euphorbia chamaesyce L.
^) Antirrhinum Asarina.
^) Tussilago Farfara L.
Vierundzwanzigstes Buch. 269
Fai'fugium. Es wächst an Flüssen und hat pappelähnliche
aber grössere Blätter. Ihre Wurzel legt man auf Kohlen
von Cypressenholz und zieht den davon aufsteigenden
Dampf mittelst eines Trichters ein, um anhaltenden Husten
zu vertreiben.
86.
Die Chamaepeuce^) mit lärchenbaumähnlichen Blät-
tern ist ein gutes Mittel gegen Lenden- und Rückgrat-
schmerzen. Vom Chamaecyparissus^) benutzt man das
Kraut zu einem weinigen Tranke gegen die Gifte aller
Schlangen und Scorpione. Das Ampeloprasum^) wächst
in Weingärten, hat lauchähnliche Blätter, verursacht unan-
genehmes Aufstossen, zeigt sich wirksam gegen Schlangen-
bisse, befördert innerlich und äussevlich angewandt das
Harnen und den Monatsfluss und hindert den Abgang des
Bluts durch die Geschlechtstheile. Man giebt es auch den
Frauen nach der Entbindung sowie gegen tollen Hundsbiss.
Die sogenannte Stachj^s^) sieht dem Lauch ähnlich, hat
aber längere und zahlreichere Blätter, einen angenehmen
Geruch und eine gelbliche Farbe. Man wendet sie zur
Beförderung der monatlichen Reinigung au.
87.
Das Clinopodium'^), auch Cleonicium, Zopyrum,
Ocymoides^) genannt, ist dem Serpyllum ähnlich, strauchig,
handhoch, wächst auf steinigem Boden, die Blätter sind
kreisrund und die Pflanze selbst hat Aehnlichkeit mit
Bettfüssen. Man bereitet daraus einen Trank oder Saft
gegen Krämpfe, Zerreissungen, Harnstrenge und Schlangen-
bisse.
88.
Nun will ich auch noch die wunderbaren, aber weniger
•) Serratula Chamaepeuce L.
-) Santolina Chamaecyparissus L.
3) Allium Ampeloprasum L.
*) Stacliys germanica L.
*) Clinopodium Plumieri.
") Diess ist Silene gallica L.
270 Vierundzwanzigstea Buch.
berühmten Kräuter anführen, die edleren jedoch für die
folgenden Bücher versparen.
Eins derselben, welches wir Centuuculusi) , die
Griechen Clematis nennen, hat Blätter, welche den Kopf-
bedeckungen 2) ähnlich sehen, und liegt platt auf dem P'elde.
Mit herbem Weine genommen stopft es kräftig den Durch-
fall. Ein Denar schwer davon mit fünf Bechern Sauerhonig
oder warmem Wasser genommen, stillt das Blut, treibt
auch die Nachgeburt ab.
89.
Die Griechen unterschieden aber noch andere Arten
von Clematis; eine derselben heisst Echite, Lago oder
kleine ScammoniaJ) Sie hat zwei Fuss lange, beblätterte,
der Scammonia ähnliche Zweige , doch sind die Blätter
dunkler und kleiner; wächst in Weingärten und auf Feldern.
Man verspeist sie wie Kohl, mit Oel und Salz, und bekommt
Oeffnung davon. Mit Leinsamen und herbem Wein wird
sie gegen Dysenterie eingenommen. Die Blätter legt man
in einem feuchten leinenen Tuche auf Augengeschwüre.
Auch bringen sie Kröpfe zum Schwären, und setzt man
später noch Schmalz hinzu, so heilen sie dieselben auch
aus. Mit grünem Oele dienen sie gegen Hämorrhoiden,
mit Honig gegen Schwindsucht. Verspeist befördern sie
die Secretion der Milch, Kindern auf den Kopf gelegt das
Wachsthum der Haare, und mit Essig genossen reitzen
sie zum Beischlaf.
90.
Eine andere Cl ematis, mit dem Beisatz ägyptische •*),
auch Daphnoides oder Polygonoides genannt, ist lang
und schmächtig, hat lorbeerähnliche Blätter, und wird mit
Essig gegen Schlangen, besonders die Aspiden getrunken.
91.
Auch das Arum, dessen ich bei den Zwiebelgewächsen
*) Polygonum Convolvulus L.
-) penulae capitis.
3) Convolvulus Scammonia L.
*) Vinca major L.
Vieiundzwanzigstes Buch. 271
gedacht habe, kommt in Aegypten vor. Ueber dessen
Beziehungen zum Dracontiumi) sind die Ansichten wider-
sprechend; einige behaupten nämlich, beide seien ein und
dasselbe, Glaucias unterscheidet sie nach dem Anbau und
hält das Dracontium für wildes Arum, Andere nennen die
Wurzel Arum, den Stengel aber Dracontium, der aber doch
etwas ganz anderes ist, insofern dieser Stengel mit dem
übereinstimmt, was bei uns Dracunculus genannt wird.
Das Arum hat nämlich eine schwarze, flachrunde, viel
grössere, eine ganze Hand ausfüllende Wurzel, der Dracun-
culus hingegen eine röthliche, wie ein Drache aufgerollte
Wurzel-), welchem Umstände er auch seinen Namen
verdankt.
92.
Selbst die Griechen haben hierbei einen wesentlichen
Unterschied hervorgehoben, da sie sagen, der Same des
Dracunculus sei hitzig und beissend und von so heftiger
Wirkung, dass Schwangere, wenn sie nur daran röchen,
abortirten; während sie dagegen das Arum 2) gewaltig
lobpreisen. Zunächst geben sie dem weiblichen Arum den
Vorzug zu Speisen , denn das männliche sei härter und
schwieriger weich zu kochen; es reinige die Brust und
befördere, trocken in einem Tranke oder einer Latwerge
genommen, das Harnen und die Menstruation. Mit Sauer-
honig soll man es für den Magen, mit Schafmilch für
innerliche Geschwüre, mit Oel in heisse Asche gekocht für
den Husten trinken. Einige empfehlen das Arum mit
Milch zu kochen und diesen Absud zu trinken. Es wird
für sich auf Augengescliwüre, Stossbeulen und geschwollene
Drüsen, mit Oel auf Hämorrhoiden, mit Honig auf Leber-
flecken gelegt. Cleophantus rühmt dasselbe auch als Gegen-
gift, ferner gegen Seitenstechen und Lungenübel auf dieselbe
Weise wie beim Husten, und bei Ohrenschmerzen soll man
') Arum Dracunculus. L.
^) Diess ist wohl Polygonum Bistorta L.
'■') Arum maculatum L., A. italicum Lam. und A.Dioscoridis Sibth.
272 Vierundzwanzigstes Buch.
eine Mischung des Samens mit Oel oder Rosenöl eintröpf ein.
Dieuelies verordnet das Arum mit Mebl vermischt und zu
Brot gebacken bei Husten, Engbriiistigkeit und Eiteraus-
wurf; Diodotus mit Honig in einer Latwerge bei Schwind-
sucht und andern Lungenübeln, äusserlich bei Knochen-
brüchen. Reibt man es um die Geschlechtstheile herum,
so bewirkt es bei allen Thieren den Abgang der Leibes-
frucht. Der Saft der Wurzel vertreibt mit attischem Honig
die Blödigkeit der Augen und die Fehler des Magens, und
eine Abkochung der Wurzel mit Honig den Ilusten. Der
Saft ist ein vorzügliches Heilmittel für fressende und krebs-
artige Geschwüre und für Nasenpolypen. Die Blätter dienen
mit Wein und Oel gekocht bei Brandwunden, frisch oder
trocken mit Honig bei Verrenkungen, mit Salz bei Gicht.
Mit Salz und Essig eingenommen führen sie ab. Hippo-
crates empfiehlt, sie mit Honig auf alle Arten von An-
schwellungen zu legen. Um die Menstruation zu befördern,
genügen zwei Drachmen Samen oder Wurzel mit zwei
Bechern Wein; derselbe Trank führt auch die Nachgeburt
ab. Hippocrates lässt in diesen Fällen die Wurzel selbst
an die Geschlechtstheile legen. Gegen die Pest soll
sie, den Speisen zugesetzt, gut sein. Sie vertreibt den
Rausch. Der von der brennenden Wurzel aufsteigende
Rauch verjagt die Schlaugen und unter diesen besonders
die Aspiden oder betäubt sie so , dass sie ganz starr da
liegen. Auch fliehen sie, wenn sie mit Lorbeeröl, worin
Arum eingeweicht war, bestrichen werden; daher hält man
einen mit schwarzem Weine daraus bereiteten Trank auch
für ein gutes Mittel gegen Schlangenbisse. Käse wird am
besten in Arumblättern aufbewahrt.
93.
Der oben erwähnte Dracunculus wird zur Zeit der
Gerstenreife bei zunehmendem Monde ausgegraben. Von
dem, der die Pflanze bei sich trägt, fliehen schon die
Schlangen; daher empfiehlt man die grössere Art als Trank
gegen Schlangenbisse, sowie sie auch, wenn kein Eisen
damit in Berührung gekommen ist, den Monatsfluss mässigt.
Vieruudzwanzigstes Buch. 273
Den Saft wendet man ge2:en Ohrensch merzen an. Das
aber, was die Griechen Dracontium nennen, ist mir unter
dreierlei Gestalt gezeigt worden, nämlich eins mit beteu-
ähnlichen Blättern, nicht ohne Büschel^) und mit purpur-
rothen Blättern, welches dem Arum ähnlich sieht; ein
zweites mit langer, gleichsam gliederartig geformter Wurzel
und drei Stengeln, dessen Blätter mit Essig gekocht gegen
Schlaugenbisse verordnet werden; endlich ein drittes mit
Blättern grösser als die des Cornus, schilfartiger Wurzel
mit so vielen Knoten als sie Jahre alt sei und mit ebenso
vielen Blättern, welch' letztere man mit Wein oder Wasser
gegen Schlangen giebt.
94.
Auch der in Aegypten vorkommende Aris-) hat Aehn-
lichkeit mit dem Arum, ist jedoch kleiner, hat kleinere
Blätter und Wurzel, letztre erreicht aber doch die Grösse
einer ausgewachsenen Olive. Die weisse Abart treibt zwei,
die andere nur einen Stengel. Mit beiden heilt man flies-
seude Geschwüre, Brandschäden und Fisteln, wenn man
sie unter Salben mischt. Mit Wasser gekocht und hierauf
mit Rosenöl versetzt, hindern sie das Weiterfressen ge
wisser Geschwüre. Berührt man damit die Geschlechtstheile
irgend eines weiblichen Thieres, so soll dasselbe seltsamer
weise zu Grunde gehen.
95.
Das Myriophyllum^)^ bei uns Millefolium ge-
nannt, hat einen zarten, dem Fenchel ähnlichen Stengel,
zahlreiche Blätter, welchem Umstände es auch den Namen
verdankt, fachst in Sümpfen und erweist sich bei Wunden
sehr wirksam. Man trinkt es mit Essig bei Fehlern des
Harns und der Blase, Engbrüstigkeit und wenn man von
einer Höhe herabgefallen ist. Die Blätter sind besonders
gut bei Zahnsehmerzen. Mit obigem Namen bezeichnet man
') thyrsus.
-) Arum Arisarum L.
'■*) Myriophj-lluni spicatuiii L.
VVittstein: Pliiüus. IV. Bd. ly
274 Vierundzwanzigstes Buch.
in Etrurien ein auf Wiesen wachsendes zartes Krauti), welches
seitwärts stehende, haarartige Blätter trägt und ebenfalls
ein grosses Wundmittel ist, denn es soll mit Zusatz von
Schmalz die durch die Pflugschaar abgeschnittenen 'Sehnen
der Ochsen wieder vereinigen und kräftigen.
Das Pseudobunium'^) hat der Steckrübe ähnliche
Blätter, wächst strauchig, bis zur Höhe einer Hand und ist
am besten auf Greta. Gegen Leibschmerzen, Harnstrenge,
Seiten- und Herzstiche nimmt man einen aus fünf oder sechs
Zweigen bereiteten Trank ein.
97.
Die Myrrhis, Myrrhiza oder Myrrha^) hat in Stengel,
Blättern und Blüthen viel Aehnlichkeit mit dem Schierling,
ist aber kleiner und schmeckt nicht unangenehm. Mit Wein
befördert sie die Menstruation und Entbindungen, soll auch
als Trank gegen die Pest heilsam sein und den Schwind-
süchtigen gut bekommen, macht Appetit und die Bisse der
giftigen Spinnen unwirksam. Der Aufgoss, den mau durch
dreitägiges Einweichen der Pflanze in Wasser erhält, heilt
die Geschwüre im Gesicht und auf dem Kopfe.
Die Onobrychis^) hat der Linse ähnliche, aber längere
Blätter, röth liehe Blumen, eine kleine dünne Wurzel und
wächst an Quellen. Man trocknet sie, stösst sie fein wie
Mehl und nimmt dieses mit weissem Wein gegen Harn-
strenge ein. Sie hemmt auch den Durchfall. Reibt mau
sie mit dem mit Oel versetzten Safte ein, so geräth man
in Schweiss.
99.
Da ich gerade von wunderbaren Kräutern rede, so
darf ich auch die zauberischen nicht mit Stillschweigen
>) Etwa Achillea Millefolium?
2) Bunium pumilum Sm.?
3) Myi'i-his odorata L.
*) Onobrychris Caput galli und 0. crista galli L,
Vierundzwanzio'stes Buch. 275
übergehen, denn verdienen nicht die mei.sten unsere Be-
wunderung? In unserem Welttheile sind es Pythagoras
und Democritus, welche dieselben zuerst, rühmend erwähnt
Imben uud ihnen folgten die Magier. Pythagoras giebt an,
durch die Coracesia und Callicia würde das Wasser
zum Gefrieren gebracht, doch theilt er über diese Pflanzen
nichts weiter mit; auch finde ich ihrer bei anderen Schritt-
stellern nicht gedacht.
100.
Eine andere Pflanze, welche erMinyas oder Cory-
sidia nennt, soll die Schlangenbisse augenblicklich heilen,
wenn man die Wunde mit einem Absude derselben bähef.
Wer aber auf Gras, auf welches dieser Absud gegossen ist,
tritt oder zufällig davon bespritzt wird, soll unrettbar ver-
loren sein — sonderbare Wirkung eines Giftes, welches nur
anderen Giften widersteht.
101.
Derselbe Pythagoras führt unter dem Namen Aproxis
ein Kraut an, dessen Wurzel schon in einiger Entfernung,
wie die früher von mir erwähnte Naphtha, Feuer fängt.
Ferner: wenn ein Mensch während der Blüthezeit dieser
Pflanze erkranke und wieder genese, so werde er doch so
oft, als sie wieder blühe, an jene Krankheit durch das Ge-
fühl erinnert. Dieselbe Wirkung besitze auch das Getreide,
der Schierling und die Viole. Es ist mir zwar nicht un-
bekannt, dass Einige den Arzt Cleemporus^) als Verfasser
des in Rede stehenden Buches bezeichnen, allein zahlreiche
Nachrichteii und das Alter beweisen, dass es Pythagoras
geschrieben. Ein Beweis für den Werth dieses Werkes
liegt schon darin, dass man es dieses Mannes würdig er-
achtet hat; wie kann man aber den Cleemporus für den
Autor halten, da er andere Werke unter seinem Namen
herausgegeben?
102.
Dass die sogenannten Handbücher'-) dem Democritus
'; Nicht näher bekannt.
^) chirocmeta.
18*
27(3 Vierundzwanzigstes Buch.
aDgeliören, ist ausser Zweifel. Aber um wie viel seltsamere
Dinge theilt er uns darin mit, er der nach Pythagoras die
Magier am eifrigsten studirte! Ein Kraut Aglaophotis,
welches diesen Namen wegen seiner überaus schönen Farbe
bekommen habe, in den Marmorbrüchen Arabiens an der
Grenze von Persien wächst und daher auch Marmaritis
heisse, sollen die Magier gebrauchen, wenn sie die Götter
anrufen wollen. Die Achaemenis von bernsteingelber
Farbe und blattlos, wachse in Indien im Lande der Tardis-
tiler; forme man deren Wurzel zu Kügelchen und nehme die-
selben am Tage mit Wein ein, so bekenne man, wenn man
Böses gethan habe, bei Nacht unter Qualen und mannigfaltigen
Gedanken an die Götter alle Vergehungen. Dieselbe Pflanze
nennt er auch Hippophobas, weil die Pferde leicht scheu
davor werden. Das Theombrotium soll 3ü Schoenus weit
von Choaspe vorkommen, pfaueuartig gefärbt, äusserst wohl-
riechend sein und von den persischen Königen wider alle
Beschwerden des Leibes und schwachen Verstiind gegessen
und getrunken werden; es heisse auch Semnium wegen
der Erhabenheit seiner Wirkung. Ein anderes, Adamautis,
in Armenien und Cappadocien zu Haus, soll, wenn man es
Löwen vorhält, diese mit offenem Kachen rücklings um-
werfen; seinen Namen habe es davon, weil es nicht zer-
neben werden könne. Die Arianis soll in Ariana vor-
kommen, die Farbe des Feuers haben, zur Zeit wenn die
Sonne im Löwen steht, gesammelt werden und die Eigen-
schaft besitzen, Holz, welches mit Oel bestrichen ist, durch
blosse Berührung anzuzünden. Durch die in Cappadocien
und Mysien vorkommende Therionarca sollen alle wilden
Thiere in Erstarrung gerathen und nur durch Besprengen
mit Hyänenharn wieder zu sich kommen. Die Aethiopis,
welche in Meroe wächst und daher auch Merois heisst,
hat lattichartige Blätter und soll mit Meth getrunken die
Wassersucht heilen. Die Ophiusa in der äthiopischen
Provinz Elephantine, hässlich vom Ansehen, soll als Trank
genommen dem Menschen Schrecken und Drohungen gegen
Schlangen verleihen, dergestalt dass diese sich aus Furcht
Vierundzwanzigstes Buch. 277
unibringeu; daher soll man auch den Tenipelräubeni davon
zu trinken geben; Palmwein habe aber diese Wirkung auch.
Die Thalasse gle am Flusse Indus und wegen des Stand-
orts auch Potamocys (Potamas) genannt, macht Men-
schen, welche einen daraus bereiteten Trank zu sich neh-
men, wahnsinnig und bewirkt, dass ihnen allerlei wunder-
bare Dinge vorschweben. Die Theangelis, welche
auf dem Libanon, auf den cretischen Bergen Dicte, um
Babylon und Susa in Persien vorkommt, soll den Magiern
die Kraft der Weissagung verleihen. Die Gelotophyllis
in Bactrien nud am Borysthenes soll, mit Myrrhe und Wein
genommen, bewirken, dass man allerlei Gestalten sehe und
nicht eher zu lachen aufhöre, bis man Palmwein mit Pinienker-
nen, Pfeffer und Honig getrunken habe. Die Hestiatoris in
Persien hat ihren Namen von den Schmausereien, weil sie
munter macht; sie heisst auch Protomedia, weil man
sich dadurch bei Königen in Gunst setzen kann. Ca Si-
gnete heisst ein Kraut, weil es einsam, nicht in Gesell-
schaft anderer wächst; es wird auch Dionysonymphas
genannt, weil es sich gut zum Wein eignet. Helianthes
heisst ein anderes Kraut in Themiscyrena in den am Meere
gelegenen Gebirgen Ciliciens mit myrtenartigen Blättern,
woraus durch Kochen mit Löwenfett, nachherigen Zusatz
von Safran und Palm wein eine Salbe bereitet wird, mit
welcher sich die Magier und persischen Könige den Körper
einreiben, um ihm ein gefälliges Ansehen zu geben, und
dieses Zweckes wegen führt es auch den Namen Helio-
callis. Was Democrit Hermesias nennt und als ein
Mittel zur Erzeugung schöner und guter Kinder empfiehlt,
ist keine Pflanze sondern eine Composition aus zerriebenen
Pinienkernen, Honig, Myrrhe, Safran, Palmwein, Theom-
brotium und Milch ; hievon sollen die Männer vor dem Bei-
schlaf und die Frauen nach der Empfängniss trinken. Allen
diesen Dingen giebt er auch magische Namen. Apollodorus,
sein Nachfolger in der Magie, fügt noch das Kraut Aeschy-
n 0 m e n ei)hiuzu,welches diesen Namen führt,weil es bei Berüh-
') Mimosa pudica?
278 Vierundzwanzigstes Buch.
rung mit der Hand (vor Scbaam) seine Blätter zusammen-
faltet, ferner die Crocis, durch deren Berührung die Erd-
spinnen getödtet werden, Cratevas: die Oenotheris i),
welche die Wildheit aller Thiere zähme wenn mau Wein
damit auf dieselben sprenge; der ebengenannte berühmte
Grammatiker 2), die Anaeampseros, durch deren blosse Be-
rührung die Liebe, auch wenn an ihre Stelle Hass getreten
sei, wiederkehre.
So viel vorläufig von den seltsamen Berichten der
Magier über diese Gewächse; an einem andern Orte \verde
ich wieder darauf zurückkommen.
103.
Ueber die Eriphia^) sind viele Nachrichten vorhan-
den; in ihrem Halme befindet sich ein Käfer, der darin mit
dem Laute eines Bocks auf- und abläuft, und die Ursache
jenes Namens ist. Nichts soll besser für die Stimme sein
als dieses Kraut.
104.
Das Wollkraut^) giebt man den Schafen nüchtern,
um mehr Milch zu bekommen. Ebenso bekannt ist der
Lactoris, welcher viel Milchsaft hat, und deren Genuss
Blechen erregt. Einige geben an, sie sei dieselbe Pflanze,
welche Militaris heisst, nach Andern sieht sie ihr nur
ähnlich; letzterer Name rührt nur daher, weil sie mit Oel
aufgelegt alle durch Eisen entstandenen Wunden innerhalb
fünf Tagen heilt.
105.
Aber auch die Griechen schätzen eine mit ähnlichen
Eigenschaften begabte Pflanze, welche sie daher Stratio-
tes^) nennen. Sie findet sich nur in Aegypten und zwar
an vom Nil überschwemmten Plätzen, ist dem Aizoon ähn-
lich, hat aber grössere Blätter, kühlt vortrefflich, heilt mit
') Epilobium hirsutura L. -) Apollodorus.
^) von igufoq Bock.
'') lanaria, soll die Radicula XIX. 18. sein.
'0 Pistia stratiotes L.
Vierundzwanzigstes Buch. 279
Essig aufgelegt Wunden, die Rose und Vereiterungen. Mit
niäimlichem Weihrauch als Trank genommen stillt sie das
au.s den Nieren fliessende Blut aufs beste.
1013.
Das auf dem Haupte einer Bildsäule gewachsene
Kraut soll, in einem Kleidungsstück gesammelt und in einem
röthlichen Stück Leinwand auf den Kopf gebunden, die
Sehmerzen sogleich vertreiben.
107.
Jedwedes aus Bächen und Flüssen vor Sonnenauf-
gang und ohne Beisein einer andern Person gesammelte
Kraut heilt das dreitägige Fieber, wenn man es dem Kran-
ken auf den linken Arm bindet, doch muss er nicht wissen,
was es ist.
108.
Das Zungenkrauti) wächst an Bächen. Die Wurzel
desselben verbrennt man, mischt sie mit Schweinefett und
bestreicht damit au der Sonne die Glatze. Es soll auch
eine schwarze unwirksame Art geben.
109.
Wenn man ein Sieb auf eine Grenzscheide legt, die
darin-) wachsenden Kräuter abrupft und Schwangern um-
bindet, so wird die Entbindung beschleunigt.
110.
Das Kraut, welches auf Misthaufen wächst, ist als
wässeriger Trank ein sehr wirksames Mittel gegen die
Bräune.
111.
Das Kraut, neben welches die Hunde pissen, heilt
sehr schnell Verrenkungen, wenn mau es ohne Mithülfe
eines Eisens sammelt.
112.
Bei der Beschreibung der Baumanlagen in Weingärten
habe ich des rumbotiuischen Baumes gedacht. Neben diesem
') Lingua. Ranunculus Lingua. L.?
-) d. h. durch dessen Löcher.
280 Vierundzwanzigstes Buch.
wächst, Avenn )*ich keine Weinranken darum schlingen, ein
Kraut, das die Gallier Rodarum nennen; dasselbe hat
einen nach Art eines Feigenreises knotigen Stengel, nessel-
ähnlicbe, in der Mitte weissliche, mit der Zeit aber roth
werdende Blätter, silberfarbige Blüthen und ist ein vorzüg-
liches Mittel gegen Geschwülste, Entzündungen, Ansamm-
lungen, wenn man es mit altem Fett vermischt und kein
Eisen damit in Berührung bringt. Wer sich damit einge-
rieben hat, spuckt dreimal in seine rechte Hand. Es soll
noch kräftiger wirken, wenn drei Menschen von drei ver-
schiedenen Nationen rechter Hand damit einreiben.
113.
Impiai) heisst ein graufilziges, dem Rosmarin im An-
sehen ähnliches, wie ein Thyrsus bekleidetes und Köpfchen
tragendes Kraut, von welchen aus noch mehrere, ebenfalls
Köpfchen tragende Zweige emporsteigen; hier erheben sich
also gleichsam die Kinder über den Vater und diess ist der
Grund zu jener Benennung (das gottlose Kraut), während
Andere angeben, es sei deshalb so genannt worden, weil
kein Thier es anrühre. Man reibt es zwischen zwei Steinen,
wobei es sich erhitzt und verordnet den Saft mit Zusatz
von Milch und Wein gegen Bräune; ja wer nur einmal davon
gekostet hat, soll nie wieder von dieser Krankheit befallen
werden. Zu demselben Zwecke giebt man es auch den
Schweinen, und wenn sie es nicht fressen, sollen sie an der
Krankheit sterben. Mau räth auch, dieses Kraut in die
Vogelnester zu stecken, damit die Jungen, wenn sie zu gierig
fressen, nicht ersticken.
114.
Der Venuskamm^), eine Pflanze, welche einem Kamme
ähnlich sieht, besitzt in der Wurzel, wenn man sie mit Malve
anstösst, die Kraft, alles was im Leibe steckt, herauszu-
ziehen.
*) 8antolina rosmarinifolia?
2) Pecten Veneris. Scanclix Peeten L.
Vierundzwanzigstes Buch. 281
115.
Das Exedum, auch Nodia, Mularis u. s. w. genannt,
dessen man sich in den Gerbereien häufig bedient, heilt die
Schlafsucht, auch die Eiterbeulen und mit Wein oder Nach-
bier genommen aufs beste die Scorpionstiche.
116.
Philanthropus nennen die Griechen ein rauhes Kraut,
weil es sich gern an die Kleider hängt. Setzt man einen
daraus gemachten Kranz auf, so vergeht das Kopfweh. Die
sogenannte Hundsklette ^ heilt, mit Wegebreit und Tausend-
blatt in Wein abgerieben und alle drei Tage aufgelegt, den
Krebs. Ohne Hülfe eines Eisens gesammelt, mit Milch und
Wein angemacht und in das Spühlig der Schweine gethan,
macht es diese Tbiere gesund. Einige geben an, der welcher
es ausgrabe, solle dabei sagen: diess ist das Kraut Argemon,
welches Minerva als Mittel für die Schweine erfunden hat.
117.
Einige geben an, das Tordylum2) sei der Same des
Sil, Andere: es sei ein eigenthümliches Kraut und nennen
es auch Syreum. Alles, was ich davon aufgezeichnet
finde, ist, dass es auf Bergen wachsen soll. Verbrannt und
als Trank genommen, befördere es den Monatsfluss und den
Auswurf bei Brustleiden, am besten eigne sich dazu die
Wurzel; drei Obolen des Safts heilen die Nieren und die
Wurzel setze man den erweichenden Pflastern zu.
118.
Das Gras selbst ist das gemeinste Kraut. Es wächst
kriechend, hat knotige Absätze und treibt von diesen und
von der Spitze häutig neue Wurzeln aus. Seine Blätter
endigen fast überall in schmalen Fäden, nur auf dem Par-
nass findet man sie dicker, epheuartig, die Blüthen wohl-
riechend und weiss. Es ist frisch oder getrocknet und mit
Wasser besprengt, das beste Futter für das Zugvieh. Die
auf dem Parnass wachsende Art enthält eine reichliche
•) Lappa canaria.
^) Tordylium officinale L.
2öJ Vierund zwanzigstes Buch.
Menge süssen Saftes, welchen mau auffängt. Statt dieses
Saftes kocht man au andern Orten die Pflanze aus und
wendet den Absud zum Vereinigen der Wundränder an;
aber auch das Kraut selbst besitzt diese Kraft und schützt
die Wunden vor Entzündung. Dem Absude setzt man noch
Wein und Honig, auch wohl ein Drittheil Weihrauch, Pfeffer
und Myrrhe hinzu, kocht nochmals in einem kupfernen
Kessel und gebraucht diess Mittel gegen Zahnschmerzen
und Augengeschwtire. Die in Weiu gekochte Wurzel be-
seitigt Bauchgrimmen, Htirnstreuge, Blasengeschwüre, und
zerkleinert die Harnsteine. Der Same treibt den Harn noch
kräftiger aus, stillt Durchfall und Erbrechen, leistet aber
besonders gute Dienste bei den Bissen der Drachen. Gegen
Kröpfe und Fettbeulen empfiehlt man, neun Knoten von
einem, zwei oder di ei Halmen (je nach der Zahl der daran
befindlichen Knotei.) in schwarze Wolle einzuwickeln uud
aufzulegen; der die Knoten sammele, müsse nüchtern sein,
während der Abwesenheit des zu Heilenden in dessen Haus
gehen, wenn dieser darüber zukomme, dreimal sagen, ein
Nüchterner bringe einem Küchteiuen ein Medicameut, hie-
rauf es ihm anbinden und diese Procedur drei Tage hinter-
eluiinder wiederholen. Die sieben Knoten führenden Halme
bindet man gegen Kopfschmerzen mit bestem Erfolge auf.
Einige verordnen gegen Blasenschmerzen, Gras mit Wein
bis zur Hälfte einzukochen und diess Dekokt nach dem
Bade zu trinken.
119.
Von dem stachlichteu Grase unterscheidet man drei
Arten; finden sich an der Spitze Stacheln und zwar meist
fünf, so heisst es Dactylus^); man wickelt dieselben zu-
sammen, steckt sie in die Nase und zieht sie wieder heraus,
um das Bluteu zu befördern. Die zweite dem Aizoon ähn-
liche Art wendet man mit Schmalz bei Nagelgeschwüren,
Kietnägelu und daransitzendem wildem Fleische an; wegen
') Cynodon Dactylon Pers.
Vierundzwanzigstes Buch. 283
dieses Gebrauchs bei Fehlern der Finger heisst es auch
Dactylus. Die dritte Dactylus-Art ist klein, wächst auf
Dächern und an Wänden, hat ätzende Eigenschaften und heilt
umsichfressende Geschwüre, Legt man Gras um den Kopf,
so hört das Nasenbluten auf. Dasjenige, welches um Baby-
lon an Wegen wächst, soll die Kameele tödten.
120.
Nicht weniger Werth hat das Foenum graecum,
welches auch Telis, Carphus, Buceras, Aegoceras (wegen
der hornähulichen Samen), bei uns Silicia heisst; von
seinem Anbau habe ich bereits gesprochen i). Es trocknet,
erweicht und löst auf (zertheilt). Der eingedickte Absud
wird bei den meisten Weiberkrankheiten, nämlich bei Ver-
härtung, Geschwulst oder bei Zusammeuziehung der Gebär-
mutter, umgeschlagen, eingespritzt, oder die Leidende setzt
sich darüber. Es vertreibt die Hautschuppen im Gesichte,
heilt mit Zusatz von Natron oder mit Essig gekocht und
aufgelegt die Milz und Leber. Diocles verordnet bei schweren
Entbindungen, als ein ausgezeichnetes Mittel, ein Acetabu-
lum voll Samen mit neun Bechern gesottenen Weins abzu-
reiben, ein Drittheil davon einzugeben und die Kreisende
in ein Bad zu bringen; sobald Schweiss eingetreten ist, soll
man ihr von dem noch übrigen Tranke die Hälfte und nach
dem Bade den Rest geben. Gegen Krämpfe in der Gebär-
mutter legt er das mit Zusatz von Gersten- und Leinsameu-
mehl in Wassermeth gekochte Pulver von Foenum graecum
entweder auf die Schaam selbst oder auf den Unterleib.
Um Krätze und Leberflecken zu heilen, reinigt er zuvor die
Haut mit Soda, und lässt dann täglich mehrere Male mit
einer Mischung von gleichen Theilen Foenum graecum-
Pulver und Schwefel einreiben. Theodorus mischt gegen
Krätze zu dem Pulver des Foenum den vierten Theil mit
schärfstem Essig gereinigten Nasturtiums. Dämon giebt zur
Beförderung der Menstruation V> Acetabulum voll Samen mit
neun Becher gesottenen Weins und Wassers als Getränk.
•) XVIII. B. 39. Cap.
234 Vierundzwanzigstes Buch.
Es ist kein Zweifel, dass ein Absud der Ptiaüze für schwä-
rende Gebärmutter und andere Eingeweide, der Same für
die Glieder und das Zwerchfell sehr dienlich sei. Ein durch
Abkochung- mit Malve und nachherigen Zusatz von Meth
bereiteter Trank wird bei Fehlern der Gebärmutter und
anderer Innern Theile besonders gerühmt, auch wenn man
nur den Dampf des Dekokts anwende. Ein Absud des Foe-
num vertreibt auch den üblen Geruch unter den Achseln.
Das Pulver dient mit Wein und Natron zur schnellen Ent-
fernung des Grinds und der Schuppen vom Kopfe. Mit Honig-
meth gekocht und Schmalz versetzt heilt es die Geschlechts-
theile, Fettbeulen, Ohreugeschwüre, Gicht an Händen und
Füssen, Gliederkrankheiten, das von den Knochen sich ab-
lösende Fleisch, mit Essig aber Verrenkungen. Mit Essig
und Honig gekocht legt man es auf die Milzgegend. Mit
Wein versetzt reinigt es die Krebsgeschwüre, und setzt
man später noch Honig hinzu, so heilt es sie auch. Ein
mit dem Pulver bereiteter Trank wird bei Geschwüren in
der Brust und anhaltendem Husten eingenommen; man lässt
zu diesem'Behufe so lange kochen, bis der bittere Geschmack
vergangen ist, und fügt dann noch Honig hinzu.
Nun wollen wir von dem eigentlichen Ruhme der Kräuter
handeln.
Fünfundzwanzigstes Buch.
Von der Beschaffenheit, dem Ansehen und Werthe der wild-
wachsenden Kräuter.
1.
Selbst der Ruhm der Kräuter, von welchem wir jetzt
handeln -wollen — denn die Erde liefert sie uns nur zu arz-
neilichen Zwecken — führt mich zur Bewunderung des
Fleisses und der Sorgfalt der Alten. In der That, sie haben
nichts unversucht und unerforscht gelasseu, nichts verhehlt,
was ihren Nachkommen Nutzen bringen kann. Aber wir
trachten das von ihnen U eberlieferte zu verbergen und zu
unterdrücken und sogar das Leben um fremde Güter zu
bringen. Gewiss, diejenigen verbergen, welche etwas we-
niges wissen und es Andern nicht gönnen; Niemanden zu
belehren, halten sie für wissenschaftlich erhaben. Soweit
ist unser Zeitalter von Erfindung neuer Dinge und Schaffung
der Mittel zur Erhaltung des Lebens entfernt, uud der mensch-
liche Geist hat schon lange darin seine höchste Beschäftigung
gesucht, die schönen Erzeugnisse der Alten dem Untergange
zu weihen. Und doch waren einzelne Erfindungen der Art,
dass die Erfinder unter die Götter versetzt wurden; wenig-
stens machten sie^) das Leben Aller durch die Beinamen
der Kräuter berühmt und so trug das Andenken den ge-
bührenden Dank ab. Der Fleiss der Alten in Bezug auf
solche Gewächse, welche schön aussehen und den Gaumen
kitzeln, wäre nicht so sehr zu bewundern; aber nein, sie
•) Die Erfindungen.
286 Fünfundzwanzigstes Buch.
haben selbst unwegsame Bergspitzen, entlegene Einöden und
das Innere der Erde durchsucht und ermittelt, was jede
Wurzel für Kräfte hat, zu welchem Nutzen die Blätter der
Kräuter tauglich sind, ja sogar Pflanzen, welche von Thieren
nicht gefressen werden, nutzbar zu machen gewusst.
2.
In dieser Beziehung haben wir Römer, die wir sonst auf
alles, was Nutzen und Tapferkeit betrifft, wahrhaft räube-
risch ausgehen, uns weniger Ruhm erworben, als recht wäre.
Der erste und lange Zeit einzige Mann, welcher, wenn auch
nur wenig darin wirkte, aber selbst die Thierarzneikunde
nicht unberücksichtigt liess, war M. Cato, der Lehrer aller
nützlichen Künste. Nach ihm hat unter berühmten Männern
nur einer, C. Valgiusi), ein ausgezeichneter Gelehrter, sich
in diesem Fache versucht, nämlich in einem unvollendeten
Buche an den Kaiser Augustus, welches mit einer ehrfurchts-
vollen Vorrede beginnt, worin er die Majestät des Fürsten
als das kräftigste Heilmittel aller menschlichen Uebel be-
zeichnet.
3.
Früher hatte, soviel ich in Erfahrung bringen konnte,
bei uns nur Pompejus Lenaeus, ein Freigelassener des gross^en
Pompejus, ähnliche Gegenstände behandelt, und, wie ich be-
merke, ist damals diese Wissenschaft erst zu uns gekommen.
Mithridates nämlich, der grösste König seines Zeitalters,
welcher uns, abgesehen von seinem übrigen Ruhme, durch
seinen alle vor ihm Geborenen übertreffenden Fleiss als ein
Vorbild nützlicher Lebensthätigkeit erscheint, wurde vi n
Pompejus besiegt. Er war es, der die Erfindung machte,
täglich, nach vorhergenommenen Gegenmitteln, Gift zu ver-
schlucken und sich so nach und nach daran ohne Nachtheil
zu gewöhnen. Zuerst wurden die verschiedenen Gegenmittel
ausfindig gemacht, von denen noch eins seinen Namen führt.
Sein Geheimniss soll darin bestanden haben, das Blut der
pontischen Enten den Gegenmitteln beizumischen, weil diese
') Er war Arzt in Rom.
Fünfundzwanzigstes Buch, 287
von Giften leben. Es sind noch die von dem berühmten
Arzte Asciepiades an ihn gerichteten Schriften vorhanden,
welche dieser ihm an seiner Statt zuschickte, als M. ilin
einhul, von Rom aus zu ihm zu kommen. Man weiss mit
Sicherheit, dass dieser König — was als einzig zu allen
Zeiten dasteht — zweiundzwanzig Sprachen verstand, und in
den 56 Jahren seiner Regierung mit keinem der ihm unter-
worfenen Völker durch Hülfe eines üolmetsQ^iel-s redete.
Trotz seiner grossen Gelehrsamkeit suchte er sich auch noch
in der ]\Iediciu Kenntnisse zu verschaffen, forschte bei allen
seinen Unterthanen (welche über viele Länder verbreitet
waren) in dieser Beziehung nach, und hinterliess in seinen
innersten Gemächern einen Schrank voll dergleichen Auf-
zeichnungen, Proben und Gegenproben. Pompejus, welcher
sich dieser Beute bemächtigte, Hess die Schriften von seinem
Freigelassenen, dem Grammatiker Lenaeus, in die lateinische
Sprache übersetzen und nützte auf solche Weise durch seinen
Sieg nicht weniger dem menschlichen Leben als dem Staate.
4.
Ausser diesen schrieben auch Griechen übei" Arznei-
kunde und diese habe ich gehörigen Orts angeführt. Unter
ihnen sind Cratevas, Dyonysius, Metrodoras auf die be-
quemste und bestechendste Weise verfahren, aus ihrer Arbeit
erkennt man indessen fast niclits weiter als die Schwierig-
keit der Sache, denn sie haben die Kräuter abgebildet und
die Wirkungen darunter gesciirieben. Aber theils ist die
Malerei trügerisch, theils verlässt bei so zahlreichen Farben,
besonders in Bezug auf die Nachahmung der Natur, den
Copirenden nicht selten das Glück. Dann hat es auch wenig
Werth, die Pflanzen nur in einem Alter gemalt zu sehen,
denn ihr Aeusseres wechselt ja zu jeder Jahreszeit.
5.
Daher bedienten sich die Uebrigeu bei der Beschreibung
der Pflanzen nur der Sprache. Einige umgingen sogar die
Beschreibung und begnügten sich meist mit der Anführung
der blossen Namen, denn sie glaubten schon das Ihrige
gethan zu haben, wenn sie Denen, welche die Pflanzen
288 Fünfundzwanzigstes Buch.
suchen wollten, die Kräfte und Wirkungen davon anzeigten.
Es ist auch nicht schwer, sie kennen zu lernen. Mir we-
nigstens ist es geglückt, fast alle hieher gehörigen Gewächse
in Augenschein nehmen zu können, und zwar in dem Gar-
ten des sehr gelehrten Antonius Castor, der dieselben mit
iSorgfalt cultivirte, und obschon über 100 Jahre alt, mit
keinem körperlichen Uebel behaftet war, auch sich noch
eines guten Gedächtnisses und einer bedeutenden Lebens-
frische erfreuete — Erscheinungen, welche von jeher die
grösste Bewunderung erregt haben.
Man ist schon lauge im Stande, nicht bloss die Tage
und Nächte, sondern selbst die Stunden, in welchen Sonnen-
und Mondfinsternisse eintreten, voraus zu bestimmen und
doch steht bei den meisten Menschen noch die Ansicht fest,
solche Naturereignisse würden durch Zaubereien und Kräuter
heraufbeschworen und die Weiber verständen sich auf diese
Kunst ganz besonders. Welche Fabeln knüpfen sich nicht
an die colchische Medea und an andere, namentlich die
an italienische Circo, welche auch zu den Göttinnen ge-
zählt wird? Hieraus erklärt es sich meiner Ansicht nach,
dass Aeschylos, einer der ältesten Dichter, den Kräutern
Italiens ganz besondere Kräfte zuschreibt, dass viele Schrift-
steller ein Circäi nennen, wo jene Zauberin gewohnt habe,
und dass noch jetzt die Marser, von denen es bekannt ist,
dass sie die Schlangen zähmen können, behaupten, sie stam-
men von einem Sohne der Circe. Docli schon Homer, der
Vater der Wissenschaften und des Alterthums, giebt, wenn
auch ein Bewunderer der Circe, Aegypten die Palme in
Bezug auf werth volle Kräuter, obgleich das Land, was er
meint, vielleicht das jetzt bewässerte und durch den Fluss-
sclilamm überdeckte Aegypten war. Wenigstens führt er
sehr viele äg^^ptische Pflanzen an, von denen die Gemalin
des Königs seiner Helena Nachricht gegeben, unter anderen
die berühmte Nepenthe, welche die Kraft besitzt, Trübsal
vergessen zu machen und Verzeihung zu erwirken, und
billigerweise von der Helena allen Sterblichen zugetrunken
werden sollte.
Fünfundzwanzigstes Buch. 289
So weit die Geschichte reicht, war Orpheus der erste,
welcher über Kräuter mit einiger Umsicht schrieb. Ihm
folgten Musaeus und Hesiodus in ihrer Lobpreisung des
Polium, von dem schon früher in diesem Werke die Rede
war. Orpheus und Hesiodus empfahlen die Räucherungen.
Homer erwähnt rühmend noch anderer Kräuter, die ich am
geeigneten Orte näher besprechen werde. Später schrieb
der weise Pythagoras ein Werk über die Wirkungen der
Kräuter, worin er den Apollo, Aesculap und die unsterb-
lichen Götter überhaupt als die Erfinder und Schöpfer der-
selben bezeichnet; ein ähnliches verfasste Democritus, denn
dieser sowohl wie jeuer reisten bei den Magiern in Persien,
Arabien, Aethiopieu und Aegypten umher. Die Erzählungen
der letztern übten aber früher eine so zauberische Kraft
aus, dass man die unglaublichsten Dinge für wahr ausgab.
Der Historiker Xanthus^) berichtet in dem ersten Buche
seiner Geschichte, ein junger Drache sei von seinem 2) Vater
durch die Pflanze Balis wieder ins Leben zurückgerufen
worden, und eben dieselbe Pflanze habe auch den von einem
Drachen getödteteu Thylo wieder belebt. Auch Juba giebt
an, in Arabien sei ein Mensch durch Hülfe eines Krautes
von den Todten auferstanden. Demoerit behauptete und
Theophrast glaubte, es gäbe ein Kraut, welches von einem
Vogel (den ich früher genannt habe) herbeigebracht würde
und, mit den von den Hirten in die Bäume getriebeneu
Keilen in Berührung gesetzt, diese sogleich austreibe. Wenn
nun auch alle diese Dinge nicbt wahr sind, so erregen sie •
doch Verwunderung und nöthigen zu dem Bekenntniss, dass
noch viel Ueberflüssiges (Unrichtiges, Unwahres) existirt.
Ich sehe hieraus, dass Viele glauben, durch die Kräuter
könne man alles erreichen, aber die Kräfte der meisten
seien noch unbekannt; zu diesen Männern gehörte auch der
berühmte Arzt Herophilus, der gesagt haben soll, vielleicht
hätten selbst einige von den Kräutern, auf welche man
•) Aus Sardes, Historiker im 6. Jahrb. v. Chr.
■-) Des Drachen?
Wittstein: Plinius. VI. Bd. Ifi
290 Fünfundzwanzigstes Buch.
trete, ihren Nutzen. So viel wenigstens steht fest, dass
Wunden und Krankheiten durch Dazwischenkunft von Per-
sonen, welche eine Fussreise gemacht haben, an Heftigkeit
zunehmen.
6.
So stand es mit der Arzneikunde der Alten, deren all-
einiges Organ die griechische Sprache war. Der Grund,
aber, warum man nicht mehr davon weiss, ist, weil nur
Landleute und in den Wissenschaften Unerfahrene, also
solche, welche allein unter den Kräutern leben, sich damit
beschäftigten, und weil man ihr Aufsuchen vernachlässigt,
obgleich an Aerzten kein Mangel ist. Ferner haben viele
aufgefundene Kräuter noch keine Namen, und nicht besser
geht es dem Gewächse, dessen ich bei den Feldfrüchten
gedacht habe und von dem man weiss, dass es, an die
Ecken der Saatfelder gesetzt, die Vögel abhält. Der be-
klagenswertheste Grund unserer Unwissenheit in dieser Be-
ziehung besteht aber darin, dass Diejenigen, welche etwas
wissen, ein Geheimniss daraus machen, als ob das, was sie
Andern mittheilten, für sie verloren ginge. Dazu gesellt
sich noch die Unsicherheit der Erfindung, denn in einigen
Fällen war der Zufall der Erfinder, in andern war es (um
die Wahrheit zu sagen) ein Gott. Bis auf die neueste Zeit
war der Biss eines tollen Hundes unheilbar, und bewirkte
Scheu vor dem Wasser und Widerwillen gegen jede Art von
Getränken. Vor Kurzem träumte nun der Mutter eines Sol-
daten von der Leibwache, sie schicke ihrem Sohne die
Wurzel von der wilden oder sogenannten Hundsrose^),
an deren Anblick sie sich Tags zuvor geweidet hatte, zur
Bereitung eines Tranks; diess geschah in Lacetanien, dem
nächsten Distrikte Spaniens, der Zufall wollte, dass der
Soldat, welcher von einem tollen Hunde gebissen war uud
schon vor dem Wasser scheuete, gerade einen Brief von
seiner Mutter erhielt, worin sie ihn bat, dem göttlichen
Winke zu gehorchen, und siehe da, er wurde gerettet.
') Cynorrhodos. Rosa canina L.
Fünfundzwanzigstes Buch. 291
Seitdem hat sich diess Mittel in jedem ähnlichen Falle be-
währt. Sonst findet man bei den Schriftstellern nur ein ein-
ziges Mittel von der Hundsrose erwähnt, nämlich die kleinen
schwammigen Körper, welche mitten zwischen den Dornen
wachsen und deren Asche mit Honig auf Glatzen die Haare
wieder hervorufen.
Ich habe in Erfahrung gebracht, dass man in derselben
Provinz auf dem Acker eines Fremden einen sogenannten
Dracunculus - Stengel gefanden hat, der daumendick,
schlangenartig gefleckt ist^) und gegen alle Bisse helfe.
Er ist nicht derselbe Dracunculus, dessen Arten ich im
vorigen Buche beschrieben habe, denn letzterer bat eine
ganz andere Gestalt und das Merkwürdige, dass er im Früh-
ling zur Zeit der Schlaugen 2 Fuss hoch aus der Erde her-
vorschiesst und sich mit denselben wieder in die Erde zu-
rückzieht. Wenn er verschwunden ist, lässt sich keine
Schlange mehr sehen, und schon durch diesen Umstand
allein leistet er den Menschen einen grossen Dienst; es
wäre nur zu wünschen, dass er auch warnte und die Zeit
der Furcht vorher anzeigte.
Nicht bloss die wilden Thiere besitzen die Mittel, uns
zu schaden, sondern zuweilen auch die Gewässer und Land-
plätze. Als Caesar Germanicus in Deutschland sein Lager
auf das jenseitige Ufer des Rheins verlegte, fand man in
der Nähe des Meeres eine einzige Quelle süssen Wassers,
welches bewirkte, dass allen, die davon tranken, innerhalb
zwei Jahren die Zähne ausfielen und die Kniesehnen ge-
lähmt wurden. Die Aerzte nannten diese Krankheiten die
Mundfäule und Knielähmung. Ein Mittel dagegen erkannte
man in demKraute B r i t a u n i c a'-),welches sich aber auch gegen
Bräune und Schlangen bewährt, längliche schwarze Blätter
und eine schwarze Wurzel hat, und zur Gewinnung eines Saf-
tes ausgepresst wird. Seine Blüthe, welche man Vibo nennt,
wird gesammelt, ehe man es donnern hört und bewahrt den,
der sie verschluckt, vor allen Gefahren. Die Friesen, in deren
•) Wahrsclieinlich ein Stengel eines Echium.
2) Inula britannica?
19=^
292 Fünfundzwanzigstes Buch.
Gebiete damals das Lager stand, Laben uns mit dem Mittel
bekannt gemacht; nur begreife ich nicht, warum es obigen
Namen führt, es mtisste denn sein, dass ihre in dem dem
Ocean zunächst liegenden Theile Britanniens wohnenden
Grenznachbarn sie damit bekannt gemacht hätten. Denn so
viel ist gewiss, dass es dort sehr häufig wächst, wenn auch
jener Theil von Britannien jetzt noch frei ist.
7.
Der Ehrgeiz machte sich ehedem auch in diesem Fache
geltend, denn selbst Könige verliehen, wie ich zeigen werde,
ihre Namen den Kräutern ; es schien ihnen wichtig genug,
ein Kraut zu entdecken und so dem Leben hilfreiche Hand
zu reichen. Jetzt werden vielleicht Manche meine Sorgfalt
hierin für unnütz und albern halten, denn die Leppigkeit
zieht selbst die Mittel zur Erhaltung des Lebens in den
Staub. Allein die Billigkeit erfordert, dass ich die Erfinder
der Arzneigewächse nenne, und deren Wirkungen nach den
verschiedenen Krankheiten durchgehe. Hierbei kann ich
indessen nicht umhin, das menschliche Geschick zu be-
jammern, denn nicht bloss durch Zufall und besondere Er-
eignisse, nein, zu jeder Stunde sind Namen für Tausende
von Krankheiten, die der Mensch zu fürchten hat, ausge-
dacht worden. Es wäre fast thöricht, zu unterscheiden,
welche von diesen Krankheiten die schwersten sind, da
gegenwärtig einem Jeden die seinige auch die heftigste zu
sein scheint. Unsere Vorfahren haben sich allerdings da-
hin ausgesprochen, die schmerzlichsten Qualen verursachte
die Harnstrenge beim Blasensteine, denen folgten die Magen-
übel, drittens die Kopfschmerzen, denn fast um keiner
anderen willen sei man zum Selbstmord verleitet worden.
Ich wundere mich, dass von den Griechen auch die schäd-
lichen Kräuter hieher gerechnet sind; der Gifte nicht zu
gedenken, weil unser Leben so beschaffen, dass der Tod
oft die Zuflucht des besten Menschen ist. So erzählt
M. Varro, der römische Kitter Servius Clodius habe, von
den heftigsten Gichtschmerzen gefoltert, seine Beine mit
Gift eingerieben und dadurch alles Gefühl in diesen Gliedern
Fünfundzwanzigstes Buch. 293
verloren, aber auch keine Sehmerzen mehr empfunden. Aber
ich frage, kann man es verzeihen, dass Mittel empfohlen
worden sind, welche wahnsinnig machen, welche die Leibes-
frucht abtreiben und dergleichen mehr? Ich werde nicht
von Abtreibemitteln, nicht einmal von Liebestränken sprechen,
denn ich weiss, dass der berühmte Feldherr Lueullus an
einem Liebestranke gestorben ist; auch übergehe ich die
Seltsamkeiten der Magier, ausgenommen in den Fällen, wo
ich mich genöthigt sehe davor zu warnen, wo ich sie wide-
legen und den Glauben daran verwerfen kann. Genug der
Mühe, genug der Sorge für das Leben, die heilsamen und
später entdeckten Kräuter besprochen zu haben.
8.
Nach dem Zeugniss Homer's ist das Moly^) das 2"e-
schätzteste aller Kräuter; er glaubt es habe seinen Na .len
von den Göttern bekommen, sei von Mercur entdeckt, und
hält es für das stärkste aller Gegengifte. Es soll noch jetzt
am Peneus und in der arkadischen Landschaft Cyllene
wachsen, in Uebereinstimmung mit Homer's Beschreibung
eine runde schwarze Wurzel von der Grösse einer Zwiebel,
uieerzwiebelähnliche Blätter haben und schwierig auszu-
graben sein. Die griechischen Schriftsteller haben es mit
gelber Blume abgebildet, während Homer sagt, sie sei weiss.
Ein pflanzenkundiger Arzt sagte mir, es wachse auch in
Italien; später erhielt ich ein Exemplar, welches man in
Campanieu binnen einigen Tagen mit vieler Mühe aus
felsigem Boden gegraben, und das eine dreissig Fuss lange
Wurzel hatte, die aber nicht einmal ganz, sondern nur ein
abgerissener Theil war.
9.
Den nächsten Platz nimmt eine Pflanze ein, welche
als das Sinnbild der Majestät aller Götter betrachtet und
daher Dodekatheon 2) genannt wird. Sie hat eine gelbe
Wurzel und sieben, der Wurzel entspringende, lattichähnliche
') Allium magicum L.
LiJiura Martasror. L.?
294 Fünfundzwanzigstes Buch.
Blätter. Ein daraus bereiteter Trank soll alle Krankheiten
heilen.
10.
Die Paeonia^) ist eine schon sehr lange bekannte
und den Namen des Entdeckers 2) führende Pflanze, heisst
aber auch Pentorobus und Glycysis. Auch das ist ein
Uebelstand, dass ein und dieselbe Pflanze an andern Orten
anders benannt wird. Sie wächst an schattigen Bergen,
zwischen den Blättern steigt ein 4 Finger hoher Stengel
empor , der an einer Spitze vier bis fünf mandelähnliche
Kapseln trägt, worin viele rothe und schwarze Samen ein-
geschlossen sind. Man wendet sie gegen die Neckereien,
welche die Faunen im Schlafe erregen, an. Sie muss zur
Nachtzeit ausgegraben werden, weil sonst leicht der Schwarz-
Specht zu ihrem Schutze herbeieilt und den Gräber nach
den Augen hackt.
11.
Der Panax verräth schon durch seinen Namen, dass
er ein Heilmittel für alle Krankheiten ist; er hat zahlreiche
Arten und man schreibt seine Erfindung den Göttern zu.
Eine Art heisst der asclepische^), weil Asclepius seine
Tochter Panacea nannte. Sie enthält einen dicken Saft
wie die früher besprochene Ferula, die Wurzelrinde ist dick
und salzig. Wenn man die Wurzel ausgerissen hat, muss
man — um das der Erde schuldige Sühnopfer zu bringen —
das entstandene Loch mit allerlei Feldfrüchten wieder aus-
füllen. Wo und wie der Saft behandelt wird und welcher
am besten ist, habe ich bei den Arzneien von fremden
Gewächsen auseinander gesetzt. Der aus Macedonien
kommende heisst Bucolicus, weil die Hirten dort den von
selbst ausquellenden sammeln, der sich aber sehr schnell
verflüchtigt. Auch bei den andern Arten verwirft man
') Paeonia corallina Retz und P. officinalis L.
-) Arzt Paeon, der damit den Pluto heilte.
^i Echinophora tenuifolia L. Diess ist die Pflanze des Dioscorides.
Die Theophrastsche ist Ferula geniculata Guss.
Fünfundzwanzigstes Buch. 295
namentlich den schwarzen und weichen, weil sie nämlich
mit Wachs verfälscht sind.
12.
Die andere Art heisst der heraclische Panax^), weil
er von Hercules entdeckt sein soll; Einige nennen dieselbe
heracleotisches Origanum, weil sie einem Origanum ähnlich
sieht; sie hat eine unbrauchbare Wurzel und ich habe
schon beim Origanum davon gesprochen. 2)
13.
Die dritte Art wird nach dem Entdecker der chiro-
nische Panax^) genannt. Seine Blätter sind denen des
Ampfers ähnlich, aber grösser und rauher, die Blütheu gold-
gelb, die Wurzel klein. Er wächst an fetten Plätzen; die
Blüthe ist äusserst wirksam, und daher hat diese Art ent-
schiedenen Vorzug vor der vorigen.
14.
Die vierte, von demselben Chiron entdeckte Art heisst
der centaurische Panax*), aber auch der pharnacische,
weil Einige den König Pharnax als den Entdecker be-
zeichnen. Seine Blätter sind länger als die der übrigen
Arten und gesägt; die geruchvolle Wurzel wird im Schatten
getrocknet und dem Weine zugesetzt, um ihm einen ange-
nehmen Geschmack zu ertheilen. Man unterscheidet noch
zwei Varietäten, eine mit glatten und eine mit dünnern
Blättern.
15.
Das siderische Heracleum^), von Hercules selbst
entdeckt, hat einen zarten, vier Finger hohen Stengel,
granatrothe Blüthen und coriauderähnliche Blätter, w^ächst
') Des Dioscorides: Ferula Opoponax Spr.; des Theophrast:
Heracleum Sphondylimn L.
-) XX. ß. 69. Cap. PI. wirft hier offenbar wieder durcheinander.
3) Des Theophrast: Ferula Opopanax und Inula Heleniuxn L.
'^) Wahrscheinlich eine grössere Spielart der vorigen Ferula oder
Inula.
5) Geranium coriandrifolium?
296 Fünfundzwanzigstes Buch.
an Seen und Flüssen und heilt alle durch Eisen entstandenen
Wunden aufs kräftigste.
16.
Es giebt auch einen von Chiron entdeckten Weinstock,
der daher der chironische genannt wird und von welchem
ich schon bei den Weinstöcken gesprochen habe; ferner
ein Kraut, das von Minerva entdeckt sein soll.
17.
Eine andere, dem Hercules zugeschriebene Pflanze
heisst Apollinaris, bei den Arabern Altere um, bei den
Griechen Hyoseyamus, und hat mehrere Arten. Die eine
Art^) ist stachlicht, trägt fast purpurrothe BUithen und
schwarze Samen und kommt in Galatien vor. Die zweite
oder gemeine Art 2) ist weisser, staudiger und höher als
Mohn. Der Same der dritten Art 3) ist dem des Irio ähnlich,
alle drei aber verursachen Wahnsinn und Schwindel. Die
vierte Art 4) ist weich, wollig, fetter als die vorigen, bringt
weisse Samen, wächst am Meere und wird arzneilich ange-
wandt. Auch giebt es eine Art mit röthlichem Samen;
ferner erscheint jener weisse Same vor gehöriger Reife zu-
weilen röthlich und taugt dann nicht. Uebrigeus geschieht
die Einsammlung niemals vor völligem Trockenwerden der
Pflanze. Die Pflanze wirkt wie der Wein auf Kopf und
Sinne; der Same wird für sich und als ausgepresster Saft
gebraucht. Man presst auch den Stengel und die Blätter
separat aus, benutzt auch die Wurzel; doch halte ich diese
Art Arznei für bedenklich, weil man weiss, dass auf den
Genuss von mehr als vier Blättern Wahnsinn eintritt. Die
Alten waren sogar der Meinung, sie vertrieben mit Wein ge-
nommen das Fieber. Wie ich schon früher gemeldet, berei-
tet man aus den Samen auch ein Oel, welches selbst in die
Ohren gegossen den Verstand verwirret. Merkwürdigerweise
') Hyoseyamus niger L
-) Hyoseyamus albus L.
^) Hyoseyamus aureus L.
•'•) Hyoseyamus mutieus?
Fünfundzwanzigstes Buch. 297
hat man diesen Samen als Hülfsmittel wider Gift, mithin
ein Gift wider das andere empfohlen, das Experinientiren
hörte also nicht eher auf, bis man die Gifte gezwungen
hatte, Arzneimittel zu sein.
18.
Die Pflanze Linozostis oder Parthenium hat Mercur
entdeckt; bei vielen Griechen heisst sie Hermupoa, bei
uns stets Mercurialis. Es giebt zwei Arten, eine männliche i)
und eine weibliche 2) wirksamere; hat einen ellenhohen, zu-
weilen oben verzweigten Stengel, schmälere Blätter als das
Ocimum, dichte Gelenkknoten, vertiefte Achseln, Samen welche
von den Gelenkkuoten ausgehen und bei der weiblichen Art
frei und zahlreich herabhängen, bei der männlichen aber
dicht neben den Knoten stehen, der Zahl nach wenig, kurz,
gekrümmt und dunkler sind. Auch haben die Blätter des
Männchens eine dunklere Farbe als die des Weibchens.
Die Wurzel ist nutzlos und klein. Sie finden sich auf be-
bauten Feldern. Von diesen beiden Arten erzählt man
wunderliche Dinge; das Männchen soll bewirken, dass
Knaben, und das Weibchen, dass Mädchen geboren werden,
und zwar soll die Mutter zu diesem Zweck gleich nach der
Empfängniss den ausgepressten Saft mit gesottenem Weine
trinken, oder die gekochten Blätter mit Oel und Salz, oder
auch dieselben noch mit Essig verspeisen. Einige sieden
auch die Pflanze in einem neuen irdenen Gefässe mit
Heliotropium und zwei oder drei Aehren, bis sie weich ist,
lassen den Absud und das Kraut selbst den ersten Tag
nach der monatlichen Keinigung drei Tage hintereinander
nehmen, und empfehlen am vierten Tage nach dem Bade
den Beischlaf. Hippocrates empfiehlt die beiden Arten
dringend den Weibern; unsere Aerzte kennen jedoch diese
Art von Anwendung nicht. Er lässt sie zur Beförderung
der Menstruation und des Abgangs der Nachgeburt mit
•) Mercurialis perennis L.
-) Mercurialis annua L.
298 Fünfundzwanzigstes Bucli.
Honig, Rosen-, Iris- oder Lilieiiöl auf die Schaam legen,
als Trank oder auch als Bähung anwenden. Den Saft
lässt er in übelriechende Ohren tröpfeln, auch damit nach
Zusatz von altem Wein einreiben. Die Blätter lässt er auf
den Unterleib, auf Augengeschwüre, bei Harnstrenge und
Blasenübeln auflegen, und einen Absud davon mit Myrrhe
und Weihrauch reichen. Zur Eröffnung des Leibes, auch
gegen Fieber soll man eine Handvoll davon mit zwei
Sextaren Wasser zur Hälfte einkochen, und den Absud mit
Salz und Honig, oder noch besser mit Zusatz von Schweins-
klauen oder Hühnerfleisch gekocht trinken. Einige meinen,
man müsse zur Reinigung beide Zubereitungen oder einen
mit Malve bereiteten Absud geben. Diese Pflanzen reinigen
auch die Brust und entfernen die kranke Galle, beschweren
aber den Magen. Von sonstigen Anwendungen wird später
die Rede sein.
19.
Auch Achilles, der Schüler des Chiron, hat ein Kraut
entdeckt, womit mau Wunden heilt und das daher das
achilleische 1) genannt wird. Er soll damit den Telephus
geheilt haben; Andere geben an, er habe den zu Pflastern
so nützlichen Grünspan erfunden, und bilden ihn ab, wie
er gerade denselben an der Spitze seines Schwertes in die
Wunde des Telephus hiuablässt; wiederum Andere meinen,
er habe beide Mittel angewandt. Einige nennen diese
Pflanze auch Panax heracleus. Andere Sideritis, bei
uns heisst sie Millefofium, ist ellenhoch, ästig und von
unten an mit Blättern bekleidet, welche kleiner als die des
Fenchels sind. Wieder Andere geben zwar zu, dass jene
Pflanze bei Wunden von Nutzen sei, sagen aber, die wahre
achilleische habe einen blauen, fusshohen, einfachen, überall
mit runden Blättern schön besetzten Stengel; von Andern
wird der Stengel viereckig, der Blütenkopf andornähnlich
und die Blätter eichenähnlich bezeichnet, und mau benutzt
sie zum Zusammenheilen durchgeschnittener Sehneu. Einige
') Achillea Millefolium L„ toraentosa und magna.
Fünfundzwanzigstes Buch. 299
berichten, die an Mauern vorkommende Sideritis entwickle
beim Reiben einen üblen Geruch; es gäbe noch eine andere
ähnliche Art, die aber hellere und fleischigere Blätter, einen
dünnern Stengel habe und an Mauern wachse. Noch eine
dritte sei zwei Ellen hoch, habe dünne dreieckige Aeste,
dem Farrnkraut ähnliche Blätter, lange Blattstiele, Samen wie
die Bete und alle seien gute Wundmittel. Bei uns heisst
die mit den breitesten Blättern versehene Scopa regia
und wird gegen die Bräune der Schweine angewendet.
20.
Zu derselben Zeit hat Teucer das Teucrium, auch
Hemioniumi) genannt, entdeckt, welches dünne binsen-
artige Stengel treibt, keine Blätter hat, an wüsten Orten
wächst, herbe schmeckt, weder blühet noch Samen giebt.
Es heilt die Milz und ist bekanntlich dadurch entdeckt
worden, dass es sich von den darauf geworfenen Einge-
weiden eines Thieres an die Milz hing und diese ganz aus-
leerte; daher nennen es auch Einige Splenium. Man er-
zählt, Schweine, welche die Wurzel frässen, verlören die
Milz. Einige bezeichnen mit demselben Namen eine dem
Hyssop ähnliche Pflanze mit bohnenähnlicheu Blättern und
lassen sie während der BUUhezeit einsammeln; sie setzen
also keinen Zweifel darin, dass sie blühe und geben der auf
den Bergen Ciliciens und Pisidiens wachsenden den Vorzug.
21.
Der Ruf des Melampus-) gründet sich auf die Künste
der Wahrsagerei. Nach ihm heisst eine Art des EUeborus:
Melampodion. Andere gaben an, ein Hirt dieses Namens
hätte sie und zwar dadurch entdeckt, dass Ziegen, welche
davon gefressen, gereinigt wurden, und hätte dann mit der
Milch dieser Thiere die wüthenden Töchter des Praetus
geheilt. Ich will daher von allen ihren Arten jetzt gleich
reden. Die beiden ersten sind eine weisse^) und eine
') Aspleniuiu Cetaracli L.
2) Sohn des Amythaon und der Adomene, Wahrsager und Gott-
versöhner, der die Sprache der Thiere verstand.
^j Veratrum album L.
300 Fünfundzwanzigstes Buch.
schwarze 1), die meisten Autoren geben an, diese könnten
nur durch die Wurzel unterschieden werden; Andere sagen,
die Blätter der schwarzen Art wären denen der Platane
ähnlich, aber kleiner, dunkler und vielfach getheilt; die der
weissen ähnelten den jungen Blättern der Bete, wären aber
auch dunkler und auf der Unterseite an den Rippen röthlich;
der Stengel von beiden wäre gertenartig, handhoch, in der
Nähe des Wurzelkopfs mit Häuten umgeben und die Wurzel
faserig wie die der Zwiebeln. Die schwarze tödtet Pferde,
Ochsen und Schweine, wird daher von ihnen nicht ange-
rührt, während sie die weisse Art fressen. Zur Erntezeit
soll sie (die weisse) die rechte Beschaffenheit haben; sie
wächst sehr häufig auf dem Berge Oeta, ist aber an einer
Stelle desselben, bei Pyra, am besten. Die schwarze findet
sich überall, man zieht aber die vom Helicon vor, sowie
man auch andere auf diesem Berge vorkommende Kräuter
sehr schätzt. Dem Eange nach folgt auf die weisse ätolische
die pontische, dann die eleatische, welche an Weinstöcken
wachsen soll, dann die parnassische, welche durch die be-
nachbarte ätolische verfälscht wird. Diejenige von diesen
Varietäten, welche dunkler aussieht, heisst Melampodium,
dient zum Räuchern und Reinigen der Häuser, zum Be-
sprengen des Viehs unter feierlichem Gebete, wird daher
auch mit mehr religiösem Ceremoniell gesammelt. Zuerst
nämlich zieht man mit dem Schwerte einen Kreis um die-
selbe, dann wendet sich der, welcher sie abhauen will
nach Morgen, bittet die Götter ihm diess zu gestatten, und
beobachtet den Flug des Adlers, denn dieser findet sich
stets dabei ein und wenn er ganz nahe hiuzufliegt, so deutet
diess an, dass der Sammler noch in demselben Jahre sterben
werde. Auch die weisse lässt sich nicht so leicht sammeln,
denn sie nimmt den Kopf sehr ein, besonders wenn man
nicht vorher Knoblauch isst, zuweilen einen Schluck Wein
trinkt und das Ausgraben beschleunigt. Die schwarze
nennen Einige die eingeschnittene, Andere die vielwurzelige;
') Helleborus offic. Salisb. und H. niger L.
Fünfundzwanzigstes Buch. 301
sie reinigt durch den Stuhlgang, die weisse hingegen durch
Erbrechen und beseitigt die Ursachen der Krankheiten.
Anfangs fürchtete man sie, später machte man keinen Unter-
schied mehr zwischen beiden, und Viele nahmen sie ein,
um ein richtigeres Urtheil über ihre Wirkung abgeben zu
können. So Carneades, als er auf die Bücher Zeno's Ant-
^vort geben wollte; auch w^urde bekanntlich der berühmte
Volkstribuu Drusus (dem vor allen das Volk stehend Bei-
fall klatschte, dem die vornehme Klasse aber den marsischen
Krieg Schuld gab) auf der Insel Anticyra durch dieses
Mittel von der Epilepsie befreiet. Dort kann dasselbe auch
ohne Gefahr gewonnen werden, weil man (wie ich ange-
geben) das Sesamoides darunter mischt. In Italien nennt
man die Pflanze Veratrum. Das daraus oder auch mit
Zusatz der Wurzelfasern bereitete Mehl, womit bekanntlich
die Wolle gewaschen wird, erregt Niesen, beide Theile aber
machen Schlaf. Man sammelt die dünnsten und die kurzen
gleichsam abgebrochenen Wurzeln, denn der oberste, knollige
Theil der Wurzel wird bloss den Hunden zur Reinigung ein-
gegeben. Die Alten schälten die fleischige Rinde der
Wurzel ab, bedeckten den inneren markigen Theil mit
feuchten Schwämmen, schlitzten ihn, wenn er aufgequollen
war, mittelst einer Nadel der Länge nach in Fäden, trock-
neten letztere im Schatten und wendeten sie in diesem
Zustande an. Jetzt hingegen verordnet man von der dick-
schaligsten Wurzel die Fasern selbst. Am besten ist die
Wurzel (Faser), wenn sie scharf und brennend schmeckt,
und beim Brechen stäubt. Sie soll ihre Wirksamkeit 30
Jahre lang -behalten.
22.
Die schwarze Art heilt Lähmungen, Wahnsinn, Wasser-
sucht, wenn kein Fieber zugegen ist, anhaltendes Podagra
und Gliederkrankheiten, führt Galle und Schleim durch den
After ab. Um gelinde abzuführen, nimmt man meistens eine
Drachme, je zu vier Obolen mit Wasser; setzt auch wohl
Scammonium, besser aber Salz hinzu. Mit süsser Sahne ein-
genommen schadet sie nicht selten. Bähet man trübe Augen
302 Fünfundzwanzigstes Buch.
damit, so werden sie hell; denselben Zweck erreicht man
durch Einreiben. Alle drei Tage frisch aufgelegt zeitigt und
reinigt sie Kröpfe, Eiterungen, Verhärtungen und Fisteln.
Mit Kupferasche und Sandarach vertreibt sie die Warzen.
Mit Gerstenmehl und Wein legt man sie den Wassersüch-
tigen auf den Bauch. Den Rotz des Rind- und Zugviehs
heilt man auf die Weise, dass man eine Wurzelfaser durch's
Ohr steckt und am folgenden Tage um dieselbe Stunde
wieder herauszieht, die Räude durch ein Gemisch von Nies-
wurz, Weihrauch oder Wachs uud Pech oder Pechöl.
23.
Die weisse Art ist dann am besten, wenn sie recht
schnell Niesen erregt, wirkt aber viel heftiger als die
schwarze, was man schon aus den Zurüstungen erkennen
kann, welche die Alten bei ihrer Anwendung gegen Schau-
der, Erstickungen, Schlafsucht, unaufhörliches Schlucken
und Niesen, schlechten Magen, langsame oder andauernde,
unbedeutende oder übermässige Erbrechungen gemacht haben.
Sie pflegten nämlich noch andere Dinge zu geben, welche
zum Brechen reitzen und den Elleborus selbst durch inner-
liche Mittel oder Klystiere, ja selbst durch einen Aderlass
ausziehen (wieder hinausschaffen) sollten. Wenn ein solches
Experiment nun auch glücklich abläuft, so machen die ver-
schiedenfarbigen Erbrechungen und die nachfolgenden Stuhl-
gänge einen widrigen Anblick, und die alle dem voraus-
gehenden Vorschriften zu Bädern und sonstigen sorgfältig
zu treffenden Maassregeln für den Körper sind recht geeignet,
mit dem Rufe des Mittels zugleich Schrecken zu verbreiten.
Ja man giebt sogar an. Fleisch, was man damit koche,
werde verzehrt. Aus Furcht begingen die Alten den Fehler,
dasselbe in zu geringer Dosis zu geben, während es doch
desto eher durchbricht, je reichlicher es genommen wird.
Themison verordnete nicht mehr als zwei Drachmen, seine
Nachfolger bis zu vier und Herophilus that den berühmten
Ausspruch, der Elleborus sei einem tapfern Feldherrn zu
vergleichen; wenn er alles im Leibe in Bewegung gesetzt
hätte, ginge er selbst, allen andern voraus, wieder ab.
Fünfundzwanzigstes Buch. 303
Ausserdem ist die Erfindung merkwürdig, dass man ihn mit
Scheeren zerschneidet und dann siebt; hiebei bleibt näm-
lich die Rinde zurück, welche ausleerend, während das
durchfallende Mark den zu starken Erbrechungen entgegen
wirkt.
24.
Auch bei einer glücklichen Kur muss man sich hüten,
sie an einem neblichten Tage zu geben, weil sonst unleid-
liche Schmerzen eintreten; ja es ist nicht zu bezweifeln,
dass ihre Anwendung im Winter bedenklicher als im Som-
mer. Den Körper muss man sieben Tage vorher durch
scharfe Speisen und Enthaltung des Weins, den vierten und
dritten Tag durch Brechmittel und Tags vorher durch Fasten
darauf vorbereiten. Die weisse Art gibt man mit süssem
Safran, oder besser mit Linsen oder irgend einem Brei ein.
Seit Kurzem räth man, Rettig in Scheiben zu schneiden,
gepulverten Elleborus dazwischen zu streuen, jene Wurzel
wieder zusammenzudrücken, um ihr die Schärfe mitzutheilen
und die dadurch milder gemachte Arznei einzugeben; nach
Verlauf von vier Stunden finge sie an wieder abzugehen,
und binnen sieben Stunden sei die ganze Kur abgemacht.
Auf diese Weise heilt man Epilepsie, Schwindel, Melancholie,
Raserei, Wahnwitz, weisse Elephantiasis, Krätze, Starrkrampf,
Zittern,Podagra,anfangendeWassersucht,Mageuübel,Krämpfe,
lange Bettlägrigkeit, Hüftweh, viertägiges Fieber, welches
keinem andern Mittel weicht, anhaltenden Husten, Bläh-
ungen und öfter wiederkehrendes Bauchgrimmen.
25.
Den Elleborus darf man weder Greisen noch Kin-
dern, weder Leuten von weichem und weibischem Körper
oder Gemüthe, noch kleinen oder zartgebaueten Personen,
noch weniger Weibern als Männern, auch keineswegs Furcht-
samen, ferner nicht bei Geschwüren und Geschwülsten der
Brust, Blutausvvurf, Seiten- und Halsübeln geben. Aeusser-
lich verordnet mau ihn mit Fett und Salz als Salbe bei
schleimigen Ergüssen und alten Eiterungen. Zum Tödten
der Mäuse setzt man ihn der Polenta hinzu. Die Gallier
304 Fünfundzwanzigstes Buch.
bedienen sich auf der Jagd in EUeborus getauchter Pfeile,
schneiden die dadurch entstandene Wunde heraus und ver-
sichern, das Fleisch der auf diese Weise erlegten Thiere
schmecke zarter. Um die Fliegen zu tödten, übergiesst man
die Wurzel der weissen Art mit Milch; auch verordnet man
sie gegen die Läusesucht.
Ein von Mithridates genanntes und daher von Crate-
vas Mithridatiai) genanntes Kraut hat zwei Blätter, welche
aus der Wurzel entspringen und denen des Acanthus ähn-
lich sind, und einen zwischen demselben mit rosenrother
Blüthe emporsteigenden Stengel.
27.
Eine andere von Mithridates entdeckte und von Lenaeus
mit dem Namen Scordotis oder Scordium^) bezeichnete
Pflanze ist ellenhoch, hat einen vierkantigen Stengel, ver-
zweigt sich nach Art des Eichenbaums, trägt wollige Blät-
ter, wächst im Pontus auf fetten und feuchten Feldern und
schmeckt bitter. Eine Abart davon hat breitere Blätter,
ähnelt der wilden Minze; beide werden häufig sowohl für
sich als auch zu Gegengiften angewandt.
28.
Die PolemoniaS) nennen Einige, wegen des Streites
der Könige über ihre Erfindung, Philetaeria^), die Cappa-
docier aber Chiliodynama^); sie hat eine dicke Wurzel,
dünne Zweige, von deren Enden Blüthenbüschel herab-
hängen, schwarze Samen, ist übrigens der Raute ähnlich
und wächst in bergigen Gegenden.
29.
Auch die Eupatoria^) ist eine königliche Entdeckung ^);
ihr Stengel ist holzig, schwärzlich, eine Elle hoch oder höher,
') Teucrium Scoi'dium L. *) Teucrium Scorodonia L.
^) Polemonium coeruleum L. Fraas hält Hypericum olympicum L.
für die Polemonia der Alten. *) Die Kameradenliebe.
5) Die mit tausend Tugenden Begabte.
^) Agriraonia Eupatoria L.
") Des syrischen Königs Antiochus V, der den Beinamen Eupator
hatte.
Fünfundzwanzigstes Buch. 305
die Blätter stehen in Zwischenräumen je zu fünf, wie beim
Hanf, sind fünfmal eingeschnitten, dunkelgrün und federig.
Die Wurzel hat keinen Nutzen. Der Same wird in Wein
mit ausgezeichnetem Erfolge gegen Dysenterie angewandt.
30.
Mit dem Centaurium^) soll Chiron, als er bei Her-
cules auf Besuch dessen Waffen in die Hand nahm und
ihm ein Pfeil auf den Fuss gefallen war, geheilt worden
sein, weshalb Einige es auch Chironium nennen. Die
Blätter stehen an der Wurzel dicht beisammen, sind breit,
länglich, gesägt, die Stengel drei Ellen hoch, geknieet und
tragen mohnartige Köpfe. Die Wurzel ist gegen zwei Ellen
lang, röthlich, zart und zerbrechlich, voll bittersüssen Saftes.
Man findet es auf fetten Hügeln, am besten in Arcadien,
Elis, Messenien, Pholoe und Lycien, selbst auf den Alpen
u. a. Orten. In Lycien bereitet man daraus auch das Ly-
cium. Seine Kraft im Heilen von Wunden ist so gross,
dass Fleisch, welches man damit kocht, fest aneinander
haften soll. Man gebraucht nur die Wurzel und zwar zwei
Drachmen davon als Trank in Wein, bei Fieber aber in
Wasser; zu denselben Zwecken dient auch eine Abkochung.
31.
Eine andere Art, Centaurium leptum'^) oder klein-
blättriges, auch wegen seines vStandorts an Quellen Liba-
dium genannt, ist dem Origanum ähnlich, hat aber schma-
lere und längere Blätter, einen eckigen, nicht zu niedrigen,
staudigen Stengel, Blumen wie die Lychnis, eine dünne un-
brauchbare Wurzel und enthält einen wirksamen Saft. Man
sammelt es im Herbste und presst aus den Blättern den
Saft. Einige zerschneiden die Stengel, weichen sie 18 Tage
lang ein und pressen dann aus. Bei uns heisst diese Pflanze
wegen ihrer ausserordentlichen Bitterkeit Erdgalle, bei
den Galliern Exacum, weil sie alle schädlichen Theile auf
dem Wege des Stuhlgangs aus dem Körper schafft.
•) Erythraea Centaurium Pers.
2) Exacum filiforme L.
Wittstein: Pliniua. IV. Bd.
,306 Fünfundzwanzigstes Buch.
32.
Eine dritte Art ist das dreihodige Centauiium.
Wer dasselbe schneidet, verwundet sich gewöhnlich dabei.
Es enthält einen blutrothen Saft. Theophrastus sagt, der
Falke Triorchis^) (von dem es den Beinamen bekommen
hat) schütze es und wehre die es Sammelnden ab. Uner-
fahrene vermengen diese Art irrigerweise mit der erstge-
nannten.
33.
Das Kraut Clymeuus^) ist nach einem Könige be-
nannt worden, hat epheuähnliche Blätter, einen ästigen,
hohlen, gegliederten Stengel, Samen wie der Epheu, einen
unangenehmen Geruch, wächst in Wäldern und Gebirgen.
Welche Krankheiten ein daraus bereiteter Trank heilt, werde
ich später angeben; hier will ich nur bemerken, dass es bei
Männern gleichzeitig mit der Heilung Unfruchtbarkeit ver-
ursacht. Nach Angabe der Griechen soll es der Plautago
ähnlich sein, einen viereckigen Stengel und, wie die Fang-
arme der Polypen, in einander verschlungene Fruchtbälge
haben. Auch den Saft, welcher sehr kühlend ist, wendet
man an.
34.
Die Gentiana^) hat der illyrische König Gentius ent-
deckt; sie kommt überall, namentlich häufig in den feuch-
ten Voralpen vor, ist aber in lUyrieu am besten, hat
eschenartige, aber an Grösse denen der Lactuca ähnliche
Blätter, einen zarten, daumdicken, hohlen, zuweilen drei
Ellen hohen, in Zwischenräumen belaubten Stengel, eine
zähe, dunkle, geruchlose Wurzel. Man gebraucht davon die
Wurzel und den Saft; erstere erwärmt, darf aber Schwän-
gern nicht gegeben werden.
35.
Lysimachus hat die nach ihm benannte und von Era-
') Falco Buteo L. -) Calendula arvensis L.
'■') Gentiana lutea L.
Fünfundzwanzigstes Buch. 307
sistratus gepriesene Lysimachia') entdeckt. Sie wächst
am Wasser, ist staudig, die Zweige stehen aufrecht, die
Blätter sind denen der Weide ähnlich, die Blumen purpur-
roth, der Geruch scharf. Wenn Ochsen nicht zusammen
an einem Joche ziehen wollen, so kann man sie durch Auf-
legen dieser Pflanze auf dasselbe leicht sanft und verträg-
lich machen.
36.
Auch Weiber haben nach Entdeckungen von Pfianzeu
gestrebt, unter andern A r t e m i s i a, des Mausolus Gattin, nach
welcher eine, die früher Parthenishiess, benannt worden ist.
Einige geben an, ihr Name rühre von der Artemis Ilithya^)
her, weil sie besonders zur Heilung von Frauenkrankheiten
diene. Uebrigens wächst sie staudig wie der Wermuth, hat
aber grössere und fleischige Blätter, und bildet zwei Arten,
eine mit breitern 3) und eine zarte^), nur am Meere vor-
kommende mit kleinern Blättern. Denselben Namen giebt
man auch einer weit vom Meere entfernt wachsenden
Pflanze mit einfachem Stengel, sehr kleinen Blättern, zahl-
reichen, zur Zeit der Traubenreife erscheinenden und nicht
unangenehm riechenden Blumen; diese heisst auch Botrys
oder Ambrosia^) und findet sich in Cappadocien.
37.
Die Nymphaea soll aus einer, vor Eifersucht gegen
Hercules gestorbenen Nymphe entstanden sein. Ebendarum
heisst sie auch bei Einigen Heracleum, bei Andern wegen
der Aehnlichkeit der Wurzel mit einer Keule Rhopalum,
und wer sie zwölf Tage lang einnehme, verlöre die Fähig-
keit zur Zeugung. Die Boeotier nennen sie Madum und
geniessen den Samen. Sie findet sich am kräftigsten in
Orchomenum und Marathon, wächst im Wasser, hat einen
dünnen Stengel, grosse, von der Wurzel ausgehende und auf
M Lythrum Salicana L.
'■^) (Jeburtshelferin Diana.
3) Artemisia arborescens L. *) Avteinisia compestris
*) Ist Ambrosia maritima L.
20*
308 Fünfundzwanzigstes Buch.
dem Wasser schwimmende Blätter, lilieuähnliche Blumen i),
mohuähnliche Fruchtkaspeln und wird im Herbste einge-
sammelt. Die schwarze, au der Sonne getrocknete Wurzel
wendet man bei Unterleibsbeschwerden au. In Thessalien
im Flusse Peneus kommt eine Nymphaea mit weisser Wurzel
und gelber Blume 2) von der Grösse einer Rose vor.
38,
Zur Zeit unserer Väter hat auch der König Juba eine
Pflanze entdeckt, welche nach seinem Arzte, einem Bruder
des Musa, von dem ich berichtete, dass er dem Kaiser Au-
gustus das Leben gerettet, Euphorbia^) benannt wurde.
Eben denselben Brüdern verdankt man auch die Einrich-
tung, den Körper nach dem Bade durch Anwendung viel
kalten Wassers zusammenzuziehen; früher nämlich war es,
wie wir bei Homer finden, Sitte, nur in warmem Wasser zu
baden. Wir besitzen von Juba auch eine Schrift über die
Euphorbia, worin er ihr das grösste Lob spendet. Er fand
sie auf dem Berge Atlas von thyrsusartigem Ausehen und
mit dornigen Blättern. Ihre Kraft ist so gross, dass man
sie schon von ferne wittert; sticht man sie mit einem Spiesse
an, so läuft eine Art Milch heraus, die in untergesetzten
Gefässen von Bocksmagen aufgefangen wird und getrock-
net das Ansehen des Weihrauchs hat. Wer sich mit dem
Sammeln derselben befasst, bekommt ein schärferes Gesicht.
Der Milchsaft heilt Schlangenbisse, mögen sie sich wo immer
befinden, wenn man die Spitze der Wunde einschneidet und
das Mittel hineinthut. Die Gaetuler, welche ihn sammeln,
verfälschen ihn mit Ziegenmilch, was mau aber beim Er-
hitzen erkennt, denn der unächte verbreitet dabei einen
widrigen Geruch. Viel werthloser ist der Saft, welcher in
Gallien aus der Chamelea^) die Scharlachbeeren trägt, be-
reitet wird, auf dem Bruche dem Ammoniakum gleicht, nur
schwach gekostet ein heftiges, in Zwischenräumen sich ein-
') Nymphaea alba L. -) Nymphaea lutea L.
^) Euphorbia ot'ticinaiuin L.
*) Daphne oleoides 1.
FnnfHnclzwajizigstes Buch. 309
stellendes Brennen verursacht und endlich den Schlund
trocken macht.
Der Arzt Themison hat, gleichsam als Entdecker, das
gemeine Kraut Plantagoin einer eigens darüber verfassten
Schrift gepriesen. Man kennt davon zwei Arten; die eine')
wächst auf Wiesen, hat einen kantigen, zur Erde gebogenen
Stengel, und schmale, dunklere, schafzungenförmige Blätter,
die andere 2) wächst an feuchten Plätzen, ist grösser, ellen-
hoch mit rübenähnlichem Stengel, durch die Blätter von allen
Seiten eingeschlossen, heisst auch, weil davon sieben da
sind, Siebenseite und besitzt weit mehr Wirksamkeit. Sie
trocknet und verdichtet wunderbar, und vertritt die Stelle
eines Aetzmittels; nichts stillt auch die von den Griechen
mit dem Namen Rheumatismen bezeichneten Flüsse besser.
40.
Hieran schliesst sich die Buglossus^), welche der
Zunge eines Ochsen ähnlich ist und sich dadurch auszeichnet,
dass sie in Wein geweicht das Gemüth heiter stimmt. Sie
heisst auclr Euphrosine.
41.
Ferner die einer Hundszunge ähnliche Cyuoglossus^),
welche in cten Kunstgärten sehr beliebt ist. Die drei
Samenbüschel treibende Art soll, wenn man die Wurzel
mit Wasser einnimmt, das dreitägige Fieber, die vier
Samenbttschel treibende Art das viertägige Fieber heilen.
Die Wurzel einer andern Art mit sehr kleinen Kletten ^^)
ist, mit Wasser eingenommen, ein Mittel gegen Frösche
und Schlangen.
42.
Ferner der einem Ochsenauge ähnliche Buphthalmus"),
') Plantago asiatica L. -) Plantago luaritima L.
3) Anchusa italica Retz.
*) Cynoglossum pictum Ait.
*) mit Häkchen besetzten 8ameB(*\ Diese Art ist wohl Cyno-
glossum officinale L. Die Gestalt des sJ^Saß^s ist natürlich bei beiden
Arten gleich. ") Chrysanthemum coronänum L.
310 Fünfundzwanzigstes Buch.
er wächst um Städte, hat einen staudigen Stengel, fenchel-
ähnliehe Blätter; sein Stengel wird gekocht gegessen und
mit Wachs zertheilt man damit die Leberverhärtungen.
Einige nennen diese Pflanze Cachla.
43.
Auch ganze Völker haben Kräuter entdeckt. Erstens
die Scythen das sogenannte scythische Kraut'), welches
in Boeotien vorkommt, sehr süss schmeckt und sich bei
Krämpfen sehr heilsam zeigt. Wer es in den Mund nimmt,
fühlt weder Hunger noch Durst.
44.
Dieselbe Wirkung bei Pferden hat ein anderes Kraut,
welches deshalb bei jenem Volke Hippace heisst. Mit
Hülfe dieser beiden Kräuter sollen die Scythen im Stande
sein, zwölf Tage lang ohne Speise und Trank auszuharren.
45.
Die Thracier haben die Ischaemone^) entdeckt,
womit man das Blut, es fliesse aus einer geöffneten oder
abgeschnittenen Ader, soll stillen können. Sie kriecht aus
der Erde wie die Hirse, hat rauhe und wollige Blätter und
wird in die Nase gesteckt. Die in Italien wachsende Art
stillt aufgebunden das Blut ebenfalls.
46.
Die Vettonen in Spanien haben eine Pflanze entdeckt,
welcbe in Gallien Vettonica^), in Italien Serratula, in
Griechenland Cestrus oder Psychotrophum genannt und
sehr heilsam ist. Sie hat einen zwei Ellen hohen, kantigen
Stengel, von der Wurzel ausgehende, gesägte Blätter und
purpurrothe Samen. Die Blätter werden getrocknet und
als Pulver vielfach angewandt, unter undern mit Wein und
Essig für den Magen und die Augen. Ein Haus, in welches
dieselbe gepflanzt ist , soll vor allem Ungemach bewahr
bleiben.
') Astragalus glycyphyllusV
*) Panicum sanguinale L.
^) Betonica Alopecurus L. oder Sideritis syriaca L.
Fünfundzwanzigstes Buch. 311
47.
Ebenfalls in Spanien haben die Cantabrer zur Zeit des
Kaiser Augustus ein Kraut entdeckt, welches nach ihnen
den Namen cantabrisches führt. Es kommt überall
vor, hat einen fusshohen binsenartigen Stengel, auf diesem
k'eine längliche kelchartige Blumen und sehr kleine Samen.
Auch ausserdem ist man in Spanien in Auffindung von
Pflanzen sehr emsig gewesen, so z. B. bedient man sich dort
bei grossen Gastmählern eines aus hundert Kräutern mit
Meth bereiteten, sehr angenehm schmeckenden und gesun-
den Trankes; niemand kennt zwar diese Arten näher, doch
erhellet ihre Zahl aus den verschiedenen Namen.
48.
Auch die Marser haben in gegenwärtigem Zeitalter ein
Kraut entdeckt, welches im Lande der Aequicoler beiniFlecken
Nervesia wächst, Consiligo heisst, und wie wir gehörigen
Orts zeigen wollen, den an der Schwindsucht hoffnungslos
danieder Liegenden mit Nutzen verordnet wird
49.
Vor Kurzem hat auch Servilius Democrates, einer der
ersten Aerzte, eine Pflanze entdeckt, mit dem fingirten Na-
men Iberis^) bezeichnet und seine Entdeckung mit einem
Gedichte begleitet. Sie wächst häufig um altej Denkmäler,
an Mauern, wüsten Plätzen und Wegen, hat einen ellenhohen
Stengel, eine kressenartig riechende Wurzel, kressenähnliche
Blütben und kleine, kaum sichtbare Samen. Im Sommer ist
sie kräftiger, überhaupt aber nur in frischem Zustande
brauchbar, lässt sich schwierig stossen, und wird besonders
gegen Hüft- und Gliederweh mit Fett angewandt, dergestalt,
dass Männer etwa alle vier, Frauen alle acht Stunden da-
von auflegen, dann ein warmes Bad nehmen, hierauf den
Leib mit Oel und Wein einreiben und nach Verlauf voh
zwanzig Tagen dieselbe Kur wiederholen, wenn noch nicht
alle Schmerzen beseitigt sind. Auf ähnliche Weise heilt
') Iberis amara L.
312 Fünfundzwanzigstes Buch.
man auch alle Arten verborgener Rheumatismen. Bei Ent-
zündungen selbst wird sie nicht aufgelegt, sondern erst,
nachdem diese etwas nachgelassen haben.
50.
Selbst von Thieren sind Kräuter entdeckt worden, z. B
die Chelidonia, womit die Schwalben ihren im Neste
sitzenden Jungen das Gesicht wieder geben, angeblich selbst
dann, wenn diesen die Augen ausgekratzt sind. Es giebt
zwei Arten, eine grössere *) von weisslicher Farbe, mit stau-
digem, zwei Ellen hohem Stengel, Blättern, welche grösser
als die des wilden Pastinaks-) sind und gelben Blumen,
und eine kleinere^), nicht so weisse mit rundern Blättern als
der Epheu. Sie haben mohnartige Samen, einen safran-
gelben scharfen Saft, blühen bei Ankunft der Schwalben
und vertrocknen beim Abzug derselben. Man presst den
Saft aus den blühenden Pflanzen, kocht ihn in einem ku-
pfernen Geschirre mit attischem Honig auf heisser Asche
langsam ein und wendet diese Zubereitung gegen trübe
Augen an. Den Saft setzt man auch für sich zu Augen-
salben, welche dann chelidonische genannt werden.
51.
Das Kraut Canaria kauen die Hunde bei Mangel au
Fresslust vor unsern Augen, ohne dass man erfährt, was es
für eins ist, denn man findet es nur abgefressen. Noch
grösser zeigt sich die Bosheit dieses Thieres bei einem
andern Kraute; ist es nämlich von einer Schlange gebissen,
so soll es sich mit einer gewissen Pflanze heilen, dieselbe
aber nicht anrühren, wenn ein Mensch zugegen ist.
52.
Aufrichtiger sind die Hirschkühe, welche uns auf das
Elaphaboscum^)undSeseli^) aufmerksam gemacht haben,
welche beide sie nach dem Werfen begierig aufsuchen.
*) Chelidonium majus L. ^) Daucus Carota L.
3) Ficaria ranunculoides.
*) Pastinaca sativa L.
*) Tordylium officinale L.
Fünfundzwanzigstes Buch. 313
53.
Wenn die Hirschkühe angeschossen sind, fressen sie
(wie schon früher gesagt) den Dictamnus, worauf so-
gleich die Pfeile vom Leibe abfallen. Diess Gewächs i)
findet sich nur in Creta, aber auch hier nicht häufig, ist
dem Polei ähnlich, hat sehr dünne Aeste, weder Stengel,
Blüthen noch Samen , eine schwache unwirksame Wurzel,
schmeckt scharf und brennend und wird demungeachtet von
den Ziegen gern gefressen. Nur die Blätter werden davon
benutzt. Statt dessen gebraucht man auch den falschen
Dictamnus, der in vielen Ländern vorkommt, ähnliche Blät-
ter, kleinere Zweige hat und von Einigen Choudris ge-
nannt wird. Dass er geringere Wirksamkeit besitzt, merkt
man gleich am Geschmacke, denn der echte brennt wie
Feuer, wenn man auch noch so wenig davon in den Mund
nimmt, und die ihn sammeln, binden ihn sogleich mit Ger-
ten oder Kohr in Bündel und verwahren ihn gut, damit seine
Kräfte nicht entweichen. Einige geben au, beide Arten va-
riiren sehr, seien von fettem Boden stets verwerflich, die
wahre aber finde sich nur in rauhen Gegenden. Man unter-
scheidet noch eine dritte Art Dictamnus, die aber dem ech-
ten weder in der Gestalt, noch Wirkung ähnlich ist, grös-
sere Zweige und Blätter wie Sisymbrium hat. Soweit geht
aber das Vorurtheil, dass man glaubt, alles was in Creta
wachse, sei bei gleicher Art unendlich besser als anderswo
her; den zweiten Rang hinsichtlich der Güte räumt man den
Pflanzen auf dem Parnäss ein. Auch soll der Berg Pelius
in Thessalien, der Berg Telethrius in Euboea, ganz Arca-
dien und Laconien reich an Kräutern sein. Die Arcadier
sollen keine Arzneimittel, sondern Milch einnehmen und
zwar im Frühjahre, weil zu dieser Zeit die Kräuter sehr
saftreich sind und das Euter auf den Weiden die mediei-
nischen Kräfte derselben empfängt; sie ziehen aber die
Milch der Kühe vor, weil diese Thiere alle Kräuter fressen.
Die energische Wirkung der Pflanzen auf Thiere erhellet
') Origanum Dictamnus L.
314 Füntundz wanzigstes Buch.
noch aus zwei Beispielen; bei Abdera und der sogeoannteii
Grenze des Diomedes werden die weidenden Pferde, bei
Potniae die weidenden Esel rasend.
54.
Zu den edelsten Gewächsen gehört auch die Aristo-
lochia, welche ihren Namen von den Schwängern erhalten
zu haben scheint, weil sie das Beste für die Wöchnerinnen ^)
sei. Bei uns heisst sie Erdapfel und man unterscheidet
vier Arten. Eine'^) hat runde Wurzelknollen und Blätter,
welche theils der Malve, theils dem Epheu ähnlich, aber
dunkler und weicher sind 3); die zweite oder männliche hat
eine vier Finger lange, stockdicke Wurzel; die dritte^) ist
am längsten und dünnsten, etwa wie ein junger Weinstock,
besitzt die grösste Wirksamkeit, heisst auch Clematitis
oder Cretica. Sie haben alle die Färbe des Buxbaums,
kleine Stengel, purpurrothe Blumen, bringen kleine Beeren
wie die Capper, aber nur die Wurzel wird geschätzt. Eine
vierte Art, Plistolochia''), noch zarter als die dritte, ist
etwa so dick wie eine ausgewachsene Binse, hat dicht-
stehende haarige Wurzeln und heisst auch die viel wur-
zelige. Sie riechen alle kräftig, die länglichen und dünnen
Wurzeln aber angenehmer. Die Rinde ist fleischig und
dient zu Nardensalben. Sie wachsen in fetten und flachen
Gegenden, werden am besten zur Zeit der Ernte ausge-
graben und von den äussern Unreinigkeiten befreit aufbe-
wahrt. Am meisten schätzt man die pontische, von jeder
Art die am Gewicht schwerste. Die runde dient gegen die
Schlangen; die längliche aber steht im höchsten Rufe,
sie soll nämlich, wenn sie nach gepflogenem Beischlaf in
Rindfleisch gewickelt an die weibliche Schaam gebunden
wird, bewirken, dass Knaben entstehen. Die Fischer in
Campanien nennen die runde Wurzel Erdgift ; ich habe ge-
'^) Aristolochia pallida W,
=*) Aristolochia parvifolia Sibth.
*) Aristolochia baetica L.
») Aristolochia Plistolochia L.
Fünfundzwanzigstes Buch. 315
sehen, dass, wenn sie dieselbe gestossen und mit Kalk ver-
mengt ins Meer warfen, die Fische sogleich gierig herbei
schwammen , aber auch eben so schnell starben. Die Wurzel
der vielwurzeligen Art soll mit Wasser eingenommen gegen
Verrenkungen, Quetschungen und ähnliche Uebel, der Same
gegen Seitenstechen helfen, auch die Nerven stärken und
erwärmen; auch soll diese Pflanze mit dem Satyrium über-
einkommen.
55.
Doch ich muss auch von den Wirkungen und Nutzen
der Pflanzen in einzelnen Fällen reden und will bei dem
ärgsten aller Uebel, dem Schlangenbisse, den Anfang
machen. Man heilt ihn also mit dem Kraute Britannica
und der Wurzel aller Arten Panax in Wein; mit den Blumen
und Samen des Chironium in Wein und Oel getrunken oder
aufgelegt; mit der Cunila bubula, der Polemonia oder Phile-
taeria zu 4 Drachmen in lauterm Wein; mit dem Teucrium,
Sideritis und Scordotis in Wein, besonders bei den Anguiden,
innerlich und äusserlich entweder als Saft, Blatt oder Ab-
sud; mit der Wurzel des grösseren Centaurium zu einer
Drachm6 in drei Bechern weissen Weins; mit der Gentiana,
besonders bei den Anguiden, zu zwei Drachmen der frischen
oder trocknen Wurzel nebst Pfeffer und Raute in sechs
Bechern Weins. Auch fliehen die Schlangen den C4eruch
der Lysimachia. Gebissenen giebt man ferner die Cheli-
donia in Wein; auf die Bisse selbst legt man vor allem
das vettonische Kraut, welches überhaupt in dieser Be-
ziehung so kräftig ist, dass, wenn die Schlaugen in einen
davon gemachten Kreis eingeschlossen sind, sie sich selbst
todtschlagen. Gegen die Bisse wird sein Samer zu einem
Denar schwer in drei Bechern Wein gegeben, oder das
Pulver davon zu drei Drachmen in einem Sextar Wasser
aufgelegt. Das cantabrische Kraut, deu Dictamnus und die
Aristolochia nimmt man öfter zu einer Drachme in einer
Hemina Wein. Letztere, sowie die Plistolochia, wird auch
in Essig aufgelegt; ja sie verjagt sogar alle Schlangen aus
dem Hause, wenn man sie über dem Herde aufhängt.
31B Füntundzwanzigstes Buch.
56.
Auch die Wurzel der Argemonia') wird zu einem
Denar in drei Bechern Wein getrunken. Es scheint passend,
über diese sowie über die übrigen Arten, welche ich erst
namhaft machen will, später ausführlicher zu reden, und
diejenige, welche sich bei irgend einer Krankheit am wirk-
samsten zeigt, zuerst anzuführen. Die Argemonia hat
anemonenähnliche, wie der Eppich getheilte Blätter, Kopf
(Kapsel) und Wurzel wie der Mohn, einen safrangelben
scharfen Saft und wächst bei uns auf Feldern. Bei uns
unterscheidet man drei Arten und zieht nur die in Ge-
brauch, deren Wurzel nach Weihrauch riecht.
57.
Der Agaricus^) wächst wie ein Schwamm an Bäumen
in der Gegend des Bosporus, und hat eine weisse Farbe.
Man giebt ihn zu vier Obolen in zwei Bechern Essigmeth.
Der in Gallien vorkommende soll weniger kräftig sein.
Die männliche Art ist dichter und bitterer, verursacht auch
Kopfweh; die weibliche ist lockerer, schmeckt erst süss und
dann bitter.
58.
Beide Arten des Echius^) gleichen in den Blättern
dem Polei und werden zu zwei Drachmen in vier Bechern
Wein gegeben. Die zweite Art ist wollig und stachlicb,
oben vom Ansehen einer Viper und wird auch mit Essig
genommen. Einige nennen sie den maskirten Echius; sie
hat sehr breite Blätter und klettenartige Samen. Die Wurzel
wird in Essig gekocht als Trank benutzt. Die Blätter stösst
man mit Bilsen und Wein und giebt sie mit Erfolg gegen
die Bisse der Aspiden.
51).
Keine Pflanze ist aber bei den Römern zu g-rösserer
') Papaver Argemone L.
*) Boletus igniarius oder laricis.
3) Echium vulgare L. und verwandte Arten.
Fünfundzwanzigstes Buch. 317
Berühmtheit gelangt als die Hierabotane, auch Peris-
tereum und Verbanecai) genannt. Es ist dieselbe, von
der ich gesagt habe, sie würde von den Gesandten zum
Feinde getragen. Man kehrt damit den Opfertisch Jupiter's
ab, reinigt und weihet die Häuser ein. Es giebt zwei
Arten, eine starkbeblätterte, welche man für die weibliche
hält und eine männliche mit weniger Blättern; beide haben
eine lange dünne Wurzel, zahlreiche, ellenlange, dünne,
kantige Zweige, Blätter kleiner, schmäler und tiefer einge-
schnitten als die der Eiche, graublaue Blüthen, und wachsen
auf feuchten Ebenen. Einige unterscheiden keine zwei
Arten, sondern fassen sie in eine zusammen, weil die
Wirkung gleich sei. Die Gallier benutzen beide zum Loosen
und Wahrsagen; die Magier aber treiben wahren Unsinn
damit. Wenn man sich nämlich damit salbe, so erlange
man was man wolle; sie vertreibe Fieber, stifte Freund-
schaft und heile alle Krankheiten; man müsse sie beim
Aufgange des Hundsterns, wenn weder Sonne noch Mond
scheine, einsammeln, zuvor aber die Erde mit Wachs-
scheiben und Honig versöhnen, mit Eisen einen Kreis um
die Pflanze ziehen, sie dann mit der linken Hand aus-
graben, hoch in die Luft halten, und Blätter, Stengel und
Wurzel getrennt im Schatten trocknen. Wenn ein Speise-
zimmer mit Wasser, worin die Pflanze gelegen hat, ge-
sprengt wird, so sollen die Gäste fröhlicher gestimmt werden.
Gegen Schlangen verordnet man sie mit Wein abgerieben.
60.
Ein dem Verbascum ähnliches Kraut, welches oft irriger-
weise dafür gehalten wird, dunklere Blätter, mehrere
Stengel und gelbe Blüthen hat, zieht die Motten'^) an sich,
wenn man es irgendwo hinlegt, heisst daher in Rom
Blattarias).
*) Verbena officinalis L. Zum Peristereum des Dioscorides gehört
auch Lycopus exaltatus L. , den aber PL, wie aus den angegebenen
Merkmalen hervorgeht, hier nicht meint. S. 78. Cap.
-) blattae. ^) Verbascum Blattaria L.
318 Fünfundzwanzigstes Buch.
61.
Das an feuchten Plätzen wachsende LemoniumM eut-
lässt einen Milchsaft, der zu einem Gummi eintrocknet und
zu einem Denar schwer mit Wein eingenommen wird.
62.
Das Quinquifolium,2) sogenannt wegen der Fiinfzahl
der Blätter, ist wegen seiner erdbeerartigeu Frucht allge-
mein bekannt; bei den Griechen heisst es Pentapet^s
oder Pentaphyllum. Die frisch ausgegrabene "Wurzel
sieht roth aus, wird aber beim Trocknen schwarz und eckig.
Die Blätter erscheinen und vergehen mit denen des Wein-
stocks. Man reinigt damit die Häuser.
63.
Die Wurzel des Sparganium^) wird mit weissem
Wein gleichfalls gegen die Schlangen getrunken.
64.
Vom Daucus unterscheidet Petrouius Diodotus vier
Arten, die ich aber nicht weiter berücksichtigen will, denn
es giebt nur zwei. Die beste wächst in Greta ^), dann folgt
die attische ^) und die auf trocknem Boden wachsende,
vom Ansehen des Fenchels, aber mit helleren, kleineren
und haarigen Blättern, aufrechtem fusshohem Stengel und
einer sehr angenehm riechenden und schmeckenden Wurzel ;
in letzterer Beziehung zeichnet sich besonders die auf gegen
Mittag gelegenen Felsen wachsende aus. Die übrigen Arten
findet man überall auf Erdhügeln und Grenz scheiden nur
in fettem Boden, sie haben corianderähnliche Blätter, einen
ellenhohen Stengel, oft mehr als drei runde Blüthenkopfe
und eine holzige, nach dem Trocknen unwirksame Wurzel;
der Same gleicht dem des Cuminum. Der Same der ersten
Art ist hirseartig, weiss, scharf, sehr- wohlriechend, von
brennendem Geschmack, wirkt heftiger als jener und muss
') Statice Liuioiiium L,?
*) Potentilla leptaus L.
^: Sparganium ramosum L.
"*) Athamanta cietensis L.
'') Peucedanum Cervaria L. . auch Lophotaenia aurea Urieseb.
Fünfundzwanzigstes Buch. 31i*
daher in geringerer Dosis genommen werden. Will mau
noch eine dritte Art i) gelten lassen, so gleicht sie dem
Staphylinum oder sogenannten wilden Pastinak, hat einen
länglichen Samen und eine süsse Wurzel. Alle diese Arten
rührt weder im Winter noch im Sommer ein vierfüssiges
Thier an, ausser wenn es zu früh geworfen hat. Während
man von den übrigen den Samen, benutzt man von der
eretischen die Wurzel, welche zu einer Drachme in Wein
gegen Schlangenbisse getrunken, auch verwundeten Thiereu
eingegeben wird.
(35.
Die Therionarca (eine andere als die der Magier)
kommt auch bei uns vor, ist staudig, hat grünliche Blätter,
rosenrothe Blumen, tödtet Schlangen und macht reissende
Thiere, denen man die Pflanze nähert, erstarren.
66.
Die allgemein bekannte Persolata-) oder, wie die
Griechen sie nennen, Arcium^) hat grössere, rauhere,
dunklere und dickere Blätter als der Kürbis und eine grosse
weisse Wurzel, welche man zu zwei Denaren mit Wein trinkt.
67.
Die Wurzel des Cyclamen^) ist ein Mittel gegen alle
Schlangen. Die Blätter desselben sind kleiner, dunkler und
dünner als die des Epheus, ohne Ecken, weissgefleckt, der
Stengel klein, blattleer, die Blumen purpurroth, die Wurzel
breit, rübenartig mit dunkler Rinde. Es wächst an schattigen
Stellen, heisst bei uns Erdknollen, und sollte in jedem
Hause gezogen werden, wenn es wahr ist, dass dadurch alle
üblen Wirkungen giftiger Substanzen beseitigt werden. Man
nennt es daher auch Amulet; ferner wird berichtet, wenn
man es in den Wein thue, könne man sogleich berauscht
werden. Man hebt sie, wie die Scille getrocknet und i^e-
>) Amiui niajus L.
2) Wohl richtiger Personata, denn die Pflanze entspricht der
nQiooojTtiq des Dioscoi'ides.
^) Arctium Lappa L.
'') Cyclamen graecum Lk.
320 Fünfundzwanzigstes Buch.
schnitten auf oder kocht sie aus und verdunstet zur Honig-
consistenz. Doch hat diess Gewächs auch giftige Eigen-
schaften, denn wenn eine schwangere Frau über die Wurzel
schreitet, soll sie abortiren.
68.
Eine zweite Art Cvclamen ist das epheuartige i),
mit gekuieten unbrauchbaren, um Bäume sich schlingen-
den Stengeln, epheuähulicheu, aber weicheren Beeren, schönen
weissen Blumen und unbrauchbarer Wurzel. Nur die Beeren
finden Anwendung; sie schmecken scharf, aber auch in ge-
wissem Grade milde, und werden nach dem Trocknen im
Schatten zu Hustenkügelchen verarbeitet.
69.
Noch eine dritte Art, welche mir mit dem Beinamen
kleine epheuartige gezeigt wurde, hat nur ein einziges
Blatt und eine ästige Wurzel, womit die Fische getödtet
werden.
70.
Zu den berühmtesten Pflauzen gehört das Peuce-
danum2), welches am besten in Arcadien, dann in Samo-
thracieu vorkommt. Es hat einen langen, dünneu, dem
Fenchel ähnlichen, an der Basis beblätterten Stengel, eine
dunkle, dicke, saftreiche unangenehm riechende Wurzel,
wächst auf schattigen Bergen und wird zu Ende des Herbstes
ausgegraben. Man zieht die dünnsten und längsten Wurzeln
vor; diese schneidet man mit einem beinernen Messer in
vier Finger breite Stücke und lässt im Schatten den Saft
daraus fliesseu, doch muss man sich Kopf und Nase zuvor
mit Rosenöl einreiben, weil man sonst leicht schwindelig
wird. Noch ein anderer Saft findet sich am Stengel oder
quillt beim Einschneiden in denselben heraus. Seine Güte
erkennt man au der Honigdicke, der röthlichen Farbe, dem
starken aber angenehmen Gerüche und brennenden Ge-
schmack. Er dient wie die Wurzel und ein Absud der-
*) Lonicera Periciymenum L.
^) Peucedanum officinale L.
Fünfundzwanzigstes Bach. 321
selben zu vielen Medicamenten. Am wirksamsten ist der
Saft mit Zusatz von bittern Mandeln oder Raute; man trinkt
ihn gegen Sehlangen und schützt sich vor ihnen durch Ein-
reiben des mit Oel versetzten Saftes.
71.
Mit dem bekannten Ebulus^) räuchert man, um
Schlangen zu vertreiben.
72.
Die Wurzel der Polemonia^) wird mit Erfolg gegen
Scorpione, Erdspinnen und dergleichen kleine Giftthiere auf-
gebunden; gegen Scorpione nimmt man auch die Aristo-
lochia, oder den Agaricus zu vier Obolen mit ebensoviel
Wein ein, gegen die Erdspinnen: die Verbenaca, das Quin-
quefoliMm und den Daucus mit Wein oder Nachbier.
73.
Das Verbascum nennen die Griechen Phlomus.
Es hat zwei Hauptarteu , eine weisse, männliche 3) und eine
schwarze, weibliche*); die dritte Art^) findet man nur in
Wäldern, die beiden andern auch auf Feldern. Die Blätter
sind breiter als die des Kohls, haarig, der Stengel aufrecht,
mehr als ellenhoch, der Same schwarz und unbrauchbar,
die Wurzel fingerdick. Die wilde Art hat lange, dem
Elelisphacus ähnliche Blätter und holzige Zweige.
74.
Auch von der Phlomis giebt es zwei Hauptarten,
welche niedrig sind, und runde, rauhe Blätter haben. Eine
dritte Art heisst Lychnitis, auch Thryallis •^), hat nur
drei oder höchstens vier dicke, fette, zu Lampendochten
brauchbare Blätter. In den Blättern derjenigen Art, welche
ich Weibchen genannt habe, sollen die Feigen niemals faul
werden. Die nähere Charakteristik der Art ist wegen ihrer
übereinstimmenden Wirkung überflüssig. Die Wurzel trinkt
man mit Raute in Wasser gegen Scorpione.
«) Sambucus Ebulus L. '•') S. 28. Cap.
') Verbascum Thapsus L. '') Verbascum sinuatum L.
^) Verbascum plicatum Sibth.
®) Verbascum limnense Fraas.
Wittsteiu: Pliniua. IV. Bd. o]
32iJ Füntündzwanzigstes Buch.
75.
Das Thelyphouum nennen einige Scorpionkraut 0>
weil die Wurzel einige Aehnlichkeit mit diesem Thiere
hat, und letzteres stirbt, wenn es sie berührt. Daher trinkt
man es auch gegen dessen Stiche. Wenn ein todter Scorpion
mit dem weissen Elleborus bestrichen wird, soll er wieder
aufleben. Das Thelyphonum tödtet ein jedes vierfüssige
Thier, wenn es auf die Geschlechtstheile gelegt wird;
wendet man dazu die Blätter (welche denen des Cyclameu
gleichen) an, so erfolgt der Tod noch an demselben Tage.
Die Pflanze selbst ist knotig und wächst an schattigen
Plätzen. Auch der Saft des vettonischen Krauts und der
Plantago wirkt gegen die Scorpione.
76.
Auch die Frösche, namentlich die Laubfrösche sind
giftig, doch habe ich gesehen, dass die Psyller bei einem
Wettstreite sie in Schüsseln heiss machten und sich an-
setzten, obgleich ihr Gift schneller wirkt als das der
Aspiden; diese Menschen wissen aber dasselbe mit Hülfe
des Krautes Phrynium, welches sie in Wein trinken, un-
schädlich zu machen. Einige nennen diess Kraut Neuras,
Andere Poterium 2); es hat zahlreiche, zähe, wohlriechende
Wurzeln und weisse Blumen.
77.
Unter den Namen Alisma^), Damasouium oder
Lyrum existirt auch ein Kraut mit wegebreitähnlichen,
aber schmälern, tiefer eingeschnittenen und zur Erde ge-
bogenen, übrigens ebenso gerippten Blättern, dünnem, ein-
fachem, ellenhohem Stengel, straussigem Blüthenkopfe, wie
beim schwarzen Veratrum dichtstehenden, dünnen, scharfen,
wohlriechenden und fetten Wurzeln. Es wächst im Wasser.
Eine andere Art, welche dunkler ist und grössere Blätter
hat, findet sich in Wäldern. Die Wurzel beider nimmt mau
*) Scorpiurus sulcata L.?
■^) Astragalus Poterium Pall.
3) Alisnui Plantago L.
Fünfundzwanzigstes Buch. 323
zu eijaer Drachme mit Wein gegen Frösche und Seehasen.
Gegen den letztern hilft auch das Cyclamen. Auch die
Bisse eines tollen Hundes wirken giftig, und dass dagegen
die Hundsrose mit Erfolg angewandt wird, habe ich schon
oben gesagt. Die Plantage hilft innerlich und äusserlich,
das vettonische Kraut mit lauterm altem Weine gegen alle
Bisse von Thieren.
78.
Peristereus 1) heisst eine Pflanze mit hohem, be-
blättertem, oben verzweigtem Stengel, welche die Tauben
sehr lieben, daher man es auch nach ihnen benannt hat.
Wer sie bei sich trägt, soll von Hunden nicht angefallen
werden.
79.
Ich komme nun zu den Hülfsmitteln wider diejenigen
Gifte, welche sich die Menschen selbst ausgedacht haben.
Wider alle diese und die magischen Künste erweist sich
das homerische Moly am besten, dann folgt das Mithridates-
kraut, Scordotis und Centaurium. Der Same des vettonischen
Krautes, in Meth oder Rosinenwein oder auch zu einer
Drachme als Pulver in vier Bechern alten Weines genommen,
treibt alle Gifte durch den After ab; zugleich muss man
das Erbrechen mit Gewalt hervorzubringen suchen und das
Mittel wiederholt nehmen lassen. Wer es täglich zu sich
nimmt, soll von schlechten Arzneien nie eine üble Wirkung
verspüren. Wer Gift verschluckt hat, kann sich mit der
Aristolochia in derselben Dosis wie sie gegen Schlangen
gebraucht wird, retten; denselben Zweck erreicht man mit
dem Safte des Quinquefolium und dem Agaricus, den man
nach dem Erbrechen zu einem Denar mit drei Bechern
Wassermeth nimmt.
80.
Das Antirrhinum, Anarrhinum^) oder Lychnis
agria^) gleicht dem Lein, hat keine Wurzel, Blüthen wie
') Lycopus exaltatus L.
*) Antirrhinum majus L. 3) Diese ist Agrostemma Githago L.
21*
324 Fünfandzwanzigstes Buch.
die Hyaciathe und Samen von der Gestalt einer Kalbs-
nase. Wer sich damit einreibt, wird nach Angabe der
Magier hübscher, und trage man es am Arme, so hätten
weder schlechte Arzneien noch Gifte eine nachtheilige
Wirkung.
81.
Aehnlich soll ihnen zufolge die Euplea sein, welche
dem damit Eingeriebenen einen bessern Ruf verschaffe.
Auch sollen denen, welche Artemisia bei sich tragen, weder
schlechte Arzneimittel, noch böse Thiere, noch die Sonnen-
hitze schaden. Letztere Pflanze nimmt man auch mit
Wein gegen das Opium ein; aufgebunden oder auch als
Trank benutzt soll sie ganz besonders wirksam gegen
Frösche sein.
82.
Das Pericarpum ist ein Zwiebelgewächs und bildet
zwei Arten, eine mit rother und eine mohnartige mit
schwarzer Schale; letztere besitzt mehr Kräfte, beide aber
erwärmen, werden daher gegen Schierling angewandt, gegen
welchen man auch den Weihrauch und die Panax-Arten,
namentlich den chironischen, verordnet. Letzterer ist auch
ein Mittel gegen Giftpilze.
8o.
Ich will hier die besonderen Mittel für die Krankheiten
der einzelnen Glieder des Körpers anschliessen und mit
dem Kopfe den Anfang machen. Gegen Glatzen hilft die
Wurzel der Nymphaea und des Schierlings, welche man
zusammen zerreibt und auflegt. Das Kraut Polythrix'),
welches sich von der Callitriche dadurch unterscheidet, dass
es weisse binsenartige Stengel, viel grössere Blätter hat
und überhaupt höher ist, macht das Haar fester und dichter.
84.
Aehnliche Kräfte hat die an Quellen wachsende
Lingulaca, deren Wurzel verkohlt und mit dem Fette
einer schwarzen Sau vermischt wird; doch will man, dass
') Aspleniuui Trichoinanes L.
Fünfund/waiizigstes Buch. ;^25
das Fett von einem Tbiere genommen werde, welches noch
nicht geferkelt hat, und die Wirkung soll grösser seiu,
wenn das Auftragen der Salbe in der Sonne geschieht. Zu
demselben Zwecke dient die Wurzel des Cyclamen. Die
Wurzel des Veratrum vertreibt, mit Oel oder Wasser ge-
kocht, den Grind. Die W^urzel aller Arten von Pauax heilt
mit Oel abgerieben die Kopfsciimcrzcu; dasselbe tbut die
Aristolochia und Iberis, wenn man sie eine Stunde oder,
wenn mau es aushalten kann, länger aufbindet und gleich-
zeitig ein Bad nimmt, desgleichen der Daucus. Die Wurzel
des Cyclamen reinigt den Kopf, wenn man sie mit Honig
gemischt in die Nase steckt, und heilt Kopfgeschwüre, wenn
man sie aufstreicht. Letztere Wirkung liat auch die Pflanze
Peristereus.
85.
Die Cacalia') oderLeontice wächst gewöhnlich auf
Bergen, und hat kleine perlartige zwischen grossen Blättern
herabhängende Samen, von denen fünfzehn Stück in Oel
eingeweicht gegen das Ausfallen der Haare auf den Kopf
gelegt werden.
Die Callitrix -) wächst an schattigen feuchten Plätzen,
hat eine sehr kleine W^urzel, einen dünnen binsenartigeu
Stengel, binsenähnliche Blätter, schmeckt brennend und
dient als Schnupfmittel.
87.
Der Hyssopus ^) hilft mit Oel abgerieben gegen Läuse-
sucht und Kopfgrind. Der beste wächst in Cilicien auf
dem Berge Taurus, dann folgt der pamphylische und smyr-
naische, welcher aber dem Magen nicht gut bekommt. Mit
Feigen eingenommen reinigt er durch den Stuhlgang, mit
Honig durch Erbrechen. Mit Honig, Salz und Kümmel zu-
sammengerieben soll er auch die Schlangenbisse heilen.
•) Cacalia verbascifolia Sibth.
2) Callitriche autumnalis L.
^) Nicht unser Hyssopos . gondern Origanuiu smyrnaeum vel
sjriacum L.
326 Fünfundzwanzigstes Buch.
88.
Die Lonchitisi) ist nicht, wie man häufig annimmt,
identisch mit dem Xiphium oder Phasganium, wenn auch
der Same die Form eines Spiesses hat. Denn die Blätter
sind lauchähnlich, in der Nähe der Wurzel röthlich und
zahlreicher als am Stengel, die Köpfe gleichen den die
Zunge etwas ausstreckenden Masken der Komiker, und die
Wurzeln haben eine bedeutende Länge. Die Pflanze wächst
an trocknen Orten.
89.
Das Xiphium oder Phasganium-) hingegen findet
sich an feuchten Plätzen; gleich bei seinem Hervorbrechen
hat es die Gestalt eines Schwertes, der Stengel eine Höhe
von zwei Ellen, die Wurzel die Gestalt einer Haselnuss und
Fasern; es muss vor der Ernte ausgegraben und im Schatten
getrocknet werden. Den oberen Theil derselben reibt man
mit Weihrauch und einem gleichen Gewichte Wein zu-
sammen und legt die Mischung auf den Kopf um zer-
brochene Knochen herauszuziehen, oder auch auf eiternde
Theile des Körpers, oder wenn man auf Schlangenknochen
getreten hat; auch ist sie ein wirksames Mittel gegen Gifte.
Gegen Kopfweh wendet man das Veratrum mit Oel oder
Rosenöl, das Peucedanum mit Oel oder Rosenöl und Essig
äusserlich an. Letzteres erweist sich auch nützlich bei ein-
seitigem Kopfweh und Schwindel, und wegen seiner
kaustischen Eigenschaften zur Hervorrufung des Schweisses.
90.
Das Psyllium'), auch Cynoides, Crystallium,
Sicelicum und Cyuomyia genannt, hat eine dünne, un-
brauchbare Wurzel, einen reisigen Stengel, an der Spitze
bohnenähnliche Köpfe, hundskopfähnliche Blätter und floh-
ähnliche Samen, denen es auch seinen Namen verdankt;
der Same sitzt in einer Art Beere, die Pflanze selbst findet
sich in Weingärten, wirkt sehr kühlend und zertheilend,
») Serapias Lingua L. -) (Jladiolus communis L.
') Plantago Psyllium L.
Fünfundzwanzigstes Buch. 327
aber nur der Same wird gebraucht. Man legt ihn mit
Essig und Rosenöl oder saurem Wein auf Stirn und Schhife,
um die Sehmerzen zu vertreiben. In andern Fällen wird
ein Acetabulum voll mit einem Sextar Wasser aufgelegt
um zu verdichten und zusammen zu ziehen; auch reibt man
den Samen mit Wasser und legt den entstandenen Schleim
auf alle schmerzhafte, geschwollene und entzündete Stellen.
Auch die Aristolochia und Plistolochia heilen Kopfwunden
und ziehen zerbrochene Knochen überall heraus, besonders
aus dem Kopfe. Die Wurzel des dem Apium einiger-
maassen ähnlichen Thysselinum i) kauet man, um den
Kopf vom Schleime zu befreien.
91.
Die Augen sollen durch Bähen mit dem grossen
Centaurium schärfer werden, Trübheit und Flecken darin
durch das kleine Centaurium mit Zusatz von Honig ver-
schwinden, Narben dadurch mehr geebnet werden und das
weisse Fell auf den Augen des Zugviehs mit der Sideritis
zu heilen sein; doch eignet sich für alle diese Fälle die
Chelidonia noch weit besser. Auf Augengeschwüre legt man
die Wurzel des Panax mit Polenta; um ihre Entstehung
zu verhindern, nimmt man einen aus einem Obolus Bilsen-
samen, ebensoviel Meconium und Wein bereiteten Trank.
Den Saft der Gentiana mischt man statt Meconium unter
die schärferen Augensalben. Auch das Euphorbium ver-
leihet in Salben den Augen mehr Klarheit, der Saft der
Plantago wird in triefende Augen getröpfelt. Trübheit der
Augen vergeht durch den Gebrauch der Aristolochia. Iberis
und Quinquefolium bindet man gegen Geschwüre und
sonstige Fehler der Augen auf den Kopf. Auf Augenge-
schwüre selbst legt man Verbascum sowie Peristereus mit
Rosenöl oder Essig. Gegen den Staar und undeutliches
Sehen empfiehlt man Kügelchen von Cyclamen, wie auch
den mit Meconium und Rosenöl versetzten Saft des Peuce-
*) Selinum palustre L.
32§ Fünfundzwanzigetes Buch.
danum. Das Psyllium hält, auf die Stirn gelegt, die Augen-
geschwiiie zurück.
92.
Von derAnagallis, auch Corchorus genannt, unter-
,scheidet man zwei Arten, eine männliche mit rother ^) und
eine weibliche mit blauer '^) Blume; beide werden nicht über
eine Hand hoch, haben einen zarten Stengel, kleine, runde,
auf der Erde liegende Blätter, wachsen in Gärten und
feuchten Orten. Die blaue Art blühet zuerst. Der Saft
beider vertreibt mit Honig die Dunkelheit der Augen, das
in Folge von Schlägen zusammengelaufene Blut und die
röthlichen Augengeschwüre, und noch mehr wenn dazu
attischer Honig genommen wird. Er erweitert auch die
Pupille, wird daher zu diesem Zwecke benutzt, wenn eine
Staar-Operation gemacht werden soll. Auch die Augen
des Zugviehs werden damit geheilt. Um den Kopf zu
reinigen, zieht man den Saft in die Nase ein und spült
ihn hernach mit Wein wieder heraus. Gegen die Schlangen
trinkt man eine Drachme des Saftes. Sonderbar, dass das
Kindvieh die weibliche Pflanze nicht anrührt; wenn es aber,
durch die Aehnlichkeit getäuscht (denn die Blume giebt
ja den einzigen Unterschied ab), davon gefressen hat, so
sucht es schnell das Kraut Asyla, welches wir Wildauge
nennen, als Arzneimittel auf Einige schreiben vor, die
Pflanze vor Sonnenaufgang zu sammeln, zuvor aber nichts
zu reden, sie dreimal zu grüssen, dann auszuheben und
auszudrücken; auf diese Weise erhielte man sie im kräf-
tigsten Zustande. Vom Safte des Euphorbiums habe ich
schon ausführlich gehandelt. Gegen Augentriefen mit gleich -
.zeitiger Geschwulst wendet man Wermuth mit Honig, so-
wie auch das vettonische Kraut an.
93.
Die Thränenfistelu ^) heilt ein Kraut, welches danach
den Namen Aegilops^) bekommen hat, zwischen der Gerste
') Anagallis aT-vensis L. -) Auagallis coerulea L.
') aegilopas. *) Aegilops ovata und cylindrica L.
Fünfundzwanzigstes Bucb. 329'
wächst, Blätter wie Weizen hat, und dessen Samen zu
jenem Zwecke mit Mehl vermischt aufgelegt werden. Aus
dem Stengel und den saftigen Blättern, mit Ausnahme der
Aehre, presst mau den Saft, vermischt ihn mit Mehl, lässt
den Brei drei Monate lang stehen, formt ihn in Kttgelche»
und benutzt diese ebenso.
94.
Einige haben dazu auch die Mandragora^) gebraucht^
doch jetzt bedient man sich ihrer zu diesem Zwecke nicht
mehr. Gewiss ist aber, dass das Pulver der Wurzel mit
Kosenöl und Wein Augengeschwiire und -Schmerzen ver-
treibt. Auch den Saft setzt man vielen Augenmitteln zu.
Man unterscheidet von der Mandragora, welche Einige auch
Circaea nennen, zwei Arten, eine weisse oder männliche
und eine schwarze oder weibliche; letztere hat lattichähu-
liche, aber schmalere Blätter, rauhe Stengel, zwei bis drei
•röthliche, innen weisse, fleischige, lockere, fast ellenlange
Wurzeln, haselnussgrosse Früchte und Samen wie die
Birnen. Die weisse heisst auch Arsen-), Morium oder
Hippophlomus, hat weisse und breitere Blätter als die
andere Art, etwa wie der Garteulattich. Das Ausgraben
geschieht, nachdem man sich überzeugt hat, dass kein ent-
gegenwehender Wind herrscht, und nachdem man, das
Gesicht gegen Westen gerichtet, mit einem Schwerte drei
Kreise gezogen. Sowohl aus den Früchten, wie aus dem
von der Spitze befreitem Stengel der Wurzel und den
dünnen Zweigen gewinnt man durch Anritzen oder Kochen
einen Saft. Man schneidet auch die Wurzel in Scheiben
und legt sie in Wein. Nicht überall enthält die Pflanze
Saft, ist es aber der Fall, so sammelt man ihn zur Zeit
der Weinlese; er riecht unangenehm, am unangenehmsten
von der Wurzel und Frucht. Die reifen Früchte der weissen
Art trocknet man im Schatten; den Saft derselben wie auch
der zerstampften oder in dunkelm Weine zum einem Dritt-
^) Atropa Mandragonx L.
') arsena = a()(itjr: das Männchen.
330 i'iinfund/, wanzigstes bucü.
theil eingekochten Wurzel lässt man an der Sonne dick
werden. Die Blätter bewahrt man zweckmässiger in Salz-
wasser auf, denn der Saft der frischen ist giftig und folglich
auch schädlich. Der blosse Geruch der Früchte verursacht
Kopfbeschwerden, nichtsdestoweniger geniesst man sie in
einigen Ländern; wer aber, die Wirkung nicht kennend,
zu oft daran riecht, wird betäubt, und wer zu viel davon
geniesst, stirbt. Je nach der Constitution des Einnehmen-
den richtet man die Dosis ein, wenn man Schlaf erregen
will; das gewöhnliche Maass ist ein Cyathus als Trank.
Auch nimmt mau den Trank gegen Schlangen und vor
dem Schneiden oder Stechen (am eigenen Körper) ein, um
keine Schmerzen zu empfinden: ja Manche verfallen zu
diesem Zwecke schon in Schlaf, wenn sie nur daran riechen.
Ferner nimmt mau, statt des EUeborus zwei Obolen
Mandragora in Meth, doch besitzt der EUeborus mehr Kraft
Brechen zu erregen und die schwarze Galle zu entfernen.
95.
Auch die Cicuta^) ist ein Gift; zwar verhasst wegen
ihrer Anwendung bei den Atheniensern als öflfentliches Straf-
mittel, hat sie doch auch viele schätzbare Eigenschaften,
die wir nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Der Same
wirkt schädlich, der Stengel aber wird selbst frisch von
Vielen ohne Nachtheil schüsselnweise gegessen. Er ist glatt,
knotig wie ein Rohr, dunkelgrün, oft über zwei Ellen hoch,
oben verzweigt, die Blätter sind zarter als die des Corian-
der und von unangenehmem Gerüche, der Same grösser als
Anis, die Wurzel hohl und unbrauchbar. Blätter und Samen
besitzen kühlende Eigenschaften; wer davon tödtlicb ver-
giftet ist, fängt von den Extremitäten an zu erkalten. Ein
Hülfsmittel dagegen, welches aber nur dann Erfolg hat, wenn
die edleren Theile des Körpers noch nicht ergriffen sind,
ist Wein, weil er erwärmt; trinkt man dagegen den Schier-
ling in Wein selbst, so soll kein Mittel dagegen helfen.
•) Coniuiu maculatum L., Schierling.
Fünfundzwauzigstes Buch. 331
Aus den Blättern und Blüthen wird ein Saft gepresst (zur
Zeit der Blüthe ist er nämlich am kräftigsten), desgleichen
aus den Samen; letzterer wird an der Sonne verdunstet und
in Kügelchen geformt, seine tödtliche Wirkung übt er da-
durch aus, dass er das Blut verdickt und darin besteht seine
zweite Kraft, daher denn auch an dem Körper des Vergif-
teten Flecken wahrgenommen werden. Man bedient sich
des Saftes statt Wasser zum Auflösen von Arzneien, bereitet
auch daraus einen weichen Umschlag zum Abkühlen des
Magens, doch erstreckt sich sein vornehmster Gebrauch auf
die im Sommer erscheinenden Augengeschwüre und Augen-
schmerzen. Man setzt ihn zu Augensalben und vertreibt da-
mit alle Arten rheumatischer Flüsse. Auch die Blätter selbst
haben ähnliche Wirkungen. Anoxilaus giebt an, die weib-
lichen Brüste blieben stets fest und steif, wenn man die-
selben zur Zeit der Pubertät damit belege. Soviel ist ge-
wiss, dass der Schierling auf die Brüste einer Wöchnerin
gelegt, die Milch vertreibt, und um die Hoden gelegt, die
Lust zum Beischlaf nimmt. Ich unterlasse es, die Hülfs-
mittel anzuführen, welche Diejenigen gebrauchen könnten,
denen das Trinken des Schierlings durch richterlichen Spruch
befohlen wird. Am kräftigsten findet sich die Pflanze bei
Susa im Lande der Parther, dann in Laconien, Greta und
Asien; in Griechenland aber in Megara und Attica.
96.
Der wilde Grethmus^) entfernt aufgelegt den Eiter
aus den Augenwinkeln und mit Zusatz von Polenta die Ge-
sehwulste.
97.
Die Molybdaena oder Plumbago^) findet sich häufig
selbst auf Aeckern, hat ampferartige Blätter, eine dicke
rauhe Wurzel und vertilgt, wenn man sie kauet und die
Augen zuweilen damit ausreibt, das Blei (ein Augentibel).
') Crethmus agria. Crithmum inaritimum L.
~] Plumbago exiropaea L.
332 Kiint'iindzwnnzi^'stet; Buch.
1)8.
Die erste Capnus'), auch Hübnerfuss genannt,
wächst an Mauern und Zäunen, hat feine, zerstreut stehende
Zweige, purpurrothe Blumen; der frischgepresste Saft macht
die Augen hell, wird daher auch den Augenmitteln zugesetzt.
99.
Aehnlich im Namen und in der Wirkung ist die st rau-
chige Capnus^); sie hat ein noch zarteres Ansehn, asch-
graue corianderähnliclie Blätter, purpurrothe Blumen, wächst
in Gärten und Gerstenfelderu. Sie reizt aber auch die Augen
zum Thränen, wie der Rauch, und verdankt diesem Um-
stände ihren Namen. Sie verhindert ferner das Wieder-
wachsen ausgerissener Augenliderhaare.
100.
Das Acorum^) bat irisartige, aber schmalere und
länger gestielte Blätter, schwarze und weniger faserige
Wurzeln, die aber doch denen der Iris ähnlich sind, scharf
schmecken, nicht unangenehm riechen und leicht Aufstossen
bewirken. Die besten kommen aus Pontus, namentlich vom
Flusse Phasis in Colchis, dann aus Galatien und Creta,
wachsen übrigens überall im Wasser. Frisch sind sie kräf-
tiger, als wenn sie schon lauge gelegen haben ; die cretischen
haben eine hellere Farbe als die pontischeu; man schneidet
sie in fingerdicke Stücke und trocknet sie im Schatten.
Einige Autoren nennen die Wurzel der Oxymyrsine^j Aco-
rum, und Andere schlagen daher für diese Oxymyrsine den
Namen wildes Acorum vor. Das Acorum wirkt sehr
wärmend und verdünnend, man trinkt daher seinen Saft
gegen unterlaufene und trübe Augen und gegen Schlaugen.
101.
Der Cotyledon^) ist ein kleines grünes Gewächs
mit zartem Stengel, fetten und hüftähnlich hohlen Blättern,
olivenförmiger Wurzel und findet sich am Meere und auf
1) Fuinaria bulbosa L. -) Fumaria ott'icinali» L.
3) Acorus Calamus L.
*) Ruscus aculeatus L.
*) Colyledon Umbilicu» L
Fünfundzwanzigstes Buch. 333
Felseu. Sein Saft heilt die Augen. Es giebt noch eine
andere Art') mit schmutziggefärbten, breitern, dichtem, in
der Nähe der Wurzel gleichsam ein Auge einsehliessenden
Blättern, längerm aber äusserst dünnem Stengel, von sehr
herbem Geschmacke und in ähnlichen Fällen wie die Iris
gebräuchlich.
102.
Das Aizoon bildet zwei Arten; das grosse^), welches
in irdenen Töpfen gezogen wird, heisst auchBuphthalmum,
Zdophthalmum, Stergethrum weil es sich zu Liebes-
tränken eignet, Hypogesum, weil es meist auf Dachrinnen
wächst, Ambrosia, Amerimnum grosses Sedum, Auge
oder Fingercheu. Das kleine Aizoon^) hat folgende Sy-
nonyme: Erithales, Trithales, weil es dreimal blühet,
Chrysothales, Isoetes; beide aber werden wegen ihres
steten Grünseins auch Sempervivum genannt. Das grosse
erreicht eine Höhe von einer Elle und darüber, sein Stengel eine
Dicke von einem Daumen; die Blätter sind an der Spitze
zungenförmig, fleischig, fett, saftreich, daumenbreit, theils
abwärts gebogen, theils aufrecht, ihrem Umfange nach wie
ein Auge gestaltet. Das kleine wächst auf Mauern, Zäu-
nen und Dächern, ist handhoch, von der Wurzel an staudig
und bis zur Spitze beblättert, die Blätter sind schmal, kurz-
stachelig, saftig; die Wurzel besitzt keine Kräfte.
103.
Aehnlich ist die in Griechenland wilde Andrachne,
in Italien Illecebra^) genannte Pflanze, nur dass diese
kleiner ist und breitere Blätter hat. Sie wächst auf Felsen
und wird verspeist. Alle diese Gewächse kommen darin
tiberein, dass sie kühlen und zusammenziehen. Die Blätter
oder der Saft heilen äusserlich angewandt Augeuflüsse,
reinigen, füllen aus und vernarben Augengeschwüre, öffnen
') Saxifraga media Gouan. var. Sibthorpiana Grleseb.
-) Sempervivum arboreum L.
^j Sempervivum tectorum S. oder Sedum amplexicaule DC.
*] Illecebrniu verticillatum [..
334 Fünfundzwanzigstes Buch.
die zusammeDgeklebteu Augenlider, heilen auf die Schläfe
gelegt, Kopfschmerzen, widerstehen den Bissen der Erd-
spinnen, das grosse Aizoon aber vorzüglich dem Aconitum ;
wer dasselbe auch nur bei sich trägt, soll von Scorpiouen
nicht gestochen werden. Sie erweisen sich ferner nützlich
bei Ohrenschmerzen; zu demselben Zwecke dient der massig
aufgestrichene Saft des Hyoscyamus, der Achillea, des kleinen
Centaurium und der Plantago, des Peucedanum mit Eoseu-
öl und Meconium, des Acorum mit Rosen. Jeder dieser Säfte
wird warm mit Hülfe eines Striegels eingegossen, der Coty-
ledon aber mit Hirschmark erwärmt in eiternde Ohren ge-
steckt. Die Wurzel des Ebulus zerreibt mau, drückt den
Saft durch Leinwand, lässt ihn au der Sonne verdunsten,
versetzt ihn nöthigenfalls wieder mit Rosenöl und benutzt
ihn erwärmt zur Heilung der Ohrengeschwüre: ebenso wird
die Verbenaca, Plantago und Sideritis mit Zusatz von altem
Fett angewendet.
104.
Nasengeschwüre werden mit Aristolochia und Cyperus
beseitigt.
105.
Zahnschmerzen vertreibt man durch Kauen der Wurzel
des Panax, namentlich des chironischen, auch spühlt man
zu demselben Zwecke den Mund mit ihrem Safte aus;
ferner durch Kauen der Wurzel des Hyoscyamus und der
Polemonia mit Essig, ingleichen der Wurzel der Plantago
und Ausspühlen des mit dem Safte gekochten Essigs. Die
Blätter der letztern wendet man an, wenn aus dem Zalm-
fleisch blutiger Eiter fliesst, und der Same heilt sonstige
Geschwüre und Anhäuf uugen am Zahnfleische. Die Aristo-
lochia befestigt Zahnfleisch und Zähne. Die Verbanaca
kauet mau mit der Wurzel, uud deu mit Wein oder Essig
daraus bereiteten Saft gebraucht mau zum Ausspühlen.
Ebenso die Wurzel des Quinquefolium, welche man zuerst
mit Salzwasser abwäscht, dann mit Wein oder Essig zum
Drittel einkocht, den Absud muss man aber lauge im Munde
halten; Einige rnthen, die Zäline mit der Asche dieser
Fünfundzwanzigstes Buch. 335
Pflanze zu reiben. Als Mundwasser dient auch ein weiniger
Absud der Wurzel des Verbascum; ferner der Saft des Hys-
sopus und Peucedanum mitMeconium, endlich der Saft der
Wurzel der Anagallis, namentlich der weiblichen, den man
in das dem schmerzenden Zahne entgegengesetzte Nasen-
loch einzieht.
106.
Der Er ig er on, bei uns Senecio') genannt, bewirkt,
dass der, welcher mit einem Eisen einen Kreis darum zieht,
ihn dann ausgräbt, den (schmerzenden) Zahn damit berührt,
abwechselnd dreimal ausspuckt und die Pflanze wieder au
ihren Platz setzt, so dass sie fortgriint, später nicht mehr
an Zahnweh leidet. Die Pflanze selbst hat die Weichheit
und das Ansehn der Trixago, röthliche Stengel, wächst auf Dä-
chern und Mauern. Ihr griechischer Name soll darauf hin-
deuten, dass sie schon im Frühjahre ein graues Ansehn
hekommt. Der Blüthenkopf enthält viele, stachelig aus-
sehende, zwischen den Theilungen sich erhebende Wolle;
daher nennt sie Callimachus: Acauthis, andere Pappus.
Die Griechen geben nichts Näheres darüber an. Einige
sagen, die Blätter seien denen des Senfs, Andere, sie seien
denen der Eiche ähnlich aber viel kleiner. Einige halteu
die Wurzel für unwirksam, Andere für nervenstärkend, noch
Andere für zusammenziehend. Im Widerspruch damit hat man
sie mit Wein gegen Gelbsucht, alle Arten von Blasen-, Herz-
und Leberkrankheiten verordnet; auch soll sie den Sand
aus den Nieren ziehen. Bei Hüftweh lässt mau eineDrachme
mit Sauerhonig nach einem Spaziergange nehmen, bei Bauch-
grimmen soll sie mit Rosinenwein, bei Brustbeschwerden mit
Essig verspeist wirksam sein und man hat zu diesem
Behufe ihren Anbau in Gärten empfohlen. Auch ist, jedoch
ohne nähere Beschreibung, einer zweiten Art Erwähnung
geschehen, welche gegen Schlangen in Wasser getrunken
und gegen Epilepsie gegessen gute Dienste thue. Römische
Erfahrungen haben gezeigt, dass die Wolle des Erigerou
') Senecio vulgaris L.
336 Fünfundzwanzigstes Buch.
mit Safran und etwas kaltem Wasser aufgelegt die triefen-
den Augen, mit etwas Salz geröstet die Kröpfe heilt.
107.
Das Ephemerumi) hat lilienähnliche aber kleinere
Blätter, einen ähnlichen Stengel, blaue Blumen, unwirksame
Samen und eine fingerdicke Wurzel, welche zerschnitten und
mit Essig gekocht ein gutes Mundwasser für die Zähne ab-
giebt; auch befestigt sie lose Zähne, wird in hohle und aus-
gefressene eingedrückt. Die Wurzel der Chelidonia hält
man, mit Essig angerieben im Munde. Auf ausgefressene
Zähne legt man das schwarze Veratrum; jede von beiden
befestigt in Essig gekocht lose Zähne.
108.
Labrum Venereum^) heisst eine in Flüssen wach-
sende Pflanze, in der ein Wurm steckt, welcher um die Zähne
gelegt stirbt; auch steckt man ihn in hohle Zähne und ver-
schliesst die Oeffnung mit Wachs. Nur muss man sich
hüten, mit dem ausgerissenen Kraute die Erde zu berühren.
109.
Was die Griechen Batrachium nennen, heisst bei uns
Ranunculus. Man unterscheidet vier x^rten. Die erste^)
hat Blätter, welche fetter als die des Coriander, fast so breit
als die der Malve und bläulichgrau sind, einen weissen
dünnen Stengel, eine weisse Wurzel, und wächst auf feuch-
ten schattigen Grenzscheiden. Die zweite^) hat einen hohen
Stengel, zahlreichere und mehrfach getheilte Blätter. Die
dritte'') ist am kleinsten, riecht unangenehm und hat gold-
gelbe Blumen; die vierte") endlich ist der dritten ähnlich,
die Blumen sind aber hellgelb. Alle vier besitzen ätzende
Eigenschaften und erzeugen, wenn man auch nur die rolieu
Blätter auflegt, gerade wie das Feuer Blasen; man bedient
sich ihrer. daher bei Ausschlag, Krätze, zur Entfernung der
Narben und mischt sie allen ätzenden Mitteln bei. Glatzen
werden dadurch bald wieder behaart. Kauet man die Wurzel
*) Iris pumila?
■^) Dipsacus sylvestris L. ') Ranunculus asiaticus L.
*) Ranunculus lanuginosus L. '•>) Ranunculus muricatus L.
^) Ranunculus aquatilis L.
Fünfundzwanzigstes Buch. 337
bei Zahnschmerzen zu lange, so werden die Zähne zerstört;
trocken benutzt man sie als Schuupfmittel. Unsere Kräuter-
kenner nennen sie Strumus, weil man damit, wenn sie
kurze Zeit im Rauche gehangen hat, Kröpfe und Fettbeulen
heilt. Es herrscht auch der Glaube, wenn sie von neuem
gebauet würde, kehrten alle damit geheilten Gebrechen
wieder, ein Umstand, den man schändlicherweise bei der
Plantago benutzt. Geschwüre im Munde heilt der Saft der
Plantago, auch deren Blätter und Wurzeln gekaut, selbst dann
wenn der Mund gleichzeitig an Flüssen leidet; Geschwüre
und stinkenden Athem das Quinquefolium: erstere auch das
Psyllium.
110.
Ich will noch einige Mittel wider das schämenswertheste
Uebel, den stinkenden Athem, mittheiieu. Man reibe
gleiche Theile Myrten- und Mastixblätter und einen halben
Theil syrische Galläpfel mit etwas altem Wein oder gleiche
Theile Epheubeeren, Cassia und Myrrhe mit Wein zusam-
men, und esse von einer dieser Mischungen alle Morgen etwas.
Gegen Nasenübel, auch wenn sie zu den sogenannten un-
heilbaren gehören, wendet man mit Erfolg den Samen des
Dracontium in Honig an. Unterlaufene Stellen werden mit
Hyssop, Maale im Gesichte mit Mandragora beseitigt.
Wittstein: Pliiiius. IV. Bd.
Sechsundzwanzigstes Buch.
Von den übrigen Arzneimitteln aus Kräutern, nach den ver-
schiedenen Krankheiten zusammengestellt.
1.
Auch neue, in früheren Zeiten gänzlich unbekannte
Gesichtskrankheiten haben sich nicht bloss in Italien
sondern fast durch ganz Europa eingestellt, anfangs aller-
dings nicht überall, z. B. nicht durch ganz Italien, auch
nicht in lUyrien, Gallien, Spanien oder anderen Ländern,
sondern nur zm Rom und in dessen Umgegend, — Krank-
heiten, welche zwar schmerzlos und nicht lebensgefährlich,
aber so scheusslich sind, dass man ihnen jede Todesart
vorziehen möchte.
2.
Die schwerste derselben hat man mit dem griechischen
Namen Flechten^) bezeichnet; im Lateinischen aber nannte
man sie anfangs einen scherzhaften Muthwillen (denn der
Mensch spottet nur zu gern über das Elend Anderer), später
aber, weil sie fast immer am Kinn beginnt, Kiunkrankheit.
Bei Vielen verbreitet sie sich über das ganze Gesicht mit
Ausnahme der Augen, steigt auch auf Hals, Brust und Hände
hinab und bedeckt die Haut mit hässlichen Schuppen.
3.
Unsere Voreltern und Eltern kannten diese Seuche
noch nicht. Erst mitten in der Regierungszeit des Kaisers
Tiberius Claudius hat sie sich in Italien eingeschlichen und
zwar war es ein gewisser, aus Perusia stammender rönii-
*) lichenae.
Sechsundzwanzigstes Buch. 339
scher Ritter, der in Asien die Stelle eines Secretairs bei
einem Quästor versah , und sie von dort einschleppte.
Weiber, Diener, die niedere und Mittel-Klasse werden nicht
davon befallen, sondern nur die Vornehmen, unter denen
sie sich durch den Kuss schnell verbreitete, und von denen
Viele, welche Geduld genug besassen sich einer anhaltenden
Kur zu unterwerfen, in Folge der zurückgebliebenen Narben
hässlicher geworden waren, als sie während der Krankheit
aussahen. Man wandte nämlich zu ihrer Bekämpfung kau -
stische Mittel an, erreichte aber nur dann den Zweck,
wenn das Fleisch bis auf die Knochen ausgebrannt wurde.
Aus Aegypten, dem Vaterlaude von dergleichen Uebeln,
fanden sich Aerzte ein, welche bloss diese Krankheit behan-
delten, und ihren »Säckel reichlich füllten; wie es denn be-
kannt ist, dass der in der Provinz Aquitanien als kaiser-
licher Statthalter fungirende Prätorianer Manlius Cornutus
für seine Heilung zweihundert Sestertia (200 000 Sestertii)
ausgegeben hat. Und nicht selten stellten sich darauf eine
Menge neuer Krankheiten ein. Ist es nicht wunderbar,
dass manche Uebel ganzer Länder au gewissen menschlichen
TLeilen und Gliedmaassen, bei einem gewissen Alter oder
bei gewissen Glücksumständen auftauchen, gleichsam als
ob dieselben eine Auswahl träfen, da einige bei Kindern,
andere bei Erwachsenen, wieder andere bei Vornehmen,
und abermals andere bei Armen wüthen!
4.
Die Jahrbücher des Staats berichten, dass der Kar-
bunkel, eine der narbonensischen Provinz eigene Krank-
heit, sich zuerst unter den Censoren L. Paullus und Q. Marcius
in Italien gezeigt hat, und dass zwei gewesene Consuln,
Julius Rufus und Q. Lecanius, in eben demselben Jahre
daran gestorben sind, jener in Folge eines Schnittes durch
einen unwissenden Arzt, dieser nachdem er sich mit einer
Nadel am linken Daum verletzt hatte und obgleich die
dadurch entstandene Wunde kaum sichtbar war. Der Kar-
bunkel entsteht an den verborgensten Theilen des Körjiers
und meistens unter der Zunge, ist hart und mannigfaltig
•22*
;^() ^jechsumizwuuzigstes Buch.
loth, an der Spitze schwärzlich, zuweilen auch blaugrau,
greift den ganzen Körper an, schwillt nicht auf, erregt
weder Schmerz noch Jucken, giebt sich nur durch Schlaf
zu erkennen, und tödtet die darin Verfallenen binnen drei
Tagen. Zuweilen stellen sich auch Schauder und ringsum
kleine Bläschen, seltener Fieber ein; wenn aber das Uebel
den Schlund und Magen angegriffen hat. erfolgt der Tod
auf der Stelle.
0.
Ich habe schon angegeben, dass die Elephantiasis
vor dem Zeitalter des grossen Pompejus in Italien unbekannt
war. Sie entspinnt sich auch in der Regel auf dem Gesichte,
nämlich auf der Nase in Form einer kleinen Linse, geht
dann trocknend über den ganzen Körper hin, bildet ver-
schiedenfarbige Flecke, macht die Haut uneben, hier dick,
dort dünn, dort hart wie bei der bösartigen Krätze, zuletzt
schwarz, drückt das Fleisch au die Knochen, schwellt die
Finger und Zehen an. Sie ist in Aegypten endemisch,
und wenn Könige davon befallen wurden, trauerte das
ganze Volk, denn dann wurden, zum Behuf der Heilung,
die Wannen zu den Bädern mit Menschenblut erwärmt.
Diese Krankheit ist in Italien bald wieder verschwunden;,
ebenso sammt dem Namen diejenige, welche die Alten
Gemursa nannten und die sich zwischen den Zehen ent-
M'i ekelte.
(5.
Auch ist merkwürdig, dass einige Krankheiten bei
uns verschwinden, andere hingegen nicht, wie z. B. die
Kolik. Sie zeigte sich zum ersten Male unter der Regie-
rung des Kaisers Tiberius und gerade er selbst wurde
zuerst davon befallen, wobei ich noch bemerken will, dass
damals die ganze Stadt im Zweifel blieb, als man in dem
öffentUchen Ausschreiben, worin er sich wegen Unwohlseins
entschuldigte, einen unbekannten Namen i) las. Wie soll
ich dieses Uebel charakterisiren und welche Art des gött-
') co]uiu: Kolik.
Sechsufidzwanzigstes Buch. o41
liehen Zorns wird dadurch geoffenbart? War es nicht genug,
dass der Mensch bereits gegen dreihundert Kranklieiteu
hatte, musste er noch mit neuen erschreckt werden? Doch,
der Mensch bürdet sich ja durch seine eigenen Benitiliungen
nicht weniger Lasten auf. Die Arzneimittel, welche ich
nun anführen will, sind die, deren sich die Alten bedienten,
zur Zeit als die Katur gleichsam den Arzt machte, und in
der That erfreueten sich jene einer langen Dauer (ihrer
alleinigen Anwendung). Wenigstens finde ich in den Schrif-
ten des Ilippocrates, welcher die Heilmethoden zuerst am
klarsten beschrieben hat, überall der Kräuter gedacht
ebenso in denen des Diocles von Carystus, seines nächsten-
würdigen Nachfolgers, ferner des Praxagoras, Chrysippus
und Erasistratus. Herophilus dagegen verfiel, obgleich er
eine scharfsinnigere Sekte stiftete und vor allem das Studium
der Kräuter empfahl, allmälig durch die Erfahrung, die
kräftigste Lehrerin aller Dinge und namentlich der Mediciu,
in Wortschwall und Plauderei; denn in diesen Schulen
hielt man es für bequemer, still zu sitzen und zuzuhören,
als einsame Gegenden zu durchwandern und täglich neue
Pflanzen zu sammeln.
7.
Die alte Weise hielt sich aber demungeachtet und
hatte noch bedeutende Ueberreste dieser reellen Wissen-
schaft gerettet, als zur Zeit des grossen Pompejus: Asde-
piades'), der ursprünglich Lehrer der Beredsamkeit war,
aber in dieser Kunst keine hinreichende Subsistenz fand
und ausser der Rednerbühne auch für alles andere ein
ausserordentliches Talent besass, sich plötzlich derselben
zuwandte und (da es erforderlich war, dass ein Mensch, der
sich nie damit abgegeben hatte und die Arzneimittel nicht
kannte, alles durch eigne Anschauung und Uebuug lernen
musste), ungeachtet des Beifalls der ihm wegen seiner
fliessenden und wohldurchdachten Reden täglich zu Theil
ward, seine bisherige Laufbahn gänzlich verlassend die
') Aus Prusa in Bithynien am Pontus.
342 Sechsundzwanzigstes Buch.
gesanimte Medicin auf gewisse Theorien zurückführte. Er
stellte nämlich fünf Grundsätze auf und lehrte, die allge-
meinen Heilmittel seien fünferlei Art, Enthaltung von Speisen,
von Wein, Reibung des Körpers, Spazierengehen und Be-
wegung durch Tragen. Da ein Jeder einsah, dass er sich
auf solche Weise leicht selbst helfen könne, und alle
wünschten, dass die am leichtesten auszuführenden Mittel
die wahren seien, so verehrte man ihn fast allenthalben
wie einen vom Himmel Gesandten.
8.
Ausserdem verschaffte er sich durch einen besondern
Kunstgriff, indem er nämlich den Kranken Wein versprach,
zur passenden Zeit auch gab, dann aber kaltes Wasser
reichte, grossen Anhang. Während Herophilus früher die
Ursachen der Krankheiten zu erforschen bemühet war,
Cleophantus bei den Alten die Beschaffenheit des Weines
erläutert hatte, wählte, wie M. Varro erzählt, Asclejtiades
wegen seiner Verordnung des kalten Wassers einen Bei-
namen'). Er dachte noch verschiedene andere angenehme
Mittel aus, z. B. Aufhängen der Betten, um durch das
Schwanken derselben die Krankheiten zu mildern oder den
Schlaf zu befördern, Errichtung von Bädern, welche den
grössten Anklang fanden u. s. w. Sein Ansehn und Ruf
wuchsen dadurch sehr, und nahmen noch mehr zu, als er
einer ihm unbekannten Leiche begegnete, welche eben auf
dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte, sie zurückbrin-
gen Hess und ihr das Leben wieder gab; die nähern Um-
stände dieser Begebenheit mögen zugleich die Meinung
niederhalten, als seien dabei seichte Beweggründe im Spiele
gewesen. Nur erfüllt es mich mit Unwillen, wenn ich be-
denke, dass ein Mensch aus dem leichtsinnigsten Volke,
der uhne alles Vermögen anfing, des Gewinnes wegen den
Menschen so schnell Gesundheits-Gesetze gegeben hat, die
doch später von Vielen wieder abgeschafft sind. Dem
Asclepiades kam vieles zu Statten, was die Alten zu ängst-
') Dieser Beiname war JooixpvxQOC, der Wasserspender.
Sechsundzwanzigstes Buch. 343
lieh betrieben hatten, wie das Bepacken des Kranken mit
Kleidern, das Austreiben des Schweisses auf jede Weise,
das dem Rösten nahe Erhitzen des Körpers am Feuer,
das beständige Aufsuchen des Sonnenscheins in einer
schattigen Stadt, endlich der damals in ganz Italien zuerst
eingeführte und die Menschen äusserst behagende Gebrauch
hängender Bäder. Ueberdem umging er bei mehreren
Krankheiten das bisher beobachtete martervolle Verfahren,
z. B. bei der Bräune, welche man durch Einstecken einer
Röhre in den Hals heilte. Ferner verwarf er und zwar
mit Recht das Brechen, was damals übermässig angewandt
wurde; desgleichen die dem Magen schädlichen Arznei-
tränke, was auch grösstentheils verboten ist. Ich will daher
zuerst die dem Magen dienlichen Mittel aufzählen.
y.
Vor allem kamen ihm die Thorheiten der Magier zu
Statten, welche so weit gingen, zu behaupten, sie könnten
allen Kräutern ihre Zuverlässigkeit nehmen; werfe man das
Kraut Aethiopis') in Flüsse und Teiche, so trockneten sie
aus, berühre man was verschlossen wäre damit, so öffne
es sich; werfe man die Achaemeuis unter die feindlichen
Schlacht-Reihen, so geriethen sie in Furcht und Zittern
und ergriffen die Flucht; das Kraut Latace hätten die
persischen Könige gemeiniglich ihren Gesandten mitgegeben,
damit sie überall, wo sie hinkämen, an jedem Bedürfniss
Ueberfluss hätten u. dgl. m. Aber, frage ich, wo waren
jene Kräuter, als die Cimbern und Teutonen in ihrem
mörderischen Kampfe heulten, oder als Lucullus so viele
Könige der Magier mit wenigen Legionen schlug? Warum
haben die römischen Feldherrn in Kriegen ihre nächste
Sorgfalt stets auf die Herbeischaffung des Proviants gerichtet?
Warum mussten die Soldaten Cäsars bei Pharsalus Hunger
leiden, wenn die Kraft eines Krautes Ueberfluss an allem
schaffen konnte? Wäre es nicht besser gewesen, Aemilianus
Scipio hätte die Thore Carthagos mit einem Kraute geöffnet,
') Salvia Aflhiopis I.. S. auch XXVII. B. :'.. Cap.
344 Sechsundzwanzigstes Buch.
als sie so viele Jahre lang mit Kriegsmaschinen zu erschüt-
tern? Man könnte ja jetzt die pontinischen Sümpfe mit
einem Kraute austrocknen und dadurch so bedeutende
Strecken der Stadt Rom naheliegenden Feldes der Land-
wirthschaft überliefern. Warum hat die von Democrit be-
schriebene Arznei, wodurch schöne, gute und glückliebe
Kinder erzeugt werden sollen, niemals einem persischen
Könige diesen Dienst geleistet? Es wäre in der That zu
bewundern, wie die aus den heilsamsten Quellen entsprun-
gene Grausamkeit der Alten soweit hätte gedeihen können,
wenn man nicht bedächte, dass es dem menschlichen Geiste
nun einmal nicht möglich ist, das rechte Maass zu halten,
und wenn ich nicht gehörigen Orts den Beweis liefern
könnte, dass das von Asclepiades erfundene System in der
Medicin die Magier noch übertroffen habe. Aber so handelt
der Mensch in allen Dingen, anfangs beschränkt er sich
nur auf das Nothwendige, nach und nach versinkt er in
Ueberfluss. — Ich will daher die übrigen Wirkungen der
im vorigen Buche abgehandelten Kräuter besprechen und
hinzufügen, was ein richtiges Urtheil uns darüber gelehrt hat.
10.
In Bezug auf die Flechte, diese so scheussliche
Krankheit, will ich alle vorgeschlagenen Mittel hier zusam-
menfassen, obgleich ich schon viele davon angezeigt habe.
Man wendet also dagegen an: zerriebenen Plantago, Quiu-
quefolium, die Wurzel des Albucus mit Essig, die Sprossen
des Feigenbaums in Essig gekocht, die Wurzel des Hibiscus
mit Leim und scharfem Essig bis zum vierten Theile ein-
gekocht; zerriebenen Bimsstein, die Wurzel des Ampfers
mit Essig, die Blumen des Viscum mit Kalk durchknetet,
einen Absud des Tithymalus mit Harz, vorzüglich aber
das Flechtenkraut 1), welches eben diesem Gebrauche
seinen Namen verdankt. Dasselbe wächst auf Felsen, hat
«inen kurzen Stengel, ein breites Blatt in der Nähe der
') liehen. Die Beschreibung passt am besten auf Marchantia
polymorpha. Die andere Art scheint eine wirkliche Flechte zu sein,
nur lässt sich aus den mangelhaften Angaben nichts Sicheres bestimmen.
Seclisundxwanzigstes Buch. 845
Wurzel, die übrigen Blätter sitzen am Stengel, sind lang
und hängen herab; es wird mit Honig abgerieben und be-
seitigt auch die Narben. Es giebt noch eine andere Art
Flechtenkraut, welches wie ein Moos ganz fest an den
Steinen sitzt, ebenfalls aufgelegt wird, das aus Wunden
fliessende Blut stillt, Saftanhäufungen vertheilt, mit Honig
auf die Zunge oder überhaupt in den Mund gebracht die
Gelbsucht heilt. Die dieser Kur unterworfenen Kranken
sollen sich in Salzwasser baden, mit Mandelöl einreiben
und keine Gartengewächse geniessen. Gegen Flechten
gebraucht man auch die Wurzel der Thapsia mit Honig.
11.
Gegen die Bräune verwendet man innerlich die Arge-
raouia mit Wein, Hyssop mit Wein gekocht als Gurgel-
wasser, das Peucedanum mit gleichen Theilen Coagulum
vom Seekalbe; die Proser pinaca mit Salzwasser vom
Seefisch Maena und Oel abgerieben und unter die Zunge
gelegt, den Saft des Quinquefolium zu drei Bechern getrunken.
Letzterer zeigt sich auch als Gurgelwasser bei allen Hals-
übeln wirksam, für die geschwollenen Halsdrüsen aber ist
ein wässriger Trank des Verbascum am besten.
12.
Mittel gegen die Kröpfe sind: die Plantago, Cheli-
douia mit Honig und Fett, das Quinquefolium, die Wurzel
der Persolata mit Fett aufgelegt und mit dem Blatte der-
selben Pflanze bedeckt; die Artemisia, die Wurzel der
Mandragora mit Wasser; die breiten Blätter der Sideritis,
wenn man mit einem Nagel der linken Hand auf ihnen
herumgefahren ist, und die nach erfolgter Heilung von dem
Genesenen aufbewahrt werden müssen, damit nicht durch
Wiederanpflanzen das Uebel von neuem ausbreche (welches
schändlichen Knifts sich einige Kräuterkenner bedienen),
wie ich denn auch finde, dass Diejenigen, welche mit Arte-
misia und Plantago geheilt sind, dieselbe Vorsicht gebrau-
chen sollen. Das Damasonium, auch Alcea genannt, wird zur
Zeit des Sommer-Solstitii gesammelt, entweder das Blatt
mit Regenwasser oder die Wurzel mit Fett aufgelegt und
346 Sechsundzwauzigstes Buch.
im letztern Falle noch das Blatt darübergedeckt; diese
Pflanze hat auch ihren Nutzen bei Nackenscbmerzen und
allen Arten von Geschwulsten.
13.
Die Bellisi), eine Wiesenpflanze mit weisser ins
Röthliche spielender Blume, soll mit Artemisia aufgelegt
noch besser wirken.
14.
Condurdum, ein Sommergewächs mit rother Blume,
soll am Halse getragen den Kropf kleiner machen; des-
gleichen die Verbenaca mit Plantago. Alle Krankheiten
der Finger, namentlich die Nagelgeschwüre heilt das Quin-
quefolium,
15.
Das beschwerlichste aller Brustübel ist der Husten;
man vertreibt ihn durch die Wurzel des Panax mit süssem
Wein, bei gleichzeitigem Blutspeieu durch den Saft des
Hyoscyamus; desgleichen durch den Rauch des brennenden
Krautes, durch die Scordotis mit Zusatz von Nasturtium,
Harz und Honig. Auch das grössere Centaurium und der
Saft der Plantago steuern dem Blutspeien. Auch das vetto-
nische Kraut dient zu drei Obolen in Wasser genommen
gegen eiterigen und blutigen Auswurf; ebenso die Wurzel
der Persolata zu einer Drachme mit elf Piuienkernen.
Der Saft des Peucedanum und des Acorum mildern die
Schmerzen der Brust, werden daher auch den Gegengiften
zugesetzt. Für den Husten ist das Daucum und das scy-
tische Kraut gut; letzteres wird bei allen Brustübeln und
Eiterauswurf zu drei Obolen in Rosinenwein gegeben. Von
dem hellgelbblühenden Verbascum nimmt man ebensoviel;
dieses besitzt eine solche Kraft, dass es das Zugvieh, ins
Saufen gethan, nicht bloss vom Husten befreit sondern auch
bewirkt, dass ihre Eingeweide wieder in Ordnung kommen,
was man auch von der Gentiana behauptet. Die Wurzel
der Cacalia kauet man und erweicht sie in Wein bei Husten
> Bellis perennis L.
Sechsundzwanzigstes Buch. 347
und Halsweh. Fünf Zweige Hyssop, zwei Zweige Raute
und drei Feigen kocbt mau zusammen und wendet diess
Mittel zur Reinigung der Brust au.
16.
Das B e c li i um, auch T u s s i 1 ag o') genannt, ist gleichfalls
ein Medicament für den Husten. Man unterscheidet davon
zwei Arten. Wo die wilde wächst vermuthet man Wasser
und die Brunnenmeister nehmen danach ihre Maassregeln.
Die Blätter derselben sind etwas grösser als beim Eplieu,
fünf bis sieben an der Zahl, unten weisslich, oben blass-
grün, man sieht weder Stengel, noch Blume, noch Samen
und die Wurzel ist zart. Einige halten diess für das
eigentliche Bechium und nennen es auch Cbamaeleuce.
Anhaltenden Husten soll man dadurch vertreiben; dass
man die ganze Pflanze trocknet, anzündet, den dadurch
entstehenden Rauch vermittelst eines Rohres einzieht und
hinunterschluckt; aber bei jedem Zuge müsse man einen
Schluck Rosinenwein nehmen.
17.
Die andere Art heisst bei Einigen Salvia^) und sieht
dem Verbascum ähnlich. Sie wird zerquetscht, durchgeseihet,
die Flüssigkeit erwärmt und gegen Husten und Seitenste-
chen, auch mit Erfolg gegen Scorpionen und Seedrachen
getrunken. Gegen Schlangen bereitet man daraus eine
Salbe mit Oel zum Einreiben. Gegen Husten kocht man
ferner ein Büschel Ysop mit dem vierten Theile Honig.
18.
Schmerzen in der Seite und Brust heilt das Ver-
bascum mit Raute in Wasser gekocht, oder das Pulver des
vettonischen Krauts mit warmem Wasser. Den Magen
stärkt der Saft der Scordotis, das Centaurium, die Gentiana
mit Wasser getrunken, die Plantago entweder für sich oder
mit Linsen- oder Graupensuppe verspeist. Das vettonische
Kraut ist zwar etwas schwer für den Magen, wirkt aber
') Tussilago Farfaia L.
-) Salvia officinalis L.? Eher scheint mir hier Tussilago Peta-
sites L. gemeint zu sein.
348 Sechsundzwanzigstes Buch.
(loch heilend, wenn man die Blätter kauet oder einen Trank
davon einnimmt; ebenso die Aristolochia als Trank, der
Agaricus trocken gekauet und zwischendurch etwas lauterer
Wein getrunken, der Saft des Peucedanum und die herac-
lische Nymphaea aufgelegt. Das Psyllium, Cotyledon mit
Polenta oder Aizoum legt man zum Kühlen auf
19.
Das Mol um oder Syrum hat einen gestreiften Schaft,
kleine weiche Blätter, und eine vier Finger lange Wurzel,
an deren Ende ein Zwiebelkopf sitzt. Es wird in Wein
für den Magen und bei Engbrüstigkeit genommen, zu dem-
selben Zwecke dient das grosse Centaurium in einer Lat-
werge, die Plantago als solche oder ihr Saft, das vetto-
nische Kraut zu einem Pfunde zerstampft, mit einer halben
Unze Honig, der gehörigen Menge warmen Wassers ver-
setzt und von diesem Getränk täglich Gebrauch gemacht.
Aristolochia oder Agaricus zu drei Obolen mit warmem
Wasser oder Eselsmilch getrunken. Den Cissanthemus
wendet man als Getränk bei schwerem Athem, den Hysso-
pus bei Engbrüstigkeit, den Saft des Peucedanum bei
Schmerzen in der Galle, Brust und Seite, wenn kein Fieber
zugegen ist, an. Auch den Blutspeienden hilft der Agaricus,
zu einem halben Denar in fünf Bechern Meth genommen.
Denselben Zweck erreicht man mit dem Amomum. Ein Spe-
cificum für die Leber ist die Teucria frisch zu vier Drachmen
in einer Hemina saurem Dünn wein, die Vettonica zu einer
Drachme in drei Bechern warmem Wasser und bei Herz-
krankheiten in zwei Bechern kaltem Wasser genommen.
Der Saft des Quinquefolium wird innerlich mit Erfolg bei
Leber- und Lungenleiden, Blutauswurf und jeder Art krank-
haften Blutes angewandt. Die Arten der Anagallis sind
ausgezeichnete Leberarzneien. Wer Capnus verspeist, bei
dem geht die Galle durch den Harn ab. Das Acorum heilt
die Leber, Brust und das Zwergfell.
20.
Die Ephedra oder Anabasis^) wächst fast immer an
*) Ephedra fragilis L.
Sechsundzwanzigstes Buch. 349
Orten, welche dem Winde sehr ausgesetzt sind, klimmt an
den Bäumen empor und hängt von den Zweigen herunter,
hat keine Blätter aber zahlreiche Wickelranken von knotigem
binsenartigem Aussehn, und eine blasse Wurzel. Man giebt
sie mit dunkelm herbem Wein abgerieben, sowie als Trank,
dem man etwas Wein zusetzt, gegen Husten, schweren
Athem, Bauchgrimmen; zu demselben Zwecke wird die
Gentiana gebraucht, und zwar weicht man einen Denar
sicliwer davon Tags zuvor ein und nimmt sie dann mit drei
Bechern Wein abgerieben ein.
21.
Das Geum') hat dünne, schwarze, wohlriechende
Würzelchen; es schmeckt angenehm und heilt nicht nur
die Brust- und Seitenschmerzen, sondern befreiet auch von
der Unverdaulichkeit. Die Verbeuaca ist ein Hülfsmittel
für alle innerlichen Organe des Körpers, die Seiten, Lunge,
Leber, Brust, also auch für Schwindsüchtige. Die Wurzel
der Consiligo, einer wie bemerkt erst kürzlich entdeckten
Pflanze , ist ein zuverlässiges Mittel bei Lungenübeln der
Schweine und des Rindviehs, wenn man sie auch nur durch
die Ohrenlappen zieht. Gegen die obengenannten Fehler
bei Menschen bedient man sich ihrer als wässrigen Tranks
und hält sie beständig im Munde unter der Zunge. Ob der
oberirdische Theil dieser Pflanze anwendbar sei, weiss
mau noch nicht. Bei Nierenleiden verspeist man die Plan-
tago, oder nimmt einen aus dem vettonischen Kraute oder
dem Agaricus bereiteten Trank zu sich.
22.
Das Tripolium'-) wächst auf Steinen, die vom Meere
bespült werden, nicht im Meere selbst, auch nicht an
trocknen Stellen, hat Blätter, welche dicker als die der
Isatis, handlang und an der Spitze getheilt sind, eine weisse,
dicke, wohlriechende und erwärmend schmeckende Wurzel.
Man giebt es mit Roggenmehl gekocht bei Leberleiden.
') Geum urbanum L.
-) Statice Liinoniuni L
350 Sechsundzwanzigstes Buch.
Einige halten diese Pflanze für identisch mit dem bereits
von mir erwähnten Polium.
23.
Die Gromphaena 1), welche am Stengel abwechselnd
grüne und rosenrothe Blätter trägt, heilt in Verbindung
mit saurem Dünnwein das Blutspeien.
24.
Für die Leber reibt man das Malundrum, welches
auf Feldern und Wiesen wächst und weisse, wohlriechende
Blumen hat, mit altem Wein ab.
25.
Ebenso legt man das in den Weingärten vorkommende
Chalcetum zerrieben auf. Leichtes Brechen erregt, wie
der Elleborus, die Wurzel des vettonischen Krautes, wenn
man sie, zu vier Drachmen in llosinenwein oder Meth ein-
nimmt; Hyssop mit Honig ist noch besser, wenn mau vor-
her Nasturtium und Iris genommen hat; vom Molemonium
gebraucht man einen Denar schwer. Das Silybum-) ent-
hält einen Milchsaft, welcher nach dem Eintrocknen zu
einem Denar schwer mit Honig zur Abführung der Galle
verordnet wird. Das Erbrechen stillen dagegen das wilde
Cuminum und das fein gestossene vettonische Kraut, beide
mit Wasser. Den Ekel vertreiben und die Verdauung be-
fördern das Daucum und das feingestossene vettonische
Kraut mit Wassermeth, die Plantago wie Kohl gekocht.
Das Schlucken vertreiben das Hemionium und die Aristo-
lochia, das Aufseufzen der Clymenus. Gegen Seitenstechen
und Engbrüstigkeit hilft das grosse Centaurium und der
Hyssop, gegen Seitenstechen allein der Saft des Peucedanum.
26.
Das Kraut welches die Gallier Halus, die Venetiauer
Cotonea nennen, heilt Seitenstechen, Niereu, verrenkte
und zerrissene Glieder. Es ist der Cunila bu'r.la ähnlich,
an der Spitze dem Thymian, schmeckt süss, sti'.l: den Durst,
hat eine bald weisse, bald schwarze Wurzel.
') Amarantus tricolor L.
'') Carduus marianus L.
Sechsundzwanzigstes Buch. 351
27.
Aehnliche Wirksamkeit gegen Seitenstechen besitzt
die Chamaerops; sie trägt um den Stengel herum je zu
Zweien stehende myrtenartige Blätter, Blüthenköpfe wie
die griechische Rose und wird als weiniger Trank einge-
nommen. Die Schmerzen der Hüfte und des Rückgrats
mildert das Agaricum , wenn man es wie beim Husten
anwendet; ferner das feingestossene vettonische Kraut und
die Stoechas^) mit Wassermeth.
28.
Am meisten jedoch macht den Menschen der Unter-
leib 2) zu schaffen, um desswillen allein der grössere Theil
derselben lebt. ^) Bald nämlich hält er die Speisen zurück,
bald nicht, bald kann er sie nicht fassen, bald nicht ver-
dauen, und die Sittenverderbniss ist bereits so weit gekom-
men, dass die Mehrzahl der Menschen den Speisen ihren
Tod zu verdanken haben. Der schlechteste Behälter unsers
Körpers verfolgt uns wie ein Gläubiger und klopft täglich
mehrere Mal an. Seinetwegen regt sich vorzüglich der
Geiz, ihm verdankt man die Schvvelgerei, für ihn schifft
man nach Phasis und durchsucht die Meere, und Niemand
überlegt, ob denn aus diesem schändlichen Treiben auch
irgend ein Nutzen hervorgehe. Die Heilkunde hat daher
in dieser Beziehung die allerschwierigste Aufgabe zu erfüllen.
Die Scorodotis zu einer Drachme mit Wein abgerieben oder
als Absud genommen, hemmt den Durchfall; die Polemonia
giebt man ebenfalls bei Dysenterie mit Wein, ferner die
Wurzel des Verbascum von zwei Fingern Länge mit Wasser
getrunken, den Samen der heraclischen Nymphaea mit
Wein getrunken, die obere Wurzel des Xiphium zu einer
Drachme mit Essig, den Samen der Plantago mit Essig
abgerieben oder mit Essig gekocht oder ihren Saft mit
Graupen genommen, oder mit Linsen gekocht, oder das
') Lavandula Stoechas L.
'^) alvus, hier besonders als Magen zu verstehen.
^) d. h. den meisten Menschen ist der Bauch ihi- Gott.
352 Sechsunclz.wanzigste8 Buch.
feingestossene Kraut nebst geröstetem und- zerriebenem Mohn
ins Getränk eingerührt, oder den Saft derselben sowie auch
den des vettonischen Krauts mit Wein, der durch heisses
Eisen erwärmt worden ist. Das letztgenannte Kraut wird
auch in herbem Wein gegen Darmgicht gegeben und die
Iberis zu demselben Zwecke aufgelegt. Bei Stuhlzwang
nimmt man die Wurzel der heraclischen Nymphaea mit
Wein, das Psyllium mit Wasser, die Wurzel des Acorum
als Absud. Der Saft des Aizoon hemmt den Durchfall und
führt die runden Würmer ab; erstem Zweck erreicht man
auch mit der Wurzel des Symphytum und des Daucum.
Die mit Wein abgeriebenen Blätter des Aizoon, sowie das
in Wein genommene Pulver der getrockneten AIcea ver-
treiben das Bauchgrimmen.
29.
Der Astragalusi) hat lange Blätter mit zahlreichen
Einschnitten, welche schräg um die Wurzel herum stehen,
drei bis vier dichtbeblätterte Stengel, hyacinthähnliche
Blumen, zottige, verwickelte, rothe, sehr harte Wurzeln
wächst auf steinigen, sonnigen und oft mit Schnee bedeckten
Boden, wie z. B. in dem pheneischen Distrikte von Arkadien.
Er besitzt verdichtende Kräfte. Die Wurzel trinkt man
mit Wein gegen Abweichen; indem sie, sowie fast alle
übrigen zu diesem Zwecke dienenden Mittel, das Flüssige
(aus dem Mastdarm) zurücktreibt, bewirkt sie zugleich ver-
mehrten Harnabgang. Mit rothem Wein angestossen (was
aber etwas schwierig auszuführen ist) heilt sie die Dysen-
terie; eiterndes Zahnfleisch bäht man zweckmässig damit.
Man sammelt sie gegen Ende des Herbstes nach dem Ab-
fall ihrer Blätter und trocknet sie im Schatten.
30.
Auch beide Arten des Ladanum-), welche zwischen
den Saaten wachsen, hemmen den Durchfall, wenn man sie
im feingestossenen Zustande mit Wassermeth oder gutem
*) Orobus sessilifolius Sibth.
5) S. XII. B. 37. Cap.
Sechsundtwanzigstes Buch. 353
Weine einaimmt. Die Pflanze, welche auf Cypern das
Ladanum liefert und das sich au den Bart der Ziegen
hängt, heisst Ledum. Eine bessere Sorte kommt aus Ara-
bien; aber auch in Syrien und Afrika gewinnt man schon
etwas ähnliches, welches den Namen Pfeilsaft *) führt, denn
ipan setzt es der Wolle hinzu, womit man die Sehnen an
den Bogen umgiebt, damit dieselbe recht fest daran hafte.
Bei den Salben habe ich mich ausführlicher darüber ausge-
sprochen. Diese Sorte riecht sehr unangenehm und besitzt
wegen der reichlichen Beimischung von erdigen Tiieilen
eine bedeutende Härte, während die reinere Sorte wohl-
riechend, weich, grün und harzig ist. Es hat die Eigen-
schaft zu erweichen, zu trocknen, die Verdauung zu beför-
dern und Schlaf zu erregen; hindert das Ausfallen der
Haare und schützt sie vor dem Grau werden. Mit Honig-
meth oder Rosenöl giesst man es in die Ohren, mit Zusatz
von Salz heilt es die schuppige Haut und fliessende Ge-
schwüre, mit Styrax innerlich anhaltenden Husten, bewirkt
auch am besten das Aufstossen.
31.
Die Chondris oder der falsche Dictamnus^) hemmt
den Durchfall. Der Hypocistis^) oder das Orobethrum
(wie ihn Einige nennen) sieht einem unreifen Granatapfel
ähnlich und wächst wie schon erwähnt unter dem Cistus,
daher sein Name. Man trocknet ihn im Schatten und
wendet beide Arten — es giebt nämlich eine weisse und
rothe Art — mit dunkelm herbem Wein gegen den Durchfall
an. Seine Kraft liegt in dem verdichtenden und trocknenden
Safte. Die rothe Art dient mehr für Magen und Flüsse;
ferner zu drei Oboleu mit Stärkemehl getrunken gegen
Blutspeien, als Trank und Aufguss gegen Dysenterie.
Ebenso gebraucht man die Verbenaca mit Wasser oder bei
Abwesenheit von Fieber zu fünf Löffeln voll mit drei
Bechern ammineischen Weines.
') toxicum. "-) Marrubium Pseudodictamnus.
^) Cytinus Hypocistis L.
Wittstein: Pliuius. VI. Bd 2:J
'354 Sechsundzwanzigstes Buch,
32.
Auch das in Bächen wachsende Laver 0 vertreibt
eingemacht und gekocht das Bauchgrimmen.
33.
Der Potamogeton^), welcher betenähnliche, aber
kleinere und rauhere Blätter hat und sich etwas über dem
Wasser erhebt, wird ebenfalls mit Wein gegen Dysenterie
und Darmgicht angewandt. Die Blätter kühlen, verdichten
und werden besonders gegen Fehler der Schienbeine und
sogenannte anheilbare Geschwüre mit Honig oder Essig
vortheilhaft gebraucht. Castor beschreibt eine andere Art=^),
welche feine, fast pferdehaarartige Blätter, einen langen,
glatten Blumenstiel hat, ebenfalls in Wasser wächst und
mit deren Wurzel er Kröpfe und Verhärtungen heilte. Der
Potamogeton ist den Krokodilen zuwider; daher trägt mau
ihn bei Jagden auf diese Thiere bei sich. Auch die Achillea
wirkt gegen den Durchfall, und ähnliche Kräfte besitzt die
Statice^), welche sieben in rosenähnliehe Köpfe endigende
Stengel treibt.
34.
Die Ceratia, welche nur ein Blatt und eine grosse
knotige Wurzel hat, heilt ebenfalls Dysenterie und Darra-
gieht. Das Leontopodium^), auch Leuceorum, Dori-
petrum, Thorybetrum genannt, wächst auf flachem,
magerm Boden und ist ein gutes Mittel gegen Durchfall und
zur Reinigung der Galle; zwei Denare der Wurzel werden
zu diesem Behuf in Wassermeth genommen. Der Same
dieser Pflanze soll unsinnige Träume hervorrufen. Der
Lagopus **) wächst in Saatfeldern, hemmt mit Wein oder
bei Fieber mit Wasser genommen ebenfalls den Durchfall,
und wird bei Geschwulsten auf den Unterleib gebunden.
') Sium latifolium L.
-) Potamogeton natans L.
'■') Potamogeton pectinatus oder eine ähnliche Alt.
*) Statice Limonium und sinuata L.
^) Evax pygmaeus G. (Filago).
") Trifolimn iirv»'n.se L.
lSechsmi»lzwan/-igstes Bucli. 'dob
Viele rühmen gegen das lieftigste Stadium der Dysenterie
das Quinquefolium und zwar lassen sie die Wurzeln mit
Milch kochen und den Absud trinken, ferner die Aristolochia
zu einem halben Denar schwer in drei Bechern Wein.
Was von obigen Mitteln warm genommen werden muss,
erwärmt man am besten mittelst eines glühenden Eisens.
Dahingegen führt der Saft des kleinen Centaurium , zu einer
Drachme in einer Hemina Wasser mit etwas Salz und
Essig genommen, ab und entfernt die Galle; das grosse
Centaurium mildert das Bauchgrimmen, Das vettonische
Kraut führt zu vier Drachmen mit neun Bechern Wassermeth
gleichfalls ab; ebenso das Euphorbium und Agaricum, zu
zwei Drachmen aus Wasser mit etwas Salz oder zu drei
Obolen in Meth; der Cyclaminus aus Wasser allein oder
mit Zusatz von Datteln, und die Frucht vom Chamaecissus.
Eine Handvoll Hyssop zu einem Drittel eingekocht und mit
Zusatz von Salz aufgelegt oder mit Sauerhonig und Salz
vermischt, entfernt den Schleim und führt die Würmer ab.
Schleim und Galle werden auch durch die Wurzel des Peuee-
danum entfernt.
35.
Den Unterleib reinigt ferner die Anagallis mit Wasser-
meth und das Epithymum. i) Letzteres ist eine aus dem
Thymus hervorgegangene Blüthe, welche der Satureja ähn-
lich, aber nicht grün und krautartig, sondern weiss aus-
sieht, heisst auch Hippopheus, taugt weniger für den
Magen, erregt nicht leicht Brechen, vertreibt aber Baucli-
grimmen und Blähungen. Gegen Brustübel nimmt man ess
mit Honig und zuweilen auch mit Iris in einer Latwerge.
Zum Abführen reichen vier bis sechs Drachmen, denen
man etwas Honig, Salz und Essig hinzusetzt, aus. Einige
geben an, das Epithymum habe keine Wurzel, sei zart,
einem Mäntelchen ähnlich, roth, werde im Schatten ge-
trocknet und zur Beseitigung von Schleim und Galle als
wässriger Trank zu einem halben Acetabulum voll ge-
') CuBCuta Epithymum Jj.
•23*
35<S 8echsundzwanzigst.es Buch.
nommen. Auch die Nyaipliaea führt iu Verbindung mit
herbem Wein gelinde ab.
31).
Ebenso verhält sich das Pycnocomum '); dasselbe hat
dickere und schärfere Blätter als die Eruca, eine runde,
gelbe, nach Erde riechende Wurzel, einen massigen dünnen,
vierkantigen Stengel, ocim umähnliche Blumen und findet
sich au steinigen Orten. Zwei Denare der Wurzel in
Wassermeth bewirken Stuhlgang, führen Galle und Schleim
ab. Der Same verursacht unruhige Träume, wenn man ihn
zu einer Drachme in Wein trinkt, vertheilt auch die Fett-
beulen.
'61.
Auch das Polypodium -), welches wegen seiner Aehn
lichkeit mit der Filix, bei uns Filicula heisst, führt die
Galle ab. Man wendet die Wurzel an, welche rauh, im
Innern grün, kleinfingerdick, gefässartig ausgehöhlt ähnlich
wie die Fangarme der Polypen, süsslich ist, auf Felsen
und am Fusse alter Bäume wächst. Zur Gewinnung eines
Saftes daraus feuchtet man sie vor dem Pressen au; ferner
schneidet man sie fein, setzt Kohl, Beta, Malve, Salzbrühe
oder irgend einen Brei hinzu, lässt kochen und nimmt
dieses Mittel auch bei Fieber, um gelinde abzuführen. In-
dem sie Schleim und Galle entfernt, belästigt sie aber zu
gleich den Magen. Das feine Pulver der Wurzel schnupft
man beim Nasenpolyp. Blumen und Samen trägt dies.:
Pflanze nicht.
38.
Das Scammouiuur^) bewirkt ebenfalls eine Bewegung
im Magen, entfernt die Galle, führt ab, besonders wenn
man zu zwei Obolen davon zwei Drachmen Aloe hinzufügt.
Die Pflanze, welche den Scammoniumsaft liefert, ist von
der Wurzel an ästig, hat fette dreieckige, weisse Blätter,
') Scabiosa aiubiosioides Sibth.
"-) Polypodium vulgare L.
^) Convolvuhis Scamuionia L.
Sechsundzwanzigstes Buch. 857
eine dicke, saftige, widrig schmeckende Wurzel, und wächst
auf fettem, weissem Boden. Zur Zeit des Hundssternes
höhlt man die Wurzel aus, um den Saft darin zusammen-
fliessen zu lassen, trocknet diesen alsdann an der Sonne
und formt ihn in Kügelchen. Auch trocknet man wohl die
ganze Wurzel oder deren Rinde. Dem Vaterlande nach ist
das colophonische, mysische und prieuische das beste; was
seine Eigenschaften betrifft, so soll es glänzend, wie Ochsen-
gallerte aussehen, schwammig, mit äusserst feineu Kanälen
durchzogen sein, leicht schmelzen, virös und cuminuraavtig
riechen, beim Berühren mit der Zunge ein milchiges Au-
sehn annehmen, sehr leichtes specifisches Gewicht besitzen,
und beim Zerreiben weiss werden. Letzteres Merkmal hat
auch das falsche Scammonium, welches meist in Judaea
aus Ervenmehl und dem Safte des Meer-Tithymakis ge-
macht wird und eingenommen sogar quälende Schmerzen
verursacht, aber daran zu erkennen ist, dass es auf der
Zunge ein Gefühl von Hitze hinterlässt. Das Scammonium
wird im zweiten Jahre gesammelt; früher oder später taugt
es nicht. Man giebt es auch für sich zu vier Obolen mit
Meth und Salz, am zweckmässigsteu aber mit Aloe, und
lässt beim Eintritt der Wirkung Meth trinken. Endlich
bereitet man ein Dekokt aus der Wurzel mit Essig, ver-
dunstet dasselbe zur Honigdicke, setzt Oel hinzu, und
streicht dieses Mittel auf krätzige Stellen, auch bei Kopfweh
auf den Kopf.
39.
Den Tithymalus nennen wir Milchkraut, Andere:
Ziegenlattich. Man erzählt, dass wenn mau mit dieser
Milch auf die Haut schreibe, und nach erfolgtem Trocknen
Asche darauf streue, die Buchstaben wieder zum Vorschein
kämen, und Einige hätten sich, statt mit Billets, auf diesem
Wege an Ehebrecherinnen gewendet. Es giebt mehrere
Arten; die erste heisst Characias^), wird auch für das
Männchen gehalten, ihre 5 — 6 Zweige sind fingerdick, roth,
*) Euphorbia Characias L.
35^ Secbsundzwanzigstes Buch.
saftreich, ellenlaug:, die Hlätter stehen vou der Wurzel au
zahlreich am Stengel hinauf und haben die Form der Oel-
banmblätter, an der Spitze trägt der Steng:el einen Schopf
wie der Juncus; sie wächst auf wüstem Boden am Meere.
Man sammelt im Herbste den Samen sammt dem Schöpfe,
lässt an der Sonne trocknen, stösst und bewahrt sie in
diesem Zustande auf. Zur Zeit wenn sich an den Aepfeln
die Wolle zeigt, bricht man vou der Pflanze die Zweige
ab, fängt den ausquellenden Saft in Erbsenmehl oder Feigen
auf und lässt ihn so eintrocknen; fünf Tropfeu genügen auf
jede Feige. Die Wassersüchtigen, welche diese Feigen ein-
nehmen, sollen so oft Oeft'nung bekommen, als die Zahl
der dahinein gekommenen Tropfen des Milchsafts beträgt.
Beim Sammeln des Saftes hat man sich vorzusehen, dass
nichts davon ins Auge gelangt. Auch aus den Blättern
erhält man durch Zerstampfen einen, doch minder kräftigen
Saft. Die Zweige werden in Form eines Absuds benutzt.
Den Samen kocht man mit Honig und formt daraus Pillen
zum Abführen; auch steckt mau ihn in hohle Zähne und
verschliesst die Oeffnung mit Wachs. Zum Ausspühleu des
Mundes wendet man einen Absud der Wurzel mit Zusatz
von Wein und Oel an. Den Saft streicht man auch auf
Flechten und nimmt ihn ein, um nach Oben und Uuteu den
Leib zu reinigen; im Uebrigen aber taugt er nicht für den
Mag:en. Er führt den Schleim ab, wenn man Salz, und die
Galle wenn man unreines Natron zum Getränke setzt;
will man abführen, so nimmt man den Saft in saurem
Dünnwein, und will man brechen, in Rosinenweiu oder
Meth, und zwar ist die gewöhnliche Dosis des Tranks drei
Obolen. Die Feigen isst man zweckmässiger nach der
Mahlzeit. Der Milchsaft verursacht ein gelindes Brennen
im Halse, denn er ist von so hitziger Beschaffenheit, dass
er auf der Haut Blasen erzeugt wie das Feuer, weshalb
er auch als Caustlcum angewandt wird.
40.
Die zweite Art des Tithymalus heisst Myrsiuites ')
') Euphorbia Myrsinites L. i
Sechsuudzwanzigstes Buch. 'd^d.
oder Caryites, hat der Myrte ähnliche, spitze, stechende
aber weichere Blätter nnd wächst auch auf wüstem Bodens
Man sammelt den schoptigen Gipfel derselben zur Zeit der
Gerstenreife, trocknet ihn im Schatten neun Tage lang und
lässt ihn dann noch in der Sonne nachtrocknen. Die Frucht
wird nicht gleichzeitig, sondern ein Theil davon erst im
folgenden Jahre reif und heisst Nuss, daher der griechische
Name Caryites; man bricht sie zur Zeit der Ernte ab,
wäscht und trocknet sie und verordnet sie mit zwei Theilen
schwarzem Mohnsamen, so dass beide zusammen ein Ace-
tabulum voll ausmachen; doch wirkt sie, wie auch die
folgenden Arten weniger brechenerregend als die erste Art.
Einige verordnen auf diese Weise auch die Blätter, die
Nuss aber in Meth, Rosineuwein oder mit Sesam. Sie
entfernt Galle und Schleim durch den After, heilt Mund-
geschwüre. Gegen um sich fressende Mundgeschwüre isst
man die Blätter mit Honig.
41.
Die dritte Art heisst Paralius ^) oder die rundblättrige,
hat einen handhoheu Stengel, röthliche Zweige, und weisse
Samen, welch' letztere man bei anfangender Traubenreife
einsammelt, nach dem Trocknen zerreibt und zu einem
Acetabulum voll zum Abführen eingiebt.
42.
Die vierte Art heisst Hello scopius^) hat portulak-
ähnliche Blätter, 4 — 5 von der Wurzel au stehende, röth-
liche, halb fusshohe Zweige, ist sehr saftreich, wächst in
der Nähe von Städten und hat weisse, von den Tauben
sehr gesuchte Samen. Der Name bezieht sich auf ihre
Eigenschaft, den kopfförmigen Büschel stets der Sonne zu-
zukehren. In Sauerhonig zu einem halben Acetabulum voll
genommen, führt sie die Galle nach unten ab; übrigens
wendet man sie ganz so an wie die Characias.
43.
Die fünfte Art heisst wegen der ähnlichen Blätter
') Euphorbia Paralias L. -) Kuphorbia Helioscopia L.
360 Sechsundzwanzigstes Buch.
Cyparissiasi)-, sie hat zwei bis drei Stengel, wächst auf
Ebenen, und besitzt ähnliche Kräfte wie Helioscopius und
Characias.
44.
Die sechste heisst Platyphyllus -), Corymbites
oder auch Amygdalites wegen der Aehnlichkeit (des
Samens?); hat die breitesten Blätter, tödtet die Fische,
bewirkt Abweichen, wenn man die Wurzel, Blätter oder
den Saft in Meth oder Honigwasser zu vier Drachmen ein-
nimmt, entfernt auch das Wasser.
45.
Die siebente endlich heisst Dendroides^), Cobius
oder Leptophyllus, wächst auf Felsen, ist von allen die
schopfigste, hat röthliche Stengel, sehr viele Samen und
wirkt wie die Characias.
46.
DieApios ischas^) oder der wilde ßettig hat zwei
bis drei binsenartige, röthliche, an der Erde liegende
Stengel, rautenähnliche Blätter und eine zwiebelähnliche,
aber dickere, innen weisse und fleischige, aussen schwarze
Wurzel, daher der Name wilder Rettig. Sie wächst auf
rauhen Bergen, zuweilen auch auf grasigen Plätzen, wird
im Frühlinge ausgegraben, zerquetscht und in ein irdenes
Geschirr eingedrückt; was dabei oben aufschwimmt wird
weggeworfen, das Uebrige aber in der Dosis von andert-
halb Obolen in Honigwasser zum Brechen und Purgiren
verordnet. Den Wassersüchtigen giebt man ein Acetabulum
voll. Das Pulver der Wurzel streuet man ins Getränk;
auch soll der obere Theil der Wurzel die Galle, der untere
Theil das Wasser durch den After entfernen.
47.
Bauchgrimmen vertreibt jeder Theil des Panax, auch
das vettonische Kraut (wenn das Uebel nicht von schlechter
') Euphorbia Cyparissias L. Nach Fraas passt E. aleppica L. besser.
*) Euphorbia platyphylla L. 3) Euphorbia dendroides L,
■*) Euphorbia Apio? L.
Sechsundzwanzigstes Buch. 06 1
Verdauung herrührt), der Saft des Peucedanura auch die
Blähungeu, indem er Aufstossen bewirkt, desgleichen die
Wurzel des Acorum oder das Daucum, wenn man sie wie
Lattich verspeist. Das cyprische Ladanum nimmt man im
Getränk gegen Eingeweideübel, ebenso feingestossene
Gentiana zu einer Bohne gross in lauwarmem Wasser;
früh Morgens Plantago zu zwei Löffeln voll und einen
Löffel voll Mohn in vier Bechern jungen Weins. Letzteres
Mittel reicht man auch vor Schlafengehen, und, wenn die
Mahlzeit schon lange vorher verzehrt ist, mit Zusatz von
Natron oder Poleuta. Bei Kolik, auch wohl bei Fieber er-
weist sich eine Hemina des Saftes nützlich.
48.
Bei Krankheiten der Milz verordnet man drei Obolen
Agaricum in einem Becher alten Weins, die Wurzel aller
Arten Panax in Meth, besonders aber die Teucria, trocken
oder zu einer Handvoll gekocht in drei Heminis Essig.
Dieselbe Pflanze legt man auch mit Essig, oder, wenn
diess zu schmerzhaft sein sollte, mit Feigenwasser auf
Wunden. Das Polemonium wird in Wein getrunken, das
vettonische Kraut zu einer Drachme in drei Bechern Sauer-
honig, die Aristolochia wie gegen die Schlangen. Die Milz
soll verschwinden, wenn man die Argemonia sieben Tage
lang isst, oder wenn man zwei Obolen Agaricum in Essig-
meth nimmt, oder auch, wenn man die Wurzel der
heracllschen Nymphaea als weinigen Trank gebraucht.
Wird der Cissanthemus zu einer Drachme in zwei Bechern
weissen Weins täglich zweimal genommen und diese Kur
40 Tage lang fortgesetzt, so soll die Milz nach und nach
durch den Harn abgehen. Bei Milzleiden hilft auch Hyssop
mit Feigen gekocht, die gekochte Wurzel der noch nicht
in Samen ausgeschossenen Lonchitis; bei Milz- und Nieren-
leiden die gekochte Wurzel des Peucedanum. Ein aus dem
Acorum bereiteter Trank verzehrt ebenfalls die Milz; die
Wurzel dieser Pflanze erweist sich für Brust und Einge-
weide sehr heilsam. Der Same des Clymenus wird zu
einem Denar in weissem Wein dreissig Tage lang ge-
352 Sechsundzwanzi^stes Buch.
trunkeu. Das fein gestossene vettoniscbe Kraut nimmt
man mit Honig und Meerzwiebelessig. Die Wurzel der
Lonchitis und das Teucrium legt man mit Wasser, das
vScordium mit Wachs, das Agaricum mit gestossenem
Foenum graecum auf.
49.
Gegen Blasenkrankheiten und Blasensteine hilft,
wenn die Schmerzen am heftigsten sind, wie gesagt die
Polemonia in Wein getrunken, auch das Agaricum; ferner
die Wurzel und Blätter der Plantago in Rosinenwein ge-
trunken, das vettonische Kraut wie ich bei der Leber an-
geführt habe, desgleichen gegen Brüche innerlich und
äusserlich, und mit bestem Erfolge gegen Harnstrenge.
Einige empfehlen bei Steinbeschwerden als ganz besonderes
Mittel, gleiche Theile vettonisches Kraut, Verbenaca und
Millefolium als wässrigen Trank zu nehmen. Auch der
Dictamnus, sowie das Quinquefolium bewähren sich, mit
Wein zu einem Drittel eingekocht, gegen Harnstrenge;
letzteres wird ferner bei Darmbruch mit bestem Erfolge
eingegeben und aufgelegt. Der obere Theil der Wurzel
des Xiphium befördert bei Kindern den Abgang des Harns;
bei Darmbruch giebt man es in Wasser und bei Blasen-
übeln legt man es auf. Den Saft des Peucedanum schlägt
man auf Brüche und das Psyllium auf vorgetretenen Nabel
bei Kindern. Die beiden Arten der Anagallis wirken
iiarntreibend, ebenso die Wurzel des Acorum als Dekokt
oder in Substanz in einem Trank genommen; letztere heilt
auch alle Blasenübel, Kraut und Wurzel des Cotyledon die
Blasensteine und gleiche Theile des Stengels und Samens
mit ebensoviel Myrrhe alle Entzündungen der Geschlechts -
theile. Die zarten Blätter des Ebulus trinkt man mit Wein
abgerieben zur Beseitigung der Blasensteine, legt sie auch
zur Heilung auf die Hoden. Entzündungen der Hoden
werden gehoben durch Erigerou mit Weihrauchpulver und
süssem Wein. Die Wurzel des Symphytum tritt aufgelegt
den Darmbrüchen, der weisse Hypocist den Krebsge-
schwüren der Geschlechtstheile entgegen. Auch die Arte-
Sechsundzwanzigstes Buch. 363
misia wird in süssem Wein gegen Blasensteine und Harn-
strenge gegeben. Die Wurzel der heraclischen Nyraphaea
vertreibt in Wein die Blasenschmerzen.
-50.
Dieselben Kräfte besitzt das von Hippocrates sehr
empfoblene Crethmum'). Es ist dieses eins von den-
jenigen wilden Kräutern, welche als Speise genossen werden.
Wenigstens trägt Hecale, jene bei Callimachus vorkommende
Bäuerin, dasselbe auf, und seinem äussern Ansehn nach
gleicht es dem Garten-Batis. Es hat einen handhohen
Stengel, einen wohlriechenden, wie bei der Libanotia
runden Samen, der nach dem Trocknen aufspringt und
einen weissen Kern zeigt, welchen Einige Cachrys nennen;
die Blätter sind fleischig, weisslich wie die des Oliven-
baums, aber dicker und schmecken salzig; der Wurzeln
sind drei bis vier an der Zahl und ihre Dicke beträgt
einen Finger. Es wächst auf steinigem Boden am Meere,
schmeckt angenehm gewürzhaft und wird roh oder mit
Kohl gekocht gegessen. Man hebt es auch in einer Salz-
brühe auf; Blätter, Stengel oder Wurzel giebt man in Wein
mit Erfolg gegen Harnstrenge. Es verleihet auch dem
Körper eine gute Farbe, erzeugt aber, in zu reichlicher
Menge genossen, Blähungen. Ein Absud davon bewirkt
Stuhlgang, treibt den Harn und aus den Nieren die
Feuchtigkeit. Auch feingestossene Althäa nimmt man in
Wein, und noch besser mit Zusatz von Daucum gegen
Harnstrenge. Das Crethmum wird ferner bei Milzleiden und
gegen Schlangen als Trank verordnet. Dem Zugvieh streuet
man es gegen den Kotz und das schwere Harnen auf
die Gerste.
51.
Das Anthyllium-), eine der Linse sehr ähnliche
Pflanze, trinkt man in Wein gegen Blaseuübel und Blut-
tluss. Eine andere Art, die Anthyllis,^) ist der Chamae-
') Crithmuni maiitinium L.
-) Cressa cretica L. ') Frankeuia hirsuta L.
;-j()4 Sechsundzwanzigstes Bach.
pitys ähnlich, hat purpurrothe, unangenehm riechende
Blumen und eine cichorienähnlicbe Wurzel.
Fast noch besser wirkt die Cepaea^), welche dem
Portulak gleicht, aber eine dunklere, übrigens unnütze
Wurzel hat, am sandigen Meeresufer wächst und bitter
schmeckt. Gegen Blasenübel nimmt man sie mit Spargel-
wurzel in Wein.
53.
Dieselben Dienste leistet das Hypericum, welches
man auch Chamaepitys und Corium 2) nennt; es ist eine
kohlartige, dünne, ellenhohe rothe Staude mit rautenähu-
lichen Blättern, riecht scharf, und trägt in einer schwarzen
Schote Samen, welche gleichzeitig mit der Gerste reifen,
verdichtend wirken, den Durchfall hemmen, den Harn
treiben und mit Wein gegen Blasenübel genommen werden.
54.
Eine andere Art Hypericum, das Hypericium oder
Co ris^) wächst unter der Tamarix, hat dieser ähnliche aber
fleischigere und weniger rothe Blätter, riecht angenehm,
wird über eine Hand hoch, fühlt sich sanft und haarig an.
Der Same erwärmt, erregt daher Blähungen, schadet aber
dem Magen ijicht, und erweist sich wirksam bei Harn-
strenge, wenn in der Blase keine Geschwüre sind. In
Wein getrunken heilt es das Seitenstechen.
55.
Die Callithrix giebt man gegen Blaseuleiden gleich-
zeitig mit Cuminum in weissem Wein. Die mit den Blättern
zu einem Dritttheil eingekochte Verbeuaca oder deren
Wurzel in warmem Meth treibt die Blasensteine ab; des-
gleichen die Perpressa, eine zu Aretium und in Illyrien
wachsende Pflanze, mit o Heminis Wasser zu einer einge-
kocht und getrunken; das Trifolium und Chrysanthemum
') Seduu) Cepaea L.
'^) Hypericum crispum L.
') Hypericum Coris L.
Sechsundzwanzigsfces Buch. 365
in Wein. Ferner die Anthemis, welche an der Wurzel
fünf kleine Blätter, zwei lange Stengel und rosenartige
Blumen hat, deren Wurzel man für sich gerieben wie das
rohe Laver anwendet.
56.
Der Silaus') wächst in kiesigen uud stets rinnenden
Bächen, hat eine Höhe von einer Elle und sieht dem Apium
ähnlich. Man wendet ihn, wie Sauerkraut gekocht, mit
Nutzen bei Blasenübeln an; ist aber Schorf in der Blase,
so giebt man Panax-Wurzel, weil der Silaus sonst nicht
hilft. Der wilde Apfelbaum treibt die Blasensteine ab,
und zwar kocht man ein Pfund der Wurzel mit einem
Congius Wein zur Hälfte ein und trinkt davon drei Tage
lang jedesmal eine Hemina, den Rest in Wein mit Sium.
Auch die Seeuessel, das Daucum und der Same der Plan-
tago werden mit Wein verordnet.
57.
Auch das Fulvische Kraut, welches seineu Namen
nach dem Entdecker führt und den dasselbe Verordnenden
wohl bekannt ist, wirkt harntreibend.
58.
Geschwollene Hoden heilt das Scordium; die Ge-
schlechtstheile der Hyoscyamus, Strangurie der Saft des
Peucedanum mit Honig und dessen Same, das Agaricum
zu drei Obolen in einem Becher alten Weins, die Wurzel
des Trifolium zu zwei Drachmen in Wein, der Same des
Daucum zu einer Drachme. Hüftweh vertreiben die zer-
riebenen Blätter und Samen des Erythrodanum, ein Trank
von Panax, Einreibungen mit Polemonia und ein Absud
der Blätter der Aristolochia. Durch Agaricum werden der
sogenannte breite Nerv und die Schmerzen der Schulter
geheilt, wenn man drei Obolen in einem Becher alten Weins
auf einmal nimmt. Das Quinquefolium wendet man
innerlich und äusserlich, ebenso dieScammonia mit Gersten-
') Siliuis pratensis L.
3ß() SechsuudzAvanzigstes Buch.
mehl gekocht, die Samen beider Hyperica in Wein gegen
Hüftweh an. Fehler an den Lenden werden sehr schnell
durch die Plantago, Lendengeschwüre durch das Quinque-
folium, verdreheter After durch die Wurzel des Cyclaminus
in Essig geheilt. Die blaue Anagallis zieht den ausge-
tretenen Mastdarm zurück, die rothe hingegen treibt ihn
wieder heraus. Der Cotyledon heilt Lenden geschwüre und
Hämorrhoiden aufs beste; gegen geschwollene Hoden kocht
man die Wurzel des Acorum in Wein, zerstampft sie hier-
auf und legt sie auf. Cato sagt, wer pontischen Wermuth
bei sich trage, ginge sich keinen Wolf. Andere fügen noch
Pulegium hinzu; wer diess nüchtern sammelt und es sich
hinten anbindet, den sollen keine Schmerzen an den Schaam-
theilen befallen oder die bereits vorhandenen verlassen.
59.
Das Schaamkraut, welches Einige Argemoue
nennen, wächst hie und da im Dorngebüsch. Es soll ein
Mittel für die Schaamtheile sein, wenn man es auch nur
in der Hand hält.
60.
Fettgeschwulste heilen die Panax-Arteu mit Honig,
die Plantago mit Salz, das Quinquefolium, die Wurzel der
Persolata wie bei Kröpfen, das Damasonium, das Verbascum
sammt seiner Wurzel zerquetscht, mit Wein benetzt, in ein
Blatt eingewickelt, so vorgerichtet in Asche erwärmt und
warm aufgelegt. Einige behaupten aus Erfahrung, die
Wirkung werde bedeutend erhöht, wenn eine nackte, noch
nüchterne Jungfrau das Mittel dem ebenfalls nüchternen
Patienten auflege, ihn mit der Rückseite der Hand anrühre,
die Worte: „Apollo sagt, das Uebel, was eine Jungfrau
vertreibt, kann nicht schlimmer werden" spreche, diese
Ceremonie dreimal wiederhole, und beide Personen ebenso
viele Male ausspucken. Die Heilung bewirkt auch die
Wurzel der Mandragora in Wasser, ein Absud der Wurzel
der Scammonia mit flonig, die Sideritis mit altem Schmalz
oder die Chrysippea, (eine nach ihrem Erfinder l)enannte
Pflanze) mit fetten Feigen.
Sechsundzwanzigstes Buch. 867
Ol.
Die Begierde zum Beischlaf verliert sieh, wie au-
gegeben ^) auf vierzig Tage lang gänzlich, wenn man einen
aus der heraclischen Nymphaea bereiteten Trank auch nur
einmal zu sich nimmt, ebenso die geilen Träume, wenn
man den Trank nüchtern nimmt und die Wurzel verspeist.
Auch benimmt das Auflegen der Wurzel auf die Geschlechts-
theile nicht bloss die Lust zum Beischlaf, sondern ver-
hindert auch den Samenerguss, daher sie auch den Leib
fett machen und die Stimme verbessern soll. Zum Bei-
schlaf reizt der obere Theil der Wurzel des Xiphium, als
weinigen Trank genommen, ferner das wilde Chrethmuni
und der wilde Hormiuus mit Polenta abgerieben.
62.
Zu den merkwürdigem Gewächsen gehört auch die
Orchis^) oder Serapias; sie hat lauchähnliche Blätter,
einen handhohen Stengel, purpurrothe Blumen, eine paarige,
hodenförmige Wurzel, deren grösserer oder (wie Einige
sagen) härterer Knollen , in Wasser getrunken, Geilheit er-
weckt, während der kleinere oder weichere in Ziegenmilch
entgegengesetzte Wirkung hat. Einige geben an, die
Blätter seien denen der Mehrzwiebel ähnlich aber glatter
und kleiner, uud der Stengel sei stachlig. Die Wurzeln
heilen Mundgeschwüre, den Schleim auf der Brust und
hemmen, mit Wein genommen, den Durchfall. — Das Sa-
tyrium^) besitzt gleichfalls reizende Eigenschaften; man
kennt davon zwei Arten, eine hat längere Blätter als der
Oelbaum, einen vier Finger hohen Stengel, purpurrothe
Blumen, eine paarige hodenförmige Wurzel, welche alle
zwei Jahre anschwillt uud wieder zusammenschrumpft. Die
andere Art führt den Beinamen Orchis, wird für das
') Die betiettende Stelle im XXV. B. 37. Cap. hat nicht ganz
den Sinn der gegenwärtigen, was entweder Plinius übersehen hat,
oder der Text ist verdorben.
*) Orchis Morio L. und verwandte Species.
3) Orchis anthropophora L.
368 Sechsundzwanzigstes Buch.
Weibchen gebalten und unterscheidet sich dadurch, dass
sie Internodien und einen verzweigteren Stengel hat. Sie
wächst meistens am Meere, die Wurzel wird gegen Ver-
hexungen angewandt; man legt sie für sich oder mit Polenta
auf Geschwulste und andere Fehler an den Geschlecbts-
theilen. Die Wurzel der ersten Art spannt die Sehneu an,
wenn man sie mit der Milch weidender Schafe, und macht
sie erschlaffen, wenn man sie mit Wasser giebt.
63.
Die Griechen geben an, das Satyrium habe der
rothen Lilie ähnliche, aber kleinere und nur drei aus der
Erde wachsende Blätter, einen ellenhohen, glatten, nackten
Stengel, eine paarige Wurzel, deren unterer und grösserer
Knollen Knaben, und deren oberer und kleinerer Knollen
Mädchen erzeugen soll. Eine andere Art des Satyrium
nennen sie Erythraicum i); es habe einen Samen, der
grösser als der des Vitex und glatt sei, eine harte Wurzel
mit rother ßinde und weissem Inhalt, von süsslichem Ge-
schmack und komme fast nur auf Bergen vor. Schon
wenn man die Wurzel in der Hand hält und noch mehr,
wenn man sie mit herbem Wein einnimmt, soll man Liebes-
reiz empfinden; auch gäbe man sie den trägen Böcken ins
Saufen und die Sarmaten sollen sie den Pferden, welche
wegen angestrengter Arbeit zu faul zum Bespringen sind
(welchen Fehler sie Prosedamum nennen), reichen. Ihre
AVirkuug wird durch Trinken von Honigwasser oder durch
Lattich geschwächt. Dergleichen Anreizungen nennen die
Griechen überhaupt Satyrium, so auch die Crataegis, das
Thelygonum und Arrhenogonum, deren Samen die Gestalt
der Hoden haben. Eine ähnliche Wirkung schreibt man
dem Marke der Zweige des Tithymalus zu. Bei Theo-
phrastus, einem sonst glaubwürdigen Schriftsteller, findet
sich die seltsame Angabe, dass man durch Berührung eines
gewissen , von ihm nicht näher bezeichneten Krautes, fähig
sei, siebenzigmal hintereinander beizuwohnen.
') Fritillaria pyrenaica Tj. ?
Sechsundzwanzigstes Buch. 369
64.
Die vSideritis mässigt das Anschwellen der Krampf-
adern und heilt sie ohne Schmerz , wenn man dieselbe auf-
bindet. Das Podagra kannten unsere Vorfahren fast gar
nicht, und selbst zu gegenwärtiger Zeit tritt es nicht häufig
auf, ist auch in der That eine ausländische Krankheit,
denn man hat keinen lateinischen Namen dafür. Es ist
keineswegs unheilbar, denn es vergeht häufig von selbst
und in der Regel durch Befolgung einer ordentlichen Kur
wieder. Hülfsmittel dagegen sind die Wurzeln des Panax
mit Rosinen, der Saft oder Same des Hyoscjamus mit Mehl,
Scordium mit Essig, die Iberis; die Verbenaca mit Schmalz
und die Wurzel des Cyclamen, deren Absud auch die Frost-
beulen heilt. Kühlend wirken die Wurzel des Xiphium, der
Same des Psyllium, Cicuta mit Bleiglätte und Schmalz;
beim ersten Auftreten des rothen oder heissen Podagra
wird das Aizoum angewandt. Für beide Fälle dient der
Erigeron mit Schmalz, die Blätter der Plantago mit etwas
Salz abgerieben, die Argemonia mit Honig zerquetscht.
Die Verbenaca legt man auf oder man macht einen Absud
davon und stellt die Füsse hinein.
65.
Die Lappago^) ähnelt der Anagallis, ist aber ästiger,
mit zahlreichen rauhen Blättern besetzt, riecht unangenehm
und ihr Saft schmeckt herbe; sie heisst auch MoUugo;
eine noch rauhere Art wird Asperugo'^) genannt. Den
Saft der ersteren nimmt man täglich zu elf Denaren in
zwei Bechern Wein.
66.
Von dem genannten Uebel befreiet besonders der
Fucus marinus oder Seetang, welcher sich zwischen den
Muscheln findet und der Lactuca ähnlich ist; doch dient er
nicht bloss für das Podagra sondern für alle Gliederkrank-
heiten, wenn man ihn vor dem Trockenwerden auflegt.
Man unterscheidet drei Arten; die erste hat breite, die
zweite längere, ins Rothe spielende, die dritte krause
') Galium MoUugo L. -) Galium Aparine L.
Wittsteiu: Plinin«. I\'. Bd. 04
370 Sechsundzwanzigstes Buch.
lilätter und wird in Greta zum Färben der Kleider ange-
wandt, alle aber erweisen sich gleich nützlich in der
Medicin. Nicander hat sie auch in Wein wider die Schlangen
verordnet. Ein ferneres Heilmittel ist der Same des
Psyllium, den man in Wasser aufquellt und eine Hemina
davon mit zwei Löifel voll Colophonium und einem Löffel
voll Weihrauch versetzt. Auch rühmt man die mit Polenta
gestossenen Blätter der Mandragora. Bei geschwollenen
Knöcheln leistet der Schlamm aus dem Wasser, mit Oel
durchknetet, sehr gute Dienste; bei Glieder- und Nerven-
übeln der Saft des kleinen Centaurium und die Ceutauris.
Für die an den Schulterblättern hinlaufenden Sehnen, für
die Schultern, den Rückgrat, die Lenden, Leber nimmt man
einen Trank des vettonischen Krauts; auf kranke Glieder
legt man das Quinquefolium, die Blätter der Mandragora
mit Polenta oder die frische Wurzel derselben mit wilden
Gurken zerstampft oder in Wasser gekocht; auf Risse in
den Zehen die Wurzel des Polypodium, auf kranke Glieder
den Saft des Hyoscyamus mit Sehmalz, den Saft des
Amomum mit dem Abgesottenen desselben, der Ceutunculus
gekocht oder frisches Moos in Wasser geweicht und so
lange liegen gelassen, bis es trocken geworden ist, ferner
die Wurzel der Ochsenklette i) in Wein getrunken. Das
Cyclamen heilt mit Wasser gekocht die kleinen Frostbeulen
und alle übrigen durch Einwirkung der Kälte entstandenen
Uebel; ferner die erstere auch der Cotyledon mit Schmalz,
die Blätter des Batrachium und der Saft des Epithymum.
Die Hühneraugen zieht das Ladanum mit Bibergeil und die
in Wein geweichte Verbenaca heraus.
67.
Nach Besprechung der Krankheiten der einzelnen
Glieder will ich nun auch von denjenigen handeln, welche
den ganzen Körper befallen, und die vorzüglichsten
dagegen empfohlenen Mittel anführen. Vor allen dient zu
diesem Zwecke ein Trank aus dem schon erwähnten
') Ai-ctiuni liardana L.V
Sechsundzwanzigstes Buch. 371
Dodeeatheum, dann die Wurzeln aller Arten Panax, be-
sonders in langwierigen Krankheiten, und ihr Same bei
Fehlern in den Eingeweiden. Gegen alle körperlichen
Schmerzen aber der Saft des Scordium sowie des vettonischen
Krautes, welch' letzterer namentlich die bleigraue Farbe
des Körpers in eine gesunde umwandelt.
6S.
Das Geranium, auch Myrrhis oder Myrtis genannt,
ist nach Beschreibung römischer Autoren der Cicuta ähnlich,
die Blätter aber kleiner, der Stengel kürzer, rund, riecht
und schmeckt angenehm. 0 Die Griechen sagen, die Blätter
wären etwas hellfarbiger als die der Malve, der Stengel
dünn, haarig, in Zwischenräumen verzweigt, zwei Hände
hoch, zwischen den Blättern ständen Stiele, und. an deren
Spitzen krauichschnabelähnliche Früchte. -) Eine zweite
Art 3) hat anemonenähnliche, aber tiefer eingeschnittene
Blätter, eine apfelrunde, süsse Wurzel, welche besonders
den Reconvalescenten empfohlen wird, und diess ist die
echte Wurzel. Gegen Schwindsucht und Blähungen isst
man sie roh oder nimmt sie zu einer Drachme in drei
Bechern Wein zwei mal täglich. Der Saft der Wurzel heilt
die Ohren, der Same zu vier Drachmen mit Pfeffer und
Myrrhe genommen die Opisthotonie; der Saft der Plantago
oder sie selbst gekocht die Schwindsucht. Die Plantago
verspeist man auch mit Salz und Oel, um sieh nach dem
Morgenschlaf Kühlung zu verschaffen, giebt sie ferner den
an Auszehrung Leidenden einen um den andern Tag, das
vettouische Kraut den Schwindsüchtigen zu einer Bohne
gross in einer Honiglatwerge, das Agaricum zu zwei Obolen
in Kosinenwein getrunken oder das Daucum mit dem
grossen Centaurium in Wein. Die um sich fressenden Ge-
schwüre (welche diesen Beinamen daher führen, weil sie
gleichsam stets Hunger haben) werden durch Tithymalus
mit Sesam geheilt.
'" Erodium moschatum W. -) Erodium malachoides L.
^) Gevanimn tube^o^^ml) L.
24*
372 Sechsundzwanzigstes Buch.
Zu den allgemeinen körperlichen Leiden gehört auch
die Schlaflosigkeit, womit viele Menschen geplagt sind.
Als Mittel dagegen nennt mau die Panax- Arten, Clymenus,
Aristolochia theils als Riechmittel theils zum Auflegen auf
den Kopf; das Aizoon oder Sedum in ein schwarzes Tuch
geschlagen und dem Kranken ohne sein Wissen untergelegt;
auch die Oenothera oder Ouuris^), welche in Wein ge-
nommen das Gemüth zur Fröhlichkeit stimmt, ein mandel-
ähnliches Blatt, rosenrothe Blumen, zahlreiche Zweige und
eine lange, trocken nach Wein riechende Wurzel hat, und
in Wein gegeben selbst wilde Thiere besänftigt. Das
vettonische Kraut beseitigt die mit Ekel verbundene Un-
verdaulichkeit, befördert auch die Verdauung, wenn mau es
nach dem Essen zu einer Drachme in drei Bechern Sauer-
lionig einnimmt, und vertreibt den Rausch; zu demselben
Zwecke verordnet man das Agaricum in warmem Wasser
nach dem Essen. Lähmungen sollen durch die Vettonica
und Iberis geheilt werden, erstarrte Glieder durch die
Iberis und Argemonia, letztere dadurch, dass sie alles was
nur mit Gefahr zu schneiden wäre, vertheilt.
70.
Die Epilepsie heilen: die Wurzeln des heraclischen
Panax, zu drei Th eilen mit einem Theil Coagulum vom
Seekalbe getrunken, die Plantago als Trank, die Vettonica
zu einer Drachme in Sauerhonig oder das Agaricum zu
drei Obolen, die Blätter des Quiuquefolium aus Wasser;
die Archezostis,2) aber ein Jahr lang als Getränk gebraucht;
die trockne Wurzel der Baccharis zu Pulver zerrieben und
zu drei Bohnen mit einem Becher Coriander in warmen»
Wasser genommen; der Ceutunculus in Essig, Honig oder
warmem Wasser gerieben, die Verbenaca in Wein ge-
trunken, sechzehn Tage lang drei Hyssop-Samen in Wasser
genommen, das Peucedanum mit gleichviel Coagulum vom
'j K|)ilobiuiii Jiiisutura L.
•^) Vitis alba. s. XXIll. 15. 16. Cap.
Öechsundzwanzigstes Buch. 373
Seekalbe genommen, die zerriebenen Blätter des Quinque-
folium einuuddreissig Tage lang in Wein genommen, ge-
stossene Vettonica zu drei Denaren mit einem Beclier Meer-
xwiebelessig und einer Unze attischem Honig, Scammonium
zu zwei Obolen mit vier Drachmen Bibergeil.
71.
Kalte Fieber mildert das Agaricum in kaltem Wasser
getrunken, die dreitägigen: die Sideritis mit Oel, das in
den Saatfeldern wachsende Ladanum im zerquetschten Zu-
stande, die Plantago aus Honigwasser zwei Stunden vor
dem Fieberanfalle zu zwei Drachmen getrunken, oder der
Saft der eingeweichten oder zerstampften Wurzel, oder die
zerriebene Wurzel selbst in durch heisses Eisen erwärmtem
Wasser. Einige schreiben je drei Wurzeln in drei Becheru
Wässer und bei viertägigem Fieber je vier Wurzeln vor.
Wenn Jemand aus dem Stengel des schon trocken werden-
den Buglossum das Mark nimmt, dabei sagt, für wessen
Befreiung vom Fieber er diess thut und dem Kranken vor
dem Anfalle sieben Blätter anbindet, so soll dieser wirklich
geheilt werden. Auch die Vettonica zu einer Drachme in
drei Bechern Wassermeth, sowie das Agaricum helfen bei
Fiebern, namentlich solchen, welche sich mit Schaudern
einstellen. Vom Quinquefolium geben Einige drei Blätter
im dreitägigen, vier im viertägigen Fieber u. s. w.. Andere
in allen Fiebern drei Obolen mit Pfeffer in Wassermeth.
Die Verbenaca hilft in Wein gegeben auch beim Zugvieh
gegen Fieber, muss aber für das dreitägige beim dritten,
für das viertägige beim vierten Gelenkknoten abgeschnitten
werden. Man nimmt auch den Samen beider Arten Hy-
pericum im Getränk gegen das viertägige Fieber und das
Schaudern, das Mehl der Vettonica gegen jede Art des
Schauderns, ferner die Fanax-Arten, deren wärmende Kraft
so gross ist, dass man sie denen, welche durch den Schnee
gehen wollen, innerlich und äusserlich empfiehlt. Auch die
Aristolochia wirkt gegen Erkältungen.
72.
Auf Wahnsiiiuige wirkt der Schlaf wohlthätig, und
374 Seehsundzwanzigstes Buch.
diesen kann man hervorrufen, wenn man Essig worin
Paucedanum gelegen hat oder Anagallis-Sait auf den Kopf
giesst. Dahingegen hält es schwer, Schlafsucht ige
munter zu machen, doch soll es gelingen, wenn man ihnen
den mit Essig versetzten Saft des Peucedanum in die Nase
bringt. Gegen Raserei verordnet man einen Trank aus
der Vettonica. Die Karbunkeln bringt der Panax zum
Aufbruch; das Mehl der Vettonica in Wasser oder Brassica
mit Weihrauch unter häufigem Trinken kalten Wassers,
oder die mit dem Finger aufgenommene und aufgestrichene
Asche einer vor den Augen des Kranken verlöschten" Kohle,
oder zerquetschte Plantago — zum Heilen.
1'6.
Wassersucht heilt der Tithymaius Characias, die
Plantago als Speise, wenn der Patient zuvor trocknes
Brot gegessen hat, die Vettonica zu zwei Drachmen in zwei
Bechern Wein oder Meth, Agaricum oder Samen der
Lonchitis zu zwei Löffel voll in Wasser, Psyllium in Wein,
der Saft der Anagallis- Arten, die Wurzel des Cotyledou in
Meth, die frische nur abgeschüttelte, nicht abgewaschene
Wurzel des Ebulus so viel man mit zwei Fingern fassen
kann in einer Hemina warmen alten Weins, die Wurzel
des Trifolium zu zwei Drachmen in Wein, der Tithymaius
platyphyllus, der Same des Hypericum welches auch Coris
heisst; die Wurzel der Acte, *) welche Einige für den
Ebulus halten, bei Abwesenheit von Fieber in drei Bechern
Wein oder der Same in dunkelm Wein, die Verbenaca von
der eine Hand voll mit Wasser zur Hälfte eingekocht wird.
Ganz besonders wirksam soll aber der Saft der Chamae-
acte2) sein. Schleimergiessungen heilt die Plantago, die
Wurzel des Cyclaminus in Honig; gegen die Boa oder
rothen Pusteln legt man zerrieben und in altem Wein ein-
geweichte Ebulus-Blätter, gegen das Jucken den Saft des
Sti'vchnus auf.
') Sambucus nigra L.
-I Saniltuciis KlinluÄ f/.
Sechsundzwanzigstes Buch. , 375
74.
Die Rose heilt man mit dem Aizoou, den zerriebenen
Blättern der Cicuta und der Wurzel der Mandragora, welche
letztere man wie die Gurke auf Brettern trocknet, indem
man sie anfangs über Most, dann in den Rauch bringt,
dann mit Wein oder Essig anstösst. C4ute Dienste thut
auch Bähung mit Myrtenwein, ein Sextans Minze und eine
Unze natürlicher Schwefel mit Essig zusammengerieben,
Russ in Essig. Es giebt mehrere Arten Rose; eine davon
zieht sich mitten um den menschlichen Leib, heisst daher
der Gürtel und hat den Tod zur Folge, wenn sie ganz
herumkommt. Man verordnet dagegen die Plantago mit
cimolischer Kreide, die Peristereus für sich, die Wurzel
der Persolata; gegen andere kriechende Uebel die Wurzel
des Cotyledon mit Meth, das Aizoou, und den Saft der
Linozostis mit Essig.
75.
Gegen Verrenkungen legt man die Wurzel des Poly-
podium auf; stellen sich zugleich Schmerzen und Geschwulst
ein, so verordnet man den Samen des Psyllium, die Blätter
der Plantago beide mit Zusatz von etwas Salz zerquetscht,
den Samen des Verbascum in Wein gekocht und abgerieben,
Cicuta mit Fett. Auf Beulen und Geschwulste, welche
noch zertheilt werden können, legt man die Blätter des
Ephemerus,
76.
Dass die Gelbsucht in die Augen übergehen, die
Galle also in so zarte und dichte Häute eindringen kann,
ist merkwürdig. Hippocrates hat augegeben, ihr Er-
scheinen bei Fieber nach dem siebenten Tage verkünde
den nahen Tod; ich weiss jedoch einige Fälle, wo die
Patienten demungeachtet nicht gestorben sind. Sie stellt
sich aber auch ein, wenn kein Fieber vorhanden ist, und
wird dann (wie angegeben) mit einem aus dem grossen
Centaurium bereiteten Tranke, ferner mit der Vettonica,
mit dem Agaricum zu drei Obolen in einem Becher alten
Weines, desgleichen mit den Blättern der Verbenaca zu
376 N y«i^ii«umlzwan2igste« Buch.
drei Oboleu in einer Hemina warmen Weins vier Tage
lang- behandelt. Aufs schnellste heilend wirkt aber der
Saft des Quinquefolium zu drei Bechern mit Salz und Honig
getrunken. Die Wurzel des Cyelaminus trinkt man zu drei
Drachmen an einem warmen und von kaltem Luftzuge ge-
.schützten Orte, um galligen Seh weiss hervorzurufen. Andere
Mittel gegen Gelbsacht sind: Die Blätter der Tussilago in
Wasser, der Same beider Arten Linozostis in das Getränk
gethan oder mit Absinthium oder Asche gekocht, der Same
des Hyssopus mit Wasser getrunken, das Flechtenkraut
bei Enthaltung aller Arten Kohlspeise, die Polythrix in
Wein und das Struthium iu Meth.
77.
Zuweilen entstehen auch überall am Körper sehr bös-
artige Ausschläge, welche Furunkeln genannt werden
und woran schwache Personen mitunter sterben. Wenn
noch keine kopfartige Erhöhung daran zu bemerken ist,
so wendet man dagegen die mit Polenta zerriebenen Blätter
des Pycnocomum an. Auch die aufgelegten Blätter des
Ephedrus wirken zertheilend.
7«.
Wenn chirurgische Operationen schlecht ausgeführt sind,
bilden sich auch Fistelschäden und schleichen dann am
ganzen Körper herum. Man verordnet dagegen das kleine
Centaurium mit Zusatz von mit Honig gekochten Augen-
salben, den Saft der Plantago welcher eingegossen wird,
das Quinquefolium mit Salz und Honig, Ladanum mit
Bibergeil, Cotyledon mit Hirschmark erwärmt und aufge-
legt, das Mark der Wurzel des Verbascum, welches von
der Consistenz einer Augensalbe eingesteckt wird, die Wurzel
der Aristolochia oder auch den Saft des Tithymalus.
79.
Saftanhäufungen und Entzündungen heilt man durch
Auflegen der Blätter der Argemonia, Verhärtungen und
alle Arten von Saftanhäufungen mit in Essig gekochter
Verbenaca oder Quinquefolium, mit den Blättern und der
Wurzel des Verbascum, Hyssop mit Wein aufgelegt, mit
Sechsundzwanzigstes Buch. 377
der Wurzel oder dem Kraute des Aeorum als Bähung und
mit dem Aizoon; Contusionen, Verhärtungen und Ver-
tiefungen am Körper mit der lUecebra. Alles was im
Leibe steckt, ziehen die Blätter der Tussilago, das Daucum
und der mit Polenta in Wasser abgeriebene Same des
Leontopodium heraus. Auf eiternde Wunden legt man die
mit Polenta abgeriebenen Blätter oder den Samen des
Pyenocomum, sowie die Orchis auf. Knoehenkrankheiten
sollen durch Auflegen der Wurzel des Satyrium radikal
geheilt werden. Auf fressende Geschwüre und Saftau-'
häufungen legt man den Seetang, bevor er trocken ge-
worden ist. Auch die Wurzel der Alcea vertheilt Saftan-
häufungen.
80.
Um Brandschäden zu heilen wendet man Plantago
und Arctium an und diese erweisen sich so wirksam, dass
kaum etwas von einer Narbe zu sehen ist. Vorzüglich
dienen dazu die in Wasser gekochten Blätter des letztem,
ferner die Wurzel des Cyclaminus mit Aizoon und das
Kraut des Hypericum Coris.
8L
Für die Sehnen und Gelenke gebraucht manPlantago
mit Salz abgerieben, Argemonia mit Honig. Mit dem Safte
des Peucedanum bestreicht man in Krämpfen und Er-
starrung liegende Kranke. Verhärtete Sehnen werden mit
dem Safte der Aegilops bestrichen; gegen Schmerzen darin
legt man in Essig eingeweichten Erigeron auf. Gegen
Krämpfe und Opisthotonie wendet man Epithymum und den
Samen des Hypericum Coris innerlich und äusserlich an.
Das Phrynium soll sogar durchschnittene Sehnen wieder zu-
sammenheilen, wenn man es zerrieben oder gekauet sogleich
auflegt. Gegen Krämpfe, Zittern, Opisthotonie und Frost
nimmt man die Wurzel der Alcea in Honigwasser.
82.
Blutflüsse stillt der rothe Same und die Wurzel
der Paeonia; kommt das Blut aus dem Munde, der Nase^
dem Mastdarm oder der Gebärmutter, gebraucht man Clv'
378 Sechsuuclzwanzigstes Buch.
menus, ferner Lysimachia innerlich und äusserlich oder
in die Nase gesteckt, den Samen der Plantago, Quinque-
folium innerlich und äusserlich, den Samen der Cicuta bei
Nasenbluten in Wasser abgerieben und eingesteckt, Aizoon,
die Wurzel des Astragalus, das Ischaemum und die Achillea.
83.
Das Equisetum,!) ein den Pferdehaaren ähnliches
Erzeugniss der Erde, 2) von den Griechen Hippuris ge-
nannt und auf unsern Wiesen nur ungern gesehen, vertreibt
die Milz bei den Läufern, wenn man einen neuen irdenen
Topf ganz damit anfüllt, bis zum dritten Theile einkocht
und davon drei Tage lang jedesmal eine Hemina zu trinken
giebt; aber schon einen Tag vor dem Beginnen der Kur
muss der Genuss fetter Speisen ausgesetzt werden. Die
Angaben der Griechen über diese Pflanze stimmen nicht
übereiu. Einige sagen, sie habe schwärzliche der Fichte
ähnliche Blätter, heisse Pitys und besitze eine solche Kraft,
dass schon durch die blosse Berührung Blutflüsse geheilt
würden. Andere nennen sie Hippuris, auch Ephedra,
Anabasis; sie wachse neben Bäumen, klettere an den-
selben hinauf, hänge in zahlreichen, schwarzen, binsen-
artigen Haaren wie ein Pferdeschweif herab, habe knotige
Zweige, spärliche, kleine Blätter, runde corianderähnliche
Samen, eine holzige Wurzel und komme meistentheils in
Baumanlagen vor. Die Kräfte des Equisetum sind ver-
dichtender Natur. Sein Saft stillt das Nasenbluten und den
Durchfall, heilt Dysenterie wenn man ihn zu drei Bechern
mit süssem Wein trinkt, ferner Husten, Engbrüstigkeit,
zerbrochene Glieder, schleichende Schäden und wirkt harn-
treibend. Gegen Fehler der Eingeweide und Blase nimmt
mau einen aus den Blättern bereiteten Trank. Es hindert
auch die Folgen des Darmbruchs. Man unterscheidet noch
eine andere Art Hippuris, mit kürzeren, weicheren und
helleren Haaren, welche sich bei Hüftweh und zum Zweck
') Plinius vermengt in diesem Cap. Ephedra fragili« L. mit
Hippuris und einigen Arten von Equisetum.
■-) In Bezug auf se'ino iadenfünnige Verzweigung.
Sechsundzwanzigstes Buch. 379
des Bliitstillens mit Essig auf Wunden gelegt sehr wirksam
zeigt. Auch die zerriebene Nymphaea legt man auf Wunden.
Das Poucedanuni nimmt man nebst Cypressensamen als
Trank, wenn aus dem Munde oder After Blut fiiesst. Die
t-^ideritis ist so kräftig, dass sie das Blut sogleich stillt,
wenn man sie auf die noch so frische Wunde eines Fechters
bindet; denselben Dienst leistet die Asche oder Kohle der
Ferula, ja der Pilz, welcher neben der Wurzel der letztem
wächiit, übertrift't jene noch an Wirksamkeit.
M.
Bei Nasenbluten hält man auch den Samen der Cicuta,
mit Wasser zerrieben und in die Nase gesteckt, sowie die
Stephanonielis für wirksam. Das Pulver der Vettonica
mit Ziegenmilch getrunken und zerquetschte Plantago stillen
den Ausfluss des Blutes aus den Brüsten. Den Saft der
Plantago verordnet man gegen Blutspeien. Die Wurzel
der Persolata wird mit altem Fett auf bald hier bald da
ausbrechende Uebel gelegt.
65.
Gegen Zerbreehungen und Verrenkungen in Folge
von Herabstürzen dient das grosse Centaurium, die Wurzel
der Gentiana zerrieben und gekocht, oder der Saft der
Vettonica und noch mehr bei Schäden als Folge starker
Bede oder lieftigen Schreiens, ferner Panax, Scordium,
Aristolochia als Trank; gegen Quetschungen und Ver-
drehungen das Agaricum zu zwei Oboleu in drei Bechern
Meth oder bei Fieber in Honigwasser; das goldblüthige
Verbascum, die Wurzel des Acorum, jedes Aizoon, doch
hesser der Saft des grossen, ein Absud der Wurzel des
Sym])hytum und Daucum im rohen Zustande. Die Pflanze
Erysithales mit gelben Blumen und Acanthus- ähnlichen
Blättern und die Chamaerops trinkt man in Wein, die Iris
und Plantago in einer Brühe.
86.
Gegen die Läusekrankheit (an welcher der Dictator
Sulla starb und wobei die den Leib durchfressenden
Thierc in» Blute des Kranken selbst entstehen) wendet man
380 Sechsundzwanzigstes Buch.
den Saft der taminischen Traube oder des Veratrum mit
Oel zum Einreiben an. Ein Absud der taminisehen Traube
in Essig befreiet auch die Kleider von diesem Ungeziefer.
87.
Der Geschwüre giebt es vielerlei und ebenso -ver-
schieden ist ihre Behandlung. Die Wurzel aller Arten
Panax legt man aus warmem Wein auf fliessende; die
chironische eignet sich besonders als Trocknungsmittel.
Mit Honig abgerieben öffnet sie Beulen , lindert mit Zusatz
von in Wein zergangenem Grünspan die um sich fressen-
den, für unrettbar gehaltenen Geschwüre und mau kann
sich zu diesem Behuf ausser der Wurzel auch des Samens
oder der Blüthe bedienen. Mit Polenta wirkt sie günstig
auf alte Wunden; ebenso das siderische Heraclium, die
Apollinaris, Psyllium, Traganth und Scordotis mit Honig.
Das feine Pulver der letztern streuet man zur Entfernung
des wilden Fleisches auf. Die Polemonia heilt die soge-
nannten unheilbaren Geschwüre; das grosse Centaurium
reinigt und heilt eingestreuet und aufgelegt, das Laub des
kleinen gekocht oder zerrieben ebenfalls alle Geschwüre.
Die Kapseln des Clymenus legt man auf frische Wunden,
die gestossene oder mit Wasser zur Honigdicke eingekochte
Wurzel oder den Saft der Geutiana auf schleichende Ge-
schwüre, das daraus bereitete Lycium auf Wunden. Lysi-
machia heilt frische Wunden, Plantago alle Arten Ge-
schwüre, besonders bei Frauen, Greisen und Kindern.
Durch Feuer erweicht ist sie besser, mit steifem Gerat
reinigt sie die Ränder der Geschwüre und steuert dem
weitern Umsichgreifen derselben. Wenn sie zerrieben ist,
muss sie mit ihren eignen Blättern bedeckt werden.
Schwären, Saftanhäufungen und durch Geschwüre ent-
standene Vertiefungen werden durch die Chelidonia ge-
trocknet, und in derselben Weise wirkt sie so kräftig auf
Wunden, dass sie die Stelle des Spodiums vertritt; auf
Schäden, die durchaus nicht besser werden wollen, legt
man sie mit Fett. Der Dictamnus zieht die Pfeile aus
wenn man ihn innerlich, und andere Geschosse wenn man
Öechsundzwanzigstes Buch. 381
ihn äusseilich anwendet; von den Blättern nimmt man einen
Obolus in einem Becher Wasser. Ihm am nächsten in der
Wirkung steht der Pseudodictamnus; beide vertheileu auch
die Sehwären. Die Aristolochia frisst faulige Geschwüre
aus, reinigt mit Honig schmutzige, treibt Würmer ab, zieht
die in Geschwüren entstandenen Nägel, alles was im
Körper steckt, namentlich Pfeile und zerbrochene Knochen
mit Hülfe von Harz aus. Hohle Geschwüre füllt sie für
<ieh allein, frische Wunden mit Iris in Essig, alte Ge-
schwüre die Verbenaca nnd das Quinquefolium mit Salz
und Honig aus. Die Wurzel der Persolata legt man auch
auf frische mit einem Eisen gemachte Wunden, die Blätter
auf alte, beide mit Fett und mit einem Blatt derselben
Pflanze bedeckt. Das Damasouium wendet man wie beim
Kropf an, die Blätter des Verbascum mit Essig oder Wein;
die Peristereus bei allen Arten von Geschwüren, besonders
Uei verhärteten und fauligen; die Wurzel der heraclischen
Nymphaea, sowie die Wurzel des Cyclamen für sich oder
mit Essig oder Honig bei fiiessenden Geschwüren, letztern
auch gegen Fettbeulen. Ebenfalls bei fliessenden Ge-
schwüren den Hyssop und das Peucedanum; letzteres
äussert ferner auf frische Wunden eine solche Kraft, dass
es die schaumige Unreinheit den Knochen entzieht; dless
erzielt man auch mit den Arten der Anagallis, welche
ferner den nra sich fressenden Geschwüren nnd Flüssen ent-
gegenwirken, frischen Wunden und namentlich dem Körper
alter Leute dienlich sind. Die frischen Blätter der Mandra-
2'ora heilen mit Wachssalbe Aposteme und hässliche Ge-
schwüre, die Wurzel mit Honig und Oel Wunden, Cicuta
mit Siligo und starkem Wein sowie das Aizoon um sich
fressende, krebsartige und faulende Geschwüre, der Erigeron
wurmhaltige Geschwüre, die Wurzel des Astragalus frische
Wunden, die beiden Arten Hypocist alte Geschwüre. Den
Samen des Leontopodium sowie des Pycnocomum legt man
n Wasser zerrieben mit Polenta auf, um Pfeilspitzen aus
'(-m Leibe zu schaffen. Der Saft des Tithymalus Characias
»der auch seine Zweige mit Polenta und Oel gekoclit heilt
382 Sechsundzwanzigstes Bück.
krebsartig'e, fressende und faulige Schäden , die Wurzel der
Orchis dieselben Uebel sowie frisch oder trocken mit Po-
lenta und Oel die sogenannten unheilbaren, die Oenothera
für sich allein die sich erhebenden Geschwüre. Die 8cythen
heilen die Wunden mit dem scythischen Kraute. Für Krebs-
geschwüre ist die Argemonia mit Honig sehr wirksam, für
zu früh zugeheilte Wunden die Wurzel des Asphodelus (wie
angegeben) gekocht, mit Polenta vermischt und aufgelegt,
für alle Wunden die Apollinaris. Die gepulverte Wurzel
des Astragalus wendet man mit Erfolg bei feuchten Ge-
schwüren an, ebenso die in Wasser gekochte Callithrix, die
Verbenaca, Lysimachia und Nymphaea aber trocken einge-
streuet ganz besonders bei solchen, welche durch die Fuss-
bekleidung entstanden sind. Sind diese Art Wunden jedoch
schon alt, so thut die Polythrix bessere Dienste.
Das Polycnemum') gleicht der Cunila bubula, im
Samen dem Polei, ist vielzweigig, vielgeknieet, hat einen
Blüthenbüschel und riecht stark und augenehm. Man
kauet es, legt es auf durch Eisen entstandene Wunden und
nimmt es erst am fünften Tage wieder ab. Das Symphytum
bringt Wunden schnell zur Vernarbung, ebenso die Sideritis,
welche man mit Honig auflegt. Die Samen und Blätter
des Verbascum mit Wein gekocht und zerrieben, die Blätter
der Mandragora mit Polenta und die Wurzel des Cyclaminus
mit Honig ziehen alles, was im Körper steckt, heraus. Die
Blätter der Trixago in Oel, die Alge in Honig abgerieben
werden besonders gegen fressende Geschwüre , die Yettonica
mit Zusatz von Salz gegen Krebsgeschwiire und alte
schwarze Flecken angewandt.
89.
Warzen vertreibt die Argemonia in Essig geweicht,
auch die Wurzel des Batrachium, welche auch die rauhen
Nägel entfernt, ferner die Blätter oder der Saft beider
Arten Linozostis. Alle Arten Tithymalus vertreiben jede
') Zi^.iphoia capitata L.
Sechsundzwanzigstes Buch. 3ba
Art Warzen, alle Fingerübel und Flecken im Gesiebte. Das
Ladanum bewirkt die Vernarbungeu aufs beste. Fuss-
ganger, welche Artemisia und Salbei an sich binden, sollen
nicht müde werden.
90.
Gegen weibliche Krankheiten ist der schwarze
Same der Paeonia in Honigwasser ein allgemeines Medica-
ment. Die Wurzel derselben Pflanze befördert die Men-
struation, der Same des Panax mit Wermuth die Men-
struation und den Schweiss, die Scordotis wirkt innerlich
und äusserlich ebenso. Die Vettonica wird zu einer Drachme
in drei Bechern Wein gegen alle Fehler der Gebärmutter
und diejenigen, welche sich nach der Entbindung einstellen,
eingenommen. Zu reichlichen Monatsfluss beschränkt die
Achillea, wenn man sie auflegt und über einem Absude
sitzen lässt. Auf die Brüste legt man den Samen des
Hyoscyamus in Wein sowie die Chelidonia, auf die Schaam
die Wurzel des erstem als Cataplasma. Um den Abgang
der Nachgeburt und todter Kinder zu befördern, bindet
man die Wurzel des Panax auf; das Kraut selbst reinigt,
in Wein getrunken und mit Honig aufgelegt, die Gebär-
mutter. Die Polemonia treibt, in Wein getrunken, die
Nachgeburt ab, und reinigt, wenn man damit räuchert, die
Gebärmutter. Der Saft des kleinen Centaurium befördert
getrunken und als Bähmittel den Monatsfluss; die Wurzel
des grossen Centaurium mildert auf gleiche Weise die mit
dem Monatsfluss zusammenhängenden Schmerzen in der
Gebärmutter, abgeschabt und aufgelegt aber treibt sie die
todten Kinder ab. Die Plantago legt man bei Gebärmutter-
schmerzen in Wolle gewickelt auf; bei Zusammenschntiruug
dieses Organs nimmt man sie als Trank. Ganz besonders
kräftig ist aber der Dictamnus. Er befördert die Men-
struation, treibt todte oder verkehrt liegende Kinder ab
und äussert in dieser Beziehung eine so starke Wirkung,
dass man ihn nicht in das Schlafzimmer Schwangerer
bringen darf. Man verordnet einen Obolus der Blätter als
Trank, doch hat er auch als Umschlag und Räuchermittel
384 Sechsundzwanzigstes Buch.
seinen Werth. Ihm zunächst an Kräften steht der Pseudo-
dictamnus. Er befördert mit starkem Wein zu einem Denar
schwer gekocht die Menstruation. Die Aristolochia aber
hat einen mehrfachen Nutzen, denn sie befördert, mit Zu-
satz von Myrrhe und Pfeffer getrunken oder wenn man
darüber sitzt, nicht nur die Menstruation, sondern treibt
auch die Nachgeburt und todte Kinder ab; die kleine Art
besonders hindert das Vorfallen der Gebärmutter, wenn
man damit bähet oder räuchert. Das Agaricum hilft, zu
drei Obolen in einem Becher alten Weines getrunken,
gegen Zusammenschnürung der Gebärmutter und unter-
drückte Menstruation; ebenso die Peristereus in frischem
Schweinefett, das Antirrhinum mit Rosenöl und Honig auf-
gelegt. Die Wurzel der thessalischen Nymphaea lindert
aufgelegt die Schmerzen, und beugt, in dunkelm Weine ge-
trunken, den Blutflüssen vor. Letztere hingegen werden
durch innerliche und äusserliche Anwendung der Cyclamen-
wurzel befördert; bei Blasenübeln setzt man sich über einen
Absud derselben. Der Cissanthemus treibt als Trank die
Nachgeburt ab und heilt die Gebärmutter. Auch wird die
Menstruation befördert, wenn man den obern Theil der
Wurzel des Xiphium in Essig einnimmt. Gebärmutter-
krämpfe beseitigt der Rauch von brennendem Peucedanum,
den weissen Fluss treibt vorzüglich das Psyllium zu einer
Drachme in drei Bechern Honigwasser genommen, die
Gebärmutter reinigt ein aus dem Samen der Mandragora
bereiteter Trank. Den Saft dieses Samens wendet man
äusserlich gegen unterdrückte Menstruation und zur Ab-
treibung todter Kinder an; setzt man aber noch Schwefel
hinzu, so mässigt er den zu starken Ausfluss. Gegen-
theils wirkt das Batrachium, welches (wie ich gesagt habe)
im rohen Zustande hitzig ist, als Trank und Speise, in
letztem! Falle mit Zusatz von Salz, Oel und Kümmel,
wiederum förderlich ein. Das Daucum treibt als Getränk
sehr rasch den Mouatstluss und die Nachgeburt ab. Das
Ladanum dient zum Räuchern der Gebärmutter; gegen
Schmerzen und (ieschwüre darin wird es aufo-elee-t. Das
Seclisundzwanzigstes Buch. 385
Scammonium treibt, innerlich und äusserlich angewandt,
todte Kinder ab. Die Menstruation wird durch beide Arten
Hypericum, wenn man sie auflegt, befördert, nocli mehr
aber (nach Hippocrates) durch den Samen und die
Wurzel des Crethmus in Wein; die Rinde dieser Wurzel ent-
fernt auch in Wasser getrunken die Nachgeburt und hebt
die Krämpfe. Die Wurzel des Geranium ist ebenfalls gut
für die Nachgeburt, desgleichen für die Blähungen in der
Gebärmutter. Die Hippuris reinigt, innerlich und äusserlich
angewandt, die Gebärmutter. Ein Trank aus Polygonum,
Althäwurzeln, Plantagoblättern oder Agaricum befördert die
Menstruation. Artemisia zerrieben und mit Lilienöl, Feigen
oder Myrrhe aufgelegt heilt die Gebärmutter; ihre Wurzel
als Trank genommen wirkt sehr reinigend und treibt selbst
todte Kinder ab; um die Menstruation zu befördern und
die Nachgeburt abzutreiben, verordnet man der Kranken,
sich über einen Absud der Zweige zu setzen oder eine
Drachme der Blätter als Trank einzunehmen, oder auch
die Blätter für sich sowie mit Gerstenmehl auf den Unter-
leib zu legen. Acorum, beide Arten Conyza und Crethmus
erweisen sich gleichfalls bei innerlichen Frauenkrankheiten
heilsam. Die beiden Arten der Anthyllis verordnet man
in Wein als Trank mit Erfolg für die Gebärmutter, das
Bauchgrimmen und den Abgang der Nachgeburt. Die
Callithrix heilt in Form von Bähungen die Schaam, ent-
fernt die weissen Schuppen vom Kopfe und färbt, mit Oel
abgerieben, das Haar. Das Geranium trinkt man in weissem,
den Hypocist in rothem Wein gegen Blutflüsse, Der Hyssop
lindert die Mutterbeschwerden. Die Wurzel der Verbenaca
trinkt man aus Wasser mit bestem Erfolg bei allen üebeln
während und nach der Geburt. Dem Peucedanum setzen
Einige noch Cypressensamen hinzu und lassen diese
Mischung mit dunkelm Wein nehmen. Der in Wasser ge-
sottene und bis zum Lauwarmen wieder abgekühlte Same
des Psyllium lindert alle Geschwüre der Gebärmutter. Das
Symphytum befördert, in dunkelm Weine vertheilt, die Men-
struation. Eine Drachme des Saftes der Scordotis in vier
wittstein: Plinius. I\'. Bd. 25
3g() Sechsundzwanzigstes Buch.
Bechern Houigwasser getrunken beschleunigt die Entbindung.
Die Blätter des Dictamnus werden ebenfalls mit Erfolg in
Wasser gegeben und schon ein Obolus davon ist im Stande,
todte Kinder ohne jegliche Beschwerde zur Welt zu bringen.
Aehnlich aber langsamer wirkt der Pseudodictamnus; der
Cyclaminus aufgebunden, der Cissanthemus getrunken, ge-
pulverte Vettonica in Honigwasser.
91.
Das Arsenogonum und Thelygonum i) sind Kräuter
mit Trauben, deren Blüthen Aehnlichkeit mit denen des
Oelbaums, aber eine blassere Farbe und weisse, mohn-
ähnliche Samen haben. Ein aus dem Thelygonum bereiteter
Trank soll bewirken, dass Mädchen empfangen werden,
und das Arsenogonum, welches sich von jenem durch nichts
als den olivenähnlichen Samen unterscheidet, soll (wenn
wirs glauben wollen) auf ähnliche Weise zu Knaben ver-
helfen. Einige geben an, beide Kräuter wären dem Ocimum,
der Same des Arsenogonum aber doppelt und den Hoden
ähnlich.
92.
Krankheiten der weiblichen Brüste werden vorzüglich
durch das Aizoon, welches ich Fingerchen genannt habe,
geheilt. Der Erigeron mit Rosinenwein und das Sonchum
in Getreide gekocht verschafft den Brüsten mehr Milch.
Der sogenannte Mastus vertreibt aufgelegt die nach der
Entbindung auf den Brüsten entstehenden Haare und die
schaligen Absonderungen im Gesichte, verbessert auch,
gleich der Wurzel des Acorum, alle übrigen Hautfehler.
Flecken jeder Art werden durch Auflegen von Gentiana,
heraclischer Nymphaea und Cyclamenwurzel beseitigt. Die
Körner der Cacalia mit flüssigem Wachs vermischt dehnen
die Haut im Gesichte aus und entfernen die Runzeln.
93.
Die Lysimachia macht das Haar gelb, das Hypericum
Coris, die Ophrys, eine zweiblättrige, dem gezähnelteu
') Mercurialis tonientosa?
Sechsundzwanzigstes Buch. 387
Kohle ähnliche PHauze, und die in Oel gekochte Polemonia
dasselbe schwarz. Ich führe zwar die Haarmittel bei den
Arzneien des weiblichen Geschlechts an, muss aber dazu
bf^nierken, dass sie auch schon bei den Männern Eingang
gefunden haben. Für die in dieser Beziehung kräftigste
Ptianze hält man die Archezostis, dann den Saft des Tithy-
malus, welchen man in der Sonne mit Oel fleissig einreibt
und wobei man die alten Haare ausrupft. Mit dem Hyssop
in Oel heilt man die Räude der vierfüssigen Thiere, mit
der Sideritis die Bräune der Schweine.
Wir gehen nun zu den übrigen Arten der Kräuter über.
Siebennndzwanzigstes Buch.
Von den übrigen Kräutern und ihrer arzneilichen Anwendung.
1.
Wahrlich, je weiter ich iu meiner Arbeit fortschreite,
desto mehr fühle ich mich von Bewunderung des Alter-
thums durchdrungen, und je grösser die Zahl der noch zu
besprechenden Kräuter ist, um so mehrmuss ich über die S org-
falt der Alten bei gemachten Entdeckungen und über
ihre gütigen Mittheilungen staunen. Wären die Entdeckungen
menschliches Werk, so könnte kein Zweifel darüber ob-
w^alten, dass auf diese Weise die Freigebigkeit der Natur
selbst übertroften worden sei; nun ist es aber klar, dass
sie den Göttern augehören oder doch wenigstens göttlich
sind (wenn auch der Mensch deren machte), dass jene
Mutter aller Dinge diess alles erschaffen und gezeigt hat,
und wir müssen bekennen, dass das Leben keine wunder-
barere Erscheinung darbietet. Man führt — Dank der un-
endlichen Macht des römischen Friedens — zum Heile der
Menschheit das scythische Kraut von den mäotischen
Sümpfen herbei, die Euphorbia vom Berge Atlas und jen-
seits der Säulen des Herkules, und da hier die Erde ihre
Grenzen hat, andererseits das britannische Kraut von den
über den Continent hinaus liegenden Inseln des Oceans,
die Aethiopis von den durch die Gestirne ausgebrannten
Ländern, noch andere aus andern Gegenden des Erdkreises;
wir sehen wechselseitig nicht bloss Menschen aus ver-
schiedenen Ländern und Völkern, sondern auch Berge und
Wolken übersteigende Gipfel, ihre Erzeugnisse und Kräuter.
Möge uns dieses göttliche Geschenk (des Friedens) ewig
Siebennndzwanzigstes Buch. 589
erhalten bleiben; denn in der That scheint es, als ob die
Römer der menschliehen Gesellschaft ein zweites Leben
gegeben haben.
2.
Kann man wohl den Fleiss und die Sorgfalt der Alten
gebührend würdigen, wenn man bedenkt, dass das Aco-
nitum i) das schnelltödtendste aller Gifte ist, und dass
dasselbe alle weiblichen Thiere umbringt , wenn man auch
nur deren Geschlechtstheile damit berührt? Diess war das
Gift, womit, laut der Anklage des M. Caecilius, Cal-
purnius Bastias seine Frauen im Schlafe umgebracht
hatte, und darauf deutete der sarkastische Schluss der
Rede des erstem, sie wären an ihres Gatten Finger ge-
storben. Die Fabel erzählt, das Aconitum sei aus dem
Geifer des Hundes Cerberus, den Hercules aus der Unter-
welt holte, entstanden, und wachse daher in der Nähe des
pontischen Heraclea, wo der Eingang zur Unterwelt ge-
zeigt wird. Doch auch dieses Gift wussten die Alten für
den Menschen nutzbar zu machen, indem sie durch Ver-
suche fanden, dass es in warmem Wein eingegeben die von
Scorpionen Gestochenen wieder herstellt. Es tödtet nämlich
nur dann den Menschen, wenn es in ihm nichts tindet,
worauf es seine vertilgende Kraft zunächst richten kann;
trifft es aber darin gleichsam einen ihm ähnlichen Feind,
so lässt es sich nur mit diesem in den Kampf ein, und
sonderbar! während beide Gifte an sich tödtlich sind, ver-
nichten sie sich in dem Menschen gegenseitig und er allein
bleibt lebend übrig. Die Alten haben sogar Hülfsmittel für
wilde Thiere angegeben und gelehrt, wie man selbst giftige
Geschöpfe heilen könne. Die Scorpione gerathen, wenn
man sie mit Aconitum berührt, in Erstarrung, erbleichen
und bekennen sich für besiegt; nähert man ihnen dann den
weissen Elleborus, so werden sie wieder munter, das Aco-
') Ohne Zweilei unser Aconitum Napellus L. oder verwandte
Species derselben Gattung, wie A. Oamraaruui, A. tauricum etc.
390 Siebenundzwanzigstes Buch.
nitiim weicht also zwei Giften, einem besondein*) und einem
allgemeinem. 2) Wer aber annimmt, dass diess alles von
einem Menschen ausgemittelt worden sei, der erweist sich
undankbar gegen die Geschenke der Götter. Mau be-
streicht Fleisch mit Aconitum und tödtet damit die davon
fressenden Panther (daher es Einige auch P9,rdalianches
genannt haben); würde man diess unterlassen, so nähmen
jene Thiere in manchen Ländern zu sehr überhand. Allein
man weiss auch, dass die Panther durch Fressen von
menschlichen Excrementen sich selbst wieder kuriren, und
wer möchte zweifeln, dass der Zufall ihnen diess Mittel an
die Hand gegeben habe? Wie oft kann sich nicht jetzt
noch Neues der Art ereignen, da die wilden Thiere nicht
fähig sind, über Art und Gebrauch einander Mittheilung zu
machen? Dieser Zufall also, welcher das Meiste im Lebeft
erfunden hat, ist die Gottheit; dieser Name bezeichnet zu-
gleich die Natur, d. h. die Mutter und Lehrerin aller Dinge,
und beide Ansichten bleiben sich gleich, mögen wir nun
annehmen, die wilden Thiere machen täglich dergleichen
Entdeckungen oder sie wissen bereits darum. Es ist nur
eine Schande, dass alle Thiere, nicht aber die Menschen,
wissen, was ihnen heilsam ist.
Unsere Vorfahren haben übrigens auch angegeben, das
Aconitum sei ein gutes Augenmittel , und dadurch bewiesen,
dass es kein Uebel gäbe, das nicht sein Gutes mit sich
führe. Mir liegt es daher und weil ich^) noch nicht von
Giften gehandelt habe, ob zu zeigen, wie das Aconitum
beschaffen sei, damit man es kennen lernt. Es hat nicht
mehr als vier, von der Wurzel an rauhe, dem Cyclameu
oder Cucumis ähnliche Blätter, eine massige, dem See-
Cammarum ähnliche Wurzel (weshalb es Einige auch
Gamma r um. Andere aus dem oben erwähnten Grunde
Thelyphonum nennen), die wie ein Scorpionschwanz ge-
krümmt ist und zu dem Namen Scorpium Anlass gab.
') dem de3 Elleborus albus. -) dem dcsi Scorpion.
•■') in diesem Ruche.
Siebenundzwanzigstes( Buch. 391
Auch Myoctonum wurde es genannt, weil es schon ver-
möge seines Geruchs die Mäuse tödtet. Es wächst auf
nackten Felsen, die man unbestaubte ^ nennt, und weil es
durch nichts in seiner Nähe, nicht einmal durch Staub er-
nährt wird, soll es den Namen Aconitum bekommen
haben. Andere geben als Grund dieses Namens an, weil
es dieselbe vernichtende Kraft besässe, wie sie der Kiesel-
stein-) auf die Schneide 3) des Eisens ausübt, denn beider
Wirkung werde gleich bei der ersten Berührung empfunden.
3/
Die Aethiopis^) hat dem Phlomus ähnliche, grosse,
zahlreiche und von der Wurzel an rauhe Blätter, einen
vierkantigen, rauhen, dem Arctium ähnlichen, durch viele
flügelartige Vorsprünge rinnenartigen Stengel, zu zweien
beisammenstehende, weisse der Erve ähnliche Samen, zahl-
reiche, lange markige, weiche und klebrig schmeckende
Wurzeln, welche beim Trocknen schwarz, hart und horn-
artig werden. Ausser in Aethiopien findet sie sich aucii
auf dem Berge Ida bei Troja und in Messenien. Man
sammelt sie im Herbste, und trocknet sie, um das
Schimmeln zu verhüten, in der Sonne. Sie heilt in weissem
Wein eingenommen die Gebärmutter, und als Absud ge-
reicht: Hüftweh, Seitenstechen und Rauhigkeit im Halse.
Am besten ist die in Aethiopien vorkommende, denn sie
hilft sogleich.
4.
Das Ageratum'*) ist ein gertenartiges Gewächs, zwei
Hände hoch, dem Origanum ähnlich und trägt goldgelbe
Blumenbtischel. Durch Räuchern damit oder besser, wenn
man darüber sitzt, wird das Harnen befördert und die Ge-
bärmutter gereinigt. Seinen Namen hat es davon, weil es
nicht leicht welk wird.
•) aconae. "-) cos, cotes. ^) acies.
^) Salvia Aethiopis L. S. auch XXVF. B. !). Cap.
■'') Hypericum origanifolium W.
392 Siebenundzwanzigstes Buch.
5.
Die Aloe^) gleicht der Scilla, ist aber grösser, die
Blätter sind fleischiger und schief gestreift, der Stengel
zart, in der Mitte röthlich, dem Anthericum ähnlich, die
Wurzel einfach, wie ein Pfahl in die Erde getrieben, von
unangenehmem Geruch und bitterm Geschmack. Die beste
kommt aus Indien; doch findet sie sich auch in Asien, diese
wird aber, wegen des klebenden Saftes der frischen Blätter,
nur bei Wunden angewendet. Man pflanzt sie daher, wie
das grosse Aizoon, auf die Spunde der Fässer. Einige
schneiden den Stengel vor der Samenreife, Andere die
Blätter an, um den Saft zu gewinnen. Man findet auch
wohl den Saft von selbst ausgeflossen in Form von Thränen
anhängen, und räth daher, den Boden um die Pflanze herum
fest zu stampfen, damit der Saft nicht hineindringe. Eiuige
haben angegeben, der Saft der in Judaea jenseit Jerusalem
vorkommenden Aloe sei metallischer Natur, allein er ist
unter allen Sorten am unreinsten, schwärzesten und feuch-
testen. Die beste Sorte ist fett, glänzend, röthlich, zer-
brechlich, wie eine Leber zusammengebacken, und leicht
schmelzbar. Die schlechten Sorten erkennt man an der
schwarzen Farbe, Härte und am Geschmacke. Die Ver-
fälschung geschieht mit Gummi. Die Aloe hat die Eigen-
schaft zu verdicken, zu verdichten und gelinde zu er-
wärmen, wird in vielen Fällen angewandt, namentlich aber
zum Abführen, und ist in dieser Beziehung fast das einzige
Medicament, welches, geschweige dem Magen gefährlich zu
werden, ihn im Gegentheil gleichzeitig stärkt. Man nimmt
davon gewöhnlich eine Drachme, bei Magensch wache aber
einen Löffel voll in zwei Bechern lauen oder kalten Wassers
je nach den Umständen zwei- bis dreimal täglich, zum
Zweck des Abführens höchstens drei Drachmen, und isst
zweckmässig sogleich hinterher etwas. Um das Ausfallen
der Haare zu verhindern, reibt man den Kopf mit einer
•) Aloe perfoliaia L. und andere Arten.
Siebenundzwanzigstes Buch. 393
Mischung von Aloe und herbem Wein an der Sonne ein.
Mit Essig und Rosenöl auf die Stirne gelegt und im ver-
dünnteren Zustande als Aufguss heilt sie Kopfweh. Ferner
heilt sie alle Augeniibel, Jucken und Grind an den Wangen,
blaue und andere Flecken, mit pontischem Honig aufgelegt;
geschwollene Mandeln, das Zahnfleisch und alle Mundge-
schwttre; massiges Blutspeien zu einer Drachme in Wasser,
stärkeres zu einer Drachme in Essig getrunken. Für sich
oder mit Essig stillt sie das Blut, es mag aus Wunden oder
anders woher fiiessen; erweist sich auch sonst heilsam bei
Wunden und befördert die Vernarbung. Man applicirt sie
auf geschworene männliche Geschlechtstheile, Geschwüre
und Risse am After, theils in Wein, theils in Rosinenweiu
gelöst, theils für sich im trocknen Zustande, wie es gerade
die Umstände erfordern. Auch stillt sie sanft den zu
starken Fluss der Hämorrhoiden. Gegen Dysenterie giebt
man ein Klystier davon; bei schwieriger Verdauung trinkt
man davon einige Zeit nach dem Mahle und bei Gelbsucht
drei Obolen schwer mit Wasser. Aus Aloe mit gekochtem
Honig oder Terpenthinharz bereitete Pillen werden als
innerliches Reinigungsmittel angewandt. Geschwüre an den
Fingern heilt die Aloe ebenfalls. Als Zusatz zu Augen-
mitteln wird sie zuvor gewaschen , damit sich die sandigsten
Theile zu Boden setzen, oder in einer irdenen Schale er-
hitzt und mit einer Feder zuweilen umgerührt, damit das
Rösten gleichförmig erfolgt.
6.
Die Alcea ^) hat Blätter wie die Verbenaca Aristerea,
drei bis vier starkbelaubte Stengel, rosenähnliche Blumen,
meist sechs weisse, ellenlange, schräge Wurzeln und wächst
in fettem, nicht trocknem Erdreich. Man wendet die Wurzel
mit Wein oder Wasser bei Dysenterie, Durchfall, Zer-
reissung und Verschiebung innerer Organe an.
7.
Das Alypum'^) ist ein der Bete nicht unähnlicher.
*) Malope malacoides L. -) Globularia Alypum L.
394 Siebenund^iwanzigstes Buch.
kleiner Stengel mit weichem Kopfe, schmeckt scharf und
beissend, führt ab, wenn man es mit Zusatz von etwas
Salz in Honigwasser einnimmt. Giebt man es mit Hühner-
brühe, so beträgt die kleinste Dosis zwei, die mittlere vier,
die höchste sechs Drachmen.
8.
Die Alsine^) oder Myosotus wächst in Hainen 2),
daher der erstere Name, fängt mitten im Winter an zu
wachsen und vertrocknet in der Mitte des Sommers wieder;
die Blätter sehen während ihrer Entwicklung wie Mäuse-
ohren aus. Ich werde aber noch eine andere Pflanze be-
schreiben, welche den Namen Mauseohr 3) mit mehr Recht
verdient. Die Alsine stimmt mit der Helxine überein,
nur ist sie kleiner und weniger raub, wächst in Gärten und
besonders au deren Umzäunungen, riecht beim Zerreiben
wie Gurken, dient gegen Saftanhäufungen, Entzündungen
und alle diejenigen üebel, gegen welche man die Helxine
verwendet, doch ist sie nicht so wirksam. Noch besonders
legt man sie auf Augengeschwüre, mit Gerstenmehl auf die
Schaamtheile und andere Geschwüre , und ihren Saft tröpfelt
man in die Ohren.
9.
Die Androsace ist ein weisses, bitteres, blattloses
Kraut mit an den kahlen Zweigen sitzenden, samenein-
schliessenden Bälgen, wächst namentlich an der Küste von
Syrien, wird gegen Wassersucht zu zwei Drachmen ge-
stossen oder in Wasser, Essig oder Wein gekocht gegeben,
wirkt auch stark harntreibend, innerlich und äusserlich
gegen Podagra. Der Same besitzt dieselben Kräfte.
10.
Das Androsaemum ^) oder Ascyrum^) ist dem
schon erwähnten Hypericum nicht unähnlich, hat aber
') Parietaria cretica L.
2) luci, griechisch äXaoq.
3) Myosotis im 80. Cap.
'') Hypericum perfoliatum L. ^) Hypericum perforatum L,
ISiebenundzwanzigstes Buch. 395
grössere, dichter stehende und mehr ins Rothe fallende
Stengel, weisse rautenähnliche Blätter, schwarze mohnähn-
liche Samen, einen Blüthenschopf, welcher einen blutrothen
Saft enthält, riecht harzig, wächst in Weingärten, wird
etwa um die Mitte des Herbstes ausgegraben und zum
Trocknen aufgehängt. Zur Reinigung des Unterleibes stösst
man es nebst dem Samen und nimmt dann früh Morgens
oder nach der Mahlzeit zwei Drachmen in Houigwasser,
Wein oder reinem Wasser, dergestalt, dass der ganze Trank
einen Sextar beträgt. Es entfernt die kranke Galle, leistet
aber besonders bei Hüftweh heilsame Dienste; man muss
jedoch den Tag darauf einen Denar Kapperwurzel mit Harz
vermischt verschlucken, nach vier Tageu dasselbe wieder-
holen , und nach erfolgter Entleerung müsseu die kräftigern
Personen Wein, die scbwächlicbern Wasser trinken. Man
legt es gegen Podagra auf, auch wegen seiner blutstillenden
Eigenschaften auf Brandschäden und andere Wunden.
11.
. Der Name Ambrosia ist verschiedenen Kräutern bei-
gelegt worden, daher in dieser Beziehung ein vager. Ein
damit bezeichnetes Kraut') bildet einen dichten, ästigen,
dünnen, fast drei Hände hohen Stengel, hat eine Hand lange
Wurzel, rautenähnliche, unten um den Stengel stehende
Blätter, von den Zweigen herabhängende Trauben in denen
weinartig schmeckende Samen stecken und worauf sich der
von Einigen beliebte Name Botrys bezieht, während
wiederum Andere die Pflanze Artemisia nennen. Die
Cappadocicr gebrauchen sie zu Kränzen. Die medicinische
Anwendung erstreckt sieh auf die Fälle, wo Vertheilung
indicirt ist.
12.
Die Anonis oder Ononis"^) ist ästig, dem Foeuuui
graecum ähnlich, doch staueliger und rauher, riecht ange-
nehm , und hat nach dem Frühjahre Dornen. Sie wird auch
') Ambrosia maritima L.? S. auch 28., 29. und 61. Cap.
■') Ononis antiquovum L.
396 Siebenundzwanzigstes Buch.
in Salzwasser eingemacht verspeist; frisch aber beizt sie
die Ränder der Geschwüre rein. Gegen Zahnweh kocht
man die Wurzel in saurem Diinnwein; zur Abtreibung der
Blasensteine mit Honig und gegen Epilepsie mit Sauerhonig
zur Hälfte.
13.
Die Anagyrus oder Acopus^) ist staudig, hat einen
unangenehmen Geruch, kohlähnliche Blumen, ziemlich lange
hornähnliche Hülsen und nierenförmige, zur Zeit der Ernte
reif werdende Samen. Die Blätter legt man auf Saftan-
häufungen, bindet sie den schwer Gebärenden an, doch
muss mau sie gleich nach der Entbindung wieder abnehmen.
Wenn die todte Leibesfrucht oder auch die Nachgeburt
nicht abgehen will, giebt man eine Drachme der Blätter
in Rosinenwein. Mau reicht dieselben auch Engbrüstigen
und wider die Bisse der Erdspinnen in altem Wein. Die
Wurzel vertheilt und befördert die Verdauung. Der Same
erregt beim Kauen Brechen.
14.
Es giebt auch ein Kraut, welches bei seiner Ent-
deckung keinen Namen bekommen hat, kommt aus
Scythien, und soll nach dem Ausspruche des rühmlich be-
kannten Arztes Hicesius, ferner des Aristogiton -) ein
gutes Wundmittel sein, wenn man es mit Wasser zer-
quetscht auflegt, aber als Trank genommen bei Erschütte-
rungen der Brüste und des Zwerchfells, bei Blutspeien wohl-
thätig wirken. Ferner glaubt man, dass es Verwundeten
auch innerlich mit Nutzen zu geben sei. Dass es im frischen
Zustande verbrannt die Kraft besitze, Eisen oder Kupfer
zusammen zu löthen, wie man angiebt, halte ich für eine
Fabel.
15.
Die Aparine^), welche man auch Omphacocarpus
') Anagyiis foetida L.
^) Vielleicht der Satyrenschreiber und Redner, zur Zeit des
Demosthenes zu Athen. '•>) Galium Aparine L.
Siebenundzwanzigstes Buch. 397
oder Philanthropus nennt, ästig, rauh, hat in Zwischen-
räumen fünf bis sechs rund um die Zweige stehende Blätter,
runde, hohle, harte, süsslich schmeckende Samen, wächst
in Kornfeldern, Gärten, Wiesen und hängt sich gern an die
Kleider. Man nimmt den Samen zu einer Drachme in
Wein gegen Schlangen und Spinnen. Die Blätter legt man
auf Wunden, um das Blut zu stillen, den Saft tröpfelt man
in die Ohren.
16.
Das Arctium') oder Arcturum hat Blätter, welche
denen des Verbascum ähnlich, aber rauher sind, einen hohen
weichen Stengel, cuminumähnliche Samen, eine zarte, weisse,
süsse Wurzel und kommt auf steinigem Boden vor. Ein
weiniger Absud davon wird gegen Zahnweh im Munde ge-
halten; innerlich dient es gegen Hüftweh und Harnstrenge;
in Wein geweicht legt mau es auf Brandstellen und Frost-
beulen, und zu demselben Zwecke macht man auch Bähungen
aus der Wurzel und dem Samen mit Wein.
17.
Das Asplenum oder Hemionium'^) hat zahlreiche,
1(3 Fuss lange Blätter, eine weiche, höhlige, farnkraut-
ähnliche, weisse, rauhe Wurzel, weder Stengel, noch Blumen,
noch Samen, wächst zwischen Steinen und an feuchten,
schattigen Mauern und ist in Greta am kräftigsten. Wer
einen Absud der Blätter in Essig vierzig Tage lang ge-
braucht, soll die Milz verlieren; man legt sie auch auf um
den Schlucken zu vertreiben. Weiblichen Personen darf
mau es nicht geben, denn es macht unfruchtbar.
18.
Die Asclepias-*) hat epbeuähnliche Blätter, lange
Zweige, zahlreiche, dünne wohlriechende Wurzeln, widrig
riechende Blumen, Samen wie die Securidaca und findet
sich auf Bergen. Die Wurzeln wendet man innerlich und
äusserlich gegen Bauchgrimmen und Schlangenbisse an.
♦) Verbascum liinnense Fraas.
-) Asplenium Ceterach L.
') Asclepias Dioscoridis Fraas.
398 Siebenundzwanzigstes Buch.
19.
Der Aster 1) heisst auch Bubouium, weil er ein gutes
Mittel für die Schaamtheile ist, hat einen kleinen Stengel,
zwei bis drei längliche Blätter, an der Spitze strahlig wie
ein Stern gestellte Köpfchen und wird gleichfalls^ gegen die
Schlangen verordnet. Gegen Fehler der Schaamtheile soll
man ihn mit der linken Hand abbrechen und neben den
Gürtel binden. Hilft auch aufgebunden bei Hüftweh.
20.
Das Ascyrum und Ascyroides^) sind unter sich und
dem Hypericum ähnlich, das Ascyroides hat aber längere,
gertenartige, durchaus rothe Zweige, kleine gelbe Blüthen-
köpfe, kleine, schwarze, harzreiche Samen. Wenn man die
Blattbüschel zerreibt, geben sie einen blutrothen Saft von
sich, daher Einige die Pflanze auch Androsaemum ge-
nannt haben. Bei Hüftweh verordnet man zwei Drachmen
des Samens mit einem Sextar Honigwasser; er wirkt auch
eröffnend, treibt die Galle ab und wird auf Brandwunden
gelegt.
21. •
Die Aphaca^) hat sehr kleine Blätter, ist etwas
grösser als die Lenticula, trägt grössere Hülsen, in denen
drei bis vier Samen, schwärzer und weicher als die der
Lenticula, sitzen, und wächst auf Feldern. Sie verdichtet
besser als die Linse, wirkt aber übrigens ganz ebenso.
Der gekochte Same stillt den Durchfall.
22.
Was das Alcibium *) für eine Pflanze ist, finde ich bei
keinem Schriftsteller näher angegeben; Wurzel und Blätter
werden aber innerlich und äusserlich gegen Schlangenbisse
empfohlen, und zwar soll man von den Blättern eine Hand
voll mit drei Bechern starken Weins, von der Wurzel drei
Drachmen mit ebenso viel gewöhnlichen Weins abreiben.
') Aster Amellus L.
2) S. 10. Cap. 3) Vicia Cracca L.
* Alcibiafliuin? Letzteres ist Echiuiii rubniiu .Tacq.
Siebenundzwanzigstes Buch. 39t^
23.
Der Alectorolophus 1), bei uns Crista genannt, hat
zahlreiche, einem Hahnenkamm ähnliche Blätter, einen
dünnen Stengel, schwarze in Schoten steckende Samen, und
wird gegen Husten und trübe Augen mit grob zerkleinerten
Bohnen gekocht und mit Honig versetzt verordnet. Den
ganzen Samen schiebt man ins Auge, um dessen trübe
Theile anzuziehen; er verändert dabei seine Farbe, wird
weisslicb, schwillt an und fällt von selbst heraus.
24.
Die bei uns Alum, bei den Griechen Symphytum
petraeum^) genannte Pflanze ähnelt der Cunila bubiila,
hat kleine Blätter, drei bis vier gleich bei der Wurzel aus-
schiessende Zweige, oben Aehnlichkeit mit dem Thymian,
eine lange röthliche Wurzel, riecht angenehm, schmeckt
süss, zieht den Speichel an und wächst auf Felsen (daher
sein Beiname petraeum). Es ist ein gutes Mittel für
Seiteuweh, Nieren, Bauchgrimmen, Brust, Lunge, Blutaus-
wurf und rauhen Hals. Man verordnet die Wurzel in Wein
gekocht innerlich, bereitet aber auch Umschläge davon.
Gekaut stillt sie den Durst und kühlt die Lunge ab. Auf-
gelegt heilt sie Verrenkungen, Contusionen und dergleichen.
Man kocht sie in Asche, zieht die Schale ab, setzt neun
Pfefferkörner hinzu, und lässt diess mit Wasser gegen Durch-
fall nehmen. Diese Pflanze zeigt solche wundenheilende
Kräfte, dass, wenn man sie zu kochendem Fleische setzt,
dasselbe zusammenbackt, und diess ist auch der Grund
ihres griechischen Namens. Sie heilt auch Knochenbrüche.
25.
Die rothe Alge heilt die Stiche der Scorpione.
26.
Die Actaea^) hat übelriechende Blätter, rauhe knotige
Stengel, schwarze Samen, weiche Beeren wie der Epheu,
') Alectorolophus alpinus Baurag.
^) Symphytum Brochum Bory. Im XIX. B. 34. Cap. kommt auch
ein Alum vor, das aber zu AUium gehört. ^) .\ctaea spicata L.
400 Siebenundzwanzigstes Buch.
Wächst an schattigen, wüsten und nassen Plätzen und wird
zu einem Acetabulum voll bei innerlichen weiblichen Krank-
heiten gegeben.
27.
Wilder Weinstock heisst eine schon bei den Saaten
erwähnte Pflanze 0 niit harten aschgrauen Blättern, langen,
dichten, röthlichen Ranken, ähnlichen Blumen wie die bei
den Violen genannte Jovis flamma^), und Samen, welche
in Beeren sitzen und denen des Granatapfels ähnlich sind.
Die Wurzel siedet man in drei Bechern Wasser, setzt, zwei
Becher coischen Wein hinzu und giebt diese Arznei den
Wassersüchtigen als gelindes Abführmittel. Sie hilft auch
gegen Gebrechen der weiblichen Schaam und Gesichtshaut.
Gegen Hüftweh legt man die sammt den Blättern zer-
quetschte Pflanze auf.
28.
Vom Absinthium giebt es mehrere Arten, die san-
tonische^) hat ihren Namen von einer Stadt in Gallien;
die pontische^) vom Pontus, wo das Rindvieh durch seinen
Genuss fett und daher ohne Galle gefunden wird, ist die
beste und im Innern süss, die italienische aber weit
bitterer. 5) Ich muss von dieser Pflanze, welche so leicht
herbeizuschaffen, so ausserordentlich nützlich und durch
ihren Gebrauch bei den Opfern des römischen Volks so
berühmt geworden ist, etwas ausführlicher reden. Bei den
lateinischen Festlichkeiten ß) fahren nämlich vierspännige
Wagen im Wettlauf zum Capitol und der Sieger bekommt
einen Absinthium-Trank; die Alten urtheilten dabei, wie mich
dünkt, würdig, als sie ein solches Symbol der Gesundheit
zum Lohne festsetzten. Es stärkt den Magen, wird daher
auch, wie bereits angegeben, mit Wein angesetzt. Man
') S. XXIII. B. 13. Cap. -) S. XXI. B. 38. Cap.
3) Artemisia judaica L.?
*) Artemisia pontica L. ^) Artemisia Absinthium L.
^) Ein Fest, welches im Frühjahr von den lateinischen Städten
dem Jupiter Latiaris m Ehren vier Tage lang gehalten wurde.
Siebenundzwanzigstes Buch. 401
kocht sechs Drachmen der Blätter mit den Zweigen in drei
Sextaven Regen wasser, lässt den Absud eine Nacht und
einen Tag lang unter freiem Himmel abkühlen, setzt etwas
Salz hinzu und trinkt ihn dann; diess ist die älteste An-
wendungsweise. Man bereitet auch einen schwächern Trank
auf die Weise, dass man drei Tage lang in Wasser (welche
Menge auch davon genommen werde) und bedeckt mace-
riren lässt. Im zerriebenen Zustande sowie als ausge-
pressten Saft verordnet man es selten. Um den Saft zu
bekommen, lässt man es so lange in Wasser liegen, bis
der Same aufgequollen ist, frisches drei, getrocknetes sieben
Tage lang; dann kocht man 10 Heminä in 45 Sextaren
Wasser in einem kupfernen Kessel zum dritten Theile ein,
seihet durch und dickt weiter bis zur Consisteuz des Honigs
ein, gerade so wie man aus dem kleinen Centaurium den
Saft bereitet. Aber dieses Extrakt des Absinthium be-
kommt dem Magen und Kopfe nicht gut, während obiger
Absud sehr beilsam ist, denn er zieht den Magen zusammen,
entfernt die Galle, treibt den Harn, macht weichen Stuhl-
gang und entfernt die Schmerzen im Unterleibe, führt die
Würmer ab, zertheilt mit Zusatz von Sil, gallischer Narde
und etwas Essig die Blähungen im Magen, benimmt die
Appetitlosigkeit und befördert die Verdauung, fübrt mit
Raute, PfeflFer und Salz die unverdaueten Stoffe weg. Die
Alten gaben zum Abführen sechs Drachmen des Samens
mit drei Drachmen Salz und einem Becher Honig in einem
Sextar alten Seewassers; noch kräftiger wirkt diess Mittel,
wenn man die Quantität des Salzes verdoppelt, doch ist es
jedenfalls nothwendig, dass alles längere Zeit gerieben
w^erde. Einige haben auch die obigen Gewichtsmengen in
Polenta mit Zusatz von Polei, Andere den Kindern in einer
trocknen Feige (damit es ihnen nicht so bitter schmeckt)
verordnet. Mit der Iris genommen reinigt es die Brust.
Gegen Gelbsucht wird es roh mit Apium und Adiautum
gegeben. Gegen Blähungen trinkt man einen warmen Auf-
guss, bei Leberleiden mit gallischer Narde, bei Milzleiden
mit Essig, einem Breie oder einer Feige. Gegen Pilze und
WittBtein: Plinius. IV. Bd. 26
402 Siebenundzwanzigstes Buch.
Viscum wendet mau es in Essig, gegen die Cicuta, die
Bisse der Spitzmäuse, Seedrachen und Scorpionstiche in
Wein an. Es trägt viel zur Klarheit der Augen bei. Mit
Kosinenwein legt man es auf Augengeschwüre, mit Honig auf
blaue Flecke. Der von dem Absude des Absinthium aufstei-
gende Dampf heilt die Ohren; wenn sie eiterartig rinnen, reibt
man es mit Honig ab. Drei oder vier Zweige nebst einer
Wurzel der gallischen Narde in sechs Bechern Wasser ge-
nommen befördern das Harnen und die Menstruation; der
letztere Zweck wird noch besonders erreicht, wenn mau
das Absinthium mit Honig nimmt und in Wolle auflegt.
Gegen die Bräune dient es mit Honig und Natron. Hitz-
blattern heilt es in Wasser eingeweicht, auch frische
Wunden, bevor dieselben mit Wasser in Berührung ge-
kommen sind, ferner Kopfgeschwüre. Auf die Weichen legt
man es mit cyprischem Wachs oder mit Feigen. Das
Jucken wird ebenfalls dadurch vertrieben. Bei Fiebern ist
seine Anwendung nicht rathsam. Auf Seereisen als Trank
gebraucht, bewahrt es vor der Schiffskrankheit. Trägt man
es im Bauchgürtel, so vergeben die Geschwulste an den
Schaamtheilen. Riecht man daran oder legt man es Je-
mandem ohne sein Wissen unter den Kopf, so erfolgt Schlaf.
Zwischen die Kleider zerstreuet vertreibt es die Motten.
Wer sich mit Oel, worin Absinthium eingeweicht ist, ein-
reibt oder wer damit räuchert, bleibt von den Mücken be-
freiet. Schreibtinte, die man mit einem Aufguss von Ab-
sinthium versetzt hat, schützt die Schriften vor den Mäusen.
Eine aus der Asche der Pflanze mit Fett und Rosenöl be-
reitete Salbe färbt das Haar schwarz.
29.
Es giebt auch ein Meer- Absinthium ^), welches Einige
Seriphium nennen und das am wirksamsten zu Taposiris
in Aegypten vorkommt. Die Priester der Isis halten es für
feierlich, einen Zweig davon vor sich her zu tragen. Es
') Arteiiiisia luaiitiiua L.
Siebenundzwauzigstes Buch. 4(j3
ißt schlanker als die vorige Art, nicht so bitter, bekommt
dem Magen nicht gut, macht Oeffnung und treibt die
Würmer aus. Mau verordnet es als Trank mit Oel und
Salz oder mit einer aus dreimonatlichem ^) Mehle bereiteten
Brühe. Zu einem Sextar Wasser nimmt man eine Handvoll
(les Krautes und kocht zur Hälfte ein.
3ü.
Die Ballota'^) oder, wie die Griechen diese Pflanze
nennen, das schwarze Porrum ist staudig, hat schwarze
kantige Stengel, rauhe Blätter, welche grösser und dunkler
als beim Porrum sind und stark riechen. Die Blätter werden
mit Salz zerrieben auf tolle Hundsbisse, ferner in Asche
gekocht nnd in ein Kohlblatt geschlagen auf Aftergeschwüre,
mit Honig auf unreine Geschwüre gelegt.
31.
Die Botrys^) ist staudig, hat hellgelbe Zw^eige,
cichorienähnliche Blätter, zahlreiche Samen, findet sich an
den Ufern von Giesbächen und wird gegen Engbrüstigkeit
angewandt. Die Cappadocier nennen es Ambrosia, Andere:
Artemisia.
32.
Die Brabyla besitzt die Kraft zu verdicken wie die
Quitte; diess ist alles, was ich von ihr angegeben finde.
33.
Das Bryum marinum^) ist unstreitig eine krautartige
Pflanze, hat lattichähnliche, aus der Wurzel entspringende
Blätter, ein runzliges gleichsam zusammengezogenes Ansehn,
keinen Stengel und wächst in der Regel auf Klippen und
in der Erde steckenden Scherben. Es wirkt besonders
trocknend und verdickend, verhütet alle Arten von Saftan-
sammlungen und Entzündungen, heilt das Podagra und
alles was Kühlung bedarf.
') d, h. was innerhalb drei Monaten reif geworden ist.
*) Ballota nigra L.
3) Chenopodium Botrys L.
'') Ulva Lactuca L.
•26*
404 Siebenund zwanzigstes Buch.
U.
Der Same des Bupleurum wird, wie ich finde, gegen
Schlangenbisse und das Kraut mit Zusatz von Maulbeer-
oder Origanum-Blättern gekocht zu Bähungen von Wunden
empfohlen.
35.
Was die thessalische Catanance für eine Pflanze ist,
halte ich für überflüssig näher auseinander zu setzen, da
sie nur zu Liebestränkeu angewendet wird. Ich führe die-
selbe nur an, um die Thorbeiten der Magier aufzudecken,
denn man nahm sie für den genannten Zweck deshalb in
Gebrauch, weil sie sich beim Vertrocknen ähnlich wie die
Krallen eines getödteten Geiers zusammenziehen soll. Aus
demselben Grunde übergehe ich auch die Pflanze Cemus.
36.
Die Calyx hat zwei Arten; die eine ist dem Arum
ähnlich, wächst auf gepflügten Feldern, wird vor dem Trocken-
werden gesammelt und wie das Arum angewandt. Auch
verordnet man die Wurzel zum Abführen und bei Menstrual-
Verhalten; Stengel und Blätter heilen mit Hülsenfrüchten
gekocht, den Stuhlgang.
37.
Die andere Calyx, auch Anchusa^) oder Onoclea
genannt, hat federige, die des Lattichs an Länge über-
treffende Blätter und eine rothe Wurzel, welche man mit
Polenta auf die Rose legt, gegen Leberleiden aber mit
weissem Wein einnimmt.
38.
Die Circaeä') gleicht dem zahmen Strychnus, hat
kleine dunkle Blumen, kleine hirseähnliche Samen in horn-
artigen Kapseln, eine halbfusslange, drei- bis vierfache,
weisse, wohlriechende und erwärmend schmeckende Wurzel
und wächst auf sonnigen Felsen. Bei Schmerzen und andern
Fehlern der weiblichen Schaam, sowie zum Abtreiben der
Nachgeburt giebt man sie mit Wein, dergestalt, dass man
') Echium ditt'usum Sm.V
^) Cynanchum monspeliacum?
Siebenundzwanzigstes Buch. 405
ein Viertelpfund der zerquetschten Wurzel 24 Stunden lang
in drei Sextaren maceriren lässt. Wird der Same mit Wein
oder Honigwasser eingenommen, so verliert sieh die Milch.
39.
Das Cirsium') hat einen dünnen zwei Ellen langen
dreikantigen, mit stachlichen Blättern umgebenen Stengel;
die Stacheln sind weich, die Blätter einer Ochsenzunge
ähnlich, nur kleiner, weisslich, die Blütenköpfe purpur-
farben und sich in eine Wollkrone auflösend. Kraut und
Wurzel dieser Pflanze sollen aufgebunden die Schmerzen
der Krampfadern vertreiben.
40.
Das Crataeogonum ■-) sieht wie die Weizenpflanze
aus, denn aus einer Wurzel steigen mehrere knotige Halme
hervor. Es wächst an schattigen Plätzen und hat einen
hirseähnlichen, sehr herbe schmeckenden Samen; wenn
Mann und Frau vierzig Tage lang vor dem Beischlaf jedes-
mal vor der Mahlzeit drei Obolen dieses Samens in drei
Bechern Wasser einnehmen, so sollen Knaben geboren
weiden. Es giebt noch eine andere Art, welche Thely-
gouum genannt wird und milder schmeckt. Frauen, welche
die Blumen des Crataeogonum einnehmen, sollen innerhalb
vierzig Tagen empfangen. Beide Arten heilen mit Honig
alte schwarze Geschwüre, füllen die Vertiefungen in den
Geschwüren aus, bewirken den Wiederansatz von Fleisch,
reinigen Eiterbeulen, zertheilen Fettbeuleu, lindern Podagra
und alle Saftansammlungen, namentlich in den Brüsten.
Theophrast hat mit dem Namen Crataegus oderCrataegou^)
einen Baum bezeichnet, der in Italien Aquifolia heisst.
41.
Das Crocodilium ^) hat das Ansehn des schwarzen
Chamaeleonkrauts , eine lange, gleicbraässig dicke, widrig
riechende Wurzel und wächst auf sandigem Boden. Ein
') Carduus tenuit'loius L. -) (Jrucianella inonspeliaca L.
^) Crataegus AzaroUa Grieseb.
") Cnicus benedictus.
40fi Siebenundzwanzigstesi Buch.
aus der Wurzel bereiteter Trank treibt das Blut reichlich
und von dicker Consistenz aus der Nase und soll auf diese
Weise die Milz verzehren.
42.
Die Cynosorchis, auch Orchis genannt, wächst in
Weingärten, hat denen des Oelbaums ähnliche, weiche, zu
dreien V^ Fuss lang auf der Erde hingestreckte Blätter,
eine doppelte, knollige, längliche Wurzel, deren oberör
knoUen härter ist als der untere, und die wie andere
Knollen gekocht verspeist werden. Wenn Männer den
grösseren Knollen essen, sollen Knaben, und wenn Frauen
den kleinern, Mädchen geboren werden. In Thessalien
nehmen die Männer den weichern Knollen mit Ziegenmilch
ein, um die Lust zum Beischlaf zu erhöhen, und den härtern,
um dieselbe zu zähmen; also ist der eine dem andern in
der Wirkung entgegen.
43.
Das Chrysolachanum ist der Lactuca ähnlich, wächst
in Fichtenwäldern und heilt eingeschnittene Sehnen, wenn
man sie sofort verwendet. Es soll noch eine andere Art
mit goldgelben Blumen und kohlartigen Blättern geben.
Man bereitet und isst sie wie Kohl. Wenn man sie Gelb-
süchtigen anbindet, so dass sie die Pflanze sehen können,
sollen sie genesen. Das Chrysolachanum verdiente wohl
noch eine weitere Besprechung, allein ich finde nichts weiter
davon angegeben; unsere neueren Kräuterkenner begingen
nämlich den Fehler, bekannte Pflanzen als geraeine nur
ganz kurz und bloss mit dem Namen anzuzeigen, so z. B,
auch das Coagulum terrae, welches mit Wein oder Wasser
genommen den Durchfall hemmen und die Harnstrenge ver-
treiben soll.
44.
Der Culicusi) auch Strumus oder Strychnus ge-
nannt, hat schwarze Beeren. Die Blätter wendet man mit
Essig zerquetscht gegen die Stiche der Scorpiouen und
•) In verschiedenen Ausgaben auch Cuculus. CuUculüs, Cucubalus
genannt. Solanum nigrum L.?
Siebenundzwanzigstes Buch. 407
Schlangen an. Ein Becher voll des Beerensaftes mit zwei
Bechern Meth heilt die Lendenschmerzen, desgleichen mit
Rosenöl aufgegossen Kopfweh; die Pflanze selbst wird auf
den Kropf gelegt.
45.
Die Conferva findet sich besonders in den in den
Alpen entspringenden Flüssen, ist eher ein Süsswasser-
schwamm als ein Moos oder Kraut, dicht, filzig und röhrig
und hat ihren Namen vom Zusammenlöthen oder Zusammen-
leimen 1) bekommen. Ich selbst weiss, dass ein Baumbe-
schneider, welcher von einem hohen Baum herabgefallen
war und fast alle Knochen gebrochen hatte, dadurch aufs
schnellste wieder hergestellt wurde, dass man seinen ganzen
Körper mit Conferva belegte, dieselbe, so oft sie anfing zu
trocknen, mit Wasser besprengte, und nur selten, wenn
nämlich ihre Kraft erloschen war, wieder erneuerte.
46.
Das Coccum Gnidium^) hat die Farbe des Coccus,
ist etwas grösser als ein Pfeiferkorn und besitzt brennende
Kräfte; daher wird es in Brot gesteckt verschluckt, damit
es in der Kehle kein Brennen verursache. Es wirkt der
Cicuta rasch und kräftig entgegen.
47.
Der Dipsacus^), eine stopfende Pflanze, hat lattich-
ähnliche auf der Mitte des Rückens mit stachligen Höckerli
versehene Blätter, einen zwei Ellen hohen, mit ähnlichen
Stacheln reichlich besetzten Stengel, an jedem Knoten zWei
entgegengesetzte, denselben umfassende und durch ihre Ver-
einigung eine Höhlung bildende Blätter, in welcher sich
ein salziger Thau findet, an der Spitze des Stengels stach-
lige Köpfe und wächst auf nassen Plätzen. Er heilt diö
Risse am After, die Wurzel aufch die Fisteln, wenö man
sie so lange in Weiu kocht, bis der Absud so dick wie
') a conferruminando.
-) Die Frucht der Daphne (Jnidium L.
^) Dipsacus sylvestris L.
408 Siebenunclzwanzigstes Buch.
Wachs geworden ist, um das Präparat in die Fisteln ein-
schieben zu können; ferner alle Arten Warzen. Auf letztere
streicht man auch den in den oben erwähnten Höhlungen
befindlichen Saft.
48.
Die Dryopteris^) wächst an Bäumen, gleicht der
Filix, die Blätter haben zarte Einschnitte und schmecken
süsslich und die Wurzel ist rauh. Sie besitzt kaustische
Eigenschaften; man bedient sich daher der zerquetschten
Wurzel als haarbeizenden Mittels, indem man sie bis zum
Erscheinen von Schweiss auflegt und diess noch zwei oder
drei Mal wiederholt ohne den Schweiss abzutrocknen.
49.
Eine ähnliche Pflanze ist das Dryophonum; es hat
dünne, ellenlange Stengel, welche allenthalben mit zoll-
grossen, der Oxymyrsine ähnlichen, aber helleren und
weicheren Blättern besetzt sind, und weisse Blumen wie
der Sambucus. Die Stengel isst man gekocht, des Samens
bedient man sich statt Pfeffer?
50.
Die Elatine^) hat kleine, haarige, runde Blätter wie
die Helxine, fünf bis sechs von der Wurzel an beblätterte,
halbfusslange Zweige, wächst in Saatfeldern, schmeckt
herbe und dient daher für Augenflüsse, zu welchem Behufe
man die Blätter mit Polenta abreibt und in einem Leinen-
tuch auflegt. Wenn man die Pflanze mit Leinsamen kocht
und die Brühe davon trinkt, so wird man von der Dysenterie
befreit.
5L
Der Empetrus^*), bei uns Calcifraga genannt, wächst
auf Bergen in der Nähe des Meeres, und beinahe auf nackten
Steinen; je näher er dem Meere steht, um so weniger salzig
schmeckt er, und führt dann innerlich angewandt Galle und
*) Asplenium Adiantum nigrum L.
2) Linaria graeca Bory.
^) Friuikenia pulverulenta L.
Siebenundzwauzigstes Buch. 409
Schleim ab; je weiter vom Meere, um so erdiger ist und
um so bitterer schmeckt er. Er entzieht auch dem Körper
das Wasser, und wird entweder in einer Suppe oder in
Honigwasser genommen, verliert aber durchs Alter seine
Kräfte. Frisch in Wasser gekocht oder zerrieben wirkt er
harntreibend und zermalmt die Blasensteine. Um der
letztern Angabe mehr Glaubwürdigkeit zu geben, fügt man
noch hinzu, Steine, welche damit zusammen erhitzt würden,
zersprängen.
52.
Die Epip actis oder Ellebor ine ist eine kleine Pflanze
mit kleinen Blättern, und wird innerlich gegen Leberleiden
und Gifte verordnet.
53.
Das Epimedium hat einen nicht sehr hohen Stengel,
zehn bis zwölf epheuähnliche Blätter, niemals Blüthen,
eine dünne, schwarze Wurzel, einen unangenehmen Geruch,
wächst au feuchten Stellen, wirkt verdickend und kühlend,
darf aber von weiblichen Personen nicht gebraucht werden.
Die in Wein abgeriebenen Blätter verhindern die Ent-
wicklung der Brüste bei Jungfrauen.
54.
Das Enneaphyllum hat neun lange Blätter und be-
sitzt kaustische Eigenschaften. Man legt es gegen Schmerzen
der Lenden und Hüfte, aber, damit es nicht zu sehr brenne,
in Wolle eingewickelt auf, denn es zieht fortwährend
Blasen.
55.
Die beiden Arten der Filix wachsen allenthalben,
namentlich in kalten Gegenden und haben weder Blumen
noch Samen. Die eine Art i) heisst bei den Griechen
Pteris, bei Andern: Blechnos, soll das Männchen sein
und treibt mehrere, oft über zwei Ellen lange, nicht unan-
genehm riechende Stengel aus einer Wurzel. Die andere
Art 2) wird Thely pteris oder Pteris nymphaea genannt,
ist einfach, nicht staudig wie jene, kleiner, weicher und
') Aspidium Filix iiias L. =*) Pteris aquilina L.
410 Siebenundzwanzigstes Buch.
dichter, und die Blätter haben in der Nähe der Wurzel
Rinnen. Beider Wurzeln machen die Schweine fett, beider
Blätter sind an den Rändern gefiedert und darauf deuten
die griechischen Namen. Die Wurzeln stecken schräg in
der Erde, sind lang, schwarz besonders nach dem Trocknen,
und müssen an der Sonne getrocknet werden; die rechte
Einsammlungszeit ist beim Untergange des Siebengestirns,
doch sollen sie wenigstens drei Jahre alt, aber auch nicht
älter sein. Sie vertreiben die Eingeweidethiere, die Spuhl-
wtirmer mit Honig, die übrigen, wenn man drei Tage lang
davon in süssem Weine einnimmt. Beide Arten bekommen
übrigens dem Magen durchaus nicht, öffnen den Leib, führen
zuerst die Galle, dann das Wasser ab, die Spuhlwürmer
noch kräftiger mit gleichem Gewicht Scammonium. Von der
Wurzel giebt man zwei Obolen in Wasser, nachdem Patient
einen Tag zuvor gefastet hat, doch kann er auch zur Ab-
wehr kalter Flüsse vorher Honig zu sich nehmen. Frauen
darf die Wurzel beider Arten niemals gegeben werden,
denn schwangere abortiren danach und nicht schwangere
werden unfruchtbar. Das Pulver der Wurzeln streuet man
auf stinkende Geschwüre und auf den Nacken des Zug-
viehs. Die Blätter tödten die Wanzen und halten die
Schlangen ab, daher ist es zweckmässig, sie an verdächtige
Orte zu streuen. Auch der beim Brennen der Blätter sich
entwickelnde Rauch vertreibt jene Thiere. Nach Angabe
der Aerzte hat auch diese Pflanze nicht überall gleiche
Wirksamkeit; die beste wächst in Macedonien, dann folgt
die cassiopische.
56.
Femur bubulum^) heisst eine Pflanze, welche frisch
mit Essig und Salz zerrieben, den Nerven gut bekommt.
57.
Die Galeopsis2), Galeobdolon oder Galium^) gleicht
') Ochsenschenkel. -) Scrophularia peregrina L.
3) Jedenfalls wirft Plinius hier mehrere Pflanzen zusammen, denn
Cralium (6. verum) hat gelbe Blumen und ist überhaupt von der
Galeopsis sehr verschieden.
Siebenuiidzwanzigsites Buch. 411
in Stengel und Blättern der Urtica, nur sind beide nicht
so rauh, entwickelt beim Reiben einen unangenehmen Ge-
ruch, hat purpurrothc Blumen und wächst überall an
Zäunen und Wegen. Blätter und Stengel heilen, mit Essig
abgerieben, und aufgelegt, Verhärtungen, Krebsgesehwüre,
Kröpfe, vertheilen Fettbeulen und Ohrengeschwüre. Auch
bedient man sieh eine« Absudes desselben zum Bähen. Zur
Heilung fauliger und brandiger Schäden setzt man noch
Salz hinzu.
58.
Die Ghiux '), in früheren Zeiten Eugalacton genannt,
hat Blätter wie der Cytisus und die Lenticula, welche auf
der Rückseite heller sind, fünf bis sechs aus der Wurzel
entspringende, dünne, auf der Erde kriechende Zweige, pur-
purrothe Blumen und wächst am Meere. Zur Beförderung
der Milchsecretion kocht man sie mit feinem Weizenmehl
zu einer Brühe, lässt davon trinken und dann ein Bad
nehmen.
59.
Das Glaucium^) wächst in Syrien und Parthieu, ist
liiedrig, hat dichte, fast mohnähnliche, aber kleinere,
schmutzigere, widrig riechende, bitter und zusammenziehend
schmeckende Blätter und safrangelbe Körner. Letztere er-
wärmt man in einem irdenen, mit Lehm verstrichenen Topfe
im Ofen und jiresst dann einen Saft daraus, der denselben
Namen ') führt. Diesen Saft sowohl wie auch die zer-
riebenen Blätter legt man auf Augengeschwtire, welche als-
bald dadurch geheilt werden. Der Saft dient zu einer
Augensalbe ^), welche die Aerzte Diaglaucium nennen. Die
Pflanze befördert ferner die Milchsecretion und wird zu
diesem Behuf mit Wasser eingegeben.
60.
Die Glycysis, welche Einige Paeouia oder Pento -
') Cochlearia Coronopus L. ■■*) Chelidonium Glaucium L.
3) nämlich Glaucium. *) collyrium.
412 Siebenundzwanzigstes Buch.
robum nennen, hat einen zwei Ellen hohen Stengel, neben
welchem noch zwei oder drei andere hervorschiessen , eine
röthliche Farbe, eine dem Lorbeer ähnliche Oberhaut,
Blätter wie die Isatis, doch fleischiger, runder und kleiner,
in Schoten sitzende, bald rothe bald schwarze Samen. Es
giebt zwei Arten. Für die weibliche i) hält man die, an
deren Wurzeln sechs bis acht eichelähnliche Knollen hängen;
die männliche 2) hat mehr, weil sie nicht auf einer einzigen
Wurzel (welche handlang und weiss ist) steht, und schmeckt
zusammenziehend. Die Blätter der weiblichen Art riechen
nach Myrrhe und stehen dichter. Beide wachsen in Wäldern.
Man soll sie des Nachts ausgraben, denn am Tage sei es
gefährlich, weil der Schwarz-Specht sonst herbeiflöge und
nach den Augen hacke; ferner, wenn man sie ausgrabe,
müsse man befürchten, dass der Mastdarm austrete. Ich
halte aber diese Angaben für falsch und für Ausgeburten
der Eitelkeit und Wichtigthuerei. Die Anwendung dieser
Pflanzen ist maunichfaltig. Gegen zu starken Monatsfluss
verordnet man etwa 15 rothe Samen in dunkelrothem Wein,
gegen andere Fehler der weiblichen Geschlechtstheile ebenso
viele schwarze Samen in Kosinenwein oder gewöhnlichem
Wein. Die Wurzel vertreibt in Wein genommen alle
Schmerzen des Leibes, reinigt den Unterleib, heilt Opistho-
tonie, Gelbsucht, Nieren- und Blasenkrankheiten; in Wein
gekocht die Luftröhre uud den Magen, hemmt den Durch-
fall, wird auch gegen Gemüthskrankheiten gegessen; die
Dosis ist vier Drachmen. Die schwarzen Samen verschafi'en
auch, in der angegebenen Zahl mit Wein genommen, Lin-
derung wider das nächtliche Alpdrücken; bei Verletzungen
im Magen empfiehlt man sie innerlich und äusserlich.
Frische Eiterwunden werden durch den schwarzen, alte
durch den rothen Samen zertheilt. Beide Arten helfen
gegen Schlangenbiss und gegen Steinbeschwerden bei
Knaben, wenn Harnstrenge eintritt.
'y Paeonia ot'ficinalis L. -) Paeonia corallina Retz.
Siebenundzwanzi^stes Buch. 413
61.
Das Gnaphalium oder Chamaezelum ') hat weisse,
weiche Blätter, welche statt Stopfwerk benutzt werden und
dasselbe auch in der That gut vertreten. Man giebt es in
herbem Wein gegen Dysenterie, Durchfall und zu reich-
lichen Monatsfluss, ferner als Aufguss gegen Stuhlzwang und
legt es auf faulige Geschwüre.
62.
Gallidraga"^) nennt Xenocrates eine dem Leucan-
themum ähnliche, in Sümpfen wachsende, stachlige Pflanze
mit hohem ruthenartigem Stengel, auf dessen oberster
Spitze eine Art Ei sitzt, worin mit der Zeit kleine Würmer
entstehen. Diese letztern soll man, um Zahnschmerzen
schnell zu vertreiben, nebst Brot in eine Büchse gesteckt
an den Arm derjenigen Seite, wo sich der leidende Zahn
befindet, binden. Doch soll das Mittel nur ein Jahr lang
helfen, auch nur dann, wenn es die Erde nicht berührt hat.
63.
Der Hole US wächst auf trocknen Felsen, hat einen
dünnen Halm wie die Spätgerste 3) , auf dessen Spitze die
Aehren stehen. Bindet man ihn um den Kopf oder Ober-
arm, so zieht er alle Stacheln aus dem Leibe, daher ihn
auch Einige Stachelkraut ^) nennen.
64.
Die Hyoseris^) ist dem Intubus ähnlich, aber kleiner,
fühlt sich rauher an, und wird im zerstampften Zustande
mit Nutzen zur Heilung der Wunden angewandt.
65.
Das Holosteum**) ist durchaus nicht hart und von
den Griechen im Widerspruch mit seiner Beschaffenheit so
bezeichnet worden, gerade so als wenn man die Galle süss
nennen wollte. Es ist dünn wie ein Haargewebe, grasartig.
') Santolina maritima L. -*) Sparganium?
3) Hordeura restibile. '■) Aristis.
*) Hyoseris lucida I. '•' Hnlosteum umbellatum L.
4:14 Siebenundzwanzigstes Buch.
vier Finger hoch, hat schmale Blätter, schmeckt adstringireiid,
wächst auf Erdhügeln, wird in Weiu gegen Verrenkungen
und Zerreissungen eingenommen, schliesst auch Wunden
und vereinigt Fleischtheile miteinander.
Das Hippophaestum 1) entsteht zwischen Stacheln,
welche zu den ehernen Walkergeräthen benutzt werden, hat
keinen Stiel, keine Blumen, sondern nur leere Köpfe, zahl-
reiche, kleine grüne Blätter, weisse weiche Wurzeln. Man
presst die Wurzeln im Sommer aus und benutzt den Saft zu
drei Obolen zum Abführen, noch mehr aber gegen Epilepsie,
Zittern, Wassersucht, Schwindel, Engbrüstigkeit und in den
ersten Stadien von Lähmung.
67.
Die Hypoglossa^) hat der wilden Myrte ähnliche,
concave, stachlige, mit einem zuugenartigen, gleichsam ein
neues kleines Blatt bildenden Fortsatze versehene Blätter.
Einen davon gemachten Kranz setzt man gegen Kopf-
weh auf.
68.
Das Hypecoumä) wächst zwischen der Saat, hat
rautenähnliche Blätter und kommt in seinen Eigenschaften
mit dem Mohnsafte überein.
69.
Die Idaea hat Blätter wie die Oxymyrsine; an ihnen
hängen rankenartige Orgaue, an denen sich die Blüthe be-
findet. Die Pflanze verdickt und hemmt, wird daher gegen
Durchfall, zu reichliche Menstruation und audere Biutflüsse
angewandt.
70.
Das Isopyrum^) nennen Einige Phaseolus, weil das
Blatt, welches dem Anis gleicht, sich rankenartig drehet;
') Centaurea spinosa L.
2) Ruscus Hypoglossum L. ^) Hypecoum procumbens L.
*) Fumaria capreolata f/.
Siebenundzwanzigstes Buch. 415
oben auf dem Stengel stehen dünne Köpfchen mit vielen,
dem Melanthium ähnlichen Samen. Man gebraucht es gegen
Husten, Brustbeschwerden mit Honig oder Honigwasser,
auch gegen Leberleiden.
71.
Die Lathyris') hat zahlreiche lattichähnliche, doch
kleinere Blätter, zahlreiche Sprossen, an welchen der Same
in häutigen Hüllen enthalten ist wie bei der Capparis; der
Same wird aus den vertrockneten Hüllen genommen, hat
die Grösse eines Pfefferkorns, weissliche Farbe, süssen
Geschmack und lässt sich leicht reinigen. Zwanzig Stück
davon in reinem oder Honigwasser genommen heilen die
Wassersucht. Auch führt er die Galle ab. Wer stark ab-
führen will, nimmt ihn mit der Hülle ein, denn allein
schadet er dem Magen, und aus letzterm Grunde hat man
auch vorgeschlagen, ihn mit Fischen oder Hühnerbrühe ein-
zunehmen.
72.
Das Leontopetalum oder Rhapeion^) hat einen halb-
fusshohen, geflügelten Stengel, kohlähnliche Blätter, an der
Spitze cicerähnliche Samen in Schoten, eine grosse, schwarze,
rübenähnliche Wurzel und wächst auf Aeckern. Die Wurzel
in Wein genommen ist das am schnellsten wirkende Hülfs-
mittel gegen die Bisse aller Arten Schlangen, wird auch
gegen Hüftweh verordnet,
73.
Der Lycapsus^) hat längere und dickere Blätter als
der Lattich, einen langen, rauhen, mit ellenlangen Zweigen
versehenen Stengel, kleine, purpurrothe Blumen und wächst
auf Feldern. Man legt ihn mit Gerstenmehl gegen die Rose
auf; bei Fiebern giebt man den Saft mit Zusatz von warmem
Wasser als schweisstreibendes Mittel.
74.
Eins der merkwürdigsten Kräuter ist das Lithosper-
') Euphorbia Lath^iis L.
') Roemeria hybrida Dec.
') Echium italicum L.
416 Siebenundzwanzigstes Buch.
raum ^), auch Exonychum, Diospyrus oder Heracleum
genannt. Es erreicht eine Höhe von fünf Zoll, die Blätter
sind noch einmal so gross als die der Raute, die Aeste
reisig, von der Dicke der Binse, bei jedem Blatte steht
eine Art Bart und auf der Spitze des letztern sitzen kleine
steinharte Körper von der Weisse und Runde der Perlen
und von der Grösse einer Kichererbse, welche da, wo sie
an den Stielchen hängen, etwas ausgehöhlt sind und einen
Samen einschliessen. Es wächst auch in Italien, am besten
ist aber das cretische. In der ganzen Pflanzenwelt ist mir
kein grösseres Wunder vorgekommen als diese Pflanze.
Man glaubt zwischen den Blättern weisse von Ktinstlerhand
gefertigte Perlen zu sehen und nun erwäge man die
Schwierigkeit, dass aus einer Pflanze ein Stein hervorgehe.
Einige Autoren geben an, sie liege und krieche auf der
Erde hin; ich habe sie aber selbst gesammelt und nicht
liegen sehen. Eine Drachme dieser Steincheu giebt man
mit Erfolg in Wein zum Zermalmen und Abtreiben der
ßlasensteine und gegen Harnstrenge. Kein anderes Kraut
zeigt in dem Grade schon durch sein Aeusseres an, zu
welchem medicinischen Zwecke es da ist, als dieses; auch
lässt es sich ohne nähere Beschreibung leicht erkennen.
75.
Auf den gemeinen, an Flüssen liegenden Steinen findet
man ein trocknes, graues Moos. Dieses wird unter Zusatz
von menschlichem Speichel mit einem andern Steine zer-
rieben; mit jenem Steine berührt man Krätzschädeu und
der diess thut, spricht dabei die Worte: „Fliehet Käfer,
der wilde Wolf verfolgt euch."
76.
Limeum nennen die Gallier ein Kraut, womit sie die
zur Jagd bestimmten Pfeile vergiften, weshalb sie es auch
Hirschgift nennen. Hiervon setzt man soviel als zu einem
Pfeile genommen wird, zu drei Modius Trank 2), und giesst
') Lithosperraum tenuiflorum und oföcinale L. '■') salivatum.
Siebenundzwanzigstes Buch. 417
diese Mischung krauken Ochsen in den Schlund. Man muss
aber die Thiere sodann au die Krippen fest binden, bis sie
Oeffuung bekommen haben (denn sie gerathen gewöhnlich
dadurch in Wuth), und wenn Schweiss eintritt, sie mit
kaltem Wasser übergiessen.
77.
Die Leuce ') gleicht der Mercurialis und verdankt ihren
Namen dem Umstände, dass mitten durch das Blatt eiu
weisser Streifen läuft; aus demselben Grunde heisst sie
auch Mesoleuce. Ihr Saft heilt Fisteln, sie selbst im
zerquetschten Zustande Krebsschäden. Vielleicht ist sie
dieselbe Pflanze, welche Leucas genannt und gegen alle
Gifte des Meeres mit Erfolg augewandt wird. Die Schrift-
steller beschreiben sie nicht näher, sondern sagen nur, die
wilde Art habe wirksamere Blätter, die andere eineu
scharfem Samen.
78.
Die Leucographis finde ich uirgeuds uäher be-
schrieben, was mich um so mehr wundert, weil man sie
zu drei Obolen mit Safran gegen Blutspeieu und Vei-
stopfung, mit Wasser zerquetscht und aufgelegt gegen
weibliche Blutflüsse rühmt, auch zu Augenmitteln und zur
Ausfüllung der an den zartern Theilen des Körpers ent-
stehenden Geschwüre angewandt wissen will.
79.
Das Medium 2) hat Blätter wie die Garteniris, einen
drei Fuss hohen Stengel, auf diesem eine grosse, rothe
runde Blume, kleine Samen, eine halbfusslange Wurzel und
wächst auf schattigen Felsen. Zwei Drachmen der Wurzel
giebt man in einer Latwerge mit Honig einige Tage hin-
durch gegen zu reichlichen Monatsfluss; zu demselben
Zwecke dient der mit Wein abgeriebene Same.
80.
Die Myosota oder Myosotis^) ist glatt, treibt aus
') Lamium striatum L.?
-) Convolvulus althaeoides.
^) Asperugo procuinbens L.
Wittsteiu: PliniuB. IV. Bd. 27
41^5 Siebeminclzwanzigstes Buch.
einer Wurzel mehrere, röthliche, concave Stengel, welche
von unten an mit schmalen, länglichen, auf dem Rücken
scliarfen, dunkeln, stufenweise immer zu zwei stehenden
Blättern besetzt sind, aus deren Achseln dünne Stiele mit
blauen Blumen hervorgehen; die Wurzel hat die Dicke
eines Fingers und zahlreiche Fasern. Sie besitzt beizende
urid Geschwüre zeitigende Kräfte, heilt daher auch die
Thränenfisteln. Die Aegy])ter geben an, wenn man sich am
2^. Tage ihres Monats Thotis (der ohngefähr in unsern
Monat August fällt), und zwar früh Morgens ehe man ein
Wort gesprochen habe, mit dem Safte dieser Pflanze ein-
reibe, so litte man in demselben Jahre nicht an triefenden
Augen.
81.
Myagrusi) ist eine gertenartige, drei Fuss hohe Pflanze
mit Blättern, welche denen der Rubia ähnlich sind. Der
daraus gepresste Saft heilt Mundgeschwüre. Der Same
enthält viel fettes Oel und wird auch darauf benutzt.
82.
Die Pflanze Nyma^) mit Blättern wie der Jntubus
verleihet den Narben ihre natürliche Farbe wieder,
83.
Die Natrix hat eine Wurzel, welche im frischen Zu-
stande wie ein Bock stinkt. Hiemit treibt man im Pice-
nischen die sogenannten Gespenster s) aus den Weibern;
ich glaube eher, dass diese Gespenster eine gewisse Klasse
wahnsinniger Menschen sind, denen durch eine solche Kur
geholfen werden könnte.
84.
Die Odontites'*) gehört zu den Heuarten, wächst auf
Wiesen, schickt aus der Wurzel mehrere, knotige, drei-
kantige, schwarze Stengel; an den Knoten sitzen kleine
*) Neslia paniculata Desv.
2) Andere Schreibarten sind: Njgina, Nygma, Nyga, Nuga.
3) Fatui. ") Euphrasia Odontites L.?
Siebenundzwanzigstes Buch. 4n*
Blätter, welche jedoeli länger als die des Polygonum sind;
die Blumen sind purpurroth, klein, die Samen stecken in
den Achseln und gleichen der Gerste. Gegen Zahnweh
bereitet man aus einer Handvoll Stengel mit herbem Wein
einen Absud und hält denselben eine Zeit lang im Munde.
85.
Die Othonna wächst in Syrien, gleicht der Eruca, die
Blätter sind häufig durchlöchert, die Blüthen safranähnlich
und daher nennen Einige dieselbe Anemone. Ihr Saft
wird zweckmässig zu Augenmitteln gesetzt, denn er beizt
gelinde, erwärmt, zieht zusammen und trocknet; er reinigt
die Narben, Flecken u. s. w. Man trocknet ihn auch und
formt ihn in Kügelchen.
86.
Die Onosmal) hat drei Finger lange, wie bei der
Anchusa eingeschnittene, auf der Erde liegende Blätter,
weder Stengel, Blume noch Samen. Wenn eine Schwangere
davon geniesst oder auch nur darüber geht, soll sie vor
der Zeit niederkommen.
87.
Der Geuuss des Onopordon'^) soll bei Eseln lautes
Furzen bewirken. Es treibt auch den Harn, Monatsfluss,
stopft die Diarrhoe, zertheilt Eiterungen und Geschwulste.
88.
Die Osyris^) hat dunkle, dünne, zähe Stengel, dunkle
leinähuliche Blätter, anfangs schwarze, dann roth werdende
Samen. Man bereitet daraus ein Waschmittel für Frauen.
Ein Absud der Wurzel wird gegen Gelbsucht verordnet.
Die Wurzel selbst, vor der Samenreife gesammelt, zer-
schnitten und an der Sonne getrocknet, wirkt gegen Durch-
fall; nach der Samenreife gesammelt und in einer Suppe
gekocht oder auch für sich mit Wasser zerrieben, heilt sie
die Bauchflüsse.
') Onosma echioides L.
^) Onopordon a.canthiuni L.
3) Osyris alba L.
2P
420 Siebenundzwanzigstes Buch,
89.
Die Oxys ') hat dreizählige Blätter, wird bei ver-
dorbenem Magen und DarmbrucU verordnet.
90.
Das Polyanthemum oder Batracbium bringt ver-
möge seiner kaustiscben Eigeuscbaften die Karben zum
Ausscb wären, giebt ihnen ihre Farbe wieder und zieht die
Leberflecken zusammen.
91.
Was die Griechen Polygonum nennen, heisst bei uns
Sanguinaria; es erhebt sich nicht von der Erde, hat
rautenähnliche Blätter und grasartige Samen. Sein Saft
stillt, in die Nasenlöcher gezogen, das Blut, und mit Wein
getrunken jeden Blutfluss und das Bliitspeien. Diejenigen,
welche mehrere Arten des Polygonum unterscheiden, nennen
die ebenerwähnte Art 2) das Männchen und wegen der vielen
Samen oder des dichten Wuchses Calligonum; Andere
wegen der vielen Knoten Polygonatum, noch Andere
Teuthalis, Carcinethrum, Giema, Myrtopetalurn.
Wieder andere sagen, diess sei das Weibchen, das Männchen
sei nämlich grösser, nicht so dunkelfarbig, dicker au den
Knoten, und neben allen Blättern ständen Samen. Dem
sei wie ihm wolle, so haben sie doch beide die Eigen-
schaft zu verdicken und zu kühlen. Die Samen machen
Oeffnung, in grösserer Dosis wirken sie harntreibend und
halten die kalten Flüsse zurück; waren dagegen letztere
nicht da, so nützen die Samen auch nichts. Die Blätter
legt man gegen Brennen im Magen, Schmerzen in der Blase
und gegen die Rose auf. Der Saft wird in eiternde Ohren
getröpfelt, auch gegen Schmerzen in den Augen applicirt.
Bei Fieber, besonders dem drei- und viertägigen, giebt mau
vor dem Anfalle zwei Becher voll, desgleichen bei Gallen-
sucht, Dysenterie und verdorbenem Magen. — Die dritte
') Oxalis Acetosella L.
^) Polygonum aviculare L.
Siebeiiundzwanzigstes Buch. 421
Alt beisst Oreum'), wächst auf Beigen, gleicht einem
zarten Rohre, hat einen knieartig gebogenen Stengel, fichten-
ähnliche Blätter, eine unwirksame Wurzel, ist überhaupt
weniger kräftig als die vorigen Arten und findet nur be-
sondere Anwendung bei Hüftweh. Die vierte Art heisst
die wilde, erreicht fast die Höhe eines Baumes, hat eine
holzige Wurzel, einen cederähnlichen vüthlichen Stamm,
Zweige wie das Spartum von 2 Handlängen und mit drei
bis vier Gelenkknoten versehen. Sie schmeckt wie Quitten
und verdickt gleichfalls. Man kocht sie mit Wasser zum
dritten Theile ein und macht daraus Umschläge auf Mund-
gescliwüre und gescheuerte Theile, oder man streuet zu
diesem Behufe das feine Pulver auf. Um krankes Zahn-
fleisch zu heilen, bedient man sich derselben zum Kauen.
Sie hindert die weitere Ausbreitung krebsartiger und aller
übrigen schleichenden Gebrechen, befördert auch die Ver-
narbungen, heilt aber ganz besonders durch Schnee und
Kälte entstandene Geschwüre. Die Kräuterkenner bereiten
daraus ein Mittel gegen Bräune, setzen bei Kopfweh einen
daraus verfertigten Kranz auf und umwickeln bei Augen-
flüssen den Hals damit. Gegen dreitägiges Fieber, sowie
gegen Blutflüsse soll man diese Art Polygonum mit der
linken Hand aus der Erde ziehen und sich anbinden.
Endlich giebt es keine Pflanze, die man im getrockneten
Zustande häufiger aufbewahrt als das Polygonum.
92.
Das Pancratium"-) oder, wie Einige es nennen, die
kleine Scilla, hat weisse, lilienähnliche, aber längere und
dickere Blätter und eine grosse röthliche zwiebelige Wurzel.
Sein Saft macht Oeffnung, reinigt mit Zusatz von Erbsen-
mehl die Geschwüre, und heilt mit Honig genommen Wasser-
süchtige und Milzkranke. Man kocht auch die Wurzel so
lange in Wasser, als dieses süss schmeckt, giesst es sodann
ab, zerstampft die Wurzel , formt Kügelchen daraus, trocknet
*) Diess ist Equisetum pallidum Bory.
2) Pancratium maritimum L.
422 Siebenundzwanzigstes Buch.
dieselben an der Sonne und verordnet sie bei Kopfge-
schwüren und in sonstigen Fällen, wo Reinigung indicirt
ist, ferner so viel als man mit drei Fingern fassen kann
in Wein gegen Husten, in einer Latwerge gegen Seiten-
schmerzen und Lungensucht, in Wein auch gegen Hüftweh,
Bauchgrimmen und zur Beförderung der Menstruation.
93.
Die Peplis,!) aucli Syce, Meconium oder Meco-
nium aphrodes genannt, schiesst aus einer dünnen Wurzel
hervor, hat rautenähnliche aber etwas breitere Blätter,
unter denen sich runde Samen, kleiner als der des weissen
Mohns befinden, wächst zwischen Weinstöcken, wird etwa
zur Zeit der Ernte gesammelt und sammt der Frucht ge-
trocknet, wobei man, um die herausfallenden Samen nicht
zu verlieren, ein Tuch oder Gefäss darunter anbringt.
Diese Pflanze macht Oeffnung, führt Galle und Schleim ab;
gewöhnlich wird zu diesem Zwecke ein Acetabulum voll in
drei Heminis Honigwasser genommen. Auch setzt man sie
dem Gemüse und andern Speisen zu, um offnen Leib zu
bekommen.
94.
Der Periclymenus2) ist eine Art Strauch, die Blätter
stehen in Zwischenräumen je zu zweien, sind weisslich und
weich, oben zwischen denselben finden sich harte, schwer
abzunehmende Samen; die Pflanze wächst auf Aeckern und
an Zäunen und wickelt sich um alle in der Nähe befind-
liche Stützpunkte. Der im Schatten getrocknete Same wird
zerstampft, in Kügelchen geformt und in drei Bechern
Wein dreissig Tage lang für die Milz gegeben, welche
durch diese Behandlung mit blutigem Harne oder auch
durch den After abgeht, was man schon am zehnten Tage
der Kur bemerken kann. Die gekochten Blätter wirken
harntreibend und gegen Engbrüstigkeit, befördern die Ent-
bindung und führen die Nachgeburt ab.
') Euphorbia retusa und E. Peplis L.
-) Lonicera etrusca und ähnliche windende Arten (L. Caprifolium,
L. Fericlymenum).
Siebenundzwanzigstes Buch, 423
95.
Das Pelecinum^) wächst, wie ich schon angegeben
habe, in Saatfeldern, hat viele Zweige, Blätter wie der
Cicer und in hornförmig gekrümmten Schoten drei bis vier
dem Gith ähnliche Samen, welche bitter schmecken, für
den Magen gut sind und den Gegengiften zugesetzt werden.
96.
Die Polygala'^) wird handhoch, hat oben am Stengel
biusenähnliche Blätter, schmeckt zusammenziehend und wird
zur Beförderung der Milchsecretion eingenommen.
97.
Das Poterium,3) Phrynium oder Neuras breitet
sich strauchig aus, hat rückwärts gebogene Stacheln, dichte
Wolle, kleine runde Blätter, lange, weiche, dünne zähe
Zweige, lange grünliche Blütheu, wohlriechende, scharf
schmeckende, aber unbrauchbare Samen, zwei bis drei zwei
Ellen lange, kräftige, feste, weisse Wurzeln, und wächst
auf feu chten Hügeln. Man umgräbt die Wurzel im Herbste,
schneidet den Stengel ab, und erhält nun aus jener einen
gummiähnlichen Saft. Die Angaben über die Heilkraft dieser
Wurzel bei Wunden und namentlich bei durchschnittenen
Sehnen gehen ins Wunderbare. Auch ein Absud mit Honig
genommen zeigt sich wirksam bei Abspannung, Schwäche
und Einschnitten der Sehnen.
98.
Die Phalangites,^) Phalangium, Leucanthemum
oder (wie ich in einigen Abschriften finde) Leucacantha,
hat mindestens zwei einander entgegenstehende Zweige,
weisse, der rothen Lilie ähnliche Blumen , schwarze, breite,
wie eine halbe Linse geformte, aber weit dünnere Samen,
und eine dünne grüne Wurzel. Blätter, Blumen und Samen
sind Mittel gegen Scorpione, Spinnen, Schlangen, auch
gegen Bauchgrimmen.
1) = Securidaca: Coronilla securidaca L.
■^) Polygala venulosa Sibth.
3) Astragalus Poterium Fall.
Lloydia graeca Salisb.
424 Siebenundzwanzigstes Buch.
99.
Eine nähere Beschreibung des Phyteuma^) halte ich
für überflüssig, da es nur zu Liebestränken angewandt wird.
100.
Phyllum^) nennen die Griechen ein auf steinigen
Bergen wachsendes Kraut, dessen weibliche Art eine grünere
Farbe, dünnen Stengel, kleine Wurzel und runden mohn-
ähnlichen Samen hat. Der Gebrauch desselben verhilft zur
Geburt von Mädchen, der der männlichen Art, welche sich
nur durch den einer ansetzenden Olive ähnlichen Samen
unterscheidet, zu Knaben. Beide nimmt man in Wein.
101.
Das Phellandrium^) wächst in Sümpfen und hat
Blätter wie das Apium. Sein Same wird innerlich gegen
Stein- und andere Blasenbeschwerden verordnet.
102.
Die Phalaris^) hat einen langen, dünnen, rohrartigen
Stengel, an dessen Spitze eine herabgebogene Blume und
einen dem Sesam ähnlichen Samen, welcher gleichfalls den
Blasenstein zermalmt und sonstige Blasenübel hebt, wenn
man ihn mit Honig, Milch und Wein oder Essig einnimmt.
103.
Das Polyrrhizum hat myrtenartige Blätter und zahl-
reiche Wurzeln, welche zerstossen mit Wein gegen Schlangen
eingegeben werden, auch den vierfüssigen Thieren heil-
sam sind.
104.
Die Proserpinaca ist eine gemeine Pflanze, leistet
aber gegen Scorpione ausserordentliche Dienste. Ferner
soll sie im zerriebenen Zustande, mit Salzwasser und Oel
von den Maenen ^) versetzt, die Bräune sicher heilen, und
unter die Zunge gelegt, die vor Mattigkeit ganz Erschlafften
') Reseda Phyteuma L. -) Mercurialis perennis L.?
^) Phellandrium aquatiuni L.
") Phalaris nodosa L.
^) Eine Art kleine Seefische.
Siebenundzwanzigstes Buch. 425
wieder aufrichten imd ihnen die Sprache wieder verleihen.
Verschluckt man etwas davon, so erfolgt wohlthätiges Er-
brechen.
105.
Die Rhacoma oder Rheucyma') wird aus den jen-
seits des Pontus liegenden Ländern zu uns gebracht. Ihre
Wurzel sieht dem schwarzen Costus ähnlich, ist jedoch
kleiner, mehr röthlich, geruchlos, schmeckt erwärmend und
adstringirend, und hat im zerriebenen Zustande eine wein-
ähnliche, ins Safrangelbe neigende Farbe. Aufgelegt heilt
sie Saftansammlungen, Entzündungen, Wunden, mit Rosinen-
wein Augenflüsse, mit Honig Leberflecken und mit Essig
andere Flecken. Das Pulver der Wurzel streuet man auf
unheilbare Geschwüre, verordnet es innerlich zu einer
Drachme mit Wasser gegen Blutspeien, mit Wein gegen
Dysenterie und Darmgicht wenn kein Fieber zugegen ist,
sonst ebenfalls mit Wasser. Sie lässt sich leichter zer-
reiben, wenn sie zuvor eine Nacht hindurch eingeweicht
ist. Einen Absud davon giebt man in doppelt so starker
Dosis bei Brüchen, Verrenkungen, Contusionen und Denen,
welche von einer Höhe herabgestürzt sind. Gegen Brust-
schmerzen setzt man ihr etwas Pfeffer und Myrrhe hinzu;
gegen verdorbenen Magen, anhaltenden Husten, Auswurf
von Eiter, Leber-, Milz-, Hüft- und Nierenleiden, schweres
Athmen und Engbrüstigkeit giebt man sie mit Wasser, Zu
drei Obolen mit Rosinen wein, oder auch als Absud ge-
nommen heilt sie die Rauhigkeit der Luftröhre. Auf Flechten
legt mau sie mit Essig. Endlich giebt man sie noch inner-
lieh gegen Blähungen, Erkältungen, kalte Fieber, Schlucken,
Bauchgrimmen, rauhen Hals, Kopfweh, schwermüthigen
Schwindel, aus Mattigkeit hervorgegangene Schmerzen und
Convulsionen.
106.
Bei Ariminum findet sich die sogenannte Reseda,-)
') Rheum rhaponticum L. ^) Reseda odorata L.'?
4:26 Siebenundzwanzigstes Buch.
welche alle Geschwulste und Entzündungen vertheilt; wer
diese Kur unternimmt, spricht dabei die Worte: „Reseda
stille die Krankheiten; weisst du nicht, weisst du nicht,
wer diese Sprösslinge getrieben hat? sie sollen weder Kopf
noch Füsse haben." Diese Formel wird dreimal wiederholt
und dabei ebenso oft ausgespuckt.
107.
Die Stoechas^) wächst bloss auf den gleichnamigen
Inseln, ähnelt dem Hyssop, riecht angenehm, schmeckt
bitter, befördert den Mouatsfluss, lindert die Schmerzen auf
der Brust und wird auch den Gegengiften zugesetzt.
108.
Das Solanum heisst, wie Cornelius Celsus angiebt,
bei den Griechen Strychnos. 2) Es besitzt niederschlagende
und kühlende Eigenschaften.
109.
Das Smyrnium^) hat einen dem Apium ähnlichen
Stengel, aber breitere, fette, namentlich an den Achseln
der vielen Zweige stehende, zur Erde geneigte, ins Gelb-
liche spielende, stark und angenehm arzneiartig riechende
Blätter, runde Blüthenköpfe wie das Anethum, runde,
schwarze, zu Anfang des Sommers reifende Samen, eine
aussen schwarze, innen blasse, wohlriechende, scharf
schmeckende, weiche, saftige Wurzel und findet sich auf
felsigen und Erd-Hügeln. Der Geruch dieser Pflanze er-
innert an Myrrhe und ist der Grund ihres Namens. Sie
wird als erwärmendes Mittel angewandt. Blätter und Wurzel
befördern das Harnen und die Menstruation; der Same
hemmt den Durchfall. Die Wurzel legt man zum Zertheilen
von Geschwulsten, nicht zu alten Schwären und Verhär-
tungen auf. Mit Zusatz von Cachrys, Polium und Melisso-
phyllum nimmt man sie in Wein gegen Spinnen- und
Schlangenbisse, doch nur in kleinen Dosen, weil sonst
Brechen erfolgt; aus letzterm Grunde setzt man auch bis-
•) Lavandula Stoechas L.
2) S. XXI. ß. 105. Cap. =*) Smyrniura perfoliatum L,
Siebenundzwanzigstes Biicli. 427
weilen Raute hinzu. Der Same sowie die Wurzel heilt
Husten, schweren Athem, Fehler der Brust, Milz, Nieren
und Blase; die Wurzel noch besonders Brüche und Ver-
renkungen, befördert auch die Entbindung, treibt die Nacli-
geburt ab, befreiet mit Crethmum und Wein vom Hüftweh,
erregt Schweiss und Aufstossen, vertreibt die Blähungen
des Magens, und vernarbt die Wunden. Aus der Wurzel
presst man auch einen Saft, welcher den Frauen bei Brust-
und Herzbeschwerden dienlich ist, denn er erwärmt, zeitigt
und reinigt. Wassersüchtigen giebt man den Samen im
Getränk; mit einem daraus bereiteten Safte macht man
ihnen Umschläge und aus der trocknen Rinde ein Pflaster.
Audi dient er mit Meth, Oel und Fischlake als Zuspeise,
namentlich bei gesottenem Fleisch. — Das Sinura,') eine
im Geschmacke dem Pfeffer sehr ähnliche Pflanze, befördert
die Verdauung und vertreibt die Schmerzen im Magen.
110.
Das Telephiuni ■-) gleicht in Stengel und Blättern dem
Portulak; es treibt aus der Wurzel sieben bis acht Stengel,
hat dicke, fleischige Blätter, wächst auf cultivirtem Boden
und namentlich zwischen den Weinstöcken. Man legt es
auf Sommersprossen und lässt es so lange darauf, bis es
trocken geworden ist; ferner auf Leberflecken und zwar
fast drei Monate hindurch jeden Tag oder jede Nacht sechs
Stunden lang, und nach Verlauf dieser Zeit setzt man noch
Gerstenraehl hinzu. Auch heilt es Wunden und Fistel-
schäden.
111.
Das Trichomanes 3) gleicht dem Adiantum, ist aber
kleiner und dunkler, hat dichtstehende der Linse ähnliche,
entgegengesetzte und bitter schmeckende Blätter. Einen
Absud davon giebt man mit Zusatz von gemeinem Kümmel
in weissem Wein gegen Harnstrenge. Auf den Kopf gelegt
') Sison Ammi L.
■-) Telephium impevati? oder Sedum Telephiuni.
Asplenium Tiichomanes L.
428 Siebenundzwanzigstes Buch.
hindert es das Ausfallen der Haare oder ruft auf den
kahlen Stellen die Haare wieder hervor; zu diesem Zwecke
versetzt man es auch mit Oel. Kauet man es, so muss
man niesen.
112.
Das Thalictrum 1) bat corianderähnliche, nur etwas
fleischigere Blätter, einen dem Mohne ähnlichen Stengel,
wächst tiberall, besonders auf Feldern und seine Blätter
heilen mit Zusatz von Honig Geschwüre.
113.
Vom Thiaspi-) giebt es zwei Arten, die Blätter sind,
schmal, von der Länge und Breite eines Fingers, zur Erde
^»•ekehrt, an der Spitze getheilt, der Stengel einen halben
Fuss lang, mit einigen Zweigen^) versehen, welche wie
kleine Schilder aussehen und linsenähnliche, nur etwas ein-
geknickte Samen einschliesseu (welch' letzterer Form die
Pflanze ihren Namen verdankt),^) weisse Blumen, wächst
an Wegen und Zäunen. Die Samen schmecken rauh und
führen, zu einem Acetabulum voll genommen, Galle und
Schleim nach oben und unten ab. Ein Aufguss davon so
lange getrunken bis Blut abgeht, heilt das Hüftweh. Er
befördert auch den Monatsfluss, tödtet aber die Leibes-
frucht. Die andere Art, von Einigen persischer Senf
genannt, hat breite Blätter, eine grosse Wurzel und wird
ebenso gegen Hüftweh angewandt. Beide Arten dienen
auch für die Schaamtheile. Wer sie einsammelt, solle
sagen, er wende sie für die Schaamtheile, alle Arten Ge-
schwulste und Wunden an, und sie nur mit einer Hand
ausziehen.
114.
Was die Trachinia für eine Pflanze ist, finde ich
nicht näher angegeben. Auch halte ich Democrit's An-
gabe für in-ig; er stellt nämlich die seltsame Behauptung
') Thalictrum flavuiii L. -) Thiaspi Bura pastoris L.
3) Diess sind die Schoten. "*) i9^Aaw; frango.
Siebenundzwanzigstes ßucih. 429
auf, wenn man diess Kraut sich anbinde, so verginge binnen
drei Tagen die Milz.
115.
Die Tragonis oder das Tragiuni') findet sieh nur
an der Küste von Greta und ähnelt in Blatt, Zweigen und
Samen dem Juniperus. Ihr eingedickter Milchsaft oder der
Same zieht aufgelegt die im Leibe steckenden Stacheln
heraus; den Samen stösst man zu diesem Beliufe im frischen
Zustande mit Wein oder im trocknen mit Honig au. Diese
Pflanze befördert auch die Secretiou der Milch uud heilt
kranke Brüste aufs beste.
11(3.
Ein anderes Gewächs ist der Tragus oder Scorpio;"^)
er wird einen halben Fuss hoch, verbreitet sich strauch-
artig, hat keine Blätter, kleine röthliche Zweige, weizen-
ähnliche zugespitzte Samen und wächst am Meere. Zehn
bis zwölf Zweigspitzen verordnet man mit Wein gegen
Darmgicht, Dysenterie, Blutspeien und zu reichlichen
Mouatsfluss.
117.
Der Tragopogon, auch Coma^) genannt, hat einen
kleinen Stengel, safranähnliche Blätter, eine lange, süss
schmeckende Wurzel, oben auf dem Stengel einen grossen,
schwarzen Kelch, wächst auf wüsten Plätzen und wird nicht
benutzt.
118.
So hätte ich denn bis hieher Alles mitgetheilt, was ich
über die Kräuter in Erfahrung bringen konnte. Zum
Schlüsse möchte es nicht überflüssig sein zu erinnern, dass
einige ihre Kräfte längere Zeit behalten als andere.
Am längsten wirksam bleibt das Elaterium, vierzig Jahre
lang das schwarze Chamaeleon, nicht über zwölf Jahre
lang das Centaurium sechs das Peucedanum, ein Jahr
lang die Aristolochia und wilde Vitis beim Aufbewahren
') Origanum Maru?
■-) Ephedra distachyu L. *) Tia^fopopron porrifoliun L.
430 Siebenuiiilzw.aizigstes Buch.
im Schatten. Auch rülirt die von mir genannten Wurzeln
kein anderes Thier an als die Spondyle, eine Art Schlange,
welche allen nachstellt.
119.
Ferner ist es keinem Zweifel unterworfen, dass die
Kräfte und Wirkungen der Wurzeln in dem Grade, als
die Früchte in der Reife fortschreiten, abnehmen; desgleichen
die der Samen, wenn die Wurzel zur Gewinnung des
Saftes vorher angeritzt wird. Die Wirkungen aller Pflanzen
werden aber durch ihren öftern Gebrauch vermindert, und
was mau täglich anwendet, hilft weder im nöthigen Falle,
noch schadet es. Alle Pflanzen sind kräftiger, wenn sie
an kalten und gegen Norden gelegenen, als wenn sie an
trocknen Plätzen stehen.
120.
i*sicht geringer ist der Unterschied in Bezug auf die
verschiedenen Völker; ich habe z. B. gehört, dass die
Darm- und Spuhlwürmer bei den Aegyi)tern, Arabern,
Syriern und Ciliciern endemisch sind, bei den Griechen
und Phrygiern dagegen in der Regel nicht vorkommen.
Diess ist ebenso merkwürdig als der Umstand, dass, während
sie an der Grenze von Attica und Boeotien bei den The-
banern sich finden, die Athenienser frei davon bleiben.
Diese Betrachtung führt mich wiederum zu den Thieren
und den in ihnen enthaltenen, ja selbst noch zuverlässigem
Arzneimitteln für alle Krankheiten; denn die Vorsehung
hat kein Thier nur darum erschaffen, dass es sich und
andere ernähre, sondern sie hat auch seinen Eiugeweiden
und selbst unansehnlichen Theilen heilsame Kräfte v&v-
liehen, ja, was über alle Maassen Bewunderung verdient,
sie hat die Einrichtung getroffen, dass die besten Hülfs-
mittel für die lebenden Wesen von andern lebenden Wesen
entnommen werden können.
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