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DIE PHYSIKALISCHEN INSTITUTE
DER UNIVERSITÄT GÖTTINGgN
FESTSCHRIFT 1906
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DIE
PHYSIKALISCHEN INSTITUTE
DER UNIVERSITÄT GÖTTINGEN
FESTSCHRIFT
IM ANSCHLÜSSE AN DIE EINWEIHUNG DER NEUBAUTEN
AM 9. DEZEMBER 1905
HERAUSGEGEBEN VON DER GÖTTINGER VEREINIGUNG
ZUR FÖRDERUNG DER ANGEWANDTEN PHYSIK UND MATHEMATIK
LEIPZIG UND BERLIN
DRUCK UND VERLAG VON B. G.TEUBNER
1906
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ALLE RECHTE. EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS. VORBEHALTEN
Inhalt.
Seite
L Bericht über die Feier der Einweihung der physikalischen Neubauten i — ig
Teilnehmer der Feier i
Ansprache des Universitätskurators 3
Ansprache des Prorektors der Universität 8
Ansprache des Dekans der philosophischen Fakultät; Ehrenpromotionen 10
Ansprache des Vorsitzenden der Professorenkommission 13
Ansprache des Vorsitzenden der Göttinger Vereinigung 14
Adresse an Ministerialdirektor Althoff 16
n. Reden der Institutsdirektoren bei der Einweihungsfeier der Neubauten 20—47
Rede von Eduard Riecke 20
Anmerkung: Das Praktikum für Radiologie und Elektronik 36
Rede von Woldemar Voigt 37
Rede von Hermann Th. Simon 43
HL Das physikalische Hauptinstitut, von E. Riecke, mit Beiträgen von W.Voigt
und E. Kropf 48 — 68
I. Allgemeine Einteilung des Neubaues 49
II. Ausfuhrung des Baues 50
III. Beleuchtung der Institutsräume 53
IV. Fest aufgestellte Elektromotoren 53
V. Elektrische Anlage zu Zwecken des Unterrichtes und der Forschung 54
1. Stromquellen 54
2. Die Verteilung der Ströme mit Niederspannung und die Verteilungsschalttafeln . . 56
3. Die Hochspannungsleitung 57
4. Die Ladeschalttafeln 58
5. Die Schalttafel des Maschinenraumes 59
VI. Der große und der kleine Hörsaal 60
VII. Räume für wissenschaftliche Arbeit 63
VIII. Die Gitteraufstellungen 64
IX. Die Praktikumsräume 67
Anmerkung: Die Kurse in physikalischer Handfertigkeit 67
IV. Das Institut für angewandte Elektrizität, von Hermann Th. Simon . . . 69 — 94
1. Geschichtliches 69
2. Das Gebäude 72
3. Allgemeine Anordnung der Räume 75
IV InhalL
Seite
4. Spezielle Einrichtung einzelner Räume 75
a) Maschinenhalle 75
b) Der Hörsaal , '. 81
c) Das photographische Zimmer 83
d) Das Dach 84
5. Die elektrische Anlage 84
6. Tätigkeit und Frequenz des Institutes 90
a) Vorlesungen 91
b) Praktikum. 91
c) Forschung 92
d) Exkursionen 93
7. Schluß ' 94
V. Das Institut für angewandt^ Mathematik und Mechanik, von Carl
Runge und Ludwig Prandtl 95 — iii
1. Entwicklung der beiden Abteilungen .96
2. Beschreibung der Institutseinrichtungen loi
3. Unterrichtsbetrieb 107
VI. Das Institut für physikalische Chemie, von Friedrich Dolezalek .... 112 — 118
VII. Das Institut für Geophysik, von Emil WiECHERT. 119— 188
I. Vorgeschichte (1832 — 1897). (Erdmagnetisches Observatprium) 119
a) Einleitung 119
b) Tätigkeit von Carl Friedrich Gauss 120
c) Die Tätigkeit von Wilhelm Weber 130
d) Direktorat von Ernst Schering 132
IL Das neue geophysikalische Institut 134
a) Entwicklung und Ziele 134
b) Lage und Baulichkeiten . 140
III. Seismologische Arbeiten 152
a) Einleitung 152
b) Geschichtliches über die Mikroseismik bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ... 154
c) Die ersten seismologischen Arbeiten im Göttinger geophysikal. Institut (1898 — 1900) 162
d) Seismologische Arbeiten im beginnenden 20. Jahrhundert 168
IV. Arbeiten auf dem Gebiet der Luftelektrizität 179
V. Veröffentlichungen aus dem geophysikalischen Institut 186
VIII. Zur Geschichte der Göttinger Vereinigung • • • ^^9 — 200
1 . Über die Neueinrichtungen für Elektrotechnik und allgemeine technische Physik an der
Universität Göttingen (Wiederabdruck eines 1 899 erschienenen Aufsatzes von Felix Klein) i 89
— Verzeichnis weiterer Schriften, welche die Tätigkeit der Göttinger Vereinigung darlegen 1 93
2. Daten zur äußeren Entwicklung der Göttinger Vereinigung 195
3. Übersicht über die für die Bestrebungen der Vereinigung aufgebrachten und ver-
wendeten Summen 198
4. Mitgliederliste der Göttinger Vereinigimg, 1906 198
I.
Bericht über die Feier der
t.
Einweihung der physikalischen Neubauten
am 9. Dezember 1905
von
Eduard Riecke.
Die unmittelbare Veranlassung zu diesem von der Göttinger Vereinigung zur
Fördenmg der angewandten Physik ' und Mathematik veröffentlichten Buche bot die
Feier der Einweihung der physikalischen Neubauten am 9. Dezember 1905. Es
lag in der Natur der Sache, daß der Blick dabei auf die Entwicklung gelenkt
wurde, welche die Physik an unserer Universität in den letzten Jahrzehnten ge-
nommen hat; es lag der Gedanke nahe, das, was bei der Feier gesprochen wurde,
zu bleibender Erinnerung zu sammeln und durch eingehendere Schilderungen von
Seiten der beteiligten Institutsdirektoren zu ergänzen, um so ein möglichst voll-
ständiges Bild jener eigenartigen Entwicklung zu geben, der man eine über den
Rahmen unserer Universität hinausgehende Bedeutung nicht absprechen wird. Der
Zusammenhang, in dem danach der vorliegende Band mit unserer Einweihungsfeier
steht, wird es rechtfertigen, wenn ich an Stelle einer Einleitung einen Bericht über
jene Feier dem Inhalte voranschicke.
Zunächst möge hervorgehoben werden, daß die Mitglieder der Göttinger Ver-
einigung selbst in großer Zahl an der Feier teilgenommen haben. Von selten der
Injiustriellen waren die folgenden Herren erschienen:
Verlagsbuchhändler A. Ackermann-Teubner, Leipzig.
Geheimer Regierungsrat Dr. Böttinger, M. d. A., Elberfeld.
Göttinger Festschrift I
Bericht über die Umweihungs/eier.
Präsident Dr. Bödiker, Berlin.
Direktor Ehrensberger, Essen.
Professor Dr. Lepsius, Griesheim.
Fabrikant H. Levin, Göttingen.
Generaldirektor Dr. v. Öchelhäuser, Dessau.
Baurat Dr. Peters, Berlin.
Professor Dr. Schilling, Bremen.
Fabrikant Th. Simon, Kim.
Kommerzienrat Wacker, Nürnberg".
Die Göttinger Mitglieder der Vereinigung waren in voller Zahl bei der Feier
erschienen.
Wir hatten auch eine größere Zahl von Fachgenossen gebeten, an unserer
Feier teilzunehmen; vor allem die früheren Dozenten der Physik unserer Universität,
dann die Vertreter der Physik an den benachbarten Hochschulen und die Direktoren
von Instituten, die uns selber vor längerer oder kürzerer Zeit zu ähnlichen Feiern
geladen hatten. Die folgenden Kollegen waren unserer Einladung gefolgt:
Abegg, Breslau. W. Kohlrausch, Hannover.
Des Coudres, Leipzig. E. Meyer, Berlin.
DiETERici, Hannover. Neesen, Berlin.
Dorn, Halle. Nernst, Berlin.
Drude, Berlin. Reich, Jena.
Elster, Wolfenbüttel. W. Schmidt, Gießen.
Fromme, Gießen. Wachsmuth, Berlin.
Geitel, Wolfenbüttel. Warburg, Qiarlottenburg.
Heydweiller, Münster. H. Weber, Braunschweig.
HiMSTEDT, Freiburg. Wien, Würzburg,
Kaufmann, Bonn. Wiener, Leipzig.
König, Gießen. Zeeman, Amsterdam.
Von Seiten der Königlichen Staatsregierung hatten anfanglich Minister
VON Rheinbaben, Ministerialdirektor Althobt, Geheimer Oberregierungsrat Naumann
zugesagt, zu kommen; leider wurden sie noch in letzter Stunde daran verhindert.
Die Universität war vertreten durch den Prorektor Professor D. Althaus und
die Dekane der vier Fakultäten, die Professoren Schürer, J. Merkel, von Hippel,
Teilnehmer; Ansprache des Umversitätskuraiors,
M. Lehmann. Außerdem nahmen zahlreiche Angehörige der philosophischen Fakultät
an der Feier teil.
Die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften war durch ihre beiden Sekretare
Ehlers und Leo vertreten.
Von Seiten der Stadt Göttingen war der Oberbürgermeister Calsow unserer
Einladung gefolgt
Aus der Zahl der übrigen Gäste mögen noch die folgenden Namen hervor-
gehoben werden: Geheimer Baurat Hellwig aus Hildesheim, Kreisbauinspektor
Grunewald aus Göttingen, Regierungsbauführer Leiste aus Göttingen, (Regierungs-
baumeister Kropf war leider verhindert zu kommen); femer: Professor E. Hartmann
aus Frankfurt a. M., Dr. Rasehorn von Siemens -Wemerwerk, Verlagsbuchhändler
HiRZEL aus Leipzig, Landrat Mannkopf aus Göttingen, Stadtbaumeister Jenner aus
Göttingen.
Der festliche Akt der Einweihung vollzog sich in dem großen Hörsaale des
neuen Institutes; der Beginn war auf 97, Uhr festgesetzt. Die Zahl der Anwesenden
betrug etwa 1 80. Außer den oben Genannten nahmen noch die Frauen des Prorektors
und des Kurators, die Frauen der Professoren der Physik, Mathematik xmd Astronomie
an der Feier teil Die Studentenschaft war durch etwa 50 Studierende der Physik
und Mathematik vertreten.
Der Festakt wurde von dem Universitätskurator, Geheimen Oberregierungsrat
Dr. HöPFNER, als dem Vertreter der Regierung, eröffnet; er überwies die neuen
Institute mit der im folgenden wiedergegebenen Ansprache den Händen ihrer
Direktoren.
Hochzu verehrende Anwesende!
Der Umstand, daß dem Weiheakt, den zu feiern wir hier versammelt
sind, eine Amtshandlung voranzugehen hat, führt mich zuerst an diese Stelle
und vergönnt mir die Ehre, Sie herzlich willkommen zu heißen.
Bei diesem an die hochansehnliche Versammlung gerichteten Dankesgruß
bewegt mich freilich schmerzlich, daß die hohen Chefs der Unterrichts- und der
Finanzverwaltimg nach der augenblicklichen Lage ihrer Geschäfte schließlich
haben darauf verzichten müssen, sich mit ims heute des Werkes zu freuen, das
dank ihrem Zusammenwirken nun vollendet ist Wie gern hätten wir den Herren
Bericht über die EimoeihuHgsfeter^
heute unsere Ehrerbietung und unsere Dankbarkeit bezeugt Und so fehlen uns,
wie sie selbst, auch diejenigen ihrer Räte, deren persönlichste Sorge die Neu-
schöpfung, der diese Feier gilt, gewesen ist, deren nie rastendem Bemühen die
hiesige Universität, wie ihre Schwesteranstalten, so viel zu danken hat, und die
uns in ausdrücklichen Worten aufs liebenswürdigste kundgegeben haben, wie
gern sie diesen Tag mit uns begehen würden, — ich vermag die Herren
Exzellenz Dr. Althoff und Geheimrat Dn Naumann in diesem Zusammenhange
nicht ungenannt zu lassen.
Um so freudiger begrüße ich nun die hier erschienenen Herren von der
„Göttinger Vereinigung von Industriellen zur Förderung der angewandten Physik
und Mathematik". Was diese Vereinigung anstrebt und was sie bereits geleistet,
wird am heutigen Tage von berufenerer Seite gesagt werden. Mir genügt jetzt
ein Wort der Freude darüber, daß ich diese Herren als einen gefestigten Verband
unter der Führung ihres ebenso energischen wie umsichtigen Vorsitzenden, des
Herrn Geheimen Regierungsrates Dr. Böttinger, hier auftreten sehe im Rahmen
einer bedeutungsvollen akademischen Feier — Männer der Praxis aus Nord
und Süd, aus Ost und West des deutschen Vaterlandes, nach ihrer Art zimi
frohen Feste erst erscheinend nach Jahren saurer Arbeit, mit der sie der Wissen-
schaft still sorgend die ersprießlichsten Dienste geleistet
Mit gleich verehrungsvollem Danke für Ihr Erscheinen begrüße ich dann
Sie alle, meine Herren, die Sie von fem her heute wieder das Gehege der
Georgia Augusta aufgesucht haben, in dem Sie einst als Lehrer der Physik
gewirkt haben; Sie, meine Herren, die Sie, auch ohne solche Beziehungen zu
Göttingen, als Vertreter der deutschen Physik hierher gekommen sind, um den
Göttinger Physikern Ihre Teilnahme zu bezeugen, wie auch den getreuen Hüter
unserer Universitätsbauten und die Herren von der Femmechanik, die dem
Naturforscher das Werkzeug zu seiner Forschung schafft. Ebenso heiße ich
hocherfreut über Ihr Erscheinen Eure Magnifizenz und die zahlreich versammelten
Herren von der Korporation, die Herren Sekretäre der Königlichen Gesellschaft
der Wissenschaften, die Spitzen unserer Stadt und des . Kreises und — last
not least — die hier anwesenden hochverehrten Damen willkommen.
Die amtliche Obliegenheit aber, die ich zu erfüllen habe, besteht darin,
daß ich im Auftrage der Staatsregierung den Herren Direktoren des physika-
lischen Institutes die für dieses Institut errichteten Neubauten, nachdem deren
planmäßige Ausführung in besonderer Verhandlung dargelegt und von ihnen
Ansprache des Uniüersiiätskurators,
anerkannt worden ist, nunmehr zu ausschließlich eigener Verwaltung und Pflege
übergebe und zugleich verkündige, daß der Herr Unterrichtsminister auf die ihm
unterbreiteten Vorschläge der seitherigen Direktoren des physikalischen Institutes
eine weitere Durchbildung dieses Institutes beschlossen hat, welche darin besteht,
daß von nun ab neben die seitherigen Abteilungen für Experimentalphysik
(Direktor Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Riecke) und für mathematische
Physik (Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Voigt) eine dritte Abteilung, für
angewandte Elektrizitatslehre, tritt, zu deren Direktor Professor Dr. H. Th. Simon
ernannt worden ist Und damit ist, was Sie fachmännisch mitgeschaffen, nunmehr
Ihnen, hochverehrte Herren Direktoren, übergeben.
Es bedarf in diesem der hehren Wissenschaft geweihten Bezirke keiner
Symbolik von Hand zu Hand gehender Schlüssel, keiner läutenden Glocken
oder donnernden Böller, um Sie, meine Herren Direktoren, es tief empfinden
zu lassen, wie Ihnen Erfüllung, des reichsten Vaters schönste Tochter, genaht
ist Einem langen Sehnen und Streben ist nun Erfüllung geworden. Nur unwill-
kürlich gleitet ein flüchtiger Blick zurück auf die Bahn des langen und heißen
Bemühens, auf die Prüfungen des Mutes, in denen der Zweifel manchmal Ihres
Herzens Nachbar werden gewollt, auf die letzten für. die Vervollkommnung der
Neuschöpfung durch ein stattliches Elektrotechnikum ausgefochtenen und wohl
nur dank dem Beistande unseres verehrten Gönners Dr. Böttinger siegreich zu
Ende geführten Kämpfe. Aber diese Erinnerungen an Sorgen und Mühe, wie
verschwinden sie nun unter der strahlenden Gewißheit, daß festem Beharren
auch hier der Erfolg gesichert war — tandem bona causa triumphat — und
daß der preußische Staat, welchen Beklemmungen auch immer seine schwierige
Weltstellung ihn aussetzt, doch in allen Zeitlagen seines eigensten Wesens
gedenk ist und immer den Polen zusteuert, an denen Licht, Erkenntnis, Wissen-
schaft, Fortschritt und Freiheit liegen. Der Moment der Erfüllung richtet in-
dessen auch vorwärts den BUck: wozu verpflichtet der ersehnte und errimgene
Besitz? eine Frage, meine Herren Direktoren, die ich Ihnen nicht zu beantworten
brauche, weil die Antwort für Sie selbstverständlich ist Der Dienst an Ihrer
Wissenschaft ist Ihnen stets etwas Heiliges gewesen und in diesem Sinne haben
Sie im alten Institut langjährige Forscherarbeit getan; kein Nebeninteresse irgend
einer Art hätte je den wahrhaft priesterlichen, allein der Wahrheit zugewandten
Geist Ihrer Arbeit herabsetzen können. Hierbei, hochverehrte Herren, wollen
Sie es verbleiben lassen! Für Sie mögen über der neuen Stätte Ihres Wirkens
Bericht über die Einweihungsfeier.
die Worte flammen: introite, et hie Dii sunt Walten Sie in diesem Geiste, so
gehört Ihnen auch hier die Zukunft, so ersprießen Ihnen auch im neuen Hause
des alten Hauses Ehren. Das walte Gott!
Ich habe mich nur noch des mir hocherfreulichen und ehrenvollen Auf-
trages zu entledigen, bekannt zu geben, wie an hoher, höchster und allerhöchster
Stelle die Feier, die wir in dieser Stunde begehen, gewürdigt worden ist
Ich beehre mich in dieser Hinsicht zunächst einen Erlaß vorzulesen, den
Se. Exzellenz der Herr Minister der geistlichen Angelegenheiten Dr. Studt unter
dem 7. Dezember 1905 (Nr. I 18639) 3J1 mich gerichtet hat:
„Es ist mir Bedürfnis, der Göttinger Vereinigung zur Förderung der
angewandten Physik und angewandten Mathematik, welche zu dem hoch-
erfreulichen Stande des mathematischen und physikalischen Unterrichtes an
der dortigen Universität so wesentlich beigetragen hat, bei der Eröffnung
des physikalischen Institutes den Dank imd die Anerkennung der Staats-
regierung auszudrücken. Zu diesem Zwecke habe ich beschlossen, eine
Marmorbüste des hochverdienten Begründers der Vereinigung, Geheimen
Regierungsrates Dr. Böttinger, ausführen zu lassen und dem Institut zu über-
weisen, damit sie dort an hervorragender Stelle dauernd Zeugnis von dem
erfolgreichen Wirken der Vereinigung ablege.
Ich ersuche Sie, diese meine Entschließung bei der Eröffnung des
Institutes bekannt zu geben."
Se. Majestät der Kaiser und König aber haben Allergnädigst geruht, aus
Anlaß der Einweihung der Neubauten für das physikalische Institut der hiesigen
Universität folgende Auszeichnungen zu verleihen:
die Große Goldne Medaille für Wissenschaft
dem ordentlichen Professor an der technischen Hochschule in München
Dr. VON Linde;
den Roten Adlerorden dritter Klasse
dem Direktor der Maschinenbau -Aktiengesellschaft in Nürnberg
Baurat Rieppel;
den Königlichen Kronenorden zweiter Klasse
dem Direktor des physikalischen Instituts hierselbst Geheimen Regie-
rungsrat Professor Dr. Riecke;
Auszeichnungen; Telegramm des Frwun Albrecht,
den Königlichen Kronenorden vierter Klasse
dem außerordentlichen Professor Dr. Simon;
das Allgemeine Ehrenzeichen
dem Hausverwalter des physikalischen Institutes Spörhase.
Und endlich haben Se. Königliche Hoheit der Regent des Herzogtums
Braunschweig Prinz Albrecht von Preußen auch am heutigen Tage der Georgia
Augusta, die ihren erhabenen Rector magnificentissimus in ihm verehrt, Ihre
Gnade bezeugt und
das Kommandeurkreuz zweiter Klasse des herzoglich Braun-
schweigischen Ordens Heinrichs des Löwen
dem Direktor des physikalischen Institutes hierselbst Geheimen Regie-
rungsrat Professor Dr. Voigt
Allerhöchst verliehen, dessen Verdienste um diese Hochschule durch einen
preußischen hohen Orden erst im Laufe dieses Jahres anerkannt worden sind
Mögen diese Gnadenerweisungen an das gemahnen, was die Wissenschaft
wie der Welt auch dem Vaterlande schuldet, für das sie Liebe entzündet und
fördert, wenn sie sein Ansehen erhöht — was der Georgia Augusta allezeit
gelingen möge!
Auf die Ansprache des Universitätskurators folgten die Reden der drei Instituts-
direktoren RiECKE, Voigt und Simon, welche auf den diesem Berichte zunächst
folgenden Seiten des Buches abgedruckt sind. Sodatnn ergriff der Prorektor, Pro-
fessor D. Althaus, das Wort, um zunächst den folgenden telegraphischen Glückwunsch
des Rector magnificentissimus unserer Universität, des Prinzen Albrecht von Preußen,
Regenten des Herzogtums Braunschweig, zu verlesen:
Telegramm des Prinzen Albrecht
Eurer Magnificenz spreche ich meinen Glückwunsch zur Voll-
endung und Einweihung des Physikalischen Instituts der Georgia
Augusta aus. Mit Freuden begrüße ich diese Erweiterung der An-
stalten der Universität und hoffe aufrichtig, daß sie zum Wohle der
Wissenschaft wie der Menschheit beitragen möge.
Albrecht.
8 Beruht über du Eimveihungsfeier.
Sodann brachte der Prorektor die Glückwünsche der Universität in der folgenden
Ansprache dar: . -
Hochverehrte Versammlung!
Es gereicht mir zur Freude und hohen Ehre, Sie an diesem festlichen
Tage begrüßen zu dürfen und Ihnen die Glückwünsche der Universität zu über-
bringen. Es bedarf nicht der ausdrücklichen Versicherung, daß die ganze
Universität an der Weihe dieses Instituts auf das innigste beteiligt ist Wir
wissen, daß, indem wir Sie beglückwünschen, wir zugleich uns selbst beglück-
wünschen. Wenn der Ruhm der Georgia Augusta weithin erstrahlt, über die
Grenzen unseres deutschen Vaterlandes hinaus, wenn ihr Name über Meere und
Länder einen gefeierten Klang hat, so ist uns wohl bewußt, welch ein hervor-
ragender Anteil daran gerade den naturwissenschaftlichen Fächern gebührt. So
haben wir alle Ursache, uns mit Ihnen dieser neuen Errungenschaft zu freuen, und
dürfen das Recht zur Mitfeier an Ihrem heutigen Ehrentage für uns alle in
Anspruch nehmen.
Zugleich aber teilen wir mit Ihnen das Gefühl der Dankbarkeit gegen
die hohe Unterrichtsyerwaltung, welche Ihnen diese schönen Räume zur Ver-
fugung gestellt hat, und es ist mir ein besonderes Bedürfnis, dem an dieser
Stelle im Namen der Universität einen Ausdruck zu verleihen. Es liegt in den
Verhältnissen unserer Hochschulen begründet, daß wir weit häufiger genötigt
sind, mit Bitten vor der Behörde zu erscheinen, als uns Gelegenheit gegeben
ist, ihr unsern Dank zu übermitteln. Es würde wahrlich kein erfreuliches
Zeichen für unsere Universität sein, sondern vielmehr ein bedenkliches Symptom
unheilvoller Stagnation in unserem geistigen Leben, von Mangel an lebendig
fortschreitender Entwicklung unsrer wissenschaftlichen Arbeit, wenn unsererseits
keine Wünsche und Bitten mehr laut würden. Um so freudiger aber heißen wir
jeglichen Anlaß willkommen, bei welchem es uns vergönnt ist, der Unterrichts-
verwaltung für die Gewährung unserer Anliegen unsern ehrerbietigen Dank aus-
. zusprechen. Daß die Georgia Augusta in den letzten Jahrzehnten sich in so
bedeutendem Maße ausgebreitet hat, daß ein neues Institut nach dem anderen
erbaut worden, daß eine Reihe neuer Lehrstühle errichtet ist, das verdanken
wir in erster Linie dem Wohlwollen imd der Munificenz der Königlichen Staats-
regierung, ihrem Verständnisse für den Ausbau des Organismus der Wissenschaft,
ihrer Einsicht in die immer wachsenden Bedürfnisse der Einzeldisziplinen. Wir
Ansprache des Prorektors.
richten zugleich iinsern tiefgefühlten Dank an den hochverehrten Herrn
Universitatskurator als den liebevollen Interpreten und allezeit unermüdlichen
Vermittler unserer Wünsche an zuständiger Stelle.
Ich habe die Ehre, die Herren von der „Göttinger Vereinigung" herzlichst
zu begrüßen. Wenn eine Familie ihre Ehrentage feiert, so tut sie die Türen
ihres Hauses weit auf und ruft teure Freunde, werte Gönner, deren lebendiger
Teilnahme an dem Wachstum und Gedeihen des Hauses sie sich vergewissert
halten darf, in ihre Mitte hinein. Durch ihre Anwesenheit steigert sich erst
vollends das Maß der festlichen Freude. In diesem Sinne wollen Sie, hoch-
verehrte Herren, mir gestatten, den Titel von Gönnern und Freunden unserer
Universität auf Sie in Anwendung bringen zu dürfen. Mit idealer Hingabe
an die Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und in selbstloser Opferwilligkeit
haben Sie unsere Sache auf das wirksamste gefördert Durch Rat und Tat,
durch weiten Blick und offene Hand haben Sie nicht das wenigste dazu bei-
getragen, daß es uns ermöglicht ist, diesen Festtag zu begehen. Seien Sie ver-
sichert, daß Ihre Namen im Kreise unserer Universität allezeit wert und hoch
gehalten werden, und unsere Verbundenheit gegen sie eine bleibende sein wird.
Ich begrüße Sie, meine verehrten Herren Kollegen, die Sie berufen sind,
diese Räume fortan mit Ihrer Arbeit zu durchwalten. Wie eine Mutter sich
freut, wenn es ihrer Tochter gelungen ist, ein eigenes, ihren Wünschen ent-
sprechendes Heim zu beziehen, so freut sich heute mit Ihnen die Alma Mater
daß es Ihnen nunmehr vergönnt ward, Ihre Wirksamkeit in einem Institute fort-
zusetzen, welches der Entwicklung und dem Umfange Ihrer Wissenschaft an-
gemessen ist Sowohl in Ihrer Lehrtätigkeit wie in Ihrer Forscherarbeit sind Sie
auf ein solches Institut angewiesen. Was wäre ein Dozent der Physik ohne
sein Institut? Aber ich darf den Satz auch umkehren und sagen: Was wären
unsere Institute, auch die bestorganisierten und trefflichst ausgestatteten, was
wären diese Apparate und Instrumente, auch die aufs feinste präzisierten, ohne
die Persönlichkeiten, welche sie handhaben und beherrschen? Selbst ein Laien-
gemüt, wenn es diese Räume überschaut, spürt überall etwas von dem ge-
staltenden Geiste und der denkenden Kraft, welche diesen gesamten Organismus
hervorgebracht hat imd in lebendige Bewegung zu setzen versteht. Es über-
kommt uns eine Ahnung von dem Ernste wissenschaftlicher Forschungsarbeit,
aber wir empfinden auch etwas von der hohen Freude, welche solche Arbeit
Ihnen gewähren muß, wenn es Ihnen gelingt, immer tiefere Blicke zu tun in den
Göttinger Festschrift. 2
10 Bericht über die JEinweikungsfeier.
wunderbaren Weltenbau, seine geheimnisvollen Grunde zu erschließen, seine
Gesetze zu erkennen, der in ihm wirkenden Kräfte immer mehr Herr zu werden
und sie der Menschheit dienstbar zu machen. Seien Sie überzeugt, hochverehrte
Herren Kollegen, daß wir Ihre fernere Tätigkeit mit dem größten Interesse
begleiten werden. Wir wünschen Ihnen das Höchste und Beste, was man
wissenschaftlich arbeitenden Männern wünschen kann: den Lohn der Selbst-
befriedigung in der reinen Hingabe an den Dienst der Wissenschaft Möge es
Ihnen beschieden sein, als treue Erben der großen Göttinger Tradition noch
lange in diesen schönen Räumen Ihrer Forscheraufgabe zu leben, von zahl-
reicher Jüngerschar umgeben: diesen Ihren Schülern zur Förderung, der Wissen-
schaft zur Bereicherung, Ihnen selbst zur Freude und Genugtuung, unserer
teuren Georgia Augusta zur Zierde und zum unvergängHchen Ruhm!
Die Verlesung der nach altem Brauche in lateinischer Sprache abgefassten
Diplome der von der philosophischen Fakultät aus Anlaß der Feier ernannten Ehren-
doktoren wurde von dem Dekan, Geheimrat Professor Dr. Max Lehmann, mit den
folgenden Worten eingeleitet:
Die philosophische Fakultät, in deren Namen ich zu reden die Ehre
habe, bringt Ihnen, meine Herren Kollegen, die Sie fortan in diesem präch-
tigen Hause wirken dürfen, ihre Glückwünsche dar. Sie stimmt ein in Ihre
Freude, sie stimmt ein in Ihren Dank; denn so ein Glied wird herrhch gehalten,
so freuen sich alle Glieder mit. Echte Freude kann nicht allein bleiben, sie ist
nicht denkbar ohne Mitteilung und Spende, und darum will die philosophische
Fakultät den Gästen, die hierher geladen sind, geben was sie zu geben vermag.
Auch sie baut an einem Hause, unaufhörlich: es wird nie fertig, dieses
Haus, und doch ist es so wohnlich, daß in ihm zu weilen der immer neue sehn-
liche Wunsch von Generationen ist. In der Regel, an Alltagen, gewährt die
Fakultät einen Platz in ihrem Hause nur denen, die sich darum bewerben; wenn
sie aber Feste feiert, so teilt sie aus nach freier Wahl, immer jedoch nur an
die Würdigsten der Würdigen. Sechs solcher Plätze soll ich heute vergeben.
Indem die Fakultät sie auswählte, ist sie sich bewußt gewesen der eigen-
tümlichen Doppelnatur der Wissenschaft im allgemeinen. Sie ist gebunden an
Ort und Zeit, insofern ihre Priester Menschen sind, bedürftig des Schutzes, den
Ansprache des Dekans der philosophischen Fakultät; Ehrenpromotionen, 1 1
nur der Staat verleihen kann, angewiesen auf das tägliche Brot, wie es wieder
nur der Staat geben kann. In den Vertretern der Staatsgewalt ehren wir unsre
Patrone. Darum hat die philosophische Fakultät beschlossen, zu ihrem Ehrendoktor
zu ernennen den Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat Otto Naumann in Berlin.
Die Wissenschaft muß es ablehnen, sich ihre Aufgaben begrenzen zu
lassen durch die Bedürfnisse des Lebens, aber unaufhörlich wirkt das Leben auf
sie ein, wie sie selbst auf das Leben wirkt. Sonderlich findet diese Wechsel-
wirkung statt bei den naturwissenschaftlichen Disziplinen, so sehr, daß unsere
Georgia Augusta Lehrer und Institute besitzt für sogenannte angewandte Wissen-
schaften. So ist der zweite Ehrendoktor, den ich zu promovieren habe, der
Königlich bayerische Baurat und Generaldirektor der Nürnberger Maschinen-
fabrik Anton Rieppel.
Aber in ihrem innersten Wesen ist die Wissenschaft nicht an Ort und
Zeit gebunden; sie kennt keinen Unterschied zwischen den Nationen, keine Grenze
zwischen Reich und Reich; auch von ihr heißt es: cuius regni non erit finis.
Vier Ausländer sind es, denen wir heute huldigen, indem wir sie ehren: ein
Holländer, zwei Engländer, ein Franzose. Ein Holländer, Sohn des Landes, in
dem die Denkfreiheit geboren wurde: Pieter Zeeman, Professor in Amsterdam.
Zwei Engländer, Söhne des Landes, in dem die naturwissenschaftliche Methode
formuliert wurde: Oliver Heaviside in Newton Abbot und Josef John Thomson,
Professor in Cambridge. Ein Franzose, Sohn des Landes, welches, nachdem
einmal Holland und England die Bahn gebrochen hatten, auf dem ganzen Ge-
biete des Naturerkennens das Größte leistete: Henri Becquerel, Mitglied des
Instituts und Professor an der Polytechnischen Schule in Paris.
Die Universitäten haben für ihre Wirksamkeit Formen nötig, die dem
Wechsel unterworfen sind, die wir aber erst dann preisgeben, wenn sie ganz und
gar abgestorben sind. Noch halten wir bei unsren feierlichen Kundgebungen fest
an dem altehrwürdigen Idiom, das uns mit den Anfangen unsrer Bildung ver-
bindet, und so hat die Fakultät mich beauftragt, auch die heutigen Promotionen
in der lateinischen Sprache zu vollziehen.
Q. F. F. F. Q. S.
Auspiciis et auctoritate augustissimi, potentissimi principis ac domini Wilhelmi II,
imperatoris Germanorum, Borussiae regis, domini nostri longe clementissimi — rectore
academiae Georgiae Augustae magnificentissimo Alberto, regio Borussiae principe
12 Bericht über die Einweikungsfeier.
clarissimo, ducatus Brunsvicensis summo moderatore — prorectore magnifico Paulo
Althaus, theologiae doctore et professore publico ordinario — ego ex ordinis mei
decreto viros egregios:
Ottonem Naumann, ab ipsis regis intimis consiliis, qui cum sagaci prudentia
perspexerit perspicereque pergat, quibus rebus cum Omnibus Borussicis tum nostrae
opus sit universitatibus, earumque antiquam gloriam retineri non posse optime intellexerit
nisi ita, ut et discipulorum instructioni et scientiae studio ampla aedificiorum copia
praebeatur, atque officinae aut novae veteribus usitatisque accrescant, aut meliores in
locum vetustarum et collabentium substituantur, strenuo consilio eo rem perduxit, ut
utriusque huius novationum generis iam duo extent splendida exempla: et electricitatis
applicatae laboratorium et quod hoc festo die inauguratur physicae —
Antonium Rieppel, a regis Bavariae consiliis architectum, qui, cum opificio
machinarum Norimbergensi praepositus sit, humanitatem et benevolentiam non minus
praestat quam perseverentiam et voluntatem, neque tantum valles et flumina audaci
pontium longitudine coniungere callet, sed etiam scientia cognoscendi construendique
artes vinculis artissimis coartari et coalescere ne desinant curavit curatque, non sine
merito societati Gottingensi physicae matheseosque applicatae addictus, et ipsi hoc
ipso die de universitate Georgia Augusta haud parce meritae —
Petrum Zeeman, physicae in universitate Amstelodamensi professorem, et docendo
et sciendo magistri nomine dignum, observationis indaginisque physicae non minus con-
tinuatorem quam novatorem, quae magnus Faraday de vi magnetica corporumque
proprietate optica divinatus est neque perficere potuit, eorum inventorem felicem —
Iosephum Ioannem Thomson, physicae experimentalis in universitate Cantabrigensi
professorem, qui doctrinam de eo electricitatis motu, qui in gasibus obtinet, et con-
templando et experiundo auxit, discipulorum illustrium magno numero adiutus, corpus-
culorum, quae iona vocantur, singularem naturam illustravit, vertiginum theoriam atomis
feliciter applicavit, quae inter atoma electrica et chemica extet cognatio ingeniöse
dispicere coepit, his omnibus multisque aliis studiis et indagationibus antiquam officinae
Cantabrigensis famam atque gloriam firmavit auxit amplificavit —
Oliverium Heaviside, natione Anglum, domo Newtonabbatensem, analyticae
artificiorum peritum, corpusculorum, quae electrona vocari solent, indagatorem per-
severantem, fertilem, felicem, quamvis vitae solitariae deditum, tamen inter propagatores
scientiae Maxwellianae facile principem —
Henricum Becquerel, instituti Gallici socium, physicae in schola polytechnica
Parisina professorem, qui cum radios, qui ex radii elemento exeunt, primus invenisset,
Anspreche des Vorsitzenden der Professoren^Kommtsston» I3
naturam eorum variam et complicatam extricasset, a radiis cathodicis partem eonim
diversam non esse cognosset, huius recentis scientiae finibus ubique propagatis, ipsas
physicae et chemiae scientias ad nova et vastiora spatia et curricula evexit — —
hos, inquam, viros egregios honoris causa philosophiae doctores et artium liberalium
magistros creo creatosque pronuntio.
Quod felix faustum fortunatumque sit.
Der Vorsitzende der Professoren-Kommission der Göttinger Vereinigung, Geheimrat
Professor Dr. Klein, brachte deren Glückwünsche in den folgenden Worten dar:
Verehrte Direktoren des neueröffneten Instituts!
Als Vorsitzender der Professoren-Kommission der Göttinger Vereinigung
für angewandte Physik und Mathematik habe ich Ihnen namens der Vereinigung
die herzlichsten Glückwünsche darzubringen. Ich möchte zu Ihnen nicht als
Fremder sprechen. Haben wir doch jahrelang in gemeinsamer Arbeit Schulter
an Schulter gestritten und uns bemüht, und darf doch die Vereinigung den
heutigen Tag auch als ihren eigenen Festtag ansehen. Es ist nicht nur, daß
die Abteilung für angewandte Elektrizitätslehre heute verselbständigt ist und ihr
eigenes Haus bezieht, sondern es sind auch die im alten Hause des Physi-
kalischen Institutes freigewordenen Räume den anderen Abteilungen, für die sich
unsere Vereinigung in erster Linie interessiert, den Abteilungen far angewandte
Mathematik und angewandte Mechanik, überwiesen. Unter dem Namen eines
Instituts für angewandte Mathematik und Mechanik vereinigt werden die-
selben dort fortan eine neue glänzende Entwicklung nehmen können, durch
welche die Grundgedanken, die wir mit Ihnen verfolgen, eine immer weiter-
gehende, umfassende Verwirklichung finden sollen. So lassen Sie mich die Be-
grüßung, die ich Ihnen darzubringen habe, in den Wunsch zusammenfassen, daß
es Ihnen und uns anderen noch lange Zeit vergönnt sein möge, einträchtiglich
zusammenzuarbeiten zur Entwicklung der Wissenschaft und zum Gedeihen der
Universität!
Die fremden Fachgenossen aber, die zum heutigen Feste herbeigeeilt sind,
bitte ich, auch diesen letztgenannten Einrichtungen einige Aufmerksamkeit zu-
14 Bericht über £e Ehnoeikungsfeier.
wenden zu wollen. Die Direktoren, Professor Runge und Professor Prandtl,
werden heute Nachmittag zur Stelle sein, um alle erwünschten Erläuterungen zu
geben, und ich vertraue, daß Sie bei aller Unfertigkeit der Einzelheiten, die
Absicht des Ganzen deutlich erkennen und unsere Einrichtungen in freier Über-
zeugung als eine wesentliche Ergänzung des sonst üblichen mathematisch-
physikalischen Universitätsbetriebs gelten lassen werden.
Der letzte Punkt des Festprogramms erlitt durch die schließliche Absage des
Herrn Ministerialdirektors Althobt eine von uns sehr bedauerte Abänderung. Der
Dank, den die Göttinger Vereinigung seiner weitschauenden Fürsorge schuldet, sollte
in der Überreichung einer künstlerisch ausgestatteten Adresse seinen Ausdruck finden.
Von dieser Absicht und dem Inhalte der Adresse gab der Vorsitzende der Göttinger
Vereinigung, Geheimer Regierungsrat Dr. Böttinger, der Versammlung mit den
folgenden Worten Kunde:
Hochgeehrter Herr Kurator!
Hochverehrte Damen und Herren!
Gestatten Sie mir zunächst einige Worte in eigener Sache. Ich bin noch
ganz betroffen und überrascht von der mir durch Se. Exzellenz den Herrn
Kultusminister gewordenen so ganz besonderen und außerordentlichen Ehrung.
Wenn ich auch auf das Freudigste berührt bin, empfinde ich doch ein Gefühl
der Beschämung. Was ich hier tun durfte und was ich hier tue, geschah
und geschieht immer nur im Interesse Ihrer Hochschule, zur Förderung unserer
gemeinsamen Bestrebungen auf derselben, damit die Anwendung und Anwendungs-
möglichkeit der von Ihnen gelehrten Wissenschaften denjenigen nahe gebracht
wird, die später berufen sind, die neuen Generationen zu lehren, sowie den-
jenigen, welche Recht zu sprechen haben, und denen es besonders wertvoll sein
muß, ihr Urteil auf einige Sachkenntnis zu gründen.
Hochgeehrte Herren! Der mir heute ausgesprochene Dank gebührt aber
nicht mir allein, sondern auch den vielen Freunden und Kollegen, die mitgewirkt
und mitgearbeitet haben, die von den gleichen Empfindungen für die Förderung
unserer gemeinsamen Aufgaben beseelt sind, ohne deren Mitarbeit meine schwachen
Leistungen nichts vermocht hätten.
Jedenfalls werde ich bestrebt bleiben, Ihnen meine Dankbarkeit durch
weitere tatkräftige Arbeit zu beweisen.
Ansprache des Vorsüzendm der GöUiger Vereinigung, 15
Namens unserer Göttinger Vereinigung habe ich nun die Ehre, den be-
sonderen Dank derselben in erster Linie der Königlichen Staatsregierung und
insbesondere dem Herrn Kultusminister und dem Herrn Finanzminister für deren
tatkräftige Förderung und Unterstützung unserer Bestrebungen, und vor allem
für deren Zustimmung zum Bau des neuen Instituts für angewandte Elektrizität
auszusprechen. Durch dasselbe hat nicht nur diese Disziplin die nötigen Räume
in würdiger Form erhalten, sondern es haben die von unserer Vereinigung
mit gepflegten Abteilungen der angewandten Wissenschaften, die angewandte
Mechanik und die angewandte Mathematik, die so lange benötigten größeren
Räimüichkeiten erhalten und sind dadurch in die Lage versetzt, ihre Arbeiten
in noch intensiverer Weise wie bisher durchzuführen.
Die Göttinger Vereinigung zur Förderung der angewandten Physik und
Mathematik ist, wie Sie, hochgeehrte Herren, wissen, eine freie Vereinigung
von Industriellen mit hervorragenden wissenschaftlichen Mitgliedern Ihrer Hoch-
schule. Sie hat zieh zur Aufgabe gestellt, an den Universitäten die angewandten
Wissenschaften zu pflegen und denjenigen, deren späterer Beruf sie mit diesen
Disziplinen in Berührung bringt, Gelegenheit zu geben, die betreffenden Wissen-
schaften nicht nur theoretisch, sondern auch in ihrer Anwendung kennen zu lernen.
Denn gerade wir, die wir mitten in der Industrie stehen, sind uns besonders der
Notwendigkeit bewußt, in inniger Wechselwirkung mit der Wissenschaft zusammen
zu arbeiten. Unsere Bestrebungen haben vielseitige Anerkennung und viel-
fache Nachahmung gefunden, so daß wir mit Befriedigung auf das bereits Er-
reichte zurückblicken und mit frohem Mute der Zukunft entgegensehen können.
Das Erzielte wäre aber nicht erreichbar gewesen, wenn wir nicht die
Unterstützung der KönigUchen Staatsregierung gehabt, und vor allem, wenn
nicht von Anbeginn an der Leiter der Unterrichtsabteilung im Kultusministerium,
Se. Exzellenz Herr Ministerialdirektor Dr. Althoff, mit weit voraussehendem
Bhck und mit vollem Verständnis unserer Bestrebungen unsere Arbeiten unter-
stützt hätte. In allererster Linie gebührt daher ihm, dem unermüdlichen Förderer
der Wissenschaften auf unseren deutschen Hochschulen unser tiefempfundenster
und ehrerbietigster Dank, denn ohne seinen Rat, seine Tatkraft und seine Ein-
sicht wären unsere Bemühungen voraussichtlich umsonst gewesen.
Es ist uns deshalb eine freudige Pflicht gewesen, diesen Dank in sicht-
barer Form zum Ausdruck zu bringen. Zu unserem großen Bedauern und be-
sonderem Leidwesen ist Se. Exzellenz noch in letzter Stunde verhindert gewesen.
l6 Bericht über die Einweikungsfeier,
hierher zu kommen, wodurch uns die Möglichkeit genommen ist, diese Adresse
persönlich zu überreichen. Wir müssen deshalb Sie, hochverehrter Herr Kurator,
höflichst bitten, der gütige Vermittler derselben an Se. Exzellenz zu sein, und
mit der Adresse ihm auch unsere vereinigten, aufrichtigsten Wünsche für sein
Wohlergehen auszusprechen, unser aller Hoffnung Ausdruck zu geben, daß es
Sr. Exzellenz noch lange vergönnt sein möge, die Interessen des höheren Unter-
richts unserer Nation in gleicher Weise zu fördern.
Die Adresse lautet:
,,Ew. Exzelle7iz!
Die Einweihung des neuen physikalischen Instituts der Uni-
versität Göttingen bedeutet einen Festtag auch der Göttinger Ver-
einigung zur Förderung der angewandten Physik und Mathematik.
Bezieht doch gleichzeitig die Abteilung für angewandte Elektrizitäts-
lehre den stattlichen neben dem Hauptgebäude hergestellten Neubau,
während die Institute für angewandte Mathematik und angewandte
Mechanik in den Räumen des alten physikalischen Gebäudes die
lange erwünschte Gelegenheit zur zweckmäßigen Ausdehnung und
planmäßigen Einrichtung finden. IVas uns vor Jahren bei der
Begrmidung unserer Verei^iigMig in unbestimmter Form vorschwebte^
hat damit eine konkrete Ausgestaltung geftmden, die hoffentlich die
Grundlage fortgesetzte^i organischen IVachstums sein wird.
Es ist uns ein Bedürfnis, Ihnen, hochverehrte Exzellenz, bei
dieser Gelegenheit unseren ganz besonderen Dank auszusprechen.
Die Anfänge unserer Vereinigung sind von großen Schwierigkeiten
begleitet gewesen. Indem wir versuchten, zwischen Universität tmd
Technischer Hochschule, deren Interessen zum Schaden des Ganzen
unvereinbar auseinander zu gehen drohten, ein verbindendes Glied
herzustellen, waren wir Mißverständnissen von beiden Seiten ausgesetzt.
Ew. Exzellenz haben da^nals mit weitem Blick die eigenartige
Bedeutung iinserer Ziele von vornherein klar erkannt und uns mit
Adresse an Ministerialdirektor Althoff, I7
wohlwollendem und erfahrenem Rat durch so manche drohende Fähr-
lichkeit sicher hindurchgeleitet,
Ew. Exzellenz haben dann in der Folge nicht nur tatkräftig
unsere Bestrebungen von Fall zu Fall gefördert y sondern unserem
IVirken auch durch großartige Ausgestaltung der mathematisch-
physikalischen Fächer an der Göttinger Universität die denkbar
günstigsten Vorbedingungen geschaffen.
Die Göttinger Vereinigung zur Förderung der angewandten
Physik und Mathematik ist eine Gesellschaft ohne Statut, welche aus-
schließlich durch freie Betätigung und vertrauensvollen Zusammen-
schluß ihrer Mitglieder besteht. Auf derselben Grundlage des gegen-
seitigen Vertrauens, ohne geschriebene Bestimmungen, haben sich ihre
in mannigfacher Form hervor tretende^i Beziehungen zur Königlichen
Staatsregierung entwickelt,
JVollte je^nand unternehmen, aus den ihm vorliegenden Einzel-
heiten eine Abgrenzung der Kompetenzen zu konstruieren, es würde
ihm schwer fallen, hierfür die logische Formel zu finden.
Daß innerhalb des straffen Organismus der Unterrichtsverwaltung
sich solcherweise individuelle Beziehungen haben ermöglichen lassen,
die gerade die Vorbedingung für einen Erfolg unserer Arbeit bilden,
das verdanken wir Ihnen, hochgeehrte Exzellenz, in allererster Linie,
Seien Sie überzeugt, daß wir die große in dieser Hinsicht vorliegende
Leistung ga7iz besonders zu würdigen wissen und daß wir Ew, Exzellenz
große Verdienste um wisere Vereinigung allezeit in dankbarer Erinne-
rung bewahren werden.
Ehrerbietigst
Die Göttinger Vereinigung zur Förderung der
angewandten Physik und Mathematik
Der erste Vorsitzende Der zweite Vorsitzende
»
Dr, BöTTiNGER, Dr, Klein:'
Göttinger Festschrift. 3
l8 Bericht über die Einweihungsfeier,
Noch darf ich nicht versäumen, dem hochverehrten Herrn Kurator, Herrn
Geheimen Oberregierungsrat Dr. Höpfner und den Herren Professoren der
hiesigen Universität auch unsererseits den Dank zu zollen, den wir Ihnen, hoch-
verehrte Herren, schulden für Ihre unermüdliche Mitarbeit Möge Ihr Interesse
nie erlahmen, sondern auch weiter nicht nur Ihrer Wissenschaft, sondern auch
unseren Zielen und Aufgaben für die Gesamtheit zuteil werden.
Zum Schluß möchte ich noch unsere besondere Freude darüber aus-
sprechen, daß die Königliche Unterrichtsverwaltung eine besondere Direktor-
stelle für die angewandte Elektrizität errichtet und dieselbe dem bewährten
Forscher Herrn Professor Dr. Simon übertragen hat Wir begrüßen dies mit
um so größerer Genugtuung, als dadurch auch seitens der Königlichen Staats-
regierung unsere Bestrebungen direkt anerkannt werden, und als damit die
Sicherheit gegeben wird, daß diese Disziplin von der Königlichen Staatsregierung
weiter gefördert werden und als eine dauernde Einrichtung der Göttinger Uni-
versität erhalten bleiben wird.
Möge die berühmte Alma Mater allezeit weiter bleiben, was sie bisher
gewesen, eine Zierde der Wissenschaft, ein Ruhmesblatt im Kranze unserer
deutschen Hochschulen.
Ihren Abschluß fand die Feier mit einem auf Seine Majestät den Kaiser
Wilhelm 11. ausgebrachten Hoch.
An die Feier schloß sich zunächst die Besichtigung der neu eröffneten Institute.
Die jimgen Physiker, die an diesen mit selbständigen wissenschaftlichen Untersuchungen
beschäftigt sind, hatten es übernommen, in den von ihnen benutzten Räumen die be-
sonderen Einrichtungen den Besuchern zu erklären. Um 2 Uhr versammelten sich die
Teilnehmer der Feier bei einem einfachen Mittagessen, zu dem die Direktoren des
Physikalischen Instituts eingeladen hatten. Dabei wurde der Versammlung und vor
allem den Professoren Riecke und Voigt eine besondere Überraschung zuteil. Herr
Geheimer Regierungsrat Dr. Böttinger gab die großherzige Zusicherung, daß er durch
eine persönliche Zuwendung die Einrichtung eines Praktikums für Radiologie und Elek-
tronik an der Abteilung für Experimentalphysik ermöglichen wolle. Es wird im folgenden
noch davon die Rede sein, daß die von der Königlichen Staatsregierung zur Verfügung
gestellten Mittel nicht hinreichten, die hierfür nötigen Anschaffungen zu bestreiten. Eine
entsprechende Zuwendung sicherte Herr Dr. Böttinger auch der Abteilung für theo-
retische Physik zu für spektroskopische Einrichtungen, die sich aus den staatlichen
Festessen; Telegramme ; Instiiuishesichtigungen; Vereinigung hei dem Universiiäiskuraior, 19
Mitteln gleichfalls nicht bestreiten ließen. Auch an dieser Stelle sei dafür Herrn
Dr. BÖTTiNGER der wärmste Dank gesagt.
Der Prorektor der Universität, Professor D. Althaus, sandte von der Tafel
aus ein Telegramm an Seine Königliche Hoheit den Prinzen Albrecht, ein zweites an
Seine Excellenz den Herrn Ministerialdirektor Althoff, als Zeichen des Dankes von
selten aller bei dem Mahle vereinigten Teilnehmer der Feier.
Telegraphische Glückwünsche zu der Feier waren noch eingelaufen von Präsident
Professor Friedrich Kohlrausch, Geheimen Ober-Regierungsrat Professor von Bezold,
Professor Lorentz und Professor Kamerlingh-Onnes aus Leiden, Professor Karl
Schering aus Darmstadt und Professor Schilling aus Danzig. Sie wurden während des
Mittagessens verlesen.
An das Essen schlössen sich wieder Besichtigungen von Instituten. Außer dem
physikalischen hatten sich noch die folgenden Institute auf eine Besichtigung vorbereitet:
das Institut für angewandte Mathematik und Mechanik, das geophysikalische Institut,
die Sternwarte, das Institut für physikalische Chemie, das Institut für anorganische
Chemie. Je nach ihren Interessen verteilten sich die Teilnehmer der Feier in kleineren
Gruppen auf die verschiedenen Institute; es war daher möglich, auch feinere Einzel-
heiten der Einrichtungen, Apparate und Versuche von besonderem Interesse den Be-
suchern vorzuführen.
Den harmonischen Abschluß des Tages bildete eine zwanglose Vereinigung, zu
welcher der Universitätskurator Dr. Höpfner und seine Gemahlin in die gastlichen
Räume ihres Hauses eingeladen hatten. Sie bot auch den Frauen des weiteren Kreises
unserer Universität Gelegenheit, die auswärtigen Gäste kennen zu lernen und wenigstens
an dem Ausklingen der schönen Feier unmittelbaren Anteil zu nehmen.
3*
IL
Reden der Institutsdirektoren bei der Einweihungsfeier
der Neubauten.
I. Rede von Eduard Riecke.
Hochansehnliche Versammlung!
Wenn eine lange und mühevolle Arbeit zum Abschlüsse gekommen ist, darf man
wohl für eine flüchtige Stunde ruhen, um in festlichem Kreise des erreichten Zieles
sich zu freuen. Wir haben Sie, hochverehrte Anwesende, gebeten, die Einweihung
des neuen physikalischen Institutes mit uns zu feiern. Wir wollten damit allen, denen
wir Dank schuldig sind, Gelegenheit geben, zu prüfen, was hier mit ihrer Hilfe
geschaffen worden ist; wir wollten den befreundeten und benachbarten Genossen
unseres Faches, den Kollegen der hiesigen Universität die Möglichkeit bieten, die
Anlage und die Einrichtungen unseres neuen Instituts kennen zu lernen. Es ist ja
doch eine gemeinsame Aufgabe, an der wir alle arbeiten, und jeder Fortschritt, der
an einer Stelle gemacht wird, soll der Gesamtheit zugute kommen. Ich erfülle eine
angenehme Pflicht, indem ich Sie alle auch im Namen der Institutsangehörigen in
diesen Räumen willkommen heiße. Die erste Pflicht aber, zu deren Erfüllung uns eine
warme und aufrichtige Empfindung drängt, ist die Pflicht der Dankbarkeit Wir
danken vor allem der Königlichen Staatsregierung für die verständnisvolle Förderung,
die sie unseren Plänen angedeihen ließ. Treu den Überlieferungen unserer Universität
haben wir manches gefordert, was mit gewohnten Anschauungen an maßgebender Stelle
nicht ohne weiteres im Einklang stand. Mit um so lebhafterem Danke empfinden wir,
daß es den anhaltenden Bemühungen des vorgesetzten Ministeriums gelang, alle Schwierig-
keiten zu überwinden und unserer Universität ein Institut zu schenken, das der durch
Rede bei der Einweiftun gsfeier von Eduard Rieckb. 2 1
die Namen Gauss und Weber bezeichneten Tradition würdig ist. Wir danken zweitens
der Göttinger Vereinigung zur Förderung der angewandten Physik und Mathematik,
Ihre tatkräftige Unterstützung hat verhindert, daß die Abteilung für angewandte
Elektrizität von dem physikalischen Institute getrennt wurde. Indem sie die Sorge für
die innere Einrichtung übernahm, hat sie der Königlichen Staatsregierung ermöglicht,
neben dem physikalischen Institut noch den kleineren Bau für angewandte Elektrizität
zu errichten. Das Zusammenwirken der beiden Institute, das sich in der verflossenen
Zeit in so ersprießlicher Weise gestaltet hat, wird dadurch auch für die Folge ge-
sichert. Unser Dank gilt ferner den Leitern des Baues, die mit steter Freundlichkeit,
so weit sie immer vermochten, den Wünschen Rechnung getragen haben, die namentlich
bei der inneren Einrichtung oft nachträglich noch sich geltend machten. Wir gedenken
endlich dankbar der Unterstützung, welche uns der verehrte Kurator unserer Universität
während der ganzen Zeit des Baues mit Rat und Tat hat zuteil werden lassen.
Der Bau, den wir heute weihen, ist errichtet auf dem Boden unserer Universität;
er bildet nicht etwas unvermittelt Neues, er ist vielmehr in seiner Eigenart bedingt
durch die geschichtliche Entwicklung, die sich hier auf dem Gebiete der physikalischen
Disziplinen vollzogen hat. So werden Sie verstehen, daß ich mit einem Rückblicke
auf die Vergangenheit beginne.
Unter den Männern, welche in der ersten Zeit des Bestehens unserer Universität
die Physik vertraten, ist der bekannteste Lichtenberg, bekannt zunächst als einer
unserer großen Humoristen. Indes ist die Bedeutung des Physikers kaum geringer
als die des Schriftstellers. Zwar hat Lichtenberg auf dem Gebiete der Physik nicht
viel veröffentlicht, aber die von ihm entdeckten Figuren bilden noch heute einen
Gegenstand unserer Forschung, und durch den Reichtum seiner Ideen und die Viel-
seitigkeit seiner Kenntnisse hat er nach den verschiedensten Richtungen anregend
gewirkt. Chladni verdankte ihm nicht bloß die Anregung zu der Untersuchung der
Meteoriten, auch die Anregung zu der Erzeugung der Chladnischen Klangfiguren
wurde unmittelbar durch die Lichtenbergischen Figuren gegeben. Lichtenberg übte
aber auch als akademischer Lehrer eine bedeutende Wirkung aus. Seine Vorträge,
die durch zahlreiche Experimente belebt wurden, erfreuten sich eines großen Zuhörer-
kreises aus allen Fakultäten. Wir können uns wohl denken, welchen Reiz er ihnen
durch geistvolle Vermutungen, durch Witz und Satire zu geben verstand. Gestützt
wurde die Wirkung seiner Vorlesungen durch den auf das Nützliche und Praktische
gerichteten Sinn der Zeit, durch das naive Vergnügen, das man damals an physika-
lischen Spielereien empfand, die wir heute der Kinderstube überlassen. Fragen wir
2 2 Rede hei der Eitvmeihungsfeier
nun nach den äußeren Bedingungen, unter denen Lichtenbergs Tätigkeit sich abspielte,
Lichtenberg besaß kein Institut, er las in seinem eigenen Hause, wie die Mehrzahl
der Professoren jener Zeit; die bei der Vorlesung benutzten Apparate waren sein
Eigentum. Erst nach Lichtenbergs Tode wurden seine Apparate vom Staate über-
nommen, und damit an unserer Universität das sogenannte physikalische Kabinet
begründet. Es befand sich in einem Hause, das abgebrochen wurde, um den Neu-
bauten der Bibliothek Platz zu machen. Schon der Name Kabinet drückt aus, daß
man von der Aufgabe des Physikers damals eine andere Vorstellung hatte, als heute.
Das wesentliche blieb die Vorlesung und der dabei dienende Apparat; dagegen trat
die wissenschaftliche Forschung zurück, an praktische Übungen und Arbeiten von
Studierenden wurde vollends nicht gedacht
Wenn von der Physik in Göttingen im i8. Jahrhundert die Rede ist, so darf
man an einem Manne nicht vorübergehen, der, obwohl nicht offizieller Vertreter der
Physik, doch an wissenschaftlicher Bedeutung auch auf ihrem Gebiete, alle seine
Kollegen überragte, dem Astronomen Tobias Mayer. Gauss hat ihn den immortalis
Tobias Mayer genannt, im Hinblick auf seine Theorie des Magnetismus und ihre An-
wendung auf den Magnetismus der Erde. Nach Mayers Tode sank die wissenschaft-
liche Bedeutung Göttingens auf dem Felde der Physik, denn Lichtenberg wurde viel-
leicht eben durch die Vielseitigkeit seiner Begabung gehindert, eine so tiefgreifende
Wirkung zu üben. Dann aber brach im Jahre 1807 mit der Berufung von Gauss eine
neue Epoche von unübertroffenem Glänze an. Die Gebiete, die man bis dahin enzyklopädisch
gepflegt hatte, das Bekannte zusammenfassend und reproduzierend, befruchtete er mit
seiner schöpferischen Kraft; allen drückte er den Stempel seines Geistes auf, so daß
sie unter seiner Hand eine neue Form und einen neuen Inhalt gewannen. Auch die
Neugestaltung des physikalischen Unterrichts war mittelbar sein Werk, indem er nach
dem Tode des jüngeren Tobias Mayer, des Nachfolgers von Lichtenberg, im Jahre 183 1
Wilhelm Weber nach Göttingen zog. Mit ihm kehrte ein neuer Geist in dem physi-
kalischen Kabinet ein. Er wollte sich nicht darauf beschränken, die bekannten Er-
scheinungen nachzumachen; die Hauptsache waren ihm Einrichtungen zu gründlichem
Studium und zu neuer Erforschung der Naturerscheinungen. Das physikalische Kabinet
hörte mit ihm auf ein bloßer Demonstrationsapparat für Vorlesungen zu sein, so be-
schränkt seine Räume waren, es trat doch ein in die Reihe der bedeutenden Stätten
wissenschaftlicher Forschung. In diesem Sinne waren die großartigen Einrichtungen für
magnetische und galvanische Versuche getroffen; der Draht, der das physikalische
Institut mit dem Magnetometer der Sternwarte verband, sollte in erster Linie zu Unter-
von Eduard Rjbckk 23
suchungen über Galvanismus, Thermoelektrizität und Magnetinduktion dienen; gleichsam
von selber ergab sich daraus eine Lösung des Problems der elektrischen Telegraphie.
Weber hat aber auch die Aufgabe des physikalischen Unterrichtes, einer späteren
Entwicklung vorgreifend, in bedeutungsvoller Weise erweitert. Er richtete physikalische
Übungen für die Studierenden ein; die Teilnehmer wurden geübt in der Anstellung
von Vorlesungsversuchen und in dem Gebrauche physikalischer Instrumente; Vor-
geschrittene wurden mit kleinen' Untersuchungen zum Zwecke ihrer wissenschaftlichen
Ausbildung beschäftigt.
Das Jahr 1837 unterbrach in rauher Weise die Tätigkeit Wilhelm Webers.
Als einer der Göttinger Sieben wurde er seines Amtes entsetzt, und es wurde ihm
damit die Möglichkeit einer erfolgreichen wissenschaftlichen Tätigkeit in Göttingen ge-
nommen. Trotzdem hielt ihn die Anhänglichkeit an Gauss, das rege Interesse
an den gemeinsamen magnetischen Arbeiten noch bis Ostern 1843 in Göttingen fest;
dann erst folgte er einem Rufe nach Leipzig, wo durch Fechners Erkrankung die
Direktion des Physikalischen Instituts erledigt worden war. Die Leitung des Göttinger
Instituts war im Jahre 1839 Benedict Listing übertragen worden Unter ihm vollzog
sich eine Veränderung, welche für die weitere Entwicklung des physikalischen Instituts
von großer Bedeutung war. Im Jahre 1842 wurde das Institut in das sogenannte
Werlhoffsche Haus an der Ecke der Prinzenstraße und des Leinekanals übergeführt,
in dem es bis Ostern dieses Jahres verblieben ist.
Die Rückberufung Webers im Jahre 1849 gab Veranlassung zu einer ein-
schneidenden Änderung in der Organisation des Instituts, zu der Trennung in die
beiden Abteilungen für Experimentalphysik und für theoretische Physik;
die Direktion der ersteren übernahm Weber, die der letzteren Listing. Es folgen nun
Jahre ungestörter wissenschaftlicher Arbeit; wir verdanken ihr vor allem die Arbeiten
WiLHEM Webers auf den Gebieten des Galvanismus und des Diamagnetismus, die mit
Rudolph Kohlrausch zusammen ausgeführte Bestimmung des Verhältnisses zwischen
dem elektrostatischen und dem elektromagnetischen Strommaß, die Untersuchung über
elektrische Schwingungen. Die Räume des physikalischen Instituts waren in jener Zeit
noch immer sehr bescheiden. Zu der Abteilung für Experimentalphysik gehörte ein
Hörsaal, ein Sammlungsraum, drei Zimmer im ersten Stock des Gebäudes, ein größerer
Beobachtungssaal und eine kleinere Werkstätte im Erdgeschoß; die Abteilung für theo-
retische Physik hatte nur einen größeren Beobachtungsraum im Erd-, ein Zimmer im
Dachgeschoß.
Eine neue Wendung in der Entwicklung unseres Institutes wurde durch die Be-
24 R^^^ ^« ^^^ Einweihungs/eter
rufung von Friedrich Kohlrausch im Jahre 1866 herbeigeführt. Sie hing zusammen
mit einem Bedürfnisse, das in jener Zeit bei der steigenden praktischen Bedeutung der
Physik allenthalben sich geltend machte, mit dem Bedürfnisse nach Einführung regel-
mäßiger physikalischer Übungen. Für diese bot sich ein geeigneter, wenn auch be-
scheidener Raum dadurch, daß der Abteilung für Experimentalphysik zwei weitere im
ersten Stock des Gebäudes gelegene Zimmer eingeräumt werden konnten. Einrichtung und
Leitung des physikalischen Praktikums wurden Kohlrausch bei seiner Berufung über-
tragen. Aus den Erfahrungen seiner Lehrtätigkeit in Göttingen ist das Buch entstanden,
das für die Entwicklung des praktisch-physikalischen Unterrichts maßgebend geworden
ist, und das in seiner neuesten Gestalt als Lehrbuch der praktischen Physik ein unent-
behrliches Hilfsmittel des Physikers bildet.
KoHLRAuscH folgte im Jahre 1870 einem Rufe an das eidgenössische Poly-
technikum in Zürich. An seine Stelle trat als Assistent des physikalischen Institutes
von 1871 — 1874 Eduard Riecke. Er wurde 1873 zum außerordentlichen Professor
in der philosophischen Fakultät ernannt und führte von 1874 — 1881 in interimistischer
Weise die Direktion der Abteilung für Experimentalphysik, von der Wilhelm Weber
auf seinen Wunsch entbunden worden war. Im Jahre 1881 wurde Riecke zum ordent-
lichen Professor befördert und definitiv mit der Leitung jener Abteilung betraut.
Ich wende mich nun zu der Entwicklung, welche das Studium der Physik an
unserer Universität in den letzten Jahrzehnten genommen hat.
Zunächst erinnere ich an die Berufung meines verehrten Kollegen Voigt im
Jahre 1883, als Nachfolger von Listing. Ihm verdankt unsere Universität eine Neu-
belebung des Unterrichtes in der theoretischen Physik durch Vorlesungen, welche sich,
der Königsberger Tradition entsprechend, über das ganze Gebiet der Physik in regel-
mäßiger Folge erstrecken. Sein Eintritt in unseren Kreis kam aber der experimentellen
Seite des Unterrichtes nicht minder zugute, als der theoretischen. Die Leitung der
praktischen Übungen für die Studierenden der Physik und Mathematik wurde zwischen
den beiden Abteilungen des Instituts geteilt. So war es möglich, den speziellen Arbeits-
richtungen der Direktoren entsprechend, dem praktischen Unterricht eine größere Voll-
ständigkeit zu geben, und seine Ziele zu vertiefen. Von großer Bedeutung für diese
Ausgestaltung der physikalischen Übungen und für daran sich anschließende wissen-
schaftliche Arbeiten vorgeschrittener Studierender war der Umstand, daß im Jahre 1884
das physiologische Institut, das bis dahin den nördlichen Flügel des Institutsgebäudes
eingenommen hatte, verlegt, und daß die dadurch freigewordenen Räume dem physi-
kalischen Institute überwiesen wurden. Es wurden dadurch insbesondere die Räume
von Eduard Rjbckb, 25
der Abteilung für theoretische Physik wesentlich vergrößert; aber auch die Abteilung
für Experimentalphysik gewann einen besseren Hörsaal und zusammenhängende Räume
für die praktischen Übungen.
Zu einer Bereicherung unseres Unterrichtes nach einer ganz anderen Rich-
tung hm gab die Wegberufung Victor Meyers die mittelbare Veranlassung. Im Jahre
1885 war Ostwalds „Allgemeine Chemie" erschienen, im Jahre 1887 wurde die Zeit-
schrift für physikalische Chemie begründet. Die allgemeine Aufmerksamkeit war da-
durch auf die neue Disziplin gelenkt, die sich zwischen Physik und Chemie, beide
verbindend, erhob. Die Arbeiten Victor Meyers über Gasdichten gehören dem Grenz-
gebiete an; er vertrat auch die physikalische Chemie, aber doch nur gewissermaßen
im Nebenamte. Nachdem wir ihn verloren hatten, schien es erwünscht, für Göttingen
eine Vertretung der so bedeutungsvoll sich einführenden neuen Wissenschaft in ihrem
ganzen Umfange zu erhalten. An Gründung eines eigenen Institutes, einer besonderen
Professur war zunächst nicht zu denken; im physikalischen Institute aber wurde gerade
eine Assistentenstelle frei; sie bot die Möglichkeit, zunächst wenigstens einen Privat-
dozenten zur Vertretung der physikalischen Chemie zu gewinnen. Von Ostwald wurde
mir neben anderen Namen der unseres Kollegen Nernst genannt Es gelang mir, ihn
Ostern 1890 als Assistenten und Privatdozenten nach Göttingen zu ziehen. Bis Ostern
1895 ^^t ^r ^^ d^r Abteilung für Experimentalphysik die Stätte seiner Wirksamkeit
gefunden. Schon im Herbst 1891 wurde ihm eine außerordentliche Professur für
physikalische Chemie übertragen; im Herbst 1894 wurde er zum ordentlichen Professor
ernannt und mit der Direktion eines von ihm zu begründenden neuen Institutes für
physikalische Chemie betraut. Die glänzende Entwicklung dieses Institutes hat sich
unter unser aller Augen vollzogen, so daß ich dabei nicht zu verweilen brauche/)
Inzwischen hatte sich die Lehrtätigkeit der Abteilung für Experimentalphysik
nach einer anderen Richtung ausgebreitet In der Zeit von 1880 — 1890 hatte sich
eine neue, mächtige Industrie entwickelt, die Elektrotechnik mit ihren Beleuchtungs-
imd Kraftanlagen. Sie war die Frucht rein wissenschaftlicher Arbeit, sie wirkte aber
nun auf die Wissenschaft zurück; sie stellte ihr neue Probleme, sie beschenkte die
Wissenschaft mit neuen Hilfsmitteln, welche dem Physiker zeitraubende Arbeiten er-
sparten, und ihm eine Ausführung seiner Versuche in sehr viel größerem Maßstabe
i) Ober das physikalisch -chemische Institut, wie über die anderen Institute, die sich im Verlauf
der letzten Jahre von dem physikalischen Hauptinstitute abgezweigt haben, wird im folgenden in besonderen
Aufsätzen berichtet.
Göttinger FMtrcbrift. 4
26 R^de hei der Eimveihungsfeier
ermöglichten. Es lag daher im Interesse des Unterrichts wie der Forschung, die Physik,
wie sie an der Universität getrieben wird, mit der Elektrotechnik in möglichst enger
Verbindung zu erhalten. So hat zuerst Drude als Privatdozent unserer Universität
Vorlesungen über die technischen Anwendungen der Elektrizitätslehre gehalten. Ihm
folgte an unserem Institute im Winter 1896/97 Des Coudres. Die Vorlesungen waren
nach der experimentellen Seite beschränkt, denn es standen eben nur die Hilfsmittel
zur Verfügung, welche die Abteilung für Experimentalphysik besaß, oder welche sie
zum Teil mit dankenswerter Unterstützung des Königlichen Universitätskurators für die
Zwecke des Unterrichts erwerben konnte. Auf eine höhere Stufe konnte der Unter-
richt in angewandter Elektrizitätslehre erst gehoben werden, als im Jahre 1898 die
Göttinger Vereinigung für angewandte Physik und Mathematik die Sorge dafür mit
in ihr Programm aufnahm.
Die Göttinger Vereinigung erscheint hier wieder als die Macht, die mit hilf-
reicher Hand die Klippen hinwegräumte, die den Lauf unseres Schiffes hemmten. Es
ist daher an der Zeit, einige Worte über die Entstehung und über die Ziele dieser
Vereinigung einzuschalten. Es sind zwei Gedanken, welche den Ausgangspunkt ge-
bildet haben. Wir sahen, daß die angewandte Mechanik und Thermodynamik, die
Maschinenlehre, von der reinen Physik durch eine weite Kluft getrennt war, zum
Nachteil der reinen Wissenschaft, welche aus der Technik eine Menge von Anregung
schöpfen konnte, zum Nachteil der Technik, welcher die allgemeinen Methoden der Wissen-
schaft fremd blieben. Der zweite Gedanke knüpfte sich an die Ausbildung der Lehrer der
Mathematik und Physik an höheren Schulen. Für ihre spätere praktische Wirksamkeit
schien es uns notwendig, daß ihr Studium sich nicht auf die Gesetze und Theorien der
reinen Wissenschaft beschränkte; vielmehr sollte ihnen Gelegenheit geboten werden, auch
ihre technischen Anwendungen kennen zu lernen, und zwar nicht bloß im Bilde, sondern
durch eigenes Arbeiten an wirklichen Maschinen. Diese Notwendigkeit leuchtet noch
unmittelbarer ein, wenn man bedenkt, daß die Universität nicht bloß Lehrer höherer
Schulen bildet, sondern auch Lehrer der technischen Hochschulen und Lehrer der
mannigfaltigen Fachschulen, für welche Mathematik und Physik die Rolle unentbehr-
licher Hilfsfacher spielen. Daß diese Ideen, mit denen wir uns lange vertraut gemacht
hatten, Gestalt gewannen, verdanken wir der Tatkraft unseres Kollegen Klein. Er
erreichte es, daß zu Weihnachten 1896 die Herren Landtagsabgeordneter Dr. Boettinger,
Professor Dr. Linde und Kommerzienrat Krauss eine Summe von 20000 Mark zur
Verfügung stellten. Damit wurde auf dem Grundstück des physikalischen Instituts ein
kleiner Anbau errichtet, in welchem zunächst eine 15 pferdige Dampfmaschine und ein
von Eduard Ribckeu 27
10 pferdiger Gasmotor Aufstellung fanden. Die Regierung, mit deren Zustimmung die
erwähnten Schritte unternommen worden waren, bewies ihre rege Anteilnahme an dem
von ims gemachten Versuche dadurch, daß sie Ostern 1897 Dr. Mollier aus München
als außerordentlichen Professor berief, mit dem Auftrage, nicht bloß für die Studierenden
der Mathematik und Physik, sondern auch für die der Landwirtschaft über Maschinen-
wesen zu lesen. Zugleich übernahm die Regierung die Kosten des laufenden Instituts-
betriebes. Es kann nicht meine Absicht sein, die weitere Entwicklung des Instituts für
technische Physik, oder wie es jetzt genannt wird, des Instituts für angewandte
Mechanik im einzelnen zu verfolgen. Die Stetigkeit der Entwicklung wurde gesichert
einerseits durch das dauernde Interesse der Königlichen Staatsregierung, andererseits
durch die am 26. Februar 1898 erfolgte Gründung der Göttinger Vereinigung für an-
gewandte Physik, welche ihre nächste Aufgabe eben in der Förderung der Unterrichts-
einrichtungen für angewandte Physik fand. Im übrigen mögen nur die folgenden
Punkte hervorgehoben werden. Schon im Herbste 1897 folgte Mollier einem Rufe
als Nachfolger Zeuners nach Dresden; an seiner Stelle wurde Professor Dr. Eugen
Meyer mit der Leitung des Institutes betraut. Er hat, seiner besonderen Arbeitsrichtung
entsprechend, die Einrichtungen vorzugsweise nach der thermodynamischen Seite aus-
gebaut; die Räume des Instituts wurden dazu um einen zweiten Anbau erweitert
Eugen Meyer wurde im Herbst 1900 an die Technische Hochschule m Charlotten-
burg berufen. An seine Stelle trat Professor Dr. Hans Lorenz. Er hat die Ein-
richtungen des Instituts nach der Seite der Festigkeitslehre ergänzt und die Anfange
einer hydraulischen Einrichtung geschaffen. Die hierzu nötigen Maschinen, deren An-
schaffung durch eine besondere Bewilligung der Königlichen Staatsregierung ermöglicht
wurde, fanden ihre Aufstellung in einem dritten, von der Göttinger Vereinigung er-
richteten Anbau des physikalischen Instituts. Professor Lorenz siedelte im Herbst 1904
an die neugegründete Hochschule in Danzig über; unser neuer, zu seinem Ersatz be-
rufener Kollege, Professor Dr. Prandtl, fand zunächst die Aufgabe vor, die noch un-
vollkommenen hydraulischen Einrichtungen zur Entwicklung zu bringen.
Eine notwendige Ergänzung finden die Einrichtungen für angewandte Physik
in entsprechenden Einrichtungen auf dem Gebiete der angewandten Mathematik. In
die neue Prüfungsordnung für das Lehramt an höheren Schulen vom Jahre 1898 ist
die angewandte Mathematik als besonderer Gegenstand der Prüfung aufgenommen
worden. Dabei wird Kenntnis der darstellenden Geometrie und Fertigkeit im Zeichnen,
Bekanntschaft mit graphischer Statik und mit Geodäsie vorausgesetzt Dem Unterricht
in diesen Gegenständen, der Pflege der Beziehungen zwischen der Mathematik und den
28 I^ede bei der Ehrmeihungsfeier
experimentellen Wissenschaften dient ein Institut, in dem unsere Studierenden die so not-
wendige Übung in der Handhabung graphischer Hilfsmittel, in der Ausführung nume-
rischer Rechnungen sich erwerben; eine damit verbundene Sammlung geodätischer
Instrumente ermöglicht die Anstellung von Messungen im freien Felde im Anschlüsse 2ui
die Vorlesungen über Geodäsie. Bescheidene Ansätze zu diesen Einrichtungen waren
schon früher vorhanden; ihre vollständigere Ausgestaltung verdanken wir dem Zusammen-
wirken der Königlichen Staatsregierung und der Göttinger Vereinigung. Sie sind jetzt
in den Räumen des alten physikalischen Instituts mit dem Institut für technische Physik
zu einem Institut für angewandte Mathematik und Mechanik vereinigt.
Die vorhergehenden Ausführungen geben ein Bild von der Entwicklung, welche
die physikalischen und die unmittelbar angrenzenden Teile der mathematischen Studien in
den letzten 1 5 Jahren an unserer Universität genommen haben. Dieses Bild würde aber ein
unvollständiges sein, wenn ich nicht noch kurz der Geophysik gedenken wollte. Das
geophysikalische Institut, das jetzt hoch über der Stadt auf dem Hainberge tront, ist ent-
standen aus dem Gaußschen „erdmagnetischen Observatorium". Dieses stand bis zum
Jahre 1870 unter der Direktion von Wilhelm Weber und diente nicht bloß zu erd-
magnetischen, sondern vielfach auch zu physikalischen Arbeiten. Friedrich Kohlrausch
hat dort eine Reduktion der Quecksilbereinheit auf absolutes Maß und eine Bestimmung
des elektrochemischen Äquivalents des Silbers ausgeführt. Nach Kohlrauschs Weggang
im Jahre 1870 übernahm Ernst Schering die Direktion des Observatoriums; die Ver-
bindung mit dem physikalischen Institut wurde damit gelöst. Nach seinem Tode fand
die schon von ihm erstrebte Erweiterung des erdmagnetischen Observatoriums zu
einem Institute für Geophysik statt; seine Einrichtung und Leitung wurde unserem
Kollegen Wiechert übertragen, der damals Assistent an der Abteilung für theoretische
Physik unseres Institutes und Privatdozent war.
Wir haben über dieser Schilderung das physikalische Hauptinstitut etwas
aus den Augen verloren. Kehren wir zu ihm zurück, um zu fragen, wie es ihm selber
während jener Periode der Abspaltung und Entwicklung von Spezialinstituten erging.
Es ist nicht zu verkennen, daß die Entwicklung zunächst auf Kosten des Hauptinstitutes
sich vollzog. Der schon längst als notwendig anerkannte Neubau des Instituts wurde
verzögert. Die Abteilung für Experimentalphysik war schon durch die Einrichtungen
für physikalische Chemie eingeengt worden; die immer reicher ausgestalteten Ein-
richtungen für angewandte Elektrizitätslehre aber bildeten bald ein Institut im Institute,
das jener Abteilung einen immer größeren Raum entzog; und während der Raum sich
verengte, wurde die Zahl der Praktikanten und der wissenschaftlichen Arbeiter des
von Eduard Risckb. 2g
Instituts immer größer. Der Sammlungsraum neben dem Hörsaale für Experimental-
physik mußte schließlich zu Zwecken wissenschaftlicher Arbeit mit verwandt werden;
was entbehrlich war, wurde, um Raum zu schaffen, auf den Boden des Instituts gebracht
und dadurch der unmittelbaren Aufsicht des Direktors entrückt Die Bedeutung der
so beiseite gesetzten Apparate wurde vergessen, zusammengehörendes wurde getrennt,
wertvolles zum alten Eisen gestellt. Manch jahrelang vermißtes Stuck habe ich erst
beim Umzüge in das neue Institut wieder gefunden. Die längere Dauer dieses Zu-
Standes wäre der Apparatensammlung des Instituts, vor allem dem Bestände an historisch
wertvollen Dingen verhängnisvoll geworden. Sie werden sich daher denken können,
mit welcher Freude wir den ersten Spatenstich zu dem Neubau des Instituts be-
grüßten. Die Beschreibung des Neubaus ist in Ihren Händen. Ich kann mich daher
auf kurze Erläuterxmgen beschränken im Interesse der Besichtigung, zu der wir Sie
nach dem Schlüsse der Feier einladen möchten.
Von der Einteilung des Instituts in die beiden Abteilungen für Experimental-
physik und für theoretische Physik werden Sie äußerlich kaum etwas bemerken. In
der Tat wechselt das Verhältnis der Abteilungen mit der wissenschaftlichen Richtung
der Direktoren; die Teilung der Institutsräume muß eine bewegliche sein, die sich
jedem solchen Wechsel anpassen läßt Es schien daher am besten, das Institut nach
einem vollkommen einheitlichen Plan zu entwerfen und die Einteilung, wie sie den
gegenwärtigen Verhältnissen zu entsprechen schien, nachträglich vorzunehmen. Ein
bleibendes Prinzip für die Anordnung der Institutsräume ergibt sich dagegen aus der
Aufgabe des Instituts, die sich nach den drei Richtungen der Vorlesungen, der Übungs-
praktika und der wissenschaftlichen Arbeit gliedert Die Räume für wissenschaftliche
Arbeit sollen vor den Störungen, die durch den Besuch der Vorlesungen und Übungen,
durch Werkstätten, Maschinenräume und dergleichen verursacht werden, möglichst
geschützt sein. Hörsaal für Experimentalphysik und Vorlesungsapparat sollen ein in sich
abgeschlossenes Ganze bilden, ebenso die Räume für die Übungspraktika. Diese
Bedingungen wurden im wesentlichen erfüllt durch die Zerlegung des Gebäudes in
den nach Westen, der Bunsenstraße zu liegenden Vorbau und den von der Straße ab-
gewandten Hauptbau. Der Vorbau enthält im ersten Stock den großen Hörsaal, in dem
wir uns hier befinden, darunter im Erdgeschoß den für Spezialvorlesungen bestimmten
kleinen Hörsaal mit zugehörigem Vorbereitungszimmer und Sammlungsraum, im Sockel-
geschoß die Werkstätte, die Kesselanlage der Heizung und einen Teil der Heizer-
wohnung. Der Vorbau hat seinen besonderen, der Bunsenstraße zu liegenden Eingang;
der Zugang zu den Hörsälen erfolgt durch eine an die westliche Außenwand des Vor-
3© I^ede bei der Mmveihungs/eier
baus sich lehnende Treppe. Der nach Osten sich dehnende Hauptbau enthält im Erd-
geschoß und im ersten Stock die Dienstzimmer der Direktoren, im Sockelgeschoß die
Wohnungen des Hausverwalters und des Heizers. Die hauptsächlichsten Räume für
wissenschaftliche Arbeit liegen im Sockelgeschoß, im Erdgeschoß und im ersten Stock;
dazu kommt im Kellergeschoß ein Raum für Beobachtungen bei konstanter Temperatur,
über dem First des Daches eine Plattform, die in Verbindung mit einem darunter
liegenden Turmzimmer seither zu Beobachtungen über Luftelektrizität gedient hat. Im
ersten Stock des Hauptbaus liegt noch das Vorbereitungszimmer für die große Vor-
lesung über Experimentalphysik, der Sammlungsraum und die Bibliothek. Der zweite
Stock wird ganz durch die Räume für das Übungspraktikum ausgefüllt. Im Dach-
geschoß befindet sich das Praktikum für physikalische Handfertigkeit, die historische
Sammlung, das photographische Zimmer und ein Raum, der für ein Praktikum in
Elektronik und Radioaktivität bestimmt ist, zu dessen Einrichtung uns leider vorläufig
noch die Mittel fehlen.^) Zwischen den beiden Flügeln des Hauptbaus, außerhalb des
eigentlichen Gebäudes, sind die Räume für Maschinen und Akkumulatoren eingebaut
Wenn der Laie ein modernes physikalisches Institut betritt, so imponiert ihm
vor allem die Menge der Drähte, die sich an der Decke und den Wänden der Räume
hinziehen. In der Tat ist der Unterschied zwischen einem Institute, wie es sich etwa
in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts darstellte, und zwischen unseren
heutigen Instituten wesentlich durch die ausgiebige Verwendung der Hilfsmittel bedingt,
die wir der Elektrotechnik verdanken. Der galvanische Strom liefert uns Licht und
Kraft; er bewegt die Verdunkelungs vorhänge dieses Hörsaals, er zieht den Aufzug
vom Sockel bis zum Dach des Gebäudes, er treibt die Drehbank in der Werkstätte, den
Luftkompressor im Maschinenräume. Zahlreiche wissenschaftliche Aufgaben beziehen
sich auf die unmittelbar von galvanischen Strömen erzeugten Wirkungen. Zu ihrer
Untersuchung müssen Ströme der verschiedensten Stärke und Spannung, konstante und
wechselnde Ströme zur Verfügung stehen. Dementsprechend verfügt nun unser Institut
über zahlreiche und mannigfaltige Stromquellen. Da ist zunächst das städtische Netz
mit einer Spannung von je 220 Volt zwischen dem Mittelleiter und den beiden Außen-
leitem. Der Strom des städtischen Netzes dient zur Beleuchtung, zum Betriebe der
Elektromotoren, er steht aber in allen Räumen auch zu Zwecken wissenschaftlicher
Arbeit zur Verfügung. Das Institut besitzt ferner drei größere Akkumulatorenbatterien,
zwei mit je 30, eine dritte mit 40 Elementen; die Hälften der letzteren sind auch als
i) Vergl. die am Schlüsse der Rede hinzugefügte Anmerkung.
von Eduard RiBCKE. 31
zwei voneinander unabhängige Stromquellen zu benutzen; dazu kommen für Ströme mit
kleinerer Spannung vier sogenannte Lokalbatterien mit je 5 Elementen. Im Maschinen-
räume ist eine Universaldynamo aufgestellt, welche Gleichstrom, Wechselstrom und
Phasenstrom liefert; der zum Betriebe der verschiedenen Maschinen dienende Elektromotor
ist mit Wechselstromringen versehen. Mit bezug auf die Stromverteilung sei folgendes
bemerkt. Die städtische Leitung bildet ein einziges in sich geschlossenes System; die
Anschlüsse sind teils für 20 Ampere, teils für 6 Ampere berechnet. Zur Verteilung der
übrigen Stromquellen sind die Räume des Instituts in acht Gruppen geteilt: Gruppe I
im Sockelgeschoß, H, III, IV im Erdgeschoß, V, VI im ersten, VII und VIII im zweiten
Stock und im Dachgeschoß. Jede Gruppe besitzt zunächst eine Ringleitung, welche
mit Hilfe einer sogenannten Lokalschalttafel mit einer Lokalbatterie verbunden werden
kann. Die Leitungen bilden ein Vierleitersystem, bei dem zwischen den aufeinander-
folgenden Drähten die Spannungen von zwei, zwei und sechs Volt liegen. Die Zu-
führung der von den größeren Batterien gelieferten Ströme, der Gleich- und Wechsel-
ströme der Dynamomaschinen zu den einzelnen Zimmern einer Gruppe erfolgt mit
Hilfe von acht Gruppenschalttafeb. Zur Verteilung der vorhandenen Stromquellen auf
die Zimmergruppen dient eine Verteilungsschalttafel. Die Zahl der voneinander un-
abhängigen Stromquellen, die nach einer Zimmergruppe oder nach einem Zimmer
gelegt werden können, richtet sich nach der Bestimmung der Räume. Die Übersicht
über das komphzierte System der Leitungen wird dadurch erleichtert, daß die einzelnen
Leiter durchgezählt sind. Jeder Leiter trägt an seinen freien Enden die ihm ent-
sprechende Zahl Bei zusammengehörenden Leiterpaaren sind die Enden so angeordnet,
daß links der mit ungerader, rechts der mit gerader Zahl bezeichnete Leiter liegt.
Die Verbindungen mit den Stromquellen werden so gemacht, daß dem negativen Pol
die ungerade, dem positiven die gerade Zahl entspricht Zu mancherlei Zwecken,
insbesondere zu Demonstrationen in den Vorlesungen, werden Ströme von größerer
Stärke gebraucht; solche Ströme, bis zu 500 Ampere, kann man dadurch erhalten,
daß von der Ladeschalttafel aus sämtliche Batterien mit einer Spannung von 10 Volt
parallel an zwei Schienen gelegt werden, die nach den beiden Hörsälen führen. Zu den
im vorhergehenden genannten Stromquellen, welche starke Ströme mit verhältnismäßig
niederer Spannung liefern, kommt endlich noch ein System von Stromquellen mit hoher
Spannung hinzu: Eine Akkumulatorenbatterie mit 3200 Volt Spannung, zwei solche
Batterien mit je 2560 Volt, eine Hochspannungsdynamo mit 3000 Volt Spannung.
Dazu gehört ein besonderes System wohl isolierter Leitungen, das nach denselben
Grundsätzen angeordnet ist, wie die Leitung für Niederspannung.
32 Rede hei der Einweihungsfeier
Ich hoffe, daß Ihnen diese Bemerkungen bei der Besichtigung des Instituts
von einigem Nutzen sein werden. Hinzufügen möchte ich nur noch, daß der Bau und
die wesentlichsten Teile der inneren Einrichtung von Firmen unserer Stadt hergestellt
sind, so daß das Institut auch in diesem Sinne ein Göttinger Institut ist.
Hochansehnliche Versammlung! Ich habe begonnen mit einem Rückblick in
die Vergangenheit, ich habe die Verhältnisse der Gegenwart geschildert, lassen Sie
mich schließen mit einem Ausblick auf die künftigen Aufgaben des Instituts, soweit
es sich um den von mir geleiteten Teil desselben handelt
Wie in jeder Naturwissenschaft, so hat man auch in der Physik zwei ganz
verschiedene Dinge zu unterscheiden; auf der einen Seite stehen die Erscheinungen, die
sich entweder ohne unser Zutun in der Natur abspielen, oder die wir selber in bewußter
Tätigkeit erzeugen, auf der anderen Seite stehen die mannigfaltigen Vorstellungen, die
wir in gewissem Sinne willkürlich mit den Erscheinungen verbinden, um sie durch ein
leitendes Band zu verknüpfen und in ihrem Zusammenhange begreiflich zu machen, auf
der einen Seite steht das, was die Natur tut, auf der anderen Seite das, was der
Mensch über die Natur denkt. Wir konstruieren in unseren Gedanken bewegliche
Modelle, welche die Erscheinungen der Natur nachahmen. Veränderungen im Modell
entsprechen Veränderungen in der Natur; unsere Modelle gewähren daher die Mög-
lichkeit, Erscheinungen vorher zu sagen, die in der Natur unter gewissen Bedingungen
eintreten müssen. Trifft die Vorhersage zu, so ist das Modell wenigstens innerhalb des
vorliegenden Gebietes von Erfahrungen richtig; widerspricht die Erfahrung der Vorher-
sage, so ist unser Modell unvollständig oder es enthält störende Glieder, denen in der
Wirklichkeit nichts entspricht. Es ist mir immer als die wunderbarste aller Tatsachen
erschienen, daß zwischen der Welt der Erscheinungen und zwischen der Welt xmserer
Gedanken eine solche innere Harmonie besteht, daß wir Modelle konstruieren können,
die von der Natur wenigstens innerhalb gewisser Grenzen ein richtiges Bild geben, so
roh und unvollkommen die dabei zu Grunde gelegten Vorstellungen der Wirklichkeit
gegenüber sein mögen.
Die Vorstellungen, die wir mit den elektrischen Erscheinungen ver-
knüpfen, haben sich in dem letzten Jahrzehnt in sehr merkwürdiger Weise entwickelt.
Wir wissen alle, daß man schon frühe die Erscheinungen der Elektrizität sich durch
die Annahme begreiflich machte, daß hinter und in den Körpern, die wir unmittelbar
sehen und fühlen, den sogenannten ponderablen Körpern, noch zwei jeder anderen
Wahrnehmung entzogene Fluida verborgen seien, welche zueinander in demselben
Gegensatze stehen, wie positive und negative elektrische Körper. Man dachte sich
von Eduard Rieckb, 33
diese Fluida, im unelektrischen Zustande gleichmäßig miteinander gemischt, wie ein
feines Gas das Innere der Körper erfüllend. In der Theorie der Gase wurde die
Vorstellung einer stetigen Raumerfüllung ersetzt durch die Annahme, daß die Gase
aus diskreten Molekülen bestehen, die durch weite Zwischenräume getrennt regellos
durcheinander sich bewegen. Eine entsprechende Wendung vollzog sich auch auf dem
Gebiete der Elektrizitätslehre; man nahm an, daß die elektrischen Fluida aus kleinsten
elektrischen Mengen, den positiven und den negativen elektrischen Atomen, zusammen-
gesetzt seien. Wirken keine äußeren, scheidenden Kräfte auf diese Atome, so ver-
binden sie sich infolge der wechselseitigen Anziehung zu neutralen elektrischen Mole-
külen. Elektrisierung beruht auf einer Trennung der neutralen Moleküle in die ent-
gegengesetzt elektrischen Atome. Wir haben hiemach mit Vorgängen zu tun, welche
den chemischen Verbindungen und Zersetzungen ganz analog sind. In der Tat hatte
man schon lange die Überzeugung, daß die chemischen Vorgänge in innigem Zu-
sammenhange mit elektrischen stehen müßten. Man hat, dieser Überzeugung folgend,
weitgehende Spekulationen darüber angestellt, wie die Atome der chemischen Elemente
aus positiven und negativen elektrischen Atomen zusammengesetzt sein könnten, wie
die Newtonsche Anziehung, mit der die Atome ponderabler Körper aufeinander wirken,
aus den elektrischen Wechselwirkungen resultieren könnte. Allein diese Betrachtungen,
so verlockend sie sein mochten, schwebten doch in der Luft, so lange es nicht gelang,
von der Natur jener elektrischen Fluida eine genauere Kenntnis zu gewinnen, so lange
jene elektrischen Atome Gedankendinge blieben, erfunden um ausschließlich von den
elektrischen Erscheinungen ein anschauliches Bild zu entwerfen. Es war trotz mancher
Bemühungen nicht gelungen, zu irgend einer genaueren Kenntnis von den Eigen-
schaften der elektrischen Atome vorzudringen; man wußte nichts über ihre Masse,
über ihre elektrische Ladung, über ihre Geschwindigkeit, über ihre Dichte, und doch
konnte erst aus der Existenz solcher konstanter oder nach bestimmten Gesetzen ver-
änderlicher Eigenschaften ein Schluß auf ihre reale Existenz gezogen werden.
Diese Lücke ist durch die Errungenschaften des letzten Jahrzehnts ausgefüllt
worden. Wenn der elektrische Strom durch eine mit verdünntem Gase gefüllte Geißlersche
Röhre hindurchgeht, so sendet die mit dem negativen Pole der Stromquelle verbundene
Elektrode die sogenannten Kathodenstrahlen aus; sie führen negative Ladung mit sich;
alle ihre Eigenschaften erklären sich durch die Annahme, daß sie aus diskreten nega-
tiv elektrischen Teilchen, den sogenannten Elektronen, bestehen; die Geschwindigkeit
dieser Teilchen, das Verhältnis zwischen ihrer elektrischen Ladung und ihrer Masse
können aus den Beobachtungen berechnet werden. Dieses Verhältnis kennt man aber
Göttinger Festschrift. 5
34 ^^ ^^ ^ Einweihungsfner
auch bei den Ionen der elektrolytischen Leiter. Ionen einwertiger chemischer Elemente
sind Verbindungen eines chemischen Atoms mit einem positiven oder negativen elek-
trischen Atome; bei mehrwertigen Elementen binden die chemischen Atome eine der
Valenz entsprechende Mehrzahl elektrischer. Aber selbst bei dem leichtesten Ion, dem
des Wasserstoffs, ist das Verhältnis zwischen elektrischer Ladung und zwischen Masse
noch 20oomal kleiner als bei den Elektronen. Diese sind also ungleich feinere Bestand-
teile der Materie, und es scheint nicht zu kühn, wenn man dem luftigen Nichts des
negativen elektrischen Fluidums in ihnen den festen Wohnsitz anweist, wenn man sie
mit den Atomen der negativen Elektrizität identifiziert Entsprechende Atome der
positiven Elektrizität zu finden, ist bisher nicht gelungen, denn die Teilchen der
gegen die Kathode gerichteten, positiv geladenen Kanalstrahlen scheinen mit den
elektrolytischen Ionen von gleicher Art zu sein.
Bei einem gewöhnlichen Gase haben wir mit den verhältnismäßig einfachen
Vorgängen zu rechnen, die sich bei dem Zusammenstoße zweier Gasmoleküle abspielen,
mit Vorgängen, die durch die Gesetze der Mechanik beherrscht werden. Ungleich
komplizierter sind die Vorgänge im Innern einer Geißlerschen Röhre. Dabei kommt
einmal die außerordentliche Verschiedenheit zwischen den Elektronen imd den Gas-
molekülen in Betracht. Die Masse der ersteren ist 2000 mal, ihr Durchmesser
millionenmal kleiner als bei den Gasmolekülen. Femer kommen zu den rein mechanischen
Wirkungen noch Vorgänge hinzu, die ich als elektrische Reaktionen bezeichnen
will. Daß in den Bau der chemischen Atome Elektronen und positive elektrische
Teilchen eingehen, folgt aus den Erscheinungen der Lichtemission, es wird bewiesen
durch die Tatsache, daß man aus den neutralen Molekülen eines Gases durch mancherlei
Mittel positive und negative elektrische Moleküle oder Molekülverbindungen gewinnen
kann, die gleichfalls als Ionen bezeichnet werden. Ein solcher Vorgang, bei dem
Ionisierung eines neutralen Gases eintreten kann, ist der Anprall eines Elektrons an ein
neutrales GasmoleküL Aber die Verhältnisse liegen hier sehr verwickelt; keineswegs
führt jeder Zusammenstoß eines Elektrons mit einem Gasmolekül zur Bildung von Ionen.
Das Elektron kann durch das Molekül hindurchfliegen, ohne eine Wirkung zu üben
oder zu erleiden. Es kann von dem neutralen Molekül ein anderes Elektron absprengen;
beide Elektronen können sich in Richtungen weiterbewegen, die von der ursprünglichen
Stoßrichtung verschieden sind; sie geben dann Veranlassung zu der Bildung sekundärer,
seitlich sich ausbreitender Kathodenstrahlen. Der Rest des Gasmoleküls besitzt in
diesem Falle eine positive Elektronenladung, er bildet ein positives Gasion. Negative
Gasionen können dadurch gebildet werden, daß Elektronen von relativ kleiner Ge-
von Eduard Rjsckk 35
schwindigkeit beim Zusammenstoß mit neutralen Gasmolekülen an diesen haften bleiben,
vielleicht auch dadurch, daß ein neutrales Molekül durch den Stoß eines Elektrons
unmittelbar in ein positives und ein negatives Ion gespalten wird. Wie bei einem in
Dissoziation begriffenen Gase steht der Bildung von Ionen eine fortwährende Wieder-
vereinigung, eine Rückbildung zu neutralen Gasmolekülen gegenüber. Diese verwickelten
Vorgange werden noch komplizierter, wenn man berücksichtigt, daß Ionisierung auch
durch den Stoß von Ionen erfolgen kann, wenn ihre lebendige Kraft bis zu einem be-
stimmten Betrage gesteigert wird Endlich hat man noch mit dem Umstände zu
rechnen, daß die Gasionen die Neigung haben, sich mit neutralen Gasmolekülen zu
komplizierteren Aggregaten zu verbinden.
Das neue Feld der Forschung, das ich hiermit flüchtig umrissen habe, stellt uns
zwei verschiedene Gruppen von Aufgaben. Es handelt sich einmal um die Be-
stimmxmg bleibender, gesetzmäßiger Eigenschaften der Elektronen und Ionen,
zweitens um das Studium der Erscheinungen, die ich als elektrische Reaktionen
bezeichnet habe. Die Untersuchung dieser letzteren ist aber von besonderer Bedeutung
deshalb, weil uns solche Reaktionen noch auf einem anderen Gebiete entgegentreten, bei
dem spontanen Zerfall der radioaktiven Elemente. Diese senden auf gewissen Stufen
ihrer Dissoziation Elektronen und positiv elektrische Teilchen aus, die mit den Teilchen der
Kanalstrahlen von gleicher Art sind. Wir haben hier elektrische Reaktion in unmittel-
barer Verbindung mit chemischer; die Vorstellung, daß zwischen elektrischer und
zwischen chemischer Reaktion kein prinzipieller Unterschied bestehe, daß die Chemie
im Grunde nur ein Kapitel der Elektrizitätslehre sei, findet hier eine greifbare Stütze.
Es war mein Bestreben, unser Institut bei der Neueinrichtung zu erfolgreicher
Mitarbeit an den geschilderten Problemen in den Stand zu setzen. Erfordert werden
dazu einmal elektrische und magnetische Hilfsmittel; denn in einem Gase, welches aus
neutralen Molekülen, Ionen und Elektronen gemischt ist, können wir die elektrisch
geladenen Teilchen gegen die neutralen durch elektrische und elektromagnetische
Kräfte bewegen, wir können aus der Beobachtung der Bewegungserscheinungen
Schlüsse ziehen auf die Eigenschaften der Ionen und Elektronen. Die elektrischen
Reaktionen aber scheinen im Zusammenhang zu stehen mit den eigentümlichen Licht-
erscheinungen, die wir im Innern von GEissLERSchen Röhren beobachten. Bei ihrer
Erforschung sind wir in erster Linie angewiesen auf die Hilfsmittel der Spektralanalyse;
verschiedene Arten von Molekülen eines und desselben Gases unterscheiden sich durch
die von ihnen erzeugten Spektren; Moleküle, die sich mit großer Geschwindigkeit
bewegen, liefern ein anderes Spektrum, als langsam bewegte. So dient uns die
5*
36 Rede hei der Eittvoeihungsfeier; von Eduard Riecke.
Spektralanalyse, ergänzt durch elektrische Messungen, als ein wichtiges Hilfsmittel,
wenn wir die Natur der Licht aussendenden Teilchen zu erforschen suchen. Freilich
reichen die für die Neueinrichtung des Instituts zur Verfügung stehenden Mittel nicht
hin, um alles Nötige zu beschaffen. Insbesondere war es nicht möglich, mit .denselben
die Einrichtung des von uns geplanten Praktikums für Elektronik und Radioaktivität
zu bestreiten, welches den Studierenden zur Einführung in die Arbeitsmethoden des
neuen Gebietes dienen sollte. Auch der regelmäßige Zuschuß, der sich für die Ab-
teilung für Experimentalphysik auf eine Summe von 2800 Mark jährlich beläuft, reicht
zu einer erfolgreichen Fortführung der begonnenen Arbeiten nicht aus; denn mit ihm
sind nicht bloß die Ausgaben für wissenschaftliche Arbeiten, sondern auch die für die
Vorlesungen über Experimentalphysik und die praktischen Übungen zu bestreiten. Wir
gehen aber in die Zukunft mit der frohen Hoffnung, daß auch diese Schwierigkeiten
sich überwinden lassen. Die physikalische Forschung hat in den letzten Jahren eine
reiche, in noch unbekannte Tiefen führende Ader angeschlagen; überall regen sich die
Hände, um die an das Licht des Tages gebrachten Schätze zu heben und zu sichten.
Möge es an den äußeren Bedingungen gedeihlicher Arbeit nicht fehlen, möge imser
Institut durch erfolgreiche Mitarbeit des alten Ruhmes unserer Hochschule wert sich
erweisen.
Anmerkung: Das Praktikum für Radiologie und Elektronik.
Ich habe schon in der Einleitung erwähnt, daß die Einrichtung eines Praktikums für Radiologie
und Elektronik durch das opferwillige Eingreifen des Herrn Geheimen Regierungsrates Dr. Böttinger
gesichert erscheint. Es ist daher angemessen , über den Zweck und die Einrichtung eines solchen Prak-
tikums einige Mitteilungen zu machen.
Es handelt sich dabei um ein Praktikum für Studierende, die schon längere Zeit dem Studium
der Physik sich gewidmet und die gewöhnlichen physikalischen Übungen vollständig absolviert haben.
Sie sollen durch die Übungen in Radiologie und Elektronik zu eigener Arbeit auf dem neuen Gebiete
befähigt werden.
Die Übungen würden sich erstrecken auf die Erscheinungen, welche die Ionen in dichteren
Gasen darbieten: Bestimmung der Beweglichkeit, der Diffussion, der elektrischen Ladung, des Koeffizienten
der Wiedervereinigung, der lonendichte und der Stärke der Ionisierung. Femer sollen die Wirkungen
elektrischer und magnetischer Kräfte auf die Kathodenstrahlen und die Kanalstrahlen untersucht werden.
Daran sollen sich spektroskopische Übungen über das von GEissLERschen Röhren ausgehende Licht
schließen. Die spektroskopischen Übungen sollen aber darüber hinaus auch andere Erscheinungen um-
fassen, welche für den Zusammenhang zwischen der Konstitution der chemischen Moleküle und zwischen
dem von ihnen emittierten oder absorbierten Lichte von Bedeutung sind. In diesem erweiterten Umfange
würden die spektroskopischen Arbeiten einen zweiten Teil des Praktikums bilden. Ein dritter Teil würde
sich auf die radioaktiven Erscheinungen beziehen. Die Praktikanten sollen sich in der Untersuchung
radioaktiver Stoffe, der Untersuchung von Induktionen und Emanationsgasen üben, sie sollen lernen, die
Rede bei der Etnwetkungs/eter ; von Woldemar Voigt, 37
verschiedenen Strahlenarten, die von einer radioaktiven Substanz ausgehen, durch die Verschiedenheit
ihrer Absorptionsverhältnisse, ihrer elektrostatischen und elektromagnetischen Eigenschaften von einander
zu trennen. Daran würden sich Aufgaben schließen, welche die energetischen Verhältnisse der Strahlung
betreffen. Das Praktikum würde so bis zu der Schwelle führen, wo die Wiederholung bekannter Versuche
in neue und eigentümliche Forschung übergeht.
Die spezielle Leitung des Praktikums wird in die Hände von Herrn Dr. J. Stark gelegt werden,
der sich hierzu in freundlichster Weise bereit gefunden hat, und der durch seine wissenschaftliche Tätig-
keit hierzu in erster Linie berufen ist.
2. Rede von Woldemar Voigt.
Hochgeehrte Anwesende!
Mein verehrter Freund Riecke hat so weitgehend im Namen der beiden in
diesem Hause vereinigten Institute gesprochen, daß mir nur wenig hinzuzufügen bleibt
Aber für einige Minuten muß ich Ihre Aufmerksamkeit doch in Anspruch nehmen.
Es drängt mich vor allem, der Königlichen Staatsregierung auch meinerseits
Dank zu sagen für die Förderung, welche sie dem von mir geleiteten Institut durch
die Errichtung dieses Neubaues gewährt hat. Ich empfinde den durch denselben
erzielten Gewinn vielleicht noch tiefer, als Kollege Riecke. Wie derselbe Ihnen
berichtet hat, stand dem mathematisch physikalischen Institut, als ich vor 22 Jahren nach
Göttingen kam, ein Raum im Erd- und einer im Dachgeschoß des alten Institutes zur
Verfügung. Der Parterreraum war durch geeignet aufgestellte Schränke in zwei Hälften
geteilt; die vordere diente als Auditorium, die hintere als Laboratorium. Der Dach-
raum aber besaß bemerkenswerte physikalische Eigenschaften. Um im ersten Stock
einen größeren Saal zu schaffen, hatte man eine seinen Fußboden stützende Wand
beseitigt, und infolge hiervon war dieser Fußboden hervorragend schwingungsfahig
geworden. Man konnte in dem Zimmer die interessantesten Beobachtungen über
Eigenschwingungen der Fußböden anstellen — freilich aber auch keinerlei andere.
Wenn jetzt, nach mancherlei Zwischenstufen der Entwicklung, das Institut in
den Besitz einer größeren Zahl fester, heller und ausgedehnter Räume gekommen ist
imd auch nach außen dem experimentell-physikalischen Institut gleichberechtigt dasteht.
38 Jifde hei der Emweikungsfner
SO habe ich alle Ursache, diese Frucht langjähriger, mühevoller Arbeit mit Freude zu
begrüßen.
Ein mathematisch -physikalisches Institut mit einem vollständigen Laboratorium
ist in Preußen ein Ausnahmefall — nur noch in Königsberg dürfte ein Analogon zu
unserer Einrichtung zu finden sein — und die Vertreter der Königlichen Finanz-
verwaltung haben bei den Verhandlungen über den Neubau wiederholt die Frage
erhoben, worin denn nun eigentlich der Unterschied der beiden Institute bestehe. Die
Antwort konnte nur sein: der Unterschied liegt allein darin, daß der Leiter des einen
Institutes die Kursusvorlesungen über Experimentalphysik, der des anderen die Kursus-
vorlesungen über theoretische Physik hält — die Ziele imd Mittel der beiden Labo-
ratorien sind im wesentlichen die gleichen. Durch fast zufallige Umstände erstmalig
hervorgerufen, hat bei der rapide fortschreitenden Entwicklung der Physik die Teilung
des alten einheitlichen Institutes sich für Unterricht und Forschung in gleicher Weise
nützlich erwiesen und wird von den beiden gegenwärtigen Direktoren als eine wert-
volle Eigenart unserer Göttinger Einrichtung hochgeschätzt
Mit dem geschilderten eigentümlichen Verhältnisse der beiden Institute hängt es
auch zusammen, daß, wie Kollege Riecke bereits angedeutet hat, eine Teilimg des
Gebäudes, sei es nun nach einem horizontalen oder einem vertikalen Schnitt, sichtbar nicht
ausgedrückt ist Die Verteilung der Räume hat in der Weise stattgefunden, daß für
beide Institute die betreffenden Auditorien mit Vorbereitungs- und Sammlungszimmem
vorweg genommen, dann gemeinsam zu benutzende Räume wie Bibliothek, Werkstätte,
Maschinenraum und ähnliche abgesondert und die übrigen Räume nach dem Flächen-
inhalt in zwei ungefähr gleiche Hälften geteilt wurden. Dabei ließ sich der Wunsch
des Kollegen Riecke nach größeren Räumen leicht befriedigen, während mir mit zahl-
reicheren, aber kleineren besser gedient war.
Dies ist ohne die mindesten Schwierigkeiten vor sich gegangen, und ich nehme
gerne Gelegenheit, auszusprechen, daß auch während des ganzen Baues nicht die
kleinste Verstimmung zwischen uns beiden stattgefunden hat. Natürlich sind wir öfter
über auftauchende Fragen verschiedener Meinung gewesen; aber die sachliche Er-
wägung hat uns stets zu einem gemeinsamen Entschluß ohne wesentliches Opfer für
den Einzelnen geführt
Ich hoffe bestimmt, daß das gute Einvernehmen zwischen Kollege Riecke und
mir, das durch beiderseitiges ehrliches Bemühen 22 Jahre lang unter äußerlich recht
ungünstigen Umständen bestanden hat, auch in den so viel gebesserten Verhältnissen
andauern wird. Ja, meine Hoffnung geht noch weiter. Ich denke und wünsche, daß
von WOLDEMAR VoiGT. 39
auch unsere Nachfolger, wenn sie gleich nach ihren Richtungen und Arbeitsgebieten
über die Räume des Institutes anders disponieren werden als wir, doch in ihrem
eigensten Interesse auf gutes Einvernehmen halten und von der Anbringung von Brand-
mauern zwischen den beiden Abteilungen absehen werden. Es ist übrigens — wie ich
bemerken will — für solche vorsichtigerweise Sorge getragen; insbesondere läßt sich
jede Etage des Gebäudes leicht durch eine Glaswand gegen die Treppe abschließen,
Kollege RiECKE hat von den speziellen Zielen gesprochen, die er in seinen und
seiner Schüler Untersuchungen weiterhin zu verfolgen hofft, und die bei der Einrichtung
seines Laboratoriums bis zu einem gewissen Grade maßgebend gewesen sind. Ich
möchte mir erlauben, ihm darin zu folgen.
Die Kristallphysik, zu der ich seit 32 Jahren nach kürzeren oder längeren
Abschweifimgen immer wieder zurückgekehrt bin, liegt abseits von den Problemen, die
während dieser Zeit die große Zahl der Physiker beschäftigt haben. Sie liegt auch
abseits von den Gebieten, die an unserer Universität unter der Förderung der
Göttinger Vereinigung bearbeitet werden.
Die Kristallphysik ist Mikrophysik in des Wortes verwegenster Bedeutung.
Nichts kann das besser veranschaulichen, als die Vergleichung der Maschinen, mit
denen Kollege Prandtl Eisenstangen biegt, drillt oder zerreißt, mit den zierlichen
Apparaten, die mir bei der Untersuchung der Elastizität und der Festigkeit von
Kristallen gedient haben. Sie ist altmodische Physik im stärksten Sinne; zur tech-
nischen Anwendung ihrer Gesetze sind kaum kümmerliche Ansätze vorhanden, und nur
das Streben nach wissenschaftlicher Erkenntnis ist bei ihr treibend und leitend.
Bietet sie nach ihrer Eigenart eine gewisse Sicherheit vor Konkurrenten bei
der Bearbeitung ihrer Probleme, so verlangt sie dafür auch den Verzicht auf weit-
gehende Teilnahme der Fachgenossen an ihren Resultaten. Es ist nur eine kleine
Gemeinde, die sich ihrer Pflege weiht — aber diese hängt mit Zähigkeit an ihrem
Aufgabenkreise.
Was ist's nun, das den Kristallphysiker so stark an seine Wissenschaft fesselt?
Ich will es durch ein Bild verständlich zu machen suchen.
Denken wir uns in einem großen Saale ein paar Hundert ausgezeichneter Violin-
spieler, die mit tadellos gestimmten Instrumenten alle dasselbe Stück spielen, aber
gleichzeitig an lauter verschiedenen Stellen beginnen, auch etwa nach Vollendung
immer wieder von vorne anfangea Der Effekt wird (für den Europäer wenigstens)
nicht eben erfreulich sein, ein gleichmäßiges trübes Tongemisch, aus dem auch das
feinste Ohr das wirklich gespielte Stück nicht heraus zu erkennen vermag, einzig
40 Rede bei der EnoDeümngsfeier
charakterisiert durch den Umfang der überhaupt erreichten und durch die relative
Häufigkeit aller berührten Töne.
Eine solche Musik nun machen uns die Moleküle in den gasförmigen, den
flüssigen und den gewöhnlichen festen Körpern vor. Es mögen sehr begabte Moleküle
sein, mit kunstvoll reichem Aufbau — aber bei ihrer Wirksamkeit stört immer eins
das andere; von ihren Qualitäten kommt in den beobachteten Erscheinungen keine voll
xmd rein, viele überhaupt gar nicht zur Geltung.
Ein Kristall hingegen entspricht dem oben geschilderten Orchester, wenn dasselbe
von einem tüchtigen Dirigenten einheitlich geleitet wird, wenn alle Augen an seinen
Winken hängen und alle Hände den gleichen Strich führen. Hier kommt Melodie und
Rhythmus des vorgetragenen Stückes zu ganzer Wirkung, die durch die Vielheit der
Ausführenden nicht gestört, sondern gestärkt wird.
Dies Bild macht verständlich, wie Kristalle ganze Erscheinungsgebiete zeigen
können, die bei den anderen Körpern absolut fehlen, und daß andere Gebiete sich
bei ihnen in wundervoller Mannigfaltigkeit und Eleganz entwickeln, die bei den übrigen
Körpern nur in trübseligen monotonen Mittelwerten auftreten. Nach meinem Gefühl
tönt die Musik der physikalischen Gesetzmäßigkeiten in keinem anderen Gebiete in so
vollen und reichen Akkorden, wie in der Kristallphysik.
Das Gesagte möge zur Rechtfertigung dafür dienen, daß ich bei der Anlage
und Ausrüstung unseres Institutes in bescheidenem Maße auch auf die Pflege der
Kristallphysik Rücksicht genommen habe. Von den diesem Ziele dienenden speziellen
Instrumenten und Modellen will ich hier nicht sprechen. Ich will aber doch erwähnen,
daß der im untersten Keller hergerichtete Raum von annähernd konstanter Temperatur
zum Teil in Rücksicht auf die berührten Probleme angelegt ist Er soll einerseits die
Gelegenheit zu Kristallzüchtungen nach etwas neuen Gesichtspunkten bieten, anderer-
seits auch Beobachtungen über allmähliche Deformationen bei möglichst unveränderten
äußeren Verhältnissen erlauben, die ich bereits vor 32 Jahren unter ungünstigen Ver-
hältnissen in Angriff" genommen habe, und von denen ich mir mancherlei Aufklärung
und Anregung verspreche.
Unter den verschiedenen Provinzen der Kristallphysik nimmt die Kristalloptik
ebenso durch die Schönheit, wie durch die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen eine
ausgezeichnete Stellung ein. Es ist erstaunlich, wie in diesem seit 100 Jahren emsig
angebauten Gebiet die Arbeit immer noch neue köstliche Früchte zeitigt; gerade die
letzten Jahre haben hier bemerkenswerte Überraschungen gebracht Es ist natürlich,
daß auch für Forschungen in diesen Problemen nach Möglichkeit Fürsorge getroffen ist
van WoLDEMAR Voigt, 41
Der Kristalloptik nahe steht derjenige Teil der allgemeinen Optik, der die
Eigenschaften von Körpern behandelt, welche, obwohl von Natur unkristallinisch, durch
mechanische, elektrische oder magnetische Einwirkung eine Art von kristallinischer
Struktur erhalten. Unter den hierher gehörigen Erscheinungen stehen unbedingt in
erster Reihe die wundervollen Wirkungen eines Magnetfeldes auf die optischen Eigen-
schaften der Körper, die Herr Pieter Zeeman, jetzt Professor in Amsterdam und heute
ein lieber Gast unseres Festes, entdeckt hat, und die seinen Namen tragen. Wie ich
mich lange Zeit um die Theorie dieser Erscheinungen bemüht habe, so habe ich auch
danach gestrebt, ihrer experimentellen Bearbeitung in unserem Institut eine Heimstätte
zu bereiten. Denn wenn zwar dies physikalische Laboratorium einer Provinzial-
Universität naturgemäß nicht für alle Forschungsgebiete vollwertig ausgerüstet sein
kann, so darf es doch wohl beanspruchen, für diejenigen Probleme, in denen am Ort
schöpferisch gearbeitet ist, erstklassige Hilfsmittel zu besitzen.
Allerdings schien es anfangs nicht, als ob die genannte Absicht sich würde
realisieren lassen. Die für fruchtbare Bearbeitung des ZeemanefFektes erforderlichen
Hilfsmittel sind ziemlich kostbar, und von der für die instrumentelle Ausrüstung des
Institutes beantragten Summe hatte die hohe Finanz Verwaltung mehr als 50 Prozent
gestrichen.
Indessen haben uns freundliche Gönner unseres Institutes in der geplanten
Richtung ein erfreuliches Stück vorwärts geholfen. Nötig waren vor allen Dingen
einige Rowlandsche Gitter mit dazu gehörigen Aufstellungen und ein mächtiger
Elektromagnet
Ein schönes, ihm gehöriges Konkavgitter hat uns Herr Kollege Runge, der
selbst so erfolgreich über die quantitativen Verhältnisse des Zeemaneffektes gearbeitet
hat, zur Benutzung überlassen, ebenso den Elektromagneten, den ihm die Berliner
Akademie geliehen hat Drei Plangitter von verschiedener Größe hat uns Herr
Dr. Hauswaldt in Magdeburg, der sich um die Unterstützung optischer Beobach-
tungen bereits wiederholt große Verdienste erworben hat, leihweise zur Verfügung
gestellt, so daß wir in diesen Hinsichten für den Augenblick recht gut versorgt sind
Bezüglich der nötigen höchst massiven Aufstellung für das Rungesche Gitter
ermutigte mich die Nachricht, daß die Firma Krupp in Essen dem physikalischen
Institut der Universität Bonn eine solche Einrichtung geschenkt habe, Herrn Direktor
Ehrensberger eine ähnliche Bitte vorzutragen. Obgleich nun die Firma Krupp für
die Göttinger Vereinigung bereits erhebliche Aufwendungen gemacht hat, und obgleich
das Institut für mathematische Physik nicht in das Bereich der von der Vereinigung
Göttioger FesUchrift. 6
42 Rede bei der Einweihungs/eier ; von Woldemam Voigt,
geförderten Unternehmungen gehört, hat doch Herr Direktor Ehrensberger meine
Bitte freundlich aufgenommen und bei seiner Firma warm vertreten. Die Firma Krupp
hat uns daraufhin die gewaltigen und wunderschön bearbeiteten Eisenteile einer Gitter-
aufstellung, wesentlich in einer von Kollege Runge empfohlenen Form, geschenkt, die
nunmehr eines der kostbarsten Besitztümer des Institutes bildet.
Ich möchte auch an dieser Stelle allen den genannten Herren, die uns bei
unserer Arbeit so entgegenkommend unterstützt haben, unseren herzlichsten Dank aus-
sprechen. Die gewährte Förderung hat uns zwar noch nicht an das zunächst erstrebte
Ziel gebracht, aber sie hat uns über die schwierige erste Wegstrecke hinweg ge-
holfen. Es steht zu hoffen, daß, wenn uns nur die Königliche Staatsregierung durch
die Nachbewilligung mäßiger Bruchteile der gestrichenen 50 Prozent unterstützt,
wir in einiger Zeit in den Besitz einer wirklich leistungsfähigen Einrichtung zum Studium
des Zeemaneffektes und seiner Begleiterscheinungen gelangen werden.
Auch in einer anderen Richtung werde ich genötigt sein, mit erneuten Anträgen
an die Königliche Staatsregierung zu gehen. Der Etat des mathematisch-physikalischen
Institutes ist von einer bedrückenden Dürftigkeit, und nur Opfer und Zuwendungen
von verschiedenen Seiten haben in den letzten Jahren eine Art Konkurs vermeiden
lassen. Sicher hat es einen gewissen Reiz, mit sehr kleinen Mitteln Ordentliches zu
leisten; aber es ist dies nicht ein Vergnügen, das durch längere Dauer an Anziehungs-^
kraft gewinnt Ja, schließlich seufzt man wahrhaft nach einem sorgenfreien Dasein.
Die Übernahme eines neuen Institutes hat für dessen Direktor ein doppeltes
Gesicht, ein fröhliches, das von den erreichten Fortschritten und Verbesserungen
erzählt, und ein ernstes, das an die vergrößerte Verantwortung mahnt. Und das
letztere will sich heute nicht übersehen lassen. Gilt es doch weiterhin, die Notwendig-
keit der so zäh und nachdrücklich geltend gemachten Forderungen zu beweisen und
die gewährten neuen Einrichtungen fruchtbar zu verwerten. Und hierzu braucht
es mehr als ein sorgsam und umsichtig organisiertes Institut und als den Fleiß und
die Hingabe des leitenden Direktors. Auch glückliche Problemstellungen, die ein Ge-
schenk von oben sind, tun's nicht. Es bedarf zur Erreichung des Zieles außerdem sehr
wesentlich der Unterstützung zuverlässiger und kenntnisreicher Assistenten, die geneigt
sind, dem Institut mit allen Kräften zu dienen, und der Mitarbeit begabter Schüler, die
sich mit Begeisterung der Forschungsarbeit widmen.
In beiden Hinsichten sind unsere Institute bisher vom Glück begünstigt gewesen.
In den dürftigen Räumen des alten Hauses sind trotz großer Hindernisse zahlreiche
schöne Arbeiten ausgeführt worden; hochbegabte Schüler sind aus ihnen in die Welt
Rede hei der Einweihungsfeier; von Hermann Th, Simon. 43
gegangen und bewahren der Stätte ihrer Ausbildung ein treues Andenken. Ich denke
hierbei besonders an meine lieben alten Schüler Drude und Pockels, deren hier
durchgeführte Arbeiten zum schönsten gehören, was in diesen Instituten geleistet ist,
und die an unserem Feste in Anhänglichkeit teilnehmen.
Mögen derartige Helfer den Instituten in ihrem neuen Heim niemals fehlen,
damit dieselben in gleicher Weise segensreich zu wirken vermögen, wie bisher.
Anmerkung: An dieser Stelle mag nochmals dankbar der Unterstützung gedacht werden, welche
die Arbeiten des Instituts durch die bereits Seite 1 8 erwähnte Schenkung des Herrn Geheimrat Dr. Böttinger
erfahren haben. Die Absicht geht dahin, mit Hilfe derselben die große durch die Firma Krupp funda-
mentierte Gitteraufstellung auszubauen, einen kräftigen Magneten und einen Spektrographen für ultraviolettes
Licht anzuschaffen. Auch eine für die theoretische Verwertung spektraler Messungen dringend nötige
Rechenmaschine soll erstanden werden.
3. Rede von Hermann Th. Simon.
Hochverehrte Anwesende!
Die Abteilungen der Physik, welche von den beiden Herren Vorrednern vertreten
werden, sind seit langer Zeit anerkannte, wesentliche Bestandteile einer Universität.
Wenn sie heute mit einem stolzen und freudigen „Es ist erreicht!" ihre neue Wirkungs-
stätte feierlich in Besitz nehmen, so entspringt dieser Stolz und diese Befriedigung
weit weniger dem Bewußtsein, daß sie das Ziel erreicht haben, als daß sie es endlich
und daß sie es so schön erreicht haben.
Anders liegt die Sache bei der Tochterwissenschaft der Physik, die ich
vertrete, der angewandten Elektrizität. Im Mutterhause sorgfaltig gepflegt und
erzogen, hat sie sich draußen als Elektrotechnik gar stattlich entwickelt und hat die
Welt zu ihren Füßen liegen sehen. So war es nur der Lauf der Dinge, wenn ihr
das Stübchen im Mutterhause zu enge wurde und sie sich sehnte, einen eigenen Haus-
stand zu gründen.
Dieser Sehnsucht erste Erfüllung an einer deutschen Universität ist das Institut
für angewandte Elektrizität, welches heute mit dem neuen Mutterinstitute seiner
Bestimmung übergeben wird. Hier ist die Tatsache allein, daß das Ziel erreicht
6»
44 ^^^ ^^' ^^ Einweikungsfeter
wurde, Quelle der Freude und der Dankbarkeit genug; daß es so schnell und daß
es so schön erreicht wurde, macht sie nur um so lebhafter sprudeln.
Viele günstige Umstände haben zusammen gewirkt und viele glückliche Hände
haben zugefaßt, das Werk zustande zu bringen. Den Funken hat der Genius unseres
elektrischen Zeitalters geschlagen; der Zündstoff lag von alters her in Göttingen
bereit; und die richtigen Hüter des erweckten Feuers fehlten nicht, denen zu danken
heute Pflicht und Bedürfnis ist.
Unter ihnen steht weitaus an erster Stelle Herr Geheimrat Riecke. Er hat
jederzeit mit seltener Selbstentäußerung die Entwicklung der Abteilung warmherzig
durch Rat und Tat gefördert; hat ihren Leitern eine auf Vertrauen gegründete
Selbständigkeit und Entwicklungsfreiheit gesichert und Lust und Liebe in ihnen
wach gehalten.
Die grundlegende Organisation erhielt die Abteilung durch meinen Vorgänger
und Lehrmeister, Herrn Professor Des Coudres. Wenn seitdem von Jahr zu Jahr
fortschreitend eine gedeihliche innere Entwicklung der Abteilung zu konstatieren war,
so ist das zum großen Teile nur die Frucht seiner glücklichen Aussaat»
Die lebendige Kraft der Idee allein reicht bei experimentierenden Wissen-
schaften selten aus, ihr so schnell eine Stellung zu schaffen, wie wir es hier mit
unseren angewandten Wissenschaften erlebt haben. Ohne die Einsicht und Opfer-
willigkeit der Männer des praktischen Lebens, die sich in der Göttinger Vereinigung
zur Förderung der angewandten Physik und Mathematik der Idee als reale Helfer zur
Verfügung gestellt haben, wären wir heute noch nicht über die Anfänge hinaus. Sie
haben der Staatsregierung die materielle und moralische Sorge um die neue Abteilung
zum großen Teile abgenommen.
Die Königliche Staatsregierung ihrerseits hat der neuen Idee in allen Stadien
die Förderung zuteil werden lassen, die erforderlich war, alle Kraftkomponenten zu
einer starken Resultante zu vereinigen. Und nun hat sie das Werk gekrönt durch
Errichtung des schönen Neubaues, den Sie nachher besichtigen werden.
Ich versichere lebhaft, daß wir vom herzUchsten Danke gegen alle erfüllt sind,
die uns so wirksam geholfen haben. Aber ich denke, daß das, was durch dieses
segensreiche und vorbildliche Zusammenwirken der besten Kräfte geleistet ist und
künftig geleistet werden soll, jetzt und immer der wertvollste Dank sein wird, den wir
abstatten können.
Mit lebhaftem Danke möchte ich auch die Unterstützung hervorheben, die wir
bei Errichtung des Neubaues von selten der Bauverwaltung in allen Instanzen gefunden
von Hbrmann Tu. Simon. 45
haben; namentlich danke ich dem Bauleiter, Herrn Regierungsbauführer Leiste, der
mit feinem Verständnis und sicherem Geschmack allen Wünschen entgegen gekommen
ist, das Institut seiner Eigenart möglichst angemessen auszugestalten.
Diese Eigenart ist, abgesehen von den ja nie ganz auszuschaltenden persön-
lichen Faktoren, das naturgemäße Ergebnis einer Verpflanzung — oder soll man sagen
Rückpflanzung — der elektrotechnischen Wissenschaft in den Boden der Universität.
Sie ist in ihrem Verhältnis zu der Elektrotechnik der technischen Hochschule treffend
charakterisiert durch die Nüancierung der Benennung „Angewandte Elektrizität".
Was verstehen wir unter dieser angewandten Elektrizität, die wir mit der
neuen Abteilung des physikalischen Institutes pflegen wollen?
Nun, jede Wissenschaft, das hat Ostwald einmal in einem geistvollen Vortrage
ausgeführt, entspringt der Sehnsucht der Menschheit nach Voraussicht, wie alle Kultur
nach HuME auf Voraussicht beruht Unsere Naturwissenschaften schaffen so mit ihren
Naturgesetzen Anweisungen, die Erfahrungen der Menschheit in der Außenwelt ökono-
misch zusammenzufassen, damit man das zukünftige Naturgeschehen mit möglichster
Sicherheit vorauszusehen imstande sei.
Dabei erachten die einen diese Aufgabe mehr in abstrakter Allgemeinheit zu
lösen und ringen dem großen Meere der Ereignisse einen Fuß breit nach dem anderen
ab, wo gerade ihre Kraft am wenigsten Widerstand findet. Sie sorgen nur, daß sie
ihren Seeweg aus dem bekannten ins unbekannte Meer mit aller Zuverlässigkeit er-
forschen und tragen ihn genau in die Seekarten ein, damit nach ihnen jeder andere ihn
mühelos wiederfinden kann. Das sind die Männer der reinen Wissenschaft Die anderen
ahnen, wie Kolumbus, ein bestimmtes praktisches Ziel in der Feme und gehen darauf
los, ohne immer recht auf den Weg zu achten. Das sind die Erfinder der Technik,
denen die reine Wissenschaft nur Mittel zu ihrem Zwecke ist. Zwischen beiden ver-
mittelnd stehen die angewandten Wissenschaften: Sie folgen den kühnen Entdecker-
pfaden mit dem Ri^stzeug der reinen Wissenschaft, sie machen den Pfad, den der
Erfinder in intuitivem Drange gefunden, wegsam und für die Allgemeinheit gangbar,
ja sie werden gar oft einen näheren und besseren Weg zu demselben Ziele angeben
können. Und indem sie die Bahnen des Erfinders ruhig prüfend noch einmal wandern,
sehen sie manches Neue, finden sie manchen lohnenden Seitenpfad, den der andere in
seinem Stürmen unbeachtet gelassen hat Oder frei vom Bilde und auf unseren Fall
übertragen: Die angewandte Elektrizität vermittelt xms die Voraussicht, die uns be-
fähigt, die Eigenschaften der Elektrizität praktisch zu verwerten, d. h. bestimmte Zwecke
des praktischen Lebens durch elektrische Hilfsmittel betriebssicher imd wirtschaftlich
46 Rede bei der Einweihungs/eier
ZU erreichen. Sie steht als Vermittlerin zwischen der reinen Physik und der Elektro-
technik. Sie hält Fühlung mit beiden; nimmt aus der Physik Probleme und Ent-
deckungen auf, die einer technischen Verwertung geeignet erscheinen und bemüht sich,
dieselben in eine der Technik dienlichen Form zu bearbeiten; sie schält aus den Er-
zeugnissen technischer Intelligenz die allgemein gültigen Prinzipien heraus und hilft ihr
so, ihre Ziele mit immer größerer Vollkommenheit und Zuverlässigkeit zu erreichen; sie
geht den Fragen nach, an' denen die Elektrotecknik in ihren hochgespannten Anfor-
derungen des Tages vorbeigehen muß und spürt so der reinen Physik neue Quellen
der Forschung auf; und sie vermittelt der reinen Physik die reichen Hilfsmittel der
Technik, d. h. immer wieder Hebezeuge für deren eigene Forschungsaufgaben.
Ich denke, Sie erkennen so die Bedeutung und Größe der gestellten Aufgabe.
Wie ist sie in den Organismus der Universitäten einzuverleiben?
Die Stärke unserer Universitäten ist ihr eigentümlicher Doppelberuf, der ihren
Angehörigen mindestens ebensoviele Verantwortlichkeit sich selbst und den Fach-
genossen gegenüber als Forscher auferlegt, wie dem Staate und der Allgemeinheit
gegenüber als Lehrer. Entsprechend sind unsere Institute in gleichem Maße Lehr-
und Forschungsinstitute.
In Lehre und Forschung also hat auch unser Institut seine Aufgabe zu erfüllen
und seine Einrichtung muß beiden Zwecken in gleicher Weise angepaßt werden. So
finden Sie folgende Anordnungen darin:
Den Lehrzweclcen dient ein mit möglichster Sorgfalt für die Vorfühnmg elek-
trischer Versuche eingerichteter Oberlichthörsaal im Obergeschoß, mit Verdunklungs-
einrichtung , Experimentierschalttafel , Proj ektionseinrichtung usw. Daneben , ebenfalls
mit vollkommenen Experimentiermöglichkeiten, das Vorbereitungszimmer zur Ausarbeitung
der Vorlesungsversuche. Es ist durch einen elektrischen Aufzug mit der Werkstatt im
Erdgeschoß und mit einem Vorratsraume im Kellergeschoß verbunden, um die schweren
Apparate und Maschinen schnell herbeischaffen zu können. Auf der anderen Seite des
Hörsaales liegt die Sammlung, die natürlich nach Möglichkeit alles enthalten muß, was
die Elektrotechnik an bedeutsamen Neuerungen schafft. Den Lehrzwecken dient ferner
das Anfangerpraktikum im Erdgeschoß, in dem jedes Semester 20 — 30 Studierende einen
sorgfaltig organisierten praktischen Lehrkursus in der angewandten Elektrizität durch-
machen. Für die Forschungsarbeit ist eine Anzahl von Zimmern mit ebenfalls mög-
Hchst umfassender Experimentiergelegenheit vorgesehen. Das völlig flach ausgebaute,
leicht zugängliche Dach hat Stromanschlüsse, um dort oben Versuche mit drahtloser
Telegraphie, Lichttelephonie und dergleichen vornehmen zu können. Der weite Aus-
von Hermann Th, Simon. 47
blick nach mehreren Seiten hin ist diesen Zwecken sehr günstig. Für die Forschungs-
arbeit wird femer eine Sammlung der besten Meßinstrumente erfordert, die man auf
diesem Gebiete besitzt Vor allem wichtig für ein solches Institut ist die elektrische
Anlage. Auf sie ist bei dem neuen Institute besonderer Wert gelegt worden. So
sind Quellen elektrischer Energie von einer möglichsten Vielseitigkeit vorhanden. So-
weit sie in Gleichstrom- und Wechselstromdynamomaschinen bestehen, sind sie in einer
zentral gelegenen geräumigen Maschinenhalle aufgestellt, die für den Transport und
die Montage der schweren Maschinen von*^ einem Laufkrahn bestrichen wird und einen
direkten Ausweg ins Freie hat Die Halle reicht durch zwei Stockwerke und stellt
so die von manchen Experimenten erforderte größere Vertikalhöhe zur Verfügung.
In der Maschinenhalle befindet sich auch die Hauptverteilungsschalttafel für die Ver-
teilung der verschiedenen Stromquellen auf die Zimmer und Arbeitsplätze. Durch ein
System von Verbindungsdrähten und Schalttafeln mit Stöpselverbindungen ist es in
einfacher und übersichtlicher Weise möglich, jeder der Verbrauchsstellen elektrischer
Energie jede der vorhandenen Stromquellen zur Verfügung zu stellen, sowie die
Arbeitsstellen untereinander beliebig zu verbinden.
Alle Stromquellen sind möglichst so angeordnet, daß sie gleichzeitig auch an
sich zum Gegenstande des Studiums gemacht werden können.
Das Institut ist mit holz verschalten Eisenbetonplandecken, System Konen, ver-
sehen worden, die überall ohne weiteres gestatten, Leitungsdrähte anzuschrauben.
Bei der Besichtigung wird der Kundige noch manchem Unfertigen begegnen.
Sie werden das entschuldigen, wenn Sie hören, daß vor wenig mehr als einem Jahre
erst begonnen worden ist, die Fundamente auszuheben.
Möge die Besichtigung Ihnen den Eindruck hinterlassen, daß das dankbar
empfundene große Vertrauen, welches mir die Einrichtung des Institutes übertrug, in
dem Geleisteten seine Rechtfertigung gefunden hat.
IIL
Das physikalische Hauptinstitut
mit den Abteilungen für Experimentalphysik und für theoretische Physik.
Von
Eduard Riecke
Direktor der Abteilung für Experimentalphysik
mit Beiträgen von
W. Voigt , E. Kropf
und
Direktor der Abteilung für theoretisehe Physik Regierungsbaumeister.
Bei dem Bau und der Einrichtung eines neuen physikalischen Institutes werden
die besonderen Erfahrungen und Gewohnheiten der Institutsleiter immer eine sehr
wesentliche Rolle spielen. Verlangen kann man nur, daß Bau und Einrichtung so be-
messen werden, daß sie auch veränderten Bedürfnissen anzupassen sind. Inwieweit
dies bei dem Neubau des Göttinger physikalischen Institutes der Fall ist, inwieweit
wir die mannigfachen Anregungen verwertet haben, die uns eine gemeinsam mit dem
Leiter des Baues unternommene Studienreise gegeben hat, möge aus der folgenden
Beschreibung des Institutes hervorgehen.
Ehe wir damit beginnen, scheint es zweckmäßig, noch einmal daran zu erinnern,
daß das physikalische Institut im ganzen aus drei Abteilungen besteht: i. der Ab-
teilung für Experimentalphysik; 2. der Abteilung für theoretische Physik; 3. der Ab-
teilung für angewandte Elektrizität.
Die beiden ersten Abteilungen sind in demselben Gebäude, dem physika-
lischen Haupt Institute, untergebracht. Seiner Beschreibung gelten die folgenden
Seiten. Der Anteil, den jene Abteilungen an der Lösung der gemeinsamen Aufgabe
nehmen, hängt in hohem Maße von der wissenschaftlichen Richtung ihrer Leiter ab.
Das physikalische Hauptinstitui\ von Eduard Rjbcxe,
49
Es schien daher nicht zweckmäßig, jene beiden Abteilungen in dem gemeinsamen Bau
von vornherein äußerlich gegen einander abzugrenzen, vielmehr ist dieser nach einem
durchaus einheitlichen Plane entworfen, und erst nachträglich ist eine Einteilung vor-
genommen, wie sie den gegenwärtigen Verhältnissen angemessen erscheint
Der Bau des physikalischen Hauptinstitutes begann im Frühjahr 1903;
das Institut wurde bezogen im Frühjahr 1905.
Abb. I. Rechts: das physikalische Hauptinstitut; links: die Abteilung für angewandte Elektrizität
I. Allgemeine Einteilung des Neubaues.
Die wissenschaftliche Tätigkeit eines physikalischen Institutes gliedert sich, wie bei
anderen naturwissenschaftlichen Instituten, nach drei Richtungen; sie umfaßt die Vor-
lesungen, die Übungspraktika und die wissenschaftlichen Arbeiten. Die für die letzteren
bestimmten Räume sollen vor äußeren Störungen möglichst geschützt sein, sie sollen
feste, erschütterungsfreie Aufstellungen gestatten. Daraus ergibt sich, daß sie vor
allem in das Sockelgeschoß und das Erdgeschoß zu legen, daß sie von den Vorlesungs-
und Fraktikumsräumen, aber ebenso von Werkstätten, Maschinenräumen und dergleichen
möglichst zu trennen sind. Dementsprechend gliedert sich der Bau, dessen Haupt-
achse im wesentlichen west- östlich gerichtet ist, in einen nach Westen, der Straße zu
Göttinger Feitachrift 7
50 Das physikalische HaupHnsHUä,
liegenden Vorbau und einen nach Osten liegenden, von der Straße abgewandten
Hauptbau. Der Vorbau enthält im Sockelgeschoß die Werkstätten, die Kessel- und
die Kohlenräume der Heizanlage und einen Teil der Heizerwohnung, im Erdgeschoß
einen kleineren Hörsaal mit Vorbereitungszimmer und Sammlungsraum, im ersten Stock
den großen Hörsaal für die Vorlesungen über Experimentalphysik. Der Hauptbau
enthält im Kellergeschoß, Sockelgeschoß, Erdgeschoß und ersten Stock Räume für
wissenschaftliche Arbeit, außerdem im Sockelgeschoß die Wohnung, im Erdgeschoß
neben der Treppe das Dienstzimmer des Hausverwalters, im ersten Stock Sammlung
und Bibliothek; im zweiten Stock befinden sich die Zimmer für die praktischen Übungen.
Das Dachgeschoß ist so ausgebaut, daß darin Räume für den Unterricht in physi-
kalischer Handfertigkeit'), ein Zimmer für die historische Sammlung, ein für Übungen
in Radiologie und Elektronik bestimmtes Zimmer und ein photographisches Zimmer
mit Dunkelkammer eingerichtet werden konnten. Über dem Dachgeschoß befindet sich
ein zu wissenschaftlichen Zwecken dienendes Turmzimmer. Akkumulatoren- und Maschinen-
raum liegen außerhalb des Hauptgebäudes in einem Zwischenbau, der mit seinem flachen
Dache bis zur Mitte des Erdgeschosses sich erhebt Vorbau und Hauptbau haben
gesonderte Eingänge; der des Vorbaues liegt der Straße zugewandt an der Westseite
des Gebäudes; eine an die westliche Außenwand sich lehnende Treppe vermittelt den
Zugang zu den Hörsälen; eine Störung der wissenschaftlichen Arbeiten durch die Be-
sucher der Vorlesungen ist daher ausgeschlossen. Die Disposition der Räume im
einzelnen ergibt sich aus den Grundrissen der Tafel I.
IL Ausführung des Baues.
Der Neubau des physikalischen Institutes in Göttingen ist nach einem im Ministe-
rium der öffentlichen Arbeiten unter Leitung des Herrn Wirklichen Geheimen Ober-
baurat Thür ausgearbeiteten Entwurf ausgeführt worden. Die örtliche Bauleitung lag
in Händen des Regierungsbaumeisters Kropf. Das Gebäude hat bei einer Länge
von ca. 53,5 m 830 qm bebaute Fläche und außer dem Kellergeschoß vier Stockwerke
und ein ausgebautes Dachgeschoß. Die von den Laboratorien eingenommene Fläche
beträgt etwa 900 qm. Die Baukosten belaufen sich einschließlich der inneren Ein-
richtung und der Außenanlagen, jedoch ausschließlich Grunderwerb auf ca. 353 000 Mark.
Der Neubau steht auf einer fast ebenen, gleichmäßig starken sehr tragfähigen Kies-
i) Vgl. die Anmerkung am Schlüsse der Beschreibung.
Von Eduard Ribckb. 51
schiebt, die sich etwa i m unter dem Grundwasser befindet. Demnach mußte das
ganze Gebäude (sehr zugunsten seiner Standfestigkeit) ein i m hohes, gleichmäßiges
Betonfundament unter der Kellersohle erhalten. Im Keller war zu Anfang nur ein
Raum für konstante Temperatur vorgesehen, sonst sollte er lediglich zur Aufnahme
von Rohrleitungen aller Art benutzt werden. Später aber ergab sich die Notwendig-
keit, Vorratsräume für die Dienstwohnungen im Keller unterzubringen. Da aber das
Grundwasser zeitweise bis 30 cm über die Kellersohle anstieg, mußte eine nachträgliche,
sehr kostspielige Grundwasserisolierung ausgeführt werden, welche übrigens auch durch
gesundheitliche Interessen wegen der im Sockelgeschoß befindlichen Dienstwohnungen
gefordert wurde.' Zu der Isolierung ist dreifach übereinander geklebtes Papyrol auf
10 cm starker Betonsohle verwendet worden; dieses wurde an der vorher mit Zement
geputzten Wand noch ca. 60 cm hochgeführt und mit einer Y^ Stein starken Ziegel-
rollschicht übermauert.
Entwurf und Ausführung waren von dem Grundsatz geleitet, alles architek-
tonische Beiwerk möglichst einzuschränken, zugunsten weitestgehender Berücksichtigung
aller praktischen Forderungen. Demnach ist das Äußere schlicht in Ziegelrohbau mit
sparsamer Verwendung von Sandstein zu einzelnen Architekturteilen ausgeführt. Das
Dach ist mit Moselschiefer in deutscher Art gedeckt. Alle äußeren Klempnerarbeiten
sind aus Kupferblech hergestellt. Bei dem inneren Ausbau sollte abgesehen von den
notwendigen Verankerungen des Gebäudes die Verwendung größerer Eisenmassen tun-
lichst vermieden werden. Demnach sind die Zwischendecken bei möglichster Vermei-
dung von I-Trägern in den unteren Stockwerken ganz, in den oberen Stockwerken
noch teilweise aus Ziegelsteinen oder Beton ohne Eiseneinlagen gewölbt, so z. B. unter
dem Experimentiertisch des großen Hörsaales. Die übrigen Zwischendecken der oberen
Stockwerke sowie die Dächer sind durchweg aus Holz konstruiert, und zwar sind die
Balkenlagen mit 750 (statt 500) kg Gesamtlast pro Quadratmeter berechnet worden,
weisen also sehr große Querschnitte auf. Vollkommen elsenfrei sind nur zwei Räume
im L Stockwerk gehalten. Im übrigen Gebäude sind nur die Heizungs-, Gas- und
Druckluftanlagen aus Eisen, die Wasserleitungs- und Entwässerungsanlagen dagegen
fast durchweg aus Blei oder Ton hergestellt. Zur Erzielung möglichst erschütterungs-
freier Standplätze für feine Meßinstrumente sind In fast allen wissenschaftlichen Arbeits-
räumen, sowie in den Hörsälen Festplatten verschiedener Größe aus hartem SoUinger
Sandstein teils in den Fußböden angebracht, teils an den Wänden In Tischhöhe ein-
gemauert worden. Aus gleichem Material sind die zahlreichen Wagetische und unteren
Platten der Digestorlen hergestellt. Als Fußbodenbelag Ist In den meisten Arbelts-
5 2 D<^ physikalische HaupHnstitut.
räumen zwecks möglichster Fugenlosigkeit Linoleum auf Zement- oder Gipsestrich
gewählt worden. Nur einzelne Räume haben vollkommen fugenlosen Steinholzestrich
neueren Systems (Xylopal auf Dachpappe und dünner Sandschicht) erhalten mit aus-
gerundeten Sockelleisten aus gleichem Material. Die übrigen Räume haben Eichen-
oder Pitsch-Pineholzfußboden, die Flure und Aborte Terrazzo oder Fliesenbelag er-
halten. Decken und Wände sind durchweg glatt geputzt. Alle Außenfenster sind aus
Eichenholz, die Innenfenster und Türen aus Kiefernholz. Zur Verdunkelung dienen teils
einfache seitlich übereinander zu ziehende Vorhänge aus Moltonstoff, teils Rollvorhänge
in Holzrahmenführungen. Die Rollvorhänge sind bei gewöhnlichen Fenstergrößen aus
Wachstuch hergestellt und mit Handbetrieb versehen; bei dem kleinen, dreifenstrigen
Hörsaale werden die zwei den Zuhörern zunächst liegenden Fenster mit Hilfe derselben
Zugvorrichtung gleichzeitig verdunkelt; bei den großen Hörsaalfenstem sind die Roll-
vorhänge aus schwarz imprägniertem Segeltuch angefertigt und haben gemeinsamen elek-
trischen Motorbetrieb. Die Zentralheizung, an welche die beiden Dienstwohnungen nicht
angeschlossen sind, ist eine Warmwasserheizung nach System Reck; das Wasser wird
dabei indirekt erwärmt mit Hilfe zweier Niederdruckkessel; bei geringer Kälte durch
Dampfheizschlangen in dem sogenannten Vorwärmer, bei größerer Kälte durch direktes
Einführen des Dampfes. Als Heizkörper sind durchweg glatte Reihenglieder (Radia-
toren) verwendet, welche teils in Fensternischen, teils an Innenwänden aufgestellt sind,
letzteres namentlich in Arbeitsräumen, um deren wertvolle Fensterplätze nicht zu ver-
lieren. Die Verteilungsleitung liegt im Dachgeschoß, dessen weniger benutzte Räume
hierdurch etwas temperiert werden sollen. Nur die Dunkelkammer ist mittels Radiator
an die Zentralheizung angeschlossen, da ein leuchtender Heizofen hier ausgeschlossen
war. Die Rücklaufleitung liegt im Keller und ist gegen Wärmeverluste isoliert Einige
in der Nähe der Räume für konstante Temperatur befindliche Heizungsrohre sind
durch doppelte Seidenzopfisolierung mit Luftschicht möglichst vollkommen gegen
Wärmeabgabe geschützt worden. Die Decke jener Räume hat gegen die darüber
befindlichen Räume des Sockelgeschosses eine Korkisolierung (unter dem Linoleum-
belag) erhalten. Wasserleitung mit je mehreren Zapfhähnen und Ausgußbecken und
zwar meist nach dem System March haben fast alle Institutsräume bis ins Dach-
geschoß hinein erhalten. Außerdem sind in jedem Stockwerk ein bis zwei Räume mit
einer Regenwasserleitung verbunden, deren Reservoir im Dachboden an höchster Stelle
(unmittelbar über dem Expansionsgefäß der Heizung, also in einem stets temperierten
Raum) aufgestellt ist. Es wird mittels einer durch einen kleinen Elektromotor ge-
triebenen Saug- und Druckpumpe von der Zisterne aus gespeist Dieselbe Pumpe
Von Eduard Rjrckk 53
kann auch zur Füllung der Kessel und des Rohrsystems der Zentralheizung benutzt
werden. An die Wasserleitung sind in verschiedenen Räumen JuNKERsche Wasser-
schnellwärmer und kleine Wasserstrahlluftpumpen angeschlossen. Auch sind die meisten
Digestorien außer mit Gasschlauchhähnen auch mit einem Wasserzapfhahn versehen
worden. Gasleitung und zahlreiche Schlauchhähne haben fast alle Räume des Institutes
erhalten. In einigen an die Zentralheizung angeschlossenen Arbeitsräumen sind außer-
dem Gasöfen aufgestellt worden, um sie auch unabhängig von der Zentralheizung
erwärmen zu können.
An baulichen Einrichtungen zur Erleichterung der späteren elektrischen Anlagen
verdient erwähnt zu werden, daß im Hauptflur an möglichst zentraler Stelle ein Wand-
schlitz von 1,75 m Breite und 7» Stein Tiefe durch alle Stockwerke ausgespart ist zur
Aufnahme der verschiedenen vertikalen Leitungen. Außerdem sind an solchen Stellen,
wo zahlreiche horizontale Wanddurchführungen von elektrischen Leitungen voraus-
zusehen waren, z. B. am Akkumulatorenraum und über allen Türen, eine Reihe Loch-
steine eingemauert worden, um die späteren Stemmarbeiten möglichst einzuschränken.
III. Beleuchtung der Institutsräume.
Die Korridore und die Nebenräume des Institutes werden im wesentlichen mit
Gasflammen beleuchtet, nur zu zeitweiser, rascher Erhellung sind einzelne elektrische
Glühlampen angebracht. Alle übrigen Räume haben nur elektrische Beleuchtung. Zur
Erleuchtung der Arbeitsräume und des kleinen Hörsaales dienen Nernstlampen und
Glühlampen, der Zuhörerraum des großen Hörsaales wird durch vier Bogenlampen, der
Experimentierraum durch sechs Nernstlampen und zehn Glühlampen beleuchtet Im
kleinen Hörsaal dienen zur Beleuchtung der Sitzreihen drei Paar Nernstlampen, zu der
des Experimentiertisches drei Nernst- und vier Glühlampen. Zur elektrischen Beleuch-
tung ist das Institut an die städtische Zentrale angeschlossen.
IV. Fest aufgestellte Elektromotoren.
Der Strom der Zentrale dient außerdem zum Betriebe der folgenden Motoren,
die zu bestimmten Zwecken fest aufgestellt sind.
I. Elektromotor 7J/1 mit einer Leistung von 13 PS und einer normalen Touren-
zahl von 1500 in i Minute. Er treibt die im Maschinenraum aufgestellten Dynamo-
maschinen imd einen Luftkompressor; dieser liefert Druckluft mit einer Spannung von
10 Atmosphären.
54 ^^ physikalische HaupHnsHtuL
2. Ein zweiter Motor von 4 PS bewegt den mit einer Förderhöhe von 16,15 ^
vom Sockelgeschoß bis zum Dachgeschoß gehenden Aufzug, der zur Beförderung von
Personen und von Lasten dient; er ist für eine Nutzlast von 500 kg gebaut, der Fahr-
korb hat eine Grundfläche von 1,30 x 1,18 m und Hebelsteuerung, so daß er in jeder
Lage festgehalten werden kann.
3. Der dritte Elektromotor (0,5 PS) treibt eine Pumpe, durch welche das in
einer Zisterne sich sammelnde Regenwasser in ein unter dem Dache befindliches
Sammelbecken geschafft wird.
4. Zwei weitere Elektromotoren sind in der Werkstätte aufgestellt, der eine
mit Ya PS treibt die beiden Drehbänke, der andere mit i PS eine Kreissäge.
5. Endlich werden auch die Verdunklungsvorhänge des großen Hörsaals durch
einen Elektromotor auf und ab bewegt.
V. Elektrische Anlage zu Zwecken des Unterrichtes und der Forschung.')
I. Stromquellen.
Zu Versuchszwecken stehen die folgenden Stromquellen zur Verfügung.
a) Das Netz der städtischen Zentrale, das nach dem Dreileitersystem an-
geordnet ist. Zwischen dem Mittelleiter und den Außenleitern liegen Spannungen von
je 220 Volt. Dies ist auch die Spannung der Netzanschlüsse, die sich in allen Räumen
des Instituts befinden; bei einem Teil davon sind die Zuleitungen auf eine maximale
Stromstärke von 20 Ampere, bei einem anderen auf eine solche von 6 Ampere
berechnet.
b) Drei größere Akkumulatorenbatterieen A^ B, C. A und B bestehen
aus je 30 Elementen mit einer Kapazität von 108 Amperestunden und einer maximalen
Stärke des Entladestromes von 30 Ampere. Die Batterie C enthält 40 Elemente. Sie
sollte aus den alten Batterieen des Instituts zusammengesetzt werden; aber nach dem
Transport erwiesen sich nur noch 20 von den schon 13 Jahre alten Elementen als
brauchbar; an Stelle der übrigen wurden 20 neue Elemente derselben Art wie bei A
und B angeschafft. Die Batterie C zerfallt daher in zwei ungleichartige, aus den neuen
und aus den alten Elementen bestehende Hälften. Die Kapazität der alten Elemente
beträgt 72 Amp^restunden, die maximale Stärke des Entladestromes 23 Ampere, In sämt-
lichen Batterieen sind die Elemente zu Gruppen von je fünf vereinigt, die Batterieen A
i) Ausgeführt von Gebrüder Ruhstrat, Elektrizitätsgesellschaft in Göttingen.
Von Eduard Ribcke.
55
Abb. 2.
und B können auf eine Klemmenspannung von lo,
20, 30 und 60 Volt, die Batterie C auf 10, 20,
40 und 80 Volt geschaltet werden. Die Schal-
tung geschieht mit Hilfe von Quecksilberschaltem,
deren einer durch Abbildung 2 dargestellt ist
c) Die Lokalbatterieen ä, b, Cy d. Zu
gleichzeitiger Abnahme von Strömen mit kleinerer
Spannung an einer größeren Zahl von Stellen
dienen die vier Lokalbatterieen. Sie bestehen aus
je fünf Elementen von derselben Art wie bei A
und B. Die Lokalbatterieen sind mit einem Vier-
leitersystem verbunden, so daß zwischen dem
ersten und zweiten und ebenso zwischen dem
zweiten und dritten Draht eine Spannung von
2 Volt, zwischen dem dritten und vierten Draht
eine Spannung von 6 Volt liegt
d) Die Universaldynamo U. Die 2 polige Maschine ist im Maschinenraum
aufgestellt und wird durch den Motor Mi angetrieben. Bei einer normalen Touren-
zahl von 1500 liefert sie bei Gleichstrom 5 K.W. mit einer Spannung von 280 Volt;
bei Wechselstrom, Zweiphasenstrom und Dreiphasenstrom betragen die Leistungen
beziehungsweise 3,5 — 5 — 4,5 K. W., die entsprechenden Spannungen 200, 200, 173 Volt
Die Frequenz der Wechselströme ist gleich 50.
e) Wechselstrom von dem mit Wechselstromringen versehenen
Motor Ml. Mit einer Tourenzahl von 1500 entwickelt der Motor eine Leistung
von 7,5 K, W., bei einer Spannung von 300 Volt und einer Frequenz von 50.
f) Hochspannungsbatterieen. Es sind drei mit I, II, III bezeichnete
Batterieen vorhanden. In allen sind die Elemente zu Gruppen von je 80 vereinigt,
sie können daher auf eine Spannung von 160 Volt geschaltet und mit der Spannung
des städtischen Netzes geladen werden. Batterie I stammt von Klingelfuess, die
Batterieen II und III von Bornhäuser. Die Batterieen I und III bestehen aus je
16 Gruppen und im ganzen aus je 1280 Elementen, die Batterie II aus 20 Gruppen
mit 1600 Elementen.
g) Hochspannungsdynamo. Eine letzte Stromquelle ist endlich durch eine im
Maschinenraum aufgestellte Hochspannungsmaschine gegeben. Bei einer Tourenzahl
von 1200 und bei Erregung der Feldmagnete durch die 220 Volt-Spannung des
56 Das physikalische HaupHnstitut,
Städtischen Netzes erzeugt sie eine Spannung von 3000 Volt mit einer maximalen
Stromstärke von i Ampere.
2. Die Verteilung der Ströme mit Niederspannung und die Verteilungsschalttafeln.
Die Leitungen für Niederspannung bilden zwei voneinander getrennte Systeme;
das eine ist das System der Starkstromleitung für die Akkumulatorenbatterieen A, B^ C,
die Universaldynamo U und die Wechselströme des Motors Mi, das zweite ist das
Vierleitersystem der Lokalbatterieen.
a) Die Starkstromleitung für die Stromquellen A^ By Q U und Mi. Zur Ver-
teilung der von diesen Quellen kommenden Ströme sind sämtliche Räume des Instituts
in 8 Gruppen geteilt; bei der Teilung waren die Lage und der zu erwartende Strom-
verbrauch der einzelnen Räume maßgebend.
Die Verteilung der Stromquellen auf diese Gruppen I — VIII erfolgt mit Hilfe
der Verteilungsschalttafel, die auf Tafel II in der schematischen Übersicht des
ganzen Netzes mit gezeichnet ist. Die Pole der vorhandenen Stromquellen sind
verbunden mit Steckkontakten der ersten Horizontalreihe, die Kontakte der ersten
Vertikalreihe sind verfügbar für etwa noch hinzukommende Stromquellen. Die Kontakte
des übrig bleibenden Rechteckes verteilen sich auf die Zimmergruppen. Die Zahl der
einer Gruppe zugewiesenen Kontakte hängt ab von der Bestimmung der zugehörigen
Räume. Die Verbindungen erfolgen mit Hilfe von Stöpselschnüren.
Die Gruppenschalttafeln. Die Verteilung des Stromes auf die einzelnen
Zimmer einer Gruppe erfolgt mit Hilfe von 8 Gruppenschalttafeln, die auf Tafel 11 in
schematischer Weise gezeichnet sind. Von den Kontakten einer bestimmten Gruppe
auf der Verteilungsschalttafel führen Drähte nach entsprechenden Kontakten der Gruppen-
schalttafel; diese Kontakte liegen in den beiden oberen Horizontalreihen der TafeL
Von der Gruppenschalttafel führen Drähte nach den verschiedenen Zimmern der Gruppe;
die ihnen entsprechenden Kontakte liegen in den unteren Reihen der Tafel. Dabei ist
das Prinzip festgehalten, daß alle einzelnen im Institut verlegten Leiter von 1 an durch-
gezählt sind. Alle freien Enden eines und desselben Leiters sind mit der ihm
zugehörigen Nummer bezeichnet. Steckkontakte der Verteilungsschalttafel und einer
Gruppenschalttafel, die durch einen Draht verbunden sind, tragen also dieselbe Nummer,
ebenso die Anschlußkontakte in den Zimmern und der damit verbundene Steckkontakt
der Gruppenschalttafel. Die Zählung ist so vorgenommen, daß bei einem Paare
zusammengehörender Leiter die ungerade Nummer links, die gerade rechts steht Die
Verbindungen werden so gemacht, daß in den Zuleitungen der Ströme die negativen
M.Das physikaliscJve Eauptiiistitut,
Taf:m
Von Eduard Rjeckb.
57
Pole immer links, die positiven rechts liegen. Jedem Gruppenkontakte der Verteilungs-
schalttafel entsprechen in der Gruppenschalttafel zwei übereinanderliegende mit derselben
Zahl versehene Steckkontakte; dadurch ist es ermöglicht, dieselbe Stromquelle in zwei
verschiedenen Zimmern einer Gruppe gleichzeitig zu verwenden.
b) Die Verteilung der Lokalströme. Die im Akkumulatorenraimi auf-
gestellten Lokalbatterieen a und b liefern Strom für die Gruppen I, II, III und IV; die
im ersten Stock befindlichen Batterieen c und d für V, VI, VII und VIII. Von den
Batterieen a und b fuhren in der schon angegebenen Weise Vierleiter nach einer
Lokalschalttafel (ä, ^), die auf Tafel II in schematischer Weise gezeichnet ist Auf ihr
befinden sich in den beiden oberen Horizontalreihen, vertikal über einanderliegend,
Doppelkontakte für die von a und b kommenden Vierleiter, in den unteren Horizontal-
reihen die entsprechenden 4 Kontakte für jede der Zimmergruppen I, II, III und IV.
Es ist also möglich, ein und dieselbe Lokalbatterie nach zwei verschiedenen Gruppen
gleichzeitig zu schalten, oder beide Batterieen hintereinander oder parallel geschaltet in
einer Gruppe zu benutzen. Die Verteilung der von den Batterieen c und d gelieferten
Ströme erfolgt natürlich in derselben Weise. Endlich mag noch erwähnt werden,
daß die Batterieen c und d auch an das in dem vorhergehenden Abschnitte be-
schriebene Verteilungsschaltbrett zu legen sind. Von dort aus können sie für sich
allein oder zur Verstärkung der Batterieen A^ B imd C nach jeder der 8 Gruppen
geschaltet werden.
3. Die Hochspannungsleitung.
Die Anlage der Hochspannungsleitung ist dadurch bestimmt, daß die Batterieen
I und II im Erdgeschoss, die auf zwei Schränke verteilte Batterie III im ersten Stock
aufgestellt sind. Die Batterieen I und II versorgen zunächst das Sockelgeschoß und
das Erdgeschoß mit Spannung. Zu diesem Zwecke sind die in Betracht kommenden
Räume in zwei Gruppen geteilt. Die Verteilung er-
folgt mittelst einer Verteilungs- und zweier Gruppen-
schalttafeln. Das Schema der ersteren gibt Abb. 3.
Die Kontakte der unteren
Horizontalreihe sind mit
den Polen der Batterieen I
und II und mit den Polen
der Hochspannungsdynamo
verbunden. Darüber be-
Abb. 4.
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Abb. 3.
Gfittiiiger FettKhrift.
^8 I^as physikalische HaupHnstituL
finden sich Kontakte von Doppelleitungen nach den Gruppenschalttafehi. Es können
also den Gruppen gleichzeitig und unabhängig die Spannungen der Batterieen I und 11
zugeführt werden.
Die Batterie III mit ihren Hälften III -^ und III jff ist zunächst zur Benutzung im
ersten Stockwerk bestimmt. Die einfache, hierbei dienende Schalttafel ist durch Abb. 4
dargestellt Vier Kontakte der unteren Horizontalreihe sind mit den Polen der Batterie-
hälften III ^ und in -ff verbunden; die übrigen führen zu den Zimmern des ersten
Stockes. Außerdem aber ist die Schalttafel mit der Verteilungsschalttafel im Erd-
geschoß durch zwei Leitungen verbunden, die gleichfalls mit VIA und HI -ff bezeichnet
sind. Mit ihrer Hilfe kann man die Batteriehälften III-^ und III jff an die Verteilungs-
schalttafel legen, was bei der Ladung der Batterie sehr bequem ist, man kann aber
auch mit Hilfe dieser Verbmdungen die mit der Verteilungsschalttafel direkt ver-
bundenen Hochspannungen im ersten Stocke benutzen.
4. Die Ladeschalttafeln.
a) Ladung der Akkumulatorenbatterieen mit Niederspannung A^ -ff, C
und Ä, ^, c^ d. Die erforderlichen Schaltungen sind mit Hilfe der Ladeschalttafel
(Tafel III) auszuführen.
Die Pole der einzelnen Batterien sind mit den unter den Buchstaben A^ -ff, C, a^
by c, d gezeichneten Kontaktpaaren verbunden. Diese sind zugleich Drehungspunkte von
Hebelumschaltern, die der Einfachheit halber mit denselben Buchstaben bezeichnet
werden sollen. Legt man die Umschalter alle nach oben, so sind sämtliche Batterieen
hintereinander geschaltet. Man kann aber auch beliebige Batterieen ausschalten, indem
man den zugehörigen Schalthebel offen läßt und die entstehende Lücke durch ein
Kurzschlußstück überbrückt. Die Pole der städtischen Spannung von 220 Volt hegen
bei s^ und s^. Zum Zwecke der Ladung muß man die Batterieen auf eine angemessene
Spannung schalten; man legt dann den Hebelumschalter H nach unten und schliesst
den Strom mit Hilfe des Schalters h^. Der Strom geht durch ein Amperemeter, einen
Regulierwiderstand und einen Minimalausschalter. Die Spannungen der Batterieen
werden mit einem auf der Schalttafel angebrachten Voltmeter und mit Hilfe eines Volt-
meterumschalters gemessen.
Die Ladeschalttafel gibt aber auch die Möglichkeit, die Lokalbatterieen mit
Hilfe der Batterieen Ay B oder C zu laden. Die Pole der Lokalbatterieen sind
verbunden mit den Kontakten (201, 204) — (205, 208) — (225, 228) — (229, 232).
Mit Hilfe von Stöpselschnüren können die Lokalbatterieen hintereinander auf eine
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Oöttmyer Festschrift. Zu S. 58.
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Tkricuf vwt 3, G. Teuhner, Leipzig.
Von Eduard Riecke,
59
Spannung von 40 Volt geschaltet werden. Legt
man die Hebelumschalter A und B nach unten,
die Umschalter E und F nach oben, so sind die
Pole der Batterieen A und B verbunden mit den
Kontakten (i,^) und (3,4). Schaltet man die Bat-
terieen einzeln auf 30 Volt, so geben sie durch
Verbindung von 2 und 3 die Spannung von 60 Volt
zur Ladung der Lokalbatterieen. Um zu laden,
verbindet man die Kontakte i und /, m und 201,
232 und 4 durch Stöpselschnüre. Legt man den
Hebelumschalter H nach oben, so ist der Strom
geschlossen und geht wieder durch Amperemeter,
Regulierwiderstand und Minimalausschalter. Ein-
zelne Teile der Lokalbatterieen können mit Hilfe
der Hörsaalschalttafeln geladen werden. Außer
zum Laden dient die Ladeschalttafel aber noch
zu zwei anderen Zwecken. Einmal werden dadurch, daß die Umschalter A, B, C nach
unten, E, F, G nach oben gelegt werden, die Pole der Batterieen A^ B, C mit den
Kontakten (1,2) — (3,4) — (5,6) und mit den zugehörigen Kontakten der Verteilungs-
schalttafel verbunden; es sind also erst jetzt die Batteriespannungen an die Verteilungs-
schalttafel gelegt. Zweitens können dadurch, daß man die Umschalter A — d und die
Umschalter E — h alle nach unten legt, sämtliche Gruppen von je 5 Elementen parallel
an zwei Schienen gelegt werden, die von der Schalttafel aus nach den Hörsälen gelegt
sind. Man kann dann Ströme von etwa 500 Ampere den Schienen entnehmen.
b) Ladung der Hochspannungsbatterieen. Die Ladeschalttafel befindet
sich im Erdgeschoß unter der Verteilungsschalttafel. Eine Ansicht beider Tafeln gibt
Abb. 5. Der Nullleiter und der eine Außenleiter des städtischen Netzes sind mit zwei
Kontakten der Ladeschalttafel verbunden. Man verfügt also über die Spannung von
220 Volt zur Ladung der auf 160 Volt geschalteten Batterieen. Außerdem befindet
sich auf der Tafel ein Amp^remeter und ein Regulierwiderstand.
Abb. 5.
5. Die Schalttafel des Maschinenraums.
Eine Ansicht davon gibt Abb. 6, eine schematische Zeichnung findet sich auf
Tafel IL Schließt man den in der Mitte der Schalttafel befindlichen Schalthebel, so
werden die Wicklungen des Motors Mi mit den Außenleitern des städtischen Netzes
8»
6o
Das physikaiische Hauptinstitut,
verbunden, der Motor wird angetrieben mit der
Spannung von 440 Volt. Die Wechselstromringe
des Motors sind verbunden mit Kontakten der Ver-
teilungsschalttafel.
Der auf der rechten Seite der Schalttafel be-
findliche zweipolige Hebelumschalter liegt im Kreise
der Universaldynamo; wird der Hebel nach unten
gedreht, so liegt die Wickelung des Dynamoankers
im Nebenschluß zu den Wickelungen der Feld-
magnete, die Dynamo liefert Gleichstrom. Wird der
Hebel nach oben gelegt, so werden die Wickelungen
der Feldmagnete mit dem Nullleiter und dem einen
Außenleiter des städtischen Netzes verbunden. Die
Feldmagnete werden durch den einer elektromoto-
rischen Kraft von 220 Volt entsprechenden Strom erregt, die Dynamo liefert Wechsel-
oder Phasenstrom.
Mit Hilfe des auf der linken Seite der Schalttafel angebrachten einpoligen
Schalthebels wird ein aus dem Nullleiter des städtischen Netzes, den Magnet-
wicklungen der Hochspannungsdynamo und dem zweiten Außenleiter gebildeter
Kreis geschlossen. Die Feldmagnete der Hochspannungsdynamo werden dann ebenfalls
mit einer elektromotorischen Kraft von 220 Volt erregt.
Abb. 6.
VI. Der große und der kleine Hörsaal
Der große Hörsaal für die Vorlesungen über Experimentalphysik liegt, wie
schon erwähnt wurde, in dem westlichen Vorbau des Instituts; seine Achse ist ost-
westlich gerichtet; er hat eine Länge von 12 m, eine Breite von 12 m, eine Höhe
von 6 m. Licht erhält er durch je 3 Fenster in der südlichen und in der nördlichen
Wand. Der Saal bietet Raum für 150 bis 170 Zuhörer. Der Experimentierraum,
Abb. 7, nimmt den östlichen Teil des Saales ein; er hat eine Gesamtbreite von 4,5 m;
die Breite hinter den Experimentiertischen beträgt 1,2 m, die des Raumes vor den
Tischen 2,2^ m; die Bezeichnungen „vor" und „hinter**, „rechts" und „links" sind, der
Abbildung entsprechend, so zu verstehen, wie sie sich vom Standpunkte des Zuhörers
aus ergeben. Die Tischbreite ist i m. Die 4 Tische sind symmetrisch zu der Achse
des Saales aufgestellt. Ihre Zwischenräume sind durch eingelegte Bretter zvl über-
Von Eduard Ribckb.
6l
brücken. In den Zwischenraum zwischen den mittleren Tischen können auf Schienen
schwerere Apparate, ein hydraulisches Becken, ein großer Elektromagnet einge-
schoben werden.
Entlang der vorderen und der hinteren Seite der Tische laufen im Fußboden
zwei Kanäle, die mit Eisenplatten überdeckt sind. In den hinteren Kanal ist die Gas-
und Wasserleitung zum Tische verlegt; außerdem ein von einer Wasserstrahlpumpe
kommendes Rohr. In dem vorderen Kanäle liegen sechs elektrische Leitungen,
von denen je eine nach den beiden äußeren, je zwei nach den beiden mittleren
Tischen führen.
Diesseits des vorderen Kanales liegen auf einem gewölbten Bogen drei Stein-
platten zum Zwecke fester Aufstellungen.
In einem Schachte, der zwischen der mittleren Steinplatte und den Sitzen der
Zuhörer liegt, mündet eine von dem Luftkompressor (vergl. IV, i) kommende Leitung.
Ein zweiter möglichst nahe an dem linken Experimentiertisch liegender Schacht ver-
mittelt den Anschluß an die in dem Abschnitte V, 4 erwähnte Schienenleitung für
500 Ampere.
An der Decke des Hörsaales befinden sich Klappen, durch welche hindurch
Gegenstände von dem über dem Saale befindlichen Boden aus aufgehängt werden
können. Zu gleichen Zwecken dient die an der Hinterwand angebrachte, vom H. Stock
aus zugängliche Galerie. Von den Türen, welche die Hinterwand durchbrechen, führt
die rechts nach dem Vor-
bereitungszimmer und
weiter nach der Samm-
lung, die links zu dem
Zimmer des Direktors.
In der Mitte der Wand
befinden sich zwei unab-
hängig voneinander auf-
und abzuschiebende Ta-
feln. Sie verdecken für
gewöhnlich einen hinter
der Wand befindlichen
Raum, in dem der große
Elektromagnet, das hy-
draulische Becken und
Abb. 7.
62 Das phystkaliscke Hauptinstiiut.
andere Apparate untergebracht sind, der aber auch, insbesondere in der Optik, zu
Versuchszwecken mit verwandt wird. Zu Projektionszwecken dienen zwei Roll-
vorhänge, von denen einer über der Tafel, der andere in der rechten Ecke an
der Decke angebracht ist; außerdem kann mit Hilfe eines Reflexionsspiegels das
Bild der zu projizierenden Gegenstände auf einen Schirm geworfen werden, der an
der Galerie nach unten geneigt befestigt ist. An der südlichen Außenwand des Hör-
saales befindet sich ein kleiner Balkon. Auf diesem kann ein Heliostat aufgestellt
werden, der das Sonnenlicht über die Mitte des Experimentiertisches hin in schick-
licher Höhe reflektiert.
Der rechts von der Tafel befindliche Abzug dient gleichzeitig als Trocken-
schrank bei elektrostatischen Versuchen; in den davorstehenden Tisch ist eine durch
Gasflammen zu heizende Steinplatte eingelassen.
Seitlich von den Türen sind an der Hinterwand des Saales zwei Schalttafeln
angebracht Die in der Abbildung nicht sichtbare auf der linken Seite trägt die
Schalthebel für die Beleuchtungskörper, einen Widerstand zur Regulierung der Hellig-
keit der Glühlampen imd einen Hebelumschalter; durch ihn wird der Elektromotor in
Tätigkeit gesetzt, der die Verdunklungsvorhänge abwärts oder aufwärts bewegt
Die Schalttafel auf der rechten Seite ist ausschließlich für den Gebrauch bei
Experimenten und Demonstrationen in der Vorlesung bestimmt. Sie trägt in zwei
Horizontalreihen übereinander Doppelkontakte, die mit entsprechenden Kontakten der
Gruppenschalttafel V verbunden sind (vergl. hierzu die schematische Darstellung von
Tafel n); mit Hilfe der letzteren können die Pole der verschiedenen Stromquellen mit
der Hörsaalschalttafel verbunden werden. Nur die Spannung des städtischen Netzes
mit zweimal 220 Volt ist direkt an die Schalttafel des Hörsaales gelegt Von dieser
führen nach den Vorlesungstischen die sechs schon erwähnten Leitungen, je eine
nach den äußeren, je zwei nach den mittleren Tischen. Mit Hilfe der Steckkontakte
der Schalttafel kann jede Stromquelle mit jeder dieser Leitungen verbunden werden.
Die zur Messung von Strom und Spannung dienenden Volt- und Amp^remeter sind
zu beiden Seiten der Tafel angebracht, links die Gleichstrom-, rechts die Wechselstrom-
instrumente. Bei Gleichstrom beträgt die maximale zu messende Stromstärke 50 Am-
pere, die maximale Spannung 250 Volt, die entsprechenden Zahlen für Wechselstrom
sind 30 Ampere und 300 Volt. Zu Messungszwecken dienen 4 Kurbelrheostaten mit
im ganzen 121 Ohm. Die Kurbelschalter nehmen die oberste Fläche der Schalttafel
ein. Feinere Regulierung wird durch zwei in den unteren Ecken der Tafel angebrachte
Schieberrheostaten ermöglicht, der eine mit 2,1 Ohm Widerstand ist für Ströme bis
Vim Eduard Riecke, 63
zu 30 Ampere berechnet, während der andere mit einem Widerstand von 28 Ohm
noch für Ströme von 4 Ampere zu benutzen ist Mit Hilfe von Voltmeterumschaltem
kann die Spannung zwischen zwei beliebigen Steckkontakten der Tafel gemessen
werden. Die Zuleitungsdrähte für Hochspannung sind an der Galerie befestigt
Der kleine Hörsaal ' ist für Vorlesungen über spezielle Gebiete der Experi-
mentalphysik und auch über Kapitel der theoretischen Physik, welche Demonstrationen
erwünscht machen, bestimmt Er liegt unter dem großen Hörsaal, nimmt aber bei
einer Länge von 12 und einer Breite von 7 m nur die größere nördliche Hälfte von
dessen Fläche ein. Feste Sitzplätze sind in der Zahl von 62 auf einer bis i m an-
steigenden Stufenreihe vorhanden, doch gestattet der Raum, weitere 12 Plätze an-
zubringen. Der Saal hat drei große nach Norden gelegene Fenster. Eine Tür
mündet in das Vorbereitungszimmer, eine zweite in den Korridor des Laboratoriums;
der Eingang für die Hörer befindet sich hinter der letzten, höchsten Sitzreihe. Der
Experimentiertisch besitzt eine Länge von 4,3 m, eine Breite von i m; er ist, ebenso
wie die Tische des großen Hörsaals, mit Zuführung von Gas und Wasser, mit den
nötigen Abflüssen und mit einer Heizplatte versehen. Ein hydraulisches Becken, für
gewöhnlich mit einer Holzplatte überdeckt, befindet sich in der Mitte des Tisches.
Für Zuführung von Strom und Spannung ist ganz ebenso gesorgt, wie in dem großen
Hörsaale; auch das Schaltbrett ist dem des großen Hörsaales nachgebildet, nur sind
die zur Einschaltung der Beleuchtungskörper dienenden Hebel auf derselben Tafel
angebracht, wie die zu der Experimentierleitung gehörenden Apparate. Zwei Rheostaten
sind stetig bis zu 2, respektive 28 Ohm, zwei andere sprungweise bis zu 10 respektive
100 Ohm veränderlich. Das Voltmeter reicht bis 300 Volt, das Amp^remeter bis
30 Ampere. Anschlüsse an die Starkstrom- und die Druckluftleitung sind vorhanden.
Zur Projektion dient ein Winkelscher Apparat, der auf einem Wandbrette am ersten
Fensterpfeiler aufgestellt ist, hoch genug um den Verkehr nicht zu hindern; der zu-
gehörige Schirm, der von der Decke abgerollt wird, mußte des beschränkten Raumes
wegen leider so angebracht werden, daß die Hörer durchschnittlich unter dem Winkel
von 45* auf ihn sehen.
Vn. Räume für wissenschaftliche Arbeit
Die Räume sind geteilt zwischen den beiden Abteilungen des Institutes. Die
Abteilung für theoretische Physik besitzt auf der östlichen Seite des Sockelgeschosses
drei Räume; bei den in der nordöstlichen Ecke liegenden ist der Fußboden erhöht, so
daß darunter im Kellergeschoß noch ein Raum für konstante Temperatur fiir dieselbe
64 D<^ physikalische Hauptinstitut,
Abteilung eingerichtet werden konnte. Im Erdgeschoß gehören ihr, außer dem Dienst-
zimmer des Direktors, noch vier zweifenstrige Zimmer auf der Südseite des Gebäudes,
ein einfenstriges nach Norden zu neben dem kleinen Hörsaale. Die Abteilung für
Experimentalphysik besitzt im östlichen Teil des Erdgeschosses vier zusammenliegende
Räimie, ein zweifenstriges Zimmer nach Süden, ein einfenstriges nach Osten, ein drei-
fenstriges und ein einfenstriges Zimmer nach Norden. Auch die darüber liegenden
Räume des I. Stockes gehören der Abteilung für Experimentalphysik; die nach Norden
liegenden sind zu einem größeren Experimentiersaale vereinigt Außerdem hat die
Abteilung noch ein kleineres Zimmer im I. Stocke neben dem Treppenhause und das
über dem Dachgeschosse liegende Turmzimmer zur Verfügung.
Die Beobachtungsräume sind mit Zuführung von Gas, Wasser und Druckluft,
mit Leitungen für elektrischen Strom und elektrische Hochspannung in einer ihrer
besonderen Bestimmung entsprechenden Weise ausgerüstet.
Zu Zwecken der Beobachtung dient auch eine über dem Treppenhause des
Hauptbaues befindliche durch das Turmzimmer zugängliche Plattform. Einen eigent-
lichen Turm besitzt das Institut nicht, wohl aber befindet sich über dem sogenannten
Turmzimmer eine zweite, den vorderen Dachfirst um 7,7 m überragende Plattform, die
von den beiden inneren Längsmauem des Gebäudes getragen wird. Ihre Höhe über
dem Erdboden beträgt 23 m. Bei anderen physikalischen Instituten dient der Turm zu
Versuchen, bei denen eine große Höhe zur Verfügung stehen muß; diese Aufgabe erfüllt
bei dem hiesigen Institute der neben dem Aufzuge im Treppenhaus des Hauptbaues
liegende Schacht. Seine Höhe beträgt von dem etwa in der Höhe des Erdbodens
liegenden Boden bis zu der in der mittleren Höhe des Dachgeschosses liegenden
Decke 16,4 m. Suspensionsdrähte können durch Löcher in der Decke des Schachtes
herabgelassen werden. Für einen davon ist die disponible Höhe auf 20 m vergrößert
dadurch, daß vertikal über demselben auch die das Treppenhaus abschließende Platt-
form durchbrochen ist, so daß die Suspensionen von dort aus gemacht werden können.
Beobachtungen können in jeder beliebigen Höhe vom Fahrstuhle aus angestellt werden
mit Hilfe eines auf seiner Rückseite befindlichen Schiebefensters.
VIII. Die Gitteraufstellungen.
Bei der ungemein großen Bedeutung, welche die Spektralbeobachtungen be-
kommen haben, war eine erstklassige Gitteraufstellung ein dringendes Bedürfnis. Aber
die recht knapp bemessenen Mittel für die instrumentelle Ausrüstung des Institutes
Von Eduard Riecke. 65
hätten dergleichen nicht gestattet. Wenn wir uns trotzdem jetzt zweier schöner Ein-
richtungen erfreuen, so verdanken wir dieselben dem freundlichen Zusammenwirken
mehrerer Gönner des Institutes.
Die kleinere, bewegliche Anlage befindet sich in dem zweifenstrigen Südzimmer
des Sockelgeschosses und benutzt Plangitter, von denen durch die Güte des Herrn
Kommerzienrat Dr. Hauswaldt in Magdeburg dem Institut drei RowLAKDSche von
rund 4, 8, 11 cm Breite leihweise zur Verfügung stehen. Die Anlage ist in erster
Linie zum Studinm der Vorgänge bestimmt, welche den inversen Zeemaneffekt im
Spektrum begleiten, Vorgänge, für die der eine von uns die Theorie gegeben hat
und für deren Beobachtung Konkavgitter ihres Astigmatismus wegen nicht besonders
geeignet sind.
Das Plangitter wird benutzt in Verbindung mit einem Kollimator und einem
Rezeptor von 10 cm Öffnung, ersterer von 130 cm, letzterer von 285 cm Brenn-
weite. Die Objektive sind von HEELE-Berlin aus Ultraviolett- durchlässigem Glase
hergestellt, um photographische Aufnahmen außerhalb des sichtbaren Spektrums
zu gestatten. Die große Länge des Rezeptors ist gewählt, um Photogramme in
einer Größe zu erhalten, daß bei der Ausmessung das Korn des Negatives nicht
wesentlich stört
Die große Gitteranlage befindet sich in dem gewölbten dreifenstrigen Nord-
zimmer des Sockelgeschosses, das mit Doppeltüren und Doppelfenstern so gut als an-
gängig gegen Temperaturschwankungen geschützt ist. Die inneren Fenster tragen
Bleche statt Glasscheiben, der ganze Raum — Decke, Wände, Boden — ist tief rot
ausgestattet
Die Eisenteile der Gitteraufstellung, von denen Abbildung 8 die Werkzeichnung
wiedergiebt, sind ein großartiges Geschenk der Firma Krupp -Essen an das Institut.
Das freie Ende A des I- Schienensystems liegt in einer Nische in der Nordostecke
des Zimmers fest auf und trägt auf einer ebenen horizontalen Fläche das 14 cm
RowLAND- Konkavgitter, das, ein Eigentum unseres Kollegen Runge, von diesem im
Institut zu wissenschaftlicher Benutzung aufgestellt ist. Die gegenüberliegenden Enden
B^ C, D des Schienensystems ruhen auf eisernen Rollen, die ihrerseits auf horizontalen
von aufgemauerten Pfeilern getragenen Eisenplatten rollen können. Sie gestatten den
Schienen bei etwaigen Temperaturänderungen die spannungsfreie Ausdehnung. Mit den
drei Schienen ist ein nach einem Halbkreis vom Radius 325 cm gebogener C- Träger
verbunden, auf den ein halbkreisförmiger ebener Ring aufgeschraubt ist. Seine
sorgfaltig abgedrehte obere Fläche ist zur Aufnahme der Kamera für photo-
Göttinger Festschrift. 9
66
Das physikalische HaupHnstitut.
graphische Aufnahmen bestimmt, die sich über die ganze Länge des Kreisbogens er-
strecken werden.
Die Lichtquelle — also bei Beobachtungen über den direkten Zeemaneffekt
^ AMtßtidatmt» auasmmt..
cut/'JitJstnkante. »U*,»mnv.
^M rifrsenßcsf^rni u ben
Teilung cu^o mm .
Abb. 8.
auch der Elektromagnet — findet ihren Platz in dem nach Osten liegenden Vorräume
und sendet ihr Licht durch eine Öffnung in der Wand, die durch geeignete Schieber
beliebig zu verkleinern ist, nach dem großen symmetrisch zu öffnenden Spalt, der sich
auf der Kreisringplatte der Gitteraufstellung befindet. Die Verhältnisse sind so gewählt,
Von Eduard Riecke. 67
daß in dem Spektrum erster Ordnung die Wellenlängen von 20 bis 1700 fifi auf den
Kreisring resp. in die Kamera fallen, für die zweite und dritte Ordnung entsprechend
die von der Hälfte resp. einem Drittel.
IX. Die Praktikumsräume.
Bei der Einteilung der Praktikumsräume kommt in Betracht, daß die physika-
lischen Übungen gesondert für Mathematiker und Physiker einerseits, für Chemiker und
Studierende der Naturwissenschaften andererseits abgehalten werden. Der Unterricht
der ersteren ist beiden Abteilungen des Instituts gemeinsam, und zwar so, daß Mechanik
und Elektrizität der Abteilung für Experimentalphysik, Optik und Wärme der für
theoretische Physik zufallen. Die Übungen der zweiten Kategorie von Studierenden
werden allein in der Abteilung für Experimentalphysik abgehalten. Die Praktikums-
räume der Abteilung für theoretische Physik bestehen aus 3 dreifenstrigen Zimmern
im östlichen Teile des Gebäudes; zwei davon dienen für optische Arbeiten, eines für
Arbeiten aus dem Gebiete der Wärmelehre. Zu der Abteilung für Experimentalphysik
gehört im westlichen Teile des Baues ein zweifenstriger Raum für galvanische Arbeiten,
ein zweifenstriger und ein dreifenstriger für Arbeiten auf dem Gebiete der Mechanik
und der Wärmelehre. Die optischen Übungen der Studierenden der Qiemie und der
Naturwissenschaften werden in einem einfenstrigen nach Süden gelegenen Zimmer und
auf dem sonst von der Abteilung für theoretische Physik hierzu mit verwandten
Korridore abgehalten. Ein zweites einfenstriges isoliert im östlichen Teile des Gebäudes
liegendes Zimmer dient vorzugsweise zu Beobachtungen mit Telephon.
Für den Unterricht in physikalischer Handfertigkeit ist, wie schon erwähnt, ein
Zimmer des Dachgeschosses eingerichtet worden.
Anmerkung: Die Kurse in physikalischer Handfertigkeit.
Eine ausführliche Darstellung der Ziele und der Einrichtungen des Praktikums für physikalische
Handfertigkeit hat dessen gegenwärtiger Leiter, Herr Dr. Böse, in den von Klein und Riecke heraus-
gegebenen „Neuen Beiträgen zur Frage des mathematischen und physikalischen Unterrichts an höheren
Schulen" (Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1904) gegeben. Die folgenden Mitteilungen sind im wesent-
lichen seinem Aufsatze entnommen. Das Praktikum soll vor allem den künftigen Lehrern der Physik
Gelegenheit geben, die manuelle Geschicklichkeit zu erwerben, die sie in ihrem späteren Berufe nur
schwer entbehren. Das Verdienst, das Praktikum ins Leben gerufen zu haben, gebührt Professor
Dr. Kaufmann in Bonn. Auf Grund eines Berichtes, den er als Privatdozent unserer Universität im
Jahre 1902 entworfen hatte, wurde von der Regierung eine Summe von 800 Mark zu einmaligen An-
schaffungen, eine Summe von jährlich 300 Mark zur Bestreitung der laufenden Ausgaben bewilligt. Im
Wintersemester 1902/1903 wurde das Praktikum zum ersten Male abgehalten. Der Unterricht wird so
9*
68
Das physikalische Hauptinstitut ; von Eduard Rirckb.
gehandhabt, daß den Praktikanten die Anfertigung irgend welcher einfacher Apparate aufgegeben wird.
Dabei ergibt sich von selber die Gelegenheit, sich im Hobeln, Sägen, Tischlern, Drehen, Löten, Glas-
blasen und dergleichen Fertigkeiten zu üben. Die Aufgaben werden auf die Praktikanten so verteilt, daß
jeder im Laufe eines Semesters alle jene Arbeiten auszuführen lernt An die Herstellung der Apparate
schließen sich Vortragsübungen, in denen die Teilnehmer lernen, die selbstgefertigten Apparate einem
kleinen Zuhörerkreise vorzuführen, und die für physikalische Demonstrationen notwendigen Vorbereitungen
selbständig zu besorgen.
Abb. 9. Das physikalische Hauptinstitnt (Nordseite).
IV.
Das Institut für angewandte Elektrizität
Von
Hermann Th. Simon.
I. Geschichtliches.
Die Entwicklung der Physik führt, wie die der Menschheit überhaupt, aus einer
Epoche der Höhlenwohnung, mit selbstgefertigtem primitiven Steinwerkzeug, über das
Pfahlbautenzeitalter zum Zeitalter des modernen festgefügten und komfortablen Stein-
hauses. Nur liegt in der Physik die Steinzeit noch garnicht so weit hinter uns;
und in Höhlen hausen noch heute einige Physiker, wenn es richtig ist, was ihre
Berichte an die Regierungen zu melden wissen. Im ganzen allerdings leben wir im
goldenen Zeitalter der mit allen Mitteln wohlversehenen massiven Institute; und zwischen
den Werkzeugen des heutigen Physikers und denen der physikalischen Urgeschichte
ist mindestens derselbe Unterschied, wie zwischen dem Werkzeug der modernen
Industrie und der Steinaxt des prähistorischen Menschen.
Habent sua fata — die Institute. Ihre Geschichte ist ein wichtiges Stück in
der Geschichte der Wissenschaft überhaupt. Und da auch in ihrer Genesis eine Art
von biogenetischem Grundgesetz herrscht, so pflegt die Entwicklung eines speziellen
Institutes in interessanter und oft amüsanter Weise die phylogenetische Entwicklung
der Gesamtphysik zu wiederholen.
Das ist auch bei dem Institute zutreffend, von dessen Werden hier die Rede
sein soll, dem ersten besonderen Institute, welches an einer deutschen
Universität für angewandte Elektrizität errichtet worden ist
Die moderne Elektrotechnik hat ihren Einzug an die Göttinger Universität
gehalten mit Vorlesungen, die P. Drude als Göttinger Privatdozent im Sommersemester
1894 hi^lt. Anfang 1895 habilitierte sich darnach Des Coudres in Göttingen und
nahm, in Angliederung an das 1894 gegründete Nernstsche Institut, die Pflege der
70 Dos Institut für angewandte Elektrizität,
angewandten Elektrizität durch Voriesungen und Übungen auf. Er erhielt alsbald
einen Lehrauftrag für dieses Fach, welches von da ab offiziell als Abteilung für
angewandte Elektrizität an das physikalische Institut unter E. Riecke angegliedert wurde.
Mit sehr bescheidenen Hilfsmitteln hat diese Abteilung angefangen. Der Leiter
war gleichzeitig Lehrer, Assistent, Mechaniker, Monteur und was sonst; die Hilfsmittel
des Unterrichtes beschränkten sich auf die dürftigen elektrotechnischen Bestände
der alten physikalischen Sammlung und auf mühsam Selbstzusammengebautes. Da
brachte der Anfang des Jahres 1898 die Gründüng der Gottihger Vereinigung
zur Förderung der angewandten Physik und Mathematik, und von ihr aus der Ab-
teilung die erste eigene Ausstattung durch Bewilligung von 15000 Mark, denen sich
regelmäßige Jahreszuschüsse in Höhe von 3000 — 5000 Mark bald anschlössen. Ein
eigener Mechaniker konnte gehalten werden; die Sammlungsschränke füllten sich mit
schönen, vielfach im Institute selbstgebauten Apparaten. Akkumulatorenbatterie und
Universaldynamomaschine konnten beschafft werden. Kurz, als nach Des Coudres
Wegberufung im Herbst 1901 der Berichterstatter als Leiter der Abteilung eintrat,
fand er sie in wohlbedachter Organisation und fröhlichem Gedeihen. 1901 griff auch
die Staatsregierung mit einer Beihilfe von 12000 Mark ein; der innere Ausbau und
damit das Interesse der Studierenden an dem Fach war in stetigem Wachsen.
Aber die Räume, die der Abteilung im physikalischen Institute zur Verfügung
standen, wuchsen nicht mit; sie waren von Anfang an zu eng. Der Hauptraum war
Hörsaal, Praktikum, Laboratorium zugleich; schon lange erforderte es eine raffinierte
Ausnutzung aller drei verfügbaren Dimensionen, um die zu erquickender Reichhaltig-
keit anwachsende Sammlung einigermaßen unterzubringen und doch noch ein wenig
Bewegungsfreiheit zu behalten. Auch gehörte der Bau des alten physikalischen
Institutes in die Epoche der physikalischen Pfahlbauten: Zu Zeiten waren die im Keller
aufgestellten Akkumulatorenbatterieen nur zu Wasser zu erreichen; und es bleibt als
eine der heitersten Szenen in Erinnerung der Moment, da für unser Telephonkabel eine
Durchlaßöffnung in eine Außenwand geschlagen werden mußte. Der Mechaniker hatte
einen dem Respekt gegen die Außenwand eines physikalischen Institutes entsprechenden
Apparat an Stemmeisen und schweren Schmiedehämmern aufgeboten. Er setzt an,
und bei dem ersten Schlage fliegt das Stemmeisen durch die Wand und reißt den
Mechaniker fast hinterher. Die Wand war nach Altgöttinger Sitte Lehm zwischen
Fachwerk und ein guter Bohrer für sie war der Spazierstock. Daß einem an dieser
Fachwerkwand befestigten Spulengalvanometer zuweilen das Phosphorbronzeband
zerriß, wenn ein Omnibus über die Straße holperte, darf nicht Wunder nehmen.
Von Hrrmann Th. Simon. 71
Unter der Wucht dieser und ähnlicher Beweismittel gegen die Unzulänglichkeit
des alten Institutsbaues war die Frage eines Neubaues aus einem 25jährigen chronischen
endlich in das akute Stadium gerückt. Schon die ersten Pläne sahen aber auch einen
besonderen elektrotechnischen Bau neben dem neuen Hauptinstitute vor. Er mußte
indeß zunächst dem Ansturm harter Finanzzeiten und dem gegen die angewandten
Anwandlungen der Göttinger Universität aufziehenden technischen Gewitter weichen. So
wurde 1902 das physikalische Hauptinstitut allein in Angriff genommen. Allmählich hatte
sich dann nach einigem Wetterschießen die drohende Gewitterwolke verzogen. An
Stelle heftigen Widerstreites gegen die Göttinger Reformpläne von Seiten der tech-
nischen Kreise trat zuerst Duldung, dann Interesse; und schon mehren sich die Zeichen,
daß bald das kommen wird, was gleich hätte kommen müssen, begeisterte Zustimmung mit
der Einsicht, daß diese Reformpläne nicht gegen, sondern auf der ganzen Linie für die
Ehre und das Ansehen der technischen Wissenschaften und ihrer Vertreter kämpfen.
Indessen war von Göttingen aus immer wieder die Notwendigkeit eines Neu-
baues für die angewandte Elektrizität nach Berlin betont worden; die Göttinger
Vereinigung sagte die innere Einrichtung zu mit 25000 Mark, sowie für fünf Jahre
einen Jahresetat von 5000 Mark. So wurde endlich im Herbste 1904 die Einstellung
der für den Bau erforderlichen 75000 Mark in den Etat von 1905 beim Finanz-
ministerium erreicht. Der Bau hätte jetzt frühestens am i. April 1905 begonnen
werden können, zu einer Zeit, wo das neue physikalische Hauptinstitut schon bezogen
werden sollte. Da übernahm der Vorsitzende der Göttinger Vereinigung, Herr
Geheimrat Dr. Böttinger, in aufopfernder Weise persönlich die Haftung für den Bau-
kostenbetrag und erwirkte so, daß sofort begonnen werden konnte. Auf Grund der
Skizzen des Berichterstatters wurde der Bauentwurf vom Regierungsbaumeister Kropf,
dem Bauleiter des physikalischen Hauptinstituts, gemacht; die spezielle Bauleitung wurde
dann Herrn Regierurigsbauführer Leiste übertragen; die Vorarbeiten wurden mit größter
Beschleunigung erledigt, die Instanzen mit einer Aufsehen erregenden Geschwindigkeit
passiert. Gute Geister walteten über dem Werk; so registriert die Baugeschichte:
1904: am 3. November Beginn der Erdarbeiten; am 15. November Beginn der
Betonfundamente; am. 21. Dezember Kellergeschoß halb aufgeführt, dann Maurerarbeiten
eingestellt; 1905: am 6. März Wiederaufnahme der Maurerarbeiten; am 30. Oktober
erste Vorlesung im neuen Institute und Aufnahme des Institutsbetriebes; am 9. Dezember
feierliche Einweihung; 1906: am 8. Januar amtliche Übergabe an den Institutsdirektor.
Bei Gelegenheit der Institutseinweihung am 9. Dezember 1905 wurde durch
ministeriellen Erlaß die Abteilung für angewandte Elektrizität als dritte Abteilung des
y2 Das Institut für angewandte Elektrizität,
physikalischen Institutes einem selbständigen Direktor unterstellt und der Berichterstatter
zum Direktor ernannt.
Die Gesamtaufwendungen für das Institut seit seinem Bestehen bis zur
Einweihung betragen:
Von Seiten der kgl. Staatsregierung:
Seit 1897 Besoldung eines außerordentlichen Professors.
1901 außerordentliche Zuwendung von 12000 Mark.
1905 Kosten für den Neubau in der Höhe von 75000 Mark.
Von Seiten der Göttinger Vereinigung:
Für die innere Einrichtung und den laufenden Betrieb 1898 — 1906
45000 Mark.
Für die innere Einrichtung des Neubaues 1905 25000 Mark.
Insgesamt in 8 Jahren 157000 Mark ohne die Remunerationen an die Leiter
der Abteilung.
Vom I. April 1906 ab wird der Staat dauernd die Kosten für einen Diener,
sowie für Heizung, Beleuchtung, Reinigung und Reparatur, jährlich mit 2900 Mark,
tragen. Auch ist ein eigener Assistent beantragt, während bisher einer der Assistenten
des Physikalischen Hauptinstitutes in der Abteilung mit tätig war.
2. Das Gebäude.
Mit Benutzung einer freundlichst gegebenen Zusammenstellung des Bauleiters, des Herrn Regierungs-
bauführers Leiste.
Das Gebäude ist mit Betonfundamenten auf tragfahiger Kiesschicht gegründet,
hat in Abmessungen von rund 18x20 m 360 qm bebaute Fläche und besteht aus
Keller-, Erd- und Obergeschoß mit 3,0 m, 4,25 m und 4,25 m Konstruktionshöhen.
Im Äußeren (vergl. Abb. i) ein Ziegelrohbau, erinnert es in seinen Architektur-
formen und mit seinem flachen Holzzementdach an oberitalienische Backsteinbauten.
Weißer Fugenverstrich und sparsam verteilte Musterungen beleben die Flächen und
Überkragungen; Lisenen und Risalite, sowie die Sohlbänke, das Hauptsims und die
Brüstungsabdeckungen in gelblich weissem Sintelsandstein gliedern den Bau.
Die Fußböden bestehen im Kellergeschoß aus Beton mit Zementestrich, nur der
Akkumulatorenraum besitzt einen säurefesten Asphaltfußboden. Erd- und Obergeschoß
haben Linoleumbelag auf Zementestrich erhalten, mit Ausnahme der Werkstatt, für die
Eichenriemen in Asphalt gewählt wurde, und mit Ausnahme von Flur, Garderobe und
Abort, wo Terrazzo verwendet ist.
Von Hermann Tu. Simon.
73
Die Decken sind im Kellergeschoß größtenteils aus Zementbeton zwischen
I-Trägem gestampft. Sonst aber sind im ganzen Gebäude KoENENsche Plandecken
zwischen I-Trägem mit einer Holzverschalung und Rohrputz verwendet worden, um
überall leicht an den Decken die zahlreichen Leitungen der elektrischen Anlage
anschrauben zu können. Zur Durchführung der Leitungsdrähte durch die Mauern
haben schon im Rohbau eingemauerte Lochsteinschichten in .Höhe der DeckenrUnler-»
Abb. I. Das Institut für angewandte Elektrizität.
kante die spätere Installation außerordentlich .erleichtert und die Stemmarbeiten
wesentlich eingeschränkt. Gleichen Zweck i^erfolgten auch Aussparungen der Decken
in jedem Räume.
Die Treppe besteht aus Zementeisenstufen mit Linoleumbelag und bronzenen
Prihsko -Vorstoßschienen. : .
Die rechteckigen Fensteröffnungen von 243 cm Höhe und 164. cm Breite
reichen fast bis unter die Decken und geben so ein reiches von oben fallendes Licht*
Die Fenstergliederung (siehe Abb. i) ist so gewählt, daß der untere Teil bis zur
Göttinger Festschrift.
10
74
Das InsHHä ßr angewandU EUhirmiäi.
Höhe des ersten Kampfers fest ist, so daß beim Öffiien am Fenster stehende
Apparataufstellungen nicht gestört werden. Die Fenster sind größtenteils in Eichen-
holz ausgeführt worden, ebenso die Außentüren. Die Innentüren und sonstige Tischler-
arbeiten in Kiefernholz.
Decken und Wände sind mit Leimfarbe weiß gestrichen; die Wände außerdem
in Schulterhöhe mit einem roten Ölfarbensockel und Fries versehen. Als Friese sind
meist stilisierte Oszillographenkurven ausgebildet worden (vergl. Abb. 2), ein Beitrag
zu dem Thema: „Die Kunst in der Physika Alles
Holzwerk ist grün lasiert und lackiert
Eine Niederdruckdampfheizung mit einem
Warmwassenmilauf für die Heizung einiger Räume des
Kellergeschosses, erwärmt durch zwei Strebel-Gegen-
Strom -Gliederkessel sämtliche Räume des Erd- und
Obergeschosses, die mit glatten Reihengliedem auf
Wandkonsolen ausgestattet sind. Die Heizkörper wurden
möglichst so angebracht, daß in jedem Zimmer wenigstens
ein Fensterplatz von der Heizimg frei blieb. Werk-
statt, Direktor- und Assistentenzimmer besitzen außer-
dem noch Gasöfen, imi diese Räume auch imabhängig
von der Zentralheizung erwärmen zu können Die
isolierte Hauptdampfverteilung und die Kondensleitimg
liegen im Keller an der Decke. Eine künstliche Frisch-
luftzuführung ist nur für das Praktikum und den
Hörsaal vorgesehen worden.
Die meisten Räume sind an die Gas- und
Wasserleitung angeschlossen worden und mit Doppel-
schlauchhähnen für das Gas, tönernen Ausgußbecken
^nach dem System March) mit je zwei Zapfhähnen für das Wasser versorgt.
Zur Verdunklung der Räume dienen übereinandergreifende Fensterzugvorhänge
aus dichtem roten Moltonfries, die seitlich lichtdicht auf Leisten genagelt sind. Oben
wird durch einen Überhang und unten durch eine in einfacher Weise übergespannte
Schnur ein völlig lichtdichter Abschluß erreicht Diese Verdimklungseinrichtung hat
sich im alten Institute seit Jahren als tadellos bewährt und ist m. E. jeder anderen
vorzuziehen, namentlich wenn man ihre geringen Kosten in Rechnung setzt (pro Fenster
30 Mark).
VAAAAAAAAAAAAA
N/WWWWWW
AAAÄ/W
Abb. 2. Wandfriese aus stilisierten
Oszillographenkarven.
Von Hermann Th, Simon 75
Der Hörsaal, mit leicht ansteigendem Podium, bietet für 72 Zuhörer Raum
und wird nur durch ein Oberlicht erhellt, dessen horizontaler Teil mit stark licht-
zerstreuendem Omamentglas verglast ist
3. Allgemeine Anordnung der Räume.
Im Kellergeschoß (Abb. 3) nimmt die Zentralheizung mit dem Kesselraum
und dem Kohlenkeller zwei Räume ein. Ein luftiger und heller Raum ist für die
Akkumulatorenbatterien bestimmt; der Schaltraum enthält Lade- imd Schalteinrichtung
für diese Batterieen (Abb. 3, i — 5), den Motor des elektrischen Aufzugs imd die
Trommel (Abb. 3, 6) mit dem Telephonkabel. Nur ein kkines Laboratorium, mit
besonderer Einrichtung für chemische Arbeiten, ist vorläufig im Kellergeschoß
eingerichtet, doch bilden die jetzt als Lager- und Vorratsräume benutzten Zimmer
eine gute Reserve. Den vorderen Vorratsraum verbindet ein elektrisch betriebener
Lastenaufzug von 250 kg Tragfähigkeit mit der darüber liegenden Werkstatt und
dem Vorbereitungszimmer im Obergeschoß.
Im Erdgeschoß (Abb. 4) hat man beim Eintritt rechts die Garderoben und
Toilettenräume, links die geräumige und helle Werkstatt Um die durch zwei Stock-
werke reichende Maschinenhalle gruppieren sich die Arbeitsräume. Der größte
derselben ist für das Anfängerpraktikum reserviert
Im Obergeschoß (Abb. 5) liegt, von der Galerie der Maschinenhalle aus durch
einige Treppenstufen zugänglich, der Hörsaal An ihn schließt sich rechts das Vor-
bereitungszimmer, links die Sammlung mit den Sammlungsschränken (i — 7) an.
Im übrigen gruppieren sich imi die Galerie der Maschinenhalle das Direktorsprech-
zimmer, Direktorlaboratorium, ein photographischer Raum imd ein weiteres
Laboratorium. Die Fensterplätze der Galerie sind als Arbeitsplätze ausgestaltet
4. Spezielle Einrichtung einzelner Räume.
a) Maschinenludle (siehe Abb. 6 und 7)^
Es bedeutet in dem Gnmdriß (Abb. 4):
1. die Hauptverteilungsschalttafel (siehe Ansicht Abb. 6 rechte Seite hinten und
Ansicht Abb. 11),
2. Gruppenschalttafel I (siehe Ansicht Abb. 12),
3. Gruppenschalttafel 11 (siehe Ansicht Abb. 12),
4. die Verteilungsschalttafel für die Hochspannimg (siehe Ansicht Abb. 6 hinten links)
10*
76
Das Institut für angewandte Elektrizität.
ORUNDBJSS DES KELLERGESCHOSSES
f 1 f ? T f T f T 1 T T r
Abb. 3.
Van Hermann Th. Simon
77
5RUNDRI55 HS? EHDGBECHOSBBS
Abb. 4.
78
Das Institut für angewandte Elektrizität,
BRUMDRIES HEB QBBRBBSLHOSSEE
Abb, 5.
Von Hbrmann Th. Simon,
79
Von der näheren Bestimmung und Einrichtung dieser Tafeb wird bei der Be-
schreibung der elektrischen Anlage die Rede sein.
5. Alte ScHucKERTSche Compoundflachringmaschine von 4 PS.
6. An das städtische Netz angeschlossener 6 PS-Motor ziun Betriebe von 5. oder 8.
7. Anlasser zu 6.
8. Alte SiEMENSSche 3 PS -Wechselstromscheibendynamo.
9. Erregermaschine zu 8.
Abb. 6. Maschinenhalle mit Schalttafelwand und Blick ins Praktikum.
10. An das städtische Netz angeschlossener 6 PS -Motor (mit Wendepolen) mit
1 00 Yo Tourenregulienmg zum Betriebe von 1 2. Er hat Wechselstromschleifringe,
von denen direkt Wechselstrom von ca. 300 Volt abgenommen werden kann.
11. Anlasser und Regulator zu 10.
12. Mit 10. koppelbarer Universalgenerator von Schuckert, für Gleichstrom,
Ein-, Zwei-, Dreiphasenstrom.
13. 20 PS -Gleichstromdynamo für 5000 Volt Spannung von Schuckert.')
i) Beschafft aus den Mitteln der JubiläumsstifhiDg zu Charlottenburg für Versuche zur Erzeugung
hochfrequenter Wechselströme.
8o
Das Institut für angewandte Elektrizität,
14. Magnetregulator zu 13.
15. An das städtische Netz angeschlossener 20 PS-Motor mit 100 7o Touren-^
regulierung zum Betriebe von 13. oder 17.
16. Anlasser und Regulator zu 15.
17. Hochfrequenzwechselstromgenerator von 4 PS bis 900 Perioden /Sekunde
von den Siemens- Schuckert -Werken.
18. Magnetregulator zu 17.
19. Unter der Decke aufgestellte große Glasplattenkapazität von ca. 3 MF.
Abb. 7. Maschinenhalle.
(Auf Ansicht Abb. 6 über der Türe sind erst die Träger für die Kapazität
sichtbar).
Die Maschinenhalle hat eine große Tür direkt ins Freie (siehe Ansicht Abb. 7)
zum direkten Transport schwerer Maschinen. Ein Laufkran von 2500 kg Tragfähig-
keit bestreicht ihre ganze Fläche. (Siehe Ansicht Abb. 7 hinten oben.)
Ein System überdeckter Kanäle gestattet, die Maschinen durch Drahtleitungen
von den Schalttafeln her zu erreichen oder untereinander zu verbinden.
Von Hermann Th, Simon
8i
b) Der Hörsaal (Abb. 8).
Es bedeutet in dem Grundriß (Abb. 5):
1. Ein auf besonderen Steinmauern in Tischhöhe befestigter Rost aus I-Trägem
zum Anschrauben von Maschinen auf dem Experimentiertische (siehe An-
sicht Abb. 8 rechts).
2. Eine bis in den darunter liegenden Raum reichende Öffnung, die zu manchen
Versuchen erwünscht ist.
3. Ein Wasserablauf. (Ein Zapfhahn befindet sich am Experimentiertische in der Nähe.)
Abb. 8. Vortragsraum des Hörsaales.
4. Die Projektionslampe, von der noch zu reden ist.
5. Der Projektionsschirm (Ansicht Abb. 8 links).
6. Die zweiteilige Mitteltafel. Unter derselben ist ein 2 m langer Rechenschieber
von A. W. Faber so befestigt, daß er (wie in Abb. 8 sichtbar) hochgeklappt
und zur Berechnung von Vorlesungsversuchen benutzt werden kann.
7. Die Schalttafel (siehe Ansicht Abb. 8 rechts und Abb. 15).
8. Aufstellung der Experimentier- Ampere- und -Voltmeter. (Siehe Ansicht Abb. 8
hinten rechts.)
9. Ein Anschluß für Starkstrom bis 1000 Ampfere.
Göttinger Festschrift.
II
82
Das Imtittä ßir angewandte Elektrizität,
12.
10. Die Aufstellung der Spiegelgalvanometer und Elektrometer mit Skalen-
beleuchtung durch Nemstlampen.
11. Die Schalttafel mit den Enden der Verbindungsleitungen nach lo. und mit
den Ausschaltern für die Skalenbeleuchtung von 8. und lo, (siehe An-
sicht Abb. 8 rechts).
Die Zeigerskala für die bei lo. aufgestellten Instrumente. (Auf Ansicht
Abb. 8 rechts oben sichtbar.)
13. Hochspannungsanschluß.
Die Projektionslampe ist
völlig in den Experimentiertisch ein-
gebaut, so wie die Skizze Abb. 9
erläutert:
Die Diapositive werden auf
einen in der Ebene des Experimen-
tiertisches befestigten Rahmen auf-
gelegt, dann erscheint das Bild
hinter dem Vortragenden auf dem
Schirm. Horizontalprojektion, z. B.
] für Kraftlinien, ist ohne weiteres
gegeben: Man entfernt durch einen
Griff die oberste der Kondertsor-
linsen C^ und erhält so einen ge-
streckteren Strahlenkegel (Konver-
genzpunkt 6)^ der Raum gibt für
die zu projizierenden Anordnungen.
Stellt man den Spiegel 5/, so, daß
das Licht unterhalb C, auf einer
Horizontalebene vereinigt wird, und
ersetzt den Projektionseinsatz C, durch ein langbrennweitiges Objektiv mit Spiegel Sp^^
so erhält man episkopische Projektionseinrichtung. Die ganze Anordnung bewährt
sich in jeder Beziehung und ist billig.
Die unter 8. genannten Ampere- und Voltmeter (siehe Ansicht Abb. 8 rechts
oben) sind vortreffliche Demonstrationsinstrumente von Hartmann und Braun, Type DHr
mit Glühlampenskalenbeleuchtung, so daß sie auch in der hintersten Reihe des Hör-
saales abgelesen werden können. Es sind gewählt:
Abb. 9. Schema der Projektionseinrichtung.
Von Hermann Th. Simon, 83
1. Drehspulenamperemeter DHra mit den doppelseitigen Messbereichen:
2,5 Ampere (i Skalenteil = 0,1 Ampere)
12,5 „ (i „ =0,5 „ )
25 „ (i „ = I „ )
50 « (i .» =2 „ ).
2. Drehspulen Voltmeter DHrv mit dien doppelseitigen Meßbereichen: ^
2,5 Volt (i Skalenteil = 0,1 Volt)
25 „ (i „ = 1,0 „ )
100 „ (i „ = 4,0 „ )
250 „ (i „ = 10,0 „ ).
3. Hitzdrahtamp^remeter DAra mit den Meßbereichen:
0,5 — 2,5 Ampere (i Skalenteil = 0,1 Ampere)
2,5—12,5 „ (I „ =0,5 „ )
5 —25 »» (i » = i»o „ )
10 —50 „ (i „ = 2,0 „ ).
4. Ilitzdrahtvoltmeter DArv mit den Meßbereichen:
2— 5 Volt (i Skalenteil = 0,2 Volt)
10— 25 „ (i „ = 1,0 „ )
40—100 „ (i „ = 4,0 „ )
100—250 „ (i „ = 10,0 „ ).
Die Meßbereichsumschalter sind auf der Hörsaalschalttafel (Abb. 16) angebracht
und gestatten die Umschaltung ohne Stromunterbrechung.
Die Hörsaalverdunkelung besorgt ein Elektromotor, der einen lichtdichten
Vorhang über das Oberlicht ausbreitet.
Die Abendbeleuchtung wird in sehr gelungener Weise durch zwei Regina-
bogenlampen von 8 Ampere hinter dem Deckenglase des Oberlichtes, sowie durch das
indirekte Licht einer an der Decke über dem Experimentiertisch angebrachten Reihe
von 12 Tantallampen besorgt.
Beleuchtung und Verdunkelung werden von einer kleinen an der Seite der
Projektionslampe angebrachten Schalttafel aus bedient (Ansicht Abb. 8 links).
c) Das photographische Zimmer (siehe Planskizze Abb. 5)
ist durch einen Vorraum, also durch zwei Türen von der Galerie getrennt, i. ist ein
Entwicklungstisch mit Spül- und Wässerungskasten, lichtdichten Schiebladen und Vertikal-
II»
84 I^<^ InsHtut för angewandte Elektrizität.
fächern mit Abtropfbecken, für die Aufbewahrung der Entwicklungsschalen. 2. ist eine
Deckenöffnung von 40 x 40 cm, die gestattet, das direkte Himmelslicht für Vergröße-
rungen und dergleichen in Anspruch zu nehmen. Der photographische Raum kom-
muniziert bei 3 mit dem Nachbarraume durch eine Fensteröffnung, um in das völlig
verdunkelte Zimmer zum Zwecke feiner optischer Versuche Lichtstrahlen ohne Neben-
licht einfuhren zu können. Die Dunkelraumbeleuchtung ist durch eine Fensteranordnimg
aus zwei ca. 2 5 cm voneinander abstehenden Einzelfenstem derselben Einteilung bewirkt,
wie sie in den übrigen Zimmern verwendet sind. Der untere Teil des Außen-
fensters ist mit gelbem Glase verglast, der des Innenfensters mit Massivrubinglas.
Zwischen beiden Fenstern kann am Abend eine Glühlampe entzündet werden. Durch
einen Abschluß in der Höhe des ersten Kämpfers ist dieser untere Fensterteil vom
oberen getrennt Der obere Teil des Außenfensters ist weiß verglast, der des Innen-
fensters ist mit Eisenblech lichtdicht geschlossen. Es bleibt so ein vom Tageslicht
erhellter Zwischenraum, der für Kopierzwecke ausgenutzt werden kann. Wird das
obere Innenfenster geöffnet, so ist der Raum vom Tageslicht erhellt. Andernfalls
gibt nur der rot bezw. gelb verglaste untere Teil Licht herein.
d) Das Dach.
Das flach ausgebaute, leicht zugängliche Dach hat an der Brüstung reichlich
Steinplatten zum Aufstellen von Instrumenten erhalten. In den Ecken, sowie beim
Treppenaufgang sind Anschlüsse an die elektrischen Einrichtungen, an der Treppe
auch ein Anschluß an die Hochspannungsleitung vorgesehen. Ein umlegbarer Holz-
mast von 18 m Höhe ist für Versuche mit drahtloser Telegraphie usw. bestimmt
5. Die elektrische Anlage.")
Außer den Strömen der unter 4 a aufgezählten Maschinen steht der Strom des
städtischen Dreileitemetzes mit 2 x 220 oder i x 440 Volt zur Verfügung, sowie der
Strom der Institutsakkumulatorenbatterie.
Diese Akkumulatorenbatterie besteht aus 80 Zellen (Type J6) der Hagener
Akkumulatorenfabrik. Sie hat 162 Amperestunden Kapazität und 54 Ampere maximale
Entladestromstärke.
i) Die Anlage wurde nach meinen Entwürfen von der Elektrizitätsgesellschaft Gebrüder Ruhstrat,
Göttingen, durchkonstruiert und vortrefflich ausgeführt.
Von Hermann Th, Simon.
85
Sie ist in 16 Gruppen zu je fünf Zellen abgeteilt, deren Enden zu den Queck-
silbernäpfen der Batterieschalter (Ansicht Abb. 10 rechts und links von der Ladeschalt-
tafel) fiihren. Auf den Batterieschaltem sind auch, leicht auswechselbar, die Gruppen-
sicherungen für 54 Ampere sichtbar. Normalerweise bilden 6 Gruppen = 60 Volt die
Batterie A, 4 Gruppen = 40 Volt die Batterie B, je zwei Gruppen =20 Volt die
Batterieen C und D, je eine Gruppe =10 Volt die Batterieen E und F. Durch Ein-
Abb. 10. Batterieschalter und Ladeschalttafel im Schaltraume des Kellergeschosses.
setzen eines „Schalt -Igels"') in die Quecksilbemäpfe kann die Batterie A auf 60, 30,
20, 10, die Batterie B auf 40, 20, 10, die Batterie C und D auf 20 und 10 Volt
gelegt werden, bei entsprechender Steigerung ihrer Stromabgabe.
Die Pole der Batterieen endigen in den Stöpsellöchern der unteren Reihe der
Ladeschalttafel (Ansicht Abb. 10).
Die beiden Stöpsellöcher der zweiten Reihe von unten bilden die Enden eines
1) Auf Abb. IG bei der zweiten Batterie (B) herausgenommen und unten aufgestellt.
86 Das Institut für angewandte Elektrizität.
Stromkreises: Städtisches Netz, Hauptausschalter (links oben), Amp^remeter, Minimum-
ausschalter (Mitte oben), Sicherung, Laderheostat (unten). Nach Verbindung der ent-
sprechenden Stöpsellöcher durch Stöpselschnüre kann jede Batterie für sich oder die
Gesamtheit der Batterieen hintereinander aus dem städtischen Netze, auch eine Batterie
aus der andern geladen werden. Voltmeter und Voltmeterumschalter (Ansicht oben)
gestatten, die Spannung jeder Batterie zu kontrollieren.
Die Reihe der Umschalter in der Mitte der Ladeschalttafel hat folgenden Zweck:
Legt man sie, wie in Abbildung lo bei den vier ersten geschehen ist, nach oben, so
sind damit die Batterieen mit der Hauptverteilungsschalttafel im Maschinenraum
verbunden.
Legt man die Umschalter nach unten, so schaltet man damit alle Batterieen auf
ein Paar Sammelschienen parallel. Das darf natürlich nur mit Batterieen geschehen, die
zuvor an den Batterieschaltem auf gleiche Spannung gebracht sind. So können von
den Sammelschienen bis 500 Ampere bei 20 Volt, bis 1000 Ampere bei 10 Volt ab-
genommen werden. Anschlüsse durch 400 m/m* Kupferschienen an diese Starkstrom-
sammeischienen hat im Erdgeschoß das Praktikum (Abb. 4, 2) und das benachbarte
Laboratorium (Abb. 4, 2), im Obergeschoß der Hörsaal (Abb. 5, 9) und das Vor-
bereitungszimmer (Abb. 5, 2).
Die Stromverteilungsanlage für die Niederspannungsquellen soll ermöglichen,
mit einem möglichst geringen Aufwand an Leitungsmaterial jede der vorhandenen
Stromquellen an jede der in den Arbeitsräumen verteilten Arbeitsstellen möglichst ein-
fach und betriebssicher anzuschließen. Auch soll jede Arbeitsstelle mit jeder anderen
untereinander verbunden werden können.
Das Prinzip, nach dem das erreicht wird, ist dasselbe, wie es bei großen
Telephonzentralen üblich ist: Nebenämter fassen die Teilnehmer zu Gruppen zu-
sammen, das Hauptamt vermittelt die Verbindung der Nebenämter untereinander.
Also: Die in jedem Zimmer befindliche Zimmerschalttafel vermittelt den
Anschluß der in das Zimmer geführten Quellen an die im Zimmer verteilten Arbeits-
klemmen. Sechs geeignet verteilte Gruppenschalttafeln (Gr. I — VI auf den
Grundrissen Abb. 3, 4, 5) vereinigen die Zuführungen mehrerer Zimmer zu Gruppen.
Die Hauptverteilungsschalttafel im Maschinenraum vereinigt die Zu-
führungen zu den Gruppenschalttafeln und enthält auch die Enden sämtlicher Strom-
quellen. Die Verbindungen selbst werden durch Schnüre mit federnden Messing-
stöpseln vollzogen, die in die Stöpselöffnungen der Drahtenden auf den Schalttafeln
eingesteckt werden. Diese Verbindungsweise hat sich an einer von Professor
Von Hermann Th, Simon.
87
Des Coudres 1898 konstruierten Experimentier-
schalttafel (derselben, die jetzt mit geringen Um-
änderungen im Hörsaale benutzt wird) durchaus
bewährt, so daß sie im neuen Institute allgemein
durchgeführt worden ist.
Die Enden entsprechender Leitungen sind
mit entsprechenden Nummern bezeichnet, bei
Gleichstrom ist stets die gerade Zahl der +-P0I,
die ungerade der — Pol; auf der Hauptverteilungs-
schalttafel ist an jedem Drahtende die zugehörige
Gruppe, auf der Gruppenschalttafel das zuge-
hörige Zimmer vermerkt, Weiße Celluloidschild-
chen an den Drahtenden gestatten außerdem mit
Bleistift Notizen anzumerken.
Es wurde durchgängig 10 m/m^ Draht
verlegt, der eine Belastung bis 50 Ampere verträgt.
Die Hauptverteilungsschalttafel (siehe
Ansicht Abb. 11). Von den sechs Reihen der
Stöpsellöcher enthält die oberste und unterste die
Stromquellen. Darüber und darunter sitzen je-
weilig die zugehörigen Ausschalter und Siche-
rungen. Nur die Batterieen A, B und C haben
an Stelle von Aus Schaltern U m Schalter (Abb. i o
in der Mitte), um sie schnell und ohne Störung für sonst hergestellte Verbindungen
an die Hörsaalschalttafel legen zu können. Mit Hilfe des Weicheisenvoltmeters und der
Voltmeterumschaltung oben kann die Spannung jeder Stromquelle kontrolliert werden.
Die Gruppenschalttafeln sind meist nach dem Typus der Abbildung 12 an-
geordnet, oben die zur Hauptverteilungs-
tafel führenden Klemmen, unten die zu
den Zimmerschalttafeln führenden.
Die Zimmerschalttafeln sind
meist nach dem Typus der Abbildung 13
eingerichtet. In der oberen Reihe ent-
springen die Stromquellen; und zwar liegt
in jedem Zimmer dauernd die städtische
Abb. 12. Gruppenschalttafel.
Abb, II. Hauptverteilungsscbalttafel.
88
Das Institut Jür angewandte Elektrizität,
Spannung mit 220 Volt, sowie eine der
Batterieen E oder F mit 4 Drähten, wie
in Skizze Abbildung 14, so daß 2, 4, 6, 8,
10 Volt mit 50 Ampere stets zur Verfügung
sind. Diese Quellen sind auf der Schalt-
tafel gesichert (Abb. 13 links oben).
Im Übrigen hat jedes Zimmer 2 bis
4 Verbindungspaare zu den Gruppenschalt-
tafeln. Im Praktikum ist die Zimmerschalt-
tafel gleichzeitig Gruppenschalttafel für
Abb. 13. Zimmerschalttafel. ^as benachbarte Laboratorium. In beiden
Räumen, sowie im Direktorlaboratorium haben die Zimmerschalttafeln eine besondere Aus-
stattung mit Rheostaten, Maximum- und Minimumausschalter, sowie einigen freien Aus-
schaltern erhalten (vgl. Ansicht Abb. 15), deren Enden in einer mittleren Stöpselloch-
reihe liegen, so daß sie ohne Weiteres in die Experimentierschaltungen mit einbezogen
werden können.
Besonders reich ist in dieser Hinsicht die
Hörsaalschalttafel (siehe Ansicht Abb. 16) aus-
gestattet Sie enthält an Stromquellen in der oberen
Reihe (mit Sicherungen und Ausschaltern) ohne Wei-
teres 2x220= IX 440 Volt von dem städtischen
Netze. Batterie A, B, C nach dem Umlegen der er-
wähnten Umschalter an der Hauptverteilungsschalt-
tafel, Batterie E mit je zwei Stöpsellöchern für jede
der vier Drähte, die 2, 4, 6, 8, 10 Volt liefern, ferner
drei Paar Verbindungen zur Hauptverteilungsschalt-
tafel. In der unteren Reihe Hegen die Verbindungen
zu den Experimentierklemmen am Hörsaaltische und
zu der Zimmerschalttafel im X'orberei-
tungszimmer. In der mittleren Reihe
endigen: ein regulierbarer Maximum-
ausschalter, ein Minimumausschalter,
ein Kurbelrheostat bis 200 Ohm und
20 Ampere Belastbarkeit, ein Kurbel-
rheostat bis 10 Ohm und 100 Ampere
2 2
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Abb. 14.
Abb. 15. Schalttafel im Praktikum.
IVi Das Institut für angewa-ndte Eli
Taf.W.
^WsflMJMJl&uin^ ^
■>- f.g.J *
Von Hermann Th. Simon,
89
Abb. 16. HörsaalschalttafeL
Belastbarkeit, ein Rheostat von 18 Ohm und
10 Ampere Belastbarkeit, zwei freie Aus-
schalter, das unter 4 b erwähnte Demon-
strations-Gleichstromamp^remeter und das
entsprechende Hitzdrahtamp^remeter. Auf
der Schalttafel oben sitzen außerdem Amp^re-
und Voltmetermeßbereichsschalter mit Schal-
tungsskizzen, die Rheostatenkurbeln und der
Voltmeterumschalter. Diese Schalttafel ist,
wie schon erwähnt, von Prof Des Coudres
konstruiert und hat schon 8 Jahre im alten
Institute gedient Es ist eine Freude, wie
sicher und schnell sich damit die kom-
pliziertesten Experimente schalten lassen.
Alle großen Schalttafeln sind in durch-
gehende Wandnischen gesetzt, so daß sie
von hinten jederzeit zugänglich sind.
Auf allen Schalttafeln sowie in der
ganzen Anlage ist reichlich für Reserven gesorgt. Ein Schaltungsschema der ge-
samten Anlage ist auf der angehängten Tafel IV gegeben.
Für die Verteilung der Hochspannung dient eine nach demselben Prinzipe
angeordnete Verteilungsschalttafel, die wegen der Berührungsgefahr in einer verschließ-
baren Wandnische untergebracht ist (Ansicht Abb. 6 hinten links). Alle Hochspannungs-
anschlüsse endigen hier und werden durch Stöpselschnüre mit den Hochspannungsquellen
verbunden. So haben stets nur die gerade benutzten Leitungen die Hochspannung.
Hochspannungsanschlüsse haben im Obergeschoß (siehe Grundriß Abb. 5) der Hör-
saal (43), das Vorbereitungszimmer (3), das Dach, das Direktorlaboratorium; im Erd-
geschoß (siehe Grundriß Abb. 4) das Praktikum (7), das benachbarte Laboratorium (3)
und das Assistentenzimmer (2).
Die Hochspannungsleitungen sind mit i m/m* Guttaperchadraht frei auf
Porzellanisolatoren verlegt Wand- und Deckendurchführungen , sowie besonders
exponierte Stellen sonst sind in gummiisoliertem Hochspannungskabel verlegt.
An Hochspannungsquellen steht außer der 20 PS Hochspannungsdynamo zur Ver-
fügung der unter 4a Nr. 19 erwähnte, von Prof. Des Coudres konstruierte Glasplatten-
kondensator. Er wird nach einer von Prof. Des Coudres erdachten Anordnung in
Göttinger Festschrift. 12
QO Das Institut fiir angewandte Elektrizität.
folgender Weise auf hohe Spannung geladen: die Primärspule eines Induktionsapparates
wird mit Wechselstrom betrieben. Die Sekundärspule wird durch einen synchron mit dem
Betriebswechselstrom arbeitenden Hochspannungskontaktmacher mit der Kapazität ver-
bundea Wenn die Phase des Kontaktmachers richtig gewählt wird, ist die Kapazität
stets nur zu Zeiten eines Maximums der Sekundärspannung mit dem Induktorium ver-
bunden, wird also nach einigen Kontakten auf diese Maximalspannung aufgeladen.
Wenn man ihr dann die Elektrizität nur in schwachem Strome entzieht, bildet sie
eine konstante Hochspannungsquelle. Der Kontaktmacher wird am besten mit der
Wechselstrommaschine direkt gekoppelt. Die ganze Anordnung leistet für viele Zwecke
sehr gute Dienste.
Telephonkabel: Im Schaltraum aufgestellt ist ein 500 m langes Telephonkabel
mit 60 Doppeladem, deren Enden in das darüber liegende Praktikum (siehe Grundriß
Abb. 4, 5) geführt sind.') Dort können die ganzen Adern in einfacher Weise zu einer
60 km langen Einfachleitung, oder einer 30 km langen Doppelleitung aus 0,7 mm
Kupferdraht hintereinander geschaltet werden, auch können mit einem Handgriff in
Abständen von 1,5 km Pupinsche Selbstinduktionsspulen eingeschaltet werden, imi
die dadurch erreichte Übertragungsverbesserung zu demonstrieren.') Das Kabel
wird zum Studium der mannigfaltigen Kabelleitungs-Probleme im Praktikum und in der
Vorlesung benutzt Es ist auf eine eisenfreie Holztrommel von 150 cm Länge und
60 cm Durchmesser in 4 Lagen von je 52 Windungen aufgewickelt Da der Draht
wenigstens mit 2 Ampere dauernd belastet werden kann, so ist es mit der Kabel-
spule möglich, in dem zylindrischen Innenraum ein magnetisches Feld von 300 bis
400 cgs Einheiten zu erzeugen.
6. Tätigkeit und Frequenz des Institutes.
Das allgemeine Ziel, auf das sich die Tätigkeit des Institutes richtet, ist die
Erziehung der Studierenden zur Kenntnis und zum Verständnis, wie die Entdeckungen
und Gesetze der sogenannten „Ätherphysik" auf die spezifischen Probleme ihrer
praktischen Verwertung angewendet worden sind und angewendet werden müssen.
So wird einmal in die Kreise rein wissenschaftlicher Betätigung Verständnis für die
i) Das Kabel ist ein hochherziges Geschenk der Firma Felten & Guillaume, Karlswerk, Mühl-
heim a. Rh., der auch an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
2) Die Pupinspulen mit Schalteinrichtung verdankt das Institut dem Entgegenkommen der Firma
Siemens & Halske, A.-G., Wernerwerk.
Van Hermann Th, Simon. gi
Leistungen und Aufgaben der praktischen Berufe getragen, andererseits wird allen,
die die experimentelle Bearbeitung naturwissenschaftlicher Fragen zu ihrer Aufgabe
gemacht haben, die Fülle wertvoller Hilfsmittel vertraut gemacht, die ihnen die
Elektrotechnik an die Hand giebt; und schließlich werden systematisch Lücken, wie
sie die rein wissenschaftliche Forschimg nach der Seite ihrer Anwendungen viel-
fach offen läßt, aufgezeigt, und, soweit es in den Kräften der Abteilung steht und sich
Mitarbeiter finden, durch selbständige Forschungen ausgefüllt
Im Speziellen wird dieses Ziel angestrebt i. durch Vorlesungen, 2. durch ein
Übungspraktikum, 3. durch Anleitung zu selbständigen Forschungen mit den Hilfsmitteln
der Abteilung, 4. durch Exkursionen.
a) Vorlesungen.
^u dem Vorlesungsturnus des Institutes gehört bis jetzt:
1. Theorie und Technik des Gleichstroms, i Semester zweistündig.
2. Theorie und Technik des Wechselstroms, i Semester zweistündig.
3. Elektrische Meßmethoden und Meßinstrumente, i Semester zweistündig.
4. Theorie und Technik des Magnetismus, i Semester zweistündig.
5. Elektrische Schwingungen und drahtlose Telegraphie, i Semester einstündig.
6. Die Strahlungsgesetze und das Beleuchtungsproblem, i Semester einstündig.
7. Probleme der Telephönie, i Semester einstündig.
8. Theorie und Technik des elektrischen Lichtbogens, i Semester einstündig.
9. Einführung in die Elektrotechnik (für Juristen, wird jeden Winter ein-
stündig gelesen).
10. Fouriersche Reihen und ihre Anwendung auf elektrotechnische Fragen.
11. Charakteristische Kurven in Physik und Elektrotechnik, i Semester einstündig..
In allen diesen Vorlesungen wird von den Einrichtungen der Abteilung durch
instruktive Demonstrationen ausgiebigst Gebrauch gemacht.
b) Praktikum.
Im Praktikum wird durch einen Turnus sorgfältig organisierter Übungsnach-
mittage das Streben der Vorlesungen ergänzt, derart, daß die Teilnehmer zunächst
mit den Meßmethoden und Maschinen möglichst vielseitig vertraut gemacht werden
und dann lernen, sie zur Untersuchung spezieller Fragen technisch -physikalischer Art
anzuwenden. Auch hier wird die Auswahl der Übungen so getroffen, daß die
prinzipiellen wissenschaftlichen Gesichtspunkte aus den technischen Prozessen möglichst
12»
92
Das Institut för angewandte Elektrizität.
ergiebig herausgeschält werden. Die Praktikanten des Physikalischen Praktikums
nehmen im Rahmen des Physikalischen Praktikums ein halbes Semester lang wöchent-
lich einen Nachmittag an den elektrotechnischen Übungen Teil.
Über die Frequenz der Vorlesxmgen und Übungen gibt folgende Tabelle
Aufschluß.
1895
I
1896
1897
Xfl
m
1898
m
1899
m
CO
1900
1901
I
C/}
1902
c/5 1
C/3
c/5 1^
1903
c/}
1904
m
CO
1905
CO
Praktikum, i Nachmittag
4 Stunden
Elektrotechnischer Teil des phy-
sikalischen Praktikums, Y2 Se-
mester, I Nachmittag 3 Std.
Theorie und Technik desGleich-
stroms, 2 Stunden
Theorie und Technik des Wech-
selstroms
Elektrische Meßmethoden und
Meßinstrumente, 2 Stunden.
Theorie und Praxis des Magne-
tismus, 2 Stunden
Elektrische Schwingungen und
drahtlose Telegraphie, i Std.
Strahlungsgesetze und Beleuch-
tungsproblem, I Stunde . . .
Probleme der Telephonie, i Std.
Theorie und Technik des elek-
trischen Lichtbogens, i Std.
Elektrotechnik für Juristen,
I Stunde
Charakteristische Kurven, i Std.
17
I
10, 9 1 10, 10
II
12
20
>4'
12
1 , I
81 4
8
16
14
14; 9
13 iJ
10
17
12
II
10
22
I ,59
10
76
14
14
10
68
17
44
,27
20
56
18
14
13
21
75
25
1231
c) Forschung.
Über die Richtungen, in denen sich die Forschungstätigkeit der Abteilung
bewegt, geben die Publikationen Aufschluß, unter denen die wichtigsten etwa
folgende sind:
Th. Des Coudres, Theoretische Grundlage für einen harmonischen Wechselstromanalysator (Ver-
handlungen der physikalischen Gesellschaft zu Berlin 1898).
Von Hermann Th. Simon, 93
H. Th. Simon, Das Wirkungsgesetz des Wehnetunterbrechers (Wiedemanns Annalen 1899).
H. Th. Simon, Über einen neuen Flüssigkeitsunterbrecher (Wiedemanns Annalen 1899).
Th. Des Coudres, Eine direkte Methode für Wechselstromanalyse (Elektrotechnische Zeitschr. 1 900).
Th. Des Coudres, Umwandlung von Wechselstrom und Gleichstrom mittels des Hallschen Phäno-
mens (Physikalische Zeitschrift 1901).
Th. Des Coudres, Methode, die Angaben elektrodynamischer Wattmeter unabhängig zu machen
von der Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung (Physikalische Zeitschrift 1900).
W, Schmidt, Elektrische Doppelbrechung in gut und schlecht isolierenden Flüssigkeiten (Disser-
tation Göttingen 1901).
H. Agricola, Die thermoelektromotorische Kraft des Quecksilbers und einiger sehr verdünnter
Amalgame (Dissertation Erlangen 1902).
H. Th. Simon und M. Reich, Tönende Flammen und Flammentelephonie (Physikalische Zeit-
schrift 1903).
H. Th. Simon und M. Reich, Ober Erzeugung hochfrequenter Wechselströme und ihre Verwen-
dung zur drahtlosen Telephonie (L Teil Physikalische Zeitschrift 1903, desgleichen II. Teil
Physikalische Zeitschrift 1903).
H. Th. Simon und E. Madelxtng, Über ein neues magnetometrisches Verfahren zur Messung
magnetischer Momente (Physikalische Zeitschrift 1904).
M. Reich, Einige Beobachtungen am Schlömilch -Wellendetektor für drahtlose Telegraphie (Physi-
kalische Zeitschrift 1904).
A. Gruse, Elektrische Kataphorese des Wassers in Abhängigkeit von Temperatur und Stcomdichte
(Dissertation Göttingen 1904).
H. Th. Simon, Über einen Phasenmesser und seine Verwendung zur Femübertragung der Kom-
paßstellung (Physikalische Zeitschrift 1904).
H. Th. Simon und M. Reich, Einige Demonstrationsversuche mit Wechselströmen höherer Frequenz
(Physikalische Zeitschrift 1905).
H. Th. Simon, Über die Dynamik der Lichtbogenvoigänge und über Lichtbogenhysteresis (Physi-
kalische Zeitschrift 1905 und ETZ. 1905).
E. Madelung, Magnetisierung durch schnell verlaufende Stromvorgänge mit Rücksicht auf Marconis
Wellendetektor (Dissertation Göttingen 1905).
M. Reich, Die Strahlung und Temperatur der Krater des Lichtbogens (Jenaer Habilitations-
schrift 1905 und Physikalische Zeitschrift 1906).
d) Exkursionen.
Es wurden bisher vier drei- bis viertägige Exkursionen unternommen:
I. Ende Sommersemester 1902 nach Frankfurt a. M. mit 12 Teibehmern.
Besichtigungen: Städtisches Elektrizitätswerk, Umformerstation am Schiller-
platz, Fabrik elektrischer Instrumente Hartmann & Braun, Fabrik elek-
trischer Schaltungsanlagen Voigt & Häffner, Elektrische Öfen der Gold-
und Silberscheideanstalt, Elektrische Bahn Homburg-Saalburg usw.
94 Das Institut fiir angewandte Elektrizität: von Hermann Th, Simon.
2. Ende Sommersemester 1903 nach Berlin mit 20 Teilnehmern.
Besichtigungen: Hoch- und Untergrundbahn, physikalisch-technische Reichs-
anstalt, Siemens & Halske, Berlin, Siemens & Halske, Charlottenburg,
Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft und Elektrizitatszentrale Oberspree,
Telephonfabrik von Mix & Genest usw.
3. Ende Sommersemester 1904 in die Rheinlande mit 50 Teilnehmern.
Besichtigungen: Felten & Guillaume, Karlswerk, Mühlheim a. Rh., Elek-
trizitätsgesellschaft Helios, Köb a. Rh., Elektrizitätswerk, Köhi a. Rh.,
Reginabogenlampenfabrik Köln a. Rh., Schwebebahn und Elektrizitätswerk
Elberfeld, Bergbahn Barmen, Müngstener Brücke, Remscheider Talsperre,
Fr. Krupp, Gußstahlfabrik Essen, Thermitwerke Goldschmidt, Essen, und
Akkumulatorenwerke Hagen i. W.
4. Ende Sommersemester 1905 nach Bremen mit 50 Teilnehmern.
Besichtigungen: Neue Werft der A.-G. Weser in Gröpelingen, Hafen-
anlagen, Norddeutsche Armaturenfabrik, elektrische Zentrale, Seefahrts-
schule, Kammerschleuse, Kaiserdock, Schlepp Versuchsstation des nord-
deutschen Lloyd, Station für drahtlose Telegraphie, Reparaturwerkstätten,
Dampfer „Großer Kurfürst", Norddeutsche Seekabelwerke Nordenham,
Unterweser Korrektion, Bremer Vulkan, Kaiserliche Werft, Wilhelmshaven,
Delmenhorster Linoleumwerke.
Allen den Persönlichkeiten und Firmen, die uns auf diesen Exkursionen in so
entgegenkommender Weise Belehrung und Gastfreundschaft zuteil werden ließen, sei
auch hier herzlichst gedankt.
7. Schluß.
Jeder Institutserbauer ist stolz auf sein schmuckes wissenschaftliches Heim, Denn
es ist ja ein Stück seiner Seele mit hineingebaut, mag er auch noch so sehr bemüht
gewesen sein, objektiv das Beste zu schaffen, was der Stand der Wissenschaft (und
der Stand der Finanzen) gestattete. Daher wird ein Nachfolger stets dies und jenes
anders wünschen, wie es der Vorgänger eingerichtet hatte,
Möchten meine Nachfolger nicht allzuviel zu tadeln finden! Und vor allem: möchte
eines guten wissenschaftlichen Geistes reicher Segen in dem neuen Institute walten!
Abb. I. Das Institut für angewandte Mathematik und Mechanik (Altes physikalisches Institut).
V.
Das Institut für angewandte Mathematik und Mechanik.
Von
C. Runge und L. Prandtl.
Im achtzehnten Jahrhundert waren an den Universitäten Fächer der angewandten
Mathematik und Mechanik in beträchtlichem Umfange vertreten. Um speziell von
Göttingen zu reden, so finden wir unter den Vorlesungen von Segner, Penther,
Tobias Mayer, Kästner die Themata: praktische Feldmeßkunst, Maschinenlehre, Zivil-
und Kriegsbaukunst, mathematische Geographie, Hydrostatik, Hydraulik. Zur Unter-
stützung der Anschauung beim Unterricht diente die „Modellkammer", eine Sammlung
von Modellen zur Mechanik, Statik, Hydraulik, Maschinenkunde.") Im neunzehnten
Jahrhundert haben Thibaut (gestorben 1832) und Ulrich (gestorben 1879) den Unter-
richt in diesem Sinne weiter geführt. Auch Listing hat noch über Maschinenkunde
und über die Theorie der Dampfmaschine gelesen. Thibaut hinterließ der Universität
eine Sammlung von geodätischen Instrumenten, die auch Ulrich noch benutzt hat
i) Vergl. JoH. Steph. Pütter, Versuch einer akademischen Gelehrtengeschichte von der Georg
Augusts-Universität zu Göttingen 1, p. 243 u. f. Göttingen 1765 (i. Teil) und 1788 (2. Teil).
96 Das Institut ßir angewandte Mathematik und Mechanik,
Unter den Gegenständen, in denen Ulrich unterrichtete, finden wir praktische Geo-
metrie mit Übungen im Feldmessen und Nivellieren, landwirthschaftliche Baukunde,
Maschinenkunde, Hydrostatik, Hydraulik. Indessen traten diese Fächer mehr und mehr
in den Hintergrund gegenüber der Entwicklung der technischen Hochschulen und den
glänzenden theoretischen Erfolgen von Gauss, Dirichlet, Riemann und Clebsch. Als
Ulrich im Jahre 1879 starb, wurde die Modellkammer von H. A, Schwarz, der seit
1875 den Lehrstuhl für Mathematik inne hatte, aufgelöst. Es blieb die Sammlung
mathematischer Instrumente und Modelle, die im wesentlichen aus der Schenkung
von Thibauts geodätischen Instrumenten bestand und nun zu einer mathematischen
Modellsammlimg im modernen Sinne ausgestaltet wurde.
Es ist das Verdienst von F. Klein, den Unterricht in angewandter Mathematik
und Mechanik neu belebt zu haben in der richtigen Erkenntnis, daß in den an-
gewandten Fächern eine Fülle von pädagogisch wertvollen Aufgaben imd Beispielen
für den Mathematiker zu finden sind, und daß auch die Teilnahme an dem Fortschritt
dieser Wissenschaften der Universität nicht vorenthalten bleiben darf. Seine Be-
strebungen haben in der Errichtung des Instituts für angewandte Mathematik und
Mechanik, das heute die Räume des alten physikalischen Instituts in Besitz genommen
hat, einen gewissen Abschluß gefunden, und daher lohnt es sich, einmal die Wand-
lungen zu verfolgen, welche zu dem heutigen Stande der Dinge geführt haben.
Es sind zwei Reihen der Entwicklung zu betrachten, die in der jetzigen Ab-
teilung A für angewandte Mathematik und der Abteilung B für angewandte Mechanik
auslaufen.
Entwicklung der beiden Abteilungen.
Die Abteilung A geht aus von der Sammlung mathematischer Instrumente
und Modelle, zu der sie im Haushalte der Universität noch gehört. H. A. Schwarz,
der die Sammlung verwaltete, schaffte eine Anzahl von Reißzeugen an und richtete im
Herbst 1889 Übungen in konstruktiver Geometrie ein, eine Art mathematischen Zeichen-
unterrichts, der ähnlich gehandhabt wurde, wie der auf den technischen Hochschulen
übliche Unterricht in der darstellenden Geometrie. In einem Hörsaale des Auditorien-
gebäudes waren Zeichentische aufgestellt, an denen die Studierenden die Zeichen-
aufgaben ausführten unter Leitung von Schwarz selbst und den Frivatdozenten Holder
und Schönflies. Als Schwarz im Jahre 1892 nach Berlin berufen wurde, führte
ScHüNFLiES als Extraordinarius diesen Unterricht fort und verband damit auch Vor-
Von C. Runge und L. Prandtl, 97
träge über projektive und darstellende Geometrie, wozu ihn ein eigener Lehrauftrag
verpflichtete. Bei Schönflies Übersiedelung nach Königsberg im Jahre 1899 wurde
als sein Nachfolger Schilling berufen und mit dem Unterricht in darstellender
Geometrie und in graphischer Statik betraut. Für die Zeichenübungen wurde
die frühere Amtswohnung des Direktors der Frauenklinik (Hospitalstraße 12) ein-
gerichtet. Hier fand nun auch der geodätische Unterricht Unterkunft, den zunächst
Ambronn mit Instrumenten der Sternwarte aufgenommen hatte und den jetzt
E. WiECHERT weiterführte') und auf höhere Geodäsie ausdehnte. Leider waren in-
zwischen die geodätischen Instrumente, die zu der Sammlung mathematischer Instru-
mente und Modelle gehörten, an die Sternwarte und an andere Institute abgegeben
worden, weil nicht vorauszusehen war, daß sich der geodätische Unterricht gerade
an die Sammlung mathematischer Instrumente wieder würde angliedern lassen.
Hierfür wurde dadurch Ersatz geschaffen, daß einmal der Staat auf Befürworten
BöTTiNGERS 2000 Mark bewilligte und andererseits die Göttinger Vereinigung in
verschiedenen Raten im ganzen bis jetzt 6000 Mark für die Erwerbung geodätischer
Instrumente anwies. Zugleich schenkte der Norddeutsche Lloyd im Jahre 1901 eine
Sammlung seiner nautischen Instrumente (Schiffskompasse und Sextanten) und Krupp
überwies der Sammlung eine Auswahl von Markscheideinstrumenten (1903).
Die neu erstandene Sammlung wurde zugleich mit den Unterrichtsmitteln der
darstellenden Geometrie und graphischen Statik der Leitung Schillings unterstellt.
Beides zusammen figurierte im Etat als eine Abteilung der Sammlung mathematischer
Instrumente und Modelle „B. Abteilung für graphische Übungen und mathematische
Instrumente", und Schilling wurde im Jahre 1903 ihr selbständiger Direktor, während
fiie „Abteilung A für mathematische Modelle" F. Klein unterstellt blieb.
Diese Einrichtung eines regelmäßigen Unterrichts in darstellender Geometrie,
graphischer Statik und Geodäsie entsprach genau der neuen Prüfungsordnung, die
am 12. September 1898 für das Lehramt an höheren Schulen in Preußen erlassen
i) Als im Jahre 1897 Schering starb, dessen Lehrauftrag Mathematik, theoretische Astronomie,
Geodäsie und mathematische Physik vereinigt hatte, wurde seine Stellung in zwei Extraordinale ver-
wandelt und Brendel und Wiechert als seine Nachfolger berufen. Brendel übernahm die theoretische
Astronomie, Wiechert die Geophysik. Später hat Brendel auch den Lehrauftrag für Versicherungs-
mathematik erhalten, den vor ihm Bohlmann an dem im Jahre 1895 gegründeten Versicherungsseminar
gehabt hatte. Über den Unterricht in der niederen Geodäsie, wie Wiechert ihn zunächst einrichtete,
vergleiche dessen Aufsatz in der Schrift von F. Klein und E. Riecke, Über angewandte Mathematik
und Physik in ihrer Bedeutung für den Unterricht an den höheren Schulen nebst Erläuterung der bezüg-
lichen Göttinger Universitätseinrichtungen. B. G. Teubner 1900.
Göttin^pr Festschrift. I3
98 Das ImHHä fiir angewandte MathemaUk und Mechanik.
worden war. Die Prüfungsordnung kennt neben der reinen Mathematik das Prüfungs-
fach ,,angewandte Mathematik'* und schreibt vor (§ 22): „Von den Kandidaten, welche
die Lehrbefahigung in der angewandten Mathematik nachweisen wollen, ist außer einer
Lehrbefahigung in der reinen Mathematik zu fordern: Kenntnis der darstellenden Geo-
metrie bis zur Lehre von der Zentralprojektion einschließlich und entsprechende Fertigkeit
im Zeichnen; Bekanntschaft mit den mathematischen Methoden der technischen Mechanik,
insbesondere der graphischen Statik, mit der niederen Geodäsie und den Elementen
der höheren Geodäsie nebst Theorie der Ausgleichung der Beobachtungsfehler."
Schilling hat sich über die verschiedenen Richtungen, in denen er den Unter-
richt ausgestaltete, in den Vorträgen ausgelassen, die er zu Ostern 1904 für den
Ferienkursus der Oberlehrer der Mathematik und Physik gehalten hat')
Im Herbst 1904 zog Schilling als Professor für darstellende Geometrie an die
technische Hochschule in Danzig. An seiner Stelle in G^ttingen wurde C. Runge
berufen mit dem allgemeinen Lehrauftrag für angewandte Mathematik. Damit war
eine erweiterte Auffassung des Lehramts bekimdet, die im Herbst 1905 durch die
Vereinigung mit der technischen Physik in der Begründung des Instituts für
angewandte Mathematik und Mechanik ihren abschließenden Ausdruck fand.
Die zweite Entwicklungsreihe, die zu der Abteilung B für angewandte
Mechanik fuhrt, geht aus von der im Beginn des Jahres 1897 gegründeten Ab-
teilung für technische Physik, die dem physikalischen Institut angegliedert wurde.
Sie ist mit der Entstehung der Göttinger Vereinigung aufs engste verknüpft
(Über die Geschichte der Vereinigung vergleiche man den historischen Schlußartikel
dieser Schrift, insbesondere den dort abgedruckten Aufsatz von F. Klein aus der
Physikalischen Zeitschrift 1899.) Den unmittelbaren Anlaß zur Gründung der Ab-
teilung gab zu Weihnachten 1896 die Schenkung einer namhaften Summe für diesen
Zweck seitens einiger Herren aus der Industrie. Es waren dies die Herren Dr. Böttinger
in Elberfeld, Professor Dr. C. v. Linde in München und Kommerzienrat Krauss in
München. Der Plan wurde alsbald wesentlich gefördert durch die von der Regierung
bereitwillig erteilte Erlaubnis, den maschinellen Teil der bereits genehmigten elektrischen
Beleuchtungsanlage für die königliche Bibliothek dem geplanten Laboratorium ein-
zuordnen.
i) Fr. Schilung. Über die Anwendungen der darstellenden Geometrie insbesondere über die
Photogrammetrie. Zweiter Teil der ,,neuen Beiträge zur Frage des mathematischen und physikalischen
Unterrichts an den höheren Schulen", Vorträge, gesammelt von F. Klein und E. Rieke. B. G. Teubner 1904.
Von C. RuNGB und L. Prandtu 99
Zur gleichen Zeit war es, unter Angliederung eines Lehrauftrags für landwirt-
schaftliche Maschinenlehre, ermöglicht worden, für die Stelle des Laboratoriumleiters
eine außerordentliche Professur zu begründen; auch die Stelle eines Assistenten und
eines Maschinisten wurde von der Regierung bewilligt
Die Professur wurde zu Ostern 1897 dem Privatdozenten R. Mollier in
München übertragen, der jedoch schon im Herbst 1897 wieder ausschied, imi als
Nachfolger Zeuners an die technische Hochschule Dresden überzusiedeln.
Unter Molliers Leitung hatte man mit dem Bau eines ersten Pavillons ,(die Räume
B I, 2 und 3 des Planes auf Tafel V) auf dem Grundstück des physikalischen Institutes
begonnen, und es waren ein der erwähnten Beleuchtungsanlage dienender 10 pferdiger
Gasmotor, sowie eine 15 pferdige Dampfmaschine mit Kesselanlage bestellt worden.
Nach dem Weggange von Mollier wurde Eugen Meyer, Dozent der tech-
nischen Hochschule Hannover, zunächst kommissarisch mit dem Ausbau der Anlage
betraut, erst ein Semester später (Ostern 1898) siedelte er endgültig nach Göttingen
über und übernahm zugleich mit der Professur auch das Direktorat des inzwischen zu
einer selbstständigen „Abteilung für technische Physik" erhobenen Instituts. Das erste
Praktikum war bereits im Wintersemester zustande gekommen, indem im November
die Gasmaschine und Anfang Januar die Dampfmaschine in Betrieb gekommen waren.
Dank der kräftigen Beihilfe der inzwischen gegründeten „Göttinger Vereinigung"
konnte schon jetzt an einen weiteren Ausbau gedacht werden, zu dessen Ausführung
der Staat einen namhaften Beitrag leistete. Es entstand im Frühjahr und Sommer 1 898
ein Anbau, die Räume 4 und 5 des Planes auf Tafel V enthaltend; darin gelangten zur
Aufstellung eine Kältemaschinenanlage mit Kohlensäurebetrieb und eine Generatorgas-
anlage; im großen Maschinensaal wurden zur gleichen Zeit eine 15 pferdige Dampf-
turbine, System de Laval, ein 2 pferdiger Petroleummotor (Geschenk des Herrn
Kommerzienrat Kuhn in Stuttgart), sowie ein 20 pferdiger Dieselmotor — das Prunk-
stück und zugleich Schmerzenskind des Laboratoriums — aufgestellt Nachdem noch
im Anfang des Jahres 1899 für die beiden Dampfmaschinen ein Oberflächenkondensator
in dem jetzt mit dem Maschinensaal vereinigten früheren Hofraum i* aufgestellt war, war
eine innerhalb der gezogenen Grenzen sehr vielseitige Einrichtung für das gesamte
Lehrgebiet der Wärmekraftmaschinen erreicht Es begann nun eine an Forschungs-
ergebnissen reiche Zeit Besonders bekannt geworden sind die Untersuchungen am
Gasmotor und an der Gasgeneratoranlage, die den speziellen Neigungen Meyers am
meisten entsprachen.
Als Eugen Meyer im Sommer 1900 einen Ruf an die technische Hochschule
13»
lOO Das Institut ßir angewandte Mathematik und Mechanik.
Charlottenburg annahm, wurde H. Lorenz, bis dahin außerordentlicher Professor in
Halle, für die Stelle gewonnen. Unter seiner Leitung hat das Institut einen weiteren
wichtigen Schritt vorwärts getan. Um in ähnlicher Weise, wie es für die Thermo-
dynamik bereits geschehen war, auch für Festigkeitslehre und Hydraulik die nötigen
Einrichtungen zu gewinnen, beschloß die „Göttinger Vereinigung", die inzwischen durch
Gewinnung neuer Mitglieder zu einer stattlichen Gesellschaft erstarkt war, einen
weiteren Neubau an die bisherigen Räume anzugliedern, mit dem nun ein gewisser
Abschluß erreicht werden sollte. Der Bau, der im Herbst 1901 begonnen und im
darauffolgenden Herbst bezogen wurde, wurde nicht wie die bisherigen Räume in
Fachwerk, sondern in massiver Bauweise ausgeführt. Er erhielt auch ein Obergeschoß, in
dem neben einigen anderen Räumen eine Dienstwohmmg für den Maschinisten Platz fand.
Die innere Einrichtung dieses Baues wurde vom Staat übernommen. In dem
Hauptsaale kamen Ende des Jahres 1902 eine Zerreißmaschine und eine Torsions-
maschine, sowie eine elektrisch angetriebene Pumpe mit Windkessel zur Aufstellung.
Später (1905) ist die Einrichtung noch durch eine Peltonturbine und eine hydraulische
Presse vervollständigt worden.
Lorenz schied Ostern 1904 aus dem Amte, um an der neugegründeten tech-
nischen Hochschule in Danzig den Lehrstuhl für Mechanik einzunehmen. Nach einem
Interregnum von einem Semester, in dem E. Riecke das Institut verwaltete, wurde
zum Herbst L. Prandtl, bis dahin Professor an c'er technischen Hochschule Hannover,
zum Direktor der Abteilung berufen.
Das Jahr 1905 brachte einen letzten sehr erfreulichen Fortschritt für das
Institut Nach dem Umzüge des physikalischen Instituts in das neue Haus an der
Bunsenstraße wurden die alten Räume an die „angewandte Mathematik" und die
„technische Physik" verteilt, so zwar, daß die an das Maschinenlaboratorium an-
grenzenden Räume am Leinekanal den Zwecken der technischen Physik, die an der
Prinzenstraße denen der angewandten Mathematik überwiesen wurden; beiden Instituten
gemeinsam ist ein Hörsaal und ein (allerdings erst als Projekt vorhandenes) Lesezimmer.
Die Zusammengehörigkeit der beiden Institute, die ja keineswegs eine bloß
äußerliche ist, ist bald nachher durch die gemeinsame Bezeichnung als „Institut für
angewandte Mathematik und Mechanik" zum Ausdruck gekommen.*)
1) Der bisherige Name „technische Physik" ist aufgegeben worden, um das Arbeitsgebiet des
Instituts von der angewandten Elektrizitätslehre wirksam zu unterscheiden, die auch zur technischen Physik
gerechnet werden kann. Der Begriff Mechanik ist dabei in seinem weitesten Sinne, auch die Thermo-
dynamik umfassend, genommen.
Tafel K
[ ^PM dcr.
Von C. RuNGB und Z. Prandtl.
lOI
Beschreibung der Institutseinrichtungen.
Was die Verteilung der Räume der Abteilung A betrifft (vergl. den Plan Tafel V),
so ist die Sammlung der feineren geodätischen und nautischen Instrumente im Erd-
geschoß in dem auf dem Plane mit A i bezeichneten Räume untergebracht — ver-
gleiche die Abbildung 2, die eine Auswahl der bemerkenswertesten Instrumente zur
Abb. 2. Geodätische Instrumente.
Anschauung bringt, von denen zwei Phototheodoliten, ein Zsisssches Telemeter (im
Hintergrund), sowie ein vollständiger Schiffskompaß (links) besonders hervorgehoben
werden mögen. Demnächst wird die Sammlung durch einen ZEissschen Stereokomparator
bereichert werden, für den die Göttinger Vereinigung die Mittel zur Verfügung ge-
stellt hat Die übrigen Zimmer des Erdgeschosses (Plan A 2, 3, 4, 5) enthalten
eine Sammlung von einfacheren geodätischen Geräten und sind auch für den geodä-
tischen Unterricht bestimmt In der ersten Etage dienen fünf Räume (Plan A 6, 7, 8, 9, 13)
als Zeichensäle. Es sind hier etwa 60 Zeichentische so aufgestellt, daß sie bei Tage
I02
Das Institut für angewandte Mathematik und Mechaniii,
ausreichend durch das Tageslicht beleuchtet sind. Zugleich ist für künstliche Beleuch-
tung durch Nernstlampen und Auerbrenner Sorge getragen. In dem Räume 13 ist
ein geeigneter Waschtisch zum Aufspannen der Zeichenbogen vorgesehen. Raum Nr. 10
ist Direktorzimmer, Nr. 12 als Dunkelkammer und Nr. 11 als Werkstatt eingerichtet
In dem Dachgeschoß befindet sich die Wohnung für den Hausverwalter.
Eine etwas ausführlichere Beschreibung verlangen die Einrichtungen der Ab-
Abb. 3. Wärmckraflmaschinensaal.
teilung B; ein Rundgang durch die Räume mag den augenblicklichen Stand des
Laboratoriums vor Augen führen.')
Wir beginnen mit dem Wärmekraftmaschinensaal (i), der 1905 durch Hinzu-
nahme des früheren Durchganges (i*) vergrößert worden ist (Abb. 3). Er enthält
die 15 pferdige Dampfmaschine {a) (eine Einzylinderschiebermaschine von Knoevenagel
i) Die im Text beigefügten Ziffern und Buchstaben beziehen sich auf den Plan (Tafel V), in
den die Maschinen sowie die sonstigen festaufgestellten Einrichtungen eingetragen sind.
Vim C RuNGB und Z. Prandtjl 103
in Hannover), die mit einem Einspritzkondensator {b) und einem Oberflächenkondensator {c)
ausgerüstet ist; als Hilfsvorrichtung zur Messung von Kondensat und Kühlwasser dient
ein Behälter {d) auf einer Dezimalwage und ein Messgefaß {e). An die gleichen
Leitungen wie die Dampfmaschine ist angeschlossen eine de Lavaische Dampf-
turbine (/) der Maschinenbauanstalt Humboldt in Kalk bei Köln, welche bei
24000 Umdrehungen pro Minute die gleiche Leistung entwickelt, wie die Dampf-
maschine bei 120 Umdrehungen.
Die 10 pferdige Gasmaschine {g) der Gasmotorenfabrik Deutz ist die normale
Betriebsmaschine des Maschinenlaboratoriums; sie treibt unter Zwischenschaltung eines
Riemendynamometers {fi) von Fischinger, das die durchgeleitete Arbeitsleistung zu
messen gestattet, die Transmissionswelle {{) an der Westmauer des Saales, von der
aus die Kältemaschine (4 a), sowie die Kondensatpumpe des Oberflächenkondensators
betrieben wird. (Für einen gleichfalls an die Transmission anzuschließenden Versuchs-
ventilator ist einstweilen der Platz vorgesehen).
Von der Gasmaschine wird ferner die Universaldynamo {k) der Allgemeinen
Elektrizitätsgesellschaft in Berlin angetrieben, die neben Gleichstrom von 80 Volt auch
Ein-, Zwei- und Dreiphasenstrom liefern kann; sie diente, zusammen mit einer im Keller
aufgestellten Batterie von 100 Ampere -Stunden-Kapazität, früher, wie schon erwähnt,
zur Beleuchtung der königlichen Bibliothek, außerdem als Hilfsmaschine für das elektro-
technische Laboratorium; jetzt versorgt sie nur mehr das Institut mit Strom.
Die Mitte des Saales wird eingenommen von einem 20 pferdigen Diesel-
motor (/) der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg, der größten Maschine des Labora-
toriums. Für die thermodynamische Untersuchung der Gasmaschine und des Diesel-
motors dient neben den Einrichtungen zur Messung der Gas- bezw. Fetroleumzufuhr
ein großer Gasmesser {m) von Elster in Berlin zur Messung der angesaugten Ver-
brennungsluft; die Gefäße n dienen zur Messung des Kühlwassers beider Maschinen,
An allen vorgenannten Kraftmaschinen befinden sich Bremsen und Indiziervor-
richtungen zur Ermittlung der Maschinenleistung, femer vollständige Einrichtungen zur
Aufstellung der Wärmebilanz.
Ein kleiner Petroleummotor {0) von Kuhn in Stuttgart vervollständigt die Samm-
lung von Wärmekraftmaschinen, in der freilich der modernste Typ, der Automobilmotor,
bis jetzt noch fehlt
Im Raum 2 finden wir den Dampfkessel {d) für die Dampfmaschinenanlage,
einen stehenden Siederohrkessel von 20,3 qm Heizfläche, geliefert von Knoevenagel
in Hannover, hierzu gehörig ein Brunnen {6) zur Speise Wassermessung. Der ab-
I04 ^^ Institut för angewandte Mathematik und Mechanik,
getrennte Teil des Raumes dient als Magazin; in einer Ecke befindet sich ein
Schmiedefeuer,
Raum 3 ist das Arbeitszimmer des Assistenten und Ausgabestelle der Mess-
instrumente. Hier wird auch die Besprechung und Berechnung der Praktikums- Versuche
vorgenommen.
Im Raum 4 befindet sich eine Kohlensäure -Kälteanlage von 8000 W.-EL pro
Stunde Kälteleistung, geliefert von der Maschinenfabrik L. A. Riedinger in Augsburg;
a ist der Kompressor, b der Verdampfer, in dem die flüssige Kohlensäure verdampft
und dadurch die zirkulierende Salzlösung kühlt; c ist der Kondensator, in dem die
Kohlensäure wieder mit Hilfe von Kühlwasser verflüssigt wird.
Raum 5 enthält eine Generatorgasanlage (Dowsongas) von der Gasmotoren-
fabrik Deutz, die 200 cbm Gas pro Stunde liefern kann, a ist der Generator, b der
Dampfkessel, c und d Reinigungsapparate. Im Hof befinden sich zwei Messgasometer
{e) zur abwechselnden Füllung und Entleerung, sowie ein Sammel-Gasometer (/) von größerem
Inhalt. Von dort führt auch eine Leitung zum Gasmotor, der, eigentlich für Leuchtgas
gebaut, auch den Betrieb mit Generatorgas zulässt
Wir gehen nun durch den Hausflur (6), von dem aus eine Treppe in die im ersten
Stock befindliche Maschinistenwohnung (10 — 14) und in ein Zimmer (15) fuhrt, in dem
sich eine meteorologische » Beobachtungsstelle befindet, die wegen des Anschlusses der
Beobachtungen einstweilen noch weiter unterhalten wird. Jenseits des Hausflurs ge-
langen wir in den Maschinensaal für Festigkeitslehre und Hydraulik (7) (Abb. 4). Es
findet sich hier eine elektrisch angetriebene Zerreißmaschine {a) von Mohr & Federhaff
in Mannheim, mit der neben Zugversuchen auch Druck-, Biege- und Scherversuche mit
nicht zu starken Probekörpem ausgeführt werden können; ihre größte Kraftleistung
ist 15000 kg. Femer ist eine Torsionsmaschine (b) von Amsler-Laffon in
SchaffTiausen (Maximalleistung 150 mkg) und eine hydraulische Presse (c) von
150000 kg Maximalkraft, geliefert von der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg, vor-
handen. Auf letzterer Maschine können Stücke bis zu 1,20 m Höhe gedrückt werden,
so daß sie auch für Knickversuche verwendbar ist. Zur Formänderungsmessung dienen
Marxens sehe Spiegelapparate.
An hydraulischen Einrichtungen ist bis jetzt folgendes vorhanden: eine Diffe-
rential-Kolbenpumpe {d) mit verstellbarem Hub und auswechselbaren Kolben von
verschiedenen Durchmessern, für 10 Atmosphären Maximaldruck, geliefert von
A. Knoevenagel in Hannover; sie wird durch einen lopferdigen Elektromotor {e) mit
Hilfe eines Vorgeleges angetrieben, und zwar ist die Einrichtung getroffen, durch elek-
Von C. RuNGB und Z. Prandtl,
105
Irische Schaltung und auswechselbare Riemenscheiben jede Tourenzahl zwischen 60
und 400 Umdrehungen pro Minute einzustellen. Vermittelst einer einfachen Hilfs-
einrichtung kann man die Pumpe auch als Luftkompressor laufen lassen. Mit der
Pumpe steht in Verbindung ein Windkessel (/) von 1,8 cbm Inhalt und Einrichtungen
zu Ausflußversuchen mit Luft und Wasser. Als Saugbehälter dient ein gemauerter
Brunnen {g) von etwa 7 cbm Inhalt. Als Vertreter der hydraulischen Kraftmaschinen
Abb. 4. Maschinensaal für Festigkeitslehre und Hydraulik.
ist einstweilen ein 6 pferdiges Peltonrad {li) von Breuer & Co. in Höchst
a. M. vorhanden, das sein Kraftwasser von der Pumpe erhält und es behufs
Messung der verbrauchten Menge in einen Behälter mit geaichten Ausfluß-
mündungen ausgießt. Zur Vervollständigung der hydraulischen Einrichtimgen ist
projektiert eine Zentrifugalpumpe und eine von ihr getriebene Vollturbine. — Die in^
diesem Räume als Betriebsmittel verwendete Elektrizität wird dem städtischen Netz
(Dreileiter mit ± 220 Volt) entnommen.
Göttinger Festschrift. I4
Io6 Das Institut fiir angewandte Mathematik und Mechamk.
Das an den Maachinenraum angrenzende Zimmer (8) dient als Arbeitsraum für
Versuche mit kleineren Mitteln, sowie während des Praktikums als Vortrags- imd
Rechenzimmer; hier hat auch eine von Krupp in Essen dem Institut geschenkte Samm-
lung von Schießproben (Panzerplatten und Geschosse), sowie Festigkeitsproben Auf-
stellung gefunden, Raum 9 ist eine mechanische Werkstatte, enthaltend eine größere
Leitspindeldrehbank (a) mit elektrischem Antrieb, eine kleinere Supportdrehbank (6) mit
Fußbetrieb, sowie eine Fräsmaschine (^r).
Gehen wir nun durch das ganze Haus zurück, und durch eine Tür im Maschinen-
raum einige Stufen hinauf zu den 1905 hinzugekommenen Räumen« Eingerichtet ist
bis jetzt das photographische Dunkelzimmer 16, sowie das Zimmer 17, das dem Direktor
der Abteilung zum Arbeitszimmer dient. Raum 18 ist für hydrodynamische Unter-
suchungen bestimmt und hat zu diesem Zweck einen wasserdichten Fußboden mit
Ablauf erhalten. Bis jetzt ist ein der Vollendung entgegengehender hydrodyna-
mischer Universalapparat*) aufgestellt, in dem sich ein durch eine Zentrifugalpumpe
betriebener Wasserumlauf befindet; Leitvorrichtungen und Siebe sorgen für eine ge-
ordnete Bewegung; durch Einbau verschiedener Gerinne in den Apparat lassen sich
Strömung um Hindernisse, Überfalle, stehende Wellen, Fließen in geraden und krummen
Gerinnen studieren.
Raum 19 soll für einfachere Untersuchungen in Mechanik und Wärmelehre ver-
wendet werden.
Durch das Treppenhaus gelangt man zu den Räumen 20 — 22, von denen 20
und 21 für mikroskopische und metallographische Untersuchungen bestimmt sind,
während 22 chemisches Zimmer werden soll. Der Saal 23 soll neben einer Vorlesungs-
sammlung einen Rundlauf für Anemometeruntersuchung und sonstige aerodynamische
Versuche erhalten.
Den beiden Abteilungen gemeinsam ist, wie schon erwähnt, der Hörsaal
(C I im Plan Tafel V) und das projektierte Lesezimmer (C 2). Der Hörsaal (der
frühere physikalische Hörsaal) hat 70 Sitzplätze, die treppen förmig aufsteigen. An
der Vorderwand befindet sich eine die ganze Breite einnehmende feste Wandtafel, über
der herabklappbar ein großer Rechenschieber von 2,5 m Länge (ein Geschenk der Firma
A, W. Faber) schwebt. Vor der Wandtafel soll ein Vorlesungstisch mit Einrichtung
zum Aufbauen einfacher mechanischer Versuche Aufstellung finden. Ein lichtstarker
i) Vergl. hierzu L. Prandtl, Ober Flüssigkeitsbew^^Dg bei sehr kleiner Reibung, Verhandlungen
des Internationalen Mathematikerkongresses zu Heidelberg 1904; Leipzig 1905, S, 484.
Von C. RUNGB und L. Prandtl, 107
Projektionsapparat, der auch die Abbildung von undurchsichtigen Gegenständen erlaubt,
wird die Einrichtung vervollständigen. Die Mittel hierzu sind von der Göttingef Ver-
einigung zur Verfugxing gestellt worden.
In dem Lesezimmer wird vorerst nur die Handbibliothek der Abteilung für
angewandte Mechanik zur Aufstellung gelangen, doch ist beabsichtigt, im Laufe der
Zeit die Bibliothek so zu erweitem, daß in ihr die wichtigste Literatur auf dem
Gesamtgebiet der angewandten Mathematik und Mechanik zugänglich gemacht
werden wird.
Unterrichtsbetrieb.
Man kann die allgemeine Aufgabe des Instituts für angewandte Mathe-
matik^ wie sie sich jetzt entwickelt hat, so formulieren, daß die Mathematik
in ihren Beziehungen zu den experimentellen Wissenschaften gelehrt werden soll, so
zwar, daß die Studierenden nicht nur die mathematischen Theorien kennen lernen,
sondern auch die numerische und graphische Durchfuhrung der Probleme. Zu dem
Zwecke muß der Unterricht ähnlich gestaltet werden wie die in den experimentellen
Wissenschaften schon seit langem üblichen praktischen Übungen. Die Studierenden
arbeiten einzeln an den ihnen gestellten Aufgaben und werden dabei von dem Professor
und seinem Assistenten beraten. Sie sollen zugleich die nötigen Fertigkeiten im Zeichnen
und in der Handhabung geodätischer und mathematischer Apparate (Rechenschieber,
Rechenmaschine, Planimeter etc.) erlernen, sowie auch die Kunst, eine Rechnung geeignet
anzuordnen und zu kontrollieren.
Auch für die grundlegenden Elementarvorlesungen des mathematischen Gesamt-
betriebs werden solche Übungen eingerichtet. Es lassen sich die Aufgaben so wählen,
daß sie sich auf wirkliche Dinge beziehen, ohne daß es doch nötig wäre, zu viel Zeit
mit der Auseinandersetzung der Aufgaben zu verlieren. Dabei ist immer Gewicht
darauf gelegt, daß der Studierende den Ansatz, d. h. die mathematische Formulierung
des Problems zu machen hat Die mathematische Ausfuhrung, nachdem der Ansatz
gefunden ist, bildet in vielen Fällen den geringeren Teil der Aufgabe. Die Erfahrung
lehrt, daß von dem Verständnis der mathematischen Beweise bis zu der Fähigkeit, sich
der mathematischen Hilfsmittel zur Erforschung oder Beschreibung wirklicher Verhält-
nisse zu bedienen, noch ein weiter Schritt ist. Durch Vorlesungen allein wird diese
Fähigkeit nicht genügend gepflegt
14*
Io8 D<^ Institut für angewandta Mathematik und Mechanik,
Der individuelle Unterricht bei den Übungen hat zugleich den großen Vorzug,
daß er auf die Auffassung des Einzelnen eingehen, seine Einwände widerlegen, seine
Mißverstandnisse beseitigen und eigene Gedankenbildungen des Schülers ermutigen und
vertiefen kann.
In dieser Weise ist im Sommer 1905 und im Winter 1905/06 die Differential-
und Integralrechnung behandelt worden und die Theorie der Differentialgleichungen
ist für den Sommer 1906 in Aussicht genommen. Daneben stehen Spezialvorlesungen.
Im Winter 1905/06 wurden Vorlesungen und Übungen über die graphischen Methoden
der Physik und Mechanik abgehalten.
Alle zwei Jahre findet eine Vorlesung über darstellende Geometrie statt, ver-
bunden mit den nötigen Übungen. In der Geodäsie erteilt E. Wiechert einen regel-
mäßigen Unterricht durch Vorlesungen und Übungen, dessen Kursus zwei Semester
umfaßt. Die Vorlesungen behandeln niedere und höhere Geodäsie, Nautik, Markscheide-
kunst und verwandte Gebiete, wobei auch die Rechnungsmethoden besprochen werden.
In den Übungen wird gelehrt, wie man mit den geodätischen, nautischen und Mark-
scheideinstrumenten umgeht, wie man sie justiert und wie man ihre Fehler bestimmt.
Dazu kommen praktische Vermessungsübüngen im freien Felde, bestehend in einer
Triangulation, einer Kleinvermessung, einer Nivellierung, einer barometrischen Höhenr
messung und Aufnahmen mit tachymetrischen Instrumenten und Meßtisch^ Die
Ergebnisse der Messung werden teils durch Rechnung, teils durch Zeichnung
verarbeitet
Die Wahrscheinlichkeitsrechnung wird gewöhnlich als selbständige Vorlesung
gelesen entsprechend dem allgemeinen Interesse, welches diese Disziplin für die ver-
schiedensten Gebiete nicht nur des naturwissenschaftlichen Studiums besitzt (z. B. für
das Versicherungswesen).
Der Unterricht in der Abteilung für angewandte Mechanik gliedert sich
in Vorträge (z. T. mit Übungen), in Praktika, sowie in Anleitung zu wissenschaftlichen
Arbeiten. Die Einrichtungen des Instituts dienen dabei als Anschauungsmaterial bei
den Vorträgen, hauptsächlich aber als Versuchsobjekte beim Praktikum und bei
experimentellen Forschungen.
Das Praktikum wurde bisher in zwei Abteilungen von je einem Semester
abgehalten. Die erste und am meisten frequentierte') Abteilung umfaßt die Unter-
i) Die grösste Teilnehmerzahl war bisher 22\ die Gesamtfrequenz seit der Gründung beträgt
augenblicklich 196 Teilnehmer.
Von C. RüNGB und L. Prandtu 109
suchungen an den Wärmekraftmaschinen, einschliesslich der Kältemaschine. Es werden
dabei hauptsächlich diejenigen Messungen gemacht, die zur Ermittlung der indizierten
und effektiven Leistung, sowie zuin Nachweis der thenriodynamischen Gesetze dienen:
Aufnahme von Indikatordiagrammen (und Planimetrierung), Messung der Umdrehzahl,
des Bremsmoments, der zugeführten Menge des Arbeitsmittels, Heizwertbestimmung,
Messung der abgeführten Wärmemengen usw. In der anderen, von der ersten
unabhängigen Abteilung werden die wichtigsten Versuche auf dem Gebiete der
Festigkeitslehre und Hydraulik gemacht: Zug, Druck, Biegung, Scherung, Torsion,
Knickung, an charakteristischen Materialien, unter Messung der feinen und groben
Formveränderung; Untersuchung der Pumpe und des Peltoiirades, Ausfluß von Wasser
und Luft
Die Zusammensetzung des Teilnehmermaterials ist — besonders beim Wärme-
maschinenpraktikum — ziemlich bunt; hauptsächlich sind es Mathematiker und Physiker,
sowie Chemiker, aus höheren und niederen Semestern. Eine systematische Vorbereitung
auf das Praktikum (durch vorhergegangene Vorträge über Maschinenwesen, Wärme-
lehre usw.) ist bei den wenigsten vorhanden. Da man so ungeübte Leute mit einer
Maschine nicht allein lassen darf, wo doch durch einen einzigen falschen Hand-
griff leicht die ganze Messung verdorben, wenn nicht gar ein Unglück herbeigeführt
werden könnte, so muß das Praktikum im großen und ganzen als ein Demonstrations-
praktikum abgehalten werden, bei dem nach einem einleitenden Vortrage die Einzel-
aufgaben der Messung an die Studenten verteilt werden, und dann der Versuch unter
Leitung des Vortragenden vorgenommen wird; die Auswertung des Resultats geschieht
in gemeinsamer Arbeit; hierauf erfolgt eine Besprechung der Ergebnisse, besonders
Vergleich mit der Theorie und mit anderen Versuchsresultaten.
Da die selbständige Betätigung der Studierenden auf diese Weise wenig zur
Ausbildung gelangt, ist außer dem bisherigen Praktikum die Einrichtung eines
Anfängerpraktikums geplant, welches einfachere Aufgaben aus der Mechanik der
starren Körper, sowie aus der Festigkeitslehre und Hydraulik umfassen und so Ge-
legenheit geben soll, mit verhältnismäßig bescheidenen (und daher auch an Schulen
beschaffbaren) Mitteln die wichtigsten mechanischen Messungen kennen und ausführen
zu lernen.
Zu selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten steht die ganze
Laboratoriumseinrichtung den sich Meldenden offen. Allerdings muß eine gewisse
Vertrautheit mit der Behandlung der Maschinen vorausgesetzt werden; doch steht
dabei sachkundige Hilfe von selten des Personals zur Verfügung. Größere Experimental-
HO Das InsHhU ßtr angewandte MathemaHk und Mechanik.
arbeiten sind bis jetzt vorgenommen worden am Gasmotor*)*) und der Generator-
gasanläge*), an der Dampfturbine^), am Dieselmotor*) und an den Festigkeits-
maschinen 5)^), femer Versuche über die spezifische Wärme des Wasserdampfes ^).
Nebenher gingen einige theoretische Arbeiten*)')"). Augenblicklich in Arbeit oder in
.Vorbereitung sind Versuche über Ausströmen von Druckluft"), über die elastischen
Eigenschaften von Gußeisen und Steinen, über die spezifische Wärme von Salzr
lösungen für Kältemaschinen, über die Wärmedaten von hochsiedenden Dämpfen für
Mehrstoffmaschinen, sowie Versuche an dem hydrodynamischen Apparat
Um das vorstehend entworfene Bild des Unterrichtsbetriebes zu vervollständigen,
mag hier ein Verzeichnis der von den bisherigen Direktoren gehaltenen Vorlissungen
folgen; wiederholt gehaltene Vorträge sind dabei nur einmal aufgeführt
Allgemeine Maschinenlehre, Maschinentechnik, Technologie (für Hörer aller Fakul-
täten, insbesondere Juristen); landwirtschaftliche Maschinenlehre; technische Mechanik,
dynamische Aufgaben der Technik, Festigkeitslehre, Hydromechanik, Hydraulik und
Gasdyiiamik, Thermodynamik, technische Wärmelehre, Wärmemotoren, Theorie der
mechanischen Meßinistrumente, technisches Zeichnen.
Die beiden Abteilungen des Instituts vereinigen sich im Seminarunterricht Es
werden hier von den Teilnehmern Vorträge gehalten, die ein Thema aus den tech-
i) Eugen Meyer, Untersuchungen am Gasmotor. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure
Bd. 45 (1901), S. 1297 und 1341, Bd. 46 (1902), S. 945, 996, 1303 und 1391; Mitteilungen über Forschungs-
arbeiten, herausgegeben vom Verein deutscher Ingenieure. Heft 3 (1901), S. i und Heft 8 (1903), S. 55.
2) G. HoRoviTZ, Ober die Wärmeausnutzung in der Gasmaschine. Dissertation 1902.
3) £. H. Schütz, Die Ausnutzung des Dampfes in den Lavalturbinen. Dissertation 1901«
4) W. Luyken, Ober den Verbrennungsprozeß im Dieselmotor. Dissertation 1904.
5) H. Hort, Ober die Wärmevorgänge beim Zerreißversuch. Dissertation 1906.
6) S. Berliner, Das elastische Verhalten von Gußeisen bei langsamen Belastungswechseln. Disser-
tation 1906.
7) H. Lorenz, Die spezifische Wärme des überhitzten Wasserdampfes. Zeitschr. des Vereins
deutscher Ingenieure 1904, S. 698.
8) W. HoRTy Die Entwicklung des Problems der stetigen Kraftmaschinenregelung. Disser-
tation 1904.
9) K. Giebel, Ober den Einfluß der Hemmung auf den Gang der Uhr. Dissertation 1905.
10) S. TiMOSCfiENKOy Ober die Stabilität der Biegung eines I- Trägers bei Belastung in Richtung
der größten Steifigkeit. St. Petersburg 1906.
1 1) Vergl. hierzu L. Prandtl, Beiträge zur Theorie der Dampfströmung durch Düsen, Zeitschr. d.
Vereins deutsch. Ing. 48 (1904), S. 348; Ober die stationären Wellen in einem Gasstrahl, Physikal. Zeit-
schrift 5 (1904), S. 599; femer Encyklopädie der math. Wiss. Bd. V, 5 b (Strömende Bewegung der Gase
und Dämpfe).
Van C RuNGB und Z. Pxandtjl i i i
nischen Wissenschaften behandeln. Dieser Unterricht bildet die Fortsetzung einer
Reihe von Seminaren, die F. Klein seit 1899 gehalten hat/) Die Vorträge werden
in gemeinsamen Besprechungen vorbereitet und diskutiert Die technischen Wissen-
schaften sind reich an Kapiteln, deren volles Verständnis eine tiefe mathematische
Bildung erfordert. Der Unterricht setzt sich zum Ziel, die Entwicklung der mathe-
matischen Methoden zu vereinigen mit dem vollen Verständnis der praktischen Probleme
in dem Umfang und in der Fassung, wie sie sich dem ausübenden Ingenieur darbieten.
Das neue Institut ist in dieser Festschrift unter die physikalischen Institute
gerechnet worden. Der Anlaß dazu ist nicht nur der äußerliche, daß die Übersiedlung
der Physik in ihre neuen Räume die alten Räume freigegeben ' und dadurch die Er-
richtung unsres Institutes erst ermöglicht hat Es ist auch eine innere Beziehung vor-
handen. Bei der Abteilung B liegt sie am Tage. Denn die angewandte Mechanik
galt überhaupt bisher als ein Zweig der Physik. Aber auch die angewandte Mathe-
matik hält ihre enge Verwandtschaft zur Physik aufrecht, wie überhaupt die gute
wissenschaftliche Verständigung und Durchdringung der mathematischen und physi-
kalischen Fächer eine alte Göttinger Tradition ist
i) Die Gegenstände der KusiNschen Seminare waren:
Winter 1899 — 1900: Theorie des Schifies. Sommer 1900: Technische Anwendungen der Elastizi-
tätstheorie (zusammen mit Abraham). Winter 1900— 190 1: Anwendungen der projektiven Geometrie.
Sommer 1901: Geodäsie. Winter 1901 — 1902: Technische Mechanik. Sommer 1902: Elementare Auf-
gaben der himmlischen Mechanik (zusammen mit Schwarzschild). Winter 1902 -1903: Prinzipien der
Mechanik (zusammen mit Schwarzschild). Sommer 1903: Graphische Statik mit Festigkeitslehre (zu-
sammen mit Schwarzschild), Winter 1903 — 1904: Ausgewählte Kapitel der Hydrodynamik (zusammen
mit Schwarzschild). Sommer 1904: Wahrscheinlichkeitsrechnung (zusammen mit Brendel, Caratheodory
und Schwarzschild). Winter 1904 — 1905: Elastizitätslehre (zusammen mit Prandtl, Runge und Voigt).
Sommer 1905: Elektrotechnik (zusammen mit Prandtl, Runge und Simon). Die Elektrotechnik wurde zu-
sammen mit Simon von Prandtl und Runge im Winter 1905 — 1906 fortgesetzt. Im Sommer 1906 ist
von Prandtl und Runge ein Seminar über graphische Statik geplant.
Abb. I. Das Institut für physikalische Chemie.
VI.
Das Institut für physikalische Chemie.
Von
Friedrich Dolezalek.
Wenn in dieser Festschrift auch über das schon ein Dezennium bestehende Institut
für physikalische Chemie der Georgia Augusta einige Worte gesagt werden, so ge-
schieht dies deshalb, weil einerseits diese wissenschaftliche Arbeitsstätte auch zu den
Zweigen gehört, welche das physikalische Hauptinstitut getrieben, andererseits deshalb,
weil dessen berühmter Begründer und bisheriger Leiter, Herr Professor Nernst, einem
ehrenvollen Rufe folgend, kürzlich die Göttinger Universität verließ, und hierdurch ,in
der Entwicklungsgeschichte des Institutes ein historischer Abschnitt herbeigeführt wurde.
Außerdem ist ein Rückblick auf die glanzvolle Entwicklung, auf die zahlreichen wissen-
schaftlichen Leistungen dieses Institutes wohl geeignet, die Festesfreude des Mutter-
institutes noch zu mehren.
Der Geburtstag dieser physikochemischen Arbeitsstätte fällt in den Oktober 1891,
als im physikalischen Institut eine besondere Abteilung für physikalische Chemie ein-
gerichtet und Nernst unterstellt wurde. Infolge des raschen Aufblühens des erst
Das Instiitä ßir pfynkalüche Chemie; van Friedrich Dolezalbk. 113
wenige Jahre alten Wissenszweiges und besonders infolge des Umstandes, daß dieses
selbst mit in erster Linie den hervorragenden Forschungsarbeiten des Abteilungsleiters
zu danken war, wurden die zu Gebote stehenden Räumlichkeiten bald viel zu eng,
so daß Ende 1894 die Gründung eines größeren Spezialinstitutes für physikalische
Chemie beschlossen wurde. Mit einem gesamten Kostenaufwande von 105000 Mark
war auch bereits Ostern 1895 ein massives Wohnhaus in der Bürgerstraße 50 durch
einen Anbau vergrößert und zu einem geräumigen Institut*) ausgebaut worden. Für
die innere Einrichtung mit Maschinen, Apparaten und dergleichen wurde die Summe
von 60000 Mark ausgeworfen. Die erste Etage (siehe Abbildung i) des Haupt-
gebäudes diente als Direktorwohnung. Das Erdgeschoß enthielt außer einem Audi-
torium 18 Arbeitsräume, das Kellergeschoß 3 Vorratsräume, den Maschinenraum, den
Akkumulatorenraum, einen tief gelegenen Raum für Arbeiten bei konstanter Temperatur
und noch 10 weitere Arbeitsräume. Die Arbeitsräume beider Stockwerke bestehen
teilweise aus größeren Zimmern für die Abhaltung des physikochemischen Praktikums,
der elektroanaly tischen und der elektropräparativen Übungen usw., teilweise aus kleineren,
nur für einen selbständigen Arbeiter bestimmten Räumen. Diese Einteilung hat sich
die Jahre hindurch außerordentlich bewährt, da eine große Zahl physikochemischer
Untersuchungen, wie z. B. das Arbeiten mit der Telephonbrücke und dergleichen, ge-
sonderte, geräuschfreie Räume erfordert
Der wissenschaftliche Name des Institutsleiters brachte es mit sich, daß gleich
vom Eröffnungstage an nicht nur aus Deutschland, sondern aus allen Teilen der Welt
Schüler herbeiströmten und das Institut füllten, so daß schon am Einweihungstage
(2. Juni 1896) eine stattliche Zahl von begeisterten Schülern ihrem Lehrer und Meister
Huldigungen darbringen konnten. Auch in der Folgezeit wuchs die Frequenz noch
weiter an, wodurch bereits nach wenigen Jahren (1898) eine weitere Vergrößerung
des Institutes notwendig wurde. In diese erste Periode der Institutsentwicklung
(1895 — 1898) fällt auch bereits eine große Zahl wertvoller wissenschaftlicher Arbeiten.
Ich erwähne hiervon nur: Die Präzisionsmessungen über den Gefrierpunkt von Lösungen
(Abegg, Nernst, Roloff), die Ausarbeitung und Anwendung der Messungsmethoden
zur Bestimmung von Dielektrizitätskonstanten von Flüssigkeiten und Flüssigkeits-
gemischen, zur Messung der Polarisationskapazität von Elektroden, des inneren Wider-
standes galvanischer Elemente bei Stromdurchgang (Abegg, Maltby, Nernst, Philip,
i) Vergl. W. Nernst, Das Institut für physikalische Chemie und besonders Elektrochemie an der
Universität Göttingen. Festschrift zur Einweihungsfeier. W. Knapp, Halle a. S. 1896.
Göttinger Festschrift. 15
114
Das Insiitul für physikalische Chemie,
Ratz, Gordon, Scott, Haagn), die elektropräparativen und elektroanaly tischen Arbeiten
von Küster, Lorenz, Specketer, von Steinwehr, Untersuchungen über die elektro-
ly tische Abscheidung des Kohlenstoffes von Coehn, die Ausbildung der Methode zur
Bestimmung der Zersetzungsspannung von Lösungen (Bose, Glaser, Kernst), Unter-
suchungen über den sogenannten Reststrom (Danneel, Salomon),
eine ausgedehnte Untersuchung von Bodländer über feste
Lösungen, eine ausführliche Arbeit über die Erzeugung Lenard-
scher Strahlen von Des Coudres und mehrere Arbeiten auf
dem Gebiete der wissenschaftlichen Photographie von Abegg.
Wie hieraus zu ersehen, entwickelte sich in dem jungen Institut
sofort eine sehr rege und äußerst vielseitige wissenschaftliche
Tätigkeit. Aber auch Leistungen von hervorragender tech-
nischer Bedeutung fallen in diese Periode. Erstand dort doch
im Jahre 1897 das erste elektrolytische Glühlicht, die erste
Nemstlampe, welche die ganze elektrische Beleuchtungstechnik
in neue Bahnen lenkte, ihr zu einem neuen großen Aufschwung
verhalf und vielen Hunderten von Menschen Arbeit und Er-
werb brachte.
Die Zahl der fabrizierten und in alle Welt versandten
Nemstlampen beträgt heute mehrere Tausend Stück pro Tag.
Im ganzen wurden bisher 4 Millionen Nemstlampen bezw. Nemst-
brenner fabriziert. Die Lampe ist infolge der viel günstigeren
Strahlung des Fadens der alten Kohlefadenlampe erheblich
überlegen, auch bildet sie in den größeren
und lichtstärkeren Formen ein wertvolles
Zwischenglied zwischen Glüh- und Bogen-
lampe. Sie entspricht hierdurch einem
lange bestehenden dringenden Wunsche
der Beleuchtungstechniken Es braucht
hiernach wohl nicht besonders hervor-
gehoben zu werden, daß diese Erfindung
eine hohe wissenschaftliche und wirtschaft-
liche Bedeutung besitzt und daß die zur
Errichtung des Institutes aufgewandten
Summen hiergegen weit zurücktreten.
Abb. 2. Grundriß des Erdgeschosses.
Von Friedrich DoLEZALtK 115
Der Erfinder hat später in uneigennütziger Weise aus eigenen Mitteln (40000 Mark)
das Institut durch einen Anbau vergrößern lassen. Es entstanden hierdurch die
Räume XIV, XV, XVI im Erdgeschoß (siehe nebenstehenden Grundriß Abb 2) und
entsprechende Arbeitsräume im Kellergeschoß. Das Institut besitzt daher heute die
in nebenstehendem Grundriß des Erdgeschosses wiedergegebene Gestalt und Größe.
Von der Freitreppe aus gelangt man durch den Korridor zunächst zu den
beiden mit Drehbänken, Hobelbank und Werktischen ausgestatteten Werkstattsräumen
des Institutsmechanikers (VI und VII) und zu zwei Assistentenzimmem (VIII und IX),
alsdann zur Institutsbibliothek (V), in welcher die wichtigsten Zeitschriften und über
100 chemische und physikalische Lehrbücher zur freien Benutzung der Studierenden
ausliegen. Die Bücher können abends von den Studierenden auch mit in die Wohnungen
genommen werden. Trotz dieser liberalen Bibliotheksordnung ist in dem Zeitraum von
10 Jahren nur ein einziges wertloses Buch verloren gegangen, andererseits aber das
theoretische Studium der Doktoranden ganz bedeutend gefördert worden.
Von der Bibliothek durch den Korridor weitergehend gelangt man linker Hand
zunächst zu dem Sammlungsraum (IV), in welchem auf offenen Regalen und in Schränken
die zur Zeit nicht in Gebrauch befindlichen Apparate und Meßinstrumente aufbewahrt
werden. Diese Sammlung ist im Laufe der Jahre sehr bereichert worden, so daß das
Institut jetzt über ein außerordentlich großes Instrumentarium verfügt. Von wert-
volleren Apparaten sind z. B. vorhanden: 20 Spiegelgalvanometer, 22 Zeigergalvano-
meter, 13 Elektrometer, 30 Widerstandskästen, 80 Regulierwiderstände, 10 Walzen-
brücken, 60 Strommesser, mehrere Präzisionswagen, Spektrometer, Refraktometer,
Wechselstrommeßapparate, Funkeninduktoren, Transformatoren, Kondensatoren, Ablese-
femrohre, Mikroskope, eine Hochfrequenzmaschine, eine größere Zahl kleiner Heiß-
luftmotore usw.
Dem Sammlungsraum gegenüber befinden sich die Arbeitszimmer des Direktors
(XI, XII, XIII); sie stehen durch eine Tür mit dem Treppenhaus der Direktorwohnung
unmittelbar in Verbindung. Das Zimmer II ist für die Ausführung größerer, rein
chemischer Arbeiten eingerichtet, mit Abzügen und chemischen Arbeitstischen ver-
sehen und dient besonders für solche Untersuchungen, bei denen Dämpfe in größerer
Menge entwickelt werden. Es steht daher auch unmittelbar mit keinem Räume in
Verbindung, in welchem feinere Meßapparate aufgestellt werden.
Die beiden Säle I und XIV sind mit Demonstrationstischen versehen; jeder
von ihnen kann, dem zeitweiligen Bedürfnis entsprechend, als Auditorium benutzt
werden. Der zweite, freie Saal dient dann zur Abhaltung des physiko- chemischen
i5^
1 1 6 Das InsHHä för pfysikalische Chemie.
Einführungspraktikums, Zimmer XVI ist zum Verdunkeln eingerichtet und mit einer
vollständigen photographischen Einrichtung ausgestattet.
In dem Maschinenräume befindet sich ein lo pferdiger Deutzer Gasmotor, eine
Siemenssche Nebenschlußdynamo von 6 Kilowatt Leistung, welche sowohl Gleichstrom
wie auch Wechselstrom und Drehstrom zu liefern vermag; femer ein Maschinengebläse
und eine Lindesche Luftverflüssigungsmaschine mit einem Torpedokompressor von
Whitehead (Fiume). Nach Anbringung einiger Verbesserungen arbeitet die letztere
Maschine ganz vorzüglich. Die Verflüssigung beginnt bereits i'/^ Stunde nach In-
betriebsetzung; die Maschine liefert dann mit einem Kraftaufwand von ca. 4 Pferde-
stärken ^/^ bis I Liter flüssige Luft pro Stunde. Hierdurch ist das Institut auch für
Ausführung von Untersuchungen bei sehr tiefer Temperatur (bis — 190° C) geeignet
Der Kompressor erlaubt, Luft und andere Gase in großer Menge bis zu einem Druck
von 300 Atmosphären zu verdichten.
Als elektrische Energiequelle dienen mehrere Akkimiulatorenbatterieen: Eine
36 zellige mit emer Kapazität von 180 Ampere-Stunden, eine 30 zellige mit einem Auf-
speicherungsvermögen von ca. 100 Ampere-Stunden und drei kleinere 10 Volt-Batterieen.
Von dem Akkumulatorenraum sind Leitungen durch alle Räume geführt, so daß überall
Spannungen verschiedener Größe (2 bis 72 Volt) zur Verfügung stehen. Außerdem
ist auch in alle Zimmer die städtische Lichtleitung mit 220 Volt eingeführt.
Daß diese reichen Institutsmittel auch eine würdige Verwendung gefunden und
eine außerordentliche Förderung unserer physikalischen und chemischen Kenntnisse
gebracht haben, das möge der nachfolgende Überblick über die seit 1898 erschienenen
Publikationen zeigen. Derselbe enthält nur die wichtigeren größeren Arbeitsprobleme
und macht auf Vollständigkeit keinen Anspruch.
Die bereits 1897 begonnenen Untersuchungen über die Zersetzungsspannungen
wässeriger Lösungen wurden fortgesetzt und besonders der Einfluß des Elektroden-
materiales studiert (Caspari, Coehn, Nernst, Osaka); femer auch diese Messungen
auf geschmolzene Salze ausgedehnt (Garrard). Die Nemstsche Methode der
Messung von Dielektrizitätskonstanten wurde angewandt auf Gase und Flüssigkeiten
(Bädecker, Türner). Die elektrische Nervenreizung wurde als elektrolytisches Phä-
nomen erkannt und eingehend in ihrer Abhängigkeit von der Stromperiode untersucht
(Barratt, Nernst, Zeyneck). Im Anschluß an die neue Lampe unternahmen Böse,
Nernst, Reynolds eingehende Messungen über die Leitfähigkeit von reinen und ge-
mischten Oxyden bei hohen Temperaturen. Abegg untersuchte die Leitfähigkeit von
reinen Substanzen bei gewöhnlicher Temperatur; Frenzel diejenige von Lösungen in
Von Friedrich Dolbzalek. 117
flüssigem Ammoniak. Die elektrolytischen Erscheinungen an der Grenzfläche ver-
schiedener Lösungsmittel wurden in mehreren Abhandlungen von von Lerch, Nernst,
Riesenfeld klargelegt. Die Polarisationskapazität und Elektrokapillarität behandeln wert-
volle Arbeiten von Krüger, Über die Theorie des Bleiakkumulators erschienen mehrere
Arbeiten von Dolezalek. Das Problem des Helmholtzschen Reststromes, welches
schon früher in Angriff genommen war, wird für den Fall der Metallabscheidung durch
Arbeiten von Grassi, Nernst, Merriam endgültig aufgeklärt. Von elektrochemischen
Untersuchungen seien ferner noch erwähnt die Arbeiten von Coehn und Gläser über
die Elektrolyse von Nickel- und Kobalt-Salzlösungen, die Studien über elektrolytische
Bildung von Legierungen (Kettembeil, Dannenberg), die Arbeiten über die Auflösung
von Platin durch Wechselströme (Ruer), das elektrolytische Verhalten von Acetylen
und gelöster Kohlensäure (Coehn, Jahn), mehrere Arbeiten über die Bildung und Zer-
setzung des Ozons (Klement, Gräfenberg, Jahn, Kreman, Piekel), ausgedehnte
Untersuchungen über die Leitfähigkeit gepreßter Oxyd- und Sulfidpulver durch
Streintz und die genaue Feststellung des Potentiales der wichtigsten Meßelektroden
durch WiLSMORE. Die Probleme der Lösungstheorie wurden gefördert durch Präzisions-
messungen über den Gefrierpunkt verdünnter Lösungen (Hausrath), über die Ver-
dünnungswärme von Lösungen geringer und hoher Konzentration (von Steinwehr, Rümelin),
Arbeiten über die Theorie des Dampfdruckes von Lösungen (Dolezalek, Gahl), Studien
über das Gleichgewicht und die Reaktionsgeschwindigkeit in heterogenen Systemen
sind von Brunner, Danneel, Levin, Nernst ausgeführt und haben wichtige Aufschlüsse
über die Rolle der Diffussion bei derartigen Systemen geliefert. In den letzten Jahren
hat sich Nernst mit seinen Schülern vornehmlich der Erforschung der chemischen
Reaktionen bei extrem hohen Temperaturen zugewandt. Es gelang ihm mit Hilfe von
elektrisch geheizten Iridiumröhren Molekulargewichtsbestimmungen bis zu ca. 2000° C
mit relativ großer Genauigkeit auszuführen. Für die Abwägung der hierzu anwend-
baren geringen Substanzmengen mußte eine besondere Quarzfadenwage (Mikrowage)
konstruiert werden. In zahlreichen Arbeiten mit den Schülern Jellineck, Löwenstein,
Preuner, von Wartenberg gelang es Nernst, das äußerst schwierige Problem zu
lösen, die Dissoziationskonstante des Wasserdampfes und der Kohlensäure bei hohen
Temperaturen genau zu bestimmen. Die hierdurch gewonnenen Zahlenwerte besitzen
nicht nur wissenschaftliches Interesse, sondern auch fundamentale Bedeutung für die
Theorie der Gaskraftmaschinen. Auch die von Nernst studierte Bildung des Stick-
stoffoxydes aus atmosphärischer Luft bei hohen Temperaturen ist von weittragender,
allgemeiner Bedeutung (für die künstliche Gewinnung von Stickstoffdünger).
1 18 Das Institut fiir physikalische Chemie; van Friedrich Dolezalek.
Überblicken wir die während des lo jährigen Bestehens geleistete gewaltige
Fülle von wissenschaftlicher Forschungsarbeit, welche in über 200 Druckschriften in
die Öffentlichkeit gedrungen, dann können wir mit Recht sagen, daß die Erwartungen
des bisherigen Institutsleiters sich in überreichem Maße erfüllten; die Erwartungen, die
er aussprach, indem er in seiner Eröffnungsrede sagte:
„Wissenschaftliche Arbeiten, nicht solche, welche sich nicht an das Licht
der Öffentlichkeit wagen, sondern Druckschriften, die der Schüler mit seinem
eigenen Namen zu vertreten hat, das sind die sichtbaren Früchte, die unser
Institut zu ernten hofft."
VII.
Das Institut für Geophysik.
Von
E. WiECHERT.
L Vorgeschichte; 1832— 1897 (Erdmagnetisches Observatorium).
a) Einleitung.
Das Göttinger Institut für Geophysik ist hervorgegangen aus dem erd-
magnetischen Observatorium, welches C F. Gauss im vierten Dezennium des vorigen
Jahrhunderts in der Göttinger Sternwarte begründete. So fand es seine Stätte zunächst
in der Sternwarte und blieb dort bis zu seiner Übersiedelung in das neue Anwesen
auf dem Hainberg im Jahre 1901. —
Bei dem Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert nahm die rasch erblühende
Naturforschung sich mit Eifer des Erdmagnetismus an. In vielfachen Beobachtungen
wurde die Verteilung des Erdmagnetismus auf der Erde festgestellt, und der rätselvolle
Verlauf der zeitlichen Variationen untersucht Insbesondere hat sich Alexander von Hum-
boldt teils durch ausgedehnte eigene Arbeiten, teils durch Anregung Anderer große
Verdienste erworben. Auf seinen amerikanischen Reisen 1799 — 1804 machte er zahl-
reiche magnetische Beobachtungen, vor allem auch relative Messungen der Intensität,
die dann vorbildlich wurden, und verfolgte nach seiner Rückkehr 1806 — 1807 in Berlin
in einer Reihe von Terminen von je vier und mehr Tagen in regelmäßigen stündlichen
Beobachtungen die Variation der Deklination. Die kriegerischen Ereignisse unterbrachen
dann seine Arbeiten. 18 18 begann Humboldts Freund Arago Beobachtungen ähnlicher
I20 Das Institut fiir Geophysik,
Art in Paris, 1827 nahm Humboldt in Berlin seine Beobachtungen mit neuem Eifer
wieder auf, Kuppfer in Kasan schloß sich mit Instrumenten gleicher Art an. So
konnte festgestellt werden, daß an diesen um mehr als 47° der Länge umfassenden
Stationen die Störungen der Deklination oftmals in ganz gleicher Weise verliefen. Auf
den Reisen durch Asien, die Humboldt 1829 im Auftrage des russischen Kaisers
unternahm, gelang es ihm eine ganze Reihe von erdmagnetischen Beobachtungsstationen
bis nach Peking hin ins Leben zu rufen. Weitere Stationen wurden in Deutschland
und Amerika gegründet. — Für die systematischen Beobachtungen schlug Humboldt
1830 sechs Termine im Jahre vor, von denen jeder je 44 aufeinander folgende
Stunden und zwar in stündlichen Beobachtungen imifassen sollte.
b) Tätigkeit von Carl Friedrich Gauss.
(Geb. 30. April 1777, gest. 2^, Februar 1855.)
In diese Zeit der Entwicklung griff Gauss, von seinem jugendlichen Freimd Weber
unterstützt, machtvoll ein und widmete sich dem Erdmagnetismus rund 10 Jahre hin-
durch, von 1832 bis 1842. Es scheint nicht möglich, ein anschaulicheres Bild von
seiner Tätigkeit zu geben, als wenn man dem Beispiele von E. Schering*) folgend,
ihn selbst in den Briefen sprechen läßt, die er in jener Zeit freudigen Herzens an seine
Freunde richtete.
Absolute Intensität Am 18. Februar 1832 schrieb Gauss an Olbers: „Ich
beschäftige mich jetzt mit dem Erdmagnetismus, namentlich mit einer absoluten Be-
stimmung von dessen Intensität Freund Weber macht nach meiner Angabe die Ver-
suche. So wie man z. B. von Geschwindigkeit nur durch Ansetzung einer Zeit und
eines Raumes einen klaren Begriff geben kann, so, finde ich, muß zur vollständigen
Bestimmung der Intensität des Erdmagnetismus angegeben werden ein Gewicht und
eine Linie. . . . Ich werde, wenn es Sie interessiert, Ihnen gern demnächst etwas Näheres
mitteilen und bemerke nur, daß man dabei zwei Nadeln A und B nötig hat, . . . Auch
für Deklination und Inklination hoffe ich, mehrere neue Verbesserungen mit Webers
Hilfe angeben zu können."
Diese Worte zeigen, daß Gauss hier die Methoden der Definition und der Be-
stimmung der absoluten Intensität des erdmagnetischen Feldes schon vollständig vor
i) Carl Friedrich Gauss und die Erforschung des Erdmagnetismus. Abb. d. K. Ges. d. Wissensch.
zu Göttingen, Bd. 34, 1887. Alle Zitate aus Briefen, die im folgenden obne nähere Bemerkung angeführt
werden, sind dieser Schrift entnommen.
Von E, WlBCHBRT. 121
Augen hatte, welche er am Ende des Jahres in der Abhandlung „Intensitas vis mag-
neticae terrestris ad mensuram absolutam revocata" näher darlegte, und die dann
schnell allgemeine Anerkennung fanden. — Abgesehen von einigen unvollkommenen Ver-
suchen der absoluten Intensitätsbestimmung, die auf Poisson zurückgehen, kannte man
bis auf Gauss nur relative Intensitätsmessungen, indem man ein und dieselbe Magnet-
nadel an verschiedenen Orten schwingen ließ. Welche Wichtigkeit Gauss dem gegen-
über den absoluten Messungen beilegte, geht aus den folgenden Worten hervor, die
er am 3. März 1832 an Schumacher richtete: „Schon jetzt geben die Versuche, die
hauptsächlich Freund Weber nach meinen Angaben gemacht hat, eine Genauigkeit,
worin wohl schwerlich mehr als einige Prozent Ungewißheit zurückbleiben; man wird
es aber viel weiter treiben können. Es ist gewiß in zwiefacher Rücksicht sehr wichtig,
daß wir hierin ins Klare kommen. Ist die Möglichkeit erst da, wenn auch unter An-
wendung von einigen Vorkehrungen, die absolute Größe des Erdmagnetismus zu be-
stimmen, so soll man sich dies an einer Anzahl Örter über der ganzen Erde angelegen
sein lassen; reisende Beobachter führen invariable Nadeln bei sich, womit sie die Ver-
hältnisse anderer Örter unter sich bestimmen, und indem sie von Zeit zu Zeit solche
Punkte berühren, wo die absolute Intensität ausgemittelt ist, versichern sie sich der
bleibenden Invariabilität ihrer Nadeln, und führen ihre Resultate auf absolutes Maß.
Aber noch wichtiger ist es für künftige Jahrhunderte, in denen eben so bedeutende
Änderungen in der absoluten Intensität zu erwarten sind, wie wir sie lange bei der
Deklination und Neigung kennen."
Nicht übersehen wollen wir, wie Gauss hier die Hilfe hoch anerkennt, welche
er in seinem jungen Freunde Wilhelm Weber, dem Vorsteher des physikalischen
Kabinets, findet. Gauss war damals 55 Jahre alt, W. Weber aber zählte erst
28 Jahre. In hingebender Verehrung schloß sich Weber an Gauss und dieser
antwortete mit warmer Freundschaft. Am 12. Mai 1832 schrieb Gauss an Encke
in einem P. S.- „Ich erbreche den Brief noch einmal, weil ich erst jetzt bedenke gar
nichts in Beziehung auf ihre Äußerungen über Weber gesagt zu haben. Im Grunde
ist's freilich überflüssig, da Sie auch wohl von Rudberg hören werden, in wie engem
freundschaftlichen Verhältnisse wir stehen. In der Tat ist mir mein Leben in Göttingen
durch sein Hiersein viel lieber geworden. Er ist ebenso liebenswürdig von Charakter
als talentreich." — Bis zum Tode von Gauss blieb das schöne Verhältnis in un-
veränderter Frische bestehen.
Deklination. Wie für die Messungen der Intensität, so hat Gauss auch für
die Messungen der Deklination umgestaltend gewirkt; er erfand in der Spiegelablesung
Göttinger Festschrift. l6
122 Das InsHtut für Geophysik,
für die Beobachtung ein Hilfsmittel, welches den bis dahin üblichen an Bequemlichkeit
und Genauigkeit bei weitem überlegen war. Den Eifer, mit welchem er sich allen
diesen Messungen widmete, die Freude, welche sie ihm bereiteten, sehen wir aus vielen
seiner Briefe hervorleuchten. Am 12. Mai 1832 schreibt er an Schumacher: „Mit
meinen magnetischen Beschäftigungen hat es guten Fortgang. Ich habe mir eigentüm-
liche Apparate ausgesonnen, die sich durch Einfachheit, Sicherheit und eine den
astronomischen Beobachtungen gleichkommende Schärfe, endlich auch durch Wohlfeilheit
empfehlen. Ich hoffe, daß solche in Zukunft stehende Stücke auf allen Sternwarten
ausmachen werden. Es ist eine wahre Lust, damit absolute Deklination, ihre Intensität
und die stündlichen und täglichen Variationen von beiden zu beobachten. In den Zeit-
ansetzimgen ist nie von Zehnteilen der Sekunde Fehler die Rede, es handelt sich stets
nur um wenige Hundertteile. Auch mit der Zurückführung der Intensität auf absolute
Einheit geht es vortrefflich. Übrigens ist alles noch nicht zur vollkommensten Reife
gebracht, aber bald hoffe ich es dahin gebracht zu haben, daß ich öffentlich etwas
darüber bekannt machen kann. Späterhin denke ich auch das letzte Element, die In-
klination, vorzunehmen, wozu ich aber besonders sorgfaltig ausgearbeiteter Aufhängungs-
achsen bedarf, die Herr Laporte in Petersburg anfertigen und hieher schicken wird."
Ein Brief an Gerling vom 20. Juni 1832 enthielt folgende Stellen: „Ich habe mich
seit meinem letzten Briefe noch anhaltend mit dem Magnetismus beschäftigt . . . meine
Apparate haben nun eine Vollkommenheit, die nichts zu wünschen läßt, als ein
schickliches Lokal, wo teils die Theodolite solider aufgestellt werden können als auf
hölzernen Stativen und in gedielten Zimmern, teils die besonders in der Sternwarte
sehr beträchtlichen Einflüsse des vielen Eisenwerkes vermieden werden. . . . Morgen und
übermorgen sind verabredete Tage in Humboldts Plan, wo ich zwar nicht 44 Stunden
en suite aber doch recht häufig die Aufzeichnungen machen werde. Meine Zurückführung
der Intensität auf absolute Einheit, wozu ich schon mehrere, obwohl erst als vorläufige
anzusehende Versuche gemacht habe, gelingen ganz unvergleichlich. . , . Möchten Sie
doch recht bald mich mit einem Besuche erfreuen; diese Beobachtungen gehören alle
zu den schönsten, die ich kenne; Sie werden gewiß viel Genuß davon haben. "
Erdmagnetisches Observatorium. Wir erkennen hier, wie bei dem schnellen
Fortschritt der GAUss'schen Arbeiten der Wunsch nach einem besonderen erdmagneti-
schen Observatorium rege geworden ist. Schon am 6. Januar 1833 hören wir aus
einem Brief an Schumacher, daß der Plan weiter verfolgt wird: „Ich gehe damit um,
bei unserm Ministerium auf die Errichtung eines eigenen von Eisen freien Gebäudes
für fortwährende magnetische Beobachtungen anzutragen und habe bereits den Bau-
Von K WiECHBRT,
123
meister um einen Kostenanschlag ersucht. Ob dies reüssieren wird, muß ich erwarten,
die Kosten werden allerdings beträchtlich sein. " Die Bedenken erwiesen sich als
unnötig, da noch im Sommer desselben Jahres (am 20. August 1833) Gauss an Encke
berichten konnte: „ . . . Unser magnetisches Observatorium schreitet im Bau langsam fort;
es ist unter Dach, aber seit 14 Tagen ruht die Arbeit ganz, vermutlich damit die
Wände und die Fußbodenausfüllung erst gehörig austrocknen, was bei dem feuchten
Wetter langsam vor sich geht Ich hoffe aber doch noch immer schon in diesem
Herbst darin zu beobachten." Das konnte in der Tat geschehen und im nächsten
Frühjahr am 20. und 21. März 1834 wurden in dem neuen Laboratorium zum ersten
Male vollständige Terminbeobach-
tungen vorgenommen. — Das Haus
stand 60 m westlich von der Stern-
warte in dem dazu gehörigen Garten
dicht an der Geismar- Chaussee.
Gauss beschreibt es in den
Göttingischen gelehrten Anzeigen 1834
mit folgenden Worten: „Das magne-
tische Observatorium, auf einem freien
Platze, etwa 100 Schritt westlich von
der Sternwarte errichtet, ist ein genau
orientiertes längliches Viereck von
32 Pariser Fuß Länge und 15 Fuß
Breite, mit zwei Vorsprüngen an den
längeren Seiten; der westliche Vor-
sprung bildet den Eingang, und dient zugleich bei gewissen Beobachtungen als Er-
weiterung des Hauptsaals; der östliche Vorsprung, vom Hauptsaal ganz geschieden,
dient zum Aufenthalt des Nachtwächters der Sternwarte. Im ganzen Gebäude ist ohne
Ausnahme alles, wozu sonst Eisen verwandt wird, Schlösser, Türangeln, Fensterbeschläge,
Nägel usw. von Kupfer. Für Abhaltung alles Luftzuges ist nach Möglichkeit gesorgt.
Die Höhe des Saales ist etwas über 10 Fuß." — Der östliche Vorsprung scheint nach
den Abbildungen in den „Resultaten usw". zu urteilen, in Form und Größe etwa dem
westlichen gleich gewesen zu sein. Nach dem Tode von Gauss wurde der östliche
Ausbau von W. Weber bedeutend vergrößert und zum Beobachtungsraum hinzugenommen.
Den so entstandenen noch jetzt gültigen Grundriß ersieht man aus Abbildung 2.
Bei der Übersiedelung des Institutes auf den Hainberg 1901 wurde das Haus
i6»
J L
f f T
f ^f M,
Abb. 2.
124
Das Institut ßir Geophysik,
zerlegt und in dem neuen Anwesen mitten im Walde wieder errichtet Die beigefügte
Abbildung 3 zeigt, welchen Anblick es jetzt darbietet
Variometer für Horizontal-Intensität Die Beobachtung der Variation
der Intensität mit Hilfe von Schwingungsbeobachtungen war unbequem und langwierig;
so dachte denn Gauss bald daran, auch hier Wandel zu schaffen. Wir lesen in der
1837 gedruckten Einleitung zu der Zeitschrift „Resultate aus den Beobachtungen des
magnetischen Vereins": „Gleichwohl hat man den Grund des der Deklination vor den
anderen Elementen des Erdmagnetismus gegebenen Vorzuges nicht sowohl in diesen
Abb. 3. GAUSS-Haus.
materiellen Rücksichten zu suchen, als vielmehr in dem gegenwärtigen Zustande der
Hilfsmittel. Das Aufsuchen der Gesetze in den Naturerscheinungen hat für den Natur-
forscher seinen Zweck und seinen Wert schon in sich selbst, und ein eigentümlicher
Zauber umgibt das Erkennen von Maß und Harmonie im anscheinend ganz Regellosen.
Bei der Verfolgung des wunderbaren Spiels in den stets wechselnden Veränderungen
der Deklination lassen die jetzt angewandten Apparate für Sicherheit, Schärfe und
Leichtigkeit der Beobachtungen nichts zu wünschen übrig; allein von den bisherigen
Beobachtungsmitteln für die beiden andern Elemente kann man nicht dasselbe sagen. Zur
Zeit ist es daher noch zu früh, die letzteren in den Kreis ausgedehnter Untersuchungen aufzu-
Van jE, WiECHBRT. 125
nehmen. Sobald aber die Beobachtungsmittel soweit vervollkommnet sein werden, daß wir
die Veränderungen, und namentlich die schnell wechselnden Veränderungen, in den andern
Elementen des Erdmagnetismus mit Sicherheit erkennen, mit Leichtigkeit verfolgen, und
mit Schärfe messen können, werden diese Veränderungen dieselben Ansprüche auf die
vereinte Tätigkeit der Naturforscher haben, wie die Veränderungen der Deklination.
Man darf hoffen, daß dieser Zeitpunkt nicht gar entfernt mehr sein wird." Schon
am 19. September desselben Jahres konnte er in einer öffentlichen Sitzung der
Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften mitteilen, daß ihm in dem „Bifilar" die
Konstruktion eines neuen Instrumentes zur Beobachtung der Variationen der Hori-
zontalintensität gelungen sei, welches an Bequemlichkeit und Genauigkeit dem Dekli-
nationsvariometer nichts nachgebe. Der wesentliche Inhalt des Vortrages wurde in
dem ersten Artikel des zweiten Jahrganges der „Resultate" etc. abgedruckt. Es ist
charakteristisch für das Zusammenarbeiten von Gauss und Weber, daß Weber in einem
sich anschließenden Artikel die Einzelheiten des Instrumentes und die Arbeiten mit ihm
näher beschreibt
Inklination und Vertikalintensität. Auf die Beobachtung der dritten Kom-
ponente des Erdmagnetismus, der Vertikalintensität, scheint Gauss nicht mehr ein
weitergehendes Studium verwandt zu haben, trotzdem er, wie z. B. der vorhin zitierte
Brief an Schumacher vom 12. Mai 1832 beweist, diese Absicht wenigstens anfanglich
hegte. Daß W. Weber hier ergänzend eintrat, werde ich später darzulegen haben.
Magnetischer Verein. Die GAUSSschen Konstruktionen und seine Anregung
gaben dem Studium der erdmagnetischen Variationen einen mächtigen Anstoß. Schon
im Jahre 1834 wurden in einer Reihe von Stationen Beobachtungen mit ähnlichen
Apparaten nach gemeinsamem Plan aufgenommen; ein „Magnetischer Verein" unter
dem Vorsitz Göttingens faßte alle diese Stationen zusammen. Näheres erfahren wir
in der schon erwähnten Einleitung zu der Zeitschrift „Resultate" etc. Hier sagt
Gauss in bezug auf die Organisation der Beobachtung der erdmagnetischen Variationen:
„Der berühmte Naturforscher, dem unsere Kenntnis des Erdmagnetismus so viele Be-
reicherung verdankt, hat auch hier zuerst die Bahn gebrochen. Herr von Humboldt
errichtete in Berlin gegen Ende des Jahres 1828 für die magnetischen Beobachtungen
ein eignes eisenfreies Häuschen, stellte darin einen von Gambey verfertigten Variations-
kompaß auf, und verband sich mit andern Besitzern ähnlicher Apparate an mehreren
zum Teil sehr entlegenen Orten zu regelmäßigen an verabredeten Tagen auszuführen-
den Beobachtungen der erdmagnetischen Variation." ... In bezug auf die Resultate
der ersten Beobachtungen mit den GAussschen Apparaten im Jahre 1834 erfahren wir
126 Das ImÜtut ßir Geophysik.
dann: „Die zahlreichen in Göttingen beobachteten Schwankungen fanden sich fast alle
in den Beobachtungen der andern Plätze wieder, wenn auch in abgeänderten Größen-
verhältnissen, doch in unverkennbarer Zusammenstimmung/* . . . „Es war hierdurch die
Notwendigkeit, den Erscheinungen in viel engem Zeitintervallen, als Herr von Hum-
boldt gewählt hatte, zu folgen, auf das klarste vor Augen gelegt" . . . Man einigte
sich auf Intervalle von 5 Minuten. Als Zahl der Termine wurden 6 für das Jahr fest-
gestellt, ihre Dauer auf 24 Stunden begrenzt. „Nach dieser Einrichtung sind und werden
die Beobachtungen ununterbrochen fortgesetzt, in Göttingen und einer fortwährend
sich vergrößernden Anzahl anderer Örter. Apparate, dem Göttingischen gleich oder
ähnlich, befinden sich in Altona, Augsburg, Berlin, Bonn, Braunschweig, Breda, Breslau,
Dublin, Freiberg, Göttingen, Greenwich, Halle, Kasan, Kassel, Kopenhagen, Krakau,
Leipzig, Mailand, Marburg, München, Neapel, Petersburg und Upsala."
Bald entstand das Bedürfnis nach regelmäßigen und zusammenfassenden Ver-
öffentlichungen der Resultate. Zu dem Zweck wurde die von Gauss und Weber
herausgegebene Zeitschrift, „Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen
Vereins" gegründet 6 Jahrgänge sind erschienen, der erste 1837, der letzte 1842
umfassend die Resultate der Beobachtungen in den Jahren 1836 — 1841, auf welche die
gemeinsame Arbeit zunächst beschränkt wurde. Es ist hier in Zahlen, graphischen
Darstellungen, Diskussionen ein Schatz angehäuft worden, aus dem auch heute noch
eine Fülle von Anregung geschöpft werden kann.
Die durch Humboldts Tätigkeit und den Magnetischen Verein gegebenen Vor-
bilder blieben auch nach dem Jahr 1841 wirksam, wenn auch die Formen der Organi-
sation sich allmählich geändert haben.
Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus. Ich habe bisher die mehr
praktischen Arbeiten von Gauss auf dem Gebiete des Erdmagnetismus verfolgt So
ist nur die eine Seite seiner Wirksamkeit zur Sprache gekommen, denn er wandte sich
von Anfang an auch theoretischen Studien zu, die für den Fortschritt der Wissenschaft
von nicht minder fundamentaler Bedeutung wurden. Eben derselbe Brief an Schu-
macher vom 3. März 1832, der uns als einer der ersten von der energischen InangriflF-
nahme der erdmagnetischen Forschung durch Gauss Kunde brachte, zeigt uns auch,
wie die Gedanken schon damals auf die höchsten Ziele der Theorie gerichtet waren:
„Ich . . . habe aber doch in der letzten Zeit ein ziemlich lebhaftes Interesse fiir einen
Gegenstand gewonnen, oder vielmehr erneuert, denn von jeher habe ich denselben als
einen sehr reichhaltigen betrachtet, aber erst jetzt ist mir alles, was mir früher darin
dunkel war, in große Klarheit getreten. Dies ist der Erdmagnetismus, und ich möchte
Von E. Wjbchert. 127
wohl Ihre Verwendung ansprechen, um einen Wunsch in Erfüllung gehen zu sehen.
Der vortreffliche Hansteen hat uns vor einiger Zeit eine Karte der isodynamischen
Linien geliefert, und hoffentlich haben wir von demselben auch bald neue Deklinations-
und Inklinationskarten zu erwarten. Dadurch werden dann die magnetischen Er-
scheinungen vollständig dargestellt, und für die meisten Personen wird die Darstellung
in dieser Form am angenehmsten sein. Allein — was Ihnen vielleicht anfangs paradox
scheinen wird — für denjenigen, der versuchen will, das Ganze der Erscheinungen
einer möglichst einfachen Theorie unterwürfig zu machen, ist diese Darstellung nicht
die zweckmäßigste, sondern eine andere wäre zu diesem Zweck von viel unmittel-
barerer Brauchbarkeit Nämlich durch drei Karten, die die drei partiellen Intensitäten
vor Augen legten. — Wären die drei Karten („für die nach Norden gerichtete hori-
zontale, für die nach Westen gerichtete horizontale und für die vertikale erdmagnetische
Kraft") vorhanden, so wäre ich geneigt, einen Versuch der oben angedeuteten Art zu
machen; vielleicht entschlösse sich Herr Hansteen dazu solche zu liefern, oder allenfalls
auch nur eine derselben. Meine theoretische Untersuchung zeigt sogar, daß eine voll-
ständige Darstellung einer partiellen Kraft an sich zureichend ist, die andere a priori
abzuleiten. Selbst solche Karten erst zu entwerfen, werde ich mich nicht entschließen,
da dazu eine längere innige kritische Bekanntschaft mit den Quellen erforderlich ist
Die Zurückführung auf eine kleine Anzahl von Polen, z. B. 4, halte ich übrigens für
nicht naturgemäß; solche Pole sind nur Symptome in den Erscheinungen, die keine
scharfe Bedeutung haben, und wenn wir erst im Besitz der allgemeinen alles auf einmal
umfassenden Formel sind, ergeben sich diese sogenannten Pole, wenn man sie wissen
will, von selbst mit" — Wir bemerken hier deutlich die Grundlinien der GAUSs'schen
„Allgemeinen Theorie des Erdmagnetismus" die dann nach sorgfaltiger Bearbeitung
erst im Jahre 1837 veröffentlicht wurde. Es sei mir erlaubt, den Eindruck hervor-
treten zu lassen, welchen die Theorie auf den der Erforschung des Erdmagnetismus
stets so begeistert zugewandten Alexander von Humboldt machte. Wir lesen in
einem Briefe, welchen er am 18. Juni 1839 an Gauss richtete: „Ich wollte ihnen nicht
eher meinen wärmsten Dank wie den Ausdruck meiner Bewunderung und Liebe dar-
bringen, als bis ich recht frischen Geistes über das Gelingen einer Arbeit schreiben
könnte, die zu den großartigsten und umfassendsten gehört, welche ich unter meinen
Zeitgenossen erlebt. Meine Freude über ein solches Gelingen entspricht der Anhäng-
lichkeit, die ich für den Entdecker der wahren Theorie des Erdmagnetismus (und eine
Theorie, die unabhängig von allen besonderen Hypothesen über die Verteilung der
magnetischen Flüssigkeit in der Erdmasse ist) in meinem Busen bewahre Ihre
128 Das Institut für Geophysik.
„allgemeine Theorie" hat mich nun seit 6 Wochen fast ununterbrochen beschäftigt.
Das Büchlein ist mir überall gefolgt, und ich lebe in der frohen Täuschung, daß ich
die Theorie besitze, ja vollkommen verstehe, wie in derselben die Mittel liegen eine
Menge spezieller physikalischer Nebenfragen auf das gründlichste beantworten zu können.
Siebenzigjährig im nächsten September versteinere ich langsam und (wie es sich für einen
alten Geognosten geziemt) von den Extremitäten beginnend. Das Herz ist noch nicht
erhärtet und schlägt mit erhöhter Wärme für den, der des Blitzes Helle in das geheim-
nisvolle Dunkel verwickelter Naturerscheinungen sendet." ... —
Auch heute noch bietet die GAusssche Theorie eines der Fundamente für die
Forschung. Wir wissen aber nun, daß sie nicht die vollständige Grundlage bildet, und
es ist gerade eine der großen Aufgaben unserer Zeit, aufzudecken, was für Abweichungen
bestehen und welche Bedeutung diese haben.
In den Schlußworten des Briefes an Schumacher vom 3. März 1832 sagt
Gauss in bezug auf die säkulare Variation des Erdmagnetismus: „Ich habe immer diese
ungeheuren Änderungen, wie etwas höchst merkwürdiges betrachtet Ohne Zweifel ist
die magnetische Erdkraft nicht das Resultat von ein paar großen Magneten in der Nähe
des Erdmittelpunktes, die nach und nach viele Meilen weit sich von ihrem Platze
bewegen, sondern das Resultat aller in der Erde enthaltenen polarisierten Eisenteile,
und zwar mehr derjenigen, die der Oberfläche, als der, die dem Mittelpunkte näher
liegen. Allein was soll man von den ungeheuren Änderungen, die seit ein paar Jahr-
hunderten stattgefunden haben, denken? Mir hat immer diese Erscheinung eine beson-
dere Gunst für die von Cordier besonders hervorgehobene Hypothese zu erwecken
geschienen, wonach die feste Erdrinde vergleichungsweise nur dünn ist. Natürlich
können dann nur in dieser die magnetischen Kräfte ihren Sitz haben, und die allmähliche
Verdickung dieser Rinde durch Erstarren vorher flüssig gewesener Schichten erklärt
dann die eintretende große Veränderung in dem Erdmagnetismus auf das ungezwungenste,
die sonst ein großes Rätsel bleibt. Auch der Umstand, daß die sogenannten magne-
tischen Hauptpole der Erde in die kältesten Gegenden fallen, wo vermutli(;Ji die Erd-
rinde am dicksten ist, scheint darauf hinzudeuten." . . . Daß Gauss solche naiven Vor-
stellungen hegen konnte, wird manchem Forscher ein Trost sein können, der im
Ringen um das Verständnis die eigene Unzulänglichkeit schwer empfindet Freilich wird
er nicht vergessen dürfen, daß Gauss diese Worte in einem vertraulichen Briefe an einen
Freund schrieb, und wird sich vorhalten müssen, wie streng die Anforderungen waren,
die Gauss an jedes Wort stellte, das für die Öffentlichkeit bestimmt war.
Elektromagnetischer Telegraph. Enge mit der Geschichte des erdmagneti-
Von E, WiBCHBKT. 129
sehen Observatoriums verknüpft ist die Konstruktion des elektromagnetischen Tele-
graphen, die ebenfalls jener fruchtbaren Zeit im Anfang der dreißiger Jahre an-
gehört Wir werden sie Gauss und Weber gemeinsam zuschreiben müssen, da diese
eine Trennung der Anteile niemals versucht haben. Am 20. August 1833 schrieb Gauss
an Olbers: „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen schon früher von einer großartigen Vor-
richtung, die wir hier gemacht haben, geschrieben habe. Es ist eine galvanische Kette
zwischen der Sternwarte und dem physikalischen Kabinet durch Drähte in der Luft
über die Häuser weg oben zum Johannisturm und so wieder herab gezogen. Die ganze
Drahtlänge wird etwa 8000 Fuß sein. An beiden Enden ist sie mit einem Multi-
plikator verbunden, bei mir von 170 Gewinden, bei Weber im physikalischen Kabinet
etwa 50 Gewinden, beide um einpfündige Magnetnadeln geführt, die nach meinen Ein-
richtungen aufgehängt sind. Es sind daraus manche imposante zum Teil anfangs
überraschende Versuche und Erfahrungen hervorgegangen. Zu den letzten gehört (was
freilich hätte vorausgesehen werden können), daß gar keine großen Platten oder starke
Säuren erforderlich sind, um eine doch sehr große in die Augen fallende Wirkung zu
geben. Wir nehmen stets nur reines Brunnenwasser und ein mäßiges Plattenpaar, zu-
weilen nur wie ein preußischer Taler groß, und die Wirkung bleibt doch nicht sehr
viel kleiner, als wenn noch so starke Säure und noch so große Platten genommen werden
(vorausgesetzt, daß man nur ein Paar anwendet). Ich habe eine einfache Vorrichtung
ausgedacht, wodurch ich augenblicklich die Richtung des Stromes umkehren kann, die
ich einen Commutator nenne. Wenn ich so taktmäßig an meinen Platten operiere, so
wird in sehr kurzer Zeit (z. B. in einer oder anderthalber Minute) die Bewegung der
Nadel im physikalischen Kabinet so stark, daß sie an eine Glocke anschlägt, hörbar in
einem andern Zimmer. Dies ist jedoch mehr Spielerei. Die Absicht ist, daß die Be-
wegungen gesehen werden sollen, wo die äußerste Akkuratesse erreicht werden kann.
Wir haben diese Vorrichtung bereits zu telegraphischen Versuchen gebraucht, die sehr
gut mit ganzen Wörtern oder kleinen Phrasen gelungen sind. Diese Art zu tele-
graphieren hat das Angenehme, daß sie von Wetter und Tageszeit ganz unabhängig
ist; jeder der das Zeichen gibt und der dasselbe empfangt, bleibt in seinem Zimmer,
wenn er will bei verschlossenen Fensterläden. Ich bin überzeugt, daß unter Anwendung
von hinlänglich starken Drähten auf diese Weise auf Einen Schlag von Göttingen nach
Hannover oder von Hannover nach Bremen telegraphiert werden könnte." — In kurzen
Jahren sollte sich diese Voraussicht auf das glänzendste bestätigen! — Ein Stückchen
des dünnen Kupferdrahtes jener ersten elektromagnetischen Telegraphenleitung der
Welt wird noch jetzt im Geophysikalischen Institut aufbewahrt
GrUtin^er Festschrift. I7
130 Das Institut für Geophysik,
Foucaultsches Pendel. In den letzten Jahren seines Lebens schenkte Gauss
seine Aufmerksamkeit vielfach der Aufgabe, die Drehung der Erde mittels des Foucault-
schen Pendels nachzuweisen. Gauss selbst hat darüber nichts veröffentlicht, doch er-
fahren wir mancherlei Einzelheiten aus seinem Briefwechsel. Vor allem aber besitzen
wir in der Sammlung des geophysikalischen Instituts ein greifbares Zeugnis von seinen
Bemühungen in einem Foucaultschen Pendel, welches nach einer eingravierten Inschrift
1853, also zwei Jahre vor dem Tode von Gauss fertig gestellt wurde. Das ganze
Pendel ist in einem Schrank von 2,45 m Höhe untergebracht, welcher direkt auf den
Fußboden gestellt wird. Die Foucaultsche Fadenaufhängung ist durch ein Cardanisches
Schneidenkreuz ersetzt. Ein Gegengewicht über den Schneiden erhöht die Schwingungs-
dauer. Zur Verschärfung der Beobachtungen ist eine Spiegelablesung vorgesehen.
Ob Gauss noch mit diesem Instrument gearbeitet hat, ist nicht bekannt, doch
deuten manche UnvoUkommenheiten darauf hin, daß es nicht mehr geschehen ist —
Unabhängig von Gauss hat später Kamerlingh Onnes ein ganz ähnliches Instrument
konstruiert, und mit ihm sehr gute Resultate erlangt*); um dieses Ziel zu erreichen,
mußten freilich mit außerordentlicher Mühe und Sorgfalt vielfache Fehlerquellen be-
seitigt werden.
c) Die Tätigkeit von Wilhelm Weber.
(Geb. 24. Oktober 1804, gest. 23. Juni 1891.)
Gauss und Weber. Wir sahen, wie erheblich die Hilfe von W. Weber bei
den erdmagnetischen Arbeiten von Gauss war, wie beide gemeinsam den ersten
elektrischen Telegraphen konstruierten, wie Weber an der Bearbeitung der Zeitschrift
„Resultate" weitgehenden Anteil hatte. Wir müssen nun auch ein Urteil über die
wichtigsten selbständigen Arbeiten von W. Weber in bezug auf den Erdmagnetismus
zu gewinnen suchen. Zum größten Teil sind sie nicht in der Sternwarte, sondern im
physikalischen Kabinet ausgeführt worden.
Sehr wertvoll waren weitgehende Untersuchungen über die magnetischen
Eigenschaften von Eisen und Stahl. W. Weber zeigte dabei unter anderm, wie bei
feinen Messungen der Intensität des Erdmagnetismus die (durch Fechner 1842 fest-
gestellte) induzierende Einwirkung des Erdfeldes auf das Moment der Magnete berück-
sichtigt werden kann, und machte Anwendungen auf die Göttinger Beobachtungen.
i) Nieuwe Bewyzcn voor de Aswenteling der Aarde, door Heike Kamerlingh Onnes. 11 und
288 Seiten, IV Figuren-Tafeln. Groningen, J. B. Wolters. 1879.
Von E, Wjechert, \xi
Induktionsinklinatorium. Ganz besonders bedeutungsvoll ist, daß es W.Weber
gelang, auch für die Bestimmung der Inklination, bei der man bis dahin auf das ver-
hältnismäßig unvollkommene Nadelinklinatorium angewiesen war, eine Methode auf-
zufinden, welche die Schärfe der Deklinationsbestimmungen zu erreichen gestattet.
Schon in den dreißiger Jahren hatte W. Weber dargelegt, wie die elektro-
magnetische Induktion zur Feststellung der Inklination benutzt werden könne. Er hatte
zu diesem Zweck ein „Induktionsinklinatorium" konstruiert („Resultate" usw. für
1837), bei dem die Erscheinung benutzt wurde, daß das erdmagnetische Feld in einem
metallenen Ring, der um einen Durchmesser gedreht wird, elektrische Ströme induziert.
Damals bereits wies W. Weber darauf hin, daß man diese Ströme durch ein unabhängig
vom Induktor aufgestelltes Galvanometer beobachten könne. Er wandte aber diese
Methode nicht an, sondern hing die Magnetnadel im Mittelpunkt des Induktionsringes
selbst auf, so daß die direkte Wirkung der induzierten Ströme auf die Nadel
beobachtet werden konnte.
* Diese „Vereinfachung" der experimentellen Anordnung erwies sich als ein
schwerer Nachteil, sie wurde eine Quelle von vielen Störungen und hatte so zur
Folge, daß kaum die Leistungen des Nadelinklinatoriums erreicht werden konnten.
Nach solchen Mißerfolgen entschloß sich W. Weber zu der anfänglich mißachteten
Trennung von Induktor und Galvanometer zurückzukehren, und konnte nun bald, im
Februar 1853, der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen eine
Arbeit vorlegen, in welcher er mitteilte, daß es ihm gelungen sei, „alle Vor-
züge magnetometrischer Messungen, welche bisher auf Deklination und horizontale
Intenzität beschränkt waren, auch auf die Inklination auszudehnen". Der so konstruierte
„WEBERSche Erdinduktor" bildet heute das Hauptinstrument bei der Bestimmung
der Inklination.
Weber als Direktor des erdmagnetischen Observatoriums. Nach dem
Tode von Gauss im Jahre 1855 wurde die Leitung der Sternwarte und damit des
erdmagnetischen Observatoriums in die Hände von W. Weber und Lejeune-Dirichlet
gelegt. Als DiRiCHLET 1859 starb, wurde er durch den bisherigen Observator der
Sternwarte Klinkerfues ersetzt. 1868 schied dann W. Weber aus dem Direktorat und
an seine Stelle trat Ernst Schering.
Wir werden annehmen dürfen, daß W. Weber von 1855 bis 1868 der tat-
sächliche Leiter des erdmagnetischen Observatoriums gewesen ist. Unter ihm erfuhr
das Gaußhaus die schon oben erwähnte Vergrößerung und wurde ein neuer großer
Erdinduktor hergestellt, der noch heute dem Observatorium angehört.
17»
132 Das Instütä för Geophysik.
d) Direktorat von Ernst Schering.
(Geb. 13. Juli 1833, gest. 2. November 1897.)
Überblick. Nach dem Rücktritt von W. Weber 1868 wurde die Sternwarte
in zwei Abteilungen geteilt, von denen jede ihren eigenen Direktor erhielt. Direktor
der „Abteilung A, für praktische Astronomie" wurde Klinkerfues. Ernst Schering
erhielt die Leitung der „Abteilung B, für theoretische Astronomie, Geodäsie und Erd-
magnetismus" und führte sie bis zu seinem Tode 1897. In der Chronik der Göttinger
Universität für das Rechnungsjahr 1889/ 1890, die „Rückblicke auf frühere Jahr-
zehnte 1837 t>is 1890" enthielt, schreibt Ernst Schering über seine Tätigkeit bis
dahin: „Unter den seit jener Zeit von mir und meinem Bruder, dem damaligen Privat-
dozenten Dr. Karl Schering, erfundenen und konstruierten größeren Apparaten mögen
hier die folgenden erwähnt werden. Ein später zu Erdstrommessungen verwendetes
Galvanometer mit S-förmigem Magnete ist im Jahre 1878 hergestellt Zur selben Zeit
wurde die Abänderung des Weberschen Erdinduktors ausgeführt, in welchem nun
zwei in der Ebene des magnetischen Meridians und auf beiden Seiten der zur ganzen
erdmagnetischen Kraft normalen Ebene dieser letzteren sehr nahe liegende erd-
magnetische Komponenten die zu messenden elektrischen Ströme induzierten. Ein von
uns konstruiertes Quadrifilar-Magnetometer hat die genaue Bestimmung der rasch auf-
einander folgenden Variationen der vertikalen Komponente der erdmagnetischen Kraft
zum Zweck, und es schließt sich damit die Reihe der sechs Instrumente, von denen
drei zur genauen Bestimmung der absoluten Werte der drei Komponenten der erd-
magnetischen Kraft und drei andere Instrumente zu der der Variationen dieser Kom-
ponenten dienen. Diese Instrumente gelangten zur ausgedehntesten Anwendung, als
dieses Institut während der Jahre 1882 und 1883 an den erdmagnetischen Beobach-
tungen der internationalen Polarexpeditionen sich beteiligte und dazu durch das unter
dem westlichen Flügel der Sternwarte erbaute unterirdische Observatorium fiir Variations-
beobachtungen besonders in Stand gesetzt worden war. Die in jener Zeit hier aus-
geführten Beobachtungen sind in dem deutschen Polarwerke 1886 als besonderer Teil
mit veröffentlicht. — Haupttätigkeit des Instituts besteht außer dem Unterrichte und
den regelmäßigen Terminsbeobachtungen gegenwärtig in der Ableitung wissenschaft-
licher Ergebnisse aus den Beobachtungen an den verschiedenen Polarstationen."
Vertikalintensität. Wir erkennen, daß in weiterer Vervollkommnung der
instrumenteilen Ausstattung des erdmagnetischen Observatoriums die beiden Brüder
Ernst und Karl Schering sich in gemeinsamer Arbeit vor allem die Verschärfung
Von E. WiECHBRT. 133
der Beobachtungen der Vertikalintensität angelegen sein ließen. Für die Messung der
beiden horizontalen Komponenten des erdmagnetischen Feldes und die Beobachtung ihrer
Variationen hatte Gauss vortrefflich gesorgt. Für die Messung der Inklination und
damit der Vertikalintensität war durch W. Weber in dem Erdinduktor ein Instrument
geschaffen, welches den Anforderungen genügen konnte. Für die Beobachtung der
Variation der Vertikalintensität fehlte in Göttingen jedoch jedes Instrument.
Durch Anwendung der geneigten Lage beim Weberschen Erdinduktor durch
Ernst und Karl Schering wurde das Arbeiten mit diesem Instrument ganz bedeutend
vervollkommnet. Karl Schering berichtete darüber zuerst 1878 auf der Naturforscher-
versammlung in Kassel. Zwei Jahre später wurde dieselbe Methode von Wild in Pawlowsk
bei Petersburg angegeben, und heute ist sie unter den Mitteln, um die Schärfe der
Beobachtungen mit dem Weberschen Erdinduktor zu erhöhen, ganz besonders beliebt.
Zur Beobachtung der vertikalen Intensität hatte Lloyd in Dublin zwei Instru-
mente angegeben, 1838 die magnetische Wage, 1842 das Induktionsinklinometer. Bei
der magnetischen Wage wird ein Magnet von einer horizontalen Schneide (oder zwei
Spitzen) in nahezu horizontaler Lage getragen, so daß er den Änderungen der Vertikal-
intensität durch Änderungen der Neigung folgen kann. Bei dem Inklinationsvariometer
wirken auf eine in gewöhnlicher Weise aufgehängte Magnetnadel zwei vertikal gestellte
gleiche Eisenstäbe ablenkend ein, die durch die Vertikalkomponente des Erdmagnetismus
magnetisch induziert werden. — Durch die Konstruktion des von E. Schering erwähnten
Quadrifilar-Magnetometers sollte eine Verbesserung der Lloydschen Wage erzielt werden.
Wild hatte 1872 zu diesem Zweck die Schneide, welche zu manchen Unregel-
mäßigkeiten Anlaß gibt, durch zwei horizontal ausgespannte Drähte als Drehungsachse
ersetzt. Die Brüder Schering ordnen auf jeder Seite des Magneten zwei Drähte an,
so daß gewissermaßen eine doppelte Bifilaraufhängung entsteht.
Das Induktionsinklinometer wurde von Karl Schering durch den Bau des
„Deflektor-Bifilar-Magnetometers" sehr bedeutend vervollkommnet, dessen Beschreibung
1886 veröffentlicht wurde. Ein bedenklicher Übelstand bei dem ursprünglichen
Lloydschen Instrument ist, daß seine Magnetnadel durch die Variationen der horizon-
talen Komponenten des Erdmagnetismus sehr stark beeinflußt wird; diesen Fehler
beseitigt Karl Schering, indem er statt der einfachen Nadel ein astatisches Paar
anwendet, welches seine Richtkraft durch eine bifilare Aufhängung erhält. —
Das „unterirdische Observatorium" war ein einfacher, dunkler Kellerraum. Da
er direkt unter bewohnten Räumen lag, ließen sich auch bei äußerster Vorsicht
mancherlei Störungen nicht vermeiden.
134 ^^ Institut för Geophysik,
Weitere Pläne. Bis zu seinem Lebensende verfolgte E. Schering den Plan,
in Göttingen ein erdmagnetisches Institut großen Stiles einzurichten, welches sich
sowohl den Beobachtungen als auch der Bearbeitung des vorhandenen Beobachtungs-
materiales widmen sollte. Er hat vielfache Entwürfe sorgfaltig und eingehend aus-
gearbeitet; daß es nicht gelang, sie zu verwirklichen, war ein Kummer, der ihn
schwer und tief bedrückte.
IL Das neue geophysikalische Institut
a) Entwicklung und Ziele.
Historische Übersicht. Wie im ersten Teil dargelegt worden ist, umfaßte die
Abteilung B der Sternwarte, deren Direktor E. Schering war, theoretische Astronomie,
Geodäsie und Erdmagnetismus. Das Inventar bestand in einer Bibliothek mit geo-
physikalischen und rein physikalischen Büchern, in den zum erdmagnetischen Obser-
vatorium gehörenden Einrichtungen und Apparaten und in älteren geodätischen, jedoch
in den erdmagnetischen Dienst gestellten Instrumenten, welche Gauss einst zur
hannoverschen Landesaufnahme verwandt hatte. Dazu kamen einzelne Instrumente der
weiteren Geophysik, so das besprochene, von Gauss konstruierte Foucaultsche Pendel.
Nach dem Tode von E. Schering am 2. November 1897 wurden die schon
lange gehegten Pläne aufgenommen, die Sternwarte wieder unter einheitliche Leitung
zu bringen und zu dem Zweck das erdmagnetische Observatorium als selbständiges
Institut von der Sternwarte zu entfernen. An Stelle der Professur von E. Schering
wurden zwei neue Professuren eingerichtet, eine für theoretische Astronomie und eine
für Geophysik. Die erstere erhielt in einer von der Sternwarte unabhängigen Aus-
gestaltung M. Brendel (Ernennung am 6. Januar 1898). Die Professur für Geophysik,
mit der die Leitung des erdmagnetischen Observatoriums verbunden war, wurde mir
übertragen (Ernennung am 28. Januar 1898). Wie für die Geodäsie gesorgt wurde, ist
an einer anderen Stelle dieser Festschrift schon gesagt worden (Seite 97).
Im Kreise der Göttinger Professoren erhielt ich von Anfang an die Anregung,
an eine Erweiterung des erdmagnetischen Observatoriums zu einem Institut für all-
gemeine Geophysik zu denken. Mit großer Freude ging ich an die Verwirklichung
dieser meinen eigenen Zielen entsprechenden Pläne und fand auf allen Schritten die
energische Unterstützung der beteiligten wissenschaftlichen Kreise und die einsichtsvolle
Von £. WiECHERT, 135
und tatbereite Hilfe der Königlichen Regierung. Jetzt zurückblickend erkenne ich recht,
durch wie viele Fährlichkeiten mich diese immer wache Fürsorge hindurchgeführt hat.
Ihr ist zu danken, wenn in dem neuen geophysikalischen Institut ein Werkzeug ge-
schaffen worden ist, welches der Wissenschaft zum Nutzen gereichen kann. Es ist
mir ein Bedürfnis, hier insbesondere dem Königlichen Kurator der Universität, Herrn
Geheimen Oberregierungsrat Dr. Höpfner meinen herzlichsten Dank zu sagen, dessen
Hilfe ich unter schwierigen Verhältnissen in kleinen und großen Sorgen wieder und
wieder anrufen mußte.
Schon im Anfang des Jahres 1898 verlangte die Königliche Regierung von
mir Pläne über die Neugestaltung des Observatoriums. Durch eine Verfügung vom
2. Juli 1898 willigte sie in eine Erweiterung des erdmagnetischen Observatoriums zu
einem Institut für Geophysik. 1899 wurde auf dem Hainberge in den Waldanlagen,
welche der Stadt Göttingen gehören, mit Zustimmung der städtischen Behörden ein
Gebiet für ein neues geophysikalisches Institut abgegrenzt Die Königliche Regierung
erklärte sich mit der Übersiedelung des Institutes dorthin einverstanden und ordnete
die Vorarbeiten für den Neubau an. So begannen die Erdarbeiten schon im Herbst 1899.
1900 wurde mit dem Bau des Hauptgebäudes begonnen, und im Herbste 1901 konnte
es bezogen werden; das Wirtschaftsgebäude wurde gleichzeitig fertiggestellt Das
zunächst für das Institut von der Stadt erworbene Gebiet umfaßte etwa 12 500 Quadrat-
meter. Bei Gelegenheit eines Eigentumaustausches zwischen Universität und Stadt im
Jahre 1901 gelang es^ die Fläche noch weiter zu vergrößern, so daß sie jetzt
1 7 300 Quadratmeter beträgt Die Unterhandlungen über diese Gebietserweiterung,
so wichtig und erfreulich ihr Resultat für das Institut war, hatten freilich eine Ver-
zögerung in der Fertigstellung der übrigen Baulichkeiten zur Folge. Für erd-
magnetische Arbeiten war das von Gauss erbaute und von Weber vergrößerte Haus
im Garten der Sternwarte vorgesehen. Erst 1902 konnte dieses Haus auf den Hain-
berg übergeführt werden. Im Jahre 1902 wurden auch die astronomische Hütte und
das Erdbebenhaus fertiggestellt und sogleich in Betrieb genommen. So kann mit
dem Ende des Jahres 1902 der Neubau im wesentlichen als beendet angesehen werden.
Die Kosten für den Neubau und die innere Einrichtung (Anlagen für
Heizung, elektrische Kraft usw.) betrugen rund 100 000 Mark. Hierbei ist der Grund-
erwerb nicht berücksichtigt Für die Ausstattung des neuen Institutes mit Apparaten
wurde 1901 ein außerordentlicher Fonds von 30 000 Mark zur Verfügung gestellt Der
jährliche Etat für sächliche Ausgaben wurde 1903 auf 5250 Mark festgesetzt
Die Erdbebenbeobachtungsstation als ein Teil des Landesdienstes in der
136 Das Institut für Geophysik,
Erdbebenforschung erhielt seit 1903 eine Sonderstellung im Institut Besondere Be-
willigungen im Betrage von 1 1 000 Mark ermöglichten die Ausrüstung mit den weiterhin
beschriebenen Instrumenten. Da das Institut vorher schon Aufwendungen für seismische
Apparate gemacht hatte, wird man die jetzige Ausstattung auf etwa 15000 Mark
schätzen können. Die Uhreinrichtung usw. ist hier nicht einbegriffen, da sie auch den
weiteren Zwecken des Institutes dient; hinzuzurechnen aber sind die Baukosten für das
Erdbebenhaus, welche 7000 Mark betrugen, und dem oben genannten allgemeinen
Baufonds angehörten. — Im Jahre 1905 wurde die Erdbebenbeobachtungsstation von
der Königlichen Regierung offiziell als eine der „Hauptstationen für Erdbeben-
forschung** im Landesgebiet Preußens erklärt und für ihre Führung ein besonderer
sächlicher Fonds von jährlich 680 Mark festgesetzt
Außer dem Direktor umfaßte der etatsmäßige Personalbestand des Institutes
bis 1901 nur einen Assistenten. Vom i. Juli 1901 ab ist ein Hauswart hinzu-
gekommen.
Die etatsmäßige Assistentenstelle hatten inne
von April 1898 bis Februar 1900 Dr. W. Schlüter,
von März 1900 bis September 1902 cand. H. Jordan,
von Oktober 1902 bis September 1903 Dr. F. Linke,
von Oktober 1903 bis Juli 1905 Dr. H. Schering,
im August und September 1905 (vertretungsweise) stud. A. Kohlschütter,
von Oktober 1905 ab Dr. G. Angenheister.
Die etatsmäßige Hauswartstelle übernahm am i. Juli 1901 H. Hilke, der bis
dahin Werkmeister in der hiesigen Werkstätte für Präzisionsmechanik H. Brunn^e
gewesen war.
Von Oktober 1901 ab wurde von der geophysikalischen Kommission der
Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen für luftelektrische Arbeiten
ein Beobachter in der Person von H. Gerdien angestellt, der seinen Arbeitsplatz
im geophysikalischen Institut erhielt Er errichtete 1902 auf der „meteorologischen
Wiese" des Institutes eine „luftelektrische Hütte". Die Kosten für seine Arbeiten,
soweit sie über den Betrieb des Institutes hinausgehen, werden durch besondere von
der Königlichen Gesellschaft verwaltete Fonds bestritten. (Zur Zeit 4400 Mark
im Jahr.)
Im Frühjahr 1902 ging O. Tetens im Auftrage der Königlichen Gesellschaft
der Wissenschaften nach Deutsch -Samoa im Stillen Ozean, um dort in Apia ein
Von E, WiECHBRT. 137
„Geophysikalisches Observatorium" einzurichten. Ein wesentlicher Teil der Vorberei-
tungen wurde von Tetens im hiesigen geophysikalischen Institut ausgeführt, und er
hat nach seiner Rückkehr 1905 im Institut die Bearbeitung der Resultate auf-
genommen. Ebenso hat sein Nachfolger, F. Linke, der mit dem Beginn des Jahres 1905
in Apia die Leitung der Station für die nächsten zwei Jahre übernahm, seine Ausreise
von hier angetreten.
Arbeitsprogramm. Als Arbeitsgebiete für das neu gegründete geophysi-
kalische Institut kamen in Betracht: Schwerkraft und ihre räumlichen und zeitlichen
Änderungen, physikalische Beschaffenheit des Erdkörpers, Umlagerun gen und Defor-
mationen der Materie im Erdkörper (Erdbeben, Änderungen der Gestalt durch kosmische
Einflüsse), meteorologische Erscheinungen, Luftelektrizität und Polarlicht, Erdmagnetismus.
In diesem außerordentlich weiten Bereich der Forschung mußten dem Institut die Wege
gewiesen werden; es war klar, daß dabei zunächst nur ein Anfang gemacht werden
konnte und die weitere Entwicklung der Zukunft überlassen bleiben mußte.
Bei der geophysikalischen Forschung hat man in der Regel die Versuchs-
bedingungen nicht in der Hand wie etwa in der reinen Physik; man ist vielmehr
darauf angewiesen, die gegebenen Verhältnisse und diejenigen Vorgänge zu beobachten,
welche sich in der Werkstatt der Natur, weit außerhalb des menschlichen Einflusses
abspielen; meist wird ein großes Gebiet der Erde, oft ihr ganzer Bereich umfaßt. So
muß der Forscher in dem bunten Wirrsal der natürlichen Erscheinungen den Weg der
Erkenntnis suchen; er ist genötigt, aus dem Laboratorium heraus in die weite Welt
zu gehen, darf den Kampf mit den Elementen nicht scheuen, und muß in der Ver-
einigung mit Gleichgesinnten Raum und Zeit zu überwinden suchen.
Immer wieder wird der Geophysiker sich der Geringfügigkeit menschlicher Kraft
gegenüber der großartigen Natur bewußt, wenn er sehen muß, welche außer-
ordentliche Anstrengungen es dem Menschen kostet, auch nur auf ganz einfache
Fragen die Antwort zu finden. Aber mit Genugtuung muß er auch bemerken, wie so
viele seinesgleichen mit hingebender Treue, oft unter Einsetzung von Leib und Leben,
sich rastlos an dem Kampfe um die Erkenntnis beteiligen, der trotz aller Hindernisse
Schritt für Schritt vorwärts führt. — Überschaut man diesen Kampf, den eigenen
Anteil erwägend, so stellen sich Gefühle der Abhängigkeit und der Verantwortlichkeit
ein: die Arbeit des Einzelnen für sich allein genommen erscheint nutzlos, da ein
Erfolg erst erzielt werden kann, wenn viele sich zu gleicher Arbeit zusammenschließen,
und man empfindet, daß das eigene Vorgehen und das eigene Beispiel die Arbeit
der Gesamtheit in weitem Bereich fördern oder hemmen kann. —
Göttinger Festschrift l8
138 Das Institut för Geophysik,
Nach Erwägungen solcher Art wäre es sehr wichtig gewesen, wenn das neue
geophysikalische Institut gleich anfanglich Beobachtungsstationen mit dauerndem Betrieb
für die verschiedenen Zweige der Geophysik hätte gewinnen können, welche es in
feste Verbindung mit den nationalen und internationalen Organisationen gebracht
hätten. Aber hierbei war äußerste Vorsicht geboten, wenn die Tätigkeit des kleinen
ständigen Personals (ein Direktor, dessen Tätigkeit dem Institut nur zum Teil angehört,
ein Assistent und ein Wärter) nicht von vornherein völlig festgelegt werden sollte. Um
mit Rücksicht darauf das Institut lebensfähig zu erhalten, mußte der Grundsatz an-
erkannt werden, daß seine Arbeit in erster Linie auf ergänzende oder vorbereitende
Einzeluntersuchungen zu verwenden sei Bisher konnte und mußte nur in der Seismik
darüber hinaus gegangen werden, weil die Arbeiten des Institutes es mit sich brachten,
daß ihm eine „Hauptstation" in dem internationalen Netz der Staatenassoziation für
Erdbebenforschung zugewiesen wurde.
Der vorläufige Verzicht auf eine erdmagnetische Beobachtungsstation
wurde mir besonders schwer, da Erinnerungen an die Wirksamkeit des Institutes in
vergangenen Tagen des Ruhmes und an die heißen Bemühungen meines Vorgängers,
gerade der magnetischen Forschung die Bedingungen für ein neues Leben zu schaffen,
einen mächtigen Reiz boten. So wurden denn wenigstens so weit als möglich Vor-
bereitungen für eine Aufnahme der erdmagnetischen Arbeiten gemacht, und ich glaube
heute die wohlbegründete Hoffnung aussprechen zu dürfen, daß der Zeitpunkt neuer
Tätigkeit nicht mehr fem ist. — Meteorologische Beobachtungen durften schon
wegen der luftelektrischen Arbeiten unter keinen Umständen entbehrt werden. Es
sind demgemäß registrierende Apparate aufgestellt worden, die in dauerndem Betrieb
erhalten werden. Ihre Aufzeichnungen können aber bis auf weiteres nur dann aus-
gewertet werden, wenn die übrigen Arbeiten des Institutes es verlangen. —
Nach den einleitenden Worten ist es wohl nicht nötig, noch ausdrücklich zu
betonen, daß in solchen Einschränkungen nicht einen Augenblick ein Gefühl der
Geringschätzung für die unpersönliche Sammlerarbeit maßgebend war. Ich hege in
der Tat lebhaft die Überzeugung, daß die Angriffe, welche die geophysikalische
Sammlerarbeit in letzter Zeit vielfach und auch von hervorragender Seite erfahren
hat, recht erheblich über das Ziel hinausgegangen sind. Richtig ist gewiß, daß in
der Geophysik auf die sammelnde Tätigkeit weit mehr Kraft aufgewandt wird, als
auf die unmittelbare Verwertung der Beobachtungen zu theoretischen Schlüssen. Sieht
man aber unbefangen zu so wird man leicht erkennen, daß ein ähnUches Verhältnis
auch in den verwandten Wissenschaften besteht; wenn es in der Geophysik besonders
Von E, WiECHERT. 139
auffallig zutage tritt, so ist das durchaus in der Art ihrer Probleme begründet, auf
die ich vorhin hingewiesen habe. — Aber noch mehr! Der Näherstehende erkennt, daß
an vielen Ecken und Enden fortdauernd Versuche gemacht werden, zu einem höheren
Verständnis der Erscheinungen vorzudringen, und er wird es für sehr gefahrlich halten,
wenn diese theoretisierenden Neigungen auf Kosten der grundlegenden Arbeit des
treuen Beobachtens noch weiter hervorgehoben werden. Die Höhen der Theorie
werden ungestraft immer nur von wenigen bestiegen; sehr viele müssen in der Tiefe
arbeiten, um diesen Auserwählten ihren einsamen Weg zu ermöglichen. — Und
noch eines ist zu bedenken. Die Sammlerarbeit wird in der Geophysik in er-
heblichem Umfange von privater Seite geleistet oder unterstützt, wobei einfach die
Freude des Menschen an der Naturbeobachtung zutage tritt. Ich meine nun, die
Wissenschaft habe allen Grund, solche Neigungen sorgfaltig zu berücksichtigen, sie
zu pflegen und zu fördern, denn in ihnen liegen die Wurzeln ihrer Kraft —
Arbeiten des geophysikalischen Institutes. Das geophysikalische Institut
gehört der Universität Göttingen an und hat daher die Pflicht, die Vorlesungen der
Geophysik durch praktische Übungen und Arbeiten der Studierenden zu ergänzen.*)
Es gibt bisher nur zu einem kleinen Teil besondere Apparate für die Übungen, so
daß sie in der Regel direkt an den auch für wissenschaftliche Arbeiten bestimmten
Apparaten ausgeführt werden. Des weiteren besteht der Unterricht darin, daß die
Studierenden in den wissenschaftlichen Betrieb des Institutes eingeführt werden.
In den besonderen Arbeitsgebieten des Institutes sind oftmals Beobachter, die
zu kürzerem oder längerem Aufenthalt von auswärts kamen, mit Einrichtungen und
Methoden vertraut gemacht worden.
Es scheint geboten, von der wissenschaftlichen Tätigkeit hier nur insoweit zu
berichten, als sie schon in weiterem Umfange an die Öffentlichkeit getreten ist. So
wird denn weiterhin nur die Anteilnahme des Institutes an der seismischen und der
luftelektrischen Forschung besprochen werden. Bevor ich dazu übergehe, soll zu-
nächst das neue Institut selbst beschrieben werden.
i) Meine Vorlesungen über Geophysik beziehen sich auf: Physik des Erdkörpers, umfassend
Massen anordnung, Elastizität, Temperatur und damit im Zusammenhang Schwerkraftverteilung, Gestalt, Pol-
schwankungen, Ebbe und Flut, Gebirgsbildung, Vulkanismus, Erdbeben; ferner auf: Meteorologie, Luft-
elektrizität, Polarlicht, Erdmagnetismus, Erdströme. Außerdem habe ich in den Vorlesungen über Ver-
messungswesen (Seite 108) Gelegenheit, auf die Beziehungen zur Geophysik hinzuweisen; in der Tat ist
ja z. B. die höhere Geodäsie zu einem großen Teil Geophysik. Umgekehrt bringen die geophysikalischen
Vorlesungen Ergänzungen für den Unterricht im Vermessungswesen. — Bei den Übungen im Vermessungs-
i8»
Geophysikalisches Institut.
Abb. 4. Hainberg.
Bismarcktonn.
b) Lage und Baulichkeiten.
Lage des Institutes. Das Tal der Leine ist bei Göttingen nahezu von Süd
nach Nord gerichtet und bildet eine flache Mulde von ungefähr 8 km Breite. Die
Tiefe liegt etwa 150 m über dem Meer, während die Ränder bis auf rund 300 m See-
höhe ansteigen. Göttingen liegt in der Mulde, jedoch mit seiner süd-nördlichen Mittel-
linie dem Ostrande etwa halb so nahe wie dem Westrande. — In dem inneren, dichter
bebauten Teil bildet die Stadt eine unregelmäßige Kreisfläche, die eine Abgrenzung
mit etwa i km Durchmesser in dem alten Befestigungswall und den ihn teilweise er-
setzenden gärtnerischen Anlagen findet: die weitere Stadt bedeckt eine Fläche von
etwa dem doppelten Durchmesser mit einzelnen Lücken und Ausläufern. Das neue
geophysikalische Institut liegt auf dem Hainberg, etwa 1V3 km nördlich und 2 km
östlich vom Mittelpunkt der Stadt, der in der Nähe des Rathauses zu suchen ist Der
dem Institut zugewandte östliche Teil der äußeren Stadt ist im Villenstil gebaut und
enthält keine Fabrikbetriebe mit größeren Maschinenanlagen. Solche finden sich erst
in der nordsüdlichen Mittellinie; die im Leinetal verlaufenden Eisenbahnen bleiben dem
Institut auf 2^1^ km fern.
Der „Hainberg" bildet die östliche Begrenzung des Leinetales bei Göttingen;
auf seiner Höhe nahm ich den Rand der Talmulde an. Nördlich vom Institut öffnet
sich ein tiefes Seitental, in dessen Grund, etwa i km vom Institut entfernt, ein
kleiner Bach, die „Lutter**, zur Leine fließt. Leinetal und Luttertal zusammen bewirken,
daß der Hainberg nach Nord- West in einem unregelmäßigen Keil ausläuft. Etwas
regelmäßiger wird die F'orm, wenn man nur die über 240 m Seehöhe hinausgehenden
wesen wird der geophysikalische Anteil (z. B. Schweremessungen, erdmagnetische Messungen) zurückgestellt
und dem geophysikalischen Praktikum überlassen.
Das Institut für Geophysik; von E. Wiechert. 141
Teile des Geländes beachtet Dann ist die zum Leinetal gehörige Seite ziemlich ge-
nau von Süd nach Nord gerichtet, die zum Luttertal gehörige Seite von Südost nach
Nordwest. Das Institut liegt etwa % km von der Spitze, jedoch nicht auf der Höhe
des Rückens, sondern etwa 200 m nach dem Leinetal hin. — Die Seehöhe des In-
stitutes ist ca. 270 m, der Hainberg steigt hinter ihm auf 290 m an und geht weiter
südlich allmählich über 300 m hinaus. Der Abfall des Hainbergs gegen das Leinetal
hin macht sich schon im Gebiete des Institutes selbst bemerkbar und wird dann
sehr steil (1:5). Eine gute Anschauung davon gibt die Abbildung i auf Seite 119,
welche den Blick auf das Institut von Südwesten her zeigt. Die Bismarck-
Feuerstätte am linken Rand des Bildes ist etwa 500 m vom Hauptgebäude des
Institutes entfernt; sie liegt noch in 255 m Seehöhe, doch verläuft die in meiner
Beschreibung ausgezeichnete 240 m- Höhenlinie dicht bei ihr. Abbildung 4 auf
Seite 140 zeigt den Anblick des Institutes von Nordwesten aus, zugleich sieht man
hier den südlich vom Institut gelegenen Teil des Hainbergs. Ganz rechts erscheint
der Bismarckturm, der in 330 m Seehöhe steht, und vom Institut nahe 2 km entfernt
ist. Wie die Bismarck-Feuerstätte im Norden, so bildet er im Süden einen vorzüg-
lichen Stützpunkt für vielerlei Arbeiten. In der Mitte des Bildes sieht man die
nächsten bewohnten Häuser in der Nachbarschaft des Institutes, die von diesem
etwa % km abstehen; das sich besonders heraushebende Gebäude ist das Rohns-
Gasthaus.
Von der Plattform auf dem Dache des Hauptgebäudes hat man von Norden
über Westen nach Süden einen völlig offenen Ausblick. Man übersieht das Leinetal
in weiter Ausdehnung. Zu Füßen liegt die Stadt Göttingen ausgebreitet; da man
etwas von oben auf sie herabsieht, gewinnt man einen Überblick über alle ihre Teile.
Sehr wichtig scheint, daß das neue physikalische Institut in etwa 3 km Entfernung am
Südrande der Stadt frei sichtbar ist. — Über das Leinetal hinweg erblickt man am
Horizont eine Reihe von Höhen in Entfernungen von 20 km und darüber, im Süden
hebt sich als schöner Abschluß des Leinetalcs der 35 km entfernte „Hohe Meißner"
kräftig heraus. — Von Norden über Osten bis Süden haftet der Blick auf dem Hain-
berge, nur in einzelnen Lücken erscheinen darüber hinaus liegende Höhen, die aber
auch nur wenige Kilometer entfernt sind. Im Norden bildet die Bismarck-Feuerstätte,
im Süden der Bismarckturm den Abschluß dieser waldbedeckten, sanft gewellten
Fläche. Da sie über das Institut hinaus steigt, ist der Horizont hier nicht frei; der
Verlust an Höhe im astronomischen Sinne des Wortes ist im Osten am größten und
erreicht etwa 6^
142
Das Institut für Geophysik,
Institutsgelände. Abbildung 5 zeigt den Lageplan des Institutes. Man er-
kennt, daß sein Gebiet sich mit einer Front von über 200 m Länge von Osten her an
die Herzberger Chaussee anle.t>^t. Diese verläuft hier etwa in 260 m Seehöhe. Das
Hauptgebäude des Institutes steht schon 10 m höher. Von da ab steigt das Instituts-
gelände nur wenig weiter an. Nach Norden hin senkt es sich um einige Meter herab.
Abb. 5. Lagcplan des Institutes für Geophysik.
Bevor das Institut gebaut wurde, war sein Bereich mit jungem Kiefernwald bedeckt,
der einzelne Laubbäume enthielt und gegen die Chaussee hin Ränder von Buschwerk
hatte. Der Wald ist so viel als möglich geschont worden und soll auch weiterhin im
wesentlichen erhalten bleiben.
Im geologischen Sinne bildet das Leinetal eine tiefe „Grabenversenkung".
Der Untergrund des Institutes ist Muschelkalk.
Hauptgebäude. Das Hauptgebäude des Institutes, welches man auf Ab-
Von E, Wibchbrt.
143
bildung I und 4 aus der Feme, auf Abbildung 6 aus der Nähe, von der Herz-
berger Chaussee aus, sieht, ist über dem Kellergeschoß ein Ziegelbau mit Zement-
verputz und Ölfarbenanstrich. Das Kellergeschoß hat Außenmauern von Bruchsteinen.
Das Dach ist in den geneigten Flächen mit Schiefer gedeckt. Die Plattform, sowie
Abb. 6. Hauptgebäude des Institutes für Geophysik.
die Bedeckung des zur Plattform führenden Treppenhauses ist in „Holzzement" mit
Kiesschüttung ausgeführt.
Die Fangvorrichtung des Blitzableiters besteht aus einem um die Dachränder
gelegten Kupferdraht, an den alle Metallteile des Daches angeschlossen sind.
Das Haus ist mit seinen Wänden genau nach den Haupthimmelsrichtungen orien-
144
Das Institut für Geophysik,
tiert und zwar so, daß die Seite mit dem Treppenflur nach Norden weist. In den
Plänen Abb. 7, 8 und 9 ist also stets Norden links und Süden rechts zu denken*
Entsprechend hat man unten die Talseite (Westen), oben die Bergseite (Osten).
Das Kellergeschoß (Abb. 7) enthält im Mittelraum den Ofen für die Heiß-
% i
f ^ f f '^ f-
Abb. 7. Kellergeschoß des Hauptgebäudes.
Wasser -Zentralheizung. Nach außen hin liegen der Kellerraum für Holz und Kohlen,
die Wirtschaftskellerräume, der Akkumulatorenraum, der Treppenflur, die aus zwei
Räumen bestehende Mechanische Werkstätte. In der letzteren befindet sich das
Schaltbrett für die elektrische Anlage, welche in der Abbildung durch einen Doppelstrich
angedeutet ist. Der Südteil des Kellergeschosses enthält einen besonderen Korridor mit
Von E. WlBCHERT.
145
einer Ausgangstür ins Freie und neben dem Korridor sechs Räume, welche bisher die
Wohnung des Hauswartes bildeten. Jetzt wird in der Nähe des Tores zum Instituts-
gebiet ein besonderes Wärterhaus gebaut. Sobald dieses bezogen werden kann, was
nach dem Bauprogramm im Spätherbst dieses Jahres zu erwarten ist, soll die bisherige
Wärterwohnung für den
eigentlichen Institutsbetrieb
verwertet werden. Auf diese
Weise wird dem Übelstand
abgeholfen, daß bisher keine
Kellerräume für wissenschaft-
liche Arbeiten zur Verfügung
standen. — ^
Die beiden „Licht-
gräben" liegen ganz im Freien
und bilden Bodenvertiefungen
von etwa im. —
Zum Lageplan des
Erdgeschosses, der in Ab-
bildung 8 dargestellt ist, sei zu-
nächst bemerkt, daß der „Ex-
perimentiersaal" in der Nord-
westecke um I m tiefer liegt
als die übrigen Räume und
eine entsprechend größere
Höhe hat (4V, gegen 37, m).
Das Balkenwerk seines Fuß-
bodens wird von den Außen-
wänden getragen. Elf Stein-
pfeiler, die auf das Keller-
gewölbe aufgesetzt sind,
treten frei durch den Fußboden hindurch und enden in gleicher Höhe mit diesem; sie
sind in der Abbildung durch Quadrate angedeutet (das helle Rechteck an der Innenwand
stellt ein Wasserleitungsbecken dar, die dunkeln Rechtecke bezeichnen die Heizungskörper).
Zu den Pfeilern gehört als besonders wertvoll noch eine lange Brücke gleicher Art, die
von Wand zu Wand reicht und in der Abbildung von den beiden mittleren parallelen
Göttinger FesUcbrift. I9
9 i % 9 y ^ • t t 9 ^^
Abb. 8. Erdgeschoß des Hauptgebäudes.
146
Das Institut für Geophysik,
Linien abgegrenzt wird. — Der „Hörsaal" hat an der Wand gegen das benachbarte
„Arbeitszimmer" eine Schiefertafel, davor ein Holzpodium. Die Fenster lassen
sich durch schwarze Vorhänge ganz verdunkeln. Eine Projektionslampe (16 Ampere)
ist zur sofortigen Verwendung verfügbar. Der Raum wird für Vorträge nur aus-
nahmsweise benutzt, da ja die geophysikalischen Vorlesungen der Regel nach im
Auditoriumgebäude der Universität gehalten werden; er ist gewöhnlich ein wegen
seiner Größe besonders geschätzter Arbeitsraum für experimentelle Arbeiten. — Der
Platz für „Arbeiten im Freien" ist ein Balkon, der oben gedeckt, an den Seiten über
der Brustwehr offen ist. — Das „Schreibzimmer" steht zur allgemeinen Verfügung; hier
finden sich auch die hauptsächlichsten Nachschlagewerke, sowie Logarithmentafeln,
Schreibmaschine usw., und sind die neuesten Nummern der Zeitschriften ausgelegt. — Das
Uhrenzimmer enthält an der Wand der Tür gegenüber die Hauptnormaluhr (Strasser-
Rhode), welche von außen her durch ein Fenster in der Tür abgelesen werden kann.
An der Wand links von der
Tür hängt die Uhr, welche
den seismischen Instrumenten
die Zeitsignale gibt. —
Das erste Stockwerk
über dem Erdgeschoß um-
fcißt die Direktorwohnung.
Im zweiten Stock-
werk (Abb. 9) befindet sich
die Institutsbibliothek.
Bei der Beschränktheit des
Raumes im Institut muß sie
gleichzeitig auch als Arbeits-
zimmer dienen; insbesondere
werden hier die seismischen
Kurven bearbeitet Die Wohn-
zimmer („ Fremdenzimmer **
und „Schlafzimmer für Studie-
rende") sind für Gäste des
Direktors und des Institutes
bestimmt. Daß auch das
94%9)^ff% 9 iP Institut Gäste beherbergen
Abb. 9. Zweites Stockwerk des Hauptgebäudes.
Von E. WiECHBRT. 147
kann, ist bei seiner abgelegenen Lage und der besonderen Art mancher seiner
Arbeiten von großem Wert; so hat zum Beispiel H. Gerdien mehrfach davon Nutzen
ziehen können.
Im dritten Stockwerk ist der Raum unter der Plattform, der über den
Fremdenzimmern des zweiten Stockwerks liegt, noch wohnlich ausgebaut. Im vorderen
Teil, nach Westen zu, befindet sich ein Arbeitsraum für meteorologische Zwecke, der
Spiegelglasfenster nach Süden, Westen und Norden hat. Dahinter ist ein kleiner
Raum, der meteorologische und luftelektrische Registrierapparate sowie eine elektrisch
angetriebene Drachenwinde enthält.
Die Plattform des Daches liegt über dem Experimentiersaal im Erdgeschoß,
den Fremdenzimmern im zweiten Stockwerk und den meteorologischen Räumen über
diesen, also in der Nordwestecke des Hauses. Die Brustwehr besteht nach Norden,
Osten und Westen hin aus Stein, nach Süden hin aus Holz. Die drei Ecken nach Nordost,
Nordwest und Südwest haben runde Steinausbauten, die man auf den Abbildungen i, 4
und 6 auf Seite 119, 140 und 143 leicht erkennen wird. Auch die Fußböden der Aus-
bauten (lichter Durchmesser 1,6 m) sind aus Stein, so daß hierdurch, sowie durch die
steinernen Brustwehren vorzügliche Gelegenheit zum sicheren Aufstellen von Apparaten
geboten wird. Der Fußboden im Mittelteil der Plattform (5,80 x 7,35 m) wird durch
einen Holzrost gegeben, der auf den Kies des Holzzementdaches gelegt ist. In der
Mitte der westlichen Brustwehr tritt durch einen Holzschacht der Drachendraht hervor,
der von der Drachenwinde im darunter liegenden Raum heraufkommt.
Wirtschaftsgebäude. Das Wirtschaftsgebäude (7 x 10 m) hat ein Geschoß
zu ebener Erde und darüber Dachräume. Es enthält unten auf der nach Nordwest
gerichteten Längsseite nebeneinander einen Raum, der zum Berußen und Fixieren der
Seismographenpapiere dient, einen Raum, in dem der Benzinmotor und die Dynamo-
maschine der elektrischen Anlage aufgestellt sind,' und den Vorratsraum für den vom
Motor gebrauchten Benzin. Auf der gegenüber liegenden Seite des Hauses liegen
nebeneinander die Waschküche, der Treppenaufgang zum Dachboden und ein Gelaß
für Gartengeräte u. dergl. Auf dem Dachboden ist die Tischlerwerkstätte untergebracht;
im übrigen wird er zum Aufbewahren von Vorräten benutzt. —
Erdbebenhaus. Der Grundriß und der Querschnitt des Erdbebenhauses wird
durch Abbildung i o dargestellt, Abbildung 1 1 zeigt den Anblick von der Seite der Ein-
gangstür. Das Haus umfaßt einen „Vorraum" und einen „Raum für die Instrumente". Von
der Länge des Hauses nimmt der Vorraum im Lichten 3 m, der Instrumentenraum 10 m
in Anspruch; beide Räume sind 5 m breit. Der gemeinsame Fußboden besteht aus
19*
148
Das Institut Jür Geophysik,
einer 15 cm dicken Schicht von Stampfbeton, die auf den ungefähr geebneten ge-
wachsenen Felsboden (Muschelkalk) aufgelegt wurde. Im Instrumentenraum ist zur
besseren Sicherung gegen Feuchtigkeit noch eine 3 cm dicke Asphaltschicht auf-
gegossen. Eine Doppeltür schließt den Vorraum nach außen hin, eine zweite den In-
strumentenraum gegen den Vorraum ab.
Der Fußboden des Hauses liegt 3 m unter der Oberfläche des Geländes. Die
Innenräume sind bis zur Decke 2,5 m hoch, liegen also ganz unterhalb der Erdober-
fläche. Beide Räume sind unter Anwendung von eisernen Doppel-T-Trägern überwölbt.
Über dieser 22 cm dicken Decke ist zum besseren Wärmeschutz eine 23 cm dicke
Torfmullschicht aufgeschüttet. Das Pultdach des Hauses läßt darüber noch eine Höhe
von % m auf der einen Längsseite bis i m auf der anderen frei. Das Dach ist nicht
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Abb. 10. Grundriß und Querschnitt des Erdbebenhauses.
nur oben verschalt, wo die Dachpappe aufliegt, sondern auch unten, wodurch der
Wärmeschutz noch weiter verbessert wird.
Bei dem Bau der Seitenwände, soweit sie im Erdreich stehen, mußte vor allem
auf Sicherung gegen das Eindringen von Feuchtigkeit Bedacht genommen werden.
Die gewählte Konstruktion, erdacht von dem Universitätsbaurat Kreisbauinspektor
Brkymann und dem Bauführer Krumbach, ist folgende: Außen in dem Zwischenraum
zwischen den Mauern und dem unberührt gebliebenen Erdreich sind Steine geschüttet,
so daß das Wasser keinen Halt findet; damit es sicher abfließt, ist unten noch eine
besondere Ab Wasserleitung aus Tonröhren um das Haus gelegt, die vom beim Zu-
gangsweg mündet. Dieser konnte so in das Gelände eingeschnitten werden, daß er
vom Erdbebenhaus gegen den Hof des Institutes noch ein Gefalle hat, — Die Mauern
Von E, WlBCHERT.
149
sind 70 cm dick; von außen nach innen folgen einander: Wasserundurchlässige Asphalt-
isolierpappe, wasserundurchlässiger Goudronanstrich, Bruchsteinmauerwerk, Luftschicht
von 3 cm Dicke, Ziegelmauerwerk von 12 cm Dicke, wasserundurchlässiger Goudron-
anstrich, Zement verputz, der von einem Drahtnetz gehalten wird („Rabitzputz"), Öl-
farbeanstrich. — Die Wände oberhalb der Erde, welche den Dachraum einschließen,
bestehen einfacher nur aus Bruchsteinmauerwerk von 45 cm Dicke und Ziegelmauer-
Abb. II. Erdbebenhaus.
werk von 12 cm, getrennt durch eine 3 cm dicke Luftschicht. — Der Instrumentenraum
hat Ventilation gegen den Vorraum hin, im übrigen wird er durch die Eingangs-
doppeltür völlig abgeschlossen. Licht wird nur durch die elektrischen Glühlampen
geboten. Die Ventilation besteht aus zwei Blechröhren von 12 cm Durchmesser an
den Wänden, eine dicht unter der Decke, die andere dicht über dem Fußboden
herumlaufend, die mit ihren Enden in den Vorraum münden und im Instrumentenraum
in Abständen von je '/a "^ Öffnungen von 1,5 cm Durchmesser haben. Die Öffnungen
im Vorraum können nach Belieben geschlossen und geöffnet werden, es ist auch Vor-
sorge getroffen worden, einen Luftstrom mittels eines elektrisch angetriebenen Venti-
lators hindurchzutreiben. Der Vorraum seinerseits hat eine Ventilation mit Hilfe von
Schornsteinen. — In der Praxis hat es sich freilich bisher gezeigt, daß die ganze
150 Das Institut für Geophysik,
Ventilationseinrichtung ohne Bedeutung ist und abgestellt werden kann. Offenbar sind
bei den Türen und in der Decke usw. Wege genug für die Luft, um den sehr ge-
ringen Bedarf zu decken; in der Tat sind ja bei geschlossenen Türen stets nur wenige
Menschen und auf kurze Zeit im Hause. — Die Feuchtigkeit der Luft im Instrumenten -
räum wird durch Chlorcalcium unter 85 7o gehalten. Die Temperatur ist vorzüglich
konstant, was mit Rücksicht auf die zum Teil sehr temperaturempfindlichen Seismometer
von großem Wert ist. In der Regel bleibt die Tagesschwankung innerhalb 7,0 Grad
Celsius. Die Jahresschwankung, auf die es weniger ankommt, erreicht ca. 6** C —
Trotzdem die Instrumente, abgesehen von der ausgleichenden Zementschicht des Fuß-
bodens, direkt auf dem gewachsenen Felsboden stehen, bewirkt doch die Last eines
Menschen in ihrer Nähe schon erhebliche Ausschläge, die zum Beispiel bei dem asta-
tischen Pendel auf mehrere Millimeter gehen können. So ist denn für den Verkehr
eine „Hängebrücke" dicht über dem Fußboden angeordnet, die mit Ketten von der
Decke getragen wird; sie ermöglicht es dem Besucher, an alle Instrumente heran-
zukommen, ohne den eigentlichen Fußboden zu betreten. Man wird die Hängebrücke
und die tragenden Ketten auf Abbildung 12 (S. 164) sogleich erkennen.
Astronomische Hütte und Haus für erdmagnetische Beobachtungen.
Die astronomische Hütte ist ein einfacher Holzbau (3,4 x 3,4 m) mit verschließ-
barem Meridianspalt. Ein Passageinstrument (von Heyde, Dresden) mit gebrochenem
Fernrohr und 30 cm Lagerweite steht in der Mitte auf einem Steinpfeiler; es dient zu
Zeitbestimmungen und zur Feststellung der Meridianrichtung. Die letztere kann dann
direkt auf die Instrumente im Haus für erdmagnetische Beobachtungen übertragen
werden, da ein Lichtweg in der Richtung des Meridians vom Pass^geinstrument bis
zu einem Fenster des Hauses für erdmagnetische Beobachtungen von Vegetation frei
gehalten wird.
Das Haus für erdmagnetische Beobachtungen (Abbildungen 2 und 3, Seite 123
und 124) ist eben dasselbe, welches Gauss im Jahre 1833 erbaute und das später von
Weber erweitert wurde. Wir pflegen es„Gauß-Haus" zu nennen. Ich habe oben schon
berichtet, daß die Überführung von dem ursprünglichen Platze im Gelände der Sternwarte
zum neuen geophysikalischen Institut im Jahr 1902 stattfand. Ursprünglich waren die
Mauern Ziegelfach werk, jetzt ist die Ziegelfüllung fortgelassen worden. Das Balken-
werk ist innen und außen mit Brettern verschalt, außen sind dann noch die Bretter
der „Stülpschalung" aufgenagelt worden. Die Decke unter dem (nicht zugänglichen)
Dachboden ist nach unten hin mit Brettern verkleidet. — Der kleine Vorbau mit der
Eingangstür, den man in Abbildung 3 in der Mitte sieht, ist innen durch eine Glastür
Von E. WiECHBRT, 151
abgegrenzt, im übrigen bildet das ganze Innere des Hauses einen einzigen zusammen-
hängenden Raum. Der vordere Teil, ein Rechteck von 4,85 x 10,28 m, rührt von
Gauss her, der hintere Teil, ein Rechteck von 5,22 x 7,08 m, von Weber. — Im
vorderen Teil sollen demnächst Dunkelräume für photographische Registrierungen
abgetrennt werden. —
Elektrische Anlage und Wasserleitung. Die Lage des Institutes in einer
immerhin erheblichen Entfernung von der Stadt und auf einer Anhöhe hat für den
Betrieb des Institutes einige Schwierigkeiten im Gefolge. Es mußte auf die Anschlüsse
an die städtische elektrische Anlage und an die städtischen Gas- und Wasserleitungen
verzichtet werden. Das Institut erhielt als Ersatz eine eigene elektrische Anlage und
eine eigene Wasserleitung. — Die elektrische Anlage besitzt als Kraftquelle einen
Benzinmotor (Deutzer Gasmotorenfabrik) von 3 Pferdekräften, der im Wirtschaftsgebäude
aufgestellt ist. Er treibt eine Gleichstrommaschine, mit der die Akkumulatorenbatterie
im Keller des Haupthauses geladen wird; erst von dieser Batterie aus erfolgt die
Stromabgabe. Hierfür dienen zwei ganz getrennte Leitungssysteme, nämlich die
„Lichtleitung", welche 65 Volt zur Verfügung stellt, und die „Experimentier-
leitung", deren drei Leitungen die Spannungsdifferenzen 2, 4 und 6 Volt darbieten. —
Die Batterie hat im ganzen 42 gleiche Elemente von 144 Ampere-Stunden Kapazität
und 48 Ampere maximalen Entladungsstrom. Sie zerfallt in drei Teile. Ein Teil von
36 Elementen mit Zellenschalter gehört zur Lichtleitung; von den beiden anderen
Teilen zu je 3 Elementen wird stets einer an die Experimentierleitung geschaltet,
während der andere dann in Reserve steht und geladen werden kann. — Die Licht-
leitung dient außer zu Beleuchtungszwecken auch zum Betriebe von Motoren usw. —
Die Experimentierleitung versorgt unter anderem auch die „Zeitmarkierung" der
Seismographen mit Strom. —
Die Wasserleitung benutzt das Regenwasser der Dachflächen des Haupt-
gebäudes und des Wirtschaftsgebäudes. Das Wasser sammelt sich in einer unter-
irdischen Zisterne (Abb. 5, S. 142) von 25 cbm verfügbarem Inhalt an und wird dem
Bedarf entsprechend automatisch von einer durch Elektrizität angetriebenen Pumpe in
einen Behälter von ca. 7^ cbm Inhalt unter dem Dach des Hauptgebäudes gepumpt;
von diesem Behälter geht dann die Wasserleitung aus.
152 Das Institut für Geophysik.
IIL Seismologische Arbeiten.
a) Einleitung.
Vorwort. In Göttingen und seiner Umgebung kommen fühlbare Erdbeben
so außerordentlich selten vor, daß ihre Beobachtung, also die praktische „Makro -
Seismik" nicht in Betracht zu ziehen ist. Das Institut ist demgemäß auf die „Mikro-
seismik" und die „Bradyseismik" beschränkt Die „Mikroseismik" umfaßt die
Beobachtung der unfühlbaren Erderschütterungen infolge von fernen Erdbeben, von
Wogenanprall an die Küsten, von Wind usw.; zur „Bradyseismik" werden die ver-
hältnismäßig langsamen Deformationen der Erde unter dem Einfluß der wechselnden
Anziehung der Gestirne und ähnliche Erscheinungen, wohl auch die dabei auftretenden
Veränderungen der Schwerkraft selbst gerechnet.
Da die bradyseismischen Arbeiten im geophysikalischen Institut bisher über
Vorbereitungen nicht hinaus geführt worden sind, scheint es nicht zweckmäßig, im
folgenden davon zu sprechen. So wird denn allein die Mikroseismik berück-
sichtigt werden.
Wirksamkeit der Seismographen. Die neuere instrumentelle Seismik, in
deren Entwicklung wir heute stehen, benutzt als fundamentale Apparate Seismometer,
die selbständig und dauernd durch die Zeichnung registrieren, also automatische
„Seismographen". Da es weiterhin öfters nötig sein wird, Angaben über die Wirk-
samkeit der Seismographen zu machen, mögen hier zunächst einige theoretische Vor-
bemerkungen vorangestellt werden.
Man kann „Horizontal-" und „Vertikal" -Seismographen unterscheiden, das heißt
Instrumente, die für die Registrierung der horizontalen und der vertikalen Komponente
der Erderschütterungen bestimmt sind. Die Horizontal -Seismographen reagieren zu-
gleich auf Neigungen. Femer werden Horizontal- und Vertikal- Seismographen durch
Änderungen der Schwerkraft beeinflußt, und zwar die Horizontal -Seismographen durch
das Hinzutreten einer horizontalen Komponente, die Vertikal -Seismographen durch das
Hinzutreten einer vertikalen Komponente zur normalen Schwerkraft.
Sieht man von ungewöhnlichen Konstruktionen und ungewöhnlichen Verhältnissen
ab, die für die gewöhnliche Praxis keine Bedeutung haben, so wird — wie ich das
mehrfach näher dargelegt habe') — die Wirksamkeit eines Seismographen außer durch
i) Vergl. die am Schluß unter V. zitierten Arbeiten.
Von E, WiECHERT, 153
die Registriergeschwindigkeit und die Feinheit der Registrierkurven bestimmt durch
die Reibung und die Dämpfung bei den Bewegungen und überdies nur noch durch
zwei weitere Konstanten, Im Übrigen kommt es auf die besondere Art der Kon-
struktion — zum Beispiel ob Horizontalpendel oder vertikales Pendel, ob astasiert
oder nicht — gar nicht weiter an. — Die Reibung unterdrückt Einzelheiten in den
Aufzeichnungen, ist darum stets als eine Störung anzusehen, die möglichst klein gehalten
werden muß. Die Dämpfung andererseits ist sehr nützlich, weil sie ein störendes Her-
vortreten der Eigenschwingungen verhindert. Des weiteren kann man als charakteristische
Konstanten annehmen: Die Vergrößerung sehr schneller Bodenbewegungen, die ich im
folgenden „Indikatorvergrößerung'* nennen und mit F bezeichnen werde, und die Periode
der Eigenschwingungen des Instrumentes bei ausgeschalteter Reibung und ausgeschalteter
Dämpfung, die ich im folgenden kurzweg „Eigenperiode" nennen und mit T be-
zeichnen werde. (Genauer gesprochen ist T die „reduzierte" Eigenperiode. Die „Periode"
umfaßt gemäß der in der Physik üblichen Weise Hin- und Hergang, also eine „Doppel-
schwingung").
Da es, wie schon hervorgehoben, auf die Konstruktion nicht ankommt, verhält sich
ein jeder Horizontal-Seismograph gerade so, wie ein einfaches vertikal herabhängendes
Pendel mit punktförmiger Masse und gewichtloser Stange, das mit einer an der Stange
befestigten Spitze (dem „Indikator") seine Bewegungen aufschreibt. Bezeichnet bei
einem derartigen einfachen Apparat L die „Pendellänge", das heißt den Abstand
der Masse von der Drehachse, und / die „Indikatorlänge", das heißt den Abstand der
Spitze von der Drehachse, so bestehen die Beziehungen:
'l- ^-'"Vj-
wobei ^ die. Intensität der Schwerkraft bedeutet. — Sehr nahe ist T= 2V L^ wenn T
nach Sekunden und L nach Meter gerechnet wird. — An ein solches einfaches verti-
kales Pendel gleicher Wirkung denkend, wird man bei Horizontal- Seismographen be-
liebiger Konstruktion die durch T bestimmte Größe L „äquivalente Pendellänge" und
die durch /= L V bestimmte Größe / „äquivalente Indikatorlänge" nennen können. In
einem übertragenen Sinne darf man auch für Vertikal -Seismographen den Größen L
und / die gleichen Namen beilegen.
Die äquivalente Indikatorlänge / tritt in gewisser Hinsicht in eine Parallele
zu V: Während nämlich F die Vergrößerung sehr schneller Bodenbewegungen
angibt, bietet / ein Maß für die Empfindlichkeit des Instrumentes gegenüber
Götdnger Festschrift 20
154 ^<^ InsHUä filr Geophysik.
sehr langsamen Bodenbewegungen, indem bei solchen die Indikatorausschläge
proportional mit / erfolgen. — Die äquivalente Indikatorlänge / mißt femer auch
die Empfindlichkeit gegen Schwerkraftänderungen, ist also die entscheidende
Konstante des Instrumentes für die Bradyseismik. Für Horizontal-Seismometer gibt /
die Neigungsempfindlichkeit an; man wird dies leicht erkennen, wenn man die
Gedanken auf das äquivalente einfache Pendel richtet Beachtet man weiter, daß eine
Bogensekunde auf dem Umfang eines Kreises rund den 2o6ooosten Teil des Radius
angibt, so läßt sich folgern, daß £= Ij 206000 den Ausschlag des Indikators für
I Bogensekunde Neigung angibt; die so bestimmte Größe E wird in der Praxis meist
als Maß für die Neigungsempfindlichkeit verwandt. — E stellt natürlich ebenso wie /
auch ein Mciß für die Empfindlichkeit des Seismographen gegenüber sehr langsamen
Schwingungen des Erdbodens und gegenüber Schwerkraftänderungen dar und kann
hierfür auch bei Vertikal-Seismographen benutzt werden, wenn man eine unmittelbare
Vergleichbarkeit der Maßzahlen für die Leistungen der verschiedenen Instrumente her-
beizuführen wünscht. Speziell für Schwerkraftänderungen gibt £ den Ausschlag an,
der dem Hinzutreten einer Komponente im Betrage des 206 000 sten Teiles der Gesamt-
intensität der Schwerkraft entspricht
Zur Charakterisierung der Wirksamkeit eines Seismometers kann man statt F
und T selbstverständlich irgend zwei der Größen F, T, L, I, E verwerten, wenn
man nur die Kombinationen 7^ L und /, E vermeidet, die für sich je nur eine Kon-
stante ergeben würden. —
b) Geschichtliches über die Mikroseismik bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.
Periode bis 1890. Die Seismographen und die auf ihre Verwertung sich
gründende Mikroseismik gingen aus den Bemühungen hervor, für die Makroseismik
und die Bradyseismik geeignete Beobachtungsinstrumente zu schaffen.
In der Mikroseismik begann man mit der Konstruktion von Seismoskopen, das
heißt von Instrumenten, welche die persönlichen Beobachtungen ersetzen oder durch
verläßliche Angaben über die Zeit, über die Stärke und die Richtung der Stöße
unterstützen sollten. Man verwertete dabei das Überlaufen mit Flüssigkeit vollgefüllter
Gefäße, das Umfallen empfindlich aufgestellter Gegenstände, das Mitschwingen von
Pendeln usw. Schon vor Christi Geburt wurden in China solche Apparate gebaut.
In Europa soll das erste Seismoskop 1703 von dem Franzosen Abb^ De Haute-Fenilue
konstruiert worden sein. Im 19. Jahrhundert erhöhte sich die instrumentelle Erdbeben-
Von E. WiECHERT. 155
forschung allmählich, besonders in dem erdbebenreichen Italien. Die neue Epoche der
Entwicklung, in der wir heute stehen, begann etwa am Ende der siebziger Jahre
des vorigen Jahrhunderts mit dem Eintreten Japans. Sie knüpft an die Verwertung
des einfachen vertikalen Pendels, sowie des sogenannten „Horizontalpendels" für die
Registrierung der horizontalen Komponenten der Erderschütterungen.
Das vertikale Pendel wurde nach dem Vorgang von Comrie in Schott-
land (1841) schon in älteren Zeiten für die Erdbebenregistrierung dienstbar gemacht,
indem man die Bewegungen durch eine unten angebrachte Spitze in eine Sandfläche
einritzen oder auf ein darunter befestigtes Papierblatt aufschreiben ließ. Der Oster-
reicher Kreil ließ schon 1855 die Registrierfläche durch ein Uhrwerk bewegen. In
Japan vervollkommnete zunächst ein Deutscher, Gottfried Wagner, das Instrument, indem
er die Empfindlichkeit durch eine Zeigerübertragung erhöhte. Dann traten Engländer
ein (Th. Gray, J. A. Ewing, J. Milne). Ewing baute 1879 unter Anwendung des
vertikalen Pendels einen Seismographen, der die beiden Horizontalkomponenten ge-
trennt aufschrieb. Man bemühte sich insbesondere, die Eigenperiode durch Astasierung
zu erhöhen, einmal um die Empfindlichkeit zu vergrößern, vor allem aber, um die Eigen-
schwingungen unschädlich zu machen; in sehr wenig zweckmäßiger Weise wurde in
der letzteren Absicht auch die Reibung angewandt.
Das Horizontalpendel ist für die Bradyseismik ersonnen worden, nämlich für
die Beobachtung der Veränderungen der Lotlinie infolge der wechselnden Anziehung
von Sonne und Mond. Es ist ein Pendel mit nahezu vertikal gestellter Drehungs-
achse. Die Achse wird dabei durch Unterstützung zweier Punkte mittels Fäden oder
Spitzen gegeben. Liegen die beiden Stützpunkte (in verschiedener Höhe) oberhalb
des Pendels und hängt dieses an zwei von den Stützpunkten herabgehenden Fäden,
so haben wir das „hängende Bifilarpendel". Wird das Pendel von zwei Fäden gehalten,
von denen der eine vom oberen Stützpunkt herab, der andere vom unteren Stützpunkt
herauf geht, so entsteht das „spannende Bifilarpendel". Hängt das Pendel an einem
vom oberen Stützpunkt herabgehenden Faden, indem es sich gegen eine untere Spitze
lehnt, so liegt das „Kegelpendel" vor. Werden beide Stützpunkte durch Spitzen
gegeben, so handelt es sich um ein „Zweispitzenpendel". —
Das erste Horizontalpendel und zwar ein spannendes Bifilarpendel konstruierte
L. Hengler (1832); den bradyseismischen Zwecken entsprechend nannte er es „astro-
nomische Pendel wage". Perrot (1862) und C F. Zöllner (1869) erdachten von neuem
den gleichen Apparat. Zöllners Einrichtungen waren denen seiner Vorgänger bei
weitem überlegen; sein definitives Instrument bildete selbst nach unseren heutigen An-
20*
156 Das Institut ßir Geophysik.
schauungen ein sehr hoch empfindliches Seismometer (F= ca. 100, /"bis ca. 30 Sekunden,
E bis ca. 100 mm). Den eigentlich ins Auge gefaßten Zweck, die Messung der Lot-
schwankungen, konnte Zöllner doch nicht erreichen, da es nicht gelang, die lokalen
Störungen genügend zu überwinden. Das hängende Bifilarpeildel wurde 187 1 von
Ch. Delaunay erfunden; später ist es von W. Thomson (Lord Kelvin) und G. H. Darwin
in sehr feinfühligen Konstruktionen verwendet worden. Auch hier bestimmte die Rücksicht
auf die Bradyseismik; für die Erdbebenregistrierung haben die Bifilarpendel meines Wissens
überhaupt keine Anwendung gefunden. Anders steht es um das Kegelpendel und das
Zweispitzenpendel. Diese Konstruktionen wurden eigens für die Erdbebenregistrierung
erdacht. Im Anschluß an Versuche von Chaplin (1878) baute J. A. Ewing (1880)
in Japan ein Zweispitzenpendel, Th. Gray konstruierte (1880) das erste KegelpendeL
Für die Registrierung der Vertikalkomponente der Erderschütterungen
muß die schwingende Masse des Seismometers vertikal frei beweglich sein, also durch
Federkraft getragen werden. Hierbei ist es erheblich schwieriger als bei den Horizontal-
Seismometem, größere Empfindlichkeit zu erreichen. Ein erstes Mittel, um die Eigen-
periode zu erhöhen, also ein Astasierverfahren, erfand Comrie (1841); es bestand
darin, die Feder nicht direkt, sondern durch einen die Bewegung vergrößernden Hebel
auf die schwingende Masse wirken zu lassen. — In Japan wurde dem Vertikal-
Seismographen viel Aufmerksamkeit geschenkt und eine Reihe neuer Astasierverfahren
angewandt.
In Italien, wo der Erdbebenbeobachtung von jeher weitgehende Aufmerksam-
keit geschenkt und eine Fülle sinnreicher und sehr empfindlicher Seismometer konstruiert
worden war (so z. B. von Cavalleri, Bertelli, de Rossi), folgte man bald den von
Japan kommenden neuen Anregungen, indem nun das Augenmerk mehr auf graphische
Registrierung unter Verwendung einer bewegten Schreibfläche gerichtet wurde
(E. Brassart, G. Grablovitz, G. Agamennone).
In Deutschland konstruierte Ende der achtziger Jahre E. von Rebeur-
Paschwitz ein zunächst für die Bradyseismik bestimmteis Horizontalpendel mit zwei
Spitzen, das mit photographischer Registrierung versehen wurde. Diese Neuerung
sowie die sehr zweckmäßige Bauart bewirkten, daß das Instrument in der Registrierung
der Fembeben alle bisherigen Seismometer weit übertraf {V =- 22%^ 7" bis ca. 18 Se-
kunden, E bis ca. 37 mm).
Fortschritte im letzten Dezennium des 19. Jahrhunderts. So waren
denn am Ende des neunten Dezenniums des 1 9. Jahrhunderts schon vielfach Instrumente
vorhanden, die der Mikroseismik dienen konnten. Das zehnte Dezennium brachte
Von £. Wjechert, 157
weitere Fortschritte in dem Bau der Instrumente, zugleich aber begann die Ernte,
indem wichtige Resultate gewonnen wurden.
Die empfindlichsten Instrumente, vor allen diejenigen von E. v. Rebeur-Paschwitz
zeigten, daß in jedem Jahr eine ganze Reihe größerer Erdbeben ihre Wellen in meß-
barer Größe über die ganze Erde senden. Hierdurch wurde die Aufmerksamkeit mit
ganz neuem Interesse auf die Mikroseismik gerichtet; man durfte hoffen, durch die
Seismographen nicht nur über die Umwandlungen in der Erdrinde in der Nachbar-
schaft, sondern auf der ganzen Erde Aufschluß zu erhalten. Es bot sich die Mög-
lichkeit, auf das elastische Verhalten der Erde selbst in den größten Tiefen Schlüsse
zu ziehen.
Zur Vervollkommnung der Instrumente ging man in Italien daran, die verti-
kalen Pendel durch möglichste Verlängerung der Aufhängung für die Registrierung
von Ferribeben geeigneter zu machen. Auch erhöhte man die schwingende Masse
mehr und mehr (bis zu 500 kg), um bei der mechanischen Registrierung die Reibung
unschädlich zu machen und stärkere Vergrößerungen zu erreichen (neben den schon
Genannten besonders A. Cancani und G. Vicentini). Das große Vicentinische Pendel
in Padua, welches wohl das empfindlichste dieser Instrumente ist, hat die Konstanten
F= ca. 160, T= ca. 7 Sekunden, also ^= ca. 8 mm. — Ein Instrument, welches be-
sonders für die Registrierung von Nahbeben viel Anwendung gefunden hat, ist der
ViCENTiNische „Mikroseismograph für drei Komponenten". Der Teil für die Registrie-
rung der beiden horizontalen Komponenten wurde 1894, der Teil für die Registrierung
der ' vertikalen Komponente 1898 konstruiert. Für die Registrierung der horizontalen
Komponente dient ein vertikales Pendel von 1,5 m Länge mit einem Pendelkörper
von 100 kg. Die stationäre Masse des Vertikalapparates wiegt 50 kg und wird durch
eine Flacihfeder von 1,3 m Länge schwebend erhalten. Die Konstanten sind für die
Aufzeichnungen der horizontalen Komponenten: F= 100, 7"= 2,4 Sekunden, also
E =^ ^/^ mm, für die Aufzeichnung der vertikalen Komponente: F= 90, 7"== 1,2 Se-
kunden, also E = V7 "^"^•
J. MiLNE baute 1894 sein heute weit verbreitetes photographisch registrierendes
Horizontalpendel mit Faden und Spitze als Achse („Kegelpendel"), welches bei F= 7,
T= 17 Sekunden, also E= 2^1^ mm zwar sehr unempfindlich ist, aber doch schon
Fembeben anzeigt und bei einfacher Konstruktion nur geringe Anforderungen an die
Bedienung stellt. —
In Deutschland wurden auf Anregung von G. Gerland in Straßburg die
Registrierungen mit dem Instrument von v. Rebeur-Paschwitz auch nach dessen Tode
158 Das Institut fiir Geophysik.
(1895) von R. Ehlert weitergeführt und bearbeitet. Eine von Ehlert modifizierte Form
des Rebeurschen Pendels hat weite Verbreitung gefunden {V^= ca. 100, T^bis ca. 18 Se-
kunden, also E bis ca. 40 mm). — Das Rebeursche Pendel wurde auch im geodätischen
Institut in Potsdam für Bradyseismik und Mikroseismik verwertet und ist dabei von
O. Hecker in seiner Wirkungsweise einer sehr sorgfaltigen Prüfung unterzogen worden.
— August Schmidt (Stuttgart) konstruierte 1899 einen photographisch registrierenden
Vertikal -Seismographen, das „Trifilargravimeter**, indem er sich die erdmagnetischen
Bifilarmagnetometer zum Vorbild nahm, die recht merkliche Empfindlichkeit für Erd-
beben zeigen. Die stationäre Masse wurde trifilar aufgehängt und durch eine Spiral-
feder abgelenkt; sie reagiert dann auf vertikale Bodenbewegungen durch Drehungen
um ihre vertikale Achse. Die Konstanten des Apparates sind etwa: F= 400,
7"= 1,5 Sekunden, also E= 1 mm.
In Japan ging im letzten Dezennium des 19. Jahrhunderts für die Erdbeben-
forschung die Umwandlung vor, welche dem kraftvollen Aufstreben der eingeborenen
Bevölkerimg entsprach: Die Arbeiten, welche bis dahin von den Fremden geleistet
worden waren, wurden nun in erweitertem Umfange von den Einheimischen auf-
genommen. Man organisierte dabei in vortrefflicher Weise einen staatlichen Dienst
für das gesamte Gebiet der Erdbebenforschung. Auch die Instrumente erfuhren neue
Verfeinerungen; so begann F. Omori seine bedeutungsvollen Konstruktionen von
Horizontal -Seismographen mit mechanischer Registrierung unter Anwendung des Kegel-
pendelprinzipes. Es wurde als stationäre Masse ein Gewicht von 10—20 kg genommen
und durch eine Hebelübersetzung eine zehnfache Vergrößerung erreicht; die Kon-
stanten waren 1899 etwa: F= 10, T= 28 Sekunden, also £= 10 mm.
Organisationen: Die Erfolge der registrierenden Instrumente regten den Ge-
danken an, nun nicht mehr wie bisher allein den lokalen Erdbebendienst, sondern durch
ein die ganze Erde umfassendes Netz von Stationen auch den Fernbebendienst zu
organisieren. Für den 6. internationalen Geographenkongreß in London 1895 verfaßte
v. Rebeur-Pa SCHWITZ als letzte seismologische Tat seines Siechtums Vorschläge
für eine internationale Organisation. Wir lesen hier:
„Seit einer Reihe von Jahren beobachtet man auf mehreren europäischen
Stationen mit Hilfe gewisser äußerst empfindlicher Instrumente leichte, für das Gefühl
nicht wahrnehmbare Erderschütterungen von einem sehr bestimmt ausgeprägten
Charakter. Ihre Dauer ist eine sehr verschiedene, beträgt aber bei den empfind-
lichsten Instrumenten oft mehrere Stunden . . .
„Man bemerkte bald, daß diese Störungen sich über Tausende von Kilometern
Von E, WiBCHERT. 159
hin ausbreiten, ohne wesentlich an Intensität zu verlieren; ... es gelang, durch Ver-
folgung der Erdbebenberichte in Zeitungen und Zeitschriften den unzweifelhaften Zu-
sammenhang jener Störungen mit weit entfernten Erdbebenkatastrophen festzustellen . . .
„Von den Erdbewegungen, welche in Europa beobachtet wurden, gingen einige
der wichtigsten von Japan aus; und da in diesem Lande die Erdbebenbeobachtungen
systematisch organisiert sind, so konnte genau festgestellt werden, wieviel Zeit vergeht,
bis die Bewegung nach Europa gelangt. Dabei stellt sich heraus, daß diese Zeit viel
kürzer ist, als man a priori angenommen hätte.
„Einige Beispiele werden dies zeigen. Am 17. April 1889 fand in Tokio ein
heftiges Erdbeben statt, dessen erste Spuren in dem 9000 km entfernten Potsdam
schon 13 Minuten später bemerkbar waren . . .
„Die aufgeführten Beispiele ließen sich durch viele andere vermehren. Sie
beweisen, daß derjenige Teil der Bewegung, welcher den Anfang der Störungen in
Europa verursacht, sich bei so weiten Entfernungen ungefähr mit einer Geschwindig-
keit von IG km in der Sekunde (z/,) fortpflanzt.
„Im weiteren Verlauf der Störungen, welche oft eine mannigfache Zu- und Ab-
nahme der Bewegung erkennen lassen, tritt fast immer eine Phase deutlich hervor.
Sie kommt bei den entferntesten Erdbeben erst 30 bis 40 Minuten nach dem Anfange
an und besteht aus langen, flachen Wellen, welche über die Erdoberfläche ebenso
hinziehen, wie die Dünung über den Ozean . . .
„Es kann . . . kaum noch einem Zweifel unterliegen, daß die Bewegung, welcher
die Geschwindigkeit v^ entspricht, ihren Weg mitten durch die Erde nimmt, und es
ist sehr wahrscheinlich, daß die sehr großen Geschwindigkeitszahlen ihre Erklärung
dadurch finden, daß in den Tiefen der Erde elastische Bewegungen viel rascher fort-
gepflanzt werden, als an der Oberfläche.
„Was die langen Wellen mit der Geschwindigkeit v^ betrifft, so sprechen die
Beobachtungen bei großen Entfernungen dafür, daß sie sich hier hauptsächlich auf der
Erdoberfläche ausbreiten . . .
„Der günstige Erfolg, welchen die oben kurz skizzierten Beobachtungen trotz
der rein zufalligen Gruppierung der Stationen und ihrer Beschränkung auf einen kleinen
Teil der Erdoberfläche gehabt haben, veranlaßt die Unterzeichneten, mit folgendem
Plane hervorzutreten.
„Wir wollen in erster Linie die Gründung eines internationalen
Netzes von Erdbebenstationen in Anregung bringen, dessen Aufgabe es
sein soll, die Ausbreitung der von großen Erdbebenzentren ausgehenden
l6o Das Institut ßir Geopkysik.
Bewegungen auf der Erdoberfläche und durch den Erdkörper in syste-
matischer Weise zu beobachten.
„Die Bedeutung der hier in Vorschlag gebrachten Erdbebenbeobachtungen für
die Physik der Erde läßt sich nicht hoch genug veranschlagen. Da es fast sicher ist,
daß die von einem Erdbebenherde ausstrahlende elastische Bewegung sich durch den
Erdkörper fortpflanzt, mit einer Geschwindigkeit, deren Größe von der Dichtigkeit und
Elastizität der verschiedenen Tiefenschichten abhängen muß, und da sichere Anzeichen
vorhanden sind, daß diese Geschwindigkeit mit der Tiefe, welche die Bewegung
erreichte, veränderlich ist, so geben die Erdbebenbeobachtungen ein Mittel in die
Hand, um auf indirektem Wege Aufschlüsse über den Zustand des Erd Innern zu er-
halten, welches wohl für alle Zeiten der direkten Beobachtung verschlossen sein wird.
Es ist daher durch diese systematischen Beobachtungen die Möglichkeit geboten, mit
Aussicht auf Erfolg an die Lösung einer Frage heranzutreten, welche für die gesamte
Wissenschaft von fundamentalster Bedeutung ist, und bisher von verschiedenen Seiten
in nur zu widersprechender Weise beantwortet wurde.
„Zugleich wird die Seismologie eine ungeahnte Förderung erfahren, denn nun-
mehr stehen der Beobachtung auch die unzugänglichsten Teile des Erdballs offen.
Alle stärkeren Erd- und Seebeben, wo auch immer sie stattfinden mögen, müssen ihre
Spuren auf den Photogrammen der geplanten Stationen hinterlassen."
Der so vorgeschlagene internationale Zusammenschluß ließ sich noch nicht er-
reichen, doch wirkten die gegebenen Anregungen kräftig weiter. Die British
Association for the Advancement of Science begann 1897 Beobachtungsstationen
für Fembeben in allen Teilen der Welt zu errichten und mit Mi In eschen Horizontal-
pendeln auszurüsten; heute gibt es schon mehr als 40 solcher Stationen. — Auch die
anderen Kultumationen wandten sich mit wachsendem Eifer der Erdbebenforschung zu.
In Deutschland gelang es G. Gerland, der sich mit außerordentlichem Eifer
der internationalen und nationalen seismischen Pläne annahm, noch in den letzten Jahren
des scheidenden Jahrhunderts zu erreichen, daß mit Mitteln des Reichs und der Reichs-
lande Elsaß -Lothringen in Straßburg eine „Kaiserliche Hauptstation für Erdbeben-
forschung" unter seinem Direktorat errichtet wurde. Der Bau des Hauses für die
Registrierungen begann 1899 und wurde 1900 vollendet; schon in diesem Jahr wurde
mit der Veröffentlichung von Monatsberichten über Erdbebenregistrierungen begonnen.
Theoretische Diskussionen. Neben allen den beschriebenen Bemühungen,
den Erdbebenbeobachtungsdienst zu verbessern, gingen Versuche einher, die ge-
wonnenen praktischen Resultate theoretisch zu verwerten. Für die Physik der Erde
Von E, W/BCHBRT. i6l
im Ganzen handelte es sich dabei vor allem um die fundamentalen Fragen: Welcher
Art sind die Erdbebenwellen? Welche Wege schlagen sie in der Erde ein? — Longi-
tudinale und transversale, Oberflächenwellen und Wellen durch mehr oder weniger tiefe
Schichten wurden in Betracht gezogen. Daß in der Erdbebenbewegung jedenfalls
zwei verschiedene Phasen zu unterscheiden sind: „Vorläufer** und „Hauptwellen",
war gleich im Anfang der japanischen Registrierungen (um 1880) festgestellt worden.
In seinen vorhin zitierten „Vorschlägen" usw. beschränkt sich v. Rebeur- Pasch wixz
auf diese Teilung. In seiner großen Arbeit über die Straßburger Horizontalpendel-
beobachtungen unterscheidet er zwar außerdem den Beginn und das Maximum der
Hauptwellen; daß sich aber in den Vorläufern in der Regel noch der Beginn einer
bestimmten zweiten neuen Phase bemerkbar macht, ist ihm, wie es scheint, ent-
gangen. Wir können dieses leicht verstehen, da sein Instrument wegen der geringen
Registriergeschwindigkeit die einzelnen Schwingungen nicht auflöste. — Die Registrie-
rungen mit den sonst in jener Zeit vorhandenen Instrumenten besserer Auflösefahigkeit
litten wiederum an dem Umstand, daß die Eigenschwingungen bei verhältnismäßig
kleiner Periode und bei mangelnder Dämpfung zu große Störungen bewirkten, so daß
auch hier sichere Schlüsse über eine weitere Phasenteilung schwierig waren. Erst in
den letzten Jahren des scheidenden Jahrhunderts und fast gleichzeitig von verschiedenen
Seiten, wobei schon das Göttinger geophysikalische Institut mit in Betracht kam, ge-
langte man zu der Sicherheit, daß in den regulären Erdbebenbewegungen im Falle
nicht zu großer Nähe des Herdes nach dem Beginn und vor den „Hauptwellen" eine
neue Art von Wellen einsetzen. Nach Omori nennt man diese Wellen jetzt „zweite
Vorläufer".
Die Vermutung, daß die ersten Vorläufer longitudinale Wellen seien, fand von
vornherein allgemeine Anerkennung, da sie den physikalischen Verhältnissen durchaus
entspricht. Offen blieb die Frage des Weges — ob oberflächlich oder mehr oder
weniger tief — , für welche in verschiedener Weise Beantwortungen versucht
wurden. — Für die Hauptwellen konnte zunächst aus dem Umstände, daß sie mit
nahe gleichbleibender Geschwindigkeit über die Erdoberfläche eilen, geschlossen werden,
daß sie nur den oberflächlichen Schichten angehören, aber über ihre Art boten sich
vielerlei Möglichkeiten je nach der Ansicht über die Beschaffenheit der Erdrinde.
Weit verbreitet war eine auch in den zitierten REBEURschen „Vorschlägen" zutage
tretende Vorstellung, nach der die Erdoberfläche' in den Hauptwellen auf- und ab-
schwankt und durch die dabei auftretenden Neigungsänderungen die Seismometer
in Schwingungen versetzt. Mit fehlerhaften Vorstellungen über die Wirksamkeit
Göttiiiger Festschrift. 21
102 Das InsHhU för Geophysik.
der Seismographen wurde diese Ansicht wieder und wieder verfochten und bekämpft
August Schmidt wies 1896 darauf hin, daß statt der ganz unwahrscheinlich großen
Vertikalbewegungen von mehreren Dezimetern, welche man selbst bei Fembeben auf
Grund der Neigungshypothese annehmen mußte, schon Horizontalschwankungen von
der Größenordnung eines Millimeters zur Erklärung der Beobachtungen genügen.
c) Die ersten seismologischen Arbeiten im Göttinger geophysikalischen
Institut (1898 — 1900).
Vorbemerkung. In der geschilderten, lebhaft erregten Zeit der Erdbeben-
forschung ging 1898 in Göttingen aus dem erdmagnetischen Observatorium das „geo-
physikalische Institut" hervor. Bedenkend, daß die Schwierigkeiten, welche die
theoretische Verwertung der Erdbebenregistrierungen für die Geophysik bisher gefunden
hatte, hauptsächlich in dem Umstände begründet waren, daß die vorhandenen Apparate
zwar für das Anzeigen von Erderschütterungen, nicht aber für die sichere Feststellung
ihrer Art geeignet waren, stellte ich dem Institut zunächst die Aufgabe, Registrier-
instrumente und Registriermethoden in dieser Hinsicht zu vervollkommnen. — Die In-
strumente, von welchen weiterhin zunächst die Rede sein wird, fanden ihre Aufstellung
sämtlich noch in der Göttinger Sternwarte, die das Institut in dieser anfanglichen
Zeit noch aufnahm. Es wurden dabei Kellerräume im Westflügel und der westliche
Ecksaal im Mittelbau der Sternwarte benutzt.
Horizontalpendel. Sogleich 1898 wurde der Bau eines photographisch registrie-
renden Horizontalpendels mit Faden und Spitze als Achse (Kegelpendel) von sehr einfacher
Konstruktion in Angriff genommen, welches im Februar 1899 den regelmäßigen Dienst
begann. — Mein Ziel verlangte in erster Linie die Beseitigung des störenden Einflusses der
Eigenschwingungen. Hierzu verwandte ich eine Luftdämpfung; die Dämpfung im
physikalischen Sinne des Wortes, welche bei physikalischen Apparaten eine so große Rolle
spielt, wurde damit auch für die Seismik dienstbar gemacht — Die Empfindlichkeit des
Instrumentes war bei F= 25, T= höchstens 20 Sekunden, also E^ höchstens 12 mm
nur mäßig groß, aber die mit ganz besonderer Sorgfalt angeordnete Optik, welche
scharfe Kurven von nur 7io i""^ Breite leicht zu erreichen erlaubte, ermöglichte doch
eine große Feinheit der Beobachtung, Um eine Auflösung der Kurven in die Einzel-
schwingungen zu erreichen, mußte die Registriergeschwindigkeit sehr viel größer als
bis dahin bei photographischer Registrierung üblich gewählt werden; ich entschied
mich für 6 mm in i Minute (das heißt für eine zehnmal größere Geschwindigkeit, als
Von E, WiBCHRRT, 163
sie von Rebeür-Paschwitz für die Erdbebenregistrierung vorgeschlagen worden war).
Über die erlangten Resultate berichtete eine Abhandlung in den Nachrichten der
Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften, die im Juli 1899 vorgelegt wurde, außerdem
fand ich im Herbst desselben Jahres auf dem 7. internationalen Geographenkongreß in
Berlin Gelegenheit, darauf unter Vorlegung von Originalkurven zurückzukommen. —
Ein zweiter Einsatz neuer Wellen in den Vorläufern wurde als Regel erkannt. Be-
sonders bemerkenswert schien, daß öfters zwei zu verschiedenen Zeiten gewonnene
Erdbebendiagramme sich bis in kleine Einzelheiten hinein gleichen, so daß auch diese
Bedeutung gewinnen, sei es für die Beschaffenheit der Erdrinde am Herd, sei es für
die Fortpflanzung der Wellen durch die Erde.
Astatisches Pendel. Auf einer Studienreise nach Italien (Ende 1899), für
welche die Königliche Regierung die Mittel gewährte, hatte ich Dank dem Entgegenkommen
der italienischen Seismologen Gelegenheit, die dortigen berühmten mechanisch registrie-
renden Pendel genau kennen zu lernen. Ich kam zu der Einsicht, daß die mechanische
Registrierung in Ruß Wegen der größeren Feinheit der Kurven und der Möglichkeit
größerer Registriergeschwindigkeit der photographischen Registrierung bei der Auf-
zeichnung kurzer Perioden' in den Erdbeben überlegen ist, und faßte die Hoffnung, daß
es wohl auch bei mechanischer Registrierung gelingen werde, die Empfindlichkeit der
photographierenden Pendel für lange Perioden zu erreichen und durch Dämpfung hin-
reichende Reinheit der Aufzeichnungen zu erzielen. Schon im Jahre 1900 gelang es,
in dem jetzt meist „astatisches Pendel" genannten Instrument einen Seismographen
zu bauen, der den gehegten Erwartungen entsprach; die ersten Registrierungen
wurden im Juni 1900 erhalten.
Als erstes wesentliches Resultat ergab sich, daß trotz der außerordentlich ver-
schiedenen Bauart dieses Instrumentes und des Horizontalpendels beide doch die
gleichen Bilder der Erdbodenbewegungen lieferten. Hiermit war der Beweis geliefert,
daß es für die Seismik keineswegs darauf ankommt, mit gleichartigen Instrumenten zu
arbeiten, sondern nur darauf, durch zweckmäßige Konstruktion dafür zu sorgen, daß
aus den Registrierungen einwandfreie Schlüsse auf die Erdbodenbewegungen gezogen
werden können.
Das „astatische Pendel", welches in der Werkstätte für Präzisionsmechanik von
G. Bartels in Göttingen gebaut wird, ist im Laufe der Zeit vielfach verbessert worden
und arbeitet jetzt außer in Göttingen noch in Leipzig, Potsdam, Straßburg, Jena, Ham-
burg, Wien, Upsala, Samoa; weitere Stationen werden vorbereitet.
In Abbildung 12, die den Einblick in den Instrumentenraum des Erdbeben
i64
Das Institut für Geophysik,
hauses des neuen geophysikalischen Institutes zeigt, sieht man das Instrument in der
Seitenansicht auf der linken Seite. Abbildung 13 zeigt den Oberteil mit dem Schreib-
werk in der Ausführung von 1905. — Die schwingende Masse beträgt etwa 1000 kg
Abb. 12. Instrumentenraum des Erdbebenhauses.
(bei dem Göttinger Instrument 1200 kg) und stellt ein „verkehrtes Pendel" dar,
indem sein Drehpunkt etwa 90 cm unterhalb des Schwerpunktes liegt. Der Hauptteil
der Masse wird durch einen aus Platten zusammengesetzten gußeisernen Zylinder von
etwa 80 cm Durchmesser und etwa 40 cm Höhe gebildet, den man auf beiden Ab-
bildungen leicht erkennen wird. Am Umfallen wird das Pendel durch Federn in dem
Von K WlBCHBRT,
165
Hebelwerk verhindert, welches die Schreibarme bewegt. Solcher Schreibarme sind
zwei vorhanden, einer für die Nordsüd-, ein anderer für die Ostwest-Komponente. In
Abbildung 13, wo die Schreibarme auf den Beschauer zu gerichtet sind, ruht eine
Schreibspitze auf dem für die Registrierung bestimmten Papier — das bei der photo-
graphischen Aufnahme noch nicht berußt war — , die andere auf der die Papierstreifen
tragenden Walze des Uhrwerkes. Die Vergrößerung V kann zwischen 100 und 300
variiert werden, die Schwingungsperiode T läßt sich bis etwa 20 Sekunden steigern.
Es ist eine Neigungsempfindlichkeit E von etwa 50 mm für eine Bogensekunde noch
gut zu erreichen. Der Apparat wird direkt auf den Fußboden oder auf einen Pfeiler
im Fußboden gestellt und nimmt mit seinem Bedeckungsschrank nur eine Höhe von
Abb. 13. Oberteil des ,yastatl sehen Pendels".
186 cm in Anspruch; so wird es leicht möglich, ihn gegen äußere Störungen zu
schützen.
Die Schreibspitzen werden durch die abgerundeten Enden feiner Platindrähte
von etwa 7io i""^ Dicke gebildet und ruhen mit wenig mehr als % Milligramm Druck
auf dem berußten Papier. So wird der Reibungswiderstand auf weniger als i Milli-
l66 Das Institut ßir Geophysik.
gramm herabgedrückt; trotzdem und trotz der großen schwingenden Masse kommt er
bei den Aufzeichnungen doch schon merklich in Betracht, ja er wirkt bei sehr hoch
gewählter Vergrößerung ernstlich störend. Hier tritt einer der beiden Gründe zutage,
warum die schwingende Masse so groß gewählt werden mußte; der zweite wird durch
die Notwendigkeit geboten, der schwingenden Masse gegenüber der Trägheit der im
Schreibwerk bewegten Massen die Vorherrschaft zu geben. — Sehr viel Aufmerksam-
keit war erforderlich, um die vielfachen Gelenke der beweglichen Teile unter An-
wendung von Biegefedem und Spitzen so zu konstruieren, daß sie keine andere Nach-
giebigkeit als die gebotene zeigen und ohne merkliche Reibung arbeiten. — Als
Registriergeschwindigkeit sind lo — 20 mm in i Minute vorgesehen.
Die hohe Empfindlichkeit, die Zartheit der Kurven und die Größe der Registrier-
geschwindigkeit hätten doch noch nicht genügt, auswertbare Aufzeichnungen zu geben,
wenn nicht die Störungen durch die Eigenschwingungen des Pendels in irgend einer Weise
beseitigt worden wären. So wurde denn auch hier wieder eine Luftdämpfung eingeschaltet.
Die Mechanismen der beiden Zeigerübertragungen erhielten zu dem Zweck je einen Kolben,
der sich mit engem Luftzwischenraum in einem Zylinder bewegt In Abbildung 1 3 wird
man sie im Hintergrund rechts und links bemerken; auch in Abbildung 12 ist einer der
Dämpferzylinder sichtbar. Bei den neueren Instrumenten ist der Zwischenraum zwischen
Kolben und Zylinder so enge, daß zunächst eine zu starke (aperiodische) Dämpfung
entsteht; durch passende Öffnung eines Ventiles in einem Luftkanal, der den vorderen
und den hinteren Teil des Zylinders verbindet, hat man es in der Hand, die Dämpfung
nach Belieben zu regulieren. —
Klinograph von W. Schlüter. Mein Assistent W. Schlüter unternahm es
1898 als Doktorarbeit die vorhin hervorgehobene Frage instrumentell zu entscheiden,
in welchem Verhältnis bei den Fernbeben die wirklichen Neigungen des Bodens zu
den scheinbaren infolge der Horizontalbewegungen, besser gesagt, infolge der Hori-
zontalbeschleunigungen stehen. Da Schlüter anfanglich die Meinung hegte, die wirk-
lichen Neigungen seien vorherrschend, war es um so eindrucksvoller, als es ihm bald
gelang, völlig sicher nachzuweisen, daß die wirklichen Neigungen gegenüber
den scheinbaren sehr weit zurücktreten, und zwar weit genug, um bei den
gewöhnlichen Seismometern jede Bedeutung zu verlieren. Schlüter baute für seine
Untersuchungen ein beso^jderes Instrument, welches er „Klinograph" nannte. In der
Hauptsache bestand es aus einem um eine Schneide frei schwingenden Rahmen in Form
eines Wagebalkens von ca. 1V2 m Länge mit zwei je 7 kg schweren Gewichten an den
Enden, dessen Schwerpunkt möglichst genau in die Schneide verlegt wurde, so daß
Von K Wjbchert. 167
er wohl auf wirkliche Neigungen, aber möglichst wenig auf die scheinbaren Neigungen
infolge von Parallelverschiebungen mit Drehungen relativ zum Erdboden antwortete. Der
Vergleich der photographischen Registrierungen des Klinographen, die im Mai 1899
begannen, mit denen meines Horizontalpendels ergab, daß die Aufzeichnungen des
Klinographen relativ kleiner und kleiner wurden, je genauer es gelang, den Schwer-
punkt in die Drehachse zu legen, ganz so, wie es der Annahme unmerklicher Neigungen
entsprach. — Schlüter machte im Februar 1901 sein Doktorexamen, erst später in
diesem Jahre wurde die Arbeit gedruckt, so daß ihre Veröffentlichung schon außerhalb
des jetzt betrachteten Zeitabschnittes (bis Ende des 19. Jahrhunderts) fallt. Es möge
aber gestattet sein, gleich hier zu bemerken, daß die ScHLüXERSche Arbeit die ver-
diente Beachtung wohl fand, und auch, daß ihr Resultat später von dem Petersburger
Akademiker Fürsten Galitzin mit der Vermutung angezweifelt worden ist, das Gehänge
sei vielleicht nicht beweglich genug gewesen, um genügend fein zu reagieren; es ent-
hält aber die ScHLüxERSche Doktorarbeit (Göttingen 1901) selbst vollauf Belege dafür,
daß dieser Einwand durchaus nicht berechtigt ist; insbesondere ist ja seine Wirkung
stets quantitativ mit der des Horizontalpendels verglichen worden. —
Schlüters Vertikal-Seismograph. 1900 wandelte Schlüter seinen Klino-
graphen durch Hinzufügen eines einseitig wirkenden Gewichtes und von tragenden
Federn in einen photographisch registrierenden Vertikal-Seismographen um,
der mit F=i6o, 7"= 15 Sekunden, also 7? = 43 mm alle bisherigen Vertikal-
Seismographen weit übertraf und den empfindlichsten Horizontal-Seismographen gleich-
wertig war.
Über die Arbeiten Schlüters mit diesem Apparat und die Verwertung seiner
Aufzeichnungen legte sich leider schon der Schatten des Todes, der das immer
schwächer glimmende Leben im Frühjahr 1902 auslöschte. Die Drucklegung der
Veröffentlichung fand erst nach Schlüters Tod, also ebenfalls außerhalb der jetzt in
Rede stehenden Zeitperiode statt. Da die Beobachtungen aber dem 19. Jahrhundert
angehören, so möge auch in diesem Falle zur Vereinfachung meiner Berichterstattung
das Resultat vorgreifend angegeben werden. Im Einklang mit den in den v. Rebeur-
PASCHWiTzschen „Vorschlägen" dargelegten Anschauungen und diese stützend zeigte
sich, daß mit immer größerer Entfernung des Erdbebenherdes die Vertikalkomponente
in den ersten Vorläufern gegenüber der Horizontalkomponente mehr und mehr vor-
herrschend wird, während in den Hauptwellen das Verhältnis sich nicht wesent-
lich ändert.
l68 Das InsHttä für Geophysik.
d) Seismologische Arbeiten im beginnenden 20. Jahrhundert.
Geschichtliche Vorbemerkungen. In unserem beginnenden 20. Jahrhundert
zeigt sich überall eine lebhafte Weiterentwicklung der seismischen Forschung: die
Instrumente werden verfeinert, das Netz der Stationen vergrößert sich stetig, die
Organisation wird verbessert und die Berichterstattung vervollkommnet.
In bezug auf die Apparate mag zunächst erwähnt werden, daß Omori sein
Horizontalpendel, welches er jetzt „Tromometer** nennt, mehrfach in neuen Konstruktionen
baute. Die stationäre Masse hat (1902) ein Gewicht von 50 kg erhalten und die In-
dikatorvergrößerung ist erhöht worden. — In Straßburg wurde von der Firma J. und
•A.^BosCH in Verbindung mit der Hauptstation für Erdbebenforschung ein dem Omori-
schen ähnliches Instrument hergestellt, das unter dem Namen „Straßburger Schwer-
pendel" für die Ausrüstung vieler Stationen angewandt worden ist. Die stationäre
Masse hat 16 kg Gewicht, die Konstanten sind ungefähr: F= 15, 7"= 30 Sekunden,
also 7? = 1 7 mm. Die Firma J. und A. Bosch hat auch Neukonstruktionen des Ehlert-
schen Instrumentes vorgenommen, welches sie früher schon baute.
Auf Anregung von G. Gerland fanden in Straßburg igoi und 1903 inter-
nationale Konferenzen über die Erdbebenforschung unter sehr großer Beteiligung statt.
Es wurden die Grundlinien für eine internationale seismologische Assoziation
der Staaten festgestellt Die Gründung dieser Assoziation, welche nun schon einen
großen Teil der Kulturstaaten umfaßt, schloß sich an eine Konferenz von staatlichen
Delegierten in Berlin 1905. — Das englische Stationsnetz mit den MiLNESchen Instru-
menten steht bisher außerhalb dieser Assoziation; ebenso fehlen bisher Österreich und
die Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Die deutsche seismologische Forschung ist im Anschluß an die inter-
nationalen Pläne im weiteren Fortschritt begriffen. 1902 wurde für die Straßburger
Kaiserliche Hauptstation ein „Kuratorium" gegründet, welches neben Vertretern der
Regierung eine größere Zahl deutscher Seismologen umfaßt. Alljährlich tritt es zu-
sammen, um zunächst über die Interessen der Straßburger Hauptstation, dann aber
auch über alle Interessen der nationalen deutschen Forschung zu beraten. — Neben
der Straßburger Station ist eine Reihe von anderen Stationen gegründet worden. Für
Preußen wurden 1905 die beiden schon bestehenden Stationen in Potsdam (geo-
dätisches Institut) und in Göttingen (geophysikalisches Institut) von der Regierung
zu „Hauptstationen für Erdbebenforschung" im Rahmen des deutschen Netzes
erklärt. Weitere Stationen sind in Vorbereitung. — Ganz besonders wichtig für den
Von E, WiECHERT, 169
Anteil Deutschlands an der seismologischen Erforschung der Erde ist die Gründung
von Kolonialstationen, überhaupt die Organisation des Erdbebenbeobachtungs-
dienstes in den Kolonien. Einmal umfassen sowohl die Schutzgebiete in Afrika als
auch irii Stillen Ozean seismologisch sehr bedeutsame Gebiete der Erde, wie aus
einer durch v. Dankelmann verfaßten Denkschrift hervorgeht, zweitens wird die Unter-
suchung der Ausbreitung der Erdbebenwellen von dem Herd über die Erdoberfläche
und durch den Erdkörper, an welche sich alle die wichtigen Fragen über die elastische
Beschaffenheit der Erde und ihrer Rinde knüpfen, ganz bedeutend unterstützt, ja in
vieler Hinsicht erst möglich gemacht, wenn gleichartige Beobachtungen an verschiedenen
über die Erde verteilten Stationen zur Verfügung stehen. Für die Erforschung der
lokalen Seismizität sind in den einzelnen Schutzgebieten von verschiedenen .- Srftfen
Anfänge gemacht worden. Für die Registrierung der die Erde durcheilenden Erd-
bebenwellen wurde von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen
auf den Samoainseln im Stillen Ozean eine Station als ein Teil des geophysikalischen
Observatoriums in Apia (vergl. S. 136) ausgerüstet. Gleich anfanglich (1902) nahm
O. Tetens ein „astatisches Pendel" mit sich. Er ging in erster Linie darauf aus,
die Nahbeben zu registrieren, welche in Apia in außerordentlich großer Zahl und
öfters in fühlbarer Stärke eintreten, d. h. er benutzte zwar eine starke Indikator-
vergrößerung {y= 200), aber nur eine geringe Empfindlichkeit gegen Neigungen
(i5'= 4 mm). Von Herrn F. Linke, der im Dezember 1904 in Apia eintraf, wurde
dann die Regulierung mehr der Registrierung der Fembeben angepaßt {V = 140,
T = II 7t Sekunden, also E = 22 mm). — O. Tetens ist augenblicklich in Göttingen
im geophysikalischen Institut damit beschäftigt, seine Erdbebenbeobachtungen für die
Veröffentlichung zu bearbeiten. F. Linke stellt nach dem sogleich zu erwähnenden
Göttinger Schema Berichte über seine Fernbebenregistrierungen zusammen und ver-
öffentlicht sie in kurzen Intervallen, so daß die Berichte für das ganze Jahr 1905
jetzt schon vorliegen. Die Nahbebenregistrierungen sollen in besonderen Zusammen-
stellungen veröffentlicht werden.
Göttinger Erdbebenregistrierungen. Das Erdbebenhaus des neuen geo-
physikalischen Institutes ist, wie schon berichtet, 1902 erbaut worden. Noch in diesem
Jahre wurde das astatische Pendel aus der Sternwarte entfernt und hier aufgestellt.
Es beginnt nun eine neue Art der seismologischen Betätigung des Institutes. Während
bis dahin von einem regelmäßigen Dienst für die internationale Erdbebenforschung
Abstand genommen worden war, schien jetzt die Zeit gekommen, diese Zurückhaltung
aufzugeben. Einmal waren im Institut selbst nunmehr genügend Erfahrungen in den
Göttinger Festschrift. 22
lyo Das Institut für Geophysik.
Registrierungen und ihrer Verarbeitung gesammelt worden, zweitens hatte die inter-
nationale Organisation der Erdbebenforschung ein Stadium erreicht, wo es sehr
wesentlich darauf ankam, festzustellen, wie die Bearbeitung der Registrierungen und
ihre Veröffentlichung erfolgen solle. In theoretischen und experimentellen Arbeiten
hatte ich zu zeigen versucht, wie man aus den Registrierungen auf die wirklichen
Bewegungen der Erdoberfläche schließen könne; nun galt es, an die praktische Durch-
führung der Gedanken zu gehen.
Bei der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, welche die Erdbebendiagramme
zeigen, ist es nicht angebracht, alle ausführlich zu beschreiben. Es bleibt nur der
Ausweg, Übersichten zu veröffentlichen, welche alle registrierten Erdbeben aufzählen,
aber nur ihre wesentlichsten TJa^e angeben, und es dann speziellen Arbeiten zu über-
lassen, besondere Erdbeben ausführlicher zu behandeln. Während bei den Einzel-
bearbeitungen der wissenschaftliche Takt jedesmal von neuem Ziel und Maß fesstellen
muß, ist es geboten, die Massenarbeit der Übersichten sorgfaltig zu schematisieren.
Viel kommt es dabei darauf an, die Grenzen dessen zweckmäßig zu wählen, was noch
zu berücksichtigen ist, damit einerseits die Bearbeitungen nicht zu umfangreich werden
und andererseits genügend Material für die Behandlung aller derjenigen Aufgaben
geboten werde, welche allein auf die Verwertung der allgemeinen Übersichten an-
gewiesen bleiben. — Jedenfalls ist selbstverständlich, daß die Eintrittszeiten der Haupt-
phasen anzugeben sind, also die Zeiten des Beginnes der „ersten" und der „zweiten"
Vorläufer, sowie des Auftauchens der „langen Wellen", ihres Maximums und ihres
Unmerklichwerdens, des Endes der deutlichen Registrierung des Erdbebens überhaupt.
Im übrigen sind für die Erdbeben fast immer periodische Schwingungen bestimmter
Periode charakteristisch. So wird man die hauptsächlichsten Perioden mitzuteilen
haben und die zugehörige Größe der Erdbodenbewegung. Sind charakteristische Ein-
sätze vorhanden, was sowohl in den ersten wie in den zweiten Vorläufern oft der
Fall ist, so scheint ein Hinweis am Platze. Besonderheiten des Bebens sind anzugeben,
vor allem Abweichungen vom gewöhnlichen Typus. — Nach diesem Programm, welches
möglichste Einschränkung bedeutet, wurden von F. Linke und mir für den Anfang
des Jahres 1903 Bearbeitungen vorgenommen. Dann hat G. von dem Borne das
zweite Halbjahr 1903, H. Schering das Jahr 1904 bearbeitet. Vom Oktober 1904
ab werden in Erfüllung vielfacher Wünsche nach schneller Berichterstattung auto-
graphierte Wochenberichte an seismologisch interessierte Institute und Personen ver-
sandt Diese Wochenberichte schließen sich genau an den Betrieb des Institutes selbst;
es werden nämlich allwöchentlich die für die Registrierung notwendigen Papiere vor-
Von E. WiECHHRT. 171
bereitet, die beschriebenen Papiere für die Bearbeitung fertig gestellt und die ge-
wonnenen Kurven bearbeitet. — Die jetzt verwendeten Bezeichnungen unter Benutzung
der lateinischen Sprache wurden im wesentlichen in Besprechungen mit G. von dem Borne
festgestellt, von ihm rührt die wichtige Unterscheidung zwischen „plötzlichem Einsatz"
(/ = Impetus) und „allmählichem Auftauchen" {e = emersio) her. — Neuerdings werden
neben den Amplituden der Erdbodenbewegungen auch die maximalen Beschleunigungen
angegeben, da diese direkt ein Maß für die Intensität der Erschütterungen darstellen,
während die Amplituden erst in Verbindung mit der Periode ein Urteil erlauben.
Die Verwertung der Registrierungen in Einzeluntersuchungen hat in mehr-
fachen Publikationen begonnen. —
Instrumente der Göttinger Station für regelmäßige Erdbeben-
registrierungen. Die Seite 136 erwähnten besonderen Bewilligungen der König-
lichen Regierung ermöglichten es, den Bestand an Seismographen für den regel-
mäßigen Beobachtungsdienst zu vergrößern. Dabei verfolgte ich einen durch die früheren
Erfahrungen nahegelegten Plan, der nun schon zu erheblichem Teil hat realisiert
werden können. — Man beobachtet bei den Erdbeben Perioden sehr weit ver-
schiedener Größe, oftmals nebeneinander bei einem und demselben Erdbeben, und es
knüpfen sich daran sehr wichtige geophysikalische Fragen, da es sich wohl um Eigen-
schwingungen der verschiedenen Erdschichten handelt. Man muß mit Perioden von
I Sekunde und darunter und andererseits von i Minute und darüber rechnen. Die
kleinen Perioden entsprechen wahrscheinlich den Schwingungen von Erdschichten
geringer Tiefe an der Erdoberfläche; die zugehörige Amplitude ist in Göttingen stets
nur gering, indem Vioo ^^ selten überschritten wird. In dem Hauptteil der langen Wellen
steigen die Perioden bis etwa 20 Sekunden; hier ist am Herde wohl zuweilen die ganze
Erdrinde bis zur Magmaschicht in Schwingungen versetzt worden. Auch bei den Vor-
läufern können die Perioden bis etwa zu dieser Größe heraufgehen. Perioden von
erheblich längerer Dauer als 20 Sekunden findet man nur im Beginn der langen
Wellen, deren Periode anfanglich abnimmt, um dann meist schon nach wenigen
Schwingungen nahezu konstant zu werden. — Die Amplitude der Wellen längerer
und sehr langer Perioden kann in Göttingen bis zu i cm ansteigen.
Den Anforderungen, welche durch die so angedeuteten Verhältnisse und theo-
retischen Fragen an die Registrierungen gestellt werden, kann nur durch das Zusammen-
arbeiten verschiedenartiger Instrumente entsprochen werden. Ich entschloß mich, für
Göttingen zunächst Seismographen in drei Gruppen zu beschaffen; für die erste der
Gruppen, bestimmt zur Registrierung der kurzen Perioden, wurde eine Eigenperiode
172 Das Institut für Geophysik,
von etwa r/, Sekunden und eine Vergrößerung von mindestens 2000 vorgesehen, für
die zweite eine Eigenperiode in der Nachbarschaft von 10 Sekunden und eine Ver-
größerung von 100 — 200, für die dritte, bestimmt für die Registrierung der längsten
Perioden, eine Eigenperiode in der Nachbarschaft von i Minute und eine Vergrößerung
von etwa 10. Für jede Gruppe wurde die Registrierung der Nordsüd-, der Ostwest-
und der Vertikalkomponente in Aussicht genommen. Da die mechanische Registrierung
feinere Details gibt und billiger arbeitet wie die photographische, sollte sie soweit
als möglich angewandt werden. —
17000 kg- Pendel. Der Bau eines Instrumentes für die Horizontalkomponenten
in der ersten Gruppe begann im Jahre 1904, ist aber aus finanziellen Gründen auch jetzt
noch nicht vollendet, indem das Schreibwerk für die Ostwestkomponente fehlt. — Die
Nordsüdkomponente wird seit dem Frühjahr 1905 registriert. — Dcis Eisenwerk ist
von der Fabrik für Eisen-Hoch- und Brücken-Bau von Louis Eilers, Hannover-Herren-
hausen, geliefert worden. In Bezug auf die Feinmechanik vereinigten sich die Göt-
tinger Werkstätten von G. Bartels und Spindler & Hover.
Abbildung 12 zeigt im Mittelfeld den Anblick des Instrumentes von der Tür
des Instrumentenraumes aus, Abbildung 14 den Anblick des Schreibwerkes der Nordsüd-
komponente. Mit Rücksicht auf die gewünschte starke Vergrößerung wurde der
„stationären Masse" ein Gewicht von 1 7 000 kg gegeben, das ist so viel, als unter
den gegebenen Verhältnissen erreichbar schien. Die Masse wird gebildet durch einen
zylindrischen Eisenblechkessel mit ebenem Boden von nicht ganz 2 m Durchmesser
und nicht ganz 2 m Höhe, der mit Schwerspat gefüllt ist. Man wird auf beiden Bildern
den Kessel leicht erkennen und auf dem ersten auch den angehäuften Schwerspat
oben, unter der Decke des den Apparat einhüllenden Glaskastens, bemerken. — Der
Kessel soll seiner Bestimmung gemäß horizontal frei beweglich sein. Zu diesem Zwecke
ist er an drei Eisenstäben von etwa 3 cm Durchmesser aufgehängt, deren elastische
Biegsamkeit für die nötige Bewegungsfreiheit genügt. In der Mitte der Abbildung 12
sieht man einen der Eisenstäbe; sie fassen den Kessel unten an drei seitlichen Vorsprüngen
an und werden ihrerseits oben von einem eisernen Gestell getragen. — Die relativ
zum Gestell erfolgenden Bewegungen der stationären Masse sollen möglichst voll-
ständig von „Stoßstangen" aufgenommen und auf die Schreibvorrichtungen übertragen
werden; um dieses zu erreichen, ist als Ausgangspunkt für die Stoßstangen ein Eisen-
kern im Schwerpunkt des mit Schwerspat gefüllten Eisenzylinders mittels 24 starken
Eisenverbindungen gegen Boden und Zylinderwandung sehr solide abgestützt — Ab-
bildung 14 zeigt, wie die zur Nordsüdkomponente gehörige Stoßstange — durch ein
Von E, Wl SCHERT,
173
Eisenrohr gegen die Schwerspatfüllung geschützt — aus dem Kessel heraustritt. Die
Stoßstange bewegt den Schreibstift, indem vier Hebel die Ausschläge nacheinander
5 mal, 5 mal, 5 mal, ly'/z mal, im ganzen also 5X5X5X 17 7, = 22 00 mal vergrößern.
Für die Registrierungen ergibt sich infolge der Trägheit und der elastischen Nach-
giebigkeit des Übertragungssystems ein gewisser Verlust, da aber bei dem Bau aller
Abb. 14. Schreibwerk des 17000 kg -Pendels.
in Betracht kommenden Teile sorgfaltig darauf Bedacht genommen ist, ihn möglichst
herabzudrücken, beträgt er nur etwa s^o- I^ie Gelenke sind mittels Federn, Schneiden
und Spitzen so konstruiert, daß sie keine merkliche Reibung geben, doch macht sich
die Reibung der Schreibspitze auf dem berußten Papier schon bemerkbar. Marwin
in Washington hat neuerdings, wie mir soeben bekannt geworden ist, gefunden, daß
die Reibung durch sehr kleine fortdauernde Erschütterungen beseitigt werden kann;
174 ^^ Institut für Geophysik.
da die elastische Nachgiebigkeit des Übertragungsmechanismus und die Trägheit seiner
beweglichen Teile genügend klein sind, wird sich unter Anwendung dieses Kunst-
griffes die Vergrößerung noch erheblich (auf 4000 oder 5000) steigern lassen. —
Als ersten Erfolg, sehr bald nach seiner Aufstellung, zeigte das Instrument in
dem großen indischen Erdbeben vom 4. April 1905 die schnellen Schwingungen von
etwa 1V2 Sekunden Periode, welche gleich anfangs in den ersten Vorläufern auftraten,
fast eine Stunde lang bis weit in die langen Wellen hinein deutlich an, so daß mehr
als 2000 aufgezeichnet worden sind. Diese Schwingungen entsprechen wohl den
zerstörenden Vibrationen der ganz oberflächlichen sehr elastischen Schichten im
Indusgebiet. — Besonders wichtige Dienste leistet das Instrument bei den kleineren
europäischen Erdbeben, in denen die schnellen Schwingungen vorherrschen. —
Vertikal -Seismograph 2000-facher Vergrößerung. Als Vertikal -Seismo-
graph in der ersten Instrumentengruppe ist ein aus früheren Jahren stammender,
von mir konstruierter photographisch registrierender Apparat vorhanden, der etwa die
gleichen individuellen Konstanten wie der Horizontalapparat besitzt, diesem aber vorläufig
nachsteht, weil für die Registrierung bisher nur eine kleine Geschwindigkeit angewandt
werden kann. — Die stationäre Masse ist ein Bleigewicht von 200 Gramm, das um
eine horizontale Achse drehbar ist. Der Schwerpunkt, der um 5 cm von der Achse
absteht, wird durch eine um diese gewundene Schneckenfeder (Triebfeder einer Uhr)
seitlich in nahe gleicher Höhe gehalten. Der photographierende Spiegel besitzt eine
eigene Drehungsachse, welche der der stationären Masse parallel läuft, und ist mit
dieser so gekoppelt, daß er die Winkeldrehungen in 2 5facher Vergrößerung aus-
führt. — Es ist eine Luftdämpfung vorhanden, ferner auch eine „Temperatur-
kompensation", um die Wirkung der Temperaturänderungen auf die Elastizität der
Feder zu beseitigen. Eine „Astasie rung", d. h. eine Erhöhung der Schwingungs-
dauer und damit der Empfindlichkeit gegen sehr langsame Erdbodenbewegungen kann
dadurch in zweckmäßig scheinender Größe herbeigeführt werden, daß man bei den
beiden drehbaren Systemen die Schwerpunkte in passende Höhe gegenüber den
Achsen bringt Es läßt sich dabei in einfacher Weise erreichen, daß die Empfind-
lichkeit des Apparates gegen horizontale Erschütterungen hinreichend herabgesetzt
wird. —
Vertikal-Seismograph mit einer stationären Masse von 1300 Kilo-
gramm. In der zweiten Instrumentengruppe werden die beiden Horizontalkomponenten
der Erdbewegung durch das schon beschriebene „astatische Pendel" aufgezeichnet.
Der Bau des zugehörigen Seismographen für die Vertikalkomponente wurde 1904
Von E, WiECHERT.
175
begonnen und im Sommer 1905 beendet Er registriert ebenfalls mechanisch; die
stationäre Masse beträgt 1300 kg, die Indikatorvergrößerung ist auf 160 reguliert;
für die Eigenperiode hat sich eine Dauer von 7 Sekunden als besonders zweckmäßig
Abb. 15. 1300 kg-Vertikal- Seismograph.
erwiesen; einer Vermehrung der Schwerkraft um den 200000. Teil — was einer Neigungs-
änderung um I Bogensekunde bei dem Horizontal -Seismographen gleich zu stellen
ist — entspricht dann ein Ausschlag E = \o mm. — Ähnlich wie bei dem 17000 kg-
176 Das Institut für Geophysik,
Pendel ist auch bei diesem Instrument die Mechanikerarbeit teils von der Firma
Spindler & Hoyer, teils von der Firma G. Bartels hergestellt worden.
In Abbildung 12 sieht man das Instrument rechts nur eben streifend; Ab-
bildung 15 stellt es außerhalb des Bedeckungskastens und mit unvollständigem
Registrierwerk dar. Die stationäre Masse wird durch einen in Abbildung 15 sicht-
baren, zwischen den Füßen des Instrumentes hängenden, aus Eisen und Holz kon-
struierten Kasten gegeben, der mit Schwerspat gefüllt und außerdem mit einigen
Eisen- und Bleigewichten beschwert ist; der Kasten wird von acht Spiralfedern
getragen, di^ an zwei gegenüberliegenden Kanten zu je vieren angreifen. Zum Schutz
gegen plötzliche Temperaturänderungen und zur Sicherung gegen weitergehende
Schädigung bei etwaigem Bruch einer Feder, ist jedes Federsystem in einem eisernen
Kasten (25 cm x i m x i m) eingeschlossen. Die beiden Kästen wird man in Ab-
bildung 15 sogleich erkennen. Die Federn sind ein Geschenk der Firma Krupp, Essen,
an das geophysikalische Institut, für welches ich auch an dieser. Stelle den wärmsten
Dank sagen .möchte. Sie sind aus ca. 14 mm dickem Stahldraht mit etwas über 20 cm
weiten Windungen gefertigt; jede wiegt ca: 8 kg, die Streckung unter der hier
angewandten' Belastung von ca. 160 kg beträgt ca, 36 cm.
Die Vertikalbewegungen des die stationäre Masse bildenden Schwerspatkastens
werden durch eine im Schwerpunkt angreifende Stoßstange nach oben, und von da
durch ein Hebelwerk auf den Schreibarm oben und vorn übertragen. Eine einfache Vor-
richtung („Astasierer") unter Anwendung von Federkraft erlaubt die Schwingungsperiode
beliebig hoch zu legen, doch wird durch die elastische Nachwirkung der Tragefedern eine
Grenze so gegeben, daß man nicht gut über 7 Sekunden (entsprechend ca. 3ofacher
Astasierung) gehen kann. — Ein Grad Temperaturänderung würde wegen der Ände-
rung der Elastizität der Federn bei der angewandten Empfindlichkeit schon einen
Ausschlag von ungefähr 70 cm geben, daher wurde eine Temperaturkompensation unter
Anwendung der Verschiedenheit der Ausdehnung von Eisen und Zink eingeschaltet —
Dank des vorzüglichen Materiales und der vorzüglichen Härtung der Tragefedem ist
ein Nachgeben trotz der hohen Empfindlichkeit des Zeigerapparates nicht bemerkt
worden. —
Der Vergleich der Aufzeichnungen des Vertikalapparates mit denen
des Horizontal-Seismographen hat schon zu mancherlei beachtenswerten Folge-
rungen Anlaß gegeben; es ist hier nicht der Ort, darüber zu berichten, bemerkt mag
aber werden, daß der Vertikalapparat die ersten Vorläufer sehr femer Beben oftmals
besser zeigt, wie selbst das 2000 fach vergrößernde 17 000 kg -Pendel; so wird das
Von E, WiECHERT.
177
ScHLüTERSche Resultat bestätigt, aus welchem gefolgert werden darf, daß es sich bei
den ersten Vorläufern um longitudinale Wellen handelt, die durch große Tiefen des
Erdkörpers gehen. Der Vergleich der Aufzeichnungen stellt weiter auch sicher, daß
die Hauptwellen sich längs der Erdoberfläche ausbreiten.
Horizontalpendel mit großer Eigenperiode. In der dritten Instrumenten-
gruppe sind bisher ein photographierendes und ein mechanisch registrierendes Horizontal-
pendel vorhanden, die beide zum Typ des Kegelpendels gehören. Nur das mechanisch
registrierende Instrument wird dauernd in
Tätigkeit gehalten und zwar für die Auf-
zeichnung der Nordsüdkomponente der
Erderschütterungen. Die stationäre Masse
wiegt 100 kg. Die Indikatorvergrößerung
V ist gleich 10, die Periode T wird auf
etwas über i Minute gehalten, so daß
sich eine Neigungsempfindlichkeit E von
ca. 50 mm für i Bogensekunde ergibt —
Kleines astatisches Pendel. Zu
diesen Apparaten tritt noch ein Instrument
mit geringerer Empfindlichkeit hinzu,
welches für Stationen IL Ordnung be-
stimmt ist und im geophysikalischen In-
stitut nur zu Studienzwecken dient. Die
Grundlinien der Konstruktion sind ganz
ähnlich denen des astatischen Pendels, ins-
besondere ist ebenfalls eine Luftdämpfung
vorgesehen; die stationäre Masse hat aber
nur ein Gewicht von 125 kg, und es wird nur eine der Horizontalkomponenten
registriert. Die Vergrößerung V kann von 40 bis 100 variiert werden, die Periode T
läßt sich bis auf etwa 10 Sekunden steigern. Als Neigungsempfindlichkeit für eine
Bogensekunde kann E= 10 mm noch gut erreicht werden. — Das Instrument wird
von der hiesigen Firma Spindler & Hoyer in zwei Ausführungen verfertigt, die sich
durch die Art des Registrierwerks unterscheiden; dieses kann nämlich entweder eine
„konische" oder eine „zerteilte zylindrische" Trommel erhalten. Abbildung 16 stellt das
dem geophysikalischen Institut gehörige Instrument mit konischer Trommel dar. Dabei
ist jedoch zu bemerken, daß es sich neuerdings als vorteilhafter erwiesen hat, die
Göttinger Festschrift 23
Abb. 16. Kleines „astatisches Pendel".
178 • Das Institut Jur Geophysik.
Registriertrommel, welche man hier links oben in vertikaler Stellung sieht, mit ihrer
Achse nahezu horizontal und zwar so zu legen, daß die höchste Linie der Wölbung*
horizontal verläuft. Bei der zylindrischen Trommel ist der Mantel zerteilt und in
solcher Weise nachgiebig, daß der Durchmesser veränderlich wird und durch Feder-
kraft den größten Wert anzunehmen strebt In beiden Fällen schiebt man das fertig*
geklebte und berußte Registrierpapier so auf die Walze, daß es rings herum anliegt
Damit wird die Führung des Papieres über zwei Rollen (Triebrolle und Spannrolle)
vermieden, so daß für das Uhrwerk die recht erheblichen Widerstände infolge der
Biegung des Papieres fortfallen. —
50 000 fach vergrößernder Seismograph. Im vorstehenden sind die Apparate
aufgezählt worden, die bisher wesentlich mit Rücksicht auf den internationalen Erd-
beben-Beobachtungs-Dienst gebaut wurden. Darüber hinausgehend mag zum Schluß
mitgeteilt werden, daß in Verfolgung gewisser Erfahrungen neuerdings im Institut
der Versuch gemacht wird, noch bedeutend leistungsfähigere Apparate herzustellen.
Hierher gehört ein photographierendes Seismometer, welches ca. 50000 mal vergrößert
und dabei verhältnismäßig leicht transportabel ist. Die Konstruktion ist äußerst einfach,
indem eine als gewöhnliches, ca. 70 cm langes Pendel aufgehängte Masse von 125 kg^
mittels zweier Hebelübersetzungen einen sehr leichten Spiegel von ca. 10 mm Durch-
messer bewegt. Auch für diesen Apparat gibt es an Tagen ohne lebhaften Wind, in
der Nacht und Sonntags trotz der gewiß immer vorhandenen Unruhe des Erdbodens
noch eine Reihe von Stunden, wo er zu seismologischen Zwecken ausgenutzt
werden kann. —
Eine Unterstützung durch die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu
Göttingen und weitgehendes Entgegenkommen der Firma Krupp hat es möglich
gemacht, den Apparat in diesem Frühjahr zweimal auf den Schießplatz bei
Meppen überzuführen. In ca. 15 km Entfernung vom Schießstand war es hier
möglich, bei Geschützen von 30^2 cm Kaliber Vorläufer und Hauptwellen zu be-
obachten. —
Lokale Störungen. Das Erdbebenhaus des neuen geophysikalischen Institutes
wurde mit der Absicht gebaut, die darin aufzustellenden Instrumente möglichst vor
lokalen Störungen zu bewahren. Es ragt nur um wenig mehr als i m aus dem Erd-
boden hervor und ist vom Wald dicht umgeben (Abb. 11, S. 149). Die nächsten
nur im Villenstil bebauten Teile der Stadt stehen reichlich i km ab; die am
Institut selbst vorüberführende Herzberger Chaussee bleibt dem Erdbebenhaus auf
rund 100 m fern.
Von E. WiECHBRT, 179
Die gewöhnlichen Registrierungen werden vom Wind so gut wie gar
nicht beeinflußt; die Sonnenstrahlung gibt nur Schwankungen des Bodens um
2 — 3 Zehntel Bogensekunden. Bedeutungsvoller ist der Regen, der Ausschläge bis
zu Va Bogensekunde und mehr bewirken kann und in der Tat schon ernstliche
Störungen bei Regulierung der Apparate auf hohe Neigungsempfindlichkeit bewirkt
hat. — Die Konstanz der Temperatur im Instrumentenraum ist, bei Tagesschwankungen
um höchstens etwa 7io° C, recht befriedigend.
Mechanische Störungen durch den Verkehr auf der Herzberger Chaussee beein-
flussen die regulären Registrierungen nicht merklich, sie werden erst für das 50 000 fach
vergrößernde Instrument bedeutungsvoll Von den Störungen durch den Betrieb der
Stadt äußern sich merklich nur diejenigen infolge der Maschinen (Gasmotoren) des
städtischen Elektrizitätswerkes, das in ca. 2% km Entfernung von dem Institut liegt
Die Schwankungen des Fußbodens im Erdbebenhaus erreichen ca. Vjooo i^ni und sind
groß genug, um leider auch schon die Registrierungen der 2000 fach vergrößernden
Instrumente stark zu beeinträchtigen. —
Im Ganzen wird man sagen müssen, daß das Erdbebenhaus des neuen geo-
physikalischen Institutes gegenüber den früheren Verhältnissen in der Sternwarte einen
sehr großen Fortschritt bedeutet, daß aber die schnelle Entwicklung der instrumentellen
Technik schon heute den Gedanken nach weiterer Verbesserung nahe legt Bei dem
Bau des Institutes, das doch als Universitätsinstitut noch in bequem erreichbarer Ent-
fernung von der Stadt errichtet werden mußte, war von vornherein die Zuhülfenahme einer
weiter abseits liegenden Zweigstation ins Auge gefaßt worden, und zwar zunächst im
Interesse der erdmagnetischen Messungen. Nun zeigt es sich, daß die seismologischen
Arbeiten die Durchführung dieses Planes unerwartet schnell wünschenswert er-
scheinen lassen.
IV. Arbeiten auf dem Gebiet der Luftelektrizität
Beziehungen zur Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu
Göttingen. Während die seismischen Arbeiten des geophysikalischen Institutes zwar
von Anfang an durch die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen
unterstützt wurden, aber sich doch selbständig oder im Rahmen des deutschen nationalen
und des internationalen Dienstes entwickeln mußten, sind die luftelektrischen Arbeiten
bisher stets in innigster Beziehung zu der Gesellschaft der Wissenschaften ausgeführt
23»
l8o Das Institut för Geophysik,
worden. Hier kam zur Geltung, daß die Gesellschaft (unter besonderer Anregung durch
E. Riecke) sich der luftelektrischen Forschung seit längerer Zeit energisch zugewandt
hat Neben der Förderung der individuellen Arbeit ließ sie sich insbesondere angelegen
sein, gemeinsame Arbeiten im Kreise der verbündeten gelehrten Körperschaften an-
zuregen. Da gerade diese Bestrebungen die Arbeiten im geophysikalischen Institut
wesentlich ' beeinflußt haben, möge eine kurze Erinnerung an die Geschichte des Zu-
sammenschlusses der Akademien erlaubt sein.
Der Plan, die gelehrten Körperschaften der Kulturnationen in einen Verband
zusammenzufassen, um so für große wissenschaftliche Unternehmungen eine kraftvolle
Organisation zu schaffen, bestand schon seit längerer Zeit Er führte 1893 zur Grün-
dung des „Karteiles" der deutschen Akademien in Göttingen, Leipzig, München und
Wien; im vergangenen Jahre ist auch die Berliner Akademie hinzugetreten. In jähr-
lichen Versammlungen von Delegierten werden die gemeinsamen Arbeiten vorbereitet
und beraten. — Auf der Jahresversammlung 1898 (in Göttingen) wurde unter
Anwesenheit von Abgesandten anderer Akademien der weitergehende Plan einer
„Internationalen Assoziation der Akademien" wieder aufgenommen, und schon
1900 gelang es (in Wiesbaden), die Verwirklichung herbeizuführen. Nach der Überein-
kunft sollen alle drei Jahre Generalversammlungen abgehalten werden und in den
Zwischenzeiten Kommissionen tätig sein. Die erste Generalversammlung fand 1901 in
Paris, die zweite 1904 in London statt — Die Luftelektrizität war Gegenstand der
Beratungen auf fast allen Kartellversammlungen und bei den internationalen Unter-
handlungen in London 1904. —
Mit Rücksicht auf die individuellen Arbeiten der Göttinger Gesellschaft der
Wissenschaften und der von ihr im Kreise der kartellierten Akademien und in der inter-
nationalen Assoziation vertretenen Pläne sind ihr seit 1901 von der Königlichen Regie-
rung besondere Mittel für luftelektrische Arbeiten zur Verfügung gestellt worden.
Zunächst wurde es so möglich, einen Beobachter als „Assistenten" der geophysikalischen
Kommission der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in der Person von H. Gerdien
von Oktober 1901 ab anzustellen. Gerdien hat seit jener Zeit, wie Seite 136 schon
erwähnt, im neuen geophysikalischen Institut gearbeitet, und ein großer Teil der Unter-
suchungen, von welchen weiterhin die Rede sein wird, ist seiner Tätigkeit zu danken.
Probleme. Betrachten wir einen Augenblick die luftelektrische Forschung im
Hinblick auf die Pläne der Akademien. — Beständig findet ein Austausch von Elektrizi-
tät zwischen der Erde und der Atmosphäre, sowie zwischen den verschiedenen Teilen
der Atmosphäre statt. Soweit unsere Beobachtungen reichen, ist die Erde in der
Von .E, WiECHERT. i8l
Regel negativ gegenüber der Atmosphäre geladen, so daß sie negative Elektrizität an
die Atmosphäre abgibt. Notwendigerweise muß eine entsprechende Menge negativer
Elektrizität wieder von der Atmosphäre auf die Erde übertragen werden. Wo und
wie findet dieses statt? Daß die Niederschläge dabei mitwirken, ist gewiß: in welchem
Umfang sind sie beteiligt? — Auf welchen Wegen wandert die Elektrizität? Bis zu
welchen Höhen erstreckt sich die Strömung? Welche Ursachen erhalten sie dauernd
aufrecht? Worin ist die Leitfähigkeit der Atmosphäre begründet? Welcher Art ist
der Strom? — Schenkt man diesen Problemen des „Elektrizitätshaushaltes der
Atmosphäre", wie Gerdien sich ausdrückt, auch nur geringe Aufmerksamkeit, so
zeigt sich klar, daß der geplanten gemeinsamen, die Erde umspannenden Arbeit der
Akademien eine ganze Reihe von Aufgaben dargeboten wird. Aber es muß dabei
wohl bedacht werden, daß die Inangriffnahme ohne große Gefahren für die wissen-
schaftliche Forschung nur dann geschehen darf, wenn klargestellt ist, worauf die Auf-
merksamkeit sich richten muß, und wenn zuverlässige Beobachtungsmethoden zur Ver-
fügung stehen. Noch auf der internationalen Versammlung der Akademien in London
1904 mußte anerkannt werden, daß wir so weit noch nicht gekommen seien. Wohl
hätten — so führte man aus — die großen Entdeckungen auf dem Gebiet der elektri-
schen Erscheinungen, welche wir den letztverflossenen Jahren danken, auch für die
luftelektrische Forschung eine Reihe wichtiger Fingerzeige gegeben, aber noch seien
die theoretischen Gesichtspunkte nicht genügend klargestellt, die Beobachtungsmethoden
nicht genügend durchgearbeitet: noch gehöre also das Feld allein der individuellen
Betätigung. — Von solcher werde ich im folgenden zu berichten haben.
Niederschlagselektrizität. Als erste Aufgabe bot sich für H. Gerdien
die Untersuchung der Niederschlagselektrizität, über welche trotz ihrer vielleicht funda-
mentalen Wichtigkeit für den elektrischen Haushalt der Atmosphäre nur sehr wenige
Beobachtungen vorlagen. Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hatten
Elster und Geitel eine zweckmäßige Methode zur Untersuchung der Niederschlags-
elektrizität ausgearbeitet und zu grundlegenden Beobachtungen angewandt. Gerdien
entschloß sich, diese Methode zu verwerten, und baute zu ihrer Anwendung eine be-
sondere „luftelektrische Hütte" bei der „meteorologischen Wiese" des geophysika-
lischen Institutes (Abb. 5, S. 142). Die Grundfläche der Hütte beträgt 2,1 x 2,1 m, die
Höhe bis zum Dach 2 m, das nur wenig ansteigende Dach enthält an seiner höchsten
Stelle in der Mitte die Öffnung zum Auffangen der Niederschläge. Ein 1,7 m hohes
Drahtnetz, welches die Seitenwände der Hütte über das Dach hinaus fortsetzt, schützt
die Auffangöfifnung in der von Elster und Gefiel angegebenen Weise gegen elektro-
l82 Das Institut für Geophysik.
Statische Einflüsse seitens der Atmosphäre. Die Hütte enthält eine Wage zur Bestim-
mung der Niederschlagsmenge, ein Elektrometer zum Messen der Niederschlagselektri-
zität. Außerdem ist ein zweites Elektrometer zur Feststellung der Variationen des
Potentialgefalles vorhanden, welches mit einer außerhalb an der Hütte angebrachten
Tropfelektrode oder radioaktiven Elektrode verbunden ist. — Die anfänglichen Augen-
beobachtungen wurden sehr bald (1902) durch photographische Registrierungen ersetzt,
überhaupt sind fortdauernd weitere Verbesserungen der Methoden vorgenommen
worden. —
Das Wesentlichste der Gerdien sehen Untersuchungen ist der quantitative Nach-
weis, daß die Ladungen der Niederschläge wohl genügen könnten, um die vollständige Er-
gänzung der dauernd von der Erde in die Atmosphäre übertretenden negativen Elektrizität
zu erklären. — Zu sicherem Urteil werden wir freilich erst kommen können, wenn
systematische Beobachtungen vorliegen werden, welche die ganze Erde, vor allem auch
die tropischen Gegenden umfassen. Im Hinblick hierauf hat Gerdien einen trans-
portablen Apparat zur Messung der Niederschlagselektrizität konstruiert Wir hoffen,
daß er in kurzem in dem geophysikalischen Observatorium in Samoa seine erste An-
wendung außer der Heimat finden werde. —
Elektrische Ladung und Leitfähigkeit der Luft. Schon 1899 war die
Elektrizitätsleitung in der atmosphärischen Luft von Elster und Geitel ausführlich
untersucht worden. Sie zerstörten die früher herrschende trügerische Annahme, daß
die Leitung eine Folge des Staubgehaltes oder des Wassergehaltes sei. Es zeigte
sich, daß der Staubgehalt im gewöhnlichen Sinne des Wortes und Nebeltröpfchen
die Leitungsfähigkeit sogar herabsetzen. Als Träger der elektrischen Strömung
wurden „Ionen" im Sinne der modernen Elektrizitätstheorie erkannt. — Der von
Elster und Geitel zur Abschätzung der Leitfähigkeit der Luft angegebene trans-
portable „Zerstreuungsapparat", ein Aluminiumblattelektroskop mit aufgesetztem
„Zerstreuungskörper*' und Schutzdach oder Schutznetz, hat in der Folge in außer-
ordentlich zahlreichen Anwendungen sehr wichtige Resultate über die Leitfähigkeit der
Luft in verschiedenen Teilen der Erde und in verschiedenen Höhen der Atmosphäre
gebracht. Aber es wurde auch bald erkannt, daß die Angaben des Instrumentes einen
ziemlich unbestimmten Charakter haben und darum für quantitative Bestimmungen nicht
brauchbar sind. Da nämlich bei dem Betriebe des Apparates die Ionen der Luft in
der Umgebung des „Zerstreuungsk(")rpers" aufgebraucht werden, ist es wesentlich, ob
und in welchem Umfang die Luft erneuert wird. — Bestimmte Angaben bot der von
H. Ebert 1901 konstruierte „lonenzähler", bei dem eine abmeßbare Luftmenge durch
Von E» WmcHERT,
183
ein Rohr mit metallenem Kern in Form eines langgestreckten Zylinders hindurch ge-
sogen wird. Der Kern ist auf ein Aluminiumblatt-Elektroskop aufgesetzt und wird vor
dem Versuch positiv oder negativ geladen; der Luftstrom entlädt ihn dann um so
schneller, je reicher sein Inhalt an negativen oder positiven Ionen ist. — Der Apparat
kann, wenn man gerade will, als ein modifizierter ELSXER-GEixELscher Zerstreuungs-
apparat gelten, bei dem die Luftzufuhr geregelt ist. Das Rohr entspricht dem Schutz-
dach, der Kern dem Zerstreuungskörper. — Der EßERTSche Apparat gibt nicht direkt
die Leitfähigkeit, sondern den Inhalt der Luft an freier, von den Ionen getragener
Elektrizität an. Erst wenn die Bewegung der Ionen unter der Einwirkung elektrischer
Kräfte, also ihre „Beweglichkeit" bekannt ist, kann auf die Leitfähigkeit geschlossen
werden. Bis zu einem gewissen Grade ist dies der Fall, da die Beweglichkeit unter
den gewöhnlichen Umständen in nicht sehr weitem Maße zu variieren scheint, aber
weitere aufklärende Untersuchungen sind noch erforderlich.
Gerdien knöpfte an den Ebert sehen Apparat an. Zunächst vergrößerte
er die Dimensionen, um die Beobachtungszeit abzukürzen. Dann wurde durch be-
sondere Vorrichtungen (Kondensatoren veränderlicher Kapazität) möglich gemacht,
neben den gewöhnlich vom Aluminiumblatt-Elektroskop angezeigten Spannungen (100
bis 300 Volt), auch sehr viel kleinere (bis zu 10 Volt herab) zu verwenden. So kann
erreicht werden, daß der durchstreichenden Luft nicht alle, sondern nur ein Teil der
Ionen der betreffenden Art entzogen werden, und es wird ein Schluß auf die Leitfähig-
keit selbst statthaft. Daneben erfahrt man auch loneninhalt und lonenbeweglichkeit.
Zur sicheren und schnellen Bestimmung der vor allem wichtigen Leitfähigkeit
konstruierte Gerdien 1905 einen besonderen Apparat, der in Abbildung 17 wieder-
gegeben ist Er stellt einen modifizierten EßERxschen Apparat dar, bei dem der Mantel
sehr weit ist (Öffnung 16 cm);
dem Luftstrom wird durch ein
Flügelrad eine solche Geschwin-
digkeit erteilt, daß ihm trotz
der Ladung des Kernes auf etwa
200 Volt nur ein kleiner Teil
der betreffenden lonenart ent-
zogen wird. —
In wesentlich anderer Weise
als Gerdien nahm Schering das
Problem der Messung der Leit-
Abb. 17. Apparat zur Messung der Leitfähigkeit der Luft; nach H. Ge&dien.
184 ^ÄT Institut för Geophysik.
fähigkeit in. Angriff. Im Anschluß- an Voruntersuchungen, die seine Doktorarbeit
bildeten, spannte er neben der luftelektrischen Hütte auf der meteorologischen
Wiese einen 20 m langen Draht in freier Luft isoliert aus und schützte ihn durch
ein weitmaschiges Drahtnetz in i m Abstand gegen elektrostatische Störungen.
Der Draht wird geladen und der Spannungsabfall mittels eines Quadrantelektrometers
beobachtet. Das Quadrantelektrometer ersetzt das Elektroskop des Elster-Geitel-
sehen Apparates, der Draht bildet den Zerstreuungskörper. — Bei dieser Modifikation
des Elster-Geitel sehen Apparates sind die Verhältnisse für die lonenzuführung so
außerordentlich günstig, daß schon sehr kleine Windbewegungen genügen, um die
Bedingungen für eine reine Beobachtung der Leitfähigkeit zu ergeben. — Die
Methode erlaubt äußerst schnelles Arbeiten, da eine Messung weniger als i Minute be-
ansprucht, und ermöglicht in sehr bequemer Weise auch eine Registrierung der Leit-
fähigkeit; hierfür insbesondere wurde sie von H. Schering ausgearbeitet.
Ballonbeobachtungen. Den Beobachtungen am Erdboden konnten vom Jahre
1903 ab Beobachtungen vom Ballon aus an die Seite gestellt werden. Hier kam zu-
hilfe, daß F. Linke, der im Oktober 1902 die etatsmäßige Assistentenstelle des In-
stitutes übernahm, schon früher von Berlin aus eine Reihe von Ballonfahrten für luft-
elektrische Zwecke ausgeführt hatte. Indem er den Ballon führte, wurden im Sommer
1903 von Göttingen selbst, und zwar vom „Bürgerpark" aus, der in unmittelbarer Nähe
der städtischen Gasanstalt liegt, zwei Fahrten unternommen. Der Ballon ist hierbei von
dem Berliner Verein für Luftschiffahrt bereit gestellt worden. Die Korbinsassen waren
bei der ersten Fahrt (i. — 2. Juli) F. Linke, H. Gerdien, E. Wiechert, bei der zweiten
Fahrt (2. August) F. Linke W. Nernst, E. Wiechert. Die Kosten der zweiten Fahrt
wurden zum größten Teil von W. Kernst bestritten. Beidemal wurden das Potential-
gefalle mit Apparaten von Linke und der loneninhalt sowie die Leitfähigkeit mit Ap-
paraten von Gerdien beobachtet
An diese ersten luftelektrischen Beobachtungen vom Ballon aus haben sich in
der Folgezeit eine größere Reihe weiterer geschlossen. Die Aufstiege fanden hierbei
aber von Berlin aus statt. Es war dies möglich, weil der Vorsteher des Königlichen
aeronautischen Observatoriums R. Assmann, in dankenswertester Weise einem Göttinger
luftelektrischen Beobachter, nämlich Gerdien, die Erlaubnis erteilte, Fahrten des Obser-
vatoriums mitzumachen. So konnten mit Wasserstoffiillung mehrfach Höhen bis zu
7000 m erreicht werden.
Da Versuche mit Radiumelektroden bei der Messung des Fotentialgefalles
während der ersten Fahrt unbefriedigende Resultate ergaben, konstruierte Linke für
Von K WiECHRRT.
185
^bb. 18. Apparat zur Bestimmung des Potentialgefalles vom Ballon aus;
nach F. Linke und H. Gerdien.
die zweite Fahrt äußerst wirksame
Flüssigkeitsspritzelektroden, die sich
vorzüglich bewährten und seither
immer benutzt worden sind. Gerdien
hat dann die LiNKESche Einrichtung
zur Messung des Potentialgefälles
vom Ballon aus noch in manchen
Einzelheiten vervollkommnet. Die
jetzige Form wird durch Abbildung 1 8
dargestellt. Die Schläuche der Spritz-
elektroden sieht man hier zusammen-
gerollt. Eine daneben gestellte Nivel-
lierlatte soll eine Anschauung von
den Größenverhältnissen geben. —
Gerdien führte eine weitere Ver-
besserung der luftelektrischen Be-
obachtungen dadurch herbei, daß er Wasserballast mitnahm, welcher während der
Beobachtungen anstelle des zu vielen Störungen Anlaß gebenden Sandballastes be-
nutzt wurde.
Die Resultate der Beobachtungen sind von Linke und GerDien in einer
Reihe von Abhandlungen niedergelegt worden, welche in der Zusammenstellung der
Veröffentlichungen des geophysikalischen Institutes am Schluß meines Berichtes nach-
gewiesen werden. Als Hauptresultat möchte ich 'hier hervorheben, daß Gerdien
den Vertikalstrom, welcher infolge der Leitfähigkeit der Luft und des Potentialgefalles
von oben nach unten fließt, bis in die größten Höhen (7000 m) hinauf beobachten
konnte, und zwar zeigte der Strom, trotz der sehr großen Schwankungen des Potential-
gefalles und der Leitfähigkeit in dem ganzen Bereich der Höhen verhältnismäßig nur
geringe Verschiedenheit der Intensität
Weitere luftelektrische Arbeiten. In bezug auf die weiteren luftelektrischen
Arbeiten sei zunächst erwähnt, daß seit Anfang 1903 das Potentialgefälle mittels eines
Bknndorf sehen mechanisch registrierenden Elektrometers und einer Poloniumelektrode
am Hauptgebäude dauernd aufgezeichnet wird. Am Ende des Jahres 1905 ist eine gleiche Ein-
richtung für das neue physikalische Institut in Göttingen beschafft worden; so daß nun-
mehr der Unterschied für die Lage im Tal und auf der Anhöhe beobachtet werden
kann. — Seit 1904 wird der Radioaktivität — insbesondere von Gerdien — weit-
Göttinger Festschrift.
24
l86 Das Institut für Geophysik.
gehende Aufmerksamkeit geschenkt. Doch sind die Arbeiten noch nicht zum Abschluß
gebracht worden. — Die Gerdien sehen transportablen Apparate für lonenzahl, lonen-
beweglichkeit, Leitfähigkeit und Radioaktivität der Atmosphäre haben weite Verbreitung
gefunden, und öfters wurden Beobachter von Gerdien in Göttingen für luftelektrische
Untersuchungen ausgebildet. — Die Apparate für Leitfähigkeit und Radioaktivität
benutzten vom geophysikalischen Institut ausgehend F. Linke Ende 1904 auf dem
Stillen Ozean bei der Überfahrt nach Apia, C Runge bei Gelegenheit seiner Beobach-
tung der Sonnenfinsternis in Nordafrika im August 1905 und ich selbst bei Überfahrten
nach und von Amerika im April und Mai dieses Jahres. Auch inmitten des Ozeans
zeigte die Luft erhebliche Radioaktivität und erhebliche Leitfähigkeit.
V. Veröffentlichungen aus dem geophysikalischen Institut.
Abkürzungen:
Nachrichten = Nachrichten der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, mathe-
matisch-physikalische Klasse.
Abhandlungen = Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, mathe-
matisch-physikalische Klasse.
Phys. Z. = Physikalische Zeitschrift.
Beitr. z. Geoph. = Beiträge zur Geophysik, herausgegeben von G. Gerland.
a) Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Seismik.
E. Wiechert: Seismometrische Beobachtungen im Göttinger geophysikalischen Institut; Nach-
richten 1899, S. 195.
— — Prinzipien fiir die Beurteilung der Wirksamkeit der Seismograghen ; Beitr. z. Geoph.,
Ergänzungsband I 1902, S. 264, Phys. Z. 1901, Bd. 2, S. 533 und 605.
Theorie der automatischen Seismographen; Abhandlungen Bd. II 1903, S. i.
W. Schlüter: Schwingungsart und Weg der Erdbebenwellen. I. Teil: Neigungen; Inaugural-
Dissertation, Göttingen, 1901; Beitr. z. Geoph. 1902, Bd. 5, S. 314.
— — Erdbeben wellen; Phys. Z. 1902, Bd. 3, S. 238.
— — Schwingungsart und Weg der Erdbeben wellen. II. Teil: Translationsschwingungen;
Beitr. z. Geoph. 1902, Bd. 5, S. 401.
E. Wiechert: Dr. Wilhelm Schlüter, geboren am 13. Dezember 1875, gestorben am 5. April 1902;
Beitr. z. Geoph. 1903, Bd. 5, S. 701.
F. Llvkk und E. Wiechert: Seismische Registrierungen in Göttingen im Monat Januar 1903;
Selbstverlag des Institutes, 1903.
Von E, WiECHERT. 187
E. Wiechert: Ein astatisches Pendel hoher Empfindlichkeit zur mechanischen Registrierung
von Erdbeben; Beitr. z. Geoph. Bd. VI, 1903, S. 435; mit Zusätzen auch ab-
gedruckt: Phys. Z. 1903, Bd. 4, S. 821.
G. V. D. Borne: Seismische Registrierungen in Göttingen Juli bis Dezember 1903; Nachrichten
1904, S. 440.
E. Wiechert: Entwurf einer Denkschrift über seismologische Beobachtungen in den deutschen
Kolonien; Beitr. z, Geoph., Ergänzungsband II, 1904, S. 313.
H. Schering: Seismische Registrierungen in Göttingen im Jahre 1904; Nachrichten 1905,
S. 181.
G. Angenheister: Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit und Absorption von Erdbeben-
wellen, die durch den Gegenpunkt des Herdes gegangen sind; Nachrichten 1906, S. 1 10.
F. Akerblom: Vergleichung der Diagramme aus Upsala und Göttingen von Fernbeben, deren
Wellen die Erde umkreist haben; Nachrichten 1906, S. 121.
Seismische Registrierungen in Upsala. Oktober 1904 bis Mai 1905; Nachrichten 1906,
S. 125.
H. Schering, A. KoHLSCHünER, G. Angenheister: Wochenberichte über Erdbebenregistrierungen
in Göttingen; Selbstverlag des Institutes.
b. Veröffentlichungen über Luftelektrizität und Polarlicht.
E. Wiechert: Polarlichtbeobachtungen in Göttingen; Nachrichten 1902, S. 182; Phys. Z. 1902,
Bd. 3, S. 365.
H. Gerdien: Registrierung der Niederschlagselektrizität im Göttinger geophysikalischen Institut;
Sitzungsberichte der mathem.-phys. Klasse der Königl. Bayer. Akademie der Wissen-
schaften zu München 1903, Bd. 33, S. 367; Phys. Z. 1903, Bd. 4, S. 837.
G. C. Simpson: Über den Volta-Effekt; Phys. Z. 1903, Bd. 4, S. 480.
H. Gerdien: Die absolute Messung der elektrischen Leitfähigkeit und der spezifischen lonen-
geschwindigkeit in der Atmosphäre; Phys. Z. 1903, Bd. 4, S. 632.
F. Linke: Über Messungen von Potentialdifferenzen mittels Kollektoren unter besonderer Be-
rücksichtigung von radioaktiven Substanzen; Phys. Z. 1903, Bd. 4, S. 661.
IL Gerdien: Messungen der elektrischen Leitfähigkeit der freien Atmosphäre bei vier Ballon-
fahrten; Nachrichten 1903, S. 383.
G. C. Simpson: Über lonenadsorption und ihre Bedeutung für die negative Ladung der Erde;
Phil. Magazine (6), 1903 Bd. 6, S. 589.
F. Linke: Luftelektrische Messungen bei zwölf Ballonfahrten; Abhandlungen 1904, Nr. 4.
H. Gerdien; Die Messung kleiner Kapazitäten mittels einer meßbar veränderlichen Normal-
kapazität; Phys. Z. 1904, Bd. 5, S. 294.
IL Gerdien u. H. Schering: Ein Verfahren zur Messung der Strömungsgeschwindigkeit von
Gasen mit besonderer Berücksichtigung luftelektrischer Apparate; Phys. Z. 1904,
Bd. 5, S. 297.
iL Gerdien: Die Kondensation des Wasserdampfes an Ionen und ihre Bedeutung für die
Physik der Atmosphäre; Jahrbuch der Radioaktivität und Elektronik 1904, Bd. i,
S. 24.
Luftelektrische Messungen bei zwei Ballonfahrten; Nachrichten 1904, S. 277.
24*
l88 D<is Institut ßir Geophysik; von E. Wjechert,
H. Schering: Eine Verbesserung der Hartgummiisolatoren für luftelektrische Messungen; Phys. Z.
1904, Bd. 5, S. 451.
Der Elster-Geitelsche Zerstreuungsapparat und ein Versuch quantitativer absoluter Zer-
streuungsmessung, Dissertation, Gröttingen 1904; Auszug. Ann. d. Physik (4) 1906,
Bd. 20, S. 174. Die Arbeit ist im wesentlichen im experimentell-physikalischen In-
stitut der Universität (unter Leitung von E. Riecke) angefertigt worden.
H. Gerdien: Ein Elektrometer zur Untersuchung radioaktiver Induktionen; Phys. Z. 1905, Bd. 6,
s. 433.
J. E. Burbank: Induzierte Thoriumaktivität in Göttingen; Phys. Z. 1905, Bd. 6, S. 436.
H. Gerdien : Über die spezifische Geschwindigkeit der positiv geladenen Träger der atmosphä-
rischen radioaktiven Induktionen (vorläufige Mitteilung); Phys. Z. 1905, Bd. 6, S. 465.
Die absolute Messung der spezifischen Leitfähigkeit und der Dichte des vertikalen
Leitungsstromes in der Atmosphäre. Terrestrial Magnetism and Atmospheric Elec-
tricity 1905, Bd. 10, S. 65.
Bemerkungen zu dem Vortrage des Herrn H. Ebert: „Eine neue Form des lonen-
Aspirationsapparates" ; Verh. d. D, Phys. Gesellschaft 1905, Bd. 7, S. 128.
Ein neuer Apparat zur Messung der elektrischen Leitfähigkeit der Luft; Nachrichten
1905, S. 240.
Messungen der Dichte des vertikalen elektrischen Leitungsstromes in der freien At-
mosphäre bei der Ballonfahrt vom 11. Mai 1905; Nachrichten 1905, S. 258.
Die atmosphärische Elektrizität; Winkelmanns Handbuch der Physik 1905, Bd. 4, S. 687.
Demonstration eines Apparates zur absoluten Messung der elektrischen Leitfähigkeit
der Luft. Verh. d. Ges. D. Naturforscher und Arzte, 77. Vers, zu Meran 1905; Verh.
d. D. Physikalischen Ges. 1905, Bd. 7, S. 368; Phys. Z. 1905, Bd. 6, S. 800.
Ein Apparat zur absoluten Messung der elektrischen Leitfähigkeit der Luft (Referat).
Zeitschr. f. Instrumentenkunde 1906, Bd. 26, S. 34.
— — Der Elektrizitätshaushalt der Erde und der unteren Schichten der Atmosphäre ; Phys. Z.
1905, Bd. 6, S. 647.
— — Messungen der Dichte des vertikalen elektrischen Leitungsstromes in der freien At-
mosphäre bei der Ballonfahrt vom 30. August 1905; Nachrichten 1905, S. 447.
VIII.
Zur Geschichte der Göttinger Vereinigung.
Einige Daten zur Geschichte der Göttinger Vereinigung dürften des allgemeinen Interesses nicht
entbehren. Über die Vorgeschichte, sowie die Gründung selbst, femer über das bis zum Jahre 1899 Er-
reichte ist das wesentlichste in einem Aufsatze von F. Klein enthalten, der im ersten Jahrgange der
physikalischen Zeitschrift (Leipzig, Hirzel) im Dezember 1899 erschienen ist. Er sei daher hier zunächst
noch einmal abgedruckt, unter Hinzufügung eines Hinweises auf einige Druckschriften, die, von wissen-
schaftlichen Mitgliedern der Vereinigung gelegentlich verfaßt, für die Entwicklungsgeschichte der Vereinigungs-
bestrebungen von Interesse sind.
Daran anschließend wird die äußere Entwicklung der Vereinigung bis 1906 mit kurzen Daten
fortgeführt. Sodann wird eine Übersicht über alle für die Vereinigungsbestrebungen aufgebrachten und
verwendeten Mittel gegeben. Endlich wird ein Verzeichnis der gegenwärtigen Mitglieder der Ver-
einigung angefügt.
I.
Über die Neueinrichtungen für Elektrotechnik und allgemeine technische Physik
an der Universität Göttingen.
Von
Felix Klein.
(1899.)
Daß es wünschenswert sei, den mathematischen und physikalischen Unterricht an
unseren Universitäten unbeschadet aller Entwicklung nach der theoretischen Seite hin in
lebendige Beziehung zu den technischen Anwendungen zu setzen, ist eine derjenigen Über-
zeugungen, welche mir mit meinen gleichstrebenden Freunden gemeinsam war, als wir vor
nun 30 Jahren begannen, uns hier in Göttingen für die akademische Karriere vorzubereiten.
Nun hat es kaum allgemeines Interesse, zu schildern, wie sich diese Überzeugimg im
Laufe der Jahre allmählich entwickelt und durchgesetzt hat. Immerhin muß ich einige be-
stimmende Momente hervorheben. Ich will zunächst mit besonderem Danke der fünf Jahre
gedenken, die ich (von 1875 bis 1880) an der Technischen Hochschule in München zugebracht
igo Zur Geschichte der Göttin ger Vereinigung,
habe und während deren ich vor allem Gelegenheit hatte, Herrn Professor Linde näher zu
treten, der damals gerade sein erstes Laboratorium zum Studium der in den Wärmemaschinen
sich abspielenden physikalischen Prozesse an der Hochschule eingerichtet hatte. Ich habe
dann in der Folge in Leipzig und Göttingen mit meinen Kollegen zusammen versucht, zunächst
dem mathematischen Universitätsunterrichte die erwünschte Ergänzung nach technischer Seite
zu geben. Die entsprechende Ausgestaltung des physikalischen Unterrichts aber stieß aus
naheliegenden Gründen zunächst auf große Schwierigkeiten. Hier war es die Chicagoer Welt-
ausstellung von 1893 und die Gelegenheit, die sich im Anschluß daran bot, das amerikanische
Unterrichts wesen an Ort und Stelle zu studieren, die uns auf den Weg wiesen, der uns jetzt
Erfolg gebracht hat. Ich denke dabei nicht sowohl an spezielle Einrichtungen der dortigen
Hochschulen, die uns anregend gewesen sind, wie die allgemein durchgeführte Voranstellung
des Laboratoriumunterrichts bei der Ausbildung der Ingenieure usw., sondern an das System
der Selbsthilfe, der privaten Initiative, welches uns drüben überall entgegentritt Wenn
es in Amerika seit lange gelungen ist, praktische Männer, welche über die nötigen Mittel
verfugen, selbst für abstrakte Seiten des Hochschulunterrichts zu interessieren und mit ihrer
tätigen Unterstützung an der Weiterentwicklung der Unterrichtseinrichtungen zu arbeiten,
weshalb sollte dies in Deutschland, an den deutschen Universitäten, deren hochentwickelte
Eigenart sich in der ÖflFentlichkeit immer weitgehender Sympathien erfreute, unmöglich sein?
Voraussetzung für das hiermit bezeichnete Vorgehen war natürlich die Verständigung und ein
dauerndes Hand-in-Handgehen mit der Regierung. Dies scheint den amerikanischen Verhält-
nissen gegenüber eine Komplikation, bietet aber einen außerordentlichen Vorteil: sobald die
Regierung für neue Ideen mit eintritt und deren versuchsweise Durchfuhrung als wünschens-
wert bezeichnet, hat das Unternehmen von vornherein einen sehr viel höheren Grad von
Stabilität. Jedenfalls sind wir im vorliegenden Falle der Regierung wie andererseits den
Herren Industriellen, die uns die bisherige Durchführung unserer Pläne ermöglichten, zum
allergrößten Danke verpflichtet.
Ich überspringe die Vorverhandlungen, die sich mit wechselndem Erfolg über einen
größeren Zeitraum hinzogen und bei denen allerlei Mißverständnisse beseitigt werden mußten,
die heute als erledigt gelten können. Der erste positive Schritt war der, daß uns Weih-
nachten 1896 Herr Landtagsabgeordneter Dr. Böttinger (Elberfeld), Herr Professor Dr. Linde
(München) und Herr Kommerzienrat Krauss (München) als Anzahlung eine Summe von
20000 Mark zur Verfügung stellten. Indem die Regierung gestattete, daß in unser Projekt
die für unsere Universitätsbibliothek geplante elektrische Beleuchtungsanlage mit einbezogen
wurde, haben wir mit dieser Summe auf dem Grundstücke des physikalischen Instituts einen
ersten Maschinenraum errichten können und in diesem einen 15 pferdigen Gasmotor und eine
15 pferdige Dampfmaschine zur Aufstellung gebracht. Zugleich berief die Regierung zwecks
Einrichtung und Verwaltung des Instituts und mit dem Auftrage, nicht nur für die Studierenden
der Mathematik und Physik, sondern auch für diejenigen der Landwirtschaft über Maschinen-
wesen zu lesen, Herrn Dr. Mollikr aus München zu Ostern 1897 als außerordentlichen Professor.
Überdies bewilligte sie die Anstellung eines Assistenten und eines Maschinenwärters, sowie
ausreichende Mittel für den laufenden Betrieb.
Die so getroffene Ordnung ist indessen nur kurze Zeit in Geltung gewesen, indem
Professor Mollier bereits Ende des Sommersemesters als Nachfolger Zeuners nach Dresden
berufen wurde. Herr Eugen Meyer, damals Dozent an der Technischen Hochschule in Han-
Zur Geschichte der Göttinger Vereinigung bis j8gg: von Feux Klein, 191
nover, wurde darauf, zunächst kommissarisch für einige Wochentage, mit dem Lehrauftrage
von Professor Mollier und der Wahrung der Institutsinteressen betraut. Er hatte vor allen
Dingen die begonnene Einrichtung des Instituts zu Ende zu führen; es war ein großer Moment,
als Anfang Dezember 1897 an unseren Maschinen die ersten Indikatordiagramme aufgenommen
werden konnten! Die ferneren Verhandlungen mit Herrn Eugen Meyer betreffs endgültiger
Übernahme der Professur führten dann bald zu denjenigen Vereinbarungen, auf Grund deren
unsere Einrichtungen ihre heutige Form angenommen haben. Unter Führung von Herrn
Dr. Böttinger und mit dem nächsten Zwecke der Förderung unserer Institute konstituierte sich
am 26. Februar 1898 eine eigene Gesellschaft, die Göttinger Vereinigung zur Förderung
der angewandten Physik. Dieser Vereinigung traten außer den Herren Dr. Böttinger,
Professor Dr. Linde und Kommerzienrat Krauss von Industriellen noch bei:
Herr Kommerzienrat Kuhn (Stuttgart),
„ Fabrikdirektor Rieppel (Nürnberger Maschinenbau-Aktiengesellschaft),
„ Direktor Schmitz als Vertreter der Firma Fried. Krupp, Essen,
„ Generaldirektor Wacker (Nürnberger Elektrizitäts- Aktiengesellschaft, vormals
Schuckert),
denen sich bald noch
Herr Präsident Bödiker (Siemens & Halske, Berlin)
anschloß. Von Seiten der Universität aber wurden Mitglieder der Vereinigung:
der Herr Kurator der Universität, Geheimer Oberregierungsrat Dr. Höpfner,
sowie die Professoren:
Des Coudres, Klein, Eugen Meyer, Nernst, Riecke, Voigt, Wallach,
nach einiger Zeit auch
Professor Lexis.
Durch das Eingreifen dieser Vereinigung und das entgegenkommende Verhalten der
Staatsregierung ist nun bisher folgendes erreicht:
A. Die Einrichtung und der regelmäßige Betrieb eines elektrotechnischen Labo-
ratoriums, welches unter spezieller Leitung von Professor Dr. Th. Des Coudres dem unter
der Direktion von Geheimrat Riecke stehenden Institute für Experimentalphysik angegliedert
ist. Professor Des Coudres hatte schon vorher im NERNsrschen Institut fiir physikalische Chemie
und Elektrochemie mit dem Unterricht in der Elektrotechnik begonnen und war dann mit
einem bez. Lehrauftrage am Institute für Experimentalphysik betraut worden. Jetzt konnten,
wenn auch nicht große, so doch einigermaßen ausreichende Summen zur Laboratoriums-
einrichtung zur Verfügung gestellt werden; dieselben belaufen sich seither auf 34000 Mark.
Auf Einzelheiten der Einrichtung und des Unterrichtsbetriebes wird wohl gelegentlich in dieser
Zeitschrift [physikal. Z.] zurückgekommen werden. Es wird wöchentlich einmal an einem Nach-
mittage ein elektrotechnisches Übungspraktikum abgehalten; ferner ist ausgiebige Gelegenheit
zu selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten gegeben. Die Studierenden der Chemie und
Physik, insbesondere auch die Lehramtskandidaten dieser Fächer, finden sich in wachsender
192 Zur Geschichte der Göiiinger Vereinigung.
Zahl ein, so daß jetzt schon der leider sehr unzureichende Raum des bestehenden Instituts
mehr wie ausgenutzt ist.
B. Die Einrichtung und der Betrieb eines Laboratoriums für allgemeine technische
Physik unter Professor Eugen Meyer. Der oben genannte Anbau wurde erweitert und mit
verschiedenen Maschinen zum Zwecke thermodynamischer Studien, sowie den zugehörigen
Meßapparaten ausgestattet. Wir nennen hier einen 20 pferdigen Dieselmotor, einen Kuhnschen
Petroleummotor, eine Lavalturbine, eine Kälteerzeugungsanlage mit Kohlensäurebetrieb, endlich
eine Kraftgasanlage. Im ganzen ist bisher eine Summe von 78 500 Mark zur Verwendung
gekommen. Dazu kommt (was übrigens auch bei der elektrischen Einrichtung hätte hervor-
gehoben werden können), daß die Beschaffung der maschinellen Anlagen seitens der liefernden
Firmen vielfach durch weitgehende Rabatte wesentlich erleichtert wurde. Einzelheiten der
Einrichtung müssen auch hier einer gesonderten Darstellung vorbehalten bleiben. Das Institut
erfreut sich lebhafter Beachtung über die zunächst beteiligten Kreise der Physiker und Mathe-
matiker hinaus. Von vornherein waren, wie schon angedeutet, die Interessen der Studierenden
der Landwirtschaft mit berücksichtigt worden. Neuerdings wurden Kurse für die in den tech-
nischen Staatsdienst (Eisenbahndienst) tretenden Juristen eingerichtet Namentlich sind es
aber auch hier Chemiker, die an den regelmäßigen Vorlesungen und Übungen, sowie an den
selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten teilnehmen. Es besteht die Absicht, die Laborato-
riumseinrichtung so zu vervollständigen, daß der Unterricht in technischer Mechanik, welchen
die neue Prüfungsordnung für die Lehramtskandidaten der Mathematik und Physik in Aussicht
nimmt, allseitig durch experimentelle Studien gestützt werden kann. In dieser Hinsicht wird
es sich darum handeln, auch für die Gebiete der Hydraulik und der Festigkeitslehre in
mäßigen Grenzen gehaltene Hilfsmittel zu beschaffen. Im übrigen aber soll das Gebiet der
Wärmekraftmaschinen, als eigenstes Arbeitsfeld des Direktors, nach Möglichkeit weiter ent-
wickelt werden. —
Zusammenfassend wird man sagen können, daß nach allen ins Auge gefaßten Rich-
tungen hin ein erfreulicher Anfang gemacht ist. Aber allerdings ist es nur ein Anfang. Es
wird nicht nur darauf ankommen, daß unsere Einrichtungen noch umfassender werden und
weiterhin mit dem Fortschreiten der Technik Schritt halten, sondern daß die Überzeugung von
ihrer Nützlichkeit, ja Notwendigkeit in immer weitere Kreise dringt Als neulich Herr
Dr. BöTTiNGER und ich selbst im Namen der Göttinger Vereinigung die Charlottenburger Hoch-
schule zu ihrer Jubelfeier begrüßten, haben wir eben hierauf das größte Gewicht gelegt; wir
haben erklärt, daß es unser Wunsch sei, durch unser Vorgehen an den deutschen Uni-
versitäten eine allgemeine Bewegung im Sinne einer Annäherung an die Technik
auszulösen. Ansätze im Sinne einer solchen Bewegung treten ja erfreulicherweise ver-
schiedentlich hervor; ich möchte hier insbesondere anführen, daß auf der jüngst verflossenen
Naturforscherversammlung in München zum ersten Male eine lebensfähige Abteilung für
angewandte Mathematik und Physik zu stände kam, an welcher sich außer hervorragenden
Ingenieuren zahlreiche Mathematiker und Physiker eingehend beteiligten. —
Ein Wort noch über das Verhältnis unserer Bestrebungen zu den Aufgaben und Zielen
der technischen Hochschulen. Ich darf mich dabei auf den Vortrag beziehen, den ich über
das allgemeine Thema: „Universität und Technische Hochschule" im vorigen Jahre [1898] auf
der Naturforscherversammlung in Düsseldorf gehalten habe. Ich verlangte dort einerseits „eine
durchgreifende Erweiterung der Universitäten nach der modernen Seite hin, eine volle wissen-
Schriften zur Tätigkeit der Göttinger Vereinigung, 193
schaftliche Berücksichtigung aller Momente, die in dem hochgesteigerten Leben der Neuzeit
als maßgebend hervortreten", andererseits aber trat ich für die freieste und weitestgehende Ent-
wicklung der technischen Hochschulen ein. In der Tat meine ich, daß beides nicht nur mit-
einander verträglich ist, sondern erst in seiner Vereinigung den Fortschritt ergibt, den wir
erreichen müssen. Um zu unseren spezielleren Göttinger Bestrebungen zurückzukehren: indem
wir den Studierenden der Universität einen gewissen Einblick in das Wesen der Technik
ermöglichen, indem wir gleichzeitig die abstrakteren Teile der Mathematik und Physik (welche
bei uns in Deutschland herkömmlicherweise nur an den Universitäten gelehrt werden) mit der
Technik in Berührung bringen, glauben wir auch der Technik selbst einen Dienst zu erweisen,
welcher neben den unmittelbarer hervortretenden Leistungen der Herren, die an der Tech-
nischen Hochschule wirken, als Ergänzung gelten mag. Ich betone aber lieber das Allgemeine.
Es besteht eine gewisse Gefahr, daß die Abtrennung der technischen Hochschule von der
Universität zu einer unheilvollen Zweiteilung unserer höchsten wissenschaftlichen Bildung führt.
Dem entgegenzuarbeiten scheint eben jetzt eine außerordentlich wichtige Aufgabe. Darum
begrüßen wir die Absicht, welche bei der Charlottenburger Feier hervortrat: an den Hoch-
schulen mehr als bisher die allgemeinen Wissenschaften zur Geltung zu bringen, mit besonderer
Freude, bitten aber zugleich, unseren Universitätsbestrebungen von der Gegenseite das gleiche
Wohlwollen entgegenzubringen.
Göttingen, Anfang November 1899.
An weiteren Schriften, welche die Tätigkeit der Göttinger Vereinigung darlegen,
vergleiche man:
F. Klein und E. Riecke, Über angewandte Mathematik und Physik in ihrer Bedeutung
für den Unterricht an den höheren Schulen. Vorträge beim Göttinger Ferien-
kurs, Ostern 1900, usw. (VIII und 250 Seiten), Leipzig, B. G. Teubner, 1900.
F. Klein und E. Riecke, Neue Beiträge zur Frage des mathematischen und physikalischen
Unterrichts an den höheren Schulen. Vorträge beim Göttinger Ferienkurs,
Ostern 1904, usw. {VIII und 198 Seiten). Leipzig, B. G. Teubner, 1904.
Erstere Schrift enthält folgende Einzelbeiträge:
Vorwort von F. Klein und E. Riecke.
Vorträge, gehalten beim Göttinger Ferienkurs Ostern 1900:
Zur Geschichte des physikalischen Institutes und des physikalischen Unterrichtes
an der Universität Göttingen. Von E. Riecke.
Allgemeines über angewandte Mathematik. Von F. Klein.
Über technische Mechanik. Von F. Klein.
Über darstellende Geometrie. Von Fr. ScmLLiNo.
Einführung in die Geodäsie. Von E. Wiechert.
Über Versicherungsmathematik. Von G. Bohlmann,
Über Wärmekraftmaschinen. Von Eug. Meyer.
Über Elektrotechnik. Von Th. Des Coüdres.
Wiederabdruck früherer Aufsätze von F. Klein:
Über den Plan eines physikalisch-technischen Institutes an der Universität Göt-
tingen. Vortrag, gehalten am 6. Dezember 1895 im Hannoverschen Bezirks-
verein des Vereins Deutscher Ingenieure.
GiUtinger Festschrift 25
194 '^'^ Geschichte der Göitinger Vereinigung,
Die Anforderungen der Ingenieure und die Ausbildung der mathematischen Lehr-
amtskandidaten. Vortrag, gehalten im Hannoverschen mathematischen Verein
am 20. April 1896.
Universität und technische Hochschule. Vortrag, gehalten in der ersten all-
gemeinen Sitzung der 70. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte in
Düsseldorf am 19. September 1898.
Über die Neueinrichtungen für Elektrotechnik und allgemeine technische Physik
an der Universität Göttingen (aus der Physikalischen Zeitschrift [Leipzig, Hirzel]
Dezember 1899).
Nachwort.
Die Einzelaufsätze der zweiten Schrift haben folgende Titel:
Vorwort von F. Klein und E. Riecke.
Allgemeines über den mathematischen Unterricht.
Über eine zeitgemäße Umgestaltung des mathematischen Unterrichts an den höheren
Schulen. Von F. Klein.
Bemerkungen im Anschluß an die Schulkonferenz 1900. Von F. Klein.
Über das Lehrziel im mathematischen Unterricht an höheren Lehranstalten. Von
E. GöTTING.
Hundert Jahre mathematischer Unterricht an den höheren preußischen Schulen.
Von F. Klein.
Bemerkungen zu den sogenannten Hamburger Thesen der Biologen. Von F. Klein.
Physikalischer Unterricht.
Grundlagen der Elektrizitätslehre mit Beziehung auf die neueste Entwicklung.
Von E. Riecke.
Über einige den Unterricht in der Physik und Chemie an höheren Schulen be-
treffende Fragen. Von O. Behrendsen.
Über Physik an der Schule. Von J. Stark.
Über Kurse in physikalischer Handfertigkeit. Von E. Böse.
Astronomische Beobachtungen mit elementaren Hilfsmitteln. Von K. Schwarzschild.
Darstellende Geometrie.
Über die Anwendungen der darstellenden Geometrie, insbesondere über die Photo-
grammetrie. (Anwendungen auf Stereometrie, Kinematik, graphische Statik,
mathematische Physik, Analysis und Algebra, Geodäsie, Astronomie und
mathematische Geographie , Kristallographie, Architektur, Maschinenlehre,
Ingenieurwissenschaften, Physiologie und Psychologie, Kunst, Photogrammetrie).
Von Fr. Schilling.
Daten zur äußeren Entwicklung der Göttinger Vereinigung, igj
Daten zur äußeren Entwicklung der Göttinger Vereinigung.
1898. 26. Februar. Erste Tagung in Göttingen:
Gründung der Göttinger Vereinigung zur Förderung der angewandten Physik
unter Mitwirkung von Generaldirektor Dr. Böttinger, Elberfeld, und Professor
Dr. V. Linde, München. (Entwicklung des Instituts für technische Physik; Auf-
nahme der angewandten Elektrizität.)
Beitritt von:
Kommerzienrat Krauss, München.
Kommerzienrat Kühn, Stuttgart
Fabrikdirektor Baurat Rieppel, Nürnberg.
Fried. Krupp, Essen (vertreten durch Direktor Schmitz).
Generaldirektor Kommerzienrat Wacker (Schuckert), Nürnberg.
19. Juli. Zweite Tagung in Göttingen. (Ausbau des Instituts für technische Physik.)
22. August. Beitritt von Siemens & Halske, A.-G. Berlin (vertreten durch Wirklichen
Geheimen Oberregierungsrat Dr. Bödiker und seit 1903 Professor Dr. E. Büdde).
1. Oktober. Erster Staatszuschuß von 18000 Mark.
1899. i. ApriL Zweiter Staatszuschuß von 18000 Mark.
2. Mai. Dritte Tagung in Göttingen.
19. Mai. Beitritt von Kommerzienrat H. Levin, Göttingen.
18. Juli. Beitritt der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft, Berlin (vertreten
durch Geheimen Baurat Dr. ing. h. c. Rathenau).
5. Dezember. Vierte Tagung in Göttingen.
1900. 18. ApriL Beitritt von Kommerzienrat Th. v. Güilleaume, Mülheim a. Rh.
22. April. Wegberufung von Professor Eüg. Meyer als ordentlicher Professor nach
Charlottenburg.
28. September. Neuberufung von Professor H. Lorenz aus Halle.
17. Dezember. Fünfte Tagung in Göttingen. (Ausdehnung des Interessenbereiches auf
die angewandte Mathematik.)
1901. 8. Januar. Tod von Kommerzienrat H. Levin, Göttingen.
I. Februar. Beitritt von Frau Kommerzienrat Levin, Göttingen.
19. April. Beitritt des Norddeutschen Lloyd, Bremen (vertreten durch General-
direktor Dr. Wiegand und Professor Dr. C. Schilling).
27. Juni. Wegberufung von Professor Des Coüdres als außerordentlicher Professor
nach Würzburg.
I. August. Sechste Tagung in Göttingen.
i. Oktober. Neuberufung von Professor H. Th. Simon aus Frankfurt a. M.
8. Oktober. Beitritt des Bochumer Vereins (Kommerzienrat Baare), Bochum.
10. Oktober. Siebente Tagung in Bremen und Bremerhafen, als Gast des Nord-
deutschen Lloyd.
1902. 9. März. Beitritt von Herrn Herm. Levin d. J., Göttingen.
25*
196 Zur Geschichte der G'ot tinger Vereinigung,
1902. I. April. Dritter Staatszuschuß mit 420x50 Mark.
Schenkung nautischer Instrumente durch den Norddeutschen Lloyd.
Erweiterung des Instituts für technische Physik.
2. August. Achte Tagung in Göttingen.
5. Dezember. Beitritt von Kommerzienrat M. v. Guilleaumk, Köln a. Rh.
1903. 14. — 16. April. Neunte Tagung in Elberfeld, Leverkusen und Mülheim a. Rh., als Gast
von Dr. Bötiinger und Felten & Guilleaume.
3. Mai. Schenkung von Apparaten und Präparaten für ein Färbelaboratorium durch
die Farbenfabriken Bayer & Co., Elberfeld.
Schenkung eines Telephonkabels durch Felten & Guilleaume, Carlswerk, Mül-
heim a. Rh. (Vgl. S. 90.)
Juli. Schenkung eines Satzes von Instrumenten zur Markscheidekunst durch die
Firma Fried. Krupp, Essen. ^
August. Schenkung von Stahlmaterial zu Versuchszwecken durch die Firma Fried.
Krupp, Essen.
22, Oktober. Tod von Kommerzienrat Kuhn, Stuttgart.
28. November. Zehnte Tagung in Göttingen.
1904. Januar. Schenkung von Diapositiven und Materialien zur Metallographie durch
Fried. Krupp, Essen.
25. März. Beitritt der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron, Frankfurt a. M. (ver-
treten durch Professor Lepsius).
I. April. Wegberufung von Professor Lorenz als ordentlicher Professor nach
Danzig.
6. und 7. Mai. Elfte Tagung in Essen, als Gast der Firma Fried. Krupp, Essen.
Mai. Schenkung von drei beschossenen Panzerplattenstücken, von Geschossen und
Proben zur Festigkeitslehre durch die Firma Fried. Krupp, Essen.
31. Mal Beitritt der Lederfabrik Carl Simon Söhne, Kirn a. d. Nahe (vertreten durch
Herrn Theodor Simon).
Juli. Schenkung von 14 Stahlsorten und einer Gußeisenprobe von verschiedenen
magnetischen Eigenschaften durch die Firma Fried. Krupp, Essen.
Juli. Schenkung von acht Spiralfedern zu einem Vertikalseismographen durch die
Firma Fried. Krupp, Essen.
I. Oktober. Berufung von Professor L. Prandtl aus Hannover als Nachfolger von
Professor Lorenz.
Schenkung von 15 großen Photographien hervorragender Eisenkonstruktionen durch
Herrn Baurat Dr. Rieppel.
Wegberufung von Professor Fr. Schilling als ordentlicher Professor nach Danzig.
Neuberufung von Professor C. Runge aus Hannover.
14. November. Beitritt von Herrn Alfred Ackermann-Teubner, Verlagsbuchhändler Leipzig.
I. Dezember. Beitritt des Vereins deutscher Ingenieure (vertreten durch Baurat
Dr. ing. h. c. Peters).
17. Dezember. Zwölfte Tagung in Göttingen.
20. Dezember. Dr. Böttinger in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Göttinger
Vereinigung zum Geheimen Regierungsrat ernannt.
Daten zur äußeren Entwicklung der Göttinger Vereinigung, igy
1905. 21. Januar. Beitritt von Generaldirektor Dr. ing. h. c. W. v. Öchelhäuser, DessaiL
I. April. Vierter Staatszuschuß (Neubau für angewandte Elektrizität) mit 75000 Mark.
Wegberufung von Professor Nernst nach Berlin.
Neuberufung von Professor Dolezalek aus Danzig.
Mai. Schenkung von Eisen- und Stahlmaterialien zu Versuchszwecken durch die
Firma Fried. Krupp, Essen.
2^. — 24. Juni. Dreizehnte Tagung in Berlin, als Gast von Siemens & Halske.
Schenkung einer großen Gitteraufstellung (vgl. S. 41, 42) für das physikalische Institut
durch die Firma Fried. Krupp, Essen.
12. Juli. Beitritt von Ludw. Loewe & Co., A.-G., Berlin (vertreten durch Geheimen
Kommerzienrat J. Loewe).
9. Dezember. Einweihung des neuen physikalischen Hauptinstitutes und des Neu-
baues für angewandte Elektrizität. Die Abteilung fiir angewandte Elektrizität
wird als dritte Abteilung des physikalischen Institutes einem selbständigen Direktor
unterstellt.
Das Institut für technische Physik wird mit den bisherigen Unterrichtseinrich-
tungen für angewandte Mathematik in den Räumen des alten physikalischen Institutes,
Prinzenstraße 21, zu einem Institute für angewandte Mathematik und Mechanik
vereinigt
Schenkung der Hilfsmittel zur Einrichtung eines Praktikums für Radioaktivität
und Elektronik, sowie von Hilfsmitteln für spektroskopische Untersuchungen durch
Geheimrat Dr. Böttinger.
10. Dezember. Vierzehnte Tagung in Göttingen.
Beitritt von Geheimrat Nernst, Berlin, als auswärtiges Mitglied.
2^. Dezember. Geheimrat Klein von der technischen Hochschule in München zum
„Doktor der technischen Wissenschaften ehrenhalber*' ernannt.
1906. Mai. Schenkung von Leder für die Einbände der Festschrift durch die Firma
Carl Simon Söhne, Kim.
igS
Zur Geschichte der Gottinger Vereinigung ; finanzielle Übersicht,
Übersicht über die für die Bestrebungen der Vereinigung aufgebrachten
und verwendeten Summen.
Finanzielle Gesamtleistung der Vereinigung 1898 — 1906 220900 Mark.
Finanzielle Gesamtleistung der Staatsregierung (abgesehen von persönlichen
und indirekten sachlichen Zuschüssen) 1 85 000 Mark.
Summa 405 900 Mark.
Davon sind verwendet:
Von der
Vereinigung
Mark
Für das Institut für angewandte Mechanik ' rund
Für das Institut für angewandte Elektrizität rund
Für das Institut für angewandte Mathematik
Für das Färbetechnische Laboratorium
Zur Einrichtung eines Praktikums der Radioaktivität und
Elektronik am physikalischen Institut (vgl. S. 36) . . .
Zur Beschaffung von Hilfsmitteln für Spektroskopie am
physikalischen Institut (vgl. S. 19)
Für die Universitätsbibliothek zur Vervollständigung der
technischen Literatur
Für Verwaltung usw.
120000
70000
10 000
3000
6000
4000
7 150
750
^onaerdiaais-
regierung
Insgesamt
Mark
Mark
98000
218000
87000
157000
—
10 000
—
3000
6000
4000
7150
750
220 900 1 85 000 405 900
4-
Mitgliederliste der Vereinigung, 1906.
Erster Vorsitzender: Eingetreten
BöTTiNGER, Geheimer Regierungsrat, Dr. phil. h. c, M. d. A., Elberfeld 1898
Zweiter Vorsitzender:
Klein, Geheimer Regierungsrat, Professor Dr., Dr. ing. h. c, Göttingen 1898
Vertreter der Industrie:
Ackermann-Teubner, Alfred, Ilofrat, Verlagsbuchhändler, Leipzig 1904
Baare, Kommerzienrat (Vertreter des Bochumer Vereins), Bochum 1901
BöDiKER, Wirklicher Geheimer Regierungsrat Dr. h. c. (Vertreter von Siemens & Halske),
Berlin 1898
Mitgliederliste der Göttinger Vereinigung, igg
Eingetreten
BöTTiNGER, Geheimer Regierungsrat, Dr. phil. h. c, M. d. A., Elberfeld 1898
BüDDE, Professor Dr. (Vertreter von Siemens & Halske), Berlin 1903
Ehrensberger, Direktor (Vertreter von Fried. Krupp), Essen 1898
V. GuiLLEAUME, Th., Kommcrzienrat, Köln a, Rh 1900
V. GuiLLEAUME, M., Kommerzienrat, Köln a. Rh 1902
LEPsros, Professor Dr. (Vertreter der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron), Griesheim a. M. 1 904
Levin, Frau Kommerzienrat, Göttingen 1901
Levin, Hermann, Göttingen 1 902
V. Linde, Professor Dr. phil. h, c, München 1898
LoEWE, Geheimer Kommerzienrat (Vertreter von Ludwig Loewe & Co., A.-G.), Berlin . 1905
V. Öchelhäuser, W., Dr. ing. h. c, Generaldirektor, Dessau 1905
Peters, Geheimer Baurat, Dr. ing. h. c. (Vertreter des Vereins deutscher Ingenieure), Berlin 1 904
Rathenau, Geheimer Baurat, Dr. ing. h. c. (Vertreter der Allgemeinen Elektricitäts-
Gesellschaft), Berlin 1899
Rieppel, Baurat, Dr. ing. h. c, Dr. phil. K c, Nürnberg 1898
Schilling, C, Professor Dr. (Vertreter des Norddeutschen Lloyd), Bremen 1900
Simon, Theodor (Vertreter der Lederfabrik Carl Simon Söhne), Kirn a. d. Nahe . . . . 1 904
Wacker, Kommerzienrat, Nürnberg 1898
WiEGAND, Generaldirektor Dr. (Vertreter des Norddeutschen Lloyd), Bremen 1900
Vertreter der Universität Göttingen:
HöPFNER, Geheimer Oberregierungsrat Dr., Kurator der Universität 1898
Ambronn, Professor Dr 1905
Brendel, Professor Dr. 1905
DoLEZALEK, Professor Dr 1905
Fleischmann, Professor Dr., Geheimer Regierungsrat 1904
HiLBERT, Professor Dr., Geheimer Regierungsrat 1903
Klein, Professor Dr., Dr. ing. h. c. Geheimer Regierungsrat 1898
Lexis, Professor Dr., Geheimer Regierungsrat 1898
Minkowski, Professor Dr 1903
Prandtl, Professor Dr 1904
Riecke, Professor Dr., Geheimer Regierungsrat 1898
Runge, Professor Dr 1904
Schwarzschild, Professor Dr 1903
v. Seelhorst, Professor Dr 1904
Simon, Professor Dr , 1901
Tammann, Professor Dr 1903
Voigt, Professor Dr., Geheimer Regierungsrat 1898
Wagner, Professor Dr., Geheimer Regierungsrat 1901
Wallach, Professor Dr., Geheimer Regierungsrat 1898
WiECHERT, Professor Dr. 1 899
Auswärtige Mitglieder:
Nernst, Professor Dr., Geheimer Regierungsrat, Berlin 1898
200 Zur Geschichte der Göttin g er Vereinigung,
Durch Wegberufung ausgeschiedene Mitglieder: _
Des Coudres, Th., Professor Dr., Leipzig 1901
Meyer, Eug., Professor Dr. phil. h. c, Charlottenburg 1900
MoLLiER, Professor Dr., Dresden 1898
Schilling, Fr., Professor Dr., Danzig 1904
Durch Tod ausgeschieden:
Kühn, Kommerzienrat, Stuttgart 1903
Levin, Kommerzienrat, Göttingen 1900
Schmitz, Direktor (Vertreter von Fried. Krupp), Essen 1900
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0VC 4400 S.I
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